Entrepreneurship Modelle - Umsetzung - Perspektiven ; mit Fallbeispielen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz [2., überarb. und erw. Aufl] 9783834907295, 3834907294 [PDF]


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Entrepreneurship Modelle - Umsetzung - Perspektiven ; mit Fallbeispielen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz [2., überarb. und erw. Aufl]
 9783834907295, 3834907294 [PDF]

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Zitiervorschau

Urs Fueglistaller | Christoph Müller | Thierry Volery Entrepreneurship

Urs Fueglistaller | Christoph Müller | Thierry Volery

Entrepreneurship Modelle – Umsetzung – Perspektiven Mit Fallbeispielen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz unter Mitarbeit von Susan Müller 2., überarbeitete und erweiterte Auflage

Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Prof. Dr. Urs Fueglistaller ist Inhaber des Lehrstuhls für Unternehmensführung mit besonderer Berücksichtigung der kleinen dynamischen Unternehmungen und Geschäftsführender Direktor des Schweizerischen Instituts für Klein- und Mittelunternehmen an der Universität St. Gallen (KMU-HSG). Prof. Dr. Christoph Müller ist Inhaber des Stiftungslehrstuhls „Unternehmensgründung und Unternehmertum (Entrepreneurship)“ an der Universität Hohenheim sowie Lehrbeauftragter an der Universität St. Gallen. Prof. Dr. Thierry Volery ist Inhaber des Lehrstuhls für Unternehmensführung mit besonderer Berücksichtigung des Entrepreneurship und Geschäftsführender Direktor des Intensivstudiums KMU an der Universität St. Gallen.

1. Auflage 1976 . 1. Auflage 2004 Nachdruck 2005 2. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Ulrike Lörcher | Katharina Harsdorf Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Ulrike Weigel, www.CorporateDesignGroup.de Druck und buchbinderische Verarbeitung: Wilhelm & Adam, Heusenstamm Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-0729-5

Vorwort zur 1. Auflage

„Aberbaldwurdebemerkbar,dass,seitdemThomasBuddenbrookdieZü gel in Händen hielt, ein genialerer, ein frischerer und unternehmenderer Geist den Betrieb beherrschte. Hie und da ward etwas gewagt, hie und da wardderKreditdesHauses,derunterdemfrüherenRegimeeigentlichbloß ein Begriff, eine Theorie, ein Luxus gewesen war, mit Selbstbewusstsein angespannt und ausgenützt ... Die Herren an der Börse nickten einander zu.“ Thomas Mann hat in seinem Roman über die Lübecker Kaufmannsfa milie Buddenbrook den Unternehmergeist vor allem in Person des jungen Thomas Buddenbrook eingefangen. Diesen Geist aufzugreifen, ihn von verschiedener Seite zu beleuchten sowie die Brücke zwischen Theorie und unternehmerischerPraxiszuschlagenistInhaltdiesesLehrbuchs. Entrepreneurship befindet sich weiterhin im Aufschwung: Die Neugrün dungen übersteigen nach wie vor die Zahl der Schließungen, die Zahl der einschlägigenProfessurenhatimdeutschsprachigenRaumfastdieZahl60 erreicht, und allerorten wird unternehmerisches Denken und Handeln ge fordert–inEinzelunternehmen,inmittelständischenFamilienunternehmen, in Großkonzernen, aber auch beim Staat, in Universitäten und im sozialen Bereich. EineReihevonEntrepreneurshipLehrbüchernistalsZeichenauchdeswis senschaftlichen Aufschwungs in den letzten Jahren auf den Markt gekom men. Dieses Lehrbuch soll zu diesen Werken nicht in Konkurrenz treten, sondern als Komplementär dienen. Dies wird durch den durchgängigen TheoriePraxisTransferangestrebt,dennjedesKapitelbeinhaltetzuden theoretischenGrundlageneinodermehrereFallbeispieleausderunterneh merischenPraxis.DabeiwurdensowohlgemeinsammitdenUnternehmern erstellteFallbeispieleeingefügt,alsauchinjüngsterZeiterschieneneBerich teüberUnternehmerundihreinnovativenProjekte. DasBuchsetztseinenFokusbeiderAuswahlderFallbeispieleaufDeutsch land,ÖsterreichunddieSchweiz.Dieshängtnebenderengenwirtschaftli chenVerflechtungderLändermitderLehr,ForschungsundPraxistätigkeit der Autoren zusammen. Deutschland wird in diesem Fall repräsentiert durch den Stiftungslehrstuhl für Unternehmensgründungen und Unter nehmertum(Entrepreneurship)anderUniversitätHohenheim.DieSchweiz ist durch das Schweizerische Institut für Klein und Mittelunternehmen an derUniversitätSt.Gallenvertreten.ÖsterreichhatzwarfürdiesesBuchpro

V

Vorwort zur 1. Auflage

jekt keinen eigenen Lehrstuhl eingebracht, spielt dafür als Partner in der EuregioBodenseeundfürWeiterbildungsseminareeinebedeutendeRolle. Entrepreneurship im Sinne dieses Lehrbuches wird als das Erkennen von unternehmerischen Gelegenheiten und den darauf folgenden Prozess der Evaluierung und Nutzung derselben in unterschiedlichster Form verstan den.HinterdiesemProzessstehenimmerdiehandelndenMenschen,dievor allemindenFallbeispielenvorgestelltwerdensollen. Das Buch gliedert sich in vier Teile: Grundmodelle von Entrepreneurship, WegezumUnternehmertum,UmsetzungderPläneindieTatundEntrepre neurshipimerweitertenKontext.JedesKapitelschließtmitDiskussionsfra gen zum Text und den Fallstudien sowie weiterführenden Forschungsauf gaben.EineInternetseitealszusätzlicheInformationsundDiskussionsplatt formrundumdasBuchwirdaufgebaut. ImerstenTeilüberdieGrundmodellewirdEntrepreneurshipalseinzelund gesamtwirtschaftlicheHerausforderungvorgestellt.Dabeigehtesnebender Definition vorallem um denProzess des Entrepreneurship und die daraus resultierende zentrale volkswirtschaftliche Bedeutung. Anschließend wird die Unternehmerpersönlichkeit charakterisiert sowie geklärt, wie man he rausfinden kann, inwieweit man bereits unternehmerisches Talent hat. Da nachkanndasneueUnternehmenstarten:ZuBeginnderGründungstehen immerdieIdeeunddieKreativität,aberauchdieEinbindunginsozialeund wirtschaftlicheNetzwerke.AlsweiteresKapiteldiesesTeilswirddasThema Klein und Mittelunternehmen – kurz: KMU – aufgegriffen: Worin unter scheidensichUnternehmervonManagern,wielassensichKMUdefinieren undwelcheBedeutunghabensieinunserenVolkswirtschaften. DerzweiteTeilzeigtauf,wiemanUnternehmerwird.WelcheWegeführen zur unternehmerischen Tätigkeit? Zuerst via eigener Unternehmensgrün dung,dannüberdenKaufoderdieBeteiligunganeinemUnternehmenund des Weiteren über die immer bedeutender werdende Nachfolge oder Fir menübernahme.GeradeindendreiSchwerpunktländerndiesesBuchsspielt dasGelingenoderScheiternvonUnternehmensnachfolgeneinebedeutende einzel und volkswirtschaftliche Rolle. Schließlich können auch etablierte UnternehmendenUnternehmergeistihrerMitarbeiterneubelebenundmit den Mitteln des Corporate Entrepreneurship beständig Innovationen her vorbringen. ImZentrumdesdrittenTeilsstehtdieUmsetzungderPläneindieTat.Das KerninstrumenthierfüristderBusinessPlan.DabeisollennachderEinfüh rung in die Inhalte und das Schreiben eines Business Plans die zumeist er folgsentscheidenden Kriterien herausgestellt werden: Die Durchführung einer Marktforschungsstudie, das Lösen des Finanzierungsproblems, das Gestalten von Dienstleistungen und Beziehungen, auftauchende rechtliche

VI

Vorwort zur 1. Auflage

Fragen sowie die zur Verfügung stehenden Unterstützungsmittel und institutionenindendreiLändern. Das vierte Kapitel erweitert die Kernperspektive um zusätzliche Aspekte. DazuzähltdieGestaltungderweiterenWachstumsundEntwicklungspha se,dienachderGründunggemeistertwerdenmuss.Ebensogiltesdanndie Herausforderung der Internationalisierung anzugehen und entsprechende Markteintrittsformen und Geschäftsmodelle auszugestalten. Als letztes Kapitel wird das immer stärker ins öffentliche Interesse rückende Thema des Social Entrepreneurship aufgegriffen. Dort werden die entsprechenden Formen vorgestellt und damit aufgezeigt, dass auch soziale und kulturelle ProjekteebenfallsimunternehmerischenSinnegeführtwerdenkönnen. Dieser weite Bogen an unternehmerischen Herausforderungen und Lö sungsansätzen konnte nur mit Hilfe engagierter Mitstreiter aufgespannt werden. Die Herausgeber danken ganz herzlich dem Expertenteam der UniversitätSt.Gallen,hiervorallemHeikoBergmann,PetraFieber,Martina L. Jakl, Ev Müllner und Thomas Rüegge für ihren tatkräftigen Einsatz. Die GenauigkeitundGeduldverlangendeLayoutarbeitverdankenwirsehrMax KunzevonderUniversitätHohenheim.DieLektoratsarbeithatSabineBer natzausWiesbadenübernommen–vielenDank.DasTeamderUniversität Hohenheim,EllenHirt,ChristinaNahrEttlundAntjevonDewitzhateben falls dankenswerterweise Texte redigiert und bei den Fallbeispielen mitge wirkt. Dem Gabler Verlag gilt unser Dank für die unternehmerische Ent scheidung, in einem deutschsprachigen Lehrbuch die Theorie mit Fallbei spielen verbinden zu können. Für diese Fallstudien danken wir den Unternehmerinnen und Unternehmern, die hierfür ihre eigenen Fälle zur VerfügunggestellthabenundErnst&Young’sEntrepreneuroftheYear®,die den Kontakt bei einigen Fallstudien hergestellt haben. Ein weiterer Dank geht an die Anzeigensponsoren, die dadurch das Entstehen des Buches geförderthaben. Unternehmerisches Denken und Handeln, getragen von Persönlichkeiten und deren Verantwortungsbewusstsein, wird sich weiter als Grundprinzip des Führens von Unternehmen und weiteren Institutionen durchsetzen. Dazu gehören Kreativität, Ideen, bewusste Risikobereitschaft, Durchset zungskraft und die erforderliche Begeisterungsfähigkeit für Kunden und Mitunternehmer. Oder in Thomas Buddenbrooks Worten: „Ein Geschäfts manndarfkeinBürokratsein!“.IndiesemSinnewünschenIhnendieAuto ren eine anregende und motivierende Lektüre. Für Anregungen und Hin weise aus Ihrem geschätzten Kreis, geehrteLeserinnen und Leser, sindwir dankbar. St.GallenundStuttgartimAugust2004 UrsFueglistaller,ChristophMüller,ThierryVolery

VII

Vorwort zur 2. Auflage

Die Idee eines EntrepreneurshipLehrbuches, das Theorie und Praxis glei chermaßen zu ihrem Recht kommen lässt, ist in seiner ersten Auflage auf eine überaus positive Resonanz gestoßen. Wir freuen uns deshalb sehr, Ih neneinezweiteundkomplettüberarbeiteteAuflagepräsentierenzukönnen. Sämtliche Kapitel wurden inhaltlich überarbeitet und aktualisiert. Zudem wurdederAufbaudesBuchesgeändert:NeuhinzugekommenistdasKapi tel Strategie, das mit den Themen strategischeAusrichtung und Geschäfts modelle wichtige Grundlagen für einen erfolgreichen Unternehmensstart liefert. Das Kapitel Recht beinhaltet nun auch die rechtlichen Grundzüge, die für Unternehmensgründungen in Österreich relevant sind. Herausge nommen haben wir das Kapitel Entrepreneurship und KMU. Damit möch ten wir den klaren EntrepreneurshipFokus des Buches unterstreichen. Die InhaltediesesKapitels,diefürdieThematikEntrepreneurshiprelevantsind, wurdenjedochinKapitel1berücksichtigt. Aktuelle Fallstudien sind ein wesentliches Element des Lehrbuches und ermöglichen einen spannenden TheoriePraxisTransfer. Zu jedem Kapitel gibt es daher eine passende Fallstudie, in der die jeweiligen theoretischen Aspekte zum Tragen kommen. Alle Fallstudien basieren auf realen und authentischen Unternehmenssituationen aus Deutschland, Österreich und derSchweizundkönneninderLehreeingesetztwerden.SoerhaltenStudie rende die Möglichkeit, EntrepreneurshipKnowhow unter möglichst reali tätsnahen Bedingungen anzuwenden. Für die zweite Auflage wurden alle Fallstudienentwederüberarbeitetoderkomplettersetzt.Gleichesgiltfürdie Unternehmerprofile,dieebenfallsaktualisiertoderneugeschriebenwurden. Das Layout wurde unter didaktischen Gesichtspunkten neu gestaltet und zweifarbigangelegt. Diese umfangreiche Überarbeitung wäre ohne die Unterstützung engagier terMitarbeiternichtmöglichgewesen.DieHerausgeberdankenganzherz lich den Experten und Kollegen der Universitäten St.Gallen und Hohen heim.AnderUniversitätSt.GallenwarendiesvorallemSusanMüllerund Heiko Bergmann, an der Universität Hohenheim vor allem Beate Cesinger, SabineKranich,ChristinaLaib,DanielaPutschundRomyVoß.Einbesonde rerDankgiltauchProf.NorbertKailervomInstitutfürUnternehmensgrün dungundUnternehmensentwicklungderJohannesKeplerUniversitätLinz, derdasKapitelRechtumdieösterreichischenInformationenergänzthat.

IX

Vorwort zur 2. Auflage

Die Lektoratsarbeit hat Martina Wütz übernommen – vielen Dank für die hervorragende Zusammenarbeit. Unser Dank gilt auch dem Gabler Verlag, derunswieschonbeidererstenAuflagesehrgutbetreuthat. St.GallenundStuttgartimJanuar2008 UrsFueglistaller,ChristophMüller,ThierryVolery

X

Kapitelübersicht

TEIL I: Grundmodelle von Entrepreneurship 1

Entrepreneurship als einzel- und gesamtwirtschaftliche Herausforderung ................................................................ 1

2

Die Unternehmerpersönlichkeit............................................. 39

3

Kreativität, Innovation und Entrepreneurship ............................ 73

 TEIL II: Wege zum Entrepreneurship 4

Chancenpotenzial und Unternehmensgründung ......................... 109

5

Firmenkauf und Beteiligung an einem Unternehmen................... 133

6

Firmenübernahme – Nachfolge............................................. 165

7

Corporate Entrepreneurship................................................ 201

 Teil III: Umsetzung der Pläne in die Tat 8

Businessplan .................................................................. 229

9

Strategie....................................................................... 249

10 Markt ........................................................................... 281 11 Finanzierung .................................................................. 311 12 Rechtliche Grundfragen ..................................................... 345 13 Unterstützung im Gründungsprozess ...................................... 387  Teil IV: Entrepreneurship im erweiterten Kontext 14 Dienstleistungen und Beziehungsmanagement .......................... 415 15 Wachstum ..................................................................... 451 16 Social Entrepreneurship..................................................... 479

XI

Inhaltsverzeichnis

Vorwort zur 1. Auflage..............................................................V Vorwort zur 2. Auflage............................................................. IX Kapitelübersicht .................................................................... XI Inhaltsverzeichnis .................................................................XIII Abbildungsverzeichnis .......................................................... XXIII Tabellenverzeichnis ..............................................................XXV  1

Entrepreneurship als einzel- und gesamtwirtschaftliche Herausforderung ................................................................ 1 1.1

Einführung .......................................................................................... 2

1.2

UrsprungundBedeutungvonEntrepreneurship.......................... 4

1.3

1.4

1.5

1.2.1

DerUrsprungvonEntrepreneurship ................................................4

1.2.2

EntrepreneurshipinderWissenschaft ..............................................5

DieSchlüsselelementevonEntrepreneurship ................................ 6 1.3.1

DerUnternehmer ..................................................................................7

1.3.2

DieunternehmerischeGelegenheit..................................................10

1.3.3

Ressourcen............................................................................................10

1.3.4

Organisation.........................................................................................11

1.3.5

Umwelt .................................................................................................12

DerVersucheinerDefinition:EntrepreneurshipalsProzess ..... 13 1.4.1

UnternehmerischeGelegenheiten ....................................................14

1.4.2

Erkennen...............................................................................................15

1.4.3

Evaluieren.............................................................................................16

1.4.4

Nutzen ..................................................................................................17

EntrepreneurshipundwirtschaftlichesWachstum ..................... 19 1.5.1

EntrepreneurshipalsMotordesModells........................................20

1.5.2

MessungunternehmerischerAktivität............................................22



XIII

Inhaltsverzeichnis

1.6

EntrepreneurshipundKMU............................................................25 1.6.1

DiewirtschaftlicheBedeutungvonKMU.......................................25

1.6.2 

EntrepreneurshipundKMU:zweisichergänzende Begriffe..................................................................................................27

1.6.3

EntrepreneurversusKMUManager...............................................28

1.7

Fallstudie:IndividuellgemixtesMüsli...........................................30

1.8

Zusammenfassung............................................................................34

 2

Die Unternehmerpersönlichkeit ............................................. 39 2.1

Einführung.........................................................................................40

2.2

ChancenmachenUnternehmer.......................................................40

2.3

2.4

2.5



XIV

2.2.1

DieBeziehungzwischenIndividuumundChance ......................41

2.2.2 

DieEntdeckungundBewertungunternehmerischer Chancen ................................................................................................44

2.2.3

UnternehmerischeChancennutzen.................................................47

Unternehmerprofileverstehen ........................................................49 2.3.1 

DieRollenderUnternehmer– eineökonomischePerspektive..........................................................49

2.3.2 

CharakteristikavonUnternehmern– einbehavioristischerAnsatz .............................................................51

2.3.3

DasGründerteam................................................................................55

DieRisikeneinerKarrierealsUnternehmer..................................57 2.4.1

FinanzielleRisiken..............................................................................58

2.4.2

Karriererisiken.....................................................................................58

2.4.3

SozialeRisiken.....................................................................................58

2.4.4

GesundheitlicheRisiken ....................................................................59

Erfolgsmessgrößen............................................................................59 2.5.1

Opportunitätskosten ..........................................................................59

2.5.2

Liquiditätspremium ...........................................................................60

2.5.3

Risikopremium....................................................................................60

2.5.4

Unsicherheitspremium ......................................................................60

2.6

Fallstudie:CLASEO ..........................................................................62

2.7

Zusammenfassung............................................................................68

Inhaltsverzeichnis

3

Kreativität, Innovation und Entrepreneurship ............................ 73 3.1

Einführung ........................................................................................ 74

3.2

Innovationsmanagement ................................................................. 81

3.3

WerliefertIdeen?.............................................................................. 83

3.4

OrtderIdeenentstehung ................................................................. 85

3.5

TreiberfürdieKreativitätundInnovation.................................... 88

3.6

RolledesEntrepreneurs .................................................................. 90

3.7

BeeinflussungdesDiffusionsprozesses......................................... 95

3.8

Fallstudie:NoventaEngineeringAG ............................................. 98

3.9

Zusammenfassung ......................................................................... 103

 4

Chancenpotenzial und Unternehmensgründung ......................... 109 4.1

Einführung ...................................................................................... 109

4.2

Chancenevaluieren........................................................................ 110

4.3

4.2.1

Fatalflawsvermeiden ..................................................................... 111

4.2.2

Chancenstrukturiertbewerten ...................................................... 112

SchritteimGründungsprozess ..................................................... 119 4.3.1

GründungeinesUnternehmensinDeutschland ........................ 120

4.3.2

GründungeinesUnternehmensinderSchweiz ......................... 121

4.3.3

GründungeinesUnternehmensinÖsterreich ............................ 122

4.3.4

GründungeinesUnternehmensimLändervergleich ................ 122

4.4

Fallstudie:XpresSys ....................................................................... 124

4.5

Zusammenfassung ......................................................................... 130

 5

Firmenkauf und Beteiligung an einem Unternehmen................... 133 5.1

Einführung ...................................................................................... 134

5.2

UmfangundEntwicklungdesMarktesfürUnternehmen....... 134

5.3

MotivefürKaufundVerkauf ....................................................... 136 5.3.1

MotivefürdenKaufeinesUnternehmens................................... 136

5.3.2

MotivefürdenVerkaufeinesUnternehmens ............................. 138

5.4 

MethodendesUnternehmenskaufsundderBeteiligungan Unternehmen .................................................................................. 140

5.5

DiezentralenSchritteimKaufundBeteiligungsprozess ........ 143

XV

Inhaltsverzeichnis

5.6

5.5.1

KaufundVerkaufsvorbereitung ...................................................144

5.5.2

KontaktaufnahmeundersteVerhandlungen...............................145

5.5.3

LetterofIntent ...................................................................................146

5.5.4

DetailuntersuchungdesKaufobjektes...........................................147

5.5.5

VerkaufsverhandlungenundVertragsabschluss.........................148

5.5.6

UnternehmerischerNeubeginn ......................................................149

BestimmungdesWerteseinesUnternehmens ............................150 5.6.1

Ertragswertverfahren .......................................................................151

5.6.2

Marktwertverfahren .........................................................................152

5.6.3

Substanzwertverfahren ....................................................................153

5.6.4

Praktikerverfahren............................................................................153

5.6.5

WeitereVerfahren .............................................................................154

5.6.6

DieAuswahleinesgeeignetenBewertungsverfahrens...............154

5.7

Fallstudie:Swissbit .........................................................................155

5.8

Zusammenfassung..........................................................................161

 6

Firmenübernahme – Nachfolge ............................................ 165 6.1

Einführung.......................................................................................166

6.2

KMUund/oderFamilienunternehmen?.......................................167

6.3 

VolkswirtschaftlicheBedeutungder Unternehmensnachfolge ................................................................169

6.4

VariantenderUnternehmensnachfolge .......................................170

6.5

XVI

6.4.1

DiefamilieninterneNachfolge........................................................171

6.4.2

DerUnternehmensverkauf..............................................................172

6.4.3

DieStiftungslösung ..........................................................................174

ProblemfelderundHerausforderungenderNachfolge.............179 6.5.1

RechtlicheundfinanzielleProblemfelder.....................................179

6.5.2

OrganisatorischeProblemfelder.....................................................181

6.5.3

PsychologischeHerausforderungen..............................................182

6.6

NachfolgealsintegrierterManagementprozess .........................185

6.7

DieintegrativeZielplanung...........................................................187 6.7.1

GegenläufigeZieledesUnternehmers ..........................................187

6.7.2

PersönlicheZielederBeteiligten ....................................................188

Inhaltsverzeichnis

6.7.3

FinanzwirtschaftlichesZielsystem ................................................ 189

6.8

BeratendeInstitutionen ................................................................. 190

6.9

Fallstudie:Pustefix ......................................................................... 191

6.10

Zusammenfassung ......................................................................... 194

 7

Corporate Entrepreneurship................................................ 201 7.1

7.2 

7.3

Einführung ...................................................................................... 202 7.1.1 

CorporateEntrepreneurshipEinumfassender Begriff................................................................................................. 202

7.1.2 

SystematisierungvonCorporateVentureCapital Aktivitäten......................................................................................... 204

7.1.3

HerausforderungenfürbestehendeUnternehmen .................... 205

VorgehensweisebeiderCorporateEntrepreneurship Umsetzung ...................................................................................... 206 7.2.1 

GrundvoraussetzungenfürCorporate Entrepreneurship ............................................................................. 207

7.2.2 

EntwicklungsprozessdesCorporate Entrepreneurship ............................................................................. 208

AcademicEntrepreneurship ......................................................... 213 7.3.1 

AbgrenzungundDefinitionvonAcademic Entrepreneurship ............................................................................. 213

7.3.2

DerAcademicEntrepreneurshipProzess.................................... 216

7.4 

Fallstudie:CorporateEntrepreneurshipbeim BASFKonzern ................................................................................ 219

7.5

Zusammenfassung ......................................................................... 225

 8

Businessplan .................................................................. 229 8.1

Einführung ...................................................................................... 229

8.2

BedeutungundEinsatzbereich..................................................... 230

8.3

AufbaudesBusinessplans............................................................. 234 8.3.1

ExecutiveSummary ......................................................................... 235

8.3.2

IdeeundProdukt ............................................................................. 236

8.3.3

PersonenundTeam.......................................................................... 236

8.3.4

KundenundKonkurrenz,MärkteundMarketing..................... 237

8.3.5

OrganisationundVertrieb.............................................................. 237

XVII

Inhaltsverzeichnis

8.4

8.3.6

Umsetzungsplan ...............................................................................238

8.3.7

RisikenundGegenmaßnahmen .....................................................238

8.3.8

FinanzplanungundFinanzierung .................................................239

DieErstellungeinesBusinessplans...............................................240 8.4.1

ZentraleAnforderungenaneinenBusinessplan .........................240

8.4.2

VorgehenbeiderErstellungeinesBusinessplans .......................241

8.5

Fallstudie:NewBizCup ..................................................................243

8.6

Zusammenfassung..........................................................................246

 9

Strategie ...................................................................... 249 9.1

Einführung.......................................................................................250

9.2

WasisteineStrategie? ....................................................................251

9.3

DerstrategischeManagementprozess..........................................252

9.4

9.5

9.3.1 

FormulierungderVision,Missionundder strategischenZiele ............................................................................254

9.3.2

DurchführungeinerSWOTAnalyse .............................................255

9.3.3

EntscheidungfüreinegenerischeStrategie..................................256

9.3.4

ImplementierungeinerStrategie....................................................257

9.3.5

BewertungeinerStrategie ...............................................................258

InterneAnalyse ...............................................................................260 9.4.1

WettbewerbsvorteileundWertgenerierung .................................260

9.4.2

Wettbewerbsvorteiledauerhaftnutzen .........................................262

ExterneAnalyse...............................................................................264 9.5.1

Branchenanalyse ...............................................................................265

9.5.2

EinflüssederMakroumgebung ......................................................267

9.6

Das„richtige“Geschäftsmodellfinden........................................269

9.7

Fallstudie:Zattoo ............................................................................270

9.8

Zusammenfassung..........................................................................277

 10 Markt........................................................................... 281 10.1

Einführung.......................................................................................282

10.2

Markt–DasunbekannteWesen....................................................282 10.2.1 WesentlicheBegriffe .........................................................................283

XVIII

Inhaltsverzeichnis

10.2.2 DerMarkt .......................................................................................... 283 10.2.3 Marktattraktivität............................................................................. 285

10.3

Marktanalyse................................................................................... 286

10.4

Marktstrategie................................................................................. 288 10.4.1 Segmentierung.................................................................................. 289 10.4.2 Positionierung................................................................................... 291

10.5

Marktforschung .............................................................................. 293 10.5.1 DieRollederMarktforschung ....................................................... 293 10.5.2 Marktforschungsinstrumente ........................................................ 294 10.5.3 PhasenderMarktforschung ........................................................... 298

10.6

Marketingkonzept .......................................................................... 300 10.6.1 DerMarketingMix .......................................................................... 301 10.6.2 ElementedesMarketingMix ......................................................... 302

10.7

Fallstudie:BibliothecaRFIDLibrarySystemsAG ..................... 303

10.8

Zusammenfassung ......................................................................... 307

 11 Finanzierung .................................................................. 311 11.1

Einführung ...................................................................................... 312

11.2

DieFinanzierungsphasenundquellenimÜberblick............... 312

11.3

DieGrundlagenundErkenntnissederFinanzierungstheorie . 315 11.3.1 FinanzierungsbesonderheitenvonKMUundStartups............ 315 11.3.2 AuftretenvonMarktfriktionenundMarktineffizienzen........... 317 11.3.3 NeueInstitutionenökonomikmitMilderungsmechanismen ... 320 11.3.4 BeiträgederFinanzierungstheorien.............................................. 321

11.4

DieInstitutionendesFinanzierungsmarktes.............................. 324 11.4.1 Grundmuster:DirektbeziehungenundIntermediäre ............... 324 11.4.2 Nachfrager:Unternehmenstypen.................................................. 325 11.4.3 Anbieter:Kapitalgeber .................................................................... 326

11.5

DieInhaltedes(Risiko)Finanzierungsprozesses ...................... 332 11.5.1 FinanzierungsschritteundVertragsinhaltebei  Risikokapitalfinanzierungen .......................................................... 332 11.5.2 UnternehmensbewertungenbeiStartupsundKMU................ 334

11.6

DieWerkzeugederGründungsfinanzplanung .......................... 336

XIX

Inhaltsverzeichnis

11.6.1 GrundsätzlicheErfordernisse .........................................................336 11.6.2 GestaltungdesFinanzplans ............................................................337

11.7

Fallstudie:WachstumsfinanzierungderAffimedAG ................339

11.8

Zusammenfassung..........................................................................342

 12 Rechtliche Grundfragen..................................................... 345 12.1

Einführung.......................................................................................346

12.2

WahldergeeignetenRechtsform ..................................................347 12.2.1 GrundsätzlicheFragenundBegriffe..............................................347 12.2.2 DarstellungdeutscherRechtsformen ............................................348 12.2.3 DarstellungösterreichischerRechtsformen..................................354 12.2.4 DarstellungSchweizerRechtsformen............................................361

12.3

GeistigesEigentum .........................................................................367 12.3.1 WasistgeistigesEigentum? ............................................................368 12.3.2 EinzelneSchutzrechteimÜberblick ..............................................369 12.3.3 Patentstrategie ...................................................................................372

12.4

Fallstudie:Austrianova ..................................................................377

12.5

Zusammenfassung..........................................................................383

 13 Unterstützung im Gründungsprozess...................................... 387 13.1

Einführung.......................................................................................388

13.2

GrundfragenderKMUPolitik ......................................................388 13.2.1 ErgebnisseinternationalerVergleiche ...........................................389 13.2.2 AusprägungderWirtschaftsundFörderpolitikam  BeispielderSchweiz .........................................................................392 13.2.3 Fazit:AnforderungenaneineKMUPolitik .................................394

13.3

LändervergleichderFörderprogramme ......................................395 13.3.1 FörderprogrammeinDeutschland ................................................395 13.3.2 FörderprogrammeinÖsterreich ....................................................399 13.3.3 FörderprogrammeinderSchweiz .................................................400 13.3.4 FazitzudenFörderprogrammen ...................................................402

XX

13.4

KonkreterUmgangmitBeratern ..................................................402

13.5

BetreuungdurchInkubatoren .......................................................404

Inhaltsverzeichnis

13.5.1 SpektrumderInkubatorlösungen ................................................. 405 13.5.2 BeispielefüröffentlicheInkubatoren............................................ 407

13.6 

Fallstudie:DieFörderundInkubatorinfrastrukturim internationalenVergleich .............................................................. 409

13.7

Zusammenfassung ......................................................................... 411

 14 Dienstleistungen und Beziehungsmanagement .......................... 415 14.1

Einführung ...................................................................................... 416

14.2

TreibendeKräftederTertiarisierung ........................................... 417

14.3

GrundbegriffedesDienstleistungsmanagements...................... 418 14.3.1 DerBegriffDienstleistung .............................................................. 418 14.3.2 DienstleistungenversusSachgüter ............................................... 419 14.3.3 DerBegriff„Beziehungsmanagement“ ........................................ 420

14.4  14.5

Freundendienen–DienstleistungenundBeziehungspflege– einErfolgsfaktor? ........................................................................... 424 DasModellderDienstleistungskompetenz................................ 425 14.5.1 DieDienstleistungskompetenz ...................................................... 427 14.5.2 DasDienstleistungsmanagement .................................................. 429 14.5.3 DasDienstleistungsmarketing ....................................................... 430 14.5.4 DieDienstleistungskultur............................................................... 431 14.5.5 DerDienstleistungsprozess ............................................................ 432 14.5.6 DieKundenbeziehung .................................................................... 433 14.5.7 EntscheidendeErfolgsfaktorenbeiDienstleistungen ............... 435

14.6

ManagementkonzeptezurBeziehungspflege............................. 436 14.6.1 CustomerRelationshipManagement ........................................... 436 14.6.2 KeyAccountManagement ............................................................. 437 14.6.3 KeySupplierManagement ............................................................. 437

14.7

UmsetzungimBusinessplan......................................................... 438 14.7.1 Businessplan:DarstellungvonDienstleistungen ....................... 438 14.7.2 Businessplan:DarstellungvonBeziehungen .............................. 441

14.8 

Fallstudie:„ZurRose“–Gründung,Etablierung, WachstumalsDienstleister ........................................................... 442

14.9

Zusammenfassung ......................................................................... 448



XXI

Inhaltsverzeichnis

15 Wachstum ..................................................................... 451 15.1

Einführung.......................................................................................452

15.2

DieDimensionenvonWachstum..................................................452 15.2.1 FinanziellesWachstum ....................................................................453 15.2.2 StrategischesWachstum ..................................................................454 15.2.3 OrganisatorischesWachstum..........................................................455

15.3

DieEntscheidung,nichtzuwachsen............................................457

15.4

Wachstumsstrategien......................................................................458

15.5

Wachstumstheorien ........................................................................459 15.5.1 Lebenszyklustheorie.........................................................................460 15.5.2 Teleologie............................................................................................465 15.5.3 EvolutionstheoretischerAnsatz......................................................465 15.5.4 Dialektik .............................................................................................466

15.6

ExitMöglichkeiten..........................................................................467 15.6.1 Wasmanbeachtensollte..................................................................467 15.6.2 VerkaufanInvestoren ......................................................................470 15.6.3 ManagementBuyout ......................................................................471 15.6.4 StrategischeAllianzenundFusionen ............................................472 15.6.5 Börsengang.........................................................................................472

15.7

Fallstudie:FirstCatering................................................................473

15.8

Zusammenfassung..........................................................................476

 16 Social Entrepreneurship .................................................... 479 16.1

Einführung.......................................................................................480

16.2

EntstehungvonSocialEntrepreneurship ....................................482

16.3 

StellenwertimRahmenderbetriebswirtschaftlichen Forschung.........................................................................................484

16.4

VerwandteBegriffeimBereichdesSocialEntrepreneurship....486

16.5

DieRolledesSocialEntrepreneurs...............................................491

16.6

AnsatzpunkteundNutzenfürsozialaktiveUnternehmen ......495

16.7

Fallstudie:VAUDEalsCorporateCitizen....................................497

16.8

Zusammenfassung..........................................................................503

 Stichwortverzeichnis ............................................................ 507

XXII

Abbildungsverzeichnis

Abbildung11: DieSchlüsselelementevonEntrepreneurship ................. 7 Abbildung12: ProzesskettevonEntrepreneurship ................................ 14 Abbildung13: DasGEMModell............................................................... 21 Abbildung14: AusmaßunternehmerischerAktivitätin  ausgewähltenLändern ..................................................... 24 Abbildung21: DialogischeBeziehungzwischenIndividuumund  Wertgenerierung................................................................ 42 Abbildung22: Erfolgsmessgrößen ............................................................ 61 Abbildung31: WoIdeenentstehen ........................................................... 86 Abbildung32: WiewerdenIdeenzuInnovationentransformiert? ...... 87 Abbildung33: EinflussfaktorenaufdieKreativität ................................ 94 Abbildung34: DasProzessmodellderNoventaEngineeringAG ........ 99 Abbildung41: ProzesszurChancenbewertung .................................... 112 Abbildung51: ProduktionvonSpeichermodulen ................................ 156 Abbildung52: LiquiditätsbedarfimJahresverlauf ............................... 159 Abbildung61: VoraussichtlicheNachfolgeregelungenin  Deutschland2005bis2009.............................................. 169 Abbildung62: VariantenderUnternehmensnachfolge........................ 171 Abbildung63: StiftungslösungeninDeutschland ................................ 176 Abbildung64: DieDoppelstiftung.......................................................... 177 Abbildung65: IntegrativesNachfolgemanagementnach  Ernst&Young .................................................................. 186 Abbildung66: GegenläufigeZieledesUnternehmers ......................... 187 Abbildung71: SystematisierungvonCorporateEntrepreneurship ... 203 Abbildung72: CorporateEntrepreneurshipPfade............................... 209 Abbildung73: DerAcademicEntrepreneurshipProzess.................... 217 Abbildung74: BASFKnowhowVerbundderForschung .................. 220

XXIII

Abbildungsverzeichnis

Abbildung75: BASFInnovationsmatrix .................................................221 Abbildung76: PhaseGateProzessderBASF..........................................222 Abbildung91: DerstrategischeManagementprozess...........................253 Abbildung92: GenerischeStrategiennachPorter .................................256 Abbildung93: EigenschaftenvonRessourcenundWettbewerbs  vorteilen.............................................................................264 Abbildung94: BranchenanalysenachPorter..........................................267 Abbildung95: KernelementeeinesGeschäftsmodells ..........................270 Abbildung111: KernaufgabenderFinanzierungsphasen ......................313 Abbildung112: SystematikderFinanzierungsquellen ...........................314 Abbildung131: SchweizerMaßnahmenpaketeimZeitablauf ...............393 Abbildung141: DasKanoModellderKundenzufriedenheit ................424 Abbildung142: ModellderDienstleistungskompetenz .........................426 Abbildung143: BeziehungsnetzeinesUnternehmens............................442 Abbildung151: Wachstumsdimensionen .................................................453 Abbildung152: ProduktMarktMatrixvonAnsoff ................................459 Abbildung153: StrategischeundfinanzielleOptionen ..........................469 Abbildung161: TheprocessofSocialEntrepreneurship ........................488 Abbildung162: AuswahlkriterienvonAshoka........................................492 

XXIV

Tabellenverzeichnis

Tabelle11: 

AnteilUnternehmen/BeschäftigteinProzentnach Unternehmensgrößenklassen ................................................ 26

Tabelle12: 

UnterschiedezwischenEntrepreneurshipund KMUManagement ................................................................. 29

Tabelle21:

TypischeCharakteristikavonUnternehmern...................... 52

Tabelle31: 

Schritte,KonzeptionenundInstrumentefürden Innovationsprozess ................................................................. 92

Tabelle32:

AusgewählteKundenundReferenzenderNoventa........ 102

Tabelle41:

GründungsprozessinDeutschland .................................... 120

Tabelle42:

GründungsprozessinderSchweiz ..................................... 121

Tabelle43:

GründungsprozessinÖsterreich ........................................ 122

Tabelle44:

KennzahlenfürGründungenimLändervergleich ........... 123

Tabelle51: 

DiewesentlichenAktivitätenvonKäuferund VerkäuferimTransaktionsprozess...................................... 144

Tabelle52: 

VoraussetzungenfürdieoptimaleDurchführung vonAufträgen ........................................................................ 160

Tabelle61:

GegenläufigeZielederAnspruchsgruppen....................... 188

Tabelle71:

Entwicklungsprozess für neue Geschäfte .......................... 208

Tabelle101: QuellenderSekundärforschung ......................................... 296 Tabelle102: VorundNachteilederPrimärinstrumente ....................... 297 Tabelle111: AnsätzederNeuenInstitutionenökonomik ...................... 319 Tabelle112: TypenvonInformationsasymmetrien ................................ 320 Tabelle113: ProblemtypenderInformationsasymmetrie...................... 320 Tabelle114: ArtenderGründung ............................................................. 329 Tabelle121: BewertungderdeutschenHandelsfirma ........................... 349 Tabelle122: BewertungderdeutschenGmbH........................................ 351 Tabelle123: BewertungderdeutschenAktiengesellschaft.................... 353

XXV

Tabellenverzeichnis

Tabelle124: ZusammenfassendeDarstellungfürDeutschland ............353 Tabelle125: BewertungdesösterreichischenEinzelunternehmens......355 Tabelle126: BewertungderösterreichischenGmbH ..............................357 Tabelle127: BewertungderösterreichischenAktiengesellschaft..........358 Tabelle128: ZusammenfassendeDarstellungfürÖsterreich ................359 Tabelle129: BewertungderschweizerischenEinzelunternehmung.....362 Tabelle1210:BewertungderschweizerischenGmbH..............................364 Tabelle1211:BewertungderschweizerischenAktiengesellschaft..........365 Tabelle1212:ZusammenfassendeDarstellungfürdieSchweiz..............366 Tabelle131: AufwandfürdieGründungeinesUnternehmens.............391 Tabelle132: WettbewerbsfähigkeitinBezugaufrechtliche  Rahmenbedingungen,BürokratieundRegulierung  derWirtschaft .........................................................................392 Tabelle133: ExemplarischeFördermaßnahmeninDeutschland ..........398 Tabelle134: ExemplarischeFördermaßnahmeninÖsterreich ..............399 Tabelle135: LändervergleichderInkubatorinfrastrukturen..................411 Tabelle151: CharakteristikadereinzelnenLebensphasen.....................464 Tabelle152: EntwicklungvonFirstCatering ...........................................475 Tabelle161: SocialEntrepreneurshipSpektrumnach  Dees/Economy ........................................................................489 

XXVI

Einführung

1 Entrepreneurship als einzelund gesamtwirtschaftliche Herausforderung

Lernziele Nach der Lektüre dieses Kapitels sollten Sie folgende Fragen beantworten können:

„ WiekannEntrepreneurshipdefiniertwerden? „ WelcheFormenvonEntrepreneurshipsinddenkbar? „ WiewichtigistEntrepreneurshipfürdaswirtschaftlicheWachstumeines Landes?

„ WelcherZusammenhangbestehtzwischenEntrepreneurshipundKMU? „ Wie groß ist die wirtschaftliche Bedeutung von KMU in Deutschland, ÖsterreichundderSchweiz?

Begriffserklärungen Entrepreneurship: Ein Prozess, der von Individuen initiiert und durchge führtwirdundderdazudient,Gelegenheitenzuidentifizieren,zuevaluie renundzunutzen. Unternehmer:EinIndividuum,dasinnovativeProdukteoderProduktions methoden am Markt durchsetzt, neue wirtschaftliche Strukturen etabliert und bestehende, weniger innovative Unternehmen aus dem Markt drängt, jedochnichtzwangsläufigInhabereinesUnternehmensseinmuss. Unternehmerische Gelegenheiten: Neue Produkte oder Dienstleistungen können zu höheren Preisen als zu ihren Produktionskosten eingeführt und verkauftwerden. KreativeZerstörung:ProzessdessimultanenAufkommensundVerschwin densvonTechnologien,ProduktenundFirmenaufdemMarktalsResultat vonInnovation.

1

1.1

Entrepreneurship als einzel- und gesamtwirtschaftliche Herausforderung

1

Kleine und mittlere Unternehmen (KMU): Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten. KMU sind charakterisiert durch eine persönliche Unter nehmensführung, ein enges Produktspektrum und individualisierte Leis tungen.

1.1

Einführung

Entrepreneurship wirdalsMotor fürdieWirtschaft betrachtetund gefördert.

In letzter Zeit wird in den Medien, in der Politik und in der Öffentlichkeit einRufnachneuenundinnovativenUnternehmenlaut.„Gründerschaffen Arbeitsplätze und bringen die Wirtschaft voran“ ist nur eine Aussage aus dem politischen Umfeld in Deutschland. Ebenso wird in der Schweiz die FörderungvonInnovationundUnternehmertummiteinemMehrjahrespro gramm zur Bundessache erklärt. Aber auch in Österreich ist wieder ver mehrteinGründergeistspürbarundmansetztaufdieSchaffungvonStruk turenwiebeispielsweiseSteuererleichterungen,umGründungenzufördern. Neue,innovativeUnternehmenwerdendamitzumAllheilmittelwirtschaft licherProblemeerklärt,unddieFörderungvonUnternehmensgründungen, vorallemimHochtechnologiebereich,wirdzumPolitikum.Häufigwerden in diesem Zusammenhang Schlagworte wie Entrepreneurship, Unterneh mer oder Unternehmertum verwendet, ohne eine genaue Eingrenzung der Begriffevorzunehmen.InsbesondereEntrepreneurshipistinderletzenZeit zumModewortavanciertundzeigtsichindertheoretischenKonzeptionals einPhänomenmitvielenschillerndenFacetten.EinigedieserFacetten,unter anderem die wirtschaftliche Bedeutung von Entrepreneurship, werden im RahmendiesesEinführungskapitelsbehandelt.Zunächsterfolgtjedocheine Abgrenzung der Begriffe Entrepreneurship und Unternehmer, welche die GrundlagediesesLehrbuchesbilden.

Innovationen undunter nehmerische Gelegenheiten kennzeichnen Entrepreneurship.

Für den aus dem englischsprachigen Raum stammenden Begriff Entrepre neurshiprespektivedasausdemFranzösischenstammendeWortEntrepre neurgibtesimDeutschenkeinvollständigzutreffendesSynonym.Amehes tentreffennochdieBegriffedesUnternehmertumsoderdesUnternehmers zu, die allerdings im deutschen Sprachgebrauch wesentlich breiter gefasst sind als der Begriff Entrepreneurship im Englischen, der sich im Wesentli chen auf die Verwertung unternehmerischer Gelegenheiten bezieht und dabeidenAspektderInnovationbetont.DerBegriffdesUnternehmers1ist imDeutschensehrweitgefasst.ManbezeichnetdamitsowohlSelbstständi ge als auch Gründer von Startups, Inhaber von Familienunternehmen, in novative Manager allgemein oder Vorstände in Großunternehmen. Dies wiederum hat Auswirkungen auf das Verständnis des Begriffs Unterneh mertum, der in der Folge ebenfalls sehr umfassend genutzt wird. Für den



2

Einführung

1.1

Begriff Entrepreneurship gilt Ähnliches: Auch Entrepreneurship wird im DeutscheneherweitgefasstundbezeichnetalleFormenunternehmerischer Tätigkeiten, also auch die traditionellen, etablierten Handwerker um die Ecke.WirdzusätzlichderAspektderInnovationmiteingebracht,ergibtsich eineengereDefinitionvonEntrepreneurship,mitdemsichdiesesLehrbuch schwerpunktmäßigbefassenmöchte. EinUnternehmerimSinnedesÖkonomenSchumpeter,dereineengeDefi nitionvonEntrepreneurshipverwendet,isteinePerson,dieinnovativePro dukte oder Produktionsmethoden am Markt durchsetzt, neue wirtschaftli che Strukturen etabliert und bestehende, weniger innovative Unternehmen ausdemMarktdrängt.EigentümereinesetabliertenFamilienunternehmens sind nicht zwangsweise während des gesamten Lebens Unternehmer des Schumpeterschen Typs, zeitweise agieren sie vielmehr als „Verwalter“ des Unternehmens.HingegenlassensichdieGründerinnovativerStartupswie beispielsweise Biotechnologieunternehmen eindeutig dem Typ „Unterneh mer“ zuordnen. Sie nehmen im Rahmen einer Volkswirtschaft wichtige Funktionen wahr, wie beispielsweisedie Steigerung der Wettbewerbsfähig keiteinesLandes.MitdieserengenDefinitionwerdenzumeinendieinstitu tionelleSicht(Unternehmer)undzumanderendieprozessualeSicht(unter nehmerischer Prozess) von Entrepreneurship betont. Der Schwerpunkt des Lehrbuches liegt, wie später in diesem Kapitel noch gezeigt wird, auf der prozessualenSichtvonEntrepreneurshipundwenigerdarin,welchePerso nen mit welchen Charaktereigenschaften zum Unternehmer geeignet sind undwiesichdieseEigenschafteninderFolgeaufdenUnternehmensverlauf auswirken.

Entrepreneurship isteinunter nehmerischer Prozesszur Durchsetzung innovativer Produkteund Produktions methoden.

Ein anderer, vor allem in Deutschland gebräuchlicher Begriff ist derjenige der Existenzgründung. Diese Form der Gründung orientiert sich meistens anbereitsvorhandenenGeschäftsideenundstehtdamitineinem,zumindest im volkswirtschaftlichen Sinn, unmittelbaren Verdrängungswettbewerb hinsichtlich Qualität oder Preis. Unternehmensgründungen stehen demge genüber in einem „Innovationswettbewerb“, was „me too“Gründungen abernichtausschließensoll2.EntrepreneurshipimVerständnisdiesesLehr buchesbeschäftigtsichhauptsächlichmitderGründungsolcherinnovativer UnternehmenundderSchaffungneuerwirtschaftlicherStrukturen.Andere Formen der Unternehmensgründungen sollen aber nicht per se von der Analyseausgeschlossenwerden.

„Existenz gründungen“ orientierensich häufiganvor handenenGe schäftsideen.

3

1

Entrepreneurship als einzel- und gesamtwirtschaftliche Herausforderung

1.2 Entrepreneurship stellteinKern elementder wirtschaftlichen Leistungsfähig keitdar.

Ursprung und Bedeutung von Entrepreneurship

Entrepreneurship spielt für die Entwicklung und das Wachstum einer Volkswirtschaft eine lebenswichtige Rolle, die mittlerweile weitgehend an erkanntist.DieOECDsiehtdiesinihremBerichtzurFörderungvonEntre preneurship3ähnlich: Entrepreneurship wird als Kernelement der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit angesehen,voralleminBezugaufinnovativeVeränderungsprozesse,dieeinewich tigestrukturelleunddynamischeRolleinVolkswirtschaftenübernehmen. DieWichtigkeitvonEntrepreneurshiplässtsichamBeispielderTransforma tionsländer Mittel und Osteuropas, aber auch Ostdeutschlands sehr gut erklären. Geprägt durch festgefahrene und wenig innovative Staatsbetriebe musstendieseLändernachdemJahr1989umdenkenundnebeneinernot wendigen Privatisierung und Deregulierung auch die Schaffung eines akti venundinnovativenUnternehmertumsfördern.

1.2.1 DerBegriff „Entrepreneurship“ lässtsichaufdas französischeWort „entreprendre“ zurückführen.

Der Ursprung von Entrepreneurship

Der Begriff Entrepreneurship geht ursprünglich auf das französische Wort „entreprendre“ zurück, was so viel wie „etwas unternehmen“ oder „in die eigenen Hände nehmen“ bedeutet. Der irische Bankier Richard Cantillon führte im ausgehenden 18. Jh. diesen Begriff in den entstehenden Wirt schaftswissenschafteninFormdesEntrepreneurseinundbetontevorallem die Einkommenserzielung unter Unsicherheit. Der Ökonom JeanBaptiste Say ergänzte den Begriff mit der Koordination von Produktionsfaktoren (Land, Kapital, Arbeitskraft) durch den Unternehmer und grenzte diesen vomKapitalistenab,derlediglichGeldzurVerfügungstelltundkeineakti veRolleinderProduktionübernimmt.Entrepreneuresindallerdingskeine ErfindungderNeuzeit.BereitsbeidenGriechen,RömernundPersernwaren esinnovativeKöpfe,dieneueEntwicklungenvorantrieben.IndenBereichen Tunnel,BrückenundKanalbau,Medizin,HeiztechnikundAutomatenher stellung gab es eine Reihe unternehmerischer Höchstleistungen. So kann Caesar als erster europäischer Verkehrsplaner oder Augustus als Initiator der staatlichen Feuerwehr angesehen werden. Sie entwickelten Ideen und Projekte,diebisheuteunserLebenbestimmen.4 Während der industriellen Revolution wurde der Begriff Entrepreneurship dafür verwendet, ein neues Phänomen zu beschreiben: Ein Individuum formuliert eine Geschäftsidee, entwickelt sie und sorgt dafür, dass ausrei

4

Ursprung und Bedeutung von Entrepreneurship

1.2

chendRessourcenzurVerfügungstehen,umeinneuesUnternehmenaufzu bauen. IndieserGeschichtsepoche,alsoim18./19.Jh.,fanddurchdenEinsatzneuer TechnologienunddemAufkommenderMassenproduktioneinwirtschaftli cher und sozialer Umbruch statt, der nicht zuletzt die Aufweichung von StandesdenkenzurFolgehatte.DerEntrepreneuroderUnternehmerwurde zu einer entscheidenden Figur, die innerhalb eines Marktes agierte und diesenWandelvorantrieb.UnternehmerwieWernervonSiemens,Friedrich Krupp,AugustThyssen,GottliebDaimler,CarlZeißoderAdamOpelpräg tendieindustrielleRevolutioninDeutschlandunddieZeitdarüberhinaus. AberauchdieSchweizerChemieindustrie(FritzHoffmannLaRoche,Edou ard Sandoz, Johann Rudolf Geigy) und die Schokoladenhersteller (Johann Jakob Tobler, Johann Rudolf Lindt, Philippe Suchard) wurden seit dieser ZeitdurchUnternehmerundderenFamiliengeprägt,mitunterbiszurheu tigenZeit.UnternehmersinddiesemVerständnisnachrisikofreudigePerso nen, die günstige Gelegenheiten nutzen, Risiken übernehmen und durch ihren Beitrag in bestimmten Märkten einen Ausgleich zwischen Angebot undNachfrageherstellen.

Entrepreneure bestimmtenden Wandelwährend derindustriellen Revolution.

Berühmtheit erlangte der Begriff Entrepreneurship mit dem Ökonomen Schumpeter, der im Unternehmer vor allem einen Innovator sah, der Res sourcen neu kombiniert, auf den Markt bringt und damit das Marktgleich gewichtstört.SchumpeterbetontedamitinsbesonderedieRolledesUnter nehmersalsAgentdesWandelsinVolkswirtschaften.AndersdagegenKirz ner, der einen Unternehmer als Person sieht, der die Schwachstellen eines Marktes ausnützt und diesen dadurch wieder ins Gleichgewicht bringt. BeidebetontenjedochdieherausragendeRollevonEntrepreneurshipfürdie wirtschaftlicheEntwicklungeinesLandes,seiesals„Wiederhersteller“oder „Störer“einesMarktgleichgewichtes.

Schumpeter verhalfdem Entrepreneurals „Innovator“ und„Agentdes Wandels“zur Berühmtheit.

1.2.2

Entrepreneurship in der Wissenschaft

SeitderindustriellenRevolutionhabenvieleWirtschaftswissenschaftlerihre Aufmerksamkeit auf das Phänomen Entrepreneurship gerichtet. Trotz der zumindest intuitiv nachvollziehbaren Wichtigkeit in der realen Wirtschaft spielte der Unternehmer in den Wirtschaftswissenschaften bis noch vor wenigenJahreneineeheruntergeordnetebisgarkeineRolle,unddieLitera tur war nach Ansicht des EntrepreneurshipExperten Casson5 eher diffus. FürdenÖkonomenBaumol,dersichumdieWiedereinführungdesUnter nehmers in die wissenschaftliche Diskussion bemühte, war die Vernachläs sigungvonEntrepreneurshipindenWirtschaftswissenschaften,alsobman

5

Entrepreneurship wurdeinder Wissenschaft langeZeit vernachlässigt.

1

Entrepreneurship als einzel- und gesamtwirtschaftliche Herausforderung

denPrinzenDänemarksvonderDiskussiondesShakespeareStücksHamlet ausschließenwürde.6 Eineeinheitliche Definitionvon Entrepreneurship existiertnoch nicht.

ErstindenletztenJahrzehntenmachtsicheinvermehrteswissenschaftliches InteressefürdasThemaEntrepreneurshipbemerkbar.AlsKonzeptmitvie lenFacettenbleibtesjedochschwierig,einegenaueDefinitionfürEntrepre neurship zu finden. Da sich Entrepreneurship nicht innerhalb der Grenzen einer Disziplin bewegt, wurden im Rahmen verschiedener wissenschaftli cher Studien im Bereich Entrepreneurship unterschiedliche theoretische Perspektiven eingenommen und verschiedene Analyseeinheiten und Me thodengewählt.Daheristesnichtüberraschendfestzustellen,dasseskeine DefinitionvonEntrepreneurshipgibt,überdiesichalleAnspruchsgruppen, geschweige denn Wissenschaftler, einig sind. Ebenso herrscht noch immer Unsicherheitdarüber,wasdasFeldderEntrepreneurshipForschungeigent lichausmacht.

Inden90er Jahrenlagder Schwerpunktder Forschungaufder Persondes Unternehmers.

DerUrsprung einesdergrößtenProblemebeiderDefinitionvonEntrepre neurship dürfte in den späten 1990erJahren liegen. Die meisten Wissen schaftler konzentrierten sich auf die Person und das Tun eines Unterneh mers. Damit beschäftigten sie sich hauptsächlich mit der institutionellen Sichtweise von Entrepreneurship. Das Problem dieser Annäherung besteht darin, dass sich Entrepreneurship aus dem Zusammenspiel zweier verschie dener Phänomene zusammensetzt, nämlich aus dem Bestehen lukrativer Geschäftsmöglichkeiten und dem Vorhandensein unternehmerisch han delnder Persönlichkeiten.7 Wird Entrepreneurship jedoch lediglich durch dashandelndeIndividuumerklärt,kannnureineunvollständigeDefinition geliefertwerden,diekeinerkritischenPrüfungstandhält.InderForschung hat sich deshalb gezeigt, dass dieser personenzentrierteAnsatz das Phäno men Entrepreneurship nur unzureichend erklären kann8 und deshalb ein erweitertes Verständnis von Entrepreneurship notwendig wird. In jüngster Zeit wird auch versucht, neben multidisziplinären und paradigmatischen Ansätzen Entrepreneurship als gesellschaftliches Phänomen und nicht als reinökonomischeRealitätzubetrachten.9

1.3

Die Schlüsselelemente von Entrepreneurship

Was aber ist der Kern von Entrepreneurship? Diese Frage hat nicht zuletzt etwasmitdenSchlüsselelementenzutun,dieunternehmerischeAktivitäten prägen. Für gewöhnlich werden die folgenden fünf Elemente angeführt (sieheAbbildung11):derUnternehmer(Entrepreneur),eineunternehmeri

6

Die Schlüsselelemente von Entrepreneurship

1.3

sche Gelegenheit, ausreichende Ressourcen, eine Form der Organisation undeinegünstigeUmwelt.DieseFaktorenmüssenvorhandensein,können sich aber in den verschiedensten Formen bemerkbar machen.10 Wichtig ist: Es braucht einen Unternehmer, der in der Verantwortung steht, die fünf Faktorensozukombinieren,dassWertegeschaffenwerden.

Abbildung11

DieSchlüsselelementevonEntrepreneurship

Quelle: in Anlehnung an Wickham, P., Strategic Entrepreneurship, Prentice Hall, Harlow, 2004.

1.3.1

Der Unternehmer

Entrepreneurship erfordert mindestens eine engagierte Person. Der Entre preneur ist der Kern des unternehmerischen Prozesses. Er erkennt die un ternehmerische Gelegenheit und koordiniert das Zusammenspiel der Res sourcen,umdieChancezuevaluierenundggf.weiterzuverfolgen.Letztlich ist er es, der eine Organisation aufbaut, die sicherstellt, dass die unterneh

7

VierFaktoren unterstützendas Erkennenunter nehmerischer Gelegenheiten.

1

Entrepreneurship als einzel- und gesamtwirtschaftliche Herausforderung

merische Gelegenheit durch die richtige Kombination der Ressourcen dau erhaftgenutztwerdenkann.WissenschaftlerhabenverschiedenHypothesen darüberaufgestellt,welcheFaktorendasErkennenundNutzenvonMarkt chancen beeinflussen. Darunter gibt es vier, die als besonders bedeutend identifiziert wurden: die aktive Suche nach Marktchancen, unternehmeri sche Wachsamkeit (entrepreneurial alertness), Vorwissen und soziale Netz werke. Unternehmer suchenaktiv nachMarkt chancen.

„ Die aktive Suche nach Marktchancen: EntrepreneurshipStudien haben gezeigt, dass dem Erkennen verfügbarer Marktchancen eine systemati scheSuchevorausgeht.11EntrepreneuresuchenhäufigeralsManagerak tivnachChancenundpotenziellungenutztenGewinnpotenzialen.12Die seErkenntnisseweisendaraufhin,dasseineaktiveSuchefürdieWahr nehmungvonMarktchancendurchEntrepreneureeinewesentlicheRolle spielt, auch wenn Forschungsprojekte in diesem Zusammenhang sehr umsichtigdurchgeführtwerdenmüssen.

„ Unternehmerische Wachsamkeit: Kirzner nutzte den Begriff der unterneh merischen Wachsamkeit (alertness) als Erster, um damit die Wahrneh mung unternehmerischer Gelegenheiten zu beschreiben.13 Er definierte Wachsamkeit als Neigung, Informationen über Objekte, Ereignisse und Verhaltensmusterbesondersgutwahrzunehmen.Individuenmitausge prägter Wachsamkeit zeigen einen besonderen Spürsinn für die Proble me von Produzenten und Kunden, unbefriedigte Kundenwünsche und die Neukombination von Ressourcen. Der Begriff der Wachsamkeit be tont damit die Tatsache, dass Marktchancen von manchen Individuen wahrgenommenwerden,auchwennsienichtaktivdanachsuchen.Was aber sind die Voraussetzungen für unternehmerische Wachsamkeit? Es gibtVermutungen,dassWachsamkeithauptsächlichvonderKreativität und den intellektuellen Kapazitäten von Individuen abhängt.14 Diese Kapazitäten helfen Unternehmern, neue Lösungen für den Markt und zurBefriedigungvonKundenbedürfnissenzuidentifizierenundkreati veWegezuentwickeln,umRessourcenzubeschaffen. Vorkenntnisse helfen,Markt chancenzu erkennen.

„ Vorkenntnisse: Menschen tendieren dazu, bevorzugt die Informationen wahrzunehmen,diesiemitvorhandenemWisseninVerbindungbringen können. Zahlreiche Belege weisen darauf hin, dass sich Wissen, das in einem reichen und abwechslungsreichen (Arbeits)Leben gesammelt wurde, positiv auf die Wahrnehmung von Marktchancen auswirkt. Die spezifischenVorkenntnisseeinerPersonsorgenfüreinenWissenskorridor, der die Wahrnehmung bestimmter Marktchancen erlaubt, während an derenichterkanntwerden.15EinegegebeneMarktchanceistdahernicht füralleangehendenUnternehmeroffensichtlich.

8

Die Schlüsselelemente von Entrepreneurship

„ SozialeNetzwerke:MenschensinddurchverschiedenesozialeNetzwerke, die von flüchtigen Bekanntschaften bis zu engen Familienbeziehungen reichen, miteinander verbunden. Diese Netzwerke spielen im Zusam menhang mit der Wahrnehmung unternehmerischer Gelegenheiten, der RessourcenakquiseundderEntwicklungvonOrganisationeneinewich tigeRolle.16DieAusgestaltungdessozialenNetzwerkesbestimmtseinen Nutzen für die Netzwerkteilnehmer. Kleine Netzwerke mit engen Ver bindungenkönnenunterUmständenwenigernützlichseinalsNetzwer ke, die eine Vielzahl weiterer, loser Verbindungen zu Menschen außer halb des Netzwerkkerns pflegen. Durchlässigere Netzwerke mit einer Vielzahl„schwacher“BindungenundsozialerKontaktesindgegenüber geschlossenen Netzwerken mit einer Vielzahl redundanter Verbindun genoffenerunddurchlässigerhinsichtlichneuerIdeenundMarktchan cen.17 Mit anderen Worten: Eine Gruppe von Freunden, dieAktivitäten ausschließlichinnerhalbderGruppedurchführt,teiltbereitsdasgleiche Wissen und hat vermutlich eine ähnliche Wahrnehmung in Bezug auf unternehmerischeGelegenheiten.EineGruppevonIndividuenmitVer bindungenzuanderensozialenNetzenhatdagegeneinenbesserenZu gang zu neuen Informationen und Ressourcen. Um individuell erfolg reich zu sein, ist es daher vorteilhafter, mit mehreren Netzwerken in Kontaktzustehen,alseineVielzahlvonVerbindungenineinunddem selbenNetzwerkzupflegen.

1.3 EineVielzahlvon Kontaktenzu unterschiedlichen Netzwerkenhilft, erfolgreichzu sein.

DieviergenanntenFaktoren wurdenmehrfachwissenschaftlichuntersucht und können als weitgehend unabhängige Aspekte in Bezug auf die Wahr nehmung unternehmerischer Gelegenheiten und dieAkquise von Ressour cenangesehenwerden. Weitere interessante Forschungsergebnisse kommen aus dem Bereich der Kognitionswissenschaften, wo verschiedene Disziplinen wie Psychologie, Linguistik, Neurowissenschaften und Ökonomie vereinigt wurden, um zu neuen Erkenntnissen in Bezug auf die Wahrnehmung unternehmerischer Gelegenheiten zu gelangen. Dieser Ansatz führte zu der Überlegung, dass Unternehmersoetwaswie„mentaleLandkarten“nutzen, umdierichtigen SchlüssezwischenVeränderungenindenBereichenTechnologie,Demogra fie, Markt, Regierungspolitik und anderen Faktoren zu ziehen. Die Muster, diesieindenVeränderungenoderdenTrendsfeststellen,könnendannals IdeenfürneueUnternehmungengenutztwerden.

9

Unternehmer nutzen„mentale Landkarten“zur Entdeckungun ternehmerischer Gelegenheiten.

1

Entrepreneurship als einzel- und gesamtwirtschaftliche Herausforderung

1.3.2

Die unternehmerische Gelegenheit

Unternehmerische Gelegenheiten entwickelnsich häufigerstim LaufederZeit.

Im Allgemeinen spricht man von einer unternehmerischen Gelegenheit, wenn sich die Möglichkeit bietet, ein neues Produkt, eine neue Dienstleis tung oder eine neue Methode einzuführen und zu einem höheren Preis als die Produktionskosten zu verkaufen.18 Unternehmerische Gelegenheiten liegen jedoch nicht „fertig“ und für jeden erkennbar vor, vielmehr entwi ckeln sie sich über die Zeit oder müssen durch einen Unternehmer aktiv entwickelt werden. So können unternehmerische Gelegenheiten als latente Marktbedürfnisse oder brachliegende Ressourcen und Kapazitäten vorlie gen.19

Marktchancen können nachfrageoder angebotsinduziert sein.

LatenteoderunbefriedigteMarktbedürfnissesinddieQuellenachfragegetrie benerMarktchancen(marketpull).DerAnreizzurProduktinnovationgehtvon der Käuferseite aus,selbst wenn die zukünftigen Kunden ihre Bedürfnisse, Interessen und Probleme noch nicht explizit artikulieren. Die Aufgabe des Unternehmers besteht darin, diese Bedürfnisse zu erkennen und einAnge botzuentwickeln,dasKundeneinenMehrwertbietet.Ungenutzteodernur zum Teil genutzte Ressourcen, neue Technologien und Methoden können ebenfallsMöglichkeitenbieten,einenMehrwertfürKundenzuschaffen.In diesem Fall identifizieren Unternehmer zunächst Ressourcen, die nicht op timal genutzt werden, um anschließend eine bessere Möglichkeit der Nut zung bzw. der Ressourcenkombination zu finden. Man spricht von einer angebotsodertechnologiegetriebenenMarktchance(demandpushodertechnology push).SokönntebeispielsweiseeineTechnologiezurHerstellungeinesMa terials, das die Eigenschaften von Metall und Glas kombiniert, entwickelt werden, bevor konkrete Anwendungsmöglichkeiten bestehen. In ähnlicher Weise könnten neue medizinische Verfahren entwickelt werden, ohne dass potenziellemedizinischeAnwendungsfelderbereitsbekanntwären.20

1.3.3 DieBündelung vonRessourcen isteine unternehmerische Herausforderung.

Ressourcen

Nachdem der Unternehmer eine unternehmerische Gelegenheit entwickelt hat, muss er die vorhandenen Ressourcen so bündeln und einsetzen, dass dieGelegenheitimMarkt genutztundineinerentsprechendenOrganisati onsform umgesetzt werden kann. Als „Ressource“ kann alles dienen, was der Umsetzung der Idee nützt. In der ressourcenbasierten Theorie unter scheidet man zwischen sechs verschiedenen Arten von Ressourcen: finan ziellen, physischen, menschlichen, technologischen, sozialen und organisa torischenRessourcen.

10

Die Schlüsselelemente von Entrepreneurship

Die Zusammenstellung der Ressourcen zu Beginn der unternehmerischen Tätigkeit stellt eine außergewöhnliche Herausforderung für den Unterneh mer dar. Fehlende Reputation und fehlende Referenzen werden aus Sicht potenziellerKapitalgeberalserhöhtesRisikogewertet.BeidenmeistenNeu gründungen ist die anfänglicheAusstattung mit Ressourcen unvollständig. Unternehmer geben sich daher vertrauenswürdig, um weitere Ressourcen zu erhalten. Mitunter versuchen Unternehmer, ein Image von Erfolg durch entsprechende Symbole wie ausgefeilte Businesspläne, Geschichten oder modische Büros aufzubauen. Damit sollen weitere Partner oder Investoren gewonnenwerden,diebereitsind,RessourcenfürdenUnternehmensaufbau zur Verfügung zu stellen. Bestimmte Ressourcen wie beispielsweise soziale Netzwerkewerdengenutzt,umweitereRessourcenzuerhalten(z.B.finan zielleRessourcen).ImbestenFalldienensozialeNetzwerkedazu,materielle undideelleVorteilezuerlangen,KooperationenundVertrauenvonanderen, Finanzen,VermögenswerteundAusstattung,diezueinemgeringerenPreis bezogenwerdenkönnen,miteingeschlossen.21

1.3.4

1.3 SozialeNetz werkekönnenbei derRessourcen akquisenützlich sein.

Organisation

FürdieNutzungunternehmerischerChancenbietensicheineReiheorgani satorischer Ausgestaltungsmöglichkeiten an. Zwar konzentriert sich die Medienaufmerksamkeit auf unabhängige Startups, aber auch Unterneh mensausgründungen, Franchises, Joint Ventures und Unternehmenskäufe ermöglichen die Wahrnehmung von Marktchancen. An dieser Stelle wird deutlich, dass Entrepreneurship in verschiedenen Umgebungen stattfinden kann und dass es verschiedenste Möglichkeiten gibt,Unternehmer zu wer den.AnhanddergenanntenUnternehmensausgründung,diebeispielsweise als unternehmenseigenes Startup innerhalb eines Unternehmens beginnen kann, lässt sich dies sehr gut zeigen: Die neue Einheit kann entweder eine interne Abteilung oder eine neue Tochtergesellschaft einer etablierten Un ternehmungsein.JointVentures,Lizenzierungen,FranchisesundSpinoffs, also Geschäftsbereiche, die sich aus der Geschäftstätigkeit eines größeren Unternehmensableitenlassen,sindweitereBeispielefürmöglicheOrganisa tionsformen. Manchmal ist es nicht notwendig, eine neue Organisation aufzubauen, um Marktchancen zu nutzen und Ressourcen neu zu kombinieren. Mitunter kannessichanbieten,einexistierendesUnternehmenalsbestehendesVehi kelzunutzen.DerVorteil:ImbestenFallermöglichenvorhandeneProduk tions und Vertriebsstrukturen, dass Produkt und Serviceinnovationen schnellstmöglich auf den Markt gebracht werden können. Die Übernahme eines Familienunternehmens durch die nächste Generation und die an

11

Unternehmerische Gelegenheiten könnenimRahmen verschiedenster Organisations formengenutzt werden.

1

Entrepreneurship als einzel- und gesamtwirtschaftliche Herausforderung

schließende Verlagerung von Ressourcen auf ein neues Geschäftsmodell stellteinweiteresBeispielfürdieNutzungeinervorhandenenOrganisation dar. WeretwasVor handenesineinen neuenKontext bringt,handelt ebenfalls„unter nehmerisch“.

Die vorherrschende Meinung besagt, dass es nicht ausreicht, eine Unter nehmung zu gründen, um dem Adjektiv „unternehmerisch“ gerecht zu werden. Dafür wird eine echte Innovation benötigt. Die Erfahrung zeigt jedoch,dassesfürdieGründungeinesUnternehmensnichtimmerderOri ginalitätundInnovationskraftbedarf.DieneueUnternehmungkanngenau soguteineKopieeineranderenUnternehmungausderNachbarstadtsein. Der Umfang einer Innovation kann erheblich schwanken, und die Erweite rung, der Nachbau oder die Neukombination existierender Produkte, Dienstleistungen oder Prozesse können ebenso als Innovation bezeichnet werden.

1.3.5 Rahmenbedin gungenspielen einekritische RolleimBereich Entrepreneurship.

Umwelt

Umwelt und Rahmenbedingungen spielen eine kritische Rolle im Bereich Entrepreneurship.ZumeinenwerdendieunternehmerischenGelegenheiten selbst durch die Umwelt geprägt, in der Unternehmertum stattfindet. So ergebensichMarktchancenbeispielsweiseaufgrundvonMarktineffizienzen, die auf zeitliche oder räumliche Informationsasymmetrien zurückzuführen sind.Auchpolitische,regulative,sozialeoderdemografischeVeränderungen könnenderGrundfürunternehmerischeGelegenheitensein.Zumanderen beeinflusstdieUmweltaberauchdieMöglichkeiten,wiedieGelegenheiten genutztwerdenkönnen. Grundsätzlich beeinflussen Umwelteinflüsse Neugründungen auf zwei Ebenen: auf der regionalen und auf der gesellschaftlichen Ebene. Auf der regionalen Ebene sind die Anzahl der Unternehmungen innerhalb einer Industrie und die Ausprägung der Verbindungen zwischen diesen Unter nehmen von Bedeutung. Individuen, die eine Unternehmung in einer Um gebung mit hoher Unternehmensdichte starten möchten, haben grundsätz lich mehr Möglichkeiten, das passende Knowhow zu finden und soziale Netzwerke aufzubauen.Auf der anderen Seite müssen sie jedoch mit einer intensiven Konkurrenz zurechtkommen. Auf der gesellschaftlichen Ebene prägt die Umwelt kulturelle Normen und Werte. Diese wiederum haben EinflussaufdieunternehmerischeIntentionunddieBereitschaftvonpoten ziellen Partnern und Kapitalgebern, Unternehmensgründungen zu unter stützen. Zudem bestimmen staatliche und politische Aktivitäten und Ent scheidungendieinstitutionellenStrukturen,dieunternehmerischeAktivitä ten fördern und behindern.22 Es gibt zahlreiche empirische Hinweise, dass regulatorische und administrative Belastungen unternehmerische Aktivitä

12

Der Versuch einer Definition: Entrepreneurship als Prozess

1.4

ten negativ beeinflussen können. So haben übermäßig strenge Vorschriften in Bezug auf den Waren oder Arbeitsmarkt messbare Auswirkungen auf denEintrittundAustrittneuerUnternehmungen.

1.4

Der Versuch einer Definition: Entrepreneurship als Prozess

Entrepreneurship ist ein Prozess, den Individuen vorantreiben, um neue unternehmerische Gelegenheiten zu identifizieren, zu bewerten und zu nutzen.LautShaneundVenkataraman23beinhaltetdieseprozessorientierte Perspektive auf das Forschungsgebiet Entrepreneurship die folgenden Teil bereiche:

„ dieSuchenachderHerkunftunternehmerischerGelegenheiten „ den Prozess des Entdeckens, der Evaluierung und der Nutzung von Gelegenheiten

„ diePersonen,diedieseGelegenheitenentdecken,evaluierenundnutzen AusgangspunktdesEntrepreneurshipProzessesistdasBestehenunterneh merischer Gelegenheiten, die von einem Individuum identifiziert und ent wickeltwerden.Gelegenheitensindnichtperseexistent,oftmalsmüssensie biszueinemgewissenGradgeschaffenoderzumindestentwickeltwerden, indem beispielsweise systematisch Kundenbedürfnisse untersucht werden. Gelegenheiten sind zwar objektiv erfassbar, werden aber nicht von jedem Individuumerkanntbzw.gleichermaßenbewertet.DasErkennenvonGele genheiteniststarkvondenkognitivenEigenschaftenunddenVorkenntnis sen („prior knowledge“) der Individuen abhängig. Die Evaluierung ist ein wichtiger Schritt, da sich hier zeigt, ob die Gelegenheit auch wirtschaftlich sinnvoll genutzt werden kann und Gewinn abwirft. Dabei kommt es zum einenaufdieEigenschaftenderGelegenheitundzumanderenaufdieindi viduellenNeigungenan.SokanndieRisikoneigungdarüberentscheiden,ob eine Gelegenheit von einer Person in Betracht gezogen wird, während sie eine andere Person als zu risikoreich einstuft. Die Nutzung einer Gelegen heitkanninunterschiedlichenFormenerfolgen,wobeidieGründungeines Unternehmens die häufigste Form sein dürfte. Der Entrepreneurship Prozess umfasst die Schritte Erkennen, Evaluieren und Nutzen, wobei es eine Vielzahl an Faktoren gibt, die den unternehmerischen Prozesse beein flussenkönnen.DieuntenstehendeAbbildung12gibteinenÜberblicküber dieskizzierteProzesskette.

13

Unter nehmerische Gelegenheiten müssenent wickeltwerden.

1 Abbildung12

Entrepreneurship als einzel- und gesamtwirtschaftliche Herausforderung

ProzesskettevonEntrepreneurship

Quelle: Eigene Abbildung

Entrepreneurship kanninden unterschiedlichsten Formenstattfinden.

AndieserStelleseidaraufhingewiesen,dassbeiderBeschreibungvonEn trepreneurship als Prozess nicht nur klassische Unternehmensgrünungen betrachtet werden sollen. Vielmehr sind verschiedene Organisationsformen zubetrachten,dieeserlauben,unternehmerischeGelegenheitenzunutzen. Dazu kann auch ein Lizenzverkauf gehören, der häufig zur Verwertung wissenschaftlicherErkenntnisseausHochschulengenutztwird.Denkbarist auch die Realisierung eines Projektes innerhalb oder mithilfe eines bereits bestehendenUnternehmens.

1.4.1

Unternehmerische Gelegenheiten

Eine der Grundvoraussetzungen für Entrepreneurship ist das Vorhanden sein unternehmerischer Gelegenheiten. Wie in Abschnitt 1.3.2 beschrieben, sind unternehmerische Gelegenheiten Situationen, in denen Produkte, DienstleistungenoderMethodenzueinemhöherenPreisalsdieHerstellkos ten verkauft werden können.24  Kirzner unterscheidet grundsätzlich zwi schenallgemeinenundunternehmerischenGelegenheiten.25NachseinemVer ständnis geht es bei den allgemeinen Gelegenheiten hauptsächlich um die Optimierung bereits bestehender ZweckMittelBeziehungen, während bei den unternehmerischen Gelegenheiten die Entdeckung neuer ZweckMittel BeziehungenimVordergrundsteht.HintergrunddieserTheorieentwicklun genistdieKritikanderneoklassischenTheorie,welchediePersondesUn ternehmers und die Existenz von unternehmerischen Gelegenheiten weitest gehendvernachlässigte.

14

Der Versuch einer Definition: Entrepreneurship als Prozess

1.4

In der neoklassischen Theorie wird ein Gleichgewichtszustand der Wirt schaftvorausgesetzt.AngebotundNachfragegleichensichaus.ImIdealfall besteht dort ein Paretooptimum, d.h., keiner der Wirtschaftsteilnehmer kann bessergestellt werden (z.B. größerer Gewinn), ohne dass ein anderer Teilnehmer schlechter gestellt wird. Anders sieht es aus, wenn man von einem Ungleichgewicht als Regelfall ausgeht, wie dies bei Kirzner der Fall ist. Dann bestehen sogenannte Arbitragemöglichkeiten, in denen ein Pro duktaufdemeinenMarktgünstigergehandeltwirdalsaufeinemanderen. Als Beispiel wären Geschäftsideen zu nennen, die Preisunterschiede zwi schen den USA oder Asien und Europa für Import/Exporttätigkeiten nut zen. Einem Unternehmer wird es dadurch ermöglicht, Preisvorteile durch HandelzuseinenGunstenauszunutzen.

Dieneoklassische Theoriegehtvon einemMarkt gleichgewicht aus.

NebendemrationalenHandelnderAkteuregehtdieneoklassischeTheorie vomVorhandenseinperfekterInformationenaus.Ineinerungleichgewichti gen Wirtschaft ist das Gegenteil der Fall, d.h., es bestehen asymmetrische, alsoungleichverteilteInformationenunterIndividuen.Vonasymmetrischen Informationen spricht man beispielsweise, wenn Individuen über einen Wissensvorsprungverfügen,derfürdeneigenenVorteilausgenutztwerden kann (unvollständige Information, z.B. beim Gebrauchtwagenkauf). Eine andere Form von Informationsasymmetrie liegt vor, wenn ein bestimmtes Verhalten nach Abschluss eines Vertrages bei Vertragsunterschrift nicht vorhersehbarist(unvollkommeneInformation).

Inderrealen Wirtschaft existierenimmer Informations asymmetrien.

1.4.2

Erkennen

Marktungleichgewichte und asymmetrische Informationen sind eine Vor aussetzung für das Entstehen unternehmerischer Gelegenheiten. Die Wahr nehmungderunternehmerischenGelegenheitenhängtjedochvonIndividu en ab, und diese wiederum bringen unterschiedliche Fähigkeiten mit, In formationen über unternehmerische Gelegenheiten zu erkennen, zu bewerten und zu nutzen.26 Kognitive Eigenschaften und Vorkenntnisse („prior knowledge“) spielen in diesem Zusammenhang eine wesentliche Rolle. Die unterschiedlichen Fähigkeiten sind die eigentliche Quelle von Entrepreneurship. Wenn dem nicht so wäre, könnte jeder eine Gelegenheit als solche identifizieren und nutzen und die Erzielung eines Profits wäre damitausgeschlossen.

15

Unterschiedliche Fähigkeitenbeider Einschätzung unternehmerischer Gelegenheiten ermöglichen Entrepreneurship.

1 Wissenüber Märkteund Kundenermög lichtdasErken nenunter nehmerischer Gelegenheiten.

Entrepreneurship als einzel- und gesamtwirtschaftliche Herausforderung

Die Vorkenntnisse eines Unternehmers ergänzen im Idealfall die neuen Informationen, die zum Erkennen von unternehmerischen Gelegenheiten führen.27DieseVorkenntnissekönnenausverschiedenenQuellenstammen wie z.B. aus Arbeitserfahrungen, Hobbys oder Schulbildung. Dabei sind drei Dimensionen für das Erkennen von unternehmerischen Gelegenheiten relevant:28

„ (Vor)KenntnisseüberMärkte „ (Vor)KenntnisseüberdieVersorgungvonMärktenund „ (Vor)KenntnisseüberKundenprobleme KenntnisseindiesenBereichenermöglicheneseinemIndividuum,genauer sagen zu können, bei welchen Märkten sich der Einstieg mit einer neuen Technologielohnt,wieeineneueTechnologiezurVersorgungvonMärkten genutztwerdenkannundwelchedaraufbasierendenProdukteundDienst leistungenangebotenwerdenkönnen. EinUnternehmersollteimIdealfallzudemüberbestimmtekognitiveEigen schaften verfügen, auf die im folgenden Kapitel eingegangen wird. Ohne diese kognitiven Eigenschaften sind Vorkenntnisse nutzlos, da ein Unter nehmer nicht zwangsweise neue Kombinationen von Produktionsfaktoren als solche erkennen kann.29 Die Geschichte des Nichterkennens solcher neuer Kombinationen ist lang, auch bei der Entwicklung bahnbrechender Technologien wie z.B. der Glühlampe, wo das Potenzial beim technologi schenÜbergangvonGleichzuWechselstromselbstvonThomasA.Edison nicht erkannt wurde. Weit verbreitet ist auch das Problem, dass Technolo giennichtindergesamtenBreiteihrerMöglichkeitenerkanntwerden.

1.4.3 Risikoneigung undOptimismus: Individuelle Einstellungen entscheidendar über,werwelche unternehmeri schenChancen nutzt.

Evaluieren

Nicht jede Gelegenheit wird von Unternehmern wirtschaftlich genutzt. Die Entscheidung darüber hängt sowohl von der Art der Gelegenheit als auch von der individuellen Einschätzung der Chance durch den Unternehmer ab.30Aus Sicht des Entrepreneurs muss der Wert einer unternehmerischen Gelegenheit größer sein als die Opportunitätskosten, die ihm durch das VernachlässigenandererAlternativenentstehen.BeiderEinschätzungspie len zudem die Risikoneigung und der Optimismus des Unternehmers eine wichtig Rolle. Bereits während des Erkennens unternehmerischer Chancen kanneszueinerbewusstenoderunbewussten,ständigmitlaufendenEvalu ierung kommen. Hier spielen Charaktereigenschaften wie die von Kirzner beschriebene„Wachsamkeit“desUnternehmerseinewesentlicheRolle.Erst nachdem der Unternehmer zu dem Schluss gelangt ist, eine Gelegenheit

16

Der Versuch einer Definition: Entrepreneurship als Prozess

1.4

weiterzuverfolgen,wirdderProzessformalerundauchanderengegenüber geäußert, z.B., wenn es um die Suche nach Ressourcen geht.31 So wird bei Innovationen eine der ersten formalen Analysen eine Machbarkeitsstudie sein, die ermitteln soll, ob eine neue Ressourcenkombination sich auch in einenwirtschaftlichenErfolgumwandelnlässt.32 Für die Evaluierung sind insbesondere Methoden aus dem Innovationsma nagement hilfreich wie beispielsweise eine Meilensteinplanung. Mithilfe einer Meilensteinplanung kann das Gründungsprojekt in einzelne Phasen unterteilt und der Projektfortlauf über die Erreichung dieser Meilensteine kontrolliert werden. So werden bei der Finanzierung über Risikokapital häufig Meilensteine mit Kapitalgebern vereinbart, von deren Erreichen die Freigabe weiterer Finanzmittel abhängig gemacht wird. Meilensteine kön nenfürdasProjektwichtigeErgebnissesein,wieetwadieErstellungeines PrototypsoderdasErreichenbestimmterUmsatzziele.

1.4.4

Meilensteine helfen,denFort gangderUnter nehmens gründungim Blickzubehalten.

Nutzen

Für die Nutzung unternehmerischer Gelegenheiten kommen grundsätzlich zwei institutionelle Arrangements infrage: die Gründung einer eigenen Firma (Hierarchie) und der Verkauf der unternehmerischen Gelegenheit (Markt).33 Die Gründung einer eigenen Unternehmung ist umso wahr scheinlicher:

„ je weniger ein Individuum Anreize vorfindet, die Gelegenheiten in ei nemgroßenUnternehmenzunutzen,

„ je weniger bestehende Unternehmen Vorteile durch Skalen oder Lern kurveneffekteinnehabenund

„ jegeringerdieMarkteintrittsbarrierenineinerBranchesind. Zusätzlich spielt der effektive Schutz von geistigem Eigentum (Immaterial güterrechte)wiePatenteneineRolle,wennesdarumgeht,eineunternehme rischeGelegenheitumzusetzen,dieaufeinerbestimmtenErfindungberuht. DiegrößteAufmerksamkeitdurchMedienundWissenschafterhaltenneue, unabhängige Startups. Trotzdem dürfen die anderen Formen des Unter nehmertums wie Corporate Entrepreneurship, Franchising, Joint Ventures, Lizenzierung und Unternehmensaufkäufe nicht außer Acht gelassen wer den.ZurbesserenOrientierungkönnendiemöglichenFormenindreigroße Gruppeneingeteiltwerden:

„ Alleine gründen:34 Die Gründung eines Unternehmens ist die häufigste Form, eine unternehmerische Gelegenheiten zu nutzen. Die zentrale Fi

17

Wettbewerbs umfeldund Markteintritts barrierenspielen beiderEntschei dungfüroder gegeneineigenes Unternehmen eineRolle.

1

Entrepreneurship als einzel- und gesamtwirtschaftliche Herausforderung

gurimGründungsprozessistdasgründendeIndividuum.Abernichtje derhatdasPotenzial,einneuesUnternehmenzugründen,undvonde nen, die über das Potenzial verfügen, werden es nicht alle versuchen. Vondenjenigenwiederum,dieversuchen,einUnternehmenzugründen, werden es nur wenige schaffen, erfolgreich zu gründen. Einige Wissen schaftler betrachten diese Form des Entrepreneurship daher als „Kö nigsdisziplin“,die,wieimzweitenKapitelbeschrieben,miteinigenper sönlichenRisikenundHerausforderungenverbundenist.

„ Im Team gründen: Im Team gründen zu wollen, kann eine Vielzahl von Ursachenhaben.SokannesfürIndividuenmitgenügend Kapital,aber wenigIdeenfüreineGründungdurchausinteressantsein,einbestehen des Unternehmen in Form eines ManagementBuyins (MBI) oder das Unternehmen, in dem man bereits beschäftigt ist, in Form eines Mana gementBuyouts (MBO) zu übernehmen. Eine weitere Variante ist die ÜbernahmeeinesFranchise(z.B.McDonald’s,Fressnapf),wasinderRe gel mit hohen, unwiederbringlichen Investitionskosten, sogenannten Sunk Costs, verbunden ist und die unternehmerische Freiheit sehr ein schränken kann. Wenn die eigenen Mittel nicht reichen, um eine unter nehmerische Gelegenheit zu verwirklichen, kann zusammen mit einem bestehenden Unternehmen ein Joint Venture eingegangen werden, bei spielsweise,umeineAuslandsexpansionvoranzutreiben.

„ Verkaufen: Der Verkauf einer Lizenz oder eines Patents stellt ebenfalls eineVariantefürdieNutzungeinerunternehmerischenGelegenheitdar. Sind die Entwicklungskosten eines Produktes oder einer Technologie sehr hoch, kann es sinnvoll sein, bereits im Vorfeld zu entscheiden, die EntwicklungnurbiszueinembestimmtenStadiumzubetreibenundsie relativ früh in Form einer Lizenz oder eines Patentes zu verkaufen. Im Bereich der Biotechnologie und allgemein im Hightechbereich ist dies sehrhäufigderFall.

Unternehmerprofil:FredyHiestand–UnternehmerausLeidenschaft Kreativität, Durchhalte vermögenund Anpassungs fähigkeitkenn zeichnen erfolgreiche Unternehmer.

Es gibt viele Eigenschaften und Verhaltensweisen, die kennzeichnend sind für erfolgreiche Unternehmer. Einige davon sind besonders wichtig: Kreativität, Durchhaltevermögen und Anpassungsfähigkeit gehören auf jeden Fall dazu. Auf Unternehmertum bezogen bedeutet das, innovative Produkte zu entwickeln, sich von Rückschlägen nicht unterkriegen zu lassen und veränderte Markt- und Rahmenbedingungen als Chance zu nutzen. Fredy Hiestand ist ein gutes Beispiel für einen, der diese Eigenschaften zur Genüge besitzt. Seit 1967 verkaufte der Schweizer Bäcker über 1 Milliarde „Gipfeli“ weltweit. So nennen die Schweizer, was die Franzosen als „Croissant“ bezeichnen.

18

Entrepreneurship und wirtschaftliches Wachstum

1.5

Wichtige Erfolgsfaktoren auf dem Weg zum „Gipfelikönig der Schweiz“ waren der Einsatz moderner Technologie und die Entwicklung innovativer Produkte: Als ein Freund von Fredy Hiestand auf einer Messe eine französische Gipfelmaschine präsentierte, mit der man 2.800 Gipfel pro Stunde herstellen konnte, kaufte Fredy Hiestand sie direkt nach dem Testlauf. Vorher hatte er lediglich 1.500 Gipfel an einem Tag verkauft. Eine Produktinnovation sorgte für die Verbreitung der Butter-Gipfel: Vorgegarte Gipfel ermöglichten es, dass auch Hotels und Tankstellenshops das Produkt in ihr Sortiment aufnehmen konnten. Technik und Innovation legten damit den Grundstein für Wachstum. Als erste Bäckerei Europas ging das Unternehmen Hiestand 1997 an die Börse, und die schweizerischen Zeitungen nannten Fredy Hiestand den „Gipfelikönig der Schweiz“. Auf der Höhe seines Erfolges beschäftigte er 1.800 Mitarbeiter. Im Jahr 2000 wurde er mit dem Ausspruch „Ich werde den Asiaten den Reis vertreiben“ zitiert. Doch dann brach die Börse ein und Fredy Hiestand musste 2003 das Unternehmen nicht ganz freiwillig verlassen. An Aufgeben hatte er aber nie gedacht. Im Gegenteil, nachdem Fredy Hiestand mit 24 Jahren seine erste Karriere unter seinem Nachnamen startete, begann er die zweite mit über 60 unter seinem Vornamen. Und auch diese Karriere scheint erfolgreich zu verlaufen. Unter dem Namen „Fredy's“ verkauft der Unternehmer vitaminreiches Brot. Im Gegensatz zu anderen Broten enthält sein Brot wichtige Weizenkeime. Die sind in Broten meistens nicht zu finden, obwohl sie zahlreiche Vitamine und Spurenelemente beinhalten. Angesichts der Tatsache, dass bewusste Ernährung nicht nur in der Schweiz, sondern zunehmend auch in vielen anderen Ländern von enormer Bedeutung ist, eine echte Marktchance. Marktchancen sind wichtig. Sie reichen aber nicht aus, um ein neues Unternehmen erfolgreich aufzubauen. Dafür kostet der Aufbau eines neuen Unternehmens zu viel Energie. Wichtig sind Motivation und Herzblut. Daran wird es Fredy Hiestand nicht fehlen. Sein Ziel ist es, dass Menschen sich bewusst ernähren und Brot ein gesundes Grundnahrungsmittel wird. Er möchte etwas verändern und schöpft daraus Energie. Zum Beispiel, um wieder mit Innovationen aufzuwarten: Unter www.brotpost.ch kann man sich gesundes Brot bestellen und nach Hause liefern lassen, Weizenkeime inklusive.

1.5

AnAufgebenhat erniegedacht. SeineneueVision: Brotsollein gesundesGrund nahrungsmittel werden.

Entrepreneurship und wirtschaftliches Wachstum

Auf einer Makroebene ist Entrepreneurship ein Prozess der kreativen Zer störung. Schumpeter verwies damit auf die gleichzeitig destruktiven und konstruktiven Auswirkungen von Innovationen, durch die Neues das Alte zerstört und junge Unternehmen andere aus dem Markt drängen. Unter nehmersindfürdiesenProzessderkreativenZerstörung einzentralesEle

19

Unternehmer sindeinzentrales Elementder kreativen Zerstörung.

1

Entrepreneurship als einzel- und gesamtwirtschaftliche Herausforderung

ment: Sie identifizieren Gelegenheiten und machen sowohl neue Technolo gienalsauchKonzeptewirtschaftlichnutzbar.

1.5.1 Innovationen spieleneine strategische Rollefürdie wirtschaftliche Entwicklung einerVolks wirtschaft.

Entrepreneurship als Motor des Modells

Innovationen, die durch Unternehmer vorangetrieben werden, spielen eine strategischeRolleinderwirtschaftlichenEntwicklungundKonjunktureiner Volkswirtschaft.DieQualitätderLeistungderEntrepreneureistausschlag gebend dafür, ob das Kapital schnell oder langsam wächst und ob das WachstumdieEntwicklungneuerProdukteoderTechnikenbeinhaltet.Un terschiede zwischen den Wachstumsraten verschiedener Länder können daherzugroßenTeilenvonderQualitätderunternehmerischenTätigkeiten abhängig gemacht werden. Wirtschaftliches Wachstum findet nicht auf grundvonVerbesserungenindenBereichenTechnologie,Produktivitätoder Ressourcen statt, sondern weil Entrepreneure 1. Technologien, Organisatio nenundProzesseverbessern,2.innovativerundproduktiverwerdenund3. andereUnternehmenausdemWettbewerbdrängen.ImVerlaufdieserkrea tiven Zerstörung entstehen mehr und/oder bessereArbeitsplätze, als durch den Unternehmensabbau verloren gehen. Die Gesamtproduktivität steigt unddaswirtschaftlicheWohlergehennimmtzu. EinIndikatorfürkreativeZerstörungistdieGründungsdynamikinnerhalb einer nationalen Volkswirtschaft. Damit wird das Ausmaß beschrieben, in dem Unternehmen in einen Industriezweig eintreten, wachsen und nieder gehen. Obwohl es weitestgehend anerkannt wird, dass die Gründungsdy namikeinenwesentlichenBestandteilwirtschaftlichenWachstumsdarstellt, istesoftmalsfürdieöffentlicheMeinungunddiepolitischenKräfteschwie rigzuakzeptieren,dassEntrepreneurshipaucheinezerstörerischeKompo nente beinhaltet. Es wäre illusorisch zu denken, dass eine Volkswirtschaft von dem durch Entrepreneurship geschaffenen Wachstum und Fortschritt nurprofitierenkann.EsmussauchinKaufgenommenwerden,dassUnter nehmen restrukturiert oder sogar geschlossen werden müssen und damit unvermeidbare Konsequenzen (Produktrückzug vom Markt, Abbau von Arbeitskräften,VerlustevonInvestoren)verbundensind. Abbildung 13 zeigt den Gesamtzusammenhang zwischen sozialem, kultu rellemundpolitischemKontextundwirtschaftlichemWachstumauf:Sozia le,kulturelleundpolitischeVariablenbestimmendienationalenRahmenbe dingungen, die für Großunternehmen und KMU relevant sind, sowie die Rahmenbedingungen für Unternehmensgründungen, die die Gründungs chancen und potenziale beeinflussen. Die Aktivitäten von Großunterneh men, KMU und Entrepreneuren wiederum beeinflussen die wirtschaftliche DynamikunddamitdaswirtschaftlicheWachstum.

20

Entrepreneurship und wirtschaftliches Wachstum

1.5 Abbildung13

DasGEMModell

Quelle: www.gemconsortium.org

21

1

Entrepreneurship als einzel- und gesamtwirtschaftliche Herausforderung

Das Ausmaß unternehmerischer Aktivität hängt davon ab, inwieweit Indi viduenverfügbareGelegenheitenerkennenundinwieweitsieüberdieMo tivationunddieFähigkeitverfügen,dieseauchzunutzen.EineVielzahlvon Faktoren, die unter dem Oberbegriff Rahmenbedingungen zusammenge fasstwerden,beeinflussendieunternehmerischeAktivität.ZudiesenBedin gungen gehören z.B. die Verfügbarkeit von Gründungskapital, Aus und Weiterbildung in Entrepreneurship, Programme für Inkubatoren, Regie rungsprogrammeundallgemeineProgrammezurFörderungvonEntrepre neurship. InletzterKonse quenzliegtesan jedemEinzelnen, dieInitiativefür unternehmerische Aktivitätenzu ergreifen.

AufeinerübergreifendenEbenebestehteinZusammenhangzwischennati onal vorherrschenden Bedingungen (z.B. rechtliche Institutionen, generelle Infrastruktur,Arbeits und Finanzmärkte) und der Leistungsfähigkeit etab lierterUnternehmen.DerProzessvonInnovationundEntrepreneurshipist dieAnhäufungeinerVielzahlvonEreignissenbetreffendRessourcen,Insti tutionen und Eigentumsrechten, in die viele Akteure des öffentlichen und privatenSektorsinvolviertsind.SchlussendlichformensozialeWerte,Politik und Institutionen den makroökonomischen Kontext, in dem sich Entrepre neurshipabspielt.RegierungsinstitutionenundBildungseinrichtungenkön nen zwar Rahmenbedingungen herstellen, welche die Entstehung von En trepreneurshipfördern,esliegtaberandenIndividuen,inderKonsequenz dieInitiativefürneue,unternehmerischeAktivitätenzuergreifen.

1.5.2 DerGlobal Entrepreneurship Monitormisst systematisch unternehmerische Aktivitätenin verschiedenen Ländern.

Messung unternehmerischer Aktivität

Unter Berücksichtigung der Tatsache, dassdie Nutzung unternehmerischer Gelegenheiten in höchst unterschiedlichen Institutionen stattfinden kann, wirdesverständlich,wiesodieMessungunternehmerischerAktivitätinner halb eines Landes mit Schwierigkeiten behaftet ist. Schnell wachsenden Unternehmen in expandierenden Industriesektoren wurde in letzter Zeit eine großeAufmerksamkeit zuteil, was aber zu eher anekdotischenAussa gen über das unternehmerische Potenzial der einzelnen Länder führte. Der Global Entrepreneurship Monitor (GEM) ist ein internationales Forscher konsortium,dasüberdieseErsteindrückehinausgehenundsystematischdie folgenden beiden Faktoren messen möchte: 1) den Stand der Startup Aktivitäten und 2) dieAusbreitung junger Unternehmen, sprich diejenigen Firmen,welchedieStartupPhaseüberstandenhaben.

22

Entrepreneurship und wirtschaftliches Wachstum

In einem ersten Schritt werden für jedes Land die StartupAktivitäten der erwachsenen Bevölkerung (18–64 Jahre) ermittelt. Ausschlaggebend ist die Frage,obdiebefragtenPersoneninGründungsaktivitäteninvolviertsind.In einemzweitenSchrittwirddieAusbreitungjungerUnternehmengemessen. DabeiwirdderAnteilderBevölkerungberücksichtigt,dereinUnternehmen leitet, das zum Zeitpunkt der Befragung nicht älter als 42 Monate ist. Der Schwerpunkt der Forschung liegt bei beiden Messungen auf der unterneh merischen Aktivität, die die involvierten Individuen beeinflussen können, auch wenn sie nicht über die Mehrheit am betreffenden Unternehmen ver fügen.

1.5 DerGlobalEn trepreneurship Monitormisst Startup Aktivitätenund dieAusbreitung jungerUnter nehmen.

Einen ersten Einblick in das Ausmaß unternehmerischer Aktivität ausge wählter Länder bietet die untenstehendeAbbildung 14, die auf den Daten des GEMProjektes basiert. Die Grafik zeigt den prozentualen Anteil der Personen,dieentwederinStartupAktivitäteninvolviertsindodereineige nesUnternehmenleiten,dasnichtälterals42Monateist.Dargestelltwerden alle europäischen Länder, die 2005 und/oder 2006 am GEMProjekt teilge nommenhaben,wobeieuropäischeTransformationsländergesondertgrup piert wurden. Als Vergleich wurde zudem die unternehmerische Aktivität der Vereinigten Staaten aufgezeigt. Die vertikalen Balken stellen einen 95 ProzentKonfidenzintervall (Fehlertoleranz) dar und geben einen Hinweis aufdieGenauigkeitderMessung. Die Gründungsaktivität in Deutschland ist im europäischen Vergleich mit 4,8% eher niedrig. Die niedrigen Werte hängen unter anderem mit der Gründungseinstellung zusammen: Lediglich ein Fünftel der Befragten zwi schen 18 und 64 bewertet die zukünftigen Gründungschancen positiv. Von den insgesamt 42 Ländern, die beim GEMMonitor 2006 teilgenommen ha ben,gibteslediglichvierLänder,indenenderWertnochschlechterist.35 In der Schweiz versuchen 6,1% der erwachsenen Bevölkerung ein Unter nehmenzugründenbzw.sindbereitsInhabereinesjungenUnternehmens. Damit liegt die Schweiz im oberen Mittelfeld der beteiligten europäischen Länder.PositivzubewertenistdieEinstellungderSchweizerzuGründun gen. Fast 40% der erwachsenen Schweizer beurteilen die Chance für eine UnternehmensgründungpositivundmehralsdieHälftederBefragtentraut sicheineGründungzu.36 InÖsterreichliegtderAnteilderBevölkerung,dieinGründungsaktivitäten involviert sind, bei 5,3% der erwachsenen Bevölkerung. Damit liegt Öster reichiminternationalenVergleichimMittelfeld.ÄhnlichwieinDeutschland wirkensichauchhiersoziokulturelleFaktorenwiemangelndeRisikobereit schaftnachteiligaus.37 

23

NureinFünftel derDeutschen bewertetdie Gründungs chancenpositiv.

1 Abbildung14

Entrepreneurship als einzel- und gesamtwirtschaftliche Herausforderung

AusmaßunternehmerischerAktivitätinausgewähltenLändern

 Quelle: Eigene Darstellung basierend auf den Daten des Global Entrepreneurship Monitor 2006 und 2007.

InÖsterreichund derSchweiz entstehenUnter nehmenmeistens, umChancenzu nutzenundnicht ausderNot heraus.

ImRahmenderGEMStudiewirdzwischenopportunityundnecessityentre preneurship unterschieden. Die interviewten Personen wurden gebeten an zugeben,obsieihrUnternehmengegründethaben,umeineMarktchancezu nutzen (opportunity entrepreneurship), oder ob die Gründung die einzige Optionwar,nebenderArbeitslosigkeit,sichdenLebensunterhaltzuverdie nen(necessityentrepreneurship).ImJahr2002gabendurchschnittlich5,5% der Befragtenan, ein Unternehmen zur Nutzung einer Chance gründen zu wollen,wohingegenderSchnittbeidenGründungenausZwang(necessity entrepreneurship)bei1,7%unterallen37GEMLändernlag.Wennmandie GründungsaktivitätinsgesamtaufnationalerEbenevergleicht,sonutzenin Japan rund 1% der Befragten eine Gelegenheit zur Gründung bis hin zu 29% in Uganda und 7,4% in der Schweiz als einem der Spitzenreiter in Europa, wohingegen Deutschland mit 5,2% eher im Mittelfeld liegt.38 Das

24

Entrepreneurship und KMU

1.6

Ausmaß unternehmerischer Aktivität aus der Not heraus hat für die Schweiz eine eher geringe Bedeutung, vielmehr ist eine unternehmerische AktivitätdemWunschnachSelbstverwirklichungzuzuordnen.InDeutsch landhabendieGründungenausderNotherausaufgrundvonArbeitslosig keit und entsprechenden Förderinstrumenten in den letzten Jahren zuge nommen, wobei Ostdeutschland von dieser Entwicklung besonders betrof fenwar.

1.6

Entrepreneurship und KMU

Entrepreneurship ist für die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes von entscheidenderBedeutung.InAbschnitt1.5wurdediesanhandvonempiri schenDateneindrücklicherläutert.WieaberhängenEntrepreneurshipund dasManagementvonkleinenundmittlerenUnternehmenzusammen?Wie istdie Bedeutung von KMU für die Wirtschaft einzuschätzen? Und wo lie gen die Unterschiede zwischen Entrepreneurship und dem Management vonkleinenundmittlerenUnternehmen?

1.6.1

Entrepreneurship istfürdie wirtschaftliche Entwicklung einesLandesvon entscheidender Bedeutung.

Die wirtschaftliche Bedeutung von KMU

Die meisten Unternehmer in Deutschland leiten kleine und mittlere Unter nehmen. Man könnte sagen, dass Unternehmertum viel eher Klein unternehmertum als „Big Business“ ist. KMU stellen mehr als 99% aller UnternehmeninDeutschland,ÖsterreichundderSchweizundbeschäftigen mehr als 60% aller Personen, die in der Privatwirtschaft arbeiten. Sie sind wichtig für die Schaffung von Arbeitsplätzen, und sie sorgen für Wettbe werb, Strukturwandel und die Umsetzung von Innovationen. Trotzdem werdensieinderÖffentlichkeitwenigerstarkwahrgenommenalsGroßun ternehmen.DieWirtschaftsteilederZeitungenwerdenbestimmtvonBerich tenüberUnternehmenwieDaimler,Siemens,HypoVereinsbankoderNest lé. Dieses Missverhältnis von tatsächlicher Bedeutung und öffentlicher WahrnehmungkannprägnantmitdenWorten„dominantundunscheinbar zugleichumschriebenwerden.39 NachderquantitativenAbgrenzungzählenalleUnternehmen,freienBerufe undsonstigeselbstständigausgeübtenTätigkeitenalsKMU,soweitsieeine bestimmte Größe nicht überschreiten. Einzelne Länder verwenden diesbe züglich unterschiedlicheAbgrenzungen. Nach einer Empfehlung der Euro päischenKommissionwerdenabdem1.Januar2005UnternehmenalsKMU gezählt,wennsiediefolgendenKriterienerfüllen:

25

99%allerUnter nehmenin Deutschland, Österreichund derSchweizsind KMU.

1

Entrepreneurship als einzel- und gesamtwirtschaftliche Herausforderung

„ wenigerals250Beschäftigte „ wenigerals50Mio.EURUmsatzoder „ wenigerals43Mio.EURBilanzsumme „ eigenständigesUnternehmen,d.h.25%odermehrseinesKapitalsoder seinerStimmrechtedürfennichtdirektoderindirektvoneinemanderen Unternehmenkontrolliertwerden40

Großunternehmen über 250 Mitarbeiter

KMU 0–249 Mitarbeiter

Mittelunternehmen 50–249 Mitarbeiter

AnteilUnternehmen/BeschäftigteinProzentnachUnternehmensgrößenklassen42

Kleinunternehmen 10–49 Mitarbeiter

Tabelle11

Diese Definition von KMU wird heute in vielen europäischen Ländern an gewendet,auchumdieFörderundSubventionsströmederStaatenentspre chendlenkenzukönnen.DieGruppederKMUlässtsichhierbeinochweiter gehend nach Kleinst, Klein und Mittelunternehmen unterscheiden. Kleinstunternehmen haben weniger als 10 Mitarbeiter, Kleinunternehmen 10–49 und Mittelunternehmen 50–249. Tabelle 11 zeigt den prozentualen Anteil von KMU an der Gesamtheit aller Unternehmen für ausgewählte Länder. Zudem wird der Anteil der Beschäftigten, die in KMU tätig sind, aufgezeigt.41

Kleinstunternehmen 0–9 Mitarbeiter

DieEuropäische Kommissionhat Kriterienzur Abgrenzungvon KMUfestgelegt.

Anteil Unternehmen in % (Anteil Beschäftige in %)

Total Unternehmen (Beschäftigte)

in Mio.

„ Deutschland

3,0 (30,9)

88,0 (34,0)

10,2 (18,0)

1,5 (12,8)

99,6 (64,8)

0,4 (35,2)

„ Schweiz (2005)

0,3 (3,1) 0,3 (2,9)

87,5 (27,6) 86,9 (37,2)

10,3 (23) 11,2 (18,9)

1,9 (20,6) 1,9 (15,2)

99,7 (71,2) 99,6 (71,9)

0,3 (28,8) 0,4 (28,1)

„ Eur-19 (2003)

19,3 (139,7)

92,3 (39,4)

6,5 (17,4)

1,0 (13,0)

99,8 (69,7)

0,2 (30,3)

„ USA (2004)

25,4 (134,6)

95,0 (23,9)

4,1 (15,2)

0,8 (15,3)

99,9 (54,5)

0,1 (45,5)

(2003)

„ Österreich (2003)

Quelle: Fueglistaller, U./Fust, A./Federer, S., Kleinunternehmen in der Schweiz - dominant und unscheinbar zugleich, Schweizerisches Institut für KMU, St. Gallen, 2006.

26

Entrepreneurship und KMU

KMU machen einen wesentlichen Anteil aller Unternehmen in fast allen Volkswirtschaften der Welt aus. In Deutschland beschäftigen 99,6% aller privatwirtschaftlichenUnternehmenwenigerals250Mitarbeiterundlassen sichdaherdemBereichderKMUzurechnen.InÖsterreichundderSchweiz verhältessichganzähnlich.DergroßeTeilderKMUhatsogarwenigerals 10MitarbeiterundkanndamitalsKleinstunternehmenbezeichnetwerden. SeitMitteder1990erJahreistderTrenderkennbar,dasseinsteigenderAn teil von Selbstständigen gar keine Mitarbeiter mehr hat und alleine arbei tet.43VordiesemHintergrundkannmandieBegriffeUnternehmertumund KMU beinahe gleichsetzen. Fast alle Unternehmer sind in Deutschland, ÖsterreichundderSchweizinkleinenundmittlerenUnternehmentätig.

1.6 KMUbeschäfti genüber60% allerMitarbeiter inderPrivat wirtschaft.

BeiderAnzahlderBeschäftigtensinddieRelationendeutlichzugunstender Großunternehmenverschoben.KMUbeschäftigenetwa60–70%allerPerso nen in der Privatwirtschaft, wohingegen Großunternehmen auf immerhin 30–40%kommen.Auchhiergiltallerdings,dass–entgegenderöffentlichen Wahrnehmung – die Mehrheit der Beschäftigten in der Privatwirtschaft im BereichkleinerundmittlererUnternehmenarbeitet. Die Zahlen sprechen für sich: Der Großteil der wirtschaftlichen Leistung einerVolkswirtschaftwirdinKMUerbracht.

1.6.2

Entrepreneurship und KMU: zwei sich ergänzende Begriffe

KMU und Entrepreneurship sind zwar zwei unterschiedliche Begriffe, sind aber eng miteinander verknüpft: Entrepreneurship vollzieht sich meist in der Form der Gründung eines neuen Unternehmens. Neue Unternehmen beginnen naturgemäß zunächst als kleine Unternehmen. Das Management eines KMU erfordert jedoch andere Kenntnisse und Fähigkeiten als die Gründung eines neuen Unternehmens, und Entrepreneurship ist nicht auf KMUbeschränkt,sondernesgibtvielfältigeBeispielefürEntrepreneurship ingroßenUnternehmen.

KMUundEntre preneurshipsind engmiteinander verknüpft.

In Abschnitt 1.4 wurde der modellhafte Ablauf des Entrepreneurship Prozesses bereits dargestellt. Microsoft, SAP und Logitech können als Bei spiele dafür dienen, dass neu gegründete Unternehmen in wenigen Jahren mehrere Tausend Arbeitsplätze schaffen und sogar zu „Global Playern“ werden. Entrepreneurship ist damit die Voraussetzung für die Entstehung von kleinen und großen Unternehmen. Die Entwicklung hin zu einem Großunternehmen kann allerdings nicht als typisches Resultat von Entre preneurship angesehen werden. Die Mehrzahl aller Unternehmen ist nicht nur bei der Gründung klein, sondern wird auch klein bleiben. Nur sehr

Entrepreneure könnensich innerhalbkurzer Zeitzu„Global Playern“ entwickeln.

27

1

Entrepreneurship als einzel- und gesamtwirtschaftliche Herausforderung

wenigeUnternehmenerreichenjemalsdieSchwellevon250Mitarbeitern,ab dersiealsGroßunternehmenzubezeichnenwären. BeiKMUkommt esstärkeraufdas Manageneiner bestehenden Unternehmung an.

Entrepreneurship lässt sich als Entdeckung, Beurteilung und Ausnutzung von Geschäftsmöglichkeiten beschreiben. Typischerweise spielt Entrepre neurshipgeradeinderGründungsphasevonUnternehmeneinegroßeRolle. Mit wachsender Größe und zunehmender Etablierung am Markt verliert allerdingshäufigdasinnovativeElementanBedeutungundeskommtstär kerdaraufan,diebestehendeUnternehmungzumanagen.SchonSchumpe ter hat darauf hingewiesen, dass Unternehmer nicht dauerhaft die Rolle eines Entrepreneurs ausüben, sondern meist irgendwann eher koordinie rende und verwaltende Tätigkeiten übernehmen: „... halten wir fest, dass jemandgrundsätzlichnurdannUnternehmerist,wennereine,neueKom bination durchsetzt‘ – weshalb er den Charakter verliert, wenn er die ge schaffene Unternehmung dann kreislaufmäßig weiter betreibt“.44 Das Phä nomendesnachlassendenUnternehmergeisteshatsehranschaulichThomas ManninseinemRomanBuddenbrooksbeschrieben.MitderFragederWie derbelebungdesUnternehmergeistesbeschäftigtsichdasKapitelCorporate EntrepreneurshipdesvorliegendenBuchs.

KMUerschließen nichtunbedingt neueGeschäfts felder.

Management lässt sich nach Ulrich definieren als Gestalten, Lenken und EntwickelnzweckorientiertersoziotechnischerInstitutionen.45DieseDefini tion von Management schließt die Weiterentwicklung einer Unternehmung mit ein, was auch EntrepreneurshipProzesse umfassen kann. Die Manage menttätigkeitbestehtinKMUallerdingshäufigzueinemgroßenTeilausder Erledigung des Tagesgeschäfts, ohne dass neue Geschäftsfelder erschlossen werden. Eine solche Unternehmensausrichtung ist hier gemeint, wenn von KMUManagement im Unterschied zu tatsächlichem Entrepreneurship die Redeist. Neben den Unterschieden in Bezug auf den Innovationsgrad und die zu erledigenden Aufgaben spielt die Bedeutung von Wachstum eine wichtige Rolle:VieleKMUsindnichtwachstumsorientiert,wassievonUnternehmen miteinerstarkenEntrepreneurshipAusrichtungunterscheidet.

1.6.3 Entrepreneure sindaufder Suchenach neuenIdeen.

Entrepreneur versus KMU-Manager

Die Wesensunterschiede von Unternehmen mit EntrepreneurshipAus richtungundKMUmachensichauchindenRollenbemerkbar,dieeinEn trepreneur bzw. ein KMUManager einnehmen muss. Mit dem Begriff En trepreneur werden Personen beschrieben, die neue Ideen entwickeln, ein Unternehmen aufgrundvondiesenIdeenaufbauenundWertstiften.Nicht alleUnternehmererfüllendieseKriterien,davielekleineFirmennichtaktiv

28

Entrepreneurship und KMU

1.6

nach neuen Ideen oder unternehmerischen Gelegenheiten suchen. Als Bei spiel seien hier Personen genannt, die in einem Großunternehmen arbeiten und dieses verlassen, um die gleiche Aufgabe als Einmannunternehmen wahrzunehmen. Sie sind eher Selbstständige als Unternehmer. Sie entwi ckelnkeineinnovativeIdeeundübernehmenkeinsubstanziellesRisiko,sie verrichten lediglich ihre bisherige Arbeit in einem anderen Format. Entre preneuredagegenverfolgeneineWachstumsstrategie,fühlensichderInno vation verpflichtet, führen hartnäckig die notwendigen Ressourcen zusam men und haben das dringende Bedürfnis, etwas zu erreichen. Ein KMU ManagerzeichnetsichdagegennichtunbedingtdurchvergleichbareEigen schaftenaus,unddieEigenschaftensindauchnichtimmernotwendig,um ein KMU erfolgreich zu führen. Die unten stehende Tabelle zeigt die wich tigsten Unterschiede von Entrepreneurship und KMUManagement noch malsimÜberblick.

Tabelle12

UnterschiedezwischenEntrepreneurshipundKMUManagement Entrepreneurship Ein Prozess, der von Individuen initiiert und durchgeführt wird und der dazu dient, Gelegenheiten zu identifizieren, zu evaluieren und zu nutzen Groß, mittel oder klein

KMU-Management Die Verwaltung eines kleinen unabhängigen Unternehmens

„

Begriffsdefinition

„

Unternehmensgröße

„

Risikograd

Sehr unterschiedlich

Im Allgemeinen niedriges Risiko

„

Anzahl beteiligter Personen

Reicht von sehr wenigen bis zu sehr vielen

Klein oder mittel

„

Wirtschaftssektor

Privater, staatlicher und Non-Profit-Sektor

Privater Sektor

„

Wachstumsfokus

Hoch

Variabel

„ „

Schlüsselperson Entrepreneur Streben nach Anerkennung Schlüssel(gründet ein Unternehmen, eigenschaften des Individuums um einen Traum zu verwirklichen); hohe Kontrollüberzeugung (locus of control); hohe Risikobereitschaft; wachstumsorientiert

Klein

KMU-Manager Moderates Streben nach Anerkennung (führt ein Unternehmen, um den Lebensunterhalt davon zu bestreiten); gute organisatorische Fähigkeiten, um effizient zu managen; keine/geringe Innovation; moderates Wachstum

29

1

Entrepreneurship als einzel- und gesamtwirtschaftliche Herausforderung

1.7 WelchesGe schäftsmodell eignetsich,um individuellge mixtesMüsli anzubieten?

Fallstudie: Individuell gemixtes Müsli

Während der letzten Monate haben sich Hubertus Bessau und seine zwei Kommilitonen einen guten Überblick über den deutschen Müslimarkt ver schafft.ImApril2006sitzendiedreiFreundeineinemBiergarteninPassau undmachensichGedankendarüber,welchesGeschäftsmodellsichambes ten eignet, um mit den ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen jedem ihrerzukünftigenKundeneinindividuellgemixtesMüslianzubieten.

Wie alles anfing Einschlechter Radiospotbrach tediedreiGrün deraufdieIdee, eineigenesMüsli zuverkaufen.

EswareinRadiospot,derHubertusBessau(24),PhilippKraiss(24)undMax Wittrock (22) auf die Idee brachte, ihr eigenes Müsli zu verkaufen: Im Juli 2005saßendiedreigemeinsamimAutoundwarenaufdemWegzumBade see,alssieeinenRadiospotfürMüslihörten.SiefandendenRadiospotalt modisch und stellten übereinstimmend fest: „Das können wir besser!“ Be reitsamAbendstandfest,dasssienichtnureineneigenenRadiospot,son derneineigenesMüslimiteinemmodernenImageproduzierenwollten.Zu diesem Zeitpunkt waren alle drei noch Studenten mit etwa zwei weiteren JahrenbiszumStudienabschluss. HubertusundPhilipphattensichgleichamerstenTagihresBWLStudiums getroffen.SpäterlerntensieMaxkennen,derJuraandergleichenUniversi tät in Passau studierte, während er eine journalistischeAusbildung bei der „PassauerNeuenPresse“absolvierte.WährendseinesStudiumsspezialisier tesichHubertusindenBereichenMarketingundITundPhilippinFinanz planung und IT. Für Hubertus und Philipp war es nicht die erste Firma. Hubertushattebereitsmit16seinenerstenGewerbeschein.Erverdientesein erstes Geld mit der Programmierung von Webseiten. Im November 2002 gründete er mit Philipp sein erstes Unternehmen: eine vollautomatische Videothek,dieesKundenerlaubte,VideosrundumdieUhrundansieben Tagen in der Woche auszuleihen. Die Fingerabdrücke der Kunden dienten alsAuthentifizierung–damalseinetechnologischeNeuheit.InDeutschland warensiemitihrervollautomatischenVideothekunterdenerstenfünfAn bieterndieserArt.

30

Fallstudie: Individuell gemixtes Müsli

Das Geschäft lief gut, aber als die beiden während ihres Studiums nach Budapestgingen,umzusätzlicheinenMasterofBusinessAdministrationzu erhalten, verkauften sie die Videothek. Es wäre schwierig gewesen, das Geschäft vom Ausland aus zu betreuen, und die beiden wollten ohnehin früher oder später etwas anderes gründen. Zudem erhielten sie durch den VerkaufdesGeschäftesGeld,dassieinneueIdeeninvestierenkonnten. NunplantensiedenEintrittineinvölligneuesGeschäftsfeldundsiewuss ten,dassesnotwendigseinwürde,den„Müslimarkt“besserzuverstehen.

1.7 DerVerkaufeiner vollautomati schenOnline Videothekbrach teGründungs kapitalfürdie Umsetzungeiner neuenGeschäfts idee.

Der Markt Sie beschlossen, Informationen über das aktuelle Müsliangebot aus erster Hand zu bekommen. Im Sommer und Herbst 2005 durchsuchten sie die Angebote von über 20 Supermärkten. Die wesentlichen Erkenntnisse be schriebensiewiefolgt:IndenSupermärktengabeseinreichhaltigesAnge botanMüsliproduktenmiteinigendominierendenMarkenwieDr.Oetker, Vitalis, Kelloggs, Kölln, Seitenbacher und verschiedenen Discountmarken. DiemeistenProduktemachteneineneheraltmodischenEindruckinBezug auf Verpackung und Markenimage. Die Verpackungen zeigten Bilder einer heilen Natur oder Bilder von Zutaten, die übertrieben künstlich wirkten. EineechtePremiummarkekonntensienichtausmachen. ZueinemspäterenZeitpunktihrerRecherchefandendiedreietwasanderes heraus,dasihnensehrinteressantzuseinschien.VieleMenschenbetrachte ten Müsli als ein gesundes Essen. Ein Blick auf die Nährwerttabelle sagte jedoch etwas anderes: Die meisten Müslis beinhalteten extrem viel Zucker und gesättigte Fettsäuren. Damit konnten sie auf keinen Fall per se als ge sund bezeichnet werden. Sofern Früchte in einem Müsli enthalten waren, handelteessichmeistensumRosinen,dasieimVergleichzuanderenFrüch ten sehr billig sind, obwohl viele Menschen Rosinen gar nicht mögen. Sie schlossendaraus,dasssiezwarmiteinerganzenReiheanMüsliprodukten würdenkonkurrierenmüssen,dassesjedochrelativeinfachseinwürde,sich von anderen Produkten abzuheben und ein Alleinstellungsmerkmal zu entwickeln.

Müslikann gesundsein–oft genugwardies abernichtder Fall.

Sie wussten jedoch, dass es nicht ausreichen würde, die Konkurrenz zu kennen,umsichamMarkterfolgreichzubehaupten.Siemusstenauchihre zukünftigen Kunden verstehen. Sie entwickelten daher einen Fragebogen, um mehr über die Frühstücksgewohnheiten ihrer zukünftigen Zielgruppe zu erfahren. Neben anderen Punkten fragten sie, wo, mit wem und wie langedasFrühstückimAllgemeineneingenommenwurde,wasamliebsten gefrühstücktwurdeundobeinbestimmtesMüsliproduktbevorzugtwurde. DenFragebogenstelltensieimInternetein.Anschließendschicktensieden

EinOnline fragebogengibt Einblickeindie Frühstücks gewohnheitender Zielgruppe.

31

1

Entrepreneurship als einzel- und gesamtwirtschaftliche Herausforderung

Link an ihre Freunde und baten sie, den Fragebogen auszufüllen und den Linkerneutweiterzuleiten.Mehrals500PersonenbeantwortetendenFrage bogen. Die wesentlichen Ergebnisse fassten die drei wie folgt zusammen: FürdieAntwortendenschienesaußerordentlichwichtigzusein,Essenvor demKaufzusehenoderanzufassen.Kaumjemandgaban,Nahrungsmittel überdasInternetkaufenzuwollen.Personen,dieMüsligerneaßen,hatten häufig mehr als eine Sorte zu Hause. Trotz der großenAuswahl an Müsli produkten schien es also sehr schwierig zu sein, das „richtige“ Müsli zu finden. Bereitszudiesem,nochsehrfrühenZeitpunktihrerRecherche,beschlossen diedrei,dasssieihrenKundeneinindividuelles,maßgeschneidertesMüsli anbieten wollten; ein Angebot, dass nach dem Kenntnisstand der dreien lediglichvoneinigenReformhäusernundBiolädenangebotenwurde.

Erste Gedanken zum Geschäftsmodell DieentscheidendeFragewarjedoch:Wiekonntensiesicherstellen,dassdie individuellzusammengestelltenMüsliproduktegutschmeckten?Wasgenau war der Grund dafür, dass ein Müsli gut oder schlecht schmeckte? Sie be schlossen,Blindtestsdurchzuführen,umdieFragezubeantworten.Sieteste tenbeispielsweiseCranberries,Sauerkirschen,Maulbeerenundeinigeexoti scheZutatenwieGojiBeeren(BeerenausTibet,diedenRufgenießen,eine AntiAgingWirkungzuhaben). Einesstandfest: Biofrüchtege winnensämtliche Geschmacks vergleiche.

Die Blindtests brachten folgende Ergebnisse: Biofrüchte gewannen im Ver gleich zu konventionellen Früchten zuverlässig sämtliche Blindtests. Dafür sahenBiofrüchteoftmalsnichtsehrappetitlichaus,mandenkenuranver schrumpelte Erdbeeren. Wenn Sie aber sichergehen wollten, dass ihre Pro dukteimmergutschmeckenwürden,schienenBiozutatenausihrerSichtdie richtige Wahl zu sein. Zudem bestätigten die Blindtests etwas, das sie in früheren Onlineumfragen bereits herausgefunden hatten: Die Geschmäcke hinsichtlichbestimmterZutatenvariiertensehrstark.PhilippundMaxlieb ten beispielsweise HonigPops, während sich Hubertus schüttelte, wenn er sieessenmusste.

Gesund,indivi duell,modern– sosolltedas MüsliderZu kunftaussehen.

Unter Berücksichtigung aller Informationen und Eindrücke, die sie durch ihre Recherche gewonnen hatten, war ihnen klar, welchen Mehrwert sie ihrenzukünftigenKundenbietenwollten:Siewolltengesundes,individuell zusammengestelltesMüsliverkaufen,dasausorganischenZutatenbestand und ein modernes Image besaß. Was sie noch nicht wussten: Wo und wie sollten die Kunden die Zutaten nach ihren Wünschen zusammenstellen können?WiesolltensiedasfertigeMüslianschließendzudenKundenbrin gen? Und wie sollten sie beides mit den ihnen zur Verfügung stehenden

32

Fallstudie: Individuell gemixtes Müsli

1.7

Ressourcen bewerkstelligen? Sie überlegten, wie das richtige Geschäftsmo dellaussehensollte.

Die Suche nach dem richtigen Geschäftsmodell Hubertus,PhilippundMaxdiskutiertenmehrereOptionen,umzukünftigen KundeneinindividuellesMüslizubieten:

„ Müsliautomaten:ZusammenmiteinemAutomatenherstellerwürdensie einenMüsliautomatenentwickeln,derKundendieMöglichkeitgab,sich eineigenesMüslizusammenzustellen,vergleichbarmitAutomaten,mit deren Hilfe man Pommes frites auf Knopfdruck herstellen konnte. Der AutomatwürdeinSupermärktenaufgestelltwerden,sodassKundendas MüsliwährendihresnormalenEinkaufsmitnehmenkonnten.

Müsliausdem Automaten,dem Internetoder dochlieberaus demSupermarkt?

„ Müsli im Internet: Die drei Gründer würden eine Internetseite pro grammieren,aufdermansichmiteinpaarMausklickseineigenesMüsli zusammenstellen könnte. Das Müsli würde dann derAuswahl entspre chendzusammengestelltundperPostandieKundenverschicktwerden.

„ MüslithekenimSupermarkt:VergleichbarmitKäseoderWursttheken, dieimSupermarktzufindensind,würdenMüslithekenaufgestelltwer den. Hierfür könnten mit bestimmten Supermarktketten Kooperationen eingegangenwerden.DieKundenkönntensichdannvomServiceperso nal oder von Ernährungsexperten ein Müsli nach ihren Vorstellungen zusammenstellen und abwiegen lassen. Das Unternehmen von Huber tus, Philipp und Max wäre dann dafür zuständig, die Theken in Ord nungzuhaltenundwiederaufzufüllen.Fallsmöglich,würdensiehier füreinenSubunternehmerbeauftragen.

Nächste Schritte ImApril2006sitzendiedreiineinemBiergarteninPassau,umdieverschie denenGeschäftsmodellezubesprechen,mitdenensiedieentdeckteMarkt lücke würden nutzen können. Dabei mussten sie das zu erwartende Ein kommen,ihrWissenundihreFertigkeitenundnatürlichnotwendigeInves titionen berücksichtigen. Hubertus wusste, dass sie sich in den nächsten WochenaufeinGeschäftsmodelleinigenundeinenAktivitätenplanaufstel lenmussten,deresihnenerlaubenwürde,dasUnternehmenwährendoder kurznachihremStudiumzugründen.

33

EineEntschei dungüberdas Geschäftsmodell mussinden nächstenWochen getroffenwerden.

1

Entrepreneurship als einzel- und gesamtwirtschaftliche Herausforderung

Fragen zur Fallstudie 1. Wie kam es dazu, dass Hubertus, Philipp und Max eine unternehmeri scheGelegenheitentdeckthaben? 2. Wie haben die drei Gründer die unternehmerische Gelegenheit evalu iert? 3. WelcheVorundNachteilebringendieverschiedenenGeschäftsmodelle zurNutzungderunternehmerischenGelegenheitmitsich?Welchewei terenAlternativensinddenkbar? 4. Welche Aktivitäten müssen vor der Gründung des Unternehmens in Angriffgenommenwerden?

1.8

Zusammenfassung

DerBegriffEntrepreneurshiphatsichindenletztenJahrenimdeutschspra chigen Raum zu einem Schlagwort entwickelt, doch gibt es kein völlig zu treffendes deutsches Synonym.Am ehesten trifft der Begriff Unternehmer tumzu,derallerdingsimSprachgebrauchbreitergefasstist.Entrepreneur ship im Verständnis dieses Lehrbuches beschäftigt sich hauptsächlich mit der Gründung innovativer Unternehmen und der Schaffung neuer wirt schaftlicher Strukturen, will aber andere Varianten wie den Kauf eines Un ternehmens oder den Lizenzverkauf nicht per se ausschließen. Auf einer Makroebene ist Entrepreneurship ein Prozess der kreativen Zerstörung. Unternehmer sind für diesen Prozess ein zentrales Element: Sie identifizie renGelegenheitenundmachenneueTechnologienundKonzeptewirtschaft lichnutzbar. ImRahmendiesesLehrbucheswirdeineprozessorientierteSichtvonEntre preneurship angewendet, die das Erkennen, Evaluieren und Nutzen von unternehmerischenGelegenheitenumfasst.DieExistenzvonunternehmeri schenGelegenheitenwirdmitdemBestehenvonwirtschaftlichenUngleich gewichten und asymmetrischen Informationen begründet. Das Erkennen vonGelegenheitenistengandiePersondesUnternehmersgebunden,wobei VorkenntnisseundkognitiveEigenschafteneinegroßeRollespielen.Beider Evaluierung einer Gelegenheit ist es für den Unternehmer maßgeblich, ob nachseinerEinschätzungderNutzeneinerunternehmerischenGelegenheit größer ist als die Opportunitätskosten, die ihm durch das Vernachlässigen anderer Alternativen entstehen. Für die Nutzung einer unternehmerischen Gelegenheit kommen zwei grundsätzliche institutionelle Arrangements

34

Zusammenfassung

infrage:dieGründungeinerUnternehmungoderderVerkaufderGelegen heitamMarkt. Die Begriffe Entrepreneurship und KMU sind eng miteinander verbunden, aber nicht deckungsgleich. Entrepreneurship ist vor allem in den frühen Phasen eines Unternehmens von Bedeutung, wohingegen in späteren Pha senmeistdieSicherungundSteigerungderEffizienzimVordergrundsteht. DieBedeutungvonKMUdarfnichtunterschätztwerden:Kleineundmittle re Unternehmen (KMU), also nach üblicher Definition Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern, stellen mehr als 99% aller Unternehmen in Deutschland,ÖsterreichundderSchweizundbeschäftigen60%undmehr allerPersonen,dieinderPrivatwirtschaftarbeiten.

Diskussionsfragen 1. Wieso wird Entrepreneurship oftmals als komplexes Phänomen be schrieben?WasfürAnnäherungenund/oderDimensionensinddenkbar? 2. Warum wird nur ein kleiner prozentualerAnteil der Bevölkerung zum UnternehmerundgründeteinunabhängigesUnternehmen? 3. Welche Rolle sollte der Staat bei der Förderung von Entrepreneurship einnehmen?WassindProundKontraArgumentefüreinEngagement?

Weiterführende Literatur SHANE, S.,Ageneraltheoryofentrepreneurship:theindividualopportunitynexus. Cheltenham:EdwardElgar,2003. VOLERY,T./MÜLLER,E.,Visionäre,diesichdurchsetzen–Erfolgsgeschichtenvon13 EntrepreneursoftheYear.Zürich,OrellFüssliVerlagAG,2006. FALLGATTER,M.J.,TheoriedesEntrepreneurship:PerspektivenzurErforschungder Entstehung und Entwicklung junger Unternehmungen, Wiesbaden, Deutscher UniversitätsVerlagGmbH,2002. WeitereInformationenzurGründungsforschungfindensichunterwww.fgf ev.de, www.gforum.de und www.elidaonline.de, den Homepages der Förderkreises GründungsForschung e.V., der zentralen Institution für die deutschsprachigeGründungsforschung.

35

1.8

1

Entrepreneurship als einzel- und gesamtwirtschaftliche Herausforderung

Endnoten   1 Auf die Einführung des für Deutschland eher noch ungebräuchlichen und auch

kontroversdiskutiertenBegriffs„Entrepreneur“wirdimRahmendiesesLehrbu chesbewusstverzichtetunddieüblichereBezeichnungUnternehmertrotzeiniger begrifflicherUnschärfenverwendet. 2 FALLGATTER, M., Theorie des Entrepreneurship: Perspektiven zur Erforschung der Ent

stehung und Entwicklung junger Unternehmungen, Deutscher UniversitätsVerlag GmbH,Wiesbaden,2002. 3 OECD,fosteringentrepreneurshipandfirmcreationasadrivergrowthinaglobalecon

omy,2ndOECDconferenceofministersresponsibleforSMEs,2004. 4 SONNABEND, H., Wie Augustus die Feuerwehr erfand – Große Errungenschaften der

Antike,Düsseldorf/Zürich,2002. 5 CASSON,M.(Hrsg.),Entrepreneurship,Elgar,Aldershot,Brookfield,1990. 6 BAUMOL, W.,„EntrepreneurshipinEconomicTheory“,AmericanEconomicReview,

Jg.58,Nr.2,S.64–71. 7 SHANE, S./Venkataraman, S., „The promise of entrepreneurship as a field of re

search“,AcademyofManagementReview,Jg.26,2000.S.217–226. 8 GARTNER,W.,„Whatarewetalkingaboutwhenwetalkaboutentrepreneurship?“

JournalofBusinessVenturing,Jg.5,1991,S.15–29. 9 STEYAERT, C./KATZ, J., „Reclaiming the space of entrepreneurship in society: geo

graphical,discursiveandsocialdimensions“,Entrepreneurship&RegionalDevelop ment,Jg.16,2004,S.179–197. 10 WICKHAM,P.,„StrategicEntrepreneurship“,PrenticeHall,Harlow,2004. 11 SHANE, S.: A general theory of entrepreneurship: the individualopportunity nexus.

