Perspektiven verurteilter Wirtschaftsstraftäter : Erklärungsansatz der Entstehungsgründe von Wirtschaftskriminalität und deren Prävention in Unternehmen 9783834936059, 3834936057 [PDF]

Wirtschaftskriminelle Handlungen verursachen einen erheblichen materiellen und immateriellen Schaden. Dabei handelt es s

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Perspektiven verurteilter Wirtschaftsstraftäter : Erklärungsansatz der Entstehungsgründe von Wirtschaftskriminalität und deren Prävention in Unternehmen
 9783834936059, 3834936057 [PDF]

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Zitiervorschau

Alexander Schuchter Perspektiven verurteilter Wirtschaftsstraftäter

GABLER RESEARCH

Alexander Schuchter

Perspektiven verurteilter Wirtschaftsstraftäter Gründe ihrer Handlungen und Prävention in Unternehmen Mit Geleitworten von Prof. Dr. Peter Leibfried und Prof. Michael Levi, Ph.D.

RESEARCH

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Dissertation Universität St. Gallen, Schweiz, 2011

1. Auflage 2012 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2012 Lektorat: Marta Grabowski | Sabine Schöller Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-3605-9

„Ich habe manchmal den leisen Verdacht, dass man es gar nicht lösen möchte.“ Befragter und rechtskräftig verurteilter Wirtschaftsdelinquent (BWD 8)

Geleitwort

VII

Geleitwort von Prof. Dr. Peter Leibfried, MBA, CPA Universität St. Gallen (HSG) Dieses Buch behandelt ein populäres Thema: Wirtschaftskriminalität. Seit Jahrzehnten werden solche Delikte von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, Juristen, Psychologen, Journalisten und nicht zuletzt von der kritischen Öffentlichkeit diskutiert. Ohne Zweifel handelt es sich dabei um einen besonders relevanten Sachverhalt. Wie der Verfasser eindrücklich zeigen kann, setzte sich die wissenschaftliche Auseinandersetzung seit ihren Anfängen gegen eine Stigmatisierung der Wirtschaftskriminellen durch die Öffentlichkeit ein. Anfangs kämpfte der wissenschaftliche Pionier Sutherland gegen die öffentliche Meinung, kriminelle Handlungen könnten nur von Unterschichten begangen werden. Heute ist Wirtschaftskriminalität als Phänomen bekannt, das in allen gesellschaftlichen Schichten vorkommen kann.

Alexander Schuchter beschreibt den aktuellen Stand der Forschung. Delinquenten werden oftmals mit negativen Eigenschaften belegt. Diese gelten dann folglich als Grund der stattgefundenen dolosen Handlung in Unternehmen. Als Lösung wird den institutionellen Opfern die Entlassung der Wirtschaftskriminellen vorgeschlagen. Derartige Sanktionen sind sicherlich nicht falsch. Wie Schuchter darlegt, wird durch eine solche Problemanalyse aber die Vielschichtigkeit, Komplexität sowie die institutionelle Einbettung fraudulenter Handlungen ignoriert.

Mit der Arbeit adressiert der Autor die beschriebene Forschungslücke. Dabei stellt er folgende zentrale Frage in den Mittelpunkt: „Welche tatsaulösenden Ursachen existieren und wie kann Wirtschaftskriminalität in der Schweiz und in Österreich durch unternehmensinterne Präventionsmassnahmen vermieden werden?“ Nur selten wird dort angesetzt, wo die meiste „Kompetenz“ über das Geschehen vorhanden sein dürfte: Beim Wirtschaftsstraftäter selbst. Schuchter untersuchte diese Fragestellung, indem er qualitative Interviews mit wegen schwerer Wirtschaftsdelikte verurteilten Tätern durchführte.

Der Fokus richtet sich damit auf ein hochaktuelles Thema in einem bislang kaum erforschten Bereich mit zahlreichen Herausforderungen, die in dieser Untersuchung erfolgreich gemeistert wurden. Darüber hinaus ist das empirische Material durch die gründlich geplanten, professionell durchgeführten und umfassend analysierten Täterinterviews besonders eindrucksvoll. Komplexe Wirkungszusammenhänge werden in einer leicht verständlichen Form abgebildet. Nicht zuletzt beeindruckt das Buch durch eine grosse Anzahl an konkreten und wichtigen Hinweisen für die Ausgestaltung der betrieblichen Praxis zur Vermeidung von Wirtschaftsstraftaten.

Prof. Dr. Peter Leibfried, CPA, MBA Geschäftsführender Direktor des Instituts für Accounting, Controlling und Auditing der Universität St. Gallen (ACA-HSG) und Doktorvater von Alexander Schuchter

VIII

Geleitwort

Geleitwort von Prof. Michael Levi, Ph.D., D.Sc. Cardiff University Serious studies that systematically examine fraud using interviews with major white-collar offenders are all too rare. Dr. Schuchter performs a valuable contribution by doing so in an especially rare context of German-language offenders and literature.

Prof. Michael Levi, Ph.D., D.Sc. Professor of Criminology at Cardiff University

Danksagung

IX

Danksagung An dieser Stelle möchte ich meinen Dank aussprechen an all diejenigen, die zum Gelingen dieses Gesamtwerkes beigetragen haben.

Mein erster Dank gilt meinem werten Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Peter Leibfried, MBA, CPA, der mir die Dissertation durch die Übernahme des Referats und seine stets unkomplizierte Unterstützung ermöglichte. Ein ebenso grosser Dank gebührt meinem verehrten Korreferenten, Herrn Prof. Dr. Urs Jäger. Beide haben mir ein Mass an akademischer Freiheit eingeräumt, durch das persönliches Wachstum erst möglich wurde. Ihre besonders konstruktiven Anregungen in entscheidenden Phasen haben die vorliegende Arbeit massgeblich geprägt.

Frau Prof. Dr. Ingrid Herrmann hat mir als erfahrene Wirtschaftswissenschaftlerin besonders konstruktive und raffinierte Anregungen gegeben. Dafür, für die moralische Unterstützung und für die unzähligen wertvollen persönlichen und fachlichen Gespräche möchte ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken.

Die Association of Certified Fraud Examiners Switzerland Chapter (ACFE) begrüsste mein Untersuchungsvorhaben und vermittelte eine für die Untersuchung geeignete Person. Auch hierfür möchte ich mich bedanken. Ein grosser Dank gebührt nachfolgend angeführten Einrichtungen, die den Zugang zum herausfordernden Forschungsfeld genehmigten und dieser Arbeit damit eine Chance gaben. ƒ

Landesgericht Feldkirch in Vorarlberg

ƒ

Landesgericht Innsbruck in Tirol

ƒ

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich

ƒ

Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich

ƒ

Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn

ƒ

Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen

ƒ

Staatsanwaltschaft des Kantons Zug

ƒ

Untersuchungsrichteramt des Kantons Bern

ƒ

Untersuchungsrichteramt des Kantons Thurgau

ƒ

Verhöramt des Kantons Schwyz

Ein herzliches Dankeschön auch an meine Tante, Frau Rechtsanwältin und Richterin Mag. Dagmar Quendler, für die juristischen Ratschläge, welche sich als besonders hilfreich erwiesen haben. Bedanken möchte ich mich ebenso bei einem guten Freund der Familie, Herrn Dr. Günther Böh-

X

Danksagung

ler, Richter am Landesgericht Innsbruck, für seine Unterstützung bei der Akteneinsicht und Wertschätzung meiner Arbeit. Danke auch an Herrn Mag. Gerald Schmidt für seine wertvolle und geduldige Unterstützung in softwaretechnischen Belangen.

In meinem Vorhaben motiviert haben mich Expertengespräche mit Herrn Dr. Adrian Pfeiffer, Herrn Dr. Christof Müller, Gianfranco Mautone, Herrn Hans-Willi Jackmuth, Herrn lic. oec. Helmut Hersberger, Herrn Dr. John Ederer, Frau Prof. Dr. Marianne Hilf, Herrn Dr. Peter Herren, Herrn lic. iur. Peter Pellegrini, Herrn Dr. Peter Zihlmann, Herrn lic. iur. Ulrich Arbenz und anderen Spezialisten auf dem Gebiet der Wirtschaftskriminalität. Allen möchte ich meinen Dank aussprechen.

Zudem möchte ich mich bei allen interviewten Personen bedanken, welche sich freiwillig zur Verfügung gestellt haben, um über dieses ernste Thema zu sprechen und damit ihre Erfahrungen der Wissenschaft zur Verfügung stellten. Dabei durfte ich interessante Persönlichkeiten kennenlernen, die durch ihr Engagement und ihre unverhofft aufgeschlossene Gesprächsbereitschaft eine Untersuchung dieser kaum erforschten Perspektive ermöglichten.

Ausserdem gebührt dem seit kurzem emeritierten Sprachwissenschaftler und Entwickler von GABEK®, Herrn Prof. Dr. Josef Zelger, ein besonderer Dank für seine spezifischen Hinweise zur Datenauswertung.

Des Weiteren möchte ich mich ganz herzlich bei Herrn Prof. Dr. Thomas Eberle für die hilfreichen Konversationen zur Hermeneutik bedanken. Für die aktive Textproduktion im Rahmen des hermeneutischen Verfahrens danke ich den Interpretationsteams Schweiz mit Frau Alexandra Widmer und Herrn Manuel Sidler, und Österreich mit Frau Dipl.-Päd. Susanne Arens und Frau Mag. Clara Théoule-Zieger. Ein weiterer Dank ist an meine Studiengruppe der Übung „Formen und Methoden des Lernens und des wissenschaftlichen Arbeitens“ (Herbstsemester 2010) an der Universität St. Gallen gerichtet. Ihre vielfältigen Darlegungen transkribierter Textsequenzen ermöglichen dem Leser einen Einblick in das „zwischen den Zeilen“ Verborgene.

Das wichtigste Fundament für die Erstellung meiner Dissertation haben meine Eltern, Helena und Manfred, gelegt. Sie haben mir etliche Voraussetzungen für den Erfolg eines jungen Menschen mit auf den Weg gegeben, und dafür danke ich ihnen.

St. Gallen, im Oktober 2011

Alexander Schuchter

Inhaltsübersicht

XI

Inhaltsübersicht I

Einleitung .............................................................................................................................. 1 1 Status quo .......................................................................................................................... 2 2 Stand der Forschung .......................................................................................................... 4 3 Problemstellung ................................................................................................................. 7 4 Zielsetzung ........................................................................................................................ 8 5 Grundannahmen und Forschungsfragen .......................................................................... 11 6 Positionierung .................................................................................................................. 13 7 Aufbau der Arbeit ............................................................................................................ 16

II

Themenrelevanz .................................................................................................................. 18 1 Schäden durch Wirtschaftskriminalität ........................................................................... 18 2 Dunkelfeldproblematik .................................................................................................... 29 3 Vorkommen doloser Handlungen .................................................................................... 34 4 Zusammenfassung von Kapitel II .................................................................................... 36

III

Wirtschaftskriminalität: Ein vielfältiger Begriff ............................................................. 38 1 Begriffserklärung nach Sutherland .................................................................................. 38 2 Facettenreichtum des Begriffs ......................................................................................... 40 3 Interdisziplinäre Betrachtung .......................................................................................... 45 4 Abgrenzung zwischen gesetzeskonformen und dolosen Handlungen ............................. 54 5 Begriffsdefinition dieser Arbeit ....................................................................................... 57 6 Zusammenfassung von Kapitel III .................................................................................. 61

IV

Theoretischer Bezugsrahmen ............................................................................................ 63 1 „Fraud Triangle“ und „Fraud Diamond“ ......................................................................... 64 2 Exkurs: Theorie der differentiellen Assoziation .............................................................. 82 3 Zusammenfassung von Kapitel IV .................................................................................. 84

V

Forschungsmethodisches Vorgehen .................................................................................. 85 1 Grundlagen ...................................................................................................................... 85 2 Zugang zum Forschungsfeld ........................................................................................... 93 3 Erhebungsverfahren ......................................................................................................... 94 4 Aufbereitungsverfahren ................................................................................................. 104 5 Auswertungsverfahren ................................................................................................... 105 6 Zusammenfassung von Kapitel V.................................................................................. 132

VI

Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse........................................ 134 1 Ebenen des Gestaltenbaumes......................................................................................... 135 2 Assoziationen zwischen Schlüsselausdrücken .............................................................. 142 3 Bewertete Themen ......................................................................................................... 145 4 Bedeutende Kausalbeziehungen .................................................................................... 154 5 Zyklische Kausalbeziehungen um den Tatauslöser ....................................................... 177

VII Forschungsergebnisse durch die hermeneutische Interpretation ................................ 179 1 Interpretationen von zwei markanten Interviewsequenzen ........................................... 180 2 Auffälligkeiten im „zwischen den Zeilen Verborgenen“ .............................................. 192 VIII Vergleich der Auswertungsergebnisse von Kapitel VI und VII ................................... 197 1 Mangelhafte Kontrolle bietet Gelegenheiten ................................................................. 197 2 Zielerreichung unter hohem Druck................................................................................ 200 IX

Zusammenfassung der zentralen Forschungsergebnisse und Schlussfolgerungen .... 203 1 Beitrag aus methodischer Sicht ..................................................................................... 203 2 Beitrag aus theoretischer Sicht ...................................................................................... 205 3 Beitrag für die betriebswirtschaftliche Praxis ............................................................... 208

Inhaltsverzeichnis

XIII

Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis ............................................................................................................XVII Abbildungsverzeichnis .............................................................................................................. XXI Tabellenverzeichnis ..................................................................................................................XXII Formale Hinweise ................................................................................................................... XXIII Transkriptionsregeln.............................................................................................................. XXIII I

Einleitung .............................................................................................................................. 1 1 Status quo .......................................................................................................................... 2 2 Stand der Forschung .......................................................................................................... 4 3 Problemstellung ................................................................................................................. 7 4 Zielsetzung ........................................................................................................................ 8 5 Grundannahmen und Forschungsfragen .......................................................................... 11 6 Positionierung .................................................................................................................. 13 7 Aufbau der Arbeit ............................................................................................................ 16

II

Themenrelevanz .................................................................................................................. 18 1 Schäden durch Wirtschaftskriminalität ........................................................................... 18 1.1 Materielle Schäden ................................................................................................ 19 1.2 Immaterielle Schäden ............................................................................................ 22 2 Dunkelfeldproblematik .................................................................................................... 29 2.1 Paradoxer Effekt von Prävention ........................................................................... 31 2.2 Forschung zum Dunkelfeld.................................................................................... 32 3 Vorkommen doloser Handlungen .................................................................................... 34 4 Zusammenfassung von Kapitel II .................................................................................... 36

III

Wirtschaftskriminalität: Ein vielfältiger Begriff ............................................................. 38 1 Begriffserklärung nach Sutherland .................................................................................. 38 2 Facettenreichtum des Begriffs ......................................................................................... 40 3 Interdisziplinäre Betrachtung .......................................................................................... 45 3.1 Rechtswissenschaft ................................................................................................ 46 3.2 Wirtschaftsethik ..................................................................................................... 49 3.3 Soziologie .............................................................................................................. 51 3.4 Psychologie ............................................................................................................ 52 3.5 Betriebswirtschaft .................................................................................................. 53 4 Abgrenzung zwischen gesetzeskonformen und dolosen Handlungen ............................. 54 5 Begriffsdefinition dieser Arbeit ....................................................................................... 57 5.1 Begriffseingrenzung .............................................................................................. 57 5.2 Begriffsbestimmung .............................................................................................. 59 6 Zusammenfassung von Kapitel III .................................................................................. 61

IV

Theoretischer Bezugsrahmen ............................................................................................ 63 1 „Fraud Triangle“ und „Fraud Diamond“ ......................................................................... 64 1.1 Gelegenheit als Voraussetzung zur Tatausübung .................................................. 68

XIV

Inhaltsverzeichnis 1.2 1.3

Rationalisierung der Tat ........................................................................................ 69 Motivationen der Tat ............................................................................................. 72 1.3.1 Anreiz als tatauslösendes Element ............................................................ 72 1.3.2 Druck als tatauslösendes Element ............................................................. 73 1.4 Vom „Fraud Triangle“ zum „Fraud Diamond“: Durch die Fähigkeit zur Tat ....... 75 1.4.1 Fähigkeit zum „management override“ ..................................................... 76 1.4.2 Machiavellistische Intelligenz ................................................................... 79 2 Exkurs: Theorie der differentiellen Assoziation .............................................................. 82 3 Zusammenfassung von Kapitel IV .................................................................................. 84 V

Forschungsmethodisches Vorgehen .................................................................................. 85 1 Grundlagen ...................................................................................................................... 85 1.1 Wissenschaftstheoretische Überlegungen ............................................................. 85 1.2 Forschungsansatz ................................................................................................... 87 1.3 Aufbau der empirischen Untersuchung ................................................................. 89 2 Zugang zum Forschungsfeld ........................................................................................... 93 3 Erhebungsverfahren ......................................................................................................... 94 3.1 Problemzentriertes Interview ................................................................................. 95 3.2 Anreizgenerierung und Vertrauensbildung............................................................ 99 3.3 Befragung und Befragte ....................................................................................... 101 4 Aufbereitungsverfahren ................................................................................................. 104 5 Auswertungsverfahren ................................................................................................... 105 5.1 Qualitative Inhaltsanalyse (QIA): GABEK® ....................................................... 106 5.1.1 Informationstechnologische Unterstützung der QIA............................... 109 5.1.2 Aufbau der QIA ....................................................................................... 111 5.1.3 Qualitätssicherung der QIA ..................................................................... 116 5.1.4 Ziele der QIA........................................................................................... 119 5.2 Hermeneutische Interpretation: Feinstrukturanalyse ........................................... 123 5.2.1 Aufbau der Interpretationen .................................................................... 125 5.2.2 Qualitätssicherung der Interpretationen .................................................. 128 5.2.3 Ziele der Interpretationen ........................................................................ 131 5.3 Ergebnisvergleich beider Auswertungsverfahren ................................................ 131 6 Zusammenfassung von Kapitel V.................................................................................. 132

VI

Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse........................................ 134 1 Ebenen des Gestaltenbaumes......................................................................................... 135 1.1 Obergruppen: Übergeordnete Hypergestalt ......................................................... 138 1.2 Schwerpunkte: Sprachliche Hypergestalt ............................................................ 139 1.3 Problemfelder: Sprachliche Gestalt ..................................................................... 140 2 Assoziationen zwischen Schlüsselausdrücken .............................................................. 142 3 Bewertete Themen ......................................................................................................... 145 3.1 Bewertung der Ist- und Soll-Situation ................................................................. 145 3.2 Bewertung relevanter Schlüsselausdrücke .......................................................... 146 3.3 Divergent bewertete Schlüsselausdrücke............................................................. 151 4 Bedeutende Kausalbeziehungen .................................................................................... 154 4.1 Einflüsse auf Präventionsmassnahmen ................................................................ 157 4.2 Auswirkungen von Präventionsmassnahmen ...................................................... 161 4.3 Einflüsse auf und Auswirkungen von Kontrolle ................................................. 163 4.4 Einflüsse auf und Auswirkungen von Vertrauen ................................................. 165 4.5 „Fraud Triangle“ und „Fraud Diamond”: Tatauslösende Faktoren ..................... 167

Inhaltsverzeichnis

XV

4.5.1 4.5.2

Gelegenheit als zwingende Voraussetzung zur Tatausübung ................. 168 Ausbleibende Rationalisierung: Verurteilung der Tat durch die innere Stimme..................................................................................................... 169 4.5.3 Anreiz als Motivation zur Tatausübung .................................................. 171 4.5.4 Druck als Motivation zur Tatausübung ................................................... 172 4.5.5 Zusammensetzung der Fähigkeit zur Tat ................................................ 174 4.6 Unbewusste Tat: Unvollständiges „Fraud Triangle“ ........................................... 176 5 Zyklische Kausalbeziehungen um den Tatauslöser ....................................................... 177 VII Forschungsergebnisse durch die hermeneutische Interpretation ................................ 179 1 Interpretationen von zwei markanten Interviewsequenzen ........................................... 180 1.1 Inhaltlicher Trend im Interviewmaterial: „Kontrolle“ ......................................... 181 1.2 Besondere Relevanz der Kernvariable „Druck“ .................................................. 187 2 Auffälligkeiten im „zwischen den Zeilen Verborgenen“ .............................................. 192 2.1 „Kontrolle“ als bedeutsame Präventionsmassnahme ........................................... 192 2.2 „Druck“ als zentraler Tatauslöser ........................................................................ 194 VIII Vergleich der Auswertungsergebnisse von Kapitel VI und VII ................................... 197 1 Mangelhafte Kontrolle bietet Gelegenheiten ................................................................. 197 2 Zielerreichung unter hohem Druck................................................................................ 200 IX

Zusammenfassung der zentralen Forschungsergebnisse und Schlussfolgerungen .... 203 1 Beitrag aus methodischer Sicht ..................................................................................... 203 2 Beitrag aus theoretischer Sicht ...................................................................................... 205 3 Beitrag für die betriebswirtschaftliche Praxis ............................................................... 208

Anhang ........................................................................................................................................ 215 Teil A: Interviewverzeichnis ......................................................................................... 215 Teil B: Direkte Anfrage für das Interview .................................................................... 216 Teil C: Indirekte Anfrage für das Interview .................................................................. 217 Teil D: Interviewleitfaden.............................................................................................. 218 Teil E: Zusicherung der Anonymität ............................................................................. 220 Teil F: Gestalten ............................................................................................................ 221 Teil G: Kausalliste ......................................................................................................... 229 Teil H: Bewertungsliste der Ist-Situation ...................................................................... 237 Teil I: Bewertungsliste der Soll-Situation .................................................................... 241 Teil J: Gesetzliche Anforderungen und Empfehlungen ............................................... 245 Quellenverzeichnis...................................................................................................................... 249

Abkürzungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis Zeichen

Bedeutung

A Abb. Abs. ACFE AFO AG AICPA AktG Art.

Abbildung Absatz Association of Certified Fraud Examiners Anti-Fraud-Organisation Aktiengesellschaft American Institute of Certified Public Accountants Aktiengesetz Artikel

B BFuP BIP BKA BPI BWD 1–13 bzw.

Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis Bruttoinlandsprodukt Bundeskriminalamt Bribe Payers Index befragter, rechtskräftig verurteilter Wirtschaftsdelinquent Nr. 1 bis 13 beziehungsweise

C CEO CFO CHF CM CPI

Chief Executive Officer Chief Financial Officer Schweizer Franken Controller Magazin Corruption Perceptions Index

D DBW d. h. DM DUV

Die Betriebswirtschaft das heisst Deutsche Mark Deutscher Universitäts-Verlag

E ESV et al. etc. ext

Erich Schmidt Verlag et alteri et cetera extern, externe bzw. externer

XVII

XVIII

Abkürzungsverzeichnis

F f. ff. FINMA

folgende fortfolgende Eidgenössische Finanzmarktaufsicht

G G GABEK® GL GmbHG

Problemfelder, sprachliche Gestalt Ganzheitliche Bewältigung von Komplexität Geschäftsleitung Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung

H H HGB HH Hrsg. HSG

Schwerpunkte, sprachliche Hypergestalt Handelsgesetzbuch Obergruppe, übergeordnete Hypergestalt, Hyper-Hypergestalt Herausgeber Universität St. Gallen

I ICAEW i. d. R. IDW IFAC IKS ISA IT i. w. S.

Institute of Chartered Accountants in England and Wales in der Regel Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland (eingetragener Verein) International Federation of Accountants internes Kontrollsystem International Standards on Auditing Informationstechnik bzw. Informationstechnologie im weiteren Sinne

J Jg.

Jahrgang

K Kontr KPMG

Kontrolle Klynveld Peat Marwick Goerdeler (Wirtschaftsprüfungsgesellschaft)

M Mio. MIT Mrd.

Millionen Massachusetts Institute of Technology Milliarden

N No. Nr. NStZ

Number Nummer Neue Zeitschrift für Strafrecht

Abkürzungsverzeichnis O OR

Obligationenrecht

P PCAOB PKS PrävKo PS PwC

Public Company Accounting Oversight Board Polizeiliche Kriminalstatistik Kosten der Prävention zur Bekämpfung doloser Handlungen Prüfungsstandard PricewaterhouseCoopers (Wirtschaftsprüfungsgesellschaft)

Q QIA

Qualitative Inhaltsanalyse

R Rev/Revis

Revision bzw. Revisor

S S S. SAS SCBP SEC sog. SOX SPEs ST SUB

authentische Originaltexte bzw. Sätze transkribierter Interviews Seite Statement on Auditing Standards Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance United States Securities and Exchange Commission so genannte Sarbanes Oxley Act Special Purpose Entities Der Schweizer Treuhänder Sozialwissenschaften und Berufspraxis

T Tab. TI

Tabelle Transparency International

TNS Emnid

XIX

Tz.

Taylor Nelson Sofres; Erforschung der öffentlichen Meinung, Marktforschung, Nachrichten, Informationen und Dienstleistungen Textziffer

U u. a. u. ä. übernehm UGB UK USA USD

unter anderem und ähnliches übernehmen Unternehmensgesetzbuch United Kingdom United States of America United States Dollar

XX

Abkürzungsverzeichnis

usw. UTB

und so weiter Uni-Taschenbücher Verlag

V vgl. Vol.

vergleiche Volume

W WinRelan®

Windows Relationen Analyse

Z z. B. ZCG zit. n. ZRFC ZRFG zugl.

zum Beispiel Zeitschrift für Corporate Governance zitiert nach Zeitschrift Risk, Fraud & Compliance Zeitschrift Risk, Fraud & Governance zugleich

Sonderzeichen  §

grösser oder gleich Paragraph

Abbildungsverzeichnis

XXI

Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Abb. 2: Abb. 3: Abb. 4: Abb. 5: Abb. 6: Abb. 7: Abb. 8: Abb. 9: Abb. 10: Abb. 11: Abb. 12: Abb. 13: Abb. 14: Abb. 15: Abb. 16: Abb. 17: Abb. 18: Abb. 19: Abb. 20: Abb. 21: Abb. 22: Abb. 23: Abb. 24: Abb. 25: Abb. 26: Abb. 27: Abb. 28: Abb. 29: Abb. 30:

Unternehmen, die Wirtschaftskriminalitätsfälle meldeten .............................................. 2 Durchschnittsschäden nach Grösse je Unternehmen im Zweijahreszeitraum .............. 21 Immaterielle Schäden durch Wirtschaftskriminalität.................................................... 26 Paradoxer Effekt von Präventionsmassnahmen ............................................................ 32 Vorkommen von Wirtschaftskriminalität 2007 im internationalen Vergleich.............. 35 Vielfältigkeit der Wirtschaftskriminalität: Ein „Atomium“ .......................................... 43 Wirtschaftskriminalität als disziplinübergreifendes Phänomen .................................... 46 „Fraud Triangle“ und „Fire Triangle“ ........................................................................... 66 Vom „Fraud Triangle“ zum „Fraud Diamond“ ............................................................. 75 Hierarchieebene des internen Täters im Jahr 2009 ....................................................... 78 Gestaltenbaum in schematischer Darstellung ............................................................. 121 Gestaltenbaum (gesamte Datenbasis) ......................................................................... 137 Hervorgehobener thematischer Ast „Auslöser“ .......................................................... 141 Assoziationsgrafik zur „Präventionsmassnahme“ ohne Querverbindungen ............... 143 Assoziationsgrafik meistgenannter Schlüsselbegriffe mit Querverbindungen ........... 144 Gesamtbewertung des Ist- und Soll-Zustandes ........................................................... 146 Evaluierungsprofil der obersten Relevanzzahlen ........................................................ 147 Evaluierungsprofil der gemässigten Relevanzzahlen .................................................. 152 Kausalnetzgrafik „Präventionsmassnahme“ (Einflüsse) ............................................. 158 Kausalnetzgrafik „Präventionsmassnahme“ (Auswirkungen) .................................... 162 Kausalnetzgrafik „Kontrolle“...................................................................................... 164 Kausalnetzgrafik „Vertrauen“ ..................................................................................... 166 Kausalnetzgrafik „Auslöser“ ....................................................................................... 168 Kausalnetzgrafik „Gelegenheit“.................................................................................. 169 Kausalnetzgrafik „Innere_Stimme_existiert“ ............................................................. 170 Kausalnetzgrafik „Anreiz“ .......................................................................................... 171 Kausalnetzgrafik „Druck“ ........................................................................................... 173 Kausalnetzgrafik „Fähigkeit“ ...................................................................................... 175 Kausalnetzgrafik „unbewusst“ .................................................................................... 176 Zyklisches Gebilde „Auslöser“ ................................................................................... 178

XXII

Tabellenverzeichnis

Tabellenverzeichnis Tab. 1: Tab. 2: Tab. 3: Tab. 4: Tab. 5: Tab. 6: Tab. 7: Tab. 8: Tab. 9: Tab. 10: Tab. 11: Tab. 12: Tab. 13: Tab. 14: Tab. 15: Tab. 16: Tab. 17:

Kategorien praxisrelevanter Aussagen .......................................................................... 14 Kategorisierung möglicher Schäden ............................................................................. 28 Vier-Quadranten-Modell zur Abgrenzung doloser Handlungen ................................... 55 Einschränkung des Begriffs „Wirtschaftskriminalität“ im Rahmen der Dissertation ... 58 Überblick der empirischen Untersuchung ..................................................................... 90 Anforderungen zur Bildung sprachlicher Gestalten .................................................... 118 Zieldefinitionen der Auswertung durch das Verfahren GABEK® .............................. 122 Auswertungsschema der Feinstrukturanalyse nach Froschauer und Lueger .............. 127 Zusammenfassung des forschungsmethodischen Vorgehens ..................................... 133 Hyper-Hypergestalten (Obergruppe) .......................................................................... 138 Sprachlich integrierte Hypergestalten (Schwerpunkte)............................................... 139 Sprachlich desintegrierte Hypergestalten (Schwerpunkte) ......................................... 140 Sprachliche Gestalten der Hypergestalt „Auslöser“ ................................................... 141 Ränge der Gesamtausdrucksliste und Kausalanalyse bis Rang fünf ........................... 156 Attribute und Empfehlungen einer effektiven Kontrolle ............................................ 165 Inhaltliche Überschneidungen beim Ergebnisvergleich zu „Kontrolle“ ..................... 199 Inhaltliche Überschneidungen beim Ergebnisvergleich zu „Druck“ .......................... 201

Formale Hinweise und Transkriptionsregeln

XXIII

Formale Hinweise Fremdsprachliche Begriffe sind in „Anführungszeichen“ gesetzt, sofern sie sich im deutschen Sprachraum noch nicht durchgesetzt haben oder keine Eigennamen darstellen. Alle nichtdeutschsprachigen Begriffe, die im allgemeinen Gebrauch Verwendung finden, werden im Rahmen dieser Arbeit wie deutschsprachige Worte verwendet. Ergänzungen im Text sind zwischen runden (Klammern) zu lesen. In Zitaten werden Ergänzungen durch eckige [Klammern] und Auslassungen einzelner bzw. mehrerer Worte durch eckige Klammern mit Punkten […] gekennzeichnet.

Alle in dieser Arbeit verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich sowohl auf das weibliche wie auch auf das männliche Geschlecht. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit und um personenbezogene Informationen der Wirtschaftsdelinquenten zu verfälschen wird die männliche Form der Bezeichnung von Personen verwendet. Damit soll jedoch keine geschlechterspezifische Rollenbeschreibung zum Ausdruck gebracht werden.

Transkriptionsregeln Die nachfolgenden Transkriptionsregeln finden bei den interpretierten Stellen Verwendung.

Zeichen

Bedeutung

[…] / ,,, (unterbricht) ähm betont

nicht erwähnte verbale bzw. nonverbale Äusserungen Ende der Sinneinheit und zugleich Beginn der nächsten Sinneinheit Pause (ein Komma pro Sekunde) die befragte Person spricht dem Interviewer dazwischen gesprächsgenerierender Beitrag bzw. Signal (direkt im Text) Emphase (unterstrichenes Wort bzw. unterstrichene Wörter)

Zusammenfassung

XXV

Zusammenfassung Wirtschaftskriminelle Handlungen verursachen einen erheblichen materiellen und immateriellen Schaden. Dabei handelt es sich, wie Fachexperten berichten, lediglich um die Spitze des Eisbergs, da viele Fälle nicht aufgedeckt werden. Insbesondere im deutschsprachigen Raum ist die wirtschaftswissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema der dolosen Handlungen in Unternehmen dürftig. Zudem gibt es in der Betriebswirtschaft bis heute kein einheitliches Begriffsverständnis von Wirtschaftskriminalität. Unterschiedliche unternehmensinterne Vorkehrungen zur Prävention werden getroffen. Dabei bleibt zunächst unklar, wie wirksam die vorbeugenden Massnahmen tatsächlich sind.

Die Aufarbeitung wissenschaftlicher Erklärungsansätze der Entstehungsgründe doloser Handlungen, wie das „Fraud Triangle“, welches ursprünglich von Cressey entwickelt wurde und dessen Weiterentwicklung zum „Fraud Diamond“ durch Wolfe und Hermanson, bildet die theoretische Grundlage der Dissertation. Eine profunde Ursachenanalyse bietet Potentiale, fraudulenten Handlungen zielgerichtet zu begegnen. Wer könnte zu den tatauslösenden Faktoren und tatverhindernden Massnahmen eine wirklichkeitsnähere Antwort liefern als die Wirtschaftsstraftäter selbst? Im Rahmen der empirischen Untersuchung wurden 13 Delinquenten, deren Fälle häufig eine Deliktsumme von vielen Millionen Schweizer Franken oder Euro aufweisen, durch ein problemzentriertes Interview nach Witzel befragt. Der vorwiegend qualitative Forschungsansatz dieser Arbeit beleuchtet die Perspektive der Täter, die wegen Bestechung, Betrug, Falschbilanzierung, Korruption, Unterschlagung oder Veruntreuung in der Schweiz oder in Österreich verurteilt wurden. Nach der Transkription der Gesprächsaufnahmen folgte eine Auswertung mittels zwei getrennt voneinander durchgeführter Verfahren. Durch die computergestützte Qualitative Inhaltsanalyse GABEK®, entwickelt von Zelger, wurden einerseits manifeste und durch die Feinstrukturanalyse nach Froschauer und Lueger andererseits latente Bedeutungen herausgearbeitet. Durch die Triangulation konnte eine höhere Validität der Forschungserkenntnisse erzielt werden.

Im Rahmen der empirischen Untersuchung wird nachgewiesen, dass es bei Wirtschaftsstraftaten nicht alle drei Elemente des „Fraud Triangle“, Motivation (Anreiz und Druck), Gelegenheit und Rationalisierung benötigt. Einzig die „Gelegenheit“ ist eine conditio sine qua non. Diese Feststellung steht im Widerspruch zur allgemeinen Auffassung in der aktuellen wissenschaftlichen Literatur. Die Komponente „Druck“ leistet den wesentlichsten Beitrag zur Tatausübung. Im Bereich der Prävention nehmen die Delinquenten ein grosses Entwicklungspotential wahr. Effektive Kontrollen, kompetente und achtsame Führungskräfte, qualifizierte Aufsichtsorgane, externe und neutrale Fachspezialisten sowie staatliche Regulierung werden als die wirksamsten Präventionsmassnahmen identifiziert.

I Einleitung

I

1

Einleitung

Zeitungen ohne Berichte über wirtschaftskriminelle Handlungen sind rar geworden. Schlagzeilen wie: „Korruption – das tägliche Geschäft“ beeindrucken nicht zuletzt wegen ihrer Regelmässigkeit, ja schon fast Gewöhnlichkeit, kaum mehr jemanden.1 Bei den aufgedeckten Fällen handelt es sich lediglich um die Spitze des Eisbergs, wie von renommierten Fachexperten wiederholt berichtet wird.2 Bei der Frage, ob derartige Handlungen einfach zum Unternehmen gehören und deshalb hingenommen werden sollten, scheiden sich die Geister. Fest steht, dass Wirtschaftskriminalität durch entsprechende Präventionsmassnahmen vermeidbar wäre.3 Der Druck auf Unternehmen und Mitarbeiter, im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit jederzeit und überall regelkonformes und ethisches Verhalten zu demonstrieren sowie den Ansprüchen der Stakeholder gerecht zu werden, ist gross geworden.4 Es stellt sich die Frage, welche Vorkehrungen ein Unternehmen umsetzen kann.5 Um eine Antwort darauf zu finden, müssen die auslösenden Ursachen solcher Straftaten analysiert werden, damit eine wirksame Prävention möglich wird.6

Im Rahmen der vorliegenden Dissertation wird angenommen, dass ein Straftäter7 aus seiner einzigartigen Perspektive erklären kann, warum es zum eigenen Vergehen kam.8 Welche auslösenden Faktoren gab es? Stimmen diese ausschlaggebenden Begehensgründe mit der Theorie überein? Wäre das Wirtschaftsdelikt aus Sicht des Täters mit entsprechenden Massnahmen vermeidbar gewesen? Um hier mehr Transparenz zu schaffen, findet im ersten Teil dieser Arbeit eine Aufarbeitung der wissenschaftlichen Fachliteratur statt.9 Zudem sind Interviews mit rechtskräftig verurteilten Wirtschaftsstraftätern geführt worden. Im zweiten empirischen Teil der Dissertation werden die Interviewergebnisse einerseits durch die Inhaltsanalyse und andererseits durch die herme-

1

Vgl. Kapitel II, Punkt 3 Vorkommen doloser Handlungen.

2

Vgl. Kapitel II, Punkt 2 Dunkelfeldproblematik.

3

Vgl. Kapitel VI, Punkt 4.2 Auswirkungen von Präventionsmassnahmen.

4

Vgl. Buff (2000), S. 1. Die empirische Untersuchung dieser Arbeit bestätigt die zentrale Rolle des tatauslösenden Faktors „Druck“. Vgl. Kapitel VI, Punkt 3.2 Bewertung relevanter Schlüsselausdrücke oder Kapitel VI, Punkt 4.5.4 Druck als Motivation zur Tatausübung.

5

Denn zu Problemen kommt es im Grunde, weil etwas geschieht, mit dem man nicht gerechnet hat, oder weil etwas, mit dem man gerechnet hat, nicht geschieht. Vgl. Weick/Sutcliffe (2003), S. 14.

6

Vgl. Kapitel VI, Punkt 4.5 „Fraud Triangle“ und „Fraud Diamond”: Tatauslösende Faktoren.

7

Als Täter werden in dieser Arbeit Wirtschaftsstraftäter bzw. Wirtschaftsdelinquenten bezeichnet, die im Bereich der Unterschlagung, Korruption, Bestechung, Falschbilanzierung oder des Betrugs in der Schweiz oder in Österreich rechtskräftig verurteilt wurden. Vgl. Kapitel III, Punkt 5 Begriffsdefinition dieser Arbeit.

8

Vgl. Kapitel I, Punkt 5 Grundannahmen und Forschungsfragen.

9

Vgl. Kapitel IV Theoretischer Bezugsrahmen.

A. Schuchter, Perspektiven verurteilter Wirtschaftsstraftäter, DOI 10.1007/978-3-8349-3606-6_1, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2012

2

I Einleitung

neutischen Interpretationen aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet.10 Die Ergebnisse der beiden getrennt voneinander durchgeführten Auswertungsmethoden werden einander gegenübergestellt.11 Mit diesem Vergleich wird die Glaubwürdigkeit der Ergebnisse gestärkt. Besonderes Augenmerk der vorliegenden Dissertation gilt den Fragestellungen, welche Voraussetzungen für eine dolose Handlung gegeben sein müssen und welchen aktiven Beitrag die Unternehmen bei der Prävention von Wirtschaftskriminalität leisten können bzw. welche vorbeugenden Massnahmen wirksam sind.

1

Status quo

Anteil der betroffenen Unternehmen in Prozent

In den letzten beiden Jahren 2009 und 2010 wurden 109 Fälle von Wirtschaftskriminalität im Umfang von insgesamt 1.94 Mrd. CHF vor die Schweizer Gerichte gebracht, so das Media Release einer der grössten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften.12 Die Bedrohung durch Wirtschaftskriminalität ist und bleibt demnach für Unternehmen in Westeuropa, in den deutschsprachigen Ländern Deutschland13 und Österreich sowie in der mehrsprachigen Schweiz ein bedeutendes Thema, wie nachfolgende Darstellung illustriert.

60 47

50 37 37

40 30

46

49 43 45

39

42 38

37

28

34 28

24 20

20 10 0 Schweiz

Deutschland 00/01

02/03

Österreich 04/05

Abb. 1: Unternehmen, die Wirtschaftskriminalitätsfälle meldeten

Westeuropa 06/07 14

10

Vgl. Kapitel VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse; Kapitel VII Forschungsergebnisse durch die hermeneutische Interpretation.

11

Vgl. Kapitel VIII Vergleich der Auswertungsergebnisse von Kapitel VI und VII.

12

Vgl. KPMG (Schweiz) (A) (2010), S. 3; KPMG (Schweiz) (C) (2011), S. 4.

13

Die empirische Untersuchung der vorliegenden Dissertation beschränkt sich lediglich auf die Schweiz und auf Österreich. Dennoch wird Deutschland in diesem Zusammenhang erwähnt, da damit ein Vergleich mit den beiden kleineren Staaten ermöglicht wird.

14

Eigene Darstellung mit Zahlenmaterial von PwC (Schweiz) (2007), S. 2; PwC (Deutschland) (2007), S. 10; PwC (Deutschland) (2003), S. 6 f. und PwC (Österreich) (2007), S. 2 f. Die internationale Umfrage zur Wirtschaftskriminalität im Jahr 2007 wurde im Auftrag von PwC in Kooperation mit der Universität Halle-

I Einleitung

3

Die obige Darstellung setzt sich aus Ergebnissen mehrerer Erhebungen zusammen, die regelmässig durch eine der weltweit grössten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften durchgeführt werden. Diese Studien sind aufgrund der hohen Anzahl der Befragten umfassender als viele Kriminalstatistiken, die lediglich die zur Anzeige gebrachten Delikte berücksichtigen. Die obenstehende Abbildung zeigt den Anteil an Unternehmen, die angaben, in den letzten beiden Jahre vor der Erhebung Opfer eines Wirtschaftsdelikts geworden zu sein. Die erste Säule steht für das Jahr 2000 und 2001, die zweite für das Jahr 2002 und 2003 usw. Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich über acht Jahre. Für die Jahre 2008, 2009 und 2010 existieren keine vergleichbaren Daten, da sich die Untersuchungen lediglich auf ein Jahr beziehen.15 Jedes zweite bis dritte Unternehmen in den drei Ländern ist im Erhebungszeitraum durch Unterschlagung, Betrug, Produktpiraterie, Industriespionage, Korruption, Geldwäsche oder Falschbilanzierung geschädigt worden.

Ein Zuwachs der Prozentpunkte gegenüber dem vorangegangenen Zweijahreszeitraum bedeutet nicht zwangsläufig einen Anstieg der Wirtschaftskriminalität in Unternehmen, sondern könnte auch auf z. B. effektivere Kontrollen zurückzuführen sein. Die Auswirkungen eines besseren Kontrollumfelds und verstärkter Präventionsmassnahmen sind anfänglich exakt gegenläufig ohne sofortige kriminalitätsreduzierende Auswirkung.16 Dieser Effekt wird Kontrollparadox genannt, da die Entdeckungswahrscheinlichkeit u. a. von der Kontrollintensität abhängt.17 Allein aufgrund der Sensibilisierung für fraudulente Handlungen in Unternehmen werden Straftaten sichtbar, welche früher unbemerkt blieben, sodass das Dunkelfeld nun schrumpft bzw. aufgehellt wird. Da grundsätzlich stets mit Dunkelziffern zu rechnen ist, sollten die angeführten Werte mit Vorsicht betrachtet werden.18 Die Auswirkungen von Wirtschaftskriminalität sind beachtlich und werden im Allgemeinen unterschätzt.19 Es sind keine Anzeichen für einen wesentlichen Rückgang der Anzahl der von fraudulenten Handlungen betroffenen Unternehmen zu erkennen.

Wittenberg von TNS Emnid erhoben. In der Schweiz wurden von April bis Juli 2007 84, in Deutschland 1'166 und in Österreich 87 (Westeuropa 2'550) Interviews mit Verantwortlichen, die sich in ihrem Unternehmen für den Themenbereich Kriminalprävention und -aufklärung zuständig erklärten, durchgeführt. In Westeuropa (Österreich, Belgien, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Italien, Holland, Norwegen, Spanien, Schweden, Schweiz, Grossbritannien und Finnland) wurden 2'550 Führungskräfte interviewt. 15

Für die PwC-Umfrage „Global Economic Crime Survey 2009“ sind keine Zahlen für Österreich verfügbar, da die Anzahl der erhaltenen Antworten für eine Österreich-Auswertung nicht ausreichend für eine Repräsentativität war und die Studie deshalb nicht veröffentlicht wurde. Ausserdem berücksichtigt die internationale PwC-Umfrage aus dem Jahr 2009 lediglich die letzten zwölf Monate, deshalb kann diese nicht mit den anderen Befragungen der früheren Jahre, welche sich über einen Zweijahreszeitraum erstreckten, verglichen werden. Unter den gegebenen Umständen eine Extrapolation durchzuführen wäre inkorrekt. Mit dieser aktuelleren Untersuchung über einen Einjahreszeitraum wurde versucht den Einfluss der Finanzkrise auf die Wirtschaftskriminalität zu messen. Im Rahmen der Dissertation wird nicht näher darauf eingegangen, damit das Thema dieser Arbeit in einem überschaubaren Rahmen behandelt werden kann.

16

Vgl. PwC (Deutschland) (2007), S. 30 f.

17

Vgl. Kapitel II, Punkt 2.1 Paradoxer Effekt von Prävention.

18

Vgl. Kapitel II, Punkt 2.2 Forschung zum Dunkelfeld.

19

Vgl. Kapitel II Themenrelevanz.

4

I Einleitung

Die in Abb. 1 illustrierten Werte müssen vom „Corruption Perceptions Index“ (CPI) von Transparency International (TI) differenziert betrachtet werden. Im Gegensatz zu den bereits genannten Angaben der grossen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften gibt das CPI-Ranking Auskunft über die Wahrnehmung von Korruption bei Amtsträgern und Politikern in 180 Staaten. Es handelt sich um einen zusammengesetzten Index, der sich auf verschiedene Umfragen und Untersuchungen stützt, welche von unabhängigen Institutionen durchgeführt wurden. Hier liegen alle drei Länder auf den vordersten Rängen.20 Seit Jahren belegt die Schweiz mit einem hervorragenden CPI-Punktwert von 9.0 im Jahr 2009 den fünften Platz.21 Beim Vergleich mit der Schweiz belegt Deutschland mit 8.0 Punkten Platz 14, dicht gefolgt von Österreich mit 7.9 Punkten auf Platz 16. „Der CPI sagt aber wenig über das tatsächliche Ausmass der Korruption aus.“22

Der Korruptionswahrnehmungsindex ist wiederum vom „Bribe Payers Index“ (BPI) abzugrenzen, welcher die Bereitschaft der Unternehmen untersucht, Bestechungsgelder an ranghohe Amtsträger in zentralen Schwellenländern zu zahlen. Im Gegensatz zum CPI richtet sich der Fokus des BPI auf die Angebotsseite der Korruption. Im Jahr 2008 klassiert dieser Bereitschaftsindex 22 führende Exportnationen, deren Exportvolumen rund 75 Prozent des Welthandels ausmachen.23 Das Ergebnis zeigt die Bereitschaft der drei genannten Länder, Bestechungsgelder im Ausland zu bezahlen.

2

Stand der Forschung

Die Forschung im angelsächsischen Raum konzentrierte sich im Bereich der Wirtschaftskriminalität bereits früh auf betriebswirtschaftliche Themen24 und ist deshalb etwas weiter fortgeschritten als die deutschsprachige Forschung. Die wissenschaftliche Literatur in englischer sowie auch in deutscher Sprache stammt hauptsächlich aus dem Bereich der Revision.25 Länderübergreifend werden dabei regelmässig umfassende empirische Erhebungen zum Thema der Wirtschaftskriminalität von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften26 durchgeführt. Ein Grossteil der US-

20

Der CPI spiegelt die auf der ganzen Welt gesammelten Wahrnehmungen, Einschätzungen und Meinungen von Experten wider. Die Erhebung wird unter Geschäftspersonen und Länderanalysten durchgeführt. Vgl. TI (2008); TI Schweiz (2008); TI Schweiz (2009).

21

Vgl. TI Schweiz (2009), S. 31 ff.

22

TI Schweiz (2008), S. 16; vgl. TI (2008).

23

Da der BPI nicht jedes Jahr ermittelt wird, können keine Angaben für das Jahr 2009 erfolgen.

24

Vgl. Gisler (1994), S. 25; Löw (2002), S. 7.

25

Vgl. Fink/Gillett/Robinson (2008), S. 26 f.; Hogan et al. (2008), S. 235. Der vielbeachtete Beitrag von Loebbecke et al. dient vielen wissenschaftlichen Arbeiten bis heute als Basisliteratur im Bereich der Revision. Vgl. Loebbecke/Eining/Willingham (1989), S. 9 ff.

26

Vgl. KPMG (Schweiz) (B) (2010); Pwc (Schweiz) (2009); PwC (International) (2009); PwC (Deutschland) (A) (2009); PwC (Deutschland) (B) (2009); Ernst & Young (Schweiz) (2008); Ernst & Young (Österreich) (2008); PwC (Schweiz) (2007); PwC (International) (2007); PwC (Österreich) (2007); PwC (Deutschland)

I Einleitung

5

amerikanischen Literatur basiert auf den früheren Arbeiten von Edwin Hardin Sutherland27, einer der bedeutendsten Kriminologen des 20. Jahrhunderts (1883–1950), der dieser besonderen Art von Kriminalität Aufmerksamkeit widmete. Zu seiner Zeit wurde es von der Wissenschaft teilweise in Frage gestellt28, ob „white-collar crime“29 (die sog. „Weisse-Kragen-Kriminalität“ oder Wirtschaftskriminalität) ein tatsächliches Verbrechen darstellt. Für Sutherland war klar: „Whitecollar crime is real crime.“30 Seine Theorie der differentiellen Assoziation31 wurde zu einer bedeutenden soziologischen Kriminalitätstheorie.

Nach Sutherlands Tod führte sein ehemaliger Doktorand Donald Ray Cressey die Forschung fort und untersuchte insbesondere die Ursachen fraudulenter Handlungen.32 Cressey entwickelte eine der bis heute bekanntesten wissenschaftlichen Erklärungsansätze der Entstehungsgründe delinquenter Handlungen, das „Fraud Triangle“.33 Er führte vor über 50 Jahren Befragungen mit verurteilten Delinquenten u. a. zum Thema der tatauslösenden Ursachen durch. Der theoretische Bezugsrahmen der vorliegenden Dissertation baut auf diesem Ansatz auf. Eine einschlägige und aktuelle Fachliteratur existiert dazu von Albrecht und Albrecht, Bell und Carcello, Choo und Tan, Donegan und Ganon, Dorminey et al., Hogan et al., Howe und Malgwi, LaSalle, Murdock, Ramamoorti, Skousen und Wright.34 Ebenso erkannten die internationalen Prüfungsstandards35 die Relevanz des Dreiecks, welches im Jahr 2004 von Wolfe und Hermanson36 zum „Fraud Diamond“ weiterentwickelt wurde. Frühe Werke von Ones und Viswesvaran, Schnatterly oder Whee-

(2007); KPMG (International) (2006); KPMG (Deutschland) (2006); PwC (Österreich) (2005); PwC (Deutschland) (2003). Andere Wirtschaftsprüfungsgesellschaften beschäftigen sich ebenfalls mit diesem Phänomen des normabweichenden Handelns. 27

Vgl. Sutherland (1983); Sutherland (1949); Sutherland (1945); Sutherland (1941); Sutherland (1940).

28

Hierzu insbesondere Sutherland (1945). Auf der gesellschaftlichen Ebene wurden derartige Straftaten oftmals als „Gentlemen’s Delikt“ betrachtet.

29

Auf den Begriff „white-collar crime“ wird in Kapitel III Wirtschaftskriminalität: Ein vielfältiger Begriff näher eingegangen.

30

Sutherland (1940), S. 5.

31

Damit wird ein Erlernen von Kriminalität bezeichnet. Die genaue Beschreibung wird in späteren Teilen der Arbeit dargestellt. Vgl. Kapitel IV, Punkt 2 Exkurs: Theorie der differentiellen Assoziation; Sutherland/Cressey (1960), S. 77 ff.

32

Vgl. Cressey (1953); Sutherland/Cressey (1960); Cressey (1950).

33

Vgl. Cressey (1953); „[…] much of the research focuses on only one aspect of the fraud triangle. Researchers could design studies in which all elements of the fraud triangle are examined.” Hogan et al. (2008), S. 247. Vgl. Kapitel IV, Punkt 1 „Fraud Triangle“ und „Fraud Diamond“.

34

Vgl. Albrecht/Albrecht (2004); Bell/Carcello (2000); Choo/Tann (2007); Donegan/Ganon (2008); Dorminey et al. (2010); Hogan et al. (2008); Howe/Malgwi (2006); LaSalle (2007); Murdock (2008); Ramamoorti (2008); Skousen/Wright (2006).

35

Vgl. AICPA (SAS 82); AICPA (SAS 99); IDW (PS 210); IFAC (ISA 240); IFAC (ISA 250); PCAOB (AS 5).

36

Vgl. Wolfe/Hermanson (2004).

6

I Einleitung

ler greifen bereits die grundlegende Idee von Wolfe und Hermanson vor dem Jahr 2004 auf, jedoch nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem „Fraud Triangle“, sondern mit anderen Theorien zur Wirtschaftskriminalität.37 Der interdisziplinäre Charakter von fraudulenten Handlungen in Unternehmen wird durch die Weiterentwicklung zum „Fraud Diamond“ deutlich, da fortan psychologische Aspekte verstärkt Berücksichtigung finden: In diesem Kontext sind die vielbeachteten Beiträge von Bussmann und Salvenmoser, Peemöller, Ragatz und Fremouw hervorzuheben.38

Im deutschsprachigen Raum befasste sich die wissenschaftliche Forschung bis vor wenigen Jahren vorwiegend mit juristischen und kriminologischen Gesichtspunkten der Wirtschaftskriminalität.39 Betriebswirtschaftliche Fragestellungen, welchen gegenwärtig vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt wird, wurden dabei kaum berücksichtigt. Neben detektiven und investigativen40 Vorgehensweisen haben mittlerweile auch präventive Massnahmen in wissenschaftlichen Arbeiten im Bereich der Betriebswirtschaftslehre einen höheren Stellenwert. Obwohl in der Fachliteratur unterschiedlichste Massnahmen zur Bekämpfung von dolosen Handlungen in Unternehmen diskutiert werden, herrscht zumindest Einigkeit darüber, dass Prävention Sinn macht. Zur Wissensgenerierung bedienen sich insbesondere Wirtschaftswissenschaftler seit einigen Jahren unterschiedlicher Disziplinen.41

Die Werke von Wells, Kopetzky und Dölling beschäftigen sich mit vorbeugenden Massnahmen.42 Auch in der Arbeit von Hofmann43 hat unternehmensinterne Prävention eine besondere Bedeutung, wobei der Fokus seiner Arbeit auf die häufig überschätzte Deliktart des Bilanzbetrugs gerichtet ist.44 Vorbeugende Massnahmen der Bekämpfung von Bilanzdelikten können zumeist ebenso auf die Prävention anderer fraudulenter Handlungen angewandt werden. Im Bereich der Berichterstattung haben spektakuläre Skandale der vergangenen Jahre eine lebhafte Diskussion in Praxis und Wissenschaft ausgelöst. „Many factors contributed to recent Enron, WorldCom, and Global Crossing debacles.”45

37

Vgl. Ones/Viswesvaran (2001); Schnatterly (2003); Wheeler (1992).

38

Vgl. Bussmann/Salvenmoser (2006); Peemöller (2008); Ragatz/Fremouw (2010).

39

Vgl. Löw (2002), S. 5.

40

Investigation bedeutet aktive Nachforschung und Aufspürung. Solche Massnahmen sollten nur verfolgt werden, wenn dringender Tatverdacht besteht. Vgl. Albrecht/Albrecht (2004), S. 52 f.

41

Vgl. Löw (2002), S. 24 ff.; Hofmann (2008), S. 60 ff.; vgl. Haller/Maas/Königswieser (1996).

42

Vgl. Wells/Kopetzky (2006); Dölling (2007). Das Thema der vorbeugenden Massnahmen ist nicht neu: Bereits im Jahr 1985 beschrieb Wells in seinem Beitrag „White-Collar Crime: Myths and Strategies“ Präventionsmassnahmen zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität. Vgl. Wells (1985), S. 43 ff.

43

Vgl. Hofmann (2008).

44

Vgl. Kapitel II, Punkt 3 Vorkommen doloser Handlungen.

45

Rezaee (2005), S. 288; vgl. Ramamoorti (2008), S. 530. „The Sarbanes-Oxley Act of 2002 [SOX] was enacted to: improve corporate governance, the quality of financial reports, and the effectiveness of audit func-

I Einleitung

7

Unter Berücksichtigung betriebswirtschaftlicher Lehrwerke scheint Wirtschaftskriminalität bestenfalls ein Geschäftsmodell unter anderen zu sein (ohne besonderen Stellenwert), mit dem Profitchancen auf dem Markt verbessert werden sollen.46 Zusammenfassend lässt sich folgender Forschungsbedarf ableiten: Trotz der Einzelbeiträge zu Ursachenforschung und Prävention wird die Wirksamkeit der ausgearbeiteten vorbeugenden Massnahmen von den Autoren kaum in Frage gestellt. Es fehlen empirische Untersuchungen zur Wirksamkeit sowie eine Ableitung möglicher Massnahmen z. B. anhand von wissenschaftlich fundierten Täterbefragungen. Vor wenigen Jahren führte Dhami an der University of Cambridge 14 Täterinterviews zum Thema „white-collar prisoners’ perceptions of audience reaction“ durch.47 Sie fand u. a. heraus, dass die inhaftierten Wirtschaftsdelinquenten ihre Tat „neutralisieren“, indem sie die „unkontrollierbare Marktwirtschaft“ für ihr eigenes kriminelles Verhalten verantwortlich machen. Blickle et al. publizierten im Jahr 2006 die Ergebnisse einer schriftlichen Befragung von verurteilten Wirtschaftsdelinquenten zu Persönlichkeitsmerkmalen.48 Wie festgestellt wurde, sind nicht alle Persönlichkeitseigenschaften eines erfolgreichen Managers gleich denen eines Wirtschaftsdelinquenten, d. h. es existieren persönlichkeitsbedingte Unterschiede.

Gegenwärtig existieren keine Ergebnisse im Zusammenhang mit der Erforschung der tatauslösenden Ursachen („Fraud Triangle“) von delinquenten Handlungen in Unternehmen anhand von Täterbefragungen in einem wirtschaftswissenschaftlichen Rahmen. An dieser Stelle besteht laut Schlegel eine „[…] theoretische wie empirische Misere in der Forschung um Wirtschaftskriminelle.“49 Als Grundlage hierfür sind die tatauslösenden Ursachen von Wirtschaftskriminalität zu erforschen, wobei der Fokus auf die Möglichkeiten einer wirksamen Vorbeugung gerichtet werden sollte.50

3

Problemstellung

Wie sich anlässlich der Fachliteraturrecherche herausgestellt hat, gibt es keine einheitliche und allgemeingültige Begriffserklärung für Wirtschaftskriminalität.51 Es existiert eine Vielzahl an

tions; provide new disclosure requirements for public companies; create an independent regulatory structure for the accounting profession; and establish stronger criminal penalties for securities fraud.“ Rezaee (2004), S. 146. 46

Vgl. Burkatzki (2009), S. 13; Leif et al. (2008), S. 217.

47

Ihre Studie erforscht wie verurteilte und inhaftierte Wirtschaftsdelinquenten Reaktionen von Justiz, Medien etc. in Bezug auf ihre eigene Person wahrnehmen und was sie von ihrer Straftat halten. Vgl. Dhami (2007), S. 57 ff.

48

Vgl. Blickle et al. (2006).

49

Schlegel (2003), S. 29.

50

Eine Literaturzusammenstellung der wenigen neueren Quellen über Empirie und Theorie der Wirtschaftskriminalität findet sich auch im Werk von Schneider. Vgl. Schneider (2008).

51

Vgl. Burkatzki/Löhr (2008), S. 12.

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I Einleitung

Definitionen, welche von den unterschiedlichen Disziplinen bzw. Einzelwissenschaften (z. B. Betriebswirtschaft, Rechtswissenschaft etc.) verschieden interpretiert werden.52 Bei der Themenbegegnung ist diese beträchtliche Mannigfaltigkeit irritierend. Der Ausdruck „Wirtschaftskriminalität“ ist zwar im allgemeinen Sprachgebrauch verständlich, doch werden unterschiedlichste Deliktarten damit in Verbindung gebracht. Wenn kein einheitliches Begriffsverständnis und damit kein gemeinsames Fundament existiert, stellt sich die Frage nach der Tauglichkeit der empfohlenen Massnahmen.

Diese Verständnisproblematik beschränkt sich jedoch nicht nur auf den Terminus „Wirtschaftskriminalität“, sondern erstreckt sich ebenso auf den Begriff „Vorbeugung“. Da präventive Vorgehensweisen keine lückenlose Sicherheit gegen fraudulente Handlungen garantieren können53, werden diese von detektiven Massnahmen begleitet und oftmals als Substitut für präventive Massnahmen betrachtet. Eine eindeutige Abgrenzung voneinander ist nicht immer möglich, da Massnahmen der Aufdeckung eine gewisse Präventivwirkung besitzen: Die Gefahr einer Entdeckung für den rational handelnden Täter wird erhöht und deshalb als abschreckend empfunden.54 Dennoch muss zwischen präventiven und detektiven Massnahmen unterschieden werden, damit Vorbeugung nicht durch Aufdeckung ersetzt wird.

In der wissenschaftlichen Fachliteratur bleibt nach wie vor offen, welche Bedeutung der fundamentalen Ursachenerkenntnis („Fraud Triangle“55) von Cressey zur Bekämpfung von „Fraud“ beigemessen werden kann. Daraus lässt sich die Fragestellung ableiten, welche Tatauslöser hauptverantwortlich sind. Denn Prävention kann ihre Wirkung erst dann entfalten, wenn die tatauslösenden Faktoren bekannt sind. Eine profunde Ursachenanalyse bietet möglicherweise Potentiale, Wirtschaftskriminalität wirksam zu bekämpfen. Es liegt also nahe, sich von Wirtschaftsstraftätern Informationen darüber zu beschaffen.

4

Zielsetzung

In der Dissertation sollen keine detektiven und investigativen Massnahmen behandelt werden, obwohl deren Relevanz nicht vollständig ausgeblendet werden kann.56 Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass manche Fälle mit einfachen Kontrollprozeduren verhindert werden

52

Vgl. Kapitel III, Punkt 3 Interdisziplinäre Betrachtung.

53

Vgl. Crutchley/Jensen/Marshall (2007), S. 71.

54

Vgl. Kümpel/Kohlhoff (2007), S. 115; Kapitel VII, Punkt 2.1 „Kontrolle“ als bedeutsame Präventionsmassnahme.

55

Spätere Kapitel beschreiben das von Donald Ray Cressey entwickelte „Fraud Triangle“. Vgl. Kapitel IV, Punkt 1 „Fraud Triangle“ und „Fraud Diamond“.

56

Unterschieden werden kann nur, wenn die detektiven und investigativen Massnahmen sinnvoll von den präventiven Massnahmen abzugrenzen sind.

I Einleitung

9

könnten. Kontrollsysteme und Regelwerke können dennoch nur Teil der Lösung sein.57 Das Hauptanliegen dieser Arbeit soll nicht auf die möglichen Arten von Wirtschaftskriminalität gelegt werden, obwohl diesbezüglich ein gewisses Augenmerk unerlässlich ist, sondern soll die Entstehungsgründe doloser Handlungen und Massnahmen zur Prävention58 fokussieren. Herauszufinden ist, wie ein Unternehmen dem Ziel einer „Anti-Fraud-Organisation“59 (AFO) anhand von Vorbeugung näher kommen kann. AFO bedeutet nicht, dass absolute Sicherheit gegen „Fraud“ gewährleistet, sondern dass eine Minimierung fraudulenter Handlungen erreicht wird. Rechtswissenschaftliche Belange finden daher in der vorliegenden Dissertation kaum Berücksichtigung.60

Um die Zielsetzung dieser Arbeit zu erreichen, bildet die Aufarbeitung der wissenschaftlichen Literatur, insbesondere zur Themenrelevanz61, eine theoretische Grundlage zum Ausdruck „Wirtschaftskriminalität“62 und zu den Ursachen63. Dabei soll die Mannigfaltigkeit des Phänomens konstatiert und ein Begriff für diese Arbeit entwickelt werden. Durch die Analyse der wissenschaftlichen Fachliteratur und bedeutsamer Studien64 sollen konzeptionelle Grundlagen erarbeitet werden, welche neben einer kritischen Diskussion und der Erläuterung möglicher Gestaltungsvorschläge einen theoretischen Rahmen bilden.

Mit Blick auf die nachfolgend erläuterten Forschungsfragen65 wird deutlich, dass die vorliegende Dissertation auf einem qualitativen Forschungsansatz fusst, um Erkenntnisse zu gewinnen. Die

57

Vgl. Kapitel IV, Punkt 1.4.1 Fähigkeit zum „management override“.

58

Diese werden im Vergleich zu den detektiven Massnahmen als die effizienteren angesehen, welche in den meisten Fällen auch die kostengünstigeren darstellen. Vgl. Kümpel/Kohlhoff (2007), S. 114; Albrecht/Albrecht (2004), S. 60 ff.

59

Mit Absicht wird hier der Begriff „Organisation“ gewählt, da dieser weitreichender ist als der Ausdruck „Unternehmen“. Die „AFO“ wird hier als Institution verstanden, welche ein Unternehmen, eine Behörde oder ein Verein sein kann. Vgl. Kapitel III, Punkt 4 Abgrenzung zwischen gesetzeskonformen und dolosen Handlungen.

60

Eine Betrachtung der rechtswissenschaftlichen Perspektive würde ausserdem den Rahmen dieser Arbeit sprengen.

61

Vgl. Kapitel II Themenrelevanz.

62

Vgl. Kapitel III Wirtschaftskriminalität: Ein vielfältiger Begriff.

63

Vgl. Kapitel IV Theoretischer Bezugsrahmen.

64

Neben zahlreichen empirischen Untersuchungen, die in internationalen wissenschaftlichen Journals veröffentlicht sind, führen grosse Wirtschaftsprüfungsgesellschaften häufig in Kooperation mit Universitäten regelmässig umfassende Erhebungen zum Thema der Wirtschaftskriminalität durch. Dabei werden Unternehmen befragt, welche als Opfer doloser Handlungen betrachtet werden. Unternehmen können auch als Täter bezeichnet werden. Die vorliegende Arbeit betrachtet diese jedoch ausschliesslich als Opfer. Aufgrund der bereits erhobenen Daten aus der Opferperspektive sollen vereinzelt relevante Punkte herausgearbeitet und im Kontext dargestellt werden, wobei an dieser Stelle hervorzuheben ist, dass der Dissertationsfokus eindeutig auf der Täterperspektive liegt.

65

Vgl. Kapitel I, Punkt 5 Grundannahmen und Forschungsfragen.

10

I Einleitung

qualitative Forschung bemüht sich um ein möglichst vollständiges Bild der Wirklichkeit, dabei werden die Vorgehensweisen und Ergebnisse oftmals als Intuition des Forschenden missverstanden. Aus diesem Grund ist es besonders wichtig, dass qualitätssichernde Massnahmen ausführlich thematisiert werden.66 Angewandte Methoden sollen begründet sein und eine entsprechende Härte erlangen, damit deutlich wird, dass sich der Verfasser seines forschungsmethodischen Vorgehens bewusst ist.

Eine empirische Untersuchung im Bereich der Wirtschaftskriminalität soll in Form von Interviews mit rechtskräftig verurteilten Wirtschaftsstraftätern in der Schweiz und in Österreich durchgeführt werden. Damit soll mehr Aufschluss über tatauslösende Faktoren und vorbeugende Massnahmen erlangt werden. Da es sich um ein schwer zugängliches Forschungsfeld handelt, sollen mehrere Zugangsstrategien verfolgt werden, um eine für die qualitative Arbeit angemessene Anzahl von Respondenten befragen zu können.67 Anschliessend sollen alle auf Tonband aufgenommenen Befragungen transkribiert werden.68

Im Zuge der Auswertung der Forschungsgespräche durch die Qualitative Inhaltsanalyse69 stehen Evaluierungen und Kausalannahmen der für die Respondenten relevanten Inhalte im Zentrum.70 Bewertungen der Befragten zu unterschiedlichen Themen könnten auf Problemfelder oder Erfolgsgebiete bei der Anwendung und Umsetzung von Präventionsmassnahmen hinweisen.71 Ausgehend von der Ursachenanalyse wird die Effektivität von Präventionsmassnahmen anhand der einzigartigen Täterperspektive überprüft. Dabei soll das gesamte Datenmaterial der zuvor transkribierten Forschungsgespräche in folgende zwei Teile zerlegt werden: In die durch die Befragten wahrgenommene gegenwarts- sowie vergangenheitsorientierte Echt-Situation und in die hypothetisch-zukunftsorientierte Soll-Situation. Auf die Frage, welche Präventionsmassnahmen besondere Wirkung zeigen, kann die Ursache-Wirkungsanalyse zweckmässig sein.72 Dadurch wird auch eine Identifizierung bedeutsamer Kernaspekte möglich. Zusätzlich wird der Versuch unternommen, eine widerspruchsfreie Ordnung von Zusammenfassungen des gesprochenen Textmaterials zu schaffen, um die Gesamtsituation zu erklären.73

66

Vgl. Kapitel V, Punkt 1.2 Forschungsansatz; Kapitel V, Punkt 5.1.3 Qualitätssicherung der QIA; Kapitel V, Punkt 5.2.2 Qualitätssicherung der Interpretationen.

67

Vgl. Kapitel V, Punkt 2 Zugang zum Forschungsfeld; Kapitel V, Punkt 3.2 Anreizgenerierung und Vertrauensbildung.

68

Vgl. Kapitel V, Punkt 4 Aufbereitungsverfahren.

69

Vgl. Kapitel V, Punkt 5.1 Qualitative Inhaltsanalyse (QIA): GABEK®.

70

Vgl. Kapitel VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse.

71

Vgl. Kapitel VI, Punkt 3 Bewertete Themen.

72

Vgl. Kapitel VI, Punkt 4 Bedeutende Kausalbeziehungen.

73

Vgl. Kapitel VI, Punkt 1 Ebenen des Gestaltenbaumes.

I Einleitung

11

Neben manifesten sollen ebenso latente Bedeutungen analysiert werden, um ein besseres Verständnis für besonders markante Textstellen zu schaffen.74 Damit bezweckt der Verfasser nicht nur eine Stärkung der Glaubwürdigkeit bzw. Validität der Erkenntnisse insgesamt durch die Qualitative Inhaltsanalyse, sondern möchte einen Einblick in das „zwischen den Zeilen Versteckte“ gewähren.75 Durch die Interpretationen des hermeneutischen Verfahrens sollen bestimmte Auffälligkeiten zum Vorschein kommen, die das inhaltsanalytische Verfahren wertvoll ergänzen. Die Ergebnisse der getrennt voneinander stattgefundenen Auswertungsmethoden sollen schliesslich miteinander verglichen werden.76

Durch diese Arbeit sollen in der Praxis und Wissenschaft neue Erkenntnisse gewonnen werden. Durch Täterbefragungen soll die einzigartige Sichtweise von „innen“, also von involvierten und ausübenden Personen dargelegt werden, um mehr Transparenz über dieses noch kaum erforschte Gebiet zu schaffen. Dieser gesamte Prozess der Wissensgenerierung zielt primär auf die Beantwortung der nachfolgend erläuterten Forschungsfragen.

5

Grundannahmen und Forschungsfragen

Kritisches Hinterfragen der natürlichen oder sozialen Welt bzw. Realität in Form von Theorien ist ein wesentliches Charakteristikum der Verfahrensweise in den Realwissenschaften.77 Aufgrund der tief in die Realitätsschichten eindringenden Theorien ergibt sich eine Komplexitätsreduktion, die zu einem besseren Verständnis der Wirklichkeit befähigt.78 Eine Verminderung der Komplexität ist eine Konsequenz nachfolgender Grundannahmen, die für die Arbeit getroffen wurden und wesentlich sind: 1.

74

Aufgrund unterschiedlicher Auffassungen von Wirtschaftskriminalität (unterschiedliche Begriffsauffassungen79 und Wissenschaftler und Spezialisten aus verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen80) werden auch unterschiedliche Massnahmen zur Verhinderung eingeführt, die nicht alle die gleiche Wirksamkeit aufweisen. Deshalb ist es notwendig, dass

Vgl. Kapitel V, Punkt 5.2 Hermeneutische Interpretation: Feinstrukturanalyse.

75

Vgl. Kapitel VII Forschungsergebnisse durch die hermeneutische Interpretation.

76

Vgl. Kapitel V, Punkt 5.3 Ergebnisvergleich beider Auswertungsverfahren; Kapitel VIII Vergleich der Auswertungsergebnisse von Kapitel VI und VII.

77

Vgl. Schanz (1979), S. 122. Im Gegensatz zu den Formalwissenschaften, die Anstrengungen in die Entwicklung von Sprachen postuliert, bemühen sich die Realwissenschaften um die Beschreibung, Erklärung und Gestaltung empirisch wahrnehmbarer Wirklichkeitsausschnitte. Vgl. Ulrich/Hill (1979), S. 163.

78

Vgl. Schanz (1979), S. 123.

79

Vgl. Kapitel III, Punkt 2 Facettenreichtum des Begriffs.

80

Vgl. Kapitel III, Punkt 3 Interdisziplinäre Betrachtung.

12

I Einleitung

2.

die auslösenden Ursachen einer Wirtschaftsstraftat näher betrachtet werden, um zu verstehen, wo wirksame Prävention ansetzen sollte.81 Zwischen Tat und ausführender Person bzw. ausführenden Personen doloser Handlungen in Unternehmen existiert eine untrennbare Verbindung. Ein Wirtschaftsdelikt benötigt mindestens einen Täter. Warum es zur Tat gekommen ist und wie sie sich womöglich am ehesten hätte vermeiden lassen, kann der Delinquent aus seiner einzigartigen Perspektive beleuchten.

Basierend auf den genannten Grundannahmen, der dargelegten Problemstellung und dem erörterten Forschungsstand steht folgende Frage im Zentrum: Welche tatauslösenden Ursachen existieren und wie kann Wirtschaftskriminalität in der Schweiz und in Österreich durch unternehmensinterne Präventionsmassnahmen vermieden werden? Dabei soll die Perspektive rechtskräftig verurteilter Wirtschaftsstraftäter mehr Transparenz schaffen. Aus der Hauptforschungsfrage werden folgende Teilforschungsfragen abgeleitet: ƒ

ƒ

ƒ ƒ

ƒ

Inwiefern haben auslösende Elemente des „Fraud Triangle“ („Motivation“, „Gelegenheit“ und „Rationalisierung“) bzw. des „Fraud Diamond“82 („Fraud Triangle“ erweitert um die Komponente „Fähigkeit“) Einfluss auf die Ausübung von wirtschaftskriminellen Straftaten? Welche Elemente werden zwingend benötigt, um ein Wirtschaftsdelikt zu begehen? Wie werden welche Kernthemen der Prävention von den Delinquenten nach der vergangenheits- und gegenwartsbezogenen Ist- und nach der hypothetischen Soll-Situation evaluiert? Welche Aspekte werden von den befragten Tätern als „vorbeugend“ und welche als „auslösend“ identifiziert und welche wichtigen kausalen Zusammenhänge bestehen? Welche latenten Bedeutungen einzelner Interviewsequenzen mit den Delinquenten können identifiziert werden und welche Auffälligkeiten weist das „zwischen den Zeilen Versteckte“ auf? Inwiefern stimmen die Interpretationen mit den manifesten Analyseergebnissen einer Qualitativen Inhaltsanalyse überein? Wie ist die Gesamtsituation im Hinblick auf die tatauslösenden Ursachen und die Prävention aus der Täterperspektive zu beschreiben?

Die Beantwortung der Fragestellungen durch die empirische Untersuchung ist auf die Sichtweise der befragten Delinquenten bezogen, d. h. eine einzigartige und dennoch beschränkte Perspektive. Determinierte Forschungsfragen sind für den Prozess der Erkenntnisgewinnung zentral. Durch die genannten Forschungsfragen wird der methodische Bezugsrahmen deutlich eingegrenzt. Dabei tritt der qualitative Forschungsansatz in den Vordergrund: Die inhaltliche Strukturierung der empirischen Untersuchung orientiert sich weitgehend an den Erkenntnissen aus den Forschungsgesprächen.

81

„Most important to note, it is human beings who commit crimes, […] we must attempt to understand their motivations and determine both the why and the how of white collar crime.” Ramamoorti (2008), S. 530.

82

Primär liegt der Fokus beim „Fraud Triangle“, d. h. der Erklärungsansatz des „Fraud Diamond“ ist lediglich als Ergänzung zu betrachten. Auf die Persönlichkeitseigenschaften des Täters wird im Rahmen dieser Arbeit nicht näher eingegangen. Vgl. Kapitel IV, Punkt 1.4.2 Machiavellistische Intelligenz.

I Einleitung

6

13

Positionierung

Überlegungen im Bereich der Wissenschaftstheorie sind für wissenschaftliche Arbeiten unverzichtbar. Der Forscher83 beschäftigt sich mit der Aufstellung von Sätzen oder Systemen von Sätzen und deren systematischer Überprüfung.84 „Wir wollen die Regeln, oder […] Normen aufstellen, nach denen sich der Forscher richtet, wenn er Wissenschaft treibt, wie wir es uns denken.“85 Primäres Ziel einer Standardisierung ist die Vergleichbarkeit der Forschungsergebnisse.

Die vorliegende Arbeit versteht den Begriff der Wissenschaft als ein Produkt des Erkenntnisgewinnungsprozesses mit dem Ziel der Generierung von neuem Wissen. Das Konzept der Betriebswirtschaftslehre wird von Ulrich als Managementlehre aufgefasst, welche sich mit Gestaltungsproblemen und Lenkung zweckgerichteter sozialer Systeme befasst.86 Der St. Galler Managementlehre87 entsprechend liegt der Dissertation die Auffassung der Betriebswirtschaftslehre als problem- und anwendungsorientierte Sozialwissenschaft zugrunde. Vertreter der Managementlehre sind der Auffassung, dass ihre Wissenschaft zu praktisch nützlichen Erkenntnissen führen soll. „Andererseits wird aber vor einer ‚theorielosen’ Lehre gewarnt; man möchte sowohl ‚theoretische’ als auch praxisbezogene Wissenschaft sein.“88

Im Wesentlichen existieren vier verschiedene Möglichkeiten von praxisorientierten Aussagen der Betriebswirtschaftslehre als anwendungsorientierte Sozialwissenschaft.89 Der erste und zweite Typus nachfolgender Tabelle orientiert sich an aktuellen und einzelnen Problemen der Praxis im engeren Sinne. Vom dritten und vierten Typus hingegen wird eine veränderte Perspektive auf höherer Aggregationsstufe eingenommen, welche einen Entwurf von allgemeingültigen Modellen und bzw. oder Regeln für die Entwicklung von Gestaltungsmöglichkeiten der Zukunft als Forschungsaufgabe fordert. Das erarbeitete Konzept kann in der unternehmerischen Praxis Anwendung finden. Die Positionierung nach Dissertationszielsetzung und -inhalt entspricht insbesondere dem dritten und vierten Typus:

83

Der Forscher betreibt Forschung, die als Interaktionsprozess aufgefasst werden kann, „[…] in dem sich Forscher und Gegenstand verändern.“ Mayring (2002), S. 32.

84

Vgl. Popper (1982), S. 3.

85

Popper (1982), S. 23.

86

Vgl. Ulrich (1984), S. 168 ff.

87

Vgl. Rüegg-Stürm (2004), S. 135.

88

Ulrich (1984), S. 169; vgl. Popper (1998), S. 362.

89

Nachfolgende Anmerkungen zur Betriebswirtschaftslehre als anwendungsorientierte Sozialwissenschaft (Typen) werden nach Ulrich zusammengefasst. Vgl. Ulrich (A) (1981), S. 10.

14

I Einleitung

Inhaltliche Lösungen mit der Frage nach „was?“

Methoden mit der Frage nach „wie?“

Gegenwärtige Probleme

1. Inhaltliche Lösungen für konkrete Probleme der Praxis ausarbeiten

2. Lösungsverfahren für konkrete Probleme der Praxis anbieten

Zukünftige Gestaltung

3. Gestaltungsmodelle für die Veränderung der sozialen Wirklichkeit entwerfen

4. Regeln für die Entwicklung von Gestaltungsmodellen in der Praxis ausarbeiten

Legende:

Einordnung der Dissertation

Tab. 1: Kategorien praxisrelevanter Aussagen90 Zwischen Praxis und Wissenschaft existiert ein von Chmielewicz beschriebenes Kooperationsmodell. Dabei werden folgende vier Forschungskonzeptionen erklärt (in gleicher Sequenz wie nachfolgend aufgeführt): Die Begriffslehre als ein essentialistisches Wissenschaftsziel, die Wirtschaftstheorie als ein theoretisches Wissenschaftsziel, die Wirtschaftstechnologie91 als Theorie der Wirtschaftspolitik oder ein pragmatisches Wissenschaftsziel und die Wirtschaftsphilosophie als ein normatives Wissenschaftsziel.92 Einzuhalten ist die Reihenfolge dieser Ziele, da jede Stufe auf der darunter angeordneten aufbaut.

Das erste essentialistische Wissenschaftsziel gilt als erreicht, wenn verwendete Begriffe und Definitionen klar und verständlich abgegrenzt werden und dem theoretischen Wissenschaftsziel eine solide Basis bieten. Obwohl sich das Thema der vorliegenden Qualifikationsschrift durch den Überbegriff „Wirtschaftskriminalität“ einer punktuellen Betrachtung zu entziehen bemüht, wird der Untersuchungsgegenstand deutlich eingegrenzt.93 Ohne dabei auf jede einzelne Deliktart einzugehen wird der Begriff dieser Arbeit durch wissenschaftliche Fachliteratur diskutiert.94 Nicht zuletzt dient dieser Schritt als Voraussetzung für die Grundstruktur der weiteren Vorgehensweise.

Eine Darstellung plausibler Ursache- und Wirkungszusammenhänge präsentiert das theoretische Ziel der zweiten Stufe. Neben der Aufarbeitung und Analyse bedeutender internationaler Literatur und den Begründungen durch Theorien, stellt insbesondere die empirische Untersuchung zahlrei-

90

Vgl. Ulrich (A) (1981), S. 10 f.

91

Der Begriff der Technologie wird häufig auf die Technologie des Ingenieurwesens eingeschränkt. Popper dehnt den Begriff allerdings auf das Lehren vom zielerreichenden Gestalten aus.

92

Alle vier Forschungskonzeptionen sind nach Chmielewicz beschrieben. Vgl. Chmielewicz (1970), S. 2 ff.

93

Vgl. Kapitel III, Punkt 4 Abgrenzung zwischen gesetzeskonformen und dolosen Handlungen; Kapitel IV Theoretischer Bezugsrahmen.

94

Vgl. Kapitel III, Punkt 5 Begriffsdefinition dieser Arbeit.

I Einleitung

15

che Ursache-Wirkungsbeziehungen her (sog. „Kausalbeziehungen“).95 Damit kann auch dieses zweite Ziel erreicht werden.

Die dritte Stufe beschreibt das pragmatische Wissenschaftsziel, welches Handlungsempfehlungen hinsichtlich des Mitteleinsatzes ableitet. Dabei geht es nicht um wertende Empfehlungen, sondern um den Transfer der Erkenntnis in einen anwendungsbezogenen Rahmen.96 In dieser Stufe erhält die Praxis fertige Ziel- und Mittelaussagensysteme und muss nur noch über die Ziele und Mittel werturteilend reflektieren. Die vorliegende Dissertation soll diese Stufe nach Chmielewicz erfüllen.

Noch weiter geht das normative Ziel, welches die vierte und letzte Stufe der Wissenschaftsziele darstellen soll. Diese Kategorie, die auch als Wirtschaftsphilosophie verstanden wird, soll Werturteile formulieren, also wertende Handlungsempfehlungen weitergeben. Wie angemessen wäre es, diese letzte von Chmielewicz formulierte Stufe erreichen zu wollen?97

Aus einer positivistischen Position könnte bei der wertenden Urteilsformulierung die Wissenschaftlichkeit in Frage gestellt werden. Im Gegensatz dazu unterstellen Hermeneutiker eine untrennbare Verbindung von Urteilen und Wissenschaft. Schliesslich besteht die Wirklichkeit aus Werturteilen, deshalb stellt sich der Verfasser die Frage, wie eine Abbildung der Wirklichkeit ohne Werturteile aussehen könnte. Jeder Wissenschaftler, unabhängig davon, ob er möchte oder nicht, ist zu gewissen Werturteilen gezwungen.98

95

Vgl. Kapitel VI, Punkt 4 Bedeutende Kausalbeziehungen; Kapitel V, Punkt 5.1.2 Aufbau der QIA; Kapitel V, Punkt 5.1.4 Ziele der QIA. Ihren Ausdruck findet die genannte Absicht vor allem bei den Kausalnetzgrafiken. Dabei fliessen wertende Elemente ein, die jedoch nicht vom Autor dieser Arbeit stammen, sondern von den Respondenten geäussert und vom Verfasser exakt transkribiert wurden.

96

Vgl. Kapitel VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse; Kapitel VII Forschungsergebnisse durch die hermeneutische Interpretation. Vgl. Kapitel IX Zusammenfassung der zentralen Forschungsergebnisse und Schlussfolgerungen.

97

An dieser Stelle wird der bereits bekannte Werturteilsstreit angesprochen. Dabei stellt sich die Frage, inwiefern die Wissenschaft von Wertauffassungen zu trennen ist. Obwohl Weber eine Vermeidung von Werturteilen fordert, ist es ihm offensichtlich selbst nicht immer gelungen, diese einzuhalten. Vgl. Riklin (1987), S. 27; Albert/Topitsch (1971); Weber (1968). Weitere Ausführungen hierzu würden zu weit führen und den Rahmen dieser Arbeit sprengen.

98

Riklin beschreibt neun unvermeidbare Werturteile: Werturteil über den Wert der Wissenschaft, über Werturteile, über den Zweck der Wissenschaft, über die ethischen Grenzen der Wissenschaft, über den Wissenschaftsbegriff, über die Anerkennung traditioneller Regeln der Wissenschaft, bei der Auswahl des Gegenstandes der Forschung und der Lehre, bei der Auswahl der Forschungsmethoden und -techniken und bei der Durchführung der Forschungsarbeit. Er beschreibt Werturteile als ethische Stellungnahmen zur Richtigkeit und Unrichtigkeit menschlichen Handelns. Vgl. Riklin (1987), S. 11 ff.

16

I Einleitung

Im Rahmen dieser Arbeit vertritt der Verfasser dieselbe Position wie Riklin:99 Werturteile als Voraussetzung sind unvermeidbar. Doch Werturteile als Gegenstand sind nicht solche des Forschenden. Er soll lediglich Tatsachenurteile über die Werturteile anderer fällen. Werturteile als Inhalt wissenschaftlicher Aussagen sollten vermieden werden. Wenn der Forschende Werturteile formulieren möchte, muss ihm sein eigenes Vorhaben bewusst sein, damit eine klare Kennzeichnung möglich ist. Ausserdem sollte Wertendes lediglich vorläufigen Charakter haben, plausibel begründet, selbstkritisch hinterfragt und transparent offengelegt werden. Schlussendlich ist es wichtig, dass der Leser wertende von nicht-wertenden Angaben unterscheiden kann.

7

Aufbau der Arbeit

Kapitel zwei verdeutlicht zunächst die Themenrelevanz von delinquenten Handlungen und die Dringlichkeit, vorbeugend vorzugehen. Damit deutlich wird, wie relevant diese Problematik in den deutschsprachigen Ländern tatsächlich ist, ist es dem Autor besonders wichtig, die Reichweite der aus dolosen Handlungen resultierenden Vermögens- und Vertrauensschäden anzuführen. Dabei handelt es sich lediglich um bekannt gewordene und erfasste Fälle ohne Berücksichtigung der verborgenen Delikte. Obwohl die Experten sich einig sind, dass eine exakte Einschätzung des Dunkelfeldes nicht möglich ist, wird ein hohes Ausmass unentdeckter Wirtschaftsstraftaten angenommen.

Kapitel drei greift auf die frühesten wissenschaftlichen Beiträge zur Wirtschaftskriminalität zurück, um eine passende Begriffserklärung zu finden. Nicht nur aufgrund des breiten Deliktspektrums, sondern auch durch die unterschiedlichen disziplinären Betrachtungsweisen wird eine klare Eingrenzung im Rahmen der vorliegenden Dissertation notwendig. Deshalb werden zuerst die dolosen von den konformen Handlungen im Allgemeinen abgegrenzt. Anschliessend wird eine Begriffsbestimmung entwickelt und mit vorhandenen Definitionen der Fachliteratur verglichen.

Präventionsmassnahmen sollen durch die empirische Untersuchung erarbeitet werden und bleiben deshalb in Kapitel vier noch unberücksichtigt. Der theoretische Bezugsrahmen beschränkt sich auf die Ursachen von Wirtschaftskriminalität. Es wird angenommen, dass der Fokus auf die tatauslösenden Faktoren gerichtet werden sollte, um wirksame Vorbeugung zu erzielen. Deshalb wird von dem wohl bekanntesten wissenschaftlichen Erklärungsansatz der Entstehungsgründe doloser Handlungen, dem „Fraud Triangle“, ausgegangen. Vor wenigen Jahren wurde das Dreieck um ein viertes Element zum „Fraud Diamond“ erweitert. Anhand der internationalen wissenschaftlichen Literatur werden in diesem Teil der Arbeit die vier Voraussetzungen (Motivation, Gelegenheit, Rechtfertigung und Fähigkeit) zur Ausübung von Wirtschaftsstraftaten erklärt, um eine theoretisch fundierte Basis zu schaffen. Das Kapitel wird mit einem Exkurs abgeschlossen, der den verwendeten Erklärungsansatz von anderen Theorien abgrenzt.

99

Vgl. Riklin (1987), S. 32 f.

I Einleitung

17

Das forschungsmethodische Vorgehen in Kapitel fünf widmet sich zuerst den wissenschaftstheoretischen Grundlagen, dann dem Zugang zum Forschungsfeld und schliesslich den Erhebungs-, Aufbereitungs- und Auswertungsverfahren. Die für die Dissertation relevantesten Aspekte des qualitativen Forschungsparadigmas werden erörtert und bilden einen übersichtlichen Rahmen. Im Abgleich mit den Forschungsfragen werden die einzelnen Schritte bis hin zur Darstellung der Ergebnisse beschrieben. Das Vorgehen orientiert sich exakt an den thematisierten qualitätssichernden Massnahmen, damit die Resultate nicht als intuitive Einfälle subjektiver Meinungen missverstanden werden. Eine Besonderheit stellt die Datenauswertung durch zwei unabhängig voneinander erarbeiteten Verfahren dar, deren Strukturierung detailliert beschrieben wird.

Die ausgewerteten Forschungsergebnisse werden in Kapitel sechs und sieben präsentiert. Dabei entschied sich der Verfasser der vorliegenden Arbeit für zwei Kapitel, um die Trennung der Erkenntnisse nach den zwei unterschiedlichen Auswertungstechniken zu unterstreichen. Entsprechend der Forschungsabsicht werden durch die Qualitative Inhaltsanalyse einerseits manifeste und durch die Feinstrukturanalyse andererseits latente Bedeutungen herausgearbeitet. Durch die Beschreibung der Auswertungsverfahren wird deutlich, dass sich beide in gewisser Weise ergänzen und dennoch Gegensätze darstellen: Dem unvermeidlichen Datenverlust durch den zusammenfassenden und selektiven Charakter der Inhaltsanalyse steht ein durch vielfältige hermeneutische Auslegungen generierendes Interpretationsverfahren gegenüber. Beim Vergleich der Ergebnisse beider unabhängig voneinander zustande gekommenen Auswertungsverfahren werden die identifizierten inhaltlichen Überschneidungen in Kapitel acht präsentiert. Wider Erwarten sind zahlreiche Parallelen zu erkennen.

Das abschliessende Kapitel neun fasst die wesentlichsten Eckpfeiler aus methodischer, theoretischer und praktischer Perspektive zusammen und hebt den betriebswirtschaftlichen Nutzen der gewonnenen Erkenntnisse hervor. Dabei werden konkrete Handlungsempfehlungen abgeleitet.

18

II Themenrelevanz

II

Themenrelevanz

Nicht nur die Tatsache, dass es im Einzelfall häufig umstritten und juristisch schwer abklärbar ist, ob es sich im konkreten Fall nun unzweifelhaft um ein Delikt handelt, sondern auch das hohe Dunkelfeld, d. h. die Anzahl der unentdeckten und der entdeckten aber nicht gemeldeten Fälle, machen die Feststellung einer zuverlässigen Schadenshöhe illusorisch. Die Auswirkungen der unentdeckten und nicht angezeigten bzw. juristisch nicht verfolgten Straftaten sind nicht im Schadensbetrag enthalten. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG bezeichnet eine Benennung der durch Wirtschaftskriminalität entstandenen Schadenshöhe als „nicht konstitutiv“.100 Nachfolgend werden die für Unternehmen entstehenden Vermögens- und Vertrauensschäden, die Dunkelfeldproblematik und das Vorkommen doloser Handlungen näher betrachtet.

1

Schäden durch Wirtschaftskriminalität

Betriebliche Aufwendungen könnten als freiwillige, Schäden101 hingegen als unfreiwillige Vermögensopfer102 bezeichnet werden.103 Eine exakte Bezifferung der gesamten aufgrund fraudulenter Handlungen entstandenen Schadenshöhe in Unternehmen ist schlicht unmöglich.104 Dennoch wird anhand einer repräsentativen Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC der durchschnittliche Schaden infolge von Wirtschaftskriminalität innerhalb des Zeitraums Frühjahr 2005 bis Frühjahr 2007 auf ungefähr zwei Mio. Euro105 pro Unternehmen in Westeuropa geschätzt, wobei indirekte Schäden, wie z. B. Auswirkungen des Vertrauensschadens nicht erfasst sind. Dazu kommt noch, dass je nachdem ob z. B. Verluste des Fiskus durch Steuerbetrug hinzugezählt

100

Vgl. KPMG (International) (2006), S. 4. Schätzungen zu den jährlichen Schäden aus wirtschaftskriminellen Handlungen für Unternehmen in den nationalen Volkswirtschaften gehen weit auseinander. Von ausgewiesenen Experten im Bereich der Wirtschaftskriminalität wird der jährliche Gesamtschadensbetrag im deutschsprachigen Raum zwischen zwei und zehn Prozent des BIP geschätzt. Vgl. Melcher (2009), S. 4; Janke (2008), S. 14.

101

Mit „Schäden“ sind hier offensichtlich Wirkungen gemeint, die durch das Auftreten von Wirtschaftskriminalität entstehen. Zu diesen Wirkungen zählen auch sog. Folgeschäden. Obwohl in der Literatur beinahe ausschliesslich negative Konsequenzen (Schäden) diskutiert werden, ist es laut Opp nicht ausgeschlossen, dass das Auftreten der Wirtschaftskriminalität auch Konsequenzen hat, die positiv zu bewerten sind. Vgl. Opp (1975), S. 27 ff. Im Rahmen der Dissertation wird lediglich auf negative Konsequenzen eingegangen.

