Lektureschlussel: Alfred Doblin - Berlin Alexanderplatz
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Zitiervorschau

Lektüreschlüssel für Schüler

Alfred Döblin Berlin Alexanderplatz Von Helmut Bernsmeier

Philipp Reclam jun. Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten © 2002, 2008 Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart Gesamtherstellung: Reclam, Ditzingen Made in Germany 2008 RECLAM und UNIVERSAL-BIBLIOTHEK sind eingetragene Marken der Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart ISBN 978-3-15-950156-7 ISBN der Buchausgabe: 978-3-15-015317-8 www.reclam.de

Inhalt 1. Erstinformation zum Werk 5 2. Inhalt 8 3. Personen 18 4. Werkaufbau 26 5. Worterläuterungen 30 6. Interpretation 37 7. Autor und Zeit 59 8. Rezeption 71 9. Checkliste 78 10. Lektüretipps 82

Anmerkungen 86

1. Erstinformation zum Werk Alfred Döblin gilt als einer der wichtigsten Autoren der klassischen Moderne, er hat sowohl den literarischen Expressionismus mitgestaltet, als auch den Romanbegriff in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entschieden geprägt. Sein großes Werk umfasst Romane, Erzählungen, Reportagen ebenso wie literaturtheoretische Abhandlungen. Döblin hat es in einem atemberaubenden Tempo niedergeschrieben, zunächst neben seiner beruflichen Tätigkeit als Arzt, später unter den schwierigen Bedingungen der Emigration. Er wandte sich aktuellen politischen und sozialen Fragen, aber auch religiösen und philosophischen Gedanken zu. Sein Interesse galt den modernen Ausdrucksmitteln des Rundfunks und Films, aber auch der Kulturpolitik, wovon sein Engagement für verfolgte Schriftsteller genauso zeugt wie seine Mitgliedschaft in der »Sektion Dichtkunst« der Preußischen Akademie der Schönen Künste und seine Tätigkeit im französischen Informationsministerium. Nach dem 2. Weltkrieg gründete Döblin die Mainzer Akademie der Wissenschaften und Literatur mit. Der Roman Berlin Alexanderplatz, 1929 erschienen, gilt als Musterbeispiel des zeitgemäßen deutschen Romans und wird in Verbindung gebracht mit den hochgeschätzten Romanen Ulysses (1922) von James Joyce und Manhattan Transfer (1925) von John Dos Passos. Gemeinsam ist den drei Autoren, die zum Inbegriff moderner Erzähler überhaupt wurden, die Verwendung bis dahin weitgehend unbekannter Ausdrucksmittel, Techniken der Montage, der Simultaneität und des inneren Monologs. Sie prägten somit grundlegend die Literatur der Moderne.

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1. ERSTINFORMATION ZUM WERK

Döblin hat in seinem Roman Berlin Alexanderplatz die sozialen Lebensbedingungen des ›kleinen Mannes‹, aber auch die politischen Spannungen in der Weimarer Republik reflektiert. Im Mittelpunkt der Handlung, die im Verbrechermilieu Berlins Ende der zwanziger Jahre spielt, steht der einfache Mann Franz Biberkopf, der aus dem Gefängnis entlassen, ein anständiges Leben führen will, scheitert und schuldig wird, um schließlich als ein neuer Mensch wieder aufzustehen. Döblin hat jedoch nicht nur seinen Biberkopf zum Helden des Romans gemacht, sondern mit ihm die Großstadt Berlin, wie er sie im Osten, in der Gegend um die Rosenthaler Straße und den Alexanderplatz kennen gelernt hatte. Er lässt die Schauplätze und Situationen weitgehend für sich selbst sprechen, zitiert Zeitungen, Reklamesprüche, Flugblätter, Lieder, Fahrpläne, Gesetzestexte, die fast ungefiltert in seinen Text einfließen. Der Erzähler kann sich somit völlig zurücknehmen, tritt dann aber das eine Mal distanzierend, das andere Mal moralisierend, aber auch sympathisierend auf, protokolliert Diskussionen in Kneipen, auch Selbstgespräche, arbeitet Geschichten des Alten Testaments ebenso ein wie Bezüge zur antiken Mythologie. Bemerkenswert ist das Verfahren, das der Autor selbst als »Döblinismus« (1913) bezeichnet. Diese Methode erlaubt ihm, das, was sich an Unterschiedlichem und Vielfältigem auf engstem Raum nebeneinander abspielt – Vorstellungen eines Menschen, Geschehnisse auf der Straße, auf einer Baustelle – sprachlich so dicht darzustellen, dass der Eindruck der Gleichzeitigkeit entsteht. Da der Dialog als Merkmal der bürgerlichen Gesprächskultur weitgehend seine Funktion verloren hat, favorisiert Döblin den inneren Monolog.

1. ERSTINFORMATION ZUM WERK

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Der Lektüreschlüssel will zum besseren Verstehen des Romans Berlin Alexanderplatz beitragen, Werkaufbau und Rezeptionsgeschichte verdeutlichen, Zusammenhänge aufzeigen. Die wichtigsten Personen werden vorgestellt, schwierige Begriffe erklärt und eine Interpretationshilfe an die Hand gegeben. Dem Lektüreschlüssel liegt die dtv-Ausgabe (dtv 295) des Romans zugrunde, die text- und seitenidentisch ist mit: Alfred Döblin, Ausgewählte Werke in Einzelbänden: Berlin Alexanderplatz, Zürich/Düsseldorf: Walter, 1996.

2. Inhalt Der Roman Berlin Alexanderplatz. Die Geschichte vom Franz Biberkopf, besteht aus neun Büchern, denen jeweils kurze, aber unterschiedlich umfangreiche Vorreden vorangestellt sind, in denen Döblin bereits allgemeine Hinweise auf den Inhalt des jeweiligen Buches formuliert. Jedes unterschiedlich umfangreiche Unterkapitel wird wiederum durch einen, den Inhalt vorwegnehmenden, oftmals moritatenhaften Satz eingeleitet. Der Roman schildert, wie Franz Biberkopf, aus dem Gefängnis entlassen, in Berlin Fuß fasst, stets Franz Biberkopf bemüht, anständig zu werden. Er wird aber von heftigen Schicksalsschlägen niedergedrückt, bis ihn eine besonders schwere Katastrophe fast gänzlich niederschlägt. Am Ende des Romans ist Franz Biberkopf, aus einer Irrenanstalt entlassen, nicht mehr derselbe: Er ist ein anderer Mensch geworden. Der Erzähler stellt nicht linear den Lebensweg des Antihelden Biberkopf dar, sondern konfrontiert den Leser, den Erzählfluss unterbrechend, immer wieder mit wissenschaftlichen, juristischen, mythologischen und biblischen Exkursen, mit Zitaten sowie mit Nachrichten, und führt ihn ein in parallele Handlungsstränge. Motive, Leitmotive und Gleichnisse bilden ein Beziehungsnetz, veranlassen den Leser zu Assoziationen und ermöglichen es ihm, Zusammenhänge und Bezüge herzustellen. Diese Technik der Montage, die den Romantext mit scheinbar fremden Materialien verbindet, besitzt bei Döblin eine programmatische Funktion.

2. INHALT

Erstes Buch (13–45) Franz Biberkopf, der ehemalige Zement- und Möbeltransportarbeiter, ein grober und abstoßender Rohling, wird aus dem Zuchthaus Tegel, wo er wegen Totschlags einsaß, entlassen. Er fährt mit der Straßenbahn in die Innenstadt, ist aber in seiner Einsamkeit vollkommen verunsichert und desorientiert: Seinem Empfinden nach rutschen die Dächer von den Häusern, er irrt ziellos in Hinterhöfen und Hauseingängen umher. Schließlich wird er von Juden aufgelesen, sucht Huren auf und besucht endlich Minna, die Schwester der von ihm erschlagenen Freundin Ida, die er vergewaltigt, dadurch aber sein Selbstwertgefühl als Mann wieder erlangt. Am Ende des Ersten Buchs schwört Franz, der sich vier Wochen von Fleisch, Schwur, anständig Kartoffeln und Bier gestärkt hat, anständig zu bleiben zu bleiben und allen zu zeigen, was für ein Kerl er ist. Zweites Buch (47–104) Franz Biberkopf tritt nun in das Leben Berlins rund um die Rosenthaler Straße und den Alexanderplatz ein. In Form einer Montage wird auch der Leser anhand von Piktogrammen aus dem Gewerbe- und Verwaltungsbereich, amtlichen Bekanntmachungen, einer Aufzählung der Haltestellen der Linie 68 und der Beförderungsbedingungen Straßenverkäufer in Franz’ Berliner Umwelt eingeführt. Seinen Lebensunterhalt bestreitet dieser nun als Straßenverkäufer für Schlipse und später für völkische, antisemitische Zeitungen.

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2. INHALT

Der Leser erfährt sowohl etwas über Franz’ Privatleben als auch über seine politische Einstellung, die charakteristisch ist für die vieler Zeitgenossen am Ende der zwanziger Jahre. In einem Kneipengespräch, wie sie im Berliner Osten typisch waren, gerät er in einen politischen Streit mit Kommunisten und Anarchisten. Der ansonsten unpolitische Biberkopf verteidigt seinen Wunsch nach Ruhe und Ordnung. Privat vergnügt sich Franz mit Lina Przyballa, einer molligen, schlampigen Polin aus dem Prostituiertenmilieu. In einem Rückblick erfährt der Leser Genaueres über den Mord an der ehemaligen Freundin Ida, Ermordung Idas zunächst in einem sachlichen, detailgetreuen Bericht, dann anhand des physikalischen Gesetzes von Newton. Der Erzähler setzt diese Rückschau in Beziehung zur griechischen Mythologie: Während Orest, der seine Mutter und deren Liebhaber tötete, um die Ermordung seines Vaters Agamemnon zu rächen, von Gewissensbissen geplagt wird, empfindet Franz keine Reue.

Drittes Buch (105–120) Franz Biberkopf lernt über seine Freundin Lina deren Onkel Otto Lüders kennen, mit dem er jetzt Otto Lüders einen Straßenhandel mit Schnürsenkeln betreibt. Franz erzählt ihm von einer Witwe, zu der er ein sexuelles Verhältnis unterhält und bei der er seine Ware lässt. Lüders sucht diese Frau auf, verlangt die Herausgabe von Biberkopfs Ware, bedroht und bestiehlt sie schließlich, was dazu führt, dass sie Franz beim nächsten Besuch nicht mehr

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in die Wohnung lässt. Franz erkennt nun LüErster ders’ Betrug und dass ihm übel mitgespielt Schicksalsschlag wurde, worauf er, vom Schicksalsschlag getroffen, deprimiert in Berlin untertaucht. Franz, der gewillt war, anständig zu bleiben, wird mit diesem Betrug nicht fertig.

Viertes Buch (121–162) Franz Biberkopf, eigentlich stark wie eine Kobraschlange, verlottert nach der Erfahrung mit der Boshaftigkeit des Menschen zunehmend: Er geht noch einmal zu den Juden, verlässt dann aber seine neue Bude nicht mehr, liegt nur lethargisch herum und trinkt viel. Im Mittelpunkt dieser Geschichte stehen zwei Kapitel über den Schlachthof Berlins und darin einSchlachthof gebettet eine Paraphrase der Hiobsgeschichte des Alten Testaments. Der Leser wird detailliert über die Lage und Größe des Schlachthofs informiert, über die Anzahl der Beschäftigten sowie der Schlachttiere und über den Schlachtvorgang selbst. An zentraler Stelle der Schlachthofszene wird die Tötung eines großen weißen Stiers geschildert, der schicksalsergeben den Todesschlag erwartet. Ähnlich verhält sich auch Franz Biberkopf, der mit derselben Passivität die Schicksalsschläge empfängt, was einen Zusammenhang zwischen der Gewalt beim Schlachten des Tiers und der Gewalt, die ein zentrales Thema des Romanganzen ist, herstellt.

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2. INHALT

Fünftes Buch (163–213) Wieder erstarkt und selbstbewusst geworden, lernt Franz Biberkopf Pums kennen, der angeblich mit Obst handelt, aber einer Diebes- und Einbrecherbande vorsteht. Er knüpft in einer Kneipe auch Kontakt zu Reinhold Reinhold, seinem künftigen Widersacher. Der traurig wirkende, stotternde Reinhold bittet Franz, ihm aus einer Klemme zu helfen: Reinhold möchte seine Freundinnen, deren er überdrüssig geworden ist, loswerden, weshalb Biberkopf sie mehrmals als Geliebte übernimmt, bis er sich am »schwunghaften Mädchenhandel«, wie es in einer Überschrift heißt, nicht mehr beteiligt. Dann wird Franz gebeten, bei einer »Obstaktion« mitzumachen, bei der sich herausstellt, dass es sich um eine Raubtour handelt. Reinhold zeigt sich hierbei von einer ganz anderen Seite: Er leitet den Einbruch mit großem Selbstbewusstsein, gibt in klarer Sprache und ohne zu stottern Anweisungen. Als jedoch Franz, der nichtsahnend Schmiere stehen soll, aussteigen will, schreckt ihn Reinhold mit mehreren kräftigen Schlägen ab. Später wird Franz aus einem fahrenden Lastauto geworfen und von dem nachfolgenden Zweiter Schicksalsschlag Fahrzeug überfahren. Er hat hiermit einen weiteren schweren Schicksalsschlag erlitten.

Sechstes Buch (215–299) Franz Biberkopf überlebt den Unfall und wird von Herbert Wischow und dessen schöner Freundin Eva in eine Klinik nach Magdeburg gebracht, wo die Ärzte ihn operieren und

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den rechten Arm bis zum Schulterknochen amputieren. Herbert und Eva sorgen künftig in Berlin Eva und Herbert auch finanziell für ihn. Franz weigert sich jedoch gegenüber diesen Freunden beharrlich, etwas über den Vorgang, der zum Unfall führte, mitzuteilen. »Franz rückt nicht raus: Er hat einen Kasten um sich gebaut, da sitzt er drin und läßt keinen ran« (224). Aber Herbert und Eva erschließen sich bald die Hintergründe. Allmählich traut sich Franz wieder in die Biberkopf Öffentlichkeit und fasst den Entschluss, für gibt anständiges sich selbst zu sorgen, gibt allerdings seine urLeben auf sprüngliche Absicht, anständig zu bleiben, auf. Eva, die sich als Prostituierte von Männern aushalten lässt, geht mit Franz eine intime Beziehung ein und besorgt ihm eine junge Freundin, die aus Bernau nach Berlin gekommen ist, um sich zu amüsieren. Eigentlich heißt sie Emilie Parsunke, aber Franz nennt sie »sein MieMieze zeken«. Auch Mieze lässt sich, wie Eva, von Freiern aushalten und sorgt so für Franz’ Lebensunterhalt. Franz kann nun das Leben mit seiner Freundin genießen, ihm fehlt nichts mehr, er verfügt über genügend Geld und er hat Freunde. Dass er eigentlich als Lude, als Zuhälter, lebt, stört ihn wenig. Dennoch verfällt er der Melancholie, fühlt sich minderwertig und trinkt. In dieser Situation sucht Franz wieder Reinhold auf, der bald merkt, dass er vor dem sich selbst bemitleidenden Biberkopf keine Angst zu haben braucht. Vielmehr fängt Reinhold an, Franz zu erniedrigen; er beschließt, ihm Mieze auszuspannen und ihn vollends zu vernichten. Politische In politischen Gesprächen mit einem AnGespräche archisten und einem Tischler geht es um An-

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archismus, Kommunismus und Kapitalismus und den Verrat der Sozialdemokratie am Proletariat. Franz, der die Ansicht vertritt, die Arbeiterschaft erhöhe eigentlich den Profit der Kapitalisten, verdeutlicht, dass er deshalb nicht arbeitet, sondern seinen Lebensunterhalt als Zuhälter verdient, worauf ihn der Anarchist als Lump beschimpft.

Siebtes Buch (301–354) Den Mitgliedern der Pums-Bande ist es unerklärlich, weshalb sich Franz Biberkopf ihr wieder anschließt und sich bewusst Reinhold, demjenigen zuwendet, der für sein Unglück verantwortlich ist. Gegenüber Mieze lässt Franz verlauten, dass ihm nichts am Geld liegt, wenn er mit der Kolonne Pums Einbrüche verübt, sondern dass es ihm um die Gewinnung eines neuen Selbstvertrauens Biberkopfs und um Anerkennung geht. Vor Reinhold Abhängigkeit schämt er sich wegen seiner Schwäche; er von Reinhold möchte beweisen, dass auch er hart sein kann. Franz geht in seiner psychischen Abhängigkeit von Reinhold sogar so weit, diesem persönlich vorzuführen, wie Mieze ihm zugetan ist: Er lädt Reinhold in seine Wohnung ein, in der er, unter der Bettdecke versteckt, Franz mit der Freundin beobachten soll. In einem Eifersuchtsanfall schlägt Franz dann brutal auf die schreiende Freundin ein und muss von Reinhold gewaltsam zurückgehalten werden, sie nicht umzubringen. Mieze vergibt ihrem Freund nach dieser Attacke und wendet sich ihrerseits der Pums-Bande zu, um herauszubekommen, weshalb Franz sich zu dieser hingezogen fühlt. Nun hat Reinhold Gelegenheit, Franz Mieze auszuspannen.

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Während eines Spaziergangs in Freienwalde will er sie verführen, droht ihr sogar Gewalt an und verrät ihr, dass er für den Unfall ihres Geliebten verantwortlich war. Als das Mädchen Reinhold Mörder nennt und um Hilfe schreit, wird sie von ihm brutal erwürgt. Ein Bandenmitglied, Karl Matter, den Reinhold Ermordung Miezes mit Geld besticht, hilft ihm dabei, die Leiche im Wald einzubuddeln.

