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German Pages 298
Helmut Eichlseder | Manfred Klell Wasserstoff in der Fahrzeugtechnik
Aus dem Programm
Kraftfahrzeugtechnik
Lexikon Motorentechnik herausgegeben von R. van Basshuysen und F. Schäfer Ottomotor mit Direkteinspritzung herausgegeben von R. van Basshuysen Vieweg Handbuch Kraftfahrzeugtechnik herausgegeben von H.-H. Braess und U. Seiffert Automobildesign und Technik herausgegeben von H.-H. Braess und U. Seiffert Bremsenhandbuch herausgegeben von B. Breuer und K. H. Bill Handbuch Verkehrsunfallrekonstruktion herausgegeben von H. Burg und A. Moser Fahrwerkhandbuch herausgegeben von B. Heißing und M. Ersoy Nutzfahrzeugtechnik herausgegeben von E. Hoepke und S. Breuer Verbrennungsmotoren von E. Köhler und R. Flierl Automobilelektronik herausgegeben von K. Reif Virtuelle Produktentstehung für Fahrzeug und Antrieb im Kfz herausgegeben von U. Seiffert und G. Rainer Motorradtechnik von J. Stoffregen Handbuch Kraftfahrzeugelektronik herausgeben von H. Wallentowitz und K. Reif Bussysteme in der Fahrzeugtechnik von W. Zimmermann und R. Schmidgall Die BOSCH-Fachbuchreihe: ■ Ottomotor-Management ■ Dieselmotor-Management ■ Autoelektrik/Autoelektronik ■ Sicherheits- und Komfortsysteme ■ Fachwörterbuch Kraftfahrzeugtechnik ■ Kraftfahrtechnisches Taschenbuch herausgegeben von Robert Bosch GmbH
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Helmut Eichlseder | Manfred Klell
Wasserstoff in der Fahrzeugtechnik Erzeugung, Speicherung, Anwendung Mit 209 Abbildungen und 24 Tabellen PRAXIS | ATZ/MTZ-Fachbuch
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © Vieweg +Teubner Verlag | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Ewald Schmitt | Gabriele McLemore Der Vieweg +Teubner Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.viewegteubner.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Satz und Technische Redaktion: FROMM MediaDesign, Selters/Ts. Druck und buchbinderische Verarbeitung: Wilhelm & Adam, Heusenstamm Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier. Printed in Germany ISBN 978-3-8348-0478-5
V
Vorwort
Wasserstoff – der unbegrenzt verfügbare kohlenstofffreie Energieträger, der alle unsere Energie- und Umweltprobleme nachhaltig löst … die idealisierende Euphorie mancher Proponenten der Wasserstoffwirtschaft wurde inzwischen wohl von der wirtschaftlichfossilen Realität eingeholt. Den aus Umweltsicht zweifelsfrei bestehenden Vorteilen beim Einsatz von Wasserstoff steht gegenüber, dass dieser mit Energieaufwand hergestellt, gespeichert und verteilt werden muss, was einigen technischen und finanziellen Aufwand erfordert. Dennoch ist es angebracht, angesichts global steigenden Energiebedarfs und zunehmender Umweltbelastung eine derart reizvolle Alternative zu fossilen Energieträgern eingehend zu prüfen. Dazu ist es notwendig, jetzt in Forschungs- und Pilotprojekten wirtschaftlich und technisch effiziente und sichere Rahmenbedingungen für die Anwendung von Wasserstoff zu schaffen und seinen Nutzen für die Umwelt zu verifizieren. Schon seit dem Jahre 2001 läuft am Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik der Technischen Universität Graz ein mit Wasserstoff betriebener Forschungsmotor. Die zunächst in einem bilateralen Projekt mit BMW begonnenen Arbeiten wurden ab 2004 im Rahmen des EU Integrated Projects HyICE fortgesetzt und laufen derzeit im A3 Projekt H2BV+. Nach der bereits vor Jahrzehnten dargestellten Verbrennung von Wasserstoff in Motoren steht nunmehr die Optimierung des Brennverfahrens im Mittelpunkt des Interesses. Im Zuge des Aufbaus der erforderlichen Prüfstandsinfrastruktur mussten Fragen der Werkstoffwahl, der Sicherheitseinrichtungen, der Gasversorgung usw. gelöst werden. Dabei zeigte sich, dass die dazu nötigen Informationen nicht immer einfach verfügbar waren. In Gesprächen mit der Firma MAGNA STEYR, die zur gleichen Zeit eine Fertigung für Flüssig-Wasserstofftanksysteme aufbaute und das EU Integrated Project StorHy koordinierte, und der OMV entstand aus den gemeinsamen Interessen die Idee, eine dem Thema Wasserstoff gewidmete Forschungseinrichtung ins Leben zu rufen. Dies wurde von einigen Partnern aus Wissenschaft und Industrie unterstützt und die entstandene Initiative von der öffentlichen Hand nachhaltig gefördert. So entstand auf dem Gelände der Technischen Universität Graz das HyCentA, Hydrogen Center Austria, die erste österreichische Forschungs- und Abgabestelle für Wasserstoff, die von der HyCentA Research GmbH betrieben wird. Als nächster Schritt folgte der Wunsch, die Erfahrungen der Forschungs- und Prüftätigkeit in die Lehre der Technischen Universität Graz einfließen zu lassen. Die erste dem Thema Wasserstoff gewidmete Vorlesung wurde 2007 von den Autoren angeboten. Im Zuge der Ausarbeitung der Studienunterlagen dazu kam der Anstoß, diese in gebundener Form zu veröffentlichen. Das vorliegende Studienbuch ist in diesem Kontext mit Schwerpunkten auf der angewandten Thermodynamik des gasförmigen und flüssigen Wasserstoffs sowie seiner Anwendung in der Verbrennungskraftmaschine zu verstehen. Um einen breiteren Überblick zum Thema Wasserstoff zu geben, wurden neben einleitenden und geschichtlichen An-
VI
Vorwort
merkungen auch Abschnitte über die Herstellung von Wasserstoff, über seine Anwendung in der Brennstoffzelle und darüber hinaus über Normung, Recht und Sicherheit aufgenommen. Wir hoffen, dass das so entstandene Werk Studierenden wie auch Ingenieuren in der Praxis als brauchbarer Arbeitsbehelf dienen kann. Das Buch konnte unter Mitwirkung zahlreicher Fachleute realisiert werden, die Abschnitte des Texts gelesen und korrigiert oder mit Anregungen zur Bereicherung des Inhalts beigetragen haben. Ihnen allen sei an dieser Stelle herzlich gedankt, insbesondere den Mitarbeitern des Instituts für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik der Technischen Universität Graz sowie der HyCentA Research GmbH. Unser besonderer Dank gilt Herrn Prof. Peter DeJaegher, der in zahlreichen Diskussionen wertvolle Beiträge zur inhaltlichen Gestaltung geliefert hat. Wir danken weiters den Herren Bernhard Wagner, Manuel Morcos, Christian Kastler und Peter Grabner für Ihre Mitarbeit. Für das vorliegende Buch wurden die Kapitel 1 und 2 sowie 8 von den beiden Autoren gemeinsam verfasst, Kapitel 7 überwiegend von Eichlseder, die übrigen von Klell. Wir danken den Gesellschaftern der HyCentA Research GmbH und insbesondere den Fördergebern, bm.wa, bm.vit und Land Steiermark mit Zukunftsfonds und SFG. Last but not least gilt unser Dank dem Vieweg Verlag für seine kompetente und effiziente Projektbetreuung. Graz, Jänner 2008
Helmut Eichlseder, Manfred Klell [email protected] [email protected]
VII
Inhaltsverzeichnis
Vorwort .........................................................................................................................
V
Formelzeichen, Indizes und Abkürzungen .................................................................... XI 1 Energie und Umwelt .............................................................................................. 1.1 Bevölkerung und Energieverbrauch ................................................................ 1.2 Ressourcen und Energiebedarf ........................................................................ 1.3 Emissionen und Umwelt .................................................................................. 1.4 Energieträger ................................................................................................... 1.4.1 Primäre Energieträger .......................................................................... 1.4.2 Sekundäre Energieträger ...................................................................... 1.5 Energiewandler und Energiespeicher .............................................................. 1.6 Literatur ...........................................................................................................
1 1 5 6 7 7 9 12 13
2 Geschichtliches ...................................................................................................... 2.1 Literatur ...........................................................................................................
15 26
3 Eigenschaften ......................................................................................................... 3.1 Vorkommen ..................................................................................................... 3.2 Thermodynamischer Zustand und Stoffwerte ................................................. 3.3 Chemische Eigenschaften ................................................................................ 3.3.1 Isotope .................................................................................................. 3.3.2 Atomspin .............................................................................................. 3.3.3 Spektrallinien ....................................................................................... 3.4 Chemische Reaktionen .................................................................................... 3.4.1 Hydride ................................................................................................. 3.4.2 Kohlenstoffverbindungen ..................................................................... 3.4.3 Verbrennung ......................................................................................... 3.4.4 Zerlegung von Wasserstoffmolekülen ................................................. 3.5 Literatur ...........................................................................................................
27 27 27 36 36 37 38 40 40 42 44 46 47
4 Erzeugung .............................................................................................................. 4.1 Wasserstoff als Nebenprodukt ......................................................................... 4.1.1 Benzinreformierung ............................................................................. 4.1.2 Ethenproduktion ................................................................................... 4.1.3 Chlor-Alkali-Elektrolyse ......................................................................
49 51 51 52 52
VIII
Inhaltsverzeichnis
4.2 Reformierung ................................................................................................... 4.2.1 Dampfreformierung .............................................................................. 4.2.2 Partielle Oxidation ............................................................................... 4.2.3 Autotherme Reformierung ................................................................... 4.2.4 Reformierung bei niedrigen Temperaturen .......................................... 4.3 Direkte Spaltung von Kohlenwasserstoffen .................................................... 4.3.1 Cracken ................................................................................................ 4.3.2 Kværner-Verfahren .............................................................................. 4.4 Vergasung ........................................................................................................ 4.4.1 Trocknung ............................................................................................ 4.4.2 Thermolyse oder Pyrolyse .................................................................... 4.4.3 Oxidation .............................................................................................. 4.4.4 Reduktion ............................................................................................. 4.4.5 Vergaserbauarten .................................................................................. 4.5 Reinigung ........................................................................................................ 4.5.1 Reinigung der Ausgangsstoffe ............................................................. 4.5.2 Reinigung des Endprodukts ................................................................. 4.6 Spaltung von Wasser ....................................................................................... 4.6.1 Thermische Wasserspaltung ................................................................. 4.6.2 Elektrochemische Wasserspaltung ....................................................... 4.6.3 Chemische Wasserspaltung .................................................................. 4.7 Biologische Herstellungsverfahren ................................................................. 4.7.1 Enzyme der Wasserstofferzeugung ...................................................... 4.7.2 Biophotolyse ........................................................................................ 4.7.3 Fermentation ........................................................................................ 4.8 Literatur ...........................................................................................................
53 54 56 57 57 58 58 58 58 59 60 60 60 61 63 63 64 67 67 67 76 78 79 80 81 82
5 Speicherung und Transport ................................................................................. 5.1 Verdichtung und Abgabe von gasförmigem Wasserstoff ................................ 5.2 Druckspeicher für Wasserstoff ........................................................................ 5.3 Verflüssigung von Wasserstoff ....................................................................... 5.4 Verdichtung von flüssigem Wasserstoff ......................................................... 5.5 Kryospeicherung und Abgabe von flüssigem Wasserstoff .............................. 5.6 Thermodynamik der flüssigen Wasserstoffspeicherung .................................. 5.6.1 Allgemeine Beschreibung des Systems Kryobehälter .......................... 5.6.2 Druckaufbau eines Kryobehälters im thermodynamischen Gleichgewicht ...................................................................................... 5.6.3 Druckaufbau eines Kryobehälters im thermodynamischen Ungleichgewicht .................................................................................. 5.6.4 Abkühlung und Befüllung eines Behälters ........................................... 5.7 Speicherung in physikalisch und chemisch gebundener Form ........................ 5.7.1 Physikalische Adsorption auf Festkörperoberflächen .......................... 5.7.2 Chemische Adsorption in Hydriden ..................................................... 5.8 Transport und Verteilung von Wasserstoff ..................................................... 5.9 Literatur ...........................................................................................................
85 87 91 93 96 100 106 107 110 117 121 126 126 127 133 137
Inhaltsverzeichnis
IX
6 Brennstoffzelle ....................................................................................................... 6.1 Prinzip der Brennstoffzelle .............................................................................. 6.2 Kenngrößen der Brennstoffzelle ...................................................................... 6.3 Aufbau von Brennstoffzellen .......................................................................... 6.3.1 Membran-Elektroden-Einheit (MEA) .................................................. 6.3.2 Bipolarplatten ....................................................................................... 6.3.3 Dichtungen ........................................................................................... 6.3.4 Endplatten ............................................................................................ 6.4 Typen von Brennstoffzellen ............................................................................ 6.4.1 AFC – Alkaline-FC (Alkalische-BZ) ................................................... 6.4.2 PEMFC – Proton-Exchange-Membrane-FC (Polymerelektrolytmembran-BZ) ......................................................... 6.4.3 PAFC – Phosphoric Acid FC (Phosphorsaure-BZ) .............................. 6.4.4 MCFC – Molten Carbonate FC (Carbonat-Schmelze BZ) ................... 6.4.5 SOFC – Solid Oxide FC (Oxid-Keramik BZ) ...................................... 6.5 Literatur ...........................................................................................................
139 141 142 146 147 149 150 150 150 152 153 157 158 159 160
7 Verbrennungsmotor .............................................................................................. 7.1 Einleitung ........................................................................................................ 7.2 Relevante Stoffeigenschaften von Wasserstoff im Verbrennungsmotor ......... 7.3 Einteilung und Gliederungsmerkmale ............................................................. 7.4 H2-Betrieb mit äußerer Gemischbildung ......................................................... 7.5 Innere Gemischbildung bzw. H2-Direkteinblasung ......................................... 7.5.1 Verbrennungsverhalten bei Wasserstoff-Direkteinblasung .................. 7.5.2 Ladungsschichtung ............................................................................... 7.5.3 Verbrennungssteuerung ........................................................................ 7.6 Gemische Wasserstoff – Erdgas/Biogas .......................................................... 7.6.1 Charakteristika der Brenngase und deren Mischungen ........................ 7.6.2 Auswirkung auf die Verbrennung ........................................................ 7.6.3 Auswirkungen auf das Fahrzeug und Betriebsstrategien ..................... 7.7 Literatur ...........................................................................................................
161 161 162 164 169 172 176 178 182 184 184 192 198 199
8 Anwendung ............................................................................................................ 8.1 Raffinerieprozesse ........................................................................................... 8.1.1 Hydrofining .......................................................................................... 8.1.2 Hydrocracken ....................................................................................... 8.2 Chemie ............................................................................................................. 8.2.1 Haber-Bosch-Verfahren ....................................................................... 8.2.2 Fischer-Tropsch-Verfahren .................................................................. 8.2.3 Methanolherstellung ............................................................................. 8.2.4 Halbleiterindustrie ................................................................................ 8.2.5 Analytische Chemie ............................................................................. 8.2.6 Lebensmittelchemie .............................................................................. 8.2.7 Wasseraufbereitung ..............................................................................
203 204 206 206 207 207 209 211 211 212 212 212
X
Inhaltsverzeichnis 8.3 Metallurgie ...................................................................................................... 8.3.1 Reduktion und Behandlung von Metallen ............................................ 8.3.2 Schweißen und Schneiden .................................................................... 8.4 Energietechnik ................................................................................................. 8.4.1 Portable Brennstoffzellen ..................................................................... 8.4.2 Stationäre Brennstoffzellen .................................................................. 8.5 Verkehrstechnik ............................................................................................... 8.5.1 Wasserstoff in der Raumfahrt .............................................................. 8.5.2 Wasserstoff in der Luftfahrt ................................................................. 8.5.3 Wasserstoff zu Wasser ......................................................................... 8.5.4 Wasserstoff zu Lande ........................................................................... 8.5.5 Automotive Anwendungen mit Brennstoffzellen ................................. 8.5.6 Automotive Anwendungen mit Verbrennungsmotor ........................... 8.5.7 Automotive Anwendungen mit Wasserstoff-Erdgas-Gemischen ........ 8.6 Literatur ...........................................................................................................
213 213 213 215 215 217 221 221 222 223 226 228 231 239 243
9 Normen, Recht und Sicherheit ............................................................................. 9.1 Normen ............................................................................................................ 9.1.1 Nationale und Internationale Normen .................................................. 9.1.2 Normen für Wasserstoffanwendungen ................................................. 9.2 Recht ................................................................................................................ 9.2.1 Chemikalienrichtlinie ........................................................................... 9.2.2 Verordnung über explosionsfähige Atmosphären (VEXAT) ............... 9.3 Sicherheit im Umgang mit Wasserstoff ........................................................... 9.4 Sicherheit von Behältern und Leitungen ......................................................... 9.4.1 Werkstoffe ............................................................................................ 9.4.2 Druckbehälter ....................................................................................... 9.4.3 Kryobehälter ......................................................................................... 9.4.4 Fahrzeugtanks ...................................................................................... 9.5 Sicherheit von Gasfahrzeugen ......................................................................... 9.5.1 Herstellung ........................................................................................... 9.5.2 Kraftstoffanlage .................................................................................... 9.5.3 Prüfung und Zulassung ........................................................................ 9.5.4 Betrieb, Reparatur und Wartung .......................................................... 9.5.5 Garagen für Gasfahrzeuge .................................................................... 9.6 Sicherheit von Prüfständen .............................................................................. 9.6.1 Ausbreitungsverhalten von Wasserstoff ............................................... 9.6.2 Komponenten eines Wasserstoffprüfstands ......................................... 9.7 Sicherheit von Anlagen ................................................................................... 9.8 Literatur ...........................................................................................................
247 247 247 249 253 253 254 256 260 260 264 264 265 267 267 267 269 269 270 270 270 273 277 281
Sachwortverzeichnis ..................................................................................................... 283
Formelzeichen, Indizes und Abkürzungen
XI
Formelzeichen, Indizes und Abkürzungen1 1. Formelzeichen a A b B c cv, cp C Cm v, Cm p d e ea E E Ea EN f F g G Gm, Gm0
h H Hu Hvol 'RH i I m
m M
Schallgeschwindigkeit [m/s]; spezifische Arbeit [J/kg]; Aktivität; gasspezifische Konstante [m6 Pa/mol2] (Querschnitts-)Fläche [m2]; Arbeit [J] gasspezifische Konstante [m6 Pa/mol2] Brennwert (früher: oberer Heizwert) [J/kg] Lichtgeschwindigkeit im Vakuum, c = 2,997925 ·108 m/s [m/s]; spezifische Wärmekapazität (früher kurz: spezifische Wärme), c = dqrev/dT [J/kg K] spezifische Wärmekapazität bei v = konst. bzw. p = konst [J/kg K] Konstante (verschiedene Dimensionen) molare Wärmekapazität (früher auch: Molwärme) bei v = konst. bzw. p = konst. [J/kmol K] relative Dichte [m] spezifische Energie [J/kg]; elektrische Elementarladung e = 1,6022 ·10–19 C spezifische äußere Energie [J/kg] Energie [J]; Exergie [J]; Energiepotential der Zelle, Zellspannung, elektrisches Potential [V] ausströmende Energie pro Zeiteinheit [kJ/s] äußere Energie [J] Nernstspannung [V] Frequenz [s–1] Faraday Konstante [As/mol], thermische Zustandsgleichung Erdbeschleunigung, Normfallbeschleunigung: gn = 9,80665 m/s2 freie Enthalpie, Gibbsenthalpie [J] molare freie Enthalpie [J/kmol], molare freie Enthalpie beim Standarddruck p0 [J/kmol] spezifische Enthalpie [J/kg]; Plancksches Wirkungsquantum: h = 6,626 ·10–34 J s [J s] Enthalpie [J] Heizwert (früher unterer Heizwert) [J/kg] (alle Heizwerte auch: [kJ/kg, MJ/kg]) volumetrischer Heizwert [MJ/Nm³] Reaktionsenthalpie [J/kmol] Laufvariable (1, 2, ..., n) Stromstärke [A] Masse [kg] oder [kmol]; Hauptquantenzahl Massenstrom [kg/s] molare Masse [g/mol]
1 In Anlehnung an DIN 1304, DIN 1345 sowie DIN 1940.
XII n N Na p p0 P q Q r R Rm s S t T TS u U v V Vm w W Wo x y z Z
K KC Kth N O µi µJT
U M d
w 6 '
Formelzeichen, Indizes und Abkürzungen Stoffmenge, Molzahl [kmol]; stöchiometrischer Koeffizient []; Laufvariable []; Hauptquantenzahl Anzahl der Teilchen Avogadro- oder Loschmidt-Konstante Druck, Partialdruck [bar, Pa] Standarddruck, p0 = 1 atm = 1,013 bar Leistung [W, kW] spezifische Wärme(menge) [J/kg] Wärme [J]; elektrische Ladung [C] spezifische Verdampfungswärme [J/kg]; spezifische Gaskonstante [J/kg K]; elektrischer Widerstand [:] allgemeine (molare) Gaskonstante: Rm = 8314,472 J/kmolK spezifische Entropie [J/kg K] Entropie [J/K] Zeit [s] Temperatur [K] Siedetemperatur spezifische innere Energie [J/kg] innere Energie [J]; elektrische Spannung [V] spezifisches Volumen [m3/kg]; Volumen [m3] Molvolumen [m3/kmol] [Nm3/kmol] spezifische Arbeit [J/kg] Arbeit [J] Wobbeindex Koordinate [m]; Dampfziffer Koordinate [m] Koordinate [m]; Ladungszahl Realgasfaktor, Kompressibilitätsfaktor Wirkungsgrad [], Überspannung Wirkungsgrad des Carnot-Prozesses [] thermodynamischer Wirkungsgrad [] Isentropenexponent [] Wellenlänge [m]; Luftverhältnis (Luftzahl), Masseanteil der Komponente i [] Joule-Thomson Koeffizient [K/Pa] Dichte [kg/m3] Volumenanteil (vollständiges) Differential partielles Differential Summe Differenz zweier Größen
Formelzeichen, Indizes und Abkürzungen
2. Weitere Indizes und Abkürzungen ´ ˝ 0 1 2 1D 3D a ab abs A AFC B BZ ch CFD CGH2 D DNS e el EB f F FS g gr G GB GDL H HF HT ideal IPTS konst. kr, krit K Kl KWK l LH2 LOX m
Zustand (im Querschnitt, am Punkt) ´ Zustand (im Querschnitt, am Punkt) ˝ Bezugs- oder Standardzustand Zustand (im Querschnitt, am Punkt) 1 Zustand (im Querschnitt, am Punkt) 2 eindimensional dreidimensional aus, außen, äußere abgeführt(e Wärme) absolut Aktivierung Akaline Fuel Cell Bildung Brennstoffzelle chemisch Computational Fluid Dynamics compressed gaseous hydrogen Diffusion direkte numerische Simulation ein, (Behälter-) Eintritt; eingebracht elektrisch, Elektron Einspritzbeginn flüssig Formation Füllstand gasförmig gravimetrisch Gemisch Gemischbildung Gas Diffusion Layer, Gasdiffusionsschicht Hochdruck(phase) Hydrofining Hochtemperatur ideal International Praktische Temperaturskala konstant kritisch kühlen Klemme Kraft-Wärme-Kopplung flüssig, liquid liquid hydrogen liquid oxygen mittel; molar
XIII
XIV max min MBT MCFC MEA N NT NTP o OT PAFC PEMFC real rel, R rev R s st SOFC STP t T TP TS u U UEG vol V VD Vol% W WIG zu Z
Formelzeichen, Indizes und Abkürzungen maximal minimal Maximum Brake Torque Schmelzkarbonat-Brennstoffzelle Membrane Electrode Assembly, Membran-Elektroden-Einheit Normalbedingungen Niedertemperatur Normal Temperature and Pressure, Standardbedingungen obere oberer Totpunkt Phosphorsaure-Brennstoffzelle Polymerelektrolymembran-Brennstoffzelle real relativ reversibel Reaktion isentrop, bei s = konst stöchiometrisch; Stoff Oxidkeramik-Brennstoffzelle Standard Temperature and Pressure, Normalbedingungen transportiert Turbine Taupunkt Siedepunkt untere Umgebung untere Explosionsgrenze volumetrisch Verdampfung Vakuumdestillation Volumsprozent Widerstand Wolfram-Inertgas zugeführt(e) (Wärme) Zersetzung; Zelle
1
1
Energie und Umwelt
Die Zunahme der Weltbevölkerung, die begrenzte Verfügbarkeit fossiler Rohstoffe und deren geografisch ungleiche Verteilung, die steigende Umweltbelastung durch die Emission von Schadstoffen sowie der Klimawandel zählen zu den größten Herausforderungen dieses Jahrhunderts. Um unsere künftige Energieversorgung sicherzustellen wird neben der Steigerung der Effizienz und der Nutzung eines breiteren Spektrums an Energiequellen wohl auch die Entwicklung eines Bewusstseins des sparsameren Umgangs mit Energie erforderlich sein. Als kohlenstofffreier Energieträger steht Wasserstoff weltweit im Zentrum von Forschungsaktivitäten. Wasserstoff kann grundsätzlich umweltfreundlich und regenerativ hergestellt und in Verbrennungskraftmaschinen äußerst schadstoffarm oder in Brennstoffzellen schadstofffrei umgesetzt werden. Auch wenn derzeit noch eine Reihe von technischen und wirtschaftlichen Herausforderungen in der Herstellung, Verteilung und Anwendung von Wasserstoff zu bewältigen sind, so ist doch davon auszugehen, dass Wasserstoff mittel- bis langfristig eine Rolle in unserer Energietechnik und Verkehrstechnik spielen wird.
