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German Pages 321 Year 2004
Zuwanderung und Arbeitsmarkt Deutschland und Dånemark im Vergleich
Klaus F. Zimmermann ´ Holger Hinte
Zuwanderung und Arbeitsmarkt Deutschland und Dånemark im Vergleich Mit 63 Abbildungen und 52 Tabellen
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Professor Dr. Klaus F. Zimmermann Holger Hinte Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA) Schaumburg-Lippe-Straûe 7±9 53113 Bonn [email protected] [email protected]
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Vorwort
Die Zuwanderung von Arbeitskräften und deren Familien in die Staaten Westeuropas ist Gegenstand intensiver politischer Diskussion in der Europäischen Union (EU) und auf einzelstaatlicher Ebene, aber auch ein intensiv bearbeitetes Untersuchungsfeld der ökonomischen Forschung. Diverse Studien haben in der Vergangenheit Erfolg und Misserfolg der Integration in Gesellschaft und Arbeitsmarkt untersucht. Selten wurde dabei jedoch ein umfassender Ländervergleich in ökonomischer Perspektive vorgenommen. Das vorliegende Buch will dies am Beispiel Deutschland und Dänemarks leisten. Der Vergleich bezieht seinen besonderen Reiz aus der Tatsache, dass für die Untersuchung erstmals umfangreiche Erhebungsdaten des Rockwool Foundation Migration Survey ausgewertet werden konnten, der im Rahmen eines mehrjährigen, von der dänischen Rockwool Foundation geförderten Forschungsprojekts für beide Länder erstellt worden ist. Die Analysen in diesem Buch basieren vor allem auf diesem repräsentativen Datensatz; sie arbeiten Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Immigranten in Deutschland und Dänemark hinsichtlich Ausbildungsstand, beruflicher und Einkommenssituation sowie Selbständigkeit heraus, ziehen aber auch eine Bilanz aus Steuerzahlungen, Sozialabgaben und Transferbezügen der Zuwanderer. Diese Untersuchungen lassen Rückschlüsse für eine kohärente Migrations- und Integrationspolitik zu. Vor diesem Hintergrund nimmt das Buch auch zur jüngsten zuwanderungspolitischen Entwicklung in Deutschland Stellung. Mit dem im Juli 2004 verabschiedeten „Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz)“ wird ein neues Kapitel in der politischen Ausgestaltung der Immigration in die Bundesrepublik aufgeschlagen. Nach langen Jahren zuwanderungspolitischer Untätigkeit eröffnet sich nun die Perspektive für eine Ausrichtung der Zuwanderungspolitik an den eigenen wirtschaftlichen Interessen, wie sie von der ökonomischen Forschung seit jeher gefordert wird. Es wird im weiteren Verlauf darauf ankommen, den neuen politischen Kurs nach einer Erprobungsphase umfassend zu evaluieren und
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Vorwort
gegebenenfalls Modifizierungen in die Gesetzgebung einfließen zu lassen. Ziel muss eine möglichst optimale Ausgestaltung einer aktiven deutschen Zuwanderungs- und Integrationspolitik auch und gerade unter ökonomischen Vorzeichen sein. Das vorliegende Buch möchte dazu ermuntern, die jetzt sich bietenden Chancen entschlossen zu nutzen. Dazu ist nicht zuletzt auch ein Blick über den Tellerrand sinnvoll, ja unerlässlich. Klassische Einwanderungsländer wie Kanada, Australien oder die USA verfügen über eine breite Erfahrung mit der Modellierung von „Spielregeln“ für Immigration und Integration. Der unmittelbare Vergleich wird freilich durch die ungleich anderen historischen, gesellschaftlichen und geographischen Gegebenheiten erschwert. Hilfreich ist deshalb auch der Blick auf Staaten mit einer durchaus ähnlichen Migrationsgeschichte. So können etwa Deutschland und Dänemark auf eine in den Grundzügen sehr wohl vergleichbare Entwicklung der nationalen Zuwanderungspolitik – von der Phase des Gastarbeiterzuzugs über den verstärkten Familiennachzug bis hin zum stark gewachsenen Zuzug von Migranten und Asylsuchenden nach 1989 – zurückblicken. Dem hier präsentierten Vergleich des Arbeitsmarkterfolgs von Immigranten in Deutschland und Dänemark sollten alsbald weitere Ländervergleiche folgen. Dies kann mithelfen, die Stellschrauben präzise zu bestimmen, an denen politisch angesetzt werden muss, um auf dem in Deutschland nun endlich eingeschlagenen migrationspolitischen Weg zügig und erfolgreich voranzukommen. Das Forschungsprojekt, dessen Ergebnisse hier sowie in einer parallel erscheinenden englischsprachigen Fachpublikation veröffentlicht werden, wurde unter Beteiligung zahlreicher Wissenschaftler gemeinsam von der Rockwool Foundation Research Unit (RFF, Kopenhagen) und dem Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA, Bonn) durchgeführt und koordiniert. Ermöglicht wurde dies durch die substanzielle Projektförderung der Rockwool Foundation und die kontinuierliche Unterstützung des IZA durch die Deutsche Post-Stiftung. Die Entstehung des Projekts ist im Wesentlichen der Initiative und dem Antrieb von Gunnar Viby Mogensen, dem ehemaligen Forschungsdirektor der RFF, zu verdanken. Er hat das Projekt auf den Weg gebracht und maßgeblich inspiriert. Dafür sind ihm alle Beteiligten sehr zu Dank verpflichtet. Folgende Wissenschaftler waren an der unter Leitung von Torben Tranæs (RFF) und Klaus F. Zimmermann (IZA) entstandenen und von ihnen gemeinsam herausgegebenen englischsprachigen Studie „Migrants, Work, and the Welfare State“ beteiligt: Marie Louise Schultz-Nielsen (RFF), Claus Larsen (RFF), Niels-Kenneth Nielsen (RFF), Amelie Constant (IZA), Poul Christian
Vorwort
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Matthiessen (Universität Kopenhagen), Thomas Bauer (Ruhr-Universität Bochum), Horst Entorf (Technische Universität Darmstadt), Eskil Wadensjö (Swedish Institute for Social Research/SOFI, Stockholm) und Christer Gerdes (SOFI). Ihnen allen gebührt großer Dank für die intensiven Forschungsarbeiten und die fruchtbare Zusammenarbeit. Der vorliegende Band soll die Ergebnisse der englischen Studie politiknah aufbereiten und für die deutsche Diskussion zugänglich machen. Dieser Aufgabe sind wir eigene Akzente setzend und eigene Analysen durchführend nachgekommen. Dabei haben Marie Martinsen (RFF), Claus Larsen (RFF) und Niels-Kenneth Nielsen (RFF) ergänzende statistische Informationen zur dänischen Zuwanderungssituation bereitgestellt. Marc Schneider (IZA) hat das entsprechende zusätzliche Datenmaterial für Deutschland sorgfältig zusammengetragen und grafisch aufbereitet; darüber hinaus ist nicht nur ihm, sondern ebenso Pascal Arnds (IZA) und Arne Uhlendorff (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung/DIW Berlin) Dank zu sagen für die konstruktive inhaltliche Kritik und manchen weiterführenden fachlichen Hinweis im Verlauf der Entstehung dieses Bandes. Christer Gerdes (SOFI) war bei der Zusammenstellung und Interpretation von Daten zur sozioökonomischen Bilanz von Zuwanderern in Dänemark behilflich, deren Gesamtanalyse und Vergleich mit der Situation in Deutschland von Holger Bonin (IZA) geleistet wurde. Susanne Topgaard (Dänisches Ministerium für Flüchtlinge, Immigration und Integration, Kopenhagen) half bei der Klärung rechtlicher Fragen der Arbeitsmarktzulassung und -integration von Immigranten in Dänemark. Christoph Barth (IZA) hat sämtliche Tabellen des Buches akribisch bearbeitet, Susanne Blaschy (IZA) und Jan Stolle (IZA) waren in die inhaltlichen Recherchen involviert und erarbeiteten den Index des Buches. Layout und Satz hat Melanie Messerschmidt (IZA) in bewährt souveräner Weise übernommen. Mit der Publikation des Buches erfährt im Übrigen eine erfolgreiche Zusammenarbeit des IZA mit dem Springer-Verlag ihre Fortsetzung, die wesentlich vom Engagement Werner A. Müllers und seines Teams für die ökonomische Forschung profitiert. Auch dafür herzlichen Dank.
Bonn, im August 2004 Klaus F. Zimmermann Holger Hinte
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Grußwort
Dieses Buch ist mit Unterstützung der dänischen Rockwool Foundation entstanden, die sich in besonderer Weise der Förderung wissenschaftlicher und sozialer Ziele widmet. Eine ihrer zentralen Aufgaben versteht die Rockwool Foundation darin, Impulse für die Modernisierung von Gesellschaft und Arbeitsmarkt zu liefern und die Entscheidungsgrundlagen der Politik durch entsprechende Analysen und die Aufbereitung wissenschaftlicher Erkenntnisse zu verbessern. Hierzu unternimmt die Rockwool Foundation Research Unit (RFF) umfangreiche eigene Studien und kooperiert zudem mit unabhängigen Forschungseinrichtungen wie dem Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA). Die in dieser und einer gleichzeitig erscheinenden englischsprachigen Publikation vorgelegten Forschungsergebnisse zur Zuwanderungsthematik und ihren Implikationen für den Arbeitsmarkt sind das Resultat einer solchen, mehrjährigen Kooperation. Insoweit der vorliegende Band darüber hinausgehende politische Handlungsempfehlungen enthält, geben diese allein die Auffassung der Autoren wieder. Die Rockwool Foundation dankt an dieser Stelle allen an den Forschungsarbeiten beteiligten Wissenschaftlern für ihr großes Engagement. Mit diesem Dank verbindet sich die Hoffnung, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse im politischen Raum die Aufmerksamkeit finden, die diese Befunde verdienen.
Kopenhagen, im August 2004 Rockwool Foundation
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Inhaltsverzeichnis
1. Zukunftsaufgabe Migrations- und Integrationspolitik: Lernen vom Ländervergleich ................................................................................................................. 1 1.1 Zuwanderung(spolitik): Herausforderung für Europa .............................................. 4 1.2 Das Buch im Überblick ............................................................................................. 13 2. Die Einwanderungssituation in Deutschland und Dänemark ................................ 19 2.1 Migrationspolitik in Dänemark: Mehr Eingliederung, weniger Einwanderung? ....... 20 2.2 Migrationspolitik in Deutschland: Warten auf das Zuwanderungs- und Integrationsgesetz ..................................................................................................... 27 2.3 Entwicklung der Zuwanderung nach Deutschland und Dänemark ........................ 35 2.4 Ausgewählte demographische Charakteristika von Zuwanderern ........................ 60 2.5 Zusammenfassende Bewertung ............................................................................. 68 3. Bildung und Ausbildung – Erfolge von Zuwanderern beim Humankapitalerwerb? ................................................................................................... 71 3.1 Ähnlichkeiten und Unterschiede im Bildungssystem ............................................... 71 3.2 Ausreichender Humankapitalerwerb bereits im Herkunftsland? ............................ 76 3.3 Erfolge bei Bildung und Ausbildung in der neuen Heimat? ...................................... 79 3.3.1 Einwanderer der ersten Generation ................................................................. 79 3.3.2 Einwanderer der zweiten Generation ............................................................... 84 3.4 Determinanten des Humankapitalerwerbs von Zuwanderern ................................ 88 3.4.1 Beeinflussende Faktoren der schulischen und universitären Bildung ............. 89 3.4.2 Beeinflussende Faktoren der Berufsausbildung .............................................. 95 3.5 Zusammenfassende Bewertung ............................................................................. 96 4. Beschäftigung und Einkommen – Gelingt die Integration der Zuwanderer in den Arbeitsmarkt? ...................................................................................................... 99 4.1 Hohe Sensibilität für Konjunkturschwankungen .................................................... 102 4.2 Folgen der Zurückdrängung von Arbeitsmigration ................................................ 111 4.3 Langfristige Integration: Bessere Chancen für die zweite Zuwanderergeneration? .. 114 4.4 Effektivere Arbeitsmarkteingliederung von Migranten in Deutschland? ................ 116 4.5 Wirtschaftliche Anreize und Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt ......................... 119 4.6 Wer nimmt am Arbeitsmarkt teil? ............................................................................ 125 4.7 Arbeitseinkommen von Migranten in Deutschland und Dänemark – Wer verdient wo mehr? ................................................................................................. 130 4.7.1 Einkommensrelevante Merkmale der erwerbstätigen Einwanderer ............... 131 4.7.2 Einkommensprofile nicht-westlicher Immigranten in Deutschland und Dänemark .. 134 4.8 Zusammenfassende Bewertung ........................................................................... 140 5. Selbständigkeit: Vorteile für Einwanderer in Deutschland? ............................... 145 5.1 Selbständigkeit in Deutschland .............................................................................. 146 5.2 Selbständigkeit in Dänemark .................................................................................. 149 5.3 Determinanten der Entscheidung zur Selbständigkeit ........................................... 151
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Inhaltsverzeichnis
5.4 Ländervergleich: Mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten ................................. 153 5.4.1 Deutschland ..................................................................................................... 153 5.4.2 Dänemark ......................................................................................................... 156 5.5 Selbständigkeit nach Nationalitäten ....................................................................... 158 5.5.1 Deutschland ..................................................................................................... 158 5.5.2 Dänemark ......................................................................................................... 160 5.6 Mit welcher Wahrscheinlichkeit in die Selbständigkeit und warum? .................... 163 5.7 Einkommen aus selbständiger Beschäftigung ....................................................... 165 5.8 Zusammenfassende Bewertung ........................................................................... 170 6. Sozio-ökonomische Bilanz der Zuwanderung ....................................................... 175 6.1 Struktur und Anspruchsvoraussetzungen der sozialen Sicherungssysteme ...... 176 6.2 Wer erhält Leistungen in Deutschland und Dänemark? ........................................ 182 6.3 Exkurs: Wahrscheinlichkeit des Sozialhilfebezugs von nicht-westlichen Zuwanderern .......................................................................................................... 187 6.4 Die fiskalischen Folgen der Zuwanderung ............................................................ 189 6.4.1 Generationenbilanz für Deutschland: Die Rechnung geht auf! ...................... 193 6.4.2 Generationenbilanz für Dänemark: Geht die Rechnung auf? ........................ 204 6.5 Zusammenfassende Bewertung ........................................................................... 217 7. Das deutsche Zuwanderungsgesetz – Aufbruch zu neuen Ufern? ................. 221 7.1 Ausgangslage einer aktiven Zuwanderungspolitik ............................................... 222 7.2 Permanenter und temporärer Zuwanderungsbedarf ............................................ 226 7.3 Bewertung des deutschen Zuwanderungs- und Integrationsgesetzes .............. 231 7.3.1 Steuerung der Zuwanderung: Protektionismus oder Liberalisierung? .......... 232 7.3.2 Regelungen zur Integration: Förderung und Forderung! ................................ 238 7.4 Gesamteinschätzung: Ein erster Schritt nach vorne ............................................ 240 8. Lektionen für die Zukunft ........................................................................................... 245 8.1 Die Ergebnisse im Überblick ................................................................................... 245 8.1.1 Migration und Zuwanderungspolitik ................................................................ 245 8.1.2 Bildung und Ausbildung ................................................................................... 246 8.1.3 Beschäftigung und Einkommen ....................................................................... 248 8.1.4 Selbständigkeit ................................................................................................ 251 8.1.5 Sozio-ökonomische Bilanz .............................................................................. 253 8.1.6 Neue Zuwanderungs- und Integrationsgesetzgebung in Deutschland ......... 256 8.2 Ausblick .................................................................................................................. 257 Anhang ................................................................................................................................. 261 A. Tabellen .................................................................................................................... 263 B. Dokumentation .......................................................................................................... 275 Abbildungsverzeichnis .................................................................................................... 299 Tabellenverzeichnis .......................................................................................................... 303 Literatururverzeichnis ..................................................................................................... 307 Index ..................................................................................................................................... 317 Autorenverzeichnis .......................................................................................................... 321
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Zukunftsaufgabe Migrations- und Integrationspolitik: Lernen vom Ländervergleich
Migration ist zu einem globalen Phänomen geworden. Schätzungen der International Organization for Migration (IOM) zufolge beläuft sich der Bestand der weltweit wandernden Migranten gegenwärtig auf mindestens 175 Millionen Menschen.1 Das entspricht annähernd drei Prozent der aktuellen Weltbevölkerung, wobei der Bereich der illegalen Migration noch gar nicht berücksichtigt ist. Die Flucht vor Krieg, Bürgerkrieg, Naturkatastrophen und Armut macht den größten Anteil unter den Wanderungsursachen aus. Zu den Kennzeichen der wachsenden Globalisierung der Wanderungsbewegungen gehört aber auch der zunehmende Anteil des Motivs der Familienzusammenführung über Ländergrenzen hinweg. Dagegen dürfte die Gruppe der Wirtschaftsund Arbeitsmigranten, die infolge der weltweiten Wirtschaftsverflechtung ihre Arbeitskraft international anbieten und dabei auch von Fachkräftemangelsituationen in vielen alten Industriestaaten profitieren, bislang eher klein sein. Die Bedeutung der internationalen Arbeitsmigration wird aber in Zukunft stark zunehmen, soviel ist schon heute gewiss. Politik und Gesellschaft werden sich in stärkerem Umfang als bislang geschehen mit dieser Thematik befassen und Antworten finden müssen, um einerseits – den volkswirtschaftlichen Bedürfnissen der aufnehmenden Gesellschaft gehorchend – Arbeitsmigration aktiv zu steuern, andererseits aber auch dafür Sorge zu tragen, dass mit dem resultierenden „brain gain“ der entwickelten Welt nicht ein unverhältnismäßiger „brain drain“ in den Herkunftsländern einher geht. Dies wird kaum dadurch zu leisten sein, dass Arbeitsmigration wider die ökonomische Vernunft unterbunden wird; vielmehr wird man Wege finden müssen, Zuwanderung gezielt auch in die westlichen Ausbildungssysteme zuzulassen, um auf diese Weise Humankapital zu schaffen, das im Anschluss wieder in den Herkunftsländern investiert werden kann. 1
Vgl. IOM (2003). Das vorliegende Buch verwendet die Begriffe „Einwanderer“, „Zuwanderer“, „Immigrant“, „Migrant“ und „Ausländer“ synonym.
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1. Zukunftsaufgabe Migrations- und Integrationspolitik: Lernen vom Ländervergleich
Notwendig ist in jedem Fall ein breiteres Wissen über die Mechanismen der Arbeitsmigration, ihre sozio-ökonomische Dimension und die Einflussfaktoren des Arbeitsmarkterfolgs von Zuwanderern. Ungeachtet des Umstands, dass Nordamerika mit deutlichem Abstand nur Platz drei in der Rangfolge der Kontinente mit dem größten Bestand an Migranten hinter Europa und Asien einnimmt, beschäftigt sich der überwiegende Teil der wissenschaftlichen Studien bislang mit der dortigen Situation von (Arbeits-)Migranten. Dies hat mit einer besseren Datengrundlage und dem selbstbewussteren Umgang mit der Einwanderungssituation zu tun, erklärt sich aber auch aus einer größeren Dynamik der Wirtschaftswissenschaft, und hier insbesondere der Arbeitsökonomie, vor allem in den USA. Eine inzwischen rasch wachsende Fachliteratur für Europa ist bestrebt, diese Lücke zu schließen – und sieht sich zugleich der Herausforderung eines ebenso schnell zunehmenden Informations- und Beratungsbedarfs von Politik und Öffentlichkeit gegenüber. Der demographische Wandel hat weite Teile Westeuropas erfasst und wird in den nächsten Jahren zusätzliche Brisanz erlangen. Gleichzeitig sorgen der ökonomische Strukturwandel von Industrie- zu Dienstleistungsgesellschaften, der galoppierende technische Fortschritt und die immer engmaschigere weltweite Vernetzung von Wirtschaftskreisläufen für gravierende Adaptionsschwierigkeiten auf den heimischen Arbeitsmärkten. Geringqualifizierte stehen vor einer prekären Zukunftsperspektive, während an Fachkräften zunehmender Mangel herrscht. In dieser Konstellation ist die Notwendigkeit von ökonomisch gesteuerter Zuwanderung zwar einerseits aus fachlicher Sicht unbestreitbar, andererseits jedoch umso schwerer in der Öffentlichkeit vermittelbar. Dies mag eine Ursache dafür sein, dass sich die deutsche Politik über viel zu lange Zeit viel zu passiv verhalten hat, wenn es um die Frage einer aktiven Gestaltung der Zuwanderung ging. Ausgerechnet Deutschland als das Land in der Mitte Europas mit der weitaus meisten Zuwanderung auf dem Kontinent, ausgerechnet ein Land, das zeitweise – zu Beginn der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts – mehr Zuwanderer und Flüchtlinge aufgenommen hat als die USA, Kanada und Australien zusammen, hat sich damit selbst die Chance genommen, frühzeitig auf eine sinnvolle ökonomische Lenkung hinzuarbeiten und Wege zu finden, die Zuwanderung im Interesse der eigenen Wohlfahrt so günstig wie möglich zu strukturieren. Heute, unmittelbar vor Inkrafttreten des ersten deutschen Zuwanderungsgesetzes, steht die Bundesrepublik also vor einer Konstellation, die nicht sehr befriedigend zu nennen ist und auch von der neuen Gesetzgebung zunächst nur
1. Zukunftsaufgabe Migrations- und Integrationspolitik: Lernen vom Ländervergleich
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teilweise überwunden werden dürfte: Legale Zuwanderungskanäle für hochqualifizierte Arbeitskräfte sind unzureichend ausgebaut und von bürokratischen Hindernissen durchzogen. Zugleich findet auf anderen Wegen eine nennenswerte Einreise von geringer qualifizierten Migranten statt, deren Nutzen für die Volkswirtschaft begrenzt ist. Und doch existiert bislang kein System zur qualitativen und quantitativen Steuerung der Zuwanderung. (Eine Ausnahme stellt die Zuwanderung deutschstämmiger Spätaussiedler dar.) Dies trägt dazu bei, das Empfinden der „Überforderung“ in der Öffentlichkeit zu verstärken. Wiederholt haben Studien gezeigt, dass ungeachtet dessen die sozioökonomische Bilanz der Zuwanderung nach Deutschland insgesamt positiv ausfällt.2 Aber sie hätte längst schon weit positiver ausfallen können! Und längst schon hätte auch die Information der Bürger über die Sinnhaftigkeit von Immigration gezielter erfolgen können, ja müssen. Zentrale Aufgabe einer neuen deutschen Zuwanderungspolitik muss es sein, eine bessere Auswahl von Migranten und eine bessere Integration in unsere (Arbeits-)Gesellschaft sicher zu stellen, gleichzeitig aber auch die einheimische Bevölkerung auf diesem Wege „mitzunehmen“. Zusätzliches Wissen über die Voraussetzungen für den größtmöglichen Arbeitsmarkterfolg von Immigranten ist vor diesem Hintergrund unerlässlich. Auch nach Inkrafttreten des neuen deutschen Zuwanderungsgesetzes wird die Einreise und Arbeitsmarktintegration von Hochqualifizierten erheblichen bürokratischen Hürden begegnen, eine gezielte Selektion von Arbeitsmigranten im Rahmen eines kombinierten Auswahl- und Quotensystems unverändert nicht stattfinden, auf die Fixierung einer Höchsteinreisezahl von Migranten weiterhin „mutwillig“ verzichtet werden. Wohl erhalten ausländische Studienabsolventen fortan eine Chance zum Arbeitsmarkteinstieg, wohl werden die Einreisemöglichkeiten für ausländische Selbständige punktuell erweitert, doch zu einem wirklich vollständigen Zuwanderungsgesetz wird es noch späterer Novellierungen bedürfen. Für den Augenblick sind die elementaren Neuerungen des Gesetzes vor allem auf dem Gebiet der Integration (unter anderem obligatorische Sprach- und Integrationskurse) und schlicht in dem Umstand zu sehen, dass durch die Verabschiedung des Zuwanderungsgesetzes endlich mit einem Jahrzehnte alten Tabu gebrochen worden ist. Für die deutsche Migrationspolitik ist dies ein erheblicher Fortschritt, für die europäische Migrationspolitik möglicherweise eine wichtige Weichenstellung. Das wird die Zukunft zeigen. 2
Vgl. u. a. Bauer (1998), Bonin (2001, 2002).
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1. Zukunftsaufgabe Migrations- und Integrationspolitik: Lernen vom Ländervergleich
1.1 Zuwanderung(spolitik): Herausforderung für Europa Migration scheint gleichzeitig eine Gefahr und eine Lösung für viele Probleme zu sein. Der eklatante Nachfragerückgang in Bezug auf geringer qualifizierte Arbeit in der industrialisierten Welt hat nicht etwa die Migrationsbewegungen geringqualifizierter Arbeitskräfte zum Versiegen gebracht, sondern eine – verstärkt illegale – Wanderung auf der Suche nach ausreichenden Verdienstmöglichkeiten hervorgerufen. Die wachsende Bedeutung von Humankapital in der weltweiten Produktion von Gütern und Dienstleistungen intensiviert den Wettbewerb um die „besten Köpfe“ und sorgt ihrerseits für eine Wanderungsbewegung qualifizierter Arbeitskräfte. Viele hochentwickelte Staaten stehen heute vor dem Problem eines „Arbeitskräftebedarfs bei hoher Arbeitslosigkeit“3, der potenziell den Ausländeranteil an den jeweiligen Bevölkerungen in Zukunft noch wachsen lassen wird. Die traditionellen Einwanderungsländer scheinen auf diese Herausforderung eindeutig besser vorbereitet zu sein als Deutschland und die Mitgliedstaaten der Europäischen Union. So fällt auf, dass beispielsweise in den USA der Anteil der Zuwanderer an den Erwerbspersonen über ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung liegt, während in Deutschland, insbesondere aber in Dänemark, der Ausländeranteil an der Erwerbsbevölkerung weit unter demjenigen an der Gesamtbevölkerung rangiert (vgl. Abbildung 1.1). Von einer gemeinsamen europäischen Migrationspolitik kann bislang nicht die Rede sein. Statt dessen hat sich in den letzten Jahren in gewisser Hinsicht ein Wettlauf der westlichen EU-Staaten um höhere Anforderungen bei der Einreiseerlaubnis und Integration von Zuwanderern und Flüchtlingen ergeben, mit dem auf den wachsenden Migrationsdruck von Asylsuchenden und Migrationswilligen aus unterentwickelten Ländern reagiert werden sollte. Hingegen wird die Position Europas im Wettbewerb um das hochqualifizierte Humankapital erst allmählich ins Blickfeld der Betrachtung gerückt. Es überrascht vor diesem Hintergrund nicht, dass der Anteil der in hochqualifizierten Bereichen erwerbstätigen Nicht-EU-Bürger weit geringer ist als derjenige der EU-Bürger, während es sich bei geringqualifizierten Tätigkeiten umgekehrt verhält. Insgesamt ist etwa die Hälfte der Drittstaatsangehörigen in der EU zu den gering oder nicht Qualifizierten zu rechnen (vgl. Abbildung 1.2). 3
So der Titel von Zimmermann et al. (2002); vgl. ebd. für eine ausführliche Darstellung der Konsequenzen dieser Problematik für die Zuwanderungspolitik.
1.1 Zuwanderung(spolitik): Herausforderung für Europa
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Abbildung 1.1 Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung und an der Erwerbsbevölkerung im internationalen Vergleich, 2001
Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung und an der Erwerbsbevölkerung
14%
12%
10%
8%
6%
4%
2%
0% DK
I
D
S
E
NL
FIN
B
Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung
A
IRL
UK
F
P
G
US
Ausländeranteil an der Erwerbsbevölkerung
Anmerkungen: Angaben in Prozent, sortiert nach Spanne zwischen den jeweiligen Anteilen. Quelle: OECD (SOPEMI: Trends in International Migration, 2002).
Gleichzeitig ist in den letzten Jahren eine leichte Verbesserung des Qualifikationsniveaus der Nicht-EU-Bürger festzustellen. Der Anteil der hochqualifizierten Zuwanderer ist zwischen 1986 und 2001 von rund 15 Prozent auf 25 Prozent angestiegen, wohingegen geringqualifizierte Immigranten aus Drittstaaten, die 1986 noch mehr als 60 Prozent stellten, im Jahr 2001 „nur“ noch einen Anteil von gut 40 Prozent erreichten (vgl. Abbildung 1.3). Dies hat jedoch (noch) nicht zu einer Verbesserung der Arbeitsmarktsituation dieser Zuwanderergruppe auf den Arbeitsmärkten der Europäischen Union geführt; vielmehr hat sich die Bilanz, gemessen am mitgebrachten Bildungs- und Ausbildungsniveau, eher verschlechtert. Zu erklären ist das mit einem qualifikationsunabhängigen, wohl durch eine restriktive Handhabung des Arbeitsmarktzugangs seitens der meisten EU-Staaten bedingten Trend zu geringer qualifizierter Arbeit bei Zuwanderern in der EU und damit, dass es offenbar weniger die mitgebrachten Qualifikationen, als vielmehr die – längeren – Aufenthaltszeiten sind, die die Arbeitsmarktintegration günstig beeinflussen. Eine zuwandererspezifische Arbeitsmarktbilanz für das Jahr 2002 zeigt diejenigen Migranten im Vorteil, die schon annähernd ein Jahrzehnt in der EU leben; gegenüber neu einreisenden oder erst wenige Jahre in
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1. Zukunftsaufgabe Migrations- und Integrationspolitik: Lernen vom Ländervergleich
Abbildung 1.2 Beschäftigungsstruktur der erwerbstätigen EU-Bürger und Drittstaatsangehörigen in der EU, 2002 45% 40%
38,4% 33,7%
Anteil an Gesamtbeschäftigung
35% 30% 25%
23,3% 19,6%
20% 15%
17,6%
17,1%
16,5% 13,8%
13,1%
10% 6,9% 5% 0% hochqualifiziert, nicht manuell
mittlere Qualifikation, nicht manuell
geringqualifiziert, nicht manuell
qualifiziert, manuell
Beschäftigung Drittstaatsangehörige
nicht qualifiziert, manuell
Beschäftigung EU-Bürger
Anmerkungen: Angaben in Prozent der Gesamtbeschäftigung im Alter von 15-64 Jahren: Hoch qualifiziert, nicht manuell (ISCO 100+200+300), mittlere Qualifikation, nicht manuell (ISCO 400), gering qualifiziert, nicht manuell (ISCO 500), qualifiziert manuell (ISCO 600+700), nicht qualifiziert, manuell (ISCO 800+900). Quelle: Eurostat.
Abbildung 1.3
100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10%
niedriges Qualifikationsniveau
Quelle: Eurostat.
mittleres Qualifikationsniveau
hohes Qualifikationsniveau
2001
2000
1999
1998
1997
1996
1995
1994
1993
1992
1991
1990
1989
1988
1987
0% 1986
Anteile der Personengruppen mit jeweiligem Qualifikationsniveau
Qualifikationsniveau von Drittstaatsangehörigen in der EU nach Einreisejahren
1.1 Zuwanderung(spolitik): Herausforderung für Europa
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der Union ansässigen Drittstaatsangehörigen weisen sie die günstigsten Werte in Bezug auf Erwerbs-, Beschäftigungs- und Arbeitslosenquote auf (vgl. Abbildung 1.4). Zu diesem eher unbefriedigenden Befund passt, dass auch die Osterweiterung der Europäischen Union primär unter dem Vorzeichen der Verhinderung von Zuwanderung in die Praxis umgesetzt worden ist: Obwohl sich die alten EU-Staaten selbst unterschiedliche Verfahrenswege, darunter auch die Möglichkeit einer Quotierung, freigestellt haben, praktizieren die meisten Länder lange Übergangsfristen bis zur Vergabe der Freizügigkeitsrechte an die neuen EU-Bürger. In Deutschland und Dänemark wird deren volle Arbeitnehmerfreizügigkeit nach heutigem Stand erst 2011 verwirklicht werden. Dies ist nicht nur Ausdruck einer Überschätzung des mit der Erweiterung verbundenen Migrationspotenzials in den Beitrittsländern4, sondern auch Beleg für den kurzsichtigen Umgang mit der Chance, die der Osterweiterung der EU auch migrationspolitisch innewohnt. Gerade Deutschland hätte (unter Ausnutzung des „Standortvorteils“ bereits im Land bestehender Migrationsnetzwerke von Osteuropäern) ein Interesse daran haben sollen, durch gezielte bilaterale Vereinbarungen oder grundsätzlich weniger rigide Übergangsvorschriften die Einreise hochqualifizierter EUBürger aus den Beitrittsländern in begrenztem Umfang zu erlauben, statt, wie nun geschehen, zu riskieren, dass sich deren Migrationsinteresse in Ermangelung europäischer Alternativen auf außereuropäische Wanderungsziele lenkt. Auch die dänischen Regelungen, die zwar eine Einreise bei Vorliegen eines Arbeitsplatzangebots möglich machen und bis 2011 schrittweise um Maßnahmen zur Erleichterung des Arbeitsmarktzugangs von EU-Bürgern aus den Beitrittsländern ergänzt werden sollen, lassen eine Chance ungenutzt. Im Übrigen wird in Deutschland, wie generell in der EU, derzeit auch die „virtuelle Immigration“ über das Internet unterschätzt: Produktion und Entwicklung nutzen zusehends die gegebenen technischen Möglichkeiten und lagern Bausteine ins Ausland aus, wo sie von dort lebenden Arbeitskräften bearbeitet und auf elektronischem Wege zurückgeschickt werden. Diese virtuelle Migration findet erst recht dann statt und entzieht Arbeitsplätze, Steueraufkommen, Sozialabgaben sowie Konsumbeteiligung, wenn es an legalen Kanälen zur „physischen“ Einwanderung fehlt. Zwar wird sie sich auch durch 4
Vgl. u. a. Brücker et al. (2003), Alvarez-Plata et al. (2003).
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1. Zukunftsaufgabe Migrations- und Integrationspolitik: Lernen vom Ländervergleich
Abbildung 1.4 Arbeitsmarktbilanz von Zuwanderern verschiedener Einreisejahre, 2002 80%
70%
60%
Quoten
50%
40%
30%
20%
10%
0% 1993
1994
Erwerbsquote
1995
1996
1997
Beschäftigungsquote
1998
1999
Arbeitslosenquote
2000
2001 Einreisejahr
Anmerkungen: EQ=Erwerbsquote (=Erwerbspersonen/Bevölkerung), BQ=Beschäftigungsquote (=Erwerbstätige/Erwerbspersonen), AQ=Arbeitslosenquote. Quelle: Eurostat.
die Eröffnung ökonomischer Zuwanderungsmöglichkeiten nicht zum Stillstand bringen lassen, da sie die komfortable Aussicht auf gute Verdienstmöglichkeiten ohne dauerhaften Wohnortwechsel eröffnet, doch die Erleichterung „physischer Migration“ kann zur Verlangsamung dieses Trends sehr wohl beitragen. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union werden sich zu entscheiden haben: Welches Konzept soll die bisherige, von einer seltsamen Mischung aus „Festungsdenken“ und Lethargie geprägte Migrationspolitik ablösen – eine Strategie verstärkter Abschottung oder eine rationale Einwanderungspolitik, die wirtschaftliche Aspekte konsequent einbezieht, gerade deshalb aber auch ein besonderes Augenmerk auf die ökonomisch-soziale Integration der Zuwanderer legt? Es mehren sich die Anzeichen – und der Schritt Deutschlands zu einem Zuwanderungsgesetz wird diese Entwicklung wohl vorantreiben –, dass zumindest die Diskussion dieser Optionen verstärkt in Gang kommen könnte.
1.1 Zuwanderung(spolitik): Herausforderung für Europa
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Die erst jüngst formulierten, sehr gewichtigen Bedenken und Anregungen hinsichtlich der Wachstumsaussichten der alternden EU-Gesellschaften5 dürften (hoffentlich) mit dazu beitragen, dass eine aktive Zuwanderungspolitik als Instrument der ökonomischen Steuerung ernster genommen wird als bislang. Zu dieser Hoffnung gibt auch eine Mitteilung der Europäischen Kommission „über Einwanderung, Integration und Beschäftigung“6 aus dem Jahr 2003 Anlass, die sich eindeutig zum ökonomischen Nutzen von Zuwanderung und Zuwandererintegration bekennt und den Mitgliedstaaten empfiehlt, sich mittelfristig auf die gezielte Aufnahme von Arbeitsmigranten vorzubereiten. Ausgangspunkt dieser Überlegungen ist die im Jahr 2000 unter dem Eindruck der aktuellen wirtschaftlichen Krise und der heranziehenden demographischen Lawine mit der Lissabon-Strategie der EU7 formulierte, fast trotzig anmutende Absichtserklärung, Europa bis zum Jahr 2010 zum „konkurrenzfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt“ zu machen. Ohne den Beitrag einer selektiv agierenden Migrationspolitik ist dies kaum realisierbar. Das gilt umso mehr, als die Lissabon-Agenda neben substanziellem Wirtschaftswachstum auch soziale Kohäsion und flächendeckende Lebensstandardsteigerung als Leitziele formuliert und obendrein konkrete Zielmarken für den Beschäftigungsgrad in der EU vorgibt. So soll die durchschnittliche EU-Beschäftigungsquote an die Schwelle von 70 Prozent (2003: 64,3 Prozent) herangeführt, diejenige älterer Arbeitnehmer (über 55 Jahre) auf 55 Prozent (2003: 41,7 Prozent) gesteigert und die Erwerbsbeteiligung von Frauen auf über 60 Prozent (2003: 56,0 Prozent) im Durchschnitt der EU-Staaten nach oben geschraubt werden. Dazu müssten freilich innerhalb der nächsten Jahre mehr als 20 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Das sind ehrgeizige Ziele, die aus heutiger Sicht bis 2010 kaum erreichbar erscheinen. Ohne eine adäquate Zuwanderungspolitik dürften sie auch in längerer Frist nicht erreicht werden. (Anzumerken ist, dass Dänemark die gesetzten Zielmarken heute schon übertrifft, während Deutschland hier besonders deutlich im Hintertreffen liegt; dies hat seinen Grund in der weitaus größeren Reformdynamik der dänischen Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik.) Im „Entwurf des gemeinsamen Beschäftigungsberichts 2003/2004“ der Europäischen Kommission wird jedenfalls ein ernüchterndes Zwischenfazit 5 6 7
Vgl. Sapir et al. (2004). Vgl. Europäische Kommission (2003). Vgl. http://europa.eu.int/comm/lisbon_strategy/index_de.html.
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1. Zukunftsaufgabe Migrations- und Integrationspolitik: Lernen vom Ländervergleich
der bisherigen Bemühungen gezogen: „Die Fortschritte auf dem Weg zur Erfüllung der in Lissabon gemachten Zielvorgabe für 2010 einer EU-Gesamtbeschäftigungsquote von 70 % sind zum Stillstand gekommen“.8 Nicht von ungefähr enthält deshalb schon der Frühjahrsbericht 2003 der EU-Kommission über die erzielten Fortschritte bei der Umsetzung der Lissabon-Strategie den bemerkenswerten Satz: „Bei der Zuwanderung ist eine neue Sichtweise nötig: Sie muss als Mittel gesehen werden, ein hohes Beschäftigungsund Produktivitätsniveau auch in künftigen Jahrzehnten zu wahren.“9 Dem kann aus wissenschaftlicher Sicht nur beigepflichtet werden. Selbst wenn die Ziele der Lissabon-Strategie bereits bis 2010 zu erreichen wären, würde das den demographischen Wandel nicht aufhalten. Seine Auswirkungen werden vor allem in den Jahren und Jahrzehnten nach 2010 immer spürbarer werden und uns mit Überalterung, Verlust an Dynamik, und ungelösten Problemen der sozialen Sicherung konfrontieren. Ungeachtet einer erfolgreich umgesetzten Lissabon-Strategie würde also nach 2010 ein starker Beschäftigungsrückgang eintreten, der die Nachhaltigkeit der zuvor unternommenen Anstrengungen zu konterkarieren drohte. Um ein nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum zu erreichen, wäre ein stärkerer Anstieg der Produktivität erforderlich, als er ohne eine umfassende Zuwanderungsstrategie realisierbar ist. Deshalb zählt es zu den zentralen Zukunftsaufgaben, den derzeitigen Bestand an Einwanderern systematisch in die Arbeitsmärkte zu integrieren und Verfahren zur Auswahl und Einreise neuer Zuwanderer zu etablieren. Die Resultate der Migrationsforschung können dabei helfen, diese Ziele zu erreichen. Der Bedarf an zusätzlichen Erkenntnissen erscheint jedenfalls groß angesichts der Globalisierungseffekte, der demographischen Belastungen und der schwerfälligen Wirtschaftsentwicklung in Europa. Bis zu welchem Grad lässt sich die Umsetzung der Lissabon-Strategie durch eine aktive Zuwanderungs- und Integrationspolitik unterstützen? Ein Blick auf die EU-Beschäftigungsquoten für 2002 zeigt, dass die Europäische Union immer noch weit von den selbst gesteckten Zielen entfernt ist (vgl. Abbildung 1.5). Während Dänemark bereits deutlich über dem erforderlichen Niveau liegt, erscheint es in Deutschland und auf EU-Ebene schwierig, die Ziele der Lissabon-Strategie bis 2010 zu erreichen. Dazu wäre binnen weniger Jahre ein Anstieg von ca. sechs Prozentpunkten für die EU-Beschäftigungsquote und ein Anstieg von ca. vier Prozentpunkten für die Beschäfti8 9
Europäische Kommission (2004), S. 4. Europäische Kommission (2003b), S. 40.
1.1 Zuwanderung(spolitik): Herausforderung für Europa
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Abbildung 1.5 Arbeitslosenquote und Beschäftigungsgrad in der EU, Deutschland und Dänemark nach Status und Qualifikation, 2002 100% = Dänemark (AQ / BQ)
= Deutschland (AQ / BQ)
= EU15-Durchschnitt
80% *)
70%
*)
60%
*)
50% 40% 30% 20% 10% gesamt (55-64 Jahre)
gesamt (nur Frauen)
hochqualifiziert
normalqualifiziert
niedrigqualifiziert
Nicht-EU-Bürger
EU-Bürger
0% gesamt
Arbeitslosen- (AQ) und Beschäftigungsquote (BQ)
/ 90%
Anmerkungen: Lissabon-Ziel: BQ=70% gesamt, BQ>60% bei Frauen und BQ=50% bei 55-64jährigen. Quelle: Europäische Kommission (2003, 2004), Eurostat.
gungsquote von Frauen erforderlich. Unterstützung erfährt die Lissabon-Strategie durch die auffällig hohe Beschäftigungsquote von Immigranten aus EUStaaten, wohingegen Zuwanderer aus Nicht-EU-Staaten einen unterdurchschnittlichen Beschäftigungsgrad aufweisen. Dies ist ein Hinweis darauf, dass die Zuwanderung von EU-Bürgern insbesondere zum Zweck der Arbeitsaufnahme stattfindet und auch erfolgreich gelingt, während bei Nicht-EU-Bürgern die Arbeitsmarktintegration defizitär zu sein scheint.10 Die Beschäftigungsquote für Einwanderer aus Nicht-EU-Staaten liegt in der EU gegenwärtig bei kaum über 50 Prozent und für Frauen bei gerade einmal 40 Prozent. Das ökonomische Integrationsproblem wird an diesen Zahlen nur allzu deutlich, der Ansatzpunkt für die Politik springt ins Auge: Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsmarktintegration von Problemgruppen sind 10
Der hier am Beispiel von EU-Daten illustrierte Sachverhalt gewinnt seine besondere Relevanz durch den Umstand, dass Staatsangehörige aus „westlichen“ Ländern (USA, Kanada, Australien, Neuseeland, Schweiz, Island, Norwegens) von dem negativen Befund auszunehmen sind. Im weiteren Verlauf des Buches stehen Zuwanderer nicht-westlicher Herkunft im Blickpunkt.
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1. Zukunftsaufgabe Migrations- und Integrationspolitik: Lernen vom Ländervergleich
dringend angezeigt. Am schwersten wiegt dieses Problem übrigens im Vergleich der EU-Staaten in Dänemark – hier bewegt sich die Diskrepanz in der Beschäftigungsquote von EU-Bürgern und Nicht-EU-Staatsangehörigen bei deutlich über 25 Prozentpunkten, ein sonst nicht erreichter Negativwert. In Deutschland ist dieser Unterschied um rund zehn Prozentpunkte geringer ausgeprägt. Eklatant, wenngleich keineswegs überraschend, ist zudem der Beschäftigungsrückstand von geringqualifizierten Arbeitskräften. Deren Beschäftigungsquote beträgt in der EU nur knapp 50 Prozent. Dieser Wert umfasst Einheimische und Zuwanderer; er besagt auch, dass hier fast zwangsläufig ein Verdrängungswettbewerb zwischen einheimischen und ausländischen Geringqualifizierten stattfindet, der mit dem Umfang der Zuwanderung in dieses Arbeitsmarktsegment an Schärfe unweigerlich zunimmt. Deutschland unterschreitet den niedrigen EU-Wert nochmals um fünf Prozent, während Dänemark es immerhin schafft, 60 Prozent der geringqualifizierten Arbeitskräfte dänischer und ausländischer Herkunft in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Gemessen an diesem Ergebnis, stechen die Integrationsprobleme von NichtEU-Bürgern in Dänemark nur noch deutlicher hervor. Hier konkurrieren offenbar geringqualifizierte einheimische Arbeitskräfte und Nicht-EU-Bürger um die zur Verfügung stehenden Arbeitsplätze, wobei Nicht-EU-Bürger ungeachtet einer etwaigen besseren Qualifikation unterliegen. Ist dies Ausdruck und Konsequenz einer spezifischen (verfehlten) dänischen Politik? Schon dieser kurze Ausflug in die Statistik dokumentiert, wie erhellend ein Ländervergleich, den dieses Buch unternimmt, sein kann. Das oben Gesagte gilt weitgehend auch im Hinblick auf die Arbeitslosigkeit. Wiederum zeigen sich EU-Bürger unauffällig bzw. unterschreiten das Maß der durchschnittlichen Gesamtarbeitslosigkeit. Demgegenüber bewegt sich in Deutschland und im EU-Durchschnitt die Arbeitslosigkeit von Nicht-EUBürgern auf etwa doppelt so hohem Niveau wie diejenige von EU-Bürgern; für Dänemark beträgt sie in etwa den dreifachen Wert. Dies kann wiederum auf die mangelhafte Arbeitsmarktintegration von Nicht-EU-Bürgern zurückgeführt werden, ein Befund, der auch im Vergleich zur Arbeitslosigkeit von Geringqualifizierten gilt. Der Gesamterfolg der Lissabon-Strategie wird mithin vor allem von der Fähigkeit der EU-Staaten abhängen, geringqualifizierte Arbeitskräfte in reguläre Beschäftigung zu vermitteln. Hier gilt es den dramatischen Beschäfti-
1.2 Das Buch im Überblick
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gungsrückstand durch eine intelligente, anreizorientierte Politik und die Erschließung neuer Märkte für einfache, haushaltsnahe Dienstleistungen zu verringern. Mag dies auch mittelbar dazu beitragen, die bislang misslungene Arbeitsmarktintegration von Nicht-EU-Bürgern erfolgreicher zu gestalten, so wird es in diesem Zusammenhang vor allem darauf ankommen, das mittelfristig zu erwartende Defizit bei qualifizierten Arbeitskräften zur systematischen Verbesserung der ökonomischen Integration dieser Gruppe von Migranten zu nutzen. Alles andere wäre weder sozial nachhaltig noch wirtschaftlich rational. Darüber hinaus wird man nicht umhin können, Regelungen zur Einschränkung der Einreise von geringer Qualifizierten aus Nicht-EU-Staaten zu treffen. Von nicht zu unterschätzender Bedeutung wird schließlich aber auch die gezielte Anwerbung hochqualifizierter Arbeitskräfte sein: An ihnen wird zukünftig Mangel herrschen, und sie sind es zugleich, die durch ihre Arbeitsleistung auch neue Chancen für die Etablierung von Zulieferdiensten geringer qualifizierter Arbeitsuchender eröffnen.
1.2 Das Buch im Überblick Vor dem Hintergrund dieser hier nur kurz umrissenen Fragestellungen analysiert das vorliegende Buch den Arbeitsmarkterfolg von Zuwanderern in Deutschland und Dänemark. Zunächst liefert Kapitel 2 einen ausführlichen Überblick über die rechtliche und faktische Einwanderungssituation in beiden Staaten. Welche historischen Besonderheiten gilt es zu berücksichtigen, welche Parallelen können gezogen werden? Kapitel 3 bildet den Einstieg in die Analyse des Arbeitsmarkterfolgs nicht-westlicher Zuwanderer, indem es Parallelen und Unterschiede des Humankapitalerwerbs der Migranten in Deutschland und Dänemark herausarbeitet. Welche unterschiedliche Humankapitalausstattung bringen Migranten in beide Länder mit, und wie ist es um Spracherwerb und Qualifizierung im Aufnahmeland bestellt? Kapitel 4 widmet sich elementaren Beschäftigungstrends und der Einkommenssituation von Immigranten in beiden Staaten. Reagiert der Arbeitsmarkt für nicht-westliche Zuwanderer besonders sensibel auf Konjunkturschwankungen? Gelingt die ökonomische Integration in Dänemark oder in Deutschland besser? Ist die Anziehungskraft Dänemarks auf hochqualifizierte Einwanderer stärker, oder befindet sich Deutschland hier im Vorteil? Wer verdient wo mehr, und welche Ursachen lassen sich hierfür identifizieren?
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1. Zukunftsaufgabe Migrations- und Integrationspolitik: Lernen vom Ländervergleich
Ein besonderes Augenmerk richtet Kapitel 5 auf die Selbständigkeit und das Existenzgründungsverhalten von Immigranten, da hier erhebliche Potenziale auch für die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze zu vermuten sind. Befinden sich die Immigranten in dieser Hinsicht auf dem Vormarsch, und finden sie in Deutschland oder Dänemark bessere Erfolgsbedingungen vor? Kapitel 6 erörtert den Einfluss sozialstaatlicher Mechanismen auf das Arbeitsangebot der nicht-westlichen Immigranten und zieht eine sozio-ökonomische Bilanz der Zuwanderung nach Deutschland und Dänemark. Welche Anreize zur Arbeitsaufnahme setzen die unterschiedlichen Systeme in Deutschland und Dänemark? Und wie ist es um das Verhältnis von Transferbezügen und Steuerzahlungen bestellt – geht die „Rechnung“ auf? In Kapitel 7 bezieht das Buch schließlich dezidiert Position zum neuen deutschen Zuwanderungsgesetz. Im Hinblick auf die darin enthaltenen arbeitsmarktpolitischen Regelungen wird die Frage beantwortet, welchen volkswirtschaftlichen Nutzen diese Gesetzgebung verspricht und welche Zukunftsperspektiven sich in diesem Zusammenhang eröffnen. Den Abschluss des Bandes bildet mit Kapitel 8 ein kurzes Resumée des dargestellten Ländervergleichs Deutschland – Dänemark. Welche Lektionen für Politik und Gesellschaft lassen sich aus der Analyse ableiten und für die Erarbeitung bzw. Modizierung einer ganzheitlichen Zuwanderungs- und Integrationspolitik nutzbar machen? Die Analyse basiert auf zwei, im Rahmen eines mehrjährigen deutsch-dänischen Forschungsprojekts erstellten und ausgewerteten, originären Datensätzen, die vergleichbare Informationen zu Immigranten in Deutschland und Dänemark erhoben haben.11 Die dänische Erhebung Rockwool Foundation Migration Survey – Denmark (RFMS-D) wurde mit rund 3.500 Immigranten in den Jahren 1999 und 2001 durchgeführt. Die befragten Personen stammen aus dem ehemaligen Jugoslawien, Iran, Libanon, Pakistan, Polen, Somalia, der Türkei und Vietnam. Einwanderer erster und zweiter Generation aus diesen Ländern machen etwa zwei Drittel aller nicht-westlichen Immigranten in Dänemark aus. Der dänische Datensatz repräsentiert somit acht der zehn wichtigsten nicht-westlichen Nationalitäten unter den in Dänemark lebenden Zuwanderern. Für den deutschen Datensatz Rockwool Foundation Migration Survey – Germany (RFMS-G) wurden im Jahr 2002 rund 5.500 in Deutschland dauerhaft lebende Personen ausländischer Herkunft aus der Türkei, dem ehemaligen Jugoslawien, Polen, Iran und dem Libanon befragt. Die11
Vgl. Tranæs/Zimmermann (2004), Appendix, S. 405-427 für eine ausführliche Beschreibung der verwendeten Datensätze und eine Erörterung des methodischen Vorgehens.
1.2 Das Buch im Überblick
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se fünf Nationalitäten repräsentieren ungefähr 60 Prozent der ausländischen, nicht-westlichen Bevölkerung Deutschlands im Jahr 2001. Auf diese Weise wurde ein direkter Vergleich von fünf Zuwanderergruppen in beiden Ländern möglich. Nicht von ungefähr konzentriert sich die Analyse auf nicht-westliche Nationalitäten, denn Einwanderer aus diesen Herkunftsländern – das zeigt die historische Erfahrung – bringen tendenziell weit größere Sprachschwierigkeiten und eine starke kulturelle Verschiedenheit in das Zielland mit, sehen sich also von vornherein mit besonders großen Schwierigkeiten bei der Integration in den dortigen Arbeitsmarkt konfrontiert. Außerdem ist es gerade die Einwanderung aus nicht-westlichen Ländern, die in den letzten Jahrzehnten stark angewachsen ist. Der im Vergleich zu Dänemark weit größere Umfang der Immigration nach Deutschland drückt sich auch in einem wesentlich größeren Ausländeranteil an der deutschen Bevölkerung aus. Er ist von kaum über einem Prozent im Jahr 1960 auf fast 6,5 Prozent zum Zeitpunkt des Anwerbestopps 1973 angestiegen. Heute bewegt sich der Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung Deutschlands bei rund 9 Prozent. Dahinter verbirgt sich in absoluten Zahlen ein erheblicher Zuwachs der zugewanderten Bevölkerung und ihrer Familien: ausgehend von knapp 700.000 Personen im Jahr 1960 ist ihre Zahl bis 1973 auf annähernd 4 Millionen und danach bis ins Jahr 2003 weiter auf über 7,3 Millionen gewachsen. Demgegenüber nimmt sich die Anzahl der Immigranten in Dänemark auf den ersten Blick verschwindend gering aus. Doch der Schein trügt: Zwar lebten 1960 gerade einmal 40.000 Ausländer in Dänemark, 1973 erst knapp 90.000, und auch 2003 waren es „nur“ rund 265.000 Personen ausländischer Staatsangehörigkeit. Der prozentuale Ausländeranteil ist angesichts der ungleich geringeren Gesamtbevölkerungsgröße in Dänemark so klein allerdings keineswegs. Von unter einem Prozent im Jahr 1960 ist er immerhin auch auf knapp 2 Prozent in 1973 und auf rund 5 Prozent in 2003 gestiegen. Beide Länder verfügen über eine durchaus vergleichbare Immigrationsgeschichte, haben zunächst Gastarbeiter angeworben, diese Phase im Zeichen der Wirtschaftskrise Mitte der 1970er Jahre beendet und dennoch weiterhin Zuwanderung verzeichnet. Diese erfolgte zunächst insbesondere über den Familiennachzug, später dann besonders stark über den Zuzug von Asylsuchenden, den deshalb beide Staaten sukzessive eingeschränkt haben. Auch Sonderregelungen für besondere Zuwanderergruppen haben beide Länder
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1. Zukunftsaufgabe Migrations- und Integrationspolitik: Lernen vom Ländervergleich
geschaffen (Spätaussiedler, Saison- und Werkvertragsarbeitnehmer im Falle Deutschlands, Staatsangehörige nordischer Staaten im Falle Dänemarks). Entsprechend ist auch die Entwicklung der Arbeitsmarktgesetzgebung für Zuwanderer in durchaus vergleichbaren Bahnen verlaufen. Unterschiede sind vor allem in der ethnischen Zusammensetzung der Zuwanderer zu erkennen. So stellen in Deutschland türkische und EU-Staatsangehörige, anders als in Dänemark, die größten Zuwanderergruppen. Darüber hinaus spielen Unterschiede im Einbürgerungsrecht beider Staaten und bei der Einbürgerungsbereitschaft von Zuwanderern eine Rolle. Die Einbürgerungsquote, errechnet aus der durchschnittlichen Zahl der Einbürgerungen zwischen 1995 und 2000 geteilt durch den Bestand an Bürgern aus Nicht-EU-Staaten im Jahr 2000 beträgt beachtliche 6,7 Prozent für Dänemark, jedoch lediglich 2 Prozent für Deutschland.12 In Dänemark „verschwinden“ also mehr Zuwanderer aus der Statistik als in Deutschland, betrachtet man nur die Staatsangehörigkeit und lässt den Sonderfall der Spätaussiedler-Immigration nach Deutschland außer Betracht. Da der Erwerb der Staatsbürgerschaft jedoch nicht automatisch gleichbedeutend mit der vollständig gelungenen Integration in die Gesellschaft sein muss, umgekehrt aber beispielsweise im Einwanderungsland geborene Kinder von Migranten selbst dann in der Mehrzahl nicht mehr ernsthaft zur Einwanderungsbevölkerung gezählt werden können, wenn sie noch die Staatsangehörigkeit der Eltern besitzen, wurde in Dänemark eine alternative Definition für die Einwanderungsbevölkerung in die offiziellen Statistiken eingeführt (vgl. Abbildung 1.6). Gemäß dieser Definition gilt eine dauerhaft in Dänemark ansässige Person dann als Einwanderer, wenn sie nicht im Inland geboren wurde und die Eltern(teile) eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzen, ebenfalls im Ausland geboren wurden oder unbekannt sind. Dagegen gilt als Nachkomme eine Person, die in Dänemark geboren wurde und deren Eltern unbekannt sind bzw. nicht die dänische Staatsangehörigkeit besitzen und nicht in Dänemark geboren sind. Für die Einordnung als „Nachkomme“ ist also nicht maßgeblich, ob die dänische Staatsangehörigkeit angenommen wurde. Im Jahr 2002 waren 7,7 Prozent der dänischen Bevölkerung Einwanderer und Nachkommen, von denen 5,7 Prozent aus nicht-westlichen Ländern kamen. Die restlichen 92 Prozent der Bevölkerung waren demnach Personen mit mindestens einem in Dänemark geborenen und die dänische Staatangehörigkeit besitzenden Elternteil. Der Bevölkerungsanteil der Immigranten und ihrer Nachkommen ist seit 1995 von 5,3 Prozent auf 8 Prozent im Jahr 2003 gewachsen. 12
Vgl. Europäische Kommission (2003), S. 189.
17
1.2 Das Buch im Überblick
Abbildung 1.6 Entscheidungsbaum für die Aufnahme einer Person als Einwanderer, Nachkomme von Einwanderern oder Däne in die Bevölkerungsstatistik Dänemarks
Person A
1
Ist mindestens ein Elternteil von A bekannt?
Nein
Ja 2
Sind Vater und/oder Mutter von A in Dänemark geborene dän. Staatsbürger?
Ja
3
Nein
Ja
Ist A selbst in Dänemark geboren?
Besitzt A die dänische Staatsbürgerschaft?
Nein
Däne
Ist A selbst in Dänemark geboren?
Einwanderer
Ja
Nein
Nachkomme
Nein
Ja
Däne
Einwanderer
Quelle: Dänische Einwanderungsbehörde.
Eine solche Aufschlüsselung erlaubt mitunter eine gezieltere Betrachtung einzelner Zuwanderergruppen, wie sie leider in Ermangelung ähnlich strukturierter deutscher Verwaltungsdaten für die Bundesrepublik nicht möglich ist. Es wäre sehr zu begrüßen, wenn die amtliche deutsche Statistik in dieser Hinsicht anlässlich des Inkrafttretens des Zuwanderungsgesetzes zu Jahresbeginn 2005 gleichfalls eine Modifizierung der Datenerhebung beginnen würde. Für die Migrationsforschung und die nicht zuletzt mit der hier vorgelegten Untersuchung dokumentierten Bemühungen um eine präzisere Gestaltung des zuwanderungs- wie integrationsrechtlichen Instrumentariums unter ökonomischem Vorzeichen wäre dies von nicht geringem Wert.
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2
Die Einwanderungssituation in Deutschland und Dänemark*
Deutschland kann mit Fug und Recht als dasjenige Land in der Europäischen Union bezeichnet werden, das seit nunmehr über 40 Jahren den bei weitem stärksten Zuzug von Immigranten, aber auch von Flüchtlingen, zu verzeichnen hat. Dass dieser Zuzug, wie im Folgenden anhand der rechtlichen und faktischen Entwicklung der Migrationsgeschichte zu zeigen sein wird, im Wesentlichen ungesteuert erfolgte, ist gleichermaßen Ursache und Ergebnis eines quälend langen Glaubensstreites darüber, ob das Land nun ein „Einwanderungsland“ sei oder nicht. Dessen ungeachtet hat sich das Gesicht der deutschen Gesellschaft im Verlaufe dieser Zeit deutlich gewandelt; Integrationserfolge und -defizite dokumentieren jenseits der offenen Frage nach einer übergeordneten migrations- und integrationspolitischen Strategie die inzwischen längst erreichte „Normalität“ der Zuwanderungssituation. Das Beispiel der zunächst großzügigen Aufnahme von deutschstämmigen Spätaussiedlern aus Mittel- und Osteuropa, die im weiteren Verlauf dann bemerkenswerterweise durch ein recht striktes, an Sprach- und Kulturkenntnissen, aber eben auch an Höchsteinreisezahlen orientiertes Zulassungssystem abgelöst wurde, hat die prinzipielle Fähigkeit der Politik, konstruktiv in das Zuwanderungsgeschehen einzugreifen, unter Beweis gestellt. Umso erstaunlicher wirkt deshalb der langjährige Verzicht auf eine vergleichbare Regelung der Zuwanderung von Ausländern. Mit seinem im Jahr 2000 in Kraft getretenen neuen Staatsangehörigkeitsrecht und der Verabschiedung eines neuen Zuwanderungsgesetzes in 2004 steht Deutschland erst am Beginn einer Neubestimmung seines Kurses in der Migrations- und Integrationspolitik. Auch in Dänemark hat sich noch keine umfassende Zuwanderungsgesetzgebung mit dem Ziel einer ökonomischen Steuerung etablieren können. Ähnlich wie in Deutschland besteht das aktuelle Gesetzeswerk aus einer Vielzahl von Einzelregelungen, die einen „roten Faden“ noch vermissen lassen. Bis in die * Dieses Kapitel stützt sich u. a. auch auf die Darstellung in Bauer et al. (2004a).
20
2. Die Einwanderungssituation in Deutschland und Dänemark
jüngere Vergangenheit hinein hat Dänemark – wie Deutschland – eine vergleichsweise großzügige Asylgesetzgebung und Flüchtlingspolitik praktiziert, demgegenüber jedoch keine ernsthaften Aktivitäten zur ökonomischen Lenkung der Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte unternommen. Lediglich mit der so genannten „Job Card“, die im Gegensatz zum deutschen Pendant der „Green Card“ nicht so stark auf bestimmte Wirtschaftssektoren beschränkt worden ist, wurde jüngst der Versuch unternommen, erkannte Angebotsengpässe auf dem dänischen Arbeitsmarkt unbürokratisch durch Arbeitserlaubnisse für Neuzuwanderer zu beseitigen – mit bislang ausbleibendem Erfolg. Dem allgemeinen Trend in den EU-Staaten zur Verschärfung von Einreisebestimmungen für Flüchtlinge und Immigranten aus Nicht-EU-Staaten hat sich auch Dänemark nicht entzogen. Die Europäischen Vertragswerke beschränken sich in Migrations- und Asylfragen bislang auf die Entwicklung einheitlicher Standards zur Aufnahme von Zuwanderern und Flüchtlingen sowie die Vereinbarung einer gemeinsamen Bekämpfung illegaler Migration, lassen also die nationalen Hoheitsrechte bei der Formulierung von Einreise- und Eingliederungsbestimmungen weitgehend unangetastet und geben keinen Zeitplan für die Verwirklichung einer gemeinsamen EU-Migrations- und Asylpolitik vor. Möglicherweise wird dieses Vorhaben auch vor dem schier unlösbaren Problem einer angemessenen Verteilung von Nutzen und Lasten zwischen nunmehr 25 Mitgliedstaaten stehen. Der wachsende Fachkräftemangel in den meisten westlichen EU-Staaten lässt allerdings erwarten, dass alsbald auch andere Staaten (Dänemark?) dem deutschen Beispiel folgen und einen ersten Schritt hin zu einer ökonomisch motivierten Zuwanderungsgesetzgebung gehen könnten. Die Notwendigkeit einer gemeinsamen europäischen Strategie im Wettbewerb um das internationale Humankapital ist unbestreitbar. Sie darf nicht nur den Aspekt der adäquaten Verteilung von Immigranten und Flüchtlingen in den Mittelpunkt stellen, sondern muss auch und vor allem Fragen der Arbeitsmarktintegration der Zuwanderer angemessen beantworten. Der hier vorliegende Ländervergleich kann dabei hilfreich sein.
2.1
Migrationspolitik in Dänemark: Mehr Eingliederung, weniger Einwanderung?
Bis in das Jahr 1983 hinein wurden Einreise und Aufenthalt von Ausländern in Dänemark durch das Ausländergesetz (Udlændingeloven) von 1952 geregelt. Enthielt dieses Gesetz zunächst großzügige Möglichkeiten zur Arbeits-
2.1 Migrationspolitik in Dänemark: Mehr Eingliederung, weniger Einwanderung?
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aufnahme in Dänemark, wurden diese Bestimmungen seit 1969 im Zusammenhang mit ersten wirtschaftlichen und sozialen Integrationsproblemen eingeschränkt, bevor im November 1973 schließlich Befürchtungen hinsichtlich einer ernsten Wirtschaftskrise in Folge des Ölpreisschocks dazu führten, die Zuwanderung von Arbeitskräften nahezu vollständig zu untersagen. Dieser Zuwanderungsstopp galt und gilt nicht für besonders spezialisierte Arbeitskräfte und wenige andere Sonderfälle, ist aber seitdem bis heute im Grundsatz in Kraft. Bis zu seinem Erlass hatte Dänemark, vergleichbar mit und doch anders als Deutschland, eine Phase der Gastarbeiterimmigration durchlaufen. Während Deutschland umfangreiche Anwerbeaktivitäten in den Partnerländern entfaltete, resultierte die Arbeitsmigration nach Dänemark in dieser Zeit überwiegend aus der Eigeninitiative der Migranten selbst. Nur ein kleinerer Teil der Zuwanderer – etwa aus Pakistan – kam auf der Grundlage von bilateralen Anwerbeverträgen nach Dänemark. Das „neue“ dänische Ausländergesetz von 1983 löste zwar die bestehenden Regelungen aus dem Jahr 1952 vollständig ab, regelte in Wirklichkeit aber nur Einreise und Aufenthalt von zuwandernden Familienangehörigen und Flüchtlingen neu. Damit reagierte die dänische Politik (annähernd analog zur deutschen Entwicklung) auf die strukturellen Veränderungen der Migrationsentwicklung seit dem Zuwanderungsstopp, die die Einreise von Familienangehörigen und Flüchtlingen in den Vordergrund hatten treten lassen. Erstmals wurde ein Recht zur Familienzusammenführung für jene Immigranten geschaffen (und an bestimmte Bedingungen geknüpft), die unter dem Eindruck des Zuwanderungsverbots etwaige Rückkehrabsichten aufgaben und stattdessen ihre Familien nach Dänemark nachreisen ließen. Diese Aufenthaltsverfestigung von Zuwanderern aus der Zeit der Gastarbeitermigration, wie sie zur gleichen Zeit ebenso auch in Deutschland stattfand, hat wesentliche Auswirkungen bis in die Gegenwart hinein. Angehörige der zweiten „Zuwanderer“-Generation prägen zunehmend die Struktur der Immigranten in beiden Ländern – die Aufgabenstellung vor allem der Integrationspolitik verändert und erweitert sich. Die dänischen Regelungen zum Familiennachzug zu Ausländern wurden wiederholt modifiziert und dabei sukzessive eingeschränkt. So erlangte die Vorausbedingung der eigenständigen Sicherung des Lebensunterhalts im weiteren Verlauf ebenso große Bedeutung wie – seit 1998/2002 – die Voraussetzung, dass ein bereits in Dänemark lebender Zuwanderer zunächst seit mindestens drei Jahren im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis sein muss, bevor überhaupt ein Familiennachzug in Frage kommen kann. Auch wurden
22
2. Die Einwanderungssituation in Deutschland und Dänemark
ein Mindestalter von 24 Jahren für (beide) Ehepartner festgesetzt, Bestimmungen zur Überprüfung der „Hinwendung“ der Familie zu Dänemark getroffen und ein Nachzug von Eltern zu ihren volljährigen Kindern ganz ausgeschlossen. Regelungen zur befristeten Arbeitsmigration auf der Grundlage von Ausnahmeentscheidungen hat es in Dänemark über den gesamten Verlauf seiner Nachkriegs-Migrationsgeschichte gegeben. Allerdings hat Dänemark, anders als Deutschland, zu keinem Zeitpunkt bilaterale Verträge mit Drittstaaten über die befristete Entsendung von Arbeitskräften geschlossen. Im Grundsatz gelten für diese Form der Zuwanderung in Dänemark jedoch vergleichbare rechtliche Bestimmungen wie in der Bundesrepublik. Abgesehen von Sonderregelungen für Auszubildende, Au-Pair-Kräfte, Wissenschaftler, Manager, Sportler etc. wird generell keine Aufenthaltserlaubnis erteilt, wenn für den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz auch eine inländische Arbeitskraft zur Verfügung steht. Lohn und Arbeitsbedingungen müssen dem dänischen Standard entsprechen, darüber hinaus die regulären Sozialversicherungsabgaben entrichtet werden. Mit der 2002 eingeführten „Job Card“ hat Dänemark dieses Verfahren im Hinblick auf die deutlicher zutage getretenen Knappheitserscheinungen beim Arbeitsangebot modifiziert.1 An die Stelle des bis dahin in vielen Fällen vorgesehenen Konsultationsprozesses mit den Wirtschaftsverbänden ist für bestimmte Qualifikationen und Berufsfelder eine „Positivliste“ getreten, die regelmäßig von der Dänischen Einwanderungsbehörde aktualisiert wird und den vereinfachten, zeitlich stark beschleunigten Erwerb einer befristeten Aufenthaltsgenehmigung durch Immigranten zum Ziel hat. Begünstigt davon sind (Stand 2004) Fachkräfte in den Bereichen Ingenieurwesen, Natur- und technische Wissenschaften, Informationstechnologie und Medizin/Krankenpflege. Sollen Fachkräfte aus diesen Bereichen für dänische Arbeitgeber tätig werden, findet keine weitere Prüfung der Verfügbarkeit einheimischer oder sonst bevorrechtigter Arbeitsuchender statt. Ein Verlust des Arbeitsplatzes kann das Erlöschen der „Job Card“ und der Aufenthaltsgenehmigung zur Folge haben, insofern nicht kurzfristig ein neuer Arbeitsplatz gefunden wird. Daneben bestehen auf anderer rechtlicher Grundlage weiterhin befristete Zuwanderungsmöglichkeiten für „Experten“ und „Spezialisten“, sowie „Existenzgründer und Selbständige“. Letztere müssen vor Erhalt einer Aufenthaltserlaubnis die Wirtschaftlichkeit ihres Unternehmens, ihre Finanzausstattung und die ökonomische Sinnfälligkeit ihrer Geschäftstätigkeit in Dänemark plausibel darlegen. 1
Vgl. http://www.udlst.dk/english/Work+and+Study/Work/jobcard_positive_list.htm.
2.1 Migrationspolitik in Dänemark: Mehr Eingliederung, weniger Einwanderung?
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Die „Job Card“-Regelung sieht Aufenthaltserlaubnisse bis zu einer Dauer von drei Jahren vor, die nach Ablauf dieser Frist verlängert werden können. In anderen Fällen befristeter Immigration wird zunächst eine einjährige Aufenthaltserlaubnis erteilt, die ebenfalls verlängerbar ist. „Job Card“-Inhaber können ihre Familie nach Dänemark mitbringen, ohne dazu einer gesonderten Genehmigung zu bedürfen. Diese Neuregelung verschafft Dänemark in Bezug auf die Zulassung temporärer Arbeitsmigration zwar einen gewissen Verfahrensvorsprung vor Deutschland und lässt den Schritt hin zu einer Versteigerung von Zuwanderungszertifikaten als der aus ökonomischer Sicht zweckmäßigsten Organisation temporärer Arbeitsmigration nicht mehr weit erscheinen; allerdings wird von diesem Instrument gegenwärtig kein nennenswerter Gebrauch gemacht. Daneben setzt Dänemark mit dem ausdrücklich postulierten Ziel der Stärkung seiner Wettbewerbsfähigkeit auch steuerliche Anreize zur Förderung der Einreise von Wissenschaftlern und Fachkräften. Diese können, sofern sie von dänischen Arbeitgebern gezielt angeworben werden sollen und ein festgelegtes Mindesteinkommen erzielen, für die Dauer von drei Jahren anstelle der regulären eine pauschalierte 25prozentige Einkommensbesteuerung wählen.2 Mit dem Ausländergesetz von 1983 wurde auch die Asylgesetzgebung vorübergehend deutlich ausgebaut, indem der Rechtsweg im Asylverfahren erweitert und über die Aufnahme von Flüchtlingen gemäß der Flüchtlingskonvention der Vereinten Nationen hinaus der Status von „de facto-Flüchtlingen“ für solche Personen geschaffen wurde, die „aus ähnlichen oder anderen zwingen Gründen“ Zuflucht in Dänemark suchten. Ihnen konnte von vornherein eine Aufenthaltserlaubnis mit der Perspektive eines Daueraufenthalts erteilt werden. Kaum in Kraft getreten, wurden diese Neuregelungen jedoch seit 1986 schrittweise wieder eingeschränkt, wobei Dänemark den Vorreiter der späteren EU-weiten so genannten „Drittstaatenregelung“ machte, nach der Flüchtlingen, die über einen als „sicher“ definierten Drittstaat einreisen, das Asyl verweigert werden kann. Die Regelungen für „de facto-Flüchtlinge“ wurden im Jahr 2002 aufgehoben und durch einen deutlich enger gefassten „Schutz-Status“ ersetzt. Bei der Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien und dem Kosovo und insbesondere bei der Gewährung von Daueraufenthaltserlaubnissen für diese Personengruppe verfuhr Dänemark jedoch vergleichsweise großzügig. 2
Vgl. http://www.erhverv.toldskat.dk/ToldSkat.aspx?oID=97319 (Stand August 2004).
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2. Die Einwanderungssituation in Deutschland und Dänemark
Bis Mitte 2002 wurden allen Immigranten und anerkannten Flüchtlingen im Wesentlichen die gleichen Sozialtransferleistungen gewährt wie Einheimischen, wobei Flüchtlinge aufgrund anderer Anrechnungsbestimmungen rascher entsprechende Ansprüche erwerben konnten. Diese Regelungen sind vom dänischen Gesetzgeber allerdings unter dem Eindruck der wachsenden Zuzugszahlen fundamental verändert worden. Nach derzeit geltendem Recht erwerben Immigranten und anerkannte Flüchtlinge erst dann einen vollen Anspruch auf Sozialleistungen (bei wiederum erleichtertem Anspruchserwerb von Flüchtlingen), wenn sie sieben der letzten acht Aufenthaltsjahre in Dänemark ununterbrochen dort verbracht haben. Davor gilt ein deutlich niedrigerer Transferanspruch. Die dauerhafte Zulassung zum dänischen Arbeitsmarkt ist an die Vergabe einer kombinierten Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis geknüpft, die zunächst befristet, später dann unbefristet erteilt werden kann, sofern der Aufenthaltszweck dem nicht widerspricht (z. B. Studierende). An geringqualifzierte ausländische Bewerber wird im Regelfall keine Arbeitserlaubnis erteilt. Darüber hinaus erfolgt, ähnlich wie in Deutschland, eine Prüfung, ob allgemeine Arbeitsmarktaspekte der Arbeitsgenehmigung im Wege stehen, in Dänemark lebende Arbeitsuchende für den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz verfügbar sind und die dänischen Lohn- und arbeitsrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden. Für Asylsuchende gilt bis zur Anerkennung und Vergabe einer Aufenthaltserlaubnis ein generelles Erwerbstätigkeitsverbot. Im Jahr 2002 wurde mit der Reform des Ausländergesetzes die generelle Mindestaufenthaltszeit bis zur Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis an Zuwanderer von drei auf sieben Jahre heraufgesetzt. Dänemark hat damit eine Abkehr von einer bis dahin besonders großzügigen Praxis der Vergabe unbefristeter Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse vollzogen, während Deutschland zur gleichen Zeit in gewisser Hinsicht einen entgegengesetzten Weg beschritten hat. Allerdings bestehen weiterhin Ausnahmeregelungen, die den Erwerb einer permanenten Aufenthaltserlaubnis bereits nach fünf (in seltenen Fällen nach drei) Jahren regeln. Bei der Entscheidung hierüber wird insbesondere auf eine mindestens dreijährige Beschäftigung auf dem dänischen Arbeitsmarkt sowie auf „enge Bindungen“ zur dänischen Gesellschaft abgestellt. Der erfolglose Besuch angebotener Integrationskurse kann jedoch zur Ablehnung eines Daueraufenthalts oder zu aufenthaltsbeendigenden Maßnahmen führen. Voraussetzung für den Erwerb einer unbefristeten Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis ist zudem grundsätzlich das Bestehen eines Sprachtests. Diese Regelungen schaffen einen klaren Integrationsanreiz für Zuwanderer in Dänemark.
2.1 Migrationspolitik in Dänemark: Mehr Eingliederung, weniger Einwanderung?
25
Ohnehin hat Dänemark bereits zu einem vergleichsweise frühen Zeitpunkt Wert auf die Förderung der Integration anerkannter Flüchtlinge gelegt, dieses Programm im Rahmen seiner Integrationsgesetzgebung (Integrationsloven) seit 1999 auf eine umfassende gesetzliche Basis gestellt und auf neu zuwandernde, volljährige Familienangehörige von Immigranten (mit Ausnahme von Zuwanderern aus nordischen und EU-Staaten sowie Familienangehörigen von Zuwanderern aus diesen Ländern) ausgedehnt. An die Stelle der bis dahin 18monatigen Integrationskurse für Flüchtlinge ist ein dreijähriges, intensives „Einführungsprogramm“ für beide Zielgruppen getreten (vgl. Dokumentation von Auszügen des Integrationsgesetzes im Anhang). Die Teilnahme an diesem Programm, das neben dem Spracherwerb vor allem umfangreiche Bildungsmaßnahmen im Hinblick auf die gesellschaftliche und Arbeitsmarktintegration umfasst, entfaltet einen quasi-obligatorischen Charakter, sofern keine Erwerbstätigkeit aufgenommen werden kann oder gute Sprachkenntnisse und sonstige Integrationsvoraussetzungen offenkundig sind. Die Entscheidung über eine Teilnahmeaufforderung trifft die Dänische Einwanderungsbehörde; Finanzierungsaufgaben obliegen nicht nur dem Landeshaushalt, sondern auch den jeweils für die Durchführung des Einführungsprogramms verantwortlichen dänischen Gemeinden.3 Das Angebot der Integrationskurse ist mit deutlichen finanziellen Anreizen verknüpft: Nur bei Teilnahme an dem Programm wird eine „Eingliederungsbeihilfe“ gezahlt, die je nach Einzelfall zwischen 50 und 95 Prozent des Sozialtransfersatzes erreichen, aber ihrerseits bei nicht umfassender Kursteilnahme gekürzt oder ganz gestrichen werden kann. Während der Dauer des Kursbesuchs wird bei einem zuvor nicht genehmigten Wohnortwechsel die Zahlung der Eingliederungsbeihilfe im Regelfall eingestellt. Ein zentraler weiterer Anreizmechanismus wirkt – wie oben angesprochen – insoweit, als die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis auch vom Besuch des Integrationskurses abhängig gemacht wird. Mit diesem umfangreichen, aus den öffentlichen Haushalten mit erheblichen Mitteln finanzierten Integrationsangebot, das der Aktivierung von Immigranten für den Arbeitsmarkt besondere Aufmerksamkeit widmet, dokumentieren Staat und Gesellschaft das hohe Interesse an einer zielorientierten Zuwandererintegration. Inwieweit der Erfolg den Bemühungen Recht geben wird, bleibt jedoch abzuwarten. Eine sorgfältige Evaluation des Integrationsprogramms steht noch aus. 3
Vgl. Dänisches Ministerium für Flüchtlings-, Immigrations- und Integrationsangelegenheiten (2004) und die Dokumentation des dänischen Integrationsgesetzes im Anhang dieses Buches.
26
2. Die Einwanderungssituation in Deutschland und Dänemark
Die dänische Regierung hat im Hinblick auf weitere Verbesserungen des Integrationsangebots für Zuwanderer im Jahr 2000 den „Think Tank on Integration in Denmark“ eingesetzt, der die Politik mit Berichten und Empfehlungen zur Qualität der Ausländerintegration und den Konsequenzen der Bevölkerungsentwicklung unterstützen soll.4 Allerdings rangiert dieses Gremium, was seine politischen Einflussmöglichkeiten angeht, eher noch hinter dem in Deutschland unter variierender Amtsbezeichnung seit 1978 regierungsintern operierenden Amt der „Beauftragten für Migration, Flüchtlinge und Integration“. Das dänische Staatsangehörigkeitsrecht (Indfødsretsloven) erklärt prinzipiell ausschließlich diejenigen Personen automatisch zu dänischen Staatsbürgern, deren Mutter oder Vater die dänische Staatsangehörigkeit besitzen. Sind die Eltern nicht verheiratet und besitzt lediglich der Vater einen dänischen Pass, erwirbt das Kind nur dann ebenfalls automatisch die dänische Staatsangehörigkeit, wenn es in Dänemark geboren wurde – hier wird also das Abstammungsprinzip (ius sanguinis) mit dem Geburtsortprinzip (ius soli) kombiniert. Ist der unverheiratete Vater Däne, so wird das Kind im Falle der Eheschließung durch Legitimation gleichfalls automatisch dänischer Staatsbürger, sofern es noch nicht 18 Jahre alt und unverheiratet ist. Ansonsten kommt eine Einbürgerung des Kindes auch dann in Betracht, wenn bestimmte Bedingungen zu Lebensalter und Aufenthaltsdauer erfüllt werden. Ebenso können ausländische Kinder unter 12 Jahren im Falle ihrer Adoption die dänische Staatsangehörigkeit erwerben. Die Ausnahmeregelungen zum Erwerb der dänischen Staatsangehörigkeit per Parlamentsentscheid sind wiederholt modifiziert und in den letzten Jahren insgesamt eingeschränkt worden. Gegenwärtig kann ein Einbürgerungsantrag erst nach einem Mindestaufenthalt von 9 Jahren (bis 2002: 7 Jahre) gestellt werden; für Staatsangehörige nordischer Staaten gilt dies bereits nach zweijährigem, ununterbrochenen Aufenthalt. Handelt es sich beim Einbürgerungswilligen um den Ehepartner eines Dänen, so reduziert sich die Wartezeit bis zur möglichen Einbürgerung je nach vorheriger Dauer der Ehe um maximal 3 Jahre. Junge, nicht strafrechtlich belangte Ausländer können zwischen dem 18. und 23. Lebensjahr durch schriftliche Erklärung gegenüber den zuständigen Behörden dänische Staatsbürger werden, wenn sie insgesamt bereits 10 Jahre, dabei 5 der letzten 6 Jahre ununterbrochen, in Dänemark 4
Die Internet-Seite des Dänischen Ministeriums für Flüchtlinge, Immigration und Integration (www.inm.dk) informiert über die Arbeit dieses Beratungsgremiums und hält die wichtigsten Dokumente zur dänischen Immigrations- und Integrationspolitik bereit.
2.2 Migrationspolitik in Deutschland: Warten auf das Zuwanderungs- und Integrationsgesetz 27
gelebt haben. Das dänische Parlament veröffentlicht jeweils Namenslisten der von ihm positiv beschiedenen Einbürgerungsanträge. Grundsätzlich muss der Nachweis ausreichender Sprach- und Kulturkenntnisse vor der Einbürgerung erbracht werden. Aufenthaltszeiten in anderen nordischen Staaten können unter bestimmten Voraussetzungen auf die Mindestaufenthaltszeit angerechnet werden. Die Hinnahme von Mehrstaatigkeit ist im dänischen Staatsangehörigkeitsrecht nicht vorgesehen; in der Praxis freilich ist eine Doppelstaatsbürgerschaft zuletzt oft geduldet worden. Insgesamt hat sich in Dänemark aber eine eher restriktivere Gestaltung des Staatsangehörigkeits- und Einbürgerungsrechts durchgesetzt; dies kontrastiert zur deutschen Entwicklung, die zwar bis Ende 2001 von einer noch weitaus strengeren Gesetzgebung geprägt war, seit 2002 jedoch über das im Vergleich zu Dänemark deutlich „liberalere“ Staatsangehörigkeitsrecht verfügt.
2.2
Migrationspolitik in Deutschland: Warten auf das Zuwanderungs- und Integrationsgesetz
Die deutsche Zuwanderungspolitik war bis zu Beginn der 1990er Jahre durch ein erstaunliches Neben- und Durcheinander einzelner rechtlicher Regelungen der Bundesländer geprägt, von denen insgesamt „mehr Verwirrung als Klarheit“ ausging.5 Weder die Zeit der Gastarbeiteranwerbung in den 1960er Jahren noch die Zeit der Familienzusammenführung in den Jahren nach 1973 veranlassten die Politik zu einer in sich konsistenten Migrations- und Integrationsgesetzgebung. Deutschland verfolgte damit die gleiche politische „Linie“ wie Dänemark und andere westeuropäische Staaten, die die Gastarbeitermigration als eine, weil ökonomisch motivierte, nur vorübergehende Politikmaßnahme erachteten („Rotationsprinzip“), die deshalb auch keiner umfassenden aufenthalts- oder gar integrationsrechtlichen Regelungen bedurfte. Allerdings hat die Gastarbeiteranwerbung in keinem anderen westeuropäischen Staat innerhalb weniger Jahre ein solches Ausmaß angenommen wie in Deutschland zwischen 1961 und 1968. Der starke kriegsbedingte Rückgang der Erwerbsbevölkerung, das Ende des Zustroms von Ostflüchtlingen durch den Mauerbau 1961, die Gründung der Bundeswehr und die Einfüh5
Schmalz-Jacobsen et al. (1993), S. 56. Vgl. ebd. für eine ausführliche Darstellung der Entwicklung der deutschen Zuwanderungspolitik. Eine umfassende Darstellung aus ökonomischer Sicht liefern u.a. Bauer et al. (2004).
28
2. Die Einwanderungssituation in Deutschland und Dänemark
rung der Wehrpflicht 1955/1956, vor allem aber der rasche wirtschaftliche Wiederaufbau ließen den Bedarf an Arbeitskräften stark wachsen. Nach einem ersten Anwerbevertrag mit Italien schloss Deutschland seit 1960 in kurzer Folge weitere bilaterale Vereinbarungen zur Anwerbung von „Gastarbeitern“ mit Spanien, Griechenland, der Türkei, Marokko, Portugal und Tunesien. Prinzipiell beruhten die Anwerbeverfahren auf der Bedarfsmeldung von Unternehmen; sofern die Bundesanstalt für Arbeit keine deutschen Bewerber anbieten konnte, wurde sie selbst in den Anwerbestaaten aktiv. Die Begrüßung des millionsten Gastarbeiters wurde 1964 zum medialen Ereignis – doch schon kurze Zeit später führte die rasche wirtschaftliche Eintrübung zu ersten Debatten über einen Kurswechsel der Ausländerpolitik und der Diskussion von „Überfremdungs“-Tendenzen. Erstmals wurde 1966/67 ein Anwerbestopp verhängt, dem – nach der zwischenzeitlichen Vereinbarung eines weiteren Anwerbeabkommens mit Jugoslawien im Jahr 1968 – im Zuge der weltweiten Wirtschaftskrise Ende November 1973 ein neuerlicher, vollständiger Anwerbestopp folgte. Auch hier vollzog Deutschland einen Gleichschritt mit anderen westeuropäischen Staaten wie Dänemark. Mehr noch als dort, war der Anwerbestopp in Deutschland neben einer für unausweichlich gehaltenen Reaktion auf die drastisch veränderten ökonomischen Rahmenbedingungen der Zuwanderung auch eine Antwort auf die in Europa einzigartig starken Zuwachsraten der Immigration in die Bundesrepublik: Binnen fünf Jahren vor Erlass des zweiten Anwerbestopps hatte sich die ausländische Wohnbevölkerung in Deutschland mehr als verdoppelt. Dass dies dennoch erst 18 Jahre später, im Jahr 1991, zur Einführung des ersten bundeseinheitlichen Ausländergesetzes führte, ist umso erstaunlicher. Bis dahin versuchte Deutschland, insbesondere nach 1983, durch diverse Rückkehrhilfe-Programme einen Rückgang der Ausländerzahlen zu bewirken. Da der Anwerbestopp jedoch die Einreise von Familienangehörigen der Gastarbeitnehmer (die sich deshalb erheblich verstärkte), EU-Staatsangehörigen, Flüchtlingen und verschiedene Sonderformen der Zuwanderung unberührt ließ, war diesen Initiativen nur ein recht begrenzter Erfolg beschieden, der jedenfalls weit hinter den politischen Erwartungen zurück blieb. Ebenso bemerkenswert ist auch, dass das Ausländergesetz von 1991 zwar umfangreiche Detailbestimmungen zum unterschiedlichen Aufenthaltsstatus von Ausländern traf, sich aber einer integrationspolitischen Komponente nahezu völlig enthielt. Dies als Ausdruck der Unsicherheit des Landes über sein Selbstverständnis als Aufnahmeland von Zuwanderern zu werten, ist gewiss keine Fehlinterpretation.
2.2 Migrationspolitik in Deutschland: Warten auf das Zuwanderungs- und Integrationsgesetz 29
Nicht zuletzt mag die diesbezügliche Zurückhaltung aber auch mit einer grundlegenden Veränderung der deutschen Zuwanderungssituation erklärt werden, die sich seit Ende der 1980er Jahre vollzog: Der politische Wandel in Osteuropa, der Krieg im ehemaligen Jugoslawien sowie die Repressionen der Türkei gegenüber der kurdischen Minderheit im eigenen Land ließen die Zahl der Asylsuchenden in Deutschland nach oben schnellen, da sich die Flüchtenden in der Bundesrepublik auf ein bis dahin weltweit einzigartiges, historisch bedingt großzügiges Asylrecht berufen konnten. Gleichzeitig nahm der Zuzug deutschstämmiger Spätaussiedler, für die die Bundesrepublik Deutschland seit ihrer Staatsgründung 1949 großzügige Zuwanderungsmöglichkeiten und den vollwertigen Status deutscher Staatsangehöriger (verfassungs)rechtlich verankert hatte, deutlich zu. Diese veränderte Situation veranlasste die Politik zu einigen tiefgreifenden zuwanderungsrechtlichen Korrekturen mit dem Ziel der Zuzugsbeschränkung sowohl von Asylsuchenden als auch von Spätaussiedlern. Das Asylrecht wurde drastisch verschärft, der deutsche Sonderweg damit – nicht zuletzt auch im Hinblick auf eine europäische Rechtsangleichung – aufgegeben. Stand es bis 1993 jedem Flüchtling frei, sich auf das grundgesetzlich garantierte Asylrecht zu berufen, so sind davon heute diejenigen Flüchtlinge grundsätzlich ausgenommen, die über einen sicheren Drittstaat nach Deutschland eingereist sind. Damit verfügt Deutschland über eine der dänischen Gesetzgebung sehr ähnliche Regelung, die ihre besondere Wirksamkeit überdies durch den Umstand erfährt, dass die Bundesrepublik per Definition ausschließlich von sicheren Drittstaaten umgeben ist. Der Zugang zum Asylrecht wurde also auf wirksame, wenngleich innenpolitisch sehr umstrittene Weise verengt. Mit einzelnen Staaten wurden zur Flankierung dieser Rechtsänderung bilaterale Abkommen über die Rückführung von Asylsuchenden geschlossen. Darüber hinaus hat die deutsche Politik in den 1990er Jahren zu Neuregelungen in Bezug auf die Einreise von Spätaussiedlern gefunden. Sie zu erwähnen erscheint ungeachtet der Fokussierung dieses Buches auf den Bereich der Ausländerzuwanderung und -integration notwendig, um illustrieren zu können, dass zu diesem Zeitpunkt sehr wohl bereits eine politische Bereitschaft vorhanden war, Instrumente der Steuerung und Kanalisierung in die nationale Zuwanderungspolitik einfließen zu lassen – und dies paradoxerweise ausgerechnet mit Blick auf die Einreise Deutschstämmiger.6 So wurde im Jahr 6
Vgl. dazu u. a. den Überblick in DeVoretz et al. (2002).
