Kleben : Grundlagen, Technologien, Anwendungen
 9783540312239, 3540312234 [PDF]

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Zitiervorschau

Gerd Habenicht Kleben: Grundlagen, Technologien, Anwendungen

Gerd Habenicht

Kleben

Grundlagen, Technologien, Anwendungen 5., erweiterte und aktualisierte Auflage

Mit 255 Abbildungen und 37 Tabellen

2 3

Dr. rer. nat. Gerd Habenicht Universitätsprofessor (emer.), Lehrstuhl für Fügetechnik der Technischen Universität München Seestraße 33 82237 Wörthsee/Steinebach

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

ISBN 10 3-540-26273-3 Springer Berlin Heidelberg New York ISBN 13 978-3-540-26273-2 Springer Berlin Heidelberg New York Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1986, 1990, 1997, 2002 und 2006 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichenund Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Sollte in diesem Werk direkt oder indirekt auf Gesetze, Vorschriften oder Richtlinien (z.B. DIN, VDI, VDE) Bezug genommen oder aus ihnen zitiert worden sein, so kann der Verlag keine Gewähr für Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität übernehmen. Es empfiehlt sich, gegebenenfalls für die eigenen Arbeiten die vollständigen Vorschriften oder Richtlinien in der jeweils gültigen Fassung hinzuziehen. Anzeigen: Renate Birkenstock, [email protected], Springer-Verlag GmbH, Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Tel.: +49 30/82787-5732, Fax -5300 Einbandgestaltung: Atelier Struve & Partner, Heidelberg Satzherstellung und Reproduktion der Abbildungen: Fotosatz-Service Köhler GmbH, Würzburg Herstellung: Reinhold Schöberl, Würzburg Gedruckt auf säurefreiem Papier 68/3020/kk – 5 4 3 2 1 0

Vorwort zur 5. Auflage

Mit der Herausgabe der vorliegenden 5. vollständig neu bearbeiteten und ergänzten Auflage sind seit der Erstauflage im Jahre 1986 zwanzig Jahre vergangen. Ein Zeitraum, der dem Fertigungssystem Kleben in Grundlagen, Technologien und Anwendungen außerordentliche und zum Teil auch spektakuläre Fortschritte gebracht hat. Während dieser Entwicklungen haben die bisherigen Auflagen für die Wissensvermittlung in den verschiedenen Bereichen der Klebtechnik beitragen können und sind von der Fachwelt sehr wohlwollend aufgenommen worden. Dieser Sachverhalt war für Verlag und Autor Anlass, wiederum eine dem aktuellen Wissensstand entsprechende Auflage herauszugeben. Die wichtigsten Neubearbeitungen und Ergänzungen erfolgten auf den Gebieten – – – – – – – – –

Nanotechnologie für klebtechnische Anwendungen Klebstoffentwicklungen für Crashbeanspruchungen elastisches Kleben Hybrid-(Kombinations-)Klebungen Klebebänder und Haftklebstoffe Dichtstoffe und Klebestifte Automatisierung in der Klebstoffverarbeitung Plasmaverfahren Anwendungen in den Gebieten Fahrzeugbau, Elektronik und weiteren wichtigen Bereichen.

Für diese Arbeiten dienten Forschungsberichte und Veröffentlichungen aus befreundeten Instituten und wissenschaftlichen Einrichtungen als wertvolle Hilfe, für die an dieser Stelle gedankt sei. Einen besonderen Schwerpunkt bei der Bearbeitung nahm abermals die Patentliteratur ein, die dankenswerter Weise von Herrn Dipl.-Chem. Rudolf Hinterwaldner, Hinterwaldner Consulting, zur Verfügung gestellt wurde. Da ca. 80% des dokumentierten Wissens heute in Patentschriften zu finden ist, ist diese Informationsquelle auch für das Gebiet des Klebens unverzichtbar, zumal deren Inhalte in Fachzeitschriften aus Prioritätsgründen nur eingeschränkt veröffentlicht werden. Patentschriften bieten außerdem in vorteilhafter Weise Einblicke in entwicklungsgeschichtliche Hintergründe, aktuelle Entwicklungstrends sowie in das Basiswissen für Neuentwicklungen und

VI

Vorwort zur 5. Auflage

technologische Anwendungen. Hinzu kommt, dass durch die moderne Informationstechnologie die Patentliteratur bei der täglichen Arbeit ohne großen zeitlichen Aufwand verfügbar ist. Dieser Erkenntnis folgend, wurden 197 nationale und internationale Patentschriften und Patentanmeldungen neu aufgenommen und den entsprechenden Abschnitten bzw. Themenbereichen systematisch zugeordnet. Somit verfügt das bei allen Auflagen ständig erweiterte Literaturverzeichnis in Kapitel 18 nunmehr über 345 Patentschriften, ergänzt durch 3714 Veröffentlichungen aus nationalen und internationalen Fachzeitschriften sowie über eine Zusammenstellung von 89 Fachbüchern aus dem deutschen und angelsächsischen Sprachraum. Auf diese Weise soll erreicht werden, der Fachwelt eine Informationsquelle über das Kleben in den vergangenen Jahrzehnten zur Verfügung zu stellen, in denen diese Fügetechnologie dank herausragender Ergebnisse in Forschung, Entwicklung und Anwendung einen festen Platz als industrielles Fertigungsverfahren gefunden hat. Die Tatsache, dass das für technisch relevante Gebiete in der Vergangenheit erarbeitete Normenwerk „lebendig“ ist und wegen des technologischen Fortschritts ständigen Änderungen und Ergänzungen unterliegt, war Anlass, das Kapitel 17 nach Maßgabe verfügbarer Unterlagen neu zu gestalten. Ein besonderer Dank gilt an dieser Stelle Herrn Dr. Ing. Paul Ludwig Geiss, Professor für das Fachgebiet Fügetechnik, Arbeitsgruppe Werkstoff- und Oberflächentechnik (AWOK), Technische Universität Kaiserslautern, für seine wertvolle Unterstützung. Dem Springer-Verlag bin ich erneut für die stets hilfreiche und konstruktive Zusammenarbeit sowie für die sorgfältige Ausstattung sehr verbunden. Der Autor wünscht sich, dass diese Neubearbeitung in gleicher Weise wie die vorhergehenden Auflagen als willkommener Beitrag für klebtechnische Informationen angesehen wird. Sollten Teile des Inhaltes einer kritischen Bewertung bedürfen, sei an das folgende Goethe-Zitat erinnert: „So eine Arbeit wird eigentlich nie fertig, man muß sie für fertig erklären, wenn man nach Zeit und Umständen das Mögliche gethan hat.“ Wörthsee/Steinebach, im Herbst 2005

Gerd Habenicht

Inhaltsverzeichnis

Verzeichnis der Formelzeichen und Abkürzungen Einleitung

. . . . . . . . . XXV

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

1 1.1 1.2 1.2.1 1.2.2 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.2.1 1.3.2.2

Einteilung und Aufbau der Klebstoffe . . . Begriffe und Definitionen . . . . . . . . . . Einteilung der Klebstoffe . . . . . . . . . . Einteilung nach der chemischen Basis . . . . Einteilung nach dem Abbindemechanismus . Aufbau der Klebstoffe . . . . . . . . . . . . Chemischer Aufbau der Monomere . . . . . Aufbau der Polymere . . . . . . . . . . . . Reaktionsmechanismen zur Polymerbildung Struktur der Polymere . . . . . . . . . . .

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3 3 4 4 5 7 8 10 10 11

2 2.1 2.1.1 2.1.1.1 2.1.1.1.1 2.1.1.1.2 2.1.1.1.3 2.1.1.2 2.1.1.2.1 2.1.1.2.2 2.1.1.2.3 2.1.1.2.4 2.1.1.3 2.1.1.3.1 2.1.1.3.2 2.1.1.3.3 2.1.1.3.4 2.1.1.3.5 2.1.1.3.6 2.1.1.3.7 2.1.1.3.8

Klebstoffgrundstoffe . . . . . . . . . . . . . . Polymerisationsklebstoffe . . . . . . . . . . . . Einkomponenten-Polymerisationsklebstoffe . . Cyanacrylatklebstoffe . . . . . . . . . . . . . . Chemischer Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . Eigenschaften und Verarbeitung . . . . . . . . . Primer und Aktivatoren für Cyanacrylatklebstoffe Anaerobe Klebstoffe (Diacrylsäureester) . . . . Chemischer Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . Härtungsreaktionen . . . . . . . . . . . . . . Beschleuniger und Aktivatoren . . . . . . . . . Eigenschaften und Anwendungen . . . . . . . . . Strahlungshärtende Klebstoffe . . . . . . . . . Allgemeine Betrachtungen . . . . . . . . . . . Aufbau strahlungshärtender Klebstoffsysteme . Reaktionsmechanismen . . . . . . . . . . . . . UV-Strahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Energetische Betrachtungen . . . . . . . . . . UV-Strahler . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reflektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Photoinitiatoren . . . . . . . . . . . . . . . . .

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15 15 17 17 17 18 22 23 24 25 28 29 31 31 31 33 34 35 36 38 39

. . . . . . . . . .

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VIII

2.1.1.3.9 2.1.1.3.10 2.1.1.3.11 2.1.1.3.12 2.1.1.3.13 2.1.1.3.14 2.1.1.3.15 2.1.1.4 2.1.2 2.1.2.1 2.1.2.2 2.1.3 2.1.3.1 2.1.3.2 2.1.3.3 2.1.3.4 2.1.3.5 2.1.3.6 2.1.3.7 2.1.3.8 2.1.3.9 2.1.4 2.1.4.1 2.1.4.2 2.1.4.3 2.1.4.4 2.1.4.5 2.1.4.6 2.1.5 2.1.5.1 2.1.5.2 2.1.5.3 2.2 2.2.1 2.2.1.1 2.2.1.2 2.2.1.3 2.2.1.4 2.2.1.5 2.2.1.6 2.2.1.7 2.2.1.8 2.2.1.9 2.2.2 2.2.2.1

Inhaltsverzeichnis

Photosensibilisatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . Kationische Strahlungshärtung . . . . . . . . . . . . Lichthärtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kombinationshärtung . . . . . . . . . . . . . . . . Elektronenstrahlhärtung . . . . . . . . . . . . . . . Laserstrahlhärtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aerobe Klebstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweikomponenten-Polymerisationsklebstoffe . . . . . Methacrylatklebstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . Verarbeitungssysteme der Methylmethacrylatklebstoffe Polymere Grundstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . Polyvinylacetat (PVAC) . . . . . . . . . . . . . . . . Polyvinylalkohol (PVAL) . . . . . . . . . . . . . . . Polyvinylether . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ethylen-Vinylacetat (EVA) . . . . . . . . . . . . . . Ethylen-Acrylsäure-Copolymere . . . . . . . . . . . Polyvinylacetale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polystyrol (PS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polyvinylchlorid (PVC) . . . . . . . . . . . . . . . . Polyvinylidenchlorid (PVDC) . . . . . . . . . . . . . Kautschukpolymere . . . . . . . . . . . . . . . . . Styrol-Butadien-Kautschuk (SBR) . . . . . . . . . . . Styrol-Blockpolymere . . . . . . . . . . . . . . . . Chloroprenkautschuk (CR) . . . . . . . . . . . . . . Nitrilkautschuk (NBR) . . . . . . . . . . . . . . . . Butylkautschuk (IIR) . . . . . . . . . . . . . . . . . Polybutene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Thermoplaste . . . . . . . . . . . . . . . . Polyethylen (PE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polypropylen (PP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fluorierte Kohlenwasserstoffe (Fluorthermoplaste) . . Polyadditionsklebstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . Epoxidharzklebstoffe (EP) . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau der Epoxidharze . . . . . . . . . . . . . . . Vernetzungsreaktionen der Epoxidharze . . . . . . . Kalthärtende Epoxidharzklebstoffe . . . . . . . . . . Warmhärtende Epoxidharzklebstoffe . . . . . . . . . Zweikomponenten-Epoxidharzklebstoffe . . . . . . . Lösungsmittelhaltige Epoxidharzklebstoffe . . . . . . Zähharte („toughened“) Epoxidharzklebstoffe . . . . Reaktive Epoxidharzschmelzklebstoffe . . . . . . . . . Pulverförmige Epoxidharzklebstoffe . . . . . . . . . . Polyurethanklebstoffe (PUR) . . . . . . . . . . . . . Feuchtigkeitshärtende Einkomponenten-Polyurethanklebstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42 42 43 44 44 47 47 48 49 50 52 55 56 56 57 58 59 59 60 61 61 62 62 63 66 68 68 69 69 69 70 72 73 73 73 77 82 83 84 85 85 90 91 92

. .

96

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Inhaltsverzeichnis

2.2.2.2 2.2.2.3 2.2.2.3.1 2.2.2.3.2 2.2.2.4 2.2.2.5 2.2.2.6 2.2.2.7 2.2.2.8 2.2.3 2.3 2.3.1 2.3.1.1 2.3.1.2 2.3.1.3 2.3.1.4 2.3.1.5 2.3.2 2.3.3 2.3.3.1 2.3.3.2 2.3.4 2.3.4.1 2.3.4.2 2.3.4.3 2.3.4.4 2.3.4.5 2.3.4.5.1 2.3.4.5.2 2.3.4.5.3 2.3.5 2.3.6 2.3.7 2.3.8 2.4 2.5 2.5.1 2.5.1.1 2.5.1.2 2.5.1.3 2.5.2 2.5.3 2.6 2.7 2.7.1 2.7.2

Zweikomponenten-Polyurethanklebstoffe . . . . . Polyurethandispersionen . . . . . . . . . . . . . Emulgatorhaltige Dispersionen . . . . . . . . . . Emulgatorfreie Dispersionen . . . . . . . . . . . Lösungsmittelhaltige Polyurethanklebstoffe . . . . Reaktive Polyurethan-Schmelzklebstoffe . . . . . Thermisch aktivierbare Polyurethanklebstoffe . . Radikalisch vernetzende Polyurethanklebstoffe . . Polyurethan-Elastomere . . . . . . . . . . . . . Polycyanurate . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polykondensationsklebstoffe . . . . . . . . . . . Formaldehydkondensate . . . . . . . . . . . . . Phenol-Formaldehydharz-Klebstoffe (PF) . . . . . Kresol-/Resorzin-Formaldehydharz-Klebstoffe . . Harnstoff-Formaldehydharz-Klebstoffe (UF) . . . . Melamin-Formaldehydharz-Klebstoffe . . . . . . . Formaldehydemissionen . . . . . . . . . . . . . Polyamide (PA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polyester . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesättigte Polyester und Copolyester . . . . . . . Ungesättigte Polyester . . . . . . . . . . . . . . Silicone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einkomponenten-RTV-Systeme . . . . . . . . . . Zweikomponenten-RTV-Systeme . . . . . . . . . Siloxan-Dispersionen . . . . . . . . . . . . . . . Silicon-Trennmittel . . . . . . . . . . . . . . . . Silanmodifizierte (MS) Polymere . . . . . . . . . Aufbau der MS-Polymere . . . . . . . . . . . . . Eigenschaften und Verarbeitung . . . . . . . . . Modifikationen von MS-Dichtstoffen . . . . . . . Polyimide (PI) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polybenzimidazole . . . . . . . . . . . . . . . . Polysulfone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polysulfide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassende Darstellung der Polyreaktionen Klebstoffe auf natürliche Basis . . . . . . . . . . Klebstoffe auf Basis tierischer Naturprodukte . . . Klebstoffe auf Glutinbasis . . . . . . . . . . . . . Klebstoffe auf Caseinbasis . . . . . . . . . . . . . Kleben in der Natur . . . . . . . . . . . . . . . . Klebstoffe auf Basis pflanzlicher Naturprodukte . . Biologisch abbaubare Polymere . . . . . . . . . . Klebstoffe auf anorganischer Basis . . . . . . . . Klebstoffzusätze und haftvermittelnde Substanzen Härter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vernetzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX

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97 98 98 98 101 101 104 105 106 107 107 108 108 111 111 113 114 114 117 117 120 121 122 124 127 127 129 129 130 131 132 134 135 136 138 141 142 142 144 144 145 147 147 151 151 152

X

Inhaltsverzeichnis

2.7.3 2.7.4 2.7.5 2.7.6 2.7.7 2.7.8 2.7.9 2.7.10 2.7.11 2.7.12 2.7.13 2.7.14 2.7.15 2.7.16 2.7.17

Beschleuniger und Katalysatoren Weichmacher . . . . . . . . . . Harze . . . . . . . . . . . . . . Wachse . . . . . . . . . . . . . Tackifier . . . . . . . . . . . . Füllstoffe . . . . . . . . . . . . Stabilisatoren . . . . . . . . . . Antioxidantien . . . . . . . . . Entlüfter und Entschäumer . . . Rheologie – Additive . . . . . . Dispergiermittel . . . . . . . . Emulgatoren und Schutzkolloide Haftvermittler . . . . . . . . . Primer . . . . . . . . . . . . . Lösungsmittel . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . .

153 153 154 156 157 157 159 160 160 160 161 161 161 165 166

3 3.1 3.1.1 3.1.1.1 3.1.1.2 3.1.1.3 3.1.1.4 3.1.1.5 3.1.2 3.1.2.1 3.1.2.2 3.1.3 3.1.3.1 3.1.3.2 3.1.4 3.2 3.3 3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.2.1 3.4.2.2 3.4.2.3 3.4.3 3.4.4 3.4.5 3.4.6 3.4.6.1

Klebstoffarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reaktionsklebstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reaktionskinetische und physikalische Grundlagen . . . . Einfluss der Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einfluss der Temperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . Einfluss des Drucks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abhängigkeit der Klebschichtdicke vom Anpressdruck . . Topfzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blockierte Reaktionsklebstoffe . . . . . . . . . . . . . . Chemisch blockierte Reaktionsklebstoffe . . . . . . . . . Mechanisch blockierte Reaktionsklebstoffe . . . . . . . . Kalt- und warmhärtende Reaktionsklebstoffe . . . . . . . Kalthärtende Reaktionsklebstoffe . . . . . . . . . . . . . Warmhärtende Reaktionsklebstoffe . . . . . . . . . . . . Lösungsmittelhaltige Reaktionsklebstoffe . . . . . . . . . Lösungsmittelklebstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontaktklebstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftklebstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau und Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung der Haftklebstoffe . . . . . . . . . . . . . . . Wiederablösbare, repositionierbare Haftklebstoffe . . . . Permanente Haftklebstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . Strukturelle Haftklebstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . Verarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen der Haftklebung . . . . . . . . . . . . . . . Klebschichtfestigkeit als Folge des strömungsmechanischen Verhaltens von Flüssigkeiten . . . . . . . . . . . . . . .

169 169 170 170 172 175 177 178 181 181 182 183 183 183 184 184 189 191 191 192 192 194 194 194 195 195 196

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. . . . . . . . . . . . . . .

196

Inhaltsverzeichnis

3.4.6.2 3.4.7 3.5 3.6 3.6.1 3.6.2 3.6.3 3.6.4 3.7 3.8 3.9 3.10 3.11 3.11.1 3.11.1.1 3.11.1.2 3.11.1.3 3.11.1.4 3.11.2 3.11.3 3.12 3.13 3.14 3.15 3.15.1 3.15.2 3.16 3.16.1 3.16.2 3.16.3 3.16.4 3.16.5 3.16.6 3.17 3.18 3.19 3.19.1 3.19.2 3.19.3 3.20 3.21 3.22 3.23

Klebschichtfestigkeit als Folge des Oberflächenspannungsverhaltens von Flüssigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . Klebrigkeit (Tack) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dispersionsklebstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schmelzklebstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau der Schmelzklebstoffe . . . . . . . . . . . . . . . Charakteristische Merkmale der Schmelzklebstoffe . . . . Verarbeitung der Schmelzklebstoffe . . . . . . . . . . . . Eigenschaften der Schmelzklebstoffe . . . . . . . . . . . Heißsiegelklebstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kaschier-, Laminierklebstoffe . . . . . . . . . . . . . . . Wärmebeständige Klebstoffe . . . . . . . . . . . . . . . Klebstoffe für Anwendungen bei tiefen Temperaturen . . . Leitfähige Klebstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elektrisch leitende Klebstoffe . . . . . . . . . . . . . . . Isotrop leitende Klebstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . Anisotrop leitende Klebstoffe . . . . . . . . . . . . . . . Anisotroper Leitungsmechanismus mit ungefüllten Klebstoffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elektrisch leitende Polymere . . . . . . . . . . . . . . . Wärmeleitende Klebstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . Volumeneffekt bei Klebschichten mit Füllstoffen . . . . . Klebstoffe mit Nano-Füllstoffen . . . . . . . . . . . . . . Mikroverkapselte Klebstoffe . . . . . . . . . . . . . . . Plastisole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klebstofffolien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chemisch reagierende Klebstofffolien . . . . . . . . . . . Physikalisch abbindende Klebstofffolien . . . . . . . . . Klebebänder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau der Klebebänder . . . . . . . . . . . . . . . . . Trägermaterialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Trennpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verarbeitung von Klebebändern . . . . . . . . . . . . . Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klebestreifen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klebestifte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dichtstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau der Dichtstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung und Eigenschaften der Dichtstoffe . . . . . . . Verarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gießharze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polymermörtel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strukturkitte und Spachtelmassen . . . . . . . . . . . . Chemische Befestigungstechnik . . . . . . . . . . . . . .

XI

198 199 201 206 206 208 210 213 215 217 218 223 223 224 224 230 232 232 233 234 235 238 240 242 242 243 244 244 246 248 248 249 249 250 251 252 253 255 256 258 260 260 261

XII

4 4.1 4.2 4.3 4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.5 4.6 4.7 4.8 4.9 5 5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.1.3.1 5.1.3.2 5.1.3.3 5.1.3.4 5.1.3.5 5.1.3.6 5.1.3.7 5.1.3.8 5.1.3.9 5.1.3.10 5.1.3.11 5.1.4 5.1.5 5.1.6 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4

Inhaltsverzeichnis

Eigenschaften der Klebschichten . . . . . . . . . . . Allgemeine Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . Schubmodul . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Schubspannungs-Gleitungs-Verhalten . . . . . . Die thermomechanischen Eigenschaften . . . . . . . Zustandsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abhängigkeit des Schubmoduls und des mechanischen Verlustfaktors von der Temperatur . . . . . . . . . . Abhängigkeit der Klebfestigkeit von der Temperatur . . Elastizitätsmodul . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kriechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kristallinität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klebschichtinhomogenitäten . . . . . . . . . . . . . Klebschichtmorphologie und strukturabhängiges mechanisches Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

263 263 264 266 271 271

. . . . . .

. . . . . .

276 278 280 284 291 292

. . 293

Klebtechnische Eigenschaften der Fügeteilwerkstoffe . . . Oberflächeneigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . Oberflächenschichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Molekularer Aufbau und Polarität der Grenz- und Reaktionsschichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oberflächenanalytische Untersuchungsmethoden . . . . Elektronen-Spektroskopie zur Chemischen Analyse (ESCA) Elektronenstrahl-Mikroanalyse (ESMA) . . . . . . . . . . Augerelektronenspektroskopie (AES) . . . . . . . . . . . Ion-Scattering Spectroskopy (ISS) . . . . . . . . . . . . . Sekundärionen Massenspektrometrie (SIMS) . . . . . . . Flugzeit-Sekundärionen Massenspektrometrie (TOF-SIMS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Infrarotspektroskopie mit abgeschwächter Totalreflektion (ATR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rasterelektronenmikroskopie (REM) und Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) . . . . . . . . . . . . . . Rastertunnelmikroskopie (RTM) . . . . . . . . . . . . . Rasterkraft-Mikroskopie, Atomic-Force-Microscopy (AFM) Ellipsometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geometrische Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oberflächenspannung und Benetzungsvermögen . . . . . Diffusions- und Lösungsverhalten . . . . . . . . . . . . . Werkstoffeigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . Festigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chemischer Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wärmeleitfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wärmeausdehnungskoeffizient . . . . . . . . . . . . . .

295 295 295 296 299 299 300 300 301 301 301 301 302 302 303 303 304 308 308 309 309 310 311 311

Inhaltsverzeichnis

6 6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3 6.1.4 6.1.4.1 6.1.4.2 6.1.4.3 6.1.4.4 6.1.5 6.2 6.2.1 6.2.2 6.3 6.4 6.4.1 6.4.2 6.4.2.1 6.4.2.2 6.4.2.3 6.4.2.4 6.4.2.5 6.4.2.6 6.4.2.7 6.4.2.8 6.4.2.9 6.4.3 6.4.4 6.4.4.1 6.4.4.2 7 7.1 7.1.1 7.1.2 7.2 7.2.1

XIII

Bindungskräfte in Klebungen . . . . . . . . . . . . . . Die Natur der Bindungskräfte . . . . . . . . . . . . . . Homöopolare Bindung (Atombindung, unpolare Bindung, kovalente Bindung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heteropolare Bindung (Ionenbindung, polare Bindung, elektrostatische Bindung) . . . . . . . . . . . . . . . . Metallische Bindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwischenmolekulare Bindungen . . . . . . . . . . . . Dipolkräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Induktionskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dispersionskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wasserstoffbrückenbindung . . . . . . . . . . . . . . Sorption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Adhäsion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezifische Adhäsion . . . . . . . . . . . . . . . . . . Formschlüssige Verbindung von Klebschicht und Fügeteil (Mechanische Adhäsion) . . . . . . . . . . . . . . . . Kohäsion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Benetzung von Oberflächen durch Klebstoffe . . . . . . Allgemeine Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . Thermodynamische Grundlagen . . . . . . . . . . . . Benetzungwinkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oberflächenspannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oberflächenenergie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kritische Oberflächenspannung . . . . . . . . . . . . . Grenzflächenspannung . . . . . . . . . . . . . . . . . Adhäsionsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kohäsionsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Benetzungsgleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . Benetzung als Folge unpolarer und polarer Kraftwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenhang zwischen Benetzung und Adhäsionsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . Experimentelle Bestimmung des Benetzungsverhaltens von Oberflächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Randwinkelmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Messung mittels Testflüssigkeiten . . . . . . . . . . . . Eigenschaften von Klebungen . . . . . . . . . Vorteile und Nachteile von Klebungen . . . . Vorteile von Klebungen . . . . . . . . . . . . Nachteile von Klebungen . . . . . . . . . . . Eigenspannungen in Klebungen . . . . . . . . Eigenspannungen durch unterschiedliche Wärmeausdehnungskoeffizienten von gleichen Fügeteilwerkstoffen und Klebschicht . . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. 315 . 316 . 317 . . . . . . . . . .

317 317 317 318 320 320 320 322 324 325

. . . . . . . . . . . . .

332 333 335 335 336 336 337 339 339 340 340 341 341

. 344 . 345 . 348 . 349 . 350 . . . . .

353 353 355 359 361

. . . . . . 361

XIV

7.2.2 7.2.3 7.2.4 7.2.5 7.2.5.1 7.2.5.2 7.2.6 7.2.7 7.2.8 7.3 7.3.1 7.3.2 7.3.3 7.4 7.4.1 7.4.2 7.4.2.1 7.4.2.2 7.4.2.3 7.4.2.4 7.4.2.5 7.4.3 7.4.3.1 7.4.3.2 7.4.3.3 7.4.3.4 7.4.4 7.4.5 8 8.1 8.2 8.3 8.3.1 8.3.1.1 8.3.1.2 8.3.1.3

Inhaltsverzeichnis

Eigenspannungen durch unterschiedliche Wärmeausdehnungskoeffizienten von Fügeteilkombinationen und Klebschicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eigenspannungen durch Schwindung der Klebschicht . . . Berechnung der Schwindungsspannungen . . . . . . . . Maßnahmen zur Reduzierung von Schwindungen . . . . . Klebstoffbedingte Schwindungen . . . . . . . . . . . . . Fertigungsbedingte Schwindungen . . . . . . . . . . . . Eigenspannungen durch unterschiedliche Temperaturverteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . Eigenspannungen durch Temperaturwechselbeanspruchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eigenspannungen durch Alterungsvorgänge der Klebschicht Bruchverhalten von Klebungen . . . . . . . . . . . . . . Adhäsionsbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kohäsionsbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bruchmechanische Betrachtungsweise . . . . . . . . . . Verhalten von Klebungen bei Beanspruchungen durch mechanische Belastungen und Umgebungseinflüsse . . . . Allgemeine Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . Alterung von Klebungen durch Feuchtigkeitseinflüsse . . . Feuchtigkeitsdiffusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Feuchtigkeitseinflüsse auf die Grenzschicht (bondline corrosion) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Feuchtigkeitseinflüsse auf die Klebschicht . . . . . . . . . Einfluss der Oberflächenvorbehandlung . . . . . . . . . . Experimentelle Bestimmung der Feuchtigkeitsalterung . . Korrosion in Klebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterwanderungskorrosion . . . . . . . . . . . . . . . . Spaltkorrosion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontaktkorrosion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spannungsrisskorrosion . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beanspruchungseinflüsse als Grundlage für die Berechnung von Metallklebungen . . . . . . . . . . . . . Wirkung energiereicher Strahlen auf Klebschichten . . . . Festigkeiten von Metallklebungen . . . . . . . . . . Allgemeine Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . Einflußgrößen auf die Festigkeit von Metallklebungen Spannungen in Metallklebungen mit dünnen, verformungsarmen Klebschichten . . . . . . . . . . Zugspannungen – Zugfestigkeit . . . . . . . . . . . Zugspannungen bei senkrechter und zentrischer (momentenfreier) Belastung . . . . . . . . . . . . . Spannungen beim Auftreten eines Biegemoments . . Zugspannungen bei exzentrischer Belastung . . . . .

363 366 368 369 369 370 371 371 372 372 373 374 376 378 378 380 380 381 383 384 385 388 388 388 388 389 389 402

. . . 403 . . . 403 . . . 404 . . . 406 . . . 407 . . . 407 . . . 409 . . . 409

Inhaltsverzeichnis

8.3.2 8.3.3 8.3.3.1 8.3.3.2 8.3.3.3 8.3.3.4 8.3.3.5 8.3.3.6 8.3.3.7 8.3.4 8.4 8.4.1 8.4.1.1 8.4.1.2 8.4.2 8.4.3 8.4.4 8.4.5 8.4.6 8.4.7 8.4.8 8.4.9 8.5 8.5.1 8.5.1.1 8.5.1.2 8.5.1.3 8.5.1.4 8.5.2

Schubspannungen – Schubfestigkeit . . . . . . . . . . . . Zugscherspannungen – Klebfestigkeit . . . . . . . . . . . Spannungsverteilung bei unendlich starren Fügeteilen mit elastischer Klebschichtverformung ohne Auftreten eines Biegemoments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spannungsverteilung bei elastischen Fügeteilen mit elastischer Klebschichtverformung ohne Auftreten eines Biegemoments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spannungsverteilung bei elastischen Fügeteilen mit elastisch-plastischer Klebschichtverformung und Auftreten eines Biegemoments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klebfestigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenhang zwischen Klebfestigkeit und Klebschichtverformung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abhängigkeit der Spannungsverteilung von der Temperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Experimentelle Bestimmung der Spannungsverteilung durch Schubspannungs-Gleitungs-Diagramme . . . . . . Schälspannungen – Schälwiderstand . . . . . . . . . . . Einfluss der geometrischen Gestaltung der Klebfuge auf die Klebfestigkeit einschnittig überlappter Klebungen . . . Überlappungslänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abhängigkeit der übertragbaren Last von der Überlappungslänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abhängigkeit der übertragbaren Last von der Überlappungslänge und der Temperatur . . . . . . . . . Fügeteildicke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gestaltfaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlappungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlappungsbreite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klebfläche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klebschichtdicke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einfluss der Überlappungslänge, Fügeteildicke und Klebschichtdicke auf das Biegemoment . . . . . . . . . . Schäftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berechnung der Spannungsverteilung in einschnittig überlappten Klebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spannungsverteilung bei Annahme eines linearen Spannungs-Verformungs-Verhaltens der Klebschicht . . . Spannungsverteilung nach Volkersen . . . . . . . . . . . Spannungsverteilung nach Goland und Reissner . . . . . Vergleich der Berechnungsansätze nach Volkersen sowie Goland und Reissner mit experimentellen Ergebnissen . . Spannungsverteilung nach Hart-Smith . . . . . . . . . . . Spannungsverteilung bei Annahme eines nichtlinearen Spannungs-Verformungs-Verhaltens der Klebschicht . . .

XV

412 413 413 414 417 417 421 423 424 428 431 431 434 437 438 439 440 441 442 442 446 448 449 450 450 452 452 454 454

XVI

8.5.3 8.5.3.1 8.5.3.2 8.5.3.3 8.5.3.4 8.5.3.5 8.5.3.6 8.5.3.7 8.5.4 8.6 8.7 8.7.1 8.7.2 8.8 8.9 8.10 8.10.1 8.10.2 8.10.3 8.11 8.12 9 9.1 9.2 9.2.1 9.2.2 9.2.3 9.2.4 9.2.5 9.2.6 9.2.7 9.2.8 9.2.9 10 10.1 10.1.1

Inhaltsverzeichnis

Spannungsverteilung auf der Grundlage theoretischer und experimenteller Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . Verfahren nach Frey . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahren nach Winter und Meckelburg . . . . . . . . . Verfahren nach Müller . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahren nach Tombach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahren nach Eichhorn und Braig Verfahren nach Schlegel . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahren nach Cornelius und Stier . . . . . . . . . . . Berechnung der Spannungsverteilung mit der Finite-Elemente-Methode (FEM) . . . . . . . . . . . . Festigkeit bei statischer Langzeitbeanspruchung . . . . . Festigkeit bei dynamischer Langzeitbeanspruchung . . . Zugschwellfestigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dauerschwingfestigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . Festigkeit bei schlagartiger Beanspruchung . . . . . . . Festigkeit bei Crash-(hochdynamischer-)Beanspruchung Elastisches Kleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berechnungsbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erhöhung der Festigkeit durch Kombinationsklebungen . Abschließende Bemerkungen zum Festigkeitsverhalten von Metallklebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . .

456 456 457 457 458 458 458 459

. . . . . . . . . . . .

459 461 464 465 465 469 471 472 472 477 477 478

. 480

Berechnung von Metallklebungen . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . Berechnungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einfluss der unterschiedlichen Festigkeiten von Fügeteilwerkstoff und Klebschicht . . . . . . . . . . . . . Einflussparameter für die Berechnung von Metallklebungen Berechnung auf Grundlage der Klebfestigkeit . . . . . . . Berechnung auf Grundlage der Volkersen-Gleichung nach Schliekelmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abhängigkeit der übertragbaren Last von der Überlappungslänge nach der Volkersen-Gleichung . . . . . Berechnungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berechnung unter Einbeziehung von Abminderungsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klebnutzungsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergänzende Betrachtungen zu der Berechnung von Metallklebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

483 483 484 484 486 487 488 494 495 498 500 503

Kleben runder Klebfugengeometrien . . . . . . . . . . . 505 Kleben rohrförmiger Fügeteile . . . . . . . . . . . . . . 506 Einfluss der Klebschichtdicke auf die Festigkeit . . . . . . 506

Inhaltsverzeichnis

10.1.2

XVII

10.1.5 10.2 10.2.1 10.2.2 10.2.2.1 10.2.2.2 10.2.2.3 10.2.2.4 10.2.3 10.2.4 10.3 10.3.1 10.3.2 10.4

Einfluss der Fügeteildicke und der Überlappungslänge auf die Festigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berechnung der in axialer Richtung übertragbaren Last bei überlappten Rohrklebungen . . . . . . . . . . . . . . . Berechnung der in tangentialer Richtung übertragbaren Last bei überlappten Rohrklebungen . . . . . . . . . . . Wissensbasiertes System zum Kleben von Rohren . . . . . Kleben von Welle-Nabe-Verbindungen . . . . . . . . . . Allgemeine Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berechnung von Welle-Nabe-Verbindungen Einfluss der Nabenbreite . . . . . . . . . . . . . . . . . Einfluss der Klebschichtdicke und der Rautiefe . . . . . . Übertragbares Torsionsmoment . . . . . . . . . . . . . . Berechnungsbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Festlegung von Abminderungsfaktoren . . . . . . . . . . Hydrostatisches Hochdruckinjektionskleben . . . . . . . Klebschrumpfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Querpressklebverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . Längspressklebverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . Kegelpressverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . .

11 11.1 11.2

Konstruktive Gestaltung von Metallklebungen . . . . . . 529 Vorhandensein ausreichender Klebflächen . . . . . . . . 529 Vermeidung von Spannungsspitzen . . . . . . . . . . . . 533

12 12.1 12.2 12.2.1 12.2.1.1 12.2.1.2 12.2.2 12.2.2.1 12.2.2.2

Technologie des Klebens . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . Oberflächenbehandlung der Fügeteile . . . . . . . . . Oberflächenvorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . Säubern, Passend machen . . . . . . . . . . . . . . . . Entfetten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oberflächenvorbehandlung Mechanische Oberflächenvorbehandlung . . . . . . . . Kombinierte mechanische-chemisch/thermische Oberflächenvorbehandlung (SACO-, Silicoater-Verfahren) . . Physikalische Oberflächenvorbehandlung . . . . . . . . Chemische Oberflächenvorbehandlung . . . . . . . . . Elektrochemische Oberflächenvorbehandlung . . . . . . Oberflächenvorbehandlung und Grenzschichtausbildung Oberflächennachbehandlung . . . . . . . . . . . . . . Zusammensetzung der wichtigsten Beizlösungen . . . . Klebstoffverarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbereitung der Klebstoffe . . . . . . . . . . . . . . Viskosität der Klebstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . Thixotropie der Klebstoffe . . . . . . . . . . . . . . . Rheologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10.1.3 10.1.4

12.2.2.3 12.2.2.4 12.2.2.5 12.2.2.6 12.2.3 12.2.4 12.3 12.3.1 12.3.1.1 12.3.1.2 12.3.1.3

507 508 509 509 509 509 510 511 512 514 516 517 520 521 522 525 527

. . . . . . . .

539 539 542 543 543 544 547 548

. . . . . . . . . . . .

551 552 553 554 555 555 556 558 558 560 562 562

XVIII

12.3.2 12.3.2.1 12.3.2.2 12.3.3 12.3.3.1 12.3.3.2 12.3.3.3 12.3.3.4 12.3.3.5 12.3.4 12.3.5 12.4 12.4.1 12.4.1.1 12.4.1.2 12.4.2 12.4.2.1

Inhaltsverzeichnis

12.7 12.7.1 12.7.2 12.7.2.1 12.7.2.2 12.7.2.3 12.7.3 12.7.4 12.7.5 12.7.6 12.7.7 12.8 12.9 12.10

Mischen der Klebstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . Statische Mischer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dynamische Mischer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dosieren und Auftragen der Klebstoffe . . . . . . . . . . Dosiersysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auftragssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kaschieren, Laminieren . . . . . . . . . . . . . . . . . Etikettieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beflocken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbinden der Klebstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahren zum Abbinden der Klebstoffe . . . . . . . . . Herstellung von Klebungen . . . . . . . . . . . . . . . . Kleben als Fertigungssystem . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . Klebtechnische Ausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . Auswahl von Klebstoffen . . . . . . . . . . . . . . . . . Auswahl von Klebstoffen unter anwendungsspezifischen Gesichtspunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechnergestützte Klebstoffauswahl . . . . . . . . . . . . Kenndaten des Klebvorgangs . . . . . . . . . . . . . . . Fehlermöglichkeiten beim Kleben und Abhilfemaßnahmen Klebtechnische Schadensfälle . . . . . . . . . . . . . . . Sicherheits- und Umweltschutzmaßnahmen bei der Verarbeitung von Klebstoffen . . . . . . . . . . . . . . . Klassifizierung wichtiger Klebstoffarten nach arbeitsphysiologischen und verarbeitungstechnologischen Gesichtspunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kombinierte (Hybrid-)Fügeverfahren . . . . . . . . . . . Allgemeine Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . Punktschweißen – Kleben . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahrensdurchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . Einfluss der Fügeteilwerkstoffe . . . . . . . . . . . . . . Mechanisches Verhalten von Punktschweißklebungen . . . Nieten/Schrauben – Kleben . . . . . . . . . . . . . . . . Stanznieten – Kleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Durchsetzfügen – Kleben . . . . . . . . . . . . . . . . . Falzen – Kleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schrumpfen – Kleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kleben beölter Bleche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kleben in feuchter Atmosphäre (Unterwasserkleben) . . . Demontage von Klebungen („Entkleben“) . . . . . . . . .

13 13.1 13.2 13.2.1

Kleben metallischer Werkstoffe . . . . Allgemeine Betrachtungen . . . . . . Klebbarkeit wichtiger Metalle . . . . . Aluminium und Aluminiumlegierungen

12.4.2.2 12.4.2.3 12.4.3 12.4.4 12.5 12.6

. . . . . . . . . . . . . . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

563 564 566 566 567 571 575 577 578 578 583 588 588 588 589 590 590 594 596 596 599 600 606 606 606 609 609 609 610 612 613 614 616 617 617 619 620 625 625 626 626

Inhaltsverzeichnis

13.2.2 13.2.3 13.2.4 13.2.5 13.2.6 13.2.7 13.2.8 13.2.9 13.2.10 13.2.11 13.2.12 13.2.13 13.3 13.4 14 14.1 14.1.1 14.1.2 14.1.2.1 14.1.2.2 14.1.3 14.1.3.1 14.1.3.2 14.1.3.3 14.1.3.4 14.1.4 14.1.4.1 14.1.4.2 14.1.4.3 14.1.4.4 14.1.4.5 14.1.4.6 14.1.4.7 14.1.4.8 14.1.4.9 14.1.4.10 14.1.5 14.1.5.1 14.1.5.2 14.1.5.3 14.1.5.4 14.1.6

Beryllium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chrom, verchromte Werkstoffe . . . . . . . . . . . . Edelmetalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kupfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Magnesium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Messing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nichtrostende Stähle, Edelstähle . . . . . . . . . . . Nickel, vernickelte Werkstoffe . . . . . . . . . . . . . Stähle, allgemeine Baustähle . . . . . . . . . . . . . Titan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verzinkte Stähle, Zink . . . . . . . . . . . . . . . . . Kleben von Metallkombinationen . . . . . . . . . . . Kleben von Blechen mit organischen und anorganischen Beschichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XIX

. . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . .

630 631 631 631 632 633 633 634 635 635 636 638 640

. . 642

Kleben der Kunststoffe und weiterer nichtmetallischer Werkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kleben der Kunststoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mechanische Oberflächenvorbehandlung . . . . . . . . Reinigen der Oberfläche . . . . . . . . . . . . . . . . Aufrauhen der Oberfläche . . . . . . . . . . . . . . . Chemische Oberflächenvorbehandlung . . . . . . . . . Beizlösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gasphasenfluorierung . . . . . . . . . . . . . . . . . Sulfonierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ozonisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Physikalische Oberflächenvorbehandlung . . . . . . . . Grundlagen der Plasma-Verfahren . . . . . . . . . . . Niederdruckplasma-Vorbehandlung . . . . . . . . . . . Atmosphärendruck – Plasma . . . . . . . . . . . . . . Oberflächenreinigung mittels Plasma . . . . . . . . . . Plasmapolymerisation . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbehandlung mittels Corona-Entladung . . . . . . . Beflammen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Laser-Vorbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ionenätzen, Sputtern . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachweis reaktiver Gruppen an vorbehandelten Oberflächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klebstoffe für Kunststoffe . . . . . . . . . . . . . . . . Lösungsmittelklebstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . Diffusionsklebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reaktionsklebstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schmelzklebstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klebbarkeit von Kunststoffen . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

645 645 645 652 652 653 654 654 655 656 657 657 657 659 663 665 665 666 672 674 677

678 678 679 679 681 682 . 682

. . . . . .

XX

14.1.6.1 14.1.6.1.1 14.1.6.1.2 14.1.6.1.3 14.1.6.1.4 14.1.6.1.5 14.1.6.1.6 14.1.6.2 14.1.6.2.1 14.1.6.2.2 14.1.6.2.3 14.1.6.2.4 14.1.6.2.5 14.1.6.2.6 14.1.6.2.7 14.1.6.2.8 14.1.6.2.9 14.1.6.2.10 14.1.6.2.11 14.1.6.2.12 14.1.6.2.13 14.1.6.2.14 14.1.6.2.15 14.1.6.3 14.1.6.3.1 14.1.6.3.2 14.1.6.3.3 14.1.6.3.4 14.1.6.3.5 14.1.6.4 14.1.6.4.1 14.1.6.4.2 14.1.7 14.1.8 14.1.8.1 14.1.8.2 14.1.8.3 14.1.8.4 14.2 14.2.1 14.2.2 14.2.3

Inhaltsverzeichnis

Thermoplastische Kunststoffe, in organischen Lösungsmitteln löslich bzw. quellbar . . . . . . . . . . Polyvinylchlorid (PVC) . . . . . . . . . . . . . . . . . Polystyrol (PS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polymethylmethacrylat, Acrylglas (PMMA) . . . . . . . Polycarbonat (PC) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Celluloseacetat, Acetylcellulose (CA) . . . . . . . . . . Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymere (ABS) . . . . . Thermoplastische Kunststoffe, in organischen Lösungsmitteln unlöslich . . . . . . . . . . . . . . . . Polyethylen (PE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polypropylen (PP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polytetrafluorethylen, Teflon (PTFE) . . . . . . . . . . . Polyamide (PA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polyethylenterephthalat, Polyester (PET, SP) . . . . . . . Polyimide (PI) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polyamidimide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polyoxymethylen, Polyacetale (POM) . . . . . . . . . . Polyetherketone (PEK) . . . . . . . . . . . . . . . . . Polyetherimide (PEI) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polysulfone (PSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polyphenylenether (PPE), Polyphenylenoxid (PPO) . . . Polyphenylensulfide, Polyarylensulfide (PPS) . . . . . . Polyvinylidenfluoride (PVDF, PVF2 ) . . . . . . . . . . . Polyphenylchinoxalin (PCO) . . . . . . . . . . . . . . Duromere Kunststoffe, in organischen Lösungsmitteln unlöslich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Epoxidharz-Kunststoffe (EP) . . . . . . . . . . . . . . Formaldehydkondensate . . . . . . . . . . . . . . . . Polyurethanschaum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Silicon-Kautschuk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Flüssigkristalline Polymere (liquid crystal polymer, LCP) Faserverstärkte Kunststoffe . . . . . . . . . . . . . . . Oberflächenvorbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . SMC/BMC-Formmassen . . . . . . . . . . . . . . . . Festigkeit und konstruktive Gestaltung von Kunststoffklebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kleben von Kunststoffen mit Metallen . . . . . . . . . . Spannungen in Kunststoff-Metall-Klebungen . . . . . . Konstruktive Gestaltung von Kunststoff-Metall-Klebungen Klebstoffe für Kunststoff-Metall-Klebungen . . . . . . . Prüfung von Kunststoff- und Kunststoff-Metall-Klebungen Kleben von Glas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klebtechnische Eigenschaften der Gläser . . . . . . . . Oberflächenbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . Klebstoffe und Primer . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . .

683 683 684 684 685 686 686

. . . . . . . . . . . . . . . .

686 686 687 689 690 690 690 691 691 691 692 692 692 693 693 693

. . . . . . . . .

694 694 694 694 695 695 695 697 699

. 700 . 703 . 703

707 . 708 . . . .

709 710 710 713 714

Inhaltsverzeichnis

14.2.4 14.2.5 14.2.6 14.2.7 14.2.8 14.3 14.4 14.4.1 14.4.2 14.4.2.1 14.4.2.2 14.4.2.3 14.4.2.4 14.4.2.5 14.4.3 14.4.3.1 14.4.3.2 14.4.4 14.4.5 14.5 14.5.1 14.5.2 14.5.3 14.5.4 14.5.5 14.5.6 14.6 15 15.1 15.2 15.2.1 15.2.2 15.2.3 15.2.4 15.3 15.3.1 15.3.2 15.3.3 15.3.4 15.4 15.5 15.5.1 15.5.2

XXI

. . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

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714 716 717 717 718 719 720 720

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721 721 722 723 723 725 725 726 727 728 728 729 729 729 730 734 735 735 736

Industrielle Anwendungen des Klebens . . . . . . . . . . Allgemeine Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . Kleben in der Luft- und Raumfahrt . . . . . . . . . . . . Technologische Hintergründe . . . . . . . . . . . . . . . Geschichtliche Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . Typische Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klebstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kleben im Fahrzeugbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . Klebtechnische Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . Klebstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berechnungsbeispiel für die Klebschicht-Dimensionierung einer Bus-Frontscheibe . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kleben im Maschinenbau . . . . . . . . . . . . . . . . . Kleben in der Elektronik . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klebstoffverarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

739 739 739 739 741 742 743 745 745 745 751

Strahlungshärtung . . . . . . . . . . . . . . . Glasklebungen am Bau (Structural Glazing) . . Glasklebungen im Fahrzeugbau (Direct Glazing) . . . . . . . . Kleben von optischen Bauteilen Glas-Metall- und Glas-Kunststoff-Klebungen . . Kleben von Keramik . . . . . . . . . . . . . . . Kleben von Gummi . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Betrachtungen . . . . . . . . . . . Kleben von vulkanisiertem Gummi (Gummi-Gummi-Klebung) . . . . . . . . . . . Oberflächenvorbehandlung . . . . . . . . . . . Klebstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bindung unvulkanisierter Kautschuke . . . . . Ethylen/Prophylen-Dien-Terpolymerisate (EPDM) Gummi-Reparaturklebungen . . . . . . . . . . Gummi-Metall-Bindung . . . . . . . . . . . . . Vernetzung mittels Resorzin-Formaldehyd . . . . . . . . . . Vernetzung durch Polyisocyanate Gummi-Glas-Klebungen . . . . . . . . . . . . . Behälterauskleidungen . . . . . . . . . . . . . Kleben von Holz . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Betrachtungen . . . . . . . . . . . Klebtechnische Eigenschaften von Holz . . . . . Klebstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anforderungen an Holzklebungen . . . . . . . . Herstellung von Holzklebungen . . . . . . . . . Qualifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . Kleben poröser Werkstoffe . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . .

753 754 756 758 759

XXII

Inhaltsverzeichnis

15.5.3 15.6 15.6.1 15.6.2 15.6.3 15.6.4 15.7 15.8 15.8.1 15.8.2 15.9 15.10 15.10.1 15.10.2 15.10.3 15.10.4 15.10.5 15.11 15.11.1 15.11.2 15.11.2.1 15.11.2.2 15.11.2.3 15.11.3 15.11.4 15.12

Mikroverbindungstechnik . . . . . . . . . . Kleben in der Papierverarbeitung . . . . . . Klebstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kleben von gebundenen Erzeugnissen . . . Einfluss der Klebstoffe auf das Papierrecycling Weitere Anwendungen . . . . . . . . . . . Kleben in der Verpackungsindustrie . . . . Kleben in der Schuh- und Lederindustrie . . Klebstoffe und Klebstoffverarbeitung . . . . Oberflächenbehandlung . . . . . . . . . . . Kleben und Dichten in der Bauindustrie . . . Kleben in der Medizin . . . . . . . . . . . . Gewebeklebungen . . . . . . . . . . . . . . Haftklebstoffe, Klebebänder . . . . . . . . Transdermale therapeutische Systeme . . . . Zahnbehandlung . . . . . . . . . . . . . . Kleben medizinischer Geräte . . . . . . . . Anwendungen des Klebens bei Reparaturen . Metallische Werkstoffe . . . . . . . . . . . Kunststoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . Starre Werkstoffe . . . . . . . . . . . . . . PVC-Folien . . . . . . . . . . . . . . . . . Gummierte Fasergewebe . . . . . . . . . . Porzellan . . . . . . . . . . . . . . . . . . Holz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur zu weiteren Anwendungen . . . . .

16

Prüfung und Qualitätssicherung von Klebstoffen und Klebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . Qualitätsmanagement in der Klebtechnik . . . . . . . . . Einzelmaßnahmen für ein Qualitätssicherungskonzept „Fertigungssystem Kleben“ . . . . . . . . . . . . . . . . Zerstörende Prüfverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . Prüfverfahren für statische Kurzzeitbeanspruchungen . . . Beanspruchung auf Zugscherung . . . . . . . . . . . . . Beanspruchung auf Schub (Schubspannungs-GleitungsVerhalten, Verdrehscherfestigkeit) . . . . . . . . . . . . . Beanspruchung auf Zug (Zugfestigkeit) . . . . . . . . . . Beanspruchung auf Druckscherung (Druckscherfestigkeit) Beanspruchung auf Torsion (Torsionsscherfestigkeit, Losbrechmoment) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beanspruchung auf Schälung (Winkelschälversuch, Nass-Schäl-Test, Rollenschälversuch, Klettertrommelschälversuch, Folienschälversuch) . . . . . . . . . . . . . Beanspruchung auf Spaltung (Biegeschälversuch, Keiltest)

16.1 16.1.1 16.1.2 16.2 16.2.1 16.2.1.1 16.2.1.2 16.2.1.3 16.2.1.4 16.2.1.5 16.2.1.6 16.2.1.7

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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761 762 762 763 763 764 765 766 766 767 767 768 768 769 770 770 771 772 772 774 774 775 775 775 776 776 777 777 778 779 780 781 781 783 784 785 785 786 789

Inhaltsverzeichnis

16.2.2 16.2.2.1 16.2.2.2 16.2.3 16.2.4 16.2.4.1 16.2.4.2 16.2.5 16.3 16.3.1 16.3.1.1 16.3.1.2 16.3.1.3 16.3.1.4 16.3.2 16.3.3 16.3.3.1 16.3.3.2 16.3.4 16.3.4.1 16.3.4.2 16.3.5 16.4 16.4.1 16.4.2 16.4.3 16.4.4 16.4.5 16.4.6 16.4.7 16.4.8 16.4.9 16.4.10 16.4.11 16.4.12

Prüfverfahren für statische und dynamische Langzeitbeanspruchungen . . . . . . . . . . . . . . . Prüfung der Zeitstandfestigkeit . . . . . . . . . . . . . Prüfung der Dauerschwingfestigkeit . . . . . . . . . . . Prüfung bei schlagartiger Beanspruchung . . . . . . . . Prüfverfahren für Langzeitbeanspruchung unter Alterungseinflüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . Abkürzungsverfahren für Langzeitbeanspruchungen . . Prüfung mittels Schallemissionsanalyse . . . . . . . . . Zerstörungsfreie Prüfverfahren . . . . . . . . . . . . . Verfahren auf Basis mechanischer Vibration (Ultraschall) Resonanzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Impuls-Echo-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . Spektralanalyse mit niedrigen Prüffrequenzen . . . . . Impact-Resonanz-Methode . . . . . . . . . . . . . . . Elektrische Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thermische Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . Optisch angeregte Lockin-Thermographie . . . . . . . . Ultraschall angeregte Lockin-Thermographie . . . . . . Strahlungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Röntgenstrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neutronenradiographie . . . . . . . . . . . . . . . . . Holographische Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . Prüfung von Polymereigenschaften und Härtungsreaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . Dynamisch-Mechanische-Thermoanalyse (DMTA) Dynamisch-Mechanische-Analyse (DMA) . . . . . . . . Differenzial-Thermo-Analyse (DTA) . . . . . . . . . . . Dynamische-Differenz-Kalorimetrie (DDK) . . . . . . . Differenzial-Scanning-Calorimetrie (DSC) . . . . . . . . Torsionsschwingungsversuch . . . . . . . . . . . . . . Dielektrische Analyse (DEA) . . . . . . . . . . . . . . . Dielektrische-Thermoanalyse (DETA) . . . . . . . . . . Thermogravimetrische Analyse (TGA) . . . . . . . . . Thermogravimetrie (TG) . . . . . . . . . . . . . . . . Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit . . . . . . . . . . Thermomechanische Analyse, Dilatometrie (TMA) . . . Mikrothermische Analyse (mTA) . . . . . . . . . . . . Infrarot-(IR)-Spektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . Kern-(Spin-)Resonanz-Spektroskopie (Nuclear-Magnetic-Resonance NMR) . . . . . . . . . . Chromatographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere in der Literatur beschriebene Methoden . . . . .

XXIII

. . . .

793 793 794 794

. . . . . . . . . . . . . . . . . .

795 795 796 800 801 802 803 803 804 804 805 805 805 806 806 806 807 807

. 807 . . . . . . . . . . . . .

808 812 812 812 813 813 813 814 814 814 815 815 815

. 817 . 818 . 819

XXIV

17 17.1 17.1.1 17.1.2 17.1.3 17.1.4 17.1.4.1 17.1.4.2 17.1.4.3 17.1.4.4 17.1.4.5 17.1.5 17.1.6 17.1.7 17.1.8 17.1.9 17.1.10 17.1.11 17.1.12 17.1.13 17.1.14 17.1.15 17.1.16 17.2 17.3 17.4 17.5 18

19

Inhaltsverzeichnis

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verzeichnis von Normen, Standards, Richtlinien und Merkblättern zum Kleben und zu verwandten Gebieten . Allgemeine Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definitionen und Prüfungen von Klebstoffen; Klebstoffverarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prüfung von Metallklebungen . . . . . . . . . . . . . . Kunststoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kurzbezeichnungen, Einteilung . . . . . . . . . . . . . Prüfung mechanischer und physikalischer Eigenschaften . Kleben von Kunststoffen und Kunststoff-MetallKlebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prüfung von Polymereigenschaften . . . . . . . . . . . Faserverstärkte Kunststoffe . . . . . . . . . . . . . . . Gummi, Elastomere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oberflächenbehandlung und -prüfung . . . . . . . . . . Alterungs- und Klimaprüfungen . . . . . . . . . . . . . Dichtstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klebebänder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schmelzklebstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kleben von Holz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kleben von Leder- und Schuhwerkstoffen . . . . . . . . Kleben in der Papierverarbeitung . . . . . . . . . . . . Kleben in der Bauindustrie . . . . . . . . . . . . . . . . Prüfung von Oberflächen und Materialeigenschaften . . Definitionen und Messungen mechanischer, physikalischer und thermodynamischer Größen . . . . . . . . . . . . . Verzeichnis ausgewählter ASTM-Methoden für die Prüfung von Klebstoffen und Klebungen . . . . . . . . . Kurzzeichen für Klebstoffgrundstoffe und Kunststoffe . . Ausgewählte Umrechnungsfaktoren angelsächsischer Einheiten und SI-Einheiten für klebtechnische Berechnungen Ausgewählte deutsch-englische und englisch-deutsche Begriffe aus dem Gebiet des Klebens . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Veröffentlichungen aus nationalen und internationalen Fachzeitschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bücher aus dem deutschen Sprachraum . . . . . . . Bücher aus dem angelsächsischen Sprachraum . . . . Sachverzeichnis .

. .

821 821 822 822 823 825 825 826 826 827 827 827 828 828 829 830 830 830 831 831 832 833 833 834 837 840 841 863

. . 863 . . 1021 . . 1022

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1025

Verzeichnis der Formelzeichen und Abkürzungen

Bemerkungen: (1) Aufgrund entsprechender Festlegungen in den Normen (Abschn. 17.1) werden Festigkeiten und Spannungen in der Einheit MPa (Mega-Pascal) angegeben. Da 1 Pa = 1 N/1 m2, ergibt sich 1 MPa = 1 N mm–2. (2) In Abgrenzung zu der Einheit m für Meter wird die Einheit milli (10–3) in kursiver Schreibweise (m) angegeben. (3) Kurzzeichen für Kunststoffe und Klebstoffgrundstoffe sind in Abschnitt 17.3 zusammengestellt. (4) Die den angegebenen Abkürzungen zugeordneten Fachbegriffe werden in den jeweils in Klammern aufgeführten Abschnitten erläutert. Größe

Einheit

Bedeutung

a as b d d f f fk k lü n p pA pb pS r s t ü v

mm, cm cmNcm–2 mm, cm mm – mm–0,5 – – – mm, cm – Pa, bar Ncm–1 Ncm–1 Ncm–1 mm, cm mm s, min, h – mm cm3 g–1

Probenlänge spezifische Schlagarbeit Probenbreite, Überlappungsbreite Klebschichtdicke mechanischer Verlustfaktor Gestaltfaktor Abminderungsfaktor Kapillaritätskennzahl Reaktionsgeschwindigkeitskonstante Überlappungslänge Spannungsspitzenfaktor Druck absoluter Schälwiderstand Biegeschälwiderstand relativer Schälwiderstand Radius Fügeteildicke Zeit Überlappungsverhältnis Verschiebung, Kriechverformung spezifisches Volumen

υ

XXVI

Verzeichnis der Formelzeichen und Abkürzungen

Größe

Einheit

Bedeutung

υs

x y

ms–1 mm mm

z

mm

Schlaggeschwindigkeit Koordinate in Belastungsrichtung Koordinate senkrecht zur Belastungsrichtung in der Fügeebene Koordinate senkrecht zur Klebfläche

A AB B D Da Di E EF EK ES

mm2, cm2 Nm mm, cm mm, cm mm, cm mm, cm Nmm–2; MPa Nmm–2; MPa Nmm–2; MPa Nmm–2; MPa

F – F FB FB Fmax G G´ G˝ GK GS G (t) J (t) Mb Mt MLB N Re Rm Rp0,2 Rmax Rz T Tg Ts Tz Wp

N N N Ncm–1 N Nmm–2; MPa Nmm–2; MPa Nmm–2; MPa Nmm–2; MPa Nmm–2; MPa Nmm–2; MPa mm2 N–1 Nmm Nmm, Nm Nmm, Nm – Nmm–2; MPa Nmm–2; MPa Nmm–2; MPa µm µm °C, K °C °C °C cm3

Klebfläche Bruch-Schlagarbeit Nabenbreite Durchmesser äußerer Durchmesser innerer Durchmesser Elastizitätsmodul Elastizitätsmodul des Fügeteilwerkstoffs Elastizitätsmodul der Klebschicht Elastizitätsmodul der reinen Polymersubstanz Prüfkraft, Last mittlere Trennkraft Bruchlast Einheitsbruchlast Höchstkraft Schubmodul Speichermodul Verlustmodul Schubmodul der Klebschicht Schubmodul der reinen Polymersubstanz Kriechmodul Kriechnachgiebigkeit Biegemoment Torsionsmoment, Drehmoment Losbrechmoment Schwingspielzahl Streckgrenze des Fügeteilwerkstoffs Zugfestigkeit des Fügeteilwerkstoffs 0,2-Dehngrenze des Fügeteilwerkstoffs maximale Rauhtiefe Rauhtiefe (mittlere) Temperatur Glasübergangstemperatur Schmelztemperatur Zersetzungstemperatur polares Widerstandsmoment

Verzeichnis der Formelzeichen und Abkürzungen

XXVII

Größe

Einheit

Bedeutung

α

–, °

α β γ

10–6 · K–1 mm2 N–1 –, ° –

tan γ B γ KF

– mNm–1, mJm–2

δ ε εB η λ λ Λ µF

– –, % –, % mPas, Pas W cm–1 K–1 nm, 10–9 m – –

µK



ν   σ σb σB

s–1 Ωcm gcm–3 Nmm–2; MPa Nmm–2; MPa Nmm–2; MPa

σ FG

mNm–1, mJm–2

σ KG

mNm–1, mJm–2

σ max σz τB τ Bm(= τ B )

Nmm–2; MPa Nmm–2; MPa Nmm–2 ; MPa Nmm–2; MPa

τ Bmax

Nmm–2; MPa

τm

Nmm–2; MPa

τ max

N mm–2; MPa

Benetzungswinkel bzw. Fügeteilbiegung bzw. Schäftungswinkel Wärmeausdehnungskoeffizient Schubzahl Verschiebungswinkel Gleitung, elastische Winkelverformung der Klebschicht Bruchgleitung Grenzflächenspannung, Grenzflächenenergie Klebstoff-Fügeteil Klebnutzungsgrad, Ausnutzungsgrad Dehnung Bruchdehnung Viskosität Wärmeleitfähigkeit Wellenlänge logarithmisches Dekrement Querkontraktionszahl (Poisson-Zahl) des Fügeteilwerkstoffes Querkontraktionszahl (Poisson-Zahl) der Klebschicht Frequenz spezifischer Widerstand Dichte Zugspannung Biegespannung Bruchspannung, Zugfestigkeit der Polymersubstanz Oberflächenspannung, Oberflächenenergie Fügeteil Oberflächenspannung, Oberflächenenergie flüssiger Klebstoff maximale Spannung Normalspannung in der Klebschicht Klebfestigkeit mittlere Zugscherspannung beim Bruch der Klebung maximale Zugscherspannung beim Bruch der Klebung mittlere Zugscherspannung innerhalb des Festigkeitsbereichs maximale Zugscherspannung innerhalb des Festigkeitsbereichs

tan γ

XXVIII

Verzeichnis der Formelzeichen und Abkürzungen

Größe

Einheit

Bedeutung

τD τ LB τT τv τ Mt τ B/t τ0 τ schw τ∞ τ′ τ B′ τm ′ τ ε′ τ v′

Nmm–2; MPa Nmm–2; MPa Nmm–2; MPa Nmm–2; MPa Nmm–2; MPa Nmm–2; MPa Nmm–2; MPa Nmm–2; MPa Nmm–2; MPa Nmm–2; MPa Nmm–2; MPa Nmm–2; MPa Nmm–2; MPa Nmm–2; MPa

Druckscherfestigkeit Losbrechfestigkeit Torsionsscherfestigkeit Verdrehscherfestigkeit Schubspannung infolge Torsionsbelastung Zeitstand-Klebfestigkeit (Zeitstandfestigkeit) Dauerfestigkeit Schwellfestigkeit Dauerstand-Klebfestigkeit (Dauerstandfestigkeit) Schubspannung in der Klebschicht Bruchschubspannung mittlere Schubspannung in der Klebschicht Schubspannung infolge Fügeteildehnung Schubspannung infolge Fügeteilverschiebung

Abkürzungen AES AFERA AFM ASTM ATR BAT BG BGA BUK CAA CEN CIPG COB CSP DDK DEA DETA DFG DIN DMA DMTA DSC DTA DVS

Augerelektronen-Spektroskopie (5.1.3.3) s. Abschnitt 3.4.7 Atomic-Force-Microscopy (Rasterkraft-Mikroskopie (5.1.3.10) American Society for Testing Materials (17.2) Infrarotspektroskopie mit abgeschwächter Totalreflektion (5.1.3.7) Biologischer Arbeitsstofftoleranz-Wert (12.5) Berufsgenossenschaft (12.5) Ball-Grid-Array (15.5.1) Bundesverband der Unfallkassen (12.5) Chromic acid anodization (13.2.1) Centre European d’Normalisation/European Committee for Standardisation (17.1.) Cured-in-place-gasket (3.19.3) Chip-on-Board (15.5.1) Chip-Size(-Scale)-Package (15.5.1) Dynamische Differenz Kalorimetrie (16.4.2) Dielektrische Analyse (16.4.4) Dielektrische Thermoanalyse (16.4.4.) Deutsche Forschungsgemeinschaft (12.5) Deutsches Institut für Normung (17.1) Dynamisch Mechanische Analyse (16.4.1) Dynamisch Mechanische Thermoanalyse (16.4.1) Differential Scanning Calorimetry (16.4.2) Differential Thermo-Analyse (16.4.2) Deutscher Verband für Schweißen und verwandte Verfahren e.V. (12.4.1.2)

Verzeichnis der Formelzeichen und Abkürzungen

EN ESCA ESMA EWF FEICA FFG FINAT FIPG FIR FT-IR FUV HMPSA IMS IPN IR ISO ISS IVD IVK KTL LN MAK MCM MDDK MDF MIR mTA NDP NDT NIR NMR OME PAA ppm PSA PSTC R rel. F. REM RT RTM SAA SAM SIMS SMD

XXIX

Europäische Norm (17.1) Elektronen-Spektroskopie zur Chemischen Analyse (5.1.3.1) Elektronenstrahl-Mikroanalyse (5.1.3.2) European Federation for Welding, Joining and Cutting (12.4.1.2) Fédération Européenne des Industries de Colles et Adhésifs (17.1) Free-formed-gasket (3.19.3) s. Abschnitt 3.4.7 Formed-in-place-gasket (3.19.3) Fernes Infrarot (Strahlung) (2.1.1.3.4) Fourier-Transformation-Infrarotspektroskopie (16.4.9) Fernes UV (Strahlung) (2.1.1.3.4) Hot melt pressure sensitive adhesive (3.4.3) Ionen-Mobilitäts-Spektroskopie (16.4.12) Interpenetrating Polymer network (2.1.4.2) Infrarot (Strahlung) (2.1.1.3.4) Infrarot-Spektroskopie (16.4.9) International Standard Organisation (17.1) Ion-Scattering-Spectroscopy (5.1.3.4) Industrieverband Dichtstoffe e.V. (3.19.3) Industrieverband Klebstoffe e.V. (12.5) Kathodische Tauchlackierung (15.3.3) Luftfahrt-Norm (17.1.2) Maximale Arbeitsplatz-Konzentration (12.5) Multi-Chip-Modul (15.5.1) Modulierte Dynamische Differenz Kalorimetrie (16.4.2) Mitteldichte Faserplatte (14.5.1) Mittleres Infrarot (Strahlung) (2.1.1.3.4) Mikrothermische Analyse (16.4.8) Niederdruck-Plasma (14.1.4.2) Non-Destructive-Testing (16.3) Nahes Infrarot (Strahlung) (2.1.1.3.4) Nuclear-Magnetic-Resonance (16.4.10) Odd-Mode-Energy (16.4.12) Phosphoric acid anodization (13.2.1) Parts per million (12.5) Pressure Sensitive Adhesive (3.4) s. Abschnitt 3.4.7 organische Molekül-(Rest-)Struktur (1.3.2.1) relative Luftfeuchtigkeit (12.3.1) Rasterelektronen-Mikroskopie (5.1.3.8) Raumtemperatur Rastertunnel-Mikroskopie (5.1.3.9) Sulfuric acid anodization (13.2.1) Scanning Auger Microscopy (5.1.3.3) Sekundärionen-Massenspektroskopie (5.1.3.5) Surface mounted device (15.5)

XXX

SMT TEM TDDS TG TGA TMA TOF-SIMS TTS US UV (A,B,C) UVV VIS VOC VUV XPS

Verzeichnis der Formelzeichen und Abkürzungen

Surface mounting technology (15.5) Transmissionselektronen-Mikroskopie (5.1.3.8) Transdermal Drug Delivery System (15.10.3) Thermogravimetrie (16.4.5) Thermogravimetrische Analyse (16.4.5) Thermomechanische Analyse (Dilatometrie) (16.4.7) Time-of-flight-secondary-ion-mass-spektrometrie (5.1.3.6) Transdermale therapeutische Systeme (15.10.3) Ultraschall (16.3.1) Ultraviolett (Strahlung) (2.1.1.3.4) Unfallverhütungsvorschrift (12.5) Sichtbare Strahlung (Licht) (2.1.1.3.4) Volatile Organic Compound (12.5) Vakuum-UV (Strahlung) (2.1.1.3.4) X-Ray Photoelectron Spectroscopy (5.1.3.1)

Einleitung

Aus dem gegenüber der im Jahre 2002 herausgegebenen 4. Auflage beträchtlich gewachsenen Umfang ist ersichtlich, dass Ergebnisse aus Forschungsarbeiten und Erfahrungen aus Anwendungen im Bereich des Klebens erneut stark zugenommen haben. Das hat zu einer Neugestaltung verschiedener Abschnitte einschliesslich der jeweiligen ergänzenden Literaturhinweise geführt, um die Inhalte übersichtlicher und verständlicher vermitteln zu können sowie der Forderung gerecht zu werden, dass ein Fachbuch auch „lesbar“ sein sollte. Die bildlichen Darstellungen wurden wie bisher der Zielsetzung untergeordnet, ein vertieftes Verständnis der textlichen Erläuterungen zu ermöglichen. Aus diesem Grunde wurde bewusst auf bildhafte Wiedergaben klebtechnischer Anwendungen allgemeiner Art, wie z.B. eines Flugzeuges mit dem Hinweis auf darin enthaltene geklebte Strukturen, verzichtet. Die vielfach aus dem Leserkreis geäußerte Anmerkung, dass mit dem Fachbuch ebenfalls ein nützliches Nachschlagewerk vorliegt, ist vor allem auf das sehr detailliert strukturierte Stichwortverzeichnis zurückzuführen. Dieses System wurde daher beibehalten. Einige Abschnitte über die Festigkeit und Berechnung von Metallklebungen in den Kapiteln 8 und 9 mögen durch die Entwicklung computergestützter Methoden wie beispielsweise der Methode der Finiten Elemente als überholt gelten und für eine erneute Wiedergabe in der vorliegenden Ausgabe an Aktualität verloren haben. Vor dem Hintergrund, dass die grundlegenden Arbeiten von Volkersen und ergänzend zitierten Autoren auch heute noch als wichtige Einführung in die komplexen Zusammenhänge der Festigkeitsberechnungen dienen können, sind sie beibehalten worden, da sie insbesondere auch für Lehrzwecke didaktisch wertvoll sein können. Weiterhin ist erwähnenswert, dass die in der zurückliegenden Literatur veröffentlichten Diagramme und Tabellen verwendete Dimension Nmm–2 an Stelle der dimensiongleichen Schreibweise MPa beibehalten wurde. Bei der Auswahl der Veröffentlichungen im Literaturverzeichnis erwies sich bei der Fülle vorliegender Publikationen eine Bevorzugung von Fachzeitschriften gegenüber Konferenzberichten in den kongressbegleitenden Handbüchern als zweckmässig, da letztere in der Regel, insbesondere bei internationalen Kongressen, nur mit hohem Aufwand verfügbar gemacht werden können. Diese Vorgehensweise wird dadurch gerechtfertigt, dass wesentliche Inhalte von Vortragsveröffentlichungen in vielen Fällen bereits in

2

Einleitung

Fachzeitschriften Erwähnung gefunden haben oder dort später veröffentlicht werden. Die Wiedergabe der Literatur erfolgte in bewährter Weise wieder nach zwei verschiedenen Kriterien. Neben den mit dem Text in direktem Zusammenhang stehenden und dort erwähnten Quellen finden sich im Anschluss an einzelne oder einen Themenbereich umfassende Abschnitte ergänzende Literaturangaben. Diese können dem interessierten Leser die Möglichkeit einer Vertiefung geben. Auf diese Weise soll erreicht werden, einen vertretbaren Kompromiss zwischen einer weitgehend verständlichen Darstellung und dem Wunsch nach Detailwissen zu finden. Die im Text angegebenen Querverweise auf zusammenhängende Sachverhalte in anderen Abschnitten/Kapiteln verfolgen darüber hinaus den Zweck einer optimalen Nutzung der in diesem Buch enthaltenen Informationen.

1 Einteilung und Aufbau der Klebstoffe

1.1 Begriffe und Definitionen Aus dem täglichen Sprachgebrauch sind zur Beschreibung klebender Substanzen verschiedene Ausdrücke, wie z.B. Leim, Kleister, Kleber oder sonstige Namen, die ihren Ursprung z.T. in alten Zunfttraditionen oder Anwendungsmöglichkeiten haben, bekannt. Ergänzend hierzu finden auch Begriffe Verwendung, die in Zusammenhang mit verarbeitungstechnischen Gesichtspunkten, z.B. Lösungsmittelklebstoff, Haftklebstoff, oder nach der auftretenden Verfestigungsart, z.B. Reaktionsklebstoff, Schmelzklebstoff gewählt werden. Als einheitlichen Oberbegriff, der die anderen gebräuchlichen Begriffe für die verschiedenen Klebstoffarten einschließt, definiert DIN EN 923 einen Klebstoff als einen „nichtmetallischen Stoff, der Fügeteile durch Flächenhaftung und innere Festigkeit (Adhäsion und Kohäsion) verbinden kann“. Unter Klebstoffen sind demnach Produkte zu verstehen, die gemäß ihrer jeweiligen chemischen Zusammensetzung und dem vorliegenden physikalischen Zustand zum Zeitpunkt des Auftragens auf die zu verbindenden Fügeteile oder während ihrer Erwärmung (z.B. Klebstofffolien) eine Benetzung der Oberflächen ermöglichen und in der Klebfuge die für die Kraftübertragung zwischen den Fügeteilen erforderliche Klebschicht ausbilden. Ergänzend sind die folgenden Definitionen zu erwähnen: 앫 Kleben: Fügen gleicher oder ungleicher Werkstoffe unter Verwendung eines Klebstoffes; 앫 Klebung: Verbindung von Fügeteilen, hergestellt mit einem Klebstoff (der Begriff „Klebung“ ist also an die Stelle der bisher allgemein gebrauchten Bezeichnung „Klebverbindung“ getreten); 앫 Klebfläche: Die zu klebende oder geklebte Fläche eines Fügeteils bzw. einer Klebung; 앫 Klebfuge: Zwischenraum zwischen zwei Klebflächen, der durch eine Klebschicht ausgefüllt ist; 앫 Klebschicht: Abgebundene oder noch nicht abgebundene Klebstoffschicht zwischen den Fügeteilen (Bemerkung: Um eine einheitliche Beschreibung sicherzustellen, wird in diesem Buch, wenn nicht anders vermerkt, unter der Klebschicht ausschließlich die abgebundene, also im festen Zustand vorliegende Klebschicht verstanden);

4

1 Einteilung und Aufbau der Klebstoffe

앫 Fügeteil: Körper, der an einen anderen Körper geklebt werden soll oder geklebt ist; 앫 Abbinden: Verfestigen der (flüssigen) Klebschicht. Zur Begriffsbestimmung im Hinblick auf „Härtung“ bzw. „Aushärtung“ siehe Abschnitt 12.3.4. 앫 Abbindezeit: Zeitspanne, innerhalb der die Klebung nach dem Vereinigen der Fügeteile eine für die bestimmungsgemäße Beanspruchung erforderliche Festigkeit erreicht. In der Vergangenheit hat sich der Begriff „strukturelles Kleben“ vielfältig eingeführt. Eine exakte Definition ist bisher nicht geprägt worden, doch ist davon auszugehen, dass mit dieser Ausdrucksweise eine durch das Kleben mögliche konstruktive Gestaltung mit hoher Festigkeit bzw. Steifigkeit bei weitgehend gleichmäßiger und günstiger Spannungsverteilung beschrieben werden soll. Weiterhin charakterisiert dieser Begriff auch die Forderung an eine Klebung, die an sie gestellten mechanischen und durch Alterungsvorgänge bedingten Beanspruchungen dauerhaft ohne Versagen zu erfüllen.

1.2 Einteilung der Klebstoffe Es hat in der Vergangenheit nicht an Bemühungen gefehlt, die bekannten Klebstoffe nach bestimmten Kriterien mittels allgemein verständlicher und aussagekräftiger Ordnungsprinzipien zu systematisieren. Hierbei hat sich gezeigt, dass mit zunehmender Universalität der Darstellungen die Aussagekraft für den interessierten Anwender gemindert wird. Eine Beschreibung der Systematik der Klebstoffe soll sich daher darauf beschränken, zwei der wichtigsten Ordnungsprinzipien darzustellen und die für diese charakteristischen Zusammenhänge in kurzer Form zu erläutern. 1.2.1 Einteilung nach der chemischen Basis

Wie Bild 1.1 zeigt, werden zwei Gruppen unterschieden, und zwar die auf organischen und anorganischen Verbindungen basierenden Klebstoffe. Von diesen beiden Gruppen stellen die organischen Klebstoffe den weitaus größten Anteil dar und von diesen werden wiederum die Klebstoffe auf künstlicher Basis am häufigsten eingesetzt. Als wesentliche Unterscheidungskriterien ergeben sich entsprechend dieser Einteilung: 앫 Die unterschiedlichen Klebfestigkeiten und Alterungsbeständigkeiten innerhalb der organischen Verbindungen, die bei Klebstoffen auf künstlicher Basis wesentlich höhere Werte aufweisen. 앫 Die Verarbeitungs- und Anwendungstemperaturen. Klebstoffe auf organischer Basis werden im Vergleich zu den anorganischen Verbindungen bei

1.2 Einteilung der Klebstoffe

5

Bild 1.1. Einteilung der Klebstoffe nach der chemischen Basis

niedrigeren Temperaturen verarbeitet und besitzen ihnen gegenüber daher auch nur eine geringere thermische Beständigkeit. Die Silicone stellen ihrer Art nach Verbindungen mit organischen und anorganischen Merkmalen dar. 1.2.2 Einteilung nach dem Abbindemechanismus

Dieser Einteilung liegen die folgenden Kriterien zugrunde (Bild 1.2): 앫 Molekülzustand zu Beginn des Klebens. Bei den chemisch reagierenden Systemen liegen reaktionsbereite Monomer- bzw. Prepolymermoleküle gleicher oder verschiedener Art vor, die zeit- und/oder temperaturabhängig, ggf. unter Anwendung von Druck, miteinander in der Klebfuge zu der polymeren Klebschicht reagieren. Die physikalisch abbindenden Systeme bestehen bereits aus Polymerverbindungen, die über Lösungsmittelsysteme oder erhöhte Temperaturen in einen benetzungsfähigen Zustand gebracht werden bzw. durch Druckanwendung Adhäsionskräfte mit den Fügeteiloberflächen ausbilden (Abschn. 3.4.7). In der Klebfuge findet demnach keine chemische Reaktion mehr statt. 앫 Anzahl der an der Reaktion beteiligten Komponenten. Bei den chemisch reagierenden Systemen bewirken in der Regel zwei miteinander gemischte Reaktionspartner die Klebschichtbildung (Zweikomponenten-Reaktionsklebstoffe, Abschn. 2.2.1.5 und 2.2.2.2) oder ein Reaktionspartner findet die zweite für die Reaktion erforderliche „Komponente“ in den chemischen Bedingungen der Klebfuge (z.B. Feuchtigkeit) vor (Einkomponenten-Reaktionsklebstoffe, Abschn. 2.1.1.1 und 3.1.2). Die physikalisch abbindenden Systeme bestehen grundsätzlich aus nur einer Komponente, nämlich dem bereits im endgültigen Zustand befindlichen Poly-

6

1 Einteilung und Aufbau der Klebstoffe

Bild 1.2. Einteilung der Klebstoffe nach dem Abbindemechanismus

mer, dem je nach den gegebenen Erfordernissen Stabilisatoren, Weichmacher oder auch Füllstoffe zugemischt sein können (Einkomponentenklebstoff). Die in Bild 1.2 erwähnten reaktiven Schmelzklebstoffe stellen eine Kombination beider Abbindemechanismen dar. Sie werden in erwärmtem Zustand auf die Fügeteile aufgetragen, ergeben nach Abkühlung eine ausreichende Handhabungsfestigkeit der Klebung und härten anschließend über eine chemische Reaktion vollständig aus (Kombinationshärtung). Typische Vertreter dieser Klebstoffe sind auf Epoxidharzbasis (Abschn. 2.2.1.8) und Polyurethanbasis (Abschn. 2.2.2.5) aufgebaut. In Zusammenhang mit der Problematik von Lösungsmittelemissionen gelten die in Abschnitt 12.5 aufgeführten Verordnungen, insbesondere die VOC(volatile organic compounds)Richtlinie. Eine in der Praxis ebenfalls geläufige Einteilung der Klebstoffe in lösungsmittelfreie („100%“-) und lösungsmittelhaltige („nicht 100%“-)Systeme hat den Nachteil, dass die „nicht 100%“Systeme sehr unterschiedliche Lösungsmittelgehalte aufweisen und somit – auf die verarbeitete Menge bezogen – keine Aussage hinsichtlich der tatsächlichen Lösungsmittelemission ermöglichen. Die Einteilung der Klebstoffe nach ihrer Entstehungsreaktion und Polymerstruktur ergibt sich aus Tabelle 2.4, die Zuordnung der verschiedenen Basismonomere zu den einzelnen Klebstoffarten erfolgt bei der Einzelbeschreibung der Klebstoffe.

1.3 Aufbau der Klebstoffe

7

Weitere Ordnungskriterien, die in diesem Zusammenhang nicht näher behandelt werden sollen, wären z.B. die Einteilung nach der Verarbeitungsmethode, dem thermischen Verhalten, dem Einsatzzweck, den Klebeigenschaften oder den Lieferformen. Ergänzende Literatur zu Abschn.1.2: [F19, K81, K82].

1.3 Aufbau der Klebstoffe Der chemische Aufbau der (organischen) Klebstoffe ist dem der Kunststoffe und der entsprechenden Ausgangsprodukte sehr eng verwandt. Die aus diesen Klebstoffen durch entsprechende chemische Reaktionen sich ausbildenden Klebschichten sind daher den organischen Polymerverbindungen zuzuordnen. Die auch als „Polyreaktionen“ bezeichneten Bildungsmechanismen führen dabei zu Molekülstrukturen, die je nach ihrem Aufbau die Eigenschaften der Klebschichten sehr wesentlich bestimmen. Für das Verständnis des chemischen Aufbaus von Klebstoffen und Klebschichten ist daher die Kenntnis der folgenden Zusammenhänge wichtig: – Der chemische Aufbau der jeweiligen Monomere, – die vom Monomer zum Polymer führenden Reaktionsmechanismen, – die Struktur der Polymere. Für die Begriffe Monomer und Polymer gelten folgende Definitionen: 앫 Monomer: Ausgangsprodukt, dessen Moleküle einzeln vorliegen und die infolge Vorhandenseins von mindestens zwei funktionellen (reaktionsfähigen) Gruppen in der Lage sind, durch eine chemische Reaktion ein Polymer zu bilden. 앫 Polymer: Organischer Stoff, dessen hohes Molekulargewicht auf der vielfachen Wiederkehr eines Grundmoleküls (Monomer, Struktureinheit) beruht. Bei Polymeren mit nur wenigen Monomereinheiten spricht man von Oligomeren. Linear aufgebaute Oligomere mit einer größeren Anzahl von Monomereinheiten (sog. Makromonomere), die an beiden Enden funktionelle Gruppen aufweisen, werden als telechelische Polymere (Telechele) bezeichnet (Telomerisation). Als Homopolymer bezeichnet man ein Polymer, das nur aus einer Art von Monomereinheiten bei gleichartiger Verknüpfungsweise der Monomere aufgebaut ist. Unter einem Copolymer bzw. Mischpolymer ist ein Polymer zu verstehen, das sich aus verschiedenartigen (mindestens zwei) Monomereinheiten aufbaut (Abschn. 2.1.3). 앫 Prepolymere sind Polymere, die nur aus einer begrenzten Anzahl von Monomeren bestehen, aber noch reaktive Gruppen (Abschn. 1.3.1) aufweisen. Ihre Viskosität liegt in der Regel deutlich über der der reinen Monomere. Der Schwerpunkt der folgenden Betrachtungen liegt bei den Klebstoffen auf Basis der künstlichen organischen Verbindungen, da diese den größten Anwendungsbereich besitzen.

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1 Einteilung und Aufbau der Klebstoffe

1.3.1 Chemischer Aufbau der Monomere

Als wesentliche Elemente sind am Aufbau der organischen Klebstoffe Kohlenstoff (C), Wasserstoff (H), Sauerstoff (O), Stickstoff (N), Chlor (Cl), Schwefel (S) und Silizium (Si) beteiligt. Die in Tabelle 1.1 dargestellten kennzeichnenden Bindungsarten dieser Elemente untereinander sind für Klebstoffe charakteristisch. Der Zusammenhalt der Atome oder Atomgruppen untereinander erfolgt dabei über Hauptvalenzbindungen (Abschn. 6.1). Die Vielfalt der Reaktionsmöglichkeiten der erwähnten Elemente mit- und untereinander ergibt außerordentlich große Variationen zur Erzielung spezifischer Klebstoffeigenschaften. Entscheidend für die Reaktionsfähigkeit der Monomermoleküle zu Polymerverbindungen ist das Vorhandensein funktioneller, d.h. reaktionsfähiger Atomgruppierungen in einem Monomer. An diesen Stellen erfolgt bei der Reaktion die Verknüpfung der Einzelmoleküle zu dem Makromolekül. Die wichtigsten funktionellen Gruppen für Klebstoffe sind in Tabelle 1.2 wiedergegeben. Neben der Vereinigung der Monomere zu der Polymerklebschicht als lastübertragende Komponente in einer Klebung müssen die Monomere ebenfalls in der Lage sein, während der Aushärtung der Klebschicht im Grenzschichtbereich zu den Fügeteilen ausreichende Adhäsionskräfte zu bilden. Wie bei der Beschreibung der Adhäsion noch näher erläutert wird (Abschn. 6.1.4 und 6.2.1), ist hierfür das Vorhandensein von Atomen oder Atomgruppierungen mit polaren Eigenschaften sowie ihre gegenseitige Zuordnung innerhalb eines Moleküls eine wesentliche Voraussetzung.

Tabelle 1.1. Charakteristische Bindungsarten der am Aufbau von Klebstoffen beteiligten Ele-

mente Bindungsart

chemische Struktur

KohlenstoffKohlenstoffEinfach- und Doppelbindung

–C–C–C– | | |

Esterbindung

–C–O– || O

Etherbindung

–C–O–C– | |

Epoxide

Amidbindung

–C–N– || | O H

Polyamide

Urethanbindung

–CH2–N–C–O–CH 2– | || H O

Polyurethane

|

|

|

|

|

C=C | |

ebenfalls verzweigte Ketten und –C–C–Ringstrukturen

|

Beispiele Polyethylen Polyisobutylen Phenol-Formaldehyd-Harz Polyester

|

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1.3 Aufbau der Klebstoffe Tabelle 1.2. Funktionelle Gruppen in Monomermolekülen

Gruppe

Formel

Gruppe

Formel

Hydroxyl Amino Säure Aldehyd Isocyanat

–OH –NH2 –COOH –CHO –N=C=O

Vinyl Cyan Merkapto Chlorid Epoxid

–CH=CH2 –CN –SH –Cl –HC–CH2 \ / O

Diese Zusammenhänge und der strukturelle Aufbau der Klebstoffe werden bei der Behandlung der verschiedenen Klebstoffsysteme im Einzelnen erläutert, da es sich als zweckmäßig erwiesen hat, den Aufbau der Klebstoffe nach ihrer chemischen Formulierung zu beschreiben. Von diesem grundsätzlichen Aufbau leiten sich dann ebenfalls die entsprechenden Reaktionsmechanismen ab, die zu den Klebschichten mit ihren jeweiligen Eigenschaften führen. Es ist jedoch bereits an dieser Stelle wichtig zu erwähnen, dass es nicht möglich ist, aus der Kenntnis der Zusammensetzung eines Klebstoffs oder aus dem strukturellen Aufbau der Basismonomere Rückschlüsse auf das Verhalten der Klebschicht in der Klebung zu ziehen. Für eine Aussage müssen in jedem Fall die Reaktionsbedingungen Temperatur, Zeit und Druck berücksichtigt werden, da sie die Art der Reaktion und das entstehende Polymerprodukt entscheidend beeinflussen (Abschn. 3.1.1). Bei der Betrachtung des chemischen Aufbaus der Klebstoffe ist weiterhin festzustellen, dass zur Erzielung optimaler Klebschichteigenschaften auch Monomermischungen eingesetzt werden können, um die jeweils vorteilhaften Eigenschaften der Basismonomere miteinander zu kombinieren oder gegensätzliche Eigenschaften in ihren Auswirkungen (z.B. sprödes – flexibles Verhalten) zu kompensieren. Als weitere Maßnahmen zur Beeinflussung der Klebschichteigenschaften und der Reaktionsmechanismen bieten sich Zusätze ergänzender Klebstoffkomponenten an, wie z.B. Stabilisatoren, Katalysatoren, Antioxidantien, Weichmacher usw. Diese Möglichkeiten werden im Zusammenhang mit den entsprechenden Klebstoffen detaillierter beschrieben. Bei der Konzeption des chemischen Aufbaus eines Klebstoffs stehen demnach die folgenden beiden Überlegungen im Vordergrund: 앫 Monomere einzusetzen, die aufgrund des inneren Zusammenhaltes der aus ihnen entstehenden Molekülketten oder -vernetzungen eine ausreichende Festigkeit aufweisen, um die entsprechenden Kräfte zwischen den Fügeteilen übertragen zu können. 앫 Monomere einzusetzen, die auf Basis ihres strukturellen Aufbaus ein adhäsives Verhalten zu den Fügeteiloberflächen aufweisen.

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1 Einteilung und Aufbau der Klebstoffe

1.3.2 Aufbau der Polymere 1.3.2.1 Reaktionsmechanismen zur Polymerbildung

Es gibt verschiedene Reaktionsmechanismen, allgemein als Polyreaktionen bezeichnet, die von den niedermolekularen (monomeren) zu den hochmolekularen (polymeren) Verbindungen führen. Voraussetzung für den Ablauf dieser Reaktionen ist in jedem Fall, dass es sich bei den Monomermolekülen um mindestens bifunktionelle Verbindungen handelt. Diese Verbindungen können sich im Grundsatz von aliphatischen Strukturen (sog. Alkyle mit der allgemeinen Formel CnH2n + 1, z. B. CH3-Methyl, C2H5-Ethyl, C3H7-Propyl) oder aromatischen Strukturen (sog. Aryle als Reste aromatischer Verbindungen, z. B. C6H5-Phenyl) ableiten. Daneben kommen auch cycloaliphatische oder gemischte Alkyl-Aryl-Strukturen in Frage.

왘 Beispiel 1. Reaktion durch eine einfache Verknüpfung einer Säuregruppe mit einer Hydroxylgruppe unter Wasserabspaltung zu einem Ester:

(1.1) (R; R1; R2 = systembezogene organische Molekülstrukturen)

Da sowohl das Säure- als auch das Alkoholmolekül monofunktionell ist, kommt es nicht zur Ausbildung einer Polymerverbindung.

왘 Beispiel 2. Reaktion an mehreren Verknüpfungsstellen aufgrund des Vorhandenseins von mindestens zwei funktionellen Gruppierungen einer Säure und eines Alkohols zu einem Polyester:

(1.2)

1.3 Aufbau der Klebstoffe

11

Dieser primäre (saure) Ester hat wegen seiner freien Säure- und Alkoholgruppen wiederum zwei Verknüpfungsstellen, sodass es bei der Weiterreaktion infolge des kontinuierlichen Molekülwachstums zum Entstehen eines Polyesters der allgemeinen Formel (1.3) kommt.

왘 Beispiel 3. Reaktionen von Molekülen mit einer Kohlenstoff-KohlenstoffDoppelbindung miteinander (zu diesem Beispiel wird insbesondere auf Abschn. 2.1.1.3.3 verwiesen):

(1.4a)

(1.4b) Polyreaktionen sind demnach nur dann möglich, wenn die monomeren Ausgangsverbindungen mindestens bifunktionell sind. Als mögliche Reaktionsarten zur Polymerbildung werden generell unterschieden: – Polymerisation (Abschn. 2.1), – Polyaddition (Abschn. 2.2), – Polykondensation (Abschn. 2.3). Die genaue Beschreibung dieser drei Reaktionsarten erfolgt zweckmäßigerweise in Verbindung mit den für diese Reaktionen typischen Klebstoffsystemen, die in den genannten Abschnitten behandelt werden. Eine zusammenfassende Darstellung findet sich in Abschn. 2.4. Bemerkung: Der Vollständigkeit halber sei noch auf eine vierte Reaktionsart, die der Vulkanisation, hingewiesen. Nach dieser Reaktion entstehen beispielsweise die in den Abschnitten 2.1.4 und 14.4 beschriebenen Kautschukpolymere. 1.3.2.2 Struktur der Polymere

Je nach Funktionalität der reaktionsfähigen Gruppen in einem Monomermolekül kommt es zur Ausbildung unterschiedlicher Polymerstrukturen (Bild 1.3): 앫 Verbinden sich Monomermoleküle mit zwei endständigen funktionellen Gruppen (bifunktionell) miteinander, so entstehen fadenförmige oder auch lineare Makromoleküle;

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1 Einteilung und Aufbau der Klebstoffe

Bild 1.3. Makromolekülanordnungen (schematisch) lineares Makromolekül

verzweigtes Makromolekül

vernetztes Makromolekül

앫 Reagieren bifunktionelle Monomere mit in der C-Kette verteilten reaktiven Gruppen, so kommt es zu Verzweigungen an den Molekülketten; 앫 Verbinden sich Monomere oder Zwischenprodukte überwiegend an je drei Stellen (trifunktionell) miteinander, so entstehen räumlich vernetzte Makromoleküle. Im idealen Endzustand besteht das gebildete Polymer aus einem einzigen in sich chemisch gebundenen Molekülnetz. In Abhängigkeit von dem strukturellen Aufbau der Makromoleküle können die chemischen, physikalischen und mechanischen Eigenschaften der Polymerschichten sehr unterschiedlich sein. Als wesentliches Kriterium gilt hierbei das Verhalten unter Temperaturbeanspruchung, auf das bei der Beschreibung der wärmebeständigen Klebstoffe detailliert eingegangen wird (Abschn. 3.9). Eine generelle Einteilung der Polymere bezüglich ihrer mit der Molekülstruktur zusammenhängenden Eigenschaften sieht die folgenden Arten vor: 앫 Thermoplaste. Linear oder verzweigt aufgebaute Makromoleküle, die bei Erwärmung bis zur Fließbarkeit erweichen und sich durch Abkühlung wieder verfestigen. Sie sind also in der Lage, reversible Zustandsänderungen zu durchlaufen (z.B. Polyamide). Für den Zusammenhalt der linearen oder verzweigten Makromoleküle untereinander sind nur Nebenvalenzbindungen (Abschn. 6.1.4) bestimmend. Im schmelzflüssigen Zustand besitzen die Molekülketten eine hohe freie Beweglichkeit, sodass eine kontinuierliche Neuordnung der Moleküle relativ zueinander möglich ist. Je nach Kettenaufbau können sie in amorphem oder teilkristallinem Zustand vorliegen. 앫 Duromere. Räumlich eng vernetzte Makromoleküle, die sich auch bei hohen Temperaturen nicht plastisch verformen lassen, also nach dem Aushärtungsprozess in einem starren, z.T. auch spröden, amorphen Zustand vorliegen. Ursache für die geringe Verformbarkeit ist die Tatsache, dass wegen der durch kovalente Bindungskräfte miteinander gebundenen Moleküle kein gegenseitiges Verschieben in der Polymerstruktur mehr möglich ist (z.B. Phenol-Formaldehydharze). Im Unterschied zu den linearen und verzweigten Thermoplasten zeichnet sich diese Verbindungsklasse ebenfalls dadurch aus, dass eine Unlöslichkeit in praktisch allen organischen Lö-

1.3 Aufbau der Klebstoffe

13

sungsmitteln vorliegt. Diese Tatsache hat einen entscheidenden Einfluss auf die Wahl des Klebverfahrens zum Verbinden dieser Kunststoffe (Abschn. 14.1.1). Der für diese Stoffklasse häufig verwendete Begriff Duroplast ist keine exakte Wortwahl, da er nach durus (lat.) = hart und plastikos (griech.) = formbar, bildsam, einen „hartweichen“ Stoff bezeichnet. 앫 Elastomere. Weitmaschig vernetzte Makromoleküle, die bis zum Temperaturbereich chemischer Zersetzung nicht fließbar werden, sondern weitgehend temperaturunabhängig gummielastisch reversibel verformbar sind (z.B. Kautschukderivate). Für die Verwendung als Klebstoffe kommen mit Ausnahme spezieller Silicone und Polyurethane nur Basismonomere, die thermoplastische und duromere Klebschichten auszubilden in der Lage sind, zum Einsatz. Eine schematische Darstellung der Makromolekülanordnungen von Thermoplasten und Duromeren zeigt Bild 1.4. Die Struktur der Makromoleküle wird hinsichtlich der in ihnen vorhandenen Bindungsverhältnisse demnach bestimmt durch: – Die Struktur der Monomereinheiten, – die Art ihrer Verknüpfung (Bild 1.3), – die Verteilung von Hauptvalenzbindungen längs der Polymerkette und Nebenvalenzbindungen zwischen den Polymerketten (Abschn. 6.1). Die formelmäßige Beschreibung eines Polymers wird in einfacher Weise durch die Darstellung einer Monomereinheit vorgenommen. In Formel (2.30) bezeichnet z.B. die eckige Klammer die Monomereinheit, der Index n gibt den Polymerisationsgrad an, d.h. die Anzahl der sich im Makromolekül wiederholenden Monomereinheiten. Entsprechend der Anzahl Moleküle des oder der Monomere, die sich unter den gegebenen Bedingungen zu einem polymeren Molekül mit kovalenten

Bild 1.4. Aufbau von Polymerstrukturen aus Monomeren

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1 Einteilung und Aufbau der Klebstoffe

Bindungen vereinigen, spricht man von nieder- oder hochmolekularen Produkten. Die Kenntnis des Polymerisationsgrades ergibt die Möglichkeit, das Molekulargewicht eines polymeren Stoffes zu berechnen, wobei berücksichtigt werden muss, dass sich bei einer Polymerisationsreaktion Makromoleküle mit unterschiedlichen Kettenlängen ausbilden. Somit kann nur ein Mittelwert des Molekulargewichtes angegeben werden (s.a. Abschn. 2.4). Die Darstellung der Strukturformeln für die einzelnen Klebstoffe kann aus technischen Gründen nur in einer Ebene geschehen. Es ist aber grundsätzlich davon auszugehen, dass alle Moleküle in Wirklichkeit dreidimensional aufgebaute räumliche Konfigurationen bilden. Aus den angegebenen Strukturformeln ist daher die wirkliche sterische Anordnung der einzelnen Atome bzw. Atomgruppierungen nicht erkennbar. Diese Möglichkeit ist nur bei Verwendung sog. Kalottenmodelle gegeben, wie sie z.B. in [B22] beschrieben sind. Der Aufbau der natürlichen Klebstoffe und der Klebstoffe auf anorganischer Basis wird in Verbindung mit den jeweiligen Einzelbeschreibungen erörtert (Abschn. 2.5 und 2.6). Die für das Verhalten der Klebschichten wichtigsten Eigenschaften dieser Polymere werden in Kapitel 4 „Eigenschaften der Klebschichten“ beschrieben. Ergänzende Literatur zu Abschn. 1.3: [B1, B2, P28, P74, T15, V17].

2 Klebstoffgrundstoffe

Nach DIN EN 923 wird unter einem Grundstoff (frühere Bezeichnung „Bindemittel“) der Klebstoffbestandteil verstanden, der die Eigenschaft der Klebschicht wesentlich bestimmt oder mitbestimmt. Es handelt sich also um die Monomere, Prepolymere (vorvernetzte Monomere als Vorstufe zu Polymeren) oder Polymere, die an der Ausbildung der Klebschicht beteiligt sind, d. h. die das Grundgerüst der makromolekularen Struktur bilden. Für die Vielzahl der bekannten und verwendeten Klebstoffe sind aus dem großen Spektrum der Polymerchemie gezielte Grundstoffentwicklungen durchgeführt worden, deren wichtigste im Folgenden beschrieben werden sollen. Die Darstellungen bedürfen dabei, um trotz der Vielfalt der chemischen Verbindungen die Übersichtlichkeit so weitgehend wie möglich zu erhalten, der folgenden Beschränkungen: 앫 Die angegebenen Formeln vermögen nur das grundlegende Reaktionsprinzip aufzuzeigen, sodass mögliche Variationen bzw. Nebenreaktionen durch verschiedene Substituenten, funktionelle Gruppen usw. nicht im Einzelnen berücksichtigt werden können. 앫 Wegen der Vielfalt der möglichen Monomerkombinationen wird eine Beschränkung auf die für die einzelnen Klebstoffe typischen Systeme vorgenommen. Die Beschreibung der einzelnen Grundstoffe und der zuzuordnenden Klebstoffarten erfolgt nach den in Bild 1.2 dargestellten Reaktionsmechanismen der Polymerisation, Polyaddition und Polykondensation.

2.1 Polymerisationsklebstoffe Das charakteristische Merkmal der für Polymerisationsklebstoffe in Frage kommenden Ausgangsmonomere ist das Vorhandensein von einer oder mehreren Kohlenstoff-Kohlenstoff-Doppelbindungen im Molekül, die gegenüber der Einfachbindung einen höheren Energieinhalt besitzen. Zu einer Polymerisation kommt es durch die Aufrichtung dieser Doppelbindung als Folge der allgemeinen Tendenz, von einem energiereicheren in einen energieärmeren

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2 Klebstoffgrundstoffe

Zustand überzugehen. Für eine Vinylgruppe stellt sich dieser Vorgang schematisch beispielsweise wie folgt dar: (2.1) Die durch die Aufrichtung resultierende Bifunktionalität der Vinylgruppe oder anderer Moleküle, die Kohlenstoff-Kohlenstoff-Doppelbindungen enthalten, ermöglicht auf diese Weise eine Aneinanderreihung vieler Moleküle zu einem Polymer. Das Aufrichten der Doppelbindung bedarf einer Aktivierung der Bindungsenergien im Monomermolekül. Diese Aktivierung kann erreicht werden durch: – Geeignete Katalysatoren oder Radikale, die eine anionische, kationische oder radikalische Polymerisation herbeiführen (Abschn. 2.1.1.1, 2.1.1.2, 2.1.2); – Strahlung (UV-Strahlung, Elektronenstrahl) (Abschn. 2.1.1.3). In allen Fällen besitzen die gebildeten Klebschichten thermoplastische Eigenschaften. Der Reaktionsart entsprechend wird unterschieden in Ein- und Zweikomponenten-Polymerisationsklebstoffe. Zusammenfassend werden die vinylgruppenhaltigen Klebstoffgrundstoffe als Acrylatklebstoffe oder auch Acrylate bezeichnet. Man versteht darunter die große Gruppe von bei Raumtemperatur abbindenden Klebstoffsystemen mit der Fähigkeit, eine Vielzahl an Werkstoffen mit ihren unterschiedlichen Oberflächeneigenschaften durch im Allgemeinen gut alterungsbeständige Klebschichten zu verbinden. Die wichtigsten Vertreter dieser Gruppe sind die Cyanacrylate (Abschn. 2.1.1.1), anaeroben Klebstoffe (Abschn. 2.1.1.2) und Methacrylate (Abschn. 2.1.2) sowie eine große Zahl strahlungshärtender Systeme (Abschn. 2.1.1.3) [L35, B157]. Die für die Herstellung von Copolymerisaten, insbesondere für Haft- und Dispersionsklebstoffe (Abschn. 3.4 und 3.5) eingesetzten Polyacrylate sind Polymere auf Basis von Estern der Acrylsäure (Polyacrylsäureester), wobei für R Alkylreste wie Methyl-, Ethyl-, Isopropyl- u.ä. stehen:

(2.2)

Weiterhin lassen sich andere Klebstoffgrundstoffe durch Vinylgruppen „acrylieren“, z.B. Polyester-, Epoxi- oder auch Urethanacrylate, um auf diese Weise duromere Struktureinheiten mittels kovalenter Bindungen in eine thermoplastische Matrix einzubauen (Abschn. 2.2.1.7) oder einer Strahlungshärtung zugänglich zu machen.

2.1 Polymerisationsklebstoffe

17

2.1.1 Einkomponenten-Polymerisationsklebstoffe

Bei diesen Systemen sind die Monomere in der Weise stabilisiert, dass die Polymerisation erst durch Einflüsse, die während des Auftragens auf die Fügeteile wirksam werden, beginnt. Diese Einflussfaktoren können entweder Spuren von Feuchtigkeit und somit OH–-Ionen (Cyanacrylate, Abschn. 2.1.1.1), oder Metallionen bei gleichzeitigem Ausschluss von Sauerstoff sein (anaerobe Klebstoffe, Abschn. 2.1.1.2). Für die Monomeraushärtung ist, wie aus diesen beiden Beispielen hervorgeht, zwar eine zweite „Komponente“ erforderlich, diese wird dem Monomer aber im Gegensatz zu den klassischen Zweikomponentensystemen vor der Verarbeitung nicht besonders hinzugegeben. Da diese Klebstoffe in Form von nur einer Komponente verarbeitet werden, fallen sie unter den Begriff „Einkomponenten-Polymerisationsklebstoff“. 2.1.1.1 Cyanacrylatklebstoffe 2.1.1.1.1 Chemischer Aufbau

Die chemische Konstitution der Cyanacrylatklebstoffe (in Kurzform „Cyanacrylate“ genannt) leitet sich von der α-Cyanacrylsäure ab, in der R verschiedene Alkylgruppierungen wie z.B. Methyl-(CH3–), Ethyl-(C2H5–), n-Propyl-(C3H7–), n-Butyl-(C4H9–) und Allyl-(CH2=CH–CH2–) sowie gelegentlich auch Methoxyethyl-(–C2H4–O–CH3) oder Ethoxyethyl-(–C2H4–O–C2H5) darstellen kann:

(2.3)

Die Ausbildung des Polymers erfolgt nach Art einer Ionenkettenpolymerisation, die wie folgt zu beschreiben ist: Bei dem in Formel (2.3) dargestellten Cyanacrylsäureester ist das Ladungsgleichgewicht der Doppelbindung durch die an dem gleichen Kohlenstoffatom befindliche Cyangruppe und Estergruppe verschoben, sodass die Möglichkeit der Anlagerung von negativ geladenen Atomgruppierungen (R両x ) besteht:

(2.4)

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2 Klebstoffgrundstoffe

Es entsteht ein aktiviertes Addukt, an dessen reaktivem Ende eine elektrische Ladung sitzt. Für die Polymerisation bei den Cyanacrylaten dienen als Initiator für diese Aktivierung OH–-Ionen, wie sie aufgrund des gegebenen Dissoziationsgleichgewichts in Wasser vorhanden sind. Bereits die geringen auf den Fügeteiloberflächen oder in der umgebenden Luft befindlichen Wassermengen reichen für die erforderliche OH–-Ionenkonzentration aus. Die Kette wächst dann durch Anlagerung weiterer Monomermoleküle an das bereits aktivierte Addukt:

(2.5)

Bei dieser Ionenkettenpolymerisation, bei der sich je nach Reaktionsbedingungen mehrere 100000 Moleküle aneinanderlagern können, handelt es sich um einen anionischen Mechanismus, da am reaktiven Ende eine negative elektrische Ladung sitzt. Das Kettenwachstum endet durch Aufhebung des Ionencharakters nach verschiedenen Reaktionsmechanismen, die in diesem Zusammenhang nicht näher erläutert werden sollen. Das Ausmaß der erwähnten Ladungsverschiebung und somit die Geschwindigkeit der Bildung des aktivierten Adduktes wird entscheidend durch die vorhandene Estergruppierung beeinflusst. So lassen sich durch Wahl der zur Veresterung eingesetzten Alkohole (z.B. Methyl- oder Ethylalkohol) differenzierte Eigenschaften in der Aushärtungsgeschwindigkeit der Cyanacrylatklebstoffe erzielen. Der beschriebene Reaktionsmechanismus läuft mit hoher Geschwindigkeit ab, bereits nach wenigen Sekunden besitzt die Klebung eine für die weitere Verarbeitung ausreichende Anfangsfestigkeit. Aufgrund dieser Tatsache werden Cyanacrylate auch als sog. „Sekundenklebstoffe“ bezeichnet. Die Endfestigkeiten werden nach ca. 24 h erreicht. 2.1.1.1.2 Eigenschaften und Verarbeitung

In Bezug auf die Eigenschaften und die Verarbeitung der Cyanacrylatklebstoffe sind die folgenden Merkmale wichtig: 앫 Feuchtigkeitsempfindlichkeit: Da bereits Spuren von Feuchtigkeit für die Einleitung der Polymerisation ausreichen, müssen diese Klebstoffe trotz

2.1 Polymerisationsklebstoffe









19

eingearbeiteter Stabilisatoren absolut feuchtigkeitsfrei aufbewahrt werden. Als Stabilisatoren werden, da sowohl radikalische wie auch basische Substanzen die Polymerisation der Cyanacrylester starten, sog. „Radikalfänger“ (Phenolverbindungen, Hydrochinon) und saure Verbindungen (Lewissäuren wie z.B. Schwefeldioxid und verwandte Thionylverbindungen) zugesetzt. Hieraus ergibt sich ergänzend, dass eine Aushärtung der Cyanacrylate bei Vorhandensein saurer Oberflächen (pH < 7) nur sehr stark verzögert eintritt. Feuchtigkeitskonzentration: Die Polymerisation ist von einer ausreichenden Feuchtigkeitskonzentration abhängig. Relative Luftfeuchtigkeiten unterhalb 30 % bedingen eine extrem starke Verzögerung der Polymerisationsreaktion, der Bereich von 30 – 70 % rel. F. gilt als idealer und üblicher Bereich, Feuchtigkeitskonzentrationen oberhalb 80 % können zu Schockhärtungen mit der Folge reduzierter Endfestigkeiten aufgrund innerer Spannungen in der Klebschicht führen. Kurze offene Zeit: Nach Auftragen des Klebstoffs müssen die Fügeteile umgehend vereinigt werden, um eine Vorabpolymerisation und somit verringerte Klebschichtfestigkeit zu vermeiden. Die Zeit bis zum Beginn der Polymerisation (offene Zeit) beträgt meistens nur wenige Sekunden, sie ist von der Luftfeuchtigkeit, dem Feuchtigkeitsgehalt der Klebfläche und von der Umgebungstemperatur abhängig. Durch diese Zusammenhänge ergeben sich auch Beschränkungen beim Herstellen großflächiger Klebungen. Klebschichtdicke: Die Wirksamkeit des an den Fügeteiloberflächen adsorbierten Wassers reicht nur für die Polymerisation begrenzter Klebschichtdicken aus, daher sollen diese 0,2 mm nicht überschreiten. Hieraus folgt weiterhin, dass die Aushärtegeschwindigkeit eine Funktion der Klebschichtdicke ist, sie nimmt mit zunehmender Dicke ab. Verarbeitung: Vorteilhaft ist die durch das Einkomponentensystem bedingte bequeme Verarbeitbarkeit mittels einfacher Dosiervorrichtungen, die schnelle Anfangshaftung und die aufgrund der geringen Viskosität ausgezeichnete Benetzung der (fettfreien) Fügeteiloberflächen. Verpackt werden Cyanacrylate in relativ dickwandige Kunststoffflaschen mit geringer Feuchtigkeitsdiffusion. Bei kleineren oder mittleren Verbrauchsmengen empfiehlt es sich, den Klebstoff aus einer Vorratsflasche in eine kleinere „Arbeitsflasche“ umzufüllen. Die gelegentlich – insbesondere bei durchsichtigen Fügeteilen – auftretende Erscheinung des „blooming“ (Ausblühen) der Klebschicht beruht auf einer Verflüchtigung geringer Monomeranteile während des Klebstoffauftrags um die eigentliche Klebfläche herum. Diese Moleküle scheiden sich als polymere Mikrokristallite ab. Da dieses Phänomen in der Regel nur bei zu hohen Klebschichtdicken auftritt, bietet eine entsprechende Reduzierung sowie auch eine ausreichende Belüftung Abhilfe. Für die Auftragskontrolle während der Fertigung werden durch Zusatz von einem Pyryliumsalz fluoreszierende Klebstoffe angeboten. Die Farbstoffkonzentration liegt im ppm-Bereich, sodass keine Beeinträchtigung

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2 Klebstoffgrundstoffe

der Lagerstabilität eintritt. Für eine Verwendung werden sog. Stammlösungen hergestellt, mit denen die jeweils zum Einsatz gelangenden Klebstoffe eingefärbt werden [D317]. Viskosität: Bei Vorhandensein geringer Viskositäten (ca. < 100 mPas) ist ein Kleben poröser Werkstoffe erschwert, da der Klebstoff vom Fügeteil je nach Porosität schnell aufgesaugt wird. Zur Behebung dieses Nachteils sind mit Polymethylmethacrylat modifizierte Produkte bzw. thixotrope Formulierungen im Handel, die trotz einer hochviskosen Einstellung dennoch sehr kurze Abbindezeiten besitzen und somit Klebungen erlauben, die mit herkömmlichen Cyanacrylat-Typen nicht möglich sind (z.B. größere Spaltbreiten, Kleben senkrecht stehender Oberflächen). Überwiegend werden die folgenden Viskositätsbereiche angeboten: < 30 mPas (sehr dünnflüssig), 30–20000 mPas (dünnflüssig bis mittelviskos), thixotrope Einstellungen. Stabilisierung: Da der Klebstoff bei der Dosierung aus Kunststoff- oder Metallkanülen mit der Feuchtigkeit der Luft in Kontakt kommt, beginnt sich, insbesondere bei einer Serienfertigung, an der Außen- und z.T. auch Innenwand der Kanüle zunehmend ein dünner Ring aus polymerisiertem Klebstoff zu bilden, der zu einer Durchmesseränderung führt und ggf. eine Verstopfung verursacht. In [D118, E67] wird ein Verfahren zum Verarbeiten und Auftragen von Cyanacrylatklebstoffen beschrieben, dadurch gekennzeichnet, dass die mit dem Klebstoff in Berührung kommenden Teile in einem angesäuerten Lösungsmittel passiviert werden, bevor sie mit dem Klebstoff zum ersten Mal in Berührung kommen. Der daraus resultierende saure Charakter der Kanülenoberfläche erfüllt somit die Funktion eines Stabilisators in der kritischen Phase des Luft-(Feuchtigkeits-)kontaktes während der Klebstoffdosierung. Als saure Passivierungslösung wird Phosphorsäure in einer Konzentration von vorzugsweise 3–4 Tropfen in 100 ml Aceton vorgeschlagen. Eine weitere Möglichkeit zur Erhöhung der Lagerungsstabilität von Cyanacrylatklebstoffen ist in [D119] beschrieben. Danach werden die für die Flaschenherstellung eingesetzten Granulate (PE, PP, PETP) mit geringen Mengen (< 0,5 %) einer organischen Säure, z. B. p-Toluol-Sulfonsäure, vermischt. Der nach dem Herstellen der Flasche in ihrer Oberfläche vorhandene Säureanteil dient der Klebstoffstabilisierung. In gleicher Weise lassen sich auch die für die Dosierung eingesetzten Formteile aus Kunststoff, z. B. Spritzen, behandeln. Strahlungshärtung: Strahlungs-(UV-)härtende Cyanacrylate bieten den Vorteil einer längeren offenen Zeit, somit sind auch größere Flächen (bei durchsichtigen Fügeteilen) verklebbar. Durch die äußerst kurzen Aushärtungszeiten wird auch das vorstehend erwähnte Ausblühen der Klebschicht verhindert [C97, I30]. Wärmebeständigkeit: Aufgrund des thermoplastischen Charakters der Klebschichten ist bereits bei Dauertemperaturen um ca. 100 °C eine Depolymerisation und somit ein Festigkeitsverlust möglich. Thermostabile Cyanacrylate werden ohne signifikante Verlängerung der Härtungszeit und

2.1 Polymerisationsklebstoffe

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Beeinträchtigung der Lagerstabilität durch Kombination mit Cyanpentadiensäure-Alkylestern [D472] oder mittels Isocyanatverbindungen und Bisphenolen [D316] erhalten. 앫 Eigenschaften: Cyanacrylate stellen vom Aufbau her Thermoplaste dar, mit allerdings z.T. relativ geringer Flexibilität und – im Vergleich zu Zweikomponenten-Reaktionsklebstoffen – geringerer Wärme- und Feuchtigkeitsbeständigkeit. Die durchschnittliche Temperaturbelastbarkeit liegt für Dauerbeanspruchungen bei ca. 70–80°C, kurzzeitig bei 100–110°C. Die mechanischen Eigenschaften der Klebschichten lassen sich durch Kombination verschiedener Cyanacrylate miteinander oder durch die Auswahl der entsprechenden Alkylester steuern. Die Elastizität der Klebschicht nimmt mit zunehmender Länge des Alkylesters zu, hieraus erklärt sich, dass z.B. eine aus einem Methylester gebildete Klebschicht ein relativ sprödes Verhalten aufweist. Ein Teil der vorstehend erwähnten Einschränkungen lässt sich über entsprechende Modifikationen im Sinne einer Teilflexibilisierung im Molekülaufbau eliminieren bzw. verringern. Dadurch entstehen Produkte, deren Leistungsfähigkeit anwendungstechnisch zwischen der von sprödharten, niedrigviskosen Standardprodukten und der von hochviskosen und/oder thixotropierten und zumeist langsam aushärtenden Formulierungen liegt. Besonders geeignet sind diese strukturellen Variationen zur Erzielung verbesserter dynamischer Festigkeiten, Wechseltemperatur- und Feuchtigkeitsbeanspruchungen sowie auch bei Klebungen mit Werkstoffen unterschiedlicher Wärmeausdehnungskoeffizienten. 앫 Anwendungen: Die Anwendung der Cyanacrylatklebstoffe ist sehr vielfältig. Besondere Eignung haben sie bei Kunststoff- und Gummiklebungen bewiesen. Polystyrol, Styrol-Butadien-Kautschuk, Nitrilkautschuk, Polymethylmethacrylat (allerdings Gefahr von Spannungsrissbildung), Polycarbonat, Melamin-Formaldehydharze lassen sich sehr gut kleben, Epoxidharze, Phenolformaldehydharze, Polysulfon, Polyethylenterephthalat, Celluloseacetat, Polyvinylchlorid (hart) mit gewissen Einschränkungen (Abschn. 14.1.5.3). Für das Kleben der unpolaren Kunststoffe Polyethylen und Polypropylen sind spezielle Primer entwickelt worden, die nicht nur die Klebfestigkeit erhöhen, sondern auch die Alterungsbeständigkeit beachtlich verbessern (Abschn. 2.1.1.1.3). Bei weichgemachten Kunststoffen ist zu empfehlen, im Falle einer Stoßklebung die Fügeteile erst kurz vor der Verklebung zu schneiden, um Festigkeitsminderungen durch hohe Weichmacherkonzentrationen infolge Ausschwitzens zu vermeiden. Dabei sollte der Schnitt mit Messer oder Rasierklinge erfolgen, da bei Scherenschnitt keine plane Oberfläche entsteht. Aufgrund der in der Regel klaren und durchsichtigen Klebschichten besteht auch für Glasklebungen eine breite Anwendung. Zu berücksichtigen ist, dass bei Langzeitbeanspruchungen unter Feuchtigkeits- und Wärmeeinwirkung Cyanacrylate nur eingeschränkt einsetzbar sind. Aufgrund der schnellen Abbindezeiten sind Cyanacrylate ebenfalls für elektrisch leitfähige Klebstoffe untersucht worden. Silber, Nickel und

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2 Klebstoffgrundstoffe

Molybdän in Pulverform (5–10 µm) zeigten die besten Ergebnisse, die Viskosität des Cyanacrylatklebstoffs hatte nur einen geringen Einfluss auf die Leitfähigkeit [C19]. Neben den Anwendungen in der industriellen Praxis haben sich Cyanacrylate ebenfalls vorteilhaft als Gewebeklebstoffe oder für Sprühverbände in der Medizin (Abschn. 15.10) eingeführt. 앫 Arbeitssicherheit: Durch die Eigenschaft der Cyanacrylate, unter Feuchtigkeitseinfluss sehr schnell auszuhärten, sind bei der Verarbeitung Vorsichtsmaßnahmen erforderlich. Dazu gehört in erster Linie, dass ein direkter Kontakt von Klebstoff und Hautpartien (z.B. Fingerspitzen) zu vermeiden ist, da durch die auf der Haut vorhandene Feuchtigkeit innerhalb kürzester Zeit ein Zusammenkleben erfolgt. Beschmutzte Hautflächen sind mit Seifenwasser, Handwaschpaste und Bimsstein zu reinigen und anschließend mit einer Hautcreme einzufetten. Wenn Klebstoffspritzer ins Auge gelangen, werden diese durch die Tränenflüssigkeit sofort ausgehärtet. Bei dieser schnellen Polymerisationsreaktion wird Wärme frei, die die Hornhaut des Auges leicht angreift, dadurch tritt in den ersten Minuten ein kurzer Schmerz auf. Das Auge muss sofort mit geeigneter Augentinktur ausgespült und anschließend mit einer entzündungshemmenden Emulsionssalbe behandelt werden. Danach ist in jedem Fall ein Augenarzt aufzusuchen. Aufgrund bisheriger Erfahrungen regeneriert sich die Hornhaut in wenigen Tagen und es treten keine bleibenden Sehstörungen auf (auszugsweise Wiedergabe aus einer Hersteller-Produktbeschreibung). Das Arbeiten mit einer Schutzbrille kann derartigen Unfällen vorbeugen! In der Offenlegungsschrift DE 3504659A1 (1986) [D104] „Verfahren zum Entfernen von Cyanacrylatklebstoffen“ wird für industrielle Anwendungen mitgeteilt, dass ein Lösungsmittelgemisch von Methylenchlorid und 4-Butyrolacton im Verhältnis 1:1 zum „Entkleben“ von Cyanacrylatklebungen besonders geeignet ist. 2.1.1.1.3 Primer und Aktivatoren für Cyanacrylatklebstoffe

Wie vorstehend erwähnt, lässt sich ein großer Teil der Kunststoffe mit Cyanacrylatklebstoffen gut kleben. Aufgrund der unpolaren Eigenschaften von Polyethylen und Polypropylen (Abschn. 14.1.6.2) sind diese ohne eine geeignete Oberflächenbehandlung mit zufriedenstellenden Festigkeiten nicht klebbar. Durch die Verwendung von Primern oder Aktivatoren besteht die Möglichkeit, deren Oberflächen im Sinne einer Verbesserung der Haftungseigenschaften entscheidend zu verändern. Bei diesen Produkten handelt es sich um Verbindungen mit vorwiegend basischem Charakter, so z.B. aliphatische Amine, Pyridin- bzw. Chinolinderivate, Imidazolinderivate. Als Primer besonders vielfältig eingesetzt wird das Dimethyl-p-Toluidin (Formel 2.26). Primer und Aktivatoren werden als ca. 0,05–2,0%ige Lösungen in Ethylalkohol/ Ethylacetat mittels Pinsel auf die Oberflächen aufgetragen. Nach Abdunsten des Lösungsmittels (ca. 5–10 min) erfolgt der Klebstoffauftrag und die an-

2.1 Polymerisationsklebstoffe

23

schließende Fixierung der Fügeteile. Nach Untersuchungen in [K148, N41] wurden bei Polyethylen und Polypropylen durch Primeranwendung Klebfestigkeitswerte erreicht, die z.T. in der Größenordnung der Fügeteilbruchfestigkeit lagen (6–8 Nmm–2). Nach Klimalagerung (40 °C/98% r.F./28 Tage) wurden noch Klebfestigkeitswerte von 5–6 Nmm–2 gemessen. Als Alternative zu dem Dimethyl-p-Toluidin, das nach dem Chemikaliengesetzt mit „T“ (toxisch) zu kennzeichnen ist, sind Primer entwickelt worden, die das Strukturelement –N=C – S – S – | R

oder

–N= C – S – S –C= N– | | R R

R = organischer Rest

z.B. Dibenzodiazyl-Disulfid, enthalten. Diese Verbindungen bewirken auch eine Aushärtung bei größeren Klebschichtdicken. Ebenfalls sind sie zum Kleben von Werkstoffen mit leicht sauren Oberflächen (spezielle Holz- und Papiersorten), bei denen die anionische Polymerisation verzögert werden kann, geeignet [D318]. Entscheidende Ursache für die Verbesserung der Klebbarkeit ist die mit der Primerbeschichtung einhergehende Basizität der Fügeteiloberflächen, die zu einer starken Aktivierung der Ionenkettenpolymerisation führt. Nach [C97] gibt es für die Haftungsverbesserung auf polyolefinischen Oberflächen durch aminische Primer folgende Erklärungen: – Diffusion der tertiären Amingruppen des Primers in die obersten Molekülschichten des Fügeteils. Auf diese Weise resultiert eine „Ankerfunktion“ des Primers zu dem Cyanacrylatpolymer. Diese Erklärung wird unterstützt durch praktische Erfahrungen, nach denen die Wirksamkeit der Primer mit zunehmender Kristallinität des zu klebenden Polymers und einer damit einhergehenden geringeren Diffusionsrate abnimmt. – Als zweite Möglichkeit wird angenommen, dass die durch die exotherme Polymerisationsreaktion des Cyanacrylates entstehende Wärme die Diffusionsrate der Primer- und Cyanacrylatmoleküle in die obersten Molekülschichten der zu klebenden Substrate mit der Konsequenz verbesserter Haftungseigenschaften erhöht. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.1.1.1: [B74, B76, B77, C45, C97, C98, C111, D65, D316, D317, D472, E39, I1, I2, I30, J15, K1, K83, L35, M1, M124, M125, P24, R33, R124, S155, W116]. Medizinische Anwendungen: [A44, B283, G1, L1, L114, M202, R114, S155]. Primer: [C53, D121–D123, D318, E68, E69, P35, T34, Y10].

2.1.1.2 Anaerobe Klebstoffe (Diacrylsäureester)

Kennzeichnendes Merkmal dieser als Einkomponenten-Polymerisationsklebstoffe verarbeitbaren Systeme ist ein Aushärtungsmechanismus, der in Abwesenheit von Sauerstoff stattfindet (anaerob: aus der Biologie stammende Be-

24

2 Klebstoffgrundstoffe

zeichnung für ohne Sauerstoff lebende Mikroorganismen). Diese Klebstoffe verbleiben so lange in einem flüssigen Zustand (daher auch die Bezeichnung „Flüssigkunststoffe“), wie sie in Kontakt mit dem Sauerstoff der Luft stehen. Nach der Eliminierung des Sauerstoffs während des Zusammenbringens der Fügeteilpartner setzt unter dem gleichzeitigen Einfluss von Metallionen aus den metallischen Fügeteilen in sehr kurzer Zeit die Polymerisationsreaktion ein. Da die Aktivierungsenergie für diese Reaktionen sehr gering ist, finden sie bereits bei Raumtemperatur statt. 2.1.1.2.1 Chemischer Aufbau

Ausgangsprodukte für die Grundstoffe sind Monomere, die sich von der Methacrylsäure (Formel (2.24)) durch Veresterung mit Tetraethylenglykol ableiten, z.B. das Tetraethylenglycoldimethacrylat (TEGMA):

(2.6)

(2.7)

Durch Ersatz der Methylgruppe (CH3–) der Methacrylsäure und von Wasserstoffatomen der Ethylengruppierung durch andere Alkylreste oder sonstige Substituenten lässt sich eine große Vielzahl an Monomeren aufbauen, deren Vinylgruppen aufgrund der durch die Estergruppierung vorhandenen Ladungsverschiebung zu mannigfachen Polymerisationsreaktionen nach dem Prinzip der Radikalkettenpolymerisation in der Lage sind. (Unter Radikalen versteht man Molekülteile, die ein ungepaartes freies Elektron besitzen). Als radikalbildende Substanz dient, wie auch bei den Methylmethacrylatklebstoffen, ein organisches Peroxid, und zwar in der Regel das Dimethylbenzylhydroperoxid (=Cumolhydroperoxid):

2.1 Polymerisationsklebstoffe

25

(2.8)

Weitere Komponenten des Härtungssystems sind tertiäre Amine, z.B. Dimethyl-p-toluidin (2.26) und 2-Sulfobenzoesäureimid (Saccharin). 2.1.1.2.2 Härtungsreaktionen

Der genaue Reaktionsmechanismus dieser komplizierten Radikalkettenpolymerisation ist nach wie vor Gegenstand von Forschungsarbeiten, kann aber im Prinzip wie folgt angenommen werden: (1) Metallionenkatalysierte Zersetzung des Hydroperoxids als Quelle zur Bildung freier Radikale (2.9)

(2.10)

Die Geschwindigkeit der Reaktion, d. h. die für die Aushärtung der Klebschicht erforderliche Zeit, ist dabei abhängig von der Stellung der zu fügenden Metalle in der elektrochemischen Spannungsreihe. Die Neigung, Elektronen abzugeben und somit die für die Radikalbildung erforderlichen Metallionen zu bilden, ist bei edleren Metallen geringer als bei unedleren. Hieraus folgt, dass Letztere sich mit anaeroben Klebstoffen leichter verkleben lassen müssten. Eine Einschränkung erfährt dieser Zusammenhang allerdings dadurch, dass die zu fügenden Metalle nicht mit einer metallisch reinen Oberfläche vorliegen, sondern mit Oxidschichten wechselnder Zusammensetzungen bedeckt sind. Weiterhin bestehen die Fügeteile im Allgemeinen aus Metallegierungen mit Komponenten unterschiedlichen elektrochemischen Verhaltens. Die verschiedene Aktivität der von den jeweiligen Substraten resultierenden Metallionen auf die Radikalbildung erklärt somit das unterschiedliche Verhalten der metallischen Werkstoffe bei der Verklebung mit anaeroben Klebstoffen. (2) Die gebildeten freien Radikale R–O • und R–O–O • leiten die Polymerisation der TEGMA-Monomere durch eine Anlagerung an eine der beiden endständigen Doppelbindungen ein (TEGMA-Radikal):

26

2 Klebstoffgrundstoffe

(2.11)

Das nach dieser Gleichung entstandene TEGMA-Radikal kann sich nun an die endständige Doppelbindung eines weiteren TEGMA-Monomers unter Kettenverlängerung anlagern. Dieser Prozess schreitet über nachfolgende Anlagerungen des wachsenden Radikals entsprechend fort, bis ein Kettenabbruch erfolgt. Da die sich gemäß (2.11) ausbildenden Polymerketten pro TEGMA-Molekül eine weitere endständige aktive Doppelbindung enthalten, die ebenfalls entsprechenden Polymerisationsreaktionen zugänglich ist, kommt es zur Ausbildung stark vernetzter dreidimensionaler Polymerstrukturen, die über sehr gute Temperatur- und Lösungsmittelbeständigkeiten verfügen. (3) Die nach (2.11) ablaufende Reaktion tritt nur dann ein, wenn in dem Reaktionssystem kein Sauerstoff vorhanden ist. Bei Vorhandensein von Sauerstoff reagieren TEGMA-Radikale, die auch ohne Vorhandensein von Metallionen durch Einfluss von UV-Strahlung und/oder Temperatur auf das Hydroperoxid in dem Klebstoff in geringsten Mengen kontinuierlich gebildet werden, aufgrund ihrer hohen Reaktivität gegenüber Sauerstoff mit diesem unter Bildung peroxidhaltiger TEGMA-Radikale, sodass die Polymerisation behindert wird: (2.12) (2.13) Von den beiden Reaktionen (2.12) und (2.13) besitzt (2.12) mit k1 die wesentlich höhere Geschwindigkeitskonstante, sodass die Reaktion bei Anwesenheit von Sauerstoff auf dieser Stufe stehen bleibt und die Reaktion entsprechend (2.11) nicht stattfinden kann. Dieser latent stabile Zustand wird im Klebstoff dadurch erzielt, dass er nur in Verpackungen mit großem Kopfraum (hohes Sauerstoffangebot) und für Sauerstoff in ausreichendem

2.1 Polymerisationsklebstoffe

27

Maße durchlässigen Kunststoffbehältern (dünne Wandungen) angeboten wird. (4) Wird der Klebstoff nun zwischen zwei Fügeteile gebracht, entfällt die Stabilisierung bereits gebildeter TEGMA-Peroxid-Radikale nach (2.12), und die Radikalkettenpolymerisation startet wie unter Punkt (1) beschrieben. Zusammenfassend sind diese komplexen Reaktionsmechanismen somit wie folgt darzustellen: Vor der Verarbeitung des Klebstoffs (unter Einfluss von Sauerstoff) – TEGMA-Monomer und Peroxid liegen in Mischung nebeneinander vor; – Peroxidzersetzung durch UV-Einwirkung und/oder Temperatur kann Polymerisation nach (2.11) einleiten; – Reaktion wird jedoch nach (2.12) durch Sauerstoff behindert. Während der Verarbeitung des Klebstoffs (bei Ausschluss von Sauerstoff) – Unter Einfluss von Metallionen auf Peroxid Bildung von Peroxidradikal (Formeln (2.9) und (2.10)); – Reaktion von Peroxidradikal mit TEGMA-Monomer zu TEGMA-Radikal (Formel (2.11)); – Reaktion von TEGMA-Radikal mit weiteren TEGMA-Monomeren zum TEGMA-Polymer (Formel (2.11)). Speziell zur Klärung der Radikalbildung ist von Wellmann und Brockmann [W60] der Härtungsmechanismus im System Cumolhydroperoxid (1), Saccharin (2) und N,N-Dimethyl-p-toluidin (3) näher untersucht worden. Die Ergebnisse weisen aus, dass in Anwesenheit von Sauerstoff aus (2) und (3) ein Aminal (s. Fußnote) gebildet wird, das über eine Chelatbildung in Anwesenheit von (2) Metallionen aus der Oberfläche generiert, die wiederum aus (1) Radikale für die Polymerisation bilden. Als wesentlicher Schritt für den Härtungsmechanismus ist somit die Aminalbildung zu sehen (s. Fußnote). Der gegenüber den Cyanacrylatklebstoffen (Abschn. 2.1.1.1) sehr viel langsamere Aushärtungsmechanismus der radikalischen Polymerisation bei den anaeroben Klebstoffen ist im Wesentlichen auf das Vorhandensein der Cyan-Gruppe bei den Ersteren zurückzuführen: Unter Aminalen versteht man allgemein Verbindungen des Typs

(2.15)

bei denen R1, R2, R3, R4 verschiedene aliphatische, aromatische oder heterocyclische Strukturen aufweisen können.

28

2 Klebstoffgrundstoffe

(2.14)

Durch die starke „elektronenziehende“ Wirkung der Cyangruppe und der Estergruppe besteht bei den Cyanacrylatmolekülen eine Angriffsmöglichkeit für „schwache“ Nukleophile (Abschn. 2.2.1.2 und 2.2.1.8), wie z.B. OH–-Ionen, aus der vorhandenen Feuchtigkeit. Bei dem TEGMA-Molekül ist die elektronenziehende Wirkung auf die Ester-Gruppe beschränkt, gleichzeitig verursacht die Methyl-Gruppe einen „Elektronenschub“. Die Einleitung der Polymerisationsreaktion erfordert daher „stärkere“ Nukleophile in Form von Radikalen, deren Bildung vorstehend beschrieben wurde. Die Aushärtezeit ist von der katalytischen Aktivität der jeweiligen Metalloberfläche und der Temperatur abhängig; bei Raumtemperatur härtende Systeme benötigen bis zum Erreichen ihrer funktionellen Sicherheit ca. 5–10 Stunden. Neben den in der beschriebenen Weise anaerob abbindenden Klebstoffen sind auch Modifikationen im Einsatz, die über zugesetzte Photoinitiatoren eine ergänzende UV-Härtung (Abschn. 2.1.1.3) ermöglichen. Diese Systeme besitzen den Vorteil, dass durch die Randzoneninitiierung ausreichende Klebschichtfestigkeiten im Sekundenbereich zu erzielen sind, sodass bereits eine weitere Bearbeitung der geklebten Teile bis zum endgültigen anaeroben Abbinden der Klebschicht erfolgen kann. 2.1.1.2.3 Beschleuniger und Aktivatoren

Wegen der erwähnten unterschiedlichen Reaktivität der Metallionen auf das Polymerisationssystem werden den anaeroben Klebstoffen zur Erzielung praxisbezogener Abbindezeiten Reaktionsbeschleuniger, z.B. Dimethyl-ptoluidin oder Aktivatoren zugesetzt. Unter Aktivatoren werden separat anzuwendende Beschleuniger zum Aushärten eines chemisch reagierenden Klebstoffs verstanden. Diese Maßnahme ergibt sich insbesondere bei Fügeteilen mit inaktiven oder passiven Oberflächen (z.B. hochlegierte Stähle, verzinkte und verchromte Stähle, stark oxidierte oder auch lackierte Oberflächen) oder bei nichtmetallischen Werkstoffen, z.B. Kunststoffen und Gläsern. Diese Verbindungen werden in der Regel als Lösungen von Metallionen (z.B. Kupfersalze) vorher auf mindestens eine Fügeteiloberfläche aufgebracht. Es gibt auch die Möglichkeit, sie dem Klebstoff vor der Verarbeitung zuzumischen (ca. 0,3–1%), dann ist aber eine gewisse Topfzeitbeschränkung (Abschn. 3.1.1.5) zu beachten. Auf diese Weise ist dann die katalysierende Wirkung von Metallionen sichergestellt. Als Werkstoffe mit aktiven Oberflächen gelten z.B.

2.1 Polymerisationsklebstoffe

29

Buntmetalle wie Kupfer, Messing, Bronze, niedrig legierte Stähle, Aluminium (mit metallisch blanker Oberfläche). 2.1.1.2.4 Eigenschaften und Anwendungen

Die anaeroben Klebstoffe lassen sich in unterschiedliche Viskositätsbereiche [DIN 54453] einteilen, um eine Anpassung an die verschiedenartigen Klebfugenspalte zu ermöglichen (Tabelle 2.1). Tabelle 2.1. Viskositätsbereiche anaerober Klebstoffe

Viskosität sehr dünnflüssig dünnflüssig mittelviskos dickflüssig pastös

mPa s 10 ... 20 20 ... 200 200 ... 2000 2000 ... 20000 20000 ... 100000

Die Forderungen der Praxis nach Wiederlösbarkeit der Schraubverbindungen im Reparaturfall haben zur Entwicklung von Klebstoffen mit unterschiedlichen Werten für das Losbrechmoment (Abschn. 16.2.1.5) geführt. In Tabelle 2.2 sind die Losbrechfestigkeiten wiedergegeben (umgerechnet aus dem Losbrechmoment, gemessen an Schrauben M10, Qualität 8.8, Mutternhöhe 0,8 · Schaftdurchmesser), die sich aus den praktischen Anwendungen ergeben haben. Sollen hochfeste Klebungen wieder gelöst werden, so ist eine Demontage unter Wärmezufuhr (ca. 300–400 °C) möglich. Der Einsatz dieser „chemischen Schraubensicherungen“ hat weiterhin den Vorteil einer Dichtung im Verschraubungsbereich, z.B. bei Druck- oder Vakuumanlagen sowie der Verhinderung von Gewindekorrosion (problemloses Lösen der Schrauben im Reparaturfall). Die Dauertemperaturbeständigkeit beträgt ca. 150–175 °C. Klebungen mit anaeroben Klebstoffen zeichnen sich durch eine hohe Stoßund Vibrationsfestigkeit aus. Vorteilhaft ist weiterhin, dass der während des Klebens aus der Klebfuge austretende Klebstoff aufgrund des gegebenen KonTabelle 2.2. Losbrechfestigkeiten anaerober Klebstoffe

Losbrechfestigkeit τLB

Nmm–2

niedrigfest (mit normalem Werkzeug leicht wieder lösbar) mittelfest (mit normalem Werkzeug noch lösbar) hochfest (mit normalem Werkzeug nicht mehr lösbar)

1 ... 4

4 ... 8

8 ... 15

30

2 Klebstoffgrundstoffe

takts mit Sauerstoff lange Zeit flüssig bleibt und somit später problemlos entfernt werden kann. Die erzielbaren Druckscherfestigkeiten nach DIN 54452 (Abschn. 16.2.1.4) können ebenfalls den speziellen Gegebenheiten angepasst werden. Sie liegen – in Abhängigkeit von den vorhandenen Klebschichtdicken – bei den vorwiegend eingesetzten Systemen im Bereich von ca. 5–40 Nmm–2. Die wichtigsten Anwendungsbereiche liegen auf dem Gebiet der Sicherung von Schraubengewinden und der Herstellung von Welle-Nabe-Verbindungen (Abschn. 10.2). Schraubverbindungen können unter Beanspruchungen eine bleibende Längenänderung erfahren, d.h. ihre Vorspannkraft verlieren und sich somit lockern. Durch eine Klebung mittels anaerober Klebstoffe (und auch mit mikroverkapselten Reaktionsklebstoffen (Abschn. 3.13)) wird dieser Möglichkeit vorgebeugt. Der vollständige Flächenkontakt hat eine Belastungsverteilung auf die gesamte Einschraublänge zur Folge und beugt somit einer Werkstoffermüdung vor. Gleichzeitig übt die Klebschicht eine Dichtungsfunktion aus. In [S309] wird ein Verfahren zur Herstellung von Welle-Nabe-Verbindungen beschrieben, bei dem nach dem „trockenen“ Fügen der anaerobe Klebstoff in eine definierte Klebfuge injiziert wird und darin anschließend unter einem hydrostatischem Druck aushärtet. Ziel dieser Arbeiten ist die Entwicklung einer weitgehend automatischen Hochdruck-Injektionsanlage. Weitere Anwendungen erstrecken sich auf Flächendichtungen (z.B. im Motoren- und Getriebebau). Hierfür werden Formulierungen gewählt, die gegenüber den zu dichtenden Flächen eine relativ geringe Adhäsion aufweisen aber gleichzeitig über hohe Kohäsionskräfte verfügen. Derartige Dichtungen sind mit hohen Anpressdrücken belastbar und lassen sich im Reparaturfall leicht von den Oberflächen wieder entfernen. Beim Einbringen von Fügeteilen in Sacklöcher empfiehlt es sich, den Klebstoff in die Bohrung zu dosieren und die Schrauben dann zu montieren. Durch das Komprimieren des Luftpolsters im Gewindesackloch steigt der Klebstoff nach oben und benetzt die ganze Schraube gleichmäßig. Die Fügespalte sollten, je nach Viskosität des eingesetzten Klebstoffs, im Bereich zwischen 0,2–0,4 mm liegen. Zusammenfassend bietet die Anwendung der anaeroben Klebstoffe die folgenden Vorteile: – Einfache Handhabung, leicht automatisierbarer Klebstoffauftrag. – Ausübung einer zusätzlichen Dichtungsfunktion bei Schraubensicherungen. – Vermeidung von Spannungsspitzen, da die Betriebsbeanspruchungen gleichmäßig verteilt eingeleitet werden. – Wirtschaftliche Fertigung, da keine zusätzlichen Arbeitsgänge wie Feinstbearbeitung, Nuten, Fräsen, Spintlöcher bohren usw. erforderlich sind. – Vereinfachte Oberflächenvorbehandlung, da ausgewählte Klebstoffformulierungen zur Verfügung stehen, die ölartige Verunreinigungen auf der Oberfläche in geringen Mengen reaktionsneutral in die Polymermatrix einzubauen vermögen.

2.1 Polymerisationsklebstoffe

31

– Hohe Beständigkeit bei dynamischen Dauerlasten und Vibrationsbeanspruchungen. – Als duromer aufgebaute Polymere zeigen die ausgehärteten Klebschichten eine sehr gute Medien- und Wärmebeständigkeit. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.1.1.2: Zusammenfassende Darstellungen: [C46, C47, D19, E39, F1, G77, H1, H7, L35, U2, W1]. Härtungsreaktionen: [G139, G153, G163, M242, R116–R118, S1, Y17]. Anwendungen: [D124, F2, F3, H150, L2, L139, S309, W125]. Kleben von Olefinen: [F63]. Rheologie: [M273]. Weitere Literaturangaben im Anschluss an Abschnitt 10.2. Normen: ISO 10123, DIN EN ISO 10964, DIN 54452, DIN 54455. Normen-Entwürfe: DIN EN 3792 bis DIN EN 3812: Luft- und Raumfahrt – Anaerobe polymerisierbare Klebstoffe.

2.1.1.3 Strahlungshärtende Klebstoffe 2.1.1.3.1 Allgemeine Betrachtungen

Zum Auslösen der Polymerisationsreaktionen bei strahlungshärtenden Klebstoffen werden Strahlungen verwendet, deren Energiedichte so hoch ist, dass die notwendige Aktivierungsenergie für das Aufrichten der C=C-Doppelbindung direkt oder indirekt erreicht wird. Polymerisationsfähig sind Monomere oder Prepolymere mit einer oder mehreren C=C-Doppelbindungen. Als Strahlungsquellen sind UV-Strahler und Elektronenstrahler im praktischen Einsatz. In Ergänzung zu diesen beiden Strahlungstypen sind für spezielle Anwendungen ebenfalls Laser (Abschn. 2.1.1.3.14) untersucht worden. Die für die photoinitiierte Strahlungshärtung wesentlichen Grundlagen sind in Bild 2.1 dargestellt. Bei der Elektronenstrahlhärtung wird die kinetische Energie hochbeschleunigter Elektronen für die Aktivierung der C=C-Doppelbindung eingesetzt (Abschn. 2.1.1.3.13). 2.1.1.3.2 Aufbau strahlungshärtender Klebstoffsysteme

Die Basis strahlungshärtender Klebstoffsysteme stellen reaktive Monomere bzw. Oligomere mit funktionellen Vinylgruppen (Acrylate, Methacrylate) dar. Diesen werden zur Erzielung der erforderlichen Verarbeitungsviskositäten bzw. Klebschichteigenschaften reaktive Verdünner (Abschn. 2.3.3.2) zugegeben, deren Monomere nach Beendigung der Polymerisationsreaktion durch kovalente Bindungen in die vernetzte Klebschicht eingebaut sind. Um auch Monomere einer Strahlungshärtung zugänglich zu machen, die nicht über C=C-Doppelbindungen verfügen, besteht die Möglichkeit, diese zu „acrylieren“. Auf diese Weise erhält man Klebstoffe, deren Klebschichten spezielle gewünschte Eigenschaften aufweisen, wie z.B. Haftung, Temperaturbe-

32

2 Klebstoffgrundstoffe

ständigkeit, Alterungsbeständigkeit u.v.a. Bekannt sind in diesem Zusammenhang z.B. – – – – –

Epoxi-Acrylate Urethan-Acrylate Polyester-Acrylate Polyether-Acrylate Silicon-Acrylate.

Stabilisatoren, Antioxidantien, Harze und ggf. Füllstoffe sind ergänzende Rezepturbestandteile zur Beeinflussung der geforderten Klebschichteigenschaften. Bei den UV-strahlungshärtenden Systemen sind zur Einleitung der photochemischen Primärreaktion weiterhin Photoinitiatoren erforderlich.

Bild 2.1. Reaktionsmechanismen der photoinitiierten Strahlungshärtung

2.1 Polymerisationsklebstoffe

33

2.1.1.3.3 Reaktionsmechanismen

Der grundlegende Ablauf strahlungschemischer Reaktionen umfasst die folgenden Stufen: (1) Energieemission nach Umwandlung elektrischer Energie in Strahlung durch die Strahlungsquelle (2) Energieabsorption durch die Monomermoleküle Photoinitiatoren (E-Strahlungshärtung) (UV-Strahlungshärtung) ↓ (3) photochemische Primärreaktion —— ↓ ←———————————— (4) Bildung freier Radikale R• (5) Initiierung des reaktiven Systems durch Bildung von Monomerradikalen (2.16) (6) Bildung von Kettenstartmolekülen (2.17) (7) Kettenwachstum zur Ausbildung der vernetzten Klebschicht (2.18) (8) Kettenabbruch durch Rekombination von Radikalen oder Radikalmolekülen. Die Geschwindigkeit der Kettenreaktion (Radikalkettenpolymerisation) wird in erster Linie durch die Reaktivität des eingesetzten Monomers bestimmt und ergibt sich insgesamt aus den Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten der jeweiligen Einzelreaktionen: Initiatorzerfall ki (3 + 4), Kettenwachstum kw (7) und Kettenabbruch ka (8). Hohe Polymerisationsgeschwindigkeiten werden erreicht bei hohen Werten für ki und kw und gleichzeitig niedrigen ka-Werten. Die bekannte Polymerisationsverzögerung bei Anwesenheit von Sauerstoff (Sauerstoffinhibierung) hat ihre Ursache in einer starken Erhöhung des kaWertes infolge einer O2-Anlagerung. Mit seinen ungepaarten Elektronen ist Sauerstoff ein sog. „Elektronenfänger“ und somit ein Radikalinhibitor. Beeinflussbar sind die negativen Auswirkungen der Sauerstoffinhibierung, die zu einer bleibenden Oberflächenklebrigkeit infolge nicht ausreichender Molekülvernetzung führt, durch eine Erhöhung der Photoinitiatorkonzentration und/oder Einsatz von Strahlen mit kürzeren (energiereicheren) Wellenlängen. Die sicherlich am effektivsten wirkende Anwendung einer Schutzgasatmosphäre ist technisch aufwendig und erfordert zusätzliche Kosten.

34

2 Klebstoffgrundstoffe

Eine Steigerung der Polymerisationsgeschwindigkeit ist neben dem Einsatz stark reaktiver Monomere ebenfalls möglich durch Zusatz mehrfunktioneller Monomere, d.h. Moleküle mit mehreren C=C-Doppelbindungen (Bi- oder Triacrylate) als Basismonomere oder auch Reaktivverdünner. Dadurch kommt es zu einer schnelleren Ausbildung vernetzter Strukturen. Ein Grund für die hohe Vernetzungsgeschwindigkeit strahlungshärtender Reaktionen liegt allgemein in der Tatsache, dass die Energieabsorption und somit der Beginn der Startreaktionen gleichzeitig in der gesamten durchstrahlten flüssigen Klebschicht erfolgt. 2.1.1.3.4 UV-Strahlung

Die UV-Strahlung ist ein Teil des Spektrums der elektromagnetischen Strahlung. Sie schließt sich an den kurzwelligen Teil des sichtbaren Lichtes an (380 nm) und erstreckt sich bis zur ionisierenden Strahlung (Röntgenstrahlung, 100 nm). Bei der Aushärtung von Klebstoffen spielt der UV-A-Bereich die zentrale Rolle u.a. auch dadurch bedingt, dass Haut- und Augenschädigungen bei bestimmungsgemäßer Anwendung nicht auftreten. Nach DIN 5031, Teil 7 werden die in Tabelle 2.3 aufgeführten Strahlungsarten unterschieden. Als „Quarz-UV“ wird der Wellenlängenbereich von 180–300 nm bezeichnet, da Quarz für diesen Bereich durchlässig, Glas jedoch undurchlässig ist. Grundsätzlich bedeutet eine vorhandene Werkstofftransparenz im sichtbaren Bereich nicht, dass dieser Werkstoff auch UV-durchlässig ist, in Zweifelsfällen ist die UV-Durchlässigkeit mit einem UV-Messgerät zu bestimmen. Die Bezeichnung „Vakuum-UV“ unterhalb 200 nm beruht auf der Tatsache, dass diese Wellenlängen von Sauerstoff sehr stark absorbiert werden und Tabelle 2.3. Strahlungsarten

Benennung der Strahlung

0

UV-B UV-A

Sichtbare Strahlung Licht

VIS

380 … 780

3,3 … 1,6

0

NIR

780 … 1400 1400 … 3000 3000 … 50000 50000 … 106

1,6 … 0,9 0,9 … 0,4 0,4 … 0,025 0,025 … 0,001

Nahes IR Mittleres IR Fernes IR

UV-C

IR-C

VUV FUV

Photonenenergie Q E [eV] 12,4 … 6,2 6,2 … 4,4 4,4 … 3,9 3,9 … 3,3

Infrarot rot

UV UV UV UV

Wellenlänge λ [nm] 100 … 200 200 … 280 280 … 315 315 … 380

Ultraviolett

Vakuum Fernes Mittleres Nahes

Kurzzeichen

IR-A IR-B MIR FIR

Wellenlängen der Mikrowellen- und Hochfrequenzstrahlung siehe Abschnitt 12.3.5 „Mikrowellenerwärmung“.