1.1
Bevölkerung und Energieverbrauch
Physiologisch betrachtet beträgt der energetische Grundumsatz des Menschen zur Aufrechterhaltung seiner Körperfunktionen, insbesondere der Körpertemperatur, ca. 7 MJ (1,94 kWh, 1670 kcal) pro Tag, was einer durchschnittlichen Dauerleistung von 80 W entspricht. Bei körperlicher Betätigung kann sich der Energieumsatz vervielfachen, Sportler können befristet Leistungen über 500 W erbringen und kurzzeitig Spitzenleistungen bis 2000 W. Nach der am 1.1.2007 in Österreich in Kraft getretenen Schwerarbeitsverordnung liegt schwere körperliche Arbeit u. a. vor, wenn während 8 Arbeitstunden mindestens 8374 kJ (2000 kcal) bei Männern und 5862 kJ (1400 kcal) bei Frauen verbraucht werden, was einer mittleren Leistung von 290 W bzw. 203 W entspricht [1-3]. Der Energiebedarf des Menschen wird über die Nahrungsaufnahme gedeckt, wobei neben der Energiezufuhr eine durchschnittliche Aufnahme von 2,5 Liter Wasser pro Tag erforderlich ist. Der globale Energieverbrauch hängt von der Bevölkerungszahl ab sowie vom lokal sehr unterschiedlichen Energieverbrauch pro Kopf. In den meisten Studien wird davon ausgegangen, dass das hohe Bevölkerungswachstum der letzten Jahrzehnte abflacht, wobei verschiedene Szenarien angenommen werden, vgl. Abbildung 1-1. Bei einer Weltbevölkerung im Jahr 2006 von über 6,5 Milliarden Menschen lag das jährliche Bevölkerungswachstum in Europa und den USA unter 1 %, während Teile Afrikas Wachstumsraten über 3 % pro Jahr aufwiesen, siehe Abbildung 1-2 [1-12].
2
1 Energie und Umwelt
14 Industrieländer
andere Länder
Entwicklungsszenarien
12
Bevölkerung in Milliarden
10
8
6
4
2
0 1800
1825
1850
1875
1900
1925
1950
1975
2000
2025
2050
Jahr
Abbildung 1-1: Szenarien für das Wachstum der Weltbevölkerung
Abbildung 1-2: Jährliche Bevölkerungswachstumsraten
Der global durchschnittliche Energieverbrauch pro Kopf lag im Jahr 2006 bei etwa 65 GJ (18 MWh, 1,5 t Öläquivalent), das entspricht einem durchschnittlichen Tagesenergie-
1.1 Bevölkerung und Energieverbrauch
3
verbrauch von 180 MJ (50 kWh, 4,2 kg Öläquivalent) pro Kopf oder einer durchschnittlichen Dauerleistung von 2000 W. Der Energieverbrauch ist geografisch sehr unterschiedlich verteilt, wobei die USA mit mehr als dem Fünffachen des Weltdurchschnitts an der Spitze liegen. Während Europa etwa das Doppelte an Energie verbraucht, liegen China mit 50 %, Indien mit 30 % und Afrika mit 25 % des Durchschnittsverbrauchs derzeit noch weit zurück, vgl. Abbildung 1-3 [1-7, 1-15].
Abbildung 1-3: Jährlicher Energieverbrauch pro Kopf
Die Zuwachsrate des Energieverbrauchs betrug im Jahr 2005 global 2,7 %, was nach den Regeln der Exponentialrechnung bei gleich bleibender Zuwachsrate eine Verdopplung des Energieverbrauchs in 26 Jahren bedeutet. Im asiatischen Raum lag die Zuwachsrate mit 5,8 % mehr als doppelt so hoch (Verdopplung in 12 Jahren), wobei die Hälfte des weltweiten Anstiegs auf China entfiel. Der Ölverbrauch stieg im Jahr 2005 um 1,3 %, der Erdgasverbrauch um 2,3 % und der Kohleverbrauch um 5 %. Die Aufschlüsselung der Energiequellen in Abbildung 1-4 zeigt, dass 2003 über 80 % der weltweiten Energie aus fossilen Energieträgern gewonnen wurde und dass sich an dieser Verteilung auch bis 2030 voraussichtlich wenig ändert [1-7, 1-15]. Allerdings soll auf Vorschlag der Europäischen Kommission der Anteil an erneuerbarer Energie am Gesamtenergievolumen bis zum Jahr 2020 auf 20 % ansteigen [1-5]. Der Energieverbrauch verteilt sich zu etwa gleichen Teilen auf Haushalte (Heizung bzw. Kühlung und Strom), auf die Industrie sowie auf den Transport. Die größten Zuwachsraten weist der Transportsektor auf. Von den weltweit registrierten etwa 600 Millionen Fahrzeugen weisen die 400 Millionen PKW (das ergibt global durchschnittlich 60 PKW pro 1000 Einwohner) Zuwachsraten von etwas mehr als 2 % jährlich auf. Die Anzahl der PKW pro 1000 Einwohner über dem Bruttoinlandsprodukt für einige nach ISO 3166
4
1 Energie und Umwelt
bezeichnete Staaten zeigt Abbildung 1-5 [1-13]. Während Länder wie China und Indien weniger als 10 PKW pro 1000 Einwohner aufweisen, besitzt in Mitteleuropa etwa jeder zweite Einwohner einen PKW, Spitzenreiter sind die USA mit 765 PKW pro 1000 Einwohner.
weltweiter Primärenergiebedarf 2030: 680 Exajoule
weltweiter Primärenergiebedarf 2003: 400 Exajoule Erneuerbare 11% Kernkraft 6%
Kohle 24%
Erneuerbare 12%
Kohle 23%
Kernkraft 5% Wasserkraft 2%
Wasserkraft 2%
Erdgas 21%
Erdgas 24% Öl 34%
Öl 36%
Abbildung 1-4: Weltweiter Energieverbrauch nach Primärenergiequellen
800 US 700
LI MY
AU
MT
600
IT CA AT DE JP BE
PT 500
SP LB
400
CZ EE
300 200
AR
100 IN 0 0
AO
VE BR TR CN
SI QA
SA BH
PL HU LV
LU
GB FI IT
KW
CH
NO
SE DK IE
GR IL TW AE
MXOM
10
20
30
40
50
Abbildung 1-5: PKW pro 1.000 Einwohner über dem BIP in 1000 $ pro Kopf
60
70
1.2 Ressourcen und Energiebedarf
1.2
5
Ressourcen und Energiebedarf
Trotz unterschiedlicher Meinungen bezüglich der Reichweite von derzeit bekannten Reserven und geschätzten künftig noch abbaubaren Ressourcen an fossilen Rohstoffen ist jedenfalls davon auszugehen, dass deren Verfügbarkeit begrenzt ist und dass ihre Verknappung zu entsprechenden Preissteigerungen führen wird. Eine Abschätzung der Verfügbarkeit von derzeit bekannten Reserven für fossile Energieträger und Uran zeigt Abbildung 1-6 [1-2].
225
Reserven
207
198
200 175
Jahre
150 125 100 75
64 62
50
42
25 0 Erdöl
Erdgas
Steinohle
Braunkohle
Uran
Abbildung 1-6: Reichweite der derzeit bekannten Reserven
Afrika 7% Asien/Ozeanien 4% Nordamerika 5% Zentral-/Südamerika 9% Westeuropa 2% Osteuropa 6%
Mittlerer Osten 67%
Abbildung 1-7: Verteilung der Weltölreserven
6
1 Energie und Umwelt
Wie Bevölkerungswachstum und Energieverbrauch sind auch die Energiequellen geografisch sehr ungleich verteilt, was Anlass zu politischen Spannungen gibt. Beispielhaft zeigt Abbildung 1-7, das über 2/3 der weltweiten Ölreserven im Mittleren Osten lagern [1-2]. Die zunehmende Weltbevölkerung und der wachsende Energieverbrauch insbesondere der weniger industrialisierten Länder führen zu einem exponentiell steigenden Energiebedarf. In globalen Energieszenarien wird das Maximum des Verbrauchs fossiler Rohstoffe meist in den nächsten Dekaden angesetzt, so dass der zukünftige Bedarf nur durch den massiven Ausbau alternativer Energieerzeugung gedeckt werden kann.
1.3
Emissionen und Umwelt
Seit der Nutzbarmachung des Feuers durch unsere Vorfahren begleitet die Verbrennung kohlenstoffhältiger Brennstoffe mit Luft den technischen Fortschritt. Ab der industriellen Revolution und mit dem stark expandierenden Personen- und Güterverkehr haben die Emissionen aus der Verbrennung fossiler Kraftstoffe so stark zugenommen, dass sie zu einer Gefahr für die Umwelt und die Gesundheit geworden sind. Bei der idealen Verbrennung von Kohlenwasserstoffen CxHy mit dem Sauerstoff O2 aus der Luft entstehen Kohlendioxid CO2 und Wasser H2O: y· y § C x H y ¨ x ¸ O 2 o x CO 2 H 2 O 4 4 © ¹
Die dabei gebildeten Mengen an Kohlendioxid sind beträchtlich. Bei der Verbrennung von 1 kg Benzin oder Diesel entstehen ca. 3,2 kg CO2 bei einer Wärmefreisetzung von etwa 43 MJ (11,9 kWh). Umweltfreundlicher verbrennt Erdgas (Methan CH4), pro Kilogramm Methan fallen ca. 2,8 kg CO2 an bei einer Wärmefreisetzung von 50 MJ (13,9 kWh). Der natürliche Treibhauseffekt, der dafür sorgt, dass die Temperatur der Erdoberfläche bei durchschnittlich etwa 15 °C anstelle von –18°C liegt, wird zu etwa 60 % durch Wasser und zu etwa 40 % durch Kohlendioxid verursacht. Diese Gase sind dabei in einen natürlichen Kreislauf eingebunden. Der mit dem zunehmenden Energieverbrauch des Menschen stark wachsende Ausstoß von Kohlendioxid, der derzeit weltweit ca. 30 Milliarden Tonnen pro Jahr oder 4,8 Tonnen pro Kopf und Jahr beträgt, führt zu einem steilen Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre und verursacht damit zusammen mit anderen so genannten Treibhausgasen eine globale Erwärmung. Je nach Szenario wird von einer durchschnittlichen Erwärmung von 2 °C bis 6 °C bis zum Jahr 2100 ausgegangen, siehe Abbildung 1-8. Die prognostizierten Auswirkungen dieser Erwärmung reichen von Wetterextremen wie Unwettern oder Dürren und der Gefährdung der Nahrungsmittelund Wasserversorgung über das Abschmelzen des Eises von Gletschern sowie einem dramatischen Anstieg des Meeresspiegels bis zum umfangreichen Aussterben von Tierund Pflanzenarten [1-9]. Da die reale Verbrennung fossiler Energieträger aber nicht ideal verläuft, entstehen neben Kohlendioxid eine Reihe weiterer Schadstoffe: Durch unvollständige Verbrennung entsteht Kohlenstoff, die Basis zur Bildung von Ruß und Feinstaub, durch lokalen Luft-
1.4 Energieträger
7
mangel bilden sich gasförmiges Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoffe, durch hohe Temperaturen entstehen Stickoxide und durch Einschlüsse im Kraftstoff z. B. Schwefelverbindungen [1-10]. Die Auswirkungen dieser Schadstoffe auf Umwelt und Gesundheit sind Thema zahlreicher Studien und Veröffentlichungen.
Abbildung 1-8: Szenarien globaler Erwärmung. Quelle: IPCC [1-9]
1.4
Energieträger
Primäre Energieträger oder Energiequellen kommen natürlich vor und enthalten Energie in chemischer oder physikalischer Form, die direkt zur Energiegewinnung genutzt werden kann. Sekundäre Energieträger kommen nicht natürlich vor und müssen unter Einsatz primärer Energieträger erzeugt werden.
1.4.1 Primäre Energieträger Fossile Energieträger – Erdöl, Erdgas, Kohle Fossile Energieträger sind aus Biomasse wie Plankton entstanden, die in Sedimenten unter der Erdoberfläche durch hohen Druck und hohe Temperaturen über Hunderte Millionen Jahre einen Umwandlungsprozess erfahren hat. Es sind oft langkettige oder ringförmig angeordnete Kohlenwasserstoffe, die direkt verfeuert oder durch Destillation und
8
1 Energie und Umwelt
chemische Umwandlung zu sekundären Energieträgern aufbereitet werden. Wie erwähnt decken wir derzeit über 80 % unseres Energieverbrauchs durch fossile Energieträger. Pflanzliche Energieträger Pflanzliche Energieträger entstehen durch Bildung von Kohlenwasserstoffverbindungen in der Fotosynthese, einer komplexen chemischen Reaktion unter Einbindung von Kohlendioxid mit Hilfe des Sonnenlichts. Pflanzen sind wegen ihres Wachstums prinzipiell erneuerbar, ihre Verbrennung wird oft als CO2-neutral bezeichnet. Allerdings nimmt die Bindung des Kohlendioxids im Wachstum einen viel längeren Zeitraum ein als dessen Freisetzung in der Verbrennung und oft treten diese beiden Abläufe örtlich voneinander weit entfernt auf. Pflanzliche Energieträger können direkt verfeuert oder durch chemische Umwandlung zu sekundären Energieträgern aufbereitet werden. Über wirtschaftliche und ethische Konsequenzen einer verbreiteten Verarbeitung von Pflanzen zu Kraftstoff wird diskutiert. Alternative Energieträger – Wasser, Wind, Sonne Als alternative Energieträger werden erneuerbare oder nicht erschöpfliche Energiequellen wie Wasserkraft, Windenergie und Sonnenenergie bezeichnet. Die derzeit größte Rolle in der Stromerzeugung spielen Wasserkraftwerke. Windturbinen wird ein großes künftiges Potenzial zugesprochen. Der Tidenhub des Meeres wird in Gezeitenkraftwerken genutzt, Turbinen zur Nutzung von Meeresströmungen befinden sich im Entwicklungsstadium. Mittels Photovoltaik wird aus Sonnenlicht Strom erzeugt, Solarkollektoren nutzen Sonnenenergie direkt zur Warmwasserbereitung. In Solarkraftwerken wird über die Fokussierung von Sonnenstrahlen Wasser verdampft, der Dampf treibt über Turbinen Generatoren an. Die erneuerbare Energiegewinnung ist derzeit teurer als die fossile, die erzielbaren Wirkungsgrade sind oft geringer und die zeitliche Verfügbarkeit der Energiequellen hängt meist unkontrollierbar von äußeren Bedingungen ab. Allerdings erlauben alternative Energieträger eine CO2-freie und schadstofffreie Nutzung und sind theoretisch unbeschränkt verfügbar. Nukleare Energieträger – Uran und Wasserstoff Durch die Kernspaltung von Uran wird Energie frei, die in einem Wärmekraftkreislauf über Dampfturbinen Strom erzeugt. Der Prozess verläuft CO2-frei, er erfordert aber hohe technische Sicherheitsvorkehrungen. Die Lagerung des entstehenden radioaktiven Atommülls ist nicht zufrieden stellend gelöst. Die Energiequelle von Sternen ist die Kernfusion von Wasserstoff. Da dieser Prozess sehr hohe Drücke und Temperaturen erfordert, ist er derzeit noch nicht technisch nutzbar, ein weltweites Forschungsprojekt dazu wurde initiiert [1-8].
1.4 Energieträger
9
1.4.2 Sekundäre Energieträger Flüssige Kraftstoffe Flüssige Kraftstoffe sind Kohlenwasserstoffe aus fossilen oder pflanzlichen Energieträgern wie Benzin, Diesel, Öle, Alkohole und synthetische Kraftstoffe. Diese Kraftstoffe zeichnen sich durch ihre hohe volumetrische Energiedichte aus und sind somit für den Transport und den mobilen Einsatz gut geeignet. Bei ihrer Verbrennung entstehen Kohlendioxid sowie andere Schadstoffe. Elektrischer Strom Aufgrund der Vielseitigkeit seiner Anwendungen ist elektrischer Strom der meist genutzte Energieträger. Er ist in seiner Nutzung vor Ort emissionsfrei. Strom kann nur begrenzt und mit Verlusten transportiert werden, seine Speicherung in Batterien oder Kondensatoren ist aufwändig. Strom kann aus allen Primärenergieträgern erzeugt werden. Die globale Stromerzeugung und die dazu eingesetzten Primärenergieträger von 1970 bis 2020 zeigt Abbildung 1-9 [1-15]. In der EU weist aufgrund des hohen Nuklearanteils Frankreichs die Kernkraft einen relativ großen Anteil bei der Stromerzeugung auf, siehe Einsatz der Primärenergieträger in der EU über 10 Monate ab September 2005 in Abbildung 1-10 [1-7]. Einen der weltweit höchsten Anteile von Wasserkraft an der Stromerzeugung verzeichnet Österreich, siehe Einsatz der Primärenergieträge in Österreich über 10 Monate ab September 2005 in Abbildung 1-11 [1-7]. Wasserstoff Auf der Erde kommt Wasserstoff aufgrund seiner hohen Reaktivität meist nur in Verbindungen vor und muss unter Einsatz von Primärenergie aus diesen gewonnen werden. Dazu können alle Primärenergieträger eingesetzt werden. Schadstofffrei erfolgt die Elektrolyse von Wasser mit Strom aus regenerativen Quellen, aus wirtschaftlichen Gründen wird derzeit ein Großteil des Wasserstoffs aus Erdgas erzeugt. Wasserstoff ist ein wichtiger Grundstoff für eine Reihe chemischer Prozesse und wird in einer Vielzahl technischer Anwendungen genutzt. Als nachhaltige CO2-freie Energienutzung ohne Belastung der Umwelt gilt die Vision der Wasserstoffwirtschaft, siehe etwa [1-11]: Aus erneuerbaren Primärenergien wie Wasser, Wind und Sonne wird emissionsfrei Strom erzeugt. Dieser wird direkt an die Verbraucher weitergeleitet oder bei freien Kapazitäten zur Erzeugung von Wasserstoff genutzt. Der Wasserstoff wird gespeichert und dient bei Bedarf als kohlenstofffreier Kraftstoff für stationäre und mobile Brennstoffzellen, Schema siehe Abbildung 1-12. Weltweit wird an Komponenten dieser Energienutzung gearbeitet, besondere Forschungsanstrengungen werden in Japan [1-1], den USA [1-14] und in Europa [1-4, 1-5, 1-6] unternommen. Wie die folgenden Abschnitte zeigen, birgt diese Vision aber noch einige technische und wirtschaftliche Herausforderungen, so dass ihre Umsetzung ein längerfristiges Ziel darstellt.