30
2. Die Einwanderungssituation in Deutschland und Dänemark
1992 erstmals eine Quotierung des Zuzugs von Spätaussiedlern vorgenommen und 1996 ein Auswahlverfahren anhand von Sprachprüfungen etabliert. Gleichzeitig sollte das „Wohnortezuweisungsgesetz“, das den Bezug von Sozialtransfers an den Verbleib der zugewanderten Spätaussiedler am zugewiesenen Wohnort knüpfte, Ghettoisierungstendenzen entgegenwirken und die gesellschaftliche Integration fördern. Der Zuzug von Spätaussiedlern ist seitdem merklich zurückgegangen.7 Die für einreisewillige Spätaussiedler heute geltenden Regelungen – angefangen bei der Antragstellung im Herkunftsland, über das gezielte Auswahlverfahren und die Vorgabe einer Höchsteinreisezahl, bis hin zu integrationsfördernden Maßnahmen nach der Zuwanderung ins Bundesgebiet – können mit Fug und Recht als ein de facto-Einwanderungsgesetz für eine spezielle Personengruppe betrachtet werden. Eine weitere deutsche Besonderheit betrifft die seit 1991 geltenden Regelungen zur Aufnahme jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion. Dieses Zuwanderungsangebot in einer Zeit ansonsten verstärkter Bemühungen um eine Drosselung der Zuwanderung folgt historischen Beweggründen und dient dem Erhalt der jüdischen Gemeinden in Deutschland.8 Der seit Ende 1973 geltende Anwerbestopp ließ eine Zuwanderung zum Zweck der Arbeitsaufnahme kaum mehr zu. Mit Blick auf erste eintretende Arbeitskräfteknappheiten, insbesondere in der Landwirtschaft, vor allem aber angesichts der Wiedervereinigung Deutschlands und des politisch-ökonomischen Wandels in den Staaten Mittel- und Osteuropas, begann die Politik jedoch seit dem Ende der 1980er Jahre mit schrittweisen „Lockerungsübungen“ und gestaltete eine Reihe von Ausnahmeregelungen vom ansonsten unverändert gültigen Anwerbestopp. Ein wesentliches Motiv war dabei nicht zuletzt die Förderung des Transformationsprozesses und die Anbahnung intensiverer Wirtschaftsbeziehungen mit diesen Ländern, zusehends aber auch ein erkannter Arbeitskräftebedarf des inländischen Arbeitsmarktes. Verschiedene bilaterale Verträge auf Grundlage der deutschen Anwerbestopp-Ausnahmeverordnung und Arbeitsaufenthalteverordnung regeln seitdem unter anderem die befristete Einreise so genannter „Werkvertragsarbeitnehmer“, „Gastarbeitnehmer“ und „Saisonarbeitnehmer“.9 Daneben existieren auf der gleichen 7
8
9
Vgl. Beauftragte für Migration (2003), S. 27ff. für einen knappen Überblick zu den rechtlichen Grundlagen der Spätaussiedler-Immigration. Vgl. Beauftragte für Migration (2003), S. 34ff. für nähere Einzelheiten zu dieser Sonderform der Zuwanderung. Vgl. Beauftragte für Migration (2003), S. 52ff. für weitere Details zur Regelung temporärer Arbeitsmigration.
2.2 Migrationspolitik in Deutschland: Warten auf das Zuwanderungs- und Integrationsgesetz 31
Rechtsgrundlage diverse Sonderregelungen, etwa für Au-Pair-Beschäftigte, Fachkräfte international agierender Konzerne, Wissenschaftler und Lehrkräfte, Dressmen, Künstler und Artisten, aber auch für Pflegepersonal. Seit dem Jahr 2000 ergänzt durch eine weitere Ausnahmeregelung für Fachkräfte der Informationstechnologie („Green Card“), hat die sukzessive immer weiter ausgebaute deutsche Anwerbestopp-Ausnahmeverordnung heute eine solche Vielzahl von Ausnahmen von der Regel zum Gegenstand, dass der andauernde Verzicht auf eine umfassende Neuregelung befremdlich wirkt. Mitarbeiter osteuropäischer und türkischer Firmen, die in Deutschland projektbezogen und in Kooperation mit deutschen Unternehmen tätig werden sollen, können im Rahmen bestimmter Kontingente eine Zulassung als Werkvertragsarbeitnehmer für die Dauer von zwei oder drei Jahren erhalten. Eine Wiedereinreise nach Ende dieser Vertragszeit ist erst nach mindestens ebenso langem Zwischenaufenthalt im Herkunftsland möglich. Damit soll Aufenthaltsverfestigungen vorgebeugt werden. Eine vorherige Arbeitsmarktprüfung findet nicht statt, allerdings darf der deutsche Werkvertragspartner gleichzeitig keine Entlassung vornehmen oder Kurzarbeit anordnen. Ebenso scheidet eine Genehmigung bei besonders hoher Arbeitslosigkeit vor Ort aus. Der Lohn muss dem deutschen Niveau entsprechen; da jedoch die Sozialversicherungsabgaben von den ausländischen Subunternehmern in den Partnerländern zu entrichten sind, resultieren daraus geringere Lohnkosten. Dennoch sind die vorgegebenen Jahreskontingente für Werkvertragsarbeitnehmer regelmäßig nicht ausgeschöpft worden. Als Gastarbeitnehmer können ausländische Staatsangehörige aus Vertragspartnerländern dann nach Deutschland einreisen und maximal 18 Monate zu gleichem Lohn und bei voller Sozialabgabenpflicht arbeiten, wenn sie nicht älter als 40 Jahre sind. Bei dieser Regelung, die insbesondere für die Bauund Metallindustrie Anwendung findet, steht die berufliche und sprachliche Qualifizierung im Mittelpunkt. Zu den Grundvoraussetzungen für die Zulassung zählen deshalb neben einer abgeschlossenen Berufsausbildung auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache. Eine Wiedereinreise nach Abschluss des Aufenthalts ist nicht möglich. Seit 1991 können darüber hinaus zur Überbrückung von Spitzenzeiten des Arbeitskräftebedarfs in der deutschen Landwirtschaft, der Obst- und Gemüseverarbeitung sowie im Hotel- und Gaststättengewerbe ausländische Saisonarbeitnehmer für die Dauer von maximal drei Monaten pro Jahr einge-
32
2. Die Einwanderungssituation in Deutschland und Dänemark
setzt werden. Hierzu finden jeweils bilaterale Absprachen zwischen der Bundesagentur für Arbeit und den Arbeitsverwaltungen der osteuropäischen Herkunftsländer statt, wobei wiederum umfassende Vorrangregelungen für inländische Arbeitskräfte gelten. Auch muss der deutsche Arbeitgeber die inländischen Lohn- und Arbeitsbedingungen einhalten und Sozialversicherungsabgaben entrichten. Seit 1999 ist eine Ausweitung dieser Form der temporären Beschäftigung von Zuwanderern nur noch für Kleinbetriebe und bei Neugründungen bzw. Betriebserweiterungen zulässig, nicht aber für Firmen, die bereits zuvor auf Saisonarbeitskräfte zurückgegriffen haben. Eine Rekrutierung namentlich bekannter Arbeitskräfte wird den Unternehmen über die Zentralstelle für Arbeitsvermittlung der Bundesagentur für Arbeit ermöglicht. Im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung dürfte eine generelle Überprüfung dieser Sonderregelungen zur befristeten Arbeitsmigration unvermeidlich werden. Eine „Green Card“ können seit dem Jahr 2000 im Rahmen einer Kontingentierung ausländische Datenverarbeitungsfachkräfte erhalten, sofern sie über ein abgeschlossenes Studium der entsprechenden Fachrichtungen verfügen, sich zu diesem Zweck bereits in Deutschland aufhalten oder ein Arbeitsplatzangebot in Deutschland vorweisen können, das ihnen ein Mindestbruttogehalt von 51.000 Euro zusichert. Die maximale Aufenthaltszeit in Deutschland beträgt fünf Jahre; bei vorzeitigem Verlust des Arbeitsplatzes erlischt das Aufenthaltsrecht, wobei unterschiedlich lange Übergangsfristen zur Suche einer neuen Beschäftigung eingeräumt werden können. Bewerber für die „Green Card“ durchlaufen ein stark verkürztes Prüfungsverfahren. Was zunächst wie ein Widerspruch zu den Bemühungen zur Eindämmung der Immigration und Flucht nach Deutschland anmutet, stellt in Wirklichkeit eine – jedenfalls vom Grundgedanken her – durchaus plausible Ergänzung zu den bestehenden Regelungen zur Dauereinreise von Immigranten im Sinne einer gezielteren Bedarfsdeckung dar. Die Bedeutung temporärer Arbeitsmigration wird in den modernen, mehr und mehr miteinander verflochtenen, arbeitsteilig organisierten und deshalb besondere Mobilität von Arbeitskräften erfordernden Gesellschaften sukzessive zunehmen. In dem Gesamtpaket der Regelungen zur temporären Arbeitsmigration muss der Versuch erkannt werden, ökonomischen Interessen – wenn auch noch unzureichend und mit erheblichem bürokratischen Ballast versehen – verstärkt Rechnung zu tragen. Das im Januar 2005 in Kraft tretende deutsche Zuwanderungsgesetz wird diesen Prozess möglicherweise beschleunigen.
2.2 Migrationspolitik in Deutschland: Warten auf das Zuwanderungs- und Integrationsgesetz 33
Analog zu den verschiedenen, im bisherigen sehr komplexen deutschen Recht vorgesehenen Aufenthaltstiteln, deren Vergabe sich entweder am Aufenthaltszweck orientiert oder bestimmte Bedingungen insbesondere hinsichtlich der Mindestaufenthaltszeit, aber auch des Spracherwerbs für die befristete bzw. unbefristete Erteilung zur Voraussetzung macht, verfährt Deutschland auch bei der Ausstellung von Arbeitserlaubnissen. Mit Ausnahme von EUBürgern, Inhabern einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis (nach fünfjährigem legalen Aufenthalt) oder Aufenthaltsberechtigung (nach achtjährigem Aufenthalt) und verschiedenen Sonderfällen, benötigen alle Zuwanderer und ihre Familienangehörigen eine Arbeitserlaubnis. Dies gilt seit Anfang 2001 (wie bereits von 1991-1997) auch wieder für Asylsuchende, die zuvor in den 1980er Jahren und ab Mitte 1997 einem generellen Arbeitsverbot unterlagen. Die Erteilung einer Arbeitserlaubnis unterliegt in Deutschland erheblichen Einschränkungen, die – jedenfalls in ihrer restriktiven Auslegung in der Praxis – über die vergleichbaren Bestimmungen Dänemarks hinausreichen. Sie kann unter anderem verweigert werden, wenn die Bundesagentur für Arbeit einen negativen Einfluss auf den Arbeitsmarkt oder die regionale Beschäftigungsstruktur befürchtet; insoweit kann bereits die Aufenthaltsgenehmigung mit dem Vermerk „Erwerbstätigkeit nicht gestattet“ versehen werden. Eine Arbeitserlaubnis setzt überdies voraus, dass keine Angehörigen der einheimischen und lange hier ansässigen ausländischen Wohnbevölkerung den freien Arbeitsplatz ausfüllen können – diese so genannte „Bevorrechtigungsprüfung“ muss in regelmäßigen Abständen wiederholt werden (und ist aus unternehmerischer Sicht ein wesentliches Beschäftigungshindernis). Ferner muss der Grundsatz gleicher Arbeitsbedingungen für Zuwanderer und „bevorrechtigte“ Arbeitnehmer gewahrt sein. Beschränkungen der Arbeitserlaubnis auf bestimmte Tätigkeiten und eine befristete Laufzeit sind möglich. Auch die Arbeitserlaubnis für nachgezogene Familienangehörige wird nur unter Voraussetzungen erteilt, die sich vor allem nach dem Aufenthaltsstatus des zuerst eingereisten Zuwanderers richten; sie kann ausgeschlossen, sofort oder erst nach einer Wartezeit von einem Jahr erteilt werden. Für Asylsuchende und andere geduldete Flüchtlinge wird – anders als im Falle von Kriegsund Bürgerkriegsflüchtlingen – eine Arbeitserlaubnis erst nach einjähriger Sperrfrist unter Auflagen erteilt. Der Erwerb einer generell unbefristeten und ohne Auflagen erteilten Arbeitsberechtigung kommt dann in Frage, wenn bereits ein mindestens sechsjähriger legaler Aufenthalt im Bundesgebiet oder eine mindestens fünfjährige sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Deutschland vorliegt.
34
2. Die Einwanderungssituation in Deutschland und Dänemark
Mit seinem noch im Reichs- und Staatsangehörigkeitsrecht von 1913 wurzelnden Einbürgerungsbestimmungen zählte Deutschland über lange Jahre zu denjenigen Staaten in der Europäischen Union mit der zurückhaltendsten Einbürgerungspolitik. Bis 1999 konnte die deutsche Staatsangehörigkeit durch Geburt erworben werden (sofern ein Elternteil Deutsche/r ist), durch Legitimierung (bei unehelichen Kindern) oder durch Heirat mit einem Deutschen. Das Ausländergesetz sah einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung nach 15 Jahren Aufenthalt in Deutschland dann vor, wenn keine Straffälligkeit vorlag und der Lebensunterhalt eigenständig gesichert werden konnte. Ausländische Jugendliche hatten einen Anspruch auf Einbürgerung, wenn sie mindestens 8 Jahre in Deutschland gelebt hatten, wobei sie 6 Jahre lang eine deutsche Schule besucht haben mussten. Deutsche Sprachkenntnisse waren bis Ende 1999 keine Voraussetzung für die Einlösung eines Rechtsanspruches auf Einbürgerung, wohl aber spielten sie eine Rolle bei dem bereits nach 10 Jahren legalem Aufenthalt eingeräumten Weg der Einbürgerung durch behördliches Ermessen. Das im Jahr 2000 in Kraft getretene Staatsangehörigkeitsgesetz vollzog eine grundlegende Neudefinition der deutschen Staatsbürgerschaft: Zusätzlich zum Abstammungsprinzip (ius sanguinis) wurde das Geburtsortsprinzip (ius soli) eingeführt. Dadurch qualifizieren sich Kinder ausländischer Eltern automatisch für die deutsche Staatsangehörigkeit, sofern ein Elternteil in Deutschland geboren wurde oder seit wenigstens 8 Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. Die Staatsangehörigkeit der Eltern darf zunächst beibehalten werden, doch müssen sich die auf diesem Wege Eingebürgerten vor ihrem 23. Geburtstag für eine der beiden Nationalitäten entscheiden. Eine permanente doppelte Staatsangehörigkeit ist also ausgeschlossen, ansonsten ähneln die Regelungen den entsprechenden dänischen Bestimmungen. Einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung räumt das Ausländergesetz seit dem Jahr 2000 bereits nach achtjährigem Aufenthalt im Bundesgebiet ein (und damit seit 2002 ein Jahr früher als in Dänemark). Zugleich wurde allerdings neben dem Kriterium der „Verfassungstreue“ als neue Voraussetzung der Nachweis „ausreichender“ Kenntnisse der deutschen Sprache geschaffen. Mit diesem neuen Staatsangehörigkeits- und Einbürgerungsrecht hat Deutschland einen zur dänischen, seit 2002 verschärften Rechtsentwicklung gegenläufigen Weg beschritten und einen ersten, maßgeblichen Schritt in Richtung einer veränderten Integrations- und Migrationspolitik getan. Dies manifestiert sich neben der – allerdings zögerlichen – Erweiterung der Kompetenzen des Amtes der „Beauftragten der Bundesregierung für Migra-
2.3 Entwicklung der Zuwanderung nach Deutschland und Dänemark
35
tion, Flüchtlinge und Integration“10 vor allem in der Einsetzung der „Unabhängigen Kommission ‚Zuwanderung’ der Bundesregierung“ im Jahr 2000, die anders als der ständige dänische „Think Tank on Integration“ auch konkrete Vorschläge zur Modifizierung der Zuwanderungspolitik erarbeiten sollte und ihre umfangreichen Empfehlungen zu Migration und Integration im Juli 2001 vorgelegt hat.11 Indem sie diese Vorschläge zu weiten Teilen aufgriff, legte die Bundesregierung Ende 2001 den Entwurf eines Zuwanderungs- und Integrationsgesetzes vor, das wichtige Regelungen unter ökonomischen Vorzeichen vorsah, wie etwa die Auswahl von Immigranten im Rahmen eines Punktesystems, verbunden mit einer Quotenregelung zur Begrenzung des Zuzugs. Zwar wurde dieses Gesetz von Bundestag und Bundesrat im Frühjahr 2002 mit der notwendigen Mehrheit verabschiedet, doch das Bundesverfassungsgericht erklärte es im Dezember 2002 aufgrund eines Verfahrensfehlers bei der Abstimmung im Bundesrat für ungültig. Erst 2004 wurde – nach intensiver politischer Kompromisssuche zu Lasten freilich der ökonomischen Bestandteile des Gesetzes – ein deutlich verändertes Zuwanderungsgesetz erneut verabschiedet, das diesen Aufbruch zu neuen migrations- und integrationspolitischen Ufern unterstreicht und Deutschland in eine Vorreiterrolle innerhalb der Europäischen Union bringen könnte.
2.3
Entwicklung der Zuwanderung nach Deutschland und Dänemark
Über den Zeitverlauf der Zuwanderung nach Dänemark und Deutschland zeigen sich deutliche Parallelen (vgl. Abbildung 2.1-2.2), die es gestatten, die Entwicklung für beide Länder in vier grobe Phasen einzuteilen: (1) Kriegsbedingte Wanderungsbewegungen, ca. 1945-1961, (2) GastarbeiterImmigration, ca. 1961-1973, (3) Konsolidierung nach dem Anwerbestopp, ca. 1973-1988, (4) Migrationsfolgen des politisch-sozialen Umbruchs in Mittelund Osteuropa, ca. 1989-heute. Hinzu treten darüber hinaus vor allem in der jüngeren Zeit (5) Sonderformen temporärer Arbeitsmigration, ca. 1989-heute. Die folgende Darstellung orientiert sich an dieser zeitlichen Einteilung. 10
11
Zu den Aufgaben und Zielen der Beauftragten für Migration, Flüchtlinge und Integration vgl. www.integrationsbeauftragte.de. Vgl. Unabhängige Kommission Zuwanderung (2001).
36
2. Die Einwanderungssituation in Deutschland und Dänemark
Abbildung 2.1 Brutto- und Nettomigration in Deutschland und Dänemark, 1955-2003 80.000
1.400.000
Brutto- und Nettomigration
1.200.000
Dänemark
Deutschland
1.600.000
70.000 60.000
1.000.000
50.000
800.000
40.000
600.000
30.000
400.000
20.000
200.000
10.000
0
0
Bruttomigration D
Nettomigration D
Bruttomigration DK
2003
2001
1999
1997
1995
1993
1991
1989
1987
1985
1983
1981
1979
1977
1975
1973
1971
1969
1967
1965
1963
1961
-20.000 1959
-400.000 1957
-10.000
1955
-200.000
Nettomigration DK
Quelle: Danmarks Statistik.
Abbildung 2.2 Zu- und Fortzüge und Nettomigration pro 1000 Einwohner in Deutschland und Dänemark, 1955-2003
20
15
10
5
0
-5
-10
Zuzüge D
Quelle: Danmarks Statistik.
Fortzüge D
Saldo D
Zuzüge DK
Fortzüge DK
Saldo DK
2003
2001
1999
1997
1995
1993
1991
1989
1987
1985
1983
1981
1979
1977
1975
1973
1971
1969
1967
1965
1963
1961
1959
1957
-15 1955
Zu- und Fortzüge und Nettomigration pro 1000 Einwohner
25
2.3 Entwicklung der Zuwanderung nach Deutschland und Dänemark
(1)
37
Kriegsbedingte Wanderungsbewegungen, ca. 1945-1961
In der ersten Phase der Migrationsgeschichte beider Länder nach 1945 wanderten bis in die Mitte der 1950er Jahre rund 11,5 Millionen Deutsche aus den ehemals vom Dritten Reich okkupierten Ländern gen Westen, davon allein etwa 8 Millionen nach Deutschland.12 Bis zum Mauerbau 1961 kamen weitere rund 2,6 Millionen Zuwanderer aus Ostdeutschland hinzu. Demgegenüber spielte die Zuwanderung von Ausländern noch eine untergeordnete Rolle; sie setzte erst gegen Ende der 1950er Jahre als Folge der ersten Anwerbeverträge ein. Dennoch erzielte Deutschland auch hier bereits frühzeitig einen positiven Wanderungssaldo aus Zu- und Fortzügen, wohingegen Dänemark – ebenfalls vor allem als Folge des Zweiten Weltkriegs und der nun wieder abfließenden Emigrantenströme – im gleichen Zeitraum fast ausnahmslos einen Auswanderungsüberschuss verzeichnete (vgl. Abbildungen 2.3-2.4). Die meisten Immigranten stammten bis Mitte der 1960er Jahre aus Norwegen, Schweden, Finnland, Deutschland und den USA, aus den Ländern also, in die sich gleichzeitig stärkere Auswanderungsbewegungen von nach Dänemark emigrierten Ausländern vollzogen. (2)
Gastarbeiter Immigration, ca. 1961-1973
Wie andere europäische Staaten – etwa Frankreich – sahen sich Deutschland und Dänemark in der Folge mit einer wachsenden Knappheit insbesondere gering qualifizierter Arbeitskräfte konfrontiert, ein Umstand, der zum Hemmschuh der weiteren ökonomischen Entwicklung zu werden drohte. Getrieben durch die Dynamik des wirtschaftlichen Wiederaufbaus, trat Deutschland deshalb bereits ab Mitte der 1950er Jahre in die zweite migrationsgeschichtliche Phase der Gastarbeiteranwerbung mit dem ersten deutschitalienischen Anwerbevertrag ein und unternahm im weiteren Verlauf umfangreiche Anstrengungen zur gezielten Auswahl und Anwerbung von Arbeitskräften. In Dänemark prägte dagegen vor allem die Eigeninitiative der Migranten auf Grundlage des vergleichsweise großzügigen dänischen Arbeitserlaubnisrechts in dieser Zeit den Zuzug – dies sicher auch angesichts einer vergleichsweise langsameren Wirtschaftsentwicklung. Die eigentliche aktive Anwerbephase läutete Dänemark erst rund ein Jahrzehnt später als Deutschland ein, und auch dann mit deutlich geringerer Intensität, so dass weiterhin die Zuwanderung von Arbeitskräften jenseits staatlicher Steuerung dominierend blieb. In beiden Ländern brachten die „Gastarbeiter“ überwie12
Vgl. Schmidt/Zimmermann (1992) für eine detaillierte Darstellung.
2. Die Einwanderungssituation in Deutschland und Dänemark
38
Abbildung 2.3 Wanderungen von Deutschen/Spätaussiedlern über die Grenzen Deutschlands, 1955-2003 450.000 Überschuss der Zuzüge 400.000 Überschuss der Fortzüge 350.000
Wanderungen
300.000
250.000
Zuzüge
200.000
150.000
100.000
Fortzüge
50.000
1999
2001
2003
2001
2003
1997
1999
1995
1993
1991
1989
1987
1985
1983
1981
1979
1977
1975
1973
1971
1969
1967
1965
1963
1961
1959
1957
1955
0
Quelle: Statistisches Bundesamt.
Abbildung 2.4 Wanderungen von ausländischen Staatsangehörigen über die Grenzen Deutschlands, 1955-2003 1.300.000 Überschuss der Zuzüge
1.200.000
Überschuss der Fortzüge 1.100.000
Zuzüge 1.000.000 900.000
Wanderungen
800.000 700.000 600.000 500.000
Fortzüge
400.000 300.000 200.000 100.000
Quelle: Statistisches Bundesamt.
1997
1995
1993
1991
1989
1987
1985
1983
1981
1979
1977
1975
1973
1971
1969
1967
1965
1963
1961
1959
1957
1955
0
2.3 Entwicklung der Zuwanderung nach Deutschland und Dänemark
39
gend nur eine geringe Qualifikation mit und übernahmen entsprechend einfache Tätigkeiten in der Verarbeitenden Industrie. Die Etappe der Gastarbeiterzuwanderung schlossen Dänemark und Deutschland zeitgleich im Jahr der ersten Ölkrise Ende 1973 mit politischen Kurswechseln und einem umfassenden Zuwanderungsverbot für Arbeitsmigranten ab. Deutschland nahm bis dahin (1955-1973) insgesamt etwa 3,5 Millionen Zuwanderer, Dänemark im gleichen Zeitraum rund 555.000 Immigranten auf. Nach einer vorübergehenden, rezessionsbedingten Rückwanderungswelle, die beide Staaten in den Jahren 1967 bzw. 1968 betraf, erreichte der Zuzug nach Deutschland auf Grundlage der mit insgesamt acht Staaten getroffenen Anwerbevereinbarungen seinen Höhepunkt 1970 mit einem Wanderungssaldo von rund 550.000 Nettozuzügen. Die zeitgleich für Dänemark anfallende Größenordnung von etwa 12.000 Zuwanderern nimmt sich dagegen bescheiden aus, selbst wenn der Umfang der Zuwanderung auf die Bevölkerungsgröße bezogen wird (vgl. Abbildung 2.2). Als Ergebnis dieser ersten wichtigen Phase der Nachkriegs-Migrationsgeschichte Deutschlands und Dänemarks lässt sich festhalten, dass die Mehrzahl der Arbeitsmigranten und ihrer Angehörigen in Deutschland im Jahr 1973 aus den europäischen Anwerbestaaten Italien, Griechenland, Portugal und Spanien mit insgesamt rund 1,5 Millionen Personen stammte. Zwar verzeichnete die Zuwanderung aus der Türkei bis dahin die deutlichsten Zuwachsraten – seit Beginn der 1970er Jahre stellen türkische Staatsangehörige die größte ethnische Minderheit in Deutschland, ihre Zahl unterschritt 1973 letztmals die Zahl von einer Million Personen –, doch erst 1979 überflügelte die Zahl der Zuwanderer aus der Türkei die Gesamtzahl der Immigranten aus diesen Ländern. Demgegenüber lösten in Dänemark in dieser zweiten migrationsgeschichtlichen Phase nach 1945 Zuwanderer aus nicht-westlichen Staaten wie der Türkei, Jugoslawien und Pakistan (darunter in geringer Zahl übrigens auch solche, die ursprünglich als Arbeitsmigranten nach Deutschland eingereist waren13) die bislang zahlenmäßig überwiegenden Staatsangehörigen nordischer Staaten als stärkste Gruppen ab (vgl. Abbildungen 2.5-2.6). 13
Vgl. Matthiessen (2000).
40
2. Die Einwanderungssituation in Deutschland und Dänemark
Abbildung 2.5 Wanderungen von skandinavischen Staatsangehörigen über die Grenzen Dänemarks, 1955-2003 18.000 16.000 Überschuss der Zuzüge
14.000
Überschuss der Fortzüge
Wanderungen
12.000 10.000
Zuzüge
8.000 6.000
Fortzüge
4.000 2.000
2003
2001
1999
1997
1995
1993
1991
1989
1987
1985
1983
1981
1979
1977
1975
1973
1971
1969
1967
1965
1963
1961
1959
1957
1955
0
Anmerkungen: Keine Daten für die Jahre 1969-1970 verfügbar. Quelle: Danmarks Statistik.
Abbildung 2.6 Wanderungen von nicht-skandinavischen Staatsangehörigen über die Grenzen Dänemarks, 1955-2003 60.000 55.000 Überschuss der Zuzüge
50.000
Überschuss der Fortzüge
Zuzüge
45.000
Wanderungen
40.000 35.000 30.000 25.000
Fortzüge
20.000 15.000 10.000 5.000
Anmerkungen: Keine Daten für die Jahre 1969-1970 verfügbar. Quelle: Danmarks Statistik.
2003
2001
1999
1997
1995
1993
1991
1989
1987
1985
1983
1981
1979
1977
1975
1973
1971
1969
1967
1965
1963
1961
1959
1957
1955
0
2.3 Entwicklung der Zuwanderung nach Deutschland und Dänemark
(3)
41
Konsolidierung nach dem Anwerbestopp, ca. 1974-1988
In der sich anschließenden Phase der Konsolidierung und Beschränkung der Immigration im Zeichen des Anwerbestopps kam die Arbeitsmigration von Nicht-EG/EU-Zuwanderern in Deutschland und Dänemark, wie in anderen westeuropäischen Staaten auch, bis zum Ende der 1980er Jahre nahezu vollständig zum Stillstand. Dies führte zu einem merklichen Rückgang der Nettomigration, zugleich aber auch zu einer anderen Zusammensetzung der Migrationsströme. Waren im Zeitraum 1958-1973 etwa 3,7 Millionen Zuwanderer netto nach Deutschland eingereist, so ging diese Zahl in den nächsten 15 Jahren bis 1988 auf rund 860.000 zurück. In Dänemark betrug die Nettozuwanderung zwischen 1958 und 1973 rund 51.000 Personen; sie verringerte sich von 1974 bis 1988 auf insgesamt nur noch 36.000 Zuwanderer. Es ist freilich müßig darüber zu spekulieren, ob auch ohne die Maßnahmen zur Einschränkung der Zuwanderung, allein aufgrund der sich zum Negativen verändernden ökonomischen Rahmenbedingungen, ein Rückgang der Immigration in ähnlichem Umfang eingetreten wäre, es dieses Eingriffs also womöglich gar nicht bedurft hätte. Ebenso müßig erscheint das Rätseln darüber, ob in diesem Fall die Verfestigung des Aufenthalts der Gastarbeitergeneration vielleicht nicht in dem Ausmaß erfolgt wäre, wie es tatsächlich zu beobachten war. In Deutschland wie in Dänemark prägte jedenfalls in der Zeit nach 1973 der Familiennachzug das Zuwanderungsgeschehen. Aus der Befürchtung, im Falle einer als vorübergehend gedachten Rückkehr ins Herkunftsland angesichts der veränderten Rechtslage nicht mehr als Gastarbeiter nach Deutschland oder Dänemark zurückkehren zu dürfen, stellten viele Arbeitsmigranten ihre Rückkehrabsichten hintan und bewegten stattdessen ihre Familienangehörigen dazu, ebenfalls zu immigrieren. Der Anteil der Arbeitsmigranten an der Gesamtzahl der Zuwanderer in beiden Staaten nahm infolgedessen kontinuierlich ab. Deutlich höhere Fruchtbarkeitsraten der zugewanderten Bevölkerung trugen ein Übriges dazu bei, die Zahl der Ausländer in Deutschland wie in Dänemark alsbald erneut ansteigen zu lassen. Die staatlichen Initiativen der 1980er Jahre zur Förderung der Rückkehrmigration blieben deshalb von eher geringer Wirkung. Sie sorgten jedoch dafür, dass ernsthafte Integrationsangebote seitens der aufnehmenden Gesellschaft nicht unterbreitet wurden. Die Integrationspolitik Deutschlands blieb in dieser Zeit Stückwerk. Ungeachtet seiner großen quantitativen und integrationspolitischen Bedeutung kann der tatsächliche Umfang des Familiennachzugs zu Zuwanderern nach Deutschland und Dänemark in diesem Zeitraum in Ermangelung aus-
42
2. Die Einwanderungssituation in Deutschland und Dänemark
Abbildung 2.7 Aufenthaltsdauer der ausländischen Bevölkerung in Deutschland (Größe und Zusammensetzung der Gruppen mit unterschiedlicher Verweildauer), 2002 700
Anzahl der Personen (in 1.000)
600
500
400
300
200
100
0 Jahre: 30
EU-Staaten
Anmerkungen: Angaben für den Stichtag 31.Dezember 2002. Quelle: Statistisches Bundesamt.
Abbildung 2.8 Aufenthaltsdauer verschiedener Nationalitäten in Deutschland, 2002 100%
2,4%
5,3%
0,8%
6,7%
16,0%
90%
19,1%
7,3%
9,2%
Anteile der Gruppen mit unterschiedlicher Aufenthaltsdauer (in %)
31,5%
80% 12,6%
70%
40,3%
29,4%
54,3%
41,7%
60%
19,8% 28,4%
50% 26,3%
40%
20,7%
26,6% 23,7%
30% 26,1%
20%
21,3% 16,0%
19,8% 23,9%
10%
20,1%
16,3%
13,8%
12,0%
8,4%
0% Türkei Jahre:
30
2.3 Entwicklung der Zuwanderung nach Deutschland und Dänemark
43
Abbildung 2.9 Aufenthaltsdauer der ausländischen Bevölkerung in Dänemark (Größe und Zusammensetzung der Gruppen mit unterschiedlicher Verweildauer), 2002 16.000
14.000
Anzahl der Personen
12.000
10.000
8.000
6.000
4.000
2.000
0 30
Anmerkungen: Angaben für den Stichtag am 1. Januar 2002. Quelle: Berechnungen der Rockwool Foundation Research Unit auf Basis von Danmarks Statistik.
Abbildung 2.10 Aufenthaltsdauer verschiedener Nationalitäten in Dänemark, 2002 100% 0,0%
0,1%
Anteile der Gruppen mit unterschiedlicher Aufenthaltsdauer (in %)
4,6%
0,1%
0,1%
0,0%
2,7%
0,4%
0,4%
2,9%
9,8%
90%
17,4%
25,1% 38,0%
80%
42,1%
47,9%
70%
22,6%
60% 38,2%
50%
72,6% 31,3%
24,5% 31,3%
40% 25,7%
30% 20,3%
20% 32,6%
30,2%
26,1%
23,5%
10%
16,3%
12,9%
0% Türkei
Jahre:
30
44
2. Die Einwanderungssituation in Deutschland und Dänemark
sagekräftiger Daten amtlicher Stellen nur grob geschätzt werden.14 Mit einiger Wahrscheinlichkeit dürfte mehr als die Hälfte des Zuzugs von Immigranten in die Bundesrepublik in den Jahren nach 1974 und bis Mitte der 1980er Jahre auf die Einreise von Familienangehörigen zurückzuführen sein15, bevor der Familiennachzug dann in Relation zum starken Flüchtlingsaufkommen wieder an Bedeutung verlor.16 Eine vergleichbare Aussage lässt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit für Dänemark treffen. Als bis heute effektive Folge dieser Entwicklung haben sich die Aufenthaltszeiten der Zuwanderer in beiden Ländern seitdem verlängert (vgl. Abbildungen 2.7-2.10). Während allerdings in Dänemark der Anteil der Migranten mit besonders langen Aufenthaltszeiten dennoch bislang vergleichsweise gering ist, weist eine große Zahl der Immigranten in Deutschland heute Aufenthaltszeiten von über 20 Jahren auf; besonders auffällig ist die lange Aufenthaltsdauer von EU-Bürgern, die wesentlich auf die ursprüngliche Gastarbeitermigration und die Auswirkungen des Anwerbestopps zurückgeht. Der Anteil der „Zuwanderer“, die bereits drei Lebensjahrzehnte in der Bundesrepublik verbracht haben, wächst beständig. (4)
Migrationsfolgen des Umbruchs in Mittel- und Osteuropa, ca. 1989 - heute
Der Fall des „Eisernen Vorhangs“ in Osteuropa und seine politischen wie ökonomisch-sozialen Folgen haben das Migrationsgeschehen auf dem gesamten europäischen Kontinent rasch und tiefgreifend verändert. Nahezu alle westeuropäischen Staaten verzeichneten in den Jahren nach 1989 einen starken Anstieg sowohl der Zahl der Asylsuchenden als auch der Immigranten. Insbesondere war es aber Deutschland, das förmlich zum „Magneten“ der neuen Ost-West-Migration und intensivierter europäischer wie weltweiter Flüchtlingsströme im Zeichen von politischer Repression, Krieg und Bürgerkrieg wurde. Gemessen an der Zahl der gestellten Asylanträge in Relation zur Bevölkerungszahl rangieren Deutschland und Dänemark allerdings in etwa gleichauf im europäischen Mittelfeld (vgl. Abbildungen 2.11-2.13). 14
15 16
Bis heute führen weder die Statistischen Ämter noch andere deutsche Behörden hierüber eigene, umfassende Statistiken. Die Zu- und Fortzugsstatistik differenziert nicht nach der Migrationsart – ein denkbar unbefriedigender und dabei verhältnismäßig leicht zu verbessernder Zustand. Lediglich die Visa-Statistik des Auswärtigen Amtes erlaubt seit 1996 eine Abschätzung des Umfangs des Familiennachzugs. Auch für Dänemark liegt eine entsprechende Statistik nur für die Zeit nach 1988 vor. Vgl. Unabhängige Kommission Zuwanderung (2001), S. 188. Der Familiennachzug zu EU-Bürgern hat dagegen angesichts des Zusammenwachsens Europas fraglos an Bedeutung zugenommen, wird aber erst recht nicht gesondert erfasst.
2.3 Entwicklung der Zuwanderung nach Deutschland und Dänemark
45
Abbildung 2.11 Zahl der Asylanträge im internationalen Vergleich, 1990-2003 500.000 450.000
Zahl der Asylanträge im internationalen Vergleich (1990-2003)
400.000 350.000 300.000 250.000 200.000 150.000 100.000 50.000 0 1990
1991
1992
1993
D
1994
1995
DK
F
1996
1997
GB
1998 NL
1999
2000 S
2001
2002
2003
USA
Quelle: Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, UNHCR.
Abbildung 2.12 Anteile der EU15-Länder an Gesamtzahl der Asylanträge zwischen 1990 und 2003
E DK 2,1% 2,2%
IRL 1,1%
GR 0,9%
FIN 0,6%
L 0,2% P 0,1%
I 2,3%
D
2,16 Mio.
GB 0,85 Mio.
A 4,7%
F
0,48 Mio.
NL 0,43 Mio.
B 5,3% D 40,7% S 6,6%
S
0,34 Mio.
B
0,28 Mio.
A
0,24 Mio.
I
0,12 Mio.
DK 0,11 Mio. NL 8,1%
E
0,11 Mio.
IRL 0,05 Mio. GR 0,04 Mio. FIN 0,02 Mio.
F 9,1% GB 16,0%
Quelle: Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, UNHCR.
L
0,01 Mio.
P
0,01 Mio.
46
2. Die Einwanderungssituation in Deutschland und Dänemark
Das hohe Ausmaß der Zuwanderung nach Deutschland erreichte seinen historischen Höchstpunkt im Jahr 1992 mit einer Bruttozuwanderung von rund 1,5 Millionen Menschen, darunter 1,2 Millionen Ausländer (davon etwa 450.000 Flüchtlinge) und etwa 230.000 Spätaussiedler. Damit absorbierte Deutschland in dieser Zeit rund 60 Prozent des Zuwanderer- und Flüchtlingsaufkommens in den damaligen EU-Staaten und verzeichnete zu dieser Zeit einen größeren Umfang der Gesamtimmigration als die klassischen Einwanderungsländer USA, Kanada und Australien zusammen. Der starke Zuzug hat die Gesamtzahl der in Deutschland lebenden Ausländer von rund 4,8 Millionen im Jahr 1989 auf 7,3 Millionen Menschen im Jahr 1996, also um über 50 Prozent, steigen lassen; seitdem stagniert sie auf diesem Niveau (vgl. Abbildungen 2.14-2.15). Die Entwicklung der Gesamtzahl aller Zu- und Fortzüge nach Deutschland ergibt folgendes Bild: Zwischen 1991 und 2002 zogen annähernd 12,2 Millionen Menschen ausländischer Herkunft und Spätaussiedler nach Deutschland. Gleichzeitig verließen fast 8,4 Millionen Personen Deutschland. Daraus ergibt sich für dieses Jahrzehnt ein Wanderungssaldo von rund 3,8 Millionen Menschen – dies entspricht rund 4,6 Prozent der Gesamtbevölkerung Deutschlands. Legt man die Bevölkerungsgröße Deutschlands zu Beginn der jeweiligen Migrationsphase zugrunde, so erfolgten in den Jahren 1961-1973 im Durchschnitt jedes Jahr Bruttozuwanderungen in Höhe von gut 1,3 Prozent des anfänglichen Bestandes an Einwohnern. Im Zeitraum 1974-1988 sank diese Relation auf unter 0,9 Prozent, stieg allerdings in den Jahren 1989-2003 auf mehr als 1,6 Prozent an. Insgesamt ergibt sich hierdurch für Deutschland über diese drei Jahrzehnte eine durchschnittliche zuwanderungsbedingte Bevölkerungswachstumsrate, die mit knapp 1,4 Prozent sogar über dem Niveau der USA für den Zeitraum 1900-1950 liegt, in dem diese eine besondere Zuwanderungsintensität mit einem immigrationsbedingten Bevölkerungswachstum von 1,2 Prozent (ausgehend vom Basisjahr 1900) erlebten. Unter Berücksichtigung nur der Nettozuwanderung ergeben sich freilich ungleich niedrige Bevölkerungswachstumsraten für Deutschland (vgl. Abbildungen 2.17-2.18). Politisch-rechtliche Veränderungen führten in der Folgezeit zu einer merklich reduzierten Gesamtzuwanderung nach Deutschland. Gemessen am historischen Höhepunkt von 1992, hat sich die Bruttozuwanderung ein Jahrzehnt später mit nurmehr rund 850.000 Personen fast halbiert, die Nettozuwanderung von Ausländern und Flüchtlingen ist angesichts eines weitgehend konstanten Aufkommens der Fortzüge aus Deutschland um über zwei Drittel von etwa 600.000 im Jahr 1992 auf gut 150.000 in 2002 zurückgegangen. In den Jahren 1997 und
47
2.3 Entwicklung der Zuwanderung nach Deutschland und Dänemark
Abbildung 2.13
Zahl der Asylanträge (1990-2003 kumuliert, pro 1.000 Einwohner)
Zahl der Asylanträge pro 1.000 Einwohner im internationalen Vergleich 60
50
40
30
20
10
0 CH
S
A
B
NL
D
DK
L
IRL
GB
F
AUS
FIN
USA
GR
E
I
P
EU15 (ohne Italien)
Quelle: Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, UNHCR.
Abbildung 2.14 Gesamtzahl der Aussiedler und Ausländer in Deutschland, 1951-2003
Gesamtzahl der Aussiedler und Ausländer
14.000.000
12.000.000
10.000.000
8.000.000
6.000.000
4.000.000
2.000.000
Ausländer kumuliert
Quelle: Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge.
Aussiedler kumuliert
2003
2001
1999
1997
1995
1993
1991
1989
1987
1985
1983
1981
1979
1977
1975
1973
1971
1969
1967
1965
1963
1961
1959
1957
1955
1953
1951
0
48
2. Die Einwanderungssituation in Deutschland und Dänemark
Abbildung 2.15 Zuzug von Spätaussiedlern nach Deutschland, 1950-2003 450.000
Zuzug von Spätaussiedlern nach Deutschland
400.000
350.000
300.000
250.000
200.000
150.000
100.000
50.000
2000
2002 2002
1998
2000
1996
1994
1992
1990
1988
1986
1984
1982
1980
1978
1976
1974
1972
1970
1968
1966
1964
1962
1960
1958
1956
1954
1952
1950
0
Quelle: Bundesministerium des Inneren.
Abbildung 2.16 Zuzug von skandinavischen Staatsangehörigen nach Dänemark, 1950-2003 20.000
Anzahl skandinavischer Staatsangehöriger
18.000 16.000 14.000 12.000 10.000 8.000 6.000 4.000 2.000
Quelle: Danmarks Statistik.
1998
1996
1994
1992
1990
1988
1986
1984
1982
1980
1978
1976
1974
1972
1970
1968
1966
1964
1962
1960
1958
1956
1954
1952
1950
0
2.3 Entwicklung der Zuwanderung nach Deutschland und Dänemark
49
1998 verzeichnete die Bundesrepublik gar erstmals einen leicht negativen Wanderungssaldo – es zogen 20.000 bzw. über 30.000 Ausländer mehr aus Deutschland weg, als zusätzlich einwanderten. Das Verhältnis von Einwanderungen zur Bevölkerung zu Beginn eines Jahres bewegt sich seit 1997 um die Marke von 1,2 Prozent, liegt damit aber nach wie vor auf hohem Niveau (vgl. Abbildungen 2.1, 2.4 und 2.17). Die oben bereits im Zusammenhang der Darstellung der migrationsrechtlichen Entwicklung genannten deutschen Besonderheiten gilt es an dieser Stelle erneut zu erwähnen, auch wenn sie im weiteren Verlauf des Buches außer Betracht bleiben sollen: das gesonderte Zuwanderungsangebot an jüdische Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion und insbesondere das hohe Ausmaß der Zuwanderung von deutschstämmigen Spätaussiedlern in die Bundesrepublik. Bis 2002 sind rund 175.000 jüdische Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland eingereist; seit 1995 bewegt sich der jährliche Zuzug zwischen 15.000 und 20.000 Personen. Die Zahl der Spätaussiedler in Deutschland hat im Jahr 2000 erstmals die Marke von 4 Millionen hinter sich gelassen und erreichte 2003 ein Niveau von annähernd 4,4 Millionen Personen. Zwar handelt es sich bei dieser Zuwanderungsgruppe von Rechts wegen um deutsche Staatsbürger, die aber nichtsdestoweniger in der Mehrzahl der Fälle vergleichbare Integrationsprobleme wie ausländische Zuwanderer mitbringen. Insoweit lässt sich die tatsächliche Zahl der Zuwanderer nach Deutschland, für die die aufnehmende Gesellschaft Integrationsleistungen bereitstellen muss, durchaus auf nahezu 12 Millionen Menschen addieren (vgl. Abbildung 2.14). Vor 1989 reisten durchschnittlich nicht mehr als 50.000 Aussiedler pro Jahr in die Bundesrepublik ein (vgl. Abbildung 2.15). Nach der Aufhebung von Freizügigkeitsbeschränkungen für deutschstämmige Minderheiten in Osteuropa und dem Einsetzen des wirtschaftlich-politischen Reformprozesses stieg diese Zahl jedoch bis 1990 schlagartig auf fast 400.000 Personen an. Bis Mitte der 1990er Jahre pendelte sich die Zahl bei rund 200.000 Spätaussiedlern pro Jahr ein. Seither ist der Zustrom stark gesunken und bestand in den letzten Jahren nur noch aus etwa 70.000-100.000 Personen jährlich. Dieser starke Rückgang ist auf ein mehrfach verschärftes Anerkennungsverfahren und vergleichsweise strenge Sprachprüfungen, eine seit 1993 geltende Kontingentierung (auf zunächst ca. 200.000, seit 1999 nurmehr 100.000 Personen), aber auch auf ein langsam versiegendes „Reservoir“ potenziell anerkennungsfähiger Spätaussiedler in den Staaten Mittel- und Osteuropas zurückzuführen. Auch in Dänemark führte diese vierte Phase der Nachkriegs-Migrationsgeschichte zu deutlichen Veränderungen (vgl. Abbildungen 2.1-2.4, 2.16).
2. Die Einwanderungssituation in Deutschland und Dänemark
50
Abbildung 2.17 Zuwanderungsbedingte Bevölkerungswachstumsrate (brutto) für Deutschland und Dänemark, 1955-2003 2,50%
Bevölkerungswachstumsrate (brutto)
2,25% 2,00% 1,75% 1,50% 1,25% 1,00% 0,75% 0,50% 0,25% (1)
(3)
(2)
(4)
D
DK
ØD
2003
2001
1999
1997
1995
1993
1991
1989
1987
1985
1983
1981
1979
1977
1975
1973
1971
1969
1967
1965
1963
1961
1959
1957
1955
0,00%
Ø DK
Anmerkungen: Zahlen für Deutschland berücksichtigen nur altes Bundesgebiet. ØD/DK: durchschnittliche zuwanderungsbedingte Bevölkerungswachstumsrate, Zuzüge in Relation zur Gesamtbevölkerung zu Beginn des jeweiligen Zeitraums; (1),(2),(3),(4) = Phasen der Migrationsentwicklung. Quelle: Danmarks Statistik, Eurostat.
Der Anstieg der Zuwanderungszahlen geht hier ebenfalls vor allem auf den merklichen Zuwachs der Flüchtlingszahlen zurück. Dänemark hat in Relation zur Größe seiner Bevölkerung seit 1999 mehr Asylsuchende aufgenommen als Deutschland. Kumuliert über den Zeitraum 1999-2003 errechnet sich für Dänemark eine Zahl von etwa 9 Asylsuchenden pro 1.000 Einwohner (Deutschland: 5). Bezieht man die tatsächliche Anerkennungsquote (die in Dänemark weit über dem internationalen, erst recht dem deutschen und EU-Durchschnitt liegt) in die Betrachtung ein, so bewältigt Dänemark seit vielen Jahren ein Mehrfaches des Flüchtlingsaufkommens pro Kopf der Bevölkerung, als dies in Deutschland der Fall ist. Ihren vorläufigen historischen Höchstpunkt erreichte die Zuwanderung nach Dänemark im Jahr 1995 mit insgesamt rund 63.000 Immigranten und Flüchtlingen17, um dann infolge reformierter Gesetzgebung erneut abzunehmen (vgl. 17
Im Unterschied zur deutschen Statistik, die in die Zahl der Zuzüge im Jahresverlauf auch Asylsuchende einrechnet, erfasst die dänische Statistik neben den eigentlichen Immigranten nur anerkannte Asylbewerber. Eine gesonderte Statistik über die Zahl der gestellten Asylanträge führt Dänemark erst seit 1998.
51
2.3 Entwicklung der Zuwanderung nach Deutschland und Dänemark
Abbildung 2.18 Zuwanderungsbedingte Bevölkerungswachstumsrate (netto) für Deutschland und Dänemark, 1955-2003 1,4%
Bevölkerungswachstumsrate (netto)
1,2% 1,0% 0,8% 0,6% 0,4% 0,2% 0,0% -0,2% -0,4% (1)
(2)
(3)
(4)
D
DK
ØD
2003
2001
1999
1997
1995
1993
1991
1989
1987
1985
1983
1981
1979
1977
1975
1973
1971
1969
1967
1965
1963
1961
1959
1957
1955
-0,6%
Ø DK
Anmerkungen: Zahlen für Deutschland berücksichtigen nur altes Bundesgebiet. ØD/DK: durchschnittliche zuwanderungsbedingte Bevölkerungswachstumsrate, Zuzüge in Relation zur Gesamtbevölkerung zu Beginn des jeweiligen Zeitraums; (1),(2),(3),(4) = Phasen der Migrationsentwicklung. Quelle: Danmarks Statistik, Eurostat.
Abbildungen 2.1-2.2). In den Jahren 1996-2003 bewegte sich die Bruttozuwanderung nach Dänemark in einer Größenordnung von 50.000-55.000 Personen jährlich, während die Netto-Immigration seit dem Höchststand von 28.500 im Jahr 1995 noch deutlicher zurückgegangen ist. Nach 17.000 Personen im Jahr 1996, rund 11.000 in den beiden Folgejahren und jeweils etwa 9.000 Personen in den Jahren 1999 und 2000 erreichte der Wanderungssaldo in Dänemark zwar in 2001 noch einmal eine Marke von 12.000, hat sich aber seitdem bis Ende 2003 auf rund 6.000 Personen annähernd halbiert. Hinzuweisen ist ferner auf den im Vergleich zu Deutschland ausgesprochen hohen Anteil von Immigranten inländischer Staatsangehörigkeit, der sich im Durchschnitt der Jahre 1994-2003 auf gut 22.000 Personen belaufen hat. Dass in etwa die gleiche Zahl dänischer Staatsbürger pro Jahr das Land verlassen hat, spiegelt die deutschen Verhältnisse mit einer Relation von rund 100.000 deutschen Zu- und Auswanderern wider. Jedoch macht der Anteil der dänischen Staatsbürger an der Gesamtzahl der Zuwanderer bemerkenswerte 40 Prozent im Durchschnitt der Jahre 1998 bis 2003 aus, während dieser Wert für Deutschland nur rund 10 Prozent beträgt.
52
2. Die Einwanderungssituation in Deutschland und Dänemark
Damit verzeichnete zwar auch Dänemark nennenswerte Schwankungen der Bruttoimmigration, doch diese erreichten nicht das gleiche Ausmaß wie in Deutschland. Die durchschnittliche jährliche Bruttozuwanderung betrug im Verhältnis zur Bevölkerungszahl zu Beginn eines Zeitraums in den Jahren 1962-1968 und 1974-1984 jeweils etwa 0,6 Prozent, im Zeitraum 1969-1974 und 1985-1989 rund 0,7 Prozent. Für die Jahre 1990-1994 ergibt sich eine Relation von 0,8 Prozent, bevor 1995 ein Kulminationspunkt von etwa 1,2 Prozent – und damit ungefähr die deutsche Relation – erreicht wurde. Zwischen 1996 und 2001 stagnierte das Verhältnis der Bruttozuwanderungen zum Anfangsbestand der Bevölkerung schließlich bei annähernd 1,0 Prozent (vgl. Abbildungen 2.17-2.18). Die Gesamtzahl der in Dänemark lebenden Immigranten und ihrer Nachkommen (unabhängig von ihrer Einbürgerung) hat sich zwischen 1987 und 2003 von rund 185.000 auf etwa 430.000 mehr als verdoppelt – ein stärkerer Zuwachs als in Deutschland im gleichen Zeitraum. Bezogen auf die Zahl der ausländischen Staatsangehörigen ergibt sich immer noch ein erheblicher Zuwachs von (über) 100 Prozentpunkten von 128.000 im Jahr 1987 auf 256.000 Menschen Ende 1999 und 265.000 Personen in 2003. Ein typisches Merkmal für diese Phase der Immigration ist in dem relativen Bedeutungsrückgang des Familiennachzugs nach Deutschland und Dänemark zu erkennen. Die erst seit 1996 geführte Visa-Statistik des deutschen Auswärtigen Amtes verzeichnet diejenigen Fälle, in denen in einer deutschen Vertretung im Ausland ein Antrag auf Nachzug eines Ehepartners oder minderjährigen Familienangehörigen aus einem Nicht-EU-Staat genehmigt wurde. Damit findet zwar eine Untererfassung des faktischen Familiennachzugs statt, weil vor allem die aus einem ursprünglichen Kurzaufenthalt entstandenen Familien-„Zusammenführungen“ außer Betracht bleiben; dennoch liefert diese Statistik für die jüngere Zeit ein weitgehend zuverlässiges Bild eines in seinem Gewicht heute merklich reduzierten Familiennachzugs. Danach war der Familiennachzug zu Zuwanderern nach Deutschland zwischen 1996 (28.000) und 2002 (30.000) annähernd konstant, während der Zuzug ausländischer Familienangehöriger zu Deutschen bzw. Eingebürgerten eine Steigerung von kaum 16.000 im Jahr 1996 auf fast 35.000 sechs Jahre später erfuhr.18 Die absolute Zahl des Nachzugs zu deutschen Ehe18
Vgl. Beauftragte für Migration (2003), S. 24f.
2.3 Entwicklung der Zuwanderung nach Deutschland und Dänemark
53
partnern übersteigt seit dem Jahr 2000 diejenige der Zuwanderung zu ausländischen Ehepartnern; insgesamt machten nachziehende Ehepartner im Jahr 2002 drei Viertel des Familiennachzugs aus, Kinder unter 18 Jahren nur ein Viertel. Gemessen an der Gesamtzahl ausländischer Zuwanderer in der gleichen Zeit betrug der statistisch erfasste Familiennachzug zu Deutschen und Nicht-Deutschen 1996 rund 7,7 Prozent, im Jahr 2002 etwa 13 Prozent. Die auffällige Zuwachsrate des Familiennachzugs nach Deutschland von fast 70 Prozent seit 1996 hat zwar somit den Anteil dieser Zuwanderungsform an der Gesamtzuwanderung zuletzt wieder ansteigen lassen, jedoch verbleibt er – auch unter Berücksichtigung statistischer Ungenauigkeiten – wesentlich unter dem Niveau früherer Zeiten. In Dänemark wuchs die Zahl der Aufenthaltserlaubnisse zum Zwecke der Familienzusammenführung von rund 7.000 im Jahr 1988 auf rund 9.500 in 1999, nachdem rechtliche Einschränkungen den Umfang des Familiennachzugs vorübergehend hatten zurückgehen lassen. Die weitere, deutliche Steigerung des Familiennachzugs auf rund 13.000 Fälle in den Jahren 2000 und 2001 ist großteils auf eine erneut geänderte Rechtslage zurückzuführen, die erstmals auch die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen an in Dänemark geborene Kinder von Zuwanderern vorsah. Ohne Berücksichtigung dieser Fälle ergibt sich Schätzungen des Dänische Einwanderungsbehörde zufolge eine Zahl von rund 10.000 bzw. 11.000 Genehmigungen für den Familiennachzug der Jahre 2000 und 2001. Vor der Neuregelung machten Ehe- und Lebenspartner gegenüber Kindern auch in Dänemark etwa drei Viertel des Familiennachzugs aus; der Anteil der nachziehenden Familienangehörigen an allen Immigranten belief sich in dieser Zeit auf rund ein Drittel der Gesamtzuwanderung und lag damit erheblich über dem deutschen Niveau. Gleichzeitig, und dies ist integrationspolitisch von Interesse, dokumentiert die dänische Statistik die ungemein starke ethnische Gebundenheit der Migranten in Dänemark bei der Partnersuche. Neun von zehn mit Ehe- oder Lebenspartner in Dänemark lebende Immigranten/Nachkommen aus der Türkei, Pakistan, dem ehemaligen Jugoslawien, der Türkei, Somalia und Vietnam fanden diesen unter Angehörigen des gleichen Herkunftslandes. Für alle nicht-westlichen Immigranten bewegt sich dieser Wert bei 75 Prozent, hingegen bei nur 13 Prozent für westliche Immigranten und ihre Nachkommen. Dass dieser Befund für nicht-westliche Migranten nicht allein aus dem Faktor Familienzusammenführung mit zunächst im Ausland lebenden Partnern resultiert, sondern mit fast ebenso hohen Prozentsätzen auch für junge, in Dänemark aufgewachsene nicht-westliche Immigranten bzw. Nachkom-
54
2. Die Einwanderungssituation in Deutschland und Dänemark
men gilt, belegt die Statistik ebenfalls. Rund 80 Prozent der nicht-westlichen männlichen und etwa 70 Prozent der weiblichen verheirateten, seit über 10 Jahren in Dänemark lebenden Immigranten wohnen mit einem Partner gleicher ethnischer Herkunft zusammen. Dies kann Probleme der Integration in Arbeitsmarkt und Gesellschaft potenziell vergrößern. Die Verschärfung des dänischen Ausländergesetzes von 2002 hat bereits einen deutlichen Rückgang der Anträge auf Familienzusammenführung herbeigeführt; ihre Zahl ist von über 15.000 im Jahr 2001 und gut 11.000 Fällen ein Jahr später auf nur noch rund 6.500 in 2003 gefallen. Die Zahl der tatsächlich zum Zweck der Familienzusammenführung erteilten Aufenthaltserlaubnisse ist von knapp 11.000 auf kaum über 8.000 in 2002 und nur noch 4.800 im Jahr 2003 zurückgegangen.19 Davon wurden im Jahre 2001 noch 6.500 Aufenthaltserlaubnisse an ausländische Ehe- und Lebenspartner erteilt, in 2002 lediglich noch knapp 5.000, im Jahr 2003 gar nur rund 2.500. Trotz dieses Rückgangs bewegt sich der Anteil des Familiennachzugs an der Bruttozuwanderung nach Dänemark gegenwärtig in etwa auf deutschem Niveau. Insgesamt hat die unter dem Einfluss des politischen Wandels in Osteuropa und der Zunahme weltweiter Fluchtbewegungen stehende Entwicklung der Immigration nach Deutschland und Dänemark in beiden Ländern den Anteil der ausländischen Wohnbevölkerung an der Gesamtbevölkerung deutlich steigen lassen. In Deutschland vollzog sich dieser Zuwachs deutlich abrupter, wobei das weit überdurchschnittliche Flüchtlingsaufkommen eine maßgebliche Rolle spielte. Der Ausländeranteil betrug über den gesamten Verlauf der 1980er Jahre knapp 6 Prozent, stieg dann aber bis 1995 auf annähernd 9 Prozent an und verharrt seitdem auf diesem Niveau (vgl. Abbildung 2.19). In Dänemark verlief die Entwicklung kontinuierlicher. Der Anteil der Immigranten und ihrer Nachkommen an der dänischen Gesamtbevölkerung wuchs von 4 Prozent Ende der 1980er Jahre auf knapp 5 Prozent in 1993 und annähernd 6 Prozent drei Jahre später, um im Jahr 2000 erstmals die Marke von 7 Prozent zu überschreiten. Dass dabei der Anteil der bereits in Dänemark geborenen und aufgewachsenen „Zuwanderer“ in Relation zu den tatsächlichen Immigranten stark gewachsen ist, kann nicht überraschen – der Prozentsatz ist von deutlich weniger als 20 Prozent noch Mitte der 1980er 19
Vgl. Dänische Einwanderungsbehörde (2004).
2.3 Entwicklung der Zuwanderung nach Deutschland und Dänemark
55
Abbildung 2.19 Ausländische Bevölkerung in Deutschland und Dänemark, 1980-2002 10% 9%
Anteil an Gesamtbevölkerung
8% 7% 6% 5% 4% 3% 2% 1%
D - ausländische Staatsbürger DK - ausländische Staatsbürger
2002
2001
2000
1999
1998
1997
1996
1995
1994
1993
1992
1991
1990
1989
1988
1987
1986
1985
1984
1983
1982
1981
1980
0%
DK - Zuwanderer und Nachkommen
Quelle: Danmarks Statistik, Statistisches Bundesamt.
Jahre auf nahezu 30 Prozent in 2002 gestiegen. Im gleichen Jahr erreichte der Bevölkerungsanteil der Immigranten und Nachkommen in Dänemark einen neuen Höchstwert von 7,7 Prozent, der 2003 mit einem Anteil von 8 Prozent nochmals übertroffen wurde – und damit nur knapp ein Prozent unter dem deutschen Ausländeranteil rangierte. Allerdings gilt es dabei zu berücksichtigen, dass die dänische Statistik zu Immigranten und Nachkommen diese unabhängig davon erfasst, ob sie inzwischen eingebürgert worden sind, während die deutsche Statistik allein auf die Staatsangehörigkeit abstellt. Einen wirklichen Vergleich des Bevölkerungsanteils von Immigranten in beiden Länder erlaubt deshalb nur die in Dänemark separat vorgenommene Erfassung von ausländischen Staatsbürgern – diese weist, beeinflusst auch durch die steigende Zahl von Einbürgerungen, einen wesentlich geringeren Bevölkerungsanteil von Nicht-Dänen aus, der bis Mitte der 1980er Jahre bei etwa 2 Prozent verharrte, 1995 rund 3,8 Prozent und in den Jahren 2002 und 2003 jeweils rund 5 Prozent betrug. In dieser Betrachtung erreicht der Bevölkerungsanteil von Ausländern in Dänemark also nur rund 55 Prozent des deutschen Niveaus. Eine wichtige Folge der geschilderten migrationsgeschichtlichen Entwicklung war der kontinuierliche Rückgang des Anteils der Arbeitsmigranten an allen Zuwanderern in Deutschland (vgl. Abbildung 2.20) und Dänemark.
56
2. Die Einwanderungssituation in Deutschland und Dänemark
Abbildung 2.20 Ausländische Wohnbevölkerung und Erwerbspersonen in Deutschland, 1955-2000 9
8
7
Personen in Mio.
6
5
4
3
2
1
0 1955
1960
1965
1970
1975
Ausländische Erwerbspersonen
1980
1985
1990
1995
2000
Ausländische Nicht-Erwerbspersonen
Quelle: Statistisches Bundesamt.
Eine künftige, neu orientierte Zuwanderungspolitik wird, sofern sie ökonomischen Kriterien Rechnung tragen will, verstärkt darauf zu achten haben, nicht allein den Anteil der am Arbeitsmarkt partizipierenden Migranten unter den bereits im Aufnahmeland lebenden Einwanderern zu steigern, sondern vor allem auch bereits bei der Entscheidung über Genehmigungen zur Neueinreise wichtigen Arbeitsmarktaspekten gezielt Rechnung zu tragen. (5)
Sonderformen temporärer Arbeitsmigration, ca. 1989-heute
Der weit überwiegende Teil der Zuwanderung nach Deutschland und Dänemark nach 1989 war – ökonomisch gesprochen – durch so genannte „PushFaktoren“ bedingt: Äußere Einflüsse politischer, wirtschaftlicher und sozialer Natur erhöhten den Zuwanderungsdruck auf beide Länder und riefen letztlich Rechtsveränderungen mit dem Ziel einer Zuzugsbeschränkung hervor. Daneben wirkten allerdings in begrenztem Umfang auch „Pull-Faktoren“ in entgegen gesetzter Weise: Von den Sonderfällen der Einreise von Spätaussiedlern und jüdischen Zuwanderern nach Deutschland und den ähnlichen Sonderregelungen Dänemarks für Staatsangehörige nordischer Staaten abgesehen, fand in beide Länder auch eine von den Regierungen aktiv betriebene, allerdings von vornherein temporär organisierte Immigration von Arbeitskräften aus Nicht-EU-Staaten statt.
2.3 Entwicklung der Zuwanderung nach Deutschland und Dänemark
57
Abbildung 2.21 Temporäre Arbeitsmigranten aus Nicht-EU-Staaten,1992-2003 8.000
450.000 Deutschland
Dänemark
400.000
7.000
Gastarbeitnehmer
350.000
Werkvertragsarbeitnehmer
6.000
Saisonarbeitnehmer
300.000 5.000 250.000
2.000 185 380
5132
3.000
4814 5767
3074 3620
2232 2750 3062 3256
2439
2058 2124
2285
6409
2623
4341
287+47+5
208+33+3 230+40+4 264+44+6
296+39+3
176+50+5 198+46+4
50.000
163+70+6 138+41+6
100.000
190+95+3*
150.000
307+45+5 318+44+3
4.000 200.000
2000 2001 2002 2003
1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003
2002 2003
0 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003
0
1.000
temporäre Arbeitsmigranten
Green-Card
temporäre Arbeitsmigranten
Job-Card
Anmerkungen: Andere Sonderformen der befristeten Zuwanderung und Arbeitserlaubnis (Fachpersonal deutsch-ausländischer Firmen, Künstler, Wissenschaftler, Au-Pair-Beschäftigte usw.) nicht enthalten. *) Zahlenangaben in Tausend als Addition der drei genannten temporären Formen der Arbeitsmigration; Stornierungen wurden bei Saisonarbeitnehmern bis 1993 nicht erfasst und sind hier mit rund 10% angenommen. Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Dänische Einwanderungsbehörde.
Sie basierte in Deutschland auf den oben skizzierten, seit Ende der 1980er Jahre in Kraft befindlichen Einreiseregelungen für Werkvertrags-, Gast- und Saisonarbeitnehmer sowie andere Formen befristeter Arbeitsmigration, in Dänemark auf behördlichen Einzelfallentscheidungen und den 2002 in Kraft getretenen „Job Card“-Regelungen (vgl. Abbildung 2.21). Die Zahl der nach Deutschland einreisenden Werkvertragsarbeitnehmer stieg nach einer Fallzahl von nur 14.500 Personen im Auftaktjahr 1988 stark an und erreichte 1992, in der Zeit des wiedervereinigungsbedingten Wirtschaftsaufschwungs, eine Zahl von rund 95.000 Personen. Im weiteren Verlauf wurden die Kontingente für die jeweiligen Herkunftsländer insgesamt herabgesetzt, zugleich aber von der tatsächlichen Zuwanderung deutlich unterschritten. Ihren Tiefststand erreichte die temporäre Immigration auf der Basis von Werkverträgen im Jahr 1998 mit etwa 33.000 Genehmigungen, bevor sie bis 2002 wieder auf rund 45.000 Personen anstieg. Im Jahr 2003 wurden 44.000 Arbeitsgenehmigungen für Werkvertragsarbeitnehmer erteilt. Davon wurden rund 13.000 Arbeitskräfte im Bausektor tätig. Annähernd die Hälfte der Werkvertragsarbeitnehmer stammte in den letzten Jahren aus Polen.
58
2. Die Einwanderungssituation in Deutschland und Dänemark
Als Gastarbeitnehmer können jährlich bis zu 11.000 Personen, auf insgesamt 13 Länderkontingente verteilt, nach Deutschland für Weiterbildungszwecke und zur Sprachschulung einreisen. Auch diese Kontingente werden allerdings nicht ausgeschöpft, da es an der Teilnahmebereitschaft deutscher Unternehmen mangelt oder die Sprachkenntnisse der Bewerber unzureichend sind. Nach einem Höchststand der Vermittlungen von 5.800 bzw. 5.900 Personen in den Jahren 1993 und 2000 sank die Zahl jeweils wieder deutlich ab; im Jahr 2002 wurden etwa 4.800, ein Jahr später nur noch knapp 3.500 Aufenthalte von Gastarbeitnehmern vermittelt. Dagegen ist die Zahl der zugelassenen Saisonarbeitnehmer seit 1994 kontinuierlich von 137.000 Fällen auf rund 307.000 im Jahr 2002 und etwa 318.000 Vermittlungen in 2003 gestiegen, und dies trotz zwischenzeitlicher rechtlicher Einschränkungen.20 Rund 90 Prozent der eingesetzten Saisonarbeitskräfte arbeiten in der Landwirtschaft; mehr als 80 Prozent aller Saisonarbeitnehmer stammen seit Mitte der 1990er Jahre aus Polen. Seit Inkrafttreten der „Green Card“-Regelung im Jahr 2000 sind bis Ende 2003 knapp 15.700 Zusicherungen von Arbeitserlaubnissen und rund 12.000 tatsächliche (erstmalige) Arbeitsgenehmigungen an ausländische Fachkräfte der Informationstechnologie erteilt worden. Die vorgegebene Höchstgrenze für dieses Programm von 20.000 Arbeits- und Aufenthaltserlaubnissen wurde damit deutlich unterschritten. Der stark rückläufige Trend – nach etwa 4.300 Green Card-Zusicherungen im Jahr 2000 und rund 6.400 in 2001 ging die Zahl 2002 auf etwa 2.600 und ein Jahr später auf rund 2.300 zurück (in der ersten Jahreshälfte 2004 wurden wiederum nur etwa 1.100 Zusicherungen erfasst) – und die hohe Diskrepanz zwischen Zusicherung und tatsächlich erteilten Arbeitserlaubnissen von rund 28 Prozent weisen auf einen im Umfeld der wirtschaftlichen Stagnation erheblich zurückgegangenen Bedarf der Branche hin. Dagegen summierten sich andere Sonderformen der befristeten Zuwanderung und Arbeitserlaubnis (Fachpersonal deutsch-ausländischer Firmen, Künstler, Wissenschaftler, Au-Pair-Beschäftigte usw.) im Jahr 2002 bei steigender Tendenz auf einen sehr hohen Wert von rund 30.000 Genehmigungen, davon entfielen allerdings etwa 50 Prozent auf Au-Pairs. Bezogen auf das Jahr 2002 sind in Deutschland demnach insgesamt rund 400.000 befristete Arbeitserlaubnisse für ausländische Zuwanderer erteilt 20
In diese Angaben fließen auch Arbeitserlaubnisse für „Schaustellergehilfen“ ein; deren Zahl war in den Jahren 2000 bis 2003 mit jeweils rund 9.000 Genehmigungen erstaunlich hoch.
2.3 Entwicklung der Zuwanderung nach Deutschland und Dänemark
59
worden – ein ausgesprochen hoher Wert, der die inzwischen erreichte Bedeutung temporärer Arbeitsmigration für die deutsche Wirtschaft unterstreicht. Dänemark verzeichnet im Vergleich zu Deutschland ein weit geringeres Ausmaß an befristeter Arbeitsmigration von Nicht-EU-Bürgern; allerdings hat sich auch hier das Volumen in den letzten Jahren ausgeweitet. Im Durchschnitt der Jahre 1988 bis 2000 wurden jährlich rund 2.700 temporäre Aufenthaltserlaubnisse zur Beschäftigungsaufnahme an Nicht-EU-Bürger mit höherer Qualifikation (darunter Spezialisten, Selbständige und Lehrkräfte) erteilt, wobei ein erster Höchststand in den Jahren 1997 und 1998 mit jeweils rund 4.000 Erlaubnissen verzeichnet wurde. Nach einem zwischenzeitlichen Rückgang stieg diese Zahl zwischen 2000 und 2001 um etwa 70 Prozent auf 5.100 Fälle und erreichte in 2003 eine neue Höchstmarke von 5.700 befristeten Aufenthaltsgenehmigungen. Die darin enthaltenen Erlaubnisse für hochqualifizierte Spezialisten überschritten im Verlauf der Jahre 1994-2003 bislang nur einmal die Marke von 1.000 (1998); ihre Zahl ist seitdem auf weniger als 700 Genehmigungen im Jahr 2003 zurückgegangen. Die neue „Job Card“-Regelung ist noch nicht lange genug in Kraft, als dass sie schon eine Ausweitung der Zuwanderung in dieses Segment hätte bewirken können. Im Gegenteil scheint es angesichts von nicht einmal 400 Job Card-Genehmigungen im Jahr 2003 so, dass weniger die Arbeitsnachfrage als vielmehr das Arbeitsangebot zum begrenzenden Faktor wird. Offenbar bestehen für Dänemark, wohl auch aufgrund von Sprachbarrieren und vergleichsweise hoher Steuerlast, nennenswerte Probleme darin, sich als Zielland wanderungswilliger Fachkräfte anzubieten.21 Für die Jahre 2002 und 2003 ergibt sich im Falle Dänemarks somit ein Gesamtumfang der befristeten Arbeitsmigration von jeweils weniger als 7.000 Fällen (inklusive je etwa 1.200 Au-Pair-Kräften), bei allerdings leicht steigender Tendenz. Letztlich kann das Ausmaß dieser Form von ökonomisch motivierter Zuwanderung in Deutschland und der – bislang inkonsequente – Versuch beider Staaten, sie mit „Green Card“ und „Job Card“ zumindest punktuell zu modernisieren, als ein Hinweis auf den heute erreichten Stellenwert dieser Migrationsform für das Funktionieren der Arbeitsmärkte und als Aufforderung verstanden werden, weitere politische Bemühungen um ihre Systematisierung einzuleiten. 21
Auch das erst jüngst für junge Arbeitskräfte aus Neuseeland und Australien geschaffene Angebot eines „working holiday“ von bis zu einem Jahr (bei sechsmonatiger Arbeitserlaubnis) in Dänemark bestätigt diesen Eindruck eher.
60
2.4
2. Die Einwanderungssituation in Deutschland und Dänemark
Ausgewählte demographische Charakteristika von Zuwanderern
Zwischen Dänemark und Deutschland zeigen sich erhebliche Unterschiede hinsichtlich der ethnischen Herkunft von Immigranten und Flüchtlingen, aber auch in Bezug auf die Alterszusammensetzung der Zuwanderer. Beides ist vor allem historisch bedingt, trägt aber nicht unwesentlich zu den ungleichen Ausgangsbedingungen für die Integration in Gesellschaft und Arbeitsmarkt in beiden Ländern bei. Im Vergleich zu Deutschland verfügt Dänemark über einen weitaus höheren Anteil von Zuwanderern aus anderen skandinavischen Staaten und den USA, der gegenwärtig rund 15 Prozent der Gesamtzuwandererzahl ausmacht und auf die traditionell sehr großzügige Aufnahme von Zuwanderern aus Finnland, Island, Norwegen und Schweden zurückzuführen ist. Gleichzeitig ist allerdings der Anteil von EU-Staatsangehörigen in Dänemark mit einer Abnahme um rund 25 Prozent im Jahrzehnt zwischen 1987 und 1997 stärker zurückgegangen als dies in Deutschland mit einer Verminderung um nur knapp 13 Prozent im gleichen Zeitraum der Fall war. Ausschlaggebend für diese Entwicklung war das überproportional stark wachsende Flüchtlingsaufkommen zu Beginn der 1990er Jahre. Dabei ist die absolute Zahl der EU-Bürger in beiden Ländern durchaus deutlich angestiegen: In Dänemark wuchs sie von 27.000 im Jahr 1987 um rund 60 Prozent auf etwa 43.000 in 2003, während Deutschland im gleichen Zeitraum einen absoluten Zuwachs von 1,2 Millionen auf nahezu 1,9 Millionen EU-Bürger und damit einen Zuwachs um rund 55 Prozent verzeichnen konnte. Sowohl in Dänemark als auch in Deutschland ist der Rückgang des Anteils der EU-Bürger an der ausländischen Bevölkerung vor diesem Hintergrund seit dem Ende des letzten Jahrzehnts zum Stillstand gekommen; in Deutschland ergab sich sogar ein leichter Anstieg (vgl. Tabellen 2.1-2.2). Schon seit dem Beginn der 1970er Jahre stellen Türken die größte Gruppe der Immigranten in Deutschland; ihre Zahl bewegt sich seit den 1990er Jahren in einer Größenordnung von etwa 1,8 bis 2,0 Millionen Personen, mit zuletzt leicht rückläufiger Tendenz. Daraus resultiert ein Anteil an der ausländischen Bevölkerung von rund 25 Prozent im Jahr 2003; 1987 hatte dieser Anteil sogar fast 35 Prozent betragen. Demgegenüber spielt die Zuwanderung von türkischen Staatsangehörigen in Dänemark eine deutlich geringere Rolle. Dort erreichte ihr Anteil an allen Ausländern – bei einer absoluten Zahl von etwa 33.000-38.000 Türken seit Beginn der 1990er Jahre – einen Höchstwert von über 18 Prozent nur in den Jahren 1989-1994 und ist seitdem konti-
61
2.4 Ausgewählte demographische Charakteristika von Zuwanderern
Tabelle 2.1 Ausländische Wohnbevölkerung in Deutschland nach Staatsangehörigkeit, 1974-2003
1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003
Skandinavien und Nordamerika1
EU2
2,3 2,4 2,4 2,5 2,5 2,5 2,4 2,4 2,4 2,5 2,6 2,7 2,7 2,5 2,5 2,5 2,4 2,4 2,3 2,3 2,3 2,2 2,2 2,2 2,2 2,3 2,3 2,3 2,3 2,3
40,4 39,2 38,0 36,9 35,8 34,8 33,3 32,4 31,6 31,1 31,3 30,5 29,8 29,2 28,4 27,3 26,9 25,3 23,2 22,3 22,4 25,3 25,2 25,1 25,3 25,3 25,7 25,5 24,9 24,7
Drittstaaten
Jugoslawien3 17,1 16,6 16,2 16,0 15,3 15,0 14,2 13,8 13,5 13,5 13,8 13,5 13,1 13,0 12,9 12,6 12,4 13,2 15,7 17,8 18,0 18,1 17,7 16,4 15,3 15,2 14,2 13,8 14,5 14,4
Türkei
Pakistan
Polen
Iran
24,9 26,3 27,3 28,3 29,3 30,6 32,8 33,4 33,9 34,2 32,7 32,0 31,8 34,3 33,9 33,3 31,7 30,3 28,6 27,9 28,1 28,1 28,0 28,6 28,8 28,0 27,4 26,6 26,1 25,6
0,1 0,1 0,2 0,2 0,2 0,2 0,2 0,2 0,2 0,2 0,3 0,3 0,3 0,4 0,4 0,4 0,5 0,5 0,5 0,5 0,5 0,5 0,5 0,5 0,5 0,5 0,5 0,5 0,5 0,5
1,1 1,1 1,1 1,1 1,2 1,2 1,4 1,8 2,0 1,9 2,2 2,4 2,6 2,8 3,8 4,5 4,5 4,6 4,4 3,8 3,8 3,9 3,9 3,8 3,9 4,0 4,1 4,2 4,3 4,5
0,5 0,5 0,5 0,5 0,5 0,5 0,6 0,7 0,7 0,7 0,9 1,2 1,6 1,5 1,6 1,7 1,7 1,7 1,5 1,5 1,5 1,5 1,5 1,5 1,6 1,6 1,5 1,3 1,2 1,1
Libanon sonstige 0,4 0,4 0,4 0,4 0,5 0,5 0,4 0,5 0,5 0,6 0,7 0,7 0,8 0,8 0,9 0,9 0,9 0,9 0,8 0,8 0,8 0,8 0,8 0,8 0,8 0,7 0,7 0,7 0,7 0,6
13,2 13,5 13,9 14,1 14,8 14,7 14,6 14,8 15,2 15,2 15,7 16,7 17,3 15,8 16,0 17,2 19,3 21,7 23,5 23,6 23,1 23,2 23,6 21,4 22,1 22,9 24,1 25,5 25,5 26,3
gesamt 57,3 58,5 59,6 60,6 61,7 62,7 64,3 65,2 66,0 66,4 66,1 66,8 67,5 68,7 69,5 70,6 71,1 72,8 74,9 75,9 75,8 76,0 76,1 73,1 72,9 72,9 72,5 72,6 72,8 72,9
Anmerkungen: Angaben in Prozent der ausländischen Gesamtbevölkerung im jeweiligen Jahr. 1 Finnland, Schweden (beide Länder wurden hier zu Skandinavien gerechnet, obwohl sie seit 1995 EU-Mitglieder sind), Norwegen, Island, USA und Kanada. 2 Dänemark, Belgien, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal, Spanien und Großbritannien. 3 ehemaliges Jugoslawien bzw. heutige BR Jugoslawien (= Serbien + Montenegro) + Bosnien/Herzegowina + Kroatien + Mazedonien + Slowenien. Quelle: Beauftragte für Migration (2003), Beauftragte für Ausländerfragen (1997, 2002), Statistisches Jahrbuch (diverse Jahrgänge).
nuierlich auf zuletzt 12 Prozent im Jahr 2003 zurückgegangen. Damit ist der Anteil türkischer Staatsangehöriger an allen Ausländern in Dänemark nur halb so groß wie in Deutschland. Anders verhält es sich mit Blick auf Staatsangehörige aus dem ehemaligen Jugoslawien. Hier hat die vergleichsweise besonders großzügige Vergabe unbefristeter Aufenthaltserlaubnisse an Bürgerkriegsflüchtlinge in Dänemark zu einem merklichen Anstieg des Anteils an der ausländischen Bevölkerung von konstant über 13 Prozent seit 1997 geführt. Damit erreichte Dänemark im Jahr 2001 das gleiche Niveau wie Deutschland, wo zwar in den 1990er Jahren ein zwischenzeitlich mit bis zu rund 18 Prozent noch höherer Wert registriert wurde, der seitdem allerdings aufgrund einer konsequenten Rückführung von Bürgerkriegsflüchtlingen stark reduziert werden konnte. Die
62
2. Die Einwanderungssituation in Deutschland und Dänemark
Tabelle 2.2 Ausländische Wohnbevölkerung in Dänemark nach Staatsangehörigkeit, 1974-2003
1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003
Skandinavien und Nordamerika1
EU2
31,6 30,7 30,2 29,6 28,9 28,3 27,8 26,9 26,2 25,9 25,9 25,5 24,0 22,4 20,8 19,8 18,7 17,9 17,0 16,3 15,9 15,9 14,9 14,7 14,5 14,5 14,6 14,8 14,5 14,9
24,8 25,3 25,5 25,6 25,6 25,5 24,3 24,1 23,4 23,1 22,8 22,6 22,0 20,8 19,7 18,7 17,8 17,3 16,8 16,4 16,5 17,1 15,7 15,7 15,9 15,9 15,8 16,0 15,8 16,1
Drittstaaten
Jugoslawien3 7,5 7,3 7,0 7,0 7,1 7,1 7,1 7,2 7,3 7,1 7,1 7,1 6,8 6,5 6,5 6,4 6,3 6,2 6,3 6,3 6,1 5,8 12,6 13,5 13,6 13,4 13,5 13,5 13,3 12,5
Türkei
Pakistan
Polen
Iran
9,1 8,7 8,6 9,4 10,9 12,2 14,1 15,6 16,4 16,7 17,1 17,5 17,5 17,4 17,9 18,4 18,5 18,5 18,9 18,7 18,3 17,8 16,0 15,5 15,0 14,8 14,1 13,6 12,5 12,0
4,2 5,3 5,7 5,9 5,9 6,0 6,4 6,5 6,7 6,6 6,4 6,2 5,7 5,1 4,8 4,5 4,2 3,9 3,6 3,5 3,4 3,3 2,9 2,8 2,8 2,8 2,7 2,7 2,7 2,6
1,3 1,6 1,5 1,4 1,2 1,1 1,0 0,9 1,0 1,2 1,2 1,3 1,9 2,1 2,4 2,7 2,9 2,9 2,9 2,8 2,7 2,7 2,4 2,2 2,2 2,1 2,1 2,1 2,2 2,1
0,2 0,2 0,2 0,2 0,2 0,2 0,2 0,2 0,2 0,2 0,2 0,8 4,0 4,5 4,9 5,4 5,6 5,6 5,2 4,6 4,2 3,9 3,2 3,0 2,7 2,5 2,2 1,9 1,8 1,8
Libanon sonstige 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,2 0,8 1,3 1,5 1,7 2,0 2,2 2,3 2,3 2,2 2,0 1,8 1,8 1,5 1,3 1,0 0,9 0,8
21,2 20,8 21,1 20,7 20,0 19,5 19,0 18,5 18,7 19,1 19,0 18,9 17,9 20,5 21,6 22,6 24,4 25,7 27,2 29,1 30,5 31,4 30,2 30,7 31,5 32,5 33,6 34,3 36,3 37,2
gesamt 43,6 44,0 44,4 44,8 45,5 46,2 48,0 49,0 50,4 51,0 51,2 51,8 54,0 56,9 59,4 61,5 63,6 64,8 66,2 67,3 67,6 67,0 69,4 69,6 69,6 69,7 69,6 69,2 69,7 69,0
Anmerkungen: Angaben in Prozent der ausländischen Gesamtbevölkerung im jeweiligen Jahr. 1 Finnland, Schweden (beide Länder wurden hier zu Skandinavien gerechnet, obwohl sie seit 1995 EU-Mitglieder sind), Norwegen, Island, USA und Kanada. 2 Deutschland, Belgien, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal, Spanien und Großbritannien. 3 ehemaliges Jugoslawien bzw. heutige BR Jugoslawien (= Serbien + Montenegro) + Bosnien/Herzegowina + Kroatien + Mazedonien + Slowenien. Quelle: Danmarks Statistik.
Bedeutung dieser Zuwanderergruppe für die dänische Migrations- und Integrationspolitik ist also ungleich höher als in Deutschland. Polnische Zuwanderer machen in Deutschland im Vergleich zu Dänemark einen rund doppelt so großen Anteil aller dort lebenden Ausländer aus; die Anteile iranischer und libanesischer Staatsangehöriger bewegen sich (nach einem starken, durch Flüchtlingszuzüge bedingten Niveauanstieg in Dänemark) gegenwärtig auf ungefähr gleichem Niveau. Insgesamt verfügen heute beide Länder über einen in etwa gleich hohen Anteil von nicht-westlichen Ausländern: In Dänemark ist er seit 1974 von rund 44 Prozent auf 57 Prozent im Jahr 1988 und etwa 69 Prozent in 2003 gewachsen, in Deutschland betrug der Anteil dieser Zuwanderergruppe 1974 noch
2.4 Ausgewählte demographische Charakteristika von Zuwanderern
63
57 Prozent, erreichte er nach etwa 70 Prozent im Jahr 1988 und – nach einem zwischenzeitlichen Höchststand von 76 Prozent in den Jahren 1995 und 1996 – rund 73 Prozent im Jahr 2003. Ausgehend von der Annahme eines potenziell deutlich höheren Integrationsbedarfs für Drittstaatsangehörige, machen diese hohen Werte den Umfang der politischen und gesellschaftlichen Aufgabenstellung deutlich. Wie in allen anderen Zuwanderungsländern auch, weicht die Altersstruktur der Immigranten in Dänemark und Deutschland teils erheblich von derjenigen der einheimischen Bevölkerung ab – Zuwanderer sind im Durchschnitt deutlich jünger als Einheimische (wobei Dänen im Durchschnitt gleichfalls etwas jünger sind als Deutsche). Dies kann ganz generell mit den auf Jüngere stärker wirkenden Wanderungsanreizen und ihrer erhöhten Mobilitätsbereitschaft, aber auch durch die größere Geburtenhäufigkeit in einem jüngeren Bevölkerungssegment anderer soziokultureller Herkunft erklärt werden. Festzustellen ist aber auch, dass sich der altersmäßige „Vorsprung“ der Immigranten gegenüber den Einheimischen zuletzt etwas verringert hat (vgl. Abbildungen 2.22-2.23). Dessen ungeachtet zeigt ein näherer Blick auf die Altersstruktur der Zuwanderer in Dänemark und Deutschland einige Besonderheiten und Unterschiede (vgl Tabelle 2.3). So sind in beiden Staaten Ausländer westlicher Herkunft im Durchschnitt geringfügig älter als Einheimische, vor allem aber deutlich älter als Ausländer nicht-westlicher Herkunft. Das ist in Deutschland, wo letzteres besonders auffällt, insbesondere auf die inzwischen sehr langen Aufenthaltszeiten der ersten Gastarbeitergeneration aus Italien, Griechenland, Portugal und Spanien zurückzuführen, aber auch in Dänemark mit dem unterschiedlichen Wanderungsverhalten und dem gesicherteren Aufenthaltsstatus von Staatsangehörigen aus den europäischen (Nachbar-)Staaten erklärbar. Darüber hinaus gilt es festzustellen, dass die ausländische Bevölkerung westlicher wie nicht-westlicher Herkunft in Deutschland ein höheres Durchschnittsalter aufweist als in Dänemark. So betrug das durchschnittliche Alter der in Deutschland lebenden Immigranten mit westlicher Staatsangehörigkeit rund 38 Jahre, in Dänemark etwa 36 Jahre. Für Ausländer nicht-westlicher Herkunft errechnet sich ein Durchschnittsalter von 31 Jahren in Deutschland bzw. 28 Jahren in Dänemark. Der im Vergleich größere Anteil von nichtwestlichen Staatsangehörigen in Dänemark lässt die Differenz zwischen dem Durchschnittsalter aller Immigranten von ca. 34 Jahren in Deutschland zu etwa 30 Jahren in Dänemark besonders deutlich in Erscheinung treten.
64
2. Die Einwanderungssituation in Deutschland und Dänemark
Abbildung 2.22
Anteile der Altersgruppen an der Gesamtbevölkerung
Altersaufbau der einheimischen und zugewanderten Bevölkerung in Dänemark 100% 90%
4,9%
14,9%
25,8%
80% 70%
3,5% 21,8%
33,7%
60%
34,3% 33,9%
50% 40%
21,6% 12,1%
30%
11,2%
7,6%
20% 10%
22,2%
24,2%
Dänen 2004 (5,3 Mio.)
Ausländer 2004 (270.000)
28,4%
0%
=65 Jahre
Anmerkungen: Angaben in Prozent für den Stichtag 1. Januar 2004. Quelle: Danmarks Statistik.
Abbildung 2.23
Anteile der Altersgruppen an der Gesamtbevölkerung
Altersaufbau der einheimischen und zugewanderten Bevölkerung in Deutschland 100% 90%
5,7%
3,3%
18,6% 26,4%
29,2%
80% 70% 33,8% 60%
31,6% 30,0%
50% 40%
21,8% 13,8%
30%
14,8%
20%
7,4%
10%
18,3%
20,2%
Deutsche 2002 (75,1 Mio.)
Ausländer 2002 (7,3 Mio.)