102

Die Tatsache, dass durch dolose Handlungen erzielte Gelder häufig durch Konsum wieder in den Wirtschaftskreislauf einfliessen, bleibt in dieser Arbeit unberücksichtigt.

103

Vgl. Amend (2008), S. 15.

104

Vgl. Bannenberg (2008), S. 84; Wells/Kopetzky (2006), S. 27; Schnatterly (2003), S. 587.

105

Diese Summe inkludiert Managementkosten. Ohne die Kosten für das Management beträgt die Schadenshöhe 1.67 Mio. Euro pro Unternehmen in Westeuropa. Solche Schäden steigen mit der Grösse des Unternehmens exponentiell. Gleichwohl können derartige Verluste auch für kleinere und mittlere Unternehmen schnell existenzbedrohend werden. Vgl. PwC (Deutschland) (2007), S. 16.

A. Schuchter, Perspektiven verurteilter Wirtschaftsstraftäter, DOI 10.1007/978-3-8349-3606-6_2, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2012

II Themenrelevanz

19

werden, Schätzungen sehr unterschiedlich ausfallen können. Der geschätzte Gesamtschaden pro Unternehmen in Westeuropa ist deshalb als Untergrenze zu verstehen. An dieser Stelle ist anzumerken, dass es sich um einen Durchschnittswert handelt, d. h. es ergeben sich auch je nach Wirtschaftszweig, Unternehmensgrösse und Deliktart unterschiedliche Werte. Fraglich ist auch, wie weit der Kreis der Geschädigten zu ziehen ist, denn unfreiwillige Vermögensopfer treffen häufig nicht nur das eigene, sondern auch andere Unternehmen.106 So könnten die Geschädigten im Extremfall (z. B. bei einer Unternehmensauflösung) nicht nur die eigenen Kunden und Lieferanten sein, sondern auch deren Kunden und Lieferanten. Die Summe der einzelnen materiellen und immateriellen Schäden ergibt den für das entsprechende Unternehmen durch Wirtschaftskriminalität entstandenen Gesamtschaden.

1.1

Materielle Schäden

Der durchschnittliche Verlust der durch PwC befragten und von Wirtschaftskriminalität betroffenen Schweizer Unternehmen belief sich im Jahr 2009 auf 1.53 Mio. CHF, wobei 18 Prozent von ihnen einen Vermögensschaden von über 5.11 Mio. CHF erlitten.107 Im Jahr 2009 wurden vor Schweizer Gerichten 57 grosse Fälle von Wirtschaftskriminalität im Umfang von insgesamt 1.57 Mrd. CHF verhandelt, wie durch das „KPMG Fraud Barometer“ dargestellt.108

Der finanzielle Gesamtschaden durch Wirtschaftskriminalität wird in Österreich auf ungefähr 15 Mrd. Euro pro Jahr geschätzt, d. h. es gehen fünf bis sieben Prozent des Jahresumsatzes verloren.109 Die 87 durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC befragten Führungskräfte in Österreich im Jahr 2007 erfassten im Erhebungszeitraum einen durch deviante Handlungen verursachten Schaden von rund 20 Mio. Euro, wobei ein Grossteil der entstandenen Schäden auf Unterschlagung und Betrug zurückgeht (ungefähr 12.80 Mio. Euro), gefolgt von Schäden durch Korruption und Bestechung (ungefähr 4.70 Mio. Euro).110

106

Vgl. Hofmann (2008), S. 44.

107

Die Global Economic Crime Survey für das Jahr 2009 basiert auf einer elektronischen Umfrage mit über 3'000 Teilnehmenden in 55 Ländern. Mehr als die Hälfte der Umfrageteilnehmenden waren Mitglieder der Geschäftsleitung. Im Rahmen dieser Studie wurden 129 Schweizer Unternehmen befragt, wobei 41 Prozent davon börsenkotiert sind. Vgl. PwC (Schweiz) (2009), S. 4.

108

Zur Erstellung des „Fraud Barometers“ berücksichtigte KPMG Fälle von Betrug und ähnliche Wirtschaftsdelikte mit einem Schadensbetrag von mindestens CHF 50'000, welche vor einem Schweizer Strafgericht zur Verhandlung kamen oder angeklagt sind (rechtshängig) und über welche in den wichtigsten Schweizer Tages- und Wochenzeitschriften berichtet wurde. Vgl. KPMG (Schweiz) (A) (2010), S. 3.

109

Von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young wird geschätzt, dass in Österreich ungefähr drei bis vier Mrd. Euro auf Anlagebetrug, drei Mrd. Euro auf Veruntreuung und Betrug, drei Mrd. Euro auf Korruption, eineinhalb Mrd. Euro auf Produktpiraterie und weitere eineinhalb Mrd. Euro auf Wirtschaftsspionage entfallen. Vgl. Ernst & Young (Österreich) (2008), S. 5.

110

Die in Österreich befragten Führungskräfte sind zu 77 Prozent in der Finanzabteilung ihres Unternehmens tätig. Die in Österreich befragten Personen kamen zu 60 Prozent aus Unternehmen, die selbst oder deren

20

II Themenrelevanz

Nach der Statistik des Bundeskriminalamts (BKA) in Deutschland (Wiesbaden) betrug die finanzielle Schadenssumme der rund 84'500 registrierten Fälle im Jahr 2008 rund 3.43 Mrd. Euro, wobei nicht alle Fälle mit einer Schadenssumme erfasst wurden.111 Laut Bundeskriminalamt hat die Höhe der registrierten Schäden erhebliche Auswirkungen: „Delikte der Wirtschaftskriminalität verursachten somit mehr als ein Drittel des in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) ausgeworfenen Gesamtschadens in Höhe von rund 9.96 Mrd. Euro.“112 Die von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC in Zusammenarbeit mit der Martin-Luther-Universität HalleWittenberg durchgeführte Untersuchung zur Sicherheitslage in deutschen Grossunternehmen beziffert den finanziellen Schaden im Jahr 2009 auf 5.57 Mio. Euro je Unternehmen.113 Beim genannten Schadensbetrag handelt es sich um einen Durchschnittswert. Die in Deutschland durch Wirtschaftskriminalität verursachten Schäden steigen mit der Grösse des Unternehmens exponentiell, wie nachfolgend anhand von Abb. 2 grafisch dargestellt wird. Zu beachten ist, dass bei kleineren Unternehmen vergleichsweise geringere finanzielle Schäden im Einzelfall schnell existenzbedrohend sein können.114

Konzernmütter an der Börse notieren. Im Durchschnitt beschäftigen die befragten Unternehmen 895 Mitarbeiter (Westeuropa: 2'312 und weltweit: 2'842) Vgl. PwC (Österreich) (2007), S. 3. 111

Im Jahr 2008 wurden zu 74'853 Fällen der Wirtschaftskriminalität eine Schadenssumme erfasst. Vgl. Bundeskriminalamt (2008), S. 8 ff. Aufgrund der Hinzurechnung der Managementkosten und der nicht angezeigten Straftaten beziffert die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC den Gesamtschaden für die deutsche Wirtschaft höher. Ausserdem werden die Abweichungen auch durch die Erhebungsmethode begründet: „Die Erhebung erlaubt keine Berücksichtigung der Einzelschäden jedes Schadensfalls […] sondern beruht auf dem geschätzten Gesamtschaden der Unternehmen für jede einzelne Deliktsart.“ PwC (Deutschland) (2007), S. 17.

112

Bundeskriminalamt (2008), S. 8.

113

Von April bis Mai 2009 wurden in Deutschland Verantwortliche in 500 Unternehmen telefonisch interviewt, die sich in ihrem Unternehmen für den Themenbereich Kriminalaufklärung und Prävention zuständig erklärten. Aufgrund der Grösse und der Stichprobenziehung handelt es sich um eine repräsentative Studie zur Sicherheitslage von Grossunternehmen in Deutschland. Jedes Unternehmen wurde gebeten, die Fragen mit Blick auf das eigene Unternehmen und den nationalen Standort zu beantworten. In die Analyse wurden ausschliesslich Grossunternehmen einbezogen. Vgl. PwC (Deutschland) (B) (2009), S. 12.

114

Vgl. Bussmann (2009), S. 508; Janke (2008), S. 13; Amend (2008), S. 17.

Anzahl der Beschäftigten

II Themenrelevanz

Unter 200

21

151'124

201 - 1'000

568'285

1'001-5'000

1'322'210

Über 5'000

6'750'714

0

2'000'000

4'000'000

6'000'000

8'000'000 in Euro

Abb. 2: Durchschnittsschäden nach Grösse je Unternehmen im Zweijahreszeitraum115 Selbst bei bereits aufgedeckten dolosen Handlungen ist im Einzelfall höchstens eine monetäre Schätzung des durch Wirtschaftskriminalität verursachten Schadens möglich. Die aufgrund dieser besonderen Art von Kriminalität entstandenen Schäden werden von den Unternehmen häufig als Teil der operativen Risiken betrachtet.116 Eine effektive unternehmensinterne Kriminalprävention scheint vielen Unternehmen zu unwirtschaftlich.117

Im Einzelfall setzt sich der verursachte Verlust durch eine Vielzahl von Schäden zusammen. Nicht nur hohe Geldstrafen und Prozesskosten sondern auch Kosten der Aufklärung, Ermittlung sowie gegebenenfalls Bereinigung erwarten die Unternehmen bei wirtschaftsdelinquenten Handlungen.118 Bereits Sutherland vermutete, dass der durch Wirtschaftskriminalität verursachte finanzielle Schaden wesentlich grösser sei als der entstandene monetäre Schaden durch Einbruchdiebstahl und Raubüberfall.119

115

Die Höhe der finanziellen Schäden weicht nicht nur von der Unternehmensgrösse ab, sondern unterscheidet sich auch in Bezug auf die Branchen. Im Betrachtungszeitraum der letzten beiden Jahre vor der Erhebung (Zweijahreszeitraum) waren die höchsten Schäden in Deutschland im Versicherungswesen und im Bereich der pharmazeutischen Industrie zu finden. Vgl. PwC (Deutschland) (2007), S. 16.

116

Dabei wird von Bussmann in der Vergangenheitsform berichtet: „Darüber hinaus wurden die infolge von Wirtschaftskriminalität verursachten finanziellen Schäden lange Zeit als Teil operativer Risiken angesehen.“ Bussmann (2009), S. 508.

117

Vgl. PwC (Deutschland) (A) (2009), S. 12.

118

Vgl. Humborg (2009), S. 73.

119

Vgl. Sutherland (1941), S. 113. Diesbezüglich drängt die wichtige Frage, inwiefern der Unternehmensaufwand zur Vermeidung doloser Handlungen (im Sinne von Betrug, Veruntreuung, Unterschlagung, Beste-

22

II Themenrelevanz

Neben direkten Vermögensschäden kam es in der Vergangenheit auch zu Schäden durch freiwilligen Zahlungen, z. B. im Fall FlowTex.120 Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG testierte die Bilanzen des Unternehmens trotz Fälschungen. Anschliessend zahlte die Prüfungsgesellschaft damals eine Summe von 100 Mio. DM an geschädigte Gläubiger, welche zu diesem Zeitpunkt teilweise auch Mandanten der KPMG waren. Unter Hervorhebung der Prüfungskorrektheit inhibierte die Zahlung dieser Rekordsumme eine juristische Auseinandersetzung, welche sich vielleicht viele Jahre hingezogen hätte. Negative Publizität, Image- und Vertrauensschäden wären mögliche Folgen gewesen. Auf diese immateriellen Schadensarten wird im nachfolgenden Unterkapitel eingegangen.

1.2

Immaterielle Schäden

Es wird angenommen, dass die durch Wirtschaftskriminalität verursachten immateriellen Schäden bzw. Vertrauensverluste interner und externer Stakeholder häufig problematischer sind als direkte Vermögensschäden.121 Dabei wurden die immateriellen Schäden lange Zeit in den KostenNutzen-Überlegungen kriminalpräventiver Massnahmen kaum berücksichtigt.122 Eine unmittelbare Quantifizierung der Vertrauensverluste ist nicht exakt möglich, da die Schäden statistisch kaum zu erfassen sind und diesbezügliche Schätzungen stark voneinander abweichen.123 Verstärktes Misstrauen der Stakeholder ist lediglich partiell empirisch nachgewiesen. Die immateriellen Schäden entziehen sich vermutlich in wesentlichen Teilen einer empirischen Überprüfung.124

Laut Bundeskriminalamt in Deutschland stellen gerade die kaum quantifizierbaren125, immateriellen Schäden wesentliche Faktoren für die Bewertung des Schadenspotenzials der Wirtschaftskriminalität dar, wie z. B.:126

chung, Korruption und Falschbilanzierung) zumindest dem der Bekämpfung von Einbruchdiebstahl und Raubüberfall entspricht? 120

Dabei wurden fiktive Vermögensgegenstände an eine Leasinggesellschaft mit anschliessender Rückübertragung der Nutzungsrechte im Rahmen des Leasingvertrages verkauft. „Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise Vorliegen von nicht in der Konzernbilanz ausgewiesenen Verbindlichkeiten, die durch Bezahlung der Leasingraten getilgt und verzinst werden.“ Peemöller (2008), S. 51.

121

Vgl. Schury (2008), S. 191; Opp (1975), S. 32.

122

Vgl. Bussmann (2009), S. 510.

123

Vgl. Levi (2006), S. 1037 f.; Ballwieser/Dobler (2003), S. 453f; Brockhaus Enzyklopädie WELI–ZZ (1999), S. 276.

124

Vgl. Eisenberg (2005), S. 737.

125

Bis zu einem gewissen Grad lassen sich immaterielle Schäden quantifizieren. Vgl. Bussmann (2009), S. 510.

126

Vgl. Bundeskriminalamt (2008), S. 10. Opp geht noch einen Schritt weiter und beschreibt die Zerstörung des Vertrauens durch Wirtschaftskriminalität in der gesamten Gesellschaft. Seine Annahme lässt sich folgendermassen formulieren: „Je häufiger Wirtschaftskriminalität in einer Gesellschaft auftritt, desto stärker ist das Mißtrauen in dieser Gesellschaft.“ Opp (1975), S. 33.

II Themenrelevanz ƒ

ƒ ƒ

23

Die Gefahr, dass infolge finanzieller Abhängigkeiten und Verflechtungen bei einem wirtschaftlichen Zusammenbruch auch jene Geschäftspartner betroffen sein können, die an den kriminellen Handlungen der Täter keinen Anteil hatten, gravierende Reputationsverluste von einzelnen Unternehmen oder auch ganzer Wirtschaftszweige und Vertrauensverluste der Stakeholder in das Unternehmen.

Für Sutherland ist das Vertrauen bei Wirtschaftsstraftaten ein ausschlaggebender Begriff. Der Wissenschaftler bringt alle Arten von Wirtschaftskriminalität auf den gleichen Nenner: „These varied types of white-collar crimes in business and the professions consist principally of violation of delegated or implied trust […] The financial loss from white-collar crime, great as it is, is less important than the damage to social relations. White-collar crimes violate trust and therefore create distrust, which lowers social morale and produces social disorganization on a large scale. Other crimes produce relatively little effect on social institutions or social organization.“127 Cressey kritisiert im Jahr 1950 in seinem Beitrag „The Criminal Violation of Financial Trust“, dass der Grossteil der Autoren, die sich mit den Kausalitätstheorien von Wirtschaftsstraftaten befassen, die wesentliche Vertrauensverletzung im Bereich der Wirtschaftskriminalität einfach ignorieren: „[…] almost all publications of trust violation have been issued by persons or agencies primarily interested in the techniques used or in prevention of the crime.“128

In den ersten wissenschaftlichen Beiträgen zum Thema „Wirtschaftskriminalität“ von Sutherland und Cressey wurde bereits erkannt, dass sich die Wirtschaftsstraftat u. a. durch den massiven Vertrauensmissbrauch von anderen Straftaten unterscheidet. „Instead of cultivating mechanical technology to break into a secured building, trustee ‘burglars’ cultivate social technology to become trusted organizations or insiders in organizations rich with opportunity for exploiting their positions for personal or corporate advantage.”129 „The most general, although not universal, characteristic of white-collar crime is violation of trust. The trust may be delegated or may be implied in the relationship, and in both cases the violation of the trust is generally accompanied and consummated by misrepresentation.”130 Dabei wird in der Gegenwart kontinuierlich nachgewiesen, dass Vertrauen einen positiven Einfluss auf den Erfolg eines Unternehmens haben kann, wie z. B. eine Analyse der Rolle von Vertrauen durch Daten aus zwei Umfragen in Beziehungen zwischen Venture Capital Firmen und ihre Portfoliogesellschaften zeigte. Die Resultate veranschaulichten dabei einen wechselseitig positiven Zusammenhang zwischen Vertrauen und Erfolg der Portfoliogesellschaft.131

127

Sutherland (1940), S. 3; vgl. Sutherland (1941), S. 113. In den Arbeiten von Sutherland wird zwar ersichtlich, dass Wirtschaftskriminalität Vertrauensschäden verursacht, jedoch nicht beschrieben, wie Vertrauen definiert werden soll.

128

Cressey (1950), S. 739.

129

Shapiro (1990), S. 350.

130

Sutherland (1941), S. 112.

131

Vgl. Martinez (2008), S. 48; Ernst & Young (Schweiz) (2008), S. 2 ff.

24

II Themenrelevanz

Vertrauen ist die Grundlage von Reputation.132 Gute Reputation zählt zu den langfristig wertvollsten, immateriellen Gütern eines Unternehmens.133 Auch wenn dieser nützliche Konkurrenzvorteil nicht direkt in der Bilanz erscheint und sich nur auf subtile Art und Weise auf den kommerziellen Erfolg auswirkt, spielt er eine wesentliche Rolle für das Unternehmen.134 Dabei vollzieht sich der Aufbau der Reputation bzw. des Vertrauens deutlich langsamer als deren Abbau oder Zerstörung.135 Nicht nur der zeitliche, sondern auch der finanzielle Aufwand für die Öffentlichkeitsarbeit („Public Relations“) zur Wiederherstellung der Reputation kann erheblich sein.136 Eine Rufschädigung des Unternehmens muss nicht zwingend im Zusammenhang mit z. B. Finanzskandalen entstehen, sondern kann schon durch die Verletzung ethischer oder moralischer Pflichten herbeigeführt werden.137 „A society that relies on laws for ethics is morally mediocre. We cannot depend on merely obeying the law to ensure that we are acting ethically. Ethics goes beyond the Law.”138 Bereits eine Verletzung der übergeordneten ethischen Norm kann das Potential besitzen, der Unternehmung zu schaden, wenngleich sich das Verhalten auch noch innerhalb der Grenzen der Gesetze bewegt.139

Es ist nahezu unumstritten, dass das Image eines Unternehmens aufgrund von delinquenten Handlungen bei öffentlichem Bekanntwerden geschädigt wird. Wirtschaftskriminalität kann das Vertrauen in alle betroffenen Strukturen zerstören („Investitionen in korruptem Umfeld sind risikobehaftet und werden gemieden […]. Korruption zerstört auch das Vertrauen innerhalb der Unternehmen, sowohl derjenigen, welche bestochen werden, als auch der bestechenden“140) und das Ansehen eines Unternehmens in der Öffentlichkeit und bei Geschäftspartnern nachhaltig schädigen („[…] selbst wenn die Vorwürfe bei einer näheren Prüfung nicht standhalten […]. Negativ wirkt sich dies auf Unternehmen aus, die in besonderem Masse auf das Vertrauen in ihre Leistungen angewiesen sind, wie Prüfungsgesellschaften, Berater oder Finanzinstitute.“141). Der Begriff

132

Vgl. Buff (2000), S. 38.

133

„Reputational capital […] seems to be a valuable asset and an important component of market value […].” Mazzola/Ravasi/Gabbioneta (2006), S. 387; Briegel (2009), S. 84.

134

Vgl. Leisinger (1997), S. 182 f.

135

Vgl. Briegel (2009), S. 89.

136

Vgl. Bussmann (2009), S. 510.

137

Obwohl die Verteilung von unangemessen hohen Honoraren (Boni) an die Kader einer Bank oder der Finanzierung einer Fabrik mit unmenschlichen Arbeitsbedingungen in manchen Staaten rechtlich konform ist, kann ein solches Vorgehen dennoch scharfe Kritik in der Öffentlichkeit zur Folge haben. Vgl. Schlichting (2007), S. 10 f.

138

McNamee (1992), S. 5.

139

Vgl. Peemöller (2008), S. 45; Gisler (1994), S. 42.

140

Buff (2000), S. 372.

141

Buff (2000), S. 372.

II Themenrelevanz

25

der „Reputation“ wird auch als Risiko definiert (sog. „Reputationsrisiko“142), welches zweifellos nicht nur für die Finanzbranche existiert.143

Die durch Wirtschaftskriminalität entstandenen und von Unternehmen mehr bzw. weniger gefürchteten immateriellen Schäden bestehen überwiegend aus der Beeinträchtigung gegenwärtiger und zukünftiger Beziehungen. Diese gravierenden Schäden sind den Unternehmen meist bewusst, wie in Abb. 3 ersichtlich. Der internationalen Umfrage zufolge ist der Rückgang der Arbeitsmoral der beträchtlichste immaterielle Schaden, den ein Drittel der Unternehmen als „sehr signifikant“ bzw. „signifikant“ wahrnehmen. Obwohl diese Schadensart nicht unmittelbar in Kosten ausgedrückt werden kann, sollte dieses Risiko ernst genommen werden. Dabei werden Beeinträchtigungen der Geschäftsbeziehungen und Reputationsschäden ebenfalls als äusserst destruktiv eingestuft.

Erwähnenswert ist, dass die Ergebnisse der internationalen Erhebung, die in der nachfolgenden Abbildung dargestellt werden, ungefähr den deutschsprachigen Raum widerspiegeln. In der Schweiz und in Deutschland gehören Rückgang der Arbeitsmoral, Beeinträchtigung der Geschäftsbeziehungen und Reputationsverlust ebenfalls zu den relevantesten immateriellen Schäden.144 All diese Folgen können auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden: Vertrauensbruch. Sei es das verlorene Vertrauen der eigenen Mitarbeiter, der Kunden, der Lieferanten, der Investoren oder der Behörden. Eine Involvierung der geschädigten Unternehmen in Wirtschaftskriminalität und die daraus entstandenen Reputationsschäden könnten sich ausserdem noch auf den Prozess der Personalrekrutierung auswirken: Es stellt sich die Frage, wie viele qualifizierte Fachkräfte sich für eine ausgeschriebene Stelle bei einem durch wirtschaftskriminelle Vorfälle bekannt gewordenen Unternehmen bewerben.

142

In diesem Zusammenhang wird auch von einem Reputationsrisikomanagement berichtet. Z. B. Swisscom gibt dazu im Geschäftsbericht 2009 folgendes bekannt: „Swisscom analysiert allfällige Risiken, welche die Reputation, das Image und die Marke schädigen könnten. Die Reputation, unter anderem das Qualitätsimage, erlaubt es Swisscom, sich von der Konkurrenz zu differenzieren. Risiken, denen das Potential innewohnt, diese Reputation zu schwächen, werden fortlaufend analysiert und mit geeigneten Kommunikations- und Risikominimierungsmassnahmen angegangen. Das Reputationsrisikomanagement ergänzt das quantitative Risikomanagement.“ Swisscom (2010), S. 48.

143

Vgl. Schury (2008), S. 191.

144

Vgl. PwC (Schweiz) (2009), S. 4; PwC (Deutschland) (A) (2009), S. 14 f. Diesbezüglich sind für Österreich keine Angaben zu finden, da die Anzahl der Antworten in Österreich für eine Repräsentativität nicht ausreichend war und die Studie deshalb nicht veröffentlicht wurde. Vor dem Hintergrund der geringen Anzahl der befragten Unternehmen haben die Ergebnisse der Österreichischen Studie ausserdem vergleichsweise wenig Aussagekraft.

26

II Themenrelevanz

Rückgang der Arbeitsmoral

32%

Beeinträchtigung der Geschäftsbeziehungen

23%

Reputationsverlust

19%

Beeinträchtigung der Beziehungen zu Behörden

16%

Rückgang des Aktienkurses (wenn börsenkotiert)

6%

Andere

4% 0%

10%

20%

30% in Prozent

Abb. 3: Immaterielle Schäden durch Wirtschaftskriminalität145 Als Paradebeispiel und Demonstration der Bedeutung von Reputation und Vertrauen könnte Arthur Andersen, ehemalige „Big-Five“-Prüfungsgesellschaft, genannt werden. Trotz damals laufender SEC-Untersuchungen gegen Enron146 vernichtete die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wichtige Unterlagen des Energiekonzerns, was im Jahr 2002 eine Strafzahlung zur Folge hatte. Der tatsächliche Schaden war nicht die Busse, sondern entstand bereits schon zuvor. Die Prüfungsgesellschaft geriet schnell in Verruf, das Image war nachhaltig geschädigt und das Vertrauen der Mandanten verloren.147

„Neben den Reputationsschäden sind Schäden aus dem Verlust der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit eine weitere Schadenskategorie, die quantitativ kaum messbar ist.“148 Wenn ein Unternehmen in bestimmten Märkten regelmässig Bestechungsgelder bezahlt, um gewisse Auf-

145

3'037 Teilnehmer (hauptsächlich aus den Bereichen „Executive management or Finance, Audit, Risk management, Compliance and Security“) aus 54 Staaten wurden zwischen Juli und November 2009 im Rahmen der fünften „Global Economic Crime“-Erhebung online befragt. Bezüglich der immateriellen Schäden, verursacht durch Wirtschaftskriminalität, wurden die letzten zwölf Monate abgefragt (Einjahreszeitraum). „The participants were asked to respond to the questions regarding (a) their organisation and (b) the country in which they are located.” PwC (International) (2009), S. 13 ff.

146

Enron lagerte Anlagevermögen und Verbindlichkeiten in Zweckgesellschaften (sog. Special Purpose Entities, SPEs) aus, um den Veräusserungsgewinn bewusst überhöht auszuweisen. Dabei blieb u. a. die Erfassung der separierten und weitgestreuten Risiken unter den sonstigen Rückstellungen im Konzernabschluss aus (Auslagerung risikobehafteter Geschäfte auf SPEs). Darlehen wurden über diese SPEs aufgenommen und folglich nicht im Konzernabschluss konsolidiert. Zusätzlicher Umsatz wurde durch zirkuläre Ringgeschäfte (Roundtripping) generiert. Vgl. Peemöller (2008), S. 49 ff.

147

Vgl. Rezaee (2004), S. 146 f.

148

Humborg (2009), S. 73 f.

II Themenrelevanz

27

träge zu bekommen, stellt sich die Frage nach der tatsächlichen Wettbewerbsfähigkeit der Produkte oder Dienstleistungen. Diese herbeigeführte Verzerrung könnte eine Schwächung der Innovationsfähigkeit des Täterunternehmens zur Folge haben. Parallel mit dem Verfall der Innovationsfähigkeit verliert das Unternehmen damit ebenfalls einen Teil seiner langfristigen wirtschaftlichen Überlebensfähigkeit auf dem Markt.149

Überlegungen zeigen, dass eine Unterscheidung zwischen Vermögens- und Vertrauensschäden eine kaum lösbare Aufgabe darstellt. Zudem wird die Sinnhaftigkeit einer klaren Abgrenzung in Frage gestellt.150 Zu beachten ist, dass durch die untenstehende Tabelle nur mögliche Schäden betroffener Unternehmen, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und involvierter Personen angeführt werden. Der Schaden könnte weitere Kreise ziehen und indirekt noch viele andere Unternehmen und Personen betreffen.151 Beim Versuch einer Systematisierung möglicher materieller und immaterieller Schäden aufgrund von dolosen Handlungen kann nachfolgende Struktur dargestellt werden:

149

Vgl. Humborg (2009), S. 74.

150

Ein Ineinanderfliessen kategorisierter Schadensarten kann nicht ausgeschlossen werden. Diesbezüglich wird folgende Aussage gemacht: „Die Grenzziehung zwischen „materiell“ und „immateriell“ dürfte willkürlich sein; d. h. die Frage, welche Schäden genau man noch als „materiell“ und welche man schon als „immateriell“ (und umgekehrt) bezeichnet, dürfte nur willkürlich getroffen werden können.“ Opp (1975), S. 29.

151

Dieser Kreis beschränkt sich nicht ausschliesslich auf Kunden und Lieferanten, sondern kann sich über die gesamte Wirtschaft erstrecken. Ein Einbezug der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in nachfolgende Tabelle soll das potentielle Ausmass des Geschädigtenkreises verdeutlichen.

Materielle Schäden (Vermögensschäden)

– Misstrauen in die Funktionsfähigkeit des marktwirtschaftlichen Systems und die Rechtsordnung – Misstrauen der Anleger in das finanzwirtschaftliche System Worst Case: Unternehmensauflösung

– Fremdkapitalgeber fordern höhere Risikoprämien (steigende Kapitalkosten) – Beeinträchtigung der Geschäfte – Erpressbarkeit – Stärkere Regulierung – Verlust der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit – Kursverluste nach Ankündigung eines Restatements (wenn börsenkotiert) – Misstrauen interner und externer Stakeholder – Reputationsverlust – Schädigung der Unternehmenskultur

– Direkte Kosten in Verbindung mit der Aufklärung, Ermittlung und Fehler- bzw. Informationskorrektur (bzw. Kosten der Bereinigung) – Schadensersatz – Prozesskosten und Strafzahlungen

Betroffene(s) Unternehmen

152

Worst Case: Haftstrafe und Arbeitslosigkeit

– Übergreifender Reputationsverlust und Misstrauen

– Schwindendes öffentliches Vertrauen in die Rechnungslegung und Prüfung – Beschädigung des Berufsstandes der Wirtschaftsprüfer Worst Case: Unternehmensauflösung

– Persönlicher Reputationsverlust

– Erpressbarkeit – Beeinträchtigung zukünftiger Gehälter – Karriereknick

– Geld- und Haftstrafen – Verdienstausfall

Involvierte Person(en)

– Reputationsverlust involvierter Prüfungsgesellschaften – Schädigung der Unternehmenskultur

– Kosten in Verbindung mit der Aufklärung, Ermittlung und Fehler- bzw. Informationskorrektur – Schadensersatz – Prozesskosten und Strafzahlungen – „Freiwillige“ Zahlungen ohne Anerkennung einer Rechtspflicht – Stärkere Regulierung (kann auch als Vorteil betrachtet werden) – Mandatsverluste – Verlust der Wettbewerbsfähigkeit

Involvierte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft(en)

28

Eigene Darstellung in Anlehnung an Melcher (2009), S. 5 f.; Humborg (2009), S. 72 ff.; Röhrich (2008), S. 18 ff.; Hofmann (2008), S. 45 ff.; Levi (2006), S. 1037 ff.; Henzler (2006), S. 36 ff.; Haller/Bernais (2005), S. 20; Ballwieser/Dobler (2003), S. 450 ff.

Tab. 2: Kategorisierung möglicher Schäden152

Immaterielle Schäden (Vertrauensschäden)

direkt

indirekt

direkt

indirekt

II Themenrelevanz

2

29

Dunkelfeldproblematik

Neben den Bezeichnungen „Weisse-Kragen-Kriminalität“153 oder „opferlose Straftat“154 wird Wirtschaftskriminalität im allgemeinen Sprachgebrauch zugleich als „Eisberg-Phänomen“155 bezeichnet. Die tatsächlich bekanntgewordenen und registrierten Wirtschaftsstraftaten würden dabei die sichtbare Spitze eines Eisbergs darstellen. Die gesamte Wirtschaftskriminalität kann in entdeckte und unentdeckte Straftaten unterteilt werden. In der fachwissenschaftlichen Literatur wird diese Unterteilung als „Hell- bzw. Dunkelfeld“ bezeichnet. Dabei stellt das Dunkelfeld den unsichtbaren, unter der Wasseroberfläche verborgenen Teil des Eisbergs dar. Durch die sichtbare Spitze können keine exakten Rückschlüsse auf die effektive Grösse des Eisbergs getroffen werden.156 Verstreut finden sich Belege für die hypothetische Annahme, dass die Grösse des Dunkelfeldes parallel mit der Grösse der Differenz zwischen gesetzlicher Unrechtsbewertung und alltäglichem Normbewusstsein zunimmt.157 Dieser Annahme zufolge bedeutet das, dass bei Wirtschaftsstrafdelikten, die nicht als solche wahrgenommen werden und welchen womöglich sogar eine gewisse Toleranz entgegengebracht wird, das Dunkelfeld gross sein dürfte:158 „Wo kein Kläger (aufgrund der entgegengebrachten Toleranz), da kein Richter.“ Aufgrund der folglich ausbleibenden Meldung und Registrierung könnten sich solche Deliktarten schliesslich im Bereich der unentdeckten Wirtschaftsstraftaten befinden.

In Zusammenhang mit dem Dunkelfeld wird häufig vom Begriff der „Dunkelzahl- bzw. Dunkelziffer-Relation“159 berichtet, die das Verhältnis der statistisch belegten Zahl der entdeckten und gemeldeten Straftaten und der unentdeckten Wirtschaftsdelikte festlegt. Unentdeckte Kriminalität

153

Auf den Begriff „white-collar crime“ wird in Kapitel III Wirtschaftskriminalität: Ein vielfältiger Begriff näher eingegangen.

154

Die Opferzuordnung ist bei einem Diebstahls-, Verletzungs- oder Tötungsdelikt eindeutiger.

155

Vgl. Burkatzki (2009), S. 11; Janke (2008), S. 11; Puls (2008), S. 209; Huissoud/Steinmann (2001), S. 431; Müller (1996), S. 578. Laut Hofmann bewirken Präventionsmassnahmen ein „Abschmelzen“ bzw. Verkleinern des Eisbergs, während detektive Massnahmen ein „Absenken des Meeresspiegels“ hervorrufen und somit zur (Früh-) Erkennung und Aufdeckung beitragen. Vgl. Hofmann (2008), S. 219.

156

Rückschlüsse sind für den Kapitän eines gefährdeten Schiffes aber auch gar nicht nötig, da die sichtbare Spitze des Eisbergs für ihn Warnung genug sein sollte, entsprechende präventive Vorkehrungen zu treffen. Vgl. Müller (1996), S. 578.

157

Dasselbe gilt für das Vorhandensein von Verheimlichungstendenzen, bzw. das geschädigte Unternehmen befürchtet einen Ruf- oder Vertrauensschaden. Allerdings gibt es für diesen Sachverhalt keine Annahme als Faktizität sowie keine abgeklärte Ausgangssituation. Vgl. Leder (1998), S. 88.

158

Vgl. Brockhaus Enzyklopädie WELI–ZZ (1999), S. 276.

159

Bei der englischen Übersetzung von „dark number“ hat der japanische Staatsanwalt Shigema Oba den Begriff der Dunkelziffer in seiner deutschen Dissertation (1908) zum ersten Mal verwendet. „Die Übersetzung ist zwar gründlich mißlungen, hat sich aber gleichwohl im deutschen Schrifttum durchsetzen können.“ Schwind (2003), S. 31.

30

II Themenrelevanz

ist zum Zeitpunkt der Nicht-Entdeckung unbekannt und somit im Dunkelfeld.160 Diese Tatsache schliesst eine zukünftige Entdeckung (sog. Aufhellung) nicht aus. Bis vor etwa 40 Jahren wurde die Dunkelziffer häufig durch reine Spekulation (Blindschätzungen) ermittelt.161 Gegenwärtig ist ein Rückgriff auf Expertenmeinungen eine mögliche Alternative, um eine ungefähre Vorstellung von der Dimension des Dunkelfeldes zu bekommen. Allerdings sind auch die Meinungen von Experten letztlich Einschätzungen, die auf unterschiedlichen und schwer zu überprüfenden Annahmen basieren.162 „Bei dem Dunkelfeld handelt es sich um ein komplexes Phänomen, das nach vielfältigen Variablen variiert.“163 Um den Begriff einer inhaltlichen Betrachtung zu unterziehen, wird folgende Unterscheidung relevant:164 ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ

verübte Wirtschaftsdelinquenz, die aber von niemandem als solche wahrgenommen und erkannt worden ist, oder die von niemandem erinnert werden kann165, weder Tat noch Täter oder Opfer sind offiziell bekannt (inoffiziell jedoch bekannt), Tat und Opfer sind offiziell bekannt, aber nicht der Täter, Tat, Täter und Opfer sind offiziell bekannt, es kommt aber weder zu einer Weiterleitung an die Staatsanwaltschaft noch zu einer Aufnahme als Strafanzeige, „Graufeld“: Alle diejenigen mutmasslichen Wirtschaftsstraftaten, die zwar gemeldet, aber offiziell nicht registriert werden.

Durch das „Gesetz der konstanten Verhältnisse“ wurde in der kriminologischen Forschung lange Zeit versucht, das Dunkelfeld einfach hinweg zu argumentieren bzw. auszuklammern.166 Dieses Gesetz gibt vor, dass zwischen Hell- und Dunkelfeld ein konstantes, feststehendes Verhältnis besteht. Demnach ist bei Delikten, bei denen das Hellfeld gross ist, auch das Dunkelfeld gross et vice versa. Mit Blick auf das noch junge Forschungsgebiet der Wirtschaftskriminalität wird deutlich, dass diese Regel der konstanten Verhältnisse originär nicht für den besonderen Bereich der Wirtschaftsstraftaten erdacht wurde, da es zeitlich bereits früher in der wissenschaftlichen Literatur zu finden ist als das Phänomen der Wirtschaftskriminalität. Dennoch ist grundsätzlich davon auszugehen, dass es auch für diesen besonderen Bereich der Kriminalität gedacht war, da das Gebiet der Wirtschaftskriminalität durch die Kriminologie nicht ausgeschlossen wird. Schneider wendet ein, dass dieses Gesetz verhältnismässig spät als falsch erkannt worden ist.167 Die Grösse

160

Hier ist anzumerken, dass bereits einige Dunkelfeldstudien existieren, in welcher z. B. Verantwortliche in Unternehmen über die Viktimisierung ihres Unternehmens berichten. Dabei werden sehr häufig mehr Straftaten erfasst, als in den amtlichen Statistiken zu finden sind. Vgl. Bussmann/Salvenmoser (2006), S. 203. Vgl. Leder (1998), S. 9.

161

Vgl. Schwind (2003), S. 31.

162

Vgl. Schwind (2003), S. 429.

163

Eisenberg (2005), S. 637.

164

In Anlehnung an Eisenberg (2005), S. 131.

165

Vgl. Schneider (1987), S. 182.

166

Dieses Gesetz wurde von Adolphe Jacques Quetelet im 19. Jahrhundert entworfen. Vgl. Schneider (1987), S. 183.

167

Vgl. Schneider (1987), S. 183.

II Themenrelevanz

31

des Dunkelfeldes ist bei allen Deliktarten unterschiedlich und ändert sich zudem von Jahr zu Jahr, so Schwind.168

2.1

Paradoxer Effekt von Prävention

Die positiven Auswirkungen von Präventionsmassnahmen können anfänglich einen gegenläufigen Effekt auslösen und die Anzahl der entdeckten Fälle erhöhen.169 Steigende Kontrollintensität kann ebenfalls zu diesem Paradox führen: In verschiedenen multivariaten Analysen wurde festgestellt, dass die Anzahl der Kontrollmassnahmen mit der berichteten Viktimisierung korreliert (sog. Kontrollparadox).170 Dasselbe gilt bei einer höheren Wachsamkeit aufgrund von Sensibilisierungsmassnahmen oder auch bei einer offeneren Haltung der Mitarbeiter gegenüber dem Phänomen der Wirtschaftskriminalität.

Dieser Effekt lässt sich in der ersten Phase durch den höheren Umsetzungsgrad der Präventionsmassnahmen erklären, wie die nachfolgende Abb. 4 veranschaulicht. Mit dem wirkungsvollen Massnahmeneinsatz steigt die Entdeckungswahrscheinlichkeit doloser Handlungen. Einige Straftaten, die früher unbemerkt blieben, werden nun sichtbar und gelangen vom Dunkelfeld in das Hellfeld. Durch diese Aufhellung wird zu Beginn deshalb häufig ein Zuwachs von Wirtschaftskriminalität verzeichnet. Das Dunkelfeld dürfte sich in dieser Phase stark vermindern.

In der zweiten Phase vermindert sich bei kontinuierlicher Umsetzung der Präventionsmassnahmen ebenfalls das Hellfeld, wie in der untenstehenden Abbildung dargestellt. Auf den ersten Blick könnte irrtümlich vermutet werden, dass erst die zweite Phase eine Abnahme ermöglicht. Wirksame Präventionsmassnahmen haben jedoch bereits in der ersten Umsetzungsphase eine auf die gesamte Wirtschaftskriminalität positive Wirkung, die eine Verminderung der gesamten Wirtschaftskriminalität impliziert. An dieser Stelle ist anzumerken, dass immer ein gewisses Restrisiko besteht. Unablässige Aufmerksamkeit ist deshalb nicht nur wünschenswert sondern notwendig, um dem Ziel einer Anti-Fraud-Organisation mit möglichst geringer Wirtschaftskriminalität näher zu kommen. Unklar und fragwürdig bleibt, wie stark sich das Dunkelfeld bei wirksamer Prävention tatsächlich verkleinert. Obwohl sich Hellfeld und Dunkelfeld zunehmend aneinander annähern, wird parallel mit dem Restrisiko i. d. R. stets ein Dunkelfeld existieren.171 Ziel soll es 168

Empirischen Hinweisen zufolge darf man die Annahme von Quetelet dahingehend modifizieren, dass sich die Vermutung der konstanten Verhältnisse, bezogen auf einen bestimmten geographischen Raum, erstens nur bei schweren Straftaten, zweitens nur innerhalb von Streubreiten zu bestätigen scheint und drittens nur für Zeiträume, die in politischer Hinsicht zusammengehören. Nach Schwind ist die Modifikation auch soweit vorzunehmen, dass sich die Dunkelziffer-Relationen innerhalb eines Stadtgebietes bei bestimmten Delikten voneinander derart unterscheiden, dass neben hohen Hellfeldzahlen grundsätzlich auch hohe Dunkelfeldzahlen stehen et vice versa. Vgl. Schwind (2003), S. 48.

169

Vgl. Bussmann/Salvenmoser (2006), S. 204.

170

Vgl. Bussmann (2008), S. 115.

171

Vgl. Bussmann (2008), S. 115.

32

II Themenrelevanz

sein, durch einen möglichst hohen Umsetzungsgrad der vorbeugenden Massnahmen, sowohl das Hell- als auch das Dunkelfeld zu vermindern.

Gesamte Wirtschaftskriminalität Maximales Risiko

Dunkelfeld

Restrisiko Hellfeld 1. Phase

2. Phase

Umsetzungsgrad der Präventionsmassnahmen

Abb. 4: Paradoxer Effekt von Präventionsmassnahmen172

2.2

Forschung zum Dunkelfeld

In verschiedenen Literaturquellen finden sich Hinweise darauf, dass der tatsächliche Umfang von Wirtschaftskriminalität um ein Vielfaches höher ist, als er in den offiziellen Statistiken und in den Studien der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften angegeben wird. Löw und Hofmann schätzen den tatsächlichen Umfang von Wirtschaftskriminalität rund fünfmal höher ein.173 Die Forschung im Bereich des Dunkelfeldes befindet sich noch in ihren Anfängen174 und hat in der Geschichte der

172

Eigene Darstellung in Anlehnung an Bussmann (2008), S. 114 ff. Die Abszissenachse der Abb. 4: Paradoxer Effekt von Präventionsmassnahmen wird von Bussmann als „Zunahme der Kontrollintensität“ bezeichnet. Der Autor dieser Arbeit nimmt an, dass nicht nur Kontrollen sondern (auch) andere Präventionsmassnahmen zu einem solchen Effekt beitragen können, wie z. B. höhere Wachsamkeit bzw. Sensibilisierung der Mitarbeiter etc. Bussmann beschreibt dies zwar, übernimmt es aber nicht in die bildliche Darstellung. Überdies wird in der ersten Umsetzungsphase der Präventionsmassnahmen in dieser Arbeit bereits eine enorme Reduktion des Dunkelfeldes unterstellt. Bussmann geht in der Anfangsphase von einer geringeren Dunkelfeldverminderung aus und nimmt an, dass das Hellfeld in dieser ersten Phase mehr zunimmt, als das Dunkelfeld abnimmt. Vgl. Bussmann (2008), S. 114 ff.

173

Vgl. Löw (2002), S. 42; Hofmann (2008), S. 37.

174

Vgl. Löw (2002) S. 47; Hofmann (2008), S. 77.

II Themenrelevanz

33

Kriminologie erst vergleichsweise spät begonnen, was womöglich auf das bereits beschriebene „Gesetz der konstanten Verhältnisse“ zurückzuführen ist. Denn die Frage nach der Konstanz dieses Verhältnisses steht nicht notwendig in Beziehung zu der Frage nach der Repräsentativität bekannt gewordener für (zumindest offiziell) unbekannt gebliebene Kriminalität, so die heutige Sichtweise.175

Als die wesentlichsten Methoden der Dunkelfeldforschung gelten die „teilnehmende Beobachtung“ und die „Täter-, Opfer- oder Informantenbefragungen“.176 Im Gegensatz zum Experiment haben sich die teilnehmende Beobachtung und vor allem die Befragungen durchsetzen können. Nach Schwind wird allerdings auch die geplante Wahrnehmung des Verhaltens von Personen in ihrer natürlichen Umgebung durch einen Beobachter zunehmend kritisiert, da die Repräsentativität häufig nicht gegeben ist. Die Problematik dieser Methode besteht insbesondere darin, dass sich der Forscher in zweifacher Hinsicht schuldig mache: Einmal gegenüber dem Opfer (durch den ausbleibenden Beistand) und zum zweiten gegenüber sich selbst, was seine strafrechtliche Verantwortung anbelangt.177 Die Befragung kristallisiert sich zunehmend als die gebräuchlichste Methode der Dunkelfeldforschung heraus. Im Regelfall werden repräsentative Stichproben darüber untersucht, ob die Befragten Straftaten begangen haben (Täterbefragung), ob sie Opfer von Straftaten geworden sind (Opferbefragung) und ob ihnen Straftaten, die von anderen gegenüber anderen begangen wurden, bekannt geworden sind (Informantenbefragung).178

In Zusammenarbeit mit verschiedenen Universitäten führen grosse Wirtschaftsprüfungsgesellschaften regelmässig repräsentative Studien zum Thema Wirtschaftskriminalität durch und befragen dabei eine Vielzahl von zufällig ausgewählten Unternehmen. Dabei hat es keinerlei Bedeutung, ob ein Unternehmen bereits durch wirtschaftskriminelle Fälle aufgefallen ist. Befragt werden i. d. R. CEOs, CFOs und andere Führungskräfte, die in ihrem Unternehmen für die Prävention und Aufdeckung von Wirtschaftskriminalität zuständig sind. Die Unternehmen werden gebeten, die Fragen mit Blick auf das eigene Unternehmen und den nationalen Standort zu beantworten.179 Dabei wird u. a. auch gefragt, ob sie selbst Opfer eines Delikts geworden sind (bei dieser Erhebungsmethode handelt es sich um eine Opferstudie) oder wie sie bestimmte Deliktrisiken in ihrem Land einschätzen. Jedoch bleiben für den Autor dieser Arbeit gewisse Fragen offen: Ist eine Befragung von CEOs, CFOs und anderen Führungskräften genügend aufschlussreich? Sind diese Personen über die dolosen Handlungen im Dunkelfeld informiert? Werden die befragten Personen, auch wenn diese womöglich selbst in derartige Vorfälle involviert sind, eine dem tatsächlichen Bild entsprechende Antwort liefern? Mit dem Hintergrund der Ernsthaftigkeit des

175

Vgl. Eisenberg (2005), S. 131.

176

Vgl. Schwind (2003), S. 33.

177

Vgl. Schwind (2003), S. 35.

178

Vgl. Eisenberg (2005), S. 132.

179

Vgl. PwC (Deutschland) (2007), S. 59 oder PwC (Deutschland) (A) (2009); PwC (Schweiz) (2007); Pwc (Schweiz) (2009); PwC (International) (2009); PwC (Österreich) (2007) etc.

34

II Themenrelevanz

Themas stellt sich ausserdem die Frage nach der Neutralität und Unabhängigkeit der befragenden Institution, also der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Gegenwärtig fehlt es an validen Dunkelfeldstudien.180 Doch es kann festgehalten werden, dass diese Studien der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zumindest einer Dunkelfeldstudie nahe kommen. Wenn die Risikoeinschätzung einer Deliktart sehr viel höher als ihre berichtete Kriminalität ist, dann wird i. d. R. von einem höheren Dunkelfeld ausgegangen. Ausmass und Entwicklung des Dunkelfeldes können jedoch kaum zuverlässig eingeschätzt werden.181

3

Vorkommen doloser Handlungen

Um einen Überblick zu erhalten, wie präsent die einzelnen Arten von Wirtschaftskriminalität sind, bieten sich die Untersuchungsergebnisse einer grossen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft aus dem Jahr 2007 an. Da die Studien nach diesem Zeitpunkt methodisch uneinheitlich sind, existieren für die darauf folgenden Jahre 2008, 2009 und 2010 keine vergleichbaren Daten.182

180

Vgl. Bussmann (2004), S. 36.

181

Vgl. Bussmann/Salvenmoser (2006), S. 204.

182

So wird der Fokus in Deutschland ab dem Jahr 2007 auf die Sicherheitslage von Grossunternehmen gelegt. In der Schweiz wird das methodische Vorgehen beibehalten. In Österreich sind für die Jahre nach 2007 keine repräsentativen Zahlen verfügbar, da die Anzahl der erhaltenen Antworten nicht ausreichend war und die Studie infolgedessen nicht veröffentlicht wurde. Aus diesen Gründen können die Daten der drei Länder nach dem Jahr 2007 nicht mehr miteinander verglichen werden.

II Themenrelevanz

35

22 33

Unterschlagung/Betrug

28 25 15 18

Produktpiraterie/Industriespionage

13 14 5 10

Korruption/Bestechung

7 6 8 7

Geldwäsche

1 4 4 4 4

Falschbilanzierung Schweiz Deutschland Österreich Westeuropa

8 0

5

10

15

20

25

30

35

in Prozent

Abb. 5: Vorkommen von Wirtschaftskriminalität 2007 im internationalen Vergleich183 Die obenstehende Abbildung veranschaulicht, dass sich Unterschlagung und Betrug auf dem vordersten Rang befindet und somit am häufigsten im Dreiländer-Vergleich mit der Schweiz, Deutschland und Österreich sowie auch in Westeuropa gemeldet wird.184 Beinahe jedes dritte befragte Unternehmen gab an, dass es in den letzten beiden Jahren vor der Erhebung Opfer eines derartigen Deliktes geworden ist.

Zu beachten ist, dass hohe Prozentpunkte nicht zwangsläufig hohe Kriminalität in Unternehmen bedeuten, sondern diese könnten auch auf transparentere und offenere Beantwortung, wachsende Aufmerksamkeit etc. zurückzuführen sein, wie bereits erklärt (sog. Kontrollparadoxon).185 Dolose Handlungen im Bereich der Falschbilanzierung treten in Summe mit der geringsten Häufigkeit auf und belegen somit gemeinsam mit dem Delikt der Geldwäsche den letzten Rang, wie in Abb. 5

183

Eigene Darstellung mit Zahlenmaterial von PwC (Schweiz) (2007), S. 2; PwC (Deutschland) (2007), S. 11; PwC (Österreich) (2007), S. 2; PwC (International) (2007), S. 5 f.

184

Diese Deliktart zählt auch weltweit zu den häufigsten Vergehen.

185

Vgl. Kapitel II, Punkt 2 Dunkelfeldproblematik.

36

II Themenrelevanz

dargestellt wird.186 Obwohl Wirtschaftskriminalität allgemein gerne unterschätzt wird, überschätzen die befragten Unternehmen in Deutschland und der Schweiz erstaunlicherweise die tatsächliche Anzahl der auftretenden Fälle von Falschbilanzierung. Der Grund dieser Überschätzung könnte eine Sensibilisierung, also ein ausgeprägteres Bewusstsein für korrekte Finanzberichterstattung sein, welches wiederum eine Verbesserung des Kontroll- und Überwachungssystems bewirkt und somit einen für die Vorbeugung besonders wertvollen Effekt darstellt. Insgesamt kann die Dringlichkeit dieser Thematik mit dem bei weitem nicht seltenen Vorkommen der erwähnten Arten von Wirtschaftskriminalität nochmals unterstrichen werden.

4

Zusammenfassung von Kapitel II

Die vorstehend dargestellten Auswirkungen devianter Handlungen betonen die Themenrelevanz der Dissertation. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass fraudulente Handlungen einen erheblichen materiellen und immateriellen Verlust auf verschiedenen Ebenen hinterlassen. Es wäre dabei wohl ein trügerisches Statement, eine genaue Schadenszahl zu nennen. Durch das bekanntgewordene Hellfeld können auch keine exakten Rückschlüsse auf den Umfang der unentdeckten Wirtschaftsstraftaten getroffen werden. Für den deutschsprachigen Raum nehmen Experten an, dass das effektive rund fünfmal höher als das bekannte Ausmass sein soll. Da sich die Dunkelfeldforschung noch in ihren „Kinderschuhen“ befindet, können hierzu lediglich Vermutungen geäussert werden.

Fest steht, dass das Dunkelfeld durch wirksame Vorbeugung, also Ursachenbekämpfung, verringert werden kann. Obwohl dadurch die gesamte Wirtschaftskriminalität reduziert werden könnte, lösen Präventionsmassnahmen beim Hellfeld zunächst einen gegenläufigen Effekt aus, d. h. die Anzahl der entdeckten Fälle erhöht sich kurzfristig. Denn mit einem wirkungsvollen Massnahmeneinsatz steigt die Wahrscheinlichkeit der Aufdeckung von dolosen Handlungen, die bisher verborgen blieben. Auch wenn das Dunkelfeld vollständig aufgeklärt wäre, bleibt dennoch weitgehend unklar, wie weit der Kreis der Geschädigten zu ziehen ist. Nicht nur das eigene Unter-

186

In den USA wird der Deliktsbereich „fraudulent statements“ („cooking the books“) nach Prozent der gemeldeten Fälle (10.6 Prozent der gemeldeten Fälle im Jahr 2006 und 10.3 Prozent der gemeldeten Fälle im Jahr 2008) ebenso hinter „corruption“ (30.8 Prozent der gemeldeten Fälle im Jahr 2006 und mit 27.4 Prozent der gemeldeten Fälle im Jahr 2008) und „asset misappropriation“ (mit 91.5 Prozent der gemeldeten Fälle im Jahr 2006 und mit 88.7 Prozent der gemeldeten Fälle im Jahr 2008) gereiht. Erstaunlicherweise wendet sich die Reihung bei Betrachtung des finanziellen Schadens: „asset misappropriation“ fällt auf den letzten Rang (mit einem Median von US$ 150'000 Schaden im Jahr 2006 sowie 2008) hinter „corruption“ (mit einem Median von US$ 538'000 Schaden im Jahr 2006 und US$ 375'000 Schaden im Jahr 2008) und „fraudulent statements“ (mit einem Median von zwei Mio. US$ Schaden im Jahr 2006 sowie auch 2008) gereiht. Alle Werte wurden Ende des Jahres 2007 bzw. Anfang des Jahres 2008 im Rahmen einer Online-Befragung erhoben, an welcher 1'117 Personen (vorwiegend aus dem Bereich der Revision) in den USA teilgenommen haben. Die Befragten mussten sich bei der Beantwortung zwischen Januar 2006 und dem Teilnahmezeitpunkt begrenzen. Vgl. ACFE (2008), S. 10 ff.

II Themenrelevanz

37

nehmen sondern ebenso Kunden, Lieferanten, deren Kunden etc. können von den Konsequenzen betroffen sein.

Obgleich keine exakte Schadensbezifferung möglich ist, wird dennoch ersichtlich, dass es sich pro Jahr in der Schweiz, in Österreich oder in Deutschland nicht um Schäden in Millionen- sondern Milliardenhöhe handelt. Von Experten wird angenommen, dass der durch Wirtschaftskriminalität verursachte Schaden wesentlich grösser ist als der entstandene monetäre Schaden durch Einbruchdiebstahl oder Raubüberfall. Dieses Phänomen stellt für jedes Unternehmen, welches gleichzeitig als Opfer und Täter betrachtet werden kann, ein substanzielles Risiko dar, birgt Gefahren und gleichzeitig Herausforderungen. Die verursachten Vertrauensschäden sind oftmals weitaus gravierender als unmittelbar entstandene Vermögensschäden. Dennoch blieben immaterielle Schäden bei Kosten-Nutzen-Überlegungen erstaunlicherweise lange Zeit kaum berücksichtigt, wenngleich bereits Sutherland und Cressey erkannten, dass das nicht unmittelbar in der Bilanz erscheinende Vertrauen eine Schlüsselposition einnimmt. Arbeitsmoral, Geschäftsbeziehungen, Reputation und andere essentielle Erfolgsfaktoren stehen in direktem Zusammenhang mit Vertrauen und können durch fraudulente Handlungen schnell und nachhaltig geschädigt werden. Die Themenrelevanz kann durch die weite Verbreitung von Wirtschaftskriminalität in den deutschsprachigen Ländern, der mehrsprachigen Schweiz und Westeuropa hervorgehoben werden. Insgesamt wird deutlich, dass dolose Handlungen in Unternehmen, deren auslösende Ursachen und Massnahmen zur Vorbeugung ernst zu nehmen sind.

38

III Wirtschaftskriminalität: Ein vielfältiger Begriff

III

Wirtschaftskriminalität: Ein vielfältiger Begriff

Beim Versuch einer Definition von „Wirtschaftskriminalität“ könnte ein Blick in Lexika hilfreich sein. Häufig sucht man in zahlreichen Nachschlagewerken jedoch vergeblich nach einer Begriffsdefinition.187 Die „Brockhaus Enzyklopädie“ vom Jahr 1974 widmete dem Stichwort Wirtschaftskriminalität 32 Zeilen188, während der selbe Begriff in der gleichen Enzyklopädie 25 Jahre später nahezu doppelt soviel Raum einnimmt.189 Letztere definiert den schwer fassbaren Begriff als „[…] Gesamtheit der Straftaten, die wirtschaftliche Bezüge aufweisen, weil der Täter seine wirtschaftlich-berufliche Stellung ausnutzt, Instrumente des Wirtschaftslebens missbraucht oder weil sich die Tat gegen überindividuelle Rechtsgüter des Wirtschaftslebens […] richtet.“190 Eine gründliche Begriffserklärung findet sich in der Fachliteratur. Bei der Frage, mit welchen wissenschaftlichen Quellen zu beginnen ist, kann schnell eine Antwort gefunden werden: Mit den Pionierarbeiten von Sutherland.

1

Begriffserklärung nach Sutherland

Sutherland, einer der ersten und wohl bekanntesten Vorreiter der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Phänomen des normabweichenden191 Verhaltens und Handelns, definierte Kriminalität als „[…] relative from the legal point of view and also from the social point of view. The criminal law has had a constantly changing content.“192 Wirtschaftskriminalität interpretierte er als „The crimes committed by businessmen will be generally designated ‘white-collar crimes’ […] as a violation of the criminal law by a person of the upper socioeconomic class193 in the course of his occupational activities […]. The upper socioeconomic class is defined not only by its wealth but also by its respectability and prestige in the general society.”194

187

Vgl. Burkatzki (2009), S. 13. Dies wird u. a. damit begründet, dass Forschungsobjekt und -strategie der Betriebswirtschaftslehre wirtschaftskriminelle Tatbestände aus einer direkten Betrachtung herausfallen lassen. Vgl. Janke (2008), S. 13.

188

Vgl. Brockhaus Enzyklopädie WAM–ZZ (1974), S. 398.

189

Leisinger vermerkte, dass dem Begriff der Korruption in der gleichen „Brockhaus Enzyklopädie“ 20 Jahre nach 1970 sogar 14mal soviel Raum zugestanden wurde. Vgl. Leisinger (1997), S. 64.

190

Brockhaus Enzyklopädie WELI–ZZ (1999), S. 276.

191

Da eine allgemeingültige und gleichzeitig abschliessende Definition von Wirtschaftskriminalität nicht nur durch den Facettenreichtum sondern auch durch das Problem der Interdisziplinarität nicht möglich ist, wird häufig vom Verstoss einer Norm und vom Adjektiv „normabweichend“ bzw. „sozialabweichend“ berichtet. Mit Ausnahme der entsprechend gekennzeichneten Fälle, werden normabweichende Taten in dieser Arbeit stets als wirtschaftskriminelle Taten verstanden et vice versa.

192

Sutherland/Cressey (1960), S. 15.

193

Vgl. Sutherland (1940), S. 4.

194

Sutherland (1941), S. 112.

A. Schuchter, Perspektiven verurteilter Wirtschaftsstraftäter, DOI 10.1007/978-3-8349-3606-6_3, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2012

III Wirtschaftskriminalität: Ein vielfältiger Begriff

39

Der untrennbar mit dem Namen Sutherland verknüpfte kriminologisch-soziologische Ansatz rückte in das Bewusstsein der Öffentlichkeit und bot damit zugleich den historischen Ausgangspunkt der Diskussion um die Wirtschaftkriminalität.195 Der bis heute vorherrschende Begriff „whitecollar crime“ wurde in der wissenschaftlichen Literatur196 aufgenommen. Wirtschaftskriminalität und „white-collar crime“ sind jedoch nicht vollkommen deckungsgleich, d. h. „white-collar crime“ zählt zur Wirtschaftskriminalität, aber Wirtschaftskriminalität ist mehr als „white-collar crime“. Der nicht-deckungsgleiche Teil findet im Rahmen der Dissertation keine Beachtung, deshalb ist der Begriff „white-collar crime“ sogar vorteilhafter, da er die für diese Arbeit irrelevanten Bereiche ausklammert, wie z. B. Zoll- oder Computerdelikte. „White-collar crime“ wird deshalb im Rahmen der Dissertation als Synonym für Wirtschaftskriminalität verwendet.

Die Relevanz liegt in der Aussage, dass Wirtschaftsstraftaten nicht (nur) von Unterschicht-, sondern auch von Oberschichtangehörigen, also gesellschaftlich hoch angesehenen Personen, begangen werden. Dabei sind Einkommen und monetärer Geldumfang des Verbrechens nach Sutherland nicht die einzigen Unterscheidungskriterien der sozioökonomischen Klassen. „Many persons of ‘low’ socioeconomic status are ‘white-collar’ criminals in the sense that they are well-dressed, well-educated, and have high incomes, but ‘white-collar’ […] means ‘respected’, ‘socially accepted and approved’, ‘looked up to’. Some people in this class may not be well-dressed or welleducated, nor have high incomes, although the ‘upper’ usually exceed the ‘lower’ classes in these respects as well as in social status.”197

Sozial angesehene und wirtschaftlich gut gestellte Gesellschaftskreise sind in einem besonderen Ausmass in diese Art von Kriminalität verwickelt. Aufgrund dieser „Oberweltkriminalität“ wird Wirtschaftskriminalität häufig als eine „besondere Art der Kriminalität“ oder als ein „Phänomen“198 bezeichnet. Dabei ist hervorzuheben, dass diese Benennung nicht aufgrund der Seltenheit der Erscheinung erfolgte. Bis zu Sutherlands bahnbrechender Veröffentlichung „White-Collar Criminality“ im Jahr 1940 war Kriminalität hauptsächlich als Unterschichtenphänomen angesehen worden.199 Dem Ansatz kommt daher besondere Bedeutung zu, wenngleich die Auffassung des 195

Dabei wurde die soziale Stellung des Täterkreises in den Vordergrund gerückt. Im Mittelpunkt stehen signifikante Merkmale der „white-collar criminals“, Tatmodalitäten und materielle Schäden. Vgl. Ricks (1995), S. 73.

196

Der Ausdruck „white-collar crime“ bzw. „Weisse-Kragen-Kriminalität“ wird international und in unterschiedlichen Sprachen verwendet (z. B. in Frankreich „crime en col blanc“, in Italien „criminalità die colletti“, in Spanien „crimen blanco del collar“ etc.). Vgl. Green (2004), S. 25 ff.

197

Sutherland (1940), S. 4.

198

„Das Phänomen in seiner eigenen Welt aufzusuchen, ist eine radikale und drastische Methode des Verstehens, die vielleicht immer dann eine Notwendigkeit ist, wenn das betreffende Phänomen gewöhnlicherweise verurteilt wird.“ Matza (1973), S. 31 zit. n. Schumann (1995), S. 371.

199

Bedenken an der Bezeichnung der „white-collar“-Delikte als „kriminelle Handlungen“ schildert Opp, da dies die Konsequenz habe, dass viele Theorien über die Ursachen von Kriminalität widerlegt werden müssen. „Dies gilt etwa für Theorien, die behaupten, daß Armut oder unvollständige Familien Kriminalität hervorbringen; diese Theorien werden […] widerlegt.“ Opp (1975), S. 54.

40

III Wirtschaftskriminalität: Ein vielfältiger Begriff

Täterkreises erweitert wurde: „[…] nach heutigem Verständnis kann ein Wirtschaftsdelikt durch Personen aller sozialen Schichten verübt werden.“200

In einem der ersten wissenschaftlichen Beiträge von Sutherland zu „white-collar crime“ wurde bereits zum Ausdruck gebracht, dass sich der Bereich der Wirtschaftskriminalität schwer einschränken lässt. „White-collar criminality in business is expressed most frequently in the form of misrepresentation in financial statements of corporations, manipulation in the stock exchange, commercial bribery, bribery of public officials directly or indirectly in order to secure favorable contracts and legislation, misrepresentation in advertising and salesmanship, embezzlement and misapplication of funds, short weights and measures and misgrading of commodities, tax frauds, misapplication of funds in receiverships and bankruptcies […] These and many others are found in abundance in the business world.“201 Ausserdem wird bemerkt, dass der klassische Terminus „white-collar crime” auf die herausgehobene berufliche Stellung des Wirtschaftsstraftäters abstellt und Wirtschaftskriminalität folglich nur bedingt erfassen kann.

2

Facettenreichtum des Begriffs

Dem Wirtschaftswissenschaftler bereitet die Einordnung der oftmals nicht in die „Basismodelle“ der Betriebswirtschaft passenden Wirtschaftskriminalität Schwierigkeiten.202 Eine allgemeingültige und anerkannte Definition des Begriffs „Wirtschaftskriminalität“ existiert bisher nicht.203 „Die wissenschaftliche Diskussion der letzten Jahrzehnte hat gezeigt, dass besonders die begriffliche Abgrenzung erhebliche Schwierigkeiten bereitet.“204 Wissenschaft und Praxis fordern kontinuierlich nach einer klaren Begriffsfassung. Trotz undeutlicher Begriffsgrenzen können Wirtschaftsstraftaten im Allgemeinen folgendermassen unterteilt werden:205 ƒ

„occupational crime:“206 Managerkriminalität, die als eine Weiterentwicklung des Sutherlandschen Begriffsverständnisses betrachtet werden kann.207 Es handelt sich um kriminelle

200

Huntington/Davies (1999), S. 12; vgl. Albrecht/Albrecht (2004), S. 18.

201

Sutherland (1940), S. 2 f.

202

Vgl. Ricks (1995), S. 17. Mit Blick auf die im Jahre 1995 von Ricks geschilderte Problematik, dass vor allem die Abstinenz der Wirtschaftswissenschaft den Rückgriff auf nicht-wissenschaftliche Zeitschriften erzwinge, hat die Forschung der letzten Jahre im Bereich der Wirtschaftskriminalität nun doch einige wissenschaftliche Veröffentlichungen nachzuweisen. Allerdings ist der Bereich der Prävention noch wenig erforscht, wie in Kapitel I, Punkt 2 Stand der Forschung erläutert.

203

Vgl. Melcher (2009), S. 3; Karliczek (2007), S. 18; Green (2004), S. 2 f.; so auch die Brockhaus Enzyklopädie WELI–ZZ (1999), S. 276.

204

Mang (2004), S. 5.

205

Vgl. Burkatzki/Löhr (2008), S. 11f; Glasberg/Skidmore (1998), S. 110; Ricks (1995), S. 83.

206

„Occupational crime“ kann definiert werden als „[…] any act punishable by law which is committed through opportunity created in the course of an occupation that is legal.“ Green (1990), S. 13; vgl. Ruggiero (2007), S. 164.

III Wirtschaftskriminalität: Ein vielfältiger Begriff

41

Straftaten, welche die Firmenangestellten aus dem Kontext der beruflichen Tätigkeit zur persönlichen Vorteilsnahme und gleichzeitig zum Nachteil ihres Unternehmens begehen, wie z. B. Veruntreuung, Unterschlagung oder Verrat von Betriebsgeheimnissen an die Konkurrenz etc. und ƒ

„corporate crime:“208 Unternehmenskriminalität bzw. kriminelle Handlungen, welche zugunsten von Unternehmern und Unternehmen geschehen und im Gegensatz zu „occupational crime“ häufig einen höheren Grad an Organisiertheit auf der Täterebene aufweisen, wie z. B. Falschbilanzierung, Bestechung, Steuerdelikte, Preisabsprachen bzw. vorsätzliche Konkurse und Insolvenzen etc.

So nimmt die „Association of Certified Fraud Examiners“ (ACFE) eine ähnliche Unterteilung vor und zerlegt „occupational fraud“209 in drei Kategorien: „corruption“ (Korruption und Bestechung), „asset misappropriation“ (Vermögensunterschlagung bzw. Veruntreuung und Entwendung) und „fraudulent statements“ (betrügerische Darstellungen).210 An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass die Formenvielfalt wirtschaftskriminellen Handelns ein beinahe unüberblickbares Ausmass erreicht hat, wie z. B. neue Tatgelegenheiten durch die Verbreitung von Internet und eCommerce in den letzten Jahren.211 Eine theoretische Simplifizierung kann zu einer Verschleierung der tatsächlichen Komplexität wirtschaftskrimineller Straftaten führen.212 Oftmals handelt es sich lediglich um eine Frage der Zeit, bis Wirtschaftsstraftaten aufgedeckt bzw. bekannt werden und die Schäden ihr volles Ausmass annehmen.213 Da sich der Grossteil doloser Handlungen in Unternehmen langfristig betrachtet sowohl zum Nachteil von Firmenangestellten als auch zum Nachteil von Unternehmen begangen werden, ist eine Einordnung krimineller Handlungen in „occupational crime“ und „corporate crime“ wenig aussagekräftig. Deshalb wird u. a. in empirischen

207

„[…] in the course of his occupational activities.” Sutherland (1941), S. 112. Sutherland kennzeichnete „white-collar crime“ durch das Begehen in Ausübung des Berufs. Obwohl der Überschneidungsbereich von „occupational crime“ und „white-collar crime“ nach Sutherland gross sein dürfte, sind sie weder deckungsgleich noch ein Oberbegriff. Vgl. Karliczek (2007), S. 18.

208

„Corporate crime“ wird umschrieben als: „[…] illegal act performed within a legitimate organisation, and in accordance with the organisation goals, which victimise employees, customers or the general public.“ Schrager/Short (1978), S. 407; vgl. Ruggiero (2007), S. 164.

209

„The term “occupational fraud“ may be defined as: “The use of one’s occupation for personal enrichment through the deliberate misuse or misapplication of the employing organization’s resources or assets. This definition is very broad […]“ ACFE (2008), S. 6. Obwohl das Wort „occupational” hier zwar erneut Anwendung findet und sogar ähnlich beschrieben wird, inkludiert es nach der ACFE z. B. „fraudulent statements“, welches zuvor als Delikt der Gruppe „corporate crime“ genannt wurde. Albrecht und Albrecht beschreiben „occupational fraud“ als „employee embezzlement […] in this type of fraud, employees deceive their employers by taking company assets.” Albrecht/Albrecht (2004), S. 8.

210

Vgl. ACFE (2008), S. 6 f.; Berndt/Jeker (2007), S. 2615.

211

Vgl. Burkatzki/Löhr (2008), S. 12.

212

„Occupational fraud and abuse is a significant problem faced by organizations of all types, sizes, locations, and industries. Unfortunately, it is also a problem that will not be easily solved.” ACFE (2008), S. 6.

213

An dieser Stelle ist auf Kapitel II Themenrelevanz zu verweisen.

42

III Wirtschaftskriminalität: Ein vielfältiger Begriff

Studien sowohl Manager- als auch Unternehmenskriminalität häufig unter dem Begriff der Wirtschaftskriminalität gefasst.214

Es zeigt sich, dass sowohl im Schrifttum wie auch in der Alltagspraxis eine Vielzahl von Definitionen Verwendung findet.215 Das Phänomen erstreckt sich über mannigfache Bereiche und tritt in der Praxis häufig in Artenkombination auf, sodass gleich gegen mehrere Gesetze verstossen wird, wie z. B. Urkundenfälschung und zugleich Falschbilanzierung. Es findet eine wechselseitige Durchdringung einzelner Arten von Wirtschaftskriminalität statt. Ebenso können innerhalb einer bestimmten Art von Wirtschaftskriminalität, z. B. im Bereich Falschbilanzierung, mehrere Unzulässigkeiten zusammen auftreten und begangen werden, wie z. B. Nichterfassung von Verbindlichkeiten, fehlende Risikoerfassung unter den sonstigen Rückstellungen und der resultierende Ausweis eines bewusst überhöhten Veräusserungsgewinns. Wirtschaftskriminelle Handlungen entziehen sich einer punktuellen Betrachtungsweise.216 Die nachfolgende Abbildung soll den Facettenreichtum des Phänomens darstellen.

214

In der kriminologischen Diskussion scheint sich die Definition von Wirtschaftskriminalität als „corporate crime“ vermehrt durchzusetzen. Vgl. Karliczek (2007), S. 19.

215

Vgl. Ricks (1995), S. 72.

216

Diese Entziehung begründet Ricks durch das wirtschaftliche Verhalten selbst, d. h. eine Folge, ein Netz, eine Gesamtheit von Verhaltensweisen. Dabei handelt es sich oftmals um ein irritierendes Phänomen: Jede Aktivität für sich genommen kann durchaus konform sein, aber in ihrer Gesamtheit und in ihrer gegenseitigen Aufeinanderabstimmung sind sie dolos. Vgl. Ricks (1995), S. 81.

III Wirtschaftskriminalität: Ein vielfältiger Begriff

„Schwindelfirmen“

43

Anlage- und Kreditbetrug, illegale Kreditschöpfung

Unterschlagung, Veruntreuung und Betrug

Insolvenzdelikte - Delikte, die die Insolvenz herbeigeführt haben

Subventionsbetrug

- Waren-, Leistungs-, Geldbetrug etc.

- Betrügerische Sanierungen - Buchführungsdelikte als Bankrotthandlung etc.

Unautorisierte Spekulationen

Korruption und

Geldwäsche

Bestechung - Machtmissbrauch

Steuer- und Zolldelikte

Internet- und Computerdelikte

Verstösse gegen die Abgabenordnung

- Film- und Musikpiraterie - Hacking etc.

- Falschdarstellungen, Verstoss gegen Buchführungsvorschriften etc.

Verstösse gegen das Wettbewerbsrecht Unlauterer Wettbewerb und Preisabsprachen

Kartellverstösse

Zoll: Bannbruch, Steuerhehlerei, Falsche Steuerzeichen etc. Steuer: Hinterziehung, Verkürzung, Gefährdung etc.

Falschbilanzierung

- Insiderhandel

Wirtschaftskriminologische Randgebiete

- Patentverletzung - Diebstahl geistigen Eigentums - Urheberrechtsverletzung (z. B. Kunst)

Industriespionage- und Produktpiraterie

- Einfuhr- und

Ausfuhrverbote (Embargos u. ä.) - Devisenzuwiderhandlungen

Sozialkriminalität und Schwarzarbeit

Fälschung von Wertzeichen etc.

Abb. 6: Vielfältigkeit der Wirtschaftskriminalität: Ein „Atomium“217 Das unter dem Begriff der Wirtschaftskriminalität behandelte Deliktspektrum ist sehr breit.218 Durch zusätzliche Arten von Wirtschaftskriminalität könnte das obenstehende „Atomium“ nach

217

Aktualisiert und ergänzt in Anlehnung an Ricks (1995), S. 82. Die Blasengrösse wurde willkürlich gewählt und hat infolgedessen nichts mit dem tatsächlichen Schadensausmass bzw. mit der Anzahl auftretender Fälle zu tun. Hervorgehobene Worte sind als Oberbegriffe zu verstehen. Ersichtlich soll werden, dass sich verschiedene Arten überlappen und deren Grenzen folglich verwischen.

218

Vgl. Burkatzki/Löhr (2008), S. 11.

44

III Wirtschaftskriminalität: Ein vielfältiger Begriff

Belieben erweitert werden.219 Auf jede einzelne Deliktsart einzugehen wäre im Sinne der Dissertation nicht zielführend und würde den Rahmen sprengen. Im Verlauf der Arbeit werden Massnahmen untersucht, welche für die in der obenstehenden Abbildung grau hinterlegten Bereiche relevant sind. Der Fokus dieser Arbeit findet sich jedoch nicht auf der Definitionsebene, sondern im Bereich der Ursachen und Prävention. Abb. 6 soll lediglich veranschaulichen, dass es bislang keine einheitliche Definition gibt, mit welcher der Begriff der Wirtschaftskriminalität klar abgegrenzt und dargestellt werden kann.220

Eine in diesem Zusammenhang passende betriebswirtschaftliche Bezeichnung des Phänomens könnte folgendermassen lauten:221 „[…] deliktische Handlungen, welche sich wesentlich durch vier Aspekte charakterisieren: ƒ

Sie spielen sich im wirtschaftlichen Kontext ab,

ƒ

verwenden Methoden ohne körperliche Gewalt,

ƒ

handeln gegen den vorherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben in der Wirtschaft und

ƒ

richten gravierende materielle wie auch immaterielle Schäden an.“

Auch hier wird eine Definitionsproblematik durch die eher allgemein gehaltene Erklärung bemerkbar. Neben einzelnen Paragraphen des nationalen Strafrechts222 bieten die unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen zusätzliche Definitionsmöglichkeiten des Begriffs der Wirtschaftskriminalität. So wird das Phänomen in der Disziplin der Soziologie anders interpretiert als z. B. in den Rechtswissenschaften.

219

Um die Übersichtlichkeit zu wahren, wurde versucht das „Atomium“ möglichst überschaubar darzustellen. Erweiterungen wären vorstellbar, z. B. im Bereich der Sozialkriminalität (Schwarzarbeit bei gleichzeitigem Bezug von sozialen Leistungen, Sozialhilfemissbrauch, Krankenversicherungs- und Rentenbetrug etc.). Obwohl sich Sozialkriminalität häufig in einem wirtschaftlichen Kontext ohne Gewalt abspielt, gegen Treugrundsätze verstösst und materielle sowie häufig auch immaterielle Schäden verursacht, wird Sozialkriminalität von der Wirtschaftskriminalität unterschieden und gleichzeitig in Analogie zum Begriff „Wirtschaftskriminalität“ gebraucht. Begründet wird dies u. a. dadurch, dass diese zwar mit Wirtschaftskriminalität vergleichbaren Straftaten der Sozialkriminalität mehr im privaten Bereich angesiedelt sind. Die als „soziale Devianz“ bezeichnete Kriminalität wird als „rechtswidriger Verstoß gegen die Sozialfürsorge- und Sozialversicherungsbestimmungen“ definiert. Bruns (1993), S. 14; vgl. Lamnek/Merz (1999), S. 157.

220

Vgl. Ricks (1995), S. 81.

221

KPMG (Schweiz) (B) (2010), S. 1.

222

Vgl. Janke (2008), S. 17. Im Rahmen dieser Arbeit wird aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht näher auf juristische Auslegungen des Begriffs der Wirtschaftskriminalität eingegangen.

III Wirtschaftskriminalität: Ein vielfältiger Begriff

3

45

Interdisziplinäre Betrachtung

Der Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften Friedrich August von Hayek betonte die Notwendigkeit, dass ein guter Ökonom Kenntnisse in den Nachbardisziplinen seiner Wissenschaft besitzen müsse. Aus der Sicht des Verfassers dieser Arbeit gilt dies insbesondere für jene Praktiker und Wissenschaftler, die sich mit dem Thema der Kriminalität in der Wirtschaft beschäftigen: „Viel mehr als bei den Naturwissenschaften trifft es bei den Sozialwissenschaften zu, daß kaum ein konkretes Problem von einem der Spezialfächer allein beantwortet werden kann. Nicht nur Staatslehre und Jurisprudenz, Ethnologie und Psychologie […] sind Fächer, mit denen der Nationalökonom viel besser vertraut sein sollte, als es für einen Menschen möglich ist. Vor allem aber berühren sich seine Probleme immer wieder mit jenen der Philosophie.“223

Jede Sichtweise versteht das Phänomen fraudulenter Handlungen in Unternehmen auf ganz unterschiedliche Art und Weise, wobei auch jede Perspektive Fragen für sich offen lässt. Es ist zu berücksichtigen, dass eine theoretische Reduktion des Phänomens Wirtschaftskriminalität nur unvollständig sein kann.224 Wie sich nachfolgend herausstellen wird, ist die inhaltliche Eingliederung in die unterschiedlichen Perspektiven nicht immer eindeutig, da die Grenzen zwischen den Disziplinen oftmals fliessend sind.225 Eine Zuordnung scheint letztlich willkürlich, dennoch ist die interdisziplinäre Forschung immer auf ihre Disziplinen angewiesen und muss folglich von diesen ausgehen.226

Obwohl das Zusammenwirken zweier oder mehrerer Sozialwissenschaften zur Erfassung bestimmter Problembereiche nach vorherrschender Meinung in den letzten Jahren zunehmend gefordert wird, funktioniert diese Art von Interdisziplinarität nicht optimal, da Fachwissenschaftler im Rahmen ihrer eigenen Denkmodelle argumentieren: „Bei der heutigen Spezialisierung ist es leider so weit gekommen, daß die meisten Wissenschaftler sich gegenseitig vollkommen abkapseln und voneinander nur in Ausnahmefällen gelegentlich durch die Persönlichkeit des Forschers etwas Näheres erfahren.“227

Die nachfolgend erläuterten Auffassungen von Wirtschaftskriminalität unterstreichen die Vielfältigkeit und Komplexität dieses Phänomens. Zudem wird deutlich, dass eine sinnvolle Bearbeitung durch ein möglichst reichhaltiges und dennoch sinnvolles Spektrum an Fachrichtungen erfolgen

223

Ricks (1995), S. 15; vgl. Hayek (1963), S. 22.

224

Vgl. Müller (1995), S. 844.

225

Vgl. Löw (2002), S. 20 ff.; Maier (2001), S. 23 ff.

226

Vgl. Defila/Di Giulio (1999), S. 115.

227

Ricks (1995), S. 16; vgl. Arbeitsgruppe Soziologie (1992), S. 9 ff.

46

III Wirtschaftskriminalität: Ein vielfältiger Begriff

sollte: „Insgesamt erscheint dieses Forschungsfeld nur interdisziplinär228 erfolgreich bearbeitet werden zu können.“229 „Die interdisziplinäre und dynamische Betrachtungsweise ist ein Schlüssel für das Verständnis und die Analyse des Phänomens Wirtschaftskriminalität.“230 Die nachstehende Abbildung beleuchtet jede Disziplin der Wirtschaftskriminalität aus einer anderen Perspektive. Dabei wird ersichtlich, dass Überschneidungen nicht ausgeschlossen werden können.

Betriebswirtschaft

Soziologie

Wirtschaftskriminalität

Recht

Psychologie Ethik

Abb. 7: Wirtschaftskriminalität als disziplinübergreifendes Phänomen231 An dieser Stelle wird erneut deutlich, dass Wirtschaftskriminalität sehr unterschiedlich aufgefasst werden kann. Deshalb wird angenommen, dass auch unterschiedliche Präventionsmassnahmen mit unterschiedlicher Wirksamkeit vorherrschend sind.232

3.1

Rechtswissenschaft

Der juristische Ansatz stellt auf eine Verletzung von Rechtsgütern ab und geht von einem rechtsgutbezogenen Ansatz aus.233 Durch entsprechende Mittel soll die vorherrschende Rechtsordnung

228

Interdisziplinäre Forschung sprengt die tradierten disziplinären Strukturen, weist eine neuartige Forschungsstruktur auf, bildet einen neuen Forschungsmodus und ist insofern auch immer Wissenschaftskritik. Vgl. Defila/Di Giulio (1999), S. 108.

229

Kühne (2009), S. 47. Im Rahmen der Dissertation wird auf die explizite Berücksichtigung der volkswirtschaftlichen Perspektive verzichtet. Diese Dimension gewinnt zwar im Hinblick auf die von Wirtschaftskriminalität verursachten Schäden an Relevanz, ist aus Sicht der unternehmensinternen Prävention jedoch zu vernachlässigen.

230

Müller (1995), S. 844.

231

Löw (2002), S. 24 f.; Hofmann (2008), S. 60 ff.; vgl. Haller/Maas/Königswieser (1996).

232

Vgl. Kapitel I, Punkt 5 Grundannahmen und Forschungsfragen.

233

Vgl. Maier (2001), S. 24.

III Wirtschaftskriminalität: Ein vielfältiger Begriff

47

vom Rechtsstaat durchgesetzt werden. Wirtschaftskriminalität ist ein Verstoss gegen die vom Gesetzgeber vorgegebenen Rechtsnormen und muss daher sanktioniert werden. „Das Strafrecht entscheidet über die Strafbarkeit des konkreten Verhaltens.“234 Der Betrachter dieser Perspektive befasst sich u. a. mit der Thematik, wie doloses Verhalten durch Gesetzgebung, Rechtsdurchsetzung und Sanktionierung wirksam bekämpft werden kann.235 Mit anderen Worten geht es im Grunde darum, wie die als Grundvoraussetzung im Kampf gegen Wirtschaftskriminalität geforderte Rechtsstaatlichkeit praktisch umgesetzt und sichergestellt werden kann.236 Dabei wird beinahe unablässig darauf verwiesen, dass es Aufgabe staatlicher Politik und Gesetzgebung sei, die Kollektivgüter des öffentlichen Lebens durch gesetzliche Normen vor Missbrauch und Zerstörung zu schützen.237

Mittels Pönalisierung fraudulenter Verhaltensweisen soll zudem eine generalpräventive und durch die Verurteilung der überführten Täter eine individualpräventive Wirkung erzielt werden, wobei diese Wirkungen in Anbetracht der geringen Aufdeckungsquoten und der relativ milden Strafen im deutschsprachigen Raum eher gering sein dürften.238 Ausserdem wurde eine Wechselwirkung zwischen intrinsischer Motivation und extrinsischer Anreize nachgewiesen. So wurde durch mehrere Studien belegt, dass intrinsische Motivation unter bestimmten Bedingungen durch extrinsische Anreize verdrängt werden kann.239 Extrinsisch sind z. B. negative Sanktionen, die folglich problematische und nicht-intendierte Nebeneffekte mit sich bringen können. Mit Bezug zum Steuerungsrecht des Wirtschaftsstrafrechts könnte man schlussfolgern, dass ein umfänglicher Gebrauch von Strafrechtsnormen und eine Androhung von Sanktionen zum Zwecke des Rechtsgüterschutzes unter Umständen das Gegenteil bewirken könnte von dem, was die Gesetzgebung intendiert.240

Trotz der in den letzten Jahren erweiterten Entwicklung von Überwachungsmöglichkeiten im Rahmen einer Vorfeldermittlung im Bereich der Wirtschaftskriminalität werden immer wieder

234

Vgl. Müller (1995), S. 843. In Deutschland, Österreich und der Schweiz existiert ein Strafrecht, das festlegt, welche Handlungen oder Verhaltensweisen als wirtschaftskriminell aufzufassen sind.

235

Vgl. Hofmann (2008), S. 65.

236

Vgl. Müller (1995), S. 843 f.; Löw (2002), S. 101 ff.; Hofmann (2008), S. 65.

237

Vgl. Burkatzki/Löhr (2008), S. 13.

238

Hofmann konstatiert, dass dies zumindest in Deutschland der Fall sein dürfte. Vgl. Hofmann (2008), S. 66. „Sicherlich waren die Erwartungen an das Wirtschaftsstrafrecht ohnehin von Beginn an zu hoch.“ Bussmann (2003), S. 91.

239

Vgl. Frey/Osterloh (1997), S. 307 ff. Es bestehen je nach vorherrschender disziplinärer Ausrichtung unterschiedliche Vorstellungen darüber, inwiefern extrinsisch und intrinsisch motivierte Anreizsysteme zu kombinieren sind, so Frey und Osterloh.

240

„Wird eine zunächst aus intrinsischer Motivation ausgeführte Handlung durch negativen Sanktionsdruck eingefordert, wird ein impliziter Vertrag der gegenseitigen Wertschätzung verletzt, mit der Folge, dass die intrinsische Motivation, eben dieses Verhalten zu zeigen, erodiert.“ Burkatzki/Löhr (2008), S. 16.

48

III Wirtschaftskriminalität: Ein vielfältiger Begriff

Zweifel an der Wirksamkeit eines ausschliesslich gesetzlich verankerten Schutzes deutlich.241 „Wie bescheiden man die Erwartungen an das Wirtschaftsstrafrecht somit auch anlegt, eine vergleichbare Wirkung wie im klassischen Deliktsbereich wird man ihm […] wohl kaum bescheinigen können.“242

Nicht nur eine niedrigere Anzeigenquote durch die geringere Wahrnehmbarkeit von Wirtschaftsstraftätern, sondern auch Probleme beim Nachweis von Verantwortung oder Zurechenbarkeit, Vorsatz und persönlicher Schuld sind Themen der rechtswissenschaftlichen Perspektive. Ausserdem erweist sich das deutlich höhere Verteidigungspotential auf Seiten der Beschuldigten als zusätzliche Herausforderung.243 So geschieht es nicht selten, dass bei einem wirtschaftskriminellen Fall ein ganzes Team von Juristen an der Verteidigung des bis dahin noch nicht rechtskräftig verurteilten Wirtschaftsstraftäters arbeitet. In vielen Fällen geht es nicht nur um Vermögensschäden, sondern zugleich um die Reputation und somit um die Existenz des Unternehmens. Bei grösseren Wirtschaftsdelikten sind häufig Personen aus dem oberen Management mit entsprechenden Schlüsselpositionen involviert. Offensichtlich ist, dass die juristische Verteidigung eines Topmanagers kaum mit der eines „gewöhnlichen Kriminellen“ vergleichbar ist.

Wirtschaftskriminalität umfasst eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Straftaten und bildet einen der komplexesten Kriminalitätsbereiche.244 Es erweist sich nicht selten als Herausforderung die für eine Verurteilung notwendigen Beweise zu erbringen. Nicht nur personell sondern vor allem hinsichtlich der Spezialkenntnisse sind die Behörden immer wieder überfordert.245 Sogar bei eher herkömmlichen Wirtschaftsstraftaten lautet die Fragestellung oftmals: Ist das, was geschehen ist, tatsächlich eine Straftat? Die Folge sind erhebliche prozessuale Probleme und überlange Verfahren.246

Durch das Recht soll zum einen der moralische Anspruch durchgesetzt werden und zum anderen soll die soziale Ordnung gesichert werden.247 Die vorherrschenden Gesetze entscheiden über Recht bzw. Unrecht und somit über die Grenze zwischen zulässigem und wirtschaftskriminellem Bereich. Nicht nur in der Theorie sondern auch in der Praxis wird häufig kritisiert, dass Recht wenig mit Ethik zu tun hat: „Ethics and the Law are separate topics that are only vaguely rela-

241

Die Steuerungsgrenzen des Rechts werden insbesondere durch Time-Lag-, Abstraktions-, Implementationsund Rationalitätsprobleme deutlich. Vgl. Burkatzki/Löhr (2008), S. 13 ff.

242

Bussmann (2003), S. 91.

243

Vgl. Bussmann (2003), S. 91.

244

Vgl. Janke (2008), S. 14; Groll (2006), S. 364.

245

Vgl. Blattner (2001), S. 412; Ricks (1995), S. 74.

246

Vgl. Bussmann (2003), S. 91.

247

Die Perspektive der Rechtswissenschaften wird in diesem Zusammenhang häufig als Weiterführung einer ethischen und soziologischen Betrachtung begriffen. Vgl. Löw (2002), S. 102 ff.

III Wirtschaftskriminalität: Ein vielfältiger Begriff

49

ted.”248 „There are many things in our society which are legal, but wrong.”249 Es wäre ein Denkfehler zu glauben, dass Ethik und Recht deckungsgleich sind: „Nicht alles Recht ist moralisch, und nicht alles Ethische ist in rechtliche Verhaltensvorschriften überführt.“250 Nun stellt sich die Frage, inwiefern alles, was recht ist, auch gut ist.251 Die rechtliche Begründung greift notwendigerweise auf Legitimationsgrundlagen der Moral zurück, da die ethische Argumentation ihre Konkretisierung in rechtlichen Normen finden muss.252 An dieser Stelle soll erwähnt sein, dass juristische Überlegungen im Rahmen der Dissertation im Hintergrund stehen.

3.2

Wirtschaftsethik

Durch das Fehlen von Sanktionen ist das Erzwingen (moralischer) Normen schwieriger als im Bereich der Rechtswissenschaften. Dennoch sollten die Wirkungsmöglichkeiten rechtlicher Initiativen zur präventiven Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität und damit zum nachhaltigen Schutz nicht überschätzt werden.253 Im Gegensatz zu Einzelmassnahmen kann das genau abgestimmte Zusammenwirken verschiedener Massnahmenkomplexe zum Präventionserfolg führen: „Wer allein auf das Strafrecht setzt, ist nicht minder naiv als die Anbieter und Nachfrager von ethischen Sensibilisierungstrainings.“254

Die Existenzsicherung und der wirtschaftliche Erfolg eines Unternehmens sollen bzw. wollen mit gesellschaftlich legitimen, also im Lichte der moralischen Rechte, und mit sinnvollen Massnahmen erreicht werden. Delinquente Handlungen werden in der Wirtschaftsethik i. d. R. als unmoralisches Verhalten, als Verstoss gegen die „guten Sitten“ bezeichnet. Inwiefern Ethik255 und Wirtschaft vereinbar bzw. unvereinbar sind, ist seit langem Thema von hitzigen Diskussionen in Theorie und Praxis. Es stellt sich die Frage, ob Wirtschaftskriminalität als eine „unvermeidliche Begleiterscheinung“ des Wirtschaftens betrachtet werden kann. Nach Peter Sloterdijk ist die Einhaltung universeller Normen im Geschäftsverkehr bei Eile nicht mehr möglich, deshalb baut

248

McNamee (1992), S. 5.

249

Hofmann (2008), S. 66; Löw (2002), S. 118; vgl. Pickett (1998), S. 264 f.

250

Zünd (2001), S. 399.

251

Vgl. Löw (2002), S. 118.

252

Vgl. Mastronardi (2004), S. 149.

253

Vgl. Burkatzki/Löhr (2008), S. 17.

254

Homann (1997), S. 39.

255

Ethik (als moderne Vernunftethik) wird als philosophische Reflexion dargestellt, die „versucht mit Mitteln der praktischen Vernunft ein allgemeingültiges humanistisches Moralprinzip zu begründen, in dessen Licht die normative Gültigkeit moralischer Ansprüche kritisch geprüft werden kann und universale Bedingungen des guten Lebens, gerechten Zusammenlebens und verantwortlichen Handelns erörtert werden können – möglichst unabhängig von Moral- und Ethos-Traditionen, wohl aber in kritischer Auseinandersetzung mit ihnen.“ Moral sind „sozial geltende moralische Verbindlichkeiten (Rechte und Pflichten sowie Verhaltensnormen).“ Ethos ist das „subjektive Moralbewusstsein.“ Vgl. Ulrich (2008), S. 44.