10
1 Energie und Umwelt
Kohle
Öl
Erdgas
Kernenergie
Wasserkraft
Erneuerbare
30000
25000
GWh
20000
15000
10000
5000
0 1971
1980
1990
2000
2010
2020
Abbildung 1-9: Primärenergieträger zur Stromerzeugung global
350000
300000
250000
200000 GWh
Wärmekraft
150000
100000 Kernenergie 50000
0 09.05
Wind-/Wasser 10.05
11.05
12.05
01.06
02.06
03.06
04.06
Abbildung 1-10: Primärenergieträger zur Stromerzeugung in der EU
05.06
06.06
07.06
1.4 Energieträger
11
7000
6000
5000
4000 GWh
Wärmekraft
3000
2000 Wasserkraft und Windenergie
1000
0 09.05
10.05
11.05
12.05
01.06
02.06
03.06
04.06
05.06
Abbildung 1-11: Primärenergieträger zur Stromerzeugung in Österreich
Abbildung 1-12: Vision der nachhaltigen Wasserstoffwirtschaft. Quelle: Europäische Kommission [1-5]
06.06
07.06
08.06
12
1.5
1 Energie und Umwelt
Energiewandler und Energiespeicher
Nach dem 1. Hauptsatz der Thermodynamik kann Energie nicht erzeugt oder vernichtet, sondern nur umgewandelt werden. Viele der von uns genutzten Maschinen sind Energiewandler, die eine Art von Energie in eine andere Art von Energie umwandeln, je nach Bedarf der Verbraucher. Hydraulische Turbinen wandeln potenzielle oder kinetische Energie von Wasser in die mechanische Energie einer Drehbewegung um. Diese wird in einem Generator in elektrische Energie umgewandelt. Windturbinen wandeln die kinetische Energie von Luft in mechanische Energie um. In Umkehrung dieses Vorgangs wandeln Pumpen oder Gebläse elektrische Energie in mechanische Energie und weiter in potenzielle oder kinetische Energie des geförderten Mediums um. Rein chemische Energiewandler sind Brennstoffzellen, in denen chemische Energie direkt in elektrische Energie umgewandelt wird. Die Umkehrung dieses Prozesses findet in der Elektrolyse statt, wo durch Zufuhr elektrischer Energie eine chemische Reaktion unterhalten wird. Potenzielle und kinetische Energie, mechanische Energie, chemische Energie und elektrische Energie sind bei diesen Umwandlungsprozessen im verlustlosen Idealfall vollständig ineinander bzw. in Arbeit umwandelbar, man sagt, sie bestehen zu 100 % aus Exergie. In Dampfkraftwerken wird durch Wärmezufuhr hoch verdichtetes Wasser verdampft und in Dampfturbinen, die elektrische Generatoren antreiben, entspannt. Durch Wärmeabfuhr kondensiert der entspannte Dampf. Das Kondensat wird verdichtet und man erhält einen Kreisprozess, in dem ein Teil der zugeführten Verdampfungswärme in Arbeit umgewandelt wird. Die Wärme stammt dabei meist aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe, sie kann aber auch aus Solarenergie oder Kernenergie kommen. Im Gegensatz zu den zuvor erwähnten Umwandlungsprozessen kann Wärme nur zu einem Teil in Arbeit umgewandelt werden. Die maximal mögliche Umwandlung von Wärme in Arbeit erfolgt in einem Kreisprozess mit dem Carnot’schen Wirkungsgrad. Ebenfalls durch den Carnot’schen Wirkungsgrad begrenzt ist die Umwandlung der aus der chemischen Energie des Brennstoffs stammenden Verbrennungswärme in mechanische Wellenarbeit in Verbrennungskraftmaschinen wie Kolbenmotoren oder Gasturbinen. Wärme besteht nur zu einem Teil aus nutzbarer Exergie, nämlich zu dem über der Umgebungstemperatur liegenden. Der darunter liegende Teil stellt nicht umwandelbare Energie dar, so genannte Anergie. Um hohe Wirkungsgrade zu erreichen, sollte in Wärmeumwandlungsprozessen die Wärme bei möglichst hoher Temperatur zugeführt und bei möglichst niedriger Temperatur abgeführt werden, vgl. etwa [1-10]. Die Umkehrung des Dampfprozesses ist der Kälteprozess, in dem Arbeit Wärme von einem niedrigeren Niveau auf ein höheres Niveau transportiert. Da Energie nicht immer für jeden Verbraucher zeitlich und örtlich passend zur Verfügung gestellt werden kann, ist es notwendig, Energie zu speichern. Fossile und pflanzliche Primärenergieträger sind relativ einfach direkt zu speichern, von den alternativen Primärenergieträgern Wasser, Wind und Sonne kann nur Wasser in begrenztem Umfang gespeichert werden, etwa in Stauseen oder Staubecken, die ggf. von Pumpen gefüllt werden. Am einfachsten und mit der höchsten volumetrischen Energiedichte speicherbar ist Energie in chemischer Form in flüssigen Kraftstoffen. Trotz des begrenzten Wirkungsgrades
1.6 Literatur
13
und der Umweltprobleme bei der Energiewandlung durch Verbrennung ist diese Art der Energiespeicherung die am weitesten verbreitete. Die Speicherung von Strom kann für begrenzte Dauer in Kondensatoren, Spulen oder Batterien erfolgen, die Systeme sind jedoch schwer, groß und teuer. Dauerhaft gelingt die Speicherung von Wasserstoff, allerdings ist auch diese in gasförmig verdichteter oder tiefkalt flüssiger Form sowie in physikalischen oder chemischen Verbindungen technisch aufwändig.
1.6
Literatur
1-1 Agency for Natural Ressources and Energy, Japan, http://www.enecho.meti.go.jp/english 1-2 Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Bundesrepublik Deutschland 2007, http://www.bgr.bund.de 1-3 Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich, 104. Verordnung: Schwerarbeitsverordnung 2006, http://www.ris.bka.gv.at 1-4 EU FP6 Integrated Project Roads2HyCom, http://www.roads2hy.com 1-5 Europäische Kommission, http://europa.eu. Abbildung 1-12 aus: Wasserstoffenergie und Brennstoffzellen – Eine Zukunftsvision. EUR 20719 DE, Luxemburg 2003 1-6 European Hydrogen and Fuel Cell Technology Platform, https://www.hfpeurope.org 1-7 Eurostat: Monatliche Statistiken: Energie, 12/2006, http://epp.eurostat.ec.europa.eu 1-8 IIFEO: ITER International Fusion Energy Organization, 2006, http://www.iter.org 1-9 Intergovernmental Panel on Climate Change: Climate Change 2007: Synthesis Report, Summary for Policymakers (Figure SPM.5), http://www.ipcc.ch/pdf/assessmentreport/ar4/syr/ar4_syr_spm.pdf 1-10 Pischinger, R.; Sams, Th.; Klell, M.: Thermodynamik der Verbrennungskraftmaschine. Springer Verlag, Wien New York 2002 1-11 Rifkin, J.: Die H2-Revolution. Campus Verlag, Frankfurt New York 2002 1-12 United Nations Population Division: World Population Prospects: The 2006 Revision. http://www.un.org/esa/population/unpop.htm 1-13 United Nations Statistics Division: World Statistics Pocketbook 2005, http://unstats.un.org/unsd/pubs/gesgrid.asp?mysearch=pocketbook 1-14 U. S. Department of Energy, http://www.energy.gov 1-15 World Energy Council: World Energy in 2006, http://www.worldenergy.org
15
2
Geschichtliches
Wasserstoff wurde schon vom Schweizer Naturforscher Theophrastus Bombastus von Hohenheim, bekannt als Paracelsus (1493–1541), aus der Reaktion von Metallen und Säure hergestellt und beschrieben, allerdings erkannte er Wasserstoff nicht als eigenes Element. Die Bezeichnung „Gas“ geht auf den von Paracelsus benutzten Begriff „Chaos“ für die schäumenden Produkte seiner Versuche zurück. 1766: Der englische Privatgelehrte Henry Cavendish (1731–1810) entdeckte, dass die Reaktion von Zink mit Schwefelsäure ein Salz plus „brennbare Luft“ ergab: Zn + H2SO4 o ZnSO4 + H2 Cavendish untersuchte erstmals systematisch die Eigenschaften des entstandenen Gases wie seine Dichte und zeigte, dass seine Verbrennung mit „Feuerluft“ Wasser bildete: 2 H2 + O2 o 2 H2O Cavendish veröffentlichte seine Entdeckungen in den Philosophical Transactions of the Royal Society of London. 1779 bis 1787: Der französische Chemiker Antoine Lavoisier (1743–1794) schlug die Bezeichnung „oxygène“ (Säure-Bildner, Oxygenium, Sauerstoff) für „Feuerluft“ vor und nach Wiederholung der Experimente von H. Cavendish die Bezeichnungen „hydrogène“ (Wasser-Bildner, Hydrogenium, Wasserstoff) für „brennbare Luft“.
Abbildung 2-1: Erste Wasserstoff-Ballonfahrt 1783
16
2 Geschichtliches
1783: Erste Anwendung fand das leichte Wasserstoffgas in Ballonen. Einige Wochen nach den ersten Ballonversuchen mit heißer Luft durch die Gebrüder Montgolfier startete der französische Physiker Jacques Charles (1746–1823) im Dezember 1783 den ersten bemannten Flug in einem Wasserstoffballon in Paris, siehe Abbildung 2-1, und erreichte eine Flughöhe von 3000 m. 1789: Dem Holländer Paets van Troostwyck (1752–1837) gelang erstmals die elektrolytische Erzeugung von Wasserstoff aus Wasser. 1807: Die nächste technische Anwendung nach Ballonen erfuhr der Wasserstoff in einem durch einen Verbrennungsmotor angetriebenen Fahrzeug. Angeregt durch die Funktion von Pistolen meldete der französische Offizier François Isaac de Rivaz (1752–1828) vor über 200 Jahren einen Motor zum Patent an, der die explosionsartigen Verbrennungen von Wasserstoff als Triebkraft an Stelle des bisher üblichen Dampfes nutzte. Wasserstoff aus einem Ballon und Luft wurden durch einen Funken in einem Zylinder gezündet, die Verbrennung schoss einen Kolben nach oben. Bei der Abwärtsbewegung durch das Kolbengewicht griff eine Zahnstange in ein Zahnrad ein und trieb über einen Riemen die Räder des Fahrzeugs an. Im Jahre 1813 unternahm Rivaz erste Fahrversuche mit dem Wagen und legte einige hundert Meter zurück, die erste wohl etwas ruckartige Fahrt eines Kraftfahrzeugs mit Verbrennungsmotor der Geschichte, siehe Abbildung 2-2.
Abbildung 2-2: Nachbau des Fahrzeugs von Rivaz und Zeichnung aus der Patentschrift, Patent Nr. 731, Paris 1807
1823: Johann Wolfgang Döbereiner (1780–1849) präsentierte ein Feuerzeug ohne Feuerstein und Zunder, in dem sich Wasserstoff in einem Platinschwamm entzündete, siehe Abbildung 2-3. Es bestand aus einem Glasgefäß (a), das mit einer Säure gefüllt wurde. Durch die Betätigung eines Auslösers (e), wurde ein Stab mit Zink (c) in die Säure getaucht. Dadurch kam es zur Wasserstoff-Entwicklung. Das entweichende Wasserstoffgas strömte durch eine Glocke (b) und eine Düse (f) in einen Platin-Schwamm (g). Durch die vom Platin erleichterte Oxidation des Wasserstoffs erhitzte sich dieses, bis es den Wasserstoff entzündete.
2 Geschichtliches
17
Abbildung 2-3: Döbereiner Feuerzeug 1823
1838: Entdeckung des Polarisationseffektes: Christian Friedrich Schönbein (1799– 1868), deutsch-schweizerischer Chemiker, der in Erlangen Chemie studiert hatte und in Basel Professor war, umspülte zwei Platindrähte in einer Elektrolytlösung (vermutlich Schwefelsäure) mit Wasserstoff bzw. Sauerstoff. Dabei stellte er aus der elektrochemischen Reaktion eine Spannung zwischen den beiden Drähten fest. 1839: Erfindung der Brennstoffzelle: Der britische Physiker und Anwalt Sir William Grove (1811–1896) beschäftigte sich nach Abschluss seines Jusstudiums 1835 mit den elektrischen Wissenschaften und war Mitbegründer der Chemical Society. Angeregt durch die Arbeiten seines Freundes Schönbein deutete er den Polarisationseffekt als Umkehrung der Elektrolyse und erkannte das Potenzial zur Erzeugung elektrischer Energie. Grove war mehr Praktiker als sein Kollege Schönbein und präsentierte 1839 das „Grove’sche Element“, eine galvanische Zelle aus einem Zinkzylinder in Schwefelsäure und Platin in konzentrierter Salpetersäure, durch eine poröse Tonwand getrennt. Ein Voltmeter erfasste den fließenden Strom, siehe Abbildung 2-4 [2-7]. In den darauf folgenden Jahren entwickelte Grove eine „Gasbatterie“, eine Reihe in Serie geschalteter Röhrchen mit Platindrähten gefüllt mit Wasserstoff auf der einen Seite, Sauerstoff in Schwefelsäure auf der anderen Seite [2-6]. Grove konnte seine Entdeckung aber nicht vermarkten, weil es zur damaligen Zeit keine praktische Nutzung dafür gab. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entdeckte Werner von Siemens das elektrodynamische Prinzip der Stromerzeugung, der Dynamo und die aufkommende Entwicklung des Verbrennungsmotors ließen die Idee der Brennstoffzelle in Vergessenheit geraten.
18
2 Geschichtliches
Abbildung 2-4: Grove’sche Zelle 1839
1860: Etienne Lenoir (1822–1900) entwickelte ein Hippomobile genanntes Fahrzeug, das durch einen Verbrennungsmotor mit Wasserstoff angetrieben wurde, siehe Abbildung 2-5. Der Motor arbeitete nach dem Vorbild der Dampfmaschine im doppelt wirkenden Zweitaktverfahren ohne Verdichtung. Wasserstoff und Luft wurden abwechselnd auf beiden Seiten eines Scheibenkolbens bis zur Hubmitte angesaugt und dann jeweils von einer Zündkerze gezündet. Die Verbrennungen bewegten den Kolben, der direkt eine Kurbelwelle antrieb. Die Abgase der vorangegangenen Verbrennung wurden auf der anderen Seite des Kolbens ausgeschoben. Den Gaswechsel steuerten Flachschieber, die durch einen Exzenter von der Kurbelwelle angetrieben wurden. Der Motor war wassergekühlt und erreichte eine Leistung von 0,7 kW bei 80 1/min. Der Wasserstoff wurde durch Elektrolyse extern erzeugt. Im Jahre 1863 erreichte das Fahrzeug bei einer Testfahrt von Paris nach Joinville-le-Pont eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 3 km/h für die 9 km lange Strecke. Der Motor konnte auch mit einer Reihe anderer Gase betrieben werden. Er arbeitete mit hohem Gas- und Schmiermittelverbrauch unwirtschaftlich bei einem Wirkungsgrad um 3 %, die Zündung versagte häufig. Trotzdem war der Motor ein großer wirtschaftlicher Erfolg, über 400 Exemplare wurden verkauft. Originale des Motors, der Nikolaus Otto als Ausgangspunkt für die Entwicklung seines Viertaktmotors diente, befinden sich in Museen in München und Paris, siehe Abbildung 2-6. 1874: Jules Verne (1828–1905), „Vater des technischen Zukunftsromans“, ließ in seinem Werk „Die geheimnisvolle Insel“ den Ingenieur Cyrus Smith auf die Frage, womit die Menschheit nach Erschöpfung der natürlichen Brennstoffe heizen werde, sagen: „Wasser, doch zersetzt in seine chemischen Elemente, ... ich glaube, dass eines Tages Wasserstoff und Sauerstoff ... eine unerschöpfliche Quelle von Wärme und Licht bilden werden.“ 1898: erste Verflüssigung von Wasserstoff durch den britischen Chemiker und Physiker James Dewar in London. 1901: Erstmalige Speicherung von Wasserstoffgas in Stahlflaschen durch Ernst Wiss in Griesheim. 1905: Die Chemiker Walther Nernst und Wilhelm Ostwald präsentierten eine umfassende Theorie zur Brennstoffzelle.
2 Geschichtliches
19
Abbildung 2-5: Hippomobile 1860
Abbildung 2-6: Lenoir Motor. Quelle: Deutsches Museum München [2-3]
1909: Mit der Ammoniaksynthese nach Haber-Bosch wurde Wasserstoff zu einem Grundstoff der chemischen Industrie: N2 + 3 H2 o 2 NH3 1932: Entdeckung des Deuteriums durch den Amerikaner Harold Urey. 1934: Entdeckung des Tritiums durch M. Oliphant, P. Harteck und E. Rutherford. 6. Mai 1937: Der Zeppelin „Hindenburg“ verunglückte in Lakehurst/New Jersey (USA), siehe Abbildung 2-7. Für das Unglück wurden oft die 200000 m3 Wasserstoff als Verursacher gesehen. Schuld war jedoch die leicht entflammbare Umhüllung des Luftschiffs, die sich durch eine elektrostatische Entladung nach einem Gewitter entzündete. Durch die Eigenschaften des Wasserstoffs, der durch seine geringe Dichte nur in die Höhe brannte und durch seine geringe Wärmeabstrahlung kaum Wärme in das Passagierabteil einbrachte, konnten 61 der 97 Passagiere gerettet werden [2-4].
20
2 Geschichtliches
Abbildung 2-7: Brand der Hindenburg. Quelle: American Physical Society [2-1]
1938: Der deutsche Ingenieur Rudolf Erren beschäftigte sich eingehend mit Wasserstoff als Kraftstoff und rüstete eine Reihe von Benzin- und Dieselmotoren auf direkte Wasserstoffeinblasung um [2-12]. 1941: Hans List (1896–1996) wurde an die Technische Universität Dresden berufen und beschäftigte sich dort u. a. mit dem Einsatz von Wasserstoff in Verbrennungsmotoren. 1952: Die Amerikaner zündeten die erste Wasserstoffbombe „Ivy Mike“ über dem Enewetak Atoll auf den Marschallinseln, siehe Abbildung 2-8. Das Prinzip der Wasserstoffbombe ist die Fusion von Deuterium und Tritium: 2 1H
3 1H
4 2 He
n
17,6 MeV
('RH = –1,698 · 109 kJ/mol)
Praktisch erfolgt die nukleare Zersetzung von Lithium und Deuterium: 6 3 Li
2 1H
2 24 He 22,4 MeV
('RH = –2,1611 · 109 kJ/mol)
1957: Die National Aeronautics und Space Administration (NASA) adaptierte einen B-57 Bomber so, dass ein Triebwerk wahlweise mit Kerosin oder mit flüssigem Wasserstoff betrieben werden konnte.
2 Geschichtliches
21
Abbildung 2-8: Explosion der ersten Wasserstoffbombe. Quelle: Arcweb [2-2]
1959: Der amerikanische Physiker Francis T. Bacon stellte die erste praxistaugliche Brennstoffzelle zur kontrollierten Energiegewinnung vor, die eine Leistung von 6 kW lieferte. 1959: Erster erfolgreicher Test mit einem Raketenmotor mit flüssigem Wasserstoff und flüssigem Sauerstoff, dem Pratt and Whitney RL 10, der modifiziert bis heute als Raketenantrieb Verwendung findet. Abbildung 2-9 zeigt den Motor bei verschiedenen Schubstufen.
Abbildung 2-9: Raketenmotor mit Wasserstoff. Quelle: NASA [2-11]
22
2 Geschichtliches
1963: Durch das Weltraumprogramm erlebte die Brennstoffzelle neuen Aufschwung. Die Raumkapsel Gemini 5 der NASA nutzte statt einer Batterie eine 1 kW PEM-Brennstoffzelle zur Versorgung mit elektrischer Energie. 1965: Wasserstoff-Brennstoffzellen-Antrieb des Bootes ‚eta’ von Siemens. 1966: GM baute das erste Auto mit Brennstoffzellenantrieb, den Electrovan mit einer alkalischen Brennstoffzelle und Kryospeichern für flüssigen Sauerstoff und flüssigen Wasserstoff an Bord, siehe Abbildung 2-10. Abbildung 2-10: GM Electrovan. Quelle: GM [2-10]
1967: Karl Kordesch baute im Auftrag von Union Carbide das erste mit einer alkalischen Brennstoffzelle angetriebene Motorrad, siehe Abbildung 2-11. Karl Kordesch ist einer der großen Pioniere auf dem Gebiet der Brennstoffzelle. Kordesch schloss sein Studium der Chemie und Physik während der Besatzungszeit an der Universität Wien 1948 ab. Von 1953 bis 1955 gehörte er dem wissenschaftlichen Personal der U. S. Signal Corporation an. Zwischen 1955 und 1977 arbeitete er bei der Union Carbide Corporation und entwickelte dort 60 Patente im Bereich Brennstoffzelle und Batterie. Im Jahre 1977 wurde Karl Kordesch Professor an der Technischen Universität Graz und übernahm die Leitung des Instituts für anorganische Technologie und analytische Chemie. Seit 1992 ist Karl Kordesch emeritiert, aber noch immer auf dem Gebiet der Brennstoffzelle aktiv.
2 Geschichtliches
23
Abbildung 2-11: Erstes Brennstoffzellenmotorrad. Foto: Kordesch
1969: Im Apolloprogramm und insbesondere auch bei den Mondlandungen wurden alkalische Brennstoffzellen mit 1,5 kW Leistung für die Bordenergieversorgung und zur Trinkwassererzeugung eingesetzt, später auch in den Space Shuttles. 1970: Karl Kordesch baute ein mit einer alkalischen Brennstoffzelle ausgestattetes Hybridfahrzeug auf Basis seines privaten Austin A 40. Im Kofferraum des Austin war die 6kW-Brennstoffzelle eingebaut. Sie war gekoppelt mit einer Säurebatterie. Der Antrieb erfolgte durch einen Gleichstrommotor mit einer Dauerleistung von 7,5 kW und einer Spitzenleistung von 20 kW über das originale Schaltgetriebe. Der berechnete Wirkungsgrad lag bei 58 %. Die sechs Wasserstofftanks am Dach des Austin fassten bei einem Druck von etwa 140 bar ein Wasserstoffvolumen von 22 Nm3 (ca. 2 kg). Das Gewicht des Fahrzeugs war von 730 kg in der Standardausführung auf 950 kg angewachsen. Die Reichweite des Fahrzeugs lag bei 300 km bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 45 km/h. Die Spitzengeschwindigkeit betrug 80 km/h. Kordesch benutzte den Austin drei Jahre lang und fuhr tausende Testkilometer, siehe Abbildung 2-12 [2-9]. 1970: die internationale Gemeinschaftsforschung zur Wasserstofffusion beginnt. 1971–1978: Versuchsfahrzeuge mit Wasserstoff-Verbrennungsmotor und Tieftemperatur-Wasserstoffspeicher wurden in Amerika, in Japan (Musashi Institute of Technology) und in Deutschland (Mercedes-Benz und DFVLR) aufgebaut und in Betrieb genommen [2-12]. 1979: In Europa wurde der dreistufige HM7-Raketenmotor mit Wasserstoff entwickelt und erfolgreich in der Europa-Rakete Ariane eingesetzt.
24
2 Geschichtliches Abbildung 2-12: Austin A 40 mit Brennstoffzellen und Batterien. Foto: Kordesch
1980: Auf Grund der Ölkrise der Siebzigerjahre wurde nach alternativen Energieformen gesucht, Hochtemperaturbrennstoffzellen zur großtechnischen Stromerzeugung erlangten großes Interesse. Der deutsche Physiker Reinhard Dahlberg regte die Diskussion mit seinem Konzept solarer Wasserstoff-Plantagen in tropischen Regionen an. 1984–1988: Die Berlin-Flotte von Mercedes-Benz mit Kombi-Pkw & Transporter mit Wasserstoff Brennstoffzellen fuhr insgesamt über 1 Million km. 1985: Siemens entwickelte für das Kernforschungszentrum Karlsruhe eine alkalische Brennstoffzelle mit 17,5 kW als Antrieb eines VW-Busses. 1986: Eine Explosion an Bord der Raumfähre Challenger kostete sieben Astronauten das Leben. Die Ursache für das Unglück war eine defekte Dichtung an einer der Feststoffraketen (Booster). Die Flamme aus der defekten Dichtung beschädigte die Hülle des wasserstoffgefüllten Haupttanks, der daraufhin explodierte. 1988: Bei einem umgebauten russischen Verkehrsflugzeug des Typs Tupolev TU 155 konnte ein Triebwerk wahlweise mit flüssigem Erdgas oder flüssigem Wasserstoff betrieben werden.