24,9%
0%
=65 Jahre
65
2.4 Ausgewählte demographische Charakteristika von Zuwanderern
Tabelle 2.3 Altersstruktur von Zuwanderern, Einheimischen und Gesamtbevölkerung nach Geschlecht in Dänemark und Deutschland, 2001/20021
Dänemark männlich weiblich Zuwanderer Zuwanderer westliche nichtgesamt Dänen gesamt westliche nichtgesamt Dänen gesamt westliche westliche 0-4 2,1 4,8 4,0 3,2 3,2 1,9 4,6 3,8 3,0 3,0 5-9 2,1 4,4 3,7 3,3 3,4 1,9 4,2 3,5 3,2 3,2 10-14 1,9 4,4 3,6 3,0 3,0 1,8 4,0 3,3 2,8 2,9 15-19 1,6 3,8 3,1 2,7 2,7 1,8 3,7 3,1 2,5 2,6 20-24 3,9 3,8 3,8 2,9 3,0 5,0 4,8 4,9 2,8 2,9 25-29 5,8 5,0 5,2 3,5 3,5 5,3 6,8 6,3 3,3 3,5 30-34 6,7 5,7 6,0 3,6 3,7 5,1 6,7 6,2 3,4 3,6 35-39 6,6 4,9 5,4 4,0 4,1 4,7 5,4 5,2 3,8 3,9 40-44 5,4 3,4 4,1 3,6 3,6 3,9 3,7 3,8 3,4 3,5 45-49 4,6 2,3 3,0 3,5 3,5 3,4 2,6 2,9 3,4 3,4 50-54 4,0 1,5 2,3 3,6 3,5 3,3 1,8 2,3 3,5 3,5 55-59 3,3 1,2 1,8 3,6 3,6 3,1 1,1 1,8 3,6 3,5 60-64 2,2 0,8 1,3 2,6 2,5 2,1 1,0 1,3 2,6 2,6 65-69 1,1 0,7 0,8 2,0 2,0 1,4 0,8 1,0 2,2 2,2 70-74 0,7 0,5 0,6 1,7 1,6 1,1 0,7 0,8 2,0 1,9 75-79 0,5 0,2 0,3 1,3 1,3 0,7 0,3 0,4 1,8 1,8 80-84 0,2 0,1 0,1 0,8 0,8 0,3 0,1 0,2 1,4 1,4 85-89 0,1 0,0 0,0 0,4 0,4 0,1 0,1 0,1 0,9 0,8 90+ 0,0 0,0 0,0 0,2 0,1 0,1 0,0 0,0 0,5 0,5 65+ 2,7 1,5 1,9 6,4 2,0 3,7 2,0 2,5 8,9 0,0 Gesamt 44.065 87.310 131.375 2.522.771 2.654.146 39.271 96.083 135.354 2.578.854 2.714.208 Alter
Deutschland Alter
0-5 6-9 10-14 15-17 18-20 21-24 25-29 30-34 35-39 40-44 45-49 50-54 55-59 60-64 65+ Gesamt (in 1.000)
männlich weiblich Zuwanderer Zuwanderer westliche nichtgesamt Deutsche gesamt westliche nichtgesamt Deutsche gesamt westliche westliche 2,0 3,6 3,2 2,9 2,9 1,9 3,5 3,0 2,7 2,8 1,5 2,9 2,5 2,0 2,0 1,5 2,8 2,4 1,9 1,9 2,0 3,8 3,3 2,9 2,9 1,9 3,6 3,1 2,7 2,8 1,2 2,2 1,9 1,7 1,7 1,1 1,9 1,7 1,6 1,6 1,5 2,5 2,2 1,7 1,8 1,5 2,3 2,1 1,6 1,7 3,1 4,1 3,8 2,2 2,3 3,0 4,2 3,8 2,1 2,3 5,5 6,3 6,0 2,6 2,9 4,8 5,9 5,6 2,6 2,8 6,5 6,1 6,2 3,8 4,0 5,2 5,3 5,3 3,6 3,8 6,0 5,3 5,6 4,4 4,5 4,6 4,1 4,2 4,3 4,3 5,3 3,6 4,1 4,1 4,1 3,8 3,1 3,3 4,0 3,9 4,4 2,8 3,3 3,6 3,6 3,6 2,9 3,1 3,5 3,5 4,5 2,7 3,2 3,2 3,2 3,7 2,8 3,1 3,2 3,2 4,0 2,3 2,7 2,7 2,7 2,8 1,9 2,1 2,8 2,7 3,3 1,9 2,3 3,6 3,5 1,9 1,4 1,6 3,8 3,6 4,5 2,0 2,7 7,1 6,7 3,4 2,2 2,5 11,1 10,4 1.135,0
2.746,0
3.881,0
36.393,6
40.274,6
916,3
2.520,9
Anmerkungen: 1 Angaben für Dänemark: 1. Januar 2002; Angaben für Deutschland: 31. Dezember 2001. Quelle: Danmarks Statistik, Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen.
3.437,2
38.728,4
42.165,6
66
2. Die Einwanderungssituation in Deutschland und Dänen
Tabelle 2.4 Regionale Verteilung der Zuwanderer in Deutschland, 1997 Bundesländer: Schleswig-Holstein Hamburg Niedersachsen Bremen Nordrhein-Westfalen Hessen Rheinland-Pfalz Baden-Württemberg Bayern Saarland Berlin Brandenburg Mecklenburg-Vorpommern Sachsen Sachsen-Anhalt Thüringen Stadtgröße: 500.000
Deutsche
Zuwanderer
gesamt
3,48 1,93 9,74 0,77 21,27 7,05 4,93 12,06 14,54 1,32 4,02 3,41 2,44 6,07 3,63 3,33
2,10 3,55 7,52 1,35 27,78 10,18 4,42 18,31 16,16 1,32 6,00 0,35 0,10 0,44 0,29 0,14
3,35 2,08 9,53 0,83 21,89 7,35 4,89 12,66 14,70 1,32 4,21 3,12 2,22 5,53 3,31 3,03
44,13 42,45 13,42
24,32 48,38 27,30
42,25 43,01 14,74
Anmerkungen: Angaben in Prozent. Quelle: Mikrozensus 1997, eigene Berechnungen.
Auch bei der Verteilung nach Geschlecht weichen die Zahlen für Deutschland und Dänemark voneinander ab. Während sich die dänische Gesamtbevölkerung in etwa zu gleichen Teilen auf Frauen und Männer verteilt, überwiegen innerhalb der ausländischen Bevölkerung westlicher Herkunft Männer mit etwa 53 Prozent, in der nicht-westlichen Bevölkerungsgruppe jedoch Frauen mit rund 52 Prozent. In Deutschland überwiegen in beiden nicht-deutschen Bevölkerungssegmenten Männer mit 55 bzw. 52 Prozent. Dies ist wiederum auf die in Deutschland intensivere Phase der Gastarbeiteranwerbung zurückzuführen, die auch erklärt, warum insgesamt weit mehr ausländische Männer als Frauen in den höheren Altersgruppen anzutreffen sind. In Bezug auf die regionale Verteilung der Immigranten stellen Deutschland und Dänemark keine Ausnahmen im Konzert der Einwanderungsländer dar. Die überwiegende Mehrzahl der Zuwanderer lebt in größeren Städten mit einem entsprechenden Arbeitsplatzangebot und vorhandenen Migrantennetzwerken gleicher ethnischer Herkunft. Über 75 Prozent aller Ausländer in Deutschland, aber nur rund 56 Prozent der Einheimischen, wohnen in Städten mit mehr als 20.000 Einwohnern; mit 27 Prozent ist der Anteil der in Großstädten lebenden Immigranten doppelt so hoch wie der entsprechende Anteil Deutscher. Die auffällige Diskrepanz zwischen starken Ausländeranteilen in
67
2.4 Ausgewählte demographische Charakteristika von Zuwanderern
Tabelle 2.5 Regionale Verteilung der Zuwanderer in Dänemark, 2002
Region: Kopenhagen und Frederiksberg (Stadtgebiet) Kopenhagen (Umland) Frederiksberg (Umland) Roskilde West-Seeland Storstrøm Bornholm Fünen Süd-Jütland Ribe Vejle Ringkøbing Århus Viborg Nord-Jütland Stadtgröße: 500.000 (Ballungsgebiet)
Dänen
Ausländer
Immigranten
Nachkommen
Gesamt1
10,34
24,07
23,58
26,97
11,02
11,28
15,62
16,18
20,64
11,50
6,91
6,74
6,91
6,93
6,90
4,42 5,64 4,94 0,84 8,89 4,74 4,23 6,61 5,19 12,08 4,47 9,40
3,55 4,04 3,21 0,53 7,11 4,18 3,15 5,22 3,53 10,73 2,39 5,95
3,60 3,83 3,19 0,47 7,40 4,43 2,97 5,01 3,22 11,12 2,28 5,82
4,16 4,03 2,01 0,19 6,97 2,76 2,45 4,15 2,73 11,18 1,26 3,55
4,37 5,56 4,85 0,82 8,80 4,72 4,18 6,54 5,11 12,01 4,36 9,23
42,91 31,84
24,62 31,71
-
-
42,00 31,83
25,25
43,66
-
-
26,16
Anmerkungen: Angaben in Prozent. 1 Verteilung der Gesamtbevölkerung (Dänen und Ausländer). Quelle: Danmarks Statistik, eigene Berechnungen.
einzelnen Bundesländern der alten Bundesrepublik Deutschland und insgesamt nur geringfügigen Anteilen in den neuen Bundesländern hat ihre Ursache erneut vor allem in der Geschichte der Gastarbeiterimmigration, aber auch in der nahezu inexistenten Migrationsgeschichte der ehemaligen DDR und dem ökonomischem Rückstand Ostdeutschlands gegenüber dem alten Bundesgebiet (vgl. Tabelle 2.4). Auch in Dänemark lässt sich aus den gleichen Gründen eine ähnliche Konzentration der Immigranten auf die Ballungsgebiete feststellen. Allerdings beschränkt sie sich hier in besonders starkem Maße auf Großstädte. Dort lebten im Jahr 2002 etwa 44 Prozent aller Ausländer (zieht man die gesonderte Statistik der Immigranten und ihrer Nachkommen aus dem Jahr 2002 heran, sind es sogar 52 Prozent, davon 22 Prozent allein in Kopenhagen), während der Vergleichswert für Einheimische nur 25 Prozent beträgt. In Städten mit 20.000 bis 500.000 Einwohnern liegen die entsprechenden Anteile an der jeweiligen Bevölkerung mit knapp 32 Prozent gleichauf (vgl Tabelle 2.5).
68
2. Die Einwanderungssituation in Deutschland und Dänen
Für beide Länder gilt im Übrigen, dass Immigranten aus nicht-westlichen Staaten mit größerer Wahrscheinlichkeit in die Ballungsgebiete der Großstädte einwandern als Zuwanderer aus westlichen, höher entwickelten Herkunftsländern. Es gilt, diese Aspekte der Migrationsgeschichte Dänemarks und Deutschlands im Blick zu behalten, wenn es im Folgenden um die Analyse des Arbeitsmarkterfolgs von Zuwanderern geht.
2.5
Zusammenfassende Bewertung
Die Migrationsgeschichte hat in Deutschland wie in Dänemark einen durchaus ähnlichen Verlauf genommen. Nach einer Phase der Gastarbeiteranwerbung wurde die Arbeitsmigration im Zeichen des politisch gewollten Anwerbstopps zugunsten der Einreise von Familienangehörigen, später auch des Zuzugs von Flüchtlingen, zurückgedrängt. Aufgrund der wesentlich intensiveren Phase der Gastarbeiteranwerbung in Deutschland verfügen Zuwanderer hier über die im Vergleich deutlich längeren durchschnittlichen Aufenthaltszeiten und ein höheres durchschnittliches Lebensalter. Besonders privilegierte Gruppen sind deutschstämmige Spätaussiedler in Deutschland und Staatsangehörige nordischer Staaten in Dänemark. Insgesamt ist der Anteil von nicht-westlichen Zuwanderern und Flüchtlingen in Dänemark größer; der Gesamtumfang der Immigration allerdings weit geringer als in Deutschland. Der Anteil von Ausländern an der dänischen Gesamtbevölkerung erreichte mit zuletzt rund 5 Prozent kaum mehr als die Hälfte des deutschen Niveaus. (Allerdings verringert sich dieser Abstand, wenn die dänische Statistik der „Immigranten und ihrer Nachkommen“ verwendet wird, also auch eingebürgerte Zuwanderer mitgezählt werden.) Anders als in Dänemark hat die temporäre Arbeitsmigration nach Deutschland einen erheblichen Umfang angenommen. Auch das zuwanderungsrechtliche Instrumentarium beider Länder weist Ähnlichkeiten auf, wobei in Dänemark zuletzt Rechtsverschärfungen, etwa im Staatsangehörigkeitsrecht, eingetreten sind, während Deutschland eine gewisse Liberalisierung mit dem reformierten Staatsangehörigkeitsrecht eingeleitet hat (und mit dem neuen Zuwanderungsgesetz bedingt fortsetzen wird). Gleichzeitig unternimmt Dänemark jedoch bislang wesentlich intensivere Anstrengungen zur Integration der Einwanderer und hat seit 1999 ein System dreijähriger Integrations- und Sprachkurse mit einem speziellen Augenmerk
2.5 Zusammenfassende Bewertung
69
auch auf arbeitsmarktpolitische Belange etabliert. Eine Bewertung des Erfolgs dieser Programme steht freilich noch aus. Deutschland wird mit dem neuen Zuwanderungsgesetz integrationspolitisch einen ähnlichen Weg wie Dänemark einschlagen, dabei aber in stärkerem Maße von Sanktionsmechanismen Gebrauch machen.
71
3
Bildung und Ausbildung – Erfolge von Zuwanderern beim Humankapitalerwerb?*
Ausbildungsniveau, Sprachkenntnisse und weiterer Humankapitalerwerb von Zuwanderern im Einwanderungsland sind für ihre Chancengleichheit und dauerhafte gesellschaftliche Integration, für den Arbeitsmarkterfolg von Immigranten und den Wohlfahrtsgewinn der aufnehmenden Gesellschaften von elementarer Bedeutung. Wissenschaftliche Analysen haben sich bislang allerdings nur selten mit dem Humankapitalerwerb nach der Zuwanderung beschäftigt, sondern überwiegend die Auswirkungen des bereits ins Zielland mitgebrachten Ausbildungsstandes auf die soziale und ökonomische Integration untersucht. Insoweit betritt das Buch an dieser Stelle in mancher Hinsicht Neuland. Untersucht wird im Folgenden zunächst, welchen Bildungsstand Immigranten nach Deutschland bzw. Dänemark mitbringen und ob das jeweilige Bildungssystem Einfluss auf die Humankapitalbildung nimmt. Für verschiedene Bildungsniveaus wird ein Vergleich zum Bildungsstand der einheimischen Bevölkerung gezogen. Hinken Immigranten bei der Bildung hinterher? Welche Determinanten bestimmen das Ausmaß des Bildungserfolgs? Gegenstand der Betrachtung sind sodann die Ausbildungsmöglichkeiten von Zuwanderern im Aufnahmeland. Wie erfolgreich werden die gegebenen Chancen genutzt und welche Faktoren beeinflussen das Niveau des Ausbildungserfolgs je nach Geschlecht und ethnischer Herkunft?
3.1
Ähnlichkeiten und Unterschiede im Bildungssystem
Migranten finden in Deutschland und Dänemark ein sehr unterschiedliches Bildungs- und Ausbildungssystem vor, das aber auch manche Gemeinsamkeiten aufweist (vgl. Abbildungen 3.1-3.2). In Deutschland besteht eine generelle Schulpflicht bereits ab dem 6. Lebensjahr, in Dänemark erst ein Lebensjahr später. Anders als das deutsche System von Grundschule, Hauptschule, Real* Dieses Kapitel stützt sich vor allem auf die Analysen in Constant/Larsen (2004).
Børnehaveklasse
9
10
11
12
13
14
Folkeskole / Grundskole
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
HF Lange Videregående Uddannelser
Gymnasium Mellemlange Videregående Uddannelser
HHX Korte Videregående Uddannelser HTX EUD
Elementarbereich
Berufliche Bildung
Einheitliche Struktur
Tertiärbereich: berufsbezogene (Kurz-)Studiengänge
Allgemeinbildender Sekundarbereich II
Tertiärbereich: längere Universitätsstudiengänge
3. Bildung und Ausbildung – Erfolge von Zuwanderern beim Humankapitalerwerb?
8
72
7
Abbildung 3.1
6
Aufbau der Schulsysteme und des tertiären Bereichs in Dänemark, 1999/2000
Quelle: Europäisches Glossar zum Bildungswesen, Band 2: Bildungseinrichtungen, Eurydice, (www.eurydice.org), 2000.
5
8
9
Grundschule Vorschule
10
11
12
13
14
15
OrienGymnasium tierungsstufe
16
17
18
19
20
21
22
23
24
Universität/Kunst-/Musikhochschule
Gymnasiale Oberstufe
Berufsakademie
Gesamtschule Fachoberschule
Realschule
Fachhochschule Fachhochschule für Verwaltung
Schularten mit mehreren Bildungsgängen
Berufsfachschule Schulen des Gesundheitswesens
Hauptschule Berufsschule + Betrieb (duale Ausbildung)
Fachschule
Elementarbereich Primarbereich
Berufliche Bildung
Allgemeinbildender Sekundarbereich I
Tertiärbereich: Sonstige
Allgemeinbildender Sekundarbereich II
Tertiärbereich: Hochschule allgemein
25
3.1 Ähnlichkeiten und Unterschiede im Bildungssystem
7
Abbildung 3.2
6
73
Aufbau der Schulsysteme und des tertiären Bereichs in Deutschland, 1999/2000
Quelle: Europäisches Glossar zum Bildungswesen, Band 2: Bildungseinrichtungen, Eurydice, (www.eurydice.org), 2000.
5
74
3. Bildung und Ausbildung – Erfolge von Zuwanderern beim Humankapitalerwerb?
schule und Gymnasium mit seiner Auffächerung zu Beginn des Sekundarbereichs 1 nach dem 4. Grundschuljahr, kombiniert das dänische Modell die der deutschen Grundschule vergleichbaren ersten Schuljahre mit den unteren Stufen der weiterführenden Schulen und besteht aus neun obligatorischen Schuljahren sowie einem optionalen zehnten Schuljahr. In dieser Zeit findet der Unterricht – und auch eine leistungsorientierte Einteilung nach den Fähigkeiten der Schüler in Gruppen oder bestimmte Projekte – innerhalb des Klassenverbandes statt. Erst an diese Schulzeit schließt sich ab dem 16. Lebensjahr eine Aufteilung in verschiedene, drei- bis vierjährige allgemeinbildende, technische und Handelsschulzweige an. Demgegenüber findet die Entscheidung über die Bildungskarriere in Deutschland bereits in einem Lebensalter von ca. 10 Jahren statt, wenn auf der Grundlage schulischer Leistungen und verschiedener Auswahlkriterien der weiterführenden Schulen der Weg zu Haupt- und Realschule oder Gymnasium beschritten wird. Diese frühere leistungsorientierte Differenzierung mag dem Bildungsfortschritt der Schülerinnen und Schüler förderlicher erscheinen als die langjährige dänische „Gesamtschule“; im Hinblick auf den schulischen Erfolg der Kinder von Immigranten könnte jedoch das gegenteilige Argument angeführt werden – der Zwang zu frühzeitiger Orientierung verkürzt die schulische Integrationsphase und könnte so potenziell leistungsmindernd wirken. Ein weiterer, erheblicher Unterschied zwischen dem dänischen und deutschen Bildungssystem besteht im Umfang der Schul- und Ausbildungspflicht. Während sie in Dänemark mit dem Abschluss der Sekundarstufe 1 endet, also mit einem Lebensalter von durchschnittlich 16 Jahren, umfasst sie in Deutschland darüber hinaus auch den Sekundarbereich 2, macht also eine berufliche Ausbildung für alle Jugendlichen obligatorisch, die nicht das Gymnasium besuchen. Im Übrigen ist in Deutschland der Privatunterricht durch die eigenen Eltern nicht statthaft, während damit in Dänemark unter bestimmten Voraussetzungen der Schulpflicht Genüge getan werden kann. Auch der Anteil der Privatschulen ist in Dänemark deutlich höher als in Deutschland. In beiden Ländern findet in begrenztem Umfang ein zusätzlicher Sprachunterricht für Schulpflichtige ausländischer Staatsangehörigkeit statt, um ihre schulische Integration zu fördern. Die Programme zur beruflichen Ausbildung und Trainingskurse an technischen und kaufmännischen Schulen oder Universitäten haben in Dänemark die verschiedensten Formen angenommen, in denen Lehre und Berufsschulunterricht
3.1 Ähnlichkeiten und Unterschiede im Bildungssystem
75
miteinander abwechseln. Das erste Ausbildungsjahr ist dabei stark unterrichtsorientiert: Falls kein praktischer Ausbildungsplatz gefunden werden kann, wird das „on-the-job-training“ durch praktischen Unterricht an der Berufsschule ersetzt. Typischerweise dauert es dreieinhalb bis vier Jahre, um eine Lehre nach dänischem System abzuschließen. Deutschland praktiziert ein sehr ähnliches, in seinem Selbstverständnis „duales“, weil von Unternehmen und Berufsschulen gleichberechtigt getragenes System der Ausbildung als Bindeglied zwischen schulischer Bildung und Arbeitsmarkt. Es vermittelt nach zwei bis vier Jahren einen qualifizierten Berufsabschluss. Als Besonderheit ist hier die Möglichkeit zu sehen, bereits vor Abschluss der Hauptschule parallel mit der praktischen Ausbildung beginnen zu können. Ähnlich wie in Dänemark tritt das Angebot der Berufsschule für den Fall, dass keine Ausbildungsstelle zur Verfügung steht, übergangsweise an dessen Stelle. Darüber hinaus bieten eigenständige Berufsfachschulen sowohl einen einjährigen berufsvorbereitenden Kurs als auch eine berufliche Ausbildung an. Nach einer zweijährigen Schulzeit können die Teilnehmer die Fachschulreife erlangen, die einem Realschulabschluss entspricht. Das höhere Bildungssystem in Dänemark besteht aus den Universitäten, die eine forschungsorientierte Lehre anbieten, und einer Vielzahl anderer Institutionen, die stärker berufsorientierte Programme anbieten. Generell erfordert die Zulassung zu diesen Ausbildungszweigen eine zwölfjährige Schul- bzw. Berufsbildung im Rahmen verschiedener Programme. Der Zugang zu vielen dieser Studienprogramme ist begrenzt. Ein universitärer Abschluss als Bachelor erfordert ein erfolgreiches drei- bis dreieinhalbjähriges Studium, ein Abschluss als Master normalerweise fünf Jahre Studium, während der akademische Grad eines Ph.D. im Regelfall acht Jahre Studium und Forschung erfordert. Kürzere, berufsorientierte Studiengänge sind durchweg zwei (maximal drei) Jahre lang. Das deutsche System kennt im Vergleich verschlungenere Wege zur Erlangung der Fachhochschul- und Hochschulreife, die dadurch geprägt sind, nicht allein Abiturienten, sondern auch Absolventen von Realschulen mit angeschlossener beruflicher Ausbildung die Chance auf Erwerb einer universitären Ausbildung zu eröffnen. Verkürzte, stärker praxisbezogene Studiengänge bieten Fachhochschulen an, und auch in Deutschland wurden zuletzt nach internationalem Vorbild Bachelor- und Master-Abschlüsse eingeführt. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem deutschen und dänischen Bildungssystem sind insgesamt gleich stark ausgeprägt. Wirken sich diese Besonderheiten auf den Humankapitalerwerb von Immigranten aus?
76
3. Bildung und Ausbildung – Erfolge von Zuwanderern beim Humankapitalerwerb?
3.2 Ausreichender Humankapitalerwerb bereits im Herkunftsland? Im Hinblick auf den Umfang des Humankapitals von Zuwanderern ist eine Unterscheidung zwischen dem Status zum Zeitpunkt der Einwanderung und dem Ausmaß der späteren Qualifizierung sinnvoll. Hierzu wurden im Verlauf der Untersuchung zunächst alle in der Erhebung erfassten Immigranten im Alter von mehr als 13 Jahren zu den bereits nach Dänemark bzw. Deutschland mitgebrachten Qualifikationen befragt. Die folgende Analyse beschränkt sich auf die für beide Länder-Datensätze vorliegenden Informationen zu Staatsangehörigen aus der Türkei, dem ehemaligen Jugoslawien, Polen, Iran und dem Libanon. Erhebliche Unterschiede zeigen sich zwischen Deutschland und Dänemark in Bezug auf die Verteilung der Immigranten nach Schulabschluss (vgl. Tabelle 3.1). Der Prozentsatz sowohl der männlichen als auch weiblichen Einwanderer, der zum Zeitpunkt der Einwanderung über keinen Schulabschluss verfügte, ist in Dänemark deutlich höher als in Deutschland. In beiden Ländern ist der höchste Anteil ohne abgeschlossene Schulbildung unter den Immigranten aus der Türkei und dem Libanon zu finden, während Iraner und Polen den relativ kleinsten Anteil in dieser Gruppe stellen. Unter den Einwanderern, die ohne Schulabschluss nach Deutschland kamen, haben rund 50 Prozent in ihrem Heimatland niemals eine Schule besucht – die entsprechenden Zahlen fallen für Dänemark interessanterweise wesentlich niedriger aus. Diese Informationen aus der Stichprobe lassen wiederum auf eine tendenziell höhere Wahrscheinlichkeit eines späteren Humankapitalerwerbs und Arbeitsmarkterfolgs dieser besonders benachteiligten Personengruppe in Dänemark schließen. Vergleicht man die in Deutschland lebenden Immigranten mit denen in Dänemark, so zeigt sich ferner, dass im Falle Deutschlands ein höherer Prozentsatz bereits vor der Zuwanderung eine vollständige Schulbildung an Grundschule und weiterführender Schule abgeschlossen hat, wobei iranische Staatsangehörige hier deutlich im Nachteil sind. In Dänemark verfügen libanesische Männer und türkische Frauen in dieser Kategorie über die schwächsten Ausbildungsergebnisse. Türkische Staatsangehörige weisen in der deutschen Stichprobe ein eklatantes Defizit auf, was den Abschluss der Sekundarstufe 2 im Heimatland angeht. Während Zuwanderer aus Polen die Katego-
3.2 Ausreichender Humankapitalerwerb bereits im Herkunftsland?
77
Tabelle 3.1 Vor der Immigration nach Deutschland/Dänemark abgeschlossene Schulbildung (Zuwanderer der ersten Generation), 2001/2002 1 Staatsangehörigkeit
Männer Ehem. Jugoslawien Iran Libanon Polen Türkei Eingebürgert3 Frauen Ehem. Jugoslawien Iran Libanon Polen Türkei Eingebürgert3
DK2 D Grundschule nicht abgeschlossen
DK2 D DK2 D Grundschule Abschluss höheoder Sekundarrer weiterfühstufe 1 absolviert render Schule Angaben in Prozent
DK2 D Durchschnittsalter bei Einreise Jahre
48
17
38
64
14
20
32
27
54 89 25 87 54
13 33 13 33 20
26 9 52 10 24
19 37 55 54 46
20 2 23 4 22
68 27 31 13 38
28 24 27 22 23
29 26 29 25 25
46
33
33
49
21
18
32
28
58 86 13 91 48
15 49 8 47 14
12 9 46 7 20
19 30 35 43 46
31 5 42 1 26
66 20 57 11 34
30 26 30 22 24
30 26 28 25 24
Anmerkungen: Abgeschlossene Schulbildung von Zuwanderern, die bei Ankunft 13 Jahre oder älter waren. 1 Referenzdaten für Dänemark (ges/m/w): ehemaliges Jugoslawien (395/205/190), Iran (119/57/62), Libanon (119/54/65), Polen (169/27 142), Türkei (265/132/133), eingebürgert (656/403/253); Referenzdaten für Deutschland (ges/m/w): ehemaliges Jugoslawien (800/ 434/366), Iran (835/468/367), Libanon (751/419/332), Polen (944/321/623), Türkei (933/465/468), eingebürgert (190/101/89). 2 Keine Informationen zu Grundschulbildung oder weiterführender Schulbildung in RFMS-D enthalten, falls der Befragte auch eine Berufsausbildung oder eine Universitätsausbildung abgeschlossen hat. Grundschulbildung oder weiterführende Schulbildung wird entsprechend dem Niveau der Berufsausbildung oder der Universitätsausbildung zugeordnet. 3 Gewichtete Angaben unter Berücksichtigung des tatsächlichen Anteils der Nationalitäten an der Bevölkerung. Quelle: Berechnungen auf Basis des RFMS-D und RFMS-G.
rie höherer weiterführender Schulbildung in Dänemark insgesamt dominieren, sind es in Deutschland die Iraner. Das Bildungsniveau eingebürgerter Immigranten zeigt keine besonderen Auffälligkeiten in positiver wie negativer Hinsicht, sieht man von dem im Falle Dänemarks doch sehr hohen Anteil der Eingebürgerten ohne Abschluss von Grundschule oder Sekundarstufe 1 im Herkunftsland ab. Durchschnittlich sind die „dänischen“ Einwanderer etwas jünger, mit Ausnahme der Bürger aus dem ehemaligen Jugoslawien und den polnischen Frauen. Ignoriert man den Sonderfall der primär durch Asylsuche begründeten Zuwanderung von Staatsangehörigen aus dem ehemaligen Jugoslawien, so liegt das Durchschnittsalter zum Zeitpunkt der Einwanderung bei 25,5 Jahren für Deutschland und 24 Jahren für Dänemark. Der Vergleich der Stichproben-Anteile von Einwanderern mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung oder Universitätsabschluss (vgl. Tabelle 3.2) zeigt weniger stark ausgeprägte Unterschiede zwischen den Einwan-
78
3. Bildung und Ausbildung – Erfolge von Zuwanderern beim Humankapitalerwerb?
Tabelle 3.2 Vor der Immigration nach Deutschland/Dänemark abgeschlossene Berufs- oder Universitätsausbildung (Zuwanderer der ersten Generation), 2001/20021 Staatsangehörigkeit
DK2 D Keine Berufsoder Universitätsbildung
DK2 D Berufsausbildung
DK2 D Universitätsausbildung
Angaben in Prozent Männer Ehem. Jugoslawien Iran Libanon Polen Türkei Eingebürgert3 Frauen Ehem. Jugoslawien Iran Libanon Polen Türkei Eingebürgert3
DK2 D Durchschnittsalter bei Einreise Jahre
54
53
36
42
10
5
32
27
69 91 29 93 70
65 77 43 74 73
23 9 61 5 20
22 20 47 23 24
8 0 10 2 10
13 3 10 3 3
28 24 27 22 23
29 26 29 25 25
62
76
30
21
8
3
32
28
70 93 29 97 72
59 87 41 89 73
20 5 52 3 21
26 10 44 9 22
10 2 19 0 7
15 3 15 2 5
30 26 30 22 24
30 26 28 25 24
Anmerkungen: 1 Referenzdaten für Dänemark (ges/m/w): ehemaliges Jugoslawien (395/205/190), Iran (119/57/62), Libanon (119/54/65), Polen (169/27 142), Türkei (265/132/133), eingebürgert (656/403/253); Referenzdaten für Deutschland (ges/m/w): ehemaliges Jugoslawien (800/ 434/366), Iran (835/468/367), Libanon (751/419/332), Polen (944/321/623), Türkei (933/465/468), eingebürgert (190/101/89). 2 Keine Informationen zu Grundschulbildung oder weiterführender Schulbildung in RFMS-D, falls der Befragte auch eine Berufsausbildung oder eine Universitätsausbildung abgeschlossen hat. Grundschulbildung oder weiterführende Schulbildung wird entsprechend dem Niveau der Berufsausbildung oder der Universitätsausbildung zugeordnet. 3 Gewichtete Angaben unter Berücksichtigung des tatsächlichen Anteils der Nationalitäten an der Bevölkerung. Quelle: Berechnungen auf Basis des RFMS-D und RFMS-G.
derungsländern Dänemark und Deutschland, verfestigt jedoch das aus der Analyse der im Herkunftsland erzielten Schulabschlüsse gewonnene Bild eines höheren Anteils geringqualifizierter Immigranten in Dänemark. Zugleich liegt Dänemark allerdings, bei erheblichen Schwankungen zwischen den Nationalitäten, in Bezug auf den Anteil der Zuwanderer mit im Herkunftsland abgeschlossener Berufsausbildung annähernd gleichauf mit Deutschland. Durchschnittlich haben in beiden Ländern mehr polnische Migranten und Migrantinnen zum Zeitpunkt der Einwanderung bereits eine Berufsausbildung abgeschlossen oder eine Universität besucht, als jede andere untersuchte Einwanderergruppe. Ansonsten verfügen Frauen nicht in dem gleichen Maß wie Männer über eine höhere Bildung vor Ankunft im Aufnahmeland; Ausnahmen stellen neben den iranischen auch die später eingebürgerten Frauen dar. Am Beispiel der Migrantinnen aus der Türkei wird deutlich, dass überwiegend geringqualifizierte Frauen über den Familiennachzug nach Dänemark und Deutschland eingewandert sind. Ein unmittelbarer Zu-
3.3 Erfolge bei Bildung und Ausbildung in der neuen Heimat?
79
sammenhang zwischen dem Ausbildungsstand vor der Einwanderung und der Tatsache der späteren Einbürgerung ist im Übrigen in den hier verwendeten Datensätzen nicht feststellbar. Dies ist insoweit etwas überraschend, als eingebürgerte Zuwanderer tendenziell zu den erfolgreicheren, besser integrierten Immigranten zählen sollten, von denen ein größeres Maß an bereits aus dem Herkunftsland mitgebrachter Bildung und Ausbildung hätte vermutet werden können. Hier spielt möglicherweise der Humankapitalerwerb im Aufnahmeland eine spezifische Rolle.
3.3
Erfolge bei Bildung und Ausbildung in der neuen Heimat?
Bei der Analyse des Humankapitalerwerbs von Immigranten in Dänemark und Deutschland ist von vornherein eine Unterscheidung zwischen Zuwanderern der ersten Generation und solchen der zweiten Generation zu treffen, um der Tatsache grundsätzlich unterschiedlicher Voraussetzungen des Bildungszugangs angemessen Rechnung zu tragen. Die nachfolgende, entsprechend unterteilte Darstellung bezeichnet solche Immigranten, die bei Ankunft 13 Jahre oder älter waren, als Einwanderer der ersten Generation. Alle Immigranten, die bei Ankunft im Aufnahmeand 12 Jahre alt oder jünger waren und Kinder, die im Aufnahmeland geboren wurden (in dänischer Definition die „Nachkommen“), werden als Einwanderer der zweiten Generation definiert. Wenn im Folgenden zur Orientierung Werte für die jeweilige Gesamtbevölkerung angegeben werden, gilt es zu berücksichtigen, dass alle Angaben für die hier untersuchten fünf Nationalitäten von Zuwanderern auf den Ergebnissen des dänischen und deutschen Rockwool Foundation Migration Surveys beruhen – eine unmittelbare Vergleichbarkeit ist deshalb nicht gegeben. Dennoch erlaubt diese Analyse einige wichtige Tendenzaussagen. 3.3.1
Einwanderer der ersten Generation
Grundschule und weiterführende Schulen
Nur ein marginaler Prozentsatz der Zuwanderer erster Generation hat in Deutschland oder Dänemark einen Schulabschluss erworben, ein Umstand, der mit Blick auf das höhere Lebensalter und den überwiegend vorauszusetzenden „Gastarbeiter“-Status auch nicht überraschen kann. Dänemark verfügt allerdings, vom Ausnahmefall türkischer Männer abgesehen, über merklich größere Anteile von Immigranten mit einer im Inland erworbenen Schulbildung (vgl. Tabelle 3.3). Dies deutet darauf hin, dass Einwanderer nach
80
3. Bildung und Ausbildung – Erfolge von Zuwanderern beim Humankapitalerwerb?
Tabelle 3.3 Abgeschlossene Schulbildung in Deutschland/Dänemark (Zuwanderer der ersten Generation), 2001/20021 Staatsangehörigkeit
DK D Keine Grund- oder weiterführende Schule besucht/k.A.
D2 Grundschule
DK D Sekundarstufe 1
DK D Abitur/Gymnasium
Angaben in Prozent Männer Ehem. Jugoslawien Iran Libanon Polen Türkei Eingebürgert3 Gesamtbev. Frauen Ehem. Jugoslawien Iran Libanon Polen Türkei Eingebürgert3 Gesamtbev.
88
95
5
9
0
3
0
74 80 82 93 69 0
90 97 94 89 84 8
2 2 4 9 14 39
14 9 11 5 16 78
1 0 1 1 1 28
12 11 7 2 15 22
7 1 1 1 1 24
83
96
2
12
1
5
1
88 91 86 91 71 0
93 96 95 95 92 8
1 2 2 4 2 36
6 3 8 8 19 73
2 1 2 1 5 34
6 6 6 1 10 27
4 1 1 0 1 21
Anmerkungen: Angaben für Altersgruppe der 16-70jährigen Immigranten, 15-69jährigen Gesamtbevölkerung Dänemarks und 15-64jährigen Gesamtbevölkerung Deutschlands. Durchschnittsalter bei Einreise und Aufenthaltsdauer: siehe Tabelle 3.4. 1 Referenzdaten für Dänemark (ges/m/w): ehemaliges Jugoslawien (395/205/190), Iran (119/57/62), Libanon (119/54/65), Polen (169/27/ 142), Türkei (265/132/133), eingebürgert (656/403/253); Referenzdaten für Deutschland (ges/m/w): ehemaliges Jugoslawien (800/ 434/366), Iran (835/468/367), Libanon (751/419/332), Polen (944/321/623), Türkei (933/465/468), eingebürgert (190/101/89). 2 Im dänischen Schulsystem gibt es nach der Grundschule keine frühe Unterscheidung wie in Deutschland in Hauptschule, Realschule und Gymnasium. 3 Gewichtete Angaben unter Berücksichtigung des tatsächlichen Anteils der Nationalitäten an der Bevölkerung. Quelle: Berechnungen auf Basis des RFMS-D und RFMS-G, Statistisches Bundesamt, Danmarks Statistik.
der Immigration in Dänemark im Durchschnitt mehr in ihre Ausbildung investieren, also offenbar eine von vornherein größere Bildungsbereitschaft mitbringen. Das teils frappierende Ausmaß der diesbezüglichen Diskrepanz gibt zu denken, zumal es sich auch bei den Eingebürgerten fortsetzt. In beiden Ländern sticht zudem der vergleichsweise hohe Anteil der eingebürgerten Immigranten an denjenigen hervor, die eine schulische Bildung nach der Einwanderung erfolgreich abgeschlossen haben. Das bestätigt die oben bereits angesprochene Vermutung, dass zwischen der im Aufnahmeland erworbenen Bildung – mithin also dem anzunehmenden größeren Erfolg bei der sozialen und ökonomischen Integration – und dem Einbürgerungsverhalten ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Auffällig ist zudem, insbesondere in Deutschland, das relativ hohe Bildungsniveau iranischer Immigranten, gera-
3.3 Erfolge bei Bildung und Ausbildung in der neuen Heimat?
81
de im Vergleich zu türkischen Zuwanderern der ersten Generation. Dessen ungeachtet zeigt die Relation zu den entsprechenden Werten für die einheimische Bevölkerung (auch unter Berücksichtigung statistischer Unschärfen) den letztlich geringen prozentualen Umfang der im Aufnahmeland erworbenen Bildung und Ausbildung von Immigranten der ersten Generation in Deutschland und Dänemark. Berufsausbildung und Hochschulbildung
Im Hinblick auf berufliche und universitäre Bildungsabschlüsse ragen Zuwanderer aus dem Iran, Polen und Eingebürgerte erneut deutlich aus der Gruppe der in der Stichprobe untersuchten Immigranten heraus (vgl. Tabelle 3.4). Nur sie unterschreiten in beiden Ländern den ansonsten fast durchgängig mehr als 90 Prozent betragenden Anteil der Immigranten ohne Ausbildungsabschluss im Aufnahmeland. Immerhin über 20 Prozent der in Dänemark lebenden männlichen Iraner und mehr als 10 Prozent der Iraner in Deutschland verfügen über eine dort absolvierte Berufsausbildung, bemerkenswerte jeweils über 10 Prozent sogar über einen Hochschulabschluss. Damit erreichen männliche Immigranten aus dem Iran innerhalb der Stichprobe nahezu die Hochschulabschluss-Quote der Gesamtbevölkerung. Allgemein ist freilich der Prozentsatz von Einwanderern der ersten Generation mit einer im Aufnahmeland absolvierten Universitätsausbildung denkbar gering. Auch dies ist kaum überraschend, berücksichtigt man das durchschnittliche Lebensalter zum Zeitpunkt der Zuwanderung. Die langen Aufenthaltszeiten der Immigranten erster Generation gehen durchweg auf die nach dem Anwerbestopp im Jahr 1973 aufgegebene „Rückkehrillusion“ der ehemaligen Gastarbeiter zurück. Sie stehen insoweit nicht im Widerspruch zu der insgesamt weit unterdurchschnittlichen Ausbildungsbeteiligung dieser Zuwanderergruppe. Die Konstellation ist für Zuwanderer aus der Türkei (ungeachtet des vergleichsweise geringen durchschnittlichen Lebensalters bei Einreise nach Deutschland oder Dänemark) besonders ungünstig zu beurteilen, wobei sie in der Bundesrepublik noch zu einem nennenswert höheren Prozentsatz am Ausbildungsgeschehen beteiligt sind als in Dänemark. Letztlich kann aber auch das positive Bild im Falle einzelner Nationalitäten nicht darüber hinweg täuschen, dass die Einwanderer der ersten Generation trotz – oder genauer: gerade aufgrund – ihres mittlerweile langjährigen Aufenthalts in beiden Ländern weit unterhalb des Ausbildungsstandes der Gesamtbevölkerung rangieren.
82
3. Bildung und Ausbildung – Erfolge von Zuwanderern beim Humankapitalerwerb?
Tabelle 3.4 In Deutschland/Dänemark abgeschlossene Berufs- und Universitätsausbildung (Zuwanderer der ersten Generation), 2001/2002 1 DK D DK D DK D BerufsausUniversität Keine BerufsStaatsbildung angehörigkeit oder Universitätsausbildung/k.A. Angaben in Prozent Männer Ehem. 95 92 5 7 0 1 Jugoslawien Iran 67 77 22 11 11 12 Libanon 95 92 5 7 0 1 Polen 81 89 6 9 13 2 Türkei 98 89 1 9 1 2 Eingebür66 83 23 14 11 3 2 gert Gesamtbev. 43 23 50 61 7 15 Frauen Ehem. Jugoslawien Iran Libanon Polen Türkei Eingebürgert2 Gesamtbev.
DK D Durchschnittsalter bei Einreise
DK D Aufenthaltsjahre seit Einwanderung, Durchschnitt Jahre
32
27
8
17
28 24 27 22 23
29 26 29 25 28
11 11 13 19 17
15 12 12 20 21
/
/
/
/
95
93
5
6
0
1
32
28
7
17
85 97 82 99 70
88 93 89 92 90
15 3 15 1 24
8 7 9 6 5
0 0 2 0 6
4 0 2 2 5
30 26 30 22 24
30 26 28 25 26
8 10 11 16 18
12 12 11 19 19
47
29
47
59
5
10
/
/
/
/
Anmerkungen: 1 Referenzdaten für Dänemark (ges/m/w): ehemaliges Jugoslawien (395/205/190), Iran (119/57/62), Libanon (119/54/65), Polen (169/27/ 142), Türkei (265/132/133), eingebürgert (656/403/253); Referenzdaten für Deutschland (ges/m/w): ehemaliges Jugoslawien (800/ 434/366), Iran (835/468/367), Libanon (751/419/332), Polen (944/321/623), Türkei (933/465/468), eingebürgert (190/101/89). 2 Gewichtete Angaben unter Berücksichtigung des tatsächlichen Anteils der Nationalitäten an der Bevölkerung. Quelle: Berechnungen auf Basis des RFMS-D und RFMS-G, Statistisches Bundesamt, Danmarks Statistik.
Deutsche/Dänische Sprachkenntnisse
Für die Beurteilung der Sprachkenntnisse von Immigranten der ersten Generation fehlt es an verlässlichen Informationen aus amtlichen Statistiken. Im Rahmen der Erhebung des deutschen und dänischen Rockwool Foundation Migration Surveys wurden deshalb entsprechende Befragungen (in dänischer bzw. deutscher Sprache) vorgenommen, die zwar naturgemäß ein gewisses Maß an Unsicherheit beinhalten, welches jedoch dadurch gering gehalten werden konnte, dass in die Analyse nicht die Selbsteinschätzung des Befragten, sondern die Einschätzung des Fragenden einging.1 1
In der dänischen Erhebung sind Immigranten und ihre Nachkommen berücksichtigt worden; dies bedingt einen höheren Anteil dänischer Staatsangehöriger (46 Prozent) gegenüber der deutschen Befragung (6 Prozent nach der Befragung Einbürgerte). Für die Analyse bleibt dies ohne Berücksichtigung.
3.3 Erfolge bei Bildung und Ausbildung in der neuen Heimat?
83
Tabelle 3.5 Deutsch-/Dänischkenntnisse (Zuwanderer der ersten Generation), 2001/2002 1
Staatsangehörigkeit
DK D Gute Sprachkenntnisse
DK D Durchschnittliche Sprachkenntnisse
DK
D Schlechte Sprachkenntnisse
Angaben in Prozent Männer Ehem. Jugoslawien Iran Libanon Polen Türkei Eingebürgert2 Frauen Ehem. Jugoslawien Iran Libanon Polen Türkei Eingebürgert2
DK D Aufenthaltsjahre seit Einwanderung, Durchschnitt Jahre
39
55
29
29
32
15
8
17
64 50 52 28 72
65 44 60 44 71
31 35 31 41 23
19 32 24 34 27
6 15 17 31 5
16 23 16 22 2
11 11 13 18 18
15 12 12 20 21
49
51
22
21
28
28
7
17
32 21 40 20 62
51 21 66 20 69
40 52 39 32 31
25 28 22 29 21
28 26 20 48 7
24 51 12 51 10
7 10 11 15 18
12 12 11 19 19
Anmerkungen: 1 Referenzdaten für Dänemark (ges/m/w): ehemaliges Jugoslawien (395/205/190), Iran (119/57/62), Libanon (119/54/65), Polen (169/27/ 142), Türkei (265/132/133), eingebürgert (656/403/253); Referenzdaten für Deutschland (ges/m/w): ehemaliges Jugoslawien (800/ 434/366), Iran (835/468/367), Libanon (751/419/332), Polen (944/321/623), Türkei (933/465/468), eingebürgert (190/101/89). 2 Gewichtete Angaben unter Berücksichtigung des tatsächlichen Anteils der Nationalitäten an der Bevölkerung. Quelle: Berechnungen auf Basis des RFMS-D und RFMS-G.
Die Sprachkenntnisse der in der Stichprobe befragten, im Ausland geborenen und aufgewachsenen Zuwanderer sind sehr unterschiedlicher Qualität, was nicht überraschen kann (vgl. Tabelle 3.5). In Dänemark wie in Deutschland überwiegt bei männlichen Immigranten insgesamt der Anteil derer, die die Sprache des Aufnahmelandes gut beherrschen. Dagegen fällt das Niveau des Spracherwerbs von Immigrantinnen stark ab. Die Erklärung hierfür ist in ihrer weitaus geringeren Erwerbsbeteiligung zu suchen – vielen Frauen der ersten Zuwanderergeneration, gerade jenen mit anderer kultureller Herkunft und entsprechenden Integrationsschwierigkeiten, fehlte damit ein Vehikel zum alltäglichen Spracherwerb. Zu berücksichtigen sind mit Blick auf diese Phase der Immigrationsgeschichte Dänemarks und Deutschlands ebenso die Folgen fehlender Sprachkursangebote und der erwähnten „Rückkehrillusion“, die den Spracherwerb in vielen Fällen als nicht lohnend erscheinen lassen konnte. Das gilt in hohem Maße für türkische Zuwanderer, deren Spracherwerb denn auch, trotz besonders langer Aufenthaltszeiten, weit unterdurchschnittlich entwickelt ist. Bei den in den Datensätzen erfassten männlichen Immigranten verfügen die in Deutschland und Dänemark lebenden Iraner über den höch-
84
3. Bildung und Ausbildung – Erfolge von Zuwanderern beim Humankapitalerwerb?
sten Prozentsatz mit guten Sprachkenntnissen; dies korrespondiert mit dem oben skizzierten Befund zu ihrer ebenfalls überdurchschnittlichen Bildungsund Ausbildungsbeteiligung. Auch ein hoher Prozentsatz polnischer Staatsangehöriger beiden Geschlechts besitzt gute Kenntnisse der deutschen bzw. dänischen Sprache. Ein Gleiches gilt für rund zwei Drittel aller Eingebürgerten. Dem Spracherwerb kommt eine elementare Bedeutung für die Integration in Gesellschaft und Arbeitsmarkt zu. Während hier für Einwanderer der ersten Generation migrationsbedingt erhebliche Abstriche, wie geschildert, plausibel sind, ist für Immigranten der zweiten Generation ein weitaus höheres Maß an Sprachkenntnissen von vornherein als eher wahrscheinlich anzunehmen und sollte die Grundlage für einen größeren Bildungs- und Ausbildungserfolg in Deutschland oder Dänemark bilden. 3.3.2
Einwanderer der zweiten Generation
Deutsche/Dänische Sprachkenntnisse
Diese Erwartung besseren Spracherwerbs findet ihre Bestätigung durch die Befragungsdaten (vgl. Tabelle 3.6). Deutlich wird das hohe Maß an als „gut“ klassifizierten Sprachkenntnissen, insbesondere für männliche Immigranten der zweiten Generation. Die Sozialisation durch das bereits in den frühen Lebensjahren bzw. seit der Geburt angetroffene Lebensumfeld sowie die Schulpflicht tragen entscheidend zu diesem Ergebnis bei, das allerdings für weibliche Zuwanderer teilweise etwas ungünstiger ausfällt und auch für die älteren Immigranten in dieser Gruppe weniger positiv ist. Zu berücksichtigen ist darüber hinaus (neben den Vor- und Nachteilen eines zweisprachigen Aufwachsens sehr vieler Zuwanderer der zweiten Generation), dass der Spracherwerb für nicht bereits in Dänemark oder Deutschland geborene Nachkommen erst im Verlauf des weiteren Aufenthalts erfolgt, also durchaus den Zugang zu gleichen Schulbildungschancen erschweren kann. So ist etwa die starke Frequentierung der deutschen Vorschulen durch ausländische Kinder auch darauf zurückzuführen, dass ihre reguläre Einschulung aufgrund von Spracherwerbsdefiziten häufig zurückgestellt wird.2 Auch in Dänemark sind nicht ausreichende Sprachkenntnisse mit ausschlaggebend für einen unterdurchschnittlichen Bildungserwerb von Zuwanderern der zweiten Generation.3 2 3
Vgl. Beauftragte für Migration (2002), S. 194. Vgl. Jakobsen/Smith (2003).
3.3 Erfolge bei Bildung und Ausbildung in der neuen Heimat?
85
Tabelle 3.6 Deutsch-/Dänischkenntnisse (Zuwanderer der zweiten Generation), 2001/2002 1 Staatsangehörigkeit
Männer Ehem. Jugoslawien Iran Libanon Polen Türkei Eingebürgert2 Frauen Ehem. Jugoslawien Iran Libanon Polen Türkei Eingebürgert2
DK D Gute Sprachkenntnisse
DK D Durchschnittliche Sprachkenntnisse Angaben in Prozent
DK D Schlechte Sprachkenntnisse
DK D Durchschnittsalter Jahre
93
87
7
12
0
1
18
27
100 89 100 91 99
91 90 86 91 100
0 11 0 6 1
9 10 8 8 2
0 0 0 3 0
0 0 6 0 0
19 18 20 23 23
27 24 35 28 29
100
89
0
6
0
5
18
28
80 100 100 85 96
100 80 75 92 92
20 0 0 11 4
0 14 16 7 5
0 0 0 4 0
0 6 9 1 3
17 19 19 23 24
25 24 36 27 29
Anmerkungen: Die Kategorie „Zuwanderer der zweiten Generation“ umfasst alle Immigranten, die bei Ankunft 12 Jahre oder jünger waren und die Nachkommen, die in Deutschland/Dänemark geboren wurden. 1 Referenzdaten für Dänemark (ges/m/w): ehemaliges Jugoslawien (24/11/13), Iran (9/4/5), Libanon (20/10/10), Polen (22/15/7), Türkei (55/29/26), eingebürgert (350/182/168); Referenzdaten für Deutschland (ges/m/w): ehemaliges Jugoslawien (182/98/84), Iran (91/53/ 38), Libanon (163/79/84), Polen (146/71/76), Türkei (465/251/214), eingebürgert (131/46/85). 2 Gewichtete Angaben unter Berücksichtigung des tatsächlichen Anteils der Nationalitäten an der Bevölkerung. Quelle: Berechnungen auf Basis des RFMS-D und RFMS-G.
Grundschule und weiterführende Schule
Das vergleichsweise geringere Durchschnittsalter von Immigranten der zweiten Generation in der Stichprobe spricht, zumal in Dänemark, wo der Altersunterschied zur Gesamtbevölkerung stärker noch als in Deutschland ausgeprägt ist, dennoch für einen vergleichsweise höheren Bildungsgrad von Einwanderern der zweiten Generation. Für diese Gruppe ist denn auch ein insgesamt deutlich größerer Anteil höherer schulischer Bildungsabschlüsse als für Zuwanderer der ersten Generation erkennbar (vgl. Tabellen 3.7 und 3.3). Besonders häufig erreichen Eingebürgerte das Abitur; in Deutschland darüber hinaus iranische Immigrantinnen; in Dänemark sind es hauptsächlich Libanesen und Polinnen, die das Gymnasium mit dem Abitur abschließen. Hinzuweisen ist allerdings auf die Tatsache, dass die Zuwanderer der zweiten Generation – ausweislich der für Deutschland vorliegenden „Berichte über die Lage der Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland“4 – bei nur 4
Seit dem Jahr 2002 liegt der fünfte dieser vom Amt der Beauftragten für Migration, Flüchtlinge und Integration erstellten Situationsberichte vor; vgl. www.integrationsbeauftragte.de.
86
3. Bildung und Ausbildung – Erfolge von Zuwanderern beim Humankapitalerwerb?
Tabelle 3.7 Abgeschlossene Schulbildung in Deutschland/Dänemark (Zuwanderer der zweiten Generation), 2001/20021 Staatsangehörigkeit
DK D Keine Grund- oder weiterführende Schule besucht/k.A.
D2 Grundschule
DK D Sekundarstufe 1
DK D Abitur/Gymnasium
Angaben in Prozent Männer Ehem. Jugoslawien Iran Libanon Polen Türkei Eingebürgert3 Gesamtbev. Frauen Ehem. Jugoslawien Iran Libanon Polen Türkei Eingebürgert3 Gesamtbev.
28
25
44
65
19
7
12
52 0 4 17 13 0
30 40 21 17 7 8
11 37 48 47 39 39
26 71 76 77 59 78
23 18 23 27 21 28
22 29 20 6 28 22
36 5 8 9 33 24
1
29
29
89
30
10
12
60 10 0 14 14 0
40 48 22 14 14 8
13 33 42 45 45 36
40 70 70 74 48 73
26 18 25 31 35 34
0 20 30 12 38 27
21 1 11 10 6 21
Anmerkungen: Die Kategorie „Zuwanderer der zweiten Generation“ umfasst alle Immigranten, die bei Ankunft 12 Jahre oder jünger waren und die Nachkommen, die in Deutschland/Dänemark geboren wurden. 1 Referenzdaten für Dänemark (ges/m/w): ehemaliges Jugoslawien (24/11/13), Iran (9/4/5), Libanon (20/10/10), Polen (22/15/7), Türkei (55/29/26), eingebürgert (350/182/168); Referenzdaten für Deutschland (ges/m/w): ehemaliges Jugoslawien (182/98/84), Iran (91/53/ 38), Libanon (163/79/84), Polen (146/71/76), Türkei (465/251/214), eingebürgert (131/46/85). 2 Im dänischen Schulsystem gibt es nach der Grundschule keine frühe Unterscheidung wie in Deutschland in Hauptschule, Realschule und Gymnasium. 3 Gewichtete Angaben unter Berücksichtigung des tatsächlichen Anteils der Nationalitäten an der Bevölkerung. Quelle: Berechnungen auf Basis des RFMS-D und RFMS-G, Statistisches Bundesamt, Danmarks Statistik.
leicht verbesserter Tendenz in den Gymnasien bis heute unter-, dafür aber in den Schulen ohne weiterführende Abschlussmöglichkeit überrepräsentiert sind (und zuletzt sogar als Folge behördlicher Ausweichreaktionen auf Sprachdefizite sogar einen steigenden Anteil von Sonderschulzuweisungen zu verzeichnen hatten). Ein im Einzelfall über den Wert für die Gesamtbevölkerung hinausgehender Prozentsatz höherer Bildungsabschlüsse in der Stichprobe darf deshalb nicht zu Fehlinterpretationen verleiten. Vielmehr gilt es festzuhalten, dass der schulische Erfolg auch der in Deutschland geborenen Nachkommen von Zuwanderern nach wie vor weit hinter demjenigen vergleichbarer einheimischer Altersgruppen zurück bleibt.5 5
Anderen Untersuchungen zufolge hat sich der Bildungsabstand zwischen Einheimischen und in Deutschland geborenen Zuwanderern in jüngerer Zeit sogar vergrößert; vgl. Riphahn (2003).
3.3 Erfolge bei Bildung und Ausbildung in der neuen Heimat?
87
Tabelle 3.8 In Deutschland/Dänemark abgeschlossene Berufs- und Universitätsausbildung (Zuwanderer der zweiten Generation), 2001/20021
Staatsangehörigkeit
DK D Keine Berufsoder Universitätsausbildung/k.A.
DK D Berufsausbildung
DK D Universität
DK D Durchschnittsalter
Angaben in Prozent
Jahre
Männer Ehem. Jugoslawien Iran Libanon Polen Türkei Eingebürgert2 Gesamtbev.
93
65
7
32
0
3
18
27
100 91 68 79 77 44
87 84 66 67 66 28
0 9 28 18 18 46
11 15 34 31 34 58
0 0 4 3 5 10
2 1 0 2 0 14
19 18 20 23 23 39
27 24 35 28 29 40
Frauen Ehem. Jugoslawien Iran Libanon Polen Türkei Eingebürgert2 Gesamtbev.
95
75
5
24
0
1
18
28
100 100 88 84 73 49
76 90 70 69 68 35
0 0 12 16 25 45
13 10 30 30 27 56
0 0 0 0 2 5
11 0 0 1 5 9
17 19 19 23 24 40
25 24 36 27 29 40
Anmerkungen: Die Kategorie „Zuwanderer der zweiten Generation“ umfasst alle Immigranten, die bei Ankunft 12 Jahre oder jünger waren und die Nachkommen, die in Deutschland/Dänemark geboren wurden. 1 Referenzdaten für Dänemark (ges/m/w): ehemaliges Jugoslawien (24/11/13), Iran (9/4/5), Libanon (20/10/10), Polen (22/15/7), Türkei (55/29/26), eingebürgert (350/182/168); Referenzdaten für Deutschland (ges/m/w): ehemaliges Jugoslawien (182/98/84), Iran (91/53/ 38), Libanon (163/79/84), Polen (146/71/76), Türkei (465/251/214), eingebürgert (131/46/85). 2 Gewichtete Angaben unter Berücksichtigung des tatsächlichen Anteils der Nationalitäten an der Bevölkerung. Quelle: Berechnungen auf Basis des RFMS-D und RFMS-G, Statistisches Bundesamt, Danmarks Statistik.
So ergibt sich für Deutschland ein durchaus ambivalentes Bild einer hinsichtlich ihrer schulischen Bildung zweigeteilten Gruppe von Zuwanderern der zweiten Generation: Solchen Immigranten bzw. Nachkommen mit annähernd gleichen Bildungsvoraussetzungen und -erfolgen wie junge Einheimische stehen diejenigen gegenüber, die, nicht zuletzt auch aufgrund ihrer sozialen Herkunft, mit erheblichen schulischen Integrationsproblemen konfrontiert sind. Berufsausbildung und Hochschulbildung
Es kann dennoch nicht überraschen, dass im Vergleich zu Immigranten der ersten Generation ihre Nachkommen bzw. Zuwanderer der zweiten Generation deutlich größere Humankapitalinvestitionen in Bezug auf die berufliche oder universitäre Bildung tätigen. Allerdings gilt auch das oben für die schulische Bildung Gesagte (vgl. Tabelle 3.8): So ist die Quote der erreichten
88
3. Bildung und Ausbildung – Erfolge von Zuwanderern beim Humankapitalerwerb?
Universitätsabschlüsse für diese Immigrantengruppe innerhalb der Stichprobe für Dänemark wie Deutschland ausgesprochen gering. Und auch der Anteil der Zuwanderer oder Nachkommen mit abgeschlossener Berufsausbildung ist noch weit vom Durchschnittswert für die Gesamtbevölkerung entfernt. Bereinigt um den Einfluss des geringeren durchschnittlichen Lebensalters der Immigranten zweiter Generation in Dänemark, lässt sich zudem feststellen, dass in Deutschland vergleichsweise deutlich mehr Einwanderer der zweiten Generation in eine Berufsausbildung investieren. Ganz allgemein wird offenbar, welch großen Nachholbedarf die – in Dänemark überwiegend und auch in Deutschland gemäß neuem Staatsangehörigkeitsrecht prozentual zunehmend eingebürgerten – Immigranten gegenüber der einheimischen Bevölkerung auf dem Gebiet von Ausbildung und Hochschulbildung aufweisen. Hier tut sich ein weites Feld für die Integrationspolitik auf.
3.4 Determinanten des Humankapitalerwerbs von Zuwanderern Über die deskriptive Analyse der zur Verfügung stehenden Daten und ihre erste Einordnung anhand von Plausibilitätserwägungen hinaus vermag eine nähere Untersuchung mit Hilfe wissenschaftlicher Modellierungsverfahren weiteren Aufschluss zu den Bedingungen des Erfolgs von Immigranten in Bildung und Ausbildung zu liefern. Welchen Einfluss nehmen wirtschaftliche, soziale, persönliche und familiäre Faktoren auf die Wahrscheinlichkeit, einen bestimmten Bildungsgrad in Deutschland oder Dänemark zu erlangen? Unter welchen Bedingungen fällt die Entscheidung der Migranten für einen vorgegebenen Bildungsabschluss, für oder gegen eine berufliche Ausbildung? Zur Beantwortung dieser Fragen lässt sich auf eine ganze Reihe erklärender Variablen verweisen, die den Bildungs- und Ausbildungserfolg in sehr unterschiedlicher Weise prägen können – angefangen bei Geschlecht, Geburtsland und Nationalität bzw. vollzogener Einbürgerung, über das Lebensalter zum Zeitpunkt der Zuwanderung und die anschließend im Aufnahmeland verbrachten Aufenthaltsjahre, bis hin zum Gesundheitszustand, dem Bildungs- und Beschäftigungsstand der Eltern, den Wohnverhältnissen (Stadtgröße) und der kulturellen sowie Religionszugehörigkeit. Auf diese Weise ergibt sich ein genaueres Bild zu den Bildungs- und Ausbildungschancen von Immigranten. Bei jeder dieser untersuchten Variablen ist ein Einfluss auf den Bildungserfolg unmittelbar nahe liegend: Ein geringeres Lebensalter bei Einreise nach Deutschland oder Dänemark macht das Erreichen eines höheren Bildungs-
3.4 Determinanten des Humankapitalerwerbs von Zuwanderern
89
abschlusses von vornherein wahrscheinlicher; die ethnische, kulturelle, soziale und familiäre Herkunft bleiben gleichfalls nicht ohne Auswirkung. Aus den angestellten Untersuchungen lassen sich Rückschlüsse für Strategien zur besseren Auswahl, Integration und Qualifizierung von Immigranten ziehen.6 3.4.1 Beeinflussende Faktoren der schulischen und universitären Bildung
Im Durchschnitt sind die hier anhand verschiedener Einflussvariablen (vgl. Tabelle 3.9) untersuchten Zuwanderer in einem Alter von rund 23 Jahren nach Deutschland oder Dänemark eingewandert und haben seitdem 15 oder mehr Aufenthaltsjahre im Aufnahmeland verbracht. Ein größerer Prozentsatz verfügt zwar über keinen Bildungsabschluss aus dem Herkunftsland, bringt aber bereits Arbeitserfahrung mit. In Dänemark besitzt weit häufiger bereits der Vater des Zuwandernden einen höheren Bildungsabschluss, während in Deutschland der Anteil der Väter (stellvertretend für beide Elternteile untersucht) in einfachen beruflichen Positionen überwiegt. Dort ist darüber hinaus ein dreifach höherer Anteil von Immigranten anzutreffen, die eine Schulbildung entsprechend der Sekundarstufe 2 oder gar einen Hochschulabschluss absolviert haben. Auch besitzt nahezu die Hälfte der Immigranten in Dänemark, bedingt durch die bereits wiederholt angesprochene andere Erfassung von Immigranten und ihren Nachkommen, die Staatsangehörigkeit des Aufnahmelandes; in Deutschland ist dies zu kaum mehr als fünf Prozent der Fall. Auf der Grundlage dieser Variablen des Bildungserfolgs lassen sich ökonometrische Schätzungen vornehmen, mit deren Hilfe die Wahrscheinlichkeiten eines spezifischen Bildungserwerbs in Abhängigkeit von den genannten Einflussfaktoren ermittelt werden können. Die nachfolgende Darstellung beschränkt sich an dieser Stelle auf die Wiedergabe der wichtigsten Ergebnisse der Untersuchung für Dänemark und Deutschland.7 Immigranten und Nachkommen in Dänemark
Das Lebensalter zum Zeitpunkt der Einwanderung hat nach den Resultaten der Analyse den erwarteten signifikanten Einfluss auf die Wahrscheinlich6
7
Nähere Einzelheiten zur Genese der hier überblickshaft präsentierten Forschungsresultate finden sich in Constant/Larsen (2004). Die herangezogene Sub-Stichprobe für die dänische Analyse beinhaltete für Dänemark etwa 1.900 Beobachtungen von Immigranten im Alter zwischen 16 und 72 Jahren; für Deutschland lagen 5.291 Beobachtungen von Personen zwischen 17 und 87 Jahren vor. Vgl. wiederum Constant/Larsen (2004) zu Einzelheiten und Herleitung der Ergebnisse.
90
3. Bildung und Ausbildung – Erfolge von Zuwanderern beim Humankapitalerwerb?
Tabelle 3.9 Ausgewählte Charakteristika des Bildungshintergrunds Variable Abhängige Variable Grundschule & niedrige weiterführende Schule abgeschlossen in DK/D höhere weiterführende Schule/Universität abgeschlossen in DK/D Berufsausbildung abgeschlossen in DK/D Erklärende Variable Alter bei Einreise Aufenthaltsdauer gesundheitliche Einschränkungen Grundschule im Heimatland (Referenz) weiterführende Schule im Heimatland Universitätsabschluss im Heimatland Berufsausbildung im Heimatland kein Abschluss im Heimatland Arbeit im Heimatland Vater ohne Schulbildung (Referenz) - Grundschulbildung - weiterführende Schule - Uni oder vergleichbare Institution - ungelernter Arbeiter (Referenz) - gelernter Arbeiter - einfacher Angestellter - gehobener Angestellter - Bauer - selbständig - Spezialist mit universitärer Ausbildung - andere Beschäftigung Großstadt im Heimatland (Referenz) mittlere Stadt im Heimatland Kleinstadt im Heimatland Großstadt in DK/G (Referenz) mittlere Stadt in DK/D Kleinstadt in DK/D Religion in DK/D geboren Türkei (Referenz) Ehem. Jugoslawien Polen Iran Libanon/Staatenlos Dänemark/Deutschland Mann Anzahl der Beobachtungen
Dänemark Standardabweichung
Mittelwert
Deutschland Standardabweichung
Mittelwert
16,83
37,42
17,50
38,00
15,97
36,64
5,29
22,39
16,29
36,94
12,53
33,11
23,50 15,09 0,17
12,71 8,03 0,37
22,98 17,12 0,18
12,39 11,12 0,38
0,22
0,41
0,34
0,47
0,17
0,38
0,27
0,45
0,07 0,21 0,61 0,49 0,26 0,32 0,12 0,31 0,27 0,14 0,12 0,11 0,10 0,13 0,05
0,26 0,41 0,49 0,50 0,44 0,47 0,33 0,46 0,44 0,34 0,32 0,31 0,30 0,33 0,22
0,06 0,23 0,38 0,51 0,23 0,41 0,19 0,18 0,37 0,17 0,07 0,10 0,09 0,11 0,03
0,24 0,42 0,49 0,50 0,42 0,49 0,39 0,38 0,48 0,37 0,26 0,30 0,29 0,32 0,16
0,08 0,27 0,42 0,14 0,06 0,08 0,02 0,84 0,06 0,16 0,19 0,09 0,05 0,06 0,45 0,52
0,27 0,45 0,49 0,35 0,23 0,27 0,13 0,36 0,23 0,37 0,39 0,28 0,23 0,24 0,50 0,50
0,06 0,21 0,37 0,29 0,04 0,13 0,02 0,85 0,09 0,25 0,18 0,19 0,16 0,16 0,06 0,50
0,23 0,41 0,48 0,45 0,19 0,33 0,12 0,36 0,29 0,43 0,38 0,40 0,37 0,37 0,23 0,50
1.866
5.291
Anmerkung: Die Angaben beziehen sich auf Immigranten, die zum Zeitpunkt der Erhebung nicht Schüler oder Studierende waren bzw. eine Berufsausbildung absolvierten. Quelle: Berechnungen auf Basis des RFMS-D und RFMS-G.
3.4 Determinanten des Humankapitalerwerbs von Zuwanderern
91
keit, einen Bildungsabschluss in Dänemark zu erwerben (vgl. Tabelle A.1 im Anhang). Mit jedem zusätzlichen Lebensjahr des Zuwanderers bei der Ankunft im Aufnahmeland nimmt die Wahrscheinlichkeit, dass die Folkeskole oder das Gymnasium erfolgreich absolviert bzw. ein Hochschulabschluss erworben wird, deutlich ab. Ebenfalls signifikant ist der Einfluss der Aufenthaltsdauer auf die Wahrscheinlichkeit, das dänische Gymnasium oder eine Universität zu besuchen. Bestätigung erfährt auch der Zusammenhang zwischen dem Besuch einer weiterführenden Schule im Heimatland und der im Vergleich zu weniger gut vorgebildeten Immigranten höheren Wahrscheinlichkeit, in Dänemark Gymnasium oder Universität erfolgreich zu absolvieren. Es findet in diesen Fällen besonders häufig eine gezielte Investition in das eigene Humankapital statt – ein Hinweis, den eine gezielte Migrationspolitik bei der Auswahl von Zuwanderern zu berücksichtigen hätte. Zuwanderer ohne im Herkunftsland erworbenen Bildungsabschluss absolvieren mit weit geringerer Wahrscheinlichkeit die Folkeskole als Einstieg in eine Bildungskarriere in Dänemark. Einwanderer, die keine Schulausbildung in ihrem Heimatland durchlaufen haben, beenden die Folkeskole mit einer wesentlich geringeren Wahrscheinlichkeit (für höhere Abschlüsse lässt sich anhand der verfügbaren Daten kein signifikanter Zusammenhang erkennen). Bei ihnen dürfte es sich um Einwanderer der ersten Generation handeln, die als un- bzw. nur geringqualifizierte Gastarbeiter nach Dänemark eingereist sind und dort keine Schule absolviert haben. Zuwanderer, die bereits berufliche Erfahrungen in ihre neue Heimat mitbringen, werden – verallgemeinert man den hierzu ermittelten Befund – vermutlich zu keinem späteren Zeitpunkt eine weitere Ausbildung erwerben, sofern die sonstigen Einflussfaktoren unverändert bleiben. Diese auffällig unterentwickelte Bereitschaft, von den Bildungsmöglichkeiten im Aufnahmeland Gebrauch zu machen, ist ganz offenkundig darauf zurückzuführen, dass als Immigrationsmotiv die Arbeitsaufnahme in Dänemark im Mittelpunkt stand. Der Bildungsgrad des Vaters hat einen signifikant positiven Effekt auf die Wahrscheinlichkeit, das Gymnasium oder die Universität erfolgreich abzuschließen. Dies deutet auf eine intergenerationale Vermittlung von Bildungsambitionen jedenfalls für das höhere Bildungssegment hin. Ferner lässt eine Tätigkeit des Vaters als selbständiger Unternehmer die Wahrscheinlichkeit deutlich wachsen, dass Tochter oder Sohn Gymnasium oder Universität besuchen. Was den Unterschied zwischen den Geschlechtern angeht, so sind männliche und weibliche Immigranten zwar in der Stichprobe je zur Hälfte vertreten, jedoch weist – in isolierter Betrachtung nur dieses Merkmals – ein
92
3. Bildung und Ausbildung – Erfolge von Zuwanderern beim Humankapitalerwerb?
männlicher Zuwanderer von vornherein eine weit größere Wahrscheinlichkeit auf, die Folkeskole in Dänemark zu beenden. Dies gilt in noch deutlich stärkerem Maße für den Besuch einer Hochschule; beides könnte unter anderem auch auf die striktere Rollenverteilung in der dänischen Einwanderergesellschaft, aber auch auf größere wirtschaftliche Zwänge (alleinstehender) weiblicher Immigranten hinweisen. Die ethnische Herkunft nimmt den erwarteten starken Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit des Bildungserwerbs. Verglichen mit der Referenzgruppe türkischer Staatsangehöriger bringen Einwanderer aus Polen, Iran, Libanon und dem ehemaligen Jugoslawien eine wesentlich erhöhte Wahrscheinlichkeit mit, das Gymnasium oder ein Universitätsstudium in Dänemark abzuschließen. Besonders stark wächst die Wahrscheinlichkeit eines Bildungsabschlusses im Falle des Erwerbs der dänischen Staatsbürgerschaft. Schließlich sei noch auf die Resultate zu den Einflussfaktoren Wohnumfeld, Religion und Gesundheitszustand hingewiesen: Das Aufwachsen in einer Kleinstadt hat einen eindeutig negativen Einfluss darauf, eine höhere Bildung in Dänemark zu erlangen. Eine ausgeprägte Religiosität scheint ebenso wie ein dauerhaft beeinträchtigter Gesundheitszustand die Wahrscheinlichkeit eines höheren Bildungsabschlusses zu verringern. Zuwanderer in Deutschland
Für nach Deutschland einreisende Zuwanderer lassen sich auf Grundlage der angestellten Erhebungen teils ähnliche, ebenso aber auch abweichende Zusammenhänge in Bezug auf den Bildungserfolg herleiten. Je höher das Alter zum Zeitpunkt der Immigration nach Deutschland, desto geringer ist auch hier die Wahrscheinlichkeit, einen niedrigen oder mittleren Bildungsabschluss (Haupt- oder Realschulabschluss) zu erreichen. Während der Erwerb der Staatsbürgerschaft des Aufnahmelandes, wie im Falle Dänemarks, auch in Deutschland sehr positiv mit der Wahrscheinlichkeit korreliert ist, einen höheren Bildungsabschluss zu erzielen, gibt es keine Gemeinsamkeit zwischen beiden Ländern in Bezug auf im Inland geborene „Zuwanderer“. In Dänemark kommt dem Faktor Geburt im Inland keine signifikante Bedeutung für die Bildungskarriere der Immigranten zu; dagegen beeinflusst er in Deutschland den Bildungserfolg sogar leicht negativ. Die Geburt im Inland führt hier zu einer geringeren Wahrscheinlichkeit einen Haupt-/Realschulabschluss zu erhalten und macht den Erwerb höherer Abschlüsse im Vergleich zu im Ausland geborenen Migranten sogar noch unwahrscheinlicher.
3.4 Determinanten des Humankapitalerwerbs von Zuwanderern
93
Eine Erklärung für diesen zunächst alles andere als plausibel anmutenden Befund dürfte sein, dass sich hier die Spätfolgen der unzureichenden Integration der Elterngeneration bemerkbar machen, die überwiegend als Gastarbeiter nach Deutschland eingereist sind. Eine defizitäre Integration der Eltern, verbunden mit mangelhaftem Spracherwerb, vermag den Integrationsprozess der nachwachsenden Generation sehr wohl negativ zu beeinflussen und den Bildungserfolg zu beschränken.8 Erlebte Chancenungleichheit im deutschen Bildungswesen kann ein Übriges zu nachlassendem Bildungsantrieb beitragen (sofern sie nicht im Gegenteil den Antrieb für besondere Bildungsanstrengungen bildet). Zudem kann auch eine wirtschaftliche Bedrängnis der Elterngeneration der Investition in teure Ausbildung entgegen stehen oder zu einer im Vergleich zu aus dem Ausland zuziehenden jungen Generation geringeren Bildungsdynamik und zum vorzeitigen Schritt der Kinder in den Arbeitsmarkt führen. Der langjährige Verzicht auf eine in sich schlüssige Zuwanderungs- und Integrationspolitik kommt die aufnehmende Gesellschaft hier offenbar teuer zu stehen. In deutlichem, allerdings positiven Gegensatz zu den dänischen Ergebnissen stehen auch die Befunde zum Einfluss des fehlenden Bildungserwerbs im Herkunftsland: Migranten, die ohne jede Qualifikation nach Deutschland einreisen, erwerben mit größerer Wahrscheinlichkeit einen mittleren oder auch höheren (Universitäts-)Abschluss in der Bundesrepublik als solche, die bereits im Heimatland eine niedrige bis mittlere Qualifikation erworben haben. Die Inexistenz von ausländischen Bildungsabschlüssen lässt, anders als in Dänemark, offenkundig nicht die Wahrscheinlichkeit einer Bildungsteilhabe in Deutschland schwinden, sondern stimuliert die Nachfrage nach Möglichkeiten zum Humankapitalerwerb, während der Besitz von, wenn auch niedrigen, Abschlüssen aus dem Herkunftsland tendenziell eher den unmittelbaren Weg in den Arbeitsmarkt vorzeichnet (vgl. Tabelle A.2 im Anhang). Darüber hinaus nimmt der Erwerb höherer Bildung (Sekundarstufe 2) im ursprünglichen Heimatland die Rolle eines Komplements zur späteren erfolgreichen Bildungskarriere in Deutschland ein. Frühzeitige Humankapitalbildung im Herkunftsland mündet nach dem Schritt der Immigration mit ausgespro8
Andere vorliegende Studien bestätigen diesen Befund für Deutschland; vgl. u. a. Alba et al. (1994), Haisken-DeNew et al. (1997), Riphahn (2001); Gang/Zimmermann (2000). Auch die Berichte der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration weisen beständig auf die Konsequenzen der nur bedingt erfolgreichen sozialen Integration der ersten Nachkriegs-Einwanderergeneration für die Angehörigen der zweiten Immigrantengeneration hin; vgl. zuletzt Beauftragte für Migration (2002).
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3. Bildung und Ausbildung – Erfolge von Zuwanderern beim Humankapitalerwerb?
chen großer Wahrscheinlichkeit in weitere, zielgerichtete Humankapitalinvestitionen im Aufnahmeland. Eine Berufsausbildung vor der Migration hat demgegenüber einen negativen Effekt auf die Wahrscheinlichkeit, in Deutschland darüber hinaus noch einen höheren Bildungsabschluss zu erlangen. Das erklärt sich leicht aus dem offensichtlich dominanten ökonomischen Motiv der Migrationsentscheidung, das zusätzlichen Humankapitalerwerb im Zielland durchweg nicht rational erscheinen lässt. Eine weitere Erklärung dürfte sein, dass eine Berufsausbildung im Herkunftsland nur unter bestimmten Voraussetzungen im deutschen Bildungswesen anerkannt und der Zugang zu höherer Bildung damit zumindest erschwert wird. Der intergenerationale Einfluss des Bildungs- und Beschäftigungsstatus der Eltern von Zuwanderern lässt sich auch für Deutschland zeigen – die ursächliche Beziehung zwischen der (höheren) Ausbildung des Vaters und dem (höheren) Bildungsgrad der Kinder ist offensichtlich und unmittelbar einleuchtend. Auch in Deutschland bringen männliche Zuwanderer eine generell größere Wahrscheinlichkeit mit, einen mittleren bzw. höheren Schulabschluss oder akademischen Grad an einer Universität zu erreichen. Dänemark und Deutschland stehen damit nur stellvertretend für eine verbreitete Benachteiligung gerade weiblicher Immigranten auch in anderen europäischen Staaten. Neben einer tendenziell stärkeren Verhaftung von Zuwanderern in tradierten Rollenbildern liegt die Verantwortung für diese wenig ermutigende und angesichts des vor der Tür Europas stehenden Fachkräftemangels folgenreiche Situation sicher auch in Mängeln der Bildungssysteme der Aufnahmeländer begründet. Während die Größe des Wohnortes im Herkunftsland keine signifikanten Auswirkungen auf die Wahrscheinlichkeit hat, einen Bildungsgrad in Deutschland zu erreichen, reduziert das Aufwachsen in einer kleinen Stadt in Deutschland die Wahrscheinlichkeit insbesondere eines späteren Hochschulabschlusses merklich. Starke Religiosität beeinflusst den Bildungszugang gleichfalls ungünstig. Parallelen zu Dänemark ergeben sich schließlich auch im Hinblick auf die Auswirkungen eingeschränkter Gesundheit auf den Bildungserfolg – sie sind für den Erwerb höherer Bildungsabschlüsse leicht negativ, ansonsten nicht signifikant. Deutlich sind hingegen die Unterschiede in Bezug auf den Bildungserfolg in Abhängigkeit von der ethnischen Herkunft. Gegenüber der türkischstämmigen Referenzgruppe weisen, anders als in Dänemark, lediglich iranische Zu-
3.4 Determinanten des Humankapitalerwerbs von Zuwanderern
95
wanderer eine signifikant größere Wahrscheinlichkeit auf, einen höheren Bildungsabschluss zu erreichen, während vor allem Libanesen und Migranten aus dem ehemaligen Jugoslawien mit merklich geringerer Wahrscheinlichkeit als türkische Einwanderer einen mittleren Schulabschluss erreichen. Dies lässt die nach wie vor erheblichen Schwierigkeiten bei der gleichmäßig zuverlässigen Zuwandererintegration in den deutschen Bildungsmarkt erahnen. 3.4.2 Beeinflussende Faktoren der Berufsausbildung
Analog zur Untersuchung der Einflussfaktoren auf die schulische und universitäre Bildung der in der Stichprobe erfassten Immigranten lassen sich auch Aussagen zu den unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten treffen, eine berufliche Ausbildung im Aufnahmeland abzuschließen. Für Dänemark ergibt sich dabei ein geringfügig vom Befund für die schulische Bildung abweichendes Ergebnis, für Deutschland dagegen eine weitgehende Übereinstimmung beider Analysen. An dieser Stelle werden deshalb nur die wichtigsten Resultate vergleichend zusammengefasst (vgl. Tabellen A.3-A.4 im Anhang). Wiederum spielt das Alter zum Zeitpunkt der Immigration eine signifikante Rolle für die Entscheidung zur Berufsausbildung. Für Dänemark kehren sich allerdings die Vorzeichen um: Je älter der Zuwanderer bei Ankunft in Dänemark ist, desto größer, mit freilich abnehmender Tendenz, ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Berufsausbildung im Aufnahmeland beendet wird. Dies korrespondiert durchaus mit der ökonomischen Theorie, die eine größere Wertschätzung einer beruflichen Qualifizierung bei älteren Einwanderern im Sinne einer Vergrößerung der Beschäftigungs- und Einkommensaussichten annimmt. Ein gegenteiliges Bild ergibt sich allerdings, im Einklang mit den Befunden zur schulischen Bildung, für Deutschland. Hier reduziert sich mit zunehmendem Lebensalter die Wahrscheinlichkeit, eine berufliche Ausbildung zu absolvieren, während sie mit wachsender Aufenthaltsdauer (bei naturgemäß abnehmender Rate) zunimmt. Darüber hinaus zeigt sich erneut, dass Einwanderer, die in ihrem Heimatland bereits ein gewisses Bildungs- bzw. Ausbildungsniveau erreicht haben, nach ihrer Einwanderung mit größerer Wahrscheinlichkeit weiter in ihre (Aus-)Bildung investieren. Bringt ein Zuwanderer bereits einen Abschluss einer höheren weiterführenden Schule nach Dänemark oder Deutschland mit, so steigt die Wahrscheinlichkeit einer zusätzlichen Berufsausbildung in beiden Ländern; im Falle Dänemarks gilt dieser Zusammenhang auch, wenn eine berufliche Ausbildung bereits im Herkunftsland absolviert wurde.
96
3. Bildung und Ausbildung – Erfolge von Zuwanderern beim Humankapitalerwerb?
Einwanderer der zweiten Generation, die in Deutschland geboren wurden, beenden mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit eine Berufsausbildung, während umgekehrt für eingebürgerte Immigranten eine besonders hohe Abschlusswahrscheinlichkeit festzustellen ist. Letzteres gilt auch für Dänemark, wohingegen hier kein signifikanter Einfluss der Geburt im Inland auf die Ausbildungsentscheidung verzeichnet werden kann. Die in beiden Ländern voneinander abweichenden Unterschiede hinsichtlich des Einflusses der ethnischen Herkunft auf den Bildungserfolg setzen sich auch in Bezug auf die Ausbildungsentscheidung der Zuwanderer fort. In beiden Ländern weisen polnische Immigranten einen im Vergleich zur Referenzgruppe türkischer Zuwanderer größere Wahrscheinlichkeit auf, eine Ausbildung im Aufnahmeland abzuschließen. Vor allem im Falle Dänemarks, aber auch in Deutschland, nehmen eingebürgerte Migranten eher die Chance zur Berufsausbildung wahr, als Einwanderer ohne dänische bzw. deutsche Staatsangehörigkeit. Für Dänemark lässt sich anhand der Stichprobe kein signifikanter Einfluss des Geschlechts auf die Ausbildungswahrscheinlichkeit von Zuwanderern feststellen; dagegen bekräftigt die Analyse für Deutschland einmal mehr die ungleiche Chancenverteilung zwischen den Geschlechtern. Die Benachteiligung von Immigrantinnen auf dem Ausbildungsmarkt schafft die Basis für unterschiedliche berufliche Karrierepfade und eine anzunehmende stärker geschlechtsspezifische Segregation unter den ausländischen Beschäftigten in Deutschland.
3.5
Zusammenfassende Bewertung
Die Analyse der Einflussfaktoren auf den schulischen Erfolg und die Berufsausbildung von Zuwanderern hat verdeutlicht, wie komplex die Mechanismen sind, die auf die Bildungs- und Ausbildungsentscheidungen sowie ihre Ergebnisse einwirken. Es ergibt sich kein kohärentes Bild der Erfolgsbedingungen in Deutschland und Dänemark, sondern vielmehr ein „patchwork“ diverser, zwischen beiden Ländern recht unterschiedlich wirksamer Einflussgrößen. Für die Politik erscheint es auf den ersten Blick schwierig, hierauf mit gezielten Migrations- und Integrationsstrategien zu reagieren, doch gerade die hier ermittelten Zusammenhänge können wichtige Hinweise für die Gestaltung einer aktiv unter den Zuwanderungsbewerbern auswählenden Einwanderungspolitik liefern.Nach Dänemark einreisende Zuwanderer sind bei der Ankunft im Durchschnitt weniger gebildet, eignen sich jedoch verglichen mit den Migranten in Deutschland mehr Schulbildung an, sobald sie in Däne-
3.5 Zusammenfassende Bewertung
97
mark sind. Einwanderer der zweiten Generation sind zwar in beiden Ländern erfolgreicher als Immigranten bzw. Gastarbeiter der ersten Generation. Doch der Bildungs- und Ausbildungsrückstand gegenüber der einheimischen Bevölkerung ist noch groß, die Lücke schließt sich vor allem in Deutschland nur langsam. Zuwanderer, die im Heimatland keine Schulbildung erworben haben, erreichen in Deutschland mit einer größeren Wahrscheinlichkeit einen Schulabschluss. Ebenso ist in Deutschland die intergenerationale Verbindung zum Bildungs- und Beschäftigungsstatus der Eltern stärker als in Dänemark, wo sie offenbar nur für die Entscheidung, Gymnasium oder Universität zu besuchen, Wirksamkeit erlangt. Allerdings hängt der Bildungsgrad der Immigranten in Deutschland immer noch stark von der ethnischen Herkunft, der Einbürgerung und vom Geschlecht ab. Während eingebürgerte Deutsche mit größerer Wahrscheinlichkeit eine Hochschule oder zumindest eine weiterführende Schule in Deutschland besuchen, ist es besorgniserregend, dass für Zuwanderer, die in Deutschland geboren wurden, das genaue Gegenteil gilt. Deutliche Unterschiede ergeben sich beim Bildungsgrad der fünf untersuchten Nationalitäten. Polen und Iraner eignen sich in Dänemark beständig mehr Humankapital an als Libanesen und Türken. Auch in Deutschland zeichnen sich iranische Zuwanderer durch einen besonders intensiven Humankapitalerwerb aus, wohingegen türkische Immigranten wiederum im Nachteil sind. Problematisch erscheint die eindeutige Benachteiligung von Immigrantinnen beim Bildungserwerb. Arbeitserfahrung vor der Migration, ausgeprägte Religiosität und kleinstädtische Sozialisation sind darüber hinaus potenzielle Hindernisse auf dem Weg zum erfolgreichen Schulabschluss. In Bezug auf die Berufsausbildung ergibt sich ein weitgehend ähnliches Bild. Geringeres Alter bei Einwanderung, mehr Aufenthaltsjahre seit der Immigration, (keine) Ausbildung vor der Einwanderung, Familienverhältnisse und Staatsangehörigkeit sind signifikant positive Determinanten der Ausbildungswahrscheinlichkeit. Einwanderer, die keinen Schulabschluss in ihrem Heimatland erworben haben, schließen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit eine Berufsausbildung in Deutschland ab, während dieses Charakteristikum in Dänemark offenbar irrelevant ist. Ethnische Unterschiede zeigen Vorteile für polnische gegenüber türkischen Migranten. Zuwanderer der zweiten Generation und weibliche Immigranten weisen der Analyse zufolge geringere Ausbildungswahrscheinlichkeiten in Deutschland als in Dänemark auf. Männliche Zuwanderer bringen in beiden Ländern eine generell größere Wahrscheinlichkeit mit, einen mittleren bzw. höheren Schulabschluss oder akademischen
98
3. Bildung und Ausbildung – Erfolge von Zuwanderern beim Humankapitalerwerb?
Grad an einer Universität zu erreichen. Neben einer tendenziell stärkeren Verhaftung von Zuwanderern in tradierten Rollenbildern liegt die Verantwortung für diese wenig ermutigende und angesichts des vor der Tür Europas stehenden Fachkräftemangels folgenreiche Situation sicher auch in Mängeln der Bildungssysteme der Aufnahmeländer begründet. Schon diese Befunde zur Bildungs- und Ausbildungspartizipation von Immigranten lassen die Forderung nach einer selektiven Zuwanderungspolitik in Verbindung mit gezielten Integrationsprogrammen unmittelbar einsichtig werden.