EdwardElgar,Aldershot,2003. 12 GILAD,B./KAISH,S./RONEN,J.,„Theentrepreneurialwaywithinformation“,inS.

MAITAL (ed.),Applied Behavioural Economics, vol. II, Wheatsheaf Books, Brigh ton,1989,S.480–503. 13 KIRZNER, I., Competition und Entrepreneurship, University of Chicago Press, Chi

cago,1973. 14 SHANE, S., A general theory of entrepreneurship: the individualopportunity nexus.

EdwardElgar,Aldershot,2003. 15 SHANE, S., „Prior Knowledge and the Discovery of Entrepreneurial Opportuni

ties“,OrganizationScience,Jg.11,2000,S.448–469. 16 SINGH, R.P./HILLS, G./HYBELS, R./LUMPKIN G., „Opportunity recognition through

social networks of entrepreneurs, Frontiers of Entrepreneurship Research, Babson College,Wellesley,1999,S..228–241. 17 GRANOVETTER,M.,„Thestrengthofweakties”,AmericanJournalofSociology,Jg.

78,Nr.6,1973,S.104–119.



36

Zusammenfassung 

18 CASSON,M.,TheEntrepreneur:AneconomicTheory,Barnes&NobleBooks,Totowa,

NJ,1982. 19 KIRZNER, I., „Entrepreneurial discovery and the competitive market process: an

austrianapproach”,JournalofEconomicLiterature,Jg.35,1997,S.60–85. 20 ARDICHVILIA,A./CARDOZOB,R./RAYC,S.,„Atheoryofentrepreneurialopportunity

identificationanddevelopment“,JournalofBusinessVenturing,Jg.18,2003,S.105– 123. 21 BRUSH P./GREENE P./HART M., „From initial idea to unique advantage: the entre

preneurialchallengeofconstructingaresourcebase“,TheAcademyofManagement Executive,Jg.15,Nr.1,Februar2001,S.64–78. 22 ALDRICH,H./MARTINEZ,M.,„Manyarecalled,butfewarechosen:anevolution

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austrianapproach”,JournalofEconomicLiterature,Jg.35,1997,S.60–85. 26 SHANE, S.: A general theory of entrepreneurship: the individualopportunity nexus.

EdwardElgar,Cheltenham,2003. 27 SHANE,S./VENKATARAMAN,S.,2000,ebenda. 28 SHANE,S.,ebenda. 29 SHANE,S./VENKATARAMAN,S.,ebenda. 30 SHANE,S./VENKATARAMAN,S.,ebenda. 31 ARDICHVILIA,A./CARDOZOB,R./RAYC,S.,„Atheoryofentrepreneurialopportunity

identificationanddevelopment“,JournalofBusinessVenturing,Jg.18,2003,S.105– 123. 32 ARDICHVILIA,A./CARDOZOB,R./RAYC,S.,ebenda. 33 SHANE,S./VENKATARAMAN,S.,ebenda. 34 Damit ist ausdrücklich auch die (sehr häufige) Gründung durch ein Team mit

eingeschlossen. 35 STERNBERG, R./BRIXY U./HUNDT C., Global Entrepreneurship Monitor – Länderbericht

Deutschland2006,InstitutfürArbeitsmarktundBerufsforschung;InstitutfürAr beitsmarktundBerufsforschung(IAB),2006. 36 VOLERY, T./BERGMANN H./HAOUR G./LELEUX B., Global Entrepreneurship Monitor 

Bericht2005zumUnternehmertuminderSchweizundweltweit,SchweizerischesInsti tutfürKleinundMittelunternehmen,2005. 37 SAMMER,M./SCHNEIDER,U.,GlobalEntrepreneurMonitorBericht2005zurLagedes

UnternehmertumsinÖsterreich,UniGraz,2005. 38 ÖsterreichistbisjetztimGEMProjektnichtvertreten. 39 FUEGLISTALLER, U.,CharakteristikundEntwicklungvonKleinundMittelunternehmen

(KMU),KMUHSG,St.Gallen,2004. 40 EUKommission, Empfehlung der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die

Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unterneh men,AmtsblattderEU,2003/361/EG,L124/3641,Brüssel.



37

1.8

1

Entrepreneurship als einzel- und gesamtwirtschaftliche Herausforderung 

41 FUEGLISTALLER,U./FUST,A./FEDERER,S.,KleinunternehmeninderSchweizdominant

und unscheinbar zugleich, Schweizerisches Institut für Klein und Mittelunterneh men,St.Gallen,2006. 42 Quellen: Schweiz: Bundesamt für Statistik, eidg. Betriebszählung 2001, privat

rechtliche Unternehmen, Bern 2002; übrige europäische Länder: EIM Data Ware house, Zoetermeer 2003 (unveröffentlicht); Europa19: ENSR, Obervatory of Eu ropean SMEs, siebter Jahresbericht 2003; USA: www.census.gov: The State of SmallBusiness2000,WashingtonD.C.,Januar2004.USA:ObereGrenzefürMit telunternehmen bei500Beschäftigten, untereGrenzebei100;inklusive16,5Mio. „Nonemployers“. 43 LEICHT, R.,„DieneuenSelbstständigenarbeitenalleine“.InternationalesGewerbear

chiv,Jg.48,2000,S.75–90. 44 SCHUMPETER, J.A., Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, 4. Aufl., Dun

cker&Humblot,Berlin,1934. 45 ULRICH,H.,Management,Haupt,Bern,1984.

38

Einführung

2 Die Unternehmerpersönlichkeit

Lernziele Nach der Lektüre dieses Kapitels sollten Sie folgende Fragen beantworten können:

„ Wie kann die Beziehung zwischen Entrepreneur und Wertgenerierung erklärtwerden?

„ WarumundwieentdeckenUnternehmerChancenundnutzendiese? „ DurchwelcheRollenundCharakteristikakönnenEntrepreneurecharak terisiertwerden?

„ WelcheMessgrößeneignensich,umdenErfolgzumessen? „ Mit welchen Risiken muss sich eine Person auseinandersetzen, die eine KarrierealsEntrepreneurverfolgenmöchte?

„ WiekannunternehmerischesVerhaltenimsozialenKontexterklärtwer den?

Begriffserklärungen Dialogisch: System aus zwei oder mehr Elementen mit einer zirkulären Kausalitätsbeziehung. Heuristik:VorgehensweisezurLösungvonallgemeinenProblemen,fürdie keineeindeutigenLösungsstrategienbekanntsindbzw.fürdieaufgrunddes erforderlichen Aufwands die Entwicklung einer Lösungsstrategie nicht sinnvoll erscheint. Sie beinhaltet in erster Linie „Daumenregeln“ auf der GrundlagesubjektiverErfahrungenundüberlieferterVerhaltensweisen. Opportunitätskosten: Kosten, die entstehen, wenn ein bestimmtes Invest ment einem zweitbesten vorgezogen wird. Opportunitätskosten geben an, aufwievielNutzenaufgrundderNichtrealisierungderzweitbestenVarian teverzichtetwird.

39

2.1

2

Die Unternehmerpersönlichkeit

Arbitrage:Ausnutzen von gleichzeitigen Preis, Kurs oder Zinsunterschie denaufverschiedenenMärktenzurGewinnerzielung.Diejenigen,diediese Aktivitätenausführen,werdenentsprechendalsArbitrageurebezeichnet. Groupthink: Eine einflussstarke Gruppendynamik, die Gruppenmitglieder verleitet,unabhängigeskritischesDenkenzuunterdrücken,denBlickfürdie Realitätzuverlierenundsichselbstfürunverwundbarzuhalten. Soziales Netzwerk: Die Summe der Beziehungen, die eine Person als Er gebnissozialerAktivitätenmitanderenPersonenunterhält.

2.1 DieUnternehmer persönlichkeit spielteineent scheidendeRolle beiderEntdeckung undNutzungvon Chancen.

Die Persönlichkeit des Unternehmers spielt eine zentrale Rolle bei der GründungvonUnternehmungen.DiesesKapitelidentifiziertunddiskutiert die persönlichen Dimensionen, die Erklärungsansätze für den unternehme rischen Prozess liefern und ihn beeinflussen. Zunächst ist es wichtig, die Beziehung zwischen Individuum und unternehmerischen Chancen zu ver stehen. Zum einen kann der Unternehmer nur in Bezug zu seinem Projekt verstandenwerden,zumanderensindindividuellepersönlicheUnterschie dewichtigfürdieEntdeckungundNutzungvonChancen.Ineinemzweiten SchrittwerdenRollenundCharakteristikavonUnternehmernausökonomi scherundpsychologischerPerspektivebetrachtet.

2.2 Dietreibende Kraftbeijedem Gründungsvor habenistimmer derUnternehmer.

Einführung

Chancen machen Unternehmer

Der Unternehmer ist die treibende Kraft bei jedem Gründungsvorhaben. Zwar sind sowohl die ökonomischen Umstände, sozialen Netzwerke, Mar keting als auch Planung, Finanzierung und Unterstützung der öffentlichen Hand wichtig. Aber keine Kombination der genannten Faktoren wird zu einerGründungführen.Dafürbrauchtesjemanden,dereineGeschäftsmög lichkeit sieht, sie realisiert und mit Ausdauer verfolgt. Dieser Abschnitt zeigt, wie der Unternehmer und sein Projekt ein System formen. Es wird erklärt,warumbestimmteChancenvonbestimmtenIndividuenerkanntund genutzt werden und nicht von anderen.Anschließend wird dargelegt, wie dieNutzungvonChanceninderWirtschaftorganisiertist.

40

Chancen machen Unternehmer

2.2.1

2.2

Die Beziehung zwischen Individuum und Chance

Chancenerkennung ist mittlerweile als Kernelement des Unternehmertums anerkannt.IhreErkennungkannentwederalsa)RealisierungeinerChance zurGründungeinesneuenUnternehmensoderb)bedeutendeVerbesserung der Stellung eines bestehenden Unternehmens definiert werden.1 Anfangs wird eine Chance meist von einer einzelnen Person wahrgenommen, die dann entscheidet, sie allein oder gemeinsam mit anderen zu verfolgen. So wirdeinProzessneuerWertgenerierungangestoßen,wobeiausderChance ein unternehmerisches Projekt wird. Wächst das Projekt, beginnt es ab ei nem bestimmten Punkt den Unternehmer einzuschränken. Da sich Unter nehmer sehr häufig über den Erfolg ihres Projektes definieren, beeinflusst das Projekt auch den Unternehmer selbst. Das Projekt nimmt einen promi nenten Platz im Leben des Unternehmers ein (Aktivitäten, Ziele, Mittel, Interessen)undbeeinflusstdassozialeNetzwerkderPerson.2ZumBeispiel sindangehendeUnternehmerimmeraufderSuchenachRessourcen(Infor mationen, Finanzen, Kontakte), die ihnen helfen können, ihr Gründungs vorhaben zu realisieren. Der Unternehmer nutzt viele Facetten des Lebens, dienormalerweisenichtmitdemGeschäftinVerbindunggebrachtwerden, umsoseineneueUnternehmungvoranzubringen.

Das dialogische Konzept definiert Bruyat und Julien3 bezeichnen die Beziehung zwischen Individuum und neuer Wertgenerierung als dialogisch oder als System mit einer zirkulären Kausalitätsbeziehung. Es handelt sich um zwei oder mehr Elemente, die, ohneihreindividuellenAspektezuverlieren,ineinereinzigenEinheitkom biniertsind.UmdialogischeBeziehungenzuverstehen,müssensiealsGan zesbetrachtetwerden.AufEntrepreneurshipbezogenheißtdialogischdem zufolge, dass eine Person nur Entrepreneur genannt werden kann, weil sie ein Projekt zur Kommerzialisierung eines neuen Produktes oder Services verfolgt. Gleichzeitig existiert dieses unternehmerische Projekt nur, weil es einePersongibt,diedieseChanceidentifizierthatundsieverfolgt. EntrepreneurshipbefasstsichhauptsächlichmitVeränderungs,Emergenz und Kreationsprozessen aus der Sicht des Individuums sowie der neuen Unternehmung. Abbildung 21 zeigt die dialogische Beziehung zwischen Individuum und neuer Wertgenerierung. Wie viel Wert kreiert wird, kann sehr unterschiedlich sein. Tatsächlich generieren viele Unternehmer wenig Wert–siestartenUnternehmungen,diebestehendeGeschäftsmodelleledig lich adaptieren oder verbessern. Folglich sind die angebotenen Produkte und Dienstleistungen den bereits existierenden sehr ähnlich. Wie viel Ver

41

WievielWertein Unternehmen generiert,hängt unteranderem vonder Neuartigkeitdes Geschäftsmodells ab.

2

Die Unternehmerpersönlichkeit

änderungdieUnternehmungfürdieeinzelnePersonbedeutet,istebenfalls sehrverschieden.DieVeränderungenkönnendasWissen,dieBeziehungen oder den sozialen Status der Person betreffen und verlangen der Person großeBereitschaftab,neueFähigkeitenzuerlernen.Abbildung21zeigtvier TypenunternehmerischerErgebnisse,diesichausdendialogischenKombi nationenvonIndividuumundneuerWertgenerierungergeben.

Abbildung21

DialogischeBeziehungzwischenIndividuumundWertgenerierung

 Quelle: in Anlehnung an Bruyat, C./Julien, P.A., „Defining the field of research in entrepreneurship”, Journal of Business Venturing, Nr. 16, 2000, S. 155–180.

42

Chancen machen Unternehmer

„ Unternehmerische Reproduktion: Dieses unternehmerische Ergebnis bein haltet sehr wenig neue Wertgenerierung und sehr wenige Veränderun gen für das Individuum. Wenn sich z.B. ein Koch selbstständig macht, umseineigenesRestaurantzueröffnen,sprichtmanvonunternehmeri scherReproduktion.DerWettbewerbsvorteilseineseigenenRestaurants könnte die Lage, dieArt der Küche oder der offerierte Service sein (Li vemusik,erstklassigerService,langeÖffnungszeiten).ImFalleeinerun ternehmerischer Reproduktion konzentrieren sich Unternehmer oft auf dieVerbesserungderoperativenEffizienz.

„ Unternehmerische Imitation: Bei diesem Ergebnis durchlaufen die Unter nehmer tief greifende Veränderungen hinsichtlich ihres Wissens, ihrer BeziehungenundGewohnheiten.WertgenerierungoderInnovationsind jedochnuringeringemMaßevorhanden.SolcheProjektesindüblicher weisemitgroßerUnsicherheitbehaftet,derLernprozessistlangundkos tenintensiveFehlerkönnenkaumvermiedenwerden.4TypischesBeispiel sindstädtischeGeschäftsleute,dieein„LifestyleBusiness“wieeinWein gut,BedandBreakfastoderRestaurantkaufenodergründen.

„ UnternehmerischeWertsteigerung:DerUnternehmerstarteteininnovatives Geschäft,beidemervonseinenErfahrungenundmöglicherweisemehr jähriger Industrieerfahrung profitiert. Oft findet man dieseArt der Un ternehmungen in Hightechindustrien wie Softwareentwicklung, Bio technologieundFeinmechanik.SietrittjedochauchintraditionellenIn dustrienauf,wiedasBeispielvonRayKroc,demMcDonald’sGründer, zeigt. Mit 52 Jahren war er der exklusive Vertriebshändler einer Firma, die sogenannte Multimixer, d.h. Milchshakemaschinen, herstellte. Er warvoneinerkleinenkalifornischenHamburgerrestaurantkette,diedie Maschinen nutzte, so beeindruckt, dass er sie von den McDonald Brüdern kaufte. Seine Vision war es, aus McDonald’s dasbesteSchnell serviceRestauranterlebnisderWeltzumachen.Dasbestebedeutetefür ihn, mit hoher Qualität und schnellem Service, Sauberkeit und Wert (Niedrigpreisstrategie)anzubieten.KrocsKerninnovationbestanddarin, die Produkte, Dienstleistungen und Prozeduren zu standardisieren, so dass McDonald’s schnell als Franchise expandieren konnte. Damit be gründeteKrocnichtnureinneuesUnternehmern,sondernauchdieFast FoodIndustrie.

43

2.2 „Unternehmerische Reproduktionen“ zeichnensich durcheinegeringe Wertgenerierung aus.

Eine„unter nehmerische Imitation“ bedeutetgroße Veränderungen fürdasIndivi duum. Unternehmeri scheWertsteige rungwirdmög lich,wennein Unternehmerein innovatives Unternehmen startet,beidemer seineBranchen erfahrungnutzen kann.

2 BillGateshat mitderGründung vonMicrosoft seinepersönliche Situationunddie ITBranche tiefgreifend verändert.

Die Unternehmerpersönlichkeit

„ UnternehmerischesWagnis:DieseArtvonunternehmerischemErgebnisist eherselten.WennsieaberErfolghat,bewirktsietiefgreifendeVerände rungenimjeweiligenUmfeld.ManchmalgebendiesesogardenAnstoß fürdieBildungneuerIndustriezweige.UnternehmerischeWagnissesind durch höchste Unsicherheit, auch für den Gründer selbst, gekennzeich net.ZudemzeichnensiesichdurchradikaleInnovationaus.DadasRe sultat des Prozesses stark von der schnellen Auffassungs und Lernfä higkeitdesUnternehmerssowiederGeschwindigkeit,mitderderMarkt die Innovationen akzeptiert, abhängt, ist das Ergebnis kaum vorherseh bar.5ZudenkenisthiernatürlichanBillGates. NichtimmerlässtsichdieBeziehungzwischenIndividuumundWertgene rierung über die gesamte Lebensdauer eines Unternehmens genau einem dergenanntenTypenunternehmerischerErgebnissezuordnen.Sokannein Unternehmerz.B.miteinerunternehmerischenReproduktionbeginnenund erstspäterInnovationenindenMarkteinführenundein„unternehmerische Wagnis“ eingehen. In manchen Fällen liegt zwar mit der Gründung eine Innovation vor, abersobald das Unternehmen im Markt etabliert ist, findet kaumnochInnovationoderWachstumstatt.DerUnternehmernimmtdann hauptsächlich verwalterische Tätigkeiten wahr. Das ist bei unternehmeri scherReproduktionsowieunternehmerischerImitationoftzufinden.6

2.2.2 Unterschiedein vierDimensionen sorgendafür, dassbestimmte Chancenvon manchen Individuen wahrgenommen werdenundvon anderennicht.

Die Entdeckung und Bewertung unternehmerischer Chancen

ZurerfolgreichenUnternehmensgründungbedarfesimmereinerKombina tionausdemrichtigenOrt–eineminspirierendenUmfeld–undderrichti gen Person, die motiviert und fähig ist, Chancen zu entdecken und daraus etwaszumachen.Drucker7identifiziertedreiKategoriensolcherChancen:

„ Ineffizienzen in existierenden Märkten. Sie bestehen aufgrund von In formationsasymmetrien oder fehlenden Technologien, um bekannte, nochunerfüllteMarktnachfragenzubefriedigen.

„ Auftauchen maßgeblicher Veränderungen im sozialen, politischen oder demografischenBereich

„ EntdeckungenundErfindungen,dieneuesWissenhervorbringen Anfänglich ist das Potenzial einer Chance selten erkennbar. Vielmehr müs sen sie entdeckt und geformt werden. Warum werden diese Chancen aber von bestimmten Individuen entdeckt und nicht von anderen? Kurz gesagt, weil Menschen verschieden sind und diese Unterschiede für das Erkennen vonChancenrelevantsind.8MansprichtvonvierrelevantenDimensionen,

44

Chancen machen Unternehmer

2.2

die zu beachten sind: psychologische Charakteristika, Verfügbarkeit von InformationenundWissen,kreativeVerarbeitungundkognitiveHeuristik.

Psychologische Charakteristika „Die Unternehmerpersönlichkeit kann nach dem klassischen Ansatz nach Charaktereigenschaften aufgefasst werden als Verkörperung aller Wesens züge,Eigenschaften,QualitätendesUnternehmersalsMensch–mitanderen Worten als Mix von Eigenschaften, die ihn als Unternehmer (und nicht als Pfarrer,alsVerwaltungsfunktionäroderähnlichePerson)charakterisieren.“9 Über die Zeit wurde eine ganze Reihe unternehmerischer Eigenschaften diskutiert.UnterdiesenhabenbesondersLeistungsmotivation,interneKon trollüberzeugung und eine gewisse Risikofreudigkeit viel Aufmerksamkeit in der Literatur erhalten und wiesen in Tests hohe Validität auf. Unterneh mer sind typischerweise Personen, die unaufhaltsam ihr Projekt verfolgen, glauben, dass sie ihr Leben kontrollieren können, und in der Lage sind, Risikeneinzugehen.DieseCharakteristikawerdenspäterimKapiteldisku tiert.

Unternehmer verfolgentypi scherweise entgegenallen Widerständenihr Projektundsind bereit,Risiken einzugehen.

Verfügbarkeit von Informationen und Wissen Spezifisches Wissen ist ein kritischer Faktor bei der Suche nach Chancen. Personen,dieübereinenZugangzubestimmtenInformationenverfügen,zu denenanderekeinenZuganghaben,könnendiesenWissensvorteilidentifi zierenundnutzen.SokönnendieseMenscheneinenWissensvorsprungüber eine spezifische Industrie oder einen Markt aufbauen. Spezifisches Wissen kann ausreichend sein, eine erfolgreiche Unternehmung zu gründen, aber Netzwerke und soziale Beziehungen sind unabdingbare Ressourcen und Informationsquellen, um Chancen zu identifizieren und zu entwickeln. Durch Networking können Unternehmer ihr Wissen über Chancen erwei tern,ihreEinflusssphärevergrößernundsichZugangzukritischenRessour cen verschaffen (z.B. Kunden, Zulieferer, Finanzen). Soziale Beziehungen helfen Unternehmern, Wissen zu akkumulieren, das ihnen hilft, Schwierig keiten in der Geschäftsentwicklung zu vermeiden oder konstruktiv damit umzugehen.

45

Spezifisches Wissenistein wesentlicher Faktor,um Chancenerken nenzukönnen.

2

Die Unternehmerpersönlichkeit

Kreative Verarbeitung Werden spezifisches Wissenund kommerzielle Nutzungsmög lichkeitenkom biniert,entstehen Chancenfürneue Unternehmen.

Die Fähigkeit, eine Verbindung zwischen spezifischem Wissen und kom merziellen Nutzungsmöglichkeiten herzustellen, verlangt besondere Fertig keiten,einepersönlicheEignungsowieEinblickeundUmstände,dieweder gleichmäßigverteiltnochweitverbreitetsind.KreativeVerarbeitungbezieht sich darauf, wie Menschen an Probleme und Lösungen herangehen – ihre Fähigkeit, Existierendes neu zu kombinieren. Es wird oft davon ausgegan gen, dass es eine besondere Fähigkeit von Unternehmern ist, Ressourcen und Informationen neuartig zu kombinieren. Folglich können sie Chancen erkennen, die aus dem Gewöhnlichen etwas Einzigartiges werden lassen.10 Menschen unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Fähigkeiten zur kreativen Verarbeitung,weilsiemitindividuellenSchemataundmentalenStrukturen arbeiten,umihrWissenüberdasUmfeldzuorganisieren.

Kognitive Heuristik Individuelle Strategienzur Informations einordnungund bewertungfüh rendazu,dass Chancen unterschiedlich wahrgenommen werden.

UnterHeuristikverstehtmanVereinfachungsstrategien,diebenutztwerden, um Entscheidungen schnell und effizient zu fällen. Im Geschäftsleben be zeichnet man dieses Vorgehen oft als „Trial and Error“ – eine meist unbe wusste Verhaltensweise, bei der Entscheidungen vor dem Hintergrund ne gativer und positiver Informationen und Erfahrungen, die über die Zeit gesammeltwurden,getroffenwerden.NeueInformationenwerdenanhand von individuellen Denkschemata bewertet und in dasBezugssystem einbe zogen. So entwickeln sich im Laufe der Zeit spezifische Verhaltensmuster. DaIndividuenverschiedeneErfahrungenausihremBerufslebenundihrem sozialenBereichmitbringen,entwickelnsieunterschiedlicheDenkschemata und bewerten spezifische Situationen entsprechend unterschiedlich. Einige Personen werden also bestimmte Gegebenheiten als Chance verstehen und sieweiterverfolgen,anderewiederumnicht. UnternehmerscheinensichinderArtderNutzungihrerkognitivenMecha nismenzuunterscheiden.Eshatsichz.B.gezeigt,dassUnternehmergröße res Bedauern über verpasste Chancen empfinden als Nichtunternehmer. ZudemdienenfrühereErfahrungenalsUnternehmeralsnützlichesBezugs system zur Informationsverarbeitung, das die Identifikation und Nutzung vonChancenerleichtert.11

46

Chancen machen Unternehmer

2.2.3

2.2

Unternehmerische Chancen nutzen

Obwohl die Entdeckung einer Chance eine notwendige Voraussetzung für Entrepreneurshipist,gehörtmehrdazu.NachdempotenzielleUnternehmer eineChanceidentifiziertundeingeschätzthaben,müssensieentscheiden,ob siedieChancenutzenwollen.Warum,wannundwiegehenbestimmteMen schen, und nicht andere, den Chancen nach, die sie entdeckt haben? Die Antwort liegt wiederum in den Charakteristika des Individuums und der Art der Chance.12 Unternehmer neigen dazu, Chancen nachzugehen, von denen sie sich hohe Erfolgsaussichten erwarten. Diese Chancen haben ein Gewinnpotenzial, das die Opportunitätskosten für entgangene Alternati ven,Geld,ZeitundRisiko,dieindieEntwicklungdesProjektseingeflossen sind, kompensiert. Chancen werden besonders dann genutzt, wenn Nach frage und Gewinnmargen groß sind, der Technologielebenszyklus am An fangstehtundderWettbewerbinderIndustriegeringist.

Unternehmer gehenChancen nach,vondenen siesichGewinne versprechen, dieüberden Opportunitäts kostenliegen.

Individuelle Unterschiede sind ein weiterer Erklärungsansatz. Zuerst ist festzustellen, dass Individuen unterschiedliche Opportunitätskosten haben. Opportunitätskosten fallen an, weil man eine bestimmte Alternative statt einer anderen gewählt hat. Wenn z.B. ein Angestellter des öffentlichen Dienstes ein Unternehmen gründet, sind seine Opportunitätskosten das Einkommen,daseralsAngestelltererhaltenhätte.DadasEinkommenvon Person zu Person variiert, wird auch die Attraktivität einer Chance unter schiedlich beurteilt. Zudem wird die Entscheidung, unternehmerische Chancen auszunutzen, auch von individuellen Unterschieden in Bezug auf Risikowahrnehmung, Optimismus, Leistungsmotivation und Toleranz ge genüber Ungewissheit abhängen. Die verschiedenen psychologischen Cha rakteristika des Unternehmers werden später im Kapitel detailliert behan delt.

DieChancen wahrnehmung wirdunter anderemdurch individuelle Unterschiedein denBereichen Risikowahrneh mungund Optimismus beeinflusst.

Auslöser und Barrieren bei der Unternehmensgründung Bis jetzt gibt es kaum Studien, die explizit untersuchen, welche Faktoren potenzielle Unternehmer bei ihrer Gründungsentscheidung beeinflussen. JedochscheinenfolgendeAuslösereineRollezuspielen.13

„ Materielle Entlohnung: Viele Unternehmer gründen ihre eigene Unter nehmung,weilsieihremEinsatzentsprechendentlohntwerdenmöchten undihnendiepotenziellenfinanziellenAnreizeattraktiverscheinen.Ein UnternehmenzugründenoderzukaufenkannzudemfürPersonenmit größerenErsparnisseneineinteressanteOptiondarstellen.

47

2

Die Unternehmerpersönlichkeit

„ Kreativität:.AufdieFrage,warumsieeineUnternehmunggründenwol len,antwortenvieleUnternehmermitBegründungenwie„ummeineei genenTalentezunutzen“,„umetwasNeueszuschaffen“oder„ummei ne Träume zu realisieren“. Zusammengenommen sprechen daraus der WunschunddieFähigkeit,etwasNeueszuschaffen.

„ Streben nach Unabhängigkeit: Unternehmer wollen unabhängig sein, an einemOrtihrerWahlarbeitenundihreArbeitszeitenselbstbestimmen. Nichtzuletztwollensie„ihreigenerChef“sein. Beschleunigende Ereignisse wie eine Kündigung, Frustration am Arbeits platz,einUniversitätsabschlussodereineErbschaftkönnenebenfallsAuslö ser für eine Unternehmensgründung sein. Geht man denAuslösern jedoch auf den Grund, findet man auch hier häufig den Wunsch, etwas Neues zu schaffen.LetztlichspielenalsoHerzblutundMotivationeinegroßeRolle. Fehlende Ressourcen, Konformitäts kostenund Versagensängste stellenBarrieren fürdenerfolgrei chenAufbau einesUnterneh mensdar.

EineUnternehmensgründungkanneinlangerundschwierigerProzesssein, der neben positiven Entwicklungen auch Rückschläge und Barrieren mit sichbringt.SinddieBarrierenzuhoch,verfolgenmancheUnternehmerdie Chancenicht weiter.DabeisindfolgendeBarrierenbesondershäufiganzu treffen:

„ FehlendeRessourcen:MancheangehendenUnternehmerbesitzennichtdie nötigen Marketing und Managementfähigkeiten. Diese persönlichen Unzulänglichkeiten werden durch fehlende Informationen über Start ups,unddieSchwierigkeit,Finanzmittelzufinden,nochverstärkt.

„ Konformitätskosten: Hohe Steuern und weitere Kosten, die anfallen, um GesetzeundVorschriftenzuerfüllen,werdenalsgroßesHindernisemp funden. Solche Konformitätskosten werden oft auch als „red tape“ be zeichnet.

„ Realität: Ein Unternehmen zu gründen erweist sich oft als schwieriger undrisikoreicheralsursprünglicherwartet.DadieZukunftalssehrun gewisswahrgenommenwird,schleichtsichgeradeinderAnfangsphase derGründungeinGefühlderVersagensangstein.

Arten der Nutzung Eine weitere kritische Frage bezieht sich darauf, wie die Nutzung unter nehmerischer Chancen organisiert ist. Grundsätzlich sind zwei Varianten denkbar. Die Gründung einer neuen Firma oder der Verkauf von Chancen an existierende Firmen (z.B. in Form von Patenten). Es kann jedoch davon ausgegangenwerden,dassdieMehrheitderunternehmerischenAktivitätin FormvonStartupsauftritt.NichtsdestowenigerverfolgenMenschen,diein

48

Unternehmerprofile verstehen

2.3

Organisationen arbeiten und Chancen entdecken, diese manchmal für ihre Arbeitgeber. Zudem verkaufen unabhängigeAkteure ihre Chancen manch mal an existierende Firmen. Andere institutionalisierte Formen wie Joint VentureoderFranchisesindebenfallsmöglich.

2.3

Unternehmerprofile verstehen

Esistschwierig,Unternehmerzuidentifizieren,siezufindenundfestzustel len, was sie tun. Ist der Handwerker, der Inhaber eines kleinen Geschäftes oder sogar der Manager einer großen Firma ein Unternehmer? Findet man Unternehmer nur in der Privatwirtschaft oder gibt es sie auch in Behörden oder NonProfitOrganisationen? In diesem Abschnitt werden die beiden Denkschulen behandelt, die sich mit Unternehmerprofilen befassen. Zum einen gibt es die Ökonomen, die den Unternehmer alsAgent des Wandels betrachten,dersichaufbestimmteRollenspezialisiert.Zumanderengibtes die Behavioristen, die sich auf die kreativen und intuitiven Charakteristika von Unternehmern konzentrieren. Des Weiteren werden in den folgenden AbschnittendieverschiedenenRisikenpräsentiert,diebeieinerKarriereals Unternehmer zu beachten sind, und relevante Erfolgsmessgrößen von En trepreneurshipbetrachtet.

2.3.1

Ökonomenbe trachtenUnter nehmeralsAgen tendesWandels, dieeinebestimm teRollewahr nehmen,Behavi oristenbetrach tenKreativität undIntuitiondes Unternehmers.

Die Rollen der Unternehmer – eine ökonomische Perspektive

Aus ökonomischer Perspektive ist Entrepreneurship eine Funktion. Um es mit den Worten Cassons auszudrücken: „Der Unternehmer ist, was der Unternehmer tut.“14 Der Status des Unternehmers kann dann hinsichtlich derTätigkeitenanalysiertwerden,dieerimRahmenseinerFunktionwahr nimmt.SokannderUnternehmerRisikoträger,Arbitrageur,Innovatoroder KoordinatorknapperRessourcensein.

49

Aus ökonomischer Perspektiveist Entrepreneurship eineFunktion.

2

Die Unternehmerpersönlichkeit

Der Unternehmer als Träger von Risiko Unternehmer kaufenRessour cenein,bevordas Endproduktder Arbeitverkauft ist.Dasmachtsie zuRisikoträgern.

Cantillon15beschreibtdenUnternehmeralseinePerson,dieeinenbestimm tenPreisfüreinProduktbezahlt,umesfüreinenungewissenPreisweiter zuverkaufen. Indem die Person Entscheidungen über die Beschaffung und NutzungvonRessourcenfällt,trägtsiedasunternehmerischeRisiko.Gemäß dieser Perspektive sind z.B. Händler spezialisierte Risikoträger. Auch Pro duzentenkönnenRisikoträgersein,dasieArbeitskrafteinkaufen,bevordas EndproduktderArbeitverkauftwird. Von Risiko spricht man, wenn das Eintreten einer Reihe von unsicheren EreignissenmiteinigerWahrscheinlichkeitvorhergesehenwerdenkann.Der Unternehmeristbereit,dasverbleibendeRisikozutragen,dasnichtkalku liert und nicht in eine Versicherung überführt werden kann. Unsicherheit, die weder vermieden noch versichert werden kann, ist nach Knight die QuellevonGewinn: Gewinn entsteht aus der inhärenten, absoluten Unvorhersehbarkeit der Dinge, einzigausdemFakt,dassdasErgebnismenschlichenHandelnsnichtvorhersehbar ist und letztlich sogar Wahrscheinlichkeitsberechnungen unmöglich und bedeu tungslossind.16 WennMenschenmitUnsicherheitkonfrontiertsind,müssensiesichaufihr eigenesUrteilverlassen,weileskeineverlässlichenexternenInformationen gibt.DemnachbasiertderGewinnletztlichaufdemgutenUrteilsvermögen desUnternehmers.

Der Unternehmer als Arbitrageur Unternehmer deckenPreis unterschiedeauf undnutzensie.

FürandereWirtschaftswissenschaftler17istderUnternehmerdieHauptper sonderMarktwirtschaft.IneinemsichständigänderndenUmfeldbewegen Unternehmer die Wirtschaft durch Spekulation und Arbitrage zu ihrem Gleichgewichthin.DieHauptfunktiondesUnternehmersindiesemKontext ist die Aufdeckung von Preisunterschieden. Wenn der Unternehmer der Ersteist,derdiesePreisunterschiedeausnützt,kannervoneinemtemporä renMonopolgewinnprofitieren.GewinnisthieralsodieBelohnungfürdie Erkennung einer Marktchance und für die Funktion als Intermediär. Die Eintrittsfreiheit in den Markt sorgt dann dafür, dass der Unternehmer mit telfristigeinennormalenGewinnerzielt.

50

Unternehmerprofile verstehen

2.3

Der Unternehmer als Innovator Schumpeter18stelltesichgegendietraditionellenWirtschaftswissenschaftler, die versuchten, Ressourcen im stabilen Umfeld zu optimieren. Er ging da vonaus,dassnichtGleichgewichtundOptimierung,sonderndynamisches Ungleichgewicht, wie es innovative Unternehmer hervorbringen, der Nor malzustand einer gesunden Wirtschaft sei. Demnach ist der Unternehmer ein Innovator, der neue Kombinationen kreiert, neue Technologien oder Produkteeinführt,ExportmärkteentdecktoderneueArtenvonInstitutionen wie Franchise oder Joint Venture ins Leben ruft. Unternehmer sind nicht zwingendInnovatoren–sieentwickelnTechnologiennichtunbedingtselbst, erkennen aber deren kommerzielles Potenzial. Auch tragen sie nicht das gesamteRisiko–dieseRollewirdoftmiteinerBankoderanderenFinanzin vestorengeteilt.

LautSchumpeter isteindynami schesUngleich gewichtder Normalzustand einergesunden Wirtschaft.

Der Unternehmer als Koordinator knapper Ressourcen Say19, ein weiterer Wirtschaftswissenschaftler, beschrieb den Unternehmer alsKoordinatorundLeiterderProduktion.DiemeistenUnternehmerhaben zwar die Einsicht in eine Chance und wissen sie zu beschreiben und zu erklären, jedoch haben nicht alle Zugang zu den nötigen Ressourcen (z.B. Geld, Arbeit, Räumlichkeiten, Technologie). Daher übernimmt der Unter nehmerdiewichtigeAufgabe,BesitzerverschiedensterRessourcendavonzu überzeugen, einen Teil ihrer Ressourcen zur neuen Unternehmung beizu steuern.ZudemkoordiniertderUnternehmerinderFolgedasZusammen spiel akquirierten Ressourcen.20 Um die Aufgabe erfolgreich zu meistern, mussderUnternehmerübereingutesUrteilsvermögenverfügen,beharrlich seinundübergenügendWisseninderGeschäftsweltverfügen.

2.3.2

Unternehmer sorgendafür, dassBesitzer verschiedenster Ressourcendiese zurGründung einerneuen Unternehmung einsetzen.

Charakteristika von Unternehmern – ein behavioristischer Ansatz

Die zweite Kategorie von Wissenschaftlern, die sich mit Unternehmern be fassen, sind die Behavioristen, einschließlich der Soziologen und Psycholo gen. Der Fokus früher Studien zum Thema Entrepreneurship lag auf den psychologischenCharakteristikaundderPersönlichkeitdesIndividuumsals Determinanten unternehmerischen Verhaltens. Typische Charakteristika sindinTabelle21zusammengefasst.21 Die Liste der diskutierten unternehmerischen Charakteristika ist zwar sehr lang, jedoch weisen laut Forschungsliteratur lediglich drei der diskutierten

51

Leistungs motivation, interneKontroll überzeugungund Risikofreudigkeit kennzeichnen Unternehmer.

2

Die Unternehmerpersönlichkeit

Eigenschaften eine gute Validität auf22, namentlich Leistungsmotivation, interneKontrollüberzeugungundRisikoneigung.

Tabelle21

TypischeCharakteristikavonUnternehmern

„ „ „ „ „ „ „ „ „

Selbstvertrauen Risikoneigung Flexibilität Geistige Unabhängigkeit Energie und Fleiß Arbeitsmoral Kreativität Leistungsmotivation Interne Kontrollüberzeugung (internal locus of control)

„ „ „ „ „ „ „ „ „

Toleranz gegenüber Ungewissheit Aufnahmefähigkeit für Vorschläge Dynamische Führungseigenschaften Initiative Einfallsreichtum Kommunikationsfähigkeit Beharrlichkeit Gewinnorientierung Weitsicht

Leistungsmotivation Leistungs motivationist einSchlüssel attribut erfolgreicher Unternehmer.

Von allen psychologischen Faktoren, die mit der Gründung neuer Unter nehmungen in Verbindung gebracht wurden, hat die Leistungsbereitschaft dielängsteTradition.Leistungsbereitschaft–dasStrebeneinerPersonnach Exzellenz oder das Bedürfnis, sich in Konkurrenzsituationen erfolgreich zu behaupten–isteinSchlüsselattributerfolgreicherUnternehmer.23

Interne Kontrollüberzeugung EffektiveUnter nehmersind davonüberzeugt, dassEreignisse hauptsächlich Resultateihrer eigenenHand lungensind.

Die interne Kontrollüberzeugung (locus of control) bezieht sich darauf, wie sehrMenschendavonüberzeugtsind,Ereignisse,denensieselbstausgesetzt sind, kontrollieren zu können. Menschen mit einer ausgeprägten internen Kontrollüberzeugung glauben, dass Ereignisse hauptsächlich Resultat ihrer eigenen Handlungen sind. Für diejenigen mit einer stark ausgeprägten ex ternen Kontrollüberzeugung ist ihr Leben dagegen von mächtigen Men schen, Schicksal oder Zufall bestimmt. Effektive Unternehmer glauben an sich selbst und haben eine interne Kontrollüberzeugung. Dieses Attribut stimmtauchmithoherMotivationundStrebennachUnabhängigkeitüber ein. Der internen Kontrollüberzeugung liegt das Konzept des „Ichs als treiben der Kraft“ zugrunde. Demnach kontrollieren die Gedanken eines Indivi duumsseineHandlungen.DurchBewusstmachendieserführendenFunkti onkönnenMenschenihreÜberzeugungenundMotivationenpositivbeein

52

Unternehmerprofile verstehen

2.3

flussen und somit letztendlich auch in gewissem Maße ihre Leistung. Wie sehr ein Mensch glaubt, selbstbestimmt zu handeln, hängt davon ab, wie sehr er sich die Quelle seines Antriebs und seiner persönlichen Kontrolle bewusst macht.24Anders gesagt: Jeder hat esselbst in derHand, seine Ge danken auf Leistung und Ziele zu fokussieren und sich nicht durchAngst oderGefühlederUnzulänglichkeitabbringenzulassen.

Risikoneigung ObwohlUnternehmerkeineGlücksspielersind,zeichnensiesichdurchdie Neigung aus, kalkulierbare Risiken einzugehen. In einer Welt, die durch Veränderung, Risiko und Ungewissheit gekennzeichnet ist, sind Unterneh merdiejenigen,dielernen,Risikozumanagen.Zumindestteilweisetunsie das, indem sie einen Teil des Risikos auf andere (Investoren, Banken, Part ner,Kunden,Angestellte)verteilen.DieNeigung,Risikeneinzugehen,wird starkvonkognitiverHeuristikbeeinflusst.ObwohlUnternehmernacheige nerWahrnehmungvielleichtnichtrisikofreudigersindalsandere,neigensie tatsächlicheherdazu,Geschäftssituationenpositivereinzuschätzen.25Wäh rend andere Menschen in einer Situation wenig Potenzial sehen, sieht der UnternehmerdarineineChance.

Unternehmer gehenkalkulierte Risikeneinund lernendiesezu managen.

DieSuchenachdentypischenCharakteristika,dieeinenUnternehmeraus machen,konntejedochdieFrage,wasMenschendazutreibt,Unternehmun gen zu gründen, nur teilweise beantworten. Die Untersuchung des demo grafischen Hintergrunds von Unternehmern (Alter, Geschlecht, vorherige Anstellung)wareinweitererVersuch,UnternehmerundderenHandlungen zu verstehen und ein Muster zu erkennen. Studien zeigen, dass Unterneh mereherbesserausgebildeteMenschensind,derenElternbereitseinUnter nehmen besaßen. Zudem lassen sie sich eher dort nieder, wo sie bereits le ben oder arbeiten. Die Gründung hat häufig etwas mit ihrem bisherigen Tätigkeitsfeldzutun.DieErgebnissedieserStudienwarenjedochinsgesamt nicht eindeutig,26 was allerdings wenig überraschend ist, da Unternehmer alsinnovativeundeigenwilligeMenschenvonvornhereinkeinemStereotyp entsprechen.

Unternehmer lassensich keinem bestimmten Stereotyp zuordnen.

Integrative Ansätze zur Untersuchung des Gründungsverhaltens Eine alleinige Konzentration auf Persönlichkeitsmerkmale ist jedoch nicht zielführend. Potenzial für weiterführende Erkenntnisse bieten dagegen vor allem integrative Forschungsansätze, die sowohl die Eigenschaften von Unternehmern als auch ihre Handlungen und Funktionen sowie die Rah

53

2

Die Unternehmerpersönlichkeit

menbedingungen, unter denen Entrepreneurship stattfindet, berücksichti gen.27 So untersuchen Franke/Lüthje das Gründungsverhalten von Studie renden, indem sie sowohl Persönlichkeitsmerkmale wie Risikobereitschaft unddasBedürfnisnachUnabhängigkeitalsauchwahrgenommeneHürden undHilfendesjeweiligenUmfeldesderStudierendeneinbeziehen.28

Unternehmerprofil:GötzWerner,Gründervondmdrogeriemarkt Beiallenunter nehmerischen Aktivitätenist derMenschdas MaßallerDinge.

„Hier bin ich Mensch, hier kauf ich ein.“ Der Werbespruch des Unternehmens dmdrogeriemarkt wird gelebt: In den über 1.700 Filialen stehen die Menschen im Vordergrund des unternehmerischen Handelns, egal ob es sich um Kunden, Mitarbeiter oder Partner handelt. Geprägt wird diese Maxime vom Unternehmensgründer und Vorsitzenden der Geschäftsführung Prof. Götz Werner, der den Menschen bei allen unternehmerischen Aktivitäten und Entscheidungen als Maß aller Dinge ansieht. Das hat ganz konkrete Auswirkungen. Mitarbeitern werden kreative Freiräume zugestanden. So erhalten junge Menschen, die eine Ausbildung bei dm-drogeriemarkt absolvieren, keine Anweisungen, sondern Lernaufgaben, die sie selbstständig im Arbeitsalltag bewältigen müssen. Das Konzept nennt sich „LidA“, was für „Lebenslanges Lernen in der Arbeit“ steht. Lebenslanges Lernen bestimmt auch den Umgang mit den Mitarbeitern, die sich nicht mehr in der Ausbildungsphase befinden: Alle Mitarbeiter können einmal jährlich die „Fähigkeitenwerkstatt“ besuchen, die mithilfe von kreativen Workshops und dem Umgang mit Kunst die Wahrnehmung der Mitarbeiter schärfen und die persönliche Weiterentwicklung ermöglichen soll. Menschlichkeit in Bezug auf den Kunden zu leben hat ebenfalls ganz konkrete Auswirkungen: Der Beratung von Kunden in den Filialen wird hohe Beachtung geschenkt und so werden Mitarbeiter umfangreich geschult, wenn neue Produkte angeboten werden. Die Kunden wissen das zu schätzen: In der Studie „Kundenmonitor Deutschland“ belegte dm sowohl 2006 als auch im Jahr davor den ersten Platz unter den Drogeriemärkten. Die Ideen vom lebenslangen Lernen, sich selbst ausprobieren und selbstständig Erfahrungen sammeln trägt Götz Werner aber nicht nur in das eigene Unternehmen. Seit 2004 ist er Inhaber des Lehrstuhls für Entrepreneurship am Interfakultativen Institut für Entrepreneurship an der Universität Karlsruhe. Den Studierenden möchte er vor allem den unternehmerischen Umgang mit der eigenen Biografie näherbringen, was nicht immer bedeuten muss, dass man selbst Unternehmer wird. Unternehmerisch tätig sein kann man nach seiner Auffassung auch als Angestellter oder außerhalb von Unternehmensstrukturen. Hauptsache, man nutzt und entwickelt seine Fähigkeiten, um etwas damit zu gestalten. Ein Gedanke, der sich auch im Engagement Werners für das bedingungslose Grundeinkommen bemerkbar macht. Ein Grundeinkommen, das das Existenzminimum sichert, bezeichnet er als Bürgerrecht, das jedem zusteht und das notwenig ist, um zu bestimmten Arbeitssituationen Nein sagen zu können. Genau diese Freiheit führt aus seiner Sicht weg vom Arbeitszwang und hin zu der Möglichkeit, sinnvolle Aktivitäten in Eigeninitiative nachzugehen.

54

Unternehmerprofile verstehen

2.3

Für sein Unternehmen zahlt sich die Förderung von Eigeninitiative bei den Mitarbeitern auf jeden Fall bereits aus. dm-drogeriemarkt meldete für das erste Geschäftshalbjahr 2006/2007 (1. 10. 2006 bis 31. 3. 2007) ein zweistelliges Umsatzwachstum.

2.3.3

Das Gründerteam

Der Gründer als Einmannunternehmung ist längst nicht die Regel, da eine erfolgreicheGründungvieleTalenteundFähigkeitenverlangt,dieseltenin einem Individuum vereint sind. Besonders bei Gründungen mit großem Wachstumspotenzial, wie z.B. Unternehmen, die Software entwickeln und verkaufen,sindTeamgründungensogarsehrhäufig.29Nichtzuletztmessen Finanziers dem Gründerteam große Bedeutung bei, da bei neuen Unter nehmennochnichtaufvergangeneunternehmerischeLeistungenzurückge blicktwerdenkann. DurchdasZusammenwirkenmehrererMenschenimTeamentstehenviele Vorteile,darunter:

Gründerteams sindinsbesondere beiUnternehmen miteinemhohen Wachstums potenzial notwendig,da unterschiedliche Talenteund Fähigkeiten benötigtwerden.

„ DasTeamverfügtinsgesamtübereinegrößereProblemlösungskapazität, einenbreiterenErfahrungshorizontundeingrößeresWissensspektrum.

„ Die einzelnen Teammitglieder können sich gegenseitig persönlich und fachlich weiterbringen (z.B. Einschätzen der Konkurrenzsituation, Ent wicklungeinerMarkteintrittsstrategie).

„ DerAustritteinesTeammitgliedskannbesserverkraftetwerden. „ DasGefühl,alleinzusein,mitdemGründerhäufigzukämpfenhaben, tauchtwenigerhäufigauf. AndererseitskönnenKompetenzunklarheitenauftauchen,undesbestehtdie Gefahr „fauler Kompromisse“ und die Schwierigkeit, Ergebnisse einzelnen Teammitgliedernzuzuordnen.EntwickeltdasTeamimLaufederZeiteinen starkenDruckinRichtungKonformitätundKonsens,kannleichtsogenann tes Groupthink auftreten. Groupthink ist eine einflussstarke Gruppendy namik,dieGruppenmitgliederverleitet,unabhängigeskritischesDenkenzu unterdrücken, den Blick für die Realität zu verlieren und sich selbst für unverwundbar zu halten. Folge von Groupthink sind schlechte Entschei dungsprozesseundinadäquateProblemlösung.30 Für den Erfolg eines Startups sind sowohl der Teambildungsprozess als auch derArbeitsmodus von Bedeutung. Letztlich ist es jedoch von derArt derUnternehmungabhängig,obtatsächlicheinTeamnotwendigist.

55

Schwierigkeiten beider Zusammenarbeit inTeamsdrohen beiKompetenz unklarheitenund „Groupthink“.

2

Die Unternehmerpersönlichkeit

Teambildungsprozess ImLaufederZeit müssenneue Teammitglieder integriertwerden.

UnternehmensgründungenwerdennormalerweisedurcheinKernteamoder eine Einzelperson angestoßen (Gründungsnukleus). Im Laufe der Zeit sto ßen neue Teammitglieder hinzu, sodass ein inneres und ein äußeres Team entsteht.31 Eine vordringlich Aufgabe besteht daher darin, neue Teammit glieder zu rekrutieren und zu integrieren. Bei der Bewertung von Teams durch Risikokapitalgeber werden vor allem Erfahrungen in der relevanten Industrie, eine Erfolg versprechende Mischung aus technischen und ge schäftlichen Hintergründen der Teammitglieder sowie Erfahrung in der Leitung von Teams als Erfolgsfaktoren für neue Unternehmungen angese hen.

Teamsarbeiten erstdanneffektiv zusammen,wenn siediePhasen „Forming“und „Storming“er folgreichdurch laufenhaben.

TeamsgehendurcheinenEntwicklungsprozess,derals„forming,storming, norming, performing“ beschrieben wird. In der „FormationsPhase“ kom men die Teammitglieder zusammen. Vertrauen und Interaktion existieren noch nicht und die Leistung ist niedrig. Deswegen besteht das Ziel darin, diese Phase möglichst schnell zu überwinden. Die „StormingPhase“ ist durcheinhohesMaßanKonfliktenundDiskussionengekennzeichnet.Die einzelnen Mitglieder agieren zwar mehr, das Vertrauen untereinander ist aber noch niedrig. Es liegt in der Verantwortung des jeweiligen Gründers bzw. Gründerteams, Vertrauen aufzubauen, Unterstützung zu geben und dasTeamzusammenwachsenzulassen.InderPhasedes„Norming“flauen dieKonflikteabundesentwickelnsichwirkungsvolleUmgangsformenund Regeln,diedasTeamstärkenundihmerlauben,effektivzusammenzuarbei ten.DasTeamistumsoeffektiver,jebesserdieNormenvonallenakzeptiert werden.32IndieserPhasesteigtdieLeistungsfähigkeitdesTeams,bisesin der „PerformingPhase“ die volle Leistungsfähigkeit erreicht. Es gibt keine Regeln, mit denen sich vorhersagen lässt, wie viel Zeit jede Phase in An spruchnimmt.DasZielsolltejedochdarinbestehen,möglichstlangeinden Phasen „Norming“ und „Performing“ zu verbleiben. Veränderungen des Umfeldes können das Team in neuerliche „Forming“ und „Storming Phasen“werfen.

GeradeinStart upssindeinper sönlicherBezug undeinpositiver Umgangmitein anderwichtig.

Eine weitere Herausforderung für den führenden Gründer besteht darin, festzustellen, ob die Kommunikation im Team und der persönliche Bezug zum Unternehmen stimmen. Dies ist vor allem deshalb wichtig, weil in Startups generell eng zusammengearbeitet wird.Aufgrund der engen Zu sammenarbeit ist der Teambildungsprozess in jungen Unternehmen durch einintensivesgegenseitigesEvaluierengekennzeichnet.

56

Die Risiken einer Karriere als Unternehmer

2.4

Arbeitsweise DasGründerteammussschnelllernen,effektivundeffizientzusammenzu arbeiten.DabeigehtesumeinesinnvolleArbeitsteilungundorganisation, einen konstruktiven Umgang miteinander und vor allem darum, wie im Team mit Konflikten umgegangen wird, die eine unweigerliche Folge der obengefordertenHeterogenitätsind.DieArbeitsweisedesTeamswirdauch vomGründungsprozessbeeinflusst,ausdemesselbsthervorgegangenist.

DerUmgangmit Konfliktenist einewesentliche Herausforderung inGründerteams.

Es gibt eine Reihe nützlicher Verhaltensweisen, die es Teams erleichtern, erfolgreichzusammenzuarbeiten.Diesesindunteranderem: 1. Konfliktkompetenz: Erfolgreiche Teams gehen mit Konflikten offen und ohne Verzögerung um. Sinnvoll ist es, vonAnfang an verbindliche Re gelnaufzustellen,wiemitKonfliktenumgegangenwerdensoll. 2. RespektfürdieZeitderanderen:Dazugehörtbeispielsweise,dassMeetings pünktlichbegonnenwerden. 3. Zuhören: Zuhören können und offen sein für andere Meinungen und Vorschläge sind wichtige Fähigkeiten in einem Team. Einfache Regeln sind z.B., andere ausreden zu lassen und Urteile erst am Ende einer Aussageauszusprechen. 4. WenigdefensivesVerhalten:Feedbackistnurnützlich,wennessogegeben wird, dass die betreffende Person nicht in defensive Verhaltensweisen gedrängtwird. 5. VollständigeBeteiligung:AlleTeammitgliedermüssensicheinbringenund beteiligen können. Sowohl der Versuch Einzelner, Diskussionen zu do minieren,alsauchdertotaleRückzugsindproblematisch. 6. Ehrlichkeit: Ehrlichkeit ist sicherlich der wichtigste Punkt, um Konflikte imTeambeizulegen.

2.4

Die Risiken einer Karriere als Unternehmer

Will man eine Karriere als Unternehmer verfolgen, sollten zuvor vor allem die folgenden vier Risiken bedacht werden: (1) finanzielle Risiken, (2) Kar riererisiken,(3)sozialeRisikenund(4)gesundheitlicheRisiken.Allepoten ziellen Unternehmer müssen sich fragen, ob sie bereit sind, diese Risiken einzugehen,undsolltenStrategienentwickeln,dieseRisikenzuminimieren.

57

Unternehmer müssenRisiken berücksichtigen undmanagen.

2

Die Unternehmerpersönlichkeit

2.4.1

Finanzielle Risiken

Typischerweise investieren Unternehmer große Summen ihres privaten Vermögens in die Gründung. Sie binden ihre gesamten oder zumindest einenTeilihrerErsparnisseinderUnternehmung.Siemüssenz.BeineHy pothek aufnehmen, um eine Sicherheit für zusätzliches Kapital bieten zu können. Nach der StartupPhase werden meist alle Gewinne reinvestiert, um das Geschäft auszubauen. Letztlich laufen Unternehmer im Falle einer InsolvenzGefahr,allesodereinenTeildesinvestiertenGeldeszuverlieren. Fremdkapital oderdieWahl einerRechtsform mitbeschränkter Haftungreduzie rendasRisiko.

EsgibtverschiedeneWegefürUnternehmer,dasfinanzielleRisikozuredu zieren.EineStrategiebestehtdarin,finanzielleMittelvonBanken,Partnern oderRisikokapitalgebernzuleihen.EineandereMöglichkeitstelltdieÜber schreibungdespersönlichenBesitzesaufdenPartnerdar,sodasszumindest dieser Besitz gesichert ist, auch wenn die Firma Insolvenz anmelden muss. Die Wahl einer günstigen rechtlichen Struktur kann das finanzielle Risiko ebenfallsmindern.SobietetdieGründungeinerjuristischenPerson,beider die Haftung beschränkt ist, beachtliche Vorteile bei der Risikobegrenzung gegenübereinerPersonengesellschaft.

2.4.2 DieGründung einerUnterneh mungparallelzur altenArbeits stellekann Karriererisiken mindern.

EineFrage,diesichvielepotenzielleUnternehmerstellen,ist,obsieimFalle desScheiternseineArbeitfindenwerdenoderanihrealteStellezurückkeh renkönnen.VorallemfürgutbezahlteBerufstätige,diekurzvorderPensi onierung stehen, ist dies eine ernst zu nehmende Sorge. Sie müssen sich fragen,obsiebereitsind,ggf.einewenigerattraktiveStellezuakzeptieren, solltensiewiederinsAngestelltenverhältniswechselnwollenodermüssen. DasKarriererisikokanngemindertwerden,indemmaneineUnternehmung aufTeilzeitbasisgründet,währendmanzunächstdiealteStellebehält.

2.4.3 DieVernachläs sigungdessozia lenUmfeldesund Intoleranzgegen übereinemmög lichenMisserfolg stellensoziale Risikendar.

Karriererisiken

Soziale Risiken

Eine Unternehmung zu gründen beansprucht viel Energie und Zeit seitens desUnternehmers.InfolgedessenwerdenFamilieundsozialesEngagement wahrscheinlich zu kurz kommen. Um Enttäuschungen und Vorwürfe zu vermeiden,solltedieEntscheidung,eineUnternehmungzugründen,daher gemeinsammitderFamiliegetroffenwerden. EinweiteresRisikoleitetsichausdemImagegescheiterterUnternehmerab. InmanchenGesellschaftenherrschtwenigToleranzgegenüberMisserfolgen. EintypischesBeispielistkiasu,„dieAngst,zuverlieren“,dieinderKultur

58

Erfolgsmessgrößen

2.5

Singapurs vorherrscht. Sie beschreibt eine Mentalität, in der Scheitern als Blamageangesehenwird,dieSchandeüberdieFamiliebringt.

2.4.4

Gesundheitliche Risiken

Entrepreneurship ist eine harte Arbeit, nicht nur physisch, sondern auch psychisch.OftwirddasLebeneinesUnternehmersvonseinerArbeitdomi niert. Eine klare Trennung zwischen Arbeit und Privatleben ist kaum zu erreichen, und ein normalerArbeitstag kann schnell 10 bis 12 Stunden ein nehmen. Untersuchungen zeigen, dass Unternehmer unter höherem Stress und mehr psychosomatischen Gesundheitsproblemen leiden als Menschen, die nicht selbstständig sind.33 Deswegen sollten sich potenzielle Unterneh merdarüberklarwerden,obsiedenAnforderungen,dieeineGründungmit sichbringt,gesundheitlichgewachsensind.

2.5

Erfolgsmessgrößen

LetztlichmusseinUnternehmenGewinnerzielen,umimMarktzubleiben. Unternehmer müssen daher in der Lage sein, einfache standardisierte Grö ßen zur Erfolgsmessung heranzuziehen. Die relevanten Kenngröße für Un ternehmersind:1)dieabsolutegeschäftlichePerformance,dieeinenReturn fürdasunternehmerischeEngagementeinbringt,und2)dersozialeBeitrag desindividuellenEngagements. Eine hohe unternehmerische Leistung relativ zu anderen Unternehmen ist kein ausreichendes Erfolgsmaß, da der Gewinn größer sein muss als ein bestimmter Grenzwert, um die individuellen Opportunitätskosten zu de cken. Um den Breakeven aus Sicht des Unternehmers zu erreichen, muss der Gewinn die Kosten für entgangeneAlternativen (Opportunitätskosten) sowiedasGeld,dieZeitunddenEinsatz,dieindieUnternehmunggeflos sen sind (Liquiditätspremium), decken. Darüber hinaus müssen ein Risi kopremiumsowieeinPremiumfürUnsicherheitgedecktsein.

2.5.1

EineUnterneh mensgründung stelltdie physischeund psychische Belastbarkeitauf dieProbe.

Opportunitätskosten

Ökonomen benutzen den Begriff Opportunitätskosten, um zu beschreiben, aufwievielNutzenverzichtetwird,wenneinebestimmteHandlungsoption einer anderen vorgezogen wird.34 Wenn sich einAngestellter selbstständig

59

Unternehmeri schesEngage mentmusssichin Formeinesent sprechenden Returnsauszah len.

2

Die Unternehmerpersönlichkeit

macht,musserz.B.einreguläresEinkommenundFerienaufgeben.Oppor tunitätskostensindbesondersfürgutbezahlteBerufstätigewiebeispielswei seFührungskräftesehrhoch.

2.5.2 Diemeisten potenziellen Unternehmer entwickelndas Geschäftskon zeptaufeigene Kosten.

Allgemein sind erhebliche Investitionen notwendig, um im unternehmeri schenProzessChancenzubewertenundzunutzen.Diemeistenpotenziel len Unternehmer investieren ihr eigenes Geld in PreStartAktivitäten wie denBaueinesPrototypsodereineMarktuntersuchungdurchprofessionelle Berater.DarüberhinausinvestierensievielEnergieundeinenGroßteilihrer Freizeit,umdasGeschäftskonzeptzuverbessernunddieBesitzerverschie dener Ressourcen (Venture Capitalists, Zulieferer, Kunden, potenzielleAn gestellte)zuüberzeugen,sichamGeschäftzubeteiligen.

2.5.3 Risikensind Ereignisse,die miteiner messbaren Wahrscheinlich keiteintreten.

Liquiditätspremium

Risikopremium

Ökonomisch betrachtet bezeichnet Risiko die Möglichkeit eines Verlustes. MansprichtvoneinemRisiko,wennzukünftigeEreignissemiteinermess baren Wahrscheinlichkeit eintreten. Nach Knight35 lassensich Risiken mes sen,daessichumSituationenhandelt,dieschonmehrmalsaufgetretensind. Folglich können dieErfolgswahrscheinlichkeit und das entsprechende Risi kopremiumberechnetwerden.WennderUnternehmerz.B.einvielverspre chendesProdukt(guteTestergebnisse)entwickelthat,dasdurcheinPatent odereineingetragenesWarenzeichengeschütztwerdenkannundaufeinen bekanntenMarktzielt,istdasRisikopremiumrelativgering.

2.5.4

Unsicherheitspremium

UnsicherheitistimGegensatzzuRisikonichtmessbarundkanndaherauch nichtdurchVersicherungenoderÄhnlichesaufgefangenwerden.Unsicher heit liegt vor, wenn die Umstände weder auf rationaler Basis (weil sie zu irregulär sind) noch durch empirische Beobachtung (weil sie einzigartig sind)analysiertwerdenkönnen.VonUnsicherheitsprichtmandemzufolge immer dann, wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit zukünftiger Ereignisse unbestimmt oder nicht kalkulierbar ist. Ein Unsicherheitspremium fällt besondersgroßaus,wennderUnternehmerkeineErfahrunginderIndust riehat,fürdiedasProduktbestimmtist,oderdasProduktaufeinerradika lenInnovation,d.h.neuenTechnologien,beruht.

60

Erfolgsmessgrößen

2.5

WieinAbbildung22dargestellt,stellenErgebnisse,diekleinersindalsdie SummedergenanntenvierKomponenten,einenVerlustfürdenUnterneh merdar,selbstwenndieSummeweitgrößeristalsdiePerformancerivali sierender Firmen. Nur der Gewinn, der über diesem Minimum liegt, kann alsLohndesUnternehmersangesehenwerden.

Abbildung22

Erfolgsmessgrößen

Quelle: in Anlehnung an Venkataraman, S., „The distinctive domain of entrepreneurship research”, in Katz, J. (Hrsg.), Advances in Entrepreneurship, Firm Emergence and Growth, Jg. 3, Jai Press, Greenwich, Conn., 1997.



61

2

Die Unternehmerpersönlichkeit

2.6 Marcstandvor derEntscheidung, oberCLASEO weiterführenoder sichbewerben sollte.

Fallstudie: CLASEO

Es war imAugust 2007, alsMarc Mielmann, Student an der Universität St. Gallen, darüber nachdachte, wie die Zukunft seines Startups aussehen sollte. Im Mai 2007 hatte er mit drei Freunden das Unternehmen CLASEO gegründet,eineMischungausCommunityundModelabel.IndieCommu nityaufgenommenwurde,wereineEinladungerhaltenhatteundeinShirt vonCLASEOkaufte.DieWebseitewarMitteJuli2007onlinegegangen,und dieerstenNutzerhattensichbereitsregistriert,kauftenCLASEOKleidung, kommunizierten miteinander und beeinflussten mit ihren Bewertungen zukünftigeKollektionen.DieSituationwarjedochnichteinfach:Marcstand kurz vor seinem Studienabschluss. Es fehlte lediglich die Diplomarbeit. Er musste sich in den nächsten Wochen entscheiden, ob er nun Bewerbungen schreiben sollte, um eine Stelle mit kalkulierbarem Einkommen und einer gewissenSicherheitzusuchen,oderoberUnternehmerseinwolltemitallen damitverbundenenRisikenundErfolgschancen.

Wie alles anfing Vielleichtließe sichmiteinem „invitation basedfashion label“jaGeld verdienen.

Begonnen hatte es im November 2006 in Barcelona. Marc Mielmann und DennisKringsErnstwarenfüreinAuslandssemesternachSpaniengekom men und hatten sich über einen gemeinsamen Freund kennengelernt. Am WohnzimmertischihrerWGundimStarbucksCafésuchtensiesystematisch nach Geschäftsideen. Einer Karriere als Unternehmer standen beide nicht abgeneigt gegenüber. Sie hatten mehrere Ideen entwickelt, diskutiert und wieder verworfen und sich schließlich für die Idee eines „invitationbased fashion label“ begeistert. Auf die Idee waren sie gekommen, als Dennis davonerzählte,dasssichseinefrühereCliquevoreinigenJahrenPoloshirts mit eigenen Motiven bedrucken ließ. Die Poloshirts dienten den Freunden damals als Identifikationsfaktor. Zudem hatte Dennis bereits mit einem anderenFreund,FlorianKronawitter,kurzzeitigübergeschäftlichePotenzia ledieserIdeediskutiert.WarumsolltesichetwasÄhnlichesnichtmiteiner größeren Gruppe organisieren lassen, die sich online und offline austau schenbzw.treffenkonnteundalsErkennungszeichenKleidungsstückeeines eigenen Modelabels tragen würde? Und vielleicht ließe sich damit ja Geld verdienen?

CLASEOsollte einePremium Communityfür 16bis35Jährige werden.

So entstand die Idee zu CLASEO. Sie stellten sich eine Gemeinschaft mit einem trendigen Image vor, eine PremiumCommunity für 16 bis 35 Jährige, die hochwertige CLASEOShirts als gemeinsames Markenzeichen trägt.DieMitgliedersolltenonlineundofflinemiteinanderinKontakttreten können.ÄhnlichwieinanderenOnlineCommunityssolltemansehenkön

62

Fallstudie: CLASEO

2.6

nen, über welche gemeinsamen Bekannten man miteinander in Kontakt stand.EinEMailKontoundPlatzfürFotos,dieallenonlinezurVerfügung gestelltwerden,solltendenMitgliedernMöglichkeitenzumAustauschbie ten.Mehrwertsolltegeschaffenwerden,indemmansichübereinenLifesty lePilot über die besten Diskotheken, Restaurants und andere Freizeitmög lichkeiten austauschen konnten. Potenzielle Kooperationspartner könnten Clubssein,dieCLASEOMitgliedernkostenlosenEintrittgewährenwürden. Und nicht zuletzt sollte mit der Möglichkeit, limitierte, hochwertige Mode kaufenzukönnen,dienurdieMitgliederderGemeinschaftbeziehenkonn ten, ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu einer exklusiven Gruppe geschaf fen werden. Verstärkt werden sollte dieses Gefühl durch die Idee, dass die CommunityzukünftigselbstüberdieModeabstimmenwürde. MarcundDenniswusstenjedochvonAnfangan,dasssiefürdieProgram mierungeinersolchenCommunityWebseitejemandenmitentsprechendem technischem Knowhow brauchen würden. So wurde Philipp Rappold mit insBootgeholt,einFreundvonMarc,derErfahrungeninderProgrammie rungvonWebseitenhatteunddervonderIdeeschnellüberzeugtwar.Au ßerdemfragtensieWojtekDerejski,einenFreundvonDennis,oberander UmsetzungderIdeemitarbeitenwolle.WojtekhatteguteVerbindungenzu TextilherstellerninPolen,wasfürdieProduktionderCLASEOKollektionen wichtigseinwürde.

Fürdie Programmierung ihrerWebseite brauchtensie einenExperten.

Die Unternehmensgründung Bis zum März 2007 hatten sich nie alle vier am gleichen Ort getroffen, der Austausch hatte entweder bilateral oder im Rahmen von Telefonkonferen zen und EMails stattgefunden. Das wollten die vier ändern, schließlich wollten sie ihre Idee möglichst schnell umsetzen. Sie trafen sich daher im April 2007, um eine Woche lang konzentriert an ihrer Geschäftsidee zu ar beiten. Diese Woche war sehr wichtig: Sie konnten CLASEO inhaltlich ein gutesStückvoranbringenundnichtzuletztsorgtedieWochefüreinenMo tivationsschub,weilallemerkten,dasssiegemeinsamaneineraussichtsrei chen Idee arbeiteten. Philipp hatte zu dieser Zeit bereits mit der Program mierungbegonnen,undsiemerkten,dassdieIdeemehralsnureinGedan kenspielwar.Siefingendaheranzuüberlegen,welcheRechtsformsieihrem zukünftigenUnternehmeneigentlichgebenwollten.

Alleviertrafen sicheineWoche lang,um CLASEO voranzubringen.

Im Laufe des Aprils trafen sie dann eine Entscheidung, und zwar für die GründungeinerGmbHinDeutschland.FolgendeGründeführtensiean:1) DiebeschränkteHaftungsorgtdafür,dassdieGmbHnurmitihremGesell schaftsvermögen haftet, ein Durchgriffsrecht auf das Privatvermögen der Gesellschafterbestehtnicht.2)EineGmbHGründungstellteinengewissen

Sieentschieden sichletztlichfür eineGmbH Gründung

63

2

Die Unternehmerpersönlichkeit

organisatorischen Aufwand dar. Es muss ein Gesellschaftsvertrag erstellt werden, der einer notariellen Beurkundung bedarf. Anschließend ist ein Eintrag ins Handelsregister notwendig. Alles in allem eine zeitaufwendige Angelegenheit,mitderjedochallezeigten,dassesihnenernstwarmitder Unternehmensgründung. 3) Die vier wollten für zukünftige GmbH Gründungen gerüstet sein. Sie wollten das Verfahren einer GmbH Gründung kennenlernen, um zu erfahren, worauf man beim Gründungs prozess achten muss. 4) Und nicht zuletzt wollten sie den guten Ruf einer deutschenGmbHnutzen,umgegenüberihrenKundeneinegewisseZuver lässigkeitundGlaubwürdigkeitzudemonstrieren. BeiderVertragsgestaltungkonntendieJungunternehmerzumGlückaufdie Unterstützung von Bekannten und Eltern zählen. Sie einigten sich schließ lichdarauf,dassjedervonihnendiePositioneinesGeschäftsführersinneha bensollteundallemitdemgleichenStimmrechtausgestattetwürden.Eine Herausforderungbestandjedochdarin,festzulegen,werwievielGeschäfts anteile erhalten sollte: Sollten alle gleich vieleAnteile erhalten? Sollten die Ideengebermehrbekommenalsdieanderen?WelchenFirmenanteilwardie Programmierung der Webseite im Vergleich zu anderen Aktivitäten wert? Solltendie,diemehrGeldeinbringenkonnten,auchmehrAnteileerhalten? Währendder Gründungsphase lerntensieeine Menge.

SchließlichhattensiejedocheinenModusgefunden,mitdemallezufrieden waren.ZwarfielendieGeschäftsanteileinAbhängigkeit deszeitlichenund finanziellen Engagements unterschiedlich hoch aus, jeder von ihnen erhielt jedochdieOption,biszumDezember2008hinsichtlichderGeschäftsanteile mit den anderen gleichzuziehen, sofern er entsprechendes zeitliches Enga gement zeigte bzw. finanzielle Einlagen tätigte. Der Lerneffekt war damit recht hoch. Nach eigenen Aussagen lernten sie viel darüber, wie Gesell schaftsverträge so gestaltet werden können, dass unterschiedlichen Bedürf nissenRechnunggetragenwird.AnfangMaiwaresdannsoweit.Derferti ge Gesellschaftsvertrag wurde vom Notar beglaubigt und die GmbH ins Handelsregister eingetragen. Als Gesellschaftssitz wurde der Kreis „Mün chen Land“ gewählt, da Marcs Eltern hier wohnten und die Hebesätze für dieGewerbesteuerrechtniedrigwaren.

Der Aufbau von CLASEO ImJuli2007ging CLASEOonline.

Parallel zur Gesellschaftsgründung hatte Philipp mit Hochdruck an der Webseitegearbeitet,sodassdieInternetpräsenzMitteJuli2007onlinegehen konnte. Die ersten Muster für Poloshirts waren ebenfalls eingetroffen, und sogingCLASEOandenStart.

64

Fallstudie: CLASEO

2.6

EinegroßeHerausforderungstelltedasMarketingdar.Wiekonntemanals kleines Unternehmen mit einem geringen Budget dafür sorgen, dass sich möglichst schnell viele Mitglieder registrieren würden? Eine Community lebt nun einmal vom Austausch der Mitglieder. Irgendwie mussten sie es schaffen, dass sich CLASEO herumsprach. Zunächst würden sie natürlich FreundeundBekannteeinladen,diemusstenjedochdazugebrachtwerden, ebenfalls Mitglieder für die Community zu werben, die ihrerseits weitere Personeneinladenwürden.EinwichtigerPunkt,umdiesenProzessinGang zubekommen,warenVisitenkarten,diemitindividuellenEinladungscodes versehen waren. Mithilfe des Codes konnte man sich authentifizieren, um danngegebenenfallsMitgliedbeiCLASEOzuwerden.DieseKartenbrach ten sie im eigenen Bekanntenkreis in Umlauf, vorzugsweise gaben sie die Karten an Trendsetter, also Personen, die mit einiger Wahrscheinlichkeit Trendlokalitäten besuchen würden, wo sie mit den CLASEOShirts von vielen potenziellen Neumitgliedern gesehen werden konnten. Wer schließ lich Mitglied geworden war, erhielt selbst fünf Visitenkarten mit Einla dungscodeszumWeitergebensowiefünfMöglichkeiten,aufelektronischem Weg Freunde einzuladen. So entwickelten sich die limitierten Einladungen zu einem wirksamen Instrument, um die Nutzerzahlen zu steigern und gleichzeitigdafürzusorgen,dassNeumitgliederausdemengerenBekann tenkreis bestehender Mitglieder geworben und nicht wahllos ausgesucht wurden. Der letzte Punkt war den Gründern wichtig, um den Mitgliedern eingewissesMaßanExklusivitätbietenzukönnen.

Auchmiteinem kleinenMarke tingbudgetkann manWirkung erzielen.

EinwichtigesElementvonCLASEOstelltdiegemeinsameModederCom munity dar. Daher verwendeten die vier viel Zeit auf die Gestaltung der ersten Kollektion. Die Wahl fiel schließlich auf Poloshirts mit einem asiati schen MaoKragen. Solche Kragen wurden bei Poloshirts bisher noch nie verwendet. Als Material wählten sie hochwertige Baumwolle, und bei der Produktion wurde auf eine gute Verarbeitungsqualität geachtet. Weitere Produkte wie Blusen oder Jacketts sollten in Zukunft dazukommen. Von jedem Kleidungsstück sollte nur eine limitierte Anzahl verkauft werden. Anschließend würde die neue Kollektion, über die die Community abge stimmt hatte, in Produktion gehen. Jedes Kleidungsstück sollte mit einem eindeutigen Code ausgestattet sein, wobei der erste Buchstabe für die Kol lektionunddievierfolgendenZiffernfürdiePersonstehen,diedasPolos hirt gekauft hat. Die ID würde damit zwei Anforderungen erfüllen: Zum einen sollte jedes Kleidungsstück einen einzigartigen Charakter erhalten, zumanderensollendieMitgliederdieMöglichkeithaben,aufderCLASEO WebseiteanhandderIDmehrüberdenTrägerherauszufinden.Durchdiese Vorgehensweise wurde auch im Bereich der gemeinsamen Kleidung Wert auf Exklusivität, Mitbestimmung und Möglichkeiten zum Netzwerken ge legt.

Sieentschieden sichfürPolo shirtsvonhoher Qualität.

65

2 ArtikelinLife stylemagazinen, sollenihnen dabeihelfen, bekannt zuwerden.

Die Unternehmerpersönlichkeit

KontaktezurPressewareneinweitererWeg,umbekanntzuwerden.Den nis, der hauptsächlich für den Bereich Marketing verantwortlich zeichnete, und Marc klopften bei verschiedenen Redaktionen von Lifestylemagazinen wie InStyle, Playboy, Vanity Fair oder Glamour an, die sich teilweise sehr aufgeschlossenzeigten.ZudemsorgtePhilippdafür,dassam19.9.2007ein erster Artikel über CLASEO in der Süddeutschen Zeitung erschien. Ein ErfolgsfaktorbestandnachAussagevonMarcdarin,dasssiepersönlichbei denRedaktionenvorbeigingen,stattwiesonstüblichEMailsoderFaxezu schicken–selbstverständlichtrugensiedabeiCLASEOShirts. WeitereAktionen,diedievierauchohnevielWerbebudgetstartenkonnten, waren gezielte Kooperationen. So produzierten sie beispielsweise gemein sammitdemP1,einemderangesagtestenNobelclubsinMünchen,unddem MünchnerOktoberfesteinspezielles„WiesnShirt“,daswährenddesOkto berfestesimKäferZeltsowieimP1verkauftwurde–inlimitierterAuflage versteht sich. Zukünftige Kooperationen sollen den Mitgliedern außerdem die Möglichkeit geben, als CLASEOMitglied in bestimmte Clubs zu kom men,indiemansonstohneBeziehungennichtkommenwürde.DasPolos hirtkönntedabeialsErkennungsmarkefürdieTürsteherfungieren.

Die Konkurrenz EineCommunity, diesichüber gemeinsame Modedefiniert, gibtesbisher nochnicht.

Laut Aussage der Gründer gibt es derzeit keinen Konkurrenten, der eine ähnliche modebasierte Gemeinschaft zusammenführt. Nichtsdestoweniger gibt es jedoch Onlinecommunitys, die auf ein ähnlich exklusives Publikum abzielen.AlsBeispielekönnenhier„ASmallWorld“und„BlackCardCirc le“ genannt werden. „A Small World“ ist noch eine Stufe exklusiver als CLASEO.Auch hier benötigt man eine private Einladung, um Mitglied zu werden. Die Zielgruppe besteht jedoch aus Personen, die einen gewissen gesellschaftlichen Status oder einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht haben.InähnlicherWeiserichtetsichder„BlackCardCircle“anMenschen, die beruflich und persönlich außerordentlich erfolgreich sind. Man will sozusagenuntersichblieben.DanebengibteseineVielzahlanCommunitys, die darauf ausgelegt sind, möglichst schnell möglichst viele Mitglieder zu bekommen. Dazwischen möchte sich CLASEO positionieren, mit dem Al leinstellungsmerkmaldescommunityeigenenModelabels.

Wie geht es weiter mit CLASEO Aus der Sicht der Gründer gab es also genügend Platz im Markt für das Angebot von CLASEO. Dennoch war die Entscheidung nicht einfach: Der monatlicheZuwachsanNeumitgliedernwarmoderat,nichthochgenug,um

66

Fallstudie: CLASEO

2.6

ohnezuzögernindieSelbstständigkeitzugehen,undnichtschwachgenug, umdieIdeeeinfachzuverwerfen.EndeAugusthattensichetwa150Perso nen in der Community registriert, ein Großteil davon waren Freunde und Bekannte. Andererseits gab es im Bereich Marketing noch Dutzende von Möglichkeiten, die man würde ausschöpfen können. Auch war nicht klar, wie sich die Community entwickeln würde: Vielleicht würde CLASEO ein reinesFashionlabelwerden,beidemdieCommunitymitbestimmte,wiedie nächste Kollektion aussehen sollte. Vielleicht würde aber auch der Aspekt überwiegen, dass man sich innerhalb der Community auf die heißesten Diskotheken,ClubsundRestaurantsaufmerksammachenwürde. Die schwierigste Situation jedoch, mit der Marc derzeit konfrontiert war, ergab sich ausden persönlichen Situationender vier Gründer, die sich wie folgtdarstellen: MarcMielmann(25)selbstistgeradedabei,seinebeidenMasterabschlüssein „AccountingandFinance“(UniversitätSt.Gallen)und„InternationalMana gement“ (CEMS, Community of European Management Schools) abzu schließen.EsfehltlediglichdieDiplomarbeit.ErhatteindenletztenWochen einen Großteil seiner Energie in die Entwicklung der Idee gesteckt und konntesichgutvorstellen,inVollzeitanderIdeeweiterzuarbeiten.Erglaub tefestdaran,dassCLASEOPotenzialfüreinegroße,weltweiteCommunity hatteundeineReihemöglicherExpansionsmöglichkeitenvorhandenwaren. Zwar war die Arbeitsplatzsituation momentan sehr gut, aber er könnte, wenn CLASEO wider Erwarten nicht funktionieren würde, auch ein oder zweiJahrespäterimmernochinsAngestelltenlebeneinsteigen. Dennis KringsErnst (25) hat sein Studium gerade mit einem Doppel MasterabschlussimBereich„Strategy&InternationalManagement“anden Universitäten St. Gallen und ESADE (Barcelona) beendet. Im Oktober 2007 wirderalsBeraterbeiMcKinseybeginnen.Erkannsichvorstellen,weiter hin in beratender Funktion tätig zu sein. Aus dem operativen Geschehen wirdersichaberzurückziehen. PhilippRappold(26)studiertWirtschaftsingenieurswesenanderTechnischen UniversitätKarlsruhe.BisaufdieDiplomarbeit,dieerindennächstensechs Monaten schreiben wird, hat er alle Studienleistungen erbracht. Während dieserPhasekanner50%seinerZeitfürCLASEOverwenden.Danachwird er höchstwahrscheinlich promovieren. Einen Doktorvater hat er schon und derwäredamiteinverstanden,dassereinehalbeStelleannimmt.DieGrün dungsidee findet der potenzielle Doktorvater sogar recht spannend. Den nochwürdedaseineDreifachbelastungmitwissenschaftlicherStelleander Universität, Doktorarbeit und Firmengründung bedeuten. Philipp ist sich nochnichtganzsicher,wieersichentscheidenwird.

67

Allevierhaben nebenCLASEO nochandere Verpflichtungen undChancen.

2

Die Unternehmerpersönlichkeit

WojtekDerejski(26)hatvorKurzemseinBWLStudiumanderUniversitätzu KölnbeendetundarbeitseitSeptember2007alsPilotbeiderLufthansa.Er hat sich bisher hauptsächlich um die Produktion und Lieferung der Polos hirts gekümmert, was er auch weiterhin tun möchte. Ein weiter gehendes zeitlichesEngagementkannerjedochnichtübernehmen.

Fragen zur Fallstudie 1. WiesinddieErfolgsaussichtenvonCLASEOzubewerten? 2. Nehmenwiran,SiebefindensichinderSituationvonMarcMielmann: WiewürdenSiesichentscheiden?WelcheGründesprechenfüreinwei teresEngagementbeiCLASEO,welcheGründesprechendagegen? 3. EinInvestormachtMarcdasAngebot,inCLASEOzuinvestieren.Marc überlegt, ob er auf das Angebot eingehen soll. Er könnte die nächsten Monate dafür nutzen, CLASEO weiterzubringen. Je nach Erfolg könnte erdannineinemhalbenJahrimmernoch entscheiden,oberweiterma chen oder lieber in ein Angestelltenverhältnis wechseln sollte. Nehmen wiran,SiesindinseinerSituationundnehmendasAngebotdesInves torsan:WiewürdenSiedienächstenMonategestalten?

2.7

Zusammenfassung

UnternehmerundChancenmachendasWesendesunternehmerischenPro zesses aus. Sie formen zusammen ein als dialogisch bezeichnetes System (unternehmerische Reproduktion, Imitation, Wertsteigerung, Wagnis). Es gibt vier Arten von personenbezogenen Unterschieden (psychologische Eigenschaften,Informationsverfügbarkeit,kreativeVerarbeitungundkogni tive Heuristik), die erklären, warum Chancen von bestimmten Individuen entdecktundverfolgtwerdenundnichtvonanderen.Nachdempotenzielle Unternehmer eine Chance identifiziert und bewertet haben, müssen sie entscheiden,obsiesienutzenmöchten.DieseEntscheidunghängtwiederum von den Charakteristika der Chance und dem Unternehmertyp ab. Es gibt zweiDenkschulen,diesichmitEntrepreneurshipausindividuellerPerspek tivebefassen.DieökonomischeDenkschulegehtdavonaus,dassderUnter nehmereinAgentist,derverschiedeneRollenübernimmt:TrägervonRisi ko,Arbitrageur,InnovatoroderKoordinatorknapperRessourcen.Derbeha vioristische Ansatz identifizierte drei unternehmerische Eigenschaften: Leistungsmotivation, interne Kontrollüberzeugung und Risikofreudigkeit. Oft finden Unternehmungsgründungen im Team statt, da so Fähigkeiten,

68

Zusammenfassung

Rollen, Stärken und Schwächen ausgeglichen werden können. Der Erfolg des Teams hängt vom Teambildungsprozess und derArbeitsweise ab. Vier Arten von Risiko (finanzielle Risiken, Karriererisiken, soziale und gesund heitliche Risiken) kennzeichnen eine Karriere als Unternehmer. Bei der Er folgsmessungsindOpportunitätskosten,Liquiditäts,RisikoundUnsicher heitsprämieneinzubeziehen. DersozialeKontextistentscheidend,umzuverstehen,inwelchenSituatio nen sich Personen befinden, die unternehmerische Chancen verfolgen. Vier Aspekte des sozialen Kontexts einer Person scheinen hierbei besonders wichtig zu sein: Lebensabschnitt, Geschlecht, sozialeNetzwerke und ethni scherHintergrund.

Diskussionsfragen 1. IdentifizierenSiegrößereVeränderungen,dieChancenfürUnternehmer kreieren. 2. InwelchenAspektenunterscheidetsichderökonomischevombehavio ristischenAnsatzvonUnternehmertum? 3. WerdenUnternehmergeboren? 4. SozialeNetzwerkesindalswichtigeElementefürUnternehmerchinesi scherHerkunftanerkannt.TrifftdasauchfürUnternehmerandererHer kunftzu? 5. WelcheErfolgsmessgrößenmüssenUnternehmerbetrachten?

Weiterführende Literatur MCGRATH, R.G./MACMILLAN, I., The entrepreneurial mindset: Strategies for continuously creating opportunity in an age of uncertainty, Harvard Business SchoolPress,Boston,Massachusetts,2000. JENEWEIN,W.P./DINGER,H.,Erfolgsgeschichtenselberschreiben:Unternehmer,die esgeschaffthaben,CarlHanserVerlag,München,Wien,1990. SCHAPER, M./VOLERY, T., Entrepreneurship and Small Business: a Pacific Rim perspective,JohnWiley&SonsAustralia,Ltd.,2004. KOCH, L.T. „Unternehmerausbildung an Hochschulen“, Zeitschrift für Be triebswirtschaftslehre,Ergänzungsheft2,2003,S.25–46.

69

2.7

2

Die Unternehmerpersönlichkeit

Endnoten   1

HILLS, G./SHRADER, R., „Chancenerkennung im unternehmerischen Prozess“, ZeitschriftfürKleinundMittelunternehmen,Jg.48,Nr.1,2000,S.1–11.

2

BRUYAT, C./JULIEN, P.A., „Defining the field of research in entrepreneurship“, JournalofBusinessVenturing,Nr.16,2000,S.155–180.

3

ebenda.

4

ebenda.

5

ebenda.

6

ebenda.

7

DRUCKER,P.,InnovationandEntrepreneurship,Harper&Row,NewYork,1985.

8

VANKATARAMAN, S., „The distinctive domain of entrepreneurship research“, in Katz,J.(Hrsg.),AdvancesinEntrepreneurship,FirmEmergence,andGrowth,JaiPress, Greenwich,Conn.,1997.

9

PLEITNER,H.J.,„Unternehmerpersönlichkeitund Unternehmensentwicklung“,in: Belaketal.(Hrsg.),UnternehmensentwicklungundManagement,Versus,Zürich1997.

10 MITTON,D.G.,„Thecompleteentrepreneur“,EntrepreneurshipTheoryandPractice,

Jg.13,Nr.3,1989,S.9–20. 11 KAISH, S./GILAD, B., „Characteristics of opportunities search of entrepreneurs

versusexecutives:Sources,interests,generalalertness“,JournalofBusinessVentur ing,Nr.6,1991,S.45–61. 12 SHANE, S./VANKATARAMAN, S., „The promise of entrepreneurship as a field of

research“,AcademyofManagementReview,Jg.25,Nr.1,2000,S.217–226. 13 VOLERY, T./DOSS, N./MAZZAROL, T./THEIN, V., „Triggers and barriers affecting

entrepreneurial intentionality: The case of Western Australian nascent entrepre neurs“,JournalofEnterprisingCulture,Jg.5,Nr.3,1997,S.273–291. 14 CASSON,M.,EntrepreneurshipandBusinessCulture,Elgar,E.,Aldershot,1995. 15 CANTILLON,R.,EssaisurlaNatureduCommerceenGénéral(1755),trans.Higgs,H.,

Macmillan,London,1931. 16 Eigene Übersetzung: KNIGHT, F., Risk, Uncertainty and Profit, Houghton Miffin,

Boston,1921. 17 Vor allem die Österreicher wie: HAYEK, F.A., Individualism and Economic Order,

Routledge, London, 1959 sowie KIRZNER, I.M., Competition and Entrepreneurship, ChicagoUniversityPress,Chicago,1973. 18 SCHUMPETER,J.A.,TheTheoryofEconomicDevelopment,HarvardUniversityPress,

Cambridge,Mass.,1934. 19 SAY,J.B.,ATreatiseonPoliticalEconomy(1803),trans.Prinsep,C.R.,Grigg&Elliot,

Philadelphia,1855. 20 CASSON, M., The Entrepreneur: An Economic Theory, Martin Robertson, Oxford,

1982. 21 U.a. SCHULER, H./PROCHASKA, M., LMI. Leistungsmotivationsinventar. Dimensionen

berufsbezogenerLeistung,Hogrefe,Göttingen,2001. 22 GARTNER,W.B.,„Aconceptualframeworkfordescribingthephenomenonofnew

venturecreation“,AcademyofManagementReview,Jg.10,Nr.4,1985,S.696–706.

70

Zusammenfassung

23 MCCLELLAND,D.C.,TheAchievingSociety,FreePress,NewYork,1967. 24 MCCOMBS, B.L., „Motivation and lifelong learning“, Educational Psychologist, Jg.

26,Nr.2,1991,S.117–127. 25 PALICH, L.E./BAGBY, D.R., „Using cognitive theory to explain entrepreneurial

risktaking: Challenging conventional wisdom“, Journal of Business Venturing, Nr. 10,1995,S.425–438. 26 MAZZAROL, T./VOLERY, T./DOSS, N./THEIN,V.,„Factorsinfluencingsmallbusiness

startups:Acomparisonwithpreviousresearch“, International Journalof Entrepre neurialBehaviourandResearch,Jg.5,Nr.5,1999,S.48–63. 27 Fallgatter,M.J.,„UnternehmerundihreBesonderheiteninderwissenschaftlichen

Diskussion – Erklärungsbeiträge funktionaler und positiver Unternehmenstheo rien“,ZeitschriftfürBetriebswirtschaftslehre,Jg.71,Nr.10,S.1217–1235. 28 Franke,N./Lüthje,C.,„StudentischeUnternehmensgründungen–dankodertrotz

Förderung?“,ZeitschriftfürbetriebswirtschaftlicheForschung,Nr.54,2002,S.96–112. 29 COOPER, A./DAILY, C., „Entrepreneurial teams“, in: Sexton, D./Smilor, R. (Hrsg.),

Entrepreneurship2000,UpstartPublishing,Chicago,1997. 30 CHELL, E., Entrepreneurship: Globalization, Innovation and Development, Thomson

Learning,Cornwall,2001. 31 GRUBER, M./MÜLLER, CH., „Synergiefelder bei Unternehmensgründungen: Mana

gementteamsunddieRollevonUniversitäten“,JournalforManagementandDeve lopment,Nr.6–7,2001,S.73–78. 32 CHELL, E., Entrepreneurship: Globalization , Innovation and Development, Cornwall,

2001. 33 JAMAL, M., „Job stress, satisfaction and mental health:An empirical examination

of selfemployed and nonselfemployed Canadians“, Journal of Small Business Management,Jg.35,Nr.4,1997,S.48–57. 34 Thommen, J.P., Lexikon der Betriebswirtschaft: ManagementKompetenz von A bis Z,

Versus,Zürich,2004. 35 KNIGHT,F.,Risk,UncertaintyandProfit,HoughtonMiffin,Boston,1921.

71

2.7

Einführung

3 Kreativität, Innovation und Entrepreneurship

Lernziele Nach der Lektüre dieses Kapitels sollten Sie folgende Fragen beantworten können:

„ Wie können die Begriffe Kreativität, Innovation und Innovations managementerklärtwerden?

„ WeshalbistEntrepreneurshipengverbundenmitInnovation? „ WelcheFaktorenunterstützendieInnovation,welchedieKreativität? „ Welche Instrumente kann der Unternehmer einsetzen, um die Innovati onsfähigkeitimUnternehmenzufördern?

„ Welche Eigenschaften der Innovation wirken auf die Diffusionsge schwindigkeit?

Begriffserklärungen Kreativität:KreativitätumschreibtdieschöpferischeKraft,diefürNeuerun gen(Innovationen)oderErfindungen(Inventionen)vorhandenseinmuss. ErstmitderVerbreitung(Diffusion)wirddieInnovationerfolgreichund marktgerichtet. Idee:DieIdeestellteinenLösungsansatzzueinemProblemoderzurBehe bungeinesunbefriedigendenSachverhaltsdar. InventionoderErfindung:BeiderInventionoderErfindunggehtesumden ProzessderWissensgenerierungdurchForschungundEntwicklungunddie erstmaligetechnischeRealisierungeinerneuenProblemlösung. Innovation:DieerstmaligeAnwendungeinerneuenProblemlösung,die daraufgerichtetist,UnternehmenszieleaufneuartigeWeisezuerfüllen, wirdalsInnovationbezeichnet. Innovationsmanagement:DieGestaltung,EntwicklungundLenkungvon Neuerungen–alsoInnovationsmanagement–beschreibtdiekomplexeBe

73

3.1

3

Kreativität, Innovation und Entrepreneurship

gleitung von der Idee bis zur Einführung und (Wieder)Etablierung der marktfähigenErneuerungoderErfindung. Diffusion:VerbreitungundEtablierungderInnovationaufdemMarktdank Kundennachfrage. Revolutionäre Prozesse: Prozesse, bei denen Ziel und Etappen nicht be stimmbarsind. EvolutionäreProzesse:Prozesse,beidenenEtappenbestimmbarsind. Graduelle Prozesse: Prozesse, bei denen Etappen und Endziel bestimmbar sind.

3.1

Einführung

Kreativitätund Innovationswille kennzeichnen Unternehmer.

Kreativität,InnovationundEntrepreneurship–derTiteldesKapitelsum schreibt die enge Beziehung zwischen der unternehmerischen Kraft und demkreativenGeist.SindesnichtgeradedieKreativitätundderInnovati onswille, die den Unternehmer ausmachen? Und der Rest wird sich von selbstergeben?InderGesamtschauderUnternehmerfunktionenwirddeut lich, dass sich der Unternehmer über die von ihm wahrgenommenen, schwer imitierbaren folgenden Funktionen definiert: die Innovation, das TragenvonRisiko,dasEntdeckenunddasKoordinierenvonneuenChancen im Markt.1 Beispielsweise wird im Rahmen des GEMProjekts2 Unterneh mertumalsProzessdeniert,derdieIdentifizierung,EvaluierungundVer wertung von Geschäftsmöglichkeiten umfasst. Bei der Innovationsfunktion schwingendeshalbdieanderenFunktionenmit;jedeInnovationbirgtinsich Risiken,dieevaluiertwerden,Marktnischen,Ideen,Prozessverbesserungen, die entdeckt und koordiniert werden, damit Innovationen in den Markt diffundierenkönnen.DadieseFunktionennichteinfachlernbar,sondernin vielen Facetten durch den Charakter des Unternehmers geprägt sind, wird imFolgendendieengeVerknüpfungzwischenunternehmerischemAgieren undkreativemrespektiveinnovativemEntwickelndesUnternehmersdarge stellt.

ChristianGloor vonderSTAG AG,weiß,dass Innovationenoft überraschend einfachsind.

Als Christian Gloor – Geschäftsführer und Mitinhaber der STAG AG in Maienfeld im malerischen Schweizer Rheintal, besser bekannt als „Heidi land“3 – mit seinen Ingenieuren die brandneue Erfindung kommentierte, war der Satz: „Dass uns diese simple Idee nicht schon früher in den Sinn gekommenist!“beiderBetrachtungihresneuen VerfahrensfürdieEntlee rungvonSchüttguttrichtern(s.S.81f.)oftzuhören.DerDreiklangKreativi tät, Innovation und Entrepreneurship wird in der STAG AG vorbildlich

74

Einführung

3.1

gelebtundbildetdieGrundlagefürihrenWettbewerbserfolg.Dabeispielen dieindividuelleundgruppenweiteKreativitätdesUnternehmersundseiner Mitarbeitenden, aber auch die Integration der Kunden sowie die eiserne EinhaltungderSpielregelninnerhalbderInnovationsprozesseeinezentrale Rolle.DietreibendeKrafthinterdemDreiklangistjedochderUnternehmer Gloor. Innovationsmanagement und Inventionen, also Erfindungen, befas sen sich gemäß der nicht völlig ernst gemeinten Aussage von Gloor mit Dingen, die simpel, ja offensichtlich sind und etwas verspätet in den Sinn kommen. GanzunrechthatermitseinerAussagenicht.Innovationenberuhenhäufig aufsimplenIdeen,dennInnovationbedeutetÜberwindenvonKomplexität, undimNachhineinbetrachtet,könnenLösungsansätzefürkomplexeProb lemeeinfachgestaltetsein.DamitsprichtereinoftbeobachtbaresPhänomen an,denndieGestaltung,EntwicklungundLenkungvonNeuerungen–also Innovationsmanagement–beschreibtdiekomplexeBegleitungvonderIdee biszurEinführungund(Wieder)EtablierungdermarktfähigenErneuerung oder Erfindung. Die Begriffe Innovation und Kreativität stehen im engen Kontextzueinander,wirddochimAllgemeinenunterKreativitätdasGene rieren von neuen, brauchbaren Ideen verstanden; also der schöpferische Prozess der Ideenfindung.4 Demzufolge bedarf es zum kreativen Agieren der Originalität, der Flexibilität, der Sensitivität, der divergenten Denkpro zesse (Abweichen von gewohnten Denkschemata) und des Nonkonformis mus des Individuums (auch gegen gesellschaftlichen Widerstand sinnvolle Ideenentwickeln).

Kreativitätist dieschöpferische Kraft,diefür Innovationen oderErfindungen vorhandensein muss.

Doch Kreativität alleine genügt nicht: Die erfolgreiche und marktgerichtete Umsetzung der Idee und damit die Weiterführung des schöpferischen Pro zesses der Idee hin zu einem marktfähigen Produkt, Serviceangebot oder einemProzessablaufwirdalsInnovationbezeichnet.DerInnovationsbegriff kanndurchvierKriterien5umschriebenwerden:

Erstdieerfolgrei cheUmsetzung imMarktmacht auseinerIdee eineInnovation.

„ Inhaltliche/objektive Dimension: Neuheitsgrad des veränderten oder erfundenen Leistungssystems oder Prozesses. Als neu gilt in der Regel eine Problemlösung, die über den bisherigen Erkenntnis und Erfah rungsstand hinausgeht sowie zwei oder mehrere Disziplinen miteinan derverbindet.

„ Subjektive Dimension: Eine Neuerung kann für ein Individuum, eine Gruppe oder eine Institution subjektiv neu sein, selbst dann, wenn sie vonanderenbereitsgenutztwird.

„ Prozessuale Dimension: Der Anfang und das Ende der Neuerung im Prozessablauf wird in den Unternehmen unterschiedlich definiert. Un bestritten ist, dass mindestens die Phasen bis zur Markteinführung des

75

3

Kreativität, Innovation und Entrepreneurship

neuen Produktes oder der neuen Dienstleistung als Innovationsprozess definiertwird.

„ NormativeDimension:DasKriteriumbefasstsichmitderFrage,obnur diejenigen Neuerungen als innovativ gelten, die zu einer Verbesserung des bisher Vorhandenen führen. Jedoch hängt die Beurteilung desAus maßesderVerbesserungvomInteressenstandpunktdesBetrachtersab. AlsInnovation beschreibtman dieerstmalige wirtschaftliche Anwendungeiner Problemlösung imMarkt.

DiesevierDimensionenführenzufolgenderDefinition:UnterInnovationist die erstmalige wirtschaftliche Anwendung einer neuen technischen, wirt schaftlichen, organisatorischen und sozialen Problemlösung im Sinne einer ökonomischenOptimierungderWissensverwertungzuverstehen.Siewirkt aufdieneuartigeErfüllungderUnternehmensziele.6InnovationsundWis sensmanagement stehen deshalb in enger Wechselwirkung zueinander. Sie sindimIdealfalleinerhohenDynamikausgesetztundindieLeistungspro zesse integriert. Das Innovationsmanagement spiegelt auch das Erkennen und die Nutzung von kontinuierlichen Verbesserungsmöglichkeiten im SinnedesKaizenAnsatzeswider.Kaizenbedeutet„VeränderungundWan del zum Besseren“ (japanisch) und umschreibt einen Managementansatz, derdieständigeundinkrementelleVerbesserungvonBewährtemzumZiel hat.7KaizenverweistaufdieNutzungderinnovativenKraftjedeseinzelnen MitarbeitendenimUnternehmen,dermitseinenIdeenundVerbesserungs vorschlägeneinen„BottomupAnsatz“(vonuntennachoben)imGegensatz zueinemTopdownAnsatz“(vonobennachunten)fürdiekontinuierliche und nachhaltige Verbesserung der Leistungsprozesse sorgt. Idealerweise fördert das Management eines Unternehmens durch etabliertes und damit vonallenBeschäftigtengelebtesInnovationsmanagementbeideAnsätze.

Innovationen könnendurch veränderte Marktbedin gungenund Neuerungenim Unternehmen initiiertwerden.

Im Zusammenhang mit dem Begriff der Innovation können zwei Mecha nismenbeobachtetwerden.EinerseitsresultierenausderTechnologiedyna mik Innovationen, die auf der innovativen Anpassung der Unternehmung anveränderteMarktbedingungenbasieren.DieswirdexternerInnovations druck oder MarketPull genannt. Von internem Innovationsdruck, dem so genannten MarketPush, wird bei einer innovativen Veränderung der Un ternehmung innerhalb bestehender Marktbedingungen gesprochen.8 Bei spielsweise kann für Dienstleistungen in der Regel von MarketPull Innovationengesprochenwerden,dadieAnbieteroftnichtselbstTrägerdes technologischenFortschrittssind.9 EssindfolgendeArtenvonInnovationenzuunterscheiden:10

„ Produkt und Dienstleistungsinnovationen: Erneuerung in Sachzielen im Unternehmen; dabei findet oft eine innovative Verschmelzung von Produkten und Dienstleistungen im Sinne von Leistungssystemen statt. (z.B. Kauf von Personenaufzügen inklusive Wartungs und Sicherheits

76

Einführung

3.1

verträge) Diese Leistungskombination kann durchaus unternehmungs übergreifendgestaltetsein.

„ ProzessundVerfahrensinnovation:NeueGestaltungundVeränderun genimProzessderFaktorenkombination.EingutesBeispielistdasUn ternehmen Dell, das die Unternehmensprozesse (Konfiguration von Computern etc.) weitestgehend mit Internettechnologien abbildet und sichdamitextremeWettbewerbsvorteileverschaffthat.

„ Sozialinnovationen:NeuerungenundkreativeEntwicklungen,diesozi aleProblemlagenmildern.SoschaffenesbeispielsweisedieAravindAu genkliniken in Indien, jährlich über 200.000 Augenoperationen zur Be handlungdesgrauenStarsdurchzuführen.BezahlenmüssennurdiePa tienten, die es sich leisten können. Aufgrund der extremen Spezialisierung sind die Kliniken jedoch auch für Kunden attraktiv, die es sich leisten können, sodass das Unternehmen insgesamt schwarze Zahlenschreibt. Die Vorstufe der Innovation ist die Idee oder die Invention: Die Idee stellt einen Lösungsansatz zu einem Problem oder zur Behebung eines unbefrie digendenSachverhaltsdar.BeiderInventionoderErfindunggehtesumden ProzessderWissensgenerierungdurchForschungundEntwicklungunddie erstmaligetechnischeRealisierungeinerneuenProblemlösung.11 UnterInnovationistdieerstmaligewirtschaftlicheAnwendungeinerneuentechni schen, wirtschaftlichen, organisatorischen und sozialen Problemlösung im Sinne einer ökonomischen Optimierung der Wissensverwertung zu verstehen, die darauf gerichtetist,UnternehmenszieleaufneuartigeWeisezuerfüllen.12 Nebst der klassischen Definition beschreiben Unternehmer das Phänomen wiefolgt:Innovationist...13

„ „... die gelungene Umsetzung einer weitsichtigen Vision. Und zwar: digitaleGerätesolangekleinerundsimplerzumachen,biseinsinnvol lerKompromissentstandenist,derauchimAlltagSpaßmacht.“(Dennis Boyle,VeteranIDEOStudioHead,PaloAlto,USA)

„ „... die Fähigkeit, aus vertrauten Dingen und Anwendung angenehme Überraschungen zu schaffen, die entweder technisch brillant oder an wenderfreundlich sind.“ (Tim Parsey, Chefdesigner Mobiltelefone bei Motorola(2001))

„ „Von Innovation kann man erst sprechen, wenn man auf drei Probleme eineguteAntwortgebenkann:Idee,ImplementierungundBedarf.Wenn eines der drei Elemente fehlt, sind Innovationen oft unnötig oder un praktisch.“(RobyStancel,Nanosolar,PaloAlto,USA)

77

Idee,Implemen tierung,Bedarf. ErstwennAnt wortenaufdiese dreiFragen gefundenwurden, kannvoneiner Innovationdie Redesein.

3

Kreativität, Innovation und Entrepreneurship

KreativitätkanndamitalseinenotwendigeVoraussetzungfürInnovationen bezeichnetwerden.14DocherstdieVerbreitungundEtablierungderInnova tion auf dem Markt dank Kundennachfrage schließt den schöpferischen ProzessimSinnederDiffusionab.„DemnachkanneskeineDiffusionohne InnovationundkeineInnovationohneKreativität,sehrwohlaberKreativi tätohneInnovationundInnovationohneDiffusiongeben.“15 DieAbfolgevon Kreativität, Innovationund Diffusionkann alsProzessbe trachtetwerden.

DiesesProzessdenkenistinderEntrepreneurshipForschungweitverbreitet. DieLogistikunddieInformationstechnologie,umnurzweiprozesstypische Disziplinen zu nennen, haben unsere Art, Entscheidungen zu fällen, zu denken und zu handeln, maßgeblich beeinflusst. Können wir jedoch den Begriff Prozess auch bei der Entstehung von Kreativität und Innovationen verwenden? Dies ist durchaus denkbar, jedoch mit der nötigen Erklärung dazu: Zum einenkannzwischendenAdjektivenkreativ,innovativunddenErgebnisbeg riffen Kreativität und Innovation unterschieden werden. Erstere werden zur Charakterisierung von Personen, Prozessen und Leistungssystemen (Pro dukte, Dienstleistungen) verwendet, drücken also einen Potenzialzustand aus,währendLetztereeinenfinalenZustanderklären–imSinnevon:„Dank derKreativitätistdieInnovationentstanden“.ZumZweitenkönnenProzes se revolutionär, evolutionär oder graduell verlaufen. In allen Verlaufsarten spielenkreativesundinnovativesDenkenundHandelnderBeteiligteneine zentrale Rolle. DieAbfolge von Kreativität – Innovation – Diffusion kann als Prozess betrachtet werden und jeder Prozess kann durch kreatives und in novativesPotenzialangereichertundverbessertwerden.Diedreigrundsätz lichenArtenvonProzessenlassensichfolgendermaßenerklären:

Prozessekönnen revolutionär, evolutionärund graduell verlaufen.

„ Revolutionsprozesseverlaufenunvorhergesehen,dasSubjektkannden Initialimpuls geben, anschließend verläuft der Prozess bis zu einem ge wissenGradjedochunvorhersehbarimSinneeinerradikalenInnovation. (sieheFallbeispielNoventaEngineeringamEndediesesKapitels)

„ Evolutionsprozesse zeichnen sich dadurch aus, dass das Ziel während des Prozesses immer wieder neu bestimmt werden muss. Typische Bei spiele dazu sind technologische Innovationsprozesse, inkrementelle (kontinuierliche,schnelleinsetzbare)InnovationenoderEngineeringvon Dienstleistungsprozessen, wie beispielsweise Beratungsprozesse, Wei terbildungsveranstaltungen oder EBanking. Im Englischen kennt man eintreffendesWortdafür:„Movement“(Bewegung).

„ Gradientenprozesse zeichnen sich dadurch aus, dass der angestrebte Zustandbekanntistundkontinuierlichdarangearbeitetwird,diesenzu erreichen. Dies ist beispielsweise bei Logistikprozessen, Informations prozessenundHerstellungsverfahrenvonProduktenderFall.

78

Einführung

3.1

Aufgrund der verschiedenenArten von Prozessen müssen wir vom klassi schenPhasenmodell16desInnovationsprozesses(1.Ideengenerierung:Inno vationsanstoß–Ideengewinnung–Erfassung–Screening;2.Ideenakzeptie rung: Bewertung – Auswahl; 3. Ideenrealisierung: Umsetzung – Marktein führung mit begleitendem Innovationscontrolling) zumindest teilweise Abschiednehmen,dadieRealitätzeigt,dassinvielenFällenderrealeInno vationsprozessdieReihenfolgederidealtypischenPhasennichteinhält.

DieRealitätfolgt häufignichtden idealtypischen PhasendesInno vationsprozesses.

Doch zurück zur Ausgangslage und damit zur Frage, wie Innovationen zustandekommen.EngmitdieserFrageverbundenistdieAuseinanderset zung mit der Bedeutung der Fantasieim Zusammenspielmit derInnovati on. Das griechische Wort phantasía bedeutet geistiges Bild. Die Fantasie er möglicht dem Menschen das Kreieren alternativer Entwürfe zur wahrge nommenen Wirklichkeit. Fantasie dient als Synonym für sich mit vorhandenen Bewusstseinsinhalten verbindende, nicht erlebte oder aus ErinnertemsichneukombinierendeVorstellungenüberimaginäreundreale Zustände.17WederdieFantasienochdieKreativitätoderInnovationsindfür sich alleine „produktiv“, sie bedürfen der prozessoralen und konsistenten Abfolge und entfalten sich erst dank dem fantasievollen, kreativen und innovativen Lebewesen. Der Entrepreneur ist Innovator und entwickelt Innovationen,Entrepreneurshipbedeutetdemzufolgemarktgerichtete,krea tiveWertgenerierungdurchInnovation.

Phantasielässt Menschenalter nativeEntwürfe zurWirklichkeit entwickeln.

EngandieseDefinitionangelehnthatteSchumpeterdasVerständnisfürdie Aufgaben und den Sinn des Entrepreneurs geprägt:18 Er bezeichnete an fangs des 20. Jahrhunderts in seinem Werk „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“ die unternehmerische Kernaufgabe als steten Prozess kreati ver Zerstörung. Schumpeter erwähnt zwei Typen von Wirtschaftssubjekten im Sinne von Verwalter und Unternehmer: Erstere ziehen passiv Konse quenzen(„[…]Wirhabenunsklargemacht,wiedaswirtschaftlicheHandeln der Menschen aussieht, wenn sie aus gegebenen Verhältnissen unter dem Gesichtspunkte der bestmöglichen Befriedigung ihrer Bedürfnisse die Kon sequenzen ziehen. Danach wäre die Wirtschaft konstant, wenn ihre Daten konstant sind.“19), während Unternehmer laut Schumpeter aktiv gestalten: „JetztwillicheinenzweitenTypuswirtschaftlichenHandelnsvorführen,der ein neues und selbstständigesAgens in der Volkswirtschaft darstellt, näm lichdasschöpferischeGestaltenaufdemGebietederWirtschaft.[…]Denn diegegebenenVerhältnissekannmanzuändernversuchen.“20

Entrepreneure veränderndie vorliegenden Verhältnisse aktiv.

BeiInnovationenspielenfolgendeKomponenteneinezentraleRolle:

„ Ideenreichtum, Verwirklichung der Ideen und richtiger Zeitpunkt der Ideeneinführung

„ BedürfnisnachNeuemausderSichtderKundenundMitarbeitenden

79

3

Kreativität, Innovation und Entrepreneurship

„ Konsequente Weiterverfolgung der Ideenentwicklung, Glaube an die IdeedesUnternehmersunddamitÜberwindungvonInnovationsbarrie ren

„ Umfeld,dasinnovativesSchaffenzulässt Unternehmerprofil:WeberfinderTimBernersLee Weberfinder TimBernersLee hateinoffenes Systemohne Lizenzkosten geschaffen (www.w3c.org).

Wenn Tim Berners-Lee21 Orden und Preise verdient hat, dann deshalb, weil er sich erstens beim Erfinden größte Zurückhaltung auferlegte und es schaffte, sich auf zwei, drei große Innovationen zu beschränken, und zweitens, weil er ein offenes System ohne Lizenzkosten schuf. 1989 schlug er seinem damaligen Arbeitgeber, der Europäischen Organisation für Kernforschung (CERN), vor, ein Projekt zu starten, das auf dem Prinzip des Hypertextes beruhte und den Austausch von Informationen zwischen Wissenschaftlern ermöglichen sollte. Mit der Umsetzung des Projektes und der Entwicklung des ersten Browsers begründete er das World Wide Web. Nach seiner WebErfindung engagierte er sich insbesondere dafür, dass das Internet allen zur uneingeschränkten Nutzung offensteht. 1994 gründete er das World Wide Web Consortium (W3C), das sich zum Ziel gesetzt hat, Techniken, die das Internet betreffen, zu standardisieren. Berners-Lee hat sich auch hier immer dafür eingesetzt, dass nur patentfreie Standards verabschiedet werden. Standards des W3C sind beispielsweise HTML, XML, RSS oder PICS. Letzteres ist ein Standard, der es den Betreibern von Webseiten ermöglicht, den Inhalt von Webseiten zu bewerten. Diese Metadaten werden durch Metatags im Kopfbereich einer Webseite integriert. Ursprünglich war die Zielsetzung hinter PICS, Eltern und Lehrern die Entscheidung zu erleichtern, welche Internetseiten ihre Kinder sehen dürfen und welche nicht, zu erleichtern. Inzwischen werden die Labels aber auch für andere Zwecke verwendet, da die PICS-Labels generell interessant sind, wenn es darum geht, im Internet zu suchen, etwas vorzuschlagen, zu informieren oder zu warnen. Tim Berners-Lee kommt damit seiner Zukunftsvorstellung des Internets als semantisches Netz ein Stück näher.

SirTimBerners Leekämpftgegen Innovations barrieren.

Von Berners-Lee können wir viel über den Umgang mit Innovationsbarrieren lernen. Seines Erachtens gibt es dazu nur ein Rezept: „Konsequente Bekämpfung!“ Der Kampf gegen Innovationsbarrieren bildet eine zentrale Aufgabe des Unternehmers. Die Barrieren treten in allen Phasen des Innovationsprozesses auf. Sie können demzufolge mit Such-, Sinn-, System-, Transfer- und Diffusionsbarrieren umschrieben werden. Neben der Einsicht des Unternehmers braucht es jedoch noch weitere grundlegende Voraussetzungen für die Bekämpfung der Barrieren:

„ Bewusstsein aller über den Charakter der Innovationsbarrieren „ Wahrnehmung und stetes Offenlegen von typischen Barrieren (z. B. durch Analyse, Betreuung von Externen)

„ Organisationales Lernen im Umgang mit Innovationen und deren Barrieren, keine Schuld-, sondern Wettkampfkultur im Unternehmen fördern

„ Selbstverantwortungsprinzip auf allen Ebenen des Unternehmens leben (Ansätze wie kontinuierliche Verbesserungsprozesse, Kaizen oder Quality Circles)

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Innovationsmanagement

3.2

3.2

Innovationsmanagement

Das Innovationsmanagement verfolgt ein zentrales Ziel: Aus Ideen sollen markttaugliche Leistungen entstehen. Das Innovationsmanagement um schreibtsomitdieAuseinandersetzungderFührungsebeneeinerUnterneh mung mit Innovationen. Es umfasst die strategischen und operativenAuf gabenderFührung,Planung,Entscheidung,OrganisationundKontrolleder Innovationen.22 Dabei stehen vier Aufgaben und Problemfelder im Zu sammenhangmitInnovationenimZentrum:

Innovationsma nagementsoll ausIdeenmarkt tauglicheLeis tungenmachen.

1. Akzeptanz der Kunden respektive Stakeholder: Neue Produkte oder Dienstleistungen bedürfen der Akzeptanz der Kunden. Marktanalysen, Technologie und Kundenbeobachtungen, Markttests und eine Marke tingundKommunikationsstrategiesinddahervonzentralerBedeutung. 2. MitarbeiterundihreFähigkeiten:DieKundenhabeneinenWissensvor sprung gegenüber dem Anbieter in Bezug auf ihre Wünsche und Be dürfnisse. Die Unternehmen brauchen daher relevante Informationen überihreKunden,umihnennutzenstiftendeAngebotezumachen.23Ein gutaufgebautesWissensmanagement,dasdiepersönlichenBedürfnisse, die Lebenserfahrungen und hintergründe der Kunden aufnimmt, wird dadurch umso wichtiger. Damit einhergehend entstehen vielseitigeAn forderungen an die Mitarbeiter und die Führungskräfte, die mit den Kundenkommunizieren,sowieandenUnternehmerselbst.Sichinden Kundenhineinversetzenzukönnen,seineBeweggründeundGedanken zulesen,wirddieKommunikationmitdemKundenbeeinflussen.Essoll eine vertrauensvolle Atmosphäre geschaffen werden, damit sich der KundeentfaltenundseineWünscheoffenbarenkann.Diesenkommuni kativen und sozialen Kompetenzen sollen schon bei der Mitarbeiterrek rutierung Beachtung geschenkt werden.24 Falls dieses Fingerspitzenge fühlundEinfühlungsvermögenimKundenkontaktnichtvorhandenist, bleibt viel Potenzial ungenutzt. Eine weitere Voraussetzung seitens der Beschäftigten ist die Bereitschaft, die Kundeninputs zu erkennen und aufzunehmen und durch Interaktion mit dem Kunden selbst innovativ zu werden (Kaizen). Eine vorurteilsfreie Kommunikation ist dabei Pflicht. Die Toleranz gegenüber Fehlschlägen, die Unterstützung von motiviertenMitarbeitendenunddieFörderungvonwahrenInnovatoren sind bedeutende Faktoren des Innovationsmanagements.25 Ist die DienstleistungsinnovationbereitsimMarkterfolgreichumgesetzt(Diffu sion), gelten ähnliche Anforderungen an die Mitarbeitenden. Sie sollen aufdasmöglicheVerhaltenderKundschaftvorbereitetwerdenundler nen,wiesiemitkritischenSituationenumgehensollen.

81

Unternehmen brauchenrele vanteInformati onenüberihre Kunden.

3

Kreativität, Innovation und Entrepreneurship

Innovationen müssenindie bestehenden Leistungeneines Unternehmens integriertwerden.

3. Die systemkonforme Integration der Innovation in die bestehenden Leistungen des Unternehmens:Das neueProdukt, die neue Dienstleis tungoderdiesozialeInnovationmüssenaberauchindasbisherigeSor timent und zur Unternehmensphilosophie passen (Corporate Identity, Unternehmenskultur, Angebotspalette). Die Beschäftigten müssen sich mit der hinzugekommenen Produkt oder Dienstleistungsinnovation i dentifizieren können. Um diese Integration auch nach außen etablieren zu können, ist ein Dialog mit den Anspruchsgruppen notwendig. So können Konsumenten, Lieferanten und weitere Stakeholder in die Ent scheidungintegriertwerden.

Wissensund fähigkeitsbezo geneGrundlagen verhinderndie Imitationdurch dieKonkurrenz.

4. Konkurrenz (Schutz vor Nachahmung): Je nach Integrationsgrad des Kunden in den Innovationsprozess sind für ihn Produkt, Dienstlei stungs, Prozess und Sozialinnovationen des Anbieters erkennbar. Die Kunden nehmen dabei nicht nur die Ergebnismerkmale der Leistungen wahr, sondern lernen auch, die Prozess und Potenzialmerkmale der neuenProduktezubeurteilen.JetransparenterdieseMerkmalesind,de stowenigerkanndieInnovationvorderKonkurrenzgeschütztwerden. DieskannabermiteinemfaktischenImitationsschutzkompensiertwer den.WissensundfähigkeitsbezogeneGrundlagen,dieverhindern,dass dieKonkurrenzdieneuartigeLösungübernimmt,erschwerendieImita tion.26 Zusammenfassend lasst sich sagen, dass Kundenbindung, Beziehungsma nagement,IntegrationvonKundenindenInnovationsprozessundReputa tiondesInnovatorseinezentraleRolleinBezugaufdenErfolgeinerInnova tionspielen.DasnormativeundstrategischeManagementsolltedeshalbauf eineinnovationsfreundlicheKulturausgelegtsein. Der weiter oben genannte Innovationsprozess kann anhand folgender Pha senbeschriebenwerden:27

„ Überzeugung des Unternehmers und der Führungskräfte, dass ein ge lenkter Innovationsprozess für die Entwicklungsfähigkeit des Unter nehmensvonhoherPrioritätist

„ Bei den Mitarbeitenden das Verständnis für Innovationsmanagement etablierenunddieOffenheitfürNeuesfördern

„ Institutionalisierte Beobachtung von Kundenverhalten, Markt und Technologieentwicklung,TrendScoutingundKonkurrenzmonitoring

„ Ideengewinnungundförderung „ Umsetzung der Idee budgetieren („BusinessCase“) und Plausibilitäts testsdurchführen

82

Wer liefert Ideen?

3.3

„ IdeenprüfungundauswahlmitKundenintegration „ LeistungsdesignmitKundeneinbindung „ ProduktevaluierenineinemTestmarkt „ EinführungundDiffusion ImFolgendenwirdaufeinzelneausgewähltePunkteeingegangen.

3.3

Wer liefert Ideen?

Zwei Gruppen vonAkteuren liefern Ideen für Innovationen: einerseits der Unternehmer, seine Führungscrew sowie die Mitarbeiter und andererseits externe Personen. Der Kunde, Lieferanten, Partnerunternehmen, externe Berater,Treuhänder,garBankenundöffentlicheInstitutionenwieUniversi täten,WirtschaftsfördererundHandelskammernzählenzurexternenGrup pe.DieIntegrationdesKundenistfürdieErmittlungderKundenbedürfnis se eine sprudelnde Ideenquelle. Nachfolgend werden einige Möglichkeiten fürdieexterne(vomUnternehmeninitiierteodervomKundenselbstgeför derte)Ideenfindungaufgezählt,vgl.auchTabelle31

Auchexterne Personenwie Lieferanten, Kundenoder Partner unternehmen liefernIdeenfür Innovationen.



„ Nähe zum Kunden und Kundenintegration, um den Puls zu spüren: Der enge Kontakt mit kreativen, kritischen Kunden, sogenannten Lead Usern, kann wertvolle Ideen und potenzielle Innovationen generieren. Die Identifikation geeigneter LeadUser spielt dabei eine entscheidende Rolle.

„ Kundenworkshops:AusgewählteKundenwerdenzugezieltenundgut vorbereiteten Gesprächen bzw. Workshops eingeladen; die Moderation übernimmtderDienstleisterrespektivedieVerantwortlichenderUnter nehmung. Ziel des Workshops ist die Kristallisierung neuer Ideen, die fürdenKunden(zusätzlichen)Nutzenstiften.

„ Meinungsaustauschermöglichen:WeitereKonzeptesindKundenforen, um Meinungen auszutauschen, Fokusgruppen (Gruppendiskussionen mit ausgewählten Kunden über bestimmte Themen), Planungszellen oderderneueFormendervirtuellenIntegration,dieaberauchinande renPhasenzurGeltungkommenkönnen.28

„ Ideenwettbewerbe: Kundenwettbewerbe können genutzt werden, um neueIdeenzusammeln.DiebestenIdeenwerdenauszeichnet.

83

Esgibteine Vielzahlan Möglichkeiten, umKundenan derIdeen entwicklungzu beteiligen.

3

Kreativität, Innovation und Entrepreneurship

„ Toolkits: Es können Toolkits zur Verfügung gestellt werden, mit deren

Hilfe Kunden eigene Lösungskonzepte entwickeln.29 So eruiert bei spielsweise die PorscheAkademie zusammen mit ihren Kunden im Be reich „Lean Production“ spezifische Montagekonzepte. Die Toolkits beinhalten standardisierte Abläufe oder Werkzeuge, mit deren Hilfe Kunden und die Ingenieure der PorscheAkademie neue Fertigungsab läufefestlegen.30

„ Experimentalforschung mit dem Kunden: Verhalten und Empfindun gendesKundenwerdenanhandvonTestsimLaborerforschtundaus gewertet. Dadurch ergeben sich neue Erkenntnisse beispielsweise über das Entscheidungsverhalten des Kunden. Eng verbunden damit sind Kundenbeobachtungen (Scoutings). Dabei geht es um die Frage, wie Kunden Produkte und Dienstleistungen nutzen und dabei kreative Er gänzungenselbstentwickeln.DieseErgänzungenkönnenvomHersteller adaptiertundderbreitenKundschaftzurVerfügunggestelltwerden. Konkurrenz beobachtung, Benchmarking oderForschung undEntwicklung sindnureinige Möglichkeiten, fürneueunter nehmensinterne Ideenzusorgen.

InternsindunteranderemfolgendeMöglichkeitenderIdeenfindungdenk bar,wobeidasKundenbedürfnisundderKundennutzenimZentrumstehen sollen:

„ KonsequenteKonkurrenzbeobachtung:EinekonsequenteKonkurrenz beobachtungermöglichtes,neueElementeeinzubauen,welchedieeige nenLeistungssystemesinnvollergänzenunderneuern.31

„ Beobachtung neuer technologischer Möglichkeiten: Das regelmäßige Monitoring des Technologieumfeldes zeigt neue Trends, Chancen und Gefahren auf und bildet die Grundlage für strategische Investitionsent scheide.

„ Benchmarking und Erfahrungsaustausch: Ein Erfahrungsaustausch zeigtdieeigenenStärken,aberauchdieSchwächengegenüberderRefe renzgruppe auf und sensibilisiert den Innovator für zukünftige Hand lungsfelder.

„ ForschungundEntwicklung:InnovationsnetzwerkeundAktivitätender ForschungsundEntwicklungsabteilungermöglichen,neueFormenvon Dienstleistungenzuerkennenundzufördern.SiesollenstetsimLichte desKundennutzensbetrachtetwerden.32

„ Mitarbeiter: Nutzung der Kreativität und desIdeenpotenzials dereige nen Mitarbeiter durch Ideenbörsen, betriebliches Vorschlagswesen oder Kreativitätstechniken.33 Entscheidende Treiber für die Kreativität sind beispielsweisedieguteStimmunginnerhalbdesUnternehmens,dieAn erkennung und Empathie seitens der Geschäftsleitung gegenüber den Beschäftigten,aberauchdieErfahrungundFähigkeitenderMitarbeiten

84

Ort der Ideenentstehung

3.4

den sowie die Orientierung an ausgesprochen kreativen Köpfen inner undaußerhalbderUnternehmung.

„ Multiplikationen: Innovationen können intern verglichen werden und den internen Ideenwettbewerb fördern (beispielsweise zwischen Abtei lungenoderFilialen).

3.4

Ort der Ideenentstehung

Zurück zur oben erwähnten Innovation der STAG. Es begann alles mit ei nem Kundenproblem: Das Schüttgut im Einfülltrichter bildete buchstäblich eine Brücke. Sand, Salz, Weizen – was immer in der Schüttguttechnologie gefördert,odergelagertwird–,alleProduktehabendynamischeEigenschaf ten, die mit der Strömungslehre und der mechanischen Schüttguttechnik erklärt werden. Wenn ein Rest der Förderware beim Einfülltrichter an den Wänden hängen bleibt oder Brücken bildet, kann die potenzielle Energie aufgrund des Reibungswiderstandes nicht in kinetische Energie (Gravitati onskraft) gewandelt werden. „Die Mitarbeiter unseres Kunden müssen re gelmäßig mit dem Hammer an die Außenwand des sieben Meter hohen Trichtersschlagen,damitdasSchüttgutvondenInnenwändenfällt.Natür lichistderSchadenandenTrichterngroß unddieMotivationdesKunden wird dadurch auch nicht gefördert.“ So die Aussage eines Ingenieurs der STAG:„DeshalbistmiramWochenendeFolgendesindenSinngekommen ...“DiefolgendeangeregteDiskussionhattezumErgebnis,dassdieIdeedes Ingenieurs innerhalb der Gruppe weiterentwickelt und schlussendlich pa tentiert wurde. Die STAG verdiente in den letzten drei Jahren mit dieser Innovation viel Geld. Wie eingangs betont, ist die Idee simpel: „Befestige obenunduntenimInnerndesTrichtersStahlseileundlassesieentgegenge setztdrehen,damitdasSchüttgutdurchdiedadurchverursachteBewegung, diedenReibungswiderstandaufhebt,nachuntenfällt.“

Problemesind häufigAus gangspunktfür neueIdeen.

HabenSiesichauchschongefragt,woIhreIdeenentstehen?DerIngenieur derSTAGhatoffenbaramWochenendediezündendeIdee.Untersuchungen bestätigendieAussage:IdeenentstehennichtprimärindemUnternehmen, sonderninderFreizeit.DieErklärungsansätzederPsychologieundNeuro logiegehendabeiwenigervomModelldesGedankenblitzesaus(heureka!), sondern von der bewussten oder unbewussten Distanzierung von einem Problem oder Sachverhalt (Exinvolvement), die es dem Innovator ermög licht, neue oder offensichtliche Aspekte aus anderer Perspektive zu sehen. Diese Tatsache macht sich die STAG zunutze, indem sie ihre strategischen Workshops zwischendurch mit Wanderungen in der Natur auflockert. Die folgende Abbildung 31 verdeutlicht den Zusammenhang anhand einer

VieleguteIdeen entstehennicht imUnternehmen, sonderninder Freizeit.

85

3

Kreativität, Innovation und Entrepreneurship

Befragung von Ingenieuren. Der Unternehmer kann sich das Ergebnis der Umfragezunutzemachen,indemerversucht,seineMitarbeiterzuinspirie ren oder sie ins verdiente Wochenende mit demAuftrag entlässt, am kom mendenMontagIdeenfürdasUnternehmenmitzubringen.

Abbildung31

WoIdeenentstehen

Quelle: in Anlehnung an Fueglistaller, U., Tertiarisierung und Dienstleistungskompetenz in schweizerischen Klein- und Mittelunternehmen, St. Gallen, KMU Verlag HSG, 2001.

Die isolierte Betrachtung des Entstehungsortes von Ideen des Individuums muss jedoch mit der Frage ergänzt werden, wie die Ideen zu Innovationen transformiert werden. Diesem Aspekt der Innovationsforschung wurde ebenfalls nachgegangen und man eruierte innerhalb der untersuchten Un ternehmen,welcheFaktoren einenmaßgeblichenEinflussaufdasGelingen der Transformation der Idee hin zur Innovation ausüben.34 Das Ergebnis zeigt deutlich, welche zentrale Rolle die Einbeziehung des Kunden in den Innovationsprozesszukommt(vgl.Abbildung32).

86

Ort der Ideenentstehung

3.4 Abbildung32

WiewerdenIdeenzuInnovationentransformiert?

Quelle: in Anlehnung an Fueglistaller, U., Von der Idee zur Innovation – eine Untersuchung von 65 KMU, unveröffentlichte Studie, St. Gallen, 2003.

Innovationen und Netzwerke Welche Rolle spielen Netzwerke in der Unterstützung von Innovationen? Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass Netzwerke im Bereich Forschung und Entwicklung einen positiven Einfluss auf die Innovationsfähigkeit der Unternehmen,speziellderKMUhaben.35EinedetaillierteUntersuchungdes Netzwerkverhaltens von KMU in einer in sich überschaubaren und ländli chen Region in der Schweiz (Oberwallis) zeigt jedoch, dass noch großes PotenzialinderZusammenarbeitzwischenKMUundForschungsinstitutio nen wie Universitäten, Technische Hochschulen und Fachhochschulen vor handen ist.36 Unternehmer von StartupFirmen und KMU müssen ihre Forschungsinteressen gegenüber Forschungsinstitutionen vermehrt artiku lieren. Nur so kann ein Transfer von Wissen und Erkenntnissen im Sinne einer Wechselwirkung zwischen Forschung und Wirtschaft zustanden kommen.DochwiesollderUnternehmervorgehen?