2 Geschichtliches
25
1989: Siemens installierte eine 100 kW Brennstoffzelle für das U-Boot U1 der Bundesmarine. 1989: Deutsch-russisches Entwicklungsprogramm für ein wasserstoffbetriebenen Flugzeug. 1995: Versuche an einem wasserstoffbetriebenen Flugzeug des Typs DO 328. 2000: BMW baute eine Flotte von 15 Fahrzeugen BMW 750 hL mit wasserstoffbetriebenem Verbrennungsmotor. 2005: Der Beschluss zur Errichtung des Internationalen thermonuklearen Experimentalreaktors ITER in Cadarache in der Provence wird gefasst. Mit einem Aufwand von 10 Milliarden € soll ein Reaktor zur Erforschung der kontrollierten Kernfusion errichtet werden. In einem Magnetfeld muss Plasma auf mehrere Millionen Grad erhitzt werden, siehe Abbildung 2-13.
Abbildung 2-13: Schnittbild des geplanten Fusionsreaktors ITER. Quelle: ITER [2-8]
2007: BMW produzierte die erste Kleinserie von ca. 100 Fahrzeugen BMW Hydrogen 7 mit wasserstoffbetriebenem Verbrennungsmotor.
26
2.1 2-1 2-2 2-3 2-4 2-5 2-6 2-7 2-8 2-9 2-10 2-11 2-12
2 Geschichtliches
Literatur American Physical Society, http://www.aps.org ARC Identifier 558592 Ivy Mike, http://www.archives.gov/research/arc/index.html Deutsches Museum München, http://www.deutsches-museum.de Duggan, J.: LS 129 „Hindenburg“ – The Complete Story. Zeppelin Study Group, Ickenham, UK 2002 Erren, R.A.: Der Erren-Wasserstoffmotor. Automobiltechnische Zeitschrift ATZ 41(1939) S. 523–524 Grove, W. R.: On a Gaseous Voltaic Battery. Philosophical Magazine 21 (1842) S. 417–420 Grove, W. R.: On Voltaic Series and the Combination of Gases by Platinum. Philosophical Magazine 14 (1839) S. 127–130 IIFEO: ITER International Fusion Energy Organization, 2006, http://www.iter.org Kordesch, K.; Simader, G.: Fuel cells and Their Applications. Verlag Wiley-VCH, Weinheim 1996 Marks, C.; Rishavy, E.; Wyczalek, F.: Electrovan – A Fuel Cell Powered Vehicle. SAE 670176, 1967 National Aeronautics und Space Administration (NASA), http://www.nasa.gov Peschka, W.: Flüssiger Wasserstoff als Energieträger – Technologie und Anwendung. Springer Verlag, Wien New York 1984
27
3
Eigenschaften
3.1
Vorkommen
Wasserstoff ist mit einer Häufigkeit von über 92,7 % das mit Abstand am häufigsten im Universum vorkommende Element. Die Urknalltheorie geht davon aus, dass vor etwa 13,5 Milliarden Jahren Wasserstoff, Helium und Spuren von Lithium durch Kernfusion entstanden sind, die in weiterer Folge alle anderen Atome gebildet haben. Die Häufigkeit von Helium liegt bei 7,2 %, so dass die aller anderen Elemente zusammen nur 0,1 % beträgt. Im Weltall kommt Wasserstoff aufgrund der niedrigen Werte von Temperatur und Druck in seiner atomaren Form vor. Das interstellare Gas besteht fast vollständig aus Wasserstoff, es ist mit ca. 1 Wasserstoffatom pro cm³ so stark verdünnt, dass es als Vakuum betrachtet wird. Wasserstoff bildet den Hauptbestandteil von Sternen, die ihre Energie aus der Fusion von Wasserstoff zu Helium beziehen. Auf der Erde tritt Wasserstoff in atomarer Form nicht auf, weil er wegen seiner starken Reaktivität sofort mit anderen Atomen Verbindungen eingeht, am häufigsten mit sich selbst zu H2. Auch das Wasserstoffmolekül H2 kommt auf der Erde außer in Vulkangasen und geothermalen Quellen nicht rein vor, sondern nur in Verbindungen, am öftesten mit Sauerstoff in Form von Wasser H2O. Wasserstoff ist in zahlreichen weiteren Verbindungen enthalten, in anorganischen Hydriden und in organischen Verbindungen wie Kohlenwasserstoffen (z. B. Methan CH4, Ethan C2H6, Benzol C6H6), Alkoholen (z. B. Methanol CH3OH, Ethanol C2H5OH), Aldehyden, Säuren, Fetten, Kohlenhydraten (z. B. Glukose C6H12O6) und Proteinen oder Eiweißen. Wasserstoff ist essenziell für alle Lebensformen und spielt eine wichtige Rolle bei vielen Stoffwechselprozessen von Pflanzen, Tieren und Menschen. Im menschlichen Körper ist Wasserstoff mit ca. 3.1027 Atomen mit über 60 % das mit Abstand häufigste Element, das etwa 10 % der Körpermasse ausmacht.
3.2
Thermodynamischer Zustand und Stoffwerte
Da Wasserstoff unter irdischen Verhältnissen nur in molekularer Form auftritt, beziehen sich alle folgenden Ausführungen soweit nicht anders angegeben auf H2. Wie jeder Stoff kann Wasserstoff in den drei Aggregatzuständen fest, flüssig und gasförmig vorkommen. Der Zustand eines homogenen Stoffes im thermodynamischen Gleichgewicht ist durch zwei der drei thermischen Zustandsgrößen Druck p, Temperatur T und spezifisches Volumen v (oder Dichte U = 1/v) festgelegt. Die drei Zustandsgrößen sind durch die thermische Zustandsgleichung miteinander verknüpft: F (p, T, v) = 0. Zur Festlegung des Zustands genügt daher die Angabe von zwei Zustandsgrößen, die dritte lässt sich aus der thermischen Zustandsgleichung bestimmen. Diese muss im Allgemeinen experimentell ermittelt werden und wird in Form von Tabellen, Diagrammen oder empirischen Gleichungen angegeben. Das National Institute of Standards and Technology (NIST) stellt Daten über Zustandsgrößen über das Internet zur Verfügung [3-8].
28
3 Eigenschaften
Als thermodynamisch kritischen Punkt definiert man den Zustand mit der höchsten Temperatur und dem höchsten Druck, bei dem ein bestimmter Stoff sowohl in flüssiger als auch in gasförmiger Form vorliegen kann. Die Zustandsgrößen dort werden als kritische Temperatur Tkr, kritischer Druck pkr und kritisches spezifisches Volumen vkr bezeichnet. Bei Drücken deutlich kleiner dem kritischen Druck und Temperaturen deutlich höher der kritischen Temperatur erfüllen die Zustandsgrößen von Gasen in guter Näherung folgende Gleichung: p V = n Rm T = m R T Mit:
.
3
V [m ]: Volumen, n = N / NA [mol]: Stoffmenge, N: Anzahl der Teilchen, NA = 6,022 · 1023 1/mol: Avogadro- oder Loschmidt-Konstante, Rm = 8314,472 J/kmolK: allgemeine Gaskonstante, M = m / n [kg/kmol, g/mol]: molare Masse, m [kg]: Masse, R = Rm / M [J/kgK]: spezielle Gaskonstante
Erfüllt ein Gas diese Zustandsgleichung, wird es als ideales Gas bezeichnet. Aus der idealen Gasgleichung folgt, dass gleiche Volumina idealer Gase bei gleichem Zustand gleich viele Teilchen enthalten und 1 kmol jedes idealen Gases unter Normalbedingungen ein Volumen V = 22,4 Nm³ einnimmt. Trotz unterschiedlicher Größe der Moleküle beanspruchen diese dasselbe Volumen, weil mit geringerer Größe die temperaturabhängigen Molekülbewegungen entsprechend zunehmen. Unter „Normalbedingungen“ versteht man genormt nach DIN 1343: T = 0 °C = 273,15 K, p = 1,01325 bar = 1 atm, engl.: STP: Standard Temperature and Pressure. Im Gegensatz dazu versteht man unter der Bezeichnung „Standardbedingungen“ in Europa meist: T = 25 °C = 298,15 K, p = 1,01325 bar (engl.: NTP: Normal Temperature and Pressure). Bei idealen Gasen wird angenommen, dass keine Wechselwirkungskräfte zwischen den Molekülen auftreten und das Volumen der Moleküle gegenüber dem Gasvolumen vernachlässigbar klein ist. Beide Annahmen treffen nicht mehr zu, wenn die Dichte des Gases zunimmt. Bei hohen Drücken, hohen Temperaturen oder besonders hohen Genauigkeitsansprüchen kann das Gasverhalten durch so genannte Realgasansätze verbessert angenähert werden, wie etwa durch die van der Waals Gleichung oder den Realgasfaktor. In der van der Waals Gleichung wird das Volumen der Moleküle berücksichtigt, indem vom makroskopischen Volumen ein molekulares Volumen in Form einer gasspezifischen Konstanten b abgezogen wird. Intermolekulare Kräfte mindern den Impulsaustausch des Gases mit der Umwandung und damit den Druck. Dem wird durch Ersetzen des Drucks p durch einen Term p a Vm2 Rechnung getragen, wobei a wieder eine gasspezifische Konstante ist. Die van der Waals Gleichung lautet angeschrieben mit dem molaren Volumen Vm = V/n: § a · ¨ p 2 ¸ Vm b ¨ ¸ V m ¹ ©
Rm T
Die stoffabhängigen Konstanten Kohäsionsdruck a und Kovolumen b sind der Literatur zu entnehmen [3-8, 3-13], für Wasserstoff, Sauerstoff und Wasserdampf gelten die Werte nach Tabelle 3-1. Die Lösung der van der Waals Gleichung erfordert einen gewissen mathematischen Aufwand.
3.2 Thermodynamischer Zustand und Stoffwerte
29
Tabelle 3-1: Kohäsionsdruck a und Kovolumen b einiger Gase a [m6 · Pa / mol²]
b [m³ / mol]
H2
0,025
2,66 · 10–5
O2
0,138
3,18 · 10–5
H2O
0,554
3,05 · 10–5
Gas
Eine einfache Möglichkeit, das Realgasverhalten anzunähern, bietet die Verwendung des dimensionslosen Realgasfaktors Z, auch als Kompressibilitätsfaktor Z bezeichnet. Durch Ansatz der Realgasgleichung p Vm Rm T
pv RT
Z
stellt die Abweichung von Z vom Wert 1 ein Maß für die Abweichung vom idealen Gaszustand dar. Bei Einführung der Massen gilt: pV nreal RmT
pV mreal RT
Z
nideal nreal
mideal mreal
Der Realgasfaktor Z ist als Funktion von Druck p und Temperatur T für verschiedene Gase der Literatur zu entnehmen. Bezieht man den Druck auf den kritischen Druck und die Temperatur auf die kritische Temperatur, lässt sich der Realgasfaktor angenähert für alle Gase in einer generalisierten Art und Weise als Funktion von pR = p/pkr und TR = T/Tkr darstellen. Die Darstellung des generalisierten Realgasfaktors für moderate Drücke in Abbildung 3-1 zeigt, dass dieser für Drücke und Temperaturen nahe dem kritischen Punkt beträchtlich kleiner als 1 ist und erst für höhere Drücke und Temperaturen Werte größer als 1 annimmt. Man erkennt, das die ideale Gasgleichung das Verhalten eines Gases mit einer Genauigkeit von ± 5 % beschreibt, falls gilt: pR < 0,1 oder pR < 7,5 und TR > 15 oder 1,95 < TR < 2,4 Der Verlauf des Realgasfaktors für Wasserstoff bei hohen Drücken mit der Temperatur als Parameter ist in Abbildung 3-2 dargestellt. Man erkennt, dass der Realgasfaktor mit steigendem Druck stark zunimmt. Der Wert von Z > 1,2 bei 350 bar und 300 K bedeutet etwa, dass mit der idealen Gasgleichung aus gemessenen Werten für Druck und Temperatur in einem Behälter eine um über 20 % zu große Masse berechnet wird. Neben den thermischen Zustandsgrößen sind die kalorischen Zustandsgrößen von Bedeutung, wie innere Energie U, Enthalpie H, Entropie S, spezifische Wärmekapazitäten cp und cv. Diese lassen sich bei Vorgabe von zwei unabhängigen Zustandsgrößen für einen homogenen Stoff im thermodynamischen Gleichgewicht berechnen oder aus Stoffwertedatenbanken bestimmen, siehe etwa [3-8]. Eine anschauliche Art der Darstellung von Zuständen und deren Änderung bietet das um 1872 von Belpair eingeführte Ts-Diagramm, in dem die Temperatur über der spezifischen Entropie mit Linien gleichen Druckes, gleichen spezifischen Volumens und gleicher Enthalpie als Parameter eingezeichnet sind. Das Ts-Diagramm für Gleichgewichts-
30
3 Eigenschaften
wasserstoff für den Temperaturbereich von 15 K bis 85 K zeigt Abbildung 3-3, das für den Temperaturbereich von 85 K bis 300 K Abbildung 3-4.
Abbildung 3-1: Realgasfaktor Z als Funktion von pR und TR. Quelle: Turns [3-13]
2.0 50 K
100 K 150 K
1.8
200 K
Realgasfaktor Z [-]
1.6
250 K 300 K 1.4
1.2
1.0
0.8
0.6
0
100
200
300
400 p [bar]
Abbildung 3-2: Realgasfaktor für Wasserstoff
500
600
700
Abbildung 3-3: Ts-Diagramm für Gleichgewichtswasserstoff, T = 15 K – 85 K [3-4]
15
20
25
30
35
40
45
50
55
60
65
70
75
80
85
0
5
x=0,1
h=–200
x=0,2
Enthalpie h [kJ/kg]
Dichte U [kg/m3]
Druck p [bar]
x=0,3
10
x=0,4
h=–100
x=0,5
kritischer Punkt
15
x=0,6
U=60
x=0,7
U=70
U=75
h=0
U=30
x=0,9
U=40
20
x=0,8
U=50
25
h=100
p=50
U=10
p=70
U=15
U=20
Ukrit. = 31,36
p=200 p=150 p=100
U=6
s [kJ/kgK]
U=2
p=15
p=20
30
U=4
p=30
U=1
p=10
35
U=0,5
p=5
U=0,2
p=2
40
U=0,1
p=1
Ts-Diagramm für Wasserstoff (Gleichgewichtswasserstoff)
p=400 p=300
p=800 p=600
U=0,05
p=0,5
45
50
p=0,02
U=0,005
p=0,05
U=0,01
p=0,1
U=0,02
p=0,2
p=0,01 p=0,005
55
h=200
h=300
h=400
h=500
h=600
h=700
h=800
h=900
h=1000
h=1100
h=1200
60
3.2 Thermodynamischer Zustand und Stoffwerte 31
T [K]
Abbildung 3-4: Ts-Diagramm für Gleichgewichtswasserstoff, T = 85 K – 325 K [3-4]
85
100
115
130
145
160
175
190
205
220
235
250
265
280
295
310
325
15
17
19
21
Enthalpie h [kJ/kg]
Dichte U [kg/m3]
Druck p [bar]
23
25
U=70
27
29
U=60
31
33
U=50
35
U=40
39
U=15
U=20
s [kJ/kgK]
37
U=30
Ukrit. =31,36
41
U=10
43
U=4
p=100
U=6
p=200
p=300
p=400
p=600
p=800
45
47
U=1
p=20
p=30
U=2
p=50
Ts-Diagramm für Wasserstoff (Gleichgewichtswasserstoff)
49
U=0,5
p=10
51
U=0,2
p=5
p=1
53
U=0,1
p=2
55
57
59
h=1400
h=1600
h=1800
p=0,1
p=0,2 U=0,05
p=0,5
h=2000
h=2200
h=2400
h=2600
h=2800
h=3000
h=3200
h=3400
h=3600
h=3800
h=4000
h=4200
h=4400
h=4600
32 3 Eigenschaften
T [K]
3.2 Thermodynamischer Zustand und Stoffwerte
33
Im Ts-Diagramm kann die reversible Wärme als Fläche unter der Zustandsänderung abgelesen werden (dqrev = Tds), insbesondere auch die Umwandlungsenergie beim Wechsel von Aggregatzuständen. Nach der Definition der reversiblen Wärme (dqrev = du + pdv = dh – vdp) entspricht die Fläche unter einer isochoren Zustandsänderung der Änderung der inneren Energie, die Fläche unter einer isobaren Zustandsänderung der Änderung der Enthalpie. Die spezifische Wärmekapazität c entspricht der Subtangente an die Zustandsänderung in einem Punkt (c = dqrev/dT = T ds/dT). Bei idealen Gasen ist die innere Energie und damit nach der idealen Gasgleichung auch die Enthalpie nur eine Funktion der Temperatur, im Ts-Diagramm liegen die Linien gleicher Enthalpie (Isenthalpen) somit horizontal. Damit kann aus dem Ts-Diagramm unmittelbar abgeschätzt werden, ob für einen Stoff in einem bestimmten Zustand ideales Gasverhalten angenommen werden kann oder nicht. Der Joule-Thomson-Koeffizient µJT ist die partielle Ableitung der Temperatur nach dem Druck bei konstanter Enthalpie, er beschreibt die Stärke und Richtung der Temperaturänderung bei isenthalper Zustandsänderung (Index h):
P JT
§ wT · ¨¨ wp ¸¸ © ¹h
Ein positiver Joule-Thomson-Koeffizient bedeutet, dass entlang einer Isenthalpen bei Druckabnahme eine Temperaturabnahme erfolgt. Daher zeigt das Ts-Diagramm bei Druckabnahme eine fallende Isenthalpe (Abkühlung bei Entspannung in einer Drossel). Ein negativer Joule-Thomson-Koeffizienten bedeutet, dass entlang einer Isenthalpen bei Druckabnahme eine Temperaturzunahme erfolgt. Daher zeigt das Ts-Diagramm bei Druckabnahme eine steigende Isenthalpe (Erwärmung bei Entspannung in einer Drossel). Wasserstoff weist im Hochdruckbereich einen negativen Joule-Thomson-Koeffizient auf. Dies bedeutet, dass seine Temperatur bei einer Entspannung wie etwa beim Befüllen eines Druckbehälters mittels Druckgefälle in einer Drossel steigt, was sich bei der Betankung eines Fahrzeugs auswirkt, siehe Abschnitt Speicherung. Bei der Verflüssigung nutzt man den positiven Joule-Thomson-Koeffizienten von Wasserstoff bei tiefen Temperaturen, wenn man durch Drosselung in das Zweiphasengebiet expandiert. Bei idealen Gasen erfolgt keine Temperaturänderung bei konstanter Enthalpie, was bedeutet, dass der JouleThomson-Koeffizient Null ist (horizontale Isenthalpe). Eine Zusammenfassung der wichtigsten Stoffwerte von Gleichgewichtswasserstoff gibt Tabelle 3-2. Ausführliche Darstellungen über Wasserstoff und seine Eigenschaften finden sich in der Literatur [3-2, 3-5, 3-7, 3-11, 3-14], über seine Anwendung als Treibstoff für Kraftfahrzeuge und Raketenantriebe speziell in [3-9, 3-12]. Auf folgende Besonderheiten sei hingewiesen: Wasserstoff ist bei Raumtemperatur ein farbloses und geruchloses Gas, etwa 14-mal leichter als Luft. Wasserstoff ist das leichteste Gas und somit als Füllung für Ballone und Luftschiffe geeignet. Wegen der leichten Entzündbarkeit und der hohen Diffusionsneigung verwendet man dafür allerdings Helium. Nur Helium weist übrigens tiefere Temperaturwerte für das Schmelzen (0,95 K = –272,22 °C) und Sieden (4,2 K = –268,95 °C) auf als Wasserstoff.