Achtes Buch (355–410) Franz Biberkopf vermisst Mieze und glaubt, sie habe ihn verlassen, ist jedoch betrübt und unfähig, nach ihr zu suchen. Im Gegensatz zu Franz sieht Eva sich veranlasst, nach dem Mädchen zu suchen, von dem sie glaubt, dass sie tot sein könnte. Franz erfährt, dass Eva schwanger ist und ein Kind von ihm erwartet. In der Pums-Bande kommt es zu einem Streit, worauf Karl die Polizei in den Wald zu Miezes Leiche führen will. Sie wird jedoch woanders gefunden, da Reinhold sie in einem Koffer an einen anderen Ort gebracht hat. Um Franz vor einem polizeilichen Übergriff zu schützen, bringt Eva ihn bei einer Freundin unter, wo sie wenig später mit einer Zeitung erscheint, in der ihr Freund Franz und Reinhold abgebildet sind und als Mörder an Dritter der Prostituierten gesucht werden. Franz BiSchicksalsschlag berkopf weiß nun, dass er einen neuen Schlag versetzt bekam, von dem er sich kaum erholen wird: Angst steigt in ihm auf, er wird sich aber auch gewiss darüber, dass es sein Fehler war, sich noch einmal Reinhold zuzuwenden. Franz’ Lebenswille ist gebrochen, aber

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er will sich an Reinhold rächen und ihn töten. Bei der Suche nach ihm wird Franz von zwei Engeln begleitet, die sich in einem Gespräch darüber äußern, weshalb sie bei ihm bleiben: Franz halte trotz der Schicksalsschläge, die er empfangen musste, immer noch stand. In einer Kneipe gerät Franz, der eine Perücke und einen künstlichen Arm trägt, in eine Razzia, schießt mit seiner Pistole auf einen Polizisten, wird dann überwältigt und verhaftet. Die Engel haben ihn nun verlassen.

Rachegedanken

Neuntes Buch (411–455) Reinhold wird zunächst als polnischer Dieb unter falschem Namen verhaftet, interniert, dann enttarnt und zu einer Zuchthausstrafe verurteilt. Franz Biberkopf Biberkopf lehnt im Gefängnis die Nahrungsaufnahme in der Psychiatrie ab und wird vom Arzt für verrückt erklärt, was eine Verlegung in die Nervenheilanstalt Buch nach sich zieht. Auch hier verweigert er, der unter einem psychischen Trauma leidet, Nahrung zu sich zu nehmen, weshalb man ihn mit einer Sonde wochenlang zwangsernährt. Franz droht jämmerlich zugrunde zu gehen. In dieser Situation tritt in der Irrenanstalt Buch der personifizierte Tod auf, der mit Franz ein GePersonifizierter spräch über dessen Schicksalsschläge führt. Tod Der Tod wirft Franz vor, ihm ausgewichen zu sein, weil er stark sein wollte. Er schwingt nun ein blitzendes Beil, das auf Franz’ Körper niedersaust und ihn Stück für Stück in einem langen Zeitraum von zwei Nächten und einem Tag zerhackt, um sein Gewissen aufzu-

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wecken. Franz schreit dabei fürchterlich, ist jedoch nun bereit, über sein Leben zu sprechen: Immer habe er nach den Schicksalsschlägen stark sein wollen, habe nicht richtig nachgedacht, sei hochnäsig und blind gewesen, um sich vor der Welt zu verschließen. Der Tod kommt sowohl auf Lüders als auch auf das Unglück zu sprechen, das zum Verlust des Armes führte, wendet sich dann dem Verhältnis zu Mieze zu und gibt Franz die Schuld an ihrem Tod, weil er mit der Freundin gegenüber Reinhold habe prahlen wollen. Nach dieser qualvollen Zwiesprache mit dem Tod ist Franz bereit, sich mit seinem Leben auseinander zu setzen. In seinen Wahnvorstellungen führt er Gespräche mit seinen alten Bekannten Lüders, Reinhold, Ida und Mieze, in denen es um Franz’ Schuld und sein Versagen geht. Der Tod fordert den weinenden Franz abschließend auf, seine Schuld einzusehen und Reue zu zeigen. Dieser bekennt dann seine Schuld und gesteht, wie ein Vieh gehandelt zu haben. Diese Einsicht stellt nun die Bedingung für ein neues Leben dar: Der alte Franz Biberkopf stirbt, ein Der neue neuer Franz Biberkopf, der nun den Namen Mensch Franz Karl Biberkopf trägt, wird aus der Franz Biberkopf Irrenanstalt Buch entlassen und freigesprochen. Nach dem Prozess wird ihm eine Stelle als Hilfsportier in einer mittelgroßen Fabrik angeboten.

3. Personen Die Hauptpersonen der Handlung, in der es um die Entwicklung Franz Biberkopfs nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis Tegel geht, bewegen sich alleDas Milieu samt im kriminellen Milieu, sie sind Einbrecher, Zuhälter oder Dirnen. Alle diese Personen stehen am Rand der bürgerlichen Existenz oder sind bereits deklassiert. Der dauernde Kampf um das Auskommen bestimmt grundlegend ihr Dasein. Der Erzähler urteilt in keiner Weise moralisch über die Verbrecher und Prostituierten, denn es kommt nach Döblins Auffassung, die er am Ende der Arbeit an Berlin Alexanderplatz 1928 äußerte, nicht darauf an, ein »sogenannter anständiger Mensch zu sein, sondern darauf, den richtigen Nebenmenschen zu finden«1. Als Nebenpersonen treten politisch aktive, klassenbewusste Arbeiter auf. Franz Biberkopf ist der (Anti-)Held des Romans, er verdiente seinen Lebensunterhalt vor seiner Einlieferung in das Zuchthaus Tegel als Zement- und später als Möbeltransportarbeiter und verfügt mit seinen fast zwei Zentnern Gewicht über eine enorme körperliche Kraft: »Er ist stark wie eine Kobraschlange und wieder Mitglied eines Athletenklubs« (98). Sein Äußeres ist abstoßend: Er ist ein »grober, ungeschlachter Mann« (45). Am Ende des Romans, nach seinem Aufenthalt in der psychiatrischen Klinik BerlinBuch, hat sich auch seine Erscheinung verändert, nun ist er ein alter, invalider Mann. Als Biberkopf aus dem Gefängnis entlassen wird, wo er eine vierjährige Haftstrafe wegen Totschlags seiner Gelieb-

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ten Ida abgebüßt hatte, vermisst er zunächst Sicherheit und die Sicherheit und Ordnung, die er in Tegel Ordnung erfahren hat: Biberkopf ist anfangs desorientiert, erst allmählich gewinnt er seine Selbstsicherheit zurück, dann sogar in übersteigertem Maß, neigt schließlich zur Prahlsucht, zur Kraftmeierei und zum Selbstmitleid. Er hat der Welt geschworen, anständig zu bleiben. Die Angst, dieses Ziel nicht zu erreichen, bestimmt stets sein Verhalten. Biberkopf lernt jedoch nicht aus seinen Fehlern, er versucht immer wieder seine Probleme allein zu Biberkopfs lösen, trotz der Schicksalsschläge, die ihn Lebenseinstellung treffen. Warnungen aus seinem Umfeld, sich nicht zu isolieren, schlägt er in den Wind, dennoch wird er von der Angst getrieben, sein Leben nicht bewältigen zu können. Er vertraut sich seinen Freunden nicht an, verrät ihnen nicht, weshalb er verunglückte und seinen Arm einbüßte. Nach dem Verlust des Arms glaubt er erst recht, stark sein zu müssen, und fühlt sich sogar wieder unwiderstehlich zu Reinhold und damit wieder zur Verbrecherbande hingezogen. Zunächst verdient er seinen Lebensunterhalt als Gelegenheitsarbeiter, auch mit dunklen Geschäften. Er verkauft auf der Straße Schlipse, dann völkische, antisemitische Zeitungen, die er sogar den Juden, zu denen er Kontakt hat, anbieten möchte. Hierin spiegelt sich seine politische Einstellung wider: Er ist kein Faschist, Biberkopfs politische sondern eigentlich ein unpolitischer Mensch, Einstellung denn »er ist nicht für Politik« (268), sehnt sich vielmehr nach Ruhe und Ordnung, die ihm die politische Rechte, wie der nationalkonservative, antidemokratische Stahlhelm, gewähren soll.

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Biberkopf ist schließlich davon überzeugt, auch ohne Arbeit existieren zu können. Seine Freundin Biberkopf Mieze hat einen gutsituierten Verehrer, wesund die Frauen halb sie ihn aushalten kann: Biberkopf »fehlt nichts, nichts am Essen, Trinken, nichts an Kleidung. Ein Mädel hat er, das ihn glücklich macht« (264). Dann gerät er aber erneut auf Abwege, wird kriminell und lebt als Lude, als Zuhälter, kann sich jedoch in seinem Milieu nicht behaupten. Frauen spielen in Biberkopfs Leben eine wichtige Rolle. Seine Lebenskraft und Männlichkeit wirken auf das andere Geschlecht, aber in den Phasen, in denen sein männliches Selbstwertgefühl in Frage gestellt ist, reagiert er unbeherrscht gewalttätig und wird handgreiflich. Opfer sind sowohl Ida als auch Mieze. Während die Geliebten, besonders Mieze und Eva, sich ihm hingebend und gefühlvoll zuwenden, ist er in seiner besitzergreifenden Art nicht fähig zur Liebe. Seine Neigung zum Jähzorn und zur Gewalt hat Biberkopf für vier Jahre ins Gefängnis gebracht. Im Eifersuchtsrausch erschlug er seine Freundin Ida. Er Biberkopf hatte aus dem hübschen Mädchen, das aus und die Gewalt einer bürgerlichen Familie stammte, eine Dirne gemacht und sie im Streit tödlich verletzt. Diese Brutalität zeigt sich ein weiteres Mal, als er nach der Haftentlassung Minna, die Schwester Idas, besucht, sie zusammenschlägt und vergewaltigt, um so sein männliches Selbstbewusstsein zurückzugewinnen. Auch seine Geliebte Mieze wird Opfer seiner unkontrollierten Aggression. Als die Freundin erzählt, sie habe sich in einen jungen Mann verliebt, wird Biberkopf zum »Tier« (334), »schlägt ihr ins Gesicht, daß sie zurücktaumelt, dann stößt er gegen

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ihre Schulter, […] schlägt mit seiner einen Hand, wo es trifft. Die winselt, sie windet sich, ohoh, der haut, der haut« (335). Er reagiert eher unbewusst, ohne sich die Situation, in der er sich befindet, und die Folgen seines Handelns klar zu machen. Die Reflexion seiner eigenen Situation geschieht auf oberflächliche Weise, immer wieder flüchtet er in die Isolation und den Alkohol. Dieses wirft ihm am Ende des Romans auch der Tod vor: Du hast »die Augen Biberkopfs nicht aufgemacht, biste zusammengeklappt Erkenntnis wie ein Taschenmesser und haste gesoffen, Schnaps und Schnaps und nichts als Saufen. […] Schimpfst über Gauner und Gaunerei und kuckst dir die Menschen nich an und fragst nich, warum und wieso. […] Blind bist du gewesen […] und hochnäsig« (433). Am Ende der Handlung kommt Biberkopf zur Besinnung, ihm ist »der Star gestochen« (11), ihm sind die Augen geöffnet worden; nun will er sich in seinem neuen Beruf als Hilfsportier seiner Vernunft bedienen. Dem Leser soll es nicht leicht fallen, sich mit der Hauptperson zu identifizieren, denn Biberkopf bewegt sich in einer sozialen Wirklichkeit, an der der Leser unmittelbar keinen Anteil hat. Jedoch durch die sich an Biberkopf vollziehende Entlarvung der sozialen Umwelt verringert sich die Distanz zum Leser. Biberkopf, der keine Bewusstseinsentwicklung durchmacht, beginnt erst am Ende, während des Gesprächs mit dem Tod, zu erkennen, d. h. in Distanz zur bisherigen Umwelt und zu seinem eigenen Handeln zu treten. Dieses hat zur Folge, dass der Leser mit etwas Exemplarischem konfrontiert wird, mit der »gemeinschaftlich geteilten Lebenswelt im weitesten Sinne«2.

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Reinhold ist der Gegenspieler von Franz Biberkopf. Reinhold, den Biberkopf als neuen Freund bewundert und in dessen Abhängigkeit er sich begibt, hat zwei Reinholds Gesichter. Franz lernt ihn zunächst als einen erstes Gesicht unscheinbaren, hageren, einen Soldatenmantel tragenden, stotternden Abstinenzler kennen, der, im Gegensatz zu Franz, größere Mengen von dünnem Kaffee und Zitronenlimonade dem Konsum von Bier und Schnaps vorzieht. Reinhold hat Erfolg bei den Frauen, scheut sich dabei nicht, diese nach kurzer Zeit wieder auf die Straße zu schicken. In Franz hat er einen Mann gefunden, der ihm seine Geliebten abnimmt. Er hält es bei einer Freundin nie längere Zeit aus, ist unfähig, ein lang andauerndes intimes Verhältnis einzugehen. Schon nach kurzer Zeit verliebt er sich in eine andere und muss seine gegenwärtige Beziehung loswerden. Um Franz den Mädchenhandel schmackhaft zu machen, fädelt er einen »Kettenhandel« (180) ein und besticht ihn mit Geschenken. Nach Reinholds Meinung gibt es sowieso zu viele Frauen, weshalb Franz meint, er habe einen »kleenen Webefehler« (180). Reinhold selbst ist dieses Problem bewusst, weshalb er auch Veranstaltungen der Heilsarmee besucht. Ein ganz anderes Gesicht zeigt Reinhold, als er mit der Pums-Kolonne und Franz einen Raub beReinholds geht. Nun legt er ein gefühlloses Verhalten an zweites Gesicht den Tag, spricht laut, gibt, ohne zu stottern, kurze, präzise Befehle und erweist sich als äußerst erbarmungslos. Als Franz bei einem Einbruch Bedenken äußert, schlägt der skrupellose Reinhold ihm brutal auf den Arm. Reinholds eiskaltes, gefühlloses Verhalten zeigt sich anschließend, als er Franz mit Schlägen aus dem

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fahrenden Auto stößt, worauf ihn das nachfolgende Auto überrollt und lebensgefährlich verletzt. Später, als Franz noch einmal demütig Kontakt zu Reinhold aufnimmt, ist dieser sogar bereit, ihn zu vernichten, indem er zielgerichtet plant, ihm seine Freundin Mieze auszuspannen: »Das ist schön, die nehme ick ihm weg und dann schmeiß ick ihn ganz und gar in den Dreck« (298). Mit der Ermordung Miezes betreibt Reinhold endgültig Franz’ Untergang. Reinhold ist der personifizierte Dämon. In der psychiatrischen Anstalt Buch erscheint er Franz mit den Attributen des Teufels: »[…] das höllische Feuer blitzt dem aus den Augen und ihm wachsen Hörner aus dem Kopf« (438). Nur einmal zeigt Reinhold Schwäche, als er einem Mitgefangenen im Zuchthaus Hinweise auf seine Verwicklung in den Mord gesteht. Mieze heißt eigentlich Emilie Parsunke, stammt aus der Kleinstadt Bernau bei Berlin und ist in die Metropole gekommen, um sich zu amüsieren und den Männern hinzugeben. Eva hat mit ihr Bekanntschaft geschlossen, sie stellt die junge, mädchenhafte Prostituierte ihrem Freund Franz vor, der sie Mieze nennt. Zwischen beiden entwickelt sich bald ein inniges gefühlvolles Verhältnis, dem Miezes Prostitution nicht im Wege steht. Mieze ist für Franz nicht nur die Geliebte, sie kümmert sich auch mütterlich um ihn und sorgt, indem sie sich prostituiert, für seinen Lebensunterhalt. Als Franz sie einmal brutal zusammenschlägt, versöhnt sich das gutmütige Mädchen schnell wieder mit ihm. Um ihrem Geliebten zu helfen, wendet sie sich Reinhold zu, mit dem Hintergedanken, ihn auszuhorchen. Sie fühlt sich zu

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diesem, der über zwei starke Arme verfügt, aber auch sexuell hingezogen, wird von ihm jedoch ermordet. Eva und Herbert sind die Freunde von Franz Biberkopf, sie kümmern sich rührend um den Verletzten, bringen ihn in die Klinik nach Magdeburg, übernehmen die Kosten der Behandlung, stellen ihm ihre Wohnung zur Verfügung und sorgen uneigennützig für Franz’ Lebensunterhalt. Außerdem sehen sie ihre Aufgabe darin, ihn auch nach seiner Genesung weiter zu schützen. Als Mieze verschwunden ist, ist Franz auf die Fürsorglichkeit Evas angewiesen. Franz kennt Herbert Wischow aus der Zeit vor seiner Haft in Tegel. Herbert verdient sein Geld als Gauner, während seine Freundin Eva mit seinem Einverständnis als Prostituierte arbeitet. Evas Verhältnis zu Franz ist sehr gefühlsbetont. Sie besorgt ihm eine Freundin, Mieze, verliebt sich aber selbst auch in ihn und wird schwanger. Erst nach Miezes Tod und Franz’ Entlassung aus der Psychiatrie wird das Verhältnis distanzierter. Eva hat das ungeborene Kind verloren, will aber die Freundschaft zu Franz aufrecht erhalten. Die große Hure Babylon und der Tod sind zwei symbolische Gestalten, die mehrmals an verschieHure Babylon denen Stellen des Romans auftauchen. »Die große Hure, die Hure Babylon, die am Wasser sitzt« (237) hat Döblin als Motiv der Offenbarung des Apostels Johannes (17,1–6) entnommen. Das Motiv gewinnt eine leitmotivische Funktion für die besessene, hemmungslose Lebensgier und Blindheit Franz Biberkopfs, sie steht für alle Laster und den Sittenverfall. Babylon ist der alttestamentarischen Tradition zufolge Sinnbild der sündigen Stadt, der Dekadenz. Der Autor stellt den Zusammen-

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hang zur Großstadt Berlin her, als er die Abrissarbeiten am Alexanderplatz thematisiert (167). Die große Hure Babylon tritt dann in den Vordergrund, wenn Franz kriminell wird: »Jetzt seht ihr Franz als einen Hehler, einen Verbrecher […]. Es ist ein Weib, bekleidet mit Purpur und Scharlach und übergüldet mit edlen Steinen und Perlen und hat einen goldenen Becher auf der Hand. […] An ihrer Stirn steht ihr Name geschrieben, ein Geheimnis, die große Babylon, die Mutter der Hurerei und aller Greuel auf Erden« (253). Sie hat sieben Häupter und zehn Hörner, ist trunken von Blut und führt Franz lockend in den Abgrund (291, 385). Während er zu Beginn der Handlung sein Leben nach seinem Vorsatz, anständig zu bleiben, gestalten möchte, wendet er sich, wenn die Hure Babylon in den Vordergrund tritt, immer mehr dem kriminellen Milieu zu, beschreitet den Weg in die Verdammnis. Sie bewegt noch einmal »ihre sieben Köpfe, schnattert und nickt« (423f.), als Franz in Buch, im Delirium liegend, zwangsernährt wird. In dieser Situation – Franz hat den Kontakt zur Realität verloren und ist seinem Ende nahe – tritt der Tod auf, der in der künstlerischen und dichterischen Tradition als Schnitter und Sänger mit Sterbenden in einen Dialog tritt. Dieser Tod führt Franz sein Unvermögen vor Augen und ruft den kraftlos Darniederliegenden durch sein langsames »Todeslied« zur Besinnung und zur Selbsterkenntnis, bis dieser Bereitschaft zeigt zu bereuen. Der Tod ist es, der nun seine Gespielin, die Hure Babylon, vertreibt, um für Franz einen neuen Anfang zu schaffen.