87

3 Unternehmen stehenmehrere Möglichkeiten offen,Netzwerke imBereich Forschungund Entwicklung aufzubauen.

Kreativität, Innovation und Entrepreneurship

FolgendeVorgehensweisensteheneinemUnternehmerzurAktivierungdes NetzwerkesimBereichForschungundEntwicklungzurVerfügung:

„ Eruierung interessanter Forschungsgebiete und entsprechender Kompe tenzträgerinderScientificCommunity

„ Kontaktsuche mit Instituten und Forschungsinstitutionen über For schendemithohemExpertenwissen

„ Auftragsvergabe von konkreten Forschungsarbeiten an Studentengrup pen, Forscher und Individuen mit vorhergehender Evaluation der For schungskompetenz, Integration der Forschungsarbeiten in das Unter nehmen,UnterstützungbeiFallstudien

„ Unterstützung von Forschungsinstitutionen (z.B. Fundraising, Sponso ring oder Praktikumsstellen) zur Erhaltung der nachhaltigen Partner schaft

3.5 Individuelle Kreativitätund Gruppen kreativität sorgenfürneue Ideen.

Treiber für die Kreativität und Innovation

InAnbetrachtderKomponentenvonInnovationenunddeszweitenTypus, den Schumpeter nannte (vgl. S. 79f.), bedarf es einer Erklärung des Ur sprungsderKreativitätunddamitengverbundenderInnovationsfähigkeit. DieBegründungfürdenWillenzurVeränderungunddamitdieErklärung desKreativenoderSchöpferischendesIndividuumsundderGruppeliefern uns zwei Bündelungen von sozialpsychologischen Theorien. Zuerst setzen wirunsmitderindividuellenKreativitätunddanachderGruppenkreativi tätauseinander,damitdieGrundlagefüreineModellbetrachtunggeschaffen werdenkann:

„ Individuelle Kreativität: Den ersten Erklärungsansatz für die Existenz individuellerKreativitätliefertdasKomponentenmodell,demnachwird dieKreativitätdurchdieFähigkeitundMotivationdesIndividuumsbe dingt.Amabile37 definiert Kreativität wie folgt: „A product or response willbejuggedascreativetotheextendthat(a)itisbothanovelandap propriate,useful,correctorvaluableresponsetothetaskathand,and(b) the task is heuristic rather than algorithmic.“ Die Fähigkeiten umfassen dabeiBereichewieWissen,technischeFertigkeiten,Imagination,Heuris tiken (Kreativitätstechniken), förderlicher Arbeits und kognitiver Stil. KreativitätwirdnebendenFähigkeiteninsbesonderedurchdieintrinsi scheMotivationunterstützt.

88

Treiber für die Kreativität und Innovation

3.5

Die persönliche Kreativität kann demzufolge durch entscheidende Ei genschaftenundFähigkeitengefördertwerden.Diefünfentscheidenden Fähigkeiten38 sind: Ideenfluss (statt Unproduktivität), Flexibilität (statt Starrheit), Originalität (statt Banalität), Neudefinierfähigkeit (statt Kon ventionalität),Elaborierfähigkeit(stattEinfachheit).DiesechsEigenschaf tensind:FreudeanKomplexität,Urteilsfähigkeit,Selbstvertrauen,Non konformismus, Offenheit für neue Erfahrungen, wachesAuge und Risi kobereitschaft.39 Einen zweitenErklärungsansatz liefert dieTheorie dessozialen Einflus ses von Minoritäten: Der direkte Einfluss anderer Personen in einer In teraktionssituation auf die individuelle Kreativität ist dann groß, wenn sich das Individuum durch die Konfrontation mit den Ansichten von Minderheiten(Minoritäten)verstärktkognitivmitderPosition(undKre ativität) der Minoritäten beschäftigt. Zahlreiche Untersuchungen haben ergeben, dassdie durch eine Minorität provozierteAuseinandersetzung mit einer abweichenden Ansicht im Sinne eines Validierungsprozesses dereigenenAnsichtzuhöhererkreativerLeistungführt.40

Ungewöhnliche Ansichtenvon Minoritäten steigerndiekrea tiveLeistung.

EindritterErklärungsansatzbietetsichüberdieStimmungsabhängigkeit kognitiverProzessean.41DieErgebnisselassendenSchlusszu,dasspo sitiveStimmungdiekreativeLeistungfördert.Ursachedafüristvermut licheineveränderteInformationsverarbeitungundnichteineallgemeine höhereErregung.

„ KreativitätinderGruppe:AlsErklärungsansatzfürdieEntstehungvon Kreativität wird oft die Nutzung des kreativen Potenzials der Gruppe genannt. Ausgehend von der wechselseitigen Anregung der Gruppen mitgliederpostuliertdieTheoriederkognitivenProzesseeinenhöheren Kreativitätsoutput – also verwertbare Ideen – der Gruppe im Vergleich zur Summe der Ideen einzelner Individuen. Untersuchungen haben je dochgezeigt,dassalleinarbeitendePersonenwesentlichmehrIdeenge nerierenalsPersoneninexistierendenGruppenstrukturen.Zweinegati veEffektekönnenineinerGruppezudieserSituationführen:Motivati ons und Koordinationsverluste. Koordinationsverluste sind auf nicht optimale Zusammenwirkung der individuellen Leistungen zu einem Gruppenprodukt zurückzuführen. Zu den Motivationsverlusten zählt das Trittbrettfahren oder die Statusangst gegenüber anderen Gruppen mitgliedern.42 Es ist also in jedem Unternehmen entscheidend, welche RahmenbedingungendieobengenanntenVerlusteminimierenkönnen. AllenErklärungsansätzeliegtzugrunde,dassdivergentegegenüberkonver gentenDenkprozessendesIndividuumsdieKreativitätbegünstigen.

89

Motivations undKoordinati onsverlustebe einflussendie Kreativitätinder Gruppenegativ.

3

Kreativität, Innovation und Entrepreneurship

3.6

Rolle des Entrepreneurs

Unternehmer agierenals Promotorenfür Innovationen.

WelcheRollekommtdemUnternehmerbeiderFörderungderInnovations tätigkeit zu? Das Entwickeln von Ideen, die Betreuung von Innovationen und das Management von Diffusionen geschehen nicht zum Selbstzweck. BeiderErfolgsfaktorenforschungwirddieRolledesUnternehmersalsPro motorfürInnovationenimmerwiedergenannt.DiverseStudienzeigen,dass folgendeFaktorengruppeneinenmeistsignifikantenEinflussaufdenErfolg vonInnovationenhaben:43

Strategische Faktoren, Prozessund Kulturfaktoren sowiederUnter nehmerselbst habeneinen entscheidenden Einflussaufden Erfolgvon Innovationen.

„ Strategische Faktoren: Nachhaltige Strategie mit Kernkompetenzen, ForschungsundEntwicklungsprogramm,Vermarktungsundtechnolo gischesPotenzial, Produktvorteile aus Kundensicht, Vorhandensein von Referenzkunden, Vertrautheit und Gedankenaustausch mit Zielkunden, Kooperationsbeziehungen, unter anderem mit Forschungsinstitutionen, LieferantenoderKunden,ManagementvonQualifikationen.

„ Prozessfaktoren: Strukturbildung und Projektmanagement, Nutzung externerIdeen,OrganisationderInnovationsundTrendsuche,durchge hender Innovationsprozess, Strukturbildung und Projektmanagement, offene Organisationsstruktur, effiziente Nutzung interner und externer Ressourcen, interdisziplinäre Teams und Verbindung von Technologie mitMarketing,AustauschvonWissen,SchnelligkeitderUmsetzungso wieÜberwindungvonInnovationshindernissen.

„ Kulturfaktoren:RollevonLernenundWissensmanagement,Verantwor tungfürLernprozesse,EinbeziehungderMitarbeiter,Teamgeist,Reflexi onüberProdukte,LeistungensowieNutzungvonKundenFeedback.

„ Unternehmerfaktor: Vorbildfunktion des Unternehmers, Innovations fähigkeit und Integrationsfähigkeit, Zulassung von divergenten Denk prozessen,LeadershipalsLebensstil,OffenheitfürKooperationen. DerEntrepreneur nimmtbeider Innovationdrei Rollenein: Innovator, Fördererund Integrator.

Der Unternehmer hat ein Interesse daran,sich durch innovative Leistungs systeme und Prozesse einen Wettbewerbsvorteil gegenüber seinen Mitbe werbern zu verschaffen. Seine Rolle ist daher stets dreifach: (1) Zum einen liefert der Unternehmer permanent selbst Ideen und entwickelt daraus In novationen. Er nimmt die Rolle des kreativen Vordenkers und Vorbildes gegenüberseinenBeschäftigten,KundenundanderenStakeholdernein.(2) Zum anderen kommt ihm die Rolle als Betreuer, Coach und Manager ge genüber seinen Mitarbeitern und deren Ideen und Innovationen zu, aber auchderAbbauvonInnovationsbarrierengiltfürihnalszentraleAufgabe. Die ausbalancierte Wahrnehmung der beiden genannten Rollen bildet die Grundlage für den Unternehmer, erfolgreich auf dem Markt zu agieren. Strategisches Management ist der Weg vom Reagieren hin zum Agieren44;

90

Rolle des Entrepreneurs

3.6

dasKreierenundFördernvonInnovationenunddesinnovativenGeistesin dem Unternehmen bietet dabei den entscheidenden Schritt RichtungAgie ren.(3)DiedritteAufgabeumfasstdemzufolgedieIntegrationdesInnovati onsmanagements in die Unternehmenspolitik. Das Wesen, die Intensität, Qualität und Häufigkeit von Innovationen ist kongruent zur Strategie, StrukturundKulturdesUnternehmens.Hiergiltes,einelatenteGefahr,die einÜbermaßanInnovationinsichbirgt,zuvermeiden:DerVerdrängungs effekt45umschreibtdasPhänomenderÜberlastung.Sokannmansichleicht vorstellen,dasszuvieleInnovationenmitderZeitfürdasUnternehmen,für seine Beschäftigten, aber auch für die Kunden oder Lieferanten negative Auswirkungen haben. Die Innovationskraft wird beispielsweise durch De motivation der Beteiligten, finanzielle Engpässe des Unternehmens oder InakzeptanzderKundenverdrängt. DieAufgabedesUnternehmersistesalso,Verfahrenzuentwickeln,welche die Kreativität und Innovation in Organisationen optimieren. Die folgende Auflistung von Verfahren stellt lediglich eine Auswahl von unzähligen In strumentenderKreativitätsundInnovationsförderungdar:

„ Kulturelle Instrumente: Bewusste Sprachkultur, konstruktive Lernkul tur, keine Schuldzuweisungen bei Fehlern, Offenheit für divergente Denkprozesse, Leadership und Lebensstil des Unternehmers, Bewusst sein der Vorbildsfunktion, Erfolgszelebrierung, Verhinderung von Neid und Mobbing, Förderung der Dienstleistungskompetenz auf allen Stu fen.

„ Strategische Instrumente: Etablierung von informellen und formellen Kommunikationsmöglichkeiten,klareSpielregelninderPersonalpolitik. EingehenvonNetzwerkenundCoopetition(KooperationundKonkur renz), Innovationskompetenz als Strategisches Erfolgspotenzial (SEP). Einsatz strategischer Instrumente wie Balanced Scorecard, Business Process Reengineering, Total Quality Management, Benchmarking oder Wissensmanagement.

„ Operative, prozessorientierte Instrumente: Wissensdatenbanken, Krea tivitätstechniken, Betreuung durch Externe, Angebot und Management von Weiterbildung, lebenslanges Lernen, Freiräume für Forschung und EntwicklungundBekämpfungvonInnovationsbarrieren,Integrationder Kunden in Innovationsprozesse, Dreieck der Entlohnungsgerechtigkeit (LöhnesindgerechtnachQualifikation,gegenüberanderenMitarbeiten den und gegenüber dem Markt), Etablierung von Kaizen, European Foundation of Quality Management (EFQM) und deren Wettbewerbe, WorkflowManagement, NeedAssessmentMethoden (Innovationsbe darfserfassung: Eruierung der Bedürfnisse der Kunden bis hin zu Be schäftigung von Mitarbeitern des Kunden im eigenen Unternehmen)46

91

Instrumente helfenbeider Kreativitätsund Innovations kultur.

3

Kreativität, Innovation und Entrepreneurship

oderLeadUserKonzept(Orientierungamzentralenoderinnovativsten Kunden,IntegrationdiesesKundeninEntwicklungsprozesse).47 In der Innovationsforschung existieren zahlreiche Darstellungen für die KonzeptiondesEinsatzessolcherInstrumente.AndieserStellesolleinmög licherVorschlagfürdenInnovationsprozessdargestelltwerden(vgl.Tabelle 31).48 Für die einzelnen Schritte werden allgemeine konzeptionelle und instrumentelleInhaltsangabendargestellt. Tabelle31

Schritte,KonzeptionenundInstrumentefürdenInnovationsprozess Schritte Ideengewinnung

Ideenprüfung und -auswahl

Leistungsdesign

Tests

Einführung

Konzepte und Instrumente Konzeption: Dank Kreativitätstechniken die Nähe zum Kunden, seinen Bedürfnissen und Kundenintegration gewinnen, Mitarbeiterinvolvierung, Screening neuer technologischer Möglichkeiten Instrumente: Kunden-Innovations-Panel, Lead-User-Integration, Auswertung von Kundenumfragen, Integration des Kunden in den Leistungsprozess, Mystery-Shopping, Blueprinting, Erfahrungsaustauschgruppen, Brainstorming, Technologietrends-Workshop, problem reversal technique (Umkehrfragen) Konzeption: Ideenbewertung und Gewichtung, Prüfung der Innovation hinsichtlich Kernkompetenztauglichkeit, Auswahlverfahren für Ideen Instrumente: Bewertung durch Plausibilitätskriterien, Machbarkeit, Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Konkurrenz, Lebenszykluslänge, Integration in bestehende Prozesse, Erschließung neuer Märkte. Prüfung durch Kernkompetenztauglichkeit im Sinne von Einzigartigkeit der Dienstleistung, des Prozesses, der Prozesskompetenz der Mitarbeiter, Identifizierbarkeit, Entwicklungsfähigkeit, Integration in andere Märkte, Auswahlverfahren durch Nutzwertanalysen Konzeption: Bestimmung des Designkonzepts, Erstellung eines Businessplans (Drehbuch), Entscheidung über Design und Businessplan Instrumente: Prozessgestaltung, Businessplanerstellung durch Festlegung des Ziels der Innovation und potenzielle Kundengruppen, Leistungsvorstellung, Märkte, Konkurrenz, Marketing, Herstellung und Betrieb, Organisation und Management, finanzielle Angaben Konzeption: Testdurchführung mit und ohne Kundenintegration Instrumente: Testdurchführung mit Kundenintegration durch Konzepttest, Pretests, Kundenbefragung. Tests ohne Kundenintegration, Blueprinting, Erfahrungsaustausch unter Dienstleistern Konzeption: Markteinführung, Übernahmebereitschaft durch den Kunden (Adaption) mittels Aufzeigen der Leistungseigenschaften Instrumente: Eventmarketing, Öffentlichkeitsarbeit, breit gestreute Werbung, relative Vorteilhaftigkeit bezüglich technischer, wirtschaftlicher, sozialer Aspekte, Positionierung im Leistungsdreieck „Preis – Qualität – Zeit“

Quelle: in Anlehnung an Fueglistaller, U., Tertiarisierung und Dienstleistungskompetenz in schweizerischen Klein- und Mittelunternehmen – Konzeptionelle Näherung und empirische Fakten. St. Gallen, KMU Verlag.

92

Rolle des Entrepreneurs

Die Implementierung solcher Verfahren kann allerdings nur dann zu mehr Kreativität und Innovation führen, wenn in einer Organisation auch ent sprechende Rahmenbedingungen gegeben sind (siehe weiter oben). Auf grundzahlreicherUntersuchungenwurdefestgestellt,dassvierRahmenbe dingungendasTeamklimapositivbeeinflussenundsomitdieGefahrmenta ler Blockierungen49 vermindern: Vision, partizipative Sicherheit,Aufgaben undLeistungsorientierungundUnterstützungvonInnovationen.50

„ Vision:HöhereZiele,diedieMitarbeitermotivieren,diealsbedeutsam erachtetenKonsequenzeneinerInnovationanzustreben.

„ Partizipative Sicherheit: Rahmenbedingungen motivieren zur Beteili gunganderEntscheidungsfindung undKollegenundVorgesetztewer den als nicht bedrohlich erlebt. Die Autonomie des Innovationsteams mussdabeivorhandensein.

„ Aufgaben und Leistungsorientierung: Durch klare Verantwortlich keiten, Ressourcenzuteilung und gegenseitige Kontrolle innerhalb von GruppensowiekritischeBewertungenvonInnovationenwerdenhervor ragendeLeistungenermöglicht.

„ Unterstützung von Innovationen: Erwartungshaltung der Organisation (Druck),dasskontinuierlicheVersuchefürneueoderverbesserteVorge hensweisen in der Arbeitsumwelt stattfinden und diese Zustimmung und praktische Unterstützung durch den Unternehmer oder das Team erfahren.DiekonsequenteUmsetzungdieserSchritteisterfolgsentschei dened.51

93

3.6 Visionen,partizi pativeSicherheit, Aufgabenund Leistungs orientierungund praktischeUnter stützungbeider Umsetzung machenInnova tionenmöglich.

3 Abbildung33

Kreativität, Innovation und Entrepreneurship

EinflussfaktorenaufdieKreativität

 Quelle: In Anlehnung an Diehl, M./Munkes, J., „Kreativität und Innovation“, in: Frey, D./Irle, M. (Hrsg.), Theorien der Sozialpsychologie, Band II, 2. Auflage. Hans Huber, Bern, 2002, S. 367 ff.

94

Beeinflussung des Diffusionsprozesses

In der obigen Abbildung 33 werden die Aufgaben des Entrepreneurs zur EtablierungundFörderungderKreativitätundInnovationinUnternehmen modellartigdargestellt,wobeidieerfolgreicheDiffusionunddieihrvorge lagerte Innovationskompetenz als Strategische Erfolgspositionen (SEP) be zeichnet werden können. Die Modellbetrachtung geht vom Idealzustand aus,dassderUnternehmerInnovatorundInnovationsfördererzugleichist, also beide oben genannten Rollen je nach Situation ausübt. Es gehört wohl zurschwierigstenAufgabefürdenUnternehmer,dieoptimaleGewichtung beiderRollenzumWohledesUnternehmenszufinden.

3.7

3.7 Diffusionund Innovations kompetenzals strategische Erfolgs positionen.

Beeinflussung des Diffusionsprozesses

DerZusammenhangzwischenInnovationundWachstumimUnternehmen oder in einer Volkswirtschaft wird mit der Diffusion ausgedrückt. Dass Wachstum ausschließlich aus der Innovation stammt, darf nicht verabsolu tiertwerden,denngemäßdemklassischenWachstumsmodellsetztsichdie Arbeitsproduktivität aus der Humankapitalintensität, der Kapitalintensität und dem technischen Fortschritt zusammen.52 Weitere Determinanten sind beispielsweisedieIntensitätdesWettbewerbsimBinnenmarkt,derGradder internationalenÖffnung,dieHöhederFiskalquote,dieDefizitederStabili tätspolitikoderdieBildungsbeteiligungaufTertiärstufe.DieneuerenWachs tumstheoriensetzensichmitdemResiduum„technischerFortschritt“detail lierter auseinander.53 Sie besagen, dassdie erwartete Veränderungsrate des technischenFortschrittsabhängtvonderHäufigkeitsrateundWerthaltigkeit vonInnovationsergebnissen,vonderZahlderhochqualifiziertenPersonen, die im Land Innovationsergebnisse hervorbringen, und der Effizienz, mit der diese Personen den weltweiten Wissenstand zu replizieren und umzu setzen verstehen. Dadurch werden zwei Dinge klar: 1. Eine hohe Innovati onstätigkeit alleine schafft nicht automatisch Wachstum. 2. Bei Vergleichen über die Innovationsaktivitäten von Volkswirtschaften werden einzelne Bereiche des Modells gemessen, die Gesamtschau aller Innovationskompo nenten für die Bestimmung der Wachstumsimplikation ist dadurch noch nichtgegeben.

DieVer änderungsrate destechnischen Fortschritts hängtengmitder Anzahlhoch qualifizierter Personenzu sammen.

Wie weiter oben bereits definiert wurde, gilt die Diffusion als der Prozess, durchdeneineInnovationdurchbestimmteKanäleüberdieZeitinnerhalb einessozialenSystemsverbreitetundkommuniziertwird.DieEigenschaften der Innovation können auf die Verbreitungsgeschwindigkeit einen Einfluss nehmen. Je nach Charakteristika der Innovation kann der Unternehmer prognostizieren,wieschnellsichdieDiffusionetabliert.DashatdenVorteil

DieVerbreitungs geschwindigkeit einerInnovation hängtmitihren Eigenschaften zusammen.

95

3

Kreativität, Innovation und Entrepreneurship

der Planbarkeit von Diffusionsstrategien. Folgende Innovationseigen schaftenbeeinflussendieDiffusionsrate:54

„ Relativer Vorteil: Ausmaß, in dem eine Innovation als besser wahrge nommenwirdalsdiebisherigenIdeenoderLeistungssysteme.DerVor teil kann sich auf wirtschaftliche, soziale oder psychologische Faktoren beziehen. Als Beispiel kann die Ablösung von Videosytemen durch DVDSystemegenanntwerden.

„ Kompatibilität: Ausmaß, in dem eine Innovation als übereinstimmend mitdenbisherigenWerten,ErfahrungenundBedürfnissenwahrgenom men wird. Eine Innovation, die mit den Werten eines sozialen Systems übereinstimmt,sollteschnellerübernommenwerden(BeispielWellness ferien).DieÜbernahmeeinerInnovationkannaberauchdieÜbernahme eines neuen Wertesystems erfordern. Ein Beispiel dafür ist die Etablie rungderKommunikationviaEMailoderinnovativeFernsehsendungen, mitdenensichspezielleGesellschaftsgruppen(Communitys)identifizie ren,wiez.B.„TheNakedChef–JamieOliver“,„ChangingRooms“oder „DeutschlandsuchtdenSuperstar“.

„ Komplexität: Ausmaß, in dem eine Innovation als schwierig zu verste henundzuverwendenwahrgenommenwird.JeleichtereineInnovation zuverstehenist,destoschnellersolltesieübernommenwerden(Beispiel GPS in Automobilen). Erfordert eine Innovation den Erwerb neuer Fä higkeiten, kann sichdies negativ auf die Diffusionsrate auswirken (Bei spiel:legalesMP3AufnehmenvonRadiomusik).

„ Möglichkeit des Ausprobierens: Ausmaß, in dem eine Innovation vor ihrerÜbernahmeausprobiertwerdenkann.EineInnovation,dieauspro biert werden kann, sollte schneller übernommen werden, weil dadurch UnsicherheitenüberdieFunktionsweiseundUnsicherheitenübermögli cheRisikenreduziertwerden(Beispiel:Testski,wagen,fahrradusw.)

„ MöglichkeitderBeobachtung:Ausmaß,in demdieFolgenundErgeb nisse einer Innovation für andere sichtbar sind. Eine Innovation, deren Folgen und Ergebnisse leicht zu beobachten sind, sollte schneller über nommen werden. Eine hohe Beobachtung soll die Diskussion über die InnovationfördernundsozuderenVerbreitungbeitragen(z.B.Innova tionenimKonsumgüterbereich).

„ Möglichkeit der CommunityBildung: Ausmaß, in dem die Innovation fürdieBenutzereinWirgefühlverursacht.EineInnovation,dieleichtei nen LockinEffekt erreicht, wird schneller übernommen werden (Bei spiel: NespressoKaffee und kompatible Automaten, neues Design bei Handys).

96

Beeinflussung des Diffusionsprozesses

3.7

„ MöglichkeitderSinnvermittlung:Ausmaß,indemdieInnovationeinen bewusstenNutzenstiftenkannundderAnwenderüberzeugtist,dasser mit der Verwendung der Innovation etwas „Gutes“ tut (z.B. Kauf von BioLabelProdukten,Carsharing,Niedrigenergiehäuser). Das Ziel der Auflistung von Innovationseigenschaften und deren Einfluss aufdieDiffusionsgeschwindigkeitistnicht,einemöglichstumfassendeListe vorzustellen, sondern Innovatoren und Innovationsförderer auf mögliche ChanceninderEtablierungihrerInnovationenzusensibilisieren.Nichtsdes toweniger ist der Erfolg einer Innovation auch von der Logik und Ge schwindigkeit abhängig, wie der Kunde die Innovation „verinnerlichen“ kann.DieDiffusionkanninfünfProzessschrittendargestelltwerden:

„ Wissen: Der Kunde muss zuerst Knowhow über potenzielle oder vor handeneInnovationenerlangen.

„ Überzeugung (Persuasion): Dem Kunden muss eine innere Einstellung zurInnovationermöglichtwerden.

„ Entscheidung: Der Kunde sammelt Argumente, die ihm zur Annahme oderAblehnungderInnovationverhelfen.

„ Implementierung: Bei positiver Entscheidung beginnt der Kunde, die Innovationanzuwenden.

„ Bestätigung:DerKundesuchtnachArgumenten,umdieWahlderInno vationzubegründen. Es ist Aufgabe des Unternehmers, dem Kunden Unterstützung zu bieten und möglichst gute Gründe zu liefern, damit er die Prozessschritte rasch undinsichkonsistentdurchlaufenkann. Die Fallstudie der Noventa Engineering AG in Diepoldsau, Schweiz (www.noventa.com)zeigt,dassverschiedeneArtenderInnovationgleichzei tig umgesetzt werden können, und beschäftigt sich mit der Frage, wie die schöpferische Kraft von allen Beschäftigten nachhaltig genutzt und in der Kultur, der Struktur sowie der Strategie des Unternehmens verankert wer denkann,umdieinternationaleWettbewerbsfähigkeitvonUnternehmenin Hochlohnländernzubehauptenundauszubauen. 

97

Wissen, Überzeugung, Entscheidung, Implementierung, Bestätigung:Die Diffusionvon Innovationkann infünfProzess schrittendarge stelltwerden.

3

Kreativität, Innovation und Entrepreneurship

3.8 Wiekanndie Innovationskraft nachhaltig sichergestellt werden?

Fallstudie: Noventa Engineering AG

Spät abends verlassen die drei Geschäftsleitungsmitglieder und Mitinhaber derNoventanachlangerSitzungsamtintensiverDebattedasFirmengebäu de. Draußen ist es kalt, nass und dunkel. „Ein typischer Novembertag! Brr …“, meint Dieter Marxer zu seinen beiden Kollegen Patrick Besserer und Reinhard Maurer. Das Jahr 2007 neigt sich dem Ende zu und der Winter steht vor der Türe. „Lasst uns darüber schlafen und morgen nochmals zu sammenkommen; was meint ihr?“, rät und fragt Reinhard Maurer und meintdamitdieebengeführteDiskussion.Dieanderenbeidenstimmenzu; manverabschiedetsich. Am nächsten Morgen wird die Herausforderung nochmals zwischen den dreiPartnerndargestellt:NoventaEngineeringAGblicktaufeineerfolgrei che Zeit zurück. Mit großem Erfolg glückten die zahlreichen und teilweise radikalenInnovationenderletzten36Monate.Unddochsehendiedreieine neue Herausforderung auf sich zukommen. „Wie können wir die Nachhal tigkeitunsererInnovationskraftsicherstellen?Undwiekönnenwirunseren Produktionsstandortbeibehalten?“–mitdiesenbeidenFragentrifftPatrick Besserer, Leiter Business Operations, genau ins Schwarze. Die Öffnung der Märkte, die Produktionsverlagerung in Billiglohnländer und der zuneh mende Wettbewerbsdruck auf die produzierende Industrie, insbesondere aufKMU,warendieGründedergestrigenimpulsivenSitzung.Siesindsich einig, dass es für die Lösung dieser Herausforderungen viel Kreativität, Innovation und unternehmerischen Geist braucht. Und sie sind sich auch einig,dassdieInnovationskraftallerBeschäftigtenindenAlltagvonNoven taeingewobenwerdenmuss.DieFrageistnur:Wiegehtmandabeivor?

Das Unternehmen: Kurzer Rückblick und Istsituation NoventaentwickeltProduktefürandereUnternehmenundistsomitinnova tiv in Bereichen der Produkt und Dienstleistungsentwicklung sowie der Prozessgestaltung.DieEntwicklungkannvonderersteIdeeüberdasProto typing bis hin zur Serienproduktion reichen. Das Management verhält sich auchinseinemstrategischenAgierenerfinderisch.DasUnternehmenwurde 1994durcheinMBOgegründet.Seit1994istdieFirmadankihrerKernkom petenz kontinuierlich gewachsen. 1998 wurde das Competence Center als übergreifende Struktur von Design, Engineering, Customer Support und Fertigung gegründet und 1999 entschloss sich der damalige Firmeninhaber und jetziger Verwaltungsratspräsident (VRP) sowie Teilhaber Alois Stähli zurEinführungdesBusinessExcellenceProgramms.

98

Fallstudie: Noventa Engineering AG

3.8

ImgleichenJahrerhielterdieUBSKeyTrophyalsUnternehmerdesJahres. DieNoventaEngineeringAGistheuteeinmittelgroßesUnternehmenmitca. 170MitarbeitendenundeinemjährlichenUmsatzvonungefähr35Mio.EUR mit Hauptsitz in der Schweiz. Das Unternehmen ist in den Bereichen De sign, Engineering, Tooling, Kunststofftechnik sowie Gerätebau tätig. Das Prozessmodell ist in Abbildung 34 dargestellt. Die einzelnen Wertschöp fungsprozessewieEngineeringoderGerätebausindmitdenunternehmens typischen Leistungen spezifiziert und bilden das gesamte Leistungsspekt rum des Unternehmens. Management und Unterstützungsprozesse der NoventasindinderAbbildungnichtaufgeführt.DiemeistenLeistungsund ProduktentwicklungendurchlaufenalleProzessederNoventa.

DasProzessmodellderNoventaEngineeringAG:IntegrationderWertschöpfungs kettebiszumKunden

Quelle: Noventa Engineering AG, CH-Diepoldsau.

Damalige Herausforderung und Lösung Im Jahre 2004 stand die Noventa aufgrund hohen Kostendrucks vonseiten eines wichtigen Kunden vor einer schwierigen Lage: Der Kunde verlangte eine massive Reduktion der Einstandspreise. Noventa war damals europa weit größter Lieferant des Kunden. Diese Forderung löste bei der Noventa eineÜberprüfungdesStandortes,derProzesseundderProdukteaus.

99

Abbildung34

3 Durchkonse quenteProzess verbesserungen wurdedie Produktivitätum 30%erhöht.

Kreativität, Innovation und Entrepreneurship

DieVorstellungdesKundenwar,dasseineVerlagerungeinesTeilsderPro duktion der Noventa nach Osteuropa unumgänglich sei. Aufgrund dieser Forderung entschloss sich die Noventa, einige ihrer typischen Produkte in Tschechien und in Malaysia von dortigen Lieferanten herstellen zu lassen. WährendeineshalbenJahreswurdenLieferanten,Produkt,Service,Repor ting und Prozessqualität systematisch überprüft. Die Noventa kam dabei zumErgebnis,dasssicheineeigeneProduktionindenbeidenLänderntrotz tieferen Lohn und Herstellkosten nicht lohnt. Parallel zu diesen beiden Lieferantenüberprüfungen fand ein intensives Reengineering der Prozesse anderschweizerischenProduktionsstättestatt.DankderengenZusammen arbeitmiteinerBeratungsunternehmung,diesichaufInnovationenundRe engineeringinProduktionsundMontageabläufenspezialisierthat,erzielte die Noventa erstaunliche Produktionsverbesserungen in puncto Qualität, KostenundProzessgeschwindigkeit.DiekonsequenteUmsetzungvonVer fahrenundKonzeptenwiebestpoint(idealeundergonomischeAnordnung der Instrumente für die Montage), Kaizen (Unternehmungsführungs und Prozesskonzept,dasaufeinerPhilosophiederewigenVeränderungberuht) sowieonepieceflow(PrinzipderstarrenVerkettung;d.h.dasVerbindenvon zwei oder mehreren in bestimmten Abständen aufgestellten Fertigungs bzw. Verarbeitungseinrichtungen durch Zubringereinrichtungen) erhöhte sichdieGesamtproduktivitätumbemerkenswerte30%!Gleichzeitiggelang esderNoventa,neueProduktezuinnovieren;imDuschWCMarktgelang esderFirma,einkomplettneuartigesProdukt(BalenaDuschWCfürGebe rit Balena) zu realisieren. Das DuschWC von Geberit Balena zählt heute zumMarktleaderimdeutschsprachigenEuropa. Die radikale Innovationsstrategie verhalf der Noventa dazu, die verlangte Kostenreduktioneinzuhalten,underhöhtegegenüberKonkurrentenausden osteuropäischenLändernoderAsiendieWettbewerbsfähigkeit.Wasistdas ErfolgsrezeptderNoventaEngineeringAGbeidiesemradikalenRestruktu rierungsprozess?

„ OperativeErfolgsfaktorendesInnovationsprozesses:

100

„

StärkenundSchwächenderMakeorBuyAlternativenwurdende tailliertanalysiert

„

Ausgedehntes Benchmarking von anderen Lieferanten in Tsche chien und Asien unter Berücksichtigung der gesamten Supply Chain

„

Unternehmungsleitung arbeitete während mehreren Wochen ope rativ in der Montagehalle mit, dies förderte Knowhow und Kon taktzwischenMitarbeitendenundGeschäftsführung

Fallstudie: Noventa Engineering AG

„

DerInnovationsprozesserstrecktesichüberdiegesamteFertigung, inklusivevorundnachgelagerterProzesse,mitdemZiel,dieFerti gungsphilosophiederUnternehmungnachhaltigzuverändernund wettbewerbsfähigerzuwerden

„ StrategischeErfolgsfaktorendesInnovationsprozesses: „

Kundenportfolio und sehr unterschiedliche Bedürfnisse der Kun den fordern das Entwicklungsteam, die Gefahr der Routine wird dadurchreduziert

„

SpaßundKompetenzimInnovationsbereichvielerMitarbeitenden (intrinsischeMotivation)sowiejungesTeam

„

Innovationsmanagementistseit2004explizitinderUnternehmens politikalsneuevierteKernkompetenzdefiniert(1.Marketingund Verkauf, 2. Projektabwicklung, 3. Produktion). Unter Innovations management versteht die Noventa vier Arten von Innovationen: Produkt, Dienstleistungs, Verfahrens und organisationale Inno vationen

„

Geschäftsführung als Treiber für den TopdownAnsatz, dank In tegration der Geschäftsführung in die operative Gestaltung neuer Prozesse(AuslösungvonBottomupAnsätzen)

„

Situatives,zielgerichtetesCoachingdurchexterneExperten

„

Zeitliche Dimension im Sinne der Terminüberwachung und Res sourcenplanung

„

Abbau von Innovationshemmnissen: enges Zeitkorsett durch den Kundenvorgegeben,BereitschaftdesKundengegenüberNoventa, Risikoeinzugehen

„ KulturelleErfolgsfaktorendesInnovationsmanagements: „

Druck von Außen und Involvierung des Kunden in Innovations prozesseimSinneeinerWechselwirkungistinnovationsförderlich

„

EntwicklungsabteilungbleibtaufjedenFallinderSchweiz

„

KreativitätwirdkonsequentdurchBegeisterungundFreiräumege fördert. Es soll jedoch keinen Kreativitätsprozess im Sinne einer starren Abfolge von vordefinierten Schritten geben. Der Ideenfin dungsprozessbestehtdarin,Anreizezuschaffenundumsetzungs kompetenteundkreativeMitarbeitendezusammenzubringen

„ SchließlichbekennensichdieUnternehmerundInhaberalsKreativitäts undInnovationsbeeinflussende:A.Stähli,P.Besserer,R.MaurerundD.

101

3.8

3

Kreativität, Innovation und Entrepreneurship

Marxer sehen ihre Aufgabe in der Unternehmung unter anderem auch im Management der Erfolgsfaktoren und fördern die Zusammenarbeit mitForschungseinrichtungen.55 In den letzten Jahren hat Noventa zahlreiche neue Kunden akquiriert, um dasKlumpenrisikozureduzieren.Wieobenbeschrieben,hatNoventaauch verschiedene Arten der Innovation gleichzeitig umgesetzt. Nun muss sie sich mit der Frage beschäftigen, wie die schöpferische Kraft von allen Be schäftigten nachhaltig genutzt und in der Kultur, der Struktur sowie der StrategiedesUnternehmensverankertwerdenkann.Esgehtdabeiauchum darum, die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu be hauptenundauszubauen.DiefolgendeTabelle32zeigtauszugsweise,mit wemdieNoventaengzusammenarbeitet.

Tabelle32

AusgewählteKundenundReferenzenderNoventa Kunden

Auftrag

„

Belimo Automation AG: Gebäudeautomation:

Entwicklung eines kompletten Kunststoffgetriebes; Entwicklung und Fertigung diverser funktionaler Baugruppen im Bereich von Stellantrieben

„

Bernina International AG: Design, Entwicklung und Fertigung eines Nähmaschinenzubehörsystems; Fertigung von anspruchsNähmaschinen vollen Verdeckteilen mit aufwendiger Bedruckung

„

HTS International GmbH (CWS): Waschraumhygiene

Entwicklung und Fertigung der gesamten Produktlinie an professionellen Handtuchspendern, Seifenspendern usw.

„

Geberit Balena AG: Dusch-WC’s

Entwicklung und Fertigung kompletter Dusch-WC’s der neuesten Generation

„

Ivoclar Vivadent AG: Dentalmedizin

Design, Entwicklung und Fertigung sämtlicher Gehäuseteile einer Hochleistungs-LEDPolymerisationslampe für die zahnärztliche Praxis

„

V-Zug AG: Haushaltsgeräte

Konstruktion und Fertigung diverser Einzelteile und Baugruppen

 Trotz der Erfolge und zahlreicher Verbesserungen steht die Noventa heute vor großen Herausforderungen. Dieter Marxer wusste, dass sich Noventa nicht ausruhen darf, und möchte nun – zusammen mit seinen beiden Part nern–dienächstenSchritteangehen:„Wirdürfennichtstehenbleiben!Die Mannschaftmussbegreifenlernen,dassKaizenderWegderständigenVer besserungbeinhaltet.Damitsindallegefordert,undwirmüssendieseAuf gabegemeinsamanpacken.Nur,wie?“ WeitereInformationenzumUnternehmenfindenSieunter: www.noventa.com.

102

Zusammenfassung

Fragen zur Fallstudie 1. Wie kann Noventa die Wettbewerbsposition und die innovative Kraft beibehaltenundweiterverbessern? 2. WelcheGefahrenundRisikenkönnenSieimFallbeispieleruieren? 3. Welche Rolle spielt der Unternehmer bei der Noventa im Zusammen hangmitKreativitätundInnovation? 4. Welche Innovationen in den Bereichen „Struktur – Strategie – Kultur“ schlagenSiederNoventavor?

3.9

Zusammenfassung

Kreativität,InnovationundEntrepreneurshipsindengmiteinanderverbun den. Denn erst der kreative Unternehmer, dem es gelingt, seine Ideen und VorstellungenüberneueProzesse,DienstleistungenoderProdukteinInno vationen zu transferieren und anschließend damit auf dem Markt Nutzen für den Kunden zu kreieren, kann langfristig auf dem Markt existieren. DeshalbkonzentriertsichdasvorliegendeKapitelaufdreiBereiche: 1. Prozess:VonderIdeebishinzurwettbewerbsorientiertenDiffusionwer den die einzelnen Schritte mit den dazu unterstützenden Instrumenten erklärt. 2. TreiberfürdieKreativitätundInnovation:BeispielsweisewerdenhierKrea tivitätsförderer wie Stimmung, Unternehmungskultur oder Selbstmoti vationundInnovationsbarrierendesIndividuumsundderGruppenbe schrieben. 3. Rolle des Entrepreneurs: Die zentrale Rolle des Unternehmers wird nebst den Strategie, Prozess und Strukturfaktoren als Innovator, Förderer undIntegratordargestellt.

103

3.9

3

Kreativität, Innovation und Entrepreneurship

Diskussionsfragen 1. Sehen Sie Ähnlichkeiten zwischen den theoretischen Überlegungen zur KreativitätundInnovationunddemFallbeispiel? 2. UmschreibenSiedieverschiedenenArtenvonInnovationsbarrieren.Wie könnensieverhindertwerden? 3. WelcheInstrumentederKreativitätsförderungkennenSie? 4. Nennen Sie die vier Kriterien, durch die der Innovationsbegriff um schriebenwerdenkann.GibtesIhrerMeinungnachnochweitere? 5. Welche unterschiedlichen Merkmale zwischen der Kreativität des Indi viduumsundderGruppekönnenSieidentifizieren?

Weiterführende Literatur BROWN,T.E./ULIJN,J.,Innovation,EntrepreneurshipandCulture–theInteraction between Technology, Progress and economic Growth, Edward Elgar Publishing Ltd.,Cheltenham,UK,2004. MAYWALD, F., Phantasie und Management : Wege zum kreativen BewusstSein, GerlingAkademieVerlag,München2001. GERYBADZE,A.,TechnologieundInnovationsmanagement,Strategie,Organisation undImplementierung,Vahlen,München2004.

Endnoten   1 SCHALLER,A.,„EntrepreneurshipoderwiemaneinUnternehmendenkenmuss.“,

in: Blum, U./Leibbrand, F., Entrepreneurship undUnternehmertum – Denkstrukturen füreineneueZeit,Gabler,Wiesbaden,2001,S.14. 2 VOLERY, T.,„GEMBericht”,GlobalEntrepreneurshipMonitor,2003,SwissExecutive

Report,2004,S.7. 3 Der Brand „Heidiland“ ist selbst ein innovatives Beispiel, wie sich eine Region

positioniert,Detailangabendazuaufwww.heidiland.com. 4 DIEHL, M./MUNKES, J., „Kreativität und Innovation“, in: Frey, D./Irle, M. (Hrsg.),

TheorienderSozialpsychologie,BandII,2.Auflage.HansHuber,Bern,2002,S.367ff. 5 HAUSCHILDT,J.,Innovationsmanagement,Vahlen,München,1997.S.7f. 6 VAHS, D/BURMESTER, R., Innovationsmanagement: Von der Produktidee zur erfolgrei

chenVermarktung,SchäfferPoeschel,Stuttgart,1999.S.42. 7 OHNO, T, Das ToyotaProduktionssystem, Campus, Frankfurt am Main, 1993, S.

32ff.

104

Zusammenfassung

8 FUEGLISTALLER, U, Tertiarisierung und Dienstleistungskompetenz in schweizeri

schenKleinundMittelunternehmen(KMU).KonzeptionaleNäherungundempi rischeFakten.2.Auflage,VerlagKMUHSG,St.Gallen,2002,S.122ff. 9 BRUHN, M./STAUSS, B.,Dienstleistungsinnovationen.ForumDienstleistungsmana

gement,in:Bruhn,Stauss(Hrsg.).Gabler,Wiesbaden,2004. 10 MEFFERT, H./BRUHN, M., Dienstleistungsmarketing – Grundlagen, Konzepte,

Methoden.2.überarbeiteteunderweiterteAuflage,Gabler,Wiesbaden,1997. 11 VAHS, D./BURMESTER, R., Innovationsmanagement: Von der Produktidee zur erfolgrei

chenVermarktung,SchäfferPoeschel,Stuttgart,1999.S.42. 12 ebenda,S.42. 13 Brandeins,01/2003. 14 SCHAPER, M./VOLERY, T., Entrepreneurship and Small Business: 2nd Pacific Rim Edi

tion,JohnWiley&SonsAustralia,Ltd.,2007,S.48ff. 15 DIEHL,M./MUNKES,J.,2002,ebenda,S.367. 16 THOM, N., Grundlagen des betrieblichen Innovationsmanagement, Königsstein,

Hanstein,1980,S.391ff. 17 Encarta,Enzyklopädie,2004. 18 SCHUMPETER, J., Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, Duncker und Humblot,

Leipzig,1912,S.176. 19 ebenda. 20 ebenda. 21 BETSCHON,S.,BitteBedeutung,NZZFolio2/04. 22 FUEGLISTALLER, U, Tertiarisierung und Dienstleistungskompetenz in schweizeri

schenKleinundMittelunternehmen(KMU).KonzeptionaleNäherungundempi rischeFakten.2.Auflage,VerlagKMUHSG,St.Gallen,2002. 23 HÜNERBERG, R./ MANN, A., „Dialogkommunikation als Instrument des Innovati

onsmanagements in Dienstleistungsunternehmen“ in: Bruhn/Stauss (Hrsg.), Dienstleistungsinnovationen. Forum Dienstleistungsmanagement, Gabler, Wies baden,2004. 24 ebenda. 25 WARNECKE,H.J.,ManagementvonInnovationen,ForschungundLehre,S.20ff.,1

/2000. 26 FREILING, J./ BUSSE, D./ ESTEVÃO, M. J.,„BlackBoxEngineering–Einstrategischer

Koordinationsansatz zur Entwicklung neuer Dienstleistungen?“ in: Bruhn/Stauss (Hrsg.),Dienstleistungsinnovationen.ForumDienstleistungsmanagement,Gabler, Wiesbaden,2004. 27 FUEGLISTALLER, U. ET AL., Innovation in Kleinunternehmen – Ein Praktikerleitfa

denfürdie„Nasenlängevoraus“,Bozen,2007. 28 BRUHN, M./STAUSS, B.,Dienstleistungsinnovationen.ForumDienstleistungsmana

gement, in: Bruhn/Stauss (Hrsg.). Dienstleistungsinnovationen, Gabler, Wiesba den,2004. 29 KUNZ, W. H./MANGOLD, M.,SegmentierungsmodellfürdieKundenintegrationin

Innovationsprozesse, in: Bruhn/Stauss (Hrsg.), Dienstleistungsinnovationen, Gabler,Wiesbaden,2004. 30 PORSCHEAKADEMIE,www.porscheakademie.de(1.11.2007)

105

3.9

3

Kreativität, Innovation und Entrepreneurship

31 MEYER, A./BLÜMELHUBER, C., Handbuch DienstleistungsMarketing, Schäffer

Poeschel,Stuttgart,1998. 32 ebenda. 33 SCHMID, M., Service Engineering. Innovationsmanagement für Industrie und

Dienstleister,Kohlhammer,Stuttgart,2005. 34 FUEGLISTALLER, U., Von der Idee zur Innovation – eine Untersuchung von 65 KMU,

unveröffentlichteStudie,St.Gallen,2003. 35 AUDRETSCH, D./VIARELLI, M., Small Firms and R&D Spillovers: Evidence from Italy.

CEPRDiscussionPaper927;ARVANTIS, S.,TheImpactofFirmSizeonInnovativeAc tivity–anEmpiricalAnalysisBasedonSwissFirmData.SmallBusinessEconomics9, 1997. S. 473–490; ROGERS, M., Networks, Firm Size and Innovation. Small Business Economics22,2004.S.141–153. 36 FUEGLISTALLER,U./HALTER,F.,NetzwerkOberwallis,St.Gallen,KMUHSG,2004. 37 AMABILE, TH.,„Socialpsychologyofcreativity:Acompoentialconceptualization“,

in:JournalofPersonalityandSocialPsychology,45,1983,S.997–1013. 38 DELHEES,S.,Zukunftbewältigen!,HauptVerlag,Bern,1997,S.12ff. 39 SCHAPER, M./VOLERY, T., 2004, ebenda, S. 49ff., wobei Schaper/Volery von drei

Komponenten(Creativethinkingskills,knowledgeundmotivation)sprechen. 40 NEMETH, C., „Differential contributions of majority and minority influence“,

PsychologicalReview,93,1986,S.23–32.NEMETH, C./WACHTLER, J.,„Creativeprob lemsolvingasaresultofmajorityvs.minorityinfluence”,EuropeanJournalofSo cialPsychology, Nr.13,1983,S.45–55;NEMETH, C./KWAN, J.,„Originalityofword associations as a function of majority vs. minority influence“, Social Psychology Quarterly, Nr. 48, 1985, S. 277–282; SMITH, C./TINDALE, R./DUGONI, B., „Minority andMajorityinfluenceinfeelyinteractinggroups:Qualitativevs.quantitativedif ferences“,BritishJournalofSocialPsychology,35,1996,S.137–149. 41 INSEN,A.,„Towardunderstandingtheroleofaffectincognition”,in:R.Wyer&T.

Strull(Eds.),Handbookofsocialcognition,Hillsdale,Erlbaum,1987;INSEN,A,„Posi tiveaffect,cognitiveprocesses,andsocialbehaviour“,in:Berkowitz,L.(Ed.),Ad cancesinExperimentalSocial Psychology,Vol.20,1987,S.203–253,NewYork,Aca demicPress. 42 DIEHL, M./MUNKES, J., 2002, ebenda; S. 374; DE BOTTON, A., StatusAngst, 2004, S.

22ff. 43 BALACHANDRA,

R./FRIAR, J.H., 1997, ebenda, S. 276, 287, HENARD, D.H./SYZMANSKI, D.M., „Why some new products are more successfull than o thers“,in:JournalofMarketingResearch,Vol.38,2001,S.362–375,MONTOYAWEISS, M./CALANTONE, R., „Determinants of new product performance: A Review and MetaAnalysis“,in:JournalofProductInnovationManagement,Vol.11,1994,S.397– 417,HAUSCHILDT, J./WALTHER, S.,„ErfolgsfaktorenvonInnovationenmittelständi scher Unternehmen“, in: Schwarz, E. J.(Hrsg.), Technologieorientiertes Innovations management–StrategienfürkleineundmittelständischeUnternehmen,GablerVerlag, Wiesbaden,2003,S.7ff.

44 FUEGLISTALLER, U., Charakteristika und Entwicklung von KMU, KMU Verlag HSG,

St. Gallen, 2004. S. 68; FUEGLISTALLER, U./FREY, U./HALTER, F., Strategisches Mana gementinKMU,KMUVerlagHSG,St.Gallen,2003.S.13ff. 45 FEHR, E. (Hrsg.), Psychologische Grundlagen der Ökonomie: über Vernunft und Eigen

nutzhinaus,VerlagNeueZürcherZeitung,Zürich,2002.

106

Zusammenfassung

46 HERSTATT, C., „Realisierung der Kundennähe in der Innovationspraxis“, in: Belz,

C./TomczakT.(Hrsg.),Kundennäherealisieren:Ideen–Konzepte–Methoden–Erfah rungen,ThexisVerlag,St.Gallen,1994.S.293. 47 VON HIPPEL, E.,LeadUsers:ASourceofNovelProductConcepts.ManagementScience,

Nr.32,1986.S.796.DieBegriffewieKaizen,WorkflowManagementu.a.werden aufverschiedenenLexikonServerndetaillierterklärt,z.B.www.ib.huberlin.de. 48 FUEGLISTALLER, U., Tertiarisierung und Dienstleistungskompetenz in schweizerischen

KleinundMittelunternehmen–KonzeptionelleNäherungundempirischeFakten.KMU VerlagHSG,St.Gallen,2001,S.292ff. 49 SCHAPER,M./VOLERY,T.,2004,ebenda,S.54. 50 WEST, M.A., „The social psychology of innovations in groups“. In: West, M.A. /

Farr,J.L.(Eds.),Innovationsand creativityatwork:Psychologicalandorganiszational strategies, Chichster, Wiley, 1990. WEST, M.A. / ANDERSON, N.R., Innovation in top managementteamsJournalofAppliedPsychology,Nr.81,1996,S.680693. 51 BRAUN, K., Innovations und Diffusionsprozesse von Gartenpavillons, Seminararbeit

IntegrationundGründung,Stuttgart,2002. 52 SOLOW, R. M., Growth theory: an exposition, 2nd ed., University Press, New York,

NY,Oxford,2000. 53 AGHION, PH./HOWITT, P.,Endogenousgrowththeory,Cambridge,Mass.,MITPress,

1998,sobeispielsweisedasSchumpeter’scheWachstumsmodell. 54 DIEHL,M./MUNKES,J.,2002,ebenda,S.382f. 55 Hierzu zählen folgende Institutionen: Schweizerisches Institut für Klein und

Mittelunternehmen an der Universität St. Gallen, (KMUHSG), Neutechnikum Buchs (NTB), KunststoffausbildungsZentrum KATZ, Fachhochschule St.Gallen, Fachhochschule Liechtenstein,Mitglied derErfaGruppePIM„Produktions und Informationsmanagement“amBWIderETHZürich.

107

3.9

Einführung

4 Chancenpotenzial und Unternehmensgründung

Lernziele Nach der Lektüre dieses Kapitels sollten Sie folgende Fragen beantworten können:

„ WelcheAttributeundEigenschaftenvonIdeenverhindernderenerfolg reicheUmsetzung(sogenanntefatalflaws)?

„ WelchekritischenPunktemüssenbeiderEvaluationvonGeschäftsmög lichkeitenberücksichtigtwerden?

„ Welche formalen Schritte müssen bei einer Unternehmensgründung in Deutschland,derSchweizundÖsterreichdurchlaufenwerden?

„ Welche Unterschiede im Hinblick auf die zu durchlaufenden Grün dungsschritteexistierenzwischendendreiLändern?

Begriffserklärungen Fatalflaws:EigenschafteneinerIdee,dieeinenErfolgdesdaraufbasieren denUnternehmensunmöglichmachen. Ressourcen:Alldas(materiellundimmateriell),waseinerFirmaimweites tenSinnezurVerfügungstehtundnützlichseinkönnte. Patent: Ausschließliches Recht, das eine Erfindung nach erfolgreicher Ein tragungvordemMissbrauchdurchDritteschützt.

4.1

Einführung

Jede Gründung beginnt mit einer Idee. Nicht alle Ideen eignen sich jedoch für eine Unternehmensgründung. Einige Ideen stellen echte unternehmeri scheGelegenheitendar–alsojeneSituationen,indenenneueProdukteoder Dienstleistungen zu höheren Preisen als ihre Produktionskosten eingeführt

109

4.1

4

Chancenpotenzial und Unternehmensgründung

und verkauft werden können. Viele Ideen werden jedoch nie durchführbar undprofitabelsein.Wichtigist,dassmandieserkennt,bevormanZeitund Geld in die Realisierung der Idee investiert. In diesem Kapitel wird daher einstrukturiertesVorgehenzurChancenevaluierungaufgezeigt.Eshandelt sichdabeiumeinesystematischeVorgehensweise,mitderherausgefunden werden kann, ob eine Idee praktikabel ist, ob sie kommerzielles Potenzial besitzt und ob Ressourcen in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen. Sokönnen(Geschäfts)Ideen,diezumScheiternverurteiltsind,herausgefil tert werden, bevor der Unternehmer mit der Umsetzung der Idee beginnt undRessourceninvestiert. DieAufgabedes Unternehmers bestehtdarin,die richtigenRes sourcenfürdie Verwirklichung desVorhabens zusammen zubringen.

Ressourcen spielen eine zentrale Rolle in der Entwicklung eines unterneh merischen Vorhabens. Ireland et al.1 definieren Entrepreneurship als einen „kontextabhängigen sozialen Prozess, durch den Individuen und Teams Wert generieren, indem sie einzigartige Ressourcenbündel zusammenbrin gen, um Marktchancen auszunutzen“. Ressourcen werden nicht nur ge braucht,umChancenzunutzen,siesindgleichzeitigselbstQuellevonMög lichkeiten,wasanhanddesressourcenbasiertenAnsatzesinKapitel9gezeigt wird. EntrepreneurshipForscher sind sich einig, dass unternehmerische Chancen in erster Linie existieren, weil verschiedeneAkteure den relativen undpotenziellenWertvonRessourcenunterschiedlicheinschätzen. WurdeeineIdeefürpraktikabel,potenziellgewinnbringendundumsetzbar erachtet, beginnt die Umsetzungsphase. Im dritten Teil des Kapitels wird daher gezeigt, welche Schritte im Gründungsprozess durchlaufen werden müssen. Dabei werden die drei Länder Deutschland, Österreich und die SchweizsowohlgesondertalsauchimLändervergleichbetrachtet.

4.2 Ideensolltenvor einerUnterneh mensgründung gründlichgeprüft werden.

Chancen evaluieren

IdeensinddasProduktmenschlicherFantasie.BevorausderFantasieReali tät wird, müssen Ideen jedoch auf Herz und Nieren geprüft werden. Viele Ideensindfehlerbehaftet.IndiesemTeilwerdenzunächstsogenanntefatal flaws–„tödlicheSchwachstellen“–vonIdeenskizziert.Anschließendwird ein systematischer Prozess dargestellt, um Ideen und Innovationen zu be werten. Das Verfahren hilft festzustellen, ob die Chancen neu sind, ob sie kommerziell und profitabel umgesetzt werden können und ob der Entre preneurüberdieentsprechendenRessourcenverfügt,umdieIdeeumzuset zen.

110

Chancen evaluieren

4.2.1

4.2

Fatal flaws vermeiden

FatalflawssindEigenschafteneinerIdee,diedenErfolgeinesdaraufbasie rendenGeschäftskonzeptesunmöglichmachen.Siesolltenjedochnichtmit Stolpersteinen,AnlaufschwierigkeitenoderManagementfehlernverwechselt werden,diezwareinProduktoderGeschäftruinieren,aberimNachhinein hättenvermiedenwerdenkönnen.DiefolgendeListepotenziellerfatalflaws ist nicht erschöpfend, nichtsdestoweniger könnte viel Enttäuschung und Misserfolg vermieden werden, wenn sie regelmäßig konsultiert würde, bevorGeldundZeitineinunternehmerischesVorhabengestecktwird:

„ Wissenschaftliche Machbarkeit: Baut das Produkt oder die Dienstleistung auf derAußerkraftsetzung von Naturgesetzen auf, wie der allgemeinen Relativitätstheorie, dem zweiten Gesetz der Thermodynamik oder den GesetzenüberEnergieerhaltungundMomentum?MancheErfindersind sehr zurückhaltend, ihre Konzepte oder Prototypen von Experten über prüfenzulassen.EinUnternehmeroderInvestorsetztjedochseinKapi tal aufs Spiel, wenn er ein Projekt unterstützt, das so geheim ist, dass keinExperteesüberprüfendarf.

„ Technische Machbarkeit: Kann das Produkt oder die Dienstleistung mit derzeit verfügbaren oder zumindest realisierbaren Technologien herge stellt bzw. erbracht werden? Sind ungewöhnliche Materialien, Formen oder außerordentlich hohe Leistung zur Herstellung erforderlich, sollte dasProjektvorsichtigvorangehen,bisabgeklärtist,obdieAnforderun gentatsächlichrealisiertwerdenkönnen.

„ Marketingmachbarkeit:GibtesüberhauptAbnehmerfürdasProduktoder die Dienstleistung? Sind Charakteristika vorhanden, aufgrund derer Kunden dem Produkt oder der Dienstleistung den Vorzug vor bereits bestehendenAngebotengebenwürden?ExpertenlassensichinderAn nahme,dassjemanddasResultathabenwill,ofthinreißen,etwasallein ausdemGrundzurealisieren,weilesmöglichist.Ingenieurehabenoft die Neigung, sich in eine Technologie zu verlieben und vergessen dar über,dassletztendlichdieAnwendungderTechnologiezähltundnicht dieTechnologieselbst.

„ Wirtschaftliche Machbarkeit: Beinhaltet das Produkt eine ökonomische AbsurditätwieeinenVerkaufspreisunterdenHerstellkostenodereinen unter dem Einkommensminimum liegenden Lohn für einen Zulieferer oderDienstleister?

111

Fatalflawssind Eigenschaften einerIdee,die einenErfolg unmöglich machen.

4

Chancenpotenzial und Unternehmensgründung

4.2.2

Chancen strukturiert bewerten

Es existieren verschiedene Methoden, um unternehmerische Chancen zu bewerten. Die meisten wurden von Beratern oder Risikokapitalgebern ent wickelt. Ein schrittweises Verfahren, das sich sowohl für die Bewertung technischer als auch nicht technischer Geschäftsideen eignet, ist in Abbildung41dargestellt.

Abbildung41

ProzesszurChancenbewertung



Quelle: R. Artley, G. Dobrauz, G. Plasoning, R. Strasser, Making Money out of Technology, Linde International, Wien 2003.

ImFolgendenwerdendieeinzelnenSchritteerläutertunddiewesentlichen Fragen,dieinjederPhasezubeantwortensind,dargestellt.

Prüfen des Innovationsgrads, der Patentierbarkeit und der Eigentumsrechte Der erste Schritt besteht darin, den Innovationsgrad, die Patentierbarkeit unddieEigentumsrechtederInnovationzuprüfen.Normalerweisescheiden hierbereits50%allerInnovationenaus,daessichebennichtumechteIn novationen handelt: Jemand anderes an einem anderen Ort hat die Erfin dung bereits der Öffentlichkeit vorgestellt und patentieren lassen. Auch

112

Chancen evaluieren

4.2

wenn der zukünftige Unternehmer sein Patent bereits angemeldet hat, könnteesdahersein,dassihmjemanddasPatentstreitigmacht.

„ IstdieErfindung/Entdeckung/Ideeneu?Wenige„Innovationen“sindwirk lichneu.ErkenntnisseineinemGebietsindineinemanderenoftlängst bekannt.DieseUndurchsichtigkeitwirddurcheinenfachbereichsspezifi schen, wissenschaftlichen Jargon und Akronyme noch verstärkt. In der RealitätwirddaherdasRadhäufigneuerfunden.EineersteInternetre cherche kannAuskunft darüber geben, ob eine „Innovation“ nicht viel leichtdochschonexistiert.EinGroßteilallerwissenschaftlichenGruppen nutztdasInternetheuteintensiv,umInformationenübersichselbst,ihre Arbeit und üblicherweise ihre neuesten Publikationen zugänglich zu machen.EineRecherchezuVeröffentlichungenzumjeweiligenThemen gebiet–sowohlArtikelalsauchPatente–solltediewichtigstenInforma tionenzuTagebringen.

„ Ist die Erfindung/Entdeckung/Idee patentierbar? Patente werden nur für Innovationenvergeben,dieneusindundPersonen,diedieTechnologie verstehen, noch nicht bekannt sind. Daraus folgt, dass der Erfinder das RechtaufSchutzverliert,wennervorderPatentanmeldungseineInno vation demonstriert, verkauft oder öffentlich diskutiert. Die Erteilung des Patentes ist an vier Voraussetzungen gebunden: Neuheit, erfinderi sche Tätigkeit, technischer Charakter und die gewerbliche Anwendbar keit(sieheKapitel13).DerUnternehmermussalsovorsichtigvorgehen undsichdieserProblemebewusstsein,umdieMöglichkeitderPatentie rungzuerhalten.

Recherchensind notwendig,um herauszufinden, obdieIdeetat sächlichneuist.

DerErfinder verliertdasRecht aufPatentschutz, wennerseine Innovationim Vorfeldöffentlich demonstriert.

Ein Schlüsselprinzip des Patentschutzes ist, dass der Patentinhaber sein eigener„Polizist“seinmuss.EsistAufgabedesPatentinhabersselbst,ei nen Verstoß gegen den Patentschutz, meist zivilrechtlich, zu verfolgen. Manche Innovationen mögen zwar sehr nützlich sein, sind aber völlig unkontrollierbar. Wird beispielsweise Beton so modifiziert, dass die schalldämmende Eigenschaft von Betonböden verbessert wird, ist die Einhaltung des Patenschutzes fast unmöglich: Um herauszufinden, ob dieTechnikangewandtwurde,müsstemanentwederbeimEinbaudabei gewesenseinoderdenBodenimNachhineinwiederaufreißen.

„ Wer besitzt die Eigentumsrechte? Eine weitere Aufgabe besteht darin, he rauszufinden,werderBesitzerderTechnologieist.OftmalsfindenInno vationeninOrganisationenstatt,undeskannverschiedenePersonenge ben, die einenAnspruch auf dieEigentumsrechte geltendmachen. Drei Hauptfragenkönnenklärenhelfen,wemdieErfindungzusteht: 1.WurdedieInnovationerfundenbzw.dieIdeegeboren,währendderErfinder mit einer Organisation assoziiert war? Die meisten technischen Innovatio nenwerdeninForschungslaborenvonUniversitätenoderUnternehmen

113

BevordieIdee kommerziell genutztwird, müssenaufjeden FalldieEigen tumsrechtege klärtwerden.

4

Chancenpotenzial und Unternehmensgründung

gemacht.HierexistierenRichtlinien,umdieEigentumsrechteanInnova tionenzuregeln. 2.WerwarbeiderEntdeckungbeteiligt?EventuellwarenmehrerePersonen anderEntdeckungderInnovationbeteiligt,dieunterschiedlicheFunkti onen innerhalb der Organisation wahrnehmen (z.B. Institutsleiter oder wissenschaftlicher Mitarbeiter). Diese Funktion wiederum kann unter Umständen die Eigentumsrechte an den Innovationen beeinflussen. AuchdieseAspektesindnormalerweiseindenRegelwerkenderjeweili genOrganisationberücksichtigt. 3. Wer finanzierte die Forschungstätigkeiten? Forschungsprojekte können auf unterschiedliche Art und Weise finanziert werden. Sie können von staatlichenForschungsgeldernodervonGeldernausderIndustriefinan ziertsein.DerVertragüberdieVerwendungderForschungsgelderregelt im Normalfall auch den Umgang mit den Forschungsergebnissen und dendamitimZusammenhangstehendengeistigenEigentumsrechten.

Gibt es Vorteile gegenüber existierenden Produkten und Technologien und sind die Vorteile relevant? Istdaseigene Angebotbesser alseinKonkur renzprodukt?

Im zweiten Schritt wird geprüft, ob die Dienstleistung oder das Produkt einen Vorteil gegenüber existierenden Lösungen aufweist. An dieser Frage scheiternca.30%allerInnovationen,wasjedochnichtunbedingtbedeuten muss, dass der Unternehmer aufgrund besserer Marketingaktivitäten oder aufgrund seiner geografischen Lage damit keinen Erfolg haben könnte. Dennoch müssen die Vorteile zu Angeboten, die sich an die gleichen Ziel gruppenrichten,klarherausgearbeitetwerden.

Experten gespräche, Internetrecherche undBranchen berichtehelfen, dieVorteileder eigenenIdee einzuschätzen.

EineMöglichkeit,umherauszufinden,obesvergleichbareAngebotebereits gibt, sind Expertengespräche. Gegebenenfalls sollten Geheimhaltungs vereinbarungen getroffen werden, um die Idee zu schützen. Die Experten werden dann gebeten, alle ähnlichen Produkte oder Dienstleistungen zu nennen. In jedem Fall muss eine Internetrecherche durchgeführt werden. EinestrukturierteSuchesollterelativzügigüberbereitsexistierendeChan cenAuskunftgeben.EssolltenzweiverschiedeneArtenderSuchedurchge führt werden: zum einen die Suche nach dem gleichen Produkt oder der gleichen Dienstleistung, zum anderen die Suche nach Angeboten, die die gleichenFunktionalitätenaufweisen.Anschließendmussmansichfolgende Fragen stellen: Welches Produkt oder welche Dienstleistung ist wirtschaft lichattraktiver?Welchesistschneller,günstigerodereinfacher?Hiergiltes zubeachten,dassesdenKundennormalerweiseegalist,wiediedahinter liegende Technologie funktioniert. Stattdessen kommt es ihm auf den Nut zenan.AuchBranchenberichteoderMarktstudienkönnen,soweitsienicht

114

Chancen evaluieren

4.2

zualtsind,wichtigeInformationenbereithalten.OftmalssinddieseStudien wesentlichgünstigeralsdieDurchführungeinereigenenPrimärerhebung Wird das Verfahren genutzt, um eine Technologie (im Gegensatz zu einer Geschäftsidee) zu evaluieren, können während dieser Phase weitere An wendungsmöglichkeitenineinemstrukturierenProzessuntersuchtwerden. Dieser Schritt erfordert ein hohes Maß an Einfallsreichtum und Einblicke („think wide, think deep“). Normalerweise bietet eine Technologie immer ausreichendPotenzialfüreineVielzahlvonAnwendungen,diekommerziell verwendet werden können. Anwendungsmöglichkeiten können beispiels weisemiteinemBrainstorminginderGruppegesammeltwerden.Umeine umfassende Bandbreite an Anwendungsideen zu erhalten, bietet es sich jedoch an, Kreativitätsmethoden zu nutzen, die ein strukturierteres Vorge henmöglichmachen.

Oftmalsfungie renTechnologien als„Plattform technologien“, aufderenBasis eineVielzahlan Anwendungen entwickelt werdenkann.

ZumSchlussdieserPhasesolltenocheinesehrwichtigeFragebeantwortet werden:SinddietechnischenVorteilerelevant?MitanderenWorten:Isteine ausreichendeAnzahl an Kunden bereit, für den technologischen Vorteil zu bezahlen?EsgibtdreigenerischeTypenkommerziellerVorteile:Zeiterspar nis, Kostenersparnis oder es handelt sich um neuartige Produkte oder Dienstleistungen,diefürdenKundeneinenNutzendarstellen,denesinder bisherigenFormnochnichtgab.

Gibt es potenzielle Kunden, die bereit sind, für den Nutzen zu zahlen? In der dritten Phase wird, soweit dies möglich ist, geprüft, ob der Markt überhaupt bereit ist, für die angebotenen Vorteile zu bezahlen. Es könnte nämlichauchsein,dassderMarktdieVorteileignoriert(Vorteilwirdzwar erkannt, aber nicht benötigt) oder sie gern absorbieren würde (nähme sie gratis,würdeabernichtzahlen).Esbietetsichan,potenzielleKäufer–Indi viduen oder Firmen – für die Anwendung zu identifizieren. Anschließend kann mit diesen potenziellen Käufern Kontakt aufgenommen werden, um zuverifizieren,dasssiedieVorteile,diebeieinererfolgreichenUmsetzung zu erwarten sind, tatsächlich wünschen und wertschätzen. Es gibt keine bessere Bestätigung für die Brauchbarkeit einer Idee als die klare Zusage einespotenziellenKunden,dasProduktgegeneinenentsprechendenKauf preisabnehmenzuwollen. EsgenügtindieserPhase,eineAuswahlsogenannterleadbuyerszubefra gen.Manmussjedochberücksichtigen,dassdasJaoderNeineinesEinzel nenimmernurfürdiesePersongilt.SiekannnichtfüreinekompletteBran cheoderZielgruppesprechenundurteiltnichtabschließendüberdieMach barkeit der Idee. Auf jeden Fall lohnt es sich nachzufragen, weshalb die

115

Inderdritten Phasewirdge prüft,obKunden bereitsind,für dasProduktzu bezahlen.

4

Chancenpotenzial und Unternehmensgründung

betreffendePersondemProduktzustimmtoderesablehnt.IndieserPhase kannesdahervonVorteilsein,einequalitativeAnalysedurchzuführen,um detaillierteMeinungenüberdasProduktzuerfahren.

Ist eine angemessene Rendite zu erwarten? Nurwenndie Ideeeine angemessene Renditeerwirt schaftet,istsie kommerziell nutzbar.

Die vorangegangene Phase gibt Auskunft darüber, ob Kunden bereit sind, für das Produkt oder die Dienstleistung zu bezahlen. Diese Information reichtabernichtaus,umzuentscheiden,obeineIdeeweiterverfolgtwerden sollodernicht.WichtigistdiezuerwartendeRendite.Umdiesezuberech nen,müssenverschiedeneAnalysendurchgeführtundAnnahmengetroffen werden. So müssen der durchsetzbare Preis (aufgrund von vergleichbaren Preisen in der Gegenwart bzw. den Aussagen potenzieller Kunden), das Marktvolumen,derMarktanteilunddiekomplettenAufwendungenfürdie notwendigen Ressourcen kalkuliert werden. Die Ergebnisse dieser Berech nungen werden im Businessplan aufgeführt. Dort müssen auch die mögli chen Optionen für einen Exit, d.h. für einenAusstieg für Eigentümer und Kapitalgeber,dargelegtwerden.IdeenoderAnwendungen,diediesePhase erfolgreichdurchlaufenhaben,sindkommerziellnutzbar.

Besitze ich die notwendigen Ressourcen? Ideenkönnennur dannverwirk lichtwerden, wennausrei chendRessourcen zurVerfügung stehen.

Für jede signifikante und kommerziell nutzbare Chance sollte als Nächstes eruiert werden, welche Ressourcen für die Entwicklung und Vermarktung notwendig sind. Unter Ressourcen werden Faktoren verstanden, die im weitestenSinnezurLeistungserstellungbenutztwerdenkönnen.InderTat reichen selbst die kreativsten Ideen und Innovationen nicht aus, um ein Geschäft aufzubauen. Ohne Ressourcen kann selbst die beste Idee keinen Unternehmer hervorbringen. Insgesamt sind sechs verschiedene Ressour cenartenzuberücksichtigen:finanzielle,physische,humane,technologische undorganisatorischeRessourcensowieReputation.DiesesechsArtenbein haltenalleFähigkeiten,Sachmittel,organisatorischenProzesse,Firmenattri bute,InformationenundKnowhow.2ImFolgendenwerdendieverschiede nenRessourcenartenkurzbeschrieben:

Finanzielle Ressourcensind notwendig,aber seltenQuelle nachhaltiger Wettbewerbs vorteile.

„ Finanzielle Ressourcen sind Geld, Vermögensgegenstände und Lagerbe stände. Sie beinhalten die Kreditwürdigkeit, die Fähigkeit, Eigenkapital zubeschaffen,sowiedieInnenfinanzierungskraftdesUnternehmens.Sie sind selten Quelle nachhaltiger Wettbewerbsvorteile. Diese Ressourcen sindwertvoll,seltenwirklichrar,sindleichtzuimitierenundesexistie ren Substitute wie Anteile am Unternehmen als Gegenleistung für Ar beitsleistung (sweat equity). Zwar stellen finanzielle Ressourcen an sich

116

Chancen evaluieren

4.2

meist keinen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil dar, das Management derselbenjedochschon.

„ PhysischeRessourcensinddasmaterielleEigentum,daseinUnternehmen inderProduktionundAdministrationbenutzt(z.B.Büroraum,Ausstat tung,Grundstück).EinekomplexephysischeTechnologiekannaberkein nachhaltigerWettbewerbsvorteilsein,dasieimitiertwerdenkann.Wenn jedoch die Methode zur Nutzung der Technologie schwer imitierbar ist (wennsierarundschwersubstituierbarist),könnenandereRessourcen die Technologie vervollständigen, sodass ein nachhaltiger Wettbewerbs vorteilentsteht.

„ Humankapital schließt Wissen, Training und die Erfahrung des Unter nehmers sowie seines Teams an Mitarbeitern und Managern ein. Das Humankapital schließt auch Beziehungskapital (Menschen, die Mitglie der einer Organisation und deren Informationen kennen) ein. Durch Networking kann sich der Unternehmer Ressourcen erschließen, ohne siekontrollierenzumüssen.

„ Technologische Ressourcen werden in Prozessen, Systemen oder physi schenTransformationenverkörpert.Siebegründenphysischeoderrecht licheEinheiten, die der Organisation gehören. Beispiele technologischer Ressourcen sind Patente, spezielle Softwareprodukte oder eine maßge schneiderteITArchitektur.TechnologischesKapitalistnichtgleichzuset zen mit intellektuellem Kapital (intellectual capital), da Letzteres von Personenverkörpertwirdundmobilist.

„ DieReputationumfasstdieWahrnehmungdesUnternehmensinseinem Umfeld.ReputationkannaufProduktoderFirmenebenebestehenund, wenneinmalaufgebaut,vonlangerDauersein.DiewichtigstenAspekte von Reputation sind Produktqualität, Managementintegrität und finan zielleGesundheit.EineMöglichkeitfürStartups,bereitsinfrühenPha sen eine gute Reputation aufzubauen, ist es, mit etablierten Unterneh menzukooperieren.

„ OrganisatorischeRessourcensinddieStruktur,RoutinenundSystemedes Unternehmens. Die Struktur eines Unternehmens ist eine immaterielle Ressource, die ein Unternehmen von seinen Wettbewerbern unterschei den kann. Eine auf Schnelligkeit ausgerichtete Struktur kann die wert vollste Ressource eines Unternehmers sein. Geschichten, die in das kol lektive Gedächtnis Eingang gefunden haben (Mythen), und aufgezeich neteGeschichte(DateienundArchive)könnenauchalsorganisatorische Ressourceaufgefasstwerden.DieFähigkeiteneinesUnternehmens–was esalsErgebnisdesZusammenwirkensderRessourcenfähigistzutun– sindauchTeilderorganisationalenRessourcen.

117

Reputation entstehtdurch Produktqualität, Management integritätund Finanzkraft.

4

Chancenpotenzial und Unternehmensgründung

Investition und Umsetzung Esexistieren verschiedenste Möglichkeiten zurUmsetzung einerIdee.

ImnächstenSchrittmussentschiedenwerden,wiediefürsignifikanterach teteAnwendungen verwertet werden soll.Es existieren mannigfaltige Nut zungsmöglichkeiten wie z.B. eine Lizenzvergabe, der Verkauf des Patents, ein Joint Venture oder die Gründung eines eigenen Unternehmens. Jede dieser Möglichkeiten generiert einen spezifischen Wert für den Unterneh mer.AllgemeinisteineFirmengründungfürAnwendungeninMärkten,die bereitsZielgroßerFirmensind,und/oderfürAnwendungen,dieerhebliche Infrastrukturerfordern,nurbedingtratsam.EinsolchesUnternehmenmüss te sehr groß sein und würde daher schnell viele Ressourcen erfordern. In solchenFällenistderVerkauf(oderdieLizenzvergabe)oftmalsgünstiger. Es ist nicht unüblich, dass Ideen bzw. Anwendungen den beschriebenen Prozess nicht erfolgreich durchlaufen bzw. dass klar wird, dass ein unver züglicher Verkauf des Patents, ohne weitere Entwicklungsarbeit, die beste Alternative ist. Eine zweite Möglichkeit besteht darin, dass sich die ur sprüngliche Idee während der verschiedenen Phasen verändert, sodass am EndeeinGeschäftsmodellsteht,dasökonomischtragbarist.

Unternehmerprofil:DieterLeipold–BionadestattBier Innovationen entstehen manchmalauch ausderNot heraus.

Chancen können aus Krisensituationen entstehen. Oder aus technischem Know-how. Manchmal kommt beides zusammen: In den 80er-Jahren litt der Absatz der bayrischen Privatbrauerei Peter unter der Konkurrenz großer Biermarken. Dieter Leipold, Ehemann der Inhaberin, brachte das auf eine Idee. Er wollte die freien Kapazitäten für die Produktion einer Limonade nutzen. Sie sollte auf natürlichem Wege produziert werden und den existierenden Mischgetränken Konkurrenz machen. Der gelernte Diplom-Braumeister fing an zu experimentieren – in seinem zum Labor umfunktionierten Wohnzimmer und gefördert vom Bundesministerium.

Normalerweise wirdZuckerbei derFermentation inAlkoholum gewandelt.Ein Enzymkanndas verhindern.

Die Mühe hat sich belohnt. Normalerweise wird Zucker bei der Fermentation in Alkohol umgewandelt. Dieter Leipold hat jedoch herausgefunden, wie man das verhindern kann. Statt Alkohol entsteht Gluconsäure. Schuld ist das Enzym Glucoseoxydase, das auch bei der Honigproduktion der Bienen eine entscheidende Rolle spielt. Damit hat Leipold eine echte Innovation geschaffen: Die Herstellung von Bionade war so neu, dass es selbst juristisch anfänglich Schwierigkeiten gab. Eine Gärung alkoholfreier Getränke war im Lebensmittelrecht schlicht nicht vorgesehen und so dauerte es eine Weile, bis Dieter Leipold Inhaber des weltweiten Bionade-Patents werden konnte – ein alkoholfreies Erfrischungsgetränk, das rein biologisch hergestellt wird, eine gesunde Limonade mit Calcium, Magnesium und natürlichen Essenzen aus Früchten. Wer das von sich behaupten kann, der darf auch Werbung mit dem Slogan „Das offizielle Getränk einer besseren Welt“ schalten.

118

Schritte im Gründungsprozess

Doch bis es Geld für Werbung gab, galt es eine Durststrecke zu überstehen. Bionade kam 1995 auf den Markt, hergestellt und vertrieben von der Bionade GmbH, die eigens für diesen Zweck gegründet wurde. Zunächst wollte aber niemand Bionade haben und sich in die Regale von Supermärkten einzukaufen, überstieg die finanziellen Ressourcen des kleinen Betriebes. Nach einigen Jahren gelang jedoch der Durchbruch: Ein Hamburger Getränkehändler entdeckte das Potenzial und versorgte die hamburgischen Kneipen mit dem Getränk. Der hamburgischen Clubszene schmeckte es und so machte sie Bionade zum Szenegetränk. Danach ging es sehr schnell. Bereits im Jahr 2004 wurden 7 Millionen Flaschen pro Jahr verkauft, zwei Jahre später bereits das Zehnfache. Mittlerweile wird Bionade unter anderem in Österreich, der Schweiz, Großbritannien und sogar auf den Malediven verkauft, wahlweise mit Holunder-, Litschi-, Kräuter- oder Ingwer-Orange-Geschmack. Echte Innovationen können sich eben auszahlen, auch wenn manchmal ein Quäntchen Glück dazugehört.

4.3

4.3 DieClubszenein Hamburgverhalf Bionadezum Durchbruch.

Schritte im Gründungsprozess

Um ein Unternehmen zu gründen, sind eine Reihe von gesetzlich vorge schriebenen Anmeldeformalitäten zu erfüllen. Diese variieren jedoch von LandzuLandundnachRechtsform.AufdieVorundNachteiledereinzel nenRechtsformenwirdinKapitel13genauereingegangen. Zu beachten ist in Deutschland, Österreich und der Schweiz, dass für be stimmte Tätigkeiten besondere Genehmigungen nötig sind. Gesundheits zeugnisse im Hotelgewerbe sind nur ein Beispiel. Obwohl alle drei Länder Anstrengungen unternehmen, den bürokratischenAufwand in Grenzen zu halten, ist er doch mehr als reine Formsache und kann leicht zu zeitlichen und finanziellen Engpässen führen. Selbstverständlich ist es empfehlens wert, sich im Vorfeld möglichst genau über die benötigten Unterlagen zu informieren, um sie sorgfältig zusammenstellen zu können und so unnöti gen Zeitverlust zu vermeiden. Prinzipiell ist die Gründung eines Einzelun ternehmens oder einer Personengesellschaft weniger zeit und kosteninten sivalsdieGründungeinerKapitalgesellschaft.

119

EineGründung erforderteine ganzeReihevon Anmeldeformali täten,die,jenach LandundRechts form,einenenor menZeitaufwand erfordernkönnen.

4

Chancenpotenzial und Unternehmensgründung

4.3.1 Gründung eines Unternehmens in Deutschland Deutschland: FürdieAusübung einesGewerbes isti.d.R.keine Erlaubnis erforderlich.

Tabelle41

InDeutschlandherrschtGewerbefreiheit,d.h.,inderRegelistfürdieAus übungeinesGewerbeskeinebesondereErlaubniserforderlich.DieTätigkeit in manchen Branchen (z.B.Apotheken, Gastgewerbe) ist aus Verbraucher schutzgründen jedoch genehmigungspflichtig. In Deutschland werden mit der Gewerbeanmeldung unter anderem folgende Behörden automatisch informiert: Finanzamt, Berufsgenossenschaft, Statistisches Landesamt, Handwerkskammer (bei Handwerksberufen), die Industrie und Handels kammer,dieAgenturfürArbeitsowiedasHandelsregister(Registergericht). Trotzdem empfiehlt es sich, mit allen Stellen selbst Kontakt aufzunehmen, um sicherzustellen, dass alle Informationen vorliegen. Die notwendigen Schritte, um ein Einzelunternehmen bzw. eine Kapitalgesellschaft zu grün den,sindinTabelle41dargestellt.

GründungsprozessinDeutschland Schritte

1

2

3 4 5 6 Web

120

Einzelunternehmen/ Personengesellschaft Anmeldung beim Gewerbeamt der Gemeinde (ausgenommen sind: freie Berufe, Wissenschaftler, Land- und Forstwirtschaft) Wenn es sich um eine Firma im Sinne des Handelsgesetzbuches handelt, muss ein Eintrag ins Handelsregister beim Registergericht erfolgen. Eintrag ins Partnerschaftsregister für Partnerfirmen Finanzamt Agentur für Arbeit (alle Unternehmen, die Mitarbeiter beschäftigen) Sozialversicherung www.existenzgruender.de www.ihk.de www.gruenderkatalog.de

Kapitalgesellschaft Notarielle Beurkundung des Gesellschaftsvertrages (bei AG zusätzlich Aktionärsvertrag) Gewerbeanmeldung

Eintrag ins Handelsregister beim Registergericht Finanzamt

Agentur für Arbeit Sozialversicherung

Schritte im Gründungsprozess

Seitdem 1.August 2006 besteht für Empfänger desArbeitslosengelds Idie Möglichkeit, einen Gründungszuschuss zu erhalten. Der Gründungszu schussersetztdievorhergewährtenEinzelmaßnahmendesÜberbrückungs geldes und des Existenzgründungszuschusses („IchAG“) und führt sie zu einem Instrument zusammen. Die Förderzeit beträgt maximal 15 Monate undunterteiltsichinzweiPhasen:IndenerstenneunMonatenerhaltendie Existenzgründer einen Zuschuss in Höhe ihres individuellen Arbeitslosen geldes sowie eine Pauschale von 300 EUR, die für die sozialeAbsicherung verwendet werden soll.Auf die Förderung in der ersten Phase besteht ein Rechtsanspruch.DiezweitederPhasederFörderungerfolgtnurdann,wenn eine intensive Geschäftstätigkeit vorliegt und es demnach sinnvoll ist, die Personweiterzufördern.GeprüftwirddieseVoraussetzungvonderAgen tur für Arbeit. Nach einem positiven Bescheid erhalten die Gründer für weiteresechsMonatedieGründungspauschalevon300EUR.

4.3.2

Seit dem Frühjahr 2004 hat die Schweiz den ersten virtuellenAmtsschalter für KMU installiert:3 Unter www.kmuadmin.ch kann die Anmeldung für Einzelunternehmen,KollektivundKommanditgesellschaftenonlinedurch geführt werden. Zudem ist es möglich, GmbHs und AGs bei der Mehr wertsteuer und der Alters und Hinterbliebenenversicherung (AHV) anzu melden. Die einzelnen Schritte für die Unternehmensgründung finden sich inTabelle42.

2 3 4

Personenunternehmen Eintrag ins Handelsregister (falls laut Handelsregisterverordnung dazu verpflichtet) Anmeldung der Geschäftstätigkeit bei der Gemeinde Anmeldung bei der Sozialversicherungsanstalt des Kantons Anmeldung Mehrwertsteuer bei der Eidg. Steuerverwaltung in Bern

5 Web

www.gruenden.ch www.kmuadmin.ch

Schweiz: Einzelunter nehmenkönnen onlinegegründet werden. 

Tabelle42

GründungsprozessinderSchweiz

1

SeitAugust2006 könnenErwerbs lose,diesich selbstständig machen,einen Gründungs zuschuss beantragen.

Gründung eines Unternehmens in der Schweiz

Ebenso wie in Deutschland sind für manche Tätigkeiten besondere Geneh migungennötig.Esistdaherwichtig,diesimVorhineinabzuklären.

Schritte

4.3

Kapitalgesellschaften Notarielle Beurkundung der Gründungsunterlagen Anmeldung beim Handelsregisteramt des Kantons Anmeldung der Geschäftstätigkeit bei der Gemeinde Anmeldung bei der Sozialversicherungsanstalt des Kantons Anmeldung Mehrwertsteuer bei der Eidg. Steuerverwaltung in Bern www.gruenden.ch

121

4

Chancenpotenzial und Unternehmensgründung

4.3.3 Österreich: Gebührenund Abgabenfür Neugründungen entfallen.

Tabelle43

Gründung eines Unternehmens in Österreich

InÖsterreichwurdeimRahmenderSteuerreform2000dasNeugründungs förderungsgesetz (NeuFÖG) beschlossen, um Neugründern zu helfen, Gründungskostenzusparen.DamitwerdenGebührenundAbgaben,diebei einerGründungnormalerweiseanfallen,erlassen. In Österreich wird ähnlich wie in Deutschland zwischen freien und regle mentiertenGewerbenunterschieden.FürdieAusübungeinesreglementier ten Gewerbes ist ein Befähigungsausweis nötig. Die notwendigen Schritte füreineGründungkönnenTabelle43entnommenwerden.

GründungsprozessinÖsterreich Schritte

Personenunternehmen

Kapitalgesellschaften

1

Gewerbeanmeldung

Notarielle Beglaubigung des Gesellschaftsvertrages

2

Firmenbucheintrag

Gewerbeanmeldung

3

Anzeige der unternehmerischen Tätigkeit beim Finanzamt

Firmenbucheintrag

4

Anzeige der unternehmerischen Tätigkeit bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA)

Anzeige der unternehmerischen Tätigkeit beim Finanzamt

5

Web

4.3.4 Gründungs freundlichbedeu tet,eineUnter nehmungschnell, unbürokratisch undkostengüns tiggründenzu können.

Anzeige der unternehmerischen Tätigkeit bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) www.help.gv.at

Gründung eines Unternehmens im Ländervergleich

DerProzessderUnternehmensgründung kannineine Vorgründungsphase und eine Gründungsphase unterteilt werden, wobei die formalen Grün dungsschritte in die zweite Phase fallen. Die Vorgründungsphase umfasst den Weg von der ersten Idee bis zu ersten außenwirksamen Maßnahmen. Die zweite Phase umfasst alle Schritte, um das Unternehmen formal zu gründen. Ein unternehmerfreundliches Land zeichnet sich dadurch aus, dass die zweite Phase möglichst wenige Verfahrensschritte mit geringem bürokratischem Aufwand umfasst. Zudem sollte die finanzielle Belastung

122

Schritte im Gründungsprozess

4.3

möglichst gering sein und die Koordination zwischen den Behörden mög lichstreibungslosfunktionieren.4 Die generelle Analyse der unternehmerischen Rahmenbedingungen für Deutschland,dieSchweizundÖsterreichdurchdas„IMDWorldCompeti tiveness Yearbook 2003“5 zeigt hinsichtlich der genannten Einzeldimensio nenfolgendeRanglisteauf,wobeidasZeichen„>“imSinnevon„besser“zu verstehenist:

„ AnzahlNeugründungenpro1.000Einwohner:D>CH>A „ VerfügbarkeitvonVentureCapital:CH>A>D „ VerfügbarkeitvonKrediten:A>CH>D „ UnternehmensfreundlicheGesetzgebung:CH>A>D „ GeringeUnternehmensbesteuerung:CH>A>D „ GeringeBürokratie:CH>A>D EineneueStudiederWeltbankhatvierRegulierungskriterienfürdieGrün dung eines Unternehmens untersucht: die notwendige Anzahl der Verfah rensschritte, die Zeitspanne, die Kosten und die Mindesthöhe des einzu bringenden Kapitals. Dem Vergleich liegt ein fiktives Unternehmen zu Grunde, das anhand von zehn Rahmenbedingungen charakterisiert wurde (z.B.GmbHalsRechtsform).WeitereAnnahmenwurdengetroffen,umdie Vergleichbarkeit der Verfahrensschritte zu gewährleisten. Tabelle 44 zeigt die Ergebnisse für die drei deutschsprachigen Länder. Dabei belegt die SchweizbeidreidervierKriterieneinenSpitzenplatz.

Tabelle44

KennzahlenfürGründungenimLändervergleich Österreich

Deutschland

Schweiz

Anzahl Schritte

Schritte

8

9

6

Zeit (Tage)

28

18

20

Kosten (% Einkommen pro Kopf)

5,4

5,7

2,1

Minimum Kapital (% Einkommen pro Kopf)

55,5

42,8

13,9

Quelle: www.doingbusiness.org, Abruf: 8.1.2008

123

4 Imweltweiten Vergleichsind jedochauchdie Bedingungenin derSchweiz suboptimal.

Chancenpotenzial und Unternehmensgründung

DievorteilhafteSituationinderSchweizbedeutetallerdingsnureinenrela tiven Vorteil. Ein Blick auf die BestPracticeBeispiele Australien, Kanada undUSAzeigt,wieweitdieReduzierungderGründungsregulierunggehen kann. InAustralien und Kanada gibt es z.B. nur zwei notwendige Schritte beiderGründungeinesUnternehmens.InAustraliendauertdieGründung nurzweiTage;dieKostenfüreineGründungbetrageninKanadaundden USAnur0,6%desEinkommens.6

4.4 EinVerfahrenzur Produktionvon Multiprotein komplexensoll dieGrundlagefür einStartup bilden.

Fallstudie: XpresSys

Es ist Ende September 2005 und Heidi Müller, Doktorandin an der ETH Zürich, wird sich in wenigen Tagen wieder mit ihrenArbeitskollegen vom InstitutfürMolekularbiologietreffen,umdasweitereVorgeheninBezugauf die Gründung von „XpresSys zu besprechen. Mike Hammer und Pascal Merz, die anderen Mitgründer des geplanten Unternehmens, sind promo vierte Biologen und arbeiten als Oberassistenten an der ETH Zürich. Vor einigen Monaten ließen sie ein Verfahren zur Produktion von Multi proteinkomplexen patentieren, das sie bereits mehrfach erfolgreich einge setzt haben und zu dem sie von Experten sehr positive Rückmeldungen erhaltenhatten.NunsolleinUnternehmengegründetwerden,umdieneue Technologie in breiterem Umfang anwenden zu können und deren wirt schaftlichesPotenzial zu nutzen. Bis zur Gründung desUnternehmens, die fürFrühjahr2006geplantist,müssenallerdingsnocheineReihevonAktivi tätendurchgeführtwerden:Esgilt,dieoffenenFragenwiedieFinanzierung des Unternehmens und die Einstellung einer Person mit wirtschaftlichem Hintergrundzuklären.

Aktuelle Situation Proteinestellen einewichtige Basisinder Medikamenten entwicklungdar.

Der menschliche Körper steht unter Einfluss zahlreicher externer Belastun gen (UVStrahlung, Schadstoffbelastung etc.) und interner genetischer De fekte, die zu Funktionsfehlern der Proteine in unseren Zellen führen. Die ProteinesinddieBasisallerLebensvorgänge.WennProteineaufgrundvon Defekten ihre Funktion nicht mehr ausreichend erfüllen, entstehen oft le bensbedrohendeKrankheitenwiez.B.Krebs.DeshalbsetzteinGroßteilder Medikamentenentwicklung bei den Proteinen an. Folglich sind fast alle ForschungsundEntwicklungsarbeitenfürMedikamenteundTherapienauf Proteine angewiesen, weshalb sowohl akademische Forschungsein richtungen als auch die Pharma und Biotechnologieindustrie Proteine als GrundlagefürihreForschungstätigkeitnutzen.

124

Fallstudie: XpresSys

4.4

Die rasant fortschreitende Grundlagenforschung enthüllte in jüngster Zeit die Gesamtheit aller Proteine in einer Zelle. Beim Menschen sind dies im merhin mehr als 40.000 Proteine. Es wurde offensichtlich, dass Proteine in derZellenichteinzelnwirken,sondernvielmehrimVerbundalskomplexe Proteinmaschinen agieren, die aus zahlreichen Proteinbausteinen zusam mengesetztsind.Eskommthinzu,dassnahezuallelebenswichtigenProzes se in der Zelle von solchen komplexen Proteinmaschinen ausgeführt wer den.DieshatwesentlicheKonsequenzenfürdieForschung:UmdieFunkti onsweise der Proteine zu verstehen, muss man die Proteinmaschinen in ihrerGesamtheiterforschenundnichtnurihreeinzelnenProteinbausteine.

Proteinewirken imVerbundals komplexe Protein maschinen.

Nichtsdestoweniger haben sich die akademischen Institute und auch die Pharmaindustriebisheutenahezuausschließlichaufeinzelne,isoliertePro teine konzentriert, also auf die Einzelbausteine der Proteinmaschinen. Der Grund hierfür lag vornehmlich darin, dass gerade menschliche Proteinma schinen sehr schwierig in Reinform herzustellen sind. Die Entwicklung moderner, rekombinanter Methoden erlaubt mittlerweile zwar die Herstel lung einzelner Proteinbausteine, es gab aber noch keine Technologie, mit deren Hilfe ausreichende Mengen Proteinmaschinen für Forschung und Entwicklung bereitgestellt werden konnten. DieseErfahrung machten auch MikeHammerundPascalMerzwährendihrereigenenForschungstätigkei tenanderETHZürich.Siestelltenfest,dasseinezurHerstellungvonProte inmaschinen geeignete Technologie schlichtweg nicht existierte. Deshalb entwickelten sie ihr eigenes Verfahren: die sogenannte MultiBac Technologie.

Esgibtbisdato keineTechnolo gie,umProtein maschinenin großenMengenin kurzerZeit herzustellen.

Die Technologie Das Kernstück der MultiBacTechnologie ist ein stark vereinfachtes Verfah ren, die Baupläne (Gene) der Proteinbausteine von Proteinmaschinen auf einem GentransferVektor zu vereinigen. Dieser GentransferVektor ent stammteinemfürMenschenungefährlichenBaculovirus,dersichinZellen von Insekten vermehrt und in diesen die auf dem GentransferVektor vor handenenGeneinProteineumsetzt.DieMultiBacTechnologiebenutzteine abgewandelte, stark verbesserte Version des BaculovirusGentransfer Vektors,denMultiBacGentransferVektor,umbeliebigeKombinationenvon Proteinen in großen Mengen und hoher Qualität herzustellen. Die Mengen reichen in der Regel selbst für aufwendige Studien in der akademischen oder pharmazeutischen Forschung aus. Die Gene einer großenAnzahl von Proteinen,z.B.vomMenschen,könnenaufrelativeinfacheArtindenMul tiBacGentransferVektor eingebracht werden. Dieser Prozess ist in einem gewöhnlichen Molekularbiologielabor durchführbar. Der MultiBac GentransferVektorvermehrtsichinZellkulturenundistfürdenMenschen

125

DieMultiBac Technologie erlaubtes, Kombinationen vonProteinenin großenMengen undhoherQuali tätherzustellen.

4

Chancenpotenzial und Unternehmensgründung

ungefährlich,weswegenkeinebesonderenSicherheitsbestimmungenfürden Umganganfallen.

Vorteile der Technologie Als eine Besonderheit wurde der GentransferVektor des MultiBacSystems so entwickelt, dass die Produktion der gewünschten Proteinmaschinen be sondersvorsichtigerfolgt.ZudiesemZweckwurdenFaktoren,diezurZer störung der kultivierten Zellen oder zur Beschädigung des produzierten Materialsführenwürden,aufgespürtundausdemGentransferVektorent fernt.FürdenKundengarantiertdieseinehoheQualitätundIntegritätder mitderMultiBacTechnologieproduziertenProteinmaschinen.Zudemstellt die vereinfachte MultiBacTechnologie im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren eine bedeutende Zeitersparnis (statt Monaten lediglich Wochen) bis zur Herstellung des gewünschten Proteinproduktes dar. Die MultiBac TechnologiebietetzudemdieMöglichkeit,durchKombinatorik(Baukasten prinzip) aus denselben Proteinbausteinen zahlreiche verschiedene Protein maschinen zusammenzusetzen und damit kundenindividuelle Lösungen anzubieten. Renommierte Institutesetzen dieMultiBac Technologie bereitserfolgreich ein.

InternationalrenommierteInstituteverwendeninihrenLaborsbereitsheute dieMultiBacTechnologie.DieETHhattevielenForschernProbemusterzur Verfügung gestellt. Das beweist, dass die Technologie funktioniert, ausge reift ist und Absatzpotenzial aufweist. Obschon die herausragenden und wegweisenden Stärken der MultiBacTechnologie in der Produktion von Proteinmaschinen mit zahlreichen Untereinheiten liegen, offeriert die Tech nologie dieselben Vorteile (Schnelligkeit, Qualität) auch für die Produktion voneinzelnen Proteinen.DiessichertXpresSysauchden ZugangzumEin zelproteinmarkt, der eine dominante Stellung im Proteinmarkt einnimmt undeingroßesVolumenaufweist.ImVergleichdazuistderMarktfürPro teinmaschinen aufgrund der Neuheit der Technologie ein noch kleiner MarktmitsehrhohemWachstumspotenzial.

DieMultiBac Technologieist weltweitpatent rechtlichge schützt.

Das Patent der MultiBacTechnologie ist publiziert und wird in den wich tigstenMärktenweltweitpatentrechtlichgeschützt.Zudemistdasjahrelang aufgebaute Knowhow kaum nachahmbar. Nur mit hohem personellem, zeitlichem und finanziellem Aufwand können sich Konkurrenten dieses Wissenaneignen.DiesebeidenPunkte,PatentundKnowhow,stelleneinen wesentlichenSchutzderGeschäftsgrundlagedar. Die MultiBacTechnologie soll kontinuierlich weiterentwickelt werden, und technologischeVerbesserungenmöchtedasTeampatentierenlassen.Zudem bestehtdieMöglichkeit,vieleProzessezuautomatisierenunddenpersonel lenAufwandmithilfeeinesRoboticsSystemszureduzieren.Dadurchwürde

126

Fallstudie: XpresSys

die Skalierbarkeit des Geschäftsmodells erhöht werden. Die MultiBac Technologie bietet außerdem die Möglichkeit, den GentransferVektor für dieEntwicklunginnovativerGentherapienzuadaptieren.

Das Geschäftsmodell DasderzeitigeGeschäftsmodellvonXpresSyssiehtvor,dieneueTechnolo gie in Form von Kits zu vertreiben und auf Kundenwunsch Multiprotein komplexeherzustellenundzuverkaufen:

„ Der MultiBac Kit ermöglicht Kunden, den Prozess zur Herstellung von Proteinmaschinen selbst zu durchlaufen, was allerdings nur gut ausge rüsteteLaborsleistenkönnen.DerVersandkannperPosterfolgen.

„ MultiBacClone:XpresSyssetztdieBaupläne(Gene)voneinemodermeh rerenProteinbausteineninDNAHelfermoleküleein.Diesekönnenvom Kunden bei Bedarf (z.B. zur längerfristigen Aufbewahrung zur Doku mentation)ebenfallsmitderregulärenPostbezogenwerden.

„ MultiBac Virus: Die DNAHelfermoleküle werden von XpresSys zum MultiBacGentransferVektor zusammengesetzt. Dieser vereint die Ge samtheitderBaupläne(Gene)zumAufbauderProteinbausteineundbe inhaltet zusätzlich alle Funktionen, die benötigt werden, um Zellkultu ren zur Produktion der Proteinmaschinen zu veranlassen. MultiBac Vi rus kann vom Kunden als Flüssigkeit in verschiedenen Volumina (zwischen50Milliliterund1Liter)bezogenwerdenundwirddurchei nenVersandservicebei4GradCelsiusgekühltausgeliefert.

„ MultiBac Machine: XpresSys nutzt den MultiBacGentransferVektor (MultiBacVirus),uminZellkulturendievomKundengewünschteProte inmaschineherzustellen.DiesekannvomKundeninverschiedenerForm bezogenwerden,z.B.inFormvonausdenZellkulturendurchZentrifu gationgewonneneZellpaste(10bis100Gramm),diebei–70GradCelsi us tiefgekühlt in Kunststoffbehältern von einem Versandservice an den Kunden ausgeliefert wird. Alternativ kann der Kunde XpresSys beauf tragen,dieProteinmaschineinReinformzugewinnen.Diesewirddann in Kunststoffröhrchen (100 Mikroliter bis mehrere Milliliter Volumen) vomVersandservicebei–70GradCelsiustiefgekühltausgeliefert. KundenfürdiegenanntenProduktesindUniversitäten,diePharmaindust rieundBiotechnologiefirmen.

127

4.4

4

Chancenpotenzial und Unternehmensgründung

Der Markt und die Konkurrenz InEuropaunddenUSAwerdeninderForschungundinindustriellenAn wendungen immer mehr Proteine mit der BaculovirusTechnologie produ ziert. In den USA ist der Proteinmarkt derzeit bereits eindeutig ein Wachs tumsmarkt. Daher will XpresSys sich nicht nur auf den schweizerischen oder europäischen Markt beschränken, sondern vonAnfang an Kunden in denUSAundgegebenenfallsinanderenLändernbedienen. XpresSysist derzeitdaseinzi geUnternehmen, dasmaßge schneiderte Multiprotein komplexeherstel lenkann.

Wiebereitsobenerwähnt,hatdieForschungderletztenJahregezeigt,dass ProteineinZellennichteinzeln,sondernalsKomplexewirken.Ausdiesem Grund ging der Trend in der Forschung in den letzten Jahren immer mehr hin zum Arbeiten mit Multiproteinkomplexen, was auch in Kundenbefra gungen durch XpresSys bestätigt wurde. Es gibt eine Reihe von anderen Technologien zur Produktion von Proteinen, z.B. in Bakterien, Hefen oder menschlichenZellen.XpresSysistjedochdaseinzigeUnternehmenweltweit mit einer Technologie, die es erlaubt, maßgeschneiderte Multiproteinkom plexeaufKundenwunschherzustellen.

Das Team HeidiMüller wirdnachihrer Dissertation Vollzeitimneuen Unternehmen tätigsein.

ImHerbst2005befindetsichHeidiMüllernochinderEndphaseihrerDis sertation,diesiezumJahreswechsel2005/2006fertigstellenmöchte.Danach willsiesichinvollemUmfangfürdasneueUnternehmenengagieren.Dem gegenüber wollen Mike Hammer und Pascal Merz ihre Stelle an der ETH ZürichbehaltenunddemUnternehmenzeitlichingeringeremUmfangzur Verfügung stehen. Sie wollen nicht direkt im operativen Tagesgeschäft des Unternehmens tätig sein, sondern eine beratende Funktion einnehmen. Zwar werden sie Anteile am neu zu gründenden Unternehmen erhalten, allerdingsnichtdirektvomUnternehmenentlohntwerden. MikeHammerundPascalMerz,diebeideeinewissenschaftlicheLaufbahn im akademischen Umfeld anstreben und daher nicht in vollem Umfang im neuen Unternehmen tätig sein werden, sollen auch langfristig den Zugang zu neuesten wissenschaftlichen Forschungserkenntnissen gewährleisten. Dieses Modell, bei dem ein Teil der Gründer an der Universität bleibt, hat sichbereitsbeieinerReiheandererBiotechnologiegründungenbewährt. DieGründungdesneuenUnternehmenssollimFrühjahr 2006erfolgen.Es ist geplant, das Unternehmen zunächst in den Räumlichkeiten der ETH Zürich anzusiedeln und nach etwa einem Jahr in größere Räumlichkeiten außerhalbdesCampusgeländesumzuziehen.EinmöglicherStandortfürdas UnternehmenistderbiotopLifeScienceInkubatorinZürichSchlieren.

128

Fallstudie: XpresSys

DiePersonalplanungberuhteursprünglichaufderAnnahme,dassnocheine weitere Mitarbeiterin des Instituts mit einer vollen Stelle im Unternehmen tätig sein würde. In den letzten Wochen hatte sich allerdings abgezeichnet, dass sich diese Person für einen anderen beruflichen Einstieg entscheiden würde. Um die gleiche Menge an Aufträge bearbeiten zu können, wäre daher die Anstellung eines technischen Angestellten notwendig. Bei der PlanungderPersonalkostenwirdimerstenJahrnochnichtmiteinervollen EntlohnungvonHeidiMüllerunddesweiterenAngestelltengerechnet.Die Personalplanung enthält weiterhin eine Person, die sich um sämtliche be triebswirtschaftlichenAspektedesneuenUnternehmenskümmernsoll.

4.4 DiePersonal planungfürdie erstenMonateist nochnichtabge schlossen.

DieProduktionvonMultiproteinkomplexenistnichtvollkommenautomati sierbar,sondernerfordertnocheinigeArbeitsschritte,dievonHanderledigt werdenmüssen.InsbesonderederersteSchrittdesProzesses,alsoderAus tausch der Gensequenz im Baculovirus, ist nicht einfach und erfordert Er fahrungundpräzisesArbeiten.HeidiMüllerschätzt,dasssieselbstetwa20 Projekte pro Jahr wird bearbeiten können. Eine ausgebildete Laborkraft könnte nach einer Einarbeitungszeit von etwa drei Monaten vermutlich ähnlich viele Projekte bearbeiten. Die Abwicklung eines Auftrags nimmt insgesamtetwadreibisvierWocheninAnspruch.DerzeitwirdeinRobotics System entwickelt, das einen Teil der Produktion von Multiproteinkomple xen automatisiert und den Prozess dadurch deutlich beschleunigen und weniger arbeitsintensiv machen wird. Wann genau das System ausgereift seinwird,kannallerdingsnochnichtgenaugesagtwerden.Vermutlichwird das System 2007 so weit entwickelt sein, dass es für die Produktion einge setztwerdenkann.

Die Finanzierung Die größte Herausforderung, die die Gründer derzeit sehen, besteht darin, die Finanzierung des neuen Unternehmens sicherzustellen. Die Gründer könnten zwar auch eigene Mittel in das Unternehmen einbringen und da durch eine Gründung im kleinen Maßstab realisieren. Die derzeitigen Pla nungen beruhen allerdings darauf, dass mindestens 400.000 CHF externes Kapital in das Unternehmen eingebracht werden. Aufgrund der geringen Sicherheiten und der Art des Gründungsprojektes ist es vermutlich sehr schwierig, eine Fremdkapitalfinanzierung von Banken zu erhalten. Daher sollversuchtwerden,einenPrivatinvestoroderBusinessAngelfürdasPro jektzugewinnen.EinesolchePersonsollteidealerweiseauchüberdasWis senunddieErfahrungverfügen,umhinsichtlichderstrategischenAusrich tungdesUnternehmensberatendzurSeitestehenzukönnen.Möglicherwei sesolldiesePersonsogarimTagesgeschäftdesUnternehmensmitarbeiten.

129

DiegrößteHer ausforderung bestehtderzeitin derSicherstellung derFinanzierung.

4 Betriebswirt schaftliches Knowhowfehlt derzeitimTeam.

Chancenpotenzial und Unternehmensgründung

Wiebereitsangeführt,mussnebendenGründerninjedemFalleinePerson gefunden und angestellt werden, die über einen betriebswirtschaftlichen HintergrundverfügtundfürdiekaufmännischeLeitungdesUnternehmens verantwortlich sein wird.Alle drei Gründer von XpresSys haben einen na turwissenschaftlichenHintergrundundverfügennurüberwenigkaufmän nischeErfahrung.DiederzeitigebetriebswirtschaftlichePlanungdesUnter nehmensistvordiesemHintergrundineinigenPunktennochnichtalsab schließend zu betrachten. Die nächsten Monate werden für Mike Hammer, PascalMerzundHeidiMüllerinjedemFalleeinearbeitsreiche,abersicher lichauchsehrinteressanteZeitwerden.

Fragen zu der Fallstudie WennSieanderStellevonHeidiMüllerwären: 1. Welches sind die Schritte, die zunächst getan werden müssen, um das Projekt vorwärtszubringen? Was ist wichtig und was ist weniger wich tig? 2. Wie würde eine grobe Meilensteinplanung für die nächsten eineinhalb Jahr aussehen? Welche personellen Konsequenzen würde dies beinhal ten? 3. WelcheweiterenGeschäftsmodelle,nebendemVertriebinFormvonKits undLizenzen,sinddenkbar?

4.5

Zusammenfassung

Bevor man Geld und Zeit in die Umsetzung einer Idee investiert, sollten Geschäftsideen auf sogenannte fatal flaws untersucht werden. Fatal flaws sind Eigenschaften einer Idee, die den Erfolg von vornherein verhindern. Dazu gehören die wissenschaftliche Machbarkeit, die technische Machbar keit,dieMarketingmachbarkeitsowiediewirtschaftlicheMachbarkeit. Anschließend kann der vorgestellte, strukturierte Prozess zur Chancenbe wertunggenutztwerden,umdieIdeeaufHerzundNierenzuprüfen.Mit hilfedereinzelnenProzessschrittewerdenUnternehmensideenaufdieent scheidendenKriteriengeprüft,diefüreineerfolgreicheGründungnotwen digsind:

130

Zusammenfassung

1. StelltdieIdeeeineInnovationdarundkannsiegeschütztwerden? 2. Bietet das Produkt/die Dienstleistung Vorteile gegenüber existierenden Lösungen? 3. GibtespotenzielleKunden,diebereitsind,fürdasProdukt/dieDienst leistungzubezahlen? 4. IsteineangemesseneRenditezuerwarten? 5. Stehen Ressourcen zur Realisierung in ausreichendem Maße zur Verfü gung? Nachdem die unternehmerische Chance geprüft und ggf. für umsetzbar erklärtwurde,gehtesindieUmsetzungsphase.InDeutschland,derSchweiz und auch in Österreich ist eine Gründung mit Formalitäten verbunden. ZwarunternehmenalledreiLänderAnstrengungen,dieProzessezuerleich tern, aber dennoch schneiden sie im Vergleich mit BestPracticeBeispielen ausanderenLändereherschlechtab.

Diskussionsfragen 1. PrüfenSieeineeigeneUnternehmensideeauf„fatalflaws“. 2. Wenden Sie den Prozess zur Chancenbewertung auf eine eigene Ge schäftsideean. 3. Welche Rahmenbedingungen sollte der Staat schaffen, um Gründungen zufördern?

Weiterführende Literatur LATTMANN, M./MAZUMDER, S., Erfolgsfaktoren innovativer Unternehmen  Entrepreneurship,Strategie,KulturausunternehmerischerErfahrung,NZZlibro, Zürich,2007 MALEK,M./IBACH,P.K.,EntrepreneurshipPrinzipien,IdeenundGeschäftsmodelle zur Unternehmensgründung im Informationszeitalter, dpunkt.verlag, Heidel berg,2004. VOLKMANN, C./TOKARSKI K., Gründung und Wachstum von jungen Unterneh men,UTB,Stuttgart,2006.

131

4.5

4

Chancenpotenzial und Unternehmensgründung

Endnoten   1 IRELAND, D./HITT, M./CAMP, S./SECTON, D., „Integrating entrepreneurship and

strategicmanagementthinkingtocreatefirmwealth”,AcademyofManagementEx ecutive,Jg.15,Nr.1,2001,S.49–63. 2 WENERFELT,B.,„Aresourcebasedviewofthefirm”,StrategicManagementJournal,

Vol.39,Nr.6,1984,S.171–180. 3 BLÖCHLINGER, A./TROMBITAS, M., „KMUadmin: Unternehmensgründungen onli

ne“,DieVolkswirtschaft,Nr.6,2004,S.48–52. 4 MANDL, I., „Gründungskosten neuer Unternehmen in Österreich und Policy

BenchmarkingimBereichderUnternehmensgründung“,IGAZeitschriftfürKlein undMittelunternehmen,Jg.50,Nr.1,S.35–44. 5 INTERNATIONAL INSTITUTE FOR MANAGEMENT DEVELOPMENT, IMD World Competi

tivenessYearbook2003,Lausanne,2003. 6 WORLD BANK, Doing Business in 2004, Understanding Regulation, World

Bank/OxfordUniversityPress,Washington,2004.

132

Einführung

5 Firmenkauf und Beteiligung an einem Unternehmen

Lernziele Nach der Lektüre dieses Kapitels sollten Sie folgende Fragen beantworten können:

„ Was sind die Hauptmotive für den Kauf oder Verkauf eines Unterneh mens?

„ WieläuftüblicherweisederUnternehmenskaufab? „ Was sind die wesentlichen Bewertungsverfahren zur Ermittlung des Unternehmenswertes?

Begriffserklärungen Mergers&Acquisitions(M&A):Unternehmensfusionenundkäufe ManagementBuyout(MBO):KaufeinesUnternehmensdurchdiebisheri geGeschäftsführung ManagementBuyin (MBI): Kauf eines Unternehmens durch ein externes Management LeveragedBuyout(LBO):TilgungderKrediteausdemCashflowdesUn ternehmens LetterofIntent:KaufabsichtsundVertraulichkeitserklärung,Vorvertrag DueDiligence:DetaillierteundsystematischeAnalyseeinesUnternehmens DiscountedCashflowVerfahren(DCF):ErmittlungdesUnternehmenswer tesdurchDiskontierungzukünftigerCashflows Ertragswertmethode: Berechnet den Wert eines Unternehmens anhand der fürdieZukunftzuerwartendenGewinne

133

5.1

5

Firmenkauf und Beteiligung an einem Unternehmen

5.1 DerKaufeines bestehenden Unternehmens hatVorteile.

Die Gründung eines neuen Unternehmens stellt zwar die häufigste Form vonEntrepreneurshipdar.DerKaufeinesbestehendenUnternehmensoder die Beteiligung an einem Unternehmen sind allerdings auch erfolgverspre chende Wege, um Unternehmer zu werden. Die Unternehmensübernahme wirdhäufignichtinBetrachtgezogen,daunternehmerischeingestelltePer sonenlieberihreigenesUnternehmenaufbauenmöchten.DieseZurückhal tungistallerdingskeinesfallsgerechtfertigt.DieÜbernahmeeinesbestehen den Betriebs bietet eine Reihe von Vorteilen gegenüber dem kompletten Neuaufbau eines Unternehmens. Maschinen und Produktionsmittel sind bereits vorhanden und auch bestehende Kundenkontakte und Zulieferbe ziehungen können übernommen und weiter genutzt werden. Vor diesem Hintergrund kann der Eintritt ins Unternehmertum schneller und umfas sendererfolgenalsbeieinerGründung.IndennächstenJahrenwerden,wie im Kapitel 6 aufgezeigt, eine Reihe von KMU zum Verkauf stehen, da der bisherigeUnternehmeraltersbedingtausscheidenwirdundkeinfamilienin terner Nachfolger bereitsteht. Bei entsprechender Qualifikation und Mut bestehen somit vielfältige Möglichkeiten, in der Form des Unternehmens kaufsdenSchrittindieSelbstständigkeitzuvollziehen.

5.2 Diemeisten Unternehmens käufegibtesbei Familienunter nehmen.

Einführung

Umfang und Entwicklung des Marktes für Unternehmen

Firmenübernahmen oder käufe sorgen immer wieder für Schlagzeilen in derWirtschaftspresse.BeidiesenMeldungenhandeltessichmeistummilli ardenschwereFirmenkäufewiez.B.vonMannesmanndurchVodafoneoder von Aventis durch SanofiSynthélabo. Zusammenschlüsse von Großunter nehmen stehen allerdings nicht im Mittelpunkt dieses Kapitels. Daneben gibt es eine große Anzahl weniger spektakulärer, aber dennoch genauso interessanter und bedeutsamer Firmenkäufe. Im Bereich von KMU und Familienunternehmen haben Unternehmens(ver)käufe in den letzten 20 Jahren an Bedeutung gewonnen. Es lässt sich vermuten, dass der Schwer punkt der Erwerbsvorgänge in Deutschland bei den Familienunternehmen mit Jahresumsätzen von 10 bis 250 Mio. EUR liegt. Unternehmen dieser GrößenordnungwerdenvorallemdurchNachfolgeundManagementprob leme zur Veräußerung gezwungen. Zudem gibt es im mittelständischen Bereich eine Reihe von Marktnischen, in denen Unternehmen gute Erträge erwirtschaftenunddamitzubegehrtenKaufobjektenwerden.1Zudemkann ein strategisches Interesse von Unternehmen darin bestehen, sich Marktan

134

Umfang und Entwicklung des Marktes für Unternehmen

5.2

teileüberdenFirmenkaufzuerobernbzw.sichmitseinenMitbewerbernzu überlebensfähigeren Größenordnungen für globalisierte Märkte zu konsoli dieren. Die Betreuung und Durchführung von Firmentransaktionen ist ein lukrati ver Markt, auf dem Investmentbanken, Unternehmensberatungen und Rechtsanwälte tätig sind. Der Begriff Mergers & Acquisitions (M&A) hat sichalsOberbegrifffürdenBereichderUnternehmenskäufe,verkäufeund fusionenetabliert.WeiterhindientdieserBegriffaberauchalsBezeichnung für den Dienstleistungsbereich, der sich mit derartigen Transaktionen be schäftigt.DerKaufundVerkaufvonUnternehmenweistinangelsächsischen Ländern eine sehr viel längere Tradition auf als in Deutschland, Österreich und der Schweiz, was sich sowohl auf kulturelle als auch auf rechtliche Unterschiede zwischen den Ländern zurückführen lässt. Dies erklärt, wa rumderM&ABereichimWesentlichenvonenglischenBegriffendominiert wird.

DerKaufund Verkaufvon Unternehmenhat inangelsächsi schenLändern einelängere Tradition.

Der Umfang von Unternehmenstransaktionen lässt sich nicht genau ermit teln, sondern nur abschätzen. In Deutschland und den meisten anderen Ländern gibt es keine amtliche statistische Erfassung von Unternehmens transaktionen. Lediglich bei Aktiengesellschaften sind Mitteilungen über Beteiligungenerforderlich,wennbestimmteAnteilederAktieninderHand einesUnternehmensodereinerPersonsind.DieAngabenderKartellbehör densindebenfallslückenhaft,dasienurkartellrechtlichrelevanteVorgänge beinhalten.2 Da sich Mitteilungen in der Presse im Wesentlichen nur auf große Transaktionen beziehen, lässt sich die Anzahl und der Umfang an FirmenkäufenumfassendnurdurchempirischeErhebungenabschätzen. EinTeilallerFirmenkäufeundverkäufewirdinDatenbankenzuMergers& Acquisitions(M&A)erfasst.BeidenhierbeierfasstenTransaktionenhandelt es sich allerdings auch meist nur um große Unternehmenskäufe bzw. verkäufe. So weist z.B. die M&A Review Database eine Anzahl von nur 1.379 Unternehmenstransaktionen mit Beteiligung deutscher Unternehmen fürdasJahr2006aus.DerKaufundVerkaufkleinerUnternehmen,derohne die Beteiligung von M&ABeratern durchgeführt wird, ist in dieser Zahl meist nicht enthalten. Auch wenn die Anzahl von Firmentransaktionen in derDatenbankunterschätztwird,solässtsichausdemVerlaufderAngaben über die Jahre doch ein Eindruck von der Entwicklung des Umfangs von Firmenkäufengewinnen.

Datenbanken erfassenmeist nurgroßeTrans aktionen.

Weltweit ist der Markt für Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen seit Mitte der 90erJahre stark gewachsen und erreichte im Jahr 2000 einen Höhepunkt.MitdemEndederNewEconomyEuphoriebrachderMarktin den Folgejahren zunächst ein, erholte sich dann aber wieder und erreichte 2006 einen neuen Höchststand mit einem Transaktionsvolumen von 3.351

2006warein Rekordjahrfür dieM&A Branche.

135

5

Firmenkauf und Beteiligung an einem Unternehmen

Mrd. USD.3 Nicht zuletzt getrieben durch PrivateEquityGesellschaften ging der Trend weltweit hin zu „Megadeals“, die das durchschnittliche Transaktionsvolumendeutlicherhöhthaben.DiesgiltauchfürDeutschland unddieSchweizsowiebedingtfürÖsterreich.4

5.3

Motive für Kauf und Verkauf

Bevor es zu einer Unternehmenstransaktion kommt, müssen beide Seiten zunächst einmal den Entschluss zu Kauf bzw. Verkauf fassen. Der Prozess der Transaktion von Unternehmen wird deutlicher, wenn die dahinterste hendenMotiveverstandenwerden.

5.3.1

Motive für den Kauf eines Unternehmens

Gründefürden KaufeinesUn ternehmenssind: Strategie,Rendite undeigeneunter nehmerische Aktivität.

EsgibteineReihevonGründen,warummansichfürdenKaufeinesUnter nehmensoderdieBeteiligunganeinemUnternehmenentscheidenkann.Bei Privatinvestoren oder Selbstständigen stehen meist andere Motive im Vor dergrund als bei der Übernahme von Unternehmen durch andere Unter nehmen. Privatpersonen sehen einen Kauf entweder unter Renditegesichts punkten oder wollen selbst unternehmerisch aktiv werden. Wenn Unter nehmer als Käufer auftreten, tun sie dies vor allem unter strategischen Gesichtspunkten. Eine weitere Kategorie bilden die Finanzinvestoren, die mit dem Ziel einer zeitlich befristeten Transaktion in das Geschäft mit Un ternehmen(santeilen) einsteigen und eine Wertsteigerung auf ihre Invest mentserzielenmöchten.ImFolgendenwerdendiedreiwesentlichenMotive für den Kauf eines Unternehmens – Strategie, Rendite und unternehmeri sche Aktivität – und die jeweiligen Gruppen von Unternehmenskäufern kurzdargestellt.5DasichdiesesBuchmitEntrepreneurshipbefasst,wirdin diesemKapitelvorallemdasdrittebeschriebeneMotiv–derWunsch,selbst unternehmerischaktivzuwerden–behandeltunddieanderenbeidenMo tivenurkurzbeschrieben.

Einstrategischer Käuferwillseine Marktposition verbessern.

Strategie:BeimstrategischenKäuferhandeltessichmeistumeinbestehen desUnternehmen,dasmitdemKaufeinesanderenUnternehmensodervon Unternehmensteilen eine nachhaltige Verbesserung seiner Marktposition anstrebt. Nicht so sehr der Ertrag des zu kaufenden Unternehmens steht hierbeiimVordergrund,sondernvorallemdessenUmsatzbzw.Marktanteil. UnternehmenwollendurcheinensolchenKaufihreStellungaufdemMarkt verbessern oder sogar die Marktführerschaft erlangen, Synergie und Ska leneffekte erzielen, ihre Produktpalette erweitern oder auf ausländischen

136

Motive für Kauf und Verkauf

5.3

Märkten Fuß fassen. Beim Eintritt in einen ausländischen Markt ist der Er werbeinesUnternehmensdemAufbauinEigenregiemeistvorzuziehen.6In manchenFällengeschiehtderKaufeinesUnternehmensauchvordemHin tergrund,dassUnternehmensicheinesunliebsamenKonkurrentenentledi genwollen. Wenn Großunternehmen als Käufer anderer Unternehmen auftreten, ge schieht dies vor allem unter strategischen Gesichtspunkten. Ob durch den Kauf oder den Zusammenschluss großer Unternehmen tatsächlich immer dieangestrebtenSynergieundSkaleneffekteerreichtwerden,wirdkontro vers diskutiert, da es keine allgemein akzeptierte Messmethode für den ErfolgsolcherTransaktionengibt.DieErgebnissedermeistenStudienzeigen allerdings, dass Unternehmenskäufe und fusionen in der Mehrzahl der Fällenichterfolgreichsind.DiesdeutetaufdieSchwierigkeitderIntegration von verschiedenen Unternehmen mit unterschiedlichen Unternehmenskul turen hin. Für die Anteilseigner von gekauften börsennotierten Unterneh men lohnt sich eine Übernahme in den meisten Fällen allerdings schon,da diesemiteinerdurchschnittlichenKurssteigerungvon20%–zumindestauf kurzeSicht–rechnenkönnen.7

Großunterneh menkaufenmeist ausstrategischen Gründen,mit durchwachsenem Erfolg.

Rendite: Finanzinvestoren treten als Käufer von Unternehmen oder Unter nehmensteilenauf,umeinemöglichsthoheRenditezuerwirtschaften.Hin tersolchen,häufigangelsächsischgeprägtenFinanzinvestorenkönnenBan ken, Versicherungen, Pensionsfonds, Unternehmen oder vermögende Pri vatpersonen stehen.Auch bei klassischen Beteiligungsgesellschaften, die in eher traditionelle Sektoren investieren, und Risikobeteiligungsgesellschaf ten, die ihren Fokus auf wachstumsstarke Hochtechnologieunternehmen legen, stehen bei Investitionen eindeutig Renditegesichtspunkte im Vorder grund,wenndieseinandereUnternehmeninvestieren.Deshalbspielteinin etwa drei bis fünf Jahren realisierbarer Ausstieg aus dem Investment eine wichtigeRolle.

Finanzinvestoren wolleneinemög lichsthoheRen diteerzielen.

Gerade die renditeorientierten Finanzinvestoren haben bei Familienunter nehmen einen schweren Stand. „Viele lehnen das Gespräch mit Private EquityInvestoren kategorisch ab. Sie suchten das Gespräch oft erst, wenn die Firma vor demAbgrund steht.“8Alternative Finanzierungsinstrumente wie Genussscheine, stille Beteiligungen,AssetBackedSecurities und Facto ring werden kaum inAnspruch genommen. Generell zeigt sich eine reser vierteHaltunggegenüber„Miteigentümern“.TrotzdemsprechenAnzeichen für eine zunehmende Bedeutung von Private Equity und Unternehmens transaktionen: die steigende Zahl familienextern zu lösender Nachfolgefra gen, der zunehmende Kapitalbedarf zur Sicherung des Wachstums sowie eine langsame Gewöhnung an innovativere Finanzierungsinstrumente als Bankkredite.

Familienunter nehmenlehnen denEinstiegvon Finanzinvestoren meistab.

137

5 BeimKaufkann derKäuferdirekt unternehmerisch tätigwerden.

Firmenkauf und Beteiligung an einem Unternehmen

Unternehmerische Aktivität: Der Kauf eines Unternehmens durch eine Person oder eine Gruppe von Personen, die das gekaufte Unternehmen selbstunternehmerischleitenwollen,lässtsichvondendreihiervorgestell tenMotivenamehestenmitdemBegriffEntrepreneurshipbeschreiben.Der wesentliche Vorteil des Kaufs eines Unternehmens ist, dass er dem Käufer erlaubt,direktunternehmerischtätigzuwerden,daProdukte,Räumlichkei ten, Produktionsanlagen, Mitarbeiter und Kunden bereits vorhanden sind. Die Übernahme bestehender Produktionsmittel kann billiger sein als der komplette Neuaufbau einer Unternehmung. Die Erfolgsaussichten lassen sichbeimKaufeinesbestehendenUnternehmensbessereinschätzenalsbei einer Neugründung. Da bereits Daten und Informationen zum Unterneh men vorliegen, können Finanzinstitute auf einer solideren Datenbasis über einenKreditantragentscheiden,wodurchdieFinanzierungeinesUnterneh menskaufs einfacher sein kann als eine Gründungsfinanzierung. Anderer seits müssen beim Unternehmenskauf meist größere Summen aufgebracht werden, was die Finanzierung auch schwieriger machen kann. Insgesamt kann man sagen, dass der Unternehmenskauf tendenziell weniger risiko reich ist als eine entsprechende Neugründung und daher möglicherweise vonPersonenvorgezogenwird,diedasRisikoeinerNeugründungscheuen. BeimKaufeinerFirmamussallerdingsbedachtwerden,dassProduktpalet te, Branche und Struktur des Unternehmens weitgehend vorgegeben sind undnichtohneWeiteresvomneuenInhabergeändertwerdenkönnen.Jeder Unternehmer hat seinen eigenen Führungsstil, und gerade bei kleinen und mittlerenUnternehmen,diestarkvonderPersondesUnternehmersgeprägt werden,isteinFührungswechseldaherauchimmermitAnpassungsprozes senverbunden.

5.3.2 Gründefürden Verkaufeines Unternehmens sindNachfolge undFinanzie rungsprobleme.

Motive für den Verkauf eines Unternehmens

EbensowieaufderKäuferseitegibtesauchaufderVerkäuferseiteeineRei hevonGründen,einUnternehmenzuveräußern.DieMotiveunterscheiden sich nachArt der Unternehmen. Bei Familienunternehmen stehen Nachfol geprobleme, Finanzierungsprobleme, Familienkonflikte oder persönliche Gründe im Vordergrund. Beim Verkauf von Unternehmensteilen durch größere Unternehmen sind – vergleichbar zum Kauf – meist strategische ÜberlegungenvonBedeutung. Fehlender Unternehmensnachfolger: Das altersbedingte Ausscheiden des Unternehmers verbunden mit dem Fehlen eines geeigneten Nachfolgers ist vermutlich die häufigste Ursache für den Verkauf von inhabergeführten Unternehmen. In der Vergangenheit war es üblich und auch beinahe eine Pflicht, dass Sohn oder Tochter das Unternehmen der Eltern übernahmen.

138

Motive für Kauf und Verkauf

5.3

Aufgrund veränderter Wertestrukturen und einer geringen Kinderzahl hat dieUnternehmensübergabeinnerhalbderFamilieindenletztenJahrzehnten allerdingsanBedeutungverloren.NurnochguteinDrittelallermittelstän dischen Unternehmer in Deutschland geht davon aus, dass sie ihr Unter nehmen an Sohn oder Tochter übergeben werden. Insgesamt fast 28% der Unternehmer wollen das Unternehmen demgegenüber an einen Teilhaber, leitendeAngestellte oder in sonstiger Weise verkaufen. DerAnteil der ver kaufswilligenUnternehmeristindenvergangenenJahrendeutlichangestie gen, was auf die steigende Bedeutung von Unternehmenstransaktionen hinweist. Zudem hat ein großer Teil der Unternehmer die Nachfolge noch nichtgeregelt,obwohlderRuhestandbereitsingreifbareNäherückt.9Auf grunddergroßenBedeutungderUnternehmensnachfolgeistdiesemThema dasfolgendeKapitel6gewidmet. Finanzierungsprobleme: Ebenfalls wichtige Gründe für den Verkauf von inhabergeführten Unternehmen dürften Liquiditäts, Ertrags und Eigenka pitalprobleme sein.10 Die solide Finanzierung eines Unternehmens ist auf grund der konjunkturellen Lage, der gestiegenenAnforderungen aufgrund der BaselIIRegelungen, einer zurückhaltenden Kreditvergabe der Banken und einer schlechten Zahlungsmoral in den letzten Jahren zunehmend schwieriggeworden,wassichnichtzuletztauchinderzunehmendenZahl anUnternehmensinsolvenzenzeigt.11VieleUnternehmenverfügennurüber eine geringe Eigenkapitaldecke und geraten so leicht in finanzielle Schwie rigkeiten. Wenn Unternehmen aus eigener Kraft nicht mehr aus der Krise findenkönnen,werdensieineinigenFällenzumKaufangeboten.Eineder artigeSituationstelltfürdenKäufereinessolchenUnternehmensnatürlich eingroßesRisikodar.DastatsächlicheAusmaßderwirtschaftlichenProble matik eines Unternehmens kommt häufig nicht in den betriebswirtschaftli chenKennzahlenzumAusdruckundzeigtsichinvollemUmfangerstnach demKauf.Hierdurchwirddeutlich,dasseinpotenziellerKäuferdasUnter nehmen einer sorgfältigen Prüfung unterziehen sollte, bevor er dieses er wirbt. WeitereMotive:DanebengibtesnatürlichnocheineReiheweitererGründe für den Verkauf des eigenen Unternehmens. Manche Unternehmer ziehen sichausgesundheitlichenGründenzurückoderhabendasInteresseander unternehmerischen Tätigkeit verloren. Andere geraten in Probleme mit Mitgesellschaftern. Wenn einGesellschafteraus dem Unternehmen ausstei gen will und die Mitgesellschafter den geforderten Preis für seinen Anteil nicht bezahlen können, bleibt oft als einziger Ausweg nur der Fremdver kauf.12 DiebisherigenGründebezogensichvorallemaufdenVerkaufvoninhaber geführtenUnternehmen.WiebereitsangedeutetstehenbeigroßenKonzer nen häufig andere, strategische Überlegungen im Vordergrund, wenn Un

139

Liquiditäts, Ertragsund Eigenkapital problemekönnen Auslöserfür einenVerkauf sein.

5

Firmenkauf und Beteiligung an einem Unternehmen

ternehmensteile verkauft oder ausgegliedert werden. Durch die Fokussie rung auf Kernaktivitäten, aus politischen Gründen und unternehmerischen Umstrukturierungen werden Randaktivitäten abgestoßen. Auch defizitäre Unternehmensteilewerdenhäufigverkauft,insbesondereinkonjunkturellen Schwächephasen. EinKäufersollte versuchen,den wahrenGrund fürdenVerkauf herauszufinden.

Der Käufer eines Unternehmens sollte versuchen, sich selbst ein möglichst objektivesBildüberdieMotivedesVerkäuferszumachen,denndieAussa gendesbisherigenEigentümersmüssennichtimmerderWahrheitentspre chen.EinUnternehmerkannsichauchfürdenVerkaufentscheiden,weiler denMarkteintrittvonKonkurrentenantizipiertoderKenntnisvonzukünfti gen stadtplanerischen Maßnahmen hat, die dem Unternehmen die Ge schäftsgrundlage entziehen werden, und er vor diesem Hintergrund sein Unternehmen noch rechtzeitig abstoßen will. Dies zeigt die Notwendigkeit auf, sich vor dem Kauf umfassend über das Unternehmen und dessen Marktumfeldzuinformieren.

5.4

Methoden des Unternehmenskaufs und der Beteiligung an Unternehmen

Es gibt verschiedene Wege, wie eine Unternehmenstransaktion ausgestaltet werdenkann.InrechtlicherHinsichtkönnenUnternehmenundBeteiligun genanUnternehmenaufdreiverschiedenenWegenerworbenwerden. EineÜbernahme überdieBörse kommtnurbei börsennotierten AGsinBetracht.