2.1 Polymerisationsklebstoffe

35

somit im Vakuum oder unter Schutzgas (z.B. Argon) gearbeitet werden muss. Der bei der Wellenlänge λ = 187,6 nm entstehende atomare Sauerstoff vermag sich an den molekularen Sauerstoff unter Ozonbildung anzulagern. In geringen Mengen gebildetes Ozon (Geruchsschwelle bei 0,01 ppm, MAK-Wert 0,1 ppm) muss abgesaugt werden. Die UV-Strahlung wird gelegentlich auch als „aktinische Strahlung“ (von griech. aktis = Strahl) bezeichnet. Besonders in der älteren medizinischen Literatur findet man den Begriff „aktinisches Licht“ wegen dessen vielfältiger chemischer und biologischer Wirkung. 2.1.1.3.5 Energetische Betrachtungen

Das folgende Berechnungsbeispiel soll den Zusammenhang zwischen der UVStrahlungsenergie und der Bindungsenergie einer C=C-Doppelbindung mit 6,1 · 105 J Mol–1 verdeutlichen. Aus der bekannten Beziehung zwischen Wellenlänge λ (cm) und Frequenz ν (s–1) einer elektromagnetischen Strahlung λ=

c ν

(c Lichtgeschwindigkeit im Vakuum 3,00 · 1010 cm s–1) ergibt sich für eine UVStrahlung mit einer Frequenz von 1,5 · 1015 s–1 eine Wellenlänge von λ=

3,00 · 1010 = 2 · 10–5 cm = 200 nm. 1,5 · 1015

Der Zusammenhang zwischen der Energie E, Frequenz ν und der Wellenlänge λ wird durch die Plancksche Beziehung E = hν (h Plancksches Wirkungsquantum 6,63 · 10–34 Js) wiedergegeben. Aus beiden Beziehungen lässt sich ableiten, dass ein Strahlungsquant von 200 nm eine Energie von c 1 E = h · = 6,63 · 10–34 · 3,00 · 1010 · · 107 = 9,9 · 10–19 J λ 200 besitzt. Die gesamte pro Mol umgesetzte Energie ergibt sich unter Berücksichtigung der Avogadro-Konstanten 6,02 · 1023 (Anzahl der Atome bzw. Moleküle pro Mol; früher Loschmidtsche Konstante genannt, nach der die Anzahl der Moleküle in 1 cm3 eines idealen Gases – also volumen- und nicht massebezogen – bei 0 °C und 0,1 MPa 2,687 · 1019 beträgt) zu E = 9,9 · 10–19 · 6,02 · 1023 = 5,96 · 105 J Mol–1. Das Ergebnis bestätigt die vergleichbaren Energieinhalte der für die Berechnung gewählten UV-Strahlung und der Bindungsenergie einer C=C-Doppel-

36

2 Klebstoffgrundstoffe

bindung (s.o.) und macht gleichzeitig deutlich, dass die UV-Strahlung für Reaktionen bei organischen Verbindungen mit hohem Wirkungsgrad eingesetzt werden kann. Unter Berücksichtigung der atomphysikalischen Einheit der Energie in Elektronenvolt (1eV = 1,602 · 10–19 J, entspricht der kinetischen Energie eines Teilchens mit der Elementarladung e bei Beschleunigung durch eine Potenzialdifferenz von 1V im Vakuum) ergibt sich für eine UV-Strahlung von 200 nm eine Photonenenergie von QE =

9,9 · 10–19 = 6,18 eV (vgl. Tab. 2.3). 1,602 · 10–19

2.1.1.3.6 UV-Strahler

Die wesentlichen Bauelemente einer UV-Anlage sind neben der Stromversorgung, den Steuerungs- und Kühlsystemen sowie ggf. einer Ozonabsaugung die UV-Lampen (Strahler) und der Reflektor. Die Erzeugung der UV-Strahlen erfolgt im Allgemeinen in Gasentladungslampen, von denen die Quecksilberdampflampen als Mittel- und Hochdrucklampen (1–10 bar) die weiteste Verbeitung gefunden haben. Die Anregung erfolgt durch Stromdurchfluss oder Mikrowellen, wobei die Mikrowellenanregung den Vorteil einer sehr scharfen Bündelung des Strahls aufweist [K150, S158]. Sie besitzen ein Linienspektrum mit den stärksten Emissionslinien bei 313 und 366 nm (neben weiteren Emissionen im sichtbaren Bereich). Durch eine Dotierung der Gasatmosphäre mit Metallhalogeniden (Eisen-, Zinn-, Kobaltjodide sowie Gallium) lassen sich sowohl Lücken im UV-Spektrum ausfüllen als auch höhere Strahlerwirkungsgrade erzielen. Die kurzwellige Strahlung des Quecksilberatoms regt die Metallhalogenide oder auch das Gallium an, mit der Folge von Emissionen in Bereichen größerer Wellenlängen durch die entsprechenden Ionen oder Atome. Folgende Orientierungswerte können für die Leistungsschwerpunkte der erwähnten Strahler dienen: – Normaler Hg-Strahler 230–320 nm – eisendotierter Strahler 300–400 nm – galliumdotierter Strahler 400–450 nm. Somit ist eine spezifische Anpassung der Emissionswellenlängen auf die Absorptionsspektren der Initiatorsysteme des auszuhärtenden Klebstoffs möglich. Die durch ein Spektrum zu charakterisierende Strahlung kann im Prinzip drei Formen aufweisen: – Alle Wellenlängen sind über den gesamten Strahlungsbereich vertreten: Kontinuierliches Spektrum, – nur einzelne Wellenlängen werden abgestrahlt: Linienspektrum, – Zwischenform beider Arten, sog. quasi konstantes Spektrum: Viellinienund Bandenspektrum. Bild 2.2 zeigt die Emissionsspektren zweier verschiedener Strahler:

2.1 Polymerisationsklebstoffe

37

Bild 2.2. Emissionsspektrum eines Quecksilberhochdruckstrahlers (oben) und eines Fe-, Sn-, Co-Jodid dotierten Strahlers (unten)

Aus Bild 2.3 geht schematisch der Zusammenhang zwischen dem Emissionsspektrum eines Strahlers und dem Absorptionsspektrum eines Photoinitiators hervor. Es zeigt sich, dass der Klebstoff 1 mit der Strahlungsquelle A nur schwer, mit B gar nicht zu härten ist, während der Klebstoff 2 mit beiden Strahlungsquellen (mit A allerdings schneller als mit B) vernetzbar ist. Möglichkeiten zur Beeinflussung eines UV-Strahlungsspektrums bestehen durch entsprechende Filter bzw. über andere Lampen. Eine definierte Änderung des Spektrums über den Lampenstrom ist nicht möglich. Eine spezielle Entwicklung stellen UV-Strahler nach dem Excimer-Prinzip dar (Abschn. 14.1.4.8). Je nach Auswahl der anzuregenden Molekülkomplexe stehen Lampen für die jeweils erforderlichen Wellenlängen (Bereich zwischen 193 und 351 nm) zur Verfügung. Da diese Strahler keine IR-Strahlung emittieren, erfolgt auch keine Wärmebelastung des bestrahlten Mediums.

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2 Klebstoffgrundstoffe

Bild 2.3. Zusammenhang zwischen Strahler-Emissionsspektrum und Photoinitiator-Absorptionsspektrum

2.1.1.3.7 Reflektoren

Bei den Reflektoren werden im Prinzip zwei verschiedene Geometrien unterschieden, elliptische und parabelförmige Reflektorprofile. Bei dem ersteren wird die Strahlung fokussiert, sie trifft demnach gleichmäßig über der Bahnbreite mit einer hohen Energie quasi linienförmig auf die zu vernetzende Klebschicht. Die Verwendung parabelförmiger Reflektorprofile führt zu Flächenbestrahlungen, deren Ausdehnung von der unteren Reflektorbreite abhängig ist. Somit ergibt sich in diesem Fall auch eine niedrigere Energiedichte. Da die Strahlungsintensität mit der Entfernung von der Strahlungsquelle (abhängig von dem vorhandenen Reflektor) abnimmt, ist im Sinne einer hohen Energieausbeute der Abstand zum zu bestrahlenden Material so gering wie möglich zu halten. Zur Reduzierung der Wärmebelastung empfindlicher Fügeteile durch den hohen Anteil an Infrarot-Strahlung werden Strahlungsquellen (ReinUV-Systeme) angeboten, bei denen durch einen entsprechenden Aufbau des Reflektorgehäuses die unerwünschte infrarote und sichtbare Strahlung herausgefiltert wird, sodass mehr als 95% reines UV-Licht für die Klebstoffhärtung zur Verfügung stehen. Die wesentlichen Sicherheitsvorkehrungen beim Betrieb von UV-Anlagen beziehen sich auf die UV-Abschirmung von Bereichen außerhalb der Härtungszone, ggf. die Ozon-Beseitigung, den Schutz vor Hochspannung sowie die Wärmeabfuhr, die wegen des relativ hohen Anteils an ebenfalls entstehender IR-Strahlung erforderlich ist. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass

2.1 Polymerisationsklebstoffe

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eine gezielte Nutzung der Kombination UV-Strahlung und thermischer (IR) Härtung ebenfalls angewandt wird. Vorteilhaft sind hierbei die größere Reaktionsgeschwindigkeit, eine höhere Vernetzungsrate sowie eine gleichmäßigere Vernetzung über die Klebschichtdicke. Eine Kontrolle des Härtungsverlaufes UV-härtender Klebstoffe kann nach [W140] durch Zusatz eines Indikators erfolgen, der während der Härtung einen mit der Radikalbildung im Klebstoff gekoppelten Farbwechsel verursacht. Die vorstehenden Ausführungen belegen, dass die UV-Strahlungshärtung als ein „System“ verstanden werden muss, bei dem nur eine genaue Abstimmung von Klebstoff und UV-Anlage den gewünschten Erfolg garantieren kann. Zusammenfassend sind bei der Auswahl demnach die folgenden Kriterien zu berücksichtigen: – Welche Wellenlängen benötigt der UV-härtende Klebstoff (bzw. die Photoinitiatoren) für die Polymerisationsreaktion? (Bild 2.3). – Welche UV-Strahlungsdosis ist für die Aushärtung notwendig? Die erforderliche Mindestdosis ist von dem jeweiligen Anwendungsfall abhängig und ist empirisch zu ermitteln. Für die gängigen Klebstoffarten können Strahlungsdosen von 100–500 mWscm–2 in Betracht gezogen werden. Bedingt durch die während der Fertigung eintretenden Verunreinigungen von Filtern und Reflektoren sowie durch die physikalisch bedingte Lampenalterung, die mit einem Intensitätsrückgang verbunden ist, sollte eine Überdimensionierung der UV-Intensität bis zu etwa 50% erfolgen. – Welche Flächen sollen bestrahlt werden? Zur Auswahl stehen Punkt- und Flächenstrahler. Berechnungsbeispiel Die Strahlungsenergie E (Dosis) wird definiert als Strahlungsintensität I multipliziert mit der Belichtungsdauer t

   

mJ mW E = I · t 6 = 7 · [s] 2 cm cm2 Wenn ein Klebstoff bei einer Bestrahlung mit einer Intensität von 100 mW cm–2 in 20 Sekunden aushärtet, ist dafür eine Strahlungsenergie von E=2000 mJ cm–2 erforderlich. Bei diesem Beispiel ist ergänzend zu berücksichtigen, dass durch Strahleralterung infolge zunehmender Betriebszeiten die Bestrahlungszeiten entsprechend länger zu bemessen sind oder der Intensitätsverlust durch eine Verringerung des Abstandes Lampe zu Klebstoff ausgeglichen wird. Zum Einsatz der UV-Strahlung für Glasklebungen siehe Abschnitt 14.2.4. 2.1.1.3.8 Photoinitiatoren

Bei den Photoinitiatoren handelt es sich um eine spezielle Klasse organischer Verbindungen, die unter Lichtausschluss stabil sind und bei Einwirkung von

40

2 Klebstoffgrundstoffe

Strahlung einer bestimmten Wellenlänge soviel Energie absorbieren, dass sie zum Zerfall in Radikale angeregt werden. Die entstehenden freien Radikale verfügen dabei über ein Energiepotenzial, das oberhalb der erforderlichen Aktivierungsenergie der C=C-Doppelbindungen liegt und somit die Bildung radikalischer Monomere ermöglicht. Sie besitzen demnach die Eigenschaft, Strahlungsenergie einer bestimmten Wellenlänge in potenzielle chemische Reaktionsenergie umzusetzen. In [C97] werden Photoiniatoren auch als „chemische Solarzellen“ bezeichnet. Ein geeignetes Photoinitiatorsystem muss grundsätzlich ein auf den Emissionsbereich der UV-Strahlungsquelle abgestimmtes Absorptionsspektrum aufweisen (Bild 2.3). Diese Forderung ergibt sich aus den Betrachtungsweisen der Quantentheorie, nach der photochemische Vorgänge Quantenprozesse sind und der Zusammenhang zwischen eingestrahlten Lichtquanten und Energieaufnahme der Moleküle einer gegebenen Frequenzbeziehung unterliegt. Die von den Molekülen absorbierten Lichtquanten regen diese durch die Energiezufuhr zu Abbaureaktionen an, wobei im speziellen Fall der Photoinitiatormoleküle drei verschiedene Reaktionsmechanismen unterschieden werden: – Radikalbildung durch Photospaltung: Zu dieser Verbindungsklasse intramolekular spaltender Initiatoren gehören im Wesentlichen aromatische Carbonylverbindungen, insbesondere Benzoinderivate, Benzilketale und Acetophenonderivate. Schematisch erfolgt die Spaltung nach folgendem Mechanismus, wobei eins der gebildeten Radikale meistens das Benzoylradikal ist: (2.19)

– Radikalbildung durch Wasserstoffabspaltung (H-Abstraktoren): Aromatische Ketone, wie z.B. Benzophenon, Benzil, Thioxanthone, erleiden in dem durch Strahlungseinfluss bedingten angeregten Energiezustand keine Molekülspaltung, sondern bewirken eine intermolekulare Wasserstoffabspaltung bei einem gleichfalls vorhandenen Protonendonator. Typische Protonendonatoren (in diesem Fall auch Koinitiatoren oder Synergisten genannt) sind beispielsweise tertiäre Amine:

(2.20)

2.1 Polymerisationsklebstoffe

41

Für diese beiden Gruppen an Photoinitiatoren ist typisch, dass sie wenigstens eine Carbonylgruppe (=C=O) besitzen, die mit einer aromatischen Ringstruktur konjugiert ist. – Kationische Photoinitiatoren: Diese Gruppe von Photoinitiatoren stellt die Voraussetzung für die kationische Polymerisation dar. Es handelt sich hierbei um Aryldiazoniumsalze (Oniumsalze) der allgemeinen Formel Ar–N=N䊝X両, die unter UV-Strahlungseinfluss einer schnellen Molekülspaltung unterliegen bei gleichzeitiger Bildung freier Lewis-Säuren (z.B. BF3 , AsF5 , PF5): (2.21)

Aufgrund der begrenzten thermischen Stabilität und der Bildung von gasförmigem Stickstoff, der zur Blasenbildung in der auszuhärtenden Schicht führen kann, sind in der Vergangenheit u.a. Initiatoren auf Basis von Ar Ar J䊝 X両 und Triarylsulfonium- Ar S䊝 X両 Salzen DiaryliodoniumAr Ar entwickelt worden. Diese bilden in Gegenwart von Protonendonatoren starke Brönstedt-Säuren, die als sehr effektive Initiatoren für die kationische Polymerisation gelten. Besonders bei der Strahlungshärtung von Epoxidharzen haben diese Initiatoren Bedeutung erlangt (Abschn. 2.2.1.2).

U

Y

U

Y

Bemerkung: Unter Lewis- bzw. Brönstedt-Säuren versteht man allgemein Verbindungen, die durch Abgabe eines Protons in die korrespondierende Base übergehen können. In Bild 2.4 sind die Grundstrukturen einiger wichtiger ionischer Photoinitiatoren zusammengestellt.

Bild 2.4. Grundstrukturen ionischer Photoinitiatoren

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2 Klebstoffgrundstoffe

2.1.1.3.9 Photosensibilisatoren

Durch Photosensibilisatoren ist es möglich, die Absorptionswellenlängen von Photoinitiatoren zu kürzen und/oder zu längeren Wellenlängen auszuweiten und auf diese Weise die Vernetzungsgeschwindigkeit zu beschleunigen. Die von ihnen absorbierte Strahlung bestimmter Wellenlänge wird als Energie auf den Photoinitiator übertragen. Derartige Photosensibilisatoren sind insbesondere für die kationische Polymerisation im Einsatz, wo sie den Wirkungsgrad der Oniumsalz-Initiatoren deutlich erhöhen. 2.1.1.3.10 Kationische Strahlungshärtung

Gegenüber der anionischen Polymerisation (z.B. bei Cyanacrylaten, Abschn. 2.1.1.1) besitzen Härtungsmechanismen nach dem Prinzip der kationischen Polymerisation ebenfalls große Bedeutung. Als Ausgangsmonomere eignen sich insbesondere cycloaliphatische Verbindungen, die unter Ringöffnung leicht polymerisieren, so z.B. cycloaliphatische Epoxide (Abschn. 2.2.1.1). Als Photoinitiatoren dienen die bereits beschriebenen Oniumsalze, die unter UV-Einfluss freie Lewis- oder Brönstedtsäuren bilden. Der Reaktionsmechanismus mit einer Epoxidverbindung läuft beispielsweise bei einem Diaryliodonium-Salz als Photoinitiator wie folgt ab (Ar = C6H5–): (1) Photoinduzierte Spaltung einer C-J-Bindung unter Bildung eines Arylradikals Ar· und eines kationischen Aryliodoniumradikals ArJ䊝 ·. (2) In einer weiteren Reaktionsstufe erfolgt dann in Gegenwart eines Protonendonators RH die Bildung einer starken Brönstedt-Säure HBF4, die die kationische Polymerisation einleitet:

(2.22)

(3) Kettenwachstum durch kationische Öffnung weiterer Epoxidringe. Bei Verwendung bifunktioneller Epoxide, wie sie z. B. in den Formeln (2.57) und (2.58) dargestellt sind, erfolgt auf diese Weise die Bildung stark vernetzter Polymerstrukturen. Kationische Polymerisationsreaktionen zeichnen sich durch ihre Unempfindlichkeit gegenüber der bei den anionischen Systemen auftretenden Sauerstoffinhibierung aus; weiterhin ist hervorzuheben, dass diese Reaktionen nach der Initiierung durch die UVBestrahlung weiter fortschreiten und eine Nachhärtung, die durch Temperaturanwendung noch verstärkt werden kann, ergeben. Zu beachten ist, dass

2.1 Polymerisationsklebstoffe

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zur sicheren Aushärtung des Klebstoffs das gesamte Klebstoffvolumen mit Licht der entsprechenden Wellenlänge bestrahlt werden muss, da im Gegensatz zu der Radikalkettenpolymerisation keine Polymerketten beliebiger Länge mittels nur eines „Starter-Kations“ (Dominoeffekt) gebildet werden können. Als Vorteil bei der kationischen Aushärtung von Epoxiden ist die geringe Schwindung zu erwähnen. Diese begründet sich auf die Tatsache, dass die durch die Polymerisation geöffneten Epoxidringe ein größeres Volumen einnehmen als die geschlossenen und so zu einer Verringerung der Gesamtschwindung bei der Polymerisation beitragen. In [E149] werden mehrkomponentige kationisch härtbare Epoxidmassen beschrieben, die mit dem Ziel entwickelt wurden, einerseits eine möglichst hohe Aushärtungsgeschwindigkeit zu besitzen, andererseits aber den gewünschten verarbeitungstechnischen Anforderungen gerecht werden. 2.1.1.3.11 Lichthärtung

Die durch die UV-Strahlung in abgeschatteten Bereichen inhomogene Aktivierung der Photoinitiatoren verursacht naturgemäß Grenzen in der Anwendung dieser Systeme. Aus diesem Grund sind – insbesondere in der Elektronikindustrie zum Bestücken von Leiterplatten (Abschn. 15.5) – Harz- und Initiatorsysteme entwickelt worden, bei denen die Aktivierungsenergie in Form einer längerwelligen Strahlung im Bereich von 400–600 nm (sichtbarer Bereich) bereitgestellt werden kann. Als Photoinitiatoren dienen bevorzugt die in Abschn. 2.1.1.3.8 erwähnten Oniumsalze, die nach entsprechender Anregung eine langlebige Katalysatorwirkung entfalten. Hauptkomponenten für diese Klebstoffe sind Epoxidharze, vor allem cycloaliphatische Epoxide (Abschn. 2.2.1.1), da diese wegen ihrer höheren Reaktivität im Zuge der kationischen Ringöffnungspolymerisation gegenüber aliphatischen und aromatischen Epoxidharzen Vorteile aufweisen. Diese Klebstoffe besitzen den Vorteil, dass ihre Lichtaktivierung direkt vor dem Klebstoffauftrag und dem anschließenden Fixieren der Fügeteile erfolgen kann, ohne dass es bereits zu einem deutlichen Viskositätsanstieg kommt. Die Polymerisation setzt sich dann zeitabhängig ebenfalls in den der Strahlung nicht zugänglichen Bereichen fort. Die apparativen Möglichkeiten der Vor- bzw. Durchflussaktivierung sind in [D86, E75] beschrieben. Je nach dem vorhandenen System Strahlungsquelle-Photoinitiator ist demnach zwischen der Lichthärtung und der Lichtaktivierung zu unterscheiden. Bei der Lichthärtung findet durch eine einmalige Bestrahlung eine vollständige Polymerisation aller Monomermoleküle statt. Die Lichtaktivierung führt zu einem Reaktionsstart, der zeit- bzw. temperaturabhängig durch entsprechende Reaktionsmechanismen zu der ausgehärteten Klebschicht führt. Gleiche Zusammenhänge gelten auch für die UV-strahlungshärtenden Systeme.

44

2 Klebstoffgrundstoffe

2.1.1.3.12 Kombinationshärtung

Der bereits in Abschnitt 2.1.1.3.11 erwähnte Nachteil der inhomogenen Photoinitiatoraktivierung in abgeschatteten Bereichen hat neben der Entwicklung der Lichtstrahlhärtung zu weiteren Klebstofformulierungen geführt, um eine der Bestrahlung anschließende Härtung zu ermöglichen. Hierzu zählen u.a.: – UV- und thermisch härtbare Klebstoffe. Neben den Photoinitiatoren werden den Klebstoffen noch thermisch aktivierbare Peroxide zugegeben, die im Sinne einer Radikalkettenpolymerisation (Abschn. 2.1.2.1) wirksam werden. Der Nachteil dieser Klebstoffe besteht in der z.T. begrenzten Lagerstabilität. – UV- und feuchtigkeitshärtende Klebstoffe. Diese Klebstofformulierungen beinhalten Monomer-/Oligomersysteme, die nach der Strahlungshärtung noch über funktionelle Isocyanat- oder auch Silanol-Gruppen verfügen und die mittels eindiffundierender Feuchtigkeit eine zusätzliche Härtung ergeben. Diese Reaktionen sind allerdings sehr zeitabhängig (Abschn. 2.2.2.1 und 2.3.4.1 und [E172]). – UV- und anaerob härtende Klebstoffe. Diese Klebstoffe sind in Abschnitt 2.1.1.2 beschrieben. 2.1.1.3.13 Elektronenstrahlhärtung

Die Elektronenstrahlung ist im Gegensatz zur elektromagnetischen Strahlung eine Teilchenstrahlung. Elektronen weisen eine endliche Ruhemasse auf, die in einem elektrischen Feld beschleunigt wird. Die kinetischen Energien der Elektronen sind wesentlich größer als der Energieinhalt der UVStrahlung. Hieraus ergibt sich bei im Prinzip gleichen Reaktionsmechanismen als wesentlicher Unterschied zu der UV-Härtung, dass keine Photoinitiatoren für die Energieübertragung erforderlich sind. Da auf der anderen Seite die hochenergiereichen Elektronen durch die Luftmoleküle stark abgebremst werden (Ozonbildung) und somit ihre kinetische Energie verlieren, kann ein Elektronenstrahler nur im Hochvakuum betrieben werden. Das Arbeitsprinzip ist wie folgt (Bild 2.5). Die von einer auf Glühtemperatur erhitzten Kathode emittierten Elektronen werden in einem im Hochvakuum befindlichen Hochspannungsfeld zur Anode hin beschleunigt, wobei die Beschleunigungsspannungen zwischen 70 und 300 kV (bis 125 kV spricht man von Niederspannungselektronen) bei einem Elektronenstrom bis zu ca. 250 mA liegen (bei einem Linearstrahler ist die Anode das Elektronenaustrittsfenster). Eine Mindestbeschleunigungsspannung ist in jedem Fall für die Überwindung des Austrittsfensters und des sich anschließenden Luftraumes erforderlich. Die Kathode kann punkt- oder stabförmig ausgebildet sein. Bei einer punktförmigen Kathode bilden die Elektronen einen gebündelten Strahl, der durch ein elektrisches Wechselfeld

2.1 Polymerisationsklebstoffe

45

Bild 2.5. Schematischer Aufbau einer Elektronenstrahlanlage

mit einer Ablenkfrequenz von ca. 800–900 Hertz das auszuhärtende Material bestrahlt. Durch diese hohe Frequenz wird auch bei einer schnelllaufenden Bahn jedes Flächenelement oftmals bestrahlt, sodass man praktisch von einem „stehenden“ Elektronenstrahl sprechen kann. Dieser Vorgang wird als „Scanning“ und ein derartiger Strahler als „Scanner“ bezeichnet. Nach dem „Electrocurtain“-Prinzip wird eine der Bahnbreite entsprechende stabförmige Kathode verwendet, die einen „Elektronenvorhang“ erzeugt. Ein Ablenkungssystem ist hierbei nicht erforderlich. Die Abdichtung des im Hochvakuum arbeitenden Beschleunigers gegenüber der Atmosphäre erfolgt durch ein mit einer Titanfolie abgedecktes Austrittsfenster (Lenardfenster). Diese Folie in einem Dickenbereich von 10–15 µm ist thermisch belastbar, verursacht jedoch ein Abbremsen der beschleunigten Elektronen. Die durch das Fenster austretenden Elektronen treffen anschließend auf das mit der zu härtenden Klebschicht vorbeilaufende Substrat. Die hohe kinetische Energie führt dann bei den acrylierten Monomeren zur Radikalbildung und somit Initiierung der Polymerisationsreaktion in der bereits beschriebenen Weise. Zur Abschirmung der beim Abbremsen der beschleunigten Elektronen entstehenden Röntgenstrahlen ist die Anlage mit Bleiblech umkleidet. Die Eindringtiefe der Elektronen ist von der Beschleunigungsspannung abhängig, sie liegt je nach Anlagentyp in Bereichen von 10–300 µm. Es hat sich eingebürgert, die Eindringtiefe auf die Mengeneinheit des zu härtenden

46

2 Klebstoffgrundstoffe

Materials bei einem spezifischen Gewicht von 1 gcm–3 zu beziehen, sodass eine Eindringtiefe von 100 µm auch mit dem Wert 100 gm–2 angegeben wird. Durch die Höhe des Strahlstroms wird die von der Anlage abgegebene Strahlungsenergie bestimmt. Die Strahlleistung ist das Produkt aus Beschleunigungsspannung und Elektronenstrom, sie bestimmt die maximale Bahngeschwindigkeit. Bei den im folgenden Beispiel angegebenen Werten für die Beschleunigungsspannung U und den Elektronenstrom I ergibt sich beispielsweise eine effektive Strahlleistung von 10 kW. Dabei beträgt die Leistungsaufnahme des Elektronenstrahlers ca. 20 kW, da das Elektronenaustrittsfenster und dessen Stützkonstruktion je nach Beschleunigungsspannung ca. 50% der Strahlleistung absorbieren. Bei einer Scannerbreite von 100 cm resultiert somit eine Strahlleistung von 100 Wcm–1. Neben der Leistung der Anlage interessiert die in der bestrahlten Schicht absorbierte Strahlungsenergie. Unter der Energiedosis versteht man die absorbierte Strahlungsenergie pro Mengeneinheit des bestrahlten Materials (Jg–1), während die Energiedosisleistung (Energiedosisrate) das Maß für die Energieübertragung je Zeiteinheit darstellt (Jg–1 s–1). Auf diese die Produktionsgeschwindigkeit bestimmende Größe sind die Strahlungsanlagen zu dimensionieren. Die absorbierte Strahlungsdosis, d.h. die Strahlungsenergie, die pro Masseneinheit des auf einem Substrat befindlichen auszuhärtenden Materials aufgenommen wird, lässt sich aus den Anlagen- und Verfahrensparametern berechnen, z.B.: Beschleunigungsspannung U Strahlstrom I Scannerbreite b Substratgeschwindigkeit v Materialdichte  Materialschichtdicke d

200 kV 50 mA 100 cm 100 m min–1 1 g cm–3 200 µm

Auszuhärtende Materialmenge in 1 s: m=b

v 10000 d = 100 · 0,02 = 333 cm3 = 333 g. 60 60

Strahlungsenergie: E = UIs = 200 · 103 · 50 · 10–3 · 1 = 10000 Ws (J). Absorbierte Strahlungsdosis: 10000 J = 30 · 333 g Bei dieser Berechnung wird von einer vollständigen Härtung des Materials ausgegangen, weiterhin sind reflektierte Strahlungsanteile und Verluste durch die Fenster- und Luftabsorption nicht berücksichtigt. Anlagenspezifische Ver-

2.1 Polymerisationsklebstoffe

47

luste werden in einem entsprechenden Korrekturfaktor K in die Berechnung einbezogen. Die Einheit für die Dosis ist das Gray (Gy) 1 Gy = 1 J kg–1, als Dosiskapazität wird das Produkt aus Energiedosis und Bahngeschwindigkeit definiert [kGy m min–1]. Für die alte Einheit der Dosis rad (radiation absorbed dose) bzw. Mrad ergibt sich folgende Umrechnung 1 Mrad =

10 J = 10 kGy. g

Zur Auslösung der strahlenchemischen Reaktionen in Klebschichten werden im Allgemeinen Energiedosen zwischen 10 und 100 kGy benötigt. Die Dosismessung an Elektronenstrahlanlagen erfolgt mittels Dosimeterfilmen, die sich in Abhängigkeit der Strahlendosis verfärben. Für die Elektronenstrahlhärtung gelten im Wesentlichen die gleichen Vorteile wie für die UV-Härtung. Erwähnenswerte Unterschiede sind jedoch der mögliche Verzicht auf Photoinitiatoren, höhere Bahngeschwindigkeiten und keine thermische Belastung der Substrate. Im Gegensatz zur UV-Härtung lassen sich auch pigmentierte Schichten härten, weiterhin sind Folienkaschierungen durch eine der beiden Folien hindurch möglich. 2.1.1.3.14 Laserstrahlhärtung

Für die Härtung von Monomersystemen lassen sich Laser (Light amplification by stimulated emission of radiation) prinzipiell einsetzen. Je nach Anregung und Art des Lasermediums erzeugen Laser Strahlen im infraroten, sichtbaren, ultravioletten Bereich und auch Röntgenstrahlung. Der Einsatz beruht auf der Ausnutzung der folgenden charakteristischen Eigenschaften eines Lasers: Kohärenz, exakt definierbare Wellenlängen, hohe Energiedichte und Möglichkeit der Fokussierung auf kleinste Bereiche. Entsprechende Anwendungen werden in Abschnitt 12.3.5, der Einsatz von Excimer-Lasern zur Oberflächenvorbehandlung von Kunststoffen in Abschnitt 14.1.4.8 beschrieben. 2.1.1.3.15 Anwendungen

Die Anwendungsmöglichkeiten strahlenhärtender Klebstoffsysteme sind sehr vielfältig. Ein Einsatz erfolgt insbesondere dort, wo bahnförmig beschichtete Substrate bei hohen Produktionsgeschwindigkeiten ausgehärtet werden sollen, z.B. bei der Herstellung von Haftkleb- bzw. Trennmittelbeschichtungen. Während bei der UV-Strahlungshärtung die Klebschicht der Strahlung direkt ausgesetzt werden muss, ist es bei der Elektronenstrahlhärtung zusätzlich möglich, Kaschierungen aus Folienkombinationen mittels Durchstrahlung einer Folienbahn durchzuführen. Weitere Anwendungsgebiete, die wegen der nied-

48

2 Klebstoffgrundstoffe

rigeren Investitionskosten vor allem auf die UV-Strahlungshärtung beschränkt sind, ergeben sich beim Kleben UV-durchlässiger Werkstoffe wie Gläser und Kunststoffe sowie zur Härtung von Verguss- und Dichtungsmaterialien. Die wesentlichen Vorteile der Strahlungshärtung liegen in den sehr kurzen Härtungszeiten (im Sekundenbereich), der Verwendung lösungsmittelfreier Klebstoffsysteme (keine Umweltbelastungen, Entfall der Kosten für Abluftreinigung), hohen Produktionsgeschwindigkeiten, nur geringer Erwärmung der Substrate sowie einer Energieeinsparung gegenüber thermischen Härtungsprozessen. Dem gegenüber stehen allerdings relativ hohe Investitionskosten insbesondere bei den Elektronenstrahlern. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.1.1.3: Zusammenfassende Darstellungen: [B155, B310, C91, C137, D57, D59, D60, D125, D279, D401, G29, H84, H149, K88, K111, K112, L156, O7, P25, P27, R35, R91, R112, S92, S156, S160, S299, Z18, DIN 5031, DIN 6814]. Aufbau strahlungshärtender Klebstoffe: [A65, A66, B71, B72, B148, B156, B157, B308, C48, D61, D129, E72, G30, H146, H151, N12, S88, S157, S299, S301, T20, W37, W140]. UV-Strahler: [B78, K85, K149, K150, K288, P26, P146, R35, R107, S158, T52, Z20]. Photoinitiatoren: [D57, D401, E70, G28, G56, S92, T20]. Kationische Härtung, Lichtstrahlhärtung: [B153, B158, C20, C49, C91, D126, D128, D319, E71, E73–E75, E149, G159, H152, H358, K86, K87, M81, M127, S92, S162, S275, S306, W49, W79]. Kombinationshärtung: [D127, E71, E74, P76]. Elektronenstrahlhärtung: [C17, C18, D58, D59, G25, H73, H78–H80, H152, J38, K84, K264, L155, N13, P27, R34, R35, S91]. Läser-Härtung: siehe Abschnitte 12.3.5 und 14.1.4.8. Prüfung Vernetzungsgrad: [D401].

2.1.1.4 Aerobe Klebstoffe

Im Gegensatz zu den anaeroben Klebstoffen (Abschn. 2.1.1.2), die unter Sauerstoffausschluss (und Metallkontakt) aushärten, wird die Härtungsreaktion bei den aeroben Klebstoffen durch Sauerstoffzutritt eingeleitet. Folgende reaktionskinetische Überlegungen bilden die Grundlage dieser Klebstoffsysteme: Die Polymerisation olefinisch ungesättigter Monomere, wie sie beispielsweise bei den Acrylaten, insbesondere Methylmethacrylaten vorliegen, erfolgt durch eine Radikalkettenpolymerisation, die über ein organisches Peroxid und einen Beschleuniger ausgelöst wird. Die entsprechenden Härtungsmechanismen sind in Abschnitt 2.1.2 näher beschrieben. Bei den aeroben Klebstoffen liegt nun kein Peroxid vor, sondern eine Verbindung, die bei Sauerstoffkontakt zur Hydroperoxidbildung fähig ist. Derartige zur Hydroperoxidbildung neigende Verbindungen sind z.B. Hydrazone der folgenden allgemeinen Formel, in der R1 , R2 und R3 geradkettige, verzweigte bzw. cyclische Alkylgruppen oder auch substituierte Arylgruppen sein können: (2.23)

2.1 Polymerisationsklebstoffe

49

Nach dem Klebstoffauftrag erfolgt dann über eine Oxidation des Hydrazons die Bildung des entsprechenden Peroxids, das wiederum die Radikalkettenpolymerisation einleitet. Die Klebstofformulierungen enthalten als Beschleuniger weiterhin Kupfer-, Cobalt- oder Manganverbindungen sowie Stabilisatoren gegen unkontrollierte Radikalbildung und Sauerstoffeinwirkung. Somit ist es zur Gewährleistung einer ausreichenden Lagerstabilität erforderlich, dass diese Klebstoffe unter Sauerstoffausschluss hergestellt und verpackt werden. Der beschriebene Härtungsmechanismus bedingt für die Aktivierung nach dem Klebstoffauftrag eine bestimmte Zeit, um den Sauerstoff aus der Luft aufzunehmen (Luftkontaktzeit), die Aushärtung findet anschließend bei Raumtemperatur in kurzer Zeit statt. Für die industrielle Fertigung mit ihren kurzen Taktzeiten kann die Zeit zwischen der Klebstoffapplikation und dem Fixieren der Fügeteile durch Zumischung des Sauerstoffs zu dem Klebstoff schon vor dessen Auftrag verringert werden. Dafür ist in der Auftragsanlage eine Mischkammer vorgesehen, in der der Sauerstoff – in reiner Form oder als Luft – unter entsprechendem Druck in den Klebstoff dosiert wird. Zur Kontrolle der ausreichenden Sauerstoffaufnahme sind in den Formulierungen entsprechende Farbstoff-Indikatoren vorhanden [D320]. Wichtige Klebstoffgrundstoffe sind Methacrylate und PolyurethanMethacrylate. Im Vergleich zu Klebstoffen auf Basis von z. B. Epoxiden oder Polyurethanen handelt es sich bei den aeroben Klebstoffen um relativ neue Systeme, die inzwischen eine umfangreiche Anwendungsbreite erlangt haben. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.1.1.4: [D141, D142, D314, D315, D320–D322, I29, R112].

2.1.2 Zweikomponenten-Polymerisationsklebstoffe

Bei diesen Systemen erfolgt die Aktivierung der C=C-Doppelbindung ebenfalls durch Radikale. Der Unterschied zu der Strahlungshärtung besteht jedoch darin, dass die Radikale nicht durch Photoinitiatoren bzw. direkte Strahlungseinwirkung gebildet werden, sondern aus einer dem Monomer als sog. Härter zugesetzten radikalbildenden Substanz nach den in Abschnitt 2.1.1.3.3 (Formeln (2.16)–(2.18)) beschriebenen Reaktionsmechanismen entstehen. Auf die Fügeteile wird demnach ein aus zwei Komponenten bestehendes Klebstoffsystem aufgetragen. Die wichtigsten Vertreter dieser Systeme sind die Methacrylatklebstoffe. Weiterhin sind die mittels einer Styrolkomponente härtenden ungesättigten Polyester wenigstens teilweise zu den Zweikomponenten-Polymerisationsklebstoffen zu zählen (Abschn. 2.3.3.2).

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2 Klebstoffgrundstoffe

2.1.2.1 Methacrylatklebstoffe

Wie die Cyanacrylate, so leiten sich auch diese Klebstoffe von der Acrylsäure ab. Besondere Bedeutung als Grundstoff hat für diese Systeme der Methylester der Methacrylsäure, das Methylmethacrylat:

(2.24)

(2.25)

Durch das Vorhandensein der Vinylgruppe und die durch die Estergruppe vorhandene Ladungsverschiebung innerhalb der C=C-Doppelbindung handelt es sich um sehr polymerisationsfreudige Monomere. Kennzeichnendes Merkmal für die Polymerbildung ist bei diesen Grundstoffen im Gegensatz zu der Ionenkettenpolymerisation bei den Cyanacrylaten die Radikalkettenpolymerisation, bei der die Aufspaltung der C=C-Doppelbindung durch eine Radikalanlagerung erfolgt. Hierbei entsteht ein neues Radikal, an das sich nun ein zweites und weitere Monomere anlagern können (Formeln (2.16)–(2.18)). Im Einzelnen gestaltet sich diese Reaktion bei dem Methylmethacrylatmonomer (MMA) wie folgt: 앫 Als radikalbildende Substanz dient das Dibenzoylperoxid, das als zugegebene Härterkomponente durch einen sog. Beschleuniger in zwei Radikale aufgespalten wird. Als Beschleuniger finden tertiäre aromatische Amine der allgemeinen Formel (Rx)3N Verwendung, wie z.B. das Dimethyl-p-toluidin: (2.26)

(2.27)

2.1 Polymerisationsklebstoffe

51

앫 Die Radikalkettenpolymerisation des MMA-Monomers verläuft anschließend entsprechend der Reaktionsgleichung (2.28), bis es zu einem Kettenabbruch kommt:

(2.28) Die durchschnittliche Molekülgröße des Polymers hängt im Wesentlichen von der Anzahl der auftretenden Abbruchreaktionen ab, dieses wiederum ist eine Frage der vorhandenen Radikalkonzentration und der Reaktionstemperatur. Aus dem in (2.28) dargestellten Reaktionsablauf ergibt sich, dass es – theoretisch – nur eines Härterradikals bedarf, um eine Menge von n Monomermolekülen zu polymerisieren, d.h. es ist keine mengenmäßige Abhängigkeit beider Reaktionspartner im Sinne einer stöchiometrisch verlaufenden Reaktion (Abschn. 2.2.1.5) erforderlich. In praxi ist natürlich infolge der eintretenden Abbruchreaktionen mit höheren Radikalkonzentrationen zu rechnen, sie liegen aber grundsätzlich im Bereich von nur wenigen Prozent des dem Molekulargewicht des Polymers entsprechenden Anteils. Bild 2.6 zeigt, dass die Festigkeit der Klebung nur sehr geringfügig, die Härtungszeit nur bis ca. 3% von der Härterkonzentration abhängig ist. Neben dem vorwiegend eingesetzten Methylmethacrylat stehen für Klebstofformulierungen weitere Alkylmethacrylate, z.B. Ethylmethacrylat, sowie für erforderliche Vernetzungsreaktionen di- und trifunktionelle Methacrylatester zur Verfügung. Bild 2.6. Abhängigkeit der Klebfestigkeit und Härtungszeit vom Härteranteil bei Methacrylatklebstoffen

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2 Klebstoffgrundstoffe

2.1.2.2 Verarbeitungssysteme der Methylmethacrylatklebstoffe

Die Tatsache, dass es sich bei dieser Radikalkettenpolymerisation nach Vereinigen der Komponenten Monomer, Härter und Beschleuniger um sehr schnell verlaufende Reaktionen handelt, die für eine praktische Anwendung hinderlich sind, hat zu mehreren Entwicklungen einer fertigungsgerechten Verarbeitung geführt. In diesem Zusammenhang sind verschiedene „Generationen“ (1., 2., ggf. eine 3. Generation) dieser Systeme vorgestellt worden. Eingebürgert haben sich z.B. Bezeichnungen wie „modified acrylics“ oder „second generation acrylics“, die sog. SGA-Typen. Im Wesentlichen handelt es sich bei diesen Bezeichnungen um die verschiedenen Variationen der Mischungsmöglichkeiten von Monomer, Härter und Beschleuniger im Sinne einer für die praktische Verarbeitung vertretbaren Topfzeit (Abschn. 3.1.1.5) sowie Weiterentwicklungen im Hinblick auf verbesserte Festigkeits- und Verformungseigenschaften. Scharfe Abgrenzungen zwischen und genaue Definitionen bei den einzelnen Entwicklungsstufen liegen nicht vor, aus diesem Grunde können diese Bezeichnungen auch nicht als Qualitätsmerkmale angesehen werden. Die Verarbeitung der Methacrylatsysteme erfolgt heute im Wesentlichen nach drei Verfahrensarten: 앫 A–B-Verfahren: Komponente A enthält als Hauptanteil das MMA-Monomer sowie die erforderliche Menge des Beschleunigers. Diese Mischung ist stabil und lagerfähig, d.h. nicht an eine vorgegebene Topfzeit gebunden. Komponente B enthält als Hauptbestandteil in gleicher Menge wie bei A ebenfalls das MMA-Monomer, als zweiten Bestandteil jedoch den Härter, allerdings in doppelter Menge ausreichend für den Monomeranteil sowohl in A als auch in B. Auch diese Mischung ist stabil und lagerfähig. (Eine Variante zur Erhöhung der Lagerstabilität der Komponente B besteht darin, dass in ihr das Härterpulver nicht bereits bei der Anlieferung enthalten ist, sondern vor der Anwendung zugemischt wird). Beide Komponenten A und B werden entweder direkt vor dem Auftragen und die Fügeteile in gleichen Anteilen gemischt oder auch gleichzeitig in gleicher Menge auf die Fügefläche dosiert und durch den Anpressdruck der Fügeteile in sich vermischt. Es ist ebenfalls möglich, die Komponente A auf die eine, die Komponente B auf die andere Fügeteiloberfläche aufzubringen, die Durchmischung erfolgt dann ebenfalls nach dem Vereinigen der Fügeteile (Bild 2.7). Die Aushärtung bis zu einer ausreichenden Anfangsfestigkeit findet anschließend innerhalb weniger Minuten statt. Vorteilhaft ist bei diesem Verfahren, dass die Dosierung des Härters, der bereits beim Klebstoffhersteller in die Komponente B eingearbeitet ist, beim Anwender in einem 1:1 Verhältnis mit der Komponente A erfolgen kann. Somit entfällt die mischungsmäßig schwerer zu beherrschende Zugabe des Härters von nur wenigen Gewichtsprozentgehalten. Eine besonders anwenderfreundliche Auftragsmöglichkeit besteht in der Bereitstellung der Komponenten A und B in Kartuschen, aus denen sie mittels einer Handpistole (Abschn. 12.3.3) über ein angeschlossenes statisches Mischrohr exakt gemischt auf die Fügeteile aufgetragen werden können. Bei

2.1 Polymerisationsklebstoffe

53

Bild 2.7. Verarbeitung von Methacrylatklebstoffen nach dem A–B-Verfahren

entsprechender Viskositätseinstellung sind auf diese Weise größere Klebfugenspalte (bis zu 3 mm) zu überbrücken. 앫 Härterlack-Verfahren: Bei diesem Verfahren, auch „No-Mix“-Verfahren genannt, wird der Härter in einem leichtflüchtigen organischen Lösungsmittel gelöst („Härterlack“) und in dieser Form auf eines der beiden Fügeteile aufgetragen. Nach Verdunsten des Lösungsmittels innerhalb weniger Minuten ist dieses Fügeteil lagerungsstabil, braucht bei entsprechender sauberer Lagerung also nicht sofort dem Klebevorgang zugeführt zu werden. Auf das andere Fügeteil wird zum gewünschten Zeitpunkt die Monomer-Beschleuniger-Mischung aufgebracht. Nach dem Vereinigen der beiden Fügeteile tritt dann innerhalb kurzer Zeit die beschriebene Reaktion und somit Verfestigung der Klebschicht ein. Nachteilig gegenüber dem A–B-Verfahren ist bei dem „No-Mix“-System allerdings eine beschränkte Klebschichtdicke von ca. 0,3–0,4 mm, da von der dünnen Härterschicht ausgehend die Polymerisationsreaktion einseitig nach den Gesetzen der Diffusion in die Klebschicht fortschreiten muss. Man kann diesen Nachteil zwar dadurch ausgleichen, dass der Härterlack auf beide Fügeteile aufgetragen wird, begibt sich dann allerdings des Vorteils der langen Topfzeit, da nach Aufbringen der Monomer-Beschleuniger-Mischung auf die bereits mit Härterlack beschichtete Seite sofort verklebt werden muss. 앫 Direkter Härterzusatz: Der Härter wird dem Monomer, in dem sich bereits der Beschleuniger befindet, entweder als Paste oder als Pulver in einer Menge von ca. 1–3% unmittelbar vor der Verarbeitung zugegeben („Mix-

54

2 Klebstoffgrundstoffe

System“). Wegen der geringen Härtermenge ist in diesem Fall auf eine sehr gute Durchmischung besonders zu achten. Nach Härterzugabe ist dann sofort mit der Klebstoffverarbeitung im Rahmen der angegebenen Topfzeit zu beginnen. Bei Monomeren mit einer hohen Reaktionsgeschwindigkeit ist dieses Verfahren nicht anwendbar, die Verarbeitung erfolgt in diesen Fällen nach dem Härterlack-Verfahren. Zur Erhöhung der Klebschichtzähigkeit und somit auch der Klebfestigkeit werden zähharte Systeme angeboten, wie sie in gleicher Weise auch bei Epoxidharzklebstoffen (Abschn. 2.2.1.7) bekannt sind. Dazu werden Kautschukverbindungen mit reaktiven C=C-Doppelbindungen mittels einer Radikalkettenpolymerisation in die Polymerstruktur der Methacrylate eingebaut [A67, B160]. Um die Haftung der Methacrylatklebstoffe auf Kunststoffen zu verbessern, kann nach [E77] eine der beiden Komponenten ein polymerisierbares Isocyanat, z.B. Isocyanatoethylmethacrylat, enthalten:

(2.29)

Der große Vorteil der Klebstoffe auf Methacrylatbasis liegt gegenüber anderen Zweikomponentensystemen, die eine stöchiometrische Mischung der Komponenten erfordern, in der einfachen Handhabungsweise und den kurzen Aushärtungszeiten. Weitere Vorteile sind die hohen Festigkeiten der Klebungen, sowie relative Unempfindlichkeit gegenüber fetthaltigen Oberflächen. Methacrylatklebstoffe mit einem größerem Spaltfüllungs- bzw. Spaltüberbrückungsvermögen werden in [D323] beschrieben. Diese Systeme bilden bei der Aushärtung poröse Polymerstrukturen, verursacht durch ein bereits in dem Klebstoff vorhandenes Treibmittel, z.B. Azo- bis -isobutyronitril (AIBN). Dieses setzt beim Erwärmen Stickstoff frei und führt so zu einer Volumenzunahme der Klebschicht. Die Klebstoffe können einkomponentig verarbeitet werden, da das Treibmittel beim Zerfall gleichzeitig Radikale freisetzt, die die Polymerisation initiieren. Eine Verbesserung der Klebschichtverformbarkeit bei tiefen Temperaturen ergibt sich nach [D324] durch Zusatz von Urethan(meth)acrylaten zu den Methacrylatkomponenten. Diese Systeme werden vielfältig auch als Wandbeschichtungen und Versiegelungen verwendet. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.1.2.1: [A67, B79, B159, B160, D62, D130, D323, D324, E76, E150, F63, K2–K4, M224, W2].

2.1 Polymerisationsklebstoffe

55

2.1.3 Polymere Grundstoffe

Neben den beschriebenen chemisch reagierenden Polymerisationsklebstoffen findet ebenfalls eine große Gruppe physikalisch abbindender Klebstoffe Verwendung, die zum Zeitpunkt der Verarbeitung bereits als Polymerisate vorliegen. Die wichtigsten dieser Polymerisate leiten sich von vinylgruppenhaltigen Monomeren oder von Kautschuktypen ab. Weiterhin sind noch einige gesättigte Kohlenwasserstoffpolymere von Interesse. Die Möglichkeiten des Aufbaus polymerer Grundstoffe sind sehr vielfältig. Nur in den seltensten Fällen werden sie in Form von Homopolymeren eingesetzt. Die Co- oder Mischpolymerisation mit anderen Monomeren ergibt die Möglichkeit, durch Eigenschaftskombination verschiedener Monomere spezifischen Bedingungen hinsichtlich Verarbeitung und Beanspruchung gerecht zu werden. Für den strukturellen Aufbau gilt die in Bild 2.8 dargestellte Systematik. Während in den Copolymerisaten die Monomereinheiten abwechselnd entsprechend ihrem Mengenverhältnis statistisch oder alternierend in die Molekülkette eingebaut sind, bestehen die Blockpolymere aus Polymeren, deren Moleküle aus linear verknüpften Blöcken aufgebaut sind. Die Blöcke sind direkt oder durch konstitutionelle Einheiten, die nicht Teil der Blöcke sind, miteinander verbunden (Bild 2.9). Bei den statistischen bzw. alternierenden Systemen bildet das Copolymer eine homogene Phase, z.B. nachweisbar durch nur einen vorhandenen Glasübergangsbereich (Abschn. 4.4.1). Da bei den Bild 2.8. Aufbau der Copoly-

merisate

56

2 Klebstoffgrundstoffe

Blockpolymeren die beiden Segmente miteinander unverträglich sind, wird ein quasi Zweiphasenmolekül mit auch zwei Glasübergangsbereichen gebildet. Für den Aufbau der Pfropfpolymere sind die an ihrer Hauptkette (A-Kette) „aufgepfropften“ Seitenketten (B-Ketten) charakteristisch (Bild 2.8 und Abschn. 14.1.4.5). 2.1.3.1 Polyvinylacetat (PVAC)

Polyvinylacetat, ebenfalls als Ethylenacetat bezeichnet, ist das Polymerisationsprodukt des Vinylacetats (VAC):

(2.30) Aufgrund der in dem Molekül vorhandenen stark polaren Acetatgruppe besitzt das Polyvinylacetat sehr gute Haftungseigenschaften auf vielen Fügeteiloberflächen: (2.31)

Eine Verwendung erfolgt vorwiegend als Dispersionsklebstoff (Abschn. 3.5) mit ca. 50–60% Festkörpergehalt, z.T. auch auf Basis von Vinylacetat-Copolymerisaten (z.B. mit Vinylchlorid). Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.1.3.1: [H81, S2].

2.1.3.2 Polyvinylalkohol (PVAL)

Polyvinylalkohol entsteht als Verseifungsprodukt des Polyvinylacetats oder anderer Polyvinylester:

(2.32)

2.1 Polymerisationsklebstoffe

57

Je nach Molekulargewicht liegt der Polyvinylalkohol als mehr oder weniger hochviskose Flüssigkeit bis zum festen Aggregatzustand vor. Verwendet wird er z.B. zum Kleben cellulosehaltiger Werkstoffe wie Papier, Pappe, Holz u. dgl., als Grundstoff für feuchtigkeitsaktivierbare Gummierungen, weiterhin als Schutzkolloid zur Stabilisierung und Erhöhung der Abbindegeschwindigkeit von Dispersionsklebstoffen (Abschn. 3.5). Die Hydrophilie des Polyvinylalkohols, d.h. die Tendenz, in Wasser einzudringen, führt zu einer geringen Feuchtigkeitsbeständigkeit der Klebschicht. Diese Wasserempfindlichkeit kann z.B. durch Vernetzen mit bifunktionellen Aldehyden verringert werden [D325]. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.1.3.2: [D325, H153, Z44].

2.1.3.3 Polyvinylether

Von den Polyvinylethern sind insbesondere die folgenden drei Polymere als Klebstoffgrundstoffe von Interesse:

(2.33)

Bei den Polyvinylethern mittlerer Polymerisationsgrade handelt es sich um klebrige Weichharze, die sehr gute Haftungseigenschaften an porösen und glatten Oberflächen aufweisen. Der Polyvinylmethylether zeichnet sich besonders dadurch aus, dass er aufgrund seiner Wasserlöslichkeit auch wieder anfeuchtbar ist und somit z.B. im Gemisch mit Dextrin (Abschn. 2.5.2) oder tierischen Leimen (Abschn. 2.5.1) als Gummierung auf Etikettenpapieren diesen eine verbesserte Haftung verleiht. Wegen ihrer permanenten Klebrigkeit sind Polyvinylether auch in druckempfindlichen Klebstoffen (Haftklebstoffe, Abschn. 3.4) im Einsatz. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.1.3.3: [A1, D132, M2].

58

2 Klebstoffgrundstoffe

2.1.3.4 Ethylen-Vinylacetat (EVA)

Copolymerisat aus Ethylen und Vinylacetat:

(2.34)

In dem Molekülaufbau sind die Vinylacetatmoleküle statistisch in die Ethylenkette eingebaut. Während das reine Polyvinylacetat gegenüber Temperaturbeanspruchung aufgrund von Essigsäureabspaltung relativ instabil ist, sind die Copolymerisate mit Ethylen im Hinblick auf Oxidation und thermischen Abbau wesentlich beständiger. Aus diesem Grund gehören EVA-Copolymere (bei ca. 40% Vinylacetatanteil) zu einer wichtigen Gruppe von Schmelzklebstoffrohstoffen (Abschn. 3.6). Sie besitzen ebenfalls im Bereich tiefer Temperaturen (bis ca. –70°C) noch ein ausreichendes elastisch-plastisches Verhalten. Mit zunehmendem Anteil an Vinylacetat (ab ca. 60%) besitzen die EVA-Copolymere plastisch fließende, dauerklebrige Eigenschaften mit abnehmender thermischer Beständigkeit. Diese Produkte sind als Grundstoffe für Haftschmelzklebstoffe (Abschn. 3.4) im Einsatz. EVA-Copolymere lassen sich im Hinblick auf ihre Verwendung als Klebstoffgrundstoffe durch die beiden Grundgrößen Schmelzindex (Abschn. 12.3.1.3) und Vinylacetatgehalt charakterisieren: Ein niedriger Schmelzindex (geringer VAC-Gehalt) erhöht die Kohäsionsfestigkeit der Klebschicht, steigende Schmelzindizes (höherer VAC-Gehalt) führen zu einem Ansteigen des Fließverhaltens der Klebschicht. Je nach dem Verhältnis des Ethylen- zu dem Vinylacetatanteil resultieren weiterhin unterschiedliche Kristallinitätseigenschaften. Die dem Ethylenanteil entsprechend proportional ansteigende Kristallinität bestimmt die Klebschichtfestigkeit und Temperaturbeständigkeit, während die amorphen Vinylacetatanteile dem System gute Flexibilitätseigenschaften verleihen. So lassen sich durch entsprechende Monomeranteile im Copolymerisat den jeweiligen Anwendungsfällen zugeordnete Eigenschaften gestalten. Aufgrund der sehr guten durch die Acetatgruppe bedingten Haftungseigenschaften (z.B. gegenüber PVC), werden die EVA-Copolymerisate ebenfalls als Basispolymere für die Modifikation mit anderen Polymeren bei Dispersionsklebstoffen eingesetzt. Zur Verbesserung der Haftungseigenschaften gegenüber polaren und unpolaren Kunststoffen werden in [G75, M130] „Copolymere“ aus Ethylen und Kohlenmonoxid (CO) beschrieben, bei denen das CO als Ketogruppe in die Kohlenstoffkette eingebaut ist und dem Copolymer polare Eigenschaften

2.1 Polymerisationsklebstoffe

59

verleiht (E/CO-Copolymere). Kohlenmonoxid gilt zwar allgemein nicht als Monomer, in diesem Fall bildet das Kohlenstoffatom des Kohlenmonoxids jedoch einen Teil des Rückgrats des Polymers. Da es ein relativ kleines Molekül ist, unterbricht es die Kristallinität des Polyethylens nicht. E/CO-Copolymere werden u. a. für Folien eingesetzt, die auf photochemischem Wege abbaubar sind und somit bei Sonneneinstrahlung in Bestandteile mit sehr geringem Molekulargewicht zerfallen. In Kombination mit Vinylacetat oder Alkylacrylaten entstehen E/VAC/CO- bzw. E/Acrylat/CO-Terpolymere, die sich durch eine erhöhte Wärmestabilität und ein verbessertes Adhäsionsverhalten auszeichnen. EVA-Copolymere lassen sich als Kautschuke mit Peroxiden in Kombination mit Aktivatoren oder durch Bestrahlung zu Elastomeren vulkanisieren. die Vulkanisate zeichnen sich durch hohe Witterungs-, Sauerstoff- und Ozonbeständigkeit aus und besitzen gute Tieftemperatur-Eigenschaften. Sie werden verwendet zur Herstellung technischer Gummiartikel wie Dichtungen, Profilen und Folien. Zum Verkleben dieser Werkstoffe siehe [M258]. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.1.3.4: [A43, B3, B311, C50, E1, J17, L141, L145, P77, R1, T1, W3].

2.1.3.5 Ethylen-Acrylsäure-Copolymere

Copolymerisate aus Ethylen und Acrylsäure bzw. Acrylsäureestern:

(2.35)

Diese Copolymere, die die chemische Resistenz des Polyethylens mit den guten Haftungseigenschaften der Säure- bzw. Estergruppierung in sich vereinigen, stellen wichtige Basispolymere für Schmelzklebstoffe dar. Als Esterkomponente werden vorzugsweise Acrylsäureester eingesetzt (Ethylenmethacrylat, Ethylenethylacrylat). Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.1.3.5: [D336, K5].

2.1.3.6 Polyvinylacetale

Polyvinylacetale entstehen durch Einwirkung von Aldehyden auf Alkohole nach folgendem (schematisch dargestellten) Reaktionsprinzip:

60

2 Klebstoffgrundstoffe

(2.36)

Die für die Klebstoffherstellung wichtigsten Acetale sind das – Polyvinylformal (PVFM) (R = H) – Polyvinylbutyral (PVB) (R = –CH2–CH2–CH3). Beide dienen als plastifizierende Komponente für Klebstoffe auf Phenolharzbasis (Abschn. 2.3.1.1). Durch Untersuchungen in [W61] wurde festgestellt, dass das Polyvinylformal während der Aushärtung mit dem Phenolharz reagiert und somit ein echtes Verbundsystem vorliegt. Das Polyvinylbutyral findet als Klebfolie für Mehrschichtensicherheitsglas Anwendung. 2.1.3.7 Polystyrol (PS)

Polymerisationsprodukt des Styrols:

(2.37) Das Monomer (Monostyrol) ist als Bestandteil für Klebstoffgrundstoffe vorwiegend in drei Bereichen im Einsatz: 앫 Als Copolymer mit weichmachenden Monomeren, insbesondere Butadien, für die Herstellung von Styrol-Butadien-Dispersionen (Abschn. 3.5).

2.1 Polymerisationsklebstoffe

61

앫 Als Copolymer mit Butadien für Kautschuk-Blockpolymere (Abschn. 2.1.4). 앫 Als polymerisationsfähiges „Lösungsmittel“ für die Copolymerisation mit ungesättigten Polyestern (Abschn. 2.3.3.2). 2.1.3.8 Polyvinylchlorid (PVC)

Polyvinylchlorid ist das Polymerisationsprodukt des Vinylchlorids (VC): (2.38)

Verwendung als Grundstoff insbesondere für Plastisolklebstoffe (Abschn. 3.14), weiterhin als Copolymerisat mit Vinylacetat zu Vinylchlorid/Vinylacetat-Copolymeren in Lösungsmittelklebstoffen (Abschn. 3.2), Dispersionsklebstoffen (Abschn. 3.5), Heißsiegelklebstoffen (Abschn. 3.7) und als Hochfrequenz-Schweißhilfsmittel (Abschn. 3.2). Zum Kleben von Polyvinylchlorid siehe Abschnitt 14.1.6.1.1. 2.1.3.9 Polyvinylidenchlorid (PVDC)

Polyvinylidenchlorid wird aus asymmetrischem Dichlorethylen polymerisiert:

(2.39)

Wegen der nicht ausreichenden Stabilisierungsmöglichkeiten wird Vinylidenchlorid in Mischpolymerisation gemeinsam mit Vinylchlorid, Vinylacetat, Acrylsäure, Acrylnitril u.ä. verwendet. Die aus den Dispersionen erhaltenen Schichten sind bei 120–130°C heißsiegelbar (Abschn. 3.15); da sie wegen ihrer sehr guten Wasserdampfundurchlässigkeit außerdem vorteilhaft für Beschichtungen von Verpackungspapieren eingesetzt werden können, ergibt sich eine gute Kombination von heißsiegelfähiger Beschichtung für rationelle Verarbeitungen.

62

2 Klebstoffgrundstoffe

2.1.4 Kautschukpolymere

Neben den Monomeren, die ihre C=C-Doppelbindung als Voraussetzung für eine Polymerisation der im Molekül eingebauten Vinylgruppe verdanken, sind als Klebstoffgrundstoffe auch Monomere mit Doppelbindungen, die sich von Kautschuktypen ableiten, besonders interessant. Kautschuke sind allgemein Produkte, die bei Raumtemperatur weitgehend amorph und sehr weitmaschig vernetzt sind und die eine niedrige Glasübergangstemperatur (Abschn. 4.4.1) besitzen. Neben dem Naturkautschuk (NR), einem Polymerisat des Isoprens (gewonnen aus dem Hevea brasiliensis), sind in den vergangenen Jahrzehnten künstliche Kautschuke entwickelt worden, die gegenüber dem Naturprodukt den Vorteil gleichmäßigerer Qualität und Verfügbarkeit aufweisen. In reiner Form haben diese Polymere weitgehend elastomere Eigenschaften, die für die Festigkeitsanforderungen an Klebschichten wenig geeignet sind. Aus diesem Grund werden vielfach Copolymerisate als „thermoplastische Elastomere“ (Abschn. 2.1.4.2) eingesetzt. Diese mit sehr guten Klebeigenschaften versehenen Produkte sind im Allgemeinen jedoch zu viskos, um in dieser Form verarbeitet werden zu können. Daher werden sie über entsprechende Lösungsmittelsysteme in niedrigere Viskositäten überführt und als Lösungsmittelklebstoffe (Abschn. 3.2) oder Dispersionsklebstoffe (Abschn. 3.5) mit den entsprechenden Hafteigenschaften eingesetzt. Als Klebstoffgrundstoffe auf künstlicher Kautschukbasis sind die folgenden Synthesekautschukarten wichtig (s. a. Abschn. 14.4). – – – – –

Styrol-Butadien-Kautschuk (SBR), Nitrilkautschuk (NBR), Styrol-Blockpolymere, Butylkautschuk (IIR), Chloroprenkautschuk (CR).

2.1.4.1 Styrol-Butadien-Kautschuk (SBR)

Beim Styrol-Butadien-Kautschuk handelt es sich um ein Copolymer, bei dem die Monomerbausteine Styrol und Butadien statistisch im Molekül verteilt sind. Kennzeichnend ist das Vorhandensein von nur einer Glasübergangstemperatur. Um eine entsprechende Festigkeit zu erhalten, ist es erforderlich, eine Quervernetzung zwischen den Molekülketten, in den meisten Fällen durch Schwefel, herbeizuführen (Vulkanisation, Abschn. 14.4.1). Radikalische Vernetzungen sind über die Ausbildung von Polymeren bzw. Prepolymeren mit endständigen Radikalen in Gegenwart entsprechender Monomere ebenfalls möglich. Derartige Systeme werden als vernetzte Copolymere bezeichnet. Als Klebstoffgrundstoff hat der Styrol-Butadien-Kautschuk in dieser Form nur eine geringe Bedeutung, da sehr große Harzmengen benötigt werden, um eine ausreichende Klebrigkeit zu erzielen.

2.1 Polymerisationsklebstoffe

63

In Form vulkanisierbarer Systeme erfolgt jedoch ein Einsatz in der Automobilindustrie zum Kleben und Dichten von Bördelfalznähten und zum Verbinden von Versteifungsstreben mit Außenblechen in der Karosseriefertigung. Für die Verarbeitung charakteristisch ist dabei, dass diese Kleb- und Dichtstoffe bei Raumtemperatur in einem sehr hochviskosen bzw. nahezu festen Zustand vorliegen. Bei Temperaturen im Bereich zwischen 60–130°C werden sie fließfähig und können mittels Düsenapplikation auf die Substrate aufgetragen werden. Nach Abkühlung erfolgt dann wieder eine so weitgehende Verfestigung der Kleb-Dichtschicht, dass ein problemloser Transport der Karosserie durch die Wasch- und Grundieranlage ohne Auswaschen des Materials möglich ist. Bei den folgenden Temperaturanwendungen zum Härten der Grundierung tritt dann die endgültige Vulkanisation dieser reaktiven Klebstoffe mittels des in dem System vorhandenen Schwefels zu Polymerschichten mit den jeweils geforderten Festigkeitseigenschaften ein. Vorteilhaft ist, dass die nach dem Vulkanisationsvorgang vernetzten Polymerschichten eine deutlich geringere Abhängigkeit ihrer Festigkeit von der Temperatur aufweisen als dies bei den thermoplastischen Schmelzklebstoffen oder auch Plastisolen (Abschn. 3.14) der Fall ist. Durch Einsatz von Polybutadien mit OH-Endgruppen und Polyepoxidverbindungen besteht die Möglichkeit, Klebstoffe für sehr temperaturbeständige und flexible Klebschichten, wie sie besonders im Automobilbau gefordert werden, zu formulieren. Der Härtungsmechanismus findet bei diesen Systemen auf zwei verschiedene Arten statt, zum einen über die Schwefelvulkanisation und zum anderen über OH-Epoxidvernetzungsreaktionen [D133]. 2.1.4.2 Styrol-Blockpolymere

Im Unterschied zu dem Styrol-Butadien-Kautschuk handelt es sich bei den Styrol-Blockpolymeren um Systeme, bei denen die Monomerbausteine Styrol und Butadien (SBS) bzw. Isopren (SIS) blockförmig im Polymermolekül angeordnet sind (Formeln (2.40) und (2.41), Bild 2.10). Die thermoplastischen Endblöcke sind durch einen elastomeren Mittelblock miteinander verbunden. In den sog. Domänen werden die Endblöcke durch Nebenvalenzkräfte zusammengehalten, die bei einer Temperaturerhöhung so gering werden, dass die Molekülketten eine freie Beweglichkeit erfahren. Dieser Vorgang ist reversibel, bei Abkühlung erfolgt erneut die Ausbildung von Domänen und die Ausgangsfestigkeit stellt sich wieder ein (Bild 2.9). Derartige Systeme werden als „thermoplastische Elastomere“ bezeichnet, sie können aus der Schmelze verarbeitet werden. Voraussetzung dabei ist, dass das Blockpolymer über die Temperatur hinaus erwärmt wird, bei der die Polystyroldomänen erweichen. Die Blockpolymerisate zeichnen sich durch das Vorhandensein von zwei Glasübergangsbereichen aus, für die thermoplastische Polystyrolkomponente liegt er bei 95–100°C, für die elastomere Polybutadien-(Polyisopren-)Kom-

64

2 Klebstoffgrundstoffe

Bild 2.9. Thermoplastische Domänen in gummielastisch deformierbaren Fadenmolekülen

Bild 2.10. Schema eines Blockpolymerisats

(2.40)

SBS

(2.41)

SIS

ponente bei –65 bis –55°C. Somit ergibt sich für die Verarbeitung als Schmelze eine Verarbeitungstemperatur oberhalb von 100 °C, in der Praxis bei ca. 140–200 °C bei gleichzeitiger Anwendung relativ hoher Scherkräfte (z.B. in Doppelschneckenpressen). Die Tatsache des Vorhandenseins von zwei Glasübergangsbereichen weist aus, dass es sich um Zweiphasensysteme handelt, die im thermodynamischen

2.1 Polymerisationsklebstoffe

65

Sinn miteinander unverträglich sind. Da die Domänen die Ausgangs- und Endpunkte der Elastomerketten sind, wird es verständlich, dass sie eine ähnliche Rolle wie eine Schwefelvernetzung bei den Vulkanisaten spielen. Im angelsächsischen Sprachgebrauch werden sie als „interpenetrating polymer network IPN“ bezeichnet in Abgrenzung zu den „crosslinked copolymers“. Im Gegensatz zu Klebschichtpolymeren, die ihre elastischen Eigenschaften einem Weichmacherzusatz verdanken, wird auf diese Weise eine sog. „innere Weichmachung“ erreicht (Abschn. 4.4.3). Den thermoplastischen Elastomeren werden zur Erzielung der geforderten Klebrigkeitseigenschaften entsprechende Harze (Abschn. 2.7.5) bzw. Weichmacher (Abschn. 2.7.4) zugegeben. Thermoplastische Elastomere stellen zusammenfassend Grundstoffe dar, die die Lücke zwischen den bei den herkömmlichen Schmelzklebstoffen (Abschn. 3.6) angewandten Verarbeitungsverfahren und den mit Kautschuken erreichbaren Klebschichteigenschaften schließen. Die Verarbeitung kann neben dem Schmelzen auch aus einem Lösungsmittelsystem erfolgen, die Verwendung dieser Produkte erfolgt insbesondere als Basis für Haft-, Kontakt- und Laminierklebstoffe, zunehmend ebenfalls im Bereich dicker, elastischer Klebschichten bei Metallklebungen (Abschn. 8.10). Da sich die Klebschichten durch eine hohe Flexibilität auszeichnen, liegt eine wesentliche Anwendung auch dort, wo die untereinander verklebten Fügeteile hohen Verformungsbeanspruchungen unterliegen, z.B. bei Schuhwaren oder Gummi/Gummi- bzw. Gummi/Metall-Klebungen. Möglichkeiten der Eigenschaftsbeeinflussung in Bezug auf den thermoplastischen Charakter dieser Polymere sind durch die sog. Pfropfpolymerisation gegeben (Bild 2.8). Hierunter versteht man die nachträgliche Anlagerung („Aufpfropfen“) von Seitenketten an bestehende lineare Molekülketten. Durch diese Molekülmodifikation vergrößert sich der Abstand zwischen den Makromolekülen, dadurch vermindern sich die Anziehungskräfte zwischen den Molekülketten, was wiederum eine erhöhte Flexibilität bzw. Abnahme der Kettensteifigkeit des Polymers zur Folge hat. Speziell für die Formulierung von Haftklebstoffen sind Styrol-Blockpolymere bekannt, bei denen der zentrale Butadienblock mittels Vinylgruppen modifiziert ist und die somit einer UV-Strahlungshärtung zugänglich sind [D290]. Die Vielzahl der verfügbaren thermoplastischen Elastomere lässt sich nach ihrer Morphologie und dem strukturellen Aufbau in die folgenden Gruppen unterscheiden: Blockpolymere:

Styrol- und Styrol-Dien-Copolymere (SBS, SIS, SBR) Styrol-Ethylen/Butylen-Copolymere (SEBS), Polyester/Polyether Copolymere Polyurethanelastomere

Thermoplastische elastomere Olefine TEO bzw. TPO

Nitrilkautschuk/PVC EPDM-Kautschuk/Polyolefine. Hier handelt es sich um physikalische Mischungen eines Thermo-

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2 Klebstoffgrundstoffe

plasten und eines Elastomers. Mit wachsendem Elastomer-Thermoplast-Verhältnis wird das Eigenschaftsbild der TEO/TPO in Richtung kautschukähnlichen Verhaltens verschoben. Thermoplastische EPDM-Kautschuk/Polypropylen Vulkanisate Naturkautschuk/Polypropylen (Elastomeric Alloys, EAs) Nitrilkautschuk/Polypropylen Butylkautschuk/Polypropylen Der Unterschied zu den TEO/TPO besteht in einem hohen Vernetzungsgrad der elastomeren Phase. Dadurch entsteht ein Eigenschaftsprofil ähnlich vernetzter Kautschuke. Polyurethan – Elastomere siehe Abschnitt 2.2.2.8. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.1.4.2: [B80, B152, B307, D108, D131, D133, D290, D340, H2, H3, H82, H83, H293, H295, I25, I34, J37, K151, L34, N44, P28, P78, P135, R61, R111, S3, S300, V26, V45, X3].

2.1.4.3 Chloroprenkautschuk (CR)

Der Chloroprenkautschuk (Polychloropren) entsteht durch Polymerisation des Chloroprens (2-Chlorbutadien):

(2.42)

Neben den guten Haftungseigenschaften (bedingt durch das stark polare Chloratom) besitzen die linearen Makromoleküle eine starke Neigung zur Kristallisation, die zu einer relativ hohen Festigkeit der Klebschicht beiträgt. Diese Kristallisation ist allerdings reversibel und lässt bei höherer Temperatur (Kristallitschmelzpunkt ca. 53 °C) nach, sodass höhere Warmfestigkeitseigenschaften, wie z.B. bei den ebenfalls in teilweise kristallisierter Form vorliegenden Polyamiden, nicht erwartet werden können. Polychloropren wird in verschiedenen Kristallinitätsgraden je nach vorgesehenem Verwendungszweck angeboten. Nach ihrer Kristallisationsneigung unterscheidet man stark (hohe Anfangsfestigkeit, rasches Abbinden, hohe Klebfestigkeit und Wärmebeständigkeit), mittel (elastisches Verhalten, geringere Kohäsionsfestigkeit) und gering (sehr flexible Klebschichten, geringe Kohäsionsfestigkeit) kristallisierende Produkte. Diese Polymere bzw. Copolymere sind wichtige Grundstoffe für Kontaktklebstoffe (Abschn. 3.3). Hierfür geht man in der Regel von den stark kristallisierenden Typen aus und mischt

2.1 Polymerisationsklebstoffe

67

ihnen zur Verbesserung der klebtechnischen Eigenschaften Klebrigmacher wie z.B. Kolophoniumharze oder Harzester (Abschn. 2.7.5) zu. Die Stabilisierung für den Fall einer Salzsäureabspaltung erfolgt durch Zugabe von Metalloxiden (ZnO, MgO) als Säureakzeptoren. Sehr hochgefüllte Mischungen (Quarz, Asbest, Calciumcarbonat) sind als Klebkitte im Einsatz. Wie in [D326] beschrieben, lassen sich die guten Haftungseigenschaften des Polychloroprens weiter steigen, wenn das Polymer mit Methylmethacrylat (ca. 25%) aufgepfropft wird (Abschn. 2.1.3 und 2.1.4.2). Durch diese Maßnahme wird insbesondere die Adhäsion an Metallen, Gummimischungen und Kunststoffen verbessert. Eine weitere in der o. e. Patentschrift dargestellte Variante in der Formulierung von Chloroprenklebstoffen besteht in der Zugabe von ca. 2–5% eines Cyanacrylsäureesters. Dieser Zusatz führt zu einem erheblichen Anstieg der Schälwiderstände bei Metall-Gummi-Klebungen von Werten im Bereich 2–6 Nmm–1 (ohne CA) auf Werte von 6–14 Nmm–1 (mit CA). Die im Polychloroprenmolekül vorhandene Doppelbindung ermöglicht es, mit entsprechend reaktiven Molekülgruppen weitere Vernetzungen durchzuführen. Durch Zugabe von z.B. thermisch härtenden Monomeren gelingt es auf diese Weise, bei wesentlicher Beibehaltung der durch die elastomere Basiskomponente bedingten Elastizitätseigenschaften, zu verbesserten Klebschichtfestigkeiten und Temperaturbeständigkeiten zu kommen. Als thermisch härtende Komponenten dienen hierfür Polyisocyanate (Abschn. 2.2.2) und Phenolharze (Abschn. 2.3.1.1). Derartige Klebstoffe kommen als Zweikomponentensysteme zum Einsatz. Im Falle der Isocyanatvernetzung wird neben der Erhöhung der Klebschichtfestigkeit vor allem auch die Anfangsfestigkeit erheblich verbessert, sodass höhere Produktionsgeschwindigkeiten möglich sind. Die bei der Verarbeitung der lösungsmittelhaltigen Polychloroprenklebstoffe häufig vorhandenen Nachteile durch Lösungsmittel lassen sich durch wasserbasierende Systeme vermeiden (Abschn. 3.3). Bei diesen Polychloroprenlatizes, die sich durch elastische, äußerst kohäsionsfeste Klebschichten auszeichnen, werden die Basispolymere mit den entsprechenden Zusatzstoffen (klebrigmachende Harze etc.) mittels geeigneter Emulgatoren und/oder Schutzkolloiden in wässriger Phase dispergiert. (Latizes = Feinverteilungen von Polymeren in Wasser, Teilchengröße 0,1–1 µm feindisperse, 1–10 µm grobdisperse Dispersionen). Auf die unterschiedlichen Abbindemechanismen der lösungsmittel- und wasserbasierten Systeme wird bei der Beschreibung der Kontaktklebstoffe (Abschn. 3.3) näher eingegangen. Chloroprenkautschuk ist nicht zu verwechseln mit Chlorkautschuk, einem ebenfalls für Klebstoffe eingesetzten Basispolymer, welches insbesondere zum Kleben von Metall/Kautschuk im Einsatz ist. Es handelt sich hierbei um ein durch Chlorierung aus Naturkautschuk gewonnenes Produkt mit einem Chlorgehalt von ca. 60–70%, welches eine hohe Weichmacher- und Chemikalienbeständigkeit aufweist. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.1.4.3: [A2, D2, D326, F18, J1, J67, L3, L67, M128, M129, M227, P78, T31].

68

2 Klebstoffgrundstoffe

2.1.4.4 Nitrilkautschuk (NBR)

Nitrilkautschuk ist ein Copolymerisat von Butadien mit einem Anteil von ca. 20–40% Acrylnitril:

(2.43)

Der hohe Acrylnitrilanteil verleiht diesen Polymeren eine gute Weichmacherbeständigkeit, sodass sie sich z.B. für das Kleben von weichgemachten Kunststoffen gut eignen. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.1.4.4: [H4, P78].

2.1.4.5 Butylkautschuk (IIR)

Butylkautschuk ist ein Copolymerisat aus einem überwiegenden Anteil (> 97%) von Isobutylen (Isobuten) mit Isopren (< 5%):

(2.44)

In diesem linearen Kettenmolekül liegen in Form der langen Polyisobutylensegmente sehr hohe Kettenanteile mit gesättigtem Charakter vor, an denen keine weiteren Vernetzungen möglich sind. Die einzige vernetzungsfähige Komponente ist das Isoprenmolekül, somit werden die Gesamteigenschaften des Butylkautschuks durch den Anteil der durch das Isopren vorgegebenen Zahl an Doppelbindungen bestimmt. Durch den hohen Polyisobutylenanteil

2.1 Polymerisationsklebstoffe

69

besitzt der Butylkautschuk eine besonders große physiologische Neutralität, die ihn insbesondere für Anwendungen in der Medizin geeignet macht. Für Heftpflasterrezepturen sind Mischungen mit Natriumcarboxymethylcellulose im Einsatz, da letztere die Feuchtigkeit der Haut zu absorbieren vermag. Große Bedeutung hat Butylkautschuk als Dichtstoff mit hervorragenden Haftungseigenschaften auf nahezu allen (auch nicht vorbehandelten) Substraten sowie einer hohen Flexibilität auch bei tiefen Temperaturen für Anwendungen im Fahrzeug und Maschinenbau. Die äußerst geringe Wasserdampfpermeabilität macht Butylkautschuk weiterhin besonders geeignet für die Herstellung von Isolierverglasungen (Abschn. 3.19 u. 14.2.5). Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.1.4.5: [D4, J2, K24, M210].

2.1.4.6 Polybutene

Polybutene leiten sich vom Buten ab: (2.45)

Je nach Prozessführung dieser Polymerisationsreaktion können sie mit unterschiedlichen Molekulargewichten und somit in verschiedenen Viskositätsbereichen hergestellt werden. Die Verwendung der Polybutene erfolgt in Formulierungen für Haft- und Schmelzklebstoffe, Dispersionen und Dichtstoffen. Sie zeichnen sich durch eine gute Oxidations- und UV-Beständigkeit aus, verleihen als Rezepturbestandteil den Kleb- und Dichtstoffen günstige Haftungsund Flexibilitätseigenschaften. Häufig werden sie auch in Kombination mit Harzen in EVA-Systeme integriert. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.1.4.6: [N46, W62, W63].

2.1.5 Sonstige Thermoplaste 2.1.5.1 Polyethylen (PE)

Das Polyethylen als Polymerisationsprodukt des Ethylens

(2.46)

70

2 Klebstoffgrundstoffe

wird für klebtechnische Zwecke als Heißsiegelklebstoff, insbesondere in Form von Kaschierungen auf Papieren, Pappen, Metallfolien eingesetzt. Verwendet werden die niedrigmolekularen Typen des Hochdruckpolyethylens (LDPE low density polyethylen) mit Schmelzindizes im Bereich von 2 – 2000 g/10 min (DIN 53 735). Die ungünstigen Eigenschaften (Kältesprödigkeit, Neigung zur Spannungsrissbildung, mangelhafte Adhäsion) können durch Kombination mit klebrigmachenden Harzen, meistens C5-Kohlenwasserstoffharzen, verbessert werden. Als Copolymere des Ethylens mit Carboxi-Gruppen (–COOH) enthaltenden Monomeren, insbesondere Methacrylsäure (Formel (2.24)), spielen Ionomere für Heißsiegelverbindungen eine gewisse Rolle. Die Methacrylsäure liegt dabei parziell als Salz der Elemente Natrium, Kalium, Magnesium oder Zink vor und ist über die Metallionen thermoreversibel vernetzt. Bei höheren Temperaturen im Schmelzbereich wird die Vernetzung der Ionomere aufgelöst, dadurch werden diese thermoplastisch verarbeitbar. Als Copolymere mit Maleinsäure (HOOC–CH=CH–COOH) lassen sich bei Blends von HDPE (high density polyethylen) mit EPDM die Schälwiderstände bei Al–Al-Klebungen erhöhen [A123]. Zum Kleben von Polyethylen siehe Abschnitt 14.1.6.2.1. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.1.5.1: [A123, D3, H154, M228, W130].

2.1.5.2 Polypropylen (PP)

Für die Anwendung des Polypropylens als Klebstoffgrundstoff ist der sterische Aufbau und der damit verbundene Kristallinitätsgrad entscheidend. Grundsätzlich werden die folgenden Strukturen unterschieden: – Ataktisches (amorphes) Polypropylen (APP), bei dem die CH3-Gruppen in statistischer Verteilung, teils oberhalb und teils unterhalb der Hauptkette liegen. Dadurch kommt es nur in sehr geringem Maße zur Ausbildung kristalliner Bereiche, der Erweichungspunkt liegt bei 105–110°C.

(2.47)

– Syndiotaktisches Polypropylen mit mittlerem Kristallinitätsgrad. Die CH3Gruppe liegt alternierend einmal oberhalb und einmal unterhalb der Hauptkette. – Isotaktisches Polypropylen mit hohem Kristallinitätsgrad. Die CH3-Gruppe liegt immer auf der gleichen Seite.

2.1 Polymerisationsklebstoffe

71

Die beiden letztgenannten Typen besitzen Erweichungspunkte im Bereich 130–160 °C. Neue Syntheseverfahren, ermöglicht durch Katalysator-Entwicklungen (Metallocene, Ziegler-Natta-Katalysatoren), haben dem ataktischen Polypropylen als Homopolymer wie auch als Co- bzw. Terpolymer zunehmende Einsatzmöglichkeiten im Bereich der thermoplastischen Elastomere (Abschn. 2.1.4.2) erschlossen. Je nach Katalysatorauswahl und Prozessführung lassen sich hinsichtlich des durchschnittlichen Molekulargewichts, der Molekulargewichtsverteilung, der Art, Anzahl und Verteilung von Verzweigungen an der Hauptkette für den jeweiligen Einsatzzweck maßgeschneiderte Produkte herstellen. Insbesondere die drei letzten Parameter sind für die Kristallinität und somit das Schmelzviskositätsverhalten ausschlaggebend. Metallocene stellen Organo-Metallkomplexe dar, die vielfältig als Katalysatoren verwendet werden. Ihr charakteristisches Merkmal ist eine „SandwichStruktur“, in der die Metallatome (z.B. Eisen, „Ferrocen“) zwischen zwei Cyclopentadienyl-Ringe (5-Ring-Struktur C5H5) gebunden sind. Ziegler-Natta-Katalysatoren sind Aluminium-organische Verbindungen, z.B. Trialkylaluminium. Allgemein werden die auf diese Weise hergestellten Produkte als amorphe Polyolefine (APO) bezeichnet, deren Grundstruktur folgende Formel aufweist:

(2.48)

In dieser Formel ist R1 meistens ein Wasserstoffatom (dann spricht man von Poly-α-Olefinen), R2 eine gerade oder verzweigte gesättigte aliphatische Kette. Die amorphen Polyolefine sind überwiegend in 5 Gruppen als Homo-, Cound Terpolymere verfügbar: – – – – –

Amorphes Polypropylen – Homopolymer Propylen – Ethylen – Copolymer Propylen – Buten – Copolymer Propylen – Hexen – Copolymer Propylen – Buten – Ethylen – Terpolymer.

Der Vorteil der amorphen Polyolefine als Grundstoffe insbesondere für Schmelzklebstoffe liegt darin, dass es sich um gesättigte Polymere mit sehr guter Wärmestabilität der Schmelze während der Verarbeitung handelt, weiterhin zeichnen sie sich durch niedrige Schmelzviskositäten aus und weisen in Verbindung mit entsprechenden Rezepturbestandteilen (Kohlenwasserstoffharze, Wachse, Weichmacher) günstige Haftungseigenschaften auch gegenüber schwer klebbaren Substraten auf. Basierend hierauf werden die amorphen Polyolefine außer für Schmelzklebstoffe zunehmend auch als Basispolymere für Haft- und Kontaktklebstoffe eingesetzt. Durch das Aufpfropfen von Trimethoxysilangruppen auf amorphe Poly-αOlefine gelingt es, reaktive, feuchtigkeitshärtende Schmelzklebstoffe herzu-

72

2 Klebstoffgrundstoffe

stellen (Polyolefin-reaktive Hotmelts, POR). Für diese Klebstoffe gelten im Prinzip die gleichen Aushärtungsmechanismen wie für die reaktiven Epoxidharz- bzw. Polyurethan-Schmelzklebstoffe (Abschn. 2.2.1.8, 2.2.2.5) [D337, S320, S321]. Besonders wichtig in dieser Stoffklasse sind die Ethylen/Propylen-DienTerpolymere (EPDM), die als thermoplastische Elastomere zunehmend dort eingesetzt werden, wo bisher herkömmliche Gummiwerkstoffe Verwendung finden (Abschn. 14.4.2.4). Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.1.5.2: [D134, D330, D333, E153, E162, I33, M130–M132, M228, R62, S159, S233, W130 sowie J18, Bd. 4a, 29–34].

2.1.5.3 Fluorierte Kohlenwasserstoffe (Fluorthermoplaste)

Im Gegensatz zu dem als Teflon bekannten Polytetrafluorethylen (Abschn. 14.1.6.2.3), (2.49)

das wegen seines hohen Schmelzpunktes von ca. 335 °C als Schmelzklebstoff keine Anwendung findet, existieren eine Reihe Co- und Terpolymere mit niedrigeren Schmelzpunkten. Hierzu gehören insbesondere – Poly(tetrafluorethylen-Co-hexafluorpropylen-Co-vinylidenfluorid), TFB (Schmelzbereich 160–180 °C) (2.50)

– Polyethylen-Co-Tetrafluorethylen, ETFE (Schmelzbereich 265–285 °C) (2.51)

– Poly(tetrafluorethylen-Co-hexafluorpropylen), FEP (Schmelzbereich 250–280°C)

(2.52)

2.2 Polyadditionsklebstoffe

73

– Poly(tetrafluorethylen-Co-perfluoralkyl-vinylether), PFA (Schmelzbereich 305–310°C)

(2.53)

Fluorthermoplaste benötigen spezielle Verarbeitungstechniken, wobei der Einsatz als Schmelzklebstoff vorwiegend in Folienform (10–200 µm Dicke), Pulver (Teilchengröße >100 µm) oder wässrigen Dispersionen jeweils mittels eines entsprechenden Anpressdruckes erfolgt. Die zu verbindenden Teile müssen mindestens 30–50 K über den Schmelzbereich des verwendeten Systems erhitzt werden. Nach vorliegenden Untersuchungen werden gute Haftungswerte auf Metallen, Glas und Keramik erhalten. Klebungen von Stahlblechen ergaben bei Verklebungstemperaturen zwischen 350 und 400 °C Klebfestigkeiten von 7–12 Nmm–2. Wegen des im Vergleich zu herkömmlichen Schmelzklebstoffen sehr hohen Preises finden Fluorthermoplaste nur für Sonderanwendungen mit hohen Licht-, Witterungs- und Temperaturbeständigkeiten (z.B. Solarenergietechnik) Anwendung. Nachteilig wirken sich bei einzelnen Typen weiterhin die hohen Verarbeitungstemperaturen auf die Gefügestruktur wärmeempfindlicher Metallegierungen aus. Zum Kleben von Fluorthermoplasten siehe Abschnitt 14.1.6.2.3. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.1.5.3: [C84, D425, F38, G2, I35, I46].

2.2 Polyadditionsklebstoffe Bei den Polyadditionsklebstoffen beruht die Verknüpfung der Monomermoleküle nicht auf der Aufspaltung von Kohlenstoff-Kohlenstoff-Doppelbindungen wie bei den Polymerisationsklebstoffen, sondern auf der Anlagerung von verschiedenen reaktiven Monomermolekülen unter gleichzeitiger Wanderung eines Wasserstoffatoms von der einen Komponente zu der anderen. Die wichtigsten Polyadditionsklebstoffe basieren auf den Epoxidharzen und den Polyurethanen. 2.2.1 Epoxidharzklebstoffe (EP) 2.2.1.1 Aufbau der Epoxidharze

Die Epoxidharze verdanken ihren Namen der endständigen, sehr reaktionsfreudigen Epoxidgruppe (auch Oxiran-Ring genannt), an der sich die Polyad-

74

2 Klebstoffgrundstoffe

ditionsreaktionen zur Polymerbildung mit anderen Molekülgruppierungen im Wesentlichen abspielen: (2.54)

Je nach der die Epoxidgruppe enthaltenden Molekülstruktur werden verschiedene Gruppen von Epoxidharzen unterschieden. Die wichtigsten sind: – Epoxide auf Basis Bisphenol A, – cycloaliphatische Diepoxide, – aliphatische Epoxide, – epoxidierte Fettsäuren. 앫 Epoxide auf Basis Bisphenol A: Die Herstellung dieser Epoxidharze erfolgt beispielsweise aus dem Epichlorhydrin durch eine Kondensationsreaktion im alkalischen Medium mit Verbindungen, die alkoholische oder phenolische Hydroxylgruppen enthalten; von sehr großer praktischer Bedeutung ist hierbei das Bisphenol A (p, p′Dihydroxydiphenyl-2,2-propan):

(2.55)

2.2 Polyadditionsklebstoffe

75

Bei dieser im Molverhältnis 2:1 erfolgenden Reaktion erhält man den flüssigen Diglycidylether von Bisphenol A mit zwei äußerst reaktiven Epoxidgruppen im Molekül, die wiederum mit Bisphenol A reagieren können, bis die gewünschte Kettenlänge erhalten ist:

(2.56) Bei einer Verringerung des Molverhältnisses Epichlorhydrin : Bisphenol A auf 1,8–1,6:1 werden gemischt aromatisch-aliphatische Polyetherketten erhalten, die neben den endständigen Epoxidgruppen noch zusätzliche mittelständige reaktionsfähige Hydroxylgruppen aufweisen. Bemerkung: Die Bezeichnung Glycidylether leitet sich von der Tatsache ab, dass die Epoxid-Ether-Gruppierung als Anhydrid des Glycerins (HOCH2 –CHOH–CH2 OH) aufgefasst werden kann: H2 C–CH–CH2OH (1,2\ / O Epoxi-3-oxipropan bzw. 1,2-Epoxipropanol). Im Gegensatz zum Bisphenol A (Bildung durch saure Kondensation von 2 Molekülen Phenol mit 1 Molekül Aceton) ergibt sich das Bisphenol F analog als Kondensationsprodukt von 2 Molekülen Phenol mit 1 Molekül Formaldehyd. Außer den Epoxidgruppen sind in diesen Molekülen auch die Hydroxylgruppen für weitere Vernetzungsreaktionen zugänglich. Ausschlaggebend für das sich endgültig einstellende mittlere Molekulargewicht ist der bei der Reaktion vorhandene Anteil an Epichlorhydrin. Die auf diese Weise erhaltenen Epoxidharze (auch Ethoxylinharze genannt, da man sie sich rein formell auch vom Ethylenoxid abgeleitet vorstellen kann) weisen wegen der vorhandenen endständigen Epoxidgruppen eine sehr große Reaktivität auf, die sie zu weiteren Reaktionen befähigt. Da nur die ungehärteten Harze die Epoxidgruppen enthalten, verdienen auch nur sie den Namen Epoxidharze. Beim Ablauf der Härtungsreaktion werden sie chemisch umgewandelt, sodass in dem ausgehärteten Klebschichtpolymer Epoxidgruppen nicht mehr vorhanden sind. Bemerkung: Aus dem Ausgangsprodukt Epichlorhydrin kann in den Epoxidharzen ein im ppm-Bereich liegender Chlorgehalt resultieren. In Fällen, in denen durch Einfluss von Wasser eine Hydrolyse unter Bildung von Salzsäure eintreten kann, ist dieser Sachverhalt als Ursache möglicher Korrosion zu beachten. Kritisch sind hier besonders Klebungen und Fixierungen in der Elektronik; für diese Anwendungen sind Harze mit besonderem Reinheitsgrad im Handel (Abschn. 3.11.1.1 u. 15.5).

76

2 Klebstoffgrundstoffe

앫 Cycloaliphatische Diepoxide: Hierbei handelt es sich um eine Klasse von Epoxidharzen, die keinen parziell aromatischen Charakter tragen, wie dies bei den Bisphenol A-Typen der Fall ist. Zwei bekannte Vertreter dieser Gruppe sind das Dicyclopentadiendioxid und das Vinylcyclohexenmonoxid, aus dem durch Oxidation das Vinylcyclohexendioxid mit einer weiteren Epoxidgruppe entsteht:

(2.57)

(2.58)

Der kürzere Abstand zwischen den reaktiven Gruppen führt zu sehr starken Quervernetzungen, sodass z.B. bei einer Härtung mit Säureanhydriden eine besonders hohe Warmformbeständigkeit der Klebschicht resultiert. Wie in Abschnitt 2.1.1.3.10 erwähnt, bilden die cycloaliphatischen Epoxide die wesentlichen Komponenten für die kationische Strahlungshärtung. Im Beisein von Polyolen (mehrwertige Alkohole) und katalysiert durch kationische Photoinitiatoren entstehen vernetzte Polymersysteme, bei denen die Polyole als Vernetzer zwischen den Epoxiden wirken. Diepoxide zeichnen sich durch die Eigenschaft aus, aufgrund der Molekülorientierung flüssigkristalline Zustände auszubilden. Dieser Zustand liegt bezüglich der Molekülordnung zwischen den hochgeordneten kristallinen Feststoffen und den zugehörigen Schmelzen bzw. Flüssigkeiten. Die den Molekülen eigene Orientierung gilt als Ursache für ihre guten mechanischen Eigenschaften und ihre Warmformbeständigkeit. Untersuchungen, über die in [H346, S314, W139] berichtet wird, führten zu dem Ergebnis, dass die flüssigkristallinen Diepoxide in Abhängigkeit von den Bedingungen bei der Strahlungshärtung und dem dadurch resultierenden Ordnungszustand erhöhte Klebfestigkeiten aufweisen. Ergänzend steigt ebenfalls die adhäsive Festigkeit.

2.2 Polyadditionsklebstoffe

77

Copolymere von Epoxidharzen und flüssigkristallinen Polymeren (liquid crystalline polymers LCP), deren Herstellung und Eigenschaften werden in [A141] beschrieben. 앫 Aliphatische Epoxide: Diese Gruppe der epoxidierten Polyolefine enthält neben den Epoxidgruppen noch Hydroxylgruppen und C=C-Doppelbindungen in der Molekülstruktur. Sie lassen sich sowohl über Peroxidhärter als auch mit Aminen oder Säureanhydriden härten. Die Vernetzung sowohl über die Peroxidhärtung als auch über die Additionsreaktionen ergibt sehr stark vernetzte Polymersysteme, die sich in ähnlicher Weise wie die cycloaliphatischen Diepoxide durch eine hohe Warmformbeständigkeit auszeichnen. 앫 Epoxidierte Fettsäuren: Als Klebstoffgrundstoffe spielen diese Produkte keine Rolle. Sie finden Verwendung als Weichmacher und als stabilisierende Zusätze in PVC-Plastisolen (Abschn. 3.14). 2.2.1.2 Vernetzungsreaktionen der Epoxidharze

Zur Addition an die in den Epoxidharzen vorhandenen Epoxidgruppen sind grundsätzlich solche Verbindungen geeignet, die über ein sog. bewegliches Wasserstoffatom verfügen. Dazu gehören insbesondere Amine, Carbonsäuren bzw. Carbonsäureanhydride und hydroxylhaltige Harze, wie z.B. Phenolharze. Die für Epoxidharze typische Additionsreaktion lässt sich auf das folgende einfache Reaktionsschema zurückführen:

(2.59)

Der Epoxidring wird unter Ausbildung einer Hydroxylgruppe geöffnet, wobei das für die Hydroxylgruppe erforderliche Wasserstoffatom von dem zweiten an der Reaktion beteiligten Molekül an die Epoxidgruppe wandert. Über die sich nunmehr ausbildenden freien Valenzen erfolgt die Anlagerung (Addition) der entsprechenden Molekülgruppe. Die Reaktionsgeschwindigkeit der Polyaddition bei den Epoxidharzklebstoffen hängt nun in entscheidender Weise von der „Beweglichkeit“ des an der Umlagerung beteiligten Wasserstoffatoms ab. Diese Beweglichkeit wiederum ist durch die Bindungsverhältnisse in der funktionellen Molekülgruppe bestimmt. Durch Auswahl der chemischen Struktur des für die Reaktion mit

78

2 Klebstoffgrundstoffe

dem Epoxidharz erforderlichen zweiten Reaktionspartners (zweite Komponente) gelingt es nun, je nach Wasserstoffbeweglichkeit, schnell oder langsam ablaufende Reaktionssysteme (kurze oder lange Topfzeit, Abschn. 3.1.1.5) einzustellen. 앫 Aminhärtung: Diese Polyadditionsreaktion erfordert äquivalente Konzentrationen der beiden Epoxid- und Amin-Komponenten. Beide Monomereinheiten werden gemeinsamer Bestandteil des Polymernetzwerkes, in dem nach der Reaktion Polyaminoalkoholstruktureinheiten vorhanden sind. Der Reaktionsablauf kann schematisch wie folgt dargestellt werden: (2.60) Neben aliphatischen primären und sekundären Aminen finden ebenfalls aromatische Amine als Reaktionspartner Verwendung. Wenn die Aminkomponente nur in einer geringeren Menge als stöchiometrisch erforderlich zugegeben wird, kann es zu einer Reaktion der gebildeten OH-Gruppen mit der Epoxidgruppe kommen, die zu Polyetherstrukturen führt:

(2.61) Durch die gezielte Auswahl der Funktionalitäten der zur Anwendung gelangenden Amine bzw. Polyamine lassen sich die resultierenden Vernetzungsdichten der Klebschichten steuern. Typische Vertreter aliphatischer Amine sind – Diethylentriamin (H2N–CH2–CH2–NH–CH2–CH2–NH2), – Triethylentetramin (H2N–CH2–CH2–NH–CH2–CH2–NH–CH2–CH2–NH2), sowie das tetrafunktionelle Dicyandiamid (Schmelzpunkt 212 °C), dessen Aditionsreaktion mit dem Epoxidharz wie folgt beschrieben werden kann:

(2.62)

2.2 Polyadditionsklebstoffe

79

Die wichtigsten aromatischen Amine leiten sich von 4,4′-Diamino-diphenylmethan ab: (2.63)

Die ebenfalls als Härterkomponente eingesetzten Polyaminoamide werden durch eine Polykondensationsreaktion von niedermolekularen Polyaminen und Dicarbonsäuren erhalten. Für sie ist die nachstehende Gruppierung charakteristisch. (2.64)

Bei der Reaktion von Diethylentriamin und Adipinsäure ergeben sich beispielsweise für R1 = R2 = –(CH2)2– R3 = –(CH2)4– . Der Reaktionsmechanismus der Aminhärtung ist von Groß [G32] sehr eingehend an Modellreaktionssystemen untersucht worden. Danach verläuft bei Einsatz aliphatischer primärer Amine (s. Bemerkung) die Reaktion selektiv in zwei Stufen, wobei zunächst die primären Aminogruppen reagieren und Monoadditionsprodukte bilden. Die so entstandenen sekundären Aminogruppen nehmen erst in einem zweiten Schritt an der Umsetzung teil. Der für den Härtungsmechanismus entscheidende Parameter ist dabei die Nukleophilie (d. h. das Vermögen, als Elektronendonator zu wirken) der funktionellen Gruppe der Aminkomponente. Diese Nukleophilie ist bei primären Aminen am größten, gefolgt von sekundären Aminen und weiterhin von Hydroxylgruppen. Weitere Ergebnisse mittels an Modellsubstanzen durchgeführten Untersuchungen haben ergeben, dass ausschließlich das terminale (endständige) Kohlenstoffatom der Epoxidgruppe angegriffen wird und die Härtungsreaktion selektiv über dieses Kohlenstoffatom verläuft [G76]. Bemerkung: Primäre Amine: 1 H-Atom durch einen org. Rest ersetzt RNH2 ; Sekundäre Amine: 2 H-Atome durch je einen org. Rest ersetzt R2NH; Tertiäre Amine: alle 3H-Atome durch je einen org. Rest ersetzt R3N.

80

2 Klebstoffgrundstoffe

앫 Säureanhydridhärtung: Carbonsäureanhydride werden gegenüber den entsprechenden Säuren bevorzugt, da bei letzteren auch Kondensationsreaktionen (Abschn. 2.3 und 2.4) unter Wasserbildung (Veresterung mit vorhandenen Hydroxylgruppen) möglich sind. Die Säureanhydride liegen entweder in fester oder niedrigschmelzender Form vor. Als typische Vertreter werden die folgenden Verbindungen verwendet:

(2.65)

Zur Einleitung der Polyaddition muss zunächst eine Öffnung des Carbonsäureanhydridringes erfolgen, was z.B. durch Reaktion mit Hydroxylgruppen ermöglicht wird. Anschließend erfolgt die Anlagerung der Epoxidharzkomponente, sodass das Anhydridmolekül als Vernetzer unter Ausbildung von Polyesterstrukturen fungiert:

(2.66)

2.2 Polyadditionsklebstoffe

81

Problematisch wird der Einsatz von Säureanhydriden als vernetzende Komponente dann, wenn feste Verbindungen mit hohen Schmelzpunkten vorliegen. Diese können in die Epoxidharze nur bei hohen (Schmelz-)Temperaturen eingearbeitet werden, dadurch resultieren sehr geringe Topfzeiten. Aus diesem Grunde werden die flüssigen Säureanhydride bevorzugt, wie z.B. das o.e. Hexahydrophthalsäureanhydrid. 앫 Härtung mit Thioverbindungen: SH-haltige Monomere (Sulfhydryl-, Thiolgruppe) werden ebenfalls als vernetzende Komponenten eingesetzt. Sie zeichnen sich durch besonders schnelle Additionsreaktionen aus, sodass Klebstoffsysteme mit sehr geringen Topfzeiten resultieren. Ein typischer Vertreter dieser Gruppe ist das Thiophenol: (2.67)

앫 Strahlungshärtung: Voraussetzung für die Strahlungshärtung der Epoxidharze ist wegen der lösungsmittelfreien Applikation eine möglichst geringe Viskosität (bei hohen Ausgangsviskositäten der Bisphenol A-Harze über Reaktivverdünner zu erreichen) und eine vorhandene Photoreaktivität. Für die Strahlungshärtung können zwei verschiedene Systeme unterschieden werden, zum einen die Polymerisation der cycloaliphatischen Epoxide durch kationische Photoinitiatoren (Abschn. 2.1.1.3.8), zum anderen die Polymerisation nach vorausgegangener Acrylierung der Epoxide (Epoxiacrylate) mittels der in Abschnitt 2.1.1.3.3 beschriebenen radikalisch wirkenden Photoinitiatoren:

(2.68)

82

2 Klebstoffgrundstoffe

(2.69)

Zusammenfassend kann im Hinblick auf die Vernetzungsreaktionen der Epoxidharze folgendes festgestellt werden: 앫 Der Reaktionsablauf folgt dem einer Polyadditionsreaktion, bei der die Addition der Monomere unter Wanderung eines Wasserstoffatoms innerhalb der reagierenden funktionellen Gruppen erfolgt. (Bei den acrylierten Monomeren ist die strahlungsinduzierte Polymerisation der entscheidende Reaktionsmechanismus). 앫 Die Reaktionsgeschwindigkeit wird durch die „Beweglichkeit“ des Wasserstoffatoms, d.h. durch die Nukleophilie der das Wasserstoffatom tragenden funktionellen Gruppe bestimmt. Hier ergeben sich Unterschiede in den jeweiligen Bindungsarten, z.B. in NH2-, NH-, OH-, COOH-Gruppen. 앫 Die Reaktionsgeschwindigkeit wird weiterhin durch die Temperatur bestimmt, bei der die zweite Komponente reaktionsmäßig aktiv werden kann, z.B. durch Wegfall einer chemischen Blockierung, durch Erreichen des Schmelzpunktes der zweiten Komponente oder auch der Aktivierung eines Katalysatorsystems (sog. latente Systeme). Je nach Kombination der eingesetzten Grundstoffe ist es demnach möglich, dem jeweiligen Produktionsprozess optimal angepasste Klebstoffsysteme anzubieten. In entscheidendem Maße betrifft die Grundstoffauswahl dabei die für die Verarbeitung wichtige Topfzeit. 2.2.1.3 Kalthärtende Epoxidharzklebstoffe

Für kalthärtende Epoxidharzklebstoffe kommen vorwiegend primäre und sekundäre Amine oder Thioverbindungen in Frage, wobei der Reaktionsablauf bei den primären Aminen schematisch wie folgt dargestellt werden kann:

(2.70)

2.2 Polyadditionsklebstoffe

83

Eine weitere Vernetzung erfolgt in Fortsetzung der Addition weiterer Epoxidgruppen am Stickstoffatom:

(2.71)

Bedingt durch eine gezielte Polyfunktionalität der zur Anwendung gelangenden Amine bzw. Polyamine gelingt eine weitere Verknüpfung der linearen Epoxidharzketten untereinander zum ausgehärteten Netzwerk. Kalthärtende Epoxidharzklebstoffe besitzen geringe Topfzeiten und gegenüber warmhärtenden Systemen geringere Klebfestigkeiten. Letzteres ist auch dadurch bedingt, dass sich die OH-Gruppen der Epoxidkomponente bei Raumtemperatur noch nicht an den zu einer höheren Vernetzung führenden Reaktionen beteiligen, hierfür sind Temperaturen oberhalb ca. 65 °C erforderlich. Über eine thermische Nachbehandlung können infolge einer damit verbundenen Erhöhung der Glasübergangstemperatur (Abschn. 4.4.1) Festigkeitsverbesserungen erzielt werden. Sie werden als typische Zweikomponentensysteme verarbeitet. 2.2.1.4 Warmhärtende Epoxidharzklebstoffe

Bei warmaushärtenden Systemen ist der Reaktionsablauf bei Raumtemperatur wesentlich träger. Sie haben den Vorteil von bei Raumtemperatur langen Topfzeiten, benötigen allerdings längere Härtungszeiten bei den entsprechenden hohen Temperaturen (Bereiche von ca. 60–180 °C). Zur Überbrückung längerer Lagerzeiten erfolgt die Aufbewahrung für spezielle Anwendungen, z.B. bei reaktiven Klebstofffolien, bei ca. –20 °C. Die Klebfestigkeit ist höher als bei kalthärtenden Systemen (Abschn. 12.3.4, Bild 12.10). Je nach Reaktivität der Komponenten können sie in bezug auf die Verarbeitung als Zweikomponentenklebstoffe oder als Einkomponenten-Reaktionsklebstoffe betrachtet werden. Als zweite Komponente werden vorzugsweise Carbonsäureanhydride oder neben Dicyandiamid weitere hochschmelzende aromatische Amine oder Polyaminoamide als latente Komponenten eingesetzt. Einkomponenten-Reaktionsklebstoffe sind nicht zu verwechseln mit den Einkomponentenklebstoffen (Abschn. 1.2.2), bei denen das Polymer ja bereits in seinem Endzustand vorliegt. Ein wesentlicher Vorteil der EinkomponentenReaktionsklebstoffe liegt in der Tatsache, dass Dosierungsfehler bei der Anwendung ausgeschlossen sind, da die beiden Komponenten bereits beim Klebstoffhersteller gemischt werden. Eine große Bedeutung haben diese Systeme auch als reaktive Klebstofffolien (Abschn. 3.15.1).

84

2 Klebstoffgrundstoffe

2.2.1.5 Zweikomponenten-Epoxidharzklebstoffe

Die Epoxidharzklebstoffe sind typische Vertreter der Zweikomponentensysteme. Diese bedürfen jedoch gegenüber den bereits bei den Polymerisationsklebstoffen erwähnten, aus Monomer und Härter bestehenden Systemen (Abschn. 2.1.2.1), einer besonderen Betrachtung. Aus den Reaktionsgleichungen, beispielsweise (2.70), ist ersichtlich, dass im Gegensatz zu der beschriebenen Methacrylatpolymerisation die beteiligten Reaktionspartner Epoxidharz und Amin in einem genau definierten Gewichtsverhältnis entsprechend dem gegebenen Molekulargewicht zur Reaktion gebracht werden müssen. Bei Abweichungen von diesem stöchiometrischen Verhältnis verbleiben entweder von der Komponente A oder B Anteile, die nicht an der Reaktion teilgenommen haben. Zweifellos erlauben diese Reaktionsmechanismen eine gewisse Toleranz in den Abweichungen der stöchiometrischen Verhältnisse, ohne dass es zu bemerkenswerten Eigenschaftsänderungen der Klebschicht kommt. Im Prinzip sollten die gegebenen Mischungsvorschriften jedoch eingehalten werden. Zu große Anteile von Monomeren, die an der Reaktion aufgrund des Fehlens von Reaktionspartnern nicht haben teilnehmen können, wirken sich, wie aus Bild 2.11 ersichtlich, auf die Festigkeit der Klebung negativ aus. Es ist davon auszugehen, dass neben den Epoxidharzkomponenten die jeweils beteiligten Reaktionspartner eine gleichermaßen große Bedeutung für die Eigenschaften der resultierenden Klebschicht besitzen. Die ausgehärteten Epoxidharzklebschichten sind in die Gruppe der Duromere einzustufen. Sie weisen je nach Art der Ausgangsmonomere hohe Kohäsionsfestigkeiten mit abgestuften spröden bis elastischen Eigenschaften auf, außerdem verfügen sie über ein sehr gutes Adhäsionsvermögen gegenüber den meisten Fügeteilwerkstoffen. Bild 2.11. Abhängigkeit der Klebfestigkeit vom Mischungsverhältnis der Komponenten

2.2 Polyadditionsklebstoffe

85

2.2.1.6 Lösungsmittelhaltige Epoxidharzklebstoffe

Liegen die Reaktionspartner im Monomerzustand als feste Substanzen vor, die in dieser Form nicht zu einer Reaktion befähigt sind, können sie in entsprechenden Lösungsmitteln gelöst werden. Auf diese Weise wird sowohl die Reaktionsbereitschaft der Moleküle nach Auftragen auf die Fügeteile als auch die erforderliche Benetzung der Fügeteiloberfläche erreicht. Derartige Systeme werden als Lösungsmittel-Reaktionsklebstoffe bezeichnet (Abschn. 3.1.4). Formulierungen mit sehr geringen Harz-Härterkonzentrationen ( –NH > –OH. Diese Reaktivitätsunterschiede lassen sich nun gezielt für den Aufbau reaktiver Epoxidharzsysteme heranziehen. Es wurde nachgewiesen, dass eine Umsetzung sekundärer Diamine mit bifunktionellen Epoxiden im molaren Verhältnis von beispielsweise 1:2 bei Kaltaushärtung ausschließlich zu thermoplastischen schmelzbaren Aminoalkohol-Polymerverbunden führt. Aufgrund der geringen Reaktivität der Hydroxylgruppen kann eine weitere Reaktion bei Raumtemperatur ausgeschlossen werden. Erst bei höheren Temperaturen erfolgt dann eine Vernetzung der noch verbliebenen Epoxidgruppen über diese Hydroxylgruppen zu einer unschmelzbaren Polymerstruktur. Als sog. B-Stufen Epoxidharze bezeichnet man Systeme, bei denen die Polyaddition zunächst nur teilweise mit einem sehr geringen Vernetzungsgrad erfolgt ist. Diese Produkte sind noch schmelzbar und werden in Form von Pulver oder Pellets unter Anwendung von Wärme und Druck vorwiegend als Pressmassen für die Umhüllung elektronischer Bauteile oder zum Einbetten elektronischer Baugruppen eingesetzt. Unter der Bezeichnung Prepregs finden sie als imprägnierte Fasergewebe (Abschn. 14.1.6.4) Verwendung. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.2.1.8: [D137, D138, G32, G35, G36].

2.2.1.9 Pulverförmige Epoxidharzklebstoffe

Diese Klebstoffart ist im Wesentlichen als Alternative zu den reaktiven Lösungsmittelklebstoffen (Abschn. 3.1.4) oder auch reaktiven Klebstofffolien (Abschn. 3.15.1) entwickelt worden. Sie besitzt den Vorteil der Lösungsmittelfreiheit sowie einer optimalen Klebstoffausnutzung, da überschüssiges Pulver bei der Applikation wieder in den Kreislauf zurückgeführt werden kann. Das Pulver wird mittels Streuvorrichtungen oder elektrostatisch auf die vorgewärmten Fügeteile (ca. 120 °C) aufgetragen und haftet wegen der bei dieser Temperatur bereits beginnenden Härtungsreaktion sofort an der Oberfläche. Nach Fixierung der Fügeteile erfolgt anschließend die Warm- oder auch Heißhärtung. Die Formulierung der Epoxidharzpulver enthält neben dem Epoxidharz den latenten Härter sowie ggf. Elastomeranteile für eine Flexibilisierung der Klebschicht. Nach dem Mahlen der kompoundierten und über einen Doppelschneckenextruder ausgetragenen Masse bei Raumtemperatur oder bei tiefen Temperaturen (flüssiger Stickstoff, Kohlendioxid) wird das Pulver mit Korngrößen von 100– 400 µm angeboten.

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2 Klebstoffgrundstoffe

Ein bevorzugtes Einsatzgebiet dieser Klebstoffe liegt beim Verbinden von hochwärmebeanspruchten Werkstoffen, z. B. Metall-Metall- oder MetallKeramik-Verbunden sowie bei Klebungen von Bremsbelägen oder Kupplungen. Im Gegensatz zu den für diese Anwendungen ebenfalls eingesetzten Klebstoffen auf modifizierten Phenolharzen, die über eine Polykondensationsreaktion unter Wasserabspaltung aushärten (Abschn. 2.3), sind bei diesen Epoxidharzklebstoffen nicht so hohe Anpressdrucke erforderlich. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.2.1.9: [D135, D392, I42].

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Epoxidharzklebstoffe zu den am meisten eingesetzten Klebstoffsystemen gehören. Aufgrund der vorhandenen Hydroxylgruppen und der Ethergruppierung besitzen diese Polymermoleküle eine hohe Polarität (Abschn. 6.1.4.1). Hierin liegt eine wesentliche Ursache für die ausgezeichneten Haftungseigenschaften dieser Klebstoffe auf den verschiedensten Substraten. Hervorzuheben ist ergänzend die hohe Festigkeit und Alterungsbeständigkeit der mit ihnen hergestellten Klebungen. 2.2.2 Polyurethanklebstoffe (PUR)

Die Polyurethane, auch Polyisocyanatharze genannt, leiten sich von der Isocyansäure (H–N=C=O) ab, deren Reaktivität im Wesentlichen durch den ausgeprägt positiven Ladungscharakter des C-Atoms in dem kumulierten Doppelbindungssystem Stickstoff-Kohlenstoff-Sauerstoff bestimmt wird. Vorzugsweise werden Verbindungen addiert, die über ein aktives (bewegliches) Wasserstoffatom verfügen, z.B. das Wasserstoffatom einer OH-Gruppe nach dem Mechanismus der Urethanbildung: (2.73)

Bei dieser Reaktion wird die Doppelbindung zwischen dem Stickstoff und dem Kohlenstoff aufgespalten, wobei der aktive Wasserstoff an den Stickstoff und die R2–O-Gruppe an den Kohlenstoff gebunden wird. Um zu höhermolekularen vernetzten Polymeren zu gelangen, wie sie für Klebschichten erforderlich sind, sind als Reaktionspartner Ausgangsprodukte mit mindestens zwei funktionellen Gruppen vorzusehen. Die Polyaddition eines Diisocyanats mit einem bifunktionellen Alkohol (Diol) zu einem linearen Polyurethan erfolgt schematisch nach der Reaktionsgleichung:

2.2 Polyadditionsklebstoffe

93

(2.74)

In ähnlicher Weise wie durch das Wasserstoffatom einer alkoholischen OHGruppe erfolgt ebenfalls eine Reaktion mit Wasser unter Ausbildung einer Harnstoffbindung:

(2.75)

앫 Polyisocyanate Die große Reaktivität dieser Produkte stellt an ihren Einsatz hohe Anforderungen wie zum Beispiel – Feuchtigkeitsausschluss während Transport und Lagerung, – Einhaltung arbeitsmedizinischer Vorschriften, insbesondere der MAKWerte (Abschn. 12.5). – Gewährleistung ausreichend langer Topfzeiten, – hohe Vernetzungsdichte zur Erzielung optimaler Kohäsionsfestigkeiten. Die Forderung nach arbeitsmedizinischer Unbedenklichkeit führt dazu, dass nur höhermolekulare aromatische Polyisocyanate Verwendung finden, bei-

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2 Klebstoffgrundstoffe

spielsweise Diphenylmethan-4,4′-diisocyanat (MDI) und 2,4-Toluoldiisocyanat (TDI): (2.76)

(2.77)

Die erforderliche Vernetzungsdichte, die ebenfalls für eine hohe Wärmebeständigkeit der Klebungen Voraussetzung ist, lässt sich nur mit drei- oder mehrfunktionellen Isocyanaten erfüllen. Die Neigung des 4,4¢-MDI zur Dimerisierung sowie die Notwendigkeit kontrollierter Lagerungsbedingungen haben zu verschiedenen Modifizierungen geführt, z.B. mit Carbodiimiden (R1–N=C=N–R2), Allophanaten (R1NH–CO–NH– COOR2), Urethanen, oder auch als Blends (Mischungen) mit 2,4¢-MDI [D277]. Wichtige Grundstoffe sind weiterhin mit monomeren Isocyanaten vorvernetzte lineare oder teilverzweigte Polyether- und/oder Polyesterpolyole. Als jeweilige Vernetzungskomponenten resultieren dann Isocyanatprepolymere mit endständigen O=C=N-Gruppen.

(2.78)

(2.79)

2.2 Polyadditionsklebstoffe

95

Bemerkung: Chemisch betrachtet, bildet die Isocyanatkomponente den entscheidenden Grundstoff für die als Polyurethane bezeichneten Klebstoffe. Da das Polyurethan sich erst nach der Aushärtung als Klebschicht in der Klebfuge befindet, wäre es folgerichtig, anstatt von Polyurethan- von Isocyanatklebstoffen zu sprechen. Neben reinen Polyisocyanaten werden zur weiteren Verbesserung der Klebschichtflexibilität ebenfalls Isocyanat/Epoxid-Gemische eingesetzt. Zur Sicherstellung der geforderten Lagerstabilität ist es dabei erforderlich, dass die Epoxide weitgehend frei von Hydroxylfunktionen sein müssen [D139, E79, E80]. Durch Auswahl modifizierter Isocyanatmonomere und Herstellungsverfahren stehen heute Produkte zur Verfügung, die weniger als 0,1% an monomerem Isocyanat enthalten und die somit unter dem Grenzwert liegen, der nach der EU-Gesetzgebung eine Kennzeichnung als gefährliche Zubereitung vorschreibt (Abschn. 12.5) [D342, K301]. Ergänzende Literatur: [D275, D280].

앫 Polyole (Polyalkohole) Die Polyole stellen die zweite Komponente der reaktiven Polyurethanklebstoffe dar. Es handelt sich um Verbindungen, die im Molekül Hydroxylgruppen enthalten. Bevorzugt werden Polyesterpolyole eingesetzt, da ihre Estergruppen wegen der hohen Polarität dem Klebstoff sehr gute Adhäsionseigenschaften verleihen. Die Herstellung der Polyesterpolyole erfolgt aus gradkettigen oder verzweigten gesättigten Diolen durch Umsetzung mit aliphatischen oder aromatischen Dicarbonsäuren nach dem in Formel (1.2) wiedergegebenen Reaktionsmechanismus bei einem Überschuss des entsprechenden Alkohols:

(2.80)

Polyesterpolyole können in flüssiger oder fester Form vorliegen. Mischungen aus teilweise kristallinen und amorphen Verbindungen finden in Form von Pfropfpolymeren mit Vinylpolymeren, z.B. Acrylsäure, Verwendung als Schmelzklebstoffe [D332].

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2 Klebstoffgrundstoffe

Neben den Polyesterpolyolen finden ebenfalls Polyetherpolyole der allgemeinen Formel

(2.81)

Verwendung, z.B. Polyethylenglykol (R = –H), Polypropylenglykol (R= –CH3). Sie besitzen im Vergleich zu den Polyesterpolyolen geringere Viskositäten und können daher insbesondere für lösungsmittelfreie Klebstoffsysteme eingesetzt werden. Eine Erhöhung der Lagerstabilität von Polyurethanklebstoffen gelingt durch Einsatz von Polyestern und Polyethern mit aromatisch gebundenen Amin-Endgruppen und festen, Harnstoffgruppen enthaltenden Diisocyanaten [D117, K92]. Bedingt durch die vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten der Isocyanatund Polyolkomponenten gibt es für die jeweiligen Anwendungsfälle unterschiedliche Klebstoffsysteme. Sie lassen sich in die folgenden Gruppen einteilen: 2.2.2.1 Feuchtigkeitshärtende Einkomponenten-Polyurethanklebstoffe

Hierbei handelt es sich um feuchtigkeitsvernetzende Systeme, deren Reaktionsmechanismus im Wesentlichen nach Formel (2.75) abläuft. Da die einfachen, niedrigmolekularen Polyisocyanate bei einer Reaktion mit Feuchtigkeit relativ harte und spröde Klebschichten mit niedrigen Festigkeitswerten bilden, geht man bei den Einkomponentensystemen von vorvernetzten Polymeren, sog. Prepolymeren, aus. Diese Verbindungen werden aus höhermolekularen Polyolen mit einem stöchiometrischen Überschuss an Isocyanat hergestellt. Auf diese Weise liegen Verbindungen vor, die bereits über Urethanbindungen verfügen, die aber andererseits noch reaktionsfähige Isocyanatgruppen (sog. Isocyanatopolyurethane) besitzen, die der Reaktion mit Feuchtigkeit zugänglich sind. Die Aushärtung der Einkomponentensysteme erfolgt in der Klebfuge ausschließlich durch Feuchtigkeitszutritt. Aus diesem Grund ist eine ausreichende Luftfeuchtigkeit (mindestens 40% rel. F.) in den Verarbeitungsräumen erforderlich. Für großflächige Klebungen metallischer oder anderer für Feuchtigkeit undurchlässiger Fügeteile sind diese Klebstoffe ohne entsprechende Modifikationen (Härtungsbeschleuniger, Abschn. 2.2.2.5) daher nur bedingt einsetzbar. Eine Übersicht über die Feuchtigkeitskonzentration in Abhängigkeit von der Temperatur und der relativen Luftfeuchtigkeit gibt Tabelle 12.2 wieder. Die bei der Zerfallsreaktion entstehenden primären Amine setzen sich unmittelbar mit weiteren Isocyanatgruppen zu Polyharnstoffen um. Kritisch

2.2 Polyadditionsklebstoffe

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kann bei dieser Reaktion die Bildung von Kohlendioxid durch den Zerfall der instabilen Carbaminsäurederivate sein. Je nach Formulierung ist durch das gebildete Kohlendioxid eine Blasenbildung in der ausgehärteten Polymerschicht möglich. Diese unerwünschte Eigenschaft wird durch einen hohen Gehalt an Isocyanatgruppen, durch eine geringe Viskosität, eine schnelle Aushärtung und auch bei einem porösen Untergrund begünstigt. Aus diesem Grund ist ein kontrollierter Klebstoffauftrag notwendig. Bei den Einkomponentensystemen liegen im ausgehärteten Polymer demnach sowohl Urethanbindungen (aus dem Prepolymer) als auch Harnstoffbindungen (aus der Vernetzung mit Wasser) vor. Die Reaktion der Isocyanatkomponenten mit Feuchtigkeit, gleichgültig, ob sie in Ein- oder Zweikomponentensystemen vorliegen, stellt an die Verpackung dieser Produkte während Transport und Lagerung hinsichtlich des Feuchtigkeitsausschlusses hohe Anforderungen. Es ist auf jeden Fall erforderlich, jeglichen Feuchtigkeitszutritt zu unterbinden, damit nicht bereits vor der Verarbeitung Polyharnstoffverbindungen in dem Klebstoff vorliegen. Ähnliche Maßnahmen sind auch bei der Verarbeitung dieser Klebstoffe erforderlich, z.B. Trockenheit der Mischgefäße, Arbeitsgeräte etc. Für Anwendungen am Bau werden Polyurethan-Ortschäume eingesetzt. Dieses sind einkomponentige Schaumsysteme, die eine Mischung bzw. Lösung von einem feuchtigkeitshärtenden Isocyanat-Prepolymeren und einem unter Druck verflüssigtem Treibgas darstellen. Derartige Montageschäume (FrothingSchäume) expandieren durch Verdampfen der gelösten und/oder emulgierten Treibmittel spontan unmittelbar nach Entnahme aus dem Druckbehälter (Aerosoldose). In [D346] werden ergänzend Systeme erwähnt, die ohne Druckbehälter auf der Verwendung von elastischen komprimierbaren Füllstoffen im Prepolymer basieren und die nach dem Auftragen eine Schaumstruktur ausbilden. Die ebenfalls einkomponentig, jedoch bei erhöhten Temperaturen verarbeitbaren Polyurethanklebstoffe werden in Abschnitt 2.2.2.6 beschrieben. 2.2.2.2 Zweikomponenten-Polyurethanklebstoffe

Sie bestehen aus einem niedrigmolekularen Polyisocyanat und einem gleichfalls verhältnismäßig niedrigmolekularen Polyol in stöchiometrischem Verhältnis. Der Reaktionsmechanismus entspricht schematisch der Reaktionsgleichung (2.74). Bei bifunktionellen Monomeren entstehen im Wesentlichen lineare, thermoplastische Produkte, die auch als Schmelzklebstoffe (Abschn. 3.6) Verwendung finden. Tri- und mehrfunktionelle Monomere führen zu hochvernetzten, duromeren Klebschichten. Wie bei den Epoxidharzklebstoffen ist auch bei diesen Zweikomponentensystemen auf die Einhaltung stöchiometrischer Verhältnisse der Reaktionspartner (Abschn. 2.2.1.5) zu achten. Häufig wird zur Erzielung einer vollständigen Vernetzung jedoch mit einem Isocyanatüberschuss gearbeitet, da die Reaktionsgeschwindigkeit mit fortschreitender Molekülvergrößerung und

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2 Klebstoffgrundstoffe

teilweise auch sterischer Behinderung abnimmt. Je nach der Reaktivität der Ausgangsmonomere lassen sich Systeme mit unterschiedlichen Topfzeiten einstellen, ggf. können zu lange Reaktionszeiten durch die Zugabe von Beschleunigern (z.B. Triethylamin, Bleioleat) abgekürzt werden. Durch gezielte Auswahl der Monomere lassen sich die klebschichtbestimmenden Eigenschaften wie Festigkeit, Elastizität, deformationsmechanisches Verhalten sowie Beständigkeit gegenüber chemischen Einflüssen steuern. 2.2.2.3 Polyurethandispersionen

Aus Gründen des Umweltschutzes und im Hinblick auf Einhaltung von Emissions-Richtlinien werden seit Jahren Entwicklungen zur Herstellung von Klebstoffen mit einem möglichst geringen Gehalt an flüchtigen organischen Lösungsmitteln (VOC, volatile organic compounds) unternommen (Abschn. 1.2.2 und 12.5). Diesem Ziel folgend, wurden auch Polyurethane entwickelt, die in wässriger Phase zu dispergieren sind und zwar als – emulgatorhaltige Dispersionen – emulgatorfreie Dispersionen. 2.2.2.3.1 Emulgatorhaltige Dispersionen

Diese Dispersionen sind mit einem Emulgator stabilisiert, wobei je nach Art des Emulgators anionische, kationische oder nichtionische Dispersionen erhalten werden. Die Stabilisierung der Emulsion wird dabei durch elektrische Ladungskräfte erzielt, durch die das Zusammenfließen der emulgierten Teilchen verhindert wird (Abschn. 3.5). Die Herstellung und dispersive Verteilung der Polymerteilchen erfolgt über die Einwirkung von Scherkräften bei gleichzeitiger Anwesenheit der Emulgatoren. Gegenüber den in Abschnitt 2.2.2.3.2 beschriebenen emulgatorfreien Dispersionen besitzen diese Systeme häufig niedrigere Haftungseigenschaften, da die Emulgatoren die Ausbildung der Adhäsionskräfte zwischen Substrat und Klebschicht behindern können. 2.2.2.3.2 Emulgatorfreie Dispersionen

Diese Dispersionen, auch Ionomer-Dispersionen genannt, besitzen eine weitaus größere Bedeutung als die vorerwähnten Systeme. Bedingt durch die Abwesenheit von Emulgatoren bzw. Schutzkolloiden zeichnen sie sich durch ein besonders gutes Haftungsvermögen, hohe mechanische und chemische Stabilität der Klebschichten sowie ein sehr gutes Filmbildungsvermögen (Abschn. 3.5) aus. Da den Ionomeren eine Selbstdispergierbarkeit eigen ist (sog. „innere“ im Gegensatz zur „äußeren“ Dispergierbarkeit nach Abschn. 2.2.2.3.1), sind für die Herstellung dieser Dispersionen weder Scherkräfte (zur Verkleinerung der Polymerpartikel) noch Emulgatoren erforderlich. Die in dem Polymermolekül

2.2 Polyadditionsklebstoffe

99

vorhandenen ionischen Gruppierungen weisen quasi Emulgatorfunktionen auf, somit bleiben die Polymerteilchen in der wäßrigen Phase dispergiert. Wie bei den emulgatorhaltigen Dispersionen werden auch hier anionische, kationische und nichtionische Dispersionen unterschieden: 앫 Anionische Dispersionen: Ausgangsprodukte sind aus Polyolen und Diisocyanaten hergestellte Urethan-Prepolymere mit endständigen Isocyanatgruppen, die in Aceton gelöst werden. Das Lösungsmittel Aceton wird gewählt, weil es beim anschließenden Dispergiervorgang in Wasser löslich sein muss und aufgrund seines niedrigen Siedepunktes gegenüber Wasser später durch Destillation einfach entfernt werden kann. Zur Erzeugung des ionomeren Charakters wird diese acetonische Lösung des mit den endständigen Isocyanatgruppen versehenen Urethanprepolymers mit der wässrigen Lösung eines Alkalisalzes einer Diaminocarbonsäure (oder auch Diaminsulfonsäure) versetzt. Dabei reagieren die Aminogruppen der Dicarbonsäure mit den Isocyanatgruppen des Prepolymers zu einem hochmolekularen Hydroxyl-Polyurethan, gleichzeitig werden die anionischen Carboxyl-Gruppen in die Polymerkette eingebaut und verleihen so dem Polymer wegen der negativ-ionischen Ladung seine Selbstdispergierbarkeit. Bei der anschließenden Zugabe von Wasser in die acetonische Lösung bildet sich die Dispersion, das Aceton wird durch Destillation aus dem System entfernt. Durch die Kettenlänge der Diaminocarbonsäure ist die Struktur des entstehenden Polymers – und somit die mechanischen und chemischen Eigenschaften des später in der Klebschicht vorhandenen „fertigen“ Polymers – in der Dispersion beeinflussbar, hierauf beruht auch deren Bezeichnung als „Kettenverlängerungsmittel“. In der folgenden Darstellung (Bild 2.17) sind die beschriebenen Schritte nochmals zusammengefasst: 앫 Kationische Dispersionen: Der Prozess ähnelt dem vorher erwähnten, nur wird als Kettenverlängerer eine Verbindung mit einem mittelständigen tertiären Stickstoffatom verwendet. Nach Neutralisation mit einer organischen oder anorganischen Säure bilden sich die für die Stabilität der kationischen Dispersion erforderlichen positiv geladenen Ammoniumgruppen. Anschließend erhält man auch hier über Wasserzugabe und Abdestillieren des Acetons die fertige Dispersion. 앫 Nichtionische Dispersionen: Bei diesen Systemen ergibt sich der Dispersionscharakter durch Einbau hydrophiler Polyetherketten an die Polyurethanpolymere. Neben dem Aceton-Verfahren (solvent process) existiert ergänzend das „Prepolymer-Misch-Verfahren“ (prepolymer mixing process), bei dem signifikante Mengen an hochsiedenden und wasserlöslichen Solventien verwendet werden, die nach der Herstellung in gewissem Ausmaß in der Dispersion verbleiben. Als rationelles Herstellungsverfahren mit einer großen synthetischen Bandbreite verfügt diese Methode über vielfältige Anwendungen.

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2 Klebstoffgrundstoffe

Bild 2.17. Darstellung anionischer Polyurethan-Dispersionen

Klebungen mit Polyurethan-Dispersionen besitzen wegen der hohen Polarität der Polymermoleküle ausgezeichnete Haftungseigenschaften selbst auf sonst schwer klebbaren Werkstoffen. Die ergänzend vorhandene hohe Kohäsionsfestigkeit der Klebschichten beruht auf teilweise kristallinen Strukturen innerhalb der Polymerketten. Besonders zu erwähnen ist weiterhin die große Beständigkeit der Klebschichten gegenüber Weichmachern, feuchter Atmosphäre, Wärme, Ölen, Fetten und z.T. auch Lösungsmitteln. Diese Eigenschaften haben zu einer verbreiteten Anwendung der Polyurethan-Dispersionen insbesondere in der Schuhindustrie geführt, wo schwer klebbare Werkstoffe wie PVC (z.T. mit hohen Weichmachergehalten), thermoplastisches Polyurethan, Nitrilkautschuk sowie Leder mittels Kleben verarbeitet werden. Styrol-Butadien-Blockpolymere, Styrol-Butadien-Gummi und Naturkautschuk sind ebenfalls gut verklebbar, allerdings nach entsprechender Oberflächenbehandlung mittels eines halogenabspaltenden Primers zur Erzielung

2.2 Polyadditionsklebstoffe

101

einer polaren Oberfläche (in den meisten Fällen Trichlorisocyanursäure, Abschn. 14.4.2.1). Weitere Anwendungen liegen im Bereich der Kaschierung, Folienverklebung und Beflockung. Neben den physikalisch abbindenden einkomponentigen Dispersionen finden ebenfalls chemisch reagierende zweikomponentige Dispersionen mit einer zusätzlichen isocyanathaltigen Komponente Verwendung. In Letzterer kann das Isocyanat auch blockiert vorliegen, die Aushärtung bedarf dann einer thermischen Aktivierung (Abschn. 2.2.2.6). Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.2.2.3: [B162–B164, D143, D275, D280, D339, F41, J39, K153, K268, L71, L138, M91, M135, M244, S277, T48, V44].

2.2.2.4 Lösungsmittelhaltige Polyurethanklebstoffe

Polyurethane sind in vielfältiger Form ebenfalls als lösungsmittelhaltige Systeme im Einsatz. Hierbei können physikalisch abbindende und chemisch reagierende Systeme unterschieden werden. Bei den physikalisch abbindenden Systemen liegt das Polymer als hochmolekulares Hydroxyl-Polyurethan vor, als Lösungsmittel dienen u. a. Aceton, 2-Butanon (Methylethylketon, MEK) oder Essigsäureethylester (Ethylacetat). Die Verklebung erfolgt bei diesen Klebstoffen in den meisten Fällen nach dem Thermoaktivier-Verfahren (Abschn. 2.2.2.6) oder als Kontaktklebstoff). Zum Erreichen der erforderlichen hohen Anfangsfestigkeit trägt größtenteils die Kristallisationsneigung der Polyestersegmente in dem Urethanelastomer bei. Die chemisch reagierenden Systeme beinhalten außer dem Hydroxyl-Polyurethan noch ein Polyisocyanat als zweite Komponente in dem Lösungsmittelsystem. Die Vernetzung bewirkt höhere Festigkeiten, auch bei Wärmebeanspruchung, sowie verbesserte Beständigkeiten gegenüber Wasser, Weichmachern und Ölen, Fetten. Je nach Aufbau der vorliegenden Komponenten kann die Ausbildung der Klebschicht bei normaler oder höherer Temperatur erfolgen. 2.2.2.5 Reaktive Polyurethan-Schmelzklebstoffe

Eine Abgrenzung dieser Systeme gegenüber herkömmlichen thermoplastischen Schmelzklebstoffen ergibt zwei wesentliche Unterschiede: – Thermoplastische Schmelzklebstoffe werden bei relativ hohen Temperaturen (bis zu ca. 240 °C) verarbeitet, die Applikationstemperatur der reaktiven PUR-Schmelzklebstoffe liegt in Bereichen von 50–100 °C. – Thermoplastische Schmelzklebstoffe liegen auch nach dem Abbinden der Klebschicht als Thermoplaste vor, während die reaktiven PUR-Schmelzklebstoffe über eine Vernetzungsreaktion zu einem Duromer/Elastomer aushärten. Letztere besitzen daher auch bei späteren höheren Beanspruchungstemperaturen ausreichende Kohäsionsfestigkeiten.

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2 Klebstoffgrundstoffe

Die Aushärtung der reaktiven PUR-Schmelzklebstoffe kann entweder durch Wärmezufuhr oder Feuchtigkeitseinfluss (bei speziellen Formulierungen auch durch Kombination beider Einflüsse) erfolgen. Im Einzelnen sind folgende Systeme bekannt: 앫 Schmelzbare Prepolymere, hergestellt aus höhermolekularen, kristallisierenden und schmelzbaren Diol- und Isocyanatkomponenten, die bei Temperaturen von 50–100 °C auf die Fügeteile aufgetragen werden. Die anschließende Vernetzung erfolgt ausschließlich über den Feuchtigkeitseinfluss aus der umgebenden Luft auf die noch vorhandenen reaktionsfähigen Isocyanatgruppen der bei der Herstellung im Überschuss eingesetzten Isocyanatkomponente. Da diese Reaktion entscheidend von der Feuchtigkeitskonzentration und -zufuhr in die Klebschicht abhängig ist, sind großflächige Klebungen von undurchlässigen Fügeteilen mit diesen Formulierungen nur sehr bedingt durchführbar. Diesem Nachteil, der ebenfalls bei geringen Luftfeuchtigkeiten und/oder niedrigen Temperaturen auftritt, kann durch die Härtungsreaktion beschleunigende Katalysatoren (wasserlösliche oder wasserdispergierbare Amine) oder organische Metallverbindungen (z.B. Dibutylzinndilaurat, Zinnoctoat) entgegengewirkt werden [D341]. Zur Härtungsbeschleunigung dienen ebenfalls sog. Booster-Systeme, die mit einem feuchtigkeitshaltigen Gel arbeiten. Diese thixotrope Paste wird dem Klebstoff als quasi „zweite Komponente“ in einem statischen Mischrohr schichtweise zugeführt. Das Wasser kann dann aus den einzelnen Schichten direkt in den Klebstoff diffundieren. 앫 Vorvernetzte PUR-Prepolymere, die noch endständige Isocyanatgruppen besitzen, denen bei der Vorvernetzung ein bei Raumtemperatur nicht reaktiver Härter im Unterschuss zugegeben wird. Dieser Härter wird bei Erwärmung auf 60–100 °C reaktiv und führt dann zur Vernetzung eines kleinen Teils der vorhandenen Isocyanatgruppen. Hierbei entsteht ein Thermoplast, der bei Raumtemperatur nahezu fest ist, bei Temperaturen von 60–100 °C flüssig wird. Aufgrund der Vorvernetzung entsteht nach der Abkühlung eine Klebschicht mit einer gegenüber dem vorerwähnten System höheren Kohäsionsfestigkeit und somit erhöhter Anfangsfestigkeit der Klebung. Die in dem Thermoplast noch vorhandenen freien Isocyanatgruppen vernetzen anschließend durch Feuchtigkeitseinfluss. 앫 In einer bei Raumtemperatur festen PUR-Thermoplastmatrix ist eine durch Wärme aktivierbare und vernetzbare Duromerkomponente eingelagert. Die Härtungstemperatur liegt dabei deutlich über dem Schmelzpunkt dieser Thermoplastmatrix. Die thermoplastische Komponente besteht beispielsweise aus einem linearen vorvernetzten Polyurethan, die vernetzbare Duromerkomponente aus einem reaktiven Epoxidharz (Abschn. 2.2.1.8). Nach der Vernetzung bei erhöhter Temperatur resultieren Klebschichten mit duromeren Anteilen in einer Elastomermatrix, was zu besonders hohen Kohäsionsfestigkeiten führt. 앫 Einsatz blockierter Isocyanate (Abschn. 2.2.2.6).

2.2 Polyadditionsklebstoffe

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Bei der Verarbeitung der Polyurethan-Schmelzklebstoffe ist die Hautbildungszeit zu beachten, d.h. die Zeit, in der durch den Kontakt mit der Feuchtigkeit der Luft oberflächlich bereits die Härtungsreaktion einsetzt. Die ausgehärtete Oberflächenschicht lässt keine ausreichende Benetzung des zweiten Fügeteils zu und führt somit zu einer Beeinträchtigung im Aufbau adhäsiver Kräfte. Unabhängig von dem jeweiligen Härtungssystem entstehen Klebschichten mit elastisch-plastischen Eigenschaften, die sich hinsichtlich ihrer Spannungsverteilung bei mechanischer Beanspruchung der Klebungen von denen der bisher beschriebenen Acrylat- bzw. Epoxidharzklebstoffe sehr stark unterscheiden. Auf diese Zusammenhänge wird in Abschnitt 8.10 näher eingegangen. Alle vorstehend beschriebenen Klebstoffe verfügen auch auf beölten Blechen, wie sie in der Karosseriefertigung vorliegen, über sehr gute Haftungseigenschaften. Da sie zudem sehr niedrige Glasübergangstemperaturen (Tg –40 bis –60 °C) aufweisen, verspröden sie auch bei tiefen Temperaturen nicht. Diese Eigenschaftskombination hat zu einem bevorzugten Einsatz in der Fahrzeugindustrie, insbesondere zum Einkleben der Scheiben (Abschn. 15.3) geführt. Für diese Zwecke ist wegen der Sonneneinstrahlung auf die Klebschichten eine UV-Stabilisierung erforderlich, da die Polyetherstrukturen im Polymer durch UV-Strahlen geschädigt werden können. Diese Additive schützen die Polymere entweder durch Herausfiltern der entsprechenden Wellenlängen (z.B. UV-Absorber wie substituierte Benzotriazole) oder sie unterbinden die durch die Strahlung in Gang gekommene Radikalkettenreaktionen, die zum Polymerabbau führen würden (phenolische und aminische Antioxidantien). Reaktive Polyurethan-Schmelzklebstoffe werden üblicherweise in feuchtigkeitsdichten Gebinden als kompakter Block verpackt. Die Verarbeitung erfolgt dann in Fassschmelzanlagen (Abschn. 12.3.3.1). Wie bei den nichtreaktiven Schmelzklebstoffen werden die feuchtigkeitshärtenden Formulierungen ebenfalls als Ganulat, Pastillen oder Pulver angeboten. Die Hestellung verläuft unter Feuchtigkeitsausschluss in folgenden Schritten [D345]: – Aufschmelzen des reaktiven Schmelzklebstoffpolymers, – Extrudieren der Schmelze durch Düsen entsprechender Durchmesser auf eine gekühlte Fläche, – Abkühlen des Granulats und Nachkristallisieren in z.B. einer Drehtrommel, bis die Teilchen verfestigt sind und nicht mehr aneinanderkleben, – Abfüllen in feuchtigkeitsdichte Verpackungen. Von den reaktiven Polyurethan-Schmelzklebstoffen sind die physikalisch abbindenden Systeme zu unterscheiden. Diese linearen Polyurethane gehören aufgrund ihrer thermoplastischen Eigenschaften zur Gruppe der thermoplastischen Elastomere (Abschn. 2.1.4.2). Es handelt sich dabei um Addukte aus Diisocyanaten und linearen Polyolen, deren kautschukähnliches Verhalten aus dem segmentartigen Aufbau der Makromoleküle resultiert. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.2.2.5: [B317, C51, C93, C99, C109, C111, C126, D110, E82, F71, H265, I52, K154, K253, L143, O9, O26, P153, R121, S267, S310, T48, V18, Z25].

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2 Klebstoffgrundstoffe

2.2.2.6 Thermisch aktivierbare Polyurethanklebstoffe

Die besonderen Vorkehrungen bei der Verarbeitung der Zweikomponentensysteme lassen sich weitgehend durch Verwendung von thermisch aktivierbaren Isocyanatkomponenten vermeiden. In diesem Fall liegt die Isocyanatgruppe „verkappt“ bzw. „blockiert“ (Abschn. 3.1.2) in einer Verbindung vor, die die Isocyanatkomponente erst bei höherer Temperatur abspaltet. Man spricht von einem „thermischen Estergleichgewicht“, beispielsweise bei einer Blockierung mit Phenol: (2.82)

Mit zunehmender Temperatur verschiebt sich dieses Gleichgewicht zugunsten der Ausgangskomponenten; auf diese Weise wird die Isocyanatkomponente für Reaktionen mit der Polyolkomponente freigesetzt, sodass die Vernetzungsreaktion zur Klebschichtbildung eintreten kann. Eine weitere Möglichkeit, lagerstabile, warmhärtende, einkomponentig zu verarbeitende reaktive Polyurethanklebstoffe herzustellen besteht darin, pulverförmige Isocyanate in Polyetherpolyolen zu dispergieren und das bei Raumtemperatur ohnehin nur wenig reaktive Isocyanat anschließend durch eine Umhüllung (ähnlich einer Mikroverkapselung, Abschn. 3.13) aus Polyharnstoff zusätzlich zu deaktivieren. Bei Erwärmung auf Temperaturen oberhalb von 80 °C wird die Umhüllung durchlässig, und es kommt zu einer Reaktion zwischen der Polyolphase mit dem Isocyanat [D140, E81, S161]. Die thermisch aktivierbaren Polyurethanklebstoffe eignen sich speziell für Fertigungen, bei denen zwischen Klebstoffauftrag und Fixieren ein zeitlicher Zwischenraum liegt. Ergänzend besteht vorteilhaft die Möglichkeit einer Auftragskontrolle. Die Fügeteile sind trotz dieser Vorbeschichtung stapelbar, z.B. können bahnförmige Materialien (Textilien oder Folien) ohne Schutzfolien aufgerollt werden. Die Härtung erfolgt über eine Wärmeaktivierung, die bei entsprechenden Formulierungen zu einer Dekristallisation der kristallinen Polyestersegmente bei Temperaturen oberhalb der Mindestaktivierungstemperatur und somit zu einem klebrigen Zustand führt. Als „hot-tack-life“ wird dabei die Zeitspanne bezeichnet, in welcher der Polymerfilm eine zum Verkleben ausreichende Klebrigkeit aufweist und während der die Fixierung der Fügeteile erfolgen muss. Der Festigkeitsaufbau ergibt sich anschließend durch die Rekristallisation der Polyestersegmente [F75, G178, P153]. Die einkomponentig als Pulver, Folien oder durch Extrusion zu verarbeitenden Polyurethan-Schmelzklebstoffe besitzen gegenüber den Schmelzklebstoffen auf Basis von Copolyamiden oder Copolyestern den Vorteil wesentlich geringerer Verarbeitungstemperaturen bei ca. 80 °C zum Kleben wärmeempfindlicher Werkstoffe (Textilien u.ä.).

2.2 Polyadditionsklebstoffe

105

2.2.2.7 Radikalisch vernetzende Polyurethanklebstoffe

Die Radikalvernetzung wird durch den Einbau von Acryl- bzw. Methacrylsäuregruppen in Urethanprepolymere erreicht, den schematischen Aufbau derartiger Urethanacrylate zeigt Formel (2.83): (2.83)

Diese Systeme lassen sich sowohl mit UV-Strahlung (über einen zugesetzten Photoinitiator) als auch mittels Elektronenstrahlen härten (Abschn. 2.1.1.3.2).