4. Werkaufbau Am Anfang des Romans Berlin Alexanderplatz teilt der Erzähler in zusammengefasster Form das Wesentliche der Geschichte vom Franz Biberkopf mit. Hier werden die wichtigsten Abschnitte seines Lebens vorgestellt, dann folgen neun Bücher, denen jeweils kurze, aber unterschiedlich umfangreiche Vorreden mit allgemeinen inhaltlichen Hinweisen voranstehen. Jedes unterschiedlich umfangreiche Unterkapitel wird wiederum durch einen, den Inhalt vorwegnehmenden, oftmals moritatenhaften Satz eingeleitet. Franz Biberkopfs Entlassung aus dem Gefängnis Tegel im 1. Buch und seine Entlassung aus der Nervenheilanstalt in Berlin-Buch sowie der Beginn eines neuen Lebens im 9. Buch bilden den Rahmen der Handlung. Der Handlungsverlauf selbst ist übersichtlich und klar in drei Phasen gegliedert: Der Held zieht dreimal aus, um Berlin zu erobern, um sein Leben zu meistern, aber dreimal ereilt ihn ein schwerer Schicksalsschlag, wobei der zweite und der dritte ihn jeweils gewaltiger trifft. Der erste Schlag führt zum Verlust eines materiellen Vorteils und zur Enttäuschung, von einem Freund hintergangen worden zu sein. Der zweite Schlag macht Biberkopf zum Krüppel und der dritte entreißt ihm unerwartet den Menschen, den er liebt. Buch 1 bis 3 behandeln die Zeit nach der Entlassung aus dem Zuchthaus, in der sich Biberkopf an das Leben in Berlin gewöhnt. Geleitet wird er dabei von dem Vorsatz, anständig zu bleiben. Dann erlebt er, »der anständige, gutwillige, den ersten Schlag« (105). Buch 4 und 5 behandeln Biberkopfs Reaktion auf diesen Schicksalsschlag und zeigen seine Unfähigkeit zur Einsicht,

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bis ihn ein weiterer, schwererer Schlag ereilt: »Jetzt fällt [mit dem Verlust seines Arms; H. B.] der erste schwere Streich auf ihn« (163). Das fünfte Buch beinhaltet gleichzeitig den Wendepunkt im Leben des Helden: Biberkopf gibt seinen Vorsatz, ein anständiges Leben zu führen, auf und wird kriminell. Buch 6 bis 7 behandeln wieder, in Variationen, Biberkopfs Verhalten auf den zweiten Schlag und seine Unfähigkeit, aus seinem Schicksal zu lernen. Buch 8 und 9 umfassen Biberkopfs endgültigen Untergang, seinen psychischen und körperlichen Zusammenbruch, aber auch den Beginn eines neuen Lebens. Die Geschichte vom Franz Biberkopf wird chronologisch erzählt, wobei sich das Geschehen über einen Zeitraum von etwa 1 1/2 Jahren erstreckt. Die erzählte Zeit, die die Zeitspanne der Handlung umfasst, ist umfangreicher als die Erzählzeit, was Döblin durch Zeitraffung und Zeitsprünge erreicht. Der Autor verwendet andererseits das erzählerische Mittel der Zeitdehnung, wenn er zum Beispiel den brutalen Vorgang der Tötung Idas erzählt. Der Bericht über den eigentlichen Tötungsvorgang, der in wenigen Sekunden abläuft, wird vervollständigt durch Ausführungen des Erzählers über das erste und zweite Newtonsche Gesetz sowie durch medizinische Erklärungen. Ergänzend zur sachlichnüchternen naturwissenschaftlichen Betrachtung folgen mit der Heimkehr und Ermordung Agamemnons Bezüge zur griechischen Mythologie. Die Vereinigung heterogener Teile in dieser Ermordungsszene – Schilderung des Handlungsvorgangs, Darlegung eines physikalischen Gesetzes, Verweis auf die Mythologie –, ist symptomatisch für den ganzen Roman. Die Haupthandlung bettet Döblin in ein weitgesponnenes Gewebe ein,

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bezieht verschiedenartige Teile aufeinander, montiert fremde Texte, als habe er ausgeschnittene Schnipsel aus Zeitungen, Fahrplänen, Statistiken, Gesetzesbüchern eingeklebt, und löst damit gleichsam den erzählerischen Fluss, sein Kontinuum, auf. Döblins Art des Erzählens erscheint dem Leser als eine Herausforderung, er muss stets Stellung beziehen zu dem, was geschieht. Da der Held ein zusammenhangsloses Leben führt und Tag für Tag dahinlebt, reagiert der moderne Erzähler, um parallel zu bleiben, mit einer scheinbar zusammenhangslosen Darstellung. Ziellosigkeit im Leben Biberkopfs korrespondiert mit der Form der Collage und Montage, mit der kunstvollen Zusammenfügung von disparaten Einzelteilen, mit Momentaufnahmen. Aber dem Leser geht der große Zusammenhang zu keiner Zeit verloren. Die Sprache Döblins ist verständlich und fassbar, obwohl sich der Leser an die Sprachebenen, Hoch-, Umgangs- und Gassensprache, an den Berliner Dialekt, an das Jiddische und den Verbrecherjargon erst gewöhnen muss. Die Verwendung von Lautsprache (»njutensche Gesetz«, »Leheben«) und Lautmalerei (»rumm rumm […] wuchtet die Dampframme«) tragen zur lebendigen Erzählweise bei. Die stilistische Vielfalt wird durch den Kinostil ergänzt. Um das Geschehen in seiner Gegenwärtigkeit darstellen zu können, um das Nebeneinander und das Hintereinander eines komplexen, rasch ablaufenden Geschehens adäquat sprachlich darzustellen, bedient sich der Autor des Kinostils, der es erlaubt, das Dargestellte nicht wie geschildert, sondern wie vorhanden erscheinen zu lassen, was Döblin bereits 1913 im »Berliner Programm« richtungweisend ausführte. Hierbei ist es nötig, die Perspektive ständig wechseln zu lassen, was an die Schnitttechnik des Films erinnert,

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aufeinander folgende, unvollständige Sätze unverbunden nebeneinander zu stellen, sie durch die Wiedergabe von Sprechlauten und Gedankenfetzen zu ergänzen. Ein anschauliches Beispiel hierfür findet sich an der Stelle des Romans, wo Biberkopf brutal auf Mieze einschlägt, während Reinhold den Vorgang vom Bett aus versteckt beobachtet (335 f.).

5. Worterläuterungen Die Erläuterungen beschränken sich zumeist auf erklärungsbedürftige Wörter. Einen ausführlichen Sachkommentar bietet darüber hinaus: Gabriele Sander, Erläuterungen und Dokumente zu Alfred Döblin, »Berlin Alexanderplatz« (10. Lektüretipps, Materialien). 11,21 der Star gestochen: (ugs.) die Augen geöffnet. 15,27 B. Z.: Berliner Zeitung. 15,28 Schupos: Schutzpolizisten. 15,32 Brägen: Gehirn. 16,11 Aschinger: Speisegaststätte und Bierlokal. 17,6f. Deibel: Teufel. 17,8 Dussel: Dummkopf. 19,30 Schubiak: (berl.) Lump. 20,6 Rabbanan: jüdischer Religions- und Gesetzeslehrer. 21,3 Rebbe: Rabbiner, jüdischer Schriftgelehrter. 21,33 kraute: krauen: kraulen, sanft und liebevoll mit den Fingerspitzen kratzen. 22,1 Schläfenlocken: typische Haartracht orthodoxer männlicher Juden. 24,6 meschugge: (jidd./ugs.) verrückt. 27,9 Kruke: (berl.) kleiner, dicker Mensch. 29,38 Plautze: (berl.) Bauch. 33,18 jieprig: (berl.) (be)gierig. 33,24 Kledage: (ugs.) Kleidung. 36,13 Mampe: Kräuterlikör der gleichnamigen Firma. 41,24 kujonieren: (ugs.) schikanieren. 54,30 Pelerine: weiter, ärmelloser Regenumhang. 56,6 klönen: plaudern, schwatzen.

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56,35 Fatums: Fatum: Ratschlag eines Gottes, Weissagung. 58,6 Krimmerkragen: Lammfellkragen. 64,11 Zwackeln: Zwicken, Meininger Brötchen. 65,31 neunzehn in Berlin: kommunistischer Spartakusaufstand im Januar 1919, der von Freikorps und Regierungstruppen blutig niedergeschlagen wurde. 67,7 Nassauer: (ugs.) Schmarotzer. 67,29 pimplig: (berl.) verweichlicht, verhätschelt. 69,16 Ganofin: Plural zu (jidd.) Ganeff: Ganove. 70,2 Dawesplan: Das nach dem amerikanischen Bankier und späteren US-Vizepräsidenten Charles Dawes benannte Abkommen von 1924, das die Reparationsleistungen Deutschlands neu regelte. 70,8f. Budiker: Gastwirte. 70,30 Deetz: (berl.) Schädel. 73,33 Paragraph 175: Paragraph im Bürgerlichen Gesetzbuch, der die homosexuelle Beziehung zwischen Männern unter Strafe stellte. 75,6 Mänade: Mänaden sind die rasenden Begleiterinnen des Gottes Dionysos/Bacchus; hier: wütende Frau. 78,4 Gilka: Kümmellikör. 82,10 völkische Zeitungen: deutschnationale, antisemitisch ausgerichtete Zeitungen wie der Völkische Beobachter. 82,12 Stahlhelm: eigentlich Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten; nationalistische, antidemokratische Organisation, die die Republik bekämpfte. 82,25 Reichsbanner: »Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold«: sozialdemokratische Gruppierung zum Schutz der Weimarer Republik (seit 1924). 82,29 P. G.: Parteigenosse. 83,11 Molle: (berl.) Glas Bier.

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86,8 Nebukadnezar: N. II. (605–562 v. Chr.), König von Babylon. 86,31 Rosa … und Karl Liebknecht: Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, Mitbegründer der KPD, wurden am 15. Januar 1919 ermordet und am 25. Januar im Stadtteil Friedrichsfelde (87,34) beigesetzt. 86,35–87,1 Auf son Kalmus piep ich nu wieder nich: (berl.) Darauf lasse ich mich nicht ein (Kalmus: schilfähnliche Pflanze). 93,31 zoppe ich los: (ugs.) ziehe ich los. 98,11 Erinnyen: Rachegöttinnen aus der griech. Mythologie, die »Bestien, Zottelweiber mit Schlangen« (98,18) genannt werden. 102,8 Empyem: Eiteransammlung. 114,4 Menkenke: (berl.) dumme Geschichten, Unsinn. 119,20 trippt: tropft. 120,10 Herzberge: eine der Irrenanstalten Berlins. 120,16 Pichel: (berl.) (Ess-)Latz. 126,27f. Coronarsclerose, Myodegeneratio cordis: Herzkranzgefäßverkalkung, Herzmuskelschwund. 130,27 Bollen: (berl.) Zwiebeln. 131,5 Nulpe: (berl.) Dummkopf. 131,29 polkte: bohrte. 133,38 Schabbes: (jidd.) Sabbat. 135,15f. bregenklütrig: (berl.) benommen, wirr. 158,16 grünen Heinrich: Polizeiwagen. 158,18f. Abfahrt Seefe, schrumm: (berl.) abgemacht. 160,29 großpratschig: (berl.) großspurig. 161,23 in Rasche: (berl.) in Rage, in Wut. 167,27 Rom, Babylon, Ninive: Städte, mit denen auf Dekadenz und Hochmut gegenüber Gott angespielt wird und die untergingen.

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170,21 Mauke: (berl.) Gicht. 173,17 Lude: Zuhälter. 183,17 Lorke: schlechter, dünner Kaffee. 184,9 Charité: Krankenhaus im Ostteil Berlins. 186,1 sich steinachen lassen: eine Verjüngungskur machen nach dem Arzt Eugen Steinach (1861–1944). 191,18 Karthago: wie Ninive und Babylon Sinnbild für Dekadenz und Untergang. 193,36 präpelt: (berl.) isst, schmaust. 195,3 Kellogpakt: eigtl.: Briand-Kellogg-Pakt, Kriegsächtungspakt, den Deutschland am 27. August 1928 unterzeichnete. 195,5f. Sèvresgarnitur: Porzellangarnitur aus Sèvres. 202,24 Schock: 60 Stück (Mengenbezeichnung); hier: sehr viele. 203,38 Mottenpost: Spitzname für die Berliner Morgenpost. 222,5 Kampfer: Mittel, das Herz und Atmung stimuliert. Skopolaminmorphium: Mittel mit schmerzlindernder und krampflösender Wirkung. 226,30 Sonnenburg: Haftanstalt in Berlin. 236,30 Grieneisen: Bestattungsunternehmen in Berlin. 237,29f. Die große Hure, die Hure Babylon …: Anspielung auf die Offenbarung des Johannes im Neuen Testament, 17,1–6. Die Hure Babylon ist in Berlin Alexanderplatz ein zentrales Leitmotiv. 239,10 Wohlfahrt: Abkürzung für Wohlfahrtsamt (Sozialamt). 243,19 Bowel: (berl.) Plunder. 250,7 Tablo: von frz. tableau ›Gemälde‹: Was für ein Anblick! 250,17 knaut: jammert.

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5. WORTERLÄUTERUNGEN

253,22 Manoli links rum: (berl.) verrückt (nach der sich links herum drehenden Lichtreklame der Zigarettenfirma Manoli). 255,11 E. K.: Eisernes Kreuz. 259,15 Allasch: Kümmellikör. 263,35 Glacés: Handschuhe. 269,25 Borsig: Lokomotivfabrik, gehörte zu den größten Arbeitgebern Berlins. 273,23 Roten Fahne: Tageszeitung der KPD (1918–33). Arbeitslosen: Zeitung der anarchistischen »Freien Arbeiterunion« (1921–32). 278,11 Pixavonkönigin: Pixavon (vgl. 132,17) war ein Haarwaschmittel. Frauen konnten sich um den Titel zur Pixavon-Königin bewerben. 281,16f. englischen Krankheit: Rachitis, die durch Vitamin D-Mangel und fehlendes Sonnenlicht hervorgerufen wird. 282,29 Feme: heimliches Gericht. 283,30 Baba: (Kinder-)Bett. 287,7 Pimperlinge: (berl.) Geldstücke. 294,19 Schlappjeh: (berl.) Schlappschwanz. 295,1f. Hahnepampen: (berl.) dummer, schwacher Mensch. 312,6 brammsige: (berl.) prahlerische. 337,16 kriegt die Platze: bekommt einen Wutanfall. 348,8 Klute: Grube. 362,14 Knallprotzen: dicker Angeber. 364,16 ausbadolwert: ausgekundschaftet. 368,16 geschippt: geschaufelt. 369,11 Soren-Auto: Sore: (gaunerspr.) Diebesgut. 379,4 Moulage: farbiges anatomisches Wachsmodell von Organen.

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393,2 Wuhlgarten: städtische Heilanstätte für EpilepsieKranke im Osten Berlins. 399,6 Polizeischiens: (berl.) Polizisten. 413,7 Moabit: Haftanstalt in Berlin. 419,6 Irrenanstalt Buch: psychiatrisches Krankenhaus Buch, liegt im Nordosten Berlins; hier war Döblin Assistenzarzt (1906–08). 421,31 pliert: schluchzt. 422,13 Mikrozephalen: Menschen mit abnorm kleinem Kopf. 423,8 Pachulken: (berl.) Tölpel. 425,21 Stuporzustand: Zustand der völligen geistigen und körperlichen Regungslosigkeit. 426,5 faradisiert: faradisieren: in der Psychiatrie mit unterbrochenem (faradischen) Strom behandeln. 426,19 Paralyse: vollständige Bewegungslähmung. Spirochäten: krankheitserregende Bakterien, z. B. Erreger der Syphilis. 427,14 katatoner Stupor: Spannungsirrsinn, eine Form der Schizophrenie mit Krampfzuständen der Muskulatur. 428,22 Azeton: andere Schreibung für Aceton: Lösungsund Desinfektionsmittel. 443,21 Beresina: Nebenfluss des Dnjepr in Weißrussland, über den Napoleon 1812 seine Truppen führte. Hier erlitt die Große Armee auf dem Rückzug eine vernichtende Niederlage. 443,29 Chemin des dames: Ort nordöstlich von Paris, wo 1917 schwere Kämpfe zwischen deutschen und französischen Truppen stattfanden. Langemarck: Schlachtfeld des 1. Weltkriegs in Flandern; hier setzten die deutschen Truppen 1915 erstmals Giftgas ein.

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445,33 Paragraph 51: enthält im Strafgesetzbuch die Regelung über die Unzurechnungsfähigkeit des Straftäters. 450,5 Emballage: Umhüllung, Verpackung einer Ware. 450,7 Dijodyl bei Arteriosklerose: Medikament zur Behandlung von Bluthochdruck. 450,10f. Magnetopathen: Magnetopath: ein mit Magnetismus behandelnder Heilkundler.