ÜbernahmeüberdieBörse:EineÜbernahmeüberdieBörsekommtnurbei Aktiengesellschaften in Betracht. Auch bei börsennotierten Aktiengesell schaften werden umfangreiche unternehmerische Beteiligungen aber meist nicht über die Börse, sondern über Paketkäufe durch Verhandlungen mit dembisherigenPaketinhabergetätigt.BeieinerbreitenStreuungderAktien kannderÜbernahmeinteressentdenAktionärenaucheinöffentlichesÜber nahmeangebot unterbreiten. Auch die spektakuläre Übernahme von Man nesmann durch Vodafone erfolgte auf diese Weise. In der Schweiz hat die Übernahme der börsennotierten ArboniaForster AG durch den Unterneh merEdgarOehlerfürAufmerksamkeitgesorgt.

Unternehmens anteilewerden häufiganbeste hendeGesell schafterverkauft.

Übergang der Anteile an bestehende Gesellschafter: Die Übertragung eines Unternehmens muss nicht in jedem Fall an vollkommen neue Gesell schafter erfolgen. Auch der Übergang der Unternehmensanteile an einen odermehrerebestehendeGesellschafteristmöglich.InsbesonderebeiFami lienunternehmen wird diese Form der Unternehmensübertragung häufig genutzt, um die Gesellschafterstruktur zu bereinigen und den Fortbestand desUnternehmenszusichern.AuchbeiderVererbungeinesUnternehmens,

140

Methoden des Unternehmenskaufs und der Beteiligung an Unternehmen

5.4

beidemsämtlicheerbrechtlichenNachfolgeralsGesellschafterindasUnter nehmen eintreten, ist eine derartige Bereinigung der Gesellschafterstruktur ofterforderlich,umFührungsproblemezuvermeiden.13 Unternehmensübergang durch Kauf: Der dritte und letzte Fall ist der Un ternehmensübergang durch Kauf, d.h. durch Verhandlungen und einen anschließenden Kaufvertrag. Hierbei handelt es sich um die Form des Un ternehmensübergangs, die am ehesten dem entspricht, was man umgangs sprachlich unter dem Kauf eines Unternehmens versteht. Derartige Unter nehmenskäufe stehen auch im Mittelpunkt dieses Kapitels. Die anderen beiden Formen des Unternehmensübergangs kommen im Falle des Kaufs über die Börse nur für wenige, meist größere Unternehmen infrage oder aber behandeln den Übergang an einen bestehenden Gesellschafter. Die Übergabe von Familienunternehmen an einen oder mehrere Nachfolger wirdauchimfolgendenKapitel6ausführlichdiskutiert.

ImMittelpunkt diesesKapitels stehtderUnter nehmensübergang durchKauf.

UnabhängigvonderrechtlichenAusgestaltunggibtesauchinBezugaufdie PersondesKäufersfolgendeSonderfällebeimUnternehmenskauf: MitdemBegriffdesManagementBuyout(MBO)bezeichnetmandenKauf einesUnternehmensdurcheineodermehrerePersonenausdemBereichder bisherigenGeschäftsführung.FallssichineinemFamilienunternehmenkein geeigneter Nachfolger für den bisherigen Unternehmer findet, kann eine ÜbernahmedurchFührungskräftederzweitenFührungsebeneeingeeigne terWegsein,dasUnternehmenweiterzubetreiben.AuchbeiderVerselbst ständigung von Konzernteilen wird häufig ein MBO angewendet. Voraus setzungfürdieDurchführungeinesMBOistallerdings,dassdiegeplanten FührungskräfteüberentsprechendesunternehmerischesTalentundInteres severfügen.

BeimMBOwird dasUnternehmen anPersonenaus derbisherigen Geschäftsführung verkauft.

Ein MBO weist eine Reihe von Vorteilen gegenüber anderen Formen des Unternehmenskaufsauf.SokennendiezukünftigenInhaberdasUnterneh mengut,dasieschonseiteinigerZeitindiesemtätigsind.Auchgegenüber KundenundMitarbeiternwirdeineKontinuitätdemonstriert,diesichposi tivaufdieKundenkontakteunddieMitarbeitermotivationauswirkt.Zudem bekommen fremde Interessenten keinen Einblick in das Unternehmen, was imFalleinesVerkaufsanExternenötigwäre.DergrößteNachteilbeieinem MBOisthäufig,dassdiebisherigenManagernichtübergenugeigenesKapi talundSicherheitenzumErwerbdesUnternehmensverfügen.DieFinanzie rungeinesMBOgestaltetsichdaherschwierigunderfolgtinfastallenFäl len unter Beteiligung von Finanzinvestoren oder Zuhilfenahme von Bank krediten, z.B. in Form eines Leveraged Buyout. Bei diesen MBOFällen werdenmehrjährigeFinanzierungspläneaufgestellt,dieunterEinsatzdiver ser Finanzierungsinstrumente (vgl. Kapitel Finanzierung) und teilweise steuermindernden Holdingkonstruktionen Lösungen für die Käufer anbie

EinMBOweist eineReihevon Vorteilengegen überdemVerkauf anExterneauf.

141

5

Firmenkauf und Beteiligung an einem Unternehmen

ten,ausdenzukünftigerwirtschaftetenCashflowsdieFinanzierungspartner wiederauszuzahlen. BeimLBOwer dendieKredite ausdemCash flowdesUnter nehmensbedient.

DerBegriffLeveragedBuyout(LBO)nimmtnichtaufdiePersondesKäu fers,sonderndiebesondereFormderFinanzierungBezug:DieKredite,die zur Finanzierung des Kaufs aufgenommen werden, werden wiederum aus denCashflowsdesUnternehmensbedientundüberVermögensgegenstände des Unternehmens abgesichert. Wegen der hohen Fremdfinanzierung einer solchenAkquisitionunddemSicherungsinteressederkreditgebendenBan ken kommt ein LBO nur bei solchen Unternehmen infrage, die eine stetige und hohe Rendite aufweisen und bei denen die Kreditgeber dem neuen Managementvertrauen.14 MBO und LBO haben im deutschsprachigen Europa nicht die Bedeutung, diesie indenUSA oder in Großbritannien haben. Der Hauptgrund hierfür liegt in den in Deutschland, der Schweiz und Österreich schwierigeren rechtlichen und steuerrechtlichen Rahmenbedingungen. Möglicherweise spieltauchdiegeringereRisikofreudederManagereineRolle.15

BeimMBIer wirbteinexternes Managementdas Unternehmen.

Im Unterschied zum MBO spricht man von einem ManagementBuyin (MBI), wenn ein Unternehmen von einem externen Management erworben wird und sich dieses quasi ins Unternehmen einkauft. Charakteristisch für diese Formen des Erwerbs ist der relativ geringe Einsatz von Eigenmitteln, was eine Gemeinsamkeit zum MBO darstellt. Da ein externesManagement aber in aller Regel auf weniger Vertrauen in der Belegschaft stößt und der wirtschaftliche Erfolg schlechter prognostizierbar ist, zeigen Kreditgeber hiermeisteinegeringereBereitschaftzurKreditvergabealsbeieinemMBO. EinMBIkannallerdingsauchVorteilegegenübereinemMBObieten,daein externes Management neues Wissen und Fähigkeiten ins Unternehmen bringt und nicht die Gefahr von Betriebsblindheit besteht. Daher wird ein MBIzumTeilinSituationendurchgeführt,indenensichdasUnternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet. Der Verkauf an ein externes ManagementstelltdanndenVersuchdar,dasUnternehmenvordemKon kurszuretten.

Unternehmerprofil:EhssanDarianiundDennisBemmann,GründervonStudiVZ Ehssan Dariani und Dennis Bemmann gründeten im Oktober 2005 StudiVZ. 15 Monate später verkauften sie ihr Start-up an „Holtzbrinck Networks“. Wie viel der Käufer genau bezahlte, ist nicht bekannt, aber es sollen rund 85 Mio. EUR gewesen sein. Nicht schlecht für 15 Monate Arbeit. Dariani brachte die Idee für StudiVZ aus den USA mit. Nach seinem Studium an der Universität St. Gallen absolvierte er dort ein Praktikum und konnte live miterleben, wie junge Internetunternehmen aus dem Boden schossen. Das Unternehmen Facebook,

142

Die zentralen Schritte im Kauf- und Beteiligungsprozess

5.5

die amerikanische Version von StudiVZ, war zu diesem Zeitpunkt bereits heiß begehrt, sowohl bei den Nutzern als auch seit 2006 verstärkt bei potenziellen Investoren. Der Gründer Mark Zuckerberg blieb jedoch standhaft. Laut Presseberichten soll er bereits 2006 ein Übernahmeangebot von ca. 975 Mio. USD ausgeschlagen haben. Bis heute verkaufte er lediglich einen Anteil von 1,6 % seines Unternehmens an Microsoft, für 256 Mio. USD. StudiVZ war Darianis zweite Unternehmensgründung: Ein erster Versuch war die Gründung einer Kosmetikgruppe für Herren, der jedoch scheiterte. StudiVZ war dafür umso erfolgreicher, auch wenn es immer wieder Kritik am Unternehmen gab. Bedenken wurden hinsichtlich des Datenschutzes, wegen Plagiarismus, Geschäftsgebaren und anderer Dinge laut. Aber das Unternehmen hat dazu gelernt und ist unter Studierenden beliebter denn je: Über 4 Mio. Studierende sollen sich nach Angaben von StudiVZ bereits registriert haben. War und ist StudiVZ aber 85 Mio. EUR wert? Eine Frage, die nur schwer zu beantworten ist. Genauso schwer wie die Frage, ob YouTube die 1,3 Milliarden EUR Wert ist, die Google im Oktober 2006 bezahlte. Erträge gab es zum Zeitpunkt des Verkaufes noch nicht oder nur in geringem Maße. Werbeeinahmen sind bei mehreren Millionen Nutzern sicherlich eine zukünftige Einnahmequelle. Zumal Werbung aufgrund von Nutzerinformationen zielgerichtet platziert werden kann. Die Höhe der Einnahmen lässt sich aber nur schätzen, da sie unter anderem von zukünftigen Nutzerzahlen und Zugriffszahlen abhängt.

DerWertvon Internetunter nehmenist schwerzu schätzen.

Was sich aber jetzt schon sagen lässt: Holtzbrinck Networks, die Internet-Beteiligungsholding der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck, erhält mit der Übernahme Zugriff auf eine für das Unternehmen relevante Zielgruppe. Zur Verlagsgruppe selbst gehören unter anderem DIE ZEIT, der Rowohlt Verlag und die Verlagsgruppe Handelsblatt mit Magazinen und Zeitungen wie karriere, Wirtschaftswoche oder dem Handelsblatt. Studierende sind damit eine strategisch wichtige Zielgruppe.

5.5

Die zentralen Schritte im Kauf- und Beteiligungsprozess

Generell lassen sich zwei Verfahren der Abwicklung von Unternehmens transaktionen unterscheiden. Beim herkömmlichen Verfahren stehen sich von vornherein zwei Verhandlungspartner gegenüber, wohingegen beim Bietungsverfahren(ControlledAuction)gezieltUnternehmenangesprochen werden,obsieamKaufeinesanderenUnternehmensinteressiertsind;meh rereUnternehmenkönnenAngebotefüreinzuveräußerndesUnternehmen abgeben. Das Bietungsverfahren kommt meist bei der Einschaltung von Investmentbanken zum Einsatz. Der hier dargestellteAblauf, der im Über blick auch in Tabelle 51 skizziert ist, bezieht sich auf den ersten Fall, bei dem sich von Anfang an zwei Verhandlungspartner gegenüberstehen. Die Ausführungen beschreiben den idealtypischen Verlauf des Kaufs bzw. Ver

143

Idealtypisch verläufteine Transaktionin aufeinander abgestimmten Phasen.

5

Firmenkauf und Beteiligung an einem Unternehmen

kaufseinesUnternehmens.InderRealitätverläufteinKaufzwarnichtim mergenaunachdiesemSchema,dasgrobeMusteristabermeistgleich.

Tabelle51

DiewesentlichenAktivitätenvonKäuferundVerkäuferimTransaktionsprozess Phase

Käufer

Verkäufer

Kauf- und Verkaufsvorbereitung

Prüfung der eigenen Fähigkeiten und Motive

Entschluss, das Unternehmen zu verkaufen

Festlegung von Zielbranche Erste interne Bewertung und -größe des Unternehmen Kontaktaufnahme

Direkt, über Business Broker oder über Internetbörsen

Erste Verhandlungen

Absprache der groben Bedingungen einer Transaktion und des weiteren Vorgehens

Letter of Intent

Erklärung der Kaufabsicht und Zusicherung der vertraulichen Behandlung von Unternehmensdaten

Bereitschaft, vertrauliche Unternehmensdaten zur Verfügung zu stellen

Due Diligence

Durchführung der Due Diligence

Bereitstellung von Informationen über das Unternehmen

Vor Verkaufsverhandlungen

Sicherstellung der Finanzierung

Verkaufsverhandlungen und Vertragsabschluss

Verhandlungen über Preis und Vertragsklauseln, Vertragsunterzeichnung

Nach Vertragsabschluss

Zahlung des Kaufpreises

Übergabe der Unternehmensanteile

Unternehmerischer Neubeginn

Neubeginn mit neuen Management oder Integration in ein bestehendes Unternehmen

Ehemaliger Unternehmer in manchen Fällen weiterhin in beratender Funktion im Unternehmen tätig

5.5.1 Käuferund Verkäuferseite solltensichüber ihreMotiveund Fähigkeitenim Klarensein.

Direkt, über Business Broker oder über Internetbörsen

Kauf- und Verkaufsvorbereitung

Eine Unternehmenstransaktion beginnt damit, dass sich beide Seiten, also potenzielle Käufer und Verkäufer, über ihre Ziele und Motive klar werden undsichbewusstfürdenKaufbzw.VerkaufeinesUnternehmensentschei den. AufKäuferseitesollteanallerersterStelleeinekritischePrüfungdereigenen Fähigkeiten, Interessen und Motive erfolgen. Der potenzielle Käufer sollte

144

Die zentralen Schritte im Kauf- und Beteiligungsprozess

5.5

sich fragen, ob er das Zeug zum Unternehmer hat und warum er sich für denKaufeinesUnternehmensstattfüreineNeugründungentscheidet.Zu dem sollte er sich darüber klar werden, welcher Branche und Unterneh mensgrößeseinInteressegilt,wobeiauchdieeigenenfinanziellenMöglich keitenbedachtwerdensollten,daeinUnternehmenskauffastnieohneeige nesKapitaloderSicherheitenzustandekommt. Auf Verkäuferseite muss der Entschluss gefasst werden, das Unternehmen zu veräußern. Die Motive für einen Verkauf können hierbei, wie bereits dargestellt,sehrunterschiedlichsein.FallsesineinemUnternehmenmehre re Gesellschafter gibt, denen das Unternehmen gehört, sollte ein Sprecher bestimmt werden, der für die Verhandlungen mit dem potenziellen Käufer zuständigist.ZudemwirdmanbereitsvordemEintrittindieVerhandlun gen mit potenziellen Käufern eine erste interne Bewertung des Unterneh mens durchführen und auf diese Weise den groben Rahmen für die Ver handlungenabstecken.

5.5.2

Kontaktaufnahme und erste Verhandlungen

EinewichtigeVoraussetzungfüreineUnternehmenstransaktionist,dassein geeigneter Käufer für ein zum Verkauf stehendes Unternehmen gefunden wird bzw. ein Kaufinteressent ein für sich passendes Unternehmen findet. DerMarktfürUnternehmenistallerdingswenigübersichtlich.SowohlKäu fer als auch Verkäufer möchten oft nicht öffentlich bekannt werden, bevor eine Transaktion tatsächlich unter Dach und Fach ist. Da der Verkauf von UnternehmeninDeutschland,ÖsterreichundderSchweizkeineausgepräg te Tradition hat, finden sich hier im Unterschied zu angelsächsischen Län dernkaumgewerblicheUnternehmensmakler,diegegenProvisionVerkäu fer mit potenziellen Käufern zusammenbringen. Bevor man mit einem sol chen Business Broker zusammenarbeitet, ist es ratsam, sich Referenzen benennenzulassen,umdessenSeriositätsicherzustellen.

DerMarktfür Unternehmens transaktionenist unübersichtlich.

Eine wichtige Quelle zum Auffinden eines geeigneten Unternehmens oder eines passenden Käufers sind aber nach wie vor persönliche Kontakte und Netzwerke.Diesesolltengenutztwerden,damandurchsiebereitsineinem frühenStadiumKenntnisvonKaufoderVerkaufswünschenerhaltenkann. Wenn man den Eigentümer eines zum Verkauf stehenden Unternehmens bereits persönlich kennt, kann das den Beginn der Verkaufsverhandlungen deutlicherleichtern.AuchM&ABerater,BankensowieIndustrieundHan delskammern spielen eine wichtige Rolle bei der Vermittlung und Anbah nungvonUnternehmenstransaktionen.

PersönlicheKon taktesindeine wichtigeQuelle, umgeeignete Unternehmen bzw.Käuferzu finden.

145

5

Firmenkauf und Beteiligung an einem Unternehmen

Internet Unternehmens börsenwerden wichtiger.

Vor dem Hintergrund einer steigenden Zahl von Unternehmen, die in den nächstenJahreneinenUnternehmernachfolgerbenötigen,gibtesauföffent licherSeiteinzwischeneineReihevonInitiativen,dieKäuferundVerkäufer zu vermitteln versuchen. Im Internet können Datenbanken mit Informatio nen über Unternehmen, die zum Verkauf stehen, eingesehen werden. Um gekehrtkönnenauchpotenzielleKäuferihreVorstellungenübereinUnter nehmen inserieren. Für Deutschland ist die größte und bekannteste Unter nehmensbörse im Internet www.nexxtchange.org, die von Käufern und Verkäufernkostenfreigenutztwerdenkannundderzeitinsgesamtmehrals 10.000 Inserate enthält. In Österreich bietet die Nachfolgebörse der Wirt schaftskammern (www.nachfolgeboerse.at) die größte Auswahl an Unter nehmen, die zur Übergabe anstehen. In der Schweiz ist die Internetportal www.kmunext.chdiebedeutendstePlattformzurUnterstützungvonNach folgeplanungenundUnternehmensübernahmenbeiKMU.DiePrüfungder Seriosität von Käufer und Verkäufer stellt eine Herausforderung für diese Unternehmens und Nachfolgebörsen dar, die daher im Anschluss an das Matching auf die Mitwirkung von seriösen Regionalpartnern angewiesen sind.

Qualifizierte Beratersollten frühzeitighinzu gezogenwerden.

Die aufgeführten Internetunternehmensbörsen erleichtern vor allem das AuffindenvongeeignetenUnternehmen.AlleweiterenSchritteeinerUnter nehmenstransaktionwerdenallerdingsnichtüberdasInternetabgewickelt, sondernerforderndenpersönlichenKontakt.BeideSeiten,KäuferundVer käufer,solltenfrühzeitigExpertenzurateziehen,diesiebeimweiterenVor gehen beraten. Dieser Hinweis dient nicht dazu, den Berufsstand der Rechtsanwälte oder M&ABerater zu fördern. Der Kauf bzw. Verkauf eines UnternehmensistallerdingseinederartkomplexeundfolgenreicheAngele genheit,dassrechtzeitigSpezialistenhinzugezogenwerdensollten. VordemEintrittindieVerhandlungenwirdjedeSeitezunächsteineinterne Bewertung vornehmen, welchen Preis sie für das Unternehmen zu zahlen bereit ist bzw. zu welchen Bedingungen man einem Verkauf zustimmen würde.NachderKontaktaufnahmebeginnendieerstenVerhandlungen,bei denendiegrobenBedingungeneinermöglichenTransaktionsowiedaswei tereVorgehenausgehandeltwerden.

5.5.3 EinLetterof Intenterlaubt denEinblickin Firmeninterna.

Letter of Intent

WennbeideSeitennachdenerstenVerhandlungenweiterhinamKaufbzw. VerkaufdesUnternehmensinteressiertsind,wirdmeisteinLetterofIntent ausgetauscht. Ein Letter of Intent ist eine Kaufabsichts und Vertraulich keitserklärungundbildetdieBasisfürweitereAnalyseschritte.AlseineArt VorvertraggibterbeidenSeiteneinegewissePlanungssicherheit,bindetdie

146

Die zentralen Schritte im Kauf- und Beteiligungsprozess

5.5

Vertragsparteien allerdings noch nicht im Hinblick auf einen tatsächlichen Abschluss. Ein solcher Vorvertrag wird abgeschlossen, weil derAuftragge bereinerDueDiligencedasEinverständnisbenötigt,vertraulicheFirmenin ternazuerhalten,diefürdieDurchführungeinerDueDiligenceerforderlich sind.DerLetterofIntentbeinhaltetdaherdieVerpflichtungzurGeheimhal tung und Nichtverwendung von Unternehmensgeheimnissen sowie die Vereinbarung einer Vertragsstrafe im Falle der Zuwiderhandlung. Diese Verpflichtung ist erforderlich, da nicht in jedem Fall tatsächlich ein Kauf zustande kommt und es auch Beispiele dafür gibt, dass Unternehmen nur deshalb Interesse am Kauf eines anderen Unternehmens vorgeben, weil sie aninterneInformationenüberKonkurrentengelangenwollen.16

5.5.4

Detailuntersuchung des Kaufobjektes

EineDueDiligenceisteinedetaillierteundsystematischeAnalysederwirt schaftlichenundrechtlichenVerhältnisseeinesUnternehmensmitdemZiel, einGesamtbilddesUnternehmenszuerhalten.DerBegriff„DueDiligence“ entstammt der Praxis des USamerikanischen Mergers&Acquisitions Geschäftsundbedeutet„mitgebührenderSorgfalt“.DieBasisfürdieDurch führung einer Due Diligence ist in aller Regel ein Letter of Intent, auf den obenbereitsnähereingegangenwurde.

„DueDiligence“ heißt„mit gebührender Sorgfalt“.

BeimKaufbzw.VerkaufeinesUnternehmensodervonUnternehmensteilen wirdmeisteineDueDiligencedurchgeführt.EineDueDiligencewirdübli cherweisevompotenziellenKäufereinesUnternehmensinAuftraggegeben, dersichhierdurcheineumfassendeDarstellungderzentralenChancenund insbesondereRisikofaktoreneinerUnternehmungerhofft.Damitwirdervor Überraschungen geschützt und gewinnt Argumente für einen möglichst niedrigenKaufpreis. EineDueDiligenceuntersuchtnichtnurfinanzielleKennzahlendesUnter nehmens,sondernumfasstauchdasMarktundWettbewerbsumfeld(wirt schaftlicheDueDiligence),denProduktionsablaufsowiedieForschungund Entwicklung (technische Due Diligence), die interne Organisation und IT Struktur des Unternehmens, rechtliche und steuerrechtliche Aspekte, Um weltaspektesowiedieUnternehmenskultur.EineDueDiligencefügtquanti tative und qualitative Merkmale zu einem Gesamtbild des betrachteten Unternehmens zusammen. Die Komplexität der Bewertung eines Unter nehmens macht es erforderlich, Experten aus verschiedenen Bereichen an derDurchführungeinerDueDiligencezubeteiligen. EmpirischeStudienzeigen,dassdasvorrangigeZielbeiderDurchführung einer Due Diligence die Aufdeckung von Risiken im Zielunternehmen ist.

147

EineDueDili genceumfasst wirtschaftliche, technische, organisatorische undrechtliche Aspekte.

5

Firmenkauf und Beteiligung an einem Unternehmen

Die Ermittlung des Unternehmenswertes,Analyse des Unternehmens oder Bestimmung von Synergieeffekten rangieren deutlich dahinter.17 Falls im RahmeneinerDueDiligencegroßeRisikenoderMängelaufgedecktwerden, mitdenenderKäuferbeiEintrittindieVerhandlungennichtgerechnethat, kannesauchzueinemAbbruchderVerhandlungenkommen. Eine Due Diligence bildet die Grundlage für die Bewertung eines Unter nehmens. Nur durch die umfassende Kenntnis der internen Struktur eines Unternehmens und seiner Umwelt lässt sich ein angemessener Preis bestimmen. Da es zahlreiche Verfahren zur Wertbestimmung eines Unter nehmensgibt,werdendieseseparatinAbschnitt5.6dargestellt.

5.5.5

Verkaufsverhandlungen und Vertragsabschluss

Einwichtiges Themabeiden Verkaufs verhandlungen istderPreis.

DieeigentlichenVerkaufsverhandlungenkönnenerstdannbeginnen,wenn sichderpotenzielleKäuferz.B.anhandeinerDueDiligenceeinumfassen des Bild vom Zielunternehmen gemacht hat. Ein bestimmendes Thema bei solchen Verhandlungen ist der Kaufpreis. Die unterschiedlichen Bewer tungsverfahrenführeninderRegelzukeinemeindeutigenPreisundlassen dahernochSpielraumfürVerhandlungen.DaderWerteinesUnternehmens vorallemvondenerwartetenzukünftigenGewinnenabhängt,dienaturge mäß nur schwer prognostizierbar sind, wird jede Seite unterschiedliche Berechnungenpräsentieren,dieaufeheroptimistischenodereherpessimis tischen Szenarien beruhen. Selbstverständlich ist das Ergebnis solcher Ver handlungen auch immer von der Verhandlungsposition der beiden Seiten abhängig. Wenn eine Seite unter Zeitdruck handelt, müssen in der Regel stärkereZugeständnissebeimKaufbzw.Verkaufspreisgemachtwerden.Es gibt unterschiedliche Strategien zur Durchführung von Verkaufsverhand lungen,diehiernichtimDetaildargestelltwerdenkönnen.

DieFormulierung desKaufvertrags solltedurch Expertenerfolgen.

Spätestens zu Beginn der Abschlussverhandlungen muss der Käufer die Finanzierung sichergestellt haben. Der letztendliche Kaufvertrag muss vor allem die folgendenAspekte regeln: Festlegung der Vertragspartner, Kauf gegenstand, Übergabestichtag, erforderliche Zustimmungserklärungen, Kaufpreis, Zusicherungen und Garantien, Rechtsfolge bei Nichterfüllung der vertraglichen Garantien und Zusicherungen sowie die Leitung und FortführungdesUnternehmensinderZeitzwischenVertragsabschlussund Übergabestichtag.18FürumfassendeHinweisezurVertragsgestaltungistauf dieLiteraturverwiesen.InderPraxissolltedievertraglicheGestaltungeiner Unternehmenstransaktion natürlich immer unter Beteiligung qualifizierter Rechtsanwälte stattfinden. Vor Unterzeichnung eines Kaufvertrags wird in der Regel jede Klausel durchgesprochen und verhandelt. Solche Verhand lungenkönnensehrzeitaufwendigundemotionalsein.Dasichausharmlos

148

Die zentralen Schritte im Kauf- und Beteiligungsprozess

5.5

klingenden Formulierungen einzelner Klauseln folgenschwere Konsequen zenergebenkönnen,sollteeinKaufvertraginkeinemFallüberstürztunter schriebenwerden.19 Die Vertragsverhandlungen enden mit der Unterzeichnung des Kaufver trags.SpätererfolgtdanndieZahlungdesKaufpreisessowiedieÜbergabe der Unternehmensanteile, was auch mit dem Begriff Closing beschrieben wird.

5.5.6

Unternehmerischer Neubeginn

Viele Ratgeber zum Unternehmenskauf betrachten nur die rein rechtliche SeitederAbwicklungeinerTransaktionundendenmitderUnterzeichnung des Kaufvertrags und der Übertragung des Unternehmens an den Käufer. FürdenneuenInhaberdesUnternehmensendeteinUnternehmenskaufan dieser Stelle aber keineswegs. Der komplexe Prozess der Integration des gekauftenUnternehmensineinanderesbestehendesUnternehmenoderder Neubeginn des Unternehmens mit neuem Inhaber und Geschäftsführer beginnterstandieserStelle.GeradebeigroßenUnternehmensfusionenwird kritisiert, dass der Integration eines neuen Unternehmens häufig zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Der großeAnteil von nicht erfolgreichen Unternehmensfusionen lässt sich vermutlich auf ein unzureichendes „Post MergerIntegrationManagement“zurückführen.

NachdemKauf folgtder Neubeginn.

Der neue Inhaber eines Unternehmens sollte gerade in der Anfangsphase mitvielFingerspitzengefühlvorgehen.EinBesitzerwechselwirdvonAnge stellten,KundenundZulieferernimmeralsmehroderwenigstarkerBruch wahrgenommen. Die hieraus resultierende Unsicherheit kann abgebaut werden,indemdieunternehmerischenPlänedargestelltsowiePerspektiven fürdieMitarbeiteraufgezeigtwerden.WenneinUnternehmensverkaufvor dem Hintergrund einer Unternehmenskrise stattfindet, müssen allerdings auch frühzeitig Reformen und Umstrukturierungen eingeleitet werden. In einemsolchenFallstelltderunternehmerischeNeubeginneineGratwande rungzwischenderVermeidungvonzustarkenBrüchenundderDurchfüh rung notwendiger Reformen dar. Der Unternehmer sollte versuchen, Unsi cherheit und Motivationsprobleme bei der Belegschaft sowie den Weggang vonwichtigenFührungskräftenzuvermeiden.

DerneueInhaber sollteversuchen, Unsicherheitbei derBelegschaft zuvermeiden.

ZumTeilwirdbeiderÜbertragungvonUnternehmenauchvereinbart,dass der alte Inhaber oder Geschäftsführer für eine gewisse Zeit in beratender FunktionzurVerfügungsteht.EinesolcheRegelungkanndieEinarbeitung desneuenUnternehmersdeutlicherleichternundeinepositiveWirkungauf dieStabilitätdesUnternehmenshaben.

149

5

Firmenkauf und Beteiligung an einem Unternehmen

5.6

Bestimmung des Wertes eines Unternehmens

Eine wichtige Frage beim Kauf bzw. Verkauf eines Unternehmens ist die Ermittlung seines Wertes. Aufgrund der Bedeutung des Themas wird die WertbestimmunghierineinemeigenenAbschnittdargestellt. DerWerteines Unternehmens wirdvondessen Ertragskraft bestimmt.

Viele Unternehmer haben eine falsche, unrealistisch hohe Vorstellung vom WertihresUnternehmens,diemehraufEmotionenalsaufFaktenberuht.Sie gehenz.B.vondenAnschaffungskostenfürdieProduktionsmitteldesUn ternehmensausundaddierenzusätzlichnocheinePrämiefürdenKunden stammunddieFunktionsfähigkeitdesBetriebes.TatsächlichwirdderWert einesUnternehmensabervomNutzenbestimmt,denesfürdenEignerbzw. potenziellenKäuferhat;undderistimWesentlichennurabhängigvonder Ertragskraft des Unternehmens.20 Ein Unternehmen, das keinen Gewinn erwirtschaftet und voraussichtlich in Zukunft auch nicht erwirtschaften wird,istvordiesemHintergrundnichtbesonderswertvoll. DerWerteinesbörsennotiertenUnternehmenslässtsichanhanddesAktien kurses relativ klar und eindeutig bestimmen. Die Bewertung eines nicht notierten Unternehmens ist allerdings ein schwierigere und komplexeAuf gabe. Unterschiedliche Bewertungsverfahren können unterschiedliche Er gebnisse liefern, wobei auch immer subjektive Wertungen von Bedeutung sind. DiezentralenEinflussfaktorenaufdenWerteinesKMU/Startupslauten: 1.

Kompetenzen, Qualität, Motivation, Rollenverteilung, Erfahrung und KreativitätderGeschäftsführung

2.

zeitliche Dimension, d.h. Prognosehorizonte der Zukunftswerte, Zeit wertdesGeldes,ZeitbiszubestimmtendefiniertenMeilensteinen

3.

Finanzmarktumfeld und damit Angebot und Nachfrage sowie allge meine Markteinschätzungen und „bezahlte Unternehmenspreise“ für Vergleichswerte

4.

Umgang mit den Risikokomponenten, d.h. systematisches und unsys tematisches Risiko des Unternehmens, Diskontierungszuschläge auf den Kapitalkostensatz und RenditeRisikoVerhältnis des Kaufinteres senten

5.

QualitätderAbsatzprognosendesUnternehmens

6.

eingesetzteBewertungsmethoden21

150

Bestimmung des Wertes eines Unternehmens

5.6

DieVerfahrenzurBewertungvonUnternehmenlassensichgrobindiefünf Gruppen einteilen: Ertragswertverfahren, Marktwertverfahren, Substanz wertverfahren,PraktikerverfahrenundweitereVerfahren,dieimFolgenden jeweilskurzdargestelltwerden.

5.6.1

Ertragswertverfahren

Die Ertragswertmethode (i.e.S.) berechnet den Wert eines Unternehmens anhand der für die Zukunft zu erwartenden Gewinne, wobei diese auf der Basis der derzeitigen Gewinne oder der Gewinne eines repräsentativen Geschäftsjahresgeschätztwerden.BerücksichtigtwirddieAusschüttungan dieEigentümer,dienachAbzugallerAnsprücheanFremdkapitalgeber,den Staat oder andere anspruchsberechtige Parteien verbleibt. Diese Ausschüt tungbzw.derReingewinnwirdmiteinemmarktüblichenZinssatzaufihren Gegenwartswertdiskontiert.DieSummedieserdiskontiertenErträgeergibt den Wert des Unternehmens. Wenn darüber hinaus noch Sachwerte  im Unternehmen vorhanden sind, die nicht betriebsnotwendig sind, wie z.B. Grundstücke, werdendiesemitihrem voraussichtlichenVeräußerungserlös zumErtragswertaddiert.DasErtragswertverfahrenisteinrelativeinfaches Bewertungsverfahren,wasallerdingsaufgrundseinerSimplizitätauchkriti siertwird.SohabenbereitskleineÄnderungendesverwendetenKapitalisie rungszinssatzes erhebliche Auswirkungen auf den ermittelten Unterneh menswert.22

DieErtrags wertmethode ermitteltden Werteines Unternehmens anhandder zukünftigzu erwartenden Gewinne.

DasDiscountedCashflowVerfahren(DCF)besitztinternationaleineweite Verbreitung und hat sich insbesondere bei grenzüberschreitenden Transak tionenzumStandardverfahrenderBewertungvonUnternehmenentwickelt. Bei der DCFMethode wird der Unternehmenswert durch Diskontierung zukünftig erwarteter Cashflows ermittelt. Ähnlich wie beim oben beschrie benen Ertragswertverfahren wird beim DCFVerfahren also der Gegen wartswert von zukünftigen monetären Größen zur Berechnung des Unter nehmenswertesherangezogen.ImUnterschiedzurErtragswertmethode,bei welcher der Unternehmenswert durch Diskontierung zukünftiger Gewinne ermitteltwird,handeltessichbeimDCFVerfahrenumeinezahlungsstrom orientierteMethode.DurchdieOrientierungamZahlungsstrombzw.Cash flowwerdeninstärkeremMassedieSichtweisedesamUnternehmeninte ressiertenpotenziellenKäuferssowiedieErkenntnissederInvestitionstheo rie berücksichtigt.23 Üblicherweise wird der zukünftige Free Cashflow verwendet, wobei es sich um den Betrag handelt, der zur Zahlung von Fremdkapitalzinsen, Dividenden und zur Tilgung von Finanzverbindlich keitenzurVerfügungsteht.24ZurBerechnungdesgenauenUnternehmens wertes werden die Free Cashflows der zumeist fünf Planjahre detailliert

DieDCF Methode berechnetden Unternehmens wertdurchdie Diskontierung erwarteter Cashflows.

151

5

Firmenkauf und Beteiligung an einem Unternehmen

ermittelt und einzeln diskontiert, dazu wird der Restwert addiert, der eine repräsentativeFortschreibungderFreeCashflowsabdemsechstenJahrbis in die Ewigkeit darstellt und ebenfalls entsprechend diskontiert wird. Da dieser Restwert einen sehr hohen Einfluss auf den ermittelten Unterneh menswert hat, gleichzeitig aber auch relativ leicht variiert werden kann, kommt der Diskussion über die einzusetzenden CashflowZahlen und die DiskontierungsdetailseinegroßeBedeutungzu.IndiesenBereichgehörtder Vollständigkeit halber auch die EconomicValueAddedMethode (EVA). HierbeiwirdderWegüberdenÜbergewinngegangen,alsodenjenigenTeil des Gewinns, der die vom Markt geforderte Rendite für entsprechendes Eigenkapital bzw. Fremdkapital bei gleichem Risiko übersteigt. DFC und EVAsolltenzumselbenErgebniskommen.

5.6.2

Marktwertverfahren

Vergleichsverfahren leiten den Unternehmenswert aus Börsenkurswerten oderanderenrealisiertenMarktpreisenvergleichbarerUnternehmenabund werdendaherauchalsmarktwertorientierteVerfahrenbezeichnet. BeimCompara tiveCompany Approachwerden Marktpreisevon vergleichbaren Unternehmen betrachtet.

Beim sogenannten Comparative Company Approach werden tatsächlich realisierte Marktpreise für vergleichbare Unternehmen als Basis für die Wertermittlung herangezogen. Dasich allerdings fast nie einUnternehmen dergleichenBrancheundErtragskraftfindenlässt,dasvorKurzemverkauft wurdeunddessenKaufpreisbekanntist,istesmeisterforderlich,bestimmte Daten des Vergleichsunternehmens in Beziehung zu setzen zu Daten des Unternehmens, dessen Wert ermittelt werden soll.Angemessene Unterneh mensdatensindhierbeiGewinne,CashflowWerteoderDividendenzahlun gen.25EinUnternehmen,daseinendoppeltsohohenCashflowwieeinver gleichbaresUnternehmenaufweist,istalsoauchetwadoppeltsovielwert.

BeiderMultipli katormethode werdenKennzah lenmitbranchen spezifischen Multiplikatoren multipliziert.

Eine andere, relativ einfache Methode der Unternehmensbewertung stellt die Multiplikatormethode dar. Der Wert eines Unternehmens wird bei diesemVorgehendurchdieMultiplikationeinerbestimmtenKennzahl,z.B. dem Gewinn vor Steuern, mit einem branchenspezifischen Multiplikator ermittelt.DiesinnvollsteKennzahlbeimMultiplikatoransatzistzweifelsoh nederGewinn,wobeihieruntergrundsätzlichderfürdieZukunftzuerwar tende nachhaltige Gewinn zu verstehen ist. Ein Gewinn von 2 Mio.EUR multipliziert mit einem branchenspezifischen Multiplikator von 10 ergibt einenUnternehmenswertvon20Mio.EUR.JenachBranchewirdhierbeider Multiplikator höher oder niedriger angesetzt. Häufig werden auch Best case und WorstcaseMultiplikatoren verwendet.26 Die Multiplikatorme thodewirdbeivielenkleinenundmittlerenUnternehmenangewandt,weil dieInformationenausdemRechnungswesenunddemoffiziellenJahresab

152

Bestimmung des Wertes eines Unternehmens

5.6

schluss nicht für eine aufwendigere Bewertung ausreichen oder andere Be wertungsverfahren zu aufwendig und zu teuer sind. Nach Schätzungen kommenbeikleinenundmittlerenUnternehmeninetwa70–75%derFälle Multiplikatormethoden zum Einsatz, zum geringeren Teil Ertragswertme thoden und nur vergleichsweise selten DiscountedCashflow oder andere Methoden.27

5.6.3

Substanzwertverfahren

Der Substanzwert eines Unternehmens ergibt sich aus der Differenz der AktivundPassivseitederBilanzunterBerücksichtigungvonstillenReser venundLasten.DieBuchansätzedereinzelnenPositionenderletztenBilanz werden also durch deren Marktwerte ersetzt. Zu berücksichtigen sind hier auch Vermögensgegenstände (beispielsweise besonderes Knowhow, etwai ge Verbindlichkeiten aus einem noch offenen Gerichtsverfahren), die nicht bilanziertsind.28

DerSubstanz werteinesUnter nehmenseignet sichkaumzur Kaufpreis bestimmung.

Auch wenn viele Unternehmer den Substanzwert als „wahren“ Wert ihres Unternehmensbetrachten,eignetsichdiesernichtzurErmittlungdesKauf oder Verkaufspreises eines Unternehmens. Ein Käufer eines Unternehmens wird dieses immer nach der zukünftigen Ertragskraft respektive dem zu künftigenCashflowbeurteilen.29

5.6.4

Praktikerverfahren

Die genaue Ermittlung des Unternehmenswertes ist kaum möglich, da im mer mehr oder weniger unsichere Zukunftsschätzungen eine Rolle spielen oder ein gewisser GoodwillFaktor einbezogen werden muss. Um dieses Problem zu mindern, werden Praktikerverfahren herangezogen, die Sub stanzwert und Ertragswertkomponenten miteinander kombinieren. Dabei werdenbeideWertezugleichenTeilenaddiertunddurchzweigeteiltoder aber der einfache Substanzwert und der zweifache Ertragswert herangezo gen und durch drei geteilt. Das Stuttgarter Verfahren, das im Rahmen der ErbschaftssteuerberechnunginDeutschlandherangezogenwird,verwendet dazu einen komplizierteren Schlüssel. Eine weitere Variante der Praktiker verfahren stellen Faustregeln dar. Beispielsweise galt während des New EconomyBoomsfürStartupsimHightechbereichein„Pauschalpreis“von5 Mio.USDodereswurdenproMitarbeiterineinemStartupca.333.000CHF gezahlt.InderPraxisebenfallsanzutreffenistdieMethodederverzögerten Kaufpreisbestimmung, bei der nach Ablauf gemeinsam definierter Meilen steine wieder neu über den Wert der noch ausstehenden Rate(n) befunden

153

InderPraxis werden verschiedene Bewertungs verfahren kombiniert.

5

Firmenkauf und Beteiligung an einem Unternehmen

wird. Damit kann das Risiko der Zukunftsbeurteilungen minimiert wer den.30

5.6.5 Finanzinvestoren arbeitenhäufig mitweiteren Verfahren.

Weitere Verfahren

DiefünfteGruppeumfasstMethoden,diewenigervonKMU,sondernviel mehr von Finanzinvestoren angewendet werden, weswegen sie separiert aufgeführt sind. In diesen Kreisen verbreitet ist die VentureCapital Methode, bei der ein Investor ausgehend vom geschätzten Ausstiegspreis mit seiner erwarteten Rendite und bei gegebener Höhe des Kapitalbedarfs ermittelt,wiehochseineBeteiligungamUnternehmenzumgegenwärtigen Zeitpunktausfallenwird.VoralleminderFinanztheoriebehandeltwirddie RealoptionenMethode, bei der Zukunftsentscheidungen als Optionen aufgefasst werden und so Bewertungen für Unternehmen mit mehreren Finanzierungsrundenstrukturiertwerdenkönnen.InderPraxisistdasVer fahrenallerdingskaumverbreitet.31

5.6.6

Die Auswahl eines geeigneten Bewertungsverfahrens

InderPraxis wirdfastnie alleinmiteinem Verfahren gearbeitet.

WiebereitsangeführtwirddieBewertungeinesUnternehmensinderPraxis fast nie allein nach einem Verfahren durchgeführt. Die Bestimmung des Wertes eines Unternehmens ist keine exakte Wissenschaft, sondern es gibt immer Interpretations und Bewertungsspielräume. Deshalb werden meis tensmehrereVerfahrenangewendet;diedarausresultierendenWertebilden Anhaltspunkte bzw. einen Korridor für die Detailverhandlungen. Generell wichtig bei einer Unternehmensbewertung sind deren Nachvollziehbarkeit unddiePlausibilitätdererrechnetenErgebnisse.Zudemwerdenheuteide alerweise auch verschiedene Szenarien in Bezug auf die Parameterwerte berechnet.32

Bewertungsver fahrenspiegeln Genauigkeitvor, sindaber abhängigvon einerVielzahl vonAnnahmen.

DiemeistenhierdargestelltenBewertungsverfahrenarbeitennurmitfinan ziellen Kennzahlen des Unternehmens. Die Einschätzung der zukünftigen Ertragskraft von Unternehmen ist natürlich mit großen Unsicherheiten be haftet und basiert immer auf einer umfassenden Betrachtung eines Unter nehmensundseinesMarktes.DieastronomischhohenKaufpreisefürInter netunternehmen, die zu Zeiten des NewEconomyBooms gezahlt wurden, verdeutlichendieSchwierigkeitenunddieSubjektivitätvonUnternehmens bewertungen. Komplexe Bewertungsverfahren spiegeln zwar Wissenschaft lichkeitundeinehoheGenauigkeitvor,dochmussauchbeidiesenVerfah ren bedacht werden, dass allein die Wahl eines Diskontierungszinssatzes

154

Fallstudie: Swissbit

5.7

einendeutlichgrößerenEinflussaufdenWertdesUnternehmenshatalsdie Höhe einzelner Positionen. Beim Verkauf von inhabergeführten Unterneh men kommt als zusätzliche Unsicherheit hinzu, dass der bisher prägende Unternehmer ausscheidet und die unternehmerischen Fähigkeiten der neu en Geschäftsleitung nur abgeschätzt werden können.33 Der tatsächliche Kaufpreis eines Unternehmens ist zudem nicht nur vom ermittelten Unter nehmenswert, sondern auch immer vom Verhandlungsgeschick der beiden Parteien abhängig. Letztendlich kann man mit Gewissheit nur sagen, dass einUnternehmensovielwertist,wiedafürbezahltwird.34Deshalbsollten sichdieVerhandlungspartner,stattteilweisewochenlangeDetailberechnun gen anzustellen, im Unternehmen und am Markt ein persönliches Urteil über Produkte, Dienstleistungen, Mitarbeiter und Kundenmeinungen bil den.

5.7

Fallstudie: Swissbit

EinesstehtfürRogerKnobelaußerFrage:Ohneweitereswürdeersein„Ba by“ nicht aufgeben, dafür lief das Geschäft mit den Speichermodulen ein fachzugut!RogerKnobelundseinFreundundKollegeVincenzoEsposito hatteninnerhalbvonwenigenJahrenerfolgreichdieBusinessUnit„Memory Products“vonSiemensSchweizaufgebaut.Anfang1999beschlossdieKon zernleitungderSiemensAGMünchenjedoch,sämtlicheAktivitäten,diemit derProduktionunddemVerkaufvonHalbleiternimZusammenhangstan den, in einer eigenständigen Gesellschaft weiterzuführen. Die Aktivitäten der Business Unit „Memory Products“ sollten daher Schritt für Schritt ver ringert und schließlich ganz eingestellt werden. Aus Sicht des Siemens Konzerns konnte dies durchaus sinnvoll sein, aus Sicht von Roger Knobel jedochnicht. Gemeinsam mit Vincenzo Esposito und Alexander Bringolf hatte er daher beschlossen,dasGeschäftaufeigeneVerantwortungundmitderzudiesem Zweck bereits gegründeten Aktiengesellschaft „Swissbit“ weiterzuführen. Im Sommer 2001 war nur eines noch nicht klar: Wie konnten die drei die ÜbernahmedesGeschäftsbereichesfinanzieren?

Wie alles begann Seit 1992 arbeitete Roger Knobel bei Siemens Schweiz. Zunächst als Pro duktmanagerfürSpeicherprodukteundab1995,nachdemermitVincenzo EspositodasGeschäftkontinuierlichweiterentwickeltundzueinerBusiness Unit ausgebaut hatte, als Leiter dieser Business Unit. Roger Knobel und

155

OhneWeiteres würdeRoger Knobelsein „Baby“nicht aufgeben.

5

Firmenkauf und Beteiligung an einem Unternehmen

Vincenzo Esposito kannten sich bereits vor der gemeinsamen Arbeit bei Siemens und verstanden sich hervorragend. Die Business Unit verkaufte Speicherprodukte, also kleine Leiterplatten, die mit aufgelöteten Speicher bausteinen bestückt sind. Die Speichermodule werden in elektronischen GerätenalsArbeitsspeicher,SpeicherkartenoderUSBSticksverwendet.Bis 1994beschäftigtesichdieBusinessUnithauptsächlichmitdemEinkaufund demVertriebvonHalbleiterchips.EigeneTätigkeitenindenBereichenPro duktion,ForschungundEntwicklungfandennichtstatt. Siebegannen, sichmitder Wertschöpfungs ketteetwasge nauerauseinan derzusetzen.

Abbildung51

Durch ein Erdbeben in Kobe im Jahr 1995 änderte sich diese Situation je doch:DasErdbebenzogeineFabrikinMitleidenschaft,vonderdieHalblei terindustriePlastikrohstoffefürdasVergießenvonChipsbezog.DieLiefer engpässe waren derAnlass für Roger Knobel und seine Kollegen, sich die gesamte Wertschöpfungskette genauer anzusehen. Sie bemerkten, dass der größteTeilderWertschöpfungimBackendBereichundderSpeichermodul produktion stattfand (sieheAbbildung 51). Die technischen Voraussetzun gen, um selbst in diesen Bereichen tätig zu werden, waren vorhanden, da SiemensüberausreichendeProduktionskapazitätenimSMTBereich(surfa cemounting technology) verfügte, die dafür genutzt werden konnten. Zu dem konnte man so die Abhängigkeit von Lieferanten minimieren. Bereits 1995 begannen sie daher mit der Produktion von Speichermodulen in Bronschhofen. Als Einziges nicht vorhanden waren sogenannte Tester, In dustrieroboter,diemithilfeeinerausgefeiltenSoftwaredieQualitätderher gestelltenSpeichermoduleamEndederProduktionsketteüberprüfenkonn ten. Die Software testet die Funktionsfähigkeit der einzelnen Zellen aus Kondensatoren und Transistoren, die milliardenfach in den Speicherchips enthaltensind.DieTesterwurdenvonspezialisiertenAnbieternangefertigt und konnten dann flexibel an verschiedenen Produktionsstandorten von Siemenseingesetztwerden.ZweiJahrespäter,imJahr1997,stelltedieBusi nessUnitbereits20.000SpeichermoduleproWocheinhöchsterQualitäther.

ProduktionvonSpeichermodulen

Quelle: Eigene Darstellung nach Angaben von Swissbit.

156

Fallstudie: Swissbit

SohattesichdieBusinessUnitinkurzerZeitvoneinerVertriebsgesellschaft zu einem Produzenten entwickelt. „Einen Auftrag dafür gab es nie“, sagt RogerKnobel.ZudemhattediegroßeSiemensWeltdieEntwicklungender Business Unit kaum registriert. „Die Business Unit hatte sich mit einerArt UBootStrategieentwickelt“,sagtRogerKnobelheute.„MitderZeitwarein ‚Königreich im Königreich’ entstanden, ohne dass dies innerhalb Siemens wirklichaufgefallenwäre“,soRogerKnobel.

5.7 Auseiner Vertriebsgesell schaftwirdein Produzent.

Dann die Nachricht Anfang 1999: Die SiemensKonzernleitung hatte sich entschlossen, aus der Halbleitersparte auszusteigen. Das Speicherchip geschäft, dessen Gewinnmarge hauptsächlich von den aktuellen Rohstoff preisen abhängt, war dem Konzern zu schwankungsanfällig. Es sollte des halbunterdemNamen„Infineon“ineineeigeneGesellschaftausgegliedert undandieBörsegebrachtwerden.SämtlicheAktivitätenimBereichHalblei ter sollten innerhalb der nächsten Monate zurückgefahren und schließlich ganz eingestellt werden, so auch Roger Knobels Business Unit. Für Roger Knobel und Vincenzo Esposito stand recht schnell fest, dass sie diesen Schrittnichtmitgehenwollten.SchließlichhattensieeinprofitablesGeschäft aufgebaut, viel Herzblut hineingesteckt und dieArbeit machte ihnen Spaß. AuchhattensiekeinInteressedaran,zuInfineonzuwechseln. SieerzähltenAlexanderBringolf,zudemsienachwievorKontaktpflegten, von den aktuellen Entwicklungen und ihren Überlegungen, den Bereich eigenständig, außerhalb von Siemens, weiterzuführen. Der stand diesem GedankendurchauspositivgegenüberundinvielenGesprächenbeganndie Idee zu reifen, die Übernahme der Business Unit zu dritt in die Hand zu nehmen. Im Oktober 2000 führten die drei zukünftigen Gründer erstmals Gespräche mit der Geschäftsleitung der Siemens Schweiz AG bezüglich eines möglichen ManagementBuyouts oder eines Spinoffs. Die genauen Konditionenwarennochnichtverhandelt,feststandnur,dasssieeinenWeg findenmussten,derkeinezusätzlichenKostenfürSiemensmitsichbringen würdeundfürdiedreiGründerfinanzierbarwar.ZurÜbernahmederGe schäftederBusinessUnitgründetendiedreiimSommer2001dieAktienge sellschaft Swissbit. DasAktienkapital von 120.000 CHF konnten sie aus ei genenMittelnaufbringen.

157

EineAktien gesellschaftwird gegründet.

5

Firmenkauf und Beteiligung an einem Unternehmen

Besonderheiten der Halbleiterproduktion Abhängigkeitvon DRAMPreisen undextreme Schwankungen beimLiquiditäts bedarfprägendas Geschäft.

Die Planbarkeit und Finanzierung des Geschäftes wird durch zwei Beson derheitenerschwert:ErstenshängendieGewinnmargeninhohemMaßevon den hoch volatilen DRAMPreisen (Dynamic RandomAccess Memory) ab, die 80–90% der gesamten Herstellkosten ausmachen. Der Einkäufer muss letztlich – ähnlich wie ein Börsenmakler – versuchen, den richtigen Zeit punkt für die Einkäufe zu treffen. Zweitens bringt das Projektgeschäft ex tremeSchwankungenbeimLiquiditätsbedarfmitsich:Speicherchipswerden eingekauft und müssen bezahlt werden, was einen Liquiditätsabfluss zur Folge hat. Sind die Speichermodule produziert, werden sie verkauft, was einen Liquiditätszufluss bedeutet. Die Zeitspanne zwischen den beiden Ereignissen muss finanziert werden. Wie weit die beiden Zahlungsströme auseinanderliegen,hängtdavonab,wanndieZahlungenandieKreditoren (Lieferanten) fällig sind bzw. wann die Zahlungen der Debitoren (Kunden) getätigt werden. Verkleinert werden kann dieser Zeitraum durch das, was Roger Knobel „Stretching“ nennt, d.h., dass mit denLieferanten möglichst lange Zahlungsziele vereinbart werden, während mit denAbnehmern ver einbartwird,dasssiemöglichstfrühbezahlen.ImZweifelsfallerreichtman Letzteres durch das Gewähren von Preisnachlässen. Das Ziel im Zusam menhang mit diesen Zahlungen besteht also darin, den sogenannten Cash ConversionCyclemöglichstkurzzuhalten.Wiegutdasgelingt,hängtvor allemvomVerhandlungsgeschickab.

Großaufträge könnenzueinem erhöhten,kurz fristigenLiquidi tätsbedarfvon 15.MioEUR führen.

DieFinanzierungkleinerenAufträgestelltinderRegelkeinProblemdar,sie können jeweils aus den laufenden Einnahmen finanziert werden. Schwieri ger sind jedoch Aufträge mit großem Volumen. Ein Beispiel sind die PC Angebote vonALDI, die sich im Laufe der Zeit zu Rennern entwickelt ha ben: VerkauftALDI PCs, stehen die Kunden bereits Stunden vor Ladenöff nungSchlange.InwenigenTagenwerdenumdie200.000PCsverkauft.Für RogerKnobelundseineKollegenbedeutetdas,200.000–400.000Arbeitsspei chermodule innerhalb von wenigen Tagen oder Wochen für Medion, den PCLieferanten von ALDI, herzustellen. Dafür müssen Chips im Wert von ca.30Mio.CHFeingekauftundbezahltwerden,undzwareinigeTagebevor dieZahlungdesKundeneingeht,auchwennderZeitraumdurchgeschickte Verhandlungen verkürzt werden kann. Projekte dieser Größenordnung kommen im Jahr etwa zwei Mal vor, meistens im Frühjahr und im Herbst. AufgrundihresVolumensmachendieAufträgeeinenGroßteildesUmsatzes und Gewinns aus. Im Durchschnitt müssen für diese Projekte um die 15Mio.CHF für ca. 15–30 Tage zwischenfinanziert werden. Abbildung 52 veranschaulichtdieAuswirkungenderGroßprojekteaufdenLiquiditätsbe darf im Jahresverlauf. Neben Medion gehörten auch Fujitsu Siemens und MAXDATAzudengroßenKundenderBusinessUnit.

158

Fallstudie: Swissbit

5.7 Abbildung52

LiquiditätsbedarfimJahresverlauf

 Quelle: Eigene Darstellung nach Angaben von Swissbit.

Das Gründerteam RogerKnobel(32)istgelernterFernsehelektronikerundhateineAusbildung zum technischen Kaufmann absolviert. Er kennt den Geschäftsbereich seit über acht Jahren und verfügt über großes Verhandlungsgeschick, das er gegenüberLieferantenundKundeneinsetzenkann.ErwirdbeiSwissbitfür dieoperativeFührungunddenVertriebverantwortlichsein. VincenzoEsposito(33)undRogerKnobelkanntensichvonkleinauf.Vincen zo Esposito machte sein Diplom an der Höheren Wirtschafts und Verwal tungsschule(HWV).BeiSwissbitwirderfürdenEinkaufzuständigsein. Alexander Bringolf (44) ist DiplomElektroingenieur und war bis 1996 Ge schäftsbereichsleiter (GBL) der Business Unit „Bauelemente“. Roger und VincenzohatteneinsehrgutesVerhältniszuAlexanderBringolfundhielten auchnachseineminternenWechsel(GBLfürMobilePhone,ITServicesund Computersysteme)Kontaktzuihm.AlexanderBringolfbrachteunterande remeinausgezeichnetesNetzwerkundnichtzuletztdienotwendigeSenio ritätmitinsTeam. Die drei sind davon überzeugt, dass sie über ausreichend Knowhow und Erfahrungenverfügen,umdasGeschäftzumErfolgzuführen.EineHeraus forderunggiltesabernochzumeistern:„DasEinzige,waswirnichthaben, istGeld“,soRogerKnobel.

159

„DasEinzige, waswirnicht haben,istGeld.“

5

Firmenkauf und Beteiligung an einem Unternehmen

Überlegungen zur Übernahme Die Durchführung von kleinen und mittleren Aufträge würden die drei potenziellen Gründer ohne Weiteres durch das laufende Geschäft finanzie ren können. Schwieriger würde die Finanzierung der erwähnten Großauf träge werden, die einen kurzfristigen Finanzbedarf von ca. 15 Mio. CHF notwendigmachten.ObwohldieBeziehungenzudenLieferantenhervorra gendsind,übersteigensolcheGroßprojektedieüblichenKreditlimits.Keiner der Gründer verfügt auch nur annähernd über die dafür notwendigen fi nanziellenRessourcen. FolgendeÜberlegungensind fürdieÜbernahmeunddieFinanzierungdes GeschäftsvonBedeutung.

„ UmdieDauerderBindungderliquidenMittel(CashConversionCycle) möglichst kurz zu halten und die Finanzierung insgesamt sicherzustel len,müssendieinTabelle52aufgeführtenPunkteoptimalaufeinander abgestimmtsein.

Tabelle52

VoraussetzungenfürdieoptimaleDurchführungvonAufträgen Lieferant

Swissbit

 Technische Anforderungen

 Technische Anforderungen Modul

 Qualität DRAM

 Produktion Module

 Preis

 Termintreue

 Verfügbarkeit

 Preis

 Termintreue

 Finanzierung Großprojekt durch Sicherstellung mit Akkreditiv bei Lieferant

Kunde  Anforderungen klarstellen  Bestellung mit verbindlichen Terminen und Preisen  Pünktliche Zahlung der Rechnungen an Swissbit

 Kurzfristige Finanzierung mit festen Vorschüssen bei Bank  Optimales Cashmanagement



„ EineMöglichkeit,liquideMittelinausreichenderHöhevorzuhalten,bis zu erwartende Zahlungsströme eingehen, sind BridgeFinanzierungen. Anfragen an mehrere Kreditinstitute nach dieser Möglichkeit verliefen bisherjedochwenigerfolgreich.

„ Eine weitere Möglichkeit der kurzfristigen Umsatzfinanzierung ist das Factoring. Dabei kauft der FactoringAnbieter einem Unternehmen For derungen ab. Der Preis für die Forderung entspricht der tatsächlichen Forderungshöhe abzüglich eines Diskonts. Da der FactoringAnbieter demFactoringKundendieKaufsummebereitsvordereigentlichenFäl

160

Zusammenfassung

ligkeitbezahlt,könnenForderungenaufdiesesWeisefrühzeitiginCash flowumgewandeltwerden.

„ Neben den Möglichkeiten der Finanzierung durch Banken oder Facto ringUnternehmen gibt es zudem Verhandlungsspielräume, die die Gründervielleichtfürsichnutzenkönnten:GanzohnezusätzlicheAuf wendungenwürdeSiemensdenBereichHalbleiternämlichnichtschlie ßen können. Insgesamt musste mit Remanenzkosten von 15–20 Mio. CHF (Garantieaufwendungen, Lagerbereinigung, Personalkosten auf grund bestehender Verträge, Abschreibungen von stillgelegten Maschi nen)ausgegangenwerden.EineÜbernahmederAktivitätenkönnteSie mensdieseKostenersparen.

Fragen zur Fallstudie 1. Wenn Sie an Roger Knobels Stelle wären: Welche Möglichkeiten der FinanzierungwürdenSiegrundsätzlichinBetrachtziehen? 2. MitwelchenVorschlägenwürdenSieanStellevonRogerKnobelindie VerhandlungenmitSiemensgehen? 3. WelcheMöglichkeitengibtes,denWertderBusinessUnitzuermitteln?

5.8

Zusammenfassung

DerKaufeinesexistierendenUnternehmensstellteininteressanteundher ausforderndeArtdar,unternehmerischtätigzuwerden.ImUnterschiedzur Gründung kann bei einem bestehenden Unternehmen direkt mit der Ge schäftstätigkeit begonnen werden, da Produktionsmittel, Kunden und Per sonalbereitsvorhandensind. Der Kauf bzw. Verkauf eines Unternehmens ist ein komplexer Prozess, der wirtschaftliche, rechtliche und psychologische Aspekte berücksichtigen sollte.NachderKontaktaufnahmeunddenerstenVerhandlungenführtder potenzielle Käufer meist eine Due Diligence durch, bei der die verschiede nenBereichedesUnternehmensundseinerUmweltsystematischanalysiert und dargestellt werden. Auf dieser Basis erfolgen dann die eigentlichen Verkaufsverhandlungen sowie ein möglicher Vertragsabschluss. Der Wert einesUnternehmenskannhierbeiaufverschiedeneArtenberechnetwerden und hängt von den Erwartungen über die zukünftige Ertragskraft des Un ternehmens ab. Der tatsächliche Kaufpreis für ein Unternehmen ist aber

161

5.8

5

Firmenkauf und Beteiligung an einem Unternehmen

nichtnurvonWertberechnungen,sondernauchvomGeschickderVerhand lungspartnerabhängig. Nach der Übertragung des Unternehmens an den neuen Eigentümer kann der unternehmerische Neubeginn erfolgen. Während die Fusion großer Unternehmen oft nicht die erwarteten Synergieeffekte bringt, sind viele unternehmerisch motivierten Übernahmen kleinerer Unternehmen sehr erfolgreich.InsbesonderederKaufeinesUnternehmensdurchdiebisherige Geschäftsführung (ManagementBuyout) erweist sich in der Mehrzahl der FällealserfolgreicherWeginsUnternehmertum.

Diskussionsfragen 1. InwelcherHinsichtisteinUnternehmenskaufeinfacherzurealisierenals eineNeugründung,inwelcherHinsichtgibtesgrößereHerausforderun gen? 2. WorankannderVerkaufeineserfolgreichenUnternehmensscheitern? 3. Warum sind viele MBO erfolgreich, wohingegen die Fusionen von GrossunternehmenhäufignichtdieerwartetenZieleerreichen? 4. Warum ist der Kauf eines Unternehmens nicht vergleichbar mit dem einerImmobilie? 5. WomitwurdendiehohenBewertungenvonInternetStartupsEndeder 90erJahre begründet? Warum lassen sich diese heute nicht mehr erzie len?

Weiterführende Literatur BEHRINGER, S., Unternehmensbewertung der Mittel und Kleinbetriebe, 3. Aufl., ErichSchmidtVerlag,Berlin,2004. HÖLTERS, W. (Hrsg.), Handbuch des Unternehmens und Beteiligungskaufs, 6. Aufl.,VerlagDr.OttoSchmidt,Köln,2005. KOCH, W./WEGMANN, J.,PraktikerHandbuchDueDiligence,2.Aufl.,Schaeffer Poeschel,Stuttgart,2002. PICOT, G. (Hrsg.), Handbuch Mergers & Acquisitions, 3. Aufl., Schaeffer Poeschel,Stuttgart,2005.

162

Zusammenfassung

Endnoten   1 HÖLTERS, W. (Hrsg.), Handbuch des Unternehmens und Beteiligungskaufs, 6. Aufl.,

VerlagDr.OttoSchmidt,Köln,2005,S.17. 2 HÖLTERS,W.,ebenda,S.13f. 3 TSCHÖKE, K./DANIEL, C., „Der globale M&AMarkt im zweiten Quartal 2007,

M&AReview,8/9/2007,S.380–387. 4 VOSS, I., „M&ARekordjahr 2006: Deutschland im weltweiten Trend.“, M&A

Review,2/2007,S.49–56.LANG,N./PLANKENSTEINER,M./KÖRTE,P.„Derösterreichi sche M&AMarkt – eine langjährige TrendAnalyse“, M&AReview, 10/2007, S. 460–465.  Kaufmann, C. „M&AMarkt in der Schweiz: Boom bei den Transakti onsvolumina.“,M&AReview,2/2007,S.76–85. 5 DieDarstellungderdreiTypenerfolginAnlehnungan:Seiler,K.,Unternehmens

bewertung,Springer,Berlinetal.,2004,S.13ff. 6 SEILER,K.,Unternehmensbewertung,Springer,Berlinetal.,2004,S.13ff. 7 JANSEN, S.A., „Trends, Tools, Thesen und empirische Tests zum Integrationsma

nagementbeiUnternehmenszusammenschlüssen“,in:Picot,G.(Hrsg.),Handbuch Mergers&Acquisitions,2.Aufl.,SchäfferPoeschel,Stuttgart,2002,S.505–540. 8 Handelsblatt, „Familienunternehmen misstrauen neuen KapitalmarktInstrumen

ten“,1.7.2004,S.22. 9 Gruner + Jahr AG & Co KG/Wirtschaftspresse (Hrsg.), MIND 03 Mittelstand in

Deutschland,Köln,2004. 10 SEILER,K.,ebenda. 11 Die neue Eigenkapitalverordnung Basel II verpflichtet die Banken, neue und

bereitsvergebeneKrediteanUnternehmenmithilfeeinesRatingsystemsaufBoni tätzuprüfen.HierdurchergebensichfürKMUhöhereAnsprücheandieKredit beschaffung.Vgl.Halter,F.,„KreditvergabeundBankenratinginderSchweiz“,in: InternationalesGewerbearchiv,Jg.51,2003,S.95–107. 12 SEILER,K.,ebenda. 13 HÖLTERS,W.,ebenda. 14 HÖLTERS,W.,ebenda. 15 HÖLTERS,W.,ebenda. 16 SCOTT,C.,„OrganisatorischeAspektederDueDiligence“,in:Scott,C.(Hrsg.),Due

DiligenceinderPraxis,Gabler,Wiesbaden,2001,S.13–28. 17 BERENS, W./STRAUCH, J., Due Diligence bei Unternehmensakquisitionen  eine empiri

scheUntersuchung,PeterLang,FrankfurtamMainetal.,2002. 18 HÖLTERS,W.,ebenda. 19 BDOVisura(Hrsg.),Mergers&Acquisitions,Solothurn,2003. 20 BLÖCHER, A., „Due Diligence und Unternehmensbewertung imAkquisitionspro

zess“,in:Scott,C.(Hrsg.),DueDiligenceinderPraxis,Gabler,Wiesbaden,2001,S. 29–53.

163

5.8

5

Firmenkauf und Beteiligung an einem Unternehmen

21 WIPFLI, C., Unternehmensbewertung im Venture CapitalGeschäft, Bern et al.,

2001. 22 Koch, W./Wegmann, J., PraktikerHandbuch Due Diligence, 2. Aufl., Schaeffer

Poeschel,Stuttgart,2002. 23 BÄZNER, B.  IMMRECK, C., „Die DCFMethode im Überblick“, in: Richter,

F./Timmreck,C.(Hrsg.),Unternehmensbewertung,ModerneInstrumenteundLö sungsansätze,SchäfferPoeschel,Stuttgart,2004,S.3–19. 24 KOCH,W./WEGMANN,J.,ebenda. 25 KOCH,W./WEGMANN,J.,ebenda. 26 KOCH,W./WEGMANN,J.,ebenda. 27 SEILER,K.,ebenda. 28 SEILER,K.,ebenda. 29 KOCH,W./WEGMANN,J.,ebenda. 30 WIPFLI,C.,ebenda. 31 WIPFLI,C.,ebenda. 32 GANTENBEIN, P./GEHRIG, M., „Moderne Unternehmensbewertung“. Der Schweizer

Treuhänder,9/2007,S.602–612. 33 BEHRINGER, S., Unternehmensbewertung der Mittel und Kleinbetriebe, 3.Aufl., Erich

SchmidtVerlag,Berlin,2004,S.183ff. 34 SEILER,K.,ebenda.

164

Einführung

6 Firmenübernahme – Nachfolge

Lernziele Nach der Lektüre dieses Kapitels sollten Sie folgende Fragen beantworten können:

„ WelcheHerausforderungenaussteuerlicherundfinanzieller,organisato rischer, rechtlicher und psychologischer Sicht stellen sich bei der Nach folgeinKMU?

„ WelcheFormenderNachfolgestehenzurAuswahl? „ Wie sollte ein Nachfolgeprozess strukturiert werden, um die drei Prob lemfelder (rechtlich/finanziell; organisatorisch, psychologisch) zielorien tiertverbindenzukönnen?

„ Welche Erfahrungen können aus erfolgreichen und gescheiterten Nach folgefällengezogenwerden?

Begriffserklärungen Familieninterne Nachfolge: Als eine der Nachfolgevarianten kann sie in eine reine Vermögensnachfolge oder in eine Nachfolge in Vermögen und unternehmerischeVerantwortungunterteiltwerden. Unternehmensverkauf: Findet sich keininterner Nachfolger, kann dasUn ternehmen an interne oder externe Führungskräfte, an Unternehmen der BrancheoderFinanzinvestorenverkauftwerden. Stiftungslösung: Die Stiftung, eine juristische Person, fördert einen vom Unternehmer bestimmten Zweck und dient entweder dem Gemeinwohl oder einem begrenzten Personenkreis. Als Nachfolgenlösung ist sie auf grundmultiplerVorteilezunehmendattraktiv. Integriertes Nachfolgemanagement: Integrativer Planungsansatz, der ein strukturiertesVorgehenimRahmenderNachfolgeermöglichtundderKlä rung komplexer betriebswirtschaftlicher, rechtlicher, steuerlicher und psy chologischerGrundsatzfragendient.

165

6.1

6

Firmenübernahme – Nachfolge

6.1

Einführung

EineÜbernahme istmindestens ebensoheraus forderndwieeine Neugründung.

Die Nachfolge in KMU stellt im Rahmen des Unternehmenslebenszyklus denNeustartnacheinerGenerationunternehmerischenHandelnsdar.„Un ter Nachfolge wird hier der Generationenwechsel in Familienunternehmen und damit die Übertragung der Leitungsmacht und der kapitalmäßigen Verantwortungverstanden.“1AngesichtsderzumeistgefestigtenAusgangs lageistdieÜbernahmederVerantwortungineinemKMUfürdieNachfol ger mindestens ebenso komplex und herausfordernd wie eine Neugrün dung. Zudem wird der Nachfolger direkt an der Leistung des Übergebers gemessen. In diesem Kapitel werden deshalb zuerst die Problemfelder der UnternehmensnachfolgeausgesamtundeinzelwirtschaftlicherPerspektive aufgezeigt. Es folgt eine Übersicht über die infrage kommenden Varianten der Unternehmensnachfolge, bevor auf den eigentlichen Zielplanungspro zess sowie beratende Institutionen eingegangen wird. Das Unternehmer porträt und die Fallstudie dieses Kapitels beschäftigen sich mit konkreten NachfolgefällenzurvertiefendeneigenenBearbeitung.

BeieinerFirmen übernahme müssenzentrale strategische Fragengeklärt werden.

Am Ende dieses Kapitels werden zehn Thesen der UBS2 ausformuliert, die auf die zentralen Herausforderungen und Erfolgsfaktoren einer Nachfolge lösunghinweisen.AndieserStellewerdendazuEingangsfragengestellt.

„ These 1: Eine klare Eignerstrategie definieren. Wie soll die Strategie der Familie/desEignersinHinblickaufdasZusammenspielFamilieundUn ternehmenausgestaltetwerden?

„ These 2: Zukunftsperspektiven entwickeln. Welche Herausforderungen undLebensinhaltebeschäftigendenÜbergebernachseinemMachtund Einflussverlust?

„ These 3: Die Nachfolge einvernehmlich regeln. Wie wird die Nachfolge fragebeimehrerenErbberechtigtenohneStreitigkeitengelöst?

„ These 4: Die Nachfolge frühzeitig planen und rechtzeitig umsetzen. Wa rumistessinnvoll,sichjederzeitaufeinenmöglichenNachfolgefallvor zubereitenunddieAblaufschrittevorzustrukturieren?

„ These 5: Den Nachfolger gezielt vorbereiten und motivieren. Warum muss der Nachfolger innerlich bereit sein, das Unternehmen zu über nehmen, und warum muss er sich einer Prüfung seinesAnforderungs profilsunterziehen?

„ These 6: Das Unternehmen nachfolgefähig organisieren. Wie kann ver mieden werden, dass durch dasAusscheiden des Übergebers eine Füh rungslücke entsteht, und wie können interne Führungskräfte weiterhin eingebundenundgefördertwerden?

166

KMU und/oder Familienunternehmen?

6.2

„ These7:VerschiedenestrategischeOptionenprüfen.Weshalbisteswich tig,sichallefamilieninternenundexternenNachfolgevariantenvorAu genzuführen?

„ These8:DenWertdesUnternehmensausSichtdesNachfolgersbeurtei len. Wiesollteder Unternehmenswert bemessen werden,damit eine fa milieninterneNachfolgenichtverunmöglichtwirdundzugleicheinese riöse,realitätsnaheUnternehmensbewertungstattfindet?

„ These 9: Das Familienvermögen und die Altersvorsorge sichern. Wie lassensichüberJahrzehnteerwirtschafteteWerteerhalten?

„ These10:DieNachfolgemitdenrichtigenBeraternlösen.Werkanndie Nachfolgefamilie in dieser rational wie emotional herausfordernden Si tuationunterstützendbegleiten?

6.2

KMU und/oder Familienunternehmen?

99,6%derösterreichischenunddeutschenbzw.99,7%derschweizerischen UnternehmenfallenderKategorieKMUzu.Diesentspricht3,0Mio.Unter nehmen in Deutschland respektive je 300.000 Unternehmen in der Schweiz und Österreich. Der Großteil der Unternehmen mit rund 90% hat dabei in allendreiLändernwenigeralszehnBeschäftigte.ImEU19Vergleichfallen 99,8% der Unternehmen den KMU zu, während 92,3% weniger als zehn Beschäftigte haben. Somit nehmen im europäischen Vergleich KMU in der Schweiz,ÖsterreichundDeutschlandeineübergeordneteRolleein.Weitere Informationen über den Anteil der Unternehmen und die Anzahl der Be schäftigten nach Unternehmensgrößenklassen sind im Kapitel 1.6.1 zu fin den. Gemäß der Definition der Europäischen Kommission gelten für KMU fol gendeKriterien: „ wenigerals250Beschäftigtenund

„ wenigerals50Mio.EURUmsatzoder „ einerBilanzsummeweniger43Mio.EURund „ weitgehenderUnabhängigkeit.34 Im Gegensatz dazu unterliegen (mittelständische) Familienunternehmen einer rein qualitativen Definition, wobei in der Literatur keine einheitliche Definitionzufindenist.Hahn(1985)unterstreichtmitseinerDefinitiondie Besonderheiten eines Familienunternehmens wie folgt: „Bei Familienunter

167

Über99%aller österreichischen, deutschenund schweizerischen Unternehmen sindKMU.

6

Firmenübernahme – Nachfolge

nehmungen handelt es sich um Unternehmungen beliebiger Rechtsform, deren wirtschaftlichen Entwicklung durch Kapital undArbeitseinsatz von Familienangehörigenmaßgebendgetragenundgeprägtwird,wobeigrund sätzlich Familienangehörige oder deren Vertreter den oberen internen und/oderexternenWillenbildungszentrenangehören.…Wesentlichkommt es jedoch darauf an, dass … Vorkehrungen getroffen worden sind, die si cherstellen,dasszumindestdieMehrheitderstimmberechtigtenAnteileim EigentumderFamilieverbleibtundggf.dieFamiliemindestensdurcheines ihrer Mitglieder Einfluss auf die Unternehmungsleitung ausübt.“5 Dies impliziert, dass strategische Entscheidungen vom Eigentümer getroffen werden. Zudem zeichnen sich Familienunternehmen durch die Nähe von UnternehmerundUnternehmen,daslangfristigeEngagement,höhereFlexi bilität,ihremeistlangfristigausgerichteteUnternehmenspolitikunddieauf MitarbeiterundandereStakeholderorientierteUnternehmenskulturaus.6 Über95%aller Unternehmenin Deutschlandsind Familienunter nehmen.

Gesamtwirtschaftlich betrachtet beläuft sich der Anteil der Familienunter nehmeninDeutschlandimJahre2003auf95,1%allerUnternehmen.Aufsie entfielen 1,9 Billionen EUR bzw. 41,5% der bundesweiten Umsätze und 57,3% bzw. 13,4 Mio. der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten. Der Hauptteil der deutschen Unternehmen sind somit Familienunternehmen, wobei sie eine sehr heterogene Gruppe darstellen.7.Neben DAX Unternehmen gehören dazu auch die Vielzahl der KMU. Zu den größten deutschen Familienunternehmen gehören mit einem Umsatz von rund 56 Mrd. EUR und 257.000 Beschäftigten die Metro AG sowie die dahinterste henden Familien(unternehmen) von Haniel und SchmidtRuthenbeck und die Robert Bosch GmbH mit einem Umsatz von knapp 41 Mrd. EUR und 248.000Beschäftigten.8

Circa80%aller Unternehmenin Österreichsind Familienunter nehmen.

210.000KMU(2002),diesentspricht99,5%allerösterreichischenUnterneh men,beschäftigenmehrals1,5Mio.Arbeitnehmerunderwirtschafteneinen Umsatz von 260 Mrd. EUR p.a. Somit stellen sieca. 65%der Arbeitsplätze und erwirtschaften 58% der gewerblichen Umsätze in Österreich.9 Veröf fentlichte Schätzungen zum Umfang von Familienunternehmen in Öster reichschwankenstark,jedochkanndavonausgegangenwerden,dassetwa 80% der Unternehmen in Österreich Familienunternehmen sind, wodurch ihregroßeBedeutungzumAusdruckkommt.10 Mitrund88,0%undeinerGesamtzahlvonrund273.000Unternehmenbie tenFamilienunternehmenrundzweiDrittelderinderSchweizErwerbstäti genBeschäftigungundhabenmit457Mrd.CHFzurund60%(2005)Anteil amBruttoinlandsprodukt.11DamithabenschweizerischeKMUundFamili enunternehmen eine ähnlichhohe Relevanz wie in den beiden anderenbe schriebenen Ländern. Besonders hervorzuheben sind an dieser Stelle die sogenannten Hidden Champions, die mittelständischen, unbekannten Weltmarktführer (Platz 1–3 bei unter 3 Mrd. EUR Umsatz), die besonders

168

Volkswirtschaftliche Bedeutung der Unternehmensnachfolge

6.3

beeindruckende und erfolgreiche Wachstumsstrategien umsetzen.12 Dazu zähleninDeutschland1.174,inÖsterreich61undinderSchweiz81(bisher entdeckte)Unternehmen.

6.3

Volkswirtschaftliche Bedeutung der Unternehmensnachfolge

LautFreund13mussbis2009indenneuendeutschenBundesländernfürca. 18%, in den alten Bundesländern für ca. 15,5% der Familienunternehmen einNachfolgergefundenwerden.Diesentsprichtetwa345.000Übertragun gen. Weniger als zwei Drittel dieser Nachfolgefälle werden planmäßig sein und können dementsprechend vorbereitet werden. Bei 26% ist der Grund für die Übergabe ein Tätigkeitswechsel des Geschäftsführers, während bei 8%unerwarteteGründewieTododerKrankheitdieNachfolgeeinleiten.14

Bis2009müssen inDeutschland für345.000 Unternehmen Nachfolger gefundenwerden.

VoraussichtlicheNachfolgeregelungeninDeutschland2005bis2009

Abbildung61

Quelle: Eigene Darstellung und Berechnungen nach Freund 2004.15

Regionalbetrachtet,werdendabeidiemeistenUnternehmeninNordrhein Westfalen(78.432;22,1%),Bayern(62.954;17,8%)undBadenWürttemberg (50.651; 14,3%) übergeben werden. Dabei werden die Mehrheit der Nach folgefälle familienintern sein, gefolgt von der Option des Verkaufs, einer

169

6

Firmenübernahme – Nachfolge

externen Nachfolge und der Nachfolge durch Mitarbeiter beziehungsweise derStilllegung(siehe). DieUnter nehmensnach folgeisteine betriebsund volkswirtschaft licheHeraus forderung.

Im Zeitraum 2004 bis 2013 werden laut Pichler und Bornett (2005) 51.000 KMU mit 440.000 Arbeitnehmern zur Nachfolge anstehen. Rund 60% der Unternehmensnachfolgen in Österreich werden familienintern und aus Altersgründenerfolgen16. Von rund 310.000 im Jahre 2001 registrierten Unternehmen standen in der Schweiz laut Hochrechnungen von Schmid und Hartmann (2005) bis Ende 200618,5%(rund57.000)UnternehmenzurNachfolge.Davonwerdenrund 3% stillgelegt, dies entspricht rund 9.200 Unternehmen. Somit ist davon auszugehenist,dassca.73.000Arbeitplätzeverlorengehen.17 Diese Zahlen unterstreichen nicht nur die volkswirtschaftlich bedeutende GrößenordnungvonUnternehmensnachfolgen,sondernauchvonFamilien unternehmenimAllgemeinen.

6.4 Eskönnenfünf Nachfolge variantenunter schiedenwerden.

Varianten der Unternehmensnachfolge

Die Frage nach erwünschten Nachfolgern zeigt im europäischen Vergleich, dass Nachfolger aus der Familie nach wie vor am stärksten präferiert wer den, aber auch externe Personen und Unternehmen im Gegensatz zu In vestmentgesellschaftenweitgehendAkzeptanzfinden.18 InsgesamtstehenfünfNachfolgevariantenzurVerfügung:diefamilieninter ne Nachfolge, der Unternehmensverkauf, der Börsengang, die Stiftungslö sung und dieLiquidation (sieheAbbildung 62). Im Folgenden werden die dreierstgenanntenimDetailvorgestellt.

170

Varianten der Unternehmensnachfolge

6.4 Abbildung62

VariantenderUnternehmensnachfolge

 Quelle: RA Freudenberg, G., Vortrag Dresdner Bank AG, Stuttgart, 2002.

6.4.1 Die familieninterne Nachfolge Die familieninterne Lösung kann in eine reine Vermögensnachfolge oder in eine Nachfolge in Vermögen und unternehmerische Verantwortung unter teiltwerden.DieskanndurchinternenVerkaufoderSchenkung(mitGegen leistung) erfolgen. So bleiben Vermögen und Führung bzw. nur das Unter nehmensvermögeninderUnternehmerfamilieerhalten.19AbsoluteVoraus setzung dafür ist jedoch die Nachfolgewilligkeit der Nachkommen und damit die Bereitschaft zu unternehmerischem Risiko und Führungsverant wortungsowiezurInvestitioneinesTeilsdesVermögens.20 Werden Unternehmensführung und Unternehmensvermögen getrennt, so stehendreiVariantenzurAuswahl:

171

Diefamilien interneNach folgeisteine Entscheidung überLebens werk,Vermögen undunter nehmerische Verantwortung.

6

Firmenübernahme – Nachfolge

„ EinsatzeinesFremdgeschäftsführers „ GründungeinerKapitalgesellschaftoder „ VerpachtungdesUnternehmens AlledreiLösungenimplizieren,dassdieUnternehmerfamilieweiterhindas Unternehmenseigentumbehält,währendalleindieFührunganeineexterne Personabgetretenwird.DieseVariantebietetsichvorallemdannan,wenn inderUnternehmerfamilieausQualifikationsoderzeitlichenGründenkein geeigneterNachfolgerzurVerfügungsteht,dieFamiliesichnichtaufeinen Nachfolger einigen kann oder ein externer Manager zwingend nötig ist. Dazu muss die Unternehmerfamilie zwar bereit sein, das Lebenswerk voll verantwortlich in andere Hände zu geben, kann aber die Familien und Unternehmenskontinuitätsichern.21

6.4.2 Der Unternehmensverkauf BeimUnter nehmensverkauf gibteseineViel zahlvonMög lichkeiten,die einergezielten Vorbereitung bedürfen.

EinManage mentBuyout sorgtmeistfür Kontinuität.

Die Motive für einen Unternehmensverkauf sind unter anderem: fehlende Nachfolger,fehlendeNachfolgebereitschaft,falscheEinschätzungderNach folger, Zukunftssicherung, Notsituation des Unternehmens. Voraussetzung für eine familienexterne Regelung ist die Bereitschaft des Unternehmers, „seinLebenswerk“inandereHändezugeben,aberauchdasUnternehmen mussfürdenVerkaufinrechtlicher,organisatorischerundfinanziellerHin sichtvorbereitetsein. Beim Unternehmensverkauf können die Erwerber der wesentlichen bzw. Mehrheitsanteile interne Führungskräfte (ManagementBuyout, MBO), externe Führungskräfte (ManagementBuyin, MBI), interne und externe Führungskräfte, Unternehmen der Branche (Partner oder Wettbewerber) sowieFinanzinvestorensein.Weitere,hiernichtnäherbehandelteVarianten sind der Leveraged Buyout (Erwerb fremdfinanziert, um LeverageEffekt zu erzielen), der Leveraged ManagementBuyout und der Belegschafts oderEmployeeBuyout(KaufdurchgrößerenPersonenkreis). DieVorteileeinesMBOliegendarin,dasskeineVerunsicherungbeiKunden oderamMarktauftrittundLeistungssteigerungendurcherhöhteMotivation aufgrund einer Beteiligung am Unternehmen stattfinden. Die Vertrautheit des Managements mit dem Unternehmen stellt zudem sicher, dass keine Informationen, Knowhow etc. durch den Austausch des Managements verloren gehen. Die langjährige Kenntnis und Zusammenarbeit von Unter nehmer und zukünftiger Geschäftsführung basieren in der Regel auf Ver trauen. So kann auch die künftige Unternehmensführung schrittweise in ihre Rolle hineinwachsen und die Unternehmenskontinuität ist sehr wahr

172

Varianten der Unternehmensnachfolge

6.4

scheinlich.ZugleichgestaltensichauchdieVertragsverhandlungendeutlich einfacher.22 BeieinemMBIliegendieVorteileimEinstiegerfahrenerFührungskräftemit neuen unternehmerischen Ideen und Visionen, aber auch kleinere Unter nehmen können in der Regel mit dieser Nachfolgelösung einen Käufer fin den.ZudembleibtdasUnternehmeninseinerbekanntenFormbestehen.23 Die Nachteile liegen bei beiden Varianten in den unter Umständen be schränkten Finanzmitteln der einsteigenden Führungskräfte, der damit verbundenen Schwierigkeit einer Kaufpreismaximierung und in denkbaren KonfliktenmitdenübernommenenMitarbeitern.24

EinManage mentBuyin bringtfrische IdeeninsUnter nehmen.

Der Verkauf gliedert sich typischerweise in die Phasen Verkaufsvorberei tung, Kontaktaufnahme, Prüfung der wirtschaftlichen und rechtlichen Ver hältnisse (Due Diligence), Verkaufsverhandlung und Vertragsabschluss mit Vollzug. Bei einem sogenanntenAsset Deal werden die Vermögensgegenstände ein zeln übertragen und das gesamte Unternehmen (Wirtschaftsgüter, Forde rungen und Verbindlichkeiten) verkauft. Der Käufer kann folglich darüber freiverfügen. TypischerAnwendungsbereichistderVerkaufvonEinzelun ternehmenunddieVeräußerungvonBetriebsteilen.ErwirbteinKonkurrent dasUnternehmen,bestehtimplizitdieGefahr,dassKundenstamm,techno logischesKnowhowetc.gekauftwerden,umdieeigenenMarktpositionzu stärken, während an der eigentlichen Fortführung des Unternehmens nur geringesInteressebesteht.BeimAnteilskauf(ShareDeal)erwirbtderKäufer Geschäftsanteileundwirdz.B.GesellschaftereinerGmbH.25 WirddasUnternehmenexternverkauft,sokanndiesgegenEinmalzahlung oder gegen wiederkehrende Zahlungen erfolgen. Die Einmalsumme hat folgendeVorteile:SicherheitfürdenVeräußerer,UnabhängigkeitdesPreises vom tatsächlichen zukünftigen Erfolg, klare Eigentumsverhältnisse und steuerliche Aspekte. Allerdings ist die hohe Liquiditätsbelastung des Käu fersinRechnungzustellen.BeimVerkaufgegenwiederkehrendeZahlungen ist die Ausgestaltung in Form einer Rente (Veräußerungs oder Versor gungsrente),einerdauerndenLastmiteingebauterErfolgskomponenteoder einer Ratenzahlung denkbar. Problematisch kann dabei aber sein, dass der Übergeber sich vom wirtschaftlichen Erfolg des Übernehmers abhängig macht.Alternativ kommen die Formen der Vermietung, Verpachtung oder Betriebsaufspaltung in Betracht. Bei letzterer Variante wird das Unterneh menineineBesitzundBetriebsgesellschaftgeteilt.Hierbestehengeradezur LösungvonErbansprüchenvonGeschwisternpraktikableAnsätze.

173

Beieinemexter nenVerkaufsind verschiedene Variantender Durchführung denkbar.

6

Firmenübernahme – Nachfolge

6.4.3 Die Stiftungslösung Stiftungen könnendem Gemeinwohloder einembegrenzten Personenkreis zugutekommen.

„DieStiftungisteinejuristischePerson,dieeinenvomUnternehmer(Stifter) bestimmtenZweckdauerhaftfördernsoll.Erkanndem Gemeinwohl(Kul tur, Forschung, Wissenschaft, Soziales, Umwelt) oder einem begrenzten Personenkreis(Familie,Mitarbeiter)dienen.“26ZurErrichtungeinerStiftung genügt eine privatschriftliche Erklärung des Stifters, die jedoch der staatli chenAnerkennungbedarf.27

Konstitutive Merkmale der Stiftung DiekonstitutivenMerkmalederStiftungwerdenimFolgendendargestellt:

„ Die Stiftung wird von einem Stiftungsrat errichtet und unterliegt der staatlichen Stiftungsaufsicht, die Informations und Prüfungsrechte hat, aberauchbeibestimmtenGeschäftenzustimmenmuss.

„ DieErrichtungderStiftungwirdderErbschaftsbzw.Schenkungssteuer unterworfen, wobei der Steuersatz vom Wert des Stiftungsvermögens sowievomVerwandtschaftsverhältniszwischenStifterundDestinatären abhängt.

„ AlsprivatrechtlicheKörperschaftistsieselbstständigerRechtsträgerund Steuersubjekt (Körperschafts und Gewerbesteuer) und unterliegt han delsrechtlichenPublizitätspflichten(PublG.).

„ Sie hat keine Gesellschafter oder Mitglieder. Ein Vorstand verfolgt mit demStiftungsvermögendiesatzungsgemäßenZwecke.

„ SiehaftetmitihremVermögen,nichtaberihreBegünstigten. „ Die Auflösung erfolgt durch Eintritt einer zeitlichen oder sachlichen Bedingung, Beschluss der Stiftungsbehörde oder Eröffnung des Insol venzverfahrens.28 Fehlteininterner Nachfolger,kann eineStiftungs lösunginfrage kommen.

Die Stiftungslösung kommt als Nachfolgevariante vor allem dann infrage, wenn ein interner Nachfolger die nötige Qualifikation nicht hat, kein Inte resse an der Unternehmensnachfolge besitzt oder gar nicht vorhanden ist. Nachdem die Stiftung keinen Eigentümer oder Gesellschafter benötigt, ist sieaberauchdanneineinteressanteVariante,wenneineVielzahlvonNach folgern infrage kommt und in der Familie Interessenskonflikte vorpro grammiertsind.   

174

Varianten der Unternehmensnachfolge

6.4

Vor- und Nachteile der Stiftungslösung DieVorteilederStiftungslösungliegenin

„ derMinimierungderSteuerlast „ der individuellen Ausgestaltung der Stiftungssatzung auf die persönli cheSituationdesUnternehmersundseinesUnternehmens(Form,Kapi talbeteiligung des/der Stifter etc.) und der Verfolgung möglicher ge meinnützigerAbsichten

EineStiftungs lösungbringt eineReihevon Vorteilenmit sich.

„ SokönnennichtnurdasVermögen,sondernauchTradition,Lebenswerk und die Selbstständigkeit des Betriebes langfristig erhalten bleiben, da derWilledesÜbergeberslangfristigfestgeschriebenwerdenkann.

„ SiekommuniziertSeriositätundLangfristigkeit, „ verhindert einen Liquiditätsabfluss bzw. Gefährdung der Kapital und Liquiditätsbasis durch Erbschaftssteuer, Pflichtteilsansprüche oder Ab findungundbietet

„ demUnternehmerundseinerFamilieVersorgung. DieNachteilederStiftungsindinfolgendenAspektenzusehen:

„ eingeschränktesMaßanFlexibilitätinderUnternehmensführung „ Freiheiten des Nachfolgers sind limitiert, denn Änderungen in der Stif tungssatzung, Verwendungszweck des Vermögens und Einflussnahme sindnurbedingtmöglich.29 In Deutschland existieren Stiftungen bürgerlichen Rechts und unterneh mensverbundeneStiftungen.

175

Derfestgelegte Satzungszweck schränktdie Flexibilitätdes Nachfolgersein.

6 Abbildung63

Firmenübernahme – Nachfolge

StiftungslösungeninDeutschland

Quelle: Eigene Darstellung

DieDoppel stiftungisteine zunehmend interessante Variante.

EinegeläufigeKonstruktionistdieDoppelstiftung.„BeiderDoppelstiftung arbeitenbeideStiftungeninVerantwortungzurErhaltungundVermehrung der Vermögenssubstanz zusammen.“30 Sie ist im Rahmen der Unterneh mensnachfolge ein geeignetes Instrument, wenn die Familie eine Stiftungs lösung wünscht, eine Reinform der anderen Stiftungslösungen aber aus erbschaftssteuerrechtlichen Gründen nicht infrage kommt. Typischerweise hält die Familienstiftung eine nur geringe Beteiligung, aber ausreichend Stimmrechte,umdenEinflussderFamilieaufdasUnternehmenzusichern. Die gemeinnützige Stiftung hingegen ist mehrheitlich an der Unterneh mensholdingGmbHbeteiligt,diesichwiederumanPersonenoderKapital gesellschaftenbeteiligt.31Abbildung64zeigtdieKonstruktionderDoppel stiftungimÜberblick. 

176

Varianten der Unternehmensnachfolge

6.4 Abbildung64

DieDoppelstiftung

Quelle: in Anlehnung an K.S.G. - Karl Schlecht Gemeinnützige Stiftung 2007.

Unternehmerprofil:DieBrüderStrüngmannsindauchnachdemVerkaufvonHexal weiteraufErfolgskurs Die Zwillingsbrüder Dr. Thomas und Dr. Andreas Strüngmann übernahmen 1979 mit 29 Jahren von ihrem Vater Ernst Strüngmann den Generikahersteller Durachemie. Die Übernahme reizte zunächst keinen der Brüder, sie brachten dennoch die elterliche Firma zurück auf Erfolgskurs und verkauften Durachemie 1986 für 90 Mio. DM. Der Erlös wurde zwischen den Brüdern und dem Vater gedrittelt. So konnten die Brüder mit Hexal einen Neubeginn wagen. Schon bald investierten sie in eigene Entwicklung und bauten die größte Pharmaproduktionsfabrik Europas auf. Gleichzeitig trieben sie die internationale Expansion voran und verkauften die Nummer eins am deutschen Generikamarkt im Frühjahr 2005 mit einem Umsatz von 1,5 Mrd. EUR und weltweit 7.500 Mitarbeitern zu 100 %. Im Nachhinein als kritisch bewertet Dr. Thomas Strüngmann die Zeit nach dem Verkauf von Hexal: „Ich glaube, dass man eine Regel einhalten sollte: Verkaufen und sich ganz schnell verabschieden. Die unterschiedlichen Kulturen ... Der Nachfolger muss und z. T. glaubt er es anders (auch zu Recht) machen zu müssen oder auch besser machen zu können ... die alten Mitarbeiter haben

177

Mit29Jahren übernahmendie Zwillingsbrüder Durachemie. SiebenJahre späterverkauften siedasUnter nehmenfür 100Mio.DM.

6

Firmenübernahme – Nachfolge

mit diesem Kulturschock Schwierigkeiten ... das frustriert schon, wenn eine gewachsene Firma von heute auf morgen ihre Kultur verliert, die vor allem auf einer Kultur des Vertrauens basierte und nicht auf Kontrolle, Kontrolle. Vom heutigen Standpunkt würde ich sagen, dass wir an der Integration zu lange mitgearbeitet haben. Wir stellen das Gestrige dar; es ist für den neuen Chef und für die Integration von Nachteil, wenn Sie oft noch zu den Strüngmanns gehen. Man sollte baldmöglichst sagen ‚adios muchachos’, es war mir eine Freude!" Nach der Devise: Der König ist tot, es lebe der (neue) König!“

Übereineinterne Familiennachfol gewürdensich dieBrüder Strüngmann freuen,erzwingen werdensiesie abernicht.

Nach dem Verkauf von Hexal sind die Brüder Strüngmann weiterhin unternehmerisch aktiv. Entscheidende Erfolgfaktoren sind bis heute ihre Risikofreudigkeit, Selbstreflexion im unternehmerischen Handeln, die Konsequenz ihrer Entscheidungen, das Übertragen von Verantwortung und das Einräumen von Freiräumen für Mitarbeiter sowie die Schnelligkeit und Flexibilität ihrer Entscheidungen. Gleichzeitig erkannten die Zwillingsbrüder schon sehr früh, dass sie sich nicht nur fachlich, sondern auch persönlich ideal ergänzen. So arbeiten sie auch nach dem Verkauf von Hexal weiterhin geschäftlich zusammen. Ihre heutigen Investitionen sind weit diversifiziert. GenerikaJoint-Venture in Südamerika, Südwestbank in Stuttgart, Biotech-Start-ups und Familienunternehmen, die die Nachfolge finanziell nicht bewältigen können. Zur Nachfolge machten sich Dr. Thomas und Dr. Andreas Strüngmann im Alter von 45 schon sehr früh Gedanken, und ihr Ziel war es, bis spätestens 55 eine Entscheidung getroffen zu haben. Keinesfalls wollten sie erst mit 65 oder 70 aufhören oder Familienauseinandersetzungen provozieren. Deshalb wurden alle Alternativen und Szenarien analysiert und bewertet. Anregungen und Diskussion suchten sie nur bei ihren engsten Beratern und Freunden der Familie, während sie gleichzeitig andere Familienunternehmen intensiv beobachteten. Trotz Nachwuchs – Andreas Strüngmann hat zwei und Thomas Strüngmann vier Kinder – halten die Väter wenig von dynastischer Unternehmensnachfolge. Die Kinder sollen sich erst einmal ihren eigenen Weg erkämpfen und sich selbst etwas schaffen. Denn: Vermögende Eltern haben das grundsätzliche Problem, ihren Kindern nahezubringen, dass Vermögen und Lebensstandard nicht als selbstverständlich gesehen werden dürfen. Ebenso kann und darf eine Familie den Kindern nicht vorschreiben, was sie machen sollen. Die Nachfolge muss sich quasi natürlich ergeben. Die Väter würden es begrüßen, bauen aber nicht darauf. Dennoch werden die Kinder zunehmend mit in das Unternehmen einbezogen, um ihr Interesse zu wecken und sie in die Firma zu integrieren. So ist in den Augen der Brüder Strüngmann auf der einen Seite der Gedanke einer dynastischen Familiennachfolge aufgrund der Dynamik der Zeit zum Teil überholt, während auf der anderen Seite die Familie als Garant und Stabilisator eines Unternehmens außer Frage steht. Die Freiheit, zu dieser stabilen Basis wieder zurückzukehren, soll den Kindern offengehalten werden.

178

Problemfelder und Herausforderungen der Nachfolge

6.5

6.5

Problemfelder und Herausforderungen der Nachfolge

Aus dem bisher Dargestellten mag man den Eindruck gewinnen, dass es sichbeiFamilienunternehmenumeinebesonderserfolgsträchtigeundüber lebensfähige Konstellation handelt. Besonders krisenanfällig erweisen sich Familienunternehmen jedoch bei der Übergabe an die nächste Generation, denn neben den reinen Fakten geht es vor allem um Geld, Macht, Liebe, Zutrauen und Vertrauen. Kennzeichnend für Familienunternehmen ist laut Breuninger,dasssie„PersonensystememitstarkemotionalerPrägungsind. Die Beziehungen zwischen den Menschen im familiären Bereich und im UnternehmennehmeneinenzentralenStellenwert“ein.32

BeiderÜbergabe andienächste Generationsind Familienunter nehmenkrisen anfällig.

SosinddiegrößtenSorgenderUnternehmerlauteinerweltweitenUmfrage der Grant ThorntonAG (o.J.) im Rahmen der Unternehmensnachfolge der Werterhalt des Familienvermögens, die Angst vor Unstimmigkeiten zwi schen Unternehmer und Nachfolger, der Unfähigkeit des Nachfolgers, den daraus erwachsenden Konsequenzen und den Folgen der möglichen Ein flussnahmevonDritten.33 Daher gilt es im Rahmen der Nachfolge die beiden Grundsatzfragen zu klären:

„ WiesiehtdieEigentümerstrukturnachderRegelungderNachfolgeaus? „ WiesiehtdieGeschäftsführungnachderRegelungderNachfolgeaus?34 Die Beantwortung dieser beiden Fragen ist von einer hohen Komplexität geprägt. Ausgewählte Problemfelder und Herausforderungen werden im Folgendenkurzvorgestellt.35

6.5.1 Rechtliche und finanzielle Problemfelder RechtlicheEinflussfaktorenaufdieUnternehmensnachfolgeundderenPla nung sind zivilrechtliche (Erbrecht, Familienrecht, Gesellschaftsrecht und internationales Privatrecht) und steuerrechtliche Rahmenbedingungen (EStG,ErbStG,BewGundinternationalesSteuerrecht).36 MitdemÜbergangeinesUnternehmensdurchVererbung fälltdessenFüh rung per Gesetz zunächst allen Erben gemeinschaftlich zu. Konfligierende Interessen, lange Entscheidungswege oder Erbstreitigkeiten behindern je doch häufig die zielführende Weiterführung des Unternehmens.Aufgrund dessen ergeben sich auch aus rechtlicher Sicht zahlreiche Herausforderun gen, deren mögliche Lösungsansätze hier kurz vorgestellt werden. Die ge

179

Erbstreitigkeiten solltendurch klareRegelungen imVorfeldver miedenwerden.

6

Firmenübernahme – Nachfolge

willkürte Erbfolge setzt durch Testament oder Erbvertrag einen geeigneten Erben oder Externen als alleinigen Nachfolger ein oder beschränkt gezielt Einflussmöglichkeiten. Die vorweggenommene Erbfolge kann durch eine schrittweise Übertragung von Anteilen oder wiederkehrende Leistungen (wiez.B.eineVersorgungsrente)erfolgen.DiesewerdennichtalsVeräuße rungsgewinne besteuert. Dadurch wird das Unternehmen nicht mit der einmaligenAuszahlungeinesKaufpreisesbelastet.37 Beiderfamilien internenNach folgekönnen Zahlungsver pflichtungenzu finanziellenEng pässenführen.

Deutschland,die Schweizund Österreichun terscheidensich beizivilund steuerrechtlichen Rahmen bedingungender Nachfolge.

BeiderfamilieninternenNachfolgekönnenvorallemdielangfristigeFinan zierung des Unternehmenswachstums und kapitalintensiver Unterneh mensaktivitäten, Ablösezahlungen an andere Nachkommen und die anfal lende Steuerschuld zu finanziellen Engpässen führen.38 Unrealistische Fi nanzierungsmodelle stellen dabei eine nicht zu unterschätzende Gefahr dar.39 Auch eine Schenkung (unentgeltliche Übertragung) hat in Deutschland Schenkungssteuer zur Folge, kann aber durch dieAusnutzung von Freibe trägen ein Instrument der vorweggenommenen Erbfolge darstellen. Aller dingsistsieangesichtsderHöheundFristenderFreibeträgenurfürkleine re Unternehmen bei Lebzeiten praktikabel. Die Gegenleistung bei einer Schenkung kann als Leistungsauflage, Nutzungs oder Duldungsauflage (Nießbrauch,Wohnrecht)oderalsLeistungstauscherfolgen.40Zudembietet die Schenkungslösung dem Nachfolger genügend Zeit, sich auf seine Rolle vorzubereiten,währendderÜbergeberallseinErfahrungnochweitergeben kann.41 Die relativ lange Übergangsphase bietet allerdings auch Raum für KonflikteundUnstimmigkeiten.42 In Österreich wurde nach der Erbschaftssteuer auch die Schenkungssteuer per 31.7.2008 durch den Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig aufgehoben,43 woraufhin Deutschland das Doppelbesteuerungsabkommen mitÖsterreichaufgekündigthat,umdieAbwanderungdeutscherFamilien unternehmenauserbschaftssteuerlichenGründenzuerschweren. In Deutschland entschied nun das Bundesverfassungsgericht, dass die Er mittlungderErbschaftssteuernichtmitdemGrundgesetzvereinbarseiund es deshalb notwendig sei, alle Vermögenswerte mit ihrem Verkehrswert anzusetzen.Bisspätestens31.12.2008mussderGesetzgebereineNeurege lung geschaffen haben. Vorgesehen ist unter anderem eine steuerliche Er leichterungfürPersonenunternehmen.DanachsollderenErbendieSteuer schuldbinnensiebenbzw.zehnJahrenschrittweisegestundetbzw.erlassen werden, wenn sie das Unternehmen fortführen.44 Zu Redaktionsschluss ist allerdingsnochkeineendgültigeLösungveröffentlichtworden. InderSchweizwerdenErbschaftennichtvomBund,sondernvondenKan tonen nach eigener Gesetzgebung mit einer Erbschafts (Erbanfall oder als NachlasssteueroderKumulationderbeiden)undSchenkungssteuerbesteu

180

Problemfelder und Herausforderungen der Nachfolge

6.5

ert. Steuerpflichtig sind die Empfänger des Vermögens, dh. Erben, Ver mächtnisnehmer oder Beschenkte. Die Erbanfallsteuer wird auf das Erbteil eines jeden Erben einzeln erhoben, jedoch nach Verwandtschaftsgrad oder weiteren persönlichen Kriterien abgestuft und nach dem Erbvolumen pro gressivberechnet.DieNachlasssteuerhingegenwirdaufdasgesamtenicht aufgeteilte Vermögen, ohne Rücksicht auf die Zahl der Erben und auf das Verwandtschaftsverhältnis,erhoben.45 Bei der externen Nachfolge sind die Bestimmung des Kaufpreises, steuerli cheAspekteunddie(kapitalmarktorientierte)Unternehmensbewertungdie zentralen Herausforderungen.46 Der Unternehmenswert stellt in der Praxis häufig eine Art Mittelwert entweder von etwa drei angewendeten Bewer tungsverfahren oder einen Mittelwert zwischen zweifachem Ertragswert und einfachem Substanzwert dar. Sieht man von den unglücklichen Fällen ab,indenensichJuniorundSeniortrotznichtvorhandenerexternerInteres senten jahrelang nicht einigen können und damit den Unternehmenswert selbstverschuldetimmerweiterabsenken,kommenfolgendeAbweichungen vom theoretisch ermittelten Wert zustande: Finanzinvestoren haben auf diesenWerteinenAufschlagimSinneeinerKontrollprämieundstrategische InvestorendarüberhinauseineSynergieprämiezubezahlen.BeiMBOund MBILösungenkommtzusätzlicheinLoyalitätsdiscountinsSpiel.Familien intern schließlich reduziert ein Familiendiscount weiter den tatsächlich zu bezahlenden Wert.47 In jedem Fall sollte sichergestellt werden, dass der Übernehmer die finanziellen Lasten innerhalb einer überschaubaren Zeit spannedurchdieoperativenCashflowserwirtschaftenkann.

DieBestimmung desUnterneh menswertesist einezentrale Herausforderun genbeiexterner Nachfolge.

EineallgemeingültigeundinjedemFallerichtigeBewertungsmethodeexis tiert nicht. Häufig kommen auch von Verkäufer und potenziellem Käufer entsprechend ihrer Interessenslage unterschiedliche für sievorteilhafte Me thodenzurAnwendung,48diedannhoheAbweichungenfürdenermittelten Unternehmenswert zur Folge haben. Die einzelnen Unternehmensbewer tungsverfahrenwerdendeshalbinAbschnitt5.6genaueraufgeführt.

Eine„richtige“ Bewertungs methodegibtes nicht.

6.5.2 Organisatorische Problemfelder Zur Erhaltung und Optimierung des investierten Familienvermögens und damitzurSicherungderUnternehmenskontinuitätbenötigtdasFamilienun ternehmen die Fähigkeit zum „Management von Übergängen“.49 Mangeln de Vorausschau hingegen oder das Hinauszögern der Unternehmensnach folgekannwertvolleZeitkosten.InnovationsschübeundWeichenstellungen werden verpasst. Ein „Modernisierungsstau“ ist die Folge, der ein Unter nehmen,aberaucheinegesamteFamilieindenwirtschaftlichenRuinführen kann.50

181

Mangelnde Vorausschauund Planungkönnen fürFamilien unternehmen fataleFolgen haben.

6

Firmenübernahme – Nachfolge

Eine gezielte Nachfolgeplanung ist deshalb wünschenswert. Sie beinhaltet das sorgfältige Abwägen zwischen einer familieninternen Geschäfts übergabe und dem Verkauf an Externe und die zeitigen diesbezüglichen Vorbereitungen. Das Vorgehen mithilfe eines realistischen Zeitplans, die gezielte und rechtzeitige Übergabe vonAufgaben, aber auch das Einbezie henvonexternenBeraternsindimRahmendesNachfolgeprozessesprobate Mittel.51 Werden im Rahmen der familieninternen Nachfolge Geschäftsanteile schrittweiseübertragen,kannderSeniorzunächstnochmaßgeblichEinfluss auf die Unternehmensführung ausüben und die Nachfolgegeneration lang sam an ihre Rolle heranführen. So kann geprüft werden, inwieweit der Nachfolger für seine Position wirklich qualifiziert ist.52 Auf der anderen SeitebirgtdieseLösungaberauchGenerationskonflikte.53 BeiderNachfolgedurchExternestelltdieSuchenachgeeignetenÜberneh mern eine der zentralen Herausforderungen dar. Ergebnisse im europäi schenVergleichzeigen,dasspersönlicheNetzwerkedabeivonentscheiden derBedeutungsind.OrganisierteInstrumentewieNachfolgebörsen,Anzei gen, aber auch Veranstaltungen spielen dagegen eine eher untergeordnete Rolle,gewinnenjedochzunehmendanBedeutung.54

6.5.3 Psychologische Herausforderungen Fürhochqualifi zierteErbenist eineÜbernahme nichtimmer lukrativ.

„DiesinkendenErtragserwartungeninangestammtenBranchenvermindern die Übernahmebereitschaft hoch qualifizierter Erben. Persönliche Gründe wieZugehörigkeitsgefühl,TraditionsbewusstseinundVerpflichtunggegen über der Familie waren bislang die ausschlaggebenden Motive der Erben, Verantwortung im Familienbetrieb zu übernehmen, statt eine Karriere in Politik, Wissenschaft oder einem großen Konzern anzustreben. Nachfolge anzutreten bedeutet, sich auf ein komplettes Unternehmen mit historisch gewachsenen Strukturen und eine auf die Seniorpersönlichkeit zugeschnit teneOrganisationundBelegschafteinzulassen.DieÜbernahmeerfordertin der Regel mehr Fachwissen, unternehmerische Erfahrung, Kompromissbe reitschaft und Konfliktfähigkeit als beispielsweise eine Neugründung. Sie kann nur dann vorteilhaft sein, wenn es dem Nachfolger gelingt, die vor handenen Beziehungen und Netzwerke des Unternehmens zu nutzen und andieeigenenIdeenanzupassen“.55

AuchGenerati onskonflikte könnengelöst werden.

Neben der sinkenden Übernahmebereitschaft familieninterner Nachfolger werden hier Generationskonflikte implizit angesprochen. Darunter kann eine Vielzahl von Aspekten subsumiert werden: das „Nichtloslassen“ des Seniors, Konflikte aufgrund des Altersunterschieds zwischen Nachfolger

182

Problemfelder und Herausforderungen der Nachfolge

6.5

undÜbergeber,dieunterschiedlicheMotivationslage,Risikoneigung,Visio nen der Generationen, eine unklare Kompetenzabgrenzung, Desinteresse, aberauchSelbstüberschätzungseitensderNachfolgegeneration.56 Eltern betrachten das Unternehmen als Ausdruck der Einzigartigkeit ihrer Leistung und ihrer Persönlichkeit. Unternehmen und Persönlichkeit ver schmelzen.DieWeiterführungdesUnternehmensdurchdienächsteGenera tion ist daher in gewisser Weise ein nicht infrage zu stellendes Muss; das Lebenswerk muss verewigt werden.57 Kann der Senior hingegen nicht los lassenunderlebtdieÜbergabe,auchandieeigenenKinder,alsbedrohlich, sind häufige Argumente, dass die Nachfolgegeneration nicht gerüstet sei odernichtdennotwendigenAntriebfürdieFortführungdesUnternehmens habe.58 Die sukzessive Übertragung von Geschäftsanteilen kann in diesem Fall eine praktikable Lösung sein.59 Gleichzeitig sind noch unter einem an deren Aspekt rationale Überlegungen häufig emotional überlagert. Nicht jedes Kind oder Familienmitglied ist der geeignete Nachfolger, Eltern oder Familienkönnensichdiesjedochhäufignurschwereingestehen.60Objekti vität und Ehrlichkeit sind dann entscheidend, um über die Eignung des Nachfolgers zu bestimmen, denn nur so können Unternehmenskontinuität undFamilienvermögennachhaltiggesichertwerden.61 Ein spezielles Problem stellen aus persönlichen wie auch aus finanziellen Gründen die sogenannten stillen Gesellschafter in Familienunternehmen dar.DerWegvomAlleinunternehmerüberdasEhepartnerunternehmenhin zurGeschwistergesellschaftundbiszumVetternkonsortiumsindAusdruck über Generationen hinaus nicht gelöster Nachfolgefragen mit der Folge einer immer weiter fortschreitenden Erbteilung. Dadurch wird die ur sprüngliche Einheit von Führung und Eigentum zunehmend aufgespalten. RechteeinzelnerGesellschafterwerdenimGesellschaftsvertragteilweiseso beschnitten,dasssieüberihreAnteilenichtverfügenkönnen,Informations rechte weitestgehend minimiert oder Gewinne fast vollständig thesauriert. Das Resultat sind laufende Kritik an der Geschäftsführung, ständigesAus kunftsbegehren oder die Blockierung von Gesellschafterbeschlüssen, die eine qualifizierte Stimmenmehrheit erfordern wie z.B. bei Kapitalerhöhun gen, Rechtsformwechsel, Akquisitionen, Änderungen des Gesellschaftsver trages. Die beschriebenen Interessens, Informations und Kommunikati onsprobleme machen einen ausgewogenen Gesellschaftsvertrag (ausrei chend Informations und Entnahmerechte), angemessene Ausstiegs möglichkeiten,dasHinzuzieheneinesBeiratsoderexternerMediatorenbzw. die Lösung im Sinne des Thronfolgermodells, die „FamilyGovernance“, notwendig, um nicht in innerfamiliären Streitigkeiten zu enden und die Wertvernichtung des ganzen Unternehmens heraufzubeschwören. Unter „FamilyGovernance“wirddabeiinAnlehnungan„CorporateGovernance“ die anhand klarer Kriterien und Regeln orientierte Führung der Familie

183

„Family Governance“– klareErbund Spielregelnfür Unternehmen undFamilie

6

Firmenübernahme – Nachfolge

verstanden.Auf der Grundlage gemeinsamer unternehmerischer Ziele und Werte werden die Kommunikations, Konfliktlösungs und Entscheidungs regeln innerhalb der Familie definiert. Damit soll verhindert werden, dass familieninterne Streitigkeiten eskalieren können und das Unternehmen selbst belasten. Ebenfalls geregelt werden in diesem Zusammenhang ge schäftliche Beziehungen zwischen dem Familienunternehmen und den Pri vatgeschäften einzelner Familienangehöriger, um damit Vetternwirtschaft mitihrenbekanntennegativenFolgenzuverhindern.WerdenalsoklareErb undSpielregelneingehalten,kannKonfliktpotenzialaufeinMinimumredu ziertwerden.62 Fremd management: DerRichtige mussgefunden werden,die Familiemuss loslassen.

StelltsichdieFrageeinerinnerfamiliärenÜbergabenicht,soistdieÜberga be an ein Fremdmanagement naheliegend, erfahrungsgemäß aber nicht minder schwierig und risikobehaftet. In Familienunternehmen ist Führung normalerweisekeinexplizitesThema.EsgibtinderRegelwenigformalisier te und gepflegte Führungsstrukturen. Diese sind zumeist auf den Eigentü mermonopolisiertundnichtaufmehrerePersonenverteilt,vorallemnicht auf Nichtfamilienmitglieder.63 Die Familie muss sich also durchringen, ihr Unternehmen teilweise oder auch vollständig in die Hände eines Nicht familienmitglieds zu übergeben, und den Bruch mit der Tradition und der dynastischen Weiterführung verkraften. Zudem muss ein professioneller Manager gefunden werden, der bereit und fähig ist, diese schwierige und konfliktträchtigeRolle,einerseitsloyalzurFamiliezuseinundandererseits dasUnternehmenkreativzugestalten,einzunehmen.64WerdenbeimUnter nehmensverkauf Vermögen und Führung getrennt, so sollte ein rascher WechselohneÜbergangsfriststattfinden.DieUnternehmerfamiliemussdie Ernsthaftigkeit des Familienrückzugs (Einrichtung eines Beirats oder AG, vertragliche Festlegung) und das Vertrauen gegenüber der Geschäftsfüh rungglaubhaftmachen.65 Zusammenfassend müssen somit verschiedene Problemfelder gelöst wer den.DieThematisierungdieserAspekteistjedochnichtnuräußerstschwie rig, sondern häufig tabuisiert.66 Eine kohärente Strategie für das Verhältnis Familie und Unternehmen ist damit ausschlaggebend. In diesem Rahmen sind vor allem Fragen der Unternehmens und Familienkontinuität (Zu kunftssicherung und Tradition), Loyalität gegenüber Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten und Partnern, monetäre Fragen (Einkommen, Kapitalgewinne, Privatvermögen, Alterssicherung), Machtaspekte (Kontrolle, Einfluss, Füh rung)undAspektedesPrestiges(Stellung,Image,Ruf)vonBedeutung.67 DieFallstudieamEndedesKapitelsskizzierteinesolcheEntscheidungssitu ation,wobeialleerwähntenAspekteeinewichtigeRollespielen.

184

Nachfolge als integrierter Managementprozess

6.6

6.6

Nachfolge als integrierter Managementprozess

InGanggesetztwirdderProzessderNachfolgedurchinterneoderexterne Einflüsse. Intern sind vor allem die Altersgrenze der Senioren, anstehende Großinvestitionen, (zeitweiser) Ausfall der Inhaber, die Kündigung von Führungskräften oder die Zukunftsplanungen/Ausbildungsabschlüsse der Junioren zu nennen. Extern kann die Nachfolge von Vertrauenspartnern oderBankenforciertwerden.

Interneoder externeEinflüsse setzendenPro zessderNachfol geinGang.

Allerdings werden häufig aufgrund des nachlassenden unternehmerischen EspritsVeränderungenimUmfeldübersehen,Maßnahmenzuspätodergar nicht eingeleitet und damit ein Investitionsstau provoziert, der aus dem einst florierenden Unternehmen einen Sanierungsfall macht. Weitere nach haltige Fehler sind, dass die Suche nach einem Nachfolger in der falschen Richtung (alte Freunde) erfolgt, es wird bei Problemen zu wenig neutrale HilfeinAnspruchgenommen,derZeitbedarfwirdunterschätzt(circa10–15 Jahre müssen einkalkuliert werden), die Entscheidung ist nicht konsequent durchgezogen (Senior entscheidet weiter mit) oder es herrscht mangelnde KenntnisüberrechtlicheodersteuerlicheFolgen.DieBedeutungeinerNach folgeregelungbeweistauchdasKreditvergabeverhaltenderBanken.Hierbei wirdeinevorhandeneNachfolgelösungalswichtigerAspektimRatingpro zess berücksichtigt. Dabei muss sich die Lösung auf die klare Führungs sowiedieVermögensnachfolgebeziehen.NurdieVerbindungbeiderAspek teschafftneue,klareundhandlungsfähigeVerantwortungen.

DieUnterneh mensnachfolge wirdhäufigzu spätindieWege geleitet.

DiegenanntenKonsequenzenmachendieNotwendigkeiteinesintegrativen Planungsansatzes offensichtlich. Dabei gilt es, Lösungen für betriebswirt schaftliche, rechtliche, steuerliche und psychologische Fragen gemeinsam aufzugreifen. Aufbauend auf einer Situationsanalyse werden die Schritte geplant,sodannumgesetztundanschließendeinemControllingunterzogen. DieWirtschaftsprüfungsgesellschaftErnst&Younghathierzueinintegrati vesModellderUnternehmensnachfolgeentwickelt(sieheAbbildung65).68 Dieses Modell leitet aus der Gegenüberstellung der vier genannten Prob lembereicheundeinemPhasenansatzdiejeweiligenHerausforderungenher. Auf der Grundlage einer sorgfältigen Analyse werden die firmenspezifi schenHandlungsfelderidentifiziert,dazupassendeLösungsmodelleentwi ckeltunddiekonkretenMaßnahmenabgeleitet.

Integratives Nachfolge management ermöglichteine klareFührungs undVermögens nachfolge.

185

6 Abbildung65

Firmenübernahme – Nachfolge

IntegrativesNachfolgemanagementnachErnst&Young

 Quelle: Ernst & Young (Hrsg.), Nachfolgemanagement, diverse Foliensätze, 2000.

186

Die integrative Zielplanung

6.7

6.7

Die integrative Zielplanung

Nach der Darstellung wesentlicher Aspekte des Zielplanungsprozesses werdendieeinbeziehbarenBeratungsinstitutionenvorgestellt.

6.7.1 Gegenläufige Ziele des Unternehmers DerübergebendeUnternehmerhatausseinerpersönlichenSichteinenZiel konfliktzulösen.ZumeististerengmitseinemLebenswerkverbunden,das eraufjedenFallfortgeführtsehenwill.DazumusseineausreichendeKapi taldeckevorhandensein,waswiederumeineradäquateneigenenAltersver sorgung widersprechen kann. Zudem spielt die Minimierung der steuerli chenBelastungfürdasUnternehmenundaufprivaterSeiteeineRolle.

Abbildung66

GegenläufigeZieledesUnternehmers

Quelle: Eigene Darstellung

SindmehrereerbberechtigteJuniorenvorhanden,sowirdderUnternehmer einegerechte,paritätischeVererbunganstreben,wobeierausSichtderUn ternehmensführung die klare Führungs und Kapitalverantwortung sicher stellen sollte. Schließlich wird er auf die Sicherung seines Vermögens be dachtsein.

187

6

Firmenübernahme – Nachfolge

6.7.2 Persönliche Ziele der Beteiligten Die persönlichen Ziele vonSenior und Junior, aber auchdieder Unterneh mens und sonstigerAnspruchgruppen sind dabei nicht deckungsgleich. In derfolgendenTabellesinddieZielederindenNachfolgeprozessInvolvier ten aufgelistet. Der daraus resultierende Zielkonflikt macht zunächst eine innerfamiliäreVerhandlungslösungunumgänglich.

Tabelle61

GegenläufigeZielederAnspruchsgruppen Senior

Nachfolger

· Fortführung des Lebenswerks · Sicherung des Familienvermögens

· Realisierung der individuellen Lebensplanung (Familie, Karriere, Wunsch nach Selbstständigkeit)

· Sicherung von Arbeitsplätzen

· Geringer Kaufpreis

· Möglichst hoher Nutzen aus der Übergabe

· Steueroptimierung

· Minimierung der steuerlichen Belastung · Erhalt des guten Rufs Unternehmen

Sonstige

· Übernahmen eines Konkurrenten

· Mitarbeiter

· Übernahme von Marktanteilen/ Marktbereinigung

· Staat

· Übernahme neuer Produkte

· Lieferanten · Kunden

· Erwerb von Know-how, Patenten, Lizenzen Quelle: Eigene Darstellung

Beide Parteien sollten eine Zielabstimmung anstreben, in der sie sich über denZeitpunktderÜbergabe,dieArtundWeisederKaufpreiszahlung,den UmfangunddieDauerderweiterenBegleitungdurchdenÜbergebersowie eine Regelung hinsichtlich latenter Steuerforderungen, aber auch die Ziele deranderenBeteiligteneinigen.

188

Die integrative Zielplanung

6.7

6.7.3 Finanzwirtschaftliches Zielsystem DasobersteZielnebendenpersönlichenVorstellungenistdieSicherstellung derUnternehmenskontinuitätunterdenAspektenderSicherheit,derUnab hängigkeit,derLiquiditätundderRentabilität. AlsRisiken,diedieSicherheitgefährdenkönnen,sindderpersonelleAusfall (Senior/Nachfolger), dasAuswahlrisiko (Unternehmergeschick vs. Unfähig keitodermangelndesInteresse),dieGefahrinternerAuseinandersetzungen (innerhalb und zwischen den Generationen) und die fehlende Revidierbar keit von Vermögensübertragungen zu nennen. Deshalb bedingt Sicherheit ein funktionierendes Risikomanagementsystem mit einer ursachen (Pla nung, Organisation der Kompetenzen und Informationsfluss) und wir kungsbezogenenRisikopolitik(Managementteam,Beirat,externeMitgesell schafter).

„ Unabhängigkeit bezieht sich auf andere Unternehmen und Kapitalgeber. DabeiwirdeineMinimierungderEinflussnahmeDritterangestrebt,der Übergeber möchte Entscheidungsautonomie, während der Nachfolger aufSelbstständigkeitbedachtist.

„ Liquidität ist eine Voraussetzung zur Fortführung des Unternehmens, wobei teilweise erhebliche Belastungen durch Zahlungen an weichende Erben (einmalige Barauszahlung, teilweise Sachwertabfindung, Renten zahlungen), auftretende Steuerlasten (Erbschaftssteuer, Einkommens steuer) und dieAltersversorgung des Übergebers entstehen. Unabding baristdaherdieFinanzplanung.

„ Rentabilität ist die Grundlage der Übernahmetauglichkeit und bezieht sichaufdenUnternehmenswert.EinobjektiverWertistnichtimmerzu ermittelnundinsofernVerhandlungssache. AllebeschriebenenZielemüssenaufeinanderabgestimmtwerden,bevorsie inverschiedenenVertragswerkenfixiertwerdenkönnen.DieAusgestaltung dieserVerträgehatdirekteAuswirkungenaufdasinstitutionelleGefügedes UnternehmenssowiedieHöhederErbschaftssteuer.IndiesemBereichexis tiertallerdingseinegroßeVariationsbreiteanLösungenzwischendenLän dern Deutschland, Österreich und der Schweiz,69 dort auch zwischen den einzelnenKantonen.

189

Sicherheit, Unabhängigkeit, Liquiditätund Rentabilitätsind beeinflussende Faktorendes finanzwirt schaftlichen Zielsystems.

6

Firmenübernahme – Nachfolge

6.8 Beratungbei administrativen undfinanziellen Aspektenwerden alssehrhilfreich eingeschätzt.

Beratende Institutionen

Im europäischen Vergleich zeigt sich, dass zum einen die familieninterne Nachfolge an Bedeutung verliert, zum anderen für zukünftige Übergeber vor allem folgende Aspekte als schwierig bzw. sehr schwierig eingestuft werden: den richtigen Käufer (76,5%) und angemessene Unterstützung (52,2%) zu finden, Verkaufspreisbestimmung (49,5%) und die Sicherung der künftigen Lebensunterhalts (40,8%). Infolgedessen beurteilen ehemalige Übernehmer Beratungsleistungen hinsichtlich administrativer und finanziel ler Aspekte (Steuer und Rechtsberatung; 86,4%), Finanzierungs und För dermittelberatung(72,7%)unddieBewertungdesUnternehmendurcheine unabhängige Institution (68,4%) als sehr bzw. hilfreich und notwendig. ZukünftigeÜbergeberschätzenebensoHilfeinadministrativenundfinanziel len Fragen (Steuer und Rechtsberatung; 77,2%), Bewertung des Unterneh mensdurcheineunabhängigeInstitution(65,0%),wünschensichjedochmit 59,8% die Unterstützung bei der Suche nach den richtigen Käufern durch Internetdatenbanken.Dennochzeigtsich,dassehemaligeÜbernehmerweiter hin persönliche Netzwerke wie Geschäftspartner und Kollegen (59,0%), Rechtsanwälte (36,9%) und Steuerberater (31,9%) als erfolgreich einstufen. Internetdatenbanken (6,2%) und Nachfolgeveranstaltungen bzw. börsen (2,9%)werdenalssehrwenighilfreichbewertet.70 So gelingt es institutionellen Nachfolgebörsen wie der bundeseinheitlichen Unternehmensbörse „nexxtchange“ (www.nexxtchange.org) zwar, mit ihren Netzwerk und Regionalpartnern Aufmerksamkeit und Home pagebesuchezuerzeugen,daseigentliche„Nachfolgegeschäft“istabernach wievorpersönlichstrukturiertundgeleitet. Speziell in BadenWürttemberg hat die Landesregierung ein Zwölfpunkte programm „Unternehmensnachfolge“ auf den Weg gebracht und bietet unter www.newcome.de nützliche Informationen zum Thema an.71 Im Rahmen der Nachfolge spielen Berater vor allem als Experten für betriebs wirtschaftliche, rechtliche und steuerliche Fragen sowie als Moderatoren und Vermittler zwischen den Familienmitgliedern (auf psychologischer Ebene)einewichtigeRolle.ZudemsolltensieStrukturierung undFührung desgesamtenNachfolgeprozessesausneutralerSichtgarantieren. Allerdings wird in der Studie zu den Dienstleistungsansätzen bei Unter nehmenstransaktionen und finanzierungen im Mittelstand72 deutlich, dass dieserspezielleMarkt mittlerweilezum TeiluntereineradversenSelektion leidet,weildiezuberatendenUnternehmerinetlichenFragenbesserinfor miertsindalsdiesieberatenwollendenDienstleisterunddeshalbdenPro zess gleich selbst steuern (wollen). Trotzdem bleibt die Herausforderung

190

Fallstudie: Pustefix

6.9

bestehen, diesen vielschichtigen Prozess zentral zu koordinieren und dabei diebestenSpezialistenfürdieeinzelnenTeillösungenheranzuziehen.

6.9

Fallstudie: Pustefix

Wenn Frank Hein, heutiger Geschäftsführer von Pustefix, durch seinen Be triebgeht,weißer,dasssichindenletzten60Jahrenvielveränderthat.Der UnternehmensverlaufwurdeunteranderemdurchdieÜbergabedesUnter nehmensvonseinemGroßvateranseinenVaterundeinigeJahrespätervon seinem Vater an ihn selbst geprägt. Die Übernahmen hätten unterschiedli chernichtseinkönnen.

Diebeidenbishe rigenUnterneh mensübergaben hättenunter schiedlichernicht seinkönnen.

Zwarhatdie Übergabevon ihmaneventuelleNachfolgernochetwasZeit, aberübereinenPunktistersichjetztbereitsimKlaren:FrankHeinmöchte seinenKindernnichtdenZwangauferlegen,dasUnternehmenerhaltenzu müssen.Genausowenigwieeresbegrüßenwürde,wennseineKinderihre Ausbildung nur auf die mögliche Unternehmensnachfolge ausrichten wür den.

Rückblickend … DieDr.RolfHeinGmbH&Co.KGwurde1948vomGroßvaterdesheutigen GeschäftsführersFrankHeingegründet.KerngeschäftistbisheutedieFerti gungvonSeifenblasenspielen.IndenNachkriegsjahrenfloriertePustefix,bis ab den 1960erJahren die Nachfrage deutlich rückläufig war und die Über gabeimJahre1972aufexternenDruckanGeroldPeterHeinforciertwurde. Gerold Peter Hein trieb in den folgenden Jahren dieAutomatisierung und InternationalisierungderFirmastarkvoranundbrachtedaskrisenbehaftete UnternehmenwiederaufErfolgskurs.ErführtePustefixbis1998,eheesvon seinem Sohn Frank Hein zum 50jährigen Firmenjubiläum übernommen wurde.AucherführtePustefixzuneuemWachstum.1998gingdieInternet handelsplattform online, der Fanshop (Merchandising) mit einer sehr dy namischen Entwicklung wurde gegründet und seit 2005 gibt es Bubble E vents–vonPustefixbetreuteEvents.

Übergabe an die dritte Generation GeroldPeterHeintrafdieEntscheidungzurÜbergabeausfreienStücken.Er erkanntedieNotwendigkeiteinerVeränderungimUnternehmenundwollte

191

DasKerngeschäft vonPustefixist bisheutedie Fertigungvon Seifenblasen spielen.

6

Firmenübernahme – Nachfolge

sichvermehrtseinemPrivatlebenwidmen.FehlerausderVergangenheit(zu späte Trennung von Privat und Unternehmensvermögen und folgende Lizenzgebührforderungen des Onkels und seiner Familie, Nichtloslassen Können,gesundheitlicheProblemeundderfrüheToddesGroßvatersnach der erzwungenen Übergabe) wollte er nicht wiederholen. So übergab er konsequentKapitalundFührungundräumtebewusstzum1.1.1999mit65 JahrenseinBüro.„ErhatdieMachtausderHandgegeben.“DaVaterund SohnniemalseinoffenesGesprächüberdieUnternehmensnachfolgegeführt hatten, kam die Anfrage des Vaters für den Sohn zunächst überraschend. Frank Hein hatte nach seinem Studium Karriere in leitender Position in anderen Unternehmen gemacht und die Nachfolge war von beiden Seiten keinesfallsvorbestimmt,obwohlFrankHeinseitseinem18.LebensjahrGe sellschafter der Firma war. Doch er hatte seinen beruflichen Werdegang nichtaufdieÜbernahmehinausgerichtet.UnzufriedenheitoderDesillusio nierungaufgrundentgangenerChancensindkeinThema. DieUnterneh mensübernahme wurdezunächst miteinemHand schlagbesiegelt.