99
4
Beschäftigung und Einkommen – Gelingt die Integration der Zuwanderer in den Arbeitsmarkt?*
Basis und Maßstab für die erfolgreiche Integration von Zuwanderern in die Gesellschaft des Aufnahmelandes ist neben dem Spracherwerb vor allem die Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Die Erwerbsarbeit wirkt in den modernen westlichen Gesellschaften derart tief in viele Lebensbereiche hinein und wird damit zum Katalysator sozialer Kontakte zwischen Einheimischen und Immigranten, dass es angemessen erscheint, die aktive Teilhabe am Erwerbsleben als zentrale Säule des gesamten Integrationsprozesses zu begreifen. Dieses Kapitel gibt einen knappen Überblick über einige Beschäftigungstrends für Zuwanderer in Deutschland und Dänemark. Den Immigranten nicht-westlicher Herkunft (davon sind fünf Nationalitäten stellvertretend in der Erhebung der Rockwool Foundation Migration Surveys berücksichtigt) gilt erneut besondere Aufmerksamkeit, hat sich doch ihr Anteil an allen in Deutschland und Dänemark lebenden Zuwanderern im Verlauf der letzten drei Jahrzehnte stark vergrößert. Zunächst konzentriert sich die Untersuchung auf den Vergleich der Beschäftigungsquoten von Immigranten in beiden Ländern in Relation zu den Einheimischen bzw. der Gesamtbevölkerung. Sichtbar wird ein markanter Unterschied zwischen dem Beschäftigungsgrad nicht-westlicher und westlicher Zuwanderer. Im Anschluss wird nach den Gründen dieser Diskrepanz und den die doch recht unterschiedliche Konstellation in Dänemark und Deutschland beeinflussenden Faktoren gefragt. Erörtert werden die Folgen der veränderten Zusammensetzung der Zuwandererkohorten im Zeitverlauf ebenso wie die Frage vorteilhafterer Integrationsaussichten für die zweite Zuwanderergeneration auf dem dänischen und deutschen Arbeitsmarkt. Darüber hinaus analysiert dieses Kapitel, welche Anreizmechanismen positiv oder negativ auf die Arbeitsmarktintegration der Migranten einwirken. Zum Abschluss werden die Einkommenssituation der Zuwanderer und ihre Einflussfaktoren beleuchtet. * Dieses Kapitel stützt sich vor allem auf die Analysen in Schultz-Nielsen/Constant (2004), Constant/Schultz-Nielsen (2004, 2004b).
100
4. Beschäftigung und Einkommen – Gelingt die Integration in den Arbeitsmarkt?
Einige allgemeine Überlegungen gilt es im Vorfeld der Untersuchung anzustellen, um diese entsprechend einordnen zu können. Die zum engeren Humankapital zählenden fachlichen Qualifikationen, Bildungs- und Ausbildungsabschlüsse sowie das Maß der Arbeitserfahrung von Immigranten stellen nicht notwendigerweise eine unmittelbare Verwertbarkeit am Arbeitsmarkt sicher. Werden Qualifikationen aus dem Herkunftsland mitgebracht, können landesspezifisch andere Ausbildungsinhalte den Vergleich und die Bewertung der erreichten Abschlüsse erschweren und bei Arbeitgebern zu Vorbehalten führen – wenn nicht gar eine Anerkennung im Rahmen von Zertifizierungsverfahren für die Zulassung zu bestimmten Berufsfeldern ganz versagt wird. Dieser Gesichtspunkt ist insbesondere in Deutschland mit seinem stark reglementierten Berufszugang von einiger Bedeutung.1 Mit solchen Anerkennungsschwierigkeiten konfrontiert (die sich durch eine Zentralstelle zur Anerkennung von Abschlüssen sogar bereits im Vorfeld der Immigration beheben ließen), könnten besser qualifizierte Zuwanderer dazu tendieren, unter Preisgabe von Humankapital geringer qualifizierte und entlohnte Tätigkeiten auf dem Arbeitsmarkt zu übernehmen, statt durch erneute Bildungs- bzw. Ausbildungsinvestitionen im Aufnahmeland mittelfristige Einkommensverluste zu erleiden. Einer Segmentierung des Arbeitsmarktes kann damit Vorschub geleistet und ein späterer Wechsel in ein höheres Arbeitsmarktsegment selbst nach erfolgter Qualifizierung gefährdet werden; in jedem Fall bleibt wertvolles Humankapital womöglich ungenutzt. Analog werden geringer qualifizierte Immigranten vielfach auf besondere Qualifizierungsanstrengungen zu verzichten geneigt sein, weil es ihnen vorteilhafter erscheint, mit einfacher Arbeit vergleichsweise schnell ein – gerade im Vergleich zur Verdienstsituation im Herkunftsland – als ausreichend empfundenes Einkommen zu erzielen. Auch sie könnten angesichts der bestehenden Zutrittshürden auf dem Arbeitsmarkt zusätzliche Bildungs- oder Ausbildungsinvestitionen als zu riskant empfinden. Darüber hinaus ergeben sich potenzielle Nachteile für Zuwanderer auch bei der – defizitären – Ansammlung von sozialem Humankapital und Sprachkenntnissen: Nicht nur die gesellschaftliche Integration funktioniert über Netzwerkbeziehungen, sondern dies trifft auch für die Arbeitsmarktintegration gerade geringer qualifizierter Arbeitsuchender immer häufiger zu. Anders als im Falle höherer Qualifikationen, bei denen formelle Bewerbungskriterien einen zentralen Stellenwert einnehmen, erfolgt die Arbeitsplatzvermittlung hier 1
Vgl. dazu auch van Suntum/Schlotböller (2002), S. 40ff.
4. Beschäftigung und Einkommen – Gelingt die Integration in den Arbeitsmarkt?
101
oft über persönliche Kontakte und Referenzen. In dem Maße also, in dem diese nicht-ethnischen Netzwerke aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse und unzureichend angepasster sozialer Verhaltensweisen unvollständig bleiben, kann auch der Arbeitsmarkterfolg von geringer qualifizierten Immigranten leiden.2 Dabei müssen gar nicht einmal Diskriminierungsabsichten Einfluss gewinnen, sondern es werden auf Seiten der Arbeitgeber in der Regel Wahrscheinlichkeitsannahmen oder Unsicherheiten über Qualifikationen, Verhaltensweisen oder beispielsweise auch eine vermutete Rückkehrabsicht des betreffenden Migranten zu geringeren Produktivitätserwartungen und zurückhaltenden Einstellungsentscheidungen führen. Umso bedeutsamer ist der ausreichende Spracherwerb für den Arbeitsmarkterfolg. Ein weiterer Aspekt von Bedeutung im Hinblick auf die Beschäftigung von Zuwanderern ist in grundsätzlichen Funktionsmängeln des Arbeitsmarktes zu sehen. Vor allem in Deutschland wirkt eine verkrustete Tarifpolitik in Verbindung mit bislang zu geringen sozialstaatlichen Anreizen zur Arbeitsaufnahme dem Entstehen zusätzlicher Arbeitsplätze im Niedriglohnbereich entgegen. Eine stärkere Lohnspreizung an dieser Stelle käme Zuwanderern, die besonders stark in geringer entlohnten Wirtschaftszweigen beschäftigt sind, zugute und würde den gesamtwirtschaftlichen Nutzen der Zuwanderung vergrößern. Gleiches gilt für eine restriktivere Ausgestaltung des Sozialstaates, die durch entsprechende Strukturen des „Förderns und Forderns“ ebenfalls vor allem die Beschäftigungschancen von Zuwanderern günstig beeinflussen würde.3 Insgesamt ist der deutsche Arbeitsmarkt weitaus stärker reguliert als der dänische und verfügt über ein höheres Ausmaß kollektiver Arbeitsmarktregelungen. Umgekehrt gehen vom dänischen System der Arbeitslosenunterstützung gerade für Geringverdiener besonders geringe Anreize zur Arbeitsuche im Falle von Arbeitslosigkeit aus. Aufenthalts- und arbeitserlaubnisrechtliche Einschränkungen sind vor allem in Deutschland bislang (vor Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes) unnötig kompliziert ausgestaltet, behindern somit – überwiegend ausdrücklich ge2 3
Vgl. ebd. S. 41. Insoweit kann von den entsprechenden deutschen Reformen des Jahres 2004 durchaus ein gewisser Effekt auch auf die Ausländerbeschäftigung erwartet werden, sofern hier nicht arbeitserlaubnisrechtliche Hindernisse hinzutreten. Vgl. dazu auch die Länderstudien zu Großbritannien, Schweden und den Niederlanden in van Suntum/Schlotböller (2002), aus denen sich ein klarer Beschäftigungsvorteil von Immigranten in Großbritannien aufgrund der dort greifenden Anreizstrukturen ergibt.
102
4. Beschäftigung und Einkommen – Gelingt die Integration in den Arbeitsmarkt?
wollt – die Ausländerbeschäftigung und resultieren in geringeren Beschäftigungsquoten. Ein erleichterter Zugang der „stillen Reserve“ von höher qualifizierten zugewanderten Erwerbsfähigen zum Arbeitsmarkt könnte zur Dekkung eines Arbeitsmarktbedarfs beitragen.
4.1
Hohe Sensibilität für Konjunkturschwankungen
Wichtig für die Einordnung der Beschäftigungstrends von Zuwanderern sind zunächst die gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen in Deutschland und Dänemark (vgl. Abbildung 4.1). Während Deutschland zu Beginn der 1990er Jahre zunächst von einem wiedervereinigungsbedingten Boom profitierte, ging das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) danach bis 1993 drastisch zurück. Auch Dänemark erreichte, nach einer dort schon früher einsetzenden wirtschaftlichen Schwächephase, einen Tiefpunkt der Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 1993, erlebte danach jedoch eine mehrjährige Phase ausgesprochener wirtschaftlicher Stärke, die auch auf Kurskorrekturen in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik zurückgeführt werden kann. Deutschland hat damit nicht Schritt halten können; nach einem zwischenzeitlichen ungefähren Gleichstand der Wachstumsentwicklung in beiden Ländern zwischen 2000 und 2001, liegt Dänemark seitdem erneut vorn und übertrifft, wie zuvor schon wiederholt, den EU-weiten Durchschnitt des BIPWachstums, hinter dem Deutschland dagegen seit einem Jahrzehnt hinterherhinkt. Für die Arbeitsmarktintegration von Zuwanderern sind das im Falle Deutschlands eher ungünstige Voraussetzungen. In Deutschland waren im Durchschnitt der letzten Jahre etwa 8 Prozent aller Erwerbspersonen Einwanderer (davon männlich ca. 5 Prozent); für Dänemark betrug der entsprechende Wert mit rund 4 Prozent (davon männlich ca. 2 Prozent) nur die Hälfte. In beiden Ländern ist der prozentuale Anteil der Immigranten an allen Erwerbspersonen in den vergangenen Jahrzehnten gestiegen. Es spricht angesichts des absehbaren, demographiebedingt deutlichen Rückgangs des einheimischen Erwerbspersonenpotenzials insbesondere in Deutschland alles dafür, dass sich dieser Trend auch in Zukunft fortsetzt. Zugleich sind die in Dänemark und Deutschland arbeitenden Zuwanderer deutlich jünger als die einheimische Erwerbsbevölkerung (vgl. Tabelle 4.1). Auffallend ist der deutlich größere prozentuale Anteil der Altersgruppe der 20-29 Jahre alten Beschäftigten nicht-westlicher Herkunft unter den Migran-
4.1 Hohe Sensibilität für Konjunkturschwankungen
103
Abbildung 4.1 Wachstum des Bruttoinlandsprodukts, 1990-2004 7% 6%
5%
BIP-Wachstum
4%
3% 2%
1% 0%
-1% -2% 1990
1991
1992
1993
1994
1995
Deutschland
1996
1997
1998
Dänemark
1999
2000
2001
EU15
2002
2003
2004
USA
Anmerkungen: Angaben für 2004 geschätzt. Quelle: OECD Economic Outlook 2003.
Tabelle 4.1 Altersverteilung der 16-66jährigen beschäftigten Zuwanderer, 2001/2002 Deutschland Deutsche Ausländer1 Alter 16-19 20-29 30-49 50-59 60-65
Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre
Beobachtungen
4 16 57 19 4 133.639
2 28 52 15 3 2.840
Dänen
Dänemark Ausländer1 5 20 49 22 4
7.557
8 25 58 8 0 564
Anmerkungen: Angaben in Prozent. 1 Abhängig Beschäftigte, Selbständige und mithelfende Familienangehörige aus den fünf im RFMS-G und RFMS-D berücksichtigten Herkunftsländern Polen, ehemaliges Jugoslawien, Türkei, Iran, Libanon. Quelle: Eurostat Labour Force Survey 2001, RFMS-G und RFMS-D.
ten in Deutschland; in Dänemark ist darüber hinaus auch die Altersgruppe der 30-49 Jahre alten Erwerbstätigen aus dieser Zuwanderergruppe deutlich stärker vertreten als es bei der einheimischen Bevölkerung der Fall ist. Dies ließe grundsätzlich hohe Beschäftigungsquoten der Immigranten in beiden Ländern erwarten, doch die Wirklichkeit sieht anders aus und zeigt eine
104
4. Beschäftigung und Einkommen – Gelingt die Integration in den Arbeitsmarkt?
Abbildung 4.2 Beschäftigungs- und Arbeitslosenquoten in Dänemark, 1992-2002
Arbeitslosen- (AQ) und Beschäftigungsquote (BQ)
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0% 1992
1993
AQ (gesamt) BQ (gesamt)
1994
1995
1996
AQ (EU-Bürger) BQ (EU-Bürger)
1997
1998
AQ (Drittstaater) BQ (Drittstaater)
1999
2000
2001
2002
AQ (EU15) BQ (EU15)
Anmerkungen: Die Beschäftigungsquote wird hier definiert als Anteil der Beschäftigten (15-64 Jahre) an der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (15-64). Die Arbeitslosenquote wird hier definiert als Anteil der Arbeitslosen im Alter von 15-64 an der Erwerbsbevölkerung der gleichen Altersgruppe. Quelle: Eurostat.
eklatante Diskrepanz zwischen Zuwanderern aus EU-Staaten und nicht-westlichen Ländern auf (vgl. Abbildungen 4.2-4.3).4 Für Zuwanderer aus EU-Staaten bewegt sich die Quote der Beschäftigten an allen prinzipiell Erwerbsfähigen sowohl in Dänemark als auch in Deutschland geringfügig oberhalb der Quote für die Gesamtbevölkerung; beide Werte liegen in der Bundesrepublik allerdings deutlich unterhalb des dänischen Niveaus. Die deutsche Gesamtbeschäftigungsquote ist in den letzten Jahren auf den EU-Durchschnitt zurückgefallen, während sie in Dänemark im langfristigen Mittel etwa 10 Prozent darüber liegt. Dass sich der gleiche Abstand zwischen den Beschäftigungsquoten beider Länder auch in Bezug auf die Arbeitsmarktteilnahme von EU-Bürgern zeigt, spricht für einen ganz maßgeblichen Einfluss der vorgefundenen Arbeitsmarktstrukturen und Beschäftigungsanreize auf das Erwerbsverhalten auch der Zuwanderer. 4
Die Beschäftigungsquote wird definiert als Anteil der Beschäftigten – ohne Arbeitslose – im erwerbsfähigen Alter (je nach Erhebung 14/15/16-64/65/66 Jahre) an der gleichaltrigen Gesamtbevölkerung.
4.1 Hohe Sensibilität für Konjunkturschwankungen
105
Abbildung 4.3 Beschäftigungs- und Arbeitslosenquoten in Deutschland, 1992-2002
Arbeitslosen- (AQ) und Beschäftigungsquote (BQ)
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0% 1992
1993
AQ (gesamt) BQ (gesamt)
1994
1995
1996
AQ (EU-Bürger) BQ (EU-Bürger)
1997
1998
1999
AQ (Drittstaater) BQ (Drittstaater)
2000
2001
2002
AQ (EU15) BQ (EU15)
Anmerkungen: Die Beschäftigungsquote wird hier definiert als Anteil der Beschäftigten (15-64 Jahre) an der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (1564). Die Arbeitslosenquote wird hier definiert als Anteil der Arbeitslosen im Alter von 15-64 an der Erwerbsbevölkerung der gleichen Altersgruppe. Quelle: Eurostat.
Gleichzeitig offenbart sich hier eine eklatante Diskrepanz zwischen dem Arbeitsmarkterfolg einzelner Zuwanderergruppen in beiden Ländern. Dies macht bereits ein Blick auf den kurzen Zeitraum des Jahrzehnts 1992-2002 deutlich: Die Beschäftigungsquote für Nicht-EU-Bürger unterschritt in Deutschland das Vergleichsniveau der EU-Bürger zuletzt um rund 15 Prozent. Von einem merklichen Rückgang seit 1992 hat sie sich ungeachtet der seit 1997 eingeleiteten leichten Trendwende noch nicht erholen können, so dass die Beschäftigungsschere zwischen Drittstaatsangehörigen und EU-Bürgern bzw. der Gesamtbevölkerung inzwischen weiter auseinander klafft. Noch frappierender ist der Beschäftigungsrückstand der Nicht-EU-Bürger allerdings in Dänemark. Zwar konnte hier der seit 1992 zu beobachtende drastische Rückgang der Beschäftigungsquote inzwischen durch einen deutlicheren Anstieg als in Deutschland mittlerweile annähernd wieder ausgeglichen werden. Die Beschäftigungsquote der Nicht-EU-Bürger erreichte jedoch im Jahr 2002 lediglich eine Marke von rund 50 Prozent; sie rangiert damit gerade auf dem entsprechenden deutschen Niveau (bei allerdings positiverer Tendenz), unterschreitet den hohen Vergleichswert für EU-Bürger in Dänemark um eklatante 25 Prozent und hat auch hier eine Vergrößerung des Niveauunterschieds seit 1992 zur Folge.
106
4. Beschäftigung und Einkommen – Gelingt die Integration in den Arbeitsmarkt?
Abbildung 4.4 Beschäftigungsquoten für Einheimische und Zuwanderer nicht-westlicher Herkunft (16-66 Jahre) in Deutschland und Dänemark, 1985-2002 80%
Beschäftigungsquoten
70%
60%
50%
40%
30%
Einheimische (Dänemark)
Einheimische (Deutschland)
Zuwanderer nicht-westlicher Herkunft (Dänemark)
Zuwanderer nicht-westlicher Herkunft (Deutschland)
2002
2001
2000
1999
1998
1997
1996
1995
1994
1993
1992
1991
1990
1989
1988
1987
1986
1985
20%
Anmerkungen: Angaben für Deutschland: ab 1991 Gesamtdeutschland, vorher nur Westdeutschland. Quelle: Eurostat, Berechnungen auf Basis von Danmarks Statistik.
Nimmt man darüber hinaus einen längeren Zeitraum seit Mitte der 1980er Jahre in den Blick und verengt den Fokus auf nicht-westliche Zuwanderer (wobei zusätzlich im Falle Dänemarks auftretende statistische Unschärfen zu berücksichtigen sind5), so gewinnt das Bild einer rückständigen Beschäftigungsteilhabe von Zuwanderern aus Drittstaaten noch an Kontur (vgl. Abbildung 4.4). Sichtbar wird eine im Verlauf der zweiten Hälfte der 1980er Jahre merklich vergrößerte Diskrepanz der Beschäftigungsentwicklung zwischen Einheimischen und Immigranten nicht-westlicher Herkunft in Deutschland und Dänemark. Dabei ist diese Zuwanderergruppe in der Bundesrepublik bei weitem nicht so eklatant ins Hintertreffen geraten wie in Dänemark. Dort hat sich die Beschäftigungsquote von Einwanderern nicht-westlicher Herkunft innerhalb 5
In den für Abbildung 4.2 herangezogenen Eurostat-Daten sind Zuwanderer nicht-westlicher Herkunft in Dänemark stark unterrepräsentiert. Will man über den Beschäftigungsrückstand dieser Zuwanderergruppe näheren Aufschluss erhalten, sind darüber hinaus Daten von Danmarks Statistik heranzuziehen und entsprechende Berechnungen anzustellen, deren Ergebnis in Abbildung 4.3 dargestellt ist; vgl. dazu näher Schultz-Nielsen/Constant (2004).
4.1 Hohe Sensibilität für Konjunkturschwankungen
107
des Jahrzehnts von 1985 bis 1994 um rund 20 Prozentpunkte auf unter 27 Prozent verringert, ist danach zwar kontinuierlich gestiegen, betrug aber im Jahr 2002 immer noch dramatisch geringe rund 38 Prozent. Im Vergleich zur Gesamtbeschäftigungsquote Dänemarks weisen diese Zuwanderer also gegenwärtig eine gerade einmal halb so hohe Beschäftigungsquote auf. Dieser eklatante Beschäftigungsrückstand nicht-westlicher Zuwanderer in Dänemark ist angesichts der überdurchschnittlichen Beschäftigungsquote der einheimischen bzw. Gesamtbevölkerung im Vergleich zu Deutschland umso bemerkenswerter. Über die Zeit hinweg hat sich der Beschäftigungsrückstand nichtwestlicher Zuwanderer in beiden Ländern verstärkt – ein eindeutiger Hinweis auf strukturelle Schwächen der Integration dieser Zuwanderergruppe in die Arbeitsmärkte, der im Hinblick auf ihren wachsenden Anteil an allen Immigranten noch an Bedeutung gewinnt. Der Hinweis auf den in Deutschland wie Dänemark (und dort etwas früher) eingeleiteten Trend zur Besserung vermag an dem beunruhigenden Befund wenig zu ändern. Die jüngere zeitliche Entwicklung der Arbeitslosenquoten von Zuwanderern in beiden Ländern spiegelt den Verlauf der Beschäftigungsquoten unmittelbar wider (vgl. Abbildungen 4.2-4.3)6: Für die ausländische Bevölkerung zeigen sich auch hier stärkere Schwankungen als bei der Gesamtbevölkerung; im Falle Deutschlands nehmen sie allerdings ein geringeres Ausmaß an. Bis in das Jahr 1997 hinein, als die Arbeitslosigkeit von Drittstaatsangehörigen hier ihren Höhepunkt mit einer Quote von knapp 21 Prozent erreichte, rangierte Deutschland in dieser Beziehung deutlich besser als Dänemark. Dort lag die Arbeitslosigkeit von Nicht-EU-Zuwanderern 1993 mehr als ein Fünftel über dem deutschen Vergleichswert, vollzog in den Folgejahren allerdings eine deutliche Trendwende und betrug im Jahr 2002 nurmehr 13 Prozent. Seit 1998 haben sich die Verhältnisse – bezogen auf die Gesamtheit aller Nicht-EU-Immigranten – also gründlich gewandelt, und Deutschland weist konstant die höheren Arbeitslosenquoten dieser Migrantengruppe auf.7 6
7
Die in Abbildung 4.2 und 4.3 genannten Arbeitslosenquoten geben die von Eurostat nach einheitlichem Standard ermittelten Werte an. Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese aufgrund anderer Erhebungsverfahren teils deutlich unter dem jeweiligen amtlich genannten nationalen Wert liegen. Rein rechnerisch trägt auch der Umstand, dass erfolgreich in den Arbeitsmarkt integrierte Zuwanderer sich mit größerer Wahrscheinlichkeit einbürgern lassen, zur Erhöhung der Arbeitslosenquote von Ausländern bei. Die Europäische Kommission (2003), S. 189 weist zu Recht darauf hin, dass die in den meisten EU-Staaten nicht an die Einbürgerungspraxis angepassten statistischen Angaben eine Bewertung der Arbeitsmarktbilanz der Immigranten erschweren.
108
4. Beschäftigung und Einkommen – Gelingt die Integration in den Arbeitsmarkt?
Dänemark steht allerdings vor einem besonders gravierenden Problem, was die spezifischen Arbeitslosenquoten für nicht-westliche Zuwanderer anbetrifft. Die Gesamtarbeitslosigkeit stieg nach der amtlichen dänischen Statistik zwischen 1986 und 1994 von 8 Prozent auf einen Höchststand von fast 12 Prozent, für Einwanderer nicht-westlicher Herkunft ergeben entsprechende Berechungen im gleichen Zeitraum einen Anstieg von rund 29 Prozent auf mehr als 46 Prozent. Das Niveau der allgemeinen Arbeitslosenquote reduzierte sich bis 2002 auf etwa 5 Prozent, für die zugewanderte Bevölkerung aus EU-Staaten auf rund 7 Prozent; gleichzeitig ist zwar auch der Rückgang der Arbeitslosigkeit von nicht-westlichen Zuwanderern deutlich ausgefallen, mit knapp 15 Prozent rangiert sie aber dreifach über dem Wert für die einheimische Bevölkerung.8 Die Schwankungen der Quoten selbst sind vor allem konjunkturell bedingt, wie der Abgleich mit der Wachstumsentwicklung in beiden Ländern verdeutlicht. Die Wirtschaftskrise Dänemarks zu Beginn der 1990er Jahre hat die Beschäftigungs- und Arbeitslosenquoten nicht-westlicher Zuwanderer weit stärker beeinträchtigt als die Beschäftigung von Einheimischen und EU-Bürgern. Ebenso hat der anschließende lang anhaltende Wirtschaftsaufschwung die Beschäftigung und Arbeitslosigkeit gleichermaßen stark positiv beeinflusst, bevor die erneute wirtschaftliche Eintrübung seit Ende des Jahrzehnts eine leichte Trendumkehr verursachte. In etwa die gleichen Zusammenhänge lassen sich für Deutschland feststellen. Die Beschäftigung von nicht-westlichen bzw. Nicht-EU-Immigranten reagiert in beiden Ländern – diesen Rückschluss lassen die Betrachtungen zu – wesentlich sensibler auf konjunkturelle Schwankungen der Wirtschaftsentwicklung (vgl. Abbildungen 4.2-4.3). Zwar vollzieht auch die Beschäftigungsquote der einheimischen bzw. Gesamtbevölkerung die Wachstumsentwicklung nach, allerdings deutlich moderater. Veränderungen in der Altersstruktur und im Bildungsniveau der Migranten, eine sich wandelnde Struktur der Zuwanderung (höherer Anteil von Asylsuchenden und Drittstaatsangehörigen) sowie überdurchschnittlich hohe Zuzugszahlen in einzelnen Jahren tragen darüber hinaus – weniger als Einzelfaktoren, wohl aber in ihrer Gesamtheit und ihrem zeitlichen Zusammenfall – maßgeblich zu den auffälligen Schwankungen bei der Beschäftigungsquote von nicht-westlichen Zuwande8
Berechnungen auf Basis der amtlichen dänischen Statistik erlauben die Angabe der spezifischen Arbeitslosenquote von Zuwanderern nicht-westlicher Herkunft. Als Vergleichsmaßstab ist dabei der entsprechende Wert für Einheimische anstelle der von Eurostat angegebenen Arbeitslosenquote der Gesamtbevölkerung heranzuziehen.
4.1 Hohe Sensibilität für Konjunkturschwankungen
109
Tabelle 4.2 Anteile der 16-65jährigen beschäftigten Personen nach Sektor und beruflicher Stellung Deutschland Deutsche Ausländer1 Arbeitsstunden Vollzeitbeschäftigung Teilzeitbeschäftigung Durchschnittliche Arbeitsstunden/Woche
80 20
66 32
81 19
74 26
37 Stunden
36 Stunden
36 Stunden
35 Stunden
1
3
1
1
1
0
26 9 15 3
18 7 14 7
28 2 11 7
1 33 10
3 17 30
1 30 17
11
10
8
9
11 20 13 11
3 9 6 13
13 19 11 15
5 6 3 16
15
20
10
10
7
9
7
17
7
28
11
32
133.639
2.840
7.557
564
Industrien/Wirtschaftszweige (in Auswahl) Land- & Forstwirtschaft, 3 Fischerei Bergbau, Energie- und 1 Wasserversorgung Fertigung/Produktion 23 Bau 8 Verkauf und Reparatur 14 Transport, Post und 6 Kommunikation Finanzvermittlung etc. 4 Dienstleistungssektor 16 Öffentlicher Dienst 25 Beschäftigungsfelder (in Auswahl) Selbständiger oder mithelfender Familienangehöriger Wissenschaftler/Freiberufler Techniker Kaufm. Angestellte/Bürokräfte Verkaufs- und Servicemitarbeiter Handwerker und verwandte Berufe Anlagen- und Maschinenbediener Hilfsarbeitskraft Anzahl der Beobachtungen
Dänemark Dänen Ausländer1
Anmerkungen: Angaben in Prozent. 1 Zuwanderer aus den fünf im RFMS-G und RFMS-D berücksichtigten Herkunftsländern Polen, ehemaliges Jugoslawien, Türkei, Iran, Libanon. Quelle: Deutsche und Dänen: Eurostat Labour Force Survey 2001. Ausländer: RFMS-G und RFMS-D.
rern bei. Deren enge Korrelation mit der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung verdeutlicht indes, wie dominant letztlich der Einfluss des Konjunkturverlaufs auf die Beschäftigung insbesondere nicht-westlicher Zuwanderer ist. Dies bestätigt auch ein Blick auf die Beschäftigung der Zuwanderer nach Wirtschaftszweigen (vgl. Tabelle 4.2) in Deutschland und Dänemark. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, ist das Beschäftigungsmuster sowohl bei der
110
4. Beschäftigung und Einkommen – Gelingt die Integration in den Arbeitsmarkt?
einheimischen als auch bei der zugewanderten Bevölkerung in beiden Ländern gleich. Unterschiede ergeben sich allerdings innerhalb der beiden Länder zwischen Einwanderern und Einheimischen. So arbeiten rund 30 Prozent der nicht-westlichen Immigranten im (einfachen) Dienstleistungssektor, weitere gut 25 Prozent in den Bereichen Fertigung und Produktion. Insgesamt sind die Zuwanderer in den einfacheren Berufen über- und den höherwertigeren, eine bessere Qualifikation erfordernden Tätigkeitsfeldern unterrepräsentiert. Mit anderen Worten: Nicht-westliche Einwanderer sind vor allem in zyklisch reagierenden Wirtschaftszweigen mit einer besonders fluktuativen Arbeitskräftenachfrage beschäftigt. Dies legt auch die Vermutung nahe, dass sie „systematisch“ als letzte eingestellt und als erste entlassen werden. Diskriminierungsaspekte, die einen erfolgreicheren Abruf des Humankapitals von Zuwanderern im Wege stehen, mögen dabei eine gewisse Rolle spielen; vor allem aber geht dieser Sachverhalt zweifellos auf schlechtere Bildung und Ausbildung sowie – gerade im Falle der kleinen Sprachinsel Dänemark – auf Defizite beim Spracherwerb zurück. Rückläufige bzw. auf schwachem Niveau steigende oder stagnierende Beschäftigungsquoten von Zuwanderern aus Nicht-EU-Staaten bzw. nicht-westlicher Herkunft sind keineswegs ein auf Deutschland und Dänemark beschränktes Phänomen, sondern in der Europäischen Union und darüber hinaus allgemein anzutreffen. Hier macht sich der Einfluss des dynamischen Voranschreitens der Wissensgesellschaft und der in ihrem Zuge rasch wachsenden Qualifikationsanforderungen an die Beschäftigten nachhaltig bemerkbar. Der Wettbewerbsdruck auf Zuwanderer, die nur eine geringe Qualifikation in das Aufnahmeland mitbringen bzw. am inländischen Bildungs- und Ausbildungssystem nicht angemessen partizipieren (können), nimmt beständig zu. Als vergleichendes Zwischenfazit lässt sich festhalten, dass die Arbeitsmarktintegration von EU-Bürgern in Deutschland wie in Dänemark, gemessen am Kriterium der Beschäftigungsquote, erfolgreich gelingt und sich kontinuierlich im Bereich der Beschäftigungsquote der jeweiligen Gesamtbevölkerung bewegt, wobei strukturelle Unterschiede für deutliche Niveauabweichungen zwischen beiden Arbeitsmärkten sorgen. Das insgesamt höhere Qualifikationsniveau der EU-Zuwanderer und ihre primär ökonomischen Wanderungsmotive erklären diese hohe Quote. Gleichzeitig gibt die Arbeitsmarktintegration von (nicht-westlichen) Drittstaatsangehörigen in beiden Ländern Anlass zur Sorge. Deutschland war hier noch Mitte der 1990er Jahre eindeutig im Vorteil gegenüber Dänemark (wo die Integration dieser Zuwanderergruppe
4.2 Folgen der Zurückdrängung von Arbeitsmigration
111
noch weniger erfolgreich war), hat an „Vorsprung“ jedoch inzwischen deutlich eingebüßt und weist für Nicht-EU-Bürger heute bei etwa gleicher Beschäftigungsquote die deutlich höhere Arbeitslosenrate auf. Es bleibt freilich der Eindruck, dass die Arbeitsmarktintegration dieser Immigranten in Deutschland – jedenfalls in der Vergangenheit – nennenswert besser gelungen ist. Welche Faktoren stehen hinter dieser Entwicklung?
4.2 Folgen der Zurückdrängung von Arbeitsmigration Der über die Zeit hinweg (ungeachtet in jüngerer Vergangenheit erzielter Verbesserungen) letztlich ungünstige Beschäftigungstrend für Zuwanderer nicht-westlicher Herkunft auf dem dänischen und deutschen Arbeitsmarkt resultiert sehr wesentlich aus der frühen Migrationsgeschichte beider Länder. An deren Beginn standen die Gastarbeiterimmigration und entsprechend hohe Beschäftigungsquoten. Im weiteren Verlauf verursachten dann die politisch gewollte Zurückhaltung bei der Aufnahme ausländischer Arbeitskräfte im Zeichen des 1973 verhängten Anwerbestopps, die daran anschließende Zunahme des Familiennachzugs, und insbesondere der starke Zuzug von Asylsuchenden einen drastischen Rückgang der Beschäftigungsanteile von Zuwanderern. Eine Betrachtung der Arbeitsmarktteilhabe verschiedener Jahrgänge (so genannten „Kohorten“) von Immigranten aus den unterschiedlichen Epochen der Einwanderungshistorie in den Jahren nach ihrer Einreise verdeutlicht diesen Zusammenhang. Der Vergleich ihrer Partizipationsraten9 zeigt den Einfluss des Einreisezeitpunktes und der veränderten Zuwandererstruktur auf die Arbeitsmarktteilnahme auf (vgl. Abbildung 4.5). Für den frühen Einreisezeitpunkt zwischen 1973 und 1975 ergibt sich eine sehr hohe Partizipationsrate mit nur leichtem, überwiegend wohl altersbedingtem Abwärtstrend. Im zehnten Aufenthaltsjahr lag der entsprechende Wert für diese Zuwandererkohorte bei über 80 Prozent. Eine ähnliche Ent9
Die Partizipationsrate wird definiert als Anteil der dem Arbeitsmarkt tatsächlich zur Verfügung stehenden Personen bezogen auf alle Erwerbsfähigen, umfasst also auch als arbeitslos gemeldete Personen und solche, die angeben, einen Arbeitsplatz zu suchen, aber noch keine Ansprüche an die Arbeitslosenversicherung erworben haben. Damit ist sie weniger von konjunkturellen Schwankungen abhängig und eignet sich besser zur Ermittlung struktureller Effekte. Für Deutschland stehen keine entsprechenden Daten zur Verfügung, deshalb beschränkt sich die Darstellung auf die Situation in Dänemark.
112
4. Beschäftigung und Einkommen – Gelingt die Integration in den Arbeitsmarkt?
Abbildung 4.5 Partizipationsraten männlicher 16-66jähriger Zuwanderer aus nicht-westlichen Ländern nach Ankunftsjahr und Aufenthaltsdauer in Dänemark 90% 80% 70%
Partizipationsraten
60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 1
2
3
4
5
6
7
8
9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 Aufenthaltsdauer in Dänemark (in Jahren)
1973-75
1978-80
1983-85
1988-90
1993-95
1996-98
1999-2001
Anmerkungen: Daten aus dem Zeitraum 1985-2002 für Immigranten und Nachkommen, die im jeweiligen Jahr 16-66 Jahre alt waren. Partizipationsraten: 1) bezogen auf 10.-29. Aufenthaltsjahr nach Einreise für Zuwanderer 1973-1975, 2) bezogen auf 5.-24. Aufenthaltsjahr nach Einreise für Zuwanderer 1978-1980, 3) bezogen auf unterschiedliche Zeiträume ab 1. Aufenthaltsjahr für alle anderen Zuwandererkohorten. Zuwanderer vor 1973 nicht berücksichtigt, da ihr Einreisezeitpunkt statistisch nicht systematisch erfasst wurde. Quelle: Berechnungen auf Basis von Danmarks Statistik.
wicklung lässt sich für die im Zeitraum 1978-1980 eingereisten Immigranten festhalten – ihre Partizipationsrate näherte sich nach fünf Aufenthaltsjahren der Marke von 80 Prozent an und bewegte sich dann bis zum Ende des ersten Aufenthaltsjahrzehnts auf das Niveau der vorher eingereisten Kohorte zu. Der deutliche Bruch bei den Partizipationsraten tritt mit der Zuwanderung nach 1983 ein. Während die nicht-westlichen Migranten, die zwischen 1978 und 1980 nach Dänemark einwanderten, binnen weniger Jahre ihre höchsten Partizipationsraten erreichten, benötigten diejenigen, die zwischen 1983 und 1985 zuwanderten, wesentlich mehr Zeit, um sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Die Partizipationsrate dieser Zuwanderer übertraf erst nach acht Aufenthaltsjahren 70 Prozent und näherte sich erst zum Ende des zweiten Aufenthaltsjahrzehnts dem Niveau der zuvor eingereisten Migranten an. Noch ungünstiger verlief die Entwicklung der Arbeitsmarktpartizipation für die Zuwandererkohorte der Jahre 1988-1990, die nach 14 Aufenthaltsjahren immer noch nicht die 70 Prozent-Marke erreichte hatte. In etwa das gleiche
4.2 Folgen der Zurückdrängung von Arbeitsmigration
113
Muster ergibt sich für die Partizipationsraten aller nachfolgenden Zuwandererkohorten, wobei für den letzten hier untersuchten Einreisezeitraum 19992001 eine geringfügige Trendverbesserung in Form einer rascheren Überwindung einer Partizipationsrate von 50 Prozent notiert werden kann. Diese Veränderung in Niveau und Entwicklung der Erwerbsbeteiligung lässt sich sowohl mit den in den 1980er Jahren eingetretenen Strukturveränderungen in der Zuwanderung nach Dänemark als auch mit Verhaltensanpassungen der Migranten an das vorgefundene System von Arbeitsmarkt und sozialer Sicherung erklären. Vor 1980 bestand der Zufluss der nicht-westlichen Einwanderer nach Dänemark vor allem aus Familienangehörigen bereits in Dänemark lebender Zuwanderer, insbesondere im Zeitraum 1984-1986 überwog dann zwischenzeitlich die Einreise von Asylsuchenden. Deren zunächst weit niedrigere Erwerbsbeteiligung hat wesentlich zu dem beobachteten Trendbruch beigetragen. Ferner ist ein vergleichsweise besonders starker Partizipationsrückgang bei Zuwanderern aus gering entwickelten nicht-westlichen Staaten (bei nahezu unverändertem prozentualen Anteil an dieser Zuwanderergruppe) in Rechnung zu stellen. Gleichzeitig weisen offenkundig jüngere Migrantenkohorten ganz generell eine geringere Partizipationsrate auf. Sie benötigen entweder eine deutlich längere Assimilationsphase oder stellen ihre Arbeitskraft dem Markt gar nicht zur Verfügung, weil der dänische Wohlfahrtsstaat – jedenfalls in der Vergangenheit – Alternativen jenseits der Erwerbstätigkeit bereitgestellt hat. Ob und inwieweit die in jüngster Zeit erkennbare leichte Verbesserung der Zuwandererpartizipation auf dem dänischen Arbeitsmarkt bereits mit dem 1999 eingeführten Integrationsgesetz, dessen Fokussierung auf die Arbeitsmarktintegration und rechtlichen Verschärfungen im Bereich des Sozialstaats in Beziehung gebracht werden kann, oder dies lediglich eine Momentaufnahme ist, lässt sich noch nicht ermitteln. Die Analyse der Partizipationsraten im Zeitverlauf am Beispiel Dänemarks illustriert die Konsequenzen der sich verändernden Komposition der Zuwanderung unter Zurückdrängung von Arbeitsmigration sehr eindrucksvoll. Für Deutschland würde sich mit hoher Wahrscheinlichkeit, wenn auch bei nennenswerten Niveauunterschieden, ein ähnliches Bild ergeben. Aus der „Kohortenanalyse“ lässt sich ableiten, dass der Kompositionseffekt gegenüber dem Verhaltenseffekt (also der Anpassung der Einwanderer an die Lebensund Arbeitsweise der einheimischen Bevölkerung) offenbar überwiegt. Soll also eine wieder verstärkte Arbeitsmarkpartizipation von Zuwanderern nicht-
114
4. Beschäftigung und Einkommen – Gelingt die Integration in den Arbeitsmarkt?
westlicher Herkunft und damit ein gesamtgesellschaftlicher Wohlfahrtszugewinn erreicht werden, wird man schon bei der Auswahl der Migranten und im Rahmen integrationspolitischer Maßnahmen darauf hinzuwirken haben, statt wie bisher die unterdurchschnittliche Erwerbsbeteiligung dieser Zuwanderergruppe passiv hinzunehmen.
4.3
Langfristige Integration: Bessere Chancen für die zweite Zuwanderergeneration?
Die Frage ist naheliegend, ob sich die Beschäftigungsprobleme von Zuwanderern nicht-westlicher Herkunft auch auf die zweite Migrantengeneration übertragen oder Besserung im Übergang zwischen den Generationen in Sicht ist. Einer Antwort kann man sich anhand des mit der dänischen Statistik zu Immigranten und ihren Nachkommen zur Verfügung stehenden Datenmaterials annähern (vgl. Abbildung 4.6). Die Beschäftigungsquote der westlichen Einwanderer folgt mehr oder weniger dem gleichen Trend wie die dänische Quote, allerdings mit niedrigerem Prozentsatz und einem im Zeitverlauf etwas vergrößerten Niveauunterschied. Dagegen liegt die Beschäftigungsquote für Nachkommen nicht nur deutlich über derjenigen der Elterngeneration, sondern nähert sich der Rate der einheimischen Bevölkerung an. Ähnliches gilt für Immigranten und Nachkommen nicht-westlicher Herkunft: Auch hier zeigt die Tendenz bei den Angehörigen der zweiten Generation klar nach oben – ihre Arbeitsmarktintegration macht Fortschritte. Als Ursache für die besonders starken Schwankungen in der Beschäftigung der zweiten Migrantengeneration ist vor allem das fallende Durchschnittsalter der nicht-westlichen Nachkommen zu nennen. Seit Ende der 1980er Jahre ist der Anteil der 16-20jährigen an dieser Gruppe stark angestiegen; sie treten erst seit den letzten Jahren verstärkt auf dem Arbeitsmarkt in Erscheinung. Gleichzeitig ist auch die Arbeitslosigkeit nicht-westlicher Nachkommen (von 19 Prozent im Jahr 1994 auf nur noch 7 Prozent in 2002) spürbar zurückgegangen. Es liegt auf der Hand, dass diese Entwicklung primär das Ergebnis vergleichsweise erfolgreicherer sozialer Integration, besserer Sprachkenntnisse und höheren Bildungsstandes von Zuwanderern der zweiten Generation ist. Dennoch bleibt festzuhalten, dass Zuwanderer nicht-westlicher Herkunft im Durch-
4.3 Langfristige Integration: Bessere Chancen für die zweite Zuwanderergeneration?
115
Abbildung 4.6 Beschäftigungsquoten von Immigranten und Nachkommen westlicher und nicht-westlicher Herkunft (16-66 Jahre) in Dänemark, 1985-2002 80%
Beschäftigungsquoten
70%
60%
50%
40%
30%
Dänen
Nachkommen (westlich)
Nachkommen (nicht-westlich)
Immigranten (nicht-westlich)
2002
2001
2000
1999
1998
1997
1996
1995
1994
1993
1992
1991
1990
1989
1988
1987
1986
1985
20%
Immigranten (westlich)
Quelle: Berechnungen auf Basis von Danmarks Statistik.
schnitt noch weit von der Arbeitsmarktteilhabe westlicher Immigranten entfernt sind. Nach wie vor dominiert in ihrem Fall die Beschäftigung in Industrie, einfachen Dienstleistungssektoren und anderen Tätigkeiten auf den unteren Stufen der Arbeitsmarktleiter. Nach wie vor ist das Bildungs- und Ausbildungsniveau dieser Zuwanderergruppe unterdurchschnittlich, und auch solche Migranten nicht-westlicher Herkunft mit höheren Bildungsabschlüssen scheinen ihr Potenzial nicht in den (dänischen) Arbeitsmarkt einbringen zu können.10 Sofern sich dies nicht verändert, sind angesichts des schmelzenden Arbeitsplätzereservoirs in den klassischen Wirtschaftszweigen industrieller Produktion die Probleme vorprogrammiert. Im Übrigen bleibt festzustellen, dass auch die erfolgreichere Arbeitsmarktintegration der zweiten Zuwanderergeneration den insgesamt unbefriedigenden Beschäftigungstrend der Zuwanderer nicht-westlicher Herkunft noch nicht hat stoppen können. Ein ähnliches Bild ist auch für Deutschland zu vermuten. Und doch fällt hier die Beschäftigungsquote dieser Migrantengruppe höher aus. Welche Gründe lassen sich dafür anführen? 10
Selbst bei Zuwanderern der zweiten Generation aus nicht-westlichen Ländern, die eine höhere Ausbildung in Dänemark erhalten haben, ist offenbar die Wahrscheinlichkeit sie zu nutzen relativ gering, vor allem im Falle junger Frauen; vgl. Jakobsen/Smith (2003).
116
4. Beschäftigung und Einkommen – Gelingt die Integration in den Arbeitsmarkt?
4.4 Effektivere Arbeitsmarkteingliederung von Migranten in Deutschland? Prinzipiell gibt es aus ökonomischer Sicht zwei mögliche Erklärungen für die auffällige Diskrepanz zwischen der Beschäftigungsquote nicht-westlicher Zuwanderer in Dänemark und Deutschland: Entweder sind die Einwanderer aufgrund spezifischer Merkmale in Dänemark von vornherein schwerer in den Arbeitsmarkt zu integrieren, oder Dänemark ist nicht so effektiv bei der Beschäftigung von Einwanderern wie Deutschland, behindert deren Arbeitsmarktzugang stärker bzw. setzt die falschen Verhaltensanreize in seinem System der sozialen Sicherung. Hinweise darauf, ob möglicherweise die erste Erklärung zutrifft, liefert eine Betrachtung der verschiedenen Nationalitäten von Einwanderern in beiden Ländern. Sind in Dänemark in größerem Ausmaß Einwanderergruppen vertreten, die (aus welchen Gründen auch immer) eine niedrige Erwerbsquote aufweisen? Zur Klärung dessen ist zunächst auf die unterschiedliche Zusammensetzung der hier in Rede stehenden Immigrantengruppe in Deutschland und Dänemark zu verweisen (vgl. Tabelle 4.3). In beiden Ländern machen türkische Staatsangehörige, wie bereits erwähnt, den größten Anteil unter den fünf hier untersuchten Nationalitäten aus, wobei sie in Deutschland die Tabelle 4.3 Zusammensetzung der zugewanderten Bevölkerung nach Herkunftsland, 2001/20021 Deutschland Ausländer
Ausländer
Ehem. Jugoslawien Iran Libanon Polen Türkei
20 2 1 6 37
15 5 5 5 13
alle 5 Nationalitäten alle 8 Nationalitäten3
66 -
43 57
46 61
5.216.228
226.621
308.588
Anzahl der Beobachtungen
Dänemark Alle Zuwanderer und Nachkommen2 14 4 7 4 17
Anmerkungen: Angaben in Prozent. 1 Deutschland: Stand 31.12.2001, Dänemark: Stand 01.01.2002. 2 Zuwanderer werden als Personen definiert, die im Ausland geboren wurden und deren beide Elternteile entweder eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzen oder gleichfalls im Ausland geboren sind. Als Nachkommen gelten – unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit – solche Personen, die in Dänemark geboren sind und deren Eltern weder die dänische Staatsangehörigkeit besitzen, noch in Dänemark geboren sind, vgl. Kapitel 1. 3 Beinhaltet die fünf oben genannten Nationalitäten sowie Zuwanderer aus Pakistan, Somalia und Vietnam. Quelle: Statistisches Bundesamt, Danmarks Statistik.
4.4 Effektivere Arbeitsmarkteingliederung von Migranten in Deutschland?
117
insgesamt mit weitem Abstand stärkste Zuwanderergruppe überhaupt stellen. Dies erklärt den Zwei-Drittel-Anteil der untersuchten Zuwanderergruppe an allen Immigranten in Deutschland. Für Dänemark ergibt sich ein vergleichsweise geringer Gesamtanteil von „nur“ knapp 43 Prozent, der bei Berücksichtigung des Erfassungsmodells von „Immigranten und ihrer Nachkommen“, also der Berücksichtigung eingebürgerter Zuwanderer der zweiten Generation, ebenfalls nur leicht steigt. Hier gilt es allerdings zu berücksichtigen, dass in Dänemark traditionell eine nennenswert große Zahl von Zuwanderern aus Pakistan, Somalia und Vietnam lebt. Rechnet man diese Gruppen hinzu, steigt der Gesamtanteil dieser nicht-westlichen Immigranten auf etwa 57 Prozent (61 Prozent bei Immigranten/Nachkommen) an, während diese ethnischen Gruppen in Deutschland zusammen genommen nur einen Anteil von weniger als 2,5 Prozent an allen nicht-westlichen Zuwanderern erreichen. Es kann demnach nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass es gerade diese Migranten sind, die in Dänemark die besonders problematische Beschäftigungssituation nicht-westlicher Einwanderer hervorrufen. Um dies zu überprüfen, wurden anhand der mit den Rockwool Foundation Migration Surveys vorliegenden Daten die Beschäftigungsquoten nach Nationalität untersucht (vgl. Tabelle 4.4). Tabelle 4.4 Beschäftigungsquoten der Zuwanderer nach Herkunftsland, 2001/2002 1 Deutschland Ausländer
Ausländer
Ehem. Jugoslawien Iran Libanon Polen Türkei
53 57 34 64 52
47 37 20 56 50
alle 5 Nationalitäten3 alle 8 Nationalitäten4
54 -
46 43
51 50
5.453
1.721
3.200
Anzahl der Beobachtungen
Dänemark Alle Zuwanderer und Nachkommen2 51 53 32 64 54
Anmerkungen: Angaben in Prozent für Altersgruppe der 16-65jährigen. 1 Deutschland: Stand 31.12.2001, Dänemark: Stand 01.01.2002. 2 Zuwanderer werden als Personen definiert, die im Ausland geboren wurden und deren beide Elternteile entweder eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzen oder gleichfalls im Ausland geboren sind. Als Nachkommen gelten – unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit – solche Personen, die in Dänemark geboren sind und deren Eltern weder die dänische Staatsangehörigkeit besitzen, noch in Dänemark geboren sind, vgl. Kapitel 1. 3 Gewichtet nach der tatsächlichen Größe der relevanten Einwanderergruppe in Deutschland und Dänemark. 4 Beinhaltet die fünf oben genannten Nationalitäten sowie Zuwanderer aus Pakistan, Somalia und Vietnam. Gewichtet nach der tatsächlichen Größe der Einwanderergruppe in Dänemark. Quelle: Berechnungen auf Basis des RFMS-G und RFMS-D.
118
4. Beschäftigung und Einkommen – Gelingt die Integration in den Arbeitsmarkt?
Es zeigen sich für beide Länder auffällige Unterschiede zwischen den Beschäftigungsquoten polnischer und libanesischer Staatsangehöriger; für Dänemark fällt zudem die geringe Beschäftigungsquote von Zuwanderern iranischer Herkunft auf. Hier sind es offenbar die Immigranten zweiter Generation, die eine besonders hohe Beschäftigungsquote aufweisen und dafür sorgen, dass bei Anrechnung aller Immigranten und Nachkommen ein durchschnittlicher Wert erreicht wird. Bezieht man alle acht in Dänemark untersuchten Zuwanderergruppen ein, verringert sich die durchschnittliche Beschäftigungsquote nur leicht – offenbar tragen also Migranten aus Pakistan, Vietnam und Somalia kaum zu einer Verschlechterung des Gesamtbildes bei. Die Schwankungen zwischen den Beschäftigungsquoten einzelner ethnischer Gruppen sind zwar in Dänemark mit einer Spanne von 20 bis 56 Prozent stärker ausgeprägt als mit 34 bis 64 Prozent in Deutschland, doch dieser Umstand allein kann den Rückstand Dänemarks in dieser Hinsicht nicht erklären. Insgesamt verfügt Deutschland über eine erkennbar höhere Beschäftigungsquote der nicht-westlichen Zuwanderer mit ausländischem Pass. Dies gilt auch für weibliche Immigranten, deren Arbeitsmarktintegration sich in Dänemark besonders unbefriedigend gestaltet (vgl. Abbildung 4.7). Weder kann sie auch nur entfernt mit der – überdurchschnittlich hohen – allgemeinen Beschäftigungsquote von Frauen in Dänemark mithalten, noch erreicht sie das deutsche Vergleichsniveau. Die Beschäftigungsquote männlicher Zuwanderer rangiert im Falle Dänemarks um das 1,5fache über dem Wert für Immigrantinnen, in Deutschland ist der Abstand zwischen den Geschlechtern geringer. Offenbar liegt eine besondere Schwäche Dänemarks darin, weibliche Arbeitskräfte nicht-westlicher Herkunft in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Würden zusätzlich eingebürgerte Immigranten nach dänischem Konzept in die Rechnung für Deutschland einbezogen (was statistikbedingt gegenwärtig nicht möglich ist), erführe die Diskrepanz zwischen beiden Ländern eine weitere Steigerung, und der Abstand zu Dänemark vergrößerte sich weiter. Ruft man sich zudem die weit höhere Beschäftigungsquote der dänischen Gesamtbevölkerung in Erinnerung, so bestätigt sich alles in allem die oben getroffene Feststellung, dass Einwanderer nicht-westlicher Herkunft in Deutschland anscheinend besser in den Arbeitsmarkt integriert werden als in Dänemark. Im Hinblick auf die Zusammensetzung der Migrantenpopulationen in beiden Ländern als Erklärungsansatz für die unterschiedlichen Beschäftigungsquo-
4.5 Wirtschaftliche Anreize und Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt
119
Abbildung 4.7 Beschäftigungsquoten nach Staatsangehörigkeit und Geschlecht, 2001/2002 90% 81% 80%
76% 73%
72% 67%
70%
62%
Beschäftigungsquoten
60%
57%
60% 54% 50%
46%
45% 37%
40% 30% 20% 10% 0% Deutsche
Ausländer
Dänen
Deutschland Männer
Ausländer Dänemark
Frauen
gesamt
Anmerkungen: Angaben für Deutschland auf Basis des RFMS-G (2002), Angaben für Dänemark auf Basis des RFMS-D (2001, fünf Nationalitäten), alle befragten Personen 16-65 Jahre alt. Quelle: Eurostat Labour Force Survey 2001, RFMS-G und RFMS-D.
ten bleibt festzuhalten, dass die Beschäftigungsraten zwar zwischen den Nationalitäten variieren, letztlich aber alle untersuchten Nationalitäten in Deutschland höhere Beschäftigungsquoten aufweisen. Auch die Geschlechterverteilung liefert keinen erklärenden Hinweis: Frauen sind in Dänemark allgemein stärker beschäftigt als in Deutschland, dies gilt aber nicht für Ausländerinnen. Eine weitere mögliche Erklärung für die unterschiedliche Konstellation in Deutschland und Dänemark besteht in länderspezifisch schwachen Arbeitsanreizen, insbesondere für Einwanderer in Dänemark, die keine Aussicht auf höhere Einkommen im Aufnahmeland haben.
4.5 Wirtschaftliche Anreize und Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, ob es sich für Einwanderer im Arbeitsmarkt- und Sozialsystem Deutschlands oder Dänemarks überhaupt
120
4. Beschäftigung und Einkommen – Gelingt die Integration in den Arbeitsmarkt?
Tabelle 4.5 Prozentsatz der Zuwanderer mit geringen Arbeitsanreizen 0
91
843
Quelle: Berechnungen auf Basis des RFMS-D.
um: Es zählen mehr von gesundheitlichen Einschränkungen betroffene Zuwanderer zu den Selbständigen als zu den abhängig Beschäftigten. Insgesamt zeichnen sich deutliche Unterschiede zwischen den selbständig und abhängig Beschäftigten in Dänemark ab, vor allem hinsichtlich ihres Humankapitals. Ein Vergleich der Selbständigen beider Länder ergibt als wichtigste Differenz ein niedrigeres Einkommen aus Selbständigkeit in Dänemark, das überdies hinter dem Lohn von zugewanderten Arbeitnehmern zurückbleibt.
158
5. Selbständigkeit: Vorteile für Einwanderer in Deutschland?
5.5 Selbständigkeit nach Nationalitäten Der bereits angeklungenen Frage nach nationalitätsspezifischen Unterschieden in Bezug auf die beeinflussenden Variablen einer Entscheidung zur Selbständigkeit kann mit Hilfe der Erhebungsdaten näher nachgegangen werden. Dabei zeigen sich erhebliche Abweichungen zwischen Deutschland und Dänemark. 5.5.1 Deutschland
Die ethnischen Gruppen in Deutschland unterscheiden sich in einigen Merkmalen sehr deutlich (vgl. Tabelle 5.3). Im Durchschnitt stellen iranische Selbständige die älteste Gruppe, während Unternehmer türkischer oder libanesischer Herkunft die jüngsten sind. Betrachtet man die wöchentlichen Einkommen, so zeigen sich starke Variationen zwischen den Nationalitäten. Die höchsten Einkommen verzeichnen polnische, die niedrigsten libanesische Selbständige. Iraner sind mit einer durchschnittlichen Geschäftstätigkeit von 9 Jahren bereits am längsten im Geschäft, die kürzeste Unternehmenshistorie weisen polnische Selbständige auf – ein angesichts ihres Einkommensvorsprungs erstaunlicher Umstand, der eine besondere Leistungsfähigkeit vermuten lässt. Insgesamt betreibt über alle Nationalitäten hinweg die große Mehrheit von Selbständigen kleine Unternehmen mit bis zu vier Mitarbeitern. Die fünf Nationalitäten unterscheiden sich aber auch hinsichtlich des in Deutschland erworbenen Humankapitals. Türkische Selbständige haben zwar häufiger die Grundschule oder Sekundarstufe 1 abgeschlossen, einen höheren Bildungsabschluss haben jedoch vor allem Unternehmer iranischer Herkunft erreicht – von ihnen absolvierten hohe 28 Prozent das Abitur oder eine Universitätsausbildung. Selbständige aus dem ehemaligen Jugoslawien stellen die Gruppe mit dem höchsten Anteil von Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung. In allen Gruppen ist der Prozentsatz von Personen mit Schulbildung im Heimatland hoch, wobei der Anteil bei den türkischen Migranten noch am geringsten ist. Vor allem polnische und libanesische Selbständige bringen bereits aus dem Herkunftsland Arbeitserfahrung mit. Die selbständigen Iraner verfügen besonders häufig über Wohneigentum und leben entsprechend selten in ethnischen Enklaven. Am anderen Ende der Skala stehen libanesische Selbständige, die nur selten unter den Eigenheimbesitzern zu finden sind und nahezu zur Hälfte in Enklaven leben. Auffällig ist auch der in dieser Hinsicht hohe Wert für türkische Selbständige, der mit dem überdurchschnittlich hohen Prozentsatz in Deutschland gebo-
5.5 Selbständigkeit nach Nationalitäten
159
Tabelle 5.3 Durchschnittliche Merkmalsausprägungen selbständiger Einwanderer in Deutschland nach Herkunftsland Türkei
Ehem. Jugoslawien
Polen
Iran
Libanon
38,72 625,00 7,27
43,7 780,95 6,81
40,39 971,86 4,56
46,14 821,18 9,22
38,16 585,58 5,23
0,73
0,76
0,83
0,77
0,89
0,54
0,78
0,78
0,62
0,73
0,36
0,15
0,20
0,10
0,18
0,10 0,18 0,64 0,22 0,22 0,34 0,18 0,02 0,16
0,08 0,23 0,80 23,38 0,15 0,28 0,13 0,00 0,43
0,03 0,11 0,89 16,28 0,25 0,25 0,08 0,14 0,19
0,28 0,12 0,89 21,49 0,37 0,16 0,03 0,07 0,14
0,09 0,11 0,89 14,93 0,05 0,46 0,00 0,07 0,09
0,40 0,18 0,84 0,80 0,58
0,25 0,13 0,73 0,65 0,23
0,42 0,08 0,69 0,67 0,28
0,09 0,32 0,83 0,72 0,39
0,11 0,68 0,96 0,77 0,57
0,04 0,34 0,12
0,13 0,53 0,13
0,06 0,69 0,03
0,12 0,52 0,40
0,07 0,66 0,32
Anzahl der Beobachtungen
50
40
36
130
44
Anzahl der Beobachtungen mit Lohn > 0
26
21
18
86
26
Variable
Alter Wochenlohn (Euro) Anzahl der Jahre im Geschäft Kleines Unternehmen (0-4 Beschäftigte) Keine Schulbildung in Deutschland Grundschule/Sekundarstufe 1 in Deutschland Sekundarstufe 2/Universität in Deutschland Berufsausbildung Schulbildung im Heimatland Aufenthaltsdauer (Jahre) Eigenheim in Deutschland Enklave In Deutschland geboren Deutsche Staatsbürgerschaft Aufenthaltsstatus: Beschäftigung Aufenthaltsstatus: Familienzusammenführung Aufenthaltsstatus: Flüchtling Mann Verheiratet Kinder unter 14 im Haushalt Gesundheitliche Einschränkungen Arbeitserfahrung im Heimatland Selbständiger Vater
Quelle: Berechnungen auf Basis des RFMS-G.
rener „türkischer“ Unternehmer nicht recht zusammenpassen will und auf ein besonderes Integrationsproblem hindeutet. Ein Gleiches lässt sich freilich auch für libanesische Selbständige feststellen. Bei den Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien sticht die Häufigkeit hervor, mit der ihre Aufenthaltserlaubnis unter Beschäftigungsgesichtspunkten erteilt wurde. Die Mehrheit der polnischen Selbständigen erhielt eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Familienzusammenführung, bei den libanesischen Staatsangehörigen überwiegen Aufenthaltserlaubnisse auf Basis des Flüchtlingsstatus. Türkische und libanesische Selbständige sind
160
5. Selbständigkeit: Vorteile für Einwanderer in Deutschland?
zu einem besonders hohen Prozentsatz verheiratet und Väter kleiner Kinder. Die Familientradition der Selbständigkeit ist vor allem bei den Iranern stark ausgeprägt: Bemerkenswerte 40 Prozent stammen aus einer Familie mit selbständig erwerbstätigem Vater. Die Gruppe mit dem geringsten Anteil von Personen, die ihren Vätern in die Selbständigkeit folgten, bilden polnische Unternehmer. Insgesamt sind Polen und Iraner unter den Selbständigen in finanzieller Hinsicht am Besten gestellt. Dies ist insofern interessant, als Polen im Durchschnitt kürzere Zeit in Deutschland gelebt haben, in der Regel nicht in einem Haushalt von Selbständigen aufgewachsen sind, ein durchschnittlich niedrigeres Bildungsniveau als die anderen Nationalitäten aufweisen und am häufigsten aufgrund einer Familienzusammenführung nach Deutschland kamen. Trotzdem erreichen sie unter allen Gruppen die höchsten Einkommen. Die Iraner zeigen die am stärksten ausgeprägte Übertragung des Selbständigkeitsstatus zwischen den Generationen, verfügen über das durchschnittlich höchste Bildungsniveau, weisen einen höheren Anteil von Eigenheimbesitzern als alle anderen Gruppen auf und sind in räumlicher Hinsicht am Besten integriert. 5.5.2 Dänemark
In Dänemark bestehen gleichfalls erhebliche Unterschiede zwischen den dort tätigen Selbständigen aus den unterschiedlichen Herkunftsländern. Darüber hinaus lassen sich starke Abweichungen zur Situation in Deutschland feststellen. (vgl. Tabelle 5.4).20 Polnische Selbständige bilden die im Durchschnitt älteste Unternehmergruppe, während Türken und Libanesen die durchschnittlich jüngsten Selbständigen sind. Die höchsten Einkommen pro Woche erzielen offenbar Unternehmer aus dem ehemaligen Jugoslawien, und wie in Deutschland liegen libanesische Selbständige am Ende der Einkommenshierarchie. Überdies bewegen sich die Einkommen aller fünf Nationalitäten, wie bereits oben erwähnt, unterhalb des jeweiligen deutschen Vergleichsniveaus. Die „jugoslawischen“ Selbständigen sind im Schnitt am längsten mit ihren Unternehmen tätig, während Libanesen bislang die kürzesten Firmenhistorien aufweisen. Türkische und libanesische Selbständige sind überwiegend Eigentümer von Kleinunternehmen; anders verhält 20
Weil die Anzahl der Beobachtungen zur Selbständigkeit innerhalb des dänischen Datensatzes, vor allem für Selbständige aus dem ehemaligen Jugoslawien und dem Libanon, limitiert ist, wurden die Ergebnisse mit der amtlichen dänischen Arbeitsmarktstatistik abgeglichen. Auf Abweichungen wird jeweils verwiesen.
5.5 Selbständigkeit nach Nationalitäten
161
Tabelle 5.4 Durchschnittliche Merkmalsausprägungen selbständiger Einwanderer in Dänemark nach Herkunftsland Türkei
Ehem. Jugoslawien
Polen
Iran
Libanon
33,77 559,47 3,04
42,67 886,53 8,33
44,27 739,94 7,71
39,61 611,03 4,22
34,07 490,81 1,75
0,71 0,69
0,00 0,50
0,25 0,59
0,49 0,82
0,66 0,87
0,33
0,17
0,14
0,06
0,07
0,03 0,03 0,83 18,83 0,17 0,58 0,00 0,36 0,11
0,33 0,33 1,00 23,33 0,50 0,00 0,00 0,33 0,50
0,27 0,18 0,96 20,05 0,59 0,9 0,00 0,64 0,00
0,12 0,29 0,96 14,02 0,22 0,08 0,00 0,73 0,00
0,07 0,20 0,80 13,06 0,07 0,33 0,00 0,80 0,00
0,86 0,00 0,89 0,78 0,61
0,17 0,33 0,83 0,83 0,67
0,32 0,32 0,50 0,73 0,32
0,16 0,80 0,73 0,67 0,55
0,20 0,67 1,00 0,80 0,73
0,00 0,25 0,03
0,17 0,67 0,17
0,23 0,59 0,00
0,16 0,69 0,16
0,00 0,47 0,00
Anzahl der Beobachtungen
36
6
22
49
15
Anzahl der Beobachtungen mit Lohn > 0
24
4
16
41
6
Variable
Alter Wochenlohn (Euro) Anzahl der Jahre im Geschäft Kleines Unternehmen (0-4 Beschäftigte) Keine Schulbildung in Dänemark Grundschule/Sekundarstufe 1 in Dänemark Sekundarstufe 2/Universität in Dänemark Berufsausbildung Schulbildung im Heimatland Aufenthaltsdauer (Jahre) Eigenheim in Dänemark Enklave In Dänemark geboren Einbürgerung Aufenthaltsstatus: Beschäftigung Aufenthaltsstatus: Familienzusammenführung Aufenthaltsstatus: Flüchtling Mann Verheiratet Kinder unter 14 im Haushalt Gesundheitliche Einschränkungen Arbeitserfahrung im Heimatland Selbständiger Vater
Quelle: Berechnungen auf Basis des RFMS-D.
es sich bei polnischen Selbständigen und Unternehmern aus dem ehemaligen Jugoslawien. In Bezug auf den Humankapitalerwerb in Dänemark liegen Selbständige aus diesen beiden Ländern und dem Iran vorn21; für polnische Unternehmer ergibt sich ein besonders markanter Niveauunterschied beim Abschluss von 21
Im Falle der Selbständigen aus dem ehemaligen Jugoslawien weicht der in der Stichprobe enthaltene hohe Wert von 33 Prozent mit Abschluss von Gymnasium oder Universität weit von den amtlichen Angaben ab, die nur ein Niveau von 8 Prozent ausweisen.
162
5. Selbständigkeit: Vorteile für Einwanderer in Deutschland?
Gymnasium oder Universität gegenüber der gleichen Zuwanderergruppe in Deutschland: rund 27 Prozent der polnischen Selbständigen in Dänemark verfügen über diesen höheren Bildungsstand, in Deutschland dagegen nur 3 Prozent. Dieser Umstand deutet auf eine besonders starke Selbstselektion polnischer Zuwanderer mit Bildungs- und Selbständigkeitsambitionen zugunsten des Ziellandes Dänemark hin. Im Durchschnitt leben die Selbständigen aus dem ehemaligen Jugoslawien, aus Polen und der Türkei bereits seit über 18 Jahren in Dänemark.22 Beinahe zwei Drittel der Selbständigen aus dem ehemaligen Jugoslawien, aus Polen und dem Iran verfügen über Arbeitserfahrung im Herkunftsland. Im Gegensatz zu Deutschland, wo eine stärkere Balance zwischen den verschiedenen zur Aufenthaltsgenehmigung führenden Wanderungsgründen festzustellen ist, zeigen sich für Dänemark stärkere Unterschiede je nach Nationalität. Bei den türkischen Selbständigen überwiegt ebenso klar das ursprüngliche Motiv der Familienzusammenführung wie im Falle von Unternehmern aus Iran und Libanon der Flüchtlingsstatus. Hingegen begründet sich der Erhebung zufolge der Aufenthalt von 50 Prozent der Selbständigen aus dem ehemaligen Jugoslawien unmittelbar mit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. Ein weiterer Unterschied zwischen den selbständigen Zuwanderern in Dänemark und Deutschland betrifft den Einbürgerungsstatus. Der Prozentsatz der in Dänemark geborenen Selbständigen rangiert deutlich unter dem entsprechenden Wert für die Bundesrepublik.23 Dennoch weisen alle Gruppen eine im Vergleich zur gleichen Zuwanderergruppe in Deutschland sehr hohe Einbürgerungsrate auf, die für Selbständige mit polnischem, iranischem oder libanesischem Hintergrund an oder gar über der Zwei-Drittel-Marke liegt. Es sind denn auch – neben den „jugoslawischen“ Selbständigen – genau diese Gruppen, die im Vergleich zu türkischen bzw. türkischstämmigen Selbständigen weit weniger häufig in einer ethnischen Enklave leben. Auffallend ist auch die hohe Eigenheimquote unter den polnischen Selbständigen, die in Deutschland kaum den halben Wert erreicht. Dafür ist hier der Prozentsatz der ausländischen Selbständigen mit Unternehmertradition in der eigenen Familie deutlich höher als in Dänemark, wo nur Selbständige aus dem ehe22
23
Auch hier ergibt sich eine erwähnenswerte Differenz zum in der amtlichen Statistik für Selbständige aus dem ehemaligen Jugoslawien enthaltenen Wert von 13 Jahren. Der dänischen Statistik zufolge sind 5-7 Prozent aller „Immigranten“ mit Migrationsbezug der Familie zur Türkei, dem ehemaligen Jugoslawien und Polen in Dänemark geboren; die auf die Selbständigkeit bezogene Stichprobe enthält keine in Dänemark geborenen selbständigen Migranten.
5.6 Mit welcher Wahrscheinlichkeit in die Selbständigkeit und warum?
163
maligen Jugoslawien und dem Iran überhaupt dieses Kriterium in nennenswertem Umfang erfüllen. Wiederum als Gemeinsamkeit weisen die selbständigen Zuwanderer in beiden Ländern eine ausgesprochen hohe Verheiratetenquote auf, die in Dänemark um einen relativ noch höheren Anteil von Vätern kleiner Kinder ergänzt wird. Dass es sich bei den Selbständigen nahezu ausnahmslos um Männer handelt, überrascht nicht; lediglich der wesentlich niedrigere Wert von nur 50 Prozent männlicher Unternehmer aus Polen fällt auf, zumal er für diese ethnische Gruppe auch im Falle Deutschlands gering ausfällt. Als kurzes Fazit dieser ersten Analyse lässt sich festhalten, dass die selbständigen Migranten in Deutschland besser gestellt sind als abhängig beschäftigte Zuwanderer, dies in Dänemark aber gerade nicht der Fall ist. Die Einkommensunterschiede zwischen selbständigen und abhängig Beschäftigten sind in Deutschland viel stärker ausgeprägt, wobei selbständige Einwanderer in etwa das Doppelte der abhängig beschäftigten Einwanderer verdienen. Demgegenüber muss in Dänemark offenbar mit Einkommensnachteilen rechnen, wer sich für die Selbständigkeit entscheidet. Dies weist nicht nur darauf hin, dass Selbständigkeit in Deutschland eine „bessere Wahl“ als in Dänemark darstellt, sondern lässt die begründete Vermutung zu, dass diese Entscheidung in beiden Ländern ganz unterschiedlichen Motiven folgt.
5.6 Mit welcher Wahrscheinlichkeit in die Selbständigkeit und warum? Wurden im vorherigen Abschnitt die wichtigsten Bedingungsfaktoren der Selbständigkeit analysiert, so wird nachfolgend der Einfluss dieser Merkmalsausprägungen auf die Wahrscheinlichkeit untersucht, dass ein Zuwanderer sich für die Selbständigkeit entscheidet. Betrachtet man die Schätzergebnisse für Deutschland und Dänemark (vgl. Tabelle A.10 im Anhang)24, fällt zunächst auf, dass sich im Falle der in Deutschland lebenden Zuwanderer nichtwestlicher Herkunft deutlich mehr statistisch signifikante Einflussgrößen für die Wahrscheinlichkeit einer selbständigen Beschäftigung ermitteln lassen. Mit zunehmendem Lebensalter wächst die Wahrscheinlichkeit, dass die Zuwanderer in der deutschen Stichprobe statt einer abhängigen eine selbständi24
Vgl. Constant/Schultz-Nielsen (2004a) zu den Einzelheiten der hier ergebnisorientiert zusammengefassten Untersuchungen.
164
5. Selbständigkeit: Vorteile für Einwanderer in Deutschland?
ge Beschäftigung wählen, wobei der Anstieg der Wahrscheinlichkeit naturgemäß mit abnehmender Rate erfolgt. Letzteres gilt auch für den Einfluss der Aufenthaltsdauer in Deutschland: Mit jedem zusätzlichen Aufenthaltsjahr erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass Migranten statt einer abhängigen einer selbständigen Beschäftigung nachgehen. Zugewinne an Aufenthaltssicherheit und Sozialkapital sowie erweiterte Kenntnisse über Marktchancen und Realisierungsbedingungen einer Existenzgründung werden hierbei eine maßgebliche Rolle spielen. Die Ergebnisse hinsichtlich des Einflusses der humankapitalbezogenen Merkmale entsprechen gleichfalls überwiegend den theoretischen Erwartungen. Im Aufnahmeland erworbene Bildungsqualifikationen spielen eine Schlüsselrolle für die Neigung zur Selbständigkeit. Einwanderer, welche die Grundschule/Sekundarstufe 1 oder die Sekundarstufe 2/Universität absolviert haben, betätigen sich mit 1,5fach höherer Wahrscheinlichkeit als Selbständige. Überraschenderweise ergibt sich jedoch kein signifikanter Einfluss der Berufsausbildung; ihr Vorhandensein kann offenbar sowohl in Richtung Selbständigkeit als auch zugunsten einer abhängigen Beschäftigung wirken. Die Berechnungen bestätigen dagegen die Tendenz zu einer über mehrere Generationen anhaltenden Affinität für eine selbständige Erwerbstätigkeit. Ist der Vater eines Einwanderers selbständiger Unternehmer, steigt die Wahrscheinlichkeit einer selbständigen Betätigung der Nachkommen um das 1,5fache. Dies kann nicht zuletzt als Indiz dafür gedeutet werden, dass Immigranten sich bei der Gründung eines Unternehmens auf ihre Verwandtschaft und die familiäre Unterstützung verlassen. Der Eigenheimbesitz erweist sich ebenfalls als wichtiger Bestimmungsfaktor der Selbständigkeit. Die Wahrscheinlichkeit den Weg in die Selbständigkeit einzuschlagen verdreifacht sich annähernd bei Einwanderern, die über Wohneigentum verfügen. Dass männliche Migranten 2,5fach eher zu selbständigen Unternehmern werden als Immigrantinnen, überrascht nicht. Den Berechnungen zufolge weisen iranische Zuwanderer eine dreifach höhere Wahrscheinlichkeit auf, den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen als die Referenzgruppe türkischer Staatsangehöriger. Das Wohnumfeld einer ethnisch geprägten Nachbarschaft beeinflusst die Wahrscheinlichkeit einer selbständigen Beschäftigung negativ. Einwanderer, die in einer solchen ethnischen Enklave leben, weisen den Ergebnissen zufolge eine um 35 Prozent reduzierte Wahrscheinlichkeit auf, selbständig erwerbstätig zu werden. Ethnische Enklaven können demnach, so scheint es auf den ersten Blick, eine erhebliche Barriere für die unternehmerische Betätigung
5.7 Einkommen aus selbständiger Beschäftigung
165
von Zuwanderern darstellen. Ebenso werden allerdings als Unternehmer erfolgreiche Migranten ihr Wohnumfeld aus der Enklave herausverlagern und diesen Schritt zum Zeitpunkt der Befragung bereits vollzogen haben. Insoweit wäre eine unmittelbare kausale Interpretation dieses Ergebnisses möglicherweise problematisch. Die entsprechende Analyse für vergleichbare Zuwanderergruppen in Dänemark ergibt nur wenige signifikante Bestimmungsfaktoren der Wahrscheinlichkeit, eine selbständige Beschäftigung anzustreben. Lebensalter und Aufenthaltsdauer stellen hier offenbar keine ernsthaften Determinanten der Selbständigkeit dar. Im Gegensatz zu den Resultaten der deutschen Stichprobe, denen zufolge in Deutschland erworbene Bildungsabschlüsse zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit selbständiger Erwerbstätigkeit führen, nimmt auch der Faktor Bildung im Falle Dänemarks anscheinend keinen signifikanten Einfluss auf die Neigung zur Selbständigkeit. Dagegen bestätigt sich, dass gesundheitliche Einschränkungen Zuwanderer in Dänemark eher als in Deutschland den Weg in die Selbständigkeit antreten lassen (bei allerdings erheblichen Einkommensnachteilen gegenüber nicht gesundheitlich beeinträchtigten ausländischen Selbständigen, wie noch zu zeigen sein wird). Im Übrigen weisen auch in Dänemark iranische Zuwanderer die höchste Wahrscheinlichkeit auf, eine selbständige Existenz zu gründen. Die Analyse der Stichprobe für Dänemark lässt die Vermutung nahe liegend erscheinen, dass selbständig beschäftigte Einwanderer in Dänemark die Entscheidung zur Selbständigkeit nicht im gleichen Ausmaß wie in Deutschland aufgrund einer Selbstselektion treffen, also bestimmte Eigenschaften in sich vereinigen, die sie von abhängig beschäftigten Zuwanderern unterscheiden. Hier könnten also in stärkerem Maße zufällige Faktoren und die Vermeidung von Arbeitslosigkeit bei gleichzeitiger Nutzung des Wohlfahrtsstaates (etwa über familiäre Zusammenhänge) eine Rolle spielen.
5.7 Einkommen aus selbständiger Beschäftigung Das in Relation zu Deutschland generell höhere Bruttolohnniveau für abhängig Beschäftigte in Dänemark hat offenbar keine Auswirkungen auf die Einkommenshöhe der dort erwerbstätigen ausländischen Selbständigen. Weder erreichen sie das Arbeitseinkommen der Arbeitnehmer nicht-westlicher Herkunft in Dänemark, noch dasjenige selbständiger Zuwanderer in Deutschland
166
5. Selbständigkeit: Vorteile für Einwanderer in Deutschland?
(vgl. Abbildungen 5.1-5.6).25 Welche personen- bzw. gruppenbezogenen oder länderspezifischen Merkmale könnten dafür bestimmend sein? Dieser Frage kann mit Hilfe von Einkommensgleichungen, der Erstellung von Einkommensprofilen sowie dem hypothetischen Experiment einer „kontrafaktischen“ Analyse nachgegangen werden. Das durchschnittlich niedrigere Einkommen selbständig erwerbstätiger Migranten in Dänemark deutet darauf hin, dass Risikobereitschaft in Dänemark weit weniger durch Einkommenszugewinne honoriert wird als in Deutschland. Es korrespondiert aber auch durchaus mit der im Schnitt geringeren Qualifikation von zugewanderten Selbständigen in Dänemark gegenüber „dänischen“ Arbeitnehmern als auch selbständigen Zuwanderern in Deutschland. Humankapitalmerkmale üben in beiden Ländern keinen signifikanten Einfluss auf die Einkommensentwicklung selbständiger Zuwanderer nichtwestlicher Herkunft aus (vgl. Tabelle A.11 im Anhang).26 Wohl aber sind im Falle Deutschlands die Dauer der Marktpräsenz des Unternehmens sowie die Faktoren Firmengröße und Standort inner- oder außerhalb einer ethnischen Enklave von Bedeutung. Inhaber kleiner Firmen mit bis zu 4 Mitarbeitern erwirtschaften ein um rund 40 Prozent niedrigeres Einkommen als Selbständige in größeren Unternehmen. Selbständige in ethnisch geprägten Wohnumfeldern verfügen über nur 80 Prozent des Einkommens solcher Migranten, die außerhalb von Enklaven tätig sind. Ist die Entscheidung für die Selbständigkeit (Selbstselektion) einmal erfolgt, hat anscheinend die Staatsangehörigkeit keine signifikante Wirkung mehr auf die Einkommenshöhe. Auch weitere Merkmale scheinen dann das Einkommen der ausländischen Selbständigen nicht mehr steigern zu können. Selbständige Einwanderer mit gesundheitlichen Einschränkungen erleiden in Dänemark einen Einkommensnachteil von 55 Prozent gegenüber nicht behinderten selbständigen Migranten. Dies bedeutet, dass offenbar in Dänemark der Weg in die Selbständigkeit von vielen nicht beobachtbaren Faktoren (und mangelnden Alternativen) abhängt. Der festgestellte relative hohe Anteil gesundheitlich beeinträchtigter Selbständiger wäre bei diesem festgestellten Ausmaß an Einkommenseinbußen anders nicht zu erklären. 25 26
Vgl. dazu auch Andersson/Wadensjö (2004). Dieser Befund steht durchaus im Widerspruch zu gängigen ökonomischen Humankapitalmodellen, die einen Einkommensvorteil durch zusätzliche Bildung jedenfalls für abhängig Beschäftigte annehmen. Inwieweit sich hier tatsächlich Differenzen zwischen selbständig und abhängig erwerbstätigen Zuwanderern belegen lassen, muss weiteren Untersuchungen vorbehalten bleiben.
5.7 Einkommen aus selbständiger Beschäftigung
167
Weiteren Aufschluss darüber, ob hierbei generell „bessere Fähigkeiten“ der ausländischen Selbständigen in Deutschland oder günstigere, die Selbständigkeit stimulierende und mit höherem Einkommen ausstattende Bedingungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt maßgeblich sind, liefert die kontrafaktische Analyse. Sie unterstellt, dass in Deutschland bzw. Dänemark lebende ausländische Selbständige unter Beibehalt ihrer durchschnittlichen Eigenschaften statt auf dem einen nun auf dem anderen Arbeitsmarkt agieren, und studiert die Konsequenzen dieses Gedankenexperiments für die altersabhängige Einkommensentwicklung. Für die Berechnung werden also die Mittelwerte der identifizierten Zuwanderermerkmale mit den geschätzten Parametern für den jeweils anderen Arbeitsmarkt kombiniert (vgl. Abbildungen 5.1-5.6). Im Vergleich zur Ausgangssituation wird deutlich, dass die ausländischen Selbständigen aus Deutschland im Falle einer fiktiven „Wanderung“ nach Dänemark gegenüber den Zuwanderern, deren Standort nach wie vor Deutschland bliebe, einen Anstieg ihrer Einkommen bis etwa zum 45. Lebensjahr erfahren würden. Nach dem 45. Lebensjahr würden ihre Einkommen jedoch auf ein Niveau unterhalb derer in Deutschland fallen. Demnach wäre eine Firmenverlagerung – kontrafaktisch, wohlgemerkt – bestenfalls für jüngere selbständige Immigranten lohnenswert, während er für ältere Einwanderer eine kontraproduktive Wirkung hätte. Der Gesamteffekt über die Lebensspanne wäre eher marginal (vgl. Abbildungen 5.1-5.2). Interessanter erscheint ein Vergleich der statt in Deutschland nunmehr in Dänemark agierenden Migranten zu den ausländischen Selbständigen in Dänemark (vgl. Abbildung 5.3). Sie wären offenbar in Dänemark in jedem Lebensalter besser gestellt als die bereits zuvor ansässigen Zuwanderer. Es erscheint sehr nahe liegend, die Gründe hierfür nicht allein in den spezifischen Eigenschaften der Personen und ihrer relativ höheren Qualifikation, sondern auch in den Bedingungen des Aufnahmelandes zu suchen. Die Gegenprobe lässt sich durch die Anwendung der kontrafaktischen Analyse auf die selbständigen Einwanderer in Dänemark anstellen. Falls ihr relativ ungünstigeres dortiges Abschneiden auf die Bedingungen des Aufnahmelandes zurückgeführt worden ist, dann müssten sie aus einem „Standortwechsel“ nach Deutschland einen Einkommensvorteil erzielen. Tatsächlich ergibt sich, dass sie in diesem Fall über das gesamte Erwerbsleben hinweg sogar leicht besser gestellt wären als die ursprünglichen Einwanderer in Deutschland. Da sich beide Migrantengruppen in demselben, unveränderten Umfeld befinden, könnte dies zugleich ein Hinweis darauf sein, dass die selbständi-
168
5. Selbständigkeit: Vorteile für Einwanderer in Deutschland?
Abbildung 5.1 - 5.3
Ln (Wochenlohn)
Einkommen von selbständigen Zuwanderern in Abhängigkeit vom Alter 7 6 5 4 3 2
— Deutsche Zuwanderer in Deutschland — Dänische Zuwanderer in Dänemark
1 0
Ln (Wochenlohn)
20
25
30
35
40
45
50
55
60 Alter
50
55
60 Alter
50
55
60 Alter
7 6 5 4 3
kontrafaktisch 2
— Deutsche Zuwanderer in Deutschland --- Deutsche Zuwanderer in Dänemark
1 0
Ln (Wochenlohn)
20
25
30
35
40
45
7
6
5
4
3
kontrafaktisch 2
— Dänische Zuwanderer in Dänemark --- Deutsche Zuwanderer in Dänemark
1
0 20
25
30
35
40
Quelle: Berechnungen auf Basis des RFMS-G und RFMS-D.
45
5.7 Einkommen aus selbständiger Beschäftigung
169
Abbildung 5.4 - 5.6
Ln (Wochenlohn)
Einkommen von selbständigen Zuwanderern in Abhängigkeit vom Alter 7 6 5 4 3
kontrafaktisch 2
— Deutsche Zuwanderer in Deutschland --- Dänische Zuwanderer in Deutschland
1 0
Ln (Wochenlohn)
20
25
30
35
40
45
50
55
60 Alter
50
55
60 Alter
50
55
60 Alter
7 6 5 4 3
kontrafaktisch 2
--- Dänische Zuwanderer in Deutschland --- Dänische Zuwanderer in Dänemark
1 0
Ln (Wochenlohn)
20
25
30
35
40
45
7 6 5 4 3
kontrafaktisch 2
--- Dänische Zuwanderer in Deutschland --- Deutsche Zuwanderer in Dänemark
1 0 20
25
30
35
40
Quelle: Berechnungen auf Basis des RFMS-G und RFMS-D.
45
170
5. Selbständigkeit: Vorteile für Einwanderer in Deutschland?
gen Migranten aus Dänemark über eine größere Anpassungsfähigkeit verfügen, die gegenüber Bildungsnachteilen stärkere Bedeutung erlangt (vgl. Abbildung 5.4). Darüber hinaus können die kontrafaktisch aus Dänemark nach Deutschland „verzogenen“ ausländischen Selbständigen mit den in Dänemark verbliebenen Einwanderern verglichen werden (vgl. Abbildung 5.5). Offenkundig würden sie gegenüber den weiterhin in Dänemark selbständig Erwerbstätigen eine erhebliche, nachhaltige Verbesserung ihrer Einkommenssituation erfahren. Das kann als ein Indiz dafür verstanden werden, dass zu dem letztlich eher diffusen Personen-Effekt ein tendenziell stärkerer Länder-Effekt hinzukommt, der die Bedingungen für selbständiges Unternehmertum in Dänemark insgesamt ungünstiger erscheinen lässt. Als letzter kontrafaktischer Schritt wird nun auch noch der Gesamtbestand aller ausländischen Selbständigen in beiden Ländern komplett ausgetauscht. Ein Vergleich der sich hieraus ergebenden Alter-Einkommen-Profile zeigt, dass die nach Deutschland versetzten selbständigen Einwanderer aus Dänemark gegenüber den aus Deutschland nach Dänemark umgezogenen Migranten zwar erst zu einem späteren Zeitpunkt ihr Maximaleinkommen erreichen, aber zugleich über das gesamte Erwerbsleben hinweg ein höheres, gegen Ende ihres Erwerbslebens sogar deutlich höheres Einkommen erzielen würden (vgl. Abbildung 5.6). Der für Dänemark unvorteilhafte LänderEffekt bestätigt sich hier. Deutschland bietet in dieser hypothetischen Betrachtung das geeignetere Umfeld für eine selbständige Beschäftigung an.
5.8 Zusammenfassende Bewertung Die selbständige Erwerbstätigkeit von Zuwanderern nicht-westlicher Herkunft ist ein wichtiger, noch zu wenig untersuchter Wirtschaftsfaktor in Deutschland wie in Dänemark. Während die Selbständigenquote von Zuwanderern in Deutschland bis in die Mitte der 1990er Jahre beständig gestiegen ist, stagniert sie seitdem bzw. ist sogar leicht rückläufig. Dennoch liegt sie nur wenig unterhalb der – traditionell im internationalen Vergleich niedrigen – Selbständigenrate der Gesamtbevölkerung. Anders verhält es sich in Dänemark; dort weisen Einheimische eine noch niedrigere Selbständigenquote auf, die von den Zuwanderern – je nach Nationalität teils deutlich – übertroffen wird.
5.8 Zusammenfassende Bewertung
171
Diese Ausgangsdaten scheinen auf den ersten Blick ein vergleichsweise günstiges Existenzgründungsklima für Zuwanderer in Dänemark anzudeuten. Nähere Untersuchungen der befragten Migranten können diesen Eindruck jedoch nicht bestätigen. Die Einkommen selbständiger Einwanderer in Dänemark unterschreiten nicht nur das deutsche Vergleichsniveau, sie bewegen sich im Durchschnitt offenbar auch unterhalb der Löhne abhängig beschäftigter Zuwanderer. Ganz offensichtlich wird die Risikobereitschaft von ausländischen Unternehmern in Dänemark nicht honoriert, während sie in Deutschland durchaus mit Einkommenszugewinnen prämiert wird. Dieser Befund lässt den Rückschluss zu, dass Selbständigkeit für Immigranten in Deutschland eine echte Option zur Verbesserung ihres individuellen Erfolgs darstellt, wohingegen den Ergebnissen zufolge in Dänemark der Schritt zur Existenzgründung anderen Motiven zu folgen scheint. Die fehlenden finanziellen Anreize zur Selbständigkeit werden im Falle Dänemarks im Übrigen auch darauf zurückzuführen sein, dass hier höhere Reservationslohnmechanismen greifen: Die durch den dänischen Wohlfahrtsstaat vermittelte, im Vergleich zu Deutschland hohe Lohnersatzrate wirkt sich offenkundig hemmend auch auf den Schritt zur Selbständigkeit aus. Die kontrafaktische Analyse zeigt in diesem Zusammenhang einen gewissen Ländereffekt auf: Deutschland hätte im Durchschnitt auch den in Dänemark selbständig erwerbstätigen Zuwanderern bessere Bedingungen und finanzielle Erfolgsaussichten anzubieten; dagegen wären „deutsche“ Selbständige in Dänemark nach anfänglichen Erfolgen alsbald finanziell schlechter gestellt als bei ihrem Verbleib in Deutschland. Allerdings ergeben sich keine Anzeichen für eine grundsätzlich bessere Eignung der in Deutschland erwerbstätigen ausländischen Selbständigen. Zu berücksichtigen ist ferner, dass Zuwanderer in beiden Ländern deutlich höhere Anteile an den in einfachen Tätigkeitsbereichen Selbständigen aufweisen. Für Deutschland lassen sich als Einflussgrößen der Wahrscheinlichkeit, als Zuwanderer eine selbständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen, neben dem Geschlecht (Frauen sind unter den ausländischen Selbständigen – wie in Dänemark auch – kaum vertreten) vor allem ein etwas höheres Lebensalter und eine längere Aufenthaltszeit, eine höhere Bildung im Aufnahmeland, die Existenz eines Selbständigen-Vorbildes in der eigenen Familie, Grundbesitz in Deutschland und eine erfolgreiche Integration in das Wohnumfeld der einheimischen Bevölkerung identifizieren. Dabei verdient der offenkundig starke intergenerationale Effekt der Weitergabe von Unternehmereigenschaften besondere Beachtung (und weitere Aufmerksamkeit der Forschung).