34
3 Eigenschaften
Die Temperatur des Tripelpunktes von 13,8 K (-259,35 °C) stellt einen der Fixpunkte der Internationalen Praktischen Temperaturskala IPTS dar. Bei Temperaturen unterhalb des Tripelpunktes liegt Wasserstoff in seiner festen Form vor und bildet eine dichte kristalline hexagonale Kugelpackung. Es wird angenommen, dass Wasserstoff neben der festen Form unterhalb von 13,8 K auch bei extrem hohen Drücken oberhalb von 2,5 Millionen bar etwa im Kern von Gestirnen in einer metallischen Struktur vorliegt, bei der die intermolekularen H-H-Abstände den intramolekularen gleichen. Der Phasenübergang flüssig – fest erfolgt beim Normaldruck von 1,013 bar bei 20,3 K (-252,85 °C), ebenfalls ein Fixpunkt der Temperaturskala. Die Verdampfungswärme von Wasserstoff ist mit 445 kJ/kg gering (Wasser 2256 kJ/kg), die klare farblose Flüssigkeit wiegt 70,8 g/l. Der kritische Punkt für Wasserstoff liegt bei 33,2 K (-239,95 °C) und 13,15 bar. Bei Dichten kleiner der kritischen Dichte von 31,4 g/l (bzw. spezifischen Volumina größer dem kritischen von 0,032 l/g) spricht man bei Temperaturen oberhalb der kritischen von einem überkritischem Fluid. Links der Sättigungslinie der Flüssigkeit im Ts-Diagramm liegt der Bereich der unterkühlten oder verdichteten Flüssigkeit. Die spezifischen Wärmekapazitäten von Wasserstoff sind hoch, mehr als das 10-fache von Luft bei gleichem Isentropenkoeffizienten N = 1,4. Wasserstoff hat die größte Wärmeleitfähigkeit aller Gase, weil sich die leichten Wasserstoffmoleküle wesentlich schneller bewegen als alle anderen (Verwendung als Kühlmedium), und das größte physikalische sowie chemische Diffusionsvermögen. Wasserstoff diffundiert in atomarer Form durch die meisten Metalle. Dies und seine weiten Zündgrenzen in Luft bei geringer Zündenergie sind sicherheitsrelevante Eigenschaften, die bei technischen Anwendungen zu beachten sind, vgl. Abschnitt Sicherheit. Auf verbrennungsspezifische Besonderheiten wird im Abschnitt Verbrennungsmotor eingegangen. Wasserstoff ist ein Isolator gegenüber elektrischem Strom und verhält sich in einem magnetischen Feld schwach diamagnetisch. Tabelle 3-2: Eigenschaften des Wasserstoffs Eigenschaft
Wert [Einheit]
Molmasse
2,016 kg/kmol
spezielle Gaskonstante R
4124 J/kgK
(gravimetrischer) Heizwert Hu
120 MJ/kg = 33,33 kWh/kg
Brennwert B
142 MJ/kg = 39,44 kWh/kg
am Tripelpunkt: Temperatur (Schmelztemperatur)
–259,35 °C (13,8 K)
Druck
0,07 bar
Dichte gasförmig
0,125 kg/m³
Dichte flüssig
77 kg/m³
Schmelzwärme
58,5 kJ/kg = 16,25 kWh/kg
3.2 Thermodynamischer Zustand und Stoffwerte
35
am Siedepunkt bei Normaldruck 1,01325 bar: Siedetemperatur Ts
–252,85 °C (20,3 K)
Verdampfungswärme
445,4 kJ/kg = 123,7 kWh/kg
flüssige Phase: Dichte
70,8 kg/m³
(volumetrischer) Heizwert
8,5 MJ/dm³ = 2,36 kWh/dm³
Realgasfaktor
0,017
spezifische Wärmekapazität cp
9,8 kJ/kgK
spezifische Wärmekapazität cv
5,8 kJ/kgK
Wärmeleitfähigkeit
0,099 W/mK
Dynamische Viskosität
11,9 · 10–6 Ns/m²
Schallgeschwindigkeit
1089 m/s
Dampfphase: Dichte
1,34 kg/m³
(volumetrischer) Heizwert
0,16 MJ/dm³
Realgasfaktor
0,906
spezifische Wärmekapazität cp
12,2 kJ/kgK
spezifische Wärmekapazität cv
6,6 kJ/kgK
Wärmeleitfähigkeit
0,017 W/mK
Dynamische Viskosität
1,11 · 10–6 Ns/m²
Schallgeschwindigkeit
355 m/s
am kritischen Punkt: Temperatur
–239,95 °C (33,2 K)
Druck
13,1 bar
Dichte
31,4 kg/m³
bei Normalbedingungen 0 °C und 1,01325 bar: Dichte
0,09 kg/m3
(volumetrischer) Heizwert
0,01 MJ/dm³ = 2,8 Wh/dm³
Realgasfaktor
1,0005
spezifische Wärmekapazität cp
14,32 kJ/kgK
spezifische Wärmekapazität cv
10,17 kJ/kgK
Isentropenexponent N
1,4
Wärmeleitfähigkeit
0,184 W/mK
36
3 Eigenschaften
Diffusionskoeffizient
0,61 cm²/s
Dynamische Viskosität
8,91 · 10–6 Ns/m²
Dielektrische Konstante
1,00027
Schallgeschwindigkeit
1246 m/s
Gemische mit Luft: untere Explosionsgrenze (Zündgrenze)
4 Vol% H2 (O = 10,1)
untere Detonationsgrenze
18 Vol% (O = 1,9)
stöchiometrisches Gemisch
29,6 Vol% H2 (O = 1)
obere Detonationsgrenze
58,9 Vol% (O = 0,29)
obere Explosionsgrenze (Zündgrenze)
75,6 Vol% H2 (O = 0,13)
Zündtemperatur
585 °C (858 K)
minimale Zündenergie
0,017 mJ
maximale laminare Flammgeschwindigkeit
ca. 3 m/s
adiabate Verbrennungstemperatur
ca. 2100 °C
3.3
Chemische Eigenschaften
Das Wasserstoffatom ist das kleinste und einfachste Atom, es besteht nur aus einem Proton im Kern, das von einem Elektron umkreist wird. Es ist das erste Element im Periodensystem mit der Ordnungszahl 1. Das Wasserstoffatom hat einen Durchmesser von 0,07 nm = 0,7 Å (1 nm = 10–9 m), seine molare Masse beträgt 1,0079 g/mol. Das freie Elektron bestimmt das chemische Verhalten des Wasserstoffatoms, das äußerst reaktiv ist. Zur Komplettierung der ersten Elektronenschale verbindet sich das Wasserstoffatom meist mit einem zweiten zum molekularen Wasserstoff H2. Der H-H-Abstand im gasförmigen Wasserstoffmolekül beträgt 0,74 Å. Die relativ hohe Bindungsenergie der H-HBindung von 436 kJ/mol macht das Wasserstoffmolekül bei Raumtemperatur sehr beständig und reaktionsträge. Da diese Bindung bei der Reaktion des Moleküls aufgebrochen werden muss, finden die Reaktionen des molekularen Wasserstoffs erst bei höheren Temperaturen statt.
3.3.1 Isotope Es gibt drei Isotope des Wasserstoffatoms, siehe Abbildung 3-5: Das Isotop Protium (1H) besteht aus einem Proton und einem Elektron und ist mit über 99,9 % das häufigste Wasserstoffisotop. Schwerer Wasserstoff, auch Isotop Deuterium (2H) genannt, besitzt zusätzlich zum Proton im Kern ein Neutron. Deuterium hat mit D ein eigenes Elementsymbol. Es ist wie Protium stabil und nicht radioaktiv. Seine relative Atommasse beträgt 2,01 g/mol. Das Isotop Deuterium weist im Vergleich zu der Gesamtheit der Wasserstoffisotope eine Häufigkeit von ca. 0,015 % auf. Das dritte und letzte natürliche Isotop ist über-
3.3 Chemische Eigenschaften
37
schwerer Wasserstoff, auch Tritium genannt (3H). Dieses besitzt zusätzlich zu dem Proton im Kern noch zwei Neutronen. Seine relative Atommasse beträgt 3,02 g/mol. Tritium tritt nur mit einer verschwindend kleinen Häufigkeit auf. Das Isotop ist instabil und radioaktiv und zerfällt durch ȕ-Zerfall mit einer Halbwertszeit von 12,32 Jahren in ein stabiles Heliumisotop (3He). Dabei wird ein hochfrequentes Elektron aus einem der Neutronen im Kern emittiert und so aus dem Neutron ein Proton gebildet. Das damit entstandene Heliumisotop 3He hat 2 Protonen und ein Neutron im Kern sowie ein Elektron in der äußersten Schale.
Elektron
Elektron Neutronen
Neutron Proton
Elektron
Proton
Protium
Proton
Deuterium
Tritium
Abbildung 3-5: Isotope des Wasserstoffs
Die unterschiedlichen Isotope wirken sich bei den physikalischen und chemischen Eigenschaften einiger Wasserstoffverbindungen aus, etwa bei Wasser, siehe Tabelle 3-3 [3-5]: Tabelle 3-3: Eigenschaften der Wasser-Isotope H2O
D2O
T2O
0,99701
1,1044
1,2138
Temperatur des Dichtemaximums [ C]
4,0
11,2
13,4
Schmelzpunkt [oC]
0
3,81
4,48
Siedepunkt [oC]
100
101,42
101,51
Dichte bei 25 oC [kg/dm3] o
3.3.2 Atomspin Die Rotation eines Elementarteilchens um die eigene Achse wird als Spin bezeichnet. Das Wasserstoffmolekül kann in zwei verschiedenen energetischen Zuständen auftreten, die sich durch die Orientierung der Spins der Protonen in ihrem Atomkern unterscheiden. Sind die Kernspins parallel orientiert, spricht man von Orthowasserstoff (Kurzform: o), sind die Spins entgegengesetzt (antiparallel oder gepaart), von Parawasserstoff (Kurzform: p) [3-1].
38
3 Eigenschaften
Parawasserstoff hat eine niedrigere Rotationsenergie und damit ein niedrigeres Energieniveau als Orthowasserstoff. Die beiden Zustände hängen über die temperaturabhängige Gleichgewichtsbeziehung zusammen: o-Wasserstoff ҡ p-Wasserstoff
ǻ RH = -0,08 kJ/mol
Das Gemisch aus para- und ortho-Wasserstoff, das sich entsprechend dem jeweiligen thermodynamischen Zustand einstellt, wird Gleichgewichtswasserstoff (g-Wasserstoff) genannt. Vom absoluten Nullpunkt bis ca. –200 °C existiert nur p-Wasserstoff. Bei Normalbedingungen liegt ein Gemisch aus 75 % o-Wasserstoff und 25 % p-Wasserstoff vor, das als Normalwasserstoff (n-Wasserstoff) bezeichnet wird. Die o- und p-Form weisen leicht abweichende Eigenschaften auf und lassen sich mittels physikalischer Methoden trennen. Parawasserstoff hat eine niedrigere spezifische Wärmekapazität als orthoWasserstoff. Der Schmelz- wie auch der Siedepunkt der p-Form liegen zirka 0,2 K unter denen von o-Wasserstoff [3-5]. Bei der Verflüssigung würde der Übergang von der o-Form in die p-Form lange dauern und durch die freigesetzte Energie zur Verdampfung beitragen. Daher wird der Übergang bei der Verflüssigung mittels eines Katalysators beschleunigt, die Reaktionswärme muss abgeführt werden. Der Wasserstoff wird dazu über Aktivkohle oder eine Metalloberfläche geleitet. Die Moleküle werden an der Oberfläche adsorbiert, können dissoziieren und rekombinieren dann in der energetisch günstigeren para-Form. Der Übergang zwischen dem ortho- und dem para-Wasserstoff findet bei zwei dicht benachbarten Energieniveaus im Grundzustand des Wasserstoffatoms statt. Dieser Übergang wird als Hyperfeinstruktur-Übergang bezeichnet. Nach Max Planck ist die Frequenz f der ausgesendeten Strahlung bei dem Energieübergang durch das so genannte Plancksche Wirkungsquantum h mit der Energieänderung verknüpft: E = h f. Für den Hyperfeinstrukturübergang des Wasserstoffs ergibt sich eine Frequenz von 1420 MHz, entsprechend 21 cm Wellenlänge, vgl. Abbildung 3-6 [3-1]. Durch die Verschiebung der Wellenlänge (Dopplerverschiebung) der Strahlung kann man erkennen, ob sich der Wasserstoff vom Beobachter weg oder zu ihm hin bewegt. Dies nutzt man zur Bestimmung der relativen Bewegung von Sternen gegenüber der Erde.
3.3.3 Spektrallinien Jedes Atom emittiert oder absorbiert durch Elektronenübergänge selektiv Licht bestimmter charakteristischer Wellenlängen. Fällt das Elektron aus einem energetisch höheren Niveau auf ein niederes Energieniveau zurück, gibt es ein Photon einer bestimmten Wellenlänge ab. Entscheidend ist, auf welchem Energieniveau das Elektron dabei ankommt. Definiert wird dieser Übergang über die Hauptquantenzahlen n (angeregtes Energieniveau) und m (Grundzustand). Fallen die angeregten Elektronen in den Grundzustand m = 2, sind die Spektrallinien für das menschliche Auge sichtbar (Balmerserie). Die Spektrallinien des Wasserstoffatoms zeigt Abbildung 3-7 [3-1].
3.3 Chemische Eigenschaften
39
Unterster Rotationszustand Von ortho-Wasserstoff
J=1
Unterster Rotationszustand Von para-Wasserstoff
Energieniveaus
Rotationsenergie
J=0
Abbildung 3-6: Hyperfeinstrukturübergang von Ortho- in Parawasserstoff
Abbildung 3-7: Spektrallinien des Wasserstoffatoms
40
3.4
3 Eigenschaften
Chemische Reaktionen
Die chemisch wichtigste Eigenschaft des Wasserstoffs ist seine Fähigkeit, Elektronen aufzunehmen (Reduktion zum Hydridion H) oder abzugeben (Oxidation zum Proton H). In Gemischen mit Luft, Sauerstoff und Chlorgas reagiert Wasserstoff explosionsartig (Knallgas-, Chlorgasreaktion), ansonsten ist das Molekül bei Raumtemperatur beständig und wenig reaktiv. Bei höheren Temperaturen reagiert Wasserstoff unter Hydridbildung teils heftig mit vielen Metallen und Nichtmetallen. In Wasser ist die Löslichkeit von Wasserstoff mit ca. 2 Vol% bei Standardbedingungen (1,7 mg/l) gering. Wasserstoff bildet eine große Zahl von Verbindungen mit allen anderen Elementen außer den Edelgasen, für Details sei auf die Literatur verwiesen [3-5, 3-11].
3.4.1 Hydride Für chemische Verbindungen mit Wasserstoff ist allgemein die Bezeichnung Hydrid üblich. Wasserstoff kann mit anderen Elementen Ionenbindungen, Metallbindungen oder Atombindungen eingehen. Abgesehen von Ausnahmen bestehen zu den Elementen der 1. und 2. Hauptgruppe links im Periodensystem Ionenbindungen, zu den mittleren Elementen der 3. bis 10. Hauptgruppe metallartige Bindungen und zu den rechtsstehenden Elementen der 11. bis 17. Gruppe kovalente Atombindungen. Die Elektronegativität, das ist die Fähigkeit, in einer chemischen Bindung die Bindungselektronen an sich zu ziehen, ist bei Wasserstoff mit einem Wert von 2,2 nach Pauling gering. Mit den sehr elektropositiven Alkalimetallen der 1. Hauptgruppe (Elektronegativität < 1) und den meisten Erdalkalimetallen der 2. Hauptgruppe bildet Wasserstoff in Ionenbindungen salzartige Hydride aus Metall-Kationen und Hydrid-Anionen, wobei das Hydridion H– als Oxidationsmittel wirkt: 2 Na + H2 ҡ 2NaH Als Oxidation bezeichnet man die Abgabe von Elektronen oder die Erhöhung der Oxidationszahl (Aufnahme von Sauerstoff), wobei das Oxidationsmittel die Elektronen aufnimmt und seinerseits reduziert wird. Reduktion nennt man die Aufnahme von Elektronen oder die Erniedrigung der Oxidationszahl (Abgabe von Sauerstoff), wobei die Elektronen vom Reduktionsmittel stammen, das seinerseits oxidiert wird. In metallische Gitter lagert sich Wasserstoff in Gitterlücken ein. Diese Einlagerung erfolgt meist bei erhöhten Temperaturen, wobei der molekulare Wasserstoff an der Oberfläche der Metalle dissoziiert. Dies erklärt auch die Katalysatorfunktion vieler Metalle, weil der atomare Wasserstoff viel reaktiver ist. Vanadium, Niobium und Tantal können bei 200 °C 5, 11 bzw. 22 Atomprozente Wasserstoff aufnehmen, ohne dass ihr kubisch raumzentriertes Gitter verzerrt wird. Höhere Einlagerungsraten führen zu der im Abschnitt Sicherheit besprochenen Versprödung des Metalls, die aus der Verzerrung des Gitters resultiert und mit sinkender Temperatur zunimmt. Vor allem mit Übergangsmetallen bildet der Wasserstoff Einlagerungsverbindungen, die teils große Mengen Wasserstoff binden. Palladium kann etwa ein 900-fach höheres Volumen an Wasserstoff aufnehmen als sein Eigenvolumen.
3.4 Chemische Reaktionen
41
Die Fähigkeit der Metalle, atomaren Wasserstoff in ihr Kristallgitter einzubauen und unter bestimmten Randbedingungen wieder freizugeben, wird auch zur Wasserstoffspeicherung genutzt. Einige Hydridspeicher erreichen dabei theoretisch höhere gravimetrische oder volumetrische Energiedichten als komprimierter oder flüssiger reiner Wasserstoff. Allerdings sind für den Einbau und die Freisetzung des Wasserstoffs oft hohe Temperaturen oder Drücke nötig, die eine praktische Nutzung des Speichers behindern, vgl. Abschnitt Speicherung. Da die Hydride reinen Wasserstoff abgeben und etwaige Verunreinigungen des aufgenommenen Gases im Metall verbleiben, ist die Aufnahme und Freisetzung von Wasserstoff auch als Reinigungsverfahren anwendbar. Man erhält hochreinen Wasserstoff, die Methode ist allerdings aufwändig und teuer. Die meisten Elemente und Verbindungen weisen eine höhere Elektronegativität als Wasserstoff auf, dieser wirkt dann als starkes Reduktionsmittel, z. B. können Metalloxide mit Hilfe von Wasserstoff zu den Metallen reduziert werden: CuO + H2 ҡ Cu + H2O Nichtmetalle gehen mit Wasserstoff eine kovalente Bindung oder Atombindung ein, bei der sich die Verbindungspartner Elektronen gewissermaßen teilen. Diese Verbindungen sind vom Bestreben nach Vervollständigung der Elektronenschalen bestimmt. Der Wasserstoff trägt dabei teils negative, teils positive Partialladungen. Die Rückbildung des Wasserstoffs aus der kovalenten Bindung durch Säure oder durch Elektrolyse bringt atomaren Wasserstoff hervor. Dieser ist wesentlich reaktiver als die Molekülform. Wegen der hohen Ionisierungsenergie des Wasserstoffatoms und des großen Verhältnisses Ladung/Radius für das Proton existieren keine freien H+-Ionen in chemischen Systemen. Auch in Säuren ist das Wasserstoffatom kovalent gebunden, bei der Dissoziation wird das Proton von einem Wassermolekül (es entsteht das Hydroniumion H3O+, neu als Oxoniumion bezeichnet) oder einer anderen Base übernommen und kovalent gebunden. Beryllium, Bor und Aluminium bilden mit Wasserstoff Verbindungen, in denen die HAtome kovalent gebunden sind, aber die Rolle des elektronegativeren Partners übernehmen. Mit Chlor reagiert Wasserstoff unter Wärmeabgabe und der Bildung von gasförmigem Chlorwasserstoff, der in Wasser gelöst Salzsäure ergibt. Die Reaktion lässt sich schon durch die Bestrahlung mit Licht zünden und erfolgt heftig unter lautem Knall (Chlorknallgasreaktion): Cl2 + H2 o 2 HCl Explosiv reagiert Wasserstoff auch mit Fluor exotherm zu Fluorwasserstoff: F2 + H2 o 2 HF
42
3 Eigenschaften
3.4.2 Kohlenstoffverbindungen Alle Verbindungen mit Kohlenstoff werden als organische Verbindungen bezeichnet. Sie stellen mit ihrer Fähigkeit, Ketten und Ringe sowie Ein- oder Mehrfachbindungen zu bilden, die Basisbausteine des Lebens dar. Der Kohlenstoff besitzt 6 Elektronen, 2 in der inneren Schale und 4 Valenzelektronen. Diese stehen für eine Elektronenpaarbindung (kovalente Bindung) zur Verfügung. Eine Kohlenstoffverbindung wird gesättigt genannt, wenn zwischen den Kohlenstoffatomen nur Einfachbindungen mit je einem Valenzelektron bestehen und die anderen Valenzelektronen anderweitig gebunden sind. Gesättigte Verbindungen können keine neuen Atome aufnehmen, sie sind in der Regel stabil und wenig reaktiv. Ungesättigte Kohlenstoffverbindungen weisen Mehrfachbildungen durch mindestens zwei Elektronenpaare zwischen den Kohlenstoffatomen auf. Sie sind weniger stabil und reaktiver, weil Bindungselektronen für andere Atomverbindungen freigegeben werden können. Zu den wichtigsten organischen Verbindungen zählen die Kohlenwasserstoffe. Verbindungen von Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff bilden die Hauptbestandteile der Biomoleküle wie Nukleinsäuren (DNA, RNA), Aminosäuren (das sind Proteine oder Eiweiße), Kohlenhydrate (Zucker) und Fette. Die meisten fossilen Brennstoffe bestehen nur aus Kohlenstoff und Wasserstoff. Reine Kohlenwasserstoffe mit Kohlenstoff-Einfachbindungen werden als gesättigte Alkane bezeichnet (früher Paraffine), Nomenklatur nach IUPAC [3-6]. Sie haben die allgemeine Summenformel CnH2n+2. Kettenförmige Alkane ohne Verzweigung heißen Normal-Alkane oder n-Alkane, siehe Abbildung 3-8. Kettenförmige Alkane mit Verzweigung heißen iso-Alkane oder neo-Alkane. Iso-Butan ist das Isomer von Butan C4H10, die Summenformel bleibt gleich, iso-Pentan C5H12 das Isomer von n-Pentan, siehe Abbildung 3-9.
H H
C
H
H
H
H
H
C
C
H
H
H
H
H
H
H
C
C
C
H
H
H
H
H
H
H
H
H
C
C
C
C
H
H
H
H
Abbildung 3-8: Alkane: Methan CH4, Ethan C2H6, Propan C3H8, n-Butan C4H10
H
H
H
H
H
H
C
C
C
C
C
H
H
H
H
H
H
H
H CH3 H
H
C
C
C
C
H
H
H
H
H
Abbildung 3-9: a) Normal-Pentan (ohne Verzweigung), b) Iso-Pentan (mit Verzweigung)
H
3.4 Chemische Reaktionen
43
Kohlenwasserstoffe mit Kohlenstoff-Doppelbindung sind die gesättigten Alkene (früher Olefine). Kettenförmige Alkene mit einer Doppelbindung haben die allgemeine Summenformel CnH2n, siehe Abbildung 3-10. Sowohl Alkane wie Alkene können auch Ringe bilden, für Zyklo-Alkane ist auch die Bezeichnung Naphtene gebräuchlich. Besitzt eine Kohlenwasserstoffverbindung einen Ring mit konjugierten Doppelbindungen, bezeichnet man sie als Aromat, wie z. B. Benzol C6H6 Abbildung 3-11. Ringförmige Verbindungen und insbesondere Aromaten sind besonders stabil.
H C H
H
H
C
C
H
H
H
H
C
C
C
C
H
H
H
H
H
H C
H
H
H
H
H
C
C
C
H
H C H
Abbildung 3-10: Methen C2H4, Penten C5H10, Pentadien mit zwei Doppelbindungen
H
H C H
C C
C C H
H
C H
Abbildung 3-11: Benzol C6H6, unterschiedliche Symbole für die Ringstruktur.
Als Sauerstoffträger werden Kohlenwasserstoffe mit angelagerten Sauerstoffatomen bezeichnet. Diese vermindern den Heizwert und den Luftbedarf des Brennstoffs. Dazu gehören die Alkohole, Verbindungen mit einer an ein Kohlenstoffatom angelagerten OHGruppe, und die Alkoxyalkane (früher Äther), Verbindungen mit einem Sauerstoffatom zwischen zwei C-Atomen, siehe Abbildung 3-12. Aldehyde sind chemische Verbindungen, die eine Aldehydgruppe CHO enthalten. Die von den Alkanen abgeleitete Reihe der Aldehyde sind die Alkanale, siehe Abbildung 3-13.