AuchdiezeitlicheAbwicklungdesNachfolgeprozessesunddieKommuni kationnachinnenundaußenstelltefürdiebeidenkeinegroßeHerausforde rungdar.RaschkonntenVaterundSohnihrZielsystembestensaufeinander abstimmen. Gerold Peter Hein hatte sich über viele Jahre hinweg durch PublikationenundSeminarezumThemaNachfolgeinformiert.„Abenteuer liche Konstrukte“ der Juristen als Gestaltungsoption der Unternehmens nachfolge, die alle Eventualitäten absichern wollten, als ob zwischen Über geber und Unternehmen keinerlei Vertrauensbasis existierte, wurden von beiden bewusst ausgeschlagen. Sie entschieden sich dazu, ihren eigenen IdeenundBedürfnissenzufolgen,undbesiegeltendieÜbernahmezunächst per Handschlag, bevor die angedachte Ausgestaltung durch Steuerberater und Juristen geprüft wurde. Steuerrechtliche Aspekte wurden für Pustefix imRahmenderUnternehmensnachfolgenichtzurBelastung.EswurdeZug um Zug eine Schenkung mit privater Kompensation vorgenommen. Frank Hein übernahm alle Belastungen, hatte jedoch auch aus seiner beruflichen LaufbahngenügendPrivatvermögen,umdenKaufpreisaufbringenzukön nen. Die Altersversorgung des Vaters wird maßgeblich über seine Beteili gung geregelt, die bewusst in einem Umfang gewählt wurde, die das Le bensarbeitswerk monetär würdigt. Seitens des Vaters konnte Frank Hein daraufvertrauen,dassereingrundsolidesundgutvorbereitetesUnterneh men übernahm, während der Sohn dem Vater durch seinen beruflichen Werdegang und die Gründung der erfolgreichen Success Werbemittel, die späterindieRolfHeinGmbH&Co.KGintegriertwurde,seineQualifikati ondemonstrierthatte,diederVaternieinfragestellte.

192

Fallstudie: Pustefix

6.9

Der endgültige Abschied In den ersten eineinhalb Jahren nach der Übergabe war Gerold Peter Hein noch vertretungsweise im Unternehmen. Nachdem er jedoch eingetretene Veränderungen aufgrund der Distanz nicht mehr nachvollziehen konnte, gestaltete sich diese Konstellation zunehmend problematisch. Der klare Schnitt, aber vor allem dies dem Vater schonend und verständnisvoll zu kommunizieren, war in dieser Situation für den Sohn durchaus belastend. DennochistGeroldPeterHeinnochheutederengsteBeraterseinesSohnes. AusSichtdesSohnessind„EntscheidungenineinemFamilienunternehmen eineeinsameAngelegenheit…DesisteineUnternehmensgeschichte,sollte man ruhig nutzen, tut beiden Seiten gut, es gibt demjenigen, der loslassen muss,dasGefühl,dassseinRatnochdurchauswertvollist,wasauchsoist, und man selber bekommt ein wenig Rückhalt, dass man die Entscheidung dochnichtsoganzeinsamgetroffenhat.“

Und was bringt die Zukunft? DieDominanzdesHandelsnimmtzu,derMarktwürdigtdieMarkePuste fixbisheute,dochobPustefixin20–25JahrennocheineglanzvolleZukunft hat,istnichtgewiss–DreivonFrankHeinsvierKindernhabensichbereits fürandereBerufswegeentschieden.

Fragen zu den Fallstudien 1. WelchekritischenAspektewarenimRahmendergewähltenNachfolge optionenvonentscheidenderBedeutung?BerücksichtigenSiesowohlbe triebswirtschaftliche und psychologische Herausforderungen als auch den Ablauf der Nachfolgeprozesse und die Rollenverteilung vor und nachderNachfolge. 2. Diskutieren Sie, welche alternativen Wege hätten eingeschlagen werden können,undbeurteilenSiedieseanhandihrerVorundNachteile. 3. WiewürdenSieeineweitereNachfolgegestalten?DiskutierenSiemögli cheOptionenunderfolgsrelevanteFaktoren. 4. ZeigenSieauf,inwelcherFormdiezehnThesenausAbschnitt6.10zur NachfolgeimUnternehmenberücksichtigtwordensindodernicht.

193

DieklareTren nungwarfür VaterundSohn nichtganzein fach.

6

Firmenübernahme – Nachfolge

6.10 Zusammenfassung AnstelleeinerZusammenfassungwerdenandieserStellezehnThesenprä sentiert,die von einem Expertengremium unter Leitung der UBSerarbeitet worden sind und zu einer erfolgreichen Unternehmensnachfolge einen er heblichenBeitragleistenkönnen.73  „ These1:EineklareEignerstrategiedefinieren:TragfähigeNachfolgelösungen beruhen auf klaren Vorstellungen über die Zielsetzungen und die zu künftige Rolle der Unternehmerfamilie. Der Unternehmer bzw. die Un ternehmerfamilie muss sehr überlegt entscheiden, welche finanziellen undideellenInteressendabeiimVordergrundstehensollen.

„ These 2: Zukunftsperspektiven entwickeln: Unternehmer müssen sich Ge dankenüberdieZukunft machen,damitsiesichemotionalvomUnter nehmen trennen und dieses erfolgreich einem Nachfolger übergeben können. Psychologische und sachliche Nachfolgehürden sind selbstbe wusstzuüberwindenundneueLebensinhaltezuentwickeln.

„ These3:DieNachfolgeeinvernehmlichregeln:EinUnternehmermussseine Nachfolge nicht nur im Unternehmen, sondern auch innerhalb der Un ternehmerfamilieregeln.GuteLösungenentstehendann,wennfinanziel le und emotionale Interessenskonflikte sachlich diskutiert und im Inte resse des Unternehmens innerhalb der Familie einvernehmlich gelöst werden.

„ These4:DieNachfolgefrühzeitigplanenundrechtzeitigumsetzen:Verantwor tungsbewussteUnternehmersindessichselberundihremUnternehmen schuldig, die Nachfolge frühzeitig zu planen und umzusetzen. Sie wis sen,dassspäteNachfolgelösungennichteinfacher,sonderneherschwie rigerundrisikobehafteterwerden.

„ These 5: Den Nachfolger gezielt vorbereiten und motivieren: Nachfolger aus der Unternehmerfamilie sowie Führungskräfte mit den erforderlichen menschlichen und beruflichen Qualifikationen müssen gezielt auf zu künftigeFührungsaufgabenvorbereitetundmotiviertwerden.JederUn ternehmerhatdiepotenziellenNachfolger,dieerselbstaufgebauthat.

„ These 6: Das Unternehmen nachfolgefähig organisieren: Für gut organisierte underfolgreicheUnternehmengibtesmeistenszahlreicheInteressenten. Damit das vorhandene Wertschöpfungspotenzial vom Nachfolger voll genutzt werden kann, müssen Organisationsstruktur, Verantwortungs bereiche, Rechnungswesen und Führungsinstrumente optimal geregelt sein.

194

Zusammenfassung

„ These7:VerschiedenestrategischeOptionenprüfen:AlternativeNachfolgelö sungen beinhalten für das Unternehmen und die Unternehmerfamilie unterschiedliche Vor und Nachteile. Aufgrund der gewählten Eigner strategiesindallegrundsätzlichinfragekommendenOptionensorgfältig zuevaluieren,ohnesichzufrühoderzustarkaufeineeinzigeNachfol gelösungzukonzentrieren.

„ These8:DenWertdesUnternehmensausSichtdesNachfolgersbeurteilen:Der WertdesUnternehmenswirdweitgehenddurchdieErtragslageundden zukünftig frei verfügbaren Cashflow bestimmt. Ein Nachfolger oder Käufer kann nur den Preis bezahlen, der aufgrund seiner eigenen Zu kunftserwartungenzurechtfertigenundzufinanzierenist.

„ These 9: Das Familienvermögen und die Altersvorsorge sichern: Vermögens verwaltung undAltersvorsorgebraucheneineLangzeitperspektive.Un ternehmersolltendaherfrühzeitigdamitbeginnen,dasPrivatvermögen risiko und ertragsbewusst anzulegen und vom Geschäftsvermögen zu trennen.

„ These 10: Die Nachfolge mit den richtigen Beratern lösen: Die Nachfolge im Unternehmen stellt komplexe betriebswirtschaftliche, rechtliche, finan zielle und steuerliche Fragen, die in ihrem Zusammenhang oft nicht leicht zu beurteilen sind. Um sie kompetent und objektiv zu lösen, brauchtesentsprechenderfahreneundunabhängigeBerater.

Diskussionsfragen 1. VergleichenSiedieGründungsdebattemitderNachfolgedebatte,welche ParallelenundLösungsansätzefallenIhnenauf? 2. Zeigen Sie anhand eines von Ihnen gewählten KMU auf, welche Prob lemfelderbeidessenNachfolgeplanungzulösensind. 3. WelcheNachfolgevariantenkommenweshalbinfrage? 4. WiesiehteineentsprechendeZielplanungaus? 5. WelcheBeratersolltenhinzugezogenwerden?

Weiterführende Literatur ACHLEITNER, A.K./EVERLING, O./KLEMM, S.(Hrsg.), Nachfolgerating.Rating alsChancefürdieUnternehmensnachfolge,München,2005. BROST, H./FAUST M./THEDENS, C. (Hrsg.), Unternehmensnachfolge im Mit telstand,FrankfurtamMain,2005.

195

6.10

6

Firmenübernahme – Nachfolge

HABIG, H./BERNINGHAUS, J., Die Nachfolge in Familienunternehmen ganz heitlichregeln,2.Auflage,Berlin,2004. LEMAR, B., Generations und Führungswechsel im Familienunternehmen. MitGefühlundKalküldenWandelgestalten.Berlin,2001. MÜLLER, CH./TOMASELLI, H./FREILAND, D., Dienstleistungsansätze bei Unter nehmenstransaktionen und Unternehmensfinanzierungen im Mittelstand amBeispielBadenWürttemberg,Stuttgart,2006. RIEDEL,H.,Unternehmensnachfolgeregeln,3.Auflage,Wiesbaden,2000.

Endnoten   1 FREUND, W. et al., Generationenwechsel im Mittelstand: Unternehmensübertra

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UBS(Hrsg.),UBSOutlook.NachfolgeimUnternehmen,Zürich,2004.

3 FREUND, W., Unternehmensnachfolgen in Deutschland – Neubearbeitung der

DatendesIfMBonn,(=SchriftenzurMittelstandsforschung.Nr.106NF,Jahrbuch zurMittelstandsforschung1/2004.),Bonn,2004. 4 AnmerkungderAutoren:DasInstitutfürMittelstandsforschunghingegennimmt

folgende Klassifizierung vor: weniger als 500 Beschäftigte, weniger als 50 Mio. EURUmsatzundrechtlicheUnabhängigkeitdesUnternehmens. 5 HAHN, D., Unternehmensphilosophie und Führungsorganisation in Familienun

ternehmungen,in:ZeitschriftfürOrganisation,4/1985,S.12–20. 6 FUEGLISTALLER, U./ZELLWEGER, TH.., Die volkswirtschaftliche Bedeutung der

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(Hrsg.), Die volkswirtschaftliche Bedeutung von Familienunternehmen, (= IfM MaterialienNr.172),Bonn,2007. 8 STIFTUNG FAMILIENUNTERNEHMEN und INSTITUT FÜR MITTELSTANDFORSCHUNG

(Hrsg.), Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Familienunternehmen. Top 500 Listen,Stuttgart,2007. 9 PICHLER, H. J./BORNETT W., Wirtschaftliche Bedeutung der kleinen und mittleren

Unternehmen (KMU) in Österreich, in: Schauer, R./Kailer N./Feldbauer Durstmüller, B. (Hrsg.), Mittelständische Unternehmen. Probleme der Unterneh mensnachfolge,((Ortfehlt,2005,S.117–150. 10 NEUBAUER,H.,UnternehmensnachfolgeimFamilienunternehmen,in:Pleitner,H.

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196

Zusammenfassung

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Fakten zur Bedeutung und Kontinuität, in: Der Schweizer Treuhänder 1–2/05, S. 35–38. 12 SIMON, H.,HiddenChampionsdes21.Jahrhunderts–DieErfolgsstrategienunbe

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HandlungsempfehlungenfürdieSchweiz,Zürich,2005. 18 EUROPÄISCHE UNIONundTRANSREGIO (Hrsg.),Unternehmensnachfolgeinsieben

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ge.DieoptimalePlanung,Berlin,2005. 20 ARNET, PH./HARTMANN, H., Nachfolgeregelung bei Familienunternehmen – Ver

kaufalsOption,in:DerSchweizerTreuhänder10/04,S.833–840. 21 RIEDEL, H., Unternehmensnachfolge regeln. Strategien und Checklisten für den

erfolgreichen Generationswechsel, 3., überarbeitete Auflage, Wiesbaden,2000, BUNDESMINISTERIUMFÜRWIRTSCHAFTUNDARBEIT(2005). 22 RIEDEL (2000); ARNET/HARTMANN (2004); BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT UNDARBEIT(2005).

23 ebenda. 24 ebenda. 25 BUNDESMINISTERIUMFÜRWIRTSCHAFTUNDARBEIT(2005). 26 BINZ, M. K./SORG, M. H., Optionen für jeden Zweck. Wesen, Besteuerung und

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12/2005,S.520–523.Binz,M.K./Sorg,M.H.(2004). 32 BREUNINGER, H.,„DerGenerationenwechselinFamilienunternehmenauspsycho

logischer Sicht“, in: Hennerkes, B.H./Kirchdörfer, R. (Hrsg.), Unternehmens

197

6.10

6

Firmenübernahme – Nachfolge

handbuch. Familiengesellschaften: Sicherung von Unternehmen, Vermögen und Familie,Köln,1995,S.752–767. 33 GRANT THORNTON AG (Hrsg.), Unterstützung für Familienunternehmen und

Unternehmerfamilien.Zürichetal,o.J. 34 ARNET/HARTMANN(2004). 35 fürdetaillierteInformationendieBeiträgeinBROST,H./FAUST,M./THEDENS,C.

(Hrsg.),UnternehmensnachfolgeimMittelstand,FrankfurtamMain,2005. 36 FREUND, W., Familieninterne Unternehmensnachfolge. Erfolgs und Risikofakto

ren,Wiesbaden,2000. 37 LÜDKE, U., Zwischen Ausklang und Auftakt. Wie Unternehmer erfolgreich die

Nachfolgeregeln,in:FinanceMärz2005,S.10–16.GRANTTHORNTONAG(o.J.). 38 ARNET/HARTMANN(2004). 39 FREUND et al. (1995); RIEDEL (2000); BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT UND

ARBEIT (2005); BUNDESMINISTERIUM DER FINANZEN (Hrsg.), Erbschaft und Schen kungsteuer,Berlin,2006. 40 BUNDESMINISTERIUMDERFINANZEN(2006). 41 ebenda. 42 ebenda. 43 LEITNER/LEITNER (Hrsg.), Aufhebung der Schenkungssteuer, in: Austrian tax

news.RecentDevelopmentsinInternationalTaxLaw07/2007,S.1. 44 STOCKDREHER, P.,AktuelleÄnderungeninderErbschaftssteuer&Unternehmens

nachfolgeplanung,UnveröffentlichtesSkript,Stuttgart,2007. 45 INFORMATIONSSTELLE FÜR STEUERFRAGEN – EIDGENÖSSISCHE STEUERVERWALTUNG

(Hrsg.),KurzerÜberblicküberdieErbschaftsundSchenkungssteuern.(=Steuer informationen.Mai2006),Bern. 46 EUROPÄISCHEUNIONundTRANSREGIO(2006). 47 UBS(2004). 48 RIEDEL(2000). 49 DOMAYER, E. et al., Das Familienunternehmen – Erfolgstyp oder Auslaufmodell,

Wiesbaden,2005. 50 DOMAYERetal.(2005);LÜDKE(2005);GRANTTHORNTONAG(o.J.). 51 LÜDKE(2005);GRANTTHORNTONAG(o.J.). 52 BUNDESMINISTERIUMFÜRWIRTSCHAFTUNDARBEIT(2005) 53 RIEDEL(2000). 54 EUROPÄISCHEUNIONundTRANSREGIO(2006). 55 BREUNINGER(1995). 56 FREUND et al. (1995); RIEDEL (2000); BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT UND

ARBEIT(2005);BUNDESMINISTERIUMDERFINANZEN(2006).

198

Zusammenfassung

57 DOMAYER et al. (2005); HOMAN, D./PLEININGER, H.; In 40 Prozent aller Betriebe

stehtGenerationswechselan,in:WirtschaftsBlatt,22.3.2007. 58 DOMAYERetal.(2005). 59 FREUND et al. (1995); RIEDEL (2000); BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT UND

ARBEIT(2005);BUNDESMINISTERIUMDERFINANZEN(2006). 60 BUNDESMINISTERIUMFÜRWIRTSCHAFTUNDARBEIT(2005). 61 ARNET/HARTMANN(2004). 62 ARNET/HARTMANN(2004);BINZ,M.K./SORG,M. H:,KonfliktlösunginFamilienun

ternehmen.Vermeidungsstrategienmüssenam„mündigen“Gesellschafteranset zen–FairerInteressenausgleich,in:HandelsblattMittwoch,23.3.2005–Nr.58,S. C3. 63 DOMAYERetal.(2005). 64 ebenda. 65 FREUND et al. (1995); RIEDEL (2000); BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT UND

ARBEIT(2005);BUNDESMINISTERIUMDERFINANZEN(2006). 66 DOMAYERetal.(2005). 67 UBS(2004). 68 ebenda. 69 SpezifischaufSchweizerKMUgehenein:HEGI, R./STAUB, L.(Hrsg.), Fortsetzung

folgt...UnternehmensnachfolgeinKMUerfolgreichgestalten,Zürich,2001. 70 EUROPÄISCHEUNIONundTRANSREGIO(2006). 71 WIRTSCHAFTSMINISTERIUM BADENWÜRTTEMBERG, Nachfolge, Internetplattform

„Unternehmensnachfolge“unterwww.newcome.de,2007. 72 MÜLLER,

CH./TOMASELLI, H./FREILAND D., Dienstleistungsansätze bei Unternehmenstransaktionen und Unternehmensfinanzierungen im Mittelstand amBeispielBadenWürttemberg,Stuttgart,2006.

73 UBS(2004).

199

6.10

Einführung

7 Corporate Entrepreneurship

Lernziele Nach der Lektüre dieses Kapitels sollten Sie folgende Fragen beantworten können:

„ Welche Formen von Corporate Entrepreneurship lassen sich unter scheiden?

„ Wie können dauerhaft Ideen und Innovationen hervorgebracht, der unternehmerischeGeistetabliertsowiederWandelbewältigtwerden?

„ WasverstehtmanunterAcademicEntrepreneurshipundwelcheVoraus setzungenmüssendafürgegebensein?

„ WiesiehtimRahmendesAcademicEntrepreneurshipderidealeProzess aus?

„ WiekanninderPraxisCorporateEntrepreneurshipetabliertwerdenund welche allgemeinen Schlussfolgerungen können daraus gezogen wer den?

Begriffserklärungen Corporate Entrepreneurship: Überbegriff für alle unternehmerischenAkti vitäten von bestehenden Unternehmen auf individueller und Team oder Organisationseinheitsebene,vorallemdieBereicheCorporateVentureCapi tal und Corporate Venturing sowie allgemeine Innovationen und strategi scheErneuerung. Corporate Venturing: Führungskonzepte und Organisationsformen zur Förderung von risikobewussten Projekten und unternehmerisch ausgerich tetenEinheitenoderTeams,auchalsVentureManagementbezeichnet. CorporateVentureCapital(CVC):VonUnternehmendirektoderindirektin interne oder externe Technologieunternehmen oder Startups investiertes Risikokapital. Inkubator: Institution von Trägern unterschiedlicher Art zur Förderung, BetreuungundinderRegelauchphysischenAufnahmevonjungenUnter nehmenvoralleminderSeedundStartupPhase.1

201

7.1

7

Corporate Entrepreneurship

AcademicEntrepreneurship:AktivitätenundKonzeptezurFörderungvon Unternehmensgründungen/Ausgründungen aus der Universität und zur EntwicklungdesunternehmerischenGedankens.

7.1

Einführung

Entrepreneurship steht als umfassender Begriff für die bisher behandelten von bestehenden Unternehmen „unabhängigen“Aktivitäten, aber auch für die „abhängigen“ Varianten des Corporate Entrepreneurship. Da es eine FüllevonBegriffengibt,diesichmitdemThemaCorporateEntrepreneurs hip beschäftigen, werden die Begrifflichkeiten zunächst geordnet. Zudem werden die Herausforderungen von Corporate Entrepreneurship in der Praxisvorgestellt.InAbschnitt7.2folgtdanneinVorgehensmodellzurKon zipierung und Umsetzung von CorporateEntrepreneurshipProjekten. In Abschnitt 7.3 wird auf den AcademicEntrepreneurshipProzess eingegan gen und dargestellt, wo die Schnittstellen und kritischen Punkte zu finden sind.

7.1.1 Corporate Entrepreneurship istUnternehmer tuminnerhalb einerFirma.

Corporate Entrepreneurship Ein umfassender Begriff

DerBegriffCorporateEntrepreneurshipwirdinderLiteraturvielfältigund teilweise missverständlich verwendet. Einig ist sich die Literatur darüber, dass sich Corporate Entrepreneurship auf entrepreneuriale Aktivitäten für eine bzw. innerhalb einer Firma bezieht. Hier wird Corporate Entrepre neurship(CE)wiefolgtverstanden:2CEist„einorganisationalesPhänomen,in dessenMittelpunkteinproaktivesInnovationsverhaltensteht,welchesinderKultur und Strategie verankert ist und durch personelle und finanzielle Ressourcen ge stützt wird, wobei die Entwicklung der organisationalen Kompetenzbasen die Wahrnehmung von Geschäftschancen und die damit verbundene Veränderungs bereitschaft fördert und die Bereitschaft zu Innovation und Veränderung durch verfügbareRessourcenundKompetenzennichtmassivbeschränkt.“Hierzuzählen vor allem die Bereiche Corporate Venturing einschließlich Corporate Ven ture Capital sowie die Themen Innovation und strategische Erneuerung.3. DasGebietderstrategischenErneuerungistalsverwandtzubezeichnen,da es aber aus dem strategischen Management kommt, wird hier nicht näher daraufeingegangen.

202

Einführung

7.1

Die Aktivitäten im Bereich des Corporate Venturing schließen Führungs konzepte und Organisationsformen zur Förderung von risikobewussten ProjektenundunternehmerischausgerichtetenEinheiten/Teamsin,amRan de von und zwischen Unternehmen ein und werden auch als Venture Ma nagement bezeichnet. Corporate Venturing kann nach seiner Herkunft in interne und externe Formen unterteilt werden.4 Im Bereich des internen VentureManagementlassensichderProductChampion(einzelnergenialer Tüftler),daszumeistproduktnahe,interdisziplinäreVentureTeambzw.der Technology Accelerator (unternehmensinterne Einheit zur Förderung von innovativenTechnologieprojekten)aufführen.ZumexternenVentureMana gementzählendieBusinessAccelerators(unternehmensinterne–auchvirtu elle – Einheit zur Generierung und Wachstumsförderung von innovativen Geschäftsmodellen) bzw. Corporate Venture Capital (CVC, industrielles Risikokapital),dasVentureNurturing(MehrheitverbleibtbeiderMutterge sellschaft),Spinoffs(kompletteAusgründung)undJointVentures(Partner unternehmen z.B. mit Hochschul oder Industriepartnern). Abbildung 71 verdeutlicht die Klassifizierung. Corporate Venturing hat damit die Identi fikation, Förderung, aber auch Integration von innovativen, dynamischen undwachstumsorientiertenOrganisationseinheitenzumZiel.5

Eslassensich zweiFormenvon CorporateVentu ringunterschei den:internesund externesVenture Management.

Systematisierung von Corporate Entrepreneurship

Abbildung71

Quelle: Frank, H., Corporate Entrepreneurship, Wien, 2006.

203

7

Corporate Entrepreneurship

7.1.2

Systematisierung von Corporate-VentureCapital-Aktivitäten

Sobald Unternehmen mit Aktivitäten und Projekten im Bereich Venture Capital beginnen, spricht man von CVC6. CVC ist dabei charakterisiert als „zeitlich begrenzte Kapitalbeteiligung mittels Bereitstellung von Eigenkapital oder diesemähnlichenMittelnundManagementwissenodersonstigerUnterstützungan junge,technologischinnovativenichtbörsennotierteKMUdurchetablierteIndust rieunternehmen, die neben finanziellen auch strategische Motive für das Engage menthaben“.7DabeihabendieUnternehmengrundsätzlichzweiMöglichkei ten, ihre VCAktivitäten durchzuführen. Sie können entweder direkt in Startups investieren oder indirekt über unabhängige Investmentsfonds (CVCGesellschaft) oder andere Finanzintermediäre. Bei der direkten Vari antekönnendieInvestmentswiederumalleine,alsMehrheitsoderMinder heitsinvestor oder mit anderen Unternehmen (CoInvestoren) erfolgen. Die zweite Variante bringt zwar Koordinationsbedarf, aber auch finanzielle EntlastungundeineEinsichtnahmeinstrategischePlänemitsich.Weiterhin kannnachdemFokusderunternehmerischenAktivitätunterschiedenwer den(internoderextern).AusderKombinationbeiderDimensionenergeben sich vier idealtypische CVCFormen8: direkt intern (entwickelt durch Unter nehmensangehörige wie Product Champions oder Teams), direkt extern („Equity“Investition in externes Startup), indirekt intern (Investition in intern oder extern geführten VCFonds, der Unternehmensangehörige zu internen Ventures ermutigt) oder indirekt extern (Investition in intern oder externgeführtenVCFonds,derinexterneStartupsinvestiert). WelcherInvesti tionstypgewählt wird,hängtvon denstrategischen ZielendesUnter nehmensab.

Unternehmen verfolgen mit ihren CVCAktivitäten unterschiedliche Ziele,9 die von Chesbrough10 zu vier Investitionstypen verdichtet worden sind. Antreiberinvestitionen sollen strategische Ziele verwirklichen helfen, die Ge schäftsstrategiedesUnternehmensdamitvorantreibenundwerdenentspre chend eng angebunden. Auslöserinvestitionen (strategisch motiviert) dienen mehr zum Ergänzen der Palette und werden entsprechend locker geführt. AufsteigerinvestitionenverfolgenfinanzielleZieleundsollenneueGeschäfts feldererschließen,weswegeneineengeAnbindungerforderlichist.Passivin vestitionen entspringen finanziellen Interessen, sollen entsprechende Rück flüsse generieren und werden wie Auslöserinvestitionen geführt. Entspre chend dieser vier Investitionstypen lässt sich das Festhalten und das Verwerfen von Investitionen in Startups durch etablierte Unternehmen erklären. Denn der lang oder kurzfristige Investitionshorizont und die Be reitschaft, die erforderlichen Finanzressourcen einzusetzen, hängt von der entsprechenden Einstufung ab. Der Weiterentwicklung des Kerngeschäfts wird gerade in kritischen Situationen eine höhere Bedeutung beigemessen alsderexperimentellenErschließungneuerZukunftsfelder.

204

Einführung

Etablierte Unternehmen sollten differenziertere Überlegungen anstellen, bevorsiesichindasAbenteuerCVCstürzen.DieZieledesCorporateVentu ring–hiervorallemdieGewinnungstrategischerVorteileundGewinnung neuer Produkte oder Geschäftsmodelle, das Erreichen eines Organisations undKulturwandelsoderdieErzielungschnellerfinanziellerReturns–soll tendabeimitdenBedürfnissendesinvestierendenUnternehmens(Kontrolle desVenture,dieFähigkeitundderWille,entsprechendeRessourceneinzu setzen, sowie die Bereitschaft, unternehmerische Risiken zu akzeptieren) verbunden werden. Entscheidend für den Erfolg von CVC ist somit die Kombination strategischer und finanzieller Ziele. Cooper et al. erkennen dabeieinePendelbewegungvoneinerreinenStrategieausrichtungübereine starkeFinanzorientierunghinzueinerBetrachtungbeider„ValueCreation“ Dimensionen: „Today, companies have realized that simply focusing on strategic gains can lead to investments that are not financially feasible. On the other hand, theyhaverealizedthatapurelyfinancialfocusignoresthestrongsynergiesthatcan becreatedthroughstrategicinvestments.Learningandearninghavethusconverged andbecomeCVC’sultimategoal.”11

7.1.3

7.1 Strategische undfinanzielle Zielesollten ausgewogensein.

Herausforderungen für bestehende Unternehmen

Für bestehende Unternehmen stellt dieAufrechterhaltung und Umsetzung von unternehmerischen Grundprinzipien eine zentrale Herausforderung dar.KürzerwerdendeInnovationszyklen,dieErfordernis,auchMassenpro dukte für spezifische Kundensegmente anzupassen, sowie die Verbindung von Innovations mit Marketingprozessen führen dazu, dass Mitarbeiter oderFirmenangehörigezuMitunternehmernentwickeltwerdenmüssen.Ist diese Stufe erreicht, gilt es, die Mitunternehmer ans Unternehmen zu bin den.Zielistesdabei,einerseitsdieunternehmerischenFreiheitenzuentwi ckeln und andererseits die Mitunternehmer im bestehenden Unternehmen zuhaltenDennjeunternehmerischerjemanddenktundhandelt,destogrö ßer wird die Gefahr einerAbwanderung in dieSelbstständigkeit, wenn die Rahmenbedingungen im Angestelltenverhältnis nicht mehr stimmen. Die generelleBedeutungdiesesThemasverdeutlichendieKernergebnisseeiner Studiezu„MitunternehmernimUnternehmen“:12:1.VomMitunternehmer tumerwartendieFührungskräftedauerhaftwirksameWettbewerbsvorteile. 2.UnklaristinvielenFällen,werimUnternehmenüberhauptdasZeugzum Mitunternehmer hat – obwohl es erprobte Instrumente gibt, das aufzude cken. 3. Dezentralisierung und Spezialisierung, autonome Einheiten wie Geschäftsbereiche und Servicecenter sind Schritte in Richtung Mitunter nehmertum. Der erwartete Nutzen liegt bei mehr Eigeninitiative, stärkerer

205

Mitunternehmer tumführtzu Wettbewerbs vorteilenund Mitarbeiter bindung.

7

Corporate Entrepreneurship

Identifikation, mehr Selbststeuerung, schnelleren Abläufen und höherer Innovation. Corporate Venturingsolldie Vorteileetablier terundjunger Unternehmen verbinden.

Größere,etablierteUnternehmenlaufendeshalbGefahr,ihreunternehmeri schen Aktivitäten und Impulse in einem Netz von unternehmensinterner Bürokratie und stabilisierend wirkenden Hierarchieebenen zu verfangen. Demgegenüber weisen junge Unternehmen zwar keine stabilen Strukturen undkeinengroßenRessourcenvorratauf,könnenjedochkreativer,kunden näher und flexibler in ihren Marktnischen handeln, haben den Vorteil der direkten Kommunikation und die Möglichkeit, rasch Entscheidung zu tref fen. Zudem wirkt meist als treibende Kraft eine unternehmerische Persön lichkeit,dieauchIdentifikationschafft.DieUnternehmenskulturimjungen Unternehmen ist stärker auf Chancenentdeckung und Innovationen ausge richtet.HingegenprofitierendieetabliertenUnternehmen geradevonihrer Ressourcenstärke, ihren Erfahrungen und ihrem Beziehungsnetzwerk. Durch Corporate Venturing sollen die Vorteile beider Unternehmenstypen miteinander verbunden werden. Für große Unternehmen empfiehlt es sich daher, die aus dem strategischen Management abgeleiteten drei Mess kriterien zur unternehmerischen Intensität Opportunity Recognition, Orga nizational Flexibility, Locus of Planning zu nutzen, um die eigenen Schwä chenzuidentifizieren.13

7.2

Vorgehensweise bei der CorporateEntrepreneurship-Umsetzung

Nach der vorgenommenen Systematisierung von Corporate Entrepreneur ship wird in einem nächsten Schritt die Umsetzung behandelt.Ausgehend von den Grundvoraussetzungen für erfolgreiches Corporate Entrepreneur shipfolgteinexemplarischerEntwicklungsprozessfürneueGeschäfte.Die se Vorgehensweise bietet sich somit als Leitfaden für die Umsetzung im eigenenUnternehmenan:KlärungderangestrebtenFormdesinternenund externen Venturing, Sicherstellung der unternehmerischen Grund voraussetzungen im Unternehmen, Durchführung des VentureProzesses, paralleldazudasLernenanhandvonPraxisbeispielen.

206

Vorgehensweise bei der Corporate-Entrepreneurship-Umsetzung

7.2.1

7.2

Grundvoraussetzungen für Corporate Entrepreneurship

Die folgenden aus Theorie und Praxis selbst abgeleiteten Grundvoraus setzungen für erfolgreiche CorporateEntrepreneurshipProjekte sollten vor demStartderselbensichergestelltwerden.IstdiesnichtderFall,bestehtdie Gefahr,dasssiealsStolpersteinedesgesamtenCorporateEntrepreneurship Prozesses wirken und damit ein Scheitern des entsprechenden Projektes bewirken.

„ Entwicklung einer unternehmerischen Vision, Mission und Strategie sowieeinesBezugsrahmenszurIdeenverwirklichung,aktiveFörderung neuer Ideen und kreativer Projekte im Unternehmen (Schaffen einer Kreativitäts,InnovationsundLernkultur),SchaffenvonRahmenbedin gungenzumEingehenvonrisikobehafteten(unddamitchancenreichen) Initiativen und Sicherstellung der CorporateVentureCapitalRessour cen,KlärungallfälligerSchnittstellenzuexternenPartnern

„ Definition einer klaren VentureStrategie für Kompetenzzentren und Technologiefelder

„ DiebewussteRisikobereitschaftunddieunternehmerischeFreiheitdür fennichtdurchAbteilungsundBeamtendenkenbegrenztwerden,son dernmüssendurchstrukturelleAutonomiegarantiertwerden.DieseAu tonomiesolltezueinereigenständigenBewertbarkeitführen,umInves torenklareEinstiegsszenarienzubieten.

„ Förderung und Unterstützung und nicht Behinderung von interdiszi plinärenKombinationenvonKompetenzeninVentureTeams(Promoto ren/Mentorenkonzepte).

„ AbrufbereiteundgezielteEinbringungvonUnterstützungdurchprofes sionelle interne/externe Dienstleister zumindest in den Frühphasen, Si cherstellung von Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit durch die Unter nehmensleitung

„ DieProjektesolltendiebestenTalenteanziehen,dieihreIdeenindiesem Umfeldverwirklichenmöchten.Einführungvonerfolgs/ergebnisorien tiertenEntlohnungsundBelohnungssystemen14

„ DieErfolgserwartungen unddieentsprechendenBeurteilungszeiträume sind mittel bis langfristig, d.h. von ca. 18 Monaten an aufwärts, anzu setzen.

„ Diese Erfolgsrezepte müssen konsequent verstanden und umgesetzt werden. Nach der Sicherstellung dieser Grundvoraussetzungen kann mit dem ei gentlichenEntwicklungsprozessbegonnenwerden.

207

Erfolgreiches Corporate Entrepreneurship benötigtbe stimmteGrund voraussetzungen.

7

Corporate Entrepreneurship

7.2.2 Ideenmüssen systematisch gefundenwerden.

Tabelle71

Entwicklungsprozess des Corporate Entrepreneurship

DerProzessdesFindensundUmsetzensvonInnovationenlässtsichanhand eines Phasenschemas wie in Tabelle 71 darstellen.15 Dieser wird als Ent wicklungsprozessfürneueGeschäfte(NewVentureDevelopmentProcess)16 oder alternativ als Innovationskanal oder als Venture Life Cycle17 bezeich net. Das Grundprinzip sieht vor, aus den in der Umwelt existierenden Trends eine Fülle von Ideen abzuleiten und diese schrittweise zu konkreti sieren. Dies wird oft durch den erwähnten kreativen Product Champion erfolgen.Somüssenzunächstdiegenialen,aberbisherverstecktgebliebener ProductChampionsidentifiziertwerden.Eslassensichaberauchsystemati sche Ideensuchverfahren wie Brainstorming, morphologischer Kasten, Del phianalysenoderAnalogieschlussmethodeneinsetzen.DiePraxisgeradein KMUzeigtallerdings,dassvielfachKollektivverfahren,dieaufderZusam menarbeit mit (Schlüssel)Kunden oder Marktuntersuchungen via Konkur renzanalysen,MessebesucheoderInformationenvonKundenkontaktperso nalbasieren,zielführenderundertragreichersind. Entwicklungsprozess für neue Geschäfte Phase

Idee

Ziele und Aktivitäten

Kreativitätsförderung, Anzahl der Ideen steigern – systematische, kollektive, individuelle Verfahren

Zeithorizont

Laufend, Formulierung der Idee: Tage Ideenbewertung Qualität der Idee

Kriterien Entscheidung

Konzept/ Machbarkeit

Implementierung/ Kommerzialisierung VerfeineÜberprüfung Geschäftsmodellentder Idee, rung wicklung, RealisierGeschäftsPlanung, barkeit modell, Meilenstein- Teamprüfen definition, entwicklung, Prototypeneinsatz, Ressourcenakquisition 1 Woche 3 Wochen 3 Monate bis 3 Mona- bis 2 Jahre oder mehr te Realisierbarkeit Idee realisierbar, Ressourceneinsatz

Businessplan

Schlüssigkeit Einstieg in Umsetzung

Value Capture

Wertgenerierung, Exitplanung für Investoren, Marketing und Kommunikation

1 bis 4 oder 5 Jahre

Marktakzep- Wertsteigetanz rung Ausbau, Exit Fertigstellung, Startup

Quelle: in Anlehnung an Albrinck, J./Hornery, J./Klatter, D./Neilson, G., „Adventures in Corporate Venturing“, in: strategy + business – The Zealot’s Guide to Growth: A Special Double Issue, Issue 21, first quarter 2001, S. 119-129.

208

Vorgehensweise bei der Corporate-Entrepreneurship-Umsetzung

7.2

Der Product Champion ist allerdings meist durch sein technologisches Knowhow geprägt, er sollte deshalb in der Konzeptphase mit markterfah renen Partnern zusammengeführt werden. Das gezielt zusammengestellte und geförderte Venture Team aus verschiedenen Disziplinen (Technologie, Marketing, Controlling) kann als nächsten Schritt eine Machbarkeitsstudie zur der Realisierbarkeit der Idee durchführen. Dazu sind systematisch be gleitende Dienstleistungen anzubieten, die verstärkt im Bereich der Unter nehmensentwicklung und Mitarbeiter/Technologieförderung anzusiedeln sind. Ist auch hiernach ein Weiterführen des Projektes gegeben, wird ein Businessplanerstelltwerden(vgl.hierzudieentsprechendenKapiteldieses Buches). Der fertige Businessplan sollte noch alle offenen Fragen klären. DazuistderEinbezugweitererExpertenerforderlich.Dieskanndurchun ternehmensinterne Spezialisten innerhalb eines Business oder Technology Accelerators geschehen oder unter Einbezug externer Partner (vgl. Kapitel „Unterstützung im Gründungsprozess“), die entsprechende Dienstleistun gen anbieten. Hier bieten sich auch die Inkubatormodelle an. Unter Um ständenmussdasErgebnisderMachbarkeitsstudiesogarrevidiertwerden. Bei positivem Befund setzt sich der Prozess mit der Implementierung und Kommerzialisierungfort.

Ideenmüssen begleitetund unterstütztwer den,erstdann kannausihnen einGeschäft entstehenund Nutzengezogen werden.

Corporate Entrepreneurship-Pfade

Abbildung72

 Quelle: Eigene Darstellung

209

7

Corporate Entrepreneurship

Im Rahmen des Corporate Entrepreneurship lassen sich nun zwei Pfade aufzeigen. Nach der Verfeinerung des Geschäftsmodells wird die ent sprechende unternehmerische Einheit des Unternehmens oder ein neues Unternehmen gegründet. Dies kann in Form eines Spinoff, eines Venture NurteringModells oder eines Joint Ventures sein. Handelt es sich um ein Projekt, das relativ rasch Routinestatus innerhalb der bestehenden Struktu renerreichenwird,weileszuwenigWachstumspotenzialundzuengeVer bindung zum Kerngeschäft aufweist, dann genügt das Weiterbetreiben in nerhalb der bestehenden Strukturen mit weiterer Projektverfolgung und unterstützender Begleitung. Die Finanzierung erfolgt in der Regel im Rah menderlaufendenBudgetierungsprozesse. DerVerlaufvon Corporate Entrepreneur shipProzessen hängtvonderen Qualität, Komplexitätund Wachstums potenzialab.

Weist das Gründungsprojekt jedoch eine höhere Qualität/Komplexität/ Wachstumspotenzialauf,kanneineAusgründunginBetrachtgezogenwer den. Diese wird im Rahmen eines Accelerators eng begleitet und mit den entsprechenden internen und externen Ressourcen (CVC) versorgt. Insbe sondere ist auf qualifizierten und das Gründungsteam komplementär er gänzenden Zugang zu Spezialisten sowie die adäquate Kapitalausstattung zuachten.DenSchlusspunktdiesesProzessesstellenmarktfähigeProdukte bzw. Dienstleistungen dar. Mit diesen sollen entsprechende Werte geschaf fenwerden,dienachgeplantemExitmodell(Verkauf,Börsengang[IPO]etc.) dannnachdreibisfünfJahrenkonkretrealisiertwerden.DieserletzteSchritt hängt jedoch von den Wachstumserfolgen des Gründungsprojektes ab. Es kommen daher auch Lösungen wie Rückintegration in die Kernstrukturen, Verkauf,Fusion,SchließungsowieweiteresWachstumdurchexterneEigen kapitalaufnahmen mit CoInvestoren infrage. Jede dieser Phasen lässt sich durchspezifischeZieleundAktivitäten,denzurVerfügungstehendenZeit horizontsowieKriterienfürdieFortführungdiesesProjekteskennzeichnen. Im Sinne von „Quality Gates“ muss nach jeder Phase eine konkrete Ent scheidunggetroffenwerden.

Nutzenund Risikenvon Innovationen undInvestments müssengegenein anderabgewogen werden.

ImPrinzipvergleichbareInnovationsprozessmodellefindensichinverschie denenVarianteninUnternehmen.BeispielsweiselässtsichderInnovations prozess auch als Investmentprozess auffassen,18 um damit die strategische und finanzielle Dimension dieses Entwicklungsprozesses zu verknüpfen. DiesistdeshalbvongroßerBedeutungfürUnternehmen,dadieseInnovati onsprojekte naturgemäß mit Risiken verbunden sind, gleichzeitig aber Geldmittelinvestiertwerden,diespätereinenRückflussanneuerwirtschaf tetenMittelnbewirkensollten.DieAusblendungderfinanziellenDimension von Innovationsprojekten ist deshalb nicht zu verantworten. Idealerweise wirddeshalbderZeitablaufvonderIdeenphasebiszurAusbeutungsphase anhandeinerDiscountedCashFlow(DCF)KurveineineInvestment(Peri ode mit negativem DCF) und eine Ertragsphase (Periode mit positivem DCF) unterteilt. Gerade der Umgang mit der Investmentphase stellt dabei

210

Vorgehensweise bei der Corporate-Entrepreneurship-Umsetzung

7.2

die entscheidende Herausforderung dar, denn durch den oben beschriebe nen Filter und Auswahlprozess – bezogen auf die Innovationsprojekte – muss sichergestellt werden, dass frühzeitig Projekte selektiert werden, die später mit hoher Wahrscheinlichkeit einen insgesamt positiven Return on Investment versprechen. 3M verfolgt beispielsweise diese klare Linie: “I think most companies that have done venture investing realize that you have both strategic and financial goals. We are primarily strategic investors but at the same timeweareexpectedtoproducereturnsinexcessofourcostofcapital.”19Dasist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, doch die Analyse einer Vielzahl von InvestmentprojekteneinesGroßkonzernshatgezeigt,dasstrotzdesWissens um zu hohe Technologie und Kapitalkosten weiter auf Projekte gesetzt wird, deren Ertragsphase wahrscheinlich nie erreicht werden kann. Damit kommenpolitischeundvisionäreAspektedesobenaufgezeigtenProzesses mit ins Spiel. Eine konsequente Einhaltung selbst definierter Filter/Quality GateskannhierAbhilfeschaffen,könnteaberunterUmständendas„genial unternehmerische Moment“ außer Acht lassen, das erst nach langjähriger Forschung und Entwicklung doch plötzlich den Durchbruch am Markt schafft.BeidiesemProzesssindweiterdieZeitbiszumMarkteintrittsowie die Informationsbeschaffungskosten zum Abbau der Unsicherheiten in Be trachtzuziehen.

Unternehmerprofil:FestoAG&Co.KG Festo ist ein hoch innovatives schwäbisches mittelständisches Unternehmen der Automobilzulieferbranche mit Stammsitz in Esslingen-Berkheim, das 1925 von Albert Fezer und Gottlieb Stoll gegründet wurde. Heute ist Festo Marktführer im Bereich Automatisierung mit pneumatischen und elektrischen Komponenten und Systemen und Weltmarktführer im Bereich der technischen Aus- und Weiterbildung der Industrieautomatisierung ist. Fezer verließ vier Jahre später das Unternehmen, das sich ursprünglich auf die Fertigung von Holzbearbeitungsmaschinen konzentrierte. Durch die Diplomarbeit von Kurt Stoll wurden Erkenntnisse in der Pneumatik zunächst als Hilfstechnik angewandt, die aber mit der Gründung der Festo Pneumatic 1954 den Einstieg in die Entwicklung und Fertigung von pneumatischen Antriebs- und Steuerungselementen einleiteten und den entscheidenden unternehmerischen Schritt zum heutigen Erfolg legten. Das Unternehmen hat damit früh die Bedeutung und das Potenzial dieses Zweiges erkannt. Zwei Jahre später begann das Unternehmen zu expandieren – eine weitsichtige Entscheidung. Bereits ein Jahr vor der Übergabe an die Söhne Kurt und Wilfried Stoll wurde 1970 die Festo Didactic als logischer Schritt aus dem bereits in den 60er-Jahren entwickelten globalen Wissensnetzwerk und dem ständigen Transfer des Anwendungswissens gegründet. Mit dieser entrepreneurialen Vorgehensweise nahm Festo eine Vorreiterrolle in Deutschland ein und legte den Grundstein für den heutigen Erfolg der Festo Didactic. Festo gilt auch heute noch als

211

FestoistWelt marktführerin dertechnischen AusundWeiter bildungderIn dustrieauto matisierung.

7

Corporate Entrepreneurship

ein selbstlernendes Unternehmen, da in Aus- und Weiterbildung 1,5% des Umsatzes investiert wird. 1999 wurde in ein neues Technologiezentrum in Berkheim investiert.

Anpassungen erfolgten rechtzeitigund mithoher Innovation.

Festo ist heute mit 56 Landesgesellschaften und über 250 Niederlassungen in 176 Ländern vertreten und erwirtschaftet mit mehr als 12.000 Mitarbeitern an 250 Standorten einen Konzernumsatz von 1,5 Mrd. EUR. In den letzten Jahren hat Festo seine Organisation an die veränderten Bedingungen des globalen Marktes angepasst und in den Ausbau eines notwendig gewordenen weltumspannenden Entwicklungs-, Produktions- und Logistikverbundes mit „engineering & production on demand“ sowie in neue Geschäftsfelder investiert. Damit konnte Festo flexibel und schnell auf wechselnde Marktgegebenheiten und individuelle Kundenbedürfnisse reagieren und brachte der Firma die logistische Marktführerschaft ein. Weltweit werden innerhalb Zentraleuropas über 75 % der Aufträge innerhalb von 24 Stunden an über 300.000 Kunden weltweit ausgeliefert. Die heutige Reputation der Festo AG beruht jedoch auf zahlreichen Innovationen wie der ersten tragbaren Motorsäge oder dem „Tigerventil“ und der hervorragenden Aus- und Weiterbildung in der Industrie.

Einekonsequente undausgewogene Forschungsund Innovationspoli tikistderGrund steindesErfolges.

Das Unternehmen hat eine F&E-Quote von 7,4 %, ist im Besitz von 2.800 Patenten und kann auf rund 100 Innovationen pro Jahr zurückblicken. Seit fünf Jahren finden eine systematische Aufbereitung von Patentdaten und eine Erkundung von Zukunftsmärkten statt. Somit wird seither gezielter in Innovationen investiert. Für die hohe Innovationskraft hat das Unternehmen 19 Auszeichnungen allein im Jahr 2005 erhalten. „Manager Magazin“ beschrieb das Unternehmen wie folgt: „Eigentlich wäre das Unternehmen nicht weiter der Rede wert, wenn es nicht jene Zauberwerkstatt besäße.“ Das Unternehmen hat keine Schulden, sondern betreibt die Finanzierung von Investitionen aus dem Cashflow. Außer der eigenen Forschung investiert das Unternehmen auch in innovative Firmen oder bildet kooperative Partnerschaften und entwickelt den unternehmerischen Geist der Mitarbeiter (s. o.). Wilfried Stoll ist ein Visionär, der Thinktanks unterstützt und einen erheblichen Anteil an der Entwicklungsarbeit hat (vor 15 Jahren erfolgte die Finanzierung der Entwicklungsarbeit lediglich durch Wilfried Stolls Kapital). Kurt Stoll ist der Techniker und gilt als eher nüchterner, pragmatischer Macher – Exkurse seines weitsichtigen, sechs Jahre jüngeren Bruders unterstützt er nicht, hält sie aber auch nicht auf. Seit Wilfried Stoll Anfang 2004 vom Unternehmensvorsitz in den Aufsichtsrat wechselte, wurde einerseits die eher grundlagenorientierte Forschung in eine eher anwendungsorientierte umgewandelt, andererseits auch bei Festo das Ende des Wirkens des eigenwilligen Designers Axel Thallemer, ein junger, ehrgeiziger Designer aus dem Porsche-Entwicklungszentrum, dem viele kreative und innovative Ideen und auch einen Teil der Reputation des Unternehmens zuzuschreiben sind, eingeleitet. Vorteilhaft wirkt sich der Gegensatz der StollGeschwister, ein Visionär und ein kühler Pragmatiker, aus. Festos Erfolg und das Wachstum beruhen auf einer konsequenten Umsetzung von Innovationen und Erkenntnissen.

FestosErfolgist aufWachstumin vierDimensionen zurückzuführen.

Notwendige angepasste strategische und strukturelle Veränderungen in der Organisation wurden konsequent und rechtzeitig umgesetzt. Das Zusammenspiel all dieser Faktoren führte dazu, dass das Unternehmen in vier Dimensionen wachsen konnte: 1. innovative Produkte und Services, 2. in Regionen, 3. durch neue Branchen und

212

Academic Entrepreneurship

7.3

4. durch das Anbieten von Wissen für das gesamte Spektrum der Fertigungs- und Prozessautomatisierung. Damit weist Festo ein gut organisiertes Corporate Entrepreneurship auf, welches verschiedene Venture-Management-Aktivitäten betreibt, die aber zugleich zielgerichtet, abgestimmt und koordiniert sind und von der Leitung sowie den Mitarbeitern getragen werden. Als Fazit dieser Überlegungen kann festgehalten werden, dass für das Gelingen von Corporate Entrepreneurship einerseits ein klar definierter Innovationsprozess erforderlich ist, dieser andererseits aber die realen – nicht rein visionären – Marktchancen und die Betrachtung der finanziellen Seite nicht außer Acht lassen kann. Weiterhin müssen strukturelle und organisatorische Veränderungen den jeweiligen Marktentwicklungen Rechung tragen.

7.3

Academic Entrepreneurship

UmAcademicEntrepreneurshipverstehenundeinordnenzukönnen,wird zunächsteineAbgrenzungundDefinitionsgrundlagegeschaffen,diezudem kurzdieKriterienfürerfolgreichesAcademicEntrepreneurshipaufzeigt.Im Folgeabschnitt wird dann auf den AcademicEntrepreneurshipProzess eingegangenunddargestellt,wodieSchnittstellenundkritischenPunktezu findensind.

7.3.1

Abgrenzung und Definition von Academic Entrepreneurship

UnterderSichtweisedesCorporateEntrepreneurshipkönnenauchAktivitä ten von Universitäten und Forschungseinrichtungen subsumiert werden. Während ein Unternehmen durch Corporate Venturing versucht, sich Vor teilezumÜberlebenzusichern,verfolgenUniversitätenundForschungsein richtungen wettbewerbsstrategische Ziele zur Profilbildung unter dem Ge sichtspunkt des Wettbewerbs zu anderen Einrichtungen dieser Art sowie soziale und makro/gesellschaftsökonomische Aspekte wie z.B. Schaffung von Wohlstand, Förderung von ökonomischem Wachstum und regionaler EntwicklungoderInduzierungvonInvestmentsinUniversitätstechnologien etc.20.DadieseFormvonEntrepreneurshipeineandereZielsetzunghat,als Unternehmen sie verfolgen, sind die Aktivitäten von Universitäten und Forschungsinstitutionen davon abzugrenzen. Hierfür hat sich der Begriff AcademicEntrepreneurshipinderLiteraturverfestigt.

213

AcademicEntre preneurship verfolgtandere ZielealsCorpo rateEntrepre neurship.

7

Corporate Entrepreneurship

AcademicEntre preneurshiphat mehrereDimen sionen.

Unter Bezugnahme der Definition von Corporate Entrepreneurship finden auch in Universitäten und Forschungseinrichtungen unternehmerischeAk tivitätenaufindividueller,TeamoderOrganisationseinheitsebenestatt,die sich jedoch meist auf Corporate Venturing, allgemeine Innovationen und wenigeraufCVCoderstrategischeErneuerungkonzentrieren.Sogehenbei Universitäten und Forschungseinrichtungen eher neue Unternehmen als Ergebnis der Forschung hervor (Academic Entrepreneurship in Form von Spinoffs), die durch eigene oder angegliederte Inkubatoren unterstützt werden (Academic Entrepreneurship als Unterstützungsleistung). Es findet zwargelegentlichbedingtdurcheineAusgründungeinestrategischeErneu erung statt bzw. ändert die Einrichtung ihre Curricula oder Forschungsun terstützung (Academic Intrapreneurship). Ersteres bezieht sich jedoch zu meist auf die Institutsebene, aus der das Unternehmen entspringt, und ist ehervongeringerBedeutung.Letztereshatimmereinenlangwierigenbüro kratischenProzesszurFolge.21BeidessolldaherimFolgendennichtnäher erläutertwerden.AcademicEntrepreneurshiphatnocheineweitereDimen sion.DurchdieSchaffungvonGründungslehrstühlenunddasAngebotvon LehrveranstaltungenzumThemaEntrepreneurship,dieimbestenFallnoch indasCurriculumderverschiedenenStudiengängeeingebundensind,wird der unternehmerische Geist von Studenten, aber auch von Mitarbeitern durch die Präsenz dieser Einheiten an den Universitäten und Forschungs einrichtung gefördert (Academic Entrepreneurship als Sensibilisierung und KompetenzentwicklerinFormvonEntrepreneurshipEducation).

Academic Entrepreneurship fördertunter nehmerisches DenkenanHoch schulen.

Unter Academic Entrepreneurship werden daher Aktivitäten und Konzepte zur Förderung von Unternehmensgründungen/Ausgründungen aus der Universität (z.B. mittels Inkubator) und zur Entwicklung des unternehmerischen Gedankens (z.B. bei Studenten oder Mitarbeitern durch Veranstaltungen) verstanden, die soziale, gesellschaftsökonomische und wettbewerbsstrategische Ziele zur Profilbil dungverfolgen.AcademicEntrepreneurshipkannalseinTeilbereichdesCorporate Entrepreneurshipaufgefasstwerden. Vorteile, die sich durch das Entstehen von Spinoffs ergeben, sind unter anderem: Generierung von signifikanten ökonomischen Werten, Schaffen von Arbeitsplätzen sowie Induzierung von Investments in Universitäts technologien, Förderung von lokalen ökonomischen Entwicklungen, von Universitätstechnologien, sie stellen ein effektives Kommerzialisierungs mittel für unsichere Technologien dar und beleben die Beteiligung der Er finder, sie helfen Forschungseinrichtungen, ihre Mission zu erfüllen, unter stützenzusätzlicheForschung,haltenWissenschaftler/Ausbilderoderlocken siean(Leistungsfähigkeit),leistenBeistandzurAusbildungvonStudenten. SpinoffssindFirmen,dieHöchstleistungenerbringen,daheristihreGrün dungprofitableralsdieLizenzierunganbestehendeFirmen.(WennKapital

214

Academic Entrepreneurship

7.3

daran gehalten wird, können Forschungseinrichtungen die Wertschöpfung nutzensowieLizenzgebühren.)22 Für eine unternehmerisch ausgerichtete Universität oder Forschungs institution im Sinne von Academic Entrepreneurship wurden von Clark23 und Haus24 Erfolgskriterien genannt. Eine unternehmerisch ausgerichtete Universität/Forschungsinstitution

Kriterienfür erfolgreiches Academic Entrepreneurship

„ verfolgteineklareStrategieundintegrierteinstitutionaleundgutabge stimmte unternehmerische Kultur, ist durch eine Vision gesteuert und wirdinsbesonderevonderLeitunggetragen,

„ orientiert sich zeitgemäß und an aktuellen Bedürfnissen und Erkennt nissen,

„ hat eine diversifizierte, nicht nur staatliche Finanzierungsbasis (Erst, Zweit,Drittmittel),

„ hat strukturübergreifende Einrichtungen (z.B. Technologietransferbüro) undMechanismen,dieinVerbindungen(Netzwerk)nachaußen(Region, Industrie)stehenundfestetabliertsind,

„ richtet ihr EntrepreneurshipAngebot nach Bedarf an den Zielgruppen flexibelundvielseitigaus,

„ hat eine Motivationsfunktion etabliert (z.B. leistungsabhängige Vergü tung),

„ agiert nach dem akademischen Gedanken (inter, multi, transdiszipli när) Etzkowitz25 sowie Mohar Yusof und Kamal Kishore Jain26 haben darüber hinausweitereSchlüsselelementeidentifiziert:

„ eineOrganisationvonForschungsgruppen,diealsQuasifirmenagieren „ FokusaufeineForschungsbasis,diekommerziellesPotenzialaufweist „ EntrepreneurialeInstitutionensolltendiekollegialeunddiepersönliche Form der Führung bevorzugen und dürfen extrem personalisierte For menderFührung(Diktator,Tyrann,autoritärerMensch)nichtdulden.

„ Entrepreneuriale Institutionen haben flexible Strukturen, partizipative Entscheidungsprozesse und andere adaptive Managementprozesse, die dieentrepreneurialenAktivitätenvereinfachenundunterstützen. Eslässtsichdamitfesthalten,dassauchbeiakademischenundForschungs institutionen ein unternehmerischer Geist vorhanden sein muss, der einer seits die Grundlage für SpinoffGründungen bildet und andererseits als BasisfüreineunternehmerischeAusbildungverstandenwerdenkann.

215

Weitere Schlüssel elemente 

7

Corporate Entrepreneurship

7.3.2

Der Academic-Entrepreneurship-Prozess

Ideenund Möglichkeiten erkennen

Der AcademicEntrepreneurshipProzess kann auf verschiedenen Ebenen dargestellt und erläutert werden: Ebene der Institution, Ebene der Mög lichkeitundEbenederMitarbeiter/Entrepreneure.AufderEbenederMög lichkeitistderersteSchrittdieForschung,diedieGrundlagefürneueMög lichkeiten darstellt. Diese müssen erkannt und entdeckt werden. Lässt sich daraus ein Nutzen in Form eines Marktbedarfs ableiten, der in Überein stimmungzudenRessourcenzusehenist,kanndieseMöglichkeitgeschützt werden. Im besten Fall wird diese Möglichkeit, die mittlerweile zur Ge schäftsideeherangereiftist,mithilfeeinesBusinessplansverfeinertundwei terentwickelt. Bei erfolgreichem Abschluss kommt es zur Verwertung der Möglichkeit/Technologie. Paralleldazu läuft innerhalb der Forschungsinsti tutionebenfallseinProzessab.

Optimale (Ausgangs) Bedingungensind wesentlichfür Ausgründungen.

Am Anfang müssen hierbei die Ausgangsbedingungen für den Entrepre neurshipProzess vorhanden sein bzw. geschaffen werden. Bei den For schungsanstrengungen wird durch die Mitarbeiter der Forschungs institution die Erfindung entdeckt. Versprechen die Möglichkeiten und Be dingungeneinenErfolg,wirddieEinrichtungsichentscheiden,diesedurch Patent zu schützen. Durch das Schaffen von entsprechenden Bedingungen (Netzwerke, Incentives, Ressourcen) kann es zur Weiterentwicklung kom menunddieseMöglichkeitkanndannvermarktetwerden.ImletztenSchritt wirdimRahmenderVerwertungdieEntscheidungzurLizenzierunggetrof fen.DamiteinhergehendwirddieForschungseinrichtungmittelsInkubator dieanstehendeSpinoffGründungunterstützen.

216

Academic Entrepreneurship

7.3 Abbildung73

DerAcademic-Entrepreneurship-Prozess

 Quelle: Eigene Abbildung in Anlehnung an Shane, S., Academic Entrepreneurship, Rasmussen, E., The University Spin-off process, NSCB Conference paper, 2004.

217

7

Corporate Entrepreneurship

Wissen,Kogniti onundMotivati onsindKriterien fürAusgründun genaufMit arbeiterebene.

AufderMitarbeiterebenesinddieVoraussetzungenfürdieEntdeckungder Möglichkeit das bestehende Wissen, die Erfahrung oder auch Interesse be stimmteForschungenvoranzutreiben.BeiderAuswertungderForschungs ergebnissemussderMitarbeiterimRahmenseinerKognitiondieIdeebzw. Visionfürdie potenzielleGeschäftsideehaben.ImnächstenSchrittwerden MachbarkeitundMarktbedarferuiert.Sinddieseaussichtsreich,stimmensie mitdenZielenderinvolviertenPersonenübereinundistdieentsprechende Motivation vorhanden, wird ein Geschäftsmodell entwickelt werden. KommtesschließlichzueinerAusgründung,werdendieGeschäftsideeund das Produkt weiterentwickelt und zur Marktreife gebracht.Als wichtigster Schritt, um den EntrepreneurshipProzess zu beginnen, kann die Entde ckungderMöglichkeitbezeichnetwerden,dennohneErkennenistdasEin leiten des Prozesses nicht möglich. Der kognitiveAkt kann jedoch weniger von der Forschungsinstitution beeinflusst werden als alle fortlaufenden Schritte. Im Idealfall wird dann der gesamte EntrepreneurshipProzess durchlaufen. Häufig aber kommt es bereits vorher zu einem Exit, weil be stimmte Voraussetzungen nicht gegeben sind. Der Abbruch des Prozesses kannprinzipiellinjedemSchrittundinjederPhasepassieren.Hieristesan der Forschungseinrichtung, optimale Bedingungen zu schaffen, die zur ÜberwindungderkritischenSchrittebeitragen.27

BeimSpinoff Development Prozesswerden verschiedene Gates durchlaufen.

Ein Spinoff durchläuft dabei einige Gates. Diese werden nachfolgend im Spinoff Development Process beschrieben.28 Der SpinoffProzess muss nicht immer wie hier beschriebenablaufen und muss auch nicht nach der Grün dung beginnen. Jedoch müssen alle Schritte zu irgendeinem Zeitpunkt durchlaufen werden. Insbesondere für Ausgründungen, die noch hohen Forschungsbedarfhaben,istdieserProzessvornehmlichnachderGründung anzutreffen.IndiesemmusszunächstdieAnwendbarkeitüberprüftwerden (Proof of Principle), falls dies nicht bereits vor der Gründung erfolgte.An schließend folgt die (Weiter)Entwicklung des Prototyps (postfounding prototype development), der die Vorteile des neuen Produktes greifbar macht,dieLabortechnikindiePraxisüberführtoder gegebenenfallsÄnde rungen an der Technik hervorruft (z.B. durch Auflagen, Funktions anpassung etc.). Ist der Prototyp entwickelt bzw. verbessert worden, muss dasProduktweiterentwickeltwerden,umdenAnforderungendesMarktes undinsbesonderederKundengerechtzuwerdenoderauchganzeKunden lösungen im Zusammenhang mit anderen Produkten anbieten zu können (Anpassungen, FineTuning, Produktsortimentsentwicklung). Nicht selten ist hier weitere Forschungsarbeit oder ein Redesign notwendig, um die Kommerzialisierungsaussichten zu erhöhen. Der letzte Schritt ist die Ent wicklungeinesMarktesfürdasProdukt.DafürmüssenderMarktundder Marktbedarf bekannt sein. Auch sollten die Kunden analysiert, Rückmel dungsmöglichkeiten etabliert und der Kunden und Wettbewerbsvorteil herausgearbeitetwerden.

218

Fallstudie: Corporate Entrepreneurship beim BASF-Konzern

7.4

7.4

Fallstudie: Corporate Entrepreneurship beim BASF-Konzern29

Es ist Oktober2007. Dr. Wehlage istLeiterdes Wachstumsclusters Energie management und Geschäftsführer der BASFFuture Business. Gemeinsam mit der Heliatek GmbH und der Bosch GmbH verfolgt er derzeit ein zu kunftsweisendes Projekt im Bereich „Organische Photovoltaik“ (OVP). Ziel derKooperationistes,ab2011/2012konkreteAnwendungenaufdenMarkt zubringen.EinenichtganzleichteAufgabe.

Einleitung DerBASFKonzernisteininnovativesundführendesChemieunternehmen30 mit Hauptsitz in Ludwigshafen. Im Bereich Forschung und Entwicklung beschäftigtderKonzernca.8.300Mitarbeiter(Forschungsquotebezogenauf den Umsatz in 2006: 2,43%). Die F&EMittel entfallen zu ca. 80% auf die operativen Unternehmensbereiche und zu 20% auf die Konzernforschung. Die BASF verfügt über eine zentraleAbteilung „Innovationsmanagement“. ZusätzlichwerdenbeiderBASFInnovationScoutseinsetzt,umTreiberund Trends sowie zukunftsweisende Technologieideen zu analysieren. Die For schungsorganisationderBASFkonzentriertsichaufdreiInnovationstreiber:

„

Technologie(waswirdermöglicht)

„

Gesellschaft(waswirdakzeptiert)

„

undMarkt(waswirdbenötigt)

Die Forschungsorganisation beruht auf vier zentralen Technologieplatt formen31 (vgl. Abbildung 74). Diese sind eingebunden in ein weltweites Netzwerk (KnowhowVerbund) aus Unternehmensbereichen und Tochter unternehmensowiedenca.1.400strategischenKooperationspartnern.32

219

BASFfördertmit verschiedenen Mittelngezielt Innovationen.

BASFverfügt übervierzentrale Technologie plattformen.

7 Abbildung74

Corporate Entrepreneurship

BASF Know-how-Verbund der Forschung



Quelle: Wehlage, T., "Neue Wege für neue Märkte", Vortrag beim 16. Technologie Forum am 5. 4. 2006.

DieBASFunter scheidetzwi schendrei unterschiedlich finanzierten Forschungs feldern.

Die BASF unterscheidet (vgl. Abbildung 75) zwischen folgenden For schungsfeldern: 1. Unternehmensbereichsfinanzierte Forschung (aktive Märkte und etab lierteTechnologien–BusinessResearchsowieneueMärktemitetablier ten Technologien – Geschäftsfeldentwicklung – New Business Develop ment) 2. Konzernfinanzierte Forschung (neue Technologien bzw. explorative ForschungodereinesderfünfweltweitdefiniertenWachstumscluster33) 3. Bereich neue Märkte kombiniert mit neuen Technologien. Dieses Feld wirdvonden2001gegründeten100%igenTochterunternehmenBFBund BASFVentureCapital(BVC)sowiedenanderenTochterunternehmenbe treut. DieBFBunddieBVCunterstehendirekteinemVorstandsressort.DieToch terunternehmen wurden als separate Einheiten gegründet, um interne Ent

220

Fallstudie: Corporate Entrepreneurship beim BASF-Konzern

7.4

scheidungsprozesse zu verkürzen, Flexibilität zu erreichen (z.B. mit exter nenRessourcenzuarbeiten),denProjekten„LuftzumAtmen“zugeben,sie nicht durch hohe Overheadkosten zu erdrücken und bei diesen Projekten neue Geschäftsmodelle zu etablieren. Der Auftrag der BFB besteht darin, besonderszukunftsundwachstumsträchtigeTechnologiefelderzuerschlie ßen,indenendieBASFbishernichtaktivist.DieBFBbietetsomitglänzende BedingungenfüraussichtsreicheundinnovativeProjektideen,diemiteinem jährlichenBudgetvonderBASFgefördertwerden.

Abbildung75

BASFInnovationsmatrix

 Quelle: Wehlage, T., "Neue Wege für neue Märkte", Vortrag beim 16. Technologie Forum am 5. 4. 2006.34

221

7

Corporate Entrepreneurship

Projektbeginn DasProjekt „Organische Photovoltaik“ wirdinitiiert.

Dr. Thomas Wehlage ist Leiter des Wachstumsclusters Energiemanagement und zugleich Geschäftsführer der BFB. In dieser Position verantwortet er auch das Projekt der organischen Leuchtdioden (OLEDs) im Gebiet der organischenElektronik.BeiFarbstoffenverfügtdieBASFAGüberlangjäh riges Wissen und viele grundlegende internationale Patente35. Auf Konfe renzen und im Rahmen von Diskussionen mit anderen Forschern tauchte auch immer wieder die Themenverbindung von OLED und organischer Photovoltaik(OPV)auf.OPVwarfürdieForscherschondamalseinehoch interessante Technologie und genügte auch demAnspruch der BASF, dass Materialien den Schlüssel für diese Technologie darstellen sollten. Daher wurde für diesen Bereich ein Projektantrag zur konzernfinanzierten For schunggestellt.

Projektübertragung ImRahmender Meilenstein prüfungwird überdieFortfüh rungdesProjek tesentschieden.

Abbildung76

Das Thema OPV wird seit 2005 im Wachstumscluster Energiemanagement bearbeitet. Der dabei ablaufende StageGateProzess (Auswahlprozess, bei derBASFPhaseGategenannt)beginntbeijedemProjektmiteinerAnalyse, bei der Treiber und Trends analysiert, Meilensteine definiert und entspre chendderReifedesProjektesBusinesspläneentwickeltwerden.ImRahmen der Meilensteinüberprüfung und GateEntscheidungen wird dann vom GateKeeper, in der Regel der Leiter des Wachstumsclusters, hier z.B. von Dr.Wehlage,überdieFortführungdesProjektesentschieden.Einewichtige Stellschraube ist dabei die Berechnung des wahrscheinlichkeitsgewichteten BarwertsdeserwartetenCashflowsüberzehnJahre(EconomicCommercial Value).DieEntwicklungindiesemSektorverliefimRahmendesPhaseGate Prozesses sehr vielversprechend. Da die BASF den OPVMarkt noch nicht bearbeitet,wurdedieEntscheidunggetroffen,dieBFBeinzubindenundihr späterauchdasProjektzuübertragen.

PhaseGateProzessderBASF

 Quelle: Homepage BASF-Future Business GmbH: www.basf-fb.de, Abruf: 9. 11. 2007.

222

Fallstudie: Corporate Entrepreneurship beim BASF-Konzern

7.4

Strategische Marktpartner UmalleDisziplinenentlangderWertschöpfungskettevonBeginnanmitan Bordzuhaben,sinddieBASFundBoschaufdemGebietderOPVeinein tensive Forschungs und Entwicklungskooperation eingegangen. Die lang jährige Kompetenz der BASF im Materialbereich wird dabei ergänzt durch dieKompetenzvonBoschaufderTechnologieseite.Anfang2007wurdeein Kooperationsvertragunterzeichnet.KurzzuvorwardieBFBaufdieHeliatek GmbH (Startup im Bereich organische Solarzellen) aufmerksamgeworden, die zu diesem Zeitpunkt auch dem zukünftigen Partner Bosch auffiel. Die langjährigeErfahrungimBereich„VakuumverdampfungkleinerMoleküle“, insbesondere im Aufbau von Fotozellen (Zellaufbau, architektur), mit grundlegenden Patenten und ein starkes Netzwerk in der Region Dresden wurdenalsStärkenderHeliatekidentifiziert.AufgrunddieserKonstellation hatten BFB und Bosch Interesse an einer Kooperation. Die Heliatek war ihrerseits ebenfalls an einer Zusammenarbeit interessiert und benötigte zudemKapital,umihreTechnologienaufzubauen. NureinhalbesJahrspäterwurde,nachdemmansichübereineGeheimhal tungsvereinbarung, TermSheet und DueDilligence angenähert hatte, der Kooperationsvertragunterzeichnet.AufgrunddesFinanzierungsbedarfsbei Heliatek und der Zusammenarbeit investierten BVC und Bosch jeweils 1,6 Mio.EURundunterstrichendamitihrEngagement.DirkNachtigallundDr. Josef Wünsch (Geschäftsführer der BVC) arbeiten hierbei eng mit der BFB zusammen.IhrTeambewertetca.400–450FirmenproJahr,diepotenziellfür ihr Investmentengagement interessant sind. Kriterien für ein Investment sind der Technologiefokus auf Material Science (BASF und BFB Technologiefelder, BASFWachstumscluster), ein bestehendes Proofof ConceptsowiedieAussichtaufeinerisikoadäquateVerzinsung.Fürsolche Engagements stehen der BVC 125 Mio. EUR zur Verfügung. Durch schnittlichentsprichtdieseinemjährlichenInvestitionsvolumenvonca.20– 25 Mio. EUR, das allerdings neben dem Initialinvestment auch Rück stellungenfürFolgeinvestitionenbeinhaltet.

Nacheinem halbenJahrund erfolgterDue Dilligencewurde derKoopera tionsvertrag unterschrieben.

Die Zukunft BFBundBoschhabenessichzumZielgesetzt,ersteProdukteinderOPVab 2011/2012aufdenMarktzubringen.EinBeispieldafürkönnteeinflexibles und zusammenfaltbares Handyladegerät für Entwicklungsländer sein. Im Jahr2015sollderEintrittindenMarktfürgebäudebezogeneAnwendungen erreichtwerden.DieFortführungdesProjektesbeiderBASFhängtimWe sentlichen vom Projektfortschritt ab. Da solche innovativen Projekte risiko reich sind, kann es auch immer vorkommen, dass ein Projekt eingestellt werden muss. Unterstützung bei der Durchführung innovativer Projekte

223

BFBundBosch habensichklar definierteMarkt zielegesetzt.

7

Corporate Entrepreneurship

bieten öffentliche Fördergelder. Solche Bundesmittel sind z.B. im Rahmen des Projektes OLED erfolgreich beantragt worden. Weiterhin helfen die Meilensteine und die GateDecisions dabei, das Risiko kalkulierbar zu hal ten. Verläuftdas Projekterfolg reich,stehender BASFmehrere Ausstiegs szenarienzur Verfügung.

WenndasProjekterfolgreichverläuft,stehenderBASFjenachEntwicklung verschiedeneAusstiegszenarios zur Verfügung. So besteht die Möglichkeit, dass das Projekt in einen entsprechenden Unternehmensbereich der BASF integriert wird – also eine Geschäftfeldübertragung.Andere Varianten sind dieAusgründungineineGmbH36odereinBörsengang(IPO).DieseOption wirddanngewählt,wenndasProjektsoweitwächst,dassesfürdieBASF nicht mehr handhabbar ist. Ebenso wird diese Variante gewählt, wenn das Projekt nicht in einen Unternehmensbereich passt oder die Kompetenzen gebündeltbleibensollen. Die BASF hat sich neben den operativen Bereichen ganz gezielt auf zu kunftsweisendeQuerschnittstechnologienfokussiertundsetztdabeiaufihre Stärken in den Bereichen Planung, Managementunterstützung37 und Inter disziplinarität. Diese Strategie zeigt deutlich die Unverzichtbarkeit von In novationen für die BASF und den angestrebten Kurs: „We innovate for Growth“.

Fragen zur Fallstudie 1. Wenn Sie Dr. Wehlage wären, was würden Sie tun, um sicherzustellen, dass die Forschungskooperation bis 2010/2011 gewinnbringende An wendungen auf den Markt bringt? Auf welche Aktivitäten würden Sie besonderenWertlegenundwarum? 2. Welche Vorraussetzungen hat die BASF für ein erfolgreiches Innovati onsmanagementbereitsgeschaffen? 3. InformierenSiesichüberdieBASFAG,BFB,BVCundHeliatek:Welche CorporateEntrepreneurshipAktivitäten verfolgt die BASF? Welche konkreten Konzepte können Sie indie Grundstrategie der beiden Toch terunternehmenwoeinordnen? 4. WassinddieVorundNachteileaufbeidenSeitenimRahmenvonPart nerschaftenundForschungskooperationen?WelchenZweckhabenPart nerschaften zwischen jungen StartupUnternehmen und großen For schungskonzernen,undwelcheRisikensinddamitverbunden? 5. Informieren Sie sich über die Wachstumsbranchen und Zukunfts technologien:WelcheHerausforderungensehenSieimRahmendesCor porateEntrepreneurshipProzesses?WelcheRollespieltdabeiderStaat?

224

Zusammenfassung

7.5

Zusammenfassung

Corporate Entrepreneurship – ein schillernder Begriff. Denn trotz aller Be grifflichkeitengehtesdochimmerumeineHerausforderung:Wieschaffen es Unternehmen, den Gründergeist am Leben zu halten und sich durch immer wieder kreatives unternehmerisches Handeln laufend zu erneuern? Dazu müssen bestimmte Grundvoraussetzungen für Corporate Entre preneurshipvorhandensein.DiesgiltebenfallsfürForschungsinstitutionen und wird unter dem Begriff Academic Entrepreneurship eingeführt. An schließend wurden jeweils mit dem Entwicklungsprozess für Corporate EntrepreneurshipeinallgemeingültigesInstrumentzurunternehmerischen Erneuerung vorgestellt. Anhand einer Fallstudie konnte dann verdeutlicht werden,wieineinemkonkretenFalldieGrundvoraussetzungenvonCorpo rate Entrepreneurship verankert werden können und welche Formen des internenundexternenVenturingentsprechendkombiniertwerdenkönnen.

Diskussionsfragen 1. WarumistdieBeschäftigungmitCorporateEntrepreneurshipfürUnter nehmenvonentscheidenderBedeutung? 2. Für welche Art von Geschäftsstrategie ist welche CorporateVenturing Aktivität passend? Welche Gründe erkennen Sie für das selbst verant worteteScheiternvonCorporateEntrepreneurshipProjekten? 3. Welche Kernfragen stellen sich in den einzelnen Phasen des Entwick lungsprozessesfürCorporate/AcademicEntrepreneurship? 4. WelcheAufgaben hat dasAcademic Entrepreneurship und wie können esdieInstitutebestmöglichumsetzen? 5. WelcheParallelenzwischenderTheorieunddenPraxisfällenkönnenSie ableiten?

Weiterführende Literatur MORRIS, M./KURATKO, D.F./COVIN, J., CorporateEntrepreneurship&Innovation, ThomsonSouthWestern,Mason,Ohio,2008. FRANK,H.,CorporateEntrepreneurship,WUV,Wien,2006. SATHE, V.,CorporateEntrepreneurship.TopManagersandNewBusinessCreation, Cambridge,2003.

225

7.5

7

Corporate Entrepreneurship

KURATKO, D./MORRIS, M., Corporate Entrepreneurship: Entrepreneurial Develop mentwithinOrganizations,SouthWesternCollegePub,Mason(Ohio),2002. HAID, D., Corporate Entrepreneurship im strategischen Management. Ansatz zur Implementierung des Unternehmertums im Unternehmen, Deutscher Universi tätsverlag,Bayreuth,2004. WRIGHT, M./CLARYSSE, B./MUSTAR, P./LOCKETT, A., Academic Entrepreneurship inEurope,EdwardElgarPublishingLtd,Cheltenham,2007. LAUKKANEN, M. Exploring academic entrepreneurship: drivers and tensions of universitybased business, Journal of Small Business and Enterprise Develop ment,Vol.10,No.4,2003,S.372–382.

Endnoten   1 Vgl. auch: Business Accelerator: unternehmensinterne – auch virtuelle – Einheit

zur Generierung und Wachstumsförderung von innovativen Geschäftsmodellen, und: Technology Accelerator: unternehmensinterne Einheit zur Förderung von innovativenTechnologieprojekten. 2 Nähere Ausführungen dazu bei: SHARMA, P./CHRISMAN, J., Defining Corporate

Entrepreneurship:AReviewandReconciliation,ProceedingsofUnitedStatesAs sociationforSmallBusinessandEntrepreneurship,1996,pp.137–146. 3 COOPER, A./GADSON, J./NIELSEN, K./PHILIPS, C.,CorporateVenturing–GoldMining

orFool’sGold,KelloggTechVenture2001Anthology,definierendieseBegriffewie folgt:‘’CorporateVenturing’’means.Atahighlevel,itisanyactivitythathelpsexpand thescopeofthefirm.…CorporateVentureCapital(CVC)isaninternal‘’fund’’ormoney setasidetoinvestexternallyinprivatecompaniesinasimilarfashiontoindependentVen tureCapitalfirms.NewVentureformation…referstotakinginternallygeneratedintel lectualpropertyornewbusinessideainnurturingthemintofullfledgedbusinesses.Both ofthesetypesofgroupshavemanyvariations,… 4 MACHARZINA,K.,Unternehmensführung,3.Auflage,Wiesbaden,1999. 5 DiestrategischeBedeutungdereinzelnenVentureFormenfindetsichbeiPHILLIPI,

F., Corporate Entrepreneurship – eine strategische Betrachtung, online unter: www.vendconsulting.de/upload/pdf/CorporateEntrepreneurship.pdf,2003,S.13. 6 Vgl. dieAusführungen von MÜLLER, C./FUGE, H.F., „Systematisierung innovati

verAnsätze des Gründungsmanagement in Unternehmen auf Basis explorativer Studien“,in:ACHLEITNER, A.K./KLANDT, H./KOCH, L.T./VOIGT, K.I.(Hrsg.),Jahr buchEntrepreneurship2003/04,Berlin,Heidelberg,2004,S.49–71. 7 FRANK,H.,CorporateEntrepreneurship,Wien,2006. 8 MILES, M.P./COVIN, J.G.,ExploringthePracticeofCorporateVenturing:Somecommon

FormandTheirOrganizationalImplications,in:EntrepreneurshipTheory&Practice, Spring,2002,S.21–40.

226

Zusammenfassung

9 Zu den sechs Kernzielen von CVC (Innovatoren, Verkäufer, Beobachter, Erneu

erer, Entrepreneure, Investoren) vgl. auch FRANK, H., Corporate Entrepreneur ship,Wien,2006. 10 CHESBROUGH, H.W., Das Wagniskapital von Unternehmen sinnvoll einsetzen, in:

HarvardBusinessmanager,5/2002,S.62–71. 11 COOPER,A.etal,ebenda. 12 GLASERGALLION, J./SCHNEIDER, K.,MitunternehmerimUnternehmen–Zukunftoder

Illusion?,in:ManagementPartnerBrief1/2004,Stuttgart,S.26–29. 13 ZurweitergehendenVertiefungwirdhieraufPHILLIPI,F.ebenda.verwiesen. 14 Es ist zu beachten, dass monetäre/extrinsische Motivation die jedem Entrepre

neurshipHandeln zugrunde liegende intrinsische Motivation verdrängt und so mitindiesemZusammenhangkritischzusehenist.Vgl.FREY,B.S./OSTERLOH,M., „Motivation – der zwiespältige Produktionsfaktor“, in: FREY, B./OSTERLOH, M., ManagingMotivation,Wiesbaden,2000,S.19–42. 15 Vgl.u.a.dieAusführungenvonMÜLLER, C./FUGE, H.F.,„Systematisierunginno

vativerAnsätzedesGründungsmanagementinUnternehmenaufBasisexplorati ver Studien“, in:ACHLEITNER, A.K./KLANDT, H./KOCH, L.T./VOIGT, K.I. (Hrsg.): JahrbuchEntrepreneurship2003/04,Berlin,Heidelberg,2004,S.49–71. 16 ALBRINCK, J./HORNERY, J./KLATTER, D./NEILSON, G., „Adventures in Corporate

Venturing“,in:strategy+business–TheZealot’sGuidetoGrowth:ASpecialDouble Issue,Issue21,firstquarter2001,S.119–129. 17 Vgl.hierzuWorkingCouncilforChiefFinancialOfficers:CorporateVentureCapital,

Washington,DC,London,2000. 18 Vgl. zu den folgenden Ausführungen LE CORRE, A./MISCHKE, G., The Innovation

Game:orwhyaclassicalMBAjustisnotsufficient,Stuttgart,2004,inVorbereitung. 19 OKERMAN, G.,ManagingDirector,CorporateEnterpriseGroup,3MCompany,in:

WorkingCouncil,ebenda. 20 SHANE,S.,„AcademicEntrepreneurship,Cheltenham,2004. 21 Zur systematischen Ausgestaltung von Entrepreneurship an Hochschulen wird

insbesondere auf folgende Quelle verwiesen: HAUS, J., „Förderung von Unter nehmertum und Unternehmensgründungen an deutschen Hochschulen“, Loh mar,Köln,2006. 22 SHANE,S.,„AcademicEntrepreneurship,Cheltenham,2004. 23 CLARK, B., Creating Entrepreneurial Universities: Organizational Pathways of

Transformation,PergamonPress,NewYork,1998. 24 HAUS, J., „Förderung von Unternehmertum und Unternehmensgründungen an

deutschenHochschulen“,Lohmar,Köln,2006. 25 ETZKOWITZ, H., “Research groups as ‘quasifirms’: the invention of the entrepre

neurialuniversity”,ResearchPolicy,Vol.32,2003,pp.109–121. 26 YUSOF, M./JAIN, K.K., “The emergence of entrepreneurial univerisites”, in: The

BusinessWallpaper,Vol.2,2007,Is.3. 27 ZudenaktuellenProblemenbeimGründungsprozessvgl.VOSS, R./MÜLLER, CH.,

TheGermanInnovationSystem–ConditionsforHighTechStartups,Band1und 2.,StuttgartHohenheim,2007,bzw.VOSS,R./MÜLLER,CH.,Howaretheconditions forstartupsinGermany?,in:InternationalJournalforSmallBusinessandEntre preneurship(inreview),o.J. 28 SHANE,S.,„AcademicEntrepreneurship,Cheltenham,2004.

227

7.5

7

Corporate Entrepreneurship

29 Quellen: Sämtliche Informationen, sofern nicht anders gekennzeichnet, sind der

Homepage der BASF und ihrer Tochterunternehmen entnommen: www.basf.de undwww.basffb.de. 30 DieBASFGruppeoperiertinsechsSegmenten:Chemikalien,Kunststoffe,Vered

lungsprodukte,Pflanzenschutz&ErnährungsowieÖl&Gasundverzeichneteim Jahre 2006 einen Umsatz von über 52Mrd. EUR und einen Gewinn von 6,7Mrd.EUR. 31 Dies sind: Forschung und Technologie Chemikalien, Polymerforschung, For

schungWirkundEffektstoffe,Pflanzenbiotechnologie. 32 Kooperationen mit Universitäten, Forschungsinstituten, StartupUnternehmen

undIndustriepartnern. 33 Die fünf Wachstumscluster sind: Energiemanagement, Nanotechnologie, Weiße

Biotechnologie,grüneBiotechnologieundRohstoffwandel. 34 Download der Datei hier möglich: www.kit.unikl.de/fileadmin/kit/wehlage

.pdf 35 Darüber hinaus hält die BASF weltweit ca. 160.000 Patente. Neuanmeldungen

beimeuropäischenPatentamtimJahr2006–1.459Patente.Siegehörtdamitzuei nerdergrößtenPatentanmelderinderEUundistführendinderChemiebranche weltweit.Vgl.EuropäischesPatentamt:www.epo.org,Abruf:22.10.2007. 36 SogeschehenbeiderBASFFuelCellGmbHnachderAkquisitionderPEMAS. 37 EinquantitativerBeweisbestätigteunteranderemdieseVariablenalsErfolgsgrö

ßen. Vgl. Vortrag SCHMELTER/MAURER/BRETTL, Einfluss von Management auf CorporateEntrepreneurshipGForumAachen,7.–9.11.2007.

228

Einführung

8.1

8 Businessplan

Lernziele Nach der Lektüre dieses Kapitels sollten Sie folgende Fragen beantworten können:

„ WozudienteinBusinessplan? „ WiesollteeinBusinessplantypischerweiseaufgebautsein? „ WaskannmitPlanungerreichtwerdenundwasnicht? „ WoraufsolltemanbeiderErstellungeinesBusinessplansachten?Welche Fehlersolltenvermiedenwerden?

„ Welche Vorteile bietet die Teilnahme an Ideen und Businessplan– Wettbewerben?Wielaufendieseab?Wasgilteszubeachten?

Begriffserklärungen Businessplan: Geschäfts oder Unternehmensplan, der klar und prägnant AuskunftgibtüberallerelevantenAspekteeinesneuenUnternehmensoder Geschäftsfeldes. Executive Summary: Zusammenfassung der Schlüsselaussagen eines Busi nessplansaufeinbiszweiSeiten,sodassdamiteinekurzePräsentationdes Projektesermöglichtwird.

8.1

Einführung

Im Zuge der Kreditanfrage bei einer Bank wird er verlangt, vor einer Ver handlung mit einem Venture Capitalist muss er vorgelegt werden, bei der Unternehmensnachfolge wird er als Gesprächsbasis zwischen Senior und Junior eingesetzt. Die Rede ist vom Businessplan oder Geschäftsplan, der auch mit den Buchstaben BP abgekürzt wird. Zwar vertreten erfolgreiche und prominente Unternehmerpersönlichkeiten teilweise die Auffassung,

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DerBusinessplan hatsichzueinem Standard instrument entwickelt.

8

Businessplan

dasseinBusinessplaneineneuzeitlicheErfindungseiundsieauchohneihn Erfolggehabthätten,dochwirdermehrundmehrzumStandardinstrument imgeschäftlichenAlltag. Umeinen Businessplanzu schreiben,muss sichderGründer intensivmitder Unternehmung auseinander setzen.

Die Erstellung eines Businessplans zwingt den Gründer, sich intensiv und detailliert mit dem Gründungsprojekt auseinanderzusetzen. Der Gründer muss das geplante Produkt oder die geplante Dienstleistung nicht nur in technischer Hinsicht beschreiben, sondern sich insbesondere auch mit der betriebswirtschaftlichen Seite des neuen Unternehmens befassen. Das SchreibeneinesBusinessplanssollteallerdingsnichtalsnotwendigePflicht übungabgetanwerden.GeradeGründerausdemtechnischenBereichgehen häufig davon aus, dass es vor allem darauf ankommt, ein möglichst gutes Produktherzustellen.BeientsprechenderQualitätwürdensichdann„quasi automatisch“Kundenhierfürfinden,wasjedochoftmalsweitanderRealität vorbeigeht. Der Markt für ein neues Produkt muss in der Regel mühsam erschlossenwerden,undderBusinessplandientzurDemonstration,welches Vorgehenhierbeigewähltwerdensoll.HäufiggenugwerdenauchProdukte entwickelt, für die es gar keinen Markt gibt. Gründer ohne betriebswirt schaftliche Vorkenntnisse müssen sich diesbezüglich in viele neue Bereiche einarbeiten.

8.2

Bedeutung und Einsatzbereich

DerBusinessplan isteinstrategi schesInstrument, dasEntwick lungsmöglich keitenaufzeigt.

Was genau ist ein Businessplan? Zuallererst stellt er einen Geschäfts oder Unternehmensplan dar, der die Zukunftsmöglichkeiten einer Gründung oder eines bereits bestehenden Unternehmens beschreibt. Damit ist er im Bereich des strategischen Managements anzusiedeln. Darüber hinaus stellt er ein integriertes Planungs und Arbeitsinstrument dar, das firmenspezi fischangepasstundfürdiekontinuierlicheStrategiearbeiteingesetztwerden kann.DieZieledesBusinessplansliegeninderwirkungsvollenPräsentation derGeschäftsidee,inderSchaffungeinerfundiertenEntscheidungsgrundla gesowieinderDarstellungderkonkretenMaßnahmenzurUmsetzungder Ideen.

EinBusinessplan lässtsichin vielenSituatio neneinsetzen.

Der Businessplan wird in den verschiedensten Situationen eingesetzt und gefordert. Im Mittelpunkt steht die Gründung eines neuen Unternehmens, bei der er der gründlichen und systematischen Auseinandersetzung des GründersmitseinemProjektdient.Darüberhinauseignetersichaberauch als Instrument für die regelmäßige Strategiefestlegung von Unternehmen, für die Gründung eines neuen Geschäftsfelds, für die Regelung von Nach folgeproblemen, für das Prüfen und Eingehen von Kooperationen, für die Finanzierung durch diverse Eigen und Fremdkapitalgeber. Er stellt damit

230

Bedeutung und Einsatzbereich

8.2

ein unverzichtbares Instrument zur Unterstützung der Gründungs und Strategieaktivitäten, zur Gewinnung von Finanzierungsmitteln, zur Festle gungvonprojektbezogenenMeilensteinensowiezurinternenundexternen Kommunikation dar. Je nach Verwendungszweck sollten im Businessplan unterschiedlicheAspekte betont werden. Die Formulierung eines Business plans bei einer Neugründung ist vermutlich der anspruchsvollste Fall, da nurwenigverlässlicheInformationenvorliegenundalleTeiledesBusiness plansvonentscheidenderBedeutungsind.Besonderswichtigisthierbeieine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Produkt bzw. der angebotenen Dienstleistung und dem damit verbunden Kundennutzen sowie mit dem eigentlichen Markt und dem Marketing für die Geschäftsidee.1 Bei einem bereits existierenden Unternehmen, für das ein Eigentümerwechsel geplant ist, können im Businessplan Schwerpunkte gesetzt werden; hier sind vor allemdieZukunftdesUnternehmenssowiedieQualitätdesManagements vonInteresse.2 JederBusinessplansollteinsichschlüssigundkonsistentseinsowieandie spezifische Situation angepasst werden, um die Ernsthaftigkeit und Nach haltigkeitdesGeschäftskonzepteszudemonstrieren.DerPlandientauchals AusgangspunktfürdieerforderlicheSzenarienbildung(bestes,realistisches, schlechtestesSzenario)underlegtdiezeitlicheundpersonelleAufgabentei lung und Abstimmung fest (Ordnungsmomente). Zudem zeigt die Ausei nandersetzung mit einem MusterBusinessplan mögliche Lücken des Ge schäftskonzeptsauf.EinsolchesMusterkannallerdingsnuralsersteOrien tierungshilfe dienen und muss in jedem Fall an die individuellen Gegebenheiten angepasst werden. Ist ein Businessplan entstanden, dient er der Kommunikation nach innen und außen zu den verschiedenen An spruchsgruppen des Gründers, seien es Partnerunternehmen, Kapitalgeber oderMitunternehmer.

JederBusiness planmussselbst verfasstundan diespezifischen Bedürfnissean gepasstwerden.

ErstdurchdasNiederschreibeneinerGeschäftsideegelingtes,dieKomple xitäteinesGründungsvorhabensangemessenzubewältigenundeineStruk tur in die Gründungsvorbereitung und durchführung zu bringen. Der be rühmte VentureCapitalistEugeneKleinerbeschreibtdenNutzeneinesBu sinessplans mit den folgenden Worten: „Writing a business plan forces you intodisciplinedthinkingifyoudoanintellectuallyhonestjob.Anideamay sound great in your own mind, but when you put down the details and numbersitmayfallapart.“3

DasSchreiben desBusiness planshilftbeider Bewältigungdes Gründungs vorhabens.

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8

Businessplan

DerBusinessplan nütztbeider intensivenAus einandersetzung mitderGe schäftsidee.

McKinsey fasst den Nutzen eines Businessplans folgendermaßen zusam men. Der Businessplan zwingt die Firmengründer, ihre Geschäftsidee sys tematischzudurchdenkenundverleihtihrdamitdienötigeSchlagkraft.Er zeigtWissenslückenaufundhilft,dieseeffizientundstrukturiertzufüllen, und zwingt die Gründer zu Entscheidungen und damit zu fokussiertem Vorgehen. Zudem dient ein Businessplan als zentrales Kommunikationsin strument zwischen den verschiedenen Partnern und gibt einen Überblick über die benötigten Ressourcen und deckt dadurch Lücken auf. Alles in allemisterdieTrockenübungfürdenErnstfall:Eskostetnichts,wenneine absehbare Bruchlandung während der Businessplanung erkannt wird – später können die Folgen für die Unternehmer, Investoren und Mitarbeiter deutlichschwerwiegendersein.4

EmpirischeStu dienzeigen,dass essinnvollist, einenBusiness planzuerstellen.

Empirische Untersuchungen belegen, dass das Schreiben eines Business plans die Erfolgschancen steigert. Diese Studien zeigen den Einfluss von Planung auf den Unternehmenserfolg, wiederum andere können keinen Zusammenhang finden. Die letztgenannten Studien argumentieren, dass kleine Unternehmen lieber informelle Planungs und Analysemethoden anwenden sollten, die auch in nicht schriftlicher Form vollzogen werden können.5SogenannteMetaanalysen,diedieErgebnisseverschiedenerempi rischer Studien miteinander vergleichen, ergeben eine Bestätigung für die Befürworter einer strategischen Planung, allerdings nur eine schwache.6 Voelz und Fahrni glauben, dass die Realität zwischen den beiden beschrie benenPositionenliegt:EsgibtAspekte,fürdiesicheineformalestrategische Planunglohnt.InanderenFällenkanneineopportunistische,diejeweiligen Gegebenheiten ausnutzende Vorgehensweise besser zum Ziel führen. Nichtsdestoweniger nutzt Gründungsplanung vor allem auch dem Unter nehmerselbst.Erlernt,dierichtigenAspektezubeachtenundsichnichtin nutzlosen,weilziellosenundunsystematischenAktionismuszuverzetteln.7

UnternehmerprofilNapshell:Erfolgkommtnichtvonheuteaufmorgen EineKonzept studieistder Ausgangspunkt füreinmarkt reifesProdukt.

Dass man für ein Gründungsvorhaben mitunter einen langen Atem braucht, stellten auch Nicolas Reber und Markus Abele fest. Zu Beginn bestand das Gründerteam aus sieben Personen, allein Nicolas Reber und Markus Abele verfolgen auch heute noch ihre Idee vom Unternehmen „Napshell“. Bei der Entwicklung der Napshell („Schlafmuschel“) standen der Mensch und seine Ergonomie im Fokus sowie sein Sinn für anspruchvolles Design.

232

Bedeutung und Einsatzbereich

8.2

2004 betraten die Architekturstudenten in einem siebenköpfigen Team mit dem Institut für Wohnen und Entwerfen der Universität Stuttgart (Fakultät Architektur und Stadtplanung) absolutes Neuland. Sie sollten ein Konzept zum Thema Power Napping (von engl. nap = Nickerchen) entwickeln. Nach gründlicher Recherche und ersten Konzeptstudien entstand während eines Workshops in Rotterdam die erste Idee von Markus Abele. Nachdem die Gruppe nach einigen Monaten endlich Sponsoren gefunden hatte, konnten sie ein erstes Modell verwirklichen, das sie an der Universität im September 2004 präsentierten. Das Resultat des Hochschulprojekts war eine ergonomische und zugleich stilvolle „Regenerationsquelle“ für das Power Napping in ansprechendem und zukunftsweisendem Design. Die Gründer Nicolas Reber und Markus Abele entwickelten die ursprüngliche Studie kontinuierlich bis zum marktreifen Produkt weiter, um die Thematik des Power Napping mehr ins Blickfeld der Menschen zu rücken und sich einen neuen Absatzmarkt mit großem Potenzial zu erschließen. Die erste Internetpräsenz wurde aufgebaut. Als das Team das erste Modell im Oktober 2004 auf der Büromöbelmesse Orgatec in Köln präsentierte, ernteten sie viel Lob. Hierauf wurde in den folgenden Wochen und Monaten viel in Zeitungen, Zeitschriften und im Internet publiziert.

DerWegvonder Ideebiszum fertigenProdukt erfordertvonden Gründernviel Durchhalte vermögen.

Es meldeten sich schon die ersten Abnehmer, aber aufgrund technischer Schwierigkeiten mussten sie den Hersteller wechseln und konnten daher nicht sofort liefern. Die potenzielle Kundschaft musste vertröstet werden, wurde aber immer auf dem Laufenden gehalten. Der Auftrag für zwei Napshells aus dem Museum für Arbeitswelten in Steyr/Österreich veranlasste die Gruppe, das Modell weiterzuentwickeln. Doch nun mussten erst neue Hersteller und Lieferanten gefunden werden, mit denen die Napshell produziert werden konnte, was sich allerdings schwieriger als erwartet gestaltete. Auch hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt das ursprüngliche Team verändert, sie waren nur mehr zu viert. Aufgrund von Auslandsaufenthalten und Praktika war klar, dass nicht alle ursprünglichen Teammitglieder die Idee weiterverfolgen würden. Für sie kam die Selbstständigkeit als Alternative nicht infrage.

DasModellwird kontinuierlich weiterentwickelt.

Da ihre Produktidee nach wie vor regen Anklang fand, entschlossen sich die Gründer im Juni 2005 zur Eingliederung als Transfer- und Gründungsunternehmen bei der Technologie Transfer Initiative (TTI) der Universität Stuttgart. Zu diesem Zeitpunkt ging auch die neue Internetpräsenz (www.napshell.com) online. Im Oktober 2005 hatten die Gründer nun die passenden Hersteller für den Bau ihres Objekts gefunden. Um die Napshell nun weiter voranzubringen, mussten die Gründer um Nicolas Reber und Markus Abele das nötige Kapital einwerben. Um diesen entscheidenden Meilenstein zu erreichen, bewarb sich das Team für das EXIST-Seed-Programm. Im Mai 2006 startete die Förderung. Dennoch verließ ein weiteres Mitglied das Gründungsprojekt, jetzt waren sie noch zu dritt. Während des Förderjahres stand nun im Vordergrund, die Marktreife der Napshell sicherzustellen. Die Marktanalyse ergab weitere Mitbewerber, die sie als ernstzunehmende Konkurrenten einschätzen. Sie wollten aber auch wissen, wer ihre potenziellen Kunden waren. Daher grenzten sie den für sie relevanten Markt ab und konnten folgende Marktsegmente identifizieren: den Geschäftsbereich (Bürogebäude), Tagungs- und Konferenzstätten, Messen, Wellnessbereiche von Hotels, Fitnessclubs und Spas, Sanatorien sowie Airline-Lounges und Bildungseinrich-

DasTeamsucht Unterstützungin einemGründer zentrumund bewirbtsichum Fördermittel.

233

8

Businessplan

tungen. Aber genauso kamen anspruchsvolle Privatpersonen, die extravagante Möbel bevorzugen, infrage. Um sein Konzept zu testen, nahm das Team 2006 auch beim Ideenwettbewerb Test your Ideas! der Universität Hohenheim teil und bekam prompt den „Sonderpreis für eine herausragende Produktinnovation“. Im Jahr 2007 konnte das Team sich mit seiner Innovation als Finalist des Zukunftsawards 2007 sowie des internationalen ISPO BrandNew Awards 2007 auszeichnen.

DieGründer haltenanihrer Visionfest.

Kurz vor Ende der Förderung verließ eine weitere Person das Team. Trotzdem stand es für Nicolas Reber und Markus Abele außer Frage, die Idee zu einem erfolgreichen Gründungsunternehmen zu führen. Sie halten weiterhin an ihrer Vision fest: „Wir kreieren Produkte für Menschen, von denen im Alltag oftmals mehr abverlangt wird, als dies einem menschlichen Organismus überhaupt zumutbar ist.“ 2008 wollen sie endgültig ein Unternehmen für ihre Napshell gründen, der Businessplan ist schon geschrieben.

8.3

Aufbau des Businessplans

DerInhalteines Businessplans:von derIdeebiszuden Erfolgsaussichten.

Welche Inhalte umfasst ein Businessplan, wie sollte man bei derErstellung idealtypischvorgehen?ImKernstehenimmerdieIdee,dasNeuartigeund Nutzbringende, die Darstellung der Produkte, Dienstleistungen und Ziel gruppen sowie der monetäre Ertragsmechanismus. Dazu zählt die Verbin dung zwischen dem Gründer und seiner Idee. Passen diese beiden Seiten zusammen?KannniemandandereserfolgreicherdieseIdeeumsetzen?Ide alerweise geht man bei der Erstellung des Plans von der Idee aus, prüft deren Marktfähigkeit, evaluiert und testet die tatsächlichen Kundenbedürf nisse,plantdieProduktherstellungunddieErfolgsaussichtenimMarktund entwickeltdaraufaufbauendimRahmendesBusinessplansdieGesamtstra tegie.

DerBusinessplan umfasstacht Kapitel.

Von diesen Kerninhalten ausgehend wird ein Businessplan zumeist in acht Kapitel unterteilt.Aufbau und Umfang können je nach Situation variieren, denn jeder Plan muss den spezifischen Anforderungen des Projekts ange passt werden und die Adressaten (z.B. Banken, VentureCapitalGeber, potenzielleMitarbeiter)imAugebehalten.DieachtBereicheeinesBusiness planslautenüblicherweise: 1. Zusammenfassung(ExecutiveSummary) 2. IdeeundProdukt 3. PersonenundTeam 4. KundenundKonkurrenz,MärkteundMarketing

234

Aufbau des Businessplans

8.3

5. OrganisationundVertrieb 6. Umsetzungsplan 7. RisikenundGegenmaßnahmen 8. FinanzplanungundFinanzierung Im Folgenden werden die zentralen Inhalte der einzelnen Bereiche kurz beschrieben.EsgibteinebreiteLiteraturzumThemaBusinessplan,diehier nichtinihrerGesamtheitdargestelltwerdenkann.ZumTeilfindensichdort leichtabweichendeVorschlägezurGliederung.

8.3.1

Executive Summary

Die Zusammenfassung (Executive Summary) präsentiert auf ein bis zwei Seiten die Schlüsselaussagen zu Beginn des Businessplans. Dies muss für jeden,d.h.auchfür„Fachfremde“verständlichundmotivierendgeschehen. GroßeVentureCapitalistsoderBankenerhaltentäglichDutzendevonBusi nessplänen,weswegenoftnurwenigZeitzurBegutachtungeinesBusiness plansbleibt.NichtseltenwirdderPlannachderLektüreeinernichtaussa gekräftigenZusammenfassungbeiseitegelegtundnichtweiterverfolgt.Auch wennderSatz,dasseskeinezweiteChancefüreinenerstenEindruckgibt, abgedroschen klingen mag, so hat dieser in Bezug auf das Executive Sum marydurchausBerechtigung.GeschriebenwirddieserTeilerstzumSchluss.

DasExecutive Summaryenthält dieKernaussagen.

EsgibteinigePunkte,dieaufkeinenFallindiesemKapitelfehlendürfen.Es muss auf die Geschäftsidee und die Marktleistungen eingegangen werden. Dabei ist auch darauf zu verweisen, wie diese am Markt abgesetzt werden (Ertragsmechanismus) und über welches Wachstumspotenzial der Markt verfügt. Ferner müssen die Erfahrungen und Kompetenzen der Gründer beschriebenwerdenundwarumsiederMeinungsind,Erfolgzuhaben.Und zuletztistderbenötigteFinanzbedarfzubenennenundzuerläutern.8 ObdieAnforderungenaneineguteZusammenfassungerfülltsind,lässtsich mitdemAufzugstest(ElevatorPitch)prüfen.StellenSiesichvor,Siewürden ineinemAufzugstehenundhabengenau60SekundenZeit,demebennoch zugestiegenenFinanzierihreIdeevorzustellenundzuverkaufen.Sieüber zeugen, wenn Sie nach 60 Sekunden die Inhalte des Executive Summary allgemeinverständlichberichtethaben.Sieüberzeugennicht,wennSienach 60 Sekunden immer noch dabei sind, mit komplizierten Fachwörtern be stimmteBegrifflichkeitenoderRahmenbedingungenzuschildern.

235

DerElevator PitchisteinTest fürdenBusiness plan.

8

Businessplan

8.3.2 DieGeschäfts ideewirdim Kapitel„Ideeund Produkt“ beschrieben.

Idee und Produkt

Der Teil „Idee und Produkt“ enthält die Kernaussagen zur Geschäftsidee und zum geplanten Leistungssystem. Die Darstellung der Kundenbedürf nisse und des durch die Lösung generierten Nutzens stehen im Zentrum. Hier muss die Besonderheit oder sogar Einzigartigkeit des Geschäftskon zeptsgezeigtwerden.EbenfallsmussdieErtragsmechanikerläutertwerden, d.h,sollendieoperativenCashflowsüberVerkauf,Provisionen,Gebühren, WerbungoderandereArtengewonnenwerden.ZudemsindAussagenzum etwaigen Schutz der Geschäftsidee erforderlich, wie Markenrechte oder Patente. Vielfach sind die Ideen nicht wie biotechnologische Verfahren schutzwürdig,sondern stellen Imitationenoder Dienstleistungen dar, dann lässtsichdieIdeenurdurchVertraulichkeitbiszurMarkteinführungschüt zen.ZudembestehteingewisserWiderspruchzwischendemverständlichen SchutzbedürfnisundderNotwendigkeit,konstruktiveRückmeldungenvon Personenzubekommen,denenmanersteFassungendesBusinessplanszur Durchsichtvorlegt. DieGeschäftsideeselbstmussgarnichtsoaußergewöhnlichundinnovativ sein, wie häufig dargestellt wird. Auch ein bewährtes Geschäftskonzept, professionellaneinemneuenOrtumgesetzt,kanneineguteGrundlagefür ein Unternehmen bilden. Dies wird auch in den folgenden Aussagen zum Gründerteamdeutlich.

8.3.3 DasTeamist entscheidendfür dieUmsetzung derIdee.

Personen und Team

DieVerbindungvonderIdeezu denGründernwirdimBereich„Personen und Team“ hergestellt. „We invest in people not in ideas“ oder „Always considerinvestinginagradeAmanwithagradeBidea–neverinvestina gradeBmanwithagradeAidea“sinddiehierzupassendenAussagenvon Venture Capitalists. Denn ein erstklassiges Team kann mit Unterstützung aucheinenochnichtganzausgereifteIdeezurVollendungunddamitzum Erfolg führen, mit einem nur halbwegs motivierten und befähigten Team wirdesaberinderRegelnichtgelingen,selbsteineerstklassigeIdeeumzu setzen. Dieses Kapitel soll Aufschluss geben, ob und wie das Team bisher zusammengearbeitethat,welcherelevantenErfahrungenvorliegen,wiesich die einzelnen Personen komplementär ergänzen, welche Rollen eingenom men werden, ob sich alle ihrer Stärken und Schwächen bewusst sind, wie offenePositionenbesetztwerdensollen,welcheEntscheidungsregelneinge führtwordensindundauch,objetztundinZukunftalleGeldfragen(Nach schussregelungen,RollevonEheundErbverträgen)geklärtsind.

236

Aufbau des Businessplans

8.3.4

Kunden und Konkurrenz, Märkte und Marketing

IndiesemKapitelwirdaufdenZielmarkt,dieZielkundensegmenteunddie konkretenZielkundeneingegangen.DabeiistdieMarketingkonzeptionvon Beginn an umzusetzen, nicht nur ab dem MarketingMix. Hierin liegt viel facheinProblem:EswirdschonderWebauftrittgeplantunddieUnterneh mensbroschüregedruckt,nochbevordieKundensegmentierungabgeschlos senist.HierbestehtdieGefahrgroßerStreuverluste:DieMaßnahmenerrei chen nicht die Personen, für die das Produkt wirklich interessant ist. Des Weiteren sollte man sich mit den Fragen des Marktpotenzials, volumens und anteils auseinandersetzen, wenngleich in dieser frühen Phase und in jungen Branchen dazu nurAussagen mit hoher Treffunsicherheit getroffen werdenkönnen.Außerdemdürfenbekannteundmöglicherweisehinzutre tendeMitbewerbernichtaußerAchtgelassenwerden.BeiderKonkurrenz analysesinddiepotenziellenaktuellenundzukünftigenKonkurrentenund deren Produkte bzw. Geschäftskonzepte zu betrachten. Großunternehmen könneninmanchenFällenrascherindeneigenenMarktvorstoßenalsman sich selbst mit den beschränkten Ressourcen ausdehnen kann. Gerade Gründer aus dem technischen Bereich schenken dem Thema Marketing oft viel zu wenig Aufmerksamkeit. Eine ausführliche Darstellung dieses The masfindetsichinKapitel10.

8.3.5

8.3 DieBetrachtung desMarktes,der Kundenundder Konkurrenzist vonbesonderer Bedeutung.

Organisation und Vertrieb

WiesiehtdieWertschöpfungskettederBrancheaus,welcheRollenimmtdas Projekt ein, wie soll das Produkt/die Dienstleistung (Leistungssystem) ver triebenwerden?UmdieseFragenzubeantworten,isteineWertkettenanaly se erforderlich, z.B. nach den Grundsätzen von Porter. Dabei werden die Aktivitäten des eigenen Unternehmens gekennzeichnet und die Rolle zu vor, nach oder quer gelagerten Partnern definiert. Damit einher geht die Klärung der Frage, worin die eigenen Kernkompetenzen und Fähigkeiten bestehen.EntsprechendwerdendieBeziehungenundSchnittstellenzuden Kooperationspartnernfestgelegt.EtwafünfvonsechsGründungenerfolgen in Deutschland, Österreich und der Schweiz im Dienstleistungsbereich. Auch bei Industrieunternehmen werden produktbegleitende Dienstleistun gen immer wichtiger, was auf die zentrale Bedeutung der Dienstleistungs kompetenz für den Erfolg neuer Unternehmen hinweist. Diesem Bereich sollte in einem Businessplan daher besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Er ist auch Gegenstand von Kapitel 14. Für die Führung des neu gegründetenUnternehmensisteszudemwichtig,sichdieFragenacheiner sinnvollenAnzahlanHierachieebenen,derArtderEntscheidungsfindungs

237

DieWertketten analyseals zentralesElement derOrganisation

8

Businessplan

prozesse (z.B. in Form eines Organigramms) Gedanken zu machen sowie zurEntwicklungundGestaltungderUnternehmenskultur.

8.3.6 DieUmsetzung desBusiness planswirdan Meilensteine gekoppelt.

Der Umsetzungsplan gibt den inhaltlichen und zeitlichen Rahmen für die AktivitätenderfolgendenMonatebisJahrevor.MitihmwirdderBusiness planzumdauerhaftenStrategieinstrument.DieRealisierungwirddazumit Meilensteinen für den erfolgskritischen Verlauf geplant. Dadurch können die einzelnen Umsetzungsschritte aufeinander abgestimmt, die Ressourcen undKapazitätenzugeordnetunddieFeedbackRundeneingeplantwerden. Denn vielfach werden Venture Capitalists ihre weitere Zustimmung und AuszahlungvonFinanzmittelnandasErreichenderoftgemeinsamdefinier ten Meilensteine knüpfen.Aber auch für das eigene kritische Hinterfragen sinddieMeilensteineerforderlich.Siesindwichtige,definierbareEreignisse im Verlauf der Gründung, die es dem Unternehmer ermöglichen, aus dem bisherigenVerlaufzulernenunddenweiterenVerlaufdaraufaufbauendzu planen.Als Meilensteine können unter anderem derAbschluss des Markt tests,dieFertigstellungeinesPrototyps,derersteProduktionslaufoderder erstezahlendeKundedienen.

8.3.7 Diemöglichen RisikendesVor habensdürfen nichtaußerAcht gelassenwerden.

Umsetzungsplan

Risiken und Gegenmaßnahmen

Zum Schreiben des Kapitels „Risiken und Gegenmaßnahmen“ sind Selbst kritik und eine realistische Einschätzung der Lage unbedingt erforderlich. GelegentlichwirddiesesKapiteleinfachvergessen,dannwiederwerdendie Hauptrisiken in der Weltkonjunktur oder politik gesehen. Dabei wird ver kannt,dassdienachweislichbedeutendstenGründefürdasScheiternganz woanders liegen, und zwar in den einzelnen Kapiteln des Businessplans. Fehler im Finanzplan führen zu Liquiditätsengpässen oder Überschuldun gen, Fehler im Marketingkonzept führen zumAusbleibender Kunden und FehlerinderkritischenSelbsteinschätzungdesTeamsführenzuFührungs schwächen oder demAuseinanderfallen des Teams. Hiermüssen somitdie internenundexternenRisikendesGründungsprojektsobjektivundumfas send aufgeführt werden. Dazu kommt die konkreteAbleitung von Gegen maßnahmen und Reaktionsplänen für den Fall des Eintreffens der entspre chendenFälle.DadurchwirddiesesKapitelzueinerweiterenSchlüsselstelle undzueinementscheidendenPrüfsteinfürdengesamtenBusinessplan. DieskannbeispielsweiseinFormeinerSWOTAnalyse(Strengths,Weaknes ses, Opportunities und Threats) geschehen. Hierbei werden die unterneh

238

Aufbau des Businessplans

8.3

mensinternenFaktoren–StärkenundSchwächen–denexternenUmfeldfak toren – Chancen und Risiken des Marktes – gegenübergestellt und es wer denStrategien(wirdhäufigvergessen)darausabgeleitet.9Eineausführliche BeschreibungderSWOTAnalysefindetsichinKapitel9.

8.3.8

Finanzplanung und Finanzierung

DasletzteKapitelbefasstsichmitderFinanzplanungundderFinanzierung. InjedemFallsindeinLiquiditätsplan,eineCashflowrechnung,einePlaner folgsrechnung,einePlanmittelflussrechnungsowieeinePlanbilanzzuerstel len. Diese können durch weitere spezifische Rechnungen wie Investitions rechnungen, Deckungsbeitragsrechnungen oder MakeorbuyBerech nungen ergänzt werden. Für die Beurteilung dieser Planungen sind realistischeAnnahmen aufzuzeigen, auf denen die Berechnungen beruhen. EntsprechendeVorlagenbieteneineReihevonSoftwarelösungenoderBusi nessplanTools, z.B. von Banken, Verbänden oder Ministerien (z.B. das ExistenzgründungsportaldesBundesministeriumsfürWirtschaftundTech nologie BMWi: www.existenzgruender.de). Sie müssen dann individuell angepasst werden. In diesem Kapitel hat zudem eine Beurteilung der zur VerfügungstehendenFinanzierungsquellenmitanschließenderZusammen stellung des geplanten Finanzierungsmix stattzufinden. Grundsätzlich kommen Familiendarlehen/gelder, Fördermittel, Bankkredite, Kapital von Business Angels und Venture Capitalists infrage. Diese müssen anhand folgender Kriterien, bezogen auf das eigene Projekt, beurteilt werden: Le benszyklusphase, Finanzierungsvolumen, zeitliche Verfügbarkeit, Finanzie rungsphase, Finanzierungskosten, Gründungsberatung, Führungsunterstüt zung, Einfluss auf die unternehmerische Unabhängigkeit sowie die Tren nung zwischen kommerzieller und emotionaler Beziehung. Das Thema FinanzierunghateinegroßeBedeutungfürdieRealisierungeinerGeschäfts ideeundwirddaherausführlichinKapitel11dargestellt.

239

DieFinanz planungbildet fürpotenzielle Kapitalgeberdie Entscheidungs grundlage.

8

Businessplan

8.4

Die Erstellung eines Businessplans

8.4.1

Zentrale Anforderungen an einen Businessplan

Es gibt zwar keine Patentrezepte für die Erstellung eines guten Business plans,allerdingslassensichbestimmteMerkmalenennen,dieeraufweisen sollteunddiedaherbeiseinerErstellungberücksichtigtwerden.Diezentra lenAnforderungenaneinenüberzeugendenBusinessplanlauten:Dieeigene Handschriftmussdeutlichwerden.EhrlichkeitundObjektivitätderDarstel lung, saubere Form und verständliche Sprache, klare Zielgruppen und Leserausrichtung sowie Widerspruchsfreiheit sollten gegeben sein. Zudem istessinnvoll,verschiedeneSzenarieneinzubauen. DerBusinessplan sollständig kritischhinter fragtwerden.

Entsprechend liegen in Businessplänen die am häufigsten anzutreffenden Fehler in einer mangelnden Bedürfnis und Kundenfokussierung, in einer fehlenden Empfängerorientierung, in der Unvollständigkeit und Wider sprüchlichkeitdes Inhalts, inder Vermischung von Hoffnung und Realität, der Nichtbeachtung von Risiken und in Fehleinschätzungen von Zeit und Geld.Diesführtdannzudemnichtselten anzutreffendenPhänomeneiner Überschuldung bereits in der Planbilanz. Zudem werden immer wieder dieselbenPhrasenundallgemeinplakativenAussagenwie„Wirhabenkeine Konkurrenten“, „Wir stehen vor dem Kooperationsabschluss mit Microsoft für den USMarkt“ oder „Wir haben nur noch minimale Probleme vor der Produkteinführung zu klären“ verwendet, womit deutlich wird, dass die Gründer die Realität verkennen. Um diese typischen Fehler zu vermeiden, ist es lohnend, sich die kritischen Fragen, die jeder Beurteiler stellt, selbst immer wieder vor Augen zu führen. Mit diesen Schlüsselfragen, die man beispielsweise BusinessplanVorlagen entnehmen kann, ist eine gezielte VorbereitungaufdenErnstfalleinerPräsentationvorEntscheidungsträgern möglich. Zudem besteht laufend die Möglichkeit, sich an Businessplan Wettbewerbenzubeteiligen.DadurcheröffnetsichnebendemGewinnvon Förderpreisen die Chance, mit Experten den eigenen Businessplan kritisch zureflektierenundzuverbessern.

DieEinbeziehung vonexternen Beraternhilft, Schwachstellen aufzuzeigen.

Generell gilt, dass man immer versuchen sollte, qualifizierten Rat für das eigene Geschäftskonzept zu erhalten. Es ist in diesem Zusammenhang falsch,zuvielGeheimniskrämereiumdieeigeneGeschäftsideezumachen. Viele auf den ersten Blick genial erscheinende Geschäftsideen sind auch schonDutzendenanderenLeutenindenSinngekommenundwurdenden nochnichtrealisiert,weilsiesichbeinähererBetrachtungalsnichtpraktika beloderweniglukrativerwiesenhaben.DieTatsache,dasseinebestimmte

240

Die Erstellung eines Businessplans

8.4

Leistung auf dem Markt nicht angeboten wird, muss nicht unbedingt hei ßen, dass bisher noch niemand auf die Idee gekommen ist, hier tätig zu werden.HierfürkannaucheinenichtausreichendeNachfrageodersonstige Schwachpunkte verantwortlich sein. Durch die Diskussion mit anderen lassensichRealisierbarkeitundErfolgsaussichteneinesGründungsprojektes in aller Regel besser einschätzen, als wenn man nur allein über seinen Plä nenbrütet. Zum Schreiben eines Businessplans werden oft Vorlagen von Banken oder Gründungsberatern eingesetzt. Diese fördern das Schreiben eines in sich stimmigen Plans, weil sie gezielt die entscheidenden Fragen stellen und Themengebiete aufzeigen, dürfen aber nicht unkritisch übernommen wer den.FertigeBusinessplänefürverschiedeneBranchensindinzwischensogar käuflich im Internet zu erwerben. Auch hier gilt, dass diese Anregungen geben können, in keinem Fall aber einfachkopiert werden sollten. Welcher Investor stellt schon gerne jemandem Kapital zur Verfügung, wenn er be merkt, dass der Businessplan nicht selbst erarbeitet, sondern lediglich ko piertwurde?OderimFallevonBankengarvonihnenselbststammt.

Vorlagenerleich terndasNieder schreibender eigenenIdee.

Über den optimalen Umfang eines Businessplans gibt es unterschiedliche Aussagen. Für die meisten Gründungsvorhaben sollten 25–30 Seiten ein angemessenerUmfangsein.Beikleinen,einfachstrukturiertenGründungs vorhaben, bei denen keine Bankdarlehen in Anspruch genommen werden sollen,könnenauchbereitszehnSeitenodereineaussagekräftigePräsenta tion ihren Zweck erfüllen. Beim Vorstoß von Großunternehmen in neue Geschäftsbereiche oder bei großen Investitionen umfassen Businesspläne schnellmehrerehundertSeiten.

InderRegel umfasstein Businessplan 2530Seiten.

8.4.2

Vorgehen bei der Erstellung eines Businessplans

EinBusinessplanwirdseltenaufeinmalerstellt.ÜblicherweiseistderBusi nessplan das Resultat eines mehr oder weniger langen Entstehungsprozes ses. Es empfiehlt sich auch nicht, den Businessplan überstürzt herunterzu schreiben, sondern die eigene Planung zu überdenken und auch Rat von anderenUnternehmernundBeraterneinzuholen.SchaperundVoleryemp fehlenfolgendesVorgehenbeiderErstellungeinesBusinessplans:10

DasVorgehenbei derErstellungdes Businessplans gliedertsichin achtSchritte.

Alle angehenden Unternehmer haben eine Vorstellung von dem, was sie verkaufen und mit ihrem Unternehmen erreichen wollen. Ein erster Schritt bei der Erstellung eines Businessplans kann daher sein, diese – wenn auch nurvorläufigenZiele–zuPapierzubringen.

VorläufigeZiele formulieren

241

8

Businessplan

Marktanalyse aufderBasisvon Sekundärdaten

NachderFestlegungdergrobenZielegiltes,Informationenüberdieanvi sierteBranche,dasProduktundmöglicheMitbewerbereinzuholen.Anstatt aufwendige Primärstudien durchzuführen, sollte man sich in dieser Phase zunächst auf bereits erhobene Daten undAnalysen stützen. Dies sollte vor demHintergrundderFrageerfolgen,welcheGrößederMarkthatundwie ersichinZukunftentwickelnwird.

Überprüfungder gesetztenZiele

Die ersten durchgeführten Marktbeobachtungen sollten dazu genutzt wer den,dieformuliertenZielezubestätigenoderaberauchzurevidieren.Gibt es tatsächlich eine gute „Market Opportunity“ für das Produkt oder die Dienstleistung,dieangebotenwerdensoll?

Detaillierte Ausarbeitungdes Plans

AlsnächsterSchrittmussdeutlichgemachtwerden,wiedasunternehmeri scheZielerreichtwerdensoll:WiewirddasProdukthergestellt,wiesolldie Vermarktung gestaltetwerden,wiesiehtdasManagementteamaus.Indie serPhasesolltendetailliertereInformationenausmöglichstvielenverschie denen Quellen zusammengetragen werden, um die verschiedenen Kapitel desBusinessplansmitInhaltenzufüllen.EinegenaueAnalysedesMarktes und der Konkurrenz ist wichtig, da diese Informationen auch für die Pla nungdesVertriebsunddieFinanzplanungvonBedeutungsind.AlsErgeb nisderdetailliertenBearbeitungliegtdanneineersteVersiondesBusiness plansvor.

KritischePrüfung undÜberarbei tungdesPlans

Nach Fertigstellung einer ersten Version sollte der Plan erneut auf seine Wirklichkeitsnähe, Konsistenz, Aussagekraft und Verständlichkeit geprüft werden. Es ist an dieser Stelle oft sinnvoll, den Plan von einer nicht invol vierten, qualifizierten Person beurteilen zu lassen, um eine unbefangene Rückmeldung zu erhalten. Der Prozess der Bewertung und Überarbeitung kannbeieinemgutenKonzeptschnellbeendetsein.Erkannsichaberauch über einen längeren Zeitraum hinziehen, wenn mehrere Überarbeitungs rundenerforderlichsind.AuchwennderProzesslangwierigundumständ licherscheinenmag,solltemanbedenken,dassesbesserist,Fehlerbereitsin derPlanungzuerkennen,alsdieseinderspäterenUmsetzungzumachen.

Ausgereifter Businessplan

Am Ende des beschriebenen Prozesses sollte der Businessplan so weit aus gereift sein, dass mit der Umsetzung begonnen werden kann. An dieser StellekannderPlanauchpotenziellenInvestorenvorgelegtwerden.Gerade inderAnfangsphasedientderBusinessplanvorallemalseineArtVerkaufs prospektfürdaseigeneGeschäftskonzept.

Implementierung desPlans

Nach der Ausarbeitung sollte der Businessplan natürlich auch umgesetzt werden.DieGründersolltensichsoweitwiemöglichandiePlanungendes Businessplans halten, sofern es keine schlagkräftigen Gründe gibt, hiervon abzuweichen. Wenn sich schnell herausstellt, dass ein Businessplan völlig unrealistisch oder gar nicht umsetzbar ist, muss man die Genauigkeit der RecherchenunddamitdenWertdesgesamtenPlansinfragestellen.

242

Fallstudie: NewBizCup

Nach vorgegebenen Zeitabständen sollte der Businessplan evaluiert und überarbeitet werden. Die geschäftlichen Planungen sollten für die weiteren Zeitperioden fortgeschrieben werden. Zudem sollten auch Abweichungen von den ursprünglichen Planungen analysiert und hieraus Schlüsse für die weitere Planung gezogen werden. Hierdurch wird deutlich, dass ein Busi nessplan letztendlich nie komplett vollständig oder fertig ist, da das ge schäftliche Umfeld einem kontinuierlichen Wandel unterworfen ist und ständig auf neue Herausforderungen reagiert werden muss. Man sollte einenBusinessplandahernichtalseineneinmaligenAkt,sondernalseinen andauerndenProzessbetrachten.

8.5

8.5 Evaluierungdes Businessplans

Fallstudie: NewBizCup

AlsJurymitgliedundBegründerdesNewBizCupsstehtProf.Dr.Ing.Peter S.NiessimmerwiedervorderHerausforderung,dieganzunterschiedlichen Businesspläne der beteiligten Teams zu bewerten. Der NewBizCup ist ein BusinessplanWettbewerb, an dem verschiedene Hochschulen in Baden Württemberg teilnehmen. Die koordinierende Funktion beim NewBizCup übernimmtdasEuropeanSchoolofBusiness(ESB)ResearchInstitutesunter derLeitungvonProf.Dr.StephanSeiterundHerrnDr.HansPeterBaumeis ter. Ziel des NewBizCup ist es, auf die Selbstständigkeit als alternativen KarrierewegaufmerksamzumachenunddieStudentendafürzubegeistern. HierdurchsolldieGründungsrateinBadenWürttembergerhöhtwerden.

DerNewBizCup isteinBusiness planWettbewerb inBaden Württemberg.

Das Modell NewBizCup Wie funktioniert also das Konzept des NewBizCups? An den beteiligten Hochschulen bewerben Promotoren den Wettbewerb und vermitteln den Studenten in den dazugehörigen Veranstaltungen das nötige Wissen zur ErstellungeinesBusinessplans.DieTeamsbesteheninderRegelausdreibis fünf Personen und können auch fächerübergreifend besetzt sein oder aus verschiedenen Hochschulen kommen. Um Wissenslücken auszugleichen muss sich das Team um Coaches aus der Praxis bemühen. Bei der hoch schulinternenBewertungalsauchbeimlandesweitenFinalestellensichdie TeamseinerinterdisziplinärbesetztenJury,dieausdenEvaluatorenundden Devil´s Advocats besteht. Erstere bewerten die Ideen schriftlich, während dieDevil´sAdvocatskritischeFragenzumGründungsvorhabenstellen.

243

Organisation undBeteiligtedes NewBizCups

8

Businessplan

Die Herausforderung der Bewertung NureineWoche vorderPräsenta tionerhältPeter NiessdieBusi nessplänezur Begutachtung.

PeterNiessstandalseinesderJurymitgliederimSommer2007wiederein malvorderHerausforderung,dieeingereichtenBusinesspläneimLandesfi nalezubewerten.NureineWochevorderVeranstaltungerhielterdieKon zeptederStudenten.NunmussersieanhandfestgelegterKriterienbeurtei len.BeidererstenDurchsichtderBusinessplänefielenimgleichzuBeginn einige Knackpunkte, wie das Executive Summary, die Markanalyse und auchderFinanzplan,auf,diedannbeiderEvaluationseinevolleAufmerk samkeit erforderten. Im nächsten Schritt musste Peter Niess anhand der Vorgaben prüfen, ob das Gesamtkonzept schlüssig war und ob den Teil nehmernkeinehandwerklichenFehlerunterlaufenwaren.Esmusstenauch allewichtigenTeileeinesBusinessplansenthaltensein:ExecutiveSummary, Geschäftsidee,Unternehmerteam, Marketing, Geschäftssystem und Organi sation,Realisierungsfahrplan,RisikenundFinanzplan.

ProKapitelgibt esspezifische Beurteilungs kriterien.

Als sich Peter Niess mit den einzelnen Kapiteln eines eingereichten Busi nessplansauseinandersetzte,durfteerkeinerelevantenAspekteaußerAcht lassen. Zuerst kontrollierte er, ob beim Executive Summary die wichtigen Elemente vorhanden waren. Denn das ist der entscheidende Einstieg. Hier erwarteteervondenStudenten,dasssieetwasüberdieIdee,dasdamitzu lösendeProblem,denKundennutzen,dieMarktchancenunddasMarketing, die Finanzierung und das Team aussagten. Bei der Geschäftsidee wollte er genauerwissen,welchesProblemzulösenseiundworinderNutzenfürden Kundenlag.AuchinwieweitessichumetwasNeuartigeshandelteundwie das Team beabsichtigte, seine Idee zu schützen. Wie sichdas Team zusam mensetzteundwiedieKompetenzenverteiltwaren,wollteervondenStu dentenimRahmendesKapitelsUnternehmerteamlesen.SolltenKompeten zen fehlen, war es ihm wichtig, dass diese benannt wurden und wie die Lücken (z.B. mit externen Coaches) zu schließen seien. Die Daten für die Marktanalyse musste die Gruppe so realistisch wie möglich schätzen, um die Annahmen für den Zielmarkt zu präzisieren und die Marketinginstru mentepassgenaudaraufauszurichten.BeimGeschäftssystemderGründung undderenOrganisationkamesPeterNiessbesondersaufdieProzesseund die Wertschöpfungskette an. Den Realisierungsfahrplan sollten sie wegen derÜbersichtlichkeitmiteinerGrafikdarstellen,umdieeinzelnenArbeits paketeundMeilensteinehervorzuheben.AuchdiemöglichenRisikendurf tendieStudentennichtvergessen,diesewarenambestenineinerSzenario analyse darzustellen. Und zu guter Letzt begutachtete Peter Niess das Fi nanzkonzept. War die Planung schlüssig und hatten die Teams alle relevanten Punkte, PlanBilanz, PlanGewinnundVerlustRechnung und vorallemdieCashflowrechnung,berücksichtigt?AllesinallemmusstePeter NiessdieIdeenherausfiltern,dieglaubwürdigundkreativwaren,diepro fessionellumgesetztwurdenunddieaufeinersolidenFinanzierungbasier ten.

244

Fallstudie: NewBizCup

EineWochespäterbeimLandesfinaleinStuttgarthattePeterNiessdanndie Aufgabe, die Präsentationen der Teams zu bewerten. In nur 20 Minuten musste er herausfinden, hinter welchen Businessplänen sich umsetzbare Konzepte verbargen. Die Studenten hatten zehn Minuten Zeit, die Jury zu überzeugen. In den anderen zehn Minuten stellten die Devil´s Advocats kritischeFragenzurGeschäftsidee.PeterNiesskamesbeiderPräsentation nicht nur auf die Inhalte, die Struktur und die Geschäftsidee an, sondern auchaufdasAuftreten,dieBegeisterungsfähigkeitderTeammitgliederund ihre Schlagfertigkeit während der Diskussion mit den Devil´s Advocats. Danach diskutierte er lange mit den anderen Jurymitgliedern, schließlich wollteerauchseineFavoritenaufdenerstenPlätzensehen.

Wie es weitergeht ImkommendenSommermusssichPeterNiesserneutderHerausforderung der Evaluation im Rahmen der dritten Runde des NewBizCups stellen. Schon heute ist er auf die vielfältigen und spannenden Gründungsideen gespannt.

Fragen zur Fallstudie 1. Welche Vorteile bringt die Teilnahme an einem solchen Businessplan WettbewerbeinemGründungsteam? 2. Mit welchen Kapiteln tun sich potenzielle Gründer oftmals schwer? DiskutierenSie,wiedieserProblematikentgegengewirktwerdenkann. 3. WoraufachtetPeterNiessbeiderEvaluationderBusinessplänealsErs tes? 4. Diskutieren Sie die Wichtigkeit des Executive Summary. Warum dürfen geradeandieserStellekeinewesentlichenTeilefehlen? 5. Auf welche Kriterien, unabhängig von der klassischen Businessplan Gliederung,wirdnochbeiderVorstellungeinenGründungsprojektsge achtet?