172
5. Selbständigkeit: Vorteile für Einwanderer in Deutschland?
Eine ähnlich umfangreiche Liste von Charakteristika lässt sich dagegen im Falle Dänemarks nicht ermitteln; hier verteilen sich die Eigenschaften weit gleichmäßiger auf selbständige und abhängig beschäftigte Immigranten. Neben einem etwas höheren Lebensalter scheinen es vor allem Schulbesuch und Arbeitserfahrung im Herkunftsland zu sein, die die Wahrscheinlichkeit einer Existenzgründung positiv beeinflussen können, während die Anteile höherer Bildungsabschlüsse für abhängig Beschäftigte größer sind. Statistisch signifikant sind die Ergebnisse in dieser Hinsicht allerdings nicht. Mehrheitlich, so die vielleicht dennoch zulässige Vermutung, werden also die ausländischen Selbständigen in Dänemark in Geschäftsfeldern tätig sein, die zwar ein bestimmtes Maß an Kenntnissen und Erfahrungen voraussetzen, letztlich aber keine höhere Bildung verlangen und demzufolge wohl überwiegend einfachere Serviceleistungen anbieten. Die bestimmenden Faktoren für die Einkommensentwicklung der ausländischen Selbständigen scheinen im Falle Deutschlands lediglich das Lebensalter und die Dauer der Firmenexistenz zu sein. Einmal selbständig geworden, nehmen andere denkbare Variablen wie Nationalität und Bildungsstand keinen signifikanten Einfluss mehr auf das Einkommen. Wohl aber „bestraft“ der deutsche Arbeitsmarkt Selbständige in ethnischen Enklaven mit deutlich geringeren Einkommen. Für Dänemark zeigen sich diese Zusammenhänge nicht. Mit aller Vorsicht lässt sich darüber hinaus festhalten, dass in beiden Ländern Zuwanderer iranischer Herkunft allein schon aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit eine besonders große Wahrscheinlichkeit der Existenzgründung mitbringen. Ferner scheint es einen unmittelbaren, positiven Zusammenhang zwischen Flüchtlingsstatus und späterer Existenzgründung zu geben. Letztlich wären Deutschland und Dänemark gut beraten, sich des Themas der Förderung selbständiger Erwerbstätigkeit von Zuwanderern verstärkt anzunehmen, um Chancen zur Schaffung wirtschaftlicher Dynamik zu nutzen. Unabhängig von verschiedenen bereits initiierten Maßnahmen zur generellen Unterstützung von Existenzgründungen in der dänischen und deutschen Wirtschaft wird es darauf ankommen, bestehende Fördermaßnahmen für die Zielgruppe der Zuwanderer sorgfältig zu evaluieren und wissenschaftlichen Erkenntnissen anzupassen. Ein besonders „lukratives“ Betätigungsfeld könnte dabei die konsequente Förderung der Existenzgründung junger Migrantinnen sein.
5.8 Zusammenfassende Bewertung
173
Im Falle Deutschlands ließe sich das neue Zuwanderungsgesetz dazu nutzen, einerseits offensiv für die Immigration ausländischer Selbständiger zu werben. Andererseits bieten auch die darin enthaltenen Regelungen zur Integration von Zuwanderern die Möglichkeit, gezielte Module zur Stimulation von Selbständigkeit zu entwickeln. Sinnvollerweise scheint Dänemark unterdessen an dieser Stelle mit der Aufnahme entsprechender Bausteine in die etablierten dreijährigen Integrationskurse für Zuwanderer ansetzen zu wollen.
175
6
Sozio-ökonomische Bilanz der Zuwanderung*
Die Analyse des Arbeitsmarkterfolgs von Zuwanderern nicht-westlicher Herkunft in Dänemark und Deutschland bliebe unvollständig, würden nicht auch die Inanspruchnahme sozialstaatlicher Leistungen, die durch sie vermittelten Anreize zur Beschäftigungsaufnahme sowie die Bilanz aus Steuerzahlungen und Sozialtransfers in den Blick genommen. Die Anreizwirkungen der jeweiligen Ausgestaltung der sozialen Sicherungssysteme sind von erheblicher Bedeutung für die Arbeitsmarktpartizipation der Zuwanderer. So ist von vornherein die Vermutung naheliegend, dass der insgesamt geringere Umfang der Beschäftigung von Immigranten in Dänemark – neben den bereits diskutierten Aspekten – maßgeblich auch auf die bereitgestellten Alternativen zur Erwerbsarbeit zurückgeführt werden kann. Im gleichen Maße, in dem vor allem für geringer qualifizierte und deshalb ein geringeres Einkommen erwartende Migranten durch lohnadäquate Sozialtransfers eine rationale Verhaltensoption geschaffen wird, darf ein Rückgang bzw. niedrigeres Niveau des Arbeitsangebots jedenfalls nicht überraschen. Allerdings kann ebenso erwartet werden, dass instabilere, häufiger unterbrochene Beschäftigungsverhältnisse – jedenfalls im deutschen System – reduzierte Anspruchsberechtigungen an die Arbeitslosenunterstützung wie auch die Alterssicherung erzeugen und überdies die günstigere Altersstruktur der Migranten den Umfang der Sozialtransfers in Relation zur einheimischen Bevölkerung verringert. Geht also die „Rechnung“ auf? Stehen den Ausgaben für Arbeitslosenunterstützung, Sozialhilfe, Renten und sonstige Sozialleistungen weniger oder mehr Einnahmen in Form von Sozialabgaben, direkten und indirekten Steuern gegenüber? Ist die Zuwanderung der hier relevanten Migrantengruppe somit zum Vor- oder Nachteil der dänischen bzw. deutschen Volkswirtschaft? Und ist für die Zukunft ein (noch) vorteilhafterer Saldo aus Einnahmen und Ausgaben zu erwarten? Diesen Fragen soll in Form eines kurzen Problemaufris* Dieses Kapitel fasst Ergebnisse von Nielsen (2004) und Wadensjö/Gerdes (2004) mit eigens für dieses Buch erstellten Berechungen von Holger Bonin (IZA) zusammen.
176
6. Sozio-ökonomische Bilanz der Zuwanderung
ses nachgegangen werden. Dabei stehen zunächst die Anspruchsvoraussetzungen des Bezugs sozialstaatlicher Leistungen im Mittelpunkt, bevor anschließend der Versuch unternommen wird, die sozio-ökonomische Bilanz der Zuwanderung in ihrer Grundtendenz zu untersuchen.
6.1 Struktur und Anspruchsvoraussetzungen der sozialen Sicherungssysteme In Bezug auf die wesentlichen Elemente ihrer sozialen Sicherungssysteme überwiegen zwischen Deutschland und Dänemark die Unterschiede eindeutig die bestehenden Gemeinsamkeiten.1 Dies beginnt bereits bei der dem Arbeitsmarkt am nächsten stehenden Form des Sozialtransfers. In Deutschland ist die Mitgliedschaft in der Arbeitslosenversicherung obligatorisch und wird hälftig durch Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge finanziert, während sie in Dänemark auf freiwilliger Basis beruht (knapp 80 Prozent der dänischen Erwerbstätigen sind gleichwohl Mitglieder einer Arbeitslosenkasse), überwiegend durch allgemeine Steuern und nur zu einem geringen Teil durch Beiträge der Versicherten finanziert wird. Die dänische Arbeitslosenversicherung (Arbejdsloshedsforsikring) stellt maximal 90 Prozent des letzten Bruttolohnes als steuerpflichtiges Ersatzeinkommen bereit. Zugleich wird jedoch der Höchstbetrag der Arbeitslosenunterstützung derart stark limitiert, dass eine solch hohe Lohnersatzquote de facto nur von geringer Verdienenden erreicht werden kann; die Ersatzrate für Bezieher höherer Einkommen fällt drastisch niedriger aus. Mit anderen Worten: Gerade für geringqualifizierte Arbeitslose drosselt das System die Anreize zur aktiven Arbeitsplatzsuche nach eingetretener Arbeitslosigkeit deutlich. Demgegenüber sorgt die Regelung dafür, dass die weit größere Gruppe der besser Verdienenden starke Anreize zur Beschäftigungssuche erfährt. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass Dänemark seit Mitte der 1990er Jahre zunehmend Elemente von „Workfare“ in seine Arbeitsmarkt- und So1
Die folgende Darstellung beschränkt sich auf einige wesentliche, arbeitsmarktrelevante Merkmale der jeweiligen Sozialstaatsstrukturen. Aspekte etwa der Kumulierung von Leistungsansprüchen, des genauen Leistungsumfangs oder der Transferierbarkeit ins Ausland bleiben ebenso außer Betracht wie einzelne sozialstaatliche Leistungen in Form von Kindergeld, Wohngeld oder Invaliditätsrenten. In die spätere Bilanzierung des gesamtwirtschaftlichen Effekts fließen diese Leistungen wie auch alle indirekten Steuern ein. Sofern nicht anders erwähnt, beziehen sich die Angaben im Übrigen gleichermaßen auf die einheimische und zugewanderte Bevölkerung.
6.1 Struktur und Anspruchsvoraussetzungen der sozialen Sicherungssysteme
177
zialgesetzgebung eingeführt, also die Gewährung von Sozialtransfers an bestimmte arbeitsmarktbezogene Gegenleistungen der Transferbeziehenden geknüpft hat. Gegenwärtig müssen alle Arbeitslosen schon nach einem Jahr an „aktivierenden“, teils qualifizierenden, teils eine indirekte Arbeitspflicht im kommunalen Bereich begründenden Maßnahmen teilnehmen (Zuwanderer sind dabei jedoch eher unterrepräsentiert). Gleichzeitig wurde 1998 die maximale Bezugsdauer der Arbeitslosenunterstützung von sieben auf nur noch vier Jahre reduziert. Auch die Zumutbarkeitsregeln erfuhren eine drastische Verschärfung – bereits nach dreimonatiger Arbeitslosigkeit muss heute auch ein Arbeitsplatz weit unterhalb des eigentlichen Ausbildungsniveaus angenommen werden. Werden Arbeitsplatz- oder andere Aktivierungsangebote abgelehnt, kann die Auszahlung des Arbeitslosengeldes ganz oder befristet ausgesetzt werden. Voraussetzung für den Bezug von Arbeitslosenunterstützung ist in Dänemark darüber hinaus eine mindestens einjährige Mitgliedschaft in einer Arbeitslosenversicherung sowie eine ebenso lange Beschäftigungsdauer in den letzten drei Jahren. Im Anschluss an die Arbeitslosenunterstützung greift unmittelbar die „letzte Instanz“ der Sozialhilfe (Kontanthjælp), die noch stärker mit „Workfare“-Elementen gekoppelt ist. Die deutsche Arbeitslosenversicherung war bis in das Jahr 2004 als ein ZweiKomponenten-System angelegt, das aus dem Arbeitslosengeld und der Arbeitslosenhilfe bestand. Anders als in Dänemark ermittelt das deutsche System die Höhe der Arbeitslosenunterstützung auf Nettogehaltsbasis; die Kompensationsrate des Arbeitslosengeldes in Höhe von 67 Prozent des letzten Gehalts für Personen, die Kinder zu versorgen haben (ansonsten 60 Prozent), kann deshalb nicht direkt mit dem dänischen Niveau verglichen werden. Im Falle Deutschlands sind jedoch Bezieher etwas höherer Einkommen besser gestellt, da sie, anders als in Dänemark, bis zu einer bestimmten Beitragsbemessungsgrenze die gleiche prozentuale Lohnersatzleistung erhalten wie Geringverdiener. Nimmt man das vorherige Einkommensniveau eines durchschnittlichen Beschäftigten im industriellen Sektor zum Maßstab2 und unterstellt eine einjährige Arbeitslosigkeit, so lassen sich die Nettoersatzquoten in Form der dänischen und deutschen Arbeitslosenunterstützung für verschiedene Einkommensniveaus ermitteln. Deutlich wird, dass die Nettoersatzquoten in Dänemark für geringe Einkommen am höchsten sind, während das Gegenteil für Deutschland gilt (vgl. Tabelle 6.1). 2
Als Maßstab wird hier der so genannte „Average Production Worker“ (APW) nach OECDKlassifizierung verwendet.
178
6. Sozio-ökonomische Bilanz der Zuwanderung
Tabelle 6.1 Nettolohn-Ersatzquoten für einen Versicherten im ersten Jahr der Arbeitslosigkeit in Deutschland und Dänemark, 1999 APW-Niveau Früheres Einkommen betrug … Deutschland Dänemark
75% 59% 79%
100% 58% 61%
125%
150%
Nettoersatzquoten 58% 58% 52% 46%
175%
200%
55% 41%
49% 37%
Anmerkung: Nettoersatzquote in Bezug auf das durchschnittlich jährlich verfügbare Einkommen des „Average Production Worker (APW)“ nach OECD-Standard; Kumulierung von Sozialtransfers nicht berücksichtigt. Quelle: Hansen et al. (2002).
Bei analoger Voraussetzung einer mindestens einjährigen vorherigen Beschäftigung ist der maximale Unterstützungszeitraum in Deutschland in Abhängigkeit vom Lebensalter und der absolvierten individuellen Beschäftigungsbiographie geregelt und fällt in jedem Fall deutlich kürzer als in Dänemark aus. Statt allerdings nach Ablauf der maximalen Bezugsdauer wie in Dänemark in die Sozialhilfe zu münden, beinhaltete die deutsche Arbeitslosenunterstützung bis 2004 noch das System der Arbeitslosenhilfe, die als nicht versicherungsbasierte, sondern ausschließlich steuerfinanzierte, gleichwohl aber nettolohnorientierte Leistung ein zwischen Arbeitslosengeld und Sozialhilfe angesiedeltes Niveau erreichte. Dieses Modell wird im Jahr 2005 durch das neue, pauschalierte „Arbeitslosengeld II“ abgelöst werden, das die ehemalige Arbeitslosenhilfe mit der Sozialhilfe für Erwerbsfähige zusammenfasst. Deutschland geht damit – zumal gleichzeitig verschärfende Bestimmungen zur Zumutbarkeit von Arbeit auch bereits für Bezieher der Versicherungsleistung Arbeitslosengeld I greifen – einerseits einen Schritt in Richtung des dänischen Systems, teilweise aber auch in eine andere Richtung. Letzteres gilt insbesondere für die Regelungen zum Hinzuverdienst beim Bezug von Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe. Im Gegensatz zum dänischen System, das keine Hinzuverdienstgrenzen oder die Möglichkeit einer ergänzend zu anderen Transfers gewährten Sozialhilfe kennt, beinhaltet das deutsche Regelwerk solche anreizorientierten Varianten, die ab 2005 noch ausgebaut werden. Vor allem für künftige Bezieher von Arbeitslosengeld II wird ein stärkerer Anreiz gesetzt werden, auf den Arbeitsmarkt zurückzukehren, indem ein aus regulärer Erwerbsarbeit erzieltes Einkommen in geringerem Umfang als bislang im Falle des Sozialhilfebezugs von Erwerbsfähigen vorgesehen, auf den Transferanspruch angerechnet wird.
6.1 Struktur und Anspruchsvoraussetzungen der sozialen Sicherungssysteme
179
Dagegen setzt das dänische Sozialhilfesystem auf die Wirkung von Workfare bzw. „Flexicurity“ und fasst damit stärker noch als Deutschland Sozial- und Arbeitsmarktpolitik zusammen. Ein Anspruch auf Sozialhilfe wird in der Regel mit der Verpflichtung zur Arbeitsleistung verbunden. Der dänische Staat bietet, teils in Kooperation mit Wirtschaftsunternehmen (für die sich die Regelung als Niedriglohnsubvention auswirkt), auf kommunaler Ebene Arbeitsplätze an, sichert aber, sofern keine eingeschränkte Erwerbsfähigkeit vorliegt, eine erwerbslose Existenz nicht mehr generell ab. Im dänischen Sozialhilfesystem gelten zudem besondere Regeln für Immigranten. Für die ersten drei Aufenthaltsjahre wird eine „Eingliederungsbeihilfe“ gezahlt, die sich zwar an der Sozialhilfe orientiert, jedoch mit der Teilnahme an dreijährigen Integrationskursen verknüpft ist. Generell gilt (auch für zwischenzeitlich ausgereiste dänische Staatsbürger), dass eine Sozialhilfeberechtigung erst erwirbt, wer sich mindestens sieben der letzten acht Jahre in Dänemark aufgehalten hat. Falls diese Auflage nicht erfüllt ist, werden geringere Beträge ausgezahlt. Auch die Rentensysteme in Deutschland und Dänemark sind sehr unterschiedlich, sieht man davon ab, dass sie das gleiche Regelalter von 65 Jahren für den Renteneintritt festlegen.3 Die beitragsfinanzierte deutsche Rentenversicherung basiert auf dem „Generationenvertrag“ und soll sicherstellen, dass die Versicherungsbeiträge der jeweils aktiven Generation das Rentenniveau der aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Generation bewahren.4 Als Pflichtversicherung erfasst sie alle Beschäftigten, die nicht im Öffentlichen Dienst tätig sind. Rentenansprüche an die Versicherung werden erst nach fünfjähriger Beitragszeit erworben, wobei unter anderem Kindererziehungszeiten Anrechnung finden. Verschiedene Sonderregelungen gelten für besonders lange Erwerbsbiographien, für den Übergang aus der Arbeitslosigkeit oder der „Altersteilzeit“. Im Falle anerkannter Flüchtlinge können Erwerbsphasen in den Herkunftsländern unter bestimmten Voraussetzungen einbezogen werden. Der Umfang der individuellen Rente hängt vom Lebensalter bei Renteneintritt, der Anzahl der Beitragsjahre sowie der Höhe des vorherigen Einkommens in Relation zu einem fiktiv ermittelten Durchschnittseinkommen eines „Eckrentners“ ab. Alleinstehende ohne Erwerbsbiographie fallen unter die 3
4
Dabei hat Dänemark zuletzt bemerkenswerterweise eine Herabsetzung des Renteneintrittsalters von 67 auf 65 Jahre vorgenommen, die rückwirkend für alle Personen gilt, die nach dem 1. Juli 1999 das 60. Lebensjahr vollendet haben. Eine Erörterung der Zukunftsfähigkeit dieses Systems ist nicht Gegenstand dieses Buches.
180
6. Sozio-ökonomische Bilanz der Zuwanderung
Bestimmungen der Sozialhilfe, als überlebender Partner eines Rentenversicherten haben sie unter inzwischen stark eingeschränkten Bedingungen Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente. Die Rentenentwicklung wird der Lohnentwicklung in etwa angeglichen. Dabei ist das gesetzliche Rentenniveau sukzessive immer weiter herabgesetzt worden, beträgt gegenwärtig rund 67 Prozent des fiktiven Durchschnittseinkommens und soll im Zuge weiterer, dem demographischen Wandel Rechnung tragender Rentenreformen noch wesentlich stärker vermindert werden. Frühverrentungspfade sind zuletzt stark verengt worden. Kapitalgedeckte Zusatzversicherungen werden zwar angeboten, sind bislang aber nicht verpflichtend. Da das deutsche Rentensystem „nach Mindesteinkommen“ solche Einkommen, die weniger als 75 Prozent des durchschnittlichen beitragspflichtigen Arbeitseinkommens erreichen, so behandelt, als erreichten sie diesen Wert, profitieren Migranten angesichts ihrer durchschnittlich geringeren Einkommen von diesem Umverteilungsmechanismus. Andererseits erzielen sie infolge der erwerbsbiographiebezogenen Rentenberechnung potenziell nur eine geringere Rentenhöhe, weil sie die Schwelle von 40 Beitragsjahren nicht erreichen. Zuwanderer beziehen im Übrigen seltener eine Frührente, zum einen deshalb, weil ihr relativ geringeres Einkommen ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben nicht gestattet, zum anderen aber auch aufgrund ihrer anderen Altersstruktur. Auch der Zugang zur Frührente über die Arbeitslosigkeit findet seltener statt, da eine Anspruchsberechtigung angesichts kürzerer ununterbrochener Beitragszeiten oft nicht erreicht wird. Im Gegensatz dazu verfügt Dänemark über ein alle Einwohner umfassendes steuerfinanziertes, also beitrags- und beschäftigungsunabhängiges Alterssicherungssystem (Folkepension), welches insoweit den gleichen Prinzipien wie die anderen dänischen Sozialsysteme folgt. Die Volksrente besteht aus einem Grundbetrag und etwaigen Zulagen (falls das übrige Einkommen und das des Ehepartners einen Höchstbetrag nicht überschreitet oder Einzelfallhärten vorliegen). Maßgeblich für die Höhe des Grundbetrags ist die Aufenthaltszeit im Inland: Dänen müssen zwischen ihrem 15. und 66. Geburtstag mindestens drei Jahre im Land gelebt haben, um einen Rentenanspruch zu erwerben. Für Ausländer gilt eine Zehn-Jahre-Regel, von der anerkannte Flüchtlinge jedoch ausgenommen sind. Darüber hinaus treffen bilaterale Sozialversicherungsabkommen Dänemarks Ausnahmen beispielsweise für Immigranten aus der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawien, die sich vor Erwerb eines Rentenanspruchs seit mindestens fünf Jahren in Dänemark aufgehalten und ein Jahr erwerbstätig gewesen sein müssen. Der volle Grund-
6.1 Struktur und Anspruchsvoraussetzungen der sozialen Sicherungssysteme
181
betrag der Volksrente wird nach 40 Aufenthaltsjahren gezahlt, kürzere Zeiten führen zu anteiligen Rentenabschlägen – ein „nur“ zwanzigjähriger Aufenthalt halbiert also den Rentenanspruch. Ein vorzeitiger Renteneintritt ist nach 25 Mitgliedsjahren in einer Arbeitslosenkasse mit Erreichen des 60. Lebensjahres bei entsprechender Rentenkürzung möglich. Der Grundbetrag der Volksrente wird jährlich an die dänische Lohnentwicklung angepasst und mit etwaigen Arbeitseinkommen, nicht aber (wie der Aufschlagsbetrag) mit dem Einkommen des Partners verrechnet. Innerhalb dieses steuerfinanzierten Modells subventionieren somit die Bezieher hoher Einkommen die Renten der unteren Einkommensgruppen. Verbunden mit einer deutlich progressiveren Einkommensbesteuerung als in Deutschland sorgt dieses Rentensystem für eine gleichmäßigere Einkommensverteilung in der dänischen Bevölkerung. Die Volksrente erreicht für Alleinstehende lediglich ein Niveau von weniger als 50 Prozent des dänischen Durchschnittseinkommens. Ergänzt wird dieses Grundrentensystem durch eine Zusatzrente in Form einer beitragsbezogenen kapitalgedeckten Rente, die für Arbeitnehmer obligatorisch ist (Arbejdsmarkedets Tiloegspension, ATP), aber unter bestimmten Voraussetzungen auch anderen Personengruppen offen steht. Einzuzahlen sind arbeitszeit-, nicht arbeitsentgeltabhängige Pauschalbeträge, die zu zwei Dritteln vom Arbeitgeber übernommen werden. Auch freiwillige Mitglieder tragen nur ein Drittel des Betrages, der dann staatlicherseits aufgestockt wird. Die ATP-Zusatzrente kann als Altersrente, Hinterbliebenenrente oder als Einmalbetrag ausgezahlt werden. Weitere Sonderrentenvereinbarungen existieren auf tarifvertraglicher Basis. Alle Bausteine des dänischen Rentensystems unterliegen der Steuerpflicht. Die Unterschiede zwischen dem deutschen und dänischen Rentensystem lassen sich anhand der Nettoersatzquoten wiederum veranschaulichen. Für Dänemark werden dabei exemplarisch ein Rentenbezug nach 45jähriger Erwerbsbiographie sowie die Rente nach 40 Aufenthaltsjahren (ohne Erwerbstätigkeit) betrachtet, für Deutschland nur der erstgenannte Fall. Es zeigt sich, dass in Dänemark nur eine geringe Differenz zwischen der Nettoersatzquote mit oder ohne vorherige Erwerbstätigkeit besteht. Der wesentlich höhere Leistungsumfang der Rente nach deutschem System geht einher mit hohen Beitragsbelastung der Rentenversicherten und sollte deshalb nicht als Systemvorteil aufgefasst werden (vgl. Tabelle 6.2).
6. Sozio-ökonomische Bilanz der Zuwanderung
182
Tabelle 6.2 Nettolohn-Ersatzquoten für alleinstehenden Rentner mit und ohne Erwerbsbiographie in Deutschland und Dänemark, 1998 Früheres Einkommen betrug…
75%
100%
APW Niveau 125% 150%
175%
200%
Nettoersatzquote Deutschland mit Erwerbsbiogr. Dänemark mit Erwerbsbiogr. ohne Erwerbsbiogr.
70%
75%
83%
81%
71%
70%
70% 62%
55% 48%
41% 36%
36% 32%
32% 29%
70% 62%
Anmerkung: Nettoersatzquote in Bezug auf das durchschnittlich jährlich verfügbare Einkommen des „Average Production Worker (APW)“ nach OECD-Standard; Wohngeldbezug nicht berücksichtigt. Quelle: Hansen et al. (2002).
6.2 Wer erhält Leistungen in Deutschland und Dänemark? Das deutsche soziale Sicherungssystem ist für Ausländer in soweit schwerer zugänglich, als es die Teilnahme am Erwerbsleben zur Voraussetzung aller Leistungen mit Ausnahme der Sozialhilfe macht. Gleichzeitig bevorzugt das dänische System die gering verdienenden Einkommensgruppen und sieht keinen obligatorischen Charakter der Arbeitslosenversicherung vor. Dies lässt die Annahme zu, dass in Dänemark ein größerer Anteil der nicht-westlichen Zuwanderer als in Deutschland zu den Beziehern von Sozialhilfe zählt. Ein statistischer Vergleich scheint das zu bestätigen: Im Jahr 2000 betrug der Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung Deutschlands knapp 9 Prozent, ihr Anteil an allen Beziehern von Sozialhilfe (laufende finanzielle Hilfen zum Lebensunterhalt) jedoch etwa 22 Prozent. Damit bezogen rund 8 Prozent der ausländischen Wohnbevölkerung in der Bundesrepublik Sozialhilfe, gegenüber nur knapp 3 Prozent der deutschen Staatsangehörigen. Dem entsprach ein Anteil von ebenfalls rund 22 Prozent an den Sozialhilfeausgaben Deutschlands.5 Zur Relativierung dieser Zahlen ist auf die oft besondere Sozialhilfebedürftigkeit angesichts des eingeschränkten Arbeitsmarktzugangs von Zuwanderern zu verweisen. Im gleichen Jahr erhielten nicht-westliche Einwanderer in Dänemark, die dort etwa 5 Prozent der Gesamtbevölkerung stellen, ungefähr 35 Prozent der Sozialhilfe.6 Auch wenn diese Zahlen nur eingeschränkt vergleichbar sind und für Deutschland unter Berücksichtigung nur 5 6
Vgl. Beauftragte für Migration (2003), S. 353f. und Haustein (2002). Vgl. Nielsen (2002).
6.2 Wer erhält Leistungen in Deutschland und Dänemark?
183
Tabelle 6.3 Anteile der Bezieher von Arbeitslosenunterstützung unter den verschiedenen Nationalitäten
Arbeitslosengeld Männer Frauen Ehem. Jugoslawien Iran Libanon Polen Türkei Alle fünf Länder Deutsche Dänen
Deutschland 18-64 Jahre, 2002 Arbeitslosenhilfe Männer Frauen
Gesamt Männer Frauen
Dänemark 18-66 Jahre, 2001 Arbeitslosengeld Männer Frauen
6%
4%
5%
2%
11%
6%
8%
7%
7% 11% 6% 10%
4% 2% 3% 4%
5% 16% 5% 8%
4% 3% 4% 4%
12% 27% 11% 18%
8% 6% 7% 8%
6% 6% 7% 15%
4% 3% 9% 13%
8%
4%
7%
4%
15%
7%
11%
9%
4% -
3% -
2% -
2% -
6% -
5% -
4%
6%
Quelle: RFMS-G (Zahlen für Deutschland, außer für deutsche Staatsbürger), Dänisches Register für Sozialstatistiken (Zahlen für Dänemark), SOEP 2001 (Zahlen für deutsche Staatsbürger), eigene Berechnungen.
nicht-westlicher Zuwanderer ein erhöhter Sozialhilfeanteil vermutet werden kann, deutet dies darauf hin, dass tatsächlich mehr Zuwanderer in Dänemark als in Deutschland Sozialhilfe beziehen. Andererseits hat die Analyse der Beschäftigungstrends eine stärkere Arbeitsmarktpartizipation der in Deutschland lebenden Immigranten nicht-westlicher Herkunft (bei überdurchschnittlich hoher Arbeitslosigkeit) offenbart.7 Insoweit erscheint die Vermutung naheliegend, dass hier in größerem Maße als in Dänemark Ansprüche an die Arbeitslosenunterstützung erworben werden. Lassen sich diese Eindrücke bestätigen? Die nachfolgende Darstellung konzentriert sich analog zur oben stehenden Beschreibung der wichtigsten Sozialleistungen auf die Untersuchung von Arbeitslosenunterstützung, Sozialhilfe und Rente. Im Blickpunkt stehen die fünf Zuwanderergruppen aus der Türkei, dem ehemaligen Jugoslawien, Polen, Iran und Libanon. Während im Falle Dänemarks auf ergiebige amtliche Statistiken zurückgegriffen werden kann, treten für die auf Deutschland bezogene Analyse der Rockwool Foundation Migration Survey (RFMS-G) sowie Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) an die Stelle nicht verfügbarer amtlicher Daten zu den nicht-westlichen Immigranten. In der Tat lässt sich ein stärkerer Bezug von Arbeitslosenunterstützung unter den in Deutschland lebenden Zuwanderern im Vergleich zur Situation in Dänemark feststellen (vgl. Tabelle 6.3). Der deutliche Unterschied zum An7
Vgl. Kapitel 4.
184
6. Sozio-ökonomische Bilanz der Zuwanderung
teil der Einheimischen ist dabei ebenso wenig überraschend wie die Differenz zwischen männlichen und weiblichen Immigranten – die Arbeitslosenquote der Zuwanderer liegt erheblich über dem Vergleichswert der Einheimischen, und die Arbeitsmarktpartizipation männlicher Migranten ist weit stärker ausgeprägt. Am günstigsten fallen die Werte für Zuwanderer aus Polen und dem ehemaligen Jugoslawien aus. Für Dänemark ergibt sich zunächst ein deutlich kleinerer Abstand zwischen männlichen und weiblichen Immigranten, wobei jedoch insgesamt der Anteil der Frauen nicht-westlicher Herkunft an den Beziehern von Arbeitslosenunterstützung etwas größer ist als in Deutschland. Der mit Ausnahme türkischer Zuwanderer merklich geringere Anteil männlicher Leistungsempfänger nichtwestlicher Herkunft im Vergleich zu Deutschland erklärt sich wohl vor allem mit dem Prinzip der Freiwilligkeit in der dänischen Arbeitslosenversicherung. Bezieher niedriger Einkommen stehen sich in Dänemark unter Umständen besser, wenn sie auf die Arbeitslosenversicherung und damit einen Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung verzichten und stattdessen unmittelbar Sozialhilfe beziehen.8 Ein Blick auf die Anteile derjenigen Zuwanderer, die Arbeitslosenunterstützung oder Sozialhilfe beziehen, unterstreicht dies (vgl. Tabelle 6.4): In Dänemark steigt in dieser Betrachtung der Anteil der Empfänger von Leistungen aus einem der beiden Systeme sprunghaft an, in Deutschland weitaus geringer. Demnach beziehen mehr Einwanderer nicht-westlicher Herkunft in Deutschland Arbeitslosenunterstützung als Sozialhilfe, während das Gegenteil in Dänemark der Fall ist. Die Zugangsregeln zur Arbeitslosenversicherung nehmen offenkundig einen entscheidenden Einfluss auf die Bezugshäufigkeit. Deutlich wird ferner, dass Immigrantinnen in Dänemark häufiger Arbeitslosenunterstützung oder Sozialhilfe erhalten als männliche Migranten und ihr Anteil zugleich über den Vergleichswerten in Deutschland liegt. Zu erklären ist das mit dem unterschiedlichen Verhalten der weiblichen Einwanderer auf den beiden Arbeitsmärkten. Während ausländische Frauen in Deutschland besonders häufig als Tätigkeit „Hausfrau“ angeben, sind zwar (nach den ILOMaßstäben) weibliche Zuwanderer in Dänemark weit weniger häufig für den Arbeitsmarkt verfügbar, lassen sich aber dennoch als arbeitslos bzw. Sozialhilfeempfänger registrieren. Das bestätigt auch die gesonderte SozialhilfeStatistik (vgl. Tabelle 6.5). 8
Vgl. Parsons et al. (2001).
6.2 Wer erhält Leistungen in Deutschland und Dänemark?
185
Tabelle 6.4 Anteile der Bezieher von Arbeitslosen- oder Sozialhilfetransfers unter den verschiedenen Nationalitäten
Ehem. Jugoslawien Iran Libanon Polen Türkei Alle fünf Länder Deutsche1 Dänen
Deutschland 18-64 Jahre, 2002 Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Sozialhilfe Männer Frauen 25% 20% 24% 22% 53% 45% 16% 13% 22% 13% 23% 16% 7% 7% -
Dänemark 18-66 Jahre, 2001 Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe Männer 25% 35% 46% 15% 25% 26% 6%
Frauen 29% 38% 57% 21% 29% 29% 8%
Anmerkungen: Bezug von Sozialhilfe aus anderen als Arbeitsmarktgründen berücksichtigt. 1 Transferbezug für die Dauer des gesamten Jahres 2001. Diese Angaben aus dem Sozio-oekonomischen Panel unterschätzen statistisch bedingt den Umfang des Transferbezugs von Einheimischen. Quelle: RFMS-G (Zahlen für Deutschland, außer für deutsche Staatsbürger), Dänisches Register für Sozialstatistiken (Zahlen für Dänemark), SOEP 2001 (Zahlen für deutsche Staatsbürger), eigene Berechnungen.
Tabelle 6.5. Anteile der Bezieher von Sozialhilfe unter den verschiedenen Nationalitäten
Ehem. Jugoslawien Iran Libanon Polen Türkei Alle fünf Länder Deutsche1 Dänen
Deutschland, 2002 Sozialhilfe an Sozialhilfe, Einzelpersonen, Haushalt 18-59jährig Männer Frauen 15% 15% 18% 14% 15% 18% 33% 41% 45% 5% 7% 7% 5% 7% 9% 9% 10% 13% 2% 4% 2% -
Dänemark, 2001 Sozialhilfe an EinSozialhilfe, zelpersonen, 18Haushalt 59jährig Männer Frauen 16% 22% 23% 29% 35% 36% 40% 54% 56% 7% 12% 12% 10% 15% 18% 15% 20% 22% 2% 2% 3%
Anmerkungen: 1 Transferbezug für die Dauer des gesamten Jahres 2001. Diese Angaben aus dem Sozio-oekonomischen Panel unterschätzen statistisch bedingt den Umfang des Transferbezugs von Einheimischen. Quelle: RFMS-G (Zahlen für Deutschland, außer deutsche Einheimische), Dänisches Register für Sozialstatistiken (Zahlen für Dänemark), SOEP 2001 (Zahlen für deutsche Einheimische), eigene Berechnungen.
Hinsichtlich des Rentenbezugs fällt eine Aussage darüber, welches System den leichteren Zugang gestattet, schwer. Ein Vergleich der Anteile der über 65jährigen nicht-westlichen Rentenbezieher in Deutschland mit dem für Dänemark (66-70 Jahre) ergibt keine bedeutenden Abweichungen (vgl. Tabellen 6.6-6.7). Anders verhält es sich hinsichtlich der Anteile von Rentenbeziehern im Alter von unter 65 Jahren – hier dokumentiert der auch unter Berücksichtigung von Sozialhilfebeziehern in dieser Altersgruppe geringere
186
6. Sozio-ökonomische Bilanz der Zuwanderung
Tabelle 6.6 Anteile der Bezieher von Alters-, Erwerbsminderungs- oder Frührenten unter den verschiedenen Nationalitäten in Deutschland, 2002
Ehem. Jugoslawien Iran Libanon Polen Türkei Alle fünf Länder Deutsche1
Altersrenten, Personen über 60 (über 65) 61 (86) 29 (47) 26 (…) 82 (93) 62 (81) 62 (82) 86 ( 95)
Durchschnittliche Aufenthaltsdauer, Personen über 60 (in Jahren) 29 26 18 27 30 29 -
Sozialhilfe, Personen über 60 (über 65) 16 (20) 28 (36) 57 (…) 6 ( 5) 7 ( 9) 10 (12) 1 (1)
Durchschnittliche Dauer der Erwerbstätigkeit, Personen über 60 (in Jahren) 22 17 9 16 20 14 -
Anteil von Flüchtlingen 14 33 68 22 7 11 -
Anmerkungen: 1 Transferbezug für die Dauer des gesamten Jahres 2001. Diese Angaben aus dem Sozio-oekonomischen Panel unterschätzen statistisch bedingt den Umfang des Transferbezugs von Einheimischen. Quelle: RFMS-G (Zahlen für Deutschland, außer Deutsche), GSOEP 2001 (Zahlen für Deutsche), eigene Berechnungen.
Tabelle 6.7 Anteile der Bezieher von Alters-, Erwerbsminderungs- oder Frührenten unter den verschiedenen Nationalitäten in Dänemark, 2001
Ehem. Jugoslawien Iran Libanon Polen Türkei Alle fünf Länder Dänen
Altersrenten, Personen zwischen 67 und 70 80 41 47 58 95 80 97
Sozialhilfe, Personen zwischen 67 und 70 14 29 36 18 1 11 0
Frührente, Erwerbsminderungsrente oder Sozialhilfe, Personen zwischen 60 und 66 89 57 72 75 85 85 65
Durchschnittliche Aufenthaltsdauer 9 7 8 12 19 13 -
Anteil von Flüchtlingen 73 66 45 3 1 40 -
Quelle: Dänisches Register für Sozialstatistiken, eigene Berechnungen.
Umfang in Deutschland letztlich aber nur die größere Arbeitsmarktnähe dieser Zuwanderer zum Arbeitsmarkt und besagt nichts über die Rentenzugangsmöglichkeiten als solche. Festzuhalten ist, dass offenbar der mit dem Flüchtlingsstatus verbundene erleichterte Zugang zum deutschen Rentensystem nicht zu einem besonders hohen Anteil von Rentenbeziehern in Zuwanderergruppen führt, die zu größeren Teilen aus Flüchtlingen bestehen. Für iranische Zuwanderer bzw. Flüchtlinge
6.3 Wahrscheinlichkeit des Sozialhilfebezugs von nicht-westlichen Zuwanderern
187
lässt sich zwar ein etwas höherer durchschnittlicher Rentenbezug nachweisen, doch dies wird wohl vor allem auf die besonders aktive Arbeitsmarktpartizipation der über 60jährigen dieser Zuwanderergruppe in Deutschland zurückzuführen sein. Auch libanesische Immigranten oder Flüchtlinge beziehen im Vergleich zu anderen Migrantengruppen sehr selten eine deutsche Rente, dafür aber weit häufiger Sozialhilfe – eine Folge ihrer im Durchschnitt kürzeren Aufenthaltszeiten und weniger langen Erwerbsbiographien, die den Statusvorteil von Flüchtlingen im Rentensystem nicht zur Geltung kommen lässt. Der hohe Rentenanteil polnischer Migranten erklärt sich mit der überdurchschnittlich hohen Arbeitsmarktpartizipation der Frauen in dieser Gruppe. In Dänemark wird zum einen der systembedingt enge Zusammenhang von Aufenthaltsdauer und Rentenbezug deutlich. Hier weisen türkische Zuwanderer die höchsten Rentenanteile bei gleichzeitig längsten Aufenthaltszeiten auf, während das Gegenteil für iranische Einwanderer zutrifft. Zum anderen zeigt sich in Dänemark, im Gegensatz zu Deutschland, ein klarer Vorteil des Flüchtlingsstatus für den Zugang zum Rentensystem. Der hohe Anteil der Rentenbezieher unter den über 65jährigen Zuwanderern aus dem ehemaligen Jugoslawien resultiert (bei eher kurzen Aufenthaltszeiten) daraus, dass knapp 75 Prozent dieser Zuwanderer ursprünglich als Flüchtlinge nach Dänemark eingereist sind. (Die gänzlich andere Situation bei iranischen Staatsangehörigen ist wohl auf eine vergleichsweise hohen Anteil von Rückwanderern im Rentenalter zurückzuführen.9)
6.3 Exkurs: Wahrscheinlichkeit des Sozialhilfebezugs von nicht-westlichen Zuwanderern Ein häufig vorgebrachtes Argument gegen die Zuwanderung von Ausländern ist in Deutschland wie in Dänemark die vermeintlich übergroße Wahrscheinlichkeit des Sozialhilfebezugs der Immigranten. Gern wurde und wird in diesem Zusammenhang von der „Zuwanderung in die sozialen Sicherungssysteme“ gesprochen und unterstellt, dabei handele es sich um den eigentlichen Einreisezweck. Im Hinblick auf den Sozialtransferanspruch von Asylsuchenden hat der Gesetzgeber denn auch in beiden Ländern wiederholte Korrekturen vorgenommen, den Sozialhilfezugang erschwert bzw. teils durch ein reines Sachleistungsprinzip ersetzt. Wissenschaftlichen Maßstäben genügt diese Sichtweise freilich nicht. Legt man nicht allein die absolute Zahl der Sozialhilfebe9
Vgl. Pedersen (2000) und Nielsen (2002).
188
6. Sozio-ökonomische Bilanz der Zuwanderung
zieher in beiden Ländern zugrunde und folgert daraus vorschnell, die Sozialsysteme würden „über Gebühr“ von Ausländern strapaziert, sondern vergleicht ausländische und einheimische Haushalte mit den gleichen Merkmalen, verändert sich das Bild erheblich: Unter identischen Voraussetzungen beziehen Zuwanderer allenfalls im gleichen Umfang, tendenziell sogar weniger häufig Sozialhilfe als Einheimische.10 Mit anderen Worten: Der unbestreitbar größere prozentuale Anteil von Sozialhilfebeziehern unter den Zuwanderern geht vor allem auf ihre abweichende Struktur hinsichtlich Qualifikation, Einkommen, Haushaltsgröße und Lebensalter zurück. So ruft eine größere Kinderzahl und ein im Durchschnitt geringeres Haushaltseinkommen eine stärkere Inspruchnahme der Sozialhilfe hervor; geringere Ansprüche an die Arbeitslosenversicherung aufgrund häufigerer Beschäftigungsunterbrechungen und ein bei besonders niedrigem Einkommen womöglich über dem Arbeitslosenhilfeniveau liegender Sozialhilfeanspruch können ebenso zum häufigeren Bezug von Sozialhilfe beitragen wie ein insgesamt niedrigeres Rentenniveau. Gleichzeitig kann das Auszahlungsvolumen bei tendenziell preiswerterem Wohnraum von Zuwanderern (der nach deutschem Sozialhilferecht nicht mit Pauschalbeträgen, sondern nach der tatsächlichen Miethöhe in die Sozialhilfeberechung eingeht) geringer sein als bei Einheimischen. Untersuchungen haben ferner gezeigt, dass sich die Wahrscheinlichkeit des Sozialhilfebezugs im Zeitverlauf der Zuwanderung nach Deutschland geändert hat; im Gegensatz zu den bis Mitte der 1980er Jahre eingereisten Migranten weisen später zugewanderte Personengruppen eine größere Wahrscheinlichkeit auf, Sozialhilfe zu beziehen.11 Dies unterstreicht die Auswirkungen der geänderten strukturellen Zusammensetzung der Zuwandererkohorten. Darüber hinaus gilt es erhebliche Unterschiede zwischen Angehörigen der ersten und zweiten Zuwanderergeneration zu berücksichtigen: Die insgesamt bessere Integration der zweiten Migrantengeneration lässt auch ihren Anteil an den Sozialhilfebeziehern kleiner ausfallen.12 Im Übrigen löst ein ebenso großer Anteil ausländischer wie einheimischer Haushalte bestehende Ansprüche auf Sozialhilfeleistungen nicht ein.13 Für Dänemark liegen zwar keine entsprechenden Studien vor, doch kann mit einiger Berechtigung angenommen werden, dass die für Deutschland festgestellten Zusammenhänge weitgehend übertragbar sind. 10 11 12 13
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
dazu u. a. Riphahn (1998); Riphahn (1999) und Bird et al. (2001). u. a. Voges et al. (1998). u. a. Fertig/Schmidt (2001). Kayser/Frick (2000) und Riphahn (2001).
6.4 Die fiskalischen Folgen der Zuwanderung
189
Im Rahmen der diesem Buch zugrunde liegenden Untersuchungen wurden auch die die Wahrscheinlichkeit des Sozialhilfebezugs beeinflussenden Faktoren analysiert (vgl. Tabellen A.11-A.12 im Anhang14). Als zentrale Einflussvariablen lassen sich erwartungsgemäß das Ausmaß der Bindung an den Arbeitsmarkt, die Aufenthaltsdauer und der Umfang der Sprachkenntnisse identifizieren. Eine längere Aufenthaltsdauer reduziert die Wahrscheinlichkeit des Sozialhilfebezugs im Falle Deutschlands stärker als in Dänemark; dabei spielen naturgemäß auch die beobachteten Kohorteneffekte, also die im Zeitverlauf deutlich veränderte Struktur der Zuwanderung, eine Rolle. Gute Sprachkenntnisse steigern die Chancen der erfolgreichen Arbeitsmarktteilhabe und reduzieren somit die Sozialhilfe-Wahrscheinlichkeit. Einmal in den Arbeitsmarkt integriert, spielt ein besserer als nur ausreichender Spracherwerb allerdings in Deutschland keine Rolle mehr in dieser Hinsicht, während in Dänemark generell nur sehr gute Sprachkenntnisse die Wahrscheinlichkeit des Sozialhilfebezugs deutlich mindern.15 Das Herkunftsland bzw. der Status der Zuwanderer als Flüchtling, Familienangehöriger oder Arbeitsmigrant bleibt ebenfalls nicht ohne Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit, Sozialhilfe zu beziehen. In Deutschland steigt sie erheblich, wenn die betreffende Person als anerkannter Flüchtling im Land lebt, während dies in Dänemark keine Bedeutung hat. Der Grund ist wahrscheinlich weniger in anderen Humankapitaleigenschaften, sondern darin zu suchen, dass Flüchtlinge in Dänemark allgemein einen leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Libanesische Zuwanderer bzw. Flüchtlinge beziehen mit großer Wahrscheinlichkeit Sozialhilfe, für türkische Immigranten ist der Sozialhilfebezug innerhalb der untersuchten Zuwanderergruppen angesichts ihrer besonderen Arbeitsmarktnähe am geringsten.
6.4 Die fiskalischen Folgen der Zuwanderung Die oben vorgenommene Analyse der Inanspruchnahme von öffentlichen Transferleistungen durch Migranten erfasst die Wirkung von Zuwanderung auf die öffentlichen Haushalte nur unvollständig. Für eine angemessene Bilanz der fiskalischen Erträge und Kosten der Zuwanderung müssen nicht nur sämtliche Ausgaben des Staates einschließlich seiner Aufwendungen für öffentliche Güter einbezogen werden, sondern auch die von den Zuwanderern in Form 14 15
Vgl. Nielsen (2004) zu Einzelheiten des dabei gewählten methodischen Vorgehens. Vgl. dazu auch Pedersen (2000) und Nielsen (2002).
190
6. Sozio-ökonomische Bilanz der Zuwanderung
von Steuern und Abgaben erbrachten Finanzierungsbeiträge. Das Resultat einer solchen Bilanz hängt dabei nicht allein von Zahl und Struktur der Einwanderer ab. Eine bedeutende Rolle spielen ebenfalls die durch die jeweilige Fiskalpolitik eines Landes getroffenen Umverteilungsentscheidungen. Umverteilung mit den Mitteln der Fiskalpolitik hat zwei wesentliche Dimensionen. Einerseits werden Steuern und Transfers zwischen den Angehörigen einer Generation umverteilt. Das heißt, der Staat verlangt von einigen Individuen einen positiven Nettofinanzierungsbeitrag, um anderen Individuen einen positiven Nettotransfer zu geben. Diese intragenerationale Umverteilung dient dem Ziel, einen gesellschaftlich als angemessen betrachteten Ausgleich zwischen ärmeren und reicheren Bevölkerungsschichten zu gewährleisten. Sie ist häufig an leicht zu identifizierende Merkmale wie Einkommen, Erwerbsstatus, Gesundheitszustand und Familienstand gebunden. Wenn die zugewanderte Bevölkerung hinsichtlich dieser Merkmale eine ungünstigere Struktur aufweist als die einheimische Bevölkerung, kann das Gesamtvolumen dieser Form der Umverteilung zunehmen. Dies kann schädliche gesamtwirtschaftliche Folgen haben, wenn der umverteilende fiskalpolitische Eingriff, etwa wegen eines progressiven Steuersystems, mit Effizienzverlusten verbunden ist. Die zweite Form der Umverteilung betrifft den fiskalpolitischen Ausgleich zwischen den Angehörigen verschiedener Generationen. Ein Aspekt dieser intergenerationalen Umverteilung ist die Übertragung von Konsummöglichkeiten zwischen den aktiven, im Produktionsprozess stehenden Generationen und den Altersgruppen, die ihre laufenden Konsumausgaben nicht durch laufendes Erwerbseinkommen befriedigen können, also Kindern, Jugendlichen und Rentnern. Ein Teil des erforderlichen Konsumausgleichs erfolgt über Institutionen wie die Familie und den Markt (etwa in Form privater Rentenversicherungen). Bei diesen Formen der privaten Versicherung kann eine systematische Umverteilung zwischen Einheimischen und Zuwanderern ausgeschlossen werden. Zu beurteilen ist jedoch die Umverteilung durch den öffentlichen Sektor, die insbesondere von der Ausgestaltung der Renten- und Gesundheitsversicherung sowie der Ausgestaltung des Bildungswesens abhängt. Inwieweit Einwanderung das Ausmaß der intergenerationalen Umverteilung durch den Staat berührt, hängt einerseits von der Progression des Systems zur Umverteilung von Ressourcen über den Lebenszyklus hinsichtlich des Einkommens ab. Je unabhängiger die öffentlichen Transfers an jene Altersgrup-
6.4 Die fiskalischen Folgen der Zuwanderung
191
pen, die nicht mehr oder noch nicht im Produktionsprozess aktiv sind, von den in der aktiven Phase erzielten Einkommen sind, desto leichter wird ein bestehender Nachteil der Einwanderer beim durchschnittlichen Arbeitseinkommen bei einer – intertemporalen – Betrachtung über die Zeit hinweg zur fiskalischen Belastung. Andererseits hängt das Ausmaß der Umverteilung von der Altersstruktur der Zuwanderer ab, die sich normalerweise von der Struktur des einheimischen Bevölkerungsbestands unterscheidet. Ein zweiter, insbesondere vor dem Hintergrund demographischer Alterung nicht zu vernachlässigender Aspekt intergenerationaler Umverteilung ergibt sich aus der durch die Finanzpolitik mit Hilfe von Staatsverschuldung vorgenommenen Verschiebung von Konsummöglichkeiten über die Zeit. Staatsverschuldung beschränkt künftige Haushaltsspielräume. Da die resultierende Zinslast nicht dauerhaft durch Aufnahme weiterer Schulden bedient werden kann, sind zum Erhalt der staatlichen Zahlungsfähigkeit zu einem späteren Zeitpunkt primäre Budgetüberschüsse erforderlich. Lassen sich diese nur durch höhere Steuersätze oder niedrigere Transferniveaus erreichen, kann Zuwanderung zu einer Entlastung der einheimischen Bevölkerung beitragen. Die bestehende Anpassungslast kann auf mehr Schultern verteilt werden. Der Versuch, die Nettobelastung bzw. -entlastung der öffentlichen Haushalte durch Zuwanderung vollständig zu bilanzieren, erfordert umfangreiche Daten zur relativen Stellung der Ausländer hinsichtlich Steuern und Transfers. Viele der vorliegenden empirischen Analysen sind weniger ambitioniert und beschränken sich darauf, Steuerzahlungen und Transferbezüge der zugewanderten Bevölkerung zu einem bestimmten Zeitpunkt zu schätzen.16 Die Querschnittsbetrachtung vernachlässigt jedoch zwei wichtige Aspekte. Zum einen verändern sich Steuer- und Transferniveaus im Zeitablauf, wenn der Bestand der Zuwanderer altert. Zum anderen bringen die Zuwanderer Nachkommen hervor, die als Steuerzahler und Transferempfänger ebenfalls die Entwicklung der öffentlichen Haushalte beeinflussen. Dieser Effekt gewinnt noch an Bedeutung, wenn, wie oben erläutert, das gegenwärtige Niveau von staatlichen Einnahmen und Ausgaben langfristig nicht zu halten ist, weil wachsende ProKopf-Defizite in einer alternden Gesellschaft zur finanzpolitischen Kurskorrektur zwingen. Eine umfassende Bilanz der fiskalischen Effekte von Zuwanderung verlangt daher eine demographisch gestützte intertemporale Analyse. 16
Vgl. u. a. Simon (1984) für die USA, Akbari (1989) für Kanada und Gustaffson/Österberg (2001) für Schweden. Poschner (1996) gibt einen Überblick über die einschlägige Literatur.
192
6. Sozio-ökonomische Bilanz der Zuwanderung
Ein empirisches Instrument zur intertemporalen Bewertung von öffentlichen Haushalten stellt die so genannte „Generationenbilanzierung“ dar.17 Diese erfasst den gegenwärtigen Wert der von repräsentativen Individuen über ihren gesamten Lebenszyklus geleisteten Steuern und Transfers auf so genannten Generationenkonten. Eine Berechnung von Generationenkonten unter Einschluss der marginalen Bereitstellungskosten von öffentlichen Gütern und Realleistungen zeigt unmittelbar, in welchem Umfang einzelne Generationen den Staatshaushalt be- bzw. entlasten. Durch Berechnung spezifischer Generationenkonten für Einheimische und Zuwanderer lassen sich Aussagen über das Ausmaß der fiskalischen Umverteilung zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen gewinnen. Verknüpft man die Generationenkonten mit den Finanzierungsrestriktionen, die sich aus der Notwendigkeit zum langfristigen Erhalt der staatlichen Zahlungsfähigkeit ergeben, können zudem die indirekten Entlastungswirkungen der Zuwanderung bei einer nicht nachhaltigen Finanzpolitik abgeschätzt werden.18 Generationenbilanzen der Zuwanderung liegen mittlerweile für eine Reihe von Ländern vor. Die Ergebnisse weisen eine erhebliche Bandbreite auf. Für die USA wurde ermittelt, dass Zuwanderung keine nennenswerte Be- oder Entlastung der öffentlichen Haushalte darstellt. Spürbare Entlastungswirkungen ergeben sich nur dann, wenn Zuwanderung nicht zu Mehrausgaben bei öffentlichen Gütern und Realleistungen führt.19 Andere, für Spanien ermittelte Ergebnisse zeigen eine deutliche fiskalische Entlastung der Einheimischen durch Zuwanderung. Positive Wirkungen der Immigration ergeben sich nicht zuletzt deshalb, weil die öffentlichen Haushalte wegen eines weltweit nahezu einmaligen Geburtenrückgangs in Spanien mittelfristig unter massiven Druck geraten.20 Zum gegenteiligen Ergebnis führt eine Generationenbilanz für Zuwanderer in den Niederlanden. Weil Migranten aus nicht-westlichen Ländern massiv von Arbeitslosigkeit betroffen sind und daher stark von staatlichen Transferleistungen abhängen, ist der durchschnittliche Finanzierungsbeitrag aller Zuwanderer zu den öffentlichen Haushalten negativ. In den Niederlanden findet demnach eine Umverteilung öffentlicher Mittel von der einheimischen Bevölkerung (und westlichen Einwanderern) zu den überwiegend schlecht integrierten nicht westlichen Zuwanderern statt.21 Welche Generationenbilanz ergibt sich für Deutschland und Dänemark? 17 18
19 20 21
Diese Methode wurde maßgeblich von Auerbach et al. (1991, 1999) entwickelt. Vgl. Bonin (2001) zur Einführung in die Methodik der Generationenbilanzierung sowie Feist/ Raffelhüschen (2001) für eine kritische Bewertung der Methode. Vgl. Auerbach/Oreopoulos (2000). Vgl. Collado et al. (2004). Vgl. Roodenburg et al. (2003).
6.4 Die fiskalischen Folgen der Zuwanderung
193
6.4.1 Generationenbilanz für Deutschland: Die Rechnung geht auf!
Im Folgenden soll der Netto-Finanzierungsbeitrag von repräsentativen Zuwanderern zu den öffentlichen Haushalten in beiden Ländern mit Hilfe einer Betrachtung von Generationenkonten abgeschätzt werden.22 Ausgangspunkt für eine Generationenbilanz sind die durchschnittlichen altersspezifischen Nettosteuerzahlungen pro Kopf einer gegebenen Bevölkerungsgruppe. Unter Nettosteuern werden die innerhalb eines Jahres gezahlten Steuern einschließlich Sozialversicherungsbeiträgen nach Abzug der individuell empfangenen Transfers verstanden. Hierbei sind die Kriterien zur Abgrenzung von staatlichen Transferleistungen und Realausgaben nicht eindeutig. Um die Vergleichbarkeit der deutschen und dänischen Rechenergebnisse zu gewährleisten, wird der monetäre Wert aller öffentlichen Ausgaben ohne öffentliche Zinszahlungen – diese sind Kapitaleinkommen der Bürger – als Transfer aufgefasst und individuell nach dem Alter verteilt. Grundlage der Berechnungen zur fiskalischen Position der Ausländer in Deutschland sind umfangreiche Auswertungen von nach Alter und Staatsangehörigkeit gegliederten Individualdaten. Hierzu wird ein zweistufiges Verfahren angewendet. In einem ersten Schritt werden möglichst präzise fiskalische Altersprofile unter anderem aus Daten der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, der Statistik der Rentenversicherungsträger, des Risikostrukturausgleichs der Krankenkassen und der Bildungsstatistik abgeleitet. Die nur auf der Haushaltsebene erfassten Steuern auf Kapitaleinkommen und Konsum werden zu gleichen Teilen auf alle erwachsenen Haushaltsmitglieder ver22
Eine erste Generationenbilanz der Zuwanderung für Deutschland wurde von Bonin et al. (2000) vorgelegt. Die folgenden Ergebnisse stützen sich auf die durch Bonin (2002) vorgenommene Aktualisierung. Diese Berechnungen haben gegenüber früheren fiskalischen Bilanzen der Zuwanderung für Deutschland, unter anderem durch Ulrich (1992), den Vorteil, dass sie die Einnahmen- und Ausgabenseite der öffentlichen Haushalte einschließlich der Sozialversicherungen vollständig erfassen und erst zukünftig auftretende Zahlungsströme angemessen bewerten. In dieser Hinsicht sind die vorliegenden Generationenbilanzen auch einer neueren, von Sinn et al. (2001) für Deutschland erstellten Schätzung des fiskalischen Nettobeitrags von Zuwanderern überlegen. Diese berücksichtigt bei vielen Einnahmen- und Ausgabenposten vereinfachend den aktuellen Wert des Zahlungsstroms, obwohl Zahlungen, die erst in der Zukunft anfallen, als Folge von Zinseffekten einen niedrigeren ökonomischen Wert haben. Diese Vorgehensweise führt etwa für die gesetzliche Krankenversicherung, in der Beitragseinahmen und Transferleistungen zeitlich auseinander fallen, zu einer systematischen Unterschätzung des Werts der Finanzierungsbeiträge von Zuwanderern. Die Schlussfolgerung von Sinn et al. (2001), Zuwanderer seien im Durchschnitt Nettoempfänger von staatlichen Transfers, die in der deutschen Öffentlichkeit auf große Resonanz gestoßen ist, erscheint aber auch deshalb voreilig, weil die vorgelegte Bilanz zwar alle staatlichen Einnahmen, aber lediglich rund 70 Prozent des Steueraufkommens erfasst.
194
6. Sozio-ökonomische Bilanz der Zuwanderung
teilt. In einem zweiten Schritt wird die relative fiskalische Position von Deutschen und Ausländern nach dem Alter anhand des Sozio-oekonomischen Panels ermittelt. Wegen fehlender Daten wird hinsichtlich der Belastung mit Konsum- und Verbrauchsteuern angenommen, dass das relative Konsumniveau in Zuwandererhaushalten ihrer relativen Position beim Nettoeinkommen entspricht. Da keine zuverlässigen Daten über die Gesundheitsleistungen an Ausländer vorliegen, wird auf der Ausgabenseite der gesetzlichen Krankenversicherung keine Unterscheidung zwischen Deutschen und Ausländern getroffen. Als ausländische Haushalte werden in den Berechnungen Haushalte mit türkischem, griechischem, jugoslawischem, spanischem oder italienischem Haushaltsvorstand erfasst.23 Die vorgelegten Rechenergebnisse sind demnach nicht repräsentativ für alle aktuell in Deutschland lebenden Ausländer, sondern gelten für die im Bevölkerungsbestand nach wie vor dominierenden Gastarbeiter und ihre Nachkommen. Insgesamt werden für die Generationenbilanz 33 verschiedene Steuern und Transfers nach dem Alter auf die beiden Bevölkerungsgruppen verteilt. Von den Steuern und Beiträgen gehen die Lohn- und Kapitaleinkommensteuern, Umsatzsteuern, Verbrauchsteuern, sowie die Sozialversicherungsbeiträge ein. Bei den Transfers werden die Leistungen aller Zweige der gesetzlichen Sozialversicherung, Sozialhilfe, Wohngeld, Jugendhilfe, Kindergeld, Ausbildungsförderung und die Aufwendungen für öffentliche Schulen berücksichtigt. Da eine Hochrechnung der aus den Mikrodaten gewonnenen Altersprofile zu Abweichungen von den tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben der öffentlichen Haushalte führt, werden die Altersprofile, um das Gewicht der einzelnen Steuern und Transfers korrekt zu erfassen, auf das im Jahr 1996 beobachtete Niveau skaliert. Grundlage hierfür ist das der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung entnommene Staatsbudget unter Einschluss aller föderalen Ebenen und der Sozialversicherungen. Das Jahr 1996 repräsentiert eine Phase mittleren Wirtschaftswachstums in Deutschland. Dies ist bedeutsam, um Verzerrungen der Ergebnisse durch konjunkturelle Sondereinflüsse zu begrenzen. Zunächst interessiert ein Vergleich der unter den beschriebenen Voraussetzungen abgeleiteten altersspezifischen Steuerzahlungen von Ausländern und 23
Dies entspricht Stichprobe B des Sozio-oekonomischen Panels.
6.4 Die fiskalischen Folgen der Zuwanderung
195
Abbildung 6.1 Steuerzahlungen von Zuwanderern und Deutschen nach Alter, 1996
Steuerzahlungen (in 1000 Euro pro Jahr)
25
20
15
10
5
0 0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
50
55
60
65
70
75
80 Alter A
Deutsche
Zuwanderer
Quelle: Berechnungen des IZA.
Deutschen.24 Für beide Bevölkerungsgruppen sind die ermittelten Steuerzahlungen auf die Phase der Erwerbstätigkeit konzentriert. Hierbei spiegelt der Profilverlauf die Entwicklung des Durchschnittseinkommens im Erwerbsverlauf wieder (vgl. Abbildung 6.1). Grund hierfür ist der hohe Anteil von Einkommensteuern und Sozialversicherungsbeiträgen an den öffentlichen Gesamteinnahmen in Deutschland (ca. 60 Prozent). Rentner tragen zu diesen Einnahmenarten kaum bei, weil Altersrenten überwiegend nicht der Besteuerung unterliegen und von Beiträgen zur Renten- und Arbeitslosenversicherung ausgenommen sind. Die Bevölkerung im Ruhestand ist daher in erster Linie mit indirekten Steuern belastet, die wegen der im Alter rückläufigen Ausgaben für langlebige Konsumgüter jedoch relativ gering ausfallen. Migranten leisten durchgängig niedrigere Steuerzahlungen als gleichaltrige Deutsche. Der an den Steuerzahlungen der Deutschen gemessene Niveauabstand von durchschnittlich 20 Prozent folgt aus dem bestehenden Rückstand der Ausländer bei den Arbeitseinkommen. Da das Einkommensteuersystem 24
Als Vergleichsgruppe dient hier die westdeutsche Bevölkerung, da die weitaus überwiegende Zahl der Ausländer in Westdeutschland lebt und sich Steuer- und Transferniveaus zwischen alten und neuen Bundesländern nach wie vor erheblich unterscheiden.
196
6. Sozio-ökonomische Bilanz der Zuwanderung
progressiv ist, ist der Abstand bei den direkten Steuern jedoch etwas größer als der Abstand bei den Bruttoeinkommen.25 In den vorliegenden Berechnungen wird dieser Effekt nicht durch die regressive Wirkungen der – indirekten – Besteuerung auf den Konsum aufgefangen, weil Abgaben auf den individuellen Verbrauch annahmegemäß proportional zum laufenden Einkommen verteilt werden. Um den Nettobeitrag von Ausländern zu den öffentlichen Haushalten zu bestimmen, müssen die betrachteten Steuerzahlungen mit den empfangenen staatlichen Transfers verglichen werden. Diese werden, wie oben bereits angesprochen, unter der Annahme ermittelt, dass die ansässige ausländische Bevölkerung für einen – näherungsweise proportionalen – Anteil der öffentlichen Realausgaben verantwortlich ist.26 Im Gegensatz zu den Steuerzahlungen sind die Transferleistungen massiv in den höheren Altersgruppen konzentriert (vgl. Abbildung 6.2). Wegen der Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung und der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungen, die einen Anteil von 30 Prozent bzw. 17,7 Prozent an den betrachteten Gesamtausgaben des Staates ausmachen, steigt das Transferniveau ab etwa 57 Jahren, wenn die Frühverrentung einsetzt, sprunghaft an. Die Transferleistungen steigen auch nach Renteneintritt kontinuierlich, weil zunehmend teurere staatliche Gesundheits- und Pflegeleistungen in Anspruch genommen werden. Bei den Kindern und Jugendlichen erreicht das Transferprofil ebenfalls ein höheres Niveau als bei den Erwerbstätigen, da hier die staatlichen Aufwendungen für das Bildungssystem, die acht Prozent des gesamten Transfervolumens ausmachen, zu Buche schlagen. Anders als bei den Steuern, wechselt bei den Transfers die relative fiskalische Position von Ausländern und Deutschen mehrfach mit dem Alter. Während die durchschnittlichen Transfers bei den jüngsten Altersgruppen noch nah beieinander liegen, generieren heranwachsende Deutsche höhere staatliche Ausgaben. Ursache hierfür ist, dass Ausländer früher ins Erwerbsleben eintreten, während Deutsche länger in staatlich finanzierten Bildungseinrichtungen – insbesondere in den relativ kostenintensiven Hochschulen – verbleiben. Hier zeigt sich, dass der bestehende Qualifikationsrückstand der Gastar25 26
Vgl. dazu Schmidt (1997). Die Verwendung eines durchschnittlichen Werts erscheint, wenn es um die Bewertung des Finanzierungsbeitrags der anwesenden Ausländer insgesamt geht, angemessen, da die Referenzsituation eines Ausländeranteils von Null definitiv keine marginale Veränderung des Staatsbudgets nach sich ziehen würde. Anders verhielte es sich bei einer Betrachtung des marginalen Finanzierungsbeitrags eines zusätzlichen Einwanderers; vgl. Bonin (2002).
6.4 Die fiskalischen Folgen der Zuwanderung
197
Abbildung 6.2 Öffentliche Transferzahlungen an Zuwanderer und Deutsche nach Alter, 1996
Öffentliche Transferzahlungen (in 1000 Euro pro Jahr)
30
25
20
15
10
5
0 0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
50
55
60
65
70
75
80 Alter A
Deutsche
Zuwanderer
Quelle: Berechnungen des IZA.
beiterbevölkerung auch von der in Deutschland sozialisierten zweiten Generation nicht vollständig aufgeholt wird.27 Im mittleren Alter kehrt sich das Verhältnis zwischen Ausländern und Deutschen um. Weil die relativ geringer qualifizierten Zuwanderer häufiger arbeitslos sind, beziehen sie im Durchschnitt deutlich mehr Arbeitslosengeld und Leistungen zur Sicherung des sozialen Existenzminimums. Aus der Arbeitslosenversicherung bezieht ein repräsentativer Zuwanderer um fast zwei Drittel höhere Transfers als ein repräsentativer Einheimischer. Dieses Verhältnis entspricht annähernd der um Unterschiede im Einkommensniveau korrigierten Relation der Arbeitslosenquoten der beiden Bevölkerungsgruppen. Nur wenig günstiger ist das Verhältnis bei den durchschnittlich empfangenen Sozialhilfe- und Wohngeldleistungen.28 Weil die staatlichen Leistungen bei Arbeitslosigkeit und zur sozialen Existenzsicherung nur einen geringen Anteil an den gesamten staatlichen Ausgaben ausmachen, bleibt der Abstand zwischen den für die beiden betrachteten Bevölkerungsgruppen geschätzten Transferniveaus allerdings gering. Pro Kopf beträgt der Unterschied im Maximum nur wenig mehr als 100 Euro monatlich. 27 28
Vgl. hierzu Haisken-DeNew et al. (1997) und Riphahn (2001). Diese Beobachtung deckt sich mit spezifischeren Ergebnissen von Riphahn (1998).
198
6. Sozio-ökonomische Bilanz der Zuwanderung
Im Rentenalter verschiebt sich die Relation beim Transferbezug dann erneut zu Lasten der einheimischen Bevölkerung. Weil in Deutschland das über das staatlich organisierte Umlageverfahren gewährleistete individuelle Rentenniveau eng mit der Einkommensbiographie verknüpft ist, stellen die Rentenansprüche der ausländischen Bevölkerung eine erheblich geringere Belastung für die öffentlichen Haushalte dar als diejenigen der einheimischen Bevölkerung. Hierbei kumulieren sich die Effekte einer typischerweise kürzeren Erwerbsbiographie im Aufnahmeland und eines niedrigeren Niveaus des Erwerbseinkommens. Die niedrigeren Renten der Ausländer werden auch nicht durch Regelungen zur künstlichen Anhebung von Rentenansprüchen bei Geringverdienern (so genannte „Rente nach Mindesteinkommen“) und der häufigeren ergänzenden Inanspruchnahme von Sozialhilfe bei ausländischen Ruheständlern kompensiert. Sind Zuwanderer Nettoempfänger oder Nettozahler in Deutschland? Hierüber liefern die durchschnittlichen altersspezifischen Nettosteuerzahlungen je Mitglied der einheimischen und zugewanderten Bevölkerung Aufschluss, die sich aus der Saldierung der oben diskutierten Steuer- und Transferprofile ergeben (vgl. Abbildung 6.3). Beide Bevölkerungsgruppen sind über die gesamte aktive Erwerbsphase, die in Deutschland im Mittel bereits mit etwa 60 Jahren endet, Nettozahler an die öffentlichen Haushalte. Der fiskalische Beitrag der Immigranten bleibt dabei als Folge einer Kombination geringerer steuerlicher Leistungsfähigkeit und höherer Transferabhängigkeit unter dem der deutschen Vergleichsgruppe, bewegt sich aber trotzdem überwiegend deutlich im positiven Bereich. Ausländer, die sich nicht in der aktiven Erwerbsphase befinden, profitieren – genauso wie Deutsche in den entsprechenden Altergruppen – von der Umverteilung zwischen den Generationen durch die öffentlichen Haushalte. Dabei erweist sich die fiskalische Position älterer Immigranten als vergleichsweise günstig. Als Nettotransferempfänger sind sie eine erheblich geringere Belastung für die öffentlichen Kassen als gleichaltrige Deutsche. Die Nettosteuerprofile erfassen die Einnahmen und Ausgaben des Staates vollständig und erlauben somit eine Momentaufnahme des Finanzierungsbeitrags von Ausländern zu den öffentlichen Haushalten. Verknüpft man die ermittelten Nettozahlungsprofile mit der Altersstruktur des Bevölkerungsbestands zum Betrachtungszeitpunkt, erhält man als durchschnittliche Finanzierungsleistung pro Kopf der ausländischen Bevölkerung im Alter unter 80 Jahren einen Betrag von 2.100 Euro für das Jahr 1996. Der Vergleichswert für die deutsche Bevölkerung liegt bei 2.700 Euro.
6.4 Die fiskalischen Folgen der Zuwanderung
199
Abbildung 6.3 Nettosteuerzahlungen von Zuwanderern und Deutschen nach Alter, 1996 20
Nettosteuerzahlungen (in 1000 Euro pro Jahr)
15
10
5
0
-5
-10
-15
-20 0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
50
55
60
65
70
75
80 Alter
Deutsche
Zuwanderer
Quelle: Berechnungen des IZA.
Eine günstige Altersstruktur ist die wesentliche Ursache für die gute fiskalische Position der Zuwanderer (vgl. Tabelle 6.8). Von den Deutschen befindet sich ein relativ höherer Anteil bereits im Ruhestand und zählt somit zu den Empfängern hoher Nettotransfers. Dem steht in der ausländischen Bevölkerung zwar ein höherer Anteil von Kindern und Jugendlichen, die Nettotransfers über das Bildungssystem beziehen gegenüber. Im Durchschnitt wird die hiermit verbundene fiskalische Belastung aber dadurch, dass bei Ausländern der Anteil der Bevölkerung, die sich in der durch positive Nettosteuerzahlungen gekennzeichneten aktiven Lebensphase zwischen 20 und 60 Jahren befindet, deutlich höher ist als bei den Deutschen, weitgehend ausgeglichen. Mit dem aktuellen Finanzierungsbeitrag wird der tatsächliche Wert der Zuwanderer für die öffentlichen Haushalte in Deutschland aber möglicherweise falsch eingeschätzt. Einerseits werden Nettozahlungen, die in der Vergangenheit geleistet wurden, nicht berücksichtigt. Andererseits vernachlässigt die gewählte kurzfristige Perspektive, dass der zum Betrachtungszeitpunkt noch relativ junge Bevölkerungsbestand in der Zukunft altert. Dies bedeutet, dass der Anteil der Nettotransferempfänger im Ruhestand sich demjenigen in der deutschen Bevölkerung annähern wird, so dass die durchschnittliche
200
6. Sozio-ökonomische Bilanz der Zuwanderung
Tabelle 6.8 Nettosteuerzahlungen pro Kopf ausgewählter Teilbevölkerungen in Deutschland, Fiskaljahr 1996 Deutsche
Ausländer
Alter
Anteil an
Nettosteuer
Anteil an
Nettosteuer
< 20
21,3
-8.000
28,2
-7.700
20-60
60,4
10.500
67,1
6.900
60-80
18,4
-10.300
4,7
-6.200
Gesamt
100,0
2.700
100,0
2.100
Quelle: Berechnungen auf Basis von Bonin (2000).
Nettofinanzierungsleistung pro Kopf der ausländischen Bevölkerung abnimmt. Um die langfristigen fiskalischen Folgen dieses Prozesses zu erfassen, ist eine vorausschauende Perspektive auf die Nettozahlungsströme zwischen Individuen und Staat erforderlich. Diese liefern die so genannten Generationenkonten. Sie erfassen für ein repräsentatives Mitglied eines Altersjahrgangs den auf die Gegenwart bezogenen Wert aller Nettosteuer- bzw. -transferzahlungen vom Betrachtungszeitpunkt bis an das Lebensende. Das Generationenkonto ergibt sich, indem die altersspezifischen Nettosteuerzahlungen pro Kopf mit den altersspezifischen Überlebensraten einer Geburtskohorte verknüpft werden. Implizit wird so das aktuell beobachtete fiskalische Querschnittsprofil als Verlaufsprofil über den verbleibenden Lebenszyklus des gegebenen Bevölkerungsbestands interpretiert. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich der Wert der Steuer- und Transferleistungen in einer wachsenden Ökonomie über die Zeit hinweg verändert. Für die nachfolgenden Rechnungen wird vereinfachend unterstellt, dass alle altersspezifischen Nettosteuerzahlungen sowohl für Ausländer als auch für Deutsche jährlich mit einer konstanten Rate von 1,5 Prozent wachsen. Abgesehen davon wird die Fiskalpolitik des Ausgangsjahres in Zukunft konstant gehalten. Künftige Zahlungsströme werden mit einer Diskontrate von fünf Prozent pro Jahr in ihren gegenwärtigen ökonomischen Wert überführt. Bei der Interpretation der Generationenkonten für den ausländischen und deutschen Bevölkerungsbestand ist zu beachten, dass die einzelnen Altersjahrgänge wegen der ausschließlich vorausschauenden Berechnungsweise über ei-
6.4 Die fiskalischen Folgen der Zuwanderung
201
Abbildung 6.4 Generationenkonten von Zuwanderern und Deutschen, 1996 250
Generationenkonten (in 1000 Euro bis Lebensende)
200 150 100 50 0 -50 -100 -150 -200 -250 -300 0
5
10
15
20
25 Deutsche
30
35
40
45
50
55
60
65 70 75 80 Alter der Generation
Ausländer Zuwanderer
Quelle: Berechnungen des IZA.
nen unterschiedlich langen Zeitraum erfasst werden (vgl. Abbildung 6.4). Der ermittelte gegenwärtige Wert der bis zum Lebensende geleisteten Nettosteuerzahlungen ist darum nur zwischen gleichaltrigen Mitgliedern verschiedenen Bevölkerungsgruppen, nicht aber zwischen verschiedenen Altersjahrgängen innerhalb einer Bevölkerungsgruppe vergleichbar. Sowohl für Einwanderer als auch für Deutsche weisen die Generationenkonten ein charakteristisches Altersmuster auf. Bei Neugeborenen (im Alter „null“) sind die Generationenkonten negativ. Das heißt, unter den fiskalpolitischen Bedingungen des Ausgangsjahres reichen die während eines durchschnittlichen Lebens geleisteten Steuerzahlungen nicht aus, um die verursachten Transferund Realausgaben des Staates zu decken. Hier wird offensichtlich, dass die deutsche Fiskalpolitik nicht nachhaltig ist. Blieben die Einnahmen- und Ausgabenniveaus auf dem Niveau des Ausgangsjahre, erhielte jede neu geborene Generation einen Nettotransfer aus den öffentlichen Kassen. Um zu vermeiden, dass die Staatsschuld immer weiter steigt, muss früher oder später eine Revision der Fiskalpolitik vorgenommen werden, die die durchschnittlichen Nettosteuerzahlungen gegenüber der dargestellten Ausgangssituation erhöht. Mit zunehmendem Alter der Geburtskohorten gehen die Nettotransfers zurück. Jugendliche sind bereits Nettozahler an die öffentlichen Haushalte. Die
202
6. Sozio-ökonomische Bilanz der Zuwanderung
höchste fiskalische Lebensleistung erbringen die 20-30jährigen. Diese Generationen leisten im Augenblick hohe direkte und indirekte Steuern, während der Ruhestand noch weit entfernt liegt, so dass die in dieser Lebensphase erhaltenen hohen Nettotransferleistungen ökonomisch relativ niedrig bewertet werden. Mit weiter fortschreitendem Alter nimmt der Wert der Generationenkonten wieder ab, weil der aktuelle Wert der Ruhestandstransfers zunimmt und Altersjahre mit hoher Steuer- und Beitragslast zunehmend in die Vergangenheit fallen. Alle Deutschen und Ausländer, die älter als 45 Jahre sind, sind im Durchschnitt wiederum Nettotransferempfänger. Der aktuelle Wert der bis an das Lebensende bezogenen Transfers ist bei den Generationen, die sich an der Schwelle zum Ruhestand (60-65 Jahre) befinden, am größten. Bei Älteren fallen die Generationenkonten entsprechend der kürzeren verbleibenden Lebenserwartung. Vergleicht man die Generationenkonten gleichaltriger Deutscher und Migranten, zeigt sich, dass die Fiskalpolitik in Deutschland innerhalb der jüngeren Altersjahrgänge zugunsten der Zuwanderer, innerhalb der älteren Altersjahrgänge dagegen zu ihren Lasten umverteilt. Zuwanderer, die als Nachkommen der ersten Ausländergeneration ihr gesamtes Leben in Deutschland verbringen, zahlen netto rund 12.200 Euro weniger an den Staat als Deutsche. Im Maximum beträgt der Rückstand der Ausländer bei den Nettozahlungen (bei den 22jährigen) 22.500 Euro. Auslöser der intragenerationalen Umverteilung sind die schlechtere Bildungs- und Erwerbssituation sowie die höhere Kinderzahl der Ausländer, die Steuervorteile und höhere existenzsichernde Finanztransfers nach sich zieht. Betrachtet man dagegen die Bevölkerung im gesetzlichen Renteneintrittsalter von 65 Jahren, ist der aktuelle Wert der bis ans Lebensende empfangenen Nettotransfers bei Ausländern (122.900 Euro) rund 40 Prozent niedriger als bei Deutschen (207.900 Euro). Grund hierfür ist die neutrale Ausgestaltung der Sozialversicherungen in Deutschland: Über den Lebenszyklus betrachtet zahlen Zuwanderer und Deutsche annähernd gleich hohe Nettobeiträge zu den gesetzlichen Sozialversicherungen.29 Mit anderen Worten: Der Einkommensnachteil der Ausländer führt zwar zu einem entsprechenden Rückstand bei den geleisteten Sozialversicherungsbeiträgen, dieser Nachteil wird aber durch niedrigere Versicherungsansprüche im Alter zu einem erheblichen Teil aufgefangen. Mit Hilfe der Generationenkonten lässt sich der fiskalische Gesamtbeitrag zum intertemporalen Staatsbudget, den die im Ausgangsjahr in Deutschland leben29
Vgl. Bonin (2002).
6.4 Die fiskalischen Folgen der Zuwanderung
203
Tabelle 6.9 Nettosteuerzahlungen pro Kopf ausgewählter Teilbevölkerungen bis zum Lebensende in Deutschland, Fiskaljahr 1996 Deutsche
Zuwanderer
Alter
Anteil an Bevölkerung
Nettosteuer bis Lebens-
Anteil an Bevölkerung
Nettosteuer bis Lebens-
< 20
21,3
16.700
28,2
1.600
20-60
60,4
27.500
67,1
60.300
60-80
18,4
-185.800
4,7
-115.300
Gesamt
100,0
-14.000
100,0
35.500
Quelle: Berechnungen auf Basis von Bonin (2000).
den Zuwanderer bis zum Ende ihres Lebens leisten werden, abschätzen. Hierzu müssen die Generationenkonten mit der Altersstruktur des Ausgangsbestands der Bevölkerung gewichtet werden (vgl. Tabelle 6.9). Die Ergebnisse zeigen, dass die langfristige fiskalische Entlastung durch Zuwanderung sehr viel größer ist als die vorherige Querschnittsbetrachtung (vgl. Tabelle 6.8). Im Durchschnitt über alle Altersgruppen unter 80 Jahren hat der Nettofinanzierungsbeitrag der Migranten in der Gegenwart einen ökonomischen Wert von 35.500 Euro pro Kopf. Da Deutsche dagegen im Durchschnitt einen Nettotransfer von 14.000 Euro erhalten, findet über die öffentlichen Haushalte in Deutschland im Ganzen eine massive Umverteilung von Ressourcen von Zuwanderern zu Einheimischen statt.30 Der Gesamtwert des positiven Finanzierungsbeitrags zu den öffentlichen Haushalten, der durch die ansässige ausländische Bevölkerung unter laufenden fiskalpolitischen Bedingungen geleistet wird, beläuft sich auf 260 Milliarden Euro. In Preisen des Ausgangsjahrs entspricht dies 9,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Dieses außerordentlich günstige Ergebnis folgt aus dem im Vergleich zur deutschen Bevölkerung vorteilhafteren Altersaufbau der zugewanderten Bevölkerung. Rund zwei Drittel der Migranten zählen zu den Altersjahrgängen, die gemäß den Generationenkonten Nettozahler zu den öffentlichen Haushalten sind. Bei den Deutschen ist dies nur etwas weniger als die Hälfte der Bevölke30
Aufgrund der Nichtberücksichtigung von Umverteilung zwischen Deutschen und Ausländern, die möglicherweise in der Vergangenheit stattgefunden hat, könnte diese Zahl den tatsächlichen Vorteil der einheimischen Bevölkerung überschätzen. Ebenso bleibt unberücksichtigt, dass Zuwanderung das Niveau von Löhnen und Kapitaleinkommen und damit die Bemessungsgrundlage der Besteuerung bei den Einheimischen verändert haben könnte.
204
6. Sozio-ökonomische Bilanz der Zuwanderung
rung. Außerdem ist das Durchschnittsalter der ausländischen Nettozahler erheblich niedriger als das der deutschen. Der durchschnittliche Altersvorteil der Ausländer von fast zehn Jahren führt dazu, dass der mittlere Wert der Generationenkonten für die aktive Bevölkerung im Alter von 20 bis 60 Jahren mit 60.300 Euro doppelt so hoch ist wie bei der westdeutschen Vergleichsgruppe. Neben den gezeigten, mit der Zuwanderung verbundenen direkten fiskalischen Gewinnen könnten sich zusätzlich indirekte Entlastungseffekte für die einheimische Bevölkerung ergeben. Diese hängen damit zusammen, dass der finanzpolitische Kurs in Deutschland vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden demographischen Entwicklung nicht nachhaltig ist. Um die zukünftig auflaufenden Zahlungsverpflichtungen des Staates abzutragen, müssen zu einem nicht genau zu bestimmenden Zeitpunkt in der Zukunft höhere Nettosteuern erhoben werden. Die ansässige ausländische Bevölkerung und deren Nachkommen verbreitern die Bemessungsbasis für eine solche Maßnahme, so dass die individuelle Anpassungslast für die Einheimischen geringer ausfällt. Das genaue Ausmaß dieses demographischen Entlastungseffekts hängt von der im Einzelnen nicht vorhersehbaren wirtschaftspolitischen Reaktion auf steigende Haushaltsdefizite ab. Seine Wirkung lässt sich jedoch auf Basis einer finanzpolitischen Nachhaltigkeitsrechnung, die auf einer Bevölkerungsfortschreibung ohne künftige Wanderungen ausgeht, abschätzen. In diesem Fall müsste, um die Zahlungsfähigkeit der öffentlichen Haushalte dauerhaft zu gewährleisten, von jedem Bürger in Deutschland eine zusätzliche (Kopf-) Steuer von 1.300 Euro jährlich erhoben werden.31 Ohne die ansässige ausländische Bevölkerung würde sich bei einem konstanten intertemporalen Budgetdefizit die Finanzierungslast der Einheimischen gemäß ihrem Bevölkerungsanteil erhöhen. Demnach stiege die jährliche Zahlungslast für jeden Deutschen um rund 100 Euro. Zu diesem indirekten fiskalischen Gewinn aus der Zuwanderung für die einheimische Bevölkerung kommt der zuvor diskutierte direkte fiskalische Entlastungseffekt. Das intertemporale Budgetdefizit ist wegen des im Aggregat positiven Nettofinanzierungsbeitrags der Ausländer nicht wie angenommen konstant, sondern fällt tatsächlich geringer aus. 6.4.2 Generationenbilanz für Dänemark: Geht die Rechnung auf?
Anders als in Deutschland, lässt sich in Dänemark die altersspezifische Zahlungsposition von Ausländern gegenüber den öffentlichen Haushalten vergleichs31
Vgl. Bonin (2001).
6.4 Die fiskalischen Folgen der Zuwanderung
205
weise einfach kontinuierlich verfolgen. Die hierzu benötigten Informationen können der jährlichen Zusammenfassung fiskalisch relevanter amtlicher Statistiken entnommen werden, die in Kooperation zwischen dem Finanzministerium und Danmarks Statistik zum so genannten Lovmodel zusammengeführt werden.32 Dieses „Modell“ umfasst detaillierte demographische und fiskalische Informationen über ein Dreißigstel der in Dänemark lebenden Bevölkerung. Insbesondere enthält die Datenbank genaue Informationen zu den individuell geleisteten Steuern und empfangenen Transfers, einschließlich der Inanspruchnahme von staatlichen Realleistungen und anderen öffentlichen Ausgaben. Bei den meisten Altersprofilen sind diese offiziellen statistischen Daten zudem ausreichend, um die relative Zahlungsposition vom Ausländern und Einheimischen zu unterscheiden. Allerdings sind vor allem in einigen älteren Jahrgängen die Beobachtungszahlen für Ausländer so gering, dass auf gewisse Hilfsannahmen nicht verzichtet werden kann, um ein vollständiges Bild zu erhalten. Die folgende Betrachtung geht von den in einer aktuellen Untersuchung des fiskalischen Nettobeitrags von Ausländern in Dänemark genannten Zahlen aus.33 Um die Vergleichbarkeit mit den Ergebnissen für Deutschland zu gewährleisten, bezieht sich die Analyse auf das Jahr 2000. Einerseits ist dies das letzte Jahr, in dem die dänischen Daten Informationen über Kinder und Jugendliche enthalten. Andererseits handelt es sich um ein Jahr mit mittlerer Kapazitätsauslastung der dänischen Wirtschaft, so dass die Zahlungsprofile wiederum näherungsweise konjunkturell neutral sind. Dennoch leidet der Ländervergleich unter methodischen Unterschieden. Zwar erfolgt die Verteilung der direkten Steuern auf das Einkommen (gemäß der individuell geleisteten Zahlungen), der indirekten Steuern auf den Konsum (gemäß des individuellen Anteils am verfügbaren Einkommen), der Finanztransfers (gemäß der individuell empfangenen Leistungen) sowie der öffentlichen Realleistungen und Investitionen (gemäß der individuellen Inanspruch32
33
Vgl. Dänisches Ministerium für Wirtschaft (2000) und Dänisches Ministerium für Finanzen (2003) für Beschreibungen dieses Datensatzes. Vgl. Wadensjö/Gerdes (2004). Die hier dargestellten Ergebnisse unterscheiden sich allerdings hinsichtlich der Behandlung der Transferleistungen an Ausländer über 70 Jahren, für die im Lovmodel nur sehr wenige Beobachtungen vorliegen. Wadensjö/Gerdes (2004) lösen das Problem, indem Ausländern die gleichen Zahlungen zugerechnet werden wie Dänen. Hier wird stattdessen eine zweistufige Vorgehensweise gewählt: Im ersten Schritt wird das Niveau der Transfers an die über 70jährigen Ruheständler anhand der mit zufrieden stellender Genauigkeit beobachteten Transferleistungen an die jüngeren Rentner ermittelt. Im zweiten Schritt werden die Veränderungen der Transfers mit dem Alter, die vor allem auf steigende Gesundheits- und Pflegeleistungen zurückzuführen sind, mittels den in der einheimischen Bevölkerung beobachteten Veränderungen geschätzt.