Bild 2.18. Übersicht über die Polyurethanklebstoffe

106

2 Klebstoffgrundstoffe

Zusammenfassend können die Polyurethanklebstoffe und deren Abbindemechanismen entsprechend Bild 2.18 klassifiziert werden. Durch diese dargestellten vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten lassen sich die Abbindezeiten (langsam – schnell), Abbindetemperaturen (Raumtemperatur – erhöhte Temperatur), die Lagerstabilität sowie die Verarbeitung (ohne bzw. mit Mischung der Komponenten) der Polyurethanklebstoffe für jeden Anwendungsfall gezielt steuern. Polyurethanklebstoffe zeichnen sich generell durch sehr gute Haftungseigenschaften an den verschiedenen Werkstoffoberflächen aus. Die Festigkeitseigenschaften sind eine Folge des jeweiligen Vernetzungsgrades, gleiches gilt auch für die sehr guten Beständigkeiten gegenüber Lösungsmitteln, Weichmachern, Fetten, Ölen und Wasser. Die Wärmebeständigkeit ist geringer als bei Epoxidharzklebstoffen, hervorzuheben ist allerdings die hohe Flexibilität der Klebschichten auch bei tiefen Temperaturen. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.2.2: Zusammenfassende Darstellungen: [B162, C52, D5, D6, D66, E3, E40, F75, H87, H145, K6, K7, K152, S4, V25]. Klebstoffformulierungen: [A45, D139, D140, D277, D343, D344, E79–E81, F20–F22, G150, L162, M226, S157, S161, S267, S277, V46]. Klassifizierung: [B4]. POR: [S320, S321]. Anwendungen: [C51 (Fahrzeugbau), F68 (Elektronik)]. Arbeitsschutz: [P157, W136, W138, W141].

2.2.2.8 Polyurethan-Elastomere

Diese Elastomere sind den Blockcopolymeren (Abschn. 2.1.3) zuzuordnen, die aus regelmäßig angeordneten weichen und harten Segmenten aufgebaut sind. Die weichen Segmente bestehen aus flexiblen Ketten, die dem Polymer die erforderliche gummiartige Elastizität geben. Die harten Segmente sind für die Rückstellung der Molekülketten nach der Deformation verantwortlich. Sie bestehen aus kurzkettigen kristallinen Bereichen, die bei Einwirkung mechanischer Kräfte ein Abgleiten der Polymerketten verhindern. Die im Elastomer vorhandenen Rückstellkräfte bewirken nach einer Belastung eine Kontraktion auf nahezu die Ausgangslänge. Die chemische Basis besteht bevorzugt aus Polyester- und Polyetherglykolen (hydroxylgruppen-terminierte Polyether) mit unterschiedlichen Molekulargewichten, vernetzt mit Isocyanaten. Die unterschiedliche chemische Zusammensetzung von Hart- und Weichsegmenten sowie deren Polaritäten und Molekulargewichte führen zu einer Entmischung, wobei die Wasserstoffbrückenbindungen (Abschn. 6.1.4.4) zwischen benachbarten Ketten bewirken, dass sich die Hartsegmente parallel aneinanderlagern. Die langen beweglichen Molekülketten dazwischen bilden Verhakungen und Verschlaufungen, die bei Dehnung des weitmaschigen Netzwerkes gelöst und gestreckt werden. Die Wechselwirkungen zwischen den Hartsegmenten verhindern ein plastisches Fließen der Molekülketten im gedehnten Zustand. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.2.2.8: [B377, D453, I34].

2.3 Polykondensationsklebstoffe

107

2.2.3 Polycyanurate

Ausgangsprodukte für diese Klebstoffsysteme sind Ester der Cyansäure H–O–C≡N. Die Cyansäure ist ein Isomer der Isocyansäure (H–N=C=O, Abschn. 2.2.2). Unter der Isomerie wird allgemein die Erscheinung verstanden, nach der Moleküle mit der gleichen Anzahl gleicher Atome eine verschiedene Molekülstruktur besitzen und somit auch unterschiedliche Eigenschaften aufweisen (s.a. Formel 12.1). Als Synthesebausteine dienen vorwiegend di- oder polyfunktionelle Cyansäureester, die über eine Ringverknüpfung (Cyclotrimerisation) Polycyanurate bilden:

(2.84)

Neben der Trimerisation sind Polycyanurate auch durch Copolymerisation von mono- und difunktionellen Cyanaten darstellbar. Polycyanurate vermögen aufgrund ihrer reaktiven Cyanatgruppe mit anderen reaktiven Komponenten, z.B. Phenol- oder Epoxidharzen zu reagieren. Der bisher im Vergleich zu anderen Klebstoffgrundstoffen geringe Einsatz dieser Systeme wird wegen ihrer guten Eigenschaften hinsichtlich Temperatur- und Chemikalienbeständigkeit sicher zunehmen. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.2.3: [B292–B294, H277, P152, P158].

2.3 Polykondensationsklebstoffe Die wesentliche Abgrenzung der Polykondensationsklebstoffe zu den Polymerisations- und Polyadditionsklebstoffen besteht darin, dass die Reaktion von zwei Monomermolekülen zu einem Polymermolekül unter Abspaltung eines einfachen Moleküls, z.B. Wasser, Säure oder Alkohol, erfolgt. Die als Reaktionsprodukt entstehende polymere Klebschicht liegt also gemeinsam mit einem bei der Reaktion entstehenden Nebenprodukt vor, dessen gleichzeitige Anwesenheit entsprechende Maßnahmen bei der Verarbeitung dieser Klebstoffe erfordert (Abschn. 3.1.1.3). Auch bei den Polykondensationsreaktionen gilt als Voraussetzung die Anwesenheit von Molekülen mit mindestens

108

2 Klebstoffgrundstoffe

bifunktionellen Eigenschaften. Die für die Verwendung als Klebstoffe wichtigsten Polykondensate sind die – – – –

Formaldehydkondensate, Polyamide, Polyester, Silicone.

In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass sich der Begriff Polykondensationsklebstoff sowohl auf die entsprechende Reaktion bei der Klebstoffherstellung als auch bei der Klebstoffverarbeitung bezieht. So tritt beispielsweise eine Polykondensation bei den Formaldehydkondensaten oder den kondensationsvernetzenden Siliconen (Abschn. 2.3.4.2) innerhalb der Klebfuge auf, während auf der anderen Seite die physikalisch abbindenden Schmelzklebstoffe auf Polyamid- oder Polyesterbasis (Abschn. 2.3.2 und 2.3.3.1) über eine Kondensationsreaktion hergestellt werden. 2.3.1 Formaldehydkondensate

Aufgrund seiner Bifunktionalität ist Formaldehyd in der Lage, als verknüpfende Komponente zu Molekülen mit funktionellen Gruppen zu dienen: (2.85)

Als wichtige Reaktionspartner für das Formaldehyd sind aus dem Gebiet der Klebstoffchemie zu nennen: – Phenol bzw. Phenolderivate, – Verbindungen mit Aminogruppen (NH2–), speziell Harnstoff und Melamin. 2.3.1.1 Phenol-Formaldehydharz-Klebstoffe (PF)

Die als Grundstoffe für Klebstoffe verwendeten Phenolharze, auch Phenoplaste genannt, gehören zu den Polymerverbindungen, die in entscheidender Weise die Entwicklung der Kunststoffe durch geziele Synthesen mit dem Ziel „künstliche Werkstoffe“ herzustellen, mitbestimmt haben. Bahnbrechend waren hier die Forschungen von Baekeland [B84], der mit dem nach ihm benannten „Bakelite“ zu Beginn des letzten Jahrhunderts einen der ersten industriell verwendbaren Phenol-Formaldehydharz-Kunststoffe entwickelt hat. Diese Polymere stellen ebenfalls die Ausgangsbasis für eine Vielfalt industriell verwendeter Klebstoffe dar; die ersten im Flugzeugbau eingesetzten Klebstoffe basierten auf diesen Polymersystemen. Schematisch kann die Reaktion zwischen Phenol und Formaldehyd wie folgt dargestellt werden:

2.3 Polykondensationsklebstoffe

109

(2.86)

Die Verknüpfung der beiden Phenolmoleküle erfolgt also nach Abspaltung eines Moleküls Wasser über eine Methylenbrücke (–CH2–). Die vorstehend beschriebene Reaktion kann nun, je nachdem in welcher Anzahl und Stellung die OH- und –CH2OH-Gruppen am Benzolring lokalisiert sind, in vielfältiger Weise ablaufen und hochvernetzte Polykondensate bilden:

(2.87)

110

2 Klebstoffgrundstoffe

Die Phenolharze werden demnach durch eine fortlaufende Verknüpfung von Phenolkernen gebildet. Als Verknüpfungsglied fungiert dabei entweder – eine Methylengruppe (Formel 2.86), wenn jeweils ein Molekül Phenol und Formaldehyd miteinander reagieren oder – eine Dimethylenetherbrücke, wenn zwei Methylolphenolmoleküle gleichzeitig an der Reaktion teilnehmen:

(2.88) Die Kondensation der beschriebenen Verbindungen miteinander oder auch mit Phenol ergibt im Endeffekt Phenol-Formaldehyd-Kondensationsprodukte, deren Eigenschaften je nach Reaktionszeit und -temperatur von wasserlöslichen bis zu wasserunlöslichen, dreidimensional vernetzten Polykondensaten reichen. Für die Verwendung als Klebstoffe kommen nur die sog. Resole in Frage. Das sind härtbare Phenolharze, die im Anfangsstadium zwar löslich und schmelzbar sind, die aber in der Klebfuge durch Hitze oder Katalysatoreinwirkung in den unlöslichen, unschmelzbaren Zustand, die sog. Resite, mit hohem Vernetzungsgrad übergeführt werden können. Bei den neben der Gruppe der Resole noch bekannten sog. Novolaken handelt es sich um nicht selbsthärtende Phenolharze, die dauernd löslich und schmelzbar sind. Reine Phenol-Formaldehydharze weisen im Allgemeinen eine hohe Sprödigkeit auf, die dazu führt, dass die bei Belastung in einschnittig überlappten Klebungen auftretenden Spannungsspitzen (Abschn. 8.3.3.4) nicht oder nur in geringem Maße abgebaut werden können. Aus diesem Grunde werden Phenol-Formaldehydharze je nach den spezifischen Anforderungen hinsichtlich Festigkeit, Verformbarkeit und Alterungsbeständigkeit mit weiteren Verbindungen durch Copolymerisationen bzw. Mischkondensationen mit geeigneten, vorwiegend thermoplastische Polymere ergebenden Monomeren modifiziert, z.B. mit: 앫 Polyvinylformal (Abschn. 2.1.3.6). Diese Modifikationen haben aufgrund ihrer hohen Festigkeiten und Alterungsbeständigkeiten das Kleben im Flugzeugbau maßgebend gestaltet. Nach Untersuchungen in [W61] wurde festgestellt, dass das Polyvinylformal während der Aushärtung mit dem Phenolharz reagiert und somit ein echtes Verbundsystem vorliegt; 앫 Polyvinylbutyral (Abschn. 2.1.3.6) zur Erhöhung der Temperaturbeständigkeit der Klebschicht; 앫 Elastomeren, z.B. Polychloropren (Abschn. 2.1.4.3) und Nitrilkautschuk (Abschn. 2.1.4.4), zur Steigerung der Elastizitäts- und Verformungseigenschaften der Klebschicht sowie, insbesondere bei Nitrilkautschuk, der Verbesserung der Alterungsbeständigkeit bei erhöhten Temperaturen;

2.3 Polykondensationsklebstoffe

111

앫 Polyamiden (Abschn. 2.3.2) zur Verbesserung der Schlagfestigkeit; 앫 Epoxidharzen (Abschn. 2.2.1) zur Erhöhung der Temperaturbeständigkeit. Epoxid-Phenolharzklebstoffe weisen zwar sehr hohe Klebfestigkeitswerte bei tiefen und hohen Temperaturen auf, besitzen aber sehr geringe Schälwiderstände. Die Eigenschaftsbeeinflussung der Polymerschicht durch derartige Verbindungen kann man sich durch eine sterische Behinderung der Polykondensationsreaktion erklären, sodass, abweichend von der dreidimensionalen Vernetzung, in hohem Anteil auch kettenförmige Strukturen mit teilweise thermoplastischen Eigenschaften entstehen. Bedingt durch den hohen Vernetzungsgrad der Phenol-FormaldehydharzKlebstoffe weisen sie eine hohe Wärmebeständigkeit der Klebschichten auf und werden daher vorzugsweise auch dort eingesetzt, wo es zu hohen Temperaturbelastungen in der Klebschicht kommt, z.B. beim Verkleben von Bremsund Kupplungsbelägen. Für diese Anwendungen stehen neben lösungsmittelhaltigen Formulierungen ebenfalls Klebstoffe als reaktive Pulver (mit einem latenten Härter) zur Verfügung, die wegen des notwendigen Anhaftens während des Auftragens auf die erwärmten Fügeteiloberflächen aufgebracht werden [D144]. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.3.1.1 im Anschluss an Abschnitt 2.3.1.2.

2.3.1.2 Kresol-/Resorzin-Formaldehydharz-Klebstoffe

Neben Phenol als Ausgangsmonomer für die Formaldehydkondensation finden auch Phenolderivate wie Kresole (o-, m-, p-Methylphenol) und Resorzin (m-Dihydroxybenzol) als Reaktionspartner Verwendung. Diese Kresol- bzw. Resorzin-Formaldehydharze zeichnen sich generell durch höhere Härtungsgeschwindigkeiten aus, die reinen Harze sind relativ spröde und bedürfen für Metallklebungen entsprechender Modifizierungen. Vorteilhaft ist die gegenüber Phenol-Formaldehydharzklebstoffen größere Beständigkeit gegenüber Wasser und Witterungseinflüssen, aus diesem Grunde werden sie vorwiegend zum Kleben von Holzkonstruktionen eingesetzt (Abschn. 14.5). Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.3.1.1 und 2.3.1.2: [A3, B322, D7, H8, H75, K8, K93, K155, L32, M235, V33].

2.3.1.3 Harnstoff-Formaldehydharz-Klebstoffe (UF)

Eine große Anzahl stickstoffenthaltender organischer Verbindungen ist zur Polykondensation mit Aldehyden befähigt. Für die Anwendung als Klebstoffe haben insbesondere Harnstoff und Melamin Bedeutung erlangt. Beiden Verbindungen ist gemeinsam, dass in ihnen die Aminogruppe (–NH2) entweder in Form der Aminbindung (R–NH2) oder der Amidbindung

112

2 Klebstoffgrundstoffe

(R–CO–NH2) enthalten ist. Hieraus leitet sich für Kondensationsprodukte mit Formaldehyd bei diesen Verbindungen die Bezeichnung „Aminoplaste“ ab. Bei der Reaktion mit Formaldehyd findet in einer ersten Stufe eine Additionsreaktion statt:

(2.89)

Die entstehenden Alkylolverbindungen kann man bei Betrachtung der Phenol-Formaldehydharze (Formel 2.86) mit den vorhandenen Phenolalkoholen (Methylolphenol) vergleichen, die dort wie im vorliegenden Fall die Ausgangssubstanzen für die eigentlichen zur Vernetzung führenden Polykondensationsreaktionen darstellen. Bei den Harnstoff-Formaldehydharzen (auch Harnstoffharze genannt, Kurzbezeichnung UF von „Urea“) erfolgt der Reaktionsablauf zunächst in Form einer Additionsreaktion in schwach saurer Lösung, wobei sich in Abhängigkeit von dem Molverhältnis Harnstoff zu Formaldehyd Methylol- und Dimethylolverbindungen bilden:

(2.90)

Die eigentliche Polykondensationsreaktion, die zur Ausbildung der polymeren Klebschicht führt, tritt bei einem niedrigen pH-Wert ein und führt entweder über die Ausbildung einer Etherbrücke (2.91)

2.3 Polykondensationsklebstoffe

113

oder einer Methylenbrücke (2.92) bei ebenfalls gleichzeitig möglichen Parallelreaktionen miteinander oder mit Harnstoff zu stark vernetzten Polymerstrukturen. Als Ausgangsprodukt für Klebstoffe auf dieser Basis geht man von vorkondensierten Systemen aus, in denen das gebildete Kondensat noch ausreichend wasserlöslich ist und noch über eine genügende Anzahl reaktionsfähiger Methylolgruppen verfügt. Die endgültige Aushärtung in der Klebfuge erfolgt nach Senkung des pH-Wertes durch einen Säurehärter, der der Kleblösung entweder hinzugefügt (Untermischverfahren) oder auf eines der zu verklebenden Fügeteile aufgestrichen wird (Vorstrichverfahren). Die Anwendung dieser Harnstoff-Formaldehydharzklebstoffe erfolgt vorwiegend bei der Holzverleimung (in der Holzindustrie hat sich der Begriff „Kleben“ noch nicht allgemein durchgesetzt), insbesondere zur Herstellung von Spanplatten, Sperrholz, Furnierverklebungen, im Boots- und Segelflugzeugbau, sowie auch dort, wo ein Feuchtigkeitszutritt nicht auszuschließen ist; allerdings erreicht die Wasserfestigkeit nicht die Werte der Phenol-/Resorzinharzsysteme. Durch Zusatz von Melamin (Abschn. 2.3.1.4) lässt sich die Wasserfestigkeit jedoch in gewissem Rahmen erhöhen. Die Aushärtung muss für die erforderliche Verdampfung des abgespaltenen Wassers oberhalb 100 °C erfolgen. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.3.1.3: [D287, H9].

2.3.1.4 Melamin-Formaldehydharz-Klebstoffe

Wie Harnstoff (Abschn. 2.3.1.3) reagiert auch das Melamin mit Formaldehyd unter Ausbildung von Methylolverbindungen, wobei es möglich ist, bis zu sechs Mole Formaldehyd pro Mol Melamin einzuführen. Für die Klebstoffherstellung wird allerdings ein Molverhältnis Melamin:Formaldehyd von 1:3 bevorzugt, da methylolreichere Harze bei der Erwärmung leicht wieder Formaldehyd abgeben:

(2.93)

Die Polykondensationsreaktion verläuft auch bei diesen Verbindungen wie bei den Harnstoffreaktionen über Methylen- und Methylenether-Verknüpfungen zu hochmolekularen, stark vernetzten, harten und z.T. spröden Klebschichten.

114

2 Klebstoffgrundstoffe

Im Gegensatz zu den Harnstoffharzen erfolgt die Kondensation in der Wärme ohne Säurehärter. Durch Zusatz von Mischpolymerisaten auf Basis Polyvinylchlorid und/oder Polyvinylalkohol erreichen die Klebschichten eine verbesserte Flexibilität und besitzen ein schnelleres Abbindevermögen (Weißleime). Auch diese Klebstoffe finden vorwiegend bei der Holzverleimung Anwendung, die Festigkeit und Alterungseigenschaften liegen zwischen denen von Harnstoff- und Phenolharzklebstoffen. Besonders hinzuweisen ist bei der Verarbeitung der Formaldehydkondensate auf das bei der Vernetzung in geringen Mengen freiwerdende Formaldehyd, das sich an dem Reaktionsablauf nicht beteiligt hat. Aus diesem Grund ist für eine ausreichende Absaugung zu sorgen. 2.3.1.5 Formaldehydemissionen

In die zunehmenden Diskussionen über mögliche Umweltbelastungen ist in den vergangenen Jahren ebenfalls das Formaldehyd einbezogen worden. Hierbei sind nicht nur die entsprechenden Emissionen bei der Klebstoffherstellung sondern insbesondere mögliche nachträgliche Freisetzungen aus verleimten Holzprodukten, z.B. Spanplatten, Gegenstand umfangreicher Untersuchungen gewesen. Die in der Bundesrepublik Deutschland gebräuchlichen Formaldehyd-Bestimmungsmethoden für Holzwerkstoffe sind die Perforator- (nach DIN EN 120) und die Gasanalysemethode (nach DIN 52368). Weiterhin wird eine im Fraunhofer-Institut für Holzforschung (Wilhelm-Klauditz-Institut Braunschweig) entwickelte „WKI-Flaschenmethode“ (Absorption der abgegebenen Formaldehydmenge in wässriger Phase) angewandt. Basierend auf der ChemikalienVerbotsverordnung §1, Abschnitt 3 sind in der Richtlinie über die Klassifizierung und Überwachung von Holzwerkstoffplatten bezüglich der Formaldehydabgabe beispielsweise für Spanplatten nach der Perforatormethode Grenzwerte unterhalb von 6,5 mg, für mitteldichte Faserplatten (MDF) Werte unterhalb von 7,0 mg Formaldehyd pro 100 g Platte festgelegt. Weiterhin sind Einzelheiten über zugelassene Emissionswerte vom Ausschuss für Einheitliche Technische Baubestimmungen (ETB) in den „Richtlinien über die Verwendung von Spanplatten hinsichtlich der Vermeidung unzumutbarer Formaldehydkonzentrationen in der Raumluft“ erarbeitet worden. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.3.1.5: [C22, G37, M83–M85, N14, P84 (Seiten 307–387)].

2.3.2 Polyamide (PA)

Die Polyamide werden im Hinblick auf ihre Polymerstruktur den Thermoplasten (Abschn. 1.3.2.2) zugeordnet, sie bestehen im Wesentlichen aus linearen Makromolekülen, deren Zusammenhalt vorwiegend durch Verklammerung, Schlaufenbildung bzw. Verhakung der Molekülketten sowie über die Wasserstoffbrückenbindung (Abschn. 6.1.4.4) erfolgt. Spezielle Typen von ihnen stellen wichtige Grundstoffe für die physikalisch abbindenden Schmelz-

2.3 Polykondensationsklebstoffe

115

klebstoffe (Abschn. 3.6) dar. Zur Herstellung der Polyamide sind – unabhängig von ihrem Einsatzgebiet – die im folgenden beschriebenen Umsetzungen, die üblicherweise in der Schmelze unter Stickstoffatomsphäre ablaufen, geeignet: 앫 Polykondensation von Diaminen mit Dicarbonsäuren: Schematisch verläuft diese Reaktion nach der Formel

(2.94) Kennzeichnend für diese Art der Polykondensation ist die Tatsache, dass in Abhängigkeit von der Kettenlänge der Ausgangsmonomere zwischen den für Polyamide typischen Säureamidgruppen (–NH–CO–) unterschiedlich lange Methylenketten (–CH2–) vorhanden sind. In der Praxis hat die Umsetzung von Adipinsäure mit Hexamethylendiamin zu linearen Polyamiden vom Nylontyp große Bedeutung erlangt:

(2.95)

Zur Kennzeichnung der Polyamide dient vereinbarungsgemäß die Anzahl der Kohlenstoffatome zwischen den funktionellen Gruppen, im Beispiel der Formel (2.95) demnach Polyamid 6,6; ein Polyamid aus Hexamethylendiamin und Sebacinsäure [HOOC–(CH2)8–COOH] hätte die Bezeichnung Polyamid 6,10. 앫 Polykondensation von w -Aminocarbonsäuren: Diese Verbindungen enthalten in einem Molekül gleichzeitig die Amin- und Säuregruppe. In einem auf diese Weise gebildeten Polyamid ist die Säureamidgruppe innerhalb der Kette stets zwischen gleichlangen Methylenketten angeordnet:

(2.96)

116

2 Klebstoffgrundstoffe

앫 Polykondensation aus Lactamen: Die Lactame sind als cyclische Säureamide aufzufassen. Bedeutung hat das ε -Caprolactam als Polyamidrohstoff gefunden: (2.97)

An der durch die gestrichelte Linie gekennzeichneten Stelle erfolgt unter geeigneten Kondensationsbedingungen die Aufspaltung des Lactams zur ε-Aminocapronsäure und die Bildung von Polyamid 6 (Perlon). Die vorstehend beschriebenen drei Reaktionsarten zur Herstellung von Polyamiden führen zu Verbindungen mit hohen Molekulargewichten (MG > 16000, sog. „Super-Polyamide“) und somit auch hohen Schmelztemperaturen. Daher werden sie als Grundstoffe für Schmelzklebstoffe praktisch nicht eingesetzt. 앫 Polykondensation von Diaminen mit dimerisierten Fettsäuren: Diese Polykondensate stellen die bedeutendsten Grundstoffe für Schmelzklebstoffe dar. Ausgangsprodukte sind Ethylendiamine oder Polyethylenamine, die mit einer höheren Dicarbonsäure, vornehmlich dimerisierter Linolsäure, zur Reaktion gebracht werden (Dimerisation: Vereinigung von zwei gleichartigen Molekülen zu einem größeren Molekül):

(2.98)

Bei der nachfolgenden Polykondensation mit Diaminen entstehen die als Polyamidharze bezeichneten thermoplastischen Polyamide, die ihre thermische Beständigkeit bei der Verarbeitung insbesondere der Tatsache verdanken, dass keine oder nur noch sehr geringe Mengen reaktiver Aminogruppen im Polymermolekül vorhanden sind. Neben diesen in ihrer Molekülstruktur mehr oder weniger definiert aufgebauten (Homo-)Polyamiden sind für viele klebtechnische Anwendungen auch Copolyamide im Einsatz. Bei diesen Verbindungen können z.B. verschiedene Diamine, ω -Aminocarbonsäuren oder deren Laktame mit dimerisierten Fettsäuren und ggf. anderen Dicarbonsäuren reagieren, wobei die jeweilige Menge der einzelnen Ausgangsmoleküle das entstehende Polymer in seinen Eigenschaften bestimmt. Eine genaue Strukturformel ist bei diesen Substan-

2.3 Polykondensationsklebstoffe

117

zen nicht anzugeben, die Polymerkette setzt sich während der Polykondensation nach Wahrscheinlichkeitsgesetzen zusammen. Das durchschnittliche Molekulargewicht liegt bei Polyamidharzen im Bereich zwischen 5000 und 8000. Polyamidtypen, die über längere Molekülteile symmetrisch aufgebaut sind (lange Methylengruppensegmente), neigen zur Kristallisation. Dieses Kristallisationsvermögen ist z.T. mitbestimmend für die Kohäsionsfestigkeit der Klebschicht. Zu unterscheiden sind von den Polyamidharzen die Polyaminoamide, bei denen nach der Reaktion entsprechender Fettsäuren mit verschiedenen Aminen, z.B. Diethylentriamin, flüssige bis halbfeste Verbindungen mit reaktiven Aminogruppen entstehen, die insbesondere als Härtungskomponenten für Epoxidharzklebstoffe im Einsatz sind. Wichtige physikalische Parameter für den Einsatz als Schmelzklebstoffe (Abschn. 3.6) sind der Erweichungspunkt und die Schmelzviskosität. Als Modifizierungsmittel zur Erzielung spezifischer Klebschichteigenschaften dienen Harze (Kolophonium-, Phenolharze), Weichmacher und Füllstoffe. Auch Copolymere von Polyamidharzen mit Bisphenolen oder auch EthylenVinylacetat sind bekannt [D145, D146]. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.3.2: [B355, C1, D8, G152, I3, I4, I14, J18, L72, W65]. Weitere wichtige Literatur ist in Zusammenhang mit dem Einsatz der Polyamide für Schmelzklebstoffe erschienen, s. Abschnitt 3.6. Fachbuch: [B384].

2.3.3 Polyester

Unter Polyestern versteht man Produkte, die durch Veresterung mehrbasischer organischer Säuren mit mehrwertigen Alkoholen entstehen. Die ebenfalls häufig verwendete Bezeichnung Alkydharze (aus alcohol und acid mit leichter Abweichung gebildet) deutet ebenfalls auf diese Ausgangsprodukte hin. Es werden gesättigte und ungesättigte Polyester unterschieden. 2.3.3.1 Gesättigte Polyester und Copolyester

Sie entstehen gemäß der Reaktionsformel (2.99) und können als Homo- oder Copolyester formuliert werden:

(2.99)

118

2 Klebstoffgrundstoffe

(2.100)

Homopolyester, wie z.B. Polyethylenterephthalat (PET, Formel (2.100)), Polybutylenterephthalat (PBT) werden vorwiegend als Konstruktionswerkstoffe oder in der Verpackungsindustrie eingesetzt und spielen als Grundstoffe für Schmelzklebstoffe u.a. wegen ihrer relativ hohen Schmelzpunkte keine Rolle. Im Gegensatz hierzu entstehen die Copolyester durch Kondensationsreaktionen von verschiedenen Komponenten, d.h. mehr als einer Dicarbonsäure und/oder mehreren Diolen. In Formel (2.99) stellen demnach die als R1 und R2 bezeichneten Gruppierungen verschiedene Alkylene, Cycloalkylene, Arylene oder auch Alkylarylene dar. Durch Variation dieser Gruppierungen ergibt sich die Möglichkeit, die chemischen und physikalischen Eigenschaften der Copolyester über einen sehr weiten Bereich zu verändern. Die wichtigsten verarbeitungs- und anwendungsspezifischen Eigenschaften der Copolyester werden dabei durch die folgenden Parameter charakterisiert: – Kondensationsgrad als Basis für die Molmasse (üblicherweise bis max. 30000), – Aggregatzustand: Flüssig – mittel/hochviskos – fest, – Morphologie: Amorph – teilkristallin – kristallin, – Schmelzpunkt, Fließpunkt: bis ca. 230 °C, – Schmelzviskosität, – Glasübergangstemperatur: Tg –80 °C bis 120 °C. Allgemein ist festzustellen, dass niedermolekulare amorphe Copolyester für sich allein und ohne Vernetzung wegen ihrer Sprödigkeit (Tg > R.T.) und dem selbst bei hoher Molmasse noch vorhandenen kalten Fluss (Tg < R.T.) als Klebstoffe nicht brauchbar sind. In Kombination mit hochmolekularen Copolyestern können sie jedoch Vorteile gegenüber den hochmolekularen Copolyestern als Einzelkomponente im Hinblick auf geringere Schmelzviskosität, Erniedrigung des Fließpunktes und verbesserter Adhäsionseigenschaften bringen. Während die amorphen Polymere über einen mehr oder weniger breiten Temperaturbereich erweichen, zeigen die kristallinen Polymere einen scharfen Schmelzpunkt. Daher wird zwischen dem Fließpunkt für amorphe und

2.3 Polykondensationsklebstoffe

119

dem Schmelzpunkt für kristalline Polymere unterschieden. Die Löslichkeit der Copolyester in organischen Lösungsmitteln ist ebenfalls eine Folge der Kristallinität. Amorphe Copolyester weisen im Allgemeinen eine gute, teilkristalline noch eine begrenzte Löslichkeit auf, die mit zunehmender Kristallinität schnell abnimmt. Die vorstehend beschriebenen Copolyester stellen wesentliche Grundkomponenten für Schmelzklebstoffe (Abschn. 3.6), Schmelzhaftklebstoffe (Abschn. 3.4) und auch für lösungsmittelhaltige Kaschierklebstoffe (Abschn. 3.8) dar. Als wesentlicher Unterschied zu den in Abschnitt 2.3.2 als Schmelzklebstoffgrundstoff beschriebenen Polyamidharzen ist festzustellen, dass die Copolyester nicht über die für die Kohäsionsfestigkeit bedeutsamen Wasserstoffbrückenbindungen (Abschn. 6.1.4.4) verfügen. Durch eine Acrylierung (Abschn. 2.1.1.3) können gesättigte Copolyester auch einer Strahlungshärtung zugänglich gemacht werden: (2.101)

Sie werden lösungsmittelfrei oder ggf. unter Zusatz geringer Mengen eines Reaktivverdünners (Abschn. 2.3.3.2) verarbeitet. Die Aushärtung kann durch Elektronen- oder UV-Strahlung (mit entsprechenden Photoinitiatoren) erfolgen. Neben den vorstehend beschriebenen thermoplastischen, nicht reaktiven Schmelzklebstoffen existieren ebenfalls reaktive Schmelzklebstoffe (Abschn. 2.2.1.8, 2.2.2.5) auf Copolyesterbasis. Da bei der Polykondensationsreaktion die Copolyester überwiegend mit endständigen Hydroxylgruppen anfallen (Formel (2.99), bei OH-bifunktionellen Formulierungen spricht man von Polyesterpolyolen), können diese mit einem entsprechenden Überschuss einer Diisocyanatkomponente umgesetzt werden, wobei Prepolymere mit endständigen Isocyanatgruppen entstehen. Diese Prepolymere sind dann über die funktionelle Isocyanatgruppe durch Feuchtigkeit härtbar (Abschn. 2.2.2). Eine weitere Möglichkeit zur Herstellung reaktiver Schmelzklebstoffe auf Basis gesättigter Copolyester besteht in der Funktionalisierung mit Carboxylgruppen, die dann nach Umsetzung mit Diepoxiden und Zugabe entsprechender latenter Härter aus der Schmelze verarbeitet werden können und anschließend unter Wärmezufuhr aushärten. Die auf diese Weise entstehenden Klebschichten weisen besonders hohe Festigkeiten bei gleichzeitig guter Flexibilität auf. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.3.3.1: [B6, B86, D138, D307, E146, G3, G149, H88, H160, H161, H163–H165, K300, M163, M222, R2, R31].

120

2 Klebstoffgrundstoffe

2.3.3.2 Ungesättigte Polyester

Die auch als ungesättigte Polyesterharze (UP-Harze) bezeichneten Verbindungen werden durch eine Polykondensationsreaktion von ungesättigten Di- oder Polycarbonsäuren mit Polyalkoholen erhalten, z.B. aus Maleinsäure und Propylenglykol: (2.102)

Bei geeigneter Reaktionsführung bleiben die Doppelbindungen in der Säure und/oder dem Alkohol erhalten und ermöglichen auf diese Weise Reaktionen mit ungesättigten Monomeren nach dem Prinzip der Polymerisation (Abschn. 2.1.2). In praxi verläuft diese Kombination einer Polykondensationsund einer Polymerisationsreaktion wie folgt ab: 앫 Zunächst wird über eine Polykondensation in der ersten Stufe ein ungesättigter Polyester gebildet, den man sich auch als ein „höhermolekulares Monomer“ mit polymerisierfähigen Doppelbindungen vorstellen kann. 앫 Dieses Monomer, das je nach den verwendeten Ausgangsprodukten fest oder zähflüssig sein kann, wird in einem zur Mischpolymerisation fähigen „Lösungsmittel“ gelöst und in dieser Form als Klebstoff eingesetzt. Als Initiator für den nach dem Prinzip der Radikalkettenpolymerisation (Abschn. 2.1.1.3.3) erfolgenden Ablauf der Polymerbildung wird ein Peroxidhärter verwendet, es handelt sich demnach um typische Zweikomponentensysteme. In diesem Zusammenhang ist der Begriff „Lösungsmittel“ genau zu definieren. Dieses besteht aus einem Monomer mit ungesättigten KohlenstoffKohlenstoff-Bindungen, das drei Funktionen erfüllt: 앫 Es vermag den festen bzw. hochviskosen ungesättigten Polyester zu lösen; 앫 es verleiht dem System somit die für eine einwandfreie Benetzung der Fügeteile erforderliche niedrige Viskosität; 앫 es entweicht nicht wie ein „normales“ Lösungsmittel, sondern wird als copolymerisierfähige Komponente in das Klebschichtpolymer mit eingebaut. (Es handelt sich bei diesen Klebstoffen im Grunde also um lösungsmittelfreie Systeme). Typische reaktive Lösungsmittel in dem angesprochenen Sinn sind Vinyl- und Acrylverbindungen, insbesondere das Monostyrol (Abschn. 2.1.3.7).

2.3 Polykondensationsklebstoffe

121

(2.103)

Durch Einwirkung von Wärme oder Katalysatoren erfolgt eine Verknüpfung der Polyesterketten über die Styrolkomponente miteinander zu stark vernetzten Polymeren (Formel (2.103)). Dabei entsteht ein Styrol-Polyester-Copolymerisat mit überwiegendem Polyesteranteil. Durch die Quervernetzung kommt es zur Ausbildung einer duromeren Molekülstruktur, die je nach Dichte des Netzwerkes und den am Aufbau beteiligten Komponenten in einem mehr oder weniger großen Umfang durch Wärmeeinwirkung erweicht, aber nicht wie ein Thermoplast aufschmilzt. Wie bei vielen Reaktionen, die zu einer Polymerbildung führen, lassen sich auch hier je nach Struktur der Ausgangskomponenten die Eigenschaften der Klebschicht in weitem Umfang variieren, die Klebschichtfestigkeiten reichen von gummielastischem bis zu hartem und sprödem Verhalten. Gegenüber den gesättigten Copolyestern treten die ungesättigten Polyester als Klebstoffgrundstoffe zurück, als Vergussmassen haben sie eine gewisse Bedeutung (Elektroindustrie). Ihr Haupteinsatzgebiet haben sie als Ausgangsprodukte für die Herstellung von Formteilen in der Bau-, Fahrzeug-, Apparateindustrie, sowie im Bootsbau. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.3.3.2: [B5, J71].

2.3.4 Silicone

Die Silicone (auch Siliconkautschuke genannt) unterscheiden sich grundsätzlich von allen anderen organischen Polymersubstanzen, die aus Kohlenstoffketten oder -ringen aufgebaut sind. Zwei Merkmale sind für die Silicone typisch: – Der Aufbau der Silizium-Sauerstoff-Bindungen (Siloxanbindungen) als molekülverknüpfende Elemente; – ein Gehalt an Kohlenwasserstoffgruppen als Substituenten. Im Prinzip lässt sich den Siliconen der folgende Molekülaufbau zuordnen: (2.104) Es handelt sich in der dargestellten Form um linear oder überwiegend linear aufgebaute Moleküle, die Diorganopolysiloxane, die über endständige Silanol-

122

2 Klebstoffgrundstoffe

Endgruppen verfügen (α , ω -Dihydroxydiorganopolysiloxane). Die Substituenten R sind im Allgemeinen Methylgruppen, in selteneren Fällen Phenylgruppen. Die Zahlen für „n“ können in einem weiten Bereich variieren, sie liegen bei den RTV-1 Systemen im Bereich zwischen 500 und 1500 (R2SiO)-Einheiten, hieraus ergeben sich Molekulargewichte von 35000–115000. Nach der chemischen Terminologie sind die Silicone als Polyorganosiloxane aufzufassen. Sie weisen im Grundgerüst eine rein anorganische Struktur auf, die durch Einbau organischer Gruppen ergänzt wird. Dabei ist das Siliziumatom in der Lage, ein oder mehrere organische Gruppen an sich zu binden: (2.105)

Es ist zu bemerken, dass die Silanole mit zunehmender Anzahl an OH-Gruppen sehr instabil werden und spontan eine Kondensation unter Ausbildung von –Si–O–Si-Bindungen erfolgt. Für die Aushärtung zu Klebschichten bzw. Klebdichtungen sind die beiden folgenden Reaktionsmechanismen möglich: 2.3.4.1 Einkomponenten-RTV-Systeme

Der Abbindevorgang erfolgt bei Raumtemperatur durch Luftfeuchtigkeit (= RTV – 1, Raum-Temperatur-Vernetzung). Ausgangsprodukte sind Polydimethylsiloxane. Um die beschriebene Eigenkondensation an den Hydroxylgruppen und somit vorzeitige Polymerbildung zu verhindern, werden die endständigen OH-Gruppen durch sog. Vernetzer blockiert. Diese Vernetzer haben zwei Aufgaben: Zum einen, die erwähnte OH-Gruppenblockierung bis zur Anwendung des Klebstoffs sicherzustellen, zum anderen bei Zutritt von Feuchtigkeit in die mit dem Klebstoff gefüllte Klebfuge eine Vernetzung zum Polymer zu ermöglichen. Im einzelnen sieht dieser Mechanismus wie folgt aus:

(2.106)

2.3 Polykondensationsklebstoffe

123

In diesem Stadium wirkt der Vernetzer als „Blockierer“ der OH-Gruppen unter gleichzeitiger Vermehrung der funktionellen Gruppen für die spätere Vernetzung. (Der Vernetzer erfüllt hier weiterhin noch die Aufgabe, ggf. in der Verpackung vorhandene oder in die Verpackung eindringende Feuchtigkeit chemisch zu binden.) Vom chemischen Aufbau betrachtet sind die Vernetzer hydrolyseempfindliche Substanzen, d.h. sie werden durch Reaktion mit Wasser unter Bildung entsprechender Spaltprodukte zersetzt. Unterschieden wird in basische (Verbindungen mit primären Aminogruppen –NH2 ), saure (Verbindungen mit einer Acetoxygruppe –OOC–CH3 ) und neutrale (Verbindungen mit z.B. Alkoxygruppen –O–R, Säureamidgruppen –NH–CO–R oder R Ketoximgruppen –O–N = C ) Vernetzer. Die entsprechenden Spaltprodukte R sind dann in gleicher Reihenfolge Amine, Essigsäure, Oxime bzw. Alkohole. Der Abbindevorgang erfolgt unter Einfluss von Feuchtigkeit, die zu einer Hydrolyse des Vernetzers und der Freisetzung des resultierenden Spaltproduktes unter gleichzeitiger Vernetzung der Siloxanketten über Sauerstoffbrücken führt. In dieser Phase erfüllt der Vernetzer die ihm vom Namen her gegebene Funktion:

(2.107)

In dem Einkomponentensystem wirkt das nach dem Auftragen des Klebstoffs zutretende Wasser als zweite, die Polymerbildung auslösende Komponente. Bei der Verwendung von sauren Vernetzern ist z.B. das Auftreten des Spaltproduktes Essigsäure an dem typischen Geruch zu erkennen. Die Reaktionsgeschwindigkeit eines RTV-1-Systems wird im Allgemeinen bei einer relativen Feuchtigkeit von 50% und einer Temperatur von 23 °C angegeben. In Abhängigkeit vom Vernetzungssystem beträgt die durchschnittliche Vulkanisationsgeschwindigkeit unter diesen Bedingungen ca. 1–2 mm pro Tag, sodass je nach der auszuhär-

124

2 Klebstoffgrundstoffe

tenden Schichtdicke die Abbindezeiten minimal im Stundenbereich liegen und sich auf Tage ausdehnen können. Die Vulkanisation findet ebenfalls bereits bei geringen Luftfeuchtigkeitswerten statt (z.B. bereits bei 5% rel. F.), nur entsprechend diesem niedrigen Gehalt langsamer. Da die Vulkanisationsgeschwindigkeit durch die Diffusion der Wassermoleküle bestimmt wird und diese mit höherer Temperatur ansteigt, ist eine Abhängigkeit von der Temperatur gegeben. Der Effekt durch eine Erhöhung der Feuchtigkeitskonzentration ist jedoch entschieden größer. (Über die Feuchtigkeitskonzentration in der Luft in Abhängigkeit von der Temperatur gibt Tabelle 12.2, Abschn. 12.3.1 Auskunft). Die Erhöhung der Feuchtigkeitskonzentration wird bei schnellhärtenden, über Acetoxygruppen kaltvulkanisierenden Siliconkautschuken durch Beschleuniger erreicht, die Alkali- oder Erdalkalihydroxide enthalten. Diese Hydroxide neutralisieren die als Kondensationsprodukt entstehende Essigsäure gemäß der Formel

(2.108) unter Freisetzung von Wasser, das dann wiederum für die Kondensationsreaktion zur Verfügung steht. Da diese Reaktion „in situ“, d.h. innerhalb der Kleb- bzw. Dichtschicht abläuft, entfällt der sonst für die Aushärtung notwendige zeitabhängige Diffusionsvorgang des Wassers von außen [E83, M136]. 2.3.4.2 Zweikomponenten-RTV-Systeme

Diese als RTV–2 bezeichneten Systeme finden insbesondere da Anwendung, wo die RTV–1-Systeme aufgrund zu geringer Luftfeuchtigkeit oder zu großer Klebschichtdicken bzw. -flächen nicht mehr oder zu langsam aushärten. Es werden zwei Reaktionsarten unterschieden: 앫 Kondensationsvernetzung. Die beiden Komponenten bestehen A) aus einem Kieselsäureester und B) aus einem Hydroxypolysiloxan. Der Kieselsäureester vermag unter der Einwirkung eines ihm zugegebenen Katalysators (zinnorganische Verbindung) vier Siloxanmoleküle bei gleichzeitiger Alkoholabspaltung zu binden. Auf diese Weise entstehen sehr verzweigte Netzstrukturen:

(2.109)

2.3 Polykondensationsklebstoffe

125

Die Geschwindigkeit dieser Reaktion hängt neben der Temperatur und dem pH-Wert von der Katalysatorkonzentration, der Kettenlänge des Diorganopolysiloxans sowie der Menge und Art des Kieselsäureesters ab. 앫 Additionsvernetzung: In diesem Fall bestehen die beiden Komponenten aus einem Siloxan mit endständiger Vinylgruppe A) und aus einem Siloxan mit Silizium-Wasserstoff-Bindungen B). Unter Katalysatoreinwirkung erfolgt eine Additionsvernetzung ohne Bildung eines Nebenprodukts:

(2.110)

Die Siliziumatome werden also wechselseitig sowohl über Sauerstoffatome als auch über zwei Methylengruppen miteinander verknüpft. Bei dieser Additionsvernetzung ist eine starke Abhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit von der Temperatur gegeben. Während die Vulkanisationszeit z.B. bei Raumtemperatur bis zu 24 Stunden beträgt, lässt sie sich bei 150 °C auf ca. 10 Minuten abkürzen. Basierend auf ihrer anorganischen Grundstruktur weisen die Silicone als Kleb- und Dichtschichten gegenüber auf rein organischer Basis aufgebauten Systemen einige bemerkenswerte Eigenschaften auf: 앫 Erhöhte Temperaturbeständigkeit. Bei entsprechenden Formulierungen sind Dauertemperaturbeständigkeiten bis zu 200 °C, kurzzeitige Beanspruchungen bis zu 300 °C möglich. Diese hohe Wärmebeständigkeit ist insbesondere auf die mit 368 kJ/Mol höhere Atombindungsenergie der Si–O-Bindung gegenüber 348 kJ/Mol der C–C-Bindung zurückzuführen. 앫 Sehr hohe Flexibilität auch bei tiefen Temperaturen. Die große Flexibilität der Siliconkautschuke beruht im Wesentlichen auf den stark unterschiedlichen Werten der Bindungswinkel Si–O–Si (143°) und O–Si–O (110°), durch die eine hohe Kettenbeweglichkeit resultiert. Hierauf sind ebenfalls die je nach ihrem chemischen Aufbau extrem niedrigen Werte der Glasübergangstemperaturen bis zu –123 °C zurückzuführen. 앫 Hervorragende Witterungsbeständigkeit, die in jahrzehntelangem Einsatz, vor allem im Bereich der Außenverfugung, unter Beweis gestellt wurde.

126

2 Klebstoffgrundstoffe

앫 Gute Beständigkeit gegenüber schwachen Säuren und Basen sowie polaren Lösungsmitteln und Salzlösungen. Verschiedene Lösungsmittel wie Ketone, Ester, chlorierte Kohlenwasserstoffe, führen zu einer Quellung, die jedoch reversibel ist. Ein Einsatz für diese Beanspruchungen ist daher von den im einzelnen vorliegenden Bedingungen abhängig zu machen. 앫 Ausgezeichnete elektrische Eigenschaften, z.B. geringe dielektrische Verluste (tan δ ∼ 0,01), niedrige relative Dielektrizitätskonstante (D ∼ 3). Hervorzuheben ist ergänzend die sehr geringe Temperaturabhängigkeit dieser Werte. Mit Siliconen lassen sich elastische Kleb- und Dichtschichten bei relativ hoher Kohäsions- und guter Adhäsionsfestigkeit herstellen. Diese Eigenschaft ist von großem Vorteil bei Verbindungen von Fügeteilen mit sehr unterschiedlichen Wärmeausdehnungskoeffizienten, wie es z.B. bei Silizium-Solarzellen oder Keramikfliesen auf metallischen Fügeteilen in der Luft- und Raumfahrttechnik der Fall ist. Ein großer Einsatzbereich der Siliconkautschuke liegt auf dem Gebiet der Dichtstoffe (Abschn. 3.19). Zur Erhöhung der mechanischen Festigkeit werden für diese Anwendungen verstärkende Füllstoffe (pyrogene Kieselsäure) und inaktive Füllstoffe (Calciumcarbonat, Aluminiumsilicat u.ä.) zugesetzt. Weiterhin sind Silicone bedeutende Grundstoffe für die Herstellung von Haftklebstoffen, insbesondere für Anwendungen bei erhöhten Temperaturen. Durch entsprechende Modifikationen können Haftfestigkeit, Tack, Schälwiderstand und Wärmeverhalten gezielt eingestellt werden. Als signifikante Polymere gelten Fluor-, Epoxi-, Vinyl- und Aminosilicone [S255]. Haftklebstoffe auf Basis von Siliconen haben wegen ihrer hervorragenden Hautverträglichkeit ebenfalls große Bedeutung für medizinische Anwendungen (Abschn. 15.10). Durch Einbau funktioneller Gruppen in die Siloxanketten sind Siliconklebstoffe und -dichtstoffe für spezielle Anwendungen und Verarbeitungstechnologien entwickelt worden. Dazu gehören u.a. – strahlungsvernetzende Silicon-Acrylate und Silicon-Epoxide, insbesondere für Trennmittelbeschichtungen (Abschn. 2.3.4.4), – reaktive Silicon-Polyurethan Schmelzklebstoffsysteme [E84], – Silicone als Grundstoffe für Dichtstoffe (Abschn. 3.19), – Silicon-Epoxid-Elastomere [P81], – Silicon Verguss- und Tauchmassen für die Elektronik [B165], – dauerelastische und hitzebeständige Verbindungen von Glaskeramikkochflächen mit den Rahmenkonstruktionen [D348]. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.3.4.1 und 2.3.4.2: [B165, B351, C111, C127, D9, D67, D347, E42, E83, G27, K9, L5, L151, M136, N15, P81, R3, S97, S255, T22].

2.3 Polykondensationsklebstoffe

127

2.3.4.3 Siloxan-Dispersionen

Der Aufbau von Siloxan-Dispersionen besteht aus Polydiorganosiloxanen (Formel 2.104), die endständig kondensationsfähige Gruppen aufweisen. Diese hochmolekularen Polysiloxane werden entweder direkt emulgiert oder in einer Emulsion durch Polymerisation oder Kondensation aus linearen oder cyclischen niedermolekularen Polysiloxanen hergestellt. Ergänzend werden Vernetzerkomponenten und Kondensationskatalysatoren (Organo-Metallverbindungen) zugefügt. Nach Entfernung der wässrigen Phase bei der Verarbeitung entstehen Elastomere. Verwendung finden die Dispersionen als Dichtund Beschichtungsstoffe. 2.3.4.4 Silicon-Trennmittel

Ein besonderes Einsatzgebiet für Silicone stellen Beschichtungen auf anderen Werkstoffen mit antiadhäsiven bzw. hydrophoben Eigenschaften dar (ReleaseBeschichtungen, -coatings, -agents; Dehesives, Abhesives). Sie sind in vielen Fällen Voraussetzung für die Anwendung von Haftklebstoffen auf Klebebändern, Klebeetiketten u.ä. (Abschn. 3.4). Von den Klebeigenschaften der beschriebenen Siliconkautschuke mit ihrem guten Adhäsionsverhalten (funktionelle OH-Gruppen) sind die Silicon-Trennmittel im Hinblick auf ihre chemische Struktur grundsätzlich zu unterscheiden. Das Grundgerüst sind reine räumlich vernetzte Dimethylpolysiloxane, die durch eine geringe molekulare Eigenbewegung (sehr niedriger Tg -Wert) und durch die unpolaren Dimethylsilyl-Gruppen nur eine sehr geringe Wechselwirkung mit anderen Materialien eingehen. Die Dimethylsiloxanketten haben die Eigenschaft, dass sich die polaren Siloxygruppen (Si–O–) der ebenfalls polaren Oberfläche des mit ihnen beschichteten Substrates (Papier) zuwenden, während die unpolaren Dimethylsilylgruppen der Substratoberfläche abgewandt sind (Formel (2.111)):

(2.111)

Durch die chemische und physikalische Indifferenz und durch den unpolaren Charakter ergibt sich eine außerordentlich geringe Oberflächenenergie von nur 22 mJm–2, die wiederum das sehr geringe Benetzungsvermögen dieser Schicht erklärt (Abschn. 6.4.2.2). Somit lassen sich mit Haftklebstoffen beschichtete Substrate leicht wieder von ihnen trennen.

128

2 Klebstoffgrundstoffe

Für Haftklebstoffe auf Siliconbasis reichen Beschichtungen mit Dimethylpolysiloxanen oft nicht aus, da die Oberflächenenergien beider Systeme in der gleichen Größenordnung liegen. In diesen Fällen kommen fluorierte Siloxane zum Einsatz, mit denen sich die Oberflächenenergien der Beschichtung bis auf ca. 10–15 mJm–2 reduzieren lässt. Die Silicon-Trennmittelbeschichtungen (Auftragsgewicht 1–2 gm–2) werden auf die entsprechenden Papier- oder Folienoberflächen (PE, PP, PET) aufgebracht und fast ausnahmslos über Strahlungshärtung (UV- oder Elektronenstrahlung) lösungsmittelfreier Systeme direkt auf der Oberfläche vernetzt. Ausgangsprodukte sind dabei acryl- oder epoxidmodifizierte Polydimethylsiloxane. Die strahlungshärtenden Siliconacrylate können durch Elektronen- oder UV-Strahlen (im letzteren Fall bei Anwesenheit von Photoinitiatoren) vernetzt werden. Chemisch gesehen handelt es sich um flüssige PolydimethylsiloxanPrepolymere, bei denen durch Modifizierung mit Acrylsäure reaktive Gruppen in die Molekülketten eingebaut werden:

(2.112)

Die Aushärtung erfolgt durch Polymerisation der C=C-Doppelbindungen der Acrylatgruppen über eine Radikalkettenreaktion (Abschn. 2.1.1.3.3). Die strahlungshärtenden Epoxid-Silicone basieren ebenfalls auf Polydimethylsiloxanen, die mit Epoxiden, vorzugsweise cycloaliphatischen Epoxiden (Abschn. 2.2.1.1), funktionalisiert sind: (2.113)

Die Aushärtung erfolgt mittels einer kationischen Polymerisationsreaktion (Abschn. 2.1.1.3.10).

2.3 Polykondensationsklebstoffe

129

Bei den neben den strahlungshärtenden Systemen eingesetzten thermisch härtenden, ebenfalls lösungsmittelfreien Siliconbeschichtungen erfolgt die Vernetzung über eine metallkatalysierte (Platin-, Rhodiumkomplexe) Additionsreaktion von SiH-funktionellen Siloxanen mit vinylfunktionellen Siloxanen (Formel (2.110)). Die Herstellung der Trennpapiere erfolgt als In-line-Beschichtung. Ein entscheidendes Kriterium für die Qualität ist der Trennwert. Er definiert die aufzuwendende Kraft (Bereich von cN/10 mm), um die Haftklebefolie von dem Trennpapier zu lösen. Da die Siliconbeschichtungen üblicherweise ein sehr niedriges Trennkraftniveau besitzen (Gefahr der Selbstablösung der Haftklebschichten), ist eine gezielte Einstellung des Trennverhaltens mit dem Ziel höherer Trennwerte wichtig. Diese gezielte Trennkrafterhöhung wird als „Controlled Release (CR)“ bezeichnet. Möglichkeiten dafür bestehen u.a. darin, im Organosiloxan einen Teil der unpolaren Methylgruppen durch Phenylgruppen oder andere höhermolekulare organische Reste mit abgestimmten polaren Eigenschaften zu ersetzen [D350]. Weiterhin ist die Einstellung der Trenneigenschaften über Zugabe von Trennkraftreglern (Additive auf Basis von Siliconharzen) möglich, deren Anteile in der Oberfläche des Trennpapiers die Höhe des Trennwertes bestimmen. Die Problematik von Silicon-Kontaminationen und ein möglicherweise dadurch bedingtes verringertes Adhäsionsverhalten von Klebebändern durch Migration von Siliconbestandteilen in die Haftklebstoffoberfläche wurde in [W142] untersucht. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.3.4.4: Allg. Darst.: [B168, F78, G19, G146, H89, H90, H338, K156, K157, K262, K263, K265, M254, P31, P159, R35, S98, S163–165, T22, W66]. Siliconacrylate: [B167, H345, J40, M229, M232]. Epoxid-Silicone: [B167, E41, E42, E64, E85–E87, K264, R68]. Polyolefin-Basis: [D389].

2.3.4.5 Silanmodifizierte (MS-)Polymere

Neben den seit langer Zeit bekannten Kleb- und Dichtstoffen auf Basis von Siliconen, Polyurethanen und Polysulfiden haben sich MS-Polymere in den vergangenen Jahren einen stark zunehmenden Markt erobert. Die Bezeichnung MS-Polymer beruht auf dem Vorhandensein von modifizierten Silangruppen an den Enden der Polypropylenoxid-Moleküle, die das Rückgrat dieser Systeme bilden (Formel 2.114). Weitere Bezeichnungen sind SMP (silanmodifizerte Polymere) oder STP (silylterminierte Polymere). 2.3.4.5.1 Aufbau der MS-Polymere

Für die MS-Polymere ist charakteristisch, dass das Polymerrückgrat aus einer mehr oder minder langen, ggf. mit Verzweigungen versehenen, Polyoxypropylen- bzw. Polypropylenoxid (PPO)-Kette als ein sog. Polyether-Polymer be-

130

2 Klebstoffgrundstoffe

steht. Sie besitzen demnach nicht wie die Silicone –O–Si–O–Si-Ketten. Da diese Ketten keine Hartsegmentdomänen (Abschn. 2.1.4.2, 2.2.2.8) ausbilden, resultieren sehr elastische Kleb- und Dichtstoffe. Die Vernetzung erfolgt durch Feuchtigkeit über die reaktiven endständigen Dimethoxymethylsilyl-Gruppen (Abschn. 2.3.4.1): (2.114)

Durch das den Siliconen ähnliche Alkoxy-Aushärtungsverhalten sowie der den Polyurethanen vergleichbaren chemischen Beschaffenheit der Hauptkette (Formel 2.115) lassen sich Eigenschaften vereinen, die sonst nur bei Siliconen oder Polyurethanen zu finden sind. Aus diesem Grund werden sie in der Literatur auch als „Hybride“ aus Siliconen und Polyurethanen bezeichnet. Für die Verarbeitungs- und Eigenschaftskriterien erfolgen ergänzend Zusätze wie – Füllstoffe (Rheologie, Standfestigkeit) – Weichmacher (Viskositätseinstellung) – Silanhaftvermittler (Verbesserung der Haftungseigenschaften auf Gläsern, Keramiken, Metallen) – UV-Stabilisatoren, Antioxidantien etc. 2.3.4.5.2 Eigenschaften und Verarbeitung

MS-Polymere verfügen über bemerkenswerte Eigenschaften, so z.B. – thermische Dauerbeständigkeiten von ca. 80–100 °C, – hohe Elastizität auch bei tiefen Temperaturen, (Glasübergangstemperatur Tg∼ – 60 °C), auch unterhalb dieser Temperatur verbleibt eine gewisse Restelastizität, – sehr gute Haftungseigenschaften auf einer Vielzahl von Substraten, – hohe UV- und Witterungsbeständigkeit. In Abhängigkeit von den Anwendungsbereichen kommen ein- oder zweikomponentige Systeme zum Einsatz. Für die einkomponentige Verarbeitung gilt als Voraussetzung ein ausreichender Zustritt der Luftfeuchtigkeit zu dem Prepolymer, da die Härtungsgeschwindigkeit eine Funktion der verfügbaren Feuchtigkeit sowie auch der Temperatur ist (Tabelle 12.2). Somit ist die Größe der von der konstruktiven Gestaltung abhängigen Kontaktfläche von entscheidender Bedeutung. Bei wasserdampfdurchlässigen Fügeteilen (Holz, poröse Werkstoffe) gilt diese Forderung nur eingeschränkt. Zweikomponentige Systeme vernetzen unabhängig von der umgebenden Feuchtigkeit durch eine feuchtigkeitsspendende und katalytisch wirkende zweite Komponente.

2.3 Polykondensationsklebstoffe

131

Die Einsatzgebiete für MS-Polymere sind dort zu finden, wo elastische Verbindungen und Abdichtungen gefordert werden, so z.B. im Waggon-, Nutzfahrzeug-, Wohnwagen-, Containerbau, Apparatebau, Fassaden- und Fensterverklebungen. 2.3.4.5.3 Modifikationen von MS-Dichtstoffen

Das große Elastizitätsverhalten hat naturgemäß zur Folge, dass hohen Klebfestigkeitswerten Grenzen gesetzt sind. Wenn Festigkeitswerte oberhalb 5 MPa gefordert werden, sind diese durch sterische Modifikationen der Hauptkette (Verzweigungen, Einbau aromatischer Strukturen) nicht in ausreichender Weise zu erreichen. Als Alternativen stehen folgende Konzepte zur Verfügung: 앫 MS-Polymer/Epoxidharz-Blends: Durch diese Kombination gelingt es, Forderungen nach hohen Klebfestigkeiten bei gleichzeitig ausreichendem Elastizitätsverhalten zur erfüllen. Zur Herstellung werden den silanfunktionellen Polyethern und den entsprechenden Epoxiden die jeweiligen Vernetzer/ Katalysatoren der anderen Komponente zugegeben. Auf diese Weise erhält man zwei stabile Komponenten, die vor der Verarbeitung gemischt werden. Bei dem Mischungsverhältnis existieren allerdings in Abhängigkeit von dem zur Aushärtung des Epoxidharzes erforderlichen Härters nur geringe Freiheitsgrade, die bei der Formulierung zu berücksichtigen sind. 앫 Acrylmodifizierte MS-Polymere (MA-Polymere): Die Herstellung geht von einer Copolymerisation von Acrylsäure mit acrylfunktionellen Alkoxysilanen zu silanmodifizierten Polymeren aus. Durch Zugabe dieser Copolymere zu den MS-Polymeren erhält man Produkte, die sich insbesondere durch erhöhte UV- und Wärmebeständigkeit sowie durch die Möglichkeit des Überstreichens auszeichnen. Im Gegensatz zu den MS-/Epoxiharz-Blends handelt es sich hierbei nicht um heterogene Systeme, sondern um ein mit den MS-Rezepturen kompatibles Mischsystem. Aus diesem Grund spricht man auch von acrylmodifizierten MS-Polymeren und nicht von Polymerblends. 앫 Silanmodifizierte Polyurethandichtstoffe: Ausgangsprodukte für diese Produkte, auch als STP-silanterminierte Polyurethane bezeichnet, sind hochmolekulare Di- oder Polyole, die mit Isocyanatoalkoxysilanen umgesetzt werden (sog. polymeranaloger Aufbau, bei dem unter Erhalt des Polymercharakters der beteiligten Reaktanden die Umwandlung eines Polymers in ein anderes durchgeführt wird). Beispielhaft kann das Isocyanat-propyl) 3 Si∫(OCH3)3 oder entsprechend das -tritrimethoxysilan O=C=N –CH ( 2— ethoxysilan –OC ( 2 H5 ) gelten. Auf diese Weise erhält man silylierte Polyurethane (SPUR) als isocyanatfreie, feuchtigkeitshärtende Kleb-/Dichtstoffe. In Gegenwart von Feuchtigkeit und ggf. Härtungskatalysatoren unterliegen die reaktiven Alkoxysilangruppen einer Hydrolyse mit anschließender Kondensation unter Ausbildung stabiler Siloxanketten.

132

2 Klebstoffgrundstoffe

Eine weitere Synthese geht von Urethan-Prepolymeren mit endständigen Isocyanatgruppen aus, die mit Aminosilanen zu silan-terminierten Polyurethanen umgesetzt werden:

(2.115)

앫 Silanmodifizierte Polyisobutylen-Dichtstoffe: In diesem Fall werden bei der Polymerisation von Isobuten (Isobutylen, Formel 2.44) die Kettenenden mit feuchtigkeitsreaktiven Methyldimethoxy- bzw. -trimethoxysilylgruppen terminiert. In weiterem Sinne wird auf diese Weise eine „Brücke“ zwischen Kautschuktechnologie und feuchtigkeitsvernetzenden Systemen geschlagen. Die Verwendung von Isobutylen als Polymerrückgrat ist vor allem für Dichtstoffanwendungen interessant, weil aufgrund der hydrophoben Eigenschaften sehr geringe Gas- und Dampfdiffusionswerte resultieren, die deutlich unterhalb denen von Siliconen, Polyurethanen und Polysulfiden liegen. Außerdem besitzen diese Polymere wegen des Fehlens von aromatischen Strukturen und C=C-Doppelbindungen eine sehr gute UV-Beständigkeit. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.3.4.5: [D351, D352, F81, H292, H296, H297, H306, H362, H363, L140, M226, N86, O33, P91, P160].

2.3.5 Polyimide (PI)

Die Versuche zur Anwendung der Polyimide entstammen den Bemühungen, auf organischer Basis aufgebaute Klebstoffe für hohe Temperaturbeanspruchungen zur Verfügung zu haben (Abschn. 3.9). Die Herstellung technisch nutzbarer Polyimide erfolgt durch Umsetzung der Anhydride 4-basischer Säuren, z.B. Pyromellithsäureanhydrid mit aromatischen Diaminen, z.B. Diaminodiphenyloxid:

2.3 Polykondensationsklebstoffe

133

(2.116)

(2.117)

Als Zwischenstufe der in dieser Formel dargestellten Reaktion erfolgt zunächst eine Addition des aromatischen Amins an das Carbonsäureanhydrid unter Aufspaltung des Säureanhydridringes und Bildung einer Polyamidocarbonsäure, aus der dann durch einen thermischen Ringschluss bei gleichzeitiger Wasserabspaltung langkettige hochmolekulare Polymere entstehen. Die hohe Wärmebeständigkeit, Unlöslichkeit sowie auch Unschmelzbarkeit ist im Wesentlichen eine Folge der Kombination von einem Kohlenstoff-6-Ringsystem mit einem stickstoffhaltigen 5-Ringsystem unter gleichzeitiger Anwesenheit der Phenylenoxidstruktur. Diese Kombination führt zu einer äußerst großen Rotationsbehinderung (Abschn. 3.9) des Gesamtmoleküls. Die Anwendung als Klebstoff erfolgt ausgehend von einem Vorkondensat in Form von Lösungen oder Filmen, die wegen ihrer Unbeständigkeit bei –20 °C gelagert werden müssen. Die Filme werden im Allgemeinen auf Glasgewebeträgermaterial, ggf. unter Zusatz von Stabilisatoren (Arsenverbindungen) und gefüllt mit Aluminiumpulver unter kontinuierlicher Aufrechterhaltung der Kühlkette in den Handel gebracht. Die Aushärtungstemperaturen liegen bei ca. 230– 250 °C unter gleichzeitiger Anwendung eines hohen Drucks von 0,8–1 MPa. Durch diese Verarbeitungsvoraussetzungen ist die Anwendung der Polyimide sehr beschränkt, sie finden in Spezialanwendungen des Flugzeugbaus Verwendung, so z.B. bei Klebungen von Titan und Edelstählen im Überschallbereich.

134

2 Klebstoffgrundstoffe

Das Kleben der Aluminiumlegierungen führt bei den erforderlichen hohen Temperaturen bereits zu merklichen Gefügebeeinflussungen und somit Festigkeitsverlusten. Die Dauerwärmebeständigkeit ist bis ca. 260 °C gegeben, nach 8000 h Temperaturbelastung wurden noch Restfestigkeiten von 20 Nmm–2 gemessen. Kurzzeitige Temperaturbeanspruchungen sind bis zu 500 °C möglich. Über den Einsatz der Polyimide als Klebstoffe ist in den vergangenen Jahren eine Fülle wissenschaftlicher Veröffentlichungen erschienen. Sie entstammen vorwiegend Arbeiten im NASA-Langley Research Center, Hampton VA, USA, die speziell im Bereich der Anwendungen in der Luft- und Raumfahrt durchgeführt wurden. Die vorstehenden Ausführungen können daher nur als eine kurze Darstellung wichtiger Merkmale angesprochen werden. Der sehr komplizierte Chemismus der jeweiligen Additions- und Kondensationsreaktionen, die Möglichkeit, über Copolymerisate thermoplastische Strukturen zu bilden sowie das Alterungsverhalten der Polyimide ist in den nachfolgenden Literaturstellen im Einzelnen beschrieben. Polyamid-Polyimid-(PAPI)Blockpolymere, die als thermisch-reaktive Beschichtungsmassen eingesetzt werden und auch als Klebstoffgrundstoffe von Interesse sein können, werden in [E88] ausführlich dargestellt. Zum Kleben von Polyimid siehe Abschnitt 14.1.6.2.6. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.3.5: [B7, B87, B169, D10, D11, E128, F23, H10, H91–H93, J36, K10, K11, K91, K128, P3, P32–P34, P82, P83, R108, S5–S9, S99, S100, S166, V1].

2.3.6 Polybenzimidazole

Die Polybenzimidazole sind ebenfalls den hochwärmebeständigen Klebstoffen zuzuordnen. Sie entstehen durch eine Polykondensationsreaktion aus aromatischen Tetraminen mit Dicarbonsäureestern:

(2.118)

2.3 Polykondensationsklebstoffe

135

Auch in diesem Fall erfolgt die in der Klebfuge stattfindende Kondensation über die Zwischenstufe einer Polyamidocarbonsäure. Wie bei den Polyimiden ist auch bei den Polybenzimidazolen die Verarbeitung sehr aufwendig. Aushärtetemperaturen bis 300 °C bei Haltezeiten von einer Stunde und ebenfalls hohe Anpressdrücke erfordern sehr aufwendige Autoklaven. Die Dauerwärmebeständigkeit liegt z.B. bei 300 °C bei ca. 500 h. In Gegenwart von Sauerstoff wird das Polybenzimidazol schnell oxidiert. Da es jedoch auf Metalloberflächen sehr gute Haftung besitzt und in der Klebfuge dem Sauerstoffeinfluss entzogen ist, ist dieser Klebstoff für hochwertige und wärmebeständige Metallklebungen in Spezialfällen, z.B. Flugzeugbau, im Einsatz. Ein in ähnlicher Weise aufgebautes Polymer, das ebenfalls eine hohe Temperaturbeständigkeit aufweist, wird in [H11, H12, P4] als Polyphenylchinoxalin (PCO) für Klebungen von Titan und kohlefaserverstärkten Kunststoffen beschrieben. Über Ergebnisse zur Klebbarkeit von PPQ-Folien wird in [D292, D293] berichtet (s.a. Abschn. 14.1.6.2.15). Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.3.6: [D292, D293, H10, H91–H93, L6, L7, P4, S100].

2.3.7 Polysulfone

Die Polysulfone gehören ebenfalls in die Gruppe der wärmebeständigen Klebstoffe. Sie werden beispielsweise durch eine Polykondensationsreaktion aus Dihydroxydiphenylsulfon und Bisphenol A erhalten:

(2.119)

Ergänzend zu diesen Monomeren sind weitere aromatische Grundstrukturen möglich, bei denen die lineare Verknüpfung von Benzolringen über Etheroder Oxidbrücken, abgewandelt durch Zwischenglieder und Seitengruppen, erfolgt. Die Polysulfone gehören als Thermoplaste zu den polyaromatischen Verbindungen, die trotz ihrer hohen Warmfestigkeit (bis ca. 200 °C) noch

136

2 Klebstoffgrundstoffe

schmelzbar sind (Schmelzbereich ca. 260°–290 °C) und daher als Schmelzoder Heißsiegelklebstoffe verwendet werden können. Die Anwendung ist wegen der hohen Verarbeitungstemperatur allerdings begrenzt. Eine Verarbeitung als Lösungsmittelsystem ist im Prinzip möglich, nur lassen sich Restlösungsmittel relativ schwer aus dem flüssigen Klebstoffilm entfernen, sodass dadurch, ähnlich wie durch Weichmacher, die Klebschichtfestigkeit herabgesetzt wird. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.3.7: [S10].

2.3.8 Polysulfide

Als Basis für Dichtstoffe besitzen die Polysulfide eine sehr breite Anwendung. Sie zeichnen sich durch eine ausgezeichnete Witterungs- und Alterungsbeständigkeit aus und verhalten sich den technisch wichtigsten organischen Lösungsmitteln gegenüber indifferent. So werden beispielsweise Kraftstofftanks in Flugzeugen mit Polysulfid-Polymeren abgedichtet. Die Herstellung der Polysulfid-Polymere (in der Abkürzung ALIPS, von aliphatische Polysulfide genannt) erfolgt durch eine Reaktion von Bis(2-Chlorethyl)-Formal (dargestellt aus Ethylen-chlorhydrin und Formaldehyd) mit Natriumpolysulfid: (2.120)

Durch Zusatz von Trichlorpropan wird bei der Reaktion eine trifunktionelle Vernetzung erreicht. Eine anschließende reduktive Aufspaltung der Disulfidbrücken mittels Natriumhydrogensulfid und Umwandlung der NaS-Gruppen mittels Essigsäure in HS-Gruppen führt zu den flüssigen Polysulfid-Polymeren mit einheitlichen Molekulargewichten: (2.121) Die Vernetzung zu gummielastischen Produkten erfolgt dann über Oxydationsmittel wie Bleidioxid, Mangandioxid, Alkali- und Erdalkaliperoxide oder organische Hydroperoxide, die den flüssigen Polymeren vor der Verarbeitung zugegeben werden. Hierbei werden die Mercapto-Endgruppen zu Disulfiden oxidiert: (2.122)

2.3 Polykondensationsklebstoffe

137

Polysulfide werden als Zwei- oder Einkomponentensysteme verarbeitet. Bei den 2K-Polysulfiden enthält eine Komponente das ALIPS-Polymer und die entsprechenden Zusatzstoffe (Füllstoffe, Weichmacher, Antioxidantien etc.), die zweite das Oxidationsmittel, in der Regel in Weichmachern angepastet. Je nach Reaktivität des Polymers liegen die Topfzeiten zwischen ca. 30 Minuten und mehreren Stunden. Die 1K-Polysulfide enthalten Oxidationsmittel, die in Kontakt mit Wasser den für die Vernetzung gemäß Formel (2.122) erforderlichen Sauerstoff freisetzen. Bevorzugt wird das Natriumperborat-Monohydrat (NaBO2 · H2O2 · H2O) eingesetzt. Das Wasser steht nach der Applikation des Dichtstoffs als Feuchtigkeit in der umgebenden Luft zur Verfügung. Die 1K-Polysulfide müssen daher absolut feuchtigkeitsfrei verpackt und gelagert werden. Neben den oxidativ polymerisierenden Härtersystemen sind auch additiv vernetzende Verbindungen bekannt, die mit den terminalen MercaptanGruppen der Polysulfide reagieren und diese untereinander vernetzen. Hierzu gehören u. a. Isocyanate (MDI und TDI, Formeln 2.76 und 2.77), Epoxidharze. Die im ersteren Fall entstehenden polysulfid-basierten Polyurethane finden wegen ihrer guten Eigenschaft als Dampf- und Gassperren bei der Isolierglasherstellung Verwendung [E156], Abschnitt 14.2.5. Durch Co-Reaktionen von Polysulfidpolymeren mit Epoxidharzen gelingt es, sehr flexible Epoxidharz-Polysulfid-Copolymere herzustellen, die die guten Haftungs- und Festigkeitseigenschaften der Epoxide mit den hervorragenden Alterungs- und Beständigkeitseigenschaften der Polysulfide verbinden. Durch die Reaktion eines Moleküls des Polysulfid-Polymers mit zwei Molekülen eines Epoxidharzes bildet sich ein epoxi-funktionelles Copolymer, in das ein elastifizierendes Polysulfidsegment eingebaut ist. Durch Aminhärter sind weiterhin zusätzliche Vernetzungen über die Epoxidgruppen möglich. Hydroxylterminierte Polysulfide können durch Umsetzung mit Acryl- oder Methacrylsäure als acrylierte Systeme einer Strahlungshärtung zugänglich gemacht werden [E155]. Die Anwendungen der beschriebenen Polysulfidpolymere sind sehr vielfältig. Insbesondere in Bereichen mit großer Chemikalien- und Lösungsmittelbeanspruchung, z.B. bei der Verfugung von Bodenplatten für Tankstellenanlagen, werden sie eingesetzt, weiterhin für Isolierfenster, im Hoch- und Tiefbau, Fahrzeugbau. Bemerkenswert sind die Anwendungen der EpoxiPolysulfide für Dichtungen im Unterwasserbereich (Abschn. 12.9). Eine sehr ausführliche Beschreibung über die Chemie der Polysulfide, ihrer Herstellung, Verarbeitung und Anwendung findet sich in [L73]. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.3.8: [B170, B185, E144, F42, G179, L68, L69, L73, L150, P35, R64–R66, S167, W38]. Fachbuch: [L161].

138

2 Klebstoffgrundstoffe

2.4 Zusammenfassende Darstellung der Polyreaktionen Für einen ergänzenden Überblick werden im Folgenden nochmals die wichtigsten unterschiedlichen Kriterien der drei erwähnten Polyreaktionen zusammengefaßt. 앫 Polymerisation: – Ausgangssubstanzen: Reaktionspartner gleicher oder gleichartiger Struk-

tur, gekennzeichnet durch reaktionsfähige C=C-Doppelbindungen. – Aufbau der Makromoleküle: Erfolgt über Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindun-

gen. Eine Ausnahme bilden acrylierte Systeme, die nach der Polymerisation ebenfalls Heteroatome in der Molekülkette aufweisen können (unter Heteroatomen versteht man allgemein Nichtkohlenstoffatome, z.B. N-, O-, S-Atome, die in linearen Ketten oder Ringstrukturen eingebaut sind). – Reaktionsmechanismus: Zusammenschluss der Monomere nach Spaltung der C=C-Doppelbindung. 앫 Polyaddition: – Ausgangssubstanzen: Reaktionspartner gleichartiger oder verschiedener Struktur, die über reaktionsfähige Endgruppen oder Molekülgruppierungen verfügen. – Aufbau der Makromoleküle: Erfolgt nicht ausschließlich über KohlenstoffKohlenstoff-Bindungen sondern auch über Heteroatome in der Hauptkette. – Reaktionsmechanismus: Addition der Monomere unter Wanderung eines Wasserstoffatoms innerhalb der reagierenden Endgruppen. 앫 Polykondensation: – Ausgangssubstanzen: Reaktionspartner gleichartiger oder verschiedener Struktur, die über reaktionsfähige, in der Regel wenigstens bei einem Partner mit einer OH-Anordnung versehene Endgruppen oder Molekülgruppierungen verfügen. – Aufbau der Makromoleküle: Erfolgt nicht ausschließlich über KohlenstoffKohlenstoff-Bindungen, sondern auch über Sauerstoff- und Stickstoffatome (Heteroatome) in der Hauptkette. – Reaktionsmechanismen: Verknüpfung der Reaktionspartner bei gleichzeitiger Abspaltung von niedermolekularen Spaltprodukten (Wasser, Alkohole, Amine, Säuren). Generell ist festzuhalten, dass die nach den beschriebenen Reaktionsmechanismen gebildeten kettenförmigen, verzweigten und/oder vernetzten Polymere hinsichtlich ihres Molekülaufbaus nicht als einheitliche Substanzen aufgefasst werden können. Sie stellen stets ein Gemisch verschieden großer Moleküle mit gleichem oder sehr ähnlichem Aufbau dar. Die für ihre Charak-

2.4 Zusammenfassende Darstellung der Polyreaktionen

139

Bild 2.19. Kohäsionsfestigkeit als Funktion des Molekulargewichts

terisierung messbaren physikalischen, chemischen oder mechanischen Parameter sind daher nur als Mittelwerte anzusehen. Bei der Übertragung dieser grundlegenden Zusammenhänge auf Klebschichten ergibt sich daher die Forderung, die die Polymerstrukturen und somit Klebschichteigenschaften bestimmenden Reaktionsbedingungen Temperatur, Zeit und Druck so genau und reproduzierbar wie möglich einzuhalten. Das gilt besonders für den zeitlichen Ablauf der beginnenden Polymerbildung. In diesem Reaktionsschritt sind die Eigenschaften in hohem Maße von dem jeweils vorhandenen mittleren Molekulargewicht abhängig. Erst beim Erreichen eines für ein jedes Polymer spezifischen Wertes der Molekulargewichtsgröße (= kritischer Polymerisationsgrad) kann von weitgehend konstanten Eigenschaftswerten ausgegangen werden; so beginnt auch erst in diesem Punkt die Ausbildung der gewünschten hohen Kohäsionsfestigkeit einer Klebschicht (Bild 2.19). Die Molekulargewichte der nach den jeweiligen Reaktionsmechanismen entstehenden Polymere liegen je nach Basismonomer in der Größenordnung von 1000–1000000. Für einige Klebstoffgrundstoffe, z. B. Epoxide, Methacrylate, vernetzte Polyurethane haben sich z. T. spezielle Klebstoffbezeichnungen eingeführt, so z. B. der Begriff „Konstruktionsklebstoffe“ („structural“ oder „engineering adhesives“). Hierunter werden dem Sprachgebrauch folgend Klebstoffe verstanden, die im ausgehärteten Zustand über mechanische Eigenschaften verfügen, die für die Berechnung und Dimensionierung von Klebungen verwertet werden können. Im weiteren Sinn gestatten diese Klebstoffe, unter Berücksichtigung der geforderten Beanspruchungsbedingungen und bei entsprechender Bauteilkonstruktion, eine Klebung unter möglichst wirtschaftlicher Fügeteilausnutzung und weitgehend homogenen Spannungsverteilungen herzustellen. In ähnlicher Form sind auch die Begriffe Montage- oder Festklebstoffe zu betrachten. Es handelt sich um Bezeichnungen, die im Wesentlichen der Abgrenzung zu Klebstoffsystemen geringerer Klebschichtfestigkeiten, z. B. bei Kontakt- oder Haftklebstoffen (Abschn. 3.3 und 3.4) dienen. Die beschriebenen Zusammenhänge machen deutlich, dass bei der Wahl eines Klebstoffs eine alleinige Orientierung an den Klebstoffgrundstoffen in den meisten Fällen keine Entscheidungshilfe geben kann. Die Gründe dafür

140

2 Klebstoffgrundstoffe

Tabelle 2.4. Zuordnung der Klebstoffe nach ihrer Entstehungsreaktion und Polymerstruktur

künstliche Klebstoffe

Polymerisate

Polyaddukte

Polykondensate

Duromere

Duromere

Duromere

Anaerobe Klebstoffe Diacrylsäureester (bei hoher Vernetzung)

Thermoplaste Cyanacrylate Anaerobe Klebstoffe (Diacrylsäureester) Methacrylate Polyvinylacetat Polyvinylalkohol Ethylen-Vinylacetat Polyvinylchlorid Ethylen-Acrylsäure-Cop. Polyethylen Polypropylen

Elastomere

Kautschukpolymere nach Abschnitt 2.1.4 Thermoplastische Elastomere

Epoxidharze Polyurethane (vernetzt)

Thermoplaste Polyurethane (linear)

Elastomere

Silicone

Phenol-Formaldehydharze Kresol-Formaldehydharze Resorzin-Formaldehydharze Harnstoff-Formaldehydharze Melamin-Formaldehydharze Polyester unges.

Thermoplaste Polyamide Polyimide Polybenzimidazole Polyester ges. Polysulfone

Elastomere

Silicone Polysulfide

2.5 Klebstoffe auf natürlicher Basis

141

sind vielfältig, z.B. können gleiche Klebstoffgrundstoffe je nach Verarbeitungsbedingungen unterschiedliche Eigenschaften aufweisen, oder geringfügige Modifikationen bei den vernetzenden Komponenten ergeben unterschiedliche Polymerstrukturen und somit ein differenziertes Beanspruchungsverhalten. Eine Klebstoffauswahl nach Art der Grundstoffe ist dann zweckmäßig, wenn verarbeitungstechnische Gesichtspunkte im Vordergrund stehen. So kann es z.B. erforderlich sein, wegen der festgelegten Produktionszeiten einem schnell abbindenden Schmelzklebstoff auf Polyamidbasis den Vorzug vor einem langsamer härtenden Reaktionsklebstoff auf Epoxidbasis zu geben (Abschn. 12.4.2.1). In Tabelle 2.4 sind die in den Abschnitten 2.1–2.3 beschriebenen Klebstoffe nach ihren Entstehungsreaktionen und ihrer Zuordnung in die Gruppe der Duromere, Thermoplaste oder Elastomere nochmals zusammenfassend dargestellt. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass hinsichtlich der Zuordnung z.T. zwischen Klebstoffherstellung und Klebstoffverarbeitung unterschieden werden muss. Beispielsweise erfolgt die Herstellung eines ungesättigten Polyesters nach einer Polykondensationsreaktion, dessen Abbinden in der Klebfuge mit einem reaktiven Lösungsmittel jedoch nach einer Polymerisationsreaktion. Weiterhin sind z.B. Polyamide und z.T. auch Polyimide im Hinblick auf die Herstellung Polykondensationsklebstoffe, als physikalisch abbindende Systeme erfolgt in der Klebfuge jedoch keine Kondensationsreaktion. Bei einigen Polymerverbindungen hängt eine Zuordnung in die erwähnten Gruppen stark von ihrem Vernetzungsgrad ab, so z.B. bei den Polyurethanen oder auch Siliconen. Die Vielfalt der möglichen Polymervariationen erlaubt es nicht, jeder spezifischen Molekülart eine definierte Zuordnung zu geben. Die Tabelle 2.4 soll dennoch einen zusammenfassenden Überblick geben.

2.5 Klebstoffe auf natürlicher Basis Im Vergleich zu den „jungen“ Klebstoffen auf künstlicher Basis sind die sich von Naturprodukten ableitenden Klebstoffe z.T. seit Jahrtausenden bekannt. Ihre natürliche Basis hat demzufolge auch dazu geführt, dass nur noch in sehr seltenen Fällen praktische Beweise ihrer Anwendung vorhanden sind, da Klimate und Mikroorganismen sie mit den geklebten Werkstoffen wieder in den natürlichen Kreislauf integriert haben. Die geringen Alterungsbeständigkeiten in feuchter Atmosphäre und die niedrigen Klebfestigkeitswerte sind die Ursache dafür, dass Klebstoffe auf natürlicher Basis für mechanisch hochbeanspruchte Klebungen bei Metallen, Kunststoffen, Gläsern u.ä. nicht eingesetzt werden. Diese ggf. als Nachteile anzusehenden Eigenschaften ergeben jedoch Vorteile dort, wo Fragen der Recyclingfähigkeit geklebter Verbindungen, Umweltaspekte (speziell im Bereich der Wasseraufbereitung) oder allgemein eine sinnvolle Verwertung pflanzlicher oder tierischer Abbauprodukte im Vordergrund stehen. So gesehen besitzen die als „Biopolymere“ eingesetzten Klebstoffe auf natürlicher

142

2 Klebstoffgrundstoffe

Basis einen nicht zu vernachlässigenden Marktanteil. Auch Überlegungen, die auf dem Gebiet des Klebens vorhandenen Entwicklungen in der Natur für mögliche technische Strategien zu verwerten, finden zunehmend Beachtung [S168]. Beispielsweise sei hier das Kleben unter Wasser, wie es von Muscheln praktiziert wird, erwähnt (Abschn. 2.5.1.3). Gerade im Bereich der Anwendung natürlicher Klebstoffe haben sich die traditionellen Begriffe „Kleister“ statt „Klebstoff“ oder „leimen“ statt „kleben“ trotz aller Normungsbestrebungen aufrechterhalten. In der DIN EN 923 (DIN 16 920) wird hierzu wie folgt definiert: 앫 Leim: Klebstoff, bestehend aus tierischen, pflanzlichen oder synthetischen Grundstoffen und Wasser als Lösungsmittel. 앫 Kleister: Klebstoff in Form eines wäßrigen Quellungsprodukts, das zum Unterschied von Leimen schon in geringer Grundstoffkonzentration eine hochviskose nichtfadenziehende Masse bildet. Die Ausbildung der Klebschicht folgt dem Prinzip des physikalischen Abbindens unter gleichzeitiger Verdunstung oder Aufsaugung des Wassers durch die Fügeteile. Der Adhäsionsmechanismus (Abschn. 6.2) wird hierbei in hohem Maße durch die mechanische Verklammerung zwischen Klebschicht und Fügeteiloberfläche bestimmt. Die Gliederung der natürlichen Klebstoffe erfolgt zweckmäßigerweise nach ihrer Herkunft in tierische (Grundsubstanz vorwiegend Eiweißverbindungen) und pflanzliche (Grundsubstanz vorwiegend Kohlenhydrate oder natürlicher Kautschuk) Leime. Als Mischleime werden Kombinationen von tierischen und/oder pflanzlichen Leimen mit synthetischen Klebstoffen bezeichnet. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.5: [E89, F82, H304, O32, P74, S168].

2.5.1 Klebstoffe auf Basis tierischer Naturprodukte 2.5.1.1 Klebstoffe auf Glutinbasis

Das in den tierischen Leimen als Grundsubstanz vorliegende Glutin wird aus den verschiedenen Kollagen (lat.: leimgebende Substanz) enthaltenden tierischen Körperteilen (Bindegewebe, Häute, Knorpel, Knochen, Sehnen) durch Hydrolyse dieser eiweißhaltigen Verbindungen (Proteine) gewonnen. Bei der Herstellung von Knochenleim (Lederleim, Blutalbuminleim) wird gewöhnlich unter Druck gearbeitet, bei der Hydrolyse von Rohstoffen auf Hautbasis arbeitet man ohne Druck bei möglichst niedriger Temperatur. Je nach Güte des Rohstoffs können bis zu fünf „Abzüge“ erfolgen, wobei die Temperatur langsam von ca. 45 °C auf bis zu 70 °C gesteigert wird. Die höherwertigen Produkte liefern dabei die ersten Abzüge. Als Glutin (lat.: glutinosus = leimig; agglutinare = kleben) bezeichnet man das bei dieser Hydrolyse in Wasser entstehende kolloidal lösliche Eiweiß-

2.5 Klebstoffe auf natürlicher Basis

143

abbauprodukt. Es besitzt eine kompliziert aufgebaute Proteinstruktur und kommt gewöhnlich in körniger, pulverförmiger oder plattenförmiger Form mit gelblicher bis bräunlicher Farbe in den Handel. Für den Gebrauch werden diese Produkte mit kaltem Wasser zusammengebracht, dabei quellen sie zu einer gallertartigen Masse auf (Gelbildung), eine anschließende Erwärmung auf ca. 60–70 °C ergibt dann den verarbeitungsfertigen Leim („Leimflotte“, Solbildung). Bei der Abkühlung erfolgt die Gelbildung. Das bekannte schnelle Abbinden der Glutinleime beruht auf dieser reversiblen Sol- und Gelbildung. (DIN 53 260). Vorteilhaft ist ergänzend die Wasserlöslichkeit und die biologische Abbaubarkeit, zwei Faktoren, die in Zusammenhang mit dem Altpapierrecycling gegenüber synthetischen Klebstoffen unter den heutigen Umweltgesichtspunkten große Vorteile bieten. Die reversible Wasseraufnahme und -abgabe ist bei dieser Klebstoffart von hohem praktischen Nutzen für die Herstellung anfeuchtbarer Klebestreifen (Abschn. 3.17), bei denen die aufgebrachte Klebschicht durch Befeuchtung für eine durchzuführende Klebung reaktivierbar ist. Beim Kontakt des befeuchteten Klebestreifens mit einer Papier- bzw. Pappeoberfläche setzt ein Wasserentzug ein, sodass das Sol wieder zu Gel rückverwandelt wird und damit erstarrt. Je nach tierischer Herkunft werden spezielle Leime hergestellt, ihnen allen ist der Oberbegriff „Glutinleime“ gemeinsam: 앫 Hautleim: Aus Rohhautabfällen und Bindegeweben hergestellt; unter Chromleimen werden Hautleime aus den Teilen von Häuten verstanden, die teilweise chromgegerbt sind. Hautleim ist in kaltem Wasser stark quellbar, aber nicht löslich. In gequollenem Zustand lässt er sich erst bei Temperaturen über 30 °C schmelzen und ergibt dann den gebrauchsfertigen Leim. 앫 Fischleim: Hergestellt aus den Häuten von Fischen, wird in großem Maße mit anderen tierischen Leimen gemeinsam für die Herstellung gummierter Klebestreifen verwendet, da durch Fischleim die Wiederanfeuchtbarkeit der Leimschicht verbessert wird. Eine besondere Variante ist der Hausenblasenleim, der sich durch eine besonders hohe Klebschichtfestigkeit auszeichnet. Er wird hergestellt aus der Innenhaut der Schwimmblasen von Hausen und Stör und ist als „Juwelierkitt“ zum Einkleben von Edelsteinen bekannt. 앫 Glutinschmelzleim: Wasserarme Leimgallerten in hochkonzentrierter Form, deren Verfestigung durch Gelieren aus der schmelzflüssigen Phase (ca. 70 °C) auf Raumtemperatur unter gleichzeitiger Diffusion des vorhandenen Wassers in das Substrat erfolgt. Aus diesem Grund sollte wenigstens einer der beiden Fügeteilpartner eine für die erforderliche Wasserdampfdiffusion durchlässige Oberfläche aufweisen. Gegenüber Schmelzklebstoffen auf künstlicher Basis zeichnen sie sich vorteilhaft durch niedrigere Verarbeitungstemperaturen aus (Buchbinderei). 앫 Gelatine (Technische Gelatine): Wird hergestellt durch Hydrolyse des Kollagens. Handelsübliche technische Gelatine (Bezeichnung für einen hochwertigen Leim auf Basis von Glutin) besteht aus ca. 85% Eiweiß (Protein), ca.

144

2 Klebstoffgrundstoffe

13% Wasser, ca. 2% Mineralsalzen sowie geringen Mengen an Konservierungsmitteln. Sie ist wie Hautleim in kaltem Wasser stark quellbar, aber nicht löslich. Der Verarbeitung bei Temperaturen zwischen 45 und 65 °C verdankt sie auch die Bezeichnung Warmleim. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.5.1.1 [C2, D147, E90, L8, L36, L74, N16, S11, S12, S170, S245, S295, T2, W4, W67] DIN EN ISO 9665, DIN 53260.

2.5.1.2 Klebstoffe auf Caseinbasis

Casein als wichtigster Eiweißbestandteil der Milch (ca. 3% in Kuhmilch) wird über eine Säurefällung (Milchsäure, Salzsäure) aus dieser gewonnen, anschließend gewaschen, getrocknet und gemahlen. Es besteht aus einer Gruppe von unterschiedlichen Caseinen, ist also kein einheitlicher Stoff. Man unterscheidet αS1-, αS2-, β- und κ-Caseine, die wiederum differenzierte Eigenschaften hinsichtlich Wasseradsorption, Gel- und Filmbildung besitzen. Da Casein in kaltem Wasser unlöslich ist, muss es in alkalischem Medium aufgeschlossen werden (Natronlauge, Ammoniak), wobei die Art des Aufschlussmittels starken Einfluss auf die rheologischen Eigenschaften des Klebstoffs hat. Das Haupteinsatzgebiet liegt in der Flaschenetikettierung (Abschn. 12.3.3.4), da das Casein über sehr gute Klebeigenschaften auch auf nassen Oberflächen verfügt. Vorteilhaft ist weiterhin, dass die mit Caseinklebstoff verklebten Etiketten in den Flaschenwaschanlagen mittels 1,5–2,5%iger Natronlauge problemlos wieder entfernt werden können, sowie seine biologische Abbaubarkeit. Casein ist weiterhin Ausgangsstoff für Galalith (Kunsthorn), ein thermoplastischer Kunststoff, der aus formaldehyd-vernetztem Casein besteht. Die Primärstruktur der Caseine kann durch verschiedene chemische Reaktionen modifiziert werden mit dem Ziel, deren technologische Eigenschaften für die jeweiligen Anwendungen zu optimieren, z.B. – das rheologische Verhalten sowie die Fähigkeit zur Gel- und Filmbildung durch Phosphorylierung, – die Verbesserung der emulgierenden Eigenschaften durch Alkylierung, – die Vergrößerung der Einsatzbreite als wasserdispergierbare Pfropfpolymere in der Papier-, Textil- und Lederindustrie durch Umsetzung mit Polyurethan-Prepolymeren. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.5.1.2: [E91, H168–H170, H327, Q4, Q6, Q7, S169, S242]. Fachbuch: [G193].

2.5.1.3 Kleben in der Natur

Klebende Substanzen werden in der Natur vielfältig produziert, sowohl in der Flora als auch in der Fauna. Bei den Planzen sind es klebrige Harze sowie Latices als kolloidale Dispersionen von Polymeren (z.B. vom Gummibaum

2.5 Klebstoffe auf natürlicher Basis

145

Hevea brasiliensis oder beim fleischfressenden Sonnentau, um Insekten als Nahrungsquelle zu fangen). Tiere produzieren Klebstoffe als Hilfsmittel zum Bau ihrer Behausungen (Termiten, Bienen, Schwalben, Spinnen). Besonderes Interesse haben in der Vergangenheit Klebstoffe gefunden, mit denen Tiere sich auf entsprechenden Substraten festkleben, hier wiederum sind die „Unterwasserklebstoffe“ der Muscheln besonders intensiv bearbeitet worden. Muscheln produzieren polyphenolische Proteine, die als Sekret abgesondert werden und sich dadurch auszeichnen, dass sie über eine größere Benetzungsfähigkeit auf den entsprechenden Substraten verfügen als das Wasser. Somit „verdrängen“ sie zunächst das Wasser an den Klebstellen, bis anschließend eine enzymatische Vernetzung erfolgt. Zu den faszinierensten Beispielen für das „Kleben“ in der Natur zählen Tiere, die sich an glatten Oberflächen entgegen der Schwerkraft fortbewegen können. Hierzu gehören neben Fliegen, Spinnen u.ä. insbesondere die Geckos, deren Haftverhalten in [R127] eindrucksvoll beschrieben wird. Die Grundlage dieser außerordentlichen Adhäsionseigenschaften liegt in der Mikrostrukturierung der Zehen mit extrem feinen Härchen im Bereich von ca. 200–500 Nanometern. Durch die Vielzahl an nanostrukturierten Kontaktflächen (ca. 5000 Härchen pro mm2, die wiederum je ca. 400–1000 feinere Härchen aufweisen) kommen van-der-Waals-Bindungen zum Tragen, sodass die Summe dieser im Einzelnen sehr schwachen Kräfte in der Lage ist, den Gecko zu halten [P174, S318]. Als weitere Beispiele sind erwähnenswert: – Spinnen: Mittels Protein, mit dem der Spinnfaden direkt beim Austritt aus der Spinndrüse benetzt wird, erhält dieser seine dauerhafte Klebrigkeit. – Wespen: Zerkleinertes Pflanzenmaterial (Cellulose) wird mit Speichel zu einer formbaren Masse homogenisiert, die dann abbindet. – Efeu: Reine (im wesentlichen formschlüssige) Adhäsion, also ohne Klebstoffzusatz, lassen den Efeu an Oberflächen ranken. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.5.1.3: Zusammenfassende Darstellungen: [B171, B172, O32, Q7, S168, S280, W68]. Muscheln: [B301, D353, M239, O10, Q7, R127, W39, W143, Y9].

2.5.2 Klebstoffe auf Basis pflanzlicher Naturprodukte

Ausgangssubstanzen bei den pflanzlichen Leimen sind als Kohlenhydrate die Stärke und deren Abbauprodukt, das Dextrin, sowie die Cellulose, weiterhin Pflanzensäfte mit ihren Gehalten an ungesättigten Verbindungen. Die bekanntesten Leime sind: 앫 Stärkeleim: Wäßrige Lösung aus aufgeschlossener Stärke. Da die native Stärke (Mais, Kartoffeln, Reis) nicht wasserlöslich ist, wird sie bei erhöhter Temperatur (Verkleisterungstemperatur ca. 65 °C) oder durch Alkalieinwirkung in eine lösliche Form überführt. Je nach dem Grad des erfolgten Abbaus ergeben sich Leime unterschiedlicher Klebkraft und Verarbeitungs-

146









앫 앫

2 Klebstoffgrundstoffe

eigenschaften. Eine Verbesserung der Wasserfestigkeit kann durch Zusatz von Melaminformaldehyd- oder Harnstoffformaldehydharzen erreicht werden. Die Einsatzmöglichkeiten von Stärke als Grundstoff sind in der Vergangenheit durch entsprechende Molekülmodifikationen erweitert worden. Als „polymerisierende Stärken“ werden Produkte hergestellt, bei denen den Stärkemolekülen Acrylamidogruppen aufgepfropft werden, die über eine Strahlenhärtung zu einem Polymernetzwerk abbinden. Sie besitzen verbesserte Festigkeits- und Adhäsionseigenschaften sowie eine höhere Wasserbeständigkeit [H94]. Eine weitere Möglichkeit besteht in der kationischen Modifizierung von Stärke durch Umsetzung mit Amino- und/oder Ammoniumgruppen enthaltenden Polymeren [D362]. Modifizierte Stärken, wie Carboxymethylstärke, Stärkeether, finden Verwendung in Klebestiften [D148] (Abschn. 3.18). In der Papierverarbeitung dienen native und modifizierte Stärken bei der Massenleimung (kationische Stärken) oder in der Leimpresse (Stärkepaste). Die Herstellung von stärkebasierenden Schmelzklebstoffen wird in [E157] beschrieben. Dextrinleim: Wäßrige Lösung aus dem Stärkeabbauprodukt Dextrin. Der Stärkeabbau erfolgt thermisch oder säurehydrolytisch. Zur Erhöhung der Klebschichtfestigkeit können Alkali und Borax zugesetzt werden (Schnellbinder). Celluloseleim: Besteht aus dem Methylether der Cellulose in wässriger Phase. Der Methoxylgehalt liegt zwischen 25 und 35% und ergibt in diesem Bereich ein Maximum an Wasserlöslichkeit. Methylcellulose kommt in feinfaseriger Form in den Handel und ist nach Lösen/Quellen in Wasser als Tapetenkleister bekannt. Ein weiteres, in diesem Zusammenhang auch als Celluloseether bezeichnetes Derivat der Cellulose als Ausgangsprodukt für Klebstoffe ist die Carboxymethylcellulose: Klebtechnische Anwendung ähnlich wie Methylcellulose. Bei einem bestimmten Mischungsverhältnis von Carboxymethylcellulose und Methylcellulose gelingt es, Tapetenkleister mit einem definierten Wiederablösverhalten herzustellen [D149]. Eine Verhinderung bzw. Verminderung von untergrundbedingten Verfärbungen kann durch Zugabe optischer Aufheller erfolgen [D358]. Cellulosenitrat: Hergestellt durch Veresterung mit Salpetersäure. Unter Zusatz von Weichmachern und klebrig machenden Harzen früher besonders für Lederklebungen im Einsatz, weiterhin Verwendung in Mischung mit Polyvinylacetat und dessen Mischpolymerisaten. Gummi arabicum: Klebstoffe auf Basis erhärteter Pflanzensäfte. Wird als weißes Pulver in Wasser gelöst. Zusatz von Glycerin und/oder Ethylenglykol zur Erhöhung der Klebschichtelastizität. Naturkautschuk: Wird gewonnen aus Latex, der beim Anritzen der Rinde von Kautschukbäumen (Hevea brasiliensis) ausfließt. Naturkautschuk ist ein wichtiger Grundstoff für Haftklebstoffe (Abschn. 3.4).

Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.5.2: [B8, B172, D68, D354, E131, F82, H308, H321, K169, N3].

2.6 Klebstoffe auf anorganischer Basis

147

2.5.3 Biologisch abbaubare Polymere

Eine besondere Bedeutung unter verarbeitungstechnologischen Gesichtspunkten besitzen zunehmend biologisch abbaubare Werkstoffe (BAW). Der Begriff BAW bezieht sich nicht nur auf Naturpolymere, wie z.B. Stärke, Dextrine, tierische Leime, die bereits als Rückgratbindemittel verwendet werden. Ergänzend werden auch synthetische Werkstoffe, die in ihren Herstell-, Verarbeitungs- und Anwendungsbereichen klassische Kunststoffeigenschaften besitzen, sich aber trotzdem in biologischen Systemen mikrobiell abbauen lassen, einbezogen (DIN 54 900 „Prüfung der Kompostierbarkeit von polymeren Werkstoffen“) [H307]. In den folgenden Literaturstellen werden biologisch abbaubare Polymere/ Klebstoffe beschrieben: – [D408] Polymerbasis Polyesteramide, aliphatische und teilaromatische Polyester, thermoplastische aliphatische Polyester, thermoplastische aliphatische Polyester-Urethane, aliphatisch-aromatische Polyestercarbonate, – [D409] Polyesteramide als Schmelzklebstoffe, – [E175] Polyasparaginsäure, weiterhin vielfältige Verbindungen in [B306, H390, I51, P145, T51].

2.6 Klebstoffe auf anorganischer Basis Die Verwendung von Klebstoffen auf anorganischer Basis folgt der Erkenntnis der diesen Produkten innewohnenden hohen Temperaturbeständigkeit. Auf der Suche nach hoch wärmebeständigen Klebstoffen auf organischer Basis stößt man bei Dauerbelastungen in der Größenordnung von 250–350 °C (Polyimide, Polybenzimidazole, teilweise Silicone) an Grenzen, aus diesem Grunde sind kohlenstoffhaltige Polymere oberhalb dieses Bereiches nicht mehr anwendbar. Wenn Klebstoffe auf anorganischer Basis hier eine Lücke füllen, muss man sich jedoch darüber im klaren sein, dass ein wesentlicher Vorteil des Klebens, als ein wärmearmes Fügeverfahren zu gelten, nicht mehr zutrifft. Die Verarbeitungstemperaturen der Klebstoffe liegen in Bereichen, in denen es bei metallischen Fügeteilen, z.B. bei den vielfältig angewendeten Aluminiumlegierungen, bereits zu wesentlichen Gefügeveränderungen und somit zur Erniedrigung der Festigkeitswerte kommt. Derartige Klebstoffe sind sinnvoll nur dort einsetzbar, wo die erforderlichen Verarbeitungs- und Beanspruchungstemperaturen in einer metallurgisch und festigkeitsmäßig gut abgewogenen Relation zu den Eigenschaften der Fügeteile stehen. Aus diesem Grunde bedarf auch der Begriff „Klebstoff“, dem definitionsgemäß eine organische Struktur zugrundeliegt, einer erweiterten Beschreibung; so geben Begriffe wie „Glaslote“, „anorganischer Gläser“ oder „Kleblöten“ die praxisnahen Bedingungen besser wieder.

148

2 Klebstoffgrundstoffe

Bei diesen anorganischen Klebstoffen handelt es sich um Gemenge aus den Grundbestandteilen der Gläser, z.B. Siliziumdioxid (SiO2), Aluminiumoxid (Al2O3), Calciumoxid (CaO), Borsäure (B2O3), Natriumcarbonat (Na2CO3) sowie als ergänzende Komponenten Zirkoniumoxid (ZrO2), Zirkoniumphosphat (Zr3(PO4)4), Magnesiumoxid (MgO) und Magnesiumphosphat (Mg3(PO4)2). Durch Zusätze pulverförmiger metallischer Bestandteile wie Nickel, Eisen, Kupfer oder auch Lote erhält man Verbindungsschichten mit angepassten physikalischen Eigenschaften, z.B. Leitfähigkeiten, Ausdehnungskoeffizienten oder Schmelzbereichen. Bei Zusatz von Hochtemperaturloten zu der Glasmischung entsteht eine kombinierte Kleb/Löt-Verbindung, bei der das Glas als Flussmittel wirkt und die Festigkeit der Verbindung gleichzeitig erhöht. Die Eigenschaften eines anorganischen Klebstoffs werden neben den einzelnen Bestandteilen insbesondere von deren Reinheit und der Korngrößenverteilung bestimmt. Im Hinblick auf die Abbindebedingungen können die folgenden Varianten unterschieden werden: 앫 Physikalisch abbindend nach Erzeugung einer Schmelze der in der Rezeptur vorhandenen Bestandteile. Die Verarbeitungstemperatur ergibt sich insbesondere aus dem Verhältnis von Alkalioxid zu Siliziumdioxid, sie muss auf die Ausdehnungsverhältnisse der zu verbindenden Fügeteilwerkstoffe eingestellt werden und liegt bei Werten oberhalb 400 °C. 앫 Physikalisch abbindend durch Verdunstung von Wasser. Diese Klebstoffe basieren in der Regel auf Wasserglasformulierungen. Hier ist insbesondere das Natronwasserglas zu erwähnen, das in Form einer wässrigen kolloidalen Lösung des Natriumsilicats (ca. 25% Na2O und 75% SiO2 ) vorwiegend für das Kleben von Papieren und Pappen im Einsatz ist. Der Abbindevorgang kann durch Erwärmen auf ca. 60 °C und Umluft beschleunigt werden. Für nichtporöse Fügeteile ist die Anwendung wegen der Wasserdampfundurchlässigkeit sehr beschränkt. Ein wichtiger Parameter für die Eigenschaft von Wasserglas ist das Molverhältnis SiO2 : Na2O/K2O, das bis zu 5:1 liegen kann. 앫 Chemisch reagierende anorganische Klebstoffe enthalten in der Regel Phosphate und Alkalisilicate, die beim Erwärmen auf ca. 150 °C in Form einer Kondensationsreaktion miteinander reagieren. Entscheidend bei der Verwendung anorganischer Gläser als Klebstoffe ist eine genaue Abstimmung auf die an der Klebung beteiligten Fügeteile hinsichtlich ihrer Ausdehnungskoeffizienten (Verschmelzanpassung), um Spannungen in der Klebfuge zu vermeiden. Im Vergleich zu einem Borsilicatglas (38% SiO2 , 5% Na2O, 57% B2O3 ) mit einem Ausdehnungskoeffizienten α = 6,9 · 10–6 K–1 liegen die vergleichbaren Werte bei Aluminium: 23 · 10–6 K–1, Eisen: 11,5 · 10–6 K–1 und Edelstahl X5 CrNi 18 9: 19 · 10–6 K–1. Die Verschmelzanpassung und die damit zusammenhängende Verschmelztemperatur berücksichtigen diese unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten. Die Abhängigkeit ergibt sich in dem Sinn, dass mit kleiner werdenden Ausdehnungskoeffizienten höhere Verschmelztemperaturen angewendet werden können. In Abhängigkeit der Verarbeitungstemperatur von der thermischen Ausdehnung werden nach [P5] drei verschiedene Arten von Glasloten unterschieden (Bild 2.20):

2.6 Klebstoffe auf anorganischer Basis

149

Bild 2.20. Abhängigkeit der Verarbeitungstemperatur der Glaslote vom thermischen Ausdehnungskoeffizienten der Fügeteile (nach [P5])

Bild 2.21. Abhängigkeit der Klebfestigkeit von der Temperatur bei Glasloten (nach [A5])

앫 Stabile Glaslote: Anwendbar für Ausdehnungsbereiche bis herab zu ca. 6 · 10–6 K–1. Kennzeichnend sind hohe Verarbeitungstemperaturen; sie besitzen eine amorphe Struktur, die Fügestellen können reversibel erweicht werden. 앫 Kristallisierende Glaslote: Zeichnen sich für ähnliche Ausdehnungsbereiche durch etwas geringere Verarbeitungstemperaturen aus; die bei Abkühlung einsetzende Kristallisation führt zu einem polykristallinen keramikartigen Zustand. Dadurch ergibt sich eine thermische Belastbarkeit, die bis in die Höhe der Verarbeitungstemperatur reicht, da im Gegensatz zu den amorphen Strukturen der stabilen Glaslote die Kristallinität dieser Verbindungen einen relativ eng begrenzten Erweichungsbereich zur Folge hat. 앫 Composit-Glaslote: Bestehen aus stabilen Glasloten mit Zusätzen von Füllstoffen mit geringen Ausdehnungskoeffizienten. Sie erlauben die Anwendung niedrigerer Verarbeitungstemperaturen (ca. 400–500 °C). Generell ist festzustellen, dass für die Anwendung der Glaslote eine Mindesttemperatur von 400 °C erforderlich ist, und dass aufgrund der diesen Materialien eigenen Ausdehnungskoeffizienten Fügeteilwerkstoffe mit Werten von α < 4 · 10–6 K–1 nur bedingt zu fügen sind.

150

2 Klebstoffgrundstoffe

Die Klebfestigkeitswerte von Glasloten können je nach Oberflächenvorbehandlung der Fügeteile im Bereich zwischen 10 und 20 Nmm–2 liegen. Prüft man die Abhängigkeit der Klebfestigkeit von der Temperatur, so tritt nach [A5] im Bereich zwischen 450 und 550 °C ein starker Anstieg auf, der zu einer Verdoppelung gegenüber dem Wert bei Raumtemperatur führt. Anschließend nimmt die Festigkeit der Verbindung wieder ab (Bild 2.21). Die Erklärung für diesen Festigkeitsverlauf liegt in dem mechanisch-thermischen Verhalten der Gläser. Bei niedrigen Temperaturen vermag der spröde Zustand die bei Belastung in der Klebung auftretenden Spannungsunterschiede (Abschn. 8.3.3.4) durch eine Eigenverformung nicht auszugleichen. Mit zunehmender Temperatur erweicht das Glas nach Überschreiten des Transformationspunktes (Temperaturbereich eines Glases, in dem sich die physikalischen und mechanischen Eigenschaften stark ändern) und lässt so elastisch-plastische Verformungen zu, die wiederum die festigkeitsbegrenzenden Spannungsunterschiede auszugleichen vermögen. Durch die oberhalb 550 °C verstärkt zunehmende Plastizität der beginnenden Schmelze nimmt die Festigkeit dann kontinuierlich ab. Ergänzend zu diesen rein anorganischen Glasloten sind auch Kombinationen mit organischen Polymeren, z.B. Methacrylaten, bekannt. Diese Produkte erreichen allerdings nicht die erwähnten hohen Temperaturbeständigkeiten. Neben den zwischenmolekularen Bindungskräften sind bei Klebungen von Metallen mit Glasschmelzen auch chemische (kovalente) Bindungen möglich. Der in der Oxidschicht einer Metalloberfläche chemisch gebundene Sauerstoff sowie auch die Metallatome vermögen sich in den Kristallverband des Glases einzubauen, sodass die Oxid(Metall)-Schicht über Hauptvalenzen mit der Glas-Klebschicht verbunden ist. Keramische Klebstoffe finden insbesondere auf dem Gebiet temperaturbeanspruchter Glas-Metall-Verbindungen Verwendung, so z.B. für Sockelverklebungen von Speziallampen (auch in Kombination mit Reaktionsharzen [D369]), weiterhin bei der Herstellung von Thermoelementen und piezoelektrischen Sensoren, bei der Verklebung keramischer Isolationsmaterialien im Ofenbau und zum Abdichten temperaturbeanspruchter Drahtdurchführungen. Glaslote auf Basis Silber/Glas werden für spezielle Anwendungen in der Elektronik eingesetzt, so z.B. zum hermetischen Verpacken integrierter Schaltkreise (IC) in Keramikgehäuse. Ein Vorteil gegenüber organischen Klebstoffen liegt darin, dass bei der Verarbeitung keine flüchtigen organischen Bestandteile entstehen, die ggf. zu Spätschäden infolge Korrosion führen können. Spezielle Formulierungen besitzen Verarbeitungstemperaturen unterhalb 350 °C. Eine wichtige Gruppe anorganischer Klebstoffe stellen die vorwiegend im Dentalbereich (Abschn. 15.10.4) angewendeten Glasionomerzemente dar [B295, H117, M207, W114]. Der Härtungsmechanismus beruht auf der Reaktion zwischen einer in Pulverform vorliegenden glasartigen Komponente (CalciumAluminium-Fluorsilicate) und einer Polyacrylsäure. Nach dem Mischen des Pulvers und der flüssigen Säure werden nach dem Prinzip einer Säure-Base-Reaktion Calcium- und Aluminiumionen in Form von Fluorid-Komplexen herausgelöst. Durch diese Kationenkomplexe erfolgt

2.7 Klebstoffzusätze und haftvermittelnde Substanzen

151

dann in einer ersten Stufe über ein Calcium-Polycarboxylat und in einer zweiten Stufe über ein Aluminium-Polycarboxylat die Vernetzung der Polyacrylsäuren. Bedingt durch die Dreiwertigkeit des Aluminiums wird in der zweiten Stufe ein wesentlich höher vernetztes System erhalten. Die Reaktionszeit beträgt für die erste Stufe ca. 5–10 Minuten, die endgültige Aushärtung zu einem feuchtigkeitsbeständigen System erfordert ca. 24 Stunden. In vereinfachter Weise zeigt das folgende Reaktionsschema die beschriebene Umsetzung am Beispiel der ersten Stufe mittels des Calcium-Fluorid-Komplexes. In Wirklichkeit werden durch die Polyfunktionalität der eingesetzten Säuren höher vernetzte Strukturen gebildet: (2.123) Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.6: [A4, D12–D15, D150, D355, E158, E163, G78, L9, L37, L168, N84, S101, T32, W40].

2.7 Klebstoffzusätze und haftvermittelnde Substanzen Die beschriebenen Grundstoffe bilden in den seltensten Fällen die alleinige Basis für Klebstoffrezepturen. Zur Erzielung spezieller Eigenschaften, wie z.B. Verformungsfähigkeit, Haftvermögen, Verarbeitungseigenschaften, Viskosität, Festigkeit, Aushärtungsgeschwindigkeit, Klebrigkeit, Lagerstabilität usw., sind ergänzende Rezepturbestandteile erforderlich. Die nach Art und Funktion wichtigsten Bestandteile sind Härter, Vernetzer, Beschleuniger, Weichmacher, Harze, Füllstoffe und Stabilisatoren [D328]. Neben diesen Substanzen definiert DIN EN 923 [DIN 16920] weitere Klebstoffbestandteile, die keine spezielle Erklärung erfordern, wie folgt: 앫 Lösungsmittel, Lösemittel: Flüssigkeit, die die Grundstoffe und übrigen löslichen Klebstoffbestandteile ohne chemische Veränderung löst. 앫 Dispersionsmittel: Flüssigkeit, in der die Grundstoffe und die übrigen Klebstoffbestandteile dispergierbar sind. 앫 Verdünnungsmittel: Lösungs- oder Dispersionsmittel zum Herabsetzen der Konzentration und/oder der Viskosität eines Klebstoffs. 2.7.1 Härter

Der Begriff „Härter“ unterliegt bei den chemisch reagierenden Klebstoffarten hinsichtlich seiner Funktion als Klebstoffbestandteil verschiedenen Bezeichnungen. Unter einem Härter wird u.a. verstanden: (1) Eine der beiden Komponenten (meistens diejenige mit dem geringeren Volumen- oder Gewichtsanteil) bei Zweikomponenten-Reaktionssystemen, z.B. die Aminkomponente bei Epoxidharzen.

152

2 Klebstoffgrundstoffe

(2) Ein Zusatz, um eine Polymerisationsreaktion einzuleiten, z.B. organische Peroxide bei den Methacrylatklebstoffen. (3) Säuren, die der Erniedrigung des pH-Wertes zur Einleitung von Polykondensationsreaktionen dienen, z.B. bei Formaldehydkondensaten. (4) Aktivatoren, z.B. Metallionen, für das Einsetzen der Radikalkettenpolymerisation bei den anaerob härtenden Klebstoffen. Für alle vier Beispiele trifft die normenmäßig gegebene Definition für einen Härter als „Klebstoffbestandteil, der eine Vernetzung des Klebstoffs bewirkt“ zwar zu, hinsichtlich der Beteiligung am Reaktionsablauf gibt es jedoch grundsätzliche Unterschiede. Die wesentliche Differenzierung liegt darin, dass z. B. im Fall (1) die als Härter bezeichnete Komponente nach den stöchiometrischen Gesetzen durch die gemeinsame Vernetzung mit der anderen Komponente einen wesentlichen Bestandteil der ausgehärteten Klebschicht bildet, während das für die Substanzen in (2), (3) und (4) nicht zutrifft. In diesen letzteren Fällen ist zum einen der wirksame Anteil des Härters am Reaktionsgeschehen gegenüber dem Basismonomer sehr gering, zum anderen bildet er keinen die Eigenschaft der Klebschicht bestimmenden Polymeranteil. In den Fällen, in denen also beide Komponenten gemeinsam die polymere Klebschicht ausbilden, ist es im Sinne einer einheitlichen Terminologie vorteilhaft, von den beiden Klebstoffkomponenten A und B, bzw. I und II, und nicht von „Harz“ und „Härter“ zu sprechen. Als Härter wäre demzufolge in Anlehnung an DIN EN 923 (DIN 16920) zu definieren: „Klebstoffbestandteil, der eine Vernetzung des Klebstoffs bewirkt, ohne jedoch nach Art und Menge an dem molekularen Aufbau des Klebschichtpolymers beteiligt zu sein“. Auf diese Zusammenhänge hat im übrigen Michel bereits in [M5, Seite 77] hingewiesen. 2.7.2 Vernetzer

Der Begriff „Vernetzer“ wird häufig, u.a. auch in der vorstehend erwähnten Norm, mit einem Härter gleichgestellt, obwohl es hinsichtlich der Funktion Unterschiede gibt. Unter Vernetzern sind im eigentlichen Sinn Substanzen zu verstehen, die in der Lage sind, lineare Molekülketten mit reaktionsfähigen Molekülgruppen zu versehen, damit durch Ausbildung intermolekularer Brücken aus den zweidimensionalen Strukturen dreidimensional vernetzte Strukturen entstehen können (DIN 55947). Typisches Beispiel hierfür sind die Vernetzer bei den Einkomponenten-RTV-Siliconen (Abschn. 2.3.4.1), Orthotitansäureester und Metallacetylacetonate für Acrylatpolymerisationen [M86] oder auch Substanzen, die ähnlich wie Haftvermittler (Abschn. 2.7.15) an den beiden Molekülenden zwei unterschiedliche funktionelle Gruppen aufweisen und somit Moleküle unterschiedlicher Struktur miteinander vernetzen können. So ist beispielsweise das Isocyanatoethyl-methacrylat in der Lage, über die Isocyanatgruppe Moleküle mit aktivem Wasserstoff (z.B. Alkohole,

2.7 Klebstoffzusätze und haftvermittelnde Substanzen

153

Amine) und über die Vinylgruppe Moleküle mit anderen polymerisationsfähigen Gruppen zu vernetzen:

(2.124)

Ein Vernetzer kann durchaus mit einem Monomermolekül reagieren, ohne dass es bei dieser Reaktion bereits zu einer Polyreaktion kommt. In Abgrenzung zu dem Begriff „Härter“ in der in Abschnitt 2.7.1 gegebenen Definition können Vernetzer oder Teile ihrer Molekülstruktur in anteilmäßigem Verhältnis mit in das Polymernetzwerk eingebaut werden. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.7.2: [C23, F4].

2.7.3 Beschleuniger und Katalysatoren

Hierbei handelt es sich um Verbindungen, die bereits bei sehr geringen Konzentrationen (< 1%) einen Reaktionsablauf z.T. erst ermöglichen oder beschleunigen bzw. ihn in positivem Sinn beeinflussen können. Die Beschleuniger befinden sich bei der Verarbeitung im Allgemeinen gleichzeitig mit einem Härter in der Klebstoffrezeptur, um die Härtung zu beschleunigen oder auch bei tieferen Temperaturen zu initiieren. Beispielhaft ist die Beschleunigerfunktion der tertiären Amine bei den Methacrylatklebstoffen (Abschn. 2.1.2.1). Beschleuniger (auch Akzeleratoren genannt) bilden ebenfalls keinen integralen Bestandteil des Polymernetzwerks. In ähnlicher Weise ist die Funktion der Katalysatoren zu sehen. 2.7.4 Weichmacher

Bei Klebstoffen, deren Klebschichten nur eine geringe Verformungsfähigkeit aufweisen, lässt sich diese durch Zusatz von Weichmachern erhöhen. Unter Weichmachern versteht man niedrigmolekulare Verbindungen, insbesondere Phthalsäureester (Dibutylphthalat DBP; Dioctylphthalat DOP), die sich aufgrund ihrer gegenüber den Polymermolekülen geringen Molekülgröße in das Polymernetzwerk einlagern, ohne jedoch an der Aushärtungsreaktion, die sie z.T. behindern können, direkt teilzunehmen. Somit ermöglichen sie durch eine Vergrößerung des Abstandes und die dadurch verminderten Anziehungskräfte eine gewisse Beweglichkeit der Makromoleküle im Netzwerk gegeneinander und erhöhen damit das Verformungsvermögen. Beide Umstände bewirken außerdem eine Erniedrigung der Glasübergangstemperatur. Die Anwendung dieser als „äußere Weichmachung“ bezeichneten Möglichkeit der

154

2 Klebstoffgrundstoffe

Klebschichtplastifizierung („innere Weichmachung“, s. Abschn. 4.4.3) hat jedoch Grenzen. Der Nachteil weichmacherhaltiger Klebschichten liegt in den verminderten Alterungs- und Haftungseigenschaften, weiterhin in den reduzierten Klebschichtfestigkeiten, deren Kriechneigung unter Langzeitbeanspruchung entsprechend zunimmt. Ein weiterer Nachteil liegt in dem Verhalten der Weichmacher, unter ungünstigen klimatischen und physikalischen Einflüssen aus der Klebschicht auszuwandern. Somit kann nach einer gewissen Zeit erneut eine Versprödung der Klebschicht bzw. eine Veränderung der Fügeteiloberfläche herbeigeführt werden, letzteres insbesondere bei Klebungen von Kunststoffen (Abschn. 14.1.1). Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang aber auch auf die Tatsache, dass umgekehrt aus miteinander oder mit anderen Werkstoffen verklebten weichmacherhaltigen Kunststoffolien Weichmacher in die Klebschicht eindiffundieren können, die dann zu verminderten Haftungseigenschaften und Festigkeiten führen. Aus diesen Zusammenhängen ergibt sich also, dass der Zusatz von Weichmachern zu mechanisch hochbelasteten Klebstoffen nur nach einer wohlabgewogenen Prüfung der Prioritäten zwischen Verformbarkeit und Festigkeit erfolgen kann. Üblich ist der Weichmacherzusatz bei Klebstoffen, die von sich aus eine dauernde eigene Klebkraft besitzen, z.B. auf Basis natürlicher oder künstlicher Kautschukarten (Haftklebstoffe, Abschn. 3.4). Hier wirken die mit einer hohen Polarität versehenen Weichmachermoleküle in der Weise, dass sie sich an die Polymerketten (physikalisch) anlagern, ihnen somit eine erhöhte Beweglichkeit gegeneinander verleihen und durch die erhöhte Polarität zu verbesserten Klebrigkeitseigenschaften führen. Die Eigenschaften von Lecithin als biologischer Weichmacher werden in [R69] beschrieben. Über Weichmachersperren auf Basis Si/Al-Oxiden s. [H320]. 2.7.5 Harze

Der Begriff „Harz“ lässt sich im Hinblick auf eine einheitliche Systematik nur unvollkommen definieren. Nach DIN 55947 ist „Harz ein technologischer Sammelbegriff für feste, harte bis weiche, organische, nichtkristalline Produkte mit mehr oder weniger breiter Molekulargewichtsverteilung. Normalerweise haben Harze einen Schmelz- oder Erweichungsbereich, sind in festem Zustand spröde und brechen dann gewöhnlich muschelartig. Sie neigen zum Fließen bei Raumtemperatur (kalter Fluss). Harze sind in der Regel nur Rohstoffe, z.B. für Bindemittel, härtbare Formmassen, Klebstoffe, Lacke“. Als Klebstoffbestandteil kann eine Unterscheidung in Naturharze und Kohlenwasserstoffharze getroffen werden. Häufig wird der Begriff „Harz“ – insbesondere im angelsächsischen Sprachgebrauch – auch für Ausgangsprodukte von Klebstoffen (resin, Epoxidharz) verwendet. Eine Klassifizierung nach dem chemischen Charakter ergibt die folgenden Harzsysteme:

2.7 Klebstoffzusätze und haftvermittelnde Substanzen

– – – – – – – –

155

aliphatische Kohlenwasserstoffharze, aromatische Kohlenwasserstoffharze, alkylaromatische Kohlenwasserstoffharze, Kohlenwasserstoffharze auf Basis reiner Monomere, hydrierte Kohlenwasserstoffharze, Terpenharze, funktionelle Kohlenwasserstoffharze, Naturharze.

Im einzelnen handelt es sich bei diesen Harzen um polymere Stoffgemische uneinheitlichen Charakters von meist amorpher Beschaffenheit, die normalerweise einen Schmelz- oder Erweichungsbereich besitzen und in organischen Lösungsmitteln löslich sind. Harze werden als Additive zu Klebstoffrezepturen dann eingesetzt, wenn bestimmte Eigenschaften der Klebschicht, z.B. eine besondere Klebrigkeit und/oder Haftungsverbesserung bei Kontaktklebstoffen (Abschn. 3.3) verlangt werden. Eine weitere Beeinflussung durch Harze ist für das Fließ- bzw. Kriechverhalten der Klebschichten sowie der Klebstoffviskosität gegeben. Eine durch Harzzusatz bedingte geringere Klebstoffviskosität ermöglicht Formulierungen mit erhöhtem Festkörpergehalt und durch den somit geringeren Lösungsmittelanteil kürzere Trocknungsbzw. Abbindezeiten. Im Allgemeinen bewirkt der Zusatz eines zumindest teilweise mit dem Polymer verträglichen Harzes aufgrund des niedrigen Molekulargewichts eine Verringerung der Kohäsion und eine Verbesserung der Adhäsion (Tack). Von den aus Erdölfraktionen gewonnenen Kohlenwasserstoffharzen sind als Klebstoffbestandteile von besonderem Interesse: 앫 Kumaron-Inden-Harze: Sie entstammen den Fraktionen der Steinkohlenteerdestillation und stellen historisch die älteste und bekannteste Gruppe der Kohlenwasserstoffharze dar. 앫 Polyterpenharze: Sie entstehen durch Polymerisation von Bestandteilen des Terpentinöls, vorwiegend des α- und β -Pinens. Sie sind beispielsweise in Kombination mit Naturkautschuk bei Haftklebstoffen im Einsatz. 앫 Petroleumharze: Diese sind Crackprodukte der Erdölfraktionen. Petroleumharze entstehen durch Polymerisation niedriger ungesättigter Kohlenwasserstoffe (Ethylen, Propylen, Butylen, i-Butylen) als sog. C 5 -Harze mit mittleren Molekulargewichten von ca. 1200–1500. Durch Polymerisation von ungesättigten Kohlenwasserstoffen mit 9 Kohlenstoffatomen, z.B. Inden, Methylinden, Styrolderivaten, erhält man die sog. C9 -Harze. Mischpolymerisationen von C5 - und C9 -Harzen führen, z.T. über eine nachfolgende Hydrierung, zu beständigen thermoplastischen Harzen mit Erweichungspunkten zwischen 70 und 120 °C. Als das wichtigste Naturharz kann das Kolophonium angesehen werden. Es stellt ein Gemisch verschiedener Harzsäuren dar, die aus dem Rückstand der Destillation von Kiefernharzen oder durch Extraktion von Wurzelharzen gewonnen werden. Die chemische Hauptkomponente ist Abietinsäure. Bedingt

156

2 Klebstoffgrundstoffe

durch die C=C-Doppelbindung im Molekül sind diese Harze relativ anfällig gegenüber oxidativen Einflüssen. Durch Hydrieren lässt sich dieser Nachteil vermindern. In ähnlicher Weise wie Weichmacher vermögen auch Harze die Glasübergangstemperatur von Polymeren zu erniedrigen, dabei ist die Art und Weise, wie ein Harz die entsprechenden Polymere beeinflussen kann, abhängig von seinem Löslichkeitsparameter (Abschn. 3.2). Bei Blockpolymeren (Abschn. 2.1.4.2) kommt es darauf an, mit welcher Phase ein Harz in Wechselwirkung treten kann. Entweder wird die „Festigkeitsphase“ oder die „Elastomerphase“ in ihren Eigenschaften durch das Harz verändert. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.7.5: [D141, F24, J5, J19, J20, J41, N17, W5]. Fachbuch: [M252].

2.7.6 Wachse

Unter dem Begriff „Wachs“ werden verschiedene Produkte verstanden, die pflanzlichen, tierischen oder geologischen Ursprungs sind und die hinsichtlich ihrer chemischen Basis im Wesentlichen aus Kohlenwasserstoffen, höheren Alkoholen, Säuren und Estern bestehen. Unabhängig von der chemischen Zusammensetzung bestimmen die physikalischen Eigenschaften wie Schmelzpunkt, Löslichkeit, Inertheit etc. die Einstufung eines Wachses. Die wesentlichen Kriterien sind: 앫 ein Schmelzpunkt von wenigstens 40 °C, 앫 verhältnismäßig niedrige Schmelzviskosität und nicht fadenziehend im Gegensatz zu vielen Harzen, 앫 zunehmende Löslichkeit und keine chemische Zersetzung bei erhöhter Temperatur. Wachse bewirken als Zusatz zu verschiedenen Klebstoffarten (z.B. bei Schmelz- und Haftklebstoffen) eine Verbesserung der Adhäsionseigenschaften, der Klebrigkeit (Tack), der Stabilität sowie eine Verminderung der Schmelzviskosität. Wachse sind keine thermoplastischen Verbindungen im Sinn der für diese geltenden Definition, da sie über charakteristische Schmelzpunkte verfügen, bei deren Überschreitung flüssig werden und somit keinen Schmelzbereich aufweisen (allerdings mit Ausnahme der Polyethylen-Wachse). Wichtige Wachstypen sind: 앫 Paraffinwachse mit Schmelzpunkten im Bereich von 45–70 °C und Molgewichten zwischen 225 und 500, 앫 mikrokristalline Wachse mit Schmelzpunkten im Bereich von 60–95 °C; neben linearen Kohlenwasserstoffen sind auch verzweigte und ringförmige Kohlenwasserstoffe vorhanden, 앫 synthetische Fischer-Tropsch-Wachse mit Schmelzpunkten im Bereich von 100–115 °C,

2.7 Klebstoffzusätze und haftvermittelnde Substanzen

157

앫 Polyethylenwachse mit Schmelzbereichen zwischen 85 und 140 °C und Molgewichten im Bereich von 500–3500. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.7.6: [H171, J16, K94, K95].

2.7.7 Tackifier

Als Tackifier werden polymere Zusatzstoffe für Klebstoffe bezeichnet, die deren Tack, d.h. ihre Eigenklebrigkeit oder Selbsthaftung erhöhen, sodass sie nach kurzem leichten Andruck fest auf Oberflächen haften. Voraussetzung für ihre Eigenschaft ist eine relativ niedrige Molmasse (ca. 200– 2000 g Mol–1), eine Glasübergangstemperatur, die oberhalb der Elastomere liegt und eine ausreichende Verträglichkeit mit den entsprechenden Polymeren. Tackifier selbst brauchen keinen Tack zu besitzen. Beispiele für diese Produkte sind Terpen-Oligomere, Cumaron/Inden-Harze, aliphatische petrochemische Harze, Homopolymerisate von Alkyl(meth)acrylaten wie Poly(isobutylacrylat), Poly(2-ethylhexyl-acrylat). 2.7.8 Füllstoffe

Mit dem Zusatz von Füllstoffen werden verschiedene Eigenschaftsänderungen der Klebstoffe angestrebt. Im Gegensatz zu Streckmitteln, die vielfach vor dem Hintergrund einer Verbilligung und z. T. auch einer Qualitätsminderung der Klebstoffe gesehen werden müssen, dienen Füllstoffzusätze ausschließlich dem Zweck, den Klebschichten genau definierte mechanische, physikalische und chemische Eigenschaften zu verleihen. Unter Füllstoffen sind solche festen und nichtflüchtigen Substanzen zu verstehen, die den Polymermolekülen gegenüber ein inertes Verhalten aufweisen, d. h. sie weder anlösen, anquellen oder klebrig machen; sie befinden sich jeglichen Reaktionen der Monomer- und Polymermoleküle gegenüber unbeteiligt in der Polymersubstanz. Grundsätzlich ist bei der Zugabe von Füllstoffen zu beachten, dass eine möglichst dichte und homogene Verteilung bei gleichzeitiger optimaler Benetzung der Füllstoffpartikel durch die Monomeranteile erfolgt. Nur so sind Hohlräume in der ausgehärteten Klebschicht, die zu einer Minderung der Kohäsionsfestigkeit führen, zu vermeiden. Weiterhin sind vor der Klebstoffverarbeitung ggf. durch Sedimentation vorhandene Konzentrationsunterschiede durch erneutes Mischen wieder auszugleichen. Die wichtigsten Eigenschaften der Füllstoffe sind in Abhängigkeit von der jeweiligen Anwendung deren chemische Zusammensetzung, Korngrößenverteilung, Dichte, Benetzbarkeit, Wärmeleitfähigkeit, Wärmeausdehnungskoeffizient und ggf. elektrische Leitfähigkeit. Als Füllstoffe werden vorwiegend folgende Substanzen angewendet: Pyrogene Kieselsäure, Quarzmehl, Kalksteinmehl, gemahlene Kreiden (Ca- oder Ca/Mg-Carbonate), Schwerspat (BaSO4), Glasfasern, Talkum, Glimmer, Metallpulver. Es handelt sich in der

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2 Klebstoffgrundstoffe

Regel also um anorganische, meist kristalline Partikel, die aufgrund der ihnen eigenen Eigenschaften diese in der entsprechenden Konzentration auch auf die Polymersubstanz zu übertragen vermögen. Besonders hinzuweisen ist auf die in der Vergangenheit entwickelten Füllstoffe im Bereich von Nano-Abmessungen. Gegenüber den traditionellen Füllstoffen gelingt es, bei gleichem oder auch geringerem Füllstoffgehalt um Größenordnungen mehr Partikel in eine Harzmatrix einzuarbeiten. Diese Möglichkeit führt zu z.T. neuen Polymereigenschaften und Anwendungsgebieten (Abschn. 3.12). Wichtige Eigenschaftsänderungen, die durch Füllstoffe herbeigeführt werden können, sind z.B.: 앫 Ausweitung des Temperaturanwendungsbereichs: Die erweiterte Temperaturbeständigkeit der Klebschicht kann darauf zurückgeführt werden, dass die in dem Polymer eingebetteten Füllstoffpartikel je nach ihrer Art bei Wärmebeanspruchung infolge ihrer geringeren Wärmeausdehnung den zeitund temperaturbedingten Schwindungseigenschaften der Klebschicht entgegenwirken. Hierdurch werden auftretende Eigenspannungen und ggf. Risse in der Klebschicht vermieden. 앫 Verstärkung der Klebschicht: Aufgrund der höheren Festigkeit der Füllstoffe gegenüber den Polymeren ergeben sich in vielen Fällen auch höhere Klebschichtfestigkeiten. Besonders ausgeprägt ist dieser Sachverhalt bei der Schälbeanspruchung durch Einlage von Glasfasergeweben. Die Stützwirkung des Gewebes ermöglicht eine bessere Weiterleitung und somit Herabsetzung der auftretenden Schälspannungen. Aber auch die Klebfestigkeitswerte können in positivem Sinn beeinflusst werden (sog. strukturelle Füllstoffe). 앫 Herabsetzung der Schwindung: Hier wirken sich die im Allgemeinen viel geringeren Ausdehnungskoeffizienten der Füllstoffe ausgleichend auf den Schwindungsvorgang der Klebschicht während der Aushärtung und Abkühlung aus. Eine Herabsetzung der Schwindung ist zur Vermeidung innerer Spannungen in der Klebschicht Voraussetzung für ein optimales Festigkeitsverhalten (Abschn. 7.2). In gleicher Weise wirken sich die Füllstoffe naturgemäß auch auf eine Verminderung des thermischen Ausdehnungskoeffizienten der reinen Klebschicht aus. 앫 Beeinflussung rheologischer Eigenschaften: Füllstoffzusätze führen zu einer Erhöhung der Viskosität, die z.B. bei Klebungen poröser Werkstoffe ein „Wegschlagen“ des Klebstoffs vermeidet. 앫 Verlängerung der Topfzeit: Durch die im Vergleich zu der Monomermischung bessere Wärmeleitfähigkeit der Füllstoffe wird die Topfzeit gefüllter gegenüber ungefüllten Ansätzen verlängert, weil die entstehende Wärme bei beginnender Reaktion verstärkt in die Füllstoffpartikel abgeleitet wird. Dieser Effekt ist insbesondere bei Dichtungs- und Vergussmassen vorteilhaft, da durch die Verminderung der Wärmeentwicklung während des Abbindens in Verbindung mit der geringeren Schwindung die Neigung zu einer Rissbildung vermindert wird.

2.7 Klebstoffzusätze und haftvermittelnde Substanzen

159

앫 Erzielung besonderer elektrischer und physikalischer Eigenschaften: Diese Eigenschaften, insbesondere durch metallische Füllstoffe erzielt, spielen bei Klebstoffanwendungen in der Elektronik für die Strom- und Wärmeleitung eine besondere Rolle (Abschn. 3.11). 앫 Einsatz als verbindende Füllmassen: Mit Metallpulvern in hohem Anteil (bis zu 80%) gefüllte Klebstoffe, meistens kalthärtende Epoxidharzsysteme, dienen vorteilhaft zum Ausfüllen von Lunkern, Hohlräumen und Rissen in Werkstücken aus Gusseisen, Gussaluminium, Rotguss etc. und zu sog. „Reparaturklebungen“ (Abschn. 15.11.1). Nach Aushärtung können diese Massen, die einen metallähnlichen Charakter aufweisen, mechanisch durch Schleifen, Sägen usw. bearbeitet werden. Trotz gewisser Vorteile, die gefüllte Klebstoffe aufweisen, ist dennoch auf zwei Einschränkungen hinzuweisen: 앫 Mit zunehmendem Füllstoffanteil in einem Klebstoff ist im Allgemeinen eine Reduzierung der Aushärtungsgeschwindigkeit verbunden. Diese Reduzierung der Reaktionsgeschwindigkeit bei Zweikomponentenklebstoffen kann damit begründet werden, dass durch einen „Verdünnungseffekt“ die für die Reaktionsgeschwindigkeit maßgebende Konzentration der Reaktionspartner herabgesetzt wird. Um diesen Nachteil auszugleichen, ist gegenüber dem ungefüllten Klebstoff eine höhere Verarbeitungstemperatur vorzusehen. 앫 Füllstoffzusätze führen zwangsläufig zu vergrößerten Klebschichtdicken. Die Klebschichtdicke hat wiederum einen maßgebenden Einfluss auf die Festigkeit der Klebung und zwar in dem Sinn, dass mit zunehmender Klebschichtdicke die Festigkeit abnimmt (Abschn. 8.4.7). Diese beiden Einschränkungen ergeben die Notwendigkeit einer genauen Abstimmung der in jedem Einzelfall geforderten Eigenschaftsprioritäten. Über den Einfluss des Volumeneffektes bei Füllstoffzusätzen s. Abschnitt 3.11.3. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.7.8: [B89, E4, E43, E92, E93, F43, H13–H15, H95, H281, H290, I5, K12, K13, K96, K160, K161, M6, M7, N1, P6, R70, R71, S13, S14, Y21, Z1].

2.7.9 Stabilisatoren

Unter diesen Begriff fallen allgemein Zusatzstoffe, die in weiterem Sinn unbeständigen oder durch äußere Einflüsse veränderbaren Stoffen zugesetzt werden, um möglichen Veränderungen entgegenzuwirken. Das können beispielsweise oxidative Schädigungen, Molekülspaltungen durch UV-Licht sowie Zustandsänderungen (Koagulation, Absetzen) u.ä. sein. Je nach den Einsatzgebieten sind diesen Stabilisatoren eigene Bezeichnungen zugeordnet: – Alterungsschutzmittel, – Lichtstabilisatoren, – Antioxidantien etc.

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2 Klebstoffgrundstoffe

2.7.10 Antioxidantien

Diese Zusatzstoffe, auch Oxidationsinhibitoren genannt, bestehen aus organischen Verbindungen, die unerwünschte, durch Sauerstoffeinwirkung verursachte oxidative Prozesse in Stoffen hemmen oder verhindern. Die Wirkung der Antioxidantien besteht darin, dass sie als Radikalfänger für die bei den Oxidationsvorgängen auftretenden freien Radikalen wirken (Abschn. 2.1.1.1). Als Antioxidantien wirksam sind u.a. sterisch gehinderte Phenole, Thioether, substituierte Benzotriazole, Hydrochinon, Amine vom „HALS“-Typ (hindered amine light stabilizer). 2.7.11 Entlüfter und Entschäumer

Beim Mischen von Klebstoffkomponenten, insbesondere bei höherviskosen Systemen mit dynamischen Mischern, besteht die Möglichkeit des Einrührens von Luft. Die Wirkung von Entlüftern, die grenzflächenaktive Eigenschaften aufweisen, beruht auf einer Verringerung der Oberflächenspannung im Grenzbereich Klebstoff/Luftblase. Dadurch kommt es zu einer Vereinigung kleiner Blasen zu größeren, die schneller aufsteigen können. Thermodynamisch ist dieser Vorgang im Hinblick auf das Verhältnis von Oberfläche zu Volumen der Blasen als Übergang eines energiereicheren (kleine Blase) in einen energieärmeren (große Blase) Zustand zu erklären. Als Additive zur Entlüftung dienen u.a. Polyvinylverbindungen, modifizierte Polysiloxane und Polyacrylate. Empfehlenswert ist es, den Einfluss dieser grenzflächenaktiven Substanzen auf die Adhäsionseigenschaften zu prüfen. Entschäumer sind insbesondere bei Dispersionsklebstoffen wichtige Zusatzstoffe. 2.7.12 Rheologie – Additive

Für spezielle Anwendungen besteht die Notwendigkeit, die rheologischen Eigenschaften des Klebstoffs zu modifizieren, z.B. zur Herstellung tropf- oder ablauffreier Produkte. Die entsprechenden Additive können anorganischer oder organischer Natur sein. Aus der Vielfalt möglicher Substanzen sind zu erwähnen: Pyrogene Kieselsäure, Schichtsilikate, Alginate, Polyacrylate, Polyether. Zu dieser Gruppe gehören ebenfalls Verdickungs- oder Quellmittel. Diese hochmolekularen, meist organischen Substanzen vermögen Flüssigkeiten aufzusaugen und gehen dann in zähflüssige kolloidale Lösungen als Gel oder Schleim über. Neben den vorstehend erwähnten Verbindungen finden Anwendung u.a. Gummi arabicum, Pectine, Gelatine, Cellulosederivate.

2.7 Klebstoffzusätze und haftvermittelnde Substanzen

161

2.7.13 Dispergiermittel

Diese Verbindungen erleichtern das Dispergieren von Teilchen in einem Dispersionsmittel, indem sie die Grenzflächenspannung zwischen den jeweiligen Oberflächen erniedrigen und so die Benetzung verbessern. Weitere Bezeichnungen: Netzmittel, Suspendierhilfe, Absetzverhinderungsmittel etc. Zum Einsatz kommen grenzflächenaktive Verbindungen wie z.B. Tenside. 2.7.14 Emulgatoren und Schutzkolloide

Benötigt werden diese Zusatzstoffe zur Stabilisierung von Emulsionen über einen längeren Zeitraum. Sie verhindern die Entmischung der Öl- und Wasserphase durch Herabsetzung der Grenzflächenspannung zwischen beiden Phasen. Das strukturelle Kennzeichen der Emulgatoren ist ihr amphiphiler Molekülaufbau (hydrophile und lipophile Eigenschaften, Abschn. 6.4.1). Gängige Schutzkolloide sind wasserlösliche teil- und vollverseifte Polyvinylacetate mit verschiedenen Polyvinylalkohol-Anteilen. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.7.9–2.7.14: [D328, E139, J42, K266].

2.7.15 Haftvermittler

Für die Verbesserung der Haftungseigenschaften von Klebschichten auf den Fügeteiloberflächen werden Oberflächenvorbehandlungen durchgeführt, die in Form mechanischer, chemischer oder physikalischer Verfahren dazu dienen, die Ausbildung von zwischenmolekularen Kräften entweder zu ermöglichen oder zu verstärken. In Ergänzung zu diesen Vorbehandlungen, zu denen ebenfalls das Auftragen sog. Primer (Abschn. 2.7.16) gehört, sind auch Haftvermittler auf Basis siliziumorganischer Verbindungen (Silane) im Einsatz. Diese Haftvermittler, auch „chemische Brücken“ genannt, werden entweder auf die Fügeteiloberfläche aufgetragen oder dem Klebstoff zugesetzt; sie sind in der Lage, die Festigkeit von Klebungen und insbesondere deren Alterungsverhalten gegenüber feuchter Atmosphäre zu verbessern. Derartige Haftvermittler sind z.B. seit langem bei der Herstellung glasfaserverstärkter Kunststoffe im Einsatz, um die Adhäsion zwischen Glasfasern und dem entsprechenden Matrixharz (kohärente, durchgehende Phase eines Mehrphasenpolymers) zu verbessern. Aufgabe der Haftvermittler ist es also, die Wirkung der üblichen chemischen Oberflächenbehandlungen zu ergänzen oder sogar, insbesondere in Kombination mit mechanischen Verfahren, diese ggf. zu ersetzen. Auf dem Gebiet des Klebens sind Silan-Haftvermittler der allgemeinen Formel (2.125)

162

2 Klebstoffgrundstoffe

im Einsatz. Als R1O-Substituenten sind Methoxyl-, Ethoxyl- oder β-Methoxylethoxylgruppen gebräuchlich, als verbindende Gruppe R2 (auch als „Spacer“ bezeichnet) wird meistens die Propylengruppe verwendet. Die reaktionsfähige Endgruppe X kann in Abstimmung zu dem Klebschichtpolymer z.B. eine Amino-(NH2–), Hydroxi-(OH–), Vinyl-(CH2=CH–), Methacryl(CH2=C–CH3) oder Epoxid-(H2C–CH–) Gruppe sein. | \ / O Ein wichtiges strukturelles Merkmal der organofunktionellen Alkoxysilane ist die Länge der Kohlenwasserstoffkette in der reaktiven organischen Gruppe. Die üblichen γ-Silane enthalten eine Propylengruppe als Spacer zwischen dem Siliziumatom und der organofunktionellen Gruppe. Bei den α-Silanen fungiert die kürzere Methylengruppe als Spacer. Die Länge des Spacers hat einen großen Einfluss auf die Bindungsfestigkeit der Alkoxygruppen an das Siliziumatom und somit auf die über die Hydrolyse ablaufende Vernetzungsgeschwindigkeit (α-Effekt) [S336]. Die Verbesserung der Haftung zwischen Klebschicht und Fügeteiloberfläche hat man sich in der Weise vorzustellen, dass durch die Bifunktionalität des gemäß Formel (2.125) beschriebenen Molekülaufbaus sowohl eine Reaktion mit der Fügeteiloberfläche als auch mit dem Polymer der Klebschicht erfolgt: 앫 Reaktion mit der Fügeteiloberfläche: Der Molekülteil (R1O–)3Si– unterliegt aufgrund der in den Alkoxygruppen vorhandenen Silizium-Sauerstoff-Bindungen bei Anwesenheit von Wasser – hier genügen bereits Spuren von Feuchtigkeit auf der Fügeteiloberfläche – der Hydrolyse unter Ausbildung von Silanolen: (2.126)

Diese sehr unbeständigen Verbindungen können teilweise zu Polysiloxanen und/oder über die verbleibenden HO–Si-Gruppen mit den OH-Gruppen eines anorganischen Substrats kondensieren (z.B. bei Glas, keramischen Werkstoffen oder mit OH-Gruppen versehenen chemischen Oberflächenschichten auf metallischen Fügeteilen). Weiterhin spielen in Bezug auf die Festigkeit der Klebung Kondensationen mit den an metallischen Fügeteilen chemisorbierten Wassermolekülen (Abschn. 6.1.5) eine besondere Rolle. Als niedrigmolekulare Spaltprodukte treten bei dieser Reaktion bei Anwesenheit von Alkoxygruppen Alkohole auf. Die formelmäßigen Einzelheiten zeigt Bild 2.22. 앫 Reaktion mit der Klebschicht: Die Vielzahl der Auswahlmöglichkeiten erlaubt es, die reaktionsfähige Endgruppe X in ihrem Reaktionsvermögen dem Basismonomer des Klebstoffs anzupassen, z.B. eine vinylgruppenhaltige für eine Copolymerisation mit einem Polymerisationsklebstoff oder eine aminhaltige für eine Polyadditionsreaktion mit einem Epoxidharzklebstoff.

2.7 Klebstoffzusätze und haftvermittelnde Substanzen

163

Bild 2.22. Reaktionsmechanismus von SilanHaftvermittlern

In jedem Fall handelt es sich bei diesen Gruppen wegen der Si–C-Bindung um nicht hydrolysierbare Bindungen. Einen vereinfachten, schematisch dargestellten Zusammenhang dieser beiden Reaktionsarten zeigt am Beispiel eines aminhärtenden Epoxidsystems Bild 2.22. Die bifunktionellen Haftvermittler werden an den Silanolendgruppen durch die an der Fügeteiloberfläche adsorbierten Wassermoleküle zunächst hydrolysiert und gehen dann nach einer Polykondensationsreaktion sowohl chemische (Me–O–Si–) als auch Wasserstoffbrücken-Bindungen (Me–O… HO–Si–) mit der Oberfläche ein. Die zweite funktionelle Gruppe reagiert parallel im Sinn einer Polyadditions- oder Polymerisationsreaktion mit den Klebstoffmolekülen. Einige der in der Praxis eingesetzten Silan-Haftvermittler sind: – Methacryl-oxypropyl-trimethoxysilan (2.127) – Mercapto-propyl-trimethoxysilan (2.128)

164

2 Klebstoffgrundstoffe

– Aminoethyl-aminopropyl-trimethoxysilan (2.129) – 3-Chloropropyltrimethoxysilan (2.130) – Vinyltriethoxysilan (2.131) Die nachgewiesene Verbesserung der Haftfestigkeitseigenschaften ist mit Sicherheit auf das gezielte Herbeiführen von chemischen Bindungen zwischen Klebschicht und Silan bzw. Silan und Fügeteil zurückzuführen. Bei den metallischen Fügeteilen ist hier jedoch die Einschränkung zu machen, dass die an den chemisorbierten Feuchtigkeitsschichten verankerten Bindungskräfte geringer sind als die chemischen Bindungen im Bereich der Klebschichtgrenzfläche; so stellt in diesem System die dem Metall zugewandte Grenzfläche das schwächste Glied dar. Wesentlich günstiger ist aus diesem Grund die Verwendung von Silan-Haftvermittlern in Ergänzung zu einer chemischen Oberflächenbehandlung, bei der über die chemisch mit der metallischen Oberfläche verbundenen Oxid- und Hydroxidschichten wesentlich festere Bindungen zwischen Haftvermittler und Oberfläche resultieren. Die Anwendung der Haftvermittler erfolgt entweder als Auftrag direkt auf die Fügeteiloberflächen (Sprühen, Tauchen, Walzen) oder als Zusatz zu den Klebstoffen in Größenordnungen von 1 – 3 %. Wichtig ist, dass die Schichtdicke des Haftvermittlers möglichst dünn ist, da die intermolekularen Kräfte zwischen den Silanmolekülen verhältnismäßig schwach sind. Im Prinzip reicht in Kenntnis des beschriebenen Haftmechanismus bereits eine monomolekulare Schicht aus. Die erzielbaren Festigkeitserhöhungen auf Werkstoffen wie Glas, Stahl, Aluminium können je nach Klebstoffart und Oberflächenvorbehandlung bis zu 50% betragen, sehr vorteilhaft ist in fast allen Fällen die nachgewiesene Verbesserung der Feuchtigkeitsalterung. Die bei der Hydrolyse entstehenden polymeren Produkte besitzen einen stark hydrophoben Charakter, sodass das Eindringen von Wasser in die Klebfuge erschwert wird. Nach Untersuchungen von Kornett [K14] erreichen Klebungen mit dem Fügeteilwerkstoff AlMg3 F26 auf pickling-gebeizten Oberflächen durch Zusatz eines Silan-Haftvermittlers bis zu 30% höhere Klebfestigkeiten. Bei nur entfetteten Oberflächen wird durch Silan-Haftvermittler nahezu die gleiche Festigkeit erzielt wie an gebeizten Oberflächen ohne Haftvermittler. Dem Mechanismus der verbesserten Haftfestigkeit liegen verschiedene Theorien zugrunde, die von Walker [W6] näher beschrieben werden. Voraussetzung für die erfolgreiche Anwendung der Silanhaftvermittler ist eine sehr präzise Verarbeitung gepaart mit einem entsprechenden chemischen Verständnis. Ergänzend sind besondere Arbeitsschutzmaßnahmen erforderlich.