6. Interpretation Die zentrale Aussage des Romans Berlin Alexanderplatz erreicht den Leser als etwas Unerwartetes, sie liegt im Romanende, in der Bereitschaft Franz Biberkopfs, sich von seinem bisherigen Leben zu distanzieren, und in der Aufforderung zur Wachsamkeit gegenüber den Entwicklungen in der Welt. Über diesen Romanschluss ist viel nachgedacht worden,3 auch Döblin selbst hat sich hierzu geäußert.4 Die Hauptperson der Geschichte, eine elementare Figur des menschlichen Lebens, verweigert in der Irrenanstalt Buch, im Delirium liegend, jegliche Nahrungsaufnahme, sie will sterben, muss aber die Stimme des Todes in sich dringen lassen. Dieser tritt dem Sterbenden mit einem Beil in der Hand entgegen, das er auf Biberkopf grausam niederfahren lässt, um ihn nacheinander zu zerstückeln. Döblin verwendet leitmotivisch das Bild vom Totentanz aus spätmittelalterlichen und frühneuzeitliDer Tod chen Darstellungen und Dichtungen, in denen der Tod als Schnitter und Sänger mit Sterbenden in einen Dialog tritt. Der Tod, der von sich sagt, er sei »das Leben und die wahrste Kraft« (431), führt Biberkopf dessen Scheitern vor Augen und ruft den kraftlos Darniederliegenden mit seinem »langsame[n] Lied« zur Besinnung und zur Selbsterkenntnis auf, bis dieser Bereitschaft zeigt zu bereuen: Der Tod hält Gericht. Er ist es, der nun seine Gespielin, die Hure Babylon, vertreibt, um für Franz einen neuen Anfang zu schaffen. Die große Hure Babylon hat verloren, sie will nicht, muss aber von ihrem Opfer lassen und keifend abziehen (443f.). Für den Erzähler ist die Zeit gekommen, einen anderen

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Biberkopf aufstehen zu lassen, »dem der alte nicht das Wasser reicht«, wie es im Vorspann zum Neunten Erweiterter Buch heißt, »von dem zu erwarten ist, daß er Vorname seine Sache besser macht« (411). Dies wird auch durch eine Namensänderung bekundet. In der jüdischen Tradition erhalten die Jungen mit Vollendung des 13. Lebensjahres bei der feierlichen Bar-Mizwa einen zweiten, bis dahin geheim gehaltenen Vornamen. Auch der neue Biberkopf bekommt nun den erweiterten Vornamen Franz Karl zugewiesen. Dieser Franz Karl Biberkopf erhält eine Stelle als »Hilfsportier in einer mittleren Fabrik« und »steht nicht mehr allein am Alexanderplatz. Es sind welche rechts von ihm, und vor ihm gehen welche, und hinter ihm gehen welche. Viel Unglück kommt davon, wenn man allein geht« (453). »Weiter ist von seinem Leben nichts zu berichten« (452). In wenigen Sätzen fasst der Erzähler noch einmal das Bemühen Biberkopfs in einem Bild zusammen. Das Leben hat sich als ein Enthüllungsprozess dargestellt. Das, was zu enthüllen war, stand zunächst unlesbar auf einem Schild am Ende einer Allee, die Biberkopf in DunkelDunkle Allee heit entlangrannte. Als er hinfiel und dann die Augen öffnete, brannte über ihm eine Laterne »und das Schild war zu lesen« (453). Vom Erzähler wird die Botschaft, die Biberkopf auf dem Schild lesen kann, nicht direkt mitgeteilt, sie ist vom Leser erst zu entdecken. Aber der Leser bekommt Hinweise. In diesem Laternenlicht verdeutlicht sich die Bereitschaft des Helden zur Einsicht, hiermit präsentiert der Erzähler den Neuanfang.5 Biberkopfs sinnloses Leben ist beendet, er muss als Hilfsportier wachsam sein: »Lieb Vaterland, kannst ruhig sein, ich hab die Augen auf und fall so bald nicht rein« (454). Die

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Hauptfigur nimmt visionär wahr, wie Massen marschieren, mit Fahnen, Musik und Gesang. Es ist zudem vom Krieg die Rede, in dem Gasbomben geworfen werden. Wann dieses eintreten könnte, teilt der Erzähler nicht mit, ein Bezug zu den Ereignissen seit 1933, unter denen der Zeitlose Autor existenziell zu leiden hatte, ist nicht Strukturen auszuschließen. Bei den Visionen, die Biberkopf und der Leser zu entdecken haben, handelt es sich um solche, die an keine Zeit gebunden sind, um zeitlose Strukturen. Eine weitere Auskunft, die in diesem Zusammenhang steht, gibt der kursiv gedruckte Epilog: »Es geht in die Freiheit hinein, die Freiheit hinein, die Alte Welt muß stürzen, wach auf, die Morgenluft. Und Schritt gefaßt und rechts und links und rechts und links, marschieren, marschieren, wir ziehen in den Krieg, es ziehen mit uns hundert Spielleute, sie trommeln und pfeifen, widebum, widebum« (454f.). Als der Tod seine Gegenspielerin, die Hure Babylon, am Krankenbett Biberkopfs endgültig besiegt hatte, trommelten und pfiffen »100 Spielleute«. Der Erzähler entwickelt, losgelöst von der Zeit und dem konkreten Anlass, eine Vision von Marschzügen, die in den Krieg ziehen, wobei er hier den Hinweis auf die revolutionäre Arbeiterhymne »Brüder, zur Sonne, zur Freiheit« gibt: »marschiert die französische Revolution, marschiert die russische Revolution, marschieren die Bauernkriege, die Wiedertäufer, sie ziehen alle hinter dem Tod einher, es ist ein Jubel hinter ihm her, es geht in die Freiheit, die Freiheit hinein, die alte Welt muß stürzen, wach auf du Morgenluft […] Brüder, zur Sonne, zur Freiheit, Brüder, zum Lichte empor, hell aus dem dunklen Vergangenen leuchtet uns Zukunft hervor« (444). Einen konkreten Hinweis, was mit der Frei-

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heit, mit der Zukunft, mit der Revolution gemeint sein könnte, gibt der Erzähler auch hier nicht. Die revolutionäre Arbeiterhymne, die nicht nur in der russischen Revolution von 1917, sondern auch als Übersetzung in der Weimarer Republik auf Veranstaltungen der KPD gern gesungen wurde, ist nur eine Paraphrase und kein wörtliches Zitat. Döblin vermeidet konkrete Hinweise, die zeitlosen Strukturen Freiheit, Morgenluft, Licht, Zukunft kommen als etwas Überraschendes und müssen erst offenbart werden. Aber von wem? Der Sozialist Döblin malt kein Bild von einer Revolution, das Proletariat scheint sie nicht herbeizuführen. Biberkopf, der bisher sein Schicksal blind entgegengenommen hat, ist nach der Tortur, die ihm der schwertschwingende Tod verabreichte, sehend geDer sehende worden, ihm wurde »der Star gestochen«. Biberkopf Am Schluss kann er die in einer Vision dargestellte Entwicklung erkennen, aber er ist nun nicht mehr allein, »es sind welche rechts von ihm, und vor ihm gehen welche« (453). In einer Rundfunkansprache bei Künstlern und Artisten (1928/29) führte Döblin im Zusammenhang mit seinem Roman aus, dass es nicht darauf ankomme, »ein sogenannter anständiger Mensch zu sein, sondern darauf, den richtigen Nebenmenschen zu finden. Diese Erkenntnis hilft ihm, sich selbst wiederzufinden«6. Biberkopf hätte in seinem Leben mehrere »richtige Nebenmenschen« finden können, Herbert und Eva, Mieze, aber er war zu verstockt und blind, ihm musste erst ein anderer den Star stechen. Döblin selbst hat in einem Brief vom 18. September 1931 eingestanden, dass der Roman gegen seinen Willen, »einfach

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aus der Logik der Handlung und des Plans« so offen endete. »Es war rettungslos, mir schwammen meiSchluss des ne Felle davon, […] ich ließ es mir nicht Romans nehmen, zum Schluß Fanfaren zu blasen, es mochte psychologisch stimmen oder nicht. Bisher sehe ich: der Dualismus ist nicht auszuheben«.7 Wie kommt es zu Biberkopfs Wiedergeburt aus der Katastrophe? Biberkopf wurde zu Beginn der Handlung nach einer vierjährigen Haft entlassen und war der Überzeugung, wie es gleich im Prolog heißt, »vom Leben mehr zu verlangen als das Butterbrot« (12). Der Wille, anständig Biberkopf »tut nun den Schwur, anständig zu zu leben sein« (13). Sein Streben, einen höheren Lebenssinn zu entwickeln, die Fähigkeit, außerhalb der dinglichen Existenz einen Sinn zu finden, scheitert, er wird »zur Strecke gebracht«. Die Lebensumstände, mit denen der Held konfrontiert wird, sind so gestaltet, dass sie die Grenzen des Erträglichen überschreiten. Biberkopf erkennt nicht die Umstände an, die sein Schicksal bestimmen, Unfähigkeit Biberkopfs auch nicht die, welche ihn vor seiner Haft beeinflusst hatten, ebenso hinterfragt er nicht sein eigenes Handeln, weshalb er unfähig ist, sich zu entwickeln und blind bleiben muss, bis ihn am Ende der Tod zum Sehen zwingt. Seit er seine Freundin Ida erschlug, hatte sich Biberkopf nicht gewandelt, eine Reflexion seiner Schuld unterblieb, weshalb es für ihn unproblematisch schien, nach seiner Haftentlassung wieder ein normales Leben als anständiger Mensch führen zu können. In einem Vortrag, den Döblin am 19. Februar 1932 in Zürich hielt, stellte er seine eigene, in seiner naturphilosophischen Schrift Das Ich über der Natur entwickelte Ge-

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dankenposition dar: »Diese Welt ist eine Welt zweier Götter. Es ist eine Welt des Aufbaus und des ZerDuales Prinzip falls. In der Zeitlichkeit erfolgt die Auseinandersetzung, und wir sind daran beteiligt.« Weiter heißt es: »Die Gesellschaft ist von Kriminalität unterwühlt […]. Was heißt das? Es ist Ordnung und Auflösung da. Aber es ist nicht wahr, daß die Ordnung, ja auch nur die Form und die Existenz real wäre ohne die Auflösungsneigung und die faktische Zerstörung.«8 Der Dualismus, den Döblin anspricht, zeigt sich im Roman in den beiden symbolischen Gestalten, dem Tod und der Hure Babylon. »Die große Hure, die Hure Babylon, die am Wasser sitzt« (237) hat Döblin als Motiv der Offenbarung des Apostels Johannes (17,1–6) entnommen. Dieses Motiv gewinnt eine leitmotivische Funktion für die besessene, hemmungslose Lebensgier und Blindheit Biberkopfs, sie steht für alle Laster und den Sittenverfall. Babylon ist der alttestamentarischen Tradition zufolge Sinnbild der sündigen Stadt, der Dekadenz. Der Autor stellt den Zusammenhang zur Großstadt Berlin her, sein Roman trägt den Titel Berlin Alexanderplatz, erst im Untertitel, der auf Drängen des Verlegers hinzugefügt wurde, heißt es: »Die Geschichte vom Franz Biberkopf«. Döblin setzt in Berlin Alexanderplatz seine philosophische Ansicht, die er in seiner Schrift Das Ich über die Natur entwickelte, dergestalt um, dass der Held mit einer Realität konfrontiert wird, wie sie sich im Osten von Berlin zeigt. Die große Hure Babylon erscheint, wenn BiHure Babylon berkopf kriminell wird: »Jetzt seht ihr Franz als einen Hehler, einen Verbrecher […]. Es ist ein Weib, bekleidet mit Purpur und Scharlach und übergüldet mit edlen Steinen und Perlen und hat einen goldenen Be-

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cher auf der Hand. […] An ihrer Stirn steht ihr Name geschrieben, ein Geheimnis, die große Babylon, die Mutter der Hurerei und aller Greuel auf Erden« (253). Sie, die trunken von Blut ist, führt Biberkopf lockend in den Abgrund (291, 385). Während Biberkopf zu Beginn der Handlung sein Leben nach seinem Vorsatz, anständig zu bleiben, gestalten möchte, wendet er sich, wenn die Hure Babylon in den Vordergrund tritt, immer mehr dem kriminellen Milieu zu, beschreitet den Weg in die Verdammnis. Die Welt ist, wie Döblin sagt, von Aufbau und Verfall, »von Ordnung und Auflösung«9 geprägt: zwei Seiten einer Medaille, die ein Ganzes bilden. Berlin Alexanderplatz thematisiert diese Grundannahme anhand der Unfähigkeit des Individuums Biberkopf, ehrlich und treu die Gesetze der Welt auszuführen. Die Welt, der Biberkopf am Alexanderplatz begegnet, stellt sich als Welt als umfassender ein umfassender Schuldzusammenhang dar. SchuldDieser Ort tritt ihm als eine übermenschzusammenhang liche, aggressive Macht entgegen, die ihn in ihren Bann zieht. Zum Thema erhebt Döblin aber nicht Biberkopfs Auseinandersetzung mit bestimmten Verhältnissen allein am Alexanderplatz, sondern mit Lebensbedingungen, die überall anzutreffen sind, nicht nur im Milieu des Berliner Ostens. Aber was ist es, das dieses Milieu ausmacht? Es ist nicht etwas, das sich als eine vordergründige Wirklichkeit fassen ließe. Im Vorspann wird der Leser schon über das Wesentliche, was auf die Hauptperson zukommen wird, informiert: Ein Unbestimmtes, ein »Es«, »stößt und schlägt ihn [Biberkopf] mit einer Gemeinheit« (11), dieses »Es« tritt der Hauptperson entgegen als eine undefinierbare Macht, dargestellt als die Große Hure Babylon, die nicht von

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Biberkopf, sondern vom Tod am Krankenbett besiegt wird. Er will anständig sein, aber dieses gelingt ihm nicht. Biberkopf reagiert auf diese Welt zu dem Preis, selbst schuldig zu werden. Er ist auf den Tod angewiesen, um die Fähigkeit zur Selbstreflexion zu entwickeln. Seine Neugeburt vermag er nicht aus eigener Kraft heraus zu bewirken. Seine Situation aus eigener Kraft zu überwinden, sein Handeln kritisch zu hinterfragen misslingt. Am Ende des Romans steht aber nicht die Zerstörung, sondern die Auferstehung des neuen Franz Karl Biberkopf. In einem Nachwort, das Döblin 1955 dem Roman hinzugefügt hat, weist der Autor auf das »innere Thema« hin: »Es heißt opfern, sich selbst zum Opfer bringen«10. In Biberkopf selbst hat sich infolge seines »blinden« Bemühens, in einer von Auflösung und Zerstörung geprägten Umwelt ein anständiges Leben zu führen, etwas verändert. Erst in der Anstalt Buch, in der Unzurechnungsfähige behandelt werden, kommt er zur Vernunft, hier vollzieht er lautlos ein »Opfer«. Der Autor setzt die Hauptperson Biberkopf in den großstädtischen Prozess hinein, das östliche Berlin wirkt auf ihn mit seinen Verlockungen, Herausforderungen und Gefahren. Die Gegend um den Alexanderplatz Berlin ist nicht nur der Mittelpunkt einer Großals Organismus stadt, nicht nur ein sozialer Brennpunkt, sondern ein pulsierender Organismus, den Döblin auf vielfältige Weise als einen wahrnehmbaren Erfahrungsbereich mit erzähltechnischer Raffinesse darstellt. Die Hauptperson ist nicht in der Lage, diese disparate Vielfalt der Eindrücke zu ordnen. Die Schlachthofszene, die zwei Kapitel im 4. Buch umfasst, spielt sich zunächst an einem realen Ort in Berlin ab,

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der die Fleischversorgung für die MillionenSchlachthofszene stadt sichert. Hierfür sorgen die statistischen Angaben über die Größe und die Versorgung mit Vieh, die Information über die Kosten der Infrastruktur, die Döblin authentischem Informationsmaterial11 entnommen hat; hierfür sorgt die detaillierte Darstellung der »Verarbeitung« der Tiere. Der Schlachthofszene selbst kommt aber eine symbolische Funktion zu, sie steht für die Gewalt, die auch das menschliche Leben prägt, worauf die Kapitelüberschrift hinweist: »Denn es geht dem Menschen wie dem Vieh; wie dies stirbt, so stirbt er auch« (136), ein Zitat aus dem Alten Testament (Prediger Salomo 3,19). Wie das Vieh im Schlachthof behandelt wird, wie es zusammengepfercht, zur Schlachtung vorbereitet, schließlich betäubt und getötet wird, erinnert an Biberkopfs Schicksal in der Millionenstadt, die mit übernatürlicher Kraft die Hauptperson in seiner Abgestumpftheit, seiner Ohnmacht zu zerstören droht. Exemplarisch stellt der Autor dieses an der Schlachtszene eines Stiers dar (141f.), der wie Biberkopf körperlich groß und stark ist, der aber auch fatalistisch seine tödlichen Schläge empfängt. Biberkopf ist allerdings im großstädtischen Gefüge kein Tier, er vermag zu denken und zu empfinden, sich zu entscheiden. Er unterscheidet sich hierdurch vom Stier und lässt sich nur mit Widerstand überwältigen. Aber ein Mensch ist es, der routiniert und gelassen Schläge austeilt, auf Biberkopf und die Tiere einschlägt, diese zu Geschlagenen und Sterbenden macht. Auch Biberkopf hatte in der Vorgeschichte diese Position des Schlagenden, Tötenden, eingenommen, hatte tötende Schläge ausgeteilt, wird dann in der Hauptgeschichte zum Geschlagenen und Leidenden, bis er sich seinem Schicksal unterordnet. Die beiden Schlachthof-Kapitel umrahmen das Hiob-Ka-