206
6. Sozio-ökonomische Bilanz der Zuwanderung
nahme öffentlicher Dienste, wo sinnvoll, oder als konstante Leistung pro Kopf) einheitlichen Prinzipien. Im Gegensatz zu den Rechnungen für Deutschland erfasst der für Dänemark ermittelte Nettofinanzierungsbeitrag aber nicht das vollständige Staatsbudget. Auf der Einnahmenseite werden die Einkommensteuern, die nicht direkt von individuellen Arbeitnehmern getragen werden – insbesondere Unternehmenssteuern und sonstige Steuern auf den Kapitalbesitz – nicht berücksichtigt. Umgekehrt werden auf der Ausgabenseite staatliche Leistungen, die als unabhängig von der Bevölkerungsgröße betrachtet werden – beispielsweise staatliche Verwaltung, Verteidigung, Agrarsubventionen – nicht zu den individuellen Transfers gerechnet. Insgesamt ist der Anteil der in den Berechnungen für Dänemark erfassten Zahlungsströme auf der Einnahmenseite der öffentlichen Haushalte höher als auf der Ausgabenseite. Daher wird der aktuelle durchschnittliche Nettofinanzierungsbeitrag der Bevölkerung zu hoch ausgewiesen. Die dänische Finanzpolitik erscheint dadurch nachhaltiger als in vorliegenden Generationenbilanzen, die von einem vollständigen Staatshaushalt ausgehen, dafür aber nicht nach dem Zuwanderungsstatus differenzieren.34 Wie sich die in den nachfolgenden Berechnungen fehlenden Teile des Budgets altersspezifisch und innerhalb der Alterskohorten zwischen Ausländern und Einheimischen verteilen, lässt sich nicht genau abschätzen. Geht man von der Altersverteilung der entsprechenden Zahlungsströme in Deutschland aus, dürfte der Nettofinanzierungsbeitrag der mittleren Altersgruppen in der Tendenz unterschätzt werden, weil diese Altersgruppe am stärksten vom Ertrag des produktiven Kapitals profitiert. Umgekehrt wird der Nettotransferbezug an den Rändern der Altersverteilung vermutlich zu niedrig ausgewiesen. Ein Vergleich der unter den diskutierten Voraussetzungen geschätzten Altersprofile der Steuerzahlungen in Dänemark mit den entsprechenden Profilen für Deutschland zeigt große Übereinstimmungen im Verlauf (vgl. Abbildungen 6.5 und 6.1). In beiden Ländern entfällt ein Gutteil der Steuerund Beitragsbelastung auf die Einkommen aus Erwerbsarbeit. Also wird der Profilverlauf durch die Entwicklung der Beschäftigungsquoten und der Löhne im erwerbsfähigen Alter dominiert. Allerdings geht das Niveau der Steuerzahlungen beim Übergang in den Ruhestand in Dänemark weniger stark zurück als in Deutschland. Dies liegt vor allem an der unterschiedlichen steuerlichen Behandlung der Ruhestandsbezüge, die in Dänemark stärker direkt 34
Vgl. Jensen et al. (2002).
6.4 Die fiskalischen Folgen der Zuwanderung
207
Abbildung 6.5 Steuerzahlungen von Zuwanderern und Dänen nach Alter, 2000
Steuerzahlungen (in 1000 Euro pro Jahr)
25
20
15
10
5
0 0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
50
55
60
65
70
75
80
Alter Dänen
Zuwanderer
Quelle: Berechnungen des IZA.
besteuert werden. Vergleicht man den Querschnitt von Zuwanderern und Einheimischen, fällt auf, dass in Dänemark die Altersgruppe von 20 bis 40 Jahren im Durchschnitt deutlicher zurückbleibt als in Deutschland. Erst in der Altersgruppe von 40 bis 60 Jahren ist der Rückstand der ausländischen Bevölkerung in beiden Ländern annähernd gleich. Unterschiede der fiskalpolitischen Position von Ausländern lassen sich bei einem Ländervergleich allerdings vor allem hinsichtlich der Inanspruchnahme von staatlichen Transferleistungen feststellen. Betrachtet man den Wert der durchschnittlichen Transfers an die einheimische und ausländische Bevölkerung in Dänemark und die entsprechenden Profile für Deutschland, so zeigt sich, dass die durchschnittlichen Transfers an die zugewanderte Bevölkerung vor allem in der Altersgruppe von 25 bis 55 Jahren markant höher ausfallen (vgl. Abbildungen 6.6 und 6.2). Dieses Ergebnis ist umso bemerkenswerter, als sich die Transferleistungen an die einheimische Bevölkerung, aber auch an jüngere und ältere Ausländer, in den beiden Ländern annähernd auf gleichem Niveau bewegen. Eine Erklärung für die beobachteten Unterschiede liefert die materiell großzügigere Absicherung von Arbeitslosen in Dänemark. Geringqualifizierte profi-
208
6. Sozio-ökonomische Bilanz der Zuwanderung
Abbildung 6.6 Öffentliche Transferzahlungen an Zuwanderer und Dänen nach Alter, 2000
Öffentliche Transferzahlungen (in 1000 Euro pro Jahr)
30
25
20
15
10
5
0 0
5
10
15
20
25 Dänen
30
35
40
45
50
55
60
65
Ausländer Zuwanderer
70
75
80 Alter
Quelle: Berechnungen des IZA.
tieren dort in der Arbeitslosenversicherung von einer höheren Lohnersatzquote (bis 90 Prozent) und niedrigeren Anspruchsvoraussetzungen (kürzere Mindestversicherungszeit). Bei einem gegebenen Qualifikationsabstand gewinnen Zuwanderer in Dänemark daher stärker von den staatlichen Maßnahmen zur intragenerationalen Umverteilung zu Lasten der oberen Einkommen als Ausländer in Deutschland. Wichtiger noch ist die im Durchschnitt sehr niedrige Erwerbsbeteiligung der Ausländer, die zu hohen Pro-Kopf-Leistungen an Sozialhilfe führt. Schließlich nehmen Immigranten höhere staatliche Realleistungen in Anspruch, etwa durch Teilnahme an in Dänemark öffentlich geförderten Integrationsprogrammen. Auch hier lässt sich nun anhand der altersspezifischen Nettozahlungsströme zwischen repräsentativen Mitgliedern der beiden Bevölkerungsgruppen und dem dänischen Staat die Frage nach dem Saldo aus Steuerzahlungen und Transferbezügen beantworten. Für Einheimische führt die Saldierung von Steuerzahlungen und Transferbezügen zu fast demselben Ergebnis wie in Deutschland (vgl. Abbildungen 6.7 und 6.3). Dagegen ist die fiskalische Position von Ausländern in Dänemark sehr viel ungünstiger. Während die in Deutschland lebenden Immigranten über die gesamte aktive Erwerbsphase einen positiven Finanzierungsbeitrag zu den öffentlichen Haushalten leisten,
6.4 Die fiskalischen Folgen der Zuwanderung
209
Abbildung 6.7 Nettosteuerzahlungen von Zuwanderern und Dänen nach Alter, 2000 20
Nettosteuerzahlungen (in 1000 Euro pro Jahr)
15
10
5
0
-5
-10
-15
-20 0
5
10
15
20
25 Dänen
30
35
40
45
50
55
60
Zuwanderer
65
70
75
80 Alter
Quelle: Berechnungen des IZA.
beziehen Ausländer in Dänemark, die jünger als 30 Jahre sind, Nettotransfers vom Staat. Dies ist die Folge einer Kombination von relativ niedrigen Steuerund Beitragszahlungen in den Altersgruppen am Anfang des Erwerbslebens und den zuvor festgestellten hohen Transferbezügen bei allen Migranten im erwerbsfähigen Alter. Erst bei der ausländischen Bevölkerung im fortgeschrittenen erwerbsfähigen Alter ist die fiskalische Position gegenüber dem dänischen Staat im Durchschnitt positiv. Die fiskalische Entlastung durch die Altersgruppen mit positiver Nettozahlungsposition bleibt allerdings deutlich hinter den in Deutschland beobachteten Werten zurück. Hieraus lässt sich bereits erkennen, dass die fiskalische Nettobilanz der Zuwanderer in Dänemark deutlich schlechter ausfallen wird. Hinzu kommt, dass hier etwa zehn Zuwandererjahrgänge weniger einen positiven Finanzierungsbeitrag zu den Staatsfinanzen leisten. Diese Tatsache ist wegen des hohen Bevölkerungsanteils der betroffenen Altersgruppe – rund ein Fünftel aller Migranten in Dänemark sind zwischen 20 und 30 Jahre alt – besonders gravierend. Durch Verknüpfung des Profils der altersspezifischen Nettosteuerzahlungen mit der Bevölkerungsstruktur erhält man ein Bild der Bedeutung der Zuwanderer für die öffentlichen Haushalte im Jahr 2000. Demnach erhält jeder Ausländer im Alter unter 80 Jahren vom dänischen
210
6. Sozio-ökonomische Bilanz der Zuwanderung
Tabelle 6.10 Nettosteuerzahlungen pro Kopf ausgewählter Teilbevölkerungen, Dänemark, Fiskaljahr 2000 Dänen
Ausländer
Alter
Anteil an Bevölkerung
Nettosteuer pro Kopf
Anteil an Bevölkerung
Nettosteuer pro Kopf
< 20
24,2
-6.900
29,2
-6.400
20-60
59,4
11.800
62,9
1.600
60-80
16,4
-8.100
7,9
-6.800
Gesamt
100,0
4.000
100,0
-1.400
Quelle: Berechnungen auf Basis von Wadensjö/Gerdes (2004).
Staat einen Nettotransfer von 1.400 Euro. Anders als in Deutschland, wo Einwanderer im aktuellen Querschnitt eine insgesamt positive Nettozahlungsposition aufweisen, stellt der ausländische Bevölkerungsbestand in Dänemark derzeit demnach eine Belastung für die öffentlichen Haushalte dar. Dänen leisten dagegen netto pro Kopf einen Finanzierungsbeitrag von 4.000 Euro. Die ungünstige fiskalische Position der Zuwanderer in Dänemark ist in erster Linie das Ergebnis der geringen Finanzierungsleistung der mittleren Generationen (vgl. Tabellen 6.8 und 6.10). Während in Deutschland jeder Ausländer im erwerbsfähigen Alter (20-60 Jahre) durchschnittlich 6.900 Euro an die öffentlichen Haushalte zahlt, beläuft sich die durchschnittliche Zahlung in Dänemark auf nur 1.600 Euro. Die fiskalische Belastung durch Kinder und Jugendliche bzw. Rentner ist in Deutschland und Dänemark dagegen sehr ähnlich. Negativ wirkt in Dänemark allerdings ein Altersstruktureffekt. Bei den Migranten ist der Anteil der Bevölkerung unter 20 Jahren um einen Prozentpunkt, bei der Bevölkerung über 60 Jahren um 3,2 Prozentpunkte höher als in Deutschland. Hierdurch erhöht sich der durchschnittliche Nettotransfer pro Kopf der Bevölkerung, da diese Altersgruppen von den staatlichen Institutionen zur intergenerationalen Umverteilung profitieren. Mit anderen Worten: In Dänemark fällt nicht nur der durchschnittliche Finanzierungsbeitrag der erwerbsfähigen ausländischen Bevölkerung erheblich niedriger aus als in Deutschland; darüber hinaus leben dort auch noch relativ weniger erwerbsfähige Immigranten.
6.4 Die fiskalischen Folgen der Zuwanderung
211
Hellt sich das ungünstige Bild auf, wenn anstelle der aktuellen Nettozahlungen der Wert der von den heute in Dänemark lebenden Einwanderergenerationen künftig geleisteten Nettozahlungen betrachtet wird? Interpretiert man den Querschnitt der Nettosteuerzahlungen als Verlauf über den Lebenszyklus, hätten viele Zuwanderer, die erst am Beginn ihres Erwerbslebens stehen, die Lebensphase mit positiven Nettosteuerzahlungen noch vor sich. Daher könnte sich die Bilanz der Nettozahlungen der Ausländer im Zeitablauf verbessern. Eine solche Interpretation, wie sie bei der oben diskutierten Generationenbilanzierung in Deutschland vorgenommen wurde, erweist sich in Dänemark jedoch als nicht plausibel. Die Ursache hierfür liegt in der jüngeren Wanderungsgeschichte des Landes. Durch die Zuwanderungswelle der letzten 15 Jahre hat sich die ausländische Bevölkerung nicht nur rasch verdreifacht, sondern vor allem in ihrer Struktur massiv verändert. Diese Strukturveränderungen werden deutlich, wenn man untersucht, wie sich die einzelnen Altersjahrgänge der ausländischen Bevölkerung nach Herkunftsländern zusammensetzen. Da Zuwanderung überwiegend in einem eng begrenzten Altersfenster (von etwa 20 bis 30 Jahren) stattfindet, lassen sich im aktuellen Bevölkerungsquerschnitt Veränderungen der Struktur der Zuwanderung über die Zeit gut erkennen. In der jüngeren erwerbsfähigen Bevölkerung bis etwa 45 Jahre dominieren eindeutig die Zuwanderer nicht-westlicher Herkunft, während in den höheren Altersgruppen westliche Ausländer bis zu zwei Drittel eines Jahrgangs besetzen (vgl. Abbildung 6.8). Angesichts dieser erheblichen Veränderungen ist damit zu rechnen, dass das im Querschnitt gemessene Profil der individuellen Nettozahlungsströme neben Alterseffekten auch Kohorteneffekte widerspiegelt. Dies bedeutet, dass der allmähliche Anstieg der individuellen Nettosteuerzahlungen im Alter zwischen 20 und 40 Jahren nicht nur auf den Erwerbs- und Einkommensverlauf am Beginn der Erwerbsphase, sondern gleichzeitig auf den mit zunehmendem Alter wachsenden Anteil der – besser in den Arbeitsmarkt integrierten – westlichen Ausländer innerhalb der Zuwandererbevölkerung zurückzuführen sein könnte. Vor einer Berechnung von Generationenkonten ist es daher sinnvoll, die bisher betrachteten Durchschnittswerte der individuellen Nettosteuerzahlungen der Zuwanderer in Dänemark weiter zu zerlegen. Mit Hilfe der zur Verfügung stehenden Daten lassen sich Zahlungsprofile für westliche und nichtwestliche Zuwanderer der ersten Generation unterscheiden (vgl. Abbil-
212
6. Sozio-ökonomische Bilanz der Zuwanderung
Abbildung 6.8 Zusammensetzung der ausländischen Bevölkerung in Dänemark nach Herkunft, 2000 100%
Anteil an allen Zuwanderern
80%
60%
40%
20%
0% 0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
50
55
60
65
70
75
80 Alter
westliche Zuwanderer
nicht-westliche Zuwanderer
Anmerkungen: Als westliche Länder zählen die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union vor der Osterweiterung, Norwegen, Island, die Vereinigten Staaten, Kanada, Australien und Neuseeland. Alle anderen Länder zählen als nicht-westlich. Quelle: Berechnungen des IZA.
dung 6.9).35 Für beide Gruppen ergibt sich im Querschnitt ein Zahlungsprofil mit einem plausiblen, glockenförmigen Verlauf über den Lebenszyklus. Kaum überraschend unterscheiden sich die Nettosteuerzahlungen westlicher Migranten im Niveau wenig von denen gleichaltriger Dänen. Allenfalls ist in der ersten Phase des Erwerbslebens eine leicht ungünstigere fiskalische Position erkennbar. Dies könnte auf eine Phase der Arbeitsmarktintegration nach erfolgter Zuwanderung hinweisen, die mit einem vorübergehenden kleinen Rückstand bei den Erwerbseinkommen verbunden ist. Dagegen reflektiert das Zahlungsprofil der nicht-westlichen Zuwanderer ihre sehr schlechte Integration in den dänischen Arbeitsmarkt. Zwar zeigt sich 35
Grundsätzlich liefert das Lovmodel auch Informationen über fiskalische Position der zweiten Generation von Ausländern in Dänemark. Die entsprechenden Altersprofile leiden jedoch unter einer relativ geringen Zahl von Beobachtungen und sind in den höheren Altersgruppen notwendigerweise unvollständig. Für die Berechnung der Generationenkonten werden daher nur die Profile der ersten Generation verwendet. Dies führt für die jüngeren Generationen möglicherweise zu einer Unterschätzung des Finanzierungsbeitrags zu den öffentlichen Haushalten. Eine ökonomische Integration der Zuwanderer im Sinne einer allmählichen Annäherung an die altersspezifischen Nettozahlungsniveaus der einheimischen Bevölkerung bleibt bei dieser Betrachtungsweise ausgeschlossen.
6.4 Die fiskalischen Folgen der Zuwanderung
213
Abbildung 6.9 Nettosteuerzahlungen von westlichen und nicht-westlichen Zuwanderern und Dänen, 2000 20
Nettosteuerzahlungen (in 1000 Euro pro Jahr)
15
10
5
0
-5
-10
-15
-20 0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
50
55
60
65
70
75
80 Alter
Dänen
westliche westlicheAusländer Zuwanderer
nichtwestliche nicht-westlicheAusländer Zuwanderer
Quelle: Berechnungen des IZA.
auch hier der typische, zunächst steigende und später fallende Verlauf der alterspezifischen Nettosteuerzahlungen im Erwerbsverlauf. Die Entwicklung ist jedoch deutlich schwächer ausgeprägt. In diesem Muster wird erkennbar, dass das Gewicht der Beschäftigten, die Steuern und Beiträge auf (mit dem Alter variierenden) Löhne zahlen, in der Bevölkerung der nicht-westlichen Immigranten relativ gering ist. Umgekehrt nimmt ein hoher Anteil der nichtwestlichen Ausländer dauerhaft nicht am Arbeitsmarkt teil. Das Ergebnis ist ein im Durchschnitt hoher, über das erwerbsfähige Alter fast konstanter Bezug von Finanztransfers in Form von Sozialhilfe. Zusammen mit der niedrigeren fiskalischen Leistungsfähigkeit der Beschäftigten ergibt sich ein sehr ungünstiges Bild: Unter den Bedingungen der heutigen Finanzpolitik leisten nichtwestliche Immigranten in Dänemark zu keinem Zeitpunkt ihres Lebens einen positiven Nettobeitrag zu den öffentlichen Haushalten.36 Die fiskalische Belastung durch Zuwanderer nicht-westlicher Herkunft in Dänemark wird noch deutlicher, wenn man den gegenwärtigen Wert des gesamten durchschnittlichen Nettotransfers über den verbleibenden Lebenszy36
Vgl. zu den Umverteilungswirkungen auch Wadensjö/Gerdes (2004a).
214
6. Sozio-ökonomische Bilanz der Zuwanderung
Abbildung 6.10 Generationenkonten von westlichen und nicht-westlichen Zuwanderern und Dänen, 2000 250
Generationenkonten (in 1000 Euro bis Lebensende)
200 150 100 50 0 -50 -100 -150 -200 -250 -300 0
5
10
15
20
Dänen
25
30
35
40
45
westliche westlicheAusländer Zuwanderer
50
55
60
65
70
75
80
Alter der Generation nichtwestliche nicht-westliche Ausländer Zuwanderer
Quelle: Berechnungen des IZA.
klus berechnet. Wie bei den Generationenkonten für Deutschland wird hierbei unterstellt, dass die Finanzpolitik des Ausgangsjahrs auch in Zukunft weiter verfolgt wird. Künftige individuelle Zahlungsströme werden lediglich jedes Jahr mit der angenommenen realen Rate des Wirtschaftswachstums von 1,5 Prozent fortgeschrieben und mit einer jährlichen Diskontrate von fünf Prozent in die Gegenwart überführt. Dabei zeigt sich für alle drei betrachteten Bevölkerungsgruppen erneut das schon für Deutschland beobachtete wellenförmige Generationenmuster. Die Nettosteuerzahlungen über den Lebenszyklus von Dänen, die im Ausgangsjahr 2000 geboren wurden, erscheinen fast ausgeglichen. Allerdings ist das Profil der Generationenkonten im Vergleich zu Deutschland nach oben verschoben (vgl. Abbildung 6.10). Wie oben beschrieben, fehlt in der Bilanz für Dänemark ein nennenswerter negativer Teilsaldo der öffentlichen Haushalte. Bei einer vollständigen Rechnung wären die Generationenkonten der jüngsten Jahrgänge deutlich weiter im negativen Bereich. Diese fiskalpolitische Strategie kann nicht dauerhaft aufrechterhalten werden, weil sonst der Schuldenstand des Staates immer schneller steigt. Beträfe die langfristig notwendige Erhöhung der Nettosteuerniveaus alle Bevöl-
6.4 Die fiskalischen Folgen der Zuwanderung
215
Tabelle 6.11 Nettosteuerzahlungen pro Kopf (in Euro) ausgewählter Teilbevölkerungen bis zum Lebensende, Dänemark, Fiskaljahr 2000
Alter
Dänen
Ausländer gesamt
westliche Ausländer
nichtwestliche Ausländer
< 20
70.400
-120.000
58.800
-138.800
20-60
64.400
-68.400
83.300
-138.900
60-80
-236.300
-191.100
-166.100
-224.400
16.600
-93.300
39.700
-142.900
Gesamt
Quelle: Berechnungen auf Basis von Wadensjö/Gerdes (2004).
kerungsteile, könnte sich die fiskalische Position der Zuwanderer in Dänemark in Zukunft verbessern. Solange die gegenwärtige Fiskalpolitik weiter verfolgt wird, ist der Nettofinanzierungsbeitrag der in Dänemark lebenden Ausländer jedoch eindeutig negativ. Zwar entlasten Immigranten aus westlichen Ländern den Staatshaushalt. Ihre altersspezifische Nettozahlungsposition unterscheidet sich nur geringfügig von der gleichaltriger Dänen. Relativ niedrigeren Nettosteuerzahlungen bei der jüngeren Bevölkerung stehen relativ geringere Nettotransfers bei der Bevölkerung im Ruhestand gegenüber. Berücksichtigt man die unterschiedliche Alterszusammensetzung der beiden Bevölkerungsgruppen, sind die westlichen Ausländer gegenüber den Dänen sogar eindeutig im Vorteil. Der gegenwärtige Wert der durchschnittlichen Zahlungen bis ans Lebensende bei westlichen Zuwanderern beträgt pro Kopf 39.700 Euro, bei Dänen dagegen pro Kopf nur 16.600 Euro (vgl. Tabelle 6.11). Grund hierfür ist, dass die Jahrgänge, die in der Erwerbsphase die höchsten Generationenkonten aufweisen, bei den Migranten in dieser Gruppe relativ stärker besetzt sind: Von den westlichen Ausländern befinden sich 73,3 Prozent im erwerbsfähigen Alter, von den Dänen dagegen nur 59,4 Prozent. Entsprechend ergibt sich ein doppelter Entlastungseffekt bei den Rentnern. Erstens ist der durchschnittliche Nettotransfer pro westlichem Ausländer über 60 Jahre niedriger (166.100 Euro) als bei Dänen (236.300 Euro). Zusätzlich ist der Bevölkerungsanteil der Rentner bei den westlichen Ausländern geringer. Die Verbesserung der Staatsfinanzen durch die Anwesenheit westlicher Ausländer in Dänemark wird jedoch mehr als kompensiert, falls die Ausländer nicht-westlicher Herkunft weiterhin Nettotransfers auf dem gegenwärtigen
216
6. Sozio-ökonomische Bilanz der Zuwanderung
Niveau beziehen. Wie der Verlauf der Generationenkonten zeigt, erhält jede anwesende Generation über den verbleibenden Lebenszyklus einen Nettotransfer pro Kopf, der gegenwärtig mehr als 100.000 Euro wert ist. Bei nichtwestlichen Ausländern, die ihr vollständiges Leben in Dänemark verbringen und ihr Verhalten nicht dem der Dänen (oder der übrigen in Dänemark lebenden Ausländer) anpassen, beläuft sich die Umverteilung zu Lasten der einheimischen Bevölkerung auf über 150.000 Euro pro Kopf. Die fiskalische Belastung ist nur dann etwas geringer, wenn man die gegenwärtige Altersstruktur der nicht-westlichen Bevölkerung berücksichtigt. Pro Kopf erhöht diese Bevölkerungsgruppe bis an ihr Lebensende den Finanzierungsbedarf der öffentlichen Haushalte um 142.900 Euro. Dass dieser Betrag nicht noch höher ausfällt, ist lediglich dem Umstand zu verdanken, dass der Anteil der 1030jährigen, die noch vergleichsweise die geringsten Nettotransfers in Anspruch nehmen, unter den Zuwanderern nicht-westlicher Herkunft überdurchschnittlich hoch ist. Da dieser Ausschnitt der nicht-westlichen Bevölkerung in Dänemark noch vor oder erst relativ am Beginn einer möglichen Erwerbskarriere steht, besteht zudem eine Chance, die fiskalischen Belastung durch verstärkte Anstrengungen zur Integration dieser Zuwanderergruppe zu reduzieren. Hierfür eingesetzte öffentliche Mittel könnten einen relativ hohen Ertrag in Form von zusätzlichen Steuer- und Beitragseinnahmen und geringeren Finanztransfers zur sozialen Existenzsicherung abwerfen. (Ein weiteres Konzept zur Entlastung der öffentlichen Haushalte wäre die großzügige finanzielle Förderung von Rückkehrern, die planen, in ihrem Heimatland eine neue Existenz aufzubauen, weil sie am dänischen Arbeitsmarkt gescheitert sind.) Ein Vergleich des Beitrags der Zuwanderer zu den öffentlichen Haushalten in Deutschland und Dänemark fördert somit ein auf den ersten Blick erstaunliches Ergebnis zutage. Während Zuwanderer in Deutschland gegenwärtig, insbesondere aber langfristig (vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden massiven Alterung der Bevölkerung), einen eindeutig positiven Beitrag zu den öffentlichen Haushalten leisten, ist das Ergebnis für Dänemark ebenso eindeutig negativ. Dieser Unterschied überrascht insofern, als beide Länder durch relativ großzügige Sozialsysteme und hohe Steuern auf den Faktor Arbeit gekennzeichnet sind. Die Arbeitsmarktintegration von Zuwanderern wird folglich durch fehlende Beschäftigungsanreize sowie tendenziell durch eine negative Selbstauswahl der Einwanderer behindert.37 37
Vgl. Borjas (1987).
6.5 Zusammenfassende Bewertung
217
Der Hauptgrund für die beobachteten Unterschiede dürfte demnach weniger in den unterschiedlichen finanzpolitischen Institutionen liegen. Vielmehr ist zu beachten, dass beide Länder in einer anderen wanderungspolitischen Situation erfasst werden. Für Deutschland wird eine relativ homogene, lange etablierte ausländische Bevölkerung betrachtet. Zwar hat es auch hier im letzten Jahrzehnt einen relativ starken Zuzug von nicht-westlichen Ausländern gegeben, deren Nettobeitrag zu den öffentlichen Haushalten vermutlich weit weniger positiv ist, als es die hier vorgestellten Ergebnisse der Generationenbilanzierung für Deutschland nahe legen.38 Relativ zum Bestand der Bevölkerung von Gastarbeitern und ihrer Nachkommen ist der Einfluss dieses neuerlichen Wanderungsstroms aber vergleichsweise klein. Bei der etablierten Bevölkerung ist der Integrationsprozess trotz der nach wie vor vorhandenen Defizite auf dem Arbeitsmarkt soweit fortgeschritten, dass sie keine erheblich schlechtere fiskalische Position mehr einnimmt als die einheimische Bevölkerung. In Dänemark dagegen steht einer kleineren etablierten Minderheit von – überwiegend westlichen – Ausländern eine Mehrheit von Zuwanderern, Flüchtlingen und Asylsuchenden nicht-westlicher Herkunft gegenüber, die durchschnittlich kürzere Aufenthaltszeiten aufweisen oder sich noch mitten in der Eingliederungsphase befinden. Die wesentliche Frage lautet hier, wie rasch sich diese Integration vollzieht, so dass die Abhängigkeit von staatlichen Transfers auf ein Normalmaß zurückgeht.
6.5 Zusammenfassende Bewertung Die Sozialsysteme Deutschlands und Dänemarks folgen unterschiedlichen Regeln. So gründet sich die dänische Arbeitslosenversicherung, anders als in Deutschland, auf eine freiwillige Basis und wird weitgehend von allgemeinen Steuern finanziert. Für Geringverdiener – und damit für einen Großteil der im Land lebenden Zuwanderer nicht-westlicher Herkunft – stellt sie weit über dem deutschen Niveau liegende Lohnersatzleistungen von bis zu 90 Prozent des vorherigen Einkommens bereit und schafft damit nur geringe Anreize zur Arbeitsaufnahme in diesem Arbeitsmarktsegment. Dies gilt umso mehr, als trotz der 1998 erfolgten annähernden Halbierung der maximalen Bezugsdauer auf nur noch 4 Jahre immer noch weit länger Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezogen werden können als in Deutschland. Erst in den letzten Jahren hat Dänemark Elemente von „Workfare“ in sein Sozialsystem 38
Die von Wadensjö/Gerdes (2004a) mit Hilfe des RFMS-G durchgeführte Analyse zeigt einen deutlichen Nettotransferbezug dieser Zuwanderergruppe in Deutschland auf.
218
6. Sozio-ökonomische Bilanz der Zuwanderung
aufgenommen, verknüpft also den Bezug von Leistungen zunehmend mit der Verpflichtung zur Gegenleistung in Form von Qualifikation oder Arbeit. Mittelfristig könnte dies, bei entsprechender Fokussierung der Praxis auf die Arbeitsaufnahme, wichtige Anreizwirkungen entfalten. Demgegenüber ist in Deutschland der Arbeitslosengeldbezug als beitragsfinanzierte „Schadensfall“-Leistung konzipiert; die Leistungshöhe bemisst sich nach Erwerbsbiographie und Lebensalter. Dies hat zur Folge, dass Zuwanderer hier aufgrund ihrer günstigeren Altersstruktur bei durchschnittlich höherer Arbeitslosigkeit dennoch nur zu kürzeren Bezugszeiten berechtigt sind. Mit der Ablösung der bis 2004 gezahlten, steuerfinanzierten Arbeitslosenhilfe durch das mit der Sozialhilfe für Erwerbsfähige zusammengefasste Arbeitslosengeld II wird sich zwar eine gewisse Angleichung der Strukturen in beiden Ländern vollziehen – diese wird jedoch erst recht dafür sorgen, dass geringer verdienende Migranten in Dänemark bei Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit besser gestellt sind als in Deutschland. Das dänische System sieht gegenwärtig keine Hinzuverdienstmöglichkeiten im Falle des Sozialhilfebezugs vor, während sie im deutschen Recht 2004/ 2005 nochmals erweitert worden sind. Dänemark setzt an dieser Stelle ganz auf die eingeführten Workfare-Mechanismen bzw. im Falle von Neuzuwanderern auf die Wirkung der Integrationskurse, durch deren Besuch wiederum Leistungsansprüche (Eingliederungsbeihilfe) erworben werden. Auch die Alterssicherung ist in Dänemark beitrags- und beschäftigungsunabhängig geregelt; auch sie begünstigt die Bezieher niedriger Einkommen. Der Grundrentencharakter sorgt zugleich für ein deutlich geringeres gesetzliches Rentenniveau in Dänemark, das jedoch durch die obligatorische Zusatzvorsorge ATP und die im Vergleich zu Deutschland ungleich geringere Beitragsbelastung ausgeglichen wird. Insgesamt sorgt die Erwerbsbezogenheit aller wesentlichen Komponenten des deutschen sozialen Sicherungssystems mit Ausnahme der Sozialhilfe für einen weniger leichten Zugang von Immigranten im Vergleich zu Dänemark. Dort führt die Bevorzugung niedriger Einkommensgruppen und die Freiwilligkeit der Arbeitslosenversicherung zu einem höheren Anteil von Sozialhilfebeziehern. Viele Geringverdiener sind in Dänemark im Vorteil, wenn sie keine Arbeitslosenversicherung abschließen, sondern Sozialhilfe beziehen. Die Wahrscheinlichkeit des Sozialhilfebezugs von Zuwanderern nicht-westlicher
6.5 Zusammenfassende Bewertung
219
Herkunft verringert sich erwartungsgemäß mit dem Ausmaß der Bindung an den Arbeitsmarkt, der Aufenthaltsdauer und dem Umfang der erworbenen Sprachkenntnisse. Die fiskalischen Folgen der Zuwanderung lassen sich in Ermangelung entsprechender Daten für Deutschland nicht unmittelbar vergleichend für nichtwestliche Immigranten in beiden Ländern ermitteln. Im Falle Deutschlands muss auf Daten für Zuwanderer aus den ehemaligen Anwerbestaaten zurückgegriffen werden, während für Dänemark sowohl repräsentative Daten für die zugewanderte Gesamtbevölkerung als auch separate Informationen für westliche und nicht-westliche Migranten zur Verfügung stehen. In Deutschland fällt die Bilanz des Jahres 1996 für ausländische Familien mit türkischem, jugoslawischem, griechischen, spanischen oder italienischen Haushaltsvorstand positiv aus. Als durchschnittlicher Finanzierungsbeitrag pro Kopf dieser Zuwanderergruppe (im Alter unter 80 Jahren) errechnet sich ein Betrag von 2.100 Euro; derjenige für Deutsche liegt mit 2.700 Euro nur leicht darüber. Legt man ein Generationenkonto an, verknüpft also die altersspezifischen Nettosteuerzahlungen mit der statistischen Lebenserwartung, so verdeutlicht sich der ökonomische Nutzen der Zuwanderung nach Deutschland: Im Durchschnitt aller Altersgruppen erreicht der Nettofinanzierungsbeitrag der Immigranten bis zu deren Lebensende einen gegenwärtigen ökonomischen Wert von 35.500 Euro pro Kopf. Dagegen sind Deutsche, bedingt durch ihre wesentlich ungünstigere Altersstruktur, im Durchschnitt Nettotransferempfänger von 14.000 Euro und ziehen somit Vorteile aus einer erheblichen Umverteilung zu ihren Gunsten. Anders stellt sich die Situation in Dänemark dar, für das die fiskalische Position von Zuwanderern im Jahr 2000 deutlich ungünstiger ausfällt. Einem durchschnittlichen Finanzierungsbeitrag von 4.000 Euro pro Kopf der dänischen Bevölkerung steht ein Nettotransferbezug von 1.400 Euro pro Kopf der zugewanderten Bevölkerung gegenüber. Als Grund hierfür lassen sich die materiell großzügigere Absicherung in Dänemark und die relativ geringe Erwerbsbeteiligung anführen, aber auch die Inanspruchnahme staatlicher Leistungen etwa in Form der Integrationskurse. Dies korrespondiert mit einem negativen Generationenkonto der Einwanderer, das einen Nettotransferbezug von 93.300 Euro bis zum statistischen Lebensende ausweist, während Dänen dagegen Nettosteuerzahlungen in Höhe von 16.600 Euro leisten.
220
6. Sozio-ökonomische Bilanz der Zuwanderung
Ist dies bereits ein ungleich schlechteres Ergebnis als für Deutschland, so verschärft sich das Problem noch, wenn gesondert die Zuwanderer nichtwestlicher Herkunft betrachtet werden. Die Umverteilung zu ihren Gunsten beläuft sich für das Jahr 2000 auf 142.900 Euro; westliche Migranten zahlen dagegen 39.700 Euro und übertreffen in ihrer Bilanz somit die Einheimischen in Dänemark. Die Berechnungen dokumentieren die besonders schlechte Arbeitsmarktintegration nicht-westlicher Einwanderer in Dänemark. Auch wenn entsprechende Analysen für Deutschland gleichfalls eine negative Bilanz für diese Zuwanderergruppe ergeben dürften, stellt sich in Dänemark deshalb die Aufgabe adäquater Integrationsanstrengungen (und einer zukünftig gezielteren Zuwandererauswahl) in besonders dringlicher Weise.
221
7
Das deutsche Zuwanderungsgesetz – Aufbruch zu neuen Ufern?
Der Vergleich der Arbeitsmarktintegration von Zuwanderern in Deutschland und Dänemark hat verdeutlicht, dass ihr Erfolg vor allem von den institutionellen – arbeitsmarktpolitischen und sozialstaatlichen – Regelungen des jeweiligen Aufnahmelandes abhängt, wobei Migranten nicht-westlicher Herkunft mit teils erheblichen Benachteiligungen konfrontiert sind. Die Zurückdrängung von Arbeitsmigration zugunsten der Einreise von Flüchtlingen und Familienangehörigen ist zudem eine wesentliche Ursache für eine abnehmende bzw. auf vergleichsweise geringem Niveau stagnierende Arbeitsmarktpartizipation von Zuwanderern nicht-westlicher Herkunft in beiden Ländern. Deutschland hat mit der Verabschiedung eines umfangreichen Zuwanderungsgesetzes seinen Willen bekundet, sowohl die Zuwanderung selbst als auch die gesellschaftliche Integration der Migranten auf eine neue Grundlage zu stellen. Der politische Mut, diesen von der Wirtschaftswissenschaft seit langem geforderten Schritt in Zeiten anhaltend hoher Arbeitslosigkeit zu tun, muss ausdrücklich gewürdigt werden. Die Politik akzeptiert damit den Status Deutschlands als eines Einwanderungslandes und erkennt den entsprechenden Handlungsbedarf endlich an. Insoweit kann diese Initiative durchaus auch Vorbildcharakter für Dänemark entfalten: Auch dort ließe sich der aus der Zuwanderung resultierende Wohlfahrtsgewinn bei Einführung entsprechender Regelwerke potenziell steigern. Allerdings sind Zweifel an der Vollständigkeit der in Deutschland nunmehr getroffenen zuwanderungsgesetzlichen Bestimmungen erlaubt. Insgesamt scheint die ökonomische Komponente des Zuwanderungsgesetzes zu gering ausgestaltet, als dass von ihr eine wirksame bedarfsgerechte Steuerung der Immigration erwartet werden könnte. Bevor im Folgenden diesen Aspekten anhand einer kritischen Bewertung der Gesetzesbestimmungen weiter nachgegangen werden soll, ist zunächst ein Wort über die grundsätzliche Notwendigkeit einer gesetzlichen Lenkung der Zuwanderung angebracht.1 1
Ein vollständiger Entwurf eines ökonomisch motivierten Zuwanderungskonzepts für Deutschland findet sich in Zimmermann et al. (2002).
222
7. Das deutsche Zuwanderungsgesetz – Aufbruch zu neuen Ufern?
7.1 Ausgangslage einer aktiven Zuwanderungspolitik Die Folgen des demographischen Wandels werden in Deutschland, aber keineswegs nur hier allein, in den kommenden Jahrzehnten spürbarer werden denn je. Insbesondere nach dem Jahr 2020 wird ein drastischer Schwund des Erwerbspersonenpotenzials einsetzen, verbunden mit einer merklichen Alterung der Gesellschaft. Nach Berechnungen des Instituts zur Zukunft der Arbeit dürfte die Zahl der Erwerbsfähigen, je nach Umfang der Zuwanderung, bis zum Jahr 2030 um bis zu 10 Millionen Personen zurückgehen (vgl. Abbildung 7.1). Selbst wenn die Zahl der Erwerbsfähigen oder auch diejenige der Beschäftigten keineswegs als fixe Größe verstanden werden darf, macht die Dimension des Rückgangs die Anpassungsprobleme doch offensichtlich. Ganz abgesehen von einem erheblichen Schwund an wirtschaftlicher Dynamik, der durch Rationalisierungsanstrengungen nicht aufzufangen wäre, würden die Finanzierungsnöte der sozialen Sicherungssysteme überhand nehmen. Besonders dramatisch wird übrigens der Rückgang des Anteils der Arbeitskräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung an der Gesamtbevölkerung ausfallen. Dennoch kann Zuwanderung nur ein Baustein einer Gesamtstrategie zur Bewältigung des demographischen Wandels sein. Weitere wichtige Stellschrauben befinden sich auf dem Gebiet der Erwerbsbeteiligung, der Geburtenhäufigkeit und der Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass eine Steigerung der Erwerbsbeteiligung, insbesondere von Frauen, nur über einen mittleren bis langen Zeitraum realisierbar scheint, und auch eine größere Geburtenhäufigkeit, selbst wenn sie sich erreichen ließe (was zweifelhaft ist), ihre Wirkungen erst rund zwei bis drei Jahrzehnte später entfalten könnte. Darüber hinaus sind die Entlastungseffekte dieser Maßnahmen von vornherein befristeter Natur und würden den Schrumpfungsprozess nur verlangsamen, während Wanderungseffekte die Altersstruktur der Bevölkerung wesentlich stärker beeinflussen. Eine deutliche Verlängerung der Lebensarbeitszeit durch einen frühzeitigeren Berufseinstieg und eine Hinausschiebung des Renteneintritts ließe sich zwar prinzipiell auf politischem Wege kurzfristig erreichen, aber auch ihr Niveaueffekt verpufft langfristig im Vergleich zu den dauerhaften Bestandseffekten der Zuwanderung. Nur eine Kombination verschiedener Maßnahmen wird letztlich dazu beitragen, den demographischen Wandel angemessen zu bewältigen und seine Folgen zu lindern. Ein Gedankenexperiment illustriert das mögliche Zusammenspiel der Bausteine einer solchen Gesamtstrategie (vgl. Abbildung 7.2). Unterstellt wird dabei, dass folgende Politikmaßnahmen zusammenkommen:
7.1 Ausgangslage einer aktiven Zuwanderungspolitik
223
Abbildung 7.1 Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (18-64 Jahre) in Abhängigkeit vom Wanderungssaldo, 2000-2030 48
Zahl der Erwerbspersonen [in Mio.]
46
44
42
40 Netto-Zuwanderung 300 000 Konstante Gesamtbevölkerung Netto-Zuwanderung 200 000 Netto-Zuwanderung 100 000 Netto-Zuwanderung 0 Keine Wanderungen
38
36 2000
2005
2010
2015
2020
2025
2030
Anmerkungen: Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter(18-64 Jahre) in Abhängigkeit vom Wanderungssaldo Annahme: Jährliche Fortzüge in Höhe von 500.000 Personen. Quelle: Berechnungen des IZA.
1. Eine familienfreundliche Politik, die zwar allenfalls langfristig zu einem geringfügigen Geburtenanstieg führen würde, die aber die Erwerbsbeteiligung von Frauen nach oben treiben könnte. Angenommen wird ein optimistisches, mittleres Szenario, das als Ergebnis einer solchen Politik maximal erreichbar erscheint. Schon an dieser Stelle beginnt freilich der Bereich des Fiktiven. Weder gibt es diese Politik schon, noch kann deshalb auch nur entfernt von ihren Wirkungen etwas zu spüren sein – sie würden erst deutlich zeitversetzt beginnen. 2. Eine Erhöhung des Renteneintrittsalters deutlich über das heutige Niveau hinaus. Alle vier Jahre würde in diesem Modell das Renteneintrittsalter um ein Jahr auf schließlich 70 Jahre angehoben – ein viel weitergehender Schritt also im Vergleich zu den derzeit in der politischen Diskussion befindlichen Modellen. 3. Eine aktive Migrationspolitik, die quantitativ und qualitativ steuernd in das Zuwanderungsgeschehen eingreift. Die Wanderungsszenarien reichen dabei vom völligen Verzicht auf Zuwanderung bis hin zu einem Wanderungssaldo von 300.000 Personen jährlich.
224
7. Das deutsche Zuwanderungsgesetz – Aufbruch zu neuen Ufern?
Abbildung 7.2 Zahl der Erwerbspersonen bei gesteigerter Erwerbsbeteiligung, Zunahme der Lebensarbeitszeit und Zuwanderung, 2000-2030 56
Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter [in Mio.]
54
52
50
48
46 Netto-Zuwanderung 300 000 Konstante Gesamtbevölkerung
44
Netto-Zuwanderung 200 000 Netto-Zuwanderung 100 000 42
Netto-Zuwanderung 0 Keine Wanderungen
40 2000
2005
2010
2015
2020
2025
2030
Anmerkungen: Zahl der Erwerbspersonen bei gesteigerter Erwerbsbeteiligung, Zunahme der Lebensarbeitszeit und Zuwanderung Annahmen: Mittlere Zunahme der Erwerbsbeteilung und Erhöhung des Rentenzugangsalters in Vierjahresintervallen um insgesamt 5 Jahre. Quelle: Berechnungen des IZA.
Im Zusammenspiel dieser – fiktiv als gleichzeitig greifend angenommenen – Maßnahmen zeigt sich nun sogar ein überraschend starker Effekt in die entgegengesetzte Richtung: Die Erwerbspersonenzahl steigt infolge des politischen Handelns zunächst deutlich an, wobei hier insbesondere das steigende Renteneintrittsalter eine maßgebliche Rolle spielt. Vordergründig scheint es nun gar so, als sei Zuwanderung aus demographischer Sicht gar nicht notwendig, weil es offenbar auch ohne sie gelingen kann, den demographischen Wandel zu kontrollieren. Einzustellen hätte die Gesellschaft sich dann allerdings auf die offensichtlichen Konsequenzen einer drastischen Vergreisung, die mit dem Schlagwort von der „absterbenden Dynamik“ nur unvollkommen beschrieben sind. Im Übrigen gehört nicht viel Phantasie dazu sich vorzustellen, dass es zu so weitreichenden Schritten, wie in dem Beispiel unterstellt, gar nicht erst kommen wird. Auch wird es mit solchen Maßnahmen nur möglich sein, den Prozess vorübergehend aufzuhalten. Als Lernergebnis gilt es aber festzuhalten, dass offenbar tatsächlich ein ganzes Maßnahmenbündel benötigt werden wird, um der Herausforderung des
7.1 Ausgangslage einer aktiven Zuwanderungspolitik
225
demographischen Wandels wirksam zu begegnen. Umfassende politische Reaktionen sind notwendig, die nur zum Teil auf Zuwanderungseffekte vertrauen, auf sie aber keinesfalls verzichten können. Ohne eine entsprechende Steuerung von Zuwanderung sind schmerzhafte Ausfälle an Humankapital und eine damit verbundene Gefährdung von Prosperität und sozialer Sicherung kaum zu vermeiden. Die rechtzeitige Erprobung eines effektiven Instrumentariums zur quantitativen und qualitativen Steuerung ökonomischer Zuwanderung ist die Voraussetzung dafür, ein bewährtes Verfahren zu einem späteren Zeitpunkt, wenn der demographische Wandel besonders markant hervortritt, wirksam einsetzen zu können. Zuwanderung kann nicht nur dazu beitragen, die notwendigen Korrekturen an anderer Stelle weniger schmerzhaft ausfallen zu lassen, sondern sie bewirkt auch wertvolle Struktureffekte, auf die Gesellschaft und Arbeitsmarkt nicht verzichten sollten. Entgegen der oft gegen ein Zuwanderungsgesetz vorgebrachten Bedenken, auf diese Weise würde der Umfang der Immigration ausgeweitet, gestattet in Wirklichkeit erst eine solche Gesetzgebung die Dosierung der Zuwanderung entsprechend dem erkannten wirtschaftlichen Bedarf oder anderen Gesichtspunkten. Befürchtungen hinsichtlich eines negativen Arbeitsmarkteffektes einer gesteuerten Arbeitsmigration sind nicht angebracht. Sie verkennen, dass es gerade die Funktion eines ökonomisch orientierten Zuwanderungsgesetzes ist, eine bedarfsgerechte Auswahl von Zuwanderern zu erlauben. Die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland ist nur scheinbar ein Argument gegen eine gezielt gesteuerte Zuwanderung. Denn die Arbeitsnachfrage entsteht durchweg im Segment höher qualifizierter Arbeit, also dort, wo sie von den in der Regel geringer qualifizierten Arbeitslosen nicht gedeckt werden kann. Dieser Bedarfslage nicht Rechnung zu tragen hieße, betriebliche Entwicklungschancen zu behindern; es hieße vor allem aber, Arbeitsplätze zu gefährden statt neue zu schaffen. Es wird also darauf ankommen zu lernen, mit einem Zustand wachsenden Arbeitskräftebedarfs trotz hoher Arbeitslosigkeit politisch verantwortungsbewusst umzugehen. Bildungspolitik kann die Defizite nur mittel- und langfristig lösen helfen, was nicht heißt, Anstrengungen auf diesem Feld hintanzustellen. Sie sind aber keine Antwort auf kurzfristige Bedarfssituationen auf dem Arbeitsmarkt und können auch nur indirekt etwas gegen den Humankapitalausfall im Zuge der demographischen Schrumpfung ausrichten. Der Faktor Qualifikation ist allerdings zuwanderungspolitisch von elementarer Bedeutung. Seit dem Ende der Gastarbeiteranwerbung 1973 ist die Migrationspolitik Deutschlands, Dä-
226
7. Das deutsche Zuwanderungsgesetz – Aufbruch zu neuen Ufern?
nemarks und der EU insgesamt weitgehend restriktiv betrieben worden – mit unerwünschten Nebenwirkungen. An die Stelle von Arbeitskräften sind der Familiennachzug und ein wachsender Zuzug von Asylsuchenden getreten. Nicht zuletzt deshalb bewegt sich das Qualifikationsniveau von Zuwanderern aus Drittstaaten in Deutschland und Dänemark wie in anderen EU-Ländern auch, deutlich unter dem Niveau der einheimischen Bevölkerung, während der Bildungsstand von EU-Binnenmigranten mit ihm in etwa gleichauf liegt, teils sogar darüber. Naturgemäß beeinflusst der bislang unterdurchschnittliche Anteil mittlerer und höherer Qualifikationen unter den Zuwanderern auch deren Arbeitslosigkeitsrisiko. Die alarmierend hohe Arbeitslosigkeit von Ausländern darf deshalb nicht überraschen. Aber sie ist keineswegs ein Beleg für die Abwegigkeit einer geregelten Arbeitsmigration – im Gegenteil. Auch diese Arbeitslosigkeit ist letztlich nichts anderes, als das Resultat einer zu lange zu ungeregelt verlaufenen Zuwanderung und nur bruchstückhafter Integrationsangebote. Sie ist die direkte Folge einer langjährig verfehlten Migrationspolitik. Unabhängig davon, dass bei der Bildung und Ausbildung von Immigranten nach wie vor erhebliche Defizite festzustellen sind und vor allem zu lange zu wenig Wert auf einen raschen und ausreichenden Spracherwerb gelegt worden ist, scheint die These nicht gewagt, dass die frühzeitige Einführung eines Zuwanderungsgesetzes mit klaren Zulassungskriterien für Arbeitsmigranten die Arbeitslosigkeit von Ausländern längst auf ein verträglicheres Maß hätte zurückführen können. Stattdessen steht ein immer geringerer Anteil der (nichtwestlichen) Zuwanderer dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Das ist vor allem Folge einer Politik, die eine Auswahl von Migranten entsprechend der Bedarfslage des Arbeitsmarktes in den letzten Jahrzehnten unterlassen, zugleich aber relativ großzügige Einreiseerlaubnisse aus familiären oder humanitären Gründen erteilt hat. Die weitgehende Inexistenz einer ökonomischen Zuwanderungsoption hat bislang den volkswirtschaftlichen Nutzen der Zuwanderung in Deutschland (und weit mehr noch in Dänemark) begrenzt.
7.2 Permanenter und temporärer Zuwanderungsbedarf Im Vorfeld des Inkrafttretens des ersten deutschen Zuwanderungsgesetzes ist die Einwanderungssituation Deutschlands nach wie vor durch zu wenig Transparenz, zu geringe quantitative Berechenbarkeit und weitgehend fehlende Auswahlmöglichkeiten gekennzeichnet. Dabei lässt sich der volkswirt-
7.2 Permanenter und temporärer Zuwanderungsbedarf
227
schaftliche Beitrag von Zuwanderern durch eine ökonomisch orientierte Reform der Zuwanderungsregelungen erheblich steigern. Mit Hilfe flexibel anzupassender Einreisequoten für bestimmte arbeitsmarktnahe Zuwanderergruppen und eines Auswahlsystems anhand von persönlichen Merkmalen der Zuwanderer (Alter, Bildungsstand, Arbeitserfahrung, Sprachkenntnisse usw.) lassen sich Regelungen finden, die für eine bessere Integrationsfähigkeit der Migranten und einen größeren gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtseffekt sorgen, ohne dass andere Einreiseformen wie die Asylsuche oder der Familiennachzug deshalb zwingend eingeschränkt werden müssten.2 Ein Zuwanderungsgesetz, das auch ökonomische Elemente enthält und überdies die Integration nach dem Prinzip des „Förderns und Forderns“ ausrichtet, kann die Handlungsmechanismen durchschaubarer machen, die öffentliche Diskussion versachlichen und die Basis für eine breitere Akzeptanz von Zuwanderung schaffen. Dazu gehört ein verantwortungsbewusster Umgang mit der Situation eines wachsenden Fachkräftemangels bei gleichzeitig hoher Arbeitslosigkeit im Niedrigqualifikationsbereich. Just hier vermag ein Zuwanderungsgesetz gezielt anzusetzen, indem es die (dauerhaften) Einreisemöglichkeiten für geringer qualifizierte Immigranten konsequent begrenzt und den Zuzug von Hochqualifizierten ebenso konsequent fördert. Dies entspräche der ökonomischen Logik: Zuwanderer, die in den Niedriglohnsektor drängen, könnten dort das Überangebot an Arbeitsuchenden verstärken und das Problem der Arbeitslosigkeit in diesem Segment verschärfen, sofern sie nicht lediglich Bedarfsspitzen etwa in Landwirtschaft oder Gastronomie auffangen. Eine solche Form jedenfalls der permanenten Zuwanderung sollte also im Rahmen des Möglichen vermieden werden. Qualifizierte Zuwanderer hingegen stoßen auf eine zunehmend unbefriedigte Bedarfssituation; ein Verdrängungswettbewerb zuungunsten einheimischer Bewerber ist hier im Regelfall nicht zu erwarten. Vielmehr kann die zusätzliche Beschäftigung qualifizierter Arbeitskräfte, an denen auf dem Arbeitsmarkt Knappheit herrscht, ebenso wie Investitionen oder Firmengründungen von Immigranten dazu beitragen, neue Beschäftigungschancen auch für Zulieferdienste im Niedriglohnbereich zu eröffnen. Substitutionseffekte werden verringert, Komplementäreffekte treten an ihre Stelle. Eine solche Form der Zuwanderung wäre also ausgesprochen wünschenswert. Somit wird eine ökonomisch motivierte Zuwanderungspolitik von vornherein notwendigerwei2
Vgl. dazu ausführlich Zimmermann et al. (2002), S. 217ff.
228
7. Das deutsche Zuwanderungsgesetz – Aufbruch zu neuen Ufern?
se selektiv wirken müssen. Sie muss sowohl begrenzende als auch öffnende Elemente beinhalten, um auf ein Überangebot an Arbeit ebenso wie auf eine Knappheit von Arbeitskräften reagieren zu können. Ohne die Vorgabe einer Höchstzahl von Einreiseerlaubnissen für verschiedene Zuwanderergruppen ist ein Auswahlprozess nicht sinnvoll durchzuführen. Dabei ist eine Orientierung sowohl an langfristigen demographischen Trends als auch eine effiziente Ermittlung des aktuell gegebenen Zuwanderungsbedarfs notwendig. Während der demographisch bedingte Bevölkerungsrückgang und der gesellschaftliche Alterungsprozess eine dauerhafte Zuwanderung geeigneter Personengruppen plausibel machen, lässt sich der aktuelle, für konjunkturelle Schwankungen anfällige Arbeitsmarktbedarf durch permanente Zuwanderung nicht adäquat decken, da hier auch Anpassungsreaktionen der heimischen Wirtschaft, bildungspolitische Erfolge und Qualifikationsanstrengungen der Arbeitnehmer in Rechnung zu stellen sind. In Ermangelung verlässlicher Daten zum tatsächlichen Bedarf an befristeter Arbeitsmigration3 sind hier demnach Verfahrensweisen zu entwickeln, die zu einer zuverlässigen „Selbstdiagnose“ der Unternehmen führen und sie in die Lage versetzen, den offen gelegten Arbeitskräftemangel unmittelbar durch Auswahl geeigneter Zuwanderer zu beheben. Unterschiedliche kurz- und langfristige Bedarfslagen erfordern eine entsprechend diversifizierte Reaktion der Politik in Form einer Doppelstrategie. Die permanente Immigration lässt sich sinnvoll über ein „Punktesystem“ nach international bewährten Vorbildern (etwa Kanadas) regeln. Es stellt Auswahlinstrumente zur Verfügung, um eine an den demographischen und ökonomischen Bedarfslagen orientierte Zusammensetzung der Zuwanderung zu erreichen. Innerhalb der Punktevergabe sind Kriterien wie Alter, Bildungsabschlüsse und Arbeitserfahrung oder das Vorliegen eines Arbeitsplatzangebots vorrangig zu gewichten. Unter Integrationsgesichtspunkten sollten vorherige Inlandsaufenthalte, verwandtschaftliche Beziehungen nach Deutschland, die Mitnahme von Kindern und – vor allem – Sprachkenntnisse gewichtet werden. Seiner Natur als dauerhaftes Zuwanderungsangebot entsprechend wären angemessene Integrationsangebote bereitzustellen, die sich auf ein „Vertragsverhältnis“ zwischen Zuwanderern und aufnehmender Gesellschaft gründen sollten. Demgegenüber wäre bei der Gestaltung eines Zuwanderungskanals für temporär einreisende Arbeitskräfte auf andere Gestaltungselemente Wert zu le3
Vgl. Zimmermann et al. (2002), S. 43 ff.
7.2 Permanenter und temporärer Zuwanderungsbedarf
229
gen. Lässt man Sonderformen befristeter Immigration etwa von Mitarbeitern multinationaler Unternehmen oder Wissenschaftlern außer Betracht, da sich für sie ohnehin keine ernsthafte Rechtfertigung limitierender staatlicher Eingriffe ergibt, so bleibt als Regelungsaufgabe die im Falle Deutschlands bisher eher zufällig bis willkürlich gehandhabte Einreise von Arbeitskräften in Segmente des Arbeitsmarktes mit unzureichendem Arbeitsangebot bestehen. Mit einem intelligenten Steuerungsmechanismus in Form eines Auktionssystems zur Versteigerung einer begrenzten Zahl zeitlich befristeter Einwanderungs- und Arbeitserlaubnisse an interessierte Unternehmen würde der tatsächliche Bedarf gewissermaßen „automatisch richtig“ abgebildet. Der Markt würde auf dieses Angebot reagieren und durch die Aktivitäten der Unternehmen diejenigen Segmente identifizieren, in denen tatsächlich Knappheit vorliegt. Ein Unternehmen wird nur dann an einer solchen Auktion teilnehmen oder in ihr verbleiben, wenn der zu erwartende Gewinn aus der Beschäftigung eines Zuwanderers die Kosten der Auktion und der Personalsuche übersteigt. Das wird durchweg nur dann der Fall sein, wenn der Bedarf auf dem einheimischen Arbeitsmarkt nicht gedeckt werden kann. Mit der Vorgabe eines Mindestgebots kann dieses Ziel unterstrichen werden. Für kleinere Unternehmen sind kennziffernorientierte Sonderregelungen denkbar, die auch sie in der Auktion zum Zuge kommen lassen. Ein solches Verfahren wäre anderen denkbaren Optionen (Gebührensystem, behördliche Ermessensentscheidung) durch die zielgenaue Verknüpfung von Bedarfsanalyse und Bedarfsdeckung deutlich überlegen. Es lieferte den staatlichen Stellen zudem wertvolle Informationen über existierende Personalengpässe, auf die dann nicht zuletzt bildungspolitisch reagiert werden könnte. Auch die erwirtschafteten Auktionserlöse könnten dem Bildungssystem zur Verfügung gestellt werden. Der Umfang der zuzulassenden Zuwanderung sollte dabei gar nicht einmal im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Entsprechend flexible gesetzliche Bestimmungen zur Festlegung (jährlicher) Quoten und zur Fixierung der Zahl der in kürzeren Zeitabständen zur Auktion kommenden Zuwanderungszertifikate vorausgesetzt, könnte hier mit zunächst geringen Zuzugszahlen ein Anfang gemacht und später, auf der Grundlage der gesammelten Erfahrungen, eine genauere Steuerung vorgenommen werden. Die Etablierung eines Zuwanderungsgesetzes wird stets auch ein Element des Experimentellen beinhalten müssen, wenn sie letztlich erfolgreich gelingen soll. Nimmt man den langjährigen Durchschnitt der Zuzüge nach Deutschland zum Maßstab und bringt alle wichtigen, als nicht weiter steuerbar anzusehenden Zuwanderergruppen (EUBürger, Spätaussiedler, ausländische Familienangehörige, Flüchtlinge) in Ab-
230
7. Das deutsche Zuwanderungsgesetz – Aufbruch zu neuen Ufern?
zug, verbleibt ein nennenswerter Umfang einer prinzipiell steuerbaren dauerhaften Immigration. Hier könnte selbst dann gestaltend eingegriffen werden, wenn zugleich das Ziel einer Zuzugsreduzierung verfolgt werden soll.4 Auch unter Berücksichtigung des Zuwanderungsaufkommens, das nach Gewährung der vollen Freizügigkeitsrechte an die Bürger der im Jahr 2004 der Europäischen Union beigetretenen mittel- und osteuropäischen Staaten zu erwarten sein wird, ergibt sich keine grundsätzlich veränderte Konstellation.5 Der Umfang dieser Ost-West-Migration wird quantitativ bei weitem nicht ausreichen, um den Schwund bei den Erwerbsfähigen auszugleichen. Aus deutscher Sicht gäbe es triftige Gründe, im Vorgriff auf die Freizügigkeit bereits heute zuwanderungsrechtlich mit Quoten- oder Sonderregelungen auf eine gezielte Zuwanderung aus Osteuropa hinzuwirken: Eine allzu lange zeitliche Verzögerung der Freizügigkeit birgt das Risiko, dass die „besten“ der migrationswilligen Osteuropäer sich unterdessen für andere Wanderungsoptionen entscheiden. Gleichzeitig dürfte die illegale Migration von geringer Qualifizierten zunehmen, die zu einem späteren Zeitpunkt mit einer Generalamnestie rechnen können. Darüber hinaus braucht die Erschließung der Märkte in den Beitrittsländern strategische Vorbereitung. Zuwanderer aus den künftigen EU-Staaten verfügen über wichtige Sprachkenntnisse und kulturelles Kapital aus den Ländern, mit denen wir Handel treiben wollen. Beides könnte dabei helfen, die deutschen Unternehmen in eine günstigere Wettbewerbssituation zu versetzen. Im Übrigen haben sich die alten EU-Staaten ausdrücklich das Recht vorbehalten, auch vor der Gewährung der Freizügigkeitsrechte für Menschen und Dienstleistungen einzelstaatliche Vorabregelungen zu treffen. Konkret ist in den Katalog der Möglichkeiten auch die Festlegung von nationalen Quoten aufgenommen worden, was die Möglichkeit einer bedarfsorientierten Zuwanderung von Fachkräften einschließt. Genau diese Möglichkeit sollte Deutschland nutzen, um auf intelligente und strategisch sinnvolle Weise Bedarfslükken auf dem Arbeitsmarkt aufzufüllen. Die EU-Osterweiterung wird eine Reaktion auf dem Feld der Zuwanderung aus den so genannten Drittstaaten förmlich erzwingen. Da die neue OstWest-Migration ab dem Zeitpunkt der Freizügigkeit nicht mehr gesetzlich steuerbar sein wird, ist umso mehr ein Steuerungsmechanismus für die Einreise aus anderen Ländern erforderlich. Dabei geht es zwar auch, aber nicht zen4
Vgl. Zimmermann et al. (2002), S. 223 ff.
7.3 Bewertung des deutschen Zuwanderungs- und Integrationsgesetzes
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tral um das Ziel der Begrenzung, sondern vor allem darum, Einfluss auf die Qualität dieser Zuwanderung zu nehmen. Auswahlmechanismen sind an dieser Stelle spätestens dann unabdingbar. Eine ausdrücklich ökonomisch motivierte Zuwanderungsstrategie ist im Übrigen auch erforderlich, um Deutschland als Zuwanderungsland für potenzielle Migranten zu etablieren. Gegenüber anderen Zielländern von hochqualifizierten Zuwanderern weist Deutschland zurzeit noch erhebliche Wettbewerbsnachteile auf. Der Umfang des Zuzugs nach Deutschland versperrt leicht den Blick dafür, dass gerade die Migrationsentscheidung von Hochqualifizierten aus den vielfältigsten Gründen zu oft gegen Deutschland ausfällt – sei es, dass unmittelbar die Einreise in die USA, nach Großbritannien, Kanada oder Australien angestrebt wird; sei es, dass Deutschland lediglich als Gastund Transitland bis zur erfolgreichen Bewerbung um einen Platz als Immigrant in einem dieser Länder betrachtet wird; sei es, dass das vorhandene Integrationsangebot als nicht attraktiv genug erachtet wird. Um dieses Humankapital wird regelrecht geworben werden müssen. Es fehlt bislang sowohl am entsprechenden Zuwanderungs- als auch am adäquat gestalteten Integrationsangebot. Dies akzentuiert die Notwendigkeit, frühzeitig eine deutsche Zuwanderungspolitik unter ökonomischen Vorzeichen zu etablieren, die sich im Wettbewerb um das knappe Humankapital zu behaupten vermag.
7.3 Bewertung des deutschen Zuwanderungsund Integrationsgesetzes Der langjährige Verzicht Deutschlands auf ein umfassendes Zuwanderungsgesetz ist umso weniger verständlich, zieht man die bereits seit den 1990er Jahren für die Immigration von Spätaussiedlern getroffenen Regelungen in Betracht. De facto ist ausgerechnet diese Sonderform der Zuwanderung von Deutschstämmigen schrittweise auf eine zuwanderungsgesetzliche Basis mit limitierten Zuzugsquoten und Auswahlkriterien in Form von Sprachtests gestellt worden. Obwohl damit der Nachweis der Wirksamkeit eines zuwanderungsrechtlichen Instrumentariums erbracht worden war, blieben entsprechende Schritte zur Steuerung auch der Einreise von Ausländern zunächst aus. Stattdessen sorgten der unkalkulierbare Zuzug und eine quälend lange Diskussion über die Notwendigkeit eines lenkenden Eingriffs der Politik in das Zuwanderungsgeschehen für einen akuten „Reformstau“ auf diesem Gebiet, der durch das Scheitern des bereits verabschiedeten Zuwanderungsgesetzentwurfs der Bundesregierung an formalen Ablehnungsgründen des Bundes-
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7. Das deutsche Zuwanderungsgesetz – Aufbruch zu neuen Ufern?
verfassungsgerichts eine neuerliche – groteske – Verlängerung erfuhr. Mit diesem Gesetzentwurf hatte die Politik Teile der Empfehlungen der „Unabhängigen Kommission ‚Zuwanderung’ der Bundesregierung“6 umsetzen wollen. Im Zuge der sich anschließenden erneuten politischen Verhandlungen erfuhr dieser Gesetzentwurf eine nochmalige bedeutsame Veränderung, vor allem im Hinblick auf Aspekte der Inneren Sicherheit, bevor er schließlich im Juli 2004 mit breiter parlamentarischer Mehrheit verabschiedet wurde. 7.3.1 Steuerung der Zuwanderung: Protektionismus oder Liberalisierung?
Dieses hohe Maß an politischer Zustimmung ist einer der wesentlichen, keinesfalls gering zu schätzenden Vorzüge des Gesetzes, das ansonsten jedoch weit hinter den vom Institut zur Zukunft der Arbeit und der „Unabhängigen Kommission ‚Zuwanderung’ der Bundesregierung“ vorgelegten Konzeptionen zur Arbeitsmigration zurückbleibt.7 Von besonders gravierender Bedeutung ist der vollständige Verzicht auf das im ursprünglichen Gesetzentwurf noch vorgesehene Auswahlverfahren für die dauerhafte Arbeitsmigration (§ 20 Zuwanderungsgesetz in der Fassung vom 20. Juni 2002; vgl. Dokumentation im Anhang). Nach dieser nun ersatzlos entfallenen Regelung hätte eine bestimmte Zahl qualifizierter Arbeitskräfte – unabhängig von einem konkreten Arbeitsplatzangebot, orientiert allein an den wirtschaftlichen Interessen Deutschlands – eine dauerhafte Zuwanderungserlaubnis erhalten können, sofern sich die zuständigen Behörden zuvor einvernehmlich auf eine Quotierung verständigt hätten. Allerdings war geplant, diese Regelung erst mit Beginn des Jahres 2010 in Kraft treten zu lassen. Bewerbungen im Rahmen des Auswahlverfahrens hätten nach einem Punktesystem unter Berücksichtigung vor allem von Alter, Gesundheit, Ausbildung, Familienstand, Herkunftsland, Sprachkenntnissen und Beziehungen zu Deutschland bewertet werden sollen. Auch auf bereits im Land ansässige Zuwanderer hätte die Regelung Anwendung gefunden; darüber hinaus war eine bevorzugte Behandlung von Staatsangehörigen der mittel- und osteuropäischen EU-Beitrittsländer vorgesehen. Gewiss: An einer solchen Regelung hätte zu Recht kritisiert werden können, dass die vorgesehene Einvernehmlichkeit der Entscheidung von Bundesagentur für Arbeit und neuem Bundesamt für Migration einen unnötigen bürokrati6 7
Vgl. Unabhängige Kommission Zuwanderung (2001) und Zimmermann et al. (2002). Eine kritische Würdigung erfolgt hier nur für die arbeitsmarktrelevanten Teile des Zuwanderungsgesetzes.
7.3 Bewertung des deutschen Zuwanderungs- und Integrationsgesetzes
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schen Aufwand mit „Verhinderungscharakter“ erzeugt hätte und insoweit womöglich eher Rechtsunsicherheit eingetreten denn ein entscheidender Schritt zur Verbesserung der Attraktivität Deutschlands für qualifizierte Migranten getan worden wäre. Zweifellos wäre die Empfehlung von Zuwanderungskontingenten durch eine unabhängige Expertenkommission mit anschließender parlamentarischer Beschlussfassung ein vorteilhafterer Verfahrensweg gewesen. Dennoch ist der völlige Verzicht auf das Punktesystem unter ökonomischen Gesichtspunkten eine falsche Entscheidung – das Zuwanderungsgesetz gibt damit seinen zentralen Bestandteil ohne jede substanzielle Begründung auf und nimmt sich selbst die Möglichkeit einer aktiven Steuerung dort, wo sie besonders sinnvoll zu leisten wäre. Diese Kritik ist allerdings in Relation zum dennoch Erreichten zu sehen. Allein die Existenz des Zuwanderungsgesetzes ist ein elementarer, vor wenigen Jahren nicht für möglich gehaltener Fortschritt, mit dem Deutschland nicht zuletzt auch die migrationspolitische Initiative in der Europäischen Union übernommen hat. Erstmals wird überhaupt die Arbeitsmigration als eigenständige Zuwanderungsform mit der Perspektive des Daueraufenthalts betrachtet. Zugleich wird das Dickicht der diversen Aufenthaltstitel für diesen Personenkreis gelichtet; nach einem Mindestaufenthalt von fünf Jahren und der Erfüllung weiterer Bedingungen wie Spracherwerb und Zahlung von 60 Monatsbeiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung kann anstelle der bis dahin befristeten Aufenthaltserlaubnis fortan eine unbefristete und uneingeschränkte Niederlassungserlaubnis erteilt werden. Das ist ein wesentlicher Fortschritt gegenüber der geltenden, kaum durchschaubaren Rechtslage (§§ 7-9 Zuwanderungsgesetz; vgl. auch zum Folgenden die Dokumentation im Anhang). Bedeutsam sind auch die Neuregelungen für die Einreise von Studierenden nach Deutschland. Mussten diese bislang im Regelfall nach Abschluss des Studiums das Land verlassen, so wird ihnen nun für die Dauer von längstens einem Jahr die Möglichkeit eingeräumt, einen „angemessenen“ Arbeitsplatz nach Studienende zu finden und somit aus dem befristeten gegebenenfalls einen Daueraufenthalt zu machen (§ 16 Zuwanderungsgesetz). Das ist eine längst überfällige Antwort auf den wenig rationalen Zustand, ausgerechnet diejenigen hochqualifizierten Studierenden zum Verlassen des Landes zu zwingen, an denen ein potenziell großes arbeitsmarktpolitisches Interesse besteht. Die Neuregelung kann einen ersten Anknüpfungspunkt zur Stärkung der Attraktivität Deutschlands als Bildungsstandort erbringen und Hochqualifizierte frühzeitig an Deutschland binden.
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7. Das deutsche Zuwanderungsgesetz – Aufbruch zu neuen Ufern?
Die generellen Regelungen zur Beschäftigungsaufnahme von Zuwanderern bedeuten einen erkennbaren Fortschritt dahingehend, dass fortan nicht mehr neben einer Aufenthalts- auch eine gesonderte Arbeitsgenehmigung für Arbeitsmigranten erforderlich sein wird. Die Erteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis zum Zweck einer geringqualifizierten Erwerbstätigkeit wird im Regelfall sinnvollerweise ausgeschlossen (§ 18 Zuwanderungsgesetz), zumal das Zuwanderungsgesetz die bestehenden Sonderregelungen zur Einreise von Saisonarbeitskräften und Werkvertragsarbeitnehmern vorläufig nicht tangiert. Da diese jedoch als Folge der EU-Osterweiterung mittelfristig einer grundsätzlichen Anpassung bedürfen, wird dann auch der Ausschluss von Geringqualifizierten aus dem Regelwerk des Zuwanderungsgesetzes erneut überprüft werden müssen, da dann auch in diesem Segment – abhängig freilich auch von der Effektivität der Zumutbarkeitsbedingungen für einheimische Arbeitsuchende – ein gewisser Bedarf gegeben sein wird. Skepsis ist angebracht im Hinblick auf die Befassung der Ausländerbehörden mit „allgemeinen ausländerrechtlichen Erwägungen“ und „gegebenenfalls migrationspolitische[n] Gesichtspunkte[n]“ als Vorausbedingung einer Entscheidung der Bundesagentur für Arbeit. Eine transparente Entscheidungsfindung wird daraus nicht notwendigerweise resultieren. Im Übrigen handelt es sich hier um die einzigen Regelungen des Zuwanderungsgesetzes im Hinblick auf die temporäre Arbeitsmigration. Der Informationsstand der Bundesagentur für Arbeit erscheint jedoch gerade in Bezug auf den kurzfristigen Fachkräftebedarf keineswegs ausreichend. Dies birgt die Gefahr willkürlicher oder protektionistischer Entscheidungen am Bedarf vorbei. Es kann auch nicht ernsthaft davon gesprochen werden, dass die Einbeziehung auch noch des Verwaltungsausschusses der zuständigen lokalen bzw. regionalen Agentur für Arbeit die Entscheidungswege „flexibilisiert und erleichtert“ (§ 39 Zuwanderungsgesetz, Begründungstext). Die Praxis wird erweisen, inwieweit diese Regelungen restriktiv oder pragmatisch ausgelegt werden. Einen Ersatz für ein marktorientiertes Verfahren, wie es in Form des Auktionssystems oder denkbarer Zwischenschritte auf dem Weg dorthin ratsam wäre, stellen sie jedenfalls nicht dar. Gleichfalls bleiben die besonderen Belange multinational tätiger Unternehmen ohne Berücksichtigung. Hier wäre in Abweichung von den geltenden Regelungen der Anwerbestopp-Ausnahmeverordnung ein beschleunigtes Prüfverfahren für die Einreise und befristete Erwerbstätigkeit von Fachkräften am deutschen Standort des Unternehmens ratsam gewesen.
7.3 Bewertung des deutschen Zuwanderungs- und Integrationsgesetzes
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Sinnvoll ist prinzipiell die Regelung zur sofortigen Erteilung einer uneingeschränkten Niederlassungserlaubnis für Hochqualifizierte ohne das Erfordernis eines vorherigen Mindestaufenthalts. Dieses Angebot richtet sich ausdrücklich an besonders qualifizierte Wissenschaftler und Lehrpersonal, aber auch an sonstige Spezialisten und leitende Angestellte. Dass dabei wiederum die schier allgegenwärtige Entscheidungsgewalt der Bundesagentur für Arbeit zur Geltung kommt, ohne deren Zustimmung selbst eine Arbeitsaufnahme von Hochqualifzierten praktisch unmöglich wird, muss jedoch stark einschränkend vermerkt werden. Überdies ist eine Prognose (der zuständigen Ausländerbehörde) über die gesellschaftliche Integrationsfähigkeit der in Frage kommenden Zuwanderer vorgesehen. Ein solches Verfahren dürfte potenziell nicht dazu geeignet sein, unbürokratische, rasche Entscheidungen herbeizuführen, sondern gibt dem Ermessen unnötig großen Spielraum. Handelt es sich bei den Bewerbern um hochqualifizierte Fachkräfte mit entsprechendem Bildungshintergrund, so sind Arbeitsmarkterfolg und Integration von vornherein günstig zu beurteilen; Arbeitsmarktprüfung und Integrationsprognose erscheinen ebenso überflüssig wie die Voraussetzung eines konkreten Arbeitsplatzangebots. Erstmals findet das Zuwanderungsgesetz eine Regelung zur Einreise und Erwerbstätigkeit ausländischer Selbständiger (§ 21 Zuwanderungsgesetz). War für diese Zuwanderergruppe bislang eine Arbeitsgenehmigung erst nach fünf- bzw. achtjährigem Mindestaufenthalt und ansonsten ausschließlich auf dem Wege behördlichen Ermessens erteilt worden, so tritt nunmehr eine wesentliche Vereinfachung in Kraft, die auf die positiven gesamtwirtschaftlichen Wirkungen abstellt. Doch auch hier überwiegt bei aller Zustimmung zum erreichten Fortschritt letztlich doch die Kritik an der mangelnden „Unternehmerfreundlichkeit“. Zu bemängeln ist gar nicht einmal die Fixierung eines Mindestinvestitionsvolumens und einer Mindestzahl zu schaffender neuer Arbeitsplätze. Denn an die Stelle dieser Schwellenwerte kann die Prüfung der „Tragfähigkeit der Geschäftsidee“ und ihrer ökonomischen Auswirkungen treten. Problematisch ist vielmehr, die „fachkundigen Körperschaften, die zuständigen Gewerbebehörden, die öffentlich-rechtlichen Berufsvertretungen und die für die Berufszulassung zuständigen Behörden“ mit dieser Prüfung zu befassen. Das erscheint abwegig – die Involvierung der Interessenverbände einheimischer Unternehmen gleicht geradezu einer Aufforderung zum Protektionismus. Das Kriterium unternehmerischer Erfahrung ist im Hinblick auf den zu erbringen-
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7. Das deutsche Zuwanderungsgesetz – Aufbruch zu neuen Ufern?
den Finanzierungsnachweis ebenso überflüssig wie der zu überprüfende Aspekt eines Beitrags zu Forschung und Innovation. Ausreichende Kriterien sollten allein die gesicherte Finanzierung des Vorhabens und eine Prüfung der Realisierung im Zeitverlauf sein. Die zunächst dreijährige Befristung des Aufenthalts korrespondiert zwar mit dieser vorgesehenen Bewertung des Geschäftserfolgs, wirkt aber insoweit ihrerseits willkürlich, als hier wiederum behördliches Ermessen Regie führen soll, statt allein auf die eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts abzustellen. Das lässt unsachgemäße Entscheidungen und einen gewissen abschreckenden Effekt vorausahnen, zumal nicht jede Existenzgründung bereits in der Frist von drei Jahren zu einem erkennbaren Erfolg führen wird. Sehr plausibel wiederum erscheint die Option, nach dreijährigem Aufenthalt und bei entsprechendem wirtschaftlichen Erfolg in den Status einer dauerhaften Niederlassungserlaubnis wechseln zu können. Unverständlicherweise misst das neue Zuwanderungsgesetz der Zuwanderung von Investoren keinerlei Bedeutung zu. Wie Unternehmer würden auch Investoren, die einen hohen Betrag in ein bestehendes Unternehmen oder einen Strukturfonds mit dem Charakter einer Staatsanleihe einzahlen, Arbeitsplätze für einheimische Arbeitskräfte schaffen. Auch hierfür hätte eine spezifische Regelung gefunden werden sollen. Alle genannten Regelungen involvieren stets die fachliche Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit. Daraus dürfte ein gravierendes strukturelles Defizit des Zuwanderungsgesetzes erwachsen, denn der Behörde wird damit ein erheblicher Prüfungs- und Entscheidungsaufwand zu einer Zeit aufgebürdet, da eigentlich sinnvollerweise eine Beschränkung der Aufgaben der Bundesagentur auf ihre Kernzuständigkeit der Arbeitsvermittlung herbeigeführt werden sollte. Inwieweit die im Gesetz nur koordinierend und beratend angelegten Funktionen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (§ 75 Zuwanderungsgesetz) ausreichend sein werden, das Überlastungsrisiko der Bundesagentur und damit die Gefahr bürokratisch-sachferner Entscheidungen gering zu halten, darf bezweifelt werden. Hinzu kommt ein schon im Ansatz unnötig aufwendiges Prüfverfahren, das von der Bundesagentur für Arbeit durchzuführen sein wird. Es beschränkt sich nicht auf die Feststellung der Verfügbarkeit einheimischer oder sonst bevorrechtigter Arbeitsuchender für den jeweiligen Arbeitsplatz, sondern verlangt überdies eine Analyse, ob „nachteilige Auswirkungen auf den Arbeits-
7.3 Bewertung des deutschen Zuwanderungs- und Integrationsgesetzes
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markt, insbesondere hinsichtlich der Beschäftigungsstruktur, der Regionen und der Wirtschaftszweige“ zu erwarten sein könnten (§ 39 Abs. 2 Zuwanderungsgesetz). Es leuchtet allerdings nicht ein, warum im Falle einer zugunsten des ausländischen Bewerbers erfolgten Vorrangprüfung diese Zweitprüfung überhaupt notwendig sein sollte: Ist der Arbeitsplatz anders nicht zu besetzen, sind durch seine Vergabe an einen Zuwanderer per se keine negativen ökonomischen Folgen zu erwarten. Ausreichend erscheint im Übrigen anstelle der individuellen Vorrangprüfung, die einen entsprechenden bürokratischen Aufwand bedingt, das Kriterium eines über die Dauer einiger Monate von der zuständigen Agentur für Arbeit nicht zu besetzenden Arbeitsplatzes. Für die ebenfalls vorgesehenen Sonderfallentscheidungen für einzelne Berufsgruppen und Wirtschaftszweige gilt das bereits oben Gesagte – die bei der Bundesagentur für Arbeit hierüber vorliegenden Informationen werden kaum ausreichend sein, um jeweils angemessene Entscheidungen treffen zu können. Der Gesetzgeber hat sich in dieser Hinsicht immerhin ein auf dem Verordnungswege greifendes Recht zu alternativen Regelungen vorbehalten (§ 42 Zuwanderungsgesetz), von dem abzuwarten bleibt, ob es (wenn überhaupt) eher liberalisierend oder restringierend ausgefüllt werden wird. Ordnungspolitisch vollzieht das Zuwanderungsgesetz, indem es die bestehende Rechtslage im Wesentlichen fortschreibt, an dieser Stelle überdies eine Gratwanderung: Die Zustimmung der Bundesagentur zur Ausländerbeschäftigung „kann die Dauer und die berufliche Tätigkeit festlegen sowie die Beschäftigung auf bestimmte Betriebe oder Bezirke beschränken“ (§ 39 Abs. 4 Zuwanderungsgesetz). Sofern von dieser Regelung lediglich zu Beginn des Aufenthalts der Zuwanderer Gebrauch gemacht würde, wäre sie in mancher Hinsicht durchaus als ein hilfreiches, weil befristetes Steuerungsinstrument zu sehen; allerdings bleibt zu befürchten, dass eine längerfristige Anwendung die Regel sein wird, die (von verfassungsrechtlichen Bedenken abgesehen) ökonomischen Vernunftaspekten potenziell zuwider laufen würde. Das gleichfalls vorgesehene Unterbietungsverbot (§ 39 Abs. 2 Zuwanderungsgesetz) gehorcht vorrangig politischen Erwägungen zum Schutz der Interessen inländischer Beschäftigter. Es wäre naiv, einen Verzicht auf solche Bestimmungen zu verlangen, auch wenn darauf hinzuweisen ist, dass gerade eine Lohnspreizung in den unteren Einkommenssegmenten die Beschäftigungsaussichten für bereits in Deutschland ansässige Zuwanderergruppen vorwiegend nicht-westlicher Herkunft verbessern und ihre Transferabhängigkeit verringern würde. Ähnliches gilt für die Vorschrift zur Versagung einer Aufenthaltserlaubnis im Falle einer Beschäftigung des Zuwanderers als
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7. Das deutsche Zuwanderungsgesetz – Aufbruch zu neuen Ufern?
Leiharbeitnehmer (§ 40 Zuwanderungsgesetz). Auch hier bewirkt die Regelung einen prinzipiellen Vorrang einheimischer Leiharbeitnehmer, der einsichtig wäre, fände nicht gerade auf diesem Wege in besonderer Weise ein flexibler und rascher Ausgleich von Arbeitsmarktbedarfslagen statt, den das Verbot behindert. Insgesamt ergibt sich der Eindruck eines bürokratisch überfrachteten, auf die entscheidende Gestaltungschance eines Auswahlverfahrens für dauerhaft einreisende Immigranten „mutwillig“ verzichtenden Gesetzesteils zur Regelung der Zuwanderung. Dennoch bleibt als Zwischenfazit ein positives Gesamturteil – das Gesetz bereitet ungeachtet der kritik- und verbesserungswürdigen Einzelregelungen erstmals eine Grundlage für eine Neubestimmung der deutschen Zuwanderungspolitik, die auch ökonomische Belange stärker in den Blick nimmt. 7.3.2 Regelungen zur Integration: Förderung und Forderung!
Als ein wesentlicher Kritikpunkt an der bis in das Jahr 2004 hinein praktizierten Zuwanderungspolitik ist der insgesamt unzulängliche Charakter der mit ihr einhergehenden Integrationsangebote anzusehen. Weder gab es bislang ein flächendeckendes Angebot an Integrationskursen noch ein überzeugendes Konzept für den Spracherwerb der Immigranten, das sich anreizorientierter oder sanktionsbewehrter Elemente bedient hätte, um den Teilnahmeund Lernerfolg zu stimulieren.8 Das neue Zuwanderungsgesetz nimmt hier eine fundamentale, generell begrüßenswerte Neuorientierung vor. Ab dem Jahr 2005 werden Basis- und Aufbausprachkurse zur „Erlangung ausreichender Sprachkenntnisse“ und ein „Orientierungskurs zur Vermittlung von Kenntnissen der Rechtsordnung, der Kultur und der Geschichte in Deutschland“ angeboten (§ 43 Abs. 3 Zuwanderungsgesetz). Die Bundesregierung wird durch das Gesetz ermächtigt, alle notwendigen Regelungen ohne Zustimmung des Bundesrates zu treffen; das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge übernimmt neben der Entwicklung der Kursstruktur und von Lerninhalten auch die organisatorische Durchführung der Integrationskurse, wobei es sowohl auf private wie auch auf öffentliche Träger zurückgreifen kann (§ 43, Abs. 3, 4 und § 75 Zuwanderungsgesetz). Mit Ausnahme von schulpflichtigen Ausländern, Einwanderern mit „erkennbar geringem Integrationsbedarf“ und solchen mit bereits ausreichenden 8
Vgl. dazu u. a. den Überblick in DeVoretz et al. (2002).
7.3 Bewertung des deutschen Zuwanderungs- und Integrationsgesetzes
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Sprachkenntnissen sind alle neu einreisenden Immigranten und aus humanitären Gründen aufgenommene Ausländer zur Teilnahme an einem Integrationskurs berechtigt (§ 44 Zuwanderungsgesetz). Eine Teilnahmepflicht besteht für Migranten, die sich „nicht auf einfache Art in deutscher Sprache mündlich verständigen“ können, von der zuständigen Ausländerbehörde bzw. einer Sozialtransfers auszahlenden Behörde zur Teilnahme aufgefordert worden sind oder für die seitens der Ausländerbehörde eine besondere Integrationsbedürftigkeit festgestellt worden ist. Ausnahmen gelten, abgesehen von Einzelfallregelungen, nur für ausländische Auszubildende oder bei Nachweis der „Teilnahme an vergleichbaren Bildungsangeboten im Bundesgebiet“ (§ 44a Zuwanderungsgesetz). Die Kosten für die Integrationskurse trägt der Bund. Das Zuwanderungsgesetz sieht darüber hinaus aber auch eine Kostenbeteiligung der Zuwanderer „in angemessenem Umfang“ vor. Vorstellbar ist hier auch eine Kostenübernahme durch den Arbeitgeber. Die erfolgreiche Kursteilnahme soll durch eine „vom Kursträger auszustellende Bescheinigung über den erfolgreich abgelegten Abschlusstest nachgewiesen“ werden (§ 43 Abs. 3 Zuwanderungsgesetz). Gleichzeitig etabliert das Gesetz verschiedene Sanktions- und Anreizmechanismen, die für die Sinnfälligkeit des Gesamtprojekts von besonderer Bedeutung sind. Genügt ein Zuwanderer seiner Teilnahmepflicht nicht, soll ihn die Ausländerbehörde unmittelbar auf die damit verbundenen Folgen hinweisen. Hierzu zählen die Möglichkeit, die erteilte befristete Aufenthaltserlaubnis nicht zu verlängern (§ 8, Abs. 3 Zuwanderungsgesetz), eine unbefristete Niederlassungserlaubnis trotz ansonsten erfüllter Bedingungen nicht zu erteilen (§ 9 Abs. 2, Nr. 7-8 Zuwanderungsgesetz) oder eine vorzeitige Einbürgerung zu verwehren (Art. 5 Ziff. 7, § 10 Abs. 3 Zuwanderungsgesetz). Beziehern von Sozialtransfers drohen darüber hinaus Leistungskürzungen von bis zu 10 Prozent bei Verletzung der Teilnahmepflicht (§ 44a Abs. 3 Zuwanderungsgesetz). Auf diese Weise wird eine Mischung aus „Push and pull“-Faktoren erreicht, von der angenommen werden kann, dass sie nicht ohne Einfluss auf die Teilnahmebereitschaft der Migranten sein wird. Auch wenn das Zuwanderungsgesetz im Hinblick auf die darin enthaltenen Bausteine zur Integrationsförderung also insgesamt positiv bewertet werden kann, sollen einige Kritikpunkte nicht unerwähnt bleiben. So fällt auf, dass zum Lerninhalt der Integrationskurse offensichtlich nicht wie im Falle des dänischen Pendants auch arbeitsmarktbezogene Aktivierungsmaßnahmen zählen sollen. Die Beschränkung auf rechtliche, kulturelle und geschichtliche Landeskunde erscheint zu eng und sollte tunlichst zugunsten eigenständiger ökonomischer Lernbausteine aufgegeben werden. Dies wäre angesichts der
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7. Das deutsche Zuwanderungsgesetz – Aufbruch zu neuen Ufern?
unverändert problematischen Arbeitsmarktsituation einzelner Zuwanderergruppen dringend notwendig. Da dem Spracherwerb eine zentrale Funktion auch für die erfolgreiche Arbeitsmarktintegration zukommt, ist ferner zu fragen, ob die entsprechenden Lernanreize hinreichend sind. Optional könnte ein obligatorischer Sprachtest vor oder unmittelbar nach der Einreise ins Bundesgebiet vorgesehen werden. Wer ihn nicht besteht, hätte eine Kaution zu entrichten, die nach dem erfolgreichen Besuch eines privaten Sprachkurses in Deutschland binnen einer festgesetzten Frist ganz oder unter Abzug anteiliger Kursgebühren rückzahlbar wäre. Damit würde der Anreiz zur erfolgreichen Teilnahme an solchen Kursen gesteigert. In diesem Zusammenhang erscheint auch die Verkürzung der Einbürgerungsfrist um nur ein Jahr von acht auf sieben Jahre im Falle des erfolgreichen Besuchs der Integrationskurse als nicht ausreichend. Das Integrationsangebot sollte sich auf eine Art „Vertragsverhältnis“ zwischen Zuwanderer und aufnehmender Gesellschaft gründen und nach einer „Probezeit“ eine noch frühzeitigere Einbürgerung ermöglichen. Das „Integrationspaket“ hat einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Migrationsentscheidung und den Arbeitsmarkterfolg der Zuwanderer und sollte insoweit mittelfristig großzügiger ausfallen. Wichtig wäre auch eine systematische Evaluation des Erfolgs der Integrationsprogramme, für die von Beginn an eine entsprechende Datenerhebung erforderlich ist. Dazu wird der für Mitte 2007 vorgesehene „Erfahrungsbericht zu Durchführung und Finanzierung der Integrationskurse“ nicht ausreichend sein (§ 43 Abs. 5 Zuwanderungsgesetz).
7.4 Gesamteinschätzung: Ein erster Schritt nach vorne Das neue deutsche Zuwanderungsgesetz hat, nimmt man alle Vorzüge und Defizite zusammen, zwar die Chance zum „großen Wurf“ ausgelassen, aber doch im Rahmen des politisch Möglichen viel erreicht. Auch wenn manche Regelung deutlich hinter dem zurückbleibt, was sinnvollerweise hätte angestrebt werden sollen, es letztlich an der nötigen Konsequenz bei der Gestaltung einer ökonomischen Zuwanderungskomponente gefehlt hat und vor allem der Verzicht auf das Punkte-Auswahlverfahren kaum verzeihlich erscheint, so bedeutet doch allein die Beschlussfassung über das Zuwanderungsgesetz einen Meilenstein in der deutschen Zuwanderungsgeschichte.