44
3 Eigenschaften
H H
C
OH
H
H
H
H
C
C
H
H
H OH
H
C
H O
H
C
H
H
Abbildung 3-12: Methanol CH3OH (giftig), Ethanol C2H5OH und Dimethylether (hat die gleiche Summenformel)
H
O
H C
C
O H
H
C
O H
H
C H
H
H
C
C
H
H
H
Abbildung 3-13: Methanal H-CHO (Formaldehyd), Ethanal CH3-CHO (Acetaldehyd), Propanal C2H5-CHO (Propionaldehyd)
3.4.3 Verbrennung Die energetisch wichtigste chemische Reaktion von Kohlenwasserstoffen ist ihre exotherme Verbrennung mit Sauerstoff aus der Luft. Im Falle der idealen stöchiometrischen Verbrennung lautet die Reaktionsgleichung: y z· y § C x H y O z ¨ x ¸ O 2 o x CO 2 H 2 O 4 2 4 © ¹
Bei gegebener Zusammensetzung des Brennstoffs und bekannter zugeführter Luftmenge können verbrennungsspezifische Parameter wie Heizwert, Luftverhältnis, Zusammensetzung der Rauchgase und adiabate Verbrennungstemperatur berechnet werden [3-10]. Eine Sonderstellung nimmt die Verbrennung von reinem Wasserstoff ein, bei der kein Kohlendioxid gebildet wird, sondern nur Wasser: H2 + ½ O2 o H2O gasförmig 'RH = –242 MJ/kmol H2 + ½ O2 o H2O flüssig
'RH = –285 MJ/kmol
Bei der zweiten Reaktion wird die Kondensationswärme des Wassers der Reaktionsenthalpie zugerechnet, so dass sich ein höherer Wert ergibt, der bezogen auf die Masse in kg den Brennwert von Wasserstoff von B = 142 MJ/kg liefert. In der üblichen Bewertung mit dem (unteren) Heizwert ohne Kondensationswärme ergibt sich Hu = 120 MJ/kg. Zur Verbrennung von 1 mol Wasserstoff benötigt man ½ mol Sauerstoff, das ergibt einen stöchiometrischen Sauerstoffbedarf von 0,5 mol O2/mol H2 oder 8 kg O2/kg H2 und wenn
3.4 Chemische Reaktionen
45
der Sauerstoff aus der Luft stammt einen Luftbedarf von 2,38 mol Luft/mol H2 oder 34,5 kg Luft/kg H2. Dies entspricht einem Gemisch mit Luft bei 29,6 Vol% Wasserstoff. Wasserstoff bildet mit Luft zündfähige Gemische bei Mischverhältnissen von 4 Vol% bis 75,6 Vol% Wasserstoff. Wasserstoff weist somit sehr weite Zündgrenzen auf, die einem Luftverhältnisbereich von O= 10,1 bis O= 0,13 entsprechen. Auch ist die zur Zündung erforderliche Energie verglichen mit fossilen Brennstoffen um mehr als eine Zehnerpotenz geringer und liegt im stöchiometrischen Verhältnis bei 0,017 mJ. Obwohl die Selbstzündungstemperatur mit ca. 585 °C hoch liegt, ist die Gefahr der Entzündung groß, was im Umgang mit Wasserstoff zu berücksichtigen ist. Charakteristisch für die Wasserstoffverbrennung sind auch die hohe adiabate Verbrennungstemperatur und die hohe laminare Flammengeschwindigkeit. Die entstehende Verdichtungswelle verursacht einen lauten Knall (Knallgasreaktion). Die Verbrennung erfolgt mit einer kaum sichtbaren bläulichen Flamme. Für die Sicherheit im Umgang mit Wasserstoff und bei der Verbrennung von Wasserstoff in Verbrennungsmotoren spielen diese spezifischen Eigenschaften eine wichtige Rolle, siehe die entsprechenden Abschnitte. Wird in einem brennbaren Gemisch eine Energie größer der minimalen Zündenergie freigesetzt, kommt es zu einer Zerfalls- oder Oxidationsreaktion, die sich durch die frei werdende Reaktionswärme fortpflanzt. In dieser beschleunigten so genannten chemischen Kettenreaktion überwiegen Kettenverzweigungsreaktionen gegenüber den Kettenabbruchreaktionen. Die entscheidenden Einzelreaktionen im Wasserstoff-Sauerstoff-System dabei sind [3-3, 3-10]: .
H 2 O 2 o 2 OH .
OH H 2 o H 2 O H . O o OH O H 2 . H o OH H O 2
o 1/ 2 H H 2 O M o HO M H 2 2
(I) (II) (III) (IV) (V) (VI)
Darin bezeichnet M ein beliebiges neutrales Molekül, die aktiven Radikale H, O und OH sind durch Punkte gekennzeichnet. Der Kettenstart erfolgt durch die Bildung aktiver Radikale in Reaktion (I), wobei diese wegen der stabilen Ausgangsprodukte relativ langsam abläuft. Eine Selbstzündung kann somit nur bei hohen Temperaturen erfolgen (TSelbstzündung ~ 858 K). Werden Radikale auf andere Weise zugeführt, etwa durch einen Zündfunken, wird die Reaktion wesentlich beschleunigt. Die Kettenfortpflanzung erfolgt nach Reaktion (II), die Reaktionen (III) und (IV) bilden Kettenverzweigungen, bei der für jedes Radikal zwei neue gebildet werden. Der Kettenabbruch erfolgt durch Stabilisierung von Radikalen an den Gefäßwänden nach Reaktion (V) sowie in der Gasphase nach Reaktion (VI). Pflanzt sich die Reaktionsfront mit einer Geschwindigkeit kleiner der Schallgeschwindigkeit fort, spricht man von einer Deflagration, früher Verpuffung. Bei einer Beschleunigung der Flammenfront durch Turbulenzen oder bei der Überlagerung von Stoßwellen durch Reflexion an Wänden kann es zu einer Detonation kommen, bei der sich eine Stoßfront mit Überschallgeschwindigkeit ausbildet, die mit einem ausgeprägten Druckstoß
46
3 Eigenschaften
verbunden ist. Bei der Zündung eines Wasserstoff-Luft-Gemischs durch einen Funken im Freien tritt keine Detonation auf, da die Zündquelle punktförmig ist und sich die Flammenfront kugelförmig ausbreitet. Innerhalb des weiten Mischungsbereichs zwischen unterer und oberer Detonationsgrenze von 13 Vol% und 59 Vol% Wasserstoff in Luft kann die Deflagration aber in eine Detonation umschlagen, wenn die Entzündung durch eine Flamme erfolgt oder es in ganz oder teilweise abgeschlossenen Räumen zu einer Überlagerung von Verdichtungsstößen kommt [3-14].
3.4.4 Zerlegung von Wasserstoffmolekülen Die Zerlegung des Wasserstoffmoleküls erfordert einen hohen Energieaufwand. Energetisch besonders aufwändig ist die heterolytische Dissoziation der Wasserstoffmoleküle in Wasserstoff Kationen (Proton H+) und Anionen (Hydroxidion H): H2 + 1675 kJ ҡ H+ + H Wasserstoff stellt eine extrem schwache Säure (Protonendonator), das Hydroxid-Ion eine überaus starke Base (Protonenakzeptor) dar. Wasserstoff kann bei sehr hohen Temperaturen homolytisch gespalten werden: H2 + 436 kJ ҡ 2 H Das Gleichgewicht liegt so, dass bei 3000 K ca. 8 % gespalten sind, erst bei 6000 K wie auf der Sonnenoberfläche sind über 99 % der Moleküle gespalten. Die Spaltung von Wasserstoff kann auch durch Mikrowellen oder im Lichtbogen erreicht werden. Bei weiterer Temperaturzunahme bis 100000 K wie im Sonnenmantel kommt es zur thermischen Ionisation, die Wasserstoffatome zerfallen unter Abspaltung von Elektronen in Wasserstoff-Kationen: H + 13,6 eV ҡ H+ + e–
('RH = 1312 kJ/mol)
Bei noch höheren Temperaturen ab 10 Millionen Kelvin kommt es im Sonnenkern zur Kernfusion, wobei aus Deuterium und Tritium Heliumisotope gebildet werden: 2 1
H 31 H o 42 He n 17,6 MeV
('RH = –1,698 · 109 kJ/mol)
Aus den beiden Wasserstoffisotopen entstehen ein Heliumisotop, ein Neutron und eine beträchtliche Energiemenge. Die Energie stammt aus dem Masseunterschied zwischen den Edukten (Ausgangsstoffen) und Produkten (Endstoffen) der Reaktion, dem so genannten Massedefekt, und lässt sich nach der Gleichung E = m · c2 berechnen.
3.5 Literatur
3.5 3-1 3-2 3-3 3-4 3-5 3-6 3-7
3-8 3-9 3-10 3-11 3-12 3-13 3-14
47
Literatur Atkins, P.; de Paula, J.: Physikalische Chemie. 4. Auflage. Verlag Wiley-VCH, Weinheim 2006 Deutscher Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verband e. V. (DWV) Berlin, http://www.dwv-info.de, http://www.dwv-info.de/wissen/literatur.html Glassman, I.: Combustion. Academic Press, San Diego 1996 Gstrein, G.; Klell, M.: Stoffwerte von Wasserstoff. Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik, Technische Universität Graz 2004 Holleman, A.; Wiberg, E.; Wiberg N.: Lehrbuch der anorganischen Chemie. 102. Auflage. Walter de Gruyter, Berlin New York 2007 International Union of Pure and Applied Chemistry (IUPAC), http://www.acdlabs.com/iupac/nomenclature Mackay, K. M.: The Element Hydrogen, Ortho- and Para-Hydrogen, Atomic Hydrogen. In: Trotman-Dickinson, A. F. (Herausgeber): Comprehensive Inorganic Chemistry. Pergamon Press, Oxford, Band 1 (1973) S. 1–22 National Institute of Standards and Technology, NIST, http://www.nist.gov Peschka, W.: Flüssiger Wasserstoff als Energieträger – Technologie und Anwendung. Springer Verlag, Wien New York 1984 Pischinger, R; Klell, M.; Sams, Th.: Thermodynamik der Verbrennungskraftmaschine. Springer Verlag, Wien New York 2002 Riedel, E.; Janiak, Ch.: Anorganische Chemie. 7. Auflage. Walter de Gruyter, Berlin New York 2007 Schmidt, D.: Raketentreibstoffe, Springer Verlag, Wien New York 1968 Turns, St.: Thermodynamics, Concepts and Applications. Cambridge University Press, USA 2006 Winter, C.-J.; Nitsch, J. (Herausgeber): Wasserstoff als Energieträger: Technik, Systeme, Wirtschaft. 2. Auflage. Springer Verlag, Berlin Heidelberg 1989
49
4
Erzeugung
Weltweit werden mehr als 600 Milliarden Nm³ Wasserstoff pro Jahr erzeugt und verbraucht, was mit einem Energiegehalt von knapp 6,5 Exajoule (1018 J) etwa 1,5 % des globalen Gesamtenergiebedarfs entspricht. Es gibt eine Vielzahl von Verfahren zur Herstellung von Wasserstoff, wobei eine Reihe von Ausgangsstoffen und verschiedene Primärenergieträger eingesetzt werden. Etwa 40 % des benötigten Wasserstoffs stammen aus Industrieprozessen, bei denen Wasserstoff als Nebenprodukt anfällt, und zwar aus Rohölraffinerieprozessen wie der Benzinreformierung und der Herstellung von Ethen oder Methanol sowie aus der Herstellung von Chlor mittels der Chlor-Alkali-Elektrolyse. Etwa 60 % des benötigten Wasserstoffs werden eigens erzeugt, wobei großtechnisch die Herstellung von Wasserstoff durch Reformierung fossiler Kohlenwasserstoffe mit Abstand am weitesten verbreitet ist. Das wirtschaftlichste Verfahren ist die Dampfreformierung kurzkettiger Kohlenwasserstoffe, meist Methan. Das Verfahren benötigt Erdgas, Wasser und Energie, die aus dem Erdgas gewonnen wird. Es werden hohe Wirkungsgrade bis 80 % erzielt. In der partiellen Oxidation werden längere Kohlenwasserstoffe und Rückstandsöle bei Wirkungsgraden um 70 % mit Sauerstoff exotherm umgesetzt. Die autotherme Reformierung ist eine Kombination der beiden genannten Verfahren. Die Reformierungsverfahren basieren auf fossilen Kohlenwasserstoffen und bilden CO2, sie sind daher aus ökologischer Sicht nicht wünschenswert, gegenüber emissionsfreien und regenerativen Verfahren derzeit jedoch wirtschaftlicher. Emissionsfrei aber energieintensiv ist die direkte Spaltung von fossilen Kohlenwasserstoffen bei hohen Temperaturen. Als weiteres thermochemisches Verfahren zur Wasserstoffherstellung, das seit langem eingesetzt wird, ist die Vergasung von fossilen Kohlenwasserstoffen, meist Kohle, zu nennen. Das Interesse der Forschung richtet sich in letzter Zeit zunehmend auf die Vergasung von Biomasse. Als Ausgangsstoffe werden Holz, Torf, Klärschlamm und organische Abfälle genutzt. Das Produktgas enthält neben Wasserstoff eine Reihe anderer Komponenten und erfordert eine aufwändige Reinigung. Die Wirkungsgrade variieren je nach Zusammensetzung und Wasseranteil des Ausgangsstoffes und erreichen Werte bis 55 %. Als praktisch unerschöpfliche Quelle für Wasserstoff steht Wasser zur Verfügung. Die Verfahren zur Wasserstoffgewinnung aus Wasser sind in der Regel emissionsfrei, aufgrund des hohen notwendigen Energieeinsatzes werden sie derzeit aber kaum genutzt. Die direkte thermische Spaltung von Wasser erfordert sehr hohe Temperaturen. Bei niedrigeren Temperaturen verläuft die elektrochemische Spaltung von Wasser in der Elektrolyse. Bei Nutzung von Strom aus Wind-, Wasser- oder Sonnenenergie erlauben die Elektrolyseverfahren eine regenerierbare emissionsfreie Energiekette. Die Elektrolyse erreicht Wirkungsgrade bis 75 %. Emissionsfrei, aber aufwändig ist auch die Gewinnung von Wasserstoff aus der chemische Spaltung von Wasser mit (Alkali-)Metallen oder mit Oxiden.
50
4 Erzeugung
Erforscht werden auch Verfahren zur Wasserstoffgewinnung durch biologische und photochemische Prozesse. Dazu zählen die Biophotosynthese von photosynthetisch aktiven Mikroorganismen wie Grünalgen oder Cyanobakterien sowie die Fermentation verschiedener Bakterienarten. Diese Verfahren liefern meist Gasgemische, aus denen Wasserstoff erst separiert werden muss, die produzierten Mengen erfüllen derzeit noch nicht die technischen Anforderungen. Im Folgenden wird ein Überblick über die wichtigsten Verfahren zur Herstellung von Wasserstoff gegeben, Details sind der angegebenen Fachliteratur zu entnehmen. Zusammenfassend zeigt Abbildung 4-1 die zur Erzeugung von 1 Kilowattstunde Wasserstoff notwendige Primärenergie bei verschiedenen Herstellungsverfahren. In der Energiebilanz ist auch der Energieaufwand zum Bau der jeweiligen Anlage mit berücksichtigt. Die verschiedenen Primärenergieträger sind durch unterschiedliche Farben gekennzeichnet. Abbildung 4-2 zeigt für die genannten Verfahren die erreichbaren Wirkungsgrade.
Primärenergieaufwand [kWh]
2,50 2,00 1,50 1,00 0,50 0,00
Erdgas
-0,50
Strom
Biomasse
Kohle
Abbildung 4-1: Energieaufwand verschiedener Herstellungsverfahren von Wasserstoff
KvaernerVerfahren
Biomassevergasung
Kohlevergasung
Elekrolyse HD 80 bar
Elektrolyse ND 30 bar
Autotherme Reformer
Partielle Oxidation
Dampfreformierung
-1,00
4.1 Wasserstoff als Nebenprodukt
51
1,00 0,90 0,80
Wirkungsgrad
0,70 0,60 0,50 0,40 0,30 0,20 0,10
KvaernerVerfahren
Biomassevergasung
Kohlevergasung
Elekrolyse HD 80 bar
Elektrolyse ND 30 bar
Autotherme Reformer
Partielle Oxidation
Dampfreformierung
0,00
Abbildung 4-2: Wirkungsgrad verschiedener Herstellungsverfahren von Wasserstoff
4.1
Wasserstoff als Nebenprodukt
Die Herstellung und Anwendung von Wasserstoff bildet einen Schwerpunkt bei der Erdölverarbeitung. In der Raffinerie entsteht Wasserstoff als Nebenprodukt beim Reformieren von Benzin und bei der Ethenproduktion. Eingesetzt wird Wasserstoff bei der Entschwefelung von Benzin, Diesel und Heizöl durch Hydrofining sowie bei der Aufspaltung langer Kohlenwasserstoffketten durch Hydrocracken, siehe Abschnitt Anwendung. Bei der Chlor-Alkali-Elektrolyse entstehen Chlor, Natronlauge und Wasserstoff.
4.1.1 Benzinreformierung Als Benzinreformierung bezeichnet man die Umwandlung von Kohlenwasserstoffen mit niedrigen Oktanzahlen zu klopffestem Benzin. Dazu gehören eine Reihe von chemischen Umwandlungsprozessen, die bei Drücken zwischen 5 bar und 50 bar bei Temperaturen um 500 °C in Anwesenheit von Katalysatoren ablaufen, wie das Isomerisieren (Umformung von n-Alkanen in iso-Alkane), das Polymerisieren (Umformung kurzkettiger Alkene in iso-Alkane) oder die Umformung in Aromaten, bei der in großem Umfang Wasserstoff anfällt [4-17].
52
4 Erzeugung
H2 C H2
C
C C
C C H2
H
H
H2
H2
H
C C
C C
C
C H
H
H2
H
Abbildung 4-3: Dehydrierung von Naphtenen zu Aromaten mit Freisetzung von 3 H2
CH3
CH3
CH3
CH3
Abbildung 4-4: Dehydrozyklisierung von Paraffinen zu Aromaten mit Freisetzung von 4 H2
4.1.2 Ethenproduktion Ethen (auch Ethylen, C2H4) ist ein farbloses süßlich riechendes Gas, hoch entzündlich und wirkt narkotisch sowie muskelentspannend. Die Anwendung des in der chemischen Industrie häufig verwendeten Grundstoffs reicht von der Herstellung von Mitteln zur Schädlingsbekämpfung über das Nachreifen unreifer Früchte bis zur Erzeugung von Kunststoffen. Etwa 75 % des Ethens werden in der Kunststoffindustrie verarbeitet, und zwar zu Polyethylen, zu Ethylendichlorid zur Herstellung von PVC sowie zu Ethylenoxid und Ethylbenzol zur Herstellung von Polystyrol. Ethen wird vor allem durch Cracken von Erdgas, Erdöl oder anderen Kohlenwasserstoffen gewonnen. Nach mehreren Rektifikationsschritten werden die noch vorhandenen C2-Kohlenwasserstoffe getrennt und man erhält Acetylen (= Ethin) C2H2, Ethylen (= Ethen) C2H4, Ethan C2H6, Methan CH4 und Wasserstoff. Die Prozesse laufen bei Temperaturen von -150 °C bis über 800 °C und hohen Drücken ab [4-17].
4.1.3 Chlor-Alkali-Elektrolyse Chlor und Natronlauge sind wichtige Grundchemikalien in der Industrie, etwa zur Herstellung von Salzsäure oder Kunststoffen (PVC). Bei der Chlor-Alkali-Elektrolyse werden aus einer gesättigten und gereinigten wässrigen Natriumchloridlösung mittels Elektrolyse Chlor, Natriumhydroxid und Wasserstoff erzeugt. An den Elektroden laufen folgende Raktionen ab, vgl. Abschnitt elektrochemische Wasserspaltung:
4.2 Reformierung
53
Von der Kathode (hier Minuspol) werden Elektronen an die Natriumchloridlösung abgegeben. Das Wasser dissoziiert, wobei die entstehenden positiven H3O+-Kationen Elektronen aufnehmen, sie werden zu Wasser reduziert und Wasserstoff wird frei. Kathode:
4 H2O ĺ 2 H3O+ + 2 OH 2 H3O+ + 2 e ĺ H2 + 2 H2O
Nettoreaktion:
2 H2O (l) + 2 e ĺ H2 (g) + 2 OH (aq)
Dissoziation des Wassers Reduktion (Elektronenaufnahme)
An der Anode, (hier Pluspol) werden Elektronen aufgenommen. Das Natriumchlorid dissoziiert, die negativen Cl-Anionen geben Elektronen ab, sie werden zu Chlor oxidiert. Anode:
2 NaCl ĺ 2 Na+ + 2 Cl 2 Clĺ Cl2 + 2 e
Nettoreaktion:
2 NaCl (aq) ĺ 2 Na+ (aq) + Cl2 (g) + 2 e
Dissoziation des Salzes Oxidation (Elektronenabgabe)
Gesamtreaktion: 2 H2O (l) + 2 NaCl (aq) ĺ H2 (g) + Cl2 (g) + 2 Na+ (aq) + 2 OH (aq) Bei der technischen Umsetzung ist darauf zu achten, dass das entstehende Chlor nicht mit dem Wasserstoff (Bildung von Knallgas) oder den Hydroxid-Ionen (Bildung von Hypochlorit) in Kontakt kommt. Dies erreicht man im Membranverfahren durch Verwendung einer Membran aus Polytetrafluorethen (PTFE, Teflon), die für positive Na+-Kathio nen durchlässig ist, die negativen Anionen OH und Cl aber nicht passieren lässt. Eine analoge Funktion übernimmt eine poröse Trennwand im so genannten Diaphragmaverfahren. Das weniger verbreitete Amalgamverfahren verwendet dazu eine Kathode aus Quecksilber. Für die Erzeugung einer Tonne NaOH benötigt man ca. 2000 kWh Strom, dabei fallen ca. 25 kg Wasserstoff an [4-13].
4.2
Reformierung
Unter Reformierung versteht man die Erzeugung von Wasserstoff aus Kohlenwasserstoffen durch chemische Prozesse [4-22, 4-25, 4-28, 4-31]. Bei der Dampfreformierung werden leichte Kohlenwasserstoffe wie Methan mit Wasserdampf in einem endothermen Prozess in Synthesegas (CO und H2) umgewandelt. Bei der partiellen Oxidation werden schwere Kohlenwasserstoffe (z. B. Rückstandsöle aus der Erdölverarbeitung, schweres Heizöl) mit Sauerstoff exotherm zu Synthesegas umgesetzt. Bei der autothermen Reformierung werden die beiden Prozesse so kombiniert, dass im Idealfall die exotherm ablaufende partielle Oxidationsreaktion den Energiebedarf der endotherm ablaufenden Dampfreformierreaktion deckt. Das Kohlenmonoxid im Synthesegas wird in der Wassergasreaktion mit Wasserdampf katalytisch weiter zu Kohlendioxid und Wasserstoff umgesetzt. In letzter Zeit wird auch die Reformierung von Biogas erforscht, das hohe CO2 Anteile von über 50 % aufweist und damit eine geringere Wasserstoffausbeute liefert. Bei Hochtemperatur-Brennstoffzellen (SOFC und MCFC) kann die Reformierung von Kohlenwasserstoffen aufgrund der hohen Betriebstemperaturen intern erfolgen. Der Einsatz geeigneter Katalysatoren ermöglicht die Reformierung von Diesel oder Methanol
54
4 Erzeugung
auch bei niedrigeren Temperaturen. Dies wird durch ein vorgeschaltetes Reformersystem bei PEMFC-Anwendungen genutzt, wobei wegen der hohen erforderlichen Gasreinheit entsprechende Reinigungsstufen vorgesehen werden müssen.