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pitel und sind insgesamt von der BiberkopfHandlung völlig abgetrennt. Zunächst besteht auch kein sichtbarer Bezug von der Hiobgeschichte zu den Schlachthof-Szenen oder zur Biberkopf-Handlung. Der alttestamentarische Hiob kann nicht einfach in den Roman übertragen werden. Döblin hat die Figur als Paraphrase genutzt und ihr somit eine andere Bedeutung gegeben. Eine zunächst anonyme Stimme redet den schreienden Hiob an: »›Wer kann dir helfen, wo du selbst nicht willst! […] Gott und Satan, die Engel und die Menschen, alle wollen dir helfen, aber du willst nicht, – Gott aus Liebe, der Satan, um dich später zu fassen, die Engel und die Menschen, weil sie Gehilfen Gottes und des Satans sind, aber du willst nicht‹« (146). Diese Stimme gibt sich dann als die des Satans zu erkennen, während in der biblischen Geschichte Gott mit Hiob spricht. Aber es gibt auch Gemeinsamkeiten, die als Homologiebeziehung zwischen Biberkopf und Hiob bezeichnet werden können. »Beidemal schreit ein Mensch auf, klagt er den Lauf der Welt an, hadert er mit seinem Schicksal, und beidemal werden die Leidenden in ähnlicher Weise auf den Weg der Selbstüberwindung verwiesen.«12 Die Gemeinsamkeit beider besteht darüber hinaus auch darin, dass sie darunter leiden, ihre Macht verloren zu haben, beide sind unfähig, ihre Schwäche anzuerkennen. Die Stimme sagt über Hiob, er leide deshalb besonders, weil er schwach sei und doch widerstreben möchte (145). Der biblische Hiob verhält sich anders als Hiob in Berlin Alexanderplatz, weil dieser anfangs widerstrebt und daran festhält, ein rechtschaffener Mensch gewesen zu sein; der biblische Hiob ist dann bereit, die Allwissenheit Gottes anzuerkennen und gleichzeitig sein eigenes Unvermögen und

Hiob-Kapitel

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Nichtwissen zu erkennen, um Buße zu tun, weshalb ihn Gott reich belohnt und erhöht. Wenn Döblin in der HiobSzene Gott, die Engel und den Satan anführt, verweist dies auf seine philosophische Haltung in den zwanziger Jahren, wonach die Welt das Göttliche verschluckt hat, wonach Gott und Satan als polare Kräfte im Menschen selbst angenommen werden. Döblin lässt seinen Hiob von Geschwüren genesen, nachdem er eine ganze Nacht lang die ihn ansprechende Stimme zu ersticken versucht. Sein Hiob hat ein gebrochenes Menschtum angenommen, ohne meditiert zu haben. Hiob weiß somit von einer Kraft, die ihm gegenübersteht,13 aber wie Biberkopf ist er erst dann in der Lage, die eigene Schwäche anzuerkennen, wenn er ohnmächtig und gebrochen, demutsvoll mit dem Gesicht zur Erde, darniederliegt. Nun scheint Hiob, wie später auch Biberkopf und der biblische Hiob, das eigene Gebrochensein und Unvermögen hinzunehmen. Das war bei Biberkopf nicht immer so. Im vierten Buch zeigte er noch keine Demut, als er nach dem Betrug durch Lüders sich in sein Zimmer zurückzog: Biberkopf betäubte sich mit Alkohol, gestand sich seine Schwäche nicht ein, als ihn am Ende dieses Buchs ebenfalls eine anonyme Stimme ansprach. Von sich selbst sagt er, er sei furchtlos: »Ich hab Fäuste. Sieh mal, was ich für Muskeln habe« (162). Später wird sich zeigen, dass es sich hier um die Stimme des Todes handelt. In seinem Vortrag Der Bau des epischen Werks, den Döblin am 10. Dezember 1928 während der Niederschrift von Berlin Alexanderplatz an der Universität von Berlin hielt, befasst sich der Autor mit der RomantraditiErzähler on, in der er eine Distanz zwischen Erzähler und Leser als signifikant feststellt. »Wie das Theater von heute erstarrt ist im Dialog der Personen, […]

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genau so steht es im Epischen, wo die Berichtform ein eiserner Vorhang ist, der Leser und Autor voneinander trennt. Diesen eisernen Vorhang rat ich hochzuziehen.«14 Die Aufhebung dieser Trennung zwischen Erzähler und Leser erklärt Döblin zu seinem literarischen Programm. Der Erzähler in Berlin Alexanderplatz bleibt namenlos, er weist bereits in der Einführung den Leser auf den Inhalt des Romans hin, er kennt schon von Anfang an die Geschichte und das Schicksal des »ehemaligen Zement- und Transportarbeiters Biberkopf«, er führt den Leser durch die Handlung und übernimmt dabei oftmals eine belehrende, didaktische Rolle, unterbricht beliebig das Geschehen und kommentiert es. Wie ein Regisseur verfügt der Erzähler souverän über die Fakten, hebt Exemplarisches hervor, um die Haltung des Rezipienten zu steuern. Die Absicht des Erzählers, den Leser zur Lektüre zu motivieren, wird gleich im Prolog deutlich, wenn er seine Ausführungen folgendermaßen beendet: »Dies zu betrachten und zu hören wird sich für viele lohnen, die wie Biberkopf in einer Menschenhaut wohnen und denen es passiert wie diesem Biberkopf, nämlich vom Leben mehr zu verlangen als ein Butterbrot« (12). Diese Vorrede erinnert mit dem Hinweis auf das folgende Geschehen, aber auch wegen des Sprachgestus an eine Moritat, der Erzähler scheint in die Rolle eines Bänkelsängers zu schlüpfen. In den Vorreden zu den neun Büchern fasst der Erzähler das Wesentliche der folgenden Handlung im Präsens zusammen; er verfährt dabei so, wie es Bertolt Brecht als verfremdendes Verfahren für das epische Theater fordert: die Aufmerksamkeit auf den Handlungszusammenhang zu lenken, die Spannung und die Möglichkeit zur Identifikation abzubauen.

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Als überlegene auktoriale Instanz weiß der Erzähler Erzähler mehr als der Leser, den er an verals auktoriale schiedenen Stellen direkt anspricht, um so Instanz ein Hineindenken in das Handeln der Hauptperson zu erreichen. Einerseits ist der Erzähler ein nüchterner Beobachter des Geschehens um und mit Biberkopf, andererseits beruhigt er sein Publikum auch, wenn eine Nebenhandlung nicht weiter verfolgt werden kann, der Leser aber Interesse an ihr haben könnte. So weist er beschwichtigend darauf hin, dass der Leser sich um Cilly, die von Reinhold und von Franz verlassen wurde, nicht sorgen muss. »Oh, die wird sich schon durchschlagen, machen Sie sich keine Sorgen, um die müssen Sie sich gar keine Sorgen machen, die fällt immer wieder auf die Beine. Cilly zum Beispiel hat noch Geld für zwei Tage« (220). Die Rolle, die sich auch der Erzähler selbst Erzähler zuweist, ist die des Kommentators und Beals personaler obachters, der Kontakt zum Leser pflegt Beobachter und ein Geschehen zusammenfasst. Christoph Dunz hebt jedoch auch die unmittelbare Nähe des Erzählers zur Hauptperson hervor, betont sogar deren Identität, was zur Aufhebung der auktorialen Position zugunsten einer Personalisierung führt. Dieses belegt Dunz u. a. an folgender Stelle im Roman: Biberkopf erfährt aus der Zeitung von dem Tod Miezes und erinnert sich an seinen Sturz aus dem fahrenden Auto.15 Die Ausführung beginnt als ein Ausspruch des Erzählers »Unter dem Auto lag er, da war er wie jetzt […]«, dann aber verändert sich im selben Satz die Perspektive mit der Verwendung der 1. Person Singular: »[…] ich nehme mich zusammen, ich kann mich halten […] es will mich kaputt machen« (384), die berichtende Darstellung des Erzählers wird zur Figurenrede. Ein wei-

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teres Beispiel findet sich am Ende des Romans bei der Erdrosselung Miezes. Reinhold hat das Mädchen überwältigt, und der Erzähler teilt mit »zusammen zusammen zieht sich ihr Körper, Miezes Körper. Mörder sagt sie«, dann wechselt im selben Satz die Perspektive, aus Reinholds Sicht heißt es weiter »das soll sie erleben, das hat er dir wohl aufgetragen, dein süßer Franz« (352). Zu Biberkopf spricht nicht nur der Erzähler selbst, sondern noch eine weitere Stimme, die des ToDer Tod des, die immer wieder hörbar wird, seitdem als Erzäher sich Biberkopf mit Reinhold eingelassen hat. Zunächst ist diese Stimme als die des Todes nicht identifizierbar, wenn sie im vierten Buch die Haupfigur ermahnt, nicht nur in seiner Bude herumzuliegen und nichts anderes zu tun »als trinken und dösen und dösen!« Biberkopf weist die Belehrung mit den Worten zurück »Wen geht das was an, was ich mache. Wenn ich dösen will, dann döse ich bis übermorgen auf einem Fleck« (128). Ein längerer Dialog zwischen der Todesstimme und der Hauptfigur findet am Ende des vierten Buches statt, in der der Tod immer noch nicht identifizierbar ist, die Hauptperson aber ermahnt, sein Herz zu wappnen. Er gibt sich hier noch nicht zu erkennen, obwohl Biberkopf nach der Identität des Gesprächspartners fragt. Biberkopf hat in dieser Situation seinen ersten Schlag hinnehmen müssen, fühlt sich aber immer noch stark und fürchtet sich vor nichts: »›Ich hab Fäuste. Sieh mal, was für Muskeln ich habe‹« (162). Am Ende des Romans, Biberkopf liegt nun kraftlos im Delirium in der Nervenheilanstalt, nimmt im neunten Buch der Tod in einem längeren Gespräch direkt Kontakt zur Hauptperson auf. Dieser Dialog findet im Innern Biberkopfs statt, denn die an seinem Bett vorbeigehenden Perso-

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nen bemerken den Tod nicht und nehmen dessen Kampf mit dem Sterbenden nicht wahr. Der Tod, der über Biberkopf ein Beil schwingt, mit dem er ihn »Zentimeter um Zentimeter« (432) zerhackt, sagt von sich, er sei das Leben und verfüge über Kraft, die stärker sei als die »dicksten Kanonen« (431). Der Tod bringt Biberkopf dazu, wie oben dargetan, einen Neuanfang als neuer Mensch zu wagen. In der Forschung wird die direkte Vergleichbarkeit von Erzählerfigur und Tod, deren Identität, herausgestellt, da beide der Hauptfigur in deren Entwicklungsprozess folgten, diese direkt ansprächen und beide zeitweise abwesend seien.16 Wie der Tod gibt sich auch der Erzähler in der Vorrede zum Zweiten Buch mit den Worten »Ich habe ihn hergerufen zu keinem Spiel, sondern zum Erleben seines schweren, wahren und aufhellenden Daseins« (47) als eine Instanz zu erkennen, die Macht über Biberkopf auszuüben vermag. Eine Gemeinsamkeit besteht darüber hinaus noch darin, dass Erzähler und Tod über das Verhalten von Biberkopf urteilen. Aber bei genauerem Hinsehen unterscheidet sich der Tod doch von dem Erzähler, da er nicht selbst erzählt, sondern lediglich Kommunikationspartner ist. Döblin hat mit Berlin nicht nur die Hauptstadt Deutschlands, sondern eine lebendige, sich gewaltsam Berlin als entwickelnde Weltstadt als Ort der Handlung Synonym für die gewählt. Ihr Mittelpunkt ist der Alexandermoderne Stadt platz. Bei der Absicht, den östlichen Teil der Stadt ins Zentrum des Romans zu stellen, haben sicherlich auch biografische Gesichtspunkte den Ausschlag gegeben. Berlin eignet sich als Ort des Geschehens allerdings besonders deshalb, weil hier alle Erscheinungsformen der modernen Großstadt – Technik und Verkehr, Anonymität der Massengesellschaft und Vereinsamung,

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Reichtum und Elend, Rechtschaffenheit und Kriminalität – dicht beieinander liegen. Berlin war in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts zum Synonym für die moderne Großstadt geworden, hier konnte der Mensch zum Verbrecher werden, wenn er der Gesellschaft schutzlos ausgeliefert war. Die Metropole des Romans, der Alexanderplatz als ihr Zentrum, wird Symbolraum für das moderne Leben. Die Großstadt Berlin stellt Döblin exemplarisch und detailliert anhand der Gegend um den Alexanderplatz und die Rosenthaler Straße, einen Bereich im östlichen Teil der Stadt, vor. Das Bild der Großstadt vervollkommnet sich durch die Anfangskapitel einzelner Bücher (Buch 1, 2, 4, 5 und 7), durch die Nennung von Straßen und großen Geschäftshäusern, durch die Abbildung von Piktogrammen einzelner Abteilungen der Stadtverwaltung, die der Autor dem vom Magistrat herausgegebenen Amtsblatt für 1928 entnahm, durch Wiedergabe behördlicher Mitteilungen. Döblin erklärt das Verkehrssystem, die Stationen der Straßenbahnlinie 68, die Beförderungsbedingungen. Der Leser wird in das Milieu von Prostituierten und Homosexuellen geführt, er erhält Einblick in die soziale Struktur, wird konfrontiert mit Vertretern verschiedener sozialer Schichten. Anhand einzelner Lebensgeschichten erfährt der Leser etwas über die Probleme von Menschen im Überlebenskampf. Döblin zeichnet in Berlin Alexanderplatz ein umfassendes Milieugemälde. »Arbeiterschaft und Kleinbürgertum, Bürgertum und Unterwelt, Monde und Demimonde geben sich Rendezvous und setzen sich auseinander.«17 Um das Erscheinungsbild dieses hektischen Berlins einzufangen, »montiert Döblin – nur scheinbar wirr und regellos – Wirklichkeitsfetzen dieser Großstadt, Ausrufe, Plakatund Reklametexte, Firmenprospekte, amtliche Nachrich-

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ten, Schlachthausstatistiken, Bevölkerungs- und Gesundheitstabellen, Lieder und Wetterberichte mit Bemerkungen und Betrachtungen über zufällige Passanten, mit eingestreuten Lebensbildern der Bewohner irgendeines Mietshauses und zahllosen anderen Einzelheiten zu einem faszinierenden Panorama dieser Stadt«18. Diese Elemente, auch Zitate aus Dichtungen von Klassikern und der Bibel gehören dazu, werden unverändert oder auch verfremdet in den Roman eingearbeitet und stellen so eine Simultaneität von etwas her, das nebeneinander stehend eigentlich nicht zusammengehört, aber die Vielfalt der modernen Großstadt verdeutlicht, jedoch auch die Handlungen von Personen untermalt bzw. einen Blick in deren Unterbewusstsein gestattet. Das Montageprinzip, angelehnt an Verfahren des Futurismus und Dadaismus, steht seit dem ErMontageprinzip scheinen von Berlin Alexanderplatz paraals Verfahren digmatisch für den modernen Roman des Futurismus schlechthin, es wird nach dem 2. Weltkrieg und Dadaismus einen starken Einfluss auf die weitere Entwicklung der deutschen Prosa ausüben. Beim Leser wird zunächst der Eindruck erweckt, das harmonisch Geschlossene des Romans, Grundbedingung des klassischen Kunstwerks, sei zerstört, die Kontinuität der Perspektive aufgehoben. Es entsteht der Eindruck, Döblin habe fremde Texte woanders ausgeschnitten und einfach in den Erzähltext eingefügt. Aber die einzelnen Teile der Collage stehen nicht unverbunden neben dem erzählten Teil. Dem Leser wird die Aufgabe zugewiesen, das bereitgestellte Material selbst zu einem Ganzen zusammenzusetzen und so einen Sinn zu erzeugen. Die Montagetechnik ermöglicht den SiSimultanstil multanstil. Döblin hat in seiner Schrift

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Unser Dasein über die »Gleichzeitigkeit im Jetzt« als einzigartige Wahrheit gesprochen, um nicht nur auf die kausalen Beziehungen hinzuweisen, sondern auf das Nebeneinander von Erscheinungen, auf ihre Gleichzeitigkeit. »Man kennt in der Zeitlichkeit die Bindung der Ereignisse aneinander und hintereinander durch die Kausalität. […] Aber darüber hinaus ist noch der Zusammenhang des Nebeneinander, der Gleichzeitigkeit, die Aneinanderreihung im ausgefüllten Inhalt des Jetzt zu bedenken.«19 Der Eindruck soll vermieden werden, beim Zusammentreffen äußerer und innerer Vorgänge, bei der Überflutung des Nervensystems durch verschiedenartige Reize, entstünde etwas sinnlos Chaotisches, Zusammenhangsloses. Im Sinne des Futuristen ist das Chaos etwas Sinntragendes, nämlich die Spiegelung des modernen Daseins, der Inbegriff der aktuellen Wirklichkeit. Döblin hat dem Alexanderplatz in seinem Roman die zentrale Stellung zugewiesen, was nicht nur der Romantitel verdeutlicht. Der Alexanderplatz, Synonym Alexanderplatz für die sich verändernde, lärmende Metropole im Zentrum der Stadt, Mittelpunkt des Verkehrs und Geschäftslebens, ist Baustelle. Hier stellt der Erzähler auf engstem Raum die verschiedenartigen äußeren und inneren Eindrücke als gleichzeitige Wahrnehmung dar. Im Mittelpunkt steht die Dampframme, »ein Stock hoch, und die Schienen haut sie wie nichts in den Boden« (165). Döblin bringt die riesige Baustelle in BezieDampframme hung zu Rom, Babylon und Ninive, zu den antiken Weltstädten, die als Sinnbilder der Vergänglichkeit, der Dekadenz und des Hochmuts gegenüber Gott gelten, die aber nicht überlebten, sondern in Schutt und Asche liegen.