50

III Wirtschaftskriminalität: Ein vielfältiger Begriff

Wirtschaftskriminalität „Schnellstrassen zum Erfolg“ parallel zu den verstopften Wegen der regulären Wirtschaft.256

Die Wissenschaft ist sich nicht einig, inwiefern der „Homo oeconomicus“257 durch die Betonung der individuellen Eigeninteressen mit „Privatautobahnen“ die Moral verdirbt. Dabei ist dieses Gedankenmodell nicht darauf angelegt, um der grundlegenden Differenz der zu unterscheidenden Interessen (gemeinsam oder partikular) Rechnung zu tragen: „[…] es handelt sich um verschiedene Diskurse.“258 So sind nach gängiger Auffassung nur verallgemeinerbare Interessen moralfähig. Durch die Idee der Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil wird die Vorstellung der absoluten Gegensätze von Moral und Eigeninteresse abgelöst. So fördert der „Homo oeconomicus“ die soziale Kompetenz der Individuen, die im gegenseitigen Interesse liegen, denn er leitet die Suche nach Kooperationsarrangements.259 Dennoch verbleibt ein moralischer Konflikt. Die pragmatische Differenz zwischen ökonomischer und ethischer Rationalität liegt darin, dass Wirtschaftskriminalität dem ökonomischen Prinzip nicht widersprechen muss, allerdings ist sie mit ethischen Maximen nicht vereinbar.260

Die Ethik kann bei der Prävention zur Bekämpfung der Wirtschaftkriminalität ihren Teil beitragen, sofern ethisches Verhalten auf allen Unternehmensebenen und bei allen Beteiligten und Betroffenen entsprechend kommuniziert und vorgelebt wird. Für die Analyse der Wirtschaftskriminalität eignet sich von den unterschiedlichen ethischen Ansätzen die republikanisch-ethische Sichtweise besonders gut, da dolose Handlungen aus dieser Perspektive seit jeher eine zentrale Bedeutung haben. Dabei werden wirtschaftskriminelle Vorfälle als Ausdruck unzureichenden Bürgersinns begriffen.261 Republikanische Wirtschaftsethik könnte als eine intelligente Selbstbeschränkung bezeichnet werden oder als eine Bereitschaft, das eigene Handeln an Regeln der kollektiv-verantwortlichen Selbstbindung auszurichten, um den nicht wünschenswerten Auswirkungen ökonomischen Handelns dadurch entgegenzuwirken.262 Die Abhängigkeit von partikularen Sonderinteressen und der potentiell daraus resultierende Anspruch auf strikte private Eigennutzenmaximierung widersprechen dem republikanischen Ideal der Selbstbestimmung.263 Es ent-

256

Vgl. Löw (2002), S. 83 f.

257

Der „Homo oeconomicus“ ist zu uneingeschränkt rationalem Verhalten fähig. Mit der Annahme einer vollkommenen Markttransparenz stehen Gewinn- und Nutzenmaximierung im Vordergrund. Das Modell eines ausschliesslich „wirtschaftlich“ denkenden Menschen liegt den Analysen der klassischen und neoklassischen Wirtschaftstheorie zugrunde. Vgl. Gabler (Wirtschaftslexikon) (2010), S. 1430.

258

Suchanek/Kerscher (2006), S. 74.

259

Vgl. Suchanek/Kerscher (2006), S. 78.

260

Vgl. Löw (2002), S. 92.

261

Vgl. Löw (2002), S. 85.

262

„Dort wo die Ausgestaltung eines intelligenten Systems der Selbstbindung gelingt, werden starke ‚Fesseln’ überflüssig.“ Maak (1999), S. 54.

263

Vgl. Ulrich (2008), S. 347; Maak (1999), S. 37.

III Wirtschaftskriminalität: Ein vielfältiger Begriff

51

steht eine Differenz zwischen ethischer und ökonomischer Logik aufgrund der Unterwanderung des Gemeinwohls durch (womöglich fraudulente) Einzelinteressen. „Dass in der Abwesenheit von Bürgertugend die Ursache von Korruption liegen könnte, will man nicht sehen, man vertraut auf das Zusammenwirken von rechtlichen Minimalbedingungen und der Logik des Marktes.“264

3.3

Soziologie

In der Disziplin der Soziologie ist die Betrachtung des Täters selbst weniger von Relevanz. Durch die soziologische Brille wird das „grosse Ganze“ betrachtet. Die Sichtweise wird durch den engen Bezug zur Entwicklung von gesellschaftlichen Werten, Interessen und Konflikten gekennzeichnet. Vertrauen spielt dabei eine wichtige Rolle. Wirtschaftskriminalität wird als Abweichung von gesellschaftlichen Vorstellungen des konformen Verhaltens betrachtet und hat sich somit zum soziologischen Forschungsgegenstand entwickelt. Wissenschaftliche Auseinandersetzungen mit der Wirtschaftskriminalität haben erstmals innerhalb der Disziplin der Soziologie stattgefunden.265 Untersuchungsgegenstand ist das gesellschaftliche Umfeld, also das menschliche Zusammenleben und die damit verbundenen Verhaltensweisen. Wirtschaftskriminalität bzw. Devianz266 wird durch die Gesellschaft geprägt, und der Täter wird als Produkt der Umwelt verstanden.

Auf gesellschaftlicher Ebene stellt sich häufig die Frage: „Weshalb wird ein früher als Gentlemen’s Delikt betrachteter Sachverhalt in den Augen der Gesellschaft zum Strafbestand?“267 Insiderhandel oder Geldwäscherei sind typische Beispiele für eine solche Umbewertung. Die Entwicklung der letzten Jahrzehnte bestätigt ebenso einen Entwicklungsprozess in die entgegengesetzte Richtung: Von der kodifizierten Strafnorm zum Gentlemen’s Delikt, wie z. B. Steuerdelikte oder Versicherungsbetrug. Nach Müller sind Konkursdelikte ebenfalls einer solchen Tendenz unterworfen.268

An dieser Stelle ist die Relevanz des später erklärten und untersuchten soziologischkriminologischen „Fraud Triangle“ hervorzuheben.269 Obwohl dieses Modell in der Literatur ebenso als der psychologischen Perspektive zugehörig beschrieben wird270, entscheidet sich der 264

Vgl. Maak (1999), S. 38.

265

Der amerikanische Soziologe und Kriminologe Edwin H. Sutherland gilt als Vorreiter und Pionier auf dem Gebiet der Wirtschaftskriminalität. In späteren Teilen dieser Arbeit wird nochmals genauer darauf eingegangen.

266

Deviantes Verhalten weicht von tradierten gesellschaftlichen Wertvorstellungen ab, d. h. dieses Konzept überragt jenes der Kriminalität, das sich auf Strafrechtsnormen bezieht, da nicht-kodifizierte, moralische Normen einbezogen werden. Vgl. Hofmann (2008), S. 62.

267

Müller (1995), S. 841; Opp (1975), S. 145 f.

268

Vgl. Müller (1995), S. 841.

269

Vgl. Kapitel IV, Punkt 1 „Fraud Triangle“ und „Fraud Diamond“.

270

Vgl. Müller (1995), S. 842 f.

52

III Wirtschaftskriminalität: Ein vielfältiger Begriff

Verfasser der vorliegenden Arbeit für die Einordnung in die Disziplin der Soziologie. Das bedeutet jedoch nicht, dass psychologische Aspekte vollständig abgelehnt werden, da die Grenze zwischen den beiden Disziplinen an dieser Stelle fliessend ist. Z. B. wird die Rationalisierung durch den Unrechtsgehalt der eigenen Handlung verursacht, welche der Täter rational zu rechtfertigen versucht, wie in späteren Teilen dieser Arbeit ausführlicher beschrieben wird. Dabei handelt es sich eher um einen psychologischen als um einen soziologischen Prozess.

Da das „Dolose Dreieck“ als ein Ganzes zu betrachten ist, welches stark von den sozialen Aspekten des Zusammenlebens von Menschen in der Gesellschaft geprägt ist, wird es vom Verfasser dieser Arbeit, wie auch der ursprüngliche Entwicklungsgedanke des Dreiecks bestätigt, als ein vorwiegend soziologisches und gleichzeitig interdisziplinäres Modell gedeutet.271 Schliesslich wird der Anreiz des Begehens einer Straftat zwar vom Delinquenten bestimmt, doch stellt sich die Frage, welche Ursachen tatsächlich den Anreiz bestimmen. Der Verfasser geht davon aus, dass die Motive im Wesentlichen vom Umfeld geprägt sind, d. h. es wäre denkbar, dass jeder mit einem entsprechenden Milieu zu einer wirtschaftskriminellen Handlung fähig ist.

3.4

Psychologie

Aus psychologischer Perspektive hat das Umfeld weniger mit der Ursache von devianten Handlungen zu tun als in der Soziologie. Die Psychologie fokussiert endogene Faktoren, die aus einer psychischen Veranlagung heraus entstehen. Abweichendes oder kriminelles Verhalten ist demzufolge hauptsächlich auf die Persönlichkeit zurückzuführen. Anhand von Persönlichkeitsstrukturen soll diese Wissenschaftsdisziplin Orientierung schaffen.272 Die Betrachtung von Wirtschaftskriminalität durch die psychologische Brille beschreibt ein täterorientiertes und individualistisches Vorgehen z. B. anhand von bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen. Durch die pathologische Entwicklungsanalyse werden zuerst Persönlichkeitsstrukturen untersucht, um anschliessend verschiedene und möglicherweise sonderbare Persönlichkeitsausprägungen nachweisen zu können. Durch den Nachweis kann ein entsprechendes Täterprofil erstellt werden.273 Verschiedene psychologische Techniken werden herangezogen, um charakterliche Unterschiede zwischen einem „whitecollar manager“ und einem „white-collar criminal“ belegen zu können.

„Persönlichkeitsmerkmale allein können das Auftreten von Wirtschaftskriminalität nicht zutreffend erklären.“274 Durch die Ergründung der Persönlichkeitsstruktur von Wirtschaftsstraftätern können zwar exakte Aussagen über Tatpsychologie gemacht werden, die gegebenenfalls den Strafprozess unterstützen, doch stellt sich die Frage nach der Nützlichkeit für unternehmens-

271

Vgl. Cressey (1950), S. 743; Cressey (1953), S. 77 f.

272

Im Rahmen dieser Arbeit kommt dem Täter eine zentrale Rolle zu, deshalb wird an dieser Stelle nicht näher auf die Opferpsychologie eingegangen.

273

Vgl. Kapitel IV, Punkt 1.4.2 Machiavellistische Intelligenz.

274

Opp (1975), S. 140.

III Wirtschaftskriminalität: Ein vielfältiger Begriff

53

interne Präventionsmassnahmen. Nicht nur, dass der Besitz aller Persönlichkeitseigenschaften eines Wirtschaftsstraftäters kein Beweis für deliktisches Handeln in Zukunft darstellt sondern auch die Tatsache, dass sich diese Eigenschaften in einem stetigen Entwicklungs- und Veränderungszustand befinden, verstärken die Fragestellung. Diesbezüglich könnte der betriebswirtschaftliche Diskurs mehr Transparenz schaffen.

3.5

Betriebswirtschaft

Der Geltungsbereich der Betriebswirtschaftslehre beschränkt sich nicht allein auf betriebswirtschaftliche Erklärungsprobleme sondern erstreckt sich auch auf andere sozialwissenschaftliche Disziplinen.275 Mit den anderen sozialwissenschaftlichen Einzeldisziplinen teilt sich die Lehre der Betriebswirtschaft die wesentliche Gemeinsamkeit der Befassung mit dem Verhalten bzw. Handeln von Menschen.276 Mit dem Ziel, ein ganzheitliches Verständnis wirtschaftskrimineller Handlungen zu erlangen, wird aus ökonomischer Sichtweise eine holistische Herangehensweise, im Gegensatz zum Reduktionismus also eine Art „Mehrbrillensystem“, erforderlich.

Das Phänomen wird als mehrschichtig und mehrdimensional identifiziert und überragt das rein ökonomische Feld. „Aus einer interdisziplinär orientierten betriebswirtschaftlichen Sicht erscheint die Wirtschaftskriminalität nicht länger als reines Kontrollproblem.“277 Fraudulente Handlungen lediglich als ein Versagen von internen Kontrollen zu betrachten, wäre nach Löw eine zu voreilige Antwort.278 Mit dieser Feststellung und der Intention, mehr Transparenz, wirksame und nachhaltige Methoden zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität zu erzielen, wird „[…] Wissen aus vielen Quellen notwendig.“279 Wenn die Betriebswirtschaftslehre ohne übergreifende Perspektive als nur eine Disziplin mit einem engen Rahmen betrachtet wird, resultiert, überspitzt formuliert, aus erfolgreicher Bewältigung nur eine oberflächliche Symptombekämpfung. Der Fokus einer solchen „beschränkten Lehre“ würde sich hauptsächlich auf die Durchsetzung von Kontrollen und Sicherstellung der finanziellen Berichterstattung richten. Dabei würde die Vielschichtigkeit und Mehrdimensionalität von Wirtschaftskriminalität verloren gehen.

Im Gegensatz zu den anderen Wissenschaftsdisziplinen ist aus dieser Perspektive zudem hervorzuheben, dass theoretisch eine unternehmensinterne Kosten-Nutzen-Überlegung stattfinden sollte. Dabei werden fraudulente Handlungen spätestens dann problematisch, wenn sie gravierende materielle oder immaterielle Schäden hinterlassen. „Die Thematisierung von Wirtschaftskriminalität als eine aus sich heraus abzulehnenden Form wirtschaftlichen Handelns, losgelöst von den hier-

275

Vgl. Schanz (1979), S. 135.

276

Vgl. Schanz (1979), S. 121.

277

Löw (2002), S. 133.

278

Vgl. Löw (2002), S. 139.

279

Ulrich (1984), S. 87.

54

III Wirtschaftskriminalität: Ein vielfältiger Begriff

durch verursachten Kosten“280, ist aus der Sicht der betriebswirtschaftlichen Praxis weitgehend sinnlos.

Die vielfältigen Forschungsrichtungen innerhalb dieser interdisziplinären Wissenschaft legen die Frage nahe, ob es überhaupt eine klar abgrenzbare betriebswirtschaftliche Sichtweise gibt.281 Das Festhalten an der eindimensionalen Idee mit rein ökonomischen Fragestellungen auf Mikroebene kann den Aspekt der Orientierung an der Führung und Interaktion von Menschen in sozialen Systemen nicht unbeachtet lassen. Somit existiert in diesem Kontext keine rein betriebswirtschaftlichökonomische Sicht. Hans Ulrich beschreibt die Betriebswirtschaftslehre, welche sich zur Managementlehre entwickelte, eher als multidisziplinäres Konglomerat anstatt eine klar konzipierte Wissenschaft.282 Die managementorientierte Perspektive hat sich interdisziplinär übergreifend durch vielfältige Erweiterungen entwickelt.

4

Abgrenzung zwischen gesetzeskonformen und dolosen Handlungen

Berechtigterweise stellt sich in der Theorie wie in der Praxis gelegentlich die Frage nach der Grenze der Legalität. Um den Begriffsinhalt der Wirtschaftskriminalität klar von anderen Aktivitäten abzugrenzen283, treten strafrechtliche Grenzen wirtschaftlichen Handelns in den Vordergrund.284 Theoretisch ist schnell eine Antwort auf die Frage nach der Grenze gefunden: Bei Überschreiten vom strafrechtlich zulässigen in den unzulässigen Bereich, unabhängig von Fahrlässigkeit und Vorsätzlichkeit, wird aus der legalen eine illegale und somit strafbare Handlung.285

280

Burkatzki (2009), S. 13. Burkatzki kritisiert ebenfalls, dass Wirtschaftskriminalität in gängigen deutschsprachigen betriebswirtschaftlichen Lehrwerken keinen herausgehobenen Stellenwert zu besitzen scheint.

281

Vgl. Löw (2002), S. 124.

282

Vgl. Bleicher (2004), S. 31; Ulrich (B) (1981), S. 19 ff.

283

Albrecht und Albrecht grenzen „robbery“ von „fraud“ folgendermassen voneinander ab: „There are two principal methods of getting something from others illegally. Either you physically force someone to give you what you want, or you trick them out of their assets. The first type of theft we call robbery, and the second type we call fraud. Robbery is generally more violent and more traumatic than fraud and attracts much more media attention, but losses from fraud far exceed losses from robbery. Fraud always involves deception, confidence, and trickery.” Albrecht/Albrecht (2004), S. 5.

284

Zum Schutz der überindividuellen Güter des Wirtschaftslebens und zum Schutz vor Missbrauch seiner Instrumente wurden gesetzliche Normen entwickelt. Über verschiedene Gesetzbücher verteilen sich die entsprechenden Paragraphen. „Sie definieren materialiter, welche Handlungsweisen als wirtschaftskriminell aufzufassen sind und wie wirtschaftskriminelles Handeln zu sanktionieren ist.“ Burkatzki/Löhr (2008), S. 13.

285

In der Praxis lässt sich oftmals erst nach äusserst zeit- und personalaufwändigen Untersuchungen festlegen, inwiefern stattgefundene Handlungen als gesetzesverletzend zu betrachten sind: „Determining the point at which aggressive accounting practices become fraudulent is more art than science.“ Mulford/Comiskey (2002), S. 2393 ff. zit. n. Peemöller (2008), S. 45.

III Wirtschaftskriminalität: Ein vielfältiger Begriff

55

Sutherland bezeichnete Wirtschaftskriminalität als Gesetzesverletzung im Umkehrschluss: „White-collar crime is real crime. If it is not a violation of the criminal law it is not white-collar crime or any other kind of crime.“286 Wie das Verhalten und das Handeln werden auch Produkte und Märkte vom Gesetz ohne Zwischenbereich als entweder gesetzeskonform oder gesetzeswidrig bezeichnet.287 Jede wirtschaftliche Aktivität kann prinzipiell mindestens einem der vier Quadranten des nachfolgenden Schemas zugeordnet werden:

Märkte und Produkte

Kaufmännisches Handeln der Akteure

legal

konform

dolos

Konformes Handeln auf einem legalen Markt:

Doloses Handeln auf einem legalen Markt:

I. Gutes Kaufmannshandeln

II. Wirtschaftskriminalität

Konformes Handeln mit illegalen Produkten bzw. auf illegalen Märkten:

Doloses Handeln mit illegalen Produkten bzw. auf illegalen Märkten:

III. Verstoss gegen Embargo und Kriegswaffenkontrollgesetz

IV. Organisierte Kriminalität

illegal

Tab. 3: Vier-Quadranten-Modell zur Abgrenzung doloser Handlungen288 Das ausschliessliche Leitkriterium für die rechtliche Legitimität wirtschaftlichen Handelns sind Rechtsnormen. Eine kriminelle Handlung ist nach Sutherland „kriminell“, wenn zwei Bedingungen vorliegen: 1. „[…] legal description of an act as socially injurious, 2. and legal provision of a penalty for the act.”289

286

Sutherland (1941), S. 115. Der Originalquelle von Sutherland nach zu beurteilen, muss bei „white-collar crime“ ein Gesetzesverstoss vorliegen. Andere Autoren behaupten das Gegenteil: Opp interpretiert die Sutherlandsche Definition „white-collar crime“ nicht unbedingt als Kriminalität (Verstoss gegen Rechtsnormen), wenn dies auch durch das Wort „crime” vermutet werden könnte. Demnach handelt sich um eine Kurzformel für eine Klasse von Handlungen. Vgl. Opp (1975), S. 49. Green stimmt der Begriffsdefinition nach Opp zu: „[…] for Sutherland and many of his fellow sociologists, white collar crime is not „crime“ in the legal sense of the term.“ Green (2004), S. 5.

287

Theoretisch existiert kein Zwischenbereich. Jedoch sind wirtschaftskriminelle Taten in der Praxis häufig äussert komplex und diffizil zu durchschauen. Dementsprechend entsteht in diesem Zusammenhang vor allem in den Rechtswissenschaften (neben anderen Disziplinen) eine Herausforderung für den gesamten Bereich, insbesondere für Judikative und Legislative.

288

Das Vier-Quadranten-Modell wurde von Kühne abgeleitet. Vgl. Kühne (2009), S. 45 f.

56

III Wirtschaftskriminalität: Ein vielfältiger Begriff

„Ob und wie weit wirtschaftliches Handeln bestehende Unternehmensinteressen fördert oder schädigt, ist dem Recht dabei gleichgültig.“290 Sobald die Grenze der Legalität bzw. die gesetzeskonforme Grenze überschritten wird, handelt es sich nach dem obenstehenden Schema um Wirtschaftskriminalität, um einen Verstoss gegen Embargo und Kriegswaffenkontrollgesetz oder um organisierte Kriminalität. Im weiteren Verlauf dieser Qualifikationsschrift wird erkennbar, dass die Verlockung zum Überschreiten der Grenze nicht rein monetär ist291, obwohl Kühne in seinem Beitrag „Betriebswirtschaftliche Entscheidungen als Optimierungen mit wirtschaftlichen, moralischen und strafrechtlichen Restriktionen“ eine gegenteilige Auffassung vertritt.292

Anti-Fraud-Organisationen (AFOs) befinden sich unverkennbar im ersten Quadranten. Solche Organisationen handeln gesetzeskonform auf legalen Märkten mit legalen Produkten. Gutes Kaufmannshandeln wird von dieser Organisation gelebt. Ein Unternehmen sollte sich stets an diesem Vorbild orientieren, damit es sich im ersten Quadranten wiederfindet. Im Gegensatz dazu wird das strafrechtlich unzulässige Handeln der Akteure auf legalen Märkten mit legalen Produkten als wirtschaftskriminell bezeichnet und befindet sich im zweiten Quadranten. Präventive Massnahmen der Arbeit können für diese von der rechtlichen Norm abweichenden Handlungen und Verhaltensweisen wirksam sein. Sobald das gute Kaufmannshandeln für illegale Produkte oder auf einem illegalen Markt zum Einsatz kommt, zählt das Unternehmen zum dritten Quadranten. Das dolose Handeln mit illegalen Produkten (z. B. Drogen, biologische Kampfstoffe etc.) auf illegalen Märkten (z. B. illegale Onlineplattform etc.) nennt sich organisierte Kriminalität und wird durch den vierten Quadranten beschrieben. Diese beiden letzten Quadranten, auf welche im Rahmen der Dissertation nicht näher eingegangen wird, sind von der Wirtschaftskriminalität abzugrenzen.

Die Grenzziehung zwischen legal und dolos unterliegt Änderungen und ist von historischen, moralischen, wirtschaftlichen, technischen, politischen u. a. Zeitströmungen abhängig.293 Der Gesetzgeber bestimmt die Grenze der Legalität. Mit Blick auf den Sklavenhandel im Mittelalter wird deutlich, dass sich mit der Zeit nicht nur Gesetze, Regeln und Normen, sondern auch Moralvorstellungen ändern. Schliesslich sind es die der Normdurchsetzung vorhergehenden Prozesse, die aus einer beobachteten Handlung Kriminalität werden lassen.294

289

Sutherland (1945), S. 132. Die Strafe wird von Sutherland als gesetzliche Massnahme bezeichnet, deren Verhängung für die Betroffenen deprivierend ist, wobei dies vom Gesetzgeber beabsichtigt ist. Allerdings wird von Tappan bemängelt, dass diese Definition nicht präzise genug ist, da nicht präzisiert ist, was unter „socially injurious“ zu verstehen ist. Vgl. Opp (1975), S. 50 ff.; Tappan (1947), S. 96 ff.

290

Burkatzki (2009), S. 16.

291

Dabei wird vor allem der Begriff „Fraud Triangle“ relevant, welcher wichtige Voraussetzungen zur Tatausübung erklärt. Vgl. Kapitel IV, Punkt 1 „Fraud Triangle“ und „Fraud Diamond“.

292

Vgl. Kühne (2009), S. 46.

293

Vgl. Kühne (2009), S. 46.

294

Vgl. Burkatzki (2009), S. 15.

III Wirtschaftskriminalität: Ein vielfältiger Begriff

5

57

Begriffsdefinition dieser Arbeit

Pragmatisch betrachtet, handelt es sich beim Phänomen Wirtschaftskriminalität um eine besondere Form des normabweichenden Verhaltens, welche vom Unternehmen ausgeht und gleichzeitig gegen das eigene und möglicherweise zusätzlich gegen ein anderes Unternehmen gerichtet ist.295 Normabweichend kann wirtschaftskriminell bzw. nicht-regelkonform bedeuten. Zwischen den Autoren verschiedener Fachrichtungen besteht nur Einigkeit darüber, dass es sich um ein Abweichen von gewünschten wirtschaftlichen Verhaltenserwartungen und Normen handelt.296 Verstösse im Bereich der Statuten eines Verbandes oder der Richtlinien eines Unternehmens könnten gesetzeskonform und folglich strafrechtlich nicht relevant sein.

Unabhängig vom Verstoss gegen unternehmensinterne Normen bzw. moralische Vorstellungen werden die im Rahmen dieser Arbeit als „wirtschaftskriminell“ bezeichneten Verhaltensweisen297 bzw. Handlungen ausschliesslich so benannt, wenn ein eindeutiger Verstoss gegen eine staatliche Rechtsnorm vorliegt. Dies soll allerdings nicht ausschliessen, dass effektive Präventionsmassnahmen im Bereich juristischer Grauzonen Wirkung zeigen. Im Gegenteil, wirkungsvolle und nachhaltige Vorbeugung zeichnet sich u. a. dadurch aus, dass sich diese nicht ausschliesslich an der gesetzlichen Grenze zwischen Legalität und Illegalität orientiert, sondern über das juristische Verständnis hinaus reicht.

5.1

Begriffseingrenzung

In Bezug auf die Untersuchung von Ursachen und Präventionsmassnahmen ist eine Unterscheidung von z. B. Korruption und Betrug wenig relevant. Auch eine Unterteilung nach „occupational crime“ und „corporate crime“ scheint im Rahmen dieser Arbeit nicht zielführend. Somit steht es ausser Frage, dass eine Sinnhaftigkeit ausführlicher Überlegungen bezüglich einer Differenzierung der verschiedenen Arten von Wirtschaftskriminalität nicht gegeben ist.298 Dennoch wird ein gewisser Fokus notwendig, da mit dieser Eingrenzung auf bestimmte Delikte eine Untersuchung auf ähnlich gelagerte und empirisch vergleichbare Fälle möglich wird. Ausserdem wäre das an sich bereits schwer definierbare Thema der Wirtschaftskriminalität ohne Eingrenzung nicht mehr fassbar, uferlos. Aus der Vielzahl von zuzurechnenden Vorgehensweisen konzentriert sich die Dissertation auf folgende Bereiche, welche mit dem Begriffsverständnis von Sutherland ver-

295

Vgl. Janke (2008), S. 18.

296

Vgl. Ricks (1995), S. 70.

297

Die Begriffe „Verhalten“ bzw. „Verhaltensweisen“ werden verwendet, da sie mögliche Unterlassungen einschliessen und folglich hervorheben. Sollten diese Begriffe nicht vorkommen, werden unter „Handlungen“ ebenso Nicht-Handlungen bzw. Unterlassungen verstanden.

298

Es wäre widersinnig zu behaupten, dass z. B. die Implementierung zusätzlicher Kontrollen als Präventionsmassnahme ausschliesslich Einfluss auf Falschbilanzierung und Korruption, nicht aber auf Betrug oder Bestechung hätte.

58

III Wirtschaftskriminalität: Ein vielfältiger Begriff

gleichbar sind299 und einen untrüglichen Einfluss auf das Accounting im Unternehmen gemeinsam haben:

Falschbilanzierung

Erstellung unrichtiger Informationen zur Verschleierung der wahren Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens

Korruption und Bestechung

Einen Vorteil für eine Gegenleistung anbieten, Versprechen zu gewähren oder gewähren lassen, die im Widerspruch zu eigenen Pflichten oder denen anderer stehen

Unterschlagung, Veruntreuung und Betrug

Zueignung von Gegenständen oder Vermögen, über welche man Verfügungsmacht besitzt bzw. pflichtwidrige Wahrnehmung von Vermögensinteressen anderer

Tab. 4: Einschränkung des Begriffs „Wirtschaftskriminalität“ im Rahmen der Dissertation300 Die empirische Untersuchung der vorliegenden Arbeit beschränkt sich ausschliesslich auf die in der obenstehenden Tabelle genannten Bereiche. Mit dem Hintergrund der Erarbeitung und Untersuchung von Ursachen und deren Prävention301, sind ausschliesslich deviante Handlungen relevant, welche von unternehmensinternen Tätern302 begangen werden.303 Wirtschaftskriminelle Angriffe können ebenso extern durch Personen bzw. Personengruppen anderer Unternehmen verursacht werden.304 Allerdings kommt der typische Täter (der sog. „moderne Raubritter in Massanzug“) aus dem oberen oder mittleren Management und stammt aus den eigenen Reihen, wie in späteren Teilen dieser Arbeit detaillierter ausgeführt wird.305

299

Der Begriff von Sutherland ist jedoch etwas weiter gefasst.

300

In Anlehnung an Janke (2008), S. 16 f.

301

Die im Rahmen der Dissertation behandelten Präventionsmassnahmen sind für das eigene Unternehmen gedacht. Eine Weiterentwicklung zu verstärkt unternehmensübergreifender Massnahmen wäre denkbar, überschreitet jedoch den Untersuchungshorizont dieser Arbeit. Ziel könnte es sein, dass wirksame Prävention nicht vor den Unternehmenspforten halt macht.

302

Aufsichtsorgane werden im Rahmen dieser Dissertation als „dem Unternehmen zugehörig“ und deshalb als „unternehmensintern“ klassifiziert.

303

Obwohl Täuschungen ohne Beteiligung eines Unternehmens im allgemeinen Verständnis häufig unter dem Begriff der Wirtschaftskriminalität subsumiert werden, z. B. Anlagebetrug zwischen Privatpersonen, wird mit dem Term „unternehmensinterne Täter“ klargestellt, dass lediglich dolose Handlungen von Unternehmensangehörigen Gegenstand dieser Arbeit sind. Das Verständnis von Wirtschaftskriminalität wird auch von Maier in diesem Zusammenhang so beschrieben. Ein Unternehmen ist somit zwingend involviert. Vgl. Maier (2001), S. 32.

304

Vgl. Janke (2008), S. 18 f.

305

Vgl. Kapitel IV, Punkt 1.4 Vom „Fraud Triangle“ zum „Fraud Diamond“: Durch die Fähigkeit zur Tat. Weltweit und ebenfalls im deutschsprachigen Raum stammen etwa die Hälfte der Täter aus dem Kreis der Mitarbeiter und des Topmanagements. Lediglich die Ergebnisse innerhalb der Finanzdienstleistungen wei-

III Wirtschaftskriminalität: Ein vielfältiger Begriff

59

Die anglo-amerikanische Literatur unterscheidet zusätzlich zwischen dem sog. „management fraud“ und dem „employee fraud“: „Managementdelikte, die von Mitgliedern der Geschäftsleitung begangen werden, können aufgrund der Hierarchiestufe der Täter erhebliche Schäden für das Unternehmen bewirken; aufgrund ihrer Machtposition und der damit verbundenen Verfügungsgewalt sind die Täter in der Lage, die internen Kontrollen des Unternehmens auszuschalten bzw. zu umgehen (sog. „management override“).“306 Falschbilanzierung, Korruption, Bestechung, Unterschlagung, Veruntreuung und Betrug in grösserem Ausmass stellen regelmässig Delikte im Bereich des Managements dar, deshalb beschränkt sich die vorliegende Arbeit auf „management fraud“. Auf die i. d. R. kleineren Delikte des „employee frauds“307 sollen im Folgenden nicht näher eingegangen werden.

5.2

Begriffsbestimmung

Obwohl sowohl in der Theorie als auch in der Praxis oftmals beanstandet wird, dass die Raffinesse der Wirtschaftsdelinquenten permanenten Vorsprung gegenüber der gesetzlichen Norm hat, muss ein eindeutiger Verstoss gegen eine rechtsverbindliche Norm vorliegen, damit in dieser Arbeit von Wirtschaftskriminalität berichtet werden kann. Bei nachfolgender Definition nach Opp muss ein besonderes Augenmerk auf die Formulierung „gesetzwidrige Handlungen oder Unterlassungen“ gelegt werden, denn es ist gewiss legitim, dass Angehörige wirtschaftlicher Betriebe versuchen, Aktiva zu erhöhen und Passiva zu vermindern.308 Hier stellt sich die Frage nach der Methode. Demnach muss zwingend zwischen strafwürdig und strafbar unterschieden werden. Obwohl gewisse Handlungen moralisch oder subjektiv als sanktionswürdig erachtet werden, bedeutet das nicht, dass diese rechtlich tatsächlich zu pönalisieren sind. Die Begriffsbestimmung nach Opp entspricht annäherungsweise dem Verständnis der Wirtschaftskriminalität dieser Dissertation:309 ƒ

„Wirtschaftskriminalität heißt die Menge derjenigen gesetzwidrigen Handlungen, die von Angehörigen wirtschaftlicher Betriebe (im Grenzfall vom Alleineigentümer) in der Absicht begangen werden, den Aufwand des Betriebes zu vermindern und/oder den Ertrag zu erhöhen bzw. nicht zu vermindern. […]

ƒ

Wirtschaftskriminalität heißt die Menge derjenigen gesetzwidrigen Handlungen, die von Angehörigen wirtschaftlicher Betriebe (im Grenzfall vom Alleineigentümer) in der Ab-

chen bei einem weltweiten Vergleich signifikant von anderen Branchen ab (mit 34 Prozent unternehmensinterne und 64 Prozent externe Wirtschaftsstraftäter, wie Kunden, Lieferanten oder Geschäftspartner). Vgl. Bussmann/Salvenmoser (2006), S. 206; Janke (2008), S. 19; PwC (Deutschland) (2007), S. 5; PwC (Deutschland) (2005), S. 20; PwC (Schweiz) (2009), S. 3; PwC (Österreich) (2005), S. 3 f.; PwC (Österreich) (2007), S. 4. 306

Peemöller (2008), S. 46; vgl. Kapitel IV, Punkt 1.4.1 Fähigkeit zum „management override“.

307

„Employee fraud, which involves nonsenior employee theft or improper use of company resources.” AICPA (B) (2005), S. 1.

308

Vgl. Ricks (1995), S. 77.

309

Opp (1975), S. 45 ff.

60

III Wirtschaftskriminalität: Ein vielfältiger Begriff sicht begangen werden, die Passiva des Betriebes zu vermindern und/oder die Aktiva zu erhöhen bzw. nicht zu vermindern. […] ƒ

Wirtschaftskriminalität heißt die Menge derjenigen gesetzwidrigen Handlungen, die von Angehörigen wirtschaftlicher Betriebe (im Grenzfall vom Alleineigentümer) in der Absicht begangen werden, im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit eingegangene Verpflichtungen nicht einzuhalten. […]

ƒ

Wirtschaftsdelikte sind Handlungen, die unter mindestens eine der genannten Definitionen fallen.“

Im Rahmen dieser Arbeit lautet eine Beschreibung doloser Handlungen in Unternehmen unter Berücksichtigung der zuvor genannten Begriffseingrenzungen folgendermassen: ƒ

Ein Unternehmensangehöriger bzw. eine Gruppe von Unternehmensangehörigen310, welche sich in einem Vertrauens- und bzw. oder Machtverhältnis befindet,

ƒ

bereichert sich selbst bzw. andere durch unrechtmässigen Einsatz der Ressourcen des Unternehmens,

ƒ

missbraucht dabei die übertragene Verfügungsmacht311,

ƒ

bricht das entgegengebrachte Vertrauen der Stakeholder312 und

ƒ

schädigt somit das Unternehmen.313

Obwohl angenommen werden kann, dass der Täter versucht, materielle (Verbesserung der finanziellen Lage, Bereicherung durch Besitztümer etc.) und immaterielle Bedürfnisse (z. B. Machtdemonstration, Rechtfertigung der Tat durch den vorgeschobenen Nutzen für das Unternehmen etc.) zu befriedigen, stellt sich bereits an dieser Stelle die Frage, unter welchen Voraussetzungen bzw. Motiven der Täter die Tatausübung vollzieht und welche Faktoren tatsächlich „treibend“ für wirtschaftskriminelle Handlungen sind.

Da Unternehmensschäden nicht lediglich materieller sondern vor allem auch immaterieller Natur sind, kann bereits bei Delikten mit niedrigeren Schadenssummen314 das Vertrauen gebrochen und

310

Im Gegensatz zur Kollusion (Zusammenarbeit von internen Firmenmitgliedern und deren externen Komplizen) arbeiten mehrere Unternehmensinterne zusammen. Vgl. Wells/Kopetzky (2006), S. 60.

311

Vgl. Wells/Kopetzky (2006), S. 1; Melcher (2009), S. 4; Leisinger (1997), S. 66; KPMG (Deutschland) (2006), S. 5; TI Schweiz (2008), S. 4.

312

„I suggest that white-collar criminals violate norms of trust […].” Shapiro (1990), S. 346; vgl. Amend (2008), S. 10. In Kapitel II Themenrelevanz wird detaillierter auf die Konsequenzen von Wirtschaftskriminalität eingegangen, insbesondere auf materielle und immaterielle Schäden.

313

Als Merkmal werden unerwünschte Auswirkungen (Externalitäten) auf Dritte beschrieben. Vgl. Leisinger (1997), S. 66. Im Rahmen dieser Arbeit wird unterstellt, dass wirtschaftskriminelle Aktivitäten nicht lediglich Dritte, sondern letztendlich alle Beteiligten schädigen.

III Wirtschaftskriminalität: Ein vielfältiger Begriff

61

die Reputation geschädigt sein. Dies relativiert die Aussage, dass der Täter durch das Tatbegehen wesentliche Vorteile zu erlangen hat, um das Unternehmen zu schädigen.315 Gelegentliche private Telefongespräche oder vereinzelte Entwendung von Papier bzw. Schreibmaterial fallen dennoch nicht unter den Begriff der dolosen Handlungen, wie er in dieser Arbeit verstanden wird.316

Die genannte, sich von anderen Beschreibungen unterscheidende Definition des Begriffs der „Wirtschaftskriminalität“ wird im Rahmen dieser Arbeit als Synonym für dolose, fraudulente, deviante, delinquente bzw. wirtschaftskriminelle Handlungen verwendet.317 Dies soll jedoch nicht implizieren, dass andere Definitionen wahrer oder falscher sind als die hier verwendete. Der Begriff kann nur mehr oder weniger zweckmässig und mehr oder weniger präzise sein, wie durch die bisherigen Ausführungen festzustellen ist.318

6

Zusammenfassung von Kapitel III

Ziel der Abschnitte des vorstehenden Kapitels war es, den schwer fassbaren Ausdruck „Wirtschaftskriminalität“ zu beschreiben und im Sinne der Dissertation sinnvoll einzugrenzen. Obwohl der Begriff für viele verständlich klingt, ist er besonders vielfältig zu interpretieren. Der Verfasser dieser Arbeit bediente sich zuerst der frühesten Werke von Sutherland, dem Vorreiter wissenschaftlicher Auseinandersetzung, um die ursprünglichen Gedanken aufzugreifen und nachzuvollziehen. Dabei wurde schnell deutlich, dass die Einordnungs- und Eingrenzungsproblematik nicht neu ist. Dies kann damit begründet werden, dass die Formenvielfalt delinquenten Handelns bereits vor vielen Jahrzehnten ein beachtliches Ausmass erreichte. Darüber hinaus nimmt der beeindruckende Ideenreichtum zur Ausübung einer Wirtschaftsstraftat bis heute kontinuierlich zu. Ihren Höhepunkt erreicht die Beschreibung des Phänomens mit den vielfältigen Betrachtungsweisen der einzelnen Wissenschaftsdisziplinen. Aus all diesen Gründen existiert gegenwärtig keine allgemeingültige und anerkannte Definition für den Begriff „Wirtschaftskriminalität“.

Nach der im ersten Teil des Kapitels demonstrierten Komplexität dieses Themas bestand die Herausforderung im weiteren Kapitelverlauf darin, sich an dieses Ungetüm von Mannigfaltigkeit her-

314

„Niedrig“ ist ein relativer Begriff. Da der unmittelbar entstandene finanzielle Schaden lediglich ein Teil des Gesamtschadens darstellt, muss das Gesamtschadensausmass nicht direkt vom unmittelbar entstandenen finanziellen Schaden abhängig sein.

315

Laut Maier muss sich der Täter einen wesentlichen (finanziellen) Vorteil verschaffen. Vgl. Maier (2001), S. 31 ff.

316

Obwohl es unangenehm sein kann, wird ausserdem bezweifelt, dass Unternehmen durch solche „kleineren Vergehen“, sofern nicht häufig vorkommend, ernsthaft und langfristig geschädigt werden.

317

Vgl. Kapitel I Einleitung.

318

„Der Forderung, daß eine Definition präzise und eindeutig sein soll, dürfte zwar jeder zustimmen; es scheint jedoch, daß bei den Definitionen des Begriffs „Wirtschaftskriminalität“ nicht einmal versucht wird, diese Forderung zu erfüllen.“ Opp (1975), S. 48.

62

III Wirtschaftskriminalität: Ein vielfältiger Begriff

anzutasten und dabei einen eigenen, in sich konsistenten Begriff zu entwickeln. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Grenzziehung zwischen legal und dolos ständigen Änderungen unterworfen ist, wird zuerst klargestellt, dass ein eindeutiger Verstoss gegen eine Rechtsnorm vorliegen muss. Die Begriffsbestimmung dieser Arbeit ist mit dem Verständnis von Sutherland vergleichbar. Der Fokus richtet sich auf folgende sechs Arten von Wirtschaftskriminalität: Falschbilanzierung, Korruption, Bestechung, Unterschlagung, Veruntreuung und Betrug. Die behandelten fraudulenten Handlungen können soweit auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden, dass sie fast ausnahmslos einen bestimmten Einfluss auf das Zahlenwerk im unternehmenseigenen Accounting haben. Eine Differenzierung ist insbesondere für die empirische Untersuchung von Relevanz, da damit die zu befragenden Delinquenten bereits im Vorhinein selektiert werden können. In der Praxis werden Personen oftmals gleichzeitig zu mehreren Delikten verurteilt, d. h. es treten Artenkombinationen von Wirtschaftskriminalität auf. Zudem sind im Rahmen dieser Arbeit ausschliesslich Fälle relevant, die von unternehmensinternen Tätern begangen werden.

IV Theoretischer Bezugsrahmen

IV

63

Theoretischer Bezugsrahmen

Warum einige Menschen unter noch so widrigen Umständen Regeln befolgen und wieder andere eine niedrige Hemmschwelle zu dolosen Handlungen zeigen, ist eine uralte Frage, welche immer noch kontrovers und emotional diskutiert wird. Geht man von der praktisch orientierten Fragestellung aus, was Prävention leisten und nicht leisten kann, so scheiden die Theorien aus, die Wirtschaftskriminalität als ein Verhalten mit intrinsischer und nicht beeinflussbarer Eigenschaft erklären.319 Die Aufmerksamkeit bei der Entwicklung von Massnahmen zur präventiven Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität muss den Ursachen gewidmet sein, um dem Ziel einer Wirksamkeitsmaximierung näher zu kommen. Warum kommt es zu devianten Handlungen und wie könnten diese Gründe frühzeitig abgewendet werden?

Die Positionen, die bei der Fragestellung nach einem guten oder schlechten Menschenbild eingenommen werden können, waren schon immer umstritten. Jean-Jacques Rousseau, ein französischschweizerischer Schriftsteller und Philosoph, interpretierte den Menschen im 18. Jahrhundert als „[…] gut oder schlecht. Wenn er böse wird, ist die Umgebung für seine Formation verantwortlich.“320 Die vorherrschende wissenschaftliche Meinung erkennt den Menschen weder als gut oder böse, noch von der Natur aus vorbestimmt, sondern als Teil der Kultursphäre. Werte und Moralvorstellungen werden durch einzelne Kulturen entwickelt. Anschliessend entscheidet die daraus entstandene Ethik zwischen gut (im Sinne von konform oder legal) und böse (im Sinne von dolos oder illegal).321 „Theories stating that criminal trust violation is the result of a hidden defect such as a […] moral weakness […] fail to identify the cause of the behavior […].“322

Um nicht blosse Symptome, sondern Ursachen delinquenter Handlungen in Unternehmen zu behandeln, wird auf das nachfolgend beschriebene „Fraud Triangle“ zurückgegriffen. Damit ein gewisses Verständnis erlangt wird, wie dolose Handlungen tatsächlich bekämpft werden können, müssen die wesentlichsten Auslöser, welche dafür verantwortlich gemacht werden, in das Blickfeld gebracht werden. In der Praxis und auch in der wissenschaftlichen Literatur kommen diese fundamentalen Ursachenerkenntnisse des Dreiecks häufig zu kurz.323

319

Vgl. KPMG (Deutschland) (2006), S. 6.

320

Vgl. Rousseau (1755), zweiter Diskurs, Anmerkung IX.

321

„Fraud perpetrators usually cannot be distinguished from other people by demographic or psychological characteristics. Most fraud perpetrators have profiles that look like those of other honest people […] Victims can’t believe that individuals who look and behave much like them and who are usually well trusted can behave dishonestly.” Albrecht/Albrecht (2004), S. 18 f.

322

Cressey (1953), S. 17.

323

Diesbezüglich gilt es allerdings hervorzuheben, dass wichtige Fraud-Standards die Bedeutung des strategischen Dreiecks erkannt haben. „Illustrative fraud risk factors of […] fraud standards […] were based on the fraud triangle proposed 1953 by D. R. Cressey.” Lou/Wang (2009), S. 62.

A. Schuchter, Perspektiven verurteilter Wirtschaftsstraftäter, DOI 10.1007/978-3-8349-3606-6_4, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2012

64

1

IV Theoretischer Bezugsrahmen

„Fraud Triangle“ und „Fraud Diamond“

Eine der wohl bekanntesten wissenschaftlichen Erklärungsansätze der Entstehungsgründe doloser Handlungen ist das von Donald Ray Cressey, einem Pionier der Wirtschaftskriminologie, entwickelte „Fraud Triangle“.324 In seinem vielbeachteten Werk „Other People’s Money“ werden Einzelheiten zu diesem Modell präsentiert. Bereits im Rahmen seiner Dissertation in den USA untersuchte er die Ursachen fraudulenter Handlungen.325 Der von Cressey vorgestellte Ansatz wird auch als „Strategisches Dreieck“, „Doloses Dreieck“, „Fraud Dreieck“ bzw. „KriminalitätsrisikoModell“ bezeichnet und beruht auf Befragungen von verurteilten Wirtschaftsstraftätern.

Mit seinen ersten Werken stellte Cressey die Behauptung in Frage, dass Wirtschaftsstraftaten lediglich von Kriminellen verübt werden. Es bestätigte sich vor über einem halben Jahrhundert in seinen Täterbefragungen, dass die finanzielle Bereicherung selten der einzige ausschlaggebende Grund für dolose Handlungen in Unternehmen ist. Weit mehr Faktoren müssen in Betracht gezogen werden. Cressey beschreibt folgende drei Voraussetzungen für das Begehen von Wirtschaftskriminalität: 1. „A non-shareable problem [motivation] preceded the criminal violation of financial trust […] the absence of a non-shareable problem in the process will preclude the criminal violation of financial trust [white-collar crime].“326 „A non-shareable problem becomes a stimulus to violation of a position of trust only when the position is perceived as offering a private solution to this specific problem.“327 Der Kerngedanke liegt bei der NichtTeilbarkeit des Problems aus der Perspektive des Täters, auch wenn es unter Umständen kommunizierbar und ebenso lösbar gewesen wäre. Ob ein unteilbares Problem tatsächlich eines ist, hängt dabei ausschliesslich von der subjektiven Wahrnehmung und Einschätzung des Wirtschaftsdelinquenten ab.328 2. „The essential point is that the person must perceive his position of trust as offering an opportunity for such violation.“329 3. „The rationalizations which are used by trust violators [white-collar criminals] are necessary and essential to criminal violation of trust.“330

324

Vgl. Cressey (1953). Der Terminus „Fraud Triangle“ findet erst in den darauf folgenden Jahren Verwendung in der Wissenschaft.

325

Vgl. Wells/Kopetzky (2006), S. 11.

326

Cressey (1953), S. 75.

327

Cressey (1950), S. 743; vgl. Cressey (1953), S. 77 f.

328

Vgl. Wells/Kopetzky (2006), S. 7 ff.

329

Cressey (1953), S. 95.

330

Cressey (1953), S. 136 f.

IV Theoretischer Bezugsrahmen

65

Dieses bereits nun etwas ältere Modell von Cressey wird heute nach wie vor verwendet und dient nicht nur der Theorie sondern auch der Praxis als erfolgreicher Erklärungsansatz der Entstehungsgründe von devianten Handlungen in Unternehmen.331 Demnach kann das Phänomen der Korruption erst dann auftreten, wenn alle drei Bedingungen erfüllt sind: „There must be (1) a nonsharable problem, (2) an opportunity for trust violation, and (3) a set of rationalizations that define the behavior as appropriate in a given situation.”332 Ein als nicht lösbar empfundenes Problem, eine Tatgelegenheit und eine innerliche Rechtfertigung der Tat, d. h. sein Handeln mit seiner eigenen inneren Einstellung in Einklang zu bringen, um das eigene „schlechte Gewissen“ zu besänftigen, sind demnach die drei Grundvoraussetzungen bzw. -elemente für delinquente Handlungen. Alle drei Faktoren müssen vorhanden sein – zumindest bis zu einem gewissen Grad – damit es tatsächlich zur Wirtschaftskriminalität kommt.333 Ist eine einzige Voraussetzung nicht gegeben, werden keine dolosen Handlungen vollzogen.

Albrecht und Albrecht erklären das „Triangle“ durch die für ein Feuer notwendigen Elemente: Erhitzung, Brennstoff und Sauerstoff.334 Demnach besteht erst Brandgefahr wenn alle drei Komponenten zusammenkommen. „When fraud occurs there are three conditions that must be present:

331

In der anglo-amerikanischen Fachliteratur wird dem „Fraud Triangle“ besondere Bedeutung zugeschrieben. Das Dreieck hat bereits in den US-amerikanischen Standards (SAS 99, SAS 82 bzw. PCAOB No. 5) sowie in den internationalen Prüfungsstandards (ISA 240, ISA 250 bzw. IDW PS 210) Eingang gefunden. Vgl. IFAC (ISA 240); IFAC (ISA 250); AICPA (SAS 82); AICPA (SAS 99); IDW (PS 210); PCAOB (AS 5). Damit die Arbeit in einem Rahmen gehalten werden kann, wird nicht näher auf die Standards eingegangen. Im deutschsprachigen Raum findet das „Strategische Dreieck“ erst seit jüngerer Zeit Aufmerksamkeit. Vgl. Hofmann (2008), S. 207; Golden/Skalak/Clayton (2006), S. 132.

332

Albrecht et al. (1982), S. 34; vgl. Lou/Wang (2009), S. 62; Hogan et al. (2008), S. 232 ff.; Donegan/Ganon (2008), S. 3; Berndt/Jeker (2007), S. 2615 f.; LaSalle (2007), S. 77; Choo/Tan (2007), S. 206; Howe/Malgwi (2006), S. 28; Cressey (1953), S. 33 ff.; ISA 240; SAS 99. Die in der Dissertation als qualitativ betrachteten Bedingungen können auch kategorisiert dargestellt und durch Berechnungen quantifiziert werden. Vgl. Skousen/Wright (2006). Bevor das „Fraud Triangle“ als wissenschaftlicher Erklärungsansatz für beinahe alle Arten von wirtschaftskriminellen Handlungen ernannt wurde, beschränkte sich Cressey in seinem Werk „Other People’s Money“ hauptsächlich auf Unterschlagung und Veruntreuung. Dabei orientierte sich Cressey jedoch nicht an der gesetzlichen Definition, da sie für seine wissenschaftliche Untersuchung als „unpassend“ bezeichnet wird. Er benennt die von ihm behandelten Deliktarten als „criminal violation of financial trust“. Vgl. Cressey (1953), S. 20.

333

Vgl. Ruhnke/Michel (2010), S. 3075; Hofmann (2008), S. 204 ff.; LaSalle (2007), S. 77; Choo/Tan (2007), S. 206; Howe/Malgwi (2006), S. 28. „Fraud involves incentive or pressure to commit fraud, a perceived opportunity to do so and some rationalization of the act.“ IFAC (ISA 240), Tz. 12. Deshalb lediglich an einem Element des „Fraud Triangle“ anzusetzen, um Prävention zu erzielen, wäre riskant. Vgl. Kapitel II Themenrelevanz.

334

„Firefighters know that a fire can be extinguished by eliminating any one of the three elements. Oxygen is often eliminated by smothering, by using chemicals, or by causing explosions, as is the case in oil well fires. Heat is most commonly eliminated by pouring water on fires. Fuel is removed by building fire lines or fire breaks or by shutting off the source of the fuel.” Albrecht/Albrecht (2004), S. 20 f.

66

IV Theoretischer Bezugsrahmen

A. Incentive/pressure – a reason to commit fraud. B. Opportunity – e.g., ineffective controls, override of controls. C. Attitude/rationalization – ability to justify the fraud to oneself.”335

Motivation: Anreiz/Druck

Erhitzung

Brennstoff

Sauerstoff

Gelegenheit

Rationalisierung

Abb. 8: „Fraud Triangle“ und „Fire Triangle“336

Hinweis: Die seit vielen Jahrzehnten gängige Behauptung der Fachliteratur, dass Wirtschaftskriminalität erst dann auftreten kann, wenn alle drei Elemente des „Fraud Triangle“ (zumindest bis zu einem gewissen Grad) vorhanden sind, wird im Rahmen der empirischen Untersuchung der vorliegenden Dissertation widerlegt.337

Damit der wesentliche Unterschied zwischen dem „Fire Triangle” und dem „Fraud Triangle“ hervorgehoben wird, muss die Gebundenheit an die Auswirkung bzw. Konsequenz beachtet werden: So ist es sehr wahrscheinlich, dass bei einer gleichzeitigen Erscheinung der drei für das „Fire Triangle“ notwendigen Elementen zu einem Feuer kommt, während es nicht gewiss ist, dass bei gleichzeitigem Vorhandensein der für das „Fraud Triangle“ erforderlichen Faktoren zwingend Wirtschaftskriminalität auftritt.

335

AICPA (2002), S. 8; vgl. AICPA (A) (2005), S. 5 f.

336

Vgl. Cressey (1950), S. 738 ff. In seinem viel gepriesenen Werk „Other People’s Money“ beschreibt Cressey jedes einzelne Element des später als „Fraud Triangle“ bezeichneten Erklärungsansatzes fraudulenter Handlungen in Unternehmen. Besonders detailliert wird die „Rechtfertigung“ der Tat beschrieben. Vgl. Cressey (1953), S. 93 ff. Ebenso wird ausführlich über die „Nicht-Teilbarkeit des Problems“ berichtet. Vgl. Cressey (1953), S. 33 ff.; Im Gegensatz dazu wird die dritte Komponente „Gelegenheit“ kaum erwähnt. Vgl. Cressey (1953), S. 77 ff.

337

Vgl. Kapitel VI, Punkt 4.6 Unbewusste Tat: Unvollständiges „Fraud Triangle“; Kapitel IX, Punkt 2 Beitrag aus theoretischer Sicht.

IV Theoretischer Bezugsrahmen

67

Allerdings ist den beiden „Triangle“ gemein, dass zwischen den drei Bedingungen eine Wechselwirkung existiert. Je entflammbarer der Brennstoff, desto weniger Sauerstoff und Erhitzung wird für ein Feuer benötigt. Gleichermassen verhält es sich mit den anderen Elementen. Bei einem höheren Sauerstoffanteil in der Luft entzündet sich der Brennstoff schneller, dabei wird weniger Erhitzung benötigt. Diese Interaktion kann in gleicher Weise auf das „Fraud Triangle“ übertragen werden. Je grösser der empfundene Druck und je verlockender die Gelegenheit erscheint, desto weniger Rationalisierung wird benötigt, um jemanden zu dolosen Handlungen zu verleiten.338 Theoretisch darf dabei jedoch keiner der drei Faktoren auf den Nullpunkt sinken, d. h. die Existenz aller drei ist Voraussetzung für dolose Handlungen in Unternehmen, so das Modell von Cressey.

In einem wissenschaftlichen Beitrag aus dem Jahr 1980 widersprechen Romney et al. dem zwingenden Auftreten aller drei Faktoren zugleich. Es bestehe lediglich eine additive Verknüpfung, d. h. ein Faktor soll als Substitut für einen anderen auftreten können. „For example, a fraud could theoretically occur under any situation if a person is motivated enough, even in the absence of outward opportunities or pressures.“339 Demnach bestehen delinquente Handlungen aus „Druck plus Gelegenheit plus Charakter“. Dass eine solche Verknüpfung nicht ganz richtig sein kann, ist im Jahr 2005 für Terlinde offensichtlich.340

Stattdessen wurde die additive durch eine multiplikative Verknüpfung ersetzt und als „passender“ betrachtet. So soll Wirtschaftskriminalität aus „Motivation multipliziert mit der Gelegenheit multipliziert mit der Einstellung“ bestehen.341 Dieses Modell von Loebbecke et al. hat sich bis heute durchgesetzt.342 Hofmann fügt folgende Erklärung hinzu: „Im Fraud Triangle müssen alle drei Voraussetzungen simultan gegeben sein; ansonsten wird es als unwahrscheinlich erachtet, dass es zu einem Betrug kommen kann.“343 Dabei wird davon ausgegangen, dass die Wahrscheinlichkeit auf nahezu Null sinke, wenn eines oder mehrere der Elemente des Dreiecks nicht vorliegen. Es scheint im Lichte der im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Interviews plausibel, dass nicht

338

Die Beziehung zwischen den einzelnen Elementen wird von Albrecht und Albrecht durch eine „fraud scale“ beschrieben, welche inhaltlich die genannte Wechselwirkung beschreibt. Dabei wird folgendes kritisiert: „Because fraud-fighters generally believe that opportunities can be eliminated by having good internal controls, they focus all or most of their preventive efforts on implementing controls and ensuring adherence to them. Rarely do they focus on the pressures motivating fraud or on the rationalizations of perpetrators.” Albrecht/Albrecht (2004), S. 21 f.

339

Romney/Albrecht/Cherrington (1980), S. 64.

340

Vgl. Hofmann (2008), S. 206; Terlinde (2005), S. 203.

341

Vgl. Loebbecke/Eining/Willingham (1989), S. 5 ff.

342

Vgl. Boecker (2010), S. 37; Hofmann (2008), S. 206. Dabei wurde insbesondere Falschbilanzierung beschrieben. Wirtschaftsdelikte haben jedoch den Hintergrund des „Fraud Triangle“, d. h. das Dreieck ist grundsätzlich auf Delikte jeder Art anwendbar, so Hofmann.

343

Hofmann (2008), S. 206.

68

IV Theoretischer Bezugsrahmen

jede der drei Voraussetzungen für die Tatausübung gleich relevant und ausschlaggebend sein kann.344

Hofmann bezweifelt, dass eine generelle Relevanzgewichtung der tatauslösenden Elemente möglich ist.345 Der Grund dafür könnte in der oftmals hohen Komplexität der einzelnen Fälle zu finden sein. Zudem könnte argumentiert werden, dass eine gewisse Subjektivität solcher Einschätzungen generell als immanent zu bezeichnen ist. Dennoch wird in dieser Dissertation angenommen, dass die involvierte und tatausführende Person ihre zum Zeitpunkt des Begehens empfundene Situation und die tatauslösenden Elemente einschätzen kann.346 Bei einer Differenzierung der einzelnen Elemente des „Fraud Triangle“ scheint für den Autor die Gewichtung der Rechtfertigung die einzig bedenkliche Komponente zu sein. Womöglich sind Einschätzungen an der Stelle der Rationalisierung nicht „objektiv“, d. h. es handelt sich hierbei vielmehr um die subjektive Meinung des Delinquenten. Gleichzeitig drängt sich die Frage auf, wer hier eine wirklichkeitsnähere Antwort liefern könnte als der Täter selbst.

1.1

Gelegenheit als Voraussetzung zur Tatausübung

Die „Gelegenheit“ als eine notwendige Voraussetzung des Tatbegehens ist ein Element des „Fraud Triangle“. Ohne Gelegenheit ist keine fraudulente Handlung möglich. „Opportunity opens the doorway to fraud.“347 Eine Gelegenheit muss jedoch erkannt werden, denn ohne zu wissen, dass diese besteht, ist auch deren Existenz irrelevant:348 „An opportunity for fraud exists, if the right person is in place to understand and exploit it.“349 An dieser Stelle ist anzumerken, dass bei weitem nicht jede Gelegenheit ausgenutzt wird. Hierbei handelt es sich vielmehr um eine conditio sine qua non im klassischen Sinne.

Unterschiedliche Umstände wie z. B. eine instabile und besonders komplexe Unternehmensstruktur350, zu schwacher bzw. undeutlicher „tone at the top“351, unzureichendes Sensibilisierungs344

Die im Rahmen dieser Arbeit stattgefundenen Interviews mit Wirtschaftsdelinquenten legen dar, dass die vom Täter vorgenommene Gewichtung unterschiedlich eingeschätzt wird, obwohl gewisse Tendenzen festzustellen sind. Vgl. Kapitel VI, Punkt 4.5 „Fraud Triangle“ und „Fraud Diamond”: Tatauslösende Faktoren und i. w. S. Kapitel VI, Punkt 3 Bewertete Themen.

345

Vgl. Hofmann (2008), S. 206.

346

Vgl. Kapitel I, Punkt 5 Grundannahmen und Forschungsfragen.

347

Wolfe/Hermanson (2004), S. 38.

348

Vgl. Cressey (1953), S. 77. Bei diesem „Fraud Triangle“-Element verweist Cressey auf einen noch älteren wissenschaftlichen Beitrag von Riemer. Vgl. Riemer (1941), S. 411 ff.

349

Wolfe/Hermanson (2004), S. 39. Die wahrgenommene Gelegenheit könnte zu einem Problem werden, wenn die Fähigkeiten zur Ausübung von Wirtschaftsstraftaten bei einer Person besonders ausgeprägt sind. Vgl. Kapitel IV, Punkt 1.4 Vom „Fraud Triangle“ zum „Fraud Diamond“: Durch die Fähigkeit zur Tat.

350

Vgl. Hogan et al. (2008), S. 235.

IV Theoretischer Bezugsrahmen

69

training, Personalmangel, fehlendes Know-how352 und besonders schnelles Unternehmenswachstum353 etc. könnten Gelegenheiten zur Verübung bieten, so die einschlägige Literatur.354 Es scheint, als würde die Vortäuschung falscher Tatsachen bei unaufmerksamen und unwissenden Kollegen, Mitarbeitern und Vorgesetzten einfacher gelingen. Fehlende oder unpassende Präventionsmassnahmen, wie z. B. schlechte interne Kontrollen355, könnten daher sogar als „Einladung zur Tat“ missverstanden werden.356

Bei einer zu einseitigen Prävention durch Kontrolle könnte sich ein Dilemma bemerkbar machen: In den für die Kontrolle verantwortlichen Führungsetagen herrscht ein höheres Schadensrisiko: „[…] low-level employees tend to commit less serious crimes, simply because they are not trusted with large sums of money.“357 Insbesondere im Bereich der Prävention durch Kontrolle ist die im weiteren Verlauf der Arbeit beschriebene Fähigkeit zum „management override“ kaum steuerbar.358 Trotz der Problematik, dass Personen, die mit einem Kontrollsystem arbeiten, auch wissen, wie dieses zu manipulieren bzw. zu umgehen ist, werden solche Systeme häufig als wichtigster Teil zur Einschränkung der Gelegenheiten und folglich als „vorbeugend“ deklariert.359

1.2

Rationalisierung der Tat

„Nearly every fraud involves rationalization.“360 Ein Rechtfertigungsprozess wird häufig als „Rationalisierung“ (rationale Rechtfertigung fraudulenter Handlungen) bezeichnet. Die psychologische361 bzw. innere Verarbeitung ermöglicht dem Täter die vorhandenen Diskrepanzen zwischen der für ihn gültigen Moral und der eigenen kriminellen Handlung aufzuheben. „The rationaliza-

351

„Mitarbeiterführung bezeichnet ein Handeln, bei dem ein Mensch das Verhalten eines anderen beeinflusst.“ Jäger (2002), S. 63. „Der „tone at the top“ prägt so die ganze Organisation, wenn der Feldherr kein ethisch einwandfreies Verhalten vorlebt, kann er dies von seinen Truppen schwerlich verlangen.“ Leibfried (2006), S. 9.

352

Vgl. Ramamoorti (2008), S. 531.

353

Vgl. Bell/Carcello (2000), S. 182 ff.

354

Vgl. Dorminey et al. (2010), S. 19; Ruhnke/Michel (2010), S. 3075.

355

Vgl. Eiselt/Uhlen (2009), S. 180; Murdock (2008), S. 81; Fink/Gillett/Robinson (2008), S. 26 f.; Hogan et al. (2008), S. 235; Bell/Carcello (2000), S. 172 ff. Hierzu insbesondere der vielbeachtete Beitrag von Loebbecke et al. Vgl. Loebbecke/Eining/Willingham (1989), S. 9 ff.

356

Vgl. Lou/Wang (2009), S. 65; Brinkmann (2007), S. 158.

357

Heath (2008), S. 600.

358

Vgl. AICPA (A) (2005). Vgl. Kapitel IV, Punkt 1.4.1 Fähigkeit zum „management override“.

359

Vgl. Huntington/Davies (1999), S. 176.

360

Albrecht/Albrecht (2004), S. 40.

361

„[…] the need to rationalize wrongdoing as being somehow defensible is very much psychologically rooted […].” Ramamoorti (2008), S. 525.

70

IV Theoretischer Bezugsrahmen

tion […] not only makes his behavior intelligible to others, but it makes it intelligible to himself.“362 Denn schliesslich kennt der Täter in der Regel die ethischen und rechtlichen Grenzen: „[…] white collar criminals […] know what morality and the law require of them.”363 Die Rechtfertigung der Tat vor sich selbst und im Falle einer Aufdeckung auch vor anderen364, erweitert das „Fraud Triangle“ und repräsentiert eine zweite Voraussetzung für das Auftreten doloser Handlungen im Rahmen dieser Arbeit.

Mit dem Hinweis „Business is Business“ wird häufig darauf verwiesen, dass ein solches Verhalten notwendiger Teil der heutigen Geschäftspraktiken geworden ist und dass das Unternehmen andernfalls gegenüber den Wettbewerbern ins Hintertreffen geraten würde, ganz nach dem Motto: „Everybody else does it.“365 Einige Delinquenten scheinen zu glauben, dass es sich dabei nicht um eine kriminelle Tat handelt sondern gegebenenfalls um eine ethisch nicht ganz korrekte Handlungsweise:366 „We’ll only cook the books until we can get over this temporary hump.“367

Zahlreiche Fachveröffentlichungen beschreiben den typischen Wirtschaftsdelinquenten in seiner unaffektierten Form als unbescholten.368 Insbesondere deshalb kann davon ausgegangen werden, dass der Deliktausübende versucht, seine Wirtschaftsstraftat durch plausibel scheinende Gründe zu rechtfertigen. Mannigfache Entschuldigungen werden gesucht: „The organization owes it to me, I am only borrowing the money – I will pay it back369, nobody will get hurt370, I deserve

362

Cressey (1953), S. 94 f.

363

Heath (2008), S. 611.

364

Bei Entdeckung tritt ein von Cressey beschriebener Beschönigungseffekt auf: „The hypothesized reactions of others to „borrowing“ (criminal behavior) in order to solve a non-shareable problem, for example, are much different from the hypothesized reactions to „stealing“ or „embezzling,“ and the trusted person behaves accordingly.“ Cressey (1950), S. 743.

365

Hofmann (2008), S. 209 f.

366

Cressey beschreibt Wirtschaftsdelinquenten (insbesondere Unterschlagungstäter) als sog. „Trust-Violators”, also „Vertrauensbrecher”: „[…] many trust violators expressed the idea that they knew the behavior to be illegal and wrong at all times and that they merely „kidded themselves“ into thinking that it was not illegal.“ Cressey (1950), S. 741.

367

Vgl. Ramamoorti (2008), S. 526; Albrecht/Albrecht (2004), S. 20.

368

Vgl. Blickle et al. (2006), S. 220 ff.; Bussmann/Salvenmoser (2006), S. 207; Weisburd/Waring/Chayet (2001), S. 73 ff.; Schuchter (2010), S. 80. Schliesslich würde ihm kaum jemand eine Straftat zutrauen. Der typische Wirtschaftsdelinquent ist unauffällig (bedenkenlos darf hier die männliche Geschlechtsform verwendet werden, da der typische Täter zumeist männlich ist).

369

„In their minds, they rationalize that they will repay the money, and since they judge themselves by their intentions, and not their actions, they do not see themselves as criminals. Their victims, on the other hand, tend to take an entirely different view.” Albrecht/Albrecht (2004), S. 42.

370

Vgl. Golden/Skalak/Clayton (2006), S. 136; Cressey (1953), S. 140.

IV Theoretischer Bezugsrahmen

71

more371, no choice in the matter372, it’s for a good purpose, we’ll fix the books as soon as we get over this financial difficulty, something has to be sacrificed – my integrity or my reputation […] it is important to recognize that there are very few, if any, people who do not rationalize.”373 „I have convinced myself that this fraudulent behavior is worth the risks.”374 Um diese Rationalisierungsversuche in eine Struktur zu bringen, kann folgende Gliederung vorgenommen werden: ƒ

„Die Handlung ist nicht kriminell.

ƒ

Die Handlung ist gerechtfertigt.

ƒ

Die Handlung ist Teil einer Situation, die der Täter nicht kontrollieren konnte.“375

Unethisches Verhalten und mangelndes Unrechtsbewusstsein seien ausschlaggebend und erlauben den Tätern eine Tat ohne übermässig schlechtes Gewissen. Mit dem Rechtfertigungsprozess sollen nicht nur mögliche Schuldgefühle beseitigt werden, es soll ausserdem ein annehmbares Motiv gefunden werden, welches illegales Handeln rechtfertigt. Dieses Motiv soll in der eigenen sozialen Gruppe als moralisch „höherer“ Wert angesehen werden.376

Wirtschaftskriminellen wird häufig ein Mangel an Integrität377 vorgeworfen.378 Der Integritätsgedanke unterstellt, dass das Verhalten sowie das anschliessende Handeln durch innere Einstellungen, Werte und Ideale, wie z. B. Vorgesetzte durch ihre Vorbildfunktion, gesteuert werden kön-

371

„Ständig bin ich übergangen worden. Für die Leistung, was ich erbringe, bin ich unterbezahlt. Mein Arbeitgeber ist nicht loyal, d. h. er wird mich sehr wahrscheinlich schon bald entlassen. Das Unternehmen ist nicht auf meine Empfehlungen eingegangen und hat deshalb sehr viel verloren; dafür hole ich mir meinen Anteil etc.“ Vgl. Golden/Skalak/Clayton (2006), S. 136.

372

Vgl. Heath (2008), S. 611.

373

Albrecht/Albrecht (2004), S. 40 f.

374

Wolfe/Hermanson (2004), S. 39.

375

Vgl. Wells/Kopetzky (2006), S. 12.

376

Vgl. Wells/Kopetzky (2006), S. 12.

377

„Yet, paradoxically, whilst the importance of integrity is widely acknowledged, there is no generally accepted understanding of what it means.” ICAEW (2007), S. 2. Integrität im Rahmen dieser Arbeit bedeutet: Das logische Primat der Ethik im Denken und Handeln anzuerkennen und mindestens im Zweifel den ethischen Gesichtspunkten, den Rechten anderer, den Vorrang vor der Verfolgung der eigenen Interessen einzuräumen – „even when deception cannot be readily detected.“ Thielemann (2005), S. 8. „In short, ‘integrity’ may be easier for many to swallow than ‘morality’.” Brenkert (1999), S. 341. Eine „Unternehmensrettung“ vor dem Konkurs durch z. B. bewusste Falschbilanzierung ist nicht nur gesetzlich strafbar sondern auch wirtschaftskriminell. Laut § 331 HGB wird die unrichtige Darstellung mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft. Vgl. Handelsgesetzbuch (HGB). Dennoch könnte der Bilanzbetrüger durch die Rettung und somit Sicherung der Arbeitsplätze sein Handeln als gerechtfertigt und ethisch konform betrachten. Vgl. Maier (2001), S. 33; Huntington/Davies (1999), S. 23 ff.; Steinmann/Olbrich (1995), S. 321; Paine (1994), S. 112.

378

Vgl. Blickle et al. (2006), S. 231; vgl. Collins/Schmidt (1993).

72

IV Theoretischer Bezugsrahmen

nen. Eine mögliche Erklärung wäre, dass es letztlich womöglich weniger rechtliche, sondern vielmehr ethische Wertmassstäbe der entsprechenden Akteure sind, die den Unterscheidungen zwischen richtigen und falschen, also konformen und dolosen Handlungen zugrunde liegen.

1.3

Motivationen der Tat

Anreiz und Druck werden in der Fachliteratur häufig unter dem Wort „Motivation“ zusammengefasst.379 Durch die Verübung der Tat erwartet der Täter eine Befriedigung oder Erleichterung sowie einen gewissen Nutzen für sich selbst und bzw. oder für das Unternehmen. Anreiz und Druck werden aufgrund ihrer Relevanz und vor allem auch aufgrund ihrer Verschiedenheit im Rahmen dieser Arbeit separat erörtert, obwohl die beiden „Fraud Triangle“-Elemente in der gängigen Fachliteratur häufig eine Einheit bilden.

Die Gründe für Wirtschaftsstraftaten können oftmals sehr unterschiedlich sein. Hofmann unterstellt sogar, dass eine vollständige Erfassung der Motivationslage wohl nicht möglich sei.380 Anreiz ist nicht Druck et vice versa. Die vorliegende empirische Untersuchung dieser Dissertation hat zu Tage gebracht, dass die Motivationsgründe zur Tat besonders vielfältig sein können. Damit besteht ein weiterer plausibler Grund, weshalb eine Trennung von Anreiz und Druck durchaus Sinn macht.

1.3.1

Anreiz als tatauslösendes Element

Das bekannte Sprichwort „der Reiz nach Geld regiert die Welt“ ist in diesem Kontext nur ein Teil der Antwort auf die Frage nach dem tatauslösenden Anreiz. Welche Bestandteile verbergen sich hinter diesem Element aus Perspektive der Fachliteratur? Wissenschaftliche Beiträge können an dieser Stelle nicht auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden, da ihre Anschauungen zum Thema Anreiz besonders vielfältig sind.

So unterstellt Heath: „There is no doubt that the vast majority of white collar crime is motivated by what might broadly be referred to as pecuniary incentives. Typically, individuals who commit occupational crimes are seeking to enrich themselves personally […].”381 Dagegen argumentieren Hogan et al., dass eine ganze Bandbreite von Anreizen vorliegen kann, wie z. B. die Notwendig-

379

Der Verfasser vermutet, dass der Grund einer Zusammenfassung beider Komponenten des „Fraud Triangle“ darin liegen könnte, dass sich Anreiz und Druck teilweise inhaltlich überschneiden und in Folge dessen nicht immer klar voneinander abgegrenzt werden können (z. B. Suchtprobleme, ungerecht empfundene Vergütung, Rachegedanken etc.).

380

Vgl. Hofmann (2008), S. 207.

381

Heath (2008), S. 599; vgl. Boecker (2010), S. 33.

IV Theoretischer Bezugsrahmen

73

keit einer externen Finanzierung, die Vermeidung eines Reputationsverlustes des oberen Managements382 oder einfach ein unerwartet schlechtes Betriebsergebnis.383

Ein zu verschwenderischer Lebensstil, aussereheliche Liebschaften384 oder bestimmte Abhängigkeiten, wie z. B. Drogen- oder Spielsucht, können einen Anreiz schaffen.385 Grundsätzlich ist die Motivation des Begehens einer wirtschaftskriminellen Handlung weitestgehend von den persönlichen Zielen des Delinquenten abhängig, die u. a. vom jeweiligen Kulturkreis beeinflusst werden.386 Genauso unterschiedlich sind individuell wahrgenommene Ungerechtigkeiten, wie neuere Forschungen zeigen.387 „Factors such as not enough recognition for job performance […] and feeling underpaid motivate many frauds.“388

1.3.2

Druck als tatauslösendes Element

„Every fraud perpetrator faces some kind of perceived pressure.“389 Dabei ist es irrelevant, wie die Drucksituation von einem Aussenstehenden bzw. Kollegen eingeschätzt wird. Personen reagieren unterschiedlich auf z. B. Stress, d. h. nicht alle Menschen haben den gleichen Umgang damit. Der Druck, der eigenen finanziellen Situation oder der des Unternehmens und gewissen Erwartungen nachzukommen, ausgesetzt zu sein, kann als eine mögliche Voraussetzung für deviante Handlungen betrachtet werden. Diese „Fraud Triangle“-Komponente kann durch bestimmte Lebenssituationen beeinflusst werden. Viele Beteiligte fühlen sich insbesondere durch unrealistische Erwartungen Unternehmensexterner (z. B. Investoren, Banken, Partner etc.) oder bzw. und Unternehmensinterner (z. B. Vorgesetzte, Kollegen etc.) unter Druck gesetzt.390 Hervorzuheben ist, dass die Situation von den Wirtschaftsdelinquenten als ausweglos empfunden wird.391

Die Fachliteratur berichtet von Druck in den folgenden Bereichen: „[…] financial pressures, work-related pressures, egotistical pressures“392, „political and social [pressures]“393 etc.

382

Vgl. Brinkmann (2007), S. 158.

383

Vgl. Hogan et al. (2008), S. 234; Lou/Wang (2009), S. 64; Efendi/Srivastava/Swanson (2007), S. 667 ff.

384

Vgl. Murdock (2008), S. 81.

385

Vgl. Fink/Gillett/Robinson (2008), S. 26.

386

Vgl. Brinkmann (2007), S. 158.

387

Vgl. Behringer (2010), S. 36.

388 389

Albrecht/Albrecht (2004), S. 25. Albrecht/Albrecht (2004), S. 19.

390

Vgl. Golden/Skalak/Clayton (2006), S. 132.

391

Vgl. Cressey (1953), S. 75 ff.; Cressey (1950), S. 743.

392

LaSalle (2007), S. 77.

393

Murdock (2008), S. 81.

74

IV Theoretischer Bezugsrahmen

Druck kann mannigfaltige monetäre Gründe haben, wie z. B.:394 ƒ

„pressure to meet analysts’ forecasts“395,

ƒ

„poor credit standing and inability to obtain credit“396,

ƒ

„housing expenses, a child’s tuition payments […] unexpected medical bills“397 etc.

Neben den monetären können ebenso nicht-monetäre Druckfaktoren relevant sein, wie z. B.: ƒ

Trennung vom Lebenspartner bzw. Probleme mit der Familie398,

ƒ

bereits vor der Straftat ist der Täter selbst ein Opfer (durch z. B. Erpressung) geworden und fühlt sich nicht mehr imstande, das daraus entstandene Problem im Rahmen der Legalität zu lösen399,

ƒ

das Verbergen einer Tat an sich, welche im Anschluss zu weiteren wirtschaftskriminellen Handlungen führen kann etc.400

Lou und Wang haben herausgefunden, dass ein erhöhter finanzieller Druck des Unternehmens, der Vorgesetzten oder der Geschäftsleitung mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zu Falschbilanzierung führen kann.401 In diesem Zusammenhang weist Tanski darauf hin, dass die Unternehmensleitung schnell in einen „Teufelskreis“ geraten kann:402 Ein durch negative Marktentwicklungen und Umsatzeinbrüche dementsprechend resultierendes Betriebsergebnis kann zu unzufriedenen Anlegern bzw. zu unruhig werdenden Gläubigern führen. Das Management versucht die Ist-Situation durch delinquente Handlungen zu beschönigen. Daraufhin steigt die Erwartungshaltung weiter und in Folge dessen entstehen neue Notwendigkeiten zur Manipulation.403

394

Verschwenderisch luxuriöser Lebensstil, aussereheliche Liebschaften und Suchtprobleme könnte ebenfalls an dieser Stelle eingeordnet werden. Der Autor dieser Arbeit ordnete diese tatauslösenden Faktoren jedoch der Komponente „Anreiz“ zu. Vgl. Kapitel IV, Punkt 1.3.1 Anreiz als tatauslösendes Element.

395

Hogan et al. (2008), S. 234.

396

Dorminey et al. (2010), S. 18.

397

Murdock (2008), S. 81.

398

Vgl. Dorminey et al. (2010), S. 19.

399

Vgl. Boecker (2010), S. 33.

400

Vgl. Howe/Malgwi (2006), S. 28.

401

Vgl. Lou/Wang (2009), S. 62.

402

Vgl. Tanski (2002), S. 2003.

403

Vgl. Hofmann (2008), S. 207.

IV Theoretischer Bezugsrahmen

1.4

75

Vom „Fraud Triangle“ zum „Fraud Diamond“: Durch die Fähigkeit zur Tat

Um psychologische Aspekte verstärkt zu berücksichtigen und um dem interdisziplinären Charakter von Wirtschaftskriminalität Rechnung zu tragen404, wurde das Dreieck in der aktuelleren Literatur um eine vierte Komponente erweitert:405 Die Fähigkeit bzw. „Capability“ des Begehens delinquenter Handlungen.

Anreiz/Druck

„Fraud Triangle“ Gelegenheit

Rationalisierung „Fraud Diamond“

Fähigkeit

Abb. 9: Vom „Fraud Triangle“ zum „Fraud Diamond“ 406 Im Jahr 2004 berichteten David Wolfe und Dana Hermanson in Ihrem vielbeachteten Beitrag „The Fraud Diamond: Considering the Four Elements of Fraud” über die Fähigkeit. Das vierte Element hebt den Einfluss eines Einzelnen hervor. Dieser Einfluss soll wiederum die Wahrscheinlichkeit devianter Handlungen bestimmen. „Opportunity opens the doorway to fraud, and incentive and rationalization can draw the person toward it. But the person must have the capability to recognize the open doorway as an opportunity and to take advantage of it by walking through, not just once, but time and time again.”407 Die ausübende Person benötigt zur Tat die dafür notwendigen kognitiven Fähigkeiten. Gelegenheit und Möglichkeit zur Umsetzung müssen vom Täter erst

404

So wird die Weiterentwicklung zum „Fraud Diamond“ von Hofmann oder Peemöller begründet. Vgl. Hofmann (2008), S. 212; Peemöller (2008), S. 48.

405

An dieser Stelle ist hervorzuheben, dass die wirtschaftsdelinquente Handlung in Unternehmen bereits im Jahr 1953 von Cressey als „psychological phenomenon“ bezeichnet wurde. Vgl. Cressey (1953), S. 139.

406

Vgl. Cressey (1950), S. 738 ff.; Vgl. Cressey (1953) S. 90 f.; Wolfe/Hermanson (2004), S. 38 ff.

407

Wolfe/Hermanson (2004), S. 38 f.

76

IV Theoretischer Bezugsrahmen

als solche erkannt werden. Die wichtigsten Komponenten der Fähigkeit zu dolosen Handlungen können folgendermassen unterteilt werden:408 ƒ

„Position/function“: Erst die Position oder Funktion im Unternehmen stattet eine Person mit den erforderlichen Möglichkeiten aus.

ƒ

„Brains“: Es benötigt Verstand und Wissen, um Systemschwächen zu erkennen und durch unrechtmässigen Einsatz für eigene Zweck zu missbrauchen.

ƒ

„Confidence/ego“: Selbstvertrauen und ein starkes Ego sind vonnöten. Täter glauben oftmals, eine besondere Begabung zu besitzen, um nicht in heikle Situationen zu geraten.

ƒ

„Coercion skills“: Ein raffinierter Täter mit genügend Überzeugungskraft könnte andere dazu zwingen, dolose Handlungen zu verbergen oder auch selbst zu begehen.409

ƒ

„Effective lying“: Um seine kriminelle Tat zu verwirklichen, muss ohne Widersprüchlichkeiten und sehr überzeugend gelogen werden.

ƒ

„Immunity to stress“:410 Eine gewisse Stressresistenz ist unabdingbar.

Die obenstehende Unterteilung macht deutlich, dass sich die „Gelegenheit“ als Element des „Fraud Triangle“ teilweise mit der „Fähigkeit“ als neues Element des „Fraud Diamond“ überschneidet. Sofern die einzelnen Komponenten des Elements der „Gelegenheit“ nicht zu stark reduziert werden, überlagern sich beide Voraussetzungen zum Begehen der Tat weitgehend. Dennoch fällt ein neues, zeitgemässes und wichtiges Licht auf folgende zwei Hauptkomponenten der Fähigkeit: Der unkontrollierbare Faktor des „management overrides“ und der psychologische Aspekt der machiavellistischen Intelligenz, auf die nachfolgend eingegangen wird.

1.4.1

Fähigkeit zum „management override“

Wenn ein Delinquent aufgrund seiner unternehmerischer Macht- oder Vertrauensstellung in der Lage ist, die internen Kontrollen des Unternehmens auszuschalten, ist die Rede von „management override“.411 Der Grund dafür: Der Täter stammt meistens aus den eigenen Reihen und kommt aus

408

Vgl. Wolfe/Hermanson (2004), S. 39 f. Die sog. „managed mendacity“ wird in Zusammenhang mit der Weiterentwicklung des „Fraud Triangle“ häufig als „Management der Verlogenheit“ bezeichnet. Dabei werden insbesondere folgende Dimensionen hervorgehoben: Intelligenz, Kreativität und Erfahrung des Täters mit der Unternehmensorganisation, hierarchische Position im Unternehmen, Fähigkeit zur Verheimlichung, ausgeprägter „risk appetite“, grosses Selbstvertrauen und starkes Ego sowie Fähigkeit zum „management override“. Vgl. Peemöller (2008), S. 48; Hofmann (2008), S. 216. Die „managed mendacity“ wird von Hofmann als „Fähigkeit zur Orchestrierung des Bilanzbetrugs“ bezeichnet.

409

„Make your numbers at all costs, or else.“ Wolfe/Hermanson (2004), S. 40.

410

Die dafür notwendige Stressresistenz widerspricht sich mit dem „Fraud Triangle“-Element „Druck“. Der Verfasser dieser Arbeit würde eher von einer „minimalen Stressresistenz“, die gerade ausreicht um nicht sofort entdeckt zu werden, berichten.

411

Vgl. Hofmann (2008), S. 213.

IV Theoretischer Bezugsrahmen

77

dem oberen oder mittleren Management. Der Delinquent ist folglich in einer leitenden Position und besitzt genug Kompetenz, um die Kontrollmechanismen bewusst zu umgehen.412 „Those who design and implement internal controls – management – can also override or bypass those controls.”413 „On one hand, top management is responsible for fostering effective internal control throughout the organization. On the other hand, top management is in a unique position to perpetrate fraud because of its ability directly or indirectly to override established controls and enlist others in its efforts to do so.”414

Um ein Kontrollsystem ausser Kraft zu setzen, benötigt es nicht nur Macht, sondern auch das erforderliche Know-how. Die Personen, die das System entwickelt haben und auch jene, die damit arbeiten, wissen am besten wo die Schwachstellen liegen, wie das System zu umgehen und zu manipulieren ist. Die Ausnutzung von Schwächen benötigt hinreichendes Wissen und ein hohes Mass an Kreativität.415

Mehrfach wurde durch Studien untersucht, welcher hierarchischen Ebene bzw. Position diejenigen Individuen angehören, die dolose Handlungen in Unternehmen initiieren. Es wurde wiederholt festgestellt, dass der Täter vor allem in den hierarchisch mittleren und obersten Führungsebenen zu finden ist. Die nachstehende Abbildung verdeutlicht die hierarchische Position des Täters im Jahr 2009, wobei die Prozentwerte der obersten und mittleren Führungsebene beabsichtigt addiert wurden, um diese Summe den unternehmensinternen Tätern aus den unteren Ebenen bildlich gegenüberzustellen.

412

Überdies bezeichnet Sutherland den typischen „white-collar criminal“ als gesellschaftlich und sozial hoch angesehen. Vgl. Sutherland (1940), S. 4.

413

„Many financial statement frauds have been perpetrated by intentional override by senior management of what might otherwise appear to be effective internal controls […] Because management is primarily responsible for the design, implementation, and maintenance of internal controls, the entity is always exposed to the danger of management override of controls, whether the entity is publicly held, private, not-for-profit, or governmental.“ AICPA (2005), S. 1 f.

414

„SAS 99 requires the auditor to design procedures to test the appropriateness of journal entries […] instructs auditors to perform a retrospective review of past accounting estimates for biases […] instructs auditors to gain an understanding of the business rationale for all significant transactions that fall outside the normal course of business or otherwise appear to be unusual.” Golden/Skalak/Clayton (2006), S. 44 f. Dieses Problem wurde zwar von den Auditing Standards erkannt, abgesehen von einer bestenfalls abschreckenden Wirkung sind diese Standards vielmehr den detektiven Massnahmen zuzuordnen, d. h. sie dienen der Aufdeckung.

415

Vgl. Hofmann (2008), S. 214.

78

IV Theoretischer Bezugsrahmen

70 Oberste und mittlere Führungsebene

67 56

30 Andere Mitarbeiter

33 44

Schweiz Deutschland

0

20

40

International

60

80 in Prozent

Abb. 10: Hierarchieebene des internen Täters im Jahr 2009416 Laut einer Studie von einer grossen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft im Jahr 2009 sitzen global betrachtet und auf die intern verübten Wirtschaftsstraftaten bezogen 14 Prozent der Täter in den obersten Führungsebenen417, während in der Schweiz 20 und in Deutschland 29 Prozent der Delinquenten aus dem Topmanagement sind.418 Eine bestimmte Deliktart kann in Zusammenhang mit der hierarchischen Position des Täters gebracht werden: „Bilanzdelikte sowie Falschinformationen der Jahresabschlussadressaten stellen regelmäßig Fälle von (Top-)Management Fraud dar.“419 Es ist einleuchtend, dass das „Fraud Triangle“-Element „Gelegenheit“420 zur Ausübung von z. B. Bilanzdelikten i. d. R. in höheren Führungsetagen gegeben ist.421

416

Vgl. PwC (Schweiz) (2009), S. 3 f.; PwC (Deutschland) (B) (2009), S. 43 f., PwC (International) (2009), S. 16; PwC (Österreich) (2005), S. 3. Laut der PwC-Studie für Österreich aus dem Jahr 2005 befindet sich der interne Täter zu 64 Prozent im Top- und mittleren Management. Aus dem Jahr 2009 sind für Österreich keine Angaben zu finden, da die Anzahl der Antworten für eine Repräsentativität nicht ausreichend war und die Studie deshalb nicht veröffentlicht wurde. Jedoch wurden in diesem Jahr in Deutschland 500, in der Schweiz 129 und international 3’037 Unternehmen befragt. In die Analyse von Deutschland wurden ausschliesslich Grossunternehmen einbezogen. Deutschland wurde als separate Studie durchgeführt und ist deshalb in der internationalen Studie nicht enthalten, während die Schweizer Unternehmen einbezogen wurden.

417

Vgl. PwC (International) (2009), S. 16. Dagegen behaupten Bussmann und Salvenmoser, dass weltweit ein Viertel der Täter zum Topmanagement des Unternehmens gehören. Ihren Angaben zufolge ist der Anteil in Deutschland mit 32 Prozent noch etwas höher. Vgl. Bussmann/Salvenmoser (2006), S. 206.

418

Vgl. PwC (Schweiz) (2009), S. 3 f.; PwC (Deutschland) (B) (2009), S. 43 f.

419

Peemöller (2008), S. 46.

420

Die Gelegenheit ist nicht jeder Person im Unternehmen gegeben. Vgl. Kapitel IV, Punkt 1.1 Gelegenheit als Voraussetzung zur Tatausübung.

421

Vgl. Peemöller (2008), S. 46. „[…] the financial loss and collateral damage (loss of reputation) due to economic crime increased with the perpetrator’s status in the company. Throughout the world, companies em-

IV Theoretischer Bezugsrahmen

79

Anders als vielfach angenommen, werden dolose Handlungen in Unternehmen häufig von Wirtschaftsdelinquenten begangen, die durchschnittlich ungefähr zehn Jahre im betroffenen Unternehmen tätig und seit etwa sieben Jahren in der gleichen Position waren.422 Infolgedessen können Massnahmen im Bereich der Personalrekrutierung in diesem Feld kaum eine vorbeugende Wirkung zeigen. Schliesslich sitzt der Täter durchschnittlich schon seit einem Jahrzehnt im eigenen Unternehmen, wenn er seine erste wirtschaftskriminelle Handlung begeht. Dabei ist nicht auszuschliessen, dass straffällig gewordene Mitarbeiter den Jahre zurückliegenden Selektionsprozess sogar ehrlich bestanden oder einfach mithilfe der nachfolgend beschriebenen machiavellistischen Intelligenz manipuliert hätten.

1.4.2

Machiavellistische Intelligenz

Der erfolgreiche Manager weist beim Vergleich mit einem Wirtschaftsdelinquenten häufig kongruente Persönlichkeitsmerkmale423 auf. Er ist wie auch der nicht-wirtschaftskriminelle Manager risiko- und entscheidungsfreudig, stark karriere-, erfolgs- und publicityorientiert bzw. extravertiert.424 Kaum jemand würde ihm eine Straftat zutrauen. Der typische Wirtschaftsdelinquent ist unauffällig.425 Er ist zumeist männlich, unbescholten und überdurchschnittlich gebildet.426 Bei vielen Personen im Management sind genau solche Eigenschaften vorzufinden, deshalb ist es nicht besonders erstaunlich einen Wirtschaftsstraftäter mit diesen Merkmalen im Managementkreis vorzufinden.

Wie in einigen Studien festgestellt wurde, sind jedoch nicht alle Persönlichkeitseigenschaften eines „white-collar managers“ gleich denen eines „white-collar criminals“.427 So neigen Wirtschaftsdelinquenten eher zu Narzissmus (ständiges Bedürfnis nach Bewunderung und starke innerliche Belastung mit Neidgefühlen), Hedonismus (Streben nach Genuss und Sinneslust bzw. Genusssucht), weniger Integrität (nach geläufigen Integritätstests), weniger Impulskontrolle (fehlende Selbstbeherrschung oder Selbstkontrolle) und übermässiger sozialer Erwünschtheit (übermässiges Streben nach gesellschaftlicher Anerkennung). Überraschenderweise übertrifft die Gewissenhaftigkeit der Wirtschaftsstraftäter jene der gesetzestreuen Manager, d. h. sie sind organisiert, zuverlässig, diszipliniert, sorgfältig, planend und in der Lage, ihre Ziele diszipliniert zu ver-

phasized the greater risk of serious damage to reputation and impaired business relations when a perpetrator had been entrusted with a highly responsible post.” Bussmann/Werle (2006), S. 1137. 422

Vgl. Bussmann/Salvenmoser (2006), S. 207.

423

Bereits Cressey thematisierte die Charakteristiken von Wirtschaftsstraftätern. Vgl. Cressey (1953), S. 145 f.

424

Vgl. Wheeler (1992), S. 113; Bussmann/Salvenmoser (2006), S. 206; Löw (2002), S. 58 ff.; Schuchter (2010), S. 80.

425

Vgl. Weisburd/Waring/Chayet (2001), S. 73 ff.