2.7 Klebstoffzusätze und haftvermittelnde Substanzen

165

In Ergänzung zu den Silan-Haftvermittlern werden in der Literatur ebenfalls Zirkonaluminat-Haftvermittler beschrieben. Diese sind nicht so hydrolyseempfindlich wie Silane und bilden darüber hinaus auf metallischen Oberflächen beständige Korrosionsschutzschichten. Als vernetzende funktionelle Gruppen fungieren bei diesen Verbindungen Hydroxi- und Carboxylgruppen [A71, C54, M137, P86]. Haftvermittler auf Basis von epoxifunktionellen Anthrachinonverbindungen, die speziell für Aluminiumklebungen entwickelt wurden und deren Reaktionsmechanismus auf der Bildung von Chelatkomplexen mit Aluminium-Ionen beruht, werden in [D152] beschrieben. Zum Einsatz von Aminen als Haftvermittler zur Verbesserung der Adhäsionseigenschaften von Cyanacrylaten auf Polyolefinen s. Abschnitt 2.1.1.1. In der Literatur werden die Begriffe Haftvermittler und Primer häufig im gleichen Zusammenhang erwähnt, obwohl sie sich hinsichtlich der chemischen Reaktionsweise grundsätzlich unterscheiden. Charakteristisch für die Haftvermittler ist eine Bifunktionalität des Molekülaufbaus, die zu keinen intramolekularen Reaktionen der Monomere oder Prepolymere führt. Bei den Primern handelt es sich um chemisch reaktive Systeme, die durch Vernetzungsreaktionen entsprechende Polymerschichten auf den Fügeteiloberflächen auszubilden vermögen. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.7.15: [B90, B154, B155, B169, C25, C54, C55, D152, G4, G79, H334, J73, K15, K16, K162, K242, K255, L10, M8, M9, M137–M139, M215, M226, P36–P39, P64, P85, P86, R72, S97, S260, T33, T34, W41, W69–W71].

2.7.16 Primer

Durch die Oberflächenbehandlung (Abschn. 12.2) der Fügeteile werden Oberflächenzustände erzeugt, die die Voraussetzungen für optimale Haftungseigenschaften der Klebschichten bieten sollen. Aus diesem Grund ist es erforderlich, die Klebung der vorbehandelten Fügeteile entweder direkt anschließend oder in einem möglichst kurzen zeitlichen Abstand durchzuführen, um eine erneute Deaktivierung der Oberfläche zu vermeiden. Es kann jedoch Situationen geben, in denen die Oberflächenvorbehandlung zweckmäßigerweise bei dem Materialhersteller im kontinuierlichen Ablauf der Materialherstellung durchgeführt wird und die Klebung getrennt bei dem Anwender oder in anderen Bereichen des Betriebs erfolgt. Dann liegen zwischen Oberflächenbehandlung und Verarbeitung längere Zeitspannen. In diesen Fällen kann die aktivierte Oberfläche direkt anschließend an die Oberflächenbehandlung durch einen dünnen organischen Überzug, den sog. Primer, geschützt werden. Den Primern kommen somit die folgenden Aufgaben zu: – Verbesserung der Klebbarkeit und Alterungsbeständigkeit, – Konservierung vorbehandelter Oberflächen, – ggf. Korrosionsschutz der Fügeteiloberflächen.

166

2 Klebstoffgrundstoffe

Primer bestehen in den meisten Fällen aus verdünnten Lösungen der Klebstoffgrundstoffe, die auch für die nachfolgende Klebung verwendet werden sollen, z.T. werden ihnen auch Korrosionsinhibitoren zugesetzt. Sie werden in der Regel im Walz- oder Tauchverfahren auf die Fügeteile aufgebracht und bei Temperaturen (bei Primern auf Basis von chemisch reagierenden Klebstoffsystemen) unterhalb der später erforderlichen Aushärtetemperatur des Klebstoffs ausgehärtet. Durch diese Vorgehensweise wird sowohl eine gute Haftung der Primerschicht auf der Fügeteiloberfläche erreicht, als auch eine spätere ergänzende Härtung zur Ausbildung einer gemeinsamen Polymerstruktur mit dem aufgebrachten Klebstoff sichergestellt. Sie müssen in sehr dünnen Schichten (ca. 1 g m–2 ) aufgetragen werden, da größere Auftragsmengen zu einer Verringerung der Klebfestigkeit führen. Als Primer kommen vor allem Systeme auf Epoxidbasis und auf Basis von Mischpolymerisaten zum Einsatz. Primer mit Zusätzen von Korrosionsinhibitoren werden auch verwendet, um einen zusätzlichen Schutz in der Klebfuge vor dem Eindiffundieren von Feuchtigkeit und somit dem Auftreten von Unterwanderungskorrosionen zu bieten (Bild 7.16). Hiervon wird insbesondere im Flugzeugbau beim Kleben von Aluminiumlegierungen Gebrauch gemacht. Da die Anwendung von oxidativ-sauer wirkenden Primern auf Chromsäurebasis, wie sie speziell im Flugzeugbau zum Einsatz gelangen, aus Umweltaspekten problematisch ist, sind Entwicklungen für Alternativen durch wasserbasierende Systeme durchgeführt worden und zwar – auf Basis amorpher Metalloxide (Al2O3) [P40, P87, P88], – auf Basis wasserlöslicher Epoxidverbindungen durch Einbau hydrophiler OH-Gruppen [N50]. In beiden Fällen konnten zufriedenstellende Haftungs- und Alterungsbeständigkeiten nachgewiesen werden. Zum Einsatz von Primern für Cyanacrylatklebstoffe s. Abschnitt 2.1.1.1. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.7.16: [A71, B91, D300, D301, M9, M138, T34, W71, Y10].

2.7.17 Lösungsmittel

Lösungsmittel spielen bei der Klebstoffherstellung und Verarbeitung eine bedeutende Rolle. Man versteht unter ihnen organische Flüssigkeiten, die feste oder flüssige Stoffe zu lösen vermögen, ohne dass chemische Reaktionen zwischen den zu lösenden Komponenten und dem Lösungsmittel stattfinden. Als anorganisches Lösungsmittel gehört das Wasser ebenfalls in diese Stoffklasse. An die Lösungsmittel bzw. sehr häufig auch Lösungsmittelgemische werden jeweils spezielle Anforderungen hinsichtlich Lösevermögen, Verdunstungszeit, Wasserlöslichkeit, Entflammbarkeit, Verschnittfähigkeit und Siedegrenzen gestellt. Bezüglich der Verdunstungszeit werden die Lösungsmittel in leichtflüchtige (Verdunstungszahl bis 5), mittelflüchtige (bis 35) und schwerflüchtige (über 35, jeweils auf Ether mit der Verdunstungszahl 1 bezogen) eingeteilt.

2.7 Klebstoffzusätze und haftvermittelnde Substanzen

167

Toluol Trichlorethylen Xylol Wasser

Löslichkeitsparameter (J/cm3 )1/2

CH3COCH3 CH3COOC4H9 C6H10O CH3COOC2H5 C2H5OH CH3CHOHCH3 CH3COOCH3 CH3OH CH2Cl2 CH3COC2H5 CH3COCH2CH(CH3)2 H2C(CH2)3O | | 554 C6H5CH3 Cl2C = CHCl C6H4(CH3)2 H2O

Flammpunkt °C

Aceton Butylacetat Cyclohexanon Ethylacetat Ethylalkohol Isopropylalkohol Methylacetat Methylalkohol Methylenchlorid Methylethylketon Methylisobutylketon Tetrahydrofuran

58 116 98 88 46 60 74 32 84 72 100 72

2,1 12,1 40,0 2,9 62,0 11,0 2,2 6,5 1,8 6,0 6,7 2,3

56 127 156 77 78 82 57 64 41 80 117 66

–19 25 43 – 4 12 12 –10 11 – – 1 14 –17

41,9 35,6 41,4 38,1 53,2 48,1 41,0 60,7 40,6 38,9 35,2 41,4

92 130 106 18

6,0 3,8 17,0 80

111 87 144 100

6 – 30 –

37,3 38,9 36,8 –

Siedepunkt bei 1013 hPa

Formel

Verdunstungszahl (Ether = 1)

Lösungsmittel

Mol.-Gewicht

Tabelle 2.5. Verarbeitungsspezifische Eigenschaften von Lösungsmitteln

Bei den brennbaren Lösungsmitteln wird je nach ihrer Wasserlöslichkeit in die Gefahrengruppe A (mit Wasser nicht oder nur begrenzt mischbar) und B (mit Wasser mischbar) unterschieden, wobei innerhalb beider Gruppen noch je nach der Entflammbarkeit die Gefahrenklassen I (Flammpunkt unter 21°C), II (21– 55 °C) und III (über 55 °C) gelten. Bei Bedarf können genaue Angaben den Sicherheitsdatenblättern (Abschn. 12.5) der Hersteller entnommen werden. In vielen Fällen sind Lösungsmitteldämpfe im Gemisch mit Luft explosiv, außerdem ist die Gesundheitsschädlichkeit beim Einatmen und in direktem Kontakt mit dem Körper (Entfetten der Haut) zu beachten. Grenzwerte für Lösungsmittelgehalte in der Luft beim Arbeiten mit diesen Stoffen sind in entsprechenden Verordnungen festgelegt, als Konzentrationseinheit gelten die MAK-Werte (Maximale Arbeitsplatz-Konzentration). In ähnlicher Weise sind die entsprechenden Regelungen auch für Klebstoffmonomere anzuwenden (Abschn. 12.5). Tabelle 2.5 enthält für wichtige bei der Klebstoffherstellung und -verarbeitung eingesetzte Lösungsmittel Angaben über die Verdunstungszahl, den Siedepunkt, den Flammpunkt und die Löslichkeitsparameter (Abschn. 3.2). Ergänzende Literatur zu Abschnitt 2.7.17: [B92, B173, C56, D153, H172, K98, M12, M87, M88, M90, N18, P90, S171, S172, W42, W43].

3 Klebstoffarten

Aufbauend auf den Klebstoffgrundstoffen gibt es eine Vielzahl von Klebstoffarten, die sich unabhängig von einem bestimmten Grundstoff durch spezifische Eigenschaften, Verarbeitungsverfahren oder Reaktionsweisen auszeichnen. Schmelzklebstoffe können z.B. auf unterschiedlicher Grundstoffbasis (Polyamide, Polyester oder Copolymerisate) aufgebaut sein, charakteristisch ist für sie die Verarbeitung aus der Schmelze. Für Reaktionsklebstoffe, gleichgültig, ob sie durch Polymerisation, -addition oder -kondensation aushärten, ist der Ablauf einer chemischen Reaktion während der Klebschichtbildung das kennzeichnende Merkmal. Die Bezeichnung der Klebstoffart ermöglicht demnach eine den verschiedenen charakteristischen Merkmalen zugeordnete Klassifizierung. Diese kann sich u.a. beziehen auf – – – – –

die Basis des Grundstoffs (z.B. Polyurethan-Reaktionsklebstoff), die Verarbeitungsweise (z.B. Lösungsmittelklebstoff), die Verarbeitungstemperatur (z.B. kalthärtender Epoxidharzklebstoff), die Lieferform (z.B. Klebstofffolie), den Verwendungszweck (z.B. Holzleim).

Im Folgenden werden die für die wichtigsten Klebstoffarten spezifischen Merkmale hinsichtlich Aufbau, Verarbeitung und Eigenschaften beschrieben. (Hinweise auf die anwendungsbezogenen Auswahlkriterien finden sich in Abschn. 12.4.2.)

3.1 Reaktionsklebstoffe Die Reaktionsklebstoffe basieren insgesamt auf den Klebstoffgrundstoffen, die nach den Prinzipien der Polymerisation (Abschn. 2.1), Polyaddition (Abschn. 2.2) und Polykondensation (Abschn. 2.3) aushärten. Sie bilden den Hauptanteil aller verarbeiteten Klebstoffe. Ergänzend zu den bereits beschriebenen Monomeren, Polymeren und deren Reaktionsmechanismen sind einige Merkmale für alle chemisch reagierenden Klebstoffarten charakteristisch, die einer gemeinsamen Beschreibung bedürfen.

170

3 Klebstoffarten

3.1.1 Reaktionskinetische und physikalische Grundlagen

Chemische Reaktionen unterliegen allgemein den Parametern Zeit, Temperatur, Druck und Konzentration. Diese Parameter werden auch bei der Polymerbildung in Klebstoffen (Abbinden, Härten) wirksam und sind für die Festigkeit der Klebung von grundlegender Bedeutung. Sie bewirken den irreversiblen Übergang von mehr oder weniger flüssigen Monomeren, Monomermischungen oder Prepolymeren in einen vernetzten Zustand, der je nach dem Vernetzungsgrad elastomere, thermoplastische oder duromere Eigenschaften aufweist. 3.1.1.1 Einfluss der Zeit

Für die Anwendung des Klebens ist der zeitliche Ablauf der Härtungsreaktion (Abschn. 1.2.2) in den meisten Fällen ein bestimmender Faktor. Bei Annahme einer zunächst konstanten Temperatur während der Aushärtung ergibt sich die Reaktionszeit im Wesentlichen aus den Konzentrationsverhältnissen der an der Reaktion beteiligten Partner. Im vorliegenden Fall der aus zwei Komponenten A und B bestehenden Reaktionsklebstoffe handelt es sich um bimolekulare Reaktionen (Reaktionen 2. Ordnung), für die die folgende Beziehung gilt: dx = k(a – x) (b – x). dt

(3.1)

(a Anfangskonzentration von A; b Anfangskonzentration von B; x Konzentration der aus A und B nach der Zeit t gebildeten Polymermoleküle; k von der Konzentration unabhängige Reaktionsgeschwindigkeitskonstante oder auch spezifische Reaktionsgeschwindigkeit). Bei den stöchiometrisch verlaufenden Reaktionen, d.h. dem Vorliegen der Ausgangsstoffe in gleichen molaren Konzentrationen, ist a = b und somit dx = k(a – x)2 dt

(3.2)

und integriert 1 = kt + C. (a – x)

(3.3)

Für t = 0 ist x = 0 und daher C = 1/a. Damit ergibt sich kt =

x . a (a – x)

(3.4)

Die in Abhängigkeit von der Zeit jeweils vorhandenen Anteile an Ausgangsmonomeren zu gebildeter Polymermenge folgen demnach der in Bild 3.1 sche-

3.1 Reaktionsklebstoffe

171

Bild 3.1. Einfluss der Zeit auf die Konzentrationsänderung bei Reaktionsklebstoffen

Bild 3.2. Abhängigkeit der Klebfestigkeit von der Aushärtezeit bei Reaktionsklebstoffen

matisch dargestellten Kurve. Aus diesem Zusammenhang lässt sich für die praktische Anwendung folgendes ableiten: 앫 Die Konzentrationsabnahme der Ausgangsmonomere (cA , cB) bzw. die Konzentrationszunahme des polymeren Reaktionsprodukts (cp) folgt keiner linearen Proportionalität. Mit fortschreitender Reaktionszeit verringert sich die pro Zeiteinheit gebildete Menge an Polymer entsprechend einer umgekehrt quadratischen Funktion (3.4). Aus dieser Gesetzmäßigkeit resultieren z.B. die bei kalthärtenden Zweikomponentensystemen z.T. sehr langen Zeiten bis zur endgültigen Aushärtung. Das Erreichen der Endfestigkeit erfolgt demnach gemäß der in Bild 3.2 dargestellten Weise. 앫 Jedem Reaktionssystem lässt sich bei einer konstanten Temperatur bis zur Beendigung der Reaktion eine definierte und reproduzierbare Reaktionsgeschwindigkeit zuordnen, die in (3.4) durch die jeweilige Reaktionsgeschwindigkeitskonstante k festgelegt ist. Diese Geschwindigkeitskonstante ergibt sich in hohem Maße aus der Reaktivität der Monomere. Durch die ständige Konzentrationsabnahme kann in speziellen Fällen, insbesondere bei kalthärtenden Systemen, ein Stadium erreicht werden, in dem die Reaktion wegen der verringerten Monomerkonzentration trotz des Vorhandenseins von Monomeren zum Stillstand kommt (sog. „eingefrorene Systeme“).

172

3 Klebstoffarten

Bild 3.3. Abhängigkeit der Klebfestigkeit von der Temperatur bei kalthärtenden Reaktionsklebstoffen

Dieser Zustand führt gegenüber voll ausgehärteten Polymeren zu geringeren Klebschichtfestigkeiten. Eine eingefrorene Reaktion kann durch Temperaturerhöhung (Nachhärtung) wieder beschleunigt werden. Die hierdurch verursachte Erhöhung der Molekülbeweglichkeit ergibt die Möglichkeit des Einbaus noch vorhandener Restmonomere in das Netzwerk. Diese Vorgänge führen bei den kalthärtenden Systemen zu der Erscheinung, dass die Klebfestigkeit nach bei Raumtemperatur erfolgter Aushärtung mit ansteigender Temperatur zunächst weiter zunimmt, um dann infolge einsetzender Thermoplastizität oder auch beginnender chemischer/thermischer Zersetzung der Klebschicht wieder abzunehmen (Bild 3.3). Bemerkung: Der hier dargestellte Zusammenhang darf nicht mit einer ähnlichen Abhängigkeit infolge des Spannungsabbaus in Klebschichten von einschnittig überlappten Klebungen bei Zugscherbeanspruchung (Tempern der Klebschicht (Abschn. 7.2.8)) verwechselt werden. 3.1.1.2 Einfluss der Temperatur

Die Abhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten k von der Temperatur ist durch die von Arrhenius aufgestellte Beziehung gegeben:

$ RTA &

k = ae exp –

(3.5)

bzw. ln k = –

A +C RT

(3.6)

(A Aktivierungsenergie; R Gaskonstante; T absolute Temperatur; a stoffabhängiger Faktor, der von der Zahl der Zusammenstöße zwischen den Molekülen abhängt). Die diesen beiden Gleichungen entsprechenden Abhängigkeiten k von T bzw. ln k von 1/T sind in den Bildern 3.4a und b wiedergegeben. Die Aktivierungsenergie stellt den Mehrbetrag an Energie dar, der über den durchschnitt-

3.1 Reaktionsklebstoffe

173

Bild 3.4. Abhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit von der Temperatur bei der Härtung von Reaktionsklebstoffen

lichen Energieinhalt der Moleküle hinaus notwendig ist, um die Reaktion auszulösen. Die zum Starten einer spezifischen Reaktion erforderliche Aktivierungsenergie wird dabei durch äußere Energiezufuhr (z.B. Erwärmung) zur Verfügung gestellt, sie kann hinsichtlich der notwendigen Höhe durch geeignete Katalysatoren herabgesetzt werden. Aus der Arrhenius-Gleichung folgt, dass eine Temperaturerhöhung um 10 K die Reaktionsgeschwindigkeit in den für Aushärtungsvorgänge interessanten Temperaturbereichen in etwa zu verdoppeln vermag. Für die Praxis ergibt sich hieraus die wichtige Erkenntnis, dass die Härtungszeiten von Reaktionsklebstoffen durch erhöhte Temperatur beträchtlich herabgesetzt werden können. Zeit, Temperatur und Konzentration sind demnach die für den Reaktionsablauf bestimmenden Größen, die bei chemisch reagierenden Klebstoffen die „Härtungs- bzw. Abbindegeschwindigkeit“ (früher auch „Anzugsgeschwindigkeit“, „Klebkraftentwicklung“ genannt) charakterisieren. Wegen der für die einzelnen Monomersysteme sehr unterschiedlichen Werte von a und A in der Arrhenius-Gleichung ergeben sich sehr große Unterschiede in der Temperaturabhängigkeit der Geschwindigkeitskonstanten bei den einzelnen Klebstoffgrundstoffen. Die in vielen Produktbeschreibungen von Klebstoffen aufgeführten unterschiedlichen (nicht linear abhängigen) Zeit – Temperatur Angaben für die Aushärtung beruhen auf diesen Zusammenhängen. Folgt man (theoretisch) der Arrhenius-Gleichung, so wäre bei einer Verdoppelung der Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten bei einer Temperaturerhöhung um 10 K folgende Zeit – Temperaturcharakteristik für einen gedachten Reaktionsklebstoff festzulegen: 20 °C – 24 Stunden 30 °C – 12 Stunden 40 °C – 6 Stunden 50 °C – 3 Stunden

60 °C – 90 Minuten 70 °C – 45 Minuten 80 °C – 23 Minuten.

In praxi ist davon auszugehen, dass die entsprechenden Werte zur Sicherstellung einer optimalen Klebschichtfestigkeit über Methoden zur Bestimmung des Aushärtungsgrades bzw. Umsatzgrades (z.B. Differenzial-Thermoanalyse) vom Klebstoffhersteller ermittelt werden. Je nach den vorliegenden Produktions-

174

3 Klebstoffarten

Bild 3.5. Zusamenhang zwischen Reaktionszeit und Aushärtungstemperatur bei einem Epoxidharzklebstoff (schematische Darstellung)

bedingungen bei der Klebstoffverarbeitung ist demnach ein Klebstoffsystem mit dem erforderlichen Zeit-Temperatur-Reaktionsverhalten auszuwählen. Bei kalthärtenden Klebstoffen wird die infolge des exothermen Reaktionsablaufs resultierende Temperaturerhöhung durch die Wärmeleitfähigkeit und die Geometrie der Fügeteile sowie durch die Dicke der Klebschicht bestimmt. Wegen der gegenüber den Fügeteilen sehr viel geringeren Klebschichtdicken und den in den meisten Fällen hohen Wärmeleitfähigkeiten der Fügeteilwerkstoffe kommt es praktisch nicht zu einer Temperatursteigerung und somit einer Steigerung der Reaktionsgeschwindigkeit in der Klebfuge. Bei warmhärtenden Klebstoffen bestimmt allein die von außen auf die Klebfuge einwirkende Wärme den zeitlichen Reaktionsablauf. Ein typischer Zusammenhang zwischen Reaktionszeit und Temperatur ist für einen ausgewählten Epoxidharzklebstoff in Bild 3.5 wiedergegeben. Die einzelnen chemisch reagierenden Klebstoffe härten demnach bei einer bestimmten Temperatur mit einer definierten, für das jeweilige System charakteristischen, reproduzierbaren Geschwindigkeit aus. Den Einfluss der Aushärtungszeit und -temperatur auf die resultierende Klebfestigkeit gibt Bild 12.10 wieder. Die Aushärtungsbedingungen hinsichtlich Temperatur und Zeit üben einen großen Einfluss auf die Morphologie der Klebschicht und somit auch auf das Alterungsverhalten von Klebungen aus. Wesentliche Grundlagen zu dieser Thematik werden in den Abschnitten 4.9 und 12.3.4 beschrieben. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 3.1.1.1 und 3.1.1.2: [H105, K17, M10, Y3], sowie zu den Abschnitten 4.9 u. 12.3.4.

3.1 Reaktionsklebstoffe

175

3.1.1.3 Einfluss des Drucks

Die Anwendung von Druck während des Abbindens eines Klebstoffs erfolgt aus mehreren Gründen: 앫 Bei Polykondensationsklebstoffen zum Austreiben der niedermolekularen Spaltprodukte (in den meisten Fällen Wasser) aus der Klebfuge (z.B. bei druckbeaufschlagten beheizten Pressen). Beim Aushärten in einem Autoklaven ist davon auszugehen, dass durch den allseitig wirkenden Druck das abgespaltene Wasser die Klebschicht nicht verlassen kann. Um eine Volumenvergrößerung der Klebschicht durch Dampfblasenbildung zu vermeiden, ist jedoch darauf zu achten, dass der angewandte Druck höher sein muss als der Dampfdruck des Wassers bei der Aushärtungstemperatur, somit bei einer Temperatur von 150 °C mindestens 0,48 MPa, bei 170 °C mindestens 0,79 MPa. 앫 Bei Lösungsmittelklebstoffen zum Austreiben der Lösungsmittelreste aus der Klebfuge. 앫 Zur Erzielung einer verbesserten Adhäsion und somit auch Haftfestigkeit zwischen Klebschicht und Substrat. Durch die Verringerung des Abstands der Moleküle von Klebstoff und Fügeteiloberfläche erhöht sich die Adhäsionsarbeit (Abschn. 6.4.3). Nach den thermodynamischen Gesetzen geht der Druck in die Adsorptionsisotherme und in die durch die ClausiusClapeyronsche Gleichung dargestellte Temperaturabhängigkeit des Gleichgewichtsdrucks bei Phasengleichgewichten ein. 앫 Zur Erhöhung der Festigkeit der Klebung. Allgemein ist davon auszugehen, dass durch die Anwendung von Druck die wirksame Oberfläche (Abschn. 5.1.4) vergrößert wird, weil der Klebstoff größere Anteile der wahren Oberfläche benetzen kann. In diesem Zusammenhang sind zwei Arten der Druckanwendung zu unterscheiden: – Allseitiges Aufbringen des Drucks in einem Autoklaven. In diesem Fall kommt es nicht zu einem Austritt des flüssigen Klebstoffs aus der Klebfuge, die Klebschichtdicke bleibt weitgehend konstant. Der Festigkeitsanstieg folgt aufgrund der Vergrößerung der wirksamen Oberfläche und der Adhäsionsarbeit schematisch einer Kurve entsprechend Bild 3.6a. Die Höhe des für die maximale Klebfestigkeit erforderlichen Drucks ergibt sich im Wesentlichen aus der Anfangsviskosität des Klebstoffs und dessen Abbindezeit. Mit größerer Viskosität ist ein höherer Druck verbunden. – Beidseitig auf die Klebfuge wirkender Druck (Bild 3.6b). In diesem Fall ist das Austreten von flüssigem Klebstoff aus der Klebfuge während der Zeit, in der sich der Klebstoff noch in einem niedrigviskosen Zustand befindet, zu berücksichtigen. Dadurch kommt es zu einer Verringerung der Klebschichtdicke. Die Abhängigkeit der Klebfestigkeit vom Anpressdruck folgt dann in etwa der in Bild 3.6b dargestellten Kurve. Nach einem anfänglichen Ansteigen aufgrund der zunehmenden wirksamen Oberfläche und Adhäsionsarbeit erfolgt eine Festigkeitsabnahme durch die Reduzierung der Klebschichtdicke

176

3 Klebstoffarten

Bild 3.6. Abhängigkeit der Klebfestigkeit vom Anpressdruck. a Kurve 1: allseitig wirkender

Druck; b Kurve 2: beidseitig wirkender Druck

in Bereichen, in denen in Abhängigkeit von der Rauheit der Fügeteiloberflächen direkte Oberflächenberührungen und somit Diskontinuitäten (Mikrorisse, innere Spannungen) in der Klebschicht auftreten (Abschn. 5.1.4 und 7.2). Es existiert demnach ein durch Versuche zu ermittelndes Druckoptimum, wobei eine Überschreitung dieses Optimums im Hinblick auf die Höhe der Klebfestigkeit weniger kritisch ist als eine Unterschreitung. 앫 Zur Fixierung der Fügeteile, um sicherzustellen, dass insbesondere während des Härtungsbeginns, wenn der Klebstoff noch in niedrigviskosem Zustand vorliegt, kein Abgleiten der Fügeteile infolge der „Schmierwirkung“ der flüssigen Klebschicht erfolgt. In diesem Zusammenhang fällt dem Anpressdruck auch die Aufgabe zu, die durch Fertigungstoleranzen möglichen Klebfugendicken zur Erzielung gleichmäßiger Klebschichtdicken auszugleichen. 앫 Zur Erzielung gleichmäßiger Klebschichtdicken, da es je nach Art der Härtungsreaktion zu einer Vergrößerung oder Verringerung des Klebschichtvolumens kommen kann. Hier befinden sich die Parameter Druck, Viskosität des Klebstoffs, Klebfugengeometrie und Temperatur in einem direkten Zusammenhang (Abschn. 3.1.1.4). Die Druckaufbringung sollte vor Beginn des Aufheizens erfolgen und auf der gesamten Klebfläche gleichmäßig wirken (Bild 3.7a). Weiterhin ist der Druck so lange konstant zu halten, bis die Aushärtung beendet und beim Abkühlen eine Temperatur von ca. 80°C erreicht ist. In Abhängigkeit von der Fügeteilgeometrie und Klebstoffviskosität werden normalerweise folgende Anpressdrücke angewendet: – ca. 0,7–1,5 MPa bei Polykondensationsklebstoffen, – ca. 0,1–0,5 MPa bei Polyadditions- und Polymerisationsklebstoffen, – ca. 0,05–0,25 MPa für reine Fixierungshilfen. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 3.1.1.3: [I6, K18].

3.1 Reaktionsklebstoffe

177

Bild 3.7. Druckanwendung bei der Härtung von Klebstoffen

3.1.1.4 Abhängigkeit der Klebschichtdicke vom Anpressdruck

Auf der Grundlage der Gesetze der Strömungslehre besteht die Möglichkeit, eine Beziehung zwischen der geforderten Klebschichtdicke und der Höhe des anzuwendenden Anpressdruckes abzuleiten. Somit können bei Klebungen bei der Forderung hoher Reproduzierbarkeit der einzuhaltenden Klebschichtdicken die erforderlichen Fertigungsparameter Anpresskraft F, Zeit t, Temperatur T und Klebstoffviskosität η aufeinander abgestimmt werden. Als Ausgangsbasis für eine Berechnung kann die für die Grundlagen der Haftklebung (Abschn. 3.4.1) erwähnte Formel von Stefan [S15] herangezogen werden, die die Trennkraft für eine Flüssigkeitsschicht in Abhängigkeit der Parameter Plattenabstand d, Zeit der Krafteinwirkung t, Plattenradius r und Viskosität η beschreibt. Betrachtet man umgekehrt statt der Trennkraft die Anpresskraft F auf die zu verklebenden Flächen, als Plattenabstand die gewünschte Klebschichtdicke d und als Plattenradius die Überlappungslänge lü bzw. die Überlappungsbreite b als charakteristische Größen, so ergibt sich unter Einführung der Größe d0 als Ausgangsdicke der flüssigen Klebschicht: F=

$

&

3l ü3 bη 1 1 – , 2t d 2 d 02

(3.7)

und unter der Annahme d0 + d F=

3l ü3 bη 2td 2

(3.8)

t=

3l ü3 bη . 2Fd2

(3.9)

bzw.

Eine genaue Ableitung der Gl. (3.8) findet sich in [K19, M11]. (Bemerkung: Der Faktor 2 im Nenner der Gl. (3.8) ergibt sich in Abweichung der in [M11] dargestellten Gl. (8) durch Verwendung von l ü statt 2l für die Überlappungslänge und d statt 2h für die Klebschichtdicke.)

178

3 Klebstoffarten

왘 Berechnungsbeispiel: Für die Herstellung einer einschnittig überlappten Kle-

bung mit einer Überlappungslänge lü = 50 mm und einer Überlappungsbreite b = 250 mm soll ein kalthärtender Klebstoff mit einer Viskosität η = 20 Pas verwendet werden. Die Anpresskraft beträgt konstant 1500 N, nach welcher Zeit ist die gewünschte Klebschichtdicke d = 0,15 mm erreicht?

3 · 503 · 250 · 20 = 28 s . 2 · 1500 · 0,152 · 106 Dieses Berechnungsbeispiel setzt zunächst voraus, dass sich die Viskosität des Klebstoffs während der Anpresszeit nicht ändert. Wegen der beginnenden Reaktion erfolgt jedoch ein Viskositätsanstieg. Dieser zeitlichen Viskositätsänderung ist durch die für jeden Klebstoff charakteristische Beziehung η = η0 eαt (3.10) t=

Rechnung zu tragen. Dabei ist η0 die Ausgangsviskosität und α eine klebstoffspezifische Konstante. Da Letztere im Allgemeinen nicht als bekannt vorausgesetzt werden kann, sind exakte Angaben nach dieser Berechnung nicht in jedem Fall zu erwarten. Die abgeleitete Formel gibt aber einerseits die Möglichkeit, die Anpresszeit bzw. den Anpressdruck der Größenordnung nach abzuschätzen, andererseits für konstant ablaufende Fertigungsprozesse diese nach einer anfänglichen Parametereinstellung kontinuierlich zu regeln. Kleinert und Richter schlagen in [K20] Nomogramme zur Klebschichtdickenberechnung vor, die über die Eingabe der erforderlichen Parameter die Einzelberechnung zu eliminieren vermögen. Ergänzende Literatur zuAbschnitt 3.1.1.4: [E5, K21, K99, P71].

3.1.1.5 Topfzeit

Für die Verarbeitung der Reaktionsklebstoffe ist die Topfzeit eine entscheidende Größe. Als Topfzeit wird normenmäßig definiert: „Zeitspanne, in der ein Ansatz eines Reaktionsklebstoffs nach dem Mischen aller Klebstoffbestandteile für eine bestimmte Verwendung brauchbar ist“. Die Topfzeit bezeichnet also die Gebrauchsdauer der fertigen Klebstoffmischung als Verarbeitungszeit bei Raumtemperatur. Die wiedergegebene Definition gibt keinen Hinweis auf die Auslegung des Begriffs „Verwendung“. Die Grenze der Verwendungsfähigkeit einer Reaktionsklebstoffmischung wird durch die beiden Faktoren Viskositätsanstieg und Ausbildung von Adhäsionskräften bestimmt. Viskositätsanstieg:

Nach dem Mischen der erforderlichen Komponenten bzw. Zugabe von Härter und Beschleuniger beginnt die entsprechende Reaktion, bei der zunehmend größere Moleküle unter Kettenverlängerung und/oder Molekülvernetzung entstehen. Mit dieser Molekülvergrößerung geht in den meisten Fällen ein Viskositätsanstieg einher, der nach dem endgültigen Reaktionsablauf zum Gelie-

3.1 Reaktionsklebstoffe

179

Bild 3.8. Viskositätsänderung durch auftretende Reaktionswärme und zunehmenden Vernetzungsgrad in Abhängigkeit von der Zeit

Bild 3.9. Viskositätsänderung in Abhängigkeit von der Zeit bei Reaktionsklebstoffen

ren bzw. zu einer Verfestigung der Klebstoffmischung in Form eines thermoplastischen oder duromeren Polymers führt. Der zeitliche Ablauf dieses Vorgangs wird dabei durch die bei der Reaktion entstehende Wärme (die meisten Polyreaktionen sind exotherme Reaktionen) beeinflusst. Diese Reaktionswärme führt zu einem verzögerten Viskositätsanstieg oder ggf. sogar zu einem vorübergehenden Viskositätsabfall, wie in Bild 3.8 schematisch dargestellt ist. Die Kurve 1 in Bild 3.8 gibt einen normalen Viskositätsanstieg bei gleichbleibender Temperatur wieder, die Kurve 2 zeigt einen verzögerten Viskositätsanstieg infolge des Auftretens einer geringen Reaktionswärme, und die Kurve 3 weist einen Viskositätsabfall aufgrund einer stark exothermen Reaktion auf. Durch den Einfluss der Reaktionswärme wird demnach ein Erscheinungsbild des Klebstoffs vorgetäuscht, das noch weitgehend von Monomeren bzw. niedrigmolekularen Polymeren bestimmt sein könnte, während der Klebstoff in Wirklichkeit jedoch bereits einen fortgeschrittenen Vernetzungszustand erreicht hat. Wird z.B. ein Klebstoffansatz entsprechend der Kurve 3 auf die

180

3 Klebstoffarten

Fügeteile aufgebracht, kann durch die dann eintretende Abkühlung und die damit verbundene schnelle Viskositätserhöhung eine einwandfreie Benetzung beeinträchtigt werden. Der zeitliche Ablauf der Viskositätsänderung geht aus Bild 3.9 hervor. Die Kurve 1 in Bild 3.9 charakterisiert den Viskositätsabfall infolge der Erwärmung des Klebstoffansatzes, während die Kurve 2 den Viskositätsanstieg aufgrund der einsetzenden Polymerbildung widerspiegelt. Als Resultierende ergibt sich die Kurve 3. Die Verwendungsfähigkeit des Klebstoffansatzes, d.h. die für die Topfzeit charakteristische Höhe der Viskosität, liegt in dem gestrichelten Bereich, hier kann von weitgehend konstanten Verarbeitungseigenschaften des Klebstoffs ausgegangen werden. Das Ausmaß der entstehenden Wärme richtet sich im Wesentlichen nach: – Der Art der Reaktionsteilnehmer; – der Menge des jeweiligen Klebstoffansatzes. Je größer die angesetzte Menge, desto größer ist bei einem vergleichbaren Volumen/Oberflächen-Verhältnis des „Topfes“ wegen der schlechten Wärmeleitfähigkeit der Mischung die Wärmeentwicklung; – Art und Dauer der Durchmischung beim und nach dem Zusammengeben der Komponenten. Ausbildung von Adhäsionskräften:

Die sehr guten Adhäsions- und Festigkeitseigenschaften der Reaktionsklebstoffe auf den verschiedenen Fügeteiloberflächen werden in entscheidendem Maße durch die Ausbildung zwischenmolekularer Bindungen während des Aushärtevorganges bestimmt (Abschn. 6.1.4 und 6.2.1). In den Fällen jedoch, in denen der Vernetzungsgrad vor dem Kontakt mit der Fügeteiloberfläche bereits zu weit fortgeschritten ist, nehmen durch die erfolgte Vernetzung die an den Monomeren verfügbaren, für die Ausbildung der Bindungskräfte verantwortlichen funktionellen Molekülgruppen ab. Als Folge reduziert sich die Anzahl zwischenmolekularer Bindungsmöglichkeiten und es ergeben sich verminderte Adhäsionsfestigkeiten. Aus diesem Grunde ist es z.B. ein Fehler, zu versuchen, eine bereits im Verarbeitungsgefäß ausreagierte Klebstoffmischung in einem entsprechenden Lösungsmittel zu lösen, um dann mit dieser „Klebstofflösung“ Klebungen herstellen zu wollen. Ein derartiges Vorgehen ergäbe praktisch keine Bindungskräfte mehr. Besondere Beachtung erfordert die Topfzeit bei lösungsmittelhaltigen Reaktionsklebstoffen (Abschn. 3.1.4) aus zwei Gründen: 앫 Durch den größeren Abstand der Monomere voneinander, bedingt durch die „trennende“ Wirkung der Lösungsmittelmoleküle, besitzen diese Systeme gegenüber lösungsmittelfreien Ansätzen im Allgemeinen eine längere Topfzeit. 앫 Eine beginnende Reaktion führt wegen der Anwesenheit des Lösungsmittels nicht sofort zu einer messbaren Viskositätserhöhung, sodass die Gefahr einer Überschreitung der Topfzeit bestehen kann. In diesem Fall wird dann ein bereits sehr weit ausgehärtetes Polymer auf der Fügeteiloberfläche mit den nachteiligen Folgen für die Ausbildung der Adhäsionskräfte aufgetragen.

3.1 Reaktionsklebstoffe

181

Optimale Klebungen erhält man daher nur unter Beachtung der vom Klebstoffhersteller vorgeschriebenen Topfzeit, bei der allerdings die vorstehend beschriebenen Zusammenhänge zu berücksichtigen sind. Eine Topfzeitangabe ist demnach nur dann aussagekräftig und sinnvoll, wenn gleichzeitig auch Angaben über deren Ermittlung hinsichtlich Menge, Durchmischung, Umgebungstemperatur und Gefäßform gemacht werden. Reaktionsklebstoffe mit sehr geringen Topfzeiten werden im Allgemeinen nicht vor der Verarbeitung in einem Gefäß gemischt, sondern mittels Dosiervorrichtungen, in denen die Klebstoffbestandteile aus getrennten Behältern zusammengeführt und gemischt werden, direkt auf die Fügeteile aufgetragen (Abschn. 12.3.3). Die Prüfmethoden zur Kennzeichnung der Reaktivität von Reaktionsharzmassen sind in DIN 16945 festgelegt. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 3.1.1.5: [E94, L11, P89, T3, W72].

3.1.2 Blockierte Reaktionsklebstoffe

Bei den zwei- oder mehrkomponentigen Reaktionsklebstoffen spielt die Einhaltung der mit der Topfzeit zusammenhängenden Faktoren eine ausschlaggebende Rolle. Da deren Berücksichtigung besondere Vorkehrungen im Produktionsablauf erfordert, liegt es nahe, Klebstoffsysteme anzubieten, bei denen die einzelnen Bestandteile bis zum Zeitpunkt der Verarbeitung an einer Reaktion miteinander gehindert werden. Diese Systeme werden als Einkomponenten-Reaktionsklebstoffe bezeichnet. Sie enthalten bereits alle für die Härtungsreaktion erforderlichen Voraussetzungen in ihrem molekularen Aufbau. Die Blockierung der Reaktionen vor der Verarbeitung kann auf chemische oder mechanische Weise erfolgen, das Ziel ist in jedem Fall, dass die Klebschicht sich erst unter definierten Bedingungen in der Klebfuge aus den Klebstoffbestandteilen ausbildet. 3.1.2.1 Chemisch blockierte Reaktionsklebstoffe

Bei der chemischen Blockierung wird die Reaktionsbereitschaft der an sich mit einer hohen Reaktivität ausgestatteten Monomere durch chemische Molekülbeeinflussung inhibiert. Die Moleküle der Klebstoffgrundstoffe werden dabei durch entsprechende Modifikationen in der Weise verändert, dass sie erst während des Klebprozesses aufgrund der dann herrschenden Reaktionseinflüsse in der Klebfuge zu den gewünschten Reaktionen befähigt werden. Typische Beispiele für eine chemische Blockierung sind: 앫 Anaerobe Klebstoffe (Abschn. 2.1.1.2): Inhibierung der in den monomeren Diacrylsäureestern vorhandenen reaktiven Gruppen durch Sauerstoff.

182

3 Klebstoffarten

앫 Silicone (Abschn. 2.3.4.1): Blockierung der Eigenkondensation durch angelagerte Vernetzer. 앫 Thermisch aktivierbare Reaktionsklebstoffe: In diesen Fällen erfolgt die Inhibierung durch Einbau von Gruppen in das Basismonomer, die aufgrund ihrer Struktur für eine Reaktionsbereitschaft einer hohen Aktivierungsenergie bedürfen und somit bei Raumtemperatur oder tieferen Temperaturen wegen der vorhandenen Reaktionsträgheit nicht oder nur unendlich langsam reagieren. Erst erhöhte Temperaturen führen zu einer Molekülspaltung und somit zu entsprechenden Reaktionen. Hierzu gehören u.a. spezielle warmhärtende Einkomponenten-Epoxidharzklebstoffe (Abschn. 2.2.1.4), Phenolharze oder auch die thermisch aktivierbaren Polyurethansysteme (Abschn. 2.2.2.6). Zu dieser Gruppe sind auch Systeme zu zählen, die unter Einfluss von Katalysatoren zur Reaktion gebracht werden, bei denen jedoch der Katalysator chemisch blockiert ist und erst bei höheren Temperaturen seinen wirksamen Anteil abspaltet. Als Beispiel seien die Komplexverbindungen der Friedel-Crafts-Katalysatoren (Bor-, Aluminiumhalogenide) mit Pyridin, Monoethanolamin oder Harnstoff bei Epoxidharzvernetzungen genannt. Die in Abschnitt 2.2.1.8 beschriebenen reaktiven Schmelzklebstoffe auf Epoxidharzbasis sind ebenfalls thermisch aktivierbare Systeme, die Blockierung beruht hierbei auf der Tatsache, dass die Aminkomponente bei Raumtemperatur in fester Form vorliegt und somit nicht reaktionsbereit ist. Erst eine erhöhte Temperatur führt zum Schmelzen und zu einer Reaktion. In diesem Fall wäre daher richtiger von einer physikalischen Blockierung zu sprechen. Häufig werden auch die Cyanacrylate (Abschn. 2.1.1.1) in diese Systeme mit einbezogen. Das Merkmal der chemischen Blockierung trifft allerdings auf sie nicht zu, da das Monomer ja nicht chemisch vor der Reaktion mit Wasser geschützt ist und diese Inhibierung erst auf der Fügeteiloberfläche entfallen würde. Durch die Forderung nach Feuchtigkeitsausschluss, die vor der Verarbeitung über die Verpackung sicherzustellen ist, kann man eher von einer mechanischen Blockierung sprechen. 3.1.2.2 Mechanisch blockierte Reaktionsklebstoffe

Bei der mechanischen Blockierung werden die Reaktionspartner durch Trennwände aus inerten Materialien an einer Reaktion gehindert. Das kann im einfachsten Fall entweder durch verschiedene Packungseinheiten oder in getrennten Bereichen eines Behälters geschehen, der durch einen Einsatz oder eine Metallfolie unterteilt ist. Nach Durchstoßen der Trennwand und anschließendem Mischen ist der Klebstoff bei dieser Verpackungsart gebrauchsfertig; der Vorteil ist durch die bereits beim Klebstoffhersteller aufeinander abgestimmten Mengenverhältnisse der Klebstoffbestandteile gegeben. In ähnlicher Weise sind für geringe Klebstoffanwendungen unterteilte Folienheftchen im Handel.

3.1 Reaktionsklebstoffe

183

Eine relativ junge Art der mechanischen Blockierung von Reaktionsklebstoffen ist die Mikroverkapselung (Abschn. 3.12), die sich insbesondere für Schraubensicherungssysteme durchgesetzt hat. 3.1.3 Kalt- und warmhärtende Reaktionsklebstoffe

Je nachdem, ob die Reaktion nach dem Mischen der Reaktionspartner bei Raumtemperatur erfolgt oder einer Wärmezufuhr bedarf, unterscheidet man kalt- und warmhärtende Reaktionsklebstoffe. Maßgebend für die eine oder andere Reaktionsart ist entweder die Reaktivität der Basismonomere oder auch eine gezielt vorgenommene chemische Blockierung (Abschn. 3.1.2.1). 3.1.3.1 Kalthärtende Reaktionsklebstoffe

Sie besitzen sehr reaktive Molekülgruppierungen, z.B. Epoxidverbindungen mit aliphatischen Aminen (Abschn. 2.2.1.3), Diacrylsäureester (Abschn. 2.1.1.2), Cyanacrylate (Abschn. 2.1.1.1), Methylmethacrylate (Abschn. 2.1.2.1), Polyurethane (Abschn. 2.2.2). Der Vorteil dieser Klebstoffe liegt einerseits in dem geringen Verarbeitungsaufwand, da keine Wärmequellen benötigt werden und andererseits in den relativ kurzen Zeiten bis zur Erzielung einer ausreichenden Anfangsfestigkeit. Allgemein ist festzustellen, dass die erzielbaren Festigkeiten dieser Klebungen geringer als bei warmhärtenden Klebstoffen sind, daher erfolgt ein Einsatz häufig auch dort, wo geringere Festigkeitsansprüche an die Klebung gestellt werden oder wo die Festigkeiten der zu verbindenden Fügeteile an sich niedriger liegen. Kalthärtende Klebstoffe sind auch dort vorteilhaft im Einsatz, wo die Fügeteile keiner thermischen Belastung unterliegen dürfen, z.B. bei Kunststoffen, oder wo sehr unterschiedliche Wärmeausdehnungskoeffizienten der Fügeteile zu berücksichtigen sind. Bei fast allen kalthärtenden Klebstoffen finden nach Erreichen der Anfangsfestigkeit noch Nachhärtungen statt, die bis zu der maximal erreichbaren Festigkeit mehrere Tage dauern können (Abschn. 3.1.1.1). Eine Verringerung dieser Zeit kann ggf. durch ein kurzzeitiges „Wärmeaktivieren“ bei ca. 50°C erfolgen, damit die Reaktion schneller „anspringt“ (s. auch Abschn. 12.3.4). 3.1.3.2 Warmhärtende Reaktionsklebstoffe

Diese Klebstoffart härtet oberhalb Raumtemperatur aus, vorwiegend in Bereichen zwischen 100–150°C, darüber hinaus als „heißhärtende Klebstoffe“ bei Temperaturen bis ca. 250°C. Die erforderliche Reaktionszeit ist bei diesen Systemen stark von der Temperatur abhängig, höhere Temperaturen ergeben geringere Reaktionszeiten und umgekehrt (Abschn. 3.1.1.2). Aufgrund der vorliegenden Reaktionsmechanismen ist es in den meisten Fällen möglich, die

184

3 Klebstoffarten

Faktoren Temperatur und Zeit im vorbeschriebenen Sinn zu variieren, ohne dass es zu kritischen Festigkeitsverlusten der Klebung kommt. Dabei dürfen allerdings spezifische Temperaturwerte, wie z.B. der Schmelzpunkt eines Reaktionspartners oder die Zerfallstemperatur eines blockierten Katalysators nicht unterschritten werden. Man kann grundsätzlich davon ausgehen, dass die angebotene Wärmemenge, die sich aus den jeweiligen Größen von Temperatur und Zeit ergibt, weitgehend konstant sein soll. Vorteilhaft bei der Verarbeitung warmhärtender Reaktionsklebstoffe ist der von der Topfzeit weitgehend unabhängige Fertigungsablauf. Da der Aushärtungsvorgang erst bei Temperatureinwirkung einsetzt, kann dieser Zeitpunkt dem Produktionsprozeß angepasst und unabhängig von dem Klebstoffauftrag gewählt werden. Wegen des temperaturbedingten erhöhten Vernetzungsgrades besitzen warmhärtende Reaktionsklebstoffe in der Regel höhere Festigkeiten als die kalthärtenden Systeme (Bild 12.10). 3.1.4 Lösungsmittelhaltige Reaktionsklebstoffe

Diese Systeme sind von den „Lösungsmittelklebstoffen“ (Abschn. 3.2) und den „Kleblösungen“ (Abschn. 3.2 und 14.1.5.2), bei denen es sich um physikalisch abbindende Klebstoffe handelt, streng zu trennen. Die Unterscheidung der Reaktionsklebstoffe in lösungsmittelhaltige und lösungsmittelfreie Systeme ergibt sich im Wesentlichen aufgrund der verschiedenen möglichen Viskositäten der Basismonomere bzw. Prepolymere. Da für die optimale Benetzung der Fügeteile eine entsprechend niedrige Viskosität Voraussetzung ist, gelingt es häufig nur über geeignete Lösungsmittelgemische, die Monomer- bzw. Prepolymerviskositäten zu reduzieren. Weiterhin sind nur über derartige Verdünnungseffekte die Möglichkeiten gegeben, geringere Klebschichtdicken, z.B. bei großflächiger Kaschierung (Abschn. 3.8), einzuhalten oder die Reaktionsklebstoffe auf die spezifischen Verarbeitungsanforderungen der Auftragsanlagen einzustellen. In jedem Fall sind die als Verarbeitungshilfe dienenden Lösungsmittel nach dem Auftragen des Klebstoffs durch Ablüften wieder zu entfernen, hierfür gelten die gleichen physikalischen Gesetzmäßigkeiten wie für die Lösungsmittelklebstoffe (Abschn. 3.2). Bei den lösungsmittelfreien Reaktionsklebstoffen, die z.B. zum Kaschieren oder Laminieren eingesetzt werden, sind die beteiligten Monomere selbst derart niedrigviskos, dass sie zum Verarbeiten und zum Benetzen der Oberfläche keiner Lösungsmittel bedürfen. In diesem Zusammenhang sind ergänzend die reaktiven Lösungsmittel (Abschn. 2.3.3.2) zu erwähnen.

3.2 Lösungsmittelklebstoffe Unter Lösungsmittelklebstoffen (auch „Kleblösungen“ genannt) werden solche Klebstoffe verstanden, bei denen die Polymere in ihrem molekularen Endzustand in flüchtigen organischen Lösungsmitteln gelöst sind. Bei speziellen Klebstoff-

3.2 Lösungsmittelklebstoffe

185

arten (z.B. Dispersionsklebstoffe, Abschn. 3.5) wird als Lösungsmittel auch Wasser verwendet. Das Lösungsmittel dient lediglich als Verarbeitungshilfe und wird – im Gegensatz zu den reaktiven Lösungsmitteln (Abschn. 2.3.3.2) – kein Bestandteil der Klebschicht. In jedem Fall handelt es sich um physikalisch abbindende Systeme. Je nach den Eigenschaften der Werkstoffe müssen die Lösungsmittel vor dem Zusammenbringen der Fügeteile vollständig verdunsten (z.B. bei undurchlässigen Werkstoffen wie Metallen, Glas etc.), sie können vor dem Fixieren der Fügeteile aber auch noch anteilmäßig in dem flüssigen Klebstoff vorhanden sein und verdunsten anschließend (bei porösen oder „aufsaugenden“ Werkstoffen wie z.B. Papier, Pappe, Holz, Keramik etc.). Für eine Entfernung ggf. vorhandener Lösungsmittelreste ist die Anwendung von Druck auf die Klebfuge erforderlich. Zum Lösen der Polymere in organischen Lösungsmitteln müssen die Lösungsmittelmoleküle die zwischen den Makromolekülen wirkenden physikalischen Kräfte (Abschn. 6.3) überwinden. Daher sind die Eigenschaften der verwendeten Lösungsmittel (u.a. ihre Polarität) für die Löslichkeit der Polymere von entscheidender Bedeutung. Eine Aussage über das Lösungsvermögen von Lösungsmitteln oder Lösungsmittelgemischen ist über deren Löslichkeitsparameter δ=

g VE ∆

(3.11)

m

möglich. In dieser Gleichung bedeuten ∆E die molare Verdampfungsenthalpie und Vm das Molvolumen. Eine Ableitung zur Ermittlung des Löslichkeitsparameters aus der Verdampfungswärme eines Lösungsmittels ist in [M12] wiedergegeben. Im physikalischen Sinn erfasst der Löslichkeitsparameter das „Anziehungsmaß“ der Moleküle eines Lösungsmittels untereinander, die sogenannte Kohäsionsenergiedichte. Diese kann man als die für die Verdampfung eines Molvolumens erforderliche Wärmemenge definieren bzw. in erweitertem Sinn als ein Maß dafür angeben, inwieweit die Lösungsmittelmoleküle sich für die erforderliche Aufnahme fremder, zu lösender Moleküle voneinander trennen lassen. Die Kohäsionsenergiedichte wird um so größer sein, je größer die für die Verdampfung benötigte Wärmemenge ist. Die Löslichkeit eines Polymers in einem Lösungsmittel ist somit durch den Vergleich beider Löslichkeitsparameter gegeben. Die Löslichkeit ist um so besser, je ähnlicher sich diese Werte sind, sodass die Löslichkeitsbedingung resultiert: δ Lösungsmittel ~ δ Polymer.

Im Allgemeinen muss der Unterschied zwischen dem Löslichkeitsparameter des Polymers und dem des Lösungsmittels um so geringer sein, je höher das Molekulargewicht des Polymers ist. Bei einem Polymer mit niedrigem Molekulargewicht ist die Auswahl an Lösungsmitteln deshalb größer als bei Polymeren mit höherem Molekulargewicht. Die Löslichkeitsparameter wichtiger Lösungsmittel sind in Tabelle 2.5 wiedergegeben. Ergänzend ist festzustellen, dass Polymere mit einer hohen Kristallinität aufgrund der regelmäßigen Molekülanordnung und somit schwierigeren „Lösungsmitteldurchdringung“ schwerer löslich sind als amorphe Polymere.

186

3 Klebstoffarten

Bild 3.10. Abhängigkeit der Lösungsmittelmenge in der flüssigen Klebschicht von der Zeit

Für die auf Lösungsmittelbasis aufgebauten Klebstoffarten ist der zeitliche Zusammenhang von Fügeteilvereinigung und dem jeweiligen Grad der noch vorhandenen Lösungsmittelkonzentration in der flüssigen Klebschicht ein entscheidendes Kennzeichen. Die folgenden Begriffe sind in diesem Zusammenhang zu definieren (Bild 3.10): 앫 Mindesttrockenzeit: Während der Mindesttrockenzeit entweicht der größte Anteil des in dem flüssigen Klebstoff enthaltenen Lösungsmittelsystems. Diese Zeit sollte vor dem Vereinigen der Fügeteile in jedem Fall verstreichen, auch wenn es sich um lösungsmitteldurchlässige Werkstoffe handelt. Diese Forderung ergibt sich aus Gründen der Produktionsgeschwindigkeit, da die Festigkeit der Klebfuge erst mit zunehmender Entfernung des Lösungsmittels aus der Klebschicht ansteigt. Ein weiterer Grund besteht in der Möglichkeit, auf diese Weise die größten Lösungsmittelanteile in hoher Konzentration den gegebenen Auflagen entsprechend „unschädlich“ zu machen. 앫 Nassklebzeit: Die Nassklebzeit (früher „offene“ Zeit) ist definiert als die Zeitspanne, innerhalb derer nach dem Klebstoffauftrag ein Nasskleben bzw. Kontaktkleben möglich ist, ohne dass die Endfestigkeit verringert wird. Sie liegt zwischen der Mindesttrockenzeit und der maximalen Trockenzeit. 앫 Kontaktklebzeit: Früher ebenfalls als „offene“ Zeit definiert, die Zeitspanne nach einer Mindesttrockenzeit, während der die beim Berühren scheinbar trockenen Klebstoffilme vereinigt werden können (Abschn. 3.3). 앫 Maximale Trockenzeit: Sie ist gekennzeichnet durch die Zeitspanne bei Nassund Kontaktklebstoffen, die gerade noch eine Klebung ermöglicht. Wird die

3.2 Lösungsmittelklebstoffe

187

Bild 3.11. Einfluss der Temperatur auf die Lösungsmittelverdunstung aus flüssigen Klebschichten. Kurve 1: Raumtemperatur, Kurve 2: erhöhte Temperatur

maximale Trockenzeit überschritten, haben sich die Polymerschichten bereits so verfestigt, dass keine „Klebrigkeit“ (Abschn. 3.4.2) mehr vorhanden ist und nur über eine erneute Lösungsmittelaktivierung wieder erzielbar wäre. Bei der maximalen Trockenzeit sind die für eine einwandfreie Klebung erforderlichen Anteile an Lösungsmittelresten im Klebstoffilm noch enthalten. 앫 Wartezeit (offene): Zeitspanne, die zwischen dem Klebstoffauftrag und dem Vereinigen der Fügeteile liegt, sie schließt also die Zeitspanne der Mindesttrockenzeit mit ein. 앫 Wartezeit (geschlossene): Zeitspanne, während der eine Klebung durch Fixieren gehalten werden muss, bis die Festigkeit so groß ist, dass die Fügeteile durch äußere Krafteinwirkungen nicht mehr gegeneinander verschoben werden können. Die Form der in Bild 3.10 dargestellten Kurve ist abhängig von der Art und der Menge des aufgetragenen Klebstoffs und von der Temperatur. Zunächst entweichen die größeren Lösungsmittelanteile mit niedrigen Siedepunkten, zum Ende der maximalen Trockenzeit liegen die noch vorhandenen Lösungsmittelreste z.T. an den Polymermolekülen physikalisch gebunden (Adsorption) vor und würden zu ihrer vollständigen Entfernung außerordentlich langer Zeiten bedürfen. Eine Verkürzung der offenen Wartezeit kann, wie Bild 3.11 zeigt, über erhöhte Temperaturen erfolgen. Hierbei ist allerdings darauf zu achten, dass die Höhe der Temperatur und die Zeit sorgfältig aufeinander abgestimmt werden, da andernfalls durch eine mögliche beginnende Verfestigung der Oberfläche des Klebstoffilms Lösungsmitteleinschlüsse erfolgen können. Bei weiter steigender Temperatur würden diese dann zu einer Blasenbildung in der Klebschicht führen. Bemerkung: Der Begriff „Trocknen“ bei diesen physikalisch abbindenden Klebstoffarten darf nicht mit dem Begriff „Vorhärten“ bzw. auch „Vortrocknen“ bei den chemisch reagierenden Klebstoffen verwechselt werden, da im vorliegenden Fall ja keine chemische Härtungsreaktion stattfindet.

188

3 Klebstoffarten

Die in der erwähnten Weise definierten Begriffe ergeben eine Möglichkeit, die auf Lösungsmittelbasis bekannten physikalisch abbindenden Klebstoffarten gegeneinander abzugrenzen. Bild 3.10 zeigt die entsprechende Zuordnung. 앫 Nassklebstoffe: Vereinigen der Fügeteile zwischen Mindesttrockenzeit und maximaler Trockenzeit. Bei sehr lösungsmitteldurchlässigen Werkstoffen können die Fügeteile auch direkt nach dem Klebstoffauftrag vereinigt werden, als zeitliche Abhängigkeit ergibt sich dann die offene Wartezeit. Nach Überschreiten der maximalen Trockenzeit besitzen die Nassklebstoffe – im Gegensatz zu den Haftklebstoffen – keine Klebrigkeit mehr, sodass die Einhaltung dieser zeitlichen Grenze von großer Wichtigkeit ist. Festigkeitskriterium: Geringe Anfangsfestigkeit. Bemerkung: Die Bezeichnung „Nassklebstoff“ wird nur in diesem Zusammenhang in Abgrenzung zu „Kontaktklebstoff“ erwähnt, sie stellt keine allgemein übliche Klebstoffartbezeichnung dar. 앫 Kontaktklebstoffe: Vereinigen der Fügeteile zwischen Mindesttrockenzeit und maximaler Trockenzeit. Zusätzliche Anwendung von Druck auf die Klebefuge. Festigkeitskriterium: Hohe Anfangsfestigkeit. 앫 Haftklebstoffe: Bei diesen Klebstoffen erfolgt die Vereinigung der Fügeteile normalerweise nach Ablauf der maximalen Trockenzeit, weil die entstehenden Klebschichten auch nach restloser Entfernung der Lösungsmittel eine permanente Klebrigkeit aufweisen. Festigkeitskriterium: Anfangsfestigkeit ≈ Endfestigkeit. 앫 Heißsiegelklebstoffe: In diesem Fall müssen alle vorhandenen Lösungsmittel verdunsten. Die verbleibende Klebschicht wird nach der Vereinigung der Fügeteile durch Wärme wieder aktiviert. Festigkeitskriterium: Anfangsfestigkeit ≈ Endfestigkeit. Im Gegensatz zu der hier beschriebenen Klebschichtverfestigung durch äußere Wärmezufuhr wird bei den Hochfrequenz-Schweißhilfsmitteln die Siegeltemperatur durch eine Eigenerwärmung der Klebschicht bei Anwendung von Hochfrequenz erzielt. Voraussetzung ist dabei jedoch, dass die Klebschicht einen hohen dielektrischen Verlustfaktor aufweist, erreicht wird diese Forderung durch polare Polymere wie z.B. Vinylchlorid- und Vinylacetat-Copolymere (Abschn. 12.3.5). Als Basispolymere für Lösungsmittelklebstoffe kommen vorwiegend zum Einsatz: Polyvinylacetat und Copolymere, Polychlorbutadien, Nitrilkautschuk, Styrol-Butadien-Kautschuk, jeweils allein oder in Mischungen, Nitrocellulose, weiterhin kautschukähnliche Thermoplaste wie Polyisobutylen, Polyvinylether, Polyvinylester, Polyacrylsäureester. Die Lösungsmittelgemische bestehen hauptsächlich aus Estern und Ketonen, ggf. mit Alkoholanteilen. Die Zusammensetzung wird durch die erwähnten Lösungs- und Verarbeitungseigenschaften bestimmt.

3.3 Kontaktklebstoffe

189

Von den Lösungsmittelklebstoffen zu unterscheiden sind die „anlösenden Klebstoffe“ oder auch „Quellschweißmittel“ (Abschn. 14.1.5.2), die speziell beim Kleben von Kunststoffen Anwendung finden. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 3.2: [B92, H96, M12, M87–M90, N18, S16, W42–W44, DIN EN 924].

3.3 Kontaktklebstoffe Kontaktklebstoffe zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich als scheinbar trockene Klebstoffilme auf den Fügeteiloberflächen dennoch durch Anwendung von Druck in sehr kurzer Zeit zu einer Klebschicht relativ großer Festigkeit vereinigen lassen. Es lassen sich drei Möglichkeiten der Klebschichtverfestigung unterscheiden: 앫 Der in einem Lösungsmittelgemisch oder auch als Dispersion vorliegende Klebstoff wird auf ein oder auf beide Fügeteile aufgebracht und anschließend getrocknet. Solange noch Lösungsmittelanteile vorhanden sind, sind die Moleküle der beiden Klebfilme nicht orientiert. Dadurch ergibt sich zunächst die Voraussetzung für die Ausbildung der Haftungseigenschaften zu der Fügeteiloberfläche. Mit weiterer Abnahme des Lösungsmittelanteils beginnen bei den kristallisierenden Polymeren die Makromoleküle sich zu orientieren, d. h. die Verfestigung der Klebschicht tritt infolge beginnender Kristallisation ein. Hierbei ist entscheidend, dass die Vereinigung der Fügeteile zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem die Moleküle beider Klebschichten aufgrund des noch vorhandenen Lösungsmittelrestes ausreichend beweglich sind. Dann können sie sich orientieren, um gemeinsame Kristallitbereiche und somit die entsprechende Kohäsionsfestigkeit der Klebschicht aufzubauen. Erreicht ist dieser Zustand, wenn sich die Klebschicht bei kurzer Berührung mit dem Finger „berührtrocken“ (tackfrei) anfühlt. Diese Art der Ausbildung von Kohäsionskräften bezeichnet man bei der Vereinigung kautschukelastischer Schichten des gleichen Materials auch als „Autohäsion“. Es ist also wichtig, den zeitlichen Ablauf der Kontaktklebzeit genau einzuhalten. Bei Überschreitung der maximalen Trockenzeit tritt bereits weitgehend eine getrennte Orientierung bzw. Kristallisation in beiden Klebschichten ein, sodass geringere Festigkeitswerte resultieren. Diese Voraussetzungen gelten insbesondere bei dem zur Kristallisation fähigen Polychloropren (Abschn. 2.1.4.3). Durch Zugabe ausgewählter Harze kann durch deren Kristallisationsverzögerung die Kontaktklebzeit bei den Polychloroprenklebstoffen verlängert werden. 앫 Neben der Klebschichtverfestigung durch Kristallisation ist für nicht kristallisierende Polymere die Ausbildung der gemeinsamen Klebschicht über eine Diffusion der Makromoleküle beider Schichten jeweils in die andere erklärbar. Die Notwendigkeit der erforderlichen Diffusion ergibt sich durch die Vorstellung, dass eine nur oberflächlich gegebene Aneinanderlagerung der

190

3 Klebstoffarten

Moleküle keine ausreichenden zwischenmolekularen Kräfte für die vorgesehene Klebschichtfestigkeit bewirken würde. Da für die gegenseitige Diffusion und anschließende Verknäuelung der Moleküle untereinander wiederum eine gewisse Beweglichkeit der Makromoleküle erforderlich ist, gewinnt auch in diesem Fall die Einhaltung der Kontaktklebzeit eine besondere Wertigkeit. 앫 Verarbeitung als Zweikomponenten-Klebstoff (Abschn. 2.1.4.3). Zwischen den beiden Parametern Kontaktklebzeit und Anfangsfestigkeit besteht ein Zusammenhang in dem Sinn, dass eine (allgemein gewünschte) lange Kontaktklebzeit zu einer geringen Anfangsfestigkeit bei gleichzeitigem langsamen Abbinden führt und umgekehrt. Je nach vorgesehenem Fertigungsablauf lässt sich die erforderliche Kontaktklebzeit über die eingesetzten Lösungsmittelsysteme und/oder verwendeten Harze beeinflussen. Einer der Faktoren, der für die „Klebrigkeitsdauer“ von Bedeutung ist, besteht in der Retention von Lösungsmittelspuren, die vorübergehend als Weichmacher wirken und somit die Rheologie der trocknenden Klebschicht im Moment der Klebung bestimmen. Durch Harze wird die Lösungsmittelretention erhöht, sodass Harzzusätze die Kontaktklebzeit in ähnlicher Weise wie bei der o.e. Kristallisationsverzögerung verlängern. Bei der Verarbeitung der Kontaktklebstoffe wird unterschieden in die – Einseitenverklebung (Nasskleben): Bei dieser Verfahrensart wird der Klebstoff nur auf ein Fügeteil aufgetragen. Sie kann dann angewendet werden, wenn lösungsmitteldurchlässige bzw. saugfähige Werkstoffe (Leder, Textilien, Holzerzeugnisse) verklebt werden sollen. Ein vollständiges Abdunsten der Lösungsmittel ist in diesem Fall nicht erforderlich. – Zweiseitenverklebung: Hierbei handelt es sich um das eigentliche „Kontaktkleben“, das immer dann angewendet werden muss, wenn lösungsmitteldurchlässige bzw. dichte Materialien (Metalle, Glas, Kunststoffe) geklebt werden sollen oder von der Klebung eine sehr hohe Anfangsfestigkeit gefordert wird. Bei saugfähigen Materialien ist ggf. ein zweimaliger Klebstoffauftrag durchzuführen. Ein typisches Beispiel für eine Kontaktklebung ist die Reparatur eines Reifens, bei dem der Kontaktklebstoff (die „Gummilösung“) auf beide Gummiflächen aufgetragen wird. Nach Erreichen der Mindesttrockenzeit ergibt ein starkes Zusammendrücken der beiden Fügeflächen sofort eine feste Klebung. Für Kontaktklebstoffe gilt allgemein, dass ein hoher Anpressdruck wichtiger ist als eine lange Anpresszeit. Ausserdem ist beim Fixieren der Fügeteile darauf zu achten, dass diese nachträglich nicht mehr justiert werden können. Die Zusammensetzung der Kontaktklebstoffe ist sehr vielfältig. Als Grundstoffe dienen in erster Linie Polychloropren-, Nitril- oder Styrol-ButadienKautschuktypen, Polyurethane, als klebrigmachende Harze Kolophonium-, Phenol- und auch Kohlenwasserstoffharze. Neben den lösungsmittelbasierten Kontaktklebstoffen sind Dispersionen weit verbreitet. Die wichtigsten sind:

3.4 Haftklebstoffe

191

– Durch Emulsionspolymerisation hergestellte Polychloropren-Dispersionen als Copolymerisate mit Acrylaten. Diese Kombination bezieht insbesondere das sehr gute Adhäsionsvermögen der Acrylate auf vielen Substraten in die Klebstoffformulierung mit ein. – Kombinationen mit Polyurethandispersionen [D356, D357]. In diesen Dispersionen liegen die Polymere als disperse Phase in fester, kristalliner Form in der wässrigen, kontinuierlichen Phase gemeinsam mit Klebharzen und ZnO/MgO-Stabilisatoren (Abschn. 2.1.4.3) vor. Mit zunehmender Entfernung des Wassers aus der Klebschicht erfolgt eine Phasenumkehr, bei der die festen Anteile die kontinuierliche und das Wasser die disperse Phase darstellen (Abschn. 3.5). Nach vollständiger Trocknung und unter dem Einfluss des Anpressdruckes auf die Klebschichten beider Fügeteile erfolgt dann die intermolekulare Durchdringung der Polymere bei gleichzeitiger gemeinsamer Kristallisation. Auch eine Molekül-„Vernetzung“ über die allylgebundenen Chloratome und die ZnO/MgO-Moleküle trägt zu der erreichbaren Klebschichtfestigkeit bei. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 3.3: [A2, D2, D154, D356, D357, K100, L3, L67, M128, M129, M227, T31, W5, W73].

3.4 Haftklebstoffe Im Gegensatz zu den Klebstoffen, die wegen der erforderlichen Benetzung der Fügeteiloberflächen in niedrigviskosem bis pastösem Zustand verarbeitet werden müssen, basieren die Haftungsvorgänge und Festigkeitseigenschaften bei Haftklebstoffen auf anderen Grundlagen. Sie unterscheiden sich gegenüber den sog. „Festklebstoffen“ (Abschn. 2.4), die in der Klebfuge durch chemische Reaktionen oder physikalische Vorgänge aushärten, dadurch, dass sie aus dauerhaft klebrigen und permanent klebfähigen organischen Produkten bestehen, die (mit Ausnahme der geschäumten Klebebänder, Bild 3.24) für ihre Anwendung eines Trägermaterials bedürfen. Haftklebstoffe sind dadurch charakterisiert, dass sie bei Raumtemperatur ohne eine Aktivierung durch Lösungsmittel oder Wärme lediglich durch Andrücken an die Oberfläche der zu verklebenden Fügeteile eine „Benetzung“ herbeiführen, die ausreichende Haftungskräfte ergibt. Entscheidend ist also die Anwendung eines Anpressdruckes. Die angelsächsische Bezeichnung „Pressure Sensitive Adhesives (PSA)“ für diese Klebstoffart kennzeichnet die Verarbeitungsweise deutlich. Charakteristisch für das Verhalten der Haftklebstoffe sind die viskoelastischen Eigenschaften der Polymere (Abschn. 3.4.6.1, 4.6 und 16.4.1) sowie die Mechanismen zur Ausbildung der Adhäsionskräfte. 3.4.1 Aufbau und Eigenschaften

Die Haftklebstoffe haben von der Formulierung her gesehen einen ähnlichen Aufbau, das Basispolymer als kohäsionsbestimmende Komponente, klebrige

192

3 Klebstoffarten

Harze und Weichmacher als adhäsionsbestimmende Bestandteile und die Zusatzstoffe als Substanzen für spezielle Eigenschaftsbildungen. Als Basispolymere sind eine Vielzahl an Klebstoffgrundstoffen im Einsatz, so u.a. Synthese- und Naturkautschuk, Butylkautschuk, Styrol-ButadienCopolymere (SBR-Kautschuk), Ethylen-Vinylacetat-Copolymere, AcrylnitrilCopolymere, Polychloropren, Polyisobutylen, Polyvinylether, SBS- und SISBlockpolymere, Acrylate, Polyester, Polyurethane, Polyacrylate, Polysiloxane. Die Möglichkeiten, diese Grundstoffe zusätzlich mit unterschiedlichen funktionellen Gruppen zu modifizieren, führt zu einer kaum überschaubaren Vielfalt von Haftklebstoffsystemen, die sich wiederum in mannigfachen Einsatzgebieten der mit ihnen hergestellten Klebebänder niederschlagen. Allen Grundstoffen gemeinsam ist, dass sie nicht für sich allein die Klebstoffrezeptur ausmachen, sondern zur Erzielung der jeweils geforderten Klebschichteigenschaften zusätzlich mit Harzen, Weichmachern, Füllstoffen und Stabilisatoren gemischt vorliegen. Ein charakteristisches Merkmal der Haftklebstoff-Grundstoffe sind weiterhin Glasübergangstemperaturen im Bereich von –20 bis –70 °C. Die Klebschicht verbleibt, ggf. unterstützt durch die Zusatzstoffe, dauernd im Zustand einer „Flüssigkeit“ mit sehr hoher Viskosität (pseudoliquider Zustand). Für die Anwendung der Haftklebstoffe gelten als Voraussetzung die Parameter – spezifische Haftkraft, d.h. die Ausbildung ausreichender Haftungseigenschaften an der Fügeteiloberfläche, – Benetzungsvermögen im Hinblick auf eine schnelle Anfangshaftung, – Klebschicht-(Kohäsions-)festigkeit, – thermische, chemische und mechanische Belastbarkeit. 3.4.2 Einteilung der Haftklebstoffe

Im Hinblick auf die Haftungseigenschaften werden folgende Arten unterschieden, wobei als wichtiges Merkmal die jeweils vorhandenen Schälwiderstände gelten (180°-Schälung in N/25 mm) [M255]: Extrem dauerhaft >14 dauerhaft 10…14 teilweise wieder ablösbar 6…8 wieder ablösbar und repositionierbar 2…4 sehr gut wieder ablösbar Tg absorbiert die Probe also den größten Teil der Energie und die Dämpfung ist hoch, während bei einer tieferen Temperatur T2 < Tg die Probe die Energie speichern kann und die Dämpfung daher niedriger wird. Charakteristisch für die verschiedenen Klebstoffe sind die Zuordnungen der Temperaturbereiche zu den signifikanten Größenänderungen von Schubmodul und Dämpfungseigenschaften. So werden diese Bereiche z.B. bei warmaushärtenden gegenüber kaltaushärtenden Klebstoffen zu höheren Temperaturen verschoben, d.h. dass eine größere Temperaturbeständigkeit der Klebschicht erwartet werden kann.

Bild 4.13. Schubmodul verschiedener Klebstoffe in Abhängigkeit von der Temperatur (nach [O1])

278

4 Eigenschaften der Klebschichten

Bild 4.14. Mechanischer Verlustfaktor verschiedener Klebstoffe in Abhängigkeit von der Temperatur (nach [O1])

Diese Zusammenhänge gehen aus den Bildern 4.13 und 4.14, die einer experimentellen Arbeit von Otto [O1] entnommen sind, in eindeutiger Weise hervor. Die Aushärtungsparameter waren bei dem Epoxid-Polyaminoamidklebstoff 100 °C/30 min und bei dem cycloaliphatischen Epoxidharz 200 °C/ 150 min. Die Werte der anderen Klebstoffe lagen in systematischer Weise zwischen diesen beiden Grenzen. Es ist erkennbar, dass die durch den Schubmodul und den mechanischen Verlustfaktor zu charakterisierenden Klebschichteigenschaften eine Funktion der Molekülstruktur ist, die bei höheren Härtungstemperaturen einen verstärkten Vernetzungsgrad aufweist. Somit eignet sich die Bestimmung dieser Parameter für vergleichende Untersuchungen von Klebstoffen bezüglich ihrer Molekülstruktur (Vernetzungsgrad) sowie ihres Verhaltens unter Einwirkung von Temperatur und/oder klimatischen Beanspruchungen. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 4.4 im Anschluss an Abschnitt 4.4.3.

4.4.3 Abhängigkeit der Klebfestigkeit von der Temperatur

Betrachtet man die Abhängigkeit der Klebfestigkeit von der Temperatur, so zeigen die ausgehärteten Klebschichten der bekanntesten Grundstoffe (z.B. Phenolharz, Epoxid-Phenolharz, Epoxid-Nylon, Polyurethan) in weiten Bereichen ein ähnliches Verhalten (Bild 4.15): 앫 Bei tiefen Temperaturen ist zunächst nur ein geringfügiger, in vielen Fällen kaum messbarer Anstieg der Klebfestigkeit zu erkennen (Glaszustand). Die Dauer der Kälteeinwirkung hat auf die Festigkeit einer Klebung keinen Einfluss. Da sich die Polymere im Glaszustand befinden und keine Wärme zu-

4.4 Die thermomechanischen Eigenschaften

279

Bild 4.15. Abhängigkeit der Klebfestigkeit von der Temperatur

geführt wird, sind Strukturänderungen nicht zu erwarten. Über ausreichende Verformungseigenschaften bei tiefen Temperaturen verfügen Klebstoffe auf Basis Polyurethan sowie die Silicone. 앫 Mit zunehmender Temperatur erfolgt dann ein Anstieg der Klebfestigkeit bis zu einem Maximum, das je nach der chemischen Grundstruktur einen großen Bereich überdecken kann (kautschukelastischer Bereich). Durch die zunehmende Plastizität der Klebschicht kann hier ein Abbau der die Festigkeit begrenzenden Spannungsspitzen an den Überlappungsenden erfolgen (Abschn. 8.3.3.4). 앫 Nach Durchlaufen dieses Maximums fällt im Bereich der erhöhten Temperaturen die Klebfestigkeit durch auftretende Fließvorgänge und beginnende Zersetzungserscheinungen der Polymermoleküle ab. Diese schematische Darstellung macht das sehr unterschiedliche Verhalten der aus den jeweiligen Polymeren aufgebauten Klebschichten deutlich. In der Temperaturabhängigkeit der Festigkeitseigenschaften liegt u.a. die Ursache dafür, dass die Formulierung einer einheitlichen Zustandsgleichung, die das deformationsmechanische Verhalten der Klebschichten bei verschiedenen Temperaturen für konstruktive Bemessungen eindeutig wiedergibt, nicht möglich ist. Hinzu kommt weiterhin, dass die Lage des Maximums ebenfalls von der Beanspruchungsgeschwindigkeit abhängt. Somit ergibt sich, dass die exakte Einbeziehung der Temperaturabhängigkeit von Klebschichteigenschaften in die Dimensionierung einer geklebten Konstruktion nur über spezifische, mit den entsprechenden Fügeteilwerkstoffen durchgeführte Versuche möglich ist. Jede Klebstoffart besitzt hinsichtlich ihres Temperaturverhaltens besondere Eigenschaften und es ist erforderlich, diese durch geeignete Untersuchungen zu erkennen und sinnvoll zu nutzen. Einen Klebstoff, der allen Beanspruchungen gerecht wird, kann es aus diesen Gründen nicht geben. Klebstoffe mit guten thermomechanischen Eigenschaften zeichnen sich dadurch aus, dass sie bei hohen Temperaturen eine ausreichende Eigenfestigkeit und Zähigkeit, kombiniert mit einem entsprechenden

280

4 Eigenschaften der Klebschichten

plastisch-elastischen Verhalten, aufweisen, um die bei Zugscherbeanspruchung auftretenden Spannungsspitzen abbauen zu können (Abschn. 8.3.3.6). Geeignete Möglichkeiten, um im Rahmen der gegebenen Monomere zu „universellen“ Klebschichteigenschaften zu kommen, bestehen in der Kombination von Grundstoffen, die harte – dann aber meistens auch spröde – Klebschichten ausbilden, mit solchen, die flexibilisierende oder plastifizierende Eigenschaften aufweisen. Die in Abschnitt 2.2.1.7 erwähnten zähharten Epoxidharze und die Modifizierung der spröden Phenol-Formaldehydharze mit Polyacetalen (Abschn. 2.3.1.1) stellen Beispiele für diese Vorgehensweise, die auch als „innere Weichmachung“ bezeichnet wird, dar. Es gelingt auf diese Weise, Klebschichten mit optimalen Kombinationen von Festigkeit und Verformbarkeit zu erzielen. Diese Zusammenhänge lassen erkennen, dass ein Klebstoff für den jeweiligen Anwendungsfall speziell formuliert werden muss. Die Forderung einer hohen Formbeständigkeit in der Wärme kann nur mit hochvernetzten aromatischen Polymeren mit allerdings weitgehend verringerten Verformungseigenschaften bei Normaltemperatur erfüllt werden. Werden andererseits hohe dynamische Festigkeiten bei Normaltemperatur erwartet, ist es erforderlich, Klebschichten mit verbesserten elastisch-plastischen Eigenschaften einzusetzen. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 4.4: [A9, A15, B188, G87, H192, H342, K172, M123, P74, P80, R36, V5, W45], DIN 7724.

4.5 Elastizitätsmodul Für die Betrachtung des deformationsmechanischen Verhaltens von Klebschichten ist die Kenntnis des elastischen Verformungsbereiches, der durch den Elastizitätsmodul charakterisiert wird, eine wichtige Voraussetzung. Das sehr unterschiedliche Verformungsverhalten der metallischen Fügeteilwerkstoffe im Vergleich zu den Klebschichten lässt sich deutlich am SpannungsDehnungs-Diagramm (Bild 4.16) erkennen. Während beispielsweise der Werkstoff AlCuMg2 bei Zugspannungen bis zu ca. 200 Nmm–2 noch ein durch den gegebenen Elastizitätsmodul bestimmtes elastisches Verhalten aufweist, ist dieses bei Klebschichten auf den Bereich sehr geringer Spannungen beschränkt. Hinzu kommt, dass die einzelnen Polymere selbst ein sehr unterschiedliches Spannungs-Dehnungs-Verhalten aufweisen. Für einige kalt- und warmhärtende Klebstoffe sind in Bild 4.17 die entsprechenden Abhängigkeiten zusammengestellt. Das von der jeweiligen Polymerstruktur abhängige Spannungs-Dehnungs-Verhalten ist deutlich erkennbar. Die Kenntnis des Verformungsverhaltens ist insbesondere bei der mathematischen Erfassung der Spannungsverteilung in der Klebfuge wichtig (Abschn. 9.2). Ein wesentlicher Unterschied ergibt sich außerdem durch das verschiedenartige Temperaturverhalten. Im Vergleich zu den meisten metallischen Werkstoffen, die für den im praktischen Einsatz üblichen Temperaturbereich im

4.5 Elastizitätsmodul

281

Bild 4.16. Spannungs-DehnungsDiagramm von AlCuMg2 und einem Epoxidharzklebstoff

Bild 4.17. SpannungsDehnungs-Verhalten verschiedener Klebstoffe (nach [U1])

Allgemeinen einen annähernd konstanten Elastizitätsmodul aufweisen, unterliegt dieser bei den Klebschichten in Abhängigkeit von der Temperatur sehr starken Änderungen. Wie aus den Bildern 4.9 und 4.10 hervorgeht, tritt diese Änderung bei thermoplastischen Klebschichten besonders beim Übergang vom Glaszustand in den entropieelastischen Bereich bzw. Fließbereich über z.T. mehrere Zehnerpotenzen auf. Da bei einigen Klebstoffarten die Glasübergangstemperatur im Bereich praktischer Temperaturbeanspruchung der Klebung liegt (z.B. Polyamide ca. 40–120 °C, Epoxide ca. 70–130 °C und

282

4 Eigenschaften der Klebschichten

Tabelle 4.2. Abhängigkeit des Elastizitätsmoduls eines Epoxidharzklebstoffs von den Aushärtungsbedingungen (nach [H21])

Temperatur °C

Zeit h

Elastizitätsmodul Nmm–2

80 120 160 80 120 160

2,5 2,5 2,5 10 10 10

1400 1800 2100 1800 2600 2800

Polymethylmethacrylate ca. 38–105 °C, Tabelle 4.1), können bereits geringe Temperaturunterschiede in diesen Bereichen große Änderungen im Festigkeitsverhalten der Klebung bewirken. Die Temperaturabhängigkeit des Elastizitätsmoduls ist abhängig vom Vernetzungsgrad und um so größer, je niedriger dieser ist. Somit ergibt sich, dass für Anwendungsfälle mit vorwiegend statischer Beanspruchung vernetzte Klebschichten mit einem hohen Elastizitätsmodul zu bevorzugen sind. Aufgrund ihrer geringeren Verformungseigenschaften setzen sie dem Angriff von deformierenden Kräften einen größeren Widerstand entgegen, sodass sich der Festigkeitsabfall bei langzeitiger statischer Belastung in Grenzen hält. Bei der experimentellen Bestimmung des Elastizitätsmoduls von Klebschichtpolymeren muss generell unterschieden werden, ob die Polymersubstanz als solche (E-Modul ES ) oder in der Klebfuge, also in Kontakt mit den Fügeteilwerkstoffen (E-Modul EK ) vorliegt. Bei der Zugbeanspruchung einer reinen Polymerprobe ist eine ungehinderte Querkontraktion möglich, somit resultiert ein geringerer Elastizitätsmodul als bei der gleichen Substanz innerhalb einer Klebfuge. Im letzteren Fall ist die Querkontraktion behindert und kann höchstens im Bereich der Kontraktion der Fügeteile liegen. Messungen an verschiedenen Klebstoffen haben bei den Elastizitätsmoduln in einer Klebfuge Werte ergeben, die ca. 30–50% über denen der reinen Polymersubstanz lagen [W11]. Diese Unterschiede bestätigen einmal mehr den großen Einfluss der Fügeteileigenschaften auf die Klebschichtverformung. Auf der anderen Seite wird der Elastizitätsmodul der Klebschicht auch von der Klebschichtdicke beeinflusst. Die bei dickeren Klebschichten relativ größere Querkontraktion führt zu abnehmenden Elastizitätsmoduln; nach Untersuchungen von Meckelburg [M19] bei einem Epoxidharzklebstoff z.B. von 4300 N mm–2 bei d = 0,5 mm auf 3100 N mm–2 bei d = 4,0 mm. Mit zunehmendem elastischen Verhalten der Klebschicht und ansteigender Dicke nähern sich die in einer Klebung („in situ“-Methode) und an der Polymersubstanz („bulk“-Methode) gemessenen Werte des Elastizitätsmoduls einander an [J45, J50] (Abschn. 8.10). Der Elastizitätsmodul einer Klebschicht ist weiterhin von den Aushärtungsbedingungen abhängig. Nach Heuer [in H21] ergaben sich für einen Zweikomponenten-Epoxidharzklebstoff die in Tabelle 4.2 wiedergegebenen Werte.

4.5 Elastizitätsmodul

283

Es ist deutlich zu erkennen, dass mit ansteigender Temperatur und Zeit der Elastizitätsmodul höhere Werte annimmt, begründet in dem zunehmenden Vernetzungsgrad. Zu ähnlichen Abhängigkeiten kommen Matting und Hahn [M20, M21] auch für Reaktionsklebstoffe auf Basis von MethacrylsäureesterMischpolymerisaten. Ein weiterer Zusammenhang ergibt sich in der Abhängigkeit des Elastizitätsmoduls von der angelegten Zugspannung. Bei den meisten Klebstoffen fallen die Elastizitätsmoduln mit zunehmender Zugspannung ab, wobei nach Untersuchungen in [M21] diese Verminderungen bei angelegten Zugspannungen im Bereich von 20–30 N mm–2 bis zu 50% betragen können. Je größer der Abfall des Elastizitätsmoduls mit zunehmender Zugspannung ist, desto verformungsfreudiger ist eine derartige Klebschicht. Für die Berechnung des Elastizitätsmoduls eines Klebschichtpolymers aus dem Schubmodul (und umgekehrt) ist die Kenntnis der Querkontraktionszahl µ (Querdehnzahl, Poisson-Zahl) wichtig. Diese lässt sich bei isotropen Körpern durch die Längenänderung pro Einheitslänge (εx) und die daraus resultierende Breitenänderung (εy ; εz) (= negative Dehnung) pro Einheitslänge experimentell bestimmen: µ=

dy/y0 dx/x0

=–

εy εx

.

(4.3)

Zwar kann man Klebschichten nicht exakt als isotrope Körper bezeichnen, im Rahmen der gegebenen Berechnungsgenauigkeiten ist diese Tatsache aber ohne größeren Einfluss. Der Zusammenhang zwischen Elastizitäts- und Schubmodul ergibt sich dann im linear-elastischen Bereich wie folgt: E = 2G(1 + µ)

(4.4)

E . 2(1 + µ)

(4.5)

bzw. G=

Die Querkontraktionszahlen von Klebschichten der am häufigsten angewandten Klebstoffgrundstoffe liegen im Bereich von µ = 0,25 – 0,45. So ergibt sich beispielsweise für eine kalt ausgehärtete Epoxidharzklebschicht mit einem Schubmodul von G = 1000 N mm–2 und einer Querkontraktionszahl µ = 0,4 ein Elastizitätsmodul von E = 2800 N mm–2. Die Angaben über Poisson-Zahlen sind in der Literatur relativ begrenzt und z.T. auch widersprüchlich. Je geringer der Elastizitätsmodul ist bzw. je höher die Temperatur liegt, umso mehr nähert sich die Poisson-Zahl dem Wert von 0,5. Nach [K31] ergibt sich als Elastizitätsmodul für die Klebschicht EK unter der Annahme gleicher Querkontraktion wie im Fügeteil (Index F): EK =

ES – 4GS . ES 2µF –3– (ES – 2GS ) EF GS

(4.6)

284

4 Eigenschaften der Klebschichten

Tabelle 4.3. Experimentell ermittelte Festigkeitsparameter verschiedener Klebstoffe (nach

[W12]) Klebschichtpolymer warmhärtend Epoxid-Dicyandiamid Epoxid-Polyester Epoxid-Polyamid Phenol-Polyvinylformal kalthärtend Epoxid-Polyester Epoxid-Polyamid PMMA-Neopren/Styrol

σB Nmm–2

Zugfestigkeit

Elastizitätsmodul Poissonzahl E Nmm–2 µ

Schubmodul G Nmm–2

50 70 59 71

3050 4220 2500 3250

0,385 0,395 0,405 0,385

1100 1520 900 1170

42 25 39

2070 1500 2550

0,440 0,425 0,385

720 530 920

Winter und Meckelburg [W12] haben für einige typische Klebstoffgrundstoffe den Elastizitätsmodul und die Poisson-Zahl experimentell bestimmt und aus den ermittelten Werten nach (4.5) den Schubmodul berechnet. Die entsprechenden Werte sind in Tabelle 4.3 wiedergegeben. Gleichzeitig sind in der Tabelle auch noch die gemessenen Werte der Zugfestigkeit enthalten. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die interessierenden festigkeitsbezogenen Werkstoffkenngrößen, die an reinen Polymersubstanzen ermittelt werden, das Verhalten der Polymere als Klebschicht in einer Klebfuge nicht eindeutig zu charakterisieren vermögen. Ergänzend sind in jedem Fall die Ergebnisse aus Untersuchungen in Kombination mit den Fügeteilen zu berücksichtigen. Hier bietet sich insbesondere die Ermittlung des SchubspannungsGleitungs-Verhaltens an. In [R78] wird eine Methode beschrieben, den Elastizitätsmodul mittels des Dreipunkt-Biegeversuchs zu bestimmen. An Titanfolien von 0,305 mm Dicke wurden jedoch große Einflüsse von Oberflächenschichten sowie den Klebschichtdicken auf die Ergebnisse festgestellt. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 4.5: [A11, J45, J51, M22, W13].

4.6 Kriechen Die Neigung einer Klebschicht zum Kriechen bestimmt in weiten Grenzen das Zeitstandverhalten von Klebungen. Unter Kriechen versteht man die zeitlich verzögerte, aber noch reversible Deformation viskoelastischer Substanzen unter konstanter Belastung; dabei stellt sich asymptotisch ein von der Spannung abhängiger Dehnungsgrenzwert ein. Die Klebschicht erleidet also unter ruhender Beanspruchung in Abhängigkeit von der Zeit eine Formänderung. Im Gegensatz zum Kriechen wird die bei höherer Belastung auftretende irreversible Verformung als Fließen bezeichnet. Das Kriechen von Klebschichten bzw. allgemein von Polymeren kann durch das in zeitlicher Folge eintretende

4.6 Kriechen

285

Versagen einzelner Bindungen zwischen den Polymermolekülen durch die von außen aufgezwungene Belastung erklärt werden. Diese Belastung bewirkt eine Molekülverschiebung, die aufgelösten Bindungen werden dabei nur teilweise durch neue Bindungen ersetzt. Mit fortschreitender Lockerung bzw. Aufhebung dieser zwischenmolekularen Bindungen erschöpft sich die Verformungsmöglichkeit der Klebschicht nach einer gegebenen Zeit und es kommt zum Bruch. Die kontinuierlich angreifende statische Belastung führt somit zu einem Festigkeitsverlust. Die für das Kriechen wesentlichen Einflussgrößen sind die Temperatur, die Höhe und die Geschwindigkeit der Belastung, die Art und die Eigenschaften der Fügeteilwerkstoffe sowie der chemische Aufbau der Klebschicht, insbesondere der Vernetzungsgrad. Auch bei kleinen angreifenden Kräften zeigen Klebschichten kein absolut elastisches Verhalten; es tritt ebenfalls eine plastische Verformung auf, die dann bei konstant einwirkender Belastung zum Kriechen führt. Das nicht nur last-, sondern auch zeitabhängige Verformungsverhalten von Polymerschichten, als Viskoelastizität bezeichnet (Abschn. 3.4.1.1 u. 16.4.1), besitzt im Hinblick auf Klebungen wichtige Konsequenzen: 앫 Die inneren Spannungen (Abschn. 7.2) werden bei hinreichend hohen Temperaturen über die molekularen Relaxationsvorgänge im Laufe der Zeit abgebaut, der Ablauf des Kriechvorganges somit in messbarer Weise durch die Relaxation innerhalb der Klebschicht beeinflusst. Bei rein elastischen Körpern wird die zur Gestaltänderung verbrauchte Verformungsarbeit bei Entlastung vollständig wiedergewonnen. Im Gegensatz dazu wird bei den Polymerschichten mit vorhandener Spannungsrelaxation durch den Zeitverzug die Wiedergewinnung der Energie unvollständig und um so kleiner, je länger mit der Entlastung gewartet wird. Daher können die inneren Spannungen in der Klebschicht im Extremfall völlig abgebaut werden. Die Relaxation ist insbesondere für den Abbau der Spannungsspitzen an den Überlappungsenden verantwortlich. 앫 Bei Dauerbelastung nimmt die Deformation der Klebschicht infolge des Kriechens allmählich zu. 앫 Bei Belastung mit einer konstanten Geschwindigkeit nimmt die innere Spannung nicht linear, sondern allmählich schwächer werdend zu. Die Spannungs-Dehnungs-Kurven sind daher im Allgemeinen gekrümmt (Bild 4.17). 앫 Schnelle Belastungen (z.B. durch Schlag oder Stoß) führen zu einer Störung des Gleichgewichtszustands der Polymermoleküle in dem Sinne, dass keine Relaxation durch Molekülumlagerungen möglich ist und sich kein neuer Gleichgewichtszustand einstellen kann. Somit kommt es durch das Fehlen der zeitlich verzögerten Verformung zum Überschreiten der Grenzverformung, die zum Bruch der Klebung führt. Bild 4.18 zeigt schematisch in einer dreidimensionalen Darstellung diese gegenseitigen Abhängigkeiten von Spannung, Dehnung und Beanspruchungsgeschwindigkeit. Die für die Kriechvorgänge wesentlichen viskoelastischen Eigenschaften von Klebschichten werden durch Messen der zeitabhängigen Verformungen mittels optischer oder elektrischer Messwertaufnehmer bestimmt. Für diese Messungen

286

4 Eigenschaften der Klebschichten

Bild 4.18. Spannungs-Dehnungs-Verhalten von Klebschichten in Abhängigkeit von der Beanspruchungsgeschwindigkeit

ist allerdings die in DIN 53281 festgelegte Probengeometrie wegen der auftretenden Spannungsüberlagerungen nicht geeignet, man verwendet daher die in DIN 54451 festgelegte Probengeometrie mit dicken Fügeteilen und geringen Überlappungslängen (Abschn. 4.3). Ausführliche Untersuchungen zum Kriechverhalten von Klebschichten unter konstanter Last sind insbesondere von Althof [A16] sowie von Matting und Mitarbeitern [M21, M24, M25] durchgeführt worden. Als typisches Beispiel sind in Bild 4.19 mit einem Epoxidharzklebstoff bei verschiedenen Schubspannungen im Zeitstandversuch bei Raumtemperatur gemessene Klebschicht-Schubverformungen als Gleitungs-Zeit-Kurven (Kriechkurven) dargestellt, wobei die doppeltlogarithmische Wiedergabe deutlich den exponenziellen Charakter des Kriechverlaufs zum Ausdruck bringt.

Bild 4.19. Zeitabhängige Klebschicht-Gleitung (Kriechen) eines Epoxidharzklebstoffs im Zeitstandversuch bei Raumtemperatur (nach [A16])

4.6 Kriechen

287

Aus der Darstellung ist ersichtlich, dass für den untersuchten Klebstoff bei Schubspannungen von mehr als 20 N mm–2 Verformungswerte erreicht werden, die sich nach ca. 100 h sehr stark dem Bruchwert, im vorliegenden Fall der Bruchgleitung tan γB von 1,5 nähern. Die Tatsache, dass bereits kleine Spannungen nach entsprechender Zeit zum Kriechen führen können, zwingt zu der Forderung, für die Bemessung der Klebungen bei konstanter, kontinuierlicher Belastung nur von den Festigkeitswerten auszugehen, die durch Langzeituntersuchungen ermittelt worden sind und nicht von denen der statischen Kurzzeitfestigkeit nach DIN 53283. In gleicher Weise, wie aus Bild 4.19 hervorgeht, weisen auch weitere praktische Erfahrungen aus, dass eine ausreichende Lebensdauer des Bauteils bei konstanten Dauerbelastungen dann erwartet werden kann, wenn diese unterhalb 50% der kurzzeitigen statischen Klebfestigkeit liegen. Die für das Kriechverhalten einer Klebschicht wesentlichen viskoelastischen Eigenschaften können linear oder nichtlinear sein. Da sich im linearen Bereich die Verhältnisse durch mathematisch-physikalische Berechnungen (Feder-Dämpfer-Modelle) relativ einfach beschreiben lassen, diese Beziehungen im nichtlinearen Bereich jedoch nicht gelten, ist es erforderlich, den Spannungszustand in einer Klebschicht an der Grenze der linearen Viskoelastizität zu kennen. Dieser Zusammenhang lässt sich wie folgt ableiten: 앫 Zunächst ergibt sich als Voraussetzung eines linearen Viskoelastizitätsverhaltens, dass die Klebschichtverformung nur von der Zeit und nicht gleichzeitig ergänzend von der Temperatur und ggf. Fügeteilverformungen abhängig ist. 앫 Dann gilt für eine Kurzzeitverformung, z.B. bei der statischen Ermittlung der Schubfestigkeit nach DIN 54451, bei Vorhandensein einer Linearproportionalität Gleitung tan γ β (Schubzahl) = = (4.7) τ′ Schubspannung bzw. 1 τ′ G (Schubmodul) = = 8 , (4.8) β tan γ wobei der Schubmodul den Proportionalitätsfaktor darstellt. 앫 In ähnlicher Weise lässt sich für zeitabhängige Verformungen das Verhältnis der während des Kriechens zeitabhängigen Gleitung tan γ (t) zur konstanten Schubspannung τ ′ als Kriechnachgiebigkeit J(t), (auch Schubnachgiebigkeit genannt), der reziproke Wert als Kriechmodul G(t) definieren: β (t) =

bzw.

tan γ (t) τ′

G(t) = 1 . J(t)

= J(t)

(4.9) (4.10)

288

4 Eigenschaften der Klebschichten

Bild 4.20. Zeitabhängige Kriechnachgiebigkeit eines Epoxidharzklebstoffs bei unterschiedlichen Schubspannungen im Zeitstandversuch (nach [A16])

Beide Größen hängen im linear-viskoelastischen Beanspruchungsbereich nur von der Zeit und nicht von der Spannung bzw. von der Dehnung ab. Der Proportionalitätsfaktor ist in diesem Fall der zeitabhängige Kriechmodul oder die Kriechnachgiebigkeit. Bild 4.20 zeigt für den bereits erwähnten Epoxidharzklebstoff die Kriechnachgiebigkeit in Abhängigkeit von verschiedenen Schubspannungen. Die in diesem Diagramm gezeigten Kurven weisen aus, dass nur im Bereich relativ niedriger Schubspannungen bis 15 N mm–2 die Kriechnachgiebigkeit annähernd gleiche Werte ergibt und somit für den untersuchten Klebstoff eine Schubspannung von 15 N mm–2 die Grenze der linearen Viskoelastizität darstellt. Die in Bild 4.21 gezeigte schematische Darstellung eines Kriechverformungsdiagramms ergibt nach Späth [S27] die Möglichkeit der Beschreibung der einzelnen Kriechbereiche: 앫 Bereich 1: Primäres Kriechen (Übergangskriechen). Hierbei handelt es sich um ein elastisches Nachverformen der Molekülstruktur, welches sowohl bei kristallinen als auch bei amorphen Klebschichten beobachtet wird und bei allen Klebstoffen nachweisbar ist. Dieses zu Beginn der Belastung eintretende Kriechen ist auf das Lösen von Nebenvalenzbindungen und Umlagern von Kettensegmenten zurückzuführen. Es entstehen keine plastischen Deformationen.

4.6 Kriechen

289

Bild 4.21. Schematische Darstellung der Kriechverformung von Klebschichten (nach [S27])

앫 Bereich 2: Sekundäres (stationäres) Kriechen. Dieser Bereich wird durch eine konstante Kriechgeschwindigkeit charakterisiert. Bei Polymeren lösen sich in diesem Bereich schwache und starke Molekülbindungen nacheinander, wobei sich jedoch nach erfolgter Molekülverschiebung wieder neue zwischenmolekulare Kräfte ausbilden können (im Gegensatz zum Abgleiten bevorzugter Kristallebenen bei Metallen, bei denen keine neuen Bindungen entstehen, sondern eine Nachverformung eintritt). Die Verformungsbeträge sind konstant, während dieser Zeit herrschen innerhalb des Molekülverbands Gleichgewichtszustände hinsichtlich des Lösens und Neubildens von Bindungen. 앫 Bereich 3: Tertiäres (beschleunigtes) Kriechen. In dieser Phase wird der Bruch der Klebung eingeleitet. Er erfolgt, wenn die Verformungsmöglichkeit der Klebschicht erschöpft ist. In umfangreichen Versuchen hat Brockmann [B21] festgestellt, dass die in Abhängigkeit von dem jeweiligen Klebstoff und Bild 4.22. Arten der Kriechverformung bei unterschiedlichen Klebstoffen (nach [B21])

290

4 Eigenschaften der Klebschichten

Fügeteilwerkstoff resultierenden Kriechkurven in vier verschiedene Typen, die schematisch in Bild 4.22 wiedergegeben sind, eingeordnet werden können: – Typ A: Stetiges Gleiten der Fügeteile infolge einer Klebschicht mit ausgeprägt plastischem Verhalten. Schnelles Versagen der Probe. – Typ B: Stufenförmiger Kriechverlauf, besonders häufig bei Epoxid-Polyamidharzen, Ursache wahrscheinlich nacheinander erfolgende Molekülverstreckungen. – Typ C: Langsames gleichförmiges Kriechen, das sich nach anfänglich langsamer Zunahme in der dargestellten Weise einpendelt. – Typ D: Kombination von A und B. Nach einem stufenförmigen Kriechen kommt es anschließend zu einem langsamen Abgleiten der Fügeteile. Zusammenfassend ergeben sich in Bezug auf das Kriechen von Klebschichten die folgenden wesentlichen Zusammenhänge: 앫 Klebschichten weisen bei Belastung ein individuelles Kriechverhalten auf, das durch die Molekülverschiebungen und die teilweise neu entstehenden Bindungen einen Spannungsabbau an den Überlappungsenden dann ermöglichen kann, wenn die Relaxationseigenschaften der Klebschicht groß genug sind, um den Spannungszuwachs kompensieren zu können. In diesem Fall ist die Klebschicht in der Lage, sich unter dem Einfluss der Last plastisch zu verformen. Somit werden auch die in der Mitte der Klebfläche liegenden Klebschichtanteile zur Lastübertragung mit herangezogen und die Spannungsverteilung wird günstiger. 앫 Für den Fall, dass die der Klebschicht während der Zeitstandbelastung aufgezwungene Verformung in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht durch die Relaxationseigenschaften kompensiert werden kann, stellt sich ein Gleichgewichtszustand zwischen Relaxation und erneutem Spannungszuwachs ein. Dadurch bleibt in diesem Fall die Spannungsverteilung mit den Spannungsspitzen an den Überlappungsenden weitgehend bestehen. 앫 Ein Maß für die Relaxationseigenschaften einer Klebschicht ist deren viskoelastisches Verhalten. Zu einem Bruch der Klebung kommt es dann, wenn die Verformungsmöglichkeit der Klebschicht erschöpft ist, d.h. wenn die Grenze der linearen Viskoelastizität überschritten wird. 앫 Nach [R77] kommt unter konstruktiven Gesichtspunkten der Kriechverformung des sekundären Bereichs die größte Bedeutung zu, da sie wegen der konstanten Verformung leicht vorhersagbar ist. Gegenüber Zeitstandfestigkeitswerten (Abschn. 16.2.2.1) besitzen Kriechverformung-Zeit-Abläufe für Berechnungsansätze eine erheblich größere Aussagekraft. Diese Feststellung wurde u.a. durch Kriechversuche ohne und mit Feuchtigkeitseinfluss untermauert. Die Ergebnisse wiesen aus, dass am Beispiel eines Epoxidharzklebstoffs durch Feuchtigkeit eine vergrößerte Verformungsfähigkeit und eine z.T. erhebliche Ausweitung des tertiären Bereichs der Kriechkurven auftrat.

4.7 Kristallinität

291

Ergänzende Literatur zu Abschnitt 4.6: [A16–A18, A72, A78, B21, B176, D173, E12, G18, G88, H22, H23, H108, J43, J45, K32, K173, K307, M20, M21, M24, M25, R7, R77, R79, S187–S190, V34, W14, Y11].

4.7 Kristallinität Die Kristallinität bzw. der kristalline Anteil in thermoplastischen Polymeren beeinflusst entscheidend die Festigkeit sowie das deformationsmechanische Verhalten der Klebung. Voraussetzung für eine Kristallisation bei Polymeren ist ein weitgehend regelmäßiger Molekülaufbau ohne eine sterische Behinderung der Molekülketten. Bei geradlinigen oder nur mit kleinen Seitenketten versehenen Makromolekülen oder Molekülsegmenten kommt es bei der Abkühlung aus der Schmelze zu einer Orientierung parallel gelagerter Teile der Molekülketten, wobei sich insbesondere Atome bzw. Molekülgruppen mit polaren oder wasserstoffbrückenbildenden Substituenten einander nähern (Bild 1.4). Dabei entstehen dichteste Molekülpackungen mit kohäsiver Festigkeit, da die zwischenmolekularen Kräfte entfernungsabhängig sind. Die Anlagerung der Molekülkettensegmente erfolgt nicht über die gesamte Kettenlänge, daher bestehen zwischen den kristallinen Bereichen auch solche amorpher Struktur. Dieser teilkristalline Aufbau, der z.T. aus Micellen, d.h. aus geordneten, relativ kleinen Moleküleinheiten besteht, ist je nach Ausbildung des Polymermoleküls sehr unterschiedlich. Die kristallinen Bereiche erweichen im Gegensatz zu den amorphen Bereichen erst kurz unterhalb der Fließtemperatur, sodass kein weich-elastischer sondern ein zähharter Werkstoffcharakter oberhalb des Glasübergangsbereiches vorliegt. Unterhalb des Glasübergangsbereiches verhalten sich teilkristalline Thermoplaste nicht hartelastisch-spröde, sondern hartelastisch-zäh. Polymere, die zu einer Kristallisation neigen, sind z.B. Polyethylen, Polypropylen, Polyamide und Polyester. Mit steigender Kristallinität ist im Allgemeinen eine Erhöhung der Zugfestigkeit und des Elastizitätsmoduls verbunden, somit sind derartige Polymere vorteilhaft für Klebschichten, welche höheren Temperaturbeanspruchungen ausgesetzt sind. Die Kristallinität einer thermoplastischen Klebschicht ist durch den Temperaturgradienten bei der Abkühlung beeinflussbar, eine schnelle Abkühlung ergibt einen geringen, eine langsame Abkühlung einen hohen Kristallinitätsgrad. Von Bedeutung ist die beim Abbinden des Klebstoffs einsetzende Kristallisation im Hinblick auf die sich zwischen Klebschicht und Oberfläche ausbildenden Haftungskräfte. Da es dabei zu einer Volumenabnahme kommt, werden insbesondere bei glatten Oberflächen im Bereich der Grenzflächen die Adhäsionskräfte vermindert. Stark kristalline Polymere sind daher für Klebstoffe, zumindest für sich allein, nur bedingt geeignet. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 4.7: [P74].

292

4 Eigenschaften der Klebschichten

4.8 Klebschichtinhomogenitäten Klebschichten können in verschiedener Weise geschädigt werden. Neben den sich in den Grenzschichten ausbildenden Fehlstellen, die vorwiegend auf unzureichende Oberflächenvorbehandlungen zurückzuführen sind und Adhäsionsverluste zur Folge haben, sind innerhalb der Polymermatrix folgende Schädigungen möglich: 앫 Bereiche unvollständiger Klebstoffhärtung: Diese sind im Wesentlichen auf Ungenauigkeiten beim Mischprozeß der Komponenten zurückzuführen. Abweichungen vom stöchiometrischen Verhältnis (Abschn. 2.2.1.5) ergeben einen Überschuss einer der beiden Komponenten mit der Folge, dass diese als unausgehärteter Bestandteil in der Polymerphase verbleibt. Durch automatische Misch- und Dosiersysteme lassen sich diese Fehler vermeiden. 앫 Risse in der Klebschicht: Risse werden durch innere Spannungen in der Klebschicht verursacht. Diese können z.B. durch einen zu hohen Härteranteil bei Methacrylatklebstoffen oder eine zu hohe Feuchtigkeitskonzentration bei Cyanacrylaten entstehen (Schockhärtung). Eine unsachgemäße Temperaturführung während der Aushärtung (zu steile Temperaturgradienten in der Aufheiz- und Abkühlphase) ist häufig auch als Ursache zu nennen. 앫 Fehlstellen, Poren: Als Gründe für das Auftreten von Fehlstellen und Poren können Luftblasen oder Lösungsmittelreste gelten. Sie führen zu einer Querschnittsminderung, die sich festigkeitsmindernd auswirken kann. Luftblasen werden häufig während des Mischens in den Klebstoff eingebracht, in dem sie, insbesondere bei höherviskosen Formulierungen, bis zum Klebstoffauftrag verbleiben. In kritischen Fällen ist daher das Mischen im Vakuum zu empfehlen. Über Ergebnisse mit einem Klebstoff auf Basis Epoxid-Polyaminoamid wird in [K33] berichtet. Es erfolgt der Nachweis, dass Klebschichten mit Luftblasen niedrigere Klebfestigkeitswerte (–17%) und niedrigere Zugfestigkeitswerte (–22%) besitzen, da die lastübertragende Klebschichtfläche durch die Luftblasen vermindert ist. Im Gegensatz zu diesen Werten stehen die Ergebnisse des Schälwiderstandes. Klebschichten mit Luftblasen weisen bei dem bei Raumtemperatur ausgehärteten Klebstoff eine Steigerung des Schälwiderstandes um ca. 550% auf. Erklärt wird diese Erscheinung durch die spezifische linienförmige Beanspruchung bei dem Schälversuch, bei der nach den Erfahrungen der Festigkeitslehre neben anderen Faktoren der Radius einer Fehlstelle im Rissgrund die Höhe der ertragbaren Beanspruchung bestimmt. Je größer dieser Radius ist, desto größer muss die Kraft sein, um einen weiteren Fortschritt des Risses hervorzurufen (praktische Anwendung: Anbohren des Rissendes zum Stoppen eines Risses). Beispiele einer positiven Ausnutzung dieses Sachverhaltes sind die zähharten Klebstoffe (Abschn. 2.2.1.7) sowie geschäumte Haftklebstoffe (Abschn. 3.4). Ergänzende Literatur zu Abschnitt 4.8: [H24, K253, S310].

4.9 Klebschichtmorphologie und strukturabhängiges mechanisches Verhalten

293

4.9 Klebschichtmorphologie und strukturabhängiges mechanisches Verhalten Als eine wesentliche Grundlage von Festigkeitsbetrachtungen bei Klebungen wurde in der Vergangenheit vorwiegend von strukturmäßig homogenen Klebschichten ausgegangen, die in ihrem Gesamtvolumen konstante und isotrope Eigenschaften aufweisen. Diese Annahme ist beim Übergang von einer makroskopischen in eine mikroskopische Betrachtungsweise zu modifizieren. Die Klebstoffverarbeitung, insbesondere die Härtungsbedingungen und die Eigenschaften der Fügeteiloberflächen üben einen entscheidenden Einfluss auf die resultierende Klebschichtstruktur aus (Abschn. 12.3.4). Somit bedarf der Zusammenhang zwischen dem strukturellen Aufbau einer Klebschicht und dem Spannungs-Verformungsverhalten einer besonderen Betrachtung. Hierzu liegen von Kötting [K103], Yi [Y3] und Mathias [M147] bei Klebungen von Aluminiumlegierungen mit Epoxid- und Phenolharzklebstoffen Erkenntnisse vor, die sich wie folgt zusammenfassen lassen: 앫 Im Dickenbereich der Klebschicht bilden sich ausgehend von der Grenzschicht der Fügeteiloberfläche unterschiedliche Polymerstrukturen aus. In den fügeteilnahen Zonen liegt eine von der Metalloberfläche ausgehende lamellenförmig orientierte Strukturierung vor, die durch den Zustand der Metalloberfläche stark beeinflusst wird. Sehr ausgeprägte Orientierungswirkungen besitzen dabei nach dem Pickling-Verfahren (Abschn. 12.2.4) vorbehandelte Aluminiumoberflächen. In Richtung der Klebschichtmitte gehen die lamellenartigen Strukturen zunehmend in globulare Strukturen über, die sich hinsichtlich ihrer Vernetzungsdichte unterscheiden. In Bild 4.23 ist diese Klebschichtausbildung schematisch wiedergegeben. 앫 Die Belastung einer so ausgebildeten Klebschicht führt bei Beginn zu Schädigungsvorgängen in den mittleren globular strukturierten Klebschichtebenen. Dabei erweisen sich die Strukturgrenzflächen als Schwachstellen in Bild 4.23. Morphologischer Aufbau einer Klebschicht, schematische Darstellung (nach [K103])

294

4 Eigenschaften der Klebschichten

dem Verbund. Erst bei höheren Werten der Klebschichtverformung erfolgen dann Versagensprozesse in der orientierten Randstruktur. 앫 Die deformationsmechanischen Eigenschaften der Grenzschichtlamellen unterscheiden sich stark von denjenigen der globular strukturierten Schichtebenen mit der Folge, dass das Schubspannungs-Gleitungsverhalten der gesamten Klebfuge in starkem Maße schichtdickenabhängig wird (Bild 4.3). 앫 Mit steigender Härtungstemperatur und -zeit nimmt die Länge der Strukturlamellen des Grenzschichtbereiches zu. Bei einer Feuchtigkeitsbeanspruchung quellen aufgrund der lamellaren Struktur der Randzone die Klebschichten bevorzugt in Dickenrichtung. Die Polymerstränge sind demzufolge einem Zugspannungsfeld ausgesetzt und können somit auch ohne zusätzliche mechanische Belastung nur aufgrund der Quellspannung geschädigt werden. Diese Zusammenhänge machen deutlich, dass bereits die Fertigungs-, speziell die Härtungsbedingungen einen wesentlichen Einfluss auf das spätere Alterungsverhalten bei Feuchtigkeitseinwirkungen ausüben. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 4.9: [H26, H27, H105–H107, H191–H195, K36, K174, K203, M147, M148, Y3, Y12].

5 Klebtechnische Eigenschaften der Fügeteilwerkstoffe

Die Fügeteilwerkstoffe bestimmen neben der Auswahl der Klebstoffe das Beanspruchungsverhalten einer Klebung in hohem Maße. Daher gilt es, die folgenden Eigenschaften besonders zu betrachten: 앫 Beschaffenheit der Werkstoffoberfläche hinsichtlich ihres chemischen, physikalischen und strukturellen Aufbaus und der möglichen Wechselwirkung mit dem Klebstoff bei der Aushärtung sowie der Ausbildung von Haftungskräften. 앫 Beschaffenheit des Werkstoffes hinsichtlich seiner mechanischen, physikalischen und chemischen Eigenschaften und den sich daraus ergebenden Einflüssen auf die Festigkeit der Klebung. Bei metallischen Werkstoffen kann man beispielsweise davon ausgehen, dass sie – mit Ausnahme sehr spezieller Wechselwirkungen im Grenzschichtbereich – keine chemischen Reaktionen mit dem Klebstoff eingehen und durch die Klebstoffe in ihrer Oberfläche auch nicht verändert werden. Bei Kunststoffen ist diese Aussage nicht in jedem Fall aufrechtzuerhalten, da möglicherweise in ihnen vorhandene Zusatzstoffe in die Klebschicht migrieren oder organische Lösungsmittel die Oberfläche durch Lösungs- oder Quellvorgänge verändern können. Somit gilt es, die jeweiligen werkstoffspezifischen Eigenschaften bei der Herstellung von Klebungen entsprechend zu berücksichtigen.

5.1 Oberflächeneigenschaften 5.1.1 Oberflächenschichten

Die an dem Aufbau einer Oberfläche beteiligten Schichten lassen sich hinsichtlich ihrer Entstehungs- und Verhaltensweise beschreiben. Ausgehend von dem Grundwerkstoff mit seiner je nach Herstellungsbedingungen spezifischen Gefüge- bzw. Polymerstruktur und Festigkeit sind zu unterscheiden (Bild 5.1): 앫 Die Grenzschicht, mit gegenüber dem Grundwerkstoff veränderten physikalischen und/oder mechanischen Eigenschaften, z.B. verursacht durch eine nachträgliche Verformung. Sie wirkt sich auf die Verformungsbehinderung der Klebschicht (Abschn. 8.4.7) im Grenzschichtbereich aus. Bei Kunststof-

296

5 Klebtechnische Eigenschaften der Fügeteilwerkstoffe

Bild 5.1. Oberflächenschichten metallischer Fügeteilwerkstoffe (schematische Darstellung)

fen können sich z.B. Verarbeitungshilfsmittel oder Weichmacher an der Oberfläche befinden. 앫 Die Reaktionsschicht, entstanden durch eine natürliche oder künstliche chemische Veränderung der Grenzschicht. Sie ist aufgrund der chemischen Hauptvalenzbindungen mit dem Grundwerkstoff fest verbunden und stellt die eigentliche Zone für die Ausbildung der Adhäsionskräfte (Abschn. 6.2) zu der Klebschicht dar. 앫 Die Adsorptionsschicht, gebildet durch Aufnahme artfremder Moleküle (z.B. Wasser, Gase). Im Gegensatz zu der Reaktionsschicht handelt es sich hierbei um eine weitgehend reversible Schichtbildung, die den Gesetzen der Temperatur- und Druckabhängigkeit bei Adsorptionsvorgängen folgt. 앫 Verunreinigungen, die sich in nicht zu definierender Schichtdicke in Form fester (Staub, Schmutz) oder flüssiger (Öle, Fette, Feuchtigkeit) Substanzen auf der Oberfläche befinden können. Sie stellen, wenn sie vor dem Auftrag des Klebstoffs nicht entfernt werden, die eigentliche Ursache für mangelhafte Festigkeiten einer Klebung dar. Weitere Oberflächenschichten können durch metallische Beschichtungen (verzinkte und verzinnte Bleche, plattierte Aluminiumlegierungen, metallisierte Kunststoffe) gebildet werden, die dann zwischen der Grenzschicht und der Reaktionsschicht liegen. 5.1.2 Molekularer Aufbau und Polarität der Grenz- und Reaktionsschichten

Die verschiedenen Formen der Ausbildung von Haftungskräften (Abschn. 6.1) erfordern in jedem Fall energetische Zustände der Fügeteiloberfläche, die die entsprechenden Wechselwirkungen zwischen den beteiligten Atomen und Molekülen ermöglichen. Eine Oberfläche kann nur dann Fremdmoleküle an sich binden, wenn sie die für die Ausbildung der Haftungskräfte erforderlichen energetischen und strukturellen Eigenschaften besitzt. Dieses sind bei den rein metallischen Grenzschichten die in den einzelnen Kristallebenen wirkenden Oberflächenenergien. Ihr Auftreten erklärt sich aus der unvollständigen Valenzabsättigung der an der Oberfläche gelegenen Atome. Bei kubisch-raumzentrierten

5.1 Oberflächeneigenschaften

297

Bild 5.2. Mikrostruktur einer Aluminiumoberfläche

(z.B. α-Eisen) und auch bei kubisch-flächenzentrierten (z.B. γ -Eisen, Edelstähle, Aluminium) Gittern hat jedes in der Grenzschichtoberfläche gelegene Atom vier unbesetzte Koordinationsstellen. Entsprechendes gilt für die in anderen Gittern kristallisierenden Werkstoffe. Bei den auf Kanten oder in Ecken gelegenen Atomen ist die Anzahl der für Anlagerungsreaktionen zugänglichen unbesetzten Koordinationsstellen noch größer. Die Oberflächenenergie, die durch Absättigen dieser freien koordinativen Valenzen in der Oberfläche (einschließlich der Kanten und Ecken der Kristallite) eines Fügeteils gewonnen werden kann, ist somit von der Form dieser Oberfläche, d.h. dem Vorhandensein von „aktiven Zentren“, sehr stark abhängig. Durch eine mechanische Bearbeitung oder durch chemisches Ätzen ist diese Mikrostruktur der Oberfläche und somit der Energieinhalt sehr stark beeinflussbar. Mit zunehmender „Zerklüftung“ der Oberfläche nimmt nicht nur die wirksame Oberfläche (Abschn. 5.1.4) zu, sondern im Hinblick auf die Oberflächenenergie insbesondere die Gesamtzahl der energetisch bevorzugten Kanten und Ecken der Kristallite. Bild 5.2 zeigt die rasterelektronenmikroskopische Aufnahme der Mikrostruktur einer geätzten Reinaluminiumoberfläche Al 99,5 weich, geätzt nach Barrett und Levenson (Forschungsinstitut der Alusuisse-Lonza Services AG, Zürich). Bei den Reaktionsschichten sind es insbesondere die Dipolmomente (Abschn. 6.1.4.1) der – in den meisten Fällen – oxidischen und/oder hydratisierten Moleküle, die die Größe der Bindungskräfte bestimmen. Da die meisten der durch eine chemische Reaktion erzeugten Reaktionsschichtmoleküle aus mindestens zwei verschiedenen Atomen (z.B. Metall und Sauerstoff) asymmetrisch aufgebaut sind, verfügen sie über permanente Dipolmomente, da die Elektronendichte in der Umgebung von zwei Atomkernen mit verschiedener Kernladung niemals die gleiche ist. Unter der „Aktivität“ ist demnach die Reaktionsfähigkeit von Oberflächen zu verstehen, die im Wesentlichen infolge von Gitterstörungen, Kristallversetzungen, Korngrenzenbehinderungen, Stellen künstlicher Oberflächenstrukturdefekte und vorhandenen Dipolen bedingt ist. Sie kann generell erreicht werden durch – – – –

eine Säuberung der Oberfläche, eine Vergrößerung der Oberfläche, eine Erzeugung von Gitterstörungen, eine Änderung des chemischen Aufbaus.

298

5 Klebtechnische Eigenschaften der Fügeteilwerkstoffe

Der Bereich, in dem die genannten physikalisch-chemischen Oberflächeneigenschaften bei Metallen wirksam werden, liegt bei ca. 1 · 10–8 bis 10 · 10–8 cm (0,1–1 nm). Hieraus ergibt sich grundsätzlich, dass als Voraussetzung für das Zustandekommen adhäsiver Bindungen eine Annäherung der an dem Verbund beteiligten Atome und Moleküle in den atomaren bzw. molekularen Abstandsbereich zu erfolgen hat (Abschn. 6.4). Durch diese Forderung gewinnt die Notwendigkeit einer guten Benetzung der Fügeteiloberfläche durch den flüssigen Klebstoff eine besondere Bedeutung. In Ergänzung zu den vorstehend insbesondere für metallische Oberflächen beschriebenen Grenz- und Reaktionsschichten gelten diese Zusammenhänge im Prinzip auch für Kunststoffe. Da diese keine Gitterstrukturen aufweisen, ergeben sich die Oberflächenenergien im Wesentllichen aus den Dipolen der Oberflächenmoleküle. Im Rahmen der Forschungsarbeiten zur Aufklärung der Wechselwirkungen im Mikro-Grenzschichtbereich sind in den vergangenen Jahren zahlreiche Beiträge (s. Abschn. 6.2) erschienen. Eine wesentliche Voraussetzung für die heute vorliegenden Erkenntnise war dabei die Entwicklung moderner oberflächenanalytischer Untersuchungsmethoden (Abschn. 5.1.3). Zusammenfassend lassen sich ausgehend von einer Metalloberfläche im Hinblick auf den Aufbau der Grenz- und Reaktionsschichten die folgenden Ursachen und deren Auswirkungen beschreiben [B104]: 앫 Der energetische Zustand der Oberfläche bewirkt über physikalisch bedingte Wechselwirkungen deren Adsorptions- und Benetzungsverhalten. 앫 Das elektrische Potenzial bzw. der Dipolcharakter der Oberfläche verursacht durch die beim Kontakt Metall-Polymer auftretende Potenzialdifferenz eine Ladungsträgerdiffusion, die zur Bildung einer elektrischen Doppelschicht führt und somit zur Adhäsionsfestigkeit beiträgt. 앫 Die geometrische und morphologische Oberflächenstruktur beeinflusst über die Größe der wahren und wirksamen Oberfläche das Ausmaß der vorhandenen Oberflächenenergie. 앫 Der chemische Aufbau der Oberfläche bestimmt die Natur der Bindungskräfte im Grenzschichtbereich hinsichtlich chemischer und/oder zwischenmolekularer Bindungen (Abschn. 6.1). Die Dimensionen der einzelnen Schichten bewegen sich dabei zwischen dem Mikrobereich im atomaren Abstand (nm) und dem Makrobereich (µm und größer). Aus Bild 5.3 gehen diese Zusammenhänge schematisch hervor. Die Atome bzw. Moleküle im Grenzschichtbereich haben das Bestreben, einen thermodynamisch günstigen Zustand niedrigsten Energieniveaus einzunehmen, d.h. die von der Oberfläche in den Raum wirkenden Valenzkräfte abzusättigen. Daher treten sie bei längerer Lagerung nach der Oberflächenvorbehandlung (Abschn. 12.2) mit den entsprechenden Kraftfeldern gasförmiger, flüssiger oder fester Stoffe aus der Umgebung in Wechselwirkungen, um diese an der Oberfläche zu binden. Dieser Vorgang führt bei einer zeitlichen Verzögerung des Klebstoffauftrags zwangsläufig zu einer Verminde-

5.1 Oberflächeneigenschaften

299

Bild 5.3. Aufbau des Grenzschichtbereichs einer Metallklebung (nach [B104])

rung der Haftungskräfte zwischen Klebschicht und Fügeteiloberfläche und somit zu einer Herabsetzung der Festigkeit der Klebung. Der molekulare Aufbau und die Mikrostruktur von Grenzschichten ist insbesondere bei Aluminiumklebungen im Flugzeugbau mit großem Forschungseinsatz untersucht worden. Die hierzu vorliegenden Ergebnisse sind in Abschnitt 13.2.1 zusammenfassend dargestellt. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 5.1.2: [K271, N88, P46, Z22]. Nano-Schichten: [B341, G161, W134].

5.1.3 Oberflächenanalytische Untersuchungsmethoden

Der hohe wissenschaftliche Stand der Adhäsionsforschung ist ohne den Einsatz moderner oberflächenanalytischer Untersuchungsmethoden zur Aufklärung von Grenzschichtstrukturen und -reaktionen nicht denkbar. Im Folgenden sollen daher die wichtigsten Verfahren der Oberflächenanalytik in ihren wesentlichen Merkmalen beschrieben werden, wobei der Begriff Oberfläche den Bereich von Atommonolagen bis zu wenigen Nanometern umfassen soll. Zu betonen ist in diesem Zusammenhang, dass nicht allein das Vorhandensein einer aufwendigen und teuren Messtechnik ein verlässliches Untersuchungsergebnis garantiert, sondern dass in besonderer Weise der Erfahrungsschatz eines hochspezialisierten Personals in die Ergebnisinterpretation eingebracht werden muss. 5.1.3.1 Elektronen-Spektroskopie zur Chemischen Analyse (ESCA, auch XPS:X-Ray Photoelectron Spectroscopy)

Die zu untersuchende Oberfläche wird im Ultrahochvakuum (zur Eliminierung störender Einflüsse durch adsorptiv gebundene Moleküle) monochromatischer Röntgenstrahlung ausgesetzt, die aus den Oberflächenatomen Elek-

300

5 Klebtechnische Eigenschaften der Fügeteilwerkstoffe

tronen freisetzt. Für die Anregung wird Röntgenstrahlung mit einer Photonenenergie (Abschn. 2.1.1.3.4) zwischen 100 und 1500 eV verwendet. In der Regel wird die charakteristische Röntgenstrahlung der Mg Kα-(1256,6 eV, Linienbreite 0,68 eV) oder Al Kα-Linie (1486,6 eV, Linienbreite 0,83 eV) benutzt, die auch ohne den Einsatz eines Monochromators eine für die Mehrzahl der Anwendungen ausreichende spektrale Auflösung garantiert. Bedingt durch die für die Elektronen der einzelnen Elemente spezifischen Energieverhältnisse ist die Niveaustruktur eines Elektrons in der Elektronenhülle eines Atoms bekannt. Übernimmt ein Hüllenelektron die Energie des einfallenden Röntgenphotons, kann es die Bindungsenergie innerhalb der Hülle überwinden, den Atomverband verlassen und als freies Elektron spektroskopisch nachgewiesen werden. Seine kinetische Energie entspricht der Energie des Röntgenphotons, vermindert um den Betrag der Bindungsenergie des jeweiligen Elektronenniveaus. Somit liefert die kinetische Energie des Elektrons bei bekannter Photonenenergie die Information, aus welchem Niveau und damit aus welchem Element es herausgelöst wurde. In der Klebtechnik wird diese Methode insbesondere in der Adhäsionsforschung eingesetzt, in der die genaue Kenntnis der chemischen Beschaffenheit einer Oberfläche und deren Wechselwirkung mit ad- oder chemiesorbierten Atomen/Molekülen von entscheidender Bedeutung ist. Wichtige Erkenntnisse können auf diese Weise über die Einflüsse von Oberflächenbehandlungsverfahren, Vorhandensein möglicher Verunreinigungen und zur Ermittlung von Schadensursachen gewonnen werden. 5.1.3.2 Elektronenstrahl-Mikroanalyse (ESMA)

Grundlage des Verfahrens ist der Beschuss der zu untersuchenden Probe mit schnellen Elektronen. Dabei entstehen Röntgenstrahlen. Das eingeschossene Elektron wird unter Energieverlust gestreut, dabei wird ein charakteristisches Röntgenphoton des Atoms ausgesendet, das die Informationen über die Art des Elementes enthält. 5.1.3.3 Augerelektronenspektroskopie (AES, auch SAM Scanning Auger Microscopy)

Bei diesem Verfahren werden Atome an der Oberfläche mit Primärelektronen angeregt, was zu einer entsprechenden Elektronenemission führt. Der entstehende freie Platz wird dann von einem Elektron aus einer weiter außen liegenden Schale besetzt und die frei werdende Energie an ein weiteres Elektron – das Augerelektron – abgegeben. Da die kinetische Energie des Augerelektrons lediglich von seiner Bindungsenergie und der Energiedifferenz der am Augerprozeß beteiligten Atomschalen abhängig ist, ist sie somit unabhängig von der Energie der Primärstrahlung. Durch die leichte Fokussierbarkeit des Elektronenstrahls bietet sich die Möglichkeit der Elementidentifizierung im Monolagenbereich bei lateraler

5.1 Oberflächeneigenschaften

301

Auflösung. In Kombination mit dem Ionenstrahlätzen (Sputtern, sukzessives Freilegen tiefliegender Schichten durch einen Ionenstrahl) lassen sich Konzentrationsprofile für die verschiedenen Elemente auf einer Oberfläche darstellen. 5.1.3.4 Ion-Scattering Spectroscopy (ISS)

Bei der ISS werden leichte Ionen (He+) aus einer Ionenquelle auf die Oberfläche der Probe beschleunigt und dort mit Impuls- und Winkeländerung von den Oberflächenatomen reflektiert. Die kinetische Energie und ihre Winkelverteilung wird in einem invers polarisierten Elektronenanalysator untersucht und gibt Aufschluss über die oberflächenbedeckenden Atome der Probe. 5.1.3.5 Sekundärionen Massenspektrometrie (SIMS)

Bei dieser Methode werden die Elemente bzw. deren Verbindungen anhand ihrer Atom- und Molekülmasse identifiziert. Ein fokussierter Ionenstrahl aus z.B. Ar+, Cs+, N+, O+-Ionen im Bereich von etwa 5–20 keV wird auf die Probe gerichtet, dabei lösen die beschleunigten Primärionen beim Auftreffen auf die Probe in den obersten Atomlagen ionisierte Atome oder Molekülbruchstücke (Sekundärionen) heraus, die massenspektroskopisch nachgewiesen werden und somit ein direkter Indikator der chemischen Zusammensetzung der Oberfläche sind. 5.1.3.6 Flugzeit-Sekundärionen Massenspektrometrie (TOF-SIMS)

Für die Untersuchungen an Oberflächenschichten im Nanometerbereich wird ergänzend die TOF-SIMS-Methode eingesetzt (time-of-flight-secondary-ionmass-spectrometry). Die Probenfläche wird mit einem gepulsten primären Gallium-Ionenstrahl beschossen, die emittierten positiven und negativen Sekundärionen werden je nach Flugzeit zum Detektor nach Massenzahl getrennt und identifiziert. Die Eindringtiefe beträgt nur wenige Monolagen, die Empfindlichkeit liegt im ppm/ppb-Bereich. 5.1.3.7 Infrarotspektroskopie mit abgeschwächter Totalreflektion (ATR)

Dieses Aufnahmeverfahren macht sich die physikalischen Erscheinungen bei der Lichtreflektion an der Grenzfläche zweier optisch verschieden dichter Medien zunutze. Infolge der Wellennatur des Lichtes dringt ein Strahl auch bei Totalreflektion bis zu einer Wellenlänge in das optisch dünnere Medium ein, was zu einer Änderung der im IR-Strahl charakteristischen Wellenlängen führt.

302

5 Klebtechnische Eigenschaften der Fügeteilwerkstoffe

Tabelle 5.1. Kennwerte oberflächenanalytischer Untersuchungsmethoden

Empfindlichkeit (Konzentration) Informationstiefe (nm) quantitative Methode nachweisbare Elemente Information über chemischen Bindungszustand der Elemente

XPS ESCA

ESMA

AES SAM

ISS

SIMS

10–3

10–3

10–3

10–3

10–7

2…5 ja ≥ Li ja

1…2 ja ≥ C(Na) nein

0,4…3 ja ≥ Li begrenzt

0,3…1 nein ≥ Li begrenzt

0,3…1 nein ≥H begrenzt

Durch die gegenseitige Ergänzung der beschriebenen Methoden, deren charakteristische Kennwerte in Tabelle 5.1 vergleichend zusammengestellt sind, lässt sich die Aussagekraft im speziellen Fall noch erhöhen. Weiterhin kann aufgrund der Angaben eine gewisse Vorauswahl für eine geeignete Methode der Oberflächenanalyse getroffen werden. Während die vorstehend erwähnten Methoden vorzugsweise die chemische Zusammensetzung von Oberflächen zu ermitteln gestatten, können mit den folgenden Verfahren Oberflächenstrukturen charakterisiert werden. 5.1.3.8 Rasterelektronenmikroskopie (REM) und Transmissionselektronenmikroskopie (TEM)

Beide Verfahren ermöglichen eine direkte Beobachtung von Linien-, Flächenund räumlichen Werkstoffstrukturen. Die gegenüber einem Lichtmikroskop wesentlich verbesserte Punktauflösung und vergrößerte Schärfentiefe wird durch einen auf einen Durchmesser von weniger als 0,01 µm fokussierten Elektronenstrahl erreicht, der die zu betrachtende Oberfläche mit hoher Frequenz abrastert. Die Abbildung erfolgt durch Aufnahme der hierdurch vom Objekt ausgehenden Signale in Form von Sekundär- oder Rückstreuelektronen. Bei Anwendung der Transmissionselektronenmikroskopie müssen durch geeignete Präparationsschritte (mechanisch, elektrochemisch, Ionenätzen) zunächst hinreichend dünne Folien (d < 0,1 µm) hergestellt werden, die von Elektronen mit Energien >100 kV durchstrahlt werden können. In der Klebtechnik ist diese Methode beispielsweise zur Charakterisierung von Klebschichten hinsichtlich ihrer morphologischen Struktur in Größenordnungen unterhalb von 1 mm von Interesse (Bild 6.7). 5.1.3.9 Rastertunnelmikroskopie (RTM)

Bei RTM-Untersuchungen werden Proben mit einer sehr scharfen Spitze (~10 nm) berührungsfrei abgetastet. Zwischen dieser Spitze und der Probe wird eine elektrische Spannung angelegt, die bei geringem Abstand zu einem

5.1 Oberflächeneigenschaften

303

messbaren „Tunnelstrom“ führt. Unter ständiger Kontrolle dieses Stromes wird die Spitze über der Oberfläche gerastert. Mittels piezokeramischer Elemente, die sich durch Anlegen von Steuerspannungen dehnen bzw. verkürzen, entstehen – rechnerunterstützt – dreidimensionale Abbildungen der Oberfläche. Die erfassbaren Rauhtiefen liegen bei Werten < 0,1 nm. 5.1.3.10 Rasterkraft-Mikroskopie (AFM, Atomic-Force-Microscopy)

Die Probe befindet sich auf einer piezoelektrisch in x-, y- und z-Richtung verstellbaren Halterung und wird von einer an einem Biegebalken befestigten Abtastspitze (Radius ca. 10 nm) abgerastert. Bei Annäherung der Spitze an die Oberfläche treten atomare Wechselwirkungskräfte auf, die zu einer Auslenkung des Biegebalkens führen. Es entstehen dreidimensionale Oberflächenabbildungen mit Auflösungen im Bereich von 0,1–10 nm. Die Kombination der hoch ortsauflösenden AFM-Technik mit der thermischen Analyse ermöglicht zusätzlich das Temperatur- und Wärmeleitfähigkeitsverhalten von Proben zu bestimmen (mikrothermische Analyse, Abschn. 16.4.8). 5.1.3.11 Ellipsometrie

Aufgrund des berührungslosen, zerstörungsfreien Messvorgangs in Reflexionsoder Transmissionstechnik eignet sich diese Methode für die Charakterisierung von Schichtsystemen. Monochromatisches Licht wird durch eine Kombination von Polarisator und Kompensator in der Weise elliptisch polarisiert, dass es nach Reflexion an der Probe wieder als linear polarisiertes Licht zurückgeworfen wird. Aus dem Reflexionsvermögen der Proben lassen sich deren Brechungsindizes und Schichtdicken herleiten. Zur Bestimmung reaktiver Gruppen auf Oberflächen mittels Farbreaktionen siehe Abschnitt 14.1.4.10. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 5.1.3: Zusammenfassende Darstellung: [A46, B104, B106, B107, C28, D75, D272, G40, G41, G162, H197, H198, H301, H312, H319, H349, H350, K175, W46]. XPS/ESCA: [A79, C55, C58, D176, K176, S193]. ESMA: [B189]. AES/SAM: [A79, C59, S193]. ISS: [A79]. SIMS/TOFSIMS: [A79, C55, D174, E143, G91, H196, H197, P132]. ATR: [H351, H352, K177]. TEM: [S191]. RTM: [D175, S192]. AFM: [A142, B298, D175, D215, D278, G89, G90, G151, H325, H329, H332, J64, K309, R128, R136, S192, T59, Z34]. NMR: s. Abschnitt 16.4.10. µTA: s. Abschnitt 16.4.8. Ellipsometrie: [F46]. Exp. Untersuchungen an Oberflächen: [C55, H196, H341, H353, K176, N53, N88, W133].

304

5 Klebtechnische Eigenschaften der Fügeteilwerkstoffe

5.1.4 Geometrische Struktur

Neben der mikroskopischen, d.h. der atomaren bzw. molekularen Ebene, in der sich die eigentlichen Wechselwirkungen zur Ausbildung der Adhäsionskräfte abspielen, kommt der makroskopischen Oberflächenstruktur eine nicht minder bedeutsame Rolle zu. Durch den geometrischen Aufbau der Oberfläche werden neben der Oberflächenenergie der Grenzschicht die wirksame Oberfläche für die Ausbildung von Haftungskräften und die – in ihrem Beitrag zur Gesamtfestigkeit bei vielen Klebungen allerdings gering anzusetzende – mechanische Verankerung der Klebschicht in der Fügeteiloberfläche bestimmt. Für die Betrachtung des Einflusses der Oberflächenrauheit auf die Eigenschaften einer Klebung werden drei verschiedene Arten der Oberfläche unterschieden (Bild 5.4): 앫 Die geometrische Oberfläche: Sie ergibt sich aus den gemessenen Werten der die Klebfläche bestimmenden Fügeteilbreite b und der Überlappungslänge l ü zu A = bl ü . 앫 Die wahre Oberfläche: Sie wird auch Mikrooberfläche genannt und schließt zusätzlich zu der geometrischen Oberfläche die durch die Rauheit bedingte Oberflächenvergrößerung mit ein (Bild 5.2). Sie ist in ihrer wirklichen Größenordnung messtechnisch nur mit großem Aufwand zu ermitteln (z.B. über Adsorptionsmessungen [B22]). Die durch die Oberflächenrauheit charakterisierte wahre Oberfläche bestimmt insofern die Haftungseigenschaften der Klebung mit, weil mit größer werdender Oberfläche die Anzahl der möglichen Grenzschichtanteile, die zu zwischenmolekularen Bindungen führen, ebenfalls vergrößert wird. Für klebtechnische Betrachtungen handelt es sich bei der wahren Oberfläche mehr oder weniger um einen theoretischen Begriff, da nicht die gesamte dem zu adsorbierenden Klebstoff zur Verfügung stehende Oberfläche auch tatsächlich benetzt werden kann. 앫 Die wirksame Oberfläche: Sie stellt den Anteil der wahren Oberfläche dar, der durch den Klebstoff benetzt wird, zur Ausbildung von Grenzschichtreaktionen in der Lage ist und wirklich zu der Festigkeit der Klebung beiträgt. Zusammenfassend ergibt sich demnach die Beziehung: Wahre Oberfläche > wirksame Oberfläche > geometrische Oberfläche.

Bild 5.4. Oberflächenarten

5.1 Oberflächeneigenschaften

305

Bild 5.5. Oberflächenstrukturen (schematische Darstellung)

Es hat in der Vergangenheit nicht an Versuchen gefehlt, die Zusammenhänge zwischen der Morphologie der Oberfläche und der Klebfestigkeit systematisch zu ermitteln und in aussagekräftige Abhängigkeiten zu bringen. Als Feststellung ergibt sich, insbesondere aus den Arbeiten von Brockmann, Matting und Ulmer über Adsorptions- und Exoelektronenemissionsmessungen [B22, B32, M24], dass der Grad der technischen Rauheit, den ein Oberflächenvorbehandlungsverfahren hervorruft, und der Grad der Haftfestigkeit, den es ergibt, in keinem eindeutigen Zusammenhang miteinander stehen. Eine Erklärung für diese Tatsache ist u.a. darin zu sehen, dass die z.B. durch eine mechanische Aufrauhung vergrößerte Oberfläche nicht vollständig für die Benetzung ausgenutzt werden kann. Infolge seiner eigenen Oberflächenspannung und des in den Oberflächenstrukturen eingeschlossenen Luftvolumens füllt der eindringende Klebstoff die Hohlräume nicht vollständig aus. Weiterhin ergibt sich, wie aus den Ausführungen zu Bild 5.6 hervorgeht, dass im Rahmen der Gestaltabweichungen der Oberfläche unterschiedliche Klebschichtdicken mit ihrem jeweiligen Einfluss auf die Festigkeit vorhanden sind. Das Eindringen eines Klebstoffs in die durch die Rauheit bedingte Oberflächenstruktur ist sehr von deren Gestalt abhängig. In Bezug auf die Benetzung muss zwischen zwei grundsätzlich verschiedenen Arten der Topographie unterschieden werden, und zwar – parallele oder kreuzende „Kanäle“, wie sie z.B. durch spanabhebende Oberflächenbearbeitungen entstehen; – verschieden ausgebildete kapillarähnliche Oberflächenvertiefungen, wie sie z.B. durch Sandstrahlen oder chemische Oberflächenbehandlungsmethoden erzielbar sind. Beide Gestaltarten können sich auch überlagern. Im ersten Fall ist davon auszugehen, dass die Ausbreitung des flüssigen Klebstoffs in Richtung der Oberflächenkanäle, bedingt durch den kapillaren Fülldruck, gegenüber der Ausbreitung senkrecht zu dieser Richtung beschleunigt wird. Die „Kanaldämme“

306

5 Klebtechnische Eigenschaften der Fügeteilwerkstoffe

Bild 5.6. Zusammenhang von Klebschichtdicke und Oberflächenrauheit

wirken als mechanische Barrieren. Gegenüber einer ideal glatten Oberfläche kommt es somit insgesamt zu einer schnelleren richtungsabhängigen Benetzung. Im zweiten Fall können im Prinzip die in Bild 5.5 dargestellten verschiedenen Geometrien der Vertiefungen unterschieden werden. Die Geometrien sind für den flächenbezogenen Unterschied zwischen wahrer und wirksamer Oberfläche entscheidend, da das Eindringen des Klebstoffs in diese kapillarähnlichen Vertiefungen von der jeweiligen spezifischen Geometrie und von der Möglichkeit, die in der Vertiefung vorhandene Luft verdrängen zu können, abhängig ist. Hier gewinnt die Anwendung von Druck bei der Aushärtung besondere Bedeutung. Auf die Größe der wahren Oberfläche hat demnach die Form und die Anzahl der vorhandenen Vertiefungen bzw. Kapillaren wesentlichen Einfluss. Aus dem Verhältnis der wahren Oberfläche Ow zu der geometrischen Oberfläche Og ergibt sich der Oberflächenvergrößerungsfaktor fv = Ow /Og . Bei den herkömmlichen Methoden der mechanischen und chemischen Oberflächenbehandlung besitzt dieser Faktor Werte zwischen 1,2 und 1,6. Eine weitere kennzeichnende Größe ist die Kapillaritätskennzahl fk , die sich aus dem Verhältnis von Rauhtiefe Rz zur Öffnungsgröße d (bei runden Vertiefungen) bzw. zur Seitenlänge l (bei eckigen Vertiefungen) zu fk = Rz /d bzw. Rz /l ergibt. Die Kapillaritätskennzahl kann als Maß für das Benetzungsvermögen von Kapillaren durch Flüssigkeiten herangezogen werden; sie liegt in Abhängigkeit von der geometrischen Form in Bereichen zwischen 0,3 und 1,0. Es muss jedoch betont werden, dass dieser Wert im Wesentlichen theoretische Bedeutung hat, da es kaum möglich ist, die Vielzahl der gegebenen Geometrien mathematisch genau für eine Berechnung zu erfassen. Legt man dem Benetzungsverhalten einer Oberfläche den Randwinkel der benetzenden Flüssigkeit auf dieser Oberfläche zugrunde, so kann nachge-

5.1 Oberflächeneigenschaften

307

wiesen werden [K34], dass die Benetzbarkeit mit steigender Aufrauhung abnimmt. Ursache ist der randwinkelvergrößernde Einfluss der mechanischen Barrierewirkung. Infolge der Kapillarwirkung ergibt sich aber auch ein randwinkelvermindernder Einfluss. Ergänzend ist die mit dem Aufrauhen einhergehende Aktivierung der Oberfläche zu berücksichtigen, die zu einer Erhöhung der Festkörperoberflächenspannung und somit zu einer Verringerung des Benetzungswinkels führt. Als Resultierende aus diesen drei Einflussgrößen ergibt sich je nach deren Höhe hinsichtlich Randwinkelvergrößerung oder -verminderung ein spezifisches Benetzungsverhalten der Oberfläche. Hinzuweisen ist jedoch auf die Tatsache, dass eine optimale Benetzung zwar für die Ausbildung der Haftungskräfte unabdingbar ist, dass aber zwischen Benetzungsvermögen einer Fügeteiloberfläche und der Festigkeit der Klebung keine definierbaren Beziehungen bestehen (Abschn. 6.4.1). In Ergänzung zu den vorstehenden Betrachtungen lässt sich der Einfluss der Oberflächenrauheit auf die Festigkeit einer Klebung wie folgt beschreiben: Bei den vorwiegend angewandten mechanischen Bearbeitungsverfahren (Drehen, Fräsen, Schleifen, Schmirgeln, Strahlen) werden Werte der maximalen Rauhtiefe R max im Bereich von 10–150 µm erhalten. Geht man beispielsweise von einem Wert R max = 50 µm aus, wird deutlich, dass bei geringen Klebschichtdicken die Möglichkeit besteht, dass es zu Spitzenberührungen der Fügeteiloberflächen kommt (Bild 5.6b). Mit zunehmender maximaler Rauhtiefe sind demnach höhere Klebstoffmengen erforderlich, um einen „Einebnungseffekt“ zur Vermeidung der Spitzenberührung zu erzielen. In dem Beispiel des Bildes 5.6a ergibt eine Klebschichtdicke von 50 µm optimale Verhältnisse. Als Richtwert kann gelten, dass die Klebschichtdicke mindestens dem Wert der maximalen Rauhtiefe entsprechen sollte. In Abhängigkeit von der Rauheit zeigt sich demnach am Beispiel einer konstanten Klebschichtdicke von 50 µm der in Bild 5.7 dargestellte Zusammenhang mit der Klebfestigkeit. Zunächst erfolgt mit zunehmender Rauheit ein Anstieg der Klebfestigkeit. Hierfür sind als Gründe die Aktivierung der Oberfläche und die Vergrößerung der wahren Oberfläche maßgebend. Durch beide Einflussgrößen ergibt sich eine die Haftungskräfte positiv beeinflussende Vermehrung der Möglichkeit zur Ausbildung zwischenmolekularer Kräfte. Mit Bild 5.7. Abhängigkeit der Klebfestigkeit von der Oberflächenrauheit

308

5 Klebtechnische Eigenschaften der Fügeteilwerkstoffe

weiter zunehmender Rauheit erfährt die Klebfestigkeit nach Durchlaufen eines Maximums einen allmählichen Abfall, der dadurch zu begründen ist, dass es zu direkten Berührungen von Rauheitsspitzen der beiden Fügeteile kommt. Die aus dem „Oberflächengebirge“ herausragenden vereinzelten Spitzen durchdringen die Klebschicht, was eine Kerbwirkung zur Folge hat und wegen der Ausbildung von örtlichen Spannungsspitzen zu Störungen im Kraftlinienverlauf führt. Legt man als Optimum der Klebschichtdicke Werte zwischen 100 und 200 µm zugrunde, ergeben sich im günstigsten Fall Rauhtiefenbereiche in gleicher Größenordnung. In diesem Zusammenhang ist der Hinweis erforderlich, dass die über eine Oberflächenbehandlung erzielbare Rauhtiefe allein nicht als Maßstab für die erreichbare Klebfestigkeit betrachtet werden kann. Eine wesentliche, ergänzende Rolle spielen die spezifische Geometrie der Oberfläche, das Benetzungsvermögen, die Klebschichtdicke sowie in besonderem Maße der verwendete Klebstoff. Ergänzend zu diesen Betrachtungen ist zu erwähnen, dass die mit zunehmender Rauheit sich an den Stellen gegenüberliegender Täler ausbildenden sehr großen Klebschichtdicken ebenfalls zu einer örtlichen Minderung der Klebfestigkeit infolge der hohen kohäsiven Bindungsanteile in der Klebschicht führen können (Abschn. 8.4.7). Bedingt durch die sehr ungleichmäßigen Klebschichtdicken führt die Beanspruchung durch Scherung weiterhin dazu, dass in den dünnen Schichtanteilen die Schubverformung und somit auch die Spannung größer wird als in den dicken Schichtanteilen (Abschn. 4.3, Bild 4.2). Insgesamt resultiert also bei gegebener Klebschichtdicke mit zunehmender Rauheit eine ungleichmäßige Spannungsausbildung. Die vorstehenden Ausführungen gelten vorwiegend für Klebschichten, die in dem erwähnten Dickenbereich von 100–200 µm liegen. Für Klebungen mit elastischen Klebschichten bei Dicken von mehreren Millimetern (Abschn. 8.10) bestimmen im Wesentllichen die kohäsive Festigkeit der Klebschicht und die günstigere Spannungsverteilung die Festigkeit der Klebung. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 5.1.4: [A143, B22–B24, B105, B190, B191, B323, C27, C85, C129, D394, E53, G39, H25, H330, K251, L79, L164, M24, M212, M219, O4, P47, P162, S110, S274, S323].