245

8.5 BeiderPräsenta tionimFinale kommtesnicht nuraufdie Faktenan.

8

Businessplan

8.6 Systematische PlanunginForm einesBusiness planssteigertdie Erfolgschancen.

Zusammenfassung

Gut vorbereitete und durchdachte Gründungsprojekte verlaufen in aller Regel erfolgreicher als andere. Die Planung und Vorbereitung einer neuen GeschäftstätigkeitsollteinsystematischerWeiseinderFormeinesBusiness plans vollzogen werden. In der Praxis wird ein Businessplan meist für die SuchenachInvestorenbzw.denErhalteinesBankkreditsbenötigt.DerBusi nessplan ist aber auch darüber hinaus von großer Bedeutung, da er die Gründer zwingt, das Gründungsvorhaben sorgfältig zu durchdenken, wo durch Fehler vermieden werden und fokussierter vorgegangen werden kann. Ein gut ausgearbeiteter Businessplan ist zwar keineGarantie für den Erfolg, er macht diesen allerdings wahrscheinlicher. Da sich Rahmenbedin gungenundMärktebeständigwandeln,sollteaucheinsehrguterBusiness plan nicht als Gesetzestext angesehen werden, der stoisch befolgt werden muss. Ein Businessplan sollte evaluiert und bei Bedarf auch überarbeitet werden. EinBusinessplanwirdzumeistindiefolgendenachtKapitelunterteilt:Zu sammenfassung,IdeeundProdukt,PersonenundTeam,KundenundKon kurrenz sowie Märkte und Marketing, Organisation und Vertrieb, Umset zungsplan, Risiken und Gegenmaßnahmen sowie die Finanzplanung und Finanzierung. Die Gewichtung der einzelnen Kapitel kann nach Situation undZweckvariieren,dennjederPlanmussdenspezifischenAnforderungen desProjektsangepasstwerdenunddieAdressatenimAugebehalten.

Diskussionsfragen 1. Bei welchen verschiedenen unternehmerischen Aktivitäten wird ein BusinessplangeschriebenundwelcheZielewerdenhiermitverfolgt? 2. Warum brauchen Gründer überhaupt einen Businessplan? Sollten sie nichtlieberaufHerausforderungenreagieren,sobaldsichdieseergeben? 3. Anhand welcher Kriterien würden Sie einen Businessplan beurteilen, wennSieGeldineinGründungsvorhabeninvestierenwollten? 4. WelcheIdeenundBusinessplanWettbewerbewerdeninIhremUmfeld mitwelchenNetzwerkkontaktenangeboten?

246

Zusammenfassung

Weiterführende Literatur BYGRAVE,W.D./ZACHARAKIS,A.(Hrsg.),ThePortableMBAinEntrepreneurship, 3.Auflage,JohnWiley&Sons,NewYork,2003. MCKINSEY & COMPANY(Hrsg.),Planen,gründen,wachsen,Mitdemprofessionel lenBusinessplanzumErfolg,3.Auflage,Zürich,2002. GOODSMALLBUSINESSGUIDE,Howtostartandgrow yourownbusiness, London,2.Auflage,2005. WILLIAMS, S.,TheFinancialTimesGuidetoBUSINESSSTARTUP,Harlow,19. Auflage,2006. WINISTÖRFER, N., Ich mache mich selbständig – Von der Idee zur erfolgreichen Firmengründung,Zürich,9.Auflage,2004.

Endnoten   1 Vgl. GRUBER, M./ELSENMÜLLER, B./FISCHER, F./GRAMPP, M., BusinessPlaning in

StartUps: Wissenschaftliche Erkenntnisse und Praktische Erfahrungen, in: Zeitschrift fürKleinundMittelunternehmenundEntrepreneurship(ZfKE),4.Heft2002,50. Jg.,S.217–237. 2 Vgl. PRICEWATERHOUSECOOPERS, Business Plan: Damit aus Ideen Wirklichkeit wird,

Aarauetal.,ohneJahr. 3 KLEINER, E.,VentureCapitalist.Zitiertaus:MCKINSEY & COMPANY(Hrsg.),Planen,

gründen,wachsen,MitdemprofessionellenBusinessplanzumErfolg,3.Auflage, Zürich,2002. 4 Vgl.MCKINSEY & COMPANY(Hrsg.),Planen,gründen,wachsen,Mitdemprofessionel

lenBusinessplanzumErfolg,3.Auflage,Zürich,2002. 5 Vgl.LUMPKIN, G.T./SHRADER, R.C./HILLS, G.E.,„DoesFormalBusinessPlanning

EnhancethePerformanceofNewVentures?”,FrontiersofEntrepreneurshipResearch, BabsonCollege,Waltham/MA,1998. 6 Vgl. PEARCE II, J.A./FREEMAN, E.B./ROBINSON, R.B. JR., „The Tenuous Link Be

tween Formal Strategic Planning and Financial Performance“, Academy of Man agement Review, Jg. 12, 1987, S. 658–675. BOYD, B.K., „Strategic Planning and Fi nancial Performance: A MetaAnalytical Review“, Journal of Management Studies, Jg.28,1991,S.353–374. 7 VOELZ, D./FAHRNI, F., „Mehr als Geldbeschaffung“, IO New Management, Nr. 6,

2004,S.26–31. 8 Vgl. CREDIT SUISSE, Der BusinessPlan – Eine praxisorientierte Wegleitung, Ausgabe

Januar2006,Zürich. 9 Vgl. KLANDT, H.,Gründungsmanagement:DerintegrierteUnternehmensplan,Business

PlanalszentralesInstrumentfürdieGründungsplanung,2.Auflage,München,2006. 10 Vgl. SCHAPER, M./VOLERY, T., Entrepreneurship and Small Business – A Pacific Rim

Perspective,2.Auflage,Wiley,Milton,2007.

247

8.6

Einführung

9 Strategie

Lernziele Nach der Lektüre dieses Kapitels sollten Sie folgende Fragen beantworten können:

„ WasverstehtmanuntereinerStrategie? „ Wie entwickelt man eine Vision, eine Mission und eine Unternehmens strategiefürdaseigeneUnternehmen?

„ Welche internen und externen Faktoren müssen bei der Entwicklung einerStrategieberücksichtigtwerden?

„ WelchessinddiefünfWettbewerbskräfteinPortersFiveForcesModell? WelchenZweckerfülltdasModell?

„ WasverstehtmanuntereinemstrategischenWettbewerbsvorteil? „ WasverstehtmanuntereinemGeschäftsmodell?

Begriffserklärungen Strategie: Die planvolle Ausrichtung der Unternehmensaktivitäten nach einem langfristigen Ziel. Eine Strategie ist zudem ein Mittel zur Positionie rungdereigenenTätigkeitengegenüberdenMitbewerbern. Strategischer Managementprozess: Prozess zur planvollen Entwicklung von Unternehmensvision, mission sowie der strategischen und operativen Unternehmensziele. Dadurch soll ein zielgerichtetes Handeln ermöglicht werden,dasfüreinenlangfristigenUnternehmenserfolgsorgt. SWOTAnalyse: Managementwerkzeug zur Analyse der eigenen Unter nehmenssituation.DabeiwerdenStärken(Strengths),Schwächen(Weaknes ses),Chancen(Opportunities)undRisiken(Threats)analysiert. Vision: In einer Unternehmensvision wird zusammengefasst, was das Un ternehmenlangfristigerreichenmöchte.DieVisionerfülltmehrereFunktio nen:SiesolldieMitarbeiterinspirierenundmotivieren(Mobilisierungsfunk

249

9.1

9

Strategie

tion),einegemeinsameIdentitätstiften(Identitätsfunktion)unddieIdentifi kationmitdemUnternehmenermöglichen(Identifikationsfunktion). Mission: Die Mission oder auch das Unternehmensleitbild drückt das SelbstverständnisderUnternehmensaufgabeaus.Unteranderemsollsoden MitarbeiternderSinnundderWertihrerAufgabeverdeutlichtwerden. Strategische Unternehmensziele: Langfristige Unternehmensziele, die für dieGesamtausrichtungdesUnternehmensnotwendigsind. Operative Unternehmensziele: Kurz bis mittelfristige messbare Ziele, die fürbestimmteUnternehmensbereicheodereinheitenGültigkeithaben(z.B. JahresoderQuartalsziele). Strategische Ressourcen: Ressourcen, die das Unternehmen zum Aufbau vonWettbewerbsvorteilennutzenkann.

9.1

Einführung

EineStrategie legtfest,wohin dieUnter nehmensreisein dennächsten Jahrengehensoll.

Weshalb sind einige Unternehmen erfolgreicher als andere? Warum verlor Netscape Marktanteile, während Microsoft Anteile hinzugewann? Was ist notwendig, um langfristig im Markt zu bestehen? Und was muss bei der Ausgestaltung der nächsten Produktgeneration beachtet werden, um auch dannwiederfürKundenattraktivzusein?

Feedbackprozesse sorgenfüreine kontinuierliche Anspassungder Unternehmens strategie.

Das vorliegende Kapitel beschreibt den strategischen Managementprozess: Eswirddargestellt,welchenZweckUnternehmensvisionen,missionenund strategien erfüllen und wie sie für das eigene Unternehmen entwickelt werden können. Dabei wird erläutert, wie interne Stärken und Schwächen sowieexterneChancenundRisikenberücksichtigtundWettbewerbsvorteile aufgebaut werden können. Zudem wird die Rolle von Feedbackprozessen verdeutlicht, die dafür sorgen, dass Unternehmensstrategien und ziele kontinuierlichangepasstwerden.

Ein wichtiger Erfolgsfaktor, um langfristig im Markt zu bestehen, ist eine Strategie,diekonsequentumgesetztundbeiverändertenRahmenbedingun gen angepasst wird. Was aber ist eine Strategie? So viel vorweg: Strategien sind Grundsatzentscheidungen über die mittel und langfristige Ausrich tungeinesUnternehmens.AnihnenwerdennachgelagerteEntscheidungen undderEinsatzderRessourcenausgerichtet,umfestgelegteZielezuerrei chen.1Mankönnteauchsagen,eineStrategielegtfest,wohindieUnterneh mensreiseindennächstenJahrengehensoll.

250

Was ist eine Strategie?

9.2

9.2

Was ist eine Strategie?

In der betriebswirtschaftlichen Literatur finden sich verschiedene Auffas sungen darüber, was eine Strategie ausmacht. Kann man nur von Strategie sprechen, wenn die Ergebnisse geplant oder gar schriftlich festgehalten sind?Bejahtmandies,sindvieleKMUstrategielos.Undwasistüberhaupt eineStrategie?EhereinErgebnisoderehereinProzess? Mintzbergtruginseinen„5PsforStrategy“fünfverschiedenenAuffassun gen von Strategie zusammen, die das Thema aus verschiedenen Blickwin kelnbetrachten.

„ Strategie als Plan (plan): Dieser Ansatz entspricht der landläufigen Vor stellungeinerWegZielBeschreibungambesten.DerPlanwirdbewusst undvorderHandlungentwickelt.

„Mintzbergs 5Ps“beleuchten dasThema Strategieaus 5verschiedenen Blickwinkeln.

„ Strategie als Manöver oder Spielzug (ploy): Eine Strategie kann auch als ManöveroderSpielzuggegenWettbewerberverstandenwerden.

„ StrategiealsVerhaltensmuster(pattern):DiebeidenvorherigenSichtweisen erfassen noch nicht das resultierende Verhalten. Daher fasst die dritte DefinitionStrategiealsMusterineinerReihevonHandlungenauf–also alsKonsistenzimVerhalten,egal,obdiesesbeabsichtigtwarodernicht. DamitverfügtjedesUnternehmenperDefinitionübereineStrategie.

„ Strategie als Position (position): Die vierte Definition sieht Strategie als PositiondesUnternehmensimUmfeldundbeantwortetdamitdieFrage, welche Märkte bedient werden und wie das Unternehmen gegenüber Wettbewerbernaufgestelltist.

„ StrategiealsPerspektive(perspective):DiefünfteDefinitionrichtetdenBlick nach innen, indem Strategie als Perspektive betrachtet wird. Hier wird dieFragebeantwortet,welcheSichtweisedasUnternehmenzurAußen welteinnimmt. Die fünf genannten Definitionen schließen sich gegenseitig nicht aus, viel mehrergänzensiesichundhelfen,daskomplexeThemaStrategiebesserzu verstehenundmitderFülleanLiteraturundMöglichkeitenumzugehen. Im Zusammenhang mit einer Unternehmensgründung ist Strategie als be wusstangelegterPlanvonBedeutung,daerdenUnternehmerzwingt,sich antizipativmitderZukunftauseinanderzusetzen,undnuraufderGrundla ge einer Planung eine Kontrolle des Erreichten möglich wird. Schließlich soll,wieEinsteinsagte,PlanungdenZufalldurchdenIrrtumersetzen,denn nur aus Letzterem kann gelernt werden. Der Unternehmer sollte sich aber nichtderIllusionhingeben,dassPlanungetwasist,was–einmaldurchge führt – für immer gilt.Angesichts der Dynamik der Märkte, der Mehrdeu

251

DieEntwicklung einerStrategie zwingtzurbe wusstenAus einandersetzung mitderZukunft.

9

Strategie

tigkeit von Ereignissen und der Unsicherheit, mit der die Zukunft belastet ist, ist es nicht möglich, alle Entwicklungen zu antizipieren, geschweige dennalleAuswirkungenrichtigeinzuschätzen. Einegute Strategieschafft es,Wettbewerbs vorteileaufzu bauenundlang fristigzusichern.

InAnlehnung an die Definition von Strategie als Verhaltensmuster ist, wie Mintzbergaufzeigte,jedochanzuerkennen,dassnureinTeilderbeabsichtig tenStrategientatsächlichrealisiertwerden,währendandereversandenund oderungeplantumgesetztwerden.ImVordergrundmussdaherFlexibilität stehen,diesichjedochanübergeordnetenlangfristigenRichtgrößenausrich tet. Indem die Firma eine Strategie festlegt, bestimmt sie ihre Ziele. Kein UnternehmenkannjedochmittelfristigohneWettbewerbsvorteilüberleben. Kern der unternehmerischen Planung ist daher die Schaffung, der Schutz unddieEntwicklungnachhaltigerWettbewerbsvorteile. DasseinUnternehmenübereinennachhaltigenWettbewerbsvorteilverfügt, stellt jedoch keine Garantie dar, dass es ihm tatsächlich gelingt, diesen zu halten.Geheimnissesickernnachaußen,PatentelaufenausundKonkurren ten erobern Märkte, die vorher als sicher galten. Überlegene Technologien und Prozesse sind immer auch Magnet für Nachahmer. Gleichzeitig muss das Unternehmen aufpassen, keine Wettbewerbsnachteile aufzubauen, die dieGewinneausdenVorteilenaufzehren.BesondersneueFirmensindmit einigen unausweichlichen Nachteilen konfrontiert: Sie sind klein, haben keineBonitätsgeschichteundkeineGlaubwürdigkeitam Markt–Entrepre neurshipwärekeineHerausforderung,wenneskeineProblemegäbe. DerStrategieentwicklungsprozessgehtfür GründerHandinHand mit der ErstellungdesBusinessplans.DiestrategischePlanungistjedochlängerfris tigausgerichtet,währendderBusinessplanumsetzungsorientiertaufgestellt ist.

9.3 DieEntwicklung einerStrategieist keinlinearer Prozess.

Der strategische Managementprozess

Einsehreinfaches,aberdochnützlichesAblaufmodellzurEntwicklungund Verwirklichung einer Strategie ist in vier Schritte untergliedert: Analyse, Strategieentwicklung, Strategieumsetzung und Strategiekontrolle. Nachtei ligandiesemAblaufschemaistzuwerten,dassesdazuverleitet,Strategie entwicklung als linearen Prozess zu betrachten, was der Wirklichkeit nicht gerecht wird. So sind Entwicklung und Umsetzung nicht voneinander zu trennen. Auch die Kontrolle der Strategieumsetzung, im Sinne eines Ler nens, sollte nicht allein als nachgeschaltet betrachtet werden. Ändern sich Rahmenbedingungen oder findet Lernen statt, muss die Strategie entspre chendangepasstwerden.

252

Der strategische Managementprozess

9.3

DiesemGedankenträgtderstrategischeManagementprozessRechnung,der FeedbackProzesseexplizitberücksichtigt(sieheAbbildung91).

Abbildung91

DerstrategischeManagementprozess

Quelle: In Anlehnung an Hill, C./Jones, G., Strategic Management Theory – An integrated Approach, Houghton Mifflin, Boston, 2003.

253

9

Strategie

9.3.1

Formulierung der Vision, Mission und der strategischen Ziele

DieEntwicklungeinesstrategischenPlansisteinmehrstufigerProzess,der dieEntwicklungeinerVision,MissionsowiestrategischerZielebeinhaltet. EineVisionsoll einrealistisches understrebens wertesBilddes Unternehmensin derZukunftsein.

ImerstenSchrittmusseinerealistischeVisionfürdasUnternehmenentwi ckeltwerden.DieVisionsollteeinerstrebenswertesBilddesUnternehmens indreiodermehrJahrendarstellen.UmeineVisionzuformulieren,müssen zukünftigeProdukte,Märkte,Kunden,Prozesse,derUnternehmensstandort unddiePersonalstrukturdesUnternehmensberücksichtigtwerden.

Strategische Unternehmens zielebeantwor tendieFrage,in welchenBerei cheneinUnter nehmentätigsein möchte.

Der dritte wesentliche Schritt besteht in der Festlegung der strategischen Unternehmensziele: Was möchte das Unternehmen mittel und langfristig erreichen? Neben der Notwendigkeit, regelmäßige Einkünfte zu erzielen, solltendieZielemitdenErwartungenundAnforderungenderwesentlichen Stakeholder, inklusive der Mitarbeiter, übereinstimmen. Die Ziele sollten unteranderemdieBereicheWachstum,Profitabilität,Technologie,Produkt angebote und zu bearbeitende Märkte umfassen. Unternehmensstrategien beantwortenmitihrenstrategischenUnternehmenszielendamitdieFrage,in welchen Bereichen (ProduktMarktKombinationen) ein Unternehmen tätig werdensoll.2

Specific,measur able,achievable, relevant,timely: Zielemüssen SMARTsein.

Im vierten Schritt werden die operativen Unternehmensziele festgelegt, spezifische und zeitgebundene Messgrößen, die erreicht werden sollen, indem Strategien, die den Unternehmenszielen dienen, umgesetzt werden. So könnte das Ziel eines Unternehmens beispielsweise darin bestehen, in dreiJahreneinenJahresumsatzvon3Mio.EURzurealisieren.DamitZiele wirkenkönnen,müssensieeindeutigdefiniertseinunddiefolgendenKrite rienerfüllen,diesichleichtmitdemAkronymSMARTmerkenlassen:

IneinemzweitenSchrittversuchtdasUnternehmen,seinenZweckundsein WesenineinerMissionzuformulieren.SolässtsichdieMissionvonMicro soft,diedurchdenGründerBillGatesgeprägtist,sehrprägnantdarstellen: EinenPCfürjedermann!EinesolcheErklärungzeigt,worumesdemUnter nehmen geht, und ist aussagekräftiger als allgemeine Aussagen wie „Wir sindimInternetTVBusiness“oderschlimmernoch„WirsindimGeschäft, umGeldzuverdienen“.

„ Specific:Zielemüssenspezifisch,spricheindeutigdefiniertsein. „ Measurable:Zielemüssenmessbarsein. „ Achievable:Zielemüssenerreichbarsein. „ Relevant:Zielemüssenrelevantsein,spricheineBedeutunghaben. „ Timely:ZielemüssenmitklarenTerminvorgabenverbundensein. 254

Der strategische Managementprozess

9.3

Operative Unternehmensziele können sich beispielsweise auf den Markt beziehen, in dem das Unternehmen aktiv ist (z.B. Marktanteile), auf Pro dukte (z.B. verkaufte Menge eines bestimmten Produktes zu einem Stich tag),aufFinanzkennzahlenoderdieProfitabilitätbeziehen.

9.3.2

Durchführung einer SWOT-Analyse

Mithilfe einer SWOTAnalyse (Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats)wirdesdemGründerermöglicht,dieSchwächenundStärken,aber auch die Chancen und Gefahren in Relation zu seinem Umfeld und insbe sondere auch zur Konkurrenz zu ermitteln (Was machen wir gut? Was machtdieKonkurrenzbesser?).DieseMethodehatihrenUrsprungimstra tegischenManagement,istaberauchfüreinenGründersehrhilfreich.Die serkanndamitdiewesentlichenEinflüsseaufseinUnternehmensowiedie eigenePositiondesUnternehmensaufgrundinternerGegebenheitenineiner übersichtlichenWeisebestimmen,umsozueinerGesamtanalysedesStart upszukommen.DieErgebnisseweisenzudemaufmöglicheWettbewerbs vorteilehin.EinesolcheAnalysesetztsichauseineminternenTeil(Stärken und Schwächen) und einem externen Teil (Chancen und Gefahren) zusam men.

DieSWOT Analysehilftdie Unternehmens positionineiner übersichtlichen Weisezuanaly sieren.

IneinerinternenAnalysewerdenzunächstdieStärkenundSchwächendes eigenen Unternehmens im Vergleich zur Konkurrenz ermittelt. Es handelt sichdamitumeineBetrachtungderaktuellenSituationundsollteeinekriti sche Betrachtung der eigenen Fähigkeiten für den Unternehmensstart be inhalten. Eine Möglichkeit der Bewertung besteht darin, die notwendigen Eigenschaften für das Unternehmen wie etwa die eigenen Managementfä higkeiten (Führungskenntnisse etc.) in einem IstSollProfil zu vergleichen. DieserlaubtaucheinenspäterenVergleichmitdenrealisiertenFortschritten, beispielsweisedurchWeiterbildungs/Qualifizierungsmaßnahmen.Ausführ lichere Informationen zum Thema „interne Analyse“ finden sich in Ab schnitt9.4.

Mithilfeder SWOTAnalyse werdenStärken, Schwächen, Chancenund Risikenanaly siert.

DerexterneTeilderSWOTAnalysebeinhaltetdieUntersuchungrespektive Abschätzung der wichtigsten unternehmensrelevanten Entwicklungen im UmfelddesUnternehmens(hierkommtunteranderemdieBranchenanalyse zurAnwendung,sieheAbschnitt9.5.1)wiez.B.dieEntwicklungdesrechtli chen Umfeldes. Im Gegensatz zu den Stärken und Schwächen lassen sich diese Faktoren nur bedingt von einem Gründungsunternehmen beeinflus sen. So können Entwicklungen im Umfeld entweder für oder gegen die Etablierung des Unternehmens sprechen. Aber auch die voraussichtliche ReaktionderKonkurrenzaufeinenMarkteintrittkannhierbereitsinRelati

255

9

Strategie

onzudenStärkenundSchwächendesUnternehmensgesetztwerden.Wei tereInformationenzur„externenAnalyse“findensichinAbschnitt9.5. Die Ergebnisse einer solchenAnalyse lassen sich in Form einer Vierfelder Matrix darstellen, so können auch Schwächen, die mit einer zukünftigen Chance zusammenhängen, als Defizit des Unternehmens gezeigt werden. DarauswerdendannStrategienabgeleitet,welchedievorteilhaftenPositio nen eines Unternehmens weiter ausbauen bzw. die Defizite vermindern sollen. EineSWOTAnalysehatfürGründerabernichtnurdenZweck,dieaktuel leninternenStärkenundSchwächenmitdenexternenChancenundGefah renderZukunftzukombinieren.VielmehrsolltenGründereinesolcheAna lyseauchalsMöglichkeiteinerehrlichenSelbsteinschätzungnutzen.

9.3.3 Kostenführer schaft,Quali tätsführerschaft undFokussierung stellengenerische Strategiendar.

Abbildung92

Entscheidung für eine generische Strategie

EinneuesUnternehmensolltesichdurchdieNutzungseinerStärkenpositi onieren. Laut Michael Porter lassen sich die Stärken eines Unternehmens letztendlich in die beiden Kategorien „Kostenvorteile“ und „Differenzie rung“ einteilen. InAbhängigkeit davon, ob diese Strategien entweder sehr starkoderwenigerstarkausgeprägtsind,lassensichdiedreiinAbbildung 92 gezeigten generische Strategien ableiten: Kostenführerschaft, Differen zierungundFokussierung.3

GenerischeStrategiennachPorter

Quelle: Porter, M., Wettbewerbsstrategie – Methoden zur Analyse von Branchen und Konkurrenten, Campus, Frankfurt/Main, 1999.

DieseStrategienwerdenalsgenerischbezeichnet,weilsienichtfirmenoder branchenabhängigsind.DieEntwicklunggenerischerGeschäftsstrategienist

256

Der strategische Managementprozess

9.3

häufigeineFunktionvonbranchenspezifischenCharakteristika.Dasbedeu tet,dassderErfolgjederStrategieletztlichvonderFähigkeitdesUnterneh mensabhängt,Aktivitätenzuentfalten,diezueinergesteigertenKonzentra tion und zu Markteintrittsbarrieren für andere Unternehmen führen. Die HöhederMarkteintrittsbarrierenbestimmtschließlichdenUmfanghöherer Unternehmensprofite.

„ Differenzierung: Im Gegensatz dazu wird bei der Differenzierungsstrategie versucht, dem Kunden einen einzigartigen Vorteil zu bieten (Qualitäts führerschaft),fürdeneinentsprechenderPreisverlangtwird.InderRe gelwirdeinGründungsunternehmeneineDifferenzierungsstrategiean wenden,dafürdiePreisdifferenzierungdieErfahrungund/oderdieRes sourcen nicht ausreichen, vor allem, wenn damit ein Gesamtmarkt bearbeitetsoll.

„ Kostenführerschaft:MiteinerKostenführerschaftversuchtsichderAnbie ter nur aufgrund des Preisvorteils gegenüber der Konkurrenz abzuhe ben. Dies bedingt ein ständiges Bemühen um eine Senkung der Kosten undderenrigoroseKontrolle.

„ Konzentration auf Schwerpunkte: Unternehmen, die eine Nischenstrategie verfolgen,konzentrierensichaufbestimmteSegmente,Kundengruppen oder einen spezifischen geografischen Markt. Der Grundgedanke einer Nischenstrategieliegtdarin,dasseinUnternehmen,dassichgezieltauf einbestimmtesSegmentkonzentriert,entwedereinenhöherenKunden nutzen stiften kann als ein Unternehmen, das einen Massenmarkt be dient, oder eine günstigere Kostensituation erreicht. In manchen Fällen kannsogarbeideserreichtwerden.Nischenunternehmenerreichenhäu figeinehoheKundenloyalität.

9.3.4

Implementierung einer Strategie

Eine Strategie, die nur auf dem Papier besteht und nie Realität wird, ist nutzlos. Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Implementierung wer denvomBeginnderStrategieentwicklungangelegt.WiewurdederProzess gestaltet? Wurden die Betroffenen eingebunden? Diessind zwei von vielen Faktoren,dieberücksichtigtwerdenmüssen.DerAusgangspunktdesGrün dersistinsofernglücklich,alsermiteinem„weißenBlatt“beginntundsich dieProblematikvonWandelprozessenmitallihrenHürdenkaumstellt.Da die Person des Unternehmers gerade in derAnfangsphase eine dominante Rollespielt,underinallewichtigenEntscheidungeneinbezogenistodersie alleintrifft,liegenStrategieentwicklungundumsetzunginseinerHand.

257

EineStrategie, dienuraufdem Papierexistiert, istnutzlos.Auf dieerfolgreiche Implementierung undAnpassung kommtesan.

9

Strategie

Wichtig ist jedoch, dass die notwendigen Organisations und Controlling strukturenaufgebautwerden,umdieStrategieumsetzenundkontinuierlich dieErfolgeevaluierenzukönnen.DieEvaluationistnotwendig,umsicher zustellen,dassdieStrategiekontinuierlichüberprüftundangepasstwird.4 Eine Organisationsstruktur legt Rollen, Verantwortlichkeiten und Berichts strukturen fest. Um eine festgelegte Strategie umzusetzen, muss klar sein, wer innerhalb der Organisation für welchen Teilaspekt der Strategie umsetzung verantwortlich ist. Das können einzelne Personen, aber auch ganzeAbteilungeninnerhalbderOrganisationsstruktursein. Controllingstrukturen werden implementiert, um den Erfolg verschiedener Organisationseinheiten zu messen. Wichtig ist, dass die erhobenen Kenn zahlen und Indikatoren aussagekräftig sind und dass sichergestellt wird, dassdieKennzahlenregelmäßigerhobenundinterpretiertwerden.

9.3.5 Strategiensollten kontinuierlich überprüftundbei Bedarfangepasst werden.

Bewertung einer Strategie

Auch erfolgreiche Strategien sind nicht für die Ewigkeit bestimmt. Externe und interne Rahmenbedingungen verändern sich und es muss kontinuier lichüberprüftwerden,obdieaktuellverfolgteStrategieerfolgreichistoder nicht. So ist beispielsweise zu prüfen, inwieweit die strategischen Ziele er reicht wurden, damit die Erfahrungen in die nächste Runde der Strategie formulierung einfließen können. Der Evaluationsprozess stellt damit einen wichtigenSchrittdar,umfestzulegen,obdieStrategieweiterverfolgtwerden sollwiebisheroderobÄnderungeninder strategischenRichtungnotwen digsind.ZurÜberprüfungderStrategiekönnenUnternehmenverschiedene Instrumentarien einsetzen. Dabei reichen die Optionen von bürokratischen KontrollenbiszumAufbauundderPflegeeinerbestimmtenOrganisations kultur. Zudem müssen sich Unternehmen darüber klar werden, welche Motivationsstrukturen aufgebaut werden sollen.5 Wichtig ist in jedem Fall, dassdiesemitdenlangfristigenZieleninEinklangsind.

Unternehmerprofil:Prof.Dr.ClausHippeineQualitätsstrategie,diesichauszahlt Unternehmensstrategien sind Grundsatzentscheidungen. Indem sich alle nachfolgenden Entscheidungen und der Einsatz finanzieller Mittel an der Unternehmensstrategie orientieren, bestimmen sie mittel- bis langfristig, wohin die Reise gehen soll. Kostenführerschaft oder Differenzierung? Spezialisierung auf eine bestimmte Zielgruppe oder doch lieber Ausrichtung auf den Massenmarkt? Claus Hipp hat sich sehr früh dafür entschieden, den Gedanken seines Vaters weiterzuführen und Produkte

258

Der strategische Managementprozess

9.3

höchster Qualität herzustellen, die ausschließlich aus organisch-biologischen Rohstoffen hergestellt werden. Als Claus Hipp 1967 mit seinen beiden Brüdern die Unternehmensführung des elterlichen Betriebes übernahm, war dieser Gedanke revolutionär. Die Landwirte, die das Unternehmen mit Obst und Gemüse versorgten, setzten Düngemittel und Pestizide ein, um die Erträge der Ernte zu steigern. Der Gedanke eines organisch-biologischen Landbaus auf naturbelassenen Böden war ihnen fremd. Bioprodukte und Biosupermärkte, die heute einen festen Platz im Einzelhandel einnehmen, lagen in weiter Ferne. Als Pionier musste Claus Hipp daher Überzeugungsarbeit leisten: Er fuhr von Hof zu Hof, um die Landwirte vom ökologischen Anbau zu überzeugen. Nach und nach baute er ein ganzes Netz mit Biovertragslandwirten auf. Heute wird HiPP von insgesamt 6.000 Biobauern beliefert. Es genügte jedoch nicht, die Zulieferer zu überzeugen. Eine Qualitätsstrategie kann nur dann erfolgreich sein, wenn den Kunden der betreffende Qualitätsaspekt wichtig ist und sie bereit sind, dafür zu bezahlen. Überzeugungsarbeit musste daher auch auf der Kundenseite geleistet werden. Organisch-biologische Lebensmitteln waren damals etwas Neues und den Kunden musste vermittelt werden, dass Biolandbau nicht nur der Natur nützt, sondern auch der Qualität der Produkte zuträglich ist und die Gesundheit und Entwicklung der eigenen Kinder fördert. Diesem Aspekt wird in der Markt- und Kommunikationsstrategie mit Ernährungsplänen und Produktempfehlungen, die sich an den Lebensmonaten des Babys orientieren, Rechnung getragen. Man kann in der Tat davon sprechen, dass HiPP Aufklärungsarbeit geleistet hat und die erfolgreiche Sensibilisierung der Kunden einen wichtigen Erfolgsfaktor des Unternehmens darstellt.

HiPPmusste Überzeugungs arbeitleistenund dieKundschaft fürdasProdukt sensibilisieren.

Es gab jedoch noch eine weitere Herausforderung, die das Unternehmen zu meistern hatte, um den höheren Preis für sein Qualitätsprodukt zu rechtfertigen: Es musste Glaubwürdigkeit und Vertrauen schaffen. Weder können alle Kunden nach Pfaffenhofen fahren, wo ein Teil der Rohstoffe angebaut wird, noch verfügt der Durchschnittskunde über den notwendigen Sachverstand, um beurteilen zu können, ob die Rohstoffe tatsächlich organisch-biologisch hergestellt werden und dies Mensch und Natur guttut. HiPP musste daher Vertrauen aufbauen. Eine zentrale Rolle spielt dabei Claus Hipp selbst, der sich mit seinem Namen für die Qualität seiner Produkte verbürgt. Seiner Person kann der Konsument Vertrauen schenken. Folgerichtig trägt das Biosiegel des Unternehmens ebenfalls seinen Namen. Über die Jahre konnte HiPP damit eine Marke aufbauen, die für eine hohe Qualität steht und der die Kunden Vertrauen entgegenbringen. Diese Strategie der Qualitätsführerschaft erlaubt es dem Unternehmen, höhere Preis zu realisieren als die Konkurrenz. Eine solche Strategie ist aufwendiger als reine Kostenführerschaft dafür befindet man sich nicht im ständigen Preiskampf. Beim Unternehmen HiPP ist die Strategie auf jeden Fall aufgegangen: HiPP ist einer der führenden Hersteller von Babynahrung in Deutschland und beschäftigt heute um die 1.000 Mitarbeiter, die sich mit der Qualitätsphilosophie von HiPP offensichtlich identifizieren können. “Wir haben relativ wenig Fluktuation. Wer bei uns ist, der bleibt normalerweise da und fühlt sich wohl“, so Claus Hipp in einem Interview.

ClausHippsteht mitseinem Namenfürdie Qualitätder Produkte.

259

9

Strategie

9.4

Interne Analyse

9.4.1 Wettbewerbsvorteile und Wertgenerierung DasZieljeder Strategiebesteht darin,Wettbe werbsvorteile aufzubauenund langfristigzu sichern.

Mit der Entwicklung einer Unternehmensstrategie verfolgt letztlich jedes Unternehmen das Ziel, Wettbewerbsvorteile gegenüber den Konkurrenten aufzubauen und sie langfristig zu verteidigen.6 Wettbewerbsvorteile und damit Unternehmensleistungen, die besser sind als die der Mitbewerber, können auf folgende Arten realisiert werden: Entweder stiftet man seinen Kunden einen höheren Nutzen als die Konkurrenz oder man bietet einen vergleichbaren Nutzen zu einem niedrigeren Preis – oder beides. Die wirt schaftliche Logik dahinter ist schnell erklärt: Für einen höheren Mehrwert kann man einen höheren Preis verlangen, höhere Effizienz resultiert in ei nemniedrigerenDurchschnittspreisproerstelltemProdukt.7 Woraus entstehen aber Wettbewerbsvorteile? Letztlich resultieren alle Un terschiede daraus, dass ein Unternehmen bestimmte Aktivitäten, die im ZusammenhangmitderHerstellungoderdemVerkaufseinerProdukteund Dienstleistungen stehen, anders durchführt als seine Mitbewerber. Eine Differenzierung ist aber auch durch die Auswahl an Aktivitäten möglich. In beiden Fällen bilden die Unternehmensaktivitäten die „Basiseinheit“ von Wettbewerbsvorteilen. Übergreifend lässt sich sagen: Die Wettbewerbs vorteileodernachteileresultierenausderGesamtheitallerAktivitäteneines Unternehmens.8 Eine operationale Effektivität entsteht dadurch, dass ein Unternehmen be stimmteAktivitäten besser durchführen kann als seine Konkurrenten. Eine strategische Positionierung dagegen hat damit zu tun, Aktivitäten auszufüh ren,diesichentwedervondenenderKonkurrenzunterscheiden,oderglei cheAktivitätenineinerunterschiedlichenArtundWeisedurchzuführen.

Wettbewerbsvor teilemüssensich anzweiDingen orientieren:den eigenenStärken unddenKunden bedürfnissen.

WiebauteinStartupUnternehmenWettbewerbsvorteileaufundfürwelche sollteessichentscheiden?LetztlichwirdsichjedesUnternehmen,obbeste hendoderneuimMarkt,anzweiGrößenorientieren:andeneigenenStär kenundandenKundenbedürfnissen.WobeiLetztereauchlatentvorliegen understnochentwickeltwerdenmüssen.EinigeUnternehmenhabengenau dies,nämlichdenEinsatzihrerStärkenzumNutzenderKunden,vorbildlich umgesetzt:

„ ApplegelingtesbesseralsanderenUnternehmen,dieBrückezwischen TechnikundMenschzuschlagen–nochdazumiteinembestechendgu tenDesign.DafürzahlenMenschenmehr.

260

Interne Analyse

9.4

„ IKEA hat es geschafft, eine bisher vernachlässigte Kundengruppe mit gutemDesignzuversorgen.DafürübernehmenKundengerneeinenTeil derArbeitundstellensichihreRegalteileselbstimLadenzusammen.

„ Das Schweizer Unternehmen Freitag verkauft Designertaschen, die aus alten LKWPlanen, gebrauchten Sicherheitsgurten und gebrauchten Fahrradschläuchen gefertigt werden. Jede Tasche hat ein individuelles Design.KundenmögenIndividualität,unddieMarkeerreichteKultsta tus. Alle drei Beispiele zeigen, dass eine strategische Positionierung es einem Unternehmen ermöglicht, sich über einen langen Zeitraum gegenüber dem Wettbewerbzubehaupten.Unbenommenbleibt,dassauchdieseUnterneh men ständig ihre operativenAktivitäten verbessern müssen. Die zugrunde liegendeStrategiejedochhatlangfristigBestand.ComputerundMP3Player, MöbelundDesignertaschenstellenauchandereher.AberApple,IKEAund Freitag tun es auf eine grundlegend andereArt als ihre Wettbewerber. „Es anders machen als die anderen“ – letztlich ist genau das die Essenz von Strategie.9

„Esandersma chenalsdieande ren“–letztlich istgenaudasdie EssenzvonStra tegie.

Was sind aber die „richtigen“ Wettbewerbsvorteile für ein Unternehmen? Dieser Frage müssen sich bestehende Marktteilnehmer genauso stellen wie Gründer, wobei sich die strategische Ausrichtung von StartupUnter nehmen meistens an den Zielen, Kenntnissen und Fähigkeiten des Grün ders10orientiert.Häufigpassiertesjedoch,dassgeradeStartupsPositionie rungenundWettbewerbsvorteilefinden,dievondenGroßenderBranchen bisherübersehenwurden.11UndoftmalshabensiedenVorteil,flexiblerzu sein als die Großen und sie können frei und unbelastet von bestehenden Aktivitätenagieren. BeiderAnalysedereigenenStärkenhilftdieinAbschnitt9.3.2beschriebene SWOTAnalyse. Sie zeigt, worin man gut ist (z.B. bestimmtes technisches Knowhow, spezifisches ProzessKnowhow, Designvorsprung).Als Nächs tesmussmansichdanndieFragestellen,obdieserVorteilauchvonKunden alsetwasWertvollesangesehenwerdenkönnte,fürdaserbereitist,mehrzu bezahlen.IKEAgeneriertWert,weilsichdasUnternehmenaneineKunden grupperichtet,diefürwenigGeldvielDesignbekommt.Nichtimmeristdie Wertschöpfung für den Kunden jedochso offensichtlich. Es kann durchaus sein, dass Marketing und Kommunikationsmaßnahmen notwendig sind, um den Kunden zu verdeutlichen, dass etwas wertvoll ist. Das Unterneh men HiPP (siehe Unternehmerprofil) ist dafür ein gutes Beispiel:Als Hipp mitorganischbiologischemAnbaubegann,warenwederdieLandwirteals Zulieferer noch die Endkunden für die Thematik sensibilisiert. Es bedurfte jahrelanger Arbeit, um den Verbrauchern klarzumachen, dass organisch biologische Zutaten die Qualität der Produkte steigern und diese Qualität

261

Wettbewerbsvor teile:Wenndas „Besondere“ einesUnter nehmensdem Kundenetwas wertist.

9

Strategie

seinen Preis hat. Die Diskussion um Wettbewerbsvorteile verdeutlich noch einmal, was eine gute Strategie ausmacht: die Kreation eines einzigartigen und für den Kunden wertvollen „Aktivitätenbündels“.12 Hill und Jones unterscheidenvierKategorienmöglicherArtenvonKundennutzen:13

„ Ein günstiger Produktpreis: Kunden dieser Kategorie empfinden es als Wertsteigerung,wennderPreis,densiefüretwasbezahlen,sinkt.

„ Produktfunktionalitäten oder attribute: Kunde konzentrieren sich auf den ProduktnutzenalswichtigsteQuelledesKundennutzens.

„ Qualität,diezumbezahltenPreisgebotenwird:DerKundennutzenentsteht, wennderKundeeineguteQualitätzueinemfairenPreiserhält.

„ PreisLeistungsVerhältnis:KundendieserKategoriebetrachteneinegüns tigeRelationzwischendemProduktnutzenunddembezahltenPreisals Kundennutzen.

9.4.2 Unternehmen müssensichihrer strategischen Ressourcenbe wusstwerden.

Wettbewerbsvorteile dauerhaft nutzen

WieimvorherigenAbschnitterwähnt,müssensichStrategienimmeranden vorhandenen Leistungspotenzialen und den Ressourcen eines Unterneh mens orientieren. Nicht alle Ressourcen haben das Potenzial, um als Wett bewerbsvorteil genutzt zu werden, einige gewöhnliche Ressourcen sind vielmehrlediglichzumBetriebdesUnternehmensnotwendig,bringenaber keinebesonderenVorteile.VielmehrmüssensichUnternehmenihrerstrate gischen Ressourcen bewusst werden. Strategische Ressourcen sind diejeni gen,dieesdemGründungsunternehmenermöglichen,aufdemMarktWett bewerbsvorteilelangfristigzuverteidigen,umdamitdauerhaftGewinnezu erzielen. EinWettbewerbsvorteilliegtdannvor,wenneinUnternehmereineStrategie umsetzen kann, die zum einen Wert generiert und zum anderen nicht gleichzeitigvoneinemaktuellenoderpotenziellenKonkurrentenumgesetzt wird.14FüreinennachhaltigenWettbewerbsvorteilistabernocheinweiteres Element notwendig: Aktuelle und zukünftige Unternehmen können die VorteilhaftigkeitdieserStrategienichtduplizieren.Derressourcenorientierte Ansatz geht deshalb davon aus, dass ein Unternehmen über Ressourcen verfügen und diese auch nutzen muss, die folgende Eigenschaften aufwei sen:

262

Interne Analyse

1. Wertvoll:Ressourcensindwertvoll,wennsieeinemUnternehmenhelfen, seineStrategieeffektivundeffizientumzusetzen,indemChancenausge nutzt oder Risiken minimiert werden, die sich im Umfeld des Unter nehmensbefinden. 2. Rar: Ressourcen sind schwer erhältlich, beispielsweise seltene Rohstoffe oderMitarbeitermiteinembesonderemKnowhow. 3. Nichtsubstituierbar:Ausmaß, indemdieRessourcendeseigenenUnter nehmens nicht mit raren und wertvollen Ressourcen eines anderen Un ternehmensersetztwerdenkönnen. 4. Schwerimitierbar:WenneineRessourcenichtzueinemähnlichgünstigen Preis dupliziert werden kann, dass noch Gewinn übrig bleibt, spricht man von unvollkommener Imitierbarkeit. Unvollkommene Imitierbar keitkannausdenfolgendenPunktenentstehen:

„ Historische Gegebenheiten: Der Weg, auf dem das Unternehmen seine Ressourcen über die Zeit akquiriert hat, spielt demnach eine Rolle. Die Anfangsbedingungen, unter denen das Unternehmen entstand, waren einzigartig.Firmen,dieaneinemanderenOrtzueineranderenZeitge gründet wurden, können diese Ressourcen nicht beschaffen, sodass sie nichtkopiertwerdenkönnen.

„ UnklareUrsachenundWirkungen:Esistnichtklarundmanchmaldoppel deutig,wiedieRessourceneinesUnternehmenszuseinemErfolgführen. ManchmalsinddieUrsacheWirkungsBeziehungennichteinmalfürdas Unternehmenselbstnachvollziehbar.

„ Komplexe soziale Beziehungen: Solange ein Unternehmen das Knowhow seinerMitarbeiterundorganisatorischeRessourcenalsstrategischeRes source einsetzt, kann soziale Komplexität als Imitationsbarriere fungie ren.DassozialePhänomenmitderhöchstenKomplexitätistdieOrgani sationskultur, die eine komplexe Kombination aus den Werten des Gründers,Gewohnheiten,GlaubenundderInteraktiondieserElemente mitdemneuenUnternehmenunddemMarkterreicht. WieinAbbildung93dargestellt,wirdeinUnternehmeneinennachhaltigen Wettbewerbsvorteilaufbauenkönnen,wenneswertvolle,rare,nichtsubsti tuierbare und schwer imitierbare Ressourcen besitzt und kontrolliert, diese schützen kann und es gelingt, die vier Eigenschaften aufrechtzuerhalten. VerfügteineFirmaüberRessourcenmitdiesenvierEigenschaften,dieaber nicht voll ausgeprägt sind oder nicht geschützt werden, wird der Wettbe werbsvorteilvonkurzerDauersein,daWettbewerberdieRessourcenimitie renwerden.

263

9.4 Strategische Ressourcensind wertvoll,rar, nichtsubstituier barundschwer imitierbar.

9 Strategische Ressourcensind derAusgangs punktfürdie Entwicklung künftigerWett bewerbsvorteile.

Abbildung93

Strategie

Für junge Unternehmen stellt die anfängliche Nichtduplizierbarkeit von Ressourcen (z.B. eine durch ein Patent geschützte Technologie) einen teil weisen Schutz gegen schnelle Imitation dar, ist aber andererseits auch eine Schwierigkeit beim Aufbau und Wachstum des Unternehmens. Der Bezug solcher Ressourcen über allgemein zugängliche Märkte ist entweder sehr teueroderschlichtnichtmöglich.Auchgenügtesnicht,wennsicheinjun gesUnternehmenaufdieseanfänglichenWettbewerbsvorteileverlässt,son dern es muss sie als Ausgangsbasis für die Weiter und Neuentwicklung solcher Vorteile nutzen, um in einem dynamischen Wettbewerbsumfeld bestehenzukönnen.

EigenschaftenvonRessourcenundWettbewerbsvorteilen

Quelle: in Anlehnung an Barney, J., Firm resources and sustained competitive advantage, Journal of Management, Nr. 17, 1991.

9.5

Externe Analyse

Neben den internen Stärken und Schwächen beeinflussen externe Faktoren den Erfolg von Unternehmen und die Wirkung von Wettbewerbsvorteilen. In diesem Abschnitt werden daher Werkzeuge vorgestellt, die es ermögli

264

Externe Analyse

9.5

chen,dieDynamikenineinerBrancheundimweiterenUmfeldzuanalysie ren.

9.5.1

Branchenanalyse

Michael Porter betrachtet die Branchenattraktivität als eine wesentliche Bestimmungsgröße für die Rentabilität eines Unternehmens.15 Soll eine Wettbewerbsstrategie auch finanziell erfolgreich sein, muss sie sich daher aus der genauen Kenntnis der Wettbewerbsregeln ableiten. Michael Porter entwickelteAnfang der 80erJahre eine Systematik zurAnalyse einer Bran che.DerUrsprungderAnalysestammtausdemstrategischenManagement und geht von einem Zusammenhang zwischen Branchenstruktur und Fir menrenditeaus.DamitlehntsiesichandassogenannteStructureConduct PerformanceModell an, das von den Branchengegebenheiten her das Ver haltendesUnternehmensunddamitauchseineLeistungergibt.DieErgeb nisse einer solchen Analyse haben auch Einfluss auf die Gestaltung des Marketings.SowirdjenachIntensitätdesWettbewerbsinnerhalbderBran chedasSpektrumderMöglichkeitendesMarketingsunterschiedlichausfal len. Für ein Gründungsunternehmen kann dies auch Hinweise darauf ge ben,wiegroßderAnteildesMarketingbudgetsamGesamtbudgetseinsoll te.DieklassischeBranchenanalysenachPortersetztsichausinsgesamtfünf Wettbewerbskräftenzusammen.NebenderAnalyseentlangderWertschöp fungskette (Lieferanten und Abnehmer) wird auch die Rivalität innerhalb derBranche,alsodieKonkurrenzsituationuntersucht,aberauchdieGefahr des Markteintritts neuer Konkurrenten und die Gefahr, dass ein Substituti onsproduktaufdenMarktkommenkönnte.

DieBedingungen einerBranche beeinflussendie Rentabilität einesUnter nehmens.

ImFolgendenwerdendieeinzelnenWettbewerbskräftekurzerläutert(siehe zudemAbbildung94):

„ Konkurrenz/Rivalität innerhalb der Branche: Die Intensität der Rivalität innerhalb einer Branche wird, abgesehen von Rahmenbedingungen wie z.B. Marktbarrieren, eines der wichtigsten Elemente der Analyse bei Gründungsunternehmen sein. Die Einschätzung, wer in diesem Markt diegroßenSpielersindundwiedieseaufdenMarkteintritteinesneuen Unternehmensreagierenwerden,wirdauchEinflussaufdieGestaltung der Unternehmensstrategie haben. Wichtig ist es hier festzustellen, wie vieleUnternehmenbereitsimMarktsindundwiesichderenAnteilezu sammensetzen.ZusätzlichsolltemansichimHinblickaufdieMarktatt raktivität Gedanken machen über die Wachstumsrate dieses Marktes und über eventuell vorhandene Überkapazitäten. Für die dem eigenen Unternehmen nächsten Wettbewerber können StärkenSchwächen

265

Konkurrenz,neue Marktteilnehmer, Abnehmer,Sub stitutionsgüter undLieferanten beeinflussendie Rivalitätinner halbeiner Branche.

9

Strategie

Profile erstellt werden, die anschließend zu den eigenen Stärken und SchwächenimRahmenderSWOTAnalyseinRelationgestelltwerden.

„ Neue Marktteilnehmer: Die Wahrscheinlichkeit, dass neue Marktteil nehmerindieBrancheeintreten,hängtvondenjeweiligenZugangsbar rieren(entrybarriers)ab.HoheZugangsbarrierenführendazu,dasswe nigerneueMarktteilnehmerindenMarkteintreten,undsorgenfüreine geringere Rivalität unter den bestehenden Mitbewerbern. Für Gründer sind Markteintrittsbarrieren relevant, da es von ihnen abhängt, wie schnellsichdieWettbewerbssituationverschärftundwieschnelleinbe stehendes Geschäftskonzept kopiert werden kann. Letztlich drückt eine hoheWettbewerbsintensitätdieRenditendereinzelnenMarktteilnehmer.

„ Abnehmer:DieVerhandlungsstärkederAbnehmerspieltfürGründungs unternehmen insofern eine Rolle, als die Attraktivität einer Branche sinkt, je größer die Verhandlungsstärke von Kunden, aber auch Zwi schenhändlern ist. Ein klassisches Beispiel ist der Einzelhandel in der Schweiz,wodiedreigrößtenUnternehmen(Coop,MigrosundDenner) inzwischenübereinenMarktanteilvonüber70%verfügen.Fürkleinere NeueinsteigerstelltdieseinenichtzuunterschätzendeHürdebezüglich derVerhandlungsmachtdar.

„ Substitutionsgüter: Die Substitutionsgefahr durch Ersatzprodukte (auch Substitutionsgüter) oder die Bedrohung durch neueAnbieter ist für ein Gründungsunternehmen,dasneuineinenMarkteintritt,ineinemersten Schritt weniger relevant. Was hingegen aus Sicht eines Gründungs unternehmenswichtigist,sindElementeeinerBranchewieEintrittsbar rierenoderKäuferloyalität,dieesfüreinenNeulingmehroderweniger attraktiv machen, in einen Markt einzusteigen. Ein weiteres Element stelltdieWichtigkeitdesProduktesfürdenKundendar.Wieschwerist esfüreinenKunden,zueinemanderenProduktzuwechseln?Hierspie lenAspektederNetzwerkökonomiewiez.B.derLockinEffektverbun denmitdenMarktbarriereneineRolle.

„ Lieferanten:AnaloggestaltetsichdieSituationbeiderVerhandlungsstär kederLieferanten.GründungsunternehmensolltensichdieLieferanten sehrbewusstaussuchen,umzuvermeiden,voneinemeinzigenverhand lungsstarkenLieferantenabhängigzusein. Eine systematische Analyse der Wettbewerbskräfte hilft bei der Entschei dung für oder gegen eine Branche sowie bei der richtigen Positionierung innerhalbeinerBranche.  

266

Externe Analyse

9.5 Abbildung94

BranchenanalysenachPorter

Quelle: in Anlehnung an Porter M., Competitive Advantage: Creating and Sustaining Superior Performance, Free Press, New York, 1985.

9.5.2

Einflüsse der Makroumgebung

IndenbisherigenErläuterungenhabenwirBranchenalsweitgehendunab hängige Einheiten betrachtet. In Wirklichkeit sind Branchen jedoch in eine Makrostruktur eingebunden, in der ökonomische, technologische, soziale, demografische, politische und rechtliche Rahmenbedingungen eine Rolle spielen. Diese Faktoren beeinflussen die von Porter genannten Wettbe werbskräfteinihrerWirkungsweiseunddamitdieAttraktivitäteinerBran che.16 Für eine Organisation ist es wichtig, dass sie die Einflussfaktoren systema tisch beobachtet und bewertet, um ihre Strategie anpassen zu können. Im FolgendenwerdendiefürStartupUnternehmenwichtigstenEinflussfakto renkurzskizziert.

267

Einflüsseausder Makroumgebung beeinflussendie Wirkungsweise derWettbewerbs kräfteeiner Branche.

9 EineReihevon Einflussfaktoren verändertdie Wettbewerbs kräfteinnerhalb einerBranche.

Strategie

„ PolitischeundrechtlicheKräfte:DurchGesetze,Regulierungenoderfinan zielle Anreize nehmen Regierungen maßgeblichen Einfluss auf die Be dingungen,unterdeneneinUnternehmenindembetreffendenLandar beitet. Relevant sind unter anderem Rahmenbedingungen und Ände rungenimBereichSteuer,ArbeitsundUmweltrecht.

„ ÖkonomischeKräfte:VieleBranchenwerdemaßgeblichvonökonomischen Faktoren wie dem Zinsniveau, derArbeitslosenquote oder Wechselkur sen beeinflusst. So hängen die Verkäufe von bestimmten Luxusgütern oder Neuwagen beispielsweise direkt mit der vorherrschendenArbeits losenquotezusammen.

„ Technologische Kräfte: Informationstechnologie hat in den letzten Jahr zehnteninallenBranchenEinzuggehalten.DieArbeitsbedingungenfür Unternehmen haben sich dadurch nachhaltig verändert. Um wettbe werbsfähigzubleiben,istderprofessionelleEinsatzvonComputernund Software unabdingbar geworden. Gleichzeitig eröffnen technologische Entwickeln neue Geschäftsoptionen: Computergesteuerte Systeme er möglichen für viele einen Individualisierungsgrad, den es zuvor nicht gab.ZudemsorgendasInternet,BreitbandleitungenundmobileEndge rätefürneueMarktchancen.SoistesheutebeispielsweiseStandard,dass LogistikdienstleisterdieUnterschriftderSendungsempfängermitmobi len Endgeräten erfassen. Die neuen technologischen Möglichkeiten ha ben wiederum Einfluss auf den Neueintritt von Marktteilnehmern, die mittechnologischbesserenLösungenaufdenMarktkommenkönnen.

„ Soziokulturelle Faktoren: Soziokulturelle Veränderungen haben das Um feld, in dem Unternehmen agieren, nachhaltig verändert. Als Beispiele können das gesteigerte Umweltbewusstsein (Reduzierung des CO2 Ausstoßes,BevorzugungregionalerProdukte)unddieZunahmequalifi zierter weiblicher Arbeitskräfte im Arbeitsmarkt genannt werden. So verändert das gesteigerte Umweltbewusstsein die Art und Weise, wie Produkteproduziertwerden,eröffnetabergleichzeitigauchChancenfür ganzeneueArtenvonProdukten.SosindFluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW)aufgrunddesöffentlichenDrucksvollständigausdenEinkaufs regalen verschwunden. Diese Faktoren haben Einfluss auf existierende Unternehmen: Verkauft ein Unternehmen beispielsweise Produkte, die ausUmweltgesichtspunktenbedenklichsind,könntediesmittelfristigzu einem Umsatzrückgang führen. Gleichzeit eröffnet das gesteigerte Um weltbewusstsein neue Marktchancen, da effiziente Geräte, die Verbrau chernhelfen,Stromzusparen,zunehmengefragtsind.

268

Das „richtige“ Geschäftsmodell finden

9.6

9.6

Das „richtige“ Geschäftsmodell finden

ErfolgundProfitabilitäthängenabernichtnurdavonab,inwelcherIndust rie man sich befindet oder wie die Rahmenbedingungen und die Wettbe werbsintensität zu beurteilen sind. Wesentlich ist auch die Gestaltung des Geschäftsmodells. Aus jeder guten Idee lassen sich Dutzende von Ge schäftsmodellenerstellen.Zunächstgiltesaberzuklären,wasuntereinem Geschäftsmodelleigentlichzuverstehenist. Ein Geschäftsmodel beschreibt die „Logik“ eines Unternehmens. Damit ist der Prozess der GeschäftsmodelModellierung Teil der Unternehmens strategieentwicklung.UmgangssprachlichwirdmitdemBegriff„Geschäfts modell“ sehr großzügig umgegangen. So wird manchmal vom Geschäfts modellgesprochen,obwohlnureinTeildesGeschäftsmodellswiez.B.das Ertragsmodellgemeintist(VertriebüberdasInternetetc.).LinderandCan trell haben deshalb den Versuch unternommen, die Komponenten eines Geschäftsmodells zu erarbeiten: Aus ihrer Sicht geht es, wenn von Ge schäftsmodellendieRedeist,meistensumdiefolgendendreiDinge:17

„ Componentsofbusinessmodels:Dabeihandeltessichnichtumkomplette Geschäftsmodelle, sondern eher um Teile von Geschäftsmodellen. Bei spiele dafür sind das Ertragsmodell, die Wertschöpfung, organisatori scheStrukturenoderumbestimmteArtendesVertriebs.JedesdieserTei lehatseineBedeutung,esistebennurnichtdas„Ganze“.EineÜbersicht über die Teile eines Geschäftsmodells kann Abbildung 95 entnommen werden.

„ Operatingbusinessmodel:DamitistdastatsächlicheGeschäftsmodelleines Unternehmens gemeint, die essenzielle Logik, die es einem Unterneh men ermöglicht, kontinuierlich seine Ziele zu erreichen. Bei einem pro fitorientiertenUnternehmenerklärtdasGeschäftsmodelldamit,wieeine FirmakontinuierlichGeldverdient.BeieinemgutenGeschäftsmodellist eswichtig,dassdasUnternehmendieDinge,indenenesbesondersgut ist,sprichseineWettbewerbsvorteile,zumWohleseinerKunden,Mitar beiterundAnteilseigenerundzurWertsteigerungeinsetzenkann.

„ Changemodel:DasVeränderungsmodellgehtnocheinenSchrittweiter.Es beschreibt,wiesicheineOrganisationineinersichständigverändernden Umwelt anpassen kann. Während das „operating business model“ Ver mögenswerte, Kernkompetenzen, Beziehungen und Wissen generiert, erweitertundmultipliziertdas„changemodel“diese.

Aus Sicht von Linder und Cartrell muss ein Geschäftsmodell einen Sinn ergeben. Die einzelnenAktivitäten müssen sich gegenseitig verstärken, so dass das Gesamtbild „rund“ ist.18 Zudem lohnt es sich, die Ertragmöglich

269

DirProfitabilität hängtwesentlich vomgewählten Geschäftsmodell ab.

9

Strategie

keiten verschiedener Geschäftsmodelle durchzuspielen, bevor man sich für einGeschäftsmodellentscheidet. Aber zurück zu den Bestandteilen eines Geschäftsmodells. Abbildung 95 gibteinenÜberblicküberdieeinzelnenKernelemente:ImMittelpunktsteht dasAngebot,sprichderNutzen,dendasUnternehmenseinenKundenbie tenkann.UmdenKundennutzenzuschaffen,mussdasUnternehmenseine KernkompetenzenunterderNutzungvonPartnerschaftenundNetzwerken fürdieWertgenerierungeinsetzen.UndschließlichbedarfesguterKunden beziehungen und funktionierender Vertriebskanäle, um die Zielgruppe zu erreichen.ObeinGeschäftsmodelllangfristigfunktioniert,entscheidendar über hinaus die Finanzen – die Kostenstruktur auf der einen und die Ein nahmenhöheaufderanderenSeite.

Abbildung95

KernelementeeinesGeschäftsmodells

Quelle: en.wikipedia.org/wiki/Business_model (Stand 07.12.2007)

9.7 Fallstudie: Zattoo B2CoderB2B? BiszumEndedes Sommersmuss FrancescoVass eineStrategie empfehlungfür denVerwaltungs raterarbeiten.

Es ist Mai 2007. Francesco Vass, Zattoos Vice President für Marketing und Content,denktüberdieletztenDiskussionennach,dieermitdemRestder Führungsmannschaft geführt hat. Zattoo ist einer der ersten europäischen Anbieter von Internet Protocol Television (IPTV) auf PeertoPeerBasis (P2P). Bisher verfolgt Zattoo eine B2CStrategie, die darauf ausgelegt ist, Fernsehsender davon zu überzeugen, ihre Inhalte auf Zattoos Webseite für Endnutzer zugänglich zu machen. Für die Endkunden stehen damit die verschiedenstenTVKanäleaufnureinerInternetseitezurVerfügung.Kürz

270

Fallstudie: Zattoo

9.7

lich hatten jedoch einige Fernsehsender bei Zattoo angefragt, ob es nicht auchmöglichwäre,dassZattooihnendieTechnologieunddenSupportzur Verfügung stellt, damit sie ihr eigenes IPTV anbieten können. Würde sich Zattoo darauf einlassen, bedeutete das einen kompletten Strategiewechsel. StattmitEndkundenhätteZattooplötzlichmitGeschäftskundenzutunund würde zum B2BAnbieter werden – eine entscheidende Kursänderung. Bis zumEndedesSommersmussFrancescoVasseineStrategieempfehlungfür denVerwaltungsraterarbeiten.

Das Unternehmen und seine Partner Zattoo erwirbt, transportiert und präsentiert StreamingVideos von ver schiedenen Fernsehkanälen. Die Nutzer können sich die StreamingVideos inihremBrowseransehen,unabhängigdavon,wosiesichgeradebefinden. DerzeitistZattoodereinzigeP2PIPTVAnbieter,derdenNutzerneinderart breit gestreutes Angebot in einem einzigen Browserfenster und mit sehr hoherQualitätanbietenkann.ZattooreduziertdieÜbertragungskostenfür TVSenderundermöglichtesWerbepartnern,webbasierteMarketingmetho den mit herkömmlichen Methoden aus der TVWerbung zu kombinieren. EinnahmenerzieltZattoodurchWerbung:WenneinNutzereinenFernseh kanal auswählt oder den Kanal wechselt, wird ein Werbespot von 3 bis 5 Sekunden Länge angezeigt (die Zeit, die normalerweise benötigt wird, um denDatenstromzupuffern).DieWerbespotskönnenangeklicktwerdenund sindmitLinksversehen.

Zattooerlaubt denNutzern,eine VielzahlanTV Programmenin einemeinzigen Browserfenster anzusehen.

Die Leistung von Zattoo ist in drei wesentlichen Aspekten besser als das Angebot anderer IPTVAnbieter: In puncto Bildqualität, Programmauswahl undPortabilitätschneidetZattoobesserabalsdieKonkurrenz.

InpunctoBild qualität,Pro grammauswahl undPortabilität schneidetZattoo besserabalsdie Konkurrenz.

DieproprietäreP2PStreamingTechnologieermöglichtdieDarstellungeines hochwertigenBildesohneStotternoderRuckeln,wiedasbisherhäufigder Fall war. „In Bezug auf die Bildqualität ist es zwar noch nicht gleichwertig mitdigitalemFernsehen,aberesistauchnichtweitdavonentfernt.Alsich die Fenstergröße auf ein Viertel meines LaptopBildschirms gesetzt hatte, war die Bildqualität hervorragend und im Vollbildmodus war das Bild im mernochsehrgutzuerkennen“,sagteinZattooNutzer. DieProgrammauswahlisteinweitererPluspunktvonZattoo:DenNutzern wirdineinemBrowserfenstereinbreitesAngebotmitdenwichtigstenFern sehkanälengeboten.ZudemfindensieSpezialinhalte,diesieoftmalswoan ders nicht empfangen können. „Endverbraucher verlieren das Interesse an insulären Inhalten. Sie möchten einen zentralen Ort, an dem sie Kanäle wechselnkönnen–einfachperTastendruck,wiemitdenAufabTastender Fernbedienung“, sagt Beat Knecht, CEO und Mitbegründer von Zattoo.

271

9

Strategie

„Zattoo bietet einen solchen Zugangspunkt auf die breiteste Vielfalt von Inhalten,mitbestmöglicherQualitätundzuverlässigerÜbertragung.“ Portabilität ist der dritte Vorteil von Zattoo: „Was uns zu ‚Couch Potatoes’ gemacht hat, war die Tatsache, dass wir das Programm von dort aus anse hen mussten. Das war gestern! Dank Zattoo kannst du das TVProgramm mitnehmen, wohin du willst“, erklärt Francesco Vass. „In die Bar, in der Freunde das Spiel auf dem falschen Sender sehen, oder in einen anderen Raum, wenn der Fernseher zu Hause bereits besetzt ist. Zattoo kann man anschauen,woimmermansichmitdemInternetverbindenkann.“ Zattooistein fachundintuitiv zubedienen.

DieBenutzeroberflächevonZattooisteinfachundübersichtlich.DaZattoo dieaktuellenTVProgramme streamt,gibteskeinenBedarffürVideoCon trols.DieBenutzeroberflächeistlediglichmitSchaltflächenfürdieLautstär ke und die Bildschirmgröße ausgestattet. Die zur Auswahl stehenden TV Programme werden am Rand der ZattooApplikation angezeigt. Wie der RestdesApplikationistdieProgrammauswahleinfachundintuitivzunut zen. Mit einem einfachen Klick kann die Programmauswahl versteckt wer den. Zattoos Geschäftsmodell baut auf Partnerschaften mit mehreren Akteuren auf. Dazu gehören Broadcaster, Provider, Eigentümer von Inhalten und Werbetreibende.

Broadcastersind wichtigePartner fürZattoo:Sie gebenZattoodie Rechtefürdie Internet übertragung.

BroadcasterübertragenTVProgrammeundmachensiesoderÖffentlichkeit zugänglich. Sie sind entweder öffentlichrechtlich (z.B. die Schweizerische RadioundFernsehgesellschaftSRGSSRidéesuisse,dieBBCinGroßbritan nienoderARDundZDFinDeutschland)oderprivat(z.B.MediasetinIta lien,TF1GruppeinFrankreich).BroadcastersindwichtigePartnerfürZat toos Geschäftsmodell. Sie übertragen Zattoo die Rechte, ihre Fernsehpro gramme mit der ZattooTechnologie und auf der Webseite von Zattoo darzustellen. Im Gegenzug bietet Zattoo den Fernsehsendern mehrere Vorteile: Zum ei nen erhöht Zattoo die „stickiness“ der Fernsehzuschauer, da das Fernseh erlebnis mit überzeugenden Multimediaelementen ergänzt werden kann. Zum anderen reduziert Zattoo die Kosten,da Netzwerk und Serverkosten aufgrundderP2PTechnologieaufdieNutzerverlagertwerden.JederNut zerüberträgtdenStreamwiederumzueinemanderenNutzer.Jederweitere Nutzer,derdemNetzwerkbeitritt,greiftaufdieRessourcenandererNutzer zurück und stellt selbst eigene Ressourcen zur Verfügung. Die Kosten, um einen weiteren Nutzer zu bedienen, verbleiben damit auf einem niedrigen Niveau,unabhängigdavon,wievieleNutzerZattooanschauen. GroßenFernsehsendernwieProSieben(Deutschland)oderMediaset(Italien) bietet Zattoo entweder eine Summe pro Internetnutzer oder einen Teil der

272

Fallstudie: Zattoo

9.7

Werbeeinnahmen. „Wenn jedoch ein kleiner, regionaler Fernsehsender aus der Schweiz auf uns zukäme, würden wir keine Gebühr an ihn zahlen, da kleine,unbekannteFernsehsendernureingeringeszusätzlichesInteressean unseremAngebotzurFolgehaben“,sagtFrancescoVass. ManchmalmussZattooGebührennichtdirektandieFernsehsenderzahlen. Stattdessen erhalten Organisationen, die die Urheberrechte verwalten, ent sprechende Gebühren. Dies ist beispielsweise in der Schweiz der Fall, wo eine Gebühr an Suissimage entrichtet werden muss, eine Industrievereini gung, die dieUrheberrechte an audiovisuellen Werken in der Schweiz ver waltet. Eigentümer von Inhalten wie Sony Pictures, Paramount und Disney sind einezweiteKategoriepotenziellerPartnerfürdieIPTVIndustrie.Sieprodu zierenInhalte(Filme,TVSerien,Sportveranstaltungen)undverkaufensiean Broadcaster.DieBroadcasterwiederumverpackendieInhalteundstellensie aufbestimmtenKanälenzurVerfügung.ZattooschütztdieEigentümervon InhaltenvorPiraterie,dadieverschlüsseltenVideoStreamszukeinemZeit punkt im Netzwerk gespeichert werden und Zattoo die geografische Her kunftderNutzerüberdieIPAdresseermittelnkann.SokannZattoosicher stellen, dass bestimmte Kanäle nur in bestimmten Ländern zur Verfügung stehen.

ÜberdieIP AdressederNut zerkannZattoo dieProgramm auswahlsteuern.

WerbetreibendeprofitierenvonZattoos„Closedloop“Modell,dasdieVor teilewebbasierterMethoden(BannerundzielgruppenspezifischeTexte)mit effektiven Methoden aus der Fernsehwerbung vereint. Eine wichtige Rolle spielthierbeidieIPAdresseunddamitderStandortdesComputers:Werbe treibende können ihre Spots zielgruppenspezifisch schalten. So könnten beispielsweise alle „Desperate Housewive“Fans in einer bestimmten Stadt gezieltbeworbenwerden–eineWerbemöglichkeit,fürdieohneWeiteresein Preispremiumverlangtwerdenkann.BezahltwirdaufderBasiseinessoge nannten Tausenderkontaktpreises (TKP), einer gängigen Kennzahl aus der Mediaplanung.Zattooberechnetderzeit100bis150CHF,d.h.,umdaseige ne Werbebanner 1.000mal auf der ZattooSeite einzublenden, wird ein Be tragvon100bis150CHFfällig.Unternehmen,dieAnzeigenschaltenmöch ten, können Zattoo direkt ansprechen oder mit einer Vermarktungsgesell schaftwieGoldbachMediainderSchweizzusammenarbeiten,diesichauf Multimediawerbungspezialisierthat.

Zukünftigkönnte esmöglichsein, zielgruppenspezi fischeWerbung zuschalten.

Entwicklung und aktuelle Herausforderungen Zattoo wurde 2005 von Sugih Jamin gegründet, einem Professor für Infor matik von der University ofMichigan, und Beat Knecht,einem Marketing spezialisten für Software und früheren McKinseyBerater. Sugih Jamin ist

273

9

Strategie

Chairman und Chief Technology Officer von Zattoo, Beat Knecht ist CEO. AndereMitgliederderGeschäftsführungsindFrancescoVass,VicePresident fürMarketingundContent,undvierweitereMitglieder,diezuständigsind fürFinanzen,MedienanalyseundEngineering.InsgesamtbeschäftigtZattoo derzeit 30 Mitarbeiter, von denen zwölf im Züricher Hauptsitz unterge brachtsindund15anderWeiterentwicklungderTechnologieinAnnArbor arbeiten.DieübrigendreiarbeiteninandereneuropäischenStädten. Inmehreren Finanzierungs rundenkonnte Zattoobereits mehrereMillio nenUSDakqui rieren.

Nachdem europäischenwill Zattooauchden nordamerikani schenMarkt erobern.

ImJahr2005gelangesZattoo,300.000USDKapitalzuakquirieren.Weitere3 Mio.USDkamenimJuni2006hinzu.Ende2006wurdennochmals700.000 USDvonKapitalgebernzurVerfügunggestellt.EndedesSommers2007soll eineweitereFinanzierungsrundeweitere12Mio.USDeinbringen.ProMo nathatdasUnternehmenAufwendungeninHöhevon150.000undErträge inHöhevon50.000CHF. WiealleP2PApplikationenstützensichdieGeschwindigkeitunddieBand breite des Services auf die Teilnehmer des P2PNetzwerkes, statt auf eine begrenzte Anzahl von Servern. P2Pbasierte Netzwerke können für ver schiedene Zwecke genutzt werden. Häufig werden sie eingesetzt, um ge meinsamaufAudiodateien,VideodateienoderandereelektronischeDateien zuzugreifen. Des Weiteren kommt P2PTechnologie zum Einsatz, wenn Echtzeitdaten transportiert werden müssen. Dies ist beispielsweise bei der Internettelefonie der Fall. Ein wichtiges Ziel in P2PNetzwerken besteht darin, dass alle Computer im Netzwerk ihre Ressourcen wie Bandbreite, Speicherplatz und Rechenleistung den anderen Teilnehmern im Netzwerk zur Verfügung stellen. Wenn neue Knoten, sprich Computer, zum Netz hinzukommen, benötigen sie zwar fremde Ressourcen, stellen aber gleich zeitigeigeneRessourcenzurVerfügung,womitsichdieGesamtleistungdes Systemserhöht.„FortschrittebeiBreitband,VideokomprimierungundMul ticastStreaming überwinden schnell die letzten technischen Hürden, um InternetundFernsehenaufdemPCzusammenzubringen.DochdieKosten sindimmernocheinFaktor.UnserStreamingNetzwerklöstdiesesProblem, indem es die Kosten für Broadcaster um den Faktor zehn senkt; ein über zeugendesArgument,umzuunsererTechnologiezuwechselnundihrSer viceangebotzuverbreitern“,kommentiertSugihJamin. Zattoohatumdie400.000Nutzerundkanndemnächsteuropaweitgenutzt werden.EswerdenvieleöffentlichrechtlicheFernsehkanälewieBBCPrime, BBCWorld,France25,ZDFundRaiUnogesendet.WeitereFernsehkanäle sindEuronews,CNNundBloomberg.DieerstenFernsehübertragungengab esinderSchweiz,wodieaktionsreichstenSzenenausderFußballWM2006 übertragenwurden.Zurzeithabensichmehrals10%allerSchweizerBreit bandnutzer bei Zattoo registriert. Erst kürzlich wurde Zattoo in Dänemark und Spanien eingeführt. In Großbritannien befindet sich Zattoo noch in

274

Fallstudie: Zattoo

9.7

einem BetaStatus und ist der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Letztendlich willZattooauchdennordamerikanischenMarkterobern. Eine der größten Herausforderungen, mit denen sich Zattoo in den letzten Monaten konfrontiert sah, war, die Zustimmung der Fernsehsender zu er halten,umderenProgrammeindenverschiedenenLändernzeigenzukön nen. „Als ich Mitte 2006 zu Zattoo gekommen bin, hatte ich geplant, den gesamten Content – sprich die führenden europäischen TV Kanäle – bis Ende 2006 zu akquirieren. Jetzt haben wir 2007 und sind noch nicht damit fertig“,klagtFrancescoVass. Es gibt zwei Arten von Problemen, mit denen sich Zattoo befassen muss: Daserstehat mitderTechnologiezutun. Fernsehsendersindbesorgt,weil das Internet jedem zugänglich ist und sie ihre Inhalte schützen möchten. „Wir müssen sie also über unsere Technologie aufklären und ihnen bewei sen,dasswirihreRechteschützenkönnen,z.B.dasswirdafürsorgenkön nen, dass bestimmte Fernsehkanäle nur in bestimmten Ländern gesehen werdenkönnen“,sagtVass. DiezweiteHürdeistrechtlicherNaturundhatdamitzutun,wieContent EigentümerihreVertriebsrechteverkaufen.Normalerweiseverkaufensiedie RechteseparatanKinobetreiber,DVDVerwerter,KabelundSatellitenfern sehen. „Weil IPTV ein neues Medium ist, haben Fernsehsender mitunter nicht das Recht, die Inhalte über das Internet zu vertreiben, und können daherdieRechtenichtanunsübertragen“,sagtVass. Gleichzeitig erhält Zattoo immer häufiger Anfragen von InternetService Providern(ISP)undBroadcastern,dielediglichdieTechnologievonZattoo nutzen möchten. Die ISP sind daran interessiert, neben dem Verkauf von InternetzugangdaseigeneAngebotzuerweitern.AndersalsSwisscom,die erstkürzlichihreigenesAngebot(BluewinTV)selbstaufgebauthaben,gibt es viele kleinere ISP wie Sunrise, Tele2 und andere, die nach Partnern su chen,dieeineausgereifteIPTVTechnologieundentsprechendeErfahrungen mitbringen.EinerdermöglichenPartnerkönnteausihrerSichtZattoosein. Zattoo könnte sie mit den entsprechenden TVKanälen versorgen und sie würdendiesenServicedannanihreEnduserals„SunriseTV“weiterverkau fen.DieBroadcasterwiederumnehmendasInternetalsPlattformwahr,die esihnenerlaubt,ihreReichweitezuerhöhenundeineengereBeziehungzu ihrenZuschauernaufzubauen.LetztlichalsoeinMedium,mitdemdieeige ne Marke gestärkt werden kann. „DieseAkteure möchten den Zuschauern ihre Marke gerne vorAugen führen und würden sich lieber selbst als ‚Ka nal+’ oder ‚Premiere’ im Internet platzieren, als Zattoo als Vertriebspartner ihres‚Kanal+’oder‚Premiere’inAnspruchzunehmen“,sagtFrancescoVass. „DieBroadcasterkommennichtwirklichaufunszu,aberwennwiraufsie zukommen, sind sie an unserer Technologie interessiert und sehen das In

275

DiePartnervon Zattoosind besorgtumihre Inhalte.Zattoo mussaufklären undbeweisen, dassderenRechte geschütztwerden können.

9

Strategie

ternetalseinweiteresMedium,umihreProgrammezusenden,genausowie über Kabel oder Satellit. Mit anderen Worten, sie wollen die Spielregeln ändern.“

Die Wettbewerbssituation InternetTVwird nachAussagen derAnalystenein Milliardenge schäftwerden.

Fernsehen ist ein großes Geschäft. Mit Abonnements, Fernsehgebühren, Endgeräten und Werbung werden Milliardenumsätze gemacht. Dominiert wird die Industrie von großen Medienkonglomeraten wie Viacom, News CorpundDisney.IPTVistderneueStarderBrancheunddiejüngstenProg nosensindhervorragend.AnalystenvoniSupplyrechnendamit,dassIPTV 2010ein26Mrd.DollarMarktseinwird.Gartnerschätzt,dassIPTVindrei JahrendieAufmerksamkeitvon48Mio.Augenpaarenaufsichziehenwird. iSupply glaubt außerdem, dass Werbeeinnahmen eine weitere signifikante Einnahmequelle im IPTVGeschäft darstellen, da IPTVAnbieter gezielte Marketingmaßnahmen schalten können, die sich am Kundenverhalten ori entieren. Zudem kann Werbung interaktiv werden. Nach Aussage von i Supply werden IPTVbasierte Kundeneinnahmen im Jahr 2010 die Grenze von1Mrd.USDüberschreiten.

DieGründervon KazaaundSkype habenJoostins Lebengerufen– ebenfallseinviel versprechender Anbietervon InternetTV.

Diese Aussichten haben nicht nur Zattoo, sondern auch andere Unterneh men in den Markt gelockt. Seit Anfang 2007 wurden einige Startups ge gründet. Joostistdas wahrscheinlich bekannteste. Die Medienberichterstat tungistimmens:Joosthatüber27.000ErwähnungeninTechnorati,während keinerderWettbewerberdie1.000erMarkeknackt.ZudemhabendieGrün derJanusFriis(Kazaa)undNiklasZennstrom(Skype)TaschenvollerGeld. Joostistkostenlos,spieltaberwieZattoovor,währendodernachdemFilm Werbung ein. Joost unterscheidet sich von traditionellem Fernsehen darin, dass die Inhalte alle „on demand“ angeboten werden. Sprich, Zuschauer könnenVideosherunterladenundanschauen,wannimmersiediesmöchten undnicht,wennderProgrammanbieteresfestlegt.NutzerkönnendieBud dyliste ihres InstantMessagers importieren und online mit ihren Freunden chatten,währendsiediegleichenProgrammeansehen.FürWerbetreibende stellendieseAktivitäteneinenechtenWertdar,zeigensiedoch,dassjemand zusieht und nicht gerade eingeschlafen ist oder den Raum verlassen hat. Zurzeit ist das Angebot von Joost noch nicht sehr umfangreich. Das wird sichabervoraussichtlichschnellverbessern,daFriisundZennstromintensiv daran arbeiten, Verträge mit den wichtigsten Medienunternehmen zu schließen. Im Februar 2007 gaben sie eine Partnerschaft mit dem US amerikanischen Medienunternehmen Viacom bekannt und stellten Inhalte vonMTVNetworks,BETundParamountPicturesaufJoostein.

276

Zusammenfassung

EinandererOndemandAnbieteristBabelgum,einUnternehmen,dasvom italienischen Milliardär Silvio Scaglia (Gründer und ehemaliger Chairman vonFastweb)insLebengerufenwurde.DieInhalteaufBabelgumsindnoch sehr limitiert. Derzeit stehen lediglich neun Programme zur Verfügung, darunter Inhalte, die von Amateuren oder unabhängigen Filmemachern erstellt wurden, ein Nachrichtensender, ein CartoonSender, ein Blog Channel, der Episoden von Rocketboom zeigt, und ein Kanal mit Filmtrai lern. BabelgumversuchtEigentümervonContentmitdemfolgendenAngebotzu überzeugen: Werbeeinnahmen, die im Zusammenhang mit dem jeweiligen Contentgeniertwerden,teiltmansichauf:50%erhältBabelgum,50%der ContentBesitzer. Zu Anfang bekommen die Partner zudem garantierte 5 USDfür1.000SeitenaufrufeihresVideos.

Fragen zur Fallstudie 1. Beschreiben Sie Zattoos Geschäftsmodell. Ist damit zu rechnen, dass ZattoodieMedienbranchedurcheinanderwirbelt? 2. WiegutistZattooinderIPTVIndustriepositioniert? 3. WennSieanderStellevonFrancescoVasswären,würdenSiedannZat tooempfehlen,zukünftigeineB2BStrategiezuverfolgen? 4. Wie bewerten Sie die zukünftigen Marktchancen, die IPTV mit sichbringt?

9.8 Zusammenfassung EinefundierteStrategie,diekonsequentumgesetztundbeiBedarfangepasst wird, stellt einen wichtigen Erfolgsfaktor für das langfristige Überleben einesUnternehmensdar.StrategiensindGrundsatzentscheidungen,diedie mittel bis langfristige Ausrichtung eines Unternehmens bestimmen. An ihnenorientierensichnachfolgendeUnternehmensentscheidungenüberden EinsatzvonRessourcen.DamitlegenStrategiendenUnternehmenskursder nächstenJahrefest. Mit dem strategischen Managementprozess können Schritt für Schritt die Unternehmensvision, mission und schließlich die Unternehmensstrategie erarbeitet werden. Dabei werden interne Stärken und Schwächen sowie externe Chancen und Risiken berücksichtigt. Zum Einsatz kommen dabei

277

9.8 Derzweitegroße Konkurrentheißt Babelgum.Hier sindInhaltevon Amateurenund unabhängigen Filmemachernzu sehen.

9

Strategie

unter anderem zwei bekannte Managementwerkzeuge: die SWOTAnalyse zur Analyse der Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken und Michael PortersFiveForcesModellzurAnalysederBranche. Besondere Beachtung sollten Gründer der Entwicklung von Wettbewerbs vorteilenwidmen.Wettbewerbsvorteilesolltensogestaltetsein,dasssiedie Stärken des eigenen Unternehmens nutzen und für die (potenziellen) Kun deneinenWertdarstellen,fürdensiebereitsindzubezahlen. Und last but not least gilt es, ein Geschäftsmodell zu finden, mit dem sich das Unternehmen auf lange Sicht am Markt behaupten, Produkte in der gewünschten Qualität herstellen und ausreichende Erträge erwirtschaften kann.

Diskussionsfragen 1.

WarumbrauchenUnternehmenStrategien?

2.

Welche Rolle spielen Wettbewerbsvorteile für die Positionierung eines UnternehmensimMarkt?

3.

UnternehmensgründersindimMarkthäufignichtbekanntundkönnen keineReferenzenaufweisen.WarumgelingtesdennochhäufigNeulin gen,erfolgreichKundenfürsichzugewinnen?

Weiterführende Literatur CHAN,K./MAUBORGNE,R.,DerBlaueOzeanalsStrategie.WiemanneueMärkteschafft,wo eskeineKonkurrenzgibt,HanserWirtschaft,München,2005. PORTER, M., Wettbewerbsvorteile – Spitzenleistungen erreichen und behaupten, Campus Verlag,Frankfurt,NewYork,2000. PORTER,M.,Wettbewerbsstrategie–MethodenzurAnalysevonBranchenundKonkurrenten, Campus,FrankfurtamMain,1999.

278

Zusammenfassung

Endnoten   1 NIESCHLAG, R./DICHTL, E./HÖRSCHGEN, H., Marketing, Duncker & Humblot

GmbH,Berlin,1997. 2 MEFFERT,H.,Marketing–GrundlagenmarktorientierterUnternehmensführung. 3

PORTER, M., Wettbewerbsstrategie – Methoden zur Analyse von Branchen und Konkurrenten,Campus,FrankfurtamMain,1999.

4 HILL, C./JONES, G., Strategic Management Theory – An integrated Approach, Hough

tonMifflin,Boston,2001. 5

Ebenda.

6 HILL, C./JONES, G., Strategic Management Theory – An integrated Approach, Hough

tonMifflin,Boston,2001. 7 PORTER, M., „Operational Effectiveness Is Not Strategy“, Harvard Business Re

view,NovemberDecember,1996. 8 PORTER, M., „Operational Effectiveness Is Not Strategy“, Harvard Business Re

view,NovemberDecember,1996. 9 PORTER, M., „Operational Effectiveness Is Not Strategy“, Harvard Business Re

view,NovemberDecember,1996. 10 REISINGER, S.,StrategischesManagementinösterreichischenKleinundMittelun

ternehmendesproduzierendenSektors,TraunerVerlag,Linz,2007. 11 PORTER, M., „Operational Effectiveness Is Not Strategy“, Harvard Business Re

view,NovemberDecember,1996. 12 PORTER, M., „Operational Effectiveness Is Not Strategy“, Harvard Business Re

view,NovemberDecember,1996. 13 HILL, C./JONES, G., Strategic Management Theory – An integrated Approach, Hough

tonMifflin,Boston,2001. 14 BARNEY, J., “Firm resources and sustained competitive advantage”, Journal of

Management,Nr.17,1991,S.99–120. 15 PORTER M., Wettbewerbsvorteile – Spitzenleistungen erreichen und behaupten,

Campus,FrankfurtamMain,1999. 16 HILL, C./JONES, G., Strategic Management Theory – An integrated Approach, Hough

tonMifflin,Boston,2001. 17 LINDER, J./CANTRELL, S.,SoWhatIsaBusinessModelAnyway?,AccentureInsti

tuteforStrategicChange,ResearchNote,March2000. 18 LINDER, J./CANTRELL, S.,SoWhatIsaBusinessModelAnyway?,AccentureInsti

tuteforStrategicChange,ResearchNote,March2000. 



279

9.8

Einführung

10 Markt

Lernziele Nach der Lektüre dieses Kapitels sollten Sie folgende Fragen beantworten können:

„ WiesospieltdieBetrachtungdesMarkteseinewesentlicheRollefürdie ErstellungeinesBusinessplans?

„ WassinddiezentralenElementeeinerMarktanalyse? „ WelchemarktstrategischenEntscheidemusseinUnternehmentreffen? „ WelchessinddieHerausforderungeninderMarktforschung? „ WasisteinMarketingkonzeptundwiewirdeserstellt?

Begriffserklärungen Markt: Ökonomischer Ort des Tausches bzw. des Zusammentreffens zwi schenAngebotundNachfrage. Marketing: Denkhaltung, Unternehmensfunktion, welche die Ausrichtung desUnternehmensamMarktbeinhaltet. Marktanalyse:AuswertungundInterpretationvonMarktdaten. Marktforschung:SystematischeSammlungundAufbereitungvonDaten. Marktstrategie: Festlegung der Ziele des Marketings, beispielsweise Wahl vonZielmarktundZielkunden.

281

10.1

10

Markt

10.1 Einführung Marktforschung undMarketing sindErfolgs kriterienbeieiner Gründung.

Neugründungen sehen sich etlichen Herausforderungen am Markt gegen über,nebengroßenUnsicherheitenimBereichderUnternehmensgestaltung besteht auch das Problem der fehlenden Glaubwürdigkeit am Markt. Vor allembeiGründungenausakademischenInstitutionenkommtoftmalseine mangelhafteMarktkenntnisdurcheinesehrgeringeBerufserfahrungaußer halb des universitären Feldes hinzu. Marktforschung und Marketing wer den daher als zwei der größten Probleme, aber auch als Erfolgskriterien beim Unternehmensstart angesehen. Beide Elemente können entscheidend helfen, den Markt und damit die relevanten Kunden besser zu verstehen (Marktanalyseundforschung)undderenBedürfnissemiteinemgeeigne ten Produkt oder einer geeigneten Dienstleistung zu befriedigen. Dieses ArgumentwirdnichtzuletztauchdurchRisikokapitalgebereingebracht.Bei ihnenwirddieMarktanalysealseinesderInstrumenteangesehen,mitdenen sich die Versagensquote von Unternehmensgründungen verringern lässt.1 Nach deren Meinung wird dieser Themenbereich in den Businessplänen entweder zu ungenau, zu wenig oder schlichtweg falsch dargestellt. Die Marktorientierung des Unternehmens tritt nicht oder nur unzureichend hervor. ZieldiesesKapitelsistdaherdieVermittlungeinesGrundverständnissesfür die marktorientierte Ausrichtung eines Unternehmens. Nach einer kurzen EinführungindieThematikdesMarktesundderDarstellungdergrundle genden Begriffe wird zunächst gezeigt, wie sich eine Marktanalyse zusam mensetzt.AufbauendaufdiesenResultatenkönnenimfolgendenAbschnitt dienotwendigenmarktstrategischenEntscheidehinsichtlichSegmentierung und Positionierung getroffen werden. Wie die notwendigen Informationen gesammelt werden können, wird im Abschnitt zur Marktforschung be schrieben.DerletzteAbschnittwidmetsichinkurzerFormdemMarketing konzept.

10.2 Markt – Das unbekannte Wesen EinUnternehmen solltedieBedürf nissedesKunden möglichstgut befriedigen.

NichtseltenkommtesinBusinessplänenvor,dassderAbschnittMarketing bzw. Marktuntersuchung eines Unternehmens nur aus derAufzählung der verschiedenen Marketingmaßnahmen besteht und keine Aussage darüber getroffenwird,werdenneigentlichdieKundendesUnternehmenssind.Die Frage nach den Zielkunden wird von den Gründern oftmals mit einem SchulterzuckenundderBemerkungquittiert,dasssichdasProduktoderdie Dienstleistung,wennsiegutgenugist,vonselbstverkaufenwird.Diesgeht

282

Markt – Das unbekannte Wesen

10.2

leideranderRealitätvorbei.DieKunstbestehtnichtnurdarin,eindenkbar gutes Produkt oder eine gute Dienstleistung zu kreieren, sondern die Be dürfnissedesKundenmöglichstgenauzubefriedigen.

10.2.1 Wesentliche Begriffe MarketingumfasstnichtnurdieAusgestaltungdesProdukts,dasFestlegen des Preises oder das Bestimmen des Werbebudgets und kann damit nicht einfachnurmitWerbunggleichgesetztwerden.VielmehrwirdunterMarke ting die Ausrichtung des Unternehmens am Markt und die zur Zielerrei chung notwendigen Maßnahmen und Ressourcen verstanden.2 Der Begriff kommtdamiteinerunternehmerischenDenkhaltunggleich,Marketingwird neben unternehmerischen Funktionen wie Logistik oderUnternehmenspla nung gleichfalls als wichtig für den unternehmerischen Erfolg angesehen.3 IneinerweitergehendenAuslegungderAufgabendesMarketingshatsich das gesamte Unternehmen nach dieser Unternehmensfunktion zu richten und andere Interessen haben sich unterzuordnen. Obwohl diese Ausrich tung des Marketings doch etwas extrem scheint, ist es vor allem auch für Unternehmensgründer wichtig, die Bedürfnisse der Kunden in den Mittel punkt zu stellen. Über Kauf oder Nichtkauf des Kunden bestimmt einzig undalleindessensubjektivesEmpfinden,obseineBedürfnissedurchdieses Produkt befriedigt werden. Um bestimmen zu können, welche Bedürfnisse die Kunden haben, muss das Unternehmen über genaue Kenntnisse des relevanten Marktes verfügen, deren Grundlage die Marktforschung und –analyseseinsollten.DieseErkenntnissesolltensichineinerandieGesamt unternehmensstrategie angelehnte Marktstrategie niederschlagen, die wie derumdieBasisfürdienotwendigenMaßnahmenimMarketingbildet.Die FestlegungundUmsetzungerfolgtüberdassogenannteMarketingkonzept, in dem die wesentlichen Grundlagen, Entscheidungen und Maßnahmen in aufeinanderabgestimmterFormfestgehaltensind.

UnterMarketing verstehtmandie Ausrichtungdes Unternehmens amMarkt.

10.2.2 Der Markt Am Anfang einer jeden Marktorientierung steht die genaue Kenntnis des Marktes.EinMarketingkonzeptmagnochsoausgefeiltsein,wennesanden Marktgegebenheitenvorbeigeht,istesvonvornhereinzumScheiternverur teilt. So gibt es in verschiedenen Industrien Rahmenbedingungen, an die sichdieMarktteilnehmermehroderminderfreiwilligzuhaltenhaben,man denkedabeibeispielsweiseandiestrengenVorschriftenimBereichWerbung für Pharmazeutika. Jedoch besteht ein Markt nicht nur aus der Beziehung Produzent–Konsument, sondern es kommen noch weitere Akteure hinzu,

283

AufdemMarkt treffenAngebot undNachfrage aufeinander.

10

Markt

dieaufdieKaufprozesseEinflussnehmenkönnen,wiederStaatoderKon kurrenten, die in denAugen der Konsumenten ein gleichwertiges Produkt anbieten. Der Markt im ursprünglichen Sinne eines Marktplatzes als realer OrtdesAustauschesvonWarenoderDienstleistungenzwischenKäuferund Verkäufer hat heute eine eher untergeordnete Rolle, erlebt aber mit dem Internet und den dort vorhandenen virtuellen Marktplätzen eine Art Wie dergeburt.HingegenhatderBegriffdesMarktesseinenfestenPlatzinden Wirtschaftswissenschaften: DerPreiseines Gutesspiegelt dessenrelative Knappheitwider.

Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist die Ausgangslage des Wirtschaftens das BestehenvonnahezuunbegrenztenBedürfnissen,denenaberaufgrundder relativenGüterknappheitGrenzengesetztsind.4DadurchwerdendieMen schen genötigt, die nur knapp vorhandenen Mittel (Arbeit, Kapital, Boden und Wissen) so einzusetzen, dass eine möglichst optimale Bedürfnisbefrie digung erreicht werden kann. Auf dem Markt treffen sich Angebot und Nachfrage.BeieinemidealfunktionierendenMarktwirddieser„geräumt“, esbleibenwederProduktenochNachfragenübrig.ÜberdenPreiswirddie relativeKnappheitdesGutes,aberauchdieArtdesGutesbestimmt.Norma lerweise wird über die Nachfrage auch der Preis bestimmt, es spielen aber beieinigenGüternauchEffektemithinein,welchedieNachfragebeeinflus sen,abernichtreinökonomischsind.Sogibtesindermikroökonomischen Theorie den sogenannten VeblenEffekt.5 Damit werden Güter bezeichnet, dieumsobegehrterwerden,jehöherderPreisist.Damitsolleindemonstra tiverKonsumgezeigtwerden(„mankannessichleisten“),obwohlz.B.ein Sekt deutscher Herkunft eine ebenso gute Qualität aufweisen kann, wird trotzdem französischer Champagner einer Edelmarke konsumiert. Unter schiedenwerdenMärktenachihremOrganisationsgrad(starkoderweniger organisiert, z.B. die Börse als Markt mit starkem Organisationsgrad), Grad derOffenheit(früherdieZutrittsbeschränkungenaufdemTelekommunika tionsmarkt) und dem Vollkommenheitsgrad (vollständige Markttranspa renz, die allerdings in der Realität fast nie erreicht wird).6 Die Kenntnis solcher Gesetzesmäßigkeiten hilft einem Gründer, den für ihn relevanten MarktunddamitauchseineKundenbesserzuverstehen.

Absatzund Beschaffungs märkte

In der Betriebswirtschaftslehre werden Märkte zunächst danach unterschie den, ob es sich für das Unternehmen um einenAbsatz oder um einen Be schaffungsmarkt handelt. Beim Absatzmarkt interessiert vor allem, welche Kunden in diesem Markt kaufen und welche Bedürfnisse sie haben. Ein anderer Aspekt wäre die Zusammensetzung der Branche und ob dort po tenzielleGefahrenquellenauszumachensind,z.B.sehrhoheEintrittsbarrie ren, die für ein Gründungsunternehmen nur schwer zu überwinden sind (siehe Abschnitt zur Branchenanalyse). Beschaffungsmärkte wie Arbeits, Material oder Kapitalmarkt spielen im Businessplan in eigenen Kapiteln eine Rolle. So interessiert es eventuelle zukünftige Investoren für das Pro

284

Markt – Das unbekannte Wesen

10.2

jekt, wie und ob die Gründer die geeigneten Arbeitskräfte und vor allem SchlüsselpersonendesUnternehmensbereitsengagierenkonnten. WasdieEntwicklungderMärkte7angeht,sowarbisweitindie70erJahredes letztenJahrhundertsdasVerhältniszwischenProduzentenundKonsumen ten eher produktionsorientiert, d.h., die Güter waren rarer, als es das Be dürfnisderKonsumentenverlangte.Diesemusstensichglücklichschätzen, einesderbegehrtenGüterergatternzukönnen.DiesesBildentsprachdamit einem klassischen Verkäufermarkt, die Optimierung des Herstellungspro zesses stand dabei im Vordergrund. Mit einer Sättigung des Marktes ging auch eine größere Konkurrenz einher. Die Verkaufsbemühungen der Her stellermusstenz.B.mithilfevonWerbungverstärktwerden.Dashatsichin den vergangenen Jahrzehnten grundlegend geändert: Das Verhältnis zwi schenGütern undKonsumentenistjetztvoneinemMangelanKonsumen tengeprägt,dieUnternehmenmüssendieNachfragegenauabschätzenund dementsprechendproduzieren.

10.2.3

DasVerhältnis zwischenProdu zentenundKon sumentenhat sichindenletz tenJahrzehnten geändert.

Marktattraktivität

Eines der wichtigsten Beurteilungskriterien bei Businessplänen hinsichtlich derRenditechancenistindenAugenderRisikokapitalgeberdiesogenannte Marktattraktivität.8 Erst wenn ein Markt auch hinsichtlich der zukünftigen Renditechancen den Kapitalgebern lohnenswert erscheint, werden diese investieren.DeshalbmüssensichdiewichtigstenPunkteeinerMarktanalyse in begründeter Form (auch die Annahmen müssen begründet werden) in einemBusinessplanwiederfinden.ZudenwichtigstenPunktenzählen:

„ Marktpotenzial(quantitativinGeldwerten) „ Marktwachstum(SteigerungspotenzialinProzent) „ IntensitätdesWettbewerbs(ausderBranchenanalyse) BeiderSchätzungdesMarktpotenzialsoderwachstumsstelltesfürGrün der einen Unterschied dar, ob sie auf einen bereits bestehenden Markt ein tretenmöchtenoderobsievoneinervölligneuenLeistungausgehen.Beim EintrittineinenbereitsbestehendenMarktwirdsehrvielderInformations beschaffung über Größe, Art und Wachstum des Marktes aus bereits vor handene Quellen wie etwa amtliche Statistiken, Branchenberichte oder das Internetmöglichsein.HingegenwirdsicheinGründerbeidenSchätzungen füreineneueLeistungaufAnnahmenundVermutungenverlassenmüssen und auch selbst Marktforschung betreiben. Bei der Schätzung des Markt wachstumsgehtesumdieZukunftserwartungenhinsichtlichderrelevanten Entwicklungen im Umfeld, z.B. die Technologieentwicklung in den nächs ten24Monaten.

285

Einwichtiges Beurteilungskri teriumbei Businessplänen istdieMarkt attraktivität.

10

Markt

10.3 Marktanalyse BeiderMarkt analysewerden Informationen überdasUmfeld, denWettbewerb, dieKonkurrenten undinsbesondere überdiezukünf tigenKunden ausgewertet.

Die genaue Kenntnis des Marktes und dasAbleiten der notwendigen Kon sequenzen für das Marketing, aber auch für den gesamten Geschäftsplan (Unternehmensstrategie)gehörtzudenwesentlichenErfolgsfaktorenfürdas langfristige Bestehen des Unternehmens. Wichtig für ein Gründungsunter nehmen ist es, Informationen über das Umfeld, den dort herrschenden Wettbewerb, über die Konkurrenten und besonders über die zukünftigen Kundenzuerhalten.DamitunterscheidetsichdieMarktanalysevonGrün dungsunternehmenhinsichtlichdernotwendigenInstrumentenichtwesent lichvonderandererUnternehmen,eswerdenjedochandereSchwerpunkte gesetzt.IndenWirtschaftswissenschaften,unddortvorallemindenBerei chen des strategischen Managements und des Marketings, gibt es einige Ansätze, die sich auch für Gründungsunternehmen anwenden lassen, um diese Fragen der Marktanalyse zu beantworten. Die in diesem Zusammen hang relevanten Methoden SWOTAnalyse und Branchenanalyse nach Por ter wurden bereits im vorangegangenen Kapitel erläutert. Im Folgenden wirdnochaufdieKundenanalyseeingegangen.

Kundenanalyse BeiderKunden analysewird ermittelt,wer dieKundensind undwiesiesich verhalten.

NebenderAnalysederBedingungenamMarktundimUmfelddesUnter nehmensisteinezentraleFragebeimStartdiejenigenachdemVerhaltender Kundenbzw.werdieseKundenüberhauptsind.NichtimmersinddieAnt wortenaufdieseFragenfürGründervonBeginnwegklar,davorallemin regulierten oder mehrstufigen Märkten eine genaue Kenntnis des Kaufpro zesses notwendig ist, um die eigentlichen Kunden und deren Bedürfnisse identifizieren zu können, also die genaue Kenntnis des Käuferverhaltens. AuchhabenvieleTrendseinennichtunerheblichenEinflussaufdasVerhal tenderKundenunddamitaufihreKaufprozesse.Beispielhaftkönnenhier die sogenannten hybriden Konsumenten genannt werden. Damit wird ein Phänomen beschrieben, nach dem Kunden zum einen sehr günstige Güter konsumieren (am Mittag Fast Food), aber sich zum anderen auch einen extremerlebnisorientiertenLuxuskonsumgönnen(amAbendimGourmet restaurantessen).Obwohlesdamitimmerschwierigerwird,dasVerhalten derKonsumentenvorauszusagen,gibtesdocheinigegrundlegendePrinzi pien,diedasKäuferverhaltenkennzeichnen.

286

Marktanalyse

10.3

DurchdenKaufeinesProduktsodereinerDienstleistungmöchteeinKunde, sei es ein Privatverbraucher oder industrieller Kunde, ein Bedürfnis befrie digen und handelt damit rein zweckorientiert. Entgegen der landläufigen MeinungistesnichtdieWerbung,diedieseBedürfnissehervorruft,sondern diese sind im Kunden bereits latent vorhanden. Bedürfnisse können sehr unterschiedlich sein, die Spannweite kann vom simplen Stillen des Dursts bis hin zu Selbstverwirklichungs oder Profilierungsbestrebungen reichen. Bemerkenswertdabeiist,dassbeiKaufentscheidungenmehrereBedürfnisse zusammenwirken können, z.B. Stillen von Durst und Streben nach Status, d.h., man wählt ein teures, trendiges Mineralwasser.Aber auch das Invol vement der Kunden, d.h. die „geistige Beteiligung“ beim Kaufprozess, spielt eine Rolle. So gibt es Güter wie etwa Spülmittel, bei denen sachliche Informationen kaum eine Rolle spielen, sondern die Wiedererkennung am Regalausschlaggebendist.DasGegenteildazumitHighInvolvement,also die hohe Beteiligung am Kauf, ist aber eher die Ausnahme als die Regel. DieseGütersindzumeistteuerundhaben aucheinenhohengesellschaftli chen Wert. Die Kunden befassen sichintensiver mit dem Produkt und ma chen sich auch über Produkteigenschaften und qualitäten Gedanken. Bei spielhaftkönntemanhierbeidenKonsumgüterndenAutokaufoderbeiden IndustriegüterndenAnlagenbaunennen.

DurchdenKauf einesProdukts bzw.einer Dienstleistung willderKunde einBedürfnis befriedigen.

HinsichtlichderEinflussfaktorenbetrachtetdieForschungvorallemdieAkti vitäten,diesichvoreinemKaufabspielen.Entscheidungenkönnenwenige Sekundendauernodersichz.B.beimKaufindustriellerAnlagenübermeh rereMonateoderJahrehinziehen.Esspielendabeiindividuelle(intraperso nale) und externe (interpersonale) Einflussfaktoren als auch Störfaktoren eineRolle.BeidenindividuellenEinflussfaktorensindsoverschiedenewie Wissen, Einstellung oder das bereits zuvor genannte Involvement, aber ebensoauchpersönlicheMerkmalewiederLebensstilvonBedeutung.Auch bei den externen Einflussfaktoren zeigen sich Unterschiede: ökonomische undsozialeFaktorenwieFreundeoderFamilienbeeinflussendieEntschei dung. Gestört bzw. beeinflusst werden kann die Entscheidung durch die Verfügbarkeit (Sonderangebot) oder durch den Zeitablauf. Zusätzlich hat der Verwendungszweck (eigener Gebrauch, Geschenk oder Bewirtung) einen nicht unerheblichen Einfluss auf dieKaufentscheidung. Dies ist auch für Unternehmensgründer von Relevanz, da sich damit Hinweise für die Marketingarbeitergeben.SowirdmanalsHerstellervonhochtechnisierten undspezialisiertenAnlageneingrößeresGewichtaufdendirektenKunden kontakt legen als auf eine Zeitschriftenkampagne. Anders sieht es bei Trendproduktenaus.Dortwirdeswichtigsein,innerhalbkürzesterFristan die Trendsetter des jeweiligen Produktbereichs heranzukommen und diese fürdieLeistungzubegeistern.

EineVielzahlvon Faktorenbeein flusstdieKauf entscheidung.

287

10 Kundenbindung istoftwichtiger undeinfacherals dieGewinnung neuerKunden.

Markt

Für ein Unternehmen ist es nicht nur wichtig, Produkte einmal an einen Kunden zu verkaufen, sondern diesen auch als loyalen Kunden über eine längerePeriodehinwegimUnternehmenzubehaltenundsodenCustomer Lifetime Value zu optimieren. Damit rückt die Kundenbindung bei vielen UnternehmenindenMittelpunkt.VorallemfürGründungsunternehmenist es wichtig, nicht nur an die Phase vor dem Kauf zu denken, sondern den gesamtenBuyingCycledesKundenzubetrachten,alsobereitsandieNut zungsphase,sprichKundenservice,zudenkenundnichtnurandenreinen VerkaufdesProdukts.MiteinersolchenBetrachtungsweisekanneinKunde besser an das Unternehmen gebunden werden. Für ein Gründungsunter nehmen ist dies insofern relevant, weil diese Kunden Verbesserungs oder ErweiterungsvorschlägeliefernkönnenunddamitdieVerbreitungdesPro duktesdurcheinebessereAnpassungandieBedürfnissegefördertwird.Ein zweiterEffektistdiepositiveWerbungdurchzufriedeneKunden.9

10.4 Marktstrategie BeiderMarkt strategiewerden dieZieledes Marketings festgelegt.

Die Entwicklung vom Käufermarkt (produzieren, was man absetzen kann) hin zur Umfeldorientierung (Zeitwettbewerb) und Hyperwettbewerb (ge steigerter Wettbewerb) in der jüngeren Vergangenheit hat auch einige Her ausforderungenfürdasMarketingmitsichgebracht.10DurchSättigungser scheinungen und Substitutionskonkurrenz wurden die Positionen der An bieter weiter geschwächt.11 Sich nur noch rein am Absatzmarkt zu orientieren reicht nicht mehr aus, sondern es müssen auch die relevanten Umfeldentwicklungeneinbezogenwerden,z.B.RegulierungenundDeregu lierungen.FürdiemeistenGründerstelltsichdanndieFrage,wiemansein Produkt verkaufen will. Es braucht einiges an Anstrengungen, aber auch Planung,umeingutesProdukterfolgreichandieKundenzubringen.Damit diesauchzielgerichtet,d.h.dieallgemeinenUnternehmenszieleverfolgend geschieht, müssen auch im Bereich des Marketings Entscheidungen getrof fenundinformalerWeiseineinerMarktstrategieniedergelegtwerden.Erst wenn Ziele und daraus abgeleitete Strategien fixiert sind,können Maßnah menohneLeerundIrrläufedurchgeführtwerden. Eine der ersten Herausforderungen nach dem Finden einer Geschäftsidee undderAnalysedesMarktesistes,ausgehendvonden Unternehmenszie len,geeigneteMarktstrategienfürdieUmsetzungamMarktzufindenund sichmöglichstgutamMarktundvorallembeimKundenzupositionieren. Einem Gründer stehen hierbei einige grundsätzliche strategische Möglich keitenoffen,wobeieshauptsächlichumdiegrundlegendeAusrichtungder UnternehmensstrategiegehtundumdenZeitpunktdesMarkteintritts.Dar

288

Marktstrategie

10.4

aufaufbauendkannimRahmenderSegmentierungundPositionierungdie StellungbeimKundenfestgelegtwerden.

10.4.1

Segmentierung

In jedem Lehrbuch über Marketing wird auch die Methode der Marktseg mentierungzurSprachegebracht.IneinerKurzformelkannMarktsegmen tierung als die Aufteilung eines heterogenen Gesamtmarktes in relativ ho mogene Käufergruppen mit dem Ziel der differenziertenAnsprache dieser Gruppen bezeichnet werden.12 Im Vordergrund steht dabei sicherlich die Zufriedenstellung der individuellen Kundenwünsche durch spezifische Produkte. Gleichzeitig wird aber auch ein gezielter und damit effizienterer Werbeeinsatz möglich und der Wettbewerbsdruck vermindert, da die Zahl der Konkurrenten überschaubarer wird. VieleAutoren bezeichnen deshalb dieMarksegmentierungalseinesderKernkonzepteimMarketing.13

Marktsegmentie rungbedeutetdie Aufteilungeines heterogenen Gesamtmarktes inrelativhomo geneKäufer gruppen.

Das Ziel einer Segmentierungsstrategie bei Gründungsunternehmen ist es im Regelfall, dasjenige Kundensegment zu identifizieren, das für den Unter nehmensstartamlukrativstenist.DerVorteileinersolchenSingleSegment Strategie liegt vor allem in einer Bündelung der Kräfte und einem in der RegelgeringerenfinanziellenAufwand,14wasdenbeschränktenRessourcen eines Gründungsunternehmens sehr entgegenkommt. Nachteilig wirkt sich hingegendieAbhängigkeitvonderEntwicklungdieseseinenSegmentsaus. Die relative Stabilität der Marksegmente wird heutzutage aber oftmals durch wechselnde Lebensstile und durch ein sich rasch änderndes Rollen verhalteninfragegestellt,15derBegriffdes„hybridenKonsumenten“drängt sichhierwiederauf.EinKonsumentmusssonichtmehrzwingenddiegan zeZeiteinemeinzelnenSegmentzugehörigsein,sondernwirdjenach(Le bens)Umstand zwischen den Segmenten wechseln. Die Segmentdefinition muss sich zunehmend auch an Lebensstilkriterien orientieren und dabei abernichtnuraufz.B.psychografischeKriterienwieAlterfestgefahrensein, sondernsichausmehrerensolcherKategorienzusammensetzen.

BeieinerSegmen tierungsstrategie werdenbesonders lukrativeKun densegmente bedient.

Eine der wichtigsten Voraussetzungen16, um überhaupt eine Segmentierung und eine darauf aufbauende Positionierung vornehmen zu können, ist die sogenannte Kaufverhaltensrelevanz. Der Kunde in einem solchen segmen tierten Markt muss den Unterschied zwischen den einzelnen Produkten wahrnehmen können und der Unterschied muss für ihn gleichzeitig auch relevantsein.EsmussdurchdasUnternehmeneinenichtzuunterschätzen deÜberzeugungsarbeitgeleistetwerden,damiteineinzigartigerVorteildes eigenenProduktsfürdenKundensichtbarundeinegegenüberdenKonkur renten einzigartige Positionierung erreicht wird. Für Gründungsunterneh men,dienochnichtübereineReputationamMarktverfügen,bedeutetdies

289

10

Markt

einegroßeHerausforderung voralleminderdirektenKommunikationmit demKunden,damandiesenerstvonderVorteilhaftigkeitdereigenenLeis tungüberzeugenmuss. EineSegmentie rungistnursinn voll,wenndas Kundensegment ausreichendgroß undstabilist.

Gleichzeitig muss aber für die Segmentierung eine Gruppe von Kunden mit Ähnlichkeiten der Bedürfnisse existieren, die sich für eine Bearbeitung lohnt, d.h.,dasSegmentmussgroßgenugundauchübereinelängereZeithinweg in ausreichender Größe stabil sein. Damit verbunden ist das Problem der Identifizierbarkeit undAnsprechbarkeit der Kunden, was insbesondere für Gründungsunternehmen wichtig ist, da diesen aufgrund der limitierten Ressourcen in der Regel nicht alle Kommunikationswege offenstehen. An ders als bei Großunternehmen, bei denen die Fehleinschätzung eines Seg ments lediglich zu Umsatzeinbußen führt, kann die Fehleinschätzung bei einemGründungsunternehmenexistenzbedrohendsein. Zur eigentlichen Marktsegmentierung können unterschiedliche Kriterien he rangezogen werden. In der Regel werden dabei mehrere Kriterien kombi niert.DiesistauchfüreherkleinereGründungsunternehmensinnvoll,daso von Beginn an die Zielkunden sehr genau festgelegt werden können und Streuverlustevermiedenwerden.GenerelllassensichdabeifünfKategorien von Kriterien zur Marktsegmentierung17 in Konsumgütermärkten unter scheiden:

„ Bedürfnisse(bzw.Nutzenvorstellungen) „ soziodemografischeKriterien(Alter,Beruf) „ verhaltensorientierteKriterien(Preisverhalten,Mediennutzung) „ psychografischeKriterien(Lebensstil,Kaufabsichten) „ geografischeKriterien(Land,Ortsteile) Lebensstil kriterienwerden beiderSegmen tierungimmer bedeutender.

IndenletztenJahrenhatdieEinteilungnachLebensstilkriterienimmerweiter zugenommen,jedochwirddamitdieErfassungvonaktuellenundlatenten Bedürfnissen für die Unternehmung immer schwieriger. Bei Industriegü termärktensolltemanauchandieEinkaufsgremien(„BuyingCenter“)den ken,wodieEntscheidungüberKaufoderNichtkaufnichtvoneinerEinzel persongefälltwird,sondernvonmehreren.Zusätzlichzudenbereitszuvor genannten Kriterien können bei Industriemärkten auch branchen (z.B. Konkurrenzintensität) oder unternehmensbezogene Kriterien (z.B. Umsatz oderMitarbeiterzahl)eineRollespielen.18 Beim Vorgehen für die Segmentierung gehen vieleAutoren von einem drei stufigen Verfahren aus, das die Datenerhebung, analyse und die Profiler stellung umfasst.19 Ein solches Segmentierungsverfahren sollte von Zeit zu Zeitwiederholtwerden,dasichMarktsegmenteaufgrundgeänderterPräfe renzenundEinstellungenverändernkönnen.SokannsicheinStartupnicht

290

Marktstrategie

10.4

darauf verlassen, dass diejenige Segmentierung, die beim Unternehmens startgewähltwurde,auchindenJahrendesWachstumsnochrelevantist.

10.4.2 Positionierung MitderSegmentierungkannfestlegtwerden,werdieKundeneinesUnter nehmenssind.DaraufaufbauendergibtsichdanndieFragenachderPositi onierung, also der Sicht des Kunden auf das Unternehmen, bzw. nach den Alleinstellungsmerkmalen des Unternehmens gegenüber der Konkurrenz. Positionierung bedeutet die aktive Planung, Gestaltung und Kontrolle des Unternehmensimages am Markt allgemein und insbesondere beim Kun den.20 Die Positionierung eines Unternehmens, einzelner Geschäftsfelder odereinesProduktsistvorallembeiGründungsunternehmensehrwichtig, da sich dadurch eineAbgrenzung gegenüber den Konkurrenten am Markt erzielenlässt.SehroftwerdendieFragenderSegmentierungundPositionie rung aus Praktikabilitätsgründen bei einem Gründungsunternehmen ge meinsam abgeklärt. Es bestehen jedoch einige Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um überhaupt zu einer Segmentierung und zu einer darauf aufbauendenundpassendenPositionierungzukommen.

Positionierung bedeutetdie aktivePlanung, Gestaltungund Kontrolledes Unternehmens imagesbeim Kunden.

In einem ersten Schritt wird es für Gründer wichtig sein, eine klare Tren nung in der Kaufabsicht mithilfe von Segmentierungskriterien zu bilden, also zwischen Kauf und Nichtkauf unterscheiden zu können. Bei Grün dungsunternehmen können in einem weiteren Schritt mitder Kombination verschiedener Kriterien weiter Segmentierungen vorgenommen werden. Zielsollteessein,amSchlussdiejenigeKundengruppebestimmenzu kön nen, deren Bearbeitung durch gesonderte Marketingmaßnahmen am meis ten lohnenswert ist, und nicht in undifferenzierter Form den Gesamtmarkt bearbeiten zu wollen. Bei der Positionierung muss sich ein Gründer ent scheiden, wie viele unterschiedliche Merkmale zur Unterscheidung am Marktherangezogenwerdensollen.WichtigfürGründungsunternehmenist es,sich auf wenige, klar kommunizierte Merkmale zu beschränken, die für denKundenfürdenKaufentscheidrelevantundeingängigsind.

Gründungsunter nehmensollten sichbeiderPosi tionierungauf wenige,klar kommunizierte Merkmale beschränken.

291

10

Markt

Unternehmerprofil:DirkKrausundPatrickChailliévonYOC Nachdem in Deutschland nach Expertenschätzungen zur Zeit 2,5 Mrd. SMS pro Monat mit steigender Tendenz versandt werden, gewinnt der Bereich des Mobile Marketing zunehmend an Attraktivität.21 Die im Dezember 2000 von Dirk Kraus und Patrick Chaillié (beide zuvor bei Roland Berger & Partner) zusammen mit drei Finanzinvestoren gegründete Berliner YOC AG („your opinion counts“) bewegt sich in diesem neuen Marktsegment, das erst mit der massenhaften Verbreitung von Handys und dem Boom bei SMS möglich wurde. Inzwischen ist das Unternehmen nach eigenen Angaben zu einem der führenden Full-Service-Anbieter im Bereich Mobile Marketing und Mobile Commerce in Deutschland aufgestiegen. Der Markteintrittszeitpunkt war zu Beginn des Jahres 2001 also nicht schlecht gewählt, es stellte sich jedoch die Frage, wie man diesen Eintritt gestalten sollte. Auch bestand bei der Gründung für die YOC AG die Herausforderung, schnell zu einer breiten Basis an Kundeninformation wie Handynummern und Informationen zur Person zu kommen.

EineteureWerbe kampagnekonnte sichYOCnicht leisten.Also wurdenunkon ventionelle Mittelgewählt.

Eine groß angelegte Werbekampagne z. B. in verschiedenen Jungendzeitschriften war allein aus Kostengründen ein Ding der Unmöglichkeit. Zusammen mit der Agentur Aimaq Rapp Stolle wurde daher von YOC ein erstes Start-Event geplant, um möglichst günstig in den Mark zu gelangen. Dafür bot sich das sogenannte Guerilla-Marketing an. Damit wird versucht, Kunden mithilfe unkonventioneller Methoden und mit begrenzten Mitteln zu akquirieren. Auch das virale Marketing (sich selbst ausbreitende Kampagnen) gehört zu dieser Art Marketing. Besonders für Start-ups sind solche Maßnahmen bei einem beschränkten Etat und nicht vorhandener Bekanntheit auf dem Markt sinnvoll. Beim Start-Event von YOC konnten interessierte Handybenutzer per SMS darüber abstimmen, ob ein über dem Potsdamer Platz baumelnder Porsche 911 unter den Teilnehmern verlost wird oder man diesen runterfallen lässt. Parallel dazu wurden eine Plakatkampagne gestartet, massive Radiofeatures geschaltet und ein Flash-Game per E-Mail versandt, in dem der Empfänger einen nagelneuen Porsche zerschmettern konnte. Der Rücklauf war gewaltig, YOC bekam knapp 80.000 registrierte User in der ersten Woche. Der Porsche überlebte diese erste Aktion mit 53 % Crash-Stimmen knapp nicht. YOC kam über das starke Medienecho bei dieser Aktion „Crash oder Cash“ und die Popularität bei den Handynutzern zu einem ersten Kundendatenstamm und zu den ersten Großkunden. Fast jede Fernsehstation (einschließlich CNN und das neuseeländische Fernsehen) berichtete zur Primetime in den Nachrichten über den zerstörten Porsche, ein auch für Großunternehmen fast aussichtsloses Unterfangen. YOC wurde quasi über Nacht bei der gewünschten Zielgruppe der 13- bis 29Jährigen populär. Ebenso genügt seit dieser Aktion bei den Geschäftskunden der Satz: „Sie wissen schon, die mit dem Porsche“, um die Verbindung zu YOC herzustellen. Das Konzept des Guerilla-Marketings hatte bei YOC den gewünschten Erfolg gebracht. Mehr Informationen unter: www.yoc.de.

292

Marktforschung

10.5

10.5

Marktforschung

BereitsimVorfeldderGründungbestehteinewesentlicheHerausforderung inderrichtigenAbschätzungdesMarktpotenzialseinerGründungsideeund desvorherrschendenWettbewerbsaufdemrelevantenMarkt.DieResultate solcherAbschätzungenzusammenmiteinerKostenabschätzungzeigenauf, ob eine Gründungsidee überhaupt wirtschaftlich machbar ist und einen anhaltenden Erfolg verspricht. Nach der Gründung kann der Erfolg eines Unternehmensletztendlichdarangemessenwerden,obsichdessenProduk teoderDienstleistungennachhaltigaufdemMarktbewähren.Diesistnicht zuletzt von der Erfüllung des Kundennutzens und der Erreichung einer hohenKundenzufriedenheitabhängig.

Marktforschung bedeutetdie systematische Sammlungund Aufbereitungvon Datenüberden Markt.

Die Wettbewerbsvorteile, die ein Unternehmen gegenüber den anderen Anbieternhat,müssendurcheinederZielgruppeangepasstenMarktstrate gieklarhervortreten.DieMarktforschungschaffthierfürdieVoraussetzun gen,indemsiediedafürnotwendigenInformationenbeschafftundaufberei tet.NichtimmerverfügenangehendeGründerallerdingsüberdieerforder lichen finanziellen Ressourcen, die notwendigen Daten extern, z.B. bei Marktforschungsinstituten, einzukaufen. Hohe Fixkosten bei gewissen In strumentenverhindernderenEinsatzinneugegründetenUnternehmen,da diese auch im Marketing äußerst limitierte Ressourcen zur Verfügung ha ben. Die Alternative besteht darin, die Informationen selbst zu beschaffen und in geeigneter Form aufzubereiten, was sich je nach Hintergrund der GründeralsmehrodermindergroßeHürdeerweist.Dieskanndazuführen, dassdieAngaben zu den Märkten in Businessplänen zu oberflächlich oder zuvagesind.

Marktforschung schafftdieVor aussetzungenfür eineMarkt strategie.

10.5.1

Die Rolle der Marktforschung

Bei Gründungen aus dem technischen Bereich kann sehr oft eher eine Pro duktalseineMarktorientierungverzeichnetwerden.DietechnischeIdeeist ausgefeilt,aberdieGründersindsichnichtimmersicher,damitauchwirk lichdieKundenbedürfnisseundansprüchezutreffen,geschweigedenn,ob ein ausreichend großes Marktpotenzial vorhanden ist oder Konkurrenten einvergleichbaresProduktzueinemgünstigerenPreisanbieten.DasMarke tingunddieMarktforschungstelleneindiametralesDenkenvomMarkther dar,wasindieAusrichtungderUnternehmungeingebrachtwird.Dadurch sollen bessere Entscheidungen durch eine reduzierte Unsicherheit ermög lichtwerden.DieMarktforschungkannaberkeineEntscheidungenersetzen, geschweige denn einen Erfolg garantieren.22 Unter dem Begriff Marktfor

293

Marktforschung liefertDaten, kannaberkeine Entscheidungen ersetzen.

10

Markt

schung23könnenInformationenverstandenwerden,diebenutztwerdenfür die:

„ Identifizierung und Definition von Marketingchancen und problemen: Be stimmungvonMarktsegmenten,Wettbewerbsanalyse,Ermittlungneuer Bedürfnisse von Konsumenten, Untersuchung potenzieller neuer Märk te,PrognosedesMarktvolumens

„ Entwicklung, Modifizierung und Überprüfung von Marketingmaßnahmen: Werbepretests,Produkttests,Werbeerfolgskontrolle,Testmärkte

„ Überprüfung des Marketingerfolgs: Beobachtung der Marktanteilsentwick lung,Imageanalysen,MessungderKundenzufriedenheit Es kann eine Zweiteilung des Begriffes ausgemacht werden. Zum einen deckt der Begriff der Marktforschung den Bereich der Informationssuche undauswertungimRahmenderMarktuntersuchungabundzumanderen bildet die Marktforschung die Basis für die Entwicklungeiner Marktstrate gie. DieErgebnisse derMarktfor schungdienender Marktabschät zungundder Planungvon Marketing aktivitäten.

ImBusinessplangibteszweiwesentlicheAnwendungsfelderfürdieErgeb nisse einer Marktuntersuchung: In einer Marktabschätzung sollten Gründer zweigrundlegendeFragenbeantwortenkönnen.Zumeinengehtesumdie Abklärung, wie groß der Markt ist, auf dem Gründer tätig werden wollen, und welche Wachstumsraten er aufweist. Zum anderen sollte eine solche AbschätzungauchdarüberAuskunftgeben,wasdenWettbewerbindiesem Markt kennzeichnet. Marktforschung ist aber auch die Voraussetzung für eine marktorientierte Planung der Marketingaktivitäten. Um eine zutreffende Marketingplanung zu gestalten, die die Wünsche bzw.Anforderungen des Kunden genau trifft, ist es wichtig, die einzelnen Produktmärkte genau zu kennen.EbensosolltederGründerabschätzenkönnen,wiesichderEinsatz seiner Marketinginstrumente auswirkt, was am besten mithilfe von Befra gungenbeipotenziellenKundenerfolgenkann.

10.5.2 Primärund Sekundär forschung

Marktforschungsinstrumente

InderwissenschaftlichenLiteraturhatsicheineUnterteilunginsogenannte PrimärundSekundärforschungetabliert,umsichinderVielzahlverschie dener Marktforschungsinstrumente orientieren zu können. Diese Zweitei lung unterscheidet danach, ob man eine Marktuntersuchung selbst vor nimmt (Primärforschung) oder bereits vorhandenes Material nutzt (Sekun därforschung).InsbesonderemitdemzunehmendenEinsatzvonmodernen Informations und Kommunikationstechnologien im Bereich der Marktfor schung hat die Anzahl der Instrumente fast unüberschaubare Ausmaße

294

Marktforschung

10.5

angenommen. Nicht alle vorhandenen Instrumente sind aber für Gründer einsetzbarundineinererstenPhasedesUnternehmenssinnvoll.Sowirdes für die Gründer in den wenigsten Fällen möglich sein, bei einem neuen ProduktausderKonsumgüterindustrieeinerepräsentativeBevölkerungser hebungdurchzuführenoderdurchführenzulassen,sondernmanwirdviel eher versuchen, möglichst ähnliche vorhandene Daten einer bereits beste hendenUntersuchungzubeschaffen. Als Gründer wird man in der Regel aus Praktikabilitätsgründen mit der Suche nach existierenden Untersuchungen beginnen und etwa im Internet nachbereitsbestehendenundfürdieeigenenBedürfnissepassendenMarkt erhebungen suchen (Sekundärforschung). Dies ist vor allem in einer ersten Phase einer Gründungsidee sinnvoll, da so grob abgeschätzt werden kann, ob überhaupt ein genügend großer Markt für das neue Produkt bzw. die neueDienstleistungvorhandenunddamitdieGeschäftsideeauchausfinan zieller Sicht realisierbar ist. In einem fortgeschrittenen Stadium der Grün dungwirdsichzunehmenddieFragenacheinerEigenerhebungderDaten odereinemZukaufstellen(Primärforschung).DerFaktorZeit,diezurVer fügungstehendenMittelunddieWichtigkeitderDatenstellenKriteriendar, die zur Entscheidungsfindung herbeigezogen werden können. Diese Krite rien können auch bei der Entscheidung für oder gegen bestimmte Instru mentederMarktforschungeineRollespielen.

Gründerbeginnen beiderSekundär forschung.

Sekundärforschung Die Sekundärforschung, im Englischen desk research genannt, bezieht ihre Informationen aus bereits vorhandenen Quellen, die man gegebenenfalls neuinterpretiert,indemmandiespezifischeeigeneUnternehmenssituation mit berücksichtigt. Diese Informationen wurden zumeist von Dritten für ähnliche oder auch völlig andere Untersuchungszwecke erhoben.24 Der VorteildieserErhebungbestehtinderraschenundteilweiseauchkostenlo senZugänglichkeitvonDaten.WenndiePrimärmarkterhebungausKosten oderZeitgründennichtmöglichist,wirddieSuchenachSekundärmarktda tenzureinzigenAlternative.ImZeitalterdesInternetsundderSuchmaschi nen hat sich die Suche nach geeigneten Informationen vereinfacht und es besteht daher nun eher das Problem, aus einer großen Anzahl möglicher Quellen die für die eigenen Bedürfnisse angemessensten Erhebungen zu identifizieren.OftmalsstelltsichdanndasProblem,dassimInternetgefun deneDatenzuweniggenau,falschgegliedertoderveraltetsind.Soerschei nenamtlicheStatistikenofterstmiteinigerVerzögerung.Zusätzlichkönnen Sekundärdaten Fehler oder sogar bewusste Unwahrheiten beinhalten, be sonderswennesumdieBeurteilungderSituationaufdemMarktgeht.Die gefundenen Daten sollte man daher einer genauen Untersuchung unterzie

295

BeiderSekundär forschungwerden bestehendeQuel lenausgewertet.

10

Markt

hen,wobeisichhierdieGrenzenderSekundärforschungzeigen.Sokönnen sichinsbesondereindynamischenMärktendieentsprechendenRahmenbe dingungenbereitsnachkurzerFristgrundlegendändern(mandenkedabei an den Telekommunikationsmarkt) und dadurch Untersuchungen, die „nur“ein,zweiJahrealtsind,bereitsihreAussagekraftverlorenhaben. 

Tabelle101

QuellenderSekundärforschung Außerbetriebliche Quellen Reklamationen, Briefe, Beanstandungen

Jahresberichte, Sozialbilanzen

Informationen vom Vertrieb oder Callcenter

Fachzeitschriften

Intranet

Websites der Konkurrenz

Frühere Marktforschungen

Websites von Verbänden, Marktforschern, Meinungsbildern, Medien

Unterlagen Rechnungswesen

Konkurrenzpublikationen

Berichte über Konkurrenten

Forschungsberichte und Veröffentlichungen von Marktforschungsinstituten

Konkurrenzwerbematerial

Öffentliche Studien

Primärforschung DiePrimär forschungerhebt neueDaten.

Bei der Primärforschung (englisch: field research) werden Daten aufgrund einesForschungsplansneuundspeziellfüreinUnternehmenerhoben,z.B. durcheineBefragungunterpotenziellenZielkunden.DiesbringtdenVorteil einersehrgroßenAktualitätderDatenundistauchspeziellaufdieAnfor derungenderAuftraggeberzugeschnitten.Demstehenaberschwerwiegen deNachteiledieserArtderErhebunggegenüber:DieKosten,diebeimEin kauf oder bei eigener Erstellung einer aussagekräftigen Primärerhebung anfallen, sind nicht zu unterschätzen. Wenn sich die Gründer aber zur DurchführungeinereigenenErhebungentscheiden,soistdiesemitzusätzli chen Herausforderungen verbunden, da die Planung und Durchführung einigesanWissenvoraussetzt. EssindverschiedeneArtenderPrimärerhebungdenkbar,diesichnachArt und Anzahl der befragten Personen bzw. Institutionen unterscheiden. Von deninderempirischenSozialforschunggrundsätzlichdenkbarenMethoden

296

Marktforschung

10.5

kommen im Rahmen einer Marktforschung für eine Unternehmensgrün dung vor allem die Befragung oder eine Beobachtung zum Einsatz. Wobei die Befragung das gebräuchlichste Instrument ist. Befragungen können entweder mündlich (in Form von Interviews) oder schriftlich (in Form von Fragebogen) durchgeführt werden. Beiden Interviews lässt sich weiter un terscheidennachFacetofaceBefragungenundtelefonischenBefragungen. MitdemInternetbietensichgeradefürGründerzusätzlicheundvorallem preisgünstige Alternativen zum klassischen Weg über Telefon oder Post. Onlinebefragungen bieten den Vorteil, dass die Daten bereits in elektroni scher Form vorliegen und von vielen Nutzern auch problemlos akzeptiert werden.ProblematischwirdeineUntersuchungdann,wenndamitnichtdie gewünschten Zielgruppen erfasst werden. Bei einer Befragung muss man sichzusätzlichentscheiden,obmaneinequantitativeoderqualitativeErhe bungdurchführenmöchte.

Tabelle102

VorundNachteilederPrimärinstrumente

Schriftliche Befragung

Mündliche/persönliche Befragung (Face-to-face)

Telefonische Befragung



Großes Gebiet wird abgedeckt



Rücklaufquote ist geringer als bei anderen Methoden



Keine Verzerrung 



Geringe Kosten pro Befragten

Umfang des Fragebogens ist limitiert



Unsicher, wer Fragebogen ausfüllt



Hohe Erfolgsquote



Hohe Kosten, da persönlicher Besuch



Zusätzliche Fragen möglich



Verzerrungsgefahren durch Interviewer



Kurzfristig einsetzbar, flexibel





Kosten sind geringer als bei der mündlichen Befragung

Keine Fragen mit umfangreichen Antwortkategorien möglich



Nur bestimmte Fragenkategorien möglich aufgrund Anonymität

 Bei einer quantitativen Befragung wird meistens versucht, repräsentative Stichproben, d.h. die Grundgesamtheit möglichst genau abbildende Stich proben,zuerheben,umeinAbbilddergesamtenKundenwünscheundan sprüchezuerhalten.WennmaneinerepräsentativeStichprobeerhebenwill, ist es wichtig, dass man die Befragten anhand eines wirklichen Zufallsaus

297

Quantitativeund qualitative Befragungen habenunter schiedlicheZiele.