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Eingeleitet wird die viereinhalb Seiten (165–169) umfassende Passage, die das Treiben am Alexanderplatz thematisiert, mit dem Lärm, der von der arbeitenden Dampframme an der Baustelle für die Untergrundbahn ausgeht: »Rumm rumm wuchtet vor Aschinger auf dem Alex die Dampframme.« Dann schweift der Blick hinüber zu den vorbeigehenden Menschen in ihren Mänteln: »Wer einen Pelz hat, trägt ihn, wer keinen hat, trägt keinen. Die Weiber haben dünne Strümpfe und müssen frieren, aber es sieht hübsch aus.« Begleitet wird der umherschweifende Blick weiterhin von den Geräuschen der Dampframme sowie der Beobachtung, dass die Eisenstange »eins auf den Kopf« kriegt, »nachher ist sie klein wie eine Fingerspitze, dann kriegt sie aber immer noch eins, da kann sie machen, was sie will. Zuletzt ist sie weg.« Von nun an tritt der von der Ramme verursachte Lärm in den Hintergrund, während sich weitere Beobachtungen von der Baustelle, von Menschen und Fahrzeugen anschließen. Der Blick schweift hinüber zu der Stelle, wo die kolossale Berolina, eine Bronzestatue, stand, er geht hinüber zu den Massen von Arbeitern, dann zu den Straßenbahnen, die über den »holzbelegten Alexanderplatz« fahren, schließlich zu der durch den Abriss der Tabakhandlung Loeser und Wolff entstandene Lücke. An dieser Stelle montiert Döblin nur scheinbar zusammenhangslos, aber doch höchst beziehungsvoll eine Zigarrenwerbung mit Angaben zu verschiedenen Sorten und Preisen ein und in diesen Montagetext einen weiteren Reklamespruch für eine Weinbrandmarke. Der Blick schweift schließlich zu einem Wagen mit Bananen, was zu Assoziationen über diese Frucht führt. Das zentrale Motiv des Schlagens tritt nun mit Wortspiel wieder auf: »Ich zerschlage alles, du zerschlägst alles, es zerschlägt alles« (166).

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Während eingangs die niedrigen Temperaturen thematisiert wurden, geht der Erzähler jetzt auf den für die Passanten unangenehmen Wind ein, während die Witterungsverhältnisse für die Arbeiter keine Rolle zu spielen scheinen. Der Blick schweift nach diesem Exkurs wieder zum Speiselokal Aschinger, verbunden mit der Assoziation von Ernährungsfragen, einer Information über den »Gesundheitszustand fast aller Kulturvölker« und einem Werbetext zu Wurstwaren. Der Alexanderplatz ist auch Verkehrsknotenpunkt, weshalb erneut Straßenbahnen mit ihren Linien und Haltestellen in das Blickfeld geraten. Geregelt wird der Verkehr durch den »Schupo«, der »gewaltig den Platz beherrscht«: Er steht in »mehreren Exemplaren auf dem Platz«. »Jedes Exemplar wirft Kennerblicke nach zwei Seiten und weiß die Verkehrsregeln auswendig. Es hat Wickelgamaschen an den Beinen, ein Gummiknüppel hängt ihm an der rechten Seite, die Arme schwenkt er horizontal von Westen nach Osten […], der Osten ergießt sich nach Westen, der Westen nach Osten. Dann schaltet sich das Exemplar selbsttätig um: Der Norden ergießt sich nach Süden« (168). Den Abschluss dieses Panoramas bildet eine längere Passage über die Fußgänger sowie ihren Gemütszustand, bis noch einmal, den Rahmen bildend, die Ramme »rumm rumm ratscht«. Mit der Darstellung der Alexanderplatz-Szene stellt Döblin eine Wirklichkeit dar, die nicht nur in seiner Fantasie existiert. Dank der verwendeten Stilmittel der Montage und Simultaneität ist diese Darstellung als extrem realitätsbezogen anzusehen und unterscheidet sich dadurch auch vom eher nüchternen Naturalismus. Zusammengehalten wird dieses Gemälde vom Dröhnen

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der Dampframme, wobei das Verb schlagen in verschiedenen Varianten dominiert. Die Menschen treten dabei in den Hintergrund, haben ihre Individualität eingebüßt, gehen keine zwischenmenschlichen Beziehungen zueinander ein, treten lediglich als Masse auf und werden degradiert zu »Exemplaren«. Die Atmosphäre, die mittels der Simultantechnik bei der Darstellung des Alexanderplatzes geschaffen wird, setzt sich in der anschließenden Handlung fort. Den Momentaufnahmen unterschiedlichster Art folgt zunächst abschließend wieder ein Handlungsstrang: In einem neuen Absatz tritt Biberkopf abermals in den Vordergrund, der am Alexanderplatz mit seinem Rucksack steht, sich mit den akustischen und visuellen Eindrücken konfrontiert sieht, die er gleichzeitig aufzunehmen hat. Er verkauft Zeitungen, bevor er ein weiteres Mal Opfer eines existenzbedrohenden Schlages wird, wenn ihn Reinhold, dessen Bekanntschaft er machen wird, nach einer Diebestour aus dem fahrenden Auto stößt. Wie die Momentaufnahmen den Eindruck der Diskontinuität erwecken, bewegt sich Biberkopf scheinbar orientierungslos, kopflos durch sein weiteres Leben. Eine Wirklichkeit, die sich aus zahllosen montierten Einschüben ergibt, ist handlungsarm. Schon sehr früh, wohl im Zusammenhang mit der Niederschrift seines WallensteinRomans, hat Döblin 1917 in seinem Aufsatz Bemerkungen zum Roman die These vertreten, der Roman habe nichts mit Handlung zu tun. »Im Roman heißt es schichten, häufen, wälzen, schieben. […] Vorwärts ist niemals die Parole des Romans.«20 Der Roman muss vorstoßen zu dem Elementaren, zu den »einfachen großen elementaren Grundsituationen« des Menschen, wie Döblin es 1928 in einem Vortrag fordert,21 wobei beim Vorstoß zu den menschlichen Ele-

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mentarsituationen der Rezipient eingebunden wird. In Berlin Alexanderplatz hat der Leser Anteil am Leben des Biberkopf, er erlebt dessen Schicksalsschläge mit, aber auch dessen Läuterung. Biberkopfs Leben ist nicht das eines Einzelmenschen, hier zeigt sich etwas Exemplarisches, und für den Leser lohnt es sich, die Geschichte Biberkopfs zu betrachten, denn darauf weist schon der pädagogische Erzähler im Vorspann hin, sie »zu betrachten und zu hören« (12). Der Erzähler ist es, der dem Leser vor Augen führt, was mit dem passiert, der mehr vom Leben verlangt »als das Butterbrot« (12). Gleichnishaft wird ihm erzählt, wie der Mensch, nachdem er eine dunkle Allee entlanggehen musste, zu sich selbst kommt und ihm am Ende, nach der Erfahrung von Grenzsituationen, ein Weg eröffnet wird. Er erfährt auch etwas von der Passivität, durch die der Mensch hindurchgetrieben wird, von der fehlenden inneren Einsicht. Biberkopf öffnet nicht sich selbst die Augen, er vermag erst zu sehen, nachdem ihm der Star gestochen wurde. Wie der Hilfsportier, so soll sich auch der Leser gegenüber der Welt verhalten: »Wach sein, wach sein, es geht was vor in der Welt. Die Welt ist nicht aus Zucker gemacht« (454). Döblin beendet seinen Roman mit der für den Leser nicht unerwarteten Aufforderung, die Vorgänge in der Welt bewusst wahrzunehmen.

7. Autor und Zeit Kurzbiografie 1878 Am 10. August wird Bruno Alfred Döblin als viertes von fünf Kindern jüdischer Eltern in Stettin geboren. 1888 Die Mutter siedelt mit den fünf Kindern mittellos nach Berlin um, nachdem der Vater die Familie mit einer um zwanzig Jahre jüngeren Geliebten verlassen hat und in die USA ausgewandert ist. 1900–05 Abitur und Medizinstudium in Berlin und Freiburg. Promotion. Anschließend Assistenzarzt in einem psychiatrischen Krankenhaus in Prüll bei Regensburg. 1906–07 Assistenzarzt in der psychiatrischen Klinik BerlinBuch (»Irrenanstalt«), wo Döblin mit eigenen wissenschaftlichen Arbeiten zur Psychiatrie beginnt. Liebesverhältnis mit Frieda Luise Kunke. 1908 Assistenzarzt in der Inneren Abteilung des städtischen Urban-Krankenhauses in Berlin-Kreuzberg. Hier lernt er 1909 die Medizinstudentin Erna Reiss, Tochter eines wohlhabenden jüdischen Fabrikanten, kennen. 1910 Mit Herwarth Walden Gründung der literarischen Vereinigung Der Sturm sowie der gleichnamigen expressionistischen Zeitschrift. 1911 Niederlassung als praktischer (Armen-)Arzt am Halleschen Tor, später als Internist und Psychiater im Berliner Südwesten. Geburt von Bodo, des gemeinsamen Sohnes von Frieda Kunke und Alfred Döblin. 1912 Hochzeit mit Erna Reiss. Geburt des Sohnes Peter.

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Weitere Söhne: Wolfgang (1915), Klaus (1917), Stephan (1926). Austritt aus der Berliner jüdischen Gemeinde. 1914–18 Kriegsfreiwilliger, als Militärarzt im Elsass. 1918 Anteil an der Novemberrevolution und Anhänger der USPD. Die Haltung der SPD-Führung und der Verlauf der Revolution enttäuschen Döblin tief. 1919 Eröffnung einer Kassenarztpraxis in der Frankfurter Allee im Osten Berlins. 1919–22 Unter dem Pseudonym »Linke Poot« übt Döblin als politischer Journalist scharfe Kritik an der Weimarer Republik in der Neuen Rundschau. 1921 Übertritt von der USPD zur SPD, aus der er 1928 aus Protest gegen Bürokratie und Bonzentum austritt. 1924 Reise durch Polen. Erster Präsident des »Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller«. 1925 Gemeinsam mit Becher, Bloch, Brecht, Frank, Kisch, Piscator, Tucholsky u. a. Gründung der linken Schriftstellervereinigung »Gruppe 1925«, die 1928 zerfällt. 1928 Mitglied der »Sektion für Dichtkunst« in der Preußischen Akademie der Schönen Künste. 1933 Am 28. Februar, einen Tag nach dem Reichstagsbrand, Flucht über Stuttgart und Konstanz in die Schweiz; später folgt ihm die Familie nach Zürich. Im September Übersiedlung der Familie nach Paris. Döblin erklärt als »Mann jüdischer Abstammung« seinen Austritt aus der Akademie; Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft. 1936 Französische Staatsbürgerschaft. 1938 Zu Ehren des sechzigjährigen Döblin veranstaltet der »Bund Neues Deutschland« eine Feier, auf der Heinrich Mann und Anna Seghers sprechen.

Alfred Döblin, 1924

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1940 Arbeit im französischen Informationsministerium. Nach dem Einmarsch deutscher Truppen Flucht über Spanien und Portugal in die USA (zunächst New York, später Los Angeles). Für ein Jahr »writer« bei Metro-Goldwyn-Mayer und Mitarbeit an zwei Drehbüchern. Später finanzielle Unterstützung durch andere Autoren. Leben in der Isolation. 1941 Konversion zum Katholizismus, aber Geheimhaltung dieses Schritts bis 1945. 1943 Feier des 65. Geburtstags mit etwa 180 Gästen in einem Theater in Santa Monica bei Los Angeles, auf der Heinrich Mann die Festrede hält. 1945 Rückkehr nach Deutschland. Döblin versucht im Rang eines Oberst als Abteilungsleiter bei der Kulturbehörde der französischen Militärverwaltung in Baden-Baden zur demokratischen Erneuerung Deutschlands beizutragen. 1946–51 Gründung und Leitung der literarischen Zeitschrift Das Goldene Tor. 1947 Klagen über zunehmende Kurzsichtigkeit. 1948 Ausscheiden aus dem Dienst in der französischen Armee ohne Pensionsanspruch. 1949 Umzug nach Mainz, Mitbegründer und Vizepräsident der Akademie der Wissenschaften und Literatur in Mainz. 1953 Enttäuschung über die restaurative Entwicklung im Nachkriegsdeutschland, Umsiedlung nach Paris. 1957 Am 26. Juni stirbt Döblin nach fortgeschrittener Lähmung und fast völliger Erblindung im Krankenhaus Emmendingen (Südbaden). Beisetzung auf dem Friedhof in Housserars (Vogesen). Freitod der Ehefrau Erna am 14. September in der Pariser Wohnung.

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1978 Stiftung des Döblin-Preises durch Günter Grass, der Döblin als seinen Lehrer ansieht.

Werktabelle 1913 Die Ermordung einer Butterblume und andere Erzählungen. 1915 Die drei Sprünge des Wang-lun (R). 1918 Wadzeks Kampf mit der Dampfturbine (R). 1920 Wallenstein (R). 1921 Unter dem Pseudonym »Linke Poot«: Der deutsche Maskenball (11 Kritiken). 1924 Berge, Meere und Giganten (R). 1926 Reise in Polen (Reisebericht). 1927 Manas (epische Dichtung). 1929 Berlin Alexanderplatz (R); 1930 Hörspielfassung; Verfilmung mit Heinrich George. 1931 Die Ehe (Dr). 1934 Babylonische Wandrung (R). 1934 Pardon wird nicht gegeben (R). 1937 Amazonas (R). 1939 Bürger und Soldaten 1918 (1948 bis 1950 erweitert zu: November 1918 (3 Bände) (R). 1946 Hamlet oder Die lange Nacht nimmt ein Ende (R) (erschienen 1956). 1949 Schicksalsreise (Autobiografie).

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Bezüge zur Literatur der Zeit Berlin Alexanderplatz wird als einer der bedeutendsten Großstadtromane der deutschen Literatur angesehen, jedoch ist die urbane Wirklichkeit (das Leben in der Großstadt) bereits seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert mehrfach literarisch bearbeitet worden. Zahlreiche Autoren thematisierten das Verhältnis des Einzelnen zur Stadt und beschrieben damit ein Leben, das im Gegensatz zum bisher gewohnten stand. Die Auswüchse des Großstadtlebens – Krankheiten, Alkoholismus, Mietskasernenelend, Verkommenheit, Prostitution – und der Niedergang althergebrachter sozialer und ökonomischer Strukturen stehen im Mittelpunkt des Dargestellten. In Meister Timpe (1888), dem Berliner Roman von Max Kretzer, spielt, wie bei anderen naturalistischen Autoren auch, die Sozial- und Milieukritik ebenso eine bedeutende Rolle wie der Protest gegen die Gründerzeit, den Kapitalismus, die Ausbeutung. Da der Mensch als Produkt seiner Umstände angesehen wird, gilt der Alltag, detailfreudig gezeichnet, als das Eigentliche im Leben. Der Mensch wird nicht mehr, wie bisher in der Dichtung, als Ideenträger verstanden, durch den der Dichter seine eigenen Gedanken verkündet. Das Individuum geht vielmehr in der Masse auf, wobei die Stadt den Hintergrund liefert. Während im bürgerlich-realistischen Roman noch die Biografie einer Figur das Interesse des Autors fand, wird nun der Mensch im Rahmen der Klasse, in der er existiert, ins Geschehen gerückt. Auch in der naturalistischen Lyrik erheben die Autoren die Großstadt zum Thema, exemplarisch schon in der Lyrik-Anthologie Moderne Dichter-Charaktere, die Wilhelm Arendt 1885 herausgab.

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Für die Autoren des Expressionismus stellt das großstädtische Milieu etwas anderes dar als für die junge Generation naturalistischer Autoren im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert. Großstadt wird für sie zum Ort der Entfremdung des Individuums, zum Ort der Vereinsamung, zum Merkmal des Verfalls und des Niedergangs. Expressionistische Autoren verwerfen die Welt der großen Städte ebenso wie den durch die Technik herbeigeführten Fortschritt und die industrielle Produktionsweise. So wird in der Dichtung »eines Becher, Heym, Zech oder Trakl die Welt der Städte meist als eine Welt der ›Geschwüre‹, des ›Gassenkots‹, der ›Fäulnis‹, der ›Verwesung‹ oder der ›schwarzen Abgründe‹ beschrieben, in der sich überhaupt kein menschenwürdiges Dasein entwickeln kann«22. Albert Ehrenstein schreit in seinen »Gedichten« (1920) wie in einer Ekstase »Zerstört die Städte!« heraus. Um die herrschenden Kreise und ihre Wertvorstellungen zu entlarven, deformieren und entwürdigen expressionistische Autoren das Menschliche. Außenseiter und Deklassierte – Verbrecher, Zuhälter, Prostituierte, Wahnsinnige – gehören zum expressionistischen Repertoire. Die Literatur und darstellende Kunst dienen zur Entlarvung der bürgerlichen Welt und ihrer Werte. Während sich der Leser in die naturalistische Elendsmalerei noch in gewisser Weise hineinversetzen konnte, wird ihm die Identifikation nun unmöglich gemacht. Auf der anderen Seite ist die Großstadt bei expressionistischen Autoren aber nicht nur der ekelhafte Moloch, sie kann mit ihren vorwiegend nächtlichen Reizen, selbst wenn sie mit schmerzlichem Widerwillen empfunden werden, auch begeistern. Eine Aufarbeitung des Großstadtthemas fand in den frühen zwanziger Jahren auch durch Bertolt Brecht statt,

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der Döblin als seinen »unehelichen Vater« bezeichnete. Beide führten über Jahre hinweg fruchtbare Gespräche. In seinem Drama Im Dickicht der Städte, in den Jahren zwischen 1921 und 1924 entstanden, stellt er Chicago als Dschungel dar, in dessen System der menschliche Existenzkampf stattfindet. Angeregt durch die beiden amerikanischen Romane The Jungle (Der Sumpf) von Upton Sinclair (1906) und Hjulet (Das Rad) von Johannes V. Jensen (1905) nahm Brecht als Großstadt-Motive die Feindseligkeit der großen Stadt, die babylonische Sprachenverwirrung und den Asphaltdschungel auf. Im Herbst 1921 zog Brecht mit seinem halbfertigen Manuskript von Augsburg in die Metropole Berlin, ließ das Stück dann aber doch, wohl aus Gründen der Verfremdung, nicht in Berlin, sondern weiterhin in Amerika spielen, in der amerikanischen Großstadt, die den Nährboden liefert für den »Kampf zweier Männer in der Riesenstadt Chicago«, wie der Untertitel lautet. Thema ist der »unerklärliche Ringkampf zweier Menschen«, der »Untergang einer Familie«, »die aus den Savannen in das Dickicht der großen Stadt gekommen ist«.23 In seiner Oper Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny, die 1930 uraufgeführt wurde, stellt Brecht eine Stadt des Konsums und des Vergnügens dar, die der Welt der Arbeit keinen Raum mehr bietet: Genuss wird, wie es Marx im Kapital thematisiert, zum Gegenpol von Produktion. Während einige Autoren der zwanziger Jahre bürgerliche Intellektuelle in den Mittelpunkt des Großstadtlebens stellen, etwa Fabian (1931) bei Erich Kästner, wenden sich sozialistische Autoren dem sozialen Elend der Nachkriegsjahre und dem Klassenkampf zu. Von zeitgenössischen Kritikern wurde Döblin häufig vorgeworfen, er stünde in der Nachfolge der beiden Romanau-