4.2.1 Dampfreformierung Unter Dampfreformierung versteht man die endotherme katalytische Umsetzung von leichten Kohlenwasserstoffen wie Erdgas, Flüssiggas und Naphta (Rohbenzin) mit Wasserdampf. Diese Prozesse laufen großtechnisch üblicherweise mit Dampfüberschuss bei Temperaturen von 700 °C bis 900 °C und Drücken von 20 bar bis 40 bar, maximal 80 bar ab. Um die Reaktion zu beschleunigen, werden Katalysatoren aus Nickel oder Edelmetall eingesetzt. Die Nettoreaktionsgleichung lautet allgemein: CnHmOk + (n – k) H2O o n CO + (n + m/2 – k) H2 Das entstehende Gemisch aus CO und H2 wird Synthesegas oder Wassergas genannt. Es findet in der chemischen Industrie weite Verwendung, etwa in der Ammoniaksynthese, der Methanolproduktion oder in der Fischer-Tropsch-Synthese. Wird das Synthesegas zur Wasserstofferzeugung genutzt, lässt man das Kohlenmonoxid in der leicht exothermen Wassergasreaktion (auch Shiftreaktion genannt) mit Wasserdampf katalytisch weiter zu Kohlendioxid und Wasserstoff reagieren: CO + H2O o CO2 + H2
ǻRH = –41 kJ/mol
Die bei dieser Reaktion freigesetzte Energie kann aufgrund des niedrigeren Temperaturniveaus allerdings nicht direkt für die Reformierung genutzt werden. Es werden zwei Shiftreaktionen unterschieden. Die Hochtemperatur-Shiftreaktion erfolgt bei Temperaturen von 300 °C bis 500 °C mit Fe/Cr- oder Co/Mo-Katalysatoren, die NiedertemperaturShiftreaktion bei 190 °C bis 280 °C mit Messing- oder CuO/ZnO-Katalysatoren. Das Kohlendioxid wird anschließend durch Druckwechseladsorption oder Membranabtrennung aus dem Gasgemisch entfernt, das dabei auch noch von weiteren unerwünschten Bestandteilen gereinigt wird. Die wichtigsten Komponenten einer Anlage zu der am Häufigsten eingesetzten Dampfreformierung von Methan zeigt Abbildung 4-5. Zum Schutz des Nickelkatalysators wird das Erdgas zunächst entschwefelt und dann mit Wasserdampf versetzt und auf ca. 500 °C erhitzt. In den von außen befeuerten Katalysator-Rohrbündeln im Reformerofen laufen folgende Reaktionen ab: CH4 + H2O o CO + 3 H2
ǻRH = 206 kJ/mol
CH4 + 2 H2O o CO2 + 4 H2
ǻRH = 165 kJ/mol
Aus dem Reformer tritt das Gas mit etwa 850 °C aus. Nach einer Abkühlung wird das CO bei ca. 400 °C in der Shiftreaktion abgebaut: CO + H2O o CO2 + H2
ǻRH = -41 kJ/mol
4.2 Reformierung
55
Die Reinigung erfolgt in einer Druckwechseladsorption. Das Restgas mit ca. 60 % brennbaren Anteilen (H2, CH4, CO) wird zusammen mit dem Brenngas zur Befeuerung des Reformers verwendet.
Brenngas
Brenner Luft / Sauerstoff
Reformer Erdgas CH4 Wasser Entschwefelung
WT
Rauchgas Wasser
CO + H2
H2
WT
Wasser
CO-Shift Gasreinigung
Abbildung 4-5: Schema zur Dampfreformierung von Erdgas
Große Dampfreformierungsanlagen weisen Produktionskapazitäten von bis zu 100000 Nm³/h Wasserstoff auf, kleinere Anlagen erzeugen etwa 150 Nm³/h. Die Wirkungsgrade liegen zwischen 75 % und 80 %, für 1 Nm³ hochreinen Wasserstoff werden ca. 0,45 Nm³ Methan benötigt. Im Vergleich zu anderen Reformierungsverfahren erzielt diese großtechnische Methode die höchste Wasserstoffausbeute. Eine ausgeführte Anlage zur Erzeugung von 35000 Nm³/h Wasserstoff mit einer Reinheit von 99,99 Vol% zeigt Abbildung 4-6.
56
4 Erzeugung
Abbildung 4-6: Anlage zur Dampfreformierung von Erdgas in Leuna (D). Quelle: Linde [4-16]
4.2.2 Partielle Oxidation Unter partieller Oxidation (POX) versteht man die exotherme Umwandlung schwerer Kohlenwasserstoffe (z. B. Altöle, schweres Heizöl) mit Sauerstoff. Es gilt folgende Nettoreaktionsgleichung: CnHm + (n/2) O2 o n CO + (m/2) H2 Die Reaktion verläuft katalytisch bei Temperaturen von 600 °C bis 850 °C bei Sauerstoffunterschuss, je nach Prozessführung entstehen Synthesegas sowie Kohlendioxid und Ruß. Das Synthesegas reagiert in der Wassergasreaktion mit Wasserdampf weiter zu Kohlendioxid und Wasserstoff. Das Kohlendioxid wird ausgewaschen, das Produktgas in einer Druckwechseladsorption oder Membranabtrennung gereinigt. Das Verfahren erreicht Wirkungsgrade von etwa 70 % und wird großtechnisch mit Kapazitäten von bis zu 100000 Nm³ H2/h eingesetzt, wenn Erdgas nicht direkt verfügbar ist. Eine ausgeführte Anlage zur Erzeugung von 28000 Nm³/h Wasserstoff zeigt Abbildung 4-7. In Ländern mit großen Kohlevorkommen (Südafrika, China) kann auch Kohle als Ausgangsstoff für die partielle Oxidation genutzt werden. Die Kohle wird zermahlen und anschließend durch Beimengung von Wasser zu einer wenig viskosen Suspension mit einem Feststoffgehalt von bis zu 70 % vermischt.
4.2 Reformierung
57
Abbildung 4-7: Anlage zur partiellen Oxidation von Erdgas. Quelle: Linde [4-16]
4.2.3 Autotherme Reformierung Diese Kombination von Dampfreformierung und partieller Oxidation ermöglicht den Einsatz beliebiger Kohlenwasserstoffe, etwa von Erdgas, Benzin oder Diesel. Die beiden Prozesse werden so miteinander verknüpft, dass die Vorteile von Dampfreformierung (höhere Wasserstoffausbeute) und partieller Oxidation (Abgabe von Wärmeenergie) bestmöglich kombiniert werden. Dabei werden die Wasserdampf- und Luftzufuhr so bemessen, dass die exotherm ablaufende partielle Oxidationsreaktion den Energiebedarf der endotherm ablaufenden Dampfreformierreaktion möglichst deckt. Die Katalysatoren für die Prozesse werden vor hohe Anforderungen gestellt, sie müssen die Dampfreformierung, die partielle Oxidation wie auch die Wassergasreaktion begünstigen. Die insgesamt leicht endotherme Reformierung von Methan erfolgt bei ca. 850 °C nach folgender Nettoreaktionsgleichung: 4 CH4 + O2 + 2 H2O o 4 CO + 10 H2
ǻRH = 170 kJ/mol
Die Arbeitstemperatur des autothermen Reformers liegt über der anderer Reformer. Dabei entstehen wesentlich mehr Stickoxide, die eine aufwändige Nachreinigung der Rauchgase notwendig machen.
4.2.4 Reformierung bei niedrigen Temperaturen Für portable Anwendungen hofft man, durch Einsatz von Katalysatoren die Reformierung konventioneller flüssiger Kraftstoffe mit ihrer hohen Energiedichte bei niedrigen Temperaturen durchführen zu können. Hierbei spielt insbesondere die Partialoxidation von Methanol eine Rolle. Beim Einsatz von Brennstoffzellen genügt deren Abwärme, um die leicht endotherme Reformierung zu unterhalten.
58
4.3
4 Erzeugung
Direkte Spaltung von Kohlenwasserstoffen
4.3.1 Cracken Bei den bisher beschriebenen thermochemischen Verfahren erhält man ein Produktgas, das im günstigsten Fall nur Wasserstoff und Kohlenmonoxid enthält, wobei das Kohlenmonoxid in diesem Synthesegas in der Shiftreaktion unter Bildung weiteren Wasserstoffs zu Kohlendioxid konvertiert wird. Ein Verfahren zur Erzeugung von Wasserstoff aus fossilen Energieträgern ohne Bildung von Kohlendioxid stellt die thermische oder katalytische Spaltung (Cracken) der Kohlenwasserstoffe dar, die bei hohen Temperaturen über 800 °C unter Luftabschluss abläuft. Die Nettoreaktionsgleichung lautet allgemein sowie für Methan und Propan: CnHm o n C + m/2 H2 CH4 o C + 2 H2
ǻRH = 75 kJ/mol
C3H8 o 3 C + 4 H2
ǻRH = 104 kJ/mol
Prinzipiell kann mit diesem endothermen Prozess aus allen Kohlenwasserstoffen Wasserstoff ohne Kohlendioxid als Nebenprodukt hergestellt werden, allerdings ist der Energieeinsatz hoch und die Wasserstoffausbeute relativ gering. So ist etwa die Ausbeute an Wasserstoff pro Methaneinheit beim Cracken nur halb so hoch wie beim Dampfreformieren.
4.3.2 Kværner-Verfahren Seit Anfang der achtziger Jahre entwickelt die KVAERNER ENGINEERING S.A. aus Norwegen einen so genannten Plasmabogenprozess, der Kohlenwasserstoffe bei ca. 1600 °C in Reinstkohle und Wasserstoff trennt. Zu diesem aufwändigen Prozess, bei dem selbst keine nennenswerten Emissionen auftreten, sind neben dem Primärenergieträger (Erdgas oder Öl) auch Kühlwasser und Elektrizität notwendig. Eine seit April 1992 arbeitende Pilotanlage stellt aus 1000 Nm³/h Erdgas und 2100 kWel etwa 500 kg/h Reinstkohle (Aktivkohle) und 2000 Nm³/h Wasserstoff her. Als weiteres Nebenprodukt wird Heißdampf mit einer Leistung von etwa 1000 kW erzeugt. Unter Berücksichtigung aller potentiell verwertbaren Produkte arbeitet die Anlage mit fast 100 % Wirkungsgrad, wovon etwa 48 % im Wasserstoff, etwa 10 % im Heißdampf und die restlichen 40 % in der Aktivkohle enthalten sind.
4.4
Vergasung
Die Vergasung von Rohstoffen ist eine traditionelle Methode zur Herstellung eines Brenngases, die seit dem 17. Jahrhundert angewendet wird. Im Ersten und Zweiten Weltkrieg wurden Holzvergaser in Deutschland verbreitet eingesetzt, auch während der Zeit der Ölkrise um 1973 wurde die Vergasung verstärkt untersucht. Sie konnte sich bisher nicht kommerziell durchsetzen, weil die Reinheit des Produktgases unzureichend ist und der Aufwand für die erforderliche Reinigung hoch ist.
4.4 Vergasung
59
Unter der thermo-chemischen Vergasung eines Brennstoffs versteht man die Umsetzung eines Kohlenstoffträgers mit einem sauerstoffhaltigen Vergasungsmittel (Dampf, Luft oder Sauerstoff) bei hohen Temperaturen. Im Folgenden werden die Grundzüge der Vergasung dargestellt, für eine ausführliche Darstellung sei auf die Literatur verwiesen [4-7, 4-8, 4-25]. Je nach Verfahren entstehen Gase mit Wasserstoffgehalten bis 50 Vol%, flüssige Stoffe (Öle) und Feststoffe (Asche, Teer, Ruß). Industriell genutzt wird die Vergasung von Kohle, im Versuchsstadium befinden sich Verfahren zur Vergasung von biogenen Rückständen, Nebenprodukten und Abfällen [4-4, 4-6]. Die Wirkungsgrade zur Wasserstoffproduktion erreichen Werte um 50 %. Es gibt eine Reihe unterschiedlicher Verfahren, die verschiedene fossile oder biogene Ausgangsstoffe von Kohle bis Biomasse verarbeiten können. Das Vergasen von festen Brennstoffen wird bei Temperaturen von 800 °C bis 2000 °C bei einem Druck von maximal 40 bar durchgeführt. Die Ausgangsstoffe unterscheiden sich ganz wesentlich in ihrer chemischen Zusammensetzung, in ihrem Wassergehalt und Aschegehalt (in Masseprozent): Anthrazit: Braunkohle: Biomasse:
CH0,45O0,03 CH0,8O0,25 CH1,45O0,65
H2O: 1 % Asche: 3 % H2O: 15 – 65 % Asche: 1 – 60 % H2O: 15 – 95 % Asche: 0,3 – 70 %
Der Vergasungsprozess verläuft sehr komplex und lässt sich prinzipiell in vier Teilprozesse aufteilen:
Trocknung Thermolyse oder Pyrolyse (O = 0) Oxidation Vergasung (Reduktion, 0 d O d 1)
Die Aufteilung der Teilschritte im Vergaser ist durch den Brennstoff und das Vergasungsmittel, durch die Vergaserbauart, durch die sich einstellende Temperatur sowie durch das Sauerstoffangebot bestimmt.
4.4.1 Trocknung Das enthaltene Wasser wird durch eine Trocknung bei ca. 200 °C entfernt. Chemische Umwandlungen des Rohstoffs finden dabei nicht statt. Der besonders hohe Feuchtigkeitsgehalt von Biomasse kann durch anaerobe Methangärung zur Erzeugung von Biogas verwendet werden. Dieses Gas enthält 60 % bis 70 % Methan und kann in Verbrennungsmotoren oder Brennstoffzellen wie der MCFC (Schmelzkarbonat-Brennstoffzelle) direkt umgesetzt oder durch Reformierung in Wasserstoff umgewandelt werden.
60
4 Erzeugung
4.4.2 Thermolyse oder Pyrolyse Der Ablauf der Pyrolysereaktion wird durch die Temperatur, die Aufheizgeschwindigkeit sowie die Größe der Brennstoffpartikel bestimmt. Der Rohstoff wird zwischen 200 °C und 500 °C thermisch unter Luftabschluss in Kohlenstoff- und Wasserstoffverbindungen zerlegt. Die niedersiedenden Bestandteile des Rohstoffs werden verflüchtigt. Ab ca. 280 °C kommt es mit steigender Temperatur bis ca. 400 °C zunehmend zur Bildung der unerwünschten langkettigen Kohlenwasserstoffe Öl, Teer und Koks.
4.4.3
Oxidation
In der Oxidationszone wird der zerlegte Rohstoff durch das Oxidationsmittel in einer exothermen Reaktion bei 500 °C bis 2000 °C teilweise verbrannt. Die entstehende Reaktionswärme deckt den Bedarf an Energie für die endothermen Teilprozesse der Vergasung. Die wichtigsten Reaktionen in dieser Zone sind: C + ½ O2 o CO
ǻRH = –123,1 kJ/mol
Selektive Oxidation von Kohlenstoff
C + O2 o CO2 H2 + ½O2 o H2O
ǻRH = –392,5 kJ/mol
Oxidation von Kohlenstoff
ǻRH = –241,8 kJ/mol
Selektive Oxidation von Wasserstoff
4.4.4 Reduktion In dieser Zone reagieren die in der Oxidationszone gebildete Produkte (CO, CO2, H2O) mit Kohlenstoff bei 500 °C bis 1000 °C. Die ablaufenden Reaktionen sind die Boudouard-Reaktion und die heterogene Wassergasreaktion. Das Gleichgewicht dieser Reaktionen geht mit steigender Temperatur und fallendem Druck in Richtung CO und anschließend weiter zu CO und H2. C + CO2 ҡ 2 CO
ǻRH = 159,9 kJ/mol
Boudouard-Reaktion
C + H2O ҡ CO + H2
ǻRH = 118,5 kJ/mol
Heterogene Wassergasreaktion
Gleichzeitig findet die homogene Wassergasreaktion statt. Das Gleichgewicht der Reaktion verschiebt sich mit hoher Temperatur zugunsten von CO und Wasser. Auch wird Methan gebildet, wobei mit steigender Temperatur die Bildung abnimmt. CO + H2O ҡ CO2 + H2 ǻRH = –41 kJ/mol
Homogene Wassergasreaktion
C + 2 H2 ҡ CH4
Boudouard-Reaktion
ǻRH = –87,5 kJ/mol
Am Ende findet noch eine Oxidation von Wasserstoff und Kohlenmonoxid statt. Diese ist unerwünscht und führt zu einer Verminderung des Heizwerts des erzeugten Gases. CO + ½ O2 ҡ CO2
ǻRH = –283,0 kJ/mol
Selektive Oxidation von Kohlenmonoxid
H2 + ½O2 ҡ H2O
ǻRH = –285,9 kJ/mol
Selektive Oxidation von Wasserstoff
4.4 Vergasung
61
4.4.5 Vergaserbauarten Die Reaktionen laufen in einem Vergaser genannten Reaktor ab, der in unterschiedlichen Ausführungen betrieben wird. Je nach der Bewegung von Rohstoff und Oxidationsmittel unterscheidet man zwischen Festbett- und Fließbettvergaser. Die Festbettvergaser sind relativ einfach aufgebaut und werden für kleinere Anlagen eingesetzt, sie werden in Gegen- und Gleichstromvergaser unterteilt. Die Fließbettvergaser mit stationärer oder zirkulierender Wirbelschicht erreichen höhere Wirkungsgrade und werden wegen des teureren Aufbaus für größere Anlagen gebaut. Außerdem gibt es noch eine Reihe weiterer Vergasertypen wie Flugstromvergaser, Drehtrommelvergaser und zweistufige Vergaser. Der Wirkungsgrad des Vergasers wird aus dem Verhältnis von Brennwertstrom des Produktgases zu Brennwertstrom der zugeführten Rohstoffe gebildet und als Kaltgaswirkungsgrad bezeichet. Dieser erreicht Werte um 85 %. Gegenstromvergaser Oxidationsmittel und Rohstoff durchströmen den Gegenstromvergaser in gegenläufiger Richtung, siehe Abbildung 4-8 links. Der Rohstoff wird von oben, das Oxidationsmittel von unten in den Reaktor eingebracht. Es bildet sich eine über 1000 °C heiße Oxidationszone am Vergaserboden. Durch den Mangel an Sauerstoff kann der zu vergasende Stoff nicht vollständig oxidiert werden. Die Rauchgase ziehen nach oben. Es bilden sich die Reduktions-, Pyrolyse- und Trockenzone. Da diese Zonen einen hohen Wärmebedarf besitzen, tritt das Rohgas bei Temperaturen von 70 °C bis 200 °C aus. Die Vergaser sind für grobe Stückigkeit geeignet, unempfindlich gegen variable Wassergehalte und weisen einen guten Wirkungsgrad auf. Wegen der niedrigen Rohgastemperaturen ist der Teeranteil hoch.
Rohstoff
Rohstoff
Synthesegas
Trocknung
Trocknung
Gas
Oxidation
Oxidationsmittel
Gas
Oxidation
Biomasse
Reduktion
Pyrolyse
Biomasse
Pyrolyse
Oxidationsmittel
Reduktion Synthesegas
Asche
Asche
Abbildung 4-8: Links: Aufbau Gegenstromvergaser, rechts: Aufbau Gleichstromvergaser
62
4 Erzeugung
Gleichstromvergaser Oxidationsmittel und Rohstoff durchströmen den Gleichstromvergaser in gleicher Richtung von oben nach unten, siehe Abbildung 4-8 rechts. Dabei wird durch die Wärme aus der heißen Oxidationszone der Rohstoff stark erhitzt und es bilden sich die Trocknungszone sowie die Pyrolysezone. Anschließend wird der Rohstoff mit dem Oxidationsmittel oxidiert und in der folgenden Reduktionszone das im Rauchgas enthaltene CO2 und H2O am Kohlebett reduziert. Die Oxidationszone besitzt eine Verengung, die eine einheitliche Temperaturverteilung um 1300 °C gewährleistet soll. Durch die hohen Temperaturen wird der Teer in der Pyrolysezone aufgespaltet. Die Vergaser sind für grobe Stückigkeit geeignet und empfindlich gegen variable Wassergehalte. Wirbelschichtvergaser Bei dieser Vergasung wird der Rohstoff in feinen Stücken von 0,5 mm bis 8 mm eingebracht. Das zur Vergasung notwendige Oxidationsgas wird von unten in den Reaktor eingeblasen. Dadurch entsteht mit steigender Anströmgeschwindigkeit eine wirbelnde Schicht, die durch die hohen Gasgeschwindigkeiten den Wärme- und Stofftransport fördert. Dies beschleunigt den Vergasungsprozess, so dass große Mengen in kurzer Zeit umgesetzt werden können. Es entsteht wenig Staub und Teer. Höchste Leistungen werden bei zirkulierender Wirbelschicht erzeugt, wobei die Staub- und Teerbildung etwas höher ist. Abbildung 4-9 zeigt einen Vergaser links mit stationärer und rechts mit zirkulierender Wirbelschicht. Flugstromreaktor Höchste Wirkungsgrade erzielt der Flugstromreaktor, in dem der Rohstoff feinkörnig kleiner 0,1 mm eingebracht wird. Das Rohgas ist frei von Öl und Teer. Synthesegas
Synthesegas
Freiraum
Stationäre Wirbelschicht
Rohstoff Rohstoff
Oxidationsmittel Oxidationsmittel
Abbildung 4-9: Stationäre (links) und zirkulierende (rechts) Wirbelschicht
4.5 Reinigung
4.5
63
Reinigung
Vor allem das aus thermo-chemischen und bio-chemischen Verfahren gewonnene Produktgas enthält eine Reihe von Komponenten, aus denen Wasserstoff abgetrennt und gereinigt werden muss. Je nach dem gewünschten Reinheitsgrad werden unterschiedliche Reinigungsverfahren angewendet. Zunächst werden die Ausgangsstoffe gereinigt, wobei insbesondere unerwünschte Bestandteile wie Metalle und Schwefel entfernt werden. Aus dem Produktgas lässt man CO in der Regel über die Wassergas-Shiftreaktion zu CO2 und H2 weiterreagieren. Nach der Auskondensation von Wasser folgt meist eine Druckwechseladsorption. Für die Feinreinigung des Produktgases kommen für kleinere Anlagen vor allem chemische katalytische Reinigungsverfahren zur Anwendung, in zentralen Großanlagen werden auch physikalische Reinigungsverfahren angewendet [4-17, 4-28, 4-31]. Die Reinheit technischer Gase wird durch ein Zahlenpaar der Form x.y angegeben. Dabei gibt die erste Zahl x die Anzahl der 9er der Reinheit in Volumensprozent an. Die zweite Zahl bildet die Kommastelle nach dem letzten 9er. Ein Gas der Reinheitsklasse 3.5 ist also zu 99,95 Vol% rein, ein Gas der Klasse 5.0 zu 99,9990 Vol%. Dieses Gas enthält also maximal 0,001 Vol% Verunreinigungen, das sind 0,01 Promille oder 10 ppm.