5.1.5 Oberflächenspannung und Benetzungsvermögen

Diese Einflussgröße wird wegen der engen thematischen Verwandtschaft zu den Bindungskräften in Klebungen in Abschnitt 6.4 behandelt. 5.1.6 Diffusions- und Lösungsverhalten

Diese Oberflächeneigenschaft ist speziell für Kunststoffklebungen von Interesse und wird in Abschnitt 14.1.5 beschrieben.

5.2 Werkstoffeigenschaften

309

5.2 Werkstoffeigenschaften 5.2.1 Festigkeit

Die auf eine Klebung einwirkende Kraft (z.B. Zugscherbeanspruchung bei einer einschnittig überlappten Klebung), erzeugt sowohl in der Klebschicht als auch in den Fügeteilen eine Spannung. Je nach Dimensionierung der Klebfuge und der gegebenen Fügeteilfestigkeit kann diese Spannung zu einer elastischen oder plastischen Fügeteilverformung führen. Maßgebend hierfür ist als wichtige Kenngröße die Streck- bzw. 0,2%-Dehngrenze der Fügeteile. Mit einer zunehmenden Fügeteilverformung vor allem im Bereich der Überlappungsenden kommt es zu einer die Klebfestigkeit vermindernden Ausbildung von Spannungsspitzen in der Klebschicht, wobei die Höhe dieser Spannungsspitzen neben den Klebschichteigenschaften davon bestimmt wird, ob die eintretende Fügeteilverformung im elastischen oder im plastischen Bereich liegt. Wird die Streckgrenze überschritten, beginnt der Werkstoff zu fließen; die Klebschicht wird dann an den Überlappungsenden sehr stark beansprucht. Klebungen von Fügeteilen mit hohen Festigkeitswerten besitzen bei sonst konstanten Bedingungen wie Klebschicht, Höhe der Bindungskräfte und Klebfugengeometrie höhere Klebfestigkeiten als solche mit Fügeteilen geringerer Festigkeit. Im ersten Fall vermögen die Klebungen den äußeren Belastungen gegenüber besser zu widerstehen und können höher belastet werden, bis es zu der kritischen, zum Bruch führenden Klebschichtverformung kommt. Die Belastung der Klebschicht durch Dehnung ist somit bei verformungsarmen Fügeteilen geringer als bei verformbaren. Bild 5.8 zeigt schematisch den Einfluss des unterschiedlichen Festigkeitsverhaltens der Fügeteilwerkstoffe auf die Klebschichtverformung (s.a. Abschn. 14.1.8.1). Als charakteristische Größe für das Spannungs-Dehnungs-Verhalten der Fügeteile ist der Elastizitätsmodul anzusehen, mit steigenden Werten werden die der Klebschicht aufgezwungenen Dehnungen geringer. In die theoretischen Berechnungen über die Spannungsverteilung geht der Elastizitätsmodul daher auch als fügeteilbezogener Faktor mit ein (Abschn. 9.2). Die Abhängigkeit der Klebfestigkeit von Fügeteilen unterschiedlicher Festigkeiten ist am Beispiel verschiedener Aluminiumlegierungen in Bild 5.9 dar-

Bild 5.8. Klebschichtverformung in Abhängigkeit von der Fügeteilfestigkeit. Fügeteil 1: starr, nicht verformbar; Fügeteil 2: elastisch, verformbar

310

5 Klebtechnische Eigenschaften der Fügeteilwerkstoffe

Bild 5.9. Abhängigkeit der Klebfestigkeit von der Fügeteilfestigkeit am Beispiel einschnittig überlappter Klebungen verschiedener Aluminiumlegierungen (nach [K35])

gestellt. Einen vergleichbaren Zusammenhang haben Eichhorn und Braig bei dem Fügeteilwerkstoff St 60.23 mit verschiedenen Härtegraden ermittelt [E13]. Die Fügeteilfestigkeit beeinflusst ebenfalls die an den Überlappungsenden infolge der exzentrischen Belastung auftretende Fügeteilbiegung. Das von dem Fügeteil aufgebrachte Reaktionsmoment –Mb = WR p0,2 ist proportional der Dehngrenze. Bei gleichen geometrischen Verhältnissen können hochfeste Fügeteile der Biegung besser standhalten und somit die Klebfestigkeit positiv beeinflussen. 5.2.2 Chemischer Aufbau

Mit Ausnahme der zwischenmolekularen Reaktionen im Grenzschichtbereich zwischen Fügeteiloberfläche und Klebschicht zur Ausbildung der Haftungskräfte treten chemische Reaktionen zwischen Klebstoff und Substrat im Sinne messbarer Stoffumsetzungen bei Metall- und Kunststoffklebungen nicht auf. Bei den Metallen ist eine grobe Unterscheidung nach ihrer Fähigkeit möglich, überhaupt Haftungskräfte mit Polymerschichten ausbilden zu können. Hier ist eine Relation zu ihrem chemischen Reaktionsverhalten allgemein zu sehen. So ist bekannt, dass Edelmetalle mit ihren inaktiven und auch über eine Oberflächenvorbehandlung vielfach nicht zu aktivierenden Oberflächen wesentlich schwerer verklebbar sind als chemisch reaktionsfreudigere Metalle. Einen wesentlichen Einfluss übt das chemische Reaktionsverhalten metallischer Fügeteile bei den metallkatalysierten Polymerisationsklebstoffen aus. Bei den anaerob härtenden Klebstoffen (Abschn. 2.1.1.2) spielt die Art des Metallions hinsichtlich der Vernetzung und Aushärtungsgeschwindigkeit eine Rolle. So weisen praktische Erfahrungen nach, dass Eisenionen durch ihre katalysierende Wirkung höhere Klebfestigkeiten ergeben als z.B. Aluminium-

5.2 Werkstoffeigenschaften

311

oder Kupferionen. Am reaktivsten im Hinblick auf den katalysierenden Einfluss sind frisch spanabhebend bearbeitete Oberflächen. Der chemische Aufbau ist demnach insbesondere für die Ausbildung chemischer Oberflächenschichten, deren Möglichkeit zu Veränderungen, z.B. Hydratation durch Wasser, Oxidation durch Sauerstoff, sowie für die Stabilität der gebildeten chemischen Oberflächen verantwortlich. Bei den Kunststoffen kommen hinsichtlich des chemischen Einflusses noch die ggf. auf den Oberflächen vorhandenen Chemikalien aus der Verarbeitung (Blasform, Trennmittel) in Betracht. Neben den chemischen spielen noch einige physikalisch-chemische Eigenschaften für die Haftungsbedingungen eine Rolle, so u.a. 앫 das Sorptionsverhalten, d.h. die Fähigkeit, artfremde Moleküle aus der Umgebung anzuziehen und mit einer bestimmten Kraft festzuhalten (Abschn. 6.1.5). Ein wichtiges Kennzeichen hierfür ist die Elektronenkonfiguration des betreffenden Elements, z.B. die Dichte und Anordnung der Ladungsträger sowie Gitterpotenziale; 앫 die Oberflächenspannung und Oberflächenenergie (Abschn. 6.4.2), aus der sich das Benetzungsvermögen einer Oberfläche ergibt. 5.2.3 Wärmeleitfähigkeit

Die Wärmeleitfähigkeit der Fügeteile beeinflusst die Temperaturverhältnisse in der Klebfuge während der Aushärtung des Klebstoffs. Sie ist insbesondere bei kalthärtenden Systemen mit einem exothermen Reaktionsmechanismus für mögliche Eigenspannungsausbildungen durch Schwindungen in der Klebschicht mit verantwortlich. Eine besondere Rolle spielt die Wärmeleitfähigkeit der Fügeteile beim Auftragen von Schmelzklebstoffen wegen der schnellen Erstarrung der Klebstoffschmelze im Grenzschichtbereich und möglicher Beeinträchtigung der Adhäsionsverhältnisse (Abschn. 3.6.3). Werte für einige ausgewählte Werkstoffe und Klebschichtpolymere sind in Tabelle 5.2 wiedergegeben. Zur Berechnung der Wärmeleitfähigkeit von Werkstoffen s. Abschnitt 3.11.2. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 5.2.3: [D161, H281, H366, K161, K322, P94] sowie Abschnitt 16.4.6.

5.2.4 Wärmeausdehnungskoeffizient

Die Wärmeausdehnung ist als Kenngröße der Fügeteilwerkstoffe insofern bei den Festigkeitsbetrachtungen von Klebungen zu berücksichtigen, als unterschiedliche Werte des Wärmeausdehnungskoeffizienten von Fügeteil und Klebschicht beim Abkühlen aus dem Bereich der Härtungstemperaturen Eigenspannungen in der Klebschicht verursachen können, die die Belastbarkeit der Klebung herabsetzen (Abschn. 7.2.1). In Tabelle 5.2 sind für einige wich-

312

5 Klebtechnische Eigenschaften der Fügeteilwerkstoffe

Tabelle 5.2. Wärmeausdehnungskoeffizienten und Wärmeleitfähigkeiten einiger Metalle, Nicht-

metalle und Klebschichtpolymere Werkstoff

Wärmeausdehnungskoeffizient α 10–6 K–1

Wärmeleitfähigkeit λ W cm K

Aluminium AlMg3 AlCuMg2 Blei Chrom Eisen Gold Kupfer Lot (L-Sn60Pb) Messing Nickel Platin Silber Silizium Stähle, un- und niedriglegiert Stähle, hochlegiert Titan TiAl6V4 Zinn Aluminium-Oxid-Keramik Beton Geräteglas Marmor Normalglas Porzellan Quarzglas Polyester, glasfaserverstärkt Polyethylen

23,5 23,7 22,8 29,3 6,2 11,7 14,2 16,5 22 … 29 18,5 13,3 8,9 19,7 3,5 10 … 14 13 … 19 9 8 23 5…7 10 5 5 … 11 8 3…6 0,5 25 … 40 150 … 230

2,32 1,3 … 1,7 1,3 … 1,7 0,33 0,67 0,75 2,97 3,84 0,50 1,11 0,91 0,70 4,20 0,008 0,50 0,16 0,24 0,24 0,63 0,26 0,02 0,01 0,03 0,01 0,01 0,014 0,003 0,004

Klebschichtpolymere Epoxidharz, ungefüllt Epoxidharz, gefüllt (abh. vom Füllstoff) Epoxid/Glasfaser Epoxid/Kohlenstofffaser (isotrop) Phenolharz Polymethylmethacrylat Polyamid Polyurethan Polyvinylchlorid

60 18 … 21 16 5 20 … 30 70 90 … 100 110 … 210 70 … 80

0,0036 0,006 … 0,015 0,0016 0,006 … 0,009 0,0019 0,0030 0,0032 0,0015

5.2 Werkstoffeigenschaften

313

tige metallische und nichtmetallische Werkstoffe sowie Klebschichtpolymere die Wärmeausdehnungskoeffizienten zusammengestellt. Man erkennt, dass die Ausdehnungskoeffizienten der Klebschichtpolymere gegenüber denen der Metalle ca. 5–10fach höhere Werte aufweisen. Die Werte sind, gleichermaßen wie die der Wärmeleitfähigkeit, aus verschiedenen Quellen zusammengestellt, deren Angaben sich häufig um mehrere Prozente unterscheiden. Zusammenfassend kann die Wirkung der Fügeteilwerkstoffe unter den folgenden zwei Aspekten gesehen werden: 앫 Eigenschaften, die den Klebvorgang direkt beeinflussen können. Hierzu gehören insbesondere die geometrische Struktur und die chemische Reaktivität der Oberfläche mit ihrer spezifischen Einflussnahme auf die Haftung und Aushärtung. 앫 Eigenschaften, die die Klebung indirekt beeinflussen können. In diesem Fall sind das Festigkeitsverhalten, insbesondere auch die Oberflächenhärte und die thermischen Eigenschaften, wichtige Parameter. Im Gegensatz zu den Oberflächeneigenschaften werden diese Größen auch als Volumeneigenschaften der Fügeteile bezeichnet. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 5.2.4: [H280, M256] sowie Abschnitt 7.2 und 8.10.3.

6 Bindungskräfte in Klebungen

Bei den Klebungen handelt es sich um Verbundsysteme, deren Gesamtfestigkeit neben der geometrischen Gestaltung und der Beanspruchung von den folgenden in Bild 6.1 schematisch dargestellten Einzelfestigkeiten bestimmt wird: – Festigkeit der Fügeteile 1 und 2; – Festigkeit der Grenzschichten 1 und 2; – Festigkeit der Klebschicht. Bild 6.1. Aufbau einer Klebung

Wie in jedem Verbundsystem mit verschiedenen Gliedern ist auch in diesem Fall die Gesamtfestigkeit durch das schwächste Glied vorgegeben. Nach DIN 53283 wird diese Gesamtfestigkeit für einschnittig überlappte Klebungen als Klebfestigkeit τ B definiert (Abschn. 8.3.3). Bei dieser Definition wird nicht nach den Einzelfestigkeiten unterschieden; die Höchstkraft ist erreicht, wenn der Bruch eintritt. Dieser kann in einem der Fügeteile, einer Grenzschicht oder auch in der Klebschicht erfolgen. Neben dem bereits beschriebenen Einfluss der Fügeteilfestigkeit (Abschn. 5.2.1) spielen die Festigkeitsverhältnisse in den Grenzschichten und in der Klebschicht insofern die überragende Rolle, als sie im Vergleich zu den Fügeteilfestigkeiten bei den in der Praxis eingesetzten Metallklebungen die beiden schwächsten Glieder darstellen (s. a. Abschn. 7.2.1). Im Rahmen der folgenden Betrachtungen sollen unter den Bindungskräften sowohl die in der Grenzschicht als auch in der Klebschicht wirkenden Kräfte verstanden werden. Es sind demnach die die Festigkeit der Grenzschicht be-

316

6 Bindungskräfte in Klebungen

stimmenden Adhäsionskräfte (Haftungskräfte) und die die Festigkeit der Klebschicht bestimmenden Kohäsionskräfte zu unterscheiden:

6.1 Die Natur der Bindungskräfte Die Bindungskräfte bewirken allgemein den Zusammenhalt von zwei oder mehreren Atomen bzw. Atomgruppen innerhalb von Molekülen und auch Phasengrenzen. Die hierbei wirksam werdende Bindungsenergie ergibt sich aus der Differenz zwischen der Summe der Einzelenergien der beteiligten Partner, wenn sie sich in unendlicher Entfernung voneinander befinden und der Energie beider Partner nach der erfolgten Bindung. Die Natur dieser Bindungskräfte beruht auf den verschiedenen Arten der chemischen Bindung sowie auf den zwischenmolekularen Kräften infolge der Wechselwirkungen zwischen Atomen und/oder Molekülen (Bild 6.2). Bild 6.2. Bindungsarten in Klebungen

6.1 Die Natur der Bindungskräfte

317

6.1.1 Homöopolare Bindung (Atombindung, unpolare Bindung, kovalente Bindung)

Auf dieser Bindungsart beruhen die Verbindungen zwischen Nichtmetallen, d.h. die der organischen Chemie, sie schließt demnach die Monomere und Polymere der Klebstoffe ein. Sie ist eine Folge der Austauschwechselwirkung der Valenzelektronen der Bindungspartner und wird durch ein Elektronenpaar vermittelt, das den beiden miteinander verbundenen Atomen gemeinsam angehört. Als Symbol der homöopolaren Bindung werden der Valenzstrich oder die Punktschreibweise verwendet: | .. –C–H oder : C . .: H | (6.1) | | .. .. :: C=C oder C C .. .. |

|

Mehrfachbindungen werden durch mehrere gemeinsame Elektronenpaare gebildet. 6.1.2 Heteropolare Bindung (Ionenbindung, polare Bindung, elektrostatische Bindung)

Diese Bindung beruht auf der Wirkung elektrostatischer Kräfte zwischen entgegengesetzt geladenen Ionen und spielt im Gegensatz zu der homöopolaren Bindung bei der Erklärung der Bindungskräfte in Klebungen keine große Rolle. 6.1.3 Metallische Bindung

Sie stellt den Bindungstyp von Metallen und Legierungen dar und ist durch die im Metallgitter auftretenden quasifreien Elektronen (Elektronengas) charakterisiert, die den Raum zwischen den positiven Ionen ausfüllen und diese zusammenhalten. Für die Ausbildung der Adhäsionskräfte sind insbesondere die in den freien Raum hineinwirkenden, elektrisch nicht abgesättigten Elektronen der Atome bzw. Moleküle an der Oberfläche von Einfluss. Die drei Bindungsarten der homöopolaren, heteropolaren und metallischen Bindung werden als Hauptvalenzbindungen bezeichnet. Im Gegensatz zu diesen stehen die im Folgenden beschriebenen Nebenvalenzbindungen, die den Zusammenhalt von hauptvalenzmäßig abgesättigten Molekülen bewirken. 6.1.4 Zwischenmolekulare Bindungen

Diese Bindungsart beruht auf den Anziehungs- und Abstoßungskräften, die zwischen valenzmäßig ungesättigten Molekülen wirksam werden. Die Anziehungskräfte werden auch als van-der-Waalssche Kräfte bezeichnet und vor

318

6 Bindungskräfte in Klebungen

allem durch die nachstehend beschriebenen Dipol-, Induktions- und Dispersionskräfte hervorgerufen. 6.1.4.1 Dipolkräfte

In Molekülen vom Typ A B mit ungleichen Atomen besitzt die homöopolare Bindung wegen der unterschiedlichen Elektronegativitäten polaren Charakter. Die Moleküle erhalten somit ein permanentes elektrisches Dipolmoment und die zwischen den einzelnen Dipolen vorhandenen Kräfte wirken auf die Moleküle sowohl richtend als auch anziehend. Benachbarte Moleküle suchen ihre Dipolmomente so auszurichten, dass der positiv geladenen stets die negativ geladene Seite des Nachbarmoleküls zugekehrt ist und umgekehrt. Aus diesem Grunde spricht man auch von Orientierungskräften (Keesom-Kräfte). Die metallischen Fügeteile sind selbst zwar unpolar, aber durch Dipole stark polarisierbar. Wird demnach eine elektrische Ladung in ausreichende Nähe einer Metalloberfläche gebracht, so wird das Metall so polarisiert, dass sofort ein elektrisches Feld entsteht. Ein Molekül mit einem stark positiven Dipolmoment (Produkt aus Ladung e und Ladungsabstand d eines polaren Atoms oder Moleküls µ = ed) induziert in der Metalloberfläche eine stark negative Ladung und es erfolgt eine Anziehung. Aus diesem Grunde werden polare Substanzen besonders gut an Metalloberflächen gebunden. Die Anziehungskraft beruht somit auf einer elektrostatischen Wechselwirkung zwischen den polaren Gruppen, sie nimmt mit der dritten Potenz der Entfernung ab. Da der Orientierungstendenz die mit steigender Temperatur verstärkte makrobrownsche Bewegung der Moleküle entgegenwirkt, fallen die Dipolkräfte mit zunehmender Temperatur stark ab. Grundsätzlich muss zwischen polaren und unpolaren Stoffen unterschieden werden. Zwischen unpolaren und/oder nicht polarisierbaren Oberflächen einerseits und polaren Klebstoffmolekülen andererseits bestehen keine oder nur sehr geringe Kraftwirkungen, während sich polare Komponenten untereinander je nach dem Grad ihrer Polarität und ihrer Entfernung mehr oder weniger stark anziehen. Wenn man davon ausgeht, dass Klebstoffe meistens über polare Gruppierungen verfügen, besteht im Fall unpolarer Fügeteiloberflächen die Möglichkeit, die für eine gegenseitige Anziehung erforderliche Polarität über eine chemische Veränderung der Oberfläche zu erzielen (Oberflächenvorbehandlung, (Abschn. 12.2.2)). Die Bindungsenergien liegen im Bereich von ca. 50–60 kJ Mol–1. In Bezug auf die Ausbildung der Polarität können die Moleküle in vier Gruppen eingeteilt werden (Bild 6.3): 0 0 P0 N0 PN

unpolare Moleküle, positiv polare Moleküle, negativ polare Moleküle, positiv und negativ polare Moleküle.

Zu den unpolaren Verbindungen zählen in erster Linie die Kohlenwasserstoffe und ihre Polymere, z. B. Polyethylen, Polypropylen, aber auch z. B. der

6.1 Die Natur der Bindungskräfte

319

Bild 6.3. Polarität von Molekülen

Tetrachlorkohlenstoff CCl4 infolge seiner symmetrischen Konfiguration. Positiv polare Dipole entstehen vorwiegend dort, wo sich negativ geladene Atome in der Nähe von Wasserstoffatomen befinden und dem Wasserstoffatom somit ein positives Dipol aufzwingen. Da dieses einen sehr kleinen Radius besitzt, bilden sich sehr starke positive Dipole aus, z.B. im Chloroform CHCl3. Negativ polare Dipole findet man in Estern, Ketonen, Ethern. In diesen Verbindungen sind die vorhandenen positiven Ladungen gegenüber den negativen relativ schwach ausgebildet, um wirksam zu sein. Über positiv und negativ polare Dipole verfügen aufgrund der Ladungsverteilung insbesondere Amine, Amide, Säuren und Alkohole. Die wichtigsten polaren Gruppen in Klebstoffen sind in Tabelle 1.2 wiedergegeben. Außer der Art ist auch die sterische Anordnung der polaren Gruppen und anderer Seitenketten im Molekül von Einfluss auf die Polaritätseigenschaften eines Klebstoffs. Diese lassen sich ebenfalls durch einen vermehrten Einbau polarer Gruppen z.B. –OH oder –COOH erhöhen, was zu verbesserten Haftungseigenschaften führt. Voraussetzung für ein Wirksamwerden der Dipolkräfte ist in jedem Fall, dass sich die polaren Molekülgruppen des Klebstoffs denjenigen der Fügeteiloberfläche auf Abstände in der Größenordnung von 10–8 cm (0,1 nm) zu nähern vermögen. Hieraus ergibt sich, wie auch bei den anderen zwischenmolekularen Bindungskräften, die Forderung nach einer sehr intensiven Benetzung der Oberfläche durch den flüssigen Klebstoff. Schematisch lässt sich die Wirkung der Dipole auf die Ausbildung der Bindungskräfte wie in Bild 6.4 dargestellt erklären. Die im Klebstoff oder in der Klebschicht vorhandenen polaren Gruppen vermögen auf die beschriebene Weise mit den in der Grenzschicht der Fügeteile befindlichen Dipolen in Wechselwirkung zu treten.

320

6 Bindungskräfte in Klebungen

Bild 6.4. Ausbildung von zwischenmolekularen Kräften infolge Dipolwirkungen zwischen Molekülen bzw. Atomen (schematisch)

6.1.4.2 Induktionskräfte

Die Induktionskräfte werden wirksam, wenn in ein dipolloses Molekül (µ = 0) ein Dipol eingebracht wird, z.B. bei der Substitution eines Wasserstoffatoms in einem unpolaren Kohlenwasserstoff durch einen Substituenten mit elektronenanziehendem oder -abstoßendem Charakter. Durch dieses permanente Dipol wird dann in dem vorher dipollosen Molekül ein Dipolmoment induziert. Diese Wechselwirkungskräfte wurden ergänzend zu den Dipolkräften von Debye beschrieben (Debye-Kräfte). Die Induktionskräfte sind im Allgemeinen kleiner als die Dipolkräfte; liegen jedoch Moleküle besonders großer Polarisierbarkeit vor, so können die Induktionskräfte die Größe der Dipolkräfte erreichen. 6.1.4.3 Dispersionskräfte

Diese zwischenmolekularen Kräfte treten in fast allen Stoffen auf. Die von London (London-Kräfte) erkannten Dispersionskräfte beruhen darauf, dass als Folge der inneren Elektronenbewegung auch in Atomen und dipollosen Molekülen fluktuierende Dipole entstehen, die die Elektronensysteme benachbarter Atome und Moleküle polarisieren und so eine Wechselwirkung hervorrufen. Diese Induktionswirkung ist bei dipollosen Molekülen allein für die Wechselwirkungsenergie verantwortlich und macht bei den Molekülen mit permanenten Dipolmomenten einen großen Teil der zwischenmolekularen Kräfte aus. Die Bindungsenergien liegen bei ca. 5–10 kJ Mol–1. 6.1.4.4 Wasserstoffbrückenbindung

Die Wasserstoffbrückenbindung stellt eine besondere Art der zwischenmolekularen Bindungskräfte dar. Es handelt sich um eine Wechselwirkung

6.1 Die Natur der Bindungskräfte

321

Bild 6.5. Prinzip der Wasserstoffbrückenbindung am Beispiel eines Polyamids

zwischen einer Gruppe A–H (Protonendonator) und einer Gruppe B (Protonenakzeptor): A–H … B. Sie wird vor allem bei Verbindungen beobachtet, die OH-, NH- oder andere Gruppen enthalten, in denen ein Wasserstoffatom mit besonders elektronegativen und kleinen Atomen verbunden ist. Die Wechselwirkungsenergie einer Wasserstoffbrückenbindung kann bis zu 50 kJ Mol –1 betragen und liegt damit beträchtlich über den für die sonstigen zwischenmolekularen Wechselwirkungen gefundenen Werten. Sie stellt aus diesem Grunde einen für die Adhäsionsfestigkeit bei Metallklebungen nicht unerheblichen Anteil am Gesamtsystem der Bindungskräfte dar. Das Zustandekommen einer Wasserstoffbrückenbindung lässt sich auf den stark polaren Charakter der A–H-Gruppe zurückführen, die, mit dem positiven Ende am Wasserstoffatom, elektronegative Atome B, z.B. Sauerstoff, Stickstoff, zu sich heranzieht. Die relativ zu den Dipol-Dipol-Wechselwirkungen sehr viel stärkere Wechselwirkung der Wasserstoffbrückenbindung liegt darin begründet, dass wegen des kleinen Wasserstoffatoms eine besonders gute Annäherung der Dipole möglich ist. Das Wasserstoffatom nimmt in dieser Bindungsart demnach eine Mittelstellung („Brücke“) zwischen seinem ursprünglichen Bindungspartner und dem neuen Partner ein. So ist die Wasserstoffbrückenbindung beispielsweise verantwortlich für die hohe Kohäsionsfestigkeit der Polyurethane, der natürlichen Cellulosefasern und der relativ niedrigmolekularen Polyamide. Für die letzteren lässt sich die Wasserstoffbrückenbindung wie in Bild 6.5 gezeigt darstellen. Wasserstoffbrücken können sich ebenfalls von Polymeren zu der Fügeteiloberfläche ausbilden, wenn diese oxidiert ist, also Sauerstoffatome enthält, oder auch über adsorbierte Wassermoleküle verfügt (vgl. Bild 2.22): Me=O … HO–R

Me = Metall R = Polymerrest

(6.2)

Zusammenfassend ist festzustellen, dass meistens mehrere dieser vier beschriebenen Arten zwischenmolekularer Kräfte gleichzeitig zwischen den Molekülen wirken. Die jeweilige Art und Intensität der Bindung richtet sich dabei nach der Temperatur und den Molekülabständen, eine eindeutige Zuordnung für die Bindungskräfte in jedem Einzelfall ist nicht möglich. Für alle Bindungsarten ist charakteristisch, dass sie nur über sehr geringe Abstände von wenigen Nanometern wirksam sind.

322

6 Bindungskräfte in Klebungen

Wichtig ist die Tatsache, dass für die intermolekularen Bindungskräfte im Polymer einerseits und für die Bindungskräfte der Moleküle zu der Fügeteiloberfläche andererseits praktisch nur die beschriebenen zwischenmolekularen Kräfte zur Verfügung stehen, deren Bindungsenergien mit Werten < 50 kJ Mol–1 gegenüber denen der Hauptvalenzbindungen mit 100–1000 kJ Mol–1 sehr viel geringer sind. Eine Nutzung letzterer hoher Energien ist nur möglich, wenn es gelingt, zwischen Klebstoffmonomer bzw. -polymer und der Fügeteiloberfläche homöopolare oder heteropolare Bindungsmechanismen durch chemische Reaktionen zu erzeugen. Das ist jedoch wegen der grundsätzlichen Verschiedenheit im atomaren bzw. molekularen Aufbau von Metallen und Polymeren nur mit sehr großen Einschränkungen (z.B. starker Säurecharakter des Polymers) möglich. Über die Chemisorption (Abschn. 6.1.5) ist eine gewisse Annäherung an die Ausbildung von Hauptvalenzbindungen zwischen Fügeteiloberfläche und Klebschicht nachgewiesen, die Bindungsenergien liegen jedoch auch hier noch weit unter den o.e. Werten. Auch der Einsatz von Haftvermittlern (Abschn. 2.7.15) hat bisher nicht zu Haftungskräften geführt, die in der Größenordnung der Hauptvalenzbindungsenergien liegen. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 6.1.4: [B25, B26, D270, L132, P162, S28, T6, W15, W16 und im Anschluss an Abschnitt 6.2.1].

6.1.5 Sorption

Die Fähigkeit von Oberflächen, mit Substanzen aus der Umgebung Reaktionen einzugehen, äußert sich insbesondere in ihrem Sorptionsverhalten. Da auch die Adhäsionsvorgänge ihre Grundlagen in Sorptionserscheinungen haben, besitzt deren Betrachtung für das Verständnis der Bindungskräfte in Klebungen besondere Bedeutung. Grundsätzlich sind die folgenden Sorptionserscheinungen zu unterscheiden: 앫 Absorption: Eindringen von Gasen oder Flüssigkeiten in Flüssigkeiten bzw. feste Stoffe (Absorptionsmittel). Die Absorption spielt bei der Betrachtung der Bindungskräfte in Klebungen praktisch keine Rolle. 앫 Adsorption: Anreicherung von Stoffen an den Grenzflächen fester oder flüssiger Körper. Die Adsorption ist stets als Gesamtheit vieler molekularer Einzelprozesse zu sehen, im Gegensatz zur Adhäsion, mit der man das Haften eines zusammenhängenden Körpers als Ganzes an der Oberfläche eines anderen bezeichnet. Je nach der Natur der Bindungskräfte zwischen der adsorbierenden Fläche (Adsorbens) und dem adsorbierten Stoff (Adsorbat) unterscheidet man weiterhin die physikalische und chemische Adsorption: 앫 Physikalische Adsorption: Begründet nur durch physikalische, van-derWaalssche Bindungskräfte mit Bindungsenergien < 50 kJ Mol–1. Die physikalische Adsorption ist in Abhängigkeit von Temperatur und Druck ein reversibler Prozess; je nach Größe dieser beiden Parameter stellt sich

6.1 Die Natur der Bindungskräfte

323

zwischen Adsorbens und Adsorbat ein Adsorptionsgleichgewicht ein. Ein charakteristisches Merkmal dieser physikalischen Bindungsarten ist die Tatsache, dass zwischen den beteiligten Atomen kein Elektronenaustausch stattfindet, die beteiligten Partner also ihren chemischen Charakter beibehalten. Die Reichweite der physikalischen Bindungskräfte beträgt ca. 0,3–0,4 nm, ihre Wirksamkeit nimmt mit der sechsten Potenz der Entfernung der Dipolschwerpunkte ab. 앫 Chemische Adsorption: Begründet durch Ausbildung chemischer Bindungskräfte mit Bindungsenergien von ca. 50–500 kJ Mol–1. Bei der chemischen Adsorption, auch Chemisorption genannt, handelt es sich um einen irreversiblen Prozess. Bei einer Änderung der Parameter Temperatur und Druck verbleiben bei einer stattfindenden Desorption eine oder mehrere durch chemische Bindungskräfte an die Oberfläche gebundene monomolekulare Schichten. Die Zusammenhänge zwischen Adsortion/Chemisorption und den Bindungskräften im Grenzschichtbereich von Metallklebungen sind insbesondere von Brockmann [B22] sehr ausführlich untersucht worden. Danach liegt ein beträchtlicher Anteil der Klebschichtmoleküle an der Oberfläche chemisch gebunden vor. Adsorptionsversuche mit radioaktiv markierten Phenolharzen wiesen aus, dass 30–50% der insgesamt sorbierten Klebstoffmoleküle sich nicht desorbieren ließen und somit als chemisorbiert zu bezeichnen sind. Über eine Abschätzung der molekularen Schichtdicke mittels des mittleren Molekulargewichts und des Platzbedarfs der Adsorptionsmoleküle ergab sich, dass eine Mehrschichtenchemisorption vorlag. Die Chemisorption ist demnach als eine Hauptvalenzbindung zu den Oberflächenatomen anzusehen, die zu Bindungszuständen führt, die der chemischen Bindung in Molekülen entsprechen. Die Adsorption der Makromoleküle an den Oberflächen hat man sich nach Jenckel und Rumbach [J9] so vorzustellen, dass nur bestimmte Segmente der Kettenmoleküle an der Grenzfläche gebunden werden. Aus Versuchen hatte sich gezeigt, dass an Materialien mit relativ kleiner Oberfläche (Aluminiumgrieß, Quarzsand, Glaswolle) erheblich größere Mengen des untersuchten Polymers adsorbiert wurden als es einer monomolekularen Schicht entsprach. Die Autoren definierten in diesem Zusammenhang den Belegungsfaktor, der angibt, wieviele Monomermoleküle in der Adsorptionsschicht übereinander anzunehmen sind. Aus gemessenen Werten, die meistens zwischen 20 und 30 lagen, war zu folgern, dass die Makromoleküle nicht flach an der Oberfläche gebunden sind, sondern nur an bestimmte Stellen adsorbiert werden. Auf Klebschichten übertragen bedeutet das, dass die anderen Teile der Ketten in Form von Schlaufen ohne sorptive Bindungen zunächst in den flüssigen Klebstoff hineinragen. Beim Aushärten bilden diese nicht adsorbierten Kettenbereiche unter Ausbildung zwischenmolekularer Kräfte die feste Klebschicht, die durch die Sorptionskräfte an der Oberfläche gebunden ist (Bild 6.6). Nach diesen Überlegungen, die durch experimentelle und theoretische Arbeiten bestätigt worden sind, ist die Adhäsion einer Klebschicht an einer

324

6 Bindungskräfte in Klebungen

Bild 6.6. Anlagerungsmechanismus von Makromolekülen an Oberflächen (nach [J9])

Oberfläche neben den in Abschnitt 6.1 beschriebenen Bindungskräften auch als eine Übertragung von Kräften aus dem durch Sorptionsvorgänge gebundenen Grenzbereich der Klebschicht in das Innere der Klebschicht aufzufassen. Es ist somit festzustellen, dass neben den beschriebenen zwischenmolekularen Kräften auch die Chemisorption einen relativen Anteil an der Ausbildung der Haftungskräfte besitzt. Die in jedem Fall vorhandenen Anteile und deren Größenordnungen lassen sich messtechnisch jedoch nicht ermitteln, sodass von der insgesamt vorhandenen Adhäsionskraft zu sprechen ist, die als übergeordneter Begriff die jeweiligen Einzelhaftkräfte beschreibt. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 6.1.5: [M26, P1].

6.2 Adhäsion Über die Gesetzmäßigkeiten der Haftung von Klebschichten an den Fügeteiloberflächen existieren in der Literatur außerordentlich viele theoretische und experimentelle Arbeiten. Grundlage dieser Arbeiten ist schwerpunktmäßig, die Festigkeit adhäsiver Bindungen aufgrund der beteiligten Bindungsmechanismen zu berechnen und sie ergänzend messtechnisch zu erfassen. Die Ergebnisse aller Arbeiten weisen aus, dass es keine universell anwendbare Adhäsionstheorie, die sämtliche bisher ermittelten Erkenntnisse einbezieht und berücksichtigt, gibt und wegen der Komplexität aller zusammenwirkenden Faktoren auch nicht geben kann. Bei der Deutung der Adhäsionsvorgänge kristallisieren sich insbesondere zwei Fragestellungen heraus, deren Beantwortung zumindest einen vertieften Einblick in die Natur der Adhäsion in Klebungen ermöglichen kann: 앫 Welcher Art sind die Voraussetzungen, dass es zu einem die Adhäsionskräfte ausbildenden Kontakt zwischen Fügeteiloberfläche und Klebstoff überhaupt kommen kann? In diesem Zusammenhang sind insbesondere die thermodynamischen Grundlagen der Benetzung, Oberflächen- und Grenzflächenenergie zu betrachten. 앫 Welcher Art sind die sich ausbildenden Kräfte und wie lassen sie sich im Hinblick auf ihre Festigkeitswerte einordnen? Die Beantwortung dieser Frage lässt sich aus der Kenntnis der Reaktionsmöglichkeiten und den

6.2 Adhäsion

325

daraus resultierenden chemischen und/oder zwischenmolekularen Bindungen ableiten. Während die Vorstellung über die Haftung von Klebschichten früher eine mechanische Verankerung bzw. Verklammerung des in Poren oder Kapillaren der Oberflächenstruktur ausgehärteten flüssigen Klebstoffs vorsah, lässt sich diese makroskopische Anschauung nach dem heutigen Erkenntnisstand nicht mehr aufrechterhalten. Die z.T. ausgezeichneten Adhäsionswerte von Klebschichten an sehr ebenen Metall- oder auch Glasflächen erforderten weitere, über die Theorie der mechanischen Adhäsion hinausgehende Erklärung. Somit unterscheidet man heute die folgenden Adhäsionsarten: 앫 Spezifische Adhäsion: Hierunter werden die auf chemischen, physikalischen und thermodynamischen Gesetzmäßigkeiten beruhenden Adhäsionserscheinungen verstanden. Sie stellen die wesentliche Ursache für die Ausbildung der Adhäsionskräfte in Klebungen dar und sind im Abschnitt 6.2.1 ausführlich beschrieben. Der Wirkungsbereich liegt bei ca. 0,2–1 nm. 앫 Mechanische Adhäsion: Hierbei handelt es sich vorwiegend um eine formschlüssige Verankerung der aus einer flüssigen Phase gebildeten Klebschicht in Poren, Kapillaren sowie Hinterschneidungen, wie sie sich durch eine mechanische Oberflächenvorbehandlung ergeben oder als Oberflächenstruktur für das Fügeteil charakteristisch sind. Ergänzend können auch auf spezifischer Adhäsion beruhende Adhäsionskräfte wirksam werden. Für Metallklebungen ist diese Art der Adhäsion von untergeordneter Bedeutung. 앫 Autohäsion: Sie tritt fast ausschließlich bei der Vereinigung kautschukelastischer Polymerschichten des gleichen Materials auf. Voraussetzung ist eine große Beweglichkeit der Makromoleküle, die unter Druckanwendung zu einer gegenseitigen Diffusion mit nachfolgender Verklammerung von Kettensegmenten fähig sind (Abschn. 3.3). 6.2.1 Spezifische Adhäsion

Eine eingehende Beschreibung aller Theorien und Versuchsergebnisse, die mit dem Ziel einer eindeutigen Definition der Adhäsionsmechanismen in Klebungen erarbeitet worden sind, lässt sich im Rahmen dieses Buches nicht geben. Die erwähnten Literaturquellen, die insbesondere auf dem Gebiet des Metallklebens außerordentlich vielfältig sind, geben die Möglichkeit einer individuell gewünschten Vertiefung dieses Gebietes. Nachfolgend soll jedoch versucht werden, die dem heutigen Stand der Erkenntnisse in der Adhäsionsforschung zugrundeliegenden Sachverhalte in ihren wichtigsten Aussagen zu beschreiben. Die Betrachtungsweise darf im Hinblick auf ein umfassendes Verständnis dabei nicht nur den Bereich der Entstehung und Deutung der Adhäsionsmechanismen umfassen, sondern hat sich in gleichem Maße auf deren Verhalten unter den Beanspruchungsbedingungen der Praxis, wie sie in Abschnitt 7.4 näher beschrieben werden, zu erstrecken.

326

6 Bindungskräfte in Klebungen

Die Vielfalt der nachstehend beschriebenen Theorien und Aussagen ist insbesondere darin begründet, dass die Grenzschicht zwischen Klebschicht und Fügeteiloberfläche messtechnisch nur mit einem sehr großen experimentellen Aufwand zugänglich ist. Die in Abschnitt 5.1.3 beschriebenen oberflächenanalytischen Untersuchungsmethoden mögen diese Aussage bekräftigen. Weiterhin kommt hinzu, dass eine wirkliche „Adhäsionsmessung“ nach dem heutigen Stand der Kenntnisse nicht möglich ist und daher versucht werden muss, die noch unbekannten Grenzschichtphänomene durch ein großes Spektrum an theoretischen und experimentellen Arbeiten „einzukreisen“. Zusammenfassend lässt sich der Stand der Adhäsionsforschung wie folgt beschreiben: 앫 Oberflächenaktivierung. Für die Erzielung optimaler Adhäsionskräfte ist die Aktivierung der Oberfläche (Abschn. 5.1.2) Voraussetzung. Durch diesen Vorgang, der auf mechanischem oder chemischem Wege durchgeführt werden kann, erfolgt das Freilegen oder Erzeugen physikalisch oder chemisch reaktiver Stellen an der Oberfläche als Voraussetzung für die den Adhäsionskräften zugrundeliegenden atomaren und molekularen Wechselwirkungen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die zu klebenden Werkstoffe in ihrem Inneren zwar mehr oder weniger homogen sind, dass diese Homogenität an ihrer Oberfläche jedoch nicht oder nur in den seltensten Fällen auch nach erfolgter Oberflächenbehandlung vorhanden ist. Unabhängig von der vorhergehenden Oberflächenbehandlung ergeben sich durch die jeweiligen Umweltbedingungen weitere Einflussfaktoren für die Ausbildung der Adhäsionskräfte. 앫 Zwischenmolekulare Bindungen. Diese für die Ausbildung der Haftungskräfte entscheidenden Bindungsmechanismen sind in Abschnitt 6.1.4 beschrieben. Sie besitzen eine Reichweite von 0,1–1 nm, in diesem Bereich spielen sich die für die Festigkeit einer Klebung entscheidenden Grenzflächenreaktionen ab. 앫 Chemische Bindungen. In Ergänzung zu den zwischenmolekularen Bindungskräften ist ebenfalls die Existenz kovalenter bzw. auch heteropolarer chemischer Bindungen nachgewiesen worden [B108, K80]. Die Ergebnisse entstammen im Wesentlichen Untersuchungen zur Aufklärung der Haftungsmechanismen in Aluminiumklebungen im Flugzeugbau, dürften jedoch in ihrer grundsätzlichen Aussage auch auf andere Metalloberflächen übertragbar sein. Die in Bild 5.1 dargestellten Reaktions- und Adsorptionsschichten üben hier einen besonderen Einfluss aus. Beim Auftragen des flüssigen Klebstoffs wird zunächst ein Kontakt mit den adsorbierten Wassermolekülen erfolgen, die über Brückenbindungen (Abschn. 6.1.4.4) mit den Klebstoffmolekülen reagieren und somit der Oberfläche teilweise entzogen werden. In einem weiteren Reaktionsschritt können dann Metalloxide bzw. -hydroxide Komplexverbindungen mit den Klebstoffmolekülen eingehen. Diese Ausbildung von Adhäsionskräften über eine Komplexbindung zwischen Klebstoff und Oberfläche ist an verschiedenen Metallklebungen

6.2 Adhäsion

327

Bild 6.7. Aluminiumoxidstruktur (Chromsäureanodisierung nach [B108])

bestätigt worden, so z.B. bei Aluminium mit Phenolharzklebstoff, Aluminium und Stahl mit Epoxidharzklebstoff, Stahl mit Polyurethanklebstoff [K124, K178]. Grundlage dieses Mechanismus sind cyclische Verbindungen (Chelate), bei denen Metalle, Gruppierungen mit einsamen (freien) Elektronenpaaren (d.h. Elektronenpaare, die im Wesentlichen an einem Atom konzentriert sind und nicht kovalent abgesättigt sind) und Wasserstoff an der Ringbildung beteiligt sind. Diese Komplexbindungen besitzen einen hohen Energieinhalt und verhalten sich oft sehr stabil gegenüber Feuchtigkeitsbeanspruchung. Weitere Beispiele für chemische Bindungen können aus den Reaktionen der silanbasierten Haftvermittler hergeleitet werden, die kovalente Bindungen mit der Fügeteiloberfläche ausbilden (Abschn. 2.7.15, Bild 2.22). 앫 Mikromorphologie der Oberfläche. Die Mikromorphologie der Oxidstrukturen ist als ein dreidimensionales System anzusehen und trägt zu einer wesentlichen Vergrößerung der wirksamen Oberfläche und somit auch der Anzahl der reaktiven Stellen bei. In Bild 6.7 ist eine derartige Aluminiumoxidstruktur in Form einer transmissionselektronenmikroskopischen Aufnahme [B108] wiedergegeben. Eine schematische Darstellung findet sich in Bild 13.1. Die ausgeprägten Kapillarstrukturen führen im Kontakt mit dem flüssigen Klebstoff zu einer Selektierung der Moleküle in dem Sinn, dass kleinere Moleküle in die feinen Kapillaren schneller eindringen können als große Moleküle. Somit resultieren Konzentrationsverschiebungen innerhalb des reaktiven Klebstoffs, die sich auch nach der Härtungsreaktion in Form von Mikroinhomogenitäten der Klebschicht in diesem Bereich bemerkbar machen können. Neuere Ergebnisse [B345, B368] führten zu der bekräftigten Hypothese, dass die „Nano-Morphologie“ der Oberfläche einen signifikanten Einfluss auf die grenzschichtnahe Polymerbeeinflussung und somit auf das Adhäsions- und Alterungsverhalten ausübt. 앫 Weak boundary layer. Bedingt durch die vorstehend beschriebenen Zusammenhänge ist davon auszugehen, dass die an die Oxidstruktur gebundenen

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6 Bindungskräfte in Klebungen

reaktiven Gruppen der Klebstoffmoleküle nicht mehr an der Härtungsreaktion zur Polymerbildung teilnehmen können. So ergibt sich eine weitere Ursache zur Störung der Polymerstruktur in Grenzschichtnähe. Das Ergebnis ist dann eine Zone mit verringerten Festigkeitseigenschaften, in der Literatur mit „weak boundary layer“ bezeichnet. Sie lässt sich mittels transmissionselektronenmikroskopischer Aufnahme nachweisen [B108]. Ein Nachweis ist auch dadurch erbracht, dass bei der Untersuchung von Adhäsionsbruchflächen erhebliche Polymerreste auf dem Fügeteil vorhanden sind. 앫 Mikromechanische Adhäsion. Bei Betrachtung dieser Zusammenhänge ergibt sich somit in dem Bereich der spezifischen Adhäsion ein dreidimensionales Modell der mechanischen Adhäsion im Mikrobereich durch einen sog. „mikromechanischen Formschluss“. In gleicher Weise wie die Morphologie der Oxidschichten ist in die Adhäsionsbetrachtungen auch die Klebschichtmorphologie einzubeziehen, wie sie in Abschnitt 4.9 beschrieben wird. Als Ergebnis aus diesen Darstellungen ist demnach abzuleiten, dass die Oberflächenstruktur (Durchmesser-Tiefen-Verhältnis der Kapillaren) und die Eigenschaften des flüssigen Klebstoffs (mittleres Molekulargewicht, Viskosität) so aufeinander abgestimmt sein müssen, dass es bei dem Klebstoffauftrag und der anschließenden Härtung nicht zur Ausbildung der vorstehend beschriebenen Erscheinungen kommt. 앫 Deformationsmechanische Betrachtung. Brockmann und Hennemann [B192, H198] ergänzen die Modellvorstellungen über die Adhäsion in Polymer/ Metallverbunden durch die Beschreibung einer Klebung als dreidimensionales Mehrschichtensystem, wie es schematisch aus Bild 7.9 hervorgeht. Der dort dargestellten „Festigkeitskette“ lassen sich noch Haftvermittler- bzw. Primerschichten zufügen. Setzt man ein derartiges System einer Schubbeanspruchung parallel zur Klebschicht aus, werden sich in Abhängigkeit von der Schubsteifigkeit der verschiedenen Schichten unterschiedliche Gleitungen einstellen (s. Bild 8.35, allerdings in makroskopischer Betrachtung dargestellt). In allen Schichten treten unter der einwirkenden Last größere oder kleinere Schubverformungen auf mit dem Ergebnis, dass zwischen den Fügeteilen unterschiedliche Gleitwinkel existieren. Diese können entweder als abrupte Winkeländerungen, also diskontinuierlich oder als mehr oder weniger gleitende Winkeländerungen mit kleineren Änderungsgradienten, also kontinuierlich, vorliegen. Durch dieses Modell lassen sich insbesondere der Einfluss unterschiedlich dicker Aluminiumoxidschichten mit ihrem in die Klebschicht hineinwirkenden „gleitungsstabilisierendem“ Effekt auf die Klebfestigkeit und das Verhalten gegenüber Feuchtigkeitsbeanspruchung erklären. 앫 Säure-Base-Theorie. Ein ergänzender Beitrag zu der Existenz chemischer Bindungen basiert auf der Säure-Base-Theorie, wie sie von Lewis und Brönstedt (Abschn. 2.1.1.3.7) formuliert und von Fowkes [F27] für Klebungen diskutiert wird. Diese Bindungsart unterscheidet sich von einer „normalen“ chemischen Bindung dadurch, dass ein Atom bzw. Molekül (Donator)

6.2 Adhäsion

329

das Bindungselektronenpaar zur Verfügung stellt, das sonst durch je ein Elektron von beiden Partnern gebildet wird. Bei dieser Theorie wird davon ausgegangen, dass Wasserstoffbrückenbindungen als Säure-Base-Bindungen betrachtet werden können, deren Bindungsenergien von der Acidität des Protonendonators und der Basizität des Protonenakzeptors abhängig sind. Da beide Parameter für Polymere und die anorganischen Substrate experimentell bestimmbar sind (Kalorimetrie, Spektroskopie), können aus diesen Werten Hinweise für die Festigkeit adhäsiver Bindungen und die Wirksamkeit von Oberflächenvorbehandlungsverfahren abgeleitet werden. Diese Theorie bedarf jedoch noch ergänzender wissenschaftlicher Absicherungen [s.a. B109]. 앫 Chemisorption. Neben physikalischen und zwischenmolekularen Bindungskräften lassen sich zwischen Fügeteiloberfläche und Klebschicht auch Bindungen auf Basis einer Chemisorption nachweisen. Eine experimentelle Bestätigung für diese Aussage liegt in den hohen Bindungsenergien sowie der fehlenden vollständigen Desorbierbarkeit. Der Nachweis des Vorhandenseins chemisorptiver Bindungen gibt eine Erklärung für die in Klebungen nachweisbaren hohen Festigkeitswerte der Grenzschicht, die bei dem Auftreten von Kohäsionsbrüchen die Klebschichtfestigkeit überschreiten. Die Dicke der chemisorbierten Schicht ist allerdings kein Maßstab für die erzielbare Grenzschichtfestigkeit. Für ein bestimmtes Metall lassen sich jedoch für unterschiedliche Oberflächenvorbehandlungen vergleichbare, charakteristische Änderungen des Sorptionsvermögens und der Haftfreudigkeit dann feststellen, wenn als Adsorbat eine dem Klebstoff gleiche oder ähnliche Substanz Verwendung findet. Die Ursache liegt in den jeweiligen spezifischen Bindungsenergien begründet. Der Nachweis der Chemisorption und die Übertragung auf die Adhäsionsfestigkeit erlauben die Feststellung, dass wenigstens zwischen der ersten Moleküllage der Klebschicht und der Oberfläche Bindungsenergien vorliegen müssen, die denen der Eigenfestigkeit chemischer Verbindungen vergleichbar sind. Die begrenzte Reichweite dieser Bindungskräfte in die Klebschicht hinein erlaubt allerdings keine Übertragung dieser hohen Festigkeitseigenschaften auf das System der gesamten Klebung. Die eigentliche – monomolekulare – Grenzschicht ist, selbst bei Vorhandensein durch Chemisorption verursachter hoher Bindungskräfte, für die Gesamtfestigkeit einer Klebung nicht charakteristisch, da das „schwächste Glied“ in die angrenzenden Molekularschichten verlagert wird und sich dort in Form von Kohäsionsbrüchen äußert. Es befindet sich demnach in der Grenzschichtnähe ein Schwachstellenbereich (weak boundary layer), in dem ein Versagen bei mechanischer Beanspruchung zu erwarten ist. Falls keine Chemisorption stattfindet, liegt die Schwachstelle direkt in der Phasengrenze, in der nur zwischenmolekulare Kräfte wirken. Falls eine vollständige Chemisorption erfolgt, ist der durch zwischenmolekulare Kräfte ausgezeichnete Schwachstellenbereich in die Klebschicht verschoben. Zwischen der Menge adsorbierter Monomermoleküle an Fügeteiloberflächen und den vorhandenen Adsorptionskräften bestehen zwar quali-

330

6 Bindungskräfte in Klebungen

tative Zusammenhänge, die Menge an adsorbierten Molekülen steht allerdings zu der Adhäsionsfestigkeit nicht in einem direkt proportionalen, eine Festigkeitsberechnung ermöglichenden Verhältnis. Adsorptionsmessungen erlauben demnach nur vergleichende Bewertungen von Oberflächen und Oberflächenbehandlungen im Hinblick auf ihre Fähigkeit, Adhäsionskräfte zu beeinflussen. 앫 Thermodynamische Grundlagen, Benetzung. Die Deutung der Adsorptionsvorgänge aufgrund thermodynamischer Betrachtungen, wie sie von Sharpe und Schonhorn [S29] beschrieben wurden, geht von den Grundlagen der Benetzungsvorgänge aus (Abschn. 6.4). Eine befriedigende Antwort vermögen diese Überlegungen, bei denen die Oberflächenenergie des Fügeteils, des flüssigen Klebstoffs und die daraus resultierende Grenzflächenenergie zwischen Fügeteiloberfläche und Klebstoff betrachtet werden, allerdings nicht zu geben. Der Grund liegt in der Tatsache, dass die für thermodynamische Berechnungen erforderliche Grundvoraussetzung der Reversibilität des Benetzungsvorgangs zwischen Klebstoff und Oberfläche nicht gegeben ist. Im thermodynamischen Sinne besteht wegen der durch die Chemisorption gegebenen chemischen Bindungen keine „reine“ Phasengrenze, die Grenzschicht ist „thermodynamisch verwischt“ und nach der Trennung sind beide Partner an ihren Phasengrenzen nicht wieder in ihrem ursprünglichen Zustand. Somit ist ein Zusammenhang zwischen der Energie der Oberfläche und ihrem Benetzungsvermögen als alleinige Deutung der Adhäsionskräfte nicht gegeben, wenn auch die mathematisch zu formulierende Aussage, dass die Oberflächenenergie des Fügeteils größer als die des Klebstoffs sein muss, in vielen Fällen eine Berechtigung besitzt (Abschn. 6.4.2.8). 앫 Polarisationstheorie. Die Polarisationstheorie, wie sie von de Bruyne [B26] entwickelt worden ist, beruht auf der Kraftwirkung der den Atomen/Molekülen zuzuordnenden Dipole (Abschn. 6.1.4.1). Sie unterliegt allerdings der Beschränkung, dass sie die auch an unpolaren Substanzen vorhandenen Adhäsionskräfte nicht zu deuten und zu beschreiben vermag. Der Grundgedanke dieser Theorie, dass die Polarität einen wesentlichen Einfluss auf die Adhäsion besitzt, bleibt trotz dieser Einschränkung gültig und es ist davon auszugehen, dass diese Theorie zwar nicht den gesamten, so doch einen wichtigen Teil der Adhäsionsvorgänge zu beschreiben in der Lage ist. Experimentell konnte beispielsweise nachgewiesen werden, dass durch eine Erhöhung der Polarität der Klebstoffmoleküle durch Einbau von OH- oder COOHGruppen eine Verbesserung der Adhäsionsfestigkeit erreicht werden konnte. 앫 Diffusionstheorie. Die Möglichkeit der Ausbildung von Adhäsionskräften durch eine gegenseitige Diffusion der Makromoleküle von Klebschicht und Fügeteil ist von Voyutskij [V19, V20] aufgestellt worden. Die Theorie erklärt den Adhäsionseffekt durch mikrobrownsche Molekülbewegungen in beiden Phasengrenzflächen. Die wesentliche Voraussetzung für diese Theorie, nämlich die weitgehende Affinität der beiden Partner zueinander und die noch wichtigere Bewegungsmöglichkeit der Moleküle, setzt dieser Theorie bei Metallklebungen eindeutige Grenzen. Bei Kunststoffklebungen ist sie

6.2 Adhäsion

331

hingegen anwendbar, wie am Beispiel der Diffusionsklebung (Abschn. 14.1.5.2) nachzuweisen ist. 앫 Elektrochemisches Potenzial. Ein Zusammenhang zwischen dem elektrochemischen Potenzial einer Metalloberfläche und der Adhäsionsfestigkeit in Metallklebungen wurde von Bauer und Bischof [B196] gefunden. Danach ist eine Abhängigkeit des Schälwiderstandes von der Stellung der untersuchten Metalle (Al, Zn, Cr, Fe, Cu) in der elektrochemischen Spannungsreihe nachweisbar. Dieser Effekt tritt insbesondere bei –COOH funktionalisierten Klebstoffen (Acrylate) auf und wird mit „mikroelektrolytischen“ Vorgängen an der Oberfläche begründet. 앫 Elektrische (elektrochemische) Doppelschicht. Als elektrische Doppelschicht (EDS) wird eine etwa einige Atom- oder Molekülschichten dicke, durch Ladungsverschiebungen hervorgerufene elektrisch geladene Zone an der Grenzfläche zweier Phasen bezeichnet. Sie ist von der Anwesenheit von Ladungsträgern wie Ionen, Elektronen oder Dipole abhängig. Die physikalischen und thermodynamischen Grundlagen, bezogen auf die Ausbildung von Adhäsionskräften in Klebungen, sind ausführlich von Bischof und Possart [B25, S. 145ff] beschrieben worden. Die Ergebnisse haben bei Schälversuchen erkennbare Einflüsse der Schälgeschwindigkeit auf die Trennarbeit deutlich gemacht. Eine quantitative Aussage über den Anteil der EDS an der Gesamthaftfestigkeit ist nach dem gegenwärtigen Stand der Erkenntnisse noch nicht möglich. Zusammenfassend ist zu den heutigen Kentnissen über die spezifische Adhäsion festzustellen, dass die erwähnten Sachverhalte und Theorien alle bisher beobachteten Erscheinungen nicht allgemein erklären und konkrete Aussagen hinsichtlich der Adhäsionsfestigkeit geben können. Dieses liegt im Wesentlichen darin begründet, dass ihnen mehr oder weniger idealisierte Bedingungen zugrunde liegen. Man muss davon ausgehen, dass es sich bei diesen Vorgängen um eine Summe von chemischen, physikalischen und mechanischen Wirkungen handelt, die einander überlagern und sich gegenseitig beeinflussen. Sie lassen sich gegeneinander nicht abgrenzen und somit hinsichtlich ihrer spezifischen Wirkung definieren. Eine Metallklebung kommt durch den relativen Anteil der verschiedenen erwähnten Kräfte zustande. Die einzelnen Theorien stehen dabei nicht im Gegensatz zueinander, sondern ergänzen sich; sie leiden jedoch z.T. daran, dass sie nur für speziell herausgesuchte Faktoren eine Deutung zulassen und die Vorgänge in ihrer Gesamtheit nicht gleichzeitig zu beschreiben vermögen. Da die beschriebenen Wechselwirkungen und deren Kräfte in der molekularen Struktur der Grenzschicht sowohl chemischer als auch physikalischer Art sind, kann man sie nur in ihrer Summe als maßgebende Adhäsionskräfte betrachten. Dabei bedingt der heutige Kenntnisstand, dass sich der definitionsgemäß eingebürgerte Begriff des zweidimensionalen Systems Klebschicht-Substrat nicht mehr aufrechterhalten lässt, sondern dass von dreidimensionalen Strukturen im Mikrobereich mit deren festigkeits- und alterungsspezifischen Eigenschaften auszugehen ist [K80]. Voraussetzung für alle Theorien und somit für den Klebprozeß im speziellen ist die Forderung, dass die Moleküle der an der

332

6 Bindungskräfte in Klebungen

Klebung beteiligten Partner sich soweit nähern können, dass sie überhaupt in den Einflussbereich der verschiedenen Kräfte kommen. Weiterhin besteht die Notwendigkeit, dass eine Orientierung der Moleküle im Nahbereich erfolgen kann, hier gewinnt das Vorliegen einer flüssigen Phase während der Annäherung eine spezielle Bedeutung. Beide Forderungen belegen den großen Wert optimaler Benetzungsbedingungen. Der Aussage von Kestelman und Jevdokimov [K179] „dass es unter der Voraussetzung einer richtigen Klebtechnologie wesentlich einfacher ist, gute Haftfestigkeiten zu erzielen als sie zu vermeiden“ ist unter Beachtung der vorstehend beschriebenen Erkenntnisse in jeder Weise zuzustimmen. Für den Praktiker mögen diese Darstellungen unbefriedigend sein und dazu führen, dem Kleben als stoffschlüssigem Fügeverfahren nicht mit dem notwendigen Vertrauen zu begegnen. Hier ist aber grundsätzlich zu unterscheiden zwischen der einer jeden wissenschaftlichen Disziplin gestellten Aufgabe, weitere Zusammenhänge im Mikro- und Makrokosmos zu erforschen und dem Status quo der Praxis. Während die Grundlagenforschung bemüht ist, den vorhandenen Wissensstand zu vermehren, zeigen die vielfältigen Anwendungen des Klebens trotz der auf einigen Gebieten noch vorhandenen Wissenslücken, dass diese Technologie eine sehr hohe Verlässlichkeit aufweist. Wegen der Vielfalt der auf dem Gebiet der Adhäsion erschienenen Veröffentlichungen wurde in der nachfolgend zitierten Literaturzusammenstellung versucht, thematische Schwerpunkte zu bilden. Aufgrund der häufig anzutreffenden Überschneidungen der einzelnen Themenbereiche kann dieser Versuch jedoch nur unvollkommen sein. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 6.2.1: Zusammenfassende Darstellungen: [A49, A80, A144, B25, B26, B28, B29, B31, B35, B144, B299, B303, C96, G42, H291, H331, J16, K37, K104, K123, K178, K181, K271, L81, M22, M27, M80, M96, P2, S28, S30, S31, T6, T47, V19, V35, W15, W16, W83, Z5, Z10, Z27]. Oberflächenmorphologie: [B37, H29, H191, K271, Z37]. Weak Boundary Layer u. Adhäsionsversagen: [B150, B193, B194, S32, S268, W81]. Thermodynamische Grundlagen: [H28, L80, P97–P99, S29]. Diffusionstheorie: [V19, V20]. Polarisationstheorie: [B26]. Experimentelle Arbeiten: [A142, B27, B30, B32–B34, B36, B104, B108, B169, B175, B195, C58, D393, H27, H30, H112, H275, J59, J64, K294, K309, O33, P100, R80, S33, T35, W117, Z5, Z6] sowie Literaturangaben zu Abschnitt 5.1.3 und 6.4.

6.2.2 Formschlüssige Verbindung von Klebschicht und Fügeteil (Mechanische Adhäsion)

Diese Art adhäsiver Bindungen beruht auf dem Eindringen des flüssigen Klebstoffs in Poren, Kapillaren, Hinterschneidungen oder ähnlich geformten geometrischen Strukturen einer Oberfläche, in denen sich bei der Aushärtung die Klebschicht „verankert“. Sie wird auch als „mechanische“ Adhäsion bezeichnet (Bild 6.8):

6.3 Kohäsion

333

Bild 6.8. Formschlüssige Adhäsion

Bei einer Beanspruchung senkrecht oder parallel zur Klebfläche kann – ohne Berücksichtigung einer ggf. zusätzlich vorhandenen spezifischen Adhäsion – höchstens eine Last übertragen werden, die bei der gegebenen Klebfestigkeit durch den vorhandenen Formschluss in den verschiedenen Oberflächenstrukturen (Bild 5.5) der Fügeteiloberfläche bestimmt wird. Neben dieser makroskopischen Betrachtungsweise ist auf den in Abschn. 6.2.1 beschriebenen mikromechanischen Stoffschluss in den Strukturen der oxidischen Reaktionsschichten besonders hinzuweisen. Von einer mechanischen Adhäsion im weiteren Sinn kann auch bei den Diffusionsklebungen bei Kunststoffen gesprochen werden (Abschn. 14.1.5.2). Durch den Lösungs- bzw. Quellungsprozess im Bereich der Kunststoffoberflächen tritt eine gegenseitige Diffusion der Polymermoleküle mit der Folge einer Molekülverklammerung auf. Die Existenz der formschlüssigen Adhäsion ist bei Fügeteilen mit porösen Oberflächen unbestritten, bei glatten oder schwach aufgerauhten Oberflächen ist ihr wirkungsmäßiger Anteil an der Gesamtadhäsion jedoch relativ unbedeutend.

6.3 Kohäsion Unter der Kohäsion oder auch der „inneren Festigkeit“ versteht man das Wirken von Anziehungskräften zwischen Atomen bzw. Molekülen innerhalb eines Stoffes. Somit unterscheidet sich die Kohäsion von der Adhäsion, bei der Anziehungskräfte zwischen verschiedenen Stoffen wirksam werden. Die Art der Bindungskräfte, die für die Kohäsionsfestigkeit eines Stoffes verantwortlich sind, ist identisch mit den in Abschn. 6.1 beschriebenen Haupt- und Nebenvalenzbindungen (Primär- und Sekundärbindungen). Für die wichtigsten am Klebschichtaufbau beteiligten Bindungen betragen die Bindungsenergien [P48]: C–N C–C C–O C–H

292 kJ Mol–1 348 kJ Mol–1 352 kJ Mol–1 414 kJ Mol–1.

Weiterhin wird die Kohäsion bei den Kettenmolekülen der Thermoplaste durch eine mechanische Verklammerung bzw. Verknäuelung der linearen, ggf.

334

6 Bindungskräfte in Klebungen

mit Seitenketten versehenen Moleküle maßgebend beeinflusst. Die hohe Kohäsionsfestigkeit von Duromeren gegenüber Thermoplasten beruht auf der Ausbildung homöopolarer Bindungen an den Stellen, an denen die einzelnen Molekülketten miteinander vernetzt sind (Bild 1.4, linke Darstellung). Diese Bindungsart ist ebenfalls der Grund für die sehr verschiedenen Temperaturabhängigkeiten der mechanischen Parameter dieser Polymersysteme (Abschn. 4.4). Somit stellt die Kohäsion von Klebschichten oder Polymeren allgemein ein Zusammenwirken von homöopolaren und zwischenmolekularen Bindungskräften dar, die Kohäsionsenergie wird dabei durch die gegenseitigen Wechselwirkungen der Moleküle untereinander und durch ihren Aufbau bestimmt. Bei den zwischenmolekularen Bindungskräften spielen funktionelle Gruppen in den Polymeren, die zu einer Wasserstoffbrückenbindung führen (z.B. Polyamide, Bild 6.5), eine besondere Rolle. Wenn derartige Gruppen, wie z.B. im Polyethylen, in dem nur van-der-Waalssche Kräfte für die Kohäsionsfestigkeit verantwortlich sind, nicht vorhanden sind, sind sehr viel höhere Molekulargewichte erforderlich, um durch eine Vielzahl schwacher intermolekularer Wechselwirkungen ausreichende Festigkeiten zu erreichen (s. Bild 2.19). Die Kohäsionsfestigkeit ist eine werkstoff- und temperaturabhängige Größe, sie ist bei Metallen wesentlich größer als bei Flüssigkeiten. Quantitative Anhaltspunkte für die Kohäsionsfestigkeit erhält man über die Zugfestigkeit und das Dehnungsvermögen der Werkstoffe. Bei Klebschichten ist die Kohäsionsfestigkeit insbesondere für das Kriechen bzw. Fließen unter mechanischer Belastung eine charakteristische Eigenschaft. Der Grund für die mit zunehmender Temperatur abnehmende Kohäsionsfestigkeit liegt in dem durch die steigende Molekülbeweglichkeit geringer werdenden Molekülzusammenhalt. Umgekehrt entsteht die Kohäsionsfestigkeit einer Klebschicht bei dem Übergang des flüssigen Klebstoffs in das erstarrte Polymer. Sie hängt u.a. davon ab, in welchem Maße bei der Abkühlung der „Ordnungsgrad“ des makromolekularen Strukturgefüges, das sich aus den Grundbausteinen (Monomeren) zusammensetzt, hergestellt wird. Fehlstellen vermindern das Festigkeitsniveau durch die Ausbildung von Eigenspannungen und bilden Ausgangspunkte für Klebschichtbrüche bei Belastung. Sie können entstehen durch eine ungleichmäßige Vernetzung, die u.a. durch zu geringe oder zu hohe Härtungstemperaturen bedingt sein kann, weiterhin durch eingeschlossene Lösungsmittelreste, nicht an der Reaktion beteiligte Monomeranteile oder sehr unterschiedliche Kettenlängen. Auch die in den Abschnitten 4.9 und 6.2.1 beschriebene unterschiedliche Klebschichtmorphologie und das Vorhandensein der weak boundary layer sind in diesem Zusammenhang zu betrachten. Somit gewinnen die Abbinde- bzw. Härtungsbedingungen hinsichtlich Zeit und Temperatur eine besondere Bedeutung für die Klebschichteigenschaften. Ein weiterer die Kohäsionsfestigkeit bestimmender Faktor ist das Molekulargewicht des Polymers. Für Polymere ist charakteristisch, dass sie erst oberhalb einer bestimmten Molekülgröße über messbare Festigkeitseigenschaften verfügen. Dieser „kritische Polymerisationsgrad“ liegt bei den meisten Poly-

6.4 Benetzung von Oberflächen durch Klebstoffe

335

meren zwischen 500 und 1000. Sobald er überschritten wird, tritt eine starke Vergrößerung der Kohäsionsfestigkeit und somit der mechanischen Eigenschaften auf (Abschn. 2.4, Bild 2.19). Für teilkristalline Thermoplaste ergibt sich ergänzend in ihrem Kristallisationsgrad eine die Kohäsionsfestigkeit bestimmende Größe, durch die eine ggf. vorhandene Kriechneigung z.T. gemindert werden kann. Für die Festigkeit einer Klebung spielt das Verhältnis von Kohäsionsfestigkeit der Klebschicht zu der Adhäsionsfestigkeit der Grenzschicht eine besonders wichtige Rolle. Eine Klebschicht mit einer noch so großen Kohäsionsfestigkeit kann die Festigkeit einer Klebung nicht wirksam zur Entfaltung bringen, wenn sich keine Adhäsionskräfte an der Fügeteiloberfläche ausbilden. Umgekehrt gilt das gleiche. Ziel bei der Herstellung einer Klebung muss es daher sein, im Hinblick auf die Klebstoff-Formulierung, Oberflächenbehandlung und Klebstoffverarbeitung grundsätzlich eine möglichst große Ausgewogenheit nach Ausbildung von Adhäsions- und Kohäsionskräften der beteiligten Moleküle sicherzustellen. Nur aus dieser Doppelwirkung optimaler Adhäsion und Kohäsion setzen sich die Kräfte zusammen, die eine Klebung zu übertragen in der Lage ist. In den Fällen, in denen über die Oberflächenvorbehandlungsverfahren optimale Adhäsionskräfte gegeben sind, wird die Kohäsionsfestigkeit der Klebschicht das entscheidende Kriterium für die Festigkeit der Klebung sein. Die charakteristischen Brucharten Adhäsions-, Kohäsionsund gemischter Bruch zeigt Bild 7.7. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 6.3: [B38, D474, F47, G43, H31, M27, S34, W81, Z7].

6.4 Benetzung von Oberflächen durch Klebstoffe 6.4.1 Allgemeine Betrachtungen

Die Grenzschichtreaktionen, die für die Ausbildung der Bindungskräfte erforderlich sind, laufen in Abstandsbereichen ab, die Atom- bzw. Molekülabständen entsprechen und in denen Haupt- und Nebenvalenzkräfte überhaupt wirksam werden können. Sie liegen zwischen 0,1 und 1 nm. Die Ausbildung von Bindungskräften kann daher nur dann erfolgen, wenn die an einer Klebung beteiligten Atome und Moleküle von Fügeteilwerkstoff und Klebstoff in die Lage versetzt werden, sich in diesem Bereich einander zu nähern. Das setzt ein ausreichendes Benetzungsvermögen der Fügeteiloberfläche voraus. Maßgebend für eine optimale Benetzung ist der sich in der Grenzschicht ausbildende Energiezustand. Bei der Annäherung zweier an einer Klebung beteiligter Atome und/oder Moleküle beginnt ab einem bestimmten Abstand eine sich überlagernde Wechselwirkung zwischen den sich anziehenden und abstoßenden Dipolen. Die hierbei wirkenden Kräfte bedingen eine gegenseitige Orientierung in der Weise, dass das für beide Teilchen energetisch günstigste Niveau eingenommen wird. Dieser Zustand ist dann erreicht, wenn die Teilchen ihre

336

6 Bindungskräfte in Klebungen

niedrigste Stufe an potenzieller Energie besitzen, also keine Bewegung der Teilchen gegeneinander mehr vorhanden ist. Zwei Voraussetzungen sind hierfür erforderlich: 앫 Möglichkeit der Annäherung an den jeweils anderen Partner in den Abstandsbereich dieser Kräfte infolge eines ausreichenden Benetzungsvermögens der Fügeteiloberfläche. 앫 Vorhandene Beweglichkeit mindestens eines Partners, damit die Dipolorientierungen erfolgen können. Hierfür ist eine entsprechend niedrige Viskosität erforderlich, damit die Klebstoffmoleküle möglichst viele Freiheitsgrade in ihrer Bewegung besitzen (Bild 6.3). Somit ergibt sich, dass die Ausbildung der für die Grenzschichtfestigkeit erforderlichen Haftungskräfte von einer optimalen Benetzung abhängig ist. Zwischen dem Benetzungsvermögen der Oberfläche einerseits und der Höhe der Grenzschichtfestigkeit andererseits bestehen jedoch keine funktionsmäßigen Zusammenhänge. Das Benetzungsvermögen von Substanzen wird ergänzt durch ihr Verhalten in Kontakt mit Wasser. Unterschieden werden die Eigenschaften 앫 hydrophil („wasserliebend“), d.h. die Fähigkeit, Wasser an sich zu binden bzw. in Wasser einzudringen, in weiterem Sinne von Wasser gut benetzt zu werden (Hydrophilie). Typische funktionelle Gruppen für eine Hydrophilierung chemischer Verbindungen sind z.B. Carboxyl-, Keto-, Sulfat- oder Sulfonat-Funktionen sowie auch Polyetherketten. Verfahren zur Hydrophilierung von Oberflächen, speziell Kunststoffoberflächen, sind die Coronaund Plasmabehandlung sowie auch das Beflammen; 앫 hydrophob („wasserabstoßend“), als Gegenteil von hydrophil. Ein typisches Beispiel eines hydrophoben Stoffes ist das Polytetrafluorethylen (Teflon), aber auch Polyethylen und Polypropylen; 앫 amphiphil, chemische Verbindungen, die sowohl hydrophile als auch hydrophobe Eigenschaften besitzen. Typische amphiphile Substanzen sind beispielsweise Tenside, die einen wesentlichen Bestandteil von Wasch- und Reinigungsmitteln darstellen. Die vorstehend dargestellten Eigenschaften sind in hohem Maße für Füllstoffe und Polymere, beispielsweise bei der Herstellung von Dispersionen, wichtig. 6.4.2 Thermodynamische Grundlagen

In die thermodynamische Betrachtung des Benetzungsvorgangs gehen die in Bild 6.9 aufgeführten Größen ein. 6.4.2.1 Benetzungswinkel

Bringt man einen Tropfen einer Flüssigkeit, im vorliegenden Fall eines flüssigen Klebstoffs, auf eine feste Oberfläche, so kann er je nach den vorliegenden

6.4 Benetzung von Oberflächen durch Klebstoffe

337

Bild 6.9. Oberflächen- und Grenzflächenspannung bei Benetzungsvorgängen

Benetzungsverhältnissen verschiedene Formen annehmen. Der Winkel, den die an die Flüssigkeitsoberfläche geneigte Tangente mit der Fügeteiloberfläche bildet, wird als Benetzungswinkel α (Kontaktwinkel, Randwinkel) bezeichnet. In Punkt A halten sich die verschiedenen Oberflächen- bzw. Grenzflächenspannungen in vektorieller Weise zwischen den drei Phasen – Klebstoff/Fügeteil KF, – Klebstoff/Gasatmosphäre KG, – Fügeteil/Gasatmosphäre FG das Gleichgewicht. Für eine Benetzung oder Nichtbenetzung sind die energetischen Verhältnisse des Gesamtsystems, die sich in den nachfolgend beschriebenen Größen darstellen, ausschlaggebend. 6.4.2.2 Oberflächenspannung

Unter der Oberflächenspannung versteht man die an einer flüssigen oder festen Oberfläche wirkende Spannung, die bestrebt ist, die Oberfläche zu verkleinern, um die energetisch günstigste Form der Oberfläche in Bezug auf ein gegebenes Volumen (Kugel) einzunehmen. Sie tritt am auffälligsten an der Oberfläche von Flüssigkeiten auf, da diese, im Gegensatz zu festen Körpern, bei denen keine reversibel elastische Verformung der Grenzfläche möglich ist, der Wirkung der Oberflächenspannung nachzugeben vermögen. Die Oberflächenspannung beruht darauf, dass die an einer Oberfläche befindlichen Atome oder Moleküle nur auf ihrer in das entsprechende Medium wirkenden Seite gleichartige Nachbarn haben und daher auch nur von dieser Seite her gleichartigen Anziehungskräften unterliegen. Im Fall der im Inneren des Mediums befindlichen Atome oder Moleküle sind die Kraftwirkungen somit allseitig gleich. Als Resultierende aller zwischen den Teilchen vorhandenen Kräfte wirkt auf die an der Oberfläche liegenden Teilchen stets eine in das

338

6 Bindungskräfte in Klebungen

Bild 6.10. Entstehung der Oberflächenspannung

Innere des Mediums gerichtete Kraft F, was bedeutet, dass die Moleküle der Oberfläche eine höhere potenzielle Energie als die im Inneren des Körpers liegenden haben. Diese nach innen gerichtete Kraft hat das Bestreben, die Oberfläche so klein wie möglich zu gestalten (Bild 6.10). Somit bildet sich eine Oberflächenspannung aus, die aus den senkrecht zur Oberfläche in das Innere gerichteten Kräften resultiert. Der Wirkungsbereich dieser Kräfte beschränkt sich auf eine Entfernung entsprechend einer Kugel vom Radius r ≈ 10–6 cm um das Molekül herum. Von Einfluss ist dabei auch die an die Flüssigkeits- und Festkörperoberfläche angrenzende gasförmige Phase (in Bild 6.9 mit G bezeichnet), deren Zusammensetzung von dem mehr oder weniger hohen Dampfdruck der Flüssigkeit (Lösungsmittel- oder Monomeranteile aus dem Klebstoff) und/oder den Luftmolekülen abhängig ist und deren Moleküle die in das Innere der Flüssigkeit gerichtete Kraft entsprechend schwächen. Aus diesem Grunde ist es stets erforderlich, bei Angaben der Oberflächenspannung eines Stoffs das umgebende Medium mit zu benennen (z.B. Wasser/Luft = 72,8 mNm–1). Der Begriff „Oberflächenspannung“ hat sich in das technisch-wissenschaftliche Schrifttum eingebürgert, obwohl die verwendete Dimension „Kraft pro Länge“ nicht der eigentlichen Dimension der Spannung „Kraft pro Fläche“ entspricht. Diese mechanische Betrachtungsweise geht in der Definition somit von einer Kraft aus, die notwendig ist, um eine Flüssigkeitsoberfläche auf einer Breite von 1 cm auseinanderzuziehen. Sie bezieht sich dabei auf die Vorstellung, dass auf der Oberfläche von Flüssigkeiten durch ihre Tendenz zur Oberflächenverkleinerung scheinbar eine „gespannte“ Haut vorhanden ist. Die im folgenden Abschnitt beschriebene energetische Betrachtungsweise ist in ihrer Definition bei gleicher Einheit (1 mNm–1 = 1 mJm–2, Milli-Newton pro Meter bzw. Milli-Joule pro Quadratmeter) verständlicher. Definiert wird die Energie, die der Flüssigkeit zugeführt werden muss, um 1 cm2 Oberfläche neu zu bilden. Der Wert der Oberflächenspannung wird bestimmt durch die chemischen und physikalischen Eigenschaften der Flüssigkeit und die Art des diese umgebenden Mediums.

6.4 Benetzung von Oberflächen durch Klebstoffe

339

6.4.2.3 Oberflächenenergie

Aufgrund der Tatsache, dass die an der Oberfläche einer Flüssigkeit befindlichen Moleküle eine höhere potenzielle Energie als die im Innern der Flüssigkeit befindlichen Moleküle besitzen, ist für eine Oberflächenvergrößerung stets eine bestimmte Energie, die Oberflächenenergie, erforderlich. Dieses ist dadurch zu begründen, dass Moleküle aus dem inneren niedrigeren auf das äußere höhere Energieniveau der Oberfläche gebracht werden müssen. Diese Energie ist gegen die der Flüssigkeit eigene Kohäsionskraft gerichtet, daher haben flüssige (und ggf. auch feste) Körper das Bestreben, möglichst kleine Oberflächen auszubilden. Die mechanische Arbeit, die aufgewendet werden muss, um eine Oberfläche um 1 cm2 zu vergrößern, ist gleich der spezifischen freien Oberflächenenergie (auch Kapillarkonstante genannt) mit der Einheit mJm–2. Die in (6.3) und (6.6) wiedergegebenen Bezeichnungen σ KG und σ FG stellen somit Energiegrößen dar, die für die Oberflächenvergrößerung, d.h. für die Benetzung durch den flüssigen Klebstoff, erforderlich sind. Während sich die Oberflächenspannung des flüssigen Klebstoffs σ KG in einer Neigung zur Tropfenbildung deutlich bemerkbar macht, ist die sehr viel größere Oberflächenspannung des festen Fügeteils σ FG infolge der vorhandenen Starrheit nicht zu beobachten. 6.4.2.4 Kritische Oberflächenspannung

Die Rauheit einer Oberfläche vermag ihr Benetzungsvermögen zu beeinflussen. Aus diesem Grunde hat Zismann [Z8] den Begriff der kritischen Oberflächenspannung eingeführt. Sie gilt als Grenzwert für die durch die Flüssigkeit gegebene Benetzungsfähigkeit einer Oberfläche. Wenn die Oberflächenspannung der Flüssigkeit σ fllunter Berücksichtigung der Geometrie der Oberfläche niedriger als die kritische Oberflächenspannung σ krit ist, ist eine optimale Benetzung möglich. Ist σ flljedoch größer als σ krit , kommt es zur Ausbildung eines mehr oder weniger großen Randwinkels mit entsprechend schlechter Benetzung. Die kritische Oberflächenspannung ist keine Materialkonstante im eigentlichen Sinne, sondern eine Kenngröße für das System Klebstoff und Fügeteil in dem gerade vorliegenden Oberflächenzustand. Demnach geht aus der Kenntnis der reinen Oberflächenspannung als klebstoffspezifischer Größe nicht hervor, ob der Klebstoff in der Lage ist, die Fügeteiloberfläche vollständig zu benetzen. Für eine derartige Aussage ist die Kenntnis der kritischen Oberflächenspannung erforderlich. Besonders wichtig ist dieser Zusammenhang beim Kleben von Kunststoffen (Abschn. 14.1), die im Sinne der Grenzflächenterminologie als niedrigenergetisch gelten und bei denen die Benetzung allgemein problematisch ist. Die kritische Oberflächenspannung ist experimentell bestimmbar [Z9].

340

6 Bindungskräfte in Klebungen

6.4.2.5 Grenzflächenspannung

Die an einer Grenzfläche fest/gasförmig bzw. flüssig/gasförmig auftretende Spannung wird als Oberflächenspannung bezeichnet. Bei der an einer Grenzfläche fest/flüssig vorhandenen Spannung spricht man dagegen von Grenzflächenspannung (γ KF ). Auch diese hat, wie die Oberflächenspannung, das Bestreben, die Grenzfläche zu verkleinern. Die Einheit ist ebenfalls mJm–2 bzw. mNm–1. Analog wird die mechanische Arbeit, die für eine Vergrößerung der Grenzfläche um 1 cm2 aufgewendet werden muss, als die spezifische freie Grenzflächenenergie bezeichnet. 6.4.2.6 Adhäsionsarbeit

Die Adhäsionsarbeit (WA ) ist definiert als die Arbeit, die aufgewendet werden muss, um zwei Phasen mit einer Berührungsfläche von 1 cm2 voneinander zu trennen. Hierbei entstehen zwei Oberflächen, die im Fall eines Klebstofftropfens K und der Fügeteiloberfläche F beide mit der umgebenden Atmosphäre G in Kontakt sind. Da die jeweiligen Energien der Grenzflächenspannung γ KF zwischen dem noch nicht getrennten System Klebstofftropfen/Fügeteiloberfläche und den beiden Oberflächenspannungen nach der Trennung σ KG (Klebstofftropfen/Gasatmosphäre) sowie σ FG (Fügeteil/Gasatmosphäre) nicht gleich sind, tritt in der Energiebilanz entweder ein positiver Wert (Energieüberschuss) oder ein negativer Wert (Energieaufwand) auf. Dieser Zusammenhang wird durch die Dupré-Gleichung wiedergegeben: WA = σ KG + σ FG – γ KF (Dupré-Gleichung).

(6.3)

Diese Gleichung lässt sich in der folgenden Weise interpretieren: Wenn ein flüssiger Klebstofftropfen mit einer festen Fügeteiloberfläche in Kontakt gebracht wird, tritt ein Energiegewinn dadurch ein, dass die der Kontaktfläche entsprechende Klebstofftropfenoberfläche und die der Kontaktfläche entsprechende Fügeteiloberfläche verschwinden. Ein Energieaufwand resultiert ergänzend dadurch, dass eine neue Grenzfläche zwischen Klebstofftropfen und Fügeteiloberfläche erzeugt werden muss. Somit ergibt sich bei einer Benetzung an – gewonnener Energie

σ KG + σ FG sowie an

– aufgewandter Energie γ KF – Adhäsionsarbeit

und als

WA = σ KG + σ FG – γ KF .

(6.3)

Die Adhäsionsarbeit stellt demnach die Arbeit dar, die sich aus der Differenz der Summe der Oberflächenenergien der Partner vor der Benetzung und der bei der Benetzung aufzuwendenden Grenzflächenenergie ergibt. Sie wird bei der Benetzung frei und muss bei einer Trennung in gleicher Weise aufgebracht werden.

6.4 Benetzung von Oberflächen durch Klebstoffe

341

6.4.2.7 Kohäsionsarbeit

Bestehen die in Kontakt gebrachten Körper aus dem gleichen Stoff (z.B. zwei gleiche Mengen einer Flüssigkeit), entsteht keine neue Grenzfläche. Die dabei gewonnene Energie wird als Kohäsionsarbeit WK bezeichnet. Umgekehrt muss eine Kohäsionsarbeit aufgewandt werden, um ein einphasiges System zu trennen, beispielsweise für die Trennung einer Flüssigkeitssäule mit einem Querschnitt von 1 cm2 zur Gewinnung einer neuen Oberfläche von 2 cm2. Gleichung (6.3) wird dann im Fall von – Flüssigkeiten WK = 2 σ KG und

(6.4)

– Festkörpern WK = 2 σ FG .

(6.5)

Die Kohäsionsarbeit eines Klebstoffs ist demnach gleich seiner doppelten Oberflächenenergie. 6.4.2.8 Benetzungsgleichgewicht

Aus Bild 6.9 lässt sich ableiten: – An der Phasengrenze F/G wirkt die Kraft σ FG , die den Klebstofftropfen über die Fügeteiloberfläche auszubreiten versucht. – An der Phasengrenze K/F wirkt die Kraft γ KF , die bestrebt ist, dem Klebstofftropfen die geringstmögliche Oberfläche zu geben. – Die Kraft σ KG , die an der Phasengrenze K/G wirkt, verläuft tangential zur Oberfläche. Im Punkt A herrscht Gleichgewicht, wenn σ FG = γ KF + σ KG cos α (Young-Gleichung)

oder cos α =

σ FG – γ KF σ KG

ist, denn für α = 90° (Gleichgewicht) ergibt sich cos α = 0 und somit σ FG = γ KF .

(6.6) (6.7)

(6.8)

In der umgestellten Young-Gleichung σ FG – γ KF = σ KG cos α

(6.9)

bezeichnet man die Differenz σ FG – γ KF = γ H als Haftspannung. Diese Haftspannung nimmt mit kleinerem Benetzungswinkel α zu, sie stellt die freie Energie dar, die gewonnen wird, wenn 1 cm2 einer Festkörperoberfläche benetzt wird, ohne dass die Größe der Flüssigkeitsoberfläche dabei geändert wird. Experimentell ist das z.B. dann möglich, wenn eine zylindrische, in eine Flüssigkeit eintauchende Kapillare etwas tiefer in die Flüssigkeit gesenkt wird.

342

6 Bindungskräfte in Klebungen

Der Benetzungswinkel α ist demnach ein Maß für die Benetzbarkeit von Fügeteiloberflächen durch den flüssigen Klebstoff. Die Diskussion der Gleichung (6.6) ergibt die folgenden Zusammenhänge: 앫 Ist die Oberflächenenergie der Fügeteiloberfläche an der Phasengrenze zur Atmosphäre σ FG größer als die der Grenzflächenenergie Klebstofftropfen zur Fügeteiloberfläche γ KF , ergibt sich σ FG > γ KF → cos α > 0 → α < 90°

und somit eine Benetzung der Fügeteiloberfläche durch den Klebstofftropfen. 앫 Ist die Grenzflächenenergie an der Phasengrenze Fügeteiloberfläche/Klebstofftropfen γ KF größer als die Oberflächenenergie Fügeteiloberfläche/ Atmosphäre σ FG , tritt keine Benetzung ein, denn es ergibt sich σ FG < γ KF → cos α < 0 → α > 90°.

앫 Im Idealfall von cos α = 1 wird α = 0°, es herrscht eine vollkommene Benetzung der Fügeteiloberfläche, die auch als Spreitung (spontane Ausbreitung einer Flüssigkeit auf einer verfügbaren Oberfläche ohne äußere Beeinflussung, z.B. Druck, Walzen etc.) bezeichnet wird. 앫 Eine völlige Unbenetzbarkeit (Entnetzung) herrscht bei α = 180° → cos α = – 1. In diesem Fall fehlt die Adhäsion; es ist allerdings festzuhalten, dass ein Winkel von 180° in praxi nicht möglich ist, da immer eine geringe Adhäsion wirkt. Optimale bis ausreichende Benetzungsverhältnisse liegen vor, wenn der Benetzungswinkel α Werte < 30° annimmt. Dieses lässt sich durch geeignete Oberflächenbehandlungen der Fügeteile (insbesondere sorgfältiges Entfetten) und entsprechende Viskositätseinstellungen der Klebstoffe grundsätzlich erreichen. Für die Benetzung der Fügeteiloberflächen ergeben sich zusammenfassend also die Bedingungen aus dem Gleichgewicht der Oberflächen- bzw. Grenzflächenspannungen der beteiligten Partner (Bild 6.11).

Bild 6.11. Zusammenhang zwischen Benetzungswinkel und Benetzungsverhalten von Kleb-

stoffen

6.4 Benetzung von Oberflächen durch Klebstoffe Tabelle 6.1. Oberflächenenergien ausgewählter Werkstoffe

343

Werkstoff

Oberflächenenergie σ mJm–2

Polytetrafluorethylen Silicone Naturkautschuk Polypropylen Polyethylen Polymethylmethacrylat Polystyrol Polycarbonat Acrylnitril-Butadien-Styrol Polyvinylchlorid Polyethylenterephthalat Polyamid 6.6 Epoxidharz Polyamid Polyimid Wasser Aluminium Blei Chrom Eisen Gold Kupfer Nickel Quecksilber Silber Titan Zink Zinn Gläser

18,5 24 24 29 31 33 … 44 33 … 35 34 … 37 35 … 42 40 43 46 47 49 … 57 49 … 51 72,8 1200 610 2400 2550 1550 1850 2450 610 1250 2050 1020 710 300 … 500

Ein wesentlicher Zusammenhang, der sich aus (6.6) ergibt, ist das Verhältnis der Oberflächenenergie des Fügeteils zu der des Klebstoffs. Die Forderung nach einem möglichst geringen Benetzungswinkel α (und somit hohen Wert von cos α) ist dann erfüllt, wenn σ KG gegenüber σ FG (da für ein gegebenes System γ KF als konstant angesehen werden kann) klein ist bzw. die Oberflächenenergie des Fügeteils gegenüber der des Klebstoffs sehr groß ist. Dann resultiert ein großer Energiegewinn, der durch einen kleinen Benetzungswinkel angezeigt wird. Diese Voraussetzung ist bei Metallklebungen im Allgemeinen gegeben. Kritisch wird diese Forderung bei Kunststoffklebungen, da Kunststoffe Oberflächenenergien in ähnlicher Größenordnung wie die Klebstoffe aufweisen (Abschn. 14.1.1). In Tabelle 6.1 sind die Oberflächenenergien einiger wichtiger Polymere und Metalle, letztere aus [H76], enthalten. Die in Tabelle 6.1 für die metallischen Werkstoffe wiedergegebenen Werte der Oberflächenenergie sind charakteristisch für hochreine Oberflächen, wie sie z.B. beim Bruch im Hochvakuum entstehen. In der Praxis ist grundsätzlich davon auszugehen, dass durch adsorbierte Feuchtigkeit und/oder durch

344

6 Bindungskräfte in Klebungen

Reaktionsschichten geringere Werte vorliegen. Insoweit sind die erwähnten Oberflächenenergien für die klebtechnische Praxis nur von theoretischem Interesse. Da die Art der Oberflächenschichten und somit ihr Einfluss auf die Grenzflächen- und Oberflächenenergien nicht bekannt ist, ergibt sich statt theoretischer Berechnungen nur die Möglichkeit einer experimentellen Bestimmung des Benetzungsverhaltens (s. Literatur im Anschluss an Abschn. 6.4.4). 6.4.2.9 Benetzung als Folge unpolarer und polarer Kraftwirkungen

Die Benetzung von Oberflächen mittels der thermodynamischen Betrachtungsweise der Oberflächenspannung von benetzender Flüssigkeit und zu benetzendem Substrat bedarf bei Polymer-Polymer-Systemen ergänzend der Berücksichtigung der molekularen Gegebenheiten der Grenzfläche. Da die Grenzflächen- und Oberflächenenergien in ihren Grundlagen auf Kräften zwischen Atomen oder Molekülen beruhen, ist ein Unterschied im Hinblick auf die Ursachen dieser Kräfte hinsichtlich ggf. vorhandener Polaritäten zu machen. Eine Unterscheidung in unpolare und polare Kraftwirkungen ist insbesondere dann erforderlich, wenn polymere Werkstoffe miteinander in Kontakt gebracht werden. Das Kleben der Kunststoffe (Abschn. 14.1) mit den auf ähnlicher Basis aufgebauten Klebstoffen ist hierfür ein charakteristisches Beispiel. Zu den unpolaren Kräften gehören die Dispersionskräfte, zu den polaren Kräften sind die zwischen dipolartigen Molekülgruppen bestehenden Wirkungen sowie auch die Wasserstoffbrückenbindungen zu zählen. Die in (6.6) als Grenzflächenenergie definierte Größe γ KF lässt sich demnach in einen unp polaren dispersiven Anteil γ dKF und einen polaren Anteil γ KF aufteilen: p

γ KF = γ dKF + γ KF .

Im Fall des Kontaktes eines unpolaren Kunststoffs (z.B. Polyethylen, Polytetrafluorethylen) mit einem unpolaren Medium (z.B. gesättigter, unsubstituierter aliphatischer Kohlenwasserstoff) ergäbe die gemessene Grenzflächenp energie γ KF den unpolaren, dispersiven Anteil γ dKF , der polare Anteil γ KF wäre Null. Treten mehr oder weniger polare Systeme in Kontakt, ergibt sich eine entsprechende Aufteilung auf beide Parameter. Durch eine gezielte Auswahl der Fügeteile und Benetzungsflüssigkeiten lässt sich somit über den experimentell zu bestimmenden Benetzungwinkel α der unpolare und der polare Benetzungsanteil einer Oberfläche ermitteln. Durch die auf diese Weise gemessenen Werte kann die Wirksamkeit einer Oberflächenbehandlungsmethode im Hinblick auf die für die Ausbildung zwischenmolekularer Kräfte entscheidenden polaren Grenzflächenanteile eindeutiger charakterisiert werden. In Tabelle 6.2 sind für einige Kunststoffe die unpolaren und polaren Anteile der Grenzflächenenergie wiedergegeben (nach [Z23]). Gegebenenfalls vorhandene Unterschiede der γ KF -Werte zu den Oberflächenenergien in Tabelle 6.1 sind auf die jeweils eingesetzte Bestimmungsmethode zurückzuführen.

6.4 Benetzung von Oberflächen durch Klebstoffe

345

Tabelle 6.2. Unpolare und polare Anteile von Grenzflächenenergien verschiedener Polymere

(nach [Z23]) p

d γ KF

γ KF

γ KF

Polyethylenterephthalat Polyethylen Polystyrol Polyvinylacetat Polymethylmethacrylat Polyamid 6,6 Polychloropren Polytetrafluorethylen

43,0 36,0 33,9 24,9 29,8 33,7 38,8 19,6

1,0 0,0 6,9 11,6 11,6 6,8 4,7 0,4

44,0 36,0 40,8 36,5 41,4 40,5 43,5 20,0

Wasser

51,0

21,8

72,8

Werkstoff

mJm–2

mJm–2

mJm–2

6.4.3 Zusammenhang zwischen Benetzung und Adhäsionsarbeit

Da die Oberflächenspannungen gemäß Definition Energiegrößen sind, lässt sich nach der Gleichung von Dupré eine Adhäsionsarbeit berechnen, die im Fall der Benetzung einer Fügeteiloberfläche durch einen Klebstoff frei wird. Diese Adhäsionsarbeit wird dann frei, wenn die Grenzflächenenergie γ KG geringer als die Summe der Oberflächenenergien σ KG und σ FG ist. Nur dann wird in der Dupré-Gleichung WA positiv. Durch eine Zusammenfassung der Gl. (6.3) und (6.6) lässt sich der Zusammenhang zwischen Benetzung und Adhäsionsarbeit beschreiben: WA = σ KG (1 + cos α) (Young-Dupré-Gleichung).

(6.10)

Da jedes System den jeweils energieärmsten Zustand anstrebt, wird eine Benetzung um so spontaner erfolgen, je größer die bei der Benetzung freiwerdende Adhäsionsarbeit ist. Diese ist, wie erwähnt, dann sehr groß, wenn die Oberflächenenergie der Fügeteiloberfläche σ FG gegenüber der des Klebstoffs σ KG groß und der Energieverbrauch zur Bildung der neuen Grenzfläche klein ist. Die Adhäsionsarbeit zwischen der Fügeteiloberfläche und dem flüssigen Klebstoff lässt sich demnach aus dem experimentell bestimmbaren Benetzungswinkel und der Oberflächenspannung des Klebstoffs berechnen. Diskussion der Young-Dupré-Gleichung: 앫 Der größte Wert für die Adhäsionsarbeit, d.h. der größte Energiegewinn, resultiert bei einem Benetzungswinkel α = 0, also bei vollkommener Benetzung (cos α = 1): WA = 2 σ KG .

(6.11)

Der Klebstoff breitet sich wie ein Film über der gesamten Oberfläche aus (Spreitung).

346

6 Bindungskräfte in Klebungen

앫 Bei einem Benetzungswinkel α = 90° (cos α = 0) ergibt sich WA = σ KG .

(6.12)

Es besteht also ein Gleichgewicht zwischen der Adhäsionsarbeit und der Oberflächenspannung des Klebstoffs, es findet nur eine unzureichende Benetzung statt. 앫 Bei einem Benetzungswinkel α = 180° (cos α = – 1), also Kugelform, wird die Adhäsionsarbeit WA = 0, es besteht (theoretisch) nur ein punktförmiger Kontakt zwischen Klebstoff und Fügeteiloberfläche (Beispiel Quecksilbertropfen). 앫 Die Kohäsionsarbeit war als (6.4) WK = 2 σ KG definiert worden. Da für α = 0° (Spreitung) auch WA = 2 σ KG

(6.11)

ist, ergibt sich WA = 2 σ KG = WK ;

(6.13)

bei vollständiger Benetzung bzw. Spreitung ist demnach die Kohäsionsarbeit gleich der Adhäsionsarbeit. 앫 Als Spreitungsdruck wird die Differenz zwischen σ FG und der Summe von γ KF + σ KG bezeichnet: Pspr = σ FG – (γ KF + σ KG ).

(6.14)

Addition von (σ KG – σ KG ) ergibt (6.15)





Pspr = σ FG + σ KG – γ KF – σ KG – σ KG WA (6.3) Pspr = WA – WK ,

WK (6.4) (6.16)

d.h. der Spreitungsdruck ist gleich der Differenz zwischen Adhäsionsarbeit und Kohäsionsarbeit. Eine Spreitung tritt demnach immer dann auf, wenn die Adhäsionsarbeit größer ist als die Kohäsionsarbeit. Bemerkung: Dem Begriff Spreitungsdruck liegt kein Druck im Sinne der Dimension Kraft pro Fläche zugrunde. Er hat sich in dieser Formulierung eingebürgert, obwohl die Spreitung die Dimension einer Arbeit besitzt. 앫 Für den Fall α ≠ 90° wird der Randwinkel unter Zugrundelegung der Gl. (6.10) und (6.4) bestimmt durch das Verhältnis der Adhäsionsarbeit WA zwischen Klebstoff und Fügeteiloberfläche zur Kohäsionsarbeit WK des Klebstoffs:

6.4 Benetzung von Oberflächen durch Klebstoffe

WA σ KG (1 + cos α) 1 + cos α = = WK 2 σ KG 2 cos α =

2WA – 1. WK

347

(6.17) (6.18)

Für die Praxis des Klebens bedeutet dieser Zusammenhang in Bezug auf das Verhältnis flüssiger Klebstoff zu Fügeteiloberflächen, 앫 dass die Adhäsionsarbeit gleich oder größer als die Kohäsionsarbeit des flüssigen Klebstoffs sein soll WA ⭌ 2 σ KG = WK ,

(6.19)

앫 dass der Klebstoff vor dem Auftragen auf die Fügeteiloberfläche in einen Zustand gebracht werden muss, in dem die zwischenmolekularen Anziehungskräfte zwischen den Klebstoffmolekülen und der Fügeteiloberfläche größer oder mindestens gleich groß sind wie die zwischenmolekularen Anziehungskräfte innerhalb des Klebstoffs. Aus dieser Forderung ergibt sich die große Bedeutung des rheologischen Verhaltens eines Klebstoffs bei der Verarbeitung. Wie Bild 6.12 darstellt, wird diese Forderung durch die Rauheitsverhältnisse der Oberfläche noch zusätzlich unterstützt. Als bemerkenswerte Erkenntnisse zu den Grundlagen der Benetzung sind zusammenfassend folgende Punkte festzuhalten: 앫 Der wichtigste, das Benetzungsverhalten Fügeteil/Klebstoff beschreibende Zusammenhang ist durch die Dupré-Gleichung gegeben. Sie erlaubt die Berechnung der Größe der Adhäsionsarbeit als der Energie, die bei der Entstehung der Grenzfläche gegenüber der unbenetzten Fügeteiloberfläche frei wird. 앫 Der Benetzungswinkel α stellt kein Maß für die Höhe der an der Grenzschicht vorhandenen Bindungskräfte dar, da er mit der sich in ihm ausdrückenden Energiebilanz lediglich die Benetzungsverhältnisse, nicht aber

Bild 6.12. Benetzungsverhalten hoch- und niedrigviskoser Klebstoffe

348









6 Bindungskräfte in Klebungen

die sich anschließend ausbildenden Haupt- und Nebenvalenzkräfte zu beschreiben vermag. Bisher ist es nicht gelungen, die Festigkeit der Grenzschichtbindung einer Klebung aus den grenzflächenenergetischen Größen zu berechnen; die in diesem Zusammenhang bekannten Festigkeitswerte beruhen auf empirisch gefundenen Daten. Die von Sharpe und Schonhorn [S29] aufgestellte Hypothese, nach der die Grenzschichtbindungskräfte umso größer sein müssten, je größer die Oberflächenenergie des Festkörpers gegenüber der des Klebstoffs ist, ist nicht allgemein haltbar. Das ergibt sich z.B. aus der Tatsache, dass Polyethylen mit seiner gegenüber Metallen niedrigen Oberflächenenergie diese zwar benetzt, die Haftung aber außerordentlich gering ist. Trotz guter Benetzungseigenschaften fehlen dem Polyethylen als unpolarem Stoff die für die Ausbildung der Bindungskräfte erforderlichen Dipol-Molekülgruppen. Neben dem Benetzungsvermögen muss in dem System Fügeteil/Klebstoff demnach auch die grundsätzliche Möglichkeit der Ausbildung zwischenmolekularer Kräfte gegeben sein. Die Oberflächenenergie reinster metallischer Oberflächen σ FG wird durch Sorptionsvorgänge (Abschn. 6.1.5) sehr schnell erniedrigt. Das wirkt sich in der Young-Gleichung im Sinne eines größeren Benetzungswinkels α, also schlechterer Benetzung der Oberfläche, aus. Die festen Stoffe lassen sich in solche mit hoher und niedriger Oberflächenenergie einteilen. Als kritische Grenze für eine durch Klebstoffe mögliche Benetzung kann ein Wert von ca. 100 mJm–2 angenommen werden. Unter diesem Wert liegen praktisch alle Kunststoffe, darüber die Metalle. Außer durch die beschriebenen thermodynamischen Zusammenhänge wird die Benetzung noch durch weitere Faktoren, z.B. Temperatur, geometrische Struktur der Oberflächen, ggf. im Klebstoff vorhandene Füllstoffe und Benetzungshilfsmittel, bestimmt.

6.4.4 Experimentelle Bestimmung des Benetzungsverhaltens von Oberflächen

Üblicherweise bestimmt man die Oberflächenspannung von Festkörpern mit Hilfe von Flüssigkeiten, deren Oberflächenspannung bekannt ist. Diese Flüssigkeiten werden tropfenförmig auf die zu messende waagerechte, ebene und möglichst homogene Oberfläche aufgetragen und die resultierende Tropfenform in einer Projektion vermessen. Ergebniskriterien sind dann entweder der sich einstellende Randwinkel α oder die Höhe und Breite des Tropfens. Das Benetzungsvermögen einer Fügeteiloberfläche durch einen Klebstoff kann in einfacher Weise durch das Verhalten eines Wassertropfens geprüft werden. Wenn ein Wassertropfen sich auf der vorbehandelten Oberfläche sofort gleichmäßig verteilt, liegt ein gutes Benetzungsvermögen auch durch einen Klebstoff vor, da die Oberflächenspannung des Wassers größer als die der flüssigen Klebstoffe ist. Dieses Verfahren ist für die Ermittlung des Entfettungsgrades metallischer Oberflächen mit hinreichender Genauigkeit geeignet, es findet seine Grenzen jedoch dort, wo es gilt, das Benetzungsverhalten

6.4 Benetzung von Oberflächen durch Klebstoffe

349

von niedrigenergetischen Oberflächen zu bestimmen, wie sie für Kunststoffe charakteristisch sind. In diesem Fall erfolgt die Benetzungsprüfung mit Lösungsmittelgemischen unterschiedlicher Oberflächenspannungen wie in Abschnitt 6.4.4.1 beschrieben. 6.4.4.1 Randwinkelmessung

Unterschieden werden Messungen des statischen und des dynamischen Randwinkels. 앫 Messung des statischen Randwinkels am liegenden Tropfen (sessile drop-Methode). Der Flüssigkeitstropfen wird auf der Oberfläche abgesetzt, die Kanüle der Spritze verbleibt jedoch nicht in dem Tropfen (sessile = stiellos). Der statische Randwinkel ist zeitabhängig und ändert sich je nach eingesetzter Flüssigkeit durch Flüssigkeitsaufnahme des Feststoffs oder durch Lösungseffekte und damit auftretende Konzentrationsänderungen im Tropfen. Diese Veränderungen des Randwinkels können innerhalb von Sekunden auftreten, und somit muss unmittelbar nach dem Absetzen des Tropfens gemessen werden. Durch die geschilderten Effekte bedingt, erfordert die Messung statischer Randwinkel Geschick und Kenntnis der Wechselwirkungen zwischen Festkörper und Flüssigkeit. 앫 Messung des dynamischen Randwinkels. Die Ermittlung des dynamischen Randwinkels ist für die Beurteilung der grenzflächenenergetischen Vorgänge während der Be- oder Entnetzung von Festkörpern gut geeignet. Bei diesem Verfahren erfolgt eine Bewegung des Flüssigkeitstropfens durch Veränderung des Tropfenvolumens, die Kanüle verbleibt während der Messung im Tropfen. Man unterscheidet die Messung des Fortschreitwinkels (advancing angle) und des Rückzugswinkels (receding angle): – Fortschreitwinkel: Bei der Messung wird ein kleiner Tropfen auf der Oberfläche abgesetzt und durch weitere Flüssigkeitszufuhr durch die Kanüle vergrößert. Ab einer bestimmten Größe beginnt der Tropfen seine Kontaktfläche zur Oberfläche zu vergrößern. Bei einem Stop der Flüssigkeitszufuhr kommt die Bewegung des Tropfens zum Stillstand, in diesem Augenblick wird die Messung durchgeführt. Durch wiederholte Flüssigkeitszufuhr und somit Tropfenbewegungen lassen sich mehrere Randwinkelmessungen vornehmen, die dann statistisch ausgewertet werden. Die Auswirkungen der bei der statischen Randwinkelmessung erwähnten negativen Nebeneffekte werden bei dieser Methode minimiert. – Rückzugswinkel: In diesem Fall wird ein relativ großer Tropfen aufgebracht, aus dem bei gleichzeitiger Messung des Randwinkels kontinuierlich durch die Kanüle Flüssigkeit entnommen wird. Der Rückzugswinkel wird speziell zur Beurteilung der Rauheit von Oberflächen herangezogen.

350

6 Bindungskräfte in Klebungen

6.4.4.2 Messung mittels Testflüssigkeiten

Diese Messmethode geht von Testflüssigkeiten mit verschiedenen, hinsichtlich der jeweiligen Oberflächenspannung abgestuften Testflüssigkeiten aus. Dabei sind die Abstufungen so gewählt, dass insbesondere die Oberflächenspannungen von niedrigenergetischen Festkörpern, beispielsweise Kunststoffen, mit hinreichender Genauigkeit bestimmt werden können. In Tabelle 6.3 sind die nach ASTM D 2578-84 festgelegten Zusammensetzungen der Testflüssigkeiten aufgeführt. Zur Durchführung der Prüfung ist folgendes zu bemerken: 앫 Die Testflüssigkeiten werden gemischt aus – Formamid: HCO–NH2 , Dichte 1,134 g/cm3, Siedepunkt 210,5 °C, – Ethylenglykolmonoethylether: HOCH2–CH2–OC2H5 , Dichte 0,930 g/cm3, Siedepunkt 135,0 °C. Zur Herstellung der Testflüssigkeiten sollten nur Analysequalitäten (p.a.) der beiden Substanzen eingesetzt werden. 앫 Die verwendeten Gefäße müssen absolut sauber sein, insbesondere ist darauf zu achten, dass keine Spülmittelreste vorhanden sind, die als oberflächenaktive Substanzen die Messung verfälschen.

Tabelle 6.3. Testflüssigkeiten zur Bestimmung des Benetzungsverhaltens von Oberflächen (nach ASTM D 2578–84)

Volumenanteile Formamid

Ethylenglykolmonoethylether

0 2,5 10,5 19,0 26,5 35,0 42,5 48,5 54,0 59,0 63,5 67,5 71,5 74,7 78,0 80,3 83,0 87,0 90,7 93,7 96,5 99,0

100 97,5 89,5 81,0 73,5 65,0 57,5 51,5 46,0 41,0 36,5 32,5 28,5 25,3 22,0 19,7 17,0 13,0 9,3 6,3 3,5 1,0

Oberflächenenergie mJm–2

30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 48 50 52 54 56

6.4 Benetzung von Oberflächen durch Klebstoffe

351

앫 Das Auftragen der Testflüssigkeiten auf die Oberfläche erfolgt mit einem Pinsel, wobei mit den Flüssigkeiten hoher Oberflächenenergie begonnen wird. 앫 Der Flüssigkeitsfilm muss zwei Sekunden beständig sein. Zieht er sich zusammen, so ist die nächstniedrigere Prüfflüssigkeit zu verwenden. 앫 Anstelle der zweiundzwanzig angegebenen Flüssigkeiten kann es zweckmäßig sein, sich auf weniger Einstellungen mit größeren Intervallen zu beschränken. Nach DIN 53364 „Benetzbarkeit von Folien“ werden als Prüfflüssigkeiten entsprechende Mischungen aus Formamid und Ethylenglykol (HO–CH2–CH2–OH) bzw. für durch diese anquellbare Folien (z.B. PVC) Mischungen aus Methanol (Methylalkohol, CH3OH) und destilliertem Wasser vorgeschrieben (s.a. DIN ISO 8296). Durch Kombination von mehreren Patronen in einer Halterung mit abgestuften Testflüssigkeiten, die simultan aufgetragen werden, lässt sich die Benetzbarkeitsprüfung erheblich vereinfachen. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 6.4: Zusamenfassende Darstellungen: [A49, B24, B26, B38, G44, G93, H96, K38, K123, K180, L80, L81, M24, M150, P140, R38, S111, W17, W59, W83, Z5, Z8, Z10, Z23]. Oberflächenspannung: [B38, D20, E93, F33, G19, G141, H32, J9, J14, J30, K182, L130, N24, O13, O14, P139, S196–S198, Z9]. Benetzung: [B105, B173, B197, C60, C85, C86, D273, E93, F48, G93, G94, H28, M150, N5, P98, P99, P101, P102, P140, P163, Q2, R82, R83, S35, S111, S136, S137, S194, S197, S198, S307, W82, Y13, Z8, Z11]. Oberflächenstruktur: [K251, L164, M212, P162, S338]. Prüfverfahren: [B39, E65, E114, G74, G92, G134, H109, H199–H201, K39, L43, M149, N40, O5, P103, S154, S195, W47, Z12], DIN EN 828. Fachbuch: [I16].

7 Eigenschaften von Klebungen

Die im Folgenden beschriebenen Eigenschaftskriterien betreffen einerseits den universellen Einsatz des Klebens, andererseits lassen sie sich nur speziellen Bereichen zuordnen. Betrachtet man die Vielfalt konstruktiver Anwendungen, so sind Klebungen metallischer Werkstoffe und deren Verhalten besonders hervorzuheben. Allgemein werden die Eigenschaften von Klebungen durch die folgenden Einflussfaktoren bestimmt: – Konstruktive Gestaltung; – Spannungsausbildung in der Klebung bei mechanischer Belastung als Grundlage für das Festigkeitsverhalten; – Vorhandensein von Eigenspannungen in der Klebfuge; – Bruchverhalten; – Verhalten bei Beanspruchungen durch mechanische Einflüsse und Umgebungseinflüsse (Alterung). Wegen der besonderen Wertigkeit der Spannungsausbildung als maßgebende Grundlage für die Festigkeit von Metallklebungen wird dieser Punkt in Kapitel 8 gesondert behandelt.

7.1 Vorteile und Nachteile von Klebungen Um eine Bewertung des Klebens als stoffschlüssiges Fügeverfahren dem Schweißen und Löten sowie auch den mechanischen Verbindungsverfahren (Schrauben, Nieten) gegenüber durchführen zu können, ist es erforderlich, die Vorteile und Nachteile gegeneinander abzuwägen. Die entscheidende Abgrenzung erfährt das Kleben dabei in erster Linie durch die grundsätzlich andere Wahl des „Zusatzwerkstoffs“, d.h. des Klebstoffs, dem wegen seiner Basis als ein organisches Polymerprodukt von Natur aus andere Eigenschaften als den metallischen Zusatzwerkstoffen innewohnen. DIN 8593 beschreibt die Einteilung der verschiedenen Fertigungsverfahren (Bild 7.1). Während bei den kraft- und formschlüssigen Verbindungsverfahren definierte Formgebungen der Fügeteile als Grundlage für die Verbindungsherstellung dienen, liegen die Bindungsursachen bei den stoffschlüssigen Verfahren im Bereich atomarer und/oder molekularer Abstände bzw. Energien, die durch Schmelz-, Diffusions- oder Benetzungsvorgänge

354

7 Eigenschaften von Klebungen

Bild 7.1. Einordnung des Klebens in die Fertigungsverfahren nach DIN 8580 und DIN 8593

erzeugt werden. Die Abgrenzung dieser stoffschlüssigen Fügeverfahren zueinander erfolgt dabei durch die jeweils erforderliche Temperatur der Fügeteile und der metallischen oder nichtmetallischen Zusatzwerkstoffe während der Verbindungsherstellung. Auch sind Verfahrenskombinationen im Einsatz, wie die Beispiele des Punktschweißklebens, Schrumpfklebens oder der vorgespannten Klebungen (VK-Kombination von Schrauben und Kleben) zeigen. Die Entscheidung, welches Fügeverfahren für eine Konstruktion eingesetzt werden soll, bedarf der Kenntnis der jeweiligen Vor- und Nachteile. Diese sind in den Tabellen 7.1 und 7.2 aus der Sicht der Klebtechnik zusammengestellt. Die in der Literatur vielfältig beschriebenen Vor- und Nachteile von Klebungen gegenüber den anderen ebenfalls in Frage kommenden Fügeverbindungen sind häufig sehr pauschal und z.T. auch unvollständig dargestellt. Die folgende Beschreibung beschränkt sich auf die wesentlichen, objektiv erfassbaren Kriterien.

Tabelle 7.1. Vorteile von Klebungen

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Gleichmäßige Spannungsverteilung senkrecht zur Belastungsrichtung; Keine thermische Gefügebeeinflussung; Kein thermisch bedingter Bauteilverzug; Verbindungsmöglichkeit für unterschiedliche Materialkombinationen; Verbindungsmöglichkeit für sehr dünne Fügeteile (z.B. Folien); Gewichtsersparnis, Leichtbau; Verbindungsmöglichkeit für sehr wärmeempfindliche Werkstoffe; Verbindungsmöglichkeit für Metalle unterschiedlicher elektrochemischer Eigenschaften (isolierende Wirkung der Klebschicht); 9. Festigkeitserhöhung in Verbindung mit Schrauben, Nieten, Punktschweißen (Eliminierung der Spaltkorrosion); 10. Hohe dynamische Festigkeit; hohe Schwingungsdämpfung; 11. Möglichkeit zur Automatisierung.

7.1 Vorteile und Nachteile von Klebungen

355

7.1.1 Vorteile von Klebungen

앫 Gleichmäßige Spannungsverteilung senkrecht zur Belastungsrichtung: Häufig wird ganz allgemein von einer gleichmäßigen Spannungsverteilung innerhalb einer Klebfuge gesprochen. Hierzu ist jedoch einschränkend zu bemerken, dass diese Feststellung für die am meisten eingesetzte einschnittige Überlappung nur für den Spannungszustand senkrecht zur Beanspruchungsrichtung (also parallel zur Überlappungsbreite) gilt. In Beanspruchungsrichtung treten als Folge von Fügeteildehnungen und dem Auftreten eines Biegemoments je nach Art des Fügeteilwerkstoffs und der Geometrie der Klebfuge an den Überlappungsenden Spannungsspitzen auf (Abschn. 8.3.3.4, Bild 8.14). Bei geschäfteten oder zweischnittig überlappten Klebungen liegen die Spannungsverteilungen in Beanspruchungsrichtung zwar günstiger, ihre Anwendbarkeit ist bei dünnen Fügeteilquerschnitten allerdings begrenzt. Die gleichmäßige Spannungsverteilung senkrecht zur Beanspruchungsrichtung ist einerseits in dem Fehlen von Materialschwächungen durch Niet- und Schraubenlöcher, andererseits durch die gleichmäßige Gefügestruktur der Fügeteilwerkstoffe ohne spezielle wärmebeeinflusste Zonen, wie z.B. bei Schweißverbindungen, begründet. Bei den Schweißverbindungen kommt ergänzend ein ungleichmäßiger Kraftfluss durch die unterschiedliche Geometrie der Schweißnaht aufgrund möglicher Schwankungen der Höhe und Breite hinzu. In Beanspruchungsrichtung bieten Klebungen trotz der ungleichmäßigen Spannungsverteilung dennoch Vorteile dem Nieten und Schrauben gegenüber, da die Lastübertragung sehr viel gleichmäßiger auf die gesamte Fügefläche verteilt ist. Zwar hat die Nietverbindung den Vorteil einer höheren statischen und auch temperaturmäßigen Beanspruchbarkeit, bei dynamischer Beanspruchung ist sie den Klebungen jedoch infolge des erheblich gestörten Kraftlinienflusses unterlegen. Die Verengung der Kraftlinien in den Nietlochstegen ruft Spannungsspitzen als mögliche Ausgangspunkte für einen Dauerbruch hervor, die somit die dynamische Festigkeit der Nietverbindungen ungünstig beeinflussen. Bei richtig ausgeführten Klebungen werden die durch die Verbindung zu übertragende Kräfte somit gleichmäßiger auf die Fügeflächen verteilt. Diese Tatsache kann in bestimmten Fällen zu einer Dickenreduzierung der Fügeteile und somit Materialkostenersparnis führen. Bild 7.2 zeigt die entsprechenden Spannungsverläufe bei den erwähnten Verbindungsformen. 앫 Keine thermische Gefügebeeinflussung: Dieser Vorteil bezieht sich insbesondere auf den Vergleich mit Schweiß- und z.T. auch Hartlötverbindungen. Durch die vergleichsweise geringe Wärmezufuhr bei warmaushärtenden Klebstoffen treten keine mit einer Gefügeumwandlung bzw. -änderung einhergehenden Festigkeitsabnahmen des Fügeteilwerkstoffs auf. In diesem Vorteil liegt einer der Gründe für die vielfältige Anwendung des Klebens im Flugzeugbau, da die dort eingesetzten Aluminiumlegierungen bei der Anwendung des Schweißens unvertretbar hohe Festigkeitseinbußen erleiden.

356

7 Eigenschaften von Klebungen

Bild 7.2. Spannungsverteilung in Schweiß-, Niet- und Klebverbindungen

Spannungsoptische Aufnahme (Aufsicht) einer Verschraubung von zwei Acrylplatten unter Last

Somit lassen sich die statischen und dynamischen Fügeteilfestigkeiten voll erhalten bzw. ausnutzen und es ist nicht erforderlich, wegen einer durch das Fügeverfahren verursachten Festigkeitsminderung in dem Fügebereich von vornherein höhere Materialdicken einzusetzen. Die geringe Wärmeeinbringung wirkt sich insbesondere auch da aus, wo Fügeteile bereits in ihrer endgültigen Oberflächenausführung vorliegen, z.B. verchromte oder auf andere Weise geschützte Stahloberflächen, eloxiertes Aluminium, deren Aussehen durch die hohen Temperaturen beim Schweißen und Löten beeinträchtigt würde. 앫 Kein thermisch bedingter Bauteilverzug: Da das Auftreten von Wärmespannungen, wie sie beim Schweißen unumgänglich sind, eliminiert ist, ist eine hierdurch bedingte Fügeteilverformung nicht gegeben. 앫 Verbindungsmöglichkeit für unterschiedliche Materialkombinationen: Für die Herstellung von Materialkombinationen aus metallischen und nichtmetallischen, natürlichen oder künstlichen Werkstoffen, die sich anderen Fügeverfahren weitgehend entziehen und die sich z.T. durch sehr unterschiedliche Beanspruchungstemperaturen oder Oberflächenstrukturen (porös, glatt) auszeichnen, ist das Kleben die einzige Möglichkeit zur Herstellung

7.1 Vorteile und Nachteile von Klebungen





앫 앫





357

dichter und flächiger Verbindungen. Im Gegensatz zum Schweißen und Löten ist das Kleben nahezu unabhängig von der Art der Fügeteilwerkstoffe und bietet die Möglichkeit, die jeweils vorteilhaften Eigenschaften der beteiligten Fügeteilpartner in technologisch und wirtschaftlich optimierter Form miteinander zum Einsatz zu bringen. Verbindungsmöglichkeit für sehr dünne Fügeteile: Fügeteile mit geringen Dicken erfahren bei Beanspruchung durch Wärme in vielen Fällen Verformungen. Aus diesem Grunde werden Konstruktionen mit Werkstoffen im Folienbereich (das gilt auch für Kombinationen mit großen Dickenunterschieden, z.B. Folien/Blech-Verbindungen) im Allgemeinen geklebt. Hinzu kommt die Möglichkeit, große Flächen in einem Arbeitsgang zu verbinden, z.B. erlaubt die große Anzahl an Fügestellen bei Wabenkernkombinationen und deren begrenzte Zugänglichkeit keine Anwendung anderer Fügeverfahren. Insbesondere der Leichtbau profitiert von diesem Vorteil. Zu erwähnen ist weiterhin der Verpackungsbereich, in dem eine Vielzahl unterschiedlicher Folienkombinationen (Kunststoffe, Metalle, Papiere, Pappen) durch Kaschieren (Abschn. 3.8) hergestellt werden. Gewichtsersparnis, Leichtbau: Bei vielen Anwendungen im konstruktiven Bereich, insbesondere im Flugzeugbau und im allgemeinen Fahrzeugbau, gilt als Voraussetzung der Einsatz der Leichtbauweise. Dieses Prinzip ermöglicht durch ein günstiges Verhältnis von Werkstoffestigkeit, spezifischem Gewicht und geometrischer Gestaltung eine optimale Ausnutzung der statischen und dynamischen Festigkeitseigenschaften der Werkstoffe. Durch das Kleben wird bei diesen Verbundsystemen eine erhöhte Steifigkeit und eine gleichmäßigere Belastbarkeit erreicht. Verbindungsmöglichkeit für sehr wärmeempfindliche Werkstoffe: Hier sind speziell das Kleben der Kunststoffe sowie auch wärmeempfindlicher Bauelemente in der Elektronik zu erwähnen. Verbindungsmöglichkeit für Metalle unterschiedlicher elektrochemischer Eigenschaften: Durch die Isolierungswirkung der Klebschicht entfällt gegenüber dem Schweißen und Löten ein direkter metallischer Kontakt zwischen den Fügeteilen und somit bei Anwesenheit von Elektrolyten die Gefahr von Bimetallkorrosion. Dieser Sachverhalt erweist sich insbesondere bei WelleNabe-Klebungen (Abschn. 10.2) als vorteilhaft. Die Wirkung einer Klebschicht als Dielektrikum ermöglicht weiterhin die Anwendung des Klebens bei der Herstellung von Metallschichtverbunden für Transformatoren bzw. Magnetkerne. Festigkeitserhöhung in Verbindung mit Schrauben, Nieten, Punktschweißen: Die in dem Fügebereich vorhandene Klebschicht trägt in hohem Maße zur Festigkeitserhöhung bei. Besonders vorteilhaft ist in diesem Fall die Dichtungsfunktion der Klebschicht zur Vermeidung der in aggressiver Umgebung auftretenden Spaltkorrosion. Hohe dynamische Festigkeit, hohe Schwingungsdämpfung: Die mechanischen Eigenschaften der Klebschichten erlauben beträchtliche elastische Deformationen unter Wechselbelastung, die in Verbindung mit der Homogenität der Fügeteile infolge fehlender Querschnittsbeeinträchtigungen hohe

358

7 Eigenschaften von Klebungen

Bild 7.3. Rissfortschrittsbehinderung in einem geklebten Blechpaket

dynamische Beanspruchungen ermöglichen. Weiterhin vermögen geklebte Verbindungen Schwingungen in den jeweiligen Konstruktionen zu dämpfen, da die Klebschicht als Verbundpartner zwischen den Fügeteilen einen wesentlich geringeren Elastizitätsmodul aufweist. Beispielhaft kann sich dieses Verhalten auf die Beanspruchbarkeit von Blechpaketklebungen im Vergleich zu massiven, aus einem vollen Materialquerschnitt gefrästen Bauteilen positiv auswirken. Insbesondere bei dynamisch hoch belasteten massiven Konstruktionen kann eine Rissbildung und speziell der Rissfortschritt zu frühzeitigen Ausfällen dann führen, wenn eine Erkennung nicht rechtzeitig erfolgt. Wenn ein gleicher Riss in einer geklebten Verbindung auftritt, wird er sich zunächst nur in der ersten Blechlage fortsetzen und infolge der elastisch-plastischen Eigenschaften der Klebschicht durch Abbau der Spannungskonzentrationen an der Rissspitze im Allgemeinen nicht sofort auf die folgende Blechlage übergehen. Auf diese Weise ist die Möglichkeit gegeben, bei regelmäßigen Kontrollen einen Riss noch in seinen Anfängen festzustellen, bevor er ein gefährliches Ausmaß angenommen hat. Durch die Herabsetzung der Kerbwirkung trägt die Klebschicht demnach zu einer höheren Bruchsicherheit bei (Bild 7.3). Vorteilhaft wirkt sich die Schwingungsdämpfung ebenfalls auf die akustische Entkoppelung der Fügeteile und somit einer Geräuschdämpfung aus. Letzteres ist besonders im Automobilbau ein wesentlicher Grund zur Anwendung des Klebens. 앫 Möglichkeit zur Automatisierung: Der Klebstoffauftrag lässt sich durch Robotereinsatz in besonderer Weise automatisieren. Als Beispiel mag die Einglasung der Autoscheiben in die Karosserie gelten, die früher über Gummiprofile durch Handarbeit erfolgte und für die heute nach Einführung des Klebens vollautomatische Fertigungsanlagen zur Verfügung stehen. Ein weiteres Beispiel ist der Ersatz von Feststoffdichtungen durch automatisch aufgetragene Kleb-Dichtungen (FIPG-Verfahren, Abschn. 3.19.3) bzw. durch Einsatz anaerober Klebstoffe (Abschn. 2.1.1.2).

7.1 Vorteile und Nachteile von Klebungen

359

Tabelle 7.2. Nachteile von Klebungen

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11.

Einfluss der Zeit auf den Verfahrensablauf; Oberflächenvorbehandlung der Fügeteile; Begrenzte thermische Formbeständigkeit; Sorgfältige Prozesskontrolle; Alterungsabhängigkeit der Klebschicht und Grenzschicht; Aufwendige Kontrollverfahren; Geringe Schälwiderstände, Kriechneigung; Kompensation der niedrigen Klebschichtfestigkeiten über Fügeflächengröße; Begrenzte Reparaturmöglichkeiten; Aufwendige Festigkeitsberechnungen; Demontage von Klebungen.

7.1.2 Nachteile von Klebungen

Den dargestellten Vorteilen stehen naturgemäß auch Nachteile gegenüber. Tabelle 7.2 gibt die wesentlichen Kriterien wieder. 앫 Einfluss der Zeit auf den Verfahrensablauf: Im Gegensatz zum Schweißen und Löten spielt der Faktor „Zeit“ beim Kleben eine wichtige Rolle. Bei Anwendung von Reaktionsklebstoffen (Abschn. 3.1.1) tritt die Verfestigung zu einer beanspruchbaren Klebschicht erst nach Ablauf einer bestimmten Zeit ein, die von der Reaktivität der Monomere und der Temperatur abhängig ist. Die große Vielfalt angebotener Reaktionsklebstoffe erlaubt zeitmäßig zwar eine weitgehende Anpassung an die Fertigungsbedingungen, gegenüber dem Erstarren von Metallschmelzen beim Schweißen und Löten und der damit gegebenen sofortigen Fugenfestigkeit ist aber dennoch mit anderen Zeitabläufen zu rechnen. Eine Ausnahme bilden die physikalisch abbinden Schmelzklebstoffe (Abschn. 3.6), bei denen die Endfestigkeit weitgehend direkt nach der Abkühlung vorhanden ist. Die erforderliche Zeit ist allerdings dann von untergeordneter Bedeutung, wenn die Aushärtung der Klebschicht in weitere Produktionsprozesse integriert werden kann, z.B. beim Automobilbau in den Zeit-Temperatur-Zyklus während der Trocknung von Grundierungen und Lackierungen. 앫 Oberflächenbehandlung der Fügeteile: Für Klebungen mit hohen Sicherheitsanforderungen bzw. bei hohen mechanischen Beanspruchungen sowie Alterungseinflüssen ist eine sehr sorgfältige und oftmals aufwendige Oberflächenbehandlung erforderlich. Diese ergibt sich z.T. auch aus der Notwendigkeit, Angriffe korrosiver Medien auf die Klebfuge aus der Umgebung zu eliminieren, die zu einer Zerstörung der Klebung infolge einer Klebschichtunterwanderung führen können (bondline corrosion, Bild 7.8, s.a. Abschn. 7.4.2). 앫 Begrenzte thermische Formbeständigkeit: Für die Beanspruchung bei hohen Temperaturen sind die auf organischer Basis aufgebauten Polymere den metallischen Zusatzwerkstoffen beim Schweißen und Löten gegenüber

360







앫 앫



7 Eigenschaften von Klebungen

unterlegen. Diese Einschränkung muss daher in Kenntnis der Beanspruchungskriterien bei der Wahl des anzuwendenden Fügeverfahrens berücksichtigt werden. Sorgfältige Prozesskontrolle: In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Kleben als ein Fertigungssystem betrachtet werden muss, bei dem sämtliche Einzelschritte aufeinander abgestimmt sein müssen und einer ständigen Kontrolle bedürfen. Das schließt im Wesentlichen die Oberflächenvorbehandlung, die Klebstoffmischung, den Klebstoffauftrag, ggf. die Fügeteilfixierung sowie die Klebstoffaushärtung (Zeit, Temperatur, Druck) ein. Alterungsabhängigkeit der Klebschicht und Grenzschicht: Die Abhängigkeit der Klebschichten von Alterungseinflüssen aus der Umgebung wird von ihrem chemischen Aufbau und dem Vernetzungsgrad bestimmt. Klebschichten weisen zwar ein relativ inertes chemisches Verhalten auf, sind aber dennoch in der Lage, Wechselwirkungen mit der umgebenden Atmosphäre einzugehen. Die Alterungsabhängigkeit bezieht sich dabei nicht nur auf mögliche nachträgliche Eigenschaftsänderungen durch Feuchtigkeit, Gase, Chemikalien usw., sondern auch auf eine Änderung der Grenzschichteigenschaften zwischen Klebschicht und Fügeteiloberfläche durch eindiffundierende Medien mit der Folge einer Abnahme der Haftungskräfte (Abschn. 7.4). Aufwendige Kontrollverfahren: Für Klebungen ist die Überwachung der Klebfugenqualität z.T. nur über eine prozessbegleitende zerstörende Qualitätskontrolle mit Proben aus gleichen Materialien und Herstellung unter den gleichen Fertigungsbedingungen möglich. Die verfügbaren zerstörungsfreien Prüfverfahren, insbesondere die Ultraschallprüfung, gestatten zwar die Feststellung makroskopischer Fehlstellen, wie z.B. Lunker oder Risse, erlauben jedoch nur eine sehr begrenzte Erfassung festigkeitsmindernder Bereiche oder Inhomogenitäten in der Grenzschicht. In diesem Punkt weisen Schweißverbindungen einen besonderen Vorteil auf, da sie praktisch vollständig zerstörungsfrei geprüft werden können und eine festgestellte Freiheit von Poren, Lunkern oder Rissen in praktisch allen Fällen Rückschlüsse auf die Festigkeit der Schweißnaht erlaubt. Geringe Schälwiderstände, Kriechneigung: Diese nachteilige Eigenschaft lässt sich durch geeignete konstruktive Maßnahmen eliminieren bzw. verringern (Abschn. 11.2). Niedrige Klebschichtfestigkeiten: Gegenüber Schweiß- und Lötverbindungen besitzen Klebungen bezogen auf vergleichbare Fügeflächenabmessungen geringere Festigkeiten. Dieser Nachteil kann jedoch durch entsprechende konstruktive Gestaltungen kompensiert werden, wobei bei flächigen Klebfugengeometrien der Wahl der Überlappungslänge (Abschn. 9.2.8) eine besondere Bedeutung zukommt. Ergänzend ergibt sich hieraus die große Bedeutung der klebgerechten Konstruktion (Kap. 11). Begrenzte Reparaturmöglichkeiten: In gleicher Weise, wie bei der Herstellung einer Klebung die Einhaltung der vorgegebenen Prozessparameter für die Klebfestigkeit ausschlaggebend ist, trifft das auch für die Beseitigung von Schäden an Klebungen durch eine Neugestaltung zu. Oftmals sind die

7.2 Eigenspannungen in Klebungen

361

notwendigen Voraussetzungen in Werkstätten oder Reparaturbetrieben nicht gegeben, sodass schon wegen dieser Situation der ursprünglich gedachte Einsatz einer Klebung in einer Konstruktion eingeschränkt ist. 앫 Aufwendige Festigkeitsberechnungen: Diese Zusammenhänge werden in Kapitel 9 ausführlich behandelt. 앫 Demontage von Klebungen: Der Vorteil des Klebens, die unterschiedlichsten Werkstoffe miteinander verbinden zu können, erweist sich unter dem Aspekt der Entsorgung von Gebrauchsgegenständen und deren Recycling in mancher Hinsicht als Nachteil. Hier kann durchaus der Fall eintreten, dass mechanische Fügeverfahren, wie Schrauben, Clipsen, Pressen u.ä. wieder zu einer verstärkten Bedeutung gelangen. Bei thermischen Entsorgungsprozessen ergeben sich für Klebungen keine Probleme, da Klebschichten (mit Ausnahme chlorhaltiger Plastisole, deren Anteil aber zugunsten reaktiver Schmelzklebstoffe rückläufig ist) keine über das Maß vergleichbarer Werkstoffe hinausgehende Schadstoffemissionen verursachen (Abschn. 12.10). Zusammenfassend ist festzustellen, dass nur eine genaue Abwägung der für einen speziellen Anwendungsfall vorliegenden Vor- und Nachteile letzten Endes darüber zu entscheiden vermag, ob das Kleben als Fügeverfahren gegenüber den anderen in Frage kommenden Verfahren aus konstruktiven und wirtschaftlichen Überlegungen bevorzugt werden kann. Hierbei wird die Wirtschaftlichkeit des Verfahrens entscheidend von dem einzusetzenden Klebstoff bestimmt, durch den die Fertigungsvoraussetzungen im Hinblick auf die Bereitstellung von Wärme und Druck und die Verfügbarkeit der Produktionszeit festgelegt sind (Abschn. 12.4.2). Ergänzende Literatur zu Abschnitt 7.1: [B40, B198, D177].

7.2 Eigenspannungen in Klebungen Die als Eigenspannungen definierten Spannungszustände sind in einer Klebung ohne Einwirkung äußerer Beanspruchungen ständig vorhanden, sie überlagern sich den durch die Beanspruchung resultierenden Spannungen und können in ungünstigen Fällen eine Verminderung der Klebfestigkeit verursachen. Für das Auftreten von Eigenspannungen gibt es die nachfolgend beschriebenen Gründe. 7.2.1 Eigenspannungen durch unterschiedliche Wärmeausdehnungskoeffizienten von gleichen Fügeteilwerkstoffen und Klebschicht

Wie aus Tabelle 5.2 hervorgeht, liegen die Wärmeausdehnungskoeffizienten (Coefficient of thermal expansion, CTE) ausgehärteter Klebschichten in vielen Fällen um ein Mehrfaches über denen der metallischen Fügeteile. Bei einer Wärmebelastung der Klebung kommt es daher zu unterschiedlichen Verfor-

362

7 Eigenschaften von Klebungen

mungen von Klebschicht und Fügeteilwerkstoff und bei Voraussetzung optimaler Bindungsverhältnisse im Grenzschichtbereich zu Spannungen in der Klebschicht. Die Höhe dieser Spannungen ist von der jeweiligen Werkstoffpaarung abhängig, sie kann in ungünstigen Fällen Werte annehmen, die bis zu 50% der Klebfestigkeit einer Klebung erreichen. Berechnungsbeispiel: – Klebschicht: Warmgehärtetes Epoxid-Polyamidharz α K = 60 · 10–6 K–1 ;

EK = 3100 Nmm–2 ;

– Fügeteilwerkstoff: Aluminiumlegierung AlCuMg2 αAl = 22,8 · 10–6 K–1 ;

– Aushärtungstemperatur: 200 °C, ergibt zur Raumtemperatur eine Temperaturdifferenz ∆T von 180 K; – Überlappungslänge: 12 mm, d.h. 6 mm für die der Längendifferenz zugrundeliegende Länge L 0 ; – Längenausdehnung Klebschicht: 6 · 60 · 10–6 · 180 = 0,0648 mm; – Längenausdehnung Fügeteil: 6 · 22,8 · 10–6 · 180 = 0,0246 mm; – Längendifferenz am Überlappungsende: 0,0402 mm; – Resultierende Spannung in der Klebschicht am Überlappungsende: σ = EK ε = EK

L – L0 6,0402 – 6,0 = 3100 = 20,8 Nmm–2 . 6,0 L0

Allgemein lässt sich die durch eine thermische Ausdehnung resultierende Eigenspannung nach der Formel σ = EK (αK – α M ) ∆T

(7.1)

berechnen (Index M für metallisches Fügeteil, K für Klebschicht). Für eine exakte Berechnung ist zusätzlich die Querkontraktion der Klebschicht mittels der Poisson-Zahl µ zu berücksichtigen: σ th =

EK (α – αM ) ∆T. 1– µ K K

(7.2)

Vergleicht man den berechneten Wert mit den Klebfestigkeiten von warmhärtenden Epoxidharzklebstoffen, so kommt man bei den Eigenspannungen in die bereits erwähnte Größenordnung von ca. 50% der Klebfestigkeit. Dieses Berechnungsbeispiel basiert auf rein theoretischen und vereinfachenden Betrachtungen, indem es ein ideal-elastisches Verhalten der Klebschicht voraussetzt und die Temperaturabhängigkeit des Wärmeausdehnungskoeffizienten nicht berücksichtigt. In der Praxis werden die Eigenspannungen aufgrund des durch das elastisch-plastische Verhalten der Klebschicht möglichen Spannungsabbaus geringere Werte annehmen. Unterstützt wird diese Aussage durch das Festigkeitsverhalten von Klebungen bei zunehmender Temperatur (Abschn. 4.4.3, Bild 4.15). Der anfänglich nachzuweisende Anstieg

7.2 Eigenspannungen in Klebungen

363

der Klebfestigkeit hängt u.a. auch mit dem Abklingen von Eigenspannungen bei einer Temperaturerhöhung zusammen. Eine Annahme in (7.1) ist weiterhin, dass der Elastizitätsmodul der Klebschicht sich im Bereich der Temperaturdifferenz ∆T nicht ändert. Dieser Zustand wird weitgehend dann vorliegen, wenn die Beanspruchungstemperatur unterhalb der Glasübergangstemperatur liegt. Wird eine Klebschicht oberhalb der Glasübergangstemperatur beansprucht, können sich wegen des starken Abfalls des Elastizitätsmoduls keine bleibenden Spannungen ausbilden, da diese wegen der freien Verschiebbarkeit der Moleküle sofort abgebaut und auftretende Volumenänderungen durch ein Näherrücken der Fügeteile ausgeglichen werden. Erst unterhalb der Glasübergangstemperatur ist in der Klebschicht eine weitgehende Strukturfixierung vorhanden, die bei den thermoplastischen in gleicher Weise wie bei den duromeren Klebschichten eine quasi lineare Funktion des Elastizitätsmoduls von der Temperatur ergibt. Eigenspannungen können sich daher in messbaren Ausmaßen nur unterhalb dieses Bereichs aufbauen, in dem der sich einstellende Spannungszuwachs durch den Spannungsabbau nicht mehr kompensiert wird. Somit lassen sich diese Berechnungen für praktische Anwendungen nur bei Klebschichten mit hohen Glasübergangstemperaturen (Tabelle 4.1) anwenden. Die vorstehenden Darlegungen werden untermauert durch die in [H280] dokumentierten Ergebnisse bei Klebungen mit Fügeteilen unterschiedlicher Wärmeausdehnungskoeffizienten. Danach sind die an einer an den Fügeteilenden fixierten einschnittig überlappten Klebung durch die Behinderung der Relativverschiebung bei Temperaturerhöhung auftretenden Kräfte, die eine Vorbelastung der Klebschicht darstellen können, direkt proportional – – – – –

der Überlappungslänge, dem Schubmodul des verwendeten Klebstoffs, dem Elastizitätsmodul der Fügeteile, dem Wärmeausdehnungskoeffizienten der Fügeteile, der Temperaturdifferenz, und indirekt proportional – der Klebschichtdicke. 7.2.2 Eigenspannungen durch unterschiedliche Wärmeausdehnungskoeffizienten von Fügeteilkombinationen und Klebschicht

Eine besondere Bedeutung können die vorstehend erwähnten Zusammenhänge während des Aushärtungsvorganges bei Fügeteilen mit unterschiedlichen Wärmeausdehnungskoeffizienten (z.B. Glas-Metall-Klebungen) durch die auftretenden Relativbewegungen der Fügeteile haben. Bei einschnittig überlappten Klebfugengeometrien sind diese im Bereich des Überlappungsendes am größten und müssen von der Klebschicht aufgenommen werden. Dieses ist aber nur dann in ausreichender Weise möglich, wenn die sich während der Härtung ausbildende Polymerstruktur elastisch-plastische Ver-

364

7 Eigenschaften von Klebungen

formungen zulässt. Somit ergibt sich die Notwendigkeit einer Zeit-Temperatur-Führung, die ein ausreichendes Relaxationsvermögen der Klebschicht sicherstellt. Die Relaxation wird umso größer sein, je länger die Abkühlphase bemessen wird, aus diesem Grunde ist ein schnelles Abkühlen auf jeden Fall zu vermeiden. Eigenspannungen durch unterschiedliche Wärmeausdehnungskoeffizienten der Fügeteile können die folgenden Auswirkungen haben: – Auftreten des sog. „Bimetalleffektes“ (Aufwölbung einer planen Klebung in Richtung des Fügeteils mit dem höheren Wärmeausdehnungskoeffizienten), wenn beide Fügeteile ausreichend verformungsfähig sind. – Bruch eines der Fügeteile, wenn dessen Festigkeit für die auftretenden thermischen Spannungen zu gering ist. – Fügeteilbruch, wenn beide Fügteile massiv sind und die Klebfuge aufgrund mangelnder Verformbarkeit nicht in der Lage ist, die auftretenden Dehnungswege auszugleichen. – Auftreten von Adhäsionsbrüchen bei unzureichender Oberflächenvorbehandlung, da die Grenzflächen durch die thermischen Spannungen besonders beansprucht sind. – Schädigungen (Mikrorisse) in der Klebschicht und in den Grenzschichten. Möglichkeiten zur Reduzierung der Spannungsausbildung infolge unterschiedlicher Wärmeausdehnungskoeffizienten ergeben sich durch die folgenden Maßnahmen: – Auswahl von Klebstoffen, deren Klebschichten niedrige Elastizitäts- bzw. Schubmoduln aufweisen. In diesem Fall muss allerdings eine erhöhte Kriechneigung sowie eine verringerte Klebfestigkeit in Kauf genommen werden. – Verwendung von Primern oder Haftvermittlern, die ein höheres Verformungsvermögen als die Klebschichten aufweisen und somit eine Art „Brückenfunktion“ übernehmen können. Bei glasfaserverstärkten Polyester- oder Epoxidharzen hat sich diese Möglichkeit vorteilhaft eingeführt. – Einstellen des Wärmeausdehnungskoeffizienten der Klebschicht (z.B. durch Füllstoffe) auf einen Wert, der in der Mitte zwischen denen der beiden Fügeteile liegt. Bei steigendem Füllstoffgehalt sinkt jedoch die Flexibilität der Klebschicht, was bei ungenügender Anpassung der thermischen Ausdehnungskoeffizienten ebenfalls zu Schädigungen führen kann. Ein typisches Beispiel für die Auswirkungen unterschiedlicher Ausdehnungsverhältnisse ist anhand einer Chipklebung und -umhüllung in Bild 7.4 dargestellt, ein weiteres Beispiel (Verklebung eines Bus-Daches) findet sich in Abschnitt 8.10.3. Bei den folgenden Betrachtungen wird ein vereinfachter Rechenansatz gewählt mit der Annahme, dass die thermische Längenänderung der Fügeteile eine lineare Funktion der Ausgangslänge, des Wärmeausdehnungskoeffizienten und der Temperatur ist.

7.2 Eigenspannungen in Klebungen

365

Bild 7.4. Thermische Ausdehnung der Systemkomponenten in einer Chipklebung (nach [H166])

Die nach der Beziehung ∆ L = L0 α ∆T

(∆ L Ausdehnung in µm im Temperaturbereich –65 bis 150 °C, L 0 Chiplänge (beispielsweise 10 mm)) berechneten Gesamtdehnungen der Systempartner bezogen auf die Länge des Chips sind in entsprechenden Maßstäben wiedergegeben. Wie ersichtlich, beruhen die hohen Spannungsausbildungen insbesondere auf den Verbundpartnern Chip-Polyimidfolie und Chip-Silberleitklebstoff. Die Möglichkeiten, über die Klebschicht zu einem Spannungsabbau zu gelangen, liegen zum einen in einer flexibleren Polymermatrix (mit dem Nachteil einer geringeren Glasübergangstemperatur, damit verbunden einem geringeren Vernetzungsgrad, der wiederum zu einer reduzierten Feuchtigkeitsbeständigkeit führt), zum anderen im Einbau zähelastifizierender Komponenten (Abschn. 2.2.1.7), die jedoch keinen negativen Einfluss auf die Vernetzungsdichte sowie die chemischen und physikalischen Eigenschaften der Klebschicht haben dürfen. In [D178] wird ein Verfahren beschrieben, um durch eine entsprechende Zeit-Temperatur-Führung die Schwindungsspannungen von reaktiven Umhüllungsmassen bei elektronischen Bauelementen zu reduzieren. Dabei wird die gehärtete Reaktionsharzmatrix auf eine Temperatur oberhalb Tg erwärmt, was zu einem Abbau der vorhandenen Spannungen infolge des verringerten Elastizitätsmoduls führt. Anschließend erfolgt ein schockartiges Abkühlen in der Weise, dass nur die Randbereiche Eigenschaftsmerkmale des Glaszustandes aufweisen, die innere Polymermatrix jedoch in einem relativ spannungsarmen Zustand verbleibt. Die Prüfung der thermisch bedingten Volumenänderungen kann nach dem in Abschnitt 16.4.7 beschriebenen Verfahren der Thermodilatometrie erfolgen. Eine experimentelle Möglichkeit zur Bestimmung der thermisch induzierten Spannungen im System Fügeteil-Klebschicht ergibt sich nach [A47, B110]

366

7 Eigenschaften von Klebungen

durch die Messung der Biegeverformung eines einseitig mit einem Klebstoff beschichteten ebenen Metallstreifens, der sich im Temperaturbereich der Aushärtung elastisch verhält und weitgehend temperaturunabhängige elastische und thermische Konstanten aufweist (z.B. Stahl- oder Aluminiumblech). Aus den je nach verwendetem Klebstoff und dessen Härtungsbedingungen resultierenden Krümmungen des Metallstreifens lassen sich die Abkühlspannungen berechnen. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 7.2.1 und 7.2.2: [A47, A81, B110, C29, D21, D76, D310, E14, G82, H203, H238, H280, H369, H389, K168, K183, M151, M256, M260, R75, S36, S38, V36, ASTM E831–81, DIN 51045, DIN 52328, DIN 53752] sowie Literatur zu Abschnitt 7.2.3.