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toren Dos Passos und Joyce, wogegen sich Döblin verwahrte. 1925 war John Dos Passos’ Roman Manhattan Transfer erschienen, der neben Berlin Alexanderplatz als moderner Großstadtroman schlechthin angesehen wird. An ihm bewunderte Döblin die innovativen Erzählelemente wie das Montageprinzip, die simultanen Momentaufnahmen und die inneren Monologe. 1927 war der andere Roman, Ulysses, ins Deutsche übersetzt, an dem der irische Dichter James Joyce in den Jahren 1914 bis 1921 gearbeitet hatte. Döblin lernte Ulysses Anfang 1928 kennen, zu einem Zeitpunkt, als er mit der Niederschrift von Berlin Alexanderplatz bereits begonnen hatte. Für den von ihm als ganz außergewöhnlich bezeichneten Roman des Iren verfasste Döblin 1928 eine Buchbesprechung. Wie Dos Passos hatte auch Joyce die modernen Erzähltechniken angewandt. Aber die für Berlin Alexanderplatz charakteristischen Stilmittel wie Montagetechnik und innerer Monolog lassen sich bereits im früheren Werk Döblins beobachten, in seinen ersten Erzählungen, seinen journalistischen Arbeiten, im Wallenstein-Roman (1918), in der Reise in Polen (1926). Auch das Thema Berlin hatte Döblin bereits bei der Umfrage der Vossischen Zeitung (16. 4. 1922) in dem Artikel »Hemmt oder beeinträchtigt Berlin wirklich das künstlerische Schaffen?« aufgegriffen. In seinen Beiträgen Vorstoß nach dem Westen und Die nördliche Friedrichstraße, die er unter dem Pseudonym »Linke Poot« für das Berliner Tageblatt (7. 11. 1923 und 28. 2. 1924) verfasste, erhob er Berlin ebenfalls zum Thema. Döblin kannte das Milieu, er hatte die sozialen Kämpfe beobachtet und hatte aufgezeichnet, wie er nach Erscheinen von Berlin Alexanderplatz schrieb, »was Technik und Industrie aus dem Menschen machen und wie sie zu Werkzeugen des Menschen zu Tyrannen über den Menschen werden«.24

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Alfred Döblin hat mit der ersten Niederschrift von Berlin Alexanderplatz wahrscheinlich im Oktober 1927 begonnen. Was ihn veranlasst hat, sich im neuen Roman der Großstadt Berlin zuzuwenden, lässt sich nicht genau bestimmen, mehrere Faktoren mögen zusammengekommen sein, sicherlich auch Ratschläge anderer Autoren. Im April 1928 sprach Döblin in seinem autobiografischen Essay Zwei Seelen in einer Brust erstmals von einem neuen Berlin-Roman und stellte bereits wenig später zwei Textausschnitte vor. Im Frühjahr 1929 war das Manuskript fertig, Döblin überarbeitete es aber noch einmal, ab dem 8. September erschien der Vorabdruck in der Frankfurter Zeitung in 29 Folgen. Anfang Oktober 1929 konnte dann das Buch in einer Auflage von 10 000 Stück ausgeliefert werden. Döblins Verleger Samuel Fischer riet ihm, den Untertitel »Die Geschichte vom Franz Biberkopf« als erläuternden Zusatz hinzuzufügen. Zu Beginn der Niederschrift des Romans hatte sich Döblin, fast 50 Jahre alt, über seine depressive Stimmung geäußert. Er selbst wurde zwar als Schriftsteller hoch geschätzt, zu den führenden Autoren der avantgardistischen Literatur gezählt und seine bisher erschienenen Bücher hatten zweifellos Anerkennung gefunden, aber ein wirklicher Durchbruch, auch in finanzieller Hinsicht, war ihm nicht gelungen. Das Versepos Manas, 1927 erschienen, spielte in der fernen, entlegenen Welt Indiens, und Döblin verzichtete auf jegliche Aktualisierung. Dieses Epos, in dem der Autor nicht die Massengesellschaft, sondern ein Individuum in das Zentrum der literarischen Gestaltung gestellt hatte, steht zu dem Biberkopf-Roman in enger Beziehung: Beide Helden, Manas und Biberkopf, kehren nach Überwindung ihrer bisherigen Existenzform zurück, der eine auf die Erde, der andere in die Stadt, beide Helden streben ein neues Leben an

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und stehen als gewandelte Personen wieder auf. Die Frage, der Döblin in beiden Werken nachging, formulierte er in einem Epilog 1948 folgendermaßen: »Wie geht es einem guten Menschen in unserer Gesellschaft? Laß sehen, wie er sich verhält und wie von ihm aus unsere Existenz aussieht.« 25 Es ist anzunehmen, dass die Uraufführung von Walter Ruttmanns Stummfilm Berlin – Die Sinfonie einer Großstadt am 23. September 1927 einen zusätzlichen Anstoß gegeben hat, das Berlin-Thema aufzugreifen, zumal das Prinzip der Dokumentation und der Montage das Filmexperiment beherrscht.26 1928 erschien der Fotoband Berlin von Mario von Bucovich, zu dem Döblin das Geleitwort verfasste. Hier bezeichnet er die Stadt als eine »moderne, junge, zukunftsreiche Riesensiedlung«27, in der ein ungeheurer Arbeitswille herrscht. Der Stil des Vorworts, die zahlreichen exakten statistischen Angaben, die Ausführungen zu den Menschen der Stadt und ihren Quartieren weisen eine Entsprechung zu weiten Teilen des Romans auf. Zudem hat Bucovich mit seinen Fotografien Motive und die Stimmung eingefangen, die auch für die Romanhandlung kennzeichnend sind. Berlin Alexanderplatz hat mit den in naturalistischer Manier konzipierten Romanen gemeinsam, dass die unteren Gesellschaftsschichten mit ihren Lebensbedingungen und ihrer Sprache literaturfähig blieben, aber Döblin ist nicht am Proletariat interessiert, seine Personen nimmt er aus der Schicht des Subproletariats; er verliert sich nicht in Kopien der städtischen industriellen Realität, nicht in der Darstellung von Details. Döblin erfasst die Wirklichkeit nicht mimetisch genau, seine Verwendung des Berliner Dialekts erfolgt abgewogen, ohne ihn dem Leser aufzudrängen. Das naturwissenschaftlich begründete posi-

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tivistische Weltbild naturalistischer Autoren lehnte der Autor ebenso ab wie die Anklage der Lebensumstände. Das Thema Großstadt bearbeitet er in seinem Roman aber auch grundlegend anders als die expressionistischen Autoren. Obwohl bei Döblin ebenfalls Verbrecher und Prostituierte zum Personal gehören, entwürdigt er nicht das Menschliche und betreibt keine Entlarvung der bürgerlichen Welt. Der Autor erforschte die pathologischen Züge der Zeit, wobei ihm seine ärztliche Ausbildung zugute kam, aber auch seine Erfahrungen als Arzt mit ebenden Menschen, die um den Alexanderplatz herum lebten.

8. Rezeption28 Mit dem Erscheinen des Romans Berlin Alexanderplatz, zunächst als Vorabdruck ab dem 8. September 1929 in 29 Folgen im Feuilletonteil der liberal-demokratischen Frankfurter Zeitung, dann im Verlag S. Fischer im Oktober 1929, war Alfred Döblin schlagartig ein bekannter Autor, dank der bald folgenden Übersetzungen seines Romans auch im Ausland. Schon nach kurzer Zeit waren die zehntausend Exemplare der ersten Auflage vergriffen, bis zum Jahresanfang 1930 wurden etwa 20000 Exemplare verkauft, bis zur »Machtergreifung« Hitlers am 30. Januar 1933 waren 50000 Exemplare in Deutschland gedruckt. Berlin Alexanderplatz gehörte aber auch zu den zahlreichen Werken, die am 10. Mai 1933 der Bücherverbrennung zum Opfer fielen. Im nationalsozialistischen Deutschland war Döblin »einer der verhaßtesten Schriftsteller, nicht nur als Jude und Sozialist, sondern als der seltene Fall eines politisch denkenden deutschen Dichters«29. Die Nationalsozialisten überantworteten gerade Berlin Alexanderplatz dem Scheiterhaufen, weil sie in dem Roman ein typisches Beispiel für »Asphaltliteratur« und »entarteter Kunst« sahen. Eine Auseinandersetzung mit Döblin unterblieb, seine Werke wurden wissenschaftlich ignoriert und als »undeutsch« oder »volksfremd« abqualifiziert, wie es in einer Literaturgeschichte hieß.30 Die Ausstrahlung einer Hörspielfassung in der »Berliner Funkstunde« war ursprünglich für den 30. September 1930 geplant gewesen, sie wurde aber von Döblin, der noch Passagen umzuarbeiten beabsichtigte, kurzfristig untersagt. Die Sendung konnte erst am 11. August 1963 im Berliner Rundfunk der DDR sowie am 15. September 1963 im

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Norddeutschen Rundfunk erfolgen.31 1931 wurde der Roman vom Regisseur Phil (Philipp) Jutzi mit dem prominenten Schauspieler Heinrich George, der auch in der Hörspielfassung Biberkopfs Part gesprochen hatte, in der Hauptrolle verfilmt. 1980 machte sich Rainer Werner Fassbinder an eine aufwändige Fernsehinszenierung. Reaktionen auf den Roman Berlin Alexanderplatz erfolgten gleich nach dem Vorabdruck in der Frankfurter Zeitung. Empörung machte sich breit. Es war die Rede vom »tiefsten Herabsteigen in den Schmutz des Lebens«, vor dem die Redaktion die Leser in Zukunft bitte bewahren möchte. »Wenn Döblin es Spaß macht, sich im Kot zu wälzen, so mag er es tun […]. Aber warum zwingen Sie Ihre Leser, jeden Morgen mit Tagesanfang durch diesen Dreck zu waten, in diese niedrigsten Niederungen der menschlichen Gesellschaft zu steigen, daß einem der Ekel aufsteigt«32, heißt es in einem entrüsteten Leserbrief vom 24. Oktober 1929. Das Echo auf den Vorabdruck war jedoch vielstimmig, neben den Zuschriften erzürnter Leser erreichten auch sehr viele beifällige Briefe die Redaktion. Die Buchbesprechungen setzten gleich nach der Auslieferung der ersten Auflage im Oktober 1929 ein. Viele Kritiker begrüßten ausdrücklich, dass nun ein Roman die unmittelbare zeitgeschichtliche Wirklichkeit zum Thema erhoben habe. Es wurden jedoch ebenfalls, wie in den Leserbriefen, konträre Stimmen laut. Zum einen feierten zahlreiche Rezensenten Berlin Alexanderplatz als ein bedeutendes literarisches Ereignis des Jahres 1929, doch urteilten andere auch verhalten, nicht zuletzt wegen der Lektüreschwierigkeiten, die Berlin Alexanderplatz verursachte. Das Formexperiment, ausgesprochen häufig sprach man die Technik der Montage an, war einigen Rezensenten nicht einsichtig. Besonders scharf übte

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Emanuel Bin Gorion Kritik am Erzählstil, wenn er von »allerhand Zeug« spricht, »das werweißwoher angeflogen kommt«. »Einen Müllkasten umwerfen und den Inhalt über eine große Strecke ausstreuen – dazu gehört weder Kraft noch Talent, noch ist irgend jemand damit gedient. Schlimmer noch ist es, daß der Unrat versippt wird mit Dingen, die immerhin aus edleren Quellen kommen, d. h. eben mit klassischen und religiösen Anklängen.«33 Aber gerade Döblins Erzählleistung lobten sehr viele Kritiker als ein äußerst produktives und zeitgemäßes künstlerisches Verfahren. Walter Benjamin hat als einer der ersten darauf verwiesen, welch große Bedeutung Döblin bei der Entwicklung des modernen Romans zukommt. Döblins außerordentliche Leistung, so Benjamin, liege vorwiegend in der Montage, der Autor habe darüber hinaus mit der Darstellung des Helden Biberkopf ein exemplarisches Beispiel für die Romantradition gegeben. Wie viele andere Rezensenten lobte auch Erich Kästner die Montagetechnik: »Wenn seinem Franz Biberkopf irgend etwas Persönliches zustößt, so berichtet Döblin gleich noch, was am selben Abend geschah: im Sport, in der Politik […]. So zügellos diese Manier sein mag, sie hilft […] tatsächlich dazu, hinter und neben dem Einzelschicksal eine ganze Stadt und eine ganze Zeit sichtbar zu machen.«34 Ein besonderes Lob kam von Thomas Mann, obwohl zwischen ihm und Döblin ein gespanntes Verhältnis bestand. »Dieser Schriftsteller [Döblin] ist kraft seiner kecken und scharfen künstlerischen Intelligenz, seines hohen Ehrgeizes, seiner Lebensnähe und seiner Gestaltungskraft, die original blieb, indem sie zu lernen verstand, im Begriffe, an die Spitze der geistigen Bewegung Deutschlands zu treten. […] ich bekenne, daß ich in Bewunderung stehe vor diesem großartig ge-

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lungenen Versuch, die proletarische Wirklichkeit unserer Zeit in die Sphäre des Epischen zu erheben.«35 Eine ideologische Auseinandersetzung mit Döblins Meisterwerk kam aus den Reihen des kommunistisch orientierten Bundes proletarisch-revolutionärer Schriftsteller (BPRS). Autoren des BPRS begriffen Literatur als politische Waffe, weshalb sie sich in der Zeitschrift Linkskurve radikal von jeder bürgerlichen Kunst abgrenzten. Bereits in der Zeitschrift der KPD, die Rote Fahne, hatte ein Kritiker am 17. Dezember 1929 Berlin Alexanderplatz als einen »konterrevolutionären Roman« klassifiziert, woraufhin Klaus Neukrantz, Gründungsmitglied des BPRS, Döblin als einen »sogenannten ›linksbürgerlichen‹ Schriftsteller« titulierte, der »eine Gefahr für das Proletariat« bedeute.36 Die Auseinandersetzung verschärfte sich durch einen programmatischen Aufsatz von Johannes R. Becher,37 woraufhin Döblin sich in einem Traktat mit den »Phrasen des Kommunistenhäuptlings Becher« auseinander setzte.38 Damit war die Debatte um Berlin Alexanderplatz noch nicht beendet. Otto Biha verfasste den Artikel Herr Döblin verunglückt in einer »Linkskurve« und setzte damit die Kontroverse in verschärfter Form fort. Biha sah in Berlin Alexanderplatz ein »Bekenntnis eines Kulturnihilisten, eines schwankenden, haltlosen, resignierten Bürgers, der endlich für seine innere Zerrissenheit die äußere Form (seinen Stil) gefunden hat. […] Berlin Alexanderplatz ist eine typische Verfallserscheinung des bürgerlichen Romans, der aus dem Realismus einer konsequenten Handlung in einen Scheinradikalismus der seelischen Zergliederung flüchtet.«39 Die Autoren der Linkskurve erreichten vorübergehend, dass Berlin Alexanderplatz in der Sowjetunion zunächst nicht gedruckt wurde, jedoch erschien 1935 der Roman

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auch hier und erhielt Zustimmung. Die Angriffe der Autoren aus dem BPRS minderten den Erfolg nicht, den Döblin national und international zu verzeichnen hatte. Döblin kehrte bereits am 9. November 1945 aus dem Exil nach Baden-Baden zurück, in Deutschland war er aber weitgehend in Vergessenheit geraten. Die jungen Autoren, die sich später in der Gruppe 47 zusammenfanden und für die weitere Entwicklung der Nachkriegsliteratur in der Bundesrepublik maßgeblich werden sollten, orientierten sich an amerikanischen Vorbildern und suchten nach einem wirklichen Neuanfang. Döblin »kam nicht an«, äußerte sich Günter Grass 1967: »Der progressiven Linken war er zu katholisch, den Katholiken zu anarchistisch, den Moralisten versagte er handfeste Thesen, fürs Nachtprogramm zu unelegant, war er dem Schulfunk zu vulgär.«40 Grass bekennt sich aber ausdrücklich dazu, Döblin viel zu verdanken, »mehr noch, ich könnte mir meine Prosa ohne die futuristische Komponente seiner Arbeit […] nicht vorstellen«41. Seit dem Jahr 1967, als Grass noch davon sprechen konnte, Döblin käme nicht an, ist viel geschehen, vor allem auf dem Gebiet der Forschung über den wichtigsten und bekanntesten Roman des Autors. Hiervon zeugen nicht zuletzt die großen Döblin-Kolloquien, auf denen sich auch die Internationale Döblin-Gesellschaft konstituierte. Einem breiten Publikum wurde Döblin und mit ihm Berlin Alexanderplatz jedoch durch Rainer Werner Fassbinders Romanverfilmung nahe gebracht. Der Regisseur Fassbinder berichtet in einem Essay, dass Berlin Alexanderplatz für ihn eine »große, fast existenzielle Bedeutung« gewann: »[…] mein Leben, gewiß nicht im Ganzen, aber doch in einigem, manchem, vielleicht Entscheidenderem als ich es bis heute zu überblicken vermag, wäre anders verlaufen, als es mit

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Döblins Berlin Alexanderplatz im Kopf, im Fleisch, im Körper als Ganzes und in der Seele […] verlaufen ist«.42 Fassbinder wandte sich Döblins Roman zu und erstellte für das Fernsehen die 14-teilige Serie Berlin Alexanderplatz mit einem Kostenaufwand von 13 Millionen DM. Ausgestrahlt wurde der Film vom 12. Oktober bis 29. Dezember 1980; er avancierte zu einem herausragenden, aber auch umstrittenen Medienereignis. Bewirkt hatte es immerhin, dass der Autor Alfred Döblin in Deutschland wieder bekannt und Berlin Alexanderplatz wieder gelesen wurde. Der renommierte Regisseur hatte keine werktreue Verfilmung vorgenommen, sondern eine individuell geprägte, der subjektiven Leseerfahrung entsprungene Interpretation des Romans mit filmästhetischen Akzenten umgesetzt. Die Zuschauer erhielten kein Bild vom Berlin der zwanziger Jahre, sondern einen Einblick in das Innere der Personen, wobei Fassbinder besonders am Innenleben von Biberkopf, dessen Rolle Günther Lamprecht übernahm, sowie an Biberkopfs Verhältnis zu Reinhold interessiert war. Die Reaktionen in den Massenmedien und bei der Kritik waren zwiespältig. Während im Feuilletonteil der großen Zeitungen Fassbinders Werk euphorisch aufgenommen wurde, unterstützte die Springer-Presse eine Kampagne gegen die Verfilmung. Viele bewerteten die TV-Serie als Ärgernis, was zur Folge hatte, dass die Wohnung des Regisseurs nach einer Morddrohung vorübergehend unter Polizeischutz gestellt werden musste. Das Ziel, die Fassbinder-Verfilmung vom Programm abzusetzen, gelang nicht, allerdings wurde die Sendezeit von 20.15 auf 21 Uhr verschoben, die Ausstrahlung des sehr umstrittenen »Epilogs«, der im Roman keine Entsprechung hatte, wurde nicht aufgehoben.