10

Markt

wahlverfahrens auswählt und nicht willkürlich oder bewusst die Personen befragt, die einfach erreichbar oder vermeintlich repräsentativ erscheinen. BeieinerqualitativenBefragung,diemeistensalslängeresInterviewdurchge führt wird, kann man mehr in die Tiefe gehen, z.B. mehr über die Beweg gründefürKaufoderNichtkaufbzw.überdiegenauenKundenanforderun gen erfahren. Bei Unternehmensgründern könnte man so etwa eine Grup pendiskussion mit potenziellen Kunden durchführen, um das geplante Leistungsangebotzuoptimieren.

10.5.3

Phasen der Marktforschung

Marktforschung kostetZeitund Geld.

Marktforschung beansprucht Ressourcen aus finanzieller und personeller Hinsicht.DeswegensolltejederGründerzunächstklären,obeineMarktun tersuchung für ein bestimmtes Gebiet notwendig ist und ob diese selbst durchgeführt werden soll. So lässt sich die Frage stellen,ob genügend Zeit zurVerfügungsteht,umeineUntersuchungdurchzuführen.Wennmanz.B. eine schriftliche Erhebung mit Fragebogen durchführen möchte, muss man von einer Rücklaufzeit von etwa einem Monat ausgehen. Ein weiterer As pektbetrifftdiebereitsvorliegendenInformationen.Esmussimmerfürden Einzelfall geprüft werden, ob, wie und in welchem Umfang eine Marktun tersuchungdurchgeführtwerdensoll.

DieProblem stellungsollte bewusstund möglichst schriftlichfest gehaltenwerden.

DerersteSchrittistdieProblemdefinition,durchdiederRahmendergesam tenUntersuchungfestgelegtwird.DieseersteDefinitionistsehrwichtig,da Fehler oder Ungenauigkeiten in den folgenden Schritten nicht mehr ausge bessertwerdenkönnen.EinefalscheoderdiewahreProblematiknurunzu reichendabbildendeDefinitionkanndurchkeinenochsoguteKonstruktion der Messinstrumente wieder wettgemacht werden. Das Problem sollte be wusst und möglichst schriftlich festgehalten werden, damit sich die invol viertenGründungsmitgliederundgegebenenfallsdiemitderDurchführung einer Marktuntersuchung beauftragten externen Spezialisten über Art und UmfangderProblemstellungeinigsind. DieFestlegungderUntersuchungszielebedeuteteineweitereKonkretisierung derinderProblemdefinitionbereitsumrissenenGebiete.ImHinblickaufdie inderRegelsehrbeschränktenMittel(finanziellundpersonell)vonUnter nehmensgründern muss hier das Untersuchungsziel eng gesteckt werden. Sobringteswenig,eineeuropaweiteUntersuchungzumKaufverhaltender angestrebten Kundengruppe durchzuführen, wenn sich die Unternehmung in einer ersten Phase auf die Bearbeitung des deutschsprachigen Raumes beschränkt. Mit der Festlegung der Untersuchungsziele muss auch dieArt der Untersuchung festgelegt werden. Es kann hier zwischen explorativen (Zusammenhänge zwischen Variablen), deskriptiven (Beschreibung der

298

Marktforschung

10.5

Eigenschaften) und Kausaluntersuchungen (Ursachen für Verhalten) unter schieden werden. Am gebräuchlichsten ist die deskriptive Untersuchung, diemiteinfachenMittelndurchführbarist.MiteinersolchenUntersuchung werdenfüreineGründungsowichtigeFragenwiedieGrößeeinesMarktes oder die Merkmale der Zielkunden ermittelt. Im Idealfall sollte aus den UntersuchungsergebnissenaufdieGrundgesamtheit,z.B.denZielmarktfür einneuzugestaltendesRestaurant,geschlossenwerdenkönnen. MitderFestlegungdesUntersuchungsdesignswerdenFragenzurAnlageder Untersuchung geklärt: Wie viele Personen soll die Stichprobe umfassen? Welche Art der Untersuchung soll durchgeführt werden? Danach können die Messinstrumente entwickelt werden. Bei einer Unternehmensgründung werdensehroftBefragungenmithilfevonFragebogen(schriftlichodertele fonischzubeantworten)durchgeführt.DieErstellungeinesFragebogensist jedoch für Ungeübte sehr schwierig, da viele Fehlerquellen nicht auf den erstenBlickersichtlichsind.

DasUnter suchungsdesign beschreibtdas konkreteVorge hen.

NachderErstellungeinesAnalyseplans,derdiewesentlichenAuswertungen festlegt (wichtig bei der externen Vergabe der Marktforschung), kann die Datensammlungerfolgen.FürGründerbedeutetdiesoftmalsdenerstenKon takt mit potenziellen Kunden, sei es in Form einer telefonischen odereiner schriftlichen Befragung. Doch nicht jeder Fragebogen ist von Anfang an perfekt, sondern es sollten mit einigen ausgewählten Personen sogenannte Pretestsdurchgeführtwerden.MitsolchenTestskannunteranderemfestge stellt werden, ob der Fragebogen von den Teilnehmern verstanden wurde oder ob die Länge des Fragebogens stimmt. Eine häufige Fehlerquelle bei FragebogenistdieVerwendungvonFachausdrücken,dievondenBefragten nichtverstandenwerden.DieLängevonFragebogenistmitunterauchUrsa chefürschlechteRücklaufquoten.FragebogenvonüberzweiSeitenwerden inallgemeinenBefragungenoftalszulangempfundenundnichtausgefüllt. NachdemdieErhebungerfolgreichdurchgeführtwurde,könnendieerhalte nenDatenausgewertetundineinemBerichtdargestelltwerden.FürdieAna lysederDatenreichtbeieinfachenBefragungeneingängigesTabellenkalku lationsprogramm.25

Vordereigentli chenBefragung wirdofteinPre testdurchgeführt.

Wie entwickle ich einen guten Fragebogen? Die Entwicklung eines guten Fragebogens ist nicht einfach. Es gibt jedoch einige nützliche Hilfen, um die Qualität einer Erhebung durch Fragebogen zuverbessern:

„ Ein gutes Anschreiben erhöht die Rücklaufquote, ebenso das Angeben einerAnsprechpersonsowiedasBeilegeneinesRückantwortbogens.

299

10

Markt

„ AmAnfangsolltensogenannteEisbrecherfrageneingebautwerden,also ehereinfachere/nichtsensitiveFragen,umVertrauenzuschaffen.

„ Sensitive Fragen wie z.B. zum Umsatz eines Unternehmens, gehören eherandenSchlusseinesFragebogens.

„ EinFragebogensolltenichtzulangsein,maximalzweiSeiten(Trick:Ein gefaltetesDinA3BlattwirdvonvielenalszweiSeitenwahrgenommen).

„ Keine persönlichen oder zu intime Fragen zur Person bzw. zum Unter nehmenstellen,soferndiesenichtabsolutnötigsind.

„ ImFragebogenmussfürdenBefragteneinroterFadenersichtlichsein,er mussdurchdenFragebogengeführtwerden.

„ TestendesFragebogensbeieinerkleinenGruppe,umihnaufVerständ lichkeit,LogikundLängezuprüfen(sogenannterPretest).

10.6 DasMarketing konzeptistein Werkzeugzur Koordination vonZielenund Mitteln.

Marketingkonzept

Das Marketingkonzept stellt ein System bzw. Werkzeug dar, mit dem die ZieleimBereichdesMarketingsfestgehaltenwerdenundderMitteleinsatz koordiniert wird. Dieses Konzept ist also ein Mittel zum Zweck und sollte nichtdasZielselbstsein,weilesineinenBusinessplangehört.Dasfolgende Schema zeigt eine idealtypische Vorgehensweise für die Erstellung eines Marketingkonzeptes.26 Es ist also nicht zweckdienlich, sich in jedem Fall unbedingtdaranzuhalten,sondernessolltefürdieindividuellenAnforde rungen ähnlich wie beim gesamten Businessplan angepasst werden. Zwar werdennichtallePunkteunbedingtindieserReihenfolgeundamgleichen Ort im Businessplan erscheinen, es sollten jedoch alle Punkte bearbeitet werdenumeinsichstimmigesKonzeptzuerhalten.EinMarketingkonzept beinhaltetineinerIdealversiondiefolgendenPunkte:27 1. VorgabenausderUnternehmensstrategie 2. Unternehmensanalyse 3. Marktanalyse 4. Marketingziele 5. Marketinginstrumente(MarketingMix) 6. Infrastrukturen 7. Marketingtaktik

300

Marketingkonzept

10.6

8. Implementierung/Kontrolle AusderallgemeinenUnternehmensstrategiestammendieVorgabenfürdas Marketing, sie werden mit Informationen aus der Unternehmens und Marktanalyse ergänzt. Als Resultat sollte eine Liste mit Marketingzielen erstellt werden, die grundlegende Fragen wie Segmentierung oder Positio nierung beantwortet.Ausgehend von diesenAntworten können die einzel nen Maßnahmen, der MarketingMix, in sich und mit der Gesamtstrategie stimmiggeplantwerden. Die Marketingtaktik beschreibt den kurzfristigen Einsatz dieser Mittel, stellt also eineArt Projektplanung dar. Um den Kreislauf zu schließen und not wendigeAnpassungenvornehmenzukönnen,stehtnachderImplementie rung die Kontrolle der getroffenen Maßnahmen. Der Zeithorizont erstreckt sichbeiderstrategischenPlanung(1bis4),alsoderZielvorgabe,übermeh rereJahre,beimMarketingMixeherübereinekürzerePeriode,diemeistens einKalenderjahrumfasst.AlsGründerdarfmandabeinichtvergessen,dass einige Maßnahmen einiges an Zeit brauchen, bis sie wirksam werden, z.B. bissicheinBegriffindenKöpfenderKundenfestgesetzthat.

10.6.1

DieMarketing taktikbeschreibt denkurzfristigen Einsatzder Mittel.

Der Marketing-Mix

Der MarketingMix ist innerhalb des Marketingkonzeptes das mittelfristige Instrument, es bestimmt, welche Instrumente in welcher Kombination zur Zielerreichungeingesetztwerden.EineguteMittelkombinationstehthierim Vordergrund und nicht die Optimierung einzelner Instrumente. Ein falsch gewähltes Instrument innerhalb des Mix kann im Extremfall die ganzen Bemühungen zunichte machen, der Kunde akzeptiert das Produkt nicht so starkundkauftesweniger.DieKundennehmenbeimMarketingMixnicht dieWirkungderInstrumenteeinzeln,sonderninihrerGesamtheitwahr.Der Kaufentscheid erfolgt (aus der Sicht des Kunden) aufgrund eines Wertge winns,dieseristfürdiesenKundendieDifferenzzwischenWertsummeund Kostensumme, wobei jedes Instrument auf die beiden Summen Einfluss nehmen kann, daher die Wichtigkeit der Mitteloptimierung.28 Es geht hier aberauchumdieKundenbindung,damitderPlanungdesMarketingMix der nach dem Kauf wahrgenommene Wertgewinn möglichst den vor dem Kauf erwarteten Wertgewinn übersteigt, der Kunde also mit der Leistung zufriedenist.29 DiekurzfristigeÄnderungdesMarketingMixistdabeinichtangebracht,da einige Instrumente erst bei längerfristigem Einsatz Wirkung zeigen (Wer bung, Markenaufbau) oder kurzfristig nicht veränderbar sind (Distributi on).30EinDistributionssystemmussübereinigeZeithinwegaufgebautbzw.

301

DerMarketing Mixbestimmt, welcheInstru menteinwelcher Kombination eingesetzt werden.

10

Markt

der richtige Distributionspartner muss gefunden werden, daher ist es ein eher aussichtsloses Unterfangen, binnen Wochenfrist etwas Grundlegendes daranändernzuwollen.

10.6.2 Elemente des Marketing-Mix DerMarketing Mixbeziehtsich aufdasProdukt, denPreis,die Kommunikation unddie Distribution.

InderLiteraturundPraxishatsichbeimMarketingMixeineEinteilungin vierGruppeneingebürgert:

„ Produktgestaltung: Die Produktgestaltung umfasst alle Maßnahmen, die mit dem Produkt in direkter Verbindung stehen. Dazu gehören neben dem Produkt selbst z.B. die Verpackung, Service oder Garantieleistun gen (Buying Cycle). Ein Produkt kann verschiedeneAusprägungen ha benundkannentwedereinSachgut,eineDienstleistungodereineKom bination davon, ein sogenanntes. Leistungssystem31, sein. Ein solches Leistungssystem kann die Bedürfnisse von Konsumenten oftmals viel besser erfüllen als ein Sachgut. Gleichzeitig werden Kernprodukte im merleichteraustauschbarundeineDifferenzierungistoftmalsnurnoch überdenPreismöglich.LeistungssystemebieteneineAusweichmöglich keit, sich über die Leistung zu differenzieren, indem ein Gesamtpaket angebotenwird.

„ Preispolitik:DurcheineaktivePreisgestaltungkannderUnternehmenser folg maßgeblich gesteigert werden. Zur Preispolitik gehören aber nicht nur der eigentliche Preis, sondern auch preisrelevante Konditionen wie SkontiundRabatte.VieleGründerstehenmitderFestlegungdesPreises voreinigenProblemen,dadieeinfacheFormelPreisplusXoftmalsnicht die vollen Möglichkeiten der Preissetzung ausnutzt. Die Gründer sind beim Unternehmensstart übervorsichtig und setzen zu niedrige Preise. Dies kann im Verlauf des Unternehmenswachstums zu Problemen füh ren,daPreiserhöhungen,vorallembeiStammkunden,schwierigdurch zusetzensindundsodasGewinnpotenzialnichtausgeschöpftwird.

„ Kommunikationspolitik:DadiemeistenProduktewievorhererwähntvon ihrer objektiven Beschaffenheit austauschbar sind, kommt der Kommu nikationeinewesentlicheRollezu.DieKommunikationdientderFörde rungderBeeinflussungdesNachfragersdurchdenAnbieter.Zudenbe kanntesten Instrumenten gehören die Werbung (alle möglichen Medien von der Anzeige im Lokalblatt bis hin zur EMailWerbung), Verkaufs förderungundPR.

„ Distributionspolitik:DerBegriffderDistributionbeziehtsichaufdieAkti vitäten, die zur Überbrückung der zeitlichen und räumlichen Distanz zwischenderErstellungeinerLeistungundderenKaufdurchdenEnd

302

Fallstudie: Bibliotheca RFID Library Systems AG

10.7

kunden anfallen.32 Der Merksatz lautet dabei: Die richtige Leistung am richtigenOrtzurrichtigenZeitinderrichtigenMengeundQualitätbe reitzustellen.FürGründerstelltsichdieFrage,obmandieerheblicheIn vestitionindenAufbaueineseigenenAbsatzkanalsinvestierenwilloder obmanmitanderenUnternehmenindiesemBereichkooperiert.

10.7

Fallstudie: Bibliotheca RFID Library Systems AG

MarcelNaueristGründerderimJahr2002gegründetenZugerFirmaBiblio theca RFID Library SystemsAG, die auf die Entwicklung, Herstellung und das Marketing von Soft und Hardware für die Automatisierung und Me diensicherung in Bibliotheken spezialisiert ist. Da sich Marcel Nauer im ZugederAusweitungdesGeschäftsmodellsfürFirmenundResearchbiblio thekeninteressiert,beauftragteerimFrühling2005einigeStudenten,fürihn eineMarktforschungdurchzuführen.

Mithilfeder RFIDwirdeine Automatisierung inBibliotheken erreicht.

Plattformtechnologie RFID RadioFrequencyIdentification,kurzRFID,isteineTechnologiezurdrahtlo sen und berührungslosen Datenübertragung. Ihr Einsatz wurde vor allem im Einzelhandel unter dem Stichwort „gläserner Kunde“ stark diskutiert. DieEinsatzgebietederRFIDTechnologiesindjedochwesentlichbreiter.Sie reichenvonderAnwendunginbiometrischenPässen,beidenMonatstickets derLondonerUBahn,inRinderfarmenbishinzurPharmaindustrie,woes wichtigist,ProduktevomUrsprungbiszurSenkeverfolgenzukönnen. DasRFIDSystemderFirmaBibliotheca,genanntBiblioChip®RFIDLibrary System,bestehtausdreiHauptkomponenten:denRFIDEtiketten,derSoft wareundmodularenHardwarekomponenten.KernstückdesSystemsistder BiblioChip®, der in einem Etikett auf Büchern, CDs, Videos oder Kassetten angebracht wird. Per Funk werden kodierte Informationen zwischen Lese gerätundBiblioChip®(Transponder)übertragen.Dieskönnenbeispielswei seTitel,AutorundStandortdesBuchessein.ImGegensatzzumBarcodele ser benötigt die RFIDTechnologie keine Sichtverbindung, sodass mehrere mitBiblioChips®ausgestatteteMediengleichzeitigerkanntwerdenkönnen. Konkret wird damit in der Bibliothek eine Ausleihe im Stapel und die SelbstverbuchungvonMediendurchdenBibliotheksbenutzerermöglicht.

303

RFIDisteine Technologiezur drahtlosenund berührungslosen Datenüber tragung.

10

Markt

Leistungssystem Bibliothecabietet Systemlösungen an.

DasLeistungssystemvonBibliothecaumfasstdieEntwicklung,dieProduk tion,dieInstallationunddieWartungderSystemlösung.DieFirmakonzent riert sich dabei auf die Weiterentwicklung des BiblioChip®RFIDSystems sowiederdazugehörigenHardware,dieSchnittstellenmitSoftwarehäusern und die Entwicklung von Marketinginstrumenten für die Distributo ren/Agenten.DieStandardkomponentenwiedieRFIDChipswerdeneinge kauft.DabeiliegteinwichtigerVorteilgegenüberanderenAnbieterndarin, dassdasBibliothecaSystemmitChipsverschiedenerHerstellerfunktioniert. BibliothecaentwickeltaberauchganzeGeräteneu,soz.B.dieSelbstverbu chungsanlage, das Handlesegerät, mit dem die Bestandspflege am Regal erleichtert wird, oder die automatischen Rückgabegeräte mit Sortieranlage undMedienlift.FüreinemittelgroßeBibliothekmiteinemBestandvonun gefähr 100.000 Büchern muss mit Gesamtkosten von mindestens 132.000 CHFgerechnetwerden.

Der Nutzen des BiblioChip®-Systems MitdemSystem isteineSelbst ausleihedurch dieBenutzer möglich.

Aus Sicht des Bibliotheksnutzers ist der größte Vorteil des Systems die Selbstausleihe.DamitwerdendieWartezeitenbeiderAusleihereduziert,die DiskretiongewährleistetunddieBibliothekaresindfürBeratungenverfüg bar.DieRückgabekannwährend24StundenansiebenTageninderWoche und an speziellen Rückgabestationen, z.B. an Bahnhöfen oder anderen öf fentlichenPlätzen,erfolgen.WiesehrKundendasSystemschätzen,wirdam Beispiel der Stadtbibliothek Winterthur deutlich, wo ein halbes Jahr nach Eröffnung bereits 95% der insgesamt 800.000 Aus und Rückbuchungen über die Touchscreenterminals von den Besuchern selbst abgewickelt wur den. Aus der Sicht der Bibliothekare steht die Bewältigung größerer Aus leihmengen mit gleichem Personal im Vordergrund; denn dieAnzahlAus leihungen in den Bibliotheken steigt seit Jahrzehnten stetig. Die direkten Kosten in Höhe von ca. 1,20 CHF proAusleihe und Rückgabe eines Medi ums(vorallemPersonalkosten)könnenmitdemBiblioChip®Systemerheb lichreduziertwerden.Eine2004inderMasticsMorichesShirleyCommuni ty Library (USA) durchgeführte Untersuchung ergab, dass mit dem Biblio Chip®System im Vergleich zum herkömmlichen BarcodeVerfahren (EAS System) bei gleicher Ausleihe bzw. Rückgabe etwa 85% Arbeitszeit einge spart werden können. Die freien Kapazitäten können dann der Intensivie rung der Betreuung der Kunden zugute kommen. Da auch die Bestands pflege am Regal mit Handlesegeräten vereinfacht wird, verlagert sich die Aufgabenverteilung in der Bibliothek von monotonen Sortieraufgaben hin zuRechercheundKundenberatung.EineRFIDInvestitionineineröffentli chen oder wissenschaftlichen Bibliothek lässt sich im Idealfall – anlässlich

304

Fallstudie: Bibliotheca RFID Library Systems AG

10.7

eines Umbaus oder bei Einbau einer Warensicherung – bereits in zwei bis dreiJahrenamortisieren.

Wettbewerbssituation, Markt und Kunden Heute sind neben Bibliotheca Unternehmen wie 3M, Checkpoint Systems undTagsysHauptanbieterineinemMarkt,derjährlichum30–50%wächst. Der gesamte Markt für RFIDbasierte Lösungen wird von dem Unterneh menVentureDevelopmentCorporationaufmehrals2Mrd.USDalleinim Jahr 2005 geschätzt, das Wachstum wird mit 25% angegeben. Laut Marcel Nauer ist Bibliotheca in Europa bereits Marktführer und liegt in den USA sowieweltweitandritterodervierterStelle. Bisher hat sich Bibliotheca auf große öffentliche Bibliotheken konzentriert. Zu Beginn des Jahres 2005 hatte Bibliotheca weltweit bereits 50 Installatio nen vorgenommen. Darunter finden sich z.B. die Städtischen Büchereien Wien,dieLeuvenKatholiekeUniversiteitBibliotheek,dieStuttgarterStadt bibliothek, die London Middlesex University Library sowie die Gemeinde bibliothek in Opfikon. Diese Bibliotheken sind meist öffentlich finanziert, sodass die Vergabeverfahren einige Monate oder sogar länger als ein Jahr dauernkönnen.AufgrundderstriktenVorgabensinddieAusschreibungen zudem sehr personalintensiv und es ist häufig nicht direkt ersichtlich, wer letztlichderEntscheidungsträgerist. Gerade hinsichtlich des Kaufprozesses gibt es Unterschiede zwischen den öffentlichenBibliothekeneinerseitsunddenFirmenundResearchbibliothe kenandererseits.BeiprivatfinanziertenBibliothekenliegtdieEntscheidung typischerweisebeidemBibliothekar.WirdeingewisserBetragüberschritten, fällt die Verantwortung einer übergeordneten Person wie dem Kostenstel lenverantwortlichenzu.BeidenöffentlichenBibliothekenexistiertmeisteine Bibliothekskommission, die Entscheidungen in Absprache mit dem Stadt bzw.Gemeinderattrifft. Häufig sind Bibliothekare technisch und kaufmännisch wenig versiert.An dererseitssindsieaberüberEntwicklungeninderBrancheundNeuerungen jeglicherArtsehrgutausderBranchenpresseinformiert.Siegeltenalssehr anspruchsvolleKunden,diezwaransolidenLösungeninteressiertsind,sich aberwenigerfürdietechnischeSeitederLösunginteressierenundseltenzu den„earlyadaptern“gehören.AußerdemsindBibliothekareuntereinander sehrgutvernetzt,kennensichpersönlichundtauschensoauchvieleInfor mationen informell aus. Das Verhältnis untereinander ist als kollegial zu beschreiben, denn sie konkurrieren nicht. Auch Messen werden gern be sucht.

305

DerMarktfür RFIDbasierte Lösungenwächst schnell.

10

Markt

Marcel Nauer erwartet angesichts sinkender Chippreise, dass in Zukunft nicht nur große öffentliche und wissenschaftliche Bibliotheken, sondern zunehmend auch kleinere Bibliotheken RFIDLösungen einführen werden. Nichtsdestoweniger muss eine Bibliothek über eine gewisse Größe und Ausleihfrequenz verfügen, um vom Einsatz der Technologie zu profitieren. Die kritische Größe muss individuell analysiert werden. Bibliotheken mit reinem Sammel bzw. Archivierungscharakter haben – unabhängig von ihrem eventuell großen Bestand – einen geringeren Nutzen von der RFID TechnologiealskleineBibliothekenmitgroßenAusleihzahlen.

Verkaufskanäle Bibliothecaver treibtihrSystem weltweit.

BibliothecavertreibtihrBiblioChip®Systemweltweit.WährendderVertrieb inderSchweiz,dennordischenLändernunddenUSAübereineTochterge sellschaft organisiert ist, arbeitet sie in den übrigen Ländern mit Agenten und Distributoren zusammen. DieAgentenbetreiben den Verkauf und das Marketing, Bibliotheca die Installation, Support usw. Die Aufgaben des Distributors sind dagegen umfangreicher. Neben den vom Agenten abge decktenAufgabenübernimmterzusätzlichInstallationundSupport.Biblio thecaführtregelmäßigTrainingsfürdieDistributorendurch.InFirmenun terlagenistdazuFolgendeszulesen: „Unsere Verkaufspartner sind bereits seit Jahren in der meist nationalen Biblio theksbrancheetabliert.SoistzumBeispieldieFirmaEKZ(www.ekz.de)seitGrün dung des Unternehmens unser Partner. EKZ beliefert rund 80% der deutschen BibliothekenmitBüchern,BibliotheksmöbelnundTechnik.“ „EinengroßenEinflussaufdieEntscheidung,obBibliothecaalsRFIDLieferantvon einer Bibliothek gewählt wird, haben die LibraryManagementSoftwarehäuser (LMS), welche den Bibliotheken das LibraryManagementSystem und die Daten bankenliefern.MitihnenmussBibliothecaeineRFIDSchnittstelleimplementieren. BibliothecakonntemitdenweltweitgrößtenLMSHäusernverschiedeneVertriebs vereinbarungen treffen, um das BiblioChip®System direkt an deren Kunden zu vertreiben.

Der Arbeitsauftrag MarcelNauer willexpandieren.

MarcelNauermöchtezusätzlichzudenöffentlichenundwissenschaftlichen BibliothekenindenMarktderkleinerenResearchundFirmenbibliotheken expandieren.DurchseinStudiumhatMarcelNauerguteKontaktezurUni versitätSt.Gallen,sodassermiteinerGruppevonStudierendenimRahmen einesMasterLehrgangesfolgendenArbeitsauftragvereinbarthat:

306

Zusammenfassung

„ Bestandesaufnahme der Firmen und Researchbibliotheken im deutsch sprachigenRaumundderenKategorisierung

„ MarktforschungüberdieBedürfnissederBibliothekarevonFirmenund ResearchbibliothekenimdeutschsprachigenRaum(SchwerpunktRFID)

„ Erarbeitung eines Konzepts, in welcher Form und mit welchen Argu menten die ermittelten Bibliotheken mit der neuen Technologie ange sprochen werden können, mit dem Ziel, mindestens einen ersten Kun denzugewinnen Nach einer ersten Recherche stellten sie in ihrer Gruppe fest, dass dieAb grenzungdesBegriffes„Researchbibliothek“selbstfürFachleutenichtganz eindeutigist.SiehabensichinAbsprachemitMarcelNauerentschieden,die Firmen und Researchbibliotheken anzuschauen, die im Bibliotheksver zeichnis„WorldGuidetoLibraries“enthaltensind.Siekonntendaraus274 Bibliotheken in der Schweiz, 1.349 in Deutschland und 210 in Österreich identifizieren,diealsFirmenoderResearchbibliothekinfragekommen.

Fragen zur Fallstudie 1. Welche Punkte würden Sie unbedingt noch mit Ihrem Auftraggeber abklären? 2. Welche Marktforschungsinstrumente stehen Ihnen grundsätzlich zur Verfügung? Welche Vor und Nachteile sind mit den Instrumenten ver bunden? Welche würden Sie für denAuftrag der Firma Bibliotheca be nutzen? 3. WelcheKategorisierungvonBibliothekenwürdenSievorschlagen? 4. WiewürdenSieeinesolcheMarktforschungdurchführen? 5. EntwerfenSiezudiesemZweckeinenFragebogen.

10.8

Zusammenfassung

DieAusrichtungdesUnternehmensimMarktstelltvorallemfürtechnolo gieorientierte Gründungen eine nicht zu unterschätzende Herausforderung dar.Gründerkönnensichnichtmehrdaraufverlassen,dasssichihrProdukt automatischdeswegenverkaufenwird,weilesdietechnischbessereLösung ist. Vielmehr sind größere Anstrengungen auch im Marketing notwendig,

307

10.8

10

Markt

die sich nicht nur auf die Erstellung eines Werbeprospekts beschränken dürfen. Die Grundlage für jede Marktorientierung bildet die genaue Kenntnis des MarktesmitallenTeilnehmern,indemsichdasUnternehmenbewegt.Dies sind nicht nur die unmittelbaren Teilnehmer wie Kunden oder Konkurren ten,auchderStaatkannseinenEinflussausüben.EinederwichtigenAufga be beim Unternehmensstart und bei der BusinessplanErstellung ist es da her,denrelevantenMarktgenauzuanalysieren.Beidenmarktstrategischen Entscheidungen sollten sich die Autoren eines Businessplans darüber Ge dankenmachen,wannundmitwelcherStrategiemanindenMarkteintre ten will. Berücksichtigen sollte man hier den Stand des Produktes im Pro duktlebenszyklus, aber auch die Resultate der Branchenanalyse. Um über hauptzudennotwendigenInformationengelangenzukönnen,müssendie UnternehmereineMarktforschungfürdierelevantenDatendurchführen. Die konkrete Planung der Maßnahmen erfolgt im Marketingkonzept, was unterBerücksichtungderUnternehmensvorgabengeschehenmuss.Beiden mittelfristigenMaßnahmen,demsogenanntenMarketingMix,hatsicheine Einteilung in vier Instrumente eingebürgert: Produkt, Preis, Kommunika tions und Distributionspolitik. Diese vier Instrumente können nicht unab hängig voneinander existieren, sondern beeinflussen sich gegenseitig und müssendaheraufeinanderabgestimmtsein.Auchistesnichtmöglich,die senMixkurzfristigzuändern.

Diskussionsfragen 1. Wieso ist es so wichtig, sich auch als Unternehmen mit einem ausge zeichneten Produkt am Markt zu orientieren, eine Marktorientierung aufzubauen? 2. Was für Schwierigkeiten können bei Kundenbefragungen mit den ver schiedenenMethodenauftreten? 3. Wie muss Ihrer Meinung nach ein Wachstumsunternehmen vorgehen, umeineintegrierteMarktorientierungimgesamtenUnternehmenzuer reichen?

308

Zusammenfassung

Weiterführende Literatur BEREKOVEN, L./ECKERT, W./ELLENRIEDER, P., Marktforschung  methodische GrundlagenundpraktischeAnwendung,11.Auflage,Gabler,Wiesbaden,2006. KOTLER, PH./BLIEMEL, F., Marketing Management – Analyse, Planung und Ver wirklichung,10.Auflage,SchäfferPoeschel,Stuttgart,2001. KUSS, A./TOMCZAK, T., Marketingplanung – Einführung in die marktorientierte UnternehmensundGeschäftsfeldplanung,5.Auflage,Gabler,Wiesbaden,2007. MOORE, G., Crossing the Chasm – marketing and selling technology products to mainstreamcustomers,HarperCollins,NewYork,1991.

Endnoten   1 HILLS, G.,„MarketanalysisinthebusinessPlan–venturecapitalists’perception”,

JournalofSmallBusinessManagement,1985,S.38–46. 2 BRUHN, M., Marketing – Grundlagen für Studium und Praxis, 5. Auflage, Gabler,

Wiesbaden,2001,S.13unddortzitierteLiteratur. 3 ebenda. 4 HERDZINA,K.,EinführungindieMikroökonomik,8.Auflage,Vahlen,München,2002,

S.9. 5 ebenda,S.84. 6 ebenda,S.128ff. 7 BRUHN, M., Marketing – Grundlagen für Studium und Praxis, 5. Auflage, Gabler,

Wiesbaden,2001,S.15f. 8 HEUCHER, M. et al.,Planen,gründen,wachsen–mitdemprofessionellenBusinessplan

zumErfolg,3.,akt.u.erw.Aufl.,Redline,FrankfurtamMain,2002. 9 Abschnitt in Anlehnung an KUSS, A./TOMCZAK, T., Käuferverhalten, 2. Auflage,

Lucius&Lucius,Stuttgart,2000. 10 BRUHN,M.,2001,ebenda,S.15f. 11 KUSS,A./TOMCZAK,T.,ebenda. 12 ebenda. 13 ebenda. 14 NIESCHLAG, R./DICHTL, E./HÖRSCHGEN, H., Marketing, 19. Auflage, Duncker &

Humblot,Berlin,2002,S.837. 15 MUGLER,J.,BetriebswirtschaftslehrederKleinundMittelbetriebe,3.Auflage,Springer,

Wien,1998–1999,S.8. 16 KUSS,A./TOMCZAK,T.,ebenda. 17 ebenda. 18 BRUHN,M.,ebenda,S.60.

309

10.8

10

Markt

19 KOTLER, PH./BLIEMEL, F., Marketing Management – Analyse, Planung und Verwirkli

chung,10.Auflage,SchäfferPoeschel,Stuttgart,2001,S.427. 20 KOTLER,PH./BLIEMEL,F.,ebenda,S.495. 21 Quelle:div.Tageszeitungenundwww.yoc.de. 22 ebenda. 23 ebenda. 24 BEREKOVEN, L./ECKERT, W./ELLENRIEDER, P.,Marktforschung–methodischeGrundla

genundpraktischeAnwendung,11.Auflage,Gabler,Wiesbaden,2006. 25 Abschnitt in Anlehnung an KUSS, A./TOMCZAK, T., Käuferverhalten, 2. Auflage,

Lucius&Lucius,Stuttgart,2000. 26 siehebspw.KUSS/TOMCZAK,2000. 27 BELZ,CHR.,AkzenteiminnovativenMarketing,VerlagThexis,St.Gallen,1998. 28 KOTLER,PH./BLIEMEL,F.,ebenda,S.57. 29 KUSS,A./TOMCZAK,T.,ebenda,S.155. 30 ebenda. 31 BELZ,CHR.,1998,ebenda. 32 WEINHOLD,H.,Marketingin24Lektionen,Waser,Zürich,1998.

310

Einführung

11 Finanzierung

Lernziele Nach der Lektüre dieses Kapitels sollten Sie folgende Fragen beantworten können:

„ WelcheBesonderheitenexistierenimZusammenhangmit derStartup/ KMUFinanzierung und welche Charakteristiken kennzeichnen Markt friktionen und Marktineffizienzen im Bereich der Startup/KMU Finanzierung?

„ Welche Lösungsansätze können zur Behebung der systematischen Fi nanzierungsproblemevonStartups/KMUherangezogenwerden?

„ Welche Unternehmenstypen kennen Sie und welche Besonderheiten charakterisierenderenFinanzierung?

„ WelcheCharakteristikakennzeichnendasFinanzierungsumfeldunddie SpielerimMarkt?

„ Welche Schritte umfasst der Finanzierungsprozess im Detail und wie könnendiesefürdieeigenenZweckeumgesetztwerden?

„ Welche Werkzeuge existieren im Bereich der Gründungsfinanzplanung undwiekönnendieseimpraktischenKontexteingesetztwerden?

Begriffserklärungen Business Angels: In Jungunternehmen investierende Privatpersonen, zu meistUnternehmer,dieoftaktivmitarbeitenundmitgestalten. MezzanineFinanzierungsinstrumente:KombinationvonEigenkapitalund FremdkapitalbestandteilenmitmittleremRenditeundRisikoprofil.1 Neue Institutionenökonomik: Drei Forschungsrichtungen, die sich mit SystemenformalerundinformalerRegelneinschließlichDurchsetzungsmit telnundihrenAuswirkungenaufökonomischeTransaktionenundmensch liches Verhalten befassen (PrincipalAgentTheorie, Transaktionskostenan satz,PropertyRightsTheorie).

311

11.1

11

Finanzierung

VentureCapital:DurchspezialisierteUnternehmenzurVerfügunggestelltes Risikokapital in Verbindung mit gewissen Unterstützungsleistungen, Mit spracheundKontrollrechten.

11.1 Einführung DieSicherungder Zahlungsfähig keitisteine Kernaufgabefür dasGründer team.

Eine der Kernherausforderungen für jedes Gründerteam und jede KMU Führung besteht in der Sicherstellung der jederzeitigen Zahlungsfähigkeit und in der Optimierung der Finanzierungsstruktur des Unternehmens ent sprechend der Phase des Unternehmenslebenszyklus. In diesem Kapitel sollen deshalb ausgehend von diesem Lebenszyklus die Finanzierungsas pektesystematisiertunddiezurVerfügungstehendenFinanzierungsquellen zugeordnet werden. Danach werden die Beiträge der Finanzierungstheorie fürkonkreteProblemstellungenkritischhinterfragt.Dannwerdendiespezi fischen Einflussfaktoren der Finanzierung von Startups und KMU heraus gearbeitet. Es schließt sich eine Analyse der Institutionen des Finanzie rungsmarktes auf Nachfrager und Anbieterseite an. Anschließend werden dieInhaltedesFinanzierungsprozessesvorgestellt,umalspraktischerLeit fadendienenzukönnen.AufspezielleFragenderUnternehmensbewertung beiStartupswirdkurzeingegangen.DenAbschlussbildeteinHinweisauf die Werkzeuge der Gründungsfinanzierung, die zur Erstellung eines Busi ness und Finanzplans erforderlich sind. Das Kapital schließt mit einem UnternehmerprofilundeinemFallbeispielausderFinanzierungspraxis.

11.2 Die Finanzierungsphasen und -quellen im Überblick Eslassensich dreiFinanzie rungsphasen unterscheiden: EarlyStages, ExpansionStages undLaterStages

Die Startup und KMUFinanzierung lässt sich anhand des Modells eines Unternehmenslebenszyklus darstellen.2 Etabliert hat sich mittlerweile eine Unterteilung in drei Hauptphasen: Early Stages: Idee und Gründung; Ex pansion Stages: nationale und internationale Expansion; Later Stages: Re strukturierung und Nachfolge (vgl. Abbildung 111 und Abbildung 112). DiesenlassensichdanntypischeAufgabenstellungenundFinanzierungsty pen zuordnen (vgl.Abbildung 111). Zwar können bei dieser vereinfachten Darstellung gewisse Zuordnungs und Bezeichnungsunschärfen auftreten, füreineersteOrientierungistsiejedochfürdieTheorieundvorallemauch fürdiePraxisgeeignet.

312

Die Finanzierungsphasen und -quellen im Überblick

11.2 Abbildung111

KernaufgabenderFinanzierungsphasen

Quelle: Eigene Darstellung

Die einzelnen Finanzierungsquellen lassen sich in einem weiteren Schritt differenzierteraufführen.GrundsätzlichstehendemStartup/KMUfolgende Kapitalquellen zur Verfügung, die in diesem Kapitel näher betrachtet wer den: Eigenkapital, mezzanines Kapital und Fremdkapital (vgl. Abbildung 112). Zusammen stellen diese Finanzierungsinstrumente eine Art Werkzeugkas tenfürdieFinanzierungdar,damitdasUnternehmeneineaufseineBedürf nissezugeschnitteneLösungzusammenstellenkann.Dabeiistzubeachten, dassEigenkapital3alsvollhaftendes,zinsundtilgungsfreiesKapitalunbe

313

Startupsund KMUmüssendie richtigenFinan zierungsquellen auswählen.

11

Finanzierung

fristet zur Verfügung steht und frei verfügbar (sofern veräußerbar) ist. Es steht für die eigentliche Gründungs, Wachstums, Restrukturierungs, Sa nierungsundInnovationsfinanzierungzurVerfügung.Deutscheundöster reichische KMU weisen im Vergleich zu Schweizer KMU traditionell eine niedrigeEigenkapitalquoteauf,waszuSchwierigkeitenbeiderFremdkapi talbeschaffung führen kann. Das Fremdkapital sollte für die Finanzierung vonInvestitionen,Betriebsmitteln(Bestände,Forderungen,Liquiditätssprit zen) und Projekten eingesetzt werden. Zu erwähnen ist hierbei auch die Mikrofinanzierung,d.h.dieFremdkapitalbereitstellungvonvergleichsweise kleinen Beträgen, die aber dem Finanzierungsbedarf vieler Einmann gründungen entsprechen (vgl. das MikroDarlehen der KfW Mittelstands bankimUmfangvon5.000–25.000EUR).

Abbildung112

SystematikderFinanzierungsquellen

Quelle: Eigene Darstellung



314

Die Grundlagen und Erkenntnisse der Finanzierungstheorie

Diese Kapitalformen können auch nach ihrer Herkunft sowie nach der Er trags und Wertsteigerungsorientierung unterteilt werden. Da mezzanines Kapitalnocheherunbekanntist,sindhierdiedreiEinsatzzweckekurzher ausgestellt:„ImMiddleMarketSegmentsollenmitmezzaninemKapitaldie FinanzierunganstehenderEigentümerwechselunddieLösungbestehender Nachfolgeprobleme sowie Wachstumsfinanzierungen ermöglicht werden, ohne dass es zu einer Verwässerung der Anteile bestehender Eigentümer kommt. Gezielt kann mezzanines Kapital auch für die zeitlich verzögerte BeschaffungvonreinemEigenkapitaleingesetztwerden.“4

11.3 Mezzanines Kapitalhilftin Wachstumsoder Umbruchs phasen,ohnedie bestehende Anteilsstruktur zuverwässern.

11.3 Die Grundlagen und Erkenntnisse der Finanzierungstheorie

11.3.1 Finanzierungsbesonderheiten von KMU und Start-ups Unter Finanzierungspolitik wird in Anlehnung an Kley5 die aktive Gestal tung und Beeinflussung der Angebots und Nachfrageseite von Finanzie rungsmitteln verstanden. Dabei gilt es spezifische Besonderheiten hinsicht lichderFinanzierungvonStartupsundKMU(kurz:KMUFinanzierung)zu beachten. a) Selbstbestimmung und Unabhängigkeit: Aus den Forschungen zu den psy chologischenGrundlagendesökonomischenHandelnsistbekannt,dassdie Akteure nicht immer rein rational, sondern durchaus auch emotional und damitbeschränktrationalhandeln.DieKMUFinanzierungistdavondirekt betroffen. Unternehmer erachten ihre Selbstbestimmung und Unabhängig keitalshöhereinzustufendesGutalseineBeteiligungvonexternenKapital gebernanihremUnternehmen,auchwenndiesökonomischvorteilhaftsein könnte. Eine aus unternehmereigenen Mitteln gespeiste Aufrechterhaltung einer Eigenkapitalquote von 100% ist die Konsequenz, wie sie bei einer Reihe von Unternehmen gerade im süddeutschen Raum oder der Schweiz anzutreffenist.EbenfallsdiesemBereichzuzuordnensindökonomischnicht vertretbare Privatentnahmen seitens der Eigentümer. Hinzu kommt eine erwiesenermaßen reservierte Haltung der Unternehmer gegenüber Publizi tät, was zu erschwerten externen Beurteilungen der KMUFinanzsituation führt. Ein weiteres Problem stellt in diesem Zusammenhang die ökonomi sche Bewertung der Person des Inhabers als häufig zentralen Erfolgsfaktor fürdasUnternehmendar.

315

Selbstbestim mungundUnab hängigkeitsind Unternehmern häufigwichtiger alsreinökono mischeVorteile.

11

Finanzierung

KMUweisenim Vergleichzu Großunter nehmenein erhöhtes Insolvenz risikoauf.

b) Erhöhtes Insolvenzrisiko: KMU weisen im Vergleich zu Großunternehmen einstatistischbewieseneserhöhtesInsolvenzrisikoauf.NachdenZahlender Insolvenzstatistik im ersten Halbjahr 2007 von Creditreform6 verursachen Unternehmenmitbiszu5Mio.EURUmsatz95,5%allerInsolvenzfälle,bei Unternehmen mit einem Umsatz von über 50 Mio. EUR sind es 0,2% der Fälle. Bei den Insolvenzen nach Rechtsformen liegen in Deutschland die Kleingewerbetreibenden mit 55,5% aller Fälle im ersten Halbjahr 2007 vor denGmbHsmit30,6%.EineRechtsformmiteinembesondershohenInsol venzverhältnis ist die LimitedGesellschaft, die mit einer Risikoquote von 1.104zahlungsunfähigenoderüberschuldetenUnternehmenpro10.000fast doppeltsohochliegtwiedieGmbH.FrühereZahlenvonCreditreformbele gen,dassdieInsolvenzquotebeiUnternehmenmitbiszu5Mio.EURUm satz bei ca. 2%, mit bis zu 25 Mio. EUR bei ca. 1,75%, mit bis zu 50 Mio. EURUmsatzbeica.1%,mitbiszu250Mio.EURUmsatzbeica.0,5%,mit bis zu 500 Mio. EUR Umsatzbei 0,25% und im Bereich darüber bei 0,06% liegen.

BeiderSuche nachKrediten werdenKMUmit größenbedingten Nachteilen konfrontiert.

c)GrößenbedingteFinanzierungsnachteile:DerAufwandfüreinenKMUKredit istimVerhältniszurKreditsummefürdieBankrelativhoch.DieKommuni kation der Finanzierungsfragen seitens des KMU verlangt einen hohen ad ministrativen Aufwand. Da die Fixkosten bei der Vergabe eines Kredits relativfestvorgegebensind,isteineBeschäftigungmiteinemKleinkreditfür eine Bank rein ökonomisch uninteressant. Dies schränkt zugleich die Ver fügbarkeit von Finanzierungsalternativen aufgrund erhöhter Transaktions kostenein. d) Vorherrschaft des Hausbankenprinzips: In Deutschland und der Schweiz besitzen KMU im Vergleich z.B. zu Frankreich häufig eine ausgeprägte Hausbanken bzw. Hauptbankenbeziehung. Aber auch im europäischen Durchschnittweisen52%derKleinstunternehmenundeinDrittelderMit telunternehmennureineBankbeziehungauf.7HierdurchwirddieVertrau ensbasis zwischen Bank und KMU gestärkt, was wiederum positive Aus wirkungenaufdasRatingurteilhabenkann.GleichwohlversuchenBanken, den Einfluss der lokalen Kreditsachbearbeiter zu reduzieren, da diese ihre KundentrotzeinesobjektivschlechtenRatingssubjektivzupositivbeurtei len.

KMUsindmeist zuklein,umsich Mittelam offenenKapital marktbeschaffen zukönnen.

e)Kapitalmarktfähigkeitseltenvorhanden:KMUsindzumeistzuklein,umsich Finanzierungsmittel am offenen Kapitalmarkt beschaffen zu können. Dies verengt den Spielraum, neue Finanzierungspartner zu gewinnen, und be stärkt das Hausbankenprinzip. Zugleich regt es die Bündelung von Finan zierungskontrakten einzelner KMU zu marktfähigen Größenordnungen seitens der Banken oder als Selbsthilfeinstrument an. Größere KMU mit einem starken Markennamen beginnen daher, mit selbst emittierten Anlei

316

Die Grundlagen und Erkenntnisse der Finanzierungstheorie

11.3

henandenFinanzmarktzugehen.EinBeispieldafüristderSchulbuchver lagKlettausStuttgart. f)VorkommenvonSpezialfinanzierungen:FürKMUexistierenspezielleInstru mente für Finanzierungen von Nachfolge und Erbschaftsfällen oder die Durchführung eines ManagementBuyout und Buyin. Die Zahl dieser FällewirdaufgrundderstatistischenAusgangslage,z.B.derZunahmevon Nachfolgefällen in den nächsten Jahren oder dem Zurückgehen der famili eninternen Nachfolgelösungen, weiter zunehmen und bedarf deshalb inno vativer,abertrotzdemvonKMUakzeptierterFinanzierungslösungen.

FürKMUexistie renspezielle Finanzinstru mentefürNach folgeundErb schaftsfälle.

g)MehrfacheRessourcenengpässe:BeiderKMUFinanzierungstellenEngpässe einzentralesHindernisfürdasBestehenunddasWachstumderUnterneh mendar.HierzuzählenvorallemdieRessourcenKapital,Sachmittel,tech nischesundbetriebswirtschaftlichesWissensowieKontakteundNetzwerk zugang. Gerade die auf Eigenkapital spezialisierten Kapitalgeber bieten entsprechendeRessourcenundDienstleistungenan,werdenabervonKMU nicht selten als Finanzierungspartner aus grundsätzlichen Erwägungen herausabgelehnt.

KMUkämpfen häufigmit Ressourcen engpässen.

h) Asymmetrische Informationsverteilung: Ein zentrales Problem der KMU FinanzierungstelltdieasymmetrischeInformationsverteilungvorundnach VertragsabschlusszwischendenKMUunddenFinanziersdar(hieraufwird imfolgendenAbschnittvertiefteingegangenundnachLösungsmöglichkei tengesucht).DabeikönnenzweientgegengesetzteFälleauftreten:einerseits der gegenüber dem Kapitalgeber aufgrund von Insiderwissen besser infor mierteKapitelnehmer,andererseitsderaufgrundseinerlangjährigenMarkt kenntnisse, z.B. in der Frage der Unternehmensbewertung, besser infor mierteKapitelgeber.

11.3.2 Auftreten von Marktfriktionen und Marktineffizienzen DieUrsachenfürimBereichderKMUFinanzierungauftretendeMarktfrik tionen und ineffizienzen liegen im Bereich der asymmetrischen Informati onsverteilung und der ungünstigen Transaktionskostenstruktur. Diese Phä nomene lassen sich mit den Erklärungsansätzen der Neuen Institutionenö konomie verstehen und darauf aufbauend mit spezifischen Maßnahmen abmildern. Die finanzierungstheoretischen Grundlagen der KMUFinanzierung lassen sichzudreiAnnahmenverdichten.8ErstenssinddieentsprechendenMarkt transaktionenalsintertemporalerTauschvonGeldmittelnanzusehen.Zwei tensdienenFinanzierungstitelzurGestaltungundAufteilung(Transforma

317

Asymmetrische Informations verteilungund eineungünstige Transaktions kostenstruktur führenzuIneffi zienzenbeider Finanzierung.

11

Finanzierung

tionundAllokation)dergeradeimKMUFinanzierungsbereichauftretenden Investitionsrisiken. Drittens sind die Transaktionen unter dem Gesichts punktderungleichverteilten(asymmetrischen)InformationenbeidenVer tragspartnernzuanalysieren,diezudemihrenindividuellenNutzeninden Vordergrund stellen. Des Weiteren ist zu beachten, dass Kapitalmärkte ih rerseits temporäre Übertreibungen wie einen Bewertungshype oder eine psychologischbedingteKapitalverknappungaufweisen. Dieneoinstituti onalistische Finanzierungs theorieweist einenhöheren Realitätsbezug alsdieneoklassi scheTheorieauf.

Diese Argumente bewegen sich zum Teil außerhalb der Ansätze der neo klassischen Finanzierungstheorie mit ihren vollkommenen Märkten, voll ständig kostenlosen Informationen und allokationsneutralen Institutionen. Die neoinstitutionalistischen Finanzierungstheorie mit der Hervorhebung derRollevonInstitutionenundderAnalysevonspezifischenTransaktions situationen weist einen stärkeren Realitätsbezug auf. Dies geschieht zwar auf Kosten der Allgemeingültigkeit der Aussagen und damit der Aufgabe einer homogenen Theorie, dafür lassen sich reale Finanzierungsprobleme zutreffendanalysierenundLösungsansätzeableiten.Allerdingswerdendie eingangs erwähnten emotionalen Faktoren weiterhin außer Acht gelassen undderHomooeconomicusbleibtalsLeitfigurbestehen.

DieNeue Institutionen ökonomikhat dreiForschungs richtungenher vorgebracht.

Drei Forschungsrichtungen sind im Bereich der (engen) Neuen Institutio nenökonomik mit ihren Systemen formaler und informaler Regeln ein schließlich Durchsetzungsmitteln und ihrenAuswirkungen auf Transaktio nen bzw. menschliches Verhalten zu unterscheiden: PrincipalAgent Theorie, Transaktionskostenansatz und PropertyRightsTheorie.9 Denn es gilt:BeijederrealenwirtschaftlichenTransaktionwerdenVerfügungsrechts positionenberührt,tretenTransaktionskostenaufundsindmindestenszwei Vertragspartnerinvolviert,diejeweilseigeneInteressenverfolgen.10Aufden konkreten Fall der KMUFinanzierung bezogen lassen sich diese drei For schungsrichtungeninKurzformwiefolgtinterpretieren:

318

Die Grundlagen und Erkenntnisse der Finanzierungstheorie

11.3 Tabelle111

AnsätzederNeuenInstitutionenökonomik Leitidee

KMU-Finanzierung

Principal-Agent-Theorie Modell zur Analyse von Kooperations- und Abhängigkeitsproblemen zwischen Wirtschaftssubjekten

Im Zentrum stehen die Bewältigung von Vertragsproblemen zwischen einem Auftraggeber (Principal) und einem Auftragnehmer (Agent), die vor allem auf Messprobleme zurückzuführen sind.

Eigenkapitalgeber (Principal) versucht die Qualität und das Verhalten des Gründer-(Teams) des KMU (Agent) vor und nach Vertragsabschluss einzuschätzen und mit seinem Rendite- und Risikoprofil zu verbinden.

Transaktionskostenansatz Ansatz zur Erklärung wirtschaftlicher Organisationsformen

Bestimmten Transaktionstypen werden die passenden Beherrschungs- und Überwachungsstrukturen (Markt, Hierarchie oder Mischformen) zugeordnet.

Beide Vertragsparteien versuchen ihre Anbahnungs-, Vereinbarungs-, Abwicklungs-, Kontroll- und Anpassungskosten über den Partner entweder via Markt- oder Vertragslösung zu minimieren.

Property-Rights-Theorie (Verfügungsrechtstheorie) Weiterentwicklung der neoklassischen Mikroökonomie unter Einbezug von unvollkommener Information sowie des Rechts- und Institutionenrahmens

Individuelles Verhalten wird durch die Art der Verteilung der Verfügungsrechte kanalisiert, da durch sie ein Gefüge von Gratifikationen und Sanktionen festgelegt wird.

Bei der Fixierung der Finanzierungsbeziehung in Vertragsform werden die Gewinnziehungsrechte sowie die Einfluss-, Kontroll- und Vetorechte des Kapitalgebers gegenüber dem KMU definiert.

Quelle: Kley, C. R., Mittelstands-Rating, Wiesbaden, 2003, mit weiteren Zitaten zu den einzelnen Einflussfaktoren.

 Aus diesen drei Forschungsrichtungen wurden die für den Fall der KMU Finanzierung besonders interessanten Informationsasymmetrien abgeleitet. Diese lassen sich nach Art der Informationsasymmetrie bezüglich vorhan denerWerte,ErfolgsmöglichkeiteninderZukunft,zugrundeliegenderPro blemtypen und ihrem zeitlichen Auftreten im Rahmen des Finanzierungs prozessesdifferenzieren.11 

319

11

Finanzierung

Tabelle112

TypenvonInformationsasymmetrien Informations- Hidden asymmetrie Information

Hidden Action

Hidden Intention

Problemtyp

Adverse Selection (Marktversagen aufgrund von Qualitätsunsicherheit)

Moral Hazard (Verhaltensrisiken führen zu Agencykosten in Bezug auf die Eigen- und Fremdkapitalbeschaffung)

Hold-up (opportunistisches Ausnutzen von Vertragslücken)

Zeitliches Auftreten

Vor Vertragsabschluss

Nach Vertragsabschluss

Nach Vertragsabschluss

Quelle: Engel, R., Seed-Finanzierung wachstumsorientierter Unternehmensgründungen, Sternenfels, 2003.

11.3.3 Neue Institutionenökonomik mit Milderungsmechanismen DieNeue Institutionen ökonomikbietet Lösungsansätze fürdieInforma tionsasymmetrie.

Tabelle113

DieneueInstitutionenökonomikbelässtesjedochnichtbeiderProblemana lyse, sondern entwickelt passende Milderungsmechanismen. In der folgen den Tabelle werden die drei aufgezeigten Problemtypen der Informations asymmetrie konkretisiert und zugleich denkbare Milderungsmechanismen speziell für den Bereich der KMUFinanzierung aufgezeigt.12 Diese Milde rungsmechanismenbeziehensichaufdengesamtenFinanzierungsprozess.

ProblemtypenderInformationsasymmetrie Problemtyp

Einzelprobleme

Milderungsmechanismus

Hidden Information

Qualitätsunsicherheit

 Signalling: Eigeninvestitionen der Gründer (bis an die Grenze ihrer persönlichen Möglichkeiten), externe Ratingurteile, Fakten und Beurteilungen

a) bezüglich Gründer/Unternehmer: Fähigkeiten, Leistungsmotivation, Ausdauer, Risikopräferenz, emotionale Stabilität, Kreativität

b) bezüglich des Projekts/Unter Screening: selbst definierter nehmens: Erfolgshöhe, -wahrAuswahlprozess, Unterstütscheinlichkeit, Ressourcenbedarf, zung durch Spezialisten aus Kooperationsmöglichkeiten dem eigenen Netzwerk Fortsetzung der Tabelle siehe nächste Seite

320

Die Grundlagen und Erkenntnisse der Finanzierungstheorie

Problemtyp

Einzelprobleme

Hidden Action

 Niveau des Arbeitseinsatzes

EK-induziert

11.3

Milderungsmechanismus

 Monitoring: Durchführung eigener und/oder externer  Versteckter Konsum Due Diligence, gestaffelte  Kapital- oder GewinnentnahKapitalzufuhr gemäß ermen reichter Meilensteine, Vergütung der Gründer, Be Beurteilung der Investitionsenttreuungsleistungen und Mitscheidungen: Höhe, Risiko, Zeit arbeit im Team  Bonding: Eigeninvestitionen der Gründer, selbstbindende Vertragsklauseln.

Hidden Action FK-induziert

 Ausschüttungspolitik  Nachfolgende Finanzierungen mit Verwässerungseffekt

 Monitoring: Rating/Kreditwürdigkeitsprüfung, gestaffelte Valutaauszahlung

 Bonding: Bereitstellung von  Investitionspolitik: Höhe, Risiko, Sicherheiten Zeithorizont  Insolvenzbedingte Probleme  Arbeitseinsatz und versteckter Konsum

Hidden Intention

Ausnutzen von Vertragslücken  Personalpolitische Maßbezüglich zusätzlicher Finanzmitnahmen tel, verbesserter Vertragskonditio Interessenangleichung: nen und stärkerer operativer Kontroll-, EntscheidungsUnterstützung und Vetorechte, Aufbau gegenseitiger Abhängigkeiten, Eigeninvestitionen der Gründer/Pfandhingabe  Vertrauen/Reputation im Markt

Quelle: In Anlehnung an Engel, R., Seed-Finanzierung wachstumsorientierter Unternehmensgründungen, Sternenfels, 2003.

11.3.4 Beiträge der Finanzierungstheorien DieForschungenzurFinanzierungsundFinanzmarkttheorieliefernjeweils (isolierte) Erklärungsansätze für das Auftreten von Finanzmarktfriktionen und die Entscheidungen für eine bestimmte Kapitalstruktur der Unterneh men. Angesichts der umfangreichen theoretischen Herleitungen und der teilweiseeingeschränktenVerwendbarkeit(auchvonhiernichtvorgestellten Ansätzen) in der Praxis werden an dieser Stelle nur kurze Hinweise gege

321

Esexistieren unterschiedliche Erklärungenfür Finanzmarkt friktionen.

11

Finanzierung

ben.FüreinevertiefteAuseinandersetzungseiaufdieeinschlägigeLiteratur verwiesen. FinanzmarktfriktionenlassensichausgehendvoneinemgemeinsamenThe oriefundamentausmakroundmikroökonomischerPerspektive(finanzielle Einflussfaktoren auf Konjunkturzyklus und unternehmensindividuelle Fi nanzierungsbedingungen) analysieren.13 Das Fundament besteht aus der Annahme der Existenz von asymmetrischen Informationen, die zu unter schiedlichen Kosten von internen und externen Finanzmitteln führen. Im Hubbard’schen Grundmodell für Finanzmarktfriktionen kann sich ein Un ternehmer mit seinem Kapitalstock, der als Sicherheit dient, zu marktübli chen Zinsen finanzieren. Grund hierfür sind gemilderte Informationsasym metrien. Investoren sehen sich jedoch (wie oben dargestellt) Informations kosten gegenüber bzw. müssen ein Ausfallrisiko einkalkulieren. Diese marginalenInformationskostenführenzueineransteigendenAngebotskur ve.JemehrEigenkapitalbzw.Sicherheiten,destoflacherihrVerlauf. DieAusweitung bzw.dieReduk tionvonCash flowsbeschleu nigtdieTendenz richtungeiner Wirtschaft.

DieNachfragekurveistvondenInvestitionsmöglichkeitenabhängig.Jenach Wertänderungen des Eigenkapitals bzw. der Sicherheiten ergeben sich Ver schiebungendesoptimalenKapitalstocks.ErsetztmannundenKapitalstock durch Bruttoinvestitionen und das Eigenkapital durch betriebliche Cash flows, lässt sich entgegen der neoklassischen Theorie ein Zusammenhang zwischenCashflowsundInvestitionenherleiten.Wirddurcherwirtschaftete Cashflows das Eigenkapital des Unternehmens ausgeweitet, resultiert dar auseinhöhererKapitalstock.DerunterBerücksichtigungdesWertverzehrs entstandeneNettoCashflowwirdalsMaßfürdieZunahmedesEigenkapi tals aufgefasst. Dies führt über die Verschiebung der Angebotskurve zu einer Zunahme der Investitionen. Entsprechend gilt der umgekehrte Fall. Daraus folgt, dass die Ausweitung und die Reduktion der Cashflows die TendenzrichtungeinerWirtschaftbeschleunigen.EskannvoneinemFinan cialAcceleratorgesprochenwerden. DieserZusammenhangderVerfügbarkeitvoninternenMittelnundInvesti tionstätigkeit widerspricht dem strengen ModiglianiMillerTheorem, das von der Irrelevanz der Kapitalstruktur ausgeht und Transaktionskosten, asymmetrische Informationsverteilung, Steuereffekte und Insolvenzrisiken außer Acht lässt. Mit diesem Grundmodell kann erklärt werden, warum Startups/KMUhöhereKapitalkostenalsGroßunternehmentragenmüssen, dennsiegehörentendenziellzurGruppederintransparentenUnternehmen, was zu höheren marginalen Informationskosten aufgrund unternehmensu nabhängigerInformationsproduktionskostenführt.

322

Die Grundlagen und Erkenntnisse der Finanzierungstheorie

ZurPeckingOrderTheorievonMyers/MajluflässtsichebenfallseinBezug herstellen.NachihrwirdeinePräferenzhierarchiederFinanzquellenaufge stelltunddasProblemderQualitätsunsicherheitaufgegriffen.Unternehmen ziehen danach interne Finanzquellen den externen aus Kostengründen vor (Innenfinanzierung vor risikolosem und risikoreichem Fremdkapital, vor mezzaninem Kapital, vor externem Eigenkapital). Diese Reihenfolge resul tiert aus einer schlechteren Informationslage der Investoren gegenüber den Gründern. Dies wiederum führt zu einer Unterbewertung derAnteile und damit unter Umständen zu einer Unterinvestition bzw. zum Abbruch des Gründungsprojektes aufgrund mangelnder Finanzierungsalternativen, weil dasexterneEigenkapitalausQualitätsunsicherheitsgründennichtzumEin satzgelangenkann.

11.3 DiePecking OrderTheorie gehtvoneiner schlechteren Informationslage derInvestoren aus.

InderPraxisistallerdingszubeobachten,dassexterneInvestorenaufgrund von Branchenkenntnissen und Erfahrungen besser informiert sein können als die Jungunternehmer und damit auch in der Lage sind, den Unterneh menswertgenauereinzuschätzen.EntsprechendhatGarmaiseeineReverse PeckingOrderTheorie aufgestellt, die besagt, dass aufgrund dieser umge kehrten Informationsasymmetrie Unternehmen Eigenkapital gegenüber Fremdkapital bevorzugen. Investoren, die dem Gründungsprojekt optimis tisch gegenüberstehen, werden deshalb attraktive Konditionen für den Er werb von Eigenkapitalanteilen anbieten. Im Verlaufe des Unternehmens wachstums wächst das Wissen der Gründer an, das Informationsgefälle gegenüber den Investoren schwindet bzw. kann wechseln. Um diese Aus wirkungen möglichst gering zu halten, wird in diesen späteren Phasen auf Fremdkapitalzurückgegriffen. Die Finanzierungstheorie bietet somit zwei sich teilweise widersprechende Erklärungsansätzean.EinenAuswegbietetnachEngeleineDifferenzierung nach Gründungstypen. Im Falle von Gründungsunternehmen mit wenig Erfahrungshintergrund und Marktwissen trifft die ReversePeckingOrder Theorie zu, im Falle von erfahrenen und mehrfachen Gründern kommt hingegen die PeckingOrderTheorie zum Tragen. Problematisch ist weiter dieFokussierungaufdieFragederInformationsasymmetrie.Erweitertman das Fundament um Fragen der Verhaltensunsicherheit, wie versteckten KonsumimModellvonJensen/Meckling,oderumFragenderEindeutigkeit vonSignalen,soergebensichwiederumandersgearteteErgebnisse.

DerErfahrungs hintergrundder Gründerbe stimmt,welche PeckingOrder Theoriezum Tragenkommt.

AlsFazitlässtsichfesthalten,dassdieFinanzierungsundFinanzmarkttheo rie aufschlussreiche Erkenntnisse vermitteln, allerdings die Grenzen der Aussagekraft aufgrund beschränkenderAnnahmen jeweils kritisch berück sichtigtwerdenmüssen.EinRückgriffaufempirischeErgebnissederKapi talstrukturforschungzeigtmehrheitlichfolgendeGesetzmäßigkeitenauf:14

Unsichere Annahmen begrenzendie Aussagekraftder Theorien.

323

11

Finanzierung

„ ErstensimplizierenhoheWachstumsratenvonUnternehmeneinennied rigen Verschuldungsgrad. Im Falle von wachstumsorientierten Grün dungen mit weit in der Zukunft liegenden und unsicheren positiven Rückflüssen sind die fremdkapitalinduzierten Agencykosten so hoch, dassEigenkapitalbevorzugtwird.

„ Zweitens lassen sich die Kapitalstrukturunterschiede von Unternehmen verschiedener Branchen auf deren unterschiedliche Risikodifferenzen zurückführen.

„ Drittens konnten überraschenderweise keine weiteren einheitlichen Ergebnisse zu exogenen und endogenen Unternehmensrisiken ermittelt werden.DieKorrelationzwischendenKapitalstrukturenistdenempiri schen Ergebnissen nach widersprüchlich (positiv, negativ, unkorreliert differenzierend). Insgesamt lässt sich damit feststellen, dass die Forschungen zur Finanzie rungs und Finanzmarkttheorie noch im Fluss sind. Gesicherter sind die Erkenntnisse im Fall der nun folgenden Darstellung der Institutionen des Finanzierungsmarktes.

11.4 Die Institutionen des Finanzierungsmarktes

11.4.1 Grundmuster: Direktbeziehungen und Intermediäre Direktbeziehung: Investorund Kapitalnehmer tretendirekt miteinanderin Kontakt.

Die Beziehungen der Partner am Finanzmarkt lassen sich nach der Di rektheit ihrer Beziehungen und nach dem Prozess ihres Zueinanderkom mensunterscheiden.DeneinfachstenFallstelltdiedirekteundunmittelbare BeziehungzwischenKapitalgeber(Investor)undKapitalnehmer(KMU)dar. BeideParteiennehmendirektmiteinanderKontaktaufundregelnihreVer tragsbeziehung. Zum Beispiel investiert ein Unternehmer direkt in der I deenphase in ein ihm aus dem persönlichen Netzwerk heraus bekanntes Gründerteam. Dieser Fall lässt sich durch die Einschaltung einer Marktor ganisation für die Zusammenführung sich anfangs unbekannter Kapitalge ber und nehmer erweitern. Dies können institutionelle Börsen sein, für KMU aber vor allem Unternehmensbörsen im Internet (wie www.nexxt change.org).EskommengeradefürinnovativeTechnologieStartupsgeziel teAngebote wie die Dienstleistungen der BrainsToVenturesAG, St.Gallen,

324

Die Institutionen des Finanzierungsmarktes

11.4

(www.btov.com) oder des Business Angel Forums Region Stuttgart e.V. (www.businesschance.regionstuttgart.de) zur Zusammenführung von BusinessAngelsundGründerteamsinBetracht.BrainsToVentureswurdeals InternetplattformvonehemaligenStudentenderUniversitätSt.Galleniniti iert und ist mittlerweile zu einem kapitalkräftigen Netzwerk von ca. 50 In vestoren avanciert. Das Business Angel Forum Region Stuttgart ist ein ge meinsames Produkt der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH und der Stadt Stuttgart. Das Forum ist mit dem Technologie Fonds Südwest sowie PUSH! (Partnernetz für Unternehmensgründungen aus Stuttgarter Hochschulen)verbunden. DieMittlerrollekönnenauchIntermediäreeinnehmen,dieeinevertragliche Rolle zwischen beiden Parteien ausüben.Auf der einen Seite refinanzieren sie sich bei den Investoren, auf der anderen Seite gehen sie eine Finanzie rungsbeziehungzudenKMUein.HierzuzählenalsIntermediäreimenge renSinnevorallemdirektinvestierendeVentureCapitalGesellschaften.Im weiteren Sinne zählen auch solche Institutionen dazu, die den Vertragsab schluss als Makler oder Berater lediglich herbeiführen und unterstützende Betreuungsleistungen moderieren. Diese Intermediäre sind sowohl in den BereichenderGründungsalsauchderNachfolgefinanzierungaktiv.

Intermediäre übernehmeneine Mittlerrolle zwischen Kapitalgeberund Kapitalnehmer.

EinentieferenEinblickinden–nochoftintransparentenundwenigprofes sionell bearbeiteten – Markt für Unternehmenstransaktionen, speziell im HinblickaufMittelstandsfinanzierungen,bietetdieneueStudie„Dienstleis tungsansätze bei Unternehmenstransaktionen und finanzierungen im Mit telstandamBeispielBadenWürttemberg“15.

11.4.2 Nachfrager: Unternehmenstypen Die Finanzierungsstrukturen, die beteiligten Institutionen und die verbun denen Dienstleistungen lassen sich nach der Art der Gründung und des damit verbundenen Gründungs und Unternehmenstyps unterteilen. Dies ist für eine differenzierte Zuordnung der geeigneten Finanzierungsmittel undinstitutionenerforderlich.Grundsätzlichlassensichneunverschiedene Gründungsartenunterscheiden:1.imitierendeExistenzgründung,2.innova tive Existenzgründung, 3. innovative Unternehmensgründung, 4. Manage mentBuyout (MBO), 5. ManagementBuyin (MBI), 6. familieninterne Nachfolge,7.(Beteiligungs)Verkauf,8.Spinoff/Ausgründung,9.Franchise. FürjededieserGründungsartenmusseinespezifischeFinanzierungslösung aufgestelltwerden,umdenAnforderungenundZielsetzungenallerbeteilig ten Partner gerecht zu werden. Tabelle 114 stellt die damit verbundenen EinzelaspekteimÜberblickdar.16

325

Dieverschiede nenGründungs artenerfordern spezifischeFi nanzierungslö sungen.

11

Finanzierung

11.4.3 Anbieter: Kapitalgeber Kapitalgeberals BusinessAngels, Venture Capitalistsetc.

Die Marktgegenseite für dieKapitalsuchenden (Gründungs)Unternehmen kann ebenfalls in verschiedene Kategorien unterteilt werden: Freunde und Familie, BusinessAngels, Inkubatoren, Venture Capitalists, Corporate Ven ture Capitalists, Leasinggeber und FactoringAnbieter, öffentliche Förder mittel, Kunden und Lieferanten, Banken und Kapitalmarkt. In der Folge werden diese Anbieter jeweils kurz charakterisiert, bevor sie abschließend anhand eines Kriterienkataloges verglichen werden. Dieser umfasst zum einen finanzwirtschaftliche Kriterien wie Finanzierungsvolumen, zeitliche Verfügbarkeit, Finanzierungsdauer, Kosten der Kapitalbeschaffung und Kündigungsrechte, zum anderen betriebswirtschaftliche Kriterien wie die Unterstützung bei der Gründung, Führungsunterstützung und Zusatznut zenwieKontakteundReferenzen.WeitereKriteriensindderGradderUn abhängigkeit des Unternehmers und die Trennschärfe zwischen beiden Parteien.

Freundeund Familiestellen Mittelzugünsti genKonditionen bereit.

„ Freunde und Familie: Gründer können neben ihren eigenen Mitteln auch

BusinessAngels bietenKapital undpraktische Erfahrungen.

„ Business Angels: Privatperson, die direkt in Jungunternehmen in der

diejenigenvonFreundenoderFamilienangehörigenindasUnternehmen investieren,vorausgesetzt,dieemotionaleBereitschaftdazubestehtund die Mittel sind kurzfristig verfügbar. Zudem muss der Eigen oder Fremdkapitalcharakter der Mittel geprüft und entsprechend verbucht werden.DieFinanzierungskostensindfreiverhandelbarunddaherten denziellgünstig. Ideen und Frühphase investiert und informelle, aber auch praktische Unterstützungbietet.BusinessAngelsfindensichentwederimprivaten Netzwerk oder über speziell eingerichtete Foren.17 Gemäß empirischen Untersuchungen18lässtsicheintypischerBusinessAngelanhandeiniger Eckpunktecharakterisieren:EshandeltsichfastimmerumMänner,die imSchnittumdie50JahrealtsindundinderRegeleigeneunternehme rischeErfahrungenmitbringen.SieinvestierenvorzugsweiseinderSeed undStartupPhaseundstellenca.20%ihresVermögenszurVerfügung. Im Schnitt investieren sie zwischen 150.000 und 500.000 EUR in ein bis fünf Projekte pro Jahr. In etwa einem Drittel der Unternehmen arbeiten sie aktiv mit und in gut der Hälfte der Fälle stehen sie zumindest zeit weise („handson“) zur Verfügung. Nach Engel19 können Business An gelsanhandderBereitstellungvonKapital,Sachmitteln,Betreuungund Netzwerk unterschieden werden. Dabei reicht die Bezeichnungsbreite vonBigBoys(Kapital)überLandlords(Sachmittel),CoFounder(aktive Betreuung, Netzwerk, auch Kapital) und Godfathers (vor allem Netz werk/Betreuung) bis hin zu Cowboys (bis auf Sachmittel alle Dienste). DieVerfügbarkeitderMittelistrelativkurzfristig(bisca.2Monate)und

326

Die Institutionen des Finanzierungsmarktes

11.4

imVergleichzuVentureCapitaliststrotzderProfessionalitäteherunbü rokratisch.DieRenditeerwartungenliegengrobumdie20%.

„ Inkubatoren: Diese Institutionen kümmern sich um das „Ausbrüten und dieAufzucht“ junger Unternehmen. Dies geschieht vielfach im Umfeld von Hochschulen, Großunternehmen oder industriellen Clustern. Die damit verfolgten Ziele liegen in der Steigerung der Überlebensfähigkeit der jungen Unternehmen, der Verkürzung des Zeitraumes bis zum Markteintritt sowie in der Bereitstellung oder Vergünstigung von Res sourcen.InkubatorenunterstützenihreStartupsauchimZugederVer mittlungvonFördermitteln.

„ VentureCapitalists:20VentureCapitalistssindaufbefristeteRisikokapital bereitstellungspezialisierteUnternehmenoderFonds,dieinraschwach sende (junge) Unternehmen investieren und dafür Informations, Kon troll und Mitspracherechte vertraglich vereinbaren sowie zumindest passive Führungsunterstützung anbieten. Venture Capital wird entwe derdirektvonUnternehmen(CVC)oderinstitutionellenCaptiveFonds (mitBanken,Versicherungen,PensionsfondsoderPrivatpersonenalsIn vestoren) zur Verfügung gestellt oder aber indirekt von unabhängigen Finanzintermediären(projektweise)bereitgestellt.Dieserfolgtzumeistin gestaffelter(schrittweiser)Form,umdiePrincipalAgentProblematikin den Griff zu bekommen. Die Prüfung eines Investments erfolgt einge hend über etwa 6 Monate hinweg, die Renditeerwartung liegt bei 20% undmehr.DieHerkunftdermeistenVentureCapitalistsausderFinanz branche macht das Hinzuziehen von Fachexperten zur Beurteilung der Startupserforderlich.BaumgärtnerleitetausseinerempirischenUnter suchung der (zumeist fehlenden) Portfoliosteuerung von VC GesellschaftenfolgendeHandlungsempfehlungenab:SteigerungderEf fizienzdesDealFlow,hoheGewichtungvonmarkt undportfoliobezo genenKriterienbeiderBeteiligungsprüfung,EinsatzvonexternenDrit ten zur Prüfung des Managementteams, Intensivierung des Einsatzes von mezzaninen Finanzinstrumenten, Verbesserung des laufenden Mo nitoringundverbesserteExitPlanung.21

„ CorporateVentureCapital:VoneinemUnternehmendirektoderindirektin interneoderexterne(Technologie)UnternehmeninvestiertesRisikokapi tal. Es verfolgt damit strategische und finanzielle Zielsetzungen (vgl. KapitelCorporateEntrepreneurship).

„ Leasinggeber und FactoringAnbieter: Beide sind als Finanzierungsalterna tivenanzusehen,dieesbesondersUnternehmenmitgeringerEigenkapi talbasis und mangelnden Sicherheiten ermöglichen, ihre Liquiditätsbe stände zu schonen. Im Einzelfall müssen jedoch die Konditionen und Kostengenaugeprüftwerden.

327

Inkubatoren steigerndieÜber lebensfähigkeit jungerUnter nehmen.

VentureCapita listsinvestieren inschnellwach sendeUnterneh menunderhalten dafürAnteileund Rechteamneuen Unternehmen.

11 Deutschlandund Österreichstellen öffentliche Fördermittelin hohemUmfang zurVerfügung.

Finanzierung

„ ÖffentlicheFördermittel:DiesestellenvoralleminDeutschlandundÖster reich gemäß den GEMReports eine wichtige Rolle bei der Startup/ KMUFinanzierung dar. EinenAngebotsüberblick bietet das Internet.In der wirtschaftspolitisch freieren Schweiz spielt die Finanzierung durch Zuschüsse, Subventionen oder Fördermittel zumindest für den dem Wettbewerb ausgesetzten Teil der Wirtschaft eine untergeordnete Rolle. StattdessenwirdseitensderWirtschaftspolitikstärkeraufdieGestaltung weniger regulierter Rahmenbedingungen bei attraktivem Steuersatzni veau gesetzt. Für Details sei auf die einschlägigen Internetauftritte der Förderinstitutionen und banken verwiesen (in Deutschland z.B. die KfWMittelstandsbankoderdieLBank).

„ KundenundLieferanten:DieFinanzierungüberdasAustarierenderDebi torenundKreditorenströmeistgrundsätzlicheineMöglichkeit,dieaber je nach Geschäftsmodell und Geschäftspartnern an gewisse Durchsetz barkeitsgrenzenstoßenkann. DieStartup/ KMUFinanzie rungistfürviele Bankenein wichtiges Geschäftsfeld.

Wachstums unternehmen könnenGeld anderBörse erhalten.

„ Banken: Aufgrund der teilweise niedrigen Eigenkapitalquoten und den Auswirkungen von BaselII steht die Finanzierung über Banken in Deutschland in der Diskussion. Die Startup/KMUFinanzierung stellt für viele Banken einen wichtigen Pfeiler ihres Geschäftes dar, ist aber gleichzeitig den genannten Anforderungen an die Eigenkapitalunterle gung der Banken selbst unterworfen und kann deshalb im Einzelfall bzw. für gewisse Branchen zu Kreditfinanzierungsengpässen führen. In Deutschland übernehmen die Banken die Rolle des Finanzierungspart ners der KfW Mittelstandsbank mit ihren öffentlichen Förderprogram men.DieKonditionensindjenachProgrammunterschiedlich,liegena berzumeistimBereichvon5–15%beimittlerenbislängerenLaufzeiten. KonkreteUnterstützungistallerdingswenigerzuerwarten.

„ Kapitalmarkt: Der offizielle Kapitalmarkt steht über das Instrument der Börsengänge (IPOs) in den verschiedenen Börsensegmenten in den ein zelnen Ländern auch jungen Wachstumsunternehmen zur Verfügung. Hingegen bietet auch der graue Kapitalmarkt gewisse Finanzierungs möglichkeiten, die allerdings einer kritischen Seriositätsprüfung unter zogenwerdensollten.   

328

Die Institutionen des Finanzierungsmarktes

Tabelle114

ArtenderGründung Charakteristika/ Zweck

Finanzierungsstruktur

Finanzierungs institution

Verbundene Dienstleistungen

Imitierende Existenzgründung > 90% der Fälle, Sicherung des Lebensunterhalts, kurze Zeit bis zum Betrieb, vor allem Handwerk, Dienstleistungen, Einzelhandel

eine Finanzierungs- Banken, öffentliche runde, Eigenkapital Hand in Kombinatides Gründers, on mit Hausbank öffentliche Förderung, Bankkredit bei Sicherheiten

Passive Bereitstellung von Formularen/ Software-Tools

Innovative Existenzgründung komplexe/technisch innovative Geschäftsidee, Einzelunternehmer, lange Anlaufphase, unsichere Kundenbedürfnisse

vor allem Eigenkapital des Gründers, von Business Angels oder etablierten Unternehmen, öffentliche Förderung, teilweise Bankkredit

öffentliche Hand in Kombination mit Hausbank, Business Angel

Verbindung des technischen Wissens mit betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten, strategische Beratung

mehrere Finanzierungsrunden, Start mit 100% Eigenkapital, schrittweise Beteiligung von Business Angels, dann Venture Capitalists sowie mezzanine Instrumente, evtl. mit Börsengang

Business Angels (-Konsortien), Venture Capitalists aller Art, Anleger

Verknüpfung von Technologie-, Marketing-, Controllingund Personalführungs-/ Teamentwicklungsprozessen, strategische Beratung, Aufbau von Geschäftspartnerschaften

Beispielfinanzierung: ca. 15–25% Eigenkapital, ca. 40–60% Fremdkapital, ca. 20-30% mezzanine Mittel, i.d.R. einmalige Fixierung für 5–8 Jahre

Venture Capitalists/Private-EquityFonds, Banken, stille Beteiligungsgesellschaften (auch öffentliche)

Aufstellen eines Finanzierungskonzepts unter Berücksichtigung der generierbaren Free Cashflows sowie der persönlichen Voraussetzungen, strategische Begleitung

Innovative Unternehmensgründung komplexe/technisch hoch innovative Geschäftsidee, Teamgründung, lange Anlaufphase, unsichere Kundenbedürfnisse, wachsame Großunternehmen, Time-toMarket entscheidend MBO Geschäftsführung/Mangement übernimmt Unternehmen von abtretendem Unternehmer oder kauft es aus Konzern heraus

11.4

Fortsetzung der Tabelle siehe nächste Seite

329

11

Finanzierung

Charakteristika/ Zweck

Finanzierungsstruktur

Finanzierungs institution

Verbundene Dienstleistungen

Beispielfinanzierung: ca. 25-40% Eigenkapital (höheres abzusicherndes Risiko), ca. 20-40% Fremdkapital, ca. 20-30% mezzanine Mittel

Venture Capitalists/ Private-EquityFonds, Banken

Aufstellen eines Finanzierungskonzepts wie bei MBO, aber unter Berücksichtigung einer höheren Risikokomponente, Begleitung beim Turnaround und bei der Neupositionierung

Banken

Konzipierung einer integrierten Nachfolgelösung mit Berücksichtigung der Bereiche Unternehmen, Recht, Steuer, Psychologie, Vermögenslagen.

investierendes Unternehmen/ Privatperson/ Private-EquityFonds

Buy-and-BuildStrategie (einer Art Branchencluster) seitens der Investoren

Eigenkapital, Lizenzeinnahmen, teilweise Mittel des ausgründenden Unternehmens als Startkapital

beteiligtes Unternehmen, teilweise öffentliche Fördermittel

Begleitung des Spin-offs in den Markt durch Bereitstellung von Kunden/Netzwerkkonta kten oder Ressourcenunterstützung

Franchisegebühr und Lizenzregelungen

private Konstruktion Markenaufbau

MBI vergleichbar MBO, aber aufgrund der externen Übernehmer riskanter, z.T. Sanierungs- oder Turnaroundfälle

Familieninterne Nachfolge Junior(en) übernimmt (übernehmen) Geschäftsführung und Kapitalanteile von Senior(en)

Eigenkapital, selbst erwirtschaftete Mittel, Schließung der Lücke durch Bankkredite oder private mezzanine Mittel

(Beteiligungs-)Verkauf Anteile (bis zu 100%) am Unternehmen werden an Dritte (Privatpersonen, Unternehmen, Private-EquityFonds) veräußert

führt Eigenkapital zu, verbunden mit (teilweiser) Abtretung der Geschäftsführung

Spin-off/Ausgründung Unternehmen/ Hochschule gliedert Teil seiner Aktivitäten/Forschungen in neu gegründetes/ teilweise noch verbundenes Unternehmen aus Franchise Übernahme/ Angebot fertiger Geschäftsidee und modell

330

Die Institutionen des Finanzierungsmarktes

11.4

Unternehmerprofil:TobiasKammundSteffenSatordieOutTradeGmbH Die Out-Trade GmbH entwickelte sich seit ihrer Gründung im Jahre 2002 vom Importeur von Faltbooten eines bis dato in Deutschland nahezu unbekannten russischen Herstellers (Triton) zum „Faltbootzentrum“, das mittlerweile über das größte Sortiment an Faltbooten und dazugehörigem Equipment in Europa verfügt und heute neben dem Endkundengeschäft hauptsächlich den Handel europaweit beliefert. Die rasche Sortimentsdiversifizierung und das damit einhergehende Wachstum des Unternehmens erfordern unter anderem eine solide Finanzplanung, die kontinuierlich neuen Anforderungen gerecht werden muss und somit den Erfolg der Out-Trade GmbH sichert. Entscheidend ist, dass dieses Finanzierungskonzept den Werten und Einstellungen der Gründer – und damit dem Unternehmerprofil – entspricht. Die beiden Gründer, Tobias Kamm und Steffen Sator, haben von Anfang darauf Wert gelegt, dass ihr Unternehmen aus eigener Kraft wachsen kann. Unterstützt wird dieses Wachstum „nur“ durch einen Bankkredit, nicht aber durch mitbestimmende Risikokapitalgeber.

OutTradever fügtmittlerweile überdasgrößte Faltbootzentrum Europas.

Deshalb kam für die Out-Trade GmbH von Anfang an – abgesehen von diesem initialen Kreditbedarf – nur eine Finanzierung ohne Beteiligung Dritter infrage. Die Gründe waren damals wie auch heute dieselben. Man will sich die Unabhängigkeit so weit wie möglich bewahren und sämtliche Entscheidungen ohne die Mitsprache von Fremdkapitalgebern treffen können. Diese Vorgehensweise hat sich im Fall der Out-Trade GmbH bis heute bewährt. Die Voraussetzungen dafür waren einerseits der relativ geringe Kapitalaufwand in der Gründungsperiode und andererseits ein detaillierter Business- und Finanzplan.

FürOutTrade kamnureine Finanzierung ohneAbgabevon Vermögensantei leninfrage.

Der Kapitalbedarf für die Gründung sollte ursprünglich durch das ERPExistenzgründungsprogramm der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gedeckt werden. Allerdings stellte sich schnell heraus, dass die Finanzierung über die Hausbank schneller und unbürokratischer zu realisieren war. Aufgrund der ausführlichen Planung des Finanzbedarfs und eines überzeugenden Businessplans konnten mit der Hausbank passende Konditionen ausgehandelt werden. Analog zur positiv abweichenden Geschäftsentwicklung im Vergleich zum Businessplan musste auch die Finanzplanung laufend angepasst werden. Dem ursprünglichen Businessplan lag eine relativ konservative Einschätzung in Bezug auf Umsatz, Gewinn und die Geschäftsentwicklung im Allgemeinen zugrunde. Diese vorsichtige Planung führte dazu, dass die Planzahlen deutlich übertroffen wurden (der Umsatz im ersten Geschäftsjahr war beispielsweise mehr als dreimal so hoch wie ursprünglich angenommen), und dieses rasche Wachstum musste auch finanzseitig sichergestellt werden.

331

11 OutTradenutzt einPlanungs undSteuerungs system,dasdie dynamische Entwicklungdes Unternehmens berücksichtigt.

Finanzierung

Als Konsequenz ergab sich der Aufbau eines Planungs- und Steuerungssystems, welches die dynamische Entwicklung berücksichtigt und somit die Liquidität des Unternehmens langfristig sichert. Eine realistische Planung und ein gesundes Wachstum ohne Überschuldung und Fremdfinanzierung stehen auch hierbei nach wie vor im Vordergrund. Die längerfristige Planung beinhaltet die Anpassung des Businessplans in strategischer und finanzieller Hinsicht alle ein bis zwei Jahre, ausgehend von einem Planungshorizont von drei bis vier Jahren. Daneben sorgen die Jahresbudgetierung und eine monatliche Finanzplanung für die kurzfristige Sicherung der Liquidität. Mithilfe der eingesetzten ERP-Software ist ein tagesaktuelles Reporting bezüglich der GuV, Bilanz, Liquidität und den dazugehörigen Kennziffern möglich. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die verlässliche Planung und Steuerung der finanziellen Ressourcen einen der wichtigsten Grundpfeiler des Unternehmens darstellt. Kapitalintensive Investitionen, wie beispielsweise der Um- und Ausbau von Ausstellungsräumen oder die internationale Marktbearbeitung, erfordern eine genaue Planung, Steuerung und Kontrolle der finanziellen Ströme. So wird sichergestellt, dass dem Unternehmen auch in Zukunft der Slogan „... Faltboote erleben“ im wahrsten Sinne des Wortes als Maxime dient.22

11.5 Die Inhalte des (Risiko-)Finanzierungsprozesses Nach der Analyse des Finanzierungsmarktes werden im Folgenden die einzelnen Finanzierungsschritte sowie die erforderlichen Vertragsinhalte aufgezeigt.

11.5.1 Finanzierungsschritte und Vertragsinhalte bei Risikokapitalfinanzierungen DieFinanzie rungsphasen werdenmitdem Risikokapital gebervertraglich festgelegt.

ImFalleeinergrundsätzlichenEinigungzwischenStartup/KMUundeinem Risikokapitalfinanzierungspartner werden entsprechend den eingangs auf gezeigten Finanzierungsphasen die einzelnen Schritte mit entsprechenden Inhaltenvertraglichfixiert.DieserProzesskannzumeinennachdenPhasen Early,Expansion,LaterStagesunterteiltwerden,zumanderennachdenbis zuachtSchrittendesVerhandlungsundZusammenarbeitsprozesses.23

332

Die Inhalte des (Risiko-)Finanzierungsprozesses

Der Ablauf einer Gründungs oder MBOFinanzierung verläuft analog ei nem partnerschaftlichen Beziehungsaufbau im Privatleben. Der Prozess beginnt mit der aktiven Suche nach Beteiligungsprojekten bzw. partnern. DanacherfolgtdieersteKontaktaufnahme.DiesekanndirektoderviaVer mittler („Matching“) erfolgen.Anschließend wird eine Grobanalyse durch geführt, bei der die persönlichen, wirtschaftlichen und rechtlichen Verhält nisse geprüft werden („Screening“). Abgeschlossen wird dieser Schritt mit einer Absichtserklärung („Letter of Intent“), die allerdings mehr symboli schedennrechtsverbindlicheBedeutunghat.EsfolgtaufderGrundlageder Grobanalyse eine detaillierte Prüfung der wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse („Due Diligence“). Damit verbunden ist eine Unternehmens bewertung, um eine Grundlage für das Verhältnis einzuzahlender Betrag undAktiengegenwertzuerhalten.EinverfeinerterInvestmentvorschlaglegt danndieangestrebteStrukturierungderBeteiligungoffen.WeitereVerhand lungsrunden schließen sich an, die zu einer Beteiligungsentscheidung füh ren. Anschließendwird dasInvestment vollzogen, und es folgt die Betreuungs undKontrollphase.IndieserarbeitenGründerundInvestorenjenach Ver einbarung mehr oder weniger eng zusammen. Den eigentlichenAbschluss derZusammenarbeitstelltderAusstieg(„Exit“)dar.HierfürstehenimWe sentlichen fünfAlternativen offen: DieAnteile des Investors können an die Gründer wieder zurückverkauft werden („Buy Back“), was allerdings nur bei einer ausreichenden Kapitalstärke, kleineren Aktienpaketen und einer entsprechendenErtragskraftdesUnternehmensgelingendürfte.DieAnteile könnenanweitereInvestorenverkauftwerden(„SecondaryPurchase“),die an einer finanziellen oder strategischen Beteiligung interessiert sind. Der VerkaufkannaberauchaneinanderesUnternehmenerfolgen,beispielswei seaneinenkomplementärenAnbieterderselbenBranche,dernebenstrate gischem auch operatives Interesse an einer engen Partnerschaft hat. Dieser sogenannteTradeSalehatsichzueinemwichtigenExitKanalimFalleder Fortführung des Unternehmens entwickelt.Aussicht auf den höchsten Ver kaufserfolghateinInvestorbeieinemBörsengang(IPO)andendafürspezi alisiertenBörsensegmentenindeneinzelnenLändern.Nichtvergessenwer dendarfeinedurchaushäufigeExitVariante,überdieaberverständlicher weise nur ungern gesprochen wird, die Liquidation bzw. Insolvenz des Investments.

333

11.5 DerAblaufder Gründungsfinan zierungreicht vonderPartner suchebiszur ExitPlanung.

11

Finanzierung

BeieinerRisiko kapitalfinanzie rungmüssensich Kapitalgeberund nehmerineinem Beteiligungs vertrageinigen.

DerAbschluss einer solchen Risikokapitalfinanzierung ist durch branchen typische Spezialitäten gekennzeichnet. Hierzu muss in der Regel eine Eini gung über folgende Punkte erzielt werden: wirtschaftliche und rechtliche PositiondesKapitalgebers,AuflösungsmöglichkeitenseitensdesKapitalge bers ohne allzu große Benachteiligung der Unternehmer, Bindung der Gründer an das Unternehmen und die verabredeten Meilensteine sowie klare Verteilung der Entscheidungsrechte im Falle von erforderlichen Ver tragsanpassungen. Im Mittelpunkt steht der Beteiligungsvertrag, der die zentralenAspekteregelt:Finanzierungsinstrumente,KopplungderAuszah lungen an das Erreichen von Meilensteinen, Mitwirkungs, Informations, KontrollundVetorechte.DazukommendasVorgehenbeieinerKapitaler höhung,dieAufnahmeweiterer(Finanzierungs)PartnersowiedieBindung derGründerundihrervollenArbeitskraftandasUnternehmen.Zusätzlich gehören noch Verwässerungsschutzklauseln, ExitRegelungen auch bei Insolvenz, Vorerwerbs/Mitveräußerungsregelungen, Patente und Schutz rechte, Optionspläne der Gründer und Optionsrechte der Kapitalgeber, Aktionärsbindungsverträge,Stimmrechte,Bewertungsregeln,Besetzungdes Aufsichts oder Verwaltungsrats, Gewinnverwendungen und Nachschuss pflichtenbeiKapital/LiquiditätsengpässenzudenrelevantenAspekten.

Risikokapitalist teuerundmeist ressourcen aufwendig.

DieRegelung alldieserPunkteführtdazu, dassRisikokapitalbeteiligungen in der Regel drei bis sechs Monate Verhandlungszeit benötigen. Dies kann im Falle eines nur kurzfristigen offenen strategischen Fensters im Markt (TimingdesMarkteintritts)unterUmständenschonzulangedauern,zumal durchdieVerhandlungendieArbeitskraftderGründerinwenigerproduk tive und kreative Bereiche gelenkt wird. Von daher muss festgehalten wer den,dassRisikokapitaldievergleichsweiseteuersteundzumeistauchzeit undressourcenaufwendigsteFinanzierungsformdarstellt.

11.5.2 Unternehmensbewertungen bei Start-ups und KMU Im Zuge der Verhandlungen zwischen Investoren und Gründern muss die Frage der Unternehmensbewertung – und damit des Wertes der einzelnen Anteile – gelöst werden. In der Praxis ähnelt die Bestimmung eines Unter nehmenswertesteilweisemehreinerVeranstaltungaufeinemJahrmarktals einerseriösenWissenschaft,daeineReihevonEinflussundManipulations faktoren zu beachten sind. Von daher empfiehlt es sich, mehrere Bewer tungsmethoden durchzuspielen, um eine einigermaßen objektive Größen ordnungdesWerteszuerhalten,umdanach,mitdemWissenüberdieent scheidendenManipulationsfaktoren,indieVerhandlungenzugehen.24

334

Die Inhalte des (Risiko-)Finanzierungsprozesses

GemäßWipflilassensichsechsEinflussfaktorenaufdenUnternehmenswert identifizieren:25 1. Management/Gründerteam(vorallemQualitätundErfahrung) 2. Absatzprognosen 3. Risiken (vor allem systematische und unsystematische Risiken, Diskon tierungssätzevs.ZuschlägebeimWACC[WeightedAverageCostofCa pital]) 4. Finanzmarktumfeld (vor allem Angebot vs. Nachfrage, Preisniveau, TrendsundExitMöglichkeiten) 5. Zeit (vor allem Zeitwert des Geldes, Prognosehorizonte, Time to Mar ket/Breakeven/Exit) 6. Bewertungsmethoden (Substanzwert, Ertragswert, Mittelwertmethoden, Discounted Cashflow, Economic Value Added, Realoptionen, Venture CapitalMethode,TradedMultiples,verzögerteKaufpreisbestimmung) Die empirische Analyse dieser sechs Einflussfaktoren durch Wipfli26 hat nebenanderendieuntenstehendenFaktorenalsgrößteUnternehmenswert schafferbzw.vernichteridentifiziert. DerUnternehmenswertlässtsichamstärkstensteigerndurch:

„ VerzichtaufalleZuschlägezurDiskontierungsratebeiderDCFMethode „ Erhöhung des Preisniveaus der verkauften Produkte oder Dienste um 10%

„ VerzichtaufCashflowAdjustierungsZuschlägebeiderDCFMethode  DerUnternehmenswertsinktamstärkstendurch:

„ VerzögerungderEinnahmenumeinJahrbeiunverändertenAusgaben „ AnwendungderSubstanzwertmethode „ VerzichtaufdenEndwert/TerminalValuebeiderDCFMethode „ SenkungdesPreisniveausderabgesetztenMarktleistungenum10% DieseErgebnisseverdeutlichendiezentraleBedeutungderMarketingfragen im Rahmen eines Businessplans sowie die Relativität einer genauen Unter nehmenswertberechnung bei Startups, da die Prognoseunsicherheiten zu groß sind. Anstelle einer zu langen Auseinandersetzung mit ausgefeilten Bewertungsmethoden sollte sich das Gründerteam vor allem intensiv mit

335

11.5 DerUnterneh menswertwird durchsechs Einflussfaktoren bestimmt.

11

Finanzierung

seinen Produkten, den Wettbewerbern, den Kunden und den festgesetzten Preisenbefassen. Wahrscheinlich keitsundsimu lationsorientierte Bewertung

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es eine große Herausforderung darstellt,denWerteinesStartupsexaktundzutreffendzuermitteln,dadie BerechnungenmeistaufmehroderwenigerbegründetenAnnahmenfürdie Zukunft fußen. Deshalb kommen der Entwicklung und dem Einsatz von Methoden wie der wahrscheinlichkeits und simulationsorientierten Unter nehmensbewertung auf der Basis einer detaillierten Unternehmensplanung wievonDoertenbach&Co.27großeBedeutungzu. GrundlagendieserMe thode sind die Umsatzplanung unter Unsicherheit (Ermittlung von Konfi denzintervallen)unddieModellierungdesRisikoszukünftigerCashInund OutFlows (niedrigste/höchste/wahrscheinlichste Preise/Mengen). Als Er gebnis fließen die Verteilungen der so ermittelten einzelnen Cashflow ProfileindieVerteilungdesUnternehmenswertesein.Darausresultierteine Häufigkeitsverteilung der Unternehmenswerte mit entsprechendem Mittel wert und z.B. 75%Konfidenzintervall. Ebenso lassen sich die einzelnen WerttreiberdesUnternehmenswerts,wieauchobenbeiWipflibeschrieben, ermitteln.AufdieserBasiskanndannindieKaufpreisargumentationeinge stiegenwerden.

11.6 Die Werkzeuge der Gründungsfinanzplanung

11.6.1 Grundsätzliche Erfordernisse DieLiquiditäts planungisteines derwichtigsten Instrumentefür Startups.

DamitStartups/KMUihreFinanzenundihreFinanzplanungaussagekräftig gestaltenunddamitalsFührungsinstrumentnutzenkönnen,isteserforder lich ein Grundinstrumentarium aufzustellen. Diese Werkzeuge der Grün dungsfinanzierung lassen sich entweder individuell, z.B. in Zusammenar beitmiteinemTreuhänder,BuchhalteroderÄhnlichem,aufstellenoderaber durch die Verwendung von Vorlagen, die auf das eigene Unternehmen an gepasstwerden28.FolgendeWerkzeugedürfenaufkeinenFallfehlen:Plan bilanz, Planerfolgsrechnung, Planmittelflussrechnung, BreakevenRech nung sowie eine kurz und mittelfristige Liquiditätsplanung. Gerade der Liquiditätsplanung kommt entscheidende Bedeutung zu, da das Scheitern von Startups/KMU letzten Endes auf fehlende Liquidität und damit Zah lungsunfähigkeitamTagXzurückzuführenist.29Deshalbmussdiekurzfris

336

Die Werkzeuge der Gründungsfinanzplanung

11.6

tige Liquiditätsplanung auf zehn Tage bzw. einen Monat genau Auskunft gebenkönnen.

11.6.2 Gestaltung des Finanzplans Einen entscheidenden Teil des Businessplans stellt die Finanzplanung dar. SiebefindetsichfürgewöhnlichamEndedesBusinessplans,dasieaufden zuvor getroffenen strategischen und operativen Entscheidungen zum Ge schäftsmodell aufbaut.30 Die Entscheidungen werden dazu in quantitativ messbare (Finanz)Größen übertragen und stellen die Grundlage für die einzelnenElementedesFinanzplansdar.Diesesindentsprechendden„Ge setzmäßigkeiten“desFinanzundRechnungswesenmiteinanderverknüpft. BeieinerPrüfungkommendeshalbnebendenausgewiesenenWerteninder FinanzplanungdenAnnahmenüberPreise,Mengen,AnzahlKunden,Zah lungsverhalten,Finanzierungskonditionenetc.eineentscheidendeRollezu, da diese alsAusgangsbasis der Zahlen in der Finanzplanung direkt beein flusstwerdenkönnen.

Annahmenüber Preise,Mengen, AnzahlKunden etc.sinddieent scheidenden Größenbeider Finanzplanung.

DerFinanzplanlässtsichinlangundkurzfristigeInstrumentegliedern.Zu denlangfristigenInstrumentenzählendiePlanbilanzüberdiegegenwärtige und zukünftige Vermögenssituation, die Planerfolgsrechnung über die ge genwärtige und zukünftige Ertragssituation und die Plankapital oder  geldflussrechnungüberdieFinanzflüsseinnerhalbdesUnternehmens.Diese werdennachdeninternationalenStandardsinFinanzströmeausdemopera tiven Geschäft (operativer Cashflow), dem Investitionsverhalten (investiver Cashflow) und dem Finanzierungsgeschehen (finanzieller Cashflow) unter schieden.VereinfachtgesagtsolltedasGründungsunternehmensoraschwie möglichinderLagesein,mitseinemKerngeschäftpositiveoperativeCash flowStrömeauszulösen,diewiederumfür Investitioneneingesetztwerden können.DazuBeginnbeideStrömenegativseinwerden,mussdurcheinen Eigen oder Fremdkapitalstrom die Lücke geschlossen werden. Verrechnet werdendiesedreiStrömeüberdieBilanzposition„FlüssigeMittel“.Imwei terenVerlaufderGründungsolltendieeingesetztenfinanziellenCashflows mit den selbst erwirtschafteten Cashflows zurückgezahlt werden können, sonstdrohtfrüheroderspäterdieIlliquidität.Deshalbkommtderkurzfris tigen Finanzplanung eine unverzichtbare Aufgabe zu. Mit einer kurzfristi genLiquiditätsplanungauf10,30,90oder360TagesBasiswirddiejeder zeitige Zahlungsbereitschaft unter Kontrolle gehalten und der kurzfristige Finanzierungsbedarfermittelt.

DasGründungs unternehmen musssoraschals möglicheinen positivenCash flowerwirtschaf ten.

BezüglichdereinzelnenInstrumentedesFinanzplanssindgeradeimGrün dungsprozess einige Besonderheiten beachtenswert. Bei der Planbilanz ist darauf zu achten, dass das Eigenkapital vom Verlust eines Jahres nach

337

11

Finanzierung

Schweizer Obligationenrecht nicht mehr als 50% verzehrt wird. Gerade in der Gründungsphase besteht diese Gefahr, dann sind unverzüglich Sanie rungsmaßnahmen einzuleiten. Diese bestehen vor allem in einem Kapital nachschussundeinerstriktenAusgabenbeschränkung. Rechnetsichdas Geschäftsmodell auchdannnoch, wennsichdie geplantenAuf wendungenver doppelnunddie geplantenErträge halbieren,sind Investoreneher bereitzu investieren.

Die Planerfolgsrechnung stellt zukünftige Aufwendungen und Erträge ge genüber.AlsVergleichsmöglichkeitbietensich,fallsverfügbar,durchschnitt liche Branchenkennzahlen an. Um die Unsicherheit bei den Zukunftsprog nosenabfedernzukönnen,empfiehltessich,mitdreiSzenarienzuarbeiten. Das realistische Szenario basiert auf den Annahmen, die aufgrund einer seriösenundrepräsentativenMarktforschungzudenerzielbarenUmsätzen abgeleitetwerdenkönnen.DaspessimistischeSzenariosollteeineEntwick lung abbilden, die hinter den Erwartungen bleibt und das zum Überleben desUnternehmenserforderlicheMinimumanUmsätzenbeiniedrigstmögli chen Kosten darstellt. Das optimistische Szenario wird für den Fall entwi ckelt, dass die Verkaufszahlen plötzlich über den Erwartungen liegen und entsprechende Vorfinanzierungen und Personalaufstockungen erforderlich werden. Die Szenarien sollten dann periodisch der tatsächlichen Entwick lung angepasst werden, um als Arbeitsinstrument dienen zu können. Ein Praxistest seitens der Investoren besteht darin, in der vorgelegten Erfolgs rechnung dieAufwendungen zu verdoppeln und die Erträge zu halbieren. Geht das Geschäftsmodell dann immer noch auf, sind sie bereit, über eine InvestitionindasUnternehmenweiterzudiskutieren.

Diezeitraumbe zogeneKapital flussrechnung zeigtdietatsäch licheHerkunft derFinanzmittel.

Die zeitraumbezogene Kapitalflussrechnung erklärt die Ursachen und den UmfangvonMittelzuundabflüsseneinerPeriode.Üblicherweisewirddie Kapitalflussrechnung als Fondsrechnung aufgebaut, bei der die liquiden Mittel zu Periodenbeginn und ende als Ausgangspunkt für die Rechnung dienen.DerAussagewertliegtinderAufdeckungderwahrenHerkunftder Finanzmittel: Werden diese mit dem eigentlichen Geschäft erwirtschaftet oder kann der Betrieb nur durch wiederkehrende Eigen oder Fremdkapi talnachschüsseaufrechterhaltenwerden?FührendiegetätigtenInvestitionen indenfolgendenPeriodenzugesteigertenoperativenMittelzuflüssen?Kann sich das Unternehmen selbst finanzieren? Hierzu wird der freie Cashflow berechnet, derdieselbst erarbeiteten Mittel darstellt, dienach Veränderun genimUmlaufundAnlagevermögen,nachZahlungderFremdkapitalver pflichtungenundTätigungdererforderlichenInvestitionendenEignernzur freienVerfügungstehen.

338

Fallstudie: Wachstumsfinanzierung der Affimed AG

11.7

DieLiquiditätsplanungdient zurBudgetierungderkommendenZahlungs verpflichtungen,diedurchentsprechendevorausgehendeZuflüssegesichert sein müssen. Gerade in einer Expansionsphase sowie bei einer knappen KapitalausstattungkommtderQualitätderLiquiditätsplanungeineüberle benswichtige Rolle zu. Deshalb ist es erforderlich im 10 oder 30Tages Rhythmuszuplanen.StartupssindvorallemdurchdasEingehenvonlau fendenZahlungsverpflichtungenwiePersonalfixkosten,LeasingoderMiet raten sowie unregelmäßigen Zahlungseingängen von Kunden gefährdet. Dem Debitorenmanagement sollte deshalb eine zentrale Bedeutung zu kommen.GleichwohlsinddabeiGrenzengesetzt.GeradeGroßunternehmen benötigenteilweiseMonate,bissieeineRechnungbegleichen.Hierfürsind interne Genehmigungsvorgänge, aber auch Überlegungen seitens deren CashManagementsverantwortlich.FürdaswenigermarktmächtigeStartup kann eine nicht geplante Verzögerung des Zahlungseingangs jedoch einen ernsthaftenLiquiditätsengpassbewirken.

Verzögerungen desZahlungsein gangskönnenbei Startupszu ernsthaften Liquiditätseng pässenführen.

DieaufgeführtenInstrumentebildendasStandardsortimentderFinanzpla nung.JenachGeschäftsmodellkönnendarüberhinausweitereInstrumente zum Einsatz kommen. Mit einer BreakevenAnalyse wird die Gewinn schwelle,derZeitpunkt,abdemdasUnternehmenindieGewinnzonevor stößt, ermittelt. Für Investoren ist dies – gerade bei forschungsintensiven Gründungsprojekten – ein wichtiger Indikator für die Dauer des vorzu finanzierenden Zeitraumes. Investitionsrechnungen kommen bei Gründun gen mit bedeutenden Investitionen in Anlage und Umlaufvermögen zum Einsatz, um den Projektverlauf mit den entsprechenden Investitions und Rückflussströmen zu planen. Die daraus berechnete interne Rente (IRR – InternalRateofReturn)gibtAufschlussüberdieSinnhaftigkeitderInvesti tion. MakeorbuyAnalysen werden vorgenommen, wenn unklar ist, ob EigenfertigungenoderFremdvergabendiewirtschaftlichereLösungsind.

JenachGe schäftsmodell könnenweitere Planungsinstru mentezum Einsatzkommen.

11.7 Fallstudie: Wachstumsfinanzierung der Affimed AG31 Das Heidelberger Unternehmen Affimed entwickelt innovative Therapien auf der Basis neuartiger menschlicher, rekombinanter monoklonaler Anti körper für die Behandlung von lebensbedrohlichen Krankheiten, insbeson dere Krebs. Affimed ist damit ein produktorientiertes Unternehmen der „roten“ Biotechnologie. Die Strategie von Affimed besteht in der Entwick lung neuerAntikörpertherapien. Dazu wird ein breites Portfolio selbst ent wickelter sowie von Partnern einlizenzierter Technologieplattformen ge nutzt, die zu einer mit vielversprechenden Produktkandidaten gefüllten

339

Therapienmit neuartigenAnti körpernhelfen lebensbedrohliche Krankheitenzu behandeln.

11

Finanzierung

Produktpipeline in der frühen und präklinischen Phase geführt hat. Die FortentwicklungderProduktkandidatenindenweiterenklinischenPhasen erfolgtentwederimeigenenHausoderinKooperationmitanderenBiotech nologieoderPharmaunternehmen.DerFokusliegtdabeiaufderOnkologie sowie der Immunabwehr.Affimed ist weltweit die einzige Firma, die zwei vollständig humane Antikörperbibliotheken entwickelt hat. Dies gibt ihr eine starke Verhandlungsposition mit Kooperationspartnern. Da Affimed sich bei eigenen Entwicklungen auf onkologische Indikationen fokussiert, werden Produktkandidaten außerhalb des Onkologiebereichs auslizenziert. Projekte in der Onkologie können dank der letzten Finanzierungsrunde eigenständig oder auch mit Kooperationspartnern entwickelt werden. Des halb soll auch eine strategische Partnerschaft mit einem USBiotech Unternehmeneingegangenwerden,umbeideMärktemitihrenjeweilseige nenZulassungsverfahrenerschließenzukönnen. Biotechnologie unternehmen benötigeninder Regelmehrere Finanzierungs runden.

DieFinanzierungvonBiotechnologieunternehmenweistaufgrunddesetwa 10–15JahrelangenMedikamentenentwicklungsprozessesundderanschlie ßenden relativ kurzen patentgeschützten Vermarktungsphase Besonderhei tenauf.SosindinderRegelmehrereFinanzierungsrundenunddasDurch laufenderverschiedeneneingangsgezeigtenFinanzierungsphasenerforder lich. Zur Erbringung der Gesamtsumme von teilweise mehreren 100 Mio. EUR Euro ist es erforderlich, Eigenmittel, öffentliche Fördermittel und vor allem Mittel von Business Angels und Venture Capitalists schrittweise zu kombinieren.HinzukommtdierealistischeMöglichkeiteinesBörsenganges. AffimedwurdeimJahr2000vonProf.MelvynLittlealsSpinoffausseiner Forschungsgruppe „Recombinant Antibodies“ am Deutschen Krebsfor schungszentrumHeidelberggegründet.MittlerweilebeschäftigtAffimedca. 20Angestellte und wird von einem international erfahrenen Management team geleitet. Affimed ist seit 2002 im Heidelberger Biotechnologiepark ansässig.2004/2005durchlebteAffimedeinestrategischspannendePhase,in deren Folge die Geschäftsführung zum Teil neu besetzt wurde, um die er forderlicheinternationaleGeschäftsundFinanzerfahrungeinzubringen,um das Geschäftsmodell global umzusetzen. Die Geschäftsführung bilden nun derChiefEexecutiveOfficerDr.RolfH.Günther,derChiefScientistOfficer Prof. Melvyn Little, der Chief Financial Officer Dr. Florian Fischer und der ChiefMedicalOfficerDr.MiroslavRavic.Zusammenverfügensieüberein breites Erfahrungsspektrum betreffend internationaler Biotechnologieko operationen,ZulassungsverfahrenindenUSAundinderEUsowieüberdie erforderlichen Finanzkompetenzen. Die personellen Änderungen wurden durcheineaktivestrategischeRollederVCsmiteingeleitet.

340

Fallstudie: Wachstumsfinanzierung der Affimed AG

11.7

AffimedbesitzteineFinanzierungsform,dieaufzeigt,wiedieverschiedenen Finanzierungsinstrumente miteinander kombiniert werden können. Drei VentureCapitalGesellschaftenhabenRisikokapitalgegeben:derprivateVC SHS Gesellschaft für Beteiligungsmanagement mbH, Tübingen; der private VC First Ventury, Pfäffikon/Schweiz mit Sitz imAufsichtsrat; die staatliche KfW–Bank.ZusammensindaufdieseWeise5,7Mio.EURinvestiertworden. HinzukommteinestilleBeteiligungvonSHSundderstaatlichenTechnolo giebeteilungsgesellschafttbginHöhevon2,5Mio.EUR.Dieprojektbezoge neLizenzierungspartnerschaftmiteinemPharmaunternehmenhatseit2004 1,1Mio.EURbeigesteuert.HinzukommenöffentlicheFördermittelinHöhe von 2,3 Mio. EUR, davon alleine 1 Mio. EUR aus dem BioChancePLUS Programm der Bundesregierung. Die VCFinanzierungen erfolgten zeitlich gestaffelt: 2000 durch SHS und tbg, 2003 in der zweiten Runde durch SHS und First Ventury sowie die BioChancePLUSMittel. Die dritte Finanzie rungsrundein2005erbrachte3,2Mio.EUR,diesmalangeführtvonderFirst VenturyinVerbindungmitderKfW.In2007konntedievierteRundeabge schlossen werden: Zusammen mit BioMedInvest, Life Science Partners und OrbiMed konnte First Ventury eine Finanzierungsrunde von 20 Mio. EUR zusammenstellen.

Affimednutzt erfolgreicheine Kombinationaus verschiedenen Finanzierungs instrumenten.

Affimed ist weiter auf der aktiven Suche nach Kooperationspartnern, die entsprechendeUmsätzeausderKombinationvonUpfrontZahlungen,Mei lensteinzahlungen und Royalities generieren. Auch eine strategische Part nerschaft mit einem Pharmaunternehmen inklusive einer Beteiligung ist denkbar. Denn für die zukünftige Entwicklung vonAffimed bis zur ersten Produkteinführungisteserforderlich,dassdiebiotechnologischenEntwick lungendurcheinparallellaufendesFinanzierungskonzeptabgesichertwer den.

Affimedbraucht Kooperations partner,umdie Entwicklungbis zurProduktein führungzufinan zieren.

Fragen zur Fallstudie 1. Informieren Sie sich über Affimed: Welche konkreten Partnerschafts konzepte können Sie in die Grundstrategie des Unternehmens einord nen?WelchenZweckhabenPartnerschaftenzwischenjungenBiotechno logieunternehmen und großen Pharmakonzernen, aber auch welche Ri siken sind damit verbunden? Warum treten im Lauf der Entwicklung dieser Biotechnologieunternehmen regelmäßig kritische Wachstums schwellenauf?ZeigenSiederenFinanzierungsbesonderheitenauf. 2. Informieren Sie sich über die Biotechnologie und Pharmabranche: Wie werden Corporate Venture Capital Fonds der Pharmaunternehmen strukturiert, geführt und finanziert? Welche Anforderungen werden an öffentlicheFördermittelfürdiesenBereichgestellt?

341

11

Finanzierung

3. Welche Rolle spielen aus Ihrer Sicht Ihre eigene Risikobereitschaft und IhreeigenenBedürfnissebeidermöglichenGründungIhreseigenenUn ternehmens?

11.8 Zusammenfassung Die Gründungsfinanzierungsproblematik zu lösen ist für jeden Entrepre neureinezentraleHerausforderung.DieWissenschaftbieteteineReihevon Erklärungsansätzen,kannaberselbstkeinPatentrezeptzurVerfügungstel len. Dafür kann der Markt mit seinen Kapitalformen, Friktionen,Akteuren undProzessenhinsichtlichderindividuellenEntscheidungssituationanaly siert werden. Beim Schreiben des Finanzplans sind dann Kerninhalte und –vorgehensweisen zu beachten, damit das „Abenteuer Gründungsfinanzie rung“erfolgreichaufdenWeggebrachtwerdenkann.

Diskussionsfragen 1. WelcheAufgabenfallenfürdasGründer/Unternehmerteamindenein zelnen Phasen des Finanzierungszyklus an und welche Finanzierungs quellenstehenzurVerfügung? 2. Worin unterscheidet sich eine Startup/KMUFinanzierung von einer Finanzierung eines managergeführten und börsennotierten Großunter nehmens? 3. Welche Marktfriktionen und Marktineffizienzen kennen Sie im Bereich derKMUFinanzierungundwelcheMilderungsmechanismenlassensich dagegeneinsetzen? 4. Wie gehen Sie bei der Auswahl Ihres Finanzierungspartners vor und welcheKriteriensindfürSiewichtig? 5. WelcheWerkzeugesolltenSiefürIhreFinanzplanungeinsetzen?

Weiterführende Literatur Börner, C./Grichnik, D. (Hrsg.), Entrepreneurial Finance. Kompendium der GründungsundWachstumsfinanzierung,BerlinHeidelberg,2005. ENGEL, R., SeedFinanzierung wachstumsorientierter Unternehmensgründungen, Sternenfels,2003. NATHUSIUS, K.,GrundlagenderGründungsfinanzierung:InstrumenteProzesse Beispiele,Wiesbaden,2001.

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Zusammenfassung

Endnoten   1 MÜLLER, O., Mezzanine Finance – Neue Perspektiven der Unternehmensfinanzierung,

Bern et al., 2003, differenziert in Mezzanines Kapital i. e. S. und i. w. S.; „Mezzanine i. w. S. steht für intermediäre Formen der Finanzierung, die alle rechtlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten zwischen Eigenkapital und Fremdkapital, vom besicherten nachrangigen Darlehen bis zu Vorzugsaktien, aufweisen können und die eine mittlere Risiko-Ertrags-Relation aufweisen. Ist der Erwerb von Unternehmensanteilen im Rahmen der Finanzierung möglich, wird hybrides Fremdkapital (Hybrid Debt) und damit Mezzanine i. e. S. angesprochen.“ 2 Vgl. hierzu die Phasendarstellung von NATHUSIUS, K., Gründungsfinanzierung, Frankfurt am Main, 2003, und BERNET, B./ DENK, C.L., Finanzierungsmodelle für KMU, Bern et al., 2000, sowie ENGEL, R., SeedFinanzierung wachstumsorientierter Unternehmensgründungen, Sternenfels, 2003. Ausführliche Darstellungen zu den einzelnen Finanzierungsformen finden sich bei BRETTEL, M./RUDOLF, M./WITT, P., Finanzierung von Wachstumsunternehmen, Wiesbaden, 2005, S. 37ff., sowie bei VOLKMANN, C.K./TOKARSKI,K.O.,Entrepreneurship,GründungundWachstumvon jungenUnternehmen,Stuttgart,2006,S.317ff.. 3 Vgl. zu den Kapitalarten NATHUSIUS, K., Gründungsfinanzierung, Frankfurt am Main,2003,undBERNET, B./DENK, C.L.,FinanzierungsmodellefürKMU,Bernetal., 2000. 4 MÜLLER,O.,ebenda. 5 Kley, C.R., MittelstandsRating, Wiesbaden, 2003, mit weiteren Zitaten zu den einzelnenEinflussfaktoren. 6

CREDITREFORM, Insolvenzen, Neugründungen und Löschungen, 1. Halbjahr 2007, S. 17f.

7 Beobachtungsnetz der europäischen KMU 2003, Nr. 2: KMU und Zugang zur Fi nanzierung,Luxemburg,2003. 8 ENGEL, R., SeedFinanzierung wachstumsorientierter Unternehmensgründungen, Ster nenfels,2003. 9 GÖBEL, E.,NeueInstitutionenökonomik,Stuttgart,2002,undBERNET, B./DENK, C.L., ebenda. 10 KLEY,C.R.,ebenda. 11 ENGEL,R.,ebenda. 12 ENGEL,R.,ebenda. 13 Vgl.zudenFinanzierungstheorien:KLEY, C.R.,ebenda;ENGEL, R., ebenda; MÜL LER, O.,ebenda,dortinderFolgeauchzudenTheorienfürmezzanineFinanzie rungen. 14 ENGEL,R.,ebenda. 15 MÜLLER, C./TOMASELLI, H./FREILAND, D., Dienstleistungsansätze bei Unternehmens transaktionenimMittelstandamBeispielBadenWürttembergs,Stuttgart,2006. 16 InAnlehnunganNATHUSIUS,K.,ebenda. 17 BEAUD, C.,AngelInvestment,VortragsunterlagenEMBA25.„Entrepreneurship“, St.Gallen,2004,miteinerListeeinerReihevonBusinessAngelsNetzwerkenauf nationaler, regionaler und privater Ebene. Einblicke in das VCGeschäft gewährt

343

11.8

11

Finanzierung

ebenfalls HEINE, D., Venture Capital Business, EMBA 25 „Entrepreneurship“, St.Gallen,2004. 18 Vgl. die Übersicht bei VOLKMANN, C.K./TOKARSKI, K.O., ebenda, S. 321; STEDLER, H.R./PETERS, H.H., Business Angel in Deutschland, tbg/Deutsche Aus gleichsbank,Bonn,2002. 19 ENGEL,R.,ebenda. 20 Eine Liste registrierter VCs findet sich bei den jeweiligen nationalen sowie der europäischenVentureCapitalAssociation(s). 21 BAUMGÄRTNER, C., Portfoliosteuerung von VentureCapitalGesellschaften, Wiesba den,2005,S.263ff.. 22 Verfasser der Fallstudie: STEFFEN SATOR, Gründer und Geschäftsführer der Out TradeGmbH. 23 NATHUSIUS,K.,ebenda. 24 Vgl.hierzuauchKapitel6. 25 WIPFLI,C.,UnternehmensbewertungimVentureCapitalGeschäft,Bern,Stuttgart. 26 WIPFLI, C., ebenda.; auf weitere Bewertungsmodelle wie Kundenwertmodelle gehenBRETTEL,M./RUDOLF,M./WITT,P.,ebenda,S.5ff.ein. 27 Doertenbach & Co., Corporate Finance/Mergers & Acquisitions, Valuation & Wine,Vortragsunterlagen,FrankfurtamMain,2007. 28 Beispielsweise die CDROM „Softwarepaket 9.0 für Gründer und junge Unter nehmen“desBundesministeriumsfürWirtschaftundTechnologie.WeitereVorla gen sind bei den regionalen Existenzgründungsberatungen, Kammern, Banken oderbeiBusinessplanWettbewerbenerhältlich. 29 Dies bestätigt auch die Studie des Beobachtungsnetz der europäischen KMU, ebenda: „In den meisten Ländern ist die Bedeutung der kurzfristigen Finanzie rungfürKMUimAllgemeinenhöheralsfürgroßeUnternehmen;eineBesonder heit, die mit dem (relativ) höheren Bedarf an Betriebsmitteln von KMU zusam menhängt.“ 30 CreditSuisse:DerBusinessPlan–einepraxisorientierteWegleitung,Zürich,1997. 31 Quellen: persönliche Informationen von Dr. Rolf H. Günther, CEO; Dr. Frank Mühlenbeck, First Ventury AG und im Board of Directors; sowie aus: VOSS, R./MÜLLER,CH.,HighTechstartups–CasestudiesfromGermany,Part2,Studiefürdas ‘National Institute of Advanced Industrial Science and Technology (AIST)’, To kio/Japan,50Seiten,Stuttgart,2007,undMÜLLER, CH./MÜHLENBECK, F./DREESMANN, L./WERNER, M./OTTO, R.,EinführungindiekommerzielleBiotechnologie,3.Auflage(bzw. 5.AuflageseitBeginn),156Seiten,Stuttgart,Berlin,2007.

344

Einführung

12 Rechtliche Grundfragen

Lernziele Nach der Lektüre dieses Kapitels sollten Sie folgende Fragen beantworten können:

„ WelcheFaktorensolltenbeiderEntscheidungfüreineRechtsformbeach tetwerden?

„ Durch welche Eigenschaften unterscheiden sich die drei wichtigsten RechtsformeninDeutschland,ÖsterreichundderSchweiz?

„ Was sind die wichtigsten Vor und Nachteile von Personen bzw. von Kapitalgesellschaften?

„ WelcheFormengeistigenEigentumskönnenunterschiedenwerden? „ Welche grundsätzlichen Möglichkeiten bestehen, geistiges Eigentum zu schützen, und in welchen Situationen sind die einzelnen Maßnahmen angebracht?

Begriffserklärungen Juristische Person: Vereinigung von mehreren natürlichen Personen zu einerOrganisation,diealssolcheInhabervonRechtenundPflichten(rechts fähig)ist. Einzelunternehmen:Gesellschaftsform,beiwelcherderEigentümer gleich zeitigLeiterdesUnternehmensistundpersönlichmitseinemVermögenfür dieVerbindlichkeitendesUnternehmenshaftet. Kapitalgesellschaft: Juristische Personen mit eigener Rechtsfähigkeit und einem festen Nominalkapital. Häufigste Rechtsformen von Kapitalgesell schaftensinddieAktiengesellschaftunddieGmbH. Geistiges Eigentum: Rechtlich geschütztes Wissen, das sich aus gewerbli chem Rechtsschutz (Patent, Marke, Design, Sorten, Topografie) und Urhe berrechtzusammensetzt.

345

12.1

12

Rechtliche Grundfragen

Patent: Ausschließliches Recht, das eine Erfindung nach erfolgreicher Ein tragungdesPatentesvorMissbrauchDritterschützt. Marke:RechtlichgeschützteKennzeichnungvonWarenoderDienstleistun gen durch ein Unternehmen. Unterschieden werden unter anderem Wort marken,BildmarkenoderHörmarken.

12.1 Einführung Unternehmer müssensichin einbestehendes Rechtssystemmit einerVielzahl vonAkteuren einfügen.

EinegerneverwendeteMetapherinderAuseinandersetzungmitRechtsfra gen ist diejenige des gestrandeten Robinsons auf einer Insel.1 Alleine und auf sich gestellt, benötigt er keine Rechtsregeln, um seinenAlltag zu meis tern.SobaldabereineweiterePerson,indiesemFalleFreitag,ebenfallsauf der Insel lebt, werden Regeln des Zusammenlebens notwendig. Rechtliche Fragenwiez.B.dieRegelungderArbeitszeitenvonFreitagoderdieFrage, obRobinsonüberhauptdazubefugtist,FreitageinenNamenzugeben,ohne ihnzufragen,tauchenauf.UnternehmerundinsbesondereUnternehmens gründer befinden sich in der Regel nicht alleine auf einer einsamen Insel, sondernmüssensichineinbestehendesRechtssystemmiteinerVielzahlvon Akteuren einfügen. Vor allem bei der Unternehmensgründung kommen etliche rechtliche Fragen auf, etwa in welcher Form ein Unternehmen ge gründetwerdenkann, welcheVorschriftenindiesemFallmaßgeblichsind, welche steuerlichenAspekte eine Rolle spielen, wie man den ersten Mitar beiter einstellt oder wie sich die eigene unternehmerische Idee am besten schützenlässt.

DieWahlder Rechtsformund derSchutzgeisti genEigentums sindwesentliche rechtlicheFrage stellungenim Gründungs prozess.

Auf zwei der wichtigsten rechtlichen Fragestellungen bei einer Unterneh mensgründungwirdimRahmendiesesKapitelseingegangen.AlsErstessoll aufgezeigt werden, welche grundsätzlichen Fragen sich bei der Wahl einer Rechtsform stellen und wie die wichtigsten drei Rechtsformen in Deutsch land,ÖsterreichundderSchweizcharakterisiertwerdenkönnen.AlsZwei teswirddieFragenachdemoptimalenSchutzvonInnovationen,Ideenund Erfindungen diskutiert. Ideen können sowohl im Rahmen der gesetzlichen Schutznormen von geistigem Eigentum als auch im Rahmen strategischer Maßnahmen, die auf jedes Unternehmen angepasst werden müssen und daherhöchstunterschiedlichausfallenkönnen,geschütztwerden.

346

Wahl der geeigneten Rechtsform

12.2

12.2 Wahl der geeigneten Rechtsform AmAnfangeinerjedenunternehmerischenTätigkeitstehtdieunternehme rischeIdee.SiebildetzusammenmitderPersönlichkeitdesUnternehmens gründersunddessenZukunftsvisionendieBasisfüralleweiterenbetriebs wirtschaftlichen,rechtlichenundsteuerlichenÜberlegungen.Zudenersten undauchwichtigstenEntscheidungenbeiderUmsetzungeinersolchenIdee gehört die Wahl der geeigneten Rechtsform. Rechte und Pflichten des Ge sellschafters hängen von dieser Entscheidung ab, aber auch Haftung und steuerliche Belastungen. Außerdem definiert sich ein Unternehmen durch dieWahlseinerRechtsformauchnachaußen.2ImFolgendenwerdengrund sätzliche Begriffe geklärt, die mit der Wahl der Rechtsform in Zusammen hangstehen.Zudemwerdendiewichtigstenundamhäufigstengewählten Rechtsformen übersichtlich dargestellt. Dabei werden die Einzelfirma, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und die Aktiengesellschaft (AG) jeweils für Deutschland, Österreich und die Schweiz kurz erläutert.3 Dieser Abschnitt soll die wichtigsten Vor und Nachteile der einzelnen RechtsformenaufzeigenunddamitdieMöglichkeitfüreineersteAuseinan dersetzung mit dem Thema der Rechtsformwahl geben. Diese Übersicht ersetzt jedoch nicht eine intensive und individuelle Beratung durch einen Fachmann, wie beispielsweise einen Steuerberater oder einen Anwalt, der sichaufdieseFragenspezialisierthat.

Diegewählte Rechtsform bringtbestimmte Rechtenund Pflichtenmitsich undprägtdas BildderUnter nehmungnach außen.

12.2.1 Grundsätzliche Fragen und Begriffe Eine grundsätzliche Unterscheidungsmöglichkeit und damit Entschei dungshilfe zwischen einzelnen Gesellschaftsformen besteht zwischen Ein zelunternehmen und Kapitalgesellschaften. Am häufigsten anzutreffen sind Einzelunternehmen, wobei der Eigentümer gleichzeitig Leiter des Un ternehmens ist. Er haftet persönlich mitseinem Vermögen für die Verbind lichkeitendesUnternehmens.BeiKapitalgesellschaftenwiederAGoderder GmbHhaftendieGesellschaftermitwenigenAusnahmen4nurbiszurHöhe ihrer Einlage. Zusätzlich spielt vor allem die (erleichterte) Kapitalbeschaf fungeineRolle,hingegenmüssenmehrodermindergroßeMindesteinlagen inKaufgenommenwerden.Vorteilhaftistauch,dassnichtalleGesellschaf ter respektive Aktionäre zwangsweise an der Unternehmensführung betei ligt sein müssen. Einige grundsätzliche Fragen zur Gesellschaftsform kann mansichbereitsimVorfeldstellen:

„ Willmanalleineodermitanderenzusammengründen? „ WievielGründungskapitalkannaufgebrachtwerden?

347

Grundsätzlich kannzwischen Einzelunter nehmenund Kapital gesellschaften unterschieden werden.

12

Rechtliche Grundfragen

„ WieumfangreichdürfendieFormalitätenbeiderGründungsein? „ WieumfangreichsolldieHaftungsein? „ WelcheSteuerbelastungmussinKaufgenommenwerden? „ WelchenAufwandmöchtemanfürdieVerwaltungbetreiben? „ WiehochsinddieGründungskosten? EinWechselder Rechtsformist immermitAuf wandundKosten verbunden.

Grundsätzlichkannnichtausgeschlossenwerden,dassdieRechtsformdem Wachstum und dem Lauf der Entwicklung des Unternehmens angepasst werden muss. Dies ist jedoch immer mitAufwand und Kosten verbunden. Es lohnt sich daher, beim Unternehmensstart gründlich zu überlegen, wel cheRechtsformdierichtigeWahlfürdasbetreffendeUnternehmendarstellt. DieperfekteRechtsformgibtesallerdingsnicht;jedeRechtsformweistspe zifischeVorundNachteileauf,diesorgfältigabgewogenwerdenmüssen.

12.2.2 Darstellung deutscher Rechtsformen DasHGBwird angewandt,wenn mindestenseine derbeteiligten ParteienKauf mannimSinne desHGBist.

ImdeutschenGesellschaftsrechtspieltderBegriffdesKaufmannseinezent rale Rolle. Die abändernden oder zusätzlichen Regelungen des Handelsge setzbuches(HGB)kommenimmerdannzurAnwendung,wennmindestens eine der am Geschäft beteiligten Personen die Kaufmannseigenschaft hat. Unter den Begriff des Kaufmanns fällt jedoch nicht nur der Einzelkauf mann5,dereineHandelsfirmabetreibt,sondernauchdieKapitalgesellschaf ten6wiedieGmbHoderdieAG.

Deutscher Einzelkaufmann/Handelsfirma InDeutschland wirdzwischen demIstunddem Kannkaufmann unterschieden.

Kaufmann im Sinne des HGB ist, wer ein Handelsgewerbe betreibt (HGB §1)7. Dazu bedarf es weder spezieller Gründungsformalitäten noch ist ein bestimmtes Gründungskapital erforderlich. Man unterscheidet zwischen dem Istkaufmann und dem Kannkaufmann. Ersterer betreibt ein Handels gewerbe,dasnachArtoderUmfangeinen inkaufmännischerWeiseeinge richtetenGewerbebetrieberfordert,8eineEintragunginsHandelsregisterist verpflichtendundimGegensatzzumösterreichischenundschweizerischen Recht an keine Umsatzgrenze gebunden. Beim Kannkaufmann handelt es sichumPersonen,dienichtalleindurchihreTätigkeitdieKaufmannseigen schaft erlangen können wie Kleingewerbetreibende, Land und Forstwirte. DiesehabeneinRechtaufEintragungimHandelsregisterunderlangenmit derEintragungdieKaufmannseigenschaft.DieFirmaalsName,unterdem derKaufmannseineGeschäfteführt,istgeschützt.Weiteralsimösterreichi

348

Wahl der geeigneten Rechtsform

12.2

schenundschweizerischenRechtgehtauchdieBuchführungspflicht,diefür den Ist und Kannkaufmann gleichermaßen und unabhängig vom Umsatz volumendesUnternehmensgilt. Neben der ordentlichen Buchführung kommen die Pflicht zur jährlichen DurchführungeinerInventurunddiePflichtzurAufstellungeinesJahresab schlusses hinzu. Die Belege sind ebenfalls über einen Zeitraum von zehn bzw.sechsJahrenaufzubewahren.FürVerbindlichkeitenhaftetderFirmen inhabervollumfänglich,d.h.auchmitseinemPrivatvermögen.