7.2.3 Eigenspannungen durch Schwindung der Klebschicht

Das Schwindungsverhalten von Klebschichten spielt in der industriellen Fertigung hinsichtlich der Einflüsse auf Festigkeit, Spannungsausbildung und auch des optischen Erscheinungsbildes der Klebungen eine große Rolle. So sind beispielsweise Flächenklebungen mit im Verhältnis zur Klebfläche sehr geringen Fügeteildicken, wie sie z.B. im Fahrzeugbau (Dachkonstruktionen, Motor- und Heckklappen) eingesetzt werden, diesen Auswirkungen besonders unterworfen (Bild 7.5): Bild 7.5. Schwindungsbedingte Bauteilschädigungen

Bild 7.6. Schematische Darstellung der temperaturund reaktionsbedingten Klebstoffschwindung (nach [C61])

7.2 Eigenspannungen in Klebungen

367

Die einzelnen für das Schwindungsverhalten charakteristische Phasen während der Klebstoffverarbeitung lassen sich wie folgt beschreiben (Bild 7.6): 앫 Thermische Ausdehnung: Während der Aufheizphase wird den Klebstoffmonomeren Wärme zugeführt. Durch die damit einhergehenden zunehmenden Schwingungen und ansteigenden Schwingungsamplituden vergrößern sich ebenfalls die Abstände zwischen benachbarten Molekülgruppen, sodass das Gesamtvolumen bis zur beginnenden Härtung zunimmt (Kurve A–B). 앫 Reaktionsschwindung: Diese ist auf die Verkürzung der intermolekularen Abstände der Monomere während der Vernetzung zum Polymer zurückzuführen. Dabei gehen auf van-der-Waals-Kräften beruhende sekundäre Bindungen in kovalente Bindungen über, wobei sich die Bindungsabstände verringern. Als Folge der damit verbundenen höheren Dichte der ausgehärteten Klebschicht gegenüber den flüssigen/pastösen Ausgangsmonomeren ergibt sich somit ein Volumenschwund (Kurve B–C). 앫 Thermische (physikalische) Schwindung: Diese begründet sich auf die mit der Abkühlung verbundene Abnahme der Schwingungs- und/oder Bewegungsmöglichkeiten der gebildeten Polymermoleküle bzw. einzelner Segmente und führt zu einer weiteren Volumenverringerung (Kurve C–D). Sofern in diesem Temperaturintervall der Glasübergangsbereich des verwendeten Klebstoffs liegt, sind zur Beschreibung der thermischen Schwindung zwei Ausdehnungskoeffizienten zu berücksichtigen, da das Ausdehnungsverhalten in den Bereichen unterhalb und oberhalb des Glasübergangs im Allgemeinen stark differiert. Auf Basis der erwähnten Vorgänge in der Aufheiz-, Halte- und Abkühlphase resultiert demnach die 앫 Effektive Schwindung zwischen dem – Ausgangsvolumen der in den Härtungsofen bei einer vorgegebenen Temperatur eingebrachten Klebstoffmasse (Punkt A) und dem – Endvolumen der auf Raumtemperatur (RT) abgekühlten Klebschicht (Punkt D). Weitere Ursachen für eine Schwindung können resultieren aus einer 앫 Volumenverringerung durch Freisetzung von Spaltprodukten und dem damit verbundenen Masseverlust (z.B. Wasserabspaltung bei Polykondensationsreaktionen) 앫 Volumenverringerung durch Abgabe von Anteilen niedermolekularer Verbindungen wie Monomere, Oligomere, Lösungsmittelreste, Zusatzstoffe etc. durch Verflüchtigen während der Härtung. Die Klebschichtschwindung kann sich ebenfalls auf die Grenzschichtfestigkeiten in der Klebfuge auswirken. Während der Härtungsphase erfolgen Wachstum, Anordnung und gegenseitige Annäherung der Makromoleküle zu Beginn der Reaktion regellos. Dieser Vorgang wird gegen Ende der Aushärtung durch die ansteigende Viskosität der Klebschicht behindert, sodass es zu Verspan-

368

7 Eigenschaften von Klebungen

nungen kommt. Im Allgemeinen ist jedoch davon auszugehen, dass die zwischenmolekularen Kräfte im Grenzschichtbereich groß genug sind, um diese Schwindungsspannungen kompensieren zu können. Eine Schwächung der Klebung wird vorzugsweise dann eintreten, wenn es zu örtlichen Spannungskonzentrationen (z.B. durch unterschiedliche Klebschichtdicken oder Temperaturführung) oder Fehlstellen in der Grenzschicht kommt. Eine von Eigenspannungen durch Schwindung geprägte mehr oder weniger große Vorbelastung der Klebung bleibt jedoch in den meisten Fällen erhalten. 7.2.4 Berechnung der Schwindungsspannungen

Für die Berechnung der Schwindungsspannungen eignet sich in erster Linie die Finite-Elemente-Methode (Abschn. 8.5.4), wie sie in [B352] am Beispiel des Modells einer mit einem warmhärtenden Epoxidharzklebstoff geklebten Stahlbeplankung beschrieben wird. Als Basis für eine vereinfachte Berechnung gilt für die Gesamtschwindung (εges) eines warmhärtenden Reaktionsklebstoffs εges = ε R + εA . (7.3) mit – ε R chemische Reaktionsschwindung, – ε A thermische (Abkühlungs-)Schwindung, wobei L – L0 L0

ε=0

(L 0 Ausgangslänge)

ist. Für die Abkühlungsschwindung des Klebstoffs gilt dabei εA = α K ∆T, somit wird εges = ε R + α K ∆T.

(7.4) (7.5)

Bei einer Behinderung des Schwindungsvorganges, beispielsweise durch zwei starre, der Klebstoffschwindung nicht nachgebende Fügeteile, die der gleichen Temperaturdifferenz ausgesetzt sind wie der Klebstoff, bildet sich ein Spannungszustand in der Klebschicht aus, dessen Größe sich bei einachsiger Betrachtungsweise unter der Voraussetzung idealelastischen Verhaltens nach dem Hookeschen Gesetz errechnet: σs = EK (εges – α M ∆T ). (7.6) Gleichung (7.6) berücksichtigt bereits die Spannungsverminderung durch die gleichsinnige Schwindung der Fügeteile bei der Abkühlung. Aus (7.5) und (7.6) ergibt sich somit die allgemeine Gleichung zur Ermittlung von Schwindungsspannungen σs = EK [εR + (α K – α M ) ∆T ]. (7.7)

7.2 Eigenspannungen in Klebungen

369

Zu den auf diese Weise ermittelten Werten der Schwindungsspannungen ist jedoch festzustellen, dass in der Praxis des Klebens flächiger Fügeteile die Volumenkontraktion räumlich nicht gleichmäßig, sondern bevorzugt in den nicht behinderten Achsen verläuft. Weiterhin tritt durch die Bewegung der Fügeteile senkrecht zueinander ein teilweiser Abbau der möglichen Spannungen ein. Bei Welle-Nabe-Verbindungen (Abschn. 10.2) oder Rohrklebungen (Abschn. 10.1), bei denen von einem konstanten Volumen der Klebschicht ausgegangen werden muss, können die durch die Reaktionsschwindung auftretenden Spannungen je nach eingesetztem Klebstoff entsprechend hohe Werte annehmen. Von besonderer Bedeutung ist die Spannungsausbildung durch Schwindung bei den auf vergleichbarer Basis wie die Klebstoffe aufgebauten Vergussmassen, wie sie insbesondere zum Vergießen von Bauteilen und Schaltungen in der Elektronik eingesetzt werden. Dem folgenden Beispiel soll das Einbringen einer Epoxidharzvergussmasse in einen starren Aluminiumbehälter zugrundeliegen, wobei der Einfachheit halber für die Vergussmasse der vorerwähnte Index K gewählt wird: – Elastizitätsmodul der ausgehärteten Epoxidharzvergussmasse: EK = 3500 Nmm–2 ; – Aushärtungstemperatur: 60 °C, somit ∆T = 40 K; – Wärmeausdehnungskoeffizient Vergussmasse: α K = 60 · 10–6 K–1; – Wärmeausdehnungskoeffizient Aluminium: α M = 23,5 · 10–6 K–1; – Lineare Schwindung der Vergussmasse: 1%, d.h. εges = 0,01. Nach Gl. (7.7) und Setzen von εR = εges – α K ∆T errechnet sich unter der Voraussetzung idealelastischen Verhaltens der Vergussmasse in dem starren Aluminiumbehälter die auftretende Schwindungsspannung zu σs = EK (εges – α M ∆T) = 3500 (0,01 – 23,5 · 10–6 · 40) = 31,7 Nmm–2.

Dieser Wert zeigt, dass die auftretenden Schwindungsspannungen durchaus in einem Bereich liegen können, welcher der Höhe nach den Werten der Eigenfestigkeiten von Vergussmassen entspricht. 7.2.5 Maßnahmen zur Reduzierung von Schwindungen 7.2.5.1 Klebstoffbedingte Schwindungen

Die einzelnen Klebstoffgrundstoffe weisen ein sehr unterschiedliches Reaktionsschwindungsverhalten auf; so beträgt beispielsweise die Schwindung bei den Acrylaten 5–10%, anaeroben Klebstoffen 6–9%, Epoxidharzen 4–5%, Polyurethanen 3–5%, Siliconen < 1%. Für Polyamide gelten nach [S112] Abkühlungsschwindungen von 1–2%. Für eine Verhinderung bzw. Verminderung der Schwindungsspannungen sind folgende Maßnahmen geeignet:

370

7 Eigenschaften von Klebungen

앫 Verwendung von Füllstoffen (Abschn. 2.7.8). Durch eine „Verdünnung“ der Monomeranteile wird der Reaktionsschwund reduziert, außerdem erfolgt je nach Art des Füllstoffs eine Verringerung der Differenz der Wärmeausdehnungskoeffizienten. Nachteilig kann sich jedoch die erhöhte Viskosität auf die Verarbeitung auswirken. In [H370] mitgeteilte Ergebnisse zeigen, dass vorrangig der Anteil des zugesetzten Füllstoffs und weniger Form und Größe der Partikel die Volumenänderungen beeinflussen. 앫 Verringerung der Aushärtungstemperatur durch Auswahl entsprechender Basismonomere, dadurch ebenfalls Verringerung von ∆T und Reaktionsschwund. 앫 Auswahl von Klebstoffen, die Klebschichten mit geringen Elastizitätsmoduln bilden, dadurch Möglichkeit des Abbaus von Spannungen in der Klebfuge. 앫 Änderung des Arbeitsablaufes dahingehend, dass ein Teil der Aushärtungsreaktion bereits auf einer Fügeteiloberfläche vor dem Zusammenbringen mit dem zweiten Fügeteil erfolgt. Auf diese Weise wird ein wesentlicher Teil der Schwindung vorweggenommen. Der Klebvorgang muss dann allerdings in seiner zeitlichen Folge sehr exakt gesteuert werden, um die für eine ausreichende Benetzung des zweiten Fügeteils noch ausreichende Viskosität sicherzustellen. 앫 Chemische Modifizierung der Klebstoffe dahingehend, dass die Initiierung der Vernetzung bereits innerhalb der Aufheizphase erfolgt. Dadurch wird der technisch bedeutsamere gesamte Härtungsschrumpf verringert. 7.2.5.2 Fertigungsbedingte Schwindungen

Aus Bild 7.6 geht hervor, dass die Reaktions- und Abkühlungsschwindungen zu unterschiedlichen Zeiten und Temperaturen auftreten und somit direkt von der Zeit-Temperaturführung des Aushärtungsprozesses abhängig sind. Somit gewinnen die Fertigungsbedingungen als weitere Möglichkeit der Schwindungsreduzierung besondere Bedeutung. Nach [H369, H370] sind u.a. die folgenden Parameter zu empfehlen: 앫 Verringerung der Aufheizrate und Erhöhung der Haltetemperatur. Dadurch wird das Vernetzungsintervall zum Teil in die Aufheizphase verlagert mit der Folge von Überlagerungen der thermischen Ausdehnung und der Reaktionsschwindung, die eine Reduzierung der Gesamtschwindung bewirken. 앫 Verringerung der Klebschichtdicke, um einen möglichen Klebstoffaustritt aus der Klebfuge während der Härtung zu vermeiden. 앫 Homogenisierung der Temperaturverteilung im Bauteil während der Abkühlung. Zusammenfassend ergeben sich als Ursachen für die schwindungsbedingten Bauteil-(Fügeteil-)Verformungen die folgenden Eigenschaften von Klebstoff, Fertigungsprozess und Bauteil (nach [H369]):

7.2 Eigenspannungen in Klebungen

371

앫 Klebstoff – Reaktionsverhalten – Expansions- und Kontraktionsverhalten – thermomechanisches Verhalten – Viskositätseigenschaften 앫 Fertigungsprozess – Temperaturverteilung im Bauteil während der Aushärtung – Spaltmaßänderung während der Aushärtung – laterale Fügeteilrelativverschiebungen während der Aushärtung 앫 Bauteil – Fugenfüllungsgrad – Steifigkeitsverhältnisse im Fügebereich – Lage der Klebnähte und anderer Fügebereiche. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 7.2.3 bis 7.2.5: [A47, A81, A82, B41, B112, B352, C61, H195, H202, H204, H205, H238, H283, H368, H369, J24, K116, M260, S37, S39, T7; ASTM E 831–81] sowie Literatur zu Abschnitt 7.2.1 und 7.2.2].

7.2.6 Eigenspannungen durch unterschiedliche Temperaturverteilungen

Eigenspannungen, die ihre Ursache in unterschiedlichen Temperaturverteilungen während der Aushärtungsreaktion haben, treten vorwiegend bei stark exothermen Reaktionen auf. Es kommt dabei zu einem Temperaturabfall von der Klebschichtmitte in Richtung der Grenzfläche Klebschicht-Metall. Wenn in der zur Verfügung stehenden Zeit kein ausreichender Temperaturausgleich erfolgt, resultieren verschiedenartige Vernetzungszustände in der Klebschicht, verbunden mit unterschiedlichen Spannungsausbildungen. Eine vergleichbare Erscheinung kann auch bei den physikalisch abbindenden Schmelzklebstoffen dann auftreten, wenn hohe Verarbeitungstemperaturen vorliegen und die metallischen Fügeteile nicht vorgewärmt sind. 7.2.7 Eigenspannungen durch Temperaturwechselbeanspruchung

Diese Art der Eigenspannungen ist besonders bei Klebstoffen zu erwarten, die unter Druck oder in runden Klebfugengeometrien (Kap. 10) aushärten, da in diesen Fällen die Fügeteile fixiert sind und dem Druck in der Klebfuge nicht nachgeben können. Sie sind wie folgt zu erklären: 앫 In Abhängigkeit von der Höhe der Aufheiztemperatur bauen sich infolge der unterschiedlichen Wärmeausdehnungskoeffizienten von Klebschicht und Fügeteilwerkstoff zunächst Druckspannungen im Grenzschichtbereich auf. Diese Druckspannungen relaxieren allerdings je nach Länge der Aufheiz- und Haltezeit aufgrund der elastisch-plastischen Eigenschaften der Klebschicht, sodass es bereits während dieser Phase wieder zu einem teilweisen Druckspannungsabbau kommt.

372

7 Eigenschaften von Klebungen

앫 Während des Abkühlens auf und des anschließenden Verweilens bei Raumtemperatur tritt eine Zugspannung auf, die der Höhe der nach der Relaxation bei der hohen Temperatur verbleibenden Druckspannung entspricht. Diese Zugspannung kann aber wegen der im Verhältnis zum Aufheizen niedrigen Temperatur entweder gar nicht oder nur sehr langsam relaxieren, somit verbleibt ein gewisser Spannungsrest, der für die Klebung eine Zeitstandbelastung darstellt und nach jedem Temperaturwechsel in etwa gleicher Höhe wieder auftritt. 7.2.8 Eigenspannungen durch Alterungsvorgänge der Klebschicht

Diese Erscheinung tritt dann auf, wenn es infolge von Umwelteinflüssen, besonders bei Feuchtlagerung, zu einer Wasseraufnahme der Klebschicht und somit zu einer Volumenvergrößerung kommt. In vielen Fällen wirkt eine Feuchtigkeitsaufnahme der Klebschicht jedoch auch plastifizierend, sodass hieraus ein Spannungsabbau resultiert. Zusammenfassend ist festzustellen, dass bereits bei der Herstellung einer Klebung entscheidend auf einen möglichst geringen Eigenspannungszustand der Klebschicht hingewirkt werden kann. Die wichtigste Maßnahme ist eine optimal auf den Reaktionsverlauf abgestimmte Temperaturführung und nach Möglichkeit die Vermeidung höherer Temperaturen als sie für die Reaktionen erforderlich sind. Besondere Bedeutung ist hierbei dem Abkühlungsvorgang beizumessen. Die Wirkung einer langsamen Abkühlung kann mit einem „Tempern“ der Klebschicht wegen der über eine längere Zeit einwirkenden Temperatur mit der Folge eines Spannungsabbaus verglichen werden. Die durch die physikalischen Gesetzmäßigkeiten bedingten Unterschiede der Wärmeausdehnungskoeffizienten lassen sich allerdings auch durch das Tempern nicht beseitigen. Grundsätzlich gilt, dass ein großer Teil der auftretenden Eigenspannungen bereits während des Härtungs- und Abkühlvorganges wieder abgebaut wird. Dennoch verbleibende Restspannungen vermögen die bei einer späteren Belastung auftretenden Spannungen zu überlagern und können somit zu einem vorzeitigen Bruch führen.

7.3 Bruchverhalten von Klebungen Bei der Betrachtung des Bruchverhaltens von Klebungen sind die in Bild 7.7 nach DIN EN ISO 10365 dargestellten Brucharten zu unterscheiden. Die in dieser Norm definierten Bruchbildarten von geklebten Verbindungen sind bei mechanischen Prüfungen zur Beschreibung der Bruchursachen anzuwenden. Sie gelten unabhängig von der Art des Fügeteilwerkstoffs und des eingesetzten Klebstoffs. Tritt in einem Bruchbild mehr als eine Versagensart auf, ist nach jeder Bezeichnung für jede Versagensart ihr ungefährer Prozentanteil anzugeben (s.a. Bild 16.7).

7.3 Bruchverhalten von Klebungen

373

Bild 7.7. Brucharten von Klebungen

7.3.1 Adhäsionsbruch

Ein reiner Adhäsionsbruch liegt dann vor, wenn weder auf dem Fügeteil Klebschichtreste noch an der Klebschicht Fügeteilreste nachweisbar sind. In dieser idealisierten Form treten Adhäsionsbrüche allerdings nicht auf. Ausführliche Arbeiten zu dieser Thematik weisen aus, dass auf der Fügeteiloberfläche Anteile von Klebschichtpolymeren nachgewiesen werden können [B22, B30]. Ein theoretisches Konzept zur Betrachtung des Adhäsionsbruchs wurde von Bikermann [B11] formuliert; seine Vorstellungen einer „weak boundary layer“ nehmen in den Diskussionen einen breiten Raum ein. Die wesentliche Aussage besteht darin, dass ein reiner Adhäsionsbruch, also eine Trennung exakt zwischen den Atom- bzw. Moleküllagen der beteiligten Phasen, äußerst unwahrscheinlich ist. Das Konzept geht von dem Vorhandensein einer, wenn auch extrem dünnen, Schicht zwischen der Klebschicht und der Fügeteiloberfläche aus, in der ein kohäsives Versagen bei einer Belastung erfolgt. So sieht Bikermann die Unmöglichkeit eines rein adhäsiven Bruchs u.a. im strukturellen Aufbau einer Klebschicht, wie er in Bild 6.7 wiedergegeben ist und durch Kötting [K103] (Abschn. 4.9, Bild 4.23) nachgewiesen wurde. In diesem Modell liegen die schwächsten Stellen des Verbundes im Zusammenhalt der parallel angeordneten Fadenmoleküle und den dort wirkenden Nebenvalenzkräften. Als weitere Gründe für das Vorhandensein der weak boundary layer werden angenommen:

374

7 Eigenschaften von Klebungen

앫 Mögliche Gaseinschlüsse im Grenzschichtbereich infolge ungenügender Benetzung der Oberfläche. 앫 Unterschiede in der strukturellen Ausbildung des Polymers im Grenzschichtbereich gegenüber der Klebschichtmitte. Diese Tatsache wurde durch Arbeiten von Hahn, Kötting und Yi bestätigt (Abschn. 4.9). 앫 Vorhandensein chemisorptiver Bindungen im Grenzschichtbereich. Die der Chemisorption zugrundeliegenden Primärreaktionen der Klebstoffmoleküle mit der Metalloberfläche verringern die Vernetzungsfähigkeit zu den nachfolgenden Molekülen in die Klebschicht hinein, da durch die bereits eingegangenen Bindungen reaktive Gruppen nur noch in vermindertem Anteil verfügbar sind. 앫 Inhomogenitäten der Polymerstruktur im Grenzschichtbereich, bedingt durch chemische Reaktionen der Klebstoffmoleküle mit Oxid- und/oder Hydroxidschichten der Metalloberfläche. Dieser Sachverhalt ist von Brockmann [B108] nachgewiesen. Ein weiterer Beweis für das Vorhandensein der weak boundary layer konnte durch die Verwendung eines radioaktiv markierten Phenolharzklebstoffs bei einer Aluminiumklebung erbracht werden [B27, B30]. Mittels der Autoradiographie wurde festgestellt, dass die auf der Fügeteiloberfläche nach dem Bruch verbleibenden Klebschichtanteile in ihrer Dicke etwa den Chemisorptionsmengen entsprechen. Der Bruch verläuft somit nicht direkt in der Adhäsionszone, sondern in grenzschichtnahen Bereichen, die in etwa der Entfernung der chemisorbierten Schichten in die Klebschicht hinein entsprechen. Der in Grenzschichtnähe verlaufende Schwachstellenbereich wird somit in besonderer Weise durch die Mikrogestalt der Oberfläche beeinflusst (Abschn. 6.2.1). Aufgrund der vorstehend beschriebenen Zusammenhänge bedarf die bisherige Darstellung des Verbundes Fügeteil/Grenzschicht/Klebschicht in einer Klebung gegenüber Bild 6.1 einer erweiterten Betrachtung. Nach [S41] sind demnach die in Bild 7.8 aufgeführten festigkeitsbestimmenden Bereiche innerhalb einer Klebung zu unterscheiden, wobei die weak boundary layer dem Bereich 5 zuzuordnen ist. In Bild 5.3 ist der Aufbau dieses Grenzschichtbereiches ebenfalls wiedergegeben. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 7.3.1: [B33, B44–B47, B150, D22, E14–E17, G20, G46–G48, J45, K43, K186, K187, M78, M154, M155, N53, P104, S44, S45].

7.3.2 Kohäsionsbruch

Das Bruchverhalten von Klebschichten wird durch den vorhandenen Spannungszustand, der durch äußere Beanspruchung oder auch durch Eigenspannungen (Abschn. 7.2) verursacht sein kann, von dem Vernetzungszustand sowie der Morphologie (kristallin, amorph) der Polymere beeinflusst. Das Kohäsionsbruchverhalten von Klebschichten kann, wie auch bei anderen Werkstoffen, als spröder Bruch oder als zäher Bruch beschrieben werden.

7.3 Bruchverhalten von Klebungen

375

Bild 7.8. Aufbau einer Klebfuge

Bei dem Sprödbruch handelt es sich um einen quasi verformungslosen Bruch bzw. einen Bruch mit einer sehr großen Ausbreitungsgeschwindigkeit. Sprödes Verhalten zeigen insbesondere reine, hochvernetzte Polymere, z.B. Phenolharze; die Klebschicht ist dann nicht in der Lage, mechanische Beanspruchungen über eine Verformungsarbeit abzubauen. Die Sprödigkeit einer Klebschicht steigt mit sinkender Temperatur und ist eine Funktion des ansteigenden Elastizitätsmoduls und der abnehmenden Verformungsfähigkeit des Polymers. Einem zähen Bruch geht eine Verformung der Polymerstruktur voraus, insbesondere Klebschichten mit einer inneren oder äußeren Weichmachung (Abschn. 2.7.4) bzw. Zähelastifizierung (Abschn. 2.2.1.7) neigen zu dieser Bruchart. Sprödigkeit und Zähigkeit einer Klebschicht sind von den Beanspruchungsbedingungen abhängige Werkstoffeigenschaften, deren Haupteinflussgrößen die Temperatur, die Beanspruchungsgeschwindigkeit und der wirkende Spannungszustand sind. Die Bruchtheorien, u.a. bereits 1935 von Smekal [S42] formuliert, gehen davon aus, dass in Bereichen von Inhomogenitäten, wie Kerben und Mikrorissen, aufgrund vorhandener hoher Spannungskonzentrationen die Festigkeit in Mikrobereichen stark herabgesetzt ist und daher diese Inhomogenitäten zum Ausgangspunkt eines Bruchs werden. Eine mathematische Formulierung dieser Zusammenhänge unter besonderer Berücksichtigung der Klebschichtschädigung vor und während einer Belastung ist von Schlimmer [S116] vorgenommen worden. Die Einführung eines elastischen und eines plastischen Schädigungsterms führt zu einem Rechenverfahren, mit dem die Schädigung als quantifizierbare Größe für die Berechnung von Klebungen eingeführt werden kann.

376

7 Eigenschaften von Klebungen

Somit ist für das Versagen einer Klebung infolge eines Bruchs innerhalb der Klebschicht weniger die mittlere Beanspruchung im Klebfugenbereich, wie sie der Ermittlung der Klebfestigkeit nach DIN EN 1465 zugrunde liegt (Abschn. 8.3.3.4), verantwortlich. Kritisch sind die örtlichen, sehr hohen Spannungszustände, wie sie besonders an den Überlappungsenden durch die Überlagerung von Schub- und Zugverformungen vorliegen. Gegebenenfalls dort vorhandene Ungleichmäßigkeiten innerhalb der Klebschicht sowie sehr geringe Übergangsradien zwischen Fügeteiloberfläche und Klebschicht wirken sich besonders ungünstig aus. Diese Zusammenhänge sind beispielsweise die Ursache dafür, dass durch die erwähnten unkontrollierbaren Ausgangspunkte die Prüfungen des Bruchverhaltens in den Ergebnissen relativ starke Streuungen aufweisen, deren Verteilung sich nicht durch Messfehler erklären lässt. Das wird besonders bei der Prüfung bereits vorbelasteter Klebungen deutlich. Bei einer ersten Überschreitung der Fließgrenze des Fügeteilwerkstoffs kommt es zu einer Schädigung der Klebschicht im Mikrobereich. Falls der Bruch nicht dann bereits erfolgt, wird er bei einer wiederholten Belastung bei niedrigeren Spannungen erfolgen, da die Klebschicht durch Anrisse an den Überlappungsenden vorgeschädigt ist. Neben den Inhomogenitäten als Ursache für einen Kohäsionsbruch ergeben sich als zusätzliche Möglichkeiten die Klebschichtveränderungen durch Alterungseinflüsse. Die durch Eindringen von Feuchtigkeit in die Polymermatrix erfolgende Diffusion von Wassermolekülen kann je nach chemischem Aufbau der Klebschicht jedoch auch zu einer Plastifizierung führen, die das spröde Verhalten mindert und zu einer Erhöhung der Bruchzähigkeit beiträgt. Weitere zum Bruch in einer Klebung führende Bruchursachen sind in Abschnitt 7.2 beschrieben. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 7.3.2: [B33, B44–B47, D22, E14–E17, G20, G46–G48, J45, K43, M154, M155, S44, S45].

7.3.3 Bruchmechanische Betrachtungsweise

Die klassische Festigkeitsberechnung vergleicht üblicherweise die berechneten Spannungen in den am höchsten beanspruchten Bereichen einer Konstruktion mit den entsprechenden Festigkeitskennwerten der beteiligten Werkstoffe. Dabei wird ein Sicherheitsbeiwert S gegen Versagen definiert, der sich als Quotient aus der jeweiligen Festigkeitsgrenze des Werkstoffs – ausgedrückt durch den entsprechenden Werkstoffkennwert K – und der größten im Bauteil vorhandenen Spannung σ zu S = K/σ ergibt. Ergänzend zu dem die Spannungsverhältnisse berücksichtigenden Sicherheitsbeiwert ist es erforderlich, ebenfalls die „Verformungs-Sicherheit“, die sich aus der möglichen plastischen Verformung eines Werkstoffs ergibt, zu berücksichtigen. Dadurch ist es möglich, auch die von der Festigkeitsberechnung nicht erfassten lokalen Spannungsspitzen über die Annahme eines örtlich begrenzten plastischen Fließens des Werkstoffs in die Berechnungen einzubeziehen. Da Klebschichten in besonderer Weise einer Verformung bei Belastung unterliegen, weiter-

7.3 Bruchverhalten von Klebungen

377

hin Fehlstellen in der Polymerstruktur nicht ausgeschlossen werden können, ist es erforderlich, diesen Bedingungen bei einer Berechnung gerecht zu werden. Die bruchmechanische Betrachtungsweise berücksichtigt diese Zusammenhänge, wobei sie grundsätzlich von dem Vorhandensein von Fehlstellen, insbesondere von Mikrorissen, im Werkstoff ausgeht. Nach dieser Berechnungsweise kann ein Bruch dann vermieden werden, wenn eine bestimmte Beziehung aus der Nennspannung und der Rissgröße unter einem materialabhängigen kritischen Wert bleibt. Als Maß für die Intensität des Spannungszustandes im Bereich einer Rissspitze dient allgemein der Spannungsintensitätsfaktor. Je nach der Art und Weise, wie ein Riss fortschreitet, werden drei Grundfälle (Modi) unterschieden und zwar (Bild 7.9): – Rissöffnung senkrecht zur Rissfläche (Modus I), – Abgleiten der Rissflächen aufeinander in Richtung des Rissfortschritts (Modus II), – Abgleiten der Rissflächen senkrecht zur Rissfortpflanzungsrichtung (Modus III). Für den Modus I gilt dabei unter einachsiger Beanspruchung durch die Spannung σ bei einem Riss der Länge a für den Spannungsintensitätsfaktor KI = σ

a

π 2

Nmm–3/2.

Ein Bruch wird ausgelöst, wenn die Spannungen vor der Rissspitze eine bestimmte Größe erreicht haben, die dem kritischen Spannungsintensitätsfaktor KIc entspricht. Dieser Wert ist für eine gegebene Probengeometrie ein Werkstoffkennwert, der als Bruchzähigkeit bezeichnet wird. Über ihn besteht ein Zusammenhang zwischen der äußeren Belastung und der Risslänge beim Bruch. Somit ist es möglich, bei bekannter Risslänge die Bruchlast – über die Bruchnennspannung – zu bestimmen oder umgekehrt für eine gegebene äußere Beanspruchung die kritische Risslänge zu errechnen, die zum Bruch führt. Für Klebungen stößt eine mathematische Auswertung bruchmechanischer Versuche allerdings an Grenzen, da die Übertragung der vorerwähnten Grundsätze, die im Wesentlichen für homogene Prüfkörper gelten, auf im Verbund vorliegende Werkstoffpaarungen mit dem unterschiedlichen Verfor-

Bild 7.9. Grundfälle (Modi) einer Rissausbreitung

378

7 Eigenschaften von Klebungen

mungsverhalten von Klebschicht und Fügeteilwerkstoff nicht ohne weiteres möglich ist. Als Voraussetzung müsste mindestens gewährleistet sein, dass während des Versuchs keine Adhäsions-, sondern ausschließlich Kohäsionsbrüche auftreten, d.h., dass der Riss nur in der Klebschicht erfolgt und dass keine Beeinflussung der Klebschicht durch die Fügeteilwerkstoffe erfolgen darf. Trotz dieser Einschränkungen ermöglicht die Verfolgung des Rissfortschritts in einer Klebschicht, insbesondere unter Alterungsbedingungen, wertvolle vergleichende Hinweise für das Eigenschaftsverhalten. Die praktische Durchführung erfolgt mittels des in Abschnitt 16.2.1.7 beschriebenen „Keiltests“ („wedge-test“, „crack propagation test“, „crack extension test“). Der „Blister-Test“, dessen Prinzip auf der flächigen Ablösung einer Polymerschicht von einer Oberfläche beruht, kann für die Bestimmung der Bruchenergie im Grenzschichtbereich herangezogen werden [A83, B168, P130]. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 7.3.3: [A83, A84, A114, A125, A127, A145, A146, B200, B302, C62, D23, D55, D179, D284, F49, F50, F72, G20, G95, H206, H207, H302, J46, J47, K40–K42, K105, K184, K185, L44, M97, M152, M153, N83, O6, P79, P104, P141, P164, R39, S43, S293, S294, T8, W48, W128, Z28], sowie Literatur zu den Abschnitten 7.3.1 und 7.3.2.

7.4 Verhalten von Klebungen bei Beanspruchungen durch mechanische Belastungen und Umgebungseinflüsse 7.4.1 Allgemeine Betrachtungen

Die für das Verhalten von Klebungen entscheidenden Beanspruchungsarten sind in Bild 7.10 dargestellt. Es sind die Beanspruchungen durch mechanische Einflüsse und die Einflüsse aus der Umgebung zu unterscheiden. Im praktischen Einsatz treten diese Beanspruchungsarten fast immer gemeinsam als komplexe Beanspruchungen auf, die kurz- oder langzeitig auf die geklebte Konstruktion einwirken können. Für die Betrachtung des Beanspruchungsverhaltens und der sich daraus ergebenden Konsequenzen im Hinblick auf die Dimensionierung von Klebungen sind die folgenden Feststellungen wesentlich: 앫 Die Alterung von Klebungen unterliegt einem langandauernden Einfluss der Umweltfaktoren Temperatur, Witterung, Klima und weiterer spezifischer Medien in Kombination mit mechanischen Belastungen. Durch diese Einwirkungen werden die chemischen und physikalischen Eigenschaftswerte der Fügeteile sowie der Kleb- und Grenzschichten zeitabhängig verändert. Die Leistungsfähigkeit einer Klebung zeichnet sich dadurch aus, in welchem Ausmaß sie diesen Beanspruchungen bei weitgehender Beibehaltung ihrer ursprünglichen Festigkeitswerte standzuhalten vermag. Als Kenngrößen für das Festigkeitsverhalten einer Klebung sind demnach nicht die im statischen Kurzzeitversuch ermittelten Klebfestigkeiten maß-

7.4 Verhalten von Klebungen bei Belastungen

379

Bild 7.10. Beanspruchungsarten von Klebungen

gebend, sondern die Festigkeitswerte, die sich unter den zeitabhängigen Beanspruchungen der erwähnten Einflüsse ergeben. 앫 Die prozentualen Angaben der Festigkeitsverminderung als Grundlage möglicher Abminderungsfaktoren geben zwar die Gesamtänderung der Festigkeit nach einer bestimmten Zeit wieder, sagen aber wegen der im Allgemeinen nicht vorhandenen Linearität nichts über den zeitlichen Verlauf aus. So kann bereits nach einer verhältnismäßig kurzen Zeit eine große Festigkeitsänderung eingetreten sein, deren weiterer Verlauf sich dann asymptotisch einem Grenzwert nähert. Dennoch ist es üblich, die jeweiligen Endwerte der Festigkeit im Verhältnis zu den Anfangswerten zu sehen und daraus einen für den untersuchten Zeitraum allgemeingültigen Abminderungsfaktor zu berechnen. 앫 Da die Alterungsbeanspruchungen sich auf die Fügeteile, Klebschicht und Grenzschichten in sehr unterschiedlicher Weise auswirken und zu verschiedenartigen Versagensformen führen können, ist es erforderlich, bei Prüfungen der Langzeitbeständigkeit von Klebungen diese Möglichkeiten in der Ergebnisbetrachtung zu berücksichtigen. Aus diesem Grunde sind zusätzlich zu den Klebfestigkeit-Zeit-Diagrammen die Bruch-Zeit-Diagramme für eine praxisnahe Bewertung heranzuziehen (Abschn. 16.2.4.2). 앫 Es besteht ein wesentlicher Unterschied darin, ob die vorhandenen Umgebungseinflüsse auf mechanisch unbelastete oder belastete Klebungen einwirken. Durch die Fügeteil- und somit auch Klebschichtverformung ergibt

380

7 Eigenschaften von Klebungen

Bild 7.11. Beanspruchungsverhalten von Aluminiumklebungen 6060–T6. a 52 °C 100% rel. F.

ohne mechanische Belastung; b 52 °C 100% rel. F. mit gleichzeitiger mechanischer Belastung (nach [M29])

sich ein verändertes, und, wie die vielfältigen Ergebnisse der Praxis beweisen, beschleunigtes Diffusionsverhalten der besonders schädigend wirkenden Wassermoleküle in die Klebschicht und Grenzschicht. Die durch die Feuchtigkeit verursachten Alterungsvorgänge laufen bei mechanisch belasteten Klebungen daher schneller ab. Zu erklären ist dieser Sachverhalt durch die verstärkte Angriffsmöglichkeit der Wassermoleküle auf die örtlich geschwächten Bindungsbereiche in der Klebschicht und Grenzschicht. Weitgehend wirklichkeitsnahe Alterungsprüfungen an Klebungen lassen sich somit nur unter den komplexen, in Bild 7.10 dargestellten Beanspruchungsarten durchführen. Neben vielen anderen Autoren sind diese Zusammenhänge auch von Minford [M29] untersucht worden. Bild 7.11a und b zeigen in typischer Weise den Einfluss dieser komplexen Beanspruchung. Während mechanisch unbelastete Klebungen unter den angegebenen Bedingungen nach zwei Jahren noch die gleiche Festigkeit wie nach einem Jahr besitzen, bewirkt eine zusätzliche Belastung je nach eingesetztem Klebstoff nur eine Lebensdauer von Stunden bzw. Tagen. 7.4.2 Alterung von Klebungen durch Feuchtigkeitseinflüsse 7.4.2.1 Feuchtigkeitsdiffusion

Durch umfangreiche Untersuchungen ist erwiesen, dass die Diffusion von Feuchtigkeit in die Klebfuge den stärksten Schädigungsmechanismus darstellt. Die Ursache hierfür ist in der relativen Kleinheit des Wassermoleküls bei einem gleichzeitig vorhandenen großen Dipolmoment zu sehen, sodass es z.T. auch zu einer sog. „Konkurrenzadsorption“ gegenüber den polaren Gruppierungen der Klebschichtmoleküle kommen kann. Das Eindringen von Wasser

7.4 Verhalten von Klebungen bei Belastungen

381

in die Klebfuge (Migration) erfolgt dabei auf zwei verschiedene Arten, die sowohl getrennt als auch gleichzeitig auftreten können: – Bei der Diffusion kann das Wasser sowohl in gas- als auch flüssiger Phase vorliegen. Es handelt sich hierbei um einen statischen Ausgleichsvorgang, in dessen Verlauf die Moleküle infolge der in ihnen vorhandenen Bewegung von Bereichen höherer zu Bereichen niedrigerer Konzentration gelangen, sodass allmählich ein Konzentrationsausgleich erfolgt. Dieser Prozess verläuft wesentlich langsamer und ist von der Temperatur abhängig. Die thermodynamischen Grundlagen sind die Fickschen Gesetze, nach denen bei konstantem Druck und konstanter Temperatur der Zusammenhang zwischen dem Diffusionsstrom(j) und der Konzentrationsabnahme (dc) auf einer Strecke (dx) durch die Beziehung j=–D

dxdc 

gegeben ist. D ist der Diffusionskoeffizient. Aus [P106] geht hervor, dass an Epoxidharzen gemessene Werte im Bereich von 2,3 – 4,0 · 10–7 mm2 s–1 liegen. Nach Cognard [C64] hat man sich das Diffusionsmodell in der Weise vorzustellen, dass die in die Klebschicht diffundierenden Wassermoleküle sich zunächst über Wasserstoffbrückenbindungen (Abschn. 6.1.4.4) an die vorhandenen polaren Molekülbereiche der Polymermatrix anlagern. In diesem Zustand treten noch keine merklichen Änderungen der Klebschichteigenschaften ein. Mit zunehmender Konzentration kondensieren die Wassermoleküle in grenzschichtnahen Mikroporen oder Fehlstellen; das Wasser tritt dann entweder in chemische Reaktionen mit den Atomen/Molekülen auf der Fügeteiloberfläche ein oder verursacht durch die Ausbildung eines osmotischen Druckes Quellvorgänge, die zu einer Delamination der Klebschicht von der Oberfläche führen können. – Die Migration über Kapillarkräfte setzt das Vorhandensein von Rissen, Poren oder Spalten voraus. Somit wird dieser Fall bevorzugt dann auftreten, wenn durch Klebschichtverformungen an den Klebfugenkanten mikromechanische Schädigungen in der Klebschicht oder Fehlstellen im Grenzschichtbereich vorhanden sind. Hierin liegt der wesentliche Grund für das in Bild 7.11 dargestellte unterschiedliche Beanspruchungsverhalten ohne und mit vorhandener mechanischer Belastung. Aufgrund des sich ausbildenden Kapillardruckes kann dieser Prozeß relativ schnell ablaufen, er wird weiterhin beschleunigt, wenn das Wasser in flüssiger Phase vorliegt. Grundsätzlich ist demnach die Einwirkung der Feuchtigkeit auf die Grenzschicht und auf die Klebschicht zu unterscheiden. 7.4.2.2 Feuchtigkeitseinflüsse auf die Grenzschicht (bondline corrosion)

Die Einwirkung von Feuchtigkeit auf die Grenzschicht führt im Allgemeinen zu einem totalen Festigkeitsverlust, dabei kann dieser Angriff bei Metallkle-

382

7 Eigenschaften von Klebungen

bungen ohne oder mit einer parallel verlaufenden Korrosion erfolgen. Bei einer Feuchtigkeitseinwirkung ohne gleichzeitige Korrosionsvorgänge handelt es sich aufgrund der vorstehend beschriebenen Zusammenhänge um relativ langsam ablaufende Schadensmechanismen. Laufen gleichzeitig Korrosionsvorgänge ab, kann der Festigkeitsverlust der Klebung infolge elektrochemischer Reaktionen sehr viel schneller eintreten. Dieser als „bondline corrosion“ bekannte Schädigungsmechanismus nimmt seinen Ausgang ebenfalls an den Klebfugenrändern; vereinfacht lässt sich dieser Vorgang wie folgt darstellen: In einer 1. Stufe läuft die anodische Oxidationsreaktion (Elektronenabgabe) des Metalls ab: Me → Mez ⊕ + ze 䊞 Diese Reaktion kann dort stattfinden, wo ein wässriges Medium für die Aufnahme der gebildeten Metallionen vorhanden ist. Die kathodische Reaktion führt stets zu einer Reduktion (Elektronenaufnahme) eines Oxidationsmittels. Diese ist je nach Elektrolyt verschieden. Erfolgt die Korrosion beispielsweise unter Luftzutritt in einem sauerstoffhaltigen alkalischen, neutralen oder schwach sauren Elektrolyten, so ist der gelöste Sauerstoff das Oxidationsmittel (Sauerstoffkorrosionstyp): H2O +

1 O2 + 2e 䊞 → 2OH䊞 . 2

Bei der Korrosion in Säuren mit pH < 5 wirken dagegen bei Abwesenheit von oxidierenden Substanzen die H-Ionen als Oxidationsmittel (Wasserstoffkorrosionstyp) und die kathodische Teilreaktion läuft nach 2H ⊕ + 2e 䊞 → H2 ab. Für die bondline corrosion können je nach vorliegenden Metallen und deren Oxidstrukturen beide Mechanismen verantwortlich sein, Voraussetzung ist in jedem Fall das Vorhandensein von Wasser. Wie jede chemische Reaktion, so wird auch dieser Vorgang durch erhöhte Temperaturen beschleunigt, sodass die Kombination von Wärme und Feuchtigkeit zu den besonders schädigenden Einflüssen zählt. Dieser Sachverhalt wird in Bild 7.12 am Beispiel einer Aluminium-Epoxidharz-Klebung dargestellt [C32]. Durch Aufbringen hydrolysebeständiger Oberflächenschichten lässt sich der Feuchtigkeitseinfluss in seiner Wirkung begrenzen, Möglichkeiten hierfür bieten Phosphatschichten, Oxidschichten mit Anteilen hydrolysebeständiger Chromoxide oder auch elektrochemisch nachverdichtete Oxidschichten. Die in Abschnitt 12.2.2 beschriebenen Oberflächenvorbehandlungsmethoden beruhen auf diesen Zusammenhängen. Bei gewissen Anwendungen vermögen auch haftvermittelnde Zwischenschichten (z.B. Siliconverbindungen mit hydrophobem Charakter, Abschn. 2.7.15) den Feuchtigkeitseinfluss zu reduzieren oder zu eliminieren.

7.4 Verhalten von Klebungen bei Belastungen

383

Bild 7.12. Festigkeitsabfall einer Aluminium-Epoxidharz-Klebung bei unterschiedlicher Temperatur und Feuchtigkeitsbeanspruchung (nach [C32])

7.4.2.3 Feuchtigkeitseinflüsse auf die Klebschicht

Die Einwirkung von Feuchtigkeit auf die Klebschicht tritt in ihrer Auswirkung im Vergleich zu den vorstehenden Zusammenhängen zurück, da es sich im Allgemeinen um reversible Vorgänge handelt. Die in der Polymermatrix physikalisch gebundenen Wassermoleküle vermögen nach Änderung der Gleichgewichtsbedingungen wieder aus der Klebschicht herauszudiffundieren, sodass sich die ursprünglichen Festigkeitswerte wieder einstellen. Diese Zusammenhänge sind u.a. von Mittrop [M7] beschrieben worden. Untersuchungen von Hahn, Kötting und Yi [H26, K36, H111, H112] haben ergeben, dass die Wirkungsweise der Feuchtigkeit stark von dem morphologischen Aufbau der Klebschicht im Grenzschichtbereich abhängig ist (Bild 4.23). Offenbar erfahren die sich an den Metalloberflächen ausbildenden Strukturen (orientierte Stränge) eine schnellere Feuchtigkeitsdurchdringung als die mittleren globular strukturierten Ebenen. Entscheidend für die sich einstellende Polymermorphologie im Grenzschichtbereich ist der Zustand der Oberfläche im Augenblick der Benetzung durch den Klebstoff. Hierauf hat auch bereits Brockmann [B30, B37] hingewiesen. Nach Untersuchungen von Althof [A20, A21] an reinen Klebschichtsubstanzen und an Klebschichten innerhalb von Klebfugen besitzen die einzelnen Klebschichtpolymere ein sehr unterschiedliches Feuchtigkeitsaufnahmevermögen. Mit Phenolharz modifizierte Epoxidharze zeigen beispielsweise bei einer Klimabeanspruchung von 50 °C und 55% rel. F. maximale Feuchtegehalte bis zu 5%, während Klebstoffe auf Basis Epoxid-Nitril und auch PhenolPolyvinylformal zwei- bis dreimal so hohe Werte aufweisen. Somit ergibt sich für die Klebschicht, dass nicht in erster Linie ihre Eigenfestigkeit für die Klebfestigkeit maßgebend ist, sondern ihr durch die komplexen Beanspruchungen verändertes chemisches und mechanisches Ver-

384

7 Eigenschaften von Klebungen

halten. So kann sich eine Feuchtigkeitsaufnahme der Klebschicht beispielsweise positiv dann auswirken, wenn die hieraus resultierende Plastifizierung zu einem Spannungsabbau beitragen kann. Negative Auswirkungen können auf der anderen Seite dann eintreten, wenn die Umgebungsmedien zu einer Versprödung der Klebschicht führen (z.B. Extraktion plastifizierender Bestandteile durch Lösungsmitteleinwirkung). 7.4.2.4 Einfluss der Oberflächenvorbehandlung

Aus Bild 7.13 geht der große Einfluss der Oberflächenvorbehandlung auf das Alterungsverhalten durch Feuchtigkeitseinfluss (Wasser bei 50 °C) am Beispiel einer Aluminium-Epoxidharz-Klebung hervor [nach K108]. Die Ergebnisse zeigen die unterschiedlichen Auswirkungen der Oxidstrukturen auf die Festigkeit während der Alterung und belegen weiterhin, dass eine mechanische Vorbehandlung durch Strahlen den chemischen Verfahren gegenüber deutlich unterlegen ist. Von großem Einfluss auf das Alterungsverhalten ist weiterhin der sich unter Feuchtigkeitseinfluss mit den Bestandteilen der Oberfläche einstellende pH-Wert. Metalloxide sind nur innerhalb gewisser pH-Bereiche stabil, so z.B. besitzen Aluminiumoxide bei pH-Werten zwischen 4 und 8 eine relativ hohe Stabilität. Höhere pH-Werte führen zu hydrolytischen Reaktionen mit der Folge von Haftungsverlusten. Bereits bei der Formulierung der Klebstoffe kann auf diese Zusammenhänge durch die Auswahl von Grundstoffen mit einem „stabilen pH-Verhalten“ Rücksicht genommen werden.

Bild 7.13. Einfluss der Oberflächenvorbehandlung auf das Alterungsverhalten einer Aluminium-Epoxidharz-Klebung unter Feuchtigkeitseinwirkung (nach [K108])

7.4 Verhalten von Klebungen bei Belastungen

385

7.4.2.5 Experimentelle Bestimmung der Feuchtigkeitsalterung

Experimentell lässt sich der Einfluss der Feuchtigkeitsalterung auf die mechanisch-technologischen Eigenschaften von Polymeren bzw. Klebschichten mittels des Torsionsschwingungsversuchs (Abschn. 4.4.2 u. 16.4.1) bestimmen. Die Bilder 7.14a und b zeigen am Beispiel einer Epoxidharzprobe nach DIN 53445 die Änderung von Schubmodul und mechanischem Verlustfaktor bei einer Feuchtigkeitsbeanspruchung von 40 °C/95% r.F./100 Tage bei den Aushärtungsbedingungen RT/72 h (Bild a) sowie 100 °C/30 min (Bild b) [H194, M147]: Bild 7.14. Schubmodul und Verlustfaktor in Abhängigkeit von der Temperatur vor und nach einer Klimalagerung 40 °C/95% r.F./100 Tage; Klebstoff: Epoxidharz, Härtung 72 h/RT (Bild a), 30 min/100 °C (Bild b) (nach [H194])

a

b

Die Ergebnisse lassen sich wie folgt interpretieren: – Die Aushärtung bei Raumtemperatur weist nach der Klimalagerung keinen deutlich ausgeprägten Glasübergangstemperaturbereich mehr auf. Die Werte des Schubmoduls gehen mit steigender Temperatur kontinuierlich zurück und das Dämpfungsmaximum wird zu höheren Temperaturen verschoben. – Für dieses Verhalten sind zwei unterschiedliche Effekte maßgebend. Einerseits ist bei der Raumtemperaturhärtung die Vernetzungsreaktion nicht

386

7 Eigenschaften von Klebungen

vollständig zum Abschluss gekommen, sodass die höhere Temperatur bei der Klimalagerung zu einer Nachhärtung und damit verbunden zu einer erhöhten Vernetzungsdichte führt. Ergänzend dazu erfolgt andererseits durch die eingedrungenen Wassermoleküle eine Herabsetzung der Kohäsionsfestigkeit der Polymerprobe. Somit ist das Alterungsverhalten des bei Raumtemperatur vernetzten Epoxidharzes durch die Wechselwirkung zwischen der Nachhärtung und dem feuchtigkeitsbedingten Weichmachereffekt bestimmt. – Beide vorstehend erwähnten Effekte sind bei der Warmhärtung infolge der damit verbundenen höheren Vernetzungsdichte geringer ausgeprägt, sodass es auch nur zu einer geringeren Beeinflussung der thermomechanischen Eigenschaften kommt. Die feuchtigkeitsbedingte Veränderung der Glasübergangstemperatur, basierend auf der Messung des mechanischen Verlustfaktors an einem mit Dicyandiamid gehärteten Epoxidharz, geht in noch deutlicherer Form aus Bild 7.15 hervor [N54]. Mit zunehmender Einwirkungsdauer (bei 70 °C/100% r.F.) tritt eine merkliche Abnahme des Tg -Wertes von 126 °C auf 85 °C auf, bei gleichzeitiger Aufweitung des Maximumbereiches und Abnahme des Verlustfaktors. Die Gründe für die Aufweitung in zwei Maxima bei 431 Stunden, die sich mit zunehmender Tendenz bis 763 Stunden fortsetzt (in der Veröffentlichung nur tabellarisch erwähnt), werden dort nicht diskutiert. Der Einfluss der Feuchtigkeitsalterung lässt sich ebenfalls mittels des Schubspannungs-Gleitungs-Versuches (Abschn. 4.3) einer Klebung bestimmen. Gegenüber den reinen Polymerproben laufen die Diffusionsvorgänge wegen der geringeren wirksamen Oberfläche allerdings wesentlich langsamer ab, hinzu kommen als Schädigungsmechanismen noch Quellspannungen innerhalb der Polymerstränge im Grenzschichtbereich der Klebschicht (Bild 4.23). Auch der Keiltest (Abschn. 16.2.1.7) hat sich als Prüfmethode für Alterungsbeanspruchungen sehr bewährt. Bild 7.15. Veränderung der Glasübergangstemperatur und des mechanischen Verlustfaktors bei der Feuchtigkeitsalterung einer Epoxidharzklebung (nach [N54])

7.4 Verhalten von Klebungen bei Belastungen

387

Als wesentliche Ursachen für Alterungsvorgänge in einer Klebung sind demnach die folgenden Faktoren zu sehen: – Vorhandensein einer bereits bei der Klebstoffaushärtung gebildeten weak boundary layer; – Vorhandensein unterschiedlich ausgebildeter Polymerstrukturen mit ihrem jeweils spezifischen Verhalten gegenüber der Feuchtigkeitsdiffusion; – Hydrolyse der auf den Metalloberflächen vorhandenen Oxidstrukturen durch Feuchtigkeit; – pH-Wert-Verschiebungen im Grenzschichtbereich durch Wechselwirkung Feuchtigkeit – Klebschicht; – Auftreten der bondline corrosion; – Quellung der Klebschicht durch eindiffundierende Feuchtigkeit. Eine Verhinderung bzw. Reduzierung feuchtigkeitsbedingter Schädigungen von Klebungen kann durch die folgenden Maßnahmen erfolgen: – Genaue Einhaltung der vom Klebstoffhersteller vorgeschriebenen Aushärtungsparameter hinsichtlich Temperatur und Zeit, wobei diese durch die Bestimmungen des Umsatzgrades (Abschn. 3.1.1.2, 12.3.4 und 16.4) abgesichert sein sollten. – Einsatz reaktiv vernetzender anstelle physikalisch abbindender Klebstoffe. – Einsatz von Klebstoffen mit extrem niedrigen Feuchtigkeits-Diffusionsraten, z.B. Fluor-Epoxide [T45]. – Ggf. Zugabe von diffusionsbehindernden Füllstoffen, die sich allerdings Wasser gegenüber inert verhalten müssen. – Durchführung einer entsprechenden Oberflächenvorbehandlung, auch in Bereichen außerhalb der Klebfuge. – Zusätzliches Versiegeln der Klebfugenkanten, was jedoch zu einem erhöhten Fertigungsaufwand führt. Ein sehr großer Teil des in den folgenden Literaturstellen verfügbaren Wissens über die Alterungsvorgänge entstammt der Grundlagenforschung über die Anwendung des Klebens für Aluminium- und Titanlegierungen im Flugzeugbau. Wenn hinsichtlich der Beständigkeit auf diesem Gebiet auch extreme Langzeitanforderungen in Verbindung mit einem sehr hohen Fertigungsaufwand vorliegen, lassen sich diese Erkenntnisse mit Erfolg auch auf andere Anwendungen übertragen. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 7.4.2: Alterung allg., zusammenfassende Darst.: [A28, B48, B115, B117, B133, C32, C39, D180, D181, F51, H34, J42, K103, K106, K173, L18, M35, M36, M100, S115, S116, S200, S201, Y3]. Feuchtigkeitsalterung, zusammenfassende Darst.: [A14, A131, B48, B108, B113, B114, B117, B201–B205, B312, C30, C31, C44, C63, C64, C106, E45, E46, F28, H110–H112, H194, H208, J25, J48, J68, K30, K103, K107, K330, L82–L84, L125, M98, M99, N54, O15, P105, P106, R40, R84, R85, S199, T36, V27, W120, Y4, Z24]. Feuchtigkeitsalterung, exp. Ergebnisse: [A119, B201, B203, B204, B312, B332, D181, F51, L82, L84, L132, N54, N79, P106, S199, S200]. Berechnungen Feuchtigkeitsdiffusion: [B202, B204, C63, E46, H208, K107, 015, S199]. Alterung bei kryogenen Temperaturen: [R86]. Bruchmechanische Untersuchungen: siehe Abschnitt 7.3.3.

388

7 Eigenschaften von Klebungen

7.4.3 Korrosion in Klebungen

Nach DIN 50900 wird als Korrosion „die Reaktion eines metallischen Werkstoffs mit seiner Umgebung, die eine messbare Veränderung des Werkstoffs bewirkt und zu einer Beeinträchtigung der Funktion eines metallischen Bauteils oder eines ganzen Systems führen kann“ definiert. Neben der in Abschnitt 7.4.2.2 beschriebenen bondline-corrosion sind klebtechnisch noch die folgenden Korrosionsarten wichtig. 7.4.3.1 Unterwanderungskorrosion

Der Adhäsionsbruch (Abschn. 7.3.1, Bild 7.7) ist bei Metallklebungen zu ergänzen durch die Möglichkeit, dass durch korrosive Medien eine Zerstörung des Fügeteils und somit eine Unterwanderung der Klebschicht erfolgt. Ein derartiger Bruch würde demnach nicht auf einem direkten Versagen der ursprünglichen Bindungskräfte, sondern auf einer durch eine chemische oder elektrochemische Reaktion verursachten Materialzerstörung, die außerhalb der Klebfuge startet, beruhen (Bild 7.16). Aus diesem Grunde gewinnt die Oberflächenbehandlung (Abschn. 12.2) für den Schutz der Fügeteile in der Umgebung der Klebfuge neben der Verbesserung der Haftungskräfte eine weitere wichtige Bedeutung. 7.4.3.2 Spaltkorrosion

Die Ursache einer Spaltkorrosion besteht in dem mangelnden Luftaustausch innerhalb eines Spaltes, der zu einer Verarmung des für eine Oberflächenpassivierung erforderlichen Sauerstoffanteils und somit zum Abbau der Passivierungsschicht führt. Dadurch bilden sich lokale Belüftungselemente (EvansElemente) zwischen den nicht belüfteten Spalten und der übrigen Oberfläche. 7.4.3.3 Kontaktkorrosion

Eine Kontaktkorrosion tritt auf, wenn Metalle mit einem unterschiedlichen elektrochemischen Verhalten (edle/unedle Metalle, z.B. Cu/Fe, Cu/Zn, Fe/Al) miteinander über einen Elektrolyten, in der Regel eine leitfähige wässrige Lösung, in Kontakt kommen. Bild 7.16. Unterwanderungskorrosion von Klebschichten

7.4 Verhalten von Klebungen bei Belastungen

389

Diese Möglichkeit ist beispielsweise bei metallischen Werkstoffkombinationen, hergestellt durch Schrauben, Nieten oder Falzen und auch bei WelleNabe-Verbindungen, gegeben. Zur Vermeidung dieser Korrosionsart bietet das Kleben hervorragende Möglichkeiten, da die zwischen den Fügeteilen befindlichen Klebschichten die Eigenschaften von Isolatoren besitzen. Im Fahrzeugbau kann die Kontaktkorrosion bei elektrisch leitenden Kombinationen von Stahl- und Aluminiumstrukturen von Bedeutung sein, wenn diese z.B. Feuchtigkeit (Regenwasser) ausgesetzt sind. In diesem Falle würde das unedlere Aluminium sich als „Opferanode“ verbrauchen und stark korrodiert werden. Da die Kontaktkorrosion auf der Ausbildung sog. Lokalelemente beruht, spricht man nicht selten auch von galvanischer Korrosion. Bei Edelstählen können auch Spuren anderer Metalle, verursacht durch Verunreinigungen an der Oberfläche durch die Werkstoffbearbeitung, für einen Korrosionsangriff ausreichen. 7.4.3.4 Spannungsrisskorrosion

Diese Korrosionsart tritt ausschließlich bei Werkstoffen unter Zugbeanspruchung und gleichzeitiger Einwirkung jeweils spezifischer Medien auf. Zu ihrem Erscheinungsbild gehören Rissbildungen und verformungsarme Trennungen. Die Höhe der Zugspannungen, Temperatur, Konzentration und pHWert haben einen wesentlichen Einfluss. Die eine Spannungsrisskorrosion auslösende Zugspannung kann durch äußere, rein statische oder zusätzliche überlagerte niederfrequente Belastung auftreten, weiterhin auch als Eigenspannung bereits im Werkstoff vorliegen. Eine besondere Bedeutung besitzt die Spannungsrisskorrosion bei Kunststoffen. Die Ursache liegt bei dafür „empfindlichen“ Kunststoffen (z.B. Polycarbonat, Polystyrol, Acrylglas) im Vorhandensein innerer Spannungen (Orientierungsspannungen), die bereits bei der Verarbeitung oder beim Abkühlen durch die Orientierung der Makromoleküle entstehen können. Beim Hineindiffundieren von Lösungsmittel- oder Monomermolekülen werden diese Spannungen abgebaut und führen zu mikroskopisch kleinen Rissen (Crazes), die bei glasklaren Kunststoffen besonders leicht zu erkennen sind. Im Gegensatz zu Metallen beruht dieser Vorgang nicht auf elektrochemischen Reaktionen. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 7.4.3: [DIN 50900, Saechtling, H. J.: Kunststoff-Taschenbuch, 28. Ausgabe, Carl Hanser-Verlag 2001, Seiten 161–163].

7.4.4 Beanspruchungseinflüsse als Grundlage für die Berechnung von Metallklebungen

Eine der am häufigsten gestellten Fragen bei der Festlegung von Spezifikationen für Klebungen ist die nach dem Langzeitverhalten unter den vorgesehenen Beanspruchungen, und nur selten kann auf diese Frage eine befriedigende Antwort gegeben werden. Gerade diese Situation ist als die eigentliche

390

7 Eigenschaften von Klebungen

Ursache dafür anzusehen, dass dem Kleben als möglichem Fügeverfahren Skepsis und Zurückhaltung entgegengebracht wird. Es steht außer Zweifel, dass über die Beständigkeit von Klebungen nur dann mit genügender Sicherheit gültige Aussagen gemacht werden können, wenn die in Frage kommenden Alterungseinflüsse über lange Zeiträume geprüft wurden, da die Aussagekraft von Kurzzeitprüfungen aus den wiederholt angesprochenen Gründen sehr gering ist. In der wissenschaftlichen Literatur der vergangenen Jahre findet sich eine Fülle systematischer Untersuchungen zum Langzeitverhalten von Metallklebungen unter den verschiedensten Beanspruchungen. Die vorliegenden Ergebnisse beruhen zum größten Teil zwar auf Untersuchungen unter definierten Versuchsbedingungen und basieren auf relativ kleinen Probenabmessungen mit einem ungünstigen Verhältnis von Klebfugenrand zu Klebfläche, dennoch können diese wertvolle Anhaltspunkte für ein vergleichbares Praxisverhalten geben. Nachteilig ist, dass die erarbeiteten Ergebnisse bisher nicht in einer verwendbar aufbereiteten Form vorliegen und daher keinen Beitrag zu aktuellen Problemlösungen geben können. Im Folgenden soll auf Basis einer durchgeführten Literaturauswertung der Versuch unternommen werden, diese Lücke nach Maßgabe vorliegender Erkenntnisse zu schließen. Dabei wird mit wenigen Ausnahmen zunächst nur die bereits sehr umfangreich vorliegende Literatur aus dem deutschen Sprachraum berücksichtigt. Diese Beschränkung darf deshalb erfolgen, da diese Arbeiten einen sehr detaillierten Einblick in die Zusammenhänge zu geben vermögen und eine ausreichende Anzahl von repräsentativen Fügeteilwerkstoffen, Klebstoffen, Beanspruchungsarten und Verarbeitungsverfahren in die Untersuchungen einbezogen worden ist. Allgemein gilt, dass nur solche Veröffentlichungen erwähnt werden, aus denen mit hinreichender Sicherheit die Voraussetzungen für eine systematische und reproduzierbare Versuchsdurchführung sowie definierbare Klebstoff- und Werkstoffbeschreibungen erkennbar sind. Weiterhin erfolgt eine Beschränkung auf Untersuchungen nur zur Ermittlung der Festigkeiten bei Scher- bzw. Schubbeanspruchungen einschnittig überlappter Klebungen, da Ergebnisse an Schälbeanspruchungen für die Übertragung auf praktische Verhältnisse keine Bedeutung haben. In Tabelle 7.3 sind die ausgewerteten Literaturstellen den Fügeteilwerkstoffen, den Beanspruchungsarten und den Klebstoffen zugeordnet. Zur Erklärung dienen die folgenden Hinweise: 앫 Fügeteilwerkstoffe: Die im Einzelnen untersuchten Werkstoffe ergeben sich aus nachstehender Aufstellung, in der Tabelle sind sie z.T. nach charakteristischen Legierungselementen zusammengefasst: – Aluminiumlegierungen: AlMg3, AlMg5, AlCuMg1, AlCuMg2, AlCuMg2pl, 2024 T3, 6061 T6, AlZnMgCu, AlMgSi; – Hochlegierte Stähle: X5 CrNi 18 9, X10 CrNiNb 18 9, X10 CrNiMoTi 18 10; – Un- und niedriglegierte Stähle: St 00.23, USt 12.03, St 37, St 50, St 52, Feinblech verzinkt, 27 MnCrV4 sowie Grauguss. – Verschiedene NE-Metalle: Titan TiAl6V4, Kupfer, Zink, Messing.

7.4 Verhalten von Klebungen bei Belastungen

391

앫 Beanspruchungsarten: Diese sind in die folgenden Gruppen unterteilt: – Gruppe 1: Statische Kurzzeitbeanspruchung unter Normalbedingungen; – Gruppe 2: Beanspruchung durch langzeitige statische und/oder dynamische Belastungen ohne gleichzeitige Alterungseinflüsse; – Gruppe 3: Beanspruchung durch langzeitige Alterungseinflüsse aus umgebenden Medien ohne gleichzeitige mechanische Belastung: 3.1: Tiefe und hohe Temperaturen; 3.2: Normal-, Wechsel- und korrosive Klimate; 3.3: Lagerung in Flüssigkeiten; – Gruppe 4: Komplexe Beanspruchung durch langzeitige statische und dynamische Belastungen bei gleichzeitig vorhandenen Alterungseinflüssen durch umgebende Medien: 4.1: Mechanische Belastung bei verschiedenen Temperaturen nach 3.1; 4.2: Mechanische Belastung bei verschiedenen Klimaten nach 3.2; 4.3: Mechanische Belastung in Kombination mit flüssigen Beanspruchungsmedien nach 3.3. 앫 Klebstoffe: Die Klebstoffe sind in vier Gruppen zusammengefasst; in Einzelfällen erfolgt bei speziellen Klebstoffen eine ergänzende Angabe. Bei den vier Gruppen handelt es sich, den Veröffentlichungen entsprechend, um die folgenden Klebstofformulierungen: – Epoxidharze kalt- und warmhärtend mit den Reaktionskomponenten Dicyandiamid, Polyamid/Nylon, Polyaminoamid, Polyester, Phenol, Nitrilgruppen enthaltende Komponenten, cycloaliphatische Epoxidharze; – Phenol-Formaldehydharze mit und ohne Plastifizierung durch Polyvinylacetale, Phenol-Nitrilharze; – Methylmethacrylat-Polymerisate und Copolymerisate; – Polyurethane; – Verschiedene Klebstoffe: PA = Polyamid-Schmelzklebstoff, PI = Polyimid, PAI = Polyamidimid, Pl = Plastisol, An = anaerober Klebstoff, PEs = Polyester, Si = Silicon. In den Veröffentlichungen finden sich für die eingesetzten Klebstoffe in vielen Fällen Handelsbezeichnungen, denen in der Regel jedoch die zum Verständnis der Tabelle erforderlichen Angaben über den chemischen Aufbau zugeordnet sind. Die den einzelnen Arbeiten zugrundeliegenden verschiedenen Oberflächenbehandlungsverfahren können in diesem Rahmen nicht zusätzlich erfasst werden. Sie sind ggf. den Originalarbeiten zu entnehmen. Eine kritische Bewertung der vorliegenden Informationen ergibt, dass der weitaus größte Anteil der beschriebenen Untersuchungen mit der hochfesten Aluminiumlegierung AlCuMg2 in Verbindung mit Epoxid- und Phenol-Formaldehydharzklebstoffen durchgeführt wurde. Das hat seine Ursache in dem großen Interesse, das der Flugzeugbau dem Kleben als Fügeverfahren in den vergangenen Jahrzehnten entgegengebracht hat. Diese Vorreiterrolle hat sich, wie aus den in den Abschnitten 15.3 bis 15.12 dargestellten industriellen Anwendungen eindrucksvoll hervorgeht, in wissenschaftlicher und technologischer Hinsicht äußerst vielfältig ausgewirkt.

392

7 Eigenschaften von Klebungen

Tabelle 7.3. Literatur über das Beanspruchungsverhalten von Metallklebungen

X5 CrNi 18 9

X10 CrNiNb 18 9

X10 CrNiMoTi 18 10

St 37 … St 52

27 MnCrV 4

Grauguss

Feinblech verzinkt

Kupfer

Messing

Titan

Zink

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16



A8 A9



A14



A15



A20



A21



A22



A23



A24



A25







앫 앫

A26 앫

A27

앫 앫

A48 앫

B21 B31 B49

weitere NE-Metalle

Al-Mg-Si

Un- u. niedrig-leg. Stähle

Al-Zn-Mg-Cu

Hochleg. Stähle

Al-Cu-Mg

1

Aluminiumlegierungen

Al-Mg

Literaturstelle

Fügeteilwerkstoffe







앫 앫



앫 앫

7.4 Verhalten von Klebungen bei Belastungen

393

Tabelle 7.3 (Fortsetzung)

Beanspruchungsarten

Temperatur

Klimate

flüssige Medien

Epoxidharze

Phenol-Formaldehydharze

Methacrylate

Polyurethane

versch. Klebstoffe

mit mechan. Belastung 4.1 4.2 4.3

flüssige Medien

ohne mechan. Belastung 3.1 3.2 3.3

Klimate

4

Temperatur

3

stat. + dyn. Langzeit-B.

2

stat. Kurzeit-B.

1

Klebstoffe

17

18

19

20

21

22

23

24

25

26

27

28

29





앫 앫



































앫 앫 앫

앫 앫























































Pl/An



PI

394

7 Eigenschaften von Klebungen

Tabelle 7.3 (Fortsetzung)

X5 CrNi 18 9

X10 CrNiNb 18 9

X10 CrNiMoTi 18 10

St 37 … St 52

27 MnCrV 4

Grauguss

Feinblech verzinkt

Kupfer

Messing

Titan

Zink

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16



B50 B51



B52



B79



앫 앫

B111



B112 D24



D25 D26



















D77



D78



D79



D80

앫 앫

D27 D62

weitere NE-Metalle

Al-Mg-Si

Un- u. niedrig-leg. Stähle

Al-Zn-Mg-Cu

Hochleg. Stähle

Al-Cu-Mg

1

Aluminiumlegierungen

Al-Mg

Literaturstelle

Fügeteilwerkstoffe



7.4 Verhalten von Klebungen bei Belastungen

395

Tabelle 7.3 (Fortsetzung)

Beanspruchungsarten

Temperatur

Klimate

flüssige Medien

Epoxidharze

Phenol-Formaldehydharze

Methacrylate

Polyurethane

versch. Klebstoffe

mit mechan. Belastung 4.1 4.2 4.3

flüssige Medien

ohne mechan. Belastung 3.1 3.2 3.3

Klimate

4

Temperatur

3

stat. + dyn. Langzeit-B.

2

stat. Kurzeit-B.

1

Klebstoffe

17

18

19

20

21

22

23

24

25

26

27

28

29





앫 앫



앫 앫















앫 앫







앫 앫



앫 앫



앫 앫

































앫 앫

Si



앫 앫











앫 앫

앫 앫



















396

7 Eigenschaften von Klebungen

Tabelle 7.3 (Fortsetzung)

E7

Al-Mg-Si

X5 CrNi 18 9

X10 CrNiNb 18 9

X10 CrNiMoTi 18 10

St 37 … St 52

27 MnCrV 4

Grauguss

Feinblech verzinkt

Kupfer

Messing

Titan

Zink

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16



앫 앫





E19



E20



E21

앫 앫

E53 E54



E55





앫 앫

E56



G45



H33



앫 앫

H93 H110

weitere NE-Metalle

2

E9 E18

Un- u. niedrig-leg. Stähle

Al-Zn-Mg-Cu

Hochleg. Stähle

Al-Cu-Mg

1

Aluminiumlegierungen

Al-Mg

Literaturstelle

Fügeteilwerkstoffe



7.4 Verhalten von Klebungen bei Belastungen

397

Tabelle 7.3 (Fortsetzung)

Beanspruchungsarten

Temperatur

Klimate

flüssige Medien

Epoxidharze

Phenol-Formaldehydharze

Methacrylate

Polyurethane

versch. Klebstoffe

mit mechan. Belastung 4.1 4.2 4.3

flüssige Medien

ohne mechan. Belastung 3.1 3.2 3.3

Klimate

4

Temperatur

3

stat. + dyn. Langzeit-B.

2

stat. Kurzeit-B.

1

Klebstoffe

17

18

19

20

21

22

23

24

25

26

27

28

29















앫 앫

PA 앫 앫









PA





















PAI

PI









앫 앫













앫 앫

앫 앫





PA









PA

앫 앫



PA

앫 앫

앫 앫











PPQ/PI 앫



398

7 Eigenschaften von Klebungen

Tabelle 7.3 (Fortsetzung)

Al-Mg-Si

X5 CrNi 18 9

X10 CrNiNb 18 9

X10 CrNiMoTi 18 10

St 37 … St 52

27 MnCrV 4

Grauguss

Feinblech verzinkt

Kupfer

Messing

Titan

Zink

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16



K45



K46



M7



M21



M30



M31



M32

























앫 앫

M33





N2





P10



앫 앫

P32 P49

weitere NE-Metalle

2

K44

M34

Un- u. niedrig-leg. Stähle

Al-Zn-Mg-Cu

Hochleg. Stähle

Al-Cu-Mg

1

Aluminiumlegierungen

Al-Mg

Literaturstelle

Fügeteilwerkstoffe







P50



P51



7.4 Verhalten von Klebungen bei Belastungen

399

Tabelle 7.3 (Fortsetzung)

Beanspruchungsarten

Temperatur

Klimate

flüssige Medien

Epoxidharze

Phenol-Formaldehydharze

Methacrylate

Polyurethane

versch. Klebstoffe

mit mechan. Belastung 4.1 4.2 4.3

flüssige Medien

ohne mechan. Belastung 3.1 3.2 3.3

Klimate

4

Temperatur

3

stat. + dyn. Langzeit-B.

2

stat. Kurzeit-B.

1

Klebstoffe

17

18

19

20

21

22

23

24

25

26

27

28

29







앫 앫

앫 앫





앫 앫



앫 앫





앫 앫





앫 앫





















앫 앫



앫 앫





앫 앫





앫 앫





앫 앫 앫



앫 앫



앫 PI







PI





PPQ

400

7 Eigenschaften von Klebungen

Tabelle 7.3 (Fortsetzung)

Al-Zn-Mg-Cu

Al-Mg-Si

X5 CrNi 18 9

X10 CrNiNb 18 9

X10 CrNiMoTi 18 10

St 37 … St 52

27 MnCrV 4

Grauguss

Feinblech verzinkt

Kupfer

Messing

Titan

Zink

weitere NE-Metalle

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16



R8

앫 앫

앫 앫

앫 앫

S47 S48

앫 앫









S49 S50

Un- u. niedrig-leg. Stähle

2

R5

S46

Hochleg. Stähle

Al-Cu-Mg

1

Aluminiumlegierungen

Al-Mg

Literaturstelle

Fügeteilwerkstoffe

앫 앫

S114



V7 W11



W18



W19



W20



W21



W22



W23



W24

















7.4 Verhalten von Klebungen bei Belastungen

401

Tabelle 7.3 (Fortsetzung)

Beanspruchungsarten

Temperatur

Klimate

flüssige Medien

Epoxidharze

Phenol-Formaldehydharze

Methacrylate

Polyurethane

versch. Klebstoffe

mit mechan. Belastung 4.1 4.2 4.3

flüssige Medien

ohne mechan. Belastung 3.1 3.2 3.3

Klimate

4

Temperatur

3

stat. + dyn. Langzeit-B.

2

stat. Kurzeit-B.

1

Klebstoffe

17

18

19

20

21

22

23

24

25

26

27

28

29







PA/PEs

앫 앫 앫





앫 앫 앫











앫 앫



앫 앫







앫 앫

























앫 앫

앫 앫











앫 앫





앫 앫







앫 앫



























402

7 Eigenschaften von Klebungen

Zusammenfassend sei festgehalten, dass es sich bei dem beschriebenen Vorgehen nur um einen Versuch handeln kann, die in der Vergangenheit mit beträchtlichem Zeit- und Kostenaufwand erarbeiteten Ergebnisse bezüglich des Alterungsverhaltens von Metallklebungen im Sinne einer für vergleichbare Anwendungen möglichen Weise zu ordnen. Ein Ziel soll es dabei sein, durch einen Hinweis auf vorhandene Ergebnisse, die sich sonst nur durch zeitaufwendige Detailrecherchen auffinden lassen, den durch Experimente belegten Stand der Erkenntnisse soweit wie möglich für die Praxis nutzbar zu machen. Somit kann dem Konstrukteur die Möglichkeit gegeben werden, in speziellen Fällen anhand der versuchsmäßig erarbeiteten Daten Größenordnungen der beanspruchungsbedingten Festigkeitsminderungen abzuleiten, die dann in Form nachgewiesener Abminderungsfaktoren in die Berechnung eingesetzt werden können (Abschn. 9.2.7). Das in Abschnitt 12.4.2.2 vorgestellte rechnergestützte Klebstoffauswahlsystem berücksichtigt diese vorliegenden Ergebnisse in den entsprechenden Softwarepaketen. 7.4.5 Wirkung energiereicher Strahlen auf Klebschichten

Wie in Abschnitt 2.1.1.3.4 dargestellt, besitzen die einzelnen Strahlungsarten unterschiedliche Energien, die mit abnehmender Wellenlänge zunehmen und die in Elektronenvolt (eV) gemessen werden. Bei der UVA- bis UVC-Strahlung liegen diese Energien im Bereich von 3,3–12,4 eV. Sie sind in der Lage, chemische Bindungen in den Polymeren je nach den in ihnen vorhandenen Elementen zu spalten. Die Höhe der Bindungsenergien ist vom Atomaufbau der beteiligten Elemente abhängig, sie liegen bei Hauptvalenzbindungen (Abschn. 6.1) im Bereich von ca. 50 – ca. 1000 kJ/Mol. Ein Mol ist definiert als die Stoffmenge einer Verbindung, die sich aus der Stoffmenge der an ihrem Aufbau beteiligten Atome berechnet, z.B. 1 Mol Wasser H2O = 18 g (Atomgewicht Sauerstoff 16; Wasserstoff 1 (abgerundete Werte)). Entsprechend den in Abschnitt 2.1.1.3.5 beschriebenen Berechnungen ergibt sich beispielsweise für eine C–H–Bindung mit der Bindungsenergie von 414 kJ/Mol die „Spaltungs“-Energie einer Strahlung von 4,2 eV, d.h. im mittleren UV-Bereich (Tab. 2.3). Hieraus ist ersichtlich, dass Polymere, die langfristig einer atmosphärischen Strahlung ausgesetzt sind, durchaus einem Alterungsprozess unterliegen. Aus diesem Grunde muss beispielsweise bei der Direktverglasung im Fahrzeugbau die im Außenbereich liegende Klebfläche am Glas vor der UV-Strahlung geschützt werden. Dafür wird auf die Glasscheibe ein Keramiksiebdruckrand mit einer Transmission von maximal 0,1% bei Lichtwellenlängen von 400–500 nm aufgebracht. Die Wirkung von energiereichen Strahlen (Gamma-Strahlung) ist von Matting und Lison in [L33, M102, M103] beschrieben worden. Zur Prüfung des Strahlungseinflusses auf Polymere siehe ASTM-D 1879–99.

8 Festigkeiten von Metallklebungen

8.1 Allgemeine Betrachtungen Die klassische Betrachtungsweise der Festigkeitslehre beruht auf der Ermittlung der mechanischen Beanspruchungsgrenze eines Werkstoffs und der Zuordnung der bis zum Bruch maximal ertragbaren Kraft auf einen definierten Werkstoffquerschnitt. Als Festigkeitswert wird die bis zum Bruch erforderliche, auf die Bruchfläche bezogene, maximale Kraft angegeben. Dieses Vorgehen führt bei homogenen Werkstoffen in Abhängigkeit von den Beanspruchungsbedingungen zu aussagekräftigen und reproduzierbaren Ergebnissen, die als Bemessungsgrundlagen für konstruktive Anwendungen verwendet werden können. So ist z.B. der nach DIN 50145 ermittelte Wert der Zugfestigkeit eines allgemeinen Baustahls nach DIN 17100 eine mechanische Größe, die direkt in die Festigkeitsberechnung einer Konstruktion übernommen werden kann. Die Besonderheit bei der Festigkeitsbetrachtung von Metallklebungen liegt nun darin, dass es sich hierbei nicht um homogene Werkstoffe handelt, sondern um Verbundsysteme, deren Eigenschaften sich aus denen der Fügeteilwerkstoffe, der Klebschicht und der Grenzflächen zwischen Fügeteil und Klebschicht ergeben. Aus diesem Grunde lassen sich die klassischen Betrachtungsweisen der Festigkeitslehre auf Metall- und auch andere Werkstoffklebungen nicht in jedem Fall anwenden. Die spezifischen Eigenschaften von Klebungen erfordern daher eine dem jeweiligen geometrischen und materiellen Aufbau entsprechende Darstellung unter gleichzeitiger Berücksichtigung der zu erwartenden Beanspruchungsbedingungen. Ein entscheidendes Merkmal bei Metallklebungen sind die im Vergleich zu homogenen Werkstoffen ungleichmäßigen Spannungsverteilungen in der Klebfuge bei einer Belastung. Weiterhin ist ausschlaggebend, dass die Lastübertragung durch Kunststoffe, als die Klebschichten ja anzusehen sind, erfolgt. Die den Kunststoffen eigenen deformations- und thermomechanischen Eigenschaften sind demnach für das Verhalten von Metallklebungen bei Beanspruchungen entscheidende Faktoren. Diese Ausführungen belegen, dass sich für Metallklebungen keine allgemein gültigen und für die unterschiedlichen Anwendungen definierten Festigkeitswerte angeben lassen. Diese sind von Fall zu Fall unter Berücksichtigung aller Einflussfaktoren festzulegen bzw. zu ermitteln.

404

8 Festigkeiten von Metallklebungen

Die vorstehenden Aussagen stehen nicht im Widerspruch zu vielen erfolgreichen Anwendungen des Klebens, wie sie beispielsweise aus der Luft- und Raumfahrt und dem Fahrzeugbau bekannt sind. In diesen Fällen sind seit Jahrzehnten intensive Forschungsarbeiten betrieben worden, die den Einsatz dieser Fertigungstechnologie auf ein breites Fundament wissenschaftlicher und technologischer Erkenntnisse gestellt haben. Somit gilt es, vergleichbare Aktivitäten auch auf andere Anwendungsbereiche auszudehnen, um eine „Kalkulierbarkeit“ der Klebtechnik zu ermöglichen. Dazu haben umfangreiche interdisziplinäre Forschungsarbeiten beigetragen. Ein herausragendes Beispiel ist das im Zeitraum 1987–1990 vom Bundesministerium für Forschung und Technologie (BMFT) geförderte Projekt „Fertigungstechnologie Kleben – FTK“ (Förderkennzeichen 02 FT 47330) [F39]. Die in der Literatur vielfältig vorliegenden Ergebnisse über Festigkeiten, Spannungsverteilungen, Berechnungs- und Dimensionierungsverfahren begründen sich, wie vorstehend ausgeführt, im Wesentlichen auf die Anforderungen im Luft- und Raumfahrtbereich. Für diese Anwendungen ist der Einsatz von Reaktionsklebstoffen auf Epoxidharz- und Phenolharzbasis in Klebschichtdicken-Bereichen von 0,2 bis 0,3 mm charakteristisch. Die Klebschichten zeichnen sich, vergleicht man sie mit elastomeren Polymeren, durch ein relativ geringes Verformungsvermögen aus. Somit kann man bei diesen Klebungen zusammenfassend von „dünnen und verformungsarmen“ Klebschichten sprechen, auf die sich die folgenden Ausführungen in den Abschnitten 8.3 bis 8.9 im Wesentlichen beziehen. Durch Entwicklungen für die Automobilindustrie, insbesondere auf dem Gebiet der Polyurethane, sind in der Vergangenheit Klebstoffe auf den Markt gekommen, die in Schichtdicken bis zu 5 mm appliziert werden können und die gegenüber den vorstehend beschriebenen Klebungen ein elastisches Verhalten aufweisen. Diese „dicken und elastischen“ Klebschichten unterliegen bei der Betrachtung ihrer Festigkeitseigenschaften und Spannungsverteilungen grundsätzlich anderen, in Abschnitt 8.10 beschriebenen Kriterien. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 8.1 im Anschluss an Abschnitt 8.4.9

8.2 Einflussgrößen auf die Festigkeit von Metallklebungen Für die Festigkeit einer Metallklebung sind die in Bild 8.1 dargestellten vier Einflussgrößen maßgebend: 앫 Klebstoff: Der chemische Aufbau des Klebstoffs und die Art der Aushärtungsbedingungen bestimmen die für die Festigkeit charakteristischen Eigenschaften der Klebschicht. Im Einzelnen handelt es sich dabei um die in Tabelle 8.1 dargestellten Parameter, die bereits in Kapitel 4 beschrieben sind. Die für die Grenzschichteigenschaften wesentlichen Haftungskräfte ergeben sich aus den jeweiligen Wechselwirkungen von Monomer- bzw. Polymermolekülen mit der Fügeteiloberfläche während der Klebstoffaushärtung. Es wird davon ausgegangen, dass über geeignete Oberflächenbe-

8.2 Einflussgrößen auf die Festigkeit von Metallklebungen

405

Bild 8.1. Einflussgrößen auf die Festigkeit einer Klebung I

Tabelle 8.1. Einflussparameter auf die Festigkeit von Metallklebungen

Klebschicht

Fügeteilwerkstoff

geometrische Gestaltung

Beanspruchung

Elastizitätsmodul EK Schubmodul G Querkontraktion µ K Spannungs-GleitungsVerhalten

Elastizitätsmodul EF Zugfestigkeit R m Streckgrenze R e 0,2%-Dehngrenze R p0,2 Querkontraktion µ F

Überlappungslänge l ü Überlappungsbreite b Fügeteildicke s Klebschichtdicke d

mechanisch physikalisch chemisch komplex aus mech.-phys.-chem. zeitabhängig (siehe Bild 7.10)

handlungen der Fügeteile optimale Grenzschichtfestigkeiten vorausgesetzt werden können (Abschn. 12.2). Das gleiche gilt für die Wahl zweckmäßiger Aushärtungsbedingungen zur Gewährleistung eines ausreichenden Vernetzungsgrades sowie homogener und hinsichtlich ihrer Eigenschaften gleichförmiger Klebschichten. 앫 Fügeteilwerkstoff: Die Einflussparameter der Fügeteilwerkstoffe sind in Kapitel 5 beschrieben. Als charakteristische Größe hat die Fügeteilfestigkeit, definiert u.a. durch den Elastizitätsmodul bzw. das Spannungs-Dehnungs-Verhalten zu gelten. 앫 Geometrische Gestaltung der Klebfuge: Sie ergibt sich aus den Abmessungen der Klebfuge und denen der Fügeteile. Die zu berücksichtigenden Parameter gehen ebenfalls aus Tabelle 8.1 hervor und werden hinsichtlich ihres Einflusses in Abschnitt 8.4 beschrieben. 앫 Beanspruchungsbedingungen: Diese lassen sich zeitabhängig generell in mechanische, physikalische und chemische Beanspruchungen einteilen, die sowohl für sich allein als auch in Kombination miteinander wirksam werden können (Bild 7.10).

406

8 Festigkeiten von Metallklebungen

Bild 8.2. Einflussgrößen auf die Festigkeit einer Klebung II

Die Festigkeit einer Metallklebung ergibt sich somit aus dem Zusammenwirken der den erwähnten Einflussgrößen zuzuordnenden Parametern. Diese bilden einerseits die Grundlage für die Herstellung einer optimalen Klebung und bedingen andererseits die Forderung nach einer klebgerechten Konstruktion (Bild 8.2).

8.3 Spannungen in Metallklebungen mit dünnen, verformungsarmen Klebschichten Das entscheidende Kriterium für die Festigkeit einer Metallklebung sind die Spannungen, die sich bei einer mechanischen Beanspruchung in der Klebfuge einstellen. Dabei ist die Spannungsart und die Höhe dieser jeweiligen Spannung zu unterscheiden. Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf die wesentlichen für ein generelles Verständnis erforderlichen Zusammenhänge. Detaillierte ergänzende Informationen über Spannungsberechnungen, mathematische Modelle, Finite-Elemente-Methoden sowie rechnergestützte Berechnungsverfahren können den im Anschluss an Abschnitt 8.4.9 erwähnten Literaturstellen entnommen werden. Hinsichtlich der Spannungsarten sind drei verschiedene Möglichkeiten zu betrachten: (1) Zugspannungen (Normalspannungen) senkrecht zur Klebfläche; (2) Schub- bzw. Scherspannungen parallel zur Klebfläche; (3) Schäl- bzw. Biegespannungen als Überlagerungen von (1) und (2). Die reinen Zug- bzw. Schubspannungen stellen bei Metallklebungen Grenzfälle dar. Der Grund liegt in der Tatsache, dass wegen der gegenüber den Füge-

8.3 Spannungen in Metallklebungen mit dünnen, verformungsarmen Klebschichten

407

teilfestigkeiten sehr viel geringeren Klebschichtfestigkeiten in der Praxis vorwiegend einschnittig überlappte Klebfugengeometrien eingesetzt werden, die bei mechanischer Belastung ein komplexes Spannungsverhalten im Sinne der unter (3) erwähnten Spannungsüberlagerungen aufweisen (Abschn. 8.3.3). Zum grundsätzlichen Verstehen des Verhaltens von Metallklebungen unter Last ist es daher erforderlich, den Spannungsverlauf in einer Klebfuge zu kennen. Dabei wird zum besseren Verständnis der Zusammenhänge zunächst von der Betrachtung der beiden Grenzfälle Zug- und Schubspannungen ausgegangen. Die vorhandene Literatur zu diesem Gebiet ist außerordentlich vielfältig. Eine Zusammenstellung wesentlicher Arbeiten findet sich im Anschluss an Abschnitt 8.4.9. 8.3.1 Zugspannungen – Zugfestigkeit 8.3.1.1 Zugspannungen bei senkrechter und zentrischer (momentenfreier) Belastung

Wird eine Klebung zwischen zwei starren Fügeteilen entsprechend Bild 8.3 senkrecht und momentenfrei durch eine zentrisch angreifende Kraft belastet, so entsteht in der Klebschicht eine reine Zugspannung. Die Höhe dieser Zugspannung ergibt sich als Quotient der einwirkenden Kraft F und der Klebfläche A zu σ z = F/A. Bei zunehmender Belastung tritt der Bruch in der Klebschicht dann ein, wenn die sich aus der Höchstkraft Fmax ergebende Bruchspannung der Klebschicht σ B = Fmax /A erreicht ist (Bild 8.4). Als Bruchlast der auf Zug beanspruchten Klebung resultiert dann FB = σ B A. Bemerkung zu Bild 8.4: Bei einem Werkstoffbruch sind in einem Material keine Spannungen mehr vorhanden. Wenn die entsprechenden Bruchspannungen dennoch zeichnerisch dargestellt werden, erfolgt das zum besseren Verständnis des beschriebenen Sachverhaltes. Bemerkung: In Abweichung zu der Bezeichnung der Zugfestigkeit bei metallischen Werkstoffen mit dem Kurzzeichen R m nach DIN 50145 wird für die Prüfung der Kunststoffe nach DIN 53455 für die Zugfestigkeit das Kurzzeichen σ B festgelegt. Der Einfluss der mit einer Zugbelastung einhergehenden Querkontraktion der metallischen Fügeteile auf eine dadurch resultierende ungleichmäßige Spannungsverteilung in der Klebschicht kann im vorliegenden Fall eliminiert werden. Die Begründung hierfür liegt in den gegenüber metallischen Fügeteilwerkstoffen vergleichsweise sehr geringen Zugfestigkeiten der Klebschichten. Vor einer möglichen Querkontraktion der Fügeteile ist die Bruchspannung der Klebschicht bereits erreicht. Ebenso kann bei den in der Praxis üblichen Klebschichtdicken in Bereichen von 0,1–0,2 mm eine Querkontraktion der Klebschicht und somit dieser Einfluss auf eine ungleichmäßige Spannungsverteilung vernachlässigt werden.

408

Bild 8.3. Zugbeanspruchung einer Klebung bei zentrischer Belastung

8 Festigkeiten von Metallklebungen

Bild 8.4. Bruch einer Klebung unter Zugbeanspruchung

Je nach Klebstoffgrundstoff und den vorliegenden Aushärtungsbedingungen werden bei Reaktionsklebstoffen Zugfestigkeiten in der Größenordnung von 40–80 Nmm–2 erreicht. Sie liegen demnach bei ca. 10–20% von denen der metallischen Fügeteile. Hieraus ergibt sich, dass eine Klebung auf Stoß bei metallischen Fügeteilen es nicht erlaubt, die Fügeteilfestigkeiten auszunutzen. Stumpfklebungen werden daher in der Praxis nur in Ausnahmefällen, z.B. bei Kunststoff-Fügeteilen mit geringer Eigenfestigkeit angewendet (Abschn. 14.1.7). Bei der Darstellung des Zusammenhangs von Bruchlast und Klebfläche nach F B = σ B A ist eine lineare Abhängigkeit feststellbar, somit ergibt sich (Bild 8.4) eine gleichmäßige Zugspannungsverteilung über der Klebfuge. Aus diesem Grunde kann man für die Berechnung der Festigkeit von stumpfgeklebten Fügeteilen die Zugfestigkeit der Klebschicht zugrundelegen. Dieses Vorgehen ist bei einschnittig überlappten Klebungen als alleinige Berechnungsgrundlage nicht möglich, da hierbei die Geometrie der Klebung zu berücksichtigen ist (Abschn. 8.4). Die an Klebschichten erreichbaren Zugfestigkeiten liegen wegen der gleichmäßigen Spannungsverteilung im Allgemeinen ca. zwei bis vier mal höher als die an einschnittig überlappten Klebungen mit dem gleichen Klebstoff gemessenen Klebfestigkeiten (= Zugscherfestigkeiten). Die Ursache liegt in der bei der Zugscherbeanspruchung wesentlich ungünstigeren Spannungsverteilung in der Klebschicht (Abschn. 8.3.3.4). Die Bestimmung der Zugfestigkeit von Klebschichten erfolgt nach DIN EN 26922/ISO 6922 (bisher DIN 53288) (Abschn. 16.2.1.3).

8.3 Spannungen in Metallklebungen mit dünnen, verformungsarmen Klebschichten

Bild 8.5. Biegebeanspruchung einer Klebung

409

Bild 8.6. Berechnung des Widerstandsmoments

Die Höhe der Zugfestigkeitswerte hängt von der Art der Krafteinleitung ab. Eine gleichmäßige Spannungsverteilung setzt, wie aus Bild 8.3 hervorgeht, eine zentrische Belastung voraus. Erfolgt die Krafteinleitung exzentrisch und nicht momentenfrei, ergeben sich in der Klebung Spannungsspitzen. 8.3.1.2 Spannungen beim Auftreten eines Biegemoments

Bei Auftreten eines Biegemoments Mb an der Klebschicht nach Bild 8.5 wird – unter der Voraussetzung von zwei starren Fügeteilen – in der Klebschicht eine vom Zugbereich in den Druckbereich verlaufende Biegespannung σ b = M b /W wirksam. Das Widerstandsmoment W der Klebfläche, bezogen auf eine Linie in xRichtung, ergibt sich dabei nach den Grundsätzen der praktischen Festigkeitsberechnung zu W = a2b/6 bei rechteckigem Querschnitt und W = π d 3/32 bei rundem Querschnitt [N6] (Bild 8.6). 8.3.1.3 Zugspannungen bei exzentrischer Belastung

Neben den beiden vorstehend beschriebenen Belastungsfällen ergibt sich als weitere Belastungsmöglichkeit die exzentrische Zugbelastung. Die Zugkraft verläuft in diesem Fall in einem Abstand x von dem Schwerpunkt der Klebfläche. Neben der Zugkraft F wirkt das Moment Mb = Fx auf die Klebschicht

410

8 Festigkeiten von Metallklebungen

Bild 8.7. Zug- und Biegebeanspruchung einer

Klebung

ein (Bild 8.7). Die maximale Spannung σ max in der Klebschicht ergibt sich dann aus der als Folge der Zugkraft F sich einstellenden gleichmäßigen Zugspannung σz = F/A und der durch das Biegemoment Mb verursachten Biegespannung σ b = Mb /W zu σ max =

F M + b. A W

(8.1)

Somit resultiert für Mb = Fx und W = a2b/6 (bei rechteckiger Klebfläche und A = ab) F 6x σ max = 1+ . (8.2) ab a





Erfolgt der Angriff der Zugkraft z.B. am Ende der Klebfläche mit x = 0,5a, so F ergibt sich für die maximale Spannung am Klebflächenende σ max = 4 ab (Bild 8.8). Hieraus ist der sehr große Einfluss einer exzentrischen Belastung auf die Spannungsverteilung einer auf Zug belasteten Klebung erkennbar. Gegenüber einer zentrischen Belastung (x = 0) verursacht eine im Extremfall am

8.3 Spannungen in Metallklebungen mit dünnen, verformungsarmen Klebschichten

411

Bild 8.8. Zug- und Biegebeanspruchung einer Klebung bei x = 0,5a

Klebschichtende angreifende Kraft in diesem Bereich Spannungsspitzen in der vierfachen Höhe der aus der Belastung resultierenden mittleren Normalspannung. Im Falle eines Bruchs der Klebung wird σ max = σ B und somit die Bruchlast für konstante Spannung FB = σ B A. Es gilt dann σB =



FB FB x 1 x + = FB + A W A W



(8.3)

und für A = ab sowie W = a2b/6 FB =

σ B ab

1+

6x a

.

(8.4)

Für x = 0,5a ergibt sich somit FB = 0,25 σ B ab.

(8.5)

Als Ergebnis folgt aus dieser Berechnung, dass bei einem Angriff der Zugkraft am Rande der Klebfläche nur noch 25% der Bruchlast übertragen werden kann, die sich bei zentrischer Krafteinleitung erreichen lässt. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 8.3.1: [C4, G21, K47, N61, S213, W18].

412

8 Festigkeiten von Metallklebungen

8.3.2 Schubspannungen – Schubfestigkeit

Wirken Kräfte parallel zu der Klebfläche, so entstehen in der Klebschicht Schubspannungen τ ′. Bemerkung: Die Bezeichnung der Schubspannung mit τ′ anstatt üblicherweise τ ergibt sich aus der in Abschnitt 8.3.3.4 dargestellten Begründung. In gleicher Weise wie die Zugspannungen ergeben sich die Schubspannungen (auch Scherspannungen genannt) aus der auf die Klebfläche bezogenen Kraft bei einer reinen Schub- bzw. Scherbeanspruchung zu τ′ = F/A

(Bild 8.9a).

(8.6)

Als Schubfestigkeit (= Scherfestigkeit) gilt dann die flächenbezogene Höchstkraft beim Erreichen der Bruchschubspannung (Bild 8.9b) τ′B = Fmax /A.

(8.7)

Die in diesem Fall übertragbare Bruchlast ist FB = τ′B A .

(8.8)

Als maximale Schubspannung τ′max ist die Schubspannung zu verstehen, die unter Einwirkung der jeweils herrschenden Maximalkraft innerhalb des Festigkeitsbereichs der Klebung vorhanden ist. Eine diesem Idealfall für praktische Versuche nahekommende Klebfugengeometrie, die eine weitgehend gleichmäßige Schubspannungsverteilung erBild 8.9. Schubspannung a und Bruchschubspannung b in einer überlappten Klebung bei starren Fügeteilen und zentrischer Krafteinleitung (s. Bemerkung zu Bild 8.4 und Bild 8.10)

8.3 Spannungen in Metallklebungen mit dünnen, verformungsarmen Klebschichten

413

möglicht, ist in ISO 11003-2 (DIN 54451) beschrieben. Nach diesem Verfahren kann das Schubspannungs-Gleitungs-Verhalten von Klebungen unter definierten Spannungszuständen ermittelt werden (Abschn. 4.3). Als weitere Möglichkeit zur Erzeugung einer gleichmäßigen Schubspannungsverteilung dient die Beanspruchung einer Klebschicht zwischen zwei rotationssymmetrischen Fügeteilen durch ein Torsionsmoment zur Ermittlung der Verdrehscherfestigkeit (Abschn. 16.2.1.2). 8.3.3 Zugscherspannungen – Klebfestigkeit

Die beiden beschriebenen Grenzfälle der reinen Zug- und Schubbeanspruchungen spielen in der Praxis des Metallklebens nur eine untergeordnete Rolle. Das hat folgende Gründe: 앫 Bei der Zugbeanspruchung wird die Fügeteilfestigkeit nur zu einem sehr geringen Anteil für die Lastübertragung ausgenutzt, und das auch nur, wenn eine zentrische und momentenfreie Krafteinteilung sichergestellt ist. Ist Letzteres nicht der Fall, treten weitere Verminderungen der übertragbaren Last auf. 앫 In der Praxis des Metallklebens werden vorwiegend Fügeteile mit dünnen Querschnitten eingesetzt, wobei die einschnittig überlappte Klebfugengeometrie nach Bild 8.14 aus fertigungstechnischen und wirtschaftlichen Gründen dominiert. Hieraus ergeben sich durch mögliche Fügeteildehnungen und -verformungen bei Belastung der Klebung und durch das Auftreten eines Biegemoments komplexe und ungleichmäßige Spannungsverteilungen. Von einer gleichmäßigen Schubspannungsverteilung in der Klebfuge ist daher nicht auszugehen. Bei Betrachtung der Spannungsverhältnisse in einschnittig überlappten Klebungen sind demnach die beiden Einflussgrößen der Fügeteilverformung und des Biegemoments zu berücksichtigen. Die folgenden Darstellungen für einschnittig überlappte Klebungen gehen zunächst von unendlich starren Fügeteilen ohne Auftreten eines Biegemoments aus, anschließend erfolgt dann die Einbeziehung der beiden Einflussgrößen Fügeteilverformung und Biegemoment. 8.3.3.1 Spannungsverteilung bei unendlich starren Fügeteilen mit elastischer Klebschichtverformung ohne Auftreten eines Biegemoments

Dieser Beanspruchungsfall, der nur von theoretischem Interesse ist, ergibt sich aus Bild 8.9. Die durch die Belastung verursachte Verformung der Klebschicht weist über die gesamte Überlappungslänge den gleichen Betrag auf. In der Klebschicht bildet sich als Folge der parallel zur Klebfläche wirkenden Kraft eine reine Schubspannung aus, die durch die Fügeteilverschiebung bedingt ist. Die Spannungsverteilung ist über die gesamte Überlappungslänge gleichmäßig.

414

8 Festigkeiten von Metallklebungen

8.3.3.2 Spannungsverteilung bei elastischen Fügeteilen mit elastischer Klebschichtverformung ohne Auftreten eines Biegemoments

Dieser Fall kommt den Bedingungen der Praxis bereits näher, wenn man von Klebfugengeometrien ausgeht, die einen zentrischen Kraftangriff erlauben, z.B. ein- oder zweischnittige Laschungen (Bild 11.1) bzw. eine Klebfugengeometrie nach Bild 8.9 mit ausreichend dünnen Fügeteilwerkstoffen, die eine Verformung gestatten. Zusätzlich zu der gleichförmigen Schubspannung nach Bild 8.9 bildet sich aufgrund der an den Überlappungsenden vorhandenen elastischen Fügeteilverformung eine weitere Schubspannungskomponente in der Klebschicht aus. Die Schubspannungsverteilung in der Klebfuge ergibt sich demnach aus zwei Anteilen: – Dem Anteil der durch die Fügeteilverschiebung resultierenden gleichmäßigen Schubspannung τ′v , – dem Anteil der auf die Fügeteildehnung zurückzuführenden, zu den Überlappungsenden hin ansteigenden Schub- und Zugspannungen τ′ε (Abschn. 8.3.3.4). Die Schubspannungsverteilung nimmt daher den in Bild 8.10 dargestellten Verlauf an. Über die Überlappungslänge betrachtet, treten somit ungleichmäßige Klebschichtverformungen auf, die an den Überlappungsenden ihre größten Werte erreichen. Von einer bestimmten Belastung beginnend kann je nach Klebschichteigenschaften auch ein Fließen eintreten, das bei weiterer Laststeigerung infolge des Spannungsabbaus dann zu einer gleichmäßigen Schubspannungsverteilung über die Überlappungslänge führt. Im Einzelnen ist die Spannungsausbildung bei elastischen Fügeteilen ohne Auftreten eines Biegemoments wie folgt zu beschreiben (Bild 8.11): 앫 Durch die Belastung mit der Kraft F entsteht in dem Bereich A-B des Fügeteils 1 eine Zugspannung σ 1 = F/s1 b. Das gleiche gilt für den Bereich C-D des Fügeteils 2 σ 2 = F/s 2 b. (s 1 , s2 Fügeteildicke; b Fügeteilbreite. Zur Vereinfachung wird in Übereinstimmung mit den meisten Praxisanwendungen davon ausgegangen, dass s 1 = s2 = s ist). 앫 Diese Zugspannung nimmt durch die stoffschlüssige Verbindung der beiden Fügeteile über die Klebschicht in Richtung B-C für das Fügeteil 1 und in Richtung C-B für das Fügeteil 2 jeweils kontinuierlich bis auf den Wert Null ab. Bemerkung zu Bild 8.10: Der zeichnerischen Erläuterung der Spannungsverteilung ist die Klebfläche eines der beiden Fügeteile zugrunde gelegt. Die dargestellte Kurvensymmetrie beinhaltet in gleicher Weise die in der Klebfläche des anderen Fügeteils vorhandene Spannungsausbildung.

8.3 Spannungen in Metallklebungen mit dünnen, verformungsarmen Klebschichten

415

Bild 8.10. Schubspannung in einer überlappten Klebung bei elastischen Fügeteilen

Bild 8.11. Spannungsausbildung in den Fügeteilen einer einschnittig überlappten Klebung

앫 Als Folge dieser Zugspannung treten in den beiden Fügeteilen Dehnungen auf, die hinsichtlich ihrer Größe von dem jeweiligen Elastizitätsmodul E abhängig sind. Unter der Annahme rein elastischer Verformung, gleicher Fügeteilwerkstoffe und gleicher Abmessungen beträgt diese Dehnung ε in beiden Fügeteilen ε = σ /E. In der Klebschicht herrschen dann die in Bild 8.12 dargestellten Verhältnisse. (Bemerkung: Die in Bild 8.12 eingezeichnete Dehnung ε steht für die Längenänderung des betrachteten Fügeteilabschnitts.) 앫 In dem Punkt B hat das Fügeteil 1 infolge der angreifenden Kraft F durch die entstehende Klebschichtverformung zunächst eine Verschiebung v/2 und das Fügeteil 2 in Punkt C um den gleichen Betrag v/2 erfahren (Bild 8.12b). Ergänzend hierzu ist in beiden Punkten ein der Gesamtdehnung entsprechender Dehnungsanteil ε 1 bzw. ε 2 aufgetreten (Bild 8.12c). Bei gleichen Fügeteilwerkstoffen und -abmessungen ist ε 1 = ε 2 .

416

8 Festigkeiten von Metallklebungen

Bild 8.12. Verformungsverhalten von Klebungen

앫 In jedem Punkt der Klebschicht erfolgt also eine Verformung, die sich aus den beiden Anteilen – der Schubverformung der Klebschicht (v) und – der durch die Fügeteildehnung verursachten Verformung der Klebschicht (ε) an den jeweiligen Stellen der Klebschicht zusammensetzt. 앫 An den beiden Überlappungsenden (Punkt B und C) ist die Gesamtverformung am größten, daher treten in diesen Punkten auch die höchsten Spannungen, d.h. die aus Bild 8.10 ersichtlichen Spannungsspitzen, auf. In der Mitte der Klebfuge sind die Spannungen infolge der sich in ihrem Einfluss kompensierenden Fügeteildehnungen am niedrigsten. Bei gleicher angreifender Kraft F ist das Ausmaß der Fügeteilverschiebung stark von dem Verformungsvermögen der Klebschicht abhängig. Bei plastischen Klebschichten kommt es, wie aus Bild 8.13b hervorgeht, trotz einer größeren Fügeteilverschiebung zu geringeren Spannungsspitzen. Eine andere Betrachtungsweise besteht in der Aussage, dass Fügeteile, die nicht als unendlich starr anzusehen sind, sich dennoch in gleicher Weise verhalten, wenn sie durch hochelastische Klebschichten miteinander verbunden sind.

8.3 Spannungen in Metallklebungen mit dünnen, verformungsarmen Klebschichten

a

417

b

Bild 8.13. Spannungsverteilung bei einer verformungsarmen, elastischen a und viskoelasti-

schen b Klebschicht (F = const.) (s. Bemerkung zu Bild 8.10)

8.3.3.3 Spannungsverteilung bei elastischen Fügeteilen mit elastisch-plastischer Klebschichtverformung und Auftreten eines Biegemoments

Diese Beanspruchungsart stellt den Normalfall bei den in der Praxis am häufigsten eingesetzten einschnittig überlappten Klebungen dar. Durch den exzentrischen Kraftangriff tritt in der Klebfuge ein Biegemoment (Abschn. 8.4.8) auf, das bei elastisch-plastischer Deformation der Fügeteile gegen Null strebt und an den Überlappungsenden zusätzlich zu den Schub- und Zugspannungen in der Klebschicht zu weiteren Normalspannungen (Biege-, Schälspannungen) führt (Abschn. 8.3.3.4). Übersteigt die Fügeteilbelastung den elastischen Bereich, so kommt es zu einem Fließen des Werkstoffs. In diesem Fall treten sehr unübersichtliche Spannungszustände auf, die auch mathematisch sehr schwer erfassbar sind. Grundsätzlich besteht bei der Dimensionierung von Konstruktionen die Festlegung, Bauteile nur im elastischen Bereich zu beanspruchen. Aus diesem Grunde wäre eine plastische Fügeteilverformung mit ihrer Auswirkung auf den Spannungszustand innerhalb der Klebfuge nur von theoretischem Interesse. 8.3.3.4 Klebfestigkeit

Am Gesamtspannungszustand in der Klebschicht einer einschnittig überlappten Klebung sind nach den vorstehenden Ausführungen die folgenden Spannungsarten beteiligt (Bild 8.14): – Schubspannungen parallel zur Klebfläche, verursacht durch die angreifende Kraft, aus der eine Fügeteilverschiebung resultiert (τ′v ); – Schub- und Zugspannungen parallel zur Klebfläche, verursacht durch die Fügeteildehnung (τ ε bzw. σε , zusammengefasst zu τ′ε ); – Zugspannungen (Normalspannungen, Schälspannungen) senkrecht zur Klebfläche, verursacht durch das Biegemoment M b (σ z ).

418

8 Festigkeiten von Metallklebungen

Bild 8.14. Spannungsverteilung in einer einschnittig überlappten Klebung bei elastisch verformbaren Fügeteilen (schematische Darstellung) und exzentrischer Krafteinleitung

Der in Bild 8.14 dargestellte Spannungsverlauf ergibt sich schematisch aus diesen Spannungsanteilen. Für eine mathematische Berechnung sind die einzelnen Spannungsanteile zu einer Vergleichsspannung σ = 0,5 σ + 0,5 07 σ 2 + 4 τ ′ 2 zusammenzufassen [N6]. V

Z



Z

v

Bei einer kontinuierlichen Erhöhung der Kraft F addieren sich diese Spannungsarten insbesondere im Bereich der Überlappungsenden, bis dann von dort ausgehend bei Erreichen der Bruchspannung der Bruch der Klebschicht zur Mitte der Klebfuge verlaufend eintritt. Diese Spannungsüberlagerungen, die bei der Krafteinwirkung auf einschnittig überlappte Klebungen durch das Biegemoment entstehen, sind die Ursache dafür, dass mit dieser Klebfugengeometrie keine reinen Schubspannungen ermittelt werden können, sondern eine Kombination aus Schub- bzw. Scherspannungen und den aus dem exzentrischen Kraftangriff sich einstellenden Zugspannungen. Definitionsgemäß bezeichnet man nach DIN 53282 diese überlagerten Spannungsarten mit dem Begriff „Zugscherspannungen“. In den Bildern 8.15 und 8.16 sind diese Spannungsverhältnisse nochmals dargestellt: 앫 τ max : Maximale Zugscherspannung, die bei einer beliebigen Belastung durch die Kraft F innerhalb des Festigkeitsbereichs an den Überlappungsenden vorhanden ist, ohne dass es zu einem Bruch der Klebung kommt. 앫 τ m : Mittlere Zugscherspannung, die sich als Mittelwert über die gesamte Klebfläche in Belastungsrichtung innerhalb des Festigkeitsbereichs ohne Bruch der Klebung ergibt.

8.3 Spannungen in Metallklebungen mit dünnen, verformungsarmen Klebschichten

419

Bild 8.15. Spannungsverteilung in einer einschnittig überlappten Klebung

Bild 8.16. Spannungsverteilung bei einem Bruch in einer einschnittig überlappten Klebung (s. Bemerkung zu Bild 8.4)

앫 τ Bmax : Maximale Zugscherspannung an den Überlappungsenden beim Bruch der Klebung (Bruchzugscherspannung). 앫 τ Bm : Mittlere Bruchzugscherspannung über die gesamte Klebfläche beim Bruch der Klebung. In diesem Fall wird τ max = τ Bmax und τ m = τ Bm . Der Wert τ Bm wird bei dem Zugscherversuch nach DIN EN 1465 (DIN 53283) als Klebfestigkeit τ B bezeichnet und ergibt sich als Quotient der Höchstkraft Fmax und der Klebfläche A als mittlere oder scheinbare Spannung τ B = Fmax /A. Diese Spannung ist zu unterscheiden von der maximalen oder höchsten Spannung an den Überlappungsenden, die um ein Vielfaches höher als diese mittlere Spannung ist. In Abgrenzung zu der reinen, mit τ′ bezeichneten Schubspannung erfolgt die Bezeichnung der Zugscherspannung mit τ. Der Klebschicht fällt somit die Aufgabe zu, die Verformungs- und Dehnungsunterschiede zwischen den beiden Fügeteilen zu überbrücken. Sie wird dabei mit Schub-, Zug- und Schälspannungen belastet, deren Maximalwerte an den Überlappungsenden und deren Minimalwerte in der Mitte der Klebfuge liegen. Ein Bruch der Klebschicht tritt dann ein, wenn die resultierenden Spannungsspitzen an den Überlappungsenden τ max die Bruchzugscherspannung τ Bmax der Klebschicht erreichen. Die mittlere Bruchzugscherspannung τ Bm (also die Klebfestig-

420

8 Festigkeiten von Metallklebungen

keit τ B ) ist im Augenblick des Bruchs über die gesamte Klebfläche demnach niedriger als die maximale Bruchzugscherspannung, die von der Klebschicht an den Überlappungsenden aufgenommen werden kann. Die Klebfestigkeitsprüfung nach DIN EN 1465 ergibt somit einen Festigkeitsmittelwert, der durch die Höhe der beim Bruch an den Überlappungsenden vorhandenen Spannungsspitzen bestimmt wird. Ein Spannungsverlauf mit der erwähnten Spannungskombination an den Überlappungsenden wirkt sich demnach auf die Festigkeit einer Klebung ungünstig aus, da die Klebschicht an den Überlappungsenden bereits brechen kann, obwohl die mittlere Belastung in der Klebfuge noch gering ist (Bilder 8.50a–f). Aus diesen Zusammenhängen ergibt sich die besondere Problematik in der Bedeutung der normengemäß gemessenen Klebfestigkeit τ B für ihre Anwendung als Kenngröße zur Berechnung von Metallklebungen. Auf diese Zusammenhänge wird in Abschnitt 9.2 noch im Einzelnen eingegangen. Die Darstellung der Spannungsverteilung in den Bildern 8.15 und 8.16 mit hohen Spannungsspitzen an den Überlappungsenden gilt in dieser schematischen Form für ideal elastische Klebschichten. Ein derartiges Verhalten weisen diese in der Regel jedoch nicht auf. Durch entsprechende Klebstoffmodifikationen (Abschn. 4.4.3) ist man bestrebt, die hohen Spannungsspitzen, die an den Überlappungsenden bei Belastungen auftreten, abzubauen. Dadurch gelingt es, einen größeren Teil der Klebfläche zur Lastübertragung heranzuziehen. Eine Spannungsverteilung, wie sie in Bild 8.17 dargestellt ist, kommt daher den Verhältnissen der Praxis näher. Aufgrund der in Bild 8.2 und Tabelle 8.1 dargestellten Einflussparameter kann die Klebfestigkeit nicht als ein charakteristischer Werkstoffkennwert eines bestimmten Klebstoffs betrachtet werden. Trotz dieser Einschränkungen kommt ihrer Bestimmung unter den in DIN EN 1465 festgelegten Bedingungen aus zwei Gründen eine große Bedeutung zu: – Bewertung der Klebfestigkeit unterschiedlicher Klebstoffe und/oder Fügeteiloberflächen bei vergleichenden Untersuchungen; – Bewertung der Alterungsbeständigkeit verschiedener Klebstoff- und Fügeteilkombinationen. Die erhaltenen Messergebnisse können dann in vielen Fällen als Ausgangsbasis für ergänzende, den spezifischen Anwendungen dienende Festigkeitsuntersuchungen betrachtet werden. Bild 8.17. Spannungsverteilung in einer einschnittig überlappten Klebung mit viskoelastischem Klebschichtverhalten

8.3 Spannungen in Metallklebungen mit dünnen, verformungsarmen Klebschichten

421

Die Klebfestigkeit ist nicht nur von den erwähnten Einflussparametern, sondern ebenfalls von der Einspannlänge der Probe in der Prüfeinrichtung abhängig. Der Grund liegt in der Tatsache, dass die Länge des Prüfkörpers eine mehr oder weniger starke Verbiegung zulässt. Nach den Gleichungen der elastischen Linie wächst die elastische Durchbiegung eines an beiden Seiten fest eingespannten Stabes mit der dritten Potenz des Abstandes der Einspannungen. Mit größer werdender Einspannlänge nimmt somit die Biegung der Probe zu, um so geringer ist dann die gemessene Klebfestigkeit. Untersuchungen zu dieser Einflussgröße sind u.a. von Krekeler [K35] durchgeführt worden. Als Maß für die freie Einspannlänge ist nach DIN 53281 zwischen dem Überlappungsende und den Einspannklemmen jeweils ein Abstand von 50 mm festgelegt. 8.3.3.5 Zusammenhang zwischen Klebfestigkeit und Klebschichtverformung

Der in Abschnitt 8.3.3.4 beschriebene Zusammenhang zwischen Klebfestigkeit und Klebschichtverformung lässt sich durch die folgenden beiden, der Literatur entnommenen Beispiele verdeutlichen: 앫 Nach Untersuchungen von Althof [A29] zeigt Tabelle 8.2 für zwei Epoxidharzklebstoffe die unterschiedlichen Festigkeitswerte, ermittelt nach dem Zugscherversuch und dem Verdrehscherversuch (Abschn. 16.2.1.1 und 16.2.1.2). Diese Ergebnisse auf Basis von zwei verschiedenen Spannungszuständen, kombinierten Schub-, Zug- und Biegespannungen sowie reinen Schubspannungen, geben einen Einblick in die „wahren Festigkeiten“ einer Klebung und ermöglichen Rückschlüsse auf die Art des Bruchgeschehens. Der höhere Wert der Klebfestigkeit des Epoxid-Nylon-Klebstoffs ist im Wesentlichen auf seine Fähigkeit zurückzuführen, die an den Überlappungsenden auftretenden Spannungsspitzen abzubauen und beruht nicht auf seiner „wahren“ Festigkeit. Wenn man nur diese wahre Festigkeit betrachten würde, dann müsste der Epoxid-Dicyandiamid-Klebstoff bei seiner hohen Verdrehscherfestigkeit auch die höhere Klebfestigkeit aufweisen.

Tabelle 8.2. Klebfestigkeit und Verdrehscherfestigkeit von zwei Epoxidharzklebstoffen

Klebstoff

Klebfestigkeit τ B Nmm–2

Verdrehscherfestigkeit τ v Nmm–2

Epoxid-Dicyandiamid Epoxid-Nylon

35 46

78 66

AlCuMg 2; l ü = 12,5 mm; s = 1,5 mm

422

8 Festigkeiten von Metallklebungen

Tabelle 8.3. Experimentell ermittelte Festigkeitswerte von zwei verschiedenen Klebstoffen

Klebstoff

Bruchfestigkeit σ B Nmm–2

Bruchdehnung ε B %

Spannungsspitzenfaktor n

Klebfestigkeit τ B Nmm–2

Epoxid

17,5

2,9

1,1

25,0

PhenolPolyvinylformal

70,0

1,8

1,5

29,0

Fügeteilwerkstoff: AlCuMg2 pl; l ü = 20 mm; b = 25 mm

앫 In Tabelle 8.3 sind nach Untersuchungen von Matting und Ulmer [M5, S. 359] die Werte der Bruchfestigkeit, Bruchdehnung und Klebfestigkeit von zwei verschiedenen Klebstoffen wiedergegeben. Aus den Werten lässt sich der folgende Zusammenhang erkennen: – Das Phenol-Polyvinylformalharz besitzt gegenüber dem Epoxidharz eine wesentlich größere Bruchfestigkeit, aber eine geringere, durch die Bruchdehnung charakterisierte Verformbarkeit (Grund: hoher Vernetzungsgrad). Hieraus ergibt sich wiederum ein geringeres Vermögen für einen Spannungsausgleich in der Klebfuge; es verbleiben hohe Spannungsspitzen, charakterisiert durch den höheren Wert des Spannungsspitzenfaktors (Abschn. 8.5.1.1). – Im Verhältnis zu der hohen Bruchfestigkeit liegt die Klebfestigkeit des Phenol-Polyvinylformalharzes nur relativ gering über dem Wert des Epoxidharzes. Eine ergänzende Erklärung dieser Zusammenhänge ist auch über das Spannungs-Dehnungs-Verhalten der Klebschichten möglich. Im Gegensatz zu metallischen Werkstoffen nimmt deren Dehnung bei gleicher Spannung wesentlich stärker zu. Das bedeutet, dass bei diesem nichtlinearen Verformungsverhalten die Spannung in der Klebschicht relativ niedrig liegt und in gewissen Grenzen sogar konstant bleiben kann. Bild 8.18 zeigt in schematischer Darstellung typische Spannungs-Dehnungs-Kurven für Stahl und zwei verschiedene Klebschichtharze, wobei unter Bezugnahme auf die vorstehend erwähnten Zusammenhänge das PhenolPolyvinylformalharz schematisch der Kurve Klebschicht 1 und das Epoxidharz der Kurve Klebschicht 2 zugeordnet werden kann. Für die Berechnung der Spannungen in einer einschnittig überlappten Klebung bedeutet das, dass an den Überlappungsenden um so niedrigere Spannungsspitzen auftreten, je weniger linear sich Spannung und Dehnung einer Klebschicht verhalten. Somit führen, wie auch diese Darstellung zeigt, Berechnungsverfahren, die von einem linearen Spannungs-Dehnungs-Verhalten ausgehen, zu überhöhten Spannungsspitzen an den Überlappungsenden (Abschn. 8.3.6 und 8.5). Zusammenfassend ergibt sich die Folgerung, dass die Festigkeit einer Klebung als eine Kombination von Bruchfestigkeit und Verformungsvermögen

8.3 Spannungen in Metallklebungen mit dünnen, verformungsarmen Klebschichten

423

Bild 8.18. Spannungs-DehnungsKurven von Klebschichten im Vergleich zu Stahl

der Klebschicht anzusehen ist und nicht allein durch die Bruchfestigkeit charakterisiert werden kann. Das Verformungsverhalten einer Klebschicht ist somit von wesentlich größerem Einfluss auf die Festigkeit einer Klebung als deren Eigenfestigkeit. Es ist demnach falsch, sich bei der Auswahl eines Klebstoffs nur von den Werten seiner Klebfestigkeit leiten zu lassen. Eine einfache Möglichkeit, einen Klebstoff in diesem Sinne beurteilen zu können, besteht darin, bei der Prüfung der Klebfestigkeit nach DIN EN 1465 (DIN 53283) die Proben nicht nur mit der vorgeschriebenen Überlappungslänge von 12 mm, sondern in einem zweiten Versuch mit einer vergrößerten Überlappungslänge, z.B. 24 mm, zu verkleben. Je geringer der Unterschied beider Werte ist, desto größer ist die Verformungsfähigkeit der Klebschicht (Abschn. 8.4.1). 8.3.3.6 Abhängigkeit der Spannungsverteilung von der Temperatur

In ähnlicher Weise, wie die mechanischen Parameter von Klebschichten temperaturabhängig sind (Abschn. 4.4), ändert sich temperaturabhängig auch die Spannungsverteilung in einer Klebfuge. Dieser Sachverhalt lässt sich wie folgt erklären: Mit zunehmender Temperatur nimmt der Elastizitätsmodul niedrigere Werte an (Bild 4.8 und 4.10), damit erhöht sich bei gleichbleibender Spannung gemäß E = σ /ε die Dehnung der Klebschicht. Die zunehmende Dehnung führt zu einer Verringerung der Spannungsspitzen an den Überlappungsenden, die maximalen Spannungen τ max nehmen geringere Werte an. Durch diese Spannungsverteilung mit geringeren Maximalspannungen ergibt sich eine ansteigende mittlere Zugscherspannung τ m und somit eine höhere Klebfestigkeit. Diese Zusammenhänge, wie sie ebenfalls aus Bild 8.19 ersichtlich sind, gelten jedoch nur für eine begrenzte Temperaturerhöhung. Der Anstieg der Klebfestigkeit endet, wenn die Spannungsverteilung weitgehend ausgeglichen ist, und bei einer weiteren Temperaturerhöhung die Abnahme der Kohäsionsfestigkeit der Klebschicht überwiegt.

424

8 Festigkeiten von Metallklebungen

Bild 8.19. Erniedrigung der Maximalspannungen bei erhöhten Temperaturen (s. Bemerkung zu Bild 8.10)

Das Ausmaß der Temperaturabhängigkeit der Spannungsverteilung wird ebenfalls durch die mechanischen Eigenschaften der Klebschichten beeinflusst. Klebschichten, die bei Raumtemperatur einen relativ steilen Spannungs-Dehnungs-Verlauf aufweisen (z.B. Klebstoff 1 Bild 4.17), erleiden naturgemäß bei einer Temperaturerhöhung stärkere relative Formänderungen als Klebschichten entsprechend Klebstoff 2 in dem gleichen Bild. 8.3.3.7 Experimentelle Bestimmung der Spannungsverteilung durch SchubspannungsGleitungs-Diagramme

Vorbemerkung: Die im Folgenden dargestellte experimentelle Methode zur Bestimmung der Gleitung und der Spannungsverteilung mag unter den heute gegebenen modernen Berechnungsverfahren (FEM, Abschn. 8.5.4) an Aktualität verloren haben. Sie kennzeichnet jedoch eindrucksvoll die mit der Entwicklung der Klebtechnik einhergehenden Anstrengungen um die Bereitstellung verlässlicher Dimensionierungsrichtlinien. Aus diesem Grund hält der Autor eine Wiedergabe für geboten. Schubspannungs-Gleitungs-Diagramme werden nach dem Verschiebungsmessverfahren aufgestellt. Die Messung dieser Verschiebung erfolgt entweder mittels eines Extensiometers [K134] oder durch in die polierten Seitenflächen einer Klebung in definierten Abständen eingeritzte Strichmarken. Während der Belastung wird die Strichmarkenverschiebung über der Überlappungslänge mittels eines Mikroskops verfolgt und durch eine aufgesetzte Kamera festgehalten. Gleichzeitig erfolgt die Messung der Klebschichtdicke. Die bei verschiedenen Belastungen auftretende Gleitung tan γ (Abschn. 4.2) ergibt sich dann aus der gemessenen Verschiebung, bezogen auf die Klebschichtdicke. Grundlegende Erkenntnisse zu dieser Thematik beruhen auf Arbeiten von Matting und Ulmer [M24, U7]. Bild 8.20 zeigt als Beispiel aus diesen Arbeiten den Zusammenhang zwischen der mittleren Zugscherspannung τ m und der gemessenen Gleitung tan γ an den verschiedenen Messpunkten einer einschnittig überlappten Klebung mit den angegebenen Abmessungen. Bei der Beanspruchung durch die Kraft F treten sowohl ein Biegemoment als auch Fügeteildehnungen auf, die zu den nachzu-

8.3 Spannungen in Metallklebungen mit dünnen, verformungsarmen Klebschichten

425

Bild 8.20. Experimentelle Bestimmung der Gleitung tan γ = f (τ m ) (nach [M24])

weisenden Spannungsspitzen führen. In dem Diagramm sind die bei der jeweils vorhandenen mittleren Zugscherspannung τm auftretenden Gleitungen tan γ wiedergegeben, und zwar in Abhängigkeit von der Lage des Messpunktes x. Die Kurve x = 0 gibt die Gleitung am Überlappungsende, die Kurve x = 10 in der Überlappungsmitte (da l ü = 20 mm) wieder. Die Kurven x = 1, 2 und 5 liegen zwischen diesen Grenzwerten. Da eine symmetrische Spannungsverteilung angenommen werden kann, lässt sich die Darstellung auf den Bereich x = 0 bis x = 10 beschränken. Folgende Zusammenhänge sind zu erkennen: 앫 Bei gleicher Spannung ist die Höhe der auftretenden Gleitung sehr stark von der Lage des Messpunkts abhängig. Die höchste Gleitung weist wegen der auftretenden Fügeteildehnung und der erfolgten Fügeteilverschiebung (Bild 8.12) erwartungsgemäß die Kurve x = 0 (Überlappungsende) auf. Die geringste Gleitung ist bei der Kurve x = 10 (Überlappungsmitte) vorhanden. Hier wirkt sich nur die Fügeteilverschiebung aus. 앫 Die Spannungs-Gleitungs-Kurven verlaufen nur im Bereich kleiner Spannungen linear, höhere Spannungen führen zu einer starken Erhöhung der Gleitung, und zwar von der Überlappungsmitte zum Überlappungsende stark zunehmend. Aus diesen experimentell ermittelten Spannungs-Gleitungs-Kurven tan γ = f (τ m ) kann man nun wie nachfolgend beschrieben, die Spannungsverteilung über der Überlappungslänge ableiten: 앫 Zunächst werden, wie in Bild 8.21 dargestellt, die an jedem Messpunkt experimentell erhaltenen Werte der Gleitung tan γ der entsprechenden mittleren Zugscherspannung zugeordnet und in Abhängigkeit des Messpunkts x in ein Diagramm tan γ = f (x) bei τ m = const. eingetragen. 앫 Als nächster Schritt wird nun die mittlere Gleitung tan γ bestimmt. Man erhält sie auf graphische Weise durch ein Planimetrieren der jeweiligen tan γ –x-Kurve in Bild 8.21. Z.B. ergibt sich für die Kurve τ m = 15 Nmm–2 auf

426

8 Festigkeiten von Metallklebungen

Bild 8.21. Experimentelle Bestimmung der Gleitung tan γ = f (x) (nach [M24])

diese Weise der Punkt A. In diesem Punkt ist somit eine mittlere Gleitung tan γm = 0,025 bei einem Abstand x = 3 mm vom Überlappungsende vorhanden. Die auf diese Weise ermittelten tan γm-Werte werden in das Diagramm Bild 8.20 zurückübertragen, man erhält eine Kurve tan γm , die die mittlere Gleitung über der anliegenden mittleren Spannung darstellt. Für das erwähnte Beispiel ergibt sich so der Punkt A′ auf der tan γ m -Kurve. Diese so gebildete τ m – tan γm-Kurve (gestrichelte Linie) gibt demnach die in der Klebfuge durch die Zugscherbeanspruchung sich einstellenden mittleren Gleitungen wieder. 앫 Auf Basis dieser τ m – tan γm-Kurve kann nun die wahre Spannungsverteilung in der Klebfuge abgeleitet werden. Geht man beispielsweise in Bild 8.20 von der mittleren Zugscherbeanspruchung τ m = 20 Nmm–2 aus, ergibt sich für einen bestimmten Punkt x (z.B. Kurve x = 2) eine Gleitung tan γ (z.B. 0,075) (Punkt B). Durch Projektion dieses Punktes auf die τ m – tan γm-Kurve erhält man mit dieser Kurve den Schnittpunkt B′, der dann die wahre Spannung an diesem Punkt wiedergibt, in vorliegendem Beispiel τ w = 22 Nmm–2. Die Zuordnung der so bestimmten Werte der wahren Spannung zu den Abstandspunken x ergibt dann das in Bild 8.22 dargestellte Diagramm. 앫 In dem τ w = f (x)-Diagramm nach Bild 8.22 lässt sich somit der Punkt C festlegen. Auf diese Weise ist es möglich, aus der tan γ = f (τ m )-Kurve (Bild 8.20) über die planimetrische Auswertung eine τ w = f (x)-Kurve darzustellen, die die wahre Spannungsverteilung über der Überlappungslänge wiedergibt. In gleicher Weise wird mit den übrigen τ m- und tan γm-Werten verfahren.

8.3 Spannungen in Metallklebungen mit dünnen, verformungsarmen Klebschichten

427

Bild 8.22. Experimentelle Bestimmung der Spannungsverteilung τ w = f (x) (nach [M24])

Aus den Kurven der Bilder 8.21 und 8.22 lässt sich ebenfalls der aus den jeweiligen Belastungen resultierende Spannungsspitzenfaktor n (Abschn. 8.5.1.1) berechnen. Für die vier dargestellten Kurven ergibt er sich aus den Maximalwerten der Spannungen am Überlappungsende (x = 0) in Bild 8.22 und den dazugehörigen mittleren Spannungen in Bild 8.21 zu n=

τ max 19 = = 1,9; τm 10

22,5 27 30 = 1,5; 4 = 1,35; 4 = 1,2. 15 20 25

Man erkennt hieraus, dass der Spannungsspitzenfaktor für einen Klebstoff keine konstante Größe darstellt, sondern belastungsabhängig ist und mit größer werdender Belastung abnimmt. Die Erklärung hierfür liegt in der Tatsache, dass mit zunehmender mittlerer Spannung das elastisch-plastische Verhalten der Klebschicht am Überlappungsende an Einfluss gewinnt. Trotz zunehmender Fügeteildehnung nimmt das Anwachsen der Spannungsspitzen in der Klebschicht aufgrund der plastischen Verformung ab. Es ist demnach nicht richtig, allgemein von einem Abbau der Spannungsspitzen zu sprechen, sondern genauer von einer Verringerung des Spannungsgradienten dτ /dx. Dieser Zusammenhang drückt sich dann in dem Verhältnis τ max : τ m , d.h. dem Spannungsspitzenfaktor aus. Das mit zunehmender Spannung verstärkte elastisch-plastische Verhalten der Klebschicht am Überlappungsende ermöglicht erst den Einsatz dieser Polymere als Klebstoff für Konstruktionsklebungen. Nur über diese Eigenschaftscharakteristik besteht die Möglichkeit, die von den Fügeteilwerkstoffen auf die Klebschicht übergehenden Verformungen aufzunehmen und die Spitzenbelastungen an den Überlappungsenden ohne Bruch zu ertragen. Die am höchsten beanspruchte Stelle in einer Klebung (x = 0) sollte, um ein Kriechen der Klebschicht zu vermeiden, für den vorgesehenen Klebstoff daher nur den Spannungswert erreichen, der sich aus dem Schubspannungs-GleitungsDiagramm für den Bereich unterhalb der Fließgrenze, d.h. dem Beginn merk-

428

8 Festigkeiten von Metallklebungen

licher plastischer Formänderung der Klebschicht, ergibt. Im Fall des Bildes 4.4 wären das 34 Nmm–2. Grundsätzlich ist es mit dem vorstehend beschriebenen Verfahren möglich, die Spannungsverteilung in einer Klebfuge experimentell zu erfassen. Da der experimentelle Aufwand jedoch sehr groß ist und neben den Verformungseigenschaften der Klebschicht auch die geometrischen Faktoren der Klebfuge und die Eigenschaften der Fügeteilwerkstoffe eine wesentliche Rolle spielen, beschränkt man sich im Allgemeinen auf die Ermittlung der Klebfestigkeit in Anlehnung an das in DIN EN 1465 festgelegte Verfahren, jedoch unter Berücksichtigung der jeweils interessierenden geometrischen und werkstoffspezifischen Klebfugenparameter. Eine rein mathematische Bestimmung der Spannungsverteilung in Klebfugen ist im Grundsatz ebenfalls möglich, hierzu siehe Kapitel 9. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 8.3.3.7: [D266, H35, S116, S119], sowie Literatur im Anschluss an Abschnitt 8.4.9.

8.3.4 Schälspannungen – Schälwiderstand

Für die Festigkeit einer Klebung hat das bei einer Belastung mögliche Auftreten von Schälspannungen besondere Bedeutung. Diese Schälspannungen ergeben sich aus Zugspannungen (Normalspannungen) σ z senkrecht zur Belastungsrichtung. Schälspannungen treten sowohl bei einer reinen Schälbeanspruchung als auch bei der exzentrischen Beanspruchung einschnittig überlappter Klebungen, wie in Bild 8.23 dargestellt, auf. Die resultierenden Schälspannungen erzeugen an den Überlappungsenden sehr hohe Spannungsspitzen. Bild 8.24 zeigt schematisch die Ausbildung der Schälspannungen bei einer reinen Schälbeanspruchung. Betrachtet man den verklebten Bereich des abzuschälenden Fügeteils als elastisch gebetteten Biegebalken, an dem senkrecht zur Oberfläche die Schälkraft F angreift, so ergibt sich durch die Verformung des Fügeteils die dargestellte Spannungsverteilung. Die Beanspruchung der Klebschicht durch das Schälen erfolgt entlang einer Linie x…x quer zur Zugachse bzw. parallel zur Probenbreite und läuft kontinuierlich über die gesamte Klebfläche hinweg. Aufgrund dieser sehr kleinen Einwirkfläche treten hohe Spannungen auf, die

Bild 8.23. Schälbeanspruchungen in Klebungen

8.3 Spannungen in Metallklebungen mit dünnen, verformungsarmen Klebschichten

429

Bild 8.24. Spannungsverteilung in einer Klebung bei Schälbeanspruchung

die Festigkeit der Klebschicht um ein Vielfaches übersteigen können. Im Gegensatz zu der Zugscherbeanspruchung wird somit im Augenblick der Beanspruchung nicht die gesamte Klebfläche für die Lastübertragung herangezogen. Das führt zu einer erheblich geringeren durch die Klebschicht übertragbaren Last. Vorteilhaft gegenüber dem Zugscherversuch ist allerdings bei der Schälbeanspruchung die örtlich begrenzte und gleichmäßig fortschreitende Belastung senkrecht zur Klebfuge im Hinblick auf die dadurch gegebene Möglichkeit der Klebschichtprüfung. Aus diesem Grunde wird die Schälbeanspruchung in Form des Winkelschälversuchs nach DIN EN 1464 (DIN 53283), bei dem zwei miteinander verklebte T-förmig abgewinkelte Probekörper durch einen Abschälvorgang voneinander getrennt werden, zum vergleichenden Beurteilen von Metallklebstoffen und zum Überwachen von Klebprozessen herangezogen. Die linienförmige Beanspruchung hat zur Folge, dass sich Fehlklebungen, Inhomogenitäten in der Klebschicht sowie unterschiedliche Haftungseigenschaften viel deutlicher bemerkbar machen als bei der flächenhaften Beanspruchung des Zugscherversuchs. Aus konstruktiver Sicht ist jedoch darauf hinzuweisen, dass wegen der sehr geringen übertragbaren Last, die ihre Ursache in der großen Empfindlichkeit von Klebungen gegen abschälende, senkrecht zur Klebschicht angreifende Kräfte hat, Maßnahmen getroffen werden müssen, die diese Beanspruchung einer Klebung ausschließen. Bereits bei der Konstruktion sind daher die entsprechenden

430

8 Festigkeiten von Metallklebungen

Voraussetzungen zur Eliminierung dieser Beanspruchungsart zu schaffen (Abschn. 11.2). Die Gefahr einer Abschälung ist generell dann gegeben, wenn die Belastung nicht gleichmäßig über die gesamte Klebschicht erfolgt, sondern linienförmig an einem Überlappungsende senkrecht zur Klebschicht angreift. Der häufig gebrauchte Begriff der Schälfestigkeit bedarf in diesem Zusammenhang einer Einschränkung, da bei der Schälbeanspruchung keine Festigkeit im eigentlichen Sinne, d.h. die auf eine Fläche bezogene Kraft, gemessen wird. Bei dem Schälversuch werden linienförmig nacheinander spezifische Festigkeitswerte über die Klebfläche ermittelt, die durch die Probenbreite vorgegeben sind. Aus diesem Grunde wird exakter von einem Widerstand der Klebung gegenüber einer abschälenden, senkrecht zur Klebfuge angreifenden Kraft gesprochen (Schälwiderstand) [W25]. Die Ermittlung des Schälwiderstands erfolgt mittels verschiedener Prüfverfahren, die in Abschnitt 16.2.1.6 beschrieben sind. Der Schälwiderstand einer Klebung ist von den folgenden Größen abhängig: Elastizitätsmodul von Klebschicht und Fügeteil, Klebschichtdicke, Fügeteildicke sowie Fügeteilbreite. Nach Untersuchungen von Althof [A30] wirken sich diese Größen wie folgt aus: 앫 Der Elastizitätsmodul der Klebschicht beeinflusst den Schälwiderstand kaum, während mit zunehmendem Elastizitätsmodul der Fügeteile der Schälwiderstand ansteigt. 앫 Mit größer werdender Blechdicke und kleiner werdendem Biegeradius nimmt der Schälwiderstand zu. 앫 Der Einfluss der Klebschichtdicke auf den Schälwiderstand ist von dem elastisch/plastischen Verhalten der Klebschicht abhängig. Nach Untersuchungen von Ulmer und Hennig [U3] ist ein Ansteigen des Schälwiderstands mit zunehmender Klebschichtdicke festzustellen. 앫 Die aufzuwendende Schälkraft ist direkt proportional der Fügeteilbreite. Eine Erhöhung des Schälwiderstands von Klebschichten ist in gewissem Umfang durch Füllstoffe wie Metallpulver, Glasfasern bzw. Glasgewebe möglich. Diese Erhöhung wird vor allem durch die Stützwirkung des Glasgewebes auf die Klebschicht bewirkt, die somit eine bessere Weiterleitung der auftretenden Schälspannungen ermöglicht. Auch durch das Mischen des Klebstoffansatzes aus den Komponenten entstandene, in der Klebschicht eingeschlossene Luftblasen vermögen den Schälwiderstand zu vergrößern [K33]. Je nach Art und Geometrie der Fügeteile sowie eingesetzter Klebstoffe und Oberflächenvorbehandlungsverfahren liegen die Schälwiderstände der Klebschichten unterhalb von 100 Ncm–1. Eine ausführliche Beschreibung über die Berechnung der Spannungsverteilung sowie des Schälwiderstands in Abhängigkeit von der Fügeteilsteifigkeit, Schälgeschwindigkeit und des Schälwinkels findet sich in [H36] und [K48]. Ergänzend sei der Hinweis gegeben, dass der Effekt der geringen Bruchlast bei der Schälbeanspruchung unbewusst bei der Entfernung eines Pflasters von der Hautoberfläche oder eines Klebeetiketts von einem Substrat ausgenutzt

8.4 Einfluss der geometrischen Gestaltung der Klebfuge auf die Klebfestigkeit

431

wird. Beides gelingt am besten und praktisch rückstandsfrei, wenn das abzuziehende Material nach hinten umgelegt und in einer „Abrollbewegung“ abgeschält wird.

8.4 Einfluss der geometrischen Gestaltung der Klebfuge auf die Klebfestigkeit einschnittig überlappter Klebungen Die Ausführungen über die Spannungen haben deutlich gemacht, dass bei einschnittig überlappten Metallklebungen mit elastisch verformbaren Fügeteilen und gleichzeitig auftretendem Biegemoment die Spannungsverteilung entscheidend durch die Geometrie der Klebfuge beeinflusst wird. Der wichtigste Parameter ist hierbei die Überlappungslänge l ü , über deren Bereich sich die Spannungsausbildung in Belastungsrichtung verändert. Die Fügeteildicke ist sowohl für das Verformungsverhalten als auch in Verbindung mit der Klebschichtdicke für die Größe des auftretenden Biegemoments verantwortlich. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 8.4 im Anschluss an Abschnitt 8.4.9.