426

Vgl. Ragatz/Fremouw (2010), S. 379 ff.; Blickle et al. (2006), S. 220 ff.; Bussmann/Salvenmoser (2006), S. 207.

427

Vgl. Blickle et al. (2006), S. 220 ff.; Collins/Schmidt (1993), S. 295 ff.; Ones/Viswesvaran (2001), S. 31 ff.

80

IV Theoretischer Bezugsrahmen

folgen. Bei näherer Betrachtung wird diese Überausprägung verständlicher: Personen mit hohen Gewissenhaftigkeitswerten setzen ihre Visionen in Taten um.

Die in der psychologischen Kriminologie bezeichnete Fähigkeit, durch gezieltes Vortäuschen von Kooperation andere zu manipulieren, mit dem Ziel eigene Interessen durchzusetzen, wird „machiavellistische“ oder auch „sozialmanipulative Intelligenz“ genannt. Es erlaubt dem Träger, die Reaktionsbereitschaft der anderen zu erkennen, dieselbe zu manipulieren und für seine eigenen Zwecke geschickt zu instrumentalisieren.428 Diese Fähigkeit korreliert deutlich mit dem Profil eines Wirtschaftsdelinquenten.429 Laut Knecht machen Wirtschaftsstraftäter das System und die Mitarbeiter bzw. Kollegen zum Objekt ihrer Ausbeutungsabsichten und zögern dabei selten, ihre ausgeprägte machiavellistische Intelligenz einzusetzen.

An dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass die Eigenschaften der Persönlichkeit eines Individuums und deren Profilierung für unternehmensinterne Prävention nur wenig nützlich sein kann, da sich folgende Problemstellungen ergeben:430 ƒ

ƒ ƒ ƒ

Eine Überlagerung durch die sogenannte „machiavellistische Intelligenz“ oder sozialmanipulative Intelligenz erschwert eine Untersuchung der tatsächlichen Persönlichkeitseigenschaften, beim Vergleich mit einem Wirtschaftsdelinquenten weist der erfolgreiche Manager häufig kongruente Persönlichkeitsmerkmale auf, die Persönlichkeitseigenschaften entwickeln und verändern sich mit der Zeit431 und auch wenn es gelingen sollte, alle Ausprägungen der Persönlichkeit eines Täters bei langjährigen Unternehmensangestellten oder auch bei Bewerbern für eine offene Stelle nachzuweisen, ist es dennoch kein Beweis für ein zukünftiges, deliktisches Handeln.432

Bereits Sutherland beschäftigte sich mit der Frage, ob das Auftreten von Wirtschaftskriminalität durch psychologische Charakteristiken433 erklärbar sein könnte.434 Die These, dass Individuen mit

428

Vgl. Knecht (2006), S. 205.

429

Vgl. Müller (2008), S. 250 ff.

430

Vgl. Schuchter (2010), S. 80.

431

Zwar gibt es relativ stabile Persönlichkeitseigenschaften, dennoch unterliegen auch diese über Jahrzehnte hinweg durchaus gewissen Veränderungen. Wirtschaftsdelikte werden häufig von Tätern begangen, die im Durchschnitt seit einem Jahrzehnt im Unternehmen tätig waren. Vgl. Bussmann/Salvenmoser (2006), S. 207.

432

Erfolgreiche Manager mit exakt denselben Persönlichkeitsmerkmalen eines typischen Täters können nicht im Vorhinein als potentiell wirtschaftskriminell eingestuft werden.

433

Sutherland spricht von „personal traits“. In diesen Begriff inkludiert er auch körperliche Merkmale, die allein einer einzelnen Person zukommen („physical deviations“). So auch Opp (1975), S. 110.

434

„A belief which is very widely held in America today is that criminal behavior is always due to some characteristic or trait of the personality and that this trait is in the nature of a general pathological condition which exists prior to the criminal behavior and is the cause of it.“ Sutherland/Cressey (1960), S. 117.

IV Theoretischer Bezugsrahmen

81

bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen eher Wirtschaftsdelikte begehen, halten Sutherland und der Verfasser dieser Arbeit aufgrund folgender Argumente für unzutreffend:435 ƒ

Viele Unternehmen verletzen Gesetze in bestimmten Gebieten, jedoch nicht in anderen Gebieten, obwohl das Personal dasselbe ist (wenn also allein Persönlichkeitsmerkmale für das Auftreten von dolosen Handlungen in Unternehmen eine Rolle spielten, dann wäre nicht zu erwarten, dass Personen in unterschiedlichen Situationen bestimmte Gesetze unterschiedlich häufig verletzen) und

ƒ

viele Unternehmen verletzten über Jahrzehnte Gesetze, obwohl das Personal bereits vollständig gewechselt hat (wenn die Persönlichkeit von Individuen das Auftreten von dolosen Handlungen erklären könnte, dann wäre zu erwarten, dass bei Änderung des Personals die Häufigkeit oder Art der Wirtschaftskriminalität wechselt).436

Aufgrund der beschriebenen Problemstellungen und Argumente werden die Persönlichkeitseigenschaften des Täters in der empirischen Arbeit vernachlässigt.437 Die Orientierung an der Persönlichkeit eines Individuums (z. B. durch Integritätstests)438 scheint aufgrund der bisher spärlichen Erkenntnisse im Bereich der Wirtschaftsstraftäterprofilierung und aufgrund der fragwürdigen Anwendung für eine wirksame Prävention eher bedenklich. Das Persönlichkeitsprofil des typischen Wirtschaftsdelinquenten ist eine Momentaufnahme, welche lediglich dem Profil eines Täters im Hellfeld entspricht. Dabei ist unbekannt, welche Persönlichkeitsmerkmale Täter der unentdeckten Wirtschaftskriminalität (Dunkelfeldtäter) aufweisen.439

Nicht nur aufgrund der sozialmanipulativen Intelligenz sondern auch durch die hohe soziale Kompetenz könnte sich die Enttarnung einer potentiell wirtschaftskriminellen Person im Bewerbungsprozess als Herausforderung erweisen. Freiwillig wird der Kandidat die für einen Wirtschaftsstraftäter typischen Persönlichkeitseigenschaften nicht offen legen. Im Gegenteil, die Per-

435

„The fact which stands out most clearly from the organized research studies which have been conducted by scholars representing different schools of thought is that no trait of personality has been found to be very closely associated with criminal behavior. No consistent statistically significant differences between personality traits of delinquents and personality traits of non-delinquents have been found.” Sutherland/Cressey (1960), S. 135; vgl. Sutherland (1949), S. 259 ff.; Opp (1975), S. 111.

436

Dieses letzte Argument bedingt, dass der Personalwechsel auch mit einem Wechsel der Persönlichkeitsmerkmale verbunden ist, d. h. „neues“ Personal müsste demnach auch andere Persönlichkeitsausprägungen aufweisen.

437

Es ist jedoch nicht vollständig auszuschliessen, dass Persönlichkeitsmerkmale einen gewissen (wenn auch nicht ausschlaggebenden) Einfluss auf die Ausübung doloser Handlungen in Unternehmen haben.

438

Aufgrund dieser Erkenntnisse sind die Ergebnisse der auf Integrität testenden, eignungsdiagnostischen Verfahren, welche vorwiegend in der Personalrekrutierung eingesetzt werden, zu hinterfragen. “Employee screening actually appears to increase the likelihood of crime […]”, so das Resultat der Überprüfung folgender Hypothese: “The more attention the firm pays to employee screening, the less likely it is to have crime.” Schnatterly (2003), S. 591 ff.

439

Es sei denn, die Profilierung würde auf das Dunkelfeld ausgeweitet werden.

82

IV Theoretischer Bezugsrahmen

son wird versuchen, möglichst integer zu wirken und bevorstehende Tests zu manipulieren. Zudem ist der typische Wirtschaftsstraftäter in vielen Studien als „sozial unauffällig“ beschrieben worden.440

2

Exkurs: Theorie der differentiellen Assoziation

Wie auch das Dolose Dreieck stammt die Grundidee dieser dem „Fraud Triangle“ entgegenstehenden Theorie der differentiellen Assoziation („theory of differential association“) ursprünglich ebenfalls von Donald Ray Cressey in Zusammenarbeit mit Edwin Hardin Sutherland. Durch diesen Exkurs soll hervorgehoben werden, dass weitere wissenschaftliche Erklärungsansätze der Entstehungsursachen krimineller Handlungen existieren. Dabei werden lediglich die relevantesten Eckpunkte dieser Theorie erklärt, um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen.

Die Theorie der differentiellen Assoziation ist im Gegensatz zum „Fraud Triangle“ eine der wenigen Theorien, die kriminelles Verhalten generell zu erklären versucht.441 Sie beinhaltet die Grundaussage, dass Kriminalität erlernt werden kann wie Mathematik, Englisch oder Gitarre spielen.442 Von der Norm abweichendes Verhalten kann wie jedes andere Verhalten erlernt werden und wird in dieser Theorie als ein Ergebnis eines sozialen Lernprozesses beschrieben. Sutherland und Cressey entwickelten neun Thesen, welche Prozess und Ursache delinquenter Handlungen beschreiben sollen.443

1. „Criminal behavior is learned. 2. Criminal behavior is learned in interaction with other persons in a process of communication. 3. The principal part of the learning of criminal behavior occurs within intimate personal groups.

440

Aus psychiatrischer Sicht ist selbst die Psychotherapie im Rahmen einer Massregel bei Personen, die typisch wirtschaftskriminelle Charaktere aufweisen, wenig aussichtsreich, da oftmals auch der Therapeut manipuliert und instrumentalisiert wird. Vgl. Knecht (2006), S. 205.

441

Vgl. Opp (1975), S. 68. Diese Theorie beschränkt sich folglich nicht lediglich auf den Bereich der Wirtschaftskriminalität.

442

Vgl. Cressey (1953), S. 147. Das Erlernen von Kriminalität wurde von Edwin Hardin Sutherland begründet und als Theorie der differentiellen Assoziation bezeichnet. Lediglich das Erlernen fraudulenter Handlungen durch Massenmedien wird von Sutherland abgelehnt.

443

Sutherland beschrieb diese im Jahr 1939 in seinem Lehrbuch „Principles of Criminology“ zum ersten Mal und modifizierte die Theorie in einer späteren Auflage im Jahr 1947. Grundlage für die Untersuchung waren empirische Arbeiten in den 70 grössten Industrie- und Handelsunternehmen der USA. Ungefähr 90 Prozent der Unternehmen wurden als „gefährliche Verbrecher“ betrachtet, wie z. B. General Electric oder General Motors. Vgl. Sutherland/Cressey (1960).

IV Theoretischer Bezugsrahmen

83

4. When criminal behavior is learned, the learning includes (a) techniques of committing the crime, which are sometimes very complicated, sometimes very simple; (b) the specific direction of motives, drives, rationalizations, and attitudes. 5. The specific direction of motives and drives is learned from definitions of the legal codes as favorable or unfavorable. 6. A person becomes delinquent because of an excess of definitions favorable to violation of law over definitions unfavorable to violation of law. 7. Differential associations may vary in frequency, duration, priority, and intensity. 8. The process of learning criminal behavior by association with criminal and anti-criminal patterns involves all of the mechanisms that are involved in any other learning. 9. While criminal behavior is an expression of general needs and values, it is not explained by those general needs and values since non-criminal behavior is an expression of the same needs and values.”444 Durch Interaktion mit Personen werden bestimmte positive und negative Werte sowie Verhaltensweisen erworben, welche zum entsprechenden Handeln führen. Kriminelle Handlungen werden überwiegend in intimen persönlichen Gruppen erlernt und sind weder angeboren noch werden sie vererbt.445 Hauptaussage der differentiellen Assoziation stellt die obenstehende These Nummer sechs dar.446 Diese beschreibt, dass der Straftäter infolge eines möglichen Überwiegens der die Verletzung begünstigenden Einstellungen über jene, die Gesetzesverletzungen negativ beurteilen, delinquent wird.447 Damit wird erklärt, dass eine Person durch strafrechtliche Gesetzesverletzungen kriminell wird, wenn andere Personen dieses Verhalten überwiegend positiv bewerten.448 Diese Annahme wird von Sutherland als „Prinzip der differentiellen Kontakte“ bezeichnet und findet im Rahmen von Arbeiten über „white-collar crime“ häufig bei anderen Autoren ebenso massgebliche Relevanz.449 Aus dieser Theorie lässt sich ableiten, dass genauso das Gegenteil, also das beabsichtigte Überschreiben einmal gelernter Programme hin zu konformen und moralischen Handlungen möglich sein könnte.

In einer auf stetigem Wachstum und Gewinnmaximierung ausgerichteten Gesellschaft könnte der Erfolg allfällige moralische Defizite einfach kompensieren und die Wahrscheinlichkeit von deviantem Verhalten erhöhen, so die Vermutung des Verfassers. Eine andere Idee lehnt die Neigung unmoralischer Persönlichkeiten zu kriminellem Verhalten einfach ab und versteht es mehr als ein offenbar funktionierendes Verhalten. Überspitzt formuliert, wird hier kriminelle Handhabung

444

Sutherland/Cressey (1960), S. 77 ff.

445

Vgl. Jensen (1972), S. 562.

446

Sutherland bezeichnet diese These als zentral, „[…] was dies auch immer genau heißen mag […].“ Opp (1975), S. 68.

447

Vgl. Sutherland/Cressey (1960), S. 76.

448

„Gründe dafür, daß die übrigen Hypothesen, aus denen seine Theorie besteht, nicht angewandt wurden, erfahren wir nicht.“ Opp (1975), S. 69.

449

Vgl. Opp (1975), S. 69.

84

IV Theoretischer Bezugsrahmen

einfach zum Tagesgeschäft, welche dann sogar noch mit positivem Stimulus verbunden sein kann. Das Missverständnis, dass sich durch eine Tat gewisse Vorteile schneller und leichter herausschlagen lassen könnten, wird langfristig möglicherweise zum eigenen Verhängnis. Delinquentes Handeln darf nicht als erfolgreiches Handeln betrachtet werden.

3

Zusammenfassung von Kapitel IV

Den Fokus auf die tatauslösenden Faktoren zu richten, scheint bei einer präventiven Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität einleuchtend zu sein. Neben der individuellen Vermögensmaximierung existieren offensichtlich weit mehr Faktoren, die als „tatauslösend“ bezeichnet werden können.

Laut dem in den 50er Jahren von Donald Ray Cressey entwickelten und bis heute vielgepriesenen Modell mit der Bezeichnung „Fraud Triangle“ sind Motivation (Anreiz und Druck), Gelegenheit und Rationalisierung die notwendigen Voraussetzungen zur Ausübung von delinquenten Handlungen. Dieser wohl bekannteste und bis heute gültige Erklärungsansatz gibt vor, dass die Wahrscheinlichkeit einer Tat auf nahezu Null sinke, wenn eines oder mehrere der Elemente des Dreiecks nicht vorliegen. Auch die aktuelle Fachliteratur vertritt die Meinung, dass alle drei Faktoren zumindest bis zu einem gewissen Grad vorhanden sein müssen, damit es tatsächlich zur Wirtschaftskriminalität kommt. In einem bis heute vielbeachteten Beitrag wurde das fraudulente Dreieck um ein viertes Element ergänzt: Die Fähigkeit zur Tat. Begründet wird dies mit dem Argument, dass psychologische Aspekte im Strategischen Dreieck, welches damit zum Viereck bzw. „Fraud Diamond“ heranwächst, verstärkt Berücksichtigung finden müssen. Zudem soll damit der Einfluss des Individuums hervorgehoben werden: Denn schliesslich sind nicht alle Personen in der Lage, die internen Kontrollen auszuschalten und andere gezielt zu manipulieren, um damit die eigenen Absichten durchzusetzen.

Ziel dieses Kapitels war es, den theoretischen Bezugsrahmen dieser Arbeit auszuführen und das Modell des „Fraud Triangle“ und „Fraud Diamond“ von der Theorie der differentiellen Assoziation abzugrenzen. Eine darauf aufbauende empirische Untersuchung wird erforderlich, um neue Erkenntnisse zu gewinnen und die Forschungsfragen zu beantworten. Aus der Täterperspektive wird im Anschluss beleuchtet, inwiefern das Strategische Dreieck standhält. Ergänzend soll festgestellt werden, ob die vierte Voraussetzung nach Wolfe und Hermanson ausfindig gemacht werden kann, ohne dabei explizit während der Interviews mit rechtskräftig verurteilten Wirtschaftsdelinquenten nachzufragen. Gegenstand des nachfolgenden Kapitels ist zuerst eine Erörterung des forschungsmethodischen Vorgehens, bevor die Forschungsergebnisse der analysierten Täterbefragungen dargestellt werden.

V Forschungsmethodisches Vorgehen

V

85

Forschungsmethodisches Vorgehen

Die bisherigen Ausführungen lassen offen, wie der Weg zur Beantwortung der Forschungsfrage konkret zu beschreiben ist. Das methodische Vorgehen widmet sich zuerst den wissenschaftstheoretischen Grundlagen, dann dem Zugang zum Forschungsfeld und schliesslich der klassischen Untersuchungsanordnung vom Erhebungs- über das Aufbereitungs- bis hin zum Auswertungsverfahren. Konzeptionelle Ideen des Forschers bestehen oftmals bereits zu Beginn seiner Untersuchung oder zumindest eine grobe Vorstellung davon. Im Laufe der Untersuchung ergeben sich dann häufig kleinere Änderungen der geplanten Vorgehensweise. Dies geschieht stets in Abgleich mit der Forschungsfrage.

1

Grundlagen

Zunächst werden das wissenschaftstheoretische Fundament, wie es der Verfasser im Rahmen der Dissertation versteht, der Forschungsansatz und die Kernelemente der empirischen Untersuchung beschrieben, bevor die gewählten forschungsmethodischen Vorgehensweisen im Einzelnen verdeutlicht und begründet werden.

1.1

Wissenschaftstheoretische Überlegungen

Wissenschaftstheorie450 kann als die Lehre von der Wissenschaft bezeichnet werden, wissenschaftliche Theorien als allgemeine Sätze.451 „Die Theorie ist das Netz, das wir auswerfen, um ‚die Welt’ einzufangen, – sie zu rationalisieren, zu erklären und zu beherrschen. Wir arbeiten daran, die Maschen des Netzes immer enger zu machen.“452 Gute Theorien sind mehr als eine Erklärung betreffender Erscheinungen oder Phänomene, sie sind auch prognostisch nützlich, indem sie zukünftige Ereignisse und Entwicklungen hypothetisch antizipieren und Anregungen zur Erklärung bislang unerforschter Phänomene gibt. Dabei ist nicht zu verachten, dass keine Theorie sakrosankt ist.453 Wissenschaft erhebt dennoch „oftmals“454 den Anspruch, Phänomene der Wirklich-

450

In der Literatur wird sie häufig auch als „Wissenschaftswissenschaft“ („Science of Science“ oder „Philosophy of Science“) bezeichnet. Vgl. Ulrich/Hill (1979), S. 161.

451

Vgl. Popper (1982), S. 31 ff.; vgl. Meyer (1979), S. 29.

452

Popper (1994), S. 31.

453

Vgl. Popper (1998), S. 374.

454

Diesbezüglich wird hier mit Absicht der Begriff „oftmals“ gewählt, da der radikale Konstruktivismus keinen Anspruch auf ontologische Wirklichkeit erhebt. Glasersfeld schliesst das wahre Bild bzw. die Übereinstimmung der Wissenschaft mit der Wirklichkeit aus, d. h. obwohl Homomorphie nicht möglich ist, kann sie dennoch „passen“. Zwischen Umwelt und bewusster Intelligenz besteht Wechselwirkung und Anpassung. Die von uns konstruierte Welt hat sich aus Variation entwickelt. Dabei wurde die objektive Welt noch lange

A. Schuchter, Perspektiven verurteilter Wirtschaftsstraftäter, DOI 10.1007/978-3-8349-3606-6_5, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2012

86

V Forschungsmethodisches Vorgehen

keit zu beschreiben, Zusammenhänge und Beziehungen zu erklären sowie Konsequenzen vorhersagen zu können.455 Die Aufgabe der Wissenschaft ist es, „richtige Aussagen über wirkliche Sachverhalte zu machen […], deren Ziel ein System von Sätzen ist, das auf die Wirklichkeit gerichtet ist.“456 Jedoch sind Theorien und Wissenschaft gewissen Veränderungen unterworfen und erheben nicht den Anspruch, bedingungslos wahr zu sein, sondern sind im Rahmen der Sozialund Wirtschaftswissenschaften für einen beschränkten Zeitraum und für ein begrenztes Untersuchungsfeld bestimmt.457

Mit der Wissenschaft beginnt die Suche nach Objektivität und der Versuch, werturteilsfrei458 zu sein mit dem Ziel, die Realität abzubilden, zu erklären und zu verstehen. Wissenschaftliche Forschung kann in ein und demselben Themengebiet auf unterschiedliche Art und Weise betrieben werden. Für die Wissenschaft können ganz unterschiedliche Probleme als relevant angesehen, diese Probleme unterschiedlich gedeutet und kritisch beleuchtet werden, und es können unterschiedliche Auffassungen darüber entstehen, welche Beiträge die Wissenschaft zur Bewältigung der Probleme leisten soll, die sie behandelt.459

Die Methodik, die Gesamtheit der wissenschaftlichen Methoden, ist von der Methodologie oder der Lehre von diesen Methoden zu unterscheiden. Allgemein wird unter „Methode“ ein mehr oder weniger planmässiges Verfahren, ein Weg oder eine bestimmte Handlungsweise zur Erreichung eines Ziels verstanden.460 Nicht alle durchgeführten Handlungen sind methodisch, doch in der Welt der Wissenschaft ist ein reflektierter Vollzug der Vorgangsweise obligatorisch. Methodenfragen konzentrieren sich weniger auf „Sachfragen“ als vielmehr auf ihre Vorgehensweise, Begründbarkeit, Logik und Nachvollziehbarkeit bei der Produktion von Aussagen oder Handlungen.461 Achtsamkeit ist notwendig, da eine Methode ein gewisses Vorverständnis enthält, welches das Verhalten, sogar die Beurteilung und das Ergebnis beeinflussen kann. Wahrnehmungen sind von Person zu Person unterschiedlich und deshalb nicht neutral. Das Subjekt wendet die Methode an und beobachtet das Objekt. Somit lässt sich Subjekt und Objekt nicht mehr unabhängig voneinander betrachten. Eine unbeobachtete Situation hat keinen Beobachter, und eine beobachtete Situation benötigt mindestens einen Beobachter: In der Beobachtung wird sie immer schon interpretiert.462 Somit wird es unmöglich, die „höhere Wahrheit“ abzubilden.463 „Die Objektivität der

nicht verstanden. Es hat sich lediglich ein gangbarer, durch Selektion entstandener Weg zur geordneten Erfahrungswelt entwickelt. Glasersfeld (1987), S. 198 ff. 455

Vgl. Denz/Mayer (2001), S. 54; Bortz/Döring (2005), S. 17.

456

Konegen/Sondergeld (1985), S. 22; Denz/Mayer (2001), S. 54.

457

Vgl. Bortz/Döring (2005), S. 19.

458

Vgl. Kapitel I, Punkt 6 Positionierung.

459

Vgl. Raffée/Abel (1979), S. 1.

460

Vgl. Hug (2001), S. 11.

461

Vgl. Kappler (2001), S. 201.

462

Vgl. Kappler (2001), S. 202.

V Forschungsmethodisches Vorgehen

87

wissenschaftlichen Sätze liegt darin, daß sie intersubjektiv nachprüfbar sein müssen.“464 Unterschiedliche Forscher müssen bei der Untersuchung desselben Sachverhalts mit denselben Methoden zu vergleichbaren Resultaten kommen können.465 Popper beschreibt diesen Aspekt als eine Idee der gegenseitigen rationalen Kontrolle durch kritische Diskussion und Problemlösung, womit er die Möglichkeit der Erkennung einer objektiven und absoluten Wahrheit relativiert.

1.2

Forschungsansatz

Diese Dissertation beruht auf einem vorwiegend qualitativen Forschungsansatz. Bedeutende Aspekte dieses Forschungsparadigmas werden daher im folgenden Teil näher betrachtet. Damit dies in einem übersichtlichen Rahmen bleibt, wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben, sondern lediglich Relevantes für das Thema der vorliegenden Arbeit erläutert.

„Qualitative Forschung“ kann als Sammelbegriff für sehr unterschiedliche theoretische, methodologische und methodische Zugänge zur sozialen Wirklichkeit bezeichnet werden.466 Der Ausgangspunkt qualitativer Forschung besteht im Versuch eines vorrangig deutenden und sinnverstehenden Zugangs zu der interaktiv „hergestellten“ und in sprachlichen wie nicht-sprachlichen Symbolen repräsentiert gedachten sozialen Wirklichkeit: Qualitative Forschung „bemüht sich dabei, ein möglichst detailliertes und vollständiges Bild der zu erschließenden Wirklichkeitsausschnitte zu liefern.“467 Dabei werden die Ergebnisse vielfach als intuitive Einfälle subjektiver Meinungen missverstanden.468 Deshalb sind die Thematisierung qualitätssichernder Massnahmen und Verfahrensprinzipien im Rahmen dieser Arbeit wichtig.

Die Verbreitung der qualitativen Forschung hat ihre Vielfalt enorm gesteigert:469 Die unterschiedlichen methodologischen Positionen, die Vielfalt an Techniken und der Variantenreichtum an Interpretationsverfahren sind für Forscher verwirrend, insbesondere wenn sich diese erstmals in die qualitativ orientierte Empirie vorwagen.470 Dazu werden die in der qualitativen Methodenlite-

463

Der radikale Konstruktivismus geht davon aus, dass es kein vom Subjekt unabhängiges Denken gibt, d. h. kein objektives Wissen. Dabei herrscht eine generelle Skepsis gegenüber jeglichem universellen Wahrheitsanspruch. Vgl. Glasersfeld (1987), S. 204 f.

464

Popper (1982), S. 18.

465

Damit werden eine genaue Beschreibung der methodischen Vorgehensweise (Transparenz) und eine gewisse Standardisierung gefordert. Vgl. Bortz/Döring (2005), S. 326.

466

Vgl. Kardorff (1995), S. 3. „Derzeit dominiert in der qualitativen Managementforschung der (sozial-) konstruktivistische Ansatz.“ Jäger/Reinecke (2009), S. 56.

467

Kardorff (1995), S. 4.

468

Vgl. Froschauer/Lueger (2003), S. 8.

469

Vgl. Reichertz (1999), S. 339 ff.; Froschauer/Lueger (2009), S. 199.

470

Vgl. Froschauer/Lueger (2003), S. 12.

88

V Forschungsmethodisches Vorgehen

ratur existierenden Begriffe nicht einheitlich verwendet.471 Die in spezifischen Forschungskontexten erarbeiteten, unterschiedlichen Thematiken schaffen noch eine zusätzliche Unsicherheit, denn oftmals sind die Angebote an Möglichkeiten lediglich bedingt auf andere Themen zu übertragen.472 „Aus diesem Grund ist es für die Stärkung der ‚methodischen Härte’ unumgänglich, dass sich die Forschenden dessen bewusst sind, was sie tun, und nicht allein ihrer Intuition folgen.“473

Die rein quantitative Vorgehensweise in den unterschiedlichsten Forschungsbereichen gilt seit einigen Jahren nicht mehr als einziges Ideal.474 Obwohl der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit eindeutig im Bereich der qualitativen Forschung liegt, erfasst die Dissertation ebenso quantitative Aspekte. „Standardisierte Methoden benötigen für die Konzipierung ihrer Erhebungsinstrumente […] eine feste Vorstellung über den untersuchten Gegenstand, wogegen qualitative Forschung für das Neue im Untersuchten, das Unbekannte im scheinbar Bekannten offen sein kann.“475 „Ohne notwendigerweise einen der Ansätze auf einen untergeordneten Status zu reduzieren und den anderen zur ‚eigentlichen’ Forschung zu erklären, kann eine Untersuchung qualitative und quantitative Zugänge in verschiedenen Phasen des Forschungsprozesses enthalten.“476 Es ist es wohl unbestritten, dass die qualitative mit der quantitativen Forschung hinsichtlich Reliabilität und Validität nicht Schritt halten kann.477 Nicht die Stichprobengrösse ist das zentrale Kriterium für die qualitative Stichprobenziehung sondern Fallkontrastierung, d. h. „die Möglichkeit, durch vielfältige Vergleiche zwischen bewusst gezogenen Einzelfällen Muster zu identifizieren.“478 Popper führt die Forderung, qualitative Aussagen durch quantitative zu ersetzten, „auf die Forderung nach größerer Prüfbarkeit“479 zurück. Dabei mahnt er, dass jede Messung auf theoretischen Vermutungen beruht.

Im Zuge der qualitativen Forschung geht es um das Verstehen, was Personen dazu bringt, in einer bestimmten Weise zu handeln, welche Dynamik dieses Handeln auslöst und wie diese Dynamik

471

Vgl. Jäger/Reinecke (2009), S. 33. Der Begriff „Sinneinheit“ könnte als ein Beispiel dieser Arbeit genannt werden: Die angewandten Auswertungsverfahren verwenden denselben Ausdruck, jedoch wird er unterschiedlich beschrieben. Im Rahmen der Qualitativen Inhaltsanalyse der vorliegenden Arbeit wird das Wort „Sinneinheit“ deshalb durch „Texteinheit“ ersetzt, um Verwirrungen zu vermeiden.

472

Vgl. Froschauer/Lueger (2003), S. 12.

473

Jäger/Reinecke (2009), S. 52.

474

Vgl. Mayring (2002), S. 9.

475

Flick/Kardorff/Steinke (2003), S. 17.

476

Flick (2007), S. 43.

477

Vgl. Jäger/Reinecke (2009), S. 31. Während sich Validität auf die Gültigkeit der Ergebnisse einer Untersuchung bezieht, gibt Reliabilität an, ob wiederholte Untersuchungen desselben Phänomens mit derselben Methode zum gleichen Ergebnis führen. „Die wissenschaftliche Mainstream-Forschung hat qualitative Untersuchungen häufig als subjektiv und nicht valide zurückgewiesen.“ Kvale (1995), S. 427.

478

Kelle (2004), S. 499 f.

479

Popper (1998), S. 370.

V Forschungsmethodisches Vorgehen

89

wieder das Handeln beeinflusst. Bei der vorliegenden Untersuchung geht es um die Erkenntnis möglicher tatauslösender Ursachen und unternehmensinterner Präventionsmassnahmen. Die Respondenten versuchen sich in diese zum Zeitpunkt der Tat stattgefundene Situation hineinzuversetzen, um aus ihrer Sicht zu beurteilen, welche Vorkehrungen wirklich Sinn gemacht hätten. Dieses Ziel entspricht auch dem bereits geschilderten Gegenstand: „Qualitative Forschung widmet sich der Untersuchung der sinnhaften Strukturierung von Ausdrucksformen sozialer Prozesse.“480 „Studien über abweichendes Verhalten und soziale Kontrolle, ein Begriffspaar, […] sind von beträchtlicher Bedeutung für die Entwicklung qualitativer Methodologie gewesen.“481

Im Rahmen empirischer Untersuchungen bilden Gespräche und Texte häufig verwendete Materialien. Im Gegensatz zur Beobachtung ist durch die Sprachverwendung keine Übersetzung in ein anderes Kommunikationsmedium notwendig, deshalb wird der Aufwand für die adäquate Verwendung von Sprache im Forschungsprozess meist dramatisch unterschätzt.482 Präventionsmassnahmen zur Vermeidung von dolosen Handlungen in Unternehmen können kaum durch Beobachtungen oder Experimente erforscht werden, sondern sind durch die sprachliche Befragung483 in schriftlicher oder mündlicher Form zu untersuchen. In der Dissertation wird auf die mündliche Befragung484 in Form von sog. Forschungsgesprächen bzw. qualitativen Interviews zurückgegriffen, da diese an Aktivitäten anschliessen, in denen Personen Standpunkte und Sichtweisen vermitteln, Assoziationen definieren, anderen stellvertretende Erfahrungen ermöglichen oder sie zu etwas auffordern.485

1.3

Aufbau der empirischen Untersuchung

Die Forschungsfragen und der Forschungsansatz bilden die Basis für den Aufbau der empirischen Untersuchung. Im Folgenden werden die Phasen der Forschungskonzeption und -analyse durch

480

Vgl. Froschauer/Lueger (2003), S. 17.

481

Schumann (1995), S. 371. Schumann versteht unter „abweichendem Verhalten“ u. a. Wirtschaftskriminalität.

482

Vgl. Lueger (2010), S. 153. „Seriöse qualitative Forschung ist […] durchaus hoch strukturiert und deshalb extrem aufwändig. Fehlende Kenntnisse qualitativer Methoden führen dazu, dass so mancher Forscher ihren Einsatz aufgrund hoher Einarbeitungszeiten insbesondere in die Methoden der Datenauswertung vermeidet.“ Jäger/Reinecke (2009), S. 32.

483

Forschungsgespräche eignen sich besonders, um soziale Systeme zu analysieren: Kommunikationen (die nicht weiter auflösbaren Letzt-Einheiten) sind das Fundament sozialer Systeme. Vgl. Luhmann (1984), 191 ff.; Luhmann (2006), S. 59; Froschauer/Lueger (2003), S. 198.

484

„Die Entscheidung, ob eine Befragung schriftlich oder mündlich durchzuführen ist, hängt letztlich davon ab, wie diese Schwächen und Stärken angesichts der zu erfragenden Inhalte, der Art der Befragungspersonen, des angestrebten Geltungsbereiches möglicher Aussagen, der finanziellen und zeitlichen Rahmenbedingungen sowie der Auswertungsmöglichkeiten zu gewichten sind.“ Bortz/Döring (2005), S. 237.

485

Vgl. Lueger (2010), S. 157.

90

V Forschungsmethodisches Vorgehen

den untenstehenden Schaukasten erläutert, um das Forschungsziel der vorliegenden Arbeit zu erreichen und die Forschungsfragen zu beantworten.486

Vorgangsweisen487

Ergebnisse488

Problemidentifizierung, Forschungsfrage und -ansatz Entwicklung der Zugangsstrategien zum Forschungsfeld Erhebungsverfahren ƒ Entwicklung des Interviews (problemzentriert)

Interviewleitfaden

ƒ Anreizgenerierung und Vertrauensbildung

Anonymitätszusicherung

ƒ Durchführung der Befragung

Tonbandaufnahmen

Aufbereitungsverfahren ƒ Transkription der aufgezeichneten Interviews

Transkripte

Auswertungsverfahren ƒ Qualitative Inhaltsanalyse (GABEK®/WinRelan®) - Identifizierung der gedanklichen Texteinheiten - Codierung

Strukturierung der Transkripte

Codierung der Schlüsselbegriffe

Assoziationsnetze und -liste

Codierung der Bewertungen

Bewertungsliste

Codierung der Kausalbeziehungen

Kausalliste

- Gestaltbildung

Gestaltenbaum, Gestalten, sprachliche und übergeordnete Hypergestalten

- Ergebnisdatenanalyse

Relevanzliste und Kausalnetzgraphiken

ƒ Hermeneutische Interpretation (Feinstrukturanalyse) - Sitzungen der Interpretationsgruppen

Auslegungen der Textsequenzen

- Identifikation der Besonderheiten der Auswertung

Auffälligkeiten der Auslegungen

ƒ Vergleich der Erkenntnisse der hermeneutischen Interpretation mit den Resultaten der Qualitativen Inhaltsanalyse

Höhere Validität der Forschungsergebnisse durch Triangulation

Tab. 5: Überblick der empirischen Untersuchung Nach einer gründlichen Literaturanalyse und den dabei herausgearbeiteten Faktoren und Ursachen von devianten Handlungen wird der empirische Teil durchgeführt. „Empirie“ kann mit „wissenschaftlicher Erfahrung“ übersetzt und als unmittelbar gegebene Wahrnehmung bezeichnet wer-

486

Vgl. Kapitel I, Punkt 4 Zielsetzung; Kapitel I, Punkt 5 Grundannahmen und Forschungsfragen.

487

Vgl. Kapitel V Forschungsmethodisches Vorgehen.

488

Vgl. Kapitel VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse; Kapitel VII Forschungsergebnisse durch die hermeneutische Interpretation.

V Forschungsmethodisches Vorgehen

91

den.489 Diese Arbeit versteht Empirie als Forschungsprozess, der „die kreative Gewinnung von gedanklichen Konzepten aus einer Beobachtung der Realität und die Überprüfung der in diesen Konzepten enthaltenen Aussagen an der Realität beinhaltet, denn gerade dieses Wechselspiel zwischen gedanklichen Annahmen und empirischen Daten bestimmt den praktischen Forschungsprozess.“490 Möglichst unabhängig von theoretisch verfügbaren Erklärungen wird untersucht, was von den befragten Wirtschaftsstraftätern als tatauslösend bezeichnet wird und wie vorbeugende Massnahmen umgesetzt werden können.491

Qualitative Interviews gelten oftmals als exploratives Vorgehen für nachfolgende quantitative Verfahren.492 Im Zentrum qualitativer Erhebungen steht die Frage, was die befragte Person für relevant erachtet und wie ihre Sicht der Dinge ist.493 Im Rahmen quantitativer Forschungsprojekte dienen qualitative Interviews vor allem der Vorbereitung standardisierter Erhebungen und der Entwicklung von Erhebungsinstrumenten, während ihre Einsatzmöglichkeiten in der qualitativen Sozialforschung vielfältiger sind.494 Im Gegensatz zur journalorientierten495, quantitativen Forschung kann die Strukturierung durch die Respondenten vorgenommen werden: Der Antwortrahmen ist weit offen, die Strukturen sind lediglich grob vorgegeben und das Verhalten des Interviewers ist weniger direktiv, eher weich und der befragten Person entgegenkommend.496

Im Mittelpunkt der qualitativen Interviews der Dissertation steht die Frage, was die Befragten für relevant erachten: Diese Vorgangsweise eröffnet die Möglichkeit, den bedeutsamen Kontext aus der Perspektive der befragten Person heraus zu untersuchen.497 Die Interviewten müssen für sich selbst klären, was tatauslösende Ursachen und Präventionsmassnahmen überhaupt bedeuten. Genau hier werden Forschungs- und methodische Ziele vereinigt: Durch mehr Aufschluss über vorbeugende Massnahmen aufgrund der qualitativen Forschung sollen Unternehmen dem Ziel einer Anti-Fraud-Organisation (AFO) näher kommen. Bei der Erklärung müssen die Interviewten ihre

489

Vgl. Hug (2001), S. 19. „Empirisch bedeutet, dass theoretisch formulierte Annahmen an spezifischen Wirklichkeiten überprüft werden.“ Atteslander (2006), S. 4.

490

Kubicek (1975), S. 34 f.

491

Vgl. Froschauer/Lueger (2009), S. 250.

492

Vgl. Froschauer/Lueger (2003), S. 7; Jäger/Reinecke (2009), S. 31.

493

Vgl. Froschauer/Lueger (2003), S. 16.

494

Vgl. Hopf (2004), S. 350.

495

In Fachbereich Accounting und in der Managementwissenschaft dominieren quantitative Ansätze. Obwohl qualitativ Forschende oftmals genötigt sind, ihr Vorgehen mit den Qualitätskriterien quantitativer Ansätze zu legitimieren, wird eine solche Legitimation kaum erreicht werden: „Denn qualitative Ansätze setzen sich mit nicht-zählbaren Phänomenen auseinander.“ Jäger/Reinecke (2009), S. 32.

496

Während als Differenzkriterium zu der vorrangig quantitativ orientierten Vorgangsweise die Strukturierung vielmehr durch die befragende Person erfolgt. Vgl. Froschauer/Lueger (2003), S. 35.

497

Vgl. Froschauer/Lueger (2003), S. 16.

92

V Forschungsmethodisches Vorgehen

Antworten in ein Relevanzsystem integrieren, das sie in der Antwort implizit transportieren.498 Selbst eine Gegenfrage, was der Interviewer denn in dieser Frage unter vorbeugenden Massnahmen verstehe, ist bereits eine erste Antwort auf die Frage: Damit fordert die rückfragende Person eine (autoritative) Vorgabe, an der sie sich orientieren oder der sie widersprechen kann und das Präventionsthema wird in der Interaktionssituation somit vorgeführt.499 Ob wirksame Massnahmen zur Prävention delinquenter Handlungen in Unternehmen existieren und ob diese auch effektiv angewandt werden, bzw. warum ihre tatsächliche Wirkung möglicherweise nicht der gewünschten entspricht, wird anhand von eigens entwickelten Fragen überprüft.

Die vorliegende Dissertation kombiniert induktive500 sowie deduktive501 und i. w. S. auch abduktive502 Methoden. Durch die Tätererhebungen soll induktiv ein vertieftes Verständnis erarbeitet werden, während der Interviewleitfaden mit Konzepten der Forschung anhand der Fachliteraturaufarbeitung entwickelt und strukturiert wird. Die empirisch gewonnenen Erkenntnisse werden der Qualitativen Inhaltsanalyse unterzogen und durch ein hermeneutisches Verfahrens interpretiert. Dem induktiven und deduktiven Schlussverfahren steht die abduktive Forschungslogik gegenüber. Die Zusammenführung aller drei Schlussweisen stellt die theoretische sowie die empirische Fundierung des Forschungskonzepts sicher.

498

Vgl. Froschauer/Lueger (2003), S. 16.

499

Vgl. Froschauer/Lueger (2003), S. 16.

500

Die aus einzelnen Beobachtungen erste Zusammenhangsvermutung wird als Induktion bezeichnet. Durch weitere Beobachtung wird versucht, die Vermutung zu erhärten. Popper schildert das Problem der Induktion schon zu Beginn der Einleitung seines Buches „Logik der Forschung“: „Die empirischen Wissenschaften können nach einer weitverbreiteten, von uns aber nicht geteilten Auffassung durch die sogenannte induktive Methode charakterisiert werden.“ Popper (1982), S. 3. Für die Gewinnung von Annahmen leistet die Methode der Induktion gute Dienste. Vgl. Eichhorn (1979), S. 77. Nach Popper sind wissenschaftliche Theorien nicht verifizierbar, sondern müssen als Annahmen behandelt werden, die falsifiziert werden können und nur einer vorläufigen Wahrheit entsprechen.

501

Popper betrachtet die Falsifikation von Annahmen als das wissenschaftlich einzig exakte Verfahren. Vgl. Popper (1982), S. 198 ff. Popper zum erkenntnistheoretischen Pessimismus: „Eine Annäherung an die Wahrheit ist möglich“ und zum erkenntnistheoretischen Optimismus: „Sicheres Wissen ist uns versagt. Unser Wissen ist ein kritisches Raten; ein Netz von Hypothesen; ein Gewebe von Vermutungen.“ Popper (1982), XXV.

502

„Galt lange Zeit […], dass die Induktion die grundlegende logische Operation des Findens neuer Theorien ist, so gilt zur Zeit allein die Abduktion als einzige Hoffnungsträgerin […] vielen […] verbindet sich mit der Abduktion eine große wissenschaftstheoretische Hoffnung: nämlich die auf eine regelgeleitete, reproduzierbare und auch gültige Produktion neuen wissenschaftlichen Wissens.“ Reichertz (2003), S. 8 f. Reichertz kritisiert, dass der Begriff in der Forschungsliteratur diffus bis widersprüchlich bestimmt wird und Charles Sanders Peirce auf eine solche unklare Verwendung einer seiner Ausdrücke wohl nicht nur mit Verärgerung reagiert hätte, sondern er hätte zudem einen neuen, sprachlich noch unhandlicheren Begriff geschaffen. Vgl. Reichertz (2003), S. 9; Reichertz (1999), S. 325 ff.

V Forschungsmethodisches Vorgehen

2

93

Zugang zum Forschungsfeld

Das empirisch untersuchte Forschungsfeld kann nicht nur aufgrund der strengen Datenschutzbestimmungen in der Schweiz und in Österreich, sondern auch durch die Ernsthaftigkeit des Themas als schwer zugänglich eingestuft werden. Schumann argumentiert, dass qualitative Forschungsdesigns die Zugangsschwierigkeiten zu einem Forschungsfeld zusätzlich erhöhen, da diese eher zurückgewiesen werden.503 Damit die „Hürden“ möglichst bewältigbar bleiben, wurden mehrere Zugangsstrategien verfolgt, um eine vernünftige Anzahl von Interviews zu erreichen. Einige eingeschlagene Richtungen erwiesen sich geeigneter als andere.

Das Verhältnis von abgeschlossenen Interviews zu den insgesamt angefragten Interviews (sog. Rücklaufquote bzw. Ausschöpfung) kann nicht exakt bestimmt werden, da es oftmals nicht möglich war, die Wirtschaftsstraftäter direkt zu kontaktieren. Stattdessen wurden Personen gesucht, die aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit in der Lage waren, dem Forschenden zu einem Forschungsgespräch zu verhelfen. Im Wesentlichen wurden durch den Interviewer öffentliche und private Institutionen bzw. Unternehmen kontaktiert und gebeten, einen Kontakt zu vermitteln. Ungefähr drei Viertel des Schriftverkehrs und der Telefongespräche erfolgten dabei mit Staatsanwaltschaften, Untersuchungsämter, Justizministerien, Rechtsanwaltskanzleien und Gerichten. Im Nachhinein betrachtet erwies sich dieser Zugang als am dienlichsten: Durch die wertvolle Unterstützung diverser Juristen konnten elf von 13 Interviews vermittelt werden. Es war unerlässlich, einen solchen Weg einzuschlagen, da diese Institutionen Informationen aus erster Hand besitzen und die Untersuchung so auch auf rechtlich konforme Art und Weise durchgeführt werden konnte. Da insbesondere die Behörden, die sich mit Wirtschaftskriminalität befassen, oftmals ein enormes Arbeitspensum zu bewältigen haben, wurde schnell deutlich, dass diese wissenschaftliche Untersuchung nicht als prioritär eingestuft wird.

Wie aus der Danksagung der vorliegenden Dissertation hervorgeht, wurde diese Arbeit jedoch erst durch die freiwillige und äusserst wertvolle Unterstützung mancher Einrichtungen ermöglicht. Anhand vorgegebener Kriterien nahmen diese eine Auswahl der Wirtschaftsstraftäter vor, d. h. Personen, die wegen Falschbilanzierung, Korruption, Bestechung, Unterschlagung, Veruntreuung oder Betrug rechtskräftig verurteilt wurden. Der Untersuchungszeitraum wurde auf 20 Jahre beschränkt, d. h. es handelt sich ausschliesslich um öffentlich bekanntgewordene Ereignisse seit dem Jahr 1990, wobei der Grossteil der Fälle dieser Untersuchung innerhalb der letzten zehn Jahre stattgefunden hat.504 Entsprechend dieser Selektionskriterien wurden dem Autor entweder Akteneinsichten gewährt oder Namen und Adressen der Verteidiger oder der Täter mitgeteilt. Durch

503

Erhebungsbögen sind demgegenüber Forschungsinstrumente, welche den Informationsbedarf klar erkennen lassen. Dabei wird kritisiert, dass sich auch damit nicht erklären lässt, warum über abweichendes Verhalten so wenig qualitativ geforscht wird. Vgl. Schumann (1995), S. 372 f.

504

Im Laufe der Untersuchung wurde der Untersuchungszeitraum von ursprünglich zehn auf 20 Jahre ausgedehnt, da die äusserst umfassenden und undurchsichtigen Wirtschaftsdelikte oftmals viele Jahre untersucht werden müssen, bevor es zu einer Anklage und Verurteilung kommen kann.

94

V Forschungsmethodisches Vorgehen

den Einblick in die Akten konnte die Postanschrift ebenfalls ausfindig gemacht werden.505 Strenge Datenschutzbestimmungen erschwerten eine Kontaktaufnahme, d. h. alle Anfragen fanden zwar im Namen des Interviewers statt, konnten aufgrund teilweise fehlender Kontaktdaten jedoch nicht durch ihn selbst vorgenommen werden. Einige Einrichtungen traten als Vermittler auf und verfassten selbst Schreiben an die in Frage kommenden Verurteilten. Manche bekannt gegebenen Adressen von Wirtschaftsdelinquenten mussten bei den Meldeämtern neu eruiert werden, da sich die Verurteilten manchmal gezwungen sahen, ihren Wohnort zu verlegen. (z. B. aufgrund von Familienbrüchen, Zahlungsschwierigkeiten, Belästigungen etc.). Die um die Adressirrtümer bereinigte Rücklaufquote der direkt vom Interviewer durchgeführten Anfragen beträgt 18 Prozent.

Ungefähr 25 Prozent der Korrespondenz und der Anrufe haben mit Beratungsunternehmen und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften stattgefunden. Es wurde schnell deutlich, dass dieser Weg nicht erfolgsversprechend war, denn damit konnte lediglich ein einziges Interview erwirkt werden.506 Eine weitere Befragung wurde durch einen privaten Kontakt ermöglicht, wobei keine der im Rahmen der empirischen Untersuchung befragten Personen dem Interviewer bekannt waren.507

Von den kontaktierten Stellen gab es zahlreiche Absagen und sehr unterschiedliche Reaktionen auf das Dissertationsvorhaben: Hier könnte von völligem Desinteresse bis zu besonders starker Begeisterung berichtet werden.

3

Erhebungsverfahren

Der enorme Variantenreichtum mündlicher Befragungen lässt sich in dem nachfolgenden Kategoriensystem nur unvollständig zum Ausdruck bringen:508 Ausmass der Standardisierung (strukturiert, halb strukturiert, unstrukturiert), Autoritätsanspruch des Interviewers (weich, neutral, hart), Art des Kontakts (direkt, telefonisch), Anzahl der Befragten (Einzelinterview, Gruppeninterview) und Anzahl der Interviewer (ein Interviewer, Tandem, Hearing) Funktion (ermittelnd, vermit-

505

Der vermutete Umfang an Akten war beachtlich und hat sich aufgrund der oftmals vorhandenen Komplexität von Wirtschaftsdelikten bestätigt. Das Aktenmaterial findet im Rahmen dieser Arbeit jedoch keine Verwendung, weswegen auch nicht näher darauf eingegangen wird.

506

Der Vortrag des ACFE-Luncheons des Switzerland Chapters der ACFE am 26.05.2010 in Zürich wurde von einem rechtskräftig verurteilten Wirtschaftsstraftäter gehalten. Der Autor dieser Arbeit konnte ein anonymes Interview mit dem Delinquenten durchführen, welcher sich nach dem Luncheon gesondert zur Verfügung stellte.

507

Diese Selbstkontrolle der Forschenden bzw. der Interviewenden ist wichtig, damit es nicht zu Verzerrungen der Antworten kommt und somit sichergestellt werden kann, dass z. B. nicht lediglich Freunde und Bekannte befragt werden. Vgl. Jäger/Reinecke (2009), S. 38.

508

Ein weiteres Differenzierungskriterium könnte sich am Einsatzbereich des Interviews (z. B. im Controlling oder im Strafvollzug etc.) oder an der Funktion (z. B. ermittelnd bzw. vermittelnd) orientieren. Vgl. Bortz/Döring (2005), S. 238 ff.

V Forschungsmethodisches Vorgehen

95

telnd). Das auf sprachlicher Basis arbeitende Verfahren ist durch den verbalen Zugang charakterisiert, welchem eine besondere Bedeutung zukommt.

Im Rahmen der empirischen Untersuchung wurden Einzelinterviews mit rechtskräftig verurteilten Wirtschaftsstraftätern geführt, um mehr Transparenz zu dieser weltweit weitgehend noch unerforschten Täterperspektive zu schaffen. Wie bereits zu Beginn der Arbeit erwähnt, wurde die Auswahl der zu befragenden Personen anhand der Deliktart getroffen. Die befragte Zielgruppe setzt sich aus Personen zusammen, die wegen Falschbilanzierung, Korruption, Bestechung, Unterschlagung, Veruntreuung oder Betrug verurteilt wurden. Dabei handelte es sich oftmals um eine Kombination mehrerer Deliktarten.

3.1

Problemzentriertes Interview

Teilstrukturierte Leitfadengespräche sollen offene Fragen zur Wirksamkeit der Präventionsmassnahmen in Unternehmen klären: Ein problemzentriertes Interview lässt den Respondenten möglichst frei zu Wort kommen und scheint für die Erhebung passend zu sein. Für problemzentrierte Interviews sind sowohl nur dem Interviewten bekannte oder offen verwendete Leitfäden als auch eine Kombination mit standardisierten Kurzfragebögen zulässig.509 In der betriebswirtschaftlichen Forschung wird dieser Interviewtyp häufig zur explorativen Entwicklung oder Konkretisierung von Annahmen eingesetzt.510 Das problemzentrierte Interview dieser Arbeit ist eine Kompromissbildung zwischen leitfadenorientierten511 und narrativen512 Gesprächsformen. Diese Interviewform ist auf die Problemstellung der tatsächlichen Wirksamkeit von Präventionsmassnahmen zur Bekämpfung von dolosen Handlungen in Unternehmen zentriert. Dabei stellt sich die für diese Befragungsform relevante Frage, wie vorstrukturierend das Vorwissen über ein Problem genutzt wird.513 Im Anhang wird bei Durchsicht des Interviewleitfadens ersichtlich, dass eine gewisse Strukturierung im Vorfeld stattgefunden hat, z. B. wurde explizit nach der Theorie des „Fraud-

509

Vgl. Jäger/Reinecke (2009), S. 34.

510

Vgl. Jäger/Reinecke (2009), S. 34.

511

Die häufig als teilstrukturierte, semistrukturierte oder auch Leitfaden-Interviews bezeichneten Varianten grenzen sich von den standardisierten Interviews dadurch ab, dass es keine Antwortvorgaben gibt und dass die interviewten Personen ihre Ansichten frei artikulieren können: I. d. R. werden die Befragten dazu aufgefordert, die im Leitfaden vorgegebenen Fragen nach eigenem Ermessen und nach Einschätzung des theoretischen Anliegens der jeweiligen Studie durch klärende Nachfragen zu ergänzen und Gesichtspunkte aufzugreifen, die von den Befragten unabhängig vom Gesprächsleitfaden in die Interviewsituation eingebracht werden. Vgl. Hopf (1995), S. 177.

512

Beim narrativen Interview wird der Befragte gebeten, die Geschichte eines Gegenstandsbereichs, an der er teilgehabt hat, in einer Stegreiferzählung darzustellen: „Der Hauptteil eines narrativen Interviews besteht daher aus der Erzählung selbsterlebter Ereignisse durch den Informanten.“ Hermanns (1995), S. 183. „Dabei wird der Begriff des „narrativen Interviews“ in der Forschungspraxis zum Teil recht weit gefaßt […].“ Hopf (1995), S. 179; vgl. Hopf (2004), S. 355.

513

Vgl. Jäger/Reinecke (2009), S. 35.

96

V Forschungsmethodisches Vorgehen

Triangle“514 gefragt. Ebenso hat eine Teilstrukturierung bei der Gesprächsführung stattgefunden, d. h. mittels Interviewleitfaden wurden stets alle Fragen gestellt, um die Inhalte bis zu einem bestimmten Mass vergleichbar zu halten.

Als Grundgedanken dieser Interviewform werden folgende Prinzipien genannt, die das Verfahren als ein dezidiert qualitatives ausweist:515 ƒ ƒ ƒ

Problemzentrierung, welche an einer der gesellschaftlichen Problemstellungen ansetzt, deren relevante objektive Aspekte der Forscher sich vor der Interviewphase erarbeitet516, Gegenstandsorientierung des Verfahrens, welche auf seine konkrete Gestaltung im Hinblick auf den spezifischen Gegenstand bezogen sein muss und Prozessorientierung, welche durch die flexible Analyse des wissenschaftlichen Problemfeldes und die schrittweise Gewinnung sowie Prüfung von Daten gekennzeichnet ist.

Der Erkenntnisgewinn beim problemzentrierten Interview ist sowohl im Erhebungs-, Aufbereitungs- als auch im Auswertungsprozess als induktiv-abduktiv-deduktives Wechselverhältnis zu organisieren: In der Erhebungsphase dient das Vorwissen als heuristisch-analytischer Rahmen für Frageideen im Dialog und in der Auswertungsphase, welche im späteren Verlauf dieser Arbeit erläutert wird, entsteht theoretisches Wissen.517 Anhand einer elastischen Vorgehensweise soll gewährleistet werden, dass die Problemsicht des Interviewers nicht vollständig diejenige der Respondenten überdeckt.518 „Mit der Entscheidung für einen bestimmten methodischen Zugang ist auch die Entscheidung für den Bezugspunkt der Strukturierung der Datensammlung verknüpft.“519 Ziel soll es sein, den Einfluss der Interviewsituation so gering wie möglich zu halten, damit die befragte Person ohne Antwortvorgaben frei sprechen kann.520

Auf die Frage, wie viele Personen interviewt werden sollen, findet sich in der Methodenliteratur keine generell gültige Antwort. Stattdessen wird auf die Abhängigkeit der untersuchten Fragestellung und auf die theoretische Sättigung verwiesen: Um den Gegenstandsbereich adäquat zu erfassen und somit generalisierende Aussagen zu ermöglichen, wurde im Jahr 1967 ein heute renom-

514

Vgl. Kapitel IV, Punkt 1 „Fraud Triangle“ und „Fraud Diamond“.

515

Vgl. Mayring (2002), S. 68; Mayring (2007), S. 42 ff.

516

Diese Interviewform setzt generell an konkreten theoretischen oder praktischen Problemen an, wobei die Begriffswahl „problemzentriert“ kaum trennscharf ist. Vgl. Witzel (1985), S. 230 ff. zit. n. Hopf (1995), S. 178. Da keine Forschung bekannt ist, in denen Forscher wahllos Menschen ansprechen und diese willkürlich über irgendwelche Themen befragen, könnte argumentiert werden, dass alle Befragungen problemzentrierte Interviews sind. Vgl. Hopf (1995), S. 178; Jäger/Reinecke (2009), S. 35.

517

Vgl. Witzel (2000), Art. 22.

518

Vgl. Witzel (2000), Art. 22.

519

Flick (A) (1995), S. 157.

520

Vgl. Lueger (2010), S. 169.

V Forschungsmethodisches Vorgehen

97

miertes Verfahren von Glaser und Strauss521 entwickelt (sog. „Theoretical Sampling“522), welches statt einer grossen Fallzahl das Prinzip der theoretischen Sättigung empfiehlt. Sobald bemerkbar wird, dass sich die Antworten wiederholen bzw. keine neuen Informationen hinzukommen, gilt die theoretische Sättigung als erreicht: „Saturation means that no additional data are being found […].“523 Dieses Kriterium gilt als bewährter Massstab, wie lange die Datenerhebung fortgesetzt werden muss, liegt jedoch im Ermessen des Interviewenden und ist im Vergleich zum statistischen Sampling flexibel zu handhaben.524 „[…] the researcher’s anxiety to ‘know everything’, […] is not necessary for theoretical saturation.“525

Mayring bezeichnet den Forschungsprozess der Befragung „in der Regel auch ehrlicher, reflektierter, genauer und offener als bei einem Fragebogen oder einer geschlossenen Umfragetechnik – das zeigen auch alle Erfahrungen mit dieser Methode.“526 Bei der Gewinnung konkreter Aussagen zum Forschungsgegenstand ist die „Offenheit“ besonders wichtig, da das gesprochene Material möglichst unverzerrt und ehrlich sein sollte.527 Der Interviewleitfaden gewährleistet einen durchaus erwähnenswerten und wichtigen Teil der Offenheit des Interviewverlaufs.528 Dennoch darf die Sprachmelodie nicht ganz unberücksichtigt bleiben, denn diese bestimmt häufig, wie emotional der Befragte auf eine Frage reagiert. Es liegt deshalb ebenso in der sozialen und fachlichen Kompetenz der Interviewenden, sensibel auf Gesprächsbeiträge in diesem besonderen Forschungsfeld einzugehen und entsprechend ehrliche und offene Antworten zu bekommen.

521

Glaser und Strauss legten in den 1960er Jahren den heute bereits weit verbreiteten wissenschaftlichen Ansatz der “Grounded Theory“ vor (Auswertungstechnik zur Überprüfung und Entwicklung von Theorien, die eng am vorgefundenen Material arbeitet bzw. in den Daten verankert ist). Vgl. Bortz/Döring (2005), S. 333.

522

„Das Theoretical Sampling ist ein Verfahren, bei dem sich der Forscher auf einer analytischen Basis entscheidet, welche Daten als nächstes zu erheben sind und wo er diese finden kann. Die grundlegende Frage beim Theoretical Sampling lautet: Welchen Gruppen oder Untergruppen von Populationen, Ereignissen, Handlungen (um voneinander abweichende Dimensionen, Strategien usw. zu finden) wendet man sich bei der Datenerhebung als nächstes zu? Und welche theoretische Absicht steckt dahinter? Demzufolge wird dieser Prozeß der Datenerhebung durch die sich entwickelnde Theorie kontrolliert.“ Strauss (1998), S. 70.

523

Glaser/Strauss (1999), S. 61; vgl. Böhm (2004), S. 484.

524

Vgl. Truschkat/Kaiser/Reinartz (2005), Art. 22.

525

Glaser/Strauss (1999), S. 73.

526

Mayring (2002), S. 69.

527

Den interviewenden Personen kommt die Aufgabe zu, für ein ausreichend offenes Gesprächsklima zu sorgen. Vgl. Froschauer/Lueger (2003), S. 75.

528

Vgl. Meuser/Nagel (1991), S. 449 zit. n. Jäger/Reinecke (2009), S. 41.

98

V Forschungsmethodisches Vorgehen

Bei der Leitfadengestaltung lassen sich folgende Frageformen unterscheiden:529 ƒ

Inhaltliche Fragen: Faktfragen unterscheiden sich von Meinungsfragen. Sie richten sich hauptsächlich auf überprüfbare Tatsachen, während Meinungsfragen eine persönliche Stellungnahme aus der Perspektive des Befragten erfordern.

ƒ

Gegenstandsbezogene Fragen: Entweder beziehen sich Fragen auf einen realen oder auf einen hypothetischen Gegenstand, also wie der Gegenstand aussieht und wie er idealerweise aussehen sollte. Hypothetische Fragen („Was-wäre-wenn“-Fragen) eignen sich eher für die letzte Phase des Interviewleitfadens.

ƒ

Formbezogene Fragen: Durch offene Erzählanregungen oder durch offene bzw. geschlossene Detailfragen530 wird versucht, eine bestimmte Antwortform zu provozieren.

ƒ

Steuerungsfragen: Einleitungsfragen zur Einführung des Gesamtinterviews bzw. eines neuen Themas unterscheiden sich von Sondierungsfragen, um herauszufinden, inwiefern das Thema für den Einzelnen überhaupt eine subjektive Relevanz besitzt. Filterfragen sind hilfreich, um zu entscheiden, ob es sinnvoll ist, den Respondenten hinsichtlich eines gewissen Teilthemas zu interviewen. Dazu zählen auch Hauptfragen des Leitfadens und Nachfragen zur Vervollständigung bzw. Erweiterung der Antwort.

Der Leitfaden sollte klar, unmissverständlich und einfach sein, es sei denn, das Ziel der Frage liegt in der Provokation.531 Dem alten Vorurteil der Frageformulierung, dass alle Fragen klar und eindeutig zu stellen sind, kann deshalb lediglich beschränkte Gültigkeit zugesprochen werden: „Unklare Fragen bedürfen der Interpretation, und genau dieser Interpretationsprozess macht eine Antwort möglicherweise besonders bedeutungsvoll.“532 Das bedeutet jedoch nicht, dass Fehler und Missverständnisse in einem seriösen Forschungsgespräch irrelevant sind. Ganz im Gegenteil, Unklarheiten müssen beseitigt werden, deshalb werden sog. Pretests empfohlen: Diese in der Forschungspraxis bewährten Tests sorgen für die Selbstschulung des Interviewers, indem der Interviewleitfaden bereits im Vorhinein getestet wird.533 Nicht zuletzt begünstigt dieser Lernprozess oftmals ein professionelles, authentisches und sicheres Auftreten.

529

Vgl. Gläser/Laudel (2004), S. 118 ff. zit. n. Jäger/Reinecke (2009), S. 43 f.

530

Offene Fragen sind generell zu bevorzugen und bieten den Befragten den wichtigen Antwortspielraum, während geschlossene Fragen generell zu vermeiden sind, da sie dem der Spielraum für Antworten vorgegeben und eingeschränkt ist, somit dem Offenheitsprinzip entgegenstehen. Vgl. Froschauer/Lueger (2003), S. 77.

531

Vgl. Froschauer/Lueger (2003), S. 75; Jäger/Reinecke (2009), S. 45.

532

Lueger (2010), S. 171.

533

Vgl. Jäger/Reinecke (2009), S. 45.

V Forschungsmethodisches Vorgehen

3.2

99

Anreizgenerierung und Vertrauensbildung

Die Interviewpartner wurden über das Ziel der Untersuchung sowie die Rolle, die das Interview spielt, vorab über eine Anfrage per Brief informiert.534 Im Rückblick lässt sich feststellen, dass das sachlich-formelle Schreiben beim ersten Anlauf wenig erfolgreich war, deshalb verfolgte der Interviewer nach einiger Zeit eine andere Strategie: Er verfasste einen persönlichen Brief mit einigen handschriftlichen Zeichen.535 Mit dieser überdachten Vorgehensweise konnte eine wesentlich höhere Rücklaufquote erreicht werden.

Durch den Anfragebrief wurde für die Gesprächsteilnehmer ersichtlich, warum, und vor allem, wie sie für ein Forschungsgespräch ausgewählt wurden, welchen wichtigen Beitrag sie leisten können, in welchem Rahmen und wie lange das Interview stattfinden wird.536 Als Anreiz zur Teilnahme an der Befragung wurde bereits bei der Interviewanfrage angeboten, nach Erhebungsabschluss die Erkenntnisse der Befragungen in Form eines zusammengefassten Berichts zur Verfügung zu stellen.537 Diese Offerte wurde von allen Respondenten angenommen.

Damit Missverständnisse bezüglich der Frageformulierungen und Fehler vermieden werden konnten, wurden zahlreiche Pretests durchgeführt. Für gewöhnlich stehen im Alltag keine Wirtschaftsdelinquenten für diesen Lernprozess zur Verfügung, deshalb wurde auf Familienangehörige und Bekannte zurückgegriffen, welche innerhalb einer vorgespielten Situation befragt wurden. Aufgrund einer solchen Selbstschulung war es dem Interviewer möglich, sicherer aufzutreten. Dieser Effekt hat i. w. S. dazu beigetragen, dass der Ablauf der Befragung fliessend stattgefunden hat und Unsicherheiten von Seiten des Interviewers weitgehend ausgeschlossen werden konnten.

Oftmals wurde ein neutraler Ort zur Durchführung der Interviews vereinbart, z. B. ein Café oder ein anderer öffentlicher Ort mit einer möglichst entspannten Atmosphäre. Es kam auch vor, dass die Befragten den Interviewer und Autor dieser Arbeit zu sich nach Hause bzw. in ihr Büro einluden, um die Befragung durchzuführen. Damit eine Teilnahmebereitschaft erhöht werden konnte und ein weiterer Anreiz für die Interviewgewährung bestand, wurde die Orts- und Zeitwahl der

534

Vgl. Anhang, Teil B: Direkte Anfrage für das Interview. „Eine briefliche Anfrage mit formellem Briefkopf suggeriert Seriösität. […] In der Regel empfiehlt sich bei der Kontaktanbahnung […] ein individuelles, persönlich unterschriebenes Anschreiben.“ Jäger/Reinecke (2009), S. 46.

535

Das überarbeitete Schreiben befindet sich im Anhang. Vgl. Anhang, Teil B: Direkte Anfrage für das Interview.

536

Vgl. Anhang, Teil B: Direkte Anfrage für das Interview. „Erweist sich das Interview für die Befragten als interessant, dann ist es häufig der Fall, dass der ursprünglich vereinbarte Zeitrahmen deutlich überschritten wird.“ Jäger/Reinecke (2009), S. 42 ff. Die durchschnittlichen Gesamtdauer des Gesprächs von 82 Minuten (13 Interviews mit einer Gesamtsumme von 1’060 Minuten) beträgt mehr als doppelt soviel, wie die ursprünglich zuvor angekündigten 40 Minuten.

537

Vgl. Jäger/Reinecke (2009), S. 46.

100

V Forschungsmethodisches Vorgehen

Interviews ganz den Respondenten überlassen.538 Durch diese freie Wahl der InterviewUmgebung wurde ein weiterer Schritt in Richtung eines möglichst offenen Gespräches gemacht.

Bereits vor Durchführung der geplanten Interviews wurde schriftlich versichert, dass der gesprochene Inhalt streng vertraulich behandelt, ausschliesslich für wissenschaftliche Zwecke verwendet und nach wissenschaftlichen Massstäben veröffentlicht wird.539 Zusätzlich wurde beim Treffen und somit kurz vor dem Forschungsgespräch eine schriftliche Anonymitätszusicherung ausgehändigt.540 Den für das Interview in Frage kommenden Personen wurde versichert, dass der Name niemals erwähnt wird und auch sonst keinerlei Angaben gemacht werden, die sie mit der Studie in Verbindung bringen könnten. Begründet wurden diese Versprechen und Bemühungen durch das wichtige Ziel, eine möglichst offene Konversation zu erreichen, in welchem Problemlagen angesprochen und Präventionsmassnahmen aufgezeigt werden können.

Obwohl im Vorfeld Anonymität und Diskretion541 der nicht-personenbezogenen Interviews schriftlich zugesichert wurden, bestand dennoch ein gewisses Misstrauen vieler angeschriebenen Personen, also der rechtskräftig verurteilten Wirtschaftsstraftäter. In Anbetracht der Ernsthaftigkeit des Themas scheint die Besorgnis der Zielgruppe wenig verwunderlich. Die entsprechenden Kandidaten befanden sich teilweise noch auf Bewährung oder wurden bereits wieder aus den Haftanstalten entlassen. Ihre Skepsis war nachvollziehbar.

In Anbetracht des sensiblen Themas und der Gefahr, dass das Aufreissen „alter Wunden“ der Befragten für die Interviewsituation eine unvorteilhafte Bedingungen mit sich bringt, war die Integration mehrerer „Eisbrecherfragen“ eine Notwendigkeit.542 An dieser Stelle muss eine für den Autor und Interviewer überraschende Erkenntnis hinzugefügt werden: Sobald das Vertrauen der sich freiwillig zur Verfügung gestellten Personen gewonnen war, bestand eine ausgesprochen offene Haltung der Teilnehmenden. Es war erstaunlich, wie direkt äusserst heikle Themen angesprochen wurden. Bedingt wurde dies womöglich durch die neutrale Position des Interviewers aus dem Blickwinkel der Wissenschaft, d. h. der Befragende ist weder aus einem rechtswissenschaftlichen Kontext, noch als Opfer bzw. Ankläger aufgetreten.543 Zudem wurde kommuniziert, dass es

538

Vgl. Jäger/Reinecke (2009), S. 46.

539

Vgl. Anhang, Teil B: Direkte Anfrage für das Interview und insbesondere Anhang, Teil C: Indirekte Anfrage für das Interview.

540

Vgl. Anhang, Teil E: Zusicherung der Anonymität.

541

In der schriftlichen Anfrage für das Interview, zu Beginn des Interviews und in der schriftlich ausgehändigten und unterschriebenen Zusicherung der Anonymität wurden Hinweise zur Vertraulichkeit und zum Datenschutz gegeben. Es entspricht einer üblichen Vorgangsweise, dass die Aussagen i. d. R. anonym ausgewertet werden, damit keine Zuordnung zu den Respondenten stattfinden kann. Vgl. Jäger/Reinecke (2009), S. 42.

542

Vgl. Jäger/Reinecke (2009), S. 42.

543

Auch Cressey war es bei seiner wissenschaftlichen Untersuchung wichtig, dass die interviewten Wirtschaftsstraftäter die neutrale Position des Interviewers wahrnehmen. Dies wird durch folgendes Argument in seinem

V Forschungsmethodisches Vorgehen

101

den Respondenten offen steht, alles zu beantworten, d. h. es bestand jederzeit die Möglichkeit, „unangenehmere Fragen“ zu überspringen und unbeantwortet zu lassen.544 Schliesslich schaffte der im Vorhinein stattgefundene Smalltalk Vertrauen und ein angenehmes Gesprächsklima.545

An der vorliegenden Untersuchung kann kritisiert werden, dass lediglich Personen befragt wurden, die gefasst und verurteilt sind. Es stellt sich die Frage, inwiefern die Ergebnisse mit Delinquenten in einer Dunkelfeldstudie von diesen abweichen würden. In diesem Rahmen wird angenommen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Verzerrung der Ergebnisse bei der Befragung von Wirtschaftsdelinquenten im Dunkelfeld höher eingestuft werden müsste, auch wenn diese freiwillig zur Verfügung stehen würden, da das Risiko besteht, erkannt und gefasst zu werden. Die Frage nach der Validität, d. h. inwiefern die Ergebnisse eines kaum beobachtbaren Phänomens die Realität korrekt abbilden, ist bei vielen qualitativen sowie auch quantitativen Untersuchungen schwer zu beantworten.546 Bereits das Bewusstsein, Teil einer wissenschaftlichen Untersuchung zu sein, könnte das natürliche Verhalten der Teilnehmer beeinflussen. Dieser Effekt ging als HawthorneEffekt in die Geschichte ein.547 Im Kontext dieser Untersuchung bietet sich eine Gegenfrage an: Warum sollten die Antworten unehrlich sein? Aufgrund der schriftlich zugesicherten Anonymität, der Offenheit der Interviews, der „neutralen Rolle“ des Interviewers aus dem Blickwinkel der Wissenschaft und der Fragestellung im Bereich der Prävention und nicht der Schuldfrage, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ehrliche Antworten gegeben wurden.

3.3

Befragung und Befragte

Aufgrund des Forschungsgegenstandes der vorliegenden Untersuchung und um die zugesicherte Anonymität zu wahren, werden keine Personendaten bzw. personenbezogenen Angaben zu den Befragten und keine Angaben zu den Tatbeständen gemacht. Jegliche Rückschlüsse auf die

bekannten Werk „Other People’s Money“ verdeutlicht: „They [respondents] were assured that he [interviewer] was in no way connected with a law-enforcement agency or with the security of the institution [penitentiary].“ Cressey (1953), S. 23. 544

Vgl. Anhang, Teil D: Interviewleitfaden. Diese Wahlmöglichkeit wurde zwar in keinem der Gespräche genutzt, trug womöglich dennoch zur Offenheit der Gespräche bei.

545

„Zur Schaffung einer angenehmen Gesprächsatmosphäre zählen die Vorstellung der Gesprächsbeteiligten, der ‚Smalltalk’ zu Alltagsthemen, die Informationen über die Untersuchung, eventuell die Vorgeschichte des Gesprächs zur Klärung der spezifischen Zusammensetzung.“ Lueger (2010), S. 167. „Zu beachten ist […], daß die Herstellung und Erhaltung eines positiven Gesprächsklimas ungleich wichtiger ist, als sich stur an technische Aspekte der Gesprächsführung zu halten.“ Froschauer/Lueger (2003), S. 63.

546

Vgl. Kapitel V, Punkt 5.3 Ergebnisvergleich beider Auswertungsverfahren.

547

„The Hawthorne Experiments are among the most well-known experiments ever conducted in the field of management and social research. The data from the experiments have been reinterpreted and misinterpreted and the conclusions have been both lauded and criticized.” Greenwood/Bolton/Greenwood (1983), S. 217. Es existiert eine ganze Reihe von Einflussgrössen, welche ein Risiko für die Validität darstellen könnten. Darauf einzugehen würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Zu einer Liste verschiedener Gefährdungen siehe Bortz/Döring (2005), S. 504 ff.

102

V Forschungsmethodisches Vorgehen

Respondenten sind zu vermeiden, deshalb sind demographische Angaben ausgeschlossen. Alle Antworten der Täter wurden anonym verarbeitet, um absolute Diskretion wahren zu können.

Alle 13 Interviews mit verurteilten Wirtschaftsstraftätern im Hellfeld wurden in deutscher Sprache geführt. Keine befragte Person erhielt den Gesprächsleitfaden im Vorhinein.548 Dabei sind inhaltliche Fragen, gegenstandsbezogene Fragen, formbezogene Fragen (mit Ausnahme von indirekten Provokationen aufgrund der heiklen Dissertationsthematik) und Steuerungsfragen vorhanden, wie im Interviewleitfaden ersichtlich.549 Bei den Interviews ging es weniger um bereits Geschehenes, sondern mehr um aus der Erfahrung abgeleitete Präventionsmassnahmen, um derartige Vorfälle in Unternehmen zukünftig zu vermeiden. Dieses Argument konnten die potentiell in Frage kommenden Personen gelegentlich überzeugen, an der Befragung teilzunehmen, wie im Nachhinein von einigen Interviewten ausgesagt wurde. Verurteilte Wirtschaftsdelinquenten, deren Fälle häufig eine offizielle Deliktsumme von vielen Millionen550 Schweizer Franken oder Euro aufweisen, für eine Befragung zu gewinnen, entpuppte sich dennoch als Herausforderung. Obwohl die Deliktsummen enorme finanzielle Betragshöhen erreichten, kam es aufgrund von zu wenig Beweismaterial etc. in einigen wenigen Fällen zwar zu einer Verurteilung, aber zu keiner unbedingten Inhaftierung, sondern neben finanziellen Zahlungen zu einer bedingten Haftstrafe.

Bei den Respondenten handelt es sich um teilweise ehemalige und teilweise wieder aktive Geschäftsführer, CEOs, Accountants in oberen Führungsebenen und Aufsichtsorgane.551 Die Interviews wurden in der Schweiz und in Österreich durchgeführt. Befragt wurden dabei ausschliesslich Wirtschaftsdelinquenten, die in Delikte wie Unterschlagung, Betrug, Korruption, Bestechung und Falschbilanzierung auf Management- bzw. Geschäftsführerebene zum Nachteil von Unternehmen verwickelt waren. Mit der Eingrenzung auf bestimmte Delikte sollen andere Formen der Wirtschaftskriminalität wie Industriespionage, Geldwäsche, Insiderhandel, Steuerhinterziehung, Cyber-Kriminalität etc. bewusst ausgeschlossen werden, um die Untersuchung auf möglichst ähnlich gelagerte Fälle einzugrenzen.

Mit Ausnahme des in der Haftanstalt durchgeführten Interviews wurde die Wahl der Durchführungsart (telefonisch bzw. persönlich) den Befragten überlassen. Es stellte sich heraus, dass ein

548

In der Forschungspraxis hat es sich bewährt, nicht den detaillierten Gesprächsleitfaden abzugeben. Vgl. Jäger/Reinecke (2009), S. 47.

549

Die Fragetypen werden in Kapitel V näher beschrieben. Der Interviewleitfaden befindet sich im Anhang, Teil D: Interviewleitfaden.

550

Laut Staatsanwaltschaften und Landesgerichten.

551

Die Zusammensetzung der Befragten stimmt beinahe vollständig mit der in Kapitel IV, Punkt 1.4.1 Fähigkeit zum „management override“ beschriebenen hierarchischen Herkunft von Wirtschaftsdelinquenten überein: Die Personen der im Rahmen der Dissertation stattgefundenen Befragung repräsentieren nahezu ausschliesslich die mittlere und oberste Führungsebene.

V Forschungsmethodisches Vorgehen

103

persönliches Treffen in elf von zwölf Fällen bevorzugt wurde.552 An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass die Teilnehmer nicht unbedingt am Durchführungsort ansässig sind, d. h. hier können keine Rückschlüsse auf den Wohnsitz gezogen werden. Die befragten Personen wurden lediglich in dem jeweilig angegebenen Staat rechtskräftig verurteilt. Damit die Anonymität der Teilnehmer gewahrt werden kann und um mögliche Rückschlüsse auf einzelne Personen zu verhindern, wird statt dem genauen Ort im Anhang lediglich das Land angeführt553, in welchem das Interview stattgefunden hat. In der Schweiz wurden Interviews in mehreren deutschsprachigen Kantonen und in Österreich in mehreren Bundesländern geführt.

Der Grossteil der Respondenten haben Gefängnisaufenthalte hinter sich. Mit den inhaftierten Personen in Kontakt zu kommen und ein Gespräch zu führen, wurde relativ unproblematisch ermöglicht, sofern ein Kontakt vorhanden war. Eine Tonbandaufnahme des Interviews in Haftanstalten wird mit einer zuvor ausgestellten Genehmigung für wissenschaftliche Arbeiten i. d. R. ermöglicht. Nach dem ersten Interview mit einer inhaftierten Person wurden weitere Besuche in Haftanstalten ausgeschlossen, da sich herausstellte, dass eine Befragung dieser Personengruppe nicht der beabsichtigten Untersuchung entsprechen kann. Ein Interview hinter verschlossenen Türen unter ständiger Observation durch mehrere Justizvollzugsbeamte zu führen, erschwert ein offenes Gespräch und verzerrt die Antwort der befragten Delinquenten massgeblich. Lueger beschreibt, dass das Spiel der Inszenierung, die Abgrenzung gegen die befragende Person oder die internen Kommunikationsregeln bei kollektiven Repräsentanzen eine zentrale Rolle spielen.554 Zudem haben die Insassen oftmals ein beschränktes Zeitkontingent von wenigen Stunden Besuchszeit pro Monat und möchten diese Zeit für persönliche Besuche nutzen.555

Nach dieser Befragung in der Justizvollzugsanstalt stand fest, dass Interviews in einer derartigen Situation das vermittelte Bild verfälschen. Aufgrund bereits geführter Interviews stellte sich heraus, dass eine entspannte und unbeaufsichtigte Atmosphäre essentiell für ein ehrliches und offenes Gespräch ist. Neben einem Interview in einer Haftanstalt, welches aus den beschriebenen Gründen in der Auswertung und Interpretation unberücksichtigt bleibt, wurden deshalb zwölf Interviews mit verurteilten Wirtschaftsdelinquenten geführt, die sich (bereits wieder) in Freiheit befunden haben.

552

Bei einem Interview in der Haftanstalt konnte dem zu Befragenden keine Wahl gelassen werden. Das Gespräch wurde persönlich geführt.

553

Vgl. Anhang, Teil A: Interviewverzeichnis.

554

Diese Umgangsform reduziert sich in Einzelgesprächen häufig auf eine „vernünftige“ und „ernsthafte“ Konversation, die dem Typus eines seriösen Gesprächs entspricht und völlig andere Darstellungsmethoden folgt. Vgl. Lueger (2010), S. 167. Lueger bezieht sich dabei allerdings nicht explizit auf Häftlinge, wobei sich dieser Verzerrungseffekt theoretisch bei Insassen noch verstärken müsste und sich damit noch ungünstiger auswirken könnte.

555

Im Vergleich zur vorliegenden Untersuchung führte Cressey die Befragungen der Strafgefangenen in den Justizvollzugsanstalten durch: „Most of the interviews were conducted in a special interviewing room, but a few were conducted at the inmate’s place of employment in the institution [penitentiary].“ Cressey (1953), S. 25.

104

4

V Forschungsmethodisches Vorgehen

Aufbereitungsverfahren

Das Aufbereitungsverfahren556 beschreibt den Prozess der schriftlichen Erfassung des gesprochenen Datenmaterials, welches durch die geführten Interviews auf dem Tonbandgerät gesichert ist. Dieser Vorgang nennt sich „Transkription“ und das Ergebnis wird „Transkript“ genannt, dessen Erstellung zwar aufwändig, aber für die vorliegende, qualitativ orientierte Forschung nicht nur empfehlenswert, sondern notwendig ist.557 Die zuvor mit dem Einverständnis558 der Befragten auf Tonband aufgenommenen Interviews erlauben im Gegensatz zu Gesprächsprotokollen eine exakte Erfassung des Kommunikationsprozesses.559 „In der Forschungspraxis ‚stört’ das Tonband den natürlichen Gesprächsverlauf nur unwesentlich, zumal es nach kurzer Zeit ohnehin vergessen wird.“560

Es existieren verschiedene Techniken, um die wörtliche Übertragung auf Papier zu bekommen. Die literarische Umschrift gibt den Dialekt mit unserem gebräuchlichen Alphabet wieder und unterscheidet sich von der Verwendung des internationalen phonetischen Alphabets, das speziell für das gesprochene Wort entwickelt wurde, Dialektarten berücksichtigt und sogar Sprachfeinheiten wiedergibt. Allerdings kann es mühsam sein, nicht standardisierte Sprachvarietäten zu lesen. Im Extremfall können Texte in Mundart für viele schlicht unverständlich sein. Ebenfalls kann die Sinnhaftigkeit einer Berücksichtigung von Umgangssprachen bei der empirischen Untersuchung der Wirksamkeit präventiver Massnahmen zur Bekämpfung doloser Handlungen in Unternehmen nicht unmittelbar festgestellt werden. Die genannten Gründe sprechen für die Technik der Übertragung in die hochdeutsche Sprache, wobei ein gewisser Datenverlust einer „Übersetzung“ in Kauf genommen werden muss.561 Die Verwendung von normalem Schriftdeutsch bei wörtlichen Transkriptionen ist ausserdem die meist verwendete Protokolltechnik, und kristallisiert sich auch für diese Arbeit als die am besten geeignete Technik heraus.

Wie im Anhang ersichtlich, ist die Aufnahmedauer im Durchschnitt kürzer als die Gesamtdauer des Gesprächs, da einerseits zu Beginn eine für die Untersuchung wichtige aber nicht unmittelbar

556

„In quantitativer Forschung wird dieser Bereich zu sehr vernachlässigt. Höchstens die Probleme deskriptiver Statistik werden dort behandelt.“ Mayring (2002), S. 85; Mayring (2007).

557

Die gesprochenen Sätze der von Cressey befragten Wirtschaftsdelinquenten wurden oftmals lediglich auf Papier mitgeschrieben: „In some cases verbatim notes could be written during the interviews without disturbing the subject, but in other cases it seemed appropriate to make only outline notes, and in some cases not notes could be taken at all. In the last two instances the content of the interview was written down in the subject’s own words as soon as he left the room. At Chino [penitentiary] a few cases were recorded on tape.“ Cressey (1953), S. 25 f.

558

Vgl. Jäger/Reinecke (2009), S. 42.

559

Vgl. Witzel (2000), Art. 22; Lueger (2010), S. 167.

560

Jäger/Reinecke (2009), S. 48.

561

Die zu Beginn dieser Arbeit angeführten Transkriptionsregeln wurden für die zu interpretierenden Textstellen entwickelt und finden an dieser Stelle keine Verwendung.

V Forschungsmethodisches Vorgehen

105

themenrelevante Kennenlern- und Smalltalkphase stattgefunden hat und andererseits streng vertrauliches Material nicht auf Tonband aufgenommen wurde (z. B. Anschuldigungen gegen Personen und Unternehmen und somit rechtlich belastendes Material). Mit Ausnahme des Interviews in der Haftanstalt wurden alle themenrelevanten Elemente mit Einverständnis der Teilnehmenden auf Tonband aufgenommen und anschliessend transkribiert. Die Transkription wurde durch den Interviewer und Autor dieser Arbeit selbst vorgenommen.562

Durch mehrmaliges Abhören des Tonbandes muss ein Interviewtranskript auf die Genauigkeit kontrolliert werden, da die Gesprächsteilnehmenden oftmals während des Interviews Sätze drehen, korrigieren oder nicht vollständig aussprechen.563 Es ist weitgehend von der Fragestellung abhängig, ob das gesamte Forschungsgespräch oder lediglich bestimmte Auszüge transkribiert werden sollen. Obwohl alle in dieser Arbeit aufgenommenen Interviews lückenlos transkribiert wurden564, kann eine vollumfängliche Angabe im Anhang nicht erfolgen, da die Gefahr bestehen könnte, dass Rückschlüsse auf die Befragten oder bestimmte Unternehmen gezogen werden könnten. Eine vollständige Wiedergabe der Interviews in schriftlicher Form wäre mit der zugesicherten Anonymität nicht vereinbar.

5

Auswertungsverfahren

Aufgrund des teilstrukturierten Leitfadeninterviews konnten vergleichbare Gesprächsinhalte gewonnen werden, wobei die Strukturierung der Antworten den befragten Personen überlassen wurde. In der vorliegenden Arbeit scheint es sinnvoll, inhaltliche Verflechtungen und gleichzeitig latente Sinnbedeutungen zu analysieren. In der Methodenliteratur findet sich häufig die Kritik, dass die Vorgehensweise der Qualitativen Inhaltsanalyse auf den vordergründigen Textinhalt beschränkt sei und damit die latenten Bedeutungen vernachlässige.565 Der Forschungsabsicht entsprechend bezieht sich das Auswertungsverfahren einerseits auf die Erforschung manifester Bedeutungen durch das inhaltsanalytische Verfahren „GABEK®“ (GAnzheitliche BEwältigung von Komplexität) und andererseits auf die Herausarbeitung latenter Bedeutungen durch ein hermeneutisches Verfahren (Feinstrukturanalyse). Obwohl die zwei Analysemethoden unabhängig voneinander angewandt werden, können sie auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden: Gegenstand beider Verfahren sind Texte.

562

Aufgrund der Sensibilität der Daten sowie der bereits im Vorhinein zugesicherten Anonymität konnte nicht auf professionelle Transkripteure zurückgegriffen werden.

563

Vgl. Brüsemeister (2008), S. 132.

564

Die vollständige Transkription war eine Voraussetzung, um das Verfahren GABEK® überhaupt anwenden zu können.

565

Vgl. Kracauer (1952); Mayring (2000), Art. 20. Gegenwärtig muss sich die Qualitative Inhaltsanalyse nicht mehr lediglich auf die Analyse des Inhalts von Kommunikationsmaterialien beschränken. Vgl. Mayring/Hurst (2005), S. 436.

106

5.1

V Forschungsmethodisches Vorgehen

Qualitative Inhaltsanalyse (QIA): GABEK®

Harold Dwight Lasswell, Leiter der Abteilung zur Analyse von Propaganda während des zweiten Weltkriegs in den USA, war einer der bedeutendsten Entwickler der Inhaltsanalyse.566 Kriegsberichte und Feindpropaganda wurden erstmals inhaltsanalytisch untersucht. Mitte des letzten Jahrhunderts legte der Soziologe Paul Felix Lazersfeld weitere bedeutsame Grundlagen zur Entwicklung der Inhaltsanalyse.567 Die Anwendung dieses Verfahrens über die letzten Jahrzehnte trug zu dessen Weiterentwicklung bei. Heute ist es ein in wissenschaftlichen Abschlussarbeiten häufig verwendetes Verfahren.568

Das Analysevorgehen wird in seiner „Objektivität“ gestärkt, indem eine systematische Zuordnung von Aussageinhalten durch den Coder, der die Textdurchsicht und die Zuordnungen vornimmt, stattfinden kann: „Folglich kann jeder Sachkundige die Vorgehensweise exakt nachvollziehen, weshalb sie intersubjektiv überprüfbar ist.“569 Mit dem angewandten Verfahren ist es möglich, Zusammenhänge, die in einer anscheinend chaotischen Meinungsvielfalt oder in gegensätzlichen Situationsbeschreibungen enthalten sind, herauszuarbeiten und vorerst nicht wahrgenommene Sinnzusammenhänge sichtbar zu machen.570 Damit die Komplexität der Forschungsgespräche reduziert werden kann, werden die Bedeutungszusammenhänge im transkribierten Datenmaterial ausfindig gemacht. Die Qualitative Inhaltsanalyse existiert häufig in Form eines Bündels an Verfahrensweisen.571

566

Vgl. Merten (1983), S. 39. An dieser Stelle soll auch sein Dissertant Bernard Berelson, mit seinem ersten und umfassenden Lehrbuch mit dem Titel „Content Analysis in Communication Research“ zu dieser Methode, erwähnt werden. Vgl. Früh (2007), S. 82.

567

Vgl. Mayring (2000), Art. 20.

568

Vgl. Berger (2010), S. 140. „Content analysis is a diffuse concept which has been transformed into a term of rather specific scope. […] Wherever symbolic behavior is being scrutinized, the analysis of content is involved.” Janowitz (1968), S. 647.

569

Jäger/Reinecke (2009), S. 58.

570

Vgl. Zelger/Fink/Strickner (2008), S. 143 ff.

571

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde die Inhaltsanalyse als rein quantitative Methode definiert. Vgl. Mayring/Hurst (2005), S. 436. Die Quantitative Inhaltsanalyse erfasst Merkmale von transkribiertem Textmaterial, indem sie Teile davon in Kategorien einordnet. Die Häufigkeiten in den einzelnen Kategorien können Auskunft über die Merkmalsausprägungen der untersuchten Texte geben. Im Gegensatz zur Inhaltsanalyse nach Mayring zielt der Ansatz der Grounded Theory verstärkt auf eine feine Vernetzung von Kategorien und Subkategorien ab. Vgl. Bortz/Döring (2005), S. 332 ff. Bei der Inhaltsanalyse findet die Datenerhebung vor der Auswertung statt, während bei der Grounded Theory ein zirkulärer Forschungsprozess anstrebt wird, d. h. Auswahl der Befragten, Erhebung und Auswertung wechseln ab. Ausserdem werden Forschungsfrage und Theorie bei der Qualitativen Inhaltsanalyse bereits im Vorhinein festgelegt, während sich diese im Rahmen der Grounded Theory ändern können.

V Forschungsmethodisches Vorgehen

107

Mayring beschreibt folgende vier Basistypen der Qualitativen Inhaltsanalyse:572 ƒ

Zusammenfassende Inhaltsanalyse: Das Textmaterial wird so weit reduziert, bis lediglich die wesentlichsten Inhalte als überschaubarer Kurztext erhalten bleiben. Zu den Arbeitsgängen gehören Paraphrasierung, Generalisierung und Reduktion. Diese Form bietet sich an, wenn der Adressat komprimierte Erkenntnisse über den Inhalt in Form einer Zusammenfassung des Materials erlangen möchte.

ƒ

Induktive Kategorienbildung: Grundgedanke dabei ist, dass die Verfahrensweisen zusammenfassender Inhaltsanalyse genutzt wird, um schrittweise Kategorien aus dem Material heraus in Bezug auf Definition und Abstraktionsniveau zu entwickeln. Je nach Forschungsfrage werden die Kategorien dann weiter untersucht.

ƒ

Explizierende Inhaltsanalyse: Diese Form beschreibt das Gegenteil der zusammenfassenden Inhaltsanalyse: Zu einzelnen noch unklaren Textstellen (Begriffe, Sätze etc.) werden zusätzliche Daten herangetragen. Explikationsmaterial wird systematisch und kontrolliert gesammelt.

ƒ

Strukturierende Inhaltsanalyse: Unter vorher festgelegten Kriterien werden bestimmte Aspekte aus dem Textmaterial gefiltert. Der Grundgedanke ist, dass aufgrund einer genauen Formulierung von Definitionen, typischen Textstellen und Codierregeln ein Codierleitfaden entsteht, der die Strukturierungsarbeit entscheidend präzisiert.