Tabelle121

BewertungderdeutschenHandelsfirma Vorteile Einzelkaumann/ Handelsfirma

Nachteile Einzelkaufmann/ Handelsfirma

Kein Mindestkapital erforderlich

Gesamtverantwortung beim Eigentümer/Geschäftsführer

Großer Gestaltungsspielraum

Haftung mit Privatvermögen

Geringe Gründungskosten

Erweiterung der Kapitalbasis richtet sich nach eigenen Mitteln

Flexibilität um auf Änderungen einzutreten

Schwierigkeiten bei der Kapitalbeschaffung



Deutsche GmbH Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung verfügt als Kapitalgesellschaft über eine eigene Rechtspersönlichkeit und ist somit eine juristische Person. Als Handelsgesellschaft ist sie Kaufmann im Sinne des HGB (GmbHG §13III) und verfügt über eine eigene Firma. Die Gesellschafter beteiligen sich durch Einlage an dem in Stammanteile zerlegten Stammkapital. Das Stammkapital muss mindestens 25.000 EUR betragen, die Einlage eines Gesellschafter mindestens 100 EUR. Eine Beschränkung des Stammkapitals nachobenwieimschweizerischenRechtkenntdasdeutscheGmbHGesetz nicht.JederGesellschafterkannnureineStammeinlageübernehmen,wobei dieseEinlagenverschiedenhochseinkönnen(GmbHG§5III)9.

DieGmbHist Kaufmannim SinnedesHGB.

DieGründungerfolgtdurcheinennotariellbeurkundetenGesellschaftsver trag,derzwischenzweiodermehrGesellschafternabgeschlossenwird.Die GründungeinerEinmannGmbHist,ebensowieinÖsterreich,möglich.Im Gegensatz dazu kennt das schweizerische Recht keine EinmannGmbH. Man spricht dann von einer Gründungserklärung. Zur Eintragung in das Handelsregistermüssen25%desStammkapitals,mindestensaber50%des

DieGmbHent stehtmitder Eintragungins Handelsregister.

349

12

Rechtliche Grundfragen

Mindestkapitalseingezahltsein.NebenderGründungdurchBareinlageist auch eine Gründung durch Sacheinlage möglich, die jedoch besonderen Vorschriften unterliegt (GmbHG §5IV).Bei der Gründung einer Einmann GmbH ist für den noch offenen Teil der Bareinlagen Sicherheit zu leisten (GmbHG§7II).DadieAnmeldungzurEintragunginsHandelsregisternur durch den Geschäftsführer vorgenommen werden kann, ist dieser im Rah men des Gesellschaftsvertrages oder durch einen späteren Beschluss der Gesellschafter zu benennen. Die Pflichten der Gesellschaft in Bezug auf Buchführung,InventarundJahresabschlussergebensichausdenjeweiligen Bestimmungen des HGB. Ist die Eintragung ins Handelsregister erfolgt, so haftet die GmbH nur noch mit ihrem Gesellschaftsvermögen (GmbHG §13II).EinezusätzlicheHaftungderGesellschaftermitihremPrivatvermö gen gibt es grundsätzlich nicht. Ausnahmen stellen Verbindlichkeiten dar, die noch vor Eintragung der GmbH entstanden sind (siehe auch folgender Absatz), und rechtswidriges Handeln der Gesellschafter, das zur Vermö genslosigkeitderGesellschaftgeführthat. FürdenZeitraumzwischendernotariellenBeurkundungdesGesellschafts vertragesundderEintragunginsHandelsregister,mitderdieGmbHeigent lich erst entsteht und Rechtspersönlichkeit erlangt, spricht man von einer Vorgesellschaft oder VorGmbH. In diesem Zeitraum haften die Handeln den,d.h.derGeschäftsführeroderdieGesellschafter,persönlichundsolida risch(GmbHG§11II). OberstesOrgan derGmbHistdie Gesellschafter versammlung.

OberstesOrganderGmbHistdieGesellschafterversammlung.DasGmbH GesetzsiehteinigeunübertragbareKompetenzenvor,diedurchdenGesell schaftsvertragzusätzlicherweitertwerdenkönnen.AußerdemistdieGesell schafterversammlunggegenüberderGeschäftsführungweisungsbefugt.Die GesellschafterversammlungkanndieGmbHjedoch,wieauchinÖsterreich, nicht vertreten. Anders in der Schweiz, in der die Gesellschafterversamm lung ein Vertretungsrecht innehat. Das Stimmrecht der einzelnen Gesell schafterbemisstsichnachihremAnteil(GmbHG§47II).10EinGesellschaf ter kann jedoch von der Abstimmung ausgeschlossen werden, wenn er durch die Beschlussfassung entlastet oder von einer Verbindlichkeit befreit werdensoll(GmbHG§47IV).

Ab500Mitarbei ternmussauch dieGmbHeinen Aufsichtsrat einrichten.

DieGesellschaftersindsichgegenseitigundderGesellschaftgegenüberzur Treue verpflichtet, d.h., sie haben die Interessen der Mitgesellschafter und derGmbHzuwahrenundschädigendesVerhaltenzuunterlassen.DieGe sellschafterversammlung hat zwingend einen Geschäftsführer zu bestim men.11DieserkannaucheinGesellschaftersein.ErvertrittdieGesellschaft und führt ihre Geschäfte. Sofern die GmbH nicht mehr als 500 Mitarbeiter beschäftigt, steht es ihr frei, einen Aufsichtsrat durch Gesellschaftsvertrag vorzusehenodernicht(GmbHG§52).Ab500MitarbeiternisteinAufsichts ratzwingendvorgeschrieben,wobeifürihndieBestimmungendesAktien

350

Wahl der geeigneten Rechtsform

12.2

gesetzes (Aktiengesetz §95ff.) gelten. Ab 2.000 Mitarbeitern ist ein paritä tisch besetzter Aufsichtrat nach dem Mitbestimmungsgesetz (MBG) vorge schrieben. Die Veräußerung bzw. der Erwerb von Gesellschaftsanteilen er folgt durch einen notariell beurkundeten Vertrag. Durch den Gesellschafts vertrag kann die Übertragung von Anteilen an weitere Voraussetzungen, insbesondere die Genehmigung durch die übrigen Gesellschafter geknüpft werden(GmbHG§15).

Tabelle122

BewertungderdeutschenGmbH Vorteile der GmbH

Nachteile der GmbH

Keine persönliche Haftung der Gesellschafter

Aufwendigere Gründungsformalitäten

Juristische Person

Eintragung ins Handelsregister zwingend

Gründungskapital geringer als bei einer Mindestkapital (25.000 EUR) AG

Deutsche Aktiengesellschaft Die Aktiengesellschaft ist eine Kapitalgesellschaft mit juristischer Persön lichkeit. Sie führt eine eigene Firma und ist Formkaufmann (HGB §6) im Sinne des HGB. Wie im schweizerischen und im österreichischen Recht beurteiltsichdieBeteiligungderAktionärenachihremAnteilaminAktien zerlegten Grundkapital (AktG §1).12 Der Mindestbetrag des Grundkapitals ist50.000EUR(AktG§7),wobeidieAktienentwederalsNennbetragsoder Stückaktien ausgegeben werden können (AktG §8).13 Nennbetragsaktien lauten auf einen bestimmten Nennbetrag, der mindestens 1 EUR betragen muss.StückaktienhabenhingegenkeinennominalenNennwert.Eshandelt sich vielmehr um einen Anteil am Grundkapital, der durch die Zerlegung entsteht.14 Zusätzlich werden Inhaber und Namensaktien unterschieden. Durch die Satzung der Gesellschaft kann die Übertragbarkeit der Namens aktien von der Zustimmung der Gesellschaft abhängig gemacht werden. Vom Grundkapital muss mindestens der sogenannte eingeforderte Betrag, d.h. ein Viertel des geleisteten Ausgabebetrags, geleistet werden. Bei der Ausgabe vonAktien zu einem höheren Betrag ist auch der Mehrbetrag zu leisten (AktG §§9, 36, 36a).15 Bei einer Bargründung muss die Einlage zur freienVerfügungdesVorstandesgeleistetwerden.DazugenügteineEinzah lung auf ein Konto der Gesellschaft (AktG §54); anders bei der Gründung derschweizerischenAG,beiderdieZahlungaufeinSperrkontozuerfolgen hat,daserstnachderBeendigungderGründungsphasefreigegebenwird.In ÖsterreichistdurchdenbestelltenVorstandeinGesellschaftskontobeieiner

351

DieAGisteine Kapitalgesell schaft.DieBetei ligungderAktio närebemisstsich anderenAnteilen amGrund kapital.

12

Rechtliche Grundfragen

inländischen Bank zu eröffnen, auf das die Gründer ihre Einzahlungen zu leistenhaben.DieSachgründungfolgteigenenBestimmungen(AktG§§27, 36II, 36aII).Analog zur Gründung einer EinmannGmbH ist auch bei der EinmannAG für den ausstehenden Betrag eine Sicherheit zu leisten (AktG §36II). Einepersönliche Haftungder Aktionärebe stehtnicht.

DieGründungerfolgtdurcheineodermehrerePersonenundvollziehtsich in mehreren Stufen. Zur Errichtung derAG bedarf es zuerst eines notariell beglaubigten Gesellschaftsvertrages, man spricht auch von der Satzung, wobeisämtlicheAktienübernommenwerdenmüssen.InderFolgebestim men die Gründer den Aufsichtsrat und den Abschlussprüfer für das erste Geschäftsjahr. DerAufsichtsrat seinerseits bestimmt den Vorstand. Es wird ein Gründungsbericht erstellt und die Einlage ist zu leisten. Ist dies alles korrekt erfolgt, so wird die Anmeldung vom Registergericht gutgeheißen und es kommt zur Eintragung der AG. Damit ist sie nun voll rechtsfähig. DieHaftungbeschränktsichabdiesemZeitpunktaufdasGesellschaftsver mögenderAG,esbestehtkeinepersönlicheHaftungderAktionäre.

Dieunter schiedlichen Kompetenzen sindzwischen denOrganender AGklarverteilt.

Anders als im schweizerischen Recht gibt es zwischen den Organen der deutschenAGkeinehierarchischeOrdnung,vielmehrhandeltessich,wiein Österreich, um eine zwingende Verteilung der Kompetenzen, womit ein Ausgleichbewirktwerdensoll.DerVorstandistdasLeitungsorganderAG undführtdie Geschäfte.DazugehörendieAusführungderBeschlüsseder Hauptversammlung,dieBerichterstattungandenAufsichtsrat,dieFührung der Handelsbücher und die Erstellung des Jahresabschlusses und des Ge schäftsberichts. Der Vorstand wird durch den Aufsichtsrat auf höchstens fünf Jahre bestellt. Der Aufsichtsrat ist das Kontrollorgan, er bestellt den Vorstand oder ruft diesen ab und überwacht die Geschäftsführung, über prüftdenJahresabschlussunddenLagebericht.DieSatzungkannaußerdem einen Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrates für bestimmte Geschäfte vorsehen (AktG §111). Der Aufsichtsrat setzt sich in der Regel zur Hälfte aus Vertretern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer zusammen. Die Vertreter der Anteilseigner werden von der Hauptversammlung gewählt, die Vertreter der Arbeitnehmer werden nach dem MBG gewählt oder ent sandt.AufsichtsratsmitgliederdürfenwederdemVorstandangehörennoch leitendeAngestelltederAGsein(AktG§105).

AufderHaupt versammlung übendieAktio näreihreRechte aus.

ImRahmenderHauptversammlungübenletztlichdieAktionäreihreRechte aus.AndersalsimschweizerischenRechtistdiesenichtoberstesOrgan.Zu ihrenAufgabengehörtdieWahlderAktionärsvertreterindenAufsichtsrat, die Bestellung des Abschlussprüfers, die Verwendung des Bilanzgewinns, Satzungsänderungen usw. Ein wesentlicher Unterschied im Gegensatz zur schweizerischenAG besteht in den Mitbestimmungsrechten derArbeitneh mer,diejenachBetriebsgröße,Brancheusw.einzelnzuprüfensind.Somuss

352

Wahl der geeigneten Rechtsform

12.2

vor Kündigungen der Betriebsrat als Arbeitnehmervertretung angehört werden.DieÜbertragungvonAktienistfreimöglich.

Tabelle123

BewertungderdeutschenAktiengesellschaft Vorteile Aktiengesellschaft

Nachteile Aktiengesellschaft

Haftung nur mit Gesellschaftsvermögen

Notarielle Beurkundung, Kosten

Kapitalbeschaffung durch Ausgabe neuer Aktien

Eintragung ins Handelsregister

Kreditwürdigkeit

Notwendiges Grundkapital 50.000 EUR

Zusammenfassende Darstellung für Deutschland Tabelle124

ZusammenfassendeDarstellungfürDeutschland Einzelkaufmann/ Handelsfirma

GmbH

AG

Gründer

Nur eine Person

Ab einer Person

Ab einer Person

Stamm- bzw. Grundkapital

Keines

25.000 EUR

50.000 EUR

HR-Eintrag

Istkaufmann ja/ Kannkaufmann freiwillig

Ja

Ja

Rechtspersönlichkeit

Nein

Ja

Ja

Firma

Vor- und Zuname des Inhabers

Personen- od. Sachfirma, Familienname oder Gegenstand des Betriebes mit Zusatz GmbH

Frei wählbar, jedoch mit dem Zusatz „Aktiengesellschaft“

Geschäftsführung

Kaufmann

Geschäftsführung

Vorstand

Haftung

Persönlich

Nach Eintragung ins HR: Gesellschaftsvermögen

Gesellschaftsvermögen

Buchführungspflicht

Ja

Ja

Ja

Übertragung

Nicht möglich

Möglich, notariell Möglich beurkundeter Vertrag notwendig

Gesetzliche Grundlagen

HGB

GmbHG

AktG

353

12

Rechtliche Grundfragen

12.2.3 Darstellung österreichischer Rechtsformen Am1.Januar 2007tratdie bisher umfassendste Reformdes Unternehmer rechtsinKraft.

Am 1. Januar 2007 trat die bisher umfassendste Reform des Unternehmer rechts in Kraft. Mit dem Handelsrechtsänderungsgesetz (HaRÄG) wurde das bisherige Handelsgesetzbuch (HGB) vom Unternehmergesetzbuch (UGB) abgelöst. Anders als im HGB ist dort nicht mehr vom Kaufmann, sondernnurnochvomUnternehmerdieRede.UnternehmersinddiePerso nen,dieeinUnternehmenbetreiben(UGB§1).AlsUnternehmenwiederum wird jede auf Dauer angelegte Organisation bezeichnet, die selbstständig wirtschaftlichtätigist,unabhängigdavon,obeineGewinnerzielungsabsicht existiert oder nicht (UGB §1). Wichtig ist nur, dass die Organisation wirt schaftlich werthaltige Leistungen gegen Entgelt auf dem Markt anbietet. Unternehmer im Sinne des UGB sind auch Kapitalgesellschaften, Erwerbs undWirtschaftsgenossenschaften,VersicherungsvereineaufGegenseitigkeit, Sparkassen, Europäische Wirtschaftsvereinigungen, Europäische Gesell schaftenoderEuropäischeGenossenschaften.

Österreichisches Einzelunternehmen Im Vordergrund der Einzelunternehmung steht die Unternehmerperson. Diese repräsentiert das Unternehmen nach außen und haftet für sämtliche Verbindlichkeiten des Unternehmens mit dem betrieblichen und privaten Vermögen. Demzufolge eignet sich die Rechtsform vor allem für Personen, dieohnePartnergründenmöchten.FürTeamgründungenkommenalterna tiv Kapitalgesellschaften oder Personengesellschaften (insbesondere Offene Gesellschaft,Kommanditgesellschaft)alsRechtsformeninBetracht. Generell muss man zwischen dem protokollierten (d.h. im Firmenbuch eingetragenen) und dem nicht protokollierten Einzelunternehmer unter scheiden. Der protokollierte Einzelunternehmer ist ab Überschreiten eines Jahresumsatzesvon400.000EURinzweiaufeinanderfolgendenJahrenbzw. einem Jahresumsatz von 600.000 EUR zur Rechnungslegung und somit zur Gewinnermittlung nach den Vorschriften des Unternehmensgesetzbuchs verpflichtet. In diesem Falle sind eine Eintragung ins Firmenbuch und der Rechtsformzusatz„eingetragenerUnternehmer“(e.U.)obligatorisch.Ledig lich bei Nichterreichen der genannten Umsatzhöhe gelten die Buchfüh rungspflichtennichtunddieEintragunginsFirmenbucherfolgtauffreiwil liger Basis. Damit ist es auch möglich, dass ein Unternehmer zwar im Fir menbucheingetragen,aberdennochnichtrechnungslegungspflichtigist.

354

Wahl der geeigneten Rechtsform

Als Firma kommen sowohl Personennamen als auch Sach oder Fantasie name infrage, wobei das Kürzel „e.U.“ dem Firmennamen beizufügen ist. Wichtig ist jedoch, dass die Firma zur Kennzeichnung des Unternehmens geeignet ist, keine irreführenden Angaben erhält und zur Unterscheidung gegenüberexistierendenFirmengeeignetist.EsbestehtkeineVerpflichtung, denNamendesUnternehmersinderFirmenbezeichnunganzuführen.Exis tiert bereits ein Unternehmen mit dem gewünschten Namen, muss der Zweitanmelder einen Zusatz beifügen, der die eindeutige Unterscheidung beiderUnternehmenermöglicht.

12.2 AlsFirma kommensowohl Personenals auchSachoder Fantasienamen inFrage.

Grundsätzlich entsteht ein Einzelunternehmen mitAufnahme der Tätigkeit ohneeinenformalenGründungsakt.Esexistierenjedocheinigeadministra tiveVerpflichtungen,wiebeispielsweisedieAnzeigederunternehmerischen Tätigkeiten beim Finanzamt und der Sozialversicherung. Im Vergleich mit KapitalgesellschaftenistderAufwandjedochgering.

Tabelle125

BewertungdesösterreichischenEinzelunternehmens Vorteile des Einzelunternehmens

Nachteile des Einzelunternehmens

Kein Mindestkapital erforderlich

Gesamtverantwortung liegt beim Unternehmer

Großer Gestaltungsspielraum

Haftung mit Privatvermögen

Geringer Gründungsaufwand und geringe Gründungskosten

Erweiterung der Kapitalbasis richtet sich nach eigenen Mitteln

Rechnungslegung und Gewinnermittlung erst ab einem Umsatz von 400.000 bzw. 600.000 EUR erforderlich

Schwierigkeiten bei der Kapitalbeschaffung

Österreichische GmbH DieGmbHhatseitderEinführungderEinmannGmbHdeutlichanPopula rität zugenommen und ist als Kapitalgesellschaft eine Körperschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit. Die Gesellschafter erbringen Vermögenseinla gen,diezusammendasStammkapitalderGesellschaftbilden.Darüberhin ausbesteheninderRegelkeinevermögensrechtlichenVerpflichtungen.Für die Verbindlichkeiten haftet die GmbH als juristische Person allein. Eine persönlicheHaftungderGesellschafterexistiertalsonicht. Die GmbH tritt im rechtsgeschäftlichen Verkehr auf und ist Trägerin von Rechten und Pflichten. Die Anzahl der Gesellschafter kann frei gewählt werden,wobeidieGründungauchdurcheineeinzigePersonerfolgenkann („EinmannGmbH“). Das Mindeststammkapital beträgt 35.000 EUR, wobei

355

12

Rechtliche Grundfragen

mindestens die Hälfe davon, also 17.500 EUR, in bar aufgebracht werden muss. Die Gesellschafter einer GmbH können sowohl natürliche als auch juristischePersonensein.DieGeschäftsanteilesindimGegensatzzuAktien nichtfürdenfreienHandelbestimmt.SollenAnteileübertragenwerden,ist einnotariellbeglaubigterVertragnotwendig. Um einer gewerblichen Tätigkeit nachgehen zu können, muss die GmbH über eine Gewerbeberechtigung verfügen. Um diese zu erhalten, muss ein gewerberechtlicher Geschäftsführer ernannt werden. Häufig stammt der GeschäftsführerausdemKreisderGesellschafter. DieGmbHkann grundsätzlichfür jedengesetzlich zulässigenZweck gegründet werden.

Grundsätzlich kann die GmbH für jeden gesetzlich zulässigen Zweck ge gründetwerden.DerGründungsvorgangselbstbestehtimWesentlichenaus demAbschluss des Gesellschaftsvertrages, der notariell beglaubigt werden muss,undderEintragungimFirmenbuch.Umhandelnzukönnen,benötigt die GmbH, wie alle juristischen Personen, Organe. Bei der österreichischen GmbHsinddiesimWesentlichendieGeneralversammlung,derAufsichtsrat und die Geschäftsführung. Die Generalversammlung besteht aus allen Ge sellschaftern. Sie wird mindestens ein Mal pro Jahr vom Geschäftsführer einberufen. Die Stimmrechte der einzelnen Gesellschafter hängen von der Höhe der jeweiligen Geschäftsanteile ab. Die Generalversammlung wählt gegebenenfallsdenAufsichtsratundbestimmtdieGeschäftsführung. DerAufsichtsratfungiertalsKontrollorganderösterreichischenGmbH.Ein Aufsichtsratmussjedochnurdanngebildetwerden,wenndasStammkapi tal70.000EURüberschreitet,mehrals50GesellschafteranderGmbHbetei ligtsind,dieAnzahlderArbeitnehmerimDurchschnitt300übersteigtoder derGesellschaftsvertrageinenAufsichtsratvorsieht. Ein zwingend vorgeschriebenes Organ ist die Geschäftsführung, die aus einem oder mehreren Geschäftsführern besteht. Die Bestellung der Ge schäftsführer erfolgt auf Beschluss der Gesellschafter. Sie kann auf unbe stimmte Zeit erfolgen. Eine Abberufung ist grundsätzlich ohne Vorliegen wichtigerGründemöglich. Gesellschafter können jedoch auch durch den Gesellschaftsvertrag zu Ge schäftsführern bestellt werden. In diesem Fall könnte die Abberufung der GeschäftsführeraufwichtigeGründebeschränktwerden.Hinsichtlichseiner TätigkeitenistderGeschäftsführeranWeisungenderGeneralversammlung gebunden. Die Vertretung nach außen erfolgt durch die Geschäftsführung, diemitderSorgfalteinesordentlichenKaufmannsfürdieordnungsgemäße Geschäftsführungverantwortlichsind. HauptgrundfürdiePopularitätderGmbHistsicherlichdiebegrenzteHaf tung,diesichgrundsätzlichaufdasGesellschaftsvermögenbeschränkt.Die Rechtsform der GmbH eignet sich daher vor allem für Zusammenschlüsse

356

Wahl der geeigneten Rechtsform

12.2

von Partnern, die das Risiko auf die Kapitaleinlage reduzieren möchten. Anders als in Deutschland und der Schweiz ist der Geschäftsführer der GmbH jedoch von der Haftungsbeschränkung ausgeschlossen. Verletzt er die Sorgfaltspflicht, haftet er auch mit seinem Privatvermögen. Sofern ein Gewinn erwirtschaftet wird, hat jeder Gesellschafter einen anteiligen An spruchaufdenReingewinn.

Tabelle126

BewertungderösterreichischenGmbH Vorteile der GmbH

Nachteile der GmbH

Keine persönliche Haftung der Gesellschafter, eine Ausnahme stellt der Geschäftsführer dar, der bei Verletzung der Sorgfaltspflicht mit seinem Privatvermögen haftet

Erhöhter Verwaltungsaufwand (im Vergleich zum Einzelunternehmen)

Gründungskapital geringer als bei einer AG

Aufwendigere Gründungsformalitäten

Juristische Person

Beschränkte Übertragbarkeit der Anteile (kann aber auch Vorteil sein)

Österreichische Aktiengesellschaft Die Rechtsform der AG wird häufig von größeren Unternehmungen und sehrseltenvonStartupsgewählt.DasGrundkapitalderAGwirdinAktien zerlegt (mindestens 70 EUR), die von den Gesellschaftern gegen Einlagen übernommen werden. Das Grundkapital der österreichischen AG beträgt mindestens70.000EUR.EinepersönlicheHaftungfürdieVerbindlichkeiten derAGbestehtnicht.WiedieGmbHbesitztdieAGeineeigeneRechtsper sönlichkeit und benötigt daher natürlicher Personen, die sie vertreten und diefürsiehandeln.DieAGentstehtmitderEintragungindasFirmenbuch. Die Hauptversammlung repräsentiert die Gesamtheit aller Aktionäre. Jede Aktie repräsentiert eine Stimme. Die Hauptversammlung muss mindestens einMalimJahrdurchdenVorstandoderdenAufsichtsrateinberufenwer den. Unter anderem beschließt sie über Kapitalveränderungen oder die AuflösungderGesellschaft.Zudemistsieverpflichtet,überdieFeststellung desJahresabschlussesunddieEntlastungvonVorstandundAufsichtsratzu entscheiden. DerAufsichtsrat ist das Kontrollorgan der Gesellschaft. Er beruft den Vor stand (AktG §75) und überwacht seine Geschäftsführung (AktG §95). Die AmtsdauervonAufsichtsratsmitgliedernistinAktG§87geregeltundnicht kalendermäßig festgelegt. Je nach Abweichung zwischen Geschäfts und

357

DasGrund kapitalder österreichischen AGbeträgt mindestens 70.000EUR

12

Rechtliche Grundfragen

KalenderjahrliegtdiemaximaleDauerzwischen4,25und5,75Jahren.Auf sichtsratmitgliederkönnennichtgleichzeitigMitglieddesVorstandssein.So sind die Führung der Geschäfte und die Kontrolle streng voneinander ge trennt. DieGeschäfts führungderAG obliegtdem Vorstand.

Die Geschäftsführung der AG obliegt dem Vorstand, der die Gesellschaft auchnachaußenvertritt.GegenüberdemAufsichtsrathatderVorstandeine Informationspflicht. Der Vorstand ist jedoch an keine Weisungen des Auf sichtsrates gebunden. Die Aufstellung des Jahresabschlusses obliegt eben fallsdemVorstand. In Bezug auf die Haftungsregelungen ist die AG mit der GmbH durchaus vergleichbar.EinwesentlicherUnterschiedbestehtjedochinderAusstattung mit Eigenkapital sowie der Aufbringung von Eigenkapital über die Börse. HierweistdieAGeindeutigVorteileauf.DieGründungeinerAGwirdda her häufig in eigenkapitalintensiven Situationen (Wachstumsphase etc.) er wogen,zwingendnatürlichbeieinemgewünschtenGangandieBörse.

Tabelle127

BewertungderösterreichischenAktiengesellschaft Vorteile Aktiengesellschaft

Nachteile Aktiengesellschaft

Haftung nur mit Gesellschaftsvermögen

Notarielle Beurkundung, Kosten

Kapitalbeschaffung durch Ausgabe neuer Aktien

Eintragung ins Firmenbuch

Kreditwürdigkeit

Notwendiges Grundkapital 70.000 EUR

 

358

Wahl der geeigneten Rechtsform

12.2

Zusammenfassende Darstellung für Österreich ZusammenfassendeDarstellungfürÖsterreich

Tabelle128

Einzelunternehmen

GmbH

AG

Gründer

Nur eine Person

Ab einer Person

Ab einer Person

Stamm- bzw. Grundkapital

Keines

35.000 EUR

70.000 EUR

Eintrag im Firmenbuch

Ab 400.000 EUR Jahresumsatz

Ja

Ja

Rechtspersönlichkeit

Nein

Ja

Ja

Firma

Personenname, Sach- oder Fantasiename, Zusatz „e. U.“ erforderlich

Personenname, Sachoder Fantasiename, Zusatz „GmbH“ erforderlich

Personenname, Sachoder Fantasiename, Zusatz „AG“ erforderlich

Geschäftsführung

Unternehmer

Geschäftsführer

Vorstand

Haftung

Persönlich

Gesellschaftsvermögen

Gesellschaftsvermögen

Buchführungspflicht

Ab 400.000 EUR Jahresumsatz in zwei aufeinanderfolgenden Jahren bzw. einem Jahresumsatz von 600.000 EUR in einem Jahr

Ja

Ja

Übertragung

Nicht möglich

Möglich, Möglich notariell beurkundeter Vertrag notwendig

Gesetzliche Grundlagen UGB (früher HGB)

GmbHG

AktG

359

12

Rechtliche Grundfragen

Unternehmerprofil:DorisThallingerundAttilaGergely Am 29. Juni 2008 findet das Finale der Fußball-Europameisterschaft in Wien statt. Vor dem Finale wird es bereits 30 Spiele gegeben haben, auf deren Ausgang Wetten abgeschlossen werden können. Dazu kommen die Qualifikationsspiele. Liegt man falsch, ist der komplette Wetteinsatz weg. Liegt man mit seiner Vermutung richtig, erhält man ein Vielfaches von dem zurück, was man eingesetzt hat. Das kann das 1,5-Fache, aber auch das 20-Fache sein. Je nach Quote eben. Wetten hat seinen Reiz. Das war schon früher so, als man noch persönlich zum Buchmacher gehen musste, um seinen Einsatz zu bezahlen. Und das hat sich bis heute nicht geändert. Nur, dass es heute einfacher ist. Wetten kann man schnell und unkompliziert im Internet abschließen.

Bets4allhatüber 60.000registrierte Nutzeraus40 Ländern.

Die Großen der Szene sind die traditionellen englischen Buchmacher William Hill (gegründet 1934), Ladbrokes (gegründet 1925) und bwin (gegründet 1999). Online gingen diese Unternehmen bereits Mitte bzw. Ende der 90er-Jahre. Seit 2002 gibt es auch einen österreichischen Anbieter im Internet. War da noch Platz für einen Neuen? Es war Platz! Bets4all hat über 60.000 registrierte Nutzer aus 40 Ländern, die die nutzerfreundliche Webseite und den hervorragenden Kundenservice zu schätzen wissen. Sie tippen auf den Ausgang von Sportereignissen (Fußball, Handball, Eishockey etc.), darauf, ob bei der nächsten Präsidentenwahl die demokratische oder die republikanische Partei gewinnt, oder darauf, ob der Euro zum Jahresende am 28. 12. 2007 um 12:00 MEZ mehr oder weniger als 1,4599 USD wert sein wird. Auch auf den Europameister 2008 kann man die Wetten jetzt schon zu weltweiten Höchstquoten platzieren. Sollte die Schweiz Europameister werden, werden auf 10 EUR Einsatz 230 EUR ausbezahlt. Gegründet wurde das Unternehmen von Attila Gergely, der einige Jahre neben seinem Betriebswirtschaftsstudium bei einem Internet-Wettanbieter gearbeitet hatte, bevor er sich im gleichen Metier selbstständig machte. Er hatte beschlossen, es anders zu machen als die bisherigen Marktteilnehmer: Der Kundenservice sollte besser sein als bei allen anderen. Das hat er geschafft. Das fängt bei der Mitarbeiterqualifikation an und hört beim Live-Chat auf, der es Kunden ermöglicht, mit den Mitarbeitern des Supportteams direkt in Kontakt zu treten. Kundenorientierung alleine reicht natürlich nicht aus und so sorgen attraktive Quoten und hohe Sicherheitsstandards dafür, dass Kunden das Angebot von Bets4all nutzen. Gegründet hat Gergely das Unternehmen gemeinsam mit Martina Ganglberger sowie mit den beiden Gesellschaftern des Softwareunternehmens Digital Concepts, Wolfgang Winkler und Clemens Novak. Geschäftsführender Gesellschafter wurde Attila Gergely selbst. Als Gesellschaftsform kamen lediglich eine GmbH oder eine AG infrage, da Wettlizenzen in Österreich nicht an Personengesellschaften vergeben werden. Die GmbH schien den Gründern aus mehreren Gründen sympathischer: Die Haftung ist, wie bei einer AG, auf das Gesellschaftsvermögen (Grundkapital 35.000 EUR) beschränkt plus eine Bankgarantie für die Wettlizenz in Höhe von 72.000 EUR. Darüber hinaus er-

360

Wahl der geeigneten Rechtsform

12.2

schienen allen Beteiligten die notwendigen Buchführungspflichten einer AG als zu kompliziert für ein kleines Unternehmen. Gergely ist fertiger Ingenieur für Nachrichtentechnik. 1997 hat er zudem mit einem wirtschaftswissenschaftlichen Studium an der Universität in Linz begonnen; Vertiefungsrichtung Unternehmensgründung. Offensichtlich das richtige Studienfach, und auch wenn die eigene Unternehmensgründung den Abschluss nun noch etwas verzögern wird, machen möchte er ihn auf jeden Fall! Mehr Informationen unter: www.bets4all.com.

12.2.4 Darstellung Schweizer Rechtsformen

Schweizerischer Einzelkaufmann/Einzelfirma UntereinerEinzelfirmaisteinenatürlichePersonzuverstehen,dieallein,in eigenem Namen und auf eigenes Risiko ein kaufmännisches Unternehmen betreibt.16 Einer eigentlichen Gründung bedarf die Einzelfirma nicht. Sie besteht von dem Moment an, in dem durch den Inhaber eine auf Dauer ausgerichtete wirtschaftliche Tätigkeit aufgenommen wird.17 Gesetzlich ist weder ein bestimmtes Gründungskapital noch ein bestimmtes Eigenkapital vorgeschrieben. Wer ein nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe be treibt, ist verpflichtet, dieses unter bestimmten Voraussetzungen eintragen zulassen(OR934I,HRegV52ff.).DieHandelsregisterverordnungstatuiert von der Eintragungspflicht einige Ausnahmen,18 es besteht jedoch immer einRechtaufEintragung(OR934II).MitdemEintraginsHandelsregisterist derFirmenname19amOrtgeschützt(OR946).

EineEinzelfirma entsteht,wenn einePersoneine aufDauerausge richtetewirt schaftlicheTä tigkeitaufnimmt.

DiezurEintragungverpflichtetenFirmensindgehalten,dieBücherordent lich zu führen und die Betriebsrechnung sowie die Bilanz unterzeichnet aufzubewahren(OR957ff.).AußerdembestehteinezehnjährigeAufbewah rungspflichtfürGeschäftsbücher,BuchungsbelegeunddieGeschäftskorres pondenz (OR 962). Aber auch die nicht eintragungspflichtigen Einzel unternehmen müssen Belege aufbewahren und einen Nachweis über Ein nahmenundAusgabenfürdieSteuerbehördenführenkönnen.

JedesEinzelun ternehmenmuss einenNachweis überEinnahmen undAusgaben führen.



361

12

Rechtliche Grundfragen

Tabelle129

BewertungderschweizerischenEinzelunternehmung Vorteile der Einzelunternehmung

Nachteile der Einzelunternehmung

Keine Einschränkungen durch andere Teilhaber

Starke Abhängigkeit von der Person des Inhabers

Praktisch keine Gründungsformalitäten

Inhaber trägt Risiko voll (auch mit persönlichem Vermögen)

Keine steuerliche Doppelbelastung wie bei Kapitalgesellschaften

Progressionsnachteile bei der Steuer

Kein Gründungs- oder Eigenkapital notwendig, aber Betriebskapital

Probleme bei der Kapitalbeschaffung

Geringer Verwaltungsaufwand

Wachstum nur aus persönlichen Mitteln (Bankkredite oder Darlehen von Privatpersonen)

Schweizerische GmbH Dieschweizeri scheGmbH eignetsichfür kleinereUnter nehmenmiteiner begrenzten Anzahlan Mitarbeitern.

DieGesellschaftmitbeschränkterHaftungbestehtauszweiodermehrPer sonen oder Handelsgesellschaften mit eigener Firma und einem im Voraus bestimmten Stammkapital (OR 772I) zur Verfolgung eines wirtschaftlichen Zwecks. Zum 1. Januar 2008 tritt jedoch voraussichtlich ein revidiertes GmbHGesetzinKraft.DiesessiehtunteranderemdieGründungundFüh rung einer EinmannGmbH vor. Als Kapitalgesellschaft verfügt die GmbH übereineeigeneRechtspersönlichkeit.Sieistbesondersgeeignetfürkleinere UnternehmenmiteinerbegrenztenAnzahlvonMitarbeitern.DasStammka pital darf nicht weniger als 20.000 CHF und nicht mehr als 2 Mio. CHF betragen(OR773).20DavonmussbeiderGründungmindestens50%einge zahlt oder durch Sacheinlage/Sachübernahme (z.B. Mobiliar oder Compu ter) eingebracht werden.21 Das neue GmbHRecht sieht jedoch die Einzah lungdergesamtenSummevon20.000CHFvor.JederGesellschafterdarfnur eine Stammeinlage besitzen.Diese muss auf 1.000 CHF oder ein Vielfaches davonlauten(OR774).22AuchhierbringtdasneueGmbHRechtÄnderun genmitsich:DerminimaleStammanteilsollauf100CHFherabgesetztwer den.

362

Wahl der geeigneten Rechtsform

12.2

DieGründungerfolgtdurcheineöffentlichbeurkundeteGründungsurkun deunddieFestsetzungderStatutendurch mindestenszweiGesellschafter. DiesekönnennatürlicheoderjuristischePersonen,InoderAusländersein. Nationalitäts und Domizilvorschriften wie bei der AG gibt es nicht. Zu beachten ist nur der Bundesbeschluss über den Erwerb von Grundstücken durchPersonenimAusland,diesogenannteLexFriedrich.DieGesellschaft muss nach der Gründung ins Handelsregister eingetragen werden. Die GmbHerhältihreRechtspersönlichkeitalsjuristischePersonerstmitdieser EintragungundkanndamitineigenemNamenRechtsgeschäftetätigen.Die GesellschafthaftetfürihreVerbindlichkeitenbiszurHöhedesStammkapi tals.SubsidiärbestehtaußerdemnocheinepersönlicheHaftungderGesell schafterinHöhedesnichteingezahltenStammkapitals.JederGesellschafter haftetdabeisolidarischfürdienichteingezahltenBeträgeallerGesellschaf ter.EinepersönlicheHaftungistdamiterstmitderEinzahlungdesgesam tenStammkapitalsausgeschlossen.23

IstdasStamm kapitalvoll ständig eingezahlt,ist einepersönliche Haftungder Gesellschafter ausgeschlossen.

DieGesellschafterversammlungistdasobersteOrganderGmbH.Siehatdie wichtigstenundunübertragbarenKompetenzeninneundkannauchdirek tenEinflussaufdieGeschäftsleitungausüben.DasStimmrechteinesGesell schafterskannnichtentzogenwerdenundbemisstsichnachderHöheder Kapitaleinlage,esistjedochmöglich,einzelnenGesellschafterneinpersönli chesVetorechteinzuräumen.DieGesellschaftersindzueinergemeinsamen Geschäftsführung berechtigt und verpflichtet. Für den geschäftsführenden GesellschafterbestehteinstriktesKonkurrenzverbot.Dieseskanndurchdie Statuten auch auf die anderen Gesellschafter ausgedehnt werden (OR 818). Die Geschäftsführung kann durch die Statuten oder einen Gesellschaftsbe schluss einzelnen Gesellschaftern oder auch Dritten übertragen werden. WenigstenseinGeschäftsführermussjedochseinenWohnsitzinderSchweiz haben,soferneralleinzeichnungsberechtigtist.24EineRevisionsstelleistnur dann zwingend vorgesehen, wenn durch besondere Umstände das Ein sichtsrechteinzelnerGesellschaftereinzuschränkenist(OR819II).

DieGesell schafterver sammlungistdas obersteOrgander GmbH.

DieAbtretungeinesGesellschaftsanteilsist,imGegensatzzurAG,nichtfrei möglich.EsbedarfderZustimmungvondreiViertelderGesellschafter,die zugleichdreiVierteldesStammkapitalsvertreten.DurchdieStatutenkann eine Abtretung zusätzlich an weitere Bedingungen geknüpft oder auch gänzlichausgeschlossenwerden(OR791II,III),hingegenbestehteinunent ziehbares Recht auf Austritt aus der Gesellschaft aus wichtigen Gründen. Die Abtretung ist öffentlich zu beurkunden, was einen zusätzlichen Auf wandundKostenmitsichbringt.AuchhiersiehtdiegeplanteGesetzesän derung des GmbHRechts eine Vereinfachung vor: Zukünftig soll eine schriftliche Abtretungsverpflichtung zur Übertragung von Stammanteilen ausreichen.

DieAbtretung einesGesell schaftsanteils unterliegtbe stimmtenBedin gungen.

363

12 Tabelle1210

Rechtliche Grundfragen

BewertungderschweizerischenGmbH Vorteile der GmbH

Nachteile der GmbH

Niedriges Gründungskapital

Erhöhter Verwaltungsaufwand (im Vergleich zum Einzelunternehmen)

Keine Nationalitäts- und Domizilvorschriften wie bei der AG

Steuerliche Doppelbelastung (Gewinn- und Kapitalsteuer plus Vermögenssteuer)

Keine persönliche Haftung der Gesellschafter

Transparenz durch HR-Eintrag (keine Anonymität wie bei der AG)

Umfangreiche, durch Statuten festlegbare Treuepflichten (im Gegensatz zur AG)

Beschränkte Übertragbarkeit der Anteile (kann aber auch Vorteil sein)

Schweizerische Aktiengesellschaft DasAktien kapitalbeträgt mindestens 100.000CHF.

Die Aktiengesellschaft ist eine Gesellschaft mit eigener Firma, deren im Voraus bestimmtes Kapital (Aktienkapital) in Teilsummen (Aktien) zerlegt ist (OR 620I). Im Vordergrund stehen nicht die Persönlichkeit der Gesell schafter und ihre besonderen Fähigkeiten, sondern ihre Kapitaleinlage.25 Ihre Beteiligung beurteilt sich nach der Anzahl der durch sie gehaltenen Aktien.DasAktienkapitalmussmindestens100.000CHFbetragen(OR621), dabei sind mindesten 20% des Nennwertes jeder Aktie einzuzahlen, in je demFallabermindestens50.000CHF(OR632).BeiderBargründungerfolgt diesdurchEinzahlungdesKapitalsaufeinSperrkonto(OR633I),esistaber auch eine qualifizierte Gründung durch Sacheinlage/übernahme möglich, dieabergesondertenBestimmungeninBezugaufdieBewertungfolgt(OR 628). Man unterscheidet zwischen Inhaber und Namensaktien, der Nenn werteinerAktiemussmindestenseinenRappenbetragen.

Mindestensdrei Gesellschafter sindfürdie Gründungeiner AGnotwendig.

ZurGründungbedarfesmindestensdreiGesellschafter,dabeigeltenfürsie wederDomizilnochNationalitätsvorschriften.DieErrichtungderAGerfolgt durch öffentliche Urkunde, in der die Gründung der AG erklärt wird, die Statuten festgelegt und die Organe bestellt werden, außerdem werden die Aktien gezeichnet. Die AG erlangt ihren Status als juristische Person mit ihrer Eintragung ins Handelsregister. Reduziert sich die Zahl der Gesell schafter im Folgenden auf eine Person, so spricht man von einer Einperso nenAG. Auch diese ist grundsätzlich weiterhin als AG zu behandeln und kann nur durch ausdrückliche richterliche Entscheidung auf ein Begehren hinaufgehobenwerden.BiszurEintragungderAGhaftendieGesellschafter fürimNamenderAGgetätigteHandlungenpersönlichundsolidarisch.Erst mitderEintragunginsHandelsregisterbeschränktsichdieHaftungaufdas Aktienkapital.DazukommendiebesonderenVorschriftenderGründerhaf tung(OR752).

364

Wahl der geeigneten Rechtsform

12.2

Oberstes Organ der AG ist die Generalversammlung der Aktionäre. Ihr stehenzahlreichenichtübertragbareBefugnissezu,soauchdieFestsetzung und Änderung der Statuten,die WahlderMitglieder des Verwaltungsrates und der Revisionsstelle, die Genehmigung der Jahresrechnung und die Festsetzung der Verwendung des Bilanzgewinns (Dividenden, Tantiemen) sowie die Entlastung des Verwaltungsrates. Die Aktionäre müssen an der Unternehmensführung nicht teilnehmen, ihr Engagement kann ein rein finanzielles sein. Die Übertragung von Aktien ist, sofern nichts anderes in den Statuten bestimmt ist, frei. Zu den gesetzlich zwingend vorgeschriebe nenOrganenderAG,diebereitsbeiderGründungbestelltwerdenmüssen, gehören der Verwaltungsrat und die Revisionsstelle. Letztere prüft als un abhängigesundfachlichbefähigtesKontrollorgan,obdieBuchführungund die Jahresrechnung den gesetzlichen und statutarischen Vorschriften ent sprechen,undlegtderGeneralversammlungihrenBerichtvor.

OberstesOrgan derschweizeri schenAGistdie Generalver sammlung.

DerVerwaltungsratwirddurchdieGeneralversammlunggewähltundführt dieGeschäftederAG.SoweitdieStatutendiesgestatten,kanndieGeschäfts leitung ganz oder auch nur teilweise einzelnen Mitgliedern oder Dritten übertragenwerden.AberauchderVerwaltungsrathatzahlreicheAufgaben, dieunübertragbarsind(OR716a).FürdieMitgliederdesVerwaltungsrates geltenspezielleNationalitätsundDomizilvorschriften.26

DieGeschäfteder schweizerischen AGwerdendurch denVerwaltungs ratgeführt.

BewertungderschweizerischenAktiengesellschaft

Tabelle1211

Vorteile der Aktiengesellschaft

Nachteile der Aktiengesellschaft

Haftungsbeschränkung auf das Aktienkapital

Steuerliche Doppelbelastung

Einfache und steuerfreie Übertragbarkeit von Aktien

Hohe Gründungskosten und erhöhter Verwaltungsaufwand

Kapitalbeschaffung und Kreditwürdigkeit (nicht automatisch)

Strenge Buchführungs- und Bilanzierungsvorschriften

Abzugsfähigkeit von Kosten

Domizil- und Nationalitätsvorschriften für den Verwaltungsrat

 DieÜbertragungvonAktienistgrundsätzlichfreimöglich.BeidenInhaber aktien genügt neben einem gültigen obligatorischen Grundgeschäft, z.B. einemKaufvertrag,dieÜbergabederAktie.BeidergewöhnlichenNamens aktie kommt dazu noch der Übertragungsvermerk auf der Aktie, das so genannte Indossament. Erst mit der Eintragung insAktienbuch der Gesell schaft kann der Aktionär dann seine Rechte wahrnehmen. Es besteht ein Anspruch auf Eintragung. Bei der vinkulierten Namensaktie besteht dieser

365

Aktiender schweizerischen AGkönnen grundsätzlichfrei übertragen werden.

12

Rechtliche Grundfragen

Anspruch auf Eintragung nur unter bestimmten Voraussetzungen, die in denStatutenbestimmtseinmüssen.DamitkanndieAnerkennungvonAk tionärenvonbestimmtenBedingungenabhängiggemachtwerden.

Zusammenfassende Darstellung für die Schweiz Tabelle1212

ZusammenfassendeDarstellungfürdieSchweiz Einzelfirma

GmbH

AG

Gründer

Nur eine Person

Mindestens 2 Personen (Möglichkeit der Einmann-GmbH voraussichtlich ab Anfang 2008)

Mindestens 3 Personen

Stamm- bzw. Grundkapital

Keines

Mind. 20.000 CHF

Mind. 100.000 CHF

HR-Eintrag

Ab 100.000 CHF p. a.

Vorgeschrieben, konstitutiv

Vorgeschrieben, konstitutiv

Rechtspersönlichkeit

Nein

Ja, ab Eintragung ins Handelsregister

Ja, ab Eintragung ins Handelsregister

Firma

Frei wählbar mit Zusatz, Familienname zwingend

Sach- oder Fantasiename, bei Familienname mit Zusatz „GmbH“

Personen-, Sachoder Fantasiename, bei Familienname mit Zusatz „AG“

Geschäftsführung Einzelunternehmer

Gesetz alle, Statuten können aber GF Einzelnen oder Dritten übertragen

Gesamtverwaltungsrat, falls keine Übertragung erfolgt

Haftung

Persönlich

Gesellschaftsvermögen Gesellschaftsverund subsidiär Gesellmögen schafter

Buchführung

Nicht möglich

Erschwert

Einfach

Übertragung

Nein, erst Pflicht mit HR-Eintrag

Ja

Ja

Obligationenrecht (OR), Artikel 772 bis 827

Obligationenrecht (OR), Artikel 620 bis 763

Gesetzliche Grundlagen



366

Geistiges Eigentum

12.3

12.3 Geistiges Eigentum Der Erfolg einer Unternehmensgründung oder eines Unternehmens allge meinhängt,nebendenFähigkeitenderGründer,davonab,obesgelingt,ihr Produkt/Dienstleistung am Markt durchzusetzen und einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil zu erzielen. Die Nachahmung einer Geschäftsidee ist nach unserem Wirtschafts und Rechtsverständnis grundsätzlich möglich underlaubt.EsstelltsichdamitdieFragenacheinemeffektivenSchutzvor Nachahmern, um eine einmal erlangte Wettbewerbssituation erfolgreich verteidigen bzw. überhaupt erst aufbauen zu können. Patente und andere Schutzrechte des geistigen Eigentums bieten hier die Möglichkeit, anderen dieunerlaubteNutzungbestimmterElementezuverbietenundimFallder Patente im Idealfall eine quasi monopolartige Stellung im Wettbewerb zu erlangen. Zusätzlich kann das Recht z.B. an einem Patent bei Verhandlun genmitRisikokapitalgebernoderBankenvertreterneinewichtigeArgumen tationsbasiszugunsteneinerKapitalbeteiligungliefern.

Patenteund andereSchutz rechtedesgeisti genEigentums bietenfüreine bestimmteZeit Schutzvor Nachahmern.

UnterdemBegriffdesgeistigenEigentumskannrechtlichgeschütztesWis senverstandenwerden.InderjuristischenFachsprachewerdenalleRechts gebiete, die das geistige Eigentum umfassen, unter dem Begriff „Immateri algüterrecht“ zusammengefasst, inklusive dem Urheberrecht. Unter dem gewerblichenRechtsschutzalsTeilgebietdesImmaterialgüterrechtswerden alle damit verbundenen Rechte (Patent, Marke, Design, Topografie oder Sorte) außer dem Urheberrecht zusammengefasst. Ein solches Recht ist an dersalsbeiRechten,diesichausVerträgenergeben,gegenüberjedemWett bewerberwirksamundkannvomAuskunftsanspruchüberdieUntersagung bishinzumSchadensersatzführen.Schutzrechtestellendamitoftmalseine effizienteMethodezumSchutzdereigenenWettbewerbsstellungdar.Diese Rechte entstehen aber mit Ausnahme des Urheberrechts nicht von selbst, sondern müssen bei nationalen oder internationalen Stellen angemeldet werden. Bei einer Anmeldung von Schutzrechten stehen diesen Vorteilen auch etliche Nachteile in Form von Kosten und Offenlegungsvorschriften entgegen. Schutzrechte sollen in den Augen des Gesetzgebers nicht nur Anreize für Erfinder schaffen, sondern durch Offenlegungspflichten auch dieDiffusionvonInnovationenfördern.SoschätztdasEuropäischePatent amt, dass etwa 80% des technischen Wissens weltweit in Patentschriften niedergelegt sind. Ein Unternehmen muss daher individuell entscheiden, welche Schutzrechtsstrategie sich am besten für seine spezifische Situation eignet.IndiesemAbschnittwirdeinkurzerÜberblicküberdieverschiede nen Arten geistigen Eigentums und dessen Einsatzmöglichkeiten im Rah menvonEntrepreneurshipgegeben.

GeistigesEigen tumistrechtlich geschütztes Wissen.

367

12

Rechtliche Grundfragen

12.3.1 Was ist geistiges Eigentum? Dasberühmte „Schweizer Taschenmesser“ wirddurcheine ganzeReihevon Schutzrechten vorNachahmern geschützt.

EinsehrbeliebtesSouvenirausderSchweizsinddiesogenanntenSchweizer Offiziersmesser des Unternehmens Victorinox in roter Farbe mit obligatem Kreuz.HinterdiesemMesserverbirgtsicheineganzeReihevonSchutzrech ten, die es Victorinox ermöglichen, gegen Imitate vorzugehen. So ist neben dem Markenschutz des Namens Victorinox z.B. auch das Messer mit den dazugehörigen Werkzeugen patentiert. Es wird damit Dritten untersagt, dieses Messer unberechtigt zu kopieren/imitieren und in den Verkehr zu bringen. Es befindet sich also ein ganzes Paket von Schutzrechten hinter diesem Messer, die es vor unerlaubten Kopien schützt und auch die Nach ahmung in Form sehr ähnlicher Messer erschweren soll. Sogenannte intan gibleassets27macheninzwischenbeivielenUnternehmeneinenGroßteildes Unternehmenswertes aus. Auch die Anzahl der Schutzrechtsanmeldungen in den letzten 15 Jahren belegt mit einer dreistelligen Zuwachsrate im Be reich der internationalen Patentanmeldungen die Wichtigkeit des Schutzes vongeistigemEigentum.Eswurdeabernichtmehrerfunden,sondernver mehrt von den Hinterlegungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht, was auch unter dem Schlagwort „strategisches Patentieren“ zusammengefasst wird Der Schutz innovativer Geschäftsmodelle, wie dies in den USA unter dem Namen „business model patent“ geschieht, ist jedoch hierzulande für Un ternehmensgründernichtmöglich.Die„Anordnungenandenmenschlichen Geist“wiez.B.BuchhaltungsmethodenundÄhnlichessowieSoftwaresind ansichnichtpatentierbar.28DasRechtsgebietdesgeistigenEigentumsmuss immerauchineineminternationalenZusammenhanggesehenwerdenund weisteinegroßeVielschichtigkeitauf(nationales,EURecht,internationales und supranationales Recht). Nach einer vorherrschenden Stellung Frank reichs, Englands und Deutschlands im Bereich des geistigen Eigentums ist vor allem in den letzten Jahren ein zunehmender Einfluss des US amerikanischen Rechtsverständnisses spürbar, was in Europa zu einigen StreitfrageninBezugaufdasAusmaßpatentierbarenEigentumsführte.29So stelltsichdieFrage,wieundinwelchemAusmaßSoftwarepatentierbarist, eineFrage,dieimmernochkontroversdiskutiertwird. Nicht immer gehört eine Erfindung jedoch dem Erfinder im Sinne eines Eigentumsrechts.DasRechtaneinerErfindung,dieeinArbeitnehmerwäh rendderErfüllungseinerArbeitspflichterarbeitethat,gehörtgrundsätzlich demArbeitgeber.DieserhatinDeutschlandundinÖsterreichvierMonate Zeit(sechsMonateinderSchweiz),sichzuentscheiden,oberdiesenutzen willodernicht.NachAblaufdieserFristkannsiederArbeitnehmerErfinder nutzen.DeutschlandunddieSchweizkenneneineArbeitnehmervergütung, dieanfällt,sobaldeinArbeitgebereineErfindunginAnspruchnimmt.Das früherinDeutschlandgeltendeHochschullehrerprivileg,dasdendortange stelltenWissenschafterndieRechteaneinerErfindungzusicherte,giltheute

368

Geistiges Eigentum

12.3

nicht mehr. Wie in der Privatwirtschaft gehört eine Erfindung demArbeit geber,sprichderUniversität.InÖsterreichmüssenErfindungendemRekto rat vorgelegt werden, dieses wiederum hat eine dreimonatige Entschei dungsfristübereineeigeneVerwertungderErfindung.IsteineVerwertung nicht beabsichtigt, fällt das Recht an den Erfinder zurück. In der Schweiz gibt es keine einheitliche Regelung, hier liegt das Erfindungsrecht beim Kanton,derUniversitätodervereinzeltauchbeimErfinder.30

12.3.2 Einzelne Schutzrechte im Überblick DerSchutzgeistigenEigentumsspieltinderheutigenGeschäftswelt,inder TausendeunterschiedlicherMarkenumdieGunstdesKundenbuhlen,eine immergrößereRolle.GrundsätzlichlassensichfolgendeSchutzrechteunter scheiden:

„ DasPatentrechtschütztErfindungen.

DieRechtedes geistigenEigen tumsmüssen angemeldet werden.

„ DasMarkenrechtschütztWortmarken,Bildmarken,Tonfolgenetc. „ DasDesignrechtschütztFormenundMuster. „ DasUrheberrechtschütztWerkeausKunstundLiteratur. AlleRechtedesgeistigenEigentumsmitAusnahmedesUrheberrechtsmüs senangemeldetwerden.InDeutschlanderfolgtdieAnmeldungbeimDeut schenPatentundMarkenamt,inderSchweizbeimEidgenössischenInstitut fürGeistigesEigentumundinÖsterreichbeimÖsterreichischenPatentamt. In allen drei Ländern kann die Anmeldung zudem über das Europäische Patentamterfolgen. AlsAusnahmeentstehtdasUrheberrechtgleichzeitigmitdemWerk,esliegt dann aber auch am Urheber zu beweisen, dass das Werk von ihm stammt. Die Anmeldung eines Schutzrechtes, insbesondere eines Patentes ist eine sehr komplexe Angelegenheit, vor allem was Recherche und Ausformulie rungderPatentschriftanbelangt,fürdieoftmalsprofessionelleHilfeinForm einesPatentanwaltsbenötigtwird.PatentanwältesindSpezialisten,dienach einem technischen oder naturwissenschaftlichen Studium eine mehr als zweijährigeAusbildungzumPatentassessordurchlaufenhaben.31 DiewichtigstenSchutzrechtewerdenuntenkurzerläutert.AufdieStrategie eines Unternehmens in Zusammenhang mit Patenten wird gesondert im nächsten Abschnitt eingegangen. Neben den unten erwähnten Schutzrech ten gehören die Topografie (z.B. dreidimensionale Struktur von Halblei tern),dieSorten(auchBiodiversität,d.h.ZüchtungenvonneuenPflanzen arten) und die Herkunftsbezeichnung32 zu den weiteren Schutzrechten im

369

Patentierbarkeit istengandie Voraussetzung derNeuheitge bunden.

12

Rechtliche Grundfragen

Bereich des Immaterialgüterrechts. Eine wichtige Bemerkung vorweg: Die Patentierbarkeit bzw. die generelle Hinterlegbarkeit eines Rechts ist im eu ropäischen Verständnis eng an die Voraussetzung der Neuheit gebunden. Eine Erfindung darf zum Zeitpunkt ihrer Anmeldung noch nicht durch Veröffentlichung (mündlich oder schriftlich) bekannt sein, dazu gehören auch Veröffentlichungen in Fachzeitschriften oder derAuftritt auf Messen. Diese Regelung wird insbesondere im Patentrecht streng gehandhabt: Die Bekanntgabe der Resultate der neuesten Forschungsergebnisse im Rahmen einerVorlesunganderHeimuniversitätdesForscherskannderenPatentier barkeit bereits zunichtemachen. Daher gilt bei einer Erfindung zunächst äußerste Verschwiegenheit, um die Möglichkeit zur Anmeldung nicht zu gefährden. Dennoch sollte mit einer Anmeldung nicht zu lange gewartet werden, um nicht von einem Konkurrenten mit einer ähnlichen Erfindung überholt zu werden und damit sowohl Zeit als auch Geld in eine Doppel entwicklung investiert zu haben. Ebenso verhält es sich mit der Recherche nach bereits vorhandenen Patenten, deren Schutzbereich auch die eigene ErfindungumfasstunddamiteineeigeneAnmeldungunmöglichmacht.

Patent Neuheit, Erfindungshöhe, technischer Charakterund diegewerbliche Anwendbarkeit sindnotwendige Voraussetzungen füreinPatent.

Das Patent ist ein technisches Schutzrecht. Patentiert werden können be stimmte Sachen wie Maschinen, Vorrichtungen oder Werkzeuge, aber auch chemische Stoffe, Arzneimittel oder Herstellungsmethoden. Die Erteilung einesPatentesistanvierVoraussetzungengebunden:Neuheit,Erfindungs höhe (erfinderische Tätigkeit), technischer Charakter und die gewerbliche Anwendbarkeit.Methoden,IdeenundKonzeptesindnachgängigereuropä ischer Rechtsauffassung nicht patentierbar, deren technische Umsetzung hingegenschon.EineausreichendeErfindungshöheliegtvor,wennsichdie ErfindungfüreinenFachmann,derdengesamtenStandderTechnikkennt, nichtinnaheliegenderWeisedarausergibt.MitdemPatentwirdeinSchutz gegen die unerlaubte Nutzung der Erfindung durch Dritte aufgestellt. Das Patentrecht wird mit der Eintragung bei einer offiziellen Stelle erlangt. Im Patentgesuch muss die Erfindung so dargelegt werden, dass sie von einem Fachmannnachvollziehbarist. Deutschland und auch Österreich kennen im Unterschied zur Schweiz zu sätzlich zum Patent noch das Gebrauchsmuster als eineArt kleines Patent. Die Schutzdauer ist mit zehn Jahren kürzer als beim Patent mit 20 Jahren. Damit können technische Erfindungen (keine Verfahren) angemeldet wer den,denenz.B.derausgeprägteerfinderischeSchrittzumPatentfehltoder die bereits veröffentlicht wurden.33 Die Schutzfähigkeit wird durch das Patentamt nicht geprüft, sondern muss durch denAntragsteller selbst vor

370

Geistiges Eigentum

12.3

genommen werden oder wird im Rahmen eines Löschungsverfahren ge prüft.

Marke Mit der Marke werden diejenigen Elemente geschützt, die dazu geeignet sind, ein Produkt oder eine Dienstleistung von denjenigen einer anderen Markezuunterscheiden.AlsMarkekönnennichtnurWörter(z.B.Novartis) geschützt werden, sondern auch Logos (z.B. der angebissene Apfel von Apple), Farben (z.B. Deutsche TelekomAG), Hörmarken (z.B. IntelJingle) oder dreidimensionale Marken wie das Maskottchen Hugo des Schweizer Einzelhändlers Migros. Anders als beim Patent gibt es hier keine zeitliche Begrenzung. Eine Marke kann auch Jahre nach dem Gebrauch noch einge tragen werden. Marken werden in verschiedene Klassen eingeteilt (z.B. BekleidungoderNahrungsmittel),wobeidieEintragungnurfürdiegewähl tenKlassengilt.BeistarkenMarkenwieCocaColagiltdiesallerdingsnicht. Die Eintragung einer Firma im Handelsregister ersetzt eine Markenanmel dung nicht, auch wenn die Firma identisch ist mit der Marke. Wie beim Patent gilt hier die Regel der ersten Hinterlegung. Ist eineMarke mit einer älterenverwechselbar,sogiltdasRechtderälterenMarke.

Logos,Tonfolgen, Hörmarkenetc. könnenals Markegeschützt werden.

AndersalsbeimPatentherrschteinZwangzumGebrauchderMarke,wird diesenichtgenutzt,kanndiesesRechtzuFallgebrachtwerden.Meistensgilt eine Frist von fünf Jahren, in denen eine Nutzung erfolgen muss. Die Schutzdauer beträgt sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland und Österreich zehn Jahre und ist bei Verwendung unbeschränkt erneuerbar. Eine Prüfung erfolgt auf absolute Ausschlussgründe, z.B., ob diese Marke zum Allgemeingut gehört, irreführend ist und gegen die gute Sitten, die öffentliche Ordnung oder geltendes Recht verstößt. Es findet aber keine PrüfungaufältereRechteDrittervonAmteswegenstatt,sonderndiesmuss vomAntragsteller selbst besorgt werden.Aber auch die Überwachung der RechteerfolgtwiebeimPatentnichtvonAmteswegen,sondernistAufgabe des Schutzrechtsinhabers. Die Hinterlegung kann über das Madrider Ab kommenoderüberdieEUGemeinschaftsmarkeauchfürdiegesamteEuro päischeGemeinschaftgebündeltineinemvereinfachtenVerfahrenerfolgen.

EineMarke kannüberein vereinfachtes Verfahrenfür diegesamte Europäische Gemeinschaft angemeldet werden.

DieMarkekanneinewichtigeRollefürdenErfolgeinesProduktesspielen. Sie sollte daher sorgfältig ausgewählt werden und möglichst unterschei dungskräftigsein.

371

12

Rechtliche Grundfragen

Design AuchDesigns, alsobestimmte Anordnungenvon Farben,Linien oderFlächen, könnengeschützt werden.

Mit dem Ausdruck Design werden in der Schweiz Gestaltungen von Er zeugnissen geschützt, die namentlich durch die Anordnung von Linien, Konturen,FarbenoderFlächenoderdurchdasverwendeteMaterialcharak terisiert sind, wie Stoffmuster oder die Form von Getränkeflaschen. In der SchweizbeträgtdieSchutzdauermaximal25Jahre.DieRegistrierungistmit geringen formalenAnforderungen verbunden. Voraussetzung ist, dass die ses Schutzobjekt eine Eigenart aufweist, neu ist und eine schöpferische Ei genleistung erkennbar sein sollte. In Deutschland und Österreich werden diese Gestaltungen unter dem Namen Geschmacksmuster für maximal 20 Jahre geschützt, die Voraussetzungen sind ähnlich wie in der Schweiz. Ein solches Recht muss ebenfalls wie ein Patent oder eine Marke eingetragen werden. Wie bei der Marke besteht die Möglichkeit, das Design beim Har monisierungsamt für den Binnenmarkt als eingetragenes Gemeinschaftsge schmackmuster zu hinterlegen oder über das Haager Musterschutzabkom menbeiderWIPO(WorldIntellectualPropertyOrganization)international anzumelden.

Urheberrecht DasUrheberrecht entstehtbereits durchdie Schaffungeines Werkes.

DasUrheberrechtistdaseinzigeSchutzrecht,dasdurchdieSchaffungselbst entstehtundnichteingetragenwerdenmuss.UnterdasUrheberrechtfallen künstlerische, literarische und fotografische Werke, so lange diese eine ori ginäreSchöpfungdarstellen.DasSchutzrechtendet70JahrenachdemAb leben desAutors. In der Schweiz und auch in Deutschland und Österreich istSoftwaredurchdasUrheberrechtgeschützt.InderSchweizwirdmitdem Urheberrecht nicht die Idee, sondern die Form geschützt, sprich die Soft warealsVerfahrenzumLösenvonAufgabenwirdschützbar.Voraussetzung ist,dassdiesenichtbanalistundindividuellenCharakteraufweist.DieFrist ist mit 50 Jahren bei der Software kürzer, bietet aber, wenn man die sehr kurzen Technologiezyklen bei Software mit berücksichtigt, trotzdem noch AnlasszuDiskussionen.

12.3.3

Patentstrategie

Das sogenannte IPManagement (Intellectual Property Management) ge winnt auch in Europa immer mehr an Bedeutung. Patente und andere Schutzrechte werden in der Wissensgesellschaft zum strategisch wichtigen Potenzial.InsbesonderefürUnternehmensgründerstelltsichdieFrage,wie sie strategisch geschickt mit ihrem geistigen Eigentum umgehen können. Einige der wesentlichen Fragen im Rahmen dieser Auseinandersetzung

372

Geistiges Eigentum

12.3

werden nachfolgend am Beispiel des Patents diskutiert. Für Gründer ist neben der Frage nach der Hinterlegung der eigenen Rechte vor allem die Vermeidung von Schutzrechtsschwierigkeiten durch die Verletzung beste henderRechtevonRelevanz.

Grundlegende Möglichkeiten des Schutzes Die Patentierung einer Erfindung stellt nicht die einzige Möglichkeit des Schutzes dar. Vielmehr können neben der Patentierung auch noch die Ge heimhaltung, die offensichtliche Publikation oder die Beibehaltung von WissensvorsprüngeninBetrachtgezogenwerden.JenachIndustrieundArt des Wettbewerbs sind unterschiedliche Strategien geeignet, einen Wettbe werbsvorteil aufzubauen und zu verteidigen. Ein wichtiges Kriterium, aus gehend von der Offenlegungspflicht, ist dieAbwägung, ob eine Erfindung danach ohne Weiteres kopiert werden kann. Die Formel für CocaCola ist z.B. nicht patentiert, und es sind etliche Versuche gescheitert, das Getränk zu analysieren und zu kopieren. Ein weiteres Element, das für oder gegen einePatentierungspricht,istdieInvestitionssumme.Beieineräußerstteuren Entwicklung eines Medikaments ist die Patentierbarkeit schon fast eine VoraussetzungfürdieAufbringungdieserKosten.Hingegendürftebeieher kleinen Summen und sehr kurzen Lebenszyklen der Fokus auf anderen Möglichkeiten des Schutzes von geistigem Eigentum und nicht auf der Pa tentierungliegen.

DiePatentierung einerErfindung istnichtdie einzigeMöglich keitdesSchutzes.

Patentfähigkeit DieErteilungeinesPatentesistanvierVoraussetzungengebunden:Neuheit, erfinderische Tätigkeit, technischer Charakter und die gewerbliche An wendbarkeit.34DieNeuheitwirdwiebereitsgeschildertstrenggehandhabt. Vor der Anmeldung darf die Erfindung weder schriftlich noch mündlich bekannt geworden sein. Eine Schonfrist („grace period“) bei Erfindungen wie im USamerikanischen und kanadischen Recht ist in Europa nicht be kannt.35Mitdererfinderischen Tätigkeitwirddaraufabgestellt,dasssichdie Idee,fürdiedasPatentangemeldetwerdensoll,füreinenFachmannnichtin naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Eine Erfindung ist dann technisch, wenn ein „technisches Problem mit Mitteln der Technik“ gelöst wird. Der Begriff „Technik“ ist aber z.B. im deutschen Patentgesetz nicht genau geregelt, sodass die Beurteilung in Grenzfällen, wie etwa von SoftwareinVerbindungmiteinertechnischenAnwendung,schwierigwird. Gewerblichanwendbarheißt,dassdieseErfindungimGewerbenutzbringend anwendbaristundwiederholtwerdenkann.Diereine,nichtwiederholbare Entdeckung ist damit nicht patentierbar. Ein Beispiel: Die Supraleitung an

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Neuheit,erfinde rischeTätigkeit, technischer Charakterund gewerbliche Anwendbarkeit sinddie Voraussetzungen füreinPatent.

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Rechtliche Grundfragen

sich ist nicht patentierbar, hingegen deren technische Anwendung schon. NichtpatentiertwerdenkönnenErfindungen,derenVerwendunggegendie öffentlicheOrdnungoderdiegutenSittenverstoßenwürde.

Patentschutz DerInhabereines Patentskann anderevonder gewerblichen Nutzung ausschließen.

EinPatentstellteineBefugnisfürdenInhaberdar,anderevondergewerbli chen Nutzung auszuschließen. Dritte können ohne die Erlaubnis des Inha berseinsolchesProduktwederherstellen,kommerziellverwenden,verkau fen,importierenoderexportieren.DasRechtkannallerdingsverkauftoder Lizenzen für die Nutzung erteilt werden. Es besteht aber ein sogenanntes Forschungsprivileg, das es erlaubt, ein Patent zu Forschungszwecken zu nutzen. Der Patentschutz ist aber keinesfalls gleichbedeutend mit der Nut zungsbewilligung der Erfindung, was insbesondere für den Bereich der PharmazeutikaundderBiotechnologiezutrifft,woneben demPatentnoch eineganzeReiheweitererSchritteundGenehmigungennotwendigsind,um einProduktaufdenMarktbringenzukönnen.DerPatentschutzbeträgtmit wenigen Ausnahmen 20 Jahre, die Nutzung der vollen Laufzeit lohnt sich aber nur, wenn das damit verbundene Produkt so lange wirtschaftlich er tragreichist.

Patentanmeldung InDeutschland, Österreichund derSchweiz erhältderjenige dasPatent,deres zuerstanmeldet.

InfastallenLändern(auchinDeutschland,ÖsterreichundderSchweiz)gilt das Anmelderprinzip („First to File“), wenn es um das Recht der Anmel dung geht. Anders in den USA, dort gilt das Prinzip der Ersterfindung („First to Invent“), wo vor allem im Bereich der Biotechnologie der Nach weis nicht immer ganz einfach ist und auf Laboraufzeichnungen abgestellt werden muss.Ein wesentlicher Unterschied besteht inder Prüfung der Pa tentfähigkeitzwischenderSchweizundz.B.DeutschlandundÖsterreich.In letzterenLändernerfolgt,wieinvielenanderenLändern,vonAmteswegen eine technische Prüfung hinsichtlichdesNeuigkeitsgehaltes der Erfindung, die in Deutschland spätestens innerhalb von sieben Jahren abgeschlossen wird. Erst dann wird rückwirkend auf den Zeitpunkt derAnmeldung das Patenterteilt.InderSchweizhingegenwerdendieNeuheitunddieerfinde rischeTätigkeitimRahmeneinerPatentanmeldungnichtgeprüft.

374

Geistiges Eigentum

12.3

Patentkosten EineErstanmeldungimInlandistmitüberschaubarenKostenverbunden.So rechnet man im Schnitt für die ersten drei Jahre mit ca. 3.500 EUR für die AnmeldungeinesinländischenPatentsinDeutschland(inkl.Patentanwalt), für ein weltweites Patent mit ca. 4.000 bis 6.000 EUR für die Grundanmel dungplus500bis1.000EURproangemeldetesLand.36EinPatentwirdmit wenigenAusnahmen für maximal 20 Jahre erteilt, es muss aber eine jährli che Gebühr entrichtet werden, damit das Patent aufrecht erhalten werden kann. Diese Gebühr erfährt bis zum Auslaufen des Patents eine jährliche Steigerung.

DieKostenfür Inlandspatente sindüber schaubar.

Patentanmeldung im Ausland Ein Patentrecht und damit die Ausübung dieses Rechtes ist nur in jenen Ländernmöglich,indenesangemeldetist.DieInformation(Offenlegungs pflicht) ist hingegen weltweit verfügbar, z.B. über internetbasierte Recher chetools. Es stellt sich damit für den Hinterleger die Frage, ob und in wel chenLändernzusätzlicheinPatenthinterlegtwerdensoll.Dabeimüssendie Schutzmöglichkeiten in verschiedenen Ländern nicht zwangsweise zum gleichen Zeitpunkt ausgeübt werden. Ein Patent kann in anderen Ländern für den Zeitpunkt der Ersteintragung später angemeldet werden. EineAn meldungsolltezunächstindenwirtschaftlichwichtigstenLändernerfolgen. Die Kosten für eine internationale Anmeldung werden vor allem von den regionalenAnteilenderAnmeldungbestimmt(ÜbersetzungsundAnwalts kosten). Eine Möglichkeit, diese Kosten zu senken, ist, dieAnmeldung für mehrere Länder gleichzeitig vorzunehmen. In der Regel hat derAnmelder eine mehrmonatige Zeitspanne, in der er sich entscheiden kann, ob und in wie vielen Ländern er sein Patent anmelden will, und genießt gleichzeitig einen Vorschutz des Patentes. Nach der Pariser Verbandsübereinkunft gilt bei der Anmeldung im Ausland eine sogenannte einjährige Prioritätsfrist, beidereineNachanmeldungimAuslandrückwirkendaufdengleichenTag wiediederursprünglichennationalenAnmeldungerfolgt.Einegesonderte AnmeldunginjedemLandeinzelnlohntsichnurinAusnahmefällen. Eine internationale Anmeldung kann entweder beim nationalen Patentamt oder bei der WIPO im Rahmen des Patent Cooporation Treaty (PCT, mit derzeit 117 Vertragsstaaten) für mehrere Vertragsstaaten gleichzeitig ange meldetwerden.DiePCTAnmeldungbietetdenVorteil,dasshiernichteine zwölfmonatige, sondern eine mindestens 19monatige Zeitdauer für die Prioritätsfrist bei den Anmeldungen in weiteren Ländern gilt. Die Anmel dungundVerwaltungerfolgtzentralisiertüberdieWIPO,diePrüfungund ErteilungdesPatentshingegendurchdienationalenPatentämter,fürdieein Schutz beantragt wird. EineAnmeldung für den europäischen Raum kann

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SolleineErfin dunginmehreren Ländernpaten tiertwerden, empfiehltsich diegleichzeitige Anmeldungin mehreren Ländern.

12

Rechtliche Grundfragen

entweder beim nationalen Patentamt oder beim Europäischen Patentamt in MünchenalsEuropäischesPatentvorgenommenwerden.

Patente von Konkurrenten DerPatentan meldunggehtin derRegeldie Patentrecherche voran.

DaseigenePatentschützteinUnternehmenvorunerlaubterNutzungseines geistigen Eigentums durch Dritte, aber ebenso muss ein Unternehmen sich vorderVerletzungandererSchutzrechteinAchtnehmen.Zudemwirdsehr vielenPatentendieAnmeldungaufgrundfehlenderNeuheitverweigert,da bereits (zu) ähnliche Patente existieren, die den Schutzbereich des neuen Patentes tangieren. Insbesondere das USamerikanische Recht kennt sehr strenge Regeln bei Patentverletzungen. Im Extremfall kann ein Richter die dreifache Schadensersatzsumme („triple damage“) als Strafe verhängen, wenneinVersäumnishinsichtlichderNachforschungüberbereitsbestehen de Patente nachgewiesen werden kann. Eine Recherche über bereits beste hende Patente ist zum einen über das Internet möglich, zum anderen kön nenSpezialistenimVorfeldeinerAnmeldungbzw.einerWeiterentwicklung derErfindungbeauftragtwerden.DiesekönneneineAbklärungvornehmen, obessichlohnt,aneinerPatentierungbzw.sogarWeiterentwicklungfestzu halten. Die Patentrecherche wird in der Regel einer der ersten Schritte im Rahmen einer Patentanmeldung sein. Die Patentrecherche hat als Nebenef fekt,dassmandurchdieOffenlegungspflichtbeiPatentanmeldungeneinen Einblick in die Patentierungstätigkeit von Konkurrenten erhält und so For schungsrichtungen/tendenzenerkennenkann.

Patentverletzung BeiPatent verletzungen könnengerichtli cheSchritteein geleitetwerden.

Bei Patentverletzungen können gegen den Verursacher gerichtliche Schritte angestrebt werden. Dabei kann neben der Klage auf Unterlassung und ge gebenenfalls auf Schadensersatz auch ein Auskunftsrecht geltend gemacht werden,womitauchdieKundendesVerursachersoffengelegtwerdenmüs sen.DieGerichtskostensindabernichtunerheblichundmüsseninderRegel von der unterlegenen Partei übernommen werden. Internationale Patentab kommenharmonisierenzwardieAnmeldungvonPatenten,dieVerwaltung undAufrechterhaltungerfolgtaberdurchdieeinzelnenLänder,fürdiedas Patentangemeldetist.Patentrechtsverletzungen müssen daherauf nationa ler Ebene überwacht und gegebenenfalls vor Gericht durchgesetzt werden, wasmitnichtunerheblichenKostenverbundenseinkann.Einausländisches PatentistunterdiesenGesichtspunktennurfürdiejenigenLändersinnvoll, in denen ein Patentschutz durch das Unternehmen auch effektiv durchge setztwerdenkann.

376

Fallstudie: Austrianova

12.4

Lizenzierung Eine Erfindung muss nicht immer zwingend zu einer Unternehmens gründung führen. Ebenso muss eine Erfindung nicht unbedingt durch das eigeneUnternehmenaufdenMarktgebrachtwerden.Häufiggeschiehtdie Verwertung einer immaterialgüterrechtlich geschützten Idee über die Li zenzvergabe durch einen Dritten. Generell kann von allen Schutzrechten eine Lizenz erteilt werden, das Patent ist jedoch der Regelfall. Für Unter nehmen stellen die Erlöse aus Lizenzen eine wichtige Einnahmequelle dar. IBM konnte die Lizenzeinnahmen von 30 Mio. EUR im Jahr 1990 auf 1,5 Mrd. EUR im Jahr 2000 steigern.37Aber auch bei Erfindungen im Rahmen vonHochschulforschungenkönnenLizenzeneingeeignetesMittelzurVer wertungdarstellen,daz.B.imBereichBiotechnologieohnedenEinsatzvon Risikokapital oftmals die Mittel zur weiteren Entwicklung der Erfindung fehlen.EinerfolgreichhinterlegtesSchutzrechtstelltaberdieVoraussetzung füreinesolcheLizenzdar.

Erfindungen könnennichtnur durchdaseigene Unternehmen, sondernauch durchLizenzver gabekommerziell genutztwerden.

12.4 Fallstudie: Austrianova EsistOktober2007.ThomasFischer,CFOvonAustrianova,istzufrieden:Er istdavonüberzeugt,dassAustrianovamitderMikroverkapselunglebender Zellen eine Technologie entwickelt hat, die in den verschiedensten Einsatz gebietenangewendetwerdenkann.DemonstriertwerdensolldieWirksam keit der Technologie mit dem LeadProduct NovaCaps®, das die Therapie effizienz bei der Behandlung von Bauchspeicheldrüsenkrebs steigern soll. Da NovaCaps® bei der Europäischen Zulassungsbehörde als „Orphan Drug“registriertwurde,istderZulassungswegdeutlichkürzeralsbeinor malen Medikamenten und eine Marktzulassung in der EU wird für 2009 oder2010erwartet. Zeit auszuruhen gönnt sich Thomas Fischer dennoch nicht. Ihn beschäftigt die Frage, wie Austrianova die Technologieführerschaft für den Aufbau einer Marktführerschaft nutzen kann. Schließlich nützen Technologien und ArzneimitteldenPatientenunddemHerstellernurdann,wennsieinForm vonProduktenaufdenMarktgelangen.

Das Unternehmen und die Gründer ThomasFischeristbereitsseit1986unternehmerischtätig.Beiseinemersten Unternehmen handelte es sich um ein österreichischslowakisches Joint Venture,dashochwertigeGlasaquarienfürBaumärkteinganzEuropapro

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Mikroverkapselte Zellenkönnenin denverschiedens tenEinsatz gebietengenutzt werden.

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Rechtliche Grundfragen

duzierte. 1992 verkaufte Thomas Fischer seine Anteile, um bei der Gusta FoodGruppe als kaufmännischer Leiter tätig zu werden. Anschließend arbeitete er in der Pharmabranche tätig, die ihn bis heute nicht mehr los gelassenhat. Ende2001wurde Austrianova gegründet. BereitsfünfJah resspäterwurde dieersteProduk tionsanlagefür verkapselteZel leninBetrieb genommen.

Im Dezember 2001 gründete er gemeinsam mit Prof. Dr. Walter Günzburg und Dr. Brian Salmons das Unternehmen Austrianova. Walter Günzburg leitet das Forschungsinstitut für Virologie und Biomedizin an der Veteri närmedizinischenUniversitätWien.MitseinemForschungsteamführterdie Grundlagenforschungen durch, die die Basis für zukünftige Produkte der Austrianovadarstellen.FürdieProduktentwicklungunddieanschließende VermarktungderProduktesindBrianSalmonsundThomasFischerverant wortlich.DienotwendigeErfahrunghierfürhabensie:Zusammenverfügen sieüberknapp30JahreErfahrunginderPharmabranche. Nach der Gründung ging alles sehr schnell, und bereits 2006 wurde die weltweit erste, in ihrer Art einzige industrielle Produktionsanlage für ver kapselte Zellen in Frankfurt in Betrieb genommen. Mittlerweile wird dort nach den sogenannten Good Manufacturing Practices (GMP) produziert. GMP kommen bei der Produktion von Medizinprodukten und Arzneimit telnzumTragenundstellensicher,dassdieProduktqualitätjedeseinzelnen Medikamentes den Vorgaben entspricht und sämtliche Vorschriften der Gesundheitsbehörden beachtet werden. Der erste Punkt ist alles andere als einfach. Letztlich muss sichergestellt werden, dass das Produkt 100%ig re produzierbar ist, da selbst kleine Abweichungen in den festgelegten Pro duktspezifikationennegativeFolgenfürdenPatientenhabenkönnen. Heute hat das Unternehmen 35 Vollzeitbeschäftigte. Weitere 30 Personen sind über eine Kooperation des Instituts für Virologie und Biomedizin mit Austrianovaverbunden.AlsUnternehmensstandortdienenRäumlichkeiten auf dem Campus der Veterinärmedizinischen Universität in Wien sowie LaborsinBiopolis,Singapur.

Die Technologie Bei der Behandlung solider Tumore werden häufig Chemotherapeutika eingesetzt.Diesewerdeninjiziert,beginnenjedocherstzuwirken,wennsie über die Blutbahn des Patienten in die Leber transportiert und dort von bestimmtenEnzymenaktiviertwerden.DieseMethodebringtzweiwesent liche,schwerwiegendeNachteilemitsich:ZumeinenschadetdasTherapeu tikum auf dem Weg von der Leber bis zum Tumor auch gesunden Zellen, was zu Nebenwirkungen wie Haarausfall, Übelkeit oder Erbrechen führt. ZumanderenverliertdasTherapeutikumaufdemWegzumTumormassiv anWirkung.

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Fallstudie: Austrianova

AustrianovahateineTechnologieentwickelt,diedieEffizienzeinersolchen chemotherapeutischenBehandlungwesentlichverbessernkann.Dabeiwer denpatientenfremdemenschlicheZellengentechnischsoverändert,dasssie das Enzym für die Aktivierung des Chemotherapeutikums produzieren können. Zehntausend dieser Zellen werden anschließend mit einer Kapsel aus Zellulosesulfat umgeben, einer porösen Hülle, die die Abstoßung der patientenfremden Zellen durch das Immunsystem verhindert. Die „Kom munikation“ zwischen dem Organismus und den Fremdzellen kann auf grundderdurchlässigenHüllejedochstattfinden(AustauschvonNährund Botenstoffen). Die Kapsel wird nun in der Nähe des Tumors platziert, um dortdieentsprechendenEnzymeübereinenZeitraumvonmehrerenMona ten zu produzieren. Dabei nutzt man minimalinvasive endoskopische Ver fahren,dieesermöglichen,dieKapselnindieBlutgefässezuapplizieren,die sich in der Nähe des Tumors befinden. Aufgrund ihrer Größe bleiben die Kapseln in den Verästelungen, den sogenannten Kapilaren, der Blutgefäße hängen. Das Chemotherapeutikum wird nun wie bisher injiziert, beginnt jedoch erst am Tumor zu wirken, was die Effizienz des Medikamentes er heblichsteigertundgleichzeitigdieNebenwirkungendrastischverringert.

12.4 DieEffizienz chemothera peutischerBe handlungenkann durchdievon Austrianova entwickelten Produkteerhöht werden.

Austrianova hat sich diese Form der Zelltherapie für die Behandlung von Bauchspeicheldrüsenkrebs unter dem Namen „NovaCaps®“ patent und markenrechtlich schützen lassen. Bauchspeicheldrüsenkrebs ist eine Krank heit,fürdiemomentankeineeffektiveBehandlungsmethodezurVerfügung steht.NachderDiagnose,dieaufgrundderunspezifischenSymptomemeis tenssehrspäterfolgt,habendiePatienteneineLebenserwartungvonledig lich25Wochen.NovaCapskonntediesenWertinklinischenTestsaufbiszu 46Wochenerhöhen.

Zukunftschancen Die Anwendung der Technologie bei Bauspeicheldrüsenkrebs dient jedoch nur als erste Referenz für die vielfältig denkbaren Anwendungen der Ver kapselungstechnologie. So könnte die Technologie beispielsweise bei Diabetes genutzt werden, um InsulindirektimKörperproduzierenzulassen.MomentanmüssenPatien ten ihren Insulinspiegel täglich regulieren. Sie müssen den Insulinspiegel zunächstmessen,umsichanschließenddieentsprechendeDosisInsulinzu spritzen. Mikroverkapselte Zellen könnten die Therapie erheblich vereinfa chen. Anstelle einer täglichen Behandlung mit Insulinpräparaten würden lebendemikroverkapselteZellenübereinenZeitraumvonetwaneunMona tendafürsorgen,dassderInsulinspiegelreguliertwird.TäglicheKontrollen des Insulinspiegels und Injektionen würden entfallen. Zudem würde die

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DieAnwendung derTechnologie beiBauch speicheldrüsen krebsdientals Referenzfüreine Vielzahlweiterer Anwendungen.

12

Rechtliche Grundfragen

Dosierungerheblichgenauererfolgen,dadieZellen,diefürdieProduktion von Insulin eingesetzt werden, den aktuellen Insulinspiegel selbstständig erkennenunddieInsulinproduktionentsprechendanpassen.Eswürdealso nursovielInsulinproduziert,wieauchtatsächlichverbrauchtwird.Mithilfe verkapselterZellenwerdenheuteauchim KörperWachstumsfaktorenpro duziert,diebewirken,dasssichnacheinemInfarktgeschädigteHerzkranz gefäßedauerhaftregenerierenkönnen. Generell formuliert: Verkapselte lebende Zellen können überall dort ver wendetwerden,woesmedizinischnotwendigbzw.sinnvollerscheint,the rapeutischeWirkstoffedirektimKörperdesPatienteninkonkreterAbhän gigkeit von seiner Konstitution oder aber an konkreten Stellen im Körper desPatientenherzustellen.Fazit:DieVerkapselunglebenderZellenistdamit einePlattformtechnologiemitgroßemPotenzial.

Die Strategie VonderEnt wicklungbiszur Zulassungeines Medikamentes dauertesmit unter12bis15 Jahre.

VondererstenIdeeüberdieEntdeckungoderEntwicklungeinesWirkstoffs biszurZulassungeinesdarausresultierendenMedikamentesisteseinwei ter Weg. Während der präklinischen Entwicklung wird ein potenzieller Wirkstoff bzw. eine Technologie im Reagenzglas des Labors erforscht. Da nachgehtesindieerstenVersuchsreihenmitdemvermutetenArzneimittel, die meist an Tieren vorgenommen werden. Diese Phase kann drei bis vier Jahredauern. Während der klinischen Studie wird die Wirkung des Arzneimittels am Menschengeprüft:InPhaseIwirddieSicherheitdesArzneistoffsaneinem kleinenKreisvonetwaca.10bis20meistgesundenProbandengeprüft.Es findeteineerstequalitativePrüfungderNebenwirkungenstatt.InPhaseII wirdinersterLiniedieWirksamkeitdesArzneistoffsqualitativundquanti tativanetwa100bis300Patientenüberprüft.ZudemwerdenindieserPhase dieoptimaleDosisermitteltundNebenundWechselwirkungenbeobachtet. In Phase III wird der statistisch ermittelte Nachweis über die Wirksamkeit einesArzneimittels gegenüber einem Placebo oder der aktuell anerkannten Standardbehandlungerbracht.IndieserPhasewerdenoftmehrereHundert, unterUmständensogarTausendePatienteneinbezogen.WurdendiesePha sen erfolgreich abgeschlossen, kann die Marktzulassung beantragt werden. Die Durchführung der klinischen Studien sowie die Marktzulassung neh menetwazehnbiszwölfJahreinAnspruch. Da Arzneimittel die Gesundheit der Bevölkerung unmittelbar betreffen, werden die drei Phasen von den zuständigen Arzneimittelbehörden über wacht. Erst wenn alle Wirksamkeits und Verträglichkeitsprüfungen erfolg reichdurchgeführtwurden,kanndasMedikamentverkauftwerden.Mitun

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Fallstudie: Austrianova

12.4

ter dauert es von der Entwicklung bis zur Zulassung eines Medikaments rund12bis15Jahre.DieKosten,dieindieserZeitanfallen,werdenvonden Pharmaunternehmenmit500bis800Mio.USDangegeben.Damitsichdiese InvestitionfürdasPharmaunternehmenlohnenkann,erhältdasforschende Unternehmen einen Patentschutz, der dem Unternehmen ein zeitlich be grenztesMonopolzusichert.WährenddieserZeitdarfdasMedikamentnur von dem betreffenden Unternehmen verkauft werden. Erst nach Ablauf dieserZeitkönnenauchandereFirmensogenannteGenerikaaufdenMarkt bringen,diedengleichenWirkstoffenthalten. Der Zulassungsweg kann wesentlich verkürzt werden, wenn das Medika mentvonderEuropäischenZulassungsbehördeals„Medikamentfürseltene Erkrankungen“ (orphan drug) eingestuft wird. In diesem Fall erfolgt die ZulassunginnerhalbderEUübereinzentralisiertesVerfahren,dasimVer gleich zum normalen Zulassungsverfahren deutlich weniger Zeit in An spruch nimmt. Zudem erhält das forschende Unternehmen Unterstützung bei der Durchführung der klinischen Studien, Vergünstigungen bei Zulas sungs und Inspektionsgebühren sowie eine Marktexklusivität über zehn Jahre.

DerStatusals „orphandrug“ verkürztdie Zulassungswege füreinMedika mentenorm.

Aus diesem Grund hat sichAustrianova dafür entschieden, die Wirkungs weise der „Bioencapsulation“ anhand der Referenzindikation Bauchspei cheldrüsenkrebszudemonstrieren.FürdieseIndikationgibtesderzeitkeine effektiveTherapie,wasdieKlassifizierungals„OrphanArzneimittel“durch dieEuropäischeArzneimittelagenturimJahr2003ermöglichte.Damitwur de NovaCaps® sozusagen auf einen „fast track“ gesetzt, der dafür sorgen soll,dassmöglichstschnellgezeigtwerdenkann,dassdieTechnologiever kapselter lebender Zellen funktioniert. In Europa ist NovaCaps® in der entscheidendenklinischenPhaseIII,indenUSAinderklinischenPhaseII. DieMarktzulassungfürEuropawirdfür2009oder2010erwartet.Eineähn liche OrphanDrugStrategie wurde beispielsweise von Novartis bei der Zulassung von Glivec verfolgt, einem Medikament zur Behandlung von Leukämie. Mit dem Referenzprodukt möchte Austrianova bekannt werden und die Technologie der Zellverkapselung „gesellschaftsfähig“ machen. Dazu muss man wissen, dass neue Medikamente und Technologien in Fach und In dustriekreisenoftmalsdurchMundzuMundPropagandabekanntwerden. Es gilt, den Kreis der „Key Opinion Leaders“ zu überzeugen, der mitunter recht klein sein kann. NovaCaps® würde beispielsweiseausschließlichvon Krankenhausärzteneingesetztwerden,undderKreisderÄrzte,dieBauch speicheldrüsenkrebsinÖsterreichbehandeln,istrechtklein:Insgesamtgibt es in Österreich jährlich um die 900 Patienten mit Bauchspeicheldrüsen krebs,vondenen80%innurvierKlinikenbehandeltwerden.

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DasReferenz produktsolldie „KeyOpinion Leaders“vonder Technologieder Zellverkapselung überzeugen.

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Rechtliche Grundfragen

Neben NovaCaps® sollen weitere Medikamente im Bereich der Onkologie entwickeltwerden.DabeimöchteAustrianovadurchausmitanderenPhar maunternehmen kooperieren. Des Weiteren sollen Partner gefunden wer den, die die Zellverkapselung außerhalb der Onkologie einsetzen. Da Au strianova eine gänzlich neue Technologie entwickelt hat, sind Auslizenzie rungen und Partnerschaften mit großen Pharmaunternehmen auch schon vorAbschluss der dritten klinischen Phase denkbar. Entwickeln Unterneh mendagegenWirkstoffe,diebereitsinähnlicherFormbekanntsind,warten Pharmaunternehmen meist den positiven Verlauf der dritten klinischen Phaseab.

Und wie geht es weiter? AustrianovakonzentriertsichzwarmomentanaufAnwendungsfälleinder Krebstherapie.DaserklärtelangfristigeZielbestehtjedochdarin,Technolo gieführer im Bereich „Bioencapsulation“ zu werden, auch außerhalb der Onkologie.DabeisollenKooperationenmitPartnernausderbiotechnologi schen oder pharmazeutischen Industrie sowie die Vergabe von Produkt oderTechnologielizenzeneineRollespielen.

Fragen zur Fallstudie 1. Welche Rechtsmittel schützen derzeit die von Austrianova entwickelte TechnologiederZellverkapselung? 2. Es gibt einen Markt für Impfstoffe und Antibiotika. Einen Markt für „verkapselte lebende Zellen“ gibt es nachAussage von Thomas Fischer derzeitnochnicht.DafüristdieTechnologieschlichtwegzuneu.Entwi ckelnSieeineMarkteintrittsstrategiefürAustrianova. 3. Wenn Sie Thomas Fischer wären, welche Strategien würden Sie verfol gen, um Austrianovas Technologieführerschaft für den Aufbau einer Marktführerschaftzunutzen? 4. WelcheRollekönntenAuslizenzierungenundKooperationenbeimAuf bauderMarktpräsenzspielen?

382

Zusammenfassung

12.5 Zusammenfassung Zu den ersten und auch wichtigsten Entscheidungen bei der Umsetzung einer unternehmerischen Idee gehört die Wahl der geeigneten Rechtsform. Rechte und Pflichten des Gesellschafters hängen von dieser Entscheidung ab,aberauchHaftungundsteuerlicheBelastungen.Außerdemdefiniertsich ein Unternehmen durch die Wahl seiner Rechtsform auch nach außen. Die drei wichtigsten Gesellschaftsformen sind die Einzelfirma, die GmbH und die AG. Eine grundsätzliche Unterscheidungsmöglichkeit und damit Ent scheidungshilfe zwischen einzelnen Gesellschaftsformen besteht zwischen Einzelunternehmen und Kapitalgesellschaften (z.B.AG und GmbH). Kapi talgesellschaftensindjuristischePersonenundsindunabhängigvomEigen tümer Träger von Rechten und Pflichten. Ein wichtiges Entscheidungsele mentistdieunterschiedlicheHaftunginPersonenbzw.Kapitalgesellschaf ten: Der Einzelunternehmer haftet persönlich, während die Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft in der Regel lediglich bis zur Höhe ihrer Einlage haften. Unternehmer allgemein und vor allem auch Unternehmensgründer benöti geneineneffektivenSchutzvorNachahmern,umeineeinmalerlangteWett bewerbssituation erfolgreich verteidigen bzw. überhaupt erst aufbauen zu können. Schutzrechte im Rahmen des geistigen Eigentums ermöglichen es, auchimmaterielleGüterzuschützen.DasImmaterialgüterrechtkannindie gewerblichen Schutzrechte und das Urheberrecht unterteilt werden. Alle Rechte müssen mit Ausnahme des Urheberrechts eingetragen werden und habeneine(unterschiedlichlange)beschränkteLaufzeit.DieAnforderungen aneineEintragung,insbesonderebeiPatenten,werdenindenverschiedenen Ländern unterschiedlich gehandhabt. Ein Schutzrecht gilt nur für die Län der,fürdieeseingetragenwurde(Territorialitätsprinzip).DieEintragungist mithohenKostenverbunden.BeieinerinternationalenAnmeldungmachen Übersetzungs undAnwaltskosten für die einzelnen Länder einen Großteil der Kosten aus. Die Verletzung von Schutzrechten wird nicht von Amtes wegenverfolgt,sondernmussdurchdenInhaberselbstvorgenommenwer den.NebenSchutzrechtenbestehtauchdieMöglichkeit,entwedereineIdee geheim zu halten oder diese zu publizieren, um eine Patentierung durch anderezuverhindern.

383

12.5

12

Rechtliche Grundfragen

Diskussionsfragen 1. Welche Kriterien sind bei der Entscheidung für die Rechtsform eines Biotechnologieunternehmensbesondersrelevant?Welchebeieinemklei nenDienstleistungsunternehmen? 2. Welche Entscheidungskriterien sind für die Patentierungsstrategie im Auslandrelevant? 3. WiekritischsindSoftwarepatente?WelcheAuswirkungenkanndiesauf GründerimBereichderIThaben?

Weiterführende Literatur FREY,J.,ORundZGBfürdenAlltag,7./8.,überarbeitete,aktualisierteAuflage, BeobachterBuchverlag,Zürich,2008. FRITZ, C., Gesellschafts und Unternehmensformen in Österreich, 3., erweiterte Auflage,LindeVerlag,Wien,2007. JASCHINSKI, C., HEY, A., KAESLER, C.,Wirtschaftsrecht,3.Auflage,MerkurVer lag,Rinteln,2006.  

Endnoten   1

ADEN, M., BGB – leicht: Einführung in das Recht des Bürgerlichen Gesetzbuches, Ol denburg,München,2001.

2 MandenkehierandieKundeneinerpsychologischenPraxisgemeinschaft,denen

dieseinFormeinerAktiengesellschaftentgegentritt,wasbeiErstgenanntendoch einigesBefremdenauslösendürfte. 3 AufeinedetaillierteDarstellungderösterreichischenRechtsformenwirdbewusst

verzichtet, da so die dargestellten Rechtsformen eingehender behandelt werden können. 4 Z.B. in Schweizer Recht die Möglichkeit des Durchgriffs bei Einpersonen

aktiengesellschaften. 5 HGB§1Istkaufmann,HGB§2Kannkaufmann. 6 HGB§6Formkaufmann.

384

Zusammenfassung

7 Unter einem Handelsgewerbe ist eine selbstständige, planmäßige Tätigkeit zu

verstehen,dieaufDauerundGewinnausgerichtetist. 8

BROX, H., Handels und Wertpapierrecht, 17., neu bearbeitete Auflage, Beck, Mün chen,2004,§2N35.

9 SiemussjedochinEurodurch50teilbarsein. 10 IstdurchGesellschaftsvertragnichtsanderesbestimmtworden,soentsprechen50

EUReinerStimme. 11 Gemäß Gesellschaftsvertrag können auch mehrere Geschäftsführer vorgesehen

sein. 12 EISENHARDT, U.,Gesellschaftsrecht,11.,ergänzteu.überarb.Aufl.,Beck,München,

2003,N482. 13 EineMischungbeiderFormenistnichtzulässig. 14 SCHWANNA, A., Die Gründung von Gesellschaften in Deutschland, Frankreich und

Großbritannien: gemeineuropäische Prinzipien des Gesellschaftsrechts, Lang, Frankfurt amMain,2002,S.116. 15 GRUNEWALD, B., Gesellschaftsrecht, 4., vollständig überarbeitete Auflage, Mohr

Siebeck,Tübingen,2000,S.230. 16 MEIERHAYOZ, A.,/FORSTMOSER, P., Schweizerisches Gesellschaftsrecht, 9. Auflage,

Stämpfli,Bern,2003. 17 AlsFaustregelgilteineZeitspanneabetwadreiMonaten. 18 Einzelfirmen,dieeinenjährlichenUmsatzvon100.000CHFnichterreichen,sind

zumeist von der Eintragungspflicht ausgenommen. Ebenso Handwerksbetriebe, diekeinerBuchführungspflichtunterliegen,oderdiefreienBerufe(Arzt,Anwalt, Architektusw.),sofernderenBetriebnichteinegewisseGrößeerreicht. 19 DieFirmabezeichnetdiesenNamenbzw.BezeichnungdesUnternehmens,daran

isterkenntlich,welcheRechtsformdasUnternehmenhat(z.B.AG,GmbHo.Ä.). 20 ObergrenzesollnachderRevisionwegfallen. 21 MitderRevisionistdieEinzahlungdesgesamtenStammkapitalsvorgeschrieben,

fürdieSacheinlage/SachübernahmegeltenbesondereVorschriften. 22 MitderRevisionSenkungauf100CHFunddieMöglichkeit,mehrereStammein

lagenzumachen. 23 Mit der Revision soll es nur noch voll einbezahltes Stammkapital geben, damit

nurnocheineHaftungmitdemGeschäftsvermögen. 24 Besteht nur eine kollektive Zeichnungsberechtigung, bedarf es zweier Geschäfts

führermitWohnsitzimInland. 25 MEIERHAYOZ,A.,/FORSTMOSER,P.,ebenda,2003,§16N20. 26 DieMehrzahlderVerwaltungsrätemüssendasschweizerischeBürgerrechthaben

undinderSchweizWohnsitz(OR708),beiEUBürgerngenügtneuderWohnsitz inderSchweiz. 27 Dazu gehören Goodwill (zukünftige Erfolge), Intellectual Property (geistiges

Eigentum) und Intellectual Capital (Humankapital, Geschäftsbeziehungen und –modelle) 28 De facto sind, obwohl gesetzlich nicht zulässig, Softwarepatente in Deutschland

möglich,müssenabermiteiner„technischenAnwendung“zusammenpatentiert werden.

385

12.5

12

Rechtliche Grundfragen

29 STAUB, L,/HILTI, C., Wettbewerbs und Immaterialgüterrecht, Dike Verlag, St. Gallen,

1998. 30 VOCK, P./JOLA, C., Patent und Lizenzaktivitäten 2001 Umfrage bei Hochschulen und

anderenöffentlichunterstütztenForschungsorganisationen,Bern,CEST,2002. 31 SieheLexikonunterwww.copat.de,BegriffPatentanwalt(Zugriffam10.8.2004). 32 EinSpezialfallundeigenesRechtistdieVerwendungvonNamenalsHerkunfts

bezeichnung, so muss FetaKäse aus Griechenland kommen und nicht von der SchwäbischenAlb,ebensodarfméthodechampagnoisenurvonWinzernausder Champagne benutzt werden. Diese Regelung wird von der EU sehr streng ge handhabt. 33 DasGebrauchsmusterkenntebensowiedasGeschmacksmustereinesechsmona

tige Schonfrist, während derer die Erfindung bereits bekannt gegeben werden durfte. 34 GesetzlichfestgelegtsinddieNeuheit,erfinderischeTätigkeitunddiegewerbliche

Anwendbarkeit. Implizit wird in Europa aber auch auf die Technizität einer Er findungabgestellt. 35 Dort gilt eine einjährige Frist, während derer die Publikation als nicht neuheits

schädlichgiltunddieErfindungnochangemeldetwerdenkann. 36 Siehez.B.Kostenaufstellungunterwww.copat.de(Zugriffam10.8.2004). 37 Siehe Beitrag von M. Gneuss in Die Welt vom 26.8.2003 zu ungeschützten Pa

tentenunterwww.welt.de/data/2003/08/26/159427.html(Zugriffam1.9.2004).

386

Einführung

13 Unterstützung im Gründungsprozess

Lernziele Nach der Lektüre dieses Kapitels sollten Sie folgende Fragen beantworten können:

„ Was kann mit einer Wirtschaftspolitik für KMU/Startups erreicht wer denundwassindderenGrenzen?

„ Wie lauten die wesentlichen Förderprogramme in Deutschland, Öster reichundderSchweiz?

„ WelcheaktuellenSchwerpunktesetztdieFörderpolitik? „ Wie lässt sich der Markt für Inkubatoren strukturieren? Welche Dienst leistungenbietenInkubatorenan?

„ WiesehendieProfilederFörderundInkubatorstruktureniminternati onalenVergleichaus?

Begriffserklärungen GEMReport:GlobalEntrepreneurshipMonitor,weltweiteVergleichsstudie, die zur unternehmerischen Einstellung undAktivität derBevölkerung eine ReihevongründungsrelevantenFaktoreneinesLandesermitteltunddamit ImpulsefürdieFörderungvonEntrepreneurshipAktivitätenaufzeigt. Inkubator:Einrichtung,dieeineReihevonnützlichenDienstleistungenfür Unternehmensgründeranbietet,diedenWegindiekompletteunternehme rischeFreiheiterleichternunddamitdenGründungserfolgabsichernsollen. Inkubatoren werden an Hochschulen, in Gemeinden oder in Unternehmen eingerichtetundkönnenprofitodernichtprofitorientiertausgerichtetsein.

387

13.1

13

Unterstützung im Gründungsprozess

13.1 Einführung DieGründer müssensichim vielfältigen Förderangebot auskennen.

Die Unterstützung im Gründungsprozess umfasst ein weites Feld: Bera tungsleistungen verschiedenster Art, staatliche Wirtschaftspolitik und dar aus resultierende Förderangebote, Unterstützungseinrichtungen in ver schiedenen Umfeldern, sei es universitär, regional oder aus einem Unter nehmen heraus. Die Jungunternehmer stehen diesem Angebot oftmals fragendgegenüber.ZumeinensinddieAngebotederWirtschaftsförderung nur wenigen Experten umfassend bekannt, zum anderen muss erst einmal VertrauenzudenUnterstützernaufgebautwerden.IndiesemKapitelsollen bewusst Schwerpunkte für das grundlegende Verständnis und den prakti schenBezuggesetztwerden.ZuBeginnwirddieFragenachderpassenden Wirtschaftspolitik für KMU/Startups gestellt und für Deutschland und die Schweiz beantwortet. In der Folge werden die wichtigsten Förderprogram meundderInkubatorenmarktstrukturiertundvorgestellt.

13.2 Grundfragen der KMU-Politik Einespezifisch aufKMUausge richteteWirt schaftspolitik musssichlegiti mierenkönnen.

Die Ermittlung der Anforderungen an eine KMUPolitik führt zur grund sätzlichenFragenachderAusgestaltungeinerWirtschaftspolitikzugunsten der KMU und Gründungsunternehmen. Soll es eine solche unternehmens gruppenspezifische Politik überhaupt geben, auch wenn in Deutschland, Österreich oder der Schweiz die KMU ca. 99,6% aller Unternehmen reprä sentieren?IsteineWirtschaftspolitikzugunsteneinerUnternehmensgruppe überhaupt gerechtfertigt oder sollte sie nicht allen Unternehmen gleicher maßenzugutekommen?Diesewäredann nachFriedman dieeinzigfunkti onsfähige Form des Wirtschaftens: „Das funktionierende Modell einer Ge sellschaft, die durch das Mittel des freiwilligen Austausches organisiert wird, ist die freie, auf privatem Unternehmertum basierende Marktwirt schaft...“.1DieseFragelässtsichdurchdasEinschlagenvonzweiWegender Wirtschaftspolitikbeantworten.

KMUPolitik kannSchutzvor Marktmachtder Großkonzerne bedeuten,aber auchdasAngebot spezifischer Förderungen.

Erstens erscheint eine gezielte Politik für KMU dann gerechtfertigt, wenn einePolitikfürGroßunternehmen,undseiesnuraufgrundderenmachtvol lem politischem Einfluss auf ihre eigenen Rahmenbedingungen, existiert und einArt „Gegengift“ aufgebaut werden sollte. In diesem Kontext kann dieWirtschaftspolitikdieuntenbeschriebenenSpezifikavonKMUimSinne einer „Nichtschädigung“ berücksichtigen und Unterstützungen etablieren. DasZielderWirtschaftspolitikkannaberweitergehenundbeinhaltetdann dieSchaffungvonspezifischenFörderprogrammenfürKMUundStartups.

388

Grundfragen der KMU-Politik

13.2

ZweitenskanndieWirtschaftspolitikverbindlicheRahmenbedingungenfür freies Unternehmertum setzen und im Gegenzug auf Interventionen und Subventionen weitgehend verzichten. Dazu zählt auch ein wirksames Kar tellrecht, damit ein funktionsfähiger Wettbewerb mit Markteintrittschancen für Innovatoren gewährleistet ist sowie der Missbrauch von Marktmacht verhindertwird.DiesbedeutetaberauchdieAblehnungvonEinzelfalloder Gruppenförderungen. Denn im umgekehrten Fall der behindernden Rah menbedingungen wird die Wirtschaftspolitik zwar nicht umhinkommen, Förderprogramme und direkte Finanzhilfen zum Nachteilsausgleich zu leisten,wasletztenEndesaberineinesichselbstförderndeSpiralesteigen der Steuern und Abgaben auf der einen sowie zu einem steten Ruf nach FördermittelundSubventionenaufderanderenSeiteführt. Gerade die Situation in Deutschland mit seinen Subventionstöpfen für di verse Wirtschaftsbereiche, verbunden mit einer nach wie vor intensiven Förderpolitik,zeigtdiesauf.HingegenweistdieSchweizzwarnachwievor keinenfreienBinnenwettbewerbinetlichenBranchenundeineVielzahlvon Preisregulierungen auf, jedoch setzt man grundsätzlich stärker auf freies UnternehmertumundverteiltwenigerSubventionen.

Deutschlandund dieSchweiz verfolgenunter schiedlicheAn sätzeinder KMUPolitik.

13.2.1 Ergebnisse internationaler Vergleiche Aus der Fülle von internationalen Vergleichsstudien werden diejenigen vorgestellt,diesichzumeinendemEntrepreneurshipThemawidmen,zum anderen einen Fokus auf Regulierungen, speziell auch für KMU und Start ups,richten. Einen weltweit erhobenen Vergleich der Rahmenbedingungen für Unter nehmertumbietetderGlobalEntrepreneurshipMonitor(GEM)2.Ausgehend vomsozialen,politischenundkulturellenKontexteinesLandeswerdeneine Reihe von allgemeinen und gründungsspezifischen Rahmenbedingungen ermittelt. Diese wirken sich auf Großunternehmen sowie KMU aus und beeinflussendieGründungschancenundpotenziale.Darausresultiertdann die Gründung neuer Unternehmen die mittel bis langfristig neueArbeits plätzeundeineSteigerungdesBruttoinlandsproduktsbewirken.Deraktuel leGEMReport2006siehtinBezugaufdiegründungsspezifischenRahmen bedingungendieUSAanderSpitze,gefolgtvonSingapur,denVereinigten Arabischen Emiraten, Island und Belgien. Danach folgen Finnland,Austra lien, Dänemark, Großbritannien, die Niederlande und Irland. Deutschland belegtaktuelldenPlatz16von37Ländern.SchlusslichtistUruguay,davor befinden sich Peru, Brasilien, die Türkei und Jamaika. Italien befindet sich mitRusslandaufPlatz30.DerGEMReport2006enthältbedauerlicherweise keineZahlenzuÖsterreich,derSchweizoderFrankreich.Deshalbkannnur

389

DerGEMReport siehtDeutsch landweltweitim Mittelfeld,wobei dieBandbreiteje nachEinflussfak torgroßist.In punctoFörder infrastruktur liegtDeutschland anderSpitze.

13

Unterstützung im Gründungsprozess

Deutschland herausgegriffen werden. Die Platzierung der einzelnen Ein flussfaktorenistdeutlichdivergierend.DennDeutschlandbelegtmitseiner öffentlichen Förderinfrastruktur Platz 1, was die einführenden Aussagen unterstreicht.BeiPrioritätundEngagementderPolitikerreichtDeutschland Platz 8, beim Schutz geistigen Eigentums Platz 9, bei derphysischen Infra struktur Platz 11 und bei Wissens und Technologietransfer Platz 13. Im internationalenMittelfeldbewegensichdieBeraterundZuliefererfürneue Unternehmen(15),dieFinanzierung(16),dasThemaRegulierungundSteu ern (17) und die Marktoffenheit (Markteintrittsbarrieren) auf Platz 19. Bei der Marktoffenheit (Marktveränderungen) ergibt sich nur ein Platz 24. Mit das Schlusslicht bildet Deutschland bei den Themen gründungsbezogene Ausbildung in der Schule (31), gesellschaftliche Werte und Normen (34), außerschulische gründungsbezogeneAusbildung (35) sowie bei der Unter stützungvonGründungendurchFrauen(36). Jebesserdie Rahmendingun gen,destohöher dieGründungs quote.

Insgesamt zeigt der GEMReport auf, dass der isolierte Einfluss der Rah menbedingungenaufdieGründungsquoteüberalleLänderhinwegwegen der Unterschiede zwischen Entwicklungs und Industrieländern schwierig nachzuweisenist.BezogennuraufdieIndustrieländerkannjedochbehaup tet werden, dass „Länder mit besseren (schlechteren) Rahmenbedingungen aucheinehöhere(niedrigere)Gründungsquoteaufweisen“.Dieverschiede nenDimensionenderRahmenbedingungenwurdenjedochnichteinzelnauf ihren Einfluss hin analysiert. Trotzdem kommt der GEMReport zu folgen der Feststellung: „Die Schaffung solcher positiver Rahmenbedingungen sollte also das Ziel einer jeden nationalen Regierung sein, um eine Unter stützung bei der Entscheidung zugunsten eines eigenen Unternehmens zu bieten.IhrAufbaubrauchtZeitundsolltealsmittelfristigesZielverstanden werden,umEntrepreneurshipnationalzufördern.“

DieSchweizliegt inzweivondrei Kategorienvor Deutschlandund Österreich.

Die Situation bezogen auf Gründungsprojekte in Deutschland, Österreich und der Schweiz verdeutlicht auch der „Doing Business“Report der Welt bank.AusderFüllevonErgebnissenisthierderAufwandfürdieGründung eines Unternehmens, gemessen an den drei Faktoren Anzahl erforderliche Prozeduren, Anzahl Tage bis zum Vollzug der Prozeduren und Höhe der KostenfürdieGründungeinesUnternehmens,herausgegriffen.Dabeizeigt sich,dassdieSchweizbeizweivondreiFaktorenim Vergleichvorneliegt, allerdingsbestehtnochweitererSpielraumfürVerbesserungen,umweltweit geseheneineSpitzenpositioneinzunehmen. 

390

Grundfragen der KMU-Politik

Tabelle131

AufwandfürdieGründungeinesUnternehmens Anzahl Prozeduren (notwendige Interaktionen zwischen Unternehmen und externen Instanzen)

Anzahl Tage, bis alle Prozeduren vollzogen sind

Höhe der Kosten für die Gründung eines Unternehmens (in % des BSP pro Kopf)

Schweden

3 USA

5 Dänemark

0,0

Dänemark

3 Dänemark

5 USA

0,5

Norwegen

4 Frankreich

8 UK

0,7

Irland

4 Niederlande

11 Schweden

0,7

USA

5 Norwegen

13 Frankreich

1,2

Schweiz

6 Schweden

16 Norwegen

2,7

UK

6 UK

18 Deutschland

4,7

Niederlande

7 Schweiz

20 Irland

5,3

Frankreich

7 Irland

24 Österreich

5,7

Österreich

9 Deutschland

24 Schweiz

8,7

Deutschland Japan

9 Österreich 11 Japan

13.2

29 Japan

10,7

31 Niederlande

13,0

Quelle: Fueglistaller/Schliesser/Federer, 2007, S. 8, dort in Anlehnung an World Bank, Doing Business in 2006, www.doingbusiness.org und Bundesrat, Vereinfachung des unternehmerischen Alltags, Bern, 2006, S. 22.

Eine Betrachtung der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen verdeut licht, dass die Schweiz (Platz 6 in 2007) und Österreich (Platz 11) gemäß World Competitiveness Report des IMD Lausanne vor Deutschland (Platz 16)rangieren.3Tabelle132stelltdieveröffentlichtenDetailergebnissefürdie drei Faktoren rechtliche Rahmenbedingungen, Bürokratie und Regulierung derWirtschaftdar.

391

13

Unterstützung im Gründungsprozess

Tabelle132

WettbewerbsfähigkeitinBezugaufrechtlicheRahmenbedingungen,Bürokratieund RegulierungderWirtschaft Rechtliche Rahmenbedingungen

Bürokratie

Regulierung der Wirtschaft

Dänemark

6,9 Dänemark

6,1 Dänemark

Irland

5,7 Schweiz

4,8 Österreich

Schweiz

5,6 Schweden

4,4 USA

4 8 11

Österreich

5,6 Österreich

4,2 Irland

12

USA

5,5 Norwegen

4,1 Schweden

16

Norwegen

5,3 Irland

4,1 Schweiz

17

Niederlande

4,8 Niederlande

3,8 Niederlande

19

Japan

4,6 USA

3,4 UK

20

Schweden

4,5 Japan

3,1 Frankreich

22

UK

4,1 Frankreich

2,8 Norwegen

27

Deutschland

3,9 UK

2,5 Deutschland

30

Frankreich

3,3 Deutschland

2,2 Japan

41

Legende:

Legende:

Legende:

1 = behindern die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen

1 = behindert wirtschaftliche Aktivitäten

Zusammenfassung von 22 Kriterien zu „Regulierung der Wirtschaft“.

10 = fördern die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen

10 = behindert wirtschaftliche Aktivitäten nicht

Rangwert innerhalb einer Auswahl von 60 Ländern und Regionen

Quelle: Fueglistaller/Schliesser/Federer, 2007, S. 12, dort in Anlehnung an IMD World Competitiveness Online 2005 und IMD World Competitiveness Yearbook 2004, zitiert in: Brunetti, A./Scheidegger, E., Grundlinien des Aktionsprogramms für vereinfachte Regulierung, in: Die Volkswirtschaft, 2/2006, S. 6.

13.2.2 Ausprägung der Wirtschafts- und Förderpolitik am Beispiel der Schweiz NacheinerDarstellungderSituationinDeutschlandsowiederdreideutsch sprachigenLänderimQuervergleichinteressiertimFolgenden,welcheAk zente die Wirtschaftspolitik der Schweiz setzt und setzen will. Im Vorder grund der KMUPolitik des Schweizer Bundes steht die Verbesserung der allgemeinen Rahmenbedingungen und erst danach die direkte Unterstüt zung einzelner Unternehmen/Branchen. Es ist zu dabei beachten, dass sich in der Schweiz nach wie vor die Regulierungen im Kommunikations und Infrastrukturbereich,imGesundheitswesen,inderLandwirtschaftundeiner

392

Grundfragen der KMU-Politik

13.2

Reihe von weiteren Branchen den frei im globalen Wettbewerb stehenden Branchengegenüberstehen.HierzuzählenBanken,Versicherungen,Pharma, ChemieundMaschinenbau.AllerdingsgibtesauchinderSchweizaufBun des und Kantonsebene diverse KMUFörderprogramme, die aber zumin destineinzelnenBereichenundKantonenkritischdiskutiertwerden. Im Zeitablauf betrachtet, weist die Schweizer Wirtschaftspolitik eine Kon stanzauf,wasdieVerbesserungderRahmenbedingungenbetrifft.4Sower denseit1998,demJahrmitdenerstenwissenschaftlichenStudiendesWirt schaftsministeriums, kontinuierlich einzelne Maßnahmenpakete definiert undumgesetzt.Diebis2005umgesetzten MaßnahmenumfassendieBerei che Qualität und Kohärenz von Regulierung und Regulierungsprozessen, Bewilligungen im internationalen Austausch und innerhalb des Binnen marktssowieVerfahrenskoordinationenzwischenBundundKantonen.Die bis 2007 laufenden Maßnahmen zielen auf die Reduktion der administrati ven Belastungen für Unternehmen aus verschiedenen Rechtsbereichen. Die aktuellenMaßnahmenbeinhaltenfünfThemenschwerpunkteausdenBerei hen Vereinfachungen der Vorschriften/Abbau administrativer Belastungen sowie Verbesserung der Abläufe zwischen Staat und Unternehmen. In der untenstehendenAbbildungwerdendieSchritteimZeitablaufzusammenge fasst.

DieSchweiz verbessertihre Rahmenbedin gungenkontinu ierlich.

SchweizerMaßnahmenpaketeimZeitablauf

Abbildung131

 Quelle: Fueglistaller/Schliesser/Federer, 2007, S. 17, dort in Anlehnung an Bundesrat, 2006, S. 6.

393

13

Unterstützung im Gründungsprozess

13.2.3 Fazit: Anforderungen an eine KMU-Politik InnovativeGe schäftsideen sollensichihren Wegimfreien Wettbewerb bahnenkönnen.

Als Fazit ausdiesen nationalen und internationalen Vergleichsstudien kön nenSchlussfolgerungeninBezugaufdieAnforderungenfüreinesogenann teKMUPolitikabgeleitetwerden.DabeiistnichtdieRedevonspezifischen, breit angelegten Förder und Subventionsmaßnahmen für KMU und Start ups, sondern von der Etablierung wirtschaftspolitischer Rahmenbedingun gen, die den Schutz geistigen Eigentums (Patente etc.) und die Sicherung vonMarktoffenheitundgegenMarktmachtmissbrauchgarantieren.Innova tive Geschäftsideen müssen sich am Markt aus eigener Kraft entwickeln können,ohnevonetabliertenStrukturenundmarktmächtigenUnternehmen darin mit unfairen, weil nicht mit dem Wettbewerbsprinzip vereinbaren Mittelngehindertwerdenzukönnen.

KMUund Startupshaben Nachteileim Wettbewerb.

DabeisinddieSpezifikavonKMUundStartupszubeachten.Hierzuzählen ihreschwacheVerhandlungsmachtgegenüberLieferanten,Abnehmernund auch der staatlichen Verwaltung. Die Standortgebundenheit der meisten KMU schränkt das flexible Reaktionspotenzial auf eine Veränderung der Rahmenbedingung ebenfalls ein. Hinzu kommen die Auswirkungen der administrativen Belastungen, hier insbesondere der Fixkosteneffekt sowie dieAuswirkungenaufdieInnovationsfähigkeitundpreislicheWettbewerbs fähigkeit.DennineinemKMUwerdendieadministrativenArbeitenfürden Staat in der Regel von den Unternehmern selbst ausgeführt.Aufgrund der geringenMitarbeiteranzahlergibtsichzudemeinerelativhohefixeKosten belastungproMitarbeiter.

Unternehmertum kannauchohne direkteFörder mittelunter stütztundgeför dertwerden.

Damit ergeben sich die folgenden Ansatzpunkte für eine das freie Unter nehmertum unterstützende Wirtschaftspolitik, ohne direkte Fördermittel verteilen zu müssen. Die Regulierungen sollten von einem KMU ohne Ex pertenhilfeverstandenwerdenkönnen.DieErwartungssicherheitgegenüber staatlichem Handeln muss gegeben sein, die Rahmenbedingungen müssen somit verlässlich und kalkulierbar sein. Die doch erforderlichen Daten und Informationen für den Staat sollten mit geringstmöglichem Aufwand be schafft, weitergeleitet und gesichert werden können. Der Regulierungspro zess von Initiierung über Erlass, Umsetzung, Vollzug bis zur Überprüfung sollte so effektiv und effizient wie möglich angelegt sein und generell die unternehmerische Freiheit so wenig wie möglich einschränken. Gerade im Vollzug von Regulierungen kommt dem dienstleistungskompetenten und nicht bürokratischhierarchischen Umgang der staatlichen Stellen mit den KMUeineentscheidendeRollefürAkzeptanzundErfolgderRegulierungen zu.Hinzukommt,dassdasNiveauderzuleistendenSteuernundAbgaben Leistungsanreizebietenundnichtprohibitivwirkensollte.

394

Ländervergleich der Förderprogramme

13.3

13.3 Ländervergleich der Förderprogramme NachderDarstellungundDiskussiondergrundsätzlichenFragenderWirt schaftspolitikerfolgtnuneinÜberblickzudeneinzelnenMaßnahmen.Wie sehen die Förderprogramme in Deutschland, Österreich und der Schweiz konkret aus? Welche wesentlichen Programme können benannt werden? Welche Institutionen stehen dahinter und wodurch unterscheiden sich die AnsätzedieserdreiLändergrundsätzlich?DiefolgendeDarstellungbasiert aufderRecherchedereinschlägigenFörderangebotederwichtigstenAnbie terindeneinzelnenLändern.AufgrundderFülleinsbesondereinDeutsch landundÖsterreichwurdeeineAuswahlderwichtigstenundinnovativsten Förderinstrumentevorgenommen.5

13.3.1 Förderprogramme in Deutschland Der GEMReport 2006 weist Deutschland als Weltmeister bei den öffentli chen Förderinstrumenten für KMU und Startups aus. Diese werden aller dingsnichtohneKriterienverteilt,sondernsindjeweilsanbestimmteAufla gen geknüpft und für einen spezifischen Kreis von (Gründungs)Unter nehmen bestimmt. Im Mittelpunkt der Förderaktivitäten des Bundes steht dieKfWMittelstandsbank.DieseistdurchFusionderKreditanstaltfürWie deraufbau und der Deutschen Ausgleichsbank entstanden und gehört zu 80% dem Bund und 20% den Ländern. Eine ihrer Kernaufgabe ist die fi nanzielleFörderung von Gründungen und mittelständischenUnternehmen durch klassische Kredite bei Vorhandensein von Sicherheiten, durch Haf tungsfreistellungen (z.B. 80% bei MikroDarlehen) bei geringen oder feh lenden Sicherheiten. Hinzu kommen neue, innovative Finanzierungslösun genmitmezzaninemKapitalundeineReihevonAngebotenzurEigenkapi talbeteiligung. Einen neuen Schwerpunkt setzt die KfW Mittelstandsbank auf den sogenannten kleinen Mittelstand, da gemäß KfWGründungs monitor6dieGründungen2006starkrückläufigwarenundvonkleinenund kleinsten Gründungsprojekten dominiert sind. So haben 40% der Gründer einen Kapitalbedarf von unter 5.000 EUR und 75% gründen ohne weitere Partner.

DieKfWMit telstandsbank stehtimZentrum derdeutschen Förder aktivitäten.

Auf der Ebene der Bundesländer kommen weitere, zumeist vergleichbare unddaraufabgestimmteProgrammehinzu.Verantwortlichsindhierfürdie ländereigenenodergemischtwirtschaftlichenStaats,AufbauoderInvestiti onsbanken.GeradeindenSektorderLandesbankenistinjüngsterZeitBe wegunggekommen.UrsachesinddieFehlspekulationenderSachsenLBund derWestLB,inderenFolgenachderÜbernahmederSachsenLBdurchdieL Bank jetzt Fusionsgesprächezwischen LBank und BayernLBsowie LBank

DieBundesländer bietenweitere Förderungenan.

395

13

Unterstützung im Gründungsprozess

undWestLBaufgekommensind.AuchdieKfWmusstedurchdieSchieflage derIKB(Industriekreditbank)helfendeinschreiten.AndieserStellewerden exemplarisch die Programme der LBank BadenWürttemberg berücksich tigt. Denn die Förderungen unterscheiden sich je nach Bundesland im We sentlichen hinsichtlich der Konditionen und der maximalen Förderbetrags höhe. EinBusinessplan istGrundvoraus setzungfüreine Förderung.

Ein Unternehmenskonzept bzw. ein Businessplan muss im Regelfall bei Finanzierungsanfragennachgewiesenwerden.DieFinanzierungwirddann über die Hausbank des Unternehmens abgewickelt, die wiederum die För dermittelderKfWMittelstandsbankverwaltetundweiterleitet.DiesesVer fahrenistangesichtsdesadministrativenAufwandsunddesgeringenfinan ziellenNutzensfürdieHausbanknachwievorinderDiskussion.Teilweise können durch direkte Verhandlungen mit der Bank sogar noch günstigere Konditionenausgehandeltwerden,wiederFallvonOutTradeinKapitel11 gezeigthat.DaandieserStellekeinGesamtüberblickgebotenwerdenkann, sei auf die laufend aktualisierten Internetquellen hingewiesen. Stattdessen werdenhierdieGrundzügederFörderunganhandeinigerBeispieleaufge zeigt. Die Aufteilung erfolgt nach Eigenkapital, Fremdkapital, Zuschüssen undSteuervergünstigungensowiemitHinweisenaufregionaleGründungs initiativen.

Eigenkapital wirdmeistvon staatlichenin Verbindungmit privatenBeteili gungsgesellschaf tenzurVerfügung gestellt.

Eigenkapital wird auf Bundes und Länderebene zur Verfügung gestellt. Hierzu investieren staatliche bzw. staatsnahe Beteiligungsgesellschaften in FormvonoffenenoderstillenBeteiligungen.Diesgeschiehtauchinfrühen Unternehmensphasen,bevorzugtintechnologieorientierteGründungenmit großemWachstumspotenzial.AlsführenderInvestorkommendabeinatürli che oder juristische Personen sowie Beteiligungsgesellschaften (Venture Capitalists)infrage,dieeineebensohoheEinlagewiederStaatleistenmüs sen. Hinzu kommen im Rahmen der Projektbegleitung betriebswirtschaftli che und technische Beratungsleistungen sowie die Übernahme des Invest mentControllings für den Staat. Alle Partner investieren gleichzeitig. Es geltenjeweilsbestimmteBeteiligungsgrenzenfürdieAnteileandenUnter nehmenunddieKapitalhöhe.BeiVertragsabschlussfällteineerfolgsabhän gigePrämiean.JährlichisteinBeteiligungsentgeltdeseingesetztenKapitals zubezahlen.WeitereGebührenkommenbeiAnfrageundAbschlusshinzu. Der Exit erfolgt durch Rückkauf der Beteiligungen zum Nominalwert. Bei einer stillen Beteiligung investieren landeseigene Innovations und Beteili gungsgesellschaften ebenfalls im Rahmen bestimmter Grenzen. Grundsätz lich übernimmt der Staat damit die Investorenrolle für Finanzierungsfälle, die unter die aufgezeigten Kapitalmarktfriktionen fallen. Dies ist für die betreffenden Unternehmen grundsätzlich erfreulich. Aus Sicht des Steuer zahlers, der diese Leistungen letzten Endes im Falle des Scheiterns tragen muss, stellt sich die Frage, ob Investments in Unternehmen mit einer sehr

396

Ländervergleich der Förderprogramme

13.3

geringen Eigenkapitalbasis von nur wenigen Prozent verantwortbar sind. Die Deutsche Ausgleichsbank hat sich durch eben solches zu riskantes In vestitionsverhaltenvorihrerFusionmitderKfWineinewirtschaftlichpre käreSituationgebracht. FremdkapitalinFormvondirektenDarlehenoderviaBürgschaftenwirdfür langfristige Investitionsprojekte insAnlagevermögen, aber auch für Markt erschließungsprojekte gewährt. Damit sollen wirtschaftlich aussichtsreiche undnachhaltigeGründungsundAusbauprojekteunterstütztwerden.Zwei Varianten von Garantieprogrammen sind zu unterscheiden: Direktgewäh rungen von staatlichen Institutionen oder Eintrittsverpflichtungen gegen über Kreditgemeinschaften in Form von Selbsthilfeeinrichtungen von Un ternehmensverbänden/Wirtschaftskammern mit genossenschaftlichem Cha rakter. Bürgschaftsbanken wiederum verbürgen Kredite der Hausbank an Existenzgründer und KMU. Sie sind durch Rückbürgschaften von Bund/ Landabgesichert.DetailshierzufindensichimInternet(vgl.Tabelle133).

Darlehenund Bürgschaften unterstützen Gründungsund Ausbauprojekte.

ZusätzlichzudenfinanziellenFörderungenwerdenweitereFördervarianten in Form von Zuschüssen kombiniert mit Beratungen angeboten. Grün dungswillige und Jungunternehmen können beispielsweise Beratungsleis tungen umsonst oder durch Zuschüsse vergünstigt in Anspruch nehmen. DieSchaffungvonArbeitsplätzenoderdasEinstellenbestimmterPersonen gruppen wird je nach Branche und Land durch Zuschüsse gefördert. Für Aus und Weiterbildungsmaßnahmen sowie Forschungs und Entwick lungstätigkeitenkönnenUnterstützungenbeantragtwerden.DieZuschüsse deckendabeieinenTeilderKostenabbzw.eshandeltsichumnichtzurück zahlbareBeträge.

Zuschüssewer denhäufigmit Beratungsleis tungenverknüpft.

EinBeispielfüreineregionaleGründerunterstützungsinitiativestelltPUSH!, dasPartnernetzfürUnternehmensgründungenausStuttgarterHochschulen, dar.7 PUSH! ist ein dezentral strukturiertes regionales Netzwerk mit über 100PartnernfürDienstleistungen,Qualifikation,Beratung,Kontakte,Infor mation und Finanzierung für Gründer im Rahmen einer „Entrepreneur Mall“. In Tabelle 133 sind einige exemplarisch ausgewählte Förderpro grammezusammengefasst,diefürdieauftretendenGrundtypenderFörde rungstehen. 

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Unterstützung im Gründungsprozess

Tabelle133

ExemplarischeFördermaßnahmeninDeutschland(BundundLänder) Projektname

Direkte Fördermaßnahme

Art und Höhe der Förderung

Ziel

Internet

High-Tech Gründerfonds

Kombination von Eigenkapital und Nachrangdarlehen

Bereitstellung von Genussrechtskapital bis max. 150.000 EUR

Erste Finanzierungsrunde von technologieorientierten Gründungen

www.kfwmittelstandsbank.de

KfWBeteiligungsfinanzierungen: ERP-Startfonds, ERP-Beteiligungsfonds, Eigenkapital für den breiten Mittelstand

Kapitalbeteiligung durch die KfW und Partnerinstitutionen, zudem regionale Fonds in Bayern und Hessen

Förderungen unterteilt in die Phasen: Early Stage und Later Stage

Eigenkapital für Start- www.kfwups, technologieorimittelstandsentierte Gründungen bank.de und Mittelständler

Unternehmerkapital

Nachrangdarlehen mit Eigenkapitalfunktion

Mezzanines Kapital von max. 500.000 EUR für max. 15 Jahre; bestimmte Zinssatzverb