7.4 Gesamteinschätzung: Ein erster Schritt nach vorne
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Sie lässt die begründete Hoffnung zu, dass mittelfristig ein bürokratisch schlankeres Verfahren entwickelt werden wird und sich Deutschland damit im Kreis der Wettbewerber um knapper werdendes Humankapital etablieren kann. Dies bereits im ersten gesetzgeberischen Schritt zu erwarten, wäre eingedenk der Vorgeschichte des Gesetzgebungsprozesses und seinem Übermaß an ideologischem Ballast nicht angemessen. Die Sorge vor der bürokratischen Überfrachtung der zuwanderungsgesetzlichen Praxis erscheint gleichwohl nicht unbegründet, und die weitgehende Entscheidungsgewalt der ohnehin im Brennpunkt des Arbeitsmarktgeschehens ausgelasteten Bundesagentur für Arbeit ist als sehr problematisch zu bewerten. Nicht minder aussichtsreich sind jedoch auch die mit dem Gesetz verbundenen Chancen einer systematischen Neuorientierung der deutschen Zuwanderungspolitik „im zweiten Anlauf“. Die sorgfältige wissenschaftliche Begleitung und Evaluation des Gesetzes mit dem Ziel der Präzisierung und Weiterentwicklung des jetzt geschaffenen Instrumentariums bleibt eine vordringliche Aufgabe, um auf den zunehmenden Fachkräftemangel migrations- und integrationspolitisch adäquat reagieren zu können. Letztlich wird wohl kein Weg an der Etablierung eines arbeitsmarktmotivierten Zuwanderungskonzepts vorbeiführen, das die Genehmigung der dauerhaften Immigration ausgewählter qualifizierter Arbeitskräfte, von Investoren und Unternehmern im Rahmen eines permanenten, selektiven Zuwanderungskanals und gleichzeitig die Einreise von Mangel-Arbeitskräften, Führungskräften, Wissenschaftlern und Studierenden über temporär angelegte, unbürokratisch praktizierte Einwanderungswege beinhaltet. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die Alterungsfolgen des demographischen Wandels als auch in Bezug auf den anstehenden forcierten Wettbewerb der hochentwickelten Staaten um die „besten Köpfe“, die ohne ein entsprechend konkretes, von abschreckenden Elementen befreites Zuwanderungsangebot den Weg nach Deutschland kaum finden werden. Deutschland wäre im Übrigen gut beraten, seine zuwanderungspolitische Initiative auch unter dem Gesichtspunkt der europäischen Rechtsangleichung in diesem Bereich voranzutreiben. Verschiedene Vorstöße der Europäischen Kommission zur Schaffung einheitlicher Standards auf Teilgebieten der Migrationspolitik werden in absehbarer Zukunft nichts daran zu ändern vermögen, dass es bei der nationalen zuwanderungspolitischen Kompetenz bleibt. Aus ökonomischer Sicht ist dies durchaus problematisch, denn nationale Migrationspolitiken stören das Konzept des einheitlichen europäischen Arbeits-
Aussiedler
Flüchtlinge
Familienzusammenführung
Steuerbar
Nicht steuerbar
Zuwanderung von EU-Bürgern
Permanente Zuwanderung
Temporäre Zuwanderung
Qualifizierte Arbeitskräfte (Punktesystem)
Arbeitskräfte in Mangelberufen
Unternehmer und Investoren
Führungs- und Fachkräfte multinationaler Unternehmen; Wissenschaftler
Studium und Ausbildung
Sonderfälle
7. Das deutsche Zuwanderungsgesetz – Aufbruch zu neuen Ufern?
Asyl
Ökonomische Zuwanderungskomponente
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Soziale Zuwanderungskomponente (nicht oder nur bedingt steuerbar)
Abbildung 7.3
Humanitäre Zuwanderungskomponente (nicht oder nur bedingt steuerbar)
Modell einer kohärenten Zuwanderungsgesetzgebung
Quelle: Zimmermann et al. (2002) S. 232.
Zuwanderungskategorien
7.4 Gesamteinschätzung: Ein erster Schritt nach vorne
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marktes: Wenn Zuwanderung einen nationalen Arbeitsmarkt beeinflusst, wird dies auch Folgewirkungen für die anderen lokalen Arbeitsmärkte der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft haben. Die seit langen Jahren unterdurchschnittlich geringe Verfügbarkeit von Immigranten für die nationalen Arbeitsmärkte zeigt ein ebenso langjähriges Versagen sowohl der einzelstaatlichen als auch der europäischen migrations- und integrationspolitischen Bemühungen an. Diesen Kurs wird die Europäische Union nicht aufrechterhalten können, sondern sich ihrerseits der Aufgabe einer selektiven Arbeitsimmigration stellen müssen. Insoweit kann sich ein schrittweise ausgebautes deutsches Konzept zur Steuerung der Zuwanderung einerseits auf die europäischen Ambitionen berufen, andererseits würde es diese unzweifelhaft vorantreiben. Von der deutschen Entscheidung für ein reformiertes, zumindest im Ansatz auch ökonomischen Kriterien verpflichtetes Zuwanderungsgesetz ist eine erhebliche Signalwirkung für die europäische Politik zu erwarten, zumal sich der einsetzende kurzfristige Fachkräftemangel und der langfristige demographische Trend in den meisten EU-Staaten ähnlich darstellen. Ein „deutsches Modell“ unter Einschluss von Punkte- und Auktionssystem könnte insoweit die Vorstufe einer späteren europäischen Rechtsharmonisierung darstellen.
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8
Lektionen für die Zukunft
Die vorliegende Studie basiert weitgehend auf den repräsentativen Datensätzen der für Deutschland und Dänemark erhobenen Rockwool Foundation Migration Surveys für Zuwanderergruppen nicht-westlicher Herkunft aus der Türkei, dem ehemaligen Jugoslawien, Polen, Iran und Libanon. Aus den auf dieser Datengrundlage angestellten Untersuchungen lässt sich ein sehr ergiebiges Abbild der Arbeitsmarktintegration nicht-westlicher Zuwanderer in beiden Ländern ermitteln. Als zentrales Ergebnis der angestellten Untersuchungen lässt sich festhalten, dass Deutschland in stärkerem Maße Arbeitsmigranten anzieht und sie erfolgreicher in den Arbeitsmarkt integriert als dies in Dänemark gelingt. Zugleich ist Deutschland auch erfolgreicher bei der Stimulation selbständigen Unternehmertums von Immigranten. Dänemark hingegen verfügt über einen höheren Anteil von Migranten innerhalb der sozialen Sicherungssysteme, was mit deren struktureller Begünstigung von Niedrigeinkommensgruppen zu erklären ist. Bevor an dieser Stelle einige Denkanstöße für die Zuwanderungs- und Integrationspolitik gegeben werden sollen, seien nochmals in kurzer Form die wichtigsten Ergebnisse der Untersuchung zusammengestellt.
8.1 Die Ergebnisse im Überblick 8.1.1 Migration und Zuwanderungspolitik
Die Migrationsgeschichte hat in Deutschland wie in Dänemark einen durchaus ähnlichen Verlauf genommen. Nach einer Phase der Gastarbeiteranwerbung wurde die Arbeitsmigration im Zeichen des politisch gewollten Anwerbstopps zugunsten der Einreise von Familienangehörigen, später auch des Zuzugs von Flüchtlingen, zurückgedrängt. Aufgrund der wesentlich intensiveren Phase der Gastarbeiteranwerbung in Deutschland verfügen Zuwanderer hier über die im Vergleich deutlich längeren durchschnittlichen Aufenthaltszeiten und ein höheres durchschnittliches Lebensalter. Besonders privilegierte Gruppen sind deutschstämmige Spätaussiedler in Deutschland und Staatsangehörige nordischer Staaten in Dänemark.
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8. Lektionen für die Zukunft
Insgesamt ist der Anteil von nicht-westlichen Zuwanderern und Flüchtlingen in Dänemark größer, der Gesamtumfang der Immigration allerdings weit geringer als in Deutschland. Der Anteil von Ausländern an der dänischen Gesamtbevölkerung erreichte mit zuletzt rund 5 Prozent kaum mehr als die Hälfte des deutschen Niveaus. (Allerdings verringert sich dieser Abstand, wenn die dänische Statistik der „Immigranten und ihrer Nachkommen“ verwendet wird, also auch eingebürgerte Zuwanderer mitgezählt werden.) Anders als in Dänemark hat die temporäre Arbeitsmigration nach Deutschland einen erheblichen Umfang angenommen. Auch das zuwanderungsrechtliche Instrumentarium beider Länder weist Ähnlichkeiten auf, wobei in Dänemark zuletzt Rechtsverschärfungen, etwa im Staatsangehörigkeitsrecht, eingetreten sind, während Deutschland eine gewisse Liberalisierung mit dem reformierten Staatsangehörigkeitsrecht eingeleitet hat (und mit dem neuen Zuwanderungsgesetz bedingt fortsetzen wird). Gleichzeitig unternimmt Dänemark jedoch bislang wesentlich intensivere Anstrengungen zur Integration der Einwanderer und hat seit 1999 ein System dreijähriger Integrations- und Sprachkurse mit einem speziellen Augenmerk auch auf arbeitsmarktpolitische Belange etabliert. Eine Bewertung des Erfolgs dieser Programme steht freilich noch aus. Deutschland wird mit dem neuen Zuwanderungsgesetz integrationspolitisch einen ähnlichen Weg wie Dänemark einschlagen, dabei aber in stärkerem Maße von Sanktionsmechanismen Gebrauch machen. 8.1.2 Bildung und Ausbildung
Die Analyse der Einflussfaktoren auf den schulischen Erfolg und die Berufsausbildung von Zuwanderern hat verdeutlicht, wie komplex die Mechanismen sind, die auf die Bildungs- und Ausbildungsentscheidungen sowie ihre Ergebnisse einwirken. Es ergibt sich kein kohärentes Bild der Erfolgsbedingungen in Deutschland und Dänemark, sondern vielmehr ein „patchwork“ diverser, zwischen beiden Ländern recht unterschiedlich wirksamer Einflussgrößen. Für die Politik erscheint es auf den ersten Blick schwierig, hierauf mit gezielten Migrations- und Integrationsstrategien zu reagieren, doch gerade die hier ermittelten Zusammenhänge können wichtige Hinweise für die Gestaltung einer aktiv unter den Zuwanderungsbewerbern auswählenden Einwanderungspolitik liefern. Nach Dänemark einreisende Zuwanderer sind bei der Ankunft im Durchschnitt weniger gebildet, eignen sich jedoch verglichen mit den Migranten in Deutschland mehr Schulbildung an, sobald sie in Dänemark sind. Einwande-
8.1 Die Ergebnisse im Überblick
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rer der zweiten Generation sind zwar in beiden Ländern erfolgreicher als Immigranten bzw. Gastarbeiter der ersten Generation. Doch der Bildungsund Ausbildungsrückstand gegenüber der einheimischen Bevölkerung ist noch groß, die Lücke schließt sich vor allem in Deutschland nur langsam. Zuwanderer, die im Heimatland keine Schulbildung erworben haben, erreichen in Deutschland mit einer größeren Wahrscheinlichkeit einen Schulabschluss. Ebenso ist in Deutschland die intergenerationale Verbindung zum Bildungsund Beschäftigungsstatus der Eltern stärker als in Dänemark, wo sie offenbar nur für die Entscheidung, Gymnasium oder Universität zu besuchen, Wirksamkeit erlangt. Allerdings hängt der Bildungsgrad der Immigranten in Deutschland immer noch stark von der ethnischen Herkunft, der Einbürgerung und vom Geschlecht ab. Während eingebürgerte Deutsche mit größerer Wahrscheinlichkeit eine Hochschule oder zumindest eine weiterführende Schule in Deutschland besuchen, ist es besorgniserregend, dass für Zuwanderer, die in Deutschland geboren wurden, das genaue Gegenteil gilt. Deutliche Unterschiede ergeben sich beim Bildungsgrad der fünf untersuchten Nationalitäten. Polen und Iraner eignen sich in Dänemark beständig mehr Humankapital an als Libanesen und Türken. Auch in Deutschland zeichnen sich iranische Zuwanderer durch einen besonders intensiven Humankapitalerwerb aus, wohingegen türkische Immigranten wiederum im Nachteil sind. Problematisch erscheint die eindeutige Benachteiligung von Immigrantinnen beim Bildungserwerb. Arbeitserfahrung vor der Migration, ausgeprägte Religiosität und kleinstädtische Sozialisation sind darüber hinaus potenzielle Hindernisse auf dem Weg zum erfolgreichen Schulabschluss. In Bezug auf die Berufsausbildung ergibt sich ein weitgehend ähnliches Bild. Geringeres Alter bei Einwanderung, mehr Aufenthaltsjahre seit der Immigration, (keine) Ausbildung vor der Einwanderung, Familienverhältnisse und Staatsangehörigkeit sind signifikant positive Determinanten der Ausbildungswahrscheinlichkeit. Einwanderer, die keinen Schulabschluss in ihrem Heimatland erworben haben, schließen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit eine Berufsausbildung in Deutschland ab, während dieses Charakteristikum in Dänemark offenbar irrelevant ist. Ethnische Unterschiede zeigen Vorteile für polnische gegenüber türkischen Migranten. Zuwanderer der zweiten Generation und weibliche Immigranten weisen der Analyse zufolge geringere Ausbildungswahrscheinlichkeiten in Deutschland als in Dänemark auf. Männliche Zuwanderer bringen in beiden Ländern eine generell größere Wahrscheinlichkeit mit, einen mittleren bzw. höheren Schulabschluss oder akademischen Grad an einer Universität zu erreichen. Neben einer tendenziell stärkeren
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8. Lektionen für die Zukunft
Verhaftung von Zuwanderern in tradierten Rollenbildern liegt die Verantwortung für diese wenig ermutigende und angesichts des vor der Tür Europas stehenden Fachkräftemangels folgenreiche Situation sicher auch in Mängeln der Bildungssysteme der Aufnahmeländer begründet. Schon diese Befunde zur Bildungs- und Ausbildungspartizipation von Immigranten lassen die Forderung nach einer selektiven Zuwanderungspolitik in Verbindung mit gezielten Integrationsprogrammen unmittelbar einsichtig werden. 8.1.3 Beschäftigung und Einkommen
Die Beschäftigung von Einwanderern nicht-westlicher Herkunft ist in Deutschland im Zeitverlauf erfolgreicher gelungen. Dafür sprechen die höheren Beschäftigungsquoten für diese Zuwanderergruppe in Deutschland und deren Relation zum Niveau der jeweiligen Gesamtbeschäftigungsquote. Die Diskrepanz zwischen der im europäischen Vergleich besonders hohen Beschäftigungsquote der Gesamtbevölkerung Dänemarks und der weit dahinter liegenden Quote der nicht-westlichen Zuwanderer ist ungleich größer als im Falle Deutschlands. Dies ist auch darin begründet, dass das dänische System der Arbeitslosenunterstützung der Gruppe der Geringverdiener eine höhere Lohnersatzquote zusichert und die finanziellen Arbeitsanreize damit stark begrenzt. Gegenwärtig konzentriert sich die Beschäftigung der Einwanderer nach wie vor auf zyklische Wirtschaftszweige mit hoher Arbeitskräftefluktuation und eher strukturell zurückbleibenden Branchen. Deshalb reagiert die Beschäftigung der Migranten höchst sensibel auf den Verlauf der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung. Die Beschäftigungsprofile von Zuwanderern nicht-westlicher Herkunft sind in Dänemark und Deutschland nahezu gleich. Einwandernde Arbeitskräfte ziehen in beiden Ländern gewissermaßen einen überproportional hohen Anteil der Anpassungskosten der gesamten Wirtschaft auf sich. Unterdurchschnittliche Qualifikation und mangelnder Spracherwerb sind als weitere Faktoren zu nennen, die nicht-westliche Zuwanderer an das Ende der Arbeitsmarkthierarchie führen.Gemeinsam ist beiden Ländern eine im langjährigen Durchschnitt fallende Beschäftigungsquote von Immigranten, die derart erheblich unter dem Niveau der Einheimischen rangiert, dass ein großer politisch-gesellschaftlicher Handlungsbedarf nicht zu leugnen ist. Als wesentliche Erklärung hierfür lässt sich die über die Zeit veränderte Zusammensetzung der Zuwanderergruppen in beiden Ländern anführen. Später einreisende Zuwandererkohorten haben, weil von Familiennachzug und
8.1 Die Ergebnisse im Überblick
249
Asylsuche dominiert, eine von vornherein geringere Partizipationswahrscheinlichkeit mitgebracht als zuvor die Gastarbeitergeneration. Insoweit dies per Anwerbestopp politisch gewollt war, ist auch der Umkehrschluss zulässig: Eine Ausweitung der Beschäftigungsquote nicht-westlicher Zuwanderer ließe sich politisch durch eine entsprechende Selektion anhand von Bedarfskriterien erreichen. Das würde an der prekären Lage der bereits im Land lebenden Immigranten nicht-westlicher Herkunft allerdings kaum etwas ändern. Trotz des unterschiedlichen Beschäftigungserfolgs von nicht-westlichen Migranten in Deutschland und Dänemark gibt es Ähnlichkeiten beim Beschäftigungsmuster der verschiedenen Nationalitäten. So weisen Polen die höchste, Libanesen die niedrigste Beschäftigungsquote auf. Türkische Immigranten liegen in Deutschland leicht unter, in Dänemark leicht über der durchschnittlichen Beschäftigungsquote und erreichen damit in beiden Ländern in etwa das gleiche Niveau. Besonders ins Gewicht fällt, dass weibliche Immigranten nicht im Entferntesten Anschluss an die besonders hohe Beschäftigungsrate von Frauen in Dänemark haben finden können – auch dies ein Hinweis auf ein besonderes Integrationsproblem, dem sich nicht-westliche Zuwanderer vor allem in Dänemark gegenüber sehen. Berechnungen der Einkommenslücken zwischen Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit zeigen, dass der Anteil der Einwanderer, die durch eine Beschäftigung weniger als 100 Euro zusätzlich zur Verfügung hatten, in Deutschland zwischen 13 und 15 Prozent, in Dänemark hingegen zwischen 33 und 41 Prozent lag. Die Prävalenz niedriger Arbeitsanreize steht in Einklang mit der Beobachtung, dass arbeitslose Einwanderer dem Arbeitsmarkt scheinbar häufig gar nicht zur Verfügung stehen. In Deutschland und Dänemark erfüllten 60 bzw. 51 Prozent der arbeitslosen Einwanderer die ILO-Verfügbarkeitskriterien. In Dänemark scheint die Verfügbarkeit sehr stark zwischen den einzelnen Arten von Transferbezügen bei Arbeitslosigkeit zu variieren, während dies für Deutschland nicht der Fall ist. Ebenfalls stärker ausgeprägt ist in Dänemark der Unterschied in der Verfügbarkeit von männlichen und weiblichen Immigranten. Eine Analyse der Bestimmungsfaktoren der Erwerbsbeteiligung verdeutlicht, dass es sowohl in Deutschland als auch Dänemark vor allem die Humankapitalfaktoren sind, die für die Bindung der Einwanderer an den Arbeitsmarkt maßgeblich sind. In beiden Ländern hängt die Wahrscheinlichkeit der Arbeitsmarktpartizipation und der Beschäftigung positiv von einem guten Gesundheitszustand, guten Sprachkenntnissen und guter Bildung im Heimatland oder, sogar noch stärker, von einer guten Bildung in Deutschland bzw. Däne-
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8. Lektionen für die Zukunft
mark ab. Allgemein hat die im Heimatland erworbene Bildung in Deutschland eine größere Bedeutung für die Bindung zum Arbeitsmarkt als in Dänemark. Die Analyse der Einflussfaktoren der Einkommensentwicklung von Zuwanderern nicht-westlicher Herkunft in Dänemark und Deutschland ergibt insgesamt auffällige Unterschiede zwischen den Geschlechtern sowie einen für beide Länder feststellbaren Einkommensvorteil für eingebürgerte Migranten. In Deutschland lassen sich darüber hinaus, anders als in Dänemark, mit Hilfe von Lohngleichungen erhebliche Einkommensabweichungen je nach Nationalität der Zuwanderer feststellen. Humankapitalinvestitionen und Spracherwerb erbringen in Deutschland wie in Dänemark Lohnzuwächse. Zusätzliche Arbeitserfahrung wird in Deutschland entsprechend honoriert, führt in Dänemark hingegen nicht zu nennenswerten Lohnzuwächsen. Dessen ungeachtet verfügen Zuwanderer in Dänemark von Beginn an über einen deutlichen Einkommensvorsprung, der von den in Deutschland arbeitenden Immigranten im Verlauf ihres gesamten Arbeitslebens nicht aufgeholt wird. Dies spiegelt letztlich jedoch vor allem das in Dänemark erheblich höhere Bruttolohnniveau wider. Darüber hinaus zeigen kontrafaktische Experimente, dass es Dänemark offenbar besser gelingt, den frühen finanziellen Arbeitsmarkterfolg von qualifizierten Zuwanderern zu stimulieren. Allerdings hat dieses Bild durchaus seine Kehrseite, insofern der dänische Wohlfahrtsstaat durch seine immanenten Anreizstrukturen gewissermaßen diejenigen Zuwanderer selektiert (und entsprechend entlohnt), die eine überdurchschnittliche Produktivität mitbringen, während andere, die kein über dem Sozialtransferanspruch liegendes Einkommen erzielen könnten, dem Arbeitsmarkt folgerichtig fernbleiben oder aber chancenlos sind. Es findet also – gewollt oder ungewollt – eine Auslese nach, statt vor der Zuwanderung statt: Zuwanderer nicht-westlicher Herkunft mit geringerer Qualifikation sind auf dem dänischen Arbeitsmarkt stark benachteiligt. Die Arbeitsmarktteilhabe nicht-westlicher Migranten in Deutschland und Dänemark ist auch im Hinblick auf die Zukunftsaufgabe der Bewältigung des demographischen Wandels und der Sicherung der sozialstaatlichen Systeme unbefriedigend zu nennen. Der einsetzende gesellschaftliche Alterungsprozess vergrößert die Dringlichkeit, Zuwanderer besser und systematischer in den Arbeitsmarkt zu integrieren als es heute der Fall ist. Dabei gilt es zum einen, die offenbar behutsam in Gang kommende Arbeitsmarktintegration von Zuwanderern der zweiten Generation voranzutreiben, zum anderen wird man den Zufluss neuer Immigranten so steuern müssen, dass er den Belangen des Arbeitsmarktes nicht zuwider läuft.
8.1 Die Ergebnisse im Überblick
251
8.1.4 Selbständigkeit
Die selbständige Erwerbstätigkeit von Zuwanderern nicht-westlicher Herkunft ist ein wichtiger, noch zu wenig untersuchter Wirtschaftsfaktor in Deutschland wie in Dänemark. Während die Selbständigenquote von Zuwanderern in Deutschland bis in die Mitte der 1990er Jahre beständig gestiegen ist, stagniert sie seitdem bzw. ist sogar leicht rückläufig. Dennoch liegt sie nur wenig unterhalb der – traditionell im internationalen Vergleich niedrigen – Selbständigenrate der Gesamtbevölkerung. Anders verhält es sich in Dänemark; dort weisen Einheimische eine noch niedrigere Selbständigenquote auf, die von den Zuwanderern – je nach Nationalität teils deutlich – übertroffen wird. Diese Ausgangsdaten scheinen auf den ersten Blick ein vergleichsweise günstiges Existenzgründungsklima für Zuwanderer in Dänemark anzudeuten. Nähere Untersuchungen der befragten Migranten können diesen Eindruck jedoch nicht bestätigen. Die Einkommen selbständiger Einwanderer in Dänemark unterschreiten nicht nur das deutsche Vergleichsniveau, sie bewegen sich im Durchschnitt offenbar auch unterhalb der Löhne abhängig beschäftigter Zuwanderer. Ganz offensichtlich wird die Risikobereitschaft von ausländischen Unternehmern in Dänemark nicht honoriert, während sie in Deutschland durchaus mit Einkommenszugewinnen prämiert wird. Dieser Befund lässt den Rückschluss zu, dass Selbständigkeit für Immigranten in Deutschland eine echte Option zur Verbesserung ihres individuellen Erfolgs darstellt, wohingegen den Ergebnissen zufolge in Dänemark der Schritt zur Existenzgründung anderen Motiven zu folgen scheint. Die fehlenden finanziellen Anreize zur Selbständigkeit werden im Falle Dänemarks im Übrigen auch darauf zurückzuführen sein, dass hier höhere Reservationslohnmechanismen greifen: Die durch den dänischen Wohlfahrtsstaat vermittelte, im Vergleich zu Deutschland hohe Lohnersatzrate wirkt sich offenkundig hemmend auch auf den Schritt zur Selbständigkeit aus. Die kontrafaktische Analyse zeigt in diesem Zusammenhang einen gewissen Ländereffekt auf: Deutschland hätte im Durchschnitt auch den in Dänemark selbständig erwerbstätigen Zuwanderern bessere Bedingungen und finanzielle Erfolgsaussichten anzubieten; dagegen wären „deutsche“ Selbständige in Dänemark nach anfänglichen Erfolgen alsbald finanziell schlechter gestellt als bei ihrem Verbleib in Deutschland. Allerdings ergeben sich keine Anzeichen für eine grundsätzlich bessere Eignung der in Deutschland erwerbstätigen ausländischen Selbständigen.
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8. Lektionen für die Zukunft
Allerdings ergeben sich keine Anzeichen für eine grundsätzlich bessere Eignung der in Deutschland erwerbstätigen ausländischen Selbständigen. Zu berücksichtigen ist ferner, dass Zuwanderer in beiden Ländern deutlich höhere Anteile an den in einfachen Tätigkeitsbereichen Selbständigen aufweisen. Für Deutschland lassen sich als Einflussgrößen der Wahrscheinlichkeit, als Zuwanderer eine selbständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen, neben dem Geschlecht (Frauen sind unter den ausländischen Selbständigen – wie in Dänemark auch – kaum vertreten) vor allem ein etwas höheres Lebensalter und eine längere Aufenthaltszeit, eine höhere Bildung im Aufnahmeland, die Existenz eines Selbständigen-Vorbildes in der eigenen Familie, Grundbesitz in Deutschland und eine erfolgreiche Integration in das Wohnumfeld der einheimischen Bevölkerung identifizieren. Dabei verdient der offenkundig starke intergenerationale Effekt der Weitergabe von Unternehmereigenschaften besondere Beachtung (und weitere Aufmerksamkeit der Forschung). Eine ähnlich umfangreiche Liste von Charakteristika lässt sich dagegen im Falle Dänemarks nicht ermitteln; hier verteilen sich die Eigenschaften weit gleichmäßiger auf selbständige und abhängig beschäftigte Immigranten. Neben einem etwas höheren Lebensalter scheinen es vor allem Schulbesuch und Arbeitserfahrung im Herkunftsland zu sein, die die Wahrscheinlichkeit einer Existenzgründung positiv beeinflussen können, während die Anteile höherer Bildungsabschlüsse für abhängig Beschäftigte größer sind. Statistisch signifikant sind die Ergebnisse in dieser Hinsicht allerdings nicht. Mehrheitlich, so die vielleicht dennoch zulässige Vermutung, werden also die ausländischen Selbständigen in Dänemark in Geschäftsfeldern tätig sein, die zwar ein bestimmtes Maß an Kenntnissen und Erfahrungen voraussetzen, letztlich aber keine höhere Bildung verlangen und demzufolge wohl überwiegend einfachere Serviceleistungen anbieten. Die bestimmenden Faktoren für die Einkommensentwicklung der ausländischen Selbständigen scheinen im Falle Deutschlands lediglich das Lebensalter und die Dauer der Firmenexistenz zu sein. Einmal selbständig geworden, nehmen andere denkbare Variablen wie Nationalität und Bildungsstand keinen signifikanten Einfluss mehr auf das Einkommen. Wohl aber „bestraft“ der deutsche Arbeitsmarkt Selbständige in ethnischen Enklaven mit deutlich geringeren Einkommen. Für Dänemark zeigen sich diese Zusammenhänge nicht. Mit aller Vorsicht lässt sich darüber hinaus festhalten, dass in beiden Ländern Zuwanderer iranischer Herkunft allein schon aufgrund ihrer ethnischen Zu-
8.1 Die Ergebnisse im Überblick
253
gehörigkeit eine besonders große Wahrscheinlichkeit der Existenzgründung mitbringen. Ferner scheint es einen unmittelbaren, positiven Zusammenhang zwischen Flüchtlingsstatus und späterer Existenzgründung zu geben. Letztlich wären Deutschland und Dänemark gut beraten, sich des Themas der Förderung selbständiger Erwerbstätigkeit von Zuwanderern verstärkt anzunehmen, um Chancen zur Schaffung wirtschaftlicher Dynamik zu nutzen. Unabhängig von verschiedenen bereits initiierten Maßnahmen zur generellen Unterstützung von Existenzgründungen in der dänischen und deutschen Wirtschaft wird es darauf ankommen, bestehende Fördermaßnahmen für die Zielgruppe der Zuwanderer sorgfältig zu evaluieren und wissenschaftlichen Erkenntnissen anzupassen. Ein besonders „lukratives“ Betätigungsfeld könnte dabei die konsequente Förderung der Existenzgründung junger Migrantinnen sein. Im Falle Deutschlands ließe sich das neue Zuwanderungsgesetz dazu nutzen, einerseits offensiv für die Immigration ausländischer Selbständiger zu werben. Andererseits bieten auch die darin enthaltenen Regelungen zur Integration von Zuwanderern die Möglichkeit, gezielte Module zur Stimulation von Selbständigkeit zu entwickeln. Sinnvollerweise scheint Dänemark unterdessen an dieser Stelle mit der Aufnahme entsprechender Bausteine in die etablierten dreijährigen Integrationskurse für Zuwanderer ansetzen zu wollen. 8.1.5 Sozio-ökonomische Bilanz
Die Sozialsysteme Deutschlands und Dänemarks folgen unterschiedlichen Regeln. So gründet sich die dänische Arbeitslosenversicherung, anders als in Deutschland, auf eine freiwillige Basis und wird weitgehend von allgemeinen Steuern finanziert. Für Geringverdiener – und damit für einen Großteil der im Land lebenden Zuwanderer nicht-westlicher Herkunft – stellt sie weit über dem deutschen Niveau liegende Lohnersatzleistungen von bis zu 90 Prozent des vorherigen Einkommens bereit und schafft damit nur geringe Anreize zur Arbeitsaufnahme in diesem Arbeitsmarktsegment. Dies gilt umso mehr, als trotz der 1998 erfolgten annähernden Halbierung der maximalen Bezugsdauer auf nur noch 4 Jahre immer noch weit länger Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezogen werden können als in Deutschland. Erst in den letzten Jahren hat Dänemark Elemente von „Workfare“ in sein Sozialsystem aufgenommen, verknüpft also den Bezug von Leistungen zunehmend mit der Verpflichtung zur Gegenleistung in Form von Qualifikation oder Arbeit. Mittelfristig könnte dies, bei entsprechender Fokussierung der Praxis auf die Arbeitsaufnahme, wichtige Anreizwirkungen entfalten.
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8. Lektionen für die Zukunft
Demgegenüber ist in Deutschland der Arbeitslosengeldbezug als beitragsfinanzierte „Schadensfall“-Leistung konzipiert; die Leistungshöhe bemisst sich nach Erwerbsbiographie und Lebensalter. Dies hat zur Folge, dass Zuwanderer hier aufgrund ihrer günstigeren Altersstruktur bei durchschnittlich höherer Arbeitslosigkeit dennoch nur zu kürzeren Bezugszeiten berechtigt sind. Mit der Ablösung der bis 2004 gezahlten, steuerfinanzierten Arbeitslosenhilfe durch das mit der Sozialhilfe für Erwerbsfähige zusammengefasste Arbeitslosengeld II wird sich zwar eine gewisse Angleichung der Strukturen in beiden Ländern vollziehen – diese wird jedoch erst recht dafür sorgen, dass geringer verdienende Migranten in Dänemark bei Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit besser gestellt sind als in Deutschland. Das dänische System sieht gegenwärtig keine Hinzuverdienstmöglichkeiten im Falle des Sozialhilfebezugs vor, während sie im deutschen Recht 2004/ 2005 nochmals erweitert worden sind. Dänemark setzt an dieser Stelle ganz auf die eingeführten Workfare-Mechanismen bzw. im Falle von Neuzuwanderern auf die Wirkung der Integrationskurse, durch deren Besuch wiederum Leistungsansprüche (Eingliederungsbeihilfe) erworben werden. Auch die Alterssicherung ist in Dänemark beitrags- und beschäftigungsunabhängig geregelt; auch sie begünstigt die Bezieher niedriger Einkommen. Der Grundrentencharakter sorgt zugleich für ein deutlich geringeres gesetzliches Rentenniveau in Dänemark, das jedoch durch die obligatorische Zusatzvorsorge ATP und die im Vergleich zu Deutschland ungleich geringere Beitragsbelastung ausgeglichen wird. Insgesamt sorgt die Erwerbsbezogenheit aller wesentlichen Komponenten des deutschen sozialen Sicherungssystems mit Ausnahme der Sozialhilfe für einen weniger leichten Zugang von Immigranten im Vergleich zu Dänemark. Dort führt die Bevorzugung niedriger Einkommensgruppen und die Freiwilligkeit der Arbeitslosenversicherung zu einem höheren Anteil von Sozialhilfebeziehern. Viele Geringverdiener sind in Dänemark im Vorteil, wenn sie keine Arbeitslosenversicherung abschließen, sondern Sozialhilfe beziehen. Die Wahrscheinlichkeit des Sozialhilfebezugs von Zuwanderern nicht-westlicher Herkunft verringert sich erwartungsgemäß mit dem Ausmaß der Bindung an den Arbeitsmarkt, der Aufenthaltsdauer und dem Umfang der erworbenen Sprachkenntnisse. Die fiskalischen Folgen der Zuwanderung lassen sich in Ermangelung entsprechender Daten für Deutschland nicht unmittelbar vergleichend für nichtwestliche Immigranten in beiden Ländern ermitteln. Im Falle Deutschlands
8.1 Die Ergebnisse im Überblick
255
muss auf Daten für Zuwanderer aus den ehemaligen Anwerbestaaten zurückgegriffen werden, während für Dänemark sowohl repräsentative Daten für die zugewanderte Gesamtbevölkerung als auch separate Informationen für westliche und nicht-westliche Migranten zur Verfügung stehen. In Deutschland fällt die Bilanz des Jahres 1996 für ausländische Familien mit türkischem, jugoslawischem, griechischen, spanischen oder italienischen Haushaltsvorstand positiv aus. Als durchschnittlicher Finanzierungsbeitrag pro Kopf dieser Zuwanderergruppe (im Alter unter 80 Jahren) errechnet sich ein Betrag von 2.100 Euro; derjenige für Deutsche liegt mit 2.700 Euro nur leicht darüber. Legt man ein Generationenkonto an, verknüpft also die altersspezifischen Nettosteuerzahlungen mit der statistischen Lebenserwartung, so verdeutlicht sich der ökonomische Nutzen der Zuwanderung nach Deutschland: Im Durchschnitt aller Altersgruppen erreicht der Nettofinanzierungsbeitrag der Immigranten bis zu deren Lebensende einen gegenwärtigen ökonomischen Wert von 35.500 Euro pro Kopf. Dagegen sind Deutsche, bedingt durch ihre wesentlich ungünstigere Altersstruktur, im Durchschnitt Nettotransferempfänger von 14.000 Euro und ziehen somit Vorteile aus einer erheblichen Umverteilung zu ihren Gunsten. Anders stellt sich die Situation in Dänemark dar, für das die fiskalische Position von Zuwanderern im Jahr 2000 deutlich ungünstiger ausfällt. Einem durchschnittlichen Finanzierungsbeitrag von 4.000 Euro pro Kopf der dänischen Bevölkerung steht ein Nettotransferbezug von 1.400 Euro pro Kopf der zugewanderten Bevölkerung gegenüber. Als Grund hierfür lassen sich die materiell großzügigere Absicherung in Dänemark und die relativ geringe Erwerbsbeteiligung anführen, aber auch die Inanspruchnahme staatlicher Leistungen etwa in Form der Integrationskurse. Dies korrespondiert mit einem negativen Generationenkonto der Einwanderer, das einen Nettotransferbezug von 93.300 Euro bis zum statistischen Lebensende ausweist, während Dänen dagegen Nettosteuerzahlungen in Höhe von 16.600 Euro leisten. Ist dies bereits ein ungleich schlechteres Ergebnis als für Deutschland, so verschärft sich das Problem noch, wenn gesondert die Zuwanderer nichtwestlicher Herkunft betrachtet werden. Die Umverteilung zu ihren Gunsten beläuft sich für das Jahr 2000 auf 142.900 Euro; westliche Migranten zahlen dagegen 39.700 Euro und übertreffen in ihrer Bilanz somit die Einheimischen in Dänemark. Die Berechnungen dokumentieren die besonders schlechte Arbeitsmarktintegration nicht-westlicher Einwanderer in Dänemark. Auch wenn entsprechende Analysen für Deutschland gleichfalls eine negative Bilanz für diese Zuwanderergruppe ergeben dürften, stellt sich in Dänemark
256
8. Lektionen für die Zukunft
deshalb die Aufgabe entsprechender Integrationsanstrengungen (und einer zukünftig gezielteren Zuwandererauswahl) in besonders dringlicher Weise. 8.1.6 Neue Zuwanderungs- und Integrationsgesetzgebung in Deutschland
Das neue deutsche Zuwanderungsgesetz hat, nimmt man alle Vorzüge und Defizite zusammen, zwar die Chance zum „großen Wurf“ ausgelassen, aber doch im Rahmen des politisch Möglichen viel erreicht. Auch wenn manche Regelung deutlich hinter dem zurückbleibt, was sinnvollerweise hätte angestrebt werden sollen, es letztlich an der nötigen Konsequenz bei der Gestaltung einer ökonomischen Zuwanderungskomponente gefehlt hat und vor allem der Verzicht auf das Punkte-Auswahlverfahren kaum verzeihlich erscheint, so bedeutet doch allein die Beschlussfassung über das Zuwanderungsgesetz einen Meilenstein in der deutschen Zuwanderungsgeschichte. Sie lässt die begründete Hoffnung zu, dass mittelfristig ein bürokratisch schlankeres Verfahren entwickelt werden wird und sich Deutschland damit im Kreis der Wettbewerber um knapper werdendes Humankapital etablieren kann. Dies bereits im ersten gesetzgeberischen Schritt zu erwarten, wäre eingedenk der Vorgeschichte des Gesetzgebungsprozesses und seinem Übermaß an ideologischem Ballast nicht angemessen. Die Sorge vor der bürokratischen Überfrachtung der zuwanderungsgesetzlichen Praxis erscheint gleichwohl nicht unbegründet, und die weitgehende Entscheidungsgewalt der ohnehin im Brennpunkt des Arbeitsmarktgeschehens ausgelasteten Bundesagentur für Arbeit ist als sehr problematisch zu bewerten. Nicht minder aussichtsreich sind jedoch auch die mit dem Gesetz verbundenen Chancen einer systematischen Neuorientierung der deutschen Zuwanderungspolitik „im zweiten Anlauf“. Die sorgfältige wissenschaftliche Begleitung und Evaluation des Gesetzes mit dem Ziel der Präzisierung und Weiterentwicklung des jetzt geschaffenen Instrumentariums bleibt eine vordringliche Aufgabe, um auf den zunehmenden Fachkräftemangel migrations- und integrationspolitisch adäquat reagieren zu können. Letztlich wird wohl kein Weg an der Etablierung eines arbeitsmarktmotivierten Zuwanderungskonzepts vorbeiführen, das die Genehmigung der dauerhaften Immigration ausgewählter qualifizierter Arbeitskräfte, von Investoren und Unternehmern im Rahmen eines permanenten, selektiven Zuwanderungskanals und gleichzeitig die Einreise von Mangel-Arbeitskräften, Führungskräften, Wissenschaftlern und Studierenden über temporär angelegte, unbürokratisch praktizierte Einwanderungswege beinhaltet. Dies gilt sowohl im
8.2 Ausblick
257
Hinblick auf die Alterungsfolgen des demographischen Wandels als auch in Bezug auf den anstehenden forcierten Wettbewerb der hochentwickelten Staaten um die „besten Köpfe“, die ohne ein entsprechend konkretes, von abschreckenden Elementen befreites Zuwanderungsangebot den Weg nach Deutschland kaum finden werden. Deutschland wäre im Übrigen gut beraten, seine zuwanderungspolitische Initiative auch unter dem Gesichtspunkt der europäischen Rechtsangleichung in diesem Bereich voranzutreiben. Verschiedene Vorstöße der Europäischen Kommission zur Schaffung einheitlicher Standards auf Teilgebieten der Migrationspolitik werden in absehbarer Zukunft nichts daran zu ändern vermögen, dass es bei der nationalen zuwanderungspolitischen Kompetenz bleibt. Aus ökonomischer Sicht ist dies durchaus problematisch, denn nationale Migrationspolitiken stören das Konzept des einheitlichen europäischen Arbeitsmarktes: Wenn Zuwanderung einen nationalen Arbeitsmarkt beeinflusst, wird dies auch Folgewirkungen für die anderen lokalen Arbeitsmärkte der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft haben. Die seit langen Jahren unterdurchschnittlich geringe Verfügbarkeit von Immigranten für die nationalen Arbeitsmärkte zeigt ein ebenso langjähriges Versagen sowohl der einzelstaatlichen als auch der europäischen migrations- und integrationspolitischen Bemühungen an. Diesen Kurs wird die Europäische Union nicht aufrechterhalten können, sondern sich ihrerseits der Aufgabe einer selektiven Arbeitsimmigration stellen müssen. Insoweit kann sich ein schrittweise ausgebautes deutsches Konzept zur Steuerung der Zuwanderung einerseits auf die europäischen Ambitionen berufen, andererseits würde es diese unzweifelhaft vorantreiben. Von der deutschen Entscheidung für ein reformiertes, zumindest im Ansatz auch ökonomischen Kriterien verpflichtetes Zuwanderungsgesetz ist eine erhebliche Signalwirkung für die europäische Politik zu erwarten, zumal sich der einsetzende kurzfristige Fachkräftemangel und der langfristige demographische Trend in den meisten EU-Staaten ähnlich darstellen. Ein „deutsches Modell“ unter Einschluss von Punkte- und Auktionssystem könnte insoweit die Vorstufe einer späteren europäischen Rechtsharmonisierung darstellen.
8.2 Ausblick Die Fortsetzung des Strukturwandels in den hochentwickelten westlichen Staaten wird sich wesentlich auch auf die Arbeitsmarktperspektiven von Zuwanderern auswirken. Im gleichen Maße, in dem diese strukturellen Verän-
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8. Lektionen für die Zukunft
derungen, die voranschreitende Internationalisierung der Wirtschaftsräume und die Humankapitalintensivierung weiter Bereiche der Beschäftigung die Nachfrage nach geringqualifizierter Arbeit verringern werden, drohen neue Rückschläge für den Prozess der ökonomischen Integration von Migranten. Dies gilt insbesondere für Zuwanderer nicht-westlicher Herkunft, für die in diesem Buch ohnehin ein teils eklatantes Defizit hinsichtlich ihrer Arbeitsmarktteilhabe festgestellt wurde. Der Wettbewerbsdruck auf diese Arbeitsmarktakteure wird unzweifelhaft weiter zunehmen. Dies stellt Politik und Gesellschaft vor eine nicht geringe Herausforderung: Eine Begrenzung des weiteren Zuzugs von Immigranten geringer Qualifikation aus nicht-westlichen Staaten drängt sich förmlich auf, während es zugleich aus Gründen des Fachkräftemangels um die gezielte Anwerbung von hochqualifizierten Zuwanderern gehen muss. Auch für Dänemark liegt somit die Etablierung eines umfassenden zuwanderungsgesetzlichen Instrumentariums nahe, das diese Doppelaufgabe systematisch anzugehen in der Lage ist. So kann konsequent Einfluss auf die Qualifikationsstruktur der Immigranten genommen und damit der größtmögliche ökonomische Nutzen der Zuwanderung erzielt werden. Doch ein Zuwanderungsgesetz allein reicht nicht aus, denn für die Arbeitsmarkteingliederung der bereits im Land lebenden Einwanderer wäre damit noch nichts gewonnen. Angesichts ihres im Durchschnitt geringeren Humankapitals sind Zuwanderer nicht-westlicher Herkunft vor allem in unteren Segmenten des Arbeitsmarktes aktiv. Dort sind Migranten selbst dann besonders häufig anzutreffen, wenn ihr tatsächliches Qualifikationsniveau eine höherwertigere Tätigkeit eigentlich zuließe. Wertvolles Humankapital bleibt nur allzu oft ungenutzt, sei es, dass formale Hürden der Anerkennung von Berufsabschlüssen entgegenstehen, sei es, dass aufgrund entsprechender Unsicherheiten auf Arbeitgeber- bzw. Arbeitnehmerseite, und aufgrund vermuteter oder tatsächlicher Chancenlosigkeit auf dem Arbeitsmarkt von vornherein der raschen Erzielung eines ausreichenden, aber nicht qualifikationsadäquaten Einkommens der Vorzug gegeben wird. Dies deutet auf ein nachteiliges Zusammentreffen von Integrationsdefiziten, sprachlichen und qualifikatorischen Mängeln mit grundsätzlichen Funktionsmängeln der Arbeitsmärkte in beiden Ländern hin. Während in Dänemark bislang generell zu geringe Arbeitsanreize im Bereich einfacher Qualifikation gesetzt werden und Zuwanderer davon in besonderer Weise betroffen sind, wirkt auch in Deutschland die Tarifpolitik der Entstehung neuer Arbeitsplätze
8.2 Ausblick
259
im Niedriglohnbereich entgegen und benachteiligt somit vor allem Einwanderer. Migranten sind in erster Linie als Leidtragende, weniger als Profiteure falscher Anreize zu sehen. Über diese Fehlanreize hinaus sorgen Ausschlusskriterien in Form diverser Berufszulassungsvoraussetzungen oder versperrter Wege in die Selbständigkeit dafür, dass Ausländer nicht gleichberechtigt am Arbeitsmarktgeschehen teilhaben. Die in beiden Ländern seit längerem diskutierten und teils bereits beschrittenen Wege zur Wiederbelebung des Niedriglohnbereichs sind eine Möglichkeit zu Verbesserung der Arbeitsmarktbilanz von Zuwanderern nicht-westlicher Herkunft. Eine größere Lohnspreizung in Verbindung mit ausschließlich aktivierend konzipierten Sozialtransfers stärkt sowohl die Bereitschaft zur Beschäftigungsaufnahme anstelle des Bezugs von lediglich passivierenden Sozialleistungen als auch die Nachfrage nach Arbeit in diesem Segment. Sie stellte jedenfalls explizit keine Benachteiligung zugewanderter Arbeitsuchender dar. Dies gilt auch für eine insgesamt restriktivere Ausgestaltung des Sozialstaates, wie sie in beiden Ländern in jüngster Zeit vorgenommen worden ist. Die Politik des „Förderns und Forderns“ sollte ihren Anwendungsbereich gezielt auch auf Zuwanderer ausdehnen. Dazu ist freilich ein Umdenken hinsichtlich der Praxis der Arbeitsgenehmigung für Migranten unerlässlich. Das insbesondere in Deutschland bislang anzutreffende Dickicht der Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungsvorschriften für Zuwanderer hat sich – politisch durchaus gewollt – hemmend auf deren Arbeitsmarktintegration ausgewirkt. Über die nun im Rahmen des deutschen Zuwanderungsgesetzes beabsichtigten Rechtsvereinfachungen hinaus empfiehlt sich für beide Länder eine Straffung auch der Vorschriften zur Vorrangprüfung bei der Vergabe von Arbeitsplätzen an qualifizierte Zuwanderer. Eine generelle rechtliche Erleichterung des Arbeitsmarktzugangs ausländischer Fachkräfte, die auch unter der derzeit „stillen Reserve“ von nicht mit einer Arbeitserlaubnis ausgestatteten Migranten zu finden sein werden, könnte einen Beitrag zur Bewältigung von Bedarfssituationen der Arbeitsmärkte leisten. Gelingt zudem die Erschließung von Arbeitsplätzen in den Bereichen haushaltsnaher Dienstleistungen, wo ein bislang ungenutztes Nachfragereservoir angesiedelt ist, kann darüber hinaus die Beschäftigung auch von Zuwanderern stimuliert werden. Generell wird der unmittelbare Einstieg in den Arbeitsmarkt angesichts der damit einhergehenden Zugewinne an beruflichen Fähigkeiten, Sprachkenntnissen und Kontakten jeder originären Qualifikationsmaßnahme überlegen sein. In Anlehnung an die in das dänische Integrationsprogramm eingeführten und erst jüngst nochmals unter Anreiz-
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8. Lektionen für die Zukunft
aspekten veränderten Bausteine zur Arbeitsmarkt-Aktivierung sollten deshalb auch in Deutschland entsprechende Strukturen im Rahmen des Zuwanderungsgesetzes entwickelt und verwirklicht werden. Eine wichtige Stellschraube ist zudem in der rechtlichen Erleichterung selbständiger Erwerbstätigkeit für Zuwanderer zu finden. Nötig ist dazu ein vereinfachtes Verfahren zur Bewertung und Anerkennung von Qualifikationszertifikaten, wie sie zur Ausübung bestimmter Berufe etwa im Handwerk oder medizinischen Bereich erforderlich sind. Sinnvollerweise sollte eine zentrale Behörde bereits vor der Einwanderung zuverlässig Auskunft über die Anerkennungsfähigkeit der vorzuweisenden Abschlüsse – übrigens auch für einreisewillige abhängig Beschäftigte – geben können. Davon abgesehen ist eine kritische Überprüfung der Sinnfälligkeit bzw. des überlebten protektionistischen Charakters mancher Bestimmungen zur Regelung der Selbständigkeit von Ausländern angezeigt. Strategien zur Verbesserung des Humankapitals sollten vor allem bei der Intensivierung des Spracherwerbs ansetzen, der zudem als zentrales Element der erfolgreichen gesellschaftlichen Integration zu gelten hat. Insoweit gehen die in Dänemark praktizierten Programme zum Dänischunterricht in die richtige Richtung. Auch für die soziale Eingliederung kann jedoch eine forcierte Politik des „Förderns und Forderns“ hilfreich sein, die den Besuch von Sprachund Integrationskursen noch stärker mit Anreizen (und Sanktionen) verknüpft, als das bislang in Dänemark praktiziert wird bzw. in Deutschland im Rahmen der Umsetzung des Zuwanderungsgesetzes beabsichtigt ist. Ein zusätzliches Marktelement könnte darüber hinaus durch die konsequente Dezentralisierung der inhaltlichen Gestaltung von Integrationsmaßnahmen geschaffen werden. Ein Wettbewerb der Konzepte und ihre systematische Evaluation würden dabei helfen, die Integrationsinstrumente sinnvoll zu verbessern. Solche oder ähnliche Strategien zur Aktivierung von Migranten für den Arbeitsmarkt werden auch im Hinblick auf den einsetzenden demographischen Wandel gefunden werden müssen. Es erscheint absurd, in diesem Zusammenhang verstärkt auf Zuwanderung zu bauen, ohne zugleich auch alle Chancen zu nutzen, die darin liegen, bereits im Land lebende Migranten gezielt in Arbeitsmarkt und Gesellschaft zu integrieren.
261
ANHANG A. Tabellen B. Dokumentation
A. Tabellen
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Tabelle A.1 Wahrscheinlichkeit eines Bildungsabschlusses in Dänemark 1 Variable
Wahrscheinlichkeit des Abschlusses der Sek. 1 Koeff.
Alter bei Einreise Alter bei Einreise² Aufenthaltsdauer Aufenthaltsdauer² gesundheitl. Einschr. weiterführende Schule im Heimatland Universitätsabschluss im Heimatland Berufsausbildung im Heimatland kein Abschluss im Heimatland Arbeitserfahrung im Heimatland Vater mit Grundschulbildung - weiterführende Schule - Abitur Vater Handwerker - einfacher Angestellter - gehobener Angestellter - Bauer - selbständig - Spezialist mit universitärer Ausbildung - andere Beschäftigung mittlere Stadt im Heimatland Kleinstadt im Heimatland mittlere Stadt in Dänemark Kleinstadt in Dänemark Religiosität in Dänemark geboren Ehem. Jugoslawien Polen Iran Libanon/Staatenlos Dänemark Mann Konstante
-0,231* 0,002* -0,009 -0,001 -0,119 0,185
Standard- Marginale Effekte fehler 0,035 -0,026 0,001 0,0003 0,041 -0,004 0,001 -0,0001 0,257 -0,008 0,335 0,007
Wahrscheinlichkeit des Abschlusses der Sek. 2 / Universität Standard- Marginale Koeff. fehler Effekte -0,171* 0,040 -0,011 0,001 0,001 0,0001 0,238* 0,057 0,020 -0,006* 0,001 -0,0005 -0,657* 0,292 -0,044 0,927* 0,351 0,093
-1,263*
0,501
-0,104
-0,367
0,358
-0,018
-0,437
0,330
-0,049
-0,027
0,363
0,003
-0,748*
0,315
-01,00
0,156
0,378
0,022
-0,457*
0,219
-0,049
-0,558*
0,221
-0,040
0,363
0,205
0,040
0,444
0,246
0,033
-0,068 -0,188 0,159 0,650* 0,193 -0,169 0,223 0,244
0,292 0,262 0,271 0,270 0,330 0,351 0,283 0,419
-0,018 -0,035 0,025 0,082 0,017 -0,028 0,018 0,034
0,630* 0,902* -0,377 0,600 0,479 0,595 0,621* -0,070
0,310 0,266 0,334 0,309 0,320 0,357 0,298 0,413
0,064 0,089 -0,029 0,045 0,042 0,062 0,057 -0,009
0,362 -0,464*
0,323 0,199
0,037 -0,053
0,631 -0,202
0,338 0,191
0,056 -0,011
-0,501
0,279
-0,046
-1,068*
0,418
-0,062
0,554
0,387
0,077
0,179
0,420
0,006
0,541 -0,276 0,412 0,222 1,076* 0,947* -0,391 1,239* 0,330* 2,721*
0,544 0,249 0,649 0,370 0,389 0,420 0,444 0,249 0,163 0,779
0,085 -0,022 0,033 0,005 0,049 0,035 -0,071 0,107 0,031 -
-0,322 -0,768* 1,022 1,212* 2,572* 2,444* 1,657* 2,546* 0,713* -2,984*
0,667 0,231 0,679 0,545 0,501 0,527 0,532 0,392 0,175 0,985
-0,030 -0,072 0,108 0,130 0,375 0,367 0,247 0,225 0,054 -
Log Likelihood Ȥ² Anzahl der Beobachtungen
-1.093,2 1.023,0 1.866
Anmerkungen: Mit einem * gekennzeichnete Parameter sind auf dem 5%-Niveau signifikant. 1 verglichen mit der Wahrscheinlichkeit, in Dänemark keinen Bildungsabschluss erlangt zu haben. Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis des RFSM-D.
264
Anhang
Tabelle A.2 Schätzergebnisse für die Wahrscheinlichkeit eines Bildungsabschlusses in Deutschland1 Variable
Wahrscheinlichkeit des Abschlusses der Sek. 1 Koeff.
Alter bei Einreise Alter bei Einreise² Aufenthaltsdauer Aufenthaltsdauer² gesundheitl. Einschr. weiterführende Schule im Heimatland Universitätsabschluss im Heimatland Berufsausbildung im Heimatland kein Abschluss im Heimatland Arbeitserfahrung im Heimatland Vater mit Grundschulbildung - weiterführende Schule - Abitur Vater Handwerker - einfacher Angestellter - gehobener Angestellter - Bauer - selbständig - Spezialist mit universitärer Ausbildung - andere Beschäftigung mittlere Stadt im Heimatland Kleinstadt im Heimatland mittlere Stadt in Deutschland Kleinstadt in Deutschland Religiosität in Deutschland geboren Ehem. Jugoslawien Polen Iran Libanon/Staatenlos Deutschland Mann Konstante
-0,333* 0,004* 0,037* -0,001* -0,106 -0,518*
Standard- Marginale Effekte fehler 0,028 -0,017 0,0005 0,0002 0,016 0,002 0,0003 -0,0001 0,179 -0,005 0,254 -0,027
Wahrscheinlichkeit des Abschlusses der Sek. 2 / Universität Standard- Marginale Koeff. fehler Effekte -0,206* 0,033 -0,005 0,002* 0,001 0,0001 0,181* 0,028 0,005 -0,004* 0,001 -0,0001 -0,427* 0,216 -0,010 1,542* 0,279 0,063
0,015
0,556
0,001
-0,277
0,282
-0,007
-0,042
0,261
-0,001
-0,507*
0,246
-0,012
0,942*
0,184
0,052
0,994*
0,303
0,029
-0,771*
0,199
-0,041
-0,075
0,200
-0,001
0,077
0,156
0,004
0,223
0,237
0,006
0,502* 0,273 0,290 0,494* 0,026 -0,129 0,465* -0,333
0,189 0,221 0,167 0,219 0,259 0,249 0,215 0,488
0,029 0,013 0,016 0,032 0,001 -0,007 0,028 -0,016
0,514* 0,877* 0,076 -0,354 -0,072 0,144 0,082 0,810*
0,259 0,262 0,248 0,342 0,271 0,329 0,253 0,329
0,015 0,031 0,002 -0,009 -0,002 0,004 0,001 0,033
0,354 0,101
0,260 0,180
0,021 0,006
-0,138 -0,311
0,352 0,181
-0,004 -0,008
0,149
0,194
0,009
-0,450
0,262
-0,011
0,376*
0,191
0,022
0,170
0,283
0,004
-0,712*
0,339
-0,027
-2,455*
1,065
-0,026
-0,286 -2,069* -0,538* 0,290 -0,294 -1,305* 0,847* 0,504* 2,495*
0,154 0,297 0,183 0,199 0,244 0,197 0,245 0,117 0,514
-0,015 -0,056 -0,024 0,015 -0,016 -0,047 0,054 0,025 -
-0,529* -1,165* -0,184 0,412 1,215* -0,975* 1,366* 0,621* -2,445*
0,166 0,400 0,284 0,285 0,265 0,337 0,292 0,146 0,703
-0,016 -0,020 -0,004 0,012 0,051 -0,019 0,063 0,017 -
Log likelihood Ȥ² Anzahl der Beobachtungen
-1.826,663 3.333,789 5.291
Anmerkungen: Mit einem * gekennzeichnete Parameter sind auf dem 5%-Niveau signifikant. 1 verglichen mit der Wahrscheinlichkeit, in Deutschland keinen Bildungsabschluss erlangt zu haben. Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis des RFSM-G.
A. Tabellen
265
Tabelle A.3 Schätzergebnisse für die Wahrscheinlichkeit des Abschlusses einer beruflichen Ausbildung in Dänemark1 Variable Alter bei Einreise Alter bei Einreise² Aufenthaltsdauer Aufenthaltsdauer² gesundheitl. Einschränkung weiterführende Schule im Heimatland Universitätsabschluss im Heimatland Berufsausbildung im Heimatland kein Abschluss im Heimatland Arbeitserfahrung im Heimatland Vater mit Grundschulbildung - weiterführende Schule - Abitur Vater Handwerker - einfacher Angestellter - gehobener Angestellter - Bauer - selbständig - Spezialist mit universitärer Ausbildung - andere Beschäftigung mittlere Stadt im Heimatland Kleinstadt im Heimatland mittlere Stadt in Dänemark Kleinstadt in Dänemark Religiosität in Dänemark geboren Ehem. Jugoslawien Polen Iran Libanon/Staatenlos Dänemark Mann Konstante
Wahrscheinlichkeit des Abschlusses einer beruflichen Ausbildung in Dänemark Koeffizient Standardfehler Marginale Effekte 0,037 0,030 0,004 -0,001* 0,001 -0,0001 0,067 0,042 0,007 -0,002 0,001 -0,0001 -0,440 0,228 -0,040 0,670*
0,277
0,081
-0,633
0,344
-0,052
0,608*
0,298
0,071
0,410
0,317
0,040
0,001
0,190
0,0001
0,228 0,200 -0,084 -0,195 0,315 0,551* -0,152 0,034
0,195 0,246 0,222 0,254 0,243 0,258 0,313 0,248
0,024 0,022 -0,008 -0,019 0,035 0,066 -0,015 0,004
0,044
0,344
0,005
0,208 -0,354* -0,701* 0,093 0,396 -0,502* 0,345 0,609 1,528* 1,706* 0,119 1,593* -0,068 -3,434*
0,276 0,169 0,300 0,274 0,444 0,191 0,358 0,418 0,384 0,407 0,516 0,297 0,142 0,768
0,023 -0,035 -0,059 0,010 0,047 -0,058 0,039 0,072 0,242 0,289 0,013 0,179 -0,007 -
Log likelihood Ȥ² Anzahl der Beobachtungen
-720,4 218,0 1.866
Anmerkungen: Mit einem * gekennzeichnete Parameter sind auf dem 5%-Niveau signifikant. 1 verglichen mit der Wahrscheinlichkeit, in Dänemark keine berufliche Ausbildung abgeschlossen zu haben. Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis des RFSM-D.
266
Anhang
Tabelle A.4 Schätzergebnisse für die Wahrscheinlichkeit des Abschlusses einer beruflichen Ausbildung in Deutschland1 Variable Alter bei Einreise Alter bei Einreise² Aufenthaltsdauer Aufenthaltsdauer² gesundheitl. Einschränkung weiterführende Schule im Heimatland Universitätsabschluss im Heimatland Berufsausbildung im Heimatland kein Abschluss im Heimatland Arbeitserfahrung im Heimatland Vater mit Grundschulbildung - weiterführende Schule - Abitur Vater Handwerker - einfacher Angestellter - gehobener Angestellter - Bauer - selbständig - Spezialist mit universitärer Ausbildung - andere Beschäftigung mittlere Stadt im Heimatland Kleinstadt im Heimatland mittlere Stadt in Deutschland Kleinstadt in Deutschland Religiosität in Deutschland geboren Ehem. Jugoslawien Polen Iran Libanon/Staatenlos Deutschland Mann Konstante
Wahrscheinlichkeit des Abschlusses einer beruflichen Ausbildung in Deutschland Koeffizient Standardfehler Marginale Effekte -0,085* 0,020 -0,007 0,0008* 0,0004 0,0001 0,102* 0,016 0,009 -0,002* 0,0003 -0,0002 -0,166 0,135 -0,013 0,527* 0,154 0,049 -0,258
0,244
-0,020
-0,303
0,159
-0,024
0,493*
0,154
0,043
-0,102
0,136
-0,009
0,025 0,244 0,376* 0,228 0,436* 0,341 -0,198 0,163 -0,043
0,129 0,148 0,167 0,131 0,167 0,180 0,202 0,166 0,305
0,002 0,022 0,035 0,020 0,042 0,032 -0,016 0,014 -0,004
0,040 0,068 0,175 -0,088
0,214 0,134 0,153 0,154
0,003 0,006 0,015 -0,007
-0,173 -0,137 -0,443* -0,152 0,368* -0,081 -0,378* 0,414* 0,279* -2,273*
0,314 0,119 0,199 0,147 0,152 0,179 0,164 0,178 0,092 0,398
-0,014 -0,012 -0,032 -0,012 0,034 -0,007 -0,029 0,040 0,023 -
Log Likelihood F² Anzahl der Beobachtungen
-1.733,642 526,0184 5.291
Anmerkungen: Mit einem * gekennzeichnete Parameter sind auf dem 5%-Niveau signifikant. 1 verglichen mit der Wahrscheinlichkeit, in Dänemark keine berufliche Ausbildung abgeschlossen zu haben. Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis des RFSM-G.
A. Tabellen
267
Tabelle A.5 Schätzergebnisse zur Wahrscheinlichkeit der Erwerbsbeteiligung in Deutschland (für 18-59jährige Zuwanderer, ohne Studenten)
Konstante Geschlecht und Kinder - Mann - Mann mit Kindern - Frau mit Kindern Alter 2 Alter Aufenthaltsdauer Aufenthaltsdauer2 gesundheitl. Einschränkung Beschäftigung im Heimatland Bildung im Heimatland Bildung in Deutschland - Grundschule und niedrigere weiterführende Schule - höhere weiterführ. Schule - Universität Berufsausbildung Deutschland Sprache - durchschnittliche bis gute Sprachkenntnisse - gute Sprachkenntnisse Herkunftsland - Ehem. Jugoslawien - Iran - Libanon - Pakistan - Polen - Somalia - Vietnam Flüchtling Arbeitslosigkeit in Region deutscher Staatsbürger häufiger Kontakt mit einheimischer Bevölkerung Religiosität - sehr religiös, Muslim - kaum religiös, Muslim - sehr religiös, kein Muslim Enklave AIC Likelihood Ratio Anzahl der Beobachtungen
Regression 1 Koeffizient Std.- Oddsfehler Verh. -1,226 * 0,544 -
Regression 2 Koeffizient Std.- Oddsfehler Verh. -1,718 * 0,585 -
Regression 3 Koeffizient Std.- Oddsfehler Verh. -1,483 * 0,618 -
1,099 0,452 -1,373 0,025 -0,001 0,127 -0,002 -1,255 0,292 0,827
3,001 1,571 0,253 1,025 0,999 1,136 0,998 0,285 1,340 2,286
1,325 0,610 -1,356 0,065 -0,001 0,104 -0,002 -1,145 0,080 0,357
3,764 1,841 0,258 1,067 0,999 1,109 0,998 0,318 1,084 1,429
1,278 0,654 -1,336 0,056 -0,001 0,102 -0,002 -1,138 0,055 0,334
0,623 *
0,143 1,864
0,125
0,153 1,134
0,097
0,154 1,102
1,162 * 1,018 * 0,650 *
0,319 3,197 0,313 2,768 0,140 1,915
0,474 0,527 * 0,467 *
0,331 1,606 0,320 1,694 0,147 1,596
0,350 0,417 0,448 *
0,332 1,419 0,323 1,517 0,148 1,564
0,959 *
0,104 2,608
0,825 *
0,109 2,281
1,454 *
0,142 4,280
1,268 *
0,147 3,553
* * * * * * * * *
0,095 0,161 0,105 0,029 0,0004 0,013 0,0003 0,136 0,091 0,096
-0,050 0,005 -0,446 0,521 -0,475 -0,046 0,796
4.312,3 1.172,9 4.414
4.011,1 1.492,1 4.414
* * * * * * * * *
* *
* * *
0,103 0,167 0,111 0,031 0,0004 0,015 0,0003 0,144 0,096 0,105
0,132 0,147 0,139 0,133 0,106 0,013 0,291
0,951 1,005 0,640 1,683 0,622 0,955 2,217
-0,216 -0,115 -0,435 0,341 -0,439 -0,049 0,780 0,394
* * * * * * * *
0,104 0,169 0,112 0,031 0,0004 0,015 0,0003 0,145 0,097 0,106
3,591 1,924 0,263 1,058 0,999 1,107 0,998 0,320 1,056 1,397
* * * *
0,148 0,152 0,141 0,167 0,107 0,013 0,289 0,154
0,806 0,892 0,647 1,406 0,645 0,952 2,181 1,483
-0,384 * 0,265 -0,136 -0,067
0,122 0,150 0,146 0,081
0,681 1,304 0,873 0,935
* *
3.975,9 1.528,8 4.409
Anmerkungen: Um bewerten zu können, welchen Einfluss die Berücksichtigung bestimmter Variablen auf die Schätzungen hat, wurden diese in drei Schritten durchgeführt. In der ersten Regression wurden das Geschlecht und die elementarsten Humankapitalvariablen eingeschlossen. In der zweiten Regression wurden Sprachkenntnisse und weitere Variablen wie Staatsangehörigkeit etc. ergänzt. In einem letzten Schritt wurden schließlich auch solche Variablen berücksichtigt, die möglicherweise endogen sein könnten. Mit einem * gekennzeichnete Parameter sind auf dem 5%-Niveau signifikant. Quelle: Berechnungen auf Basis des RFMS-G.
268
Anhang
Tabelle A.6 Schätzergebnisse zur Wahrscheinlichkeit der Erwerbsbeteiligung in Dänemark (für 18-59jährige, ohne Studenten) Regression 1 Koeffizient Konstante Geschlecht und Kinder - Mann - Mann mit Kindern - Frau mit Kindern Alter Alter2 Aufenthaltsdauer Aufenthaltsdauer2 gesundheitl. Einschränkung Beschäftigung im Heimatland Bildung im Heimatland Bildung in Dänemark - Grundschule und niedrigere weiterführende Schule - höhere weiterführ. Schule - Universität Berufsausbildung in Dänemark Sprache - durchschnittliche bis gute Sprachkenntnisse - gute Sprachkenntnisse Herkunftsland - Ehem. Jugoslawien - Iran - Libanon - Pakistan - Polen - Somalia - Vietnam Flüchtling Arbeitslosigkeit in Region dänischer Staatsbürger häufiger Kontakt mit einheimischer Bevölkerung Religiosität - sehr religiös, Muslim - kaum religiös, Muslim - sehr religiös, kein Muslim Enklave AIC Likelihood Ratio Anzahl der Beobachtungen
-1,047 0,329 0,114 -0,706 0,090 -0,002 0,181 -0,004 -2,763 0,165 0,530
*
Regression 2
Std.- Oddsfehler Verh. 0,855 -
-2,472 *
1,389 1,120 0,494 1,094 0,998 1,198 0,996 0,063 1,179 1,699
0,569 0,108 -0,522 0,142 -0,002 0,144 -0,004 -2,684 -0,042 0,154
0,174
0,202 1,190
-0,085
0,311 1,995 * 0,609 *
0,272 1,365 0,627 7,351 0,216 1,839
* * * * * *
0,163 0,205 0,174 0,046 0,001 0,029 0,001 0,191 0,154 0,150
Koeffizient
* * * * * * *
0,175 0,214 0,185 0,049 0,001 0,036 0,001 0,201 0,163 0,165
Koeffizient -1,947
1,766 1,114 0,593 1,152 0,998 1,155 0,996 0,068 0,959 1,167
0,519 0,171 -0,502 0,142 -0,002 0,144 -0,004 -2,657 -0,070 0,135
0,211 0,919
-0,081
* * * * * * * *
Std.- Oddsfehler Verh. 1,017 0,178 0,217 0,186 0,049 0,001 0,036 0,001 0,202 0,164 0,165
1,681 1,187 0,605 1,152 0,998 1,154 0,996 0,070 0,932 1,144
0,213 0,922
0,076 1,629 * 0,486 *
0,292 1,078 0,660 5,098 0,232 1,625
0,049 1,587 * 0,453
0,294 1,050 0,657 4,889 0,233 1,572
0,972 *
0,157 2,644
0,968 *
0,162 2,632
1,474 * -0,056 -0,697 * -0,219 -0,948 * 0,900 * -0,346 0,028 -0,197 0,024 0,146
1.804,8 580,2 2.228
Regression 3
Std.- Oddsfehler Verh. 0,975 -
1.717,6 690,9 2.227
0,264 4,365 0,278 0,310 0,265 0,244 0,305 0,293 0,293 0,171 0,064 0,180
0,946 0,498 0,804 0,387 2,459 0,707 1,029 0,821 1,024 1,158
1,398 *
0,270 4,047
-0,370 -0,955 * -0,195 -1,056 * 0,472 -0,441 -0,339 -0,179 0,017 0,114 0,165
0,316 0,340 0,266 0,247 0,386 0,297 0,386 0,173 0,065 0,182 0,151
0,691 0,385 0,823 0,348 1,604 0,643 0,712 0,836 1,017 1,121 1,180
-0,272 -0,044 -0,041 -0,488 *
0,258 0,305 0,302 0,137
0,762 0,957 0,960 0,614
1.710,9 707,1 2.226
Anmerkungen: Um bewerten zu können, welchen Einfluss die Berücksichtigung bestimmter Variablen auf die Schätzungen hat, wurden diese in drei Schritten durchgeführt. In der ersten Regression wurden das Geschlecht und die elementarsten Humankapitalvariablen eingeschlossen. In der zweiten Regression wurden Sprachkenntnisse und weitere Variablen wie Staatsangehörigkeit etc. ergänzt. In einem letzten Schritt wurden schließlich auch solche Variablen berücksichtigt, die möglicherweise endogen sein könnten. Mit einem * gekennzeichnete Parameter sind auf dem 5%-Niveau signifikant. Quelle: Berechnungen auf Basis des RFMS-D.
A. Tabellen
269
Tabelle A.7 Schätzergebnisse zur Wahrscheinlichkeit der Beschäftigung in Deutschland (für 18-59jährige in Erwerbsbevölkerung)
Konstante Geschlecht und Kinder - Mann - Mann mit Kindern - Frau mit Kindern Alter 2 Alter Aufenthaltsdauer Aufenthaltsdauer2 Gesundheitliche Einschränkung Beschäftigung im Heimatland Bildung im Heimatland Bildung in Deutschland - Grundschule und niedrigere weiterführende Schule - höhere weiterführende Schule - Universität Berufsausbildung Deutschland Sprache - durchschnittliche bis gute Sprachkenntnisse - gute Sprachkenntnisse Herkunftsland - Ehem, Jugoslawien - Iran - Libanon - Pakistan - Polen - Somalia - Vietnam Flüchtling Arbeitslosigkeit in Region deutscher Staatsbürger häufiger Kontakt mit einheimischer Bevölkerung Religiosität - sehr religiös, Muslim - kaum religiös, Muslim - sehr religiös, kein Muslim Enklave AIC Likelihood Ratio Anzahl der Beobachtungen
Regression 1 Koeffizient Std.- Oddsfehler Verh. 1,743 * 0,746 -
Regression 2 Koeffizient Std.- Oddsfehler Verh. 1,918 * 0,788 -
Regression 3 Koeffizient Std.- Oddsfehler Verh. 2,105 * 0,837 -
-0,615 * -0,286 * -0,079 -0,007 -0,00004 0,008 0,0003 -1,715 *
0,128 0,133 0,227 0,040 0,001 0,020 0,0005 0,179
0,541 0,751 0,924 0,993 1,000 1,008 1,000 0,180
-0,429 * -0,132 -0,048 0,030 -0,0005 0,005 0,00001 -1,683 *
0,134 0,138 0,233 0,041 0,001 0,022 0,0005 0,185
0,651 0,877 0,953 1,031 1,000 1,005 1,000 0,186
-0,449 -0,110 -0,072 0,027 -0,0004 0,004 0,0001 -1,682
*
-0,230 0,731 *
0,125 0,134
0,794 2,078
-0,268 * 0,458 *
0,130 0,142
0,765 1,581
-0,293 0,461
0,130
0,183
1,139
-0,232
0,193
0,793
-0,215
1,073 * 0,473 0,571 *
0,413 0,312 0,172
2,924 1,604 1,770
0,427 0,104 0,429 *
0,423 0,328 0,177
1,532 1,110 1,535
0,410 0,041 0,395
0,431 *
0,157
1,539
0,303
0,911 *
0,195
2,486
0,725
0,207 0,132 -0,309 0,423 * -0,484 * -0,111 * 0,246
0,174 0,187 0,172 0,177 0,134 0,016 0,307
1,230 1,141 0,734 1,527 0,616 0,895 1,279
0,053 0,014 -0,314 0,213 -0,460 -0,110 0,204 0,411
-0,239 -0,110 0,250 -0,425 2.632,4 209,2 3.052
2.512,8 346,8 3.052
*
0,136 0,140 0,235 0,041 0,001 0,022 0,0006 0,187
0,638 0,896 0,931 1,028 1,000 1,004 1,000 0,186
* *
0,131 0,143
0,746 1,585
0,194
0,806
0,425 0,331 0,177
1,507 1,042 1,485
0,168
1,354
0,206
2,065
0,189 0,192 0,173 0,216 0,135 0,016 0,308 0,231
1,054 1,014 0,731 1,238 0,631 0,896 1,226 1,508
0,155 0,165 0,236 0,105
0,787 0,895 1,283 0,654
*
*
* *
*
2.492,4 373,3 3.050
Anmerkungen: Um bewerten zu können, welchen Einfluss die Berücksichtigung bestimmter Variablen auf die Schätzungen hat, wurden diese in drei Schritten durchgeführt. In der ersten Regression wurden das Geschlecht und die elementarsten Humankapitalvariablen eingeschlossen. In der zweiten Regression wurden Sprachkenntnisse und weitere Variablen wie Staatsangehörigkeit etc. ergänzt. In einem letzten Schritt wurden schließlich auch solche Variablen berücksichtigt, die möglicherweise endogen sein könnten. Mit einem * gekennzeichnete Parameter sind auf dem 5%-Niveau signifikant. Quelle: Berechnungen auf Basis des RFMS-G.
270
Anhang
Tabelle A.8 Schätzergebnisse zur Wahrscheinlichkeit der Beschäftigung in Dänemark (18-59jährige Zuwanderer in Erwerbsbevölkerung)
Konstante Geschlecht und Kinder - Mann - Mann mit Kindern - Frau mit Kindern Alter 2 Alter Aufenthaltsdauer Aufenthaltsdauer2 gesundheitl. Einschränkung Beschäftigung im Heimatland Bildung im Heimatland Bildung in Dänemark - Grundschule und niedrigere weiterführende Schule - höhere weiterführende Schule - Universität Berufsausbildung in Dänemark Sprache - durchschnittliche bis gute Sprachkenntnisse - gute Sprachkenntnisse Herkunftsland - Ehem. Jugoslawien - Iran - Libanon - Pakistan - Polen - Somalia - Vietnam Flüchtling Arbeitslosigkeit in Region dänischer Staatsbürger häufiger Kontakt mit einheimischer Bevölkerung Religiosität - sehr religiös, Muslim - kaum religiös, Muslim - sehr religiös, kein Muslim Enklave AIC Likelihood Ratio Anzahl der Beobachtungen
Regression 1 Koeffizient Std.- Oddsfehler Verh. 3,194 * 0,967 -
Regression 2 Koeffizient Std.- Oddsfehler Verh. 1,542 1,114 -
Regression 3 Koeffizient Std.- Oddsfehler Verh. 1,814 1,206 -
0,584 -0,450 -0,749 -0,100 0,001 -0,078 0,003 -1,115 0,068 0,588
0,833 * -0,049 -0,269 -0,048 0,001 -0,067 0,001 -1,311 * -0,278 0,185
0,203 0,212 0,207 0,058 0,001 0,051 0,001 0,345 0,181 0,193
0,755 * 0,000 -0,229 -0,054 0,001 -0,065 0,001 -1,339 * -0,296 0,169
0,206 0,216 0,211 0,060 0,001 0,051 0,001 0,361 0,184 0,196
0,193 0,937
-0,332
0,213 0,717
-0,371
0,217 0,690
0,259 1,289 0,523 7,128 0,216 2,622
-0,287 1,026 0,648 *
0,292 0,750 0,559 2,789 0,239 1,913
-0,317 0,939 0,618 *
0,293 0,728 0,558 2,558 0,244 1,854
0,528 *
0,207 1,695
0,470 *
0,215 1,599
1,397 *
0,305 4,044
1,183 *
0,315 3,263
* * *
* * *
-0,065 0,254 1,964 * 0,964 *
0,181 0,193 0,186 0,054 0,001 0,042 0,001 0,321 0,165 0,168
1,792 0,638 0,473 0,905 1,001 0,925 1,003 0,328 1,070 1,800
0,938 0,022 -1,726 0,694 0,734 -0,786 1,477 0,237 0,010 0,236
1.589,3 190,9 1.735
1.411,1 392,7 1.734
* * * * * *
0,331 0,350 0,259 0,328 0,292 0,314 0,378 0,194 0,069 0,188
2,299 0,952 0,764 0,953 1,001 0,935 1,001 0,269 0,758 1,203
2,555 1,022 0,178 2,002 2,083 0,456 4,378 1,268 1,010 1,266
0,603 -0,292 -1,728 0,555 0,484 -0,972 1,457 0,234 -0,004 0,192 0,658
2,127 1,000 0,796 0,948 1,001 0,937 1,001 0,262 0,744 1,184
*
0,387 0,392 0,263 0,334 0,426 0,320 0,505 0,198 0,070 0,192 0,166
1,827 0,747 0,178 1,742 1,622 0,378 4,294 1,263 0,996 1,211 1,931
-0,137 0,113 -0,771 * -0,427 *
0,334 0,386 0,315 0,152
0,872 1,120 0,462 0,652
*
* *
1.389,4 423,8 1.733
Anmerkungen: Um bewerten zu können, welchen Einfluss die Berücksichtigung bestimmter Variablen auf die Schätzungen hat, wurden diese in drei Schritten durchgeführt. In der ersten Regression wurden das Geschlecht und die elementarsten Humankapitalvariablen eingeschlossen. In der zweiten Regression wurden Sprachkenntnisse und weitere Variablen wie Staatsangehörigkeit etc. ergänzt. In einem letzten Schritt wurden schließlich auch solche Variablen berücksichtigt, die möglicherweise endogen sein könnten. Mit einem * gekennzeichnete Parameter sind auf dem 5%-Niveau signifikant. Quelle: Berechnungen auf Basis des RFMS-D.
A. Tabellen
271
Tabelle A.9 Geschätzte Lohngleichungen für beschäftigte Zuwanderer in Deutschland und Dänemark Variable Alter Alter2 Alter bei Einwanderung 2 Alter bei Einwanderung Jahre der Arbeitserfahrung im Aufnahmeland Jahre der Arbeitserfahrung im Aufnahmeland2 Jahre der Arbeitserfahrung im Aufnahmeland3 4 Jahre der Arbeitserfahrung im Aufnahmeland Mann Grundschule/Sek 1 im Aufnahmeland abgeschlossen Abitur/Universität im Aufnahmeland abgeschlossen Berufsausbildung im Aufnahmeland abgeschlossen gute Sprachkenntnisse des Aufnahmeland gesundheitliche Einschränkungen Schulbesuch im Heimatland Beschäftigung im Heimatland wöchentliche Arbeitsstunden Beschäftigung in kleinen Unternehmen Beschäftigung im Handel Beschäftigung im öffentlichen oder Non-Profit Sektor Beschäftigung in Industrie ohne Bau Beschäftigung in Bausektor oder Bergbau Beschäftigung in anderen Sektoren im Aufnahmeland gebohren Einbürgerung Ehem. Jugoslawien Polen Iran Libanon Lambda Selektionsterm Konstante Log. Brutto-Wochenlohn (Mittelwert, Standardabweichung.) Anzahl der Beobachtungen R² Log-Likelihood F
Deutschland Dänemark Koeffizient Std.-fehler Koeffizient Std.fehler 0,063 * 0,012 0,050 * 0,009 -0,001 * 0,0002 -0,001 * 0,0001 0,01 0,008 0,005 0,005 -0,00003 0,0002 -0,0001 0,0001 -0,007 * 0,001 0,142 * 0,024 0,008 * 0,001 -0,026 * 0,006 -0,0004 * 0,0001 0,002 * 0,001 0,00001 * 0,000001 -0,00005 * 0,00001 0,438 * 0,035 0,122 * 0,024 0,145 * 0,068 -0,030 0,034 0,274 * 0,066 0,185 * 0,034 0,272 * 0,040 0,056 0,028 0,079 * 0,035 0,064 * 0,030 -0,153 * 0,046 0,009 0,075 0,009 0,053 -0,026 0,041 0,051 0,038 -0,028 0,029 0,001 * 0,0001 0,024 * 0,002 -0,101 * 0,032 -0,098 * 0,026 0,081 0,044 -0,031 0,045 0,228 * 0,047 -0,066 * 0,031 0,320 * 0,041 -0,011 0,032 0,320 * 0,055 0,030 0,069 0,053 0,068 -0,036 0,037 0,235 * 0,082 0,092 0,061 0,227 * 0,060 0,058 0,035 0,136 * 0,045 0,073 0,042 0,096 * 0,043 0,061 0,036 0,108 * 0,055 -0,047 0,068 -0,117 * 0,056 0,107 0,094 -0,055 0,345 -0,051 0,098 3,553 * 0,23 4,129 * 0,172 5,708 0,779 6,264 0,428 1.998 0,38 -1.839,86 39,15
879 0,48 -194,81 26,34
Anmerkungen: Als Referenzgruppe wurde eine Gruppe von Frauen mit folgenden Merkmalen gewählt: ohne Schulabschluss im Gastland, ohne gesundheitliche Einschränkungen, ohne Schulausbildung und Beschäftigung vor der Zuwanderung, mit Beschäftigung in einem größeren Unternehmen im Dienstleistungsbereich, geboren im Heimatland mit und türkischer Staatsangehörigkeit. Mit einem * gekennzeichnete Parameter sind auf dem 5%-Niveau signifikant. Quelle: Berechnungen auf Basis des RFMS-G und RFMS-D.
272
Anhang
Tabelle A.10 Wahrscheinlichkeit der Selbständigkeit von Zuwanderern
Variable Alter Alter² Aufenthaltsdauer Aufenthaltsdauer² Mann Grundschule/Sek 1 im Aufnahmeland Abitur/Universität im Aufnahmeland Berufsausbildung Ausbildung im Heimatland gesundheitliche Einschränkungen Arbeitserfahrung im Heimatland Arbeitslosigkeit in Region Vater selbständig verheiratet Kinder unter 14 Jahre zu Hause Eigenheimbesitz Enklave Ehem. Jugoslawien Polen Iran Libanon Einbürgerung im Aufnahmeland Konstante AIC Likelihood ratio Anzahl der Beob.
Koeffizient 0,098* -0,001 0,054* -0,001 0,982*
Deutschland Std.fehler 0,046 0,001 0,026 0,001 0,166
OddsVerh. 1,103 0,999 1,055 0,999 2,668
Koeffizient 0,102 -0,0012 -0,013 0,0003 0,900*
Dänemark Std.fehler 0,093 0,0015 0,064 0,002 0,244
OddsVerh. 1,107 0,999 1,013 1,000 2,460
0,467*
0,237
1,596
-0,124
0,345
0,883
0,440*
0,222
1,552
-0,550
0,328
0,577
-0,153
0,196
0,858
-0,207
0,271
0,813
0,299
0,219
1,348
0,510
0,378
1,664
-0,790*
0,220
0,454
0,714*
0,349
2,042
-0,051
0,173
0,95
-0,040
0,248
0,961
0,024
0,022
1,024
0,160
0,098
1,173
0,438* -0,179
0,145 0,175
1,55 0,837
-0,480 -0,083
0,383 0,282
0,619 0,921
-0,085
0,161
0,918
-0,017
0,243
0,983
0,995* -0,419*
0,178 0,147
2,703 0,658
0,048 0,110
0,252 0,244
1,050 1,117
0,189
0,233
1,208
-1,794*
0,522
0,166
0,043 1,147* 0,713*
0,247 0,211 0,237
1,044 3,149 2,04
-0,289 0,722* 0,264
0,364 0,358 0,392
0,749 2,059 1,302
-0,412
0,280
0,663
-0,116
0,253
0,890
-7,042*
0,954
-
-6,113*
1,736
-
312,565 1.761,504 3.393
Anmerkungen: Mit einem * gekennzeichnete Parameter sind auf dem 5%-Niveau signifikant. Quelle: Berechnungen auf Basis des RFMS-G und RFMS-D.
777,288 95,171 1.253
A. Tabellen
273
Tabelle A.11 Schätzergebnisse zur Wahrscheinlichkeit des Sozialhilfebezugs von Zuwanderern in Deutschland, 2002
Konstante Befragter Alter/10 Alter²/100 Frau Ehem. Jugoslawien Iran Libanon Polen Türkei sehr gute Deutschkenntnisse gute Deutschkenntnisse durchschnittl. Deutschkenntnisse schlechte Deutschkenntnisse sehr schlechte Deutschkenntnisse Aufenthaltsdauer/10 gesundheitliche Einschränkung Ausbildung in Deutschland Flüchtling beschäftigt nicht auf dem Arbeitsmarkt arbeitslos im Heimatland beschäftigt im Heimatland Student andere Aktivität im Heimatland Familienstand bei Ankunft islamischer Glauben
Haushalt mit Partizipationsohne Partizipavariablen tionsvariablen
Einzelpersonen (18-59 Jahre) mit Partizipationsohne Partizipavariablen tionsvariablen
Koeff. (Std.-fehler) ***-1,710 (0,489)
Koeff. (Std.-fehler) **-1,728 (0,771)
Koeff. (Std.-fehler) -0,496 (0,710)
-0,259 0,037 ***-0,581 Referenz *-0,282 (0,173) **0,316 (0,161) -0,145 (0,213) ***-0,759 (0,200) *-0,335 (0,177) -0,172 (0,147) Referenz **0,296 (0,147) ***0,806 (0,177) **-0,218 (0,095) **0,415 (0,175) -0,171 (0,229) ***1,041 (0,125) ***-2,088 (0,173) ***0,429 (0,142)
***-1,187 (0,366) ***0,156 (0,048) -0,023 (0,110) Referenz *-0,278 (0,161) **0,365 (0,151) *-0,358 (0,200) ***-0,780 (0,192) ***-0,535 (0,165) ***-0,358 (0,138) Referenz ***0,500 (0,138) ***0,993 (0,166) ***-0,318 (0,092) ***0,859 (0,168) **-0,490 (0,219) ***1,073 (0,119)
*0,255 (0,132) 0,330 (0,242) Referenz -0,066 (0,110) ***0,467 (0,140)
0,175 (0,125) 0,286 (0,233) Referenz -0,107 (0,103) ***0,459 (0,133)
Referenz **0,347 (0,139) ***0,915 (0,134) ***-0,661 (0,158) ***-0,804 (0,139) ***-0,569 (0,128) ***-0,474 (0,125) Referenz ***0,413 (0,129) ***0,940 (0,157)
Koeff. (Std.-fehler) ***-1,442 (0,430)
Referenz 0,188 (0,126) ***0,931 (0,120) ***-0,949 (0,146) ***-0,918 (0,130) ***-0,713 (0,117) ***-0,553 (0,114) Referenz ***0,548 (0,119) ***1,059 (0,140)
Haushaltsvorstand Frau Alter/10 Alter²/100 beschäftigt nicht auf Arbeitsmarkt arbeitslos
***0,575 (0,132) *0,321 (0,204) **-0,049 (0,022) ***-2,257 (0,115) **0,235 (0,116) Referenz
***0,905 (0,122) **-0,400 (0,183) **0,047 (0,019)
Haushalt Zahl Kinder 16 Jahre Hauseigentümer Single alleinerziehend andere Familienform
***0,266 (0,037) ***0,180 (0,052) ***-1,954 (0,394) -0,099 (0,156) ***1,172 (0,255) Referenz
***0,244 (0,033) ***0,216 (0,048) ***-2,338 (0,391) 0,165 (0,148) ***1,044 (0,225) Referenz
***0,137 (0,041) *0,111 (0,064) ***-1,729 (0,518) 0,277 (0,188) ***2,480 (0,246) Referenz
***0,202 (0,039) 0,084 (0,060) ***-1,882 (0,517) **0,364 (0,176) ***2,280 (0,226) Referenz
-1.749,9
-2.090,3
-1.289,9
1.460,6
5.614
5.614
4.542
4.542
Log Likelihood Anzahl der Beobachtungen
Anmerkungen: Mit einem * gekennzeichnete Parameter sind auf dem 10%-Niveau signifikant. Mit einem ** gekennzeichnete Parameter sind auf dem 5%-Niveau signifikant. Mit einem *** gekennzeichnete Parameter sind auf dem 1%-Niveau signifikant. Quelle: Berechnungen auf Basis des RFMS-G.