Die induktive Kategorienbildung sowie die explizierende Inhaltsanalyse haben wenig bis nichts mit dem Analyseverfahren der vorliegenden Arbeit gemein und sind deshalb davon abzugrenzen. Die in dieser Dissertation angewandte Inhaltsanalyse ist lediglich partiell bzw. i. w. S. mit zwei der vier genannten Analyseverfahren vergleichbar. Zum einen mit der zusammenfassenden Inhaltsanalyse, da die eingesetzte Methode ebenso eine Reduktion des Materials auf die wesentlichen Inhalte vornimmt. Regelgeleitete Abstraktion schafft dabei ein überschaubares Korpus.573 Zum anderen wäre es möglich, die strukturierende Inhaltsanalyse mit dem verwendeten Verfahren zu vergleichen, da durch die Identifikation bestimmter Aspekte im Textmaterial Strukturen gebildet werden. Allerdings stehen keine Kategorien im Zentrum des Grundkonzeptes der im Rahmen der Arbeit angewandten Inhaltsanalyse, d. h. es werden keine Analyseaspekte in Kategorien gefasst. Mayring beschreibt, dass die Entwicklung der Kategorien nahe am Material und aus dem Material erfolgen sollte.574 Die Datenauswertung dieser Qualifikationsschrift unterscheidet sich an dieser Stelle: Die vorliegende Inhaltsanalyse ist unmittelbar am transkribierten Originaltext ausgerichtet und gibt die Einstellung der Respondenten exakt wieder. In diesem Sinne werden keine Kategorien entwickelt. Es wird direkt mit dem Textmaterial gearbeitet.

572

Vgl. Mayring (2004), S. 472 f.

573

Dieser Prozess nennt sich im Rahmen der vorliegenden Dissertation „Gestaltbildung“. Vgl. Kapitel V, Punkt 5.1.2 Aufbau der QIA.

574

„Die Darstellung zur klassischen Inhaltsanalyse schweigen sich zum Problem, woher denn ihre Kategorien kommen, wie sie entwickelt werden, weitgehend aus.“ Mayring (2000), Art. 20.

108

V Forschungsmethodisches Vorgehen

Die empirische Untersuchung vorbeugender Massnahmen zur Bekämpfung doloser Handlungen in Unternehmen wird in dieser Dissertation durch das Analyseverfahren GABEK® ausgewertet.575 Dieses Verfahren wurde vom habilitierten und bereits emeritierten Sprachwissenschaftler und Philosophen an der Universität Innsbruck in Österreich, Josef Zelger, im Rahmen seiner langjährigen Forschungstätigkeit entwickelt. Eingesetzt wird GABEK® im wissenschaftlichen Bereich an mehr als 50 verschiedenen Instituten (z. B. Stanford University) sowie von der Praxis (z. B. Daimler). Dieses Verfahren eignet sich besonders, um Prozesse aus der Perspektive der Befragten zu erfassen. Wissenschaftliche Arbeiten, die GABEK® verwenden, sind auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen: „Die Wissenskompetenz und die Erfahrungen der Organisationsmitglieder sollen erfasst und mitberücksichtigt werden.“576

GABEK® orientiert sich am Vorbild der Gestalten und basiert auf der Theorie der Gestaltwahrnehmung nach Carl Stumpf, dem Begründer der Berliner Schule der Gestalttheorie (ein Schüler Brentanos und Lehrer von Husserl, Lewin, Wertheimer, Köhler und Koffka).577 Dabei unterscheidet Stumpf zwischen Komplex und Gestalt: „Der Komplex ist ein Ganzes von Sinnesinhalten, die Gestalt hingegen ein Ganzes von Verhältnissen zwischen Sinnesinhalten.“578 Der Begriff der Wahrnehmungsgestalten wird nach Stumpf als ein „Verhältnisganzes“ oder als ein „Verhältnisgefüge zwischen den Sinnesinhalten“ definiert.579 Zelger entwickelte in Analogie zum Begriff der Wahrnehmungsgestalten die Theorie der sprachlichen Gestalten: „GABEK […] is based on the theory of ‚Wahrnehmungsgestalten’ (Perceptual Gestalten) by Stumpf (1939) which has been transferred to a theory of linguistic gestalten by Zelger.“580 Zelger argumentiert, dass wir die Sprache nicht durch einzelne Worte verstehen, sondern durch „[…] zusammenhängende sprachliche Komplexe, die […] als sinnvolle Ganzheiten aufgefaßt werden.“581 Sprachliche Gestalten als Beziehungsgefüge unterscheiden sich demnach von Wahrnehmungsgestalten: „Eine sprachliche Gestalt ist eine komplexe sprachliche Einheit, bei der sich die einzelnen Sätze als Teile voneinander deutlich unterscheiden und gleichzeitig durch Knotenbegriffe stabil miteinander vernetzt sind, so daß die Textgruppe insgesamt als sinnvolle gedankliche Einheit empfunden wird. Einzelne Sätze können ausgewechselt werden, ohne die Stabilität der gestalthaften Struktur zu gefährden, wenn in den neuen Sätzen dieselben Schlüsselbegriffe sinngemäß auf dieselbe Weise miteinander verknüpft sind wie in den ersetzten Sätzen.“582

575

Vgl. Zelger/Fink/Strickner (2008), S. 141 ff.

576

Vgl. Zelger/Fink/Strickner (2008), S. 158.

577

Vgl. Zelger (A) (1999), 42 ff.; Buber/Kraler (2000), S. 112.

578

Zelger (A) (1999), 42. „Der Gestaltenbegriff von Stumpf ist jenem von […] Bühler (1933) […] sehr ähnlich.“ Zelger (B) (1999), S. 43. Zelger führt neun Grundthesen über Wahrnehmungsgestalten nach Stumpf an, auf welche hier nicht näher eingegangen wird. Vgl. Zelger (B) (1999), S. 42 ff.

579

Vgl. Zelger (A) (1999), 42.

580

Zelger (1995), S. 92 ff. zit. n. Buber/Kraler (2000), S. 112.

581

Vgl. Zelger (A) (1999), 41.

582

Zelger (A) (1999), 41.

V Forschungsmethodisches Vorgehen

109

Zelger überträgt die Grundidee von Stumpf über die gestalthaft strukturierte Erfahrung auf ungeordnete normalsprachliche Texte: Begriffe sind wie Städte, Aussagen bringen sie in Zusammenhang und entsprechen den Strassen.583 Zur Orientierung wird eine Karte benötigt, ein Assoziations- oder Ausdrucksnetz, um die zunächst verborgene Ordnung sichtbar zu machen.584 In Folge kristallisiert sich ein formales Netz heraus, das als Indexierungssystem hilfreich sein kann, damit zu jeder beliebigen Fragestellung alle relevanten Äusserungen ausfindig gemacht werden können und davon ausgehend allen weiteren inhaltlichen Verbindungen nachgegangen werden kann.585

5.1.1

Informationstechnologische Unterstützung der QIA

Am „Massachusetts Institute of Technology“ (MIT) in Boston wurde bereits in den 1960er Jahren eines der ersten Computerprogramme für die Inhaltsanalyse entwickelt.586 Das Codierungsverfahren wird anhand eigens dafür programmierter Software unterstützt. Obwohl ein Skeptizismus bei computerunterstützten Inhaltsanalysen existiert587, ist deren Anwendung in der Wissenschaft bereits weit verbreitet: „Der Computer nimmt den Forschenden die Interpretation aber nicht ab, sondern hilft lediglich beim andernfalls anstrengenden und langwierigen Prozess des Textsuchens und -ordnens.“588 Folgende Funktionen erleichtern die Arbeit mit transkribierten Texten durch Computerunterstützung:589 ƒ

Assistenzfunktion: Die im Ablaufmodell festgelegten Analyseschritte werden am Bildschirm ermöglicht (Text durcharbeiten, Auswertungsregeln und Kommentare festhalten etc.) und Hilfsfunktionen werden darüber hinaus angeboten (Suchen und Springen im Text, Zusammenstellen von Textstellen etc.).

ƒ

Dokumentationsfunktion: Alle Analyseschritte werden festgehalten und sind damit jederzeit von verschiedenen Codern nachvollziehbar (Zurückverfolgen der Reliabilität).

ƒ

Verknüpfungsfunktion: Links zur quantitativen Auswertung werden zur Verfügung gestellt und sind oftmals bereits im Programm installiert. So können beispielsweise Ver-

583

Vgl. Zelger (A) (1999), 50.

584

Vgl. Zelger (A) (1999), 54.

585

Die Abbildung von Sätzen im formalen Ausdrucksnetz erfolgt als Mengen von lexikalischen Ausdrücken. Vgl. Zelger (A) (1999), 51.

586

Vgl. Klein (2005), S. 150.

587

Dies liegt wohl auch daran, dass das Verhältnis qualitativer Forscher zum Computer lange Zeit weniger von Enthusiasmus denn von Zurückhaltung geprägt war. In der gegenwärtigen Diskussion über EDV-gestützte Verfahren in der qualitativen Sozialforschung hat sich der Begriff „computergestützte qualitative Datenanalyse“ eingebürgert. Vgl. Kelle (2004), S. 486 ff.

588

Jäger/Reinecke (2009), S. 59.

589

Mayring weist darauf hin, dass Computerprogramme die qualitative Arbeit mit Texten zwar unterstützen, aber nicht ersetzen. Vgl. Mayring (2000), Art. 20. An dieser Stelle muss auf ein Missverständnis hingewiesen werden: „Obwohl gerade im Zusammenhang mit der Grounded Theory immer wieder auf die Möglichkeit einer Einbindung in computergestützte Textanalyseprogramme […] verwiesen wird, haben diese Programme mit den Prinzipien einer Grounded Theory kaum eine Gemeinsamkeit.“ Lueger (2000), S. 227.

110

V Forschungsmethodisches Vorgehen knüpfungshäufigkeiten analysiert werden, ohne die fehleranfällige Datenübertragung von Hand.

Folgende Argumente können als wesentliche Vorteile der computergestützten Verarbeitung des transkribierten Textmaterials der qualitativen Datenanalyse genannt werden:590 ƒ

Zeitliche und personelle Ressourcen werden durch die Effizienz bei der Datenorganisation effizienter eingesetzt,

ƒ

eine Systematisierung der Forschungstechnik wird erzwungen,

ƒ

ein transparenter Auswertungsprozess wird damit unterstützt und

ƒ

es wird Raum für sorgfältige und experimentelle Forschung (analytische und kreative Aspekte der Datenauswertung) geschaffen.

„Die EDV-gemäße Formalisierung derart komplexer ‚qualitativer’ Strukturen ist […] als Fortschritt in Richtung einer zusätzlichen präzisen Analysemöglichkeit der Daten auf Aggregatebene zu sehen.“591 Damit die informationstechnologische Unterstützung im Rahmen der Dissertation zu Nutze gemacht werden kann, werden die Erhebungsergebnisse anhand der entwickelten Software „WinRelan®“592 (Windows Relationen Analyse) ausgewertet. Das Auswertungsverfahren GABEK® wurde in das Programm WinRelan® implementiert, d. h. die Software dient als Instrument zur Anwendung des Verfahrens GABEK® bzw. entspricht diesem in elektronischer Form. Es haben sich bereits weitere Programme zur Unterstützung der qualitativen Forschung, insbesondere zur Inhaltsanalyse, bewährt.593 Erst seit kurzer Zeit existiert eine noch unausgereifte Technik, welche das Codieren vollständig automatisiert. Schwierigkeiten ergeben sich bei der programmgesteuerten Erkennung kontextabhängiger Bedeutungen.594 Diese Software liegt jedoch in den Kinderschuhen und wurde im Zuge dieser Auswertung deshalb nicht weiter betrachtet. Im Gegensatz dazu ist das Verfahren GABEK® mit WinRelan® eine teilcomputerisierte Inhaltsanalyse, d. h. Texte müssen bei der Codierung und Auswertung nach vorgegebenen Regeln weitgehend manuell bearbeitet werden.

590

Vgl. Kelle (2004), S. 499 f. Kelle äussert ebenso Besorgnis, dass der Pluralismus qualitativer Ansätze bei der Softwareentwicklung oftmals unzureichend berücksichtigt wird.

591

Früh (2007), S. 295; vgl. Mayring (2004), S. 474 f.; Kelle (2004), S. 501; Zelger (A) (1999), 53.

592

Das GABEK®/WinRelan®-Projekt wurde im Rahmen des „European Academic Software Award 2002“ mit dem Prädikat „exceptional quality“ ausgezeichnet. Das Programm wird international für kommerzielle und wissenschaftliche Zwecke verwendet und existiert in mehreren Sprachen.

593

Neben GABEK® existieren z. B. ATLAS.ti®, MAXQDA® oder NVivo®.

594

Vgl. Berger (2010), S. 142 f.

V Forschungsmethodisches Vorgehen

111

Hinsichtlich der Multimedia-Fähigkeiten oder kollaborativen Arbeiten ist GABEK® im Gegensatz zu ATLAS.ti® zwar weniger vielseitig595, dafür in den für die Inhaltsanalyse von transkribierten Interviews benötigten Funktionen weit entwickelt. Diese spezifische Stärke wird in der Auswertung des Datenmaterials dieser Arbeit ersichtlich. GABEK® dürfte viele vergleichbare Programme weit hinter sich lassen, obwohl andere QIA-Software oftmals stärker beworben wird. Neben der Beschränkung von GABEK® auf Textmaterial, welche durch die funktionale Tiefe des Programms zugleich Stärke ist, existiert jedoch die Schwachstelle der Benutzerfreundlichkeit, obwohl Buber und Kraler anderer Meinung sind.596 Ohne eingehende Schulung oder zumindest gründliche Durchsicht der schriftlich aufbereiteten Anleitung ist die Arbeit mit GABEK® kaum zu bewältigen. Ebenfalls kann der enorme Zeitaufwand der einzelnen Codierungsphasen als ein weiterer Nachteil des angewandten Verfahrens genannt werden.

5.1.2

Aufbau der QIA

Der Ablauf bei der Arbeit mit der Qualitativen Inhaltsanalyse nach dem Verfahren GABEK® ist Schritt für Schritt vorgegeben, um Orientierung vorhandener Strukturen der Interviews zu schaffen und inhaltlich Zusammenhängendes formal darzustellen. Das ist gleichzeitig eine Stärke des Verfahrens der Qualitativen Inhaltsanalyse im Allgemeinen, da i. d. R. grössere Materialmengen bearbeitet werden können.597 Nach einer gründlichen Transkription der zwölf Interviews erfolgte die regelgeleitete Einteilung des Textmaterials in zusammenhängende und sinnvolle Gedanken, sog. „Sinn- oder Texteinheiten“, „text units“ bzw. „sense units“. „Text units or sense units are not to be understood as mere formal units, but as meaningful, coherent thoughts, which represent a comprehensible unit containing at least three and at the most nine relevant lexical concepts.“598

595

Vgl. Buber/Kraler (2000), S. 133. An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass GABEK® im Bereich der Qualitativen Inhaltsanalyse zwar auf die Analyse von Textmaterial beschränkt ist, doch in diesem Bereich dafür ausgesprochen vielfältige Anwendung findet: „GABEK has been used for evaluation purposes […], for quality control […], for product evaluation […], conflict resolution […], furthermore there have been projects on goal development […], minority research […], town research […].“ Zelger/Oberprantacher (2002), Art. 27.

596

Vgl. Buber/Kraler (2000), S. 117. Der Autor ist sich wahrlich bewusst, dass Software kontinuierlich verbessert werden kann.

597

Vgl. Mayring (2004), S. 474.

598

Die Schlüsselbegriffe, sog. „relevant lexical concepts“ bzw. „key terms“, stammen direkt aus dem Text und geben diesen verkürzt wieder. Ein zusammenhängender und sinnvoller Gedanke: „A term is relevant if one cannot eliminate it without changing the central topic (in the cognitive sense) of the statement.“ Zelger/Oberprantacher (2002), Art. 27; vgl. Buber/Kraler (2000), S. 117.

112

V Forschungsmethodisches Vorgehen

„A text unit should be a ‚closed statement’.“599 Der sequenziell einzuhaltende Ablauf600 untergliedert sich in unterschiedliche Phasen, die nachfolgend dargestellt werden:601 1. Netzwerkgrafik durch Ausdruckscodierung:602 Nach der Einteilung des Textmaterials in einzelne Einheiten werden die zu analysierenden Interviews vollständig codiert. Ähnlich wie beim Exzerpieren werden in dieser ersten Analysephase Substantive, Adjektive, Verben und zusammengesetzte Ausdrücke codiert, welche den Text wiedergeben.603 Diese Ausdrücke repräsentieren die Schlüsselbegriffe. „If these two operations (the definition of text units and object-linguistic coding) are executed on all available text passages in a consistent way, an association graph can automatically be produced by WinRelan®. The graph highlights all the terms with which any selected item in the coded text material is connected, and it indicates all the records in which such connections occur.”604 Dieses semantische, linguistische Netz wird durch die Vielzahl der Aussagen schnell unübersichtlich, deshalb können zusätzlich lediglich Verknüpfungen zwischen den Begriffen dargestellt werden, die von den Tätern mehrmalig angesprochen wurden. Die Netzwerkgrafik schafft so eine grundsätzliche Orientierung, etwa bei der Auswahl von Schwerpunkten. Ein reduziertes Netzwerk mit verringerter Komplexität kann dargestellt werden, wenn einer Verbindung viele Sätze zugrunde liegen und es sich um eine Erfahrung handelt, die von mehreren geteilt wird. Immer wiederkehrende Assoziationen können so anhand der Netzwerkgrafik übersichtlich gezeigt werden. Die Anzahl der zugrundeliegenden Sätze kann grafisch eingeblendet werden, um die Verbindungsstärke darzustellen. 599

Buber/Kraler (2000), S. 117.

600

Grundsätzlich ist es möglich, den Gestaltenbaum (letzte Phase) bereits nach der Grundcodierung (erste Phase) zu erstellen. Die Einhaltung des Ablaufs ist jedoch empfehlenswert.

601

Bei der Ausführung zum Ablauf der Qualitativen Inhaltsanalyse dieser Arbeit wird auf das Verfahren GABEK® zurückgegriffen. Vgl. Zelger (B) (1999); Zelger (2000); Zelger/Oberprantacher (2002); Zelger/Fink/Strickner (2008).

602

Mit dem Ziel, unterschiedliche Textgruppen bzw. Personengruppen selektierbar und vergleichbar zu machen, werden in der ersten Ablaufphase zusätzlich metasprachliche Kriterien festgelegt: „GABEK distinguishes two basic ways of coding: apart from the objective-linguistic coding […], through which the lexically relevant terms are identified, there is the possibility of meta-linguistic coding (in a comparable way as in other qualitative data analysis software systems).“ Zelger/Oberprantacher (2002), Art. 27. Unterschieden werden personenbezogene Kriterien (weiblich/männlich, bewusst verübte Tat/unbewusst verübte Tat, Schweiz, Österreich etc.), satzbezogene Kriterien (Präventionsvorschlag, Druck, Anreiz, Gelegenheit, Rationalisierung, Fähigkeit etc.) und personenbezeichnende Kriterien (Wirtschaftsdelinquent A, Wirtschaftsdelinquent B, Wirtschaftsdelinquent C etc.). Welche Kriterien eingeführt werden, ist von der Forschungsfrage abhängig, bzw. davon, welche Zusammenhänge oder Unterschiede vermutet werden. Damit werden einfache statistische Aussagen zum Textmaterial ermöglicht.

603

Zu beachten ist die Rückführung der Ausdrücke in ihren Nominativ bzw. Infinitiv. Nicht codiert werden irrelevante, triviale, logische, grammatikalische, qualitative und quantitative Ausdrücke. Synonyme sollen weitestgehend vermieden werden. Dabei muss der notwendige Differenzierungsgrad beachtet werden: Durch die Synonymsetzung wird die Begriffsvernetzung zwar stärker, aber Informationen können verloren gehen. Ein separater Prüfungsschritt im weiteren Verlauf der Analyse und softwaretechnisch implementierte Hilfen verhindern Begriffsredundanzen.

604

Zelger/Oberprantacher (2002), Art. 27; vgl. Zelger (2000).

V Forschungsmethodisches Vorgehen

113

2. Bewertete Netzwerkgrafik und Bewertungsliste durch Bewertungscodierung: „Normal linguistic expressions first of all contain descriptions. Furthermore common language expressions contain prescriptive judgments, and thus value judgments and norms. In order to represent prescriptive judgments of a verbal database clearly, apart from the basic coding […] an evaluation coding procedure is necessary.”605 Bevor mit der Bewertungscodierung begonnen wird, kann eine Unterscheidung der Listen auf unterschiedliche Situationen oder Merkmale stattfinden. Im Rahmen der vorliegenden Auswertung wurden zwei Bewertungslisten angelegt: „Ist-Situation“ und „Soll-Situation“. Es ist zwingend notwendig, dass stets aus der Sicht der befragten Person bewertet wird, d. h. die Bewertungen des Coders dürfen nicht einfliessen.606 Bei einer weiteren vollständigen Durchsicht der transkribierten Interviews werden Situationen oder Merkmale mit positiven (im Sinne von gut und wirksam) und negativen (im Sinne von schlecht und unwirksam) Bewertungen der interviewten Person identifiziert. Neben positiven und negativen Bewertungen existiert eine weitere Dimension: Die Wesentlichkeit.607 Dabei wird stets zwischen der Liste „IstSituation“ (beinhaltet die Vergangenheit und die Gegenwart in dieser Untersuchung) und der Liste „Soll-Situation“ (beinhaltet eine hypothetische Perspektive) unterschieden.608 Die Ergebnisse der Bewertungscodierung können in geordneten Bewertungslisten dargestellt oder in den zuvor erstellten Netzwerkgrafiken eingeblendet werden. 3. Kausalnetzgrafik, Kausalliste, Relevanzliste und zyklische Beziehung durch Kausalcodierung: Noch einen Schritt weiter geht die Analysephase der Kausalcodierung. Durch eine dritte Durchsicht des Datenmaterials werden die von den Betroffenen geäusserten kausalen Zusammenhänge codiert, d. h. es treten geäusserte Wirkungsvermutungen in den Vordergrund. Dabei werden die Art der Wirkung sowie die Bewertung des Zusammenhangs berücksichtigt (positiv, negativ oder neutral). Diese Phase ist von der Bewertungscodierung zu unterscheiden, da nicht Situationen oder Merkmale, sondern Zusammenhänge bewertet werden. Die Codierung beschränkt sich auf Zunahmen609 und Abnahmen610. 605

Zelger/Oberprantacher (2002), Art. 27.

606

Wie im Interviewleitfaden ersichtlich ist, wurden Bewertungen nicht permanent abgefragt, sondern grossteils durch die Befragten spontan bzw. intuitiv ausgedrückt. Dabei sind besonders relevant: „[…] assessments, value judgements, opinions, wishes and points of criticism […].” Zelger (2000), S. 209.

607

Z. B. „diese Präventionsmassnahme spielt eine wesentliche Rolle.“ Dabei geht die interviewte Person nicht näher auf positiv bzw. negativ ein, sondern betont lediglich dessen Relevanz.

608

„Therefore we will answer two questions in the coding of evaluations: which real phenomena, attributes, states, situations, actions are expressed and how were they evaluated? And: which hypothetical phenomena – not assumed as real – are being expressed and how were they hypothetically evaluated?” Zelger/Oberprantacher (2002), Art. 27.

609

Wenn die Variable „A“ (z. B. „Druck“) wächst, gilt dies auch für die Variable „B“ (z. B. „Vorfall bzw. Wirtschaftsstraftat“). Sofern es die befragte Person äussert, könnte dieser Zusammenhang als negativ bewertet werden. Wenn die Variable „A“ abnimmt, dann nimmt auch die Variable „B“ ab.

610

Wenn die Variable „C“ (z. B. „Präventionsmassnahme“) wächst, dann nimmt die Variable „D“ (z. B. „Auslöser der Tat“) ab. Sofern es die befragte Person äussert, könnte dieser Zusammenhang als positiv bewertet werden. Wenn die Variable „C“ abnimmt, dann wächst die Variable „D“.

114

V Forschungsmethodisches Vorgehen Auch hier werden reale611 und irreale612 Zusammenhänge codiert.613 Zunahmen werden in allen Grafiken als Pfeil abgebildet, während bei Abnahmen an der Stelle des Pfeils ein Kreis dargestellt wird. Selektive Auszüge können so veranschaulichen, welche Einflüsse bestimmte Massnahmen auf einen Zusammenhang haben: „A multiplicity of executed projects showed that causal networks which represent hypothetical relations contribute substantially to preparation of decision planning […].”614 Veränderungen können den Zusammenhang günstig oder ungünstig beeinflussen. Dargestellt wird das Wirkungsgefüge durch die Kausalnetzgrafik. Ergänzend dazu dient die Kausalliste, welche die Anzahl der Einflüsse und Auswirkungen der Kausalvariablen in Listenform präsentiert. Zusammen mit der Bewertungscodierung wird die Kausalcodierung verwendet, damit durch die Relevanzanalyse615 eine Relevanzliste616 erstellt werden kann. Dieser Prozess der Kausalcodierung ermöglicht nicht nur die Festlegung des Wirkungsgefüges, sondern auch die Bestimmung vorhandener Rückkoppelungsstrukturen617, sofern das analysierte Datenmaterial solche beinhaltet. 4. Gestaltenbaum durch Gestaltbildung: Der Gestaltenbaum ist eine hierarchische Ordnung von Zusammenfassungen der Originalaussagen, die es gestattet, die gesamte Datenbasis von den zentralsten, gemeinsamen Aussagen der Respondenten hin zu detaillierten Äusserungen zu überblicken. Dieser letzte Ablaufschritt ist der einzige, bei dem der Coder durch regelgeleitetes Zusammenfassen selbst Text produziert.618 Zuerst werden sinnvolle Textgruppierungen ausfindig gemacht, die bestimmte Anforderungen erfüllen.619 WinRelan®

611

Wenn die Variable „A“ zunimmt, dann nimmt auch die Variable „B“ zu.

612

Wenn die Variable „C“ zunehmen würde, dann würde die Variable „D“ abnehmen.

613

Dieser reale oder irreale Zusammenhangscharakter kann quantitativ (Wenn die Variable „A“ wächst, gilt dies auch für die Variable „B“), qualitativ (Wenn sich die Variable „A“ verbessert, verbessert sich auch die Variable „B“) oder statistisch (wenn die Variable „A“ zutrifft, dann trifft auch die Variable „B“ zu) sein. Ebenso sind Ursache-Wirkungs-Aussagen erlaubt (Variable „A“ ist Ursache von Variable „B“).

614

Zelger/Oberprantacher (2002), Art. 27.

615

Die Relevanzanalyse gibt eine tabellarische Übersicht über die relevanten Themen der Textauswertung. Eine Variable ist dann relevant, wenn viele Bewertungen und viele Kausalbeziehungen vorliegen.

616

Ebenso wie die Ausdrucks-, Bewertungs- oder Kausalliste wird die Relevanzliste durch das Programm WinRelan® automatisch erstellt, sofern die dritte Codierungsphase abgeschlossen ist. Vgl. Kapitel V, Punkt 5.1.4 Ziele der QIA.

617

Synonyme sind „Wirkungskreisläufe“ oder „zyklische Beziehungen“. Durch einen automatisierten Filter wird es mit WinRelan® möglich, Rückkoppelungsstrukturen auf Relevanz zu überprüfen.

618

In einer gesondert dafür entwickelten und durchgeführten Studie wurde die Zuverlässigkeit der Gestaltentwicklung geprüft. Dabei stellte sich heraus, dass die mit Hilfe von GABEK® und WinRelan® ermittelten Gestalten ein hohes Mass an Einheitlichkeit aufwiesen, deshalb wird das Gestaltbildungsverfahren als zuverlässig betrachtet. Vgl. Kapitel V, 5.1.3 Qualitätssicherung der QIA.

619

Wenn eine Textgruppe syntaktischen, semantischen und pragmatischen Regeln erfüllt, kann von einer sprachlichen Gestalt ausgegangen werden. Vgl. Kapitel V, 5.1.3 Qualitätssicherung der QIA.

V Forschungsmethodisches Vorgehen

115

unterstützt den Coder durch Vorschläge für sinnvolle Textgruppen.620 Die Programmempfehlungen werden vom Coder überprüft, bis sie die Voraussetzungen für eine sprachliche Gestalt erfüllen.621 Wenn die vorgegebenen Regeln erfüllt sind, dann werden die Sätze der Gruppe möglichst kurz und präzise zusammengefasst. Diese Zusammenfassung beinhaltet lediglich Knotenbegriffe, d. h. Begriffe, die mehrfach vorkommen. Um die Komplexität zu reduzieren, werden alle Ausdrücke aus der Gruppe, die lediglich einmal vorkommen (sog. „Singuläre“), ausgeblendet und nicht in die Zusammenfassung aufgenommen.622 Diese Vorgehensweise wird so lange fortgesetzt, bis keine Gruppen mehr gebildet werden können, die sich inhaltlich von allen bereits gebildeten Textgruppen hinreichend unterscheiden.623 Sobald dieser Fall eintritt, erfolgt die Bearbeitung der Hypergestalten624 auf identische Art und Weise. Ist die Hypergestaltbildung abgeschlossen, kann anhand derselben Vorgangsweise die Hyperhypergestaltbildung in Angriff genommen werden. Durch die gezielte Analyse einzelner Äste des Gestaltenbaums können thematische Fragen begründet beantwortet werden. „The further we move upward in the gestalten tree, the fewer details are contained in the summaries. Only the lowest level of the raw verbal data contains all details available in the project.”625

620

Es existieren zwei Methoden, um mit der Gestaltbildung zu beginnen: Die Gestaltbildung über die Clusteroder Pre-Gestalten-Analyse. Mindestvoraussetzung beider Methoden ist eine vorhandene Grundcodierung. Im Rahmen dieser Arbeit wurde der Zugang über die Pre-Gestalten-Analyse gewählt, da die durchgeführte Bewertungscodierung eine erfüllte Anwendungsvoraussetzung dieser Analyse darstellt. Letztgenannte Methode liefert bereits zu prüfende Gestaltenvorschläge.

621

„The linguistic gestalt is seen as a specific meaningful group of sentences, which fulfils the following conditions: a. Formal connectivity: All sentences within the group are closely related to each other […] b. Formal variety: The sentences within the group must be sufficiently distinguishable from each other […] c. Formal distance: The group of sentences may not contain too many sentences in order that all relations between the sentences can be conceived as a unit of meaning […] A linguistic gestalt must furthermore meet semantic and pragmatic conditions: a. Semantic demonstrability: A group of sentences is rendered meaningful only if it is possible to demonstrate all relations between the sentences intersubjectively […] b. Pragmatic applicability: From a pragmatic point of view a group of sentences is relevant for an individual x in the situations s and at the point in time t only if the individual x believes in s and that all sentences together with their relations between each other are applicable as perception-, orientation- or action patterns.” Zelger/Oberprantacher (2002), Art. 27; vgl. Zelger (2010), S. 136 ff.

622

Für die Zusammenfassungen sind lediglich Begriffe gestattet, die bereits vorhanden sind, d. h. die Einführung neuer Begriffe ist zu vermeiden.

623

Damit wird die Vollständigkeit der Analyse sichergestellt und die willkürliche Auswahl von Inhalten vermieden.

624

Dabei bilden die Gestalten eine erste Hierarchieebene, d. h. Gestalten sind eine Zusammenfassung mehrerer Texteinheiten der Originaltexte. Die Hypergestalten sind eine Zusammenfassung der Gestalten, während die Hyperhypergestalten eine Zusammenfassung der Hypergestalten sind. Die letzte und oberste Ebene ist die Gesamtzusammenfassung der Hyper-Hypergestalten. Wie weit der Gestaltenbaum nach oben gelangt, ist von der inhaltlichen Vernetzung des Materials abhängig. Es gibt keine vorgegebene Form eines Gestaltenbaums. Die vorliegende Untersuchung gelangt bis in die Ebene der Hyperhypergestalten.

625

Zelger/Oberprantacher (2002), Art. 27.

116

5.1.3

V Forschungsmethodisches Vorgehen

Qualitätssicherung der QIA

Dieses Verfahren untersteht bestimmten Regeln, die bei der Arbeit mit dem Verfahren GABEK®/WinRelan® strikt einzuhalten sind. Das präzise transkribierte Textmaterial der Befragung wird Schritt für Schritt, einem inhaltsanalytischen Ablaufmodell folgend, in Analyseeinheiten zerlegt und anschliessend bearbeitet.626 Es ist wichtig, dass jeder Analyseschritt und jede Entscheidung im Auswertungsprozess auf eine begründete und getestete Vorgabe zurückführt, so dass Interpretationen nachvollziehbar bleiben.627 Diese Regelgeleitetheit schafft die Voraussetzung der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit und bildet somit ein äusserst wichtiges Gütekriterium sowie eine Stärke von GABEK®/WinRelan®.628

Computerprogramme können eine Unterstützung des Auswertungshandwerks bieten und ermöglichen eine Qualitätssicherung dadurch, dass der Auswertungsprozess lückenlos dokumentiert und reproduziert werden kann.629 Das Verfahren GABEK® und WinRelan® gibt für die beschriebene Ablaufphase Regeln vor, die softwaretechnisch überprüft werden, vom Coder zu kontrollieren und einzuhalten sind. Die Bedingungen einer sprachlichen Gestalt sind dabei besonders umfangreich, da die Gestalt streng regelgeleitet vom Coder selbst gebildet wird. Die Bestandteile sprachlicher Gestalten sind Textgruppen von drei bis neun Texteinheiten, die über gemeinsame Schlüsselbegriffe miteinander verbunden sind, sich dennoch gewissermassen voneinander unterscheiden.630

Obwohl GABEK® eine hohe Regeldichte aufweist, stellt sich dennoch die Frage, wie zuverlässig die Ergebnisse der Analysen sind. Der Prozess der Gestaltbildung ist in seiner Zuverlässigkeit zu erforschen, denn im Gegensatz zu den anderen Arbeitsschritten wird hier der Coder mit Hilfe der Software WinRelan® und nach fundierten Regeln aktiv und entwickelt die Gestalten, d. h. durch den Eingriff könnten Skeptiker Subjektivität beklagen.631 Im Jahr 1999 wurde eine Studie durchgeführt, die sich mit der Frage beschäftigte, inwiefern verschiedene Coder aufgrund ihrer unterschiedlichen Weltsicht bei der Gestaltbildung632 zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen.633

626

Vgl. Mayring (2000), Art. 20.

627

Vgl. Berger (2010), S. 140.

628

Vgl. Mayring/Hurst (2005), S. 438. “Inter-subjective comprehensibility: […] In WinRelan every step of the data analysis is transparent and therefore it is always possible to have a quick look at the respondents’ statements. An observer can follow all of the researcher’s syntactic and semantic work, as well as review the researcher’s evaluations and coding decisions, at the mere click of the mouse. Thus the process of data reduction is completely comprehensible.” Buber/Kraler (2000), S. 128 ff.

629

Vgl. Böhm (2004), S. 485.

630

Vgl. Zelger (A) (1999), 54.

631

Vgl. De Wet/Pothas (1999), S. 283.

632

Im Rahmen dieser Untersuchung wurden die Begriffe „Gestalten“ und „Gestaltbildung“ im kollektiven Sinne gebraucht und bezeichnen deshalb ebenso Hypergestalten, Hyper-Hypergestalten sowie deren Entstehungsprozess.

V Forschungsmethodisches Vorgehen

117

Demnach wiesen die mit Hilfe von GABEK® entwickelten Gestalten ein hohes Mass an Einheitlichkeit auf und können als zuverlässig betrachtet werden.634 Im Folgenden werden die Regeln für die Bildung sprachlicher Gestalten angeführt:

Formale Vernetzungsregel

Jede Texteinheit muss mehrere Ausdrücke enthalten, die auch in anderen Texteinheiten vorkommen, deshalb gilt: a) Mindestens drei Ausdrücke jeder Einheit müssen mindestens zweimal in der Textgruppe vorkommen. b) Jede Einheit muss durch ihre Knotenausdrücke mit mindestens zwei weiteren Texteinheiten der Textgruppe verbunden sein.

Formale Abgrenzungs- oder Differenzierungsregel

Jede Texteinheit muss sich von jeder weiteren Texteinheit in der Textgruppe hinreichend unterscheiden. Für jedes Paar von Einheiten gilt: a) Die Menge der Schlüsselausdrücke einer Texteinheit darf nicht in der Menge der Schlüsselausdrücke einer anderen Texteinheit derselben Textgruppe enthalten sein. b) Mindestens drei Ausdrücke der Vereinigung der zwei Ausdrucksmengen eines Satzpaares dürfen nicht in deren Schnittmenge liegen.

Regel der maximalen formalen Distanz

Der Weg von einer Texteinheit zu jeder anderen Texteinheit in der Textgruppe darf nicht mehr als zwei Schritte betragen.

Regel der semantischen Demonstrierbarkeit

Für jede formale sprachliche Gestalt muss gefordert werden, dass ebenso ein paradigmatisches Beispiel aufgewiesen werden kann (spezielles Modell in einem Modelliermedium).

Regel der formalen Selektion

Formulierung einer selektiven Repräsentation (Zusammenfassung) durch die mindestens doppelt vorkommenden Schlüsselbegriffe. Die Knotenbegriffe der Textgruppe sind gleichzeitig die Schlüsselbegriffe der Zusammenfassung.

Regel der semantischen Implikation

Semantische Implikation: Sofern alle Einheiten der Textgruppe wahr sind, muss die Zusammenfassung ebenso wahr sein.

633

Das Datenset besteht aus 520 Absätzen und wird von vier Analytikern untersucht (zwei aus Österreich und zwei aus Südafrika). „Das […] Verfahren beruht auf Grundsätzen der Statistik und bietet die Gelegenheit zur Erforschung der Einheitlichkeit und somit der Zuverlässigkeit der mit Hilfe von GABEK erschlossenen Gestalten.“ De Wet/Pothas (1999), S. 295.

634

„Es wurden, trotz der Verschiedenheit der Analytiker und der Stichproben, in den verschiedenen Auswertungen der Analysen keine wesentlichen Anomalien festgestellt […] Der Versuch könnte nun auch an tieferliegenden Elementen des Gestaltenbaumes und am Kausalnetzwerk oder an einem ganz neuen Datenset durchgeführt werden.“ Pothas et al. (1999), S. 303 f.

118

Regel der pragmatischen Anwendbarkeit

V Forschungsmethodisches Vorgehen

Eine sprachliche Gestalt soll wenigstens für eine Person Sinn haben, d. h. es gibt jemanden, der glaubt, dass die Zusammenfassung der Textgruppen als Erklärungs-, Orientierungs- oder Handlungsmuster angewandt werden kann.

Tab. 6: Anforderungen zur Bildung sprachlicher Gestalten635 Der gesamte Aufbau der qualitativen Analyse mit der Methode GABEK® kann als umfassendes Regelwerk verstanden werden.636 Dabei existiert ein sehr begrenzter Ermessensspielraum. Die verbleibende Entscheidungsfreiheit ist vor allem durch die Unterschiedlichkeit der Untersuchungsgegenstände begründet.

Bei der Netzgestaltung ist zu entscheiden, welche Ausschnitte fokussiert werden sollen und wie häufig sich die Verknüpfungen wiederholen sollen, um eine Netzgrafik darzustellen.637 Bei umfangreichen Untersuchungen ist die Verknüpfungsanzahl oftmals mehrfach wiederholt, d. h. die Schlüsselbegriffe repetieren sich erneut in Verknüpfung mit anderen Schlüsselbegriffen bzw. Texteinheiten. Ebenso können Detailuntersuchungen oder selten Erwähntes aus Netzwerkgrafiken mit Einfachverknüpfungen bestehen, d. h. ein Schlüsselbegriff wird mindestens einmal mit einem anderen Schlüsselbegriff ausgesprochen und im Kausalgefüge in Bezug gesetzt. Die Ergebnisdarstellung der vorliegenden Untersuchung beinhaltet Einfach- und Mehrfachverknüpfungen. Wie beim gesamten Verfahren kann auch hier nicht in das vorhandene Datenmaterial eingegriffen werden, d. h. Veränderungen der transkribierten Forschungsgespräche sind unmöglich. Der Coder hat keinen Einfluss auf die inhaltlichen Ergebnisse.

Regeln bestimmen den Ablauf der Inhaltsanalyse und sind im Programm WinRelan® implementiert. Im Zuge der Auswertung dieser Untersuchung wurden alle Regeln ausnahmslos eingehalten und deren Einhaltung mehrmals überprüft. Es ist anzunehmen, dass durch die programmierte Oberfläche weniger Fehlermöglichkeiten vorhanden sind als bei einer nicht-computerunterstützten, händischen Inhaltsanalyse. Automatisierte Kontrollen der Regeln wurden bereits in die Software implementiert und werden im Falle einer Nichteinhaltung unmittelbar angezeigt.

„Zur Regelgeleitetheit der Analyse gehört schließlich das vollständige, zeilenweise, schrittweise Vorgehen nach einem konkreten Ablaufmodell.“638 Das Ablaufmodell der Qualitativen Inhaltsanalyse muss an den jeweiligen Gegenstand und die jeweilige Fragestellung angepasst werden,

635

Vgl. Zelger (2010), S. 136 ff.; Zelger (A) (1999), 54 ff.

636

Weitere Regeln werden durch den gesamten Aufbau des Verfahrens GABEK® beschrieben.

637

Darstellungen durch Einfachverknüpfungen sind komplexer, da jede Beziehung veranschaulicht wird. Mehrfachverknüpfungen zeigen lediglich wiederholte Zusammenhänge. Die Anzahl der Verknüpfungen wird in der vorliegenden Arbeit transparent zur entsprechenden Netzwerkgrafik erläutert.

638

Mayring/Hurst (2005), S. 439.

V Forschungsmethodisches Vorgehen

119

bleibt in den Grundzügen jedoch immer gleich.639 Dabei ist es empfehlenswert, dass das Textmaterial anhand von mehreren Durchläufen nach vorgegebenen Kriterien analysiert wird, damit gewisse Softwarefunktionen des verwendeten Programms WinRelan® vollständig zunutze gemacht werden können. Durch die mehrfache Wiederholung desselben Textmaterials bietet sich gleichzeitig die Möglichkeit, fehlerhafte Codierungen zu entdecken. Das gesamte Datenmaterial der zwölf Interviews wurde nach der Transkription insgesamt vierfach analysiert und geprüft: Bei der Analyse des linguistischen Netzes und der Erstellung der Schlüsselbegriffe, bei der Untersuchung der Bewertungen, bei der Prüfung der Kausalstrukturen und bei der Erstellung des Gestaltenbaumes.

5.1.4

Ziele der QIA

Als Ziel von Inhaltsanalysen wird oftmals die systematische Bearbeitung von Material aus Kommunikationen genannt (ursprünglich vor allem aus den Massenmedien).640 Mit dieser Analyse verfolgt die Wissenschaft das Ziel, Inferenzen auszuführen. Die Inferenz ist kein fester Bestandteil der Inhaltsanalyse, sondern beschreibt lediglich die Interpretation der inhaltsanalytischen Befunde641, d. h. sie ist nicht die Inhaltsanalyse selbst, sondern wird erst durch einen weiteren Arbeitsschritt ermöglicht. „[…] coding in WinRelan has to be performed without any interpretation on the part of the researcher.”642 Für den weiteren Prozess einer Interpretation und für Schlussfolgerungen benötigt es i. d. R. die zu deutenden Ergebnisse der Inhaltsanalyse durch GABEK®. Wie der Begriff „Wirtschaftskriminalität“ wird auch der Ausdruck „Inhaltsanalyse“ unterschiedlich interpretiert und kann zu Fehlschlüssen führen. Durch diese Auslegungsproblematik soll schliesslich nochmals hervorgehoben werden, dass das angewandte Verfahren GABEK® weder eine Interpretation der Daten vornimmt, noch vorgibt.

Grundlegende Aufgabe des Analyseverfahrens ist es, das Textmaterial aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten. Um dieses Vorhaben zu ermöglichen, bietet die Bearbeitung der transkribierten Interviews durch GABEK® und der dazugehörigen Software WinRelan® unterschiedliche Darstellungsformen, die im Rahmen der empirischen Untersuchung Verwendung finden. Folgende fünf Kernelemente der Datenauswertung werden nachfolgend durch deren Teilziele beschrieben:

639

Vgl. Mayring/Hurst (2005), S. 439.

640

Dabei muss das Material nicht wie in der vorliegenden Arbeit ausschliesslich aus Text bestehen, sondern es kann sich auch um musikalisches, bildliches oder plastisches Material handeln. Auf jeden Fall sollte das Kommunikationsmaterial in einer Form festgehalten und protokolliert sein. Vgl. Mayring (2004), S. 468 f.

641

Es existiert eine gewisse Wahrscheinlichkeit der Über- bzw. Fehlinterpretation, deshalb sollte man belegbare Befunde von deren Interpretationen trennen und kennzeichnen.Vgl. Früh (2007), S. 133.

642

Buber/Kraler (2000), S. 117.

120

V Forschungsmethodisches Vorgehen Darstellungsform

Zielbeschreibung

1. „[…] the representation of conceptual structures […].”643

Netzwerkgrafiken stellen Beziehungen zwischen den Texteinheiten dar.644 Die Einheiten der gesamten Datenbasis sollen damit zu einem Ausdrucksnetz verknüpft werden.645 Das Assoziationsnetz kann folglich als Basis sowie Orientierung für die Strukturierung des Inhalts dienlich sein. Netzwerkgrafiken können als Meinungs- und Erfahrungslandkarte betrachtet werden.646

2. „[…] the representation of assessments is the result of extracting and converting positive, negative and ambivalent evaluations contained in the text units […].”647

Durch die in der Phase der Bewertungscodierung bereits beschriebene Unterscheidung der Ist- und Soll-Situation soll auf Problemfelder und Erfolgsgebiete aufmerksam gemacht werden.648 Die Bewertungsliste und die Integration der Bewertungen in Assoziationsnetze können Themen veranschaulichen, die den Tätern zum Befragungszeitpunkt vordringlich erschienen. Erste Hinweise auf mögliche Auslöser der Wirtschaftsstraftat und Präventionsmassnahmen sollen sichtbar werden.649

3. „[…] the representation of causal assumptions in form of complex cause-effect graphs is made possible by formalizing the conjectures contained within the texts […].”650

Vermutete Ursache-Wirkungsbeziehungen werden i. d. R. während Gesprächen zum Ausdruck gebracht und können durch die Kausalcodierung erfasst werden. Kausalaussagen geben häufig komprimierte Erfahrungen über Prozesse wieder.651 Kausalbeziehungen können als Grundlage dienen, damit gezielt entschieden werden kann, wo etwas verändert werden soll, um aus Sicht der Wirtschaftsdelinquenten eine günstige Entwicklung einzuleiten.652 Diesbezüglich soll durch eine der Forschungsfrage entsprechende, selektive Auswahl zentraler Schlüsselbegriffe mehr Transparenz geschaffen werden. Rückkoppelungsstrukturen (sog. „zyklische Beziehungen“) sollen eine verfeinerte Identifikation zentraler Aspekte ermöglichen, deren Veränderung sich vermutlich auf das ganze System auswirkten könnte.653

643

Zelger/Oberprantacher (2002), Art. 27.

644

Wenn mehrere Texteinheiten mindestens einen gemeinsamen Begriff haben, kann ein Assoziationsnetz erstellt werden. Vgl. Zelger (B) (1999), S. 51.

645

Kaum verknüpfte Einheiten bzw. isolierte Sätze sind Aussagen, „[…] die manchmal extravagant sind und gelegentlich Tabus ansprechen oder auf unerkannte Gefahren oder Chancen hinweisen.“ Zelger (A) (1999), S. 53. „According to WITTGENSTEIN, the meaning of a term is given by its use in a language game in a concrete environment. Therefore, the meaning of important terms emerge in the course of discussions can be reconstructed on the basis of all the texts in which the term was used.“ Zelger/Oberprantacher (2002), Art. 27.

646

Das Assoziationsnetz ist oftmals so umfangreich, dass eine Abbildung der gesamten Beziehungen verwirrt und kaum Sinn macht. Deshalb sollten je nach Forschungsfrage bewusst ausgewählte bzw. sich häufig wiederholende Ausschnitte dargestellt werden.

647

Zelger/Oberprantacher (2002), Art. 27.

648

Vgl. Zelger (2008), S. 102 ff.

649

Vgl. Zelger (2000), S. 209.

650

Zelger/Oberprantacher (2002), Art. 27.

V Forschungsmethodisches Vorgehen

4. „[…] the representation of linguistic gestalten. These are meaningful text groups containing 3 to 9 text units which are coherent and fulfill certain syntactic and semantic rules. A gestalten tree gives the hierarchical order of gestalten […].”654

121

Eine hierarchische, weitgehend widerspruchsfreie Ordnung von Zusammenfassungen der Originalaussagen und damit eine Erklärung der Gesamtsituation sowie eine Beantwortung spezieller Fragen soll durch den Gestaltenbaum ermöglicht werden. Während auf höheren Ebenen (Obergruppe und Schwerpunkte) Beschreibungen über das Wesentliche wiedergegeben werden, veranschaulichen die tiefer liegenden Ebenen (Problemfelder und authentische Originaltexte) erklärende Details655:

Obergruppe, übergeordnete Hypergestalt (HH) Schwerpunkte, sprachliche Hypergestalt (H)

Problemfelder, sprachliche Gestalt (G)

Authentische Originaltexte (S)

Abb. 11: Gestaltenbaum in schematischer Darstellung

651

Vgl. Zelger (2000), S. 209.

652

Vgl. Zelger/Fink/Strickner (2008), S. 143 ff.

653

Vgl. Zelger (2008), S. 108 ff.

654

Zelger/Oberprantacher (2002), Art. 27.

655

Vgl. Zelger (2010), S. 136 ff.; Zelger (2008), S. 116 ff.; Buber/Kraler (2000), S. 119 ff.; Zelger (A) (1999), S. 66.

122

5. „[…] the combination of the last three allows a representation of the order of relevance […].”656

V Forschungsmethodisches Vorgehen Die Relevanzanalyse des Verfahrens GABEK® berücksichtigt drei Kriterien: Gewichtung durch den Gestaltenbaum, durch das Bewertungsprofil (Bewertungsanalyse und Bewertungsliste) und durch die Kausalannahmen (Kausalanalyse und Kausalliste): 1.

„Topic A is judged more relevant than topic B if A reaches a higher level in the gestalten tree. The reason for this criterion is that output on higher levels […] are applicable in more cases that output on lower ones […]

2.

Topic A is judged more relevant than topic B, if A is evaluated more often by the respondents as positive (or negative) than B.

3.

Topic A is judged more relevant than topic B, if A is embedded in more causal relations than B, i.e., if A has more effects or causes than B.

A topic that ranks high on all the tree criteria is certainly very important in the minds of the respondents.”657 Durch dieses Analyseverfahren kann eine Relevanzliste erstellt werden. Schlüsselbegriffe gewinnen mit steigender Relevanzzahl an Bedeutung. Dadurch soll eine grundsätzliche Determinierung und Thematisierung besonders bedeutsamer Kernaspekte ermöglicht werden.658 Diese Analyse kann einen essentiellen Teil zur Beantwortung der Forschungsfrage beitragen: „It […] supports the identification and selection of […] basic values, aims, measures and constraints.“659

Tab. 7: Zieldefinitionen der Auswertung durch das Verfahren GABEK® Insgesamt kann hervorgehoben werden, dass die Datenauswertung durch die Qualitative Inhaltsanalyse eine systematische Analyse und Zusammenfassung des transkribierten Materials bezweckt: Die Forschungsfrage kann teilweise durch die regelgeleitete Inhaltsanalyse beantwortet werden, sofern das Datenmaterial nicht isoliert, sondern eingebettet in den Kommunikationszusammenhang betrachtet wird. Deshalb ist den authentischen Originalaussagen der Befragten beim Interpretationsprozess höchste Relevanz zuzuschreiben.

656

Zelger/Oberprantacher (2002), Art. 27.

657

Zelger/Oberprantacher (2002), Art. 27; vgl. Buber/Kraler (2000), S. 124 ff.; Zelger (2000), S. 210.

658

„If we want to know what is particularly important and relevant […], then GABEK supplies unique results […]. From these a relevance list is generated that indicates at a glance which topics are of special interest to the persons concerned.” Zelger/Oberprantacher (2002), Art. 27.

659

Buber/Kraler (2000), S. 124.

V Forschungsmethodisches Vorgehen

5.2

123

Hermeneutische Interpretation: Feinstrukturanalyse

Die Vieldeutigkeit und die komplexe soziale Verankerung der Sprache wirft Probleme auf, die sich aufgrund von Codierungen oder Direktzitaten des transkribierten Interviewmaterials z. B. durch GABEK® manchmal nicht einwandfrei lösen lassen.660 Zusammenfassungen im Rahmen von Gestalten oder von Kausalaussagen vernichten relevante Informationen. Das ist ein wesentlicher Grund, weshalb in dieser Dissertation zusätzlich ein hermeneutisches Auslegungsverfahren angewandt wird. Damit soll auch zur Geltung kommen, dass unterschiedliche Auswertungsmöglichkeiten bestehen, die nicht zwangsläufig dieselben Ergebnisse hervorbringen, d. h. es existiert nicht nur ein „Königsweg“.

Im Zuge von Arbeiten mit der Objektiven bzw. Strukturalen Hermeneutik661 wird generell auf eine Methode des Begründers der Objektiven Hermeneutik, Ulrich Oevermann662, zurückgegriffen.663 An dieser Stelle ist nachdrücklich hervorzuheben, dass es sich bei der Interpretation der einzelnen Sinneinheiten dieser Dissertation um eine Abwandlung der Sequenzanalyse nach Oevermann handelt. Aus Gründen der Verständlichkeit und Vollständigkeit werden einige Elemente der Objektiven Hermeneutik erläutert, obwohl das angewandte Verfahren lediglich abgeleitet und folglich klar abzugrenzen ist.

Zu den Kernelementen der Methodologie der in dieser Dissertation aufgefassten Idee der Objektiven Hermeneutik gehören die latenten Sinn- und objektiven Bedeutungsstrukturen664 von Ausdrucksgestalten sowie deren Rekonstruktion.665 „Genuin interpretativ orientierte Textinterpretati-

660

Vgl. Lueger (2010), S. 153.

661

Das Verfahren der Objektiven Hermeneutik kann in der qualitativen Sozialforschung im deutschsprachigen Raum bereits als verbreitet und reflektiert betrachtet werden. Vgl. Reichertz (1995), S. 226.

662

Oevermann verfasste zudem verschiedene kriminologische Beiträge, welche im Rahmen dieser Arbeit jedoch irrelevant sind. Oevermann et al. schlugen für die Polizeipraxis neue Formen der Protokollierung vor, um eine „textförmige“ Tätertypbestimmung zu ermöglichen, wobei Schumann diese Vorgehensweise, den Ansatz der Objektiven Hermeneutik für die Strafverfolgung dienstbar zu machen, als „problematisch“ beschreibt. Vgl. Schumann (1995), S. 374.

663

Vgl. Oevermann et al. (1976); Oevermann et al. (1979).

664

Der Objektive Hermeneut möchte die ihn interessierenden Strukturen rekonstruieren. In aktuelleren Arbeiten wird zunehmend der Anspruch erhoben, dass mittels dieses Verfahrens objektive Ergebnisse erlangt werden können. Die objektive Rekonstruktion von Strukturen wird als Grenzwert verstanden, welcher durch die unablässige Anwendung kanonischer Vorschriften der Objektiven Hermeneutik zu erreichen sei. Nach Reichertz gilt eine Struktur als rekonstruiert, wenn es gelingt, mindestens eine Phase der Strukturreproduktion vollständig nachzuzeichnen und auszudrücken. Dabei unterscheidet sich der dreidimensionale Strukturbegriff der Objektiven Hermeneutik von vielen klassischen Strukturdefinitionen: Strukturen bauen sich entlang einer Zeitachse auf, können sich reproduzieren (identisch verdoppeln) oder transformieren (neue Gestalt annehmen) und werden durch die in menschliche Subjekte eingelagerte Handlungskompetenz wirksam. Vgl. Reichertz (1995), S. 223 ff.

665

Vgl. Oevermann (2007), S. 21 f.

124

V Forschungsmethodisches Vorgehen

onen sind Kunstlehren, welche auf Erfahrung im Umgang mit Texten aufbauen und keine technische Handhabung formaler Regeln zur Textinterpretation bieten, folglich nicht exakt beschrieben, also operationalisiert werden können.“666 Alle beschriebenen Interpretationsschritte sind als Interpretationsheuristiken zu verstehen, die aus der Praxis heraus entstanden sind.667 Die Interpretationen nach dem Oevermannschen Konzept, welches der Feinstrukturanalyse nach Froschauer und Lueger als Basis dient, sind nicht zu falsifizieren, so Reichertz, da es sich um reproduzierende und transformierende Strukturen handelt: „Der Interpret könne nämlich nicht unterscheiden, ob es sich bei einer im Text neue auftauchenden Struktur um eine Falsifikation der zu überprüfenden Strukturhypothese handelt oder um deren Transformation, was die ursprüngliche Hypothese verifizieren würde.“668

Die für die vorliegende Arbeit leicht modifizierte Form der Feinstrukturanalyse ist ein allgemein gehaltenes, hermeneutisches Basisverfahren, welches, ausgehend von einigen verfahrenstechnischen Hinweisen, eine Anwendung im Sinne einer Kunstlehre der Interpretation anstrebt.669 Dieses auf die Erfassung von Sinngehalten ausgerichtete Verfahren wird dann angewandt, wenn besonders wichtig oder sensibel eingestufte, sehr kleine Textstellen einer genaueren Untersuchung unterzogen werden sollen.670 Dabei handelt es sich um ein Interpretationsverfahren, welches ein sehr starkes analytisches Potential aufweist. Obwohl die Feinstrukturanalyse als anspruchsvoll bezeichnet wird, bietet sie sich besonders gut als Einstieg in hermeneutische Interpretationsverfahren an, da die Besonderheit einer Textauslegung einprägsam vor Augen geführt werden kann und dadurch auch gewisse Qualitätskriterien eingehalten werden können.671 Es ist nicht die Textstelle selbst, die interpretativ so interessant ist, sondern vielmehr die zu latenten Sinngehalten hinführende Spur.672 Damit soll nicht bereits Offensichtliches wiederholt, sondern Neues entdeckt werden. Durch dieses Verfahren könnten innovative Schlüsse ermöglicht werden, da der analytische Hintergrund bei der Feinstrukturanalyse besonders tief ist.673

666

Lueger (2010), S. 186. Reichertz kritisiert, dass die sog. Kunstlehre allenfalls durch möglichst jahrelange Interpretationspraxis zu erlernen sei und das, wenn bestenfalls möglich, mit dem „Meister“ selbst, d. h. mit Oevermann. Vgl. Reichertz (1995), S. 223 ff.

667

Vgl. Lueger (2010), S. 198 f.

668

Vgl. Reichertz (1995), S. 227.

669

Vgl. Lueger (2010), S. 189.

670

Vgl. Froschauer/Lueger (2003), S. 109.

671

Vgl. Froschauer/Lueger (2003), S. 112; Froschauer/Lueger (2009), S. 154.

672

Vgl. Lueger (2010), S. 188.

673

Das Interpretationsverfahren der Themenanalyse ist weniger anspruchsvoll als die Feinstrukturanalyse oder die Systemanalyse und dient vorrangig dazu, einen Überblick über Themen zu verschaffen, diese in ihren Kernaussagen zusammenzufassen und den Kontext ihres Auftretens zu erkunden. Die Themenanalyse empfiehlt sich als Ergänzung, mit der Möglichkeit, systematisch grössere Textmengen zu bearbeiten. Durch das Verfahren der Systemanalyse können zwar vollständige Gespräche interpretiert werden, doch geht die Feinstruktur des Textes analytisch verloren. Vgl. Froschauer/Lueger (2003), S. 111 ff.; Froschauer/Lueger (2009), S. 155; Lueger (2010), S. 186 f.

V Forschungsmethodisches Vorgehen

125

Bei der Durchführung der Feinstrukturanalyse wird eine Schwäche bemerkbar: Die auf Annahmen aufbauende Interpretationen sind besonders zeitaufwendig, deshalb wird das Verfahren oftmals als „unökonomisch“ bezeichnet. Die Feinstrukturanalyse verspricht keine Schnellerkenntnisse. Froschauer und Lueger bezeichnen dieses Analyseverfahren als ausserordentlich aufwendig und raten gleichwohl von einer raschen Gangart ab, da damit die Vielfalt der Interpretationsmöglichkeiten nicht mehr gewährleistet sei: „Die Grundregel ist, daß eine erhöhte Interpretationsgeschwindigkeit die Interpretationsqualität senkt.“674 An dieser Stelle lassen sich die zahlreichen Varianten der objektiv-hermeneutischen Textinterpretationsverfahren auf einen gemeinsamen Nenner bringen:675 Erstens ist durch ausreichend Zeit jeglicher Handlungsdruck bei der Analyse aufzulösen. Zweitens ist sicherzustellen, dass keine neurotische bzw. ideologische Verblendungen der Textproduzenten vorhanden sind, und drittens ist die Kompetenz der Interpreten als eine zwingende Voraussetzung zu betrachten (d. h. Kinder sind i. d. R. auszuschliessen).

Die Feinstrukturanalyse scheint im Hinblick auf den untersuchten Gegenstand besonders geeignet, da es in der vorliegenden Arbeit u. a. darum geht, Auffälligkeiten der latenten Bedeutungen zu identifizieren und mit den manifesten Analyseergebnissen zu vergleichen.676 Durch die extensive Sinnauslegung wird der Bedeutungshorizont erkundet.677 Dieses Verfahren stellt eine Ergänzung zur Auswertung mit dem bereits beschriebenen Verfahren GABEK® dar, denn dadurch können einzelne, stark verknüpfte und sich in der gesamten Datenbasis wiederholende Gesprächsausschnitte, also besonders markante Stellen, schnell ausfindig gemacht werden, bevor sie den Textproduzenten zur interpretativen Bearbeitung übergeben werden. Es bieten sich u. a. genau diese Textpassagen besonders an, da sie die Spezifität eines Ereignisses in den Vordergrund stellen.678

5.2.1

Aufbau der Interpretationen

Eine klare Abgrenzung der nachfolgend beschriebenen Interpretationskategorien ist nach Froschauer und Lueger nicht möglich, wobei aus diesen Zuordnungsunsicherheiten i. d. R. keine Interpretationsprobleme resultieren.679 Obwohl sich keine expliziten Vorschriften der Feinstrukturanalyse festlegen lassen, können folgende Kategorien, an welchen sich der Autor dieser Arbeit und die Interpretationsgruppen bei der Bearbeitung der festgelegten Sinneinheiten680 orientiert haben, in verdichteter Form beschrieben werden:681

674

Froschauer/Lueger (2003), S. 113 f.; vgl. Lueger (2010), S. 187.

675

Laut Reichertz ist die Variantenvielfalt der Objektiven Hermeneutik dadurch gerechtfertigt, da die objektivhermeneutische Sinnauslegung eine Kunstlehre sei. Vgl. Reichertz (1995), S. 225 f.

676

Vgl. Kapitel I, Punkt 5 Grundannahmen und Forschungsfragen.

677

Vgl. Lueger (2010), S. 188.

678

Vgl. Froschauer/Lueger (2003), S. 113; Lueger (2010), S. 191.

679

Vgl. Forschauer/Lueger (2003), S. 119.

680

Der Begriff „Sinneinheiten“ wird beim hermeneutischen Verfahren der Feinstrukturanalyse nach Froschauer und Lueger als kleinste Textsequenz verstanden. Das Verfahren GABEK® verwendet denselben Begriff, allerdings in einem anderen, grösseren Zusammenhang: Eine Sinneinheit ist ein Textabschnitt bzw. eine Text-

126

V Forschungsmethodisches Vorgehen 1. Paraphrasen (alltagsweltliche Bedeutung): Der unmittelbar zugängliche, manifeste Textgehalt, unabhängig von kontextuell möglichen Bedeutungszuschreibungen, ist durch das vordergründige Verständnis normal Sprachkompetenter als Eintrittsphase herauszuheben. 2. Intentionen und Funktionen (subjektiver Sinn): Dieser Interpretationsschritt fordert ein Hineindenken in die interviewte Person, um die virtuelle Intentionalität heuristisch zu berücksichtigen und herauszufiltern, was das Subjekt mit der Aussage möglicherweise erreichen möchte. Diese heuristische Orientierung ergibt sich bei der Überlegung wahrscheinlicher Varianten, worauf die interviewte Person unter den besonderen Bedingungen hinaus will, was sie bei anderen mit dem Gesagten erreichen möchte oder wie sie selbst die Situation deuten würde. Dabei ist zu beachten, dass nicht die tatsächlichen Intentionen ermittelt werden, sondern lediglich hypothetisch realisierte Mitteilungen unterstellter Situationen. 3. Latente Bedeutungen (objektiver Sinn): Durch diesen zentralen Schritt der Interpretation soll die Textsequenz aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden, um neue, bisher möglicherweise verschleierte oder nicht direkt erkenntliche Deutungsmöglichkeiten zu entdecken. Dabei steht die Frage im Vordergrund, welche latenten Momente der Sinneinheit zugrunde liegen und welche objektiven Konsequenzen sich ergeben könnten. Das gedankenexperimentelle Durchspielen verschiedener Situationen, welche die Aussage in einen plausiblen Sinnkontext stellen könnte, wird erforderlich. 4. Rollenverteilungen: Über die latenten Bedeutungen hinaus ist die genauere Betrachtung der möglicherweise implizit enthaltenen Rollenstruktur einer Aussage relevant. An dieser Stelle ist zu hinterfragen, wer mit einer Aussage gemeint sein könnte, welche Erwartungen gestellt werden und welche Zuschreibungen bzw. Abgrenzungen dabei eine Rolle spielen. Dabei ist die Interviewerrolle ebenfalls zu berücksichtigen. 5. Anschlussoptionen und Prüfkriterien: Erwartungen an den weiteren Redeverlauf unter der Bedingung der Geltung einer spezifischen Interpretation sind bei der Herausarbeitung der Prüfannahmen im Rahmen der Anschlussoption zentral. Dabei werden Fragen gestellt und bzw. oder Kriterien definiert, die in den folgenden Textausschnitten für oder gegen eine bestimmte Auslegung sprechen. Bei jedem Interpretationsschritt der einzelnen Sinneinheiten soll eine kritische Reflexion erfolgen und kontrolliert werden, was die Interpretationen für die bisherigen Annahmen bedeuten und welche Ergänzungen oder Modifikationen daraus resultieren.

einheit mit drei bis neun Schlüsselbegriffen. Daraus lässt sich deduzieren, dass eine Textsequenz im Umfang von vier bis acht Zeilen der Feinstrukturanalyse i. d. R. einer Sinneinheit bzw. Texteinheit des Verfahrens GABEK® entspricht. Vgl. Kapitel V, Punkt 5.1.2 Aufbau der QIA. 681

Vgl. Forschauer/Lueger (2003), S. 115 ff.; Lueger (2010), S. 192 ff.

V Forschungsmethodisches Vorgehen

127

Nach der Interpretation der Sinneinheit und den bereits erfolgten kritischen Reflexionen nach jeder kleinsten Texteinheit, ist es günstig, eine Gesamtreflexionsphase einzulegen. Nach Abschluss der letzten Sinneinheit werden in einem zusammenfassenden Schritt wahrscheinliche Bedeutungen der gesamten Textsequenz selektiert, d. h. die in den Zwischenzusammenfassungen getroffenen Annahmen werden geprüft, reformuliert, korrigiert und ergänzt.682 Sofern die Interpretationen durch die Gruppe einigermassen stabil bleiben, können sie als vorläufig abgeschlossen betrachtet werden.683 Dabei ist folgendes zu beachten: „Sinnvoll ist, nicht nur wahrscheinlich zutreffende Annahmen zu formulieren, sondern sich auch über wahrscheinlich nicht zutreffende Interpretationsalternativen zu verständigen.“684 Die nachfolgende Tabelle verdeutlicht den Interpretationsprozess der Feinstrukturanalyse:

1. Paraphrase

Welche Bedeutung verbindet man im Alltag mit der Aussage?

2. Intention, Funktion

3. Latente Bedeutung Welcher Kontext könnte zu dieser Aussage geführt haben?

Was will die sprechende Person mitteilen?

Welche Handlungs- und Denkmuster stecken dahinter?

Was will sie damit erreichen?

4. Rollenverteilung Welche Akteure könnten in der Aussage gemeint sein? Welche Rollen spielen sie?

Hilfen:

5. Anschlussoption, Prüfung Was bedeutet das für die bisherigen Interpretationen? Was folgt daraus? Unter welchen Bedingungen würden die verschiedenen Annahmen akzeptiert werden bzw. was würde sie widerlegen?

Wortbetonung, Generalisierungen und Sprachauffälligkeiten

Manifester Gehalt:

Warum wurde ein Text genau in dieser Form produziert?

Tab. 8: Auswertungsschema der Feinstrukturanalyse nach Froschauer und Lueger685 Durch dieses Interpretationsverfahren werden lediglich kleinere Textpassagen im Umfang von vier bis acht Zeilen bearbeitet. Zur Methode der Abtrennung einzelner Sinneinheiten lassen sich keine allgemein gültigen Regeln angeben.686 Es ist zwar generell möglich, eine zufällige Textstichprobe zu ziehen und anschliessend zu interpretieren, dennoch sollten schliesslich Sequenzen bewusst ausgewählt werden, deren Positionierung im Gesprächsverlauf eine möglichst starke

682

Vgl. Froschauer/Lueger (2003), S. 121.

683

Vgl. Böhm (2004), S. 484; Glaser/Strauss (1999), S. 61.

684

Froschauer/Lueger (2003), S. 120.

685

Vgl. Forschauer/Lueger (2003), S. 115 ff.; Lueger (2010), S. 195.

686

Vgl. Lueger (2010), S. 191 f.

128

V Forschungsmethodisches Vorgehen

Strukturierung durch die befragten Personen erwarten lässt.687 Im Rahmen dieser Arbeit wurden zwei bewusst ausgewählte, „gerade noch Sinn ergebende“ Textsequenzen des zweiten befragten und rechtskräftig verurteilten Wirtschaftsdelinquenten (BWD 2) herangezogen und mehreren Auswertungsgruppen vorgelegt.688 Die Abfolge wurde stets befolgt, d. h. die Sequentialität bzw. Reihenfolge im Gesprächszusammenhang, dass frühere Sinneinheiten vor späteren zu analysieren sind, wurde eingehalten.

Da es sich um sensibles Datenmaterial handelt und den interviewten Personen bereits vor den Befragungen zugesichert wurde, dass die Aufnahmen lediglich vom Autor der vorliegenden Dissertation bearbeitet werden, wurde zur Sicherheit direkt beim Wirtschaftsstraftäter um Erlaubnis angefragt, damit dieses Vorhaben später keine rechtlichen Probleme aufwirft. Durch eine schriftliche Zustimmung gab die befragte Person diese beiden Textstellen frei, die zuvor vom Autor ausgewählt wurden, damit eine Interpretation rechtlich konform ermöglicht werden konnte.

5.2.2

Qualitätssicherung der Interpretationen

Die Feinstrukturanalyse baut auf hypothetischen Annahmen auf689, deshalb bedarf es elaborierter Verfahren und formaler Kriterien, um die Ergebnisqualität möglichst hoch zu halten:690

687

ƒ

personelle Trennung der Erhebung und Interpretation, damit potentielle Eigeninteressen ausgeschlossen werden können,

ƒ

die Ausdeutung sollte in einer Gruppe mit mindestens zwei und maximal vier Personen erfolgen, um einseitige Sichtweisen zu vermeiden und vielfältige Meinungen verfügbar zu machen,

ƒ

günstig ist eine gemischte Zusammensetzung, d. h. eine Analysegruppe mit Teilnehmern aus verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen und mit unterschiedlichen Vorerfahrungen, um die sog. Betriebsblindheit zu reduzieren,

ƒ

die Textproduzenten sollten sich wechselseitig akzeptieren, um Konflikte zu verhindern,

ƒ

die Absenz von jedwedem Zeitdruck, da jede Textinterpretation einen technischen und einen kreativen Moment in sich birgt,

ƒ

die Interpretation soll möglichst schrittweise und chronologisch durchgeführt werden, um Reflexionsphasen einzuschalten und um den Aufbau der Erzähllogik zu verstehen691,

Es soll nicht Ziel sein, möglichst viele Textstellen zu interpretieren. Vgl. Froschauer/Lueger (2003), S. 112; Lueger (2010), S. 189.

688

Vgl. Lueger (2010), S. 192.

689

Es wird argumentiert, dass die Erhebung nichtstandardisierter Daten und deren objektiv-hermeneutische Auslegung gültige Ergebnisse garantieren würde, wobei sich die Gültigkeit der Analyse vor allem aus der richtigen Anwendung der hermeneutischen Kunstlehre ableitet. Vgl. Reichertz (1995), S. 226.

690

Diese Qualitätskriterien orientieren sich an Froschauer/Lueger (2003), S. 104 ff.; Froschauer/ Lueger (2009), S. 151 ff.; Lueger (2010), S. 183 f.

V Forschungsmethodisches Vorgehen

129

ƒ

es ist darauf zu achten, dass auf keinen Fall vorausgelesen wird, weil damit der Blick auf die Feinheiten durch die manifesten Argumentationslinien verstellt würde,

ƒ

das Textmaterial wird für die Analyse systematisch dekonstruiert bzw. zerstückelt, damit es möglich wird, ohne grosses Vorwissen an die Analyse heranzugehen,

ƒ

die Auslegung des Textmaterials sollte extensiv erfolgen, d. h. nach möglichst vielen Lesearten zu suchen, um den Möglichkeitsspielraum einer Interpretation auszuschöpfen692,

ƒ

es sollte immer von der Normalität des Falles ausgegangen werden, d. h. die Interpretation sollte nicht mit Irrationalitäten und Regelabweichungen begründet und Anomalien berücksichtigt werden,

ƒ

das Textmaterial muss exakt transkribiert sein,

ƒ

sinnvoll wäre eine Rollenteilung in der Interpretationsgruppe,

ƒ

der permanente Zweifel an der Tragfähigkeit der Interpretation,

ƒ

wenn möglich, wäre es sinnvoll, die ausgewählten Textanalysen von mindestens zwei Interpretationsgruppen durchführen zu lassen.

Mit Ausnahme der zwei folgenden Modifizierungen wurden alle bereits beschriebenen formalen Anforderungen einer Feinstrukturanalyse nach Froschauer und Lueger bei der Interpretation ausgewählter Textstellen eingehalten: 1. Erstens beteiligte sich der Autor bzw. Interviewer dieser Arbeit an den Interpretationsgruppen. Er übernahm dabei jedoch lediglich die Rolle des Beobachters und hinterfragte einzelne Interpretationen kritisch, um vorschnelle Schlüsse zu vermeiden. Zudem wurde darauf geachtet, dass durch ihn nicht zu viel Einfluss ausgeübt wurde. Das für das Interpretationsverfahren notwendige Wissen wurde vom ihm in das Team eingebracht, wobei eine textproduzierende Person bereits Vorkenntnisse mit der verwandten Technik der Objektiven Hermeneutik vorweisen konnte, welches den Interpretationen zugute kam und auch keinen Qualitätsanforderungen widerspricht. Kein Textproduzent verfügte über Wissen zum Interviewmaterial bzw. Spezialwissen zum Thema der Wirtschaftskriminalität. Derartige Vorkenntnisse sind aus Gründen der Qualitätssicherung zu vermeiden, „denn je feiner und tiefgreifender die Analyse, desto anfälliger ist sie für inhaltliches Vorwissen oder Vorannahmen über den Text oder den Fall.“693 An diesen Interpretationen beteiligten sich zwei Kleingruppen mit jeweils drei Personen. Die überschaubaren Teams bestanden

691

Die Wortwahl und ihre genaue Anordnung enthält mehr Bedeutungshinweise, als eine rein lexikalisch orientierte Analyse offerieren würde. Vgl. Froschauer/Lueger(2003), S. 111.

692

Eine Interpretation darf nicht als Zusammenfassung eines Inhalts oder als lexikalische Bedeutungsanalyse konzipiert werden, sondern nur als extensive Sinnauslegung. Vgl. Lueger (2010), S. 188.

693

Froschauer/Lueger (2003), 112.

130

V Forschungsmethodisches Vorgehen jeweils aus einem kritischen Beobachter und zwei Textproduzenten. Dabei haben insgesamt vier mehrstündige Sitzungen mit den Kleingruppen stattgefunden.694 2. Zweitens wurde die Anforderung der Gruppengrösse deutlich ausgedehnt: An einer von insgesamt drei Interpretationsgruppen bzw. an einer fünften Sitzung nahmen 20 Teilnehmende der Assessment-Stufe an der Universität St. Gallen (HSG) teil.695 Damit bezweckte der Verfasser eine breitere Abdeckung möglicher Bedeutungen. Ziel war es, möglichst vielfältige Sichtweisen zu den transkribierten Textsequenzen zu erhalten. Die Studierenden orientierten sich dabei an den Fragen des Auswertungsschemas der Feinstrukturanalyse nach Froschauer und Lueger.696 Dabei erhielten sie zu Beginn die erste Sinneinheit der Textsequenz, bevor sie in einem zweiten Durchlauf die darauffolgende Sinneinheit bearbeiteten. Auf diese Art und Weise konnten die Textproduzenten die insgesamt fünf Sinneinheiten Schritt für Schritt interpretieren. Da diese Interpretation zeitlich begrenzt und die Gruppe dafür sehr gross war, erlaubte eine solche Vorgehensweise keine ausführlichen Diskussionen bzw. Dialoge zwischen den Teilnehmenden. Aus diesen Gründen wurden die gewonnenen Interpretationen anschliessend in einem kleineren Rahmen innerhalb der beider Interpretationsgruppen besprochen. Damit sichergestellt werden konnte, dass die Auslegungen der Studierenden keinen Einfluss auf die Ergebnisse der deutlich kleineren Gruppen haben würden, erfolgte eine Auseinandersetzung erst nach der Produktion der eigenen Interpretationen der Kleingruppen. So konnten diese zuerst ihre Auslegungsvarianten diskutieren, bevor sie die fremden Interpretationen bearbeiteten. An dieser Stelle soll noch angemerkt sein, dass die Interpretationsklasse aus organisatorischen Gründen lediglich die erste Textsequenz mit der Bezeichnung „Kontrolle“ bearbeitete.

Um das Spektrum denkbarer Auslegungen der Textstellen möglichst weit zu öffnen und alternative Interpretationen zu erschliessen, wurden mit Hinzurechnung der Interpretationsklasse insgesamt fünf Sitzungen vorgenommen. Das den Interpretationsgruppen zur Verfügung gestellte Textmaterial wurde exakt transkribiert, d. h. unter Berücksichtigung der Pausenlängen, Unverständlichkeiten, nonverbalen Äusserungen und Betonungen. Dennoch kann damit lediglich ein selektiver Ausschnitt der tatsächlich vollzogenen Kommunikation vorliegen.697 Die Feinstrukturanalyse ist als eine Kunstlehre zu verstehen, die eine abduktive Forschungslogik impliziert und als nach neuer Ordnung fordernd bzw. als „hypothesengenerierend“698 bezeichnet werden kann.699

694

Zu folgenden Terminen haben die Arbeitstreffen stattgefunden: Am 28.10.2010 und 20.11.2010 in der Schweiz (St. Gallen) sowie am 31.10.2010 und 12.12.2010 in Österreich (Innsbruck).

695

Diese Interpretation fand im Rahmen der Veranstaltung: „Formen und Methoden des wissenschaftlichen Arbeitens und Lernens“ am 15. Oktober 2010 an der Universität St. Gallen statt. Lehrinhalt dieser Übung war u. a. die Hermeneutik.

696

Vgl. Kapitel V, Punkt 5.2.1 Aufbau der Interpretationen, Tab. 8: Auswertungsschema der Feinstrukturanalyse nach Froschauer und Lueger.

697

Vgl. Lueger (2010), S. 184 f.

698

Die vorliegende Dissertation bevorzugt den Terminus „Annahme“.

V Forschungsmethodisches Vorgehen

5.2.3

131

Ziele der Interpretationen

Im Vorfeld der Interpretationen wurden zwei zu bearbeitende Textausschnitte nach bestimmten Merkmalen selektiert. Damit die im Zuge der Dissertation durchgeführten Interpretationen die definierten Ziele erreichen, werden Gesprächssequenzen bearbeitet, die stark im transkribierten Interviewmaterial verankert sind bzw. stark miteinander verknüpft sind. Diese Textsequenzen sind Knotenbegriffe, die eine hohe Anzahl von Beziehungen zu anderen Sequenzen aufweisen und einen inhaltlichen Trend repräsentieren.

Die drei Ziele des hermeneutischen Verfahrens sind nachfolgend aufgeführt: 1. Der Leser soll sich der Vieldeutigkeit transkribierter Sinneinheiten bewusst werden sowie die „zwischen den Zeilen“ versteckten, latenten Bedeutungen erkennen und dadurch einzelne Textsequenzen besser verstehen können. 2. Durch die Schaffung von mehr Transparenz aufgrund der unterschiedlichen Interpretationen sollen neue Schlüsse möglich und Ansatzmöglichkeiten zur Umsetzung präventiver Massnahmen erkennbar werden. 3. Die Ergebnisse des Auswertungsverfahrens GABEK® sollen durch die der Feinstrukturanalyse kontrastiert und gestärkt werden et vice versa.700

Die Analyse der (Re-)Konstruktion der (Re-)Produktionsmechanismen eines sozialen Zusammenhanges ist nicht Ziel der vorliegenden Arbeit: In diesem Zusammenhang wird häufig von der sozialen Konstruktion von Wirklichkeit berichtet.701

5.3

Ergebnisvergleich beider Auswertungsverfahren

Die Ergebnisse der Inhaltsanalyse durch GABEK® werden letztlich den Erkenntnissen der hermeneutischen Interpretation gegenübergestellt. Dadurch sollen die miteinander vergleichbaren Ergebnisse hervorgehoben werden. Beide Verfahren wurden völlig getrennt und unabhängig von-

699

Es lässt sich nicht leugnen, dass die Hermeneutik mit der Konzeption des sozialwissenschaftlichen Erkenntnis- und Forschungsprozesses der „Grounded Theory“ verwandt ist, zumindest was das induktive Vorgehen betrifft. Der Charakter einer Kunstlehre erschwert die Erlernbarkeit und stellt an Forscher besondere Ansprüche hinsichtlich ihrer Kreativität. Vgl. Böhm (2004), S. 484.

700

Es obliegt dem Ermessen des Forschenden, die anzuwendenden Methoden und Techniken zu bestimmen. „Nachdem die Fragestellung gewählt ist, muß der Forscher darüber befinden, welche Methoden und Techniken er anwenden will. Diese Entscheidung präjudiziert das Forschungsergebnis.“ Riklin (1987), S. 23.

701

Ein solcher Anspruch scheint astronomisch: Um dieses Ziel zu erreichen wird empfohlen, mehrere Textausschnitte in die Analyse aufzunehmen. Möglicherweise wäre es durch eine Verkoppelung mit einem anderen Analyseverfahren (z. B. der Systemanalyse) besser zu erreichen. Die Durchführung einer Systemanalyse würde dann jedoch den Rahmen der Arbeit sprengen. Vgl. Forschauer/Lueger (2003), S. 120; Lueger (2010), S. 196.

132

V Forschungsmethodisches Vorgehen

einander erarbeitet. Die Inhaltsanalyse wurde vom Verfasser dieser Dissertation durchgeführt. Die Interpretationen der Feinstrukturanalyse wurden dagegen von mehreren Textproduzenten ohne ergebnisbeeinflussende Einwirkung des Verfassers erarbeitet. In diesem Kontext berichtet die Sozialwissenschaft von der Forschungsstrategie der sog. Methoden- und Forschertriangulation: Unterschiedliche Auswertungsmethoden gleichen die Schwächen der einen Vorgehensweise durch die Stärken der anderen aus und verschiedene Personen analysieren das Datenmaterial, um „[…] die subjektive Verzerrung durch den Einzelnen auszugleichen.“702 Aufgrund der geringen Anzahl der Interviews (für eine qualitative Untersuchung jedoch völlig ausreichend) ist es durch die Zusammenführung möglich eine höhere Plausibilität der Forschungsergebnisse zu erlangen, d. h. die Glaubwürdigkeit der Resultate wird durch die Triangulation gestärkt.703

An dieser Stelle sei angemerkt, dass jeder Wissenschaftler zu gewissen Werturteilen gezwungen ist, wie z. B. zur Auswahl der Forschungsmethoden und -techniken.704 Es wird davon ausgegangen, dass die Forschungsergebnisse damit in gewisser Weise präjudiziert werden. Obwohl die Hermeneutik eine „Objektivität“ beansprucht, soll und kann in diesem Zusammenhang nicht die „objektive Wahrheit“ gefordert werden. Ziel des forschungsmethodischen Vorgehens ist vielmehr eine Annäherung an eine „Wahrheit“, die wir nach dem Radikalen Konstruktivismus lediglich so weit verstehen können, wie sie von uns konstruiert ist. Obwohl durch die Triangulation der Anspruch erhoben wird, dass eine grössere Personengruppe zu denselben Schlüssen gelangen kann, scheint es an dieser Stelle jedoch kaum Sinn zu machen von einer „ontologischen Wirklichkeit“ zu berichten.

6

Zusammenfassung von Kapitel V

Die Forschungsfragen bilden das grundlegende Fundament für den Aufbau der Dissertation. Das forschungsmethodische Vorgehen kann als ein Instrument bezeichnet werden, welches zu zielund forschungsfragenkonformen Aussagen führt. Obwohl ebenso quantitative Aspekte erfasst werden, dominiert in dieser Arbeit der qualitative Forschungsansatz. Damit sich die Forschenden ihrer Handlungen bewusst sind und nicht intuitiv handeln, muss insbesondere die qualitative Forschung über die dafür notwendige methodische Härte verfügen.

Die nachfolgende Übersicht fasst die relevanten Inhalte in den vorstehenden Abschnitten dieses Kapitels zusammen:

702

Flick (B) (1995), S. 432.

703

Vgl. Creswell/Miller (2000), S. 126 f.; Blaikie (1991), S. 116 f.; Denzin (1977), S. 297 ff.

704

Vgl. Riklin (1987), S. 23 f.

V Forschungsmethodisches Vorgehen

133

Zugang zum Forschungsfeld: Strenger Datenschutz erschwert die Suche nach geeigneten Kandidaten. Der Interviewer verfolgt deshalb mehrere Strategien, um Kontakte zu generieren. Angefragt wird bei Staatsanwaltschaften, Untersuchungsämtern, Justizministerien, Rechtsanwaltskanzleien, Gerichten, Beratungsunternehmen und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Erhebungsverfahren: Nach einer ersten Kontaktaufnahme melden sich die Respondenten freiwillig. Teilstrukturierte Leitfadengespräche werden unter vier Augen durchgeführt. Bemerkenswert ist die unerwartet offene Haltung der insgesamt 13 Delinquenten. Bei den Befragten handelt es sich um (ehemalige) Geschäftsführer, CEOs, Accountants aus oberen Führungsebenen und Aufsichtsorgane, deren Fälle häufig eine offizielle Deliktsumme von vielen Millionen Schweizer Franken oder Euro aufweisen. Aufbereitungsverfahren: Die zwölf auf Tonband aufgenommenen Gespräche werden in hochdeutscher Sprache transkribiert. Auswertungsverfahren 1: Computergestützte und Qualitative Inhaltsanalyse durch GABEK®/WinRelan® (Zelger) ƒ

Informationsverlust durch zusammenfassen und analysieren (sich schliessendes Verfahren)

Auswertungsverfahren 2: Hermeneutische Interpretation durch die Feinstrukturanalyse (Froschauer/Lueger) ƒ

Informationsgenerierung durch interpretieren (sich öffnendes Verfahren)

Aufbau: Der Autor identifiziert die Texteinheiten und erstellt nach mehreren Codier- und Gestaltbildungsprozessen Netzwerkgrafiken, Kausalbeziehungen, Gestalten und eine Bewertungs- und Relevanzliste.

Aufbau: Verschiedene Gruppen interpretieren anhand des Auswertungsschemas (Paraphrase, Intention/Funktion, latente Bedeutung, Rollenverteilung, Anschlussoption/Prüfkriterien) zwei markante Textsequenzen.

Qualitätssicherung: Wie der Aufbau und die Ziele richten sich die Qualitätskriterien regelgeleitet nach Zelger.

Qualitätssicherung: Wie der Aufbau und die Ziele orientieren sich die Qualitätskriterien nach Froschauer/Lueger.

Hauptziel: Die Forschungsgespräche sollen analysiert werden, um herauszufinden, wie dolose Handlungen vermieden werden könnten.

Hauptziel: Das „zwischen den Zeilen Versteckte“ soll die Ergebnisse der Inhaltsanalyse stärken und zum besseren Verständnis beitragen.

Zusammenführung beider Auswertungsmethoden: Die miteinander vergleichbaren Ergebnisse der beiden völlig getrennt voneinander stattgefundenen Auswertungsverfahren werden hervorgehoben. Durch die Methoden- und Forschertriangulation soll eine höhere Validität der Forschungserkenntnisse erzielt werden.

Tab. 9: Zusammenfassung des forschungsmethodischen Vorgehens

134

VI

VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

Dieses Kapitel beschreibt die sprachliche Deutung705 von zwölf rechtskräftig verurteilten Tätern zum Thema der Prävention.706 Es handelt sich um eine reine Täterperspektive, d. h. die Sichtweise der Welt einer bestimmten Personengruppe. Expertenmeinungen aus den Bereichen der internen oder externen Revision, Compliance oder aus anderen Berufsgruppen differieren möglicherweise in einigen Themenpunkten. In diesem Kapitel ebenfalls unberücksichtigt bleiben all jene konformen und erfolgreichen Manager, die möglicherweise eine andere Sichtweise vertreten. Diese sind jedoch nicht Gegenstand der Forschungsarbeit.

Es wurde bei der Auswertung durch das inhaltsanalytische Verfahren GABEK® darauf geachtet, dass die Originalsprache der Respondenten beibehalten wird. Der transkribierte und analysierte Interviewtext entspricht daher nicht der Diktion bzw. Formulierung des theoretischen Teils der vorliegenden Arbeit. Das inhomogene sprachliche Gesamtbild der Arbeit ist eine Konsequenz, die die Authentizität der Ergebnisdarstellung belegt. In diesem Teil der Dissertation wird unmittelbar mit der empirischen Datenbasis und infolgedessen mit den Begrifflichkeiten der rechtskräftig verurteilten Respondenten gearbeitet.707 Die Interpretationen der Inhaltsanalyse sind an den entsprechenden Stellen dieser Arbeit gekennzeichnet. Die Inhaltsanalyse dieser Dissertation beschränkt sich auf systematische Segmentierung, Neuordnung, Fokussierung, Selektion und Zusammenfassung bestimmter Textteile und versucht die qualitative Forschung ein Stück weit zu quantifizieren.708

Die Untersuchung unterscheidet die Wirtschaftsdelinquenten weder nach ihrem Land (Schweiz oder Österreich), noch nach ihrer Position im Unternehmen. Durch die Vielschichtigkeit und Komplexität jedes einzelnen Falles, die daraus gezogenen Schlussfolgerungen für wirksame Prävention und die geringe Anzahl der geführten Interviews ist eine getrennte Betrachtung nach Ländern, Funktionen oder auch Geschlecht der Befragten nicht zielführend. Als ein weiterer Grund kann die geringe Anzahl der geführten Interviews genannt werden. In diesem Zusammenhang scheint es wesentlich mehr Sinn zu machen, die transkribierten und ausgewerteten Interviews als

705

„Für wissenschaftliche wie für alltägliche Konstruktionen gilt: sie resultieren nicht aus einem Abdruck, den die Außenwelt zurückgelassen hat, sie spiegeln die ‚Welt dort draußen’ auch nicht wieder, sondern diese Konstruktionen sind das Ergebnis einer kollektiven Deutungstätigkeit, welche entlang bestimmter (und variabler) Relevanzen voranschreitet.“ Reichertz (1999), S. 319.

706

An dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass der Untersuchungsgegenstand lediglich Gesagtes der verurteilten Wirtschaftsstraftäter einschliesst, nicht aber Gedachtes.

707

Themenspezifische Interpretationen des Verfassers oder der Interpretationsgruppen werden vom gesprochenen und transkribierten Interviewmaterial getrennt und klar gekennzeichnet.

708

Vgl. Kapitel V, Punkt 5.1.2 Aufbau der QIA.

A. Schuchter, Perspektiven verurteilter Wirtschaftsstraftäter, DOI 10.1007/978-3-8349-3606-6_6, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2012

VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

135

eine Einheit darzustellen. Zudem ist es dem Forschenden rechtlich untersagt, personenbezogene Unterscheidungen anzustellen.709

1

Ebenen des Gestaltenbaumes

Der Gestaltenbaum ist eine hierarchisch strukturierte Ordnung von Zusammenfassungen der transkribierten Antworten der Befragten.710 Diese komprimierte Darstellungsform ermöglicht einen Überblick über grosse Mengen verbaler Daten und legt die Struktur des verarbeiteten Interviewmaterials offen. Zelger und Oberprantacher halten Folgendes fest: „On the highest level of the gestalten tree […], the most important results of the investigation are summarized in short texts.“711 Der Autor der vorliegenden Arbeit möchte diese Aussage relativieren: Die höchste Stufe im Gestaltenbaum (in dieser Untersuchung stellt die Obergruppe der übergeordneten Hypergestalten bzw. Hyper-Hypergestalten die höchste und letzte Zusammenfassungsebene dar) stellt ohne Zweifel Wichtiges dar, denn nur wenn zahlreiche gemeinsame Erfahrungen der Respondenten preisgegeben werden, gelangen Inhalte in diese Ebene. Der Verfasser bezweifelt, dass es sich um das Wesentlichste handelt, denn Tabuthemen könnten besonders relevant sein und das letzte Level des Gestaltenbaumes dennoch kaum erreichen. Tabus werden i. d. R. selten angesprochen und scheinen deshalb nicht in der Klasse der ersten Zusammenfassungen (sprachlichen Gestaltenebene) auf. Anstatt „most important results“ scheint „important results“ im genannten Zitat angemessener.

Die Kausalliste im Anhang712 veranschaulicht die Gestaltebene in Form der bereits erwähnten Abkürzungen „G“ (sprachliche Gestalt oder erste Zusammenfassung, sog. „Problemfelder“), „H“ (sprachliche Hypergestalt oder Zusammenfassung der Zusammenfassungen, sog. „Schwerpunkte“) und „HH“ (Hyper-Hypergestalt, übergeordnete Hypergestalt oder Spitze und Zusammenfassung der Zusammenfassungen der Zusammenfassungen, sog. „Obergruppe“) nach den Relevanzzahlen der jeweiligen Schlüsselausdrücke.713 Ebenfalls im Anhang befinden sich die sprachlichen Gestalten, welche sich durch die ersten, streng regelgeleiteten Zusammenfassungen der Originalaussagen ergeben.714

Mit der Darstellung des Gestaltenbaumes, insbesondere in den oberen Ebenen, wird deutlich, dass enorm viel Datenmaterial ausgesiebt wurde. Denn Zusammenfassungen vernichten Informationen. Zudem scheiden nicht mit den Entwicklungsanforderungen kompatible sprachliche Gestalten ein-

709

Vgl. Kapitel V, Punkt 3.3 Befragung und Befragte.

710

Vgl. Kapitel V, Punkt 5.1.2 Aufbau der QIA; Kapitel V, Punkt 5.1.4 Ziele der QIA.

711

Zelger/Oberprantacher (2002), Art. 27.

712

Vgl. Anhang, Teil G: Kausalliste.

713

Vgl. Kapitel V, Punkt 5.1.2 Aufbau der QIA; Kapitel V, Punkt 5.1.4 Ziele der QIA.

714

Vgl. Anhang, Teil F: Gestalten.

136

VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

fach aus dem Zusammenfassungsprozess aus. Diese Bildungsregel wird in Abb. 12 anhand der desintegrierten Hypergestalten „Auslöser“, „Tatsachenkontrolle“ und „Geld“ sichtbar. Dennoch wird auf den als wichtig erachteten Gestaltenbaum eingegangen, da die Struktur der in den Befragungen angesprochenen Themenfelder ersichtlich wird und Wichtiges offengelegt werden kann. Die durch den Verdichtungsprozess systematisch angeordneten Aussagen der Respondenten ermöglichen eine hierarchisch gegliederte Übersicht.