8.4.1 Überlappungslänge

In Bezug auf eine wirtschaftliche Gestaltung von Metallklebungen bestimmt die Größe der Überlappungslänge l ü einer einschnittig überlappten Klebung als der am häufigsten angewandten Klebfugengeometrie entscheidend den erforderlichen Materialeinsatz. Grundsätzlich könnte man davon ausgehen, dass es möglich ist, mit größeren Überlappungslängen (bei konstanter Fügeteilbreite) auch höhere Kräfte zu übertragen, um somit den an die Konstruktion gestellten Festigkeitsanforderungen gerecht zu werden. Dass diese Überlegung nicht uneingeschränkt zutrifft, liegt in den besonderen Verhältnissen der Spannungsverteilung in einer einschnittig überlappten Klebung begründet. In Abschnitt 8.3.3.4 wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Festigkeit dieser Gestaltungsform entscheidend durch das Auftreten von Spannungsspitzen an den Überlappungsenden beeinflusst wird. Hier spielt die Fügeteildehnung eine ausschlaggebende Rolle. In der in Bild 8.25 dargestellten Klebung sind die beiden Fügeteile über die Klebschicht stoffschlüssig miteinander verbunden. Die angreifende Kraft F führt daher dann zu einer plastischen Dehnung beider Fügeteilwerkstoffe, wenn die Festigkeit der Klebfuge größer ist als die Dehnbzw. Streckgrenze der Fügeteile. Durch die Fügeteildehnung wiederum entstehen die die Festigkeit begrenzenden Spannungsspitzen. Betrachtet werden sollen bei konstanter Überlappungsbreite die folgenden drei Fälle mit den Überlappungslängen l ü1 < l ü2 < l ü3 : 앫 Überlappungslänge l ü1 : Bei kurzen Überlappungen besteht zunächst die Möglichkeit, dass durch die in gewissen Grenzen stattfindende elastische und plastische Kleb-

432

8 Festigkeiten von Metallklebungen

Bild 8.25. Spannungsausbildung in Abhängigkeit von der Überlappungslänge

schichtverformung ein Spannungsausgleich erfolgt. Als entscheidender Faktor kommt hinzu, dass durch die geringe Überlappung und somit geringe Klebfläche die übertragbare Last ebenfalls so gering ist, dass die im Fall eines Bruchs der Klebung im Fügeteil vorhandene Spannung σ vorh unterhalb der Dehngrenze R p0,2 liegt. Somit treten im Wesentlichen nur die durch eine Fügeteilverschiebung verursachten Schubspannungen auf. Die resultierenden geringen Spannungsspitzen werden ergänzend durch das auftretende Biegemoment verursacht. Die Spannung im Fügeteil liegt also unterhalb der mit dem Wert von R p0,2 ausnutzbaren Werkstofffestigkeit. 앫 Überlappungslänge l ü2 : In diesem Fall wird durch die übertragene Last bis zum Bruch der Klebung eine Spannung im Fügeteil erzeugt, die die Grenze der elastischen Fügeteilverformung erreicht. Die an den Überlappungsenden der Klebschicht sich ausbildenden Spannungsspitzen nehmen eine für diese elastische Verformung charakteristische Größe an, sie überlagern sich den bereits vorhandenen Biegespannungen. Die Werkstoffausnutzung in der Klebung erreicht einen optimalen Wert, da ein Gleichgewicht zwischen der Fügeteilbeanspruchung im elastischen Bereich und der Festigkeit der Klebung vorhanden ist. 앫 Überlappungslänge l ü3 : Hier liegt die Fügeteilspannung oberhalb der 0,2%Dehngrenze. Die zunehmende Überlappungslänge führt an den Überlappungsenden zu einer Dehnung der Fügeteilwerkstoffe in den Bereich plastischer Verformung. Diese Dehnung, die auch zu einem Fügeteilbruch führen kann, vermag die Klebschicht nicht mehr aufzunehmen, sodass der Bruch von den Überlappungsenden ausgehend eintritt. Die sich zunehmend ausbildenden Spannungsspitzen reduzieren die übertragbare Last. Wenn man davon ausgeht, dass eine Fügeverbindung dann optimal ausgelegt ist, wenn eine Überbeanspruchung entweder zur Grenzbelastung des Fügeteils

8.4 Einfluss der geometrischen Gestaltung der Klebfuge auf die Klebfestigkeit

433

Bild 8.26. Abhängigkeit der Klebfestigkeit von der Überlappungslänge

Bild 8.27. Abhängigkeit der Klebfestigkeit von der Überlappungslänge bei Klebschichten unterschiedlichen Verformungsverhaltens

im elastischen Bereich oder zu gleichem Anteil zum Bruch der Klebschicht führt, dann entspricht diese Forderung bei Metallklebungen der Berücksichtigung der Überlappungslänge l ü2 . Diese Feststellung folgt dem Grundgedanken, dass Werkstoffe in Konstruktionen nur in ihrem elastischen Verformungsbereich beansprucht werden sollen. Bei der praktischen Anwendung wird man daher die Streckgrenze bzw. die 0,2%-Dehngrenze als obere Grenze der Belastung ansehen und daraus rechnerisch das Optimum der Überlappungslänge bestimmen (Abschn. 8.4.1.1 und 9.2.8). Die Wahl dieser Überlappungslänge auf Basis der 0,2%-Dehngrenze bedeutet für eine geklebte Konstruktion aufgrund der ggf. vorhandenen plastischen Reserve für den örtlichen Spannungsabbau eine gewisse Sicherheit gegen eine unbeabsichtigte Überbelastung. Der Einfluss der Überlappungslänge auf die Klebfestigkeit lässt sich, wie in Bild 8.26 schematisch dargestellt, beschreiben. Bei geringen Überlappungslängen, die bei Werten von l ü < 5 mm gegeben sind (gestrichelter Bereich), wird die Klebfestigkeit durch eine weitgehend homogene Spannungsverteilung in der Klebfuge bestimmt. Die Festigkeitswerte werden durch Fügeteildehnungen noch nicht beeinflusst. Beginnend bei einer bestimmten Überlappungslänge, die von der Fügeteilgeometrie und -festigkeit abhängt, erfolgt anschließend ein erheblicher Abfall der Klebfestigkeit, wobei sich der Exponentialcharakter dieses Kurvenverlaufs nach der in der Klebfuge vorhandenen

434

8 Festigkeiten von Metallklebungen

Spannungsverteilung durch den Kraftangriff richtet. Die Ursache für den Festigkeitsabfall sind die Spannungsspitzen, deren Größe die Klebschichtfestigkeit bei zunehmender Überlappung an den Überlappungsenden örtlich überschreitet. Dadurch erfolgt ein Einreißen der Klebschicht von beiden Seiten zur Mitte hin, bis bei einer gegebenen Last unter gleichzeitiger Verminderung der tragenden Fläche der Bruch eintritt. Bild 8.27 ergänzt diese schematische Darstellung durch die für drei ausgewählte Klebstoffe experimentell ermittelte Abhängigkeit (nach [M5, Seite 207]). Man erkennt aus den Ergebnissen den großen Einfluss, den die Klebschicht selbst auf die Abhängigkeit der Klebfestigkeit von der Überlappungslänge ausübt. Bei dem Klebstoff 1 beträgt der Festigkeitsabfall bei einer Steigerung der Überlappungslänge von 5 mm auf 50 mm ca. 50%. Im Fall des Klebstoffs 2, der ebenfalls wie Klebstoff 1 duromer vernetzte Klebschichten ausbildet, ist unter gleichen Bedingungen ein Abfall der Klebfestigkeit um ca. 65% gegeben. Aus diesem Vergleich folgt, dass der Klebstoff 1 über ein relativ höheres Verformungsvermögen der Klebschicht als der Klebstoff 2 verfügt, sodass die an den Überlappungsenden sich ausbildenden Spannungsspitzen im Verhältnis geringere Werte aufweisen. Der Klebstoff 3 bildet thermoplastische Klebschichten. Er folgt in der Abnahme der Klebfestigkeit weitgehend dem Klebstoff 1, allerdings auf einem geringeren Festigkeitsniveau (vergl. auch Abschn. 8.3.3.5). 8.4.1.1 Abhängigkeit der übertragbaren Last von der Überlappungslänge

In gleicher Weise wie die Klebfestigkeit von der Überlappungslänge abhängig ist, ist eine Abhängigkeit ebenfalls für die übertragbare Last gegeben (Bild 8.28). Zunächst nimmt die Bruchlast bei geringen Werten proportional zu der Überlappungslänge, d.h. der sich vergrößernden Klebfläche, zu. In diesem Bereich wird die Festigkeit der Klebung im Wesentlichen von der Adhäsions- und Kohäsionsfestigkeit der Klebschicht innerhalb der Klebfuge bestimmt, Fügeteildehnungen finden wegen der relativ geringen Beanspruchung noch nicht statt. Mit zunehmender Belastung durchläuft die Kurve ein Maximum. Die mit steigender Klebfläche einhergehende Möglichkeit einer sich weiter vergrößernden Lastübertragung führt in den Fügeteilen zu einer Dehnung infolge beginnender Verformung und somit, ebenfalls unter Berücksichtigung der durch das Biegemoment vorhandenen Normalspannungen, zu ansteigenden Spannungsspitzen an den Überlappungsenden. Diese beiden Faktoren bewirken dann bei weiter steigender Überlappungslänge eine Abnahme der übertragbaren Bruchlast, d.h. eine geringere Ausnutzung der vorhandenen Fügefläche. Da die Fügeteildehnung bei gleichem Werkstoff von dessen Querschnitt bestimmt wird, ergeben sich in Bild 8.28 mit zunehmender Fügeteildicke auch höhere übertragbare Bruchlasten. Trägt man in ein Diagramm (Bild 8.29) die für einen gegebenen Werkstoff bei verschiedenen Blechdicken s (s1 > s 2 > s 3 ) und konstanter Fügeteilbreite b errechnete Bruchlast FB = R m sb (gestrichelte Linie) sowie die in einer einschnittig überlappten Klebung des gleichen Werkstoffs in Abhängigkeit von

8.4 Einfluss der geometrischen Gestaltung der Klebfuge auf die Klebfestigkeit

435

Bild 8.28. Abhängigkeit der übertragbaren Bruchlast von der Überlappungslänge (nach [F7])

der Überlappungslänge gemessene Bruchlast ein, so sind grundsätzlich drei Möglichkeiten gegeben: Im Fall a) ist die Bruchlast des Fügeteils höher als die der Klebung, die Lastkurve der Klebung schneidet die Bruchlastgerade nicht. Es sind nur Brüche in der Klebfuge zu erwarten. Im Fall b) berührt die Bruchlastgerade die Lastkurve im Maximum. Bei dieser Überlappungslänge ergeben sich sowohl Brüche in der Klebfuge als auch im Fügeteil, geringere oder größere Überlappungslängen führen zu Brüchen in der Klebfuge. Diese auf die jeweilige vorhandene Fügeteilfestigkeit bezogene Überlappungslänge wird als optimale Überlappungslänge (l ü opt ) bezeichnet. Im Fall c) schneidet die Lastkurve die Bruchlastgerade in zwei Punkten. In den Bereichen a–b und c–d sind Klebfugenbrüche, im Bereich b–c Fügeteilbrüche zu erwarten. Durch Vergrößern der Überlappungslänge kann also die Belastbarkeit solange annähernd proportional gesteigert werden, wie sich die Fügeteil-

Bild 8.29. Bestimmung der optimalen Überlappungslänge

436

8 Festigkeiten von Metallklebungen

verformung im elastischen Bereich bewegt. Geht sie nach Überschreiten der Dehngrenze in den plastischen Bereich über, ergeben sich starke Abweichungen vom linearen Verlauf. In Bild 8.28 sind die den verschiedenen Blechdicken zuzuordnenden optimalen Überlappungslängen ebenfalls eingezeichnet. Auch aus dieser Darstellung ist, wie bereits in Abschnitt 8.4.1 erläutert, der Zusammenhang zwischen der Fügeteilfestigkeit und der Überlappungslänge im Sinne einer wirtschaftlichen Fertigung ersichtlich. Bei der optimalen Überlappungslänge wird für eine gegebene Klebung, d.h. bei konstanten Klebschichteigenschaften und Fügeteilwerkstoffen und bei einer definierten Fügeteildicke, das übertragbare Lastmaximum bzw. die hinsichtlich der Materialausnutzung wirtschaftlichste konstruktive Klebfugengestaltung erreicht. Eine Vergrößerung der Überlappungslänge über diesen Wert hinaus führt zu einem Abfall der übertragbaren Last sowie zu einer unnötigen Kostensteigerung. Die Kenntnis der Abhängigkeit von Bruchlast zu Überlappungslänge ergibt die Möglichkeit, die Überlappungslänge zu bestimmen, die eine Klebung mindestens haben muss, um die Fügeteilfestigkeit der zu verklebenden Teile soweit wie möglich auszunutzen. Auf Basis der Beziehungen und

FB = R m bs (Bruchlast Fügeteil)

(8.9)

FB = τ B bl ü (Bruchlast Klebung)

(8.10)

ergibt sich für Klebungen bei statischer Kurzzeitbeanspruchung unter der Voraussetzung gleicher Güte der Klebung die erforderliche optimale Überlappungslänge demnach durch Gleichsetzen der beiden Bruchlasten zu R s l ü opt = m . (8.11) τB

Wie bereits erwähnt, ist es zur Vermeidung einer Überbeanspruchung der Klebung erforderlich, statt mit dem R m-Wert mit dem R p0,2 -Wert zu rechnen. Dann resultiert R s l ü opt = p0,2 . (8.12) τB

In diesem Zusammenhang ist auf einige Einschränkungen bei der hier aufgeführten Berechnungsgrundlage hinzuweisen, die in Abschnitt 9.2.5 näher beschrieben werden. Häufig wird die in Abhängigkeit von der Überlappungslänge übertragbare Bruchlast auch als „Einheitsbruchlast“ angegeben. Man versteht darunter die pro 1 cm Überlappungsbreite übertragbare Last (Ncm–1). Den Einfluss der Überlappungslänge sowohl auf die Klebfestigkeit als auch auf die Einheitsbruchlast zeigt zusammenfassend das Bild 8.30 am Beispiel einer Verklebung von Stahl mit einem Phenolharz-Polyvinylformalklebstoff nach [W24]. Aus der gemessenen Klebfestigkeit ergibt sich die jeweilige Einheitsbruchlast nach FB(1 cm) = τ B lü · 10. Man erkennt auch aus diesen experimentellen Untersuchungen deutlich, dass die Einheitsbruchlast mit steigender Überlappungslänge einem Maximalwert zustrebt.

8.4 Einfluss der geometrischen Gestaltung der Klebfuge auf die Klebfestigkeit

437

Bild 8.30. Abhängigkeit der Klebfestigkeit und der Einheitsbruchlast von der Überlappungslänge (nach [W24])

8.4.1.2 Abhängigkeit der übertragbaren Last von der Überlappungslänge und der Temperatur

Trägt man für einen bestimmten Klebstoff die übertragbare Bruchlast FB einer Klebung in Abhängigkeit von der Überlappungslänge bei verschiedenen Temperaturen in ein Diagramm ein, so erhält man nach [E9] die in Bild 8.31 wiedergegebenen Kurven. Eine derartige Darstellung hat den Vorteil, dass man die bei einer gewünschten Temperatur für eine übertragbare Bruchlast erforderliche Überlappungslänge direkt ablesen kann. Stellt man die Temperaturabhängigkeit der Klebfestigkeit in der Art dar, wie sie schematisch den Bildern 3.3 und 4.15 zugrunde liegt, ist eine derartige Aussage nicht möglich. Aus Bild 8.31 ist weiterhin ersichtlich, dass mit zunehmender Temperatur für eine vorgegebene Bruchlast der Klebfuge die Überlappungslänge vergrößert werden muss. Diese Notwendigkeit ergibt sich aus der temperaturbedingten Festigkeitsabnahme der Klebschicht. In Bild 8.31 ist ergänzend für vier verschiedene Temperaturen die Lastgerade für R p0,2 , deren Höhe sich mit zunehmender Temperatur erniedrigt, für den erwähnten Fügeteilwerkstoff bei einem Querschnitt von 50 mm2 eingetragen. Es ist zu erkennen, dass eine optimale Werkstoffausnutzung bei 22 °C eine Überlappungslänge von 33 mm, bei 60 °C von 36 mm und bei 100 °C von 47 mm erfordert. Oberhalb von 100 °C wird die vorzugebende Überlappungslänge aus wirtschaftlicher Sicht unvertretbar hoch.

438

8 Festigkeiten von Metallklebungen

Bild 8.31. Abhängigkeit der Bruchlast von der Überlappungslänge für verschiedene Tempera-

turen (nach [E9])

8.4.2 Fügeteildicke

Die Fügeteildicke s beeinflusst die Festigkeit einer Klebung aus folgenden Gründen: – Erhöhung der Fügeteilsteifigkeit im Hinblick auf Dehnung und Biegung; – Zunahme des Biegemoments nach der Beziehung M b = F (s + d)/2 (Abschn. 8.4.8). Grundsätzlich ist festzustellen, dass eine ansteigende Fügeteildicke bei sonst konstanten Abmessungen der Klebfuge zu einer Klebfestigkeitserhöhung führt. Bild 8.32 zeigt diesen Zusammenhang für drei verschiedene Klebstoffe (nach [B53, Seite 27]). Unter einer bestimmten Last tritt bei dickeren Fügeteilen eine geringere Dehnung ein als bei dünneren. Somit sind auch die sich an den Überlappungsenden ausbildenden Spannungsspitzen in der Klebschicht bei dickeren Fügeteilen geringer, was dazu führt, dass wegen der höheren Steifigkeit größere Anteile der Klebschicht zu der Lastübertragung herangezogen werden. Dem durch die exzentrische Belastung in der Klebung auftretenden Biegemoment muss ein vom Fügeteil aufgebrachtes Reaktionsmoment das Gleichgewicht halten. Dieses ist von der aus dem Moment resultierenden Spannung σ und von dem Widerstandsmoment W des Fügeteils abhängig: M bR = σ W. Das Widerstandsmoment des Fügeteils erhöht sich mit der Überlappungsbreite b und mit dem Quadrat der Blechdicke s: W = bs 2/6 (Abschn. 8.3.1.2). Es kommt somit zu zwei verschiedenen Einflüssen der Fügeteildicke. Die Erhöhung des äußeren Moments und somit der schädlichen Normalspannungen erfolgt nach der Beziehung M b = F (s + d)/2 linear, während das Widerstands-

8.4 Einfluss der geometrischen Gestaltung der Klebfuge auf die Klebfestigkeit

439

Bild 8.32. Abhängigkeit der Klebfestigkeit von der Fügeteildicke (nach [B53])

moment nach W = bs 2/6 quadratisch wächst. Mit steigender Fügeteildicke überwiegt daher der günstige Einfluss des Widerstandsmoments auf die Spannungsverteilung in der Klebfuge. Aus diesem Zusammenhang des linearen und quadratischen Einflusses der Fügeteildicke ergibt sich ergänzend die Problematik im Vergleich von Klebfestigkeitswerten von geometrisch unterschiedlichen Fügeteilen. 8.4.3 Gestaltfaktor

Betrachtet man den Einfluss einer zunehmenden Fügeteildicke und Überlappungslänge auf die Klebfestigkeit, so ist ein gegensätzlicher Effekt festzustellen. Einem Anstieg der Klebfestigkeit im ersten Fall steht eine Verringerung im zweiten Fall entgegen. Diese verschiedenen Abhängigkeiten ließen eine Koppelung beider Größen zweckmäßig erscheinen. De Bruyne [B26] hat diesen Zusammenhang experimentell untersucht und für Vergleichszwecke einen für die Praxis hinreichend genauen Gestaltfaktor (auch Verbindungsfaktor bzw. joint factor genannt) definiert: f=

√s . lü

(8.13)

Die Annahme, dass alle Klebungen aus einem bestimmten Fügeteilwerkstoff und Klebstoff bei gleichem Gestaltfaktor auch die gleiche Klebfestigkeit besitzen, hat sich, wie weitere Arbeiten u.a. von Draugelates und Brockmann [D27] ergeben haben, jedoch nicht allgemein bestätigt. Der Grund liegt insbesondere in der Tatsache, dass es sich bei dem Gestaltfaktor um eine rein geometrische Größe handelt und somit keine Einbeziehung der komplizierten Spannungsverteilung in der Klebung ermöglicht wird (Bild 8.33). Daher kann dieser Faktor nicht als Grundgröße für die Berechnung von Klebungen (Abschn. 9.2.4) dienen, er eignet sich in eingeschränkter Form jedoch zum

440

8 Festigkeiten von Metallklebungen

Bild 8.33. Abhängigkeit der Klebfestigkeit von der Fügeteildicke bei einschnittig überlappten Klebungen gleichen Gestaltfaktors (nach [D27])

vergleichenden Abschätzen der Klebfestigkeit im Bereich geringer Fügeteildicken. Soll der Gestaltfaktor Anwendung finden, ist es erforderlich, den dargestellten funktionellen Zusammenhang für jeden Fügeteilwerkstoff und Klebstoff gesondert experimentell zu ermitteln. Bei einem Vergleich der Bilder 8.32 und 8.33 fällt auf, dass in Letzterem die mit zunehmender Fügeteildicke zunächst ansteigende Klebfestigkeit nach Erreichen eines Maximalwertes wieder abnimmt. Verursacht wird dieses Verhalten dadurch, dass die in den Gestaltfaktor einbezogene Überlappungslänge mit zunehmenden Werten größeren Einfluss auf die Ausbildung der Spannungsspitzen besitzt als die ebenfalls zunehmende Fügeteildicke dieselben durch Verminderung der Fügeteilverformung zu begrenzen vermag. 8.4.4 Überlappungsverhältnis

Ein weiterer Parameter, mit dem das Verhältnis der Überlappungslänge zu der Fügeteildicke charakterisiert werden kann, ist neben dem Gestaltfaktor das Überlappungsverhältnis ü = l ü /s. Die Einführung dieser Größe berücksichtigt ebenfalls die gegenläufige Abhängigkeit der Klebfestigkeit sowohl von der

8.4 Einfluss der geometrischen Gestaltung der Klebfuge auf die Klebfestigkeit

441

Bild 8.34. Abhängigkeit der Klebfestigkeit vom Überlappungsverhältnis

Überlappungslänge als auch von der Fügeteildicke. Trägt man die Klebfestigkeit in Abhängigkeit vom Überlappungsverhältnis in ein Diagramm ein, so erhält man eine in Bild 8.34 schematisch dargestellte Kurve. Für eine gegebene Blechdicke (in dem Diagramm s = 1,5 mm) nimmt die Klebfestigkeit mit steigendem Überlappungsverhältnis und daraus resultierend auch mit steigender Überlappungslänge wie bekannt ab. Dieser Abfall ist zunächst sehr stark und nähert sich dann asymptotisch einem Endwert. Die dargestellte Form dieser Festigkeitskurve wird in erster Linie durch die in den Abschnitten 8.3.3.4 und 8.5 erwähnte, einer Hyperbelfunktion folgende Spannungsverteilung über der Überlappungslänge verursacht. Von besonderer Aussagekraft ist ergänzend die Abhängigkeit der Klebfestigkeit vom Überlappungsverhältnis bei gleichzeitiger Kenntnis des Klebnutzungsgrades (Abschn. 9.2.8). Allgemein ist festzustellen, dass für Metallklebungen ein wirtschaftliches Überlappungsverhältnis im Bereich ü = 10…20 liegt. 8.4.5 Überlappungsbreite

Es kann davon ausgegangen werden, dass die Einbeziehung der Überlappungsbreite in die Festigkeitsberechnung von Klebungen im Gegensatz zu der Überlappungslänge keiner besonderen Betrachtungen bedarf. Die Bruchlast einer Klebung wächst etwa proportional mit der Überlappungsbreite. Der relativ größere Anteil der weniger tragenden Randzonen bei geringen Überlappungsbreiten wirkt sich nach Untersuchungen von Winter [W20] auf die Klebfestigkeit nicht aus, allerdings ist bei kleinen Probenbreiten der Streubereich der Festigkeitswerte größer als bei größeren Breiten. Die Spannungsverteilung in der Klebfuge kann somit parallel zur Überlappungsbreite, d.h. senkrecht zur Belastungsrichtung, als weitgehend konstant angenommen werden. In diesem Sachverhalt liegt ein wesentlicher Vorteil geklebter gegenüber genieteten und geschraubten Verbindungen (Abschn. 7.1.1).

442

8 Festigkeiten von Metallklebungen

8.4.6 Klebfläche

Die Klebfläche ergibt sich als Produkt der Überlappungslänge und der Überlappungsbreite zu A = l ü b. Bei dem Einfluss der Klebfläche auf die Klebfestigkeit bzw. die übertragbare Last kann man nicht von einer gegebenen Proportionalität ausgehen. Diese Tatsache ist in dem Einfluss der Überlappungslänge auf die Klebfestigkeit begründet (Abschn. 8.4.1). Eine Klebung mit einer Klebfläche von A = 300 mm2 wird demnach unter sonst gleichen Bedingungen bei einem Wert von l ü = 6 mm und b = 50 mm höhere Lasten zu übertragen in der Lage sein als bei Werten l ü = 12 mm und b = 25 mm. Auch diese Darstellung bestätigt die Notwendigkeit, für den Vergleich von Klebfestigkeiten nur von Proben gleicher Abmessungen auszugehen. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass bei einer Vergrößerung der Überlappungsfläche verschiedene Einflüsse zu einer Verringerung der Klebfestigkeit führen können, dieses sind: – die Beeinträchtigung der Gleichmäßigkeit der Klebschicht beim Auftragen des Klebstoffs; – die Anpassung der Fügeteile wegen möglicher geometrischer Abweichungen; – die Gleichmäßigkeit der Aushärtung des Klebstoffs durch eine unterschiedliche Temperaturverteilung und ggf. ungleichmäßigen Anpressdruck. Aufgrund dieser Einflussgrößen ist bei großen Klebflächen demnach von niedrigeren mittleren Klebfestigkeiten als bei kleinen Klebflächen auszugehen. Gerade bei großen Klebflächen sind daher zur Gewährleistung gleichmäßig verteilter Festigkeitseigenschaften besondere Vorkehrungen für die Einhaltung exakter Fertigungsparameter erforderlich. Diese Voraussetzungen ergeben sich insbesondere bei schnell abbindenden Klebstoffen und gelten nicht nur für flächig überlappte Klebungen sondern auch für zylindrische Klebungen, z.B. bei Welle-Nabe-Verbindungen (Abschn. 10.2). Gerade im letzteren Fall werden häufig schnell aushärtende Klebstoffsysteme eingesetzt. Unter der spezifischen Klebfläche versteht man nach einem Vorschlag von Späth [S51, S52] die für die Übertragung einer definierten Last erforderliche Klebfläche A spez = A/F in mm2 N–1. Je größer die Klebfestigkeit eines Klebstoffs ist, desto geringer kann in einer Konstruktion die tragende Klebfläche dimensioniert werden. 8.4.7 Klebschichtdicke

Der Einfluss der Klebschichtdicke auf die Klebfestigkeit lässt sich nicht allein in einer geometrischen Abhängigkeit sehen, da zusätzlich weitere dickenabhängige Klebschichteigenschaften als Faktoren für die Klebfestigkeit in Frage kommen. Als Beispiel seien der Zusammenhang zwischen Klebschichtdicke und Verformbarkeit, der sich in unterschiedlichen Gleitungen bemerkbar macht, oder die Möglichkeit verstärkter Eigenspannungen in dickeren Kleb-

8.4 Einfluss der geometrischen Gestaltung der Klebfuge auf die Klebfestigkeit

443

Bild 8.35. Verformungsbehinderung der Klebschicht in Grenzschichtnähe durch die Fügeteile

schichten genannt (Abschn. 4.3 und 7.2). Wesentliche, vorwiegend von der Klebschichtdicke ausgehende und die Klebfestigkeit beeinflussende Faktoren sind: 앫 Das Verhältnis der Bereiche, in denen Adhäsions- und Kohäsionskräfte wirksam sind (Bild 8.35). Bei geringeren Klebschichtdicken (d1 ) wird die Querkontraktion (Abschn. 4.5) der Klebschicht behindert. Diese zu einer Erhöhung der Festigkeit beitragende Querkontraktionsbehinderung nimmt mit zunehmender Klebschichtdicke ab. Wenn ein Volumenelement einer Klebschicht durch eine in x-Richtung angreifende Kraft gedehnt wird, so ist es bestrebt, sich in der y- und z-Richtung einzuschnüren. Diese Querkontraktion wird jedoch durch die über die Haftungskräfte mit der Klebschicht verbundenen und im Vergleich zu dieser als starr zu bezeichnenden metallischen Fügeteilwerkstoffe weitgehend behindert. Mit zunehmender Klebschichtdicke (d2 ) nimmt der relative Anteil der die Klebschichtfestigkeit maßgebend bestimmenden Grenzschichtfestigkeit ab bzw. der Anteil der auf reinen Kohäsionskräften beruhenden Klebschichtfestigkeit wird größer, sodass hier das „schwächste Glied der Festigkeitskette“ liegt. 앫 Ergänzend zu dieser makroskopischen Betrachtung stellen der morphologische Aufbau einer Klebschicht und die verschiedenen Grenzschichtstrukturen (Bilder 4.23, 5.3, 7.6) weitere Phasen, z.T. im nm-Bereich, dar, die durch ihr spezifisches Verformungsvermögen jeweils einen individuellen mechanischen Beitrag in der Festigkeitskette liefern [H198]. 앫 Das Verhältnis der Klebschichtdicke zu der geometrischen Struktur der Oberfläche. Zur Vermeidung von Fügeteilberührungen an Rauheitsspitzen und von Kerbspannungen in der Klebschicht ist eine Abstimmung dieser beiden Faktoren erforderlich (Abschn. 5.1.4). 앫 Das Auftreten von Schwindungsspannungen und Inhomogenitäten bei größeren Klebschichtdicken (Abschn. 7.2). 앫 Das mit zunehmender Klebschichtdicke bei einschnittig überlappten Klebungen wegen der vergrößerten Exzentrizität bei Belastung zunehmende

444

8 Festigkeiten von Metallklebungen

Bild 8.36. Abhängigkeit der Klebfestigkeit von der Klebschichtdicke

Biegemoment, das an den Überlappungsenden zusätzliche Normal- bzw. Schälspannungen verursacht. Die Klebschichtdicke geht hierbei als Abstand der Kräfte des Kräftepaares in die Größe des auftretenden Biegemoments ein (Abschn. 8.4.8). 앫 Der Einfluss unterschiedlicher Klebschichtdicken innerhalb einer Klebfuge. Diese Möglichkeit ist gegeben, wenn ebene Fügeteile nicht genau parallel zueinander ausgerichtet sind oder wenn plane und runde Fügeteile miteinander verklebt werden sollen. Es kommt dann zu einer sich linear oder annähernd linear verändernden Klebschichtdicke. Untersuchungen von Kleinert und Grützmacher [K49] sowie von Thamm [T9] zeigen, dass mit ansteigender Klebschichtdicke innerhalb der Klebfuge die Klebfestigkeit geringfügig abfällt, allerdings lassen sich signifikante Unterschiede innerhalb der Versuchswerte statistisch nicht nachweisen. Nach Arbeiten von Ratwani und Kan [R41] sind die Schubspannungen im Bereich der geringeren Klebschichtdicke wegen der vorwiegend dort stattfindenden Lastübertragung wesentlich höher, was ebenfalls im Einklang mit den Ausführungen in Abschnitt 4.3 steht. Geringfügige Toleranzen der Klebschichtdicke innerhalb der Klebfuge können zwar vertreten werden, dennoch sollten die Fertigungsparameter so abgestimmt sein, dass eine konstante Klebschichtdicke sichergestellt ist (Abschn. 3.1.1.3 und 12.3.3). Zusammenfassend ist der Einfluss der Klebschichtdicke auf die Klebfestigkeit schematisch (Bild 8.36) wie folgt zu sehen: 앫 Im Bereich 1 tritt ein Anstieg der Klebfestigkeit ein, wobei sich der Maximalwert wegen der bei sehr geringen Klebschichtdicken ungleichmäßigen Klebschichtausbildung (Benetzungsfehlstellen, Rauheit der Fügeteiloberfläche) erst ab ca. 0,05 mm einstellt. Voraussetzung für eine derart geringe Klebschichtdicke ist eine geringe Viskosität des Klebstoffs (< 200 mPas). 앫 Im Bereich 2 von 0,05–0,2 mm werden die Maximalwerte der Klebfestigkeit erreicht, wie sie auch durch vielfältige experimentelle Untersuchungen bestätigt worden sind. 앫 Oberhalb von 0,2 mm beginnt im Bereich 3 ein allmählicher Abfall der Klebfestigkeit, deren Endfestigkeit ab ca. 0,5 mm konstant bleibt und im Wesentlichen durch die gegenüber den metallischen Fügeteilwerkstoffen sehr viel ge-

8.4 Einfluss der geometrischen Gestaltung der Klebfuge auf die Klebfestigkeit

445

Bild 8.37. Abhängigkeit der Zeitstandfestigkeit von der Klebschichtdicke (nach [W26])

ringere Eigenfestigkeit der Klebschicht bestimmt wird. Wesentliche Gründe für die Abnahme der Klebfestigkeit oberhalb ca. 0,2 mm liegen ebenfalls in der verringerten Querkontraktionsbehinderung und den ggf. erhöhten Eigenspannungen innerhalb der Klebschicht durch Schwindung (Abschn. 7.2.2). Als günstigste Klebschichtdicke hat sich unter Zugrundelegung von Oberflächenrauhigkeiten in der Größenordnung von 30–70 µm für die Praxis ein Bereich von 0,05–0,20 mm erwiesen (Abschn. 5.1.4). Der Einfluss der Klebschichtdicke lässt sich ebenfalls bei der Prüfung der Zeitstandfestigkeit (Abschn. 16.2.2.1) einer Klebung ersehen. Bild 8.37 zeigt nach Untersuchungen von Wellinger und Rembold [W26] bei einer Belastung von 1000 N die Zeit bis zum Bruch einer Klebung in Abhängigkeit von der Klebschichtdicke bei dem Fügeteilwerkstoff AlCuMg F44. Die erhaltene Glockenkurve zeigt auch unter diesen experimentellen Bedingungen einen optimalen Bereich der Klebschichtdicke von 0,05–0,15 mm. Für ein homogenes Spannungs-Verformungsverhalten der Klebschicht ist es erforderlich, dass die bei der Klebstoffaushärtung sich ausbildenden Strukturbereiche in der Rand-, Mittel- und Übergangszone gleichartige und gute Verformungseigenschaften aufweisen (Abschn. 4.9). Bei einer Erschöpfung der Verformbarkeit kommt es zur Rissbildung bevorzugt in der Ebene zwischen den Bereichen unterschiedlicher Verformungseigenschaften [Y3]. Das deformationsmechanische Verhalten der Klebschichten lässt sich experimentell über das Schubspannungs-Gleitungs-Verhalten ermitteln.

446

8 Festigkeiten von Metallklebungen

Ergänzend zu den vorstehenden Ausführungen ist zu erwähnen, dass diese sich auf Klebungen mit dünnen, verformungsarmen Klebschichten beziehen. Für dicke, elastische Klebschichten gelten die in Abschnitt 8.10 erläuterten Zusammenhänge. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 8.4.7: [A12, C33, C68, D81, D266, G143, G144, K18–K20, K49, K99, P71, R41, S122, V4].

8.4.8 Einfluss der Überlappungslänge, Fügeteildicke und Klebschichtdicke auf das Biegemoment

Die Versetzung der Fügeteile um ihre eigene Dicke und die der Klebschicht ergibt, dass die Richtung des Kraftangriffs nicht in deren Längsachse, sondern schräg zu ihr durch den Mittelpunkt der Klebung verläuft. Bei Fügeteilen, die nicht als unendlich starr anzusehen sind (was in der Praxis des Metallklebens den Normalfall darstellt), kommt es durch diese exzentrische Krafteinleitung zu einem Biegemoment, das in der Klebschicht an den Überlappungsenden Normalspannungen (Schälspannungen) senkrecht zu der Klebfläche erzeugt, die sich den Schubspannungen überlagern. Die Größe des Biegemoments ergibt sich aus der angreifenden Kraft F, der Fügeteildicke s und der Klebschichtdicke d zu M b = F (s + d)/2. Durch das Biegemoment wird ebenfalls in den Fügeteilen eine Biegespannung erzeugt, deren resultierende Normalspannung am Klebfugenanfang etwa das Vierfache der Zugspannung beträgt (Ableitung s. Abschn. 8.3.1.3). Diese Biegespannungen erzeugen an der der Klebschicht zugewandten Seite des Fügeteils durch die auftretenden Verformungen in der Klebschicht ebenfalls starke Zugspannungen (Bild 8.38). Die durch das Biegemoment verursachten Spannungen hängen in folgender Weise von den geometrischen Parametern der Klebfuge einer einschnittig überlappten Klebung ab: 앫 Bei gleicher Überlappungslänge erfolgt aufgrund der Beziehung M b = F (s + d)/2 mit zunehmender Fügeteildicke und Klebschichtdicke eine Erhöhung des Biegemoments und somit eine Spannungserhöhung. Wie das folgende vereinfachende und die komplexen Spannungsverteilungen unberücksichtigt lassende Beispiel zeigt, ist der Einfluss der Klebschichtdicke

Bild 8.38. Biegemoment in einer einschnittig überlappten Klebung (schematisch)

8.4 Einfluss der geometrischen Gestaltung der Klebfuge auf die Klebfestigkeit

447

Bild 8.39. Einfluss der Überlappungslänge auf den Biegewinkel in einer einschnittig überlappten Klebung

gegenüber der Fügeteildicke jedoch relativ gering: Bei einer Belastung von 6000 N, einer Fügeteildicke von 1,5 mm und einer Klebschichtdicke von 0,15 mm ergibt sich ein Biegemoment von Mb = F





s+d 1,5 + 0,15 = 6000 · = 4950 Nmm . 2 2

Eine Verdopplung der Klebschichtdicke auf 0,3 mm ergibt eine Vergrößerung des Biegemoments auf 5400 Nmm, also um 9,1%, während eine Erhöhung der Fügeteildicke um nur 20% das Biegemoment um 18,2% vergrößert, mit dem entsprechenden Einfluss auf die Spannungsverteilung in der Klebfuge. 앫 Mit zunehmender Überlappungslänge nehmen die Normalspannungen ab, da in diesem Fall die Auslenkung der Fügeteilenden im Verhältnis zu der Überlappungslänge bei gleicher Beanspruchung kleiner wird (Bild 8.39). Eine mathematische Ableitung der Spannungserhöhung, die durch die aufgrund der Zugbeanspruchung resultierenden Biegungen entstehen, findet sich in [E13]. 앫 Ergänzend zu den geometrischen Parametern werden die Biegespannungen durch den Elastizitätsmodul beeinflusst. Ein zunehmender Elastizitätsmodul führt wegen der verringerten Durchbiegung der Fügeteile auch zu einer geringeren Spannungserhöhung.

448

8 Festigkeiten von Metallklebungen

8.4.9 Schäftung

Einen Sonderfall der flachen Klebfugengeometrien stellt die Schäftung dar (Bild 8.40). Diese Verbindungsart besitzt gegenüber den anderen Ausführungsformen Vorteile, da sie beim Vorhandensein sehr gleichmäßiger Spannungsverhältnisse eine optimale Werkstoffausnutzung sowie eine glatte Klebfuge ermöglicht. Nachteilig ist der hohe Herstellungsaufwand bei dünnen Fügeteilen, aus diesem Grund ist die praktische Anwendung beschränkt. Spannungsspitzen wie bei einschnittig überlappten Klebungen treten bei der Schäftung infolge der sich im Überlappungsbereich bis zum Fügeteilende kontinuierlich verringernden Werkstoffdicke nur in sehr geringem Ausmaß auf. Die angreifenden Kräfte ergeben Schub- und Zugspannungen, jedoch wegen der zentrischen Belastung keine Biegespannungen. Je größer das Schäftungsverhältnis, d.h. je kleiner der Schäftungswinkel α, um so größer ist der Anteil der Schubkomponente. Die Klebfläche A und die Schub-Zug-Spannung τ Schä berechnen sich unter Berücksichtigung des Schäftungswinkels α zu A=

lü b cos α

bzw. τ Schä =

F cos α . l üb

(8.14)

Bei geschäfteten Klebfugen entspricht der Schäftungswinkel α dem Überlappungsverhältnis ü = l ü /s bei einschnittig überlappten Klebungen (Abschn. 8.4.4). Bei einer Überlappungslänge von l ü = 12 mm und einer Blechdicke s = 2,0 mm ergibt sich beispielsweise ein Schäftungsverhältnis S = 12 : 2 = 6, was einem Schäftungswinkel tan α = 2 :12 = 0,167, α = 9,5° entspricht. Die gleichmäßige Spannungsverteilung führt bei geschäfteten Klebungen dazu, dass die Belastungsmöglichkeit direkt proportional mit der „Überlappungslänge“, also mit kleinerem Schäftungswinkel α zunimmt. Bei einschnittig überlappten Klebungen durchläuft die Bruchlast-ÜberlappungsKurve ein Maximum (Bild 8.28), um mit zunehmender Überlappungslänge infolge der zunehmenden Spannungsspitzen wieder abzufallen. Bei geschäfteten Klebungen steigt die Kurve bis zur Bruchfestigkeit der Fügeteile an. Ein weiterer Vorteil ergibt sich ebenfalls bei dynamischer Beanspruchung. Nach Winter und Meckelburg [W21] zeigt die Schäftung im Hinblick auf die Schwellfestigkeit eine eindeutige Überlegenheit gegenüber der einschnittig überlappten Klebung. Die Zeit- bzw. Dauerfestigkeitswerte liegen um etwa 140 bzw. 300% höher. Die theoretische Behandlung des Unterschieds in der Spannungsverteilung beider Klebfugengeometrien haben Brenner und Matting aufgezeigt [B54]. Bild 8.40. Geschäftete Klebfuge

8.5 Berechnung der Spannungsverteilung in einschnittig überlappten Klebungen

449

Ergänzende Literatur zu Abschnitt 8.1–8.4.9: Allgemeine Festigkeitsbetrachtungen: [A9, A12, A16, B50, B54, B55, B190, C6, D27, E9, E20, F7, F8, H23, H220, K18, K19, K35, K47, K49, K50, L79, M22, P11, R9, S51–S53, S121, S271, V4, W12, W18, W20, W24]. Spannungsberechnungen: [A52, A92, C4, C5, C68, F29, G47, G49, G88, G142, H37–H39, K213, L45, L78, L96, L97, M19, M20, M24, M154, M155, P114, R77, R79, T44, U1, W26, W27]. Biegemoment: [L124, L126, L129, L134]. Schäftung: [N78, O25, S303]. Füllstoffgehalt: [Y21].

8.5 Berechnung der Spannungsverteilung in einschnittig überlappten Klebungen Wie in Abschnitt 8.3.3.7 erwähnt, haben die dort formulierten Vorbemerkungen ebenfalls für den folgenden Abschnitt Gültigkeit. In vergleichbarer Weise sind in der Vergangenheit vielfältige Arbeiten durchgeführt worden mit dem Ziel, die Spannungsverteilung auf mathematisch-theoretischem Wege zu berechnen. Dazu war es erforderlich, die Festigkeiten und Beanspruchungen sowohl der Fügeteile als auch der Klebschicht in dem gemeinsamen Verbund gesondert zu berücksichtigen. Die grundlegende Problematik dieser Berechnungsansätze liegt in den sich bei einer Belastung jeweils überlagernden Einflussgrößen mechanischer und geometrischer Art. Aufgrund der vielfältigen Anwendung war dabei die einschnittig überlappte Klebung das wesentliche Ziel der durchgeführten Arbeiten, deren Ergebnisse eine genaue Kenntnis der Spannungsverteilung aufzeigen sollten, um eine optimale Berechnung und Dimensionierung von Klebungen möglichst ohne experimentelle Daten durchführen zu können. In den mathematischen Modellen der Spannungsberechnung müssen die folgenden Einflussparameter berücksichtigt werden: (1) Werkstoffe: – Elastizitätsmodul E der Fügeteilwerkstoffe, – Schubmodul G der Klebschicht. (2) Geometrie der Klebung: – Dicke s der Fügeteile, – Dicke d der Klebschicht, – Überlappungslänge l ü . (3) Beanspruchungsverhalten: – Berücksichtigung der bei einer einschnittig überlappten Klebung durch den außermittigen Kraftangriff bedingten Fügeteilbiegungen, – Berücksichtigung der vom linear-elastischen Spannungs-VerformungsVerhalten abweichenden mechanischen Eigenschaften der Fügeteile und speziell der Klebschicht. Die in der Literatur vielfältig beschriebenen mathematischen Ableitungen können wegen ihrer ausführlichen Darstellungen nicht im Einzelnen wiedergegeben werden. Sie lassen sich grundsätzlich unterteilen in Arbeiten, denen rein theoretische Berechnungsansätze zugrunde liegen und Arbeiten, in denen

450

8 Festigkeiten von Metallklebungen

die Spannungsanalysen mittels experimentell-theoretischer Ableitungen erfolgen. Weiterhin unterscheiden sich die einzelnen Verfahren je nach den in den mathematischen Lösungsansatz einbezogenen Randbedingungen und somit in der Komplexität ihres Berechnungsvorganges. Die beiden wichtigsten Randbedingungen sind die unter (3) erwähnten Einflüsse auf das Beanspruchungsverhalten, ihre Berücksichtigung führt zu den im Folgenden beschriebenen analytisch-mechanischen Lösungsansätzen. 8.5.1 Spannungsverteilung bei Annahme eines linearen Spannungs-VerformungsVerhaltens der Klebschicht 8.5.1.1 Spannungsverteilung nach Volkersen

Volkersen [V8, V9] beschreibt die Nietkraftverteilung in schubbeanspruchten Nietverbindungen, wobei die Nieten in der Rechnung durch eine gleichmäßig ausgebreitete ideale Verbindungsschicht, gleichsam ein Klebschichtmodell, ersetzt werden. Es wird von folgenden Annahmen ausgegangen: – – – – –

Linear-elastisches Werkstoffverhalten von Fügeteil und Klebschicht, reine Schubbeanspruchung in der Klebfuge, homogener Werkstoffaufbau, gleiche Geometrie der Fügeteile, kein Biegemoment.

Unter Einbeziehung der Parameter für die Werkstoffe, E und G, sowie der Geometrie der Klebung, s, d und l ü , kommt Volkersen für beliebige Spannungen innerhalb des Festigkeitsbereichs der Klebung zu der folgenden Gleichung, deren genaue Ableitung in [M24] wiedergegeben ist: τ max = τm



Gl 2ü coth 2Esd



Gl 2ü . 2Esd

(8.15)

Im Falle eines Bruchs der Klebung ergibt sich, da τ max = τB max und τ m = τB m (= τB ) wird: 2Esd Gl 2ü τ B = τ B max tanh . (8.16) Gl 2ü 2Esd





Der Ausdruck Gl 2ü /Esd in (8.15) wird dabei als Steifigkeitsfaktor bzw. Steifigkeitsbeiwert ∆ bezeichnet. Er beeinflusst die Spannungsverteilung maßgeblich, da in ihm die mechanischen und geometrischen Parameter der Klebung zusammengefasst sind. Bei konstanten Werten von l ü , s und d ergibt sich aus dem Steifigkeitsfaktor, dass zur Erzielung einer hohen Klebfestigkeit das Verhältnis G:E möglichst klein sein sollte. Hohe Spannungsspitzen werden dann nicht auftreten, wenn die Klebschicht weich und deformierbar und die zu verklebenden Fügeteile starr und wenig deformierbar sind. Bei den meisten in

8.5 Berechnung der Spannungsverteilung in einschnittig überlappten Klebungen

451

der Praxis angewandten Metallklebungen liegt dieses Verhältnis in der Größenordnung von 0,01 für sehr „weiche“ Klebschichten bei hochfesten Fügeteilen und 0,25 für harte, spröde Klebschichten und Fügeteilen mittlerer Festigkeiten. Aus dem Verhältnis G:E geht ebenfalls hervor, dass es recht schwierig ist, dünne Fügeteile, z.B. Folien, zu verkleben, da diese sehr leicht deformierbar sind. Somit erklärt sich, dass für Folienklebungen vorzugsweise Klebstoffe mit einem geringeren Schubmodul Verwendung finden, im Extremfall solche, die kautschukelastische Klebschichten ausbilden. Trotz der vereinfachenden Annahmen bietet die Gleichung von Volkersen eine gute Ausgangsbasis für die Spannungs- und somit Festigkeitsbetrachtungen von Klebungen, da sie die wesentlichen werkstoffspezifischen und geometrischen Größen berücksichtigt. Hinzuweisen ist jedoch auf zwei Einschränkungen, die sich aus folgenden Überlegungen ergeben: 앫 Aus (8.16) ergibt sich durch Einsetzen von τ B = FB /(l ü b) (Abschn. 8.3.3.4), dass die Bruchlast unabhängig von der Überlappungslänge l ü ist. Das steht jedoch im Widerspruch zu den tatsächlichen Verhältnissen (Abschn. 8.4.1.1, Bild 8.30). Dieser Fall wird in Abschnitt 9.2.5 ergänzend diskutiert. 앫 Weiterhin ergibt sich, dass die Klebfestigkeit proportional der Klebschichtdicke d ist. Die Praxis (Bild 8.36) weist gegenteilige Verhältnisse aus, die Ursache für diesen Widerspruch liegt im Wesentlichen darin, dass elastische statt plastische Verformungen von Fügeteil und Klebschicht angenommen werden. Außerdem bestimmen die in Abschnitt 8.4.7 beschriebenen Gründe eine Abhängigkeit der Klebfestigkeit von der Klebschichtdicke. Wie in Abschnitt 8.3.3.4 beschrieben, führt die bei einschnittig überlappten Klebungen vorhandene ungleichmäßige Spannungsverteilung zu z.T. beträchtlichen Spannungsspitzen an den Überlappungsenden. Beim Bruch einer Klebung liegen diese Spannungsspitzen τ Bmax erheblich über den die Klebfestigkeit bestimmenden mittleren Spannungswerten τ B . Das Verhältnis dieser beiden Spannungshöhen wird durch den Spannungsspitzenfaktor, häufig auch als Spannungsverdichtungsfaktor bezeichnet, beschrieben: n=

τ max τm

bzw. n =

τ B max . τB

(8.17)

Der Spannungsspitzenfaktor kennzeichnet den vorhandenen Spannungsunterschied in einer einschnittig überlappten Klebung bei Einwirken einer Last bzw. Bruchlast. Im Idealfall n = 1 ergibt sich eine über die gesamte Überlappungslänge gleichmäßige Spannungsverteilung, z.B. bei einer reinen Schubbeanspruchung. Je größer n wird, desto ausgeprägter sind die an den Überlappungsenden sich ausbildenden Spannungsspitzen mit ihrem negativen Einfluss auf die Klebfestigkeit. Die auftretenden Spannungsunterschiede sind dabei im Wesentlichen von den Verformungseigenschaften der Klebschicht abhängig. Weist z.B. eine Epoxidharzklebschicht einen Wert von n = 1,1 gegenüber einem Wert von n = 1,5 einer Klebschicht aus Phenolharz auf, so bedeutet das bei Vorliegen sonst gleicher Bedingungen eine höhere Klebschichtverformbarkeit des Epoxidharzes. Das (spröde) Phenolharz vermag die an den Überlappungsenden

452

8 Festigkeiten von Metallklebungen

auftretenden Spannungsspitzen nicht wie das Epoxidharz durch eine elastischplastische Eigenverformung auszugleichen (s. Tabelle 8.3). 8.5.1.2 Spannungsverteilung nach Goland und Reissner

Die Autoren [G22] verwenden die Ableitung von Volkersen und berücksichtigen außer dem Kräftegleichgewicht in Beanspruchungsrichtung auch das Kräftegleichgewicht senkrecht dazu sowie das Biegemoment. Aus diesem Grunde kommt die Spannungsberechnung den Verhältnissen der Praxis näher, da in vielen Fällen die durch das Biegemoment verursachten Normalspannungen für die Einleitung eines Bruchs am Überlappungsende maßgebend sind. Goland und Reissner bestimmen in ihrer Ableitung über das maximale Biegemoment, das sich im ziehenden Fügeteil am Überlappungsende einstellt, die Exzentrizität der Krafteinleitung in den Fügebereich und berücksichtigen diese durch die Einführung eines Exzentrizitätsfaktors k im Berechnungsansatz (Ableitung in [H39] und [M24]): τ B max = τ B

1 +4 3k 2Gl Esd

2 ü

coth





2Gl ü2 3 + (1 – k) . Esd 4

(8.18)

Verformt sich das Fügeteil wegen seiner Steifigkeit oder bei geringer Belastung nicht, wird der Faktor k = 1, die Gleichung nimmt dann eine der VolkersenGleichung ähnliche Form an. Bei einer Steigerung der Biegung geht der Faktor k gegen den Grenzwert Null. Für die Maximalspannungen ergeben sich somit an den Überlappungsenden höhere Werte als bei Anwendung der VolkersenGleichung, wie beispielsweise aus Bild 8.41 hervorgeht. 8.5.1.3 Vergleich der Berechnungsansätze nach Volkersen sowie Goland und Reissner mit experimentellen Ergebnissen

Matting und Ulmer [M24] haben die Spannungsverteilung nach den beiden Ableitungen von Volkersen sowie Goland und Reissner für definierte Klebungen berechnet und mit Ergebnissen eigener Versuche verglichen (Bild 8.41). Für die in Bild 8.41 angegebenen Werte berechnet sich zunächst für eine Überlappungslänge l ü = 20 mm die Klebfestigkeit wie folgt: τB =

FB 6000 = = 12 Nmm–2 . l ü b 20 · 25

Durch Einsetzen der gegebenen Werte in die Volkersen-Gleichung (8.15) resultiert für die maximale Bruchspannung am Überlappungsende ein Wert von 37 Nmm–2 und ein Spannungsspitzenfaktor n v = 37:12 = 3,1. Die Berechnung der Spannungsverteilung nach Goland und Reissner, die an dieser Stelle nicht nachvollzogen werden soll (s. [H43]), ergibt beim Bruch der Klebung einen Spannungsspitzenfaktor n GR = 47:12 = 3,9.

8.5 Berechnung der Spannungsverteilung in einschnittig überlappten Klebungen

453

Bild 8.41. Spannungsverteilung in einer definierten Klebung bei l ü = 10 mm und l ü = 20 mm

Die von Matting und Ulmer aufgrund eigener Messungen ermittelte Spannungsverteilung führt zu einem Spannungsspitzenfaktor von n = 2,0. Die folgenden Gründe vermögen diese Differenzen zu deuten: 앫 Der höhere Spannungsspitzenfaktor entsprechend der Ableitung von Goland und Reissner (n GR ) gegenüber Volkersen (n V ) ist auf die Berücksichtigung des Biegemoments und der damit verbundenen zusätzlichen Normalspannungen im Rechnungsansatz zurückzuführen. Somit ergeben sich gegenüber reinen Schubspannungen erhöhte Spannungsspitzen, die in Form der Maximalspannung τ B max von 47 Nmm–2 gegenüber 37 Nmm–2 zu einem höheren Wert für n führt. 앫 Der geringe experimentell gefundene Wert von n = 2 weist aus, dass die theoretische Annahme rein elastischer Fügeteil- und Klebschichtverformung nicht zutrifft. In der Praxis findet infolge einer plastischen Verformung der Klebschicht ein gewisser Spannungsausgleich statt, sodass sich die Spannungsverteilung günstiger gestaltet. Legt man als Hauptkriterium für das elastisch-plastische Verformungsverhalten der Klebschicht den experimentell ermittelten Schubmodul G zugrunde, so ist festzustellen, dass dieser Wert nicht die wahren deformationsmechanischen Eigenschaften für eine gegebene Klebschicht widerspiegelt. Für den Spannungsspitzenfaktor n = 2 errechnet sich aus (8.16) (unter der Annahme, dass keine Fügeteildehnung auftritt, was in dem Fall der betrachteten hochfesten Aluminiumlegierung für diesen Vergleich vertreten werden kann) für die Klebschicht ein Schub-

454

8 Festigkeiten von Metallklebungen

modul von 420 Nmm–2 gegenüber dem eingesetzten Wert von 1000 Nmm–2. Auch diese Betrachtung belegt die für die Differenzen herangezogene Begründung einer elastisch-plastischen Klebschichtverformung. Auf der anderen Seite ist festzustellen, dass die Verwendung des „Original-Schubmoduls“ bei der Spannungsberechnung zu hohen Werten der Spannungsspitzen führt, die geringe Klebfestigkeiten zur Folge haben, sodass mittels dieser Werte eine „Festigkeitsreserve“ in die Berechnung eingebaut wird. In gleicher Weise lassen sich diese Berechnungen auch für die angegebene Überlappungslänge l ü = 10 mm durchführen. Die Ergebnisse belegen in klarer Weise sowohl über die Rechnung als auch über das Experiment die bereits in Abschnitt 8.4.1 getroffene Feststellung, nach der mit zunehmender Überlappungslänge die mittlere Bruchzugscherspannung, d.h. die Klebfestigkeit τ B , abnimmt. 8.5.1.4 Spannungsverteilung nach Hart-Smith

Hart-Smith [H40–H42] geht in der Einbeziehung der Randbedingungen über den Ansatz von Goland und Reissner hinaus, indem er den Einfluss der Klebschicht auf die Fügeteilbiegung und darüber hinaus auch auf anisotrope Fügeteilwerkstoffe, wie z.B. faserverstärkte Verbundwerkstoffe, durch entsprechende Korrekturfaktoren in dem Berechnungsansatz berücksichtigt. Eine ausführliche Beschreibung dieser mathematischen Zusammenhänge ist in [H43] wiedergegeben. 8.5.2 Spannungsverteilung bei Annahme eines nichtlinearen Spannungs-VerformungsVerhaltens der Klebschicht

Braig [B50] modifiziert die Ansätze zur Bestimmung des Exzentrizitätsfaktors u.a. durch die Berücksichtigung des Einflusses der Klebschichtgleitung und der Schubspannungsverteilung bei nichtlinearem Elastizitätsverhalten der Klebschicht. Er geht von experimentell ermittelten Bruchwerten aus und berechnet anhand der zum Zeitpunkt des Bruchs vorliegenden Beanspruchung der Klebschicht die Vergleichsspannungen nach der Normalspannungs-, Schubspannungs- und Gestaltänderungsenergie-Hypothese unter Variation der Fügeparameter. Aus den Ergebnissen geht hervor, dass das nichtlineare Spannungs-Verformungs-Verhalten der Klebschicht mit zunehmender Überlappungslänge zu höheren Gleitungen tanγ führt und dass für die Brucheinleitung das Erreichen einer klebstoffspezifischen größten Hauptspannung verantwortlich ist. Glahn [G18] untersucht die Einflüsse der Viskoelastizität auf Klebungen mittels zweier verschiedener Näherungsverfahren. Bei beiden Verfahren wird infolge der Viskoelastizität der Klebschicht eine Reduktion der Spannungen bei gleichzeitigem deutlichen Anwachsen der Schubverformungen in der Klebschicht errechnet.

8.5 Berechnung der Spannungsverteilung in einschnittig überlappten Klebungen

455

Eckert, Kleinert und Blume [E22] nehmen eine Linearisierung des Spannungs-Dehnungs-Verhaltens in zwei Bereiche vor, um das nichtlineare Verhalten der Klebschicht zu berücksichtigen. Mit den entsprechenden Schubmoduln werden für beide Bereiche die Spannungsspitzen berechnet, die addiert werden. Dieses Verfahren bedarf jedoch ebenfalls wie die bisher erwähnten Verfahren eines hohen mathematischen Aufwands. Hahn [H43] stellt ein Berechnungsverfahren vor, das es gestattet, die maximale Fügeteilbeanspruchung unter Zugrundelegung einer spannungsbezogenen und die maximale Beanspruchung der Klebschicht mittels einer verformungsbezogenen Betrachtungsweise abzuschätzen. Auf diese Weise ergibt sich die Möglichkeit, die bei Belastung in der Klebschicht und in den Fügeteilen auftretenden Werkstoffanstrengungen separat zu ermitteln und sie mit den zulässigen Werten zu vergleichen. Das Verfahren hat zur Grundlage, dass weder das metallische Fügeteil noch die Klebschicht über die werkstoffspezifisch zulässige Beanspruchung hinaus belastet werden. Somit ergeben sich zwei verschiedene Vorgehensweisen: 앫 Eine auf den Bruch der Klebung bezogene Berechnung. Dann gilt die einfach zu bestimmende Klebfestigkeit als Kriterium für die zulässige Beanspruchung. Hierbei ist es jedoch erforderlich, das nichtlineare Verformungsverhalten der Klebschicht in einem komplizierten Rechenverfahren zu berücksichtigen, was wiederum die Kenntnis des zeit- und lastabhängigen Verformungsverhaltens der Klebschicht voraussetzt. 앫 Festlegung eines Kennwerts, der einen bereits vor dem Bruch der Klebung vorliegenden Schädigungsgrad der Klebschicht kennzeichnet. Bei den metallischen Fügeteilen wäre das die bekannte Streck- bzw. 0,2%-Dehngrenze, im Fall der Klebschicht könnte von der Grenzdehnung, d.h. der Grenze des linear-viskoelastischen Verhaltens ausgegangen werden. Hierfür ist jedoch für jeden Klebstoff die Kenntnis der zeitlichen Abhängigkeit des Schubmoduls G (t) (Kriechmodul) (Abschn. 4.6) erforderlich. Als Bemessungskriterium für das Fügeteil ist daher für quasistatische und statische Beanspruchung, wenn eine plastische Verformung ausgeschlossen ist, zu setzen: σ zul ⬉

Re R p0,2 bzw. σ zul ⬉ . S1 S1

(8.19)

Für die Klebschicht ergibt sich entsprechend ε zul ⬉

εk

S2

.

(8.20)

Dabei sind S1 und S2 zu berücksichtigende Sicherheitsbeiwerte und ε k der Grenzwert der Dehnung, bei der erste Werkstoffveränderungen in Form von Fließzonen bzw. submikroskopischen Rissen im Polymer auftreten. Bei Klebschichten kann man davon ausgehen, dass der Wert der Grenzdehnung in etwa mit der Grenze des linear-viskoelastischen Verformungsbereichs überein-

456

8 Festigkeiten von Metallklebungen

stimmt (Bild 4.4, Punkt A). Er kann experimentell aus dem SchubspannungsGleitungs-Diagramm ermittelt werden, je nach Polymeraufbau ist mit Werten von ε k ≈ 0,3–0,7% zu rechnen. Delale-Erdogan-Aydinoglu [D205] erweitern die bisher vorgestellten Methoden bei einschnittig überlappten Klebungen mit symmetrischen Geometrien um den Einfluss variabler Klebfugengeometrien. Die Veröffentlichung weist für die Lösung des Schub- und Normalspannungsverlaufs einfache Ausdrücke aus, die Berechnung der Substitutionskoeffizienten gestaltet sich aber numerisch sehr aufwendig. Roberts [R92] geht davon aus, dass sich die Fügeteile wie Biegebalken verhalten und die Klebschicht eine vernachlässigbare, geringe Dicke aufweist. Sowohl Fügeteile als auch die Klebschicht bestehen aus homogenen, isotropen Werkstoffen. Ausgehend von der Bestimmung der am Ende der Klebfuge angreifenden Axiallasten und Momenten wird ein schrittweiser Rechenvorgang durchgeführt. Im Unterschied zu den vorhergehenden Methoden werden für das Klebfugenende drei Geometrieformen zugelassen. Zum einen ist der Übergang zwischen Klebschicht und Fügeteil scharfkantig, zum anderen kann sowohl ein kehlförmiger Wulst, der beispielsweise durch austretenden Klebstoff gebildet wird, als auch ein Wulst mit zusätzlicher Schäftung eines Fügeteils berücksichtigt werden. Lubkin und Wah [L101, W98] berechnen Stumpfstoßverbindungen mit einer zusätzlichen Schäftung unter Zug- und Biegebelastung. Voraussetzung ist ein linearelastisches und isotropes Werkstoffverhalten sowie eine im Vergleich zur Fügeteildicke dünne Klebschicht. 8.5.3 Spannungsverteilung auf der Grundlage theoretischer und experimenteller Ergebnisse

In Ergänzung zu den theoretischen Berechnungsverfahren sind umfangreiche Arbeiten durchgeführt worden, die das Ziel hatten, die theoretischen Erkenntnisse experimentell zu untermauern oder aber auch für sich Lösungsansätze für die Festigkeitsberechnung zu geben. Grundsätzlich ist zu diesen Arbeiten festzustellen, dass z.T. ein sehr beträchtlicher experimenteller Aufwand erforderlich ist und dass die beschriebenen Berechnungsgleichungen häufig nur für spezifische Klebstoffe bzw. Klebstoff-Fügeteil-Kombinationen gelten. Die bekannten und nachfolgend erwähnten Verfahren lassen sich zusammenfassend auf die Grundlagen des Gestaltfaktors, der maximalen Spannungskonzentration am Überlappungsende und der maximalen Fügeteilspannungen am Überlappungsende zurückführen. 8.5.3.1 Verfahren nach Frey [F7]

Ausgangspunkt ist der Gestaltfaktor (Abschn. 8.4.3), dem die Austauschbarkeit der Überlappungslänge und der Fügeteildicke bei gleicher Klebfestigkeit

8.5 Berechnung der Spannungsverteilung in einschnittig überlappten Klebungen

457

zugrunde liegt. Experimentell wurde (für einen Klebstoff auf Epoxidbasis) die Beziehung √s τ B = a log δ (8.21) lü

 

gefunden. Die klebstoffspezifischen Konstanten a und δ werden aus einer Regressionsgeraden bestimmt. Frey weist weiterhin nach, dass für die optimale Ausnutzung einer Klebung die Fügeteilstreckgrenze, -dicke und die Überlappungslänge maßgebend sind. Er führt den Begriff der optimalen Überlappungslänge sowie einen Sicherheitsfaktor gegen Bruch der Klebung ein. 8.5.3.2 Verfahren nach Winter und Meckelburg [W12, W28, W29]

Ausgangspunkt ist ebenfalls der Gestaltfaktor. Die Autoren haben in ausführlichen Untersuchungen den Versuch unternommen, die Einschränkungen der Volkersen-Gleichung durch experimentell abgesicherte Faktoren zu eliminieren. Als Ergebnis stellt sich die Beziehung τB = a √ f

mit f = √l s 

(8.22)

ü

dar. Die Konstante a ist von den Fügeteilen und der Klebschicht abhängig; sie lässt sich aus entsprechenden Diagrammen bestimmen, wenn ein ebenfalls aus dem Schubmodul und der Maximalspannung am Überlappungsende berechneter Klebstoffkennwert oder auch Bindemittelkennwert χ = τ max / √G und die Fügeteilfestigkeit bekannt sind. 8.5.3.3 Verfahren nach Müller [M37]

Müller erweitert die von Frey gefundene Beziehung und ermittelt den Zusammenhang



τ m = b 1 + M log

√s lü

.

(8.23)

In diesem Fall ist b eine von der Streckgrenze des Fügeteils abhängige klebstoffspezifische Konstante, M ist eine für die untersuchten Fügeteilwerkstoffe und Klebstoffe charakteristische zahlenmäßig definierte Konstante (M = 0,55). Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Anwendung des Gestaltfaktors als Berechnungsbasis wegen des hohen experimentellen Aufwands für die Lösung von Einzelproblemen wenig praktikabel ist. Sie ist sinnvoll dort, wo sehr häufig gleiche Fügeteile und wenige standardisierte Klebstoffe eingesetzt werden, z.B. im Flugzeugbau. Hinsichtlich theoretischer Aussagen sind diese

458

8 Festigkeiten von Metallklebungen

Methoden ebenfalls nur beschränkt verwendbar, da als Voraussetzung für die Berechnung ein lineares Schubspannungs-Gleitungs-Verhalten dient. 8.5.3.4 Verfahren nach Tombach [T10]

Tombach geht von den Berechnungsansätzen von Volkersen und Goland und Reissner aus, er ergänzt die Ergebnisse durch entsprechende empirisch gewonnene Faktoren. Die Berechnungsansätze erfordern einen hohen Rechenaufwand sowie das Vorhandensein von Bemessungsfaktoren aus experimentellen Untersuchungen. 8.5.3.5 Verfahren nach Eichhorn und Braig [B50, E13]

Die Autoren berücksichtigen als Berechnungskriterium die maximale Fügeteilspannung, die sich am Überlappungsende einstellt. Da von linear-elastischen Verhältnissen ausgegangen wird, ist die allgemeine Anwendbarkeit der Methode jedoch beschränkt. Für die Berechnung von Klebungen werden unter Einbeziehung experimentell ermittelter Faktoren Diagramme zur Bestimmung von s und l ü bei gegebenen Lasten herangezogen. Eine kritische Bewertung der Berechnungsverfahren nach Frey, Tombach, Winter und Meckelburg sowie Eichhorn und Braig gibt Ulmer in [U4]. 8.5.3.6 Verfahren nach Schlegel [S54]

Schlegel geht bei seinen Berechnungen, denen ebenfalls experimentelle Untersuchungen zugrunde liegen, von der Festigkeit des Fügeteilwerkstoffs als maßgebendem Kennwert aus und definiert den Ausnutzungsgrad δ δ=

σ vorh

R p0,2

⬉1.

(8.24)

Im Fall δ = 1 ist eine optimale Fügeteilausnutzung gegeben, der eine optimale Überlappungslänge l ü opt (Abschn. 8.4.1.1) zugeordnet wird. Durch experimentelle Untersuchungen wird nachgewiesen, dass für einen bestimmten Klebstoff und eine bestimmte Klebfugengeometrie die optimale Überlappungslänge eine Funktion der Dehn- bzw. Streckgrenze ist (8.25) l ü opt = m R p0,2 , wobei der Faktor m von der Fügeteildicke abhängt und für eine Anzahl der häufigsten Verbindungsformen und Klebstoffe experimentell ermittelt wurde. Auf Basis dieser Ergebnisse dienen dann Nomogramme aus den drei Größen s, l ü und R p0,2 zur Bestimmung der jeweiligen dritten Größe, wenn zwei bekannt sind. Es ist jedoch zu beachten, dass jedes Nomogramm nur für ganz bestimmte Verbindungsformen und Fügeteil-Klebstoff-Paarungen gilt [Z13].

8.5 Berechnung der Spannungsverteilung in einschnittig überlappten Klebungen

459

8.5.3.7 Verfahren nach Cornelius und Stier [C5]

Ausgangspunkt der Berechnung sind die maximalen Spannungen am Überlappungsende. Diese werden für verschiedene Klebfugengeometrien auf die mittleren Fügeteilspannungen bezogen und in Diagramme mit den Abhängigkeiten Klebschichtdicke, Fügeteildicke und Überlappungslänge aufgetragen. Eine praktische Anwendung dieser Methode wird dadurch geschmälert, dass für jede Fügeteil-Klebstoff-Kombination die entsprechenden experimentellen Untersuchungen durchgeführt werden müssen. Eine zusammenfassende Behandlung der Probleme zur Berechnung der Spannungsverteilung findet sich bei Hertel [H46]. Die vorstehenden Ausführungen machen deutlich, dass eine rechnerische Voraussage über die Spannungsverteilung in einer Klebung und somit über ihre Festigkeit im Sinne einer mathematisch exakten Berechnung, die als Grundlage für die praxisnahe Bemessung einer Konstruktion dienen kann, nicht möglich ist. Der Grund liegt in der Tatsache, dass es zur Vermeidung eines zu hohen rechnerischen Aufwandes erforderlich ist, von vereinfachenden theoretischen Modellen und Ansätzen auszugehen. Durch diesen Sachverhalt unterscheiden sich Metallklebungen deutlich von Schweiß- und Lötverbindungen. Es ist erkenntlich, dass ein entsprechend DIN 53283 gemessener Klebfestigkeitswert ohne Bedeutung ist, wenn sich die Spannungen örtlich zu so hohen Maximalwerten konzentrieren, dass an diesen Stellen die Bruchfestigkeit einer Klebschicht erreicht wird. Die vielfältig erarbeiteten experimentellen Werte bestätigen im Grunde die theoretischen Ergebnisse, weisen jedoch aus, dass in Ergänzung zu den definierbaren Werkstoffparametern und der bekannten Geometrie der Klebung das deformationsmechanische Verhalten der Klebschicht als nicht exakt zu definierender Parameter verbleibt. Als Lösung dieser Problematik bietet sich an, die theoretischen Berechnungen nach den dargestellten Gleichungen von Volkersen als Ausgangsbasis anzuwenden. Aufbauend auf diesen Ergebnissen sind dann unter Einbeziehung der für jeden Einzelfall geforderten Belastungen und Werkstoffkenngrößen ergänzende Berechnungen oder gezielte praktische Versuche durchzuführen. Hierauf wird in Abschnitt 9.2.4 näher eingegangen. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 8.5 bis 8.5.3.7: [B26, B54, C4, C72, D28, E14, G87, H23, H37, H39, K30, K43, L129, M21, M38, M39, P12, R10, S55–S57, S266, T9, T11] sowie Literatur im Anschluss an Abschnitt 8.4.9.

8.5.4 Berechnung der Spannungsverteilung mit der Finite-Elemente-Methode (FEM)

Die Finite-Elemente-Methode ist ein numerisches Berechnungsverfahren für die rechnergestützte Simulation deformationsmechanischer Vorgänge. Mittels der Hard- und Softwareentwicklungen der Vergangenheit sind durch dieses Verfahren Beanspruchungsanalysen komplexer Bauteile unter Berücksichtigung von nichtlinearen Werkstoffgesetzen, wie z.B. elastisch-plastisches und

460

8 Festigkeiten von Metallklebungen

viskoses Materialverhalten, in einem zeitlich angemessenen Rahmen durchführbar. Die Berechnungen erfordern einen beschreibbaren Zusammenhang zwischen einer Eingangsgröße, dem Übertragungsverhalten und einer Ausgangsgröße. Beispielsweise liefert das Hookesche Elastizitätsgesetz einen solchen Zusammenhang zwischen einer Kraft und einer Verschiebung. Die Verlängerung einer Feder kann somit durch die Beziehung Kraft = Federsteifigkeit × Auslenkung einfach berechnet werden. Für einen beliebig geformten Festkörper lässt sich jedoch für die Beschreibung der Steifigkeit im Allgemeinen keine analytisch geschlosssene Lösung finden. Bei FE-Berechnungen wird dieser Körper daher in einfache endliche (finite) Elemente unterteilt, für die analytisch oder durch numerische Interpolationsansätze eine Steifigkeit aufgestellt wird. Benachbarte Elemente sind an Knotenpunkten miteinander gekoppelt. Dadurch ist die Zusammenfassung der Steifigkeiten der Einzelelemente zu einer Gesamtsteifigkeit möglich. Die vorstehende Federgleichung wird somit zu einem linearen Gleichungssystem der Form Vektor der Kräfte an den Knoten = Gesamtsteifigkeitsmatrix x Vektor der Knotenverschiebungen. Durch Einführung von Lagerungsbedingungen an einigen Knoten wird dieses System lösbar und liefert die Knotenverschiebungen als Folge angreifender Kräfte. Aufgrund der nun bekannten Knotenverschiebungen kann der Dehnungs- und Spannungszustand in den Elementen und damit prinzipiell an jeder Stelle des Körpers bestimmt werden. Bedingt durch das Vorhandensein sehr großer Gleichungssysteme ist eine Rechnerunterstützung zu deren Lösung erforderlich. Trotz aller Fortschritte ist zu erwähnen, dass bei einer Simulation die real vorliegenden Zustände in ein mathematisches Ersatzmodell überführt werden. Die Qualität der Berechnungsergebnisse kann daher nur so gut sein, wie die Güte des Ersatzmodells. Die Auswahl geeigneter Elementtypen und seine fachgerechte Vernetzung basieren auf der Ausbildung und Erfahrung von Spezialisten, um die Güte des Modells einzuschätzen, die erhaltenen Ergebnisse dementsprechend zu interpretieren und bei Bedarf experimentell zu verifizieren. Ebenso wichtig ist die Qualität der Eingangsdaten in Form der Materialkennwerte. Wegen des sehr komplexen und von vielen Faktoren abhängigen Verhaltens der Kunststoffe und Klebstoffe erfordert die Ermittlung der Materialkennwerte einen erheblichen messtechnischen Aufwand. Ihre Überführung in ein geeignetes Materialmodell ist in der Klebtechnik daher seit langem ein wichtiges Forschungsgebiet. Ein frühzeitiger Einsatz der FE-Methode in eine klebtechnisch zu lösende Aufgabe kann – auch mit weniger exakten Materialkennwerten – erfahrungsgemäß dabei helfen, ungünstige Belastungen auf die Klebungen zu vermeiden oder Gestaltungsalternativen zu vergleichen.

8.6 Festigkeit bei statischer Langzeitbeanspruchung

461

Bild 8.42. 3D-Darstellung der FEM-Berechnung einer Spannungsverteilung am Beispiel einer einschnittig überlappten Klebung unter Zugscherbelastung (Werkstoff: Aluminium, s 1,6 mm, E 70000 Nmm–2 ; Klebschicht: Epoxidharz, E 3000 Nmm–2 )

Bild 8.42 zeigt die FEM-Berechnung der Spannungsverteilung in einer 3DDarstellung einer einschnittig überlappten Klebung gleicher Werkstoffe unter Zugscherbelastung. Zur Verbesserung der Anschaulichkeit ist die Probenverformung in der y-Achse im Verhältnis 1:10 verzerrt dargestellt. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 8.5.4: [A50–A52, A91, A92, A124, A126, A130, A135, B227– B229, B363, C72, C130, D202, D203, D205, D266, D396, F30, G47, G182, G184, H38, H44, H45, H113, H224, H284, H371, H378, J45, K109, K183, L102, L131, L149, L160, M103, O35, P52, P166, R85, S117, S118, S124, S257, S294, S305, S312, S325, T49, W144].

8.6 Festigkeit bei statischer Langzeitbeanspruchung Im Vergleich zu der statischen Kurzzeitfestigkeit, die als zügige Belastung einer Klebung bis zum Bruch angesehen werden kann und die im Wesentlichen die Basis entsprechender Prüfverfahren darstellt, ist das Verhalten einer Klebung unter statischer Belastung über größere Zeiträume für praktische Anwendungen von besonderem Interesse. Da die Klebschichten die Eigenschaften von Kunststoffen aufweisen, ist während einer statischen Langzeitbelastung mit Kriechvorgängen (Abschn. 4.6) zu rechnen, die bei Überschreiten der Verformungsmöglichkeit der Klebschicht zu einem Bruch führen. Aus der Stefanschen Gleichung (3.12) ergab sich bereits, dass die Kraft für die Trennung von zwei Platten, die mittels einer viskosen Zwischenschicht miteinander verbunden sind, in einem umgekehrt proportionalen Verhältnis zu der einwirkenden Zeit steht. Diese Beziehung lässt sich im Prinzip ebenfalls auf die Beschreibung langzeitiger statischer Belastungen anwenden. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die statische Festigkeit einer Klebung unter Scher- bzw. Zugscherbeanspruchung mit zunehmender Belastungszeit abnimmt. Als Kenngröße für die Bemessung einer geklebten Konstruktion ist daher – zunächst unter Eliminierung von Alterungseinflüssen – an Stelle der Klebfestigkeit nach DIN EN 1465 die Zeitstandfestigkeit nach DIN 53284 einzusetzen.

462

8 Festigkeiten von Metallklebungen

Bei der statischen Langzeitbeanspruchung wird unterschieden: 앫 Die Zeitstand-Klebfestigkeit t B/t (Zeitstandfestigkeit): Sie stellt die auf die Klebfläche A bezogene ruhende Beanspruchung durch eine Zugkraft F dar, die nach Ablauf einer bestimmten Zeit t eine Trennung der Fügeteile hervorruft: F τ B/t = . (8.27a) A Die Zeit t bis zum Bruch ist dabei als Index anzugeben. 앫 Die Dauerstand-Klebfestigkeit t ∞ (Dauerstandfestigkeit): Sie ergibt sich als die auf die Klebfläche A bezogene, größte ruhende Beanspruchung durch eine Zugkraft F, die die Klebung „unendlich lange“ ohne Trennung der Fügeteile ertragen kann: F τ∞ = . (8.27b) A Schematisch erläutert Bild 8.43 diese beiden Festigkeitsarten. Zur Ermittlung der Zeitstandfestigkeit wird mit einer Anzahl von Prüfkörpern bei verschiedenen vorgegebenen Zugscherspannungen in der Klebfuge die jeweilige Standzeit bis zum Bruch der Klebung ermittelt und ein Zeitstandschaubild τ B/t = f (t) aufgestellt. Bild 8.44 zeigt nach Ergebnissen von Althof und Hennig [A23] für zwei verschiedene Klebstoffe auf Epoxidharzbasis ein derartiges Zeitstandschaubild. Die Klebfestigkeitswerte nach der statischen Kurzzeitprüfung entsprechend DIN 53283 sind ebenfalls in das Diagramm eingetragen. Aus dieser Darstellung lassen sich folgende Zusammenhänge entnehmen: 앫 Die Zeitstandfestigkeit ist in hohem Maße von der Verformungsfähigkeit der Klebschicht abhängig. Bei dem Klebstoff 1 handelt es sich um einen warmhärtenden Klebstoff auf Basis Epoxid-Dicyandiamid mit einem geringen Verformungsvermögen, d.h. einer geringen Kriechneigung, bei dem Klebstoff 2 um ein ebenfalls warmhärtendes Produkt auf Basis Epoxid-Polyaminoamid, jedoch mit einer gegenüber dem Klebstoff 1 erhöhten Verformungsfähigkeit. Bild 8.43. Zeitstand- und Dauerstandfestigkeit von Klebstoffen

8.6 Festigkeit bei statischer Langzeitbeanspruchung

463

Bild 8.44. Zeitstandfestigkeit von zwei verschiedenen Epoxidharzklebstoffen (nach [A23])

앫 Obwohl die Werte der Klebfestigkeit relativ ähnlich sind (37 bzw. 34 Nmm–2), zeigen beide Klebstoffe ein sehr unterschiedliches Zeitstandverhalten. Bei dem Klebstoff 1 lässt sich vorhersehen, dass er unter den gegebenen Versuchsbedingungen eine Dauerstandfestigkeit von ca. 32 Nmm–2 aufweist. Der Klebstoff 2 ist nach den gegebenen Werten für eine Zeitstandbelastung nicht geeignet; bereits nach 200 h ist die Zeitstandfestigkeit auf unter 10 Nmm–2 abgesunken, ein Bruch der Klebung ist im Bereich von wenigen 1000 h zu erwarten. Im Allgemeinen kann davon ausgegangen werden, dass die Dauerstandfestigkeiten von Klebstoffen bei reiner mechanischer Beanspruchung im Bereich von 50–70% ihrer statischen Kurzzeitfestigkeit liegen. Eine erheblich geringere Last als die statische Bruchlast bei einer Kurzzeitbeanspruchung genügt also bereits, um einen Bruch durch eine Zeitstandbelastung auszulösen. Für geklebte Konstruktionen besteht daher ein Zusammenhang zwischen der Belastungshöhe und der zu erwartenden Lebensdauer in dem Sinne, dass mit zunehmender Belastung die Lebensdauer abnimmt. Neben der mechanischen Belastung hängen der für die Zeitstandfestigkeit maßgebende Kriechverlauf und die Kriechgeschwindigkeit ebenfalls von den Einflüssen aus der Umgebung ab (Abschn. 7.4). Sie vermindern die Festigkeitswerte je nach Art und Höhe auf noch geringere Werte. Für Anforderungen an hohe Zeitstand- bzw. Dauerstandfestigkeiten ist demnach Klebstoffen der Vorzug zu geben, die verformungsarme Klebschichten auszubilden in der Lage sind. Das ist in der Regel bei warmaushärtenden, hochvernetzten Duromeren der Fall, Thermoplaste eignen sich für derartige Anwendungen nur in beschränktem Maße. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 8.6: [A31, D266, E4, E19, E20, H22, K51, R77, S58, W30] und Literatur zu Abschnitt 4.6.

464

8 Festigkeiten von Metallklebungen

8.7 Festigkeit bei dynamischer Langzeitbeanspruchung Bei den meisten Anwendungen wird der Fall auftreten, dass Metallklebungen für Beanspruchungen durch Lastschwingungen unterschiedlicher Amplitude und Frequenz ausgelegt werden müssen. Als Beispiele mögen der Flugzeug-, Automobil- und Maschinenbau dienen. Um Vergleiche mit den Werten der statischen Kurzzeitfestigkeit zu ermöglichen, ist es zweckmäßig, die für die dynamische Festigkeitsermittlung verwendeten Prüfkörper soweit wie möglich ähnlich zu gestalten, d.h. die Klebfugengeometrien für den Zug- bzw. Zugscherversuch zugrunde zu legen. Die Begriffe und Zeichen der Dauerschwingfestigkeit sind in DIN 50100 festgelegt, dabei werden unterschieden: 앫 Die Dauerschwingfestigkeit (kurz Dauerfestigkeit genannt) als der um eine gegebene Mittelspannung schwingende größte Spannungsausschlag, den eine Probe „unendlich oft“ ohne Bruch und ohne unzulässige Verformung aushält. 앫 Die Wechselfestigkeit als Sonderfall der Dauerfestigkeit für die Mittelspannung Null; die Spannung wechselt zwischen gleich großen Plus- und Minuswerten. 앫 Die Schwellfestigkeit als Sonderfall der Dauerfestigkeit für eine zwischen Null und einem Höchstwert an- und abschwellende Spannung. Zur Bestimmung der Dauerfestigkeit werden Festigkeits-Lastspielzahl-Diagramme aufgestellt. Man erhält auf diese Weise eine mit der Zeit bzw. mit der Zahl der Schwingspiele abfallende Kurve, die sog. Wöhler-Kurve, die sich asymptotisch dem Endwert der Dauerfestigkeit nähert bzw. im logarithmischen Maßstab eine Dauerfestigkeitsgerade ergibt. Aus dieser Kurve kann man die zeitabhängige bzw. lastspielabhängige Beanspruchung einer Klebung entnehmen. Eine Wöhler-Kurve für eine einschnittig überlappte Klebung bei Schwellbeanspruchung zeigt Bild 8.45. Nach dieser Darstellung ergibt sich, ausgehend

Bild 8.45. Wöhler-Kurve für eine einschnittig überlappte Klebung bei Schwellbeanspruchung (nach [M31])

8.7 Festigkeit bei dynamischer Langzeitbeanspruchung

465

von einer statischen Kurzzeitfestigkeit der Klebung von 37,4 Nmm–2, eine Dauerfestigkeit von 5,7 Nmm–2. 8.7.1 Zugschwellfestigkeit

Die Prüfung der Zugschwell-Dauerfestigkeit erfolgt unter Aufbringen reiner Normalspannungen in der Klebfuge. In gleicher Weise, wie auf statische Zugbelastung beanspruchte Klebungen in der Praxis nur eine sehr geringe Bedeutung haben, gilt dieses auch für die dynamische Zugbeanspruchung. Als Prüfkörper dienen zwei stumpf verklebte Rundkörperhälften, als Beanspruchung eine reine Zugschwellkraft mit dem Spannungsverhältnis σ u /σo = 0. Die Versuche werden durchgeführt entweder bis zu der Dauerfestigkeitsgrenze oder bis zu einer Grenzschwingspielzahl von N = 2 · 107 Lastspielen. Für einen gegebenen Durchmesser der Probenkörper ergibt sich dann die Zugschwell-Dauerfestigkeit als Quotient aus der Differenz der Oberlast Fo und der Unterlast Fu sowie der Klebfläche A σ z sch D =

(Fo–Fu ) 4 π d2

(8.28)

bzw. die Zugschwell-Zeitfestigkeit σz sch(N) =

(Fo–Fu ) 4 π d2

(8.29)

unter Angabe der Schwingspielzahl (N) bis zum Bruch (d Probendurchmesser). Ein weiteres Prüfverfahren für dynamische Beanspruchung unter Normalspannungen ist der Umlaufbiegewechselversuch. Bei dieser Methode ergibt sich allerdings eine Zug-Druck-Wechselbeanspruchung [W21, W30]. 8.7.2 Dauerschwingfestigkeit

Die Bestimmung der Dauerschwingfestigkeit nach DIN 53285 an einschnittig überlappten Klebungen besitzt für die Anwendungsfälle der Praxis große Bedeutung. Die Beanspruchung der Probe erfolgt durch eine Zugscherschwellkraft, wegen des exzentrischen Kraftangriffs treten ebenfalls Biegeschwellkräfte auf. Die Schwellfestigkeit der Klebung ist der Quotient aus der Differenz der Oberlast Fo und der Unterlast Fu und der Klebfläche A τ schw =

Fo–Fu . A

(8.30)

Die Dauerschwingfestigkeit für schwellende Beanspruchung (Schwellfestigkeit) von Klebungen lässt sich ebenfalls aus einem Wöhler-Schaubild bei einer Schwingspielzahl von N = 2 · 107 entnehmen. In gleicher Weise wie bei der

466

8 Festigkeiten von Metallklebungen

statischen Zugscherbeanspruchung die werkstoffbezogenen Eigenschaften und die geometrischen Faktoren der Klebung hinsichtlich ihrer Einflüsse auf die Klebfestigkeit systematisch untersucht wurden, sind derartige Versuche bei der Schwellfestigkeit durchgeführt worden. Aus der Fülle vorliegender Ergebnisse [A25, B52, K43, M30, M31, P10, W21] lassen sich die folgenden Einflussfaktoren und deren Zusammenhänge ableiten: 앫 Klebschichtfestigkeit: Von besonderem Interesse ist das Verhalten der Klebschichten bei Dauerschwingbeanspruchung in Abhängigkeit von ihrem strukturellen Aufbau. Grundsätzlich ist hierzu festzustellen, dass das Verformungsverhalten der Klebschicht die bestimmende Einflussgröße darstellt. Wie bei der statischen Belastung ist auch bei einer dynamischen Belastung das Auftreten von Spannungsspitzen die Wesentliche Ursache für eine verkürzte Lebensdauer der Klebung. Klebschichten mit einem ausreichenden Verformungsvermögen ermöglichen eine längere Lebensdauer der Klebung bei dynamischer Belastung als weniger verformbare Klebschichten. Sie sind in der Lage, die zwischen der Mitte der Klebfuge und den Überlappungsenden sich ausbildenden Spannungsunterschiede besser auszugleichen. Das Verhalten unter dynamischer Belastung wird demnach in typischer Weise dadurch bestimmt, inwieweit eine Klebschicht in der Lage ist, zeitabhängig nach Abklingen der jeweiligen Belastungsstufe wieder in den ursprünglichen Gleichgewichtszustand zurückzukehren (Relaxation). Somit ist das Verhältnis von Belastungsdauer zu der jeweiligen Relaxationszeit für die dynamische Festigkeit eine bestimmende Größe. Aus Bild 8.46, das aus Untersuchungen von Matting und Draugelates [M31] zusammengestellt ist, lassen sich diese Zusammenhänge erkennen. Von den drei untersuchten Klebstoffen besitzt die Phenol-Polyvinylformal-Klebschicht die geringste statische Klebfestigkeit von 37,4 Nmm–2. Als Folge der geringen Verformungsmöglichkeit dieser Klebschicht ist auch eine vergleichsweise niedrige Schwellfestigkeit gegeben. Im Gegensatz dazu zeichnet sich der auf Epoxid-Nylon aufgebaute Klebstoff durch ein hohes Verformungsvermögen und somit auch hohe Werte der Schwellfestigkeit aus. Der Bild 8.46. Abhängigkeit der Schwellfestigkeit von der Schwingspielzahl bei Klebschichten mit unterschiedlichem Verformungsverhalten (nach [M31])

8.7 Festigkeit bei dynamischer Langzeitbeanspruchung

467

Epoxid-Polyaminoamid-Klebstoff liegt in seinen Eigenschaften zwischen diesen beiden Klebstoffen. Zwischen den Werten der statischen Kurzzeitfestigkeit τ B nach DIN 53283 und den durch eine Extrapolation der WöhlerKurve in den Zeitfestigkeitsbereich für eine Schwingspielzahl N = 2,5 · 10–1 erhaltenen Festigkeitswerten ergibt sich eine gute Übereinstimmung. In Bild 8.46 sind diese τ B -Werte mit angegeben. Ein Vergleich der statischen und dynamischen Festigkeit ergibt einen einfachen Zusammenhang: Die technische Dauerfestigkeit besitzt oberhalb von N = 1 · 107 Lastspielen bei den untersuchten Klebstoffen einen Wert von ca. 14% der statischen Kurzzeitfestigkeit, im vorliegenden Beispiel bei Klebstoff 1: 14,4%, Klebstoff 2: 14,1% und Klebstoff 3: 15,2%. Dieser Zusammenhang gilt in vielen Fällen auch für andere Klebstoffe. Neben dem für die dynamische Festigkeit einer Klebung charakteristischen Verformungsverhalten ist ergänzend das Dämpfungsvermögen der Klebschicht ein entscheidender Parameter (Abschn. 4.4.2). Im Gegensatz zu Metallen sind Polymere durch ein hohes Dämpfungsvermögen gekennzeichnet. Die Dämpfung wird durch den Übergang von Schwingungsenergie in andere Energieformen verursacht. Bei dynamisch beanspruchten Klebungen erfolgt wegen der beim jeweiligen Verformen notwendigen Überwindung der durch den Molekülaufbau bedingten inneren Widerstände ein Übergang in Wärme. Wegen der geringen Wärmeleitfähigkeit der Klebschicht besteht somit die Möglichkeit einer Erwärmung. Nach Untersuchungen von Draugelates [D29, M31] hat sich jedoch gezeigt, dass eine Erwärmung in der Klebfuge trotz einer hohen dynamischen Beanspruchung bis zum Bruch nicht auftritt. Die Begründung liegt in der sehr geringen Klebschichtdicke in Verbindung mit der guten Wärmeleitfähigkeit der metallischen Fügeteilwerkstoffe. 앫 Fügeteilfestigkeit: Bei dynamischer Belastung erreichen Klebungen aus höherfesten Fügeteilwerkstoffen höhere Lastspielzahlen als Klebungen mit Werkstoffen geringerer Festigkeiten. Wie bei der Betrachtung der statischen Kurzzeitfestigkeit kann auch in diesem Fall der Unterschied mit den bei höherfesten Fügeteilen geringeren Klebschichtverformungen erklärt werden. Somit ergibt sich wegen der geringeren Spannungsspitzen eine günstigere Spannungsverteilung. Bild 8.47 zeigt nach Untersuchungen von Althof [A25] diesen Zusammenhang an einschnittig überlappten Klebungen aus der Aluminiumlegierung AlCuMg2 sowie Edelstahl X10 CrNiNb 18 9. Die erkennbaren Unterschiede sind auf den höheren Elastizitätsmodul des Edelstahls und die damit verbundenen geringeren Fügeteildehnungen und somit die günstigere Spannungsverteilung in den Edelstahlklebungen zurückzuführen. Man kann davon ausgehen, dass bei der Be- und Entlastung der Klebungen unter dynamischer Belastung nach jedem Belastungsvorgang ein Verformungsrest in der Klebschicht verbleibt, d.h., dass die Klebschicht nicht ihre ursprüngliche geometrische Gestalt zurückgewinnt. Auf diese bleibenden Verformungen bauen sich dann ständig neue Verformungen auf, die der Höhe nach bei den Proben aus Edelstahl jedoch geringer sind als bei den Aluminiumproben. Somit werden bei den Edelstahlproben die ertragbaren Klebschichtverformungen erst bei höheren Lastspielzahlen erreicht.

468

8 Festigkeiten von Metallklebungen

Bild 8.47. Abhängigkeit der Schwellfestigkeit von der Lastspielzahl bei unterschiedlichen Fügeteilfestigkeiten (nach [A25])

앫 Fügeteildicke: Mit einer zunehmenden Blechdicke ergibt sich bei gleicher Last eine geringere Fügeteilverformung. Diese wirkt sich in vergleichbarer Weise wie bei der statischen Kurzzeitfestigkeit auch in diesem Fall auf die Höhe der Festigkeitswerte der Klebung aus. 앫 Überlappungslänge: Mit zunehmender Überlappungslänge zeigt sich eine Verminderung der Schwellfestigkeit. Somit ergibt sich auch für dynamisch beanspruchte Klebungen eine optimale Überlappungslänge (Abschn. 8.4.1.1). Es ist diejenige Überlappung, bei der sowohl Brüche in der Klebfuge als auch im Fügeteil auftreten können. 앫 Gestaltfaktor: Mit zunehmendem Gestaltfaktor geht eine erhöhte Schwellfestigkeit einher. 앫 Temperatur: Mit steigender Temperatur nimmt die Schwellfestigkeit ab, die Höhe der Abnahme ist allerdings von der Überlappungslänge abhängig. Es hat sich gezeigt, dass mit größer werdender Überlappungslänge der Unterschied zwischen der Schwellfestigkeit bei Raumtemperatur und bei erhöhter Temperatur geringer wird. Bei langen Überlappungen und hohen Lastspielzahlen sind beide Festigkeitswerte annähernd gleich. Die Ursache für dieses Verhalten ist in der durch die Wärmezufuhr eintretenden Plastifizierung der Klebschicht zu sehen, die mit zunehmender Belastungszeit zu einer gleichmäßigeren Spannungsverteilung führt. Bei kurzen Überlappungen wirkt sich dieser Einfluss wegen der bei Raumtemperatur bereits gleichmäßigeren Spannungsverteilung geringer aus. 앫 Schwingungsbeanspruchung: Die Lebensdauer einer Klebung ist bei der Schwingungsbeanspruchung von der Mittelspannung und dem Spannungsausschlag abhängig. Beide Faktoren können in Dauerfestigkeits-Schaubildern (z.B. nach Smith, vgl. DIN 50100) dargestellt werden. Eine geringere Frequenz vermindert die Schwellfestigkeit. Zur Erklärung kann die Tat-

8.8 Festigkeit bei schlagartiger Beanspruchung

469

sache herangezogen werden, dass die Klebschicht bei hoher Frequenz dem schnellen Lastwechsel durch Deformation nicht in dem Maße zu folgen vermag wie bei einer geringeren Frequenz, sodass sich ein nahezu statischer Verformungszustand in der Klebschicht einstellt. Zusammenfassend ergeben sich für die dynamische Festigkeit von Metallklebungen als wesentliche Folgerungen: 앫 Die werkstoffbezogenen und geometrischen Einflussgrößen einer Klebung wirken sich auf die Höhe der Schwellfestigkeit in vergleichbarer Weise wie bei der statischen Kurzzeitfestigkeit aus. 앫 Die Schwellfestigkeiten von Klebungen bei N = 1 · 107 Lastspielen liegen im Bereich von ca. 10–20% der statischen Kurzzeitfestigkeit. 앫 Vergleichende Prüfungen der Schwellfestigkeit bedürfen der Einhaltung gleicher Schwingungsfrequenzen. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 8.7: [A31, C120, D22, D24, M134, M261].

8.8 Festigkeit bei schlagartiger Beanspruchung Das Verformungsverhalten von Klebschichten ist im Wesentlichen durch molekulare Umlagerungsvorgänge geprägt. Diese Umlagerungen sind zeitabhängig, sie verlaufen relativ langsam. Ist bei einer Beanspruchung die zeitliche Lastzunahme so groß, dass die Molekülumlagerungen ihr nicht in entsprechender Weise folgen können, ist ein sprödes Verhalten der Klebschicht zu erwarten, das sich in einer geringen Arbeitsaufnahme der Klebschicht bei Belastung sowie einem verformungslosen Bruch bemerkbar macht. Somit sind die Verformungseigenschaften von Klebschichten bei schlagartigen Beanspruchungen anders zu betrachten als bei den bisher behandelten statischen Kurzzeit- bzw. statischen und dynamischen Langzeitbeanspruchungen. Das Verhalten von Klebungen bei schlagartiger Beanspruchung ergibt Hinweise auf die Zähigkeit der Klebschicht. Führt man derartige Untersuchungen in Abhängigkeit von der Temperatur durch, lassen sich wertvolle Anhaltspunkte für das Verhalten insbesondere bei tiefen Temperaturen erarbeiten. Grundsätzlich ist festzustellen, dass Werte der Schlagfestigkeit nicht für Festigkeitsberechnungen herangezogen werden können, da sie in keiner Relation zu der statischen Kurzzeitfestigkeit stehen. In ähnlicher Weise wie bei der statischen Kurzzeitbeanspruchung ergeben sich die Möglichkeiten schlagartiger Beanspruchung durch – Schlagscherbeanspruchung, – Schlagzugbeanspruchung, – Schlagzugscherbeanspruchung. Bild 8.48 stellt schematisch diese drei Beanspruchungsmöglichkeiten dar. Gegenüber den Beanspruchungsgeschwindigkeiten im statischen Kurzzeitversuch (ca. 10 mm min–1) liegen bei einer Schlagbeanspruchung Geschwindig-

470

8 Festigkeiten von Metallklebungen

Bild 8.48. Möglichkeiten der Schlagbeanspruchung von Klebungen

keiten in der Größenordnung von 1–5 m s–1 vor, also um mehr als 3–4 Zehnerpotenzen höher. Eine besondere Bedeutung hat auch in diesem Fall die Prüfung an einschnittig überlappten Klebungen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass wegen des außermittigen Kraftangriffs infolge der Biegung der Fügeteile an den Überlappungsenden Formänderungsarbeit verloren geht. Die auf die Klebflächeneinheit bezogene Arbeitsaufnahme wird als spezifische SchlagzugscherArbeitsaufnahme (spezifische Schlagarbeit) a s in Ncm/cm2 definiert: A as = B . (8.31) b lü Dabei ist AB die bei dem Bruch der Probe aufgenommene Schlagarbeit. Diese Definition gilt ebenfalls für die beiden anderen erwähnten Schlagbeanspruchungsarbeiten. Die Abhängigkeit der spezifischen Schlagarbeit von der Schlaggeschwindigkeit bei Klebungen wird von dem Verformungsvermögen der Klebschicht entscheidend beeinflusst. Mit zunehmender Belastungsgeschwindigkeit wird die Fähigkeit der Klebschicht, durch Relaxation Schlagarbeit in Verformungsarbeit umzuwandeln, geringer. Somit resultiert statt eines Verformungsbruchs ein sprödbruchartiges Verhalten mit geringeren Schlagarbeitswerten. (Ähnliche Zusammenhänge gelten für Werkstoffe allgemein.) Eichhorn und Hahn [E20] haben durch experimentelle Untersuchungen bestätigt, dass Klebschichten entsprechend ihres Verformungsvermögens unterschiedliche Werte der spezifischen Schlagarbeit aufweisen. Von den untersuchten Klebstoffen mit unterschiedlichem Vernetzungsgrad der Klebschichten zeigte eine Epoxid-Nylon-Klebschicht mit geringerem Vernetzungsgrad das höchste, eine hochvernetzte Klebschicht aus warmfestem Epoxidharz das geringste Verformungsvermögen. Somit resultiert im ersten Fall eine höhere spezifische Schlagarbeit bis zum Bruch der Klebschicht, da ein größerer Teil der aufgebrachten Schlagarbeit in Verformungsarbeit umgewandelt wird. Ergänzend ergibt sich die höhere spezifische Schlagarbeit auch aufgrund

8.9 Festigkeit bei Crash-(hochdynamischer)Beanspruchung

471

der günstigeren Spannungsverteilung in der Klebschicht. Diese Verhältnisse ändern sich allerdings bei höheren Temperaturen. In diesem Fall besitzen die sonst spröden Klebschichten ein größeres Dehnungsvermögen, sodass die spezifische Schlagarbeit ansteigt. Das Verhalten von Klebungen unter schlagartiger Beanspruchung erhält in Bezug auf die passive Sicherheit bei der Konstruktion von Automobilen eine besondere Bedeutung. Die Fügeverbindungen müssen nicht nur den Anforderungen hinsichtlich der Festigkeit gegenüber den Betriebslasten genügen, sondern auch ein ausreichendes Crashverhalten aufweisen. Über Ergebnisse entsprechender Untersuchungen s. Abschnitt 15.3. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 8.8: [A31, B118, B141, B186, D30, D297, G109, H47–H49, J46, L46, L98, M21, M41, W21, W30, Z14, Z15].

8.9 Festigkeit bei Crash-(hochdynamischer)Beanspruchung Für die zunehmende Leicht- und Mischbauweise im Fahrzeugbau und dem damit einhergehenden Einsatz des Klebens als Fügeverfahren (Abschn. 15.3) sind für Berechnungen Klebschichtkennwerte bei crashrelevanten Beanspruchungen erforderlich. Die bei diesen hochdynamischen Belastungen auftretenden Geschwindigkeiten liegen in Bereichen zwischen ca. 12–18 m s–1 und erfordern Prüfeinrichtungen, die über die Möglichkeiten der in Abschnitt 8.8 beschriebenen Schlagbeanspruchung mit Geschwindigkeiten 20 MPa), aber in Abhängigkeit von der Festigkeit und den Abmessungen der Fügeteile auch deren plastische Verformung bewirken können. Als Ergebnis zeigen Bruchuntersuchungen, dass der Bruchbeginn an den Überlappungsenden erfolgt und sich von beiden Seiten bis in die Mitte der Klebung fortsetzt. Der Kraftlinienverlauf ist somit inhomogen, wie aus der Bildfolge 8.50a–f, basierend auf spannungsoptischen Untersuchungen des ebenen Spannungszustandes an Acrylglasklebungen, ersichtlich [K214]. Sehr deutlich sind die mit steigender Beanspruchung an den Überlappungsenden sich ausbildenden Spannungskonzentrationen erkennbar, bis in Bild 8.50d (von links beginnend) der Bruch eingeleitet wird und sich in den Bildern 8.50e und f weiter fortsetzt. Von der insgesamt vorhandenen Klebfläche wird somit nur ein begrenzter Anteil im Bereich der Überlappungsmitte

a

b

c

d

e

f Bild 8.50. Spannungsverteilung in einschnittig überlappten Acrylklebungen bei anstei-

gender Zugscherbeanspruchung (nach [K214]). (Klebstoff: Epoxidharz, Klebschichtdicke: 0,2 mm)

8.10 Elastisches Kleben

473

zur Lastübertragung herangezogen, eine Vergrößerung der Überlappungslänge wirkt sich im Hinblick auf die übertragbare Last demnach nicht aus. Dieser Vorgang wird ergänzend durch das Vorhandensein einer dünnen Klebschicht unterstützt, die im Grenzflächenbereich einer Verformungsbehinderung durch die relativ starren Fügeteile ausgesetzt ist (s.a. Bild 8.35). Elastomere Klebschichten mit einem elastischen bzw. viskoelastischen Verhalten weisen ein grundsätzlich anderes Eigenschaftsverhalten auf. Die auf eine in gleicher Weise einschnittig überlappte Klebung einwirkenden Kräfte führen primär zu einer elastischen Verformung der Klebschicht. Die an den Überlappungsenden der Fügeteile auftretenden Spannungen sind vergleichsweise gering. Somit resultiert ein über der gesamten Klebfläche quasi homogener Spannungsverlauf, der zudem durch die wesentlich größere Klebschichtdicke weiter begünstigt wird. Dieser Zustand ist aus Bild 8.51 ersichtlich: Bild 8.51. Spannungsverteilung in einer einschnittig überlappten Acrylklebung bei Zugscherbeanspruchung (nach [K214]). (Klebstoff: 1K-Polyurethan, Klebschichtdicke: 3 mm)

Die unter vergleichbaren Bedingungen ermittelten Werte der Klebfestigkeit sind zwar niedriger als die der dünnen, verformungsarmen Klebschichten (< 10 MPa, je nach Klebstoff), da hier jedoch die gesamte Klebfläche zur Lastübertragung herangezogen wird, kann die Überlappungslänge quasi linear auf die zu übertragende Last dimensioniert werden. Diese Zusammenhänge werden berechnungsmäßig durch die Ausführung in Abschnitt 8.5.1.1 untermauert, nach denen für das Auftreten der Spannungsspitzen an den Überlappungsenden das Verhältnis des Schubmoduls G der Klebschicht und des Elastizitätsmoduls E des Fügeteilwerkstoffs G:E entscheidend ist. Je geringer dieses Verhältnis ist, desto geringer sind auch die sich ausbildenden Spannungsspitzen. Da elastische Klebschichten sich gegenüber verformungsarmen Klebschichten durch einen wesentlich niedrigeren Schubmodul auszeichnen, nimmt bei gleichen Fügeteilwerkstoffen das Verhältnis G:E entsprechend ab und die Spannungsausbildung über der Klebfugenlänge wird entsprechend gleichmäßiger (s. a. Bild 8.13). Somit ergeben sich zwischen den beiden „Klebungsarten“ folgende wesentliche Unterschiede: – Bei dünnen, verformungsarmen Klebschichten ist die Klebfestigkeit in hohem Ausmaß von der Klebschichtdicke abhängig. Die höchsten Klebfestigkeitswerte werden bei geringen Dicken (0,1–0,3 mm) erreicht. In diesem Dickenbereich ist jedoch die Verformungsmöglichkeit begrenzt, durch eine Erhöhung der Dicke lässt sich die Inhomogenität der Spannungsverteilung nicht abbauen (Bild 8.52).

474

8 Festigkeiten von Metallklebungen

Bild 8.52. Spannungsverteilung in einer einschnittig überlappten Acrylklebung mit einer „dicken, verformungsarmen“ Epoxidharzklebschicht bei Zugscherbeanspruchung (nach [K214])

– Beim elastischen Kleben werden nicht, wie bei den dünnen, verformungsarmen Klebschichten, die von der Überlappungslänge abhängigen maximal erreichbaren Klebfestigkeitswerte einer Berechnung zugrunde gelegt. Die gleichmäßige Spannungsverteilung und die somit vorhandene weitgehende Linearität zwischen Überlappungslänge und Klebfestigkeit erlauben es, die niedrigen Klebfestigkeitswerte durch eine lineare Veränderung der Überlappungslänge zu kompensieren. Die in den Bildern 8.51 und 8.52 experimentell gefundenen Spannungsverteilungen lassen sich, wie aus den Bildern 8.53a und b hervorgeht, ebenfalls durch eine Computersimulation darstellen. Bei der Berechnung wurden die folgenden Module angenommen: Fügeteilwerkstoffe (Acrylglas) dicke, verformungsarme Klebschicht (Bild 8.53a) dicke, elastische Klebschicht (Bild 8.53b)

E F 2000 MPa EK 1000 MPa

bzw. bzw.

GF 700 MPa GK 400 MPa

6 MPa

bzw.

GK

EK

2,2 MPa.

Die vorstehend beschriebenen Zusammenhänge haben ihre praktische Anwendung insbesondere im Automobilbau gefunden, da dort wegen der Fertigungstoleranzen die üblichen Klebschichtdicken im Bereich 0,1–0,3 mm nicht einsetzbar und dicke, toleranzausgleichende Klebschichten erforderlich sind. Da diese konstruktionsbedingt keinen reinen Zug- bzw. Scherbeanspruchungen ausgesetzt sind, kommt es innerhalb dieser beiden Grenzfälle zu überlagerten Spannungszuständen, die von Koch [K214] näher untersucht worden sind. Mittels der in Bild 8.54 schematisch dargestellten Prüfvorrichtung besteht die Möglichkeit, unter Verwendung gleicher Probenkörper und Verstellung des Einspannwinkels beliebige Spannungsüberlagerungen zwischen reinen Zug-(Normal-) und Schubbeanspruchungen zu realisieren.

a Bild 8.53. Computersimulation der Spannungsausbildung in einer dicken, verformungsarmen a und dicken, elastischen Klebung b (nach [K214])

b

8.10 Elastisches Kleben

475

Bild 8.54. Prüfvorrichtung zur Bestimmung überlagerter Spannungen bei Zugund Schubbeanspruchung (nach [K214])

Bild 8.55. Spannungs-Dehnungs-Verhalten einer dicken, elastischen Klebung (1 K-Polyurethan, Klebschichtdicke 3 mm) bei überlagerten Zug- und Schubbeanspruchungen (nach [K214])

Aus Bild 8.55 ist am Beispiel einer 1K-Polyurethanklebung ersichtlich, dass sich die in der Klebschicht ausbildenden maximalen Spannungen zwischen reinen Zug- und Schubkräften nur unwesentlich verändern, die Dehnungen (dargestellt durch die Verschiebung v) jedoch sehr stark von der Krafteinleitung abhängig sind. Sie sind am geringsten bei Zug- und am größten bei Schubbeanspruchungen. Aus Bild 8.56 geht der Einfluss der Klebschichtdicke auf das SpannungsDehnungs-Verhalten am Beispiel einer einschnittig überlappten Klebung hervor. In diesem Fall wirkt sich die durch die Fügeteile erzwungene Verfor-

476

8 Festigkeiten von Metallklebungen

Bild 8.56. Einfluss der Klebschichtdicke auf das Spannungs-Dehnungs-Verhalten einer dicken, elastischen Klebung (nach [K214])

Bild 8.57. Einfluss der Überlappungslänge auf das Spannungs-Dehnungs-Verhalten einer dicken, elastischen Klebung (nach [K214])

mungsbehinderung bei geringen Klebschichtdicken auf die Dehnung in der bereits in Abschnitt 8.4.7 beschriebenen Weise aus. Bild 8.57 gibt den Einfluss der Überlappungslänge auf das Spannungs-Dehnungs-Verhalten einer dicken, elastischen Klebung wieder. Bei weitgehender Konstanz der Dehnungen nehmen die Spannungen bei elastischen – im Gegensatz zu verformungsarmen (s. Bild 8.26) – Klebungen mit zunehmender Überlappungslänge ab.

8.10 Elastisches Kleben

477

8.10.2 Anwendungen

Aus den Darlegungen in Abschnitt 8.10.1 ergibt sich das große Potenzial dieses im Vergleich zum traditionellen Kleben „neuen“ Fügeverfahrens. Klebstoffentwicklungen, insbesondere auf dem Gebiet der Polyurethan-Chemie, automatisierte Fertigungsverfahren und die systematisch von Wissenschaft und Industrie erarbeiteten Grundlagen für Berechnungs- und Konstruktionsmethoden haben das elastische Kleben zu einem integralen Bestandteil in der straßen- und schienengebundenen Fahrzeugproduktion werden lassen (Abschn. 15.3). Die wesentlichen Anwendungen ergeben sich aus den Vorteilen dieses Fertigungssystems, von denen zahlreiche Industriebereiche profitieren – – – – –

Steifigkeitserhöhung der Konstruktion, Dämpfungseigenschaften, elastische Spaltüberbrückung, dadurch erweiterte Fertigungstoleranzen, höhere Widerstandswerte bei Schälbeanspruchungen, quasi homogene Spannungsverteilung und damit verbunden eine weniger aufwendige Festigkeitsberechnung – weitgehende Unabhängigkeit der Klebfestigkeit von der Klebschichtdicke, – Verbinden von Werkstoffen mit unterschiedlichen Wärmeausdehnungskoeffizienten. Das folgende Zitat vermag die vorstehenden Darlegungen in kurzer Form zu beschreiben: „Elastisches Kleben erlaubt es, mit vergleichsweise einfachen Formeln die Klebverbindung zu berechnen, was für eine erfolgreiche Anwendung des Klebens in der Struktur unerlässlich ist.“ [B375]. 8.10.3 Berechnungsbeispiel

Als Beispiel für den Einsatz des elastischen Klebens soll die folgende vereinfachte Berechnung (ohne Berücksichtigung der Temperaturabhängigkeit der Wärmeausdehnungskoeffizienten) zur Beanspruchung durch Temperaturwechsel eines GFK-Daches auf die Stahlstruktur eines Omnibusses dienen (entnommen aus [B362]). Länge der Klebnaht L0 Wärmeausdehnungskoeffizient Stahl αSt Wärmeausdehnungskoeffizient GFK αGFK Temperaturdifferenz (Sommerbetrieb 90°C – 20°C)

800 cm 12 · 10–6 K–1 20 · 10–6 K–1 ∆T

70 K

478

8 Festigkeiten von Metallklebungen

Für die Wärmeausdehnung gilt allgemein (Abschn. 7.2.1): ∆L = L0 α ∆T ∆L = 800 · 20 · 10–6 · 70 = 11,2 mm GFK-Dach ∆L = 800 · 12 · 10–6 · 70 = 6,7 mm Stahlstruktur Differenz der Längenänderungen 4,5 mm

Für das aufgeklebte Dach, das sich an beiden Enden verschieben kann, tritt somit an jedem Ende jeweils die halbe Längenänderung von 2,25 mm auf. In der Regel wird die Klebschichtdicke in gleicher Größe wie die gesamte Längenänderung dimensioniert, im vorliegenden Fall demnach mit mindestens 4,5 Millimetern. Dadurch wird die Klebschicht an den Überlappungsenden auf eine maximale Scherung von 50% beansprucht. Die Festigkeitsberechnungen für das elastische Kleben basieren somit auf den in den Abschnitten 9.2.1 bis 9.2.3 beschriebenen Grundsätzen. Die dort erwähnten, für dünne, verformungsarme Klebschichten geltenden Einschränkungen hinsichtlich der inhomogenen Spannungsverteilung besitzen bei elastischen Klebungen allerdings nur eine eingeschränkte Gültigkeit. Wie bei Klebungen, die komplexen Beanspruchungen ausgesetzt sind, sind auch im vorliegenden Fall Abminderungsfaktoren für Temperatur, statische und dynamische Belastung in die Berechnung einzubeziehen. Hierfür mag als Beispiel die in Abschnitt 15.3.4 beschriebene Berechnung einer geklebten Bus-Frontscheibe dienen. Hinsichtlich der für Berechnungen beim elastischen Kleben zu berücksichtigenden mechanischen Eigenschaften von Klebstoffen und Klebschichten kann als allgemeine Grundlage von folgenden Werten ausgegangen werden: – – – – –

Klebfestigkeit, gemessen nach DIN EN 1465 Bruchdehnung Schubmodul Zugfestigkeit statische Langzeitbelastbarkeit

ca. 2–6 MPa, ca. 200–600% ca. 1–3 MPa ca. 6 –10 MPa ca. 0,2–0,3 MPa.

Ergänzende Literatur zu Abschnitt 8.10: [B227, B296, B331, C69, D200, F52, F53, G105, H318, H392, J45, J50, K214, K253, K292, M199–M201, P115, P116, S310, W94–W96]. Fachbuch: [B362]. DVS-Merkblatt 1618 (2002) „Elastisches Dickschichtkleben im Schienenfahrzeugbau“.

8.11 Erhöhung der Festigkeit durch Kombinationsklebungen Der Begriff „Kombinationsklebung“ hat in der Literatur verschiedene Deutungen erfahren, die im Sinne einer einheitlichen Terminologie zunächst kurz zu beschreiben sind: 앫 Kombinationsklebung als Kombination verschiedener Fügeverfahren, z.B. Punktschweißkleben (Abschn. 12.7.2). 앫 Kombinationsklebung als Kombination verschiedener Klebstoffgrundstoffe in einem Klebstoff, wie sie durch die Zugabe thermoplastischer Anteile zu

8.11 Erhöhung der Festigkeit durch Kombinationsklebungen

479

Duromeren mit dem Ziel einer Erhöhung der Elastizität bzw. Plastizität der Klebschichten durchgeführt wird; z.B. Phenolharze mit Polyvinylchlorid, Polyvinylacetat, Polyvinylacetalen, Polyamiden [D7, D31], zähharte Epoxidharzklebstoffe (Abschn. 2.2.1.7). Diese Verfahrensweise ist auch unter dem Begriff „innere Weichmachung“ (Abschn. 4.4.3) bekannt. 앫 Kombinationsklebung mit Klebstoffsystemen, die sowohl physikalisch abbinden als auch chemisch reagieren. Hierbei ergibt sich die Möglichkeit, über das physikalische Abbinden eine schnelle Anfangshaftung zu erzielen; die chemische Vernetzung erfolgt anschließend mit zunehmender Lagerzeit. In diesem Zusammenhang sind beispielsweise die reaktiven Polyurethan-Schmelzklebstoffe (Abschn. 2.2.2.5) und Epoxidharzklebstoffe (Abschn. 2.2.1.8) zu erwähnen. 앫 Kombinationsklebung als Kombination zweier verschiedener Klebschichten in einer Klebfuge. Diese letztere Möglichkeit ist zur Erhöhung der Festigkeit von Metallklebungen ausführlich untersucht worden, dabei wird von den folgenden Überlegungen ausgegangen: Eine bei einschnittig überlappten Klebungen festigkeitsbegrenzende Einflussgröße ist die an den Überlappungsenden auftretende Spannungsüberhöhung. Bei einer gegebenen Klebschicht wird daher wegen dieser Spannungsspitzen die Mitte der Klebfuge nur in sehr viel geringerem Maße zur Lastübertragung herangezogen. Selbst bei plastisch verformbaren Klebschichten verbleiben an den Überlappungsenden Spannungsüberhöhungen gegenüber der Mittelspannung. Ein kennzeichnender Parameter für dieses Verhalten in den Klebschichten ist deren Schubmodul (Abschn. 4.2). Je größer der Schubmodul, desto größer sind die auftretenden Maximalspannungen (s. Gl. (8.15)). Um diesen Nachteil bei einschnittig überlappten Klebungen zu vermindern, ist von Matting und Ulmer [M24] vorgeschlagen worden, in einer Klebfuge zwei oder mehrere Klebschichten mit unterschiedlichen Festigkeitsund Verformungseigenschaften in Richtung der zu übertragenden Last nebeneinander anzuordnen. Auf diese Weise kann die Spannungsverteilung in der Klebfuge über die unterschiedlichen Schubmoduln beeinflusst werden. Bild 8.58 zeigt die Anordnung der beschriebenen Kombinationsklebung. Die Klebschicht K1 mit dem höheren Schubmodul G1 befindet sich im Mittelteil, die Bild 8.58. Spannungsverteilung in einer Kombinationsklebung

480

8 Festigkeiten von Metallklebungen

Klebschicht K2 mit dem geringeren Schubmodul G2 im Bereich der Überlappungsenden. Somit ergibt sich schematisch die angegebene Spannungsverteilung. Der Sprung in der Spannungskurve am Übergang von K1 und K2 folgt proportional der Differenz der beiden Schubmoduln. Da die Klebschichten K2 aufgrund des geringeren Schubmoduls durch plastisches Fließen den Fügeteildehnungen an den Überlappungsenden zu folgen vermögen, wird durch die dadurch bedingten geringeren Spannungsspitzen die im Mittelteil der Klebfuge befindliche Klebschicht K1 mit dem größeren Schubmodul G1 in vermehrtem Umfang zur Lastübertragung herangezogen. Experimentelle Untersuchungen an Stahl- und Leichtmetallproben ergaben mit einer derartigen Kombinationsklebung Steigerungen der Klebfestigkeit von 20–25% und des Klebnutzungsgrades (Abschn. 9.2.8) bis auf Werte von 0,9–1,0. Althof [A8] hat für wärmebeständige Klebungen mit geeigneten Klebstoffkombinationen ergänzende Untersuchungen hinsichtlich der Festigkeitsabhängigkeiten von der Temperatur, Zeitstandbelastung und dynamischer Belastung im Vergleich zu herkömmlichen Klebungen durchgeführt. Die erzielten Ergebnisse bestätigen bei entsprechenden Klebstoffkombinationen die Überlegenheit der Kombinationsklebung nicht nur bei normalen, sondern auch bei erhöhten Temperaturen. Eine wichtige Voraussetzung bei der Anwendung der vorstehend beschriebenen Kombinationsklebung ist die Auswahl der Klebstoffe im Hinblick auf gleiche oder ähnliche Aushärtungsparameter wie Zeit und Temperatur, um in beiden Fällen unter den gleichen Bedingungen optimal ausgehärtete Klebschichten zu erhalten. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 8.9: [A32, P165].

8.12 Abschließende Bemerkungen zum Festigkeitsverhalten von Metallklebungen Die im Rahmen der Festigkeitsbetrachtungen aufgezeigten Zusammenhänge machen deutlich, dass die zu fordernde Festigkeit einer Klebung für ihren vorgesehenen Einsatzzweck nur in Zusammenhang mit den diesen Einsatz begleitenden Beanspruchungskriterien ermittelt werden kann. Die unter definierten Laborbedingungen im statischen Kurzzeitversuch nach DIN EN 1465 (DIN 53283) ermittelten Klebfestigkeitswerte können nicht zur Grundlage eines alle Einflussgrößen umfassenden Berechnungsverfahrens gemacht werden. Sie bedürfen in jedem Fall ergänzender, die jeweiligen Beanspruchungsbedingungen berücksichtigender Prüfungen. Dabei ist der verformungsbezogenen gegenüber der festigkeitsbezogenen Betrachtungsweise eine maßgebliche Bedeutung beizumessen. Grundsätzlich ist zu berücksichtigen, dass im Vergleich zu metallischen Werkstoffen und metallischen Fügeverbindungen bei Klebungen die Lastübertragung durch „Kunststoffschichten“ erfolgt. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass sie sich in Abhängigkeit von der Belastungsart und -zeit sowie von den Umweltbedingungen in wesentlich größerem Umfang verändern als metallische Werkstoffe.

8.12 Abschließende Bemerkungen zum Festigkeitsverhalten von Metallklebungen

481

Somit unterscheiden sich Klebungen grundsätzlich von Schweiß- und Lötverbindungen. Weiterhin kommt hinzu, dass die Festigkeit einer Klebung durch die während des Fertigungsvorgangs sich ausbildenden Adhäsions- und Kohäsionsfestigkeiten bestimmt wird, folglich beeinflussen die Fertigungsparameter ebenfalls entscheidend die Klebfestigkeit. Auf der anderen Seite ist sehr positiv zu bewerten, dass eine Fülle von Klebstoffen verfügbar ist, die es erlaubt, in Kenntnis der jeweiligen Beanspruchungskriterien die unterschiedlichsten Eigenschaftsanforderungen zu berücksichtigen und auf den jeweiligen Anwendungsfall maßgeschneiderte Klebschichteigenschaften zu ermöglichen. Der wesentliche Vorteil von Klebstoffen liegt darin, die z.T. gegensätzlichen Anforderungen nach statischer und dynamischer Festigkeit bzw. Kurzzeitund Langzeitfestigkeit sowie Wärmebeständigkeit bei der Formulierung durch eine sinnvolle Kombination von Basismonomeren mit duromeren und thermoplastischen Klebschichteigenschaften erfüllen zu können. Die häufig als unübersehbar und daher negativ bewertete Typenvielfalt an Klebstoffen erfährt durch diese Zusammenhänge, die allerdings ein tieferes Verständnis in Bezug auf den chemischen Aufbau der Klebstoffe erfordern, eine positive Betrachtungsweise.

9 Berechnung von Metallklebungen

9.1 Allgemeine Betrachtungen Die Grundlagen für die Berechnung von Metallklebungen ergeben sich aus der Kenntnis des Festigkeitsverhaltens. Das setzt die Analyse der durch die entsprechenden Belastungen auftretenden Beanspruchungsarten voraus. Für Metallklebungen sind dies die Schub-, Zug-, Zugscher-, Schäl- und Torsionsbeanspruchungen und als Sonderfall die statische Zeitstandbeanspruchung sowie die (hochdynamische) Crashbeanspruchung. Diese Beanspruchungen bestehen aus Spannungen und Verformungen. Das bedingt als wesentliche Voraussetzung für eine Berechnung, die Spannungsverteilung in der Klebfuge zu kennen, da das Versagen der Klebung an ihrer durch Spannungsspitzen am höchsten beanspruchten Stelle beginnt. Für einschnittig überlappte Klebungen ist das mit Ausnahme der in Abschnitt 8.10 beschriebenen elastischen Klebung der Bereich am Überlappungsende. Die Spannungsverteilung in der Klebfuge ist eine Funktion der Werkstoffeigenschaften von Fügeteil und Klebschicht, der Abmessungen und der Gestaltung der Klebung. Daher bedarf die Berechnung einer Metallklebung der Einbeziehung dieser Einflussgrößen und es ergibt sich aus diesem Sachverhalt die Folgerung, dass der Wert der Klebfestigkeit, wie er unter den definierten Bedingungen des Zugscherversuches nach DIN EN 1465 ermittelt wird, für die Berechnung einer Metallklebung nicht als ein konstanter klebstoffspezifischer Kennwert herangezogen werden kann. Der Konstrukteur, der eine Klebung auf Sicherheit gegen Bruch zu berechnen hat, benötigt daher Festigkeitswerte, die diese Abhängigkeiten berücksichtigen. Derartige Kennwerte lassen sich nach dem heutigen Stand der Kenntnisse jedoch nicht durch eine getrennte Betrachtung der Eigenschaften von Fügeteilwerkstoff und Klebschicht ermitteln, da auf diese Weise der Einfluss der Grenzschicht als der dritten Komponente des Verbundes nicht berücksichtigt werden kann. Bei allen Betrachtungen geht man jedoch davon aus, die Grenzschicht als eine konstante Größe in die Berechnung einbeziehen zu können. Diese Voraussetzung wird dann zu rechtfertigen sein, wenn es nicht zu chemischen Veränderungen der Klebschicht oder Grenzschicht kommt, von einer homogenen Klebschicht ausgegangen werden kann sowie keine Sekundäreinflüsse infolge Fügeteilkorrosion (bondline corrosion) auftreten. Da die Erfahrung zeigt, dass bei geeigneter Oberflächenbehandlung

484

9 Berechnung von Metallklebungen

und Klebstoffverarbeitung Adhäsionsbrüche selten sind, ist es zwar gerechtfertigt, die jeweiligen spezifischen Werkstoffkennwerte in die Berechnungsansätze getrennt einzubeziehen, die gegenseitige Beeinflussung der Verformungseigenschaften ist jedoch in jedem Fall zu berücksichtigen. Die wesentlichen Ursachen für die Komplexität der Festigkeitsberechnung von Metallklebungen liegen in den sehr unterschiedlichen Festigkeits- und Verformungseigenschaften der Fügeteilwerkstoffe und der Klebschichten. Während die metallischen Werkstoffe innerhalb der Beanspruchungsgrenzen ein weitgehend linear-elastisches Verformungsverhalten aufweisen, zeigen die Klebschichten ein elastisch-plastisches und viskoelastisches Verhalten, in das als zusätzliche Faktoren die Beanspruchungszeit und -temperatur eingehen. Es ist also grundsätzlich davon auszugehen, dass sich in einer Klebfuge – insbesondere bei verformungsarmen Klebschichten – unter Last ein heterogener Verformungs- und damit auch Spannungszustand einstellt. Die durch moderne Rechnersysteme und speziell entwickelte Software-Programme vorhandenen Möglichkeiten leisten heute einen bemerkenswerten Beitrag zur rechnerischen Erfassung der vorstehend erwähnten Einflussgrößen als Grundlage für die Auslegung einer Konstruktion. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Finite-Elemente-Methode (Abschn. 8.5.4), mit der die früheren analytischen Ansätze heute weitgehend ersetzt wurde. Trotz dieser Hilfsmittel erscheint es zum Verständnis der komplexen Zusammenhänge angebracht, die im folgenden Abschnitt auf jahrzehntelangen Forschungsarbeiten beruhenden Berechnungsansätze vorzustellen. Im Hinblick auf die in den ergänzenden Literaturhinweisen verwendete Dimension für die Festigkeit/Spannung in Nmm–2 wird diese auch statt MPa in den folgenden Ausführungen beibehalten.

9.2 Berechnungsansätze 9.2.1 Einfluss der unterschiedlichen Festigkeiten von Fügeteilwerkstoff und Klebschicht

Die Tatsache, dass die Festigkeit der metallischen Fügeteile etwa eine Zehnerpotenz über derjenigen der Klebschicht liegt, zwingt im Hinblick auf eine optimale Ausnutzung der Fügeteilfestigkeiten in der Klebung zu der Berücksichtigung der unterschiedlichen Festigkeiten von Fügeteilwerkstoff und Klebschicht im Berechnungsansatz und in der konstruktiven Gestaltung. Hieraus folgt demnach, Klebfugengeometrien zu wählen, die den unterschiedlichen Verformungs- und Festigkeitseigenschaften der beiden Verbundpartner Rechnung tragen. Das ist nur möglich bei Verbindungsformen, bei denen die Übertragung der Last über eine große Fügefläche erfolgt und die Beanspruchung der Klebschicht weitgehend auf Schub bzw. Scherung ausgerichtet ist. Aus diesem Grunde sind es speziell die überlappten, insbesondere die einschnittig überlappten bzw. gelaschten Klebfugengeometrien, die für die

9.2 Berechnungsansätze

485

Bild 9.1. Übertragbare Last bei Zug- und Zugscherbeanspruchung

Festigkeitsberechnungen von wesentlichem Interesse sind. Nur bei Anwendung dieser Geometrien lässt sich die Größe der Klebfläche beliebig wählen und die Klebfestigkeit der Festigkeit der Fügeteilwerkstoffe in gewissen Grenzen anpassen bzw. bei einem gegebenen Klebstoff die übertragbare Last auf die Fügeteilfestigkeit abstimmen. Bild 9.1 soll diese Zusammenhänge zunächst schematisch, ohne Berücksichtigung der spezifischen Einflüsse auf die Spannungsverteilung, verdeutlichen. Geht man beispielsweise von einer Zugfestigkeit der Klebschicht von 20 Nmm–2 aus, so beträgt die über die Klebung im Stumpfstoß bei einer Fügeteilbreite b = 25 mm und einer Fügeteildicke s = 5 mm übertragbare Bruchlast FB = σ B bs = 20 · 25 · 5 = 2500 N. Bei einem Bruch der Klebung ist in den Fügeteilen die gleiche Spannung von 20 Nmm–2 vorhanden, d.h. bei dem Werkstoff AlCuMg2 mit einer 0,2%-Dehngrenze von 280 Nmm–2 wäre die Fügeteilfestigkeit nur zu 7,1% ausgenutzt. Bei einer Zugbeanspruchung können demnach nur Kräfte übertragen werden, die durch die Zugfestigkeit der Klebschicht und die vorhandenen Bindungskräfte begrenzt sind. Geht man von dem gleichen Wert der Klebschichtfestigkeit für die einschnittig überlappte Klebung aus (für das vorliegende Beispiel soll diese Annahme im Rahmen einer verständlichen Darstellung gewählt werden, obwohl eine Gleichstellung der Werte von Zugfestigkeit und Klebfestigkeit nicht allgemein möglich ist), so ergibt sich bei einer Überlappungsbreite b = 25 mm und einer Überlappungslänge l ü = 12 mm eine übertragbare Bruchlast von FB = τ B bl ü = 20 · 25 · 12 = 6000 N. In den Fügeteilen führt diese Beanspruchung zu einer Spannung von σ=

6000 = 48 Nmm–2 , 25 · 5

486

9 Berechnung von Metallklebungen

d.h. die Festigkeitsausnutzung steigt auf 17,1% bezogen auf die 0,2%-Dehngrenze. Eine Vergrößerung der Überlappungslänge führt zu einer weiter verbesserten Ausnutzung der Fügeteilfestigkeit. Diese Vergrößerung wirkt sich jedoch nicht proportional auf die übertragbare Last aus (Abschn. 8.4.1.1). Setzt man bei der einschnittig überlappten Klebung die bei einer Belastung in dem Fügeteil und in der Klebfuge innerhalb des elastischen Bereichs wirkenden Kräfte einander gleich, so ergibt sich F = R p 0,2 bs = τ B bl ü

(9.1)

R p 0,2 : τ B = l ü :s

(9.2)

bzw. Hieraus folgen dann aus den in der Praxis vorliegenden Werten der 0,2%Dehngrenze und der Klebfestigkeit Verhältnisse R p 0,2 : τ B , die im Bereich zwischen ca. 10 und 20 liegen. Das wiederum bedeutet, dass nach der Beziehung (9.2) größenordnungsmäßig für die einschnittig überlappte Klebung ebenfalls Verhältnisse von Überlappungslänge zu Fügeteildicke l ü :s in dem gleichen Bereich vorzusehen sind. Für eine Fügeteildicke der Legierung AlCuMg2 (R p 0,2 = 280 Nmm–2) von 1,5 mm ergäbe sich nach diesem Beispiel bei einer Klebschichtfestigkeit von 28 Nmm–2 eine Überlappungslänge l ü von 15 mm. 9.2.2 Einflussparameter für die Berechnung von Metallklebungen

In die Berechnung der in der Praxis vorwiegend eingesetzten einschnittig überlappten Klebung gehen von den in Abschnitt 8.2 (Tabelle 8.1) erwähnten Einflussgrößen folgende Parameter ein: – Schubmodul G und Dicke d der Klebschicht; – Elastizitätsmodul E und Dicke s des Fügeteils; – Überlappungslänge l ü der Klebfuge. Von diesen Parametern ist der Elastizitätsmodul ein für die metallischen Fügeteilwerkstoffe charakteristischer Wert, die Überlappungslänge und Fügeteildicke lassen sich an der Klebfuge einfach bestimmen. Die Klebschichtdicke hängt von den Fertigungsbedingungen ab, ist aber unter vergleichbaren Fertigungsparametern als eine konstante Größe anzusehen. Eines gewissen experimentellen Aufwandes bedarf die Ermittlung des Schubmoduls nach ISO 11003-2 (DIN 54451). Dabei ist allerdings auf die Tatsache hinzuweisen, dass der Schubmodul, bestimmt an Prüfkörpern des reinen Klebstoffpolymers, nicht die gleichen Werte ergibt, mit denen in der Klebschicht in Kombination mit den Fügeteilen zu rechnen ist (Abschn. 4.2 und 4.5). Die für die Berechnung entscheidende Einflussgröße ist die Überlappungslänge l ü . Die Gründe hierfür sind bereits in Abschnitt 8.4.1 ausführlich dargelegt worden. Somit haben alle in der Vergangenheit vorgeschlagenen Berechnungsverfahren das Ziel, die mit der Überlappungslänge direkt verbundenen bzw.

9.2 Berechnungsansätze

487

abhängigen anderen Einflussgrößen in entsprechende mathematische Zusammenhänge zu bringen. Solange die an den Überlappungsenden wirkenden maximalen Spannungen unterhalb der Elastizitätsgrenze von Fügeteilwerkstoff und Klebschicht liegen, hängen die Festigkeitseigenschaften nur von der Geometrie und der Beanspruchungsart ab. Überschreiten die maximalen Spannungen die Elastizitätsgrenzen jedoch, tritt bei den Verbundpartnern eine plastische Verformung bzw. ein Fließen ein, sodass in die Berechnung das mathematisch schwer zu erfassende Spannungs-Dehnungs-Verhalten einbezogen werden muss. Aus diesem Grunde stehen Berechnungsansätze zur Erfassung der plastischen Verformungen und speziell des bei den Klebschichten vorhandenen zeitabhängigen viskoelastischen Verhaltens im Vordergrund. Hinzu kommt bei den einschnittig überlappten Klebungen die Einbeziehung des mehrachsigen Beanspruchungszustandes aufgrund der Überlagerung von Schub- und Normalspannungen infolge des auftretenden Biegemoments. Die Komplexität der einzelnen Berechnungsansätze ist demnach dadurch gekennzeichnet, in welchem Ausmaß diese werkstoff- und verformungsbezogenen Daten als Randbedingungen in eine mathematische Beziehung einbezogen werden. 9.2.3 Berechnung auf Grundlage der Klebfestigkeit

Die einfachste Form der Festigkeitsberechnung überlappter Metallklebungen stellt die Beziehung τB =

FB lü b

(9.3)

dar. Dieser Festigkeitsbeurteilung von Klebungen auf Basis des Zugscherversuchs haftet jedoch der Mangel an, dass sie keine Festigkeitswerte im Sinne einer wissenschaftlichen Materialprüfung liefern kann. Ursache hierfür ist, dass für das Versagen einer einschnittig überlappten Klebung nicht die mittlere Bruchzugscherspannung τ B maßgebend ist, sondern der örtliche Beanspruchungszustand in dem am höchsten beanspruchten Bereich der Klebfuge am Überlappungsende. Dort weist, bedingt durch die unterschiedlichen Verformungen von Fügeteil und Klebschicht, sowohl die Schubspannung als auch die Normalspannung ein Maximum auf, wie aus Bild 9.2 (nach [H43]) hervorgeht. Aus diesem Grunde ist es nicht möglich, den Wert der Klebfestigkeit in einen direkten Zusammenhang zu der Versagensursache einer Klebung zu setzen. Er berücksichtigt weder die geometrischen und werkstoffbezogenen Einflussgrößen sowie Belastungsfälle noch die auftretenden Maximalspannungen, die in ihrer Gesamtheit die Festigkeitseigenschaften der Klebung prägen. Die nach obiger Gleichung ermittelte Klebfestigkeit ist daher lediglich als ein „technologischer“ Wert für vergleichende Beurteilungen anzusehen. Es ergibt sich somit die Notwendigkeit, als Grundlage von Berechnungsverfahren eine Betrachtungsweise zu wählen, die die Verformungseigenschaften der Ver-

488

9 Berechnung von Metallklebungen

Bild 9.2. Normalspannungs- und Schubspannungsverteilung in einer einschnittig überlappten Klebung (nach [H43])

bundpartner berücksichtigt. Nur auf diese Weise ist es möglich, die an den Überlappungsenden vorhandenen Maximalspannungen in Abhängigkeit von der äußeren Belastung und den übrigen werkstoff- und geometrieabhängigen Größen in die Berechnung einzubeziehen. Die in Bild 9.2 dargestellten Normal- und Schubspannungsverteilungen zeigen bei Klebungen von Werkstoffen mit einem stark unterschiedlichen Verformungsverhalten, z.B. bei Kunststoff-Metall-Klebungen, ein noch komplexeres Verhalten (hierzu s. Abschn. 14.1.8.1, Bild 14.14). 9.2.4 Berechnung auf Grundlage der Volkersen-Gleichung nach Schliekelmann

Aus den Darstellungen in Abschnitt 8.5 ergab sich, dass die erwähnten theoretischen und theoretisch-experimentellen Arbeiten für definierte Anwendungsfälle zwar Berechnungsgrundlagen liefern, wegen aufwendiger Berechnungsverfahren und experimenteller Untersuchungen jedoch nur eingeschränkt anwendbar sind. Die Einbeziehung des nichtlinearen Spannungs-VerformungsVerhaltens und der Fügeteilbiegung erlaubt bei zügiger Belastung zwar eine genauere Darstellung der Spannungsverteilung gegenüber der Volkersen-Gleichung, das zeitabhängige Werkstoffverhalten der Klebschicht sowie die statischen, dynamischen und alterungsbedingten Langzeitbeanspruchungen sind

9.2 Berechnungsansätze

489

durch dieses Vorgehen aber dennoch nicht zu beschreiben. Als alleinige Berechnungsgrundlage sind diese Ansätze daher nur bedingt geeignet. Dem Konstrukteur, der für einen gegebenen Einzelfall die Berechnung einer Metallklebung durchzuführen hat, stehen weiterhin die erforderlichen Grundlagen nicht immer zur Verfügung. Für die Praxis ergibt sich im Allgemeinen mehr die Notwendigkeit einer Abschätzung von Größenordnungen, die unter Einbeziehung von Sicherheitsfaktoren für die jeweiligen Belastungsarten eine Berechnung ermöglichen, als einen exakten mathematischen Wert für die Maximalspannungen zu kennen. Es erhebt sich demnach die grundsätzliche Frage nach dem Verhältnis von mathematischer Genauigkeit zu praktischer Anwendbarkeit. Wenn man davon ausgeht, dass aufgrund der komplexen Zusammenhänge aller sich ergänzender und überlappender Einflussgrößen eine mathematisch exakte Festigkeitsberechnung nicht durchgeführt werden kann, ermöglicht die Volkersen-Gleichung wenigstens die größenordnungsmäßige Abschätzung der vorliegenden Verhältnisse als Ansatz für praktische Anwendungen. Eine ergänzende Berücksichtigung der mathematisch nicht exakt definierbaren weiteren Einflussgrößen ist dann durch entsprechende Abminderungsfaktoren, die die jeweiligen Beanspruchungen aufgrund vielfältig vorhandener Untersuchungsergebnisse kennzeichnen, möglich (Abschn. 9.2.7 und 12.4.2.2). Der Nachteil der Volkersen-Gleichung für die Festigkeitsberechnung einer Metallklebung liegt darin, dass einerseits eine rein elastische Fügeteil- und Klebschichtverformung und andererseits kein Auftreten eines Biegemoments vorausgesetzt wird. Der letztere Punkt setzt eine zentrische Krafteinleitung voraus, die bei einschnittig überlappten Klebungen nicht gegeben ist. Um den Erfordernissen der Praxis gerecht zu werden, schlägt Schliekelmann [S59] vor, trotz dieser Einschränkungen die Volkersen-Gleichung als Basis für die Berechnung einer Metallklebung heranzuziehen und diese für den Fall von Klebfestigkeitswerten, die die Fügeteile über den elastischen Bereich hinaus beanspruchen, entsprechend zu modifizieren. Dieses Vorgehen dient dem Zweck, für Berechnungen nur von Klebfestigkeiten auszugehen, die eine Fügeteilbeanspruchung im plastischen Bereich ausschließen. Grundlage ist dabei die allgemeine Erkenntnis, dass sich das Festigkeitsverhalten einer Metallklebung bei vorgegebenen Klebschichteigenschaften durch das charakteristische Verhalten der abweichend von den Prüfvorschriften nach DIN 53281 und 53283 verwendeten Fügeteilwerkstoffe und Klebfugengeometrien verändert. Die Notwendigkeit, dem Konstrukteur wenigstens eine orientierende Berechnungsmöglichkeit zur Verfügung zu stellen, rechtfertigt gewisse überschaubare Vereinfachungen im mathematischen Ansatz. Ausgangspunkt für die Berechnung ist die Volkersen-Gleichung (8.15), in der der Faktor coth

Gl =1  2Esd 2 ü

(9.4)

490

9 Berechnung von Metallklebungen

angenommen wird, was für technisch bedeutsame Überlappungen zu vertreten ist. Für eine Metallklebung entsprechend Bild 8.41 errechnet sich bei l ü = 20 mm beispielsweise ein Wert dieses Faktors von 1,0042, der Fehler beträgt demnach 0,4%. Die Abweichung von 1 steigt jedoch mit abnehmendem Schubmodul und abnehmender Überlappungslänge stark an und führt z.B. für G = 800 Nmm–2 und l ü = 12 mm bereits zu einem Fehler von 7,6%. Auf diese Zusammenhänge wird in Abschnitt 9.2.5 noch ausführlicher eingegangen. Somit ergibt sich die vereinfachte Volkersen-Gleichung zu τ max = τ m



Gl ü2 2Esd

(9.5)

bzw. beim Bruch der Klebung τ Bmax = τ B

Gl  2Esd 2 ü

(9.6)

oder τB = τ Bmax

.  2Esd Gl

(9.7)

2 ü

In dieser Gleichung sind die für die Berechnung einer Metallklebung wesentlichen werkstoffspezifischen und geometrischen Parameter enthalten. Sie lässt sich in folgende Einzelfaktoren aufgliedern: τB = τBmax

 2dG √E √l s .

(9.8)

ü

Es zeigt sich demnach, dass die Klebfestigkeit τ B durch die folgenden drei Faktoren bestimmt wird: – Die Eigenschaften der Klebschicht, d.h. deren maximale Bruchzugscherspannung, Schubmodul und Klebschichtdicke; – die Festigkeitseigenschaften des Fügeteilwerkstoffs, charakterisiert durch dessen Elastizitätsmodul; – die Geometrie der Klebfuge, dargestellt durch die Fügeteildicke und die Überlappungslänge. Setzt man τ Bmax

 2dG = K = Klebstofffaktor, √E = M = Metallfaktor, √s = f = Gestaltfaktor, lü

9.2 Berechnungsansätze

491

so ergibt sich τB = K M f

bzw. K =

τB

Mf

.

(9.9)

Unter der Annahme eines gleichen Klebstoffs (K = const) und gleicher Fügeteile (M = const) lässt sich somit aus der Volkersen-Gleichung der von de Bruyne eingeführte Gestaltfaktor ableiten, der, allerdings mit gewissen Einschränkungen (Abschn. 8.4.3) besagt, dass Klebungen mit einem gleich großen Gestaltfaktor unter sonst gleichen Bedingungen gleiche Klebfestigkeit besitzen. Geht man nun davon aus, dass für die vorgesehene Konstruktion der gleiche Klebstoff und die gleichen Verarbeitungsbedingungen für den Klebstoff vorliegen wie bei der normengemäßen Ermittlung der Klebfestigkeit, so lassen sich die Werte für den Schubmodul und die Klebschichtdicke als konstant betrachten. Das gleiche gilt für den Wert τ Bmax , da der Bruch einer Klebung durch das Überschreiten einer für den jeweiligen Klebstoff charakteristischen maximalen Bruchzugscherspannung am Überlappungsende ausgelöst wird. Somit kann gelten: τ BDIN = K MDIN f DIN

(9.10)

bzw. τ BKonstr = K MKonstr f Konstr .

(9.11)

Den beiden Einschränkungen, die der Volkersen-Gleichung zugrunde liegen, das elastische Verhalten von Fügeteil und Klebschicht sowie kein Auftreten eines Biegemoments, wird in folgender Weise Rechnung getragen: 앫 Auftreten einer plastischen Fügeteilverformung: Hier führt Schliekelmann statt E den „reduzierten Metallfaktor“ Mred = √2e ein, der des Metallfaktors M = √3 wie folgt abgeleitet wird (Bild 9.3): Bild 9.3. Ableitung des reduzierten Metallfaktors nach Schliekelmann

492

9 Berechnung von Metallklebungen

Im elastischen Bereich gilt R R E = e bzw. ε = e . (9.12) ε E Überschreitet die Spannung den elastischen Bereich, tritt im Fügeteil eine bleibende Verformung ein. Bei einer geringen Spannungserhöhung von Re auf R p 0,2 beträgt diese bleibende Verformung 0,2%. Weiterhin ist e=

Rp 0,2 ε + 0,002

bzw. ε =

R p 0,2 e

– 0,002 .

(9.13)

Bemerkung: Zum besseren Verständnis ist in Bild 9.3 die σ – ε – Abhängigkeit in der ε-Achse vergrößert dargestellt. Aus (9.12) und (9.13) folgt e=

Rp 0,2

(9.14)

Re + 0,002 E

und da Re ≈ Rp 0,2 e=

Rp 0,2 Rp 0,2 E

+ 0,002

bzw. √e11 =



999

Rp 0,2

Rp 0,2 E

.

(9.15)

+ 0,002

Der Wert Rp 0,2 statt Re wird bei dieser Betrachtungsweise in seinen Auswirkungen als repräsentativ für die Wirkung einer plastischen Fügeteilverformung auf die resultierenden Spannungsspitzen in der Klebschicht angenommen. Durch diesen korrigierten Metallfaktor √e11 kann also in den Fällen, in denen bereits ein geringfügiges Überschreiten des elastischen Bereichs in den plastischen Bereich mit den sich daraus ergebenden hohen Fügeteildehnungen zu vergleichbar hohen Klebschichtverformungen führt, dieser Einfluss rein rechnerisch erfasst werden. In Kenntnis der Tatsache, dass für die Festigkeitseigenschaften einer Metallklebung die übertragbare Last als charakteristische Größe angesehen werden muss, ergibt sich aus dieser Modifizierung der Volkersen-Gleichung eine Anpassung der Last an eine elastische Fügeteilbeanspruchung. In der Beziehung F = τB lü b

(9.16)

wird gemäß τB = K M f

(9.9)

durch den reduzierten Metallfaktor Mred = √e11 bei gleichen Klebschichteigenschaften der rechnerisch zu berücksichtigende Wert der Klebfestigkeit

9.2 Berechnungsansätze

493

Tabelle 9.1. Festigkeitskennwerte und Metallfaktoren für metallische Fügeteilwerkstoffe

Fügeteilwerkstoff

Baustahl St 34 Baustahl St 50 Edelstahl X5 CrNi 18 9 Rein-Aluminium Al 99 F 10 Rein-Aluminium Al 99 F 14 Aluminium-Legierung AlCuMg 2 F 43 AlMgSi 1 F 32

Festigkeits-Kennwerte

Metallfaktoren

Re /Rp 0,2 Nmm–2 mind.

Rm Nmm–2 mind.

E Nmm–2

e Nmm–2

√E

√e

210 300 185 70 120

340 500 500 100 140

215000 215000 195000 70000 70000

70547 88356 62740 23330 32300

464 464 442 265 265

266 297 250 153 180

280 260

430 320

70000 70000

46660 48695

265 265

216 221

vermindert. Damit ergibt sich dann ein geringerer Betrag der übertragbaren Last. Wie bereits in Abschnitt 8.4.1.1 erwähnt, ist über die Wahl der optimalen Überlappungslänge eine Fügeteilbeanspruchung im elastischen Bereich sicherzustellen. Die vorstehenden Ausführungen sollen ergänzend die Möglichkeit geben, bei hohen Klebfestigkeitswerten durch eine rechnerische Abminderung der Klebfestigkeit Fügeteilverformungen auf den elastischen Bereich zu beschränken. In Tabelle 9.1 sind für einige Fügeteilwerkstoffe die für dieses Berechnungsverfahren benötigten Festigkeitswerte und die nach (9.15) berechneten Metallfaktoren zusammengestellt. Weitere Werte von E-Moduln wichtiger Werkstoffe finden sich in Tabelle 14.1. 앫 Auftreten eines Biegemoments: Die durch das Biegemoment verursachten Normalspannungen an den Überlappungsenden sind um so größer, je größer die Fügeteildicke s und je kürzer die Überlappungslänge l ü ist, d.h. je kleiner das Verhältnis l ü /s wird. Bei den Probekörpern nach DIN EN 1465 (s = 1,5 mm, l ü = 12 mm) beträgt dieses Verhältnis l ü /s = 8. In der Praxis wird dieses Verhältnis im Allgemeinen größer gewählt, den geringen Fügeteildicken stehen in den meisten Fällen größere Überlappungslängen gegenüber. Daraus folgt ein geringeres Biegemoment, sodass im Rahmen der abzuleitenden Größenordnung für die Festigkeit einer Klebung nach der hier vorgestellten Berechnungsmethode diese Einflussgröße zu vernachlässigen ist. Zu begründen ist diese Vereinfachung noch durch die Tatsache, dass das rechnerisch ermittelte Biegemoment in seiner praktischen Auswirkung nicht die gemäß der Berechnung zu erwartenden Spannungsspitzen ergibt, da es, wie z.B. aus Bild 8.17 hervorgeht, durch das plastische Verhalten der Klebschicht am Überlappungsende zu einer Spannungsverminderung kommt.

494

9 Berechnung von Metallklebungen

Nach [K131] bedarf die Anwendung der vorstehenden Berechnungsmethode verschiedener Vorbehalte. Durch experimentelle Untersuchungen wurde nachgewiesen, dass die Klebstoffaktoren entscheidend von der Fügeteildicke, dem Fügeteilwerkstoff und der Überlappungslänge abhängig sind. Sie nehmen mit gleicher Tendenz zu, wie die Spannungsverteilung in der überlappten Klebung ungleichmäßiger wird, d.h. die Klebfestigkeiten geringer werden. 9.2.5 Abhängigkeit der übertragbaren Last von der Überlappungslänge nach der Volkersen-Gleichung

Die Vereinfachung der Volkersen-Gleichung τ Bmax = τB

Gl Gl coth  2Esd 2Esd 2 ü

bzw. τ B = τ Bmax



2 ü

92

2Esd tanh Gl ü2

(9.17) 92 2

Gl  2Esd

(9.18)



(9.19)

ü

durch Setzen von coth



Gl ü2 = 1 bzw. tanh 2Esd

Gl ü2 =1 2Esd

bedarf einer zusätzlichen Interpretation für den Fall der Berechnung der durch die Klebschicht zu übertragenden Bruchlast FB . Gl. (9.18) lässt sich unter Berücksichtigung des Vorschlages von Schliekelmann wie folgt formulieren: τB = τ Bmax

11

 2dG √E √ls

ü

Für τ B =

tanh

Gl . 2Esd 2 ü

(9.20)

F ergibt sich dann beim Bruch der Klebung lü b FB = l ü b τ Bmax



2d √s11 √E tanh G lü



Gl ü2 , 2Esd

(9.21)

d.h., dass in der vereinfachten Volkersen-Gleichung (9.7) wegen des Herauskürzens von l ü die Bruchlast unabhängig von der Überlappungslänge ist. Der Einfluss der Überlappungslänge kommt somit nur in dem Ausdruck tanh



Gl ü2 2Esd

zum Tragen; solange dieser Ausdruck 1 ist

Gl > 3, ist praktisch keine Abhängigkeit der Bruchlast  gilt für Werte 2Esd 2 ü

9.2 Berechnungsansätze

495

von der Überlappungslänge mehr gegeben. Experimentelle Untersuchungen haben diesen Sachverhalt ebenfalls bestätigt [W24]. Aus Bild 8.30 geht hervor, dass die Einheitsbruchlast beginnend mit einer Überlappungslänge von ca. 20 mm einem Grenzwert zustrebt. Als Überlappungslänge wird sich unter Berücksichtigung der bekannten Fügeteildehngrenze, der Fügeteildicke und der Klebfestigkeit demnach im Allgemeinen der nach der Gleichung R s l ü = p 0,2 berechnete Wert ergeben (Abschn. 8.4.1.1). Die Ursache für das τB

Herauskürzen der Überlappungslänge liegt demnach in der Vereinfachung der Volkersen-Gleichung mit coth = 1, die den Grenzübergang zu sehr großen Überlappungslängen beinhaltet. 9.2.6 Berechnungsbeispiele

Für die Berechnung ist in der folgenden Weise vorzugehen: 앫 Bei Verwendung eines genormten Prüfkörpers nach DIN 53281 lässt sich zunächst für einen unbekannten Klebstoff dessen Klebfestigkeit nach dem Zugscherversuch DIN 53283 bestimmen. In der Gleichung τ B = K M f sind dann bekannt: τ B als gemessene Klebfestigkeit, M = √E aus dem verwendeten Fügeteilwerkstoff, √s11 f= aus der Geometrie der Probe, lü Mit diesen Werten kann der Klebstofffaktor K berechnet werden: τ B DIN = K MDIN f DIN

K=

τ B DIN

MDIN f DIN

=

τ B DIN · 12

√ 70000 · √ 1,5

= τ B DIN · 0,037.

앫 In Kenntnis des gemessenen Wertes für die Klebfestigkeit ist ergänzend die Feststellung möglich, ob bei diesem Versuch die Fügeteilbeanspruchung im elastischen oder plastischen Bereich lag und somit ggf. der reduzierte Metallfaktor Mred für die weitere Berechnung herangezogen werden muss (Beispiel 1). 앫 Mit dem so ermittelten Klebstofffaktor besteht nunmehr die Möglichkeit, die dem verwendeten Klebstoff unter den standardisierten Bedingungen zuzuordnenden Festigkeitseigenschaften auf andere einschnittig überlappte Klebungen mit anderen Abmessungen und ggf. anderen Fügeteilwerkstoffen zu übertragen (Beispiele 2 – 4; Beispiel 4 s. Abschn. 9.2.7).

496

9 Berechnung von Metallklebungen

DIN 53283 wird die Klebfestigkeit eines Klebstoffs zu 왘 Beispiel 1: Nach –2

τ B = 38 Nmm bestimmt. Liegt unter den gegebenen Festigkeitsverhältnis-

sen die Fügeteilbeanspruchung im elastischen oder plastischen Bereich? Der Klebstoffaktor berechnet sich nach (9.9) zu K=

τ B DIN l ü

√ E √s11

=

38 · 12

= 38 · 0,037 = 1,41.

√ 70000 · √ 1,5

Die Bruchlast der Klebung ergibt sich zu FB = τ B l ü b = 38 · 12 · 25 = 11400 N; die gleiche Beanspruchung liegt auch im Fügeteil der Legierung AlCuMg 2 vor, somit ergibt sich die Fügeteilspannung σF =

FB 11400 = = 304 Nmm–2. s b 1,5 · 25

Die Spannung im Fügeteil liegt demnach im plastischen Bereich, da Rp 0,2 = 280 Nmm–2. Es wäre für weitere Berechnungen daher der reduzierte Metallfaktor einzusetzen, der sich aus Tabelle 9.1 zu √e11 = 216 ergibt. Statt des Wertes τ B = 38 Nmm–2 ist somit eine Klebfestigkeit

√ 1,5 12

τ B = K Mred f = 1,41 · √46660 · 8 = 31,1 Nmm–2 zu Grunde zu legen.