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Die Hauptvorwürfe, auch von renommierten Medienkritikern vorgetragen, konzentrierten sich auf die drastischen und brutalen Szenen und die Hervorhebung des Sexuellen, aber auch auf die künstlerische Umsetzung, besonders auf die Dunkelheit als ästhetisches Prinzip in den zahlreichen unterbelichteten Passagen. Fassbinder hatte auf eine historische Nachbildung der Rosenthaler Straße und des Alexanderplatzes verzichtet und die Romanvorlage, auch durch Reduzierung des Stoffes, sehr verändert. Auch 1931, nach der Uraufführung am 8. Oktober, hatte eine kontroverse Auseinandersetzung um die erste Verfilmung des Romans stattgefunden, an der so prominente Persönlichkeiten wie Bertolt Brecht, Lion Feuchtwanger, die Brüder Heinrich und Thomas Mann, Käthe Kollwitz, Walter Mehring und Arnold Zweig teilnahmen. »Einer der Gründe, weshalb die Mehrzahl der Kritiker den Film als letztendlich gescheitertes Experiment betrachtete, war das (Ver-)Fehlen echter Berliner Atmosphäre; daher meinten etliche Rezensenten, der Titel Berlin Alexanderplatz sei irreführend und müsse statt dessen ›Die Geschichte vom Franz Biberkopf‹ lauten. […] Gespalten war das Urteil über den alles beherrschenden Hauptdarsteller Heinrich George […].«43 Gabriele Sander hebt in ihrer umfangreichen Abhandlung über die Rezeption des Romans hervor, man müsse, um ein historisch gerechtes Urteil über die Verfilmung aus dem Jahr 1931 fällen zu können, berücksichtigen, unter welch kommerziellen Zwängen dieses Projekt gestanden habe. Außerdem müsse die Unerfahrenheit mit dem noch neuen Medium des Tonfilms in Rechnung gestellt werden. Die Verfilmung sei ein Kompromiss geworden zwischen den filmischen Möglichkeiten des Romans, den Ansprüchen der Branche und dem Publikumsgeschmack.44

9. Checkliste I 1. Skizzieren Sie den Lebensweg Biberkopfs. Welche Umstände führen zu den Schicksalsschlägen? Wie reagiert Biberkopf jeweils darauf? 2. Welche Rolle nehmen Frauen im Leben Biberkopfs ein? 3. Welche Rolle spielt Reinhold im Leben Biberkopfs? 4. Charakterisieren/Beschreiben und bewerten Sie Biberkopfs Einstellung zur Arbeit und zur Politik im Kontext der Kneipengespräche. 5. Welche Vorstellung von Gesellschaft spiegelt sich im Roman wider? 6. Reinhold hat zwei Gesichter. Erläutern Sie diese Feststellung. 7. Beziehen Sie Stellung zu dem Verhalten der Hauptpersonen: Mir gefällt an Biberkopf … Mir missfällt an Biberkopf … Mir gefällt an Mieze und an Eva … Mir missfällt an Mieze und an Eva … Mir gefällt an Reinhold … Mir missfällt an Reinhold … 8. Entwerfen Sie einen Brief, den Eva an den aus BerlinBuch entlassenen Biberkopf schreibt. 9. Entwerfen Sie eine Anklageschrift gegen Biberkopf.

9. CHECKLISTE

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II 1. Stellen Sie die Etappen der Entwicklung des Großstadtromans seit dem 19. Jahrhundert bis zur Veröffentlichung von Berlin Alexanderplatz dar. Oder: Stellen Sie auf einem Plakat die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der literarischen Darstellung des Themas »Großstadt« bei Autoren des Naturalismus, des Expressionismus und bei Döblin zusammen. 2. Stellen Sie die Argumente der Literaturkritiker nach dem Erscheinen von Berlin Alexanderplatz einander gegenüber. 3. Zeichnen Sie den Arbeitsprozess am Roman Berlin Alexanderplatz nach.

III 1. Was versteht die Literaturwissenschaft unter den Begriffen Collage- und Simultanstil? Wie verwendet Döblin diese Stilmittel in Berlin Alexanderplatz? Suchen Sie dazu Beispiele aus der darstellenden Kunst des 20. Jahrhunderts. 2. Was macht Berlin Alexanderplatz zu einem formal progressiven und innovativen Werk? 3. Ermitteln Sie die Erzählzeit und die erzählte Zeit in Berlin Alexanderplatz. 4. Suchen Sie Beispiele für Zeitraffung und Zeitdehnung. 5. Messen Sie am Beispiel der Ermordung Idas die Erzählzeit. 6. Stellen Sie den Aufbau des Romans schematisch auf einem Plakat dar.

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7. Welche Funktion erfüllen der Prolog, die Vorreden und die einleitenden Sätze der Kapitel? 8. Suchen Sie für die Sprachebenen (Hoch-, Umgangssprache, Dialekt, Gassenjargon) typische Stellen. 9. In welcher Weise verarbeitet Döblin in Berlin Alexanderplatz das alttestamentarische Buch Hiob? 10. Was ist im Romankontext ein Leitmotiv? 11. Welche Aufgabe kommt dem Erzähler des Romans zu? Welche dem Leser? 12. Wie gelingt es Döblin, die Atmosphäre des Alexanderplatzes ›realistisch‹ darzustellen? 13. Weshalb stellt Döblin einen Bezug zwischen dem Alexanderplatz und den antiken und untergegangenen Städten Babylon und Ninive her? 14. Was bedeutet Kontinuität und Diskontinuität im Erzählvorgang? 15. Inwiefern korrespondiert das zusammenhanglose Leben der Hauptperson mit der Art der literarischen Darstellung? IV 1. Der Erzähler ist diejenige Instanz, die das Geschehen vermittelt. Welche darüber hinausgehende Aufgabe erfüllt er in Berlin Alexanderplatz? 2. Inwiefern stellt Döblin die Großstadt Berlin als einen »pulsierenden Organismus« dar? 3. Inwieweit handelt es sich bei Berlin Alexanderplatz um ein Zeitstück, inwieweit behandelt der Roman ein überzeitliches Thema? 4. Welche zeitlosen Strukturen werden im Interpretationsteil (Kapitel 6) herausgearbeitet?

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5. Charakterisieren Sie anhand der Figur des Todes sowie seiner Gegenspielerin, der Hure Babylon, das duale Prinzip. 6. Erläutern Sie die Feststellung Döblins, dass es im Leben nicht so sehr darauf ankomme, ein anständiger Mensch zu sein, sondern vielmehr darauf, »den richtigen Nebenmenschen zu finden«. 7. Erläutern Sie den doppelten Titel des Romans.

10. Lektüretipps Textausgabe Alfred Döblin: Berlin Alexanderplatz. Die Geschichte vom Franz Biberkopf. München 2000. (dtv. 295.) [Die Ausgabe ist text- und seitenidentisch mit: Alfred Döblin. Ausgewählte Werke in Einzelbänden: Berlin Alexanderplatz. Zürich/Düsseldorf: Walter, 1996.]

Literaturtheoretische Schriften Alfred Döblins Unser Dasein. Olten/Freiburg i. Br. 1964. Schriften zur Ästhetik, Poetik und Literatur. Olten/Freiburg i. Br. 1989.

Sekundärliteratur zu Alfred Döblin Alfred Döblin 1878–1978. Eine Ausstellung des Deutschen Literaturarchivs im Schiller-Nationalmuseum Marbach am Neckar. Marbach 1978. Arnold, Armin: Alfred Döblin. Berlin 1996. Grass, Günter: Über meinen Lehrer Döblin. In: Akzente 14 (1967) S. 290–309. Links, Roland: Alfred Döblin. Leben und Werk. Berlin (DDR) 1976. Müller-Salget, Klaus: Alfred Döblin. Werk und Entwicklung. Bonn 1988. Prangel, Matthias: Alfred Döblin. Stuttgart 1987.

10. LEKTÜRETIPPS

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Sander, Gabriele: Alfred Döblin. Stuttgart 2001. (RUB. 17632.) Schröter, Klaus: Alfred Döblin mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Reinbek bei Hamburg 51993.

Materialien zu Berlin Alexanderplatz Alfred Döblin: Berlin Alexanderplatz. Materialien ausgew. und eingel. von Dieter Mayer. Stuttgart 1980. Prangel, Matthias (Hrsg.): Materialien zu Alfred Döblin: Berlin Alexanderplatz. Frankfurt a. M. 1975. Sander, Gabriele: Erläuterungen und Dokumente: Alfred Döblin: Berlin Alexanderplatz. Stuttgart 1998. (RUB. 16009.) Sekundärliteratur zu Berlin Alexanderplatz Bayerdörfer, Hans-Peter: Der Wissende und die Gewalt. Alfred Döblins Theorie des epischen Werkes und der Schluß von Berlin Alexanderplatz. In: Matthias Prangel (Hrsg.): Materialien zu Alfred Döblin: Berlin Alexanderplatz. Frankfurt a. M. 1975. S. 150–185. – Alfred Döblin: Berlin Alexanderplatz. In: Interpretationen. Romane des 20. Jahrhunderts. Bd. 1. Stuttgart 1993. (RUB. 8088.) S. 158–193. Bekes, Peter: Alfred Döblin: Berlin Alexanderplatz. München 1995. Dunz, Christoph: Erzähltechnik und Verfremdung. Die Montagetechnik und Perspektivierung in Alfred Döblins Berlin Alexanderplatz und Franz Kafka: Der Verschollene. Bern/Berlin [u. a.] 1995.

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10. LEKTÜRETIPPS

Keller, Otto: Döblins Berlin Alexanderplatz. Die Großstadt im Spiegel ihrer Diskurse. Bern / Frankfurt a. M. / New York 1990. Koopmann, Helmut: Der klassisch-moderne Roman in Deutschland. Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1983. [Zu Berlin Alexanderplatz: S. 77–112.] – Berlin Alexanderplatz. In: Hans V. Geppert (Hrsg.): Große Werke der Literatur. Tübingen 1992. S. 197–213. Matzkowski, Bernd: Alfred Döblin: Berlin Alexanderplatz. Hollfeld 2000. Muschg, Walter: Ein Flüchtling. Alfred Döblins Bekehrung. In: W. M.: Die Zerstörung der deutschen Literatur. Bern 1958. – Alfred Döblins Roman Berlin Alexanderplatz. Die Geschichte vom Franz Biberkopf. In: Manfred Brauneck (Hrsg.): Der deutsche Roman im 20. Jahrhundert. Bd. 1. Bamberg 1976. S. 168–180. Scherpe, Klaus R.: Von der erzählten Stadt zur Stadterzählung. Der Großstadtdiskurs in Alfred Döblins Berlin Alexanderplatz. In: Jürgen Fohrmann / Harro Müller (Hrsg.): Diskurstheorien und Literaturwissenschaft. Frankfurt a. M. 1988. S. 418–437. Schöne, Albrecht: Döblin – Berlin Alexanderplatz. In: Benno von Wiese (Hrsg.): Der deutsche Roman 2. Düsseldorf 1965. S. 291–325. Schuster, Ingrid / Ingrid Bode (Hrsg.): Alfred Döblin im Spiegel der zeitgenössischen Kritik. Bern/München 1973. Siepmann, Thomas: Alfred Döblin: Berlin Alexanderplatz. Stuttgart/Düsseldorf/Leipzig 21999. Stühler, Friedbert: Alfred Döblin: Berlin Alexanderplatz. Wolfgang Koeppen: Tauben im Gras: Der moderne deutsche Großstadtroman. Hollfeld 1996.

10. LEKTÜRETIPPS

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Ausführlichere Literaturhinweise in: Gabriele Sander: Erläuterungen und Dokumente: Alfred Döblin: Berlin Alexanderplatz. Stuttgart 1998. (RUB. 16009.)

Anmerkungen 1 Döblins Bericht über seine »Zukunftspläne«, zit. nach: Gabriele Sander, Erläuterungen und Dokumente, Alfred Döblin, »Berlin Alexanderplatz«, Stuttgart 1998 (RUB, 16009), S. 110. 2 Hans-Peter Bayerdörfer, »Der Wissende und die Gewalt«, in: Matthias Prangel, Materialien zu Alfred Döblin, »Berlin Alexanderplatz«, Frankfurt a. M. 1975, S. 180. 3 Helmut Koopmann, Der klassisch-moderne Roman in Deutschland, Stuttgart [u. a.] 1983, S. 77 ff. 4 Alfred Döblin, Brief an Julius Petersen, 18. 8. 1931, zit. nach: Prangel, Materialien (Anm. 2), S. 41 f. 5 Roland Links, Alfred Döblin. Leben und Werk, Berlin (DDR) 1976, S. 117. 6 Zit. nach Prangel, Materialien (Anm. 2), S. 41. 7 Alfred Döblin, Brief an Julius Petersen, 18. 8. 1931, zit. nach: Prangel, Materialien (Anm. 2), S. 42. 8 Zit. nach: Prangel, Materialien (Anm. 2), S. 44. 9 Alfred Döblin, Mein Buch »Berlin Alexanderplatz«, zit. nach: Prangel, Materialien (Anm. 2), S. 44. 10 Alfred Döblin, Nachwort zu einem Neudruck, zit. nach: Prangel, Materialien (Anm. 2), S. 47. 11 Als Quelle diente ihm die Denkschrift zur Eröffnung des neuen Fleisch-Großmarktes der Stadt Berlin von 1925 (Sander, Anm. 1, S. 30). 12 Otto Keller, Döblins »Berlin Alexanderplatz«, Bern/Frankfurt a. M. [u. a.], S. 55. 13 Ebd., S. 58. 14 Alfred Döblin, Schriften zur Ästhetik, Politik und Literatur, Olten / Freiburg i. Br. 1989, S. 225. 15 Christoph Dunz, Erzähltechnik und Verfremdung, Bern/Berlin/Frankfurt a. M. 1995, S. 71. 16 Ebd., S. 82 f. 17 Hans-Peter Bayerdörfer, »Alfred Döblin, Berlin Alexanderplatz«, in: Interpretationen: Romane des 20. Jahrhunderts, Bd. 1, Stuttgart 1993 (RUB, 8088), S. 182. 18 Links (Anm. 5), S. 124. 19 Alfred Döblin, Unser Dasein, Olten / Freiburg i. Br. 1964, S. 216.

ANMERKUNGEN

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20 Alfred Döblin, Bemerkungen zum Roman, in: Schriften zur Ästhetik, Poetik und Literatur, Olten /Freiburg i. Br. 1989, S. 124. 21 Alfred Döblin, Bau des epischen Werks, ebd., S. 245. 22 Richard Hamann / Jost Hermand, Epochen deutscher Kultur von 1870 bis zur Gegenwart, Bd. 5: Expressionismus, Frankfurt a. M. 1977, S. 28. 23 Bertolt Brecht, Gesammelte Werke 1, Frankfurt a. M. 1967, S. 126. 24 In einem Typoskript um 1930, zit. nach: Alfred Döblin 1878– 1978, Marbach 1978, S. 214. 25 Zit. nach: Prangel, Materialien (Anm. 2), S. 45. 26 Zit. nach: Sander (Anm. 1), S. 105. 27 Döblin im Geleitwort (S. XII) zum Fotoband Berlin von Mario von Bucovich (1928). 28 Eine umfassende Darstellung der Rezeptionsgeschichte des Romans Berlin Alexanderplatz, die auch ausführlich auf die beiden Verfilmungen der Jahre 1931 und 1980 sowie auf die Forschungsgeschichte eingeht, hat Gabriele Sander (Anm. 1), S. 137–256, vorgelegt. 29 Walter Muschg, Ein Flüchtling, in: W. M., Die Zerstörung der deutschen Literatur, Bern 1958, S. 127. 30 Franz Koch, Geschichte deutscher Dichtung, Hamburg 1937, S. 306. 31 Sander (Anm. 1), S. 224 f. 32 Sander (Anm. 1), S. 137. 33 Emanuel Bin Gorion, Neue Revue, Bd. 3 (1931), zit nach: Sander (Anm. 1), S. 146. 34 Erich Kästner, Das deutsche Buch, November/Dezemer 1929, S. 358, zit. nach: Sander (Anm. 1), S. 151. 35 Thomas Mann 1929, zit. nach: Sander (Anm. 1), S. 163 f. 36 Die Linkskurve, Dezember 1929, zit. nach: Sander (Anm. 1), S. 158 f. 37 Die Linkskurve, Januar 1930. 38 Alfred Döblin, »Katastrophe in einer Linkskurve«, in: Das Tagebuch, 3. 5. 1930, zit. nach: Sander (Anm. 1), S. 159. 39 Otto Biha, »Herr Döblin verunglückt in einer ›Linkskurve‹«, in: Die Linkskurve, Juni 1930, zit. nach: Sander (Anm. 1), S. 159 f. 40 Günter Grass, »Über meinen Lehrer Döblin«, in: Akzente 14 (1967) S. 308.

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ANMERKUNGEN

Ebd., S. 291. Die Zeit vom 14. 3. 1980, zit. nach: Sander (Anm. 1), S. 245. Sander (Anm. 1), S. 236, 240. Sander (Anm. 1), S. 244.