Nachfolgende Abbildung veranschaulicht den Gestaltenbaum der empirischen Untersuchung dieser Arbeit.715 Auf der linken Seite befinden sich die beiden Hyper-Hypergestalten in rechteckigen Feldern mit abgerundeten Ecken. Die Ebenen sind über Pfeile miteinander verbunden, die von einer höheren aus zu den darunter liegenden Ebenen verlaufen. Dabei wird ersichtlich, aus welchen Gestalten sich die darüber liegende zusammensetzt. Die beiden übergeordneten Hypergestalten dieser Dissertation bestehen aus drei sprachlichen Hypergestalten in ovalen Feldern, diese setzen sich wiederum aus mehreren Gestalten in rechteckigen Feldern zusammen.

Die Benennung einer Gestalt ergibt sich aus den zwei in den zugrunde liegenden Gesprächssequenzen am häufigsten erwähnten Schlüsselbegriffen, welche mit einem kaufmännischen UndZeichen verbunden sind, wie die nachstehende Grafik des Gestaltenbaumes veranschaulicht. Dasselbe Prinzip gilt auch für die darüber liegenden Ebenen, wobei lediglich ein sich repetierender Ausdruck innerhalb der Gestalt bzw. Hypergestalt als Name verwendet wird. Mehrfach vorkommende Gestaltenbezeichnungen wurden mit einer Nummerierung versehen, um Redundanzen zu verhindern. Diese Zahlen erfüllen ausschliesslich den Zweck einer Differenzierungsmöglichkeit.

Der Detaillierungsgrad der Resultate bzw. des Inhalts einer Gestalt auf der ersten Stufe ist noch relativ hoch. Aus Gründen der Anonymität und Diskretion ist es dem Untersuchenden untersagt, die mit den aufgenommenen Forschungsgesprächen übereinstimmenden Abschriften in einem Stück anzugeben. Der mit den Originaltexten höchst mögliche Authentizitätsgrad bieten die Gestalten dieser Arbeit (mit Ausnahme einzelner, direkt in die Arbeit integrierter Einzelaussagen).

715

Insgesamt besteht der Gestaltenbaum aus zwei übergeordneten Hypergestalten, acht sprachlichen Hypergestalten und 45 Gestalten.

VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

137

P rävent ion&Personal Auslöser&Macht Prävent ionsmassnahmen2

Prävent ion&int erneCompliance P rävent ion&Kont rolle2 Prävent ion&Einzelunt erschrift Cont rolling&Kont rolle P rävent ion&int erneRegeln

Prävent ionsmassnahmen4

Verant wort ung&Vorfall Prävent ion&Schlüsselposit ion

P rävent ion1

Gier&Kont rolle P rävention&abblockenIdeen Prävent ion&abschreckend Prävent ion&Führungskräft e P rävention&Geschäft sleit ung Prävent ionsmassnahmen1

P rävent ion&St ichproben P rävent ion&Kont rolle3 P rävent ion&Spezialist Prävent ion&Kont rolle P rävent ion&Aufsicht P rävent ion&abklären Prävent ion&abklären2

P rävent ion2

Prävent ionsmassnahmen3

P rävent ion&Anreiz Prävent ion&T ransparenz Vert rauen&Geschäft spart ner

Vert rauen

Ext erneOmbudsst elle&Überzeugung P rävention&ext erneRevision Dunkelziffer&unverändert Anreiz&Auslöser

Auslöser

Druck&Auslöser Druck&Vorgeset zt e

T at sachenkont rolle

Kont rolle&unverändert T at sachenkont rolle&umgehen

Geld

Anreiz&Geld Sankt ionsdrohung&unbewusst Mobbing&Druck Konflikt &angespannt esVerhält nis T at &akzept ieren Prävent ion&unt erlassenGeschäft Hoffnung&korrigieren Mobbing&kündigen P rävent ion&Kont rolle4 P rävent ion&Kont rolle5 Prävent ion&Geld Ext erneRevision&Vorfall Unverändert &wiederholend

Abb. 12: Gestaltenbaum (gesamte Datenbasis)

138

1.1

VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

Obergruppen: Übergeordnete Hypergestalt

Im folgenden Abschnitt werden die beiden Hyper-Hypergestalten (kurz „HH“), die die höchste Hierarchieebene der inhaltlichen Zusammenfassungen dieser Untersuchung bilden, erklärt. Das streng regelgeleitete Basismaterial wird soweit komprimiert, dass diese letzte Ebene der Zusammenfassungen das Datenmaterial nur mehr sehr allgemein beschreibt. Die regelgeleitet erstellten, übergeordneten Hypergestalten „Prävention1“ und „Prävention2“ verkörpern die oberste Stufe der Zusammenfassungen, wie in der Abbildung des Gestaltenbaumes veranschaulicht. Wie bereits erwähnt, wird bei der Erstellung aller Gestalten eine möglichst unkomplizierte und direkte Beschreibung mit denselben Schlüsselbegriffen des zugrunde liegenden Textes gefordert. Dabei sind die zu komprimierenden Aussagen präzise und verständlich auf den Punkt zu bringen. Die Erfüllung dieser Kriterien fordert seinen sprachlichen Tribut, insbesondere bei höheren Gestaltebenen, wie nachfolgend dargestellt wird:

„Prävention1“ „Es gibt sehr viele unterschiedliche Auslöser für derartige Vorfälle. Achtsamkeit von Führungskräften, Geschäftsleitung und Aufsichtsorganen sowie Kontrolle zählen zu den wichtigsten Präventionsmassnahmen.“ „Prävention2“ „Bessere Kontrollen, insbesondere durch eine externe Revision, sind die tragende Säule von Präventionsmassnahmen. Mehr staatliche Regulierung ist wünschenswert. Die Verantwortung der Aufsichtsorgane muss ernster genommen werden. Um derartige Vorfälle zu vermeiden, sind Sanktionsdrohungen und auch Vertrauen wenig wirksam.“

Tab. 10: Hyper-Hypergestalten (Obergruppe) Die übergeordnete Hypergestalt „Prävention1“ in der obenstehenden Tabelle hebt unterschiedliche Beweggründe für Wirtschaftsstraftaten hervor. Auf die Frage, welche Auslöser nun hauptverantwortlich für eine Wirtschaftsstraftat sind, kann auf dieser komprimierten Stufe des Gestaltenbaumes noch keine Antwort gegeben werden. Eine Ebene tiefer findet sich eine präzisere Aussage, wie im nachfolgenden Teil der Hypergestalten beschrieben.

Eine Nennung der detektiven „Kontrolle“ als Präventionsmassnahme in beiden HyperHypergestalten erscheint auf den ersten Augenblick besonders frappant. Auf diesem Verdichtungslevel könnte lediglich vermutet werden, dass die aufdeckende Handlung eine für die Befragten i. d. R. abschreckende Wirkung aufweist. Ein im weiteren Verlauf dieser Arbeit stattfindender Untersuchungsprozess ermöglicht die präzisere Erklärung des Schlüsselthemas der Kontrolle aus der Sicht der Respondenten. Grundsätzlich ist anzumerken, dass die Kontrolle durch ihren Doppelauftritt in den übergeordneten Hypergestalten („Prävention1“ und „Prävention2“) eine für die befragten Wirtschaftsstraftäter wesentliche Präventionsmassnahme repräsentiert. Genauere Erkenntnisse liefert eine nähere Betrachtung der sprachlichen Hypergestalten-Ebene.

VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

1.2

139

Schwerpunkte: Sprachliche Hypergestalt

Die beiden im vorigen Unterkapitel beschriebenen Hyper-Hypergestalten setzen sich aus folgenden fünf sprachlichen Hypergestalten (kurz „H“) zusammen:

„Präventionsmassnahmen2“ „Wirksame Präventionsmassnahmen sind vor allem verschärfte, unnachgiebige, objektive und verantwortliche Kontrollen. Dolose Transaktionen fliegen dadurch sehr früh auf. Unternehmenseigene Strukturen müssen hinterfragt werden. Mehr Teamarbeit könnte bestimmte Auslöser verhindern.“ „Präventionsmassnahmen4“

„Präventionsmassnahmen1“

„Prävention1“

„Wenn interne Regeln genau eingehalten werden, sind Präventionsmassnahmen wirksamer. Durch Achtsamkeit und strenge Kontrollen sind derartige Vorfälle vermeidbar. Wir stiessen mit unseren Vorschlägen auf zu wenig Akzeptanz, das war ein weiterer Auslöser.“

„Prävention2“

„Die Kontrolle könnte im Rahmen der externen Revision durch einen dafür ausgebildeten Spezialisten ausgeführt werden. Besondere Achtsamkeit und Sensibilisierung der Führungskräfte und der Geschäftsleitung sind empfehlenswert, um solche Vorfälle zu verhindern, denn Vertrauen ist nicht ausreichend. Die Rolle der Aufsichtsorgane ist wesentlich. Eine staatliche Regulierung bezüglich Prävention ist wünschenswert und Sanktionsdrohungen werden als wenig hilfreich betrachtet.“ „Präventionsmassnahmen3“ „Besseres Abklären von legalen und unternehmensinternen Toleranzgrenzen kann als eine Präventionsmassnahme betrachtet werden. Eine Sanktionsdrohung hätte nur mässig Wirkung. Neben der Schaffung von mehr Transparenz und besseren Kontrollen sollte der Kompetenz von Aufsichtsorganen mehr Bedeutung zugeschrieben werden. Mehr staatliche Regulierung wäre wünschenswert.“ „Vertrauen“ „Vertrauen ist manchmal nicht angebracht – es wird einfach missbraucht. Eine wirksame Präventionsmassnahme wäre das Hinterfragen von Auffälligkeiten, insbesondere von der externen Revision. An eine externe Ombudsstelle hätte ich mich nicht gewendet, da mir lange nicht bewusst war, dass ich in einen solchen Vorfall verwickelt bin.“

Tab. 11: Sprachlich integrierte Hypergestalten (Schwerpunkte) Durch die obenstehende Tabelle zeichnet sich bereits ein deutlich klareres Bild der Prävention aus der Tätersicht ab. Nachfolgend wird auf die aus dem Zusammenfassungsprozess ausgeschlossenen bzw. desintegrierten Hypergestalten eingegangen:716

716

Das streng regelgeleitete Vorgehen bei der Gestaltenwicklung verbietet eine Integration in die Obergruppe bzw. eine gesonderte Zusammenfassung der Schwerpunkte.

140

VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

„Auslöser“ „Neben Druck sind Anreiz und Gelegenheit relevante Auslöser. Geld und das Meistern besonderer Herausforderungen sind ein Anreiz.“ „Tatsachenkontrolle“ „Wirksam kann die Kontrolle als Präventionsmassnahme nur dann sein, wenn Tatsachen und nicht lediglich Papiere oder Zahlen kontrolliert werden. Hierbei handelt es sich um ein unverändertes Defizit. Kontrollstellen sind meist unwirksam, was solche Vorfälle begünstigen. Vorgesetzte sollten auch gute Erträge hinterfragen.“ „Geld“ „Beim Anreiz geht es um Geld, ob eigenwirtschaftlich oder nicht. Sanktionsdrohungen sind nicht zwangsläufig wirksam, vor allem wenn einer Person nicht bewusst ist, dass sie verwickelt ist.“

Tab. 12: Sprachlich desintegrierte Hypergestalten (Schwerpunkte) Innerhalb der höchsten Stufe der übergeordneten Hypergestalten wird bereits von „Auslösern“ berichtet, aufgrund des stark verdichteten Charakters wird jedoch nicht näher darauf eingegangen. Es ergibt sich eine beinahe musterhafte Darlegung einiger der bereits im theoretischen Teil dieser Arbeit beschriebenen Elemente des „Fraud Triangle“.717 Im Interviewleitfaden wurde zwar explizit danach gefragt, doch hat sich der Untersuchende streng an den Regeln der Gestaltbildung orientiert. Er hatte keine Einflussmöglichkeiten auf die Begriffshierarchie des Gestaltenbaumes. Wäre von den Befragten nicht viel zu den verursachenden Schlüsselthemen berichtet worden, würden die Komponenten des Strategischen Dreiecks nicht in diese Hierarchiestufe reichen. Darum ist es bemerkenswert, dass sich diese Dreiecks-Komponenten – mit Ausnahme der „Rationalisierung“ – auf demselben hierarchischen Level innerhalb einer Hypergestalt wiederfinden. Nachfolgend angeführt werden die fünf Gestalten der darunter liegenden Ebene, aus welcher sich die sprachliche Hypergestalt „Auslöser“ zusammensetzt.

1.3

Problemfelder: Sprachliche Gestalt

Diese Ebene befindet sich wesentlich näher am transkribierten Material der authentischen Originaltexte als die zuvor erwähnten übergeordneten Gestalten. Nachfolgend wird auf einen thematischen Ausschnitt des Gestaltenbaumes eingegangen, damit die Vorgehensmethode und somit die Betrachtungsweise verständlich wird.

717

Vgl. Kapitel IV, Punkt 1 „Fraud Triangle“ und „Fraud Diamond“.

VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

141

Prävention&interneCompliance Dunkelziffer&unverändert Anreiz&Auslöser Druck&Auslöser

Auslöser

Druck&Vorgeset zte

Abb. 13: Hervorgehobener thematischer Ast „Auslöser“ Jedes der fünf Problemfelder (kurz „G“) besteht aus vier bis acht Einheiten der authentischen Originaltexte:718

„Prävention&interneCompliance“ „Neben der externen Revision spielen auch die interne Compliance und die interne Revision eine wichtige Rolle bei Präventionsmassnahmen. Wären Arbeitsabläufe systematisch kontrolliert worden und vorbeugende Massnahmen wirksam gewesen, hätte ich das nicht umgehen können und die erste Transaktion wäre in einer Kontrolle aufgeflogen. Neben der Herausforderung durch zu wenig ertragreiche Kunden bestand ein besonderer Anreiz darin, ob ich es schaffe oder nicht und auch das Geld ist ein Auslöser. Das Unternehmen hat dadurch dann Kunden verloren.“ „Dunkelziffer&unverändert“ „Die gegebene Gelegenheit und der Druck sind relevante und bis heute weitgehend unveränderte Auslöser solcher Vorfälle. Nicht zu unterschätzen ist die Dunkelziffer, durch welche weitgehende Reputationsschäden vermieden werden.“ „Anreiz&Auslöser“ „Als Auslöser kann man sagen, dass das Geld ein Anreiz ist, dann die Gelegenheit und die Gier. Durch die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse gerät man in dieses schwer zu entkommende Fahrwasser.“ „Druck&Auslöser“ „Enormer Druck und Ansprüche von aussen sind relevante Auslöser. Obwohl keine persönliche Bereicherung beabsichtigt war, existiert der Anreiz Geld, und die Herausforderung, ob man es schafft oder nicht.“ „Druck&Vorgesetzte“ „Es ging um Zahlen und Zielerreichung unter hohem Druck, hier ist ein wesentlicher Auslöser zu finden. Die Vorgesetzten waren zufrieden, da ich die „Cash Cow“ war.“

Tab. 13: Sprachliche Gestalten der Hypergestalt „Auslöser“ Das regelgeleitete Verfahren GABEK® fasst zwar wichtige Aspekte verursachender Faktoren der verurteilten Wirtschaftsstraftäter im Gestaltenbaum knapp zusammen, doch lassen die Gestalten 718

Der Vollständigkeit halber sind diese fünf innerhalb der 45 Gestalten im Anhang vorzufinden. Vgl. Anhang, Teil F: Gestalten.

142

VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

Fragen der Bedeutung von Relevanz, Bewertung und Wirkung der auslösenden Gründe offen. Die zusammengefassten Aussagen in der obenstehenden Tabelle müssen deshalb als Kurzversionen betrachtet werden. Nachfolgende Inhaltsanalysen gehen diesbezüglich detaillierter auf die Delinquentenbefragungen ein.

2

Assoziationen zwischen Schlüsselausdrücken

Eine Redundanzprüfung der gesprochenen Worte mit der Arbeit durch GABEK® entpuppte sich vereinzelt als Gratwanderung. Die Schlüsselausdrücke „Kontrollstruktur“, „Kontrolle“, „Tatsachen_kontrollieren“ oder „IKS“ wurden separat codiert, obwohl argumentiert werden könnte, dass es sich dabei um ein und dasselbe Thema handle. Aus einer anderen Perspektive könnte ebenso eingewendet werden, dass ein verfeinerter Detailierungsgrad der „Kontrolle“, in z. B. unabhängige Kontrolle, laufende oder gezielte Kontrolle, sinnvoll wäre. Bei diesem Balanceakt der besonderen Fälle verfolgte der Coder und Verfasser dieser Forschungsarbeit folgende Strategie: Der Toleranzbereich einer Zusammenführung häufiger vorkommender und bedeutender Schlüsselbegriffe war geringer, d. h. ähnliche und selten angesprochene Themen wurden eher zusammengefasst.

Eine Darstellung des Ausdrucks- bzw. Assoziationsnetzes kann bei grösseren Datenmengen sehr schnell komplex und unübersichtlich werden, deshalb ist die grafische Darstellung oftmals wenig zielführend. Diese Darstellungsproblematik wird durch den Begriff „Präventionsmassnahme“ und seine vielen Verknüpfungen719 folgendermassen verbildlicht:

719

Eine Verknüpfung im Assoziationsnetz zwischen zwei Ausdrücken bedeutet, dass diese gemeinsam vorkommen und zusammen genannt wurden, d. h. das Netz stellt diese Assoziationen dar. Vgl. Kapitel 5.1.2 Aufbau der QIA und Kapitel 5.1.4 Ziele der QIA. Insgesamt sind 10'505 Verbindungen im transkribierten Datenmaterial zwischen den Texteinheiten nachzuweisen.

VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

143

abblocken_Ideen abhalten Wissen Strukturen_hinterf ragenabspeisen WirkungZeit_verstreichen_lassen abschreckend w iederholend Wertschöpf ung Achtsamkeit Investitionsbereitschaft Ahnung_keine Weisungen_einhalten Änderungsvorschlag Informationsmangel Anreiz Vorgesetzter Arbeitsablauf Vorfälle_eliminieren Arbeitsablauf_erklären_lassen ausreizen_voll Ärger voreilig Auff älligkeiten_hinterf ragen Voraussetzung Auff liegen Vollständigkeit Aufklärung Vollmacht Auf sichtsbehörde Vier-Augen-Prinzip Auf sichtsorgan Verw eis Aufw and Verurteilung Aufw and_w eniger Vertrauen

Auslöser

Verhältnis_angespannt

Vorfall

Verantw ortung

bekannt_Leute

unverändert

belastend

Untersuchungsrichter

belegbar

Untersuchungshaft

Bew illigung

Unternehmensstruktur

Beziehung_persönliche_mit_ext_Rev

Unternehmen_neutral_extern

Beziehungen_private_gehen_kapputt

unbew usst

Bonussystem_linear

umgehen

branchenspezifisch

Überw achung

Buchhaltertyp_überkorrekt

überraschend

Compliance_intern

Transparenz_schaf fen

Computersystem

Transaktion

Consultant_extern

Toleranz

Controller_unabhängiger

Theorie_ist_nicht_Praxis

Controlling

Theorie

Controlling_intern

teilhaben_am_Erfolg

Dritter_neutraler

Teil_der_Lösung

Druck

Teamarbeit

Einzelunterschrift

Tatsachen_kontrollieren

Entlohnung_gerechte

Tatsachen

Ersatzorganisation

abklären

Ersatzplan

Stichproben

Ertrag

Stellvertreter_gleichw ertiger

existenzbedrohend

Stelle_intern

Fall_herbeiziehen_Exempel

Spezialw issen_über_Jahre_aufbauen

Fehler

Präventionsmassnahme

Spezialist_f remder

Finanzchef

Spezialist_ausgebildeter

Finanztransaktionen_anschauen

Sonderprüf ung

Gef ängnis

Situation_hinterfragen

Geld

Sicherheit

Geschäf t_unterlassen

Sensibilisierung

Geschäftsleitung

Sechs-Augen-Prinzip

Geschäf tsleitungskompetenz

Geschäftsleitungskompetenz_fordern

Schw achpunkte_analysieren_eingehen

Schulung_Kader

Geschäftspartner_anschauen

Schulung

Gew issen_rein

Schulden

Gier

schützen

GL_auseinandersetzen_auch_privat

Schnittstellen_saubere

Grenzen

Schlüsselposition_höher_gew ichten

grössenspezif isch

Schlüsselposition

Gutgläubigkeit

Schaden_grösser_als_PrävKo

IKS

Schaden_finanziell

Image

Schaden

Vorgesetzter_Kompetenz

Sanktionsdrohung

Inkompetenz

Sachverständiger_unabhängiger

Innere_Stimme_keine

Risiko

Interessenskonf likt

Revision_interne

Weisungen_zeitverzögert

Revision_externe_job_rotation

job_rotation

Revision_externe

kommunizieren_offener

Revision_ext_Verantw ortung_übernehm

Kompetenz_fachliche

Revision_ext_Aufgaben_w ahrnehmen

Kompetenzbeschränkung

Reputationsschaden

Konflikt

Relationsverlust Regulierung_staatlich Regelw erk_fehlt Regelw erk Regeln_selbst_gemacht Regel_interne Rechtsberatung reagieren_f rüh Projektrealisierung profilieren_selbst Prioritäten_richtige Praxis Planungsinstrument Leck Personalmangel Löcher_stopfen Personal Lohn_zu_w enig Papier_ist_geduldig Lösung_ohne_Behörde Ombudsstelle_extern Macht oberflächlich_alles_bestens neben_sich_stehen Konsequenz Mitarbeiterideen_eingehen

nachzuw eisen_schw er

Laien

Konsequenzen_bew usst_w erden Konto_eigenes Kontrolle Kontrolle_exzess Kontrollstelle Kontrollstruktur Konzentration_in_einer_Hand Kosten_Nutzen_Relation Kostenstruktur_intensive Kunde

Abb. 14: Assoziationsgrafik zur „Präventionsmassnahme“ ohne Querverbindungen Beim Ausdruck „Präventionsmassnahme“ handelt es sich zwar um das meistgenannte Schlüsselwort des gesamten Datenmaterials, dennoch existieren weitere 425 Schlüsselausdrücke und tausende Querverbindungen. In Anbetracht dieser Komplexität scheint eine softwaretechnische Unterstützung durch den Computer zielführend.720 Das Begriffsnetz kann lediglich virtuell gespeichert werden, stellt aber ein äusserst bedeutsames Instrument dar. Das vom Coder durch die Ausdruckscodierung erarbeitete und bereits erwähnte semantische Indexierungssystem kann mit Hilfe von WinRelan® vorerst durch eine Liste mit allen in der Befragung vorkommenden Ausdrücken, die objektsprachlich codiert wurden, elaboriert werden. Das Begriffsverzeichnis der vorliegenden Untersuchung wurde in die Kausalliste integriert.721

Häufig genannte Schlüsselausdrücke könnten beginnende Hinweise auf die Relevanz der Aspekte im gesamten Datenmaterial andeuten. Vorab können so erste Schwerpunktthemen identifiziert

720

Vgl. Zelger (A) (1999), 52 f.

721

Vgl. Anhang, Teil G: Kausalliste. In der Spalte „Anzahl der Nennungen“ befinden sich die Summen der jeweiligen Begriffsaufführungen, welche in den Zeilen dem entsprechenden Schlüsselausdruck selbst zugeordnet sind.

144

VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

werden.722 Das Thema „Kontrolle“ wurde besonders oft angeführt (55 Nennungen). Deshalb und in Anbetracht dessen, dass diese detektive Massnahme in beiden Hyper-Hypergestalten eingeht, liegt der Verdacht nahe, dass „Kontrolle“ für die Respondenten bedeutsam ist. Ebenso spielt der Tatauslöser „Druck“ (30 Nennungen) eine besondere Rolle, denn dieser Begriff übersteigt die anderen Voraussetzungen des „Fraud Triangle“ in der Anzahl der wiederholten Äusserungen. Mit etwas Abstand erscheinen die beiden Komponenten „Geld“ (23 Nennungen) und „Anreiz“ (20 Nennungen) für die Befragten als essentiell. Dabei könnte der „externen Revision“ (20 Nennungen) eine besondere Bedeutung zugesprochen werden. Nicht zuletzt wird das Thema „Vertrauen“ (19 Nennungen) häufig thematisiert.

Für den Autor überraschend ist der starke Zusammenhang von „Präventionsmassnahme“ und „Kontrolle“ mit 32 gemeinsamen Nennungen. Diese beiden Begriffe werden besonders oft zusammen verwendet, wie in Abb. 15 dargestellt. Ebenfalls auffällig ist die enge Verknüpfung des „Auslösers“ einer Wirtschaftsstraftat mit dem vorhandenen „Druck“ mit zwölf gemeinsamen Nennungen. Es handelt sich dabei um die zweitstärkste Verknüpfung im Rahmen der Assoziationen. Die nachfolgende Netzwerkgrafik veranschaulicht die Beziehungen und deren Stärke durch die Anzahl der miteinander wiedergegebenen, am häufigsten genannten Schlüsselthemen.

Revision_externe Geld

5 Vorfall

8 6 Präventionsmassnahme

Auslöser 5

32 5

Kontrolle

8

6

4

5 8

Anreiz

8 4

12 Druck

4 Vertrauen

Abb. 15: Assoziationsgrafik meistgenannter Schlüsselbegriffe mit Querverbindungen Die Mindestanzahl der gemeinsamen Texteinheiten in der obenstehenden Abbildung beträgt vier, d. h. alle miteinander verbundenen Begriffe werden in mindestens vier Texteinheiten gemeinsam genannt. Netzwerkgrafiken schaffen eine grundsätzliche Übersicht und stellen Weichen für weitere Untersuchungen. Auffälligkeiten und überraschende Zusammenhänge werden im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit hinterfragt und durch Originalaussagen gestützt. Ebenso werden fehlende Verknüpfungen bzw. nicht den Erwartungen entsprechende Ergebnisse diskutiert. Dabei

722

Folgende zunächst „inhaltsleere“ Begriffe werden vorerst ausgeklammert: „Präventionsmassnahme“, „Vorfall“ (die Wirtschaftsstraftat selbst) und „Auslöser“ einer Tat.

VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

145

werden die dem Respondenten gestellten Fragen durch den Interviewleitfaden entsprechende Berücksichtigung finden.

3

Bewertete Themen

Die durch den zweiten Codierungsprozess723 identifizierten Evaluierungen werden von den Respondenten oftmals intuitiv genannt. Positiv und negativ wertende Urteile sind in alltäglichen Konversationen und auch in Forschungsgesprächen vorzufinden. Bei der Textanalyse werden ausschliesslich eindeutig bewertete Zustände, Merkmale oder Situationen beschrieben. Eine Codierung resultiert lediglich, wenn die Identifikation der Bewertung der befragten Person durch den Coder eindeutig erfolgen kann.

3.1

Bewertung der Ist- und Soll-Situation

Die vergangenheits- und gegenwartsbezogene Ist-Situation724 ist von der hypothetischen SollSituation zu trennen. Der Interviewleitfaden wurde so konzipiert, dass der letzte Teil genügend Raum für Verbesserungsvorschläge, Wünsche und andere hypothetische Gedanken lässt.725 Somit war es den Respondenten möglich, ihre diesbezüglichen Gedanken zum Ausdruck zu bringen, welche vom Coder in die Soll-Situation integriert wurden. Im gesamten Datenmaterial gibt es eine Vielzahl an wertenden Aussagen, wie durch die Bewertungslisten im Anhang zum Ausdruck gebracht wird.726 Von 425 bewerten die Interviewten in der Ist-Situation 194 und in der SollSituation 166 Schlüsselbegriffe. Insgesamt werden 712 wertende Aussagen identifiziert, wobei der Grossteil davon negativ ist.727 Folgender Evaluierungsindex über die Gesamtsituation, wie sie von den Tätern beurteilt wird, vergleicht die Ist- mit der Soll-Situation:

723

Vgl. Kapitel V, Punkt 5.1.2 Aufbau der QIA.

724

Alle nicht-hypothetisch angesprochenen Sachverhalte der Vergangenheit oder Gegenwart werden in dieser empirischen Untersuchung als „Ist-Situation“ gekennzeichnet.

725

Vgl. Anhang, Teil D: Interviewleitfaden.

726

Vgl. Anhang, Teil H: Bewertungsliste der Ist-Situation; Anhang, Teil I: Bewertungsliste der Soll-Situation.

727

In der Ist-Situation werden 339 und in der Soll-Situation 373 Bewertungen identifiziert.

146

VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

21%

Ist-Situation

73%

6% Neutral Negativ Positiv

23%

Soll-Situation

0%

21%

20%

56%

40%

60%

80%

100%

Abb. 16: Gesamtbewertung des Ist- und Soll-Zustandes Gegenüber der überwiegend negativen Ist-Situation befindet sich die deutlich positivere SollSituation. Es lässt sich vom Verfasser ableiten, dass die im Rahmen der empirischen Untersuchung befragten Wirtschaftsdelinquenten die nicht- bzw. vorhandenen Präventionsmassnahmen als durchaus verbesserungswürdig beurteilen. Die in Abb. 16 dargestellte neutrale Bewertung ergibt sich dann, wenn der Täter den Ausdruck als wichtig bezeichnet und dabei die Frage der Bewertung offen lässt. Folgende Textsequenz veranschaulicht eine neutrale Beurteilung: „Das ist eine Selbsterfahrung, die wesentlich ist. Das ist ein Teil meines Lebens gewesen.“728

3.2

Bewertung relevanter Schlüsselausdrücke

Wenn die für die Respondenten empfundene Relevanz ausgeblendet wird, bleiben Bewertungen ungeordnet und deshalb wenig aussagekräftig: Die als mit Nachdruck verbesserungswürdig empfundenen Schlüsselvariablen könnten folglich nicht hervorgehoben werden. Die Relevanzliste klärt die Frage, wie wichtig bestimmte Faktoren von den Befragten in der jeweiligen Interviewsituation wahrgenommen werden. Wie z. B. auch bei Fragebogenauswertungen ist es deshalb erforderlich, die Wichtigkeit der Schlüsselthemen mit der entsprechenden Bewertung zu kombinieren. Das nachfolgende Koordinatensystem präsentiert die grössten Differenzen zwischen Ist- (durchgehende Linie und normaler Schriftstil) und Soll-Situation (gestrichelte Linie und kursiver Schriftstil) der jeweiligen Schlüsselausdrücke. Die Relevanzzahl liegt auf der Ordinatenachse. Je höher diese Wert, desto wichtiger wird er von den Respondenten empfunden. Die Abszissenachse zeigt die Bewertungen, wobei der rechte der positive und der linke der negative Bereich darstellt. Die nachstehende Abb. 17 beinhaltet alle Schlüsselausdrücke mit den höchsten Relevanzzahlen von 12 bis 79.

728

BWD 6 (2010).

VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

147

80 Präventionsmassnahmen (20,79)

Präventionsmassnahmen (0,79)

70

60

Kontrolle (-10,60)

Kontrolle (17,60)

Relevanzzahl

50

40

30 Druck (-16,29)

Druck (1,29)

Vertrauen (-1,23)

Vertrauen (-7,23)

Vorfall (0,23)

Vorfall (-1,23) 20

Revision_externe (5,19)

Revision_externe (-6,19)

Tatsachen_kontrollieren (4,18) Sanktionsdrohung (-2,16)

Tatsachen_kontrollieren (-7,18) Sanktionsdrohung (-3,16)

Auslöser (0,15)

Auslöser (0,15)

Ombudsstelle_extern (-1,13)

Ombudsstelle_extern (-10,13)

IKS (7,12) IKS (1,12) 10

-21

-18

-15

-12

-9

-6

-3

0

3

Bewertung

Abb. 17: Evaluierungsprofil der obersten Relevanzzahlen

6

9

12

IST

15

18

SOLL

21

148

VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

Die Kernvariable „Präventionsmassnahme“ nimmt mit der höchsten Relevanzzahl den ersten Rang ein. Da es sich um ein Hauptthema der Befragung handelt, ist diese Rangfolge wenig verwunderlich. Obwohl die Ist-Situation weder positiv noch negativ bewertet wird, erreicht die hypothetisch beurteilte Situation den Höchstwert im Plusbereich. Daraus lässt sich schliessen, dass aus der Sicht der interviewten Personen grosse Optimierungsmöglichkeiten vorhanden sind. Von den Respondenten wird ausdrücklich Handlungsbedarf gefordert: „Wenn wirksame und vorbeugende Massnahmen eingeführt worden wären, dann hätte es keine Verurteilung gegeben und es hätte keinen Schaden für andere gegeben.“729 „Der Schaden ist meistens grösser als das, was diese vorbeugenden Massnahmen Geld kosten.“730 Kausalbeziehungen im nachfolgenden Abschnitt beschreiben mögliche Wirkungszusammenhänge aus Sicht der Interviewten und erklären die Auswirkungen von sowie die Einflüsse auf Präventionsmassnahmen.731

Mit etwas Abstand belegt der bereits im Gestaltenbaum erwähnte Schlüsselausdruck „Kontrolle“ den zweiten Platz in der hierarchischen Ordnung der Relevanzliste.732 Würde nicht nach Relevanzzahl, sondern nach Abweichungen zwischen Ist- und Soll-Situationsbewertung gereiht, dann würde „Kontrolle“ mit einem Abweichungswert von 27 ganz vorne liegen, da die Befragten hier grosses Verbesserungspotential konstatieren: „Die laschen Kontrollen haben das begünstigt. […] Also sehr lasche Kontrollen, wenn das überhaupt als Kontrolle bezeichnet werden kann. […] Eine Verschärfung von Kontrollen hätte mit Sicherheit Wirksamkeit.“733 In den nachfolgenden Teilen der vorliegenden Arbeit wird genauer darauf eingegangen, wie eine Kontrolle aus Perspektive der rechtskräftig verurteilten Wirtschaftsstraftäter aussehen könnte.

Bemerkenswert ist die negativ dominierende Stellung von „Druck“. Dieser Ausreisser hält mit minus 16 die schlechteste Bewertung der gesamten Untersuchung und rangiert laut Relevanzanalyse an dritter Stelle. Der Ist-Zustand wird von den interviewten Tätern als eine äusserst unangenehme Druck-Situation beschrieben. Offensichtlich spielt diese „Fraud-Triangle“-Komponente eine entscheidende Rolle als „Auslöser“.734 Im Hinblick auf die hypothetische Soll-Situation befindet sich dieser Wert bei nahezu Null. Auch die grosse Differenz zwischen der Ist- und SollSituation lässt mutmassen, dass diese Variable einen wesentlichen, womöglich sogar den wesentlichsten Beitrag zur Tatausübung leistete:735 „Der letztendlich am ehesten relevante Auslöser war 729

BWD 6 (2010).

730

BWD 12 (2010).

731

Vgl. Kapitel VI, Punkt 4 Bedeutende Kausalbeziehungen.

732

Vgl. Abb. 17: Evaluierungsprofil der obersten Relevanzzahlen; Anhang, Teil G: Kausalliste.

733

BWD 8 (2010).

734

Der Schlüsselbegriff „Auslöser“ wird ebenfalls als besonders relevant erachtet, wobei keine nennenswerten Differenzen zwischen den beiden Situationen (Ist und Soll) festgestellt werden können. Der Begriff „Auslöser“ wird von den Befragten exakt in dieser Art und Weise verwendet und wurde deshalb separat von Druck, Anreiz, Gelegenheit oder innerer Stimme codiert.

735

Diese Annahme gilt lediglich für die im Rahmen der empirischen Untersuchung befragten Wirtschaftsstraftäter.

VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

149

der Druck.“736 Die Identifizierung dieses Schlüsselfaktors kann als eines der bedeutendsten Zwischenergebnisse gewertet werden. Der „Anreiz“ als weiterer Eckpfeiler des „Strategischen Dreiecks“ erscheint nicht im Evaluierungsprofil, da die Relevanzzahl lediglich neun beträgt und ausserdem keine Soll-Situationsbewertung aufweist.737 Dagegen wirken die beiden theoretisch forcierten Voraussetzungen „Gelegenheit“ und „innere_Stimme_existiert“ (Prozess der Rationalisierung bzw. Rechtfertigung oder Verurteilung) mit einer Relevanzzahl von vier beinahe verschwindend klein. An dieser Stelle stellt sich die Frage, woraus „Druck“ besteht und welche Einflüsse und Auswirkungen diese Kernvariable hat. Anschliessend könnten Massnahmen zur Eindämmung dieses Auslösers abgeleitet werden, damit die Wirksamkeit der Prävention zu Geltung kommen kann. Diese Frage- und Aufgabenstellungen werden in den anschliessenden Ausführungen dieser Arbeit behandelt.

Das „Vertrauen“ erreicht mit dem „Vorfall“ der Wirtschaftsstraftat einen gemeinsamen vierten Platz. Es handelt sich dabei um Schlüsselausdrücke, die ein hohes Gestaltniveau erreichen und im Wirkungsgefüge dicht eingebunden sind. Vertrauensbildende Massnahmen könnten aufgrund der Abweichung der Ist- und Soll-Situationsbewertung als generell wünschenswert interpretiert werden. Nach dem Evaluierungsprofil der obersten Relevanzzahlen stellt das „Vertrauen“ einen bedeutenden Grundwert738 dar, wird aber von der übergeordneten Hypergestalt im Gestaltenbaum jedoch als wenig hilfreiche Präventionsmassnahme beschrieben. Von den Befragten wird damit deutlich zum Ausdruck gebracht, dass das „Vertrauen“ wichtig ist, aber aus vorbeugender Sicht zu wenig: „’Vertrauen ist gut und Kontrolle ist besser’, das würde ich nur bedingt unterschreiben. Wenn ich jemanden, dem ich eigentlich vertrauen sollte, zu viel kontrolliere, dann erzeuge ich bei demjenigen Misstrauen und er merkt, dass ich ihm gegenüber sehr misstrauisch bin. Ob das sehr positiv für eine Zusammenarbeit ist, das weiss ich auch nicht und ist wie in einer Ehe. Wenn man dem Partner nicht vertraut, dann ist es besser, man heiratet nicht.“739

Hinsichtlich der Bewertungen der Interviewten existiert ein massgeblicher Unterschied zwischen Ist- und Soll-Situation der Variable „Revision_externe“. Demnach wird der externen Revision Verbesserungspotential zugesprochen: „Ich habe Millionen auf die Seite geschafft, ohne dass die Revisionsgesellschaft das festgestellt hat. […] Die Revisionsgesellschaften hatten zu wenig Zeit, um sich da hineinzuarbeiten. […] Die wussten ja gar nicht, wie sie überhaupt die Sache anpacken

736

BWD 1 (2010).

737

Der Schlüsselbegriff „Geld“ erreicht dieselbe Relevanzzahl und weist ebenso keine Soll-Situationsbewertung auf.

738

Buber und Kraler beschreiben Charakteristika von Grundwerten, Massnahmen, Zielen und Rahmenbedingungen sowie deren Identifikation. Vgl. Buber/Kraler (2000), S. 127.

739

BWD 10 (2010).

150

VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

sollten. Das war mein Vorteil, unter Anführungszeichen natürlich.“740 Entwicklungsmöglichkeiten bestehen ebenso beim Schlüsselausdruck „Tatsachen_kontrollieren“.741

„Sanktionsdrohung“ wird aus der Täterperspektive ambivalent betrachtet: Als vorbeugende Massnahme wird es abgelehnt und gleichzeitig befürwortet. „Fahrlässig weiss er es gar nicht, sonst wäre es nicht fahrlässig und vorsätzlich geht er immer davon aus, dass er dabei nicht erwischt wird. Infolgedessen kann eine Sanktion, die droht […] nie zur Wirkung kommen, weil er ja davon ausgeht, dass der Fall nicht eintritt. Diejenigen, die eine Tat begehen und damit kalkulieren, wie hoch die potentielle Strafbarkeit dafür ist, dürften also eine extreme Minderheit sein. Schon gar nicht im Bereich der Wirtschaftskriminalität, weil ja jeder davon ausgeht, dass er das, was er ergaunert, geniessen will und nicht dann im Gefängnis die Zeit verbringen will.“742 Parallel dazu existiert eine dafür stimmende Fraktion: „Bei einer Androhung von Sanktionen hätten wir uns anders orientieren müssen. Dann wäre uns klar gewesen, dass es so nicht funktioniert.“743

Wie in der obenstehenden Abbildung ersichtlich, läuft die Linie der hypothetischen Situation beim Thema der „Ombudsstelle_extern“ erstmals in den stark negativen Bereich. Daraus lässt sich die zehnte Frage des Interviewleitfadens folgendermassen beantworten: In der Situation des Vorfalls hätten sich die Befragten wohl zu keiner Zeit an eine vertrauliche, anonyme und neutrale Stelle gewendet. Folgendes Zitat aus dem transkribierten Textmaterial nennt einen wesentlichen Ablehnungsgrund: „An eine dritte Stelle hätte ich mich ganz sicher nicht gewendet, weil ich der festen Überzeugung war, dass ich ohnedies alles am besten weiss.“744

Die in der empirischen Untersuchung befragten Wirtschaftsstraftäter bestehen auf eine Weiterentwicklung des internen Kontrollsystems, kurz „IKS“. Im Gegensatz zur „Kontrolle“ wurde dieses System in der Ist-Situation zwar nicht negativ kritisiert, doch ein Optimierungsanliegen geäussert. Die Idee des Systems bzw. Managementinstruments wird nicht nur befürwortet sondern im Rahmen der Prävention sogar gefordert: „Um wirksame vorbeugende Massnahmen im Unternehmen umzusetzen, muss man ein internes Kontrollsystem haben.“745

740

BWD 11 (2010).

741

Aufgrund der häufig wiederholten Art und Weise, wie Kontrollen durchgeführt werden könnten, wurde diese Variable vom Schlüsselausdruck der „Kontrolle“ getrennt und gesondert behandelt. Spätere Abschnitte gehen separat auf den Begriff „Tatsachen_kontrollieren“ ein.

742

BWD 7 (2010).

743

BWD 3 (2010).

744

BWD 7 (2010).

745

BWD 4 (2010).

VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

3.3

151

Divergent bewertete Schlüsselausdrücke

Das zweite Koordinatensystem wird durch Abb. 18 präsentiert und führt nur Schlüsselausdrücke mit einer Relevanzzahl von sechs bis elf an. Im Gegensatz zu Abb. 17, die alle Schlüsselthemen des erwähnten Intervalls anführt, werden in der nachstehenden Abbildung lediglich diejenigen Themen mit der grössten Differenz zwischen Ist- und Soll-Situation einbezogen. So muss die Abweichung zwischen der Ist- und Soll-Situationsbewertung mindestens vier Bewertungspunkte betragen, um in der nachstehenden Abbildung der gemässigten Relevanzzahlen zu erscheinen.746 Auf diese Art und Weise konnten 13 Schlüsselausdrücke identifiziert werden, die in diesem Intervall der Relevanzzahlen die stärksten Abweichungen zwischen Ist- und Soll-Situationsbewertung verzeichnen.747 In der vorliegenden empirischen Untersuchung lassen sich dadurch gewisse Tendenzen feststellen, die nachfolgend beschrieben werden.

746

Ein negativer bzw. positiver Bewertungspunkt bedeutet, dass eine wertende Aussage identifiziert werden konnte.

747

Das Intervall der gemässigten Relevanzzahlen von sechs bis elf und die Abweichungsregel zwischen der Istund Soll-Situationsbewertung von mindestens vier Bewertungspunkten wurden vom Verfasser dieser Arbeit festgelegt.

152

VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse 11.5

Regulierung_staatlich (-1,11)

Regulierung_staatlich (3,11)

10.5

Mobbing (-6,10)

Mobbing (0,10)

abklären (-1,10)

abklären (4,10)

9.5

Relevanzzahl

Transparenz_schaffen (-1,9)

Spezialist_ausgebildeter (0,9)

Transparenz_schaffen (4,9)

Spezialist_ausgebildeter (5,9)

8.5

Konflikte (-5,8)

abblocken_Ideen (0,8)

abblocken_Ideen (-4,8)

Konflik te (0,8)

7.5

Kontrollstruktur (-4,7)

Compliance_intern (-3,7)

Kontrollstruktur (0,7)

Compliance_intern (2,7)

6.5 Controlling (-3,6) Vorgesetzte (-4,6)

Vier-Augen-Prinzip (0,6)

Vorgesetzte (0,6)

Controlling (2,6) Vier-Augen-Prinzip (4,6)

Einzelunterschrift (1,6)

Einzelunterschrift (-3,6)

5.5 -7

-5

-3

-1

1

Bewertung

3

5

IST

7

SOLL

Abb. 18: Evaluierungsprofil der gemässigten Relevanzzahlen „Regulierung_staatlich“ wird als Rahmenbedingung zuweilen leicht negativ empfunden. Generell empfehlen die Respondenten dabei folgendes: „Nicht nur die Unternehmen sondern auch der Staat müsste Vorkehrungen […] treffen, regulieren.“748 Appelliert wird nicht nur an die Gesetzgebung sondern ebenfalls an die einzelne Person: „Verschiedenes besser abklären. Einen Katalog erstellen mit verschiedenen Punkten und Massnahmen, um alles abzuklären. Ich habe das zu wenig abgeklärt.“749

748

BWD 8 (2010).

749

BWD 3 (2010).

VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

153

Die am häufigsten explizit negativ angesprochenen Begriffe der gemässigten Relevanzzahlen sind „Mobbing“ und „Konflikte“. Dabei existiert ein Zusammenhang mit dem bereits erwähnten Negativ-Ausreisser der obersten Relevanzzahlen „Druck“: „Es gab intern Reibereien und man hat sich da gegenseitig fast täglich angemacht. Das war kein schönes Arbeitsklima zu diesem Zeitpunkt. […] Das Gewicht der Auslöser ist zu 100 Prozent auf die Stresssituation, auf den internen Druck, der aufgebaut wurde, zurückzuführen.“750 Mit dem Wirkungsgefüge der Kausalbeziehungen wird diese Wechselbeziehung nochmals deutlich.

Der Schlüsselausdruck „Spezialist_ausgebildeter“ befindet sich am äussersten rechten Rand der gemässigten Relevanzzahlen und verteidigt in der gesamten Untersuchung einen der oberen Plätze der hypothetisch bewerteten Situation im Plusbereich. Laut den Befragten wären eigens geschulte Experten notwendig, die etwas von der komplexen Materie verstehen: „Wirtschaftsprüfer sehen das bei Vollprüfungen nicht. Die verstehen oftmals einfach zu wenig. Die Spezialisierung der Wirtschaftsprüfer ist erst angelaufen. Vor einem Jahrzehnt war das noch nicht in dem Masse da.“751

„Transparenz_schaffen“ ist eine vorgeschlagene Strategie, um unternehmensinterne Prävention zu betreiben: „Personen, die weiterreichende Vollmachten haben, sollte man dazu anhalten, ihre Konzepte und Ideen zu präsentieren. Das wäre wahrscheinlich ein taugliches Mittel. […] Das IKS kann man dann so ausweiten und gestalten, dass die Kontrollen auch für Verwaltungsräte transparent wären.“752

Mit „abblocken_Ideen“ werden die mangelnde Berücksichtigung der eigenen Vorstellungen und die unzureichende Wertschätzung des individuellen Beitrags beklagt. Dieser Aspekt fungiert gleichzeitig als ein „Auslöser“ der Tat: „Die Ideen vom Mitarbeiter nicht akzeptieren und zu unterwürgen, was den Mitarbeiter im positiven Sinn bewegt […] hier hätte es sicherlich Möglichkeiten gegeben diesen Vorfall zu vermeiden.“753

In der Ist-Situation beschreiben die interviewten Personen die „Kontrollstruktur“ als misslungen und suchen nach alternativen Lösungsmöglichkeiten: „Mit einer normalen Kontrollstruktur innerhalb des Unternehmens hätten sie das schnell gemerkt.“754 „Heute muss ich sagen, wenn ich […] nicht überzeugt bin, dass die internen Risiko- und Kontrollstrukturen gut funktionieren, würde ich […] direkt zur Finanzmarktaufsicht gehen oder zur Staatsanwaltschaft.“755

750

BWD 4 (2010).

751

BWD 4 (2010).

752

BWD 4 (2010).

753

BWD 12 (2010).

754

BWD 12 (2010).

755

BWD 1 (2010).

154

VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

Durch den Schlüsselausdruck „Compliance_intern“ wird etwas Ähnliches berichtet: „Die Compliance in unserem Unternehmen war sehr schlecht und ich habe deshalb eigentlich alles umgehen können. Die schlechte Compliance war schlussendlich ausschlaggebend und hat den Vorfall begünstigt […] hätte wesentlich besser sein müssen, das ist ganz klar. Wenn die Compliance gut gewesen wäre, dann wäre die erste Transaktion nicht okay gewesen.“756

„Vorgesetzte“ mit mangelnder Kompetenz können eine Schwachstelle indizieren: „Mein Vorgesetzter hat nicht den Durchblick gehabt. Das begünstigt dann Leute, die eine gewisse Macht haben, richtig Gas zu geben.“757 Funktionierendes „Controlling“ und „Vier-Augen-Prinzip“ könnten vorbeugend sein: „Das Controlling hätte etwas gebracht“758 und „mehr Vier-Augen-Prinzip wäre natürlich wirksam gewesen, um den Vorfall zu vermeiden.“759 „Wenn Sie alleine entscheiden können, alleine zeichnungsberechtigt sind, dann müssen Sie gar nicht mehr viel beitragen, dann macht man das, was man für richtig empfindet.“760

4

Bedeutende Kausalbeziehungen

Im folgenden Abschnitt werden die relevantesten Erkenntnisse der Kausalanalyse diskutiert. Die Kausalliste ist das Ergebnis der Kausalcodierung und befindet sich im Anhang dieser Arbeit.761 In der vorliegenden Arbeit setzt sich diese resultierende Aufstellung aus der Anzahl der Einflussund Folgevariablen sowie deren Summen zusammen. In die Kausalliste integriert wurden die Gesamtausdrucksliste mit der Anzahl der Nennungen und die Relevanzzahl mit der entsprechenden Gestaltebene der jeweiligen Schlüsselbegriffe, wie im Anhang ersichtlich.762

Von den befragten Personen werden bewusst oder unbewusst Wirkungszusammenhänge (Ursachen und Wirkungen) geäussert, die bei einer Identifikation erfasst und dargestellt werden können. Codiert werden lediglich eindeutig erkennbare Kausalbeziehungen. Gleich wie bei den Bewertungen hat der Coder keinen Einfluss auf das Ergebnis, da lediglich das von den Respondenten Geäusserte aufgenommen wird.

Wie bei den Assoziationen handelt es sich um ein besonders umfangreiches und unübersichtliches Netz an Verflechtungen, welches durch die Kausalliste erstellt werden kann. Deshalb würde eine

756

BWD 5 (2010).

757

BWD 4 (2010).

758

BWD 9 (2010).

759

BWD 5 (2010).

760

BWD 4 (2010).

761

Vgl. Kapitel V, Punkt 5.1.2 Aufbau der QIA.

762

Vgl. Anhang, Teil G: Kausalliste.

VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

155

vollständige Beschreibung des gesamten Ursache-Wirkungsgeflechts aller Schlüsselausdrücke nicht nur den Rahmen sprengen, sondern die Sinnhaftigkeit eines solchen Unterfangens in Frage stellen. Die Software WinRelan® ermöglicht eine Fokussierung auf einzelne Schlüsselausdrücke, damit eine Darstellung in Form eines „Kausalnetzes“ übersichtlich erfolgen kann. Einige dieser Begriffe werden dennoch von vielen Variablen beeinflusst bzw. üben auf bestimmte Variablen Einfluss aus. Deshalb wird es ein weiteres Mal notwendig die Komplexität zu reduzieren: Durch den Parameterwert können lediglich jene Verknüpfungen zwischen den Schlüsselbegriffen wiedergegeben werden, die sich im Text mehrfach repetieren. So wird es gleichzeitig möglich, die stärksten Wirkungszusammenhänge zu identifizieren. Wie bereits geschildert, erfolgt die Darstellung in den Grafiken entweder durch einen Pfeil (positiver Zusammenhang) oder durch einen Kreis anstelle des Pfeils (negativer Zusammenhang).763 Eine gepunktete Linie elaboriert dabei eine ungünstige und ein durchgehender Strich eine neutrale oder günstige Bewertung des Zusammenhangs. An dieser Stelle der Arbeit soll noch einmal angemerkt werden, dass die Evaluierung der Beziehungen von der Bewertung der Schlüsselbegriffe unabhängig erfolgt und deshalb davon abzugrenzen ist.

Generell kann das Geflecht auf vielfältige Art und Weise verwendet werden. Im Rahmen der Kausalbeziehungen der vorliegenden Dissertation ist folgendes Zitat von Maier und Zelger besonders zutreffend: Das Wirkungsgefüge „[…] gibt Auskunft über Ziele, Werte und Maßnahmen und deren Beziehung zueinander. Es weist auf Chancen und Gefahren hin, kann als eine Art Frühwarnsystem eingesetzt werden […] und dient insgesamt zur Planung und Vorbereitung von Entscheidungen sowie zur Abschätzung möglicher Folgen.“764 Wichtige Wirkungszusammenhänge könnten als Indikatoren betrachtet werden, die günstige und ungünstige Systemveränderungen erkennen lassen. Demnach wäre es möglich, bestimmte Schlüsselthemen zu identifizieren, bei denen sich Veränderungen als besonders wirksam erweisen würden. Mit gezielten Massnahmen wäre ein beachtlicher Fortschritt in Richtung Anti-Fraud-Organisation umsetzbar.

Insgesamt können folgende Erkenntnisse der Kausalanalyse bereits vorweggenommen werden: Obwohl sich zufällig genau dieselbe Anzahl an Einflüssen und Auswirkungen ergibt, ist die Verteilung sehr unterschiedlich. Die Schlüsselbegriffe, die häufig von anderen beeinflusst werden, weisen im Durchschnitt eine besonders hohe Anzahl an Einflüssen auf, deshalb werden auf der einen Seite lediglich 137 Schlüsselbegriffe erfasst, die beeinflusst werden. Auf der anderen Seite existieren 223 Variablen, die auf andere einwirken. In 74 Fällen sind Auswirkende gleichzeitig Einwirkende, wie z. B. das Kernthema „Präventionsmassnahme“, welches von vielen Faktoren beeinflusst wird und zugleich Auswirkungen auf andere Schlüsselthemen hat. Folgende Ranglisten verdeutlichen die fünf am häufigsten genannten und beeinflussten Variablen sowie die mit den meisten Auswirkungen.

763

Vgl. Kapitel V, Punkt 5.1.2 Aufbau der QIA.

764

Maier/Zelger (1999), S. 169.

156

VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

Schlüsselausdruck Ränge der Nennungen als Ergebnis der Gesamtausdrucksliste

Präventionsmassnahme Kontrolle Vorfall Auslöser Druck Schlüsselausdruck

Ränge der Einflüsse als Ergebnis der Kausalanalyse

Präventionsmassnahme Vorfall Auslöser Auffliegen Druck Schlüsselausdruck

Ränge der Auswirkungen als Ergebnis der Kausalanalyse

Präventionsmassnahme Kontrolle Tatsachen_kontrollieren Vertrauen Geld Gier

Rang 1 2 3 4 5 Rang 1 2 3 4 5 Rang 1 2 3 4 5 5

Anzahl der Nennungen 90 55 44 38 30

Gewichtung in Prozent 6.4 3.9 3.1 2.7 2.1

Anzahl der Einflüsse 90 43 31 13 12

Gewichtung in Prozent 21.3 10.2 7.3 3.1 2.8

Anzahl der Auswirkungen 18 15 10 8 7 7

Gewichtung in Prozent 4.3 3.6 2.4 1.9 1.7 1.7

Tab. 14: Ränge der Gesamtausdrucksliste und Kausalanalyse bis Rang fünf Obwohl die „Präventionsmassnahme“ gleich viele Nennungen wie Einflüsse verzeichnet, sind die Prozentwerte unterschiedlich, da die Anzahl der Nennungen insgesamt 1'416 und die der Einflüsse 422 beträgt.765 Dadurch, dass die Anzahl der Auswirkungen völlig unerwartet insgesamt ebenso 422 beträgt, ist die Gewichtung in Prozent je Einfluss oder Auswirkung identisch.766 Je höher der Prozentwert, desto bedeutender ist der Schlüsselbegriff in der jeweiligen Rangliste. Es kann vermutet werden, dass die Ursache-Wirkungs-Konstellation (Einflüsse überwiegen) des Kernschlüsselthemas der „Präventionsmassnahme“ auf die Formulierung der Interviewfragen zurückzuführen ist.

Selektierte Bereiche bestimmter Variablen der Kausalanalyse werden nachfolgend erläutert. Das Ausmass der Kausalbeziehungen ist Grund für Einschränkungen in Bezug auf die im Rahmen der Untersuchung wichtigsten Themen, damit die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit stringent weiterverfolgt werden kann. Zudem wird lediglich auf jene Schlüsselthemen eingegangen, die noch nicht näher betrachtet wurden.

765

Daraus lässt sich schliessen, dass die Respondenten bei jeder Nennung durchschnittlich eine die Präventionsmassnahme beeinflussende Variable und deutlich weniger Auswirkungen angeben.

766

Die Gewichtung in Prozent beträgt pro Identifikation von Einfluss oder Auswirkung auf drei Kommastellen gerundet 0.237.

VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

4.1

157

Einflüsse auf Präventionsmassnahmen

Wie aus Tab. 14 hervorgeht, wird „Präventionsmassnahme“ insgesamt von 90 verschiedenen Schlüsselausdrücken auf unterschiedliche Art und Weise beeinflusst.767 Im Folgenden wird auf jene Einflüsse eingegangen, die mindestens an drei unterschiedlichen Stellen im transkribierten Textmaterial wiederholt nachzuweisen sind (Parameterwert  drei). Diese Einschränkung ist hier notwendig, um die hohe Komplexität des Wirkungsgeflechts zu reduzieren.

Alle auf der rechten Seite der in Abb. 19 angeführten Wirkungen der Schlüsselausdrücke von „Revision_externe bis „Mitarbeiterideen_eingehen“ werden von den Interviewten ausdrücklich positiv bewertet, d. h. es handelt sich aus der Perspektive der befragten Delinquenten um günstige und wünschenswerte Einflüsse. Alle anderen Verbindungen sind neutral oder nicht bewertet. Wie erwartet besteht ein gegenseitiger, negativer Zusammenhang zwischen „Auslöser“ und „Präventionsmassnahme“, welcher in der untenstehenden Abbildung durch den Kreis (anstatt durch einen Pfeil) gekennzeichnet ist. Durch die wechselseitige Verknüpfung kann eine starke bzw. enge Verflechtung beider Schlüsselthemen abgeleitet werden. Die Respondenten ziehen dabei folgenden Rückschluss: Auslösende Faktoren werden durch wirksame Präventionsmassnahmen abgeschwächt et vice versa.

767

Obwohl nicht gesondert auf jeden Schlüsselausdruck eingegangen wird, werden nachfolgend der Vollständigkeit halber alle auf die Präventionsmassnahme Einfluss nehmende Variablen angeführt: Abblocken_Ideen, abklären, abschreckend, Achtsamkeit, Arbeitsablauf_erklären_lassen, Auffälligkeiten_hinterfragen, Aufklärung, Aufsichtsbehörde, Auslöser, Buchhaltertyp_überkorrekt, Compliance_intern, Consultant_extern, Controller_unabhängiger, Controlling, Controlling_intern, Dritter_ neutraler, Einzelunterschrift, Entlohnung_gerechte, Ersatzorganisation, Ersatzplan, Fall_herbeiziehen_Exempel, Finanztransaktionen_anschauen, Geschäft_unterlassen, Geschäftsleitung, Geschäftsleitungskompetenz, Geschäftsleitungskompetenz_fordern, Geschäftspartner_anschauen, Gier, GL_auseinandersetzen_auch_privat, Grenzen, IKS, Informationsmangel, Interessenskonflikt, Investitionsbereitschaft, job_rotation, kommunizieren_offener, Kompetenz_fachliche, Kompetenzbeschränkung, Konsequenzen_bewusst_werden, Konto_eigenes, Kontrolle, Kontrollstelle, Kontrollstruktur, Konzentration_in_einer_Hand, Kostenstruktur_intensive, Löcher_stopfen, Mitarbeiterideen_eingehen, Personalmangel, Prioritäten_richtige, reagieren_früh, Rechtsberatung, Regelwerk_fehlt, Regulierung_staatlich, Revision_ext_Aufgaben_wahrnehmen, Revision_ext_Verantwortung_übernehm, Revision_externe, Revision_externe_job_rotation, Sachverständiger_unabhängiger, Sanktionsdrohung, Schlüsselposition_höher_gewichten, Schnittstellen_saubere, Schulung, Schulung_Kader, Schwachpunkte_analysieren_eingehen, Sechs-Augen-Prinzip, Sensibilisierung, Sicherheit, Sonderprüfung, Spezialist_ausgebildeter, Spezialist_fremder, Stellvertreter_ gleichwertiger, Strichproben, Strukturen_hinterfragen, Tatsachen_kontrollieren, Teamarbeit, teilhaben_am_Erfolg, Theorie_ist_nicht_Praxis, Transparenz_schaffen, überraschend, Überwachung, Unternehmen_neutral_extern, Verantwortung, Vertrauen, VierAugen-Prinzip, Vorgesetzter, Vorgesetzter_Kompetenz, Weisungen_einhalten, Weisungen_zeitverzögert, Wissen, Zeit_verstreichen_lassen.

158

VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

abschreckend

Revision_externe

IKS Auslöser

Unternehmen_neutral_extern

Ersatzorganisation T ransparenz_schaffen Controlling_intern Vier-Augen-Prinzip T atsachen_kontrollieren

Präventionsmassnahme

Entlohnung_gerechte

Stellvertreter_gleichwertiger Dritter_neutraler abklären Kompetenzbeschränkung Kontrolle Spezialist_ausgebildeter Sanktionsdrohung Regulierung_staatlich

Mitarbeiterideen_eingehen

Abb. 19: Kausalnetzgrafik „Präventionsmassnahme“ (Einflüsse)768 Damit unternehmensinterne Präventionsmassnahmen greifen können, sollte aus Sicht der interviewten Personen eine staatliche Regulierung nicht fehlen.769 Jedoch ist vielen Delinquenten bewusst, dass die Gefahr einer Überregulierung besteht: „Ich weiss, wir haben schon genug Gesetze und schon zu viele Gesetze, aber in einem solchen Fall müsste man etwas tun.“770

Obwohl die Androhung von Sanktionen von den verurteilten Delinquenten als ambivalent betrachtet wird, scheint sich diese Art der Vorbeugung bei der Kausalnetzgrafik durchzusetzen. Folgendes Zitat scheint instruktiv zu sein: „Eine Androhung von Sanktionen als vorbeugende Massnahme setzt voraus, dass man etwas weiss. Wenn man das im Vorfeld ausdiskutieren könnte, dann würde das schon wirken.“771 Daraus lässt sich schliessen, dass diese Massnahme nur Teil der Lösung sein kann und differenziert zu betrachten ist. Der Verfasser vermutet, dass es eine Frage der

768

Eine Verbindung zwischen den einzelnen Einflüssen existiert lediglich zwischen „Kontrolle“ und „Auslöser“. Dabei lässt sich folgende Wirkung feststellen: „Je besser bzw. wirksamer die Kontrollen, desto schwächer die Auslöser.“ Dieser Aspekt wird in späteren Teilen der vorliegenden Arbeit nochmals aufgegriffen und diskutiert. Aus Gründen der Übersichtlichkeit und Verständlichkeit erfolgt die Abbildung ohne Querverknüpfungen.

769

Vgl. Kapitel VI, Punkt 3.3 Divergent bewertete Schlüsselausdrücke.

770

BWD 3 (2010).

771

BWD 4 (2010).

VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

159

Methode sein könnte: Denn Sanktionsdrohungen können unterschiedlich gestaltet werden. Dies könnte wiederum die Doppeldeutigkeit erklären: Denn Sanktionsdrohungen werden nicht von allen Personen gleich aufgefasst und sind deshalb nicht für jeden gleich wirksam.

Auf die zwölfte Frage des Interviewleitfadens (welche Massnahmen die Befragten als Eigentümer eines grösseren Unternehmens einführen und durchsetzten würden, um solche Vorfälle zu verhindern) antworten die Befragten oftmals mit Prüfung und externer Revision. „Wenn ich das in einem Unternehmen frei entscheiden könnte, dann würde ich mehr Revisionen haben. Externe Wirtschaftsprüfer sehen das besser als interne Personen.“772 Ebenso würde die Instanz eines externen und neutralen Unternehmens in Anspruch genommen werden: „[…] ich würde mich dann ganz klar an externe Consultants oder an eine externe Firma wenden und dort ein Mandat geben.“773 „Ein neutraler, aussenstehender Dritter, das ist das was zählt. Es muss ein Fachmann sein auf dem Gebiet, welches zu prüfen ist.“774

Nicht nur Aussenstehende können einen wichtigen Beitrag zur Vermeidung doloser Handlungen leisten, sondern auch unternehmensintern kann z. B. das Controlling etwas bewirken: „Knallharte Kontrollen auf einfachster Ebene von einer Stabstelle in einem Unternehmen von einer gewissen Grösse, die eben wichtige Dinge kontrolliert. […] Das kann im Controllingbereich sein.“775 „Der Controller muss dann aber auch die fachliche Kompetenz haben.“776

„Kontrolle“ ist i. d. R. abschreckend und nimmt deshalb einen bedeutsamen Platz in dieser empirischen Untersuchung ein, wie in früheren Abschnitten bereits erläutert. „Wenn die Kontrollen besser gewesen wären, wäre man vielleicht gar nicht in Versuchung gekommen, […] wäre es abschreckend gewesen und ich hätte gewusst, dass es schwierig ist. […] Ich habe gemerkt, dass die Kontrollen nicht stattfinden, das heisst, das Loch ist offen gewesen.“777 „Strengere interne Kontrollen hätten als vorbeugende Massnahme gewirkt.“778 Effektive Inspizierung bedeutet z. B. „Prüfung von Tatsachen“ über das Geschriebene hinaus, „[…] denn zu täuschen ist lediglich die Realität“. Wesentlich wäre, „[…] wenn objektiv festgestellt worden wäre, welche Leistungen tatsächlich schon erbracht waren.“779 „Jemand sollte kontrollieren, ob auch das Original da ist. Das ist eigentlich das Wichtigste.“780 „Vorbeugende Massnahmen wären verschärfte Kontrollen, 772

BWD 5 (2010).

773

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774

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775

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VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

Vier-Augen-Prinzip und den Leuten weniger Kompetenzen einräumen, z. B. die finanzielle Grenze für Unterschriften bei Transaktionen heruntersetzen, dann kommt das Vier- oder Sechs-AugenPrinzip automatisch. Das Unternehmen hätte sehr viel Geld gespart und hätte die paar Millionen noch, die von der Versicherung nicht übernommen wurden, wenn wirksame vorbeugende Massnahmen eingeführt worden wären.“781

Der Schlüsselbegriff „Spezialist_ausgebildeter“ wurde bereits erläutert.782 An dieser Stelle soll noch eine weitere Wirkungsverknüpfung erwähnt werden: Aufsichtsorgane finden ebenso ihren Platz im Rahmen der beeinflussenden Faktoren. Konkret wird hierzu von einem Mangel an Expertise berichtet: „Man dürfte ein Aufsichtsorgan […] nicht besetzen mit […] Räten die nicht vom Fach sind und keine Ahnung haben […] Jeder möchte sein Honorar verdienen. Es kann nicht sein, dass jeder, der aus dem Busch kommt, eine solche […] Position übernehmen kann. Da müssten absolute Fachleute sitzen.“783

Auch die Unternehmensstruktur sollte wohl durchdacht werden, um delinquente Handlungen frühzeitig zu verhindern. Einige Täter plädieren für eine „Ersatzorganisation“. Neue Gelegenheiten entstehen, wenn die verantwortlichen Personen nicht stets an Ort und Stelle sind. „Sie können die schönsten Handbücher und Arbeitsabläufe zeichnen, wenn es dringend ist und wenn es brennt, dann läuft es einfach anders. Also im Prinzip hätte das Unternehmen mehr Personal haben müssen. Wenn die Strukturen ganz anders sind und wo es mehr Leute hat, kann es in dem Ausmass nicht vorkommen.“784 Anstatt alle Posten in einem Unternehmen mehrfach zu besetzen, könnte der Fokus auf einzelne Schlüsselpositionen gerichtet werden. Der Ausdruck „Job-Rotation“ tritt an dieser Stelle wiederholt auf. „Job-Rotation oder in einer Funktion zwei gleichwertige Mitarbeiter. Das wäre meiner Meinung nach ein Mittel in dieser Funktion.“785 Die Respondenten sind sich bewusst, dass es sich dabei um einen kostspieligen Vorschlag handelt: „All diese Posten doppelt und dreifach besetzen […], das ist auch eine Preisfrage […] Der Schaden ist meistens grösser, als das was diese vorbeugenden Massnahmen Geld kosten.“786

Ein weitere Massnahme ist die Aufklärung über die vorherrschende Rechtslage: Jeder sollte über die aktuelle Gesetzeslage informiert und sich der möglichen Auswirkungen einer Überschreitung der rechtlichen Grenze bewusst sein. „Ich glaube es wird immer wichtiger, dass […] die rechtli-

781

BWD 5 (2010).

782

Vgl. Kapitel VI, Punkt 3.3 Divergent bewertete Schlüsselausdrücke.

783

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784

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785

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786

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VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

161

chen Gegebenheiten und Konsequenzen abgeklärt […] und genau betrachtet werden, damit man nicht in solche Sachen hineinschlittert.“787

Zudem können eine Partizipierung am Unternehmenserfolg bzw. eine als fair empfundene Entlohnung und genügend Gestaltungsraum für die Ideen der Mitarbeiter die vorbeugenden Massnahmen günstig beeinflussen. Finanzverantwortliche in der Geschäftsleitung haben „[…] immer eine Schlüsselposition und sehen immer zu viel. Wenn diese die Fähigkeit haben, logisch zu denken, dann müssen sie diese ganz anders gewichten. Anders gewichten bedeutet, gewisse Ideen umsetzen und am Erfolg teilhaben lassen.“788

4.2

Auswirkungen von Präventionsmassnahmen

Nachfolgend wird auf jene Auswirkungen eingegangen, die mindestens an einer Textstelle zu eruieren sind (Parameterwert  eins). Wie bei den Einflüssen erscheint der Begriff „Auslöser“ erneut. Die untenstehende Grafik verbildlicht den besonders bedeutsamen, doppelseitig negativen Wirkungszusammenhang: Wirksame Präventionsmassnahmen vermindern Auslöser, wie durch die wissenschaftliche Fachliteratur und die vorliegende Untersuchung bereits mehrfach erörtert.

787

BWD 3 (2010).

788

BWD 12 (2010).

162

VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

Vorfall Aufwand_weniger belastend abhalten

Auslöser Risiko

Vertrauen Schaden Kunde existenzbedrohend

Präventionsmassnahme Image

Reputationsschaden

Geld

Aufwand Verurteilung

Schaden_finanziell Ärger

Verhältnis_angespannt

Abb. 20: Kausalnetzgrafik „Präventionsmassnahme“ (Auswirkungen)789 Auf die achte Fragestellung des Interviewleitfadens, welcher Nutzen durch eine Einführung von Präventionsmassnahmen bestehen würde, gibt es eine klare Antwort der Täter: „Das Ganze wäre nicht passiert mit solchen Massnahmen.“790 Damit steht fest, dass die Tat bzw. der „Vorfall“ vermeidbar gewesen wäre. Der Grossteil der befragten Delinquenten ist davon überzeugt, dass wirksame Prävention sie von einer Straftat abgehalten hätte.791

Die durch die kleinen Kreise symbolisierten Linien (anstatt durch die Pfeile) in der obenstehenden Kausalnetzgrafik verbildlichen vermeidbare Auswirkungen. Direkte und indirekte Unternehmensschäden792 könnten verhindert werden, so die Befragten: „Der Nutzen vorbeugender Massnahmen wäre eine Verhinderung eines Reputationsschadens. […] Ein grosser Fall bei einer kleineren Firma ist existenzbedrohend. […] So ein Fall wie meiner kommt in die Zeitung.“793 Ohne die entsprechenden Vorkehrungen bestehen gewisse Risiken: „Das Unternehmen hätte sehr viel Geld

789

Damit die Abbildung übersichtlich bleibt, werden die Verknüpfungen zwischen den einzelnen Auswirkungen ausgeblendet. Allerdings werden die Querverbindungen durch den erklärenden Text erläutert.

790

BWD 2 (2010). Diese Frage wurde von beinahe allen Befragten auf eine ähnliche Art und Weise beantwortet.

791

Einzige Ausnahme: Täter, die berichteten, dass ihre dolosen Handlungen nicht bewusst stattgefunden haben.

792

Vgl. Kapitel II, Punkt 1 Schäden durch Wirtschaftskriminalität; Kapitel II, Punkt 1.2 Immaterielle Schäden.

793

BWD 2 (2010).

VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

163

gespart und hätte die paar Millionen noch, die von der Versicherung nicht übernommen wurden, wenn wirksame vorbeugende Massnahmen eingeführt worden wären.“794

Die Respondenten sind sich des Ausmasses der Auswirkungen bewusst. Materielle und immaterielle Einbussen werden beschrieben: „Wenn wirksame und vorbeugende Massnahmen eingeführt worden wären, dann hätte es keine Verurteilung gegeben und es hätte keinen Schaden für andere gegeben.“795 An dieser Stelle wird der Kreis der Geschädigten angedeutet, da vermutlich nicht nur das betroffene Unternehmen, sondern darüber hinaus ebenso Kunden, Lieferanten und deren Kunden etc. von dolosen Handlungen in Mitleidenschaft gezogen wurden.

Persönliche Belastungen der Täter selbst werden ebenso aufgegriffen: „Wenn vorbeugende Massnahmen vorhanden gewesen wären, dann wäre ich nicht schuldig gesprochen worden und hätte nicht so viel Geld verloren. […] Es hat Substanz gekostet, nicht nur viel Geld sondern auch Ärger.“796 „Das Problem ist […] der ganze mehrjährige Aufwand und das hin und her. […] Den ganzen psychischen Stress über die Jahre […] hätte man vermeiden können.“797

Zudem wird von „Grabenkämpfen“ innerhalb des Unternehmens berichtet: „Viele Leute haben sich einfach ihr kleines Königreich aufgebaut und wollten das auf Gedeih und Verderb verteidigen. Präventionsmassnahmen hätten die angeheizte Situation sicher entschärft.“798 Mit dem Schlüsselbegriff „Verhältnis_angespannt“ kommt die auslösende Variable „Druck“ zur Geltung.

Entsprechende Vorkehrungen könnten einen wesentlichen Beitrag zu den Grundvoraussetzungen einer erfolgreichen Geschäftstätigkeit leisten: „Sie hätten keine Kunden, die davongelaufen wären. Sie hätten wahrscheinlich mehr Vertrauen zu den Mitarbeitern […] Wenn die Kunden gehen und das Vertrauen nicht mehr da ist, dann hat das schwere Folgen.“799

4.3

Einflüsse auf und Auswirkungen von Kontrolle

Die untenstehende Abbildung (Parameterwert  zwei) zeigt die Einflüsse und Auswirkungen der Variable „Kontrolle“. Die Bedeutung dieses Schlüsselthemas ist unverkennbar: Es erreicht die oberste Ebene der übergeordneten Hypergestalten im Gestaltenbaum und nimmt in der hierarchischen Ordnung der Relevanzliste nach „Präventionsmassnahme“ den zweiten Platz ein. „Kontrol794

BWD 5 (2010).

795

BWD 2 (2010).

796

BWD 3 (2010).

797

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799

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164

VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

le“ wird ebenfalls in Abb. 19 dargestellt und näher erörtert. Unter den befragten Delinquenten herrscht ein breiter Konsens darüber, dass „Kontrolle“ bei der Vorbeugung fraudulenter Handlungen in Unternehmen eine wesentliche Rolle spielt.

Vertrauen Auffliegen

abschreckend

Vorfall

Kontrolle

T ransparenz_schaffen

Auslöser

Präventionsmassnahme

Abb. 21: Kausalnetzgrafik „Kontrolle“800 Die Redewendung „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ kann hier nur eine beschränkte Gültigkeit haben, da „Kontrolle“ mit „Vertrauen“ durch zwei kleine Kreise (anstatt Pfeile) in der obenstehenden Abbildung eine doppelt negative Wechselbeziehung darstellt. Die gepunktete Verbindungslinie wird gleichzeitig als negativ beurteilt, d. h. dieser Wirkungszusammenhang zwischen beiden Schlüsselausdrücken wird aus Sicht der Respondenten als unvorteilhaft empfunden. Aufgrund der hohen Relevanz von „Kontrolle“ wäre das Sprichwort „vertraue, aber prüfe nach“ in diesem Kontext passender.

Ein weiterer gegenseitiger Zusammenhang besteht zwischen „Kontrolle“ und „Transparenz_schaffen“.801 Nach Ansicht der Befragten können sich diese beiden Variablen wechselseitig und sinnvoll ergänzen. Bei wirksamen Kontrollen wäre den Tätern die höhere Wahrscheinlichkeit einer Entdeckung ihrer dolosen Handlung („Auffliegen“) bewusst: „Viel strengere Kontrollen hätte das Unternehmen machen sollen, damit es erst gar nicht so weit gekommen wäre.“802 Je besser geprüft wird, desto weniger „Auslöser“ einer Straftat bestehen und damit reduziert sich die Anzahl der „Vorfälle“. Dem Verfasser stellte sich die Frage, was die Respondenten unter „wirk-

800

Querverbindungen wurden ausgeblendet, um den Fokus auf das Schlüsselthema „Kontrolle“ zu richten und bestimmte Ergebnisse nicht zu wiederholen bzw. vorwegzunehmen. Alle Querverbindungen des Schlüsselausdrucks „Kontrolle“ scheinen an anderen Stellen dieser Arbeit auf.

801

Vgl. Kapitel VI, Punkt 3.3 Divergent bewertete Schlüsselausdrücke oder i. w. S. Kapitel VI, Punkt 3.2 Bewertung relevanter Schlüsselausdrücke.

802

BWD 8 (2010).

VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

165

samer Kontrolle“ verstehen. Deshalb wurden in den transkribierten Interviews folgende Textstellen identifiziert, die mehr Aufschluss darüber geben:

Attribute ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ

„überraschend und abschreckend“ „transparent“ „häufig bzw. laufend“ „begleitend“ „verschärft“ „gezielt“ „unabhängig“ „objektiv“ „verantwortlich“ „unnachgiebig“

Empfehlungen ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ

„wirklich kontrollieren, wie man kontrollieren kann“ „kontrollieren, ob das stimmt, was da steht“ „grosse und wichtige Dinge kontrollieren“ „mehr Kontrollmöglichkeiten finden und überall Kontrollmechanismen einbauen“ „Transaktionen und Originale kontrollieren“ „Sonderprüfungen einführen“ „Kontrolle muss am richtigen Ort stattfinden“ „wirksames internes Kontrollsystem aufbauen“ „Kontrolle der Kontrolle nicht vergessen“ „neue Kontrollinstrumente entwickeln“

Tab. 15: Attribute und Empfehlungen einer effektiven Kontrolle Die Respondenten sind sich jedoch durchaus bewusst und erwähnen nachdrücklich, dass sich zu viel Kontrolle negativ auswirken könnte. Derartige Prozeduren müssen dem Arbeitsbereich entsprechend angepasst werden: „Unsere Branche ist kreativ […]. Da sind […] Kontrollen manchmal ein rotes Tuch […] Je mehr Kontrollen da sind, desto weniger Selbstdenken. Eine Denkweise kanalisiert sich. Zu viele Kontrollen schränkt die Eigenverantwortung ein. Eine Balance zu finden, ist die Qualität der Führung und das Gefühl der Führungskraft.“803

4.4

Einflüsse auf und Auswirkungen von Vertrauen

Auf den ersten Blick scheint der für die Respondenten bedeutsame Schlüsselbegriff der übergeordneten Hypergestalt „Vertrauen“ durch vorwiegend negative Wirkungszusammenhänge sonderbar, wie durch Abb. 22 verbildlicht wird (Parameterwert  eins). An dieser Stelle ist nochmals zu erwähnen, dass es sich bei der empirischen Untersuchung und den Kausalnetzgrafiken um die Sichtweise der befragten und verurteilten Wirtschaftsdelinquenten handelt. Einzelne Aussagen sprechen dafür, dass die befragte Zielgruppe keine sehr guten Erfahrungen mit dem Thema „Vertrauen“ machte. Um diesen Aspekt aus der Täterperspektive besser nachvollziehen zu können, müssen die Fragestellungen des verwendeten Interviewleitfadens zu Präventionsmassnahmen im Kontext zu den Statements der Befragten berücksichtigt werden. „Vertrauen“ wird generell als wünschenswert beschrieben, wie bereits durch die Ist- und Soll-Situationsbewertung erläutert.804

803

BWD 9 (2010).

804

Vgl. Kapitel VI, Punkt 3.2 Bewertung relevanter Schlüsselausdrücke.

166

VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

Je nach Person betrachten die Respondenten das Vertrauen differenziert, wie nachfolgend erörtert wird.

Enttäuschung

Blancovertrag Beziehung_persönliche_mit_externem_Revisor

ausspielen

selbst_stellen

Auffälligkeiten_hinterfragen

Vertrauen

Risiko Kontrolle_exzess

Druck

Kontrolle

Vorfall

Präventionsmassnahme

Abb. 22: Kausalnetzgrafik „Vertrauen“805 Obwohl die Wichtigkeit dieses Schlüsselausdrucks für die Delinquenten durch die Inhaltsanalyse klar hervorgehoben werden kann, inkludiert Vertrauen ein unvermeidliches Risiko. Das Vertrauen von Vorgesetzten in die Mitarbeiter wird folgendermassen beschrieben: „Ich glaube auch nicht, dass es ganz ohne Vertrauen irgendwo in einem Unternehmen funktioniert. Ich muss einfach irgendwo mal Leuten Vertrauen schenken. Ob es jetzt enttäuscht wird, das kann ich im Vorhinein nicht sagen.“806 Wie bereits erläutert, könnte exzessive Kontrolle auch zu Misstrauen führen. Doch könnte die unternehmensinterne Umsetzung wirksamer Präventionsmassnahmen, wie z. B. Kontrolle in einem angemessenen Umfang, gleichzeitig z. B. das Vertrauen der Stakeholder stärken.

Bei einer genaueren Analyse der transkribierten Textstellen kann festgestellt werden, dass sich die Antwortenden um ihr Vertrauen im Allgemeinen betrogen fühlen. Nachfolgendes Zitat beschreibt das Vertrauen zwischen Geschäftspartnern: „Persönlich war ich bis dahin von den eigentlich als Freunden bezeichneten Geschäftspartnern sehr enttäuscht.“807 Ebenso wurde das Vertrauen zwischen Arbeitskollegen enttäuscht: „Ich kann nur aus meinen Erfahrungen und aus meinem Gelern-

805

Damit das Wirkungsgeflecht „Vertrauen“ nachvollziehbar bleibt, sind Querverbindungen in die Verbildlichung einbezogen.

806

BWD 10 (2010).

807

BWD 10 (2010).

VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

167

ten und aus dem, wie es sich heute repliziert, ganz klar sagen, es ist schade, dass man in gewissen Stresssituationen vielleicht seinem Sitznachbarn nicht trauen kann.“808

Es wird eingestanden, dass das Vertrauen missbraucht wird, d. h. dieser bedeutsame Grundwert kann dolose Handlungen begünstigen. Die Wirkung des Vertrauens von Wirtschaftsprüfer in die zu prüfenden Unternehmen und deren Manager wird folgendermassen erklärt: „Es gibt Revisionsstellen, es gibt Wirtschaftsprüfer, die schauen sich das an, keiner sagt etwas. Entweder, weil sie die Leute über Jahre kennen, oder, die vertrauen Ihnen auch.“809 „Ich bin der Meinung, die Revisionsgesellschaften sollten nicht zu lange die gleichen Leute schicken. […] Da gibt es nach drei, vier Jahren eine persönliche Beziehung, das ist nicht negativ gemeint, man muss einander helfen, jeder muss seine Aufgaben machen. Wenn das gewesen wäre, dann wäre es wahrscheinlich nicht gegangen. Dann hätte jeder immer neu gefragt. […] Dort wäre Job-Rotation wichtig.“810 „Vertrauen“ wird als besonders wichtig und „blindes Vertrauen“ in Bezug auf Präventionsmassnahmen zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität als „riskant“ beschrieben.

4.5

„Fraud Triangle“ und „Fraud Diamond”: Tatauslösende Faktoren

Erstaunlich ist die dem „Fraud Triangle“811 ähnliche Konstellation der Auslöser aus Sicht der befragten Wirtschaftsdelinquenten, wie durch die untenstehende Abbildung sichtbar wird (Parameterwert  drei). Es kann vermutet werden, dass dieses mit der Theorie vergleichbare Gefüge auf den Interviewleitfaden zurückzuführen ist. Jedoch bleibt unklar, wie hoch der Einfluss der entsprechenden Fragestellungen auf die erhaltenen Antworten einzuschätzen ist. Dessen ungeachtet werden „Anreiz“, „Druck“ und „Gelegenheit“ als wichtigste „Auslöser“ im Kausalnetz betrachtet. Im Rahmen der Befragung wird „Druck“ als ein bedeutender Auslöser verantwortlich gemacht, da dessen verursachende Wirkung im gesamten Datenmaterial zehnfach nachzuweisen ist. „Anreiz“ belegt mit acht Wiederholungen den zweiten Rang, gefolgt von der „Gelegenheit“, die durch drei Texteinheiten zum Ausdruck gebracht wird. Nachfolgend wird näher auf die einzelnen Aspekte eingegangen.

808

BWD 1 (2010).

809

BWD 4 (2010).

810

BWD 11 (2010).

811

Vgl. Kapitel IV, Punkt 1 „Fraud Triangle“ und „Fraud Diamond“.

168

VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

Anreiz

Präventionsmassnahme

Druck

Auslöser

Kontrolle

Gelegenheit

Abb. 23: Kausalnetzgrafik „Auslöser“812 Die Rationalisierung gelangte als dritte Komponente des „Dolosen Dreiecks“ nicht in die angeführte Abbildung, da diese Voraussetzung von den Befragten nicht in unmittelbaren Zusammenhang mit dem „Auslöser“ gebracht wird. Im Rahmen der empirischen Untersuchung wird die „Fähigkeit“813 als viertes Element des „Fraud Diamond“ ebenfalls nicht direkt als verursachender Faktor betrachtet. Wie nachstehend erläutert, werden die in der obenstehenden Abbildung fehlenden Schlüsselthemen des Drei- bzw. Vierecks direkt in Verbindung mit dem „Vorfall“ selbst gebracht, d. h. obwohl sie eine günstige bzw. ungünstige Wirkung auf Straftaten haben, werden ihnen aus Sicht der Respondenten keine auslösenden Eigenschaften zugeschrieben.

4.5.1

Gelegenheit als zwingende Voraussetzung zur Tatausübung

Im Vergleich zu den anderen Elementen des „Fraud Triangle“ oder des „Fraud Diamond“ wird „Gelegenheit“ im Zusammenhang mit wenig komplexen Wirkungsverbindungen erwähnt, wie in Abb. 24 ersichtlich wird (Parameterwert  eins).

812

Aufgrund der bereits vorgenommenen Komplexitätsreduktion durch den Parameterwert ist die in früheren Teilen dieser Arbeit bereits erläuterte Querverbindung Teil der Darstellung.

813

Vgl. Kapitel IV, Punkt 1.4 Vom „Fraud Triangle“ zum „Fraud Diamond“: Durch die Fähigkeit zur Tat.

VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

169

Gelegenheit

Anreiz

Leck

Auslöser

Abb. 24: Kausalnetzgrafik „Gelegenheit“814 Schwachstellen im Unternehmen bieten Gelegenheiten zur Ausübung von devianten Handlungen. „Die Gelegenheit war da, ich wollte es nicht, aber ich musste es ja tun. […] Das Unternehmen ist ein gutes Unternehmen, nur gibt es überall irgendwo Lecks.“815 Den interviewten Personen ist dieses Defizit bewusst: „Ich habe gemerkt, dass die Kontrollen nicht stattfinden, d. h. das Loch ist offen gewesen […] Gelegenheit ist einem gegeben.“816 Aufgrund der ungenügenden Beurteilung der Präventionsmassnahmen in der Ist-Situation eröffnen sich neue Gelegenheiten: „Lücken gibt es immer noch. Da gibt es bis heute keinen wirklichen Kontrollmechanismus.“817

„Die Gelegenheit war schon ein Anreiz.“818 Obwohl die Gelegenheit von den Befragten erst nach Druck und Anreiz als auslösender Faktor betrachtet wird, ist diese Voraussetzung einer fraudulenten Handlung nicht zu unterschätzen: „Es ist im Prinzip ganz klar die Gelegenheit, die Auslöser war.“819 Insgesamt ist die Gelegenheit zur Tatausübung als eine conditio sine qua non zu betrachten.

4.5.2

Ausbleibende Rationalisierung: Verurteilung der Tat durch die innere Stimme

Die Befragungen der rechtskräftig verurteilten Wirtschaftsdelinquenten beweisen die Relevanz der inneren Stimme der Delinquenten bei der Ausübung ihrer Straftat. Bemerkenswert ist die unerwartete Wirkung der inneren Stimme: Während sie in der Fachliteratur als „tatrechtfertigend“ beschrieben wird, ist durch die Forschungsgespräche nachzuweisen, dass es sich um eine tatver-

814

Die Querverbindung ist Teil der Darstellung und Beschreibung.

815

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816

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VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

hindernde Stimme handelt.820 Eine tatrechtfertigende Stimme konnte durch die Qualitative Inhaltsanalyse nicht identifiziert werden. Die These einer tatverhindernden Stimme wird durch sämtliche Statements bestätigt: „Die innere Stimme hat schon mitgespielt. Das schon, das schon. Aber der Reiz war grösser als die innere Stimme.“821 „Die innere Stimme hat gesagt: Tu es nicht, lass es, mach das nicht.“822 „Die innere Stimme war immer da gewesen, im Bauch vor allem. Die ist ständig da gewesen, wie ein Hammer, der immer da ist und sagt: Du machst das falsch, und man hat ein schlechtes Gewissen.“823 Demnach und wie durch die nachstehend angeführte Kausalnetzgrafik verdeutlicht wird (Parameterwert  eins), führt die Existenz dieser Stimme zu weniger devianten Handlungen.

abhalten

verdrängen

Vorfall

lange_unbemerkt

Innere_Stimme_existiert

Gewissen_schlechtes

Konflikt Unsicherheit

Abb. 25: Kausalnetzgrafik „Innere_Stimme_existiert“824 Konflikte mit der Umgebung, wie z. B. „[…] die innere Stimme […] war eben durch die Grabenkämpfe von links und rechts beeinflusst“825, sowie Auseinandersetzungen mit der eigenen Person schaffen den Prozess einer Verurteilung (nicht einer Rationalisierung bzw. Rechtfertigung) vor sich selbst, so die Erklärungen der Respondenten. „Die innere Stimme ist immer die Frage der Unsicherheit. […] Die innere Stimme habe ich einfach verdrängt.“826

820

Damit soll jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass eine tatrechtfertigende innere Stimme existiert.

821

BWD 11 (2010).

822

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823

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824

Querverbindungen wurden aufgenommen und integriert.

825

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VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

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Bemerkenswert ist folgende Aussage: „Also innere Stimme ist vielleicht am Anfang da gewesen. So viele Transaktionen, wie bei mir gelaufen sind über viele Jahre, wo es niemand merkt, da kann man sich zurücklehnen. Es ist brutal, aber es ist so.“827 Daraus lässt sich ableiten, dass die innere Stimme eine Art „Ablaufdatum“ besitzt. Das schlechte Gewissen nimmt mit der Zeit ab: Je länger dolose Handlungen unbemerkt bleiben, desto weniger tatverhindernde innere Stimme existiert.

4.5.3

Anreiz als Motivation zur Tatausübung

Durch die Kausalnetzgrafik „Anreiz“ (Parameterwert  eins) wird ersichtlich, dass das Feld der Anreize von den Respondenten sehr unterschiedlich wahrgenommen wird. Ein komplexes Wirkungsgefüge zeichnet sich ab. Die Delinquenten beschreiben den „Anreiz“ als ein Fahrwasser, aus welchem sich der Einzelne kaum befreien kann: „Anreiz, ja, über dem zu leben, wie man eigentlich leben konnte in meiner Stellung als solches. Dann wurde es zu einem sportlichen Ereignis. Gelingt es mir, oder kommen die jetzt drauf oder nicht. Es war eine Herausforderung in dem Sinn. […] Wenn man dann in so einem Kreis drinnen ist, dann ist es auch noch schwierig auszubrechen. Dann haben Sie pro Jahr zwei Wochen Herzklopfen, starkes, wenn die Revisionsgesellschaft da ist und dann geht es wieder weiter, das ist schon so.“828

Geld

Auslöser

Gier Forderung_befriedigen

Gelegenheit

pensionieren_frühzeitig

Anreiz

Vorfall

Projektrealisierung Wertschöpfung Leben_in_Luxus

Schulden Herausforderung

Ereignis_sportliches Versager_als_dazustehen

Abb. 26: Kausalnetzgrafik „Anreiz“829

827

BWD 12 (2010).

828

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829

Die Querverbindungen sind eingebettet.

172

VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

Anreize, wie sie von populistischen Medien oftmals als alleinverursachend propagiert werden, konnten zwar lediglich als zweitrangiger Auslöser identifiziert werden, doch sind sie durch die empirische Untersuchung ebenfalls nachweisbar: „Es ist immer getrieben von einer gewissen Gier. […] Der Anreiz ist immer materiell, also in meinem Fall war es materialistisch. Ich habe dann auch ein bisschen die Relation verloren, das geht vielen so. Sie wachsen dann über sich hinaus […] Man möchte auf seinem Lohnzettel immer mehr. “830 „Der Anreiz war, dass ich mich mal frühzeitig pensionieren lassen wollte […] Ich habe daran geglaubt, dass ich mal ein schönes Polster auf der Seite habe.“831

Aus der Perspektive der Delinquenten kann durch Anreiz auch individuelle Wertschöpfung entstehen: „Man muss die Grenzen austüfteln und überlegen wo man noch etwas machen kann. Der Anreiz ist einfach mehr Wert.“832 So dient dieser vorwiegend negativ behaftete Ausdruck hier als wünschenswerte Triebkraft, möglichst ökonomisch zu handeln. Dieser Antrieb kann bei einer zu starken Ausreizung der Legalitätsgrenzen entgleisen. In diesem Zusammenhang wird beschrieben, dass es sich nicht selten um einen äusserst schmalen Grat handle.

Gleichzeitig wurde von der Triebfeder berichtet, private oder betriebliche Schulden zu begleichen: „Die ausschlaggebenden Anreize oder Motive waren eine Möglichkeit zu finden, eine bereits bestehende Forderung zu befriedigen.“833 Dieser Bereich kann nicht eindeutig von der Variable „Druck“ abgegrenzt werden. Folgendes Statement könnte ebenfalls dem inneren Druck zugeordnet werden: „Der Anreiz war, nicht als Versager dazustehen.“834 An dieser Stelle verwischt die Grenze zwischen Anreiz und Druck.