Bemerkung: Eine Rückrechnung ergibt, dass sich für den in der Norm DIN 53283 festgelegten Fügeteilwerkstoff AlCuMg 2 mit Rp 0,2 = 280 Nmm–2 unter den Bedingungen nach DIN 53281 (l ü = 12 mm; s = 1,5 mm) als Grenzwert eine Klebfestigkeit von 35 Nmm–2 ergibt, bei deren Überschreitung grundsätzlich mit dem reduzierten Metallfaktor gerechnet werden muss. In diesem Fall ist nach FB = τ B l ü b = σ F s b die Spannung im Fügeteil σF =

τB lü

s

=

35 · 12 = 280 Nmm–2, 1,5

also gleich der 0,2%-Dehngrenze.

왘 Beispiel 2:–2 Ausgehend von einem Klebstoff, der eine Klebfestigkeit von

22 Nmm nach DIN 53283 besitzt, soll die Festigkeit einer einschnittig überlappten Klebung aus dem gleichen Fügeteilwerkstoff AlCuMg2, jedoch bei einer Fügeteildicke von s = 2,5 mm und einer Überlappungslänge von l ü = 25 mm berechnet werden. – Berechnung des Klebstofffaktors: K=

τB

Mf

=

22 · 12

√ 70000 · √ 1,5

= 0,815.

9.2 Berechnungsansätze

497

– Klebfestigkeit: τ B = K M f = 0,815 · √ 70000 ·

√2,5 = 13,6 Nmm–2. 25

– Diskussion des Ergebnisses: Die Klebung mit den gewählten Abmessungen besitzt gegenüber dem Ausgangswert der Klebfestigkeit einen geringeren Wert. Der wesentliche Grund liegt in dem Einfluss der längeren Überlappung (25 statt 12 mm), die zu höheren Spannungsspitzen an den Überlappungsenden führt.

왘 Beispiel 3: Mit dem in Beispiel 2 erwähnten Klebstoff soll eine einschnittig überlappte Klebung aus dem Fügeteilwerkstoff X5 CrNi 18 9 mit einer Fügeteildicke von 1,8 mm und einer Überlappungslänge von 15 mm hergestellt werden. Wie groß ist die zu erzielende Festigkeit der Klebung (E = 195 000 Nmm–2)? τ B = K M f = 0,815 · √ 195000 ·

√ 1,8 = 32,2 Nmm–2. 15

Die Frage, ob bei dieser Klebfestigkeit die Fügeteilbeanspruchung im elastischen oder plastischen Bereich liegt, beantwortet sich aus der Beziehung σF =

τB lü

s

=

32,2 · 15 = 268 Nmm–2 1,8

und dem Vergleich zu dem Wert der 0,2%-Dehngrenze mit 185 Nmm–2. Demnach findet unter diesen Bedingungen eine plastische Fügeteilverformung statt, es ist daher mit dem reduzierten Metallfaktor zu rechnen, sodass sich die Klebfestigkeit zu τ B = 0,815 · √ 62740 ·

√ 1,8 = 18,2 Nmm–2 15

ergibt. Ergänzend soll diese Überlappungsverbindung eine kurzzeitige statische Last von 15000 N übertragen. Wie groß muss die Überlappungsbreite gewählt werden? Die Berechnung der übertragbaren Last pro 10 mm Überlappungsbreite ergibt sich aus der Beziehung F = τ B Konstr l ü b = 18,2 · 15 · 10 = 2730 N. Für die Übertragung einer Last von 15000 N ist daher eine Überlappungsbreite von 15000 b= · 10 = 54,9 mm 2730 zu wählen.

498

9 Berechnung von Metallklebungen

In diesem Zusammenhang ist nochmals auf das Verhältnis von Überlappungslänge und Überlappungsbreite bei der Klebflächendimensionierung hinzuweisen, wie es in Abschnitt 8.4.6 beschrieben wurde. Wenn die konstruktive Auslegung es zulässt, ist es bei einer definierten Klebfläche günstiger, die Überlappungsbreite zu Lasten der Überlappungslänge größer zu wählen, da diese Maßnahme sich „spannungsneutraler“ als eine Vergrößerung der Überlappungslänge auswirkt. 9.2.7 Berechnung unter Einbeziehung von Abminderungsfaktoren

Die in Abschnitt 9.2.6 erwähnten Berechnungsbeispiele unterliegen der Einschränkung, dass sie nur für statische Kurzzeitbelastungen unter Normalbedingungen gelten und dass für die Ermittlung der Klebfestigkeitswerte optimale Laborbedingungen gegeben sind. Weiterhin werden konstante Festigkeitswerte der Fügeteilwerkstoffe vorausgesetzt. Da die Verhältnisse in einem Produktionsbetrieb diesen beiden Voraussetzungen nicht Rechnung tragen können, sind für diese Fälle Abminderungsfaktoren einzusetzen, für die sich im Flugzeugbau aus vorhandenen Erfahrungen die folgenden Werte eingeführt haben: – Untere Grenze der Produktionsqualität im Vergleich zu Laborprüfungen: 80%; – Berücksichtigung von Schwankungen der Materialeigenschaften sowie Unsicherheiten in den Berechnungsmethoden: 66%. Als realistischer Klebfestigkeitswert ergibt sich unter diesen beiden Einflüssen dann τ B real = 0,8 · 0,66 τ B = 0,53 τ B . Weitere Abminderungsfaktoren sind erforderlich, um die gegenüber der statischen Kurzzeitbelastung andersartigen statischen und dynamischen Langzeitbelastungen sowie die Alterungseinflüsse zu berücksichtigen. Diese Faktoren müssen entweder experimentell ermittelt werden oder sie ergeben sich mit hinreichender Sicherheit aus vorliegenden Untersuchungen. Die in Abschnitt 7.4.3 zusammengestellte Tabelle 7.3 soll dem Zweck dienen, aus vorhandenen Ergebnissen Abminderungsfaktoren für die jeweiligen Werkstoffe und Beanspruchungskriterien aus den Originalveröffentlichungen zu ermitteln. In dem Beispiel 4 ist zur Erläuterung der Vorgehensweise eine Berechnung unter Einbeziehung frei gewählter Abminderungsfaktoren für die angegebenen Beanspruchungsarten dargestellt.

왘 Beispiel 4:

Fügeteilwerkstoff:

X5 CrNi 18 9 (R e = 185 Nmm–2)

Fügeteildicke:

1,5 mm

9.2 Berechnungsansätze

499

Durch die Konstruktion vorgegebene Überlappungsbreite:

60 mm

Zu übertragende Dauerlast bei einer Schwingspielfrequenz von 25 min–1:

8000 N

Betriebstemperatur:

60 °C

Feuchtigkeit der Umgebung: Klebstoff:

75% rel. F. Warmhärtender Zweikomponenten-Reaktionsklebstoff auf Basis Epoxid-Dicyandiamid 24 Nmm–2

Klebfestigkeit nach DIN 53283:

Zu berechnen ist die für die Klebung einzusetzende Überlappungslänge. 앫 Die Dauerfestigkeit wird durch Aufstellen einer Wöhler-Kurve erhalten, für das gewählte Beispiel möge sich bei 107 Lastwechseln ein Wert von τ schwD = 15 Nmm–2 ergeben. Der Abminderungsfaktor beträgt dann fD =

15 · 100 = 62,5% . 24

앫 Der Temperatureinfluss ist in Form einer Temperatur-Klebfestigkeitskurve zu ermitteln. Im vorliegenden Fall wird von einer Klebfestigkeit von 20 Nmm–2 bei 60 °C ausgegangen. Der Abminderungsfaktor beträgt dann fT =

20 · 100 = 83,3% . 24

앫 Der Feuchtigkeitseinfluss ist relativ schwer zu bewerten, da die Art der Oberflächenvorbehandlung hier eine entscheidende Rolle spielt. Die vorliegenden Untersuchungen weisen aus, dass bei künstlicher Alterung durch feuchtwarme Klimate von einer Restfestigkeit gegenüber der Klebfestigkeit nach DIN 53283 im Bereich zwischen 20 und 50% ausgegangen werden kann. Im zu berechnenden Beispiel soll der Abminderungsfaktor für die Alterung mit fA = 30% festgelegt werden. Der Gesamtabminderungsfaktor kann dann nach dem üblichen vereinfachenden Multiplikationsverfahren wie folgt berechnet werden fges = fD f T fA = 0,625 · 0,833 · 0,3 = 0,156 , und die in die Berechnung einzusetzende reale Klebfestigkeit ergibt sich zu τ Breal = τ B fges = 24 · 0,156 = 3,74 Nmm–2.

500

9 Berechnung von Metallklebungen

Aus der Beziehung τ Breal =

F lü b

folgt dann lü =

F τ Brealb

=

8000 = 35,7 mm. 3,74 · 60

9.2.8 Klebnutzungsgrad

Der Klebnutzungsgrad δ, auch Ausnutzungs- oder Klebfaktor genannt, ist ein auf die Festigkeit des Fügeteilwerkstoffs bezogener Nutzungsfaktor; er ergibt sich als Quotient aus der beim Bruch der Klebung im Fügeteil vorhandenen Zugspannung zu der Fügeteilfestigkeit, die für Metallklebungen als Dehngrenze Rp 0,2 oder Streckgrenze Re angegeben wird: δ=

σ vorh

Rp 0,2

bzw.

σ vorh

Re

.

(9.22)

Diese Werte werden anstelle der Zugfestigkeit Rm als Berechnungsgrundlage gewählt, um die in der Praxis auftretenden Belastungen im Rahmen der elastischen Fügeteilverformung zu halten. Bei einer Ausnutzung der Klebung unter Berücksichtigung der Zugfestigkeit der Fügeteile wäre eine plastische Verformung und ein Fließen des Werkstoffs zu erwarten, es träten dann sichtbare Deformationen auf, die bei erneuten Belastungen entweder durch Versagen der Klebschicht (Spannungsspitzen) oder des Fügeteils zum Bruch führen würden. Eine charakteristische Zahl, die angibt, bis zu welcher Höhe die Zugfestigkeit eines Werkstoffs im Rahmen seiner elastischen Verformung in einer Klebung herangezogen werden kann, ist das Streckgrenzverhältnis Rp 0,2 /R m , z.B. bei AlCuMg 2 F44 = 64%, bei St 37 = 54%. Bei Metallklebungen ist es nicht nur von Interesse festzustellen, welche absolute Klebfestigkeit eine bestimmte Klebung aufweist. In Ergänzung zu diesem Wert gewinnt im Hinblick auf eine wirtschaftliche Fertigung die Kenntnis, bis zu welchem Anteil in dieser Klebung die Festigkeit der Fügeteilwerkstoffe bei der vorgesehenen Belastung wirklich ausgenutzt wird, eine besondere Wertigkeit. Legt man die Dehn- bzw. Streckgrenze für die Berechnung zugrunde, kann der Klebnutzungsgrad maximal 1 werden, ohne dass eine plastische Fügeteilverformung eintritt. Wichtig ist der Hinweis, dass die Berechnung mit dem Klebnutzungsgrad, der neben den Festigkeits- auch die Bruchlastverhältnisse der Klebung FBK und des Fügeteilwerkstoffs FBF , δ = FBK /FBF berücksichtigen kann, nur für Verbindungen mit gleichen Abmessungen gilt, da beide Parameter von der Blechdicke und der Überlappungslänge abhängig sind. Somit kann der Klebnutzungsgrad nur zum Vergleich dafür dienen, inwieweit bei einem bestimmten Fügeteilwerkstoff bei einer jeweils gegebenen Überlappungslänge und Fügeteildicke (also dem daraus zu berechnenden

9.2 Berechnungsansätze

501

Bild 9.4. Abhängigkeit der Klebfestigkeit und des Klebnutzungsgrades vom Überlappungsverhältnis (nach [W27])

Überlappungsverhältnis) die wirtschaftlichste Werkstoffausnutzung vorhanden ist. In Bild 9.4 (nach [W27]) ist die Abhängigkeit der Klebfestigkeit und des Klebnutzungsgrades vom Überlappungsverhältnis für zwei verschiedene Blechdicken angegeben. Diese experimentell ermittelten Werte zeigen zunächst den bereits in Bild 8.34 schematisch dargestellten Abfall der Klebfestigkeit in Abhängigkeit vom Überlappungsverhältnis. Weiterhin ist zu erkennen, dass der Klebnutzungsgrad nur in Bereichen geringer Überlappungsverhältnisse (ü < 15) merklich ansteigt und sich darüber hinaus nur noch geringfügig verändert bzw. konstant bleibt. Größere Überlappungsverhältnisse werden also im vorliegenden Fall, der sich auch allgemein übertragen lässt, unwirtschaftlich. Durch den Bezug der beim Bruch der Klebung im Fügeteil vorhandenen Bruchspannung auf die Dehngrenze ergeben sich Klebnutzungsgrade größer 1, da bei dieser Belastung bereits eine plastische Fügeteilverformung eingetreten ist. Am Beispiel des in Bild 9.4 gekennzeichneten Punktes A soll im Folgenden die Ableitung des Klebnutzungsgrades veranschaulicht werden: Bekannt sind: – Blechdicke s: 2,0 mm 36,2 Nmm–2 – Klebfestigkeit τ B : – Überlappungsbreite b: 20,0 mm – Überlappungsverhältnis ü: 7 332 Nmm–2. – Dehngrenze Rp 0,2 : (experimentell ermittelt)

502

9 Berechnung von Metallklebungen

Aus dem Überlappungsverhältnis errechnet sich die Überlappungslänge lü = ü s = 7 · 2,0 = 14 mm . Aus der Klebfestigkeit kann die durch die Klebung beim Bruch übertragene Last berechnet werden: FB = τ B l ü b = 36,2 · 14 · 20 = 10136 N . Die gleiche Belastung wirkt ebenfalls im Fügeteilwerkstoff und erzeugt dort die Zugspannung σ vorh =

FB 10136 = = 253 Nmm–2 . sb 2 · 20

Daraus ergibt sich ein Klebnutzungsgrad δ=

σ vorh

253 = 0,76 . 332

=

Rp 0,2

Dieser Wert weist aus, dass die Fügeteilfestigkeit bei der gegebenen Blechdicke nicht optimal ausgenutzt ist. Zur Erreichung eines Wertes von δ = 1,0 ergibt sich die Möglichkeit der Erhöhung der Überlappungslänge im Verhältnis der beiden Spannungen σ vorh

Rp 0,2

=

lü l ü opt

lü opt = lü

Rp 0,2 σ vorh

= 14 ·

332 253

= 18,4 mm .

Diese optimale Überlappungslänge ergibt sich demnach bei Bezugnahme auf die Dehngrenze des Werkstoffs bei δ = 1. Das vorstehende Berechnungsbeispiel berücksichtigt nicht, dass zwischen der Überlappungslänge und der Klebfestigkeit keine lineare Abhängigkeit gegeben ist, sodass der von 14,0 auf 18,4 mm vergrößerte Wert in dieser Form auf die praktische Anwendung nicht übertragen werden kann. Sinn dieser vereinfachten Berechnung soll lediglich sein, die prinzipiellen Zusammenhänge, die sich durchaus für Überschlagsberechnungen anwenden lassen, zu verdeutlichen. Der Klebnutzungsgrad bedarf insoweit einer Einschränkung, als er sich wirtschaftlich nur bei Fügeteilwerkstoffen mit geringen Dehngrenzen (< 300 Nmm–2) anwenden lässt, z.B. bei einigen wichtigen Leichtmetallegierungen. Bei Metallen mit mittleren bzw. höheren Festigkeiten müssten zur Erreichung eines Wertes von δ = 1 sehr hohe Überlappungslängen gewählt werden; in Anlehnung an die beschriebene Berechnung wäre das z.B. für ein Blech aus einem Vergütungsstahl 25 CrMo 4 nach DIN 17200 (Rp 0,2 = 700 Nmm–2) mit ebenfalls 2 mm Dicke eine theoretische Überlappungslänge von l ü opt = 14 ·

700 = 38,7 mm . 253

9.2 Berechnungsansätze

503

Die Ursache liegt in den im Verhältnis zu den Fügeteilfestigkeiten relativ geringen Klebfestigkeiten der Klebstoffe. Der unterschiedliche Verlauf der beiden Kurven für eine Fügeteildicke von 0,6 mm im Vergleich zu 2,0 mm in Bild 9.4 macht deutlich, dass dicke Fügeteile in einschnittig überlappten Klebungen eine schlechte Ausnutzung ergeben. Für Leichtmetallegierungen mit Dehngrenzen im Bereich bis ca. 300 Nmm–2 sind Blechdicken unterhalb von 2 mm als optimal anzusehen. Wichtig ist der in Abschnitt 8.2 gegebene Hinweis, dass neben der Dehngrenze auch der Elastizitätsmodul des Fügeteilwerkstoffs in diese Betrachtungen als für die Fügeteilfestigkeit maßgebende Größe mit eingeht. 9.2.9 Ergänzende Betrachtungen zu der Berechnung von Metallklebungen

In Ergänzung zu den beschriebenen Berechnungsansätzen und Berechnungsbeispielen sind die folgenden Punkte zu erwähnen: 앫 Die dargestellten Berechnungsansätze haben den Vorteil, dass sie ohne großen Rechneraufwand nachvollzogen werden können und eine zielorientierte Problemlösung, die für viele Anwendungsfälle ausreichend ist, ermöglichen. Sie stellen einen Kompromiss zwischen mathematischem Aufwand und der praktischen Anwendbarkeit dar. Die auf diese Weise ermittelten Klebfestigkeitswerte ergeben eine praxisnahe Ausgangsbasis für die Abschätzung von Größenordnungen, auf denen aufbauend weitere Untersuchungen durchgeführt werden können bzw. die geeignet sind, die notwendigen praktischen Versuche auf ein Mindestmaß zu beschränken. 앫 Die Formel τ B = K M f hat den Vorteil, die von dem Klebstoffhersteller zur Verfügung gestellten Klebfestigkeitswerte an genormten Probekörpern auf die Bedingungen der wirklichen Konstruktion umzurechnen. 앫 Die Beispiele machen deutlich, dass der vom Klebstoffhersteller angegebenen Klebfestigkeit des Klebstoffs eine besondere Bedeutung zukommt. Dieser Wert ist allerdings nur dann für Berechnungen verwendbar, wenn die Prüfbedingungen hinsichtlich Fügeteilwerkstoff und Klebfugengeometrie klar erkenntlich sind. Bei der Angabe des Wertes nach DIN EN 1465 ist das in jedem Fall gegeben. Fehlt dieser Hinweis oder sind ggf. von der Norm weichende Versuchsparameter nicht erwähnt, ist die angegebene Klebfestigkeit für konstruktive Berechnungen der dargestellten Art nicht verwendbar. 앫 Neben der Klebfestigkeitsprüfung nach DIN EN 1465 ist für die Abschätzung des mechanischen Verhaltens einer Klebung die Kenntnis des nach DIN 54451 (ISO 11003-2) ermittelnden Schubmoduls von entscheidender Bedeutung. 앫 Sehr ausführliche Berechnungsgrundlagen, beinhaltend – Geometrien der Fügeteile, – Berechnung von Spannungs- und Dehnungszuständen, – Berechnung des Fließverhaltens von Klebschichten,

504

9 Berechnung von Metallklebungen

– Berechnungsverfahren, – Festigkeitsbetrachtungen, – elastisches und plastisches Verhalten sind in einer 8-teiligen Veröffentlichungsserie in [B363] erarbeitet worden. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 9: [A92, B56, B230 (Seiten 112–125), B363, C4, C70–C72, D32–D34, D201, D396, E5, E22, E23, F9, G49, G50, G87, G184, H42, H43, H50, H51, K280, M19, M22, M24, M42, M103, M171, M172, P52, P114, R59, R89, S40, S41, S54, S60–S64, S123–S125, T11, U4, W29].

10 Kleben runder Klebfugengeometrien

Bei Klebungen mit runden Fügeteilquerschnitten kann in gleicher Weise wie bei den Querschnitten ebener Klebfugengeometrien eine Beanspruchung der Klebschicht auf Zug oder Schub bzw. Scherung unterschieden werden. Somit sind im Prinzip auf Stoß geklebte und überlappt geklebte Fügeteile zu betrachten. In Ergänzung zu den Zug- und Schubbeanspruchungen in axialer Richtung ergibt sich außerdem die Möglichkeit der Torsionsbeanspruchung in tangentialer Richtung. Aus den gleichen Gründen, die bereits in Abschnitt 9.2.1 behandelt wurden, werden auf Zug belastete geklebte Verbindungsformen wegen der im Vergleich zu den Fügeteilfestigkeiten geringen Klebschichtfestigkeiten bei metallischen Fügeteilen in der Praxis nicht eingesetzt. Das gilt sowohl für volle als auch für rohrförmige Querschnitte (Bild 10.1). Somit ist auch bei den runden Klebfugengeometrien die überlappte Klebung bevorzugt zu behandeln, da sie den Vorteil besitzt, durch die Wahl der Verbindungslänge die Fügeteilfestigkeit optimal ausnutzen zu können. In jedem Fall gilt, dass sich bei der Beanspruchung geklebter Rundverbindungen auf Schub oder Torsion in der Klebfuge als Ergebnis der jeweiligen Fügeteil- und Klebschichtverformungen ungleichmäßige Spannungsverteilungen mit Spannungsspitzen an den Verbindungsenden ausbilden. Daraus resultiert eine Abhängigkeit der Klebfestigkeit vom Verformungsverhalten der Fügeteile und der Klebschicht, der Geometrie der Klebfuge – insbesondere der Verbindungslänge – und der Art der Krafteinleitung.

Bild 10.1. Zug- und Torsionsbeanspruchung geklebter stab- und rohrförmiger Rundverbin-

dungen

506

10 Kleben runder Klebfugengeometrien

Bild 10.2. Schubbeanspruchung einer überlappten Rohrklebung

10.1 Kleben rohrförmiger Fügeteile Auf die Klebungen rohrförmiger Fügeteile sind die grundlegenden Kenntnisse des Klebens von einschnittig überlappten Klebungen in den wesentlichen Inhalten direkt übertragbar. Eine wichtige Unterscheidung ergibt sich jedoch aus der Tatsache, dass bei dieser Beanspruchung keine durch ein Biegemoment verursachten Normalspannungen wirksam werden, sodass die durch die Scherbeanspruchung sich ausbildenden Spannungsspitzen an den Verbindungsenden nur durch die auftretenden Fügeteildehnungen bedingt sind. Aufgrund einer möglichen Querkontraktion bei geringen Rohrwanddicken können diese Spannungsspitzen noch durch senkrecht zur Klebfläche wirkende Zugspannungen überlagert werden. In die Festigkeitsbetrachtungen gehen im Wesentlichen die Einflüsse der Klebschichtdicke, der Fügeteildicke und der Überlappungslänge ein. 10.1.1 Einfluss der Klebschichtdicke auf die Festigkeit

Wie aus Bild 10.3 hervorgeht, nimmt die Festigkeit der Klebung mit zunehmender Klebschichtdicke ab (nach [A33]). Als Ursachen sind die gleichen Gründe, wie in Abschnitt 8.4.7 erwähnt, anzusehen. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass bei Rohrklebungen die Klebstoffviskosität für eine gleichmäßige Ausbildung der Klebschicht eine große Rolle spielt. Bei hohen Viskositäten und gleichzeitig engen Klebspalten besteht die Gefahr, dass wegen einer ungenügenden Benetzung der Klebstoff beim Zusammenfügen der Rohrenden teilweise herausgeschoben wird (aus diesem Grunde sollten die Fügeteile immer mit einer drehenden Bewegung vereinigt werden). Bei geringen Viskositäten und größeren Klebspalten kann ein Teil des Klebstoffs aus der Klebfuge herausfließen. Zur Erzielung einer über den gesamten Umfang gleichmäßigen Klebschicht ist es daher erforderlich, die Fügeteile während der Klebstoffaushärtung in horizontaler Lage zentrisch zu fixieren. Da die Klebschichtdicke durch die Differenz des jeweiligen inneren und äußeren Rohrdurchmessers vorgegeben ist und somit kein Anpressdruck aufgebracht werden kann, kommen für überlappte Rohrklebungen und auch Welle-Nabe-Klebungen nur Klebstoffe in Frage, die völlig ohne Anpressdruck aushärten und nur ein geringes Schwindungsverhalten aufweisen. Diesen Anforderungen werden in besonderem Maße die anaerob aushärtenden Klebstoffe gerecht, die zudem noch den Vorteil besitzen, während relativ kurzer Zeit bei Raumtemperatur

10.1 Kleben rohrförmiger Fügeteile

507

Bild 10.3. Abhängigkeit der Festigkeit einer auf Zug belasteten Rohrklebung von der Kleb-

schichtdicke (nach [A33])

Bild 10.4. Abhängigkeit der Festigkeit einer auf Zug belasteten Rohrklebung von der Fügeteil-

dicke und der Überlappungslänge (nach [A33])

hohe Anfangsfestigkeiten zu erzielen (Abschn. 2.1.1.2). Die optimalen Klebschichtdicken liegen im Bereich von 0,05–0,15 mm. 10.1.2 Einfluss der Fügeteildicke und der Überlappungslänge auf die Festigkeit

Mit zunehmender Überlappungslänge nimmt bei konstanter Wanddicke die Klebfestigkeit ab; bei einer konstanten Überlappungslänge ergibt sich mit größer werdender Wanddicke eine höhere Klebfestigkeit (Bild 10.4) (nach

508

10 Kleben runder Klebfugengeometrien

[A33]). Die Erklärung für dieses Verhalten liegt in der Spannungsverteilung, die sich innerhalb der Klebfuge bei größer werdender Überlappungslänge und abnehmender Rohrwanddicke zunehmend ungleichmäßiger ausbildet. Die Schubspannungen sind bei dickwandigen Rohren und gleichzeitig geringen Überlappungslängen annähernd gleichmäßig über die Klebfugenlänge verteilt. Da die Querkontraktion der Rohre klein ist, sind auch die Normalspannungen senkrecht zur Klebschicht gering. Nimmt die Wanddicke bei zunehmender Überlappungslänge ab, tritt eine größere Querkontraktion insbesondere des inneren Rohres auf und die senkrecht zur Klebschicht wirkenden Normalspannungen werden größer. Im Falle des Überschreitens der Fügeteilstreckgrenze erzeugt die plastische Verformung der Fügeteile zunehmend höhere Spannungen in der Klebschicht, bis ihre Verformungsfähigkeit überschritten wird und der Bruch der Klebung am Überlappungsanfang des inneren Rohres eintritt. In gleicher Weise wie bei den einschnittig überlappten Klebungen lässt sich daher auch bei Rohrklebungen für eine Zugscherbeanspruchung eine optimale Überlappungslänge festlegen (Abschn. 8.4.1.1). 10.1.3 Berechnung der in axialer Richtung übertragbaren Last bei überlappten Rohrklebungen

Die möglichen Berechnungsansätze können je nach Einbeziehung der entsprechenden Randbedingungen hinsichtlich der Fügeteil- und Klebschichtverformungen einen hohen mathematischen Aufwand erfordern. Bei einer rein axialen Belastung und einer zylindrischen Form der Klebfuge sind die Exzentrizitätseinflüsse zwar sehr gering, wirken sich aber dennoch aus. Als ein vereinfachtes Berechnungsverfahren kann auch in diesem Fall der bei der Berechnung einschnittig überlappter Klebungen von Schliekelmann vorgeschlagene Ansatz auf Basis der vereinfachten Volkersen-Gleichung dienen (Abschn. 9.2.4). Die Klebfestigkeit ist dann τ B = τ B max



2d 3 √s11 √E 5 . G lü

(9.8)

Für die übertragbare Bruchlast FB = l ü π D τ B max



8

2d 3 √s11 √E 5 = π D K M √s11 . 5 G lü

(10.1)

gelten hinsichtlich der Abhängigkeit von der Überlappungslänge die gleichen Zusammenhänge, wie sie in Abschnitt 9.2.5 beschrieben wurden. Mit hinreichender Genauigkeit kann für D entweder der innere Durchmesser des äußeren Rohres (D1i ) oder der äußere Durchmesser des inneren Rohres (D2a ) eingesetzt werden. Die optimale Überlappungslänge berechnet sich unter

10.2 Kleben von Welle-Nabe-Verbindungen

509

Berücksichtigung der Klebfestigkeit und der Fügeteilfestigkeit unter Verwendung der in Bild 10.2 angegebenen Abmessungen zu l ü opt =

Rp 0,2 (D 22a – D 22i ) 4 τ B D2a

.

(10.2)

10.1.4 Berechnung der in tangentialer Richtung übertragbaren Last bei überlappten Rohrklebungen

Wird eine rohrförmige Verbindung durch ein Torsionsmoment Mt um die Achse der Rohre belastet, ergibt sich unter Verwendung der Bezeichnungen nach Bild 10.2 und der Berechnung nach Abschnitt 10.2.2 Mt = F ·

D2a π D 22a l ü = τT . 2 2

Hinsichtlich der Einschränkungen bei Anwendung dieser Beziehung gelten die in den Abschnitt 10.2.2.3, 10.2.2.4 und 10.2.3 dargestellten Zusammenhänge in vergleichbarer Weise. 10.1.5 Wissensbasiertes System zum Kleben von Rohren

Für das Kleben von Rohrverbindungen wird in [H279] ein Expertensystem vorgestellt. Dieses gliedert sich in einen Informations- und einen Problemlösungsteil. Im Informationsteil werden allgemeine Hinweise zum Kleben von Rohren und zu Besonderheiten beim Einsatz dieser Technik bereitgestellt. Der Problemlösungsteil ermöglicht dem Anwender, Angaben zur Beschreibung der konkreten Fügeaufgabe zu machen. Das System zeichnet sich durch seine modulare und offene Bauweise aus. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 10.1: [A93, B232, D34, D35, G106, H52, H279, K13, K47, K258, K260, K328, L99, L100, M154, M155, M173–M175, N32, N80, R90, S54, S59, S60, S65, S67, S215].

10.2 Kleben von Welle-Nabe-Verbindungen 10.2.1 Allgemeine Betrachtungen

Zur Herstellung von Welle-Nabe-Verbindungen werden form-, kraft- und stoffschlüssige Verbindungsverfahren eingesetzt, die sich hinsichtlich ihres Verhaltens unter Betriebsbedingungen in charakteristischer Weise unterscheiden können. Bei formschlüssigen Verbindungen (z.B. Keil- und Zahnprofile, Polygonprofile, Längs- und Querstift, Passfeder) sind u.a. die folgenden Nachteile bekannt: Diskontinuierlicher Kraftfluss durch Nuten, vom Nutengrund ausge-

510

10 Kleben runder Klebfugengeometrien

hende Kerbwirkungen mit der Möglichkeit eines Rissbeginns, Verkanten bzw. außermittiger Sitz der Naben durch das Eintreiben von Keilen, nahezu unvermeidliche Relativbewegungen zwischen den Fügeflächen und deren Kontaktstellen, Möglichkeiten des Auftretens von Passungsrost, Spaltkorrosion und, bei Verwendung unterschiedlicher metallischer Werkstoffe, Kontaktkorrosion. Diesen Nachteilen steht im Reparaturfall jedoch die im Allgemeinen problemlose Lösbarkeit der Verbindung gegenüber. Schrumpf- und Kaltdehnverbindungen, die den kraftschlüssigen Verbindungsverfahren zuzuordnen sind, vermeiden einige der aufgezeigten Nachteile, sind aber häufig sehr schwer wieder lösbar. Weiterhin kann es durch Überlagerung von Schrumpf- mit den Betriebsspannungen zu örtlichen Überbeanspruchungen der Fügeteile und zum vorzeitigen Versagen der Verbindung kommen [M44]. Ein Einsatz des Klebens als stoffschlüssiges Fügeverfahren ermöglicht die Eliminierung wesentlicher Ursachen der aufgeführten Nachteile: Relativbewegungen zwischen den Fügeteilen, in den Fügespalt eindringende Medien, diskontinuierlicher Kraftfluss und Kerbwirkungen, Spannungsvorbelastungen sowie elektrochemische Reaktionen zwischen ungleichen Werkstoffpaarungen. Aus diesen Gründen hat sich das Kleben in der Vergangenheit bei der Herstellung dieser Konstruktionselemente zunehmend durchgesetzt. Zum Einsatz kommen in erster Linie anaerobe Klebstoffe (Abschn. 2.1.1.2), aber auch Zweikomponenten-Reaktionsklebstoffe. Durch die Verwendung von gleichzeitig anaerob und UV-härtenden Klebstoffen kann zudem über eine schnelle Aushärtung des an den Verbindungsenden austretenden Klebstoffs eine sofortige Fixierung nach Zentrierung der Welle mit der Nabe erfolgen, was für kurze Produktionszyklen vorteilhaft ist. Eine gewollte Lösbarkeit der Verbindungen ist bei wartungsintensiveren Maschinenteilen in fast allen Fällen durch eine gezielte Wärmezufuhr möglich. Da es sich bei Welle-NabeVerbindungen im Sinne der bisherigen Definition nicht um eine überlappte Verbindung handelt, soll im Folgenden als entsprechende charakteristische geometrische Größe die Nabenbreite B statt der Überlappungslänge l ü eingesetzt werden. 10.2.2 Berechnung von Welle-Nabe-Verbindungen

Der Berechnung von Welle-Nabe-Verbindungen liegen die folgenden Zusammenhänge zugrunde (Bild 10.5):

Bild 10.5. Welle-Nabe-Verbindung mit Lastableitung über der Nabenmantelfläche

10.2 Kleben von Welle-Nabe-Verbindungen

511

Für die Klebfestigkeit gilt die Beziehung τB =

F , A

(9.3)

das Torsionsmoment ergibt sich zu Mt = F r = F

D . 2

(10.3)

D Da A = 2 π 3 B, resultiert bei gleichzeitigem Ersatz der Klebfestigkeit τB durch 2 die Torsionsscherfestigkeit τ T Mt = τ T

π D2 B

2

.

(10.4)

Hinsichtlich der Lastübertragung in einer Welle-Nabe-Verbindung ist grundsätzlich zu unterscheiden, ob das durch die Welle eingeleitete Torsionsmoment über die Nabenmantelfläche oder über eine Stirnseite der Nabe (z.B. bei einer Flanschverbindung) abgeleitet wird. Als wichtige geometrische Größen sind dabei die Nabenbreite B, die Klebschichtdicke d und die Rautiefe R z anzusehen. Grundlegene Untersuchungen zum Festigkeitsverhalten und zu der Gestaltung von Welle-Nabe-Verbindungen sind, aufbauend auf Arbeiten von Leyh [L19], von Hahn und Muschard [H53, M44, M45] durchgeführt worden. Als wesentliche Folgerung für einen praktischen Einsatz in der Konstruktion lassen sich aus den experimentellen Ergebnissen und den theoretischen Berechnungen die im Folgenden beschriebenen Zusammenhänge für den Fall der Lastableitung über die Nabenmantelfläche wiedergeben. 10.2.2.1 Einfluss der Nabenbreite

Unter der Annahme eines linear-elastischen Verhaltens von Fügeteil und Klebschicht ergeben sich durch die Torsionsbeanspruchung der Welle am Krafteinleitungsende hohe Spannungsspitzen. Somit steigt wegen der geringeren Belastung des anschließenden Teils der Klebfuge die Belastbarkeit der Klebung nicht proportional zu der Nabenbreite. Bild 10.6 zeigt den sich nach Untersuchungen von Muschard [M44] für zwei verschiedene Nabenbreiten einstellenden Schubspannungsverlauf. Für beide Fügegeometrien ergeben sich bei Belastung mit dem gleichen Moment an der Krafteinleitungsseite gleich hohe Spannungsspitzen, obwohl sich die mittleren Schubspannungen τ Mtm bei der kleinen und der großen Nabenbreite mit 5:0,5 verhalten. Da jedoch die Spannungsspitzen die Festigkeit einer Klebung bestimmen, besteht demnach keine Möglichkeit, durch eine Vergrößerung der Nabenbreite zu einer beliebigen Erhöhung der Beanspruchbarkeit zu kommen. Bei der breiten Nabe ist zu erkennen, dass bereits in einem Abstand von 20 mm vom Kraftein-

512

10 Kleben runder Klebfugengeometrien

Bild 10.6. Schubspannungsverteilung in einer Welle-NabeKlebung (nach [M44])

leitungsbeginn die Schubspannung fast auf Null abgesunken ist. Die restliche Fügefläche wird somit nicht mehr zur Kraftübertragung herangezogen. Als Richtwert kann festgestellt werden, dass bei Annahme eines linear-elastischen Verformungsverhaltens der Klebschicht ein Verhältnis von Nabenbreite zu Wellendurchmesser größer 1 unwirtschaftlich wird und daher B:D ⬉ 1 sein sollte. Eine Einschränkung erfährt diese Feststellung jedoch dadurch, dass in den meisten Fällen eine plastische Verformung der Klebschicht am lastseitigen Nabenrand auftritt, die dort zu einer Verringerung der Spannungsspitzen führt. Dieser Zustand führt in Abweichung vom theoretischen Berechnungsansatz doch zu einer – allerdings nicht proportionalen – Steigerung der Belastbarkeit durch ein zu übertragendes Torsionsmoment bei zunehmender Nabenbreite (Bild 10.10). 10.2.2.2 Einfluss der Klebschichtdicke und der Rautiefe

Bei Welle-Nabe-Klebungen stehen die Einflüsse der Klebschichtdicke und der Rautiefe der Fügeteiloberfläche wie bei den einschnittig überlappten Klebungen (Abschn. 5.1.4) in einem engen Zusammenhang. Im ersten Fall wirkt sich dieser Zusammenhang jedoch in stärkerem Maße aus, da bei einer Beanspruchung der Klebung bis zum Bruch die Klebschicht durch die Starrheit der Fügeteile und die runde Klebfugengeometrie in ihrer Dicke fixiert ist und nicht, wie bei einschnittig überlappten Klebungen, durch die Biegung der Fügeteile an den Überlappungsenden eine Aufweitung erfährt. Bei der Betrachtung der Klebschichtdicke und der Rautiefe ist nun zu unterscheiden, ob die Beanspruchung in einer Welle-Nabe-Klebung durch Torsion oder Druck bzw. Zug erfolgt. Der Grund liegt in der Tatsache, dass die Oberflächengestalt der Fügefläche von Welle und Nabe normalerweise das Ergebnis einer Drehbearbeitung ist, sodass bei einer Torsionsbeanspruchung die Drehriefen ungünstigere Voraussetzungen für eine die spezifischen Adhäsionskräfte unterstützende mechanische Verklammerung ergeben als bei einer axialen Beanspruchung (Bild 10.7).

10.2 Kleben von Welle-Nabe-Verbindungen

513

Bild 10.7. Axiale und

tangentiale Belastung bei Welle-Nabe-Klebungen (nach [M44])

Bild 10.8. Druckscherfestigkeit

und Torsionsscherfestigkeit in Abhängigkeit von der Klebschichtdicke (nach [M44])

Nach den erwähnten Untersuchungen in [M44] hat die Klebschichtdicke eines anaerob härtenden Klebstoffs in dem untersuchten Bereich von 10–40 µm bei einer Rautiefe R z von 21 µm auf die Torsionsscherfestigkeit τ T nach DIN 54455 keinen Einfluss. Die Werte der Druckscherfestigkeit τ D nach DIN 54452 zeigen jedoch eine messbare Abhängigkeit von der Klebschichtdicke, sie nehmen bei zunehmender Rautiefe mit steigender Klebschichtdicke jeweils bis zu einem Maximalwert zu (Bild 10.8). Nach ergänzend vorliegenden Erfahrungen [L20] gilt diese Feststellung im Rahmen der üblichen Rautiefen bis zu ca. 40 µm ebenfalls bis zu Klebschichtdicken von ca. 100 µm. Ein Abfall der Druckscherfestigkeit bei größeren Klebschichtdicken ist auf eine mögliche Zunahme von Inhomogenitäten und Eigenspannungen in der Klebschicht zurückzuführen. Für die praktische Anwendung bedeutet diese Feststellung, dass bei der Berechnung einer Welle-Nabe-Verbindung auf Torsion für die Festlegung des Passungstoleranzfeldes die gemessene Torsionsscherfestigkeit eines Klebstoffs weitgehend als Konstante angesehen werden kann. Die Abhängigkeit der Druck- und Torsionsscherfestigkeit von der Rautiefe zeigt Bild 10.9. Es ergibt sich demnach, dass eine Abhängigkeit der Torsions-

514

10 Kleben runder Klebfugengeometrien

Bild 10.9. Druckscherfestigkeit und Torsionsscherfestigkeit in Abhängigkeit von der Rautiefe (nach [M44])

scherfestigkeit von der Rautiefe in dem Bereich von 7–25 µm nicht vorliegt. Dagegen nimmt die Druckscherfestigkeit in diesem Bereich vom gleichen Ausgangswert um ca. 100% zu. Die Annäherung an einen Grenzwert der Druckscherfestigkeit ab ca. 25 µm ist darauf zurückzuführen, dass die dann von den Profilspitzen ausgehende Kerbwirkung mit ihrem negativen Einfluss auf die Klebschicht die durch eine bessere mechanische Verklammerung sich ergebende Festigkeitssteigerung wieder aufhebt. Da Welle-Nabe-Verbindungen in den meisten Fällen auf Torsion und nicht auf Druck bzw. Zug beansprucht werden, ergibt sich aus diesen Zusammenhängen zwingend, dass die vom Klebstoffhersteller angegebenen Festigkeitswerte eines Klebstoffs beanspruchungsgerecht gemessen und angegeben werden müssen. Wird z.B. für eine auf Torsion beanspruchte Konstruktion der Druckscherfestigkeitswert zugrunde gelegt, geht man zwangsläufig von einem falschen (zu hohen) Festigkeitswert aus, der zu einer Unterdimensionierung führen kann. Für einen einzusetzenden Klebstoff sollte demnach sowohl die Torsionsscherfestigkeit als auch die Druckscherfestigkeit, diese jedoch in Abhängigkeit von der Rautiefe, bekannt sein. Werden beide Fügeteiloberflächen durch Sandstrahlen behandelt, erfolgt eine weitgehende Annäherung beider Festigkeitswerte auf dem Niveau der Torsionsscherfestigkeit. 10.2.2.3 Übertragbares Torsionsmoment

Ausgangspunkt für die Berechnung des von einer Welle-Nabe-Verbindung übertragbaren Torsionsmoments kann die Grundgleichung Mt = τ T

πD2 B

2

(10.4)

sein, die jedoch nur zum Abschätzen von Größenordnungen mit hinreichender Genauigkeit anzuwenden ist. Die Ursache für diese Einschränkung liegt im

10.2 Kleben von Welle-Nabe-Verbindungen

515

Bild 10.10. Abhängigkeit des

übertragbaren Torsionsmoments von der Nabenbreite (nach [M44])

Wesentlichen in der Tatsache, dass diese vereinfachte Gleichung die von dem Verformungsverhalten der Klebschicht und des Fügeteils abhängige Spannungsverteilung in der Klebfuge nicht zu beschreiben vermag. Hinzu kommt, dass sich wegen der unterschiedlichen Steifigkeit von Welle und Nabe ein nichtlinearer Momentenverlauf über der Nabenbreite einstellt, der von einem Maximalwert bei Eintritt der Welle in die Nabe bis auf Null am Nabenende abfällt. Somit ist die aus der Gleichung abzuleitende Proportionalität von übertragbarem Torsionsmoment und Nabenbreite nicht allgemein gegeben, sie beschränkt sich auf Verhältnisse B : D < 0,5. Bild 10.10 zeigt in einer gemeinsamen Darstellung das gemessene und das nach der in [M44] abgeleiteten Gleichung berechnete Torsionsmoment in Abhängigkeit von der Nabenbreite, wobei die Berechnung die vorstehend erwähnten komplexen Zusammenhänge berücksichtigt. Auf Basis der Grundgleichung (10.4) würde sich die gestrichelte Linie ergeben; man erkennt deutlich deren starke Abweichung bereits beim Überschreiten des Verhältnisses B : D ≈ 0,5 von den beiden anderen Kurven, die in überzeugender Form darstellen, dass wegen der unterschiedlichen Spannungsverteilung nur jeweils ein geringer Bereich der gesamten Nabenbreite für die Übertragung des Torsionsmoments herangezogen wird. Der Unterschied zwischen gemessenen und berechneten Werten wird darauf zurückgeführt, dass sich die Klebschicht mit zunehmender Klebfugenlänge auch nach der Zerstörung zwischen den Fügeteilen verkeilt und so die Festigkeit weiter ansteigen lässt. Während das zu übertragende Torsionsmoment durch eine Vergrößerung der Nabenbreite demnach nicht beliebig erhöht werden kann, lässt sich dieses jedoch durch eine Vergrößerung des Wellendurchmessers, soweit die konstruktiven Voraussetzungen dieses erlauben, erreichen. Da das übertragbare Torsionsmoment eine quadratische Funktion des Durchmessers ist, genügen bereits relativ geringe Durchmessererhöhungen für eine beachtliche Steigerung des Torsionsmoments. Beispielsweise ergibt nach (10.4) bei B = 10 mm

516

10 Kleben runder Klebfugengeometrien

für den in Bild 10.10 erwähnten Klebstoff die Vergrößerung des Durchmessers von 20 mm um 10% auf 22 mm eine Steigerung des übertragbaren Torsionsmoments von 251 Nm auf 304 Nm, was 21% entspricht. Ein derartiges Vorgehen über die Erhöhung des Wellendurchmessers hat den Vorteil, dass der wichtigen Beziehung B : D < 1 (optimal B : D < 0,5) entsprechend Rechnung getragen wird. 10.2.2.4 Berechnungsbeispiel

In gleicher Weise wie bei der Berechnung einschnittig überlappter Klebungen (Abschn. 8.5) gilt auch für Welle-Nabe-Verbindungen, dass die Festigkeitsberechnung unter Einbeziehung aller spannungsbeeinflussenden Parameter zu sehr aufwendigen Berechnungsansätzen führt. Es ergibt sich demnach auch hier die Notwendigkeit, für die Anwendungen in der Praxis eine überschaubare Berechnungsmethode zu besitzen, mit der die gesuchten Festigkeitswerte wenigstens näherungsweise ermittelt werden können. Unter dieser Voraussetzung ist das nachfolgend beschriebene Berechnungsbeispiel zu sehen. Wie aus Bild 10.10 hervorgeht, besitzt die Gl. (10.4) nur für Verhältnisse von Nabenbreite zu Wellendurchmesser kleiner 1 eine weitgehende Linearität. Somit ist auch nur in diesem Bereich eine wirtschaftliche Ausnutzung der Fügeteilwerkstoffe im Hinblick auf das zu übertragende Torsionsmoment und die zu wählende Nabenbreite gegeben. In den meisten Fällen ist das zu übertragende Torsionsmoment und der Wellendurchmesser durch die Konstruktion vorgegeben. Daher ist zunächst die Nabenbreite zu ermitteln, um festzustellen, in welchem Verhältnis die berechnete Nabenbreite zu dem festgelegten Wellendurchmesser liegt. Bei Einhaltung des Verhältnisses B : D < 1 kann dann diese Nabenbreite zur Grundlage der weiteren Berechnung gemacht werden. Für die Werte – zu übertragendes Torsionsmoment Mt : 600 Nm – Wellendurchmesser D: 30 mm 20 Nmm–2 – Torsionsscherfestigkeit Klebstoff τ T : berechnet sich die Nabenbreite B zu B=

2 · 600 · 1000 = 21,2 mm . 20 · 302 · π

Das Verhältnis B:D liegt mit 21,2:30 = 0,71 unter 1, somit besteht die Möglichkeit, von diesem Wert für die Konstruktion auszugehen. Würde die Forderung bestehen, das gleiche Torsionsmoment bei einem Wellendurchmesser von 20 mm zu übertragen, ergäbe sich mit einer dann resultierenden Nabenbreite von 47,7 mm ein Verhältnis B:D = 2,4. Eine derartige Kombination wäre unwirtschaftlich. Als Alternativen bieten sich in diesem Fall an: 앫 Einsatz eines Klebstoffs mit einer höheren Torsionsscherfestigkeit für den Fall, dass keine Durchmesservergrößerung der Welle erfolgen kann. Im vorliegenden Beispiel ergäbe sich dann für einen Klebstoff mit einer

10.2 Kleben von Welle-Nabe-Verbindungen

517

Torsionsscherfestigkeit τ T = 45 Nmm–2 bei D = 20 mm eine Nabenbreite B = 21,2 mm, das Verhältnis B:D läge mit 1,06 noch im Bereich der praktischen Anwendbarkeit. 앫 Kombination einer Durchmessererhöhung und Einsatz eines höherfesten Klebstoffs. Bei Werten von D = 25 mm und τ T = 30 Nmm–2 ergibt sich dann eine Nabenbreite von 20,4 mm und ein Verhältnis B:D = 0,82. 10.2.3 Festlegung von Abminderungsfaktoren

Das vorstehend beschriebene Berechnungsbeispiel, mit dem die Möglichkeit gegeben ist, Größenordnungen für die Lastübertragung aus den für die Konstruktion vorgesehenen Parametern abzuschätzen, basiert zunächst auf idealen Verhältnissen. Für den praktischen Einsatz sind ergänzend die Fertigungsbedingungen und die Art der jeweiligen Beanspruchung zu berücksichtigen. Dieses geschieht mittels entsprechender Abminderungsfaktoren fx , die sich aus der Vielfalt der praktischen Anwendungen und gezielten Untersuchungen ergeben haben. Für den Fall der für Welle-Nabe-Verbindungen heute vorwiegend eingesetzten anaerob härtenden Klebstoffe sind Abminderungsfaktoren auf die im Folgenden beschriebenen Einflussgrößen zu beziehen. Die jeweiligen Werte dieser Faktoren sind in Tabelle 10.1 zusammengestellt. 앫 Zu verbindende Werkstoffe: Wie in Abschnitt 2.1.1.2 beschrieben, üben diese einen katalysierenden Einfluss auf die Aushärtungsgeschwindigkeit und die Art der Vernetzung aus. Aufgrund ihrer jeweiligen Stellung in der elektrochemischen Spannungsreihe besitzen die entsprechenden Ionen eine unterschiedliche Wirkungsweise auf diese Reaktionen, sodass es zu verschiedenartigen Auswirkungen auf die Endfestigkeit der Klebschicht kommt. Bei der Verklebung von zwei verschiedenen Metallen ist der jeweils kleinere Wert einzusetzen. Hinzuweisen ist auf die Tatsache, dass den Abminderungsfaktoren das elektrochemische Verhalten reiner, nicht oxidierter Oberflächen zugrunde liegt. 앫 Klebschichtdicke: Wenn der Festigkeitswert des Klebstoffs in Form seiner Torsionsscherfestigkeit angegeben ist, ist – wie ebenfalls aus den Bildern 10.8 und 10.9 hervorgeht – in dem für Welle-Nabe-Klebungen am häufigsten eingesetzten Klebschichtdickenbereich von 30–50 µm keine Abhängigkeit vorhanden. Ein Abminderungsfaktor ist daher für diesen Bereich in die Berechnung nicht einzubeziehen. Bei Angabe des Festigkeitswertes in Form der Druckscherfestigkeit ist eine Abhängigkeit von der Klebschichtdicke vorhanden, die ab ca. 50 µm zu einem Festigkeitsabfall führt. Somit sind Abminderungsfaktoren erst ab Klebschichtdicken oberhalb ca. 50 µm zu berücksichtigen. Der Grund liegt in der Zunahme von Inhomogenitäten und Eigenspannungen in der Klebschicht. 앫 Rautiefe: In gleicher Weise wie bei der Klebschichtdicke ist bei der Festigkeitsangabe in Form der Torsionsscherfestigkeit bis ca. 40 µm keine Abhängigkeit vorhanden und somit auch kein Abminderungsfaktor erforderlich (Bild 10.9). Wird die Festigkeit des Klebstoffs jedoch in Form der Druck-

518









10 Kleben runder Klebfugengeometrien

scherfestigkeit angegeben, sind Abminderungsfaktoren anzuwenden, da bei gleicher Rautiefe ein zu hoher Festigkeitswert eingesetzt würde, der für eine Torsionsbelastung dann zu einer Unterdimensionierung führt. Bei Rautiefen über 40 µm besteht die Gefahr einer unvollständigen Benetzbarkeit. Weiterhin ist der Zusammenhang zwischen Rautiefe und Klebschichtdicke im Hinblick auf die Kerbwirkung wichtig, wie er in Abschn. 5.1.4 für einschnittig überlappte Klebungen beschrieben ist und sinngemäß auch für Welle-Nabe-Klebungen gilt. Größe der Fügefläche: Mit zunehmender Größe der Fügefläche können sich u.a. wegen einer schwierigeren Spaltfüllung und diskontinuierlicher Benetzung Unterschiede zwischen der vorgegebenen geometrischen Oberfläche und der wirksamen Oberfläche ergeben, die es zu berücksichtigen gilt. Weiterhin spielt auch hier das Verhältnis Nabenbreite zu Wellendurchmesser eine wichtige Rolle. Eine optimale Benetzung im Bereich der Klebfuge wird bei einer geringen Nabenbreite und einem großen Wellendurchmesser besser zu erzielen sein als im umgekehrten Fall bei gleicher Fügeflächengröße bei Vorhandensein einer breiten Nabe und einem geringen Wellendurchmesser. Die angegebenen Abminderungsfaktoren gelten für Verhältnisse B:D kleiner 1. Belastungsrichtung: Da die mechanische Bearbeitung von Wellen und Naben üblicherweise durch Drehen erfolgt, resultierten unterschiedliche Rautiefenverhältnisse in axialer (höhere Werte) und tangentialer (niedrigere Werte) Richtung. Legt man die höheren Rauheitswerte in axialer Richtung zugrunde, so ergeben sich, wie ein Vergleich der Druckscherfestigkeitswerte mit den Torsionsscherfestigkeitswerten zeigt (Bild 10.9), im ersten Fall höhere Festigkeitswerte. Erfahrungen aus der Praxis weisen aus, dass bei einer Steigerung der Rautiefe in axialer Richtung von z.B. 5 µm auf 30 µm die Rautiefe in tangentialer Richtung nur von ca. 2 µm auf 9 µm ansteigt. Dieser Anstieg hat aber auf das zu übertragende Torsionsmoment keinen Einfluss. Ein Abminderungsfaktor ist also nur dann zu berücksichtigen, wenn für eine Torsionsbeanspruchung von einem Druckscherfestigkeitswert ausgegangen wird, wie bei „Rautiefe“ näher erläutert. Es ergibt sich demnach die Forderung an den Klebstoffhersteller, für die Klebstoffe jeweils Werte der Torsionsscherfestigkeit nach DIN 54455 zur Verfügung zu stellen. Dann ergäbe sich für die Berechnung keine Notwendigkeit der Berücksichtigung der Belastungsrichtung in Form eines Abminderungsfaktors. Belastungsart: Da die Torsions- bzw. Druckscherfestigkeitswerte unter statischen Kurzzeitbeanspruchungen ermittelt werden, ist es erforderlich, den verschiedenen dynamischen Beanspruchungsarten in der Praxis über Abminderungsfaktoren Rechnung zu tragen. Einsatztemperatur: Wie bereits in Abschnitt 4.4.3 erwähnt, nimmt die Klebschichtfestigkeit mit steigender Temperatur ab. Aus diesem Grund ist bei höheren Betriebstemperaturen von einer geringeren Lastübertragung auszugehen, die über entsprechende Abminderungsfaktoren zu berücksichtigen ist. Tabelle 10.1 gibt diese Faktoren für zwei Klebstoffe unterschiedlicher Wärmebeständigkeit an.

10.2 Kleben von Welle-Nabe-Verbindungen

519

Tabelle 10.1. Abminderungsfaktoren für Welle-Nabe-Klebungen

Einflussgröße

Abmind.- Einflussgröße faktor

Abmind.faktor

(1) Werkstoffe Un- und niedriglegierte Stähle Hochlegierte Cr-Ni-Stähle Aluminium und Al-Legierungen Kupfer und Cu-Legierungen Grauguss Kunststoffe

f1 1,0 0,8 0,7 0,5 0,4 0,3

(5) Belastungsrichtung bei Angabe von τ T und tangentiale Belastung bei Angabe von τ D und tangentiale Belastung siehe (3)

f5 1,0

(2) Klebschichtdicke d in µm < 50 50 … 100 100 … 150 150 … 200

f2 1,0 0,9 0,6 0,3

(6) Belastungsart statisch schwellend wechselnd ungleichmäßig wechselnd/ stoßartig

f6 1,0 0,7 0,5 0,2

(3) Rautiefe Rz in µm bei Angabe von τ T < 40 > 40

f3

(7) Einsatztemperatur T in °C für Klebstoffe bis ~150 °C 20 … 50 50 … 100 100 … 150 für Klebstoffe bis ~200 °C 20 … 100 100 … 150 150 … 200

f7

bei Angabe von τ D 5 … 10 10 … 20 20 … 30 30 … 40 > 40 (4) Fügefläche A in mm2 < 200 200 … 1000 1000 … 5000 5000 … 10000 10000 … 50000

1,0 0,5

0,8 0,6 0,55 0,5 0,45 f4 1,0 0,9 0.8 0,75 0,6

(8) Aushärtungsart erhöhte Temperatur (ca. 80 bis 120 °C) Raumtemperatur durch Aktivatorzusatz

1,0 0,5 (0,1) 1,0 0,7 0,4

f8 1,0 0,8 0,6

앫 Aushärtungsart: Neben der katalytischen Wirkung der vorhandenen Metallionen kann die Aushärtung anaerober Klebstoffe zusätzlich durch die Höhe der Aushärtungstemperatur beeinflusst werden. Wie in Abschnitt 12.3.4 beschrieben, führt eine höhere Aushärtungstemperatur, wenn sie in einem kontinuierlichen Aufheiz- und Abkühlungszyklus aufgebracht wird, bei kalthärtenden Klebstoffen zu einer Festigkeitssteigerung der Klebschicht. Sind bei anaeroben Klebstoffen wegen einer nicht ausreichenden Aktivität der Metalloberfläche (z.B. Passivschichten, zunehmend positiver Wert für das Fügeteil in der elektrochemischen Spannungsreihe) ergänzend Aktivatorzusätze zur Bereitstellung aktiver Metallionen erforderlich, kann es zu verringerten Polymerisationsgraden der Klebschicht kommen, die sich mindernd auf die Klebschichtfestigkeit auswirken. Somit sind auch diese

520

10 Kleben runder Klebfugengeometrien

beiden Einflussgrößen durch Abminderungsfaktoren zu berücksichtigen. In Tabelle 10.1 sind die für die beschriebenen Einflussgrößen zu berücksichtigenden Abminderungsfaktoren zusammengestellt. Ergänzend zu dem in Abschnitt 10.2.2.4 beschriebenen Beispiel sollen die folgenden Beanspruchungsbedingungen bei der Berechnung berücksichtigt werden: – – – – – – – –

Material für Welle und Nabe: St 37 Klebschichtdicke d: 90 µm Rautiefe R z : < 40 µm Größe der Fügefläche A: 1998 mm2 Belastungsrichtung tangential bei Angabe von τ T : Wechselbeanspruchung: Einsatztemperatur T: 170 °C (für warmfesten Klebstoff): Aushärtung bei erhöhter Temperatur:

f1 = 1,0 f2 = 0,9 f3 = 1,0 f4 = 0,8 f5 = 1,0 f6 = 0,5 f7 = 0,4 f8 = 1,0

Der einzusetzende Abminderungsfaktor ergibt sich dann zu fges = 1,0 · 0,9 · 1,0 · 0,8 · 1,0 · 0,5 · 0,4 · 1,0 = 0,144 ; statt mit der Torsionsscherfestigkeit von 20 Nmm–2 kann daher nur mit einem Wert von τ T real = 20 · 0,144 = 2,9 Nmm–2

gerechnet werden. Unter den vorgesehenen Bedingungen wäre demnach nur ein Torsionsmoment von Mt = τ T real

π D2B

2 · 1000

= 2,9

π · 900 · 21,2

2 · 1000

= 87 Nm

zu übertragen. Die Konstruktion muss daher, wie im Beispiel beschrieben, über eine geeignete Kombination von höherfestem Klebstoff und einem anderen Verhältnis von Wellendurchmesser und Nabenbreite neu berechnet werden. 10.2.4 Hydrostatisches Hochdruckinjektionskleben

Der heutige Stand der Technik weist aus, dass der Klebstoff vor dem Vereinigen von Welle und Nabe vorzugsweise auf die Welle aufgetragen wird. Dieses Verfahren erfordert ein kontrolliertes Fixieren der Fügeteile, um eine Entfernung des Klebstoffs durch die Schub- oder Drehbewegungen zu vermeiden. Als Prozessverbesserung wird in [S309] das hydrostatische Hochdruckinjektionskleben als Verfahren zur Herstellung von Welle-Nabe-Verbindungen beschrieben, bei dem nach dem „trockenen“ Fixieren der Klebstoff durch einen Einlasskanal in eine definierte Klebfuge zwischen die Fügeteile injiziert wird. Anschließend erfolgt unter verschiedenen hydrostatischen Druckzuständen die Aushärtung. Als Vorteil wird mit diesem Verfahren eine Steigerung der

10.3 Klebschrumpfen

521

Verbindungsfestigkeit, beruhend auf einer geringeren Schrumpfung des Klebstoffs während der Aushärtung und somit auch geringerer Eigenspannungen der Klebschicht erreicht. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 10.2: Experimentelle Untersuchungen: [A53, D204, G21, G54, G55, G107, H25, H53–H55, H114, H239–H241, H243, H248, J17, K52, K53, K215–K217, M44, M45, N9, S65–S68, S126, S309]. Berechnungen, wissensbasierte Systeme, Konstr.: [B230, Seiten 125–127, D35, E24, G108, H226, H242, H279, O16, S54]. Klebstoffe: [D36, F2, K13]. Kleben von Nockenwellen: [F39 (Seiten 332–428), G131, H271].

10.3 Klebschrumpfen Von den in Abschnitt 10.2 beschriebenen ausschließlich geklebten WelleNabe-Verbindungen, bei denen der Wellendurchmesser kleiner als der Nabeninnendurchmesser ist (Fügen kraftfrei bei gleicher Temperatur von Welle und Nabe), sind die kombiniert geklebt/gepressten Verbindungen zu unterscheiden. In diesen Fällen ist der Wellendurchmesser geringfügig größer als der Nabeninnendurchmesser. Es existieren zwei Verfahrensvarianten: 앫 Fügen nach Erzeugung von Spiel zwischen Welle und Nabe durch Dehnung infolge Erwärmung der Nabe (TN > Tw ). Als Ergebnis resultiert eine klebgeschrumpfte oder Querpressklebverbindung. 앫 Fügen durch Überwindung des Übermaßes zwischen den Fügeteilen durch Einpressen der Welle in die Nabe mittels Axialkraft. Diese Variante führt zu Längspressklebverbindungen. Im ersten Fall ist die obere Grenze für das erforderliche Übermaß durch die Fügetemperatur vorgegeben. Bei Fügeteilen mit einer geringen Wärmekapazität ist daher das schnelle Abkühlen der erwärmten Nabe zu berücksichtigen, aus diesem Grund muss der Fügevorgang sofort erfolgen. Grundsätzlich ist zu beachten, dass der Klebstoff auf die Welle aufzutragen ist und diese dann mittels einer Drehbewegung in die Nabe eingeführt wird, um ein „Abschieben“ sowie eine vorzeitige Härtungsreaktion des Klebstoffs durch die hohe Nabentemperatur zu vermeiden. Die Fügeteile sollten zweckmäßigerweise einen Fasenwinkel zwischen 2° und 10° aufweisen. Reine Schrumpfpassungen, die zu den kraftschlüssigen Verbindungen gehören, besitzen den Nachteil, dass unter Last bereits bei relativ niedrigen Beanspruchungen Relativbewegungen zwischen Welle und Nabe auftreten. Weiterhin können sich Schrumpfspannungen den Betriebsspannungen überlagern und zu einer örtlichen Überbeanspruchung der Fügeteile mit dem Ergebnis eines Dauerbruchs führen. Nachteilig bei dieser Verbindungsart ist weiterhin die Forderung nach sehr geringen Fertigungstoleranzen und die im Reparaturfall nur sehr schwere Lösbarkeit der Verbindung. Eine Kombination mit dem Kleben kann diese Nachteile beseitigen bzw. vermindern.

522

10 Kleben runder Klebfugengeometrien

10.3.1 Querpressklebverbindungen

Gegenüber den ausschließlich geklebten weisen klebgeschrumpfte Rundverbindungen im Hinblick auf ihre Belastbarkeit Vorteile auf. So liegen beispielsweise die Torsionsscherfestigkeiten bei niedrigen Nabendurchmesserverhältnissen deutlich höher (Bild 10.11). Die höheren Festigkeiten der klebgeschrumpften Verbindungen sind auf den hydrostatischen Druckspannungszustand in der Fügezone zurückzuführen. Dieser bei Kunststoffen allgemein bekannte Zustand, der zu einem veränderten mechanischen Verhalten (z.B. Erhöhung der Bruchspannung) führt [M57], entsteht beim Temperaturausgleich zwischen Welle und Nabe nach dem Fügen, da der Klebstoff aufgrund der beginnenden Härtungsreaktion nur noch sehr begrenzt aus der Fügezone austreten kann. Nach dem Temperaturausgleich wird der Druckspannungszustand in der Klebschicht durch die elastische Aufweitung der Nabe und die elastische Kompression der Welle aufrechterhalten. Somit ist dieser Spannungszustand mit den Fügeteilsteifigkeiten im Bereich der Fügezone gekoppelt. Untermauert wird diese Aussage durch die Ergebnisse in Bild 10.11, nach denen die Festigkeiten klebgeschrumpfter Welle-NabeVerbindungen mit abnehmender Fügeteildicke sinken. Liegen die Torsionsfestigkeiten bei Nabendurchmesserverhältnissen von 0,50 noch im Bereich von 40 Nmm–2, nehmen sie mit ansteigenden Werten, d.h. mit abnehmendem Nabenaußendurchmesser kontinuierlich ab. Bei den ausschließlich geklebten Verbindungen, bei denen die Klebschicht nicht unter dem festigkeitssteigernden hydrostatischen Druckspannungszustand steht, ist keine Veränderung der Torsionsscherfestigkeit bei Reduzierung des Nabenaußendurchmessers feststellbar (Bild 10.12).

Bild 10.11. Torsionsscherfestigkeit klebgeschrumpfter Proben in Abhängigkeit vom Naben-

durchmesserverhältnis (nach [H243])

10.3 Klebschrumpfen

523

Bild 10.12. Torsionsscherfestigkeit ausschließlich geklebter Proben in Abhängigkeit vom

Nabendurchmesserverhältnis (nach [H243])

Die Torsionsscherfestigkeit klebgeschrumpfter Verbindungen ist ebenfalls von der Fügelänge B (s. Bild 10.5) abhängig. Bedingt durch die ungleichmäßige Spannungsverteilung in der Fügezone mit einer Spannungsspitze am lastseitigen Nabenrand (Abschn. 10.2.2.1) steigt die Tragfähigkeit nur geklebter Verbindungen nicht proportional zur Vergrößerung der Fügelänge an. Ergebnisse von Torsionsscherfestigkeiten an klebgeschrumpften Verbindungen weisen dagegen aus, dass diese bei einer Verdoppelung der Fügelänge nur auf etwa 60 bis 80% abfallen, sodass durch die Verlängerung des Fügebereichs trotz der ungleichmäßigen Spannungsverteilung eine Zunahme der Tragfähigkeiten resultiert [H243]. Von besonderer Bedeutung bei der Anwendung klebgeschrumpfter WelleNabe-Verbindungen ist das Festigkeitsverhalten bei kombinierter Umlaufbiege/Torsionsbelastung. Die Torsionsbelastung kann dabei je nach Einsatzfall schwingend oder statisch sein. Diese Belastungskombination bewirkt in der Klebschicht einen komplizierten, mehrachsigen Spannungszustand. Die umlaufende Biegebelastung führt in der Klebschicht zu periodischen Zug- und Druckspannungen und zusätzlichen Schubspannungen durch die Dehnung bzw. Stauchung der zur Klebschicht gewandten „Randfasern“ der Fügeteile. Die in Bild 10.13 dargestellten Ergebnisse zeigen, dass bei hohen Belastungen und dementsprechend niedrigen Schwingspielzahlen die Verbindungen vorzugsweise durch Klebschichtversagen ausfallen. In den Bereichen 106 –107 Schwingspielen versagen die Proben im Allgemeinen durch Wellenbrüche, die durch Reiboxidation initiiert werden. Die Abhängigkeit klebgeschrumpfter Welle-Nabe-Verbindungen von der geometrischen Gestaltung der Fügeteile zeigt Bild 10.14. Auffallend ist die wesentlich geringere Schwingfestigkeit der verjüngten Proben, bedingt durch die unterschiedlichen Fügeteilsteifigkeiten im Bereich der Fügezone (vergl. auch

524

10 Kleben runder Klebfugengeometrien

Bild 10.13. Festigkeitsverhalten einer klebgeschrumpften Welle-Nabe-Verbindung bei Um-

laufbiege- und Torsionsbelastung (nach [H248])

Bild 10.14. Vergleich der Wöhlerlinien klebgeschrumpfter Welle-Nabe-Verbindungen mit un-

terschiedlicher geometrischer Gestaltung (nach [H248]) (Werkstoffdaten wie in Bild 10.13)

Bilder 10.11 und 10.12 hinsichtlich der Torsionsscherfestigkeit). Der klebgeschrumpfte optimierte konventionelle Pressverband, der bei herkömmlichen Querpressverbindungen ein gutes Schwingfestigkeitsverhalten aufweist, unterscheidet sich von der Standardprobe durch einen Wellenabsatz unmittelbar außerhalb der Fügezone und ein leichtes Überkragen der Nabe. Zusammenfassend lassen sich aus den in [B233, H244, H246, H248] beschriebenen Ergebnissen folgende wesentliche Schlussfolgerungen ziehen:

10.3 Klebschrumpfen

525

앫 Klebgeschrumpfte Welle-Nabe-Verbindungen weisen im Vergleich zu konventionell gefügten Verbindungen hohe Tragfähigkeiten auf. 앫 Die Verbindungen zeigen ein deutliches geometrieabhängiges Festigkeitsund Verformungsverhalten. Bei geringer statischer Torsionszusatzbelastung und hohen Schwingspielzahlen tritt ein Versagen im Allgemeinen durch einen durch Reiboxidation initiierten Wellenbruch ein. Bei Steigerung der Torsionszusatzbelastung versagt im Zeitfestigkeitsbereich vorwiegend die Klebschicht. 앫 Das Auftreten der Reibkorrosion wird durch das – nachgewiesene – Austreten von Klebschichtpartikeln oberhalb der Krafteinleitungsstelle nach bereits weniger als 105 Lastwechseln begründet. Damit ist selbst unter Annahme einer vorher geschlossenen Klebschicht die Möglichkeit metallischer Berührungen geschaffen. 앫 In Dauerfestigkeitsuntersuchungen sind bei schwingender Torsionsbelastung und ausschließlicher Umlaufbiegebelastung über weite Lastwechselbereiche nahezu gleichbleibend hohe Spannungen erreichbar. Die entsprechenden Spannungs-Lastwechseldiagramme zeichnen sich durch das Fehlen eines Abfalls im Zeitfestigkeitsgebiet und teilweise durch geringe Streubreiten bezogen auf die Höhe der ertragbaren Nennspannungen aus. 앫 Von großem Einfluss auf das Festigkeitsverhalten ist die Passung zwischen Welle und Nabe. Ein Spiel von ca. 2‰ des Wellendurchmessers hat gegenüber Verbindungen mit 0,2‰ Übermaß einen Abfall der statischen Festigkeit von nahezu 50% zur Folge, was auf den fehlenden hydrostatischen Druckspannungszustand in der Klebschicht zurückzuführen ist. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 10.3.1: [B121, B231, B233, G52, G53, H114, H115, H240, H243–H246, H248, K218, O16, S216, S217, S273, W97].

10.3.2 Längspressklebverbindungen

Bei den mittels einer Kraft längs der Wellenachse gefügten Längspressverbindungen werden die übertragbaren Kräfte und Momente hauptsächlich durch die Flächenpressung und durch den Haftbeiwert in der Fügezone bestimmt. Längspressverbindungen, die große Kräfte übertragen müssen, erfordern ein großes Übermaß und lassen sich daher nur durch Anwendung eines Gleitmittels beim Fügen verwirklichen. Das Gleitmittel vermindert zwar die Einpresskräfte beim Längspressen, allerdings auch den Haftbeiwert der gefügten Verbindungen. Somit liegt es nahe, einen in seiner flüssigen Phase als Gleitmittel dienenden Klebstoff, der nach dem Fügen zu einer Klebschicht aushärtet und dadurch seine Schmierfähigkeit verliert, für Längspressklebverbindungen einzusetzen. Bild 10.15 zeigt Ergebnisse der statischen Torsionsscherfestigkeit in Abhängigkeit vom Übermaß bei zwei verschiedenen Klebstoffen und einem Öl als Gleitmittel [F55]: Ergänzende Untersuchungen zum dynamischen Festigkeitsverhalten von Längspressklebverbindungen mit gleichen Fügeteilwerkstoffen, Fügeteilgeometrien und Klebstoffen zeigten Ergebnisse, nach denen diese Verbindungen

526

10 Kleben runder Klebfugengeometrien

Bild 10.15. Statische Torsionsscherfestigkeit einer Längspressklebverbindung in Abhängigkeit vom Gleitmittel und vom Übermaß (Ae anaerob härtender Methacrylatklebstoff, EP Epoxidharzklebstoff) (nach [F55])

keine ausgeprägte Dauerfestigkeit aufweisen. Bis zu 5 · 104 Lastwechseln ist der Festigkeitsabfall gering, bei hohen Lastwechseln sinkt die Festigkeit stark ab und es treten zunehmend Wellenbrüche auf. Bei ca. 2 · 106 Lastwechseln verliert auch der Einfluss des Übermaßes an Bedeutung. Als Ursache für das Wellenversagen werden Kerbwirkungen an der Übergangsstelle von der Welle zur Nabe sowie Reibkorrosion angegeben. Diese Ergebnisse stehen im Gegensatz zu mit Öl als Gleitmittel gefügten Proben, bei denen eine Dauerfestigkeitssteigerung aufgrund von Relativbewegungen und daraus resultierenden Kaltschweißverbindungen im Mikrobereich nachgewiesen wurde [F55]. Untersuchungen zum Einfluss der Oberflächenbehandlung und der Rauheit auf das Festigkeitsverhalten von Längspressklebverbindungen haben nach [H247] ergeben, dass im Gegensatz zu reinen Klebverbindungen, durch Schleifen hergestellte, möglichst glatte Oberflächen die höchsten Verbindungsfestigkeiten, bezogen auf das gemessene Übermaß, erzielen. Weiterhin zeigte sich, dass nicht nur an der Welle, sondern auch an der Nabe eine Einführfase vorgesehen werden sollte, um einem Fressen der Fügeteiloberfläche vorzubeugen. Bezüglich der Festigkeit hatten Fasenwinkel im Bereich zwischen 2° und 10° sowie Fasenlängen zwischen 1 mm und 5 mm gegenüber ölgefügten Verbindungen keinen signifikanten Einfluss. Der verwendete Klebstoff wirkt sich nicht nur auf den Fügeprozess, sondern auch stark auf die Festigkeit aus. Der Grund hierfür ist nicht nur in der Klebstoffviskosität zu suchen, sondern auch in seinem chemischen Aufbau im unausgehärteten Zustand. Je nach der Reaktivität treten durch die punktuell hohen Temperaturen beim Einpressen bereits Härtungsreaktionen mit festigkeitsbeeinflussenden Auswirkungen ein. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 10.3.2. [B234, F55, H116, H247, K219, S273].

10.4 Kegelpressverbindungen

527

10.4 Kegelpressverbindungen Geklebte Kegelpressverbindungen stellen eine Variante der geklebten WelleNabe-Verbindungen mit kegeligen Wirkflächen dar, deren Tragverhalten auf kraftschlüssigen und auf stoffschlüssigen Anteilen beruht. Um das Herauswandern einer kegelförmig gestalteten Welle aus der Nabe, insbesondere bei schwingenden Beanspruchungen, zu unterbinden, besteht bei der herkömmlichen Gestaltung die Notwendigkeit einer zusätzlichen axialen Sicherung (Schraube o.ä.). Durch den Einsatz von Klebstoffen (anaerobe Klebstoffe, Abschn. 2.1.1.4) lässt sich ein Verzicht auf die axialen Sicherungselemente erzielen. Im ausgehärteten Zustand trägt in gleicher Weise wie bei den geklebten Welle-Nabe-Verbindungen die Klebschicht über den bestehenden Reibschluss hinaus auch aufgrund ihrer Haftkräfte zu einer Steigerung der Festigkeit bei. In [H372] werden Forschungsergebnisse zu einer kalkulierbaren Auslegung geklebter Kegelpressverbindungen, der Optimierung des Fügeprozesses sowie eines Prozessüberwachungssystems vorgestellt. In diesem Zusammenhang wird der Begriff der prozessoptimierten Fügekraft eingeführt. Er bezeichnet ein analytisch ermitteltes Optimum, mit dem beim Fügen der Kegelverbindungen die Elastizitätsgrenze der Nabe unter Berücksichtigung des klebstoffinduzierten Reibwertes erreicht wird.

11 Konstruktive Gestaltung von Klebungen

Aus der Darstellung in Bild 8.2 ergeben sich die wesentlichen Zusammenhänge in bezug auf die Festigkeit einer Klebung. Ergänzend zu den Eigenschaften der Klebschicht und des Fügeteilwerkstoffs ist neben der Beanspruchung die geometrische Gestaltung eine grundlegende Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit einer Klebung. Fehler in geklebten Konstruktionen treten vor allem auch deshalb auf, weil wesentliche Grundregeln einer klebgerechten Konstruktion vernachlässigt werden; somit muss die Forderung bestehen, bereits in der Konstruktionsphase eines Bauteils diese speziellen Zusammenhänge zu berücksichtigen. Aufgrund der in den Abschnitten 8.3–8.5 beschriebenen gegenseitigen Abhängigkeiten von Fügeteil, Klebfugengeometrie und Klebschicht ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Technik des Klebens gegenüber den anderen form-, kraft- und stoffschlüssigen Fügeverfahren ihre eigenen Gesetze hat und spezieller konstruktiver Formgebungen bedarf. Die entscheidende Forderung an eine Klebung besteht darin, Kräfte zu übertragen und die durch diese Belastungen auftretenden Spannungen langzeitig ertragen zu können. Für die konstruktive Gestaltung von Klebungen sind dazu zwei wichtige Voraussetzungen zu erfüllen, zum einen das Vorhandensein ausreichender Klebflächen, zum anderen Maßnahmen zur Vermeidung von Spannungsspitzen in der Klebung bei mechanischer Beanspruchung. Das wichtigste Werkzeug für eine werkstoff- und beanspruchungsgerechte Dimensionierung und Gestaltung von Klebungen ist die Finite-ElementeMethode, mit der das mechanische Verhalten kompletter geklebter Strukturen simuliert werden kann (Abschn. 8.5.4).

11.1 Vorhandensein ausreichender Klebflächen Diese Forderung ergibt sich aus den gegenüber den metallischen Fügeteilen sehr viel geringeren Klebschichtfestigkeiten. Die wesentlichen Zusammenhänge sind in Abschnitt 9.2.1 beschrieben. Aus dem dort in vereinfachter Weise angegebenen Berechnungsbeispiel folgt, dass nur über eine vergrößerte Fügefläche ein Ausgleich der geringen Klebschichtfestigkeit möglich ist. Das wiederum erfordert Überlappungsverbindungen, bei denen die Größe der Fügefläche verändert werden kann. In diesem Zusammenhang ist jedoch auf

530

Stumpfstoß-Verbindungen

11 Konstruktive Gestaltung von Klebungen

Überlappte Stumpfstoß-Verbindungen

Bild 11.1. Gestaltungsmöglichkeiten von Klebungen

die Abhängigkeit der Klebfestigkeit und der übertragbaren Last von der Überlappungslänge hinzuweisen, die in Abschnitt 8.4.1 für dünne, verformungsarme und in Abschnitt 8.10 für dicke, elastische Klebschichten beschrieben wurde. Die Darstellungen in Bild 11.1 zeigen Ausführungsformen konstruktiver Gestaltungsmöglichkeiten für Flach- und Rundverbindungen (neben den im deutschen Sprachgebrauch üblichen Bezeichnungen sind ebenfalls die entsprechenden englischen Übersetzungen hinzugefügt, da diese sich nur in Kombination mit Zeichnungen eindeutig wiedergeben lassen).

11.1 Vorhandensein ausreichender Klebflächen

Bild 11.1 (Fortsetzung)

531

532

Bild 11.1 (Fortsetzung)

11 Konstruktive Gestaltung von Klebungen

11.2 Vermeidung von Spannungsspitzen

533

11.2 Vermeidung von Spannungsspitzen Bei den für geklebte Konstruktionen am häufigsten eingesetzten einschnittig überlappten Klebfugen wird die Festigkeit der Klebung durch die bei einer Belastung an den Überlappungsenden sich ausbildenden Spannungsspitzen begrenzt (Abschn. 8.3.3). Es gilt demnach, durch eine entsprechende konstruktive Gestaltung diese Spannungsspitzen so gering wie möglich zu halten bzw. ihr Auftreten überhaupt zu vermeiden. Nur dann kann erreicht werden, dass die mechanische Beanspruchung gleichmäßig über die gesamte Klebfuge erfolgt und die zu übertragenden Lasten auf eine möglichst große Fläche verteilt werden. Um das Auftreten hoher Spannungsspitzen zu verhindern, sind die folgenden Grundsätze zu berücksichtigen: 앫 Vermeidung einer Schälbeanspruchung: Nach den Darstellungen in Abschnitt 8.3.4 führt eine Schälbeanspruchung aufgrund des linienförmigen Angriffs dazu, dass nur Bruchteile der gesamten Klebfläche für die Lastübertragung herangezogen werden und sich daher sehr hohe Spannungsspitzen ausbilden. In den Fällen, in denen eine Schälbeanspruchung erwartet werden kann, muss deren Einwirkung auf die Klebfläche durch geeignete konstruktive Maßnahmen vermieden werden. Möglichkeiten dafür sind über zusätzliche kraft- oder formschlüssige Verbindungsarten bzw. über Fügeteilversteifungen an den Überlappungsenden gegeben, wie sie z.B. in Bild 11.2 dargestellt sind:

Bild 11.2. Konstruktive Möglichkeiten zur Vermeidung der Schälbeanspruchung

534

11 Konstruktive Gestaltung von Klebungen

Bild 11.3. Beanspruchung einer Klebung durch Scherung bzw. Schälung

a)

b)

Durch den in Bild 11.3 skizzierten Versuch lässt sich die bei einer Schälbeanspruchung gegenüber einer Scher- bzw. Schubbeanspruchung nur sehr viel geringere Übertragung einer Last darstellen: Das auf einem Blatt Papier stehende Gewicht lässt sich mittels eines Haftklebestreifens, dessen Klebschicht in Bild a) auf Scherung beansprucht wird, über eine Unterlage ziehen. Bei einer Drehung des Klebestreifens um 180° (Bild b) erfolgt eine Schälbeanspruchung; das durch das Gewicht belastete Papierblatt verbleibt in seiner Position, der Klebestreifen löst sich abschälend von der Papieroberfläche (am besten eignen sich für diesen Versuch die im Bürofachhandel erhältlichen Haftklebezettel für Notizen). 앫 Verhinderung des Auftretens eines Biegemoments: Biegemomente führen an den Überlappungsenden zu Normalspannungen, die die Spannungsbelastung in diesem Bereich vergrößern. Verursacht werden sie durch einen exzentrischen Kraftangriff, wie er bei einschnittig überlappten Klebungen gegeben ist. Wie aus Bild 8.39 hervorgeht, nimmt der Einfluss des Biegemoments mit zunehmender Überlappungslänge ab. Eine weitere Reduzierung dieses Einflusses ist durch eine möglichst mittige Krafteinleitung in der Weise gegeben, dass eine der Fügeteildicke entsprechende Fügeteilvergrößerung im Krafteinleitungsbereich erfolgt, wie es aus Bild 8.9 hervorgeht. Klebfugengeometrien, bei denen eine zentrische Krafteinleitung erfolgt, sind u.a. die zweischnittige Überlappung, zweischnittige Laschung und auch die Schäftung (Bild 11.1). Allgemein gilt, insbesondere für dünne Fügeteile, dass die Klebfuge biegesteif ausgelegt wird, was in einfacher Weise durch Verstärkungsklebungen in den Bereichen des Überlappungsbeginns bzw. -endes erfolgen kann. Das Auftreten eines Biegemoments erfolgt ebenfalls bei zugbeanspruchten Klebungen, wenn die Krafteinleitung exzentrisch erfolgt. Im Extremfall

11.2 Vermeidung von Spannungsspitzen

535

können Spannungsspitzen auftreten, die dem vierfachen Wert der Normalspannungen entsprechen (Abschn. 8.3.1.3). Für den Fall, dass eine Klebung auf Zug beansprucht wird, ist das Auftreten derartiger Spannungsspitzen nur über eine kardanische Krafteinleitung zu verhindern. 앫 Vermeidung einer Spaltbeanspruchung: In Ergänzung zu der Schälbeanspruchung bei dünnen Fügeteilen besteht bei Fügeteilen hoher Steifigkeit die Möglichkeit des Spaltens einer Klebung. Auch in diesen Fällen findet eine sehr ungleichmäßige Klebschichtbelastung mit hohen Spannungsspitzen am Spaltende bzw. der Zone des Rissbeginns statt. Zu vermeiden ist diese Beanspruchung durch die Anbringung zusätzlicher Nieten bzw. Schrauben am Überlappungsanfang. 앫 Vermeidung plastischer Fügeteilverformung: Durch eine Dehnung der Fügeteile über den elastischen Bereich hinaus bauen sich in der Klebschicht zusätzliche Spannungen auf, die ebenfalls zu einer Erhöhung der Spannungsspitzen beitragen (Abschn. 8.3.3.2). Eine derartige Überbeanspruchung kann nur durch eine Abstimmung der von der Überlappungslänge abhängigen Festigkeit der Klebung auf die Fügeteilfestigkeit vermieden werden. Die hierfür maßgebende Größe ist die optimale Überlappungslänge, die gemäß der in Abschnitt 8.4.1.1 beschriebenen Weise gewählt werden muss. Als günstigste geometrische Gestaltung ergibt sich demnach die konstruktive Auslegung einer Klebfuge auf Schub- bzw. Scherbeanspruchung, da nur auf diese Weise eine Übertragung der Kräfte in der Klebschichtebene erfolgt, wodurch eine weitgehend gleichmäßige Beanspruchung über die gesamte Klebfläche ermöglicht wird. Bild 11.4 zeigt zusammenfassend die grundsätz-

Bild 11.4. Beanspruchungsarten durch Klebfugengeometrien

536 Bild 11.5. Günstige und ungünstige Klebfugengestaltungen

11 Konstruktive Gestaltung von Klebungen

11.2 Vermeidung von Spannungsspitzen

537

lichen Beanspruchungsarten, die im Hinblick auf die jeweiligen Klebfugengeometrien bei einer konstruktiven Gestaltung möglich sind. In ähnlicher Weise wie für Flachverbindungen gelten die vorstehend beschriebenen Konstruktionsprinzipien auch für Rundverbindungen. Wenn die beiden grundlegenden Voraussetzungen nach ausreichender Klebfläche und möglichst ausschließlicher Scherbeanspruchung unter Berücksichtigung einer gleichmäßig verteilten Krafteinleitung befolgt werden, sind vom Standpunkt der klebgerechten Konstruktion die Voraussetzungen für die Festigkeit einer Klebung erfüllt. Konstruktionsbeispiele über günstige und zu vermeidende Klebfugengeometrien sind in Bild 11.5 dargestellt. Eine ausführliche Zusammenstellung weiterer Verbindungsformen ist von Hennig in [M5, Seite 383–401] wiedergegeben. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 11: [A31, A92, A117, A118, A125, A130, B40, B331, C71, D201, E141, F10, F45, H56–H58, H249, K42, K54–K58, K188, K221, L50, L129, L149, N10, S49, S69, S127, S218, S292, T49, U5].

12 Technologie des Klebens

12.1 Allgemeine Betrachtungen Für die Anwendung eines Fertigungsverfahrens gelten allgemein die folgenden Kriterien: 앫 Sicherheit bei der Durchführung im Hinblick auf gleichmäßige und reproduzierbare Qualitätsstandards; 앫 Möglichkeiten für sichere Berechnungen, Dimensionierungen und Standards der herzustellenden Bauteile und anzuwendenden Verfahrensparameter; 앫 Automatisierungsmöglichkeiten einschließlich der Forderung nach Integration in ggf. weitere vorhandene Fertigungsverfahren; 앫 Möglichst einfache und kontinuierlich beherrschbare Fertigungstechnologie; 앫 Ausreichende Erfahrungen, ggf. aus anderen Anwendungsbereichen, im Hinblick auf eine generelle Verfahrenseignung; 앫 Gewährleistung eines sicherheitsmäßigen und ökologischen Gesamtkonzeptes; 앫 Erfüllung gegebener wirtschaftlicher Grundbedingungen. Wendet man diese Kriterien auf das „Fertigungssystem Kleben“ an, so belegen die vorliegenden jahrzehntelangen Erfahrungen die grundsätzliche Eignung dieses Verfahrens für eine Vielzahl von Anwendungen, die allerdings ergänzend der Kenntnis der folgenden Zusammenhänge bedürfen: 앫 Klebtechnische Eigenschaften der Werkstoffe bzw. Werkstoffpaarungen; 앫 Werkstoff- und verarbeitungsspezifische Eigenschaften der Klebstoffe; 앫 Eigenschaften der Klebschichten in Bezug auf Festigkeits- und Verformungseigenschaften unter dem Einfluss komplexer Kurz- und Langzeitbeanspruchungen; 앫 Gestaltung und Dimensionierung der Fügeverbindung unter spezieller Berücksichtigung des bei Belastung auftretenden Spannungszustandes; 앫 Qualitätssicherungsmaßnahmen zur Erzielung definierter Klebschichteigenschaften und Haftfestigkeiten des Verbundsystems. Zum Verständnis der Möglichkeiten und Grenzen des Fertigungssystems Kleben ist es neben den vorstehend erwähnten Hinweisen erforderlich, den

540

12 Technologie des Klebens

Fertigungsbedingungen im Hinblick auf das Eigenschaftsprofil der Klebschichten besondere Bedeutung beizumessen. Hier liegt ein wesentlicher Unterschied zum Schweißen und Löten. Bei diesen Verfahren bestehen die Zusatzwerkstoffe aus Metallegierungen, die als physikalisch abbindende Systeme zu betrachten sind und nach Abkühlen aus einer Schmelze weitgehend wieder die ursprünglichen Eigenschaften aufweisen. Ausgangs- und Endzustand unterscheiden sich demnach nicht wesentlich. Beim Kleben mit Reaktionsklebstoffen kommt ein „unfertiger“ Zusatzwerkstoff zum Einsatz. Seine Endeigenschaften bilden sich erst während der Verarbeitung aus und sind in hohem Maße von den Fertigungsbedingungen, insbesondere Zeit und Temperatur, abhängig. Ausgangs- und Endzustand sind somit grundsätzlich verschieden. Das Eigenschaftsprofil der Klebschicht wird demnach in entscheidendem Maße durch den Fertigungsprozeß und dessen Randbedingungen beeinflusst. Diese Gegebenheiten haben dazu geführt, einen Klebstoff auch als einen „Prozesswerkstoff“ zu bezeichnen. Somit stellt sich die grundsätzliche Frage, welches Eigenschaftsprofil einer Klebschicht für eine Klebkonstruktion und deren Dimensionierung vorhanden ist bzw. gefordert werden muss und wie sich dieses Eigenschaftsprofil in der Fertigung reproduzierbar erreichen lässt. Die Antwort auf diese Frage ist in gleicher Weise einfach und dennoch schwierig; sie kann nur für den jeweils spezifischen Anwendungsfall unter Einbeziehung aller erforderlichen Werkstoffund Verfahrensparameter und unterstützt durch die dazu erforderlichen Prüfergebnisse empirisch gegeben werden. Klebstoffauswahlsysteme, allgemeingültige Berechnungsverfahren oder systembezogene Prüfverfahren vermögen die Fragestellung zwar einzugrenzen, können aber keine Antwort für einen speziellen Anwendungsfall geben. Der Leser mag diese Ausführungen nachteilig für das Kleben auslegen wollen, vorteilhaft ist in jedem Fall, dass bei Beachtung dieser Zusammenhänge bereits zu Beginn einer klebtechnischen Aufgabe die Grundlage zur Herstellung qualitativ hochwertiger und fertigungsgerechter Klebungen gelegt wird. Als Konsequenz aus diesen Zusammenhängen ergibt sich daher, dass für die Beherrschung des Fertigungssystems Kleben entsprechende Voraussetzungen erforderlich sind. Hervorzuheben sind besonders eine theoretische und praktische Ausbildung der mit der Durchführung des Klebens beauftragten Mitarbeiter sowie das Vorhandensein von Produktionsräumen und -einrichtungen, die der besonderen Art dieser Fertigung gerecht werden. Für das Schweißen und das Löten (speziell in der Elektronik) wird eine qualifizierte Ausbildung von der Industrie heute allgemein als Voraussetzung für den Einsatz eines Mitarbeiters gefordert. Die Möglichkeiten für eine fachgerechte Ausbildung werden für diese Fertigungsverfahren seit langem angeboten, insbesondere vom Deutschen Verband für Schweißtechnik und verwandte Verfahren, DVS®, Düsseldorf. In Kenntnis der Notwendigkeit, dass vergleichbare Qualifikationen ebenfalls für das Kleben erforderlich sind, ist in Zusammenarbeit mit der Industrie und wissenschaftlichen Institutionen vom selben Verband in den vergangenen Jahren ergänzend ein umfassendes Ausbildungs-

12.1 Allgemeine Betrachtungen

541

konzept erarbeitet worden, das den spezifischen Anforderungen dieser Technologie entspricht (Abschn. 12.4.1.2). Im Hinblick auf die räumliche Ausgestaltung und Ausstattung zur Durchführung klebtechnischer Produktionen ist davon auszugehen, dass die Erzeugung „klebbereiter“ Oberflächen ein wesentlicher Verfahrensschritt ist, der das Kleben im weiteren Sinne in die Verfahren der Oberflächentechnik einzugliedern hat. In gleicher Weise, wie z.B. beim Lackieren oder Beschichten großer Wert auf saubere Produktionsräume gelegt werden muss, gilt diese Forderung ebenfalls für das Kleben. Hinzu kommen selbstverständlich die Voraussetzungen zur Einhaltung der Vorschriften, wie sie zusammenfassend in Abschnitt 12.5 wiedergegeben sind. Da sich das Kleben gegenüber dem Schweißen und Löten vor allem durch einen interdisziplinären Charakter zwischen Ingenieurwissenschaften und Naturwissenschaften, insbesondere der Chemie, auszeichnet, gilt zusammenfassend für diese Technologie, was Schneberger [S112] zutreffend formuliert: „Adhesive bonding draws upon chemistry, physics, rheology, material behaviour, surface science, thermodynamics and p s y c h o l o g y f o r s u c c e s s “. Bemerkung: Der Begriff „Fertigungssystem Kleben“ bzw. „Fertigungstechnologie Kleben“ geht auf die 1. Fachtagung mit Fachausstellung an der Technischen Universität Berlin vom 4.–6. April 1984 zurück, bei der erstmals im deutschsprachigen Raum ein Gesamtüberblick der Klebtechnik gegeben wurde. Anlass war das 60-jährige Jubiläum des Fachgebietes Fügetechnik/ Schweißtechnik der Technischen Universität Berlin unter der Leitung von Herrn Prof. Dr.-Ing. Lutz Dorn [B142, N39]. Die praktische Durchführung des Klebens lässt sich prinzipiell auf die in Bild 12.1 dargestellten Verfahrensarten zurückführen und zwar auf: 앫 Verfahren, die als Grundlage für die Ausbildung der Haftungs- bzw. Adhäsionskräfte dienen. Hierzu gehören die Oberflächenbehandlung der Fügeteile und der Klebstoffauftrag; 앫 Verfahren, die die Kohäsionsfestigkeit und Homogenität der Klebschicht bestimmen. In diesem Fall ist eine homogene Mischung aller Klebstoffbestandteile sowie die Einhaltung und Steuerung der Reaktionsparameter Temperatur, Zeit und Druck eine wesentliche Forderung. Neben diesen Verfahrensarten zur Herstellung von Klebungen lassen sich für die Anwendung des Klebens ergänzend die folgenden Verfahrensarten unterscheiden: – Kleben als alleiniges Fügeverfahren zur Herstellung von Werkstoffverbunden; – Kleben als Fügeverfahren in Kombination mit anderen form- und kraftschlüssigen Fügeverfahren (z.B. Falzkleben, Schrumpfkleben); – Kleben als Voraussetzung für die Anwendung anderer Fügeverfahren (Montagehilfe, z.B. Fixieren von Chips für nachfolgendes Löten).

542

12 Technologie des Klebens

Bild 12.1. Verfahrensarten zur Herstellung von Klebungen

12.2 Oberflächenbehandlung der Fügeteile Das grundsätzliche Ziel einer Oberflächenbehandlung der Fügeteile ist die Optimierung der Haftungskräfte zwischen Fügeteiloberfläche und Klebschicht. Voraussetzung hierfür ist das Vorhandensein von aktiven Zentren in der Oberfläche, d. h. energetisch besonders ausgezeichneten Stellen, an denen die für die Ausbildung der Haftungskräfte erforderlichen physikalischen, elektrischen und ggf. chemischen Vorgänge bevorzugt ablaufen können. Derartige aktive Zentren können aus Ladungsanhäufungen, Gitterfehlstellen, Versetzungen, Unterschieden in der Oberflächenmorphologie usw. bestehen. Die Möglichkeiten, eine Oberfläche in diesen erwünschten Zustand zu versetzen, bieten die verschiedenen Verfahren der Oberflächenbehandlung, durch die die entscheidenden zwischenmolekularen Kräfte in der Grenzschicht zwischen Klebstoff und Fügeteiloberflächen wirksam gemacht werden (Absch. 6.1.4). Durch die Oberflächenbehandlung wird weiterhin eine ausreichende Alterungs- und Korrosionsbeständigkeit der Klebung den entsprechenden Beanspruchungen gegenüber sowie das verfahrenstechnisch notwendige gleichmäßige Benetzungsvermögen erzielt. Für die einzelnen Stufen der Oberflächenbehandlung werden in der Literatur vielfach unterschiedliche Begriffe gewählt; zur Vereinheitlichung schlägt Kaliske [K59] die auch vom Autor unterstützte Unterteilung in die Stufen nach Bild 12.2 vor:

12.2 Oberflächenbehandlung der Fügeteile

543

Bild 12.2. Verfahren der Oberflächenbehandlung

Grundsätzlich gilt für alle Oberflächenbehandlungsverfahren, dass sie sich nicht schädlich auf die Fügeteile auswirken dürfen. Beispiele hierfür können sein: 앫 Aufnahme von Wasserstoff und eine dadurch induzierte Wasserstoffversprödung im Oberflächenbereich bei den elektrochemischen Verfahren (z.B. Titan); 앫 Entstehung von Mikrorissen im Oberflächenbereich durch Anwendung mechanischer Verfahren, insbesondere Strahlen (z.B. bei Gläsern und oberflächengehärteten Stählen); 앫 „Rückfettung“ von Oberflächen durch nicht rechtzeitig erneuerte Entfettungsbäder; 앫 Veränderungen der Oberflächenstruktur (z.B. Anquellen von Kunststoffoberflächen bei Einsatz ungeeigneter Lösungsmittel zum Entfetten). Ergänzende Literatur als zusammenfassende Darstellungen Bücher: [E117, F39, H210, H211, T21, W87]. Veröffentlichungen: [B22, B42, B108, B207, C55, D177, E115, E116, E118, G87, H203, H212, H220, H317, J73, K103, K174, K188, M79, M147, S33, V10, Y3].

12.2.1 Oberflächenvorbereitung 12.2.1.1 Säubern, Passendmachen

Das Säubern der Klebflächen dient der Entfernung von anhaftenden festen Schichten wie Schmutz, Rost, Zunder, Farben, Lacken etc.; es wird im Allgemeinen auf mechanischem Wege durch Strahlen, Schleifen oder Bürsten durchgeführt. Selbst für gering beanspruchte Klebungen ist das Säubern eine Grundvoraussetzung für die angestrebte Festigkeit der Klebung, da die ohne Säuberung als Haftgrund für den Klebstoff vorhandenen Fremdschichten von vornherein als Ausgangspunkt für Klebfugenbrüche anzusehen sind. Der zu

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12 Technologie des Klebens

erzielende Reinheitsgrad des Säuberns richtet sich nach Art und Durchführung der nachfolgenden Behandlungsschritte. Falls aus fertigungstechnischen Gründen der Klebstoff direkt auf die gesäuberten Oberflächen aufgetragen wird (was im Sinne einer beanspruchungsgerechten Klebung nicht zu empfehlen ist), sollten zumindest die ohne wirkungsvolle Hafteffekte an der Oberfläche adsorbierten Moleküle entfernt werden (Feinreinigung). Beispielhaft hierfür ist das Entfernen adsorbierter Wassermoleküle durch Erwärmung der Oberfläche mit Heißluft bei Haftklebungen oder dem Kleben von Glas. Sehr effektiv lässt sich die Feinreinigung mittels der Plasmatechnologie durchführen (Abschn. 14.1.4.4). Das Passendmachen ist im Wesentlichen für die Erzielung gleichmäßiger Klebschichtdicken erforderlich. Hier ist insbesondere bei kleinen Klebflächen, wie sie beispielsweise für Prüfungen herangezogen werden, die Entfernung des Schnittgrates notwendig, weiterhin bei größeren Klebflächen das Richten der Fügeteile als Voraussetzung für parallele Klebfugen. 12.2.1.2 Entfetten

Das Entfetten ist im Rahmen der Oberflächenvorbereitung der wichtigste Fertigungsschritt, da nur fettfreie Oberflächen eine einwandfreie Benetzung durch den Klebstoff ermöglichen. Auch bei Durchführung einer mechanischen Oberflächenvorbehandlung ist ein vorheriges Entfetten erforderlich (Abschn. 12.2.2.1). Die anwendbaren Entfettungsverfahren sind abhängig von der zu entfettenden Stückzahl, der Geometrie der Fügeteile und dem Grad der geforderten Fettfreiheit. Die einfachste Möglichkeit des Entfettens ist zweifellos das Abwischen der Fügeteile mit lösungsmittelgetränkten Tüchern sowie das Tauchen. Beide Vorgehensweisen haben den Nachteil eines unkontrollierbaren Entfettungsgrades durch mögliche Fettanreicherungen im Lösungsmittel. Eine besonders hohe Fettfreiheit wird durch die Dampfentfettung erreicht. Bei diesem Verfahren werden die Fügeteile in eine je nach Siedepunkt des eingesetzten Lösungsmittels erwärmte Lösungsmitteldampfphase eingebracht. Durch die Lösungsmittelkondensation an den zunächst kalten Fügeteilen erfolgt ein „Abwaschen“ der Fettanteile mit dem Vorteil, dass praktisch keine Wiederbefettung durch das sich in dem „Sumpf“ der Entfettungsanlage anreichernde Fett erfolgen kann (Bild 12.3). Neben der Dampfentfettung existiert weiterhin eine Vielzahl von temperatur- und druckgesteuerten Verfahrensvarianten für wässrige und lösungsmittelhaltige Entfettungsmittel, die sich durch einen hohen Automatisierungsgrad und einen in sich geschlossenen Flüssigkeitskreislauf mit integrierten Entsorgungssystemen auszeichnen. Die Entfettungsmittel sind hinsichtlich der folgenden Stoffklassen zu unterscheiden: – Halogenierte Kohlenwasserstoffe. Diese Lösungsmittelsysteme basieren auf Kohlenwasserstoffen, bei denen Wasserstoffatome durch Halogene (die Ele-

12.2 Oberflächenbehandlung der Fügeteile

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Bild 12.3. Schematische Darstellung einer Dampfentfettungsanlage

mente Fluor, Chlor, Brom, Jod) ersetzt sind. Typisch sind die Substituenten Fluor und Chlor. Diese wiederum können als alleinige oder gemeinsame Substituenten vorhanden sein. Im ersten Fall handelt es sich um die „CKW“, Chlorkohlenwasserstoffe, im zweiten Fall um die „FCKW“, Fluorchlorkohlenwasserstoffe. Im Hinblick auf Umweltbelastungen bezüglich Schädigung der Ozonschicht sind die FCKW (und auch das 1,1,1-Trichlorethan) für industrielle Anwendungen nicht mehr erlaubt (das Trichlorethylen wurde inzwischen als kanzerogen eingestuft). Die CKW dürfen in geschlossenen Systemen bei Beachtung der Emissionsgrenzwerte eingesetzt werden [L92]. Der Grund für die in den vergangenen Jahrzehnten erlangte große Bedeutung der halogenierten Kohlenwasserstoffe ist deren universelles Lösungsvermögen für Öle, Fette und sonstige Oberflächenverunreinigungen und ihre Unbrennbarkeit. – Kohlenwasserstoffe. Die Kohlenwasserstoffe (KW) verfügen ebenfalls über sehr gute Fettlösungseigenschaften, unterliegen jedoch wegen ihrer im Allgemeinen niedrigen Flammpunkte (Abschn. 2.7.11) strengen Brand- und Explosionsschutzbestimmungen. Als Alternative sind in der Vergangenheit Kohlenwasserstoffe mit relativ hohen Flammpunkten entwickelt worden, zu denen neben cyclischen aliphatischen Kohlenwasserstoffen (Naphthene) die Isoparaffine gehören. Bei den Paraffinen handelt es sich um Kohlenwasserstoffe der allgemeinen Formel CnH2n + 2 , die unter Normalbedingungen im Bereich C5 –C16 flüssig sind. Für die Isoparaffine sind die Verbindungen C13 –C17 charakteristisch. Mit der Vorsilbe Iso- werden organische Verbindungen bezeichnet, die bei gleicher Bruttoformel verschiedene Strukturformeln aufweisen (Isomere), z.B. Pentan (C5H12) und Isopentan (ebenfalls C5H12):

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12 Technologie des Klebens

(12.1)

Von den linearen (normal, n-) Verbindungen unterscheiden sich die isomeren (iso-) Verbindungen in der Regel durch andere physikalische Eigenschaften, im vorliegenden Fall z.B. auch durch einen höheren Flammpunkt. Die unter den Sammelbezeichnungen Benzine und/oder Petrolether gehandelten Produkte sind als Entfettungsmittel weniger empfehlenswert, da sie in vielen Fällen die höhermolekularen festen Paraffine enthalten, die als Rückstände auf der Oberfläche verbleiben. Neben reinen Kohlenwasserstoffen sind ebenfalls Alkohole (Isopropylalkohol) sowie Ester (Essigsäureethylester) oder Ketone (Aceton, Methylethylketon MEK) im Einsatz. Bei allen auf Lösungsmitteln basierenden Verfahren sind die einschlägigen Vorschriften (Abschn. 12.5) zu beachten. Im Falle der Reinigungsanlagen ist insbesondre die EU-Richtlinie 1999/13/EG (VOC-volatile organic compounds-Richtlinie) sowie die 31. Bundes-Immissions-Schutzverordnung (BImSchV) wichtig. – Wässrige Medien. Die Wirkung wässriger Medien beruht auf verschiedenen Mechanismen wie Emulgieren, Dispergieren oder chemischen Umsetzungen. Beim Emulgieren und Dispergieren (Abschn. 3.5) werden Fette durch Einwirkung entsprechender Emulgatoren oder Dispersionsmittel von der wässrigen Phase aufgenommen, bei chemischen Umsetzungen werden die in Wasser unlöslichen Fette in alkalischem Medium in lösliche „Fettseifen“ (Verseifung) umgewandelt. Die wässrigen Entfettungsmittel, die neutral (Alkanolamine, z.B. Ethanolamin, Alkoxyalkohole), alkalisch (Natriumhydroxid, Silikate, Phosphate) oder sauer (Salze anorganischer oder organischer Säuren) sein können, beinhalten häufig noch Tenside bzw. Komplexbildner, bei deren Auswahl jedoch auf die Möglichkeit einer biologischen Abbaubarkeit zu achten ist. Nach Abschluss der Entfettung ist in jedem Fall zur restlosen Entfernung ggf. entstehender Reaktionsprodukte ausreichend mit deionisiertem Wasser nachzuspülen. – Alternative Lösungsmittel. Das gesteigerte Bewusstsein über Umwelt- und Gesundheitsschutz hat u.a. auch zur Folge, „alternative“ Lösungsmittel einzusetzen, die bei gleicher Funktionalität einen geringeren Umwelteinfluss und ein geringeres Sicherheitsrisiko beinhalten. Eine Gruppe dieser Lösungsmittel basiert auf Naturprodukten, deren bekannteste Vertreter Rapsöl-, Sojaöl-Methylester und Lactat-(Milchsäure-)ethylester sind. Sie haben gute bis ausgezeichnete Lösungseigenschaften, besitzen hohe Flammpunkte, eine geringe Giftigkeit und sind biologisch abbaubar.

12.2 Oberflächenbehandlung der Fügeteile

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Eine weitere Gruppe wird aus Beiprodukten gefertigt, die in industriellen chemischen Prozessen anfallen und die somit keine „neuen“ Rohstoffe erfordern. Der bekannteste Vertreter ist ein dibasischer Ester (DBE), hergestellt aus einem bei der Adipinsäureherstellung (Formel 2.95) anfallenden Säuregemisch, das mit Methylalkohol verestert wird. Auch dieses Lösungsmittel besitzt eine geringe Toxizität, einen Flammpunkt über 100 °C und ist ebenfalls leicht biologisch abbaubar. Die Wirkung der Reinigungsmittel lässt sich durch Ultraschall unterstützen. Das Ultraschallfeld besteht aus mechanischen Schwingungen (20–40 kHz), die von einem Ultraschallgeber durch das als Übertragungsmedium dienende Reinigungsbad auf die zu entfettenden Fügeteile übertragen werden und durch ihren Energieinhalt die an der Oberfläche befindlichen Fremdstoffe abzutrennen vermögen („Kavitationseffekt“). Die Ultraschallreinigung ist daher stets an das Vorhandensein eines flüssigen Übertragungsmediums gebunden. Die Oberflächenreinigungsverfahren können in „heiße“ und „kalte“ Verfahren unterteilt werden. Wässrige Reinigungssysteme arbeiten in der Regel bei höheren Temperaturen (60–90 °C). Bei der Dampfentfettung ist die jeweilige Siedetemperatur des Lösungsmittels für den Prozess charakteristisch. Kalte Verfahren (Abwischen, Tauchen, Spülen) werden bei Raumtemperatur angewendet. Zur Reinigung von Oberflächen mittels der Plasmatechnologie, ein sog. „trockenes“ Verfahren, s. Abschnitt 14.1.4.1. Eine einfache Methode zur Ermittlung des Entfettungsgrades ist über eine Benetzung mit demineralisiertem Wasser durch Eintauchen oder Auftropfen durchführbar. Erfolgt eine kontinuierliche Benetzung bzw. Spreitung, ist in jedem Fall davon auszugehen, dass die Oberfläche auch durch Klebstoffe einwandfrei benetzt wird, da deren Oberflächenspannungen unterhalb der des Wassers mit 72,8 mNm–1 liegen (Bild 6.9). Ergänzende Literatur zu Abschnitt 12.2.1: [A54, B206, D183, G96, J10, K60, M47, M79, R44, R45, V48, W84, W85].

12.2.2 Oberflächenvorbehandlung

Im Anschluss an die Oberflächenvorbereitung kommt der Oberflächenvorbehandlung die Aufgabe zu, entweder eine der chemischen Natur der Fügeteile entsprechende Oberfläche zu erzeugen oder eine unter definierten Bedingungen mit charakteristischen Haftungsmerkmalen versehene neue Oberfläche aufzubringen, die mit dem Grundwerkstoff durch Hauptvalenzbindungen fest verankert ist. Im ersten Fall werden die mechanischen, im zweiten Fall die physikalischen, chemischen bzw. elektrochemischen Verfahren eingesetzt. Chemische Verfahren mit nicht oxidierenden Säuren können ergänzend bei Metallen durch Auflösen der Oxidschichten reine Metalloberflächen erzeugen. Grundsätzlich gilt, dass der Aufwand für eine Oberflächenvorbehandlung mit den zu fordernden Festigkeiten und Alterungsbeständigkeiten in sinn-

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12 Technologie des Klebens

voller Weise in Einklang zu bringen ist. Während ausreichende Kurzzeitfestigkeiten bereits mit relativ geringem Aufwand (Säubern, Entfetten, ggf. mechanische Vorbehandlung) zu erzielen sind, bedingen langzeitige Alterungsbeständigkeiten der Klebungen bei gleichzeitigen mechanischen Belastungen in der Regel einen sehr erheblichen Fertigungsaufwand mittels chemischer und/oder elektrochemischer Verfahren, z.T. ergänzt durch die Anwendung von Haftvermittlern oder Primern (Abschn. 2.7.15, 2.7.16). Weiterhin ist zu bemerken, dass die Benetzung nach der Young-Gleichung (Abschn. 6.4.2.8) entscheidend von der Oberflächenenergie des Fügeteils bestimmt wird, die Oberflächenvorbehandlung dient demnach ebenfalls dem Ziel, diese ggf. durch anderweitige Adsorptionen herabgesetzten Werte soweit wie möglich zu erhöhen. Der große Einfluss der Oberflächenvorbehandlung auf die Klebfestigkeit wird durch Bild 7.14 verdeutlicht. Durch die beschriebenen Verfahren der Oberflächenvorbehandlung ergibt sich somit – eine Veränderung der Oberflächentopographie und/oder – eine Veränderung der chemischen Struktur. 12.2.2.1 Mechanische Oberflächenvorbehandlung

Die durch eine mechanische Bearbeitung resultierende Oberflächentopographie kann sich entweder bereits aus der Fügeteilfertigung ergeben, so z.B. als Folge einer Dreh-, Hobel- oder Fräsbearbeitung oder das Ergebnis einer zusätzlichen mechanischen Oberflächenvorbehandlung durch Schleifen, Bürsten oder Strahlen sein. In jedem Fall resultiert eine entsprechende Rauheit, über deren Zusammenhang mit der Klebschichtdicke und Klebfestigkeit bereits in Abschnitt 5.1.4 berichtet wurde. Wesentliches Merkmal der mechanischen Oberflächenvorbehandlung ist neben einem gleichzeitig stattfindenden Reinigungseffekt durch Werkstoffabtrag die Vergrößerung der wahren und somit auch der wirksamen Oberfläche (Abschn. 5.1.4). Hinsichtlich der Strahlanlagen werden folgende Systeme unterschieden: 앫 Druckluftbetriebene Strahlanlagen, in denen das Strahlmittel mittels einer Düse unter Druck auf die zu strahlenden Oberflächen aufgebracht wird. Hier existieren zwei Verfahrensvarianten: – Injektorprinzip: Bei diesem Verfahren werden die Beschleunigungsmedien wie z.B. Druckluft oder Wasser in einer Düse unmittelbar vor dem Austritt so beschleunigt, dass in einer zweiten Zuführung ein Unterdruck entsteht. Durch diesen Unterdruck wird das Strahlmittel aus der Vorratskammer angesaugt, in der Düse mitgrissen und beschleunigt. Die Mischung von Beschleunigungsmedium und Strahlmedium findet unmittelbar vor dem Austritt statt. – Strahlen mit einem Drucksystem: Hierbei wird des Stahlmittel in der Vorratskammer mit einem Medium (in der Regel Luft) druckbeaufschlagt. Dieses Medium hat die Aufgabe, das Strahlmittel zum Düsen-

12.2 Oberflächenbehandlung der Fügeteile

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kopf zu transportieren und zu beschleunigen. Die Mischung von Strahlmittel und Transport-Beschleunigungsmedium findet in der Vorratskammer statt. Bei beiden Verfahren können Beschleunigungen des Strahlmittels bis zu 180 m s–1 auftreten. 앫 Schleuderradstrahlanlagen, bei denen die kinetische Energie des Strahlmittels durch schnelllaufende Schaufelräder erzeugt wird. Die Natur dieser Verfahren bedingt eine mehr oder weniger große Staubentwicklung, aus diesem Grund wird das Strahlen in geschlossenen Kabinen durchgeführt, die mit einer Sammel-, Reinigungs- und Wiederzufuhreinrichtung zum wiederholten Einsatz des Strahlmittels ausgerüstet sind. Da diese Kabinen jedoch für feinste Staubpartikel nicht hinreichend dicht sein können, ist es in jedem Fall ratsam, sie in einem von den Klebarbeiten getrennten Raum aufzustellen. Für Anwendungen bei großen bzw. feststehenden Bauteilen sind ortsunabhängige, druckluftbetriebene Anlagen im Einsatz, bei denen das Strahlgut nach dem Auftreffen auf die Oberfläche durch ein konzentrisch um die Austrittsdüse angeordnetes Vakuumsystem direkt wieder abgesaugt und auf diese Weise eine weitgehend saubere Anwendung ermöglicht wird (Rücksaugstrahlanlagen, Vakublast-Verfahren). Das Verhindern der Staubentwicklung durch das Nassstrahlen, bei dem das Strahlgut die kinetische Energie nicht über Druckluft sondern durch Wasserdruck erhält, verlagert das Problem von der Luft- in die Wasserverschmutzung, außerdem sind die Strahlleistungen meistens geringer, da sie stark von den Pumpenleistungen abhängig sind. Weiterhin ergibt sich als Nachteil eine hohe Feuchtigkeitsbelastung der Fügeteile, was insbesondere im Hinblick auf das Kleben und Dichten im Baubereich (z.B. beim Sanieren von Betonteilen mittels Epoxidharzen) zu berücksichtigen ist. Als Alternative sind Anlagen auf dem Markt, bei denen Wasser in der Strahldüse „vernebelt“ wird, sodass Staub- und Wasserpartikel sich vereinigen und gemeinsam absetzen. Zu beachten ist bei der Anwendung des Strahlens eine ggf. vorhandene Kerbempfindlichkeit der Fügeteile (z.B. gehärtete Stähle), durch die Mikrorisse initiiert werden können, die wiederum für eine spätere dynamische Beanspruchung der Klebung nachteilig sind. Strahlmittel: Die eingesetzten Strahlmittel basieren auf metallischen (Hartguss, Temperguss, Stahlguss, Stahldrahtkorn, Leichtmetall), mineralischen (Korund, Glas, Keramik, Schlacken) und auch organischen (Kunststoffe, Nußschalen) Verbindungen. (Der Begriff „Sandstrahlen“ steht nur noch für das Verfahren selbst und nicht für das eingesetzte Material). Die mittleren Partikelgrößen liegen zwischen 0,2–2,0 mm, häufig werden diese Werte auch in 10–4 inch angegeben (z.B. S 230 Ⳏ 230 · 10–4 inch = 0,584 mm). Beim Strahlen ändert sich durch Abrieb, Deformation und Zersplitterung die Form und Größe der einzelnen Körner, wobei größere Körner wegen ihrer höheren kinetischen Energie relativ größere Masseverluste erleiden als kleine. Aus diesem Grund verändert sich mit wiederholter Verwendung die Häufigkeitsverteilung der Korngrößen zu kleineren Werten. Die Verwendung feinkörniger Strahl-

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12 Technologie des Klebens

Bild 12.4. Sandgestrahlte St 37-Oberfläche

mittel führt zu einer geringen Rautiefe bei relativ großer Abtragung, grobe Körnungen verhalten sich umgekehrt. Je nach Strahldauer, Korngröße und Härte des zu strahlenden Materials resultiert eine stark zerklüftete Oberfläche mit Hinterschneidungen, in der zusätzlich zu den überwiegend wirksamen zwischenmolekularen Haftungskräften auch eine mechanische Verankerung der Klebschicht erfolgen kann (Bilder 6.8 und 12.4). Da die für das Strahlen benötigte Druckluft in Kompressoren erzeugt wird, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich in ihr geringe Ölmengen befinden, die nach dem Strahlen auf der Oberfläche verbleiben. Gleiches gilt für die Verunreinigungen, die sich vor dem Strahlen auf der Oberfläche befinden und durch das Strahlgut in die Oberflächenstrukturen „hineingepresst“ werden. Aus diesen Gründen ist es unbedingt erforderlich, sowohl vor als auch nach dem Strahlen zu entfetten. Eine Entfettung nach dem Strahlen hat ergänzend den Vorteil, dass auch noch vorhandene Strahlgutrückstände entfernt werden. Durch die mit hoher kinetischer Energie auf die Oberfläche auftreffenden Strahlkörner verdichtet sich diese, sodass in ihr Spannungen entstehen, die insbesondere bei dünnen Blechen (bis ca. 2 mm Dicke) zu einer Durchbiegung führen können. Vermeiden oder verringern lässt sich diese Erscheinung durch Aufspannen des Bleches auf eine dicke, starre Unterlage. Rückgängig machen kann man die Durchbiegung durch ein Strahlen auf der Fügeteilrückseite. Beim Schleifen und Bürsten tritt dieser Nachteil nicht auf. Gegenüber den chemischen Verfahren hat die mechanische Oberflächenvorbehandlung den Vorteil einer einfachen Durchführbarkeit, da die mit den eingesetzten Chemikalien verbundenen Sicherheits- und Umweltschutzauflagen entfallen.

12.2 Oberflächenbehandlung der Fügeteile

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Kryogenes Strahlreinigen: Eine spezielle Variante des Strahlens zu den be-

schriebenen Strahlmitteln ist das kryogene Strahlreinigen mit KohlendioxidPellets. Diese besonders umweltgerechte und materialschonende Methode verwendet ein Trockeneis-Granulat, sie lässt sich direkt am Produktionsort einsetzen und hinterlässt keine Strahlmittelreste. Das Trockeneis (Kohlendioxid in festem Zustand) liegt unter Umgebungsdruck bei –78,5 °C als weiße, eisähnliche Substanz in Form eines Granulats vor und wird in Isolierbehältern angeliefert. Nach dem Injektorprinzip werden die Pellets beschleunigt und auf die zu reinigende Oberfläche geschossen. Aufgrund des intensiven Kontaktes von Pellets und Oberfläche tritt ein thermischer und ein mechanischer Effekt auf. Der anhaftende Belag wird durch das Auftreffen der tiefkalten Pellets gefrostet. Durch unterschiedliche Ausdehnungskoeffizienten von Belag und Untergrund kommt es zu thermischen Spannungen zwischen diesen, mit der Folge einer Versprödung. Der mechanische Effekt, verursacht durch die ca. 700-fache Volumenzunahme bei der CO2-Gasbildung, führt zur vollständigen Ablösung der Verunreinigungen. Durch die geringe Härte der Pellets lassen sich selbst empfindliche Oberflächen wie Gummi, Kunststoffe, Holz, Glas oder polierte Metallflächen ohne Beschädigung oder Abrasion reinigen. [FirmenInformation in Adhäsion – kleben und dichten 45(2001)1/2, 43]. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 12.2.2.1: [A137, A139, B208, B309, D407, F11, H237, H330, K59, N82, O4, S33, S291]. Kryogenes Reinigen: [B309, B364, D407, E174, N55, N56, T56].

12.2.2.2 Kombinierte mechanische-chemische/thermische Oberflächenvorbehandlung

Diese Verfahren füllen eine Lücke zwischen den Oberflächenvorbehandlungsverfahren – mechanisch: Vorteil einer einfachen Durchführung, Nachteil einer nicht möglichen chemischen Modifizierung von Oberflächen; – chemisch/elektrochemisch: Vorteil chemischer Oberflächenveränderungen, Nachteil eines hohen Aufwandes, insbesondere für Prozesskontrolle und Entsorgung. Beiden im Folgenden beschriebenen Verfahren ist gemeinsam, dass sie ursprünglich für den Dentalbereich entwickelt wurden, um besonders feuchtigkeitsstabile adhäsive Bindungen zwischen Keramiken, Kunststoffen und/oder (Edel-)Metallen mit den Zahnsubstanzen zu erzielen [K189–K195, T39]. 앫 SACO-Verfahren *. Bei diesem Verfahren (Abkürzung von SandstrahlCoating) wird mit einem chemisch modifizierten Strahlgut gleichzeitig mit dem Abtragen der Oberfläche auch eine Oberflächenbeschichtung vorgenommen. Bedingt durch die hohe Aufprallenergie der Strahlpartikel werden in Mikrobereichen der Oberfläche sehr hohe Temperaturen erzeugt. * Eingetragenes Warenzeichen der Firma DELO-Industrieklebstoffe GmbH & Co. KG, 86882 Landsberg.

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12 Technologie des Klebens

In diesem sog. Triboplasma wird ein Teil der reaktiven Komponenten des Strahlgutes oder seiner Beschichtung in die Oberfläche der metallischen oder nichtmetallischen Substrate eingebaut. Das Triboplasma und die damit verbundenen Temperaturen treten nur in Mikrobereichen der Oberfläche auf, sodass makroskopisch keine Temperaturerhöhungen des Fügeteils wirksam werden. Die chemische Modifizierung des Strahlgutes besteht im Wesentlichen aus einem Silanisieren (Abschn. 2.7.9) unter gleichzeitigem Zusatz von Aktivatoren (Metallpulver, Metallsalze). Die auf diese Weise auf den Oberflächen aufgebrachten Haftvermittler- und auch Keramikschichten führen zu einem entscheidend verbesserten Adhäsionsverhalten insbesondere unter Feuchtigkeits- und Wärmebeanspruchung [H213]. Als SACO-ROC-Verfahren wird das mit einem entsprechenden Bindemittel verpresste, chemisch modifizierte Strahlgut in Form eines Schleifsteins zum Einsatz gebracht. Vorteilhaft ist in diesem Fall die Eliminierung der Staubentwicklung sowie die Möglichkeit, Oberflächenvorbehandlungen auch auf größeren Klebflächen durchführen zu können. Ergänzende Literatur: [D184, D185, E119, G115, H213, H214, H237, K196–K199, P107, Z38].

앫 Silicoater-Verfahren. Die Grundlage für diesen Prozess ist ebenfalls die Beschichtung von Oberflächen mit haftvermittelnden Substanzen auf Siliziumbasis im µm-Bereich, im Unterschied zu dem SACO-Verfahren allerdings durch thermische Energie. Ausgangsprodukte sind Alkoxysilane (Abschn. 2.3.4), die mittels einer Brenngasflamme aufgebracht werden. Auf die flammenpyrolitisch erzeugten SiOx-Schichten, die noch geringe Anteile an Kohlenstoff enthalten können und die über gute elastische Eigenschaften verfügen, wird anschließend ein herkömmlicher Silan-Haftvermittler aufgetragen. Dieser muss – das gilt grundsätzlich für diese Verbindungen – hinsichtlich seiner vernetzenden Gruppen auf den zur Verwendung gelangenden Klebstoff abgestimmt sein (Abschn. 2.7.9). Die in den nachfolgend aufgeführten Veröffentlichungen beschriebenen Versuchsergebnisse zeigen auch für dieses Verfahren eine wesentliche Verbesserung der Adhäsionsund Klimabeständigkeitseigenschaften. Ergänzende Literatur: [B209, E120, S261, T37–T40, W86].

12.2.2.3 Physikalische Oberflächenvorbehandlung

Die physikalischen Oberflächenvorbehandlungsverfahren basieren im Gegensatz zu den chemischen und elektrochemischen Methoden auf physikalischen Verfahrensgrundlagen. Je nach ihrer Art können diese jedoch neben rein physikalischen Änderungen (z.B. Aufschmelzen) auch zu chemischen Reaktionen (z.B. Einbau von Sauerstoff in Kohlenstoffketten) an einer Oberfläche führen. Für das Kleben sind die folgenden Verfahren wichtig: – Niederdruckplasma-Vorbehandlung (elektrische Spannungsentladungen im Hochvakuum, auch für Oberflächenreinigung im Einsatz),

12.2 Oberflächenbehandlung der Fügeteile

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– Atmosphärendruckplasma, – Corona-Entladung (elektrische Spannungsentladungen unter Normalatmosphäre), – Laser (Erzeugung energiereicher Strahlung). Da diese Verfahren vorwiegend für die Oberflächenvorbehandlung von Kunststoffen eingesetzt werden, erfolgt eine Beschreibung in Abschnitt 14.1.4. 12.2.2.4 Chemische Oberflächenvorbehandlung

Diese Verfahren vermögen auf zweierlei Art auf die Oberfläche einzuwirken. Bei Anwendung nichtoxidierender Säuren (Salzsäure, verdünnte Schwefelsäure) findet eine reine Metall- bzw. Metalloxid-Säure-Reaktion statt, die ein Abtragen der oxidischen und – bei längerer Einwirkung – auch der anschließenden metallischen Grenzschichten zur Folge hat. Es resultiert eine metallisch blanke, saubere Oberfläche, wie sie der Zusammensetzung des Grundmaterials entspricht. Dieser Vorgang wird als „Beizen“ bezeichnet, er stellt eine Kombination von „chemischem Reinigen“ und submikroskopischem Aufrauen der Oberfläche dar, bei der gleichzeitig die für die Ausbildung der Haftungskräfte notwendigen energiereichen Zonen erzeugt bzw. freigelegt werden. Werden dagegen oxidierende Säuren (Salpetersäure, konzentrierte Schwefelsäure, Phosphorsäure) eingesetzt, ggf. unter Zusatz oxidierender Salze wie Natrium- oder Kaliumdichromat, erfolgt zusätzlich eine Oxidation der metallischen Oberfläche bzw. die Bildung festhaftender Metallverbindungen, z.B. Phosphat-, Chromat- und Oxidschichten in wechselnder Zusammensetzung. Die Adhäsionsfestigkeiten der auf diese Weise erhaltenen Oberflächenschichten zu dem entsprechenden Metall hängen im Wesentlichen davon ab, ob die Gitterkonstanten der oxidischen Strukturen zu denen der Metallgitter passen. Bei Aluminium, Chrom, Kupfer und Zink trifft das weitgehend zu, bei Eisen nur eingeschränkt. Die Anwendung oxidierender Lösungen vermag durch den Einbau des (elektronegativen) Sauerstoffatoms darüberhinaus den Dipolcharakter der Oberfläche für die Ausbildung zwischenmolekularer Bindungen zu erhöhen. Die Verfahrensdurchführung erfolgt durch Tauchen. Beim Beizen von Stählen ist die Möglichkeit einer Wasserstoffversprödung zu beachten. Wenn der an der Stahloberfläche adsorbierte (zunächst atomare) Wasserstoff nicht zu Wasserstoffgas (molekular) rekombiniert, besteht die Gefahr, dass er in das Stahlgefüge eindringt und im ungünstigsten Fall zu den sog. wasserstoffinduzierten Sprödbrüchen (Wasserstoffversprödung) führt [A152]. Neben der Vorbehandlung durch Säuren in flüssiger Phase sind für Spezialanwendungen bei Kunststoffen sog. „trockene“ Verfahren in Gasatmosphäre im Einsatz. Hierbei werden insbesondere die Oxidationsreaktionen mittels Ozon und Fluor für eine Oberflächenaktivierung genutzt (Abschn. 14.1.3.2 und 14.1.3.4).

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12 Technologie des Klebens

12.2.2.5 Elektrochemische Oberflächenvorbehandlung

Durch diese Verfahren ergibt sich die Möglichkeit, die gewünschten Oberflächenschichten im Hinblick auf ihre Dicke und Zusammensetzung reproduzierbarer als bei der beschriebenen chemischen Oberflächenvorbehandlung zu gestalten. In Ergänzung zu der Säurekonzentration sowie der Einwirkungstemperatur und -zeit stehen in einem Stromkreis als zusätzliche Parameter die Stromdichte und somit die Grundlagen der Faradayschen Gesetze für eine Abscheidung von Oberflächenschichten zur Verfügung. Aus diesem Grund erfolgt eine Anwendung der elektrochemischen Oberflächenvorbehandlung bei besonders hoch beanspruchten Klebungen. Über eine vielfältige Auswahl an Prozessparametern hinsichtlich eingesetzter Chemikalien, deren Konzentrationen, Stromdichten, Temperaturen und Zeiten lassen sich auf die einzelnen Kombinationen von Fügeteilwerkstoff und Klebstoff abgestimmte Oberflächen mit einem optimalen Beanspruchungsverhalten herstellen. Die chemischen Vorbehandlungsmethoden haben den mechanischen Verfahren gegenüber den Vorteil, dass die Fügeteiloberflächen nicht durch Mikrorisse geschädigt werden und dass sie auch bei dünnen Fügeteilen eingesetzt werden können, die z.B. durch Strahlen verformt würden. Für kontinuierliche Fertigungen ist es vorteilhaft, die einzelnen Bäder (Entfetten – chemische bzw. elektrochemische Vorbehandlung – Spülen) in Reihe zu schalten. Die Zusammensetzungen der Vorbehandlungslösungen und die dafür jeweils anzuwendenden Verfahrensparameter in Abhängigkeit von den Fügeteilwerkstoffen werden in Abschnitt 12.2.4 und 13.2 beschrieben. Die umfangreichsten Kenntnisse über Herstellung und Eigenschaften von Reaktionsschichten liegen aus dem Bereich des Flugzeugbaus für Aluminiumlegierungen vor. Hierauf wird in Abschnitt 13.2.1 und 15.2 gesondert eingegangen. Im Hinblick auf eine Anwendung des Klebens in Bereichen außerhalb der Luftfahrt ist festzustellen, dass in den meisten Fällen das Strahlen in Verbindung mit einer vorherigen und nachträglichen Entfettung als Vorbehandlungsverfahren sehr gute Voraussetzungen für die zu fordernden Klebfestigkeiten bietet. Für eine Vielfalt von klebtechnischen Anwendungen ist es nicht erforderlich, die besonders strengen Kriterien der Luftfahrtindustrie anzulegen, die zwangsläufig chemische und elektrochemische Vorbehandlungsverfahren als Voraussetzung haben. Ergänzende Literatur zu Abschnitt 12.2.2.4 u. 12.2.2.5: [B22, B34, B35, B42, B108, B341, G161, H30, H317, J73, M79, P15, R14, R46, S33, S291, W134, DIN 53281, Bl.1], sowie Literatur im Anschluss an Abschnitt 12.2. Nano-basierte Oberflächenschichten: [B341, G161, J73, W134].

12.2 Oberflächenbehandlung der Fügeteile

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12.2.2.6 Oberflächenvorbehandlung und Grenzschichtausbildung

Aus der Darstellung in Abschnitt 4.9 (Bild 4.23) ist erkennbar, dass die Morphologie der Klebschicht im grenzschichtnahen Bereich gegenüber dem anschließenden Polymer unterschiedliche Strukturen aufweist. Ein maßgeblicher Anteil an dieser Erscheinung ist der Oberflächenvorbehandlung zuzuschreiben, die sich auf verschiedene Weise auswirkt. Nach [H137, J74] resultieren unterschiedliche Tg-Werte innerhalb der Klebschicht aufgrund einer inhomogenen Netzwerkdichte des Polymers bis zu 20 K (gemessen mittels der mikrothermischen Analyse, Abschnitt 16.4.8), Veränderung der elastischen Eigenschaften im Grenzschichtbereich (Rasterkraftmikroskopie-Messungen) sowie eine Beeinflussung des zeitlichen Verlaufs der Vernetzungsreaktion. Die Ergebnisse verschiedener Vorbehandlungen auf die Härtungskinetik einer Epoxid-AlMg3 Klebung mit unterschiedlichen Vorbehandlungen werden in [B365] mitgeteilt. Isotherme Messungen mit der Differenzial-ThermoAnalyse ergaben eine starke Abhängigkeit der Aktivierung der autokatalysierten Additionsreaktion von der Hydroxidbelegung der Substratoberfläche. 12.2.3 Oberflächennachbehandlung

Wenn irgend möglich, sollte die Verklebung der Fügeteile sofort an die Oberflächenvorbehandlung anschließen, da nur dann optimale Klebungen erreicht werden können. Die Begründung hierfür ist in Abschnitt 5.1.2 beschrieben. Dennoch mag es besondere Fertigungsvoraussetzungen geben, die eine sofortige Weiterverarbeitung der vorbehandelten Fügeteile nicht zulassen oder die zusätzlicher Verfahrensschritte bedürfen. In diesen Fällen sind die folgenden Maßnahmen zu beachten: 앫 Klimatisierung der Klebfläche: Diese Forderung dient vor allem der Vermeidung von Reaktionen der Oberfläche mit der Feuchtigkeit der umgebenden Atmosphäre, was zu einem unkontrollierbaren Aufbau von Hydrat- bzw. Oxidhydratschichten führen kann. Weiterhin ist Temperaturgleichheit der Fügeteile mit der Umgebungstemperatur zum Zeitpunkt des Klebens sicherzustellen, um die Kondensation von Wasserdampf auf der Oberfläche zu vermeiden. 앫 Auftrag von Haftvermittlern: Die Verwendung von Haftvermittlern dient der Erhöhung der Klebfestigkeit und Alterungsbeständigkeit und stellt einen zusätzlichen Fertigungsgang dar. Der Aufbau und die Wirkungsweise der Haftvermittler ist in Abschnitt 2.7.15 beschrieben. 앫 Konservierung der Klebflächen: Dieser Schritt erfolgt zweckmäßigerweise durch Anwendung von Primern (Abschn. 2.7.6). Die Verwendung von selbsthaftenden Schutzfolien kann problematisch sein, da sie sich im Allgemeinen nicht völlig rückstandsfrei wieder entfernen lassen.

556

12 Technologie des Klebens

12.2.4 Zusammensetzung der wichtigsten Beizlösungen

Die in der Literatur beschriebenen Möglichkeiten für die chemische Oberflächenvorbehandlung sind so vielfältig, dass in dem vorliegenden Rahmen nur eine Auswahl getroffen werden kann. Auf die in Tabelle 12.1 dargestellten Rezepturen wird bei den Einzelbeschreibungen der Fügeteilwerkstoffe in Abschnitt 13.2 bezug genommen. Bei Betrachtung der Beiz- und Vorbehandlungslösungen fällt der außerordentlich große Aufwand an „Chemie“ auf, der für die Herstellung von Metallklebungen (gleiches gilt auch für Kunststoffklebungen, Abschn. 14.4) in vielen Vorschriften gefordert wird. Ein extremes Beispiel ist die Vorbehandlung von Polytetrafluorethylen (PTFE, Teflon), für die eine Lösung von metallischem Natrium in Naphthalin und Tetrahydrofuran empfohlen wird. Dass derartige Vorbehandlungsmethoden einen Anwender von vornherein davon abhalten können, das Kleben als Fertigungsverfahren anzuwenden, ist durchaus verständlich. Daher soll an dieser Stelle folgendes festgestellt werden: – Die angegebenen Rezepturen resultieren zum größten Teil aus Anwendungen im Luft- und Raumfahrtbereich, wo sie auch zwingend erforderlich sind, um die Langzeitbeständigkeit der Klebungen gegenüber Alterungs- und Korrosionsbeanspruchungen bis zu 30 Jahren zu gewährleisten. Ergänzend kommt hinzu, dass es sich in diesen Fällen fast ausschließlich um Klebungen aus Aluminium- und Titanlegierungen handelt, bei denen die morphologischen Strukturen der jeweiligen Oberflächenschichten ein sehr differenziertes Verhalten klimatischen Einflüssen gegenüber aufweisen. Die besonders kritischen Beanspruchungen liegen in diesen Fällen in den sehr großen Temperaturschwankungen (z.T. 60–80 °C auf Flugplätzen in warmen Ländern bei hoher Luftfeuchtigkeit und –50 bis –60 °C nach dem Start in großen Höhen) und den damit verbundenen Feuchtigkeitskondensationen und Korrosionsangriffen begründet. – Derartige Beanspruchungen sind bei den „üblichen“ Klebungen im industriellen Bereich, wie z.B. bei Straßen- und Schienenfahrzeugen oder im Maschinen- und Anlagenbau, wo vorwiegend mittel- und hochlegierte Stähle und natürlich auch Aluminium verwendet werden, nicht in dem Maße gegeben. Darauf ist es auch zurückzuführen, dass eine mechanische Oberflächenvorbehandlung mit vorherigem und nachträglichem Entfetten in den meisten Fällen eine ausreichende Alterungsbeständigkeit aufweist. Wenn in besonderen Beanspruchungsfällen nur ein Teil der Kosten, die für chemische und elektrochemische Vorbehandlungen aufzuwenden wären, für ein Versiegeln oder Abdichten der Klebfugen gegenüber Feuchtigkeitszutritt eingesetzt wird, ist den Anforderungen zur Herstellung von Klebungen mit guten Langzeitbeständigkeiten in den meisten Fällen Rechnung getragen.

12.2 Oberflächenbehandlung der Fügeteile Tabelle 12.1. Beizlösungen für die Oberflächenvorbehandlung von Metallen

1

2

3

Schwefelsäure-Natriumdichromat-Verfahren (Pickling-Verfahren) a 27,5 Gew.-% konzentrierte Schwefelsäure H2SO4 (1,82 g/ml) 7,5 Gew.-% Natriumdichromat Na2Cr2O7 · 2 H2O 65,0 Gew.-% dest. Wasser Salpetersäure-Kaliumdichromat-Verfahren 20,0 Gew.-% konzentrierte Salpetersäure HNO3 (1,52 g/ml) 15,0 Gew.-% Kaliumdichromat K2Cr2O7 · 2 H2O 65,0 Gew.-% dest. Wasser Schwefelsäure-Oxalsäure-Verfahren 10,0 Gew.-% konzentrierte Schwefelsäure H2SO4 (1,82 g/ml) 10,0 Gew.-% Oxalsäure (COOH)2 80,0 Gew.-% dest. Wasser

4

Schwefelsäure-Verfahren 17,0 Gew.-% konzentrierte Schwefelsäure H2SO4 (1,82 g/ml) 83,0 Gew.-% dest. Wasser

5

Salzsäure-Verfahren 30,0 Gew.-% konzentrierte Salzsäure HCl (1,18 g/ml) 70,0 Gew.-% dest. Wasster

6

Phosphorsäure-Alkohol-Verfahen (AP-Verfahren) 20,0 Gew.-% konzentrierte Phosphorsäure H3PO4 (1,8 g/ml) 34,0 Gew.-% Isobutylalkohol 25,0 Gew.-% Isopropylalkohol 21,0 Gew.-% dest. Wasser

7

45,0 Gew.-% konzentrierte Salpetersäure HNO3 (1,52 g/ml) 7,5 Gew.-% Ammoniummolybdat (NH4)2 MoO4 47,5 Gew.-% dest. Wasser

8

50,0 Gew.-% konzentrierte Salzsäure HCl (1,18 g/ml) 50,0 Gew.-% dest. Wasser

9

2,0 Gew.-% Eisen-III-Chlorid FeCl3 10,0 Gew.-% konzentrierte Salpetersäure HNO3 (1,52 g/ml) 88,0 Gew.-% dest. Wasser

10

10,00 Gew.-% Chromsäure CrO3 0,03 Gew.-% Natriumsulfat Na2SO4 (sicc.) 89,97 Gew.-% dest. Wasser

11

25,00 Gew.-% konzentrierte Salpetersäure HNO3 (1,52 g/ml) 75,00 Gew.-% dest. Wasser

12

15,00 Gew.-% Flusssäure HF (50%ig) 85,00 Gew.-% dest. Wasser

13

15,00 Gew.-% konzentrierte Salzsäure HCl (1,18 g/ml) 85,00 Gew.-% dest. Wasser

a

Aircraft Process Spezification D.T.D. 915 B.

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12 Technologie des Klebens

Unabhängig von diesen Darstellungen bedarf es bei Anwendung der Beizlösungen nach Tabelle 12.1 der Beachtung folgender Punkte: 앫 Bei dem Ansetzen der Beizlösungen darf keinesfalls Wasser in die Säure gegeben werden. In allen Fällen ist das Wasser vorzulegen und die Säure unter Rühren langsam hinzuzufügen (Schutzbrille!). 앫 Bei dem eingesetzten Natrium- bzw. Kaliumdichromat ist darauf zu achten, dass nur chemisch reine Qualität verwendet wird, die mit einem Chloridgehalt von ca. 0,025% beträchtlich unter den Werten von ca. 0,8–1,2% bei den technischen Qualitäten liegt. Durch die hohen Chloridkonzentrationen kann es bei den Aluminiumlegierungen während des Beizens zu starken Korrosionsvorgängen kommen [P13]. 앫 In den Fällen, in denen vergleichende Bewertungen von Klebfestigkeiten durchzuführen sind, sollte grundsätzlich die in DIN EN 1465/DIN 53281 Blatt 1 festgelegte Rezeptur der Beizlösung angewendet werden (Tabelle 12.1, Nr. 1).

12.3 Klebstoffverarbeitung 12.3.1 Vorbereitung der Klebstoffe

In vielen Fällen ist davon auszugehen, dass die Klebstoffe für die Verarbeitung entsprechend vorbereitet werden müssen. Die erforderlichen Verfahrensschritte richten sich dabei nach der Art des Klebstoffgrundstoffs und seiner verarbeitungsspezifischen Parameter. Im Einzelnen können die folgenden Maßnahmen erforderlich sein: 앫 Untersuchung des Klebstoffs vor der Verarbeitung nach DIN EN 1066 und 1067. 앫 Viskositätseinstellung bei lösungsmittelhaltigen Klebstoffen (s.a. Abschn. 12.3.1.1). 앫 Homogenisieren bei füllstoffhaltigen Klebstoffen. Erfolgt durch Rühren entweder vor oder auch kontinuierlich während der Verarbeitung, um eine erneute Sedimentation auszuschließen. 앫 Verflüssigen bei Schmelzklebstoffen durch Aufheizen. Wegen der schlechten Wärmeleitfähigkeit der Klebstoffschmelzen ist auf eine gleichmäßige Wärmezufuhr (z.B. durch Verwendung von Extrudern) zu achten. Bei reaktiven Schmelzklebstoffen (Abschn. 2.2.1.8 und 2.2.2.5) erfolgt grundsätzlich nur ein partielles Aufschmelzen entsprechend der geforderten Auftragsmenge, um vorzeitige Härtungsreaktionen so gering wie möglich zu halten. 앫 Konfektionieren von Klebstofffolien durch Zuschneiden auf die entsprechende Fügeflächengröße. 앫 Klimatisieren des Klebstoffs auf die Verarbeitungstemperatur. Wichtig in kalten oder auch sehr warmen Jahreszeiten bei Lagerung in nicht klimatisierten Lagern, um gleichmäßige Verarbeitungsviskositäten sicherzustel-

12.3 Klebstoffverarbeitung

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Tabelle 12.2. Wasserdampfgehalt der Luft in gm–3 in Abhängigkeit von der Temperatur und der relativen Luftfeuchtigkeit

Temperatur in °C 10 20 30 40

Relative Feuchte in % 10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

0,9 1,7 3,0 5,1

1,9 3,5 6,1 10,2

2,8 5,2 9,1 15,2

3,8 6,9 12,1 20,3

4,7 8,7 15,2 25,4

5,6 10,4 18,2 30,5

6,6 12,1 21,3 35,5

7,5 13,8 24,3 40,6

8,5 15,6 27,3 45,7

9,4 17,3 30,4 50,8

len. Bei wässrigen Klebstoffdispersionen ist in diesem Zusammenhang auf die Gefahr des Einfrierens hinzuweisen, durch die – auch nach dem Auftauen – eine Zerstörung der Dispersion und somit Unbrauchbarkeit resultiert. Ergänzend soll der Hinweis erfolgen, dass ähnliche Überlegungen auch für die zu klebenden Werkstoffe gelten. 앫 Prüfung der vorhandenen Luftfeuchtigkeit. Dieser Punkt ist ergänzend zu der Klebstoffvorbereitung zu sehen. Er ist für die Verarbeitung von Einkomponenten-Polyurethan- und Cyanacrylatklebstoffen wichtig. Insbesondere in Wintermonaten kann bei der Verarbeitung von Cyanacrylaten die gewohnte schnelle Anfangsfestigkeit durch die geringe Luftfeuchtigkeit herabgesetzt werden. Bei den Polyurethanklebstoffen resultieren längere Abbindezeiten. Eine Übersicht über die Feuchtigkeitskonzentration in Abhängigkeit von der Temperatur und der relativen Luftfeuchtigkeit gibt Tabelle 12.2. Bemerkung: Die Feuchtigkeit (Wasserdampfgehalt) der Luft wird angegeben als – absolute Feuchtigkeit in g Wasserdampf je m3, – spezifische Feuchtigkeit in g Wasserdampf je kg feuchter Luft, – relative Feuchtigkeit als Verhältnis des in der Luft vorhandenen Wasserdampfes zu der bei der jeweiligen Temperatur überhaupt möglichen Wasserdampfmenge, der Sättigungs- oder maximalen Feuchtigkeit. Für 1 Mol einer reaktiven Isocyanatgruppe –N=C=O (Molgewicht 42) sind beispielsweise 18 g Wasser für die Härtungsreaktion erforderlich. Das bedeutet bei einer relativen Feuchte von 20% bei 10 °C den gesamten Feuchtigkeitsanteil von ca. 10 m3 Luft. Bei 70% und 20 °C sind es nur noch ca. 1,5 m3 Luft. Die genaue Befolgung der erwähnten Maßnahmen ist insofern von großer Bedeutung, als sie einen wesentlichen Schritt der Qualitätssicherung darstellt. Die nur sehr begrenzt verfügbaren zerstörungsfreien Prüfverfahren bedingen, dass die geforderten Qualitätskriterien des Endproduktes bereits während des Fertigungsprozesses „eingebaut“ werden.

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12 Technologie des Klebens

12.3.1.1 Viskosität der Klebstoffe

Die Viskosität ist ein entscheidendes Kriterium für die Benetzungsfähigkeit eines Klebstoffs auf der Fügeteiloberfläche, wobei unter dem Benetzungsvermögen zusätzlich die Möglichkeit der Luftverdrängung aus den ggf. vorhandenen Kapillaren oder Oberflächenvertiefungen durch den Klebstoff verstanden werden muss. Grundlage für die Viskosität eines Klebstoffs ist der Molekülaufbau, insbesondere die Kettenlänge und die Länge vorhandener Seitenketten sowie die vorhandenen polaren Gruppierungen. Von Letzteren gehen maßgeblich die Kraftwirkungen aus, die die Beweglichkeit der Seitenglieder und Kettensegmente beeinflussen. Bei lösungsmittelhaltigen Klebstoffen ist die Viskosität von der Konzentration des Klebstoffgrundstoffs in dem entsprechenden Lösungsmittel abhängig. Klebstoffe zeigen im Allgemeinen ein nichtnewtonsches Verhalten, d.h. die zwischen zwei benachbarten Strömungsebenen auftretende Schubspannung ist nicht proportional dem Geschwindigkeitsgefälle. Nur im niedrigmolekularen Bereich kann in Einzelfällen von newtonschen Flüssigkeiten ausgegangen werden. Die Kenntnis des Viskositätsverhaltens ist für die Erzielung einer gleichmäßigen Klebschichtdicke und Kontinuität der aufgetragenen Klebschicht insbesondere bei schnelllaufenden, kontinuierlichen Anlagen wichtig. Die Abhängigkeit der resultierenden Klebschichtdicke von der Klebstoffviskosität und dem Anpressdruck ist in Abschnitt 3.1.1.4 beschrieben worden, weiterhin wurde in Abschnitt 3.1.1.5 bereits die Abhängigkeit der Viskosität von Zeit und Temperatur bei dem Mischen von Zweikomponenten-Reaktionsklebstoffen behandelt. Eine Einstellung der Viskosität auf gegebene Verarbeitungsverhältnisse kann bei zu geringen Viskositäten über die Zugabe von Verdickungsmitteln, z.B. Kieselsäuregelen, erfolgen. Zu hohe Viskositäten werden über entsprechende Lösungsmittelzusätze verringert. Diese Möglichkeiten beziehen sich praktisch ausschließlich auf lösungsmittelhaltige Klebstoffe. Bei lösungsmittelfreien Reaktionsklebstoffen sind Änderungen der Viskosität durch den Anwender nur sehr bedingt möglich, allenfalls gelingt das bei Klebstoffsystemen, die in ihrer Rezeptur bereits Reaktivverdünner enthalten (Abschn. 2.3.3.2 u. 3.2). Höhere Viskositäten sind bei der Klebung poröser Fügeteile vorteilhaft, um ein „Wegschlagen“ des Klebstoffs in die Oberfläche zu verhindern oder um ein zu starkes Ablaufen an den Klebfugenrändern zu vermeiden. Für die häufig gestellte Forderung nach der Spaltüberbrückbarkeit eines Klebstoffs können für die erforderliche Viskosität die in Tabelle 12.3 angegebenen Werte zugrunde gelegt werden, die jedoch im Einzelnen von der geometrischen Oberflächenbeschaffenheit und dem Benetzungsvermögen der Oberfläche abhängig sind. Weiterhin erfordern auch die vorgesehenen Verarbeitungsverfahren entsprechende Viskositäten, z.B. das Spritzen eine niedrigviskose, das Auftragen durch Siebdruck eine pastöse Einstellung. Viskositätsangaben oberhalb von 30000 mPas erfolgen häufig in der Maßeinheit „Auspressmenge pro Zeitein-

12.3 Klebstoffverarbeitung Tabelle 12.3. Zusammenhang von Spaltbreite und Viskosi