274
Anhang
Tabelle A.12 Schätzergebnisse zur Wahrscheinlichkeit des Sozialhilfebezugs von Ausländern und eingebürgerten Zuwanderern in Dänemark, 2001 Haushalt mit ohne Partizipationsvariablen Partizipationsvariablen
Konstante Befragter Alter/10 Alter²/100 Frau Ehem. Jugoslawien Iran Libanon Polen Türkei sehr gute Dänischkenntnisse gute Dänischkenntnisse durchschnittl. Dänischkenntnisse schlechte Dänischkenntnisse sehr schlechte Dänischkenntnisse Aufenthaltsdauer/10 gesundheitliche Einschränkung Ausbildung in Dänemark Flüchtling nicht auf dem Arbeitsmarkt im Heimatland beschäftigt im Heimatland Student andere Aktivität im Heimatland Ballungsgebiet Jutland andere Inseln Familienstand bei Ankunft Religiosität
Koeff. (Std.fehler) ***-2,838 (0,865)
Referenz 0,162 (0,199) **0,465 (0,204) **-0,651 (0,273) ***-0,591 (0,273) ***-1,315 (0,223) **-0,396 (0,165)
Einzelpersonen (18-59 Jahre) mit ohne Partizipationsvariablen Partizipationsvariablen
Koeff. (Std.fehler) **1,865 (0,833)
Koeff. (Std.fehler) ***-2,996 (1,124)
Koeff. (Std.fehler) ***-1,868 (1,062)
0,237 (0,193) ***0,745 (0,195) ***-0,750 (0,268) ***-0,685 (0,210) ***-1,312 (0,219) ***-0,460 (0,161)
0,099 (0,159) 0,068 (0,056) -0,099 (0,074) Referenz 0,107 (0,245) *0,500 (0,263) *-0,594 (0,345) *-0,584 (0,337) ***-0,742 (0,282) -0,202 (0,185)
***0,424 (0,148) 0,021 (0,053) -0,020 (0,071) Referenz 0,366 (0,232) ***1,029 (0,249) -0,485 (0,334) -0,308 (0,321) ***-0,758 (0,269) -0,196 (0,174)
Referenz
Referenz
Referenz
Referenz
0,181 (0,208)
0,293 (0,202)
0,141 (0,226)
0,262 (0,215)
0,406 (0,283)
**0,596 (0,277)
0,183 (0,331)
0,242 (0,312)
-0,015 (0,016) **0,438 (0,212) **-0,616 (0,249) 0,214 (0,192) ***1,517 (0,164) *-0,763 (0,452) -0,023 (0,186) Referenz -0,056 (0,211) 0,108 (0,208) Referenz 0,203 (0,168) 0,171 (0,220)
**-0,032 (0,016) ***0,870 (0,204) ***-0,694 (0,234) 0,227 (0,182) *-0,786 (0,430) 0,041 (0,176) Referenz -0,095 (0,199) 0,129 (0,196) Referenz 0,104 (0,160) 0,244 (0,209)
-0,045 (0,187) 0,165 (0,186) Referenz
-0,147 (0,182) 0,158 (0,182) Referenz
Haushaltsvorstand Frau Alter/10 Alter²/100 nicht auf Arbeitsmarkt
-0,275 (0,206) **0,977 (0,406) ***-0,133 (0,046) ***1,096 (0,144)
-0,056 (0,199) 0,611 (0,393) *-0,080 (0,045)
Haushalt Zahl Kinder 16 Jahre Hauseigentümer Single alleinerziehend andere Familienform
*0,103 (0,062) **-0,211 (0,101) ***-1,327 (0,285) *-0,444 (0,265) 0,282 (0,321) Referenz
*0,103 (0,061) *-0,167 (0,100) ***-1,580 (0,281) *-0,443 (0,260) 0,340 (0,314) Referenz
0,084 (0,071) -0,095 (0,113) ***-1,268 (0,303) -0,464 (0,303) 0,348 (0,339) Referenz
*0,118 (0,066) -0,111 (0,109) ***-1,519 (0,296) -0,360 (0,289) 0,385 (0,323) Referenz
-768,6
801,8
630,3
696,9
2.167
2.173
1.795
1.823
Log Likelihood
Anmerkungen: Mit einem * gekennzeichnete Parameter sind auf dem 10%-Niveau signifikant. Mit einem ** gekennzeichnete Parameter sind auf dem 5%-Niveau signifikant. Mit einem *** gekennzeichnete Parameter sind auf dem 1%-Niveau signifikant. Quelle: Berechnungen auf Basis des RFMS-D.
275
Gesetz zur Integration von Ausländern in Dänemark (Integrationsgesetz) Stand: Dezember 2000 / Consolidation Act No. 643, 28. Juni 2001 (inoffizielle Übersetzung)
[…]
Kapitel 3 […]
Einführungsprogramm 16 (1)
Ein von der verantwortlichen Kommunalverwaltung geplantes Einführungsprogramm muss allen Ausländern angeboten werden, die zu dem Zeitpunkt, an dem die Gemeinde die Verantwortung übernimmt, 18 Jahre oder älter sind.
(2)
Ein Einführungsprogramm beinhaltet einen Kurs zum Verständnis der Gesellschaft (Abschnitt 20), Dänischunterricht (Abschnitt 21 und 22) sowie Aktivierungsmaßnahmen (Abschnitt 23 u. 24). Der Umfang und die Inhalte des Einführungsprogramms sind für jeden einzelnen Ausländer in einem Aktionsplan festgelegt (Abschnitt 19).
(3)
Das Einführungsprogramm muss spätestens einen Monat nach Übernahme der Verantwortung für den Ausländer durch die Gemeinde begonnen werden.
(4)
Das Einführungsprogramm dauert drei Jahre ab dem Zeitpunkt der Verantwortungsübernahme durch die Gemeinde.
(5)
Ein Einführungsprogramm nach (1) – (4) kann auch minderjährigen, unbegleiteten Asylbewerbern, ausgestattet mit einer Aufenthaltsgenehmigung gemäß Abschnitt 7 oder 9 (2) (iv) des Ausländergesetzes, angeboten werden.
(6)
Die Gemeinde soll Ausländern, die die entsprechenden Bedingungen erfüllen, Unterstützung gemäß Kapitel 6 und 7 des Gesetzes zur Aktiven Sozialpolitik anstelle eines Einführungsprogramms anbieten.
17 Das Einführungsprogramm für Ausländer, denen Aktivierungsmaßnahmen gemäß Abschnitt 23 angeboten werden, muss einen durchschnittlichen Umfang von mindestens 30 Wochenstunden haben.
Anhang
276
18 (1)
Ein Ausländer darf seine Teilnahme an einem Einführungsprogramm in einer anderen Gemeinde fortsetzen, wenn die zuständige Kommunalverwaltung die Verantwortung für das Einführungsprogramm übernimmt.
(2)
Die Kommunalverwaltung der Gemeinde, in die der Ausländer gezogen ist, soll die Verantwortung für das Einführungsprogramm übernehmen, wenn dem Umzug grundlegende Bedeutung für den Verlauf der Integration des betreffenden Ausländers zukommt oder wenn besondere persönliche Umstände dafür sprechen.
Aktionsplan 19 (1)
Innerhalb eines Monats nach Verantwortungsübernahme für einen Ausländer gemäß Abschnitt 16 soll die Kommunalverwaltung in Zusammenarbeit mit dem betreffenden Ausländer einen individuellen Aktionsplan mit dem in Abschnitt 16(2) oder (6) festgeschriebenen Inhalt entwickeln.
(2)
Der Aktionsplan muss auf Basis einer Beurteilung der besonderen Fähigkeiten und Vorerfahrungen des jeweiligen Ausländers entwickelt werden und einen gezielten Versuch darstellen, den jeweiligen Ausländer in den Arbeitsmarkt oder in eine Ausbildung einzuführen.
Kurs zum Verständnis der Gesellschaft 20 (1)
Die Kommunalverwaltung soll Ausländern, die unter Abschnitt 16 fallen, einen Kurs zum Verständnis der dänischen Gesellschaft u. ä. anbieten. Der Kurs muss eine Dauer von mindestens 20 Stunden haben.
(2)
Die Kommunalverwaltung darf einen Ausländer von der Teilnahme an dem Kurs freistellen, falls der betreffende Ausländer ausreichendes Wissen über die im Kurs unterrichteten Fachgebiete nachweisen kann oder wenn besondere Gründe dafür sprechen.
(3)
Der Innenminister macht genaue Vorgaben zu den Kursinhalten.
Dänischunterricht 21 (1)
Innerhalb eines Monats nach Verantwortungsübernahme für einen Ausländer, der unter Abschnitt 16 fällt, soll die Kommunalverwaltung der betreffenden Person Dänischunterricht anbieten. Zweck des Dänischunterrichts ist es, den Ausländern zu ermöglichen, eine normale Konversation auf Dänisch zu führen und Texte auf dem Niveau, welches das Einführungsprogramm für den jeweiligen Ausländer anstrebt, lesen und schreiben zu können. Der Dänischunterricht wird gemäß dem im zweiten Satz genannten Zweck sowie dem individuellen Aktionsplan des Ausländers eingerichtet (Abschnitt 19).
B. Dokumentation — Integrationsgesetz
277
(2)
Nach Abschluss des Dänischunterrichts wird denjenigen Ausländern, die aktiv daran teilgenommen haben, ein entsprechendes Teilnahmezertifikat ausgestellt.
(3)
Der Bildungsminister regelt die Inhalte des Dänischunterrichts und die Vergabe der Teilnahmebescheinigung.
(4)
Die Kommunalverwaltung darf einen Ausländer teilweise oder vollständig von der Teilnahme des angebotenen Dänischunterrichts freistellen, wenn seine Sprachkenntnisse ausreichend erscheinen oder wenn besondere Gründe dafür sprechen.
22 Die Kommunalverwaltung soll darüber hinaus denjenigen Ausländern separaten Dänischunterricht anbieten, die ihn benötigen, aber aufgrund einer aufgenommenen Tätigkeit oder Aus- bzw. Fortbildung nicht an den regulär angebotenen Dänischkursen teilnehmen können.
Aktivierungsmaßnahmen 23 (1)
Die Kommunalverwaltung soll Ausländern, die gemäß Abschnitt 25 eine Eingliederungsbeihilfe erhalten können, Aktivierungsmaßnahmen anbieten. Diese werden mit dem Aktionsplan des jeweiligen Ausländers abgestimmt (Abschnitt 19).
(2)
Aktivierungsmaßnahmen können eine oder mehrere der folgenden Aktivitäten beinhalten: (i) kurzfristige Beratung und Einführungsprogramme mit Beratung zu Arbeits- und Bildungsmöglichkeiten und der Möglichkeit zur „Schnupperbeschäftigung“; (ii) Jobrotationsmodelle, bei denen Arbeitslose Beschäftigte ersetzen (Abschnitt 20 des Gesetzes zur Aktiven Arbeitsmarktpolitik), Berufsausbildung mit Lohnzuschüssen sowie entsprechend zugeschnittene berufliche Ausbildungsmodelle, die eine individuelle Berufsausbildung bei privaten oder öffentlichen Arbeitgebern einschließen (Abschnitte 12 bis 14, 22 und 24 des Gesetzes zur Aktiven Arbeitsmarktpolitik); (iii) speziell zugeschnittene Bildungs- und Ausbildungsprogramme; (iv) speziell zugeschnittene Aktivierungsprogramme in Form von entsprechender Berufsausbildung, Programmen zur Vorbereitung der Ausländer auf eine Beschäftigung oder Programmen mit einer Kombination aus Arbeit und Ausbildung; (v) freiwillige und unbezahlte Aktivitäten nach den eigenen Wünschen des Ausländers, sofern die Kommunalverwaltung diese als gesellschaftlich nützlich oder für die Ausbildungs- bzw. Beschäftigungssituation des betreffenden Ausländers förderlich erachtet; (vi) Erwachsenen- und Weiterbildung nach den eigenen Wünschen des Ausländers und den Regelungen des Arbeitsministers gemäß Abschnitt 27(1) des Gesetzes zur Aktiven Arbeitsmarktpolitik bezüglich der Teilnahme an finanziell geförderter Bildung oder Ausbildung von förderberechtigten Arbeitslosen.
(3)
Die Regelungen in Abschnitt 18 des Gesetzes zur Aktiven Sozialpolitik treffen entsprechend auf Ausländer zu, denen speziell zugeschnittene Berufsausbildungsmodelle gemäß Absatz 2(ii) angeboten werden.
Anhang
278
(4)
Die Regelungen, die vom Sozialminister gemäß Abschnitt 16(3) des Gesetzes zur Aktiven Sozialpolitik festgelegt wurden, beziehen sich auch auf Bildungs- und Ausbildungsaktivitäten, die von der Kommunalverwaltung gemäß Absatz (2)(iii) angeboten werden können.
(5)
Gemäß Absatz 2(iv) ist die Teilnahme an Erwachsenen- oder Weiterbildung nur unter der Bedingung möglich, dass diese Maßnahmen Teil des Aktionsplans gemäß Abschnitt 19 sind und dass keine begründete Aussicht auf die Aufnahme einer sicheren, nicht subventionierten Beschäftigung während des geplanten Ausbildungszeitraumes besteht.
(6)
Die Regelungen, die vom Sozialminister gemäß Abschnitt 13 des Gesetzes zu Rechtsschutz und Verwaltung in Sozialfragen festgelegt werden, treffen auch auf die Bildungs- und Ausbildungsaktivitäten zu, die von der Kommunalverwaltung gemäß Absatz 2(iii) und (vi) angeboten werden können.
(7)
Wenn die Kommunalverwaltung Aktivitäten anbietet, sollte sie nach Möglichkeit mehrere Optionen zur Wahl stellen.
(8)
Die Kommunalverwaltung darf einen Ausländer vollständig oder teilweise von der Teilnahme der angebotenen Aktivitäten freistellen, wenn besondere Gründe dafür sprechen.
(9)
Der Innenminister legt detaillierte Regelungen zum Inhalt der Aktivierungsmaßnahmen fest.
24 (1)
Wenn die Aktivierungsmaßnahmen sich über mindestens zwölf aufeinander folgende Monate erstrecken, muss zusätzlich eine einmonatige Freizeitperiode eingeplant werden, so dass die Aktivierungsmaßnahmen die Dauer von elf Monaten innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten nicht überschreiten. Die Kommunalverwaltung soll die Freizeitperiode möglichst in Abstimmung mit den betreffenden Ausländern festlegen.
(2)
Während der Freizeitperiode ist der Ausländer nicht verpflichtet, seine Beschäftigungsmöglichkeiten gemäß Abschnitt 25(2) auszuschöpfen.
Eingliederungsbeihilfe 25 (1)
Ausländer, denen ein Einführungsprogramm angeboten wird (Abschnitt 16), haben gemäß den Regelungen dieses Abschnitts ab dem Zeitpunkt der Verantwortungsübernahme durch die Kommunalverwaltung Anspruch auf Eingliederungsbeihilfe für die Dauer von bis zu drei Jahren. Die Kommunalverwaltung entscheidet über die Gewährung der Eingliederungsbeihilfe gemäß den Regelungen dieses Abschnitts.
(2)
Die Eingliederungsbeihilfe wird nur gewährt, wenn dem Ausländer und seinem Ehepartner kein angemessenes Arbeitsangebot vorliegt. Für Ausländer, deren Ansprüche sich allein auf die Arbeitslosigkeit stützen, gilt die zusätzliche Bedingung, dass der betreffende Ausländer seine Beschäftigungsmöglichkeiten voll ausschöpft, indem er in der branchenüblichen Weise Arbeitssuche betreibt, es sei denn, die Kommunalverwaltung befindet die dänischen Sprachkenntnisse des Ausländers für unzureichend oder erachtet die Pflicht zur eigenständigen Arbeitssuche als dem Zweck der Aktivierung undienlich. Diese Pflicht beginnt ein Jahr nach Eintritt in das Einführungsprogramm (Abschnitt 16(3)).
B. Dokumentation — Integrationsgesetz
(3)
279
Der Ausländer oder sein Ehepartner kann jedoch gemäß Absatz 2 nicht zur Arbeitsaufnahme oder -suche gezwungen werden, wenn: (i) das Angebot aus inhaltlichen Gründen als nicht angemessen erachtet wird; (ii) die betreffende Person aufgrund von Krankheit arbeitsunfähig ist oder im Falle einer Fortführung der Arbeit gesundheitlichen Risiken ausgesetzt wäre; (iii) die Entfernung zwischen Wohnsitz und Arbeitsplatz aufgrund von unzureichenden Beförderungsmöglichkeiten oder langen Pendelzeiten eine unzumutbare Belastung für die betreffende Person darstellt; (iv) die betreffende Person aufgrund von Schwangerschaft, Geburt oder Adoption gemäß dem Gesetz zur Gleichstellung bei Beschäftigung und Erziehungsurlaub zur Abwesenheit von der Arbeit berechtigt ist; (v) die betreffende Person Kinderbetreuung leisten muss und keine anderweitigen Betreuungsmöglichkeiten angeboten werden können; (vi) die betreffende Person nach dem Gesetz für Sozialleistungen Unterstützung bezieht für die Betreuung eines behinderten Kindes oder eines im Sterben liegenden nahen Verwandten bzw. nach dem Gesetz über Tagesgeldleistungen im Falle von Krankheit oder Mutterschaft für die Pflege eines schwerkranken Kindes; (vii) die Arbeit in einen Tarifstreit fällt;
oder (viii) die Arbeit zur Entwicklung und Produktion von Kriegsmaterial beiträgt. (4)
Wenn der Ausländer oder sein Ehepartner über die Arbeitslosigkeit hinaus Probleme nachweisen kann, die einer Arbeitsaufnahme entgegenstehen, entscheidet die Kommunalverwaltung im Einzelfall, ob die Umstände unabhängig von den in Absatz 3 genannten Gründen eine Ausnahme von der Pflicht zur Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Arbeitsaufnahme rechtfertigen.
(5)
Die Regelungen des Absatzes 2 treffen nicht auf den Ehepartner des Ausländers zu, wenn dieser staatliche Unterhaltszahlungen erhält, die nicht an die Pflicht zur Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Arbeitsaufnahme gebunden sind. Dasselbe gilt, wenn der Ehepartner an Bildungs- oder Ausbildungsmaßnahmen teilnimmt.
(6)
Abschnitte 2 und 14(1) bis (3) und (5) des Gesetzes zur Aktiven Sozialpolitik werden entsprechend angewendet. Dasselbe gilt für die Regelungen, die vom Sozialminister gemäß den Abschnitten 14(4) und 15 des Gesetzes zur Aktiven Sozialpolitik festgelegt wurden. Abschnitt 13(6), Satz 1 des Gesetzes zur Aktiven Sozialpolitik wird entsprechend angewendet, wenn der Ehepartner des Ausländers nicht unter das Integrationsgesetz fällt.
(7)
Wenn eine in Dänemark lebende Person zum Unterhalt eines Ausländer verpflichtet ist und die Aufenthaltsgenehmigung für den Ausländer an diese nachweislich dafür geeignete Person geknüpft ist (Abschnitt 9(3) und (4) des Ausländergesetzes), hat der Ausländer keinen Anspruch auf Eingliederungsbeihilfe.
(8)
Ein Ausländer, der Anspruch auf ein Darlehen im Rahmen des Staatlichen Bildungsbeihilfe- und Darlehensmodells oder auf Sozialrente nach dem Rentenversicherungsgesetz hat, hat keinen Anspruch auf Eingliederungsbeihilfe – siehe aber Absatz 9.
280
(9)
Anhang
Der Innenminister darf Regelungen festlegen, die in Ausbildung befindlichen Ausländern in Ausnahmefällen eine Sonderunterstützung ermöglichen.
26 (1)
Ein Ausländer, dem gemäß Abschnitt 16 ein Einführungsprogramm angeboten wird, hat keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Gesetz zur Aktiven Sozialpolitik.
(2)
Die Gewährung der Eingliederungsbeihilfe schließt Ansprüche auf zusätzliche Leistungen außerhalb des in Absatz 1 genannten Gesetzes nicht aus.
27 (1)
Die monatliche Eingliederungsbeihilfe beträgt maximal DKK 7.711 pro Person für alleinstehende Leistungsempfänger und maximal DKK 10.245 pro Person für Leistungsempfänger mit unterhaltspflichtigen Kindern.
(2)
Die Eingliederungsbeihilfe für verheiratete Paare errechnet sich aus der Summe der Leistungsansprüche beider Ehepartner gemäß Absatz 1.
(3)
Wenn der Ehepartner des Ausländers nicht unter dieses Gesetz fällt und sich dafür entschieden hat, seine Arbeitsmöglichkeiten nicht auszuschöpfen (Abschnitt 25(6), Satz 3), wird die Eingliederungsbeihilfe für Ausländer gemäß der Regelung in Abschnitt 27(1) mit einem Zuschlag von DKK 2.398 errechnet.
(4)
Eine Person, die eine Unterhaltspflicht nur für im Ausland lebende Kinder hat, kann die Eingliederungsbeihilfe für Personen mit unterhaltspflichtigen Kindern gemäß Absatz (1) nur dann erhalten, wenn sie das Bestehen der Unterhaltspflicht und deren Erfüllung nachweisen kann.
(5)
Die Eingliederungsbeihilfe gemäß Absatz (1) darf den nach dem Gesetz zur Aktiven Sozialpolitik zu gewährenden Unterhaltszuschuss nicht übersteigen.
27a (1)
Ausländer, die 60 Jahre oder älter sind und nach dem Sozialrentengesetz keine Rentenansprüche haben, erhalten eine besondere Eingliederungsbeihilfe, die dem Leistungsanspruch eines verheirateten Altersrentners ohne anderes Einkommen neben der Rente entspricht. Abschnitt 28 wird entsprechend angewendet.
(2)
Ausländer gemäß Absatz 1 mit Kindern unter 18 Jahren ohne Anspruch auf Kindergeld erhalten einen monatlichen Zuschuss in Höhe von DKK 2.072. Diese Leistung wird unabhängig von der Kinderzahl pro Familie gewährt.
27b (1)
Ausländer, die in Gewahrsam gehalten werden oder in einem staatlichen oder kommunalen Gefängnis eine Haftstrafe verbüßen, erhalten eine gesondert geregelte Unterstützung.
(2)
Der Innenminister legt die Regelungen für die Berechnung der besonderen Unterstützung gemäß Absatz 1 und den Einkommensabzug fest.
B. Dokumentation — Integrationsgesetz
281
28 (1)
Wenn das gemeinsame Einkommen des Ausländers und seines Ehepartners mindestens dem Betrag entspricht, der Personen gemäß den Abschnitten 27, 27a und 28a als Eingliederungsbeihilfe zusteht, wird ihnen keine Einkommensunterstützung gewährt.
(2)
Wenn der Ausländer neben dem Arbeitslohn und den Leistungen aus Aktivierungs- oder anderen beschäftigungsfördernden Maßnahmen weiteres Einkommen bezieht, wird dieses von der Eingliederungsbeihilfe abgezogen.
(3)
Wenn der Ausländer Arbeitslohn oder Leistungen aus Aktivierungs- oder anderen beschäftigungsfördernden Maßnahmen bezieht, wird das Einkommen abzüglich eines Betrags von DKK 11,20 pro geleisteter Arbeitsstunde auf die Eingliederungsbeihilfe angerechnet, wobei eine Höchstzahl von 160 Arbeitsstunden pro Person und Monat gilt. Für Personen ohne fest geregelte Anzahl von Arbeitsstunden wird Abschnitt 31(2) des Gesetzes zur Aktiven Sozialpolitik angewendet.
(4)
Wenn der Ehepartner des Ausländers über ein eigenes Einkommen verfügt und keinen Anspruch auf Eingliederungsbeihilfe hat, wird dieses Einkommen von der Eingliederungsbeihilfe des Ausländers in dem Umfang abgezogen, in dem das Einkommen den fiktiven Leistungsanspruch des Ehepartners gemäß Abschnitt 27(1) übersteigt – siehe aber Absatz 5.
(5)
Wenn der Ehepartner des Ausländers Arbeitslohn oder Leistungen aus Aktivierungsoder anderen beschäftigungsfördernden Maßnahmen bezieht, wird gemäß Absatz 4 das Einkommen abzüglich eines Betrags von DKK 11,20 pro geleisteter Arbeitsstunde auf die Eingliederungsbeihilfe angerechnet. Absatz 3, Satz 2 u. 3, wird entsprechend angewendet.
(6)
Abschnitte 32 und 33 des Gesetzes zur Aktiven Sozialpolitik werden entsprechend angewendet.
28a (1)
Ein Ausländer, der gemäß Abschnitt 27 Eingliederungsbeihilfe erhält und hohe Wohnausgaben oder hohe Instandhaltungskosten zu tragen hat, ist entweder separat oder in Verbindung mit der Zahlung von Eingliederungsbeihilfe zu besonderer Unterstützung berechtigt.
(2)
Bevor die Kommunalverwaltung Leistungen gewährt, ist zu prüfen, ob eine angemessene kostengünstigere Unterkunft zur Verfügung gestellt werden kann.
(3)
Besondere Unterstützung gemäß Absatz 1 kann Ausländern, die unter Abschnitt 27(3) fallen oder Erziehungsgeld nach dem Erziehungsurlaubsgesetz erhalten sowie Ausländern unter 25 Jahren ohne unterhaltspflichtige Kinder nicht gewährt werden. Schwangeren unter 25 Jahren steht jedoch nach Ablauf der zwölften Schwangerschaftswoche besondere Unterstützung zu.
(4)
Der Innenminister legt die Berechnungsgrundlagen für die Unterstützung gemäß Absatz 1 einschließlich der Regelungen zur Beschränkung der Unterstützung und zu den Einkommensabzügen.
282
Anhang
29 (1)
Ausländern, die einer Berufsausbildung gemäß Abschnitt 23(2)(ii) als Teil des Einführungsprogramms gemäß Absatz 4 nachgehen, hat der Arbeitgeber Tariflöhne zu zahlen. Existieren keine tariflichen Regelungen, ist ein branchenüblicher Lohn zu zahlen. Von öffentlichen Arbeitgebern gezahlte Löhne, exklusive Urlaubsgeld etc., dürfen jedoch DKK 90,44 pro Stunde nicht übersteigen.
(2)
Ein Ausländer, der im Rahmen eines speziellen Berufsausbildungsmodells beschäftigt ist, einschließlich individueller Berufsausbildung gemäß Abschnitt 23(2)(ii), erhält eine Eingliederungsbeihilfe, die nach den Abschnitten 27, 27 a und 28 berechnet wird. Die Unterstützung muss jedoch mindestens DKK 33,57 pro Stunde betragen. Zusätzlich zur Eingliederungsbeihilfe erhält der Ausländer einen Beschäftigungszuschlag von DKK 11,20 pro Stunde.
(3)
Ein Ausländer, der an einem speziellen Aktivierungsprogramm teilnimmt, worunter auch Zeiten für Berufsausbildung oder spezielle Berufsausbildungsmodelle fallen, erhält für diesen Zeitraum Löhne gemäß Absatz 1 oder eine Eingliederungsbeihilfe mit Zuschlag gemäß Absatz 2.
(4)
Abschnitt 18 des Gesetzes zur Aktiven Sozialpolitik wird entsprechend angewendet.
30 (1)
Die Kommunalverwaltung soll die Eingliederungsbeihilfe um bis zu 30 Prozent im Verhältnis zur Eingliederungsbeihilfe gemäß den Abschnitten 27, 27 a, 28 und 29(2) kürzen, wenn ein Ausländer, dessen Ansprüche sich nur auf die Arbeitslosigkeit stützen, von einem oder mehreren Teilen des Einführungsprogramms ohne triftigen Grund fernbleibt. Wenn ein Ausländer, der neben der Arbeitslosigkeit andere leistungsrelevante Probleme nachweisen kann, ohne triftigen Grund von einem oder mehreren Teilen des Einführungsprogramms fernbleibt, so kann die Kommunalverwaltung die Unterstützung um bis zu 30 Prozent kürzen.
(2)
Die Leistungskürzungen gemäß Absatz (1) müssen innerhalb von drei Monaten nach Fernbleiben des Ausländers wirksam werden.
(3)
Die Leistungskürzungen gemäß Absatz (1) werden proportional zur Anzahl der Fehlstunden des Ausländers berechnet. Berechnungsgrundlage ist die Zahl der Wochenstunden des Einführungsprogramms, wobei eine Mindestzahl von 30 Wochenstunden gilt.
(4)
Wenn der Ausländer von einer individuell zugeschnittenen Berufsausbildung ohne triftigen Grund fernbleibt (Abschnitt 23(2)(ii)), soll die Kommunalverwaltung gemäß Abschnitt 29(2) den Beschäftigungszuschlag in Höhe der entsprechenden Anzahl von Fehlstunden kürzen.
31 (1)
Die Kommunalverwaltung soll die Einstellung der Eingliederungsbeihilfe verfügen, wenn der Ausländer sich ohne triftigen Grund weigert, an einem oder mehreren Teilen des Einführungsprogramms teilzunehmen (Absatz 4), solange die Möglichkeit zur Annahme des Angebots besteht.
B. Dokumentation — Integrationsgesetz
283
(2)
Die Kommunalverwaltung soll die Einstellung der Eingliederungsbeihilfe verfügen, wenn der Ausländer ohne triftigen Grund wiederholt einem oder mehreren Teilen des Einführungsprogramms fernbleibt und die Fehlzeiten ein solches Ausmaß annehmen, dass sie mit einer Teilnahmeverweigerung gleichzusetzen sind.
(3)
Wenn eine Entscheidung zur Einstellung der Eingliederungsbeihilfe gemäß Absatz 1 oder 2 getroffen wurde, wird so lange keine Leistung gewährt, bis die Grundlage hierfür entfällt. Am Ende jedes Monats soll die Kommunalverwaltung die Lage erneut prüfen.
32 (1)
Wenn die Kommunalverwaltung der Gemeinde, in die der betreffende Ausländer zieht, die Übernahme der Verantwortlichkeit für das Einführungsprogramm des Ausländers ablehnt, darf diese Kommunalverwaltung entscheiden, ob die Eingliederungsbeihilfe gekürzt oder gestrichen wird.
(2)
Wenn ein Ausländer, dessen Eingliederungsbeihilfe gemäß Absatz 1 gekürzt wurde, in seine ursprüngliche Heimatgemeinde zurückzieht, zahlt die Kommunalverwaltung dieser Gemeinde auf Antrag die vollständige Eingliederungsbeihilfe ab dem Ende des ersten vollständigen Monats nach der Rückkehr aus, sofern die anderen Bedingungen hierfür gemäß den Regeln dieses Absatzes erfüllt sind.
[…]
285
Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) vom 9. Juli 2004
[…]
Abschnitt 1 Allgemeines […]
§ 7 Aufenthaltserlaubnis (1)
Die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel. Sie wird zu den in den nachfolgenden Abschnitten genannten Aufenthaltszwecken erteilt. In begründeten Fällen kann eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden.
(2)
Die Aufenthaltserlaubnis ist unter Berücksichtigung des beabsichtigten Aufenthaltszwecks zu befristen. Ist eine für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung entfallen, so kann die Frist auch nachträglich verkürzt werden.
§ 8 Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis (1)
Auf die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis finden dieselben Vorschriften Anwendung wie auf die Erteilung.
(2)
Die Aufenthaltserlaubnis kann in der Regel nicht verlängert werden, wenn die zuständige Behörde dies bei einem seiner Zweckbestimmung nach nur vorübergehenden Aufenthalt bei der Erteilung oder der zuletzt erfolgten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen hat.
(3)
Verletzt ein Ausländer seine Verpflichtung nach § 44a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 zur ordnungsgemäßen Teilnahme an einem Integrationskurs, so ist dies bei der Entscheidung über die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu berücksichtigen. Besteht kein Anspruch auf die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis, so kann die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt werden. Bei den Entscheidungen nach den Sätzen 1 und 2 sind die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts, schutzwürdige Bindungen des Ausländers an das Bundesgebiet und die Folgen für die rechtmäßig im Bundesgebiet lebenden Familienangehörigen des Ausländers zu berücksichtigen.
Anhang
286
§ 9 Niederlassungserlaubnis (1)
Die Niederlassungserlaubnis ist ein unbefristeter Aufenthaltstitel. Sie berechtigt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, ist zeitlich und räumlich unbeschränkt und darf nicht mit einer Nebenbestimmung versehen werden. § 47 [Verbot und Beschränkung der politischen Betätigung] bleibt unberührt.
(2)
Einem Ausländer ist die Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn 1. er seit fünf Jahren die Aufenthaltserlaubnis besitzt, 2. sein Lebensunterhalt gesichert ist, 3. er mindestens 60 Monate Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet hat oder Aufwendungen für einen Anspruch auf vergleichbare Leistungen einer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung oder eines Versicherungsunternehmens nachweist; berufliche Ausfallzeiten auf Grund von Kinderbetreuung oder häuslicher Pflege werden entsprechend angerechnet, 4. er in den letzten drei Jahren nicht wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Jugendoder Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder einer Geldstrafe von mindestens 180 Tagessätzen verurteilt worden ist, 5. ihm die Beschäftigung erlaubt ist, sofern er Arbeitnehmer ist, 6. er im Besitz der sonstigen für eine dauernde Ausübung seiner Erwerbstätigkeit erforderlichen Erlaubnisse ist, 7. er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt, 8. er über Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet verfügt und 9. er über ausreichenden Wohnraum für sich und seine mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen verfügt.
Die Voraussetzungen des Satzes 1 Nr. 7 und 8 sind nachgewiesen, wenn ein Integrationskurs erfolgreich abgeschlossen wurde. Von diesen Voraussetzungen wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht erfüllen kann. Im Übrigen kann zur Vermeidung einer Härte von den Voraussetzungen des Satzes 1 Nr. 7 und 8 abgesehen werden. Ferner wird davon abgesehen, wenn der Ausländer sich auf einfache Art in deutscher Sprache mündlich verständigen kann und er nach § 44 Abs. 3 Nr. 2 keinen Anspruch auf Teilnahme am Integrationskurs hatte oder er nach § 44a Abs. 2 Nr. 3 nicht zur Teilnahme am Integrationskurs verpflichtet war. Darüber hinaus wird von den Voraussetzungen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 abgesehen, wenn der Ausländer diese aus den in Satz 3 genannten Gründen nicht erfüllen kann. […]
Abschnitt 3 Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung § 16 Studium; Sprachkurse; Schulbesuch (1)
Einem Ausländer kann zum Zweck der Studienbewerbung und des Studiums an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule oder vergleichbaren Ausbildungseinrichtung einschließlich der studienvorbereitenden Maßnahmen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Geltungsdauer bei der Ersterteilung der Aufenthaltserlaubnis bei studienvorbereitenden Maßnahmen soll zwei Jahre nicht überschreiten; im Falle des Studiums wird sie für zwei Jahre erteilt und kann um jeweils bis zu weiteren zwei Jahren
B. Dokumentation — Zuwanderungsgesetz
287
verlängert werden, wenn der Aufenthaltszweck noch nicht erreicht ist und in einem angemessenen Zeitraum noch erreicht werden kann. Die Aufenthaltsdauer als Studienbewerber darf höchstens neun Monate betragen. (2)
Während des Aufenthalts nach Absatz 1 soll in der Regel keine Aufenthaltserlaubnis für einen anderen Aufenthaltszweck erteilt oder verlängert werden, sofern nicht ein gesetzlicher Anspruch besteht. § 9 findet keine Anwendung.
(3)
Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt zur Ausübung einer Beschäftigung, die insgesamt 90 Tage oder 180 halbe Tage im Jahr nicht überschreiten darf, sowie zur Ausübung studentischer Nebentätigkeiten.
(4)
Nach erfolgreichem Abschluss des Studiums kann die Aufenthaltserlaubnis bis zu einem Jahr zur Suche eines diesem Abschluss angemessenen Arbeitsplatzes, sofern er nach den Bestimmungen der §§ 18 bis 21 von Ausländern besetzt werden darf, verlängert werden.
(5)
Einem Ausländer kann eine Aufenthaltserlaubnis zur Teilnahme an Sprachkursen, die nicht der Studienvorbereitung dienen, und in Ausnahmefällen für den Schulbesuch erteilt werden. Absatz 2 gilt entsprechend.
§ 17 Sonstige Ausbildungszwecke Einem Ausländer kann eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der betrieblichen Aus- und Weiterbildung erteilt werden, wenn die Bundesagentur für Arbeit nach § 39 zugestimmt hat oder durch Rechtsverordnung nach § 42 oder zwischenstaatliche Vereinbarung bestimmt ist, dass die Aus- und Weiterbildung ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zulässig ist. Beschränkungen bei der Erteilung der Zustimmung durch die Bundesagentur für Arbeit sind in die Aufenthaltserlaubnis zu übernehmen. § 16 Abs. 2 gilt entsprechend.
Abschnitt 4 Aufenthalt zum Zweck der Erwerbstätigkeit § 18 Beschäftigung (1)
Die Zulassung ausländischer Beschäftigter orientiert sich an den Erfordernissen des Wirtschaftsstandortes Deutschland unter Berücksichtigung der Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt und dem Erfordernis, die Arbeitslosigkeit wirksam zu bekämpfen. Internationale Verträge bleiben unberührt.
(2)
Einem Ausländer kann ein Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Beschäftigung erteilt werden, wenn die Bundesagentur für Arbeit nach § 39 zugestimmt hat oder durch Rechtsverordnung nach § 42 oder zwischenstaatliche Vereinbarung bestimmt ist, dass die Ausübung der Beschäftigung ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zulässig ist. Beschränkungen bei der Erteilung der Zustimmung durch die Bundesagentur für Arbeit sind in den Aufenthaltstitel zu übernehmen.
(3)
Eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung nach Absatz 2, die keine qualifizierte Berufsausbildung voraussetzt, darf nur erteilt werden, wenn dies durch zwischenstaatliche Vereinbarung bestimmt ist oder wenn auf Grund einer Rechtsverordnung nach § 42 die Erteilung der Zustimmung zu einer Aufenthaltserlaubnis für diese Beschäftigung zulässig ist.
Anhang
288
(4)
Ein Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Beschäftigung nach Absatz 2, die eine qualifizierte Berufsausbildung voraussetzt, darf nur für eine Beschäftigung in einer Berufsgruppe erteilt werden, die durch Rechtsverordnung nach § 42 zugelassen worden ist. Im begründeten Einzelfall kann eine Aufenthaltserlaubnis für eine Beschäftigung erteilt werden, wenn an der Beschäftigung ein öffentliches, insbesondere ein regionales, wirtschaftliches oder arbeitsmarktpolitisches Interesse besteht.
(5)
Ein Aufenthaltstitel nach Absatz 2 und § 19 darf nur erteilt werden, wenn ein konkretes Arbeitsplatzangebot vorliegt.
§ 19 Niederlassungserlaubnis für Hochqualifizierte (1)
Einem hoch qualifizierten Ausländer kann in besonderen Fällen eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden, wenn die Bundesagentur für Arbeit nach § 39 zugestimmt hat oder durch Rechtsverordnung nach § 42 oder zwischenstaatliche Vereinbarung bestimmt ist, dass die Niederlassungserlaubnis ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit nach § 39 erteilt werden kann und die Annahme gerechtfertigt ist, dass die Integration in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland und die Sicherung des Lebensunterhalts ohne staatliche Hilfe gewährleistet sind. Die Landesregierung kann bestimmen, dass die Erteilung der Niederlassungserlaubnis nach Satz 1 der Zustimmung der obersten Landesbehörde oder einer von ihr bestimmten Stelle bedarf.
(2)
Hoch qualifiziert nach Absatz 1 sind insbesondere 1. Wissenschaftler mit besonderen fachlichen Kenntnissen, 2. Lehrpersonen in herausgehobener Funktion oder wissenschaftliche Mitarbeiter in herausgehobener Funktion oder 3. Spezialisten und leitende Angestellte mit besonderer Berufserfahrung, die ein Gehalt in Höhe von mindestens dem Doppelten der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung erhalten.
§ 20
(weggefallen)
§ 21 Selbständige Tätigkeit (1)
Einem Ausländer kann eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit erteilt werden, wenn 1. ein übergeordnetes wirtschaftliches Interesse oder ein besonderes regionales Bedürfnis besteht, 2. die Tätigkeit positive Auswirkungen auf die Wirtschaft erwarten lässt und 3. die Finanzierung der Umsetzung durch Eigenkapital oder durch eine Kreditzusage gesichert ist. Die Voraussetzungen des Satzes 1 Nr. 1 und 2 sind in der Regel gegeben, wenn mindestens 1 Million Euro investiert und zehn Arbeitsplätze geschaffen werden. Im Übrigen richtet sich die Beurteilung der Voraussetzungen nach Satz 1 insbesondere nach der Tragfähigkeit der zu Grunde liegenden Geschäftsidee, den unternehmerischen Erfahrungen des Ausländers, der Höhe des Kapitaleinsatzes, den Auswirkungen auf die Beschäftigungs und Ausbildungssituation und dem Beitrag für Innovation und Forschung. Bei der Prüfung sind die für den Ort der geplanten Tätigkeit fachkundigen Körperschaften, die zuständigen Gewerbebehörden, die öffentlich-rechtlichen Berufsvertretungen und die für die Berufszulassung zuständigen Behörden zu beteiligen.
(2)
Eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit kann auch erteilt werden, wenn völkerrechtliche Vergünstigungen auf der Grundlage der Gegenseitigkeit bestehen.
(3)
Ausländer, die älter sind als 45 Jahre, sollen die Aufenthaltserlaubnis nur erhalten, wenn sie über eine angemessene Altersversorgung verfügen.
B. Dokumentation — Zuwanderungsgesetz
(4)
289
Die Aufenthaltserlaubnis wird auf längstens drei Jahre befristet. Nach drei Jahren kann abweichend von § 9 Abs. 2 eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden, wenn der Ausländer die geplante Tätigkeit erfolgreich verwirklicht hat und der Lebensunterhalt gesichert ist.
[…]
Abschnitt 8 Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit § 39 Zustimmung zur Ausländerbeschäftigung (1)
Ein Aufenthaltstitel, der einem Ausländer die Ausübung einer Beschäftigung erlaubt, kann nur mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit erteilt werden, soweit durch Rechtsverordnung nicht etwas anderes bestimmt ist. Die Zustimmung kann erteilt werden, wenn dies in zwischenstaatlichen Vereinbarungen, durch ein Gesetz oder durch Rechtsverordnung bestimmt ist.
(2)
Die Bundesagentur für Arbeit kann der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung nach § 18 zustimmen, wenn 1. a) sich durch die Beschäftigung von Ausländern nachteilige Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, insbesondere hinsichtlich der Beschäftigungsstruktur, der Regionen und der Wirtschaftszweige, nicht ergeben und b) für die Beschäftigung deutsche Arbeitnehmer sowie Ausländer, die diesen hinsichtlich der Arbeitsaufnahme rechtlich gleichgestellt sind oder andere Ausländer, die nach dem Recht der Europäischen Union einen Anspruch auf vorrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt haben, nicht zur Verfügung stehen oder 2. sie durch Prüfung nach Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a und b für einzelne Berufsgruppen oder für einzelne Wirtschaftszweige festgestellt hat, dass die Besetzung der offenen Stellen mit ausländischen Bewerbern arbeitsmarkt- und integrationspolitisch verantwortbar ist, und der Ausländer nicht zu ungünstigeren Arbeitsbedingungen als vergleichbare deutsche Arbeitnehmer beschäftigt wird. Für die Beschäftigung stehen deutsche Arbeitnehmer und diesen gleichgestellte Ausländer auch dann zur Verfügung, wenn sie nur mit Förderung der Agentur für Arbeit vermittelt werden können. Der Arbeitgeber, bei dem ein Ausländer beschäftigt werden soll, der dafür eine Zustimmung benötigt, hat der Bundesagentur für Arbeit Auskunft über Arbeitsentgelt, Arbeitszeiten und sonstige Arbeitsbedingungen zu erteilen.
(3)
Absatz 2 gilt auch, wenn bei Aufenthalten zu anderen Zwecken nach den Abschnitten 3, 5, 6 oder 7 eine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zur Ausübung einer Beschäftigung erforderlich ist.
(4)
Die Zustimmung kann die Dauer und die berufliche Tätigkeit festlegen sowie die Beschäftigung auf bestimmte Betriebe oder Bezirke beschränken.
(5)
Die Bundesagentur für Arbeit kann der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 19 zustimmen, wenn sich durch die Beschäftigung des Ausländers nachteilige Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt nicht ergeben.
(6)
Staatsangehörigen derjenigen Staaten, die nach dem Vertrag vom 16. April 2003 über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der
Anhang
290
Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union (BGBl. 2003 II S. 1408) der Europäischen Union beigetreten sind, kann von der Bundesagentur für Arbeit eine Beschäftigung, die eine qualifizierte Berufsausbildung voraussetzt, unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 erlaubt werden, soweit nach Maßgabe dieses Vertrages von den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft abweichende Regelungen Anwendung finden. Ihnen ist Vorrang gegenüber zum Zweck der Beschäftigung einreisenden Staatsangehörigen aus Drittstaaten zu gewähren.
§ 40 Versagungsgründe (1)
Die Zustimmung nach § 39 ist zu versagen, wenn 1. das Arbeitsverhältnis auf Grund einer unerlaubten Arbeitsvermittlung oder Anwerbung zustande gekommen ist oder 2. der Ausländer als Leiharbeitnehmer (§ 1 Abs. 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes) tätig werden will.
(2)
Die Zustimmung kann versagt werden, wenn 1. der Ausländer gegen § 404 Abs. 1 Nr. 2 oder Abs. 2 Nr. 2 bis 13, § 406 oder § 407 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder gegen die §§ 15, 15a oder § 16 Abs. 1 Nr. 2 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes schuldhaft verstoßen hat oder 2. wichtige Gründe in der Person des Ausländers vorliegen.
§ 41 Widerruf der Zustimmung Die Zustimmung kann widerrufen werden, wenn der Ausländer zu ungünstigeren Arbeitsbedingungen als vergleichbare deutsche Arbeitnehmer beschäftigt wird (§ 39 Abs. 2 Satz 1) oder der Tatbestand des § 40 Abs. 1 oder 2 erfüllt ist.
§ 42 Verordnungsermächtigung und Weisungsrecht (1)
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Folgendes bestimmen: 1. Beschäftigungen, für die eine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit (§ 17 Satz 1, § 18 Abs. 2 Satz 1, § 19 Abs. 1) nicht erforderlich ist, 2. Berufsgruppen, bei denen nach Maßgabe des § 18 eine Beschäftigung ausländischer Erwerbstätiger zugelassen werden kann, und erforderlichenfalls nähere Voraussetzungen für deren Zulassung auf dem deutschen Arbeitsmarkt, 3. Ausnahmen für Angehörige bestimmter Staaten, 4. Tätigkeiten, die für die Durchführung dieses Gesetzes stets oder unter bestimmten Voraussetzungen nicht als Beschäftigung anzusehen sind.
(2
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit kann durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Folgendes bestimmen: 1. die Voraussetzungen und das Verfahren zur Erteilung der Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit; dabei kann auch ein alternatives Verfahren zur Vorrangprüfung geregelt werden, 2. Einzelheiten über die zeitliche, betriebliche, berufliche und regionale Beschränkung der Zustimmung nach § 39 Abs. 4, 3. Ausnahmen, in denen eine Zustimmung abweichend von § 39 Abs. 2 erteilt werden darf, 4. Beschäftigungen, für die eine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit nach § 4 Abs. 2 Satz 3 nicht erforderlich ist, 5. Fälle, in denen geduldeten Ausländern abweichend von § 4 Abs. 3 Satz 1 eine Beschäftigung erlaubt werden kann.
B. Dokumentation — Zuwanderungsgesetz
(3)
291
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit kann der Bundesagentur für Arbeit zur Durchführung der Bestimmungen dieses Gesetzes und der hierzu erlassenen Rechtsverordnungen sowie der von den Europäischen Gemeinschaften erlassenen Bestimmungen über den Zugang zum Arbeitsmarkt und der zwischenstaatlichen Vereinbarungen über die Beschäftigung von Arbeitnehmern Weisungen erteilen.
Kapitel 3 Förderung der Integration § 43 Integrationskurs (1)
Die Integration von rechtmäßig auf Dauer im Bundesgebiet lebenden Ausländern in das wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Leben in der Bundesrepublik Deutschland wird gefördert.
(2)
Eingliederungsbemühungen von Ausländern werden durch ein Grundangebot zur Integration (Integrationskurs) unterstützt. Der Integrationskurs umfasst Angebote, die Ausländer an die Sprache, die Rechtsordnung, die Kultur und die Geschichte in Deutschland heranführen. Ausländer sollen dadurch mit den Lebensverhältnissen im Bundesgebiet so weit vertraut werden, dass sie ohne die Hilfe oder Vermittlung Dritter in allen Angelegenheiten des täglichen Lebens selbständig handeln können.
(3)
Der Integrationskurs umfasst einen Basis- und einen Aufbausprachkurs von jeweils gleicher Dauer zur Erlangung ausreichender Sprachkenntnisse sowie einen Orientierungskurs zur Vermittlung von Kenntnissen der Rechtsordnung, der Kultur und der Geschichte in Deutschland. Die erfolgreiche Teilnahme wird durch eine vom Kursträger auszustellende Bescheinigung über den erfolgreich abgelegten Abschlusstest nachgewiesen. Der Integrationskurs wird vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge koordiniert und durchgeführt, das sich hierzu privater oder öffentlicher Träger bedienen kann. Für die Teilnahme am Integrationskurs sollen Kosten in angemessenem Umfang unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit erhoben werden. Zur Zahlung ist auch derjenige verpflichtet, der dem Ausländer zur Gewährung des Lebensunterhalts verpflichtet ist.
(4)
Die Bundesregierung wird ermächtigt, nähere Einzelheiten des Integrationskurses, insbesondere die Grundstruktur, die Dauer, die Lerninhalte und die Durchführung der Kurse, die Vorgaben bezüglich der Auswahl und Zulassung der Kursträger sowie die Voraussetzungen und die Rahmenbedingungen für die Teilnahme und ihre Ordnungsmäßigkeit einschließlich der Kostentragung sowie die erforderliche Datenübermittlung zwischen den beteiligten Stellen durch eine Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zu regeln.
(5)
Die Bundesregierung legt dem Deutschen Bundestag zum 1. Juli 2007 einen Erfahrungsbericht zu Durchführung und Finanzierung der Integrationskurse vor.
§ 44 Berechtigung zur Teilnahme an einem Integrationskurs (1)
Einen Anspruch auf die einmalige Teilnahme an einem Integrationskurs hat ein Ausländer, der sich dauerhaft im Bundesgebiet aufhält, wenn er 1. erstmals eine Aufenthaltserlaubnis erhält a) zu Erwerbszwecken (§§ 18, 21), b) zum Zweck des Familiennachzugs (§§ 28, 29, 30, 32, 36),
Anhang
292
c) aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 1 oder 2 oder 2. eine Niederlassungserlaubnis nach § 23 Abs. 2 erhält. Von einem dauerhaften Aufenthalt ist in der Regel auszugehen, wenn der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis von mehr als einem Jahr erhält oder seit über 18 Monaten eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, es sei denn, der Aufenthalt ist vorübergehender Natur. (2)
Der Teilnahmeanspruch nach Absatz 1 erlischt zwei Jahre nach Erteilung des den Anspruch begründenden Aufenthaltstitels oder bei dessen Wegfall.
(3)
Der Anspruch auf Teilnahme am Integrationskurs besteht nicht, 1. bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die eine schulische Ausbildung aufnehmen oder ihre bisherige Schullaufbahn in der Bundesrepublik Deutschland fortsetzen, 2. bei erkennbar geringem Integrationsbedarf oder 3. wenn der Ausländer bereits über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt.
Die Berechtigung zur Teilnahme am Orientierungskurs bleibt im Falle des Satzes 1 Nr. 3 hiervon unberührt. (4)
Ein Ausländer, der einen Teilnahmeanspruch nicht oder nicht mehr besitzt, kann im Rahmen verfügbarer Kursplätze zur Teilnahme zugelassen werden.
§ 44a Verpflichtung zur Teilnahme an einem Integrationskurs (1)
Ein Ausländer ist zur Teilnahme an einem Integrationskurs verpflichtet, wenn 1. er nach § 44 einen Anspruch auf Teilnahme hat und sich nicht auf einfache Art in deutscher Sprache mündlich verständigen kann oder 2. die Ausländerbehörde ihn im Rahmen verfügbarer und zumutbar erreichbarer Kursplätze zur Teilnahme am Integrationskurs auffordert und er a) Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch bezieht und die die Leistung bewilligende Stelle die Teilnahme angeregt hat oder b) in besonderer Weise integrationsbedürftig ist. In den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 stellt die Ausländerbehörde bei der Ausstellung des Aufenthaltstitels fest, ob der Ausländer zur Teilnahme verpflichtet ist.
(2)
Von der Teilnahmeverpflichtung ausgenommen sind Ausländer, 1. die sich im Bundesgebiet in einer beruflichen oder sonstigen Ausbildung befinden, 2. die die Teilnahme an vergleichbaren Bildungsangeboten im Bundesgebiet nachweisen oder 3. deren Teilnahme auf Dauer unmöglich oder unzumutbar ist.
(3)
Kommt ein Ausländer seiner Teilnahmepflicht aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht nach, so weist ihn die zuständige Ausländerbehörde vor der Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis auf die Auswirkungen seiner Pflichtverletzung und der Nichtteilnahme am Integrationskurs (§ 8 Abs. 3, § 9 Abs. 2 Nr. 7 und 8 dieses Gesetzes, § 10 Abs. 3 des Staatsangehörigkeitsgesetzes) hin. Solange ein Ausländer seiner Teilnahmepflicht nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht nachkommt, kann die die Leistung bewilligende Stelle für die Zeit der Nichtteilnahme nach Hinweis der Ausländerbehörde die Leistungen bis zu 10 vom Hundert kürzen. Bei Verletzung der Teilnahmepflicht kann der voraussichtliche Kostenbeitrag auch vorab in einer Summe durch Gebührenbescheid erhoben werden.
B. Dokumentation — Zuwanderungsgesetz
293
§ 45 Integrationsprogramm Der Integrationskurs kann durch weitere Integrationsangebote, insbesondere ein migrationsspezifisches Beratungsangebot, ergänzt werden. Das Bundesministerium des Innern oder die von ihm bestimmte Stelle entwickelt ein bundesweites Integrationsprogramm, in dem insbesondere die bestehenden Integrationsangebote von Bund, Ländern, Kommunen und privaten Trägern für Ausländer und Spätaussiedler festgestellt und Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Integrationsangebote vorgelegt werden. Bei der Entwicklung des bundesweiten Integrationsprogramms sowie der Erstellung von Informationsmaterialien über bestehende Integrationsangebote werden die Länder, die Kommunen und die Ausländerbeauftragten von Bund, Ländern und Kommunen sowie der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen beteiligt. Darüber hinaus sollen Religionsgemeinschaften, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, die Träger der freien Wohlfahrtspflege sowie sonstige gesellschaftliche Interessenverbände beteiligt werden. […]
Abschnitt 2 Bundesamt für Migration und Flüchtlinge § 75 Aufgaben Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat unbeschadet der Aufgaben nach anderen Gesetzen folgende Aufgaben: 1. Koordinierung der Informationen über den Aufenthalt zum Zweck der Erwerbstätigkeit zwischen den Ausländerbehörden, der Bundesagentur für Arbeit und der für Pass- und Visaangelegenheiten vom Auswärtigen Amt ermächtigten deutschen Auslandsvertretungen; 2. a) Entwicklung von Grundstruktur und Lerninhalten des Integrationskurses nach § 43 Abs. 3, b) deren Durchführung und c) Maßnahmen nach § 9 Abs. 5 des Bundesvertriebenengesetzes; 3. fachliche Zuarbeit für die Bundesregierung auf dem Gebiet der Integrationsförderung und der Erstellung von Informationsmaterial über Integrationsangebote von Bund, Ländern und Kommunen für Ausländer und Spätaussiedler; 4. Betreiben wissenschaftlicher Forschungen über Migrationsfragen (Begleitforschung) zur Gewinnung analytischer Aussagen für die Steuerung der Zuwanderung; 5. Zusammenarbeit mit den Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union als Nationale Kontaktstelle nach der Richtlinie 2001/55/EG; 6. Führung des Registers nach § 91a; 7. Gewährung der Auszahlungen der nach den Programmen zur Förderung der freiwilligen Rückkehr bewilligten Mittel; 8. Verteilung der nach § 23 Abs. 2 aufgenommenen Personen auf die Länder. Begründung und Rechtsbehelfsbelehrung; die Versagung an der Grenze bedarf auch nicht der Schriftform. […]
Anhang
294
Kapitel 8 Beauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration § 92 Amt der Beauftragten (1)
Die Bundesregierung bestellt eine Beauftragte oder einen Beauftragten für Migration, Flüchtlinge und Integration.
(2)
Das Amt der Beauftragten wird beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eingerichtet und kann von einem Mitglied des Deutschen Bundestages bekleidet werden. Ohne dass es einer Genehmigung (§ 5 Abs. 2 Satz 2 des Bundesministergesetzes, § 7 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre) bedarf, kann die Beauftragte zugleich ein Amt nach dem Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre innehaben. Die Amtsführung der Beauftragten bleibt in diesem Falle von der Rechtsstellung nach dem Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre unberührt.
(3)
Die für die Erfüllung der Aufgaben notwendige Personal- und Sachausstattung ist zur Verfügung zu stellen. Der Ansatz ist im Einzelplan 17 des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in einem eigenen Kapitel auszuweisen.
(4)
Das Amt endet, außer im Falle der Entlassung, mit dem Zusammentreten eines neuen Bundestages.
§ 93 Aufgaben Die Beauftragte hat die Aufgaben, 1. die Integration der dauerhaft im Bundesgebiet ansässigen Migranten zu fördern und insbesondere die Bundesregierung bei der Weiterentwicklung ihrer Integrationspolitik auch im Hinblick auf arbeitsmarkt- und sozialpolitische Aspekte zu unterstützen sowie für die Weiterentwicklung der Integrationspolitik auch im europäischen Rahmen Anregungen zu geben; 2. die Voraussetzungen für ein möglichst spannungsfreies Zusammenleben zwischen Ausländern und Deutschen sowie unterschiedlichen Gruppen von Ausländern weiterzuentwikkeln, Verständnis füreinander zu fördern und Fremdenfeindlichkeit entgegenzuwirken; 3. nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlungen, soweit sie Ausländer betreffen, entgegenzuwirken; 4. den Belangen der im Bundesgebiet befindlichen Ausländer zu einer angemessenen Berücksichtigung zu verhelfen: 5. über die gesetzlichen Möglichkeiten der Einbürgerung zu informieren; 6. auf die Wahrung der Freizügigkeitsrechte der im Bundesgebiet lebenden Unionsbürger zu achten und zu deren weiterer Ausgestaltung Vorschläge zu machen; 7. Initiativen zur Integration der dauerhaft im Bundesgebiet ansässigen Migranten auch bei den Ländern und kommunalen Gebietskörperschaften sowie bei den gesellschaftlichen Gruppen anzuregen und zu unterstützen; 8. die Zuwanderung ins Bundesgebiet und in die Europäische Union sowie die Entwicklung der Zuwanderung in anderen Staaten zu beobachten; 9. in den Aufgabenbereichen der Nummern 1 bis 8 mit den Stellen der Gemeinden, der Länder, anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Europäischen Union selbst, die gleiche oder ähnliche Aufgaben haben wie die Beauftragte, zusammenzuarbeiten; 10. die Öffentlichkeit zu den in den Nummern 1 bis 9 genannten Aufgabenbereichen zu informieren.
B. Dokumentation — Zuwanderungsgesetz
295
§ 94 Amtsbefugnisse (1)
Die Beauftragte wird bei Rechtsetzungsvorhaben der Bundesregierung oder einzelner Bundesministerien sowie bei sonstigen Angelegenheiten, die ihren Aufgabenbereich betreffen, möglichst frühzeitig beteiligt. Sie kann der Bundesregierung Vorschläge machen und Stellungnahmen zuleiten. Die Bundesministerien unterstützen die Beauftragte bei der Erfüllung ihrer Aufgaben.
(2)
Die Beauftragte erstattet dem Deutschen Bundestag mindestens alle zwei Jahre einen Bericht über die Lage der Ausländer in Deutschland.
(3)
Liegen der Beauftragten hinreichende Anhaltspunkte vor, dass öffentliche Stellen des Bundes Verstöße im Sinne des § 93 Nr. 3 begehen oder sonst die gesetzlichen Rechte von Ausländern nicht wahren, so kann sie eine Stellungnahme anfordern. Sie kann diese Stellungnahme mit einer eigenen Bewertung versehen und der öffentlichen und deren vorgesetzter Stelle zuleiten. Die öffentlichen Stellen des Bundes sind verpflichtet, Auskunft zu erteilen und Fragen zu beantworten. Personenbezogene Daten übermitteln die öffentlichen Stellen nur, wenn sich der Betroffene selbst mit der Bitte, in seiner Sache gegenüber der öffentlichen Stelle tätig zu werden, an die Beauftragte gewandt hat oder die Einwilligung des Ausländers anderweitig nachgewiesen ist.
[…]
Artikel 5 Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes […]
§ 10 (1)
Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, ist auf Antrag einzubürgern, wenn er 1. sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat, 2. freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger oder gleichgestellter Staatsangehöriger eines EWRStaates ist oder eine Aufenthaltserlaubnis-EU oder eine Niederlassungserlaubnis oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16, 17, 22, 23 Abs. 1, §§ 23a, 24 und 25 Abs. 3 und 4 des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt, 3. den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann, 4. seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert und 5. nicht wegen einer Straftat verurteilt worden ist. Satz 1 Nr. 1 findet keine Anwendung,
296
Anhang
wenn ein minderjähriges Kind im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Von der in Satz 1 Nr. 3 bezeichneten Voraussetzung wird abgesehen, wenn der Ausländer das 23. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder aus einem von ihm nicht zu vertretenden Grund den Lebensunterhalt nicht ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann. (2)
Der Ehegatte und die minderjährigen Kinder des Ausländers können nach Maßgabe des Absatzes 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten.
(3)
Weist ein Ausländer durch eine Bescheinigung nach § 43 Abs. 3 Satz 2 des Aufenthaltsgesetzes die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die Frist nach Absatz 1 auf sieben Jahre verkürzt.
§ 11 Ein Anspruch auf Einbürgerung nach § 10 besteht nicht, wenn 1. der Ausländer nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt, 2. tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat, oder 3. ein Ausweisungsgrund nach § 54 Nr. 5 und 5a des Aufenthaltsgesetzes vorliegt. Satz 1 Nr. 3 gilt entsprechend für Ausländer im Sinne des § 1 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes. […]
B. Dokumentation — Zuwanderungsgesetz
297
Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) vom 20. Juni 2002
[…]
Abschnitt 4 Aufenthalt zum Zweck der Erwerbstätigkeit […]
§ 20 Zuwanderung im Auswahlverfahren (1)
Eine Niederlassungserlaubnis wird zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erteilt, wenn ein Ausländer erfolgreich am Auswahlverfahren teilgenommen hat. Dies gilt auch für Ausländer, die sich bereits rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.
(2)
Das Auswahlverfahren erfolgt im wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Interesse der Bundesrepublik Deutschland und dient der Zuwanderung qualifizierter Erwerbspersonen, von denen ein Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung und die Integration in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland zu erwarten sind. Die Auswahl erfolgt durch ein Punktesystem unter besonderer Berücksichtigung von Staatsangehörigen der Länder, mit denen die Verhandlungen über den Beitritt zur Europäischen Union eröffnet sind.
(3)
Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundestages und des Bundesrates die Bedingungen für die Teilnahme an dem Auswahlverfahren, die allgemeinen Kriterien für die Auswahl der Zuwanderungsbewerber sowie die Bewertung durch ein Punktesystem und Einzelheiten des Verfahrens festzulegen. Als Mindestbedingungen für die Teilnahme sind die gesundheitliche Eignung, ein guter Leumund, die Sicherung des Lebensunterhalts und eine Berufsausbildung vorzusehen. Für die Auswahl der Zuwanderungsbewerber ist zumindest die Bewertung der folgenden Kriterien vorzusehen: 1. Alter des Zuwanderungsbewerbers; 2. schulische und berufliche Qualifikation sowie die Berufserfahrung des Zuwanderungsbewerbers; Unterbrechung der Berufstätigkeit oder längere Ausbildungsdauer auf Grund der Wahrnehmung von Familienpflichten wie Kindererziehung oder häusliche Pflege dürfen keine nachteilige Bewertung zur Folge haben; 3. Familienstand des Zuwanderungsbewerbers; 4. Sprachkenntnisse des Zuwanderungsbewerbers; 5. Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland; 6. Herkunftsland.
298
Anhang
Bei der Auswahl der Zuwanderungsbewerberinnen und Zuwanderungsbewerber ist ein den Bewerbungen entsprechender Anteil von Frauen und Männern auszuwählen. (4)
Das Auswahlverfahren wird nur durchgeführt, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und die Bundesanstalt für Arbeit nach Beteiligung des Zuwanderungsrates (§ 76) gemeinsam eine Höchstzahl für die Zuwanderung im Auswahlverfahren festgesetzt haben.
(5)
Die Niederlassungserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn sie innerhalb eines Jahres nach der Mitteilung über die erfolgreiche Teilnahme am Auswahlverfahren (Zuwanderungsmitteilung) beantragt wird.
(6)
Bewerber, die nicht erfolgreich am Auswahlverfahren teilgenommen haben, können frühestens nach Ablauf von drei Jahren ab Bekanntgabe der ablehnenden Zuwanderungsmitteilung erneut am Auswahlverfahren teilnehmen.
[…]
299
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1.1 Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung und an der Erwerbsbevölkerung im internationalen Vergleich, 2001
5
Abbildung 1.2 Beschäftigungsstruktur der erwerbstätigen EU-Bürger und Drittstaatsangehörigen in der EU, 2002
6
Abbildung 1.3 Qualifikationsniveau von Drittstaatsangehörigen in der EU nach Einreisejahren
6
Abbildung 1.4 Arbeitsmarktbilanz von Zuwanderern verschiedener Einreisejahre, 2002
8
Abbildung 1.5 Arbeitslosenquote und Beschäftigungsgrad in der EU, Deutschland und Dänemark nach Status und Qualifikation, 2002
11
Abbildung 1.6 Entscheidungsbaum für die Aufnahme einer Person als Einwanderer, Nachkomme von Einwanderern oder Däne in die Bevölkerungsstatistik Dänemarks
17
Abbildung 2.1 Brutto- und Nettomigration in Deutschland und Dänemark, 1955-2003
36
Abbildung 2.2 Zu- und Fortzüge und Nettomigration pro 1000 Einwohner in Deutschland und Dänemark, 1955-2003
36
Abbildung 2.3 Wanderungen von Deutschen/Spätaussiedlern über die Grenzen Deutschlands, 1955-2003
38
Abbildung 2.4 Wanderungen von ausländischen Staatsangehörigen über die Grenzen Deutschlands, 1955-2003
38
Abbildung 2.5 Wanderungen von skandinavischen Staatsangehörigen über die Grenzen Dänemarks, 1955-2003
40
Abbildung 2.6 Wanderungen von nicht-skandinavischen Staatsangehörigen über die Grenzen Dänemarks, 1955-2003
40
Abbildung 2.7 Aufenthaltsdauer der ausländischen Bevölkerung in Deutschland (Größe und Zusammensetzung der Gruppen mit unterschiedlicher Verweildauer), 2002
42
Abbildung 2.8 Aufenthaltsdauer verschiedener Nationalitäten in Deutschland, 2002
42
Abbildung 2.9 Aufenthaltsdauer der ausländischen Bevölkerung in Dänemark (Größe und Zusammensetzung der Gruppen mit unterschiedlicher Verweildauer), 2002
43
300
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 2.10 Aufenthaltsdauer verschiedener Nationalitäten in Dänemark, 2002
43
Abbildung 2.11 Zahl der Asylanträge im internationalen Vergleich, 1990-2003
45
Abbildung 2.12 Anteile der EU15-Länder an Gesamtzahl der Asylanträge zwischen 1990 und 2003
45
Abbildung 2.13 Zahl der Asylanträge pro 1.000 Einwohner im internationalen Vergleich
47
Abbildung 2.14 Gesamtzahl der Aussiedler und Ausländer in Deutschland, 1951-2003
47
Abbildung 2.15 Zuzug von Spätaussiedlern nach Deutschland, 1950-2003
48
Abbildung 2.16 Zuzug von skandinavischen Staatsangehörigen nach Dänemark, 1950-2003
48
Abbildung 2.17 Zuwanderungsbedingte Bevölkerungswachstumsrate (brutto) für Deutschland und Dänemark, 1955-2003
50
Abbildung 2.18 Zuwanderungsbedingte Bevölkerungswachstumsrate (netto) für Deutschland und Dänemark, 1955-2003
51
Abbildung 2.19 Ausländische Bevölkerung in Deutschland und Dänemark, 1980-2002
55
Abbildung 2.20 Ausländische Wohnbevölkerung und Erwerbspersonen in Deutschland, 1955-2000
56
Abbildung 2.21 Temporäre Arbeitsmigranten aus Nicht-EU-Staaten, 1992-2003
57
Abbildung 2.22 Altersaufbau der einheimischen und zugewanderten Bevölkerung in Dänemark
64
Abbildung 2.23 Altersaufbau der einheimischen und zugewanderten Bevölkerung in Deutschland
64
Abbildung 3.1 Aufbau der Schulsysteme und des tertiären Bereichs in Dänemark, 1999/2000
72
Abbildung 3.2 Aufbau der Schulsysteme und des tertiären Bereichs in Deutschland, 1999/2000
73
Abbildung 4.1 Wachstum des Bruttoinlandsprodukts, 1990-2004
103
Abbildung 4.2 Beschäftigungs- und Arbeitslosenquoten in Dänemark, 1992-2002
104
Abbildung 4.3 Beschäftigungs- und Arbeitslosenquoten in Deutschland, 1992-2002
105
Abbildung 4.4 Beschäftigungsquoten für Einheimische und Zuwanderer nicht-westlicher Herkunft in Deutschland und Dänemark, 1985-2002
106
Abbildung 4.5 Partizipationsraten männlicher 16-66jähriger Zuwanderer aus nicht-westlichen Ländern nach Ankunftsjahr und Aufenthaltsdauer in Dänemark
112
Abbildungsverzeichnis
301
Abbildung 4.6 Beschäftigungsquoten von Immigranten und Nachkommen westlicher und nicht-westlicher Herkunft (16-66 Jahre) in Dänemark, 1985-2002
115
Abbildung 4.7 Beschäftigungsquoten nach Staatsangehörigkeit und Geschlecht, 2001/2002
119
Abbildung 4.8 - 4.10 Einkommen von Zuwanderern in Abhängigkeit von ihrer Arbeitserfahrung
138
Abbildung 4.11 - 4.13 Einkommen von Zuwanderern in Abhängigkeit von ihrer Arbeitserfahrung
139
Abbildung 5.1 - 5.3 Einkommen von selbständigen Zuwanderern in Abhängigkeit vom Alter
168
Abbildung 5.4 - 5.6 Einkommen von selbständigen Zuwanderern in Abhängigkeit vom Alter
169
Abbildung 6.1 Steuerzahlungen von Zuwanderern und Deutschen nach Alter, 1996
195
Abbildung 6.2 Öffentliche Transferzahlungen an Zuwanderer und Deutsche nach Alter, 1996
197
Abbildung 6.3 Nettosteuerzahlungen von Zuwanderern und Deutschen nach Alter, 1996
199
Abbildung 6.4 Generationenkonten von Zuwanderern und Deutschen, 1996
201
Abbildung 6.5 Steuerzahlungen von Zuwanderern und Dänen nach Alter, 2000
207
Abbildung 6.6 Öffentliche Transferzahlungen an Zuwanderer und Dänen nach Alter, 2000
208
Abbildung 6.7 Nettosteuerzahlungen von Zuwanderern und Dänen nach Alter, 2000
209
Abbildung 6.8 Zusammensetzung der ausländischen Bevölkerung in Dänemark nach Herkunft, 2000
212
Abbildung 6.9 Nettosteuerzahlungen von westlichen und nicht-westlichen Zuwanderern und Dänen, 2000
213
Abbildung 6.10 Generationenkonten von westlichen und nicht-westlichen Zuwanderern und Dänen, 2000
214
Abbildung 7.1 Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (18-64 Jahre) in Abhängigkeit vom Wanderungssaldo, 2000-2030
223
Abbildung 7.2 Zahl der Erwerbspersonen bei gesteigerter Erwerbsbeteiligung, Zunahme der Lebensarbeitszeit und Zuwanderung, 2000-2030
224
Abbildung 7.3 Modell einer kohärenten Zuwanderungsgesetzgebung
242
303
Tabellenverzeichnis
Tabelle 2.1 Ausländische Wohnbevölkerung in Deutschland nach Staatsangehörigkeit, 1974-2003 Tabelle 2.2 Ausländische Wohnbevölkerung in Dänemark nach Staatsangehörigkeit, 1974-2003 Tabelle 2.3 Altersstruktur von Zuwanderern, Einheimischen und Gesamtbevölkerung nach Geschlecht in Dänemark und Deutschland, 2001/2002 Tabelle 2.4 Regionale Verteilung der Zuwanderer in Deutschland, 1997 Tabelle 2.5 Regionale Verteilung der Zuwanderer in Dänemark, 2002 Tabelle 3.1 Vor der Immigration nach Deutschland/Dänemark abgeschlossene Schulbildung (Zuwanderer der ersten Generation), 2001/2002 Tabelle 3.2 Vor der Immigration nach Deutschland/Dänemark abgeschlossene Berufs- oder Universitätsausbildung (Zuwanderer der ersten Generation), 2001/2002 Tabelle 3.3 Abgeschlossene Schulbildung in Deutschland/Dänemark (Zuwanderer der ersten Generation), 2001/2002 Tabelle 3.4 In Deutschland/Dänemark abgeschlossene Berufs- und Universitätsausbildung (Zuwanderer der ersten Generation), 2001/2002 Tabelle 3.5 Deutsch-/Dänischkenntnisse (Zuwanderer der ersten Generation), 2001/2002 Tabelle 3.6 Deutsch-/Dänischkenntnisse (Zuwanderer der zweiten Generation), 2001/2002 Tabelle 3.7 Abgeschlossene Schulbildung in Deutschland/Dänemark (Zuwanderer der zweiten Generation), 2001/2002 Tabelle 3.8 In Deutschland/Dänemark abgeschlossene Berufs- und Universitätsausbildung (Zuwanderer der zweiten Generation), 2001/2002 Tabelle 3.9 Ausgewählte Charakteristika des Bildungshintergrunds Tabelle 4.1 Altersverteilung der 16-66jährigen beschäftigten Zuwanderer, 2001/2002 Tabelle 4.2 Anteile der 16-65jährigen beschäftigten Personen nach Sektor und beruflicher Stellung
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304
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Tabelle 4.3 Zusammensetzung der zugewanderten Bevölkerung nach Herkunftsland, 2001/2002 Tabelle 4.4 Beschäftigungsquoten der Zuwanderer nach Herkunftsland, 2001/2002 Tabelle 4.5 Prozentsatz der beschäftigten Zuwanderer mit geringen Arbeitsanreizen Tabelle 4.6 Prozentsatz der arbeitslosen Zuwanderer mit geringen Arbeitsanreizen Tabelle 4.7 Anteil der dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehenden arbeitslosen Zuwanderer (nach ILO-Bereitschaftskriterien) Tabelle 4.8 Anteil der dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehenden arbeitslosen Zuwanderer (nach ILO-Bereitschaftskriterien und Transferarten) Tabelle 4.9 Ausgewählte Charakteristika von Beschäftigten, Arbeitslosen und Personen, die nicht zur Erwerbsbevölkerung zählen Tabelle 4.10 Ausgewählte einkommensrelevante Merkmale von Zuwanderern in Deutschland und Dänemark Tabelle 4.11 Löhne und Arbeitserfahrung von Zuwanderern nach Staatsangehörigkeit und Geschlecht in Deutschland und Dänemark Tabelle 5.1 Ausgewählte Charakteristika von selbständigen und abhängig beschäftigten Zuwanderern in Deutschland Tabelle 5.2 Ausgewählte Charakteristika von selbständigen und abhängig beschäftigten Zuwanderern in Dänemark Tabelle 5.3 Durchschnittliche Merkmalsausprägungen selbständiger Einwanderer in Deutschland nach Herkunftsland Tabelle 5.4 Durchschnittliche Merkmalsausprägungen selbständiger Einwanderer in Dänemark nach Herkunftsland Tabelle 6.1 Nettolohn-Ersatzquoten für einen Versicherten im ersten Jahr der Arbeitslosigkeit in Deutschland und Dänemark, 1999 Tabelle 6.2 Nettolohn-Ersatzquoten für alleinstehenden Rentner mit und ohne Erwerbsbiographie in Deutschland und Dänemark, 1998 Tabelle 6.3 Anteile der Bezieher von Arbeitslosenunterstützung unter den verschiedenen Nationalitäten Tabelle 6.4 Anteile der Bezieher von Arbeitslosen- oder Sozialhilfetransfers unter den verschiedenen Nationalitäten Tabelle 6.5 Anteile der Bezieher von Sozialhilfe unter den verschiedenen Nationalitäten Tabelle 6.6 Anteile der Bezieher von Alters-, Erwerbsminderungs- oder Frührenten unter den verschiedenen Nationalitäten in Deutschland, 2002
116
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Tabelle 6.7 Anteile der Bezieher von Alters-, Erwerbsminderungs- oder Frührenten unter den verschiedenen Nationalitäten in Dänemark, 2001 Tabelle 6.8 Nettosteuerzahlungen pro Kopf ausgewählter Teilbevölkerungen in Deutschland, Fiskaljahr 1996 Tabelle 6.9 Nettosteuerzahlungen pro Kopf ausgewählter Teilbevölkerungen bis zum Lebensende in Deutschland, Fiskaljahr 1996 Tabelle 6.10 Nettosteuerzahlungen pro Kopf ausgewählter Teilbevölkerungen, Dänemark, Fiskaljahr 2000 Tabelle 6.11 Nettosteuerzahlungen pro Kopf (in Euro) ausgewählter Teilbevölkerungen bis zum Lebensende, Dänemark, Fiskaljahr 2000 Tabelle A.1 Wahrscheinlichkeit eines Bildungsabschlusses in Dänemark Tabelle A.2 Schätzergebnisse für die Wahrscheinlichkeit eines Bildungsabschlusses in Deutschland Tabelle A.3 Schätzergebnisse für die Wahrscheinlichkeit des Abschlusses einer beruflichen Ausbildung in Dänemark Tabelle A.4 Schätzergebnisse für die Wahrscheinlichkeit des Abschlusses einer beruflichen Ausbildung in Deutschland Tabelle A.5 Schätzergebnisse zur Wahrscheinlichkeit der Erwerbsbeteiligung in Deutschland (für 18-59jährige Zuwanderer, ohne Studenten) Tabelle A.6 Schätzergebnisse zur Wahrscheinlichkeit der Erwerbsbeteiligung in Dänemark (für 18-59jährige, ohne Studenten) Tabelle A.7 Schätzergebnisse zur Wahrscheinlichkeit der Beschäftigung in Deutschland (für 18-59jährige in Erwerbsbevölkerung) Tabelle A.8 Schätzergebnisse zur Wahrscheinlichkeit der Beschäftigung in Dänemark (18-59jährige Zuwanderer in Erwerbsbevölkerung) Tabelle A.9 Geschätzte Lohngleichungen für beschäftigte Zuwanderer in Deutschland und Dänemark Tabelle A.10 Wahrscheinlichkeit der Selbständigkeit von Zuwanderern Tabelle A.11 Schätzergebnisse zur Wahrscheinlichkeit des Sozialhilfebezugs von Zuwanderern in Deutschland, 2002 Tabelle A.12 Schätzergebnisse zur Wahrscheinlichkeit des Sozialhilfebezugs von Ausländern und eingebürgerten Zuwanderern in Dänemark, 2001
305
186
200
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Index
A Altersstruktur63–65, 199, 222, 254–255 Alterungsprozess siehe demographischer Wandel Anreize -Analyse der119–122 -Fehlanreize des Steuersystems 124 -für Sprachkurse240 -von Integrationskursen25 -Wirkung des sozialen Sicherungssystems 104, 141, 176 Anwerbestopp15, 28, 30, 41, 81, 111, 141 Arbeitseinkommen siehe Einkommen Arbeitserlaubnis24, 33, 101, 259 Arbeitslosenversicherung -Ansprüche/Voraussetzungen in Dänemark 176–177, 208, 217 -Ansprüche/Voraussetzungen in Deutschland 177–178 Arbeitslosigkeit -Arbeitslosenquoten von Zuwanderern107 -Konjunktur108 Arbeitsmarktpartizipation siehe Partizipation Arbeitsmigration, befristete22, 32, 56–59, 228 -Anwerbestopp-Ausnahmeverordnung30 -Bedeutung59 -Gastarbeitnehmer31, 59 -Saisonarbeitnehmer31, 58 -Werkvertragsarbeitnehmer31, 57 Asylgesetzgebung, dänische23 -de facto Flüchtlinge23 -Schutz-Status23 Asylgesetzgebung, deutsche29 Asylsuchende -Anerkennungsquote50 -Beschäftigungsquote113, 141 ATP-Zusatzrente181, 218, 254 siehe auch -Rentensysteme, Ansprüche/Voraussetzungen Ausländergesetz -dänisches20, 21, 24, 54 -deutsches28, 34
B Beauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration26, 34 Beitrag zu öffentlichen Haushalten siehe Nettobeitrag Berufsausbildung -im Herkunftsland77–79 -Wahrscheinlichkeit95–96 -Zuwanderer der ersten Generation81–82 -Zuwanderer der zweiten Generation87–88 Beschäftigung, Wahrscheinlichkeit der128–130 Beschäftigungsquoten -nach Nationalität117–119, 143 -von Nachkommen114–115 -von Zuwanderern99, 104–107, 111, 140 Beschäftigungssektoren siehe Wirtschaftszweige Bevorrechtigungsprüfung33 Bildungsabschlüsse -Anerkennungsschwierigkeiten100 -vor der Zuwanderung76–79, 96 -Wahrscheinlichkeit eines Abschlusses89–95 Bildungsniveau -Zuwanderer der ersten Generation79–82, 96 -Zuwanderer der zweiten Generation 85–88, 97 Bildungssystem -in Dänemark 71–75 -in Deutschland71–75 D Demographischer Wandel143, 191, 222, 228 Drittstaatenregelung23, 29 E Einbürgerung -Einbürgerungsfrist240 -Einbürgerungsquote16 Eingliederungsbeihilfe25, 179 Einkommen siehe Arbeitseinkommen -Alter-Einkommens-Profile167–170 -aus selbständiger Beschäftigung165–166 siehe auch Selbständigkeit, Einkommen aus
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-Determinanten131–136 -Erfahrung-Einkommens-Profile136–140 Einkommensdifferenz siehe Anreize, Analyse Einstiegslöhne134 Entlastungseffekte204, 209 siehe auch Nettobeitrag Existenzgründungen siehe Selbständigkeit F Fachkräftemangel20, 94, 98, 227 Familiennachzug41, 44, 52 -in Dänemark21, 53–54 -in Deutschland27, 52–53 -und Beschäftigungsquoten113, 141 Familienzusammenführungs siehe Familiennachzug Fiskalische Effekte der Zuwanderung siehe Nettobeitrag Freizügigkeitsrechte230 G Gastarbeiteranwerbung27, 37–41 Generational accounting siehe Generationenbilanzierung Generationenbilanzierung -Gedanke der192 -und Zuwanderung in Dänemark204–211 -und Zuwanderung in Deutschland193–198 Generationenkonten -Begriff200 -von Zuwanderern in Dänemark214–217 -von Zuwanderern in Deutschland200–204, 219 Green Card20, 31, 32, 58–59 H Humankapital4, 76, 102, 131, 157, 166, 189, 257, 260 -und Erwerbsbeteiligung142 I Integrationsgesetz, dänisches25, 113 Integrationskurse25, 133, 179, 208, 218, 238 Integrationspolitik19, 21, 41, 238 Intergenerational -Bildungsambitionen91, 94, 247 -Umverteilung190, 191, 210 -Unternehmereigenschaften171 J Job Card20, 22, 57, 59
Index
K Kompositionseffekt113 Kontrafaktische Analyse -Einkommen in Deutschland/Dänemark 137, 142 -Selbständige in Deutschland/Dänemark 166–167, 170 Kündigungsschutz130 L Lohn siehe Einkommen Lohnersatzquote140, 176, 208 siehe auch Rentensysteme, Ansprüche/Voraussetzungen Lohngefälle133 Lohngleichungen, Ergebnisse134–140, 144, 166 Lohnspreizung101, 237, 259 Lovmodel205 M Migrationsgeschichte siehe Zuwanderungsgeschichte N Nachhaltigkeitsrechnung, finanzpolitische204 Nachkommen, Definition Dänemark16 Nettobeitrag zu öffentlichen Haushalten -Vergleich Deutschland und Dänemark217 -Zuwanderer in Dänemark205, 213 -Zuwanderer in Deutschland196 Netzwerkbeziehungen100 O Ost-West-Migration44, 230 P Partizipation, am Arbeitsmarkt182–186 -Vergleich von Kohorten111–114 -Wahrscheinlichkeit der126–130 R Rentenbezug von Ausländern185–187 Rentensysteme -Ansprüche und Voraussetzungen179–181, 218 -Nettoersatzquote181 Rückkehrabsichten21, 41, 81, 83, 101 Rückkehrhilfe-Programme28, 41 S Selbständigenquoten146, 150 Selbständigkeit -Determinanten der151–153, 163–165
Index
-Einkommen aus165–170 -Förderung149, 151, 172 -Hindernisse für Zuwanderer149 -Merkmale selbständiger Zuwanderer153–157 -rechtliche Bedingungen für Zuwanderer 148, 151 Sozialhilfe182, 184, 198, 208, 218 -und Arbeitsanreize121–123 -Wahrscheinlichkeit des Bezugs187–189 Sozialtransfers -Gewährung an Zuwanderer25 -und Arbeitsanreize120–123 Spätaussiedler19, 29, 49 Sprachkenntnisse -Zuwanderer der ersten Generation82–83 -Zuwanderer der zweiten Generation84 Staatsangehörigkeitsrecht -Abstammungsprinzip26, 34 -dänisches26 -deutsches19, 34, 128 -Geburtsortprinzip26, 34 Steuerungsmechanismus -Auktionssystem229, 234 -Punktesystem228, 232 Steuerzahlungen, altersspezifische von Zuwanderern194, 206 T Think Tank on Integration26, 35 Transferleistungen an Zuwanderer -in Dänemark207–208 -in Deutschland196–198 U Umverteilung durch Zuwanderung190 Unabhängige Kommission Zuwanderung35, 232
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V Verfügbarkeit -Analyse der123–125, 141 -ILO-Kriterien123–125, 141, 184, 249 Verhaltenseffekt113 Volksrente180 siehe Rentensysteme, Ansprüche/ Voraussetzungen W Wanderungssaldo46, 51 Wirtschaftszweige, Beschäftigung von Zuwanderern109–110, 135–136 Wohnortezuweisungsgesetz30 Workfare101, 124, 176, 179, 217 Z Zuwanderer -Definition, Dänemark16 -Zuwandererkohorten141, 188 siehe auch Partizipation, Vergleich von Kohorten Zuwandererungsstopp siehe Anwerbestopp Zuwanderung -Bruttomigration46, 51 -Nettomigration41 -Pull-Faktoren56 -Push-Faktoren56 -regionale Verteilung68 Zuwanderungsgeschichte15, 35–59, 111, 211 Zuwanderungsgesetz19, 32, 35, 221ff. Zuwanderungspolitik -dänische20–27 -deutsche27–35 -Doppelstrategie228–229 -gemeinsame europäische20, 241, 257 -selektive98
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Autorenverzeichnis
Prof. Dr. Klaus F. Zimmermann IZA Bonn, Universität Bonn, DIW Berlin, FU Berlin und CEPR London Klaus F. Zimmermann, geboren 1952, studierte Volkswirtschaftslehre und Statistik an der Universität Mannheim, wo er als Diplom-Volkswirt abschloß, promovierte und habilitierte. Von 1989-1998 war er Ordinarius für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftstheorie an der Universität München und Direktor des SELAPO Center for Human Resources; von 19931995 war er zugleich Dekan der Volkswirtschaftlichen Fakultät der Universität München. Seit 1998 ist er Professor für Wirtschaftliche Staatswissenschaften der Universität Bonn und Direktor des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA Bonn) sowie seit 2000 Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Eine Honorarprofessur für Volkswirtschaftslehre an der Freien Universität Berlin hat Zimmemann seit 2001 inne. Von 1991 bis 2001 war er darüber hinaus Programmdirektor am Centre for Economic Policy Research (CEPR) in London, zunächst für „Human Resources“, ab 1998 für „Labour Economics“. Klaus F. Zimmermann war 1986 CORE Research Fellow (Université Catholique de Louvain, Louvain-la-Neuve, Belgien) und Research Fellow am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB). 1987 war er Visiting Associate Professor an der University of Pennsylvania, Philadelphia, USA, 1988 bis 1989 Heisenberg-Fellow. 1994 hielt er die Picard-Vorlesung am Dartmouth College, USA. Als Gastprofessor war er 1989 an der Universität Dortmund und München, 1991 an der Humboldt Universität zu Berlin, 1995 an der Kyoto Universität in Japan, 1997 am Dartmouth College, USA und 1998 an der Universität München tätig. 1998 wurde er mit dem Distinguished John G. Diefenbaker Award des Canada Council for the Arts ausgezeichnet. Neben zahlreichen Verpflichtungen im Wirtschaftsmanagement ist Klaus F. Zimmermann seit 1988 Editor-in-Chief des Journal of Population Economics, der international führenden Zeitschrift für Bevölkerungsökonomie. Er war von 1995-1998 Managing Editor von Economic Policy, der führenden wissenschaftlichen Zeitschrift für europäische Wirtschaftspolitik. Zusätzlich engagierte er sich als Mitherausgeber folgender Zeitschriften: Recherches Economiques de Louvain (seit 1991), Journal of Applied Econometrics (seit 1992), Labour Economics (19922000), European Economic Review (1993-1998), International Journal of Manpower (seit 1998), Economic Bulletin (seit 2000), DIW-Wochenbericht (seit 2000), DIW-Vierteljahrshefte (seit 2002). Die wissenschaflichen Schwerpunkte von Klaus F. Zimmermann liegen im Bereich der Arbeitsökonomie, Bevölkerungsökonomie, Migration, Industrieökonomie und Ökonometrie. Er ist Autor oder Herausgeber von 32 Büchern und über 170 Aufsätzen in Fachzeitschriften und Sammelbänden, u. a.: American Economic Review, Econometrica, Journal of Applied Econometrics, Journal of Human Resources, Public Choice, Sociological Methods and Research, Review of Economics and Statistics, Applied Economics, Kyklos, Journal of Mathematical Sociology, Economics Letters, Journal of Population Economics, Journal of Public Economics, Journal of Economic Surveys, International Journal of Industrial Organization, Open Economies Review, Politica Internationale, Quality & Quantity, Recherches Economiques de Louvain.
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Autorenverzeichnis
Holger Hinte IZA, Bonn Holger Hinte, geboren 1964, studierte Neuere Geschichte, Politische Wissenschaften und Betriebswirtschaftslehre an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, wo er 1991 den Grad eines Magister Artium (M. A.) erwarb. Von 1989 bis 1998 war er für verschiedene Abgeordnete des Deutschen Bundestages als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig. Von 1992 bis 1998 war er persönlicher Referent und Berater für Öffentlichkeitsarbeit der Beauftragten der Bundesregierung für Ausländerfragen. Seit Oktober 1998 ist er im IZA für Öffentlichkeitsarbeit zuständig und widmet sich darüber hinaus verschiedenen IZA-Forschungsschwerpunkten, insbesondere der Analyse aktueller migrations- und arbeitsmarktpolitischer Fragestellungen. Als Mitautor und Herausgeber hat Holger Hinte verschiedene Veröffentlichungen zu Fragen gesellschaftlicher Veränderungen in Deutschland vorgelegt. Zu seinen Publikationen zählen: Einwanderung – und dann? Perspektiven einer neuen Ausländerpolitik, München 1993 (herausgegeben mit C. Schmalz-Jacobsen and G. Tsapanos); Freiheit und Gemeinsinn. Vertragen sich Liberalismus und Kommunitarismus?, Bonn 1997 (herausgegeben mit G. Chatzimarkakis); Brücken zwischen Freiheit und Gemeinsinn. Positionen – Konzepte – Modelle, Bonn 1999 (herausgegeben mit G. Chatzimarkakis); Arbeitskräftebedarf bei hoher Arbeitslosigkeit. Ein ökonomisches Zuwanderungskonzept für Deutschland, Berlin 2002 (mit K. F. Zimmermann, T. Bauer, H. Bonin und R. Fahr).