4.5.4

Druck als Motivation zur Tatausübung

Die gepunkteten Verbindungslinien in der nachstehenden Abbildung (Parameterwert  eins) verdeutlichen eine beachtliche Anzahl an negativ beurteilten Wirkungszusammenhängen: „Es wurde Druck gemacht und viel beleidigt. Das war der Anfang meines Problems.“835 „Druck“ wird von den Respondenten als eine auslösende Kernvariable wahrgenommen, durch welche Vertrauen geschädigt wird und deviante Handlungen entstehen. Auf die Fragestellung, welche Elemente des „Fraud Triangle“ die Befragten am ehesten als letztendlich relevanten Auslöser betrachten, kam häufig folgende Antwort: „Der Druck und der Anreiz waren die relevanten Auslöser.“836 „Mit

830

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836

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VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

173

dem Druck hätte man vielleicht anders umgehen und eine andere Lösungsmöglichkeit suchen können.“837

Profiteure Auslöser

kaputt_machen Mobbing

herumschieben_wild

Zielerreichung_egal_wie

Zielerreichung

Vorfall

helfen_kranker_Person

Druck

verspottet_werden_Vorstellung Vertrauen Ansprüche_von_aussen Arbeitsklima Ziele psychologisch_Zustand

korrigieren

Abb. 27: Kausalnetzgrafik „Druck“838 „Druck“ kann für die befragten Delinquenten in zwei Bereiche untergliedert werden: ƒ

Äusserer Druck entsteht durch externe Einflüsse: „Es war nur aus einer Drucksituation entstanden, weil das damalige Arbeitsklima wirklich sehr gehässig war und das war schlussendlich der Auslöser, welcher zu dieser Fehlhandlung geführt hat.“839 Nicht nur schlechte Unternehmenskultur sondern finanzielle Aspekte können ebenfalls zu Bedrängnis führen: „Druck gab es. Eine Bank hat so richtig nach den klassischen Lehrbuchmethoden agiert, wie man einen Betrieb kaputt macht.“840 „Ich selbst habe mich nie unter Druck gesetzt. Aber von aussen sind Ansprüche gestellt worden, nicht im privaten Bereich. […] Die eine Person war selbstständig und hatte gesundheitliche Probleme. […] Die hat mich so unter Druck gesetzt, dass ich im Prinzip nicht mehr habe können, keine Option […] Da habe ich den Betrag überwiesen […] Die Verursachenden sind ungestraft davon gekommen, das sind die Profiteure.“841

837

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838

Die Querverbindungen sind einbezogen.

839

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841

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VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

ƒ

Innerer Druck wird ähnlich wie der äussere Druck empfunden, existiert jedoch vorwiegend in der eigenen Wahrnehmung: „Du denkst, die Leute würden schlecht über dich reden […] Ob es tatsächlich in der Situation der Fall war, dass die Leute schlecht über dich geredet haben, ist nicht immer identisch mit der eigenen Vorstellung, dass es so sein könnte. Der Auslöser war also eher der innere als der äussere Druck.“842

Oftmals findet in der Praxis eine Kombination beider Arten von Druck statt: „Damals war der Druck auf der psychologischen Seite und auf der Zahlenseite. Wenn man psychisch schon sehr tief ist, dann hat man die Kraft nicht mehr. […] Das war der Druck, der kam und ich keine Kraft mehr hatte, mich zu wehren, also habe gedacht, ich muss dass irgendwie mit den Zahlen hinbringen. […] Ich setzte mir hohe Ziele. Mein Mitarbeiter sagte mir, diese Ziele zu erreichen, das ist unmöglich und sie müssen korrigiert werden. Ich versuchte, die Ziele zu erreichen.“843

Aus einer Drucksituation können dolose Handlungen entstehen, die das Potential besitzen, zusätzlichen Druck zu verursachen. Es wird versucht, die „aufgerissenen Stellen“ wieder zu korrigieren: „Die Hoffnung, es mit dieser Art zu schaffen, das Loch, das man aufmacht, wieder zu zumachen. […] Die Angst, dass das jemand entdeckt.“844 „Ich wollte die Sache wieder regeln. Das war ein enormer Druck.“845

Einige Befragte beschreiben einen „Sog des Drucks“, aus welchem eine selbständige Befreiung aus ihrer Perspektive kaum mehr möglich scheint. Ehrlich und selbstreflektiert erwidern jedoch beinahe alle der befragten Respondenten, dass sie fremde Unterstützung von einer vertraulichen, anonymen und neutralen Stelle in der Situation des Vorfalls aus Misstrauens- oder Selbstverherrlichungsgründen dennoch nicht in Anspruch genommen hätten.846 Aus Sicht der Befragten wird eine Ombudsstelle für derartige Ereignisse als inkompetent und rechtlich kaum durchsetzungsfähig betrachtet.

4.5.5

Zusammensetzung der Fähigkeit zur Tat

Obwohl die „Fähigkeit“ von den Respondenten nicht unmittelbar als auslösende Variable („Auslöser“) beschrieben werden, stehen jedoch beide in direktem Zusammenhang mit den Wirtschaftsstraftaten („Vorfall“). Wie durch die untenstehende Kausalnetzgrafik sichtbar (Parameterwert  eins), wird eine zerklüftete Darbietung der vierten Komponente des „Fraud Diamond“ veranschaulicht. Diese Parzellierung könnte möglicherweise dadurch begründet sein, dass der Fokus

842

BWD 6 (2010).

843

BWD 2 (2010).

844

BWD 6 (2010).

845

BWD 2 (2010).

846

Ausgenommen sind jene Personen, die berichteten, dass ihre Tat völlig unbewusst geschehen ist.

VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

175

der Interviews auf die drei Elemente des „Fraud Triangle“ gerichtet ist und in den Fragestellungen des Interviewleitfadens deshalb die „Fähigkeit“ nicht explizit eruiert wurde. An dieser Stelle erlaubt der strenge Datenschutz keine personenbezogenen Angaben zu den interviewten Delinquenten. Das verwendete Datenmaterial erlaubt keine Rückschlüsse auf einzelne Respondenten und darf deshalb aufgegriffen werden. Durch einzelne, von den Befragten ausgesprochene Schlüsselausdrücke, welche die untenstehende Abbildung in fetter Schriftart präsentiert, kann dieses vierte Element des „Fraud Diamond“ identifiziert werden.

Vorfall

umgehen

Schlüsselposition

hierarchische_Stellung Blödsinn_gemacht

Präventionsmassnahme

Wissen

Schlüsselposition_höher_gewichten

Abb. 28: Kausalnetzgrafik „Fähigkeit“847 Folgende Aussage eines Delinquenten hebt die Bedeutsamkeit der „Fähigkeit“ hervor: „Die hierarchische Stellung [hat den Vorfall begünstigt].“848 Zudem fehlte es der befragten Person nicht an dem dafür notwendigen Wissen und Verstand, eine fraudulente Handlung im Bereich der Wirtschaftskriminalität zu begehen: „Ich war mit anderen Kollegen dabei, das aufzubauen und war im Prinzip im Unternehmen der einzige, der genau wusste, wie das funktionierte.“849 Im Allgemeinen führt mehr Wissen jedoch zu wirksameren Präventionsmassnahmen: „Man sollte das schon in der Schule lernen […], in den Fachhochschulen oder in den Lehren sollten solche Sachen einbezogen werden. Nicht erst, wenn man hineinläuft. […] Auf präventive Massnahmen hinarbeiten, damit es für die Leute […] in Zukunft etwas bringen kann.“850 Allerdings kann das Wissen auch als ein Instrument der Manipulation eingesetzt werden. Aus Sicht der Interviewten sollten Schlüsselpositionen höher gewichtet werden: „Der CFO hat immer eine Schlüsselposition, […] wir in diesen

847

Bei dieser Darstellung handelt es sich um ein Konstrukt von Querverbindungen.

848

BWD 11 (2010).

849

BWD 11 (2010).

850

BWD 3 (2010).

176

VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

Positionen, wir wissen zu viel […]. Anders gewichten bedeutet, gewisse Ideen umsetzen und dass er am Erfolg teilhaben kann. Mit einem linearen Bonussystem ist es nicht gegeben.“851

4.6

Unbewusste Tat: Unvollständiges „Fraud Triangle“

Die nachstehende Grafik (Parameterwert  eins) verbildlicht die Aussagen derjenigen Wirtschaftsdelinquenten, die berichten, dass ihre deviante Handlung nicht bewusst geschehen sei. Durch die empirische Untersuchung gelang es nachzuweisen, dass es einige wesentliche Elemente des „Fraud Triangle“ nicht bei allen Wirtschaftsstraftaten benötigt. Diese einschneidende Erkenntnis kann als eines der relevantesten Zwischenergebnisse der gesamten Arbeit gewertet werden. Die neue Feststellung steht im Widerspruch zur gängigen Behauptung, dass Wirtschaftskriminalität lediglich dann auftreten kann, wenn die Bedingungen Gelegenheit, Motivation und Rationalisierung (alle Elemente zumindest bis zu einem gewissen Grad) erfüllt sind.852

Anreiz_keinen

Ombudsstelle_extern

Auslöser

unbewusst

Innere_Stimme_keine

Druck_keinen

Gewissen_rein

Abb. 29: Kausalnetzgrafik „unbewusst“853 Einzig die Gelegenheit muss gegeben sein, damit kriminelle Handlungen in Unternehmen vollzogen werden können, so die Aussagen der rechtskräftig verurteilten Wirtschaftsdelinquenten.854 „Nein, es gab keinen Druck und nein, eine innere Stimme hat es auch nicht gegeben, weil ich mir

851

BWD 12 (2010).

852

Vgl. Kapitel IV, Punkt 1 „Fraud Triangle“ und „Fraud Diamond“; Kapitel IX, Punkt 2 Beitrag aus theoretischer Sicht.

853

In dieser Konstellation existieren keine Querverbindungen.

854

Auf das vierte Element des „Fraud Diamond“ wurde an dieser Stelle nicht näher eingegangen. Diesbezüglich können keine Aussagen zur „Fähigkeit“ gemacht werden.

VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

177

eigentlich eines wirklichen Unrechtes in der Zeitspanne nicht bewusst war.“855 „Der Anreiz des Vorfalls war nicht gegeben, da gab es keinen. Es war nie beabsichtigt, dass wir die Leute betrügen […] Die Absicht einer Tat war nicht da, deshalb waren es keine der genannten Auslöser.“856 „Wir hatten nichts Unrechtmässiges im Sinn. […] Das, was wir gemacht haben, da muss man kein schlechtes Gewissen haben.“857 Verständlicherweise hatten die Respondenten keinen Anlass, sich an eine externe Ombudsstelle zu wenden, da ihnen zur Tatzeit nicht bewusst war, dass sie die Grenze der rechtlichen Legitimität bereits längst überschritten hatten.

5

Zyklische Kausalbeziehungen um den Tatauslöser

Eine aussergewöhnliche Art von Wirkungszusammenhang verläuft kreisförmig und wird als „zyklisch“ bezeichnet. Die Besonderheit liegt darin, dass sich die darin befindenden Schlüsselausdrücke durch die immer wiederkehrenden Vorgänge in einem sich selbst verstärkenden Kreislauf befinden. Themen, die sich in einer spiralförmigen Beziehung befinden, spielen eine wesentliche Rolle. Durch die Unterbrechung der Rückkoppelungsstruktur kann die sich selbst verstärkende Wirkung aufgehoben werden et vice versa.858 Ein solcher Einschnitt wird vor allem bei tatauslösenden Themen notwendig. In der näheren Umgebung des Schlüsselbegriffs „Auslöser“ konnten einige direkte und indirekte zyklische Beziehungen identifiziert werden. Folgende Darstellung verbildlicht die Dreh- und Angelpunkte um den „Auslöser“:

855

BWD 4 (2010).

856

BWD 10 (2010).

857

BWD 3 (2010).

858

Durch die Förderung von Schlüsselthemen, die sich im Wirkungskreislauf befinden, kann die sich selbst verstärkende Wirkung auch intensiviert werden.

178

VI Forschungsergebnisse durch die Qualitative Inhaltsanalyse

Anreiz

Leck

Gier

Kontrolle Geld

Gelegenheit

Auffliegen Zielerreichung

Auslöser

Kontrolle_exzess abschreckend T ransparenz_schaffen

Druck

Verhältnis_angespannt

Vertrauen Präventionsmassnahme

Mobbing

Konflikt

Abb. 30: Zyklisches Gebilde „Auslöser“ Die Wirkungszusammenhänge verbildlichen die zentralen und bereits detailliert ausgeführten Begriffe „Präventionsmassnahme“ und „Kontrolle“.859 Obwohl in diesem Kapitel bereits alle empirisch untersuchten Schlüsselausdrücke in unterschiedlichen Kontexten erörtert wurden, ergibt sich eine durch die zyklischen Zusammenhänge neue Konstellation. Besonders relevant sind in diesem Zusammenhang die negativ bewerteten Einfluss- bzw. Auswirkungsfaktoren (gepunktete Linien), wie „Mobbing“ durch Konflikte und angespannte Verhältnisse, „Zielerreichung“ und „Druck“. An dieser Stelle wird die Wichtigkeit des bereits identifizierten „Fraud Triangle“Schlüsselfaktors „Druck“ erneut als einer der bedeutendsten Zwischenergebnisse bestätigt.860 Eine Veränderung in diesem Bereich würde sich auf das gesamte System der tatauslösenden Elemente auswirken, so die befragten Respondenten. Demnach hätte die Verminderung von „Druck“ einen sehr positiven Effekt, d. h. weniger Wirtschaftskriminalität und mehr „Vertrauen“.

859

Hierzu das gesamte Kapitel VI, insbesondere Punkt 4.1 Einflüsse auf Präventionsmassnahmen, Punkt 4.2 Auswirkungen von Präventionsmassnahmen und Punkt 4.3 Einflüsse auf und Auswirkungen von Kontrolle.

860

Vgl. Kapitel VI, Punkt 3.2 Bewertung relevanter Schlüsselausdrücke; Kapitel VI, Punkt 4.5.4 Druck als Motivation zur Tatausübung.

VII Forschungsergebnisse durch die hermeneutische Interpretation

VII

179

Forschungsergebnisse durch die hermeneutische Interpretation

Beide Auswertungstechniken (Qualitative Inhaltsanalyse und hermeneutische Interpretation) der vorliegenden Dissertation ergänzen sich in gewisser Weise und stellen gleichzeitig Gegensätze dar. Das hermeneutische Verfahren eröffnet durch Interpretationen Neues, während der unvermeidliche Datenverlust beim Zusammenfassungsprozess der Inhaltsanalyse gewisse Dinge ausschliesst. Die Feinstrukturanalyse mit der Interpretation kurzer Sequenzen des Datenmaterials geht beim Vergleich mit dem inhaltsanalytischen Verfahren noch eine Etappe weiter: Latente Bedeutungen heben die Vielschichtigkeit einzelner Sinneinheiten und das „zwischen den Zeilen Verborgene“ hervor.861

Für den einen oder anderen scheint es auf den ersten Blick eigenartig, dass das gesprochene und anschliessend transkribierte Datenmaterial verurteilter Wirtschaftsstraftäter von unbescholtenen Personen interpretiert werden soll, denn die erlebten Erfahrungen der Delinquenten können als einzigartig beschrieben werden. Es könnte irrtümlicherweise argumentiert werden, dass sich die Interpreten nicht in eine derartige „Sondersituation“ hineinversetzen können und es folglich widersinnig wäre, Textpassagen zu interpretieren, die einen oftmals schwer fassbaren Zustand beschreiben. Um dieser Behauptung zu entgegnen ist zu berücksichtigen, dass ein Durchleben einer solchen Erfahrung mit strafbaren Konsequenzen keine zwingende Voraussetzung der Textanalysten darstellt. Ganz im Gegenteil: Nach Froschauer und Lueger bietet es sich sogar an, dass die Interpreten kein Vorwissen zum Thema Wirtschaftskriminalität besitzen.862 Damit kann das Argument der Sinnlosigkeit dieser Auslegungen der Interviewsequenzen ausser Kraft gesetzt werden.

In früheren Abschnitten wurde bereits beschrieben, dass Wirtschaftsstraftäter keine „normabweichenden“ Menschen sind. Lediglich die verübte Handlung darf als „normabweichend“ bezeichnet werden.863 Das hermeneutische Verfahren schafft ein besseres Verständnis des analysierten Textes und damit bestimmter Aspekte der Wirtschaftsstraftat, die durch den Interviewleitfaden aufgegriffen werden. Aus diesem Grunde und zusätzlich, um einen Kontrast zu den bisherigen Darstellungsformen und Forschungsergebnissen durch GABEK® zu schaffen, wird das forschungsmethodische Vorgehen durch die für diese Arbeit bedeutsame Feinstrukturanalyse vervollständigt.

861

Vgl. Kapitel V, Punkt 5.2.3 Ziele der Interpretationen.

862

Vgl. Kapitel V, Punkt 5.2.2 Qualitätssicherung der Interpretationen.

863

Selbst wenn diese Menschen „normabweichend“ wären (das sind sie aber nicht), könnte das hermeneutische Verfahren ein besseres Verständnis schaffen. Vgl. Kapitel III, Punkt 5 Begriffsdefinition dieser Arbeit.

A. Schuchter, Perspektiven verurteilter Wirtschaftsstraftäter, DOI 10.1007/978-3-8349-3606-6_7, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2012

180

1

VII Forschungsergebnisse durch die hermeneutische Interpretation

Interpretationen von zwei markanten Interviewsequenzen

Die in dieser Arbeit angeführten Zitate aus den Forschungsgesprächen wurden von unterschiedlichen Dialekten in die deutsche Hochsprache übersetzt. Um eine exakte Originalwiedergabe des gesprochenen Textes für die Interpretationen zu ermöglichen, wurden eigens erstellte Transkriptionsregeln entwickelt.864 Nachfolgende Textsequenzen bzw. Interviewzitate berücksichtigen zwar keinen regionalen Dialekt, doch geben sie das Original mit Pausen, nonverbalen Äusserungen und Emphasen wieder. Damit ist gewährleistet, dass die Interpretationsteams möglichst nahe an den Aussagen arbeiten können und diese textlich kaum festzuhaltenden Kommunikationsformen berücksichtigen.

An dieser Stelle soll nochmals festgehalten werden, dass der Verfasser bzw. Interviewer nicht an der Auslegung der Textsequenzen mitgewirkt hat, sondern bei diesem Auswertungsverfahren lediglich die Rolle des „kritischen Beobachters“ und „Methodentrainers“ einnahm.865 Mit dieser Massnahme konnte sichergestellt werden, dass den diesbezüglichen Qualitätssicherungsanforderungen entsprochen werden kann.866 Nachdem eine Einschulung der Interpretationsteams zur Methode der Feinstrukturanalyse durch den Autor dieser Arbeit stattgefunden hatte, orientierten sich die Textproduzenten am Auswertungsschema nach Froschauer und Lueger. Wie bereits erläutert wurde zwischen folgenden Kategorien bzw. Prozessen der Interpretation unterschieden: 1. Paraphrase, 2. Intention bzw. Funktion, 3. latente Bedeutung, 4. Rollenverteilung und 5. Anschlussoption bzw. Prüfung.867

Diese Nummerierung der fünf unterteilten Bereiche wird bei den nachfolgenden Auslegungen einzelner Texteinheiten zu „Kontrolle“ und „Druck“ der Textproduzenten durchgehend beibehalten. Nach den Interpretationssitzungen veränderte der Verfasser lediglich die Reihenfolge der produzierten Vermutungen innerhalb eines Bereiches (z. B. Auslegungen, die der Paraphrase zugeordnet wurden), damit die Interpretationen inhaltlich schlüssig sind. Zudem nahm der Autor eine vorsichtige Selektion der Auslegungen vor und verbesserte einzelne sprachliche Feinheiten. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit beziehen sich die Personenbezeichnungen auf das männliche Geschlecht. Damit soll jedoch keine geschlechterspezifische Rollenbezeichnung zum Ausdruck gebracht werden. Wie in der Qualitätssicherung zur Feinstrukturanalyse bereits erörtert, wurden keine inhaltlichen Veränderungen an den produzierten Interpretationen vorgenommen.868

864

Die verwendeten Zeichen und deren Bedeutung sind in einem Verzeichnis zu Beginn der Dissertation zu finden.

865

Der Verfasser dieser Arbeit orientierte sich dabei an den wissenschaftlichen Werken von Froschauer und Lueger. Vgl. Kapitel V, Punkt 5.2 Hermeneutische Interpretation: Feinstrukturanalyse.

866

Vgl. Kapitel V, Punkt 5.2.2 Qualitätssicherung der Interpretationen.

867

Vgl. Kapitel V, Punkt 5.2.1 Aufbau der Interpretationen.

868

Vgl. Kapitel V, Punkt 5.2.2 Qualitätssicherung der Interpretationen.

VII Forschungsergebnisse durch die hermeneutische Interpretation

1.1

181

Inhaltlicher Trend im Interviewmaterial: „Kontrolle“

Mit der Funktion der Satzstatistik können durch die Software WinRelan® inhaltliche Trends im Textmaterial identifiziert werden. Vergleichbar mit Überschriften können diese stark über Kontenbegriffe miteinander verknüpften Textsequenzen inhaltlich aufklären. Bei der Durchsicht dieser zentralen Texteinheiten kann in Erfahrung gebracht werden, welche Themen das Datenmaterial behandelt. Die durch das hermeneutische Verfahren zu bearbeitende Sequenz „Kontrolle“ wurde nach den von Froschauer und Lueger beschriebenen Selektionskriterien ausgewählt: Es „[…] ist die Wahl einer Textstelle sinnvoll, die bei oberflächlichem Hinsehen wichtig für den untersuchten Themenkomplex sein könnte.“869

Aufgrund der computerunterstützten Software kann eine genaue Auswahl markanter Stellen getroffen werden.870 Der Verfasser dieser Arbeit entschied sich an dieser Stelle für jene Interviewsequenz, die durch zahlreiche Beziehungen einen starken inhaltlichen Trend repräsentiert. Damit soll ein möglichst umfassendes Bild der Sinneinheiten dargestellt werden. Vielfältige latente Bedeutungen sollen so zur Beantwortung der Forschungsfragen beitragen.

Damit verständlich ist, worauf der Respondent geantwortet hat, wird nachstehend die entsprechende Fragestellung angeführt:

„[…] Also, wie hätte man die ähm,,,, vorbeugenden Massnahmen oder Strategien dann im Unternehmen umsetzen müssen, damit sie wirksam (unterbricht)?“871

Die antwortende Person unterbricht den Befragenden, wie durch die Einfügung „(unterbricht)“ oben dargestellt wird. Mögliche Gründe hierfür werden durch die Interpreten aufgegriffen und erklärt. Folgende exakt transkribierte Textstelle aus der 26. von insgesamt 37 aufgenommenen Minuten des am 17.04.2010 durchgeführten Interviews mit dem zweiten befragten und rechtskräftig verurteilten Wirtschaftsdelinquenten wurde interpretiert:

„[…] Man kontrolliert oftmals, ist es vollständig, nach Richtlinien / aber man kontrolliert in speziellen Fällen nicht, stimmt es, was da steht / sie nehmen einfach alles entgegen / ich sage nicht alle / aber dass es zu diesen Fällen kommt / […].“872

869

Froschauer/Lueger (2003), S. 113; vgl. Lueger (2010), S. 191. Froschauer und Lueger bemerken, dass sich dafür unterschiedliche Vorgangsweisen anbieten. Dem Verfasser scheint die gewählte Variante sinnvoll.

870

Das ist die einzige Stelle der gesamten empirischen Untersuchung, an welcher sich die beiden verwendeten Verfahren kreuzen. Dennoch werden beide Auswertungsverfahren unabhängig voneinander erarbeitet. GABEK®/WinRelan® unterstützt lediglich die Entscheidung für eine Textsequenz.

871

Fragestellung des Interviewers in der 25. Minute des aufgezeichneten Gesprächs.

182

VII Forschungsergebnisse durch die hermeneutische Interpretation

Nachfolgend werden die Interpretationen der einzelnen Sinneinheiten der ersten Textsequenz „Kontrolle“ unverändert in Originalform exzerptartig dargelegt:873

A) „[…] Man kontrolliert oftmals, ist es vollständig, nach Richtlinien / “874 1.

Richtlinien stellen den Massstab für die Vollständigkeit des „es“ dar, und die Vollständigkeit wird zu unterschiedlichen Zeitpunkten wiederholt überprüft;

2. - Hinweis, dass es ein Regelwerk gibt. Doch wird nicht kontrolliert, inwiefern es tatsächlich eingehalten wird; - Andeutung, dass Kontrolle nicht Kontrolle ist. Die Umsetzung der Prüfmethode muss verbessert werden; - kontrolliert wird, damit es getan worden ist; - unabhängig von der Frage könnte aufgrund der Unterbrechung die Absicht bestehen, eine dringliche Botschaft mitzuteilen; 3. - „man“ ist eine allgemeine Formulierung. Daraus könnte sich eine Solidaritätsaufforderung ableiten lassen; - Wiederholungen sind vorhanden (die Aussage soll nicht als Einzelfall deklariert werden), allerdings wird auf einen Mangel an Systematik hingewiesen („oftmals“); - nicht die kontrollierende Person, sondern der Kontrollprozess wird in den Vordergrund gestellt. Inwiefern ist dieser Vorgang technisch?; - ein tiefgründigeres Denken soll angeregt werden; - die Unterbrechung des Interviewers könnte auf eine Abwehr- bzw. Rechtfertigungsreaktion hindeuten; - die interviewte Person ringt nach Wörtern und möchte sich klar ausdrücken, findet aber nicht sofort die richtigen Ausdrücke; - am unzureichenden Ist-Zustand wird Kritik geübt; - die antwortende Person scheint nicht am beschriebenen Prozess beteiligt zu sein; - Kontrolle ist eine vorbeugende Massnahme; 4. - aufgrund der Unterbrechung wird entweder die Autorität des Interviewers aberkannt oder bzw. und es existiert ein gemeinsames Verständnis der Thematik (gemeinsam geteiltes Wissen);

872

BWD 2 (2010), Textsequenz 1.

873

Vgl. Kapitel V, Punkt 5.2.2 Qualitätssicherung der Interpretationen.

874

BWD 2 (2010), Textsequenz 1, Sinneinheit A.

VII Forschungsergebnisse durch die hermeneutische Interpretation

183

- die kontrollierende Instanz „man“ könnten Vorgesetzte oder Wirtschaftsprüfer sein. Denkbar wären auch Abteilungen (z. B. Compliance, Controlling etc.), Aufsichtsorgane oder Unternehmen. Ebenso könnte ein System angesprochen werden; - „es“ könnte die Arbeit oder das Handeln sein; 5. - ein Urteil über die Richtigkeit der Kontrolle und ein Verbesserungsvorschlag; - Präzisierung des „man“, „oftmals“, „es“ und „vollständig“; - eine eindeutigere Antwort wäre wünschenswert, da kaum Bezug zur Fragestellung besteht; - ist es möglich, falsche Angaben zu machen und trotzdem den Richtlinien zu entsprechen?;

B) „aber man kontrolliert in speziellen Fällen nicht, stimmt es, was da steht / “875 1. - überprüft wird die Übereinstimmung mit dem Regelwerk, aber nicht, inwiefern es der Wahrheit entspricht; - anstatt einer genauen, findet in speziellen Fällen lediglich eine oberflächliche Kontrolle statt; 2. - Hinweis auf nicht wahrheitsgemässe Angaben in speziellen Fällen; - es besser zu machen, bedeutet, es anders zu machen; - inhaltlichen Kontrollen ist mehr Priorität zuzuschreiben, d. h. es wird nicht kontrolliert „was“, sondern lediglich „ob“ etwas geschrieben steht; - Begründung, warum die Kontrolle nach Richtlinien ein Problem ist. Werden diese Richtlinien blind in eigene Handlungen integriert?; - Vorwurf und zugleich Aufforderung an die kontrollierende Instanz, mehr kritisch zu hinterfragen und weniger Schemata zu verwenden; 3. - Massstab in speziellen Fällen ist die Konformität mit dem Regelwerk, nicht jedoch die Richtigkeit des Inhalts; - Einschränkung der vorigen Aussage („in speziellen Fällen“); - sobald es „spezielle Fälle“ gibt, ist die Vorgangsweise nach Richtlinien sinnlos. Ist sie das auch bei anderen Fällen?; - eine Bestätigung durch den Interviewer wird von der verärgerten Person erwartet. Denkbar wäre ebenso, dass die Situation akzeptiert wurde;

875

BWD 2 (2010), Textsequenz 1, Sinneinheit B.

184

VII Forschungsergebnisse durch die hermeneutische Interpretation - offen bleibt, ob es sich um Absicht oder Versäumnis handelt, dass nur in speziellen Fällen nach Wahrheitsgehalt überprüft wird; - der Respondent gibt preis, dass mindestens einmal vorgetäuscht wurde; - durch die verallgemeinerte Aussage kann abgeleitet werden, dass andere Personen ebenfalls wissen, dass inhaltlich nicht kontrolliert wird. Es reicht aus, sich an die Form zu halten; - nicht bei denjenigen, die inhaltlich nicht wahrheitsgetreue Angaben machen, sondern bei der Kontrolle liegt die Verantwortung, dass Missbrauch betrieben wird. Es findet eine Entsubjektivierung und Schuldübertragung statt; 4. - nach der Art der Information zu beurteilen, scheint das Vertrauen gegenüber dem Interviewer gegeben zu sein (Basis für offenes Gespräch); - Kontrollierende sind zu gutgläubig; 5. - Erklärung der „speziellen Fälle“ und der nun entstandenen Differenz mit „oftmals“; - Begründung, warum „man“ das in „speziellen Fällen“ nicht kontrolliert; - inwiefern sollen die Richtlinien überarbeitet werden?; - gibt es jeweils eine Instanz für Regelkonformität und Wahrheit oder sollten diese Ansprüche zusammen gehören?;

C) „sie nehmen einfach alles entgegen / “876 1. - sie geben sich mit allem zufrieden; - alles wird einfach angenommen; 2. - „sie“ haben keinen Durchblick, deshalb müssen Massnahmen direkt bei der kontrollierenden Instanz ansetzen; - Aussage des Respondenten soll provozieren; - Anschuldigung an die nicht genau arbeitende Instanz; - täuschende Personen werden nicht beschuldigt; 3. - Verantwortung wird abgeschoben und liegt bei den anderen; - Kompetenz der Kontrollinstanz wird aberkannt; - Instanz hat zu viel Vertrauen: „Alles“ ist Erklärung genug; - Anreiz besteht: Wie gut kann ich falsche Angaben unbemerkt einbauen?;

876

BWD 2 (2010), Textsequenz 1, Sinneinheit C.

VII Forschungsergebnisse durch die hermeneutische Interpretation

185

- jeder Mensch kann nach Belieben schreiben, was er möchte. Teilweise wird das dann auch so praktiziert. Ist es möglich, falsche Angaben zu machen, ohne dabei gegen die Richtlinien zu verstossen?; - es gibt Personen, die wissentlich falsche Angaben machen und dennoch vorgeben, dass sie sich entsprechend den Richtlinien konform verhalten. Das wird ausgenutzt, d. h. Instanz macht es Täuschenden einfach; - anhand der Richtlinien wird nicht Wahrheit kontrolliert, sondern Vollständigkeit; - es wird eine Differenz aufgerissen zwischen denen, die die Angaben machen, und der Instanz. Abrechnungsgedanken zwischen beiden Lagern wären denkbar. Sprechende Person positioniert sich ausserhalb; 4. - Struktur der Instanz wird deutlich („man“ wird zu „sie“): Obwohl die Kollektivform bleibt, wurde sie personalisiert bzw. subjektiviert; - überlegene Darstellung des Respondenten; 5. - Einschränkungen und positive Formulierungen werden erwartet; - Benennung dessen, was besser gemacht werden sollte; - Interviewter lehnt sich zurück und lässt Aussage wirken;

D) „ich sage nicht alle / “877 1. - es gibt Ausnahmen; 2. - Relativierung, damit Aussage nicht falsch aufgefasst wird; - nicht alle einschliessen und beschuldigen, das wäre unfair. Ohne Verallgemeinerungen sollen einige davon ausgenommen sein; - Praxis ist komplexer bzw. komplizierter als Theorie; 3. - Verantwortung verlagert sich von „übermächtiger“ Instanz zu bestimmten Personen dieser Instanz. Entweder lediglich einzelne schwarze Schafe bzw. Mehrheit, die alles entgegen nimmt; - distanzierte Betrachtung von aussen; - ob alles entgegen genommen wird oder nicht, ist individuell unterschiedlich. Offen bleibt, von welchen Faktoren dies abhängig ist; - Einschränkung auf „nicht alle“ bedeutet nicht sehr wenige; - nicht alle sind gleich, d. h. es gibt auch wirksame Kontrollen. Schliesslich werden Täuschungen manchmal bemerkt;

877

BWD 2 (2010), Textsequenz 1, Sinneinheit D.

186

VII Forschungsergebnisse durch die hermeneutische Interpretation - andere Personen werden nicht gefasst; - Person entzieht sich einer konkreten Aussage, damit kein Aufhänger existiert; 4. - Instanz wird nochmals differenziert (von „man“ zu „sie“ und nun zu „nicht alle“). Statt völliger Verallgemeinerung verengt sich Fokus auf einige Personen; - Relativierung und Richtigstellung voriger Aussage lässt konstruktives Gespräch erahnen, d. h. befragte Person akzeptiert Interviewer; 5. - Bestärkung der vorigen Aussage mit „aber“;

E) „aber dass es zu diesen Fällen kommt / […].“878 1. - deshalb kommt es soweit; 2. - Begründung und bzw. oder Rechtfertigung wird gesucht; - diejenigen, die einfach alles entgegen nehmen, verursachen diese Fälle; - Ablenkung auf die anderen Fälle; - antwortende Person versucht, Zeit zu gewinnen, um über noch zu Erläuterndes oder bereits Erwähntes nachzudenken; 3. - solche Fälle sind möglich; - vorhandene Präventionsstrategie ist wirkungslos; - es existieren mehrere Fälle, d. h. es handelt sich nicht um einen Einzelfall. Auf andere Fälle wird vorerst nicht eingegangen. Unklar bleibt, ob die befragte Person alleine gehandelt hat. Mehrere Personen könnten verwickelt sein; - bei denjenigen, die nicht einfach alles entgegen nehmen, kommt es nicht zu diesen Fällen; - Verantwortung wird anderen angelastet; - Befragter gibt vor, dass das System einen gefangen nimmt und ärgert sich, da die Person sich jetzt wie ein Sündenbock fühlt; - Lücke ist auszunutzen: Zwar machen es nicht alle so, aber die Tatsache, dass es solche Fälle gibt, legitimiert das Handeln bis zu einem gewissen Grad: „Ich bin aber nicht der Einzige und wenn das andere machen, dann mache ich das auch“; 4.

(Bleibt leer)

5. - hat die Person alleine gehandelt?;

878

BWD 2 (2010), Textsequenz 1, Sinneinheit E.

VII Forschungsergebnisse durch die hermeneutische Interpretation

187

- Einleitung negativer Konsequenzen oder erklärender Beispiele;

1.2

Besondere Relevanz der Kernvariable „Druck“

Im Gegensatz zur Sequenz „Kontrolle“ wurde die zweite Textstelle ohne computertechnische Unterstützung ausgewählt. Aufgrund der besonderen Bedeutung der Kernvariable „Druck“ als der relevanteste „Fraud Triangle“-Auslöser der bisherigen Auswertung durch die Qualitative Inhaltsanalyse hat sich der Verfasser für eine Sequenz aus diesem Bereich entschieden. Dabei handelt es sich um eine Aussage, die von mehreren Delinquenten während der Forschungsgespräche in ähnlicher Form wiederholt und deshalb vom Autor als „markant“ bezeichnet wird.

Zuerst soll die angeführte Fragestellung des Interviewers eine grundsätzliche Orientierung schaffen, bevor die Textsequenz der antwortenden Person angeführt wird:

„[…] Wie es dazu gekommen ist, das würde mich (.) interessieren […] wie sind Sie in den Vorfall hineingeraten?“879

Nachstehende, exakt transkribierte Sequenz aus der zweiten von insgesamt 37 aufgenommenen Minuten des am 17.04.2010 durchgeführten Interviews mit dem zweiten interviewten und rechtskräftig verurteilten Wirtschaftsdelinquenten880 wurde interpretiert:881

„[…] es gibt viele Leute, die heute wieder in solchen Unternehmen arbeiten / und ein enormer Druck wird ausgeübt / es geht nur um Zahlen und Zielerreichung / wie man sie macht, spielt keine Rolle / […].“882

Der Erarbeitungsprozess der Textproduzenten bzw. die Vorgehensweise der ersten Interpretationen zu „Kontrolle“ bleibt im Folgenden unverändert. Aus Organisationsgründen konnte die zweite Einheit jedoch nicht mehr von der dritten Interpretationsgruppe mit 20 Teilnehmern der Assess-

879

Fragestellung des Interviewers in der ersten Minute des aufgezeichneten Gesprächs.

880

Zufällig handelt es sich hierbei wiederholt um den zweiten Befragten.

881

Obwohl diese Textstelle des Interviews bereits vor der zuerst interpretierten ausgesprochen wird, scheint es dem Autor in Anbetracht der Gliederung und des Aufbaus der vorliegenden Qualifikationsschrift sinnvoller, die Reihenfolge umzudrehen. Damit wird das Ziel verfolgt, den Leser vom Allgemeinen zum Detaillierten zu führen. Schliesslich ist die Kontrolle aus der Perspektive der befragten Täter eine Präventionsmassnahme und Druck ein auslösender Faktor. Die Sequentialität im Gesprächszusammenhang wird eingehalten.

882

BWD 2 (2010), Textsequenz 2.

188

VII Forschungsergebnisse durch die hermeneutische Interpretation

ment-Stufe an der Universität St. Gallen (HSG) interpretiert werden.883 Die Werke von Froschauer und Lueger, an denen sich der Autor im Zuge der Interpretation orientiert, sieht ein solches Vorhaben auch nicht vor. Deshalb sind die Qualitätsanforderungen bei dieser Auslegung ebenfalls erfüllt.

Im Folgenden werden die bedeutenden Interpretationen der einzelnen Sinneinheiten der zweiten Textsequenz „Druck“ unverändert in Originalform exzerptartig dargelegt:884 A) „[…] es gibt viele Leute, die heute wieder in solchen Unternehmen arbeiten / “885 1. - eine durch „solche Unternehmen“ bestimmte Tätigkeit wird jetzt wieder durch viele Personen ausgeübt; 2. - befragte Person ist nicht die einzige, die heute wieder in solchen Unternehmen arbeitet und kennt einige, die eine solche Tätigkeit ausüben; - obwohl der Interviewer den Respondenten auffordert, über sich selbst zu sprechen, wird über andere gesprochen. Handelt es sich um ein Ablenkungsmanöver bzw. um eine Rechtfertigung?; - beim Interviewer wird um Verständnis gesucht; 3. - „solche Unternehmen“ sind bestimmte Unternehmen; - Tätigkeit hat etwas mit den bestimmten Unternehmen („solchen Unternehmen“) zu tun bzw. ist von diesen Unternehmen bestimmt; - Generalisierungen („es“, „viele Leute“) könnten als Flucht in die Kollektivform aufgefasst werden; - Wiederaufnahme („wieder“) eines Verhaltens bzw. einer Tätigkeit nach einer bestimmten zeitlichen Unterbrechung. Wie kam es zu dieser Unterbrechung?; - es handelt sich um kein aussergewöhnliches, sondern um ein sich aktuell wiederholendes Ereignis; 4. - der Ausdruck „solche Unternehmen“ könnte ein mit dem Interviewer gemeinsam geteiltes Wissen unterstellen; - Interviewer unterstellt ebenfalls ein gemeinsam geteiltes Wissen durch den Ausdruck „Vorfall“;

883

Vgl. Kapitel V, Punkt 5.2.2 Qualitätssicherung der Interpretationen.

884

Vgl. Kapitel V, Punkt 5.2.2 Qualitätssicherung der Interpretationen.

885

BWD 2 (2010), Textsequenz 2, Sinneinheit A.

VII Forschungsergebnisse durch die hermeneutische Interpretation

189

5. - welche Kriterien gibt es für die zeitliche Unterbrechung und für die Wiederaufnahme eines Verhaltens bzw. einer Tätigkeit?; - wäre es sinnvoll, die „Leute“ auf ihre Fähigkeit zu überprüfen?; - existiert ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen „Leute“ und „Unternehmen“?; - entweder wurde bereits über „solche Unternehmen“ gesprochen oder sie müssen anschliessend näher erläutert werden; - auf das bekundete Interesse des Interviewers wird bisher nicht näher eingegangen. Eine Antwort wird erwartet;

B) „und ein enormer Druck wird ausgeübt / “886 1.

es gibt Personen, die andere sehr stark belasten;

2. - Eindruck einer Rechtfertigungsabsicht verstärkt sich; - Umfeld übt sehr starken Einfluss aus; - erster Bezug zur Fragestellung: Extremer Druck kann eine Antwort sein; 3. - Massiver Druck wird ausgeübt. Es erfolgt keine Information über die Ausübenden; - ein „enormer Druck“ ist nicht neutral, sondern negativ bewertet; - dieser dort herrschende, extreme Druck-Zustand hat Auswirkungen auf das Wohlbefinden und kann zu einem Vorfall führen; - es existiert kein Subjekt: Entsubjektivierung als hinzunehmende, möglicherweise sogar unausweichliche Darstellung der Realität; - befragte Person spricht nicht über sich selbst; - Bezug auf die Gegenwart, obwohl eine vergangenheitsorientierte Frage gestellt wurde. Deshalb könnte der Zustand für die Vergangenheit und Gegenwart gelten; 4. - Weichenstellung erfolgt bereits durch die Frage des Interviewers: Es wird nach situativen Umständen gefragt. Der Interviewer befragt in einer passiven Form: „Wie sind Sie in den Vorfall hineingeraten?“; - Viktimisierung: Der Befragte betrachtet sich selbst als ein Opfer; 5. - wird davon ausgegangen, dass man ohne aktives Handeln in einen Vorfall hineingeraten kann?; - wer übt Druck wodurch auf wen aus? Wie ist die befragte Person daran beteiligt?;

886

BWD 2 (2010), Textsequenz 2, Sinneinheit B.

190

VII Forschungsergebnisse durch die hermeneutische Interpretation - in welchem Verhältnis steht der Druck zum Vorfall? Ist der enorme Druck die Ursache oder ein Verstärker?;

C) „es geht nur um Zahlen und Zielerreichung / “887 1. - wichtig ist nichts anderes als die Erreichung von Zahlen und Zielen; - lediglich das Endprodukt ist von Belang. Der dabei stattgefundene Prozess ist unbedeutend; 2. - Verantwortung liegt bei einer übergeordneten Struktur bzw. Funktion. An dieser Stelle sind die Menschen nicht gestaltungsfähig bzw. dieser Macht ausgeliefert; - Vorwurf an Druck-Ausübende; - es existiert keine persönliche Wertschätzung; - verstärkter Eindruck einer Viktimisierung. Dabei bleibt unklar, ob sich der Respondent als ein Opfer von konkreten Personen, von bestimmten Unternehmen oder als ein Opfer des Systems betrachtet; - beim Interviewer sollen Verständnis und Sympathie geweckt werden; 3. - Verantwortung wird abgegeben; - jemanden bzw. etwas mit Verantwortung zu benennen scheint nicht einfach zu sein, d. h. es könnte intersubjektiv bzw. systemisch bedingt sein; - Entpersonalisierung: Wie bereits in der Sinneinheit zuvor existiert kein Subjekt; - Diskrepanz bzw. Bewertungsunterschied: Manchen Personen geht es nur um Zahlen und Zielerreichung und anderen Menschen geht es um etwas anderes. Damit wird suggeriert, dass es noch mehr gibt; - einzig wichtig ist die Profitmaximierung. Menschen sind nur Mittel zum Zweck; - der Respondent lehnt Effektivität durch Zahlen und Zielerreichung generell nicht ab. Doch sollte es nicht ausschliesslich darum gehen; - Vorgabe der „Zahlen und Zielerreichung“ präzisiert den enormen Druck; 4. - zentral ist, dass die Druck-Ausübenden (z. B. Vorgesetzte, solche Unternehmen, gesamtes Wirtschaftssystem etc.) noch unbekannt sind; 5. - bleiben Menschen auf der Strecke, wenn es nur um Zahlen, Zielerreichung und den dabei resultierenden Druck geht? Eine Präzisierung wird erwartet; - was genau ist der antwortenden Person neben Zahlen und Zielerreichung wichtig?; - wer steuert und wer erträgt?;

887

BWD 2 (2010), Textsequenz 2, Sinneinheit C.

VII Forschungsergebnisse durch die hermeneutische Interpretation

191

D) „wie man sie macht, spielt keine Rolle / […].“888 1.

es zählt lediglich der Output und nicht der Weg dorthin;

2. - interviewte Person gibt vor, eine breite Erfahrung zu haben; - Respondent gibt die Verantwortung ab bzw. gesteht nur Teilschuld ein; - Gründe für das Hineingeraten in Vorfälle liegen bei „solchen Unternehmen“; - bis zum Ziel existieren keine Hindernisse, d. h. es wird ohne Rücksicht auf Verluste vorgegangen; - es handelt sich um einen unnachgiebigen Bereich. Platz für Moral gibt es nicht; - Gerechtigkeitssinn geht verloren; 3. - Kollektivform („wie man sie macht“) vermittelt universelles Gesetz bzw. Schicksal; - das „wie“ gehört nicht zu den Zielerreichungskriterien, an denen die Leistung gemessen wird, sondern ausschliesslich das „was“; - „man“ wird ohne Begleitung oder Einschulung über die Methode bzw. über das „wie“ zur Erreichung der Ziele einfach im Stich gelassen. Wichtig wäre, dass erklärt wird, „wie“ die Zahlen und Ziele erreicht werden können; - es kümmert niemanden, wenn ein falscher Weg eingeschlagen wird; - für die Beurteilenden ist lediglich das Resultat relevant. Für den Respondenten zählt jedoch auch die Methode, wie die Ergebnisse erreicht wurden. Eine Wertediskrepanz wird als belastend empfunden; - Erklärung für das „Hineingeraten in Vorfälle“ ist der gegenwärtige, noch unveränderte Zustand. Es handelt sich nicht um eine spezifische, nur für den Einzelfall geltende, sondern um eine allgemeingültige und bis heute unveränderte Erklärung. Dasselbe Ereignis ist durch den unveränderten Zustand wieder jederzeit möglich; - Erklärung des „Drucks“ bzw. des „Hineingeratens in Vorfälle“; 4. - jemand bzw. eine Instanz beurteilt „Zahlen und Zielerreichung“. Über dessen Wertmassstäbe lässt sich nicht diskutieren; - Ausführende („man“) versuchen, die Zahlen und Zielvorgaben zu erreichen; 5. - erwartet wird eine Präzisierung der daraus folgenden Konsequenzen;

888

BWD 2 (2010), Textsequenz 2, Sinneinheit D.

192

2

VII Forschungsergebnisse durch die hermeneutische Interpretation

Auffälligkeiten im „zwischen den Zeilen Verborgenen“

Nach den Sitzungen der Textproduzenten wurden zentrale Überlegungen zu den Besonderheiten der interpretierten Interviewsequenzen vom Verfasser der vorliegenden Dissertation aufgegriffen und schriftlich zusammengefasst. Diese Gedanken werden nachfolgend angeführt, wobei hauptsächlich auf die für die Dissertation und die Forschungsfragen relevantesten Interpretationsresultate eingegangen wird. Neben den Interpretationen der Textsequenzen vervollständigen die nachfolgend beschriebenen Unterkapitel das Bild über das „zwischen den Zeilen Verborgene“. Dabei geht der Verfasser jedoch lediglich auf besondere Auffälligkeiten aus seiner Perspektive ein, da sich ansonsten viele Inhalte mit den bereits dargestellten Forschungsergebnissen durch die Qualitative Inhaltsanalyse wiederholen würden.889

Aufgeworfene Fragen im Bereich der Anschlussoptionen bzw. Prüfungen, welche bei den Auslegungen der Sequenzen „Kontrolle“ und „Druck“ durch die Nummer fünf gekennzeichnet sind, können weder durch Textproduzenten noch durch den Verfasser beantwortet werden. Diese Fragestellungen können lediglich von der befragten Person selbst beantwortet werden. Dies schliesst jedoch nicht aus, dass einige eine Antwort dazu geben können. Im konkreten Fall der Interpretationsgruppen geht es nicht um eine richtige oder falsche Antwort. Im Kontext der Feinstrukturanalyse handelt es sich um Vermutungen. Die Textinterpreten versuchen, sich in den Befragten zu versetzen. Aus der Sicht des hermeneutischen Auswertungsverfahrens kann lediglich der interviewte Wirtschaftsstraftäter bestimmen, inwiefern die produzierten Behauptungen der Interpretationsgruppen seinen Gedanken entsprechen. In manchen Fällen werden offene Fragen einer Sinneinheit bereits durch die darauf folgende Sinneinheit geklärt, d. h. durch später Ausgesprochenes beantwortet der Interviewte gelegentlich einige Fragen der Interpreten erst in einer darauf folgenden Sinneinheit.

2.1

„Kontrolle“ als bedeutsame Präventionsmassnahme

Bei der Frage, wie unternehmensinterne Präventionsmassnahmen umzusetzen sind, wird der Kontrollprozess in den Vordergrund gestellt. Dabei identifizieren die Interpretationsgruppen einen Mangel an der Kontrollsystematik, wobei mit der ersten Sinneinheit unklar bleibt, inwiefern es sich dabei um einen technischen Vorgang handelt. Zuerst wird der Kontrollprozess nach Richtlinien vom Befragten als unzureichend und verbesserungswürdig beschrieben, bevor die „inkompetente und zu gutgläubige Kontrollinstanz“ für die Tat mitverantwortlich gemacht wird.890

889

Die Forschungsergebnisse beider Auswertungsverfahren werden im nachfolgenden Kapitel miteinander verglichen. Vgl. Kapitel VIII Vergleich der Auswertungsergebnisse von Kapitel VI und VII.

890

Vgl. Textsequenz 1, Sinneinheit A, Punkt 3; Textsequenz 1, Sinneinheit B, Punkt 1; Textsequenz 1, Sinneinheit B, Punkt 3; Textsequenz 1, Sinneinheit C, Punkt 3; Textsequenz 1, Sinneinheit E, Punkt 2; Textsequenz 1, Sinneinheit E, Punkt 3.

VII Forschungsergebnisse durch die hermeneutische Interpretation

193

Einige befragten Delinquenten weisen darauf hin, dass lediglich formal und nach Vollständigkeit, aber nicht inhaltlich kontrolliert wird.891 Andere Personen wissen ebenfalls, dass es ausreichend ist sich an die Form zu halten und dass das Vertrauen der Kontrollinstanz ausgenutzt werden kann. Das Täuschen von Tatsachen wird ermöglicht und könnte für einige Personen sogar einen zusätzlichen Anreiz darstellen, da Täuschungen gelegentlich unbemerkt bleiben („wie gut kann ich falsche Angaben unbemerkt einbauen?“).892 Eine Lücke ist auszunutzen, so die Interpreten.893 Es handelt sich um ein dringliches Problem, dessen Existenz und Relevanz hervorgehoben werden muss, denn es geht klar hervor, dass die Kontrolle aus der Perspektive des Täters eine bedeutsame vorbeugende Massnahme darstellt.894 Dies scheint verwunderlich, da die Kontrolle gleichzeitig den typisch detektiven Massnahmen zuzuordnen ist. Durch die Interviewsequenz bleibt jedoch ungewiss, inwiefern die Kontrolle der Kontrolle eine Verbesserungsmöglichkeit aus vorbeugender Sicht darstellen könnte.895

Die fliessend bzw. unterbrechungsfrei gesprochene Textsequenz des Respondenten lässt den Autor annehmen, dass es sich um eine häufig erzählte Aussage handeln könnte. Nach der Art der Information beurteilen die Interpretationsgruppen das Vertrauen des Respondenten gegenüber dem Befragenden als gegeben.896 Ebenso nehmen die Textinterpreten das Interview als ein konstruktives Forschungsgespräch wahr.897 Doch es wird kein unmittelbarer Bezug zur gestellten Frage hergestellt. Deshalb könnte eine weitere Vermutung sein, dass die Frage überhört wurde oder die interviewte Person womöglich eine dringende Botschaft mitteilen möchte. Durch die erwiderte Antwort kann ein Hinweis darauf abgeleitet werden, dass vorbeugende Massnahmen nicht mit einfachen „technischen“ Mitteln wirksam umgesetzt werden können. Wie von den Textproduzenten angedeutet, durch die Inhaltsanalyse dieser Arbeit herausgearbeitet und durch sämtliche Zitate aus Quellen der Fachliteratur untermauert, handelt es sich bei Präventionsmassnahmen der Wirtschaftskriminalität um ein äusserst komplexes Gebiet.

Auffällig ist auch die distanzierte Haltung des Delinquenten zum Geschehenen. Die Beschreibung erfolgt aus einer unbeteiligten Sichtweise. Das „ich“ erfolgt lediglich in der Position eines Beob-

891

Vgl. Textsequenz 1, Sinneinheit B, Punkt 2; Textsequenz 1, Sinneinheit B, Punkt 3; Textsequenz 1, Sinneinheit C, Punkt 3.

892

Vgl. Textsequenz 1, Sinneinheit C, Punkt 3; Kapitel VI, Punkt 4.5.3 Anreiz als Motivation zur Tatausübung; Kapitel VI, Punkt 1.2 Schwerpunkte: Sprachliche Hypergestalt; Kapitel VI, Punkt 4.1 Einflüsse auf Präventionsmassnahmen.

893

Vgl. Textsequenz 1, Sinneinheit E, Punkt 3.

894

Vgl. Kapitel VI, Punkt 4.3 Einflüsse auf und Auswirkungen von Kontrolle; Vgl. Textsequenz 1, Sinneinheit A, Punkt 3.

895

Ein mögliche Antwort darauf findet sich in Kapitel VI, Punkt 4.4 Einflüsse auf und Auswirkungen von Vertrauen.

896

Vgl. Textsequenz 1, Sinneinheit B, Punkt 4.

897

Vgl. Textsequenz 1, Sinneinheit C, Punkt 4.

194

VII Forschungsergebnisse durch die hermeneutische Interpretation

achters, obwohl es sich beim Befragten um den „Protagonisten“ handelt. Der Autor nimmt jedoch nicht an, dass es sich um eine „Ablenkungsmanöver“ handelt, sondern um eine Rationalisierung der Tat nach Cressey als Element des „Fraud Triangle“, was auch durch die Interpretationsgruppen so wahrgenommen wird.898 Da die antwortende Person weiss, dass es einige wirtschaftskriminelle Fälle gibt und sie nicht die einzige ist, die eine Tat verübt, betrachtet sie dolose Handlungen bis zu einem gewissen Grad legitimiert, so die Interpretationsgruppen.899 Nach Ansicht des Verfassers versucht der interviewte Delinquent in diesem Fall, seine Tat hauptsächlich vor sich selbst zu rechtfertigen.900

2.2

„Druck“ als zentraler Tatauslöser

Die Interpretationsgruppen sind sich weitgehend einig, dass der Befragte die Frage des Interviewers bereits durch die Sinneinheiten A bis D der Sequenz „Druck“ beantwortet. Bei den Forschungsgesprächen mit den Wirtschaftsdelinquenten wurde der Fokus u. a. auf die Elemente des „Fraud Triangle“ gelegt. Bereits durch die Fragestellung nach den situativen Umständen der Vorfälle wurde ein bestimmter und vom Interviewenden zuvor bewusst gewählter Antwortrahmen festgelegt, wie die Textproduzenten erkannten.901 Die bisherigen Ergebnisse der Qualitativen Inhaltsanalyse werden durch die Auslegungen der Feinstrukturanalyse gestärkt: Der in der zweiten Sequenz durch Zahlen und Zielerreichung präzisierte „Druck“ wurde bereits zuvor als zentraler Auslöser identifiziert.902 Gleichzeitig wird diese essentielle „Fraud Triangle“-Komponente von den Interpretationsgruppen als eine plausible Antwort auf die Frage, wie die Person in den Vorfall hineingeraten ist, wahrgenommen. Dabei wird angenommen, dass der als negativ empfundene Druck und die fehlende Wertschätzung der Vorgesetzten und Mitarbeiter zu dolosen Handlungen führen kann.

Nach der Auslegung der Interpretationsgruppen zählt für die Unternehmen lediglich das Endergebnis und nicht die Methode, die zum Ergebnis führte. Diese Wertediskrepanz zwischen den Ergebnisbeurteilenden (lediglich das Resultat bzw. die Ergebnisquantität ist relevant) und dem Interviewten (die Methode bzw. Ergebnisqualität ist ebenso relevant) wird als belastend empfunden. Der Beurteilende wird als unbeugsam und kompromisslos betrachtet. Die Effektivität der Zahlen wird vom Delinquenten nicht abgelehnt, aber wenn sich alles nur um die Erreichung von Zielen handle, dann seien die Menschen nicht mehr als ein Mittel zum Zweck.903

898

Vgl. Textsequenz 1, Sinneinheit A, Punkt 3; Textsequenz 1, Sinneinheit E, Punkt 2.

899

Vgl. Textsequenz 1, Sinneinheit E, Punkt 3.

900

Vgl. Kapitel IV, Punkt 1.2 Rationalisierung der Tat.

901

Vgl. Textsequenz 2, Sinneinheit B, Punkt 4.

902

Vgl. Kapitel VI, Punkt 4.5.4 Druck als Motivation zur Tatausübung; Kapitel VIII, Punkt 2 Zielerreichung unter hohem Druck.

903

Vgl. Textsequenz 2, Sinneinheit C, Punkt 3.

VII Forschungsergebnisse durch die hermeneutische Interpretation

195

Ohne vorgelebten Gerechtigkeitssinn (so z. B. durch den „tone at the top“904) scheint es den Tätern beinahe unbedenklich, unmoralische und womöglich gesetzeswidrige „Abkürzungen“ einzuschlagen, um die Zielvorgaben unter hohem Druck zu erfüllen: „Es handelt sich um einen unnachgiebigen Bereich. Platz für Moral gibt es nicht.“905 Die Themen „Moral“ und „Ethik“ wurden von keinem der befragten Delinquenten wörtlich ausgesprochen, d. h. bei keinem der 13 Interviews mit einer Gesamtgesprächsdauer von 1'060 Minuten konnten die Wörter „Moral“ oder „Ethik“ nachgewiesen werden.906 Obwohl während der Interviews nicht explizit danach gefragt wurde, würde sich ein solches Gesprächsthema mit Blick auf die Fragen des Interviewleitfadens aus der Sicht des Verfassers eignen.

Nicht nur die Interpretationen mit Bezug auf die Gegenwart, obwohl zu dieser Interviewsequenz deutlich eine vergangenheitsorientierte Frage gestellt wurde, sondern auch die Ergebnisse der Qualitativen Inhaltsanalyse bestätigen mehrfach einen unveränderten Zustand. Demnach gibt es laut dem Delinquenten kaum Besserungen im Bereich der tatauslösenden Faktoren. Daraus kann abgeleitet werden, dass die notwendigen Präventionsmassnahmen nach wie vor nur unzureichend sind und dass infolgedessen ähnliche Vorfälle in Zukunft erneut stattfinden könnten, dessen sind sich der Autor und die Textinterpreten einig.907 Ebenso teilt der Verfasser die Vermutung der Interpretationsgruppen, dass die befragte Person nicht die einzige ist, die gegenwärtig in Unternehmen arbeitet und wahrscheinlich einige kennt, die Wirtschaftsstraftaten begehen.908

Die Textinterpreten geben an, dass der Delinquent beim Interviewer versucht, Verständnis zu finden.909 Dass der Respondent in der zweiten Textsequenz „Druck“ mit dem Hintergrund der Fragestellung nicht über sich selbst spricht, ist ebenfalls auffällig. Ohne sich selbst zu erwähnen, wird über die Umstände berichtet, die zum Vorfall führten und dort beständig herrschen. Die befragte Person betrachtet sich dabei als Opfer. Diese „Viktimisierung“ hat der Interviewer während einiger Forschungsgespräche im Rahmen der empirischen Untersuchung im Einzelfall wahrgenommen. Zahlreiche Gespräche mit Experten auf dem Gebiet der Wirtschaftskriminalität bestätig-

904

Vgl. Kapitel IV, Punkt 1.1 Gelegenheit als Voraussetzung zur Tatausübung.

905

Vgl. Textsequenz 2, Sinneinheit D, Punkt 2.

906

Das Thema „Tagesgeschäft_unmoralisches“ wurde zwar codiert, ist von den Befragten jedoch nicht in der gleichen Form ausgesprochen worden, d. h. die Wörter „moralisch“ bzw. „unmoralisch“ fanden keine Verwendung. Zudem existieren im gesamten Datenmaterial lediglich zwei Stellen, an welchen dieser Code vorkommt.

907

Vgl. Textsequenz 2, Sinneinheit A, Punkt 3.

908

Vgl. Kapitel II, Punkt 2 Dunkelfeldproblematik; Textsequenz 2, Sinneinheit A, Punkt 2.

909

Vgl. Textsequenz 2, Sinneinheit C, Punkt 2.

196

VII Forschungsergebnisse durch die hermeneutische Interpretation

ten diesen Eindruck.910 Um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, wird darauf verzichtet, psychologische Erklärungsansätze für diese Auffälligkeit zu suchen.911

910

Die Namen der Experten, mit welchen darüber gesprochen wurde, sind in der Danksagung zu Beginn dieser Arbeit angeführt. Hierzu auch Dhami (2007), S. 70.

911

Womöglich liegt der Ursprung dieser Empfindung in der Tatsache, dass aufgrund von Verlusten der Geschädigten häufig etwas als kriminell beurteilt wird, obwohl es nicht immerzu den unmittelbaren Intentionen der Verursachenden entspricht. Hierzu insbesondere die Konversation mit Peter Zihlmann: „Juristisch gerettet – aus der Sicht der Anklage – werden die Fälle durch die Annahme des dolus eventualis, das Schosskind der verurteilenden Justiz.“

VIII Vergleich der Auswertungsergebnisse von Kapitel VI und VII

197

VIII Vergleich der Auswertungsergebnisse von Kapitel VI und VII Im nachfolgenden Teil erfolgt eine Gegenüberstellung der Erkenntnisse, um inhaltliche Überschneidungen der hermeneutischen Ergebnisse mit den Schlussfolgerungen aus der Inhaltsanalyse sichtbar zu machen.912 In den vorangegangenen Kapiteln erfolgt eine detaillierte Beschreibung der Resultate, deshalb wird in diesem Teil der Arbeit auf Einzelheiten verzichtet. Vielmehr sollen die sich überschneidenden Inhalte klar dargestellt werden. Es sei hier nochmals erwähnt, dass die Resultate beider Auswertungsverfahren unabhängig voneinander erzielt worden sind. Durch die hermeneutischen Interpretationen beider Interviewsequenzen erfolgten keine groben Widersprüchlichkeiten zu jenen Ergebnissen, die durch die Qualitative Inhaltsanalyse erarbeitetet wurden. Die Ausführungen der nachfolgenden Tab. 16 und Tab. 17 in den Zellen der linken Spalte sind jeweils mit denen der rechten Spalte vergleichbar.

1

Mangelhafte Kontrolle bietet Gelegenheiten

Nicht bzw. wenig plausibel miteinander vergleichbare Erkenntnisse werden an dieser Stelle nicht separat angeführt, da die Auffälligkeiten913 der Interpretationen bereits behandelt wurden. Wie bereits erwähnt sind insgesamt keine groben Widersprüchlichkeiten zwischen den Ergebnissen beider Auswertungsverfahren zu erkennen, d. h. die Sinnhaftigkeit eines solchen Vergleichs wäre nicht gegeben. Alle dissertationsrelevanten Überlagerungen in der nachstehenden Tabelle liegen in konzentrierter Form vor, infolgedessen macht es auch hier kaum Sinn, diese bereits konkludierten Inhalte am Kapitelende nochmals zusammenzufassen.

Erkenntnisse der hermeneutischen Interpretation (Feinstrukturanalyse) „Es gibt Personen, die wissentlich falsche Angaben machen und dennoch vorgeben, dass sie sich entsprechend den Richtlinien konform verhalten. Das wird ausgenutzt, d. h. Instanz macht es Täuschenden einfach.“914

Erkenntnisse der Qualitativen Inhaltsanalyse (GABEK®/WinRelan®) Die Grenzen der Legalität werden ausgereizt.916 Lücken existieren heute noch und damit eröffnen sich Gelegenheiten.917

„Lücke ist auszunutzen: Zwar machen es nicht alle so, aber die Tatsache, dass es solche Fälle gibt, legitimiert das Handeln bis zu einem gewissen Grad.“915

912

Die detaillierte Beschreibung des forschungsmethodischen Vorgehens befindet sich in Kapitel V, Punkt 5.3 Ergebnisvergleich beider Auswertungsverfahren.

913

Hierzu insbesondere Kapitel VII, Punkt 2.1 „Kontrolle“ als bedeutsame Präventionsmassnahme.

914

Textsequenz 1, Sinneinheit C, Punkt 3.

915

Textsequenz 1, Sinneinheit E, Punkt 3.

A. Schuchter, Perspektiven verurteilter Wirtschaftsstraftäter, DOI 10.1007/978-3-8349-3606-6_8, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2012

198

VIII Vergleich der Auswertungsergebnisse von Kapitel VI und VII

„Vorhandene Präventionsstrategie ist wirkungslos.“918

Obwohl die Ist-Situation zum Schlüsselausdruck „Präventionsmassnahme“ weder positiv noch negativ bewertet wird, erreicht die Soll-Situation ihren Höchstwert im Plusbereich. Daraus lässt sich schliessen, dass an dieser Stelle grosses Entwicklungspotential vorhanden ist.919

„Kontrolle ist eine vorbeugende Massnahme.“920

Die abschreckende Kontrolle nimmt einen bedeutsamen Platz in dieser empirischen Untersuchung zu vorbeugenden Massnahmen ein.921

„Verantwortung verlagert sich von „übermächtiger“ Instanz zu bestimmten Personen dieser Instanz. Entweder lediglich einzelne schwarze Schafe bzw. Mehrheit, die alles entgegen nimmt.“922

Aus Perspektive der Delinquenten sollte die Kontrolle „verantwortlich“ sein.923

„Andeutung, dass Kontrolle nicht Kontrolle ist. Die Umsetzung der Prüfmethode muss verbessert werden.“924

Durch die Inhaltsanalyse erfolgte eine Codierung des Ausdrucks „Tatsachen_kontrollieren“, um die Bedeutsamkeit inhaltlicher Kontrollen hervorzuheben.927 Das Schlüsselthema „Kontrolle“ erreicht nach „Präventionsmassnahme“ den zweiten Rang in der Liste der relevantesten Aspekte (Relevanzliste).928 Im Gestaltenbaum befindet sich „Kontrolle“ in der Obergruppe.929

„Inhaltlichen Kontrollen ist mehr Priorität zuzuschreiben.“925 „Anstatt einer genauen, findet in speziellen Fällen lediglich eine oberflächliche Kontrolle statt.“926

916

Vgl. Teil F: Gestalten, 21. Gestalt „Prävention&abklären2“.

917

Vgl. Kapitel VI, Punkt 4.5.1 Gelegenheit als zwingende Voraussetzung zur Tatausübung.

918

Textsequenz 1, Sinneinheit E, Punkt 3.

919

Vgl. Kapitel VI, Punkt 3.2 Bewertung relevanter Schlüsselausdrücke.

920

Textsequenz 1, Sinneinheit A, Punkt 3.

921

Vgl. Kapitel VI, Punkt 4.1 Einflüsse auf Präventionsmassnahmen; Kapitel VI, Punkt 4.3 Einflüsse auf und Auswirkungen von Kontrolle.

922

Textsequenz 1, Sinneinheit D, Punkt 3.

923

Vgl. Kapitel VI, Punkt 4.3 Einflüsse auf und Auswirkungen von Kontrolle.

924

Textsequenz 1, Sinneinheit A, Punkt 2.

925

Textsequenz 1, Sinneinheit B, Punkt 2.

926

Textsequenz 1, Sinneinheit B, Punkt 1.

927

Vgl. Kapitel VI, Punkt 4.1 Einflüsse auf Präventionsmassnahmen.

928

Vgl. Kapitel VI, Punkt 3.2 Bewertung relevanter Schlüsselausdrücke.

929

Vgl. Kapitel VI, Punkt 1.1 Obergruppen: Übergeordnete Hypergestalt.

VIII Vergleich der Auswertungsergebnisse von Kapitel VI und VII

199

„Die kontrollierende Instanz „man“ könnten Vorgesetzte oder Wirtschaftsprüfer sein. Denkbar wären auch Abteilungen (z. B. Compliance, Controlling etc.), Aufsichtsorgane oder Unternehmen. Ebenso könnte ein System angesprochen werden.“930

Nicht nur die externe Revision oder das Controlling können einen wichtigen Beitrag zur Vermeidung doloser Handlungen leisten, sondern auch das interne Kontrollsystem wird als eine vorbeugende Massnahme betrachtet.931 Schlechte Compliance, zu wenig sensibilisierte Vorgesetzte oder mangelnde Expertise bei Aufsichtsorganen können Straftaten begünstigen.932

„Am unzureichenden Ist-Zustand wird Kritik geübt.“933 „Kompetenz der Kontrollinstanz wird aberkannt.“934

Insbesondere die „Kontrolle“ der Ist-Situation wird überwiegend negativ bewertet.935

„Anreiz besteht: Wie gut kann man falsche Angaben unbemerkt einbauen?“936

Der „Anreiz“ als „Fraud Triangle“-Element wird besonders mannigfaltig beschrieben.937

„Befragter gibt vor, dass das System einen gefangen nimmt […]“938

Durch Druck (Sogwirkung) und Bedürfnisbefriedigung geraten Personen in ein schwer zu entkommendes Fahrwasser.939

Tab. 16: Inhaltliche Überschneidungen beim Ergebnisvergleich zu „Kontrolle“940 Erstaunlich ist, dass sich durch die Interpretation einer einzelnen Textsequenz zu „Kontrolle“ wider Erwarten zahlreiche Parallelen mit den Ergebnissen der Inhaltsanalyse identifizieren lassen, wie in der obenstehenden Tabelle veranschaulicht wurde. Das bedeutet, dass sich die Erkenntnisse der Textproduzenten an unterschiedlichen Stellen der geführten und transkribierten Interviews wiederfinden lassen.

930

Textsequenz 1, Sinneinheit A, Punkt 4.

931

Vgl. Kapitel VI, Punkt 4.1 Einflüsse auf Präventionsmassnahmen.

932

Vgl. Kapitel VI, Punkt 3 Bewertete Themen.

933

Textsequenz 1, Sinneinheit A, Punkt 3.

934

Textsequenz 1, Sinneinheit C, Punkt 3.

935

Vgl. Kapitel VI, Punkt 3 Bewertete Themen.

936

Textsequenz 1, Sinneinheit C, Punkt 3.

937

Vgl. Kapitel VI, Punkt 4.5.3 Anreiz als Motivation zur Tatausübung.

938

Textsequenz 1, Sinneinheit E, Punkt 3.

939

Vgl. Kapitel VI, Punkt 1.3 Problemfelder: Sprachliche Gestalt; Kapitel VI, Punkt 4.5.4 Druck als Motivation zur Tatausübung.

940

Eine Erweiterung der Tabelle wäre möglich. Um den Fokus auf die wesentlichsten Inhalte zu richten, findet lediglich ein Vergleich der bedeutendsten Erkenntnisse der Interpretationen zu „Kontrolle“ statt.

200

2

VIII Vergleich der Auswertungsergebnisse von Kapitel VI und VII

Zielerreichung unter hohem Druck

Exakt der Methode des Erkenntnisvergleichs zu „Kontrolle“941 entsprechend, werden an dieser Stelle die hermeneutischen Auswertungen zum Thema „Druck“ den inhaltsanalytischen in verdichteter Form gegenübergestellt.

Erkenntnisse der hermeneutischen Interpretation (Feinstrukturanalyse)

Erkenntnisse der Qualitativen Inhaltsanalyse (GABEK®/WinRelan®)

„Es handelt sich um kein aussergewöhnliches, sondern um ein sich aktuell wiederholendes Ereignis.“942

„Die Lecks sind unverändert. Es läuft genau gleich weiter und es wird sich mit denselben Auslösern wiederholen.“944

„[…] Dasselbe Ereignis ist durch den unveränderten Zustand wieder jederzeit möglich.“943 „Befragte Person ist nicht die einzige, die heute wieder in solchen Unternehmen arbeitet und kennt einige, die eine solche Tätigkeit ausüben.“945

Die Dunkelziffer darf nicht unterschätzt werden.946 Der Schlüsselausdruck „Dunkelziffer“ befindet sich auf den vorderen Rängen der Bewertungsliste der IstSituation.947

„Ein „enormer Druck“ ist nicht neutral, sondern negativ bewertet.“948

Die negativste Bewertung der gesamten Untersuchung fällt auf den Schlüsselbegriff „Druck“.949

„[…] Extremer Druck kann eine Antwort [auf die Frage, wie die interviewte Person in den Vorfall hineingeraten ist] sein.“950

„Anreiz“, „Druck“ und „Gelegenheit“ werden als die wichtigsten „Auslöser“ im Kausalnetz betrachtet.951 Die Identifizierung des Schlüsselfaktors „Druck“ kann als eines der bedeutendsten Zwischenergebnisse gewertet werden.952

941

Vgl. Kapitel V, Punkt 5.3 Ergebnisvergleich beider Auswertungsverfahren; Kapitel VIII, Punkt 1 Mangelhafte Kontrolle bietet Gelegenheiten.

942

Textsequenz 2, Sinneinheit A, Punkt 3.

943

Textsequenz 2, Sinneinheit D, Punkt 3.

944

Anhang, Teil F: Gestalten, 45. Gestalt „Unverändert&wiederholend“.

945

Vgl. Textsequenz 2, Sinneinheit A, Punkt 2.

946

Vgl. Kapitel VI, Punkt 1.3 Problemfelder: Sprachliche Gestalt.

947 948

Vgl. Anhang, Teil H: Bewertungsliste der Ist-Situation. Textsequenz 2, Sinneinheit B, Punkt 3.

949

Vgl. Kapitel VI, Punkt 3.2 Bewertung relevanter Schlüsselausdrücke; Kapitel VI, Punkt 4.5.4 Druck als Motivation zur Tatausübung.

950

Textsequenz 2, Sinneinheit B, Punkt 2.

951

Vgl. Kapitel VI, Punkt 4.5 „Fraud Triangle“ und „Fraud Diamond”: Tatauslösende Faktoren.

952

Vgl. Kapitel VI, Punkt 3.2 Bewertung relevanter Schlüsselausdrücke.

VIII Vergleich der Auswertungsergebnisse von Kapitel VI und VII „Vorgabe der „Zahlen und Zielerreichung“ präzisiert den enormen Druck.“953 „Bis zum Ziel existieren keine Hindernisse, d. h. es wird ohne Rücksicht auf Verluste vorgegangen.“954

201

Die Schlüsselausdrücke „Ziele“, „Zielerreichung“ und „Zielerreichung_egal_wie“ wurden separat codiert und haben einen bestimmten druckerzeugenden Einfluss.955 Zahlen und Zielerreichung unter hohem Druck sind bedeutende, tatauslösende Faktoren.956

„Dieser dort herrschende, extreme Druck-Zustand hat Auswirkungen auf das Wohlbefinden und kann zu einem Vorfall führen.“957 „Es existiert keine persönliche Wertschätzung.“958

Das schlechte Arbeitsklima und Mobbing führten zu Druck und schliesslich zu Fehlhandlungen.959 Anerkennung der eigenen Leistung hätte einen positiven Einfluss auf Präventionsmassnahmen.960

Tab. 17: Inhaltliche Überschneidungen beim Ergebnisvergleich zu „Druck“961 Wie durch die Auslegung der Sinneinheit zu „Kontrolle“ können an dieser Stelle ebenfalls einige Parallelen mit den Erkenntnissen der Inhaltsanalyse identifiziert werden. Diese Tatsache ist für den Autor überraschend, da bei der Feinstrukturanalyse lediglich kurze Sinneinheiten interpretiert worden sind. Die Textproduzenten kennen weder den Inhalt der Interviews noch sind sie Spezialisten auf dem Gebiet der Wirtschaftskriminalität und dennoch können, basierend auf zwei kurzen Sequenzen, wesentliche Teile der Forschungsgespräche rekonstruiert werden.

Die Rekonstruktion der intersubjektiv geteilten Bedeutungen bzw. der einem Text zugrundeliegenden Sinnstruktur, so wie sie das mit Feinstrukturanalyse verwandte Verfahren der Objektiven Hermeneutik unterstellt, wird durch die offengelegten Parallelen nun deutlich.962 Obwohl der Re953

Textsequenz 2, Sinneinheit C, Punkt 3.

954

Textsequenz 2, Sinneinheit D, Punkt 2.

955

Vgl. Kapitel VI, Punkt 4.5.4 Druck als Motivation zur Tatausübung; Kapitel VI, Punkt 5 Zyklische Kausalbeziehungen um den Tatauslöser.

956

Vgl. Kapitel VI, Punkt 1.3 Problemfelder: Sprachliche Gestalt.

957

Textsequenz 2, Sinneinheit B, Punkt 3.

958

Textsequenz 2, Sinneinheit C, Punkt 2.

959

Vgl. Kapitel VI, Punkt 4.5.4 Druck als Motivation zur Tatausübung; Kapitel VI, Punkt 5 Zyklische Kausalbeziehungen um den Tatauslöser.

960

Vgl. Kapitel VI, Punkt 4.1 Einflüsse auf Präventionsmassnahmen.

961

Wie beim Ergebnisvergleich zu „Kontrolle“ wäre auch an dieser Stelle eine Erweiterung der Tabelle möglich. Um den Fokus auf die wesentlichsten Inhalte zu richten, findet lediglich ein Vergleich der für diese Arbeit relevantesten Erkenntnisse der Interpretationen zu „Druck“ statt.

962

Vgl. Kapitel V, Punkt 5.2.3 Ziele der Interpretationen. Es sei daran erinnert, dass eine vollständige Auswertung des Datenmaterials nicht notwendig sein soll, um es zu verstehen: So soll die dem Text zugrunde liegende Struktur durch eine ausführliche Interpretation eines Textteils rekonstruierbar sein. Dabei unterstellt die Objektive Hermeneutik, dass, obwohl grosse Teile nicht betrachtet bzw. bearbeitet werden, das gesamte Datenmaterial im Anschluss verstanden werden kann.

202

VIII Vergleich der Auswertungsergebnisse von Kapitel VI und VII

konstruktionsprozess nicht Zielsetzung der vorliegenden Arbeit war, muss dieser hervorgehoben werden: Denn eine solch erfreuliche Feststellung darf als ein Qualitätskriterium der durch die Triangulationsstrategie erarbeiteten Untersuchungsergebnisse gewertet werden.

IX Zusammenfassung der zentralen Forschungsergebnisse und Schlussfolgerungen

IX

203

Zusammenfassung der zentralen Forschungsergebnisse und Schlussfolgerungen

Das Hauptziel der Dissertation besteht darin, die wesentlichen Auslöser von dolosen Handlungen in Unternehmen und wirksame Präventionsmassnahmen aus Sicht der rechtskräftig verurteilten Wirtschaftsdelinquenten zu identifizieren. Es wird davon ausgegangen, dass wirksame vorbeugende Massnahmen erst dann zielgerichtet eingesetzt werden können, wenn vorab eine tiefgreifende Ursachenanalyse erfolgt ist. Durch die empirische Untersuchung dieser Arbeit kann mehr Transparenz aus der Täterperspektive geschaffen werden.

Während in den bisherigen Kapiteln das forschungsmethodische Vorgehen und die Erkenntnisse der Untersuchung im Detail erläutert wurden, wird nachfolgend ein Beitrag aus methodischer Sicht mit Fokus auf die Präsentation der Ergebnisse dargestellt. Anschliessend werden die Schlussfolgerungen aus theoretischer Sicht erläutert. Die relevantesten Eckpfeiler werden in einer kompakten und übersichtlichen Form dargestellt. Abschliessend wird der Nutzen der Erkenntnisse für die betriebswirtschaftliche Praxis thematisiert. In diesem Abschnitt werden die wichtigsten, von den Wirtschaftsdelinquenten angesprochenen Themen zusammenfassend erläutert und praxisrelevante Handlungsempfehlungen abgeleitet. Dabei steht folgende Frage nach wie vor im Vordergrund: Welche tatauslösenden Ursachen existieren und wie kann Wirtschaftskriminalität durch unternehmensinterne963 Prävention vermieden werden?

1

Beitrag aus methodischer Sicht

Anhand von zwei Auswertungsverfahren wurde das Datenmaterial streng regelgeleitet und unter Einhaltung der qualitätssichernden Kriterien bearbeitet. Durch die beiden Analysemethoden wurde es möglich, die Darstellung der manifesten Inhalte (qualitative Inhaltsanalyse, GABEK®) der Forschungsgespräche durch die der latenten Bedeutungen (hermeneutische Interpretation, Feinstrukturanalyse) zu ergänzen. Die Qualitative Inhaltsanalyse ist intersubjektiv nachvollziehbar und beleuchtet das Textmaterial aus unterschiedlichen Perspektiven. Jedes Ergebnis ist im Detail überprüfbar, d. h. es kann jederzeit auf die entsprechenden Rohdaten, d. h. Originalsätze zurückgegriffen werden. Jeder Respondent findet seine eigenen Aussagen integriert in einem strukturierten Kontext.

Durch den Gestaltenbaum werden die empirischen Erkenntnisse zuerst zusammengefasst und hierarchisch geordnet, um dem Leser einen Überblick über die grosse Menge an verbalen Daten zu verschaffen. Bei einer Durchsicht der Forschungsergebnisse durch die Inhaltsanalyse wird

963

Darüber hinaus konnten durch die Forschungsgespräche einige wenige unternehmensexterne Massnahmen (staatliche Regulierung) identifiziert werden.

A. Schuchter, Perspektiven verurteilter Wirtschaftsstraftäter, DOI 10.1007/978-3-8349-3606-6_9, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2012

204

IX Zusammenfassung der zentralen Forschungsergebnisse und Schlussfolgerungen

deutlich, dass das angewandte Verfahren versucht, die qualitative Forschung ein Stück weit zu quantifizieren, wie z. B. durch die Feststellung der Anzahl der Nennungen bestimmter Ausdrücke. Die meistgenannten Schlüsselbegriffe und ihre Verbindungen untereinander werden durch sog. Assoziationen identifiziert. Ein zusätzlicher Codierungsprozess ermöglicht eine getrennte Betrachtung von Ist- und Soll-Situation. Zudem lassen sprachlich geäusserte Bewertungen der Respondenten Rückschlüsse auf Veränderungsvorschläge zu. Damit diese geordnet und aussagekräftig sind, wurde die Relevanz der Schlüsselthemen mit den entsprechenden Bewertungen in einem Koordinatensystem kombiniert. Durch diesen Arbeitsschritt wurde es möglich, die evaluierten und für die Respondenten bedeutsamsten Schlüsselthemen festzulegen.

Nachdem der Fokus der Forschungsergebnisse einerseits auf bestimmte Themen gelegt wird, stehen andererseits die Beziehungen zwischen den Themen im Vordergrund. Dabei werden die relevantesten Ursache-Wirkungszusammenhänge in Form von Kausalbeziehungen erläutert. Sprachlich geäusserte Einflüsse und Auswirkungen auf Themen wurden codiert, damit diese anschliessend in Form von Kausalnetzgrafiken präsentiert werden können. Negative Zusammenhänge (z. B. je mehr Präventionsmassnahme, desto weniger Auslöser) und positive Zusammenhänge (z. B. je mehr Kontrolle, desto mehr Präventionsmassnahme) sind von negativ bewerteten bzw. ungünstig empfundenen Zusammenhängen (z. B. je mehr Vertrauen, desto mehr Risiko bzw. je mehr Kontrolle, desto weniger Vertrauen) zu unterscheiden. Kreisförmig verlaufende und sich selbst verstärkende Wirkungszusammenhänge werden separat durch sog. zyklische Kausalbeziehungen erläutert. Eine Unterbrechung dieser Rückkoppelungsstruktur würde sich auf das gesamte System auswirken und könnte deshalb an bestimmten Stellen besonders wirksam sein.

Da das empirisch gewonnene Datenmaterial durch zwei unterschiedliche und getrennt voneinander ablaufenden Auswertungsverfahren erarbeitet wurde, werden die Forschungsergebnisse durch die hermeneutische Interpretation in einem separaten Kapitel präsentiert. Durch die Interpretationen der Interviewsequenzen konnten die „zwischen den Zeilen“ versteckten, latenten Bedeutungen dargestellt werden. Damit, und ebenso durch die Beschreibungen der Auffälligkeiten, sind ein besseres Verständnis der einzelnen Sinneinheiten sowie die Bestätigung einiger Forschungsresultate der Qualitativen Inhaltsanalyse möglich.

Durch die Feinstrukturanalyse der Textsequenzen lassen sich zahlreiche Parallelen mit den Erkenntnissen der Inhaltsanalyse finden, wie im Kapitel VIII deutlich wird. Das Verfahren GABEK®/WinRelan® und die Feinstrukturanalyse werden zwar international verwendet, doch bedienen sich qualitativ Forschende i. d. R. lediglich an einem dieser zeitaufwändigen Verfahren. Deshalb konnte eine Zusammenführung von Ergebnissen der angewandten Auswertungsverfahren in der Literatur nicht ausfindig gemacht werden. Die Inhaltsanalyse wurde vom Verfasser dieser Dissertation durchgeführt. Die Auslegungen durch die Feinstrukturanalyse wurden dagegen von mehreren Interpretationsgruppen ohne ergebnisbeeinflussende Einwirkung des Verfassers erarbeitet. Diese Forschungsstrategie wird in der empirischen Sozialforschung als „Triangulation“ bezeichnet.

IX Zusammenfassung der zentralen Forschungsergebnisse und Schlussfolgerungen

205

Es stellte sich heraus, dass bereits mit der Interpretation von zwei Sequenzen eine dem Text zugrundeliegende Sinnstruktur sichtbar wird. Anders formuliert lassen sich die Erkenntnisse der Textproduzenten an unterschiedlichen Stellen der geführten Interviews wiederfinden, wie durch die Resultate hervorgehoben wird. Diese Gegebenheit kann als ein hervorzuhebendes Qualitätskriterium der forschungsmethodischen Vorgehensweise gewertet werden. Die Glaubwürdigkeit der Forschungserkenntnisse kann damit insgesamt gestärkt bzw. die Validität erhöht werden.

2

Beitrag aus theoretischer Sicht

In der Theorie findet das „Fraud Triangle“ seit mehr als einem halben Jahrhundert Anwendung. Manche Anti-Fraud-Experten vertreten die Meinung, dass sich zwischenzeitlich eine neue Wirtschaftsstraftäterart entwickelt hat:

„Jene, denen schlicht das Bewusstsein dafür fehlt, […] Grenzen überhaupt zu erkennen.“964

Durch die empirische Untersuchung im Rahmen der Dissertation konnte nachgewiesen werden, dass es bei Wirtschaftsstraftaten nicht alle drei Elemente des „Fraud Triangle“ benötigt. Nach den Erkenntnissen der vorliegenden Untersuchung muss bei Wirtschaftsdelinquenten, die von einer unbewusst geschehenen devianten Handlung berichten, lediglich eine Gelegenheit zur Tat gegeben sein. Diese durch die Befragungen empirisch belegte Feststellung steht im Widerspruch zur allgemeinen Auffassung in der aktuellen wissenschaftlichen Literatur zum Thema Wirtschaftskriminalität.

Durch diese noch junge Tätergattung muss das Rad nicht neu erfunden werden, d. h. das Dreieck verliert keineswegs an Relevanz, wie durch die dem „Fraud Triangle“ erstaunlich ähnliche Konstellation der auslösenden Faktoren aus der Sicht der Befragten zu belegen war. Eine erste Weiterentwicklung vom ursprünglichen Erklärungsansatz der Entstehungsgründe zum „Fraud Diamond“ hat mit dem zusätzlichen Element „Fähigkeit“ zur Ausübung von dolosen Handlungen bereits stattgefunden. Infolgedessen sollte dieser im Rahmen der vorliegenden Untersuchungsergebnisse entdeckte Typ von Wirtschaftsstraftäter vielmehr als Anpassung und Ergänzung der Fachliteratur interpretiert werden.

Zwar berücksichtigt Cressey diese Fälle der unbewussten Taten in seiner Originalschrift „Other People’s Money“. Dabei vermutet er jedoch, dass sich die von ihm interviewten Wirtschaftsdelinquenten mit der Aussage rechtfertigen, dass es sich bei der vermeintlichen Tat um ein gewöhnli-

964

Wells/Kopetzky (2006), S. 15. Dabei stellt sich die Frage, inwiefern die rechtlichen mit den inneren Grenzen der Wirtschaftsdelinquenten übereinstimmen. Im Folgenden wird nicht näher darauf eingegangen.

206

IX Zusammenfassung der zentralen Forschungsergebnisse und Schlussfolgerungen

ches und nicht um ein kriminelles Verhalten handelt. „Supplementing these rationalizations was the attitude that ‚everyone’ in business in some way or other converts or misapplies deposits so that it is not entirely wrong. At least it is not as wrong as ‚stealing’ or ‚robbing’. The latter philosophy is not always present, but when it is, it contributes to the ease with which trusted persons use the significant rationalizations. […] He [the offender] did not consider, even while in prison, that his behavior was criminal.“965

Durch diese Erklärung von Cressey wird deutlich, dass es sich um seine subjektive Sichtweise handelt. Er interpretiert die Aussagen der Straftäter als ein Prozess der Rationalisierung. In der vorliegenden Arbeit wird jedoch die Perspektive der rechtskräftig verurteilten Wirtschaftsdelinquenten elaboriert. Aus der Sicht des Verfassers muss dieser besonders bedeutsame Aspekt, dass es nicht zwingend alle drei Elemente des Dolosen Dreiecks für eine Tat benötigt, berücksichtigt werden.

Die absolute Notwendigkeit aller drei Voraussetzungen des „Fraud Triangle“ als conditio sine qua non zur Ausübung einer wirtschaftskriminellen Handlung wird deshalb widerlegt.

Das Ignorieren dieser Argumentation der Täter in der aktuellen einschlägigen Fachliteratur zur Wirtschaftskriminalität, insbesondere zum „Fraud Triangle“, lässt sich möglicherweise dadurch begründen, dass die Perspektive der Wirtschaftsstraftäter bisher kaum erforscht wurde. An dieser Stelle wird der Vorteil der qualitativen Arbeit deutlich: Im Gegensatz zur quantitativen Forschung waren keine Antwortmöglichkeiten vorgegeben. Durch diesen offenen Rahmen, der die Strukturierung der Antwort weitgehend den Respondenten überlässt, wurde eine Basis für die Schaffung neuer Erkenntnisse gelegt.

Wie auch bei den unbewussten Taten stellt sich die Frage nach der Notwendigkeit der Rechtfertigung durch die für den Interviewer unerwartete Feststellung, dass ethische und moralische Aspekte in keinem der Forschungsgespräche wörtlich angesprochen wurden. Doch erwähnen die befragten Delinquenten die Existenz der inneren Stimme, die eine tatverhindernde Wirkung besitzt. Dabei wird der innere Prozess in der gängigen Fachliteratur als rechtfertigend beschrieben. Der Verfasser geht davon aus, dass innere Stimmen tatverhindernd und -rechtfertigend zugleich sein können.

Die Interviewten berichten von einem „Verfallsprozess“ der inneren Stimme: Je länger die Tat unbemerkt bleibt, desto leiser wird die innere Stimme. Dieser Abstumpfungseffekt schliesst nicht aus, dass bei den befragten Personen ein gewisses Unrechtsbewusstsein bzw. ein Gerechtigkeits965

Cressey (1953), S. 102. Als „independent businessmen“ bezeichnet Cressey Wirtschaftsdelinquenten, die behaupten, nichts Kriminelles verübt zu haben.

IX Zusammenfassung der zentralen Forschungsergebnisse und Schlussfolgerungen

207

sinn vorhanden ist. Ganz im Gegenteil: Durch die genaue Beschreibung des in Erinnerung gebliebenen Verfalls ist eine innere Auseinandersetzung mit dem Tatbegehen nachzuweisen. Daraus lässt sich für den Verfasser dieser Dissertation schliessen, dass die interviewten Straftäter ein moralisches Bewusstsein besitzen. Es ist davon auszugehen, dass die Verdrängung von ethischen Themen während der Forschungsgespräche einen Teil der Rationalisierung nach Cressey darstellt.

Die Forschungsergebnisse dieser Arbeit müssen kritisch betrachtet werden: Einerseits bleiben alle nicht-wirtschaftskriminellen Manager durch den Fokus der Täterperspektive in der Datenauswertung unberücksichtigt, andererseits weichen bei der Fragestellung um die Notwendigkeit der Elemente des „Fraud Triangle“ die Auffassungen der Fachexperten von jenen der Täter ab. Um weitere Erkenntnisse zu gewinnen, bedarf es zusätzlicher Untersuchungen mit anderen Zielgruppen zur gleichen Thematik. Die zu Befragenden könnten sich aus Personen bestimmter Schlüsselpositionen betroffener oder nicht betroffener Unternehmen bzw. aus internen oder externen Revisoren und anderen Experten zusammensetzen. Ebenso wäre eine Untersuchung der unentdeckten Dunkelfelddelinquenten denkbar. Über bereits verurteilte Wirtschaftsdelinquenten könnte der Kontakt hergestellt werden. Die Ergebnisse könnten anschliessend mit den bereits vorhandenen verglichen werden, um den Erklärungsansatz der Entstehungsgründe zu vervollständigen und um weitere Massnahmen der Prävention abzuleiten. An dieser Stelle lässt sich ein weiterer Forschungsbedarf feststellen.

Wie bereits zu Beginn dieser Arbeit erwähnt, ist es in Anbetracht der durch Wirtschaftskriminalität verursachten Schäden erstaunlich, wie wenig ausgeprägt die wissenschaftliche Auseinandersetzung zu diesem Thema ist. Gerade im Bereich der Prävention sind gute Kenntnisse über die tatauslösenden Faktoren unabdingbar. Dessen sind sich auch die befragten Delinquenten bewusst:

„Mit dem Wissen von heute wäre ich unglaubwürdig mir selbst gegenüber, wenn ich sage, dass ich es wieder machen würde. Ohne das Wissen von heute, würde ich es wieder machen.“966

Der Autor dieser Arbeit schliesst daraus folgende Schlüsse: Um wirksame Prävention zu betreiben, muss Aufklärungsarbeit geleistet und Wissensvermittlung bzw. Sensibilisierung betrieben werden, im besten Fall noch vor Eintritt in die Berufspraxis und später auch im Rahmen von unternehmensinternen Fortbildungsmassnahmen.

966

BWD 6 (2010).

208

3

IX Zusammenfassung der zentralen Forschungsergebnisse und Schlussfolgerungen

Beitrag für die betriebswirtschaftliche Praxis

Dem Thema „Präventionsmassnahme“ wird aus Perspektive der befragten Wirtschaftsstraftäter die bedeutendste Rolle der gesamten empirischen Untersuchung zugeschrieben. Beinahe alle Täter sind sich einig, dass ihre dolose Handlung durch wirksame Massnahmen hätte verhindert werden können. Die hypothetisch bewertete Soll-Situation der „Präventionsmassnahmen“ erreicht den Höchstwert im Plusbereich, d. h. die Delinquenten nehmen ein grosses Entwicklungspotential wahr und stellen diesbezüglich einen dringenden Handlungsbedarf fest. Jedoch sind die besten Vorkehrungen wirkungslos, wenn diese nicht oder fehlerhaft in der Unternehmenspraxis verankert bzw. umgesetzt werden.

In den Augen der Befragten zählen wirksame Kontrollen, kompetente und achtsame Führungskräfte, Aufsichtsorgane, externe und neutrale Fachspezialisten sowie staatliche Regulierung zu den bedeutsamsten Präventionsmassnahmen.

Aus der Sicht des Autors sind vorbeugende Massnahmen für jede Branche empfehlenswert, vor allem für jene, die mit grösseren Geldsummen arbeiten, wie z. B. Banken, Versicherungen etc. Denn in diesen Unternehmen kann die „Fraud Triangle“-Komponente „Motivation“ ein beträchtliches Ausmass annehmen und der finanzielle Schaden besonders hoch sein.

Besonders auffällig ist die durch beide Auswertungsverfahren bestätigte dominierende Stellung der detektiven Kontrolle als eine vorbeugende Massnahme. Wenn die Schlüsselthemen nach den grössten Abweichungen zwischen der Ist- und Soll-Situationsbewertung gereiht würden, dann wäre die Kontrolle auf dem ersten Rang. Aus dieser Feststellung lassen sich Optimierungsmöglichkeiten ableiten, d. h. das Potential dieser Variable als eine Präventionsmassnahme ist noch lange nicht vollständig ausgeschöpft. Aus der Täterperspektive werden die inkompetenten und zu gutgläubigen Kontrollinstanzen sowie die schwache interne Compliance für die fraudulenten Vorfälle mitverantwortlich gemacht. Da die Ist-Situation von den Delinquenten als unverändert beschrieben wird, prophezeien sie wiederholte Wirtschaftsstraftaten mit denselben Ursachen. Eine der schwerwiegendsten Schwachstellen ist, dass die Kontrollstellen lediglich formal, aber kaum inhaltlich prüfen, was das Täuschen von Tatsachen ermöglicht. Inhaltlichen Prüfungen muss mehr Priorität zugeschrieben werden. Wirksame Kontrolle ist abschreckend, objektiv sowie unnachgiebig und muss am richtigen Ort stattfinden, so die Respondenten. Prioritär müssen vor allem wichtige Belange behandelt werden. Kontrolle sollte am besten durch eigens geschulte Anti-FraudExperten z. B. im Rahmen einer Revision durchgeführt werden.

Mangelnde Kompetenz der für die Prävention als wichtig betrachteten Personengruppen, z. B. die der externen Revision und der Vorgesetzten, wurde durch einige Täter ausgenutzt. Dabei wird vor allem bei Personen mit einer leitenden Funktion Fach- und Sozialkompetenz sowie besondere Achtsamkeit bei Auffälligkeiten gefordert. Sensibilisiertes Vorgehen bedeutet, dass nicht nur unzureichende sondern auch auf den ersten Blick positive Ergebnisse der Mitarbeiter mit Bedacht

IX Zusammenfassung der zentralen Forschungsergebnisse und Schlussfolgerungen

209

kontrolliert und hinterfragt werden. Die Geschäftsleitung sollte den Gerechtigkeitssinn vorleben, mit dem sich die Mitarbeiter identifizieren. Obwohl jeder Mitarbeiter aus der Perspektive des Verfassers eine gewisse Selbstverantwortung zu übernehmen hat, kann die Relevanz des „tone at the top“ hervorgehoben werden. Innerhalb des Unternehmens muss für ein klares Werteverständnis gesorgt werden, welches von der Infantilisierung der Mitarbeiter klar zu unterscheiden ist.

In diesem Kontext kommt dem Vier- und Sechs-Augen-Prinzip eine besondere Bedeutung zu. Konkret wird z. B. eine Reduktion der finanziellen Grenze für Unterschriften bei Transaktionen vorgeschlagen. Dabei wird die Relevanz von beschränkten Zugriffsrechten und klaren Vollmachten hervorgehoben. Darüber hinaus sollen insbesondere die Aufsichtsorgane und die externe Revision ihre Zusammenarbeit innerhalb des Gefüges der Unternehmensüberwachung intensivieren. Zudem wird die Wichtigkeit der unternehmensinternen Weiterentwicklung des internen Kontrollsystems betont. Unter den Befragten herrscht dennoch ein breiter Konsens darüber, dass die Betrachtung von Wirtschaftskriminalität als ein blosses Versagen von internen Kontrollen zu voreilig wäre. Manche Fälle können mit einfachen Kontrollprozeduren verhindert werden, dennoch kann dies nach Ansicht der Delinquenten und des Verfassers nur ein Teil der Lösung sein, da vorbeugende Massnahmen wesentlich komplexer sind und nicht mit einfachen technischen Mitteln wirksam umgesetzt werden können, wie die Forschungsresultate durch die Triangulation bestätigten.

Der Fokus der Interviewfragen wurde ausschliesslich auf die unternehmensinternen Präventionsmassnahmen gerichtet, dennoch empfehlen die Delinquenten ebenso eine Vorbeugung durch staatliche Regulierung. Die Befragten betonen jedoch, dass diese Massnahme nicht immer eine tatverhindernde Wirkung gezeigt hätte und zudem die Gefahr einer Überregulierung bestehen könnte. Die Delinquenten und der Verfasser dieser Arbeit betrachten das gesetzliche Rahmenwerk als unerlässlich und gleichzeitig zu wenig, um wirksame Vorbeugung zu erzielen. Folgendes Zitat von Daniel Drew, einem Wirtschaftsstraftäter aus dem 19. Jahrhundert, verdeutlicht die Relevanz von unternehmensinternen Vorkehrungen, die über den gesetzlichen Rahmen hinaus reichen: „Law is like a cobweb; it’s made for flies and the smaller kinds of insects, so to speak, but lets the big bumblebees break through. When technicalities of the law stood in my way, I have always been able to brush them aside easy as anything.”967

Trotz der Einsicht, dass Regulierung nur ein Teil der Lösung sein kann, lassen sich durch die empirische Untersuchung insgesamt drei Handlungsempfehlungen zusammenfassen:968 Erstens wird ein funktionierendes internes Kontrollsystem mit den bereits beschriebenen Attributen einer wirksamen Kontrolle für alle mittelgrossen bis grossen Unternehmen als gesetzlich verpflichtende Regelung gefordert. Zweitens wird eine gesetzliche Mindestqualifikation und -ausbildung aller Mitglieder der Aufsichtsorgane gefordert. Erst wenn das für die wichtigen Aufgaben notwendige

967

Sutherland (1940), S. 9.

968

Vgl. Anhang, Teil J: Gesetzliche Anforderungen und Empfehlungen.

210

IX Zusammenfassung der zentralen Forschungsergebnisse und Schlussfolgerungen

Wissen vorhanden ist, kann die Verantwortung der Aufsichtsorgane vollumfänglich wahrgenommen werden, so die Interviewten. Drittens soll die interne Rotationszeit der Revisoren von möglichst kurzer Dauer sein. Einige Delinquenten empfehlen eine Rotation aller an der Prüfungsdurchführung beteiligter Personen innerhalb von möglichst kurzen Zeitabständen, damit die Vertrautheit mit dem Prüfungskunden nicht zu eng wird, da ansonsten ein erhöhtes Risiko des Vertrauensmissbrauchs bestünde.

Aus der Perspektive des Verfassers könnten sich funktionierende interne Kontrollsysteme und der Aufgabe entsprechend qualifizierte Aufsichtsorgane als Präventionsmassnahme wirksam erweisen. Eine zu enge Vertrautheit mit dem Prüfungskunden könnte möglicherweise bestimmte Risiken mit sich bringen. Der Wirtschaftsprüfer ist allerdings nicht für die Vorbeugung von Wirtschaftskriminalität verantwortlich. Diese Diskrepanz zwischen den Erwartungen und den tatsächlich erbrachten Leistungen im Rahmen einer Revision wird als „Erwartungslücke“ bezeichnet. Internationale Prüfungsstandards fordern zwar eine verstärkte Prüfungsausrichtung auf die Aufdeckung von Bilanzdelikten, doch kann auch damit nicht mit Sicherheit garantiert werden, dass das geprüfte Unternehmen einer Anti-Fraud-Organisation entspricht. Darüber hinaus ist der erwähnte dritte Vorschlag der Respondenten mit erheblichem Aufwand und hohen Kosten verbunden.

Wenn die verurteilten Täter in einem Unternehmen frei über die Präventionsmassnahmen bestimmen könnten, dann würde sich die Mehrheit für ein Mandat eines externen, neutralen und auf Wirtschaftskriminalität spezialisierten Unternehmens entscheiden. Hier könnte die Erschaffung einer eigenständigen und unabhängigen Sonderinstitution, die ausschliesslich auf dolose Handlungen spezialisiert ist, aus Sicht des Autors einen wesentlichen Beitrag zur Prävention leisten. Eine gesetzliche Pflichtmitgliedschaft grösserer Unternehmen (z. B. jene die der ordentlichen Revision unterliegen) an dieser Institution würde es ermöglichen, die Interessen der Wirtschaft zu vertreten. Damit die Unabhängigkeit dieser Einrichtung gewährleistet ist, müsste eine von allen Mitgliedern zu entrichtende Abgabe zur Finanzierung eingefordert werden. Eine auf deviante Handlungen in Mitteleuropa spezialisierte Institution müsste ohne einen konkreten Verdacht gezielt und überraschend Stichprobenkontrollen durchführen sowie die internen Kontrollsysteme zufällig ausgewählter Mitgliedsunternehmen auf deren Funktionsfähigkeit überprüfen.

In der Situation des Vorfalls hätten sich die rechtskräftig Verurteilten zu keiner Zeit an eine anonyme, neutrale und externe Ombudsstelle gewendet, so das eindeutige Statement. Gründe dafür sind, dass die Kompetenz einer solchen externen Stelle grundsätzlich in Frage gestellt wird. Einige der Befragten hatten zur Tatzeit keinen Anlass, um externe Hilfe zu suchen, da ihnen lange nicht bewusst war, dass sie die Grenze der rechtlichen Legitimität bereits längst überschritten hatten. Zudem waren einige Täter zum Zeitpunkt der Tat und auch danach der festen Überzeugung, dass sie ohnehin wissen, was das Beste für sie ist. Es wird eingestanden, dass sie darüber hinaus zu stolz gewesen wären. Der Verfasser schliesst aus der Auswertung der empirischen Daten, dass eine externe Ombudsstelle keine wirksame Präventionsmassnahme sein kann, da es sich um ein Tabuthema handelt, über welches oftmals nicht einmal die eigenen Familien informiert waren.

IX Zusammenfassung der zentralen Forschungsergebnisse und Schlussfolgerungen

211

Obwohl während der Interviews nicht explizit nach dem Begriff „Vertrauen“ gefragt wurde, wird diesem Thema von den Tätern eine besondere Bedeutsamkeit beigemessen. Dies schlägt sich in der hohen Position des Schlüsselausdrucks in der Relevanzliste nieder. Die befragte Zielgruppe versteht diesen für das Unternehmen bedeutsamen Grundwert als generell wünschenswert, wie durch die Abweichung der Ist- und Soll-Situation ersichtlich wurde. Gleichzeitig wird das Vertrauen als wenig hilfreiche Präventionsmassnahme zur Vermeidung von wirtschaftskriminellen Handlungen beschrieben, denn es inkludiert ein unvermeidliches Risiko, d. h. es kann missbraucht werden. Zudem muss zwischen den Personen differenziert werden, z. B. gilt das Vertrauen der Wirtschaftsprüfer in das zu prüfende Unternehmen und dessen Manager aus Sicht der Befragten als besonders riskant, wie im Kontext der staatlichen Regulierung bereits erwähnt wurde. Obwohl es vor allem unter Druck enttäuscht werden kann, wird das Vertrauen der Vorgesetzten in die Mitarbeiter und zwischen den Mitarbeitern sowie zwischen den Geschäftspartnern als wichtig empfunden, so die Respondenten.

Die unternehmensinterne Umsetzung wirksamer Präventionsmassnahmen, wie zum Beispiel Kontrolle in einem angemessenen Umfang, kann das Vertrauen der Stakeholder in das Unternehmen stärken. Doch ist das Sprichwort „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ nur beschränkt gültig, denn bei exzessiver Kontrolle bestätigt die Erfahrung der befragten Wirtschaftsstraftäter ein Wachstum von Misstrauen. Aufgrund der hohen Relevanz des Zusammenhangs von Vertrauen und Kontrolle ist folgende Redewendung adäquater: „Vertraue, aber prüfe nach.“ Eine angemessene Balance zwischen den beiden Schlüsselthemen sollte nach Ansicht des Verfassers branchenund unternehmensspezifisch festgelegt werden. Die verurteilten Täter sind sich weitgehend einig, dass es Aufgabe der verantwortlichen Führungskräfte ist, ein sinnvolles Ausmass an Vertrauen zu finden und aufzubauen.

Eine Sanktionsdrohung als vorbeugende Massnahme wird aus der Täterperspektive ambivalent betrachtet, d. h. die Meinungen der Interviewten driften stark auseinander. Einerseits wird ein durch die Drohung ausgelöstes „Frühwarnsystem“ begrüsst: Den Delinquenten, die unbewusst wirtschaftskriminell handeln, würde ihre Tat damit bewusst werden und sie müssten sich anders orientieren. Andererseits wird eine Strafandrohung als wirkungslos bezeichnet, da die tatausübende Person eine Entdeckung seiner dolosen Handlung i. d. R. ausschliesst. Aus der Sicht des Autors wirkt eine klare Kommunikation der Auswirkungen von Wirtschaftskriminalität auf Unternehmen und einzelne Personen in einigen Fällen abschreckend und ist deshalb für eine wirksame Prävention notwendig.

Der Verfasser ist der Auffassung, dass das Problem durch eine fristlose Entlassung des Wirtschaftsstraftäters jedoch nicht gelöst ist, sondern weiterhin besteht. Anstatt der sofortigen Kündigung sollten die Ursachen der vorgefallenen fraudulenten Handlung gemeinsam mit dem Täter analysiert werden, um bestehende Lücken im Unternehmen zu schliessen. Damit kann eine Wiederholung des Vorfalls mit denselben tatauslösenden Faktoren weitgehend ausgeschlossen werden. Zudem vertritt der Autor die Meinung, dass eine durch Sanktionsdrohungen entstandene Angstkultur schnell zu einem angespannten Verhältnis zwischen den Unternehmensangestellten

212

IX Zusammenfassung der zentralen Forschungsergebnisse und Schlussfolgerungen

führen kann. Damit wäre der für die potentiellen Täter empfundene Druck grösser, was Wirtschaftskriminalität begünstigt, wie im Rahmen der inhaltsanalytischen und hermeneutischen Auswertung bewiesen wurde.

Das mit Abstand relevanteste „Fraud Triangle“-Element der empirischen Untersuchung ist der „Druck“.

Dieser tatauslösende Schlüsselfaktor erhält zudem die mit Abstand ungünstigste Bewertung der Ist-Situation und gilt deshalb als zentrale Variable, die für die Befragten den wesentlichsten Beitrag zur Tatausübung leistete. Zudem besitzt diese „Fraud Triangle“-Komponente eine sich selbst verstärkende Wirkung, wie durch die zyklischen Kausalbeziehungen festzustellen ist. Ein „Sog des Drucks“ führt aus der Perspektive der Täter in eine kaum zu entkommende Spirale fraudulenter Handlungen: Unter Angstzuständen, dass es jemand entdecken könnte, wird versucht, die illegal aufgerissenen Stellen durch weitere Wirtschaftsstraftaten wieder zu korrigieren. So wird das Problem lediglich verschoben und verursacht noch mehr Druck.

Ohne die Interpretationsgruppen explizit danach gefragt zu haben, nahmen sie den Druck im Rahmen der hermeneutischen Auswertung als eine plausible Begründung der Tat wahr. In diesem Kontext geht es nicht um die Frage, ob die Wirtschaftsstraftat damit gerechtfertigt ist, sondern welche druckbeeinflussende Variablen unternehmensintern gesteuert werden können, um dem Ziel einer Anti-Fraud-Organisation näher zu kommen. Der Verfasser unterteilte dieses Dreieckselement in zwei Bereiche: Der durch externe Einflüsse entstehende äussere Druck (z. B. vorgegebene Ziele oder andere Ansprüche von bestimmten Personen etc.) und der vorwiegend in der eigenen Wahrnehmung existierende innere Druck (z. B. die Vorstellung, dass andere schlecht über die eigene Person sprechen etc.). Es wird zwar angenommen, dass in der Praxis häufig eine Kombination beider Arten von Druck existiert, doch können unternehmensintern lediglich einzelne Bereiche des äusseren Drucks gesteuert werden, so die Meinung des Verfassers.

Die Respondenten erörterten, dass u. a. besonders hohe Ansprüche an sich selbst und von aussen für den enormen Druck verantwortlich sind. Ohne Rücksicht auf Verluste sollen bestimmte Ziele erreicht werden. Dem könnte aus Sicht des Verfassers präventiv entgegengesteuert werden, wenn mögliche Methoden der Zielerreichung klar kommuniziert wären. Gute Voraussetzungen durch Integrität und „Ächtung unlauteren Geschäftsgebarens als feste Ziele im Wertekanon“969 sind unumgänglich, um der Wirtschaftskriminalität präventiv zu begegnen.

In diesem Zusammenhang kommt dem unternehmensinternen Arbeitsklima eine wichtige Rolle zu: Durch die Verbesserung der Unternehmenskultur können druckverstärkende Einflussfaktoren

969

Dölling (2007), S. 179.

IX Zusammenfassung der zentralen Forschungsergebnisse und Schlussfolgerungen

213

(z. B. Konflikte, Mobbing etc.) reduziert werden. Ein gutes Arbeitsklima führt aus der Sichtweise der Respondenten zu weniger Konflikten und Mobbing. Persönliche Wertschätzung wird möglich und der Einzelne identifiziert sich mit dem Unternehmen. An dieser Stelle wird auf das Zitat der Einleitung dieser Dissertation zurückgegriffen: Der Druck auf Unternehmen und Mitarbeiter ist gross geworden. Hierzu lässt sich eine zeitliche Entwicklung herauslesen, denn vor über einem halben Jahrhundert war dieses tatauslösende Kernelement für Cressey nicht derartig essentiell.

Wie auch der Druck ist der tatauslösende Anreiz dicht in das Wirkungsgefüge der empirischen Untersuchung eingebunden, d. h. es existieren vielfältige Einflussvariablen, wie Gelegenheit, persönliche oder betriebliche Wertschöpfung, geplante Projektrealisierung, Begleichung offener Forderungen und Schulden, Gier, Geld und Leben in Luxus, frühzeitige Pensionierung, Herausforderung im Sinne eines sportlichen Ereignisses oder einfach, nicht als Versager gelten zu wollen. Viele kausale Einflussvariablen beruhen hauptsächlich auf persönlichen Wertmassstäben oder Lebenseinstellungen. Deshalb können hier aus Sicht des Verfassers nur wenige unternehmensinterne Vorkehrungen getroffen werden. Der Anreiz kann entweder über die nachfolgend beschriebene Gelegenheit oder über die Motivation des Geldes beeinflusst werden. Variable Vergütungssysteme sind zu regulieren, insbesondere wenn sich diese vorwiegend an kurzfristig beeinflussbaren Finanzkennzahlen orientieren.

Nach Auffassung der verurteilten Täter sind vereinzelte Lücken und somit die einzig zwingend notwendige Voraussetzung zur Tatausübung, nämlich die Gelegenheit zur Tat, kaum vollständig auszuschliessen, vergleichbar mit Computerviren. Um entsprechend geschützt zu sein, sind Erneuerungen und Anpassungen der Präventionsmassnahmen erforderlich, im übertragenen Sinne mit regelmässigen Softwareupdates von Antiviren-Programmen vergleichbar. Durch Inkompetenz oder Ignoranz der Unternehmen, die aus der Perspektive des Verfassers für wirksame Präventionsmassnahmen hauptverantwortlich sind, können sich zu den bereits bestehenden schnell neue Lücken öffnen. Eine verlockende Gelegenheit zur Ausübung der Wirtschaftsstraftat wird von einigen Delinquenten als Anreiz und Herausforderung aufgefasst, vergleichbar mit einem sportlichen Wettkampf.

Das schlechte Gewissen oder die innere, tatverhindernde Stimme der Wirtschaftsdelinquenten schwächen den Rationalisierungseffekt nach Cressey ab. Dieses „Fraud Triangle“-Element ist jedoch nicht bedeutungslos, wie die latenten Bedeutungen der hermeneutischen Auslegungen belegen, da die Interpretationsgruppen an mehreren Stellen der Interviewsequenzen Rechtfertigungsversuche der befragten Person identifizierten. Für den Autor wäre es denkbar, dass aufgrund von wirksamen Präventionsmassnahmen, wie z. B. durch die Thematisierung der Ursachen und Konsequenzen von Wirtschaftskriminalität, das schlechte Gewissen, also hauptsächlich durch die mangelnde Rechtfertigung der Tat vor sich selbst, überhand gewinnt. In Folge dessen würden sich potentielle Delinquenten aus Gewissensgründen selbst daran hindern, die geplante Tat zu begehen.

214

IX Zusammenfassung der zentralen Forschungsergebnisse und Schlussfolgerungen

Die Fähigkeit besteht aus der hierarchischen Stellung und der Schlüsselposition im Unternehmen. Dieses vierte Element des „Fraud Diamond“ wird von den Delinquenten jedoch nicht als unmittelbar tatauslösend betrachtet. Dennoch steht diese Komponente im Kausalnetz in direktem Zusammenhang mit dem fraudulenten Vorfall an sich, d. h. der Fähigkeit kann eine tatbegünstigende Eigenschaft zugesprochen werden. Zudem wird das Thema „Wissen“ in diesem Kontext aufgegriffen: Spezifisches Know-how findet sich häufig in Schlüsselpositionen und kann als ein Manipulationsinstrument eingesetzt werden, deshalb müssen diese Positionen in allen Unternehmen differenziert von anderen hierarchischen Stellungen betrachtet werden. Die Interviewten stimmen jedoch überein, dass spezifisches „Wissen“ über die Auswirkungen von Wirtschaftskriminalität und deren Massnahmen zur Prävention zu weniger dolosen Handlungen führt. Hier werden insbesondere die Kompetenzen der Vorgesetzten und die der Geschäftsleitung durch erhöhte Achtsamkeit bei Schlüsselpositionen gefordert.

Daraus lässt sich ableiten, dass nicht nur bildende Institutionen wie Universitäten, sondern auch Unternehmen ein besonders geeigneter Platz ist, um Fortbildung zum Thema „Ursachen und Prävention von Wirtschaftskriminalität“ zu betreiben. Insbesondere Personen in Schlüsselpositionen, oberen Führungsetagen und internen sowie externen Kontrollinstanzen (z. B. Revision, Compliance und Controlling) sind durch intensives Training in Form von Schulungen weiterzubilden. Der typische Täter sitzt bereits seit einem Jahrzehnt im eigenen Unternehmen, deshalb ist eine laufende Weiterbildung und Sensibilisierung der vorhandenen Mitarbeiter und Führungskräfte empfehlenswert. Neben den eigens ausgebildeten Spezialisten im Unternehmen wären überdies externe Experten sinnvoll, die etwas von der komplexen Materie der Wirtschaftskriminalität verstehen, um wirksame Prävention zu betreiben. Dessen sind sich die befragten Delinquenten und der Verfasser dieser Arbeit einig.

Anhang

215

Anhang Teil A: Interviewverzeichnis Folgendes Verzeichnis ist nach Datum absteigend sortiert (Anonymisierung).

Codezuordnung für befragter, rechtskräftig verurteilter Wirtschaftsdelinquent (BWD)

Datum der Durchführung

Ort der Durchführung

Gesamtdauer des Gesprächs in Minuten

BWD 13

26.07.2010

Schweiz

125

BWD 12

14.07.2010

Schweiz

35

BWD 11

10.06.2010

Österreich

30

BWD 10

07.06.2010

Österreich

115

BWD 9

02.06.2010

Schweiz

60

BWD 8

01.06.2010

Schweiz

115

BWD 7

31.05.2010

Österreich

95

BWD 6

29.05.2010

Österreich

85

BWD 5

26.05.2010

Schweiz

50

BWD 4

18.05.2010

Schweiz

80

BWD 3

14.05.2010

Schweiz

130

BWD 2

17.04.2010

Schweiz

105

BWD 1

14.04.2010

Schweiz

35

Dauer der Tonbandaufnahme in Minuten und Startzeit des Interviews 37 15:35 Uhr 18 19:15 Uhr keine 15:30 Uhr 51 17:20 Uhr 35 16:45 Uhr 36 19:20 Uhr 22 13:40 Uhr 33 08:40 Uhr 11 14:35 Uhr 48 16:25 Uhr 48 15:15 Uhr 37 18:30 Uhr 29 14:25 Uhr

Art der Durchführung

persönlich persönlich persönlich persönlich persönlich persönlich persönlich persönlich persönlich persönlich persönlich persönlich telefonisch

A. Schuchter, Perspektiven verurteilter Wirtschaftsstraftäter, DOI 10.1007/978-3-8349-3606-6, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2012

216

Anhang

Teil B: Direkte Anfrage für das Interview

Persönlich/Vertraulich

‚Datum’

Anfrage – Interview – Doktorarbeit

Liebe Frau ‚Name des Wirtschaftsdelinquenten’ bzw. Lieber Herr ‚Name des Wirtschaftsdelinquenten’, in der Disziplin der Betriebswirtschaft an der Universität St. Gallen schreibe ich eine Doktorarbeit über vorbeugende Massnahmen in Unternehmen, um dolose Handlungen (Vergehen) im Vorhinein zu vermeiden. Dabei wird von der These ausgegangen, dass die Wirksamkeit vorbeugender Massnahmen durch Ihre subjektive Einschätzung gemessen werden kann. Mit Beteiligten im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts (lt. ‚Bezeichnung der Behörde’) werden deshalb nicht-personenbezogene, d. h. anonyme Interviews geführt. Hiermit möchte ich höflich bei Ihnen um ein Gespräch mit einer Dauer von ungefähr 40 Minuten anfragen. Wenn Sie dem zustimmen, wird alles Gesprochene streng vertraulich behandelt, ausschliesslich für wissenschaftliche Zwecke verwendet und nach wissenschaftlichen Massstäben veröffentlicht. Hiermit versichere ich Ihnen, dass Ihr Name niemals erwähnt wird und auch keinerlei Angaben erfolgen, die Sie mit dem Gesprochenen irgendwie in Verbindung bringen könnten. Dabei übernehme ich die volle Verantwortung. Die Befragung kann telefonisch durchgeführt werden bzw. nach Wunsch auch an einem für Sie passenden, neutralen Ort stattfinden. Insgesamt werden ungefähr zehn bis maximal 15 Personen befragt. Diskretion und Anonymität sind nicht nur wichtig, sondern obligatorisch. Damit verfolge ich die Absicht, dass Sie frei und offen sprechen können und vor allem, dass der gesprochene Inhalt der wissenschaftlichen Arbeit dienlich ist. Die Ernsthaftigkeit dieses Themas ist mir bewusst. Sie wurden ausgewählt, da mich Ihre Meinung interessiert. Ich interessiere mich leidenschaftlich dafür. Das Interview beinhaltet folgende Basisfrage: „Wie könnten Ihrer Meinung nach solche Vorfälle verhindert werden.“ Da ich nur sehr beschränkte Kontaktdaten habe: Dürfte ich Sie bei Ihrer Bereitschaft zur Teilnahme höflichst bitten, mich kurz direkt zu kontaktieren, um einen für Sie passenden Zeitpunkt zu finden? Meine Privattel.: bzw. email:

+41 (0)76 272 89 40 oder +43 (0)650 992 51 22 [email protected]

Ihre noch offenen Fragen werden selbstverständlich vorab von mir beantwortet. Auf Wunsch stelle ich Ihnen die Auswertung zur Befragung gerne zur Verfügung. Mit besten Grüssen

Alexander Schuchter

Anhang

217

Teil C: Indirekte Anfrage für das Interview

Persönlich/Vertraulich

‚Datum’

Bitte um Weiterleitung

Sehr geehrte Frau bzw. sehr geehrter Herr ‚Name des Verteidigers’ bzw. ‚Name der Ansprechperson’, im Rahmen meiner Doktorarbeit in der Disziplin der Betriebswirtschaft an der Universität St. Gallen forsche ich zum Thema der Wirksamkeit vorbeugender Massnahmen in Unternehmen, um dolose Handlungen im Vorhinein zu vermeiden. Dabei wird von der These ausgegangen, dass die Wirksamkeit vorbeugender Massnahmen durch eine subjektive Einschätzung von Beteiligten im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts gemessen werden kann. Für den empirischen Teil der Arbeit werden deshalb geeignete Personen interviewt. Für diese wissenschaftliche Arbeit ist mir von der ‚Bezeichnung der Behörde’ Akteneinsicht gewährt worden. Zum Zweck einer selbstverständlich freiwilligen, nicht-personenbezogenen und anonymen Befragung und Auswertung für diese wissenschaftliche Arbeit wende ich mich höflichst an Sie mit der Bitte um Weiterleitung der Anlage an ‚Name des Wirtschaftsdelinquenten’ bzw. ‚die entsprechende Zielgruppe’. Aus Datenschutzgründen ist es mir nicht möglich mit geeigneten Personen direkten Kontakt aufzunehmen. Für die unendgeldliche Weiterleitung möchte ich mich bei Ihnen bedanken. Noch offene Fragen werden selbstverständlich gerne beantwortet. Mit freundlichen Grüssen

Alexander Schuchter Anlage: Schreiben an ‚Name des Wirtschaftsdelinquenten’ bzw. ‚die entsprechende Zielgruppe’

218

Anhang

Teil D: Interviewleitfaden

Zuerst möchte ich mich bei Ihnen bedanken, dass Sie sich für das Interview einige Minuten Zeit nehmen. Das Interview besteht aus 13 Frageblöcken und dauert je nach Ausführung Ihrer Antwort ungefähr 40 Minuten. Wie im Schreiben bereits angekündigt werden dolose Handlungen in Organisationen und Präventionsmassnahmen aus einer wirtschaftswissenschaftlichen Sichtweise untersucht. Dabei stellt sich nicht nur die Frage nach den Auslösern des Vorfalls, sondern vor allem nach den unternehmensinternen Möglichkeiten wie sich dieser am ehesten vermeiden lassen hätte. Es wird angenommen, dass Sie aufgrund Ihrer einzigartigen Perspektive die Wirksamkeit vorbeugender Massnahmen bewerten können. Kausalzusammenhänge sollen mehr Transparenz in dieses noch weitgehend unerforschte Gebiet schaffen. Alles was hier besprochen wird, erfährt ausser mir niemand. Die Auswertung verläuft streng vertraulich, wie ich Ihnen bereits in der Zusicherung der Anonymität schriftlich bestätigt habe. Das bedeutet: 1. Ihr Name wird niemals und nirgendwo erwähnt, 2. es werden keine Personenangaben gemacht, da lediglich der gesprochene Inhalt für diese Untersuchung interessant ist (keine Persönlichkeitsprofilierung) und 3. spezifische Angaben im geschriebenen Text werden entfernt oder ersetzt (z. B. „Herr XYZ“ wird gelöscht, „Zürich“ wird zu „Schweiz“ umbenannt, „Bank XYZ“ wird zu „Organisation“ umbenannt etc.). Mir ist bewusst, dass es sich um ein heikles und ernstes Thema handelt. Deshalb wird alles Gesprochene diskret behandelt und bleibt anonym. Damit verfolge ich das wichtige Ziel, dass Sie frei und offen sprechen können und vor allem, dass der Inhalt der Arbeit dienlich ist.

Warum das Ganze? Ziel der Doktorarbeit ist die Erkenntnisgewinnung im Bereich der Wirksamkeit vorbeugender und unternehmensinterner Massnahmen. Wie kann ein Unternehmen anhand entsprechender Vorkehrungen möglichst wirksame Prävention erreichen? Durch gezielte Vorgehensweisen und Massnahmen sollen derartige Vorfälle nicht ausgeschlossen, sondern weitgehend vermieden werden.

Sind Sie damit einverstanden, dass das Gespräch ab jetzt aufgenommen wird, um es anschliessend zu transkribieren und auszuwerten?

Wenn Sie damit einverstanden sind, dann wird die Tonbandaufnahme anschliessend durch mich transkribiert, dann mittels einer speziell dafür entwickelten Software ausgewertet und interpretiert. Bestehen noch offene Fragen Ihrerseits?

Anhang

219

Interviewfragen Für Sie unangenehme Fragen können wir auf Ihren Wunsch gerne überspringen.

1.

Einstiegsfragen: - Bitte erzählen Sie mir von sich. - Was können Sie mir von dem Begehen bzw. Vorfall erzählen? Dürfte ich das so nennen? Ist dieser Ausdruck für Sie in Ordnung?

2.

Was hat dazu geführt, dass Sie damals in den Vorfall hineingeraten sind?

3.

- Welche Strukturen im Unternehmen, in dem Sie zum Zeitpunkt des Vorfalls beschäftigt waren, haben aus Ihrer Sicht damals den Vorfall begünstigt? - Wie hätten Ihrer Meinung nach mehr unternehmensinterne Regeln und Gesetze gewirkt, um diesen Vorfall zu vermeiden? - Wie hätte die Verschärfung der Kontrollen als Präventionsmassnahme gewirkt? - Wie hätte die Androhung von Sanktionen als Präventionsmassnahme gewirkt?

4.

-

5.

- Welche der folgenden Punkte waren für Sie am ehesten die letztendlich relevanten Auslöser: Anreiz, Druck, Gelegenheit oder Rechtfertigung vor sich selbst? - Welches Gewicht können Sie diesen Auslösern ungefähr zuordnen und wie beurteilen Sie diese?

6.

Was hätte Ihr Unternehmen damals besser machen können, damit es gar nicht so weit gekommen wäre bzw. wie hätte Ihr Unternehmen eher sein müssen?

7.

Wie hätte man die Präventionsmassnahmen in Ihrem Unternehmen umsetzen müssen, damit diese wirksam gewesen wären?

8.

Wenn wirksame Präventionsmassnahmen eingeführt worden wären, welchen Nutzen hätte es Ihrer Meinung nach gegeben?

9.

Was könnten Ihrer Meinung nach Massnahmen im Unternehmen sein, um solche Vorfälle schon im Vorhinein zu reduzieren?

Welcher Anreiz hat damals für Sie bestanden? Gab es Druck von aussen oder bzw. und haben Sie sich selbst unter Druck gesetzt? Welche persönlichen Aspekte bzw. Empfindungen waren beim Vorfall für Sie relevant? Hat es zum Zeitpunkt des Vorfalls eine innere Stimme gegeben? Wenn ja, welche Rolle hat diese Stimme gespielt bzw. wie könnte diese betrachtet werden?

10. Wenn Sie sich bitte kurz in die Situation des Vorfalls zurückversetzen – hätten Sie sich damals zu irgendeiner Zeit an eine vertrauliche, anonyme und neutrale Stelle gewendet? 11. Gab es in Ihrem Unternehmen irgendein Instrument, Richtlinien oder Kontrollen, weshalb sie überlegten, ob Sie den Vorfall realisieren? 12. Wenn Sie Eigentümer eines grossen Unternehmens wären oder wenn Sie im Unternehmen frei entscheiden können, welche Massnahmen würden Sie einführen und durchsetzen, um solche Vorfälle zu verhindern? 13. Abschlussfrage: Was möchten Sie dem Interview hinzufügen?

220

Anhang

Teil E: Zusicherung der Anonymität

Persönlich/Vertraulich

‚Datum’

Zusicherung der Anonymität Sehr geehrte Frau bzw. sehr geehrter Herr ‚Name des Wirtschaftsdelinquenten’, hiermit bestätige ich, Alexander Schuchter, geb. am 14. September 1981, Anonymität und Diskretion bezüglich des nicht-personenbezogenen Interviews, welches am ‚Datum der Durchführung’ in ‚Ort der Durchführung’ stattgefunden hat. Alles Gesprochene wird streng vertraulich behandelt, ausschliesslich für wissenschaftliche Zwecke verwendet und nach wissenschaftlichen Massstäben veröffentlicht. Hiermit sichere ich Ihnen zu, Ihren Namen niemals zu erwähnen und auch sonst keinerlei Angaben zu machen, die Sie mit dem gesprochenen Inhalt irgendwie in Verbindung bringen könnten. Damit verfolge ich das wichtige Ziel, dass Sie frei und offen sprechen können und vor allem, dass die gesprochenen Sätze dem Geist der Wissenschaft sowie dem Ziel der Untersuchung dienlich sind. Als „kleines Dankeschön“ möchte ich Ihnen nach Abschluss der Erhebung gerne die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Befragungen zur Verfügung stellen. Mit freundlichen Grüssen

Alexander Schuchter

Anhang

221

Teil F: Gestalten An dieser Stelle sei nochmals erwähnt, dass die nachfolgenden Gestalten durch systematisch zusammengefasste Textausschnitte aller transkribierten Interviews nach den GABEK®/WinRelan®Vorgaben gebildet wurden. Der möglichst einfach gehaltene Inhalt entspricht den authentischen Aussagen der Befragten ohne Einwirkung des Verfassers. Durch die Originalsprache der Respondenten und den durch GABEK®/WinRelan® vorgegebenen Einbezug der relevanten Schlüsselausdrücke unterscheidet sich das sprachliche Gesamtbild der vorliegenden Qualifikationsschrift. Zudem ist nicht ausschliessbar, dass sich die Gestalten vereinzelt widersprechen.

1. Gestalt „Prävention&Personal“ ist eine Zusammenfassung von vier Texteinheiten:

„Personalmangel kann als ein Auslöser betrachtet werden, deshalb ist eine Ersatzorganisation mit zusätzlichem Personal mit entsprechendem Wissen eine Präventionsmassnahme.“

2. Gestalt „Auslöser&Macht“ ist eine Zusammenfassung von drei Texteinheiten:

„Zu viel Macht gebündelt in einer Person ist ein Auslöser. Man muss die unternehmensinternen Strukturen hinterfragen, das wäre ein guter Ansatz für Präventionsmassnahmen. An dieser Stelle klaffen Theorie und Praxis leider auseinander.“

3. Gestalt „Prävention&interneCompliance“ ist eine Zusammenfassung von acht Texteinheiten:

„Neben der externen Revision spielen auch die interne Compliance und die interne Revision eine wichtige Rolle bei Präventionsmassnahmen. Wären Arbeitsabläufe systematisch kontrolliert worden und vorbeugende Massnahmen wirksam gewesen, hätte ich das nicht umgehen können und die erste Transaktion wäre in einer Kontrolle aufgeflogen. Neben der Herausforderung durch zu wenig ertragreiche Kunden bestand ein besonderer Anreiz darin, ob ich es schaffe oder nicht und auch das Geld ist ein Auslöser. Das Unternehmen hat dadurch dann Kunden verloren.“

4. Gestalt „Prävention&Kontrolle2“ ist eine Zusammenfassung von fünf Texteinheiten:

„Wirksame Präventionsmassnahmen bedeutet unnachgiebige, objektive und verantwortliche Kontrolle mit den richtigen Prioritäten. Diese könnte z. B. im Controlling angesiedelt sein, ist jedoch branchenspezifisch zu betrachten. Mehr Teamarbeit würde bestimmte Auslöser ebenso verhindern.“

222

Anhang

5. Gestalt „Prävention&Einzelunterschrift“ ist eine Zusammenfassung von fünf Texteinheiten:

„Die Grenze für Einzelunterschriften bei Transaktionen heruntersetzen, wirkt als Präventionsmassnahme sowie verschärfte Kontrolle, Vier-Augen-Prinzip und Kompetenzbeschränkung. Ausserdem sollte man auf Firmenkonten nicht zugreifen können wie auf die eigenen.“

6. Gestalt „Controlling&Kontrolle“ ist eine Zusammenfassung von sechs Texteinheiten:

„Präventionsmassnahmen wie ein Controlling und ein strenger Umgang mit den Passwörtern durch die ITLeute, die jederzeit zu allem Zugang hatten, haben nicht funktioniert. Eine Kontrolle der Einhaltung interner Regeln, sofern vorhanden, wäre wichtig. Bei einem Vorfall sollte mit Konsequenzen gerechnet werden.“

7. Gestalt „Prävention&interneRegeln“ ist eine Zusammenfassung von vier Texteinheiten:

„Interne Regeln können zwar geschrieben stehen, werden jedoch häufig einfach umgangen, wenn bestimmte Aufgaben dringend erledigt werden müssen. Damit wirken diese nicht oder nicht ausreichend als Präventionsmassnahme.“

8. Gestalt „Verantwortung&Vorfall“ ist eine Zusammenfassung von vier Texteinheiten:

„Verantwortlichkeit und Achtsamkeit können als Präventionsmassnahmen betrachten werden. Die Einbindung neutraler, externer Unternehmen macht Sinn, um einen entsprechenden Schutz vor Vorfällen zu gewährleisten.“

9. Gestalt „Prävention&Schlüsselposition“ ist eine Zusammenfassung von fünf Texteinheiten:

„Um Vorfälle zu vermeiden, müssen Schlüsselpositionen (z. B. leitende Finanzpositionen) höher gewichtet werden. Das bedeutet auch, auf Mitarbeiterideen eingehen. Bei Präventionsmassnahmen hat die Geschäftsleitung eine wichtige Funktion.“

10. Gestalt „Gier&Kontrolle“ ist eine Zusammenfassung von sieben Texteinheiten:

„Strenge Kontrolle und Achtsamkeit stellen eine Präventionsmassnahme dar. Durch Gier passieren solche Vorfälle, die hohe Reputationsschäden verursachen, wenn sie auffliegen. Die Auslöser sind unverändert dieselben.“

Anhang

223

11. Gestalt „Prävention&abblockenIdeen“ ist eine Zusammenfassung von fünf Texteinheiten:

„Wir haben die Lecks im System gesehen und hatten einfach zu wenig Akzeptanz. Es wurde ein Änderungsvorschlag unterbreitet, aber unsere Ideen wurden einfach abgeblockt. So etwas motiviert Mitarbeiter zu einer Straftat. An dieser Stelle hätte mehr Investitionsbereitschaft den Vorfall vermeiden können und wäre deshalb eine Präventionsmassnahme gewesen.“

12. Gestalt „Prävention&abschreckend“ ist eine Zusammenfassung von sieben Texteinheiten:

„Wären die Kontrollen besser gewesen, dann wäre es aufgeflogen. Präventionsmassnahmen müssen abschreckend sein. Man müsste einen Fall herbeiziehen, um aufzuzeigen, was bei einem Vorfall passieren kann. Sanktionsdrohung als einzige Präventionsmassnahme ist fragwürdig, weil man sehr unauffällig vorgeht und nicht damit rechnet, erwischt zu werden, deshalb ist Achtsamkeit wichtig.“

13. Gestalt „Prävention&Führungskräfte“ ist eine Zusammenfassung von vier Texteinheiten:

„Achtsamkeit und Sensibilisierung von Führungskräften sind wirksame Präventionsmassnahmen. Es ist eine Pflicht, dass man sich damit befasst. Kontrollen sind nur Teil der Lösung.“

14. Gestalt „Prävention&Geschäftsleitung“ ist eine Zusammenfassung von sieben Texteinheiten:

„Kontrollstellen ohne Funktion und eine schwache Geschäftsleitung begünstigen Vorfälle. Kontrolle ist wichtiger zu nehmen und könnte durch die externe Revision erfolgen. Vorgesetzte sollten auch gute Erträge hinterfragen. Eine gründliche Kontrolle der Tatsachen unter klarer Sanktionsdrohung ist eine Präventionsmassnahme.“

15. Gestalt „Prävention&Stichproben“ ist eine Zusammenfassung von fünf Texteinheiten:

„Zu Präventionsmassnahmen gehören nicht nur externe Revision sondern auch interne, unterjährige und unangemeldete Stichprobenprüfungen. Vertrauen ist hier nicht angebracht. Auffälligkeiten müssen systematisch hinterfragt werden, das wirkt abschreckend und sensibilisiert für solche Vorfälle. Blindes Vertrauen ist nicht ausreichend.“

16. Gestalt „Prävention&Kontrolle3“ ist eine Zusammenfassung von fünf Texteinheiten:

„Laufende Kontrolle durch z. B. externe Revision würde ich als Präventionsmassnahme einführen, wobei das nur Teil der Lösung sein kann, da man auch diese umgehen kann. Das Vertrauen muss richtig dosiert und eingesetzt werden.“

224

Anhang

17. Gestalt „Prävention&Spezialist“ ist eine Zusammenfassung von fünf Texteinheiten:

„Als Präventionsmassnahme kann ein speziell dafür ausgebildeter Spezialist betrachtet werden, der im Rahmen der externen Revision die Kontrolle durchführt oder als Aufsichtsorgan eingesetzt wird. Ein Laie sieht solche Dinge nicht. Eine staatliche Regulierung wäre wünschenswert.“

18. Gestalt „Prävention&Kontrolle“ ist eine Zusammenfassung von fünf Texteinheiten:

„Die Kontrolle von Tatsachen sollte durch einen neutralen Dritten erfolgen. Ausserdem müssen Aufsichtsorgane mit ausgebildeten Spezialisten besetzt werden, dabei dürfen keine Interessenskonflikte zustande kommen. Dies ist eine weitere Präventionsmassnahme, die die Anzahl der Vorfälle minimiert.“

19. Gestalt „Prävention&Aufsicht“ ist eine Zusammenfassung von fünf Texteinheiten:

„Für Präventionsmassnahmen muss eine bessere staatliche Regulierung geschaffen werden. Auch die Aufsichtsbehörden haben eine wichtige Funktion. Einige Kontrollen waren vorgeschrieben, aber unsere Kontrollstrukturen haben nicht funktioniert, das hat den Vorfall begünstigt. Es war ein Fehler, dass derartig viel Zeit verstrichen ist, bis irgendetwas passierte.“

20. Gestalt „Prävention&abklären“ ist eine Zusammenfassung von fünf Texteinheiten:

„Als Präventionsmassnahme müssen Risiken und rechtliche Grundlagen von Aufsichtsorganen abgeklärt werden. Dazu gehört auch die Rechtsberatung. Die Situation muss hinterfragt werden, um Transparenz zu schaffen und die Grenzen zu kennen.“

21. Gestalt „Prävention&abklären2“ ist eine Zusammenfassung von vier Texteinheiten:

„Eine Sanktionsdrohung hätte wenig bis keinen Einfluss gehabt. Man muss die Grenzen der Legalität voll ausreizen, da von aussen ein hoher Druck auf einen lastet. Als Präventionsmassnahme müsste man die Rahmenbedingungen im Vorhinein einfach besser abklären.“

22. Gestalt „Prävention&Anreiz“ ist eine Zusammenfassung von vier Texteinheiten:

„Geld ist ein Anreiz, wenn auch nicht immer eigenwirtschaftlich. Eine staatliche Regulierung und Sanktionsdrohungen werden als Präventionsmassnahme unwirksam, wenn sie durch unklare, unternehmensinterne Toleranzgrenzen abgeschwächt werden.“

Anhang

225

23. Gestalt „Prävention&Transparenz“ ist eine Zusammenfassung von fünf Texteinheiten:

„Transparenz zu schaffen, ist eine Präventionsmassnahme, die nicht nur eigene Informationsmängel beseitigt sondern auch gegenseitige Kontrolle schafft. Aufsichtsorgane müssen mit Personen mit entsprechendem Fachwissen besetzt werden. Wenn ich im Unternehmen frei entscheiden könnte, dann würde ich ein IKS einführen. Ein diesbezügliches Regelwerk gab es nicht. An eine externe Ombudsstelle hätte ich mich nicht gewendet.“

24. Gestalt „Vertrauen&Geschäftspartner“ ist eine Zusammenfassung von sechs Texteinheiten:

„Ich habe einen Blödsinn gemacht und wollte diesen wieder korrigieren. An eine externe Ombudsstelle hätte ich mich nicht gewendet. Ich hatte nicht damit gerechnet und hatte Vertrauen zu meinen Geschäftspartnern, die mich dann enttäuschten. Ich trage nicht alleine die Schuld an dem Vorfall.“

25. Gestalt „ExterneOmbudsstelle&Überzeugung“ ist eine Zusammenfassung von sieben Texteinheiten:

„Ich war der festen Überzeugung, dass ich es am besten weiss und ich war dazu auch zu stolz, deshalb hätte ich mich nicht an eine interne oder externe Ombudsstelle gewendet. Ausserdem war mir lange nicht richtig bewusst, dass ich tatsächlich verwickelt bin. Von der externen Revision wurden keine Auffälligkeiten hinterfragt und das Vertrauen wurde missbraucht. Das alles ist wiederholend und es kommt wieder zu solchen Vorfällen.“

26. Gestalt „Prävention&externeRevision“ ist eine Zusammenfassung von fünf Texteinheiten:

„Die für Präventionsmassnahmen wichtige externe Revision muss ihre Aufgaben wahrnehmen und JobRotation betreiben. Ein über die Zeit aufgebautes Vertrauen ist schlecht. Eine Kontrolle der Finanztransaktionen ist besser.“

27. Gestalt „Dunkelziffer&unverändert“ ist eine Zusammenfassung von fünf Texteinheiten:

„Die gegebene Gelegenheit und der Druck sind relevante und bis heute weitgehend unveränderte Auslöser solcher Vorfälle. Nicht zu unterschätzen ist die Dunkelziffer, durch welche weitgehende Reputationsschäden vermieden werden.“

28. Gestalt „Anreiz&Auslöser“ ist eine Zusammenfassung von fünf Texteinheiten:

„Als Auslöser kann man sagen, dass das Geld ein Anreiz ist, dann die Gelegenheit und die Gier. Durch die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse gerät man in dieses schwer zu entkommende Fahrwasser.“

226

Anhang

29. Gestalt „Druck&Auslöser“ ist eine Zusammenfassung von vier Texteinheiten:

„Enormer Druck und Ansprüche von aussen sind relevante Auslöser. Obwohl keine persönliche Bereicherung beabsichtigt war, existiert der Anreiz Geld, und die Herausforderung, ob man es schafft oder nicht.“

30. Gestalt „Druck&Vorgesetzte“ ist eine Zusammenfassung von sechs Texteinheiten:

„Es ging um Zahlen und Zielerreichung unter hohem Druck, hier ist ein wesentlicher Auslöser zu finden. Die Vorgesetzten waren zufrieden, da ich die „Cash Cow“ war.“

31. Gestalt „Kontrolle&unverändert“ ist eine Zusammenfassung von sechs Texteinheiten:

„Kontrolle ist nicht Kontrolle. Es blieb lange unbemerkt, da der Vorgesetzte lediglich die Vollständigkeit kontrollierte. Das unveränderte Desinteresse an der Kontrolle von Tatsachen ist ein klares Defizit.“

32. Gestalt „Tatsachenkontrolle&umgehen“ ist eine Zusammenfassung von vier Texteinheiten:

„Die Kontrollstellen funktionierten nicht. Wenn man die Tatsachen nicht kontrolliert, dann kann man ein Märchen erzählen und so die Kontrollen einfach umgehen. Solange die Erträge stimmten, waren solche Dinge ohnehin untergeordnet.“

33. Gestalt „Anreiz&Geld“ ist eine Zusammenfassung von sechs Texteinheiten:

„Geld ist unbestritten ein Anreiz für Vieles, da braucht man kein schlechtes Gewissen zu haben. Mir war nicht direkt bewusst, dass ich etwas Falsches tue, da gab es keinen Druck. Mit besseren Kontrollen hätte man es entdeckt. Dann hätte man mit Sanktionen drohen können und es wäre bewusst geworden. Lasche Kontrollen könnten deshalb als Auslöser betrachtet werden.“

34. Gestalt „Sanktionsdrohung&unbewusst“ ist eine Zusammenfassung von vier Texteinheiten:

„Sanktionsdrohungen im Geldgeschäft sind verdammt schwierig und können nie zur Wirkung kommen, weil ich mir entweder meiner Schuld gar nicht richtig bewusst bin oder weil ich nicht davon ausgehe, erwischt zu werden. Die Triebfeder, Geld zu verdienen, ist grösser.“

Anhang

227

35. Gestalt „Mobbing&Druck“ ist eine Zusammenfassung von vier Texteinheiten:

„Ein sehr gehässiges Arbeitsklima, Mobbing und Konflikte, dann noch der enorme Druck, der unter anderem auch daraus entstanden ist - das sind relevante Auslöser.“

36. Gestalt „Konflikt&angespanntesVerhältnis“ ist eine Zusammenfassung von fünf Texteinheiten:

„Ich habe mir sofort überlegt, wer mich untergraben hat, und die ganze Situation hinterfragt. Im Unternehmen gab es wenig Grenzen. Interne Regeln hätten das angespannte Verhältnis und die Konflikte sicher etwas entschärft.“

37. Gestalt „Tat&akzeptieren“ ist eine Zusammenfassung von drei Texteinheiten:

„Die Verurteilung ist auch für die Familie belastend. Dennoch muss man seine Tat akzeptieren, das ist eine Selbsterfahrung.“

38. Gestalt „Prävention&unterlassenGeschäft“ ist eine Zusammenfassung von drei Texteinheiten:

„Es war unbewusst, und es hätte keiner von uns damit gerechnet, deshalb gab es keine Auslöser. Eine Präventionsmassnahme wäre gewesen, dass wir früh reagieren und dieses Geschäft einfach unterlassen.“

39. Gestalt „Hoffnung&korrigieren“ ist eine Zusammenfassung von vier Texteinheiten:

„Die innere Stimme war da und sagte mir, dass ich es nicht machen soll. Irgendwie war immer die Hoffnung da, dass ich das offene Loch wieder stopfen und die Transaktionen wieder zurückführen könnte. Ich dachte mir, dass ich das wieder korrigieren kann. Das ist ein trügerisches Sicherheitsgefühl, da das Auffliegen nur eine Frage der Zeit ist.“

40. Gestalt „Mobbing&kündigen“ ist eine Zusammenfassung von fünf Texteinheiten:

„Das massive Mobbing u. a. der Vorgesetzten waren persönliche Probleme. Die Kündigungsdrohung war irrelevant, wobei mir das damit verbundene Auffliegen nicht gleichgültig gewesen wäre. Eine Sanktionsdrohung wäre nicht wirklich wirksam gewesen.“

228

Anhang

41. Gestalt „Prävention&Kontrolle4“ ist eine Zusammenfassung von fünf Texteinheiten:

„Verschärfte Kontrollen würden Wirkung zeigen. Als Präventionsmassnahme würde ich mir die Arbeitsabläufe erklären lassen und ein IKS einführen. Ein überkorrekter Buchhaltertyp könnte dann das interne Compliance prüfen.“

42. Gestalt „Prävention&Kontrolle5“ ist eine Zusammenfassung von fünf Texteinheiten:

„Effektive Kontrollen und ein gleichwertiger Stellvertreter wären eine Präventionsmassnahme gewesen, da man dann eher auffliegen könnte. Das wirkt abschreckend.“

43. Gestalt „Prävention&Geld“ ist eine Zusammenfassung von fünf Texteinheiten:

„Bei Präventionsmassnahmen ist es wichtig, dass man Tatsachen kontrolliert. Weisungen dürfen nicht zeitverzögert sein, also keine überraschenden Geldausgaben. Mit wirksamen Präventionsmassnahmen hätte es keinen Schaden und keine Verurteilung gegeben.“

44. Gestalt „ExterneRevision&Vorfall“ ist eine Zusammenfassung von fünf Texteinheiten:

„Die externe Revision wusste nicht, wie man diese neue Situation anpacken könnte. Mit meinem Wissen habe ich das zu diesem Zeitpunkt ausgenutzt. Neben dieser besonderen Situation kann man auch die hierarchische Stellung als Auslöser des Vorfalls bezeichnen.“

45. Gestalt „Unverändert&wiederholend“ ist eine Zusammenfassung von vier Texteinheiten:

„Die Lecks sind unverändert. Es läuft genau gleich weiter, und es wird sich mit denselben Auslösern wiederholen.“

Anhang

229

Teil G: Kausalliste Folgendes Verzeichnis ist nach Summe der Einflüsse und Auswirkungen absteigend sortiert.

Nr. Schlüsselausdruck 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45

Präventionsmassnahme Vorfall Auslöser Kontrolle Auffliegen Druck Anreiz Vertrauen Geld Gier Tatsachen_kontrollieren Fahrwasser_hineingeraten Sensibilisierung Spezialist_ausgebildeter abblocken_Ideen abschreckend Innere_Stimme_existiert Mobbing umgehen unbewusst lange_unbemerkt Transparenz_schaffen Zielerreichung Angst Auffälligkeiten_hinterfragen Aufsichtsbehörde Blödsinn_gemacht Interessenskonflikt Konflikt Laien Löcher_stopfen Macht Revision_externe Schulung_Kader Wissen Aufsichtsorgan Dunkelziffer Entlohnung_gerechte Geschäftsleitung Grenzen Informationsmangel job_rotation Regulierung_staatlich Reputationsschaden Risiko

Relevanzzahl und Anzahl der Gestaltebene Nennungen 79 HH 23 HH 15 HH 60 HH 9H 29 H 9H 23 HH 9H 11 G 18 H 5G 9H 9H 8G 7G 4G 10 G 5G 5H 3G 9H 7G 5S 5H 7G 5G 7G 8G 6G 7G 6G 19 HH 6S 5G 3 HH 7G 6S 9H 5H 5G 4S 11 HH 7G 2G

90 44 38 55 14 30 20 19 23 9 12 7 5 5 4 8 9 8 7 15 10 6 5 4 3 5 12 3 5 3 5 5 20 3 6 7 9 3 9 10 4 2 9 5 7

Anzahl der Anzahl der Einflüsse Auswirkungen 90 43 31 7 13 12 11 6 3 3 0 6 2 3 2 5 3 1 6 1 2 2 2 1 4 3 4 0 3 3 1 1 0 0 0 3 2 3 0 0 1 0 0 4 4

18 4 2 15 2 3 3 8 7 7 10 2 6 5 5 2 4 6 1 6 4 4 4 4 1 2 1 5 2 2 4 4 5 5 5 1 2 1 4 4 3 4 4 0 0

Summe der Einflüsse und Auswirkungen 108 47 33 22 15 15 14 14 10 10 10 8 8 8 7 7 7 7 7 7 6 6 6 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4

230 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100

Schlüsselposition Sicherheit Stichproben Tat_akzeptieren abhalten abklären Achtsamkeit Anzeichen ausreizen_voll belastend Compliance_intern Einzelunterschrift Gelegenheit IKS Konsequenz Kontrolle_exzess Kontrollstelle Kontrollstruktur Kostenstruktur_intensive Leck neben_sich_stehen Personal Personalmangel Probleme_finanzielle Revision_externe_job_rotation Ruhe Situation_hinterfragen Stellvertreter_gleichwertiger Theorie_ist_nicht_Praxis Verantwortung Verhältnis_angespannt Verurteilung Zeitpunkt Absturz Akzeptanz_zu_wenig Anreiz_keinen Aufklärung Aufwand Auswirkung_direkte_keine Bedürfnisse_eigene beurteilen Beziehung_persönliche_mit_ext_Rev blauäugig_zu Boni Buchhaltertyp_überkorrekt Controlling Dritter_neutraler Druck_keinen Emotion Entscheidungen_selbstherrliche Entschuldigung_persönliche Enttäuschung Erfahrung erledigen_dringend Ertrag

Anhang 4G 4S 5G 5G 2S 10 H 7 HH 2S 1G 1S 7G 6G 4H 12 G 5G 4S 4H 7G 4S 4G 4S 1G 5G 2 S 5G 1S 8G 5G 5G 6G 5G 1G 2G 1S 2H 1S 2S 1S 1S 2G 1S 3S 4S 2S 3G 6G 4G 1G 1S 2S 2S 2G 1S 3G 1H

3 2 3 6 3 8 6 2 5 2 5 5 5 10 5 2 4 4 2 6 4 1 3 3 3 2 8 3 2 6 3 4 3 2 1 5 1 3 2 5 1 1 3 3 2 5 4 4 2 2 2 4 3 3 6

2 3 0 3 2 0 1 2 2 3 0 1 1 0 3 1 1 0 0 2 0 2 1 1 0 3 2 0 2 0 1 2 0 1 1 2 0 2 0 0 1 0 1 1 0 0 1 1 0 1 1 2 0 0 1

2 1 4 1 1 3 2 1 1 0 3 2 2 3 0 2 2 3 3 1 3 1 2 2 3 0 1 3 1 3 2 1 3 1 1 0 2 0 2 2 1 2 1 1 2 2 1 1 2 1 1 0 2 2 1

4 4 4 4 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2

Anhang 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155

fahrlässig Fährte_verfolgen Forderung_befriedigen Gewissen_rein herumschieben_wild Hoffnung korrigieren Lohn_zu_wenig mitlaufen_schön Nischen Ombudsstelle_extern Profiteure psychologisch_Zustand reagieren_früh Sanktionsdrohung Schaden Schaden_finanziell schützen Selbständigkeit Selbstmord Spezialisierung Tagesgeschäft_unmoralisches Unsicherheit Vollmacht Wettbewerb_fair wirkungslos Zeit_verstreichen_lassen Zugang_jederzeit zusammenbrechen abspeisen Ansprüche_von_aussen Anstalt_psychiatrische Arbeitsablauf_erklären_lassen Arbeitsklima Ärger arrogant Aufgaben_wahrnehmen Aufwand_weniger ausspielen aussprechen Balance Bedürfnisse_fremde befassen_damit behandelt_sehr_schlecht bekannt_Leute belastend_für_Familie beleidigen besondere_Situation betrügen Blankovertrag Boni_gestrichen Buchhaltung_spezielle_neue Consultant_extern Controller_extern Controller_unabhängiger

231 1S 2S 3S 1G 2S 2G 3G 4S 2S 1S 13 H 1S 3S 3G 16 HH 1G 3G 3G 2S 2S 2S 3S 1S 1S 2S 1S 2G 5G 1S 2S 2G 2S 2S 3G 0S 2S 2S 2S 2S 2S 2S 2S 2G 2S 0S 2S 2S 2G 0S 3S 3S 2S 2S 2S 3S

5 1 3 5 1 3 7 2 1 1 13 1 2 2 18 3 5 2 2 2 1 2 2 5 1 4 2 3 1 2 1 1 2 2 1 1 1 1 1 1 1 3 1 1 1 1 1 1 1 2 2 1 1 1 2

1 1 1 1 0 1 1 0 1 1 2 0 0 0 0 2 2 2 2 1 0 1 1 0 2 2 0 0 2 1 0 1 0 0 1 1 0 1 1 1 1 0 0 0 0 1 0 0 1 1 0 0 0 0 0

1 1 1 1 2 1 1 2 1 1 0 2 2 2 2 0 0 0 0 1 2 1 1 2 0 0 2 2 0 0 1 0 1 1 0 0 1 0 0 0 0 1 1 1 1 0 1 1 0 0 1 1 1 1 1

2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

232 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195 196 197 198 199 200 201 202 203 204 205 206 207 208 209 210

Controlling_intern Defizit Desinteresse Einzige_der_wusste_wie Ereignis_sportliches Ersatzorganisation Ersatzplan Euphorie existenzbedrohend Fall_herbeiziehen_Exempel Familie Fehler Finanzchef Finanztransaktionen_anschauen Fremdbestimmung Gefängnis geimpft_einmal Geschäft_unterlassen Geschäftsleitungskompetenz Geschäftsleitungskompetenz_fordern Geschäftspartner_anschauen Gewissen_schlechtes Gewohnheit GL_auseinandersetzen_auch_privat Gutgläubigkeit heikel helfen_kranker_Person Herausforderung Herzklopfen_starkes hierarchische_Stellung Image Infantilisierung inkonsequent Innere_Stimme_keine Intervalle_kürzere_Transaktionen Investitionsbereitschaft kaputt_machen kommunizieren_offener Kompetenz_fachliche Kompetenzbeschränkung Kompetenzüberschreitung Konkurs_Unternehmen Konsequenzen_bewusst_werden Konservativität Konto_eigenes Kontrolle_der_Kontrolle Konzentration_in_einer_Hand Kopie kraftlos kündigen Kunde Kunden_betrügen Leben_in_Luxus Liquiditätsschwierigkeiten Lösung_ohne_Behörde

Anhang 5G 0H 4G 0S 0S 4G 2S 0S 0S 3G 4G 2G 0G 4G 2S 3S 2S 4G 2G 2S 3S 0S 0S 2S 3S 0S 0S 0S 2S 2G 2S 3S 3S 0S 0S 4G 2S 3S 2S 4G 2S 2S 3S 2S 3G 2S 2S 2S 2S 0G 0H 0S 2S 2S 2S

4 1 3 1 1 3 1 1 1 2 4 1 3 2 1 4 1 3 1 1 2 1 1 1 2 1 1 1 1 2 1 2 2 4 1 2 1 2 1 3 1 2 1 1 2 1 1 1 2 7 7 1 1 1 2

0 1 0 0 0 0 0 0 1 0 0 1 0 0 0 1 0 0 0 0 0 1 1 0 0 1 0 0 1 0 1 0 1 1 1 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 1 0 0 1 1 1 0 0 0 0

1 0 1 1 1 1 1 1 0 1 1 0 1 1 1 0 1 1 1 1 1 0 0 1 1 0 1 1 0 1 0 1 0 0 0 1 1 1 1 1 1 0 1 1 1 0 1 1 0 0 0 1 1 1 1

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

Anhang 211 212 213 214 215 216 217 218 219 220 221 222 223 224 225 226 227 228 229 230 231 232 233 234 235 236 237 238 239 240 241 242 243 244 245 246 247 248 249 250 251 252 253 254 255 256 257 258 259 260 261 262 263 264 265

Märchen Mitarbeiterideen_eingehen möglich_sehr_viel motiviert_Mitarbeiter_zu_Straftat nachzuweisen_schwer Nichteinhaltung_Verträge offensiv Passwörter pensionieren_frühzeitig Personalauswahl Perspektivenwechsel Prioritäten_richtige profilieren_selbst Projektrealisierung Qualität rechthaberisch Rechtsberatung Regel_interne Regelwerk Regelwerk_fehlt Relationsverlust Revision_ext_Aufgaben_wahrnehmen Revison_ext_Verantwortung_übernehm rückgängig_nicht Sachverständiger_unabhängiger Schlüsselposition_höher_gewichten Schnittstellen_saubere Schulden Schulung Schwachpunkte_analysieren_eingehen Sechs-Augen-Prinzip selbst_stellen Selbsterfahrung Sicherheitsgefühl_trügerisches sinnlos Sonderprüfung Spezialist_fremder Spezialwissen_über_Jahre_aufbauen Strukturen_hinterfragen Tatsachen Teamarbeit teilhaben_am_Erfolg Testlauf_versucht Toleranz Triebfeder überraschend überschätzen_sich Überwachung Überzeugung Umstände_private Umstände_unglückliche Unachtsamkeit unrentabel Unternehmen_neutral_extern Untersuchungshaft

233 0G 4G 2S 2G 0S 2S 2S 4G 0S 2S 2S 3G 2S 2S 0S 2S 6G 6H 3G 2S 3S 4G 3S 0S 2S 3G 2S 0S 2S 2S 3G 0S 2G 2G 0S 2S 2S 3S 3H 2G 4H 2S 2S 0S 0G 3S 2S 2S 0G 0S 0S 2S 0S 5G 0S

2 3 1 2 3 1 1 6 2 1 1 2 1 2 2 1 5 9 3 1 2 2 1 2 1 2 1 1 1 1 2 2 1 2 1 1 1 1 3 4 3 1 3 2 2 3 2 1 2 1 1 1 1 4 1

1 0 1 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 1 1 0 0 0 0 1 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 1 0 0 1 0 0 0 0 0 1 1 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0

0 1 0 1 1 1 1 1 1 1 0 1 1 1 0 0 1 1 1 1 0 1 1 0 1 1 1 1 1 1 1 1 1 0 0 1 1 0 1 1 1 1 1 0 0 1 1 1 1 1 1 1 0 1 1

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

234 266 267 268 269 270 271 272 273 274 275 276 277 278 279 280 281 282 283 284 285 286 287 288 289 290 291 292 293 294 295 296 297 298 299 300 301 302 303 304 305 306 307 308 309 310 311 312 313 314 315 316 317 318 319 320

unverändert unwahr verdrängen Verfolgung_Erlös Verhältnis_gutes_mit_externer_Revis Versager_als_dazustehen verspottet_werden_Vorstellung vertuschen verzeihen Vier-Augen-Prinzip voreilig Vorgesetzter Vorgesetzter_Kompetenz Vorgesetzter_zufrieden Weisungen_einhalten Weisungen_zeitverzögert Wertschöpfung Zahlen Ziele Zielerreichung_egal_wie Zusammenarbeit Änderungsvorschlag Anlagestrategie_missachtet Anlaufstellen_strukturieren Arbeitsablauf Aufsichtsorgan_kommunizieren Authentizität belegbar benutzt_worden Bewilligung bewusst branchenspezifisch Computersystem dagegen_tun_nichts_selbst Datei Deadline Dealerei_Bank dokumentieren_Abläufe Drohung Eigengeschäft Fachstelle_spezialisierte Fairness_keine fallspezifisch Feedback Geschäftspartner Geschriebenes_trügt Gesprächskultur_verschlossen grössenspezifisch hartnäckig_zu Intoleranz kommunizieren Komponente_menschliche_unter_Kontr Kosten_Nutzen_Relation Laune_schlechte Liquidität

Anhang 7H 0S 0S 3S 2S 3S 3S 3S 0S 6G 3S 6H 2S 0S 3S 3G 0S 2G 0G 3S 0S 1G 1S 1S 2G 1S 2S 1S 1S 1S 1S 6G 3S 1S 1S 1S 1S 1S 1G 1S 1S 2S 1S 1S 4G 1S 1S 2S 1S 1S 1S 3S 1S 1S 2S

12 1 1 1 1 1 1 3 1 5 1 14 1 1 1 2 1 5 7 2 1 3 1 1 6 1 2 1 1 1 3 4 2 1 4 1 2 1 2 1 1 3 1 1 4 1 1 4 1 1 2 2 3 1 4

1 1 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 1 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

0 0 0 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 0 1 1 0 1 1 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

Anhang 321 322 323 324 325 326 327 328 329 330 331 332 333 334 335 336 337 338 339 340 341 342 343 344 345 346 347 348 349 350 351 352 353 354 355 356 357 358 359 360 361 362 363 364 365 366 367 368 369 370 371 372 373 374 375

Lohn Menschen Mitarbeiterhandbuch oberflächlich_alles_bestens Papier_ist_geduldig Planungsinstrument Probleme_persönliche Regeln_selbst_gemacht Revision_interne Risikomanagement Schatten_eigener_springen schauen Schloss schriftlich Selbstbedienung Selbstverschulden Staatsanwaltschaft Stelle_intern stur_zu Teil_der_Lösung Umfeld_persönliches untergraben Unternehmensstruktur Untersuchungsrichter Unzufriedenheit Verhalten_konform Vollprüfung Vollständigkeit Voraussetzung Vorfälle_eliminieren wiederholend Ahnung_keine alleine_hinterher Anlagestrategie Arbeitnehmer auf_Seite_geschafft ausnutzen Bereicherung_persönliche_keine Berufshaftpflicht bestätigen bewegen_etwas Beziehungen_private_gehen_kaputt Bonussystem_linear Börsengeschäft büssen Cash_Cow Computer Dokument dokumentieren Einzelhandlung Ereignisse_überschlagen Führungsposition Geldgeschäft Gesichtskosmetik Gott

235 1S 1S 1S 1S 1S 1S 1G 1S 3G 2S 1S 2S 1S 1S 1S 1S 2S 1G 1S 1G 1S 3G 1S 1S 1S 1S 1S 1G 1S 2S 1G 0S 0S 0S 0S 0S 0G 0G 0S 0S 0S 0S 0S 0S 0S 0G 0S 0S 0S 0S 0S 0S 0S 0S 0S

1 1 2 1 1 1 2 1 3 2 1 1 1 1 2 2 2 5 1 2 1 3 2 1 1 1 1 3 1 1 3 2 1 2 1 1 2 1 1 1 1 1 1 3 2 2 3 2 1 1 1 1 2 1 3

0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

236 376 377 378 379 380 381 382 383 384 385 386 387 388 389 390 391 392 393 394 395 396 397 398 399 400 401 402 403 404 405 406 407 408 409 410 411 412 413 414 415 416 417 418 419 420 421 422 423 424 425

Gruppendynamik Inkompetenz Interpol IT_Leute jahrelange_Untersuchung Karrierehöhepunkt Kompetenz Konkurrenz Lernprozess_eigener Markt Meeting Pässe Personalfluktuation Persönlichkeit Praxis Privatkonkurs Projekt Rattenschwanz Schaden_grösser_als_PrävKo Schicksale_menschliche schlafen Schuld Software stolz_zu Strafmilderung strafrechtlich_belangt Strukturendurchsetzung Tabletten Theorie Toleranzgrenze_unternehmensinterne Transaktion Übermut unauffällig ungesteuert unrealistisch unschuldig Unternehmen Unternehmensaufbau Unternehmensneuausrichtung Unterschlagung Unterstützung_gegenseitig Urkundenfälschung Verdacht vergessen verhandeln verteidigen Verweis Vorsatz Wandschrank Wirkung

Anhang 0S 0S 0S 0G 0S 0S 0S 0S 0S 0S 0S 0S 0S 0S 0S 0S 0S 0S 0S 0S 0S 0S 0S 0G 0S 0S 0S 0S 0S 0S 0H 0S 0S 0S 0S 0S 0G 0S 0S 0S 0S 0S 0S 0S 0S 0S 0S 0S 0S 0G

Summe aller Nennungen Summe aller Einflüsse Summe aller Auswirkungen Gesamtsumme aller Einflüsse und Auswirkungen

1 1 1 2 1 1 1 1 2 1 1 1 1 1 3 1 1 2 1 1 1 2 1 1 1 2 1 1 2 1 7 1 1 1 1 3 5 1 1 1 1 1 2 1 1 1 1 1 1 3

0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

1’416 422

-

422

-

422

422 844

Anhang

237

Teil H: Bewertungsliste der Ist-Situation Folgendes Verzeichnis ist nach Bewertungssummen absteigend sortiert.

Nr. Schlüsselausdruck 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46

Druck Kontrolle Vertrauen Tatsachen_kontrollieren Mobbing Revision_externe Gier Konflikt unverändert Vorgesetzter abblocken_Ideen Dunkelziffer Geld Kontrollstruktur Zielerreichung blauäugig_zu branchenspezifisch Compliance_intern Controlling Desinteresse Einzelunterschrift Familie Geschäftspartner IKS Löcher_stopfen Macht Tat_akzeptieren untergraben Verantwortung Verhältnis_angespannt abklären Angst Anreiz Arbeitsklima Aufsichtsbehörde Blankovertrag Blödsinn_gemacht Boni_gestrichen Entlohnung_gerechte Fairness_keine Forderung_befriedigen Gelegenheit Gutgläubigkeit inkonsequent Interessenskonflikt Kontrollstelle

Anzahl neutraler Bewertungen

Anzahl negativer Bewertungen

Anzahl positiver Bewertungen

Bewertungssumme

3 1 1 0 0 0 1 0 0 1 0 1 2 0 3 0 3 0 0 0 0 3 0 0 1 3 3 0 2 0 1 1 2 0 1 1 0 0 0 0 2 2 0 0 1 0

16 12 7 7 6 6 4 5 4 4 4 3 0 4 0 3 0 3 3 3 3 0 3 1 2 0 0 3 1 3 1 1 0 2 1 1 2 2 2 2 0 0 2 2 1 2

0 2 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 2 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 2 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

19 15 8 7 6 6 5 5 5 5 4 4 4 4 4 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2

238

Anhang 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101

Liquidität Lohn_zu_wenig neben_sich_stehen psychologisch_Zustand Regel_interne Relationsverlust Revision_interne Sanktionsdrohung Theorie_ist_nicht_Praxis unbewusst Unternehmen_neutral_extern vertuschen Zugang_jederzeit abspeisen Achtsamkeit Akzeptanz_zu_wenig Anlagestrategie_missachtet Ansprüche_von_aussen Anstalt_psychiatrische Arbeitsablauf arrogant Auffliegen Aufgaben_wahrnehmen Aufsichtsorgan ausspielen Bedürfnisse_eigene Bedürfnisse_fremde behandelt_sehr_schlecht belastend_für_Familie belegbar beleidigen benutzt_worden besondere_Situation Beziehung_persönliche_mit_ext_Rev Boni Buchhaltung_spezielle_neue Computersystem Controlling_intern dagegen_tun_nichts_selbst Datei Deadline Dealerei_Bank Drohung Eigengeschäft Entscheidungen_selbstherrliche Entschuldigung_persönliche Enttäuschung erledigen_dringend Fahrwasser_hineingeraten Feedback Fehler Finanztransaktionen_anschauen Fremdbestimmung Gefängnis Geschäftsleitung

1 0 0 0 0 1 0 0 0 2 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 1 0 0 0 0 0 1 1 0 0 0 0 1 0 0 0 1 0 0 1 0 0

1 2 2 2 2 1 2 2 2 0 0 2 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 0 1 1 1 0 0 1 1 1 1 0 0 1 1 1 1 0 1 1 1 0 1 1 0 1 1

0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

Anhang 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156

239 Geschriebenes_trügt Gesprächskultur_verschlossen Grenzen grössenspezifisch hartnäckig_zu Herzklopfen_starkes hierarchische_Stellung Hoffnung Image Infantilisierung Informationsmangel Innere_Stimme_existiert Intoleranz Investitionsbereitschaft kaputt_machen kommunizieren Kompetenzüberschreitung Komponente_menschliche_unter_Kontr Konsequenz Konsequenzen_bewusst_werden Konservativität Kopie korrigieren kraftlos Laien Laune_schlechte Leben_in_Luxus Leck Liquiditätsschwierigkeiten Lohn Menschen Mitarbeiterhandbuch möglich_sehr_viel motiviert_Mitarbeiter_zu_Straftat Nichteinhaltung_Verträge offensiv Ombudsstelle_extern Passwörter Perspektivenwechsel Probleme_finanzielle Probleme_persönliche profilieren_selbst Projektrealisierung rechthaberisch Regelwerk Regulierung_staatlich Reputationsschaden Revision_ext_Aufgaben_wahrnehmen Revision_ext_Verantwortung_übernehm Risikomanagement Schaden_finanziell Schatten_eigener_springen schauen schriftlich schützen

0 0 0 1 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 1 0 0 1 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 1

1 1 1 0 1 1 1 0 0 1 1 0 1 1 1 1 1 1 0 1 1 1 0 1 1 1 0 1 1 1 1 1 1 1 1 0 1 0 0 1 1 0 0 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 0 0

0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 1 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

240

Anhang 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192 193 194

Sechs-Augen-Prinzip Selbständigkeit Selbsterfahrung Selbstmord Selbstverschulden Sicherheitsgefühl_trügerisches Situation_hinterfragen Spezialwissen_über_Jahre_aufbauen stur_zu Tagesgeschäft_unmoralisches Teamarbeit Testlauf_versucht Transparenz_schaffen überschätzen_sich Umfeld_persönliches umgehen Unachtsamkeit Unternehmensstruktur Untersuchungsrichter Unzufriedenheit Verfolgung_Erlös Verhalten_konform Verhältnis_gutes_mit_externer_Revis Versager_als_dazustehen verspottet_werden_Vorstellung Vollständigkeit Voraussetzung voreilig Vorfall Vorfälle_eliminieren Weisungen_einhalten Weisungen_zeitverzögert wiederholend Wissen Zahlen Zeit_verstreichen_lassen Zeitpunkt Zielerreichung_egal_wie Gesamtbewertungssummen

1 1 1 0 0 1 1 1 0 0 0 1 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 1 1 0 0 1

0 0 0 1 1 0 0 0 1 1 0 0 1 1 0 1 1 1 0 1 1 0 1 1 1 0 1 1 1 1 1 1 1 0 0 1 1 0

0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

71

248

20

339

Anhang

241

Teil I: Bewertungsliste der Soll-Situation Folgendes Verzeichnis ist nach Bewertungssummen absteigend sortiert.

Nr. Schlüsselausdruck 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45

Kontrolle Präventionsmassnahme Sanktionsdrohung Ombudsstelle_extern Revision_externe IKS Regulierung_staatlich Vertrauen abklären Geschäftsleitung Rechtsberatung Sensibilisierung Situation_hinterfragen Spezialist_ausgebildeter Tatsachen_kontrollieren Transparenz_schaffen Vier-Augen-Prinzip Achtsamkeit Reputationsschaden abschreckend Controlling_intern Dritter_neutraler Ersatzorganisation Geschäft_unterlassen Kompetenzbeschränkung Mitarbeiterideen_eingehen Personalmangel Regel_interne Revision_externe_job_rotation Schulung_Kader Stellvertreter_gleichwertiger Stichproben Auffälligkeiten_hinterfragen Aufsichtsbehörde Authentizität branchenspezifisch Buchhaltertyp_überkorrekt Compliance_intern Computersystem Controller_unabhängiger Controlling Entlohnung_gerechte Fall_herbeiziehen_Exempel Finanztransaktionen_anschauen Geschäftspartner_anschauen

Anzahl neutraler Bewertungen

Anzahl negativer Bewertungen

Anzahl positiver Bewertungen

Bewertungssumme

5 6 1 0 2 0 0 2 2 3 1 2 3 0 1 1 1 3 0 2 0 0 1 0 0 2 0 0 0 1 2 2 0 0 1 2 0 0 1 0 0 1 1 1 0

4 0 7 10 1 0 2 3 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 4 0 0 0 0 0 0 0 3 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

21 20 4 0 6 7 5 2 4 2 3 3 2 5 4 4 4 1 0 1 3 3 2 3 3 1 0 2 3 2 1 1 2 2 1 0 2 2 1 2 2 1 1 1 2

30 26 12 10 9 7 7 7 6 5 5 5 5 5 5 5 5 4 4 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2

242

Anhang 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100

Grenzen Informationsmangel Interessenskonflikt Investitionsbereitschaft job_rotation kommunizieren_offener Komponente_menschliche_unter_Kontr Konsequenz Konto_eigenes Kontrolle_exzess Kostenstruktur_intensive Laien Passwörter Prioritäten_richtige reagieren_früh Revision_ext_Aufgaben_wahrnehmen Schlüsselposition Schlüsselposition_höher_gewichten Sicherheit Staatsanwaltschaft Strukturen_hinterfragen Teamarbeit überraschend Unternehmen_neutral_extern Zugang_jederzeit abhalten Änderungsvorschlag Anlaufstellen_strukturieren Anzeichen Arbeitsablauf Arbeitsablauf_erklären_lassen Auffliegen Aufklärung Aufsichtsorgan_kommunizieren Aufwand_weniger aussprechen Balance befassen_damit Bewilligung bewusst Beziehung_persönliche_mit_ext_Rev Consultant_extern Controller_extern dokumentieren_Abläufe Druck Dunkelziffer Einzelunterschrift erledigen_dringend Ersatzplan Fachstelle_spezialisierte Fährte_verfolgen fallspezifisch Gefängnis geimpft_einmal Geschäftsleitungskompetenz

0 0 0 1 1 1 0 2 2 0 0 0 2 0 0 1 1 1 2 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 1 0 0 0 1 0 0 1 0 0 1 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 1 0 0 1

0 2 2 0 0 0 2 0 0 2 0 2 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 1 1 0

2 0 0 1 1 1 0 0 0 0 2 0 0 2 2 1 0 1 0 2 2 2 2 2 0 1 1 1 1 0 1 1 1 0 1 1 0 1 1 0 0 1 1 1 1 0 1 0 1 1 1 0 0 0 0

2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

Anhang 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155

243 Geschäftsleitungskompetenz_fordern Geschäftspartner Gier GL_auseinandersetzen_auch_privat grössenspezifisch herumschieben_wild Infantilisierung Kompetenz_fachliche Konkurs_Unternehmen Konsequenzen_bewusst_werden Kontrolle_der_Kontrolle Kontrollstruktur Konzentration_in_einer_Hand korrigieren Kosten_Nutzen_Relation Leck Löcher_stopfen Lohn_zu_wenig Lösung_ohne_Behörde mitlaufen_schön oberflächlich_alles_bestens Papier_ist_geduldig Personalauswahl Planungsinstrument Regeln_selbst_gemacht Regelwerk Regelwerk_fehlt Revision_ext_Verantwortung_übernehm Revision_interne Risikomanagement Sachverständiger_unabhängiger Schaden_finanziell schauen Schloss Schnittstellen_saubere schützen Schulung Schwachpunkte_analysieren_eingehen Sechs-Augen-Prinzip Selbstbedienung Sonderprüfung Spezialisierung Spezialist_fremder Spezialwissen_über_Jahre_aufbauen Stelle_intern Tagesgeschäft_unmoralisches Tatsachen Teil_der_Lösung teilhaben_am_Erfolg Theorie_ist_nicht_Praxis Überwachung umgehen unverändert Verantwortung Verfolgung_Erlös

0 1 0 0 1 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 1 1 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 1 1 0 0 0 0 0 0 0

0 0 1 0 0 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 1 0 1 0 1 1 1 0 0 1 0 1 0 1 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 1 0 1 0 0 0 1 0 1 1 0 0

1 0 0 1 0 1 0 1 0 1 0 0 0 1 0 0 1 0 1 0 0 0 1 1 0 1 0 1 0 0 1 0 1 1 0 0 1 1 1 0 1 0 1 0 1 0 0 0 1 0 1 0 0 1 1

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

244

Anhang 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166

Versager_als_dazustehen verspottet_werden_Vorstellung Vollprüfung voreilig Vorfälle_eliminieren Vorgesetzter_Kompetenz Weisungen_einhalten Weisungen_zeitverzögert Wettbewerb_fair Wissen Zielerreichung_egal_wie Gesamtbewertungssummen

0 0 0 0 0 1 0 0 1 1 0

1 1 1 1 1 0 0 1 0 0 1

0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

84

80

209

373

Anhang

245

Teil J: Gesetzliche Anforderungen und Empfehlungen

1. Funktionsfähigkeit des internen Kontrollsystems

Juristische Überlegungen stehen in dieser Dissertation im Hintergrund, deshalb wird an dieser Stelle lediglich in groben Zügen darauf eingegangen.970 Die nachfolgende Tabelle veranschaulicht drei gesetzliche Anforderungen und Empfehlungen in der Schweiz (fokussiert wird das Obligationenrecht) und in Österreich (insbesondere das Unternehmensgesetzbuch), die im Rahmen der Prävention durch die empirische Untersuchung identifiziert wurden und aus der Täterperspektive zu überarbeiten wären: Schweiz

Österreich

Mit dem Obligationenrecht hat der Schweizer Gesetzgeber bisher keine konkreten Anforderungen an die interne Kontrolle formuliert. Die Revisionsstelle prüft lediglich, ob ein internes Kontrollsystem existiert, so der Art. 728a Abs. 1 Ziffer 3 OR.971 „Im Sinne des schweizerischen Gesetzes […] ist der Verwaltungsrat für die Ausgestaltung, Implementierung und Aufrechterhaltung eines geeigneten und angemessenen internen Kontrollsystems verantwortlich. […] Das Parlament hat durch das Streichen des Wortes ‚funktionierend’ bewusst von einer Wirksamkeits- und Effizienzprüfung abgesehen.“972 Die allgemeinen Voraussetzungen für eine Existenz des internen Kontrollsystems sind, dass es vorhanden und überprüfbar (d. h. dokumentiert), den Geschäftsrisiken und der Geschäftstätigkeit angepasst, den zuständigen Mitarbeitenden bekannt ist und angewandt wird, und ein Kontrollbewusstsein im Unternehmen vorhanden ist.973 Es bleibt jedoch offen, wie das interne Kontrollsystem ab der Jahresrechnung 2008 für Unternehmen in der Schweiz, die der ordentlichen Revision unterliegen, konkret auszugestalten ist.974

In Österreich wird die Einrichtung eines internen Kontrollsystems von verschiedenen Gesetzen gefordert. § 82 AktG und § 22 GmbHG verpflichten zur Führung eines internen Kontrollsystems.975 § 243a Abs. 2 UGB erfordert für börsenkotierte Gesellschaften eine Beschreibung der wichtigsten Merkmale des internen Kontroll- und Risikomanagementsystems im Lagebericht.976 Seit dem Unternehmensrechts-Änderungsgesetz 2008 ist die Überwachung der Wirksamkeit (z. B. angemessene Struktur nach einem anerkannten Rahmenkonzept, laufende und regelmässige Überwachung der Wirksamkeit durch die Unternehmensleitung etc.) des internen Kontrollsystems durch den Prüfungsausschuss (bzw. Aufsichtsrat) bei kapitalmarktorientierten Unternehmen (bzw. Unternehmen, bei denen ein Prüfungsausschuss zu bestellen ist) wesentlich, so § 92 Abs. 4a AktG und § 30g Abs. 4a GmbHG.977 Darüber hinaus gilt laut § 273 Abs. 2 UGB eine Rede- und Warnpflicht des Abschlussprüfers bei Feststellung wesentlicher Schwächen des internen Kontrollsystems an den Prüfungsausschuss.978

970

Die gesetzlichen Anforderungen und Empfehlungen betreffen insbesondere börsenkotierte Unternehmen.

971

Vgl. Schweizer Gesetzestexte (2008).

972

Treuhand-Kammer (B) (2008), S. 428.

973

Treuhand-Kammer (B) (2008), S. 435.

974

Vgl. Schweizer Gesetzestexte (2008).

975

Vgl. Österreichische Gesetze (2011).

976

Vgl. Österreichische Gesetze (2011).

2. Qualifikations- und Ausbildungsanforderungen an die Mitglieder des Verwaltungsrates

246

Anhang

Die Mitglieder des Verwaltungsrates in der Schweiz unterliegen nach Art. 717 OR der Sorgfalts- und Treuepflicht, d. h. sie „müssen ihre Aufgaben mit aller Sorgfalt erfüllen und die Interessen der Gesellschaft in guten Treuen wahren.“979 Nach den Empfehlungen der Ziffer 23 SCBP soll die Mehrheit der Mitglieder des Prüfungsausschusses, darunter der Vorsitzende, im Finanz- und Rechnungswesen erfahren sein.980 Der Prüfungsausschuss (Audit Committee) ist nach Ziffer 24 SCBP dafür zuständig, sich ein eigenständiges Urteil über die externe Revision, das interne Kontrollsystem und den Jahresabschluss zu bilden.981 Gemäss Art. 716a OR gehört „die Ausgestaltung des Rechnungswesens, der Finanzkontrolle sowie der Finanzplanung, sofern diese für die Führung der Gesellschaft notwendig ist“982, zu den unübertragbaren Aufgaben des Verwaltungsrates.983 Zudem müssen laut Art. 663b Ziffer 12 OR im Anhang des Geschäftsberichtes „Angaben über die Durchführung einer Risikobeurteilung“984 enthalten sein.

977

Vgl. Österreichische Gesetze (2011).

978

Vgl. Österreichische Gesetze (2011).

979

Schweizer Gesetzestexte (2008).

980

Vgl. Economiesuisse (2007), S. 16.

In Österreich dagegen muss dem Prüfungsausschuss gemäss § 92 Abs. 4a AktG bei grossen Gesellschaften mit den Merkmalen des § 271a Abs. 1 UGB mindestens eine Person angehören, die über „den Anforderungen des Unternehmens entsprechende Kenntnisse und praktische Erfahrung im Finanz- und Rechnungswesen und in der Berichterstattung verfügt (Finanzexperte).“985 Dabei kommen z. B. Finanzvorstände, Bankenvertreter, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater oder andere Personen mit entsprechender Kenntnis und praktischer Erfahrung im Finanz- und Rechnungswesen sowie in der Berichterstattung in Betracht (der Gesetzgeber macht hierzu keine konkretere Angabe).986 „Finanzexperte darf nicht sein, wer in den letzten drei Jahren Vorstandsmitglied, leitender Angestellter oder Abschlussprüfer der Gesellschaft war oder den Bestätigungsvermerk unterfertigt hat oder aus anderen Gründen nicht unabhängig und unbefangen ist.“987

981

Vgl. Leibfried/Roffler (2008), S. 40 ff.

982

Schweizer Gesetzestexte (2008).

983

Die „Gewährserfordernis“ ist in verschiedenen Finanzmarktgesetzen gesetzlich verankert (z. B. Banken-, und Versicherungsaufsichtsgesetz etc.), nach denen die FINMA ihre Aufsicht ausübt. Diese gilt u. a. für Verwaltungsräte, d. h. „zu dieser ‚Gewähr’ gehören alle charakterlichen und fachlichen Faktoren, die einer Person die konkrete Führung eines beaufsichtigten Unternehmens erlauben. Zur Beurteilung ist vor allem die bisherige und gegenwärtige Tätigkeit einer Person mit Blick auf die Zukunft wichtig.“ FINMA (2010), S. 1 ff.

984

Schweizer Gesetzestexte (2008).

985

Vgl. Österreichische Gesetze (2011).

986

Vgl. Krassnig (2009), S. 14 f.

987

Jabornegg/Strasser (2010), S. 273.

3. Interne Rotation der Revisoren

Anhang

247

In der Schweiz darf die Person, die die Revision leitet, das Mandat bei der ordentlichen Revision längstens während sieben Jahren ausführen (massgebend ist der gesamte Zeitraum, in dem die Person in irgendeiner Funktion als verantwortlicher Prüfer für den Prüfungskunden tätig ist, so der Beschluss des Kammervorstands vom 6. Dezember 2010).988 Erst nach einem Unterbruch von drei Jahren darf das gleiche Mandat wieder aufgenommen werden, so Art. 730a Abs.1 und 2 OR (die übrigen verantwortlichen Prüfer können das Mandat nach einem Unterbruch von zwei Jahren wieder aufnehmen).989

Die interne Rotation gilt in Österreich für den Abschlussprüfer gemäss § 271a Abs. 1 UGB bereits nach der fünften Zeichnung des Bestätigungsvermerks bei grossen Kapitalgesellschaften gemäss § 221 Abs. 3 UGB.990 Wenn die Prüfungstätigkeit (im Falle einer Prüfungsgesellschaft in Verbindung mit § 271a Abs. 3 UGB der den Bestätigungsvermerk unterzeichnende Prüfer und der Prüfungsleiter) anschliessend für mindestens zwei aufeinander folgende Geschäftsjahre unterbrochen wird, kann das gleiche Mandat wieder aufgenommen werden.991 Das restliche Prüfungsteam bleibt unangetastet.

988

Vgl. Treuhand-Kammer (A) (2010), S. 19.

989

Vgl. Treuhand-Kammer (A) (2010), S. 19; Schweizer Gesetzestexte (2008).

990

Vgl. Österreichische Gesetze (2011).

991

Vgl. Österreichische Gesetze (2011).

Quellenverzeichnis

249

Quellenverzeichnis Empirische Studien und Neuerungen im Bereich der Wirtschaftskriminalität bedingen den Einbezug von Literatur, die oftmals lediglich über das World Wide Web verfügbar ist. Die InternetLinks dieser Quellen sind jeweils nachfolgend angegeben. Solche Informationen sind jedoch flüchtiger als gedruckte Literatur. Deshalb steht der Verfasser dieser Arbeit hier gerne mit Originalversionen zum jeweiligen Datum zur Verfügung, wenn die Informationen zur eigenständigen Recherche nicht mehr auffindbar sind.

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