4.5.1 Reinigung der Ausgangsstoffe In der Reinigung der Ausgangsstoffe (Biomasse, Kohle, Öl, Erdgas) werden durch Entstaubung, Entschwefelung und Gaswäsche vor allem Chlor, Schwermetalle und Schwefel entfernt. Entstaubung Die physikalische Entstaubung von Gasen erfolgt in mehreren Trennverfahren in Serie: Ein Zyklonabscheider entfernt als erster die groben Teilchen (t 5 mm), ein Elektrofilter kleinere Partikel (Reststaubgehalt: 75 mg/Nm3), es folgen Schütteltrichter (10 mg/Nm3) und Kerzenfilter (< 5 mg/Nm3). Entschwefelung Da Katalysatoren durch Schwefel und Schwefelverbindungen wie H2S deaktiviert werden, müssen bei den meisten Prozessen die Ausgangsstoffe entschwefelt werden. Bei der Erdgasreinigung werden verschiedene Verfahren eingesetzt, wie die adsorptive Entschwefelung mittels Aktivkohlebett oder aktiviertem Aluminiumoxid, die Hydrierung und der Claus-Prozess. Bei hohen Schwefelgehalten werden das MEA-Verfahren (chemische Absorption durch Monoethanolamin), das MDEA-Verfahren (chemische Absorption durch Methyl-Diethanolamin) und das Purisol-Verfahren (physikalisches Waschverfahren zum Absorbieren von H2S) eingesetzt. Katalytische Verfahren für kleinere Anlagen und bei niedrigen Konzentrationen befinden sich in der Entwicklung, wie etwa der Einsatz von Zinkoxid-Patronen. Bei niedrigen Konzentrationen an Schwefelverbindungen erfolgt hierbei die Entschwefelung mittels chemischer Bindung an ZnO (ZnO + H2S o ZnS + H2O). Die ZnO-Patronen müssen regelmäßig ausgetauscht werden.
64
4 Erzeugung
Gaswäsche Das Verfahren ist besonders für Methan aus Bio-, Klär- oder Deponiegas geeignet und beruht auf der chemischen Absorption der Verunreinigung in einer Waschflüssigkeit. Aufgrund seiner relativ unselektiven Lösungseigenschaften ist dazu kaltes Wasser gut geeignet. Erfolgt die Reaktion bei erhöhtem Druck (ca. 8 bar bis 15 bar), spricht man von Druckwäsche, siehe Abbildung 4-10.
CH4, H2 zum Reformer
heiß
kalt
Wasseraufbereitung
Bio-, Deponieoder Klärgas (815 bar)
Druckgaswäsche
Restgas, CO2, H2S
Druckluft Filter Wärmetauscher
Abbildung 4-10: Druckgaswäsche
Neben Kohlendioxid CO2 können mit diesem Verfahren auch Stickstoffverbindungen wie Ammoniak NH3 oder Cyanwasserstoff HCN (Blausäure) und Schwefelwasserstoff H2S, aber auch Staubpartikel und Mikroorganismen (z. B. Pilzsporen oder Bakterien aus der Biogaserzeugung) entfernt werden. Durch eine Umkehrreaktion können die Verunreinigung aus dem dazu meist erhitzten Wasser wieder entfernt und die Waschflüssigkeit so regeneriert werden. In einer derartigen Gasreinigungsanlage kann etwa die Aufbereitung von Biogas auf Erdgasqualität entsprechend der ÖVGW Richtlinie G31 erfolgen [4-21].
4.5.2 Reinigung des Endprodukts In dieser nachgeschalteten Reinigung werden vor allem Kohlenmonoxid sowie Wasser, Sauerstoff und Ammoniak aus dem Produktgas entfernt. Es kommen chemische und physikalische Verfahren zum Einsatz. Zu den chemischen Umwandlungsverfahren mit Katalysatoren zählen die CO-Konvertierung sowie die selektive CO-Methanisierung und COOxidation, die physikalischen Verfahren gliedern sich in Adorptions- und Membranverfahren, vgl. Abbildung 4-11.
4.5 Reinigung
65
Chemische Umwandlung
Physikalische Trennung
vom Reformer
vom Reformer
Katalysator, Temperatur geregelt
Restgas Membran beschichtet mit Adsorbens
CO < 10ppm
zur Brennstoffzelle
H2 > 99,999% rein zur Brennstoffzelle
Abbildung 4-11: Chemische und physikalische Reinigungsverfahren
Chemische Umwandlungsverfahren Nach der Absenkung des CO-Gehalts auf ca. 1 % in der Wassergas-Shiftreaktion wird das Kohlenmonoxid in den chemischen Umwandlungsverfahren mittels Wasser, Wasserstoff oder Sauerstoff durch folgende Reaktionen aus dem Produktgas entfernt: CO-Konvertierung:
CO H 2 O o CO 2 H 2
CO-Methanisierung:
CO 3H 2 o CH 4 H 2 O
CO-Oxidation:
1 CO O2 o CO2 2
Bei der CO-Oxidation muss auf eine genau geregelte Sauerstoff- oder Luftzufuhr geachtet werden, da sonst wieder eine Verunreinigung des Wasserstoffs eintritt bzw. Wasserstoff zu Wasser reagiert. Die Wirkungsgrade dieser Verfahren werden durch die Reaktionsparameter (Gaskonzentration, Strömungsgeschwindigkeit, Druck, Temperatur und Katalysatormaterial) bestimmt. Die einzelnen Methoden können miteinander kombiniert werden und erreichen so Reinheitsgrade bis zu wenigen ppm CO. Wichtig bei der CO-Konvertierung ist eine nachgeschaltete CO2-Wäsche.
66
4 Erzeugung
Physikalische Trennung Die Druckwechseladsorption (DWA) ist ein bewährtes Industrieverfahren zur Wasserstoffreinigung nach Reformierungsprozessen und zur Gewinnung von Wasserstoff aus wasserstoffhältigen Abgasen etwa von Raffinerieprozessen oder Koksöfen. Das zu reinigende Gas wird unter hohem Druck durch einen Aktivkohlefilter (Kohlenstoffmolekularsieb) geleitet. Dabei bleiben Kohlendioxid, leichte und schwere Kohlenwasserstoffe sowie andere Verunreinigungen an der Aktivkohle haften. Da der Filter regeneriert werden muss, kann nur ein diskontinuierlicher Betrieb erfolgen. Bei vollem Filter wird das Gas auf eine andere Einheit umgeleitet, im Filter wird der Druck abgesenkt und der Filter gespült, vgl. Abbildung 4-12. Mit Hilfe dieses Verfahrens können hohe Reinheiten bis zu 99,999 Vol% Wasserstoffanteil erreicht werden (Reinheit 5.0). Anstelle der Aktivkohle werden auch spezielle Polymere eingesetzt, die Kohlendioxid selektiv aufnehmen.
Spülgas
reines H2
Aktivkohle oder Polymer
Hochdruck Gasreinigung
Verunreinigtes H2 mit H2S, CO2, CO
Niederdruck Spülung des Adsorbents
H2S, CO2, CO mit H2-Resten
Abbildung 4-12: Arbeitsgang und Regeneration bei der Druckwechseladsorption
Die selten eingesetzte Temperaturwechseladsorption (TWA) arbeitet bei erhöhten Temperaturen und ermöglicht auch eine Entfernung von Wasser, Quecksilber, Ammoniak, Sauerstoff, Schwefelwasserstoff und Kohlendioxid. Meist liegt eine hohe Bindungsenergie des Adsorptivs vor. Durch den hohen Energieaufwand ist das Verfahren teuer und wird deshalb nur bei besonderen Reinheitsanforderungen gewählt. Zur Erzeugung von Reinstwasserstoff (>99,999 %) wird in Membranverfahren Wasserstoffgas bei 5- bis 10-fachem Überdruck durch Membranen aus Palladium sowie Silber/Palladium gedrückt. Die Membran lässt nur Wasserstoff durchdiffundieren, Kohlenmonoxid und andere Verunreinigungen werden abgeschieden. Da Edelmetalle teuer sind, werden immer dünnere Membranen entwickelt. Dies begünstigt den Durchsatz und reduziert zugleich den Einsatz des kostbaren Materials.
4.6 Spaltung von Wasser
67
Die Abtrennung von Kohlenmonoxid aus Wasserstoff kann auch durch Keramikmembranen erfolgen, Membranen aus kostengünstigem Polysulfon befinden sich im Erprobungsstadium. Metallhydride Neben der Möglichkeit zur Speicherung von Wasserstoff werden Metallhydride auch zur Reinigung eingesetzt, weil Verunreinigungen im Trägermaterial zurückbleiben. Die Methode ist teuer, liefert aber höchstreine Gase, wie sie etwa im Bereich der Halbleiterindustrie benötigt werden.
4.6
Spaltung von Wasser
4.6.1 Thermische Wasserspaltung Die chemische Gleichung für die Wasserspaltung lautet: H2O ĺ H2 + ½ O2
ǻRH = 285 kJ/mol
Die Spaltung von Wasser erfordert einen relativ hohen Energieaufwand. Aus einem kmol Wasser erhält man ein kmol Wasserstoff bei einem Energieeinsatz von 285 MJ, d. h. pro Kilogramm Wasserstoff werden im Idealfall 142 MJ = 39,44 kWh an Energie benötigt (das entspricht dem Brennwert von Wasserstoff). Die direkte thermische Spaltung von Wasser erfolgt erst bei sehr hohen Temperaturen und dort nur unvollkommen. Ab ca. 1700 °C treten nennenswerte Anteile an Wasserstoff auf, bei 2700 °C sind erst ca. 15 % des Wassers gespalten. Als industrielles Herstellungsverfahren für Wasserstoff spielt die Thermolyse keine Rolle, sie wird im Zusammenhang mit Hochtemperatur-Nuklearprozessen erforscht.
4.6.2 Elektrochemische Wasserspaltung Bei Verwendung von elektrischer statt thermischer Energie kann man die Wasserspaltung schon bei Zimmertemperatur durchführen. Die elektrochemische Zerlegung einer Substanz durch Stromzufuhr heißt Elektrolyse. Dabei wird elektrische in chemische Energie umgewandelt. Die Elektrolyse ist der Umkehrprozess eines galvanischen Elements. Galvanische Elemente wie eine Batterie, ein Akkumulator oder eine Brennstoffzelle (siehe entsprechenden Abschnitt) stellen Gleichspannungsquellen dar. Die Elektrolysezelle ist mit einer Gleichspannung zu beaufschlagen, um den elektrochemischen Umwandlungsprozess zu unterhalten. Eine galvanische Zelle gibt Arbeit ab, eine Elektrolysezelle nimmt Arbeit auf. Im Folgenden werden einige elektrochemische Grundlagen dargestellt, zur Vertiefung sei auf die Literatur verwiesen [4-11, 4-13, 4-14]. Oxidation bedeutet das Abgeben von Elektronen, das Aufnehmen von Sauerstoff oder das Abgeben von Wasserstoff (Dehydrierung, Erhöhung der Oxidationszahl), Reduktion
68
4 Erzeugung
bedeutet das Aufnehmen von Elektronen, das Abgeben von Sauerstoff oder das Aufnehmen von Wasserstoff (Hydrierung, Erniedrigen der Oxidationszahl). Als Anode wird immer jene Elektrode bezeichnet, an der der Oxidationsvorgang abläuft und an die somit Elektronen abgegeben werden. Als Kathode wird jene Elektrode bezeichnet, an der die Reduktionsreaktion stattfindet und die somit Elektronen abgibt. Elektrolytische und galvanische Zellen weisen einen ähnlichen Aufbau auf. Zwischen zwei Elektronenleitern, den Elektroden, befindet sich ein Ionenleiter, der Elektrolyt. An der Grenzfläche zwischen Elektrode und Elektrolyt laufen prinzipiell umkehrbare stromerzeugende oder stromverbrauchende Reaktionen ab. Bei der Elektrolyse wässriger Lösungen entstehen Sauerstoff und Wasserstoff, wenn an den Elektroden eine gewisse Spannung angelegt wird. Umspülen Sauerstoff und Wasserstoff die Elektroden, wird eine Spannung erzeugt. Bei der Elektrolyse ist die Anode der Pluspol, die Kathode der Minuspol, bei der galvanischen Zelle ist es umgekehrt, siehe Tabelle 4-1. Tabelle 4-1: Elektrolyse und galvanische Zelle Elektrolysezelle
Galvanische Zelle
Anode (Oxidation)
Pluspol
Minuspol
Kathode (Reduktion)
Minuspol
Pluspol
elektrische Arbeit
zugeführt (positiv)
abgegeben (negativ)
Klemmspannung
EKl > E0
EKl < E0
Das vereinfachte Prinzip eines Elektrolysevorganges ist in Abbildung 4-13 dargestellt. Als Elektrolyt nehmen wir reines Wasser an. Dieses dissoziiert in geringem Maße in H+Ionen (Protonen) und OH-Ionen (Hydroxid-Ionen): H2O ĺ H+ + OH Die Konzentration beider Ionenarten beträgt je 10–7 Mol/Liter. Als pH-Wert wird der negative dekadische Logarithmus der Konzentration der H+-Ionen definiert, in diesem Fall gilt pH = 7. Das Proton besteht frei nur sehr kurze Zeit und verbindet sich sofort mit einem Wassermolekül zu einem H3O+-Ion (Hydronium-Ion oder Oxonium-Ion), so dass gilt: 2 H2O ĺ H3O+ + OH In der Praxis wird das Wasser durch Zugabe von Säuren wie HCl, Basen wie KOH oder löslichen Salzen wie NaCl leitfähiger gemacht und so der ohmsche Widerstand herabgesetzt. Säuren sind Stoffe, die in wässriger Lösung Protonen bzw. Oxonium-Ionen bilden. HCl zerfällt in H+ und Cl und erhöht damit im Wasser die Konzentration an H3O+-Ionen, der pH-Wert sinkt. Basen sind Stoffe, die in wässriger Lösung Hydroxid-Ionen bilden. KOH zerfällt in K+ und OHund erhöht damit im Wasser die Konzentration an OH-Ionen. Aus Gleichgewichtsgründen verringert sich dadurch die Konzentration an H3O+-Ionen, die mit OH-Ionen zu Wasser reagieren, der pH-Wert nimmt zu.
4.6 Spaltung von Wasser
69
+ 2e-
2e-
Anode +
½O2
Kathode -
H2
-
-
2 OH-
-
2e-
-
-
-
H2O
2 OH o H2 O + ½ O2 + 2 e
2e-
2 H2 O + 2 e o H2 + 2 OH
Abbildung 4-13: Prinzip des Elektrolysevorgangs
Legen wir an die Elektroden eine gewisse Gleichspannung an, wird das Wasser durch Reaktionen der an den Elektroden in seine Bestandteile zerlegt. Von der Kathode, die hier der Minuspol ist, werden Elektronen an das Wasser abgegeben. Das Wasser (l = liquid) wird reduziert, es bilden sich Wasserstoff (g = gasförmig) und OH-Ionen (aq = in wässriger Lösung). Genauer betrachtet erfolgt die Reaktion über die Dissoziation des Wassers, wobei die entstehenden positiven H3O+-Kationen Elektronen aufnehmen, sie werden zu Wasser reduziert und Wasserstoff wird frei. Kathode:
4 H2O ĺ 2 H3O+ + 2 OH 2 H3O+ + 2 e ĺ H2 + 2 H2O
Dissoziation des Wassers Reduktion (Elektronenaufnahme)
Nettoreaktion: 2 H2O (l) + 2 e ĺ H2 (g) + 2 OH (aq) An der Anode, die hier der Pluspol ist, werden Elektronen von den negativen OHAnionen aufgenommen, diese werden zu Wasser oxidiert und Sauerstoff wird frei. Anode:
2 OH (aq) ĺ H2O (l) + ½ O2 (g) + 2 e
Oxidation (Elektronenabgabe)
Der Ausgleich der Ladungen findet durch Leitung der OH-Anionen im Elektrolyten statt. Gesamtreaktion:
H2O (l) ĺ H2 (g) + ½ O2 (g)
ǻRH = 285 kJ/mol
Die Energie zur Zerlegung des flüssigen Wassers wird durch die Zufuhr von Gleichstrom bereitgestellt. Zur Herstellung des Zusammenhangs zwischen Reaktionsenthalpie und elektrischer Energie dienen folgende elektrochemischen Grundlagen und Definitionen:
70
4 Erzeugung
Allgemein gilt für die Reaktionsenthalpie 'RH der Satz von Hess: Die Enthalpieänderung einer Gesamtreaktion bleibt gleich unabhängig davon, in wie vielen Schritten und über welche Zwischenstufen ein Reaktionsprodukt gewonnen wird. Eine chemische Reaktion kann allgemein durch folgende Reaktionsgleichung beschrieben werden: nA A nB B ... o nE E nF F ...
Üblicherweise bezieht man die Reaktion auf 1 kmol eines Ausgangsprodukts. Wählt man dafür etwa die Komponente A, erhält man nach Division durch nA: A Q B B ... o Q E E Q F F ...
0
¦Q
st i
Pi
i
Darin sind Pi die Reaktionspartner oder Komponenten mit den Ausgangsprodukten oder Reaktanten A, B, ... und den (End-)Produkten E, F, ..., ni die Molzahl der Komponente i (negativ für Ausgangsprodukte und positiv für Endprodukte) und Qst i die stöchiometrini , Qst A = 1). schen Koeffizienten der Komponente i (Q st i nA Nach dem Satz von Hess lässt sich die Reaktionsenthalpie 'RH einer Reaktion aus der Differenz der Summen der Standardenthalpien mal der stöchiometrischen Koeffizienten von Produkten minus Edukten berechnen: ǻR H
¦
Ȟ i ǻH i
Produkte
¦
Ȟ j ǻH j
Edukte
Wir verstehen wenn nicht anders angegeben die Reaktionsenthalpie und die Standardenthalpien immer bei Standardbedingungen (Kennzeichnung durch 0, 'RH = 'RH0), d. h. bei einer Temperatur T0 = 25 °C oder 298,15 K und bei einem Druck p0 = 1,01325 bar. Die Standardenthalpien der Elemente bei Standardbedingungen sind Null. Für viele Verbindungen sind die Standardenthalpien aus Stoffwertedatenbanken zu entnehmen [4-19], es handelt sich dabei um deren Bildungsenthalpien ǻBH (auch ǻFH, formation) bei Standardbedingungen. Ebenfalls zu berücksichtigen sind die Enthalpieänderungen bei Phasenübergängen. Die Abhängigkeit der Enthalpieänderungen von der Temperatur beschreibt die Kirchhoff-Gleichung, mit der die Enthalpieänderung bei jeder Temperatur bestimmt werden kann, indem das Integral für ǻRCmp gelöst wird, wobei ǻRCmp eine Funktion der Temperatur ist und nach denselben Gesetzen berechnet werden kann wie ǻRH: T
ǻ R H T
ǻ R H 298,15
³
ǻ R Cmp T dT
298,15
Für die Zerlegung von Wasser H2O (l) ĺ H2 (g) + ½ O2 (g) gilt, dass die Bildungsenthalpien von Wasserstoff und Sauerstoff gleich Null sind, die Bildungsenthalpie für (flüssiges) Wasser bei Standardbedingungen beträgt ǻBH = –285 kJ/mol. Damit erhält man für die Reaktionsenthalpie bei Standardbedingungen ǻRH0 = 0 + 0 – (–ǻBHWasser) = 285 kJ/kg.
4.6 Spaltung von Wasser
71
Läuft die Wasserzerlegung etwa bei einer Temperatur von 100 °C ab, bei der das Wasser gasförmig vorliegt, H2O (g) ĺ H2 (g) + ½ O2 (g), sind die Verdampfungsenthalpie des Wassers bei 100 °C von ǻVH = 40,6 kJ/mol zu berücksichtigen sowie die Temperaturabhängigkeit der Reaktionsenthalpie für den Bereich von 25 °C bis 100 °C von 'TH = 2,4 kJ/mol, und man erhält eine Reaktionsenthalpie von: ǻRH (373,15 K) = 0 + 0 – (–ǻBHWasser + ǻVH + 'TH) = 242 kJ/mol. Bei der Umkehrung der Spaltungsreaktion, also der Verbrennung von Wasserstoff und Sauerstoff zu Wasser, äußert sich dieser Unterschied in der Differenz zwischen Heizwert und Brennwert. Als SI-Basiseinheit für die elektrische Stromstärke wird das Ampere [A] definiert: 1 A ist die Stärke eines konstanten elektrischen Stroms I, der zwischen zwei parallelen Leitern im Vakuum mit 1 m Abstand je 1 m Länge eine elektrodynamische Kraft von 2 · 10–7 N hervorruft. Als abgeleitete SI-Einheiten werden definiert: Das Coulomb [C] für die elektrische Ladung Q: 1 C ist gleich der Elektrizitätsmenge Q, die während 1 s bei einem zeitlich unveränderlichen Strom I der Stärke 1 A durch den Querschnitt eines Leiters fließt: Q = I · t , 1 C = 1 A · 1 s. Das Volt [V] für die elektrische Spannung U oder das elektrische Potenzial E: Die elektrische Spannung U oder das elektrische Potenzial E von 1 V zwischen zwei Punkten eines Leiters liegt vor, wenn bei einem stationären Strom I von einem Ampere zwischen den beiden Punkten eine Leistung P von 1 Watt umgesetzt wird. U = P / I , 1 V 1 W 1 J . 1A 1C Damit kann die Gleichsetzung von elektrischer Energie mit mechanischer Energie bzw. Wärmeenergie über die Identität 1 VAs = 1 VC = 1 Ws = 1 J erfolgen. Die elektrische Energie (Arbeit) entspricht dem Produkt von Ladung x Spannung. Der elektrische Widerstand R in Ohm [:] ist der Quotient aus Spannung U und Stromstärke I: 1 := 1 V / 1 A. Die Elementarladung, Formelzeichen e, ist die kleinste elektrische Ladung eines Elementarteilchens, z. B. eines Elektrons. Es ist eine Naturkonstante mit dem Wert e = 1,6022 · 10í19 C. Ein mol Elektronen hat demnach eine elektrische Ladung von NA · e = 6,022 · 1,602 · 104 C. Dies entspricht der Faraday Konstanten F = 96485,34 C/mol. Weiters gilt: 1 eV = 1,602 · 10–19 J, 1 J = 6,2415 · 1018 eV. Das 1. Faradaysche Gesetz besagt, dass die Molmasse n eines bei der Elektrolyse abgeschiedenen Stoffes proportional der Ladung, also dem Produkt aus Stromstärke und Zeit ist: Q = I · t = n · z · NA · e = n · z · F. Für die Elektrolyse lautet der Zusammenhang zwischen Reaktionsenthalpie ǻRH, die der elektrischen Arbeit Wel entspricht, elektrischer Ladung Q und der Zellspannung U demnach: ǻRH = Q · U
72
4 Erzeugung
Mit der Ladungszahl z (entspricht der Anzahl der ausgetauschten Elektronen bzw. der Molzahl der ausgetauschten Elektronen) und der Faraday Konstanten F ergibt sich damit, wenn die Zellspannung mit E bezeichnet wird: ǻRH = n · z · F · E = Wel. Hierbei ist zu beachten, dass das Vorzeichen der Gleichung – anders als bei galvanischen Elementen oder Brennstoffzellen – positiv ist, da hier Arbeit zugeführt wird. Daraus erhält man für die theoretisch erforderliche Spannung E0 (auch Zersetzungsspannung EZ genannt) zur Zersetzung von 1 mol Wasser bei einer Ladungszahl von z = 2: EZ
'R H zF
285000 2 . 96485
1,48 V
In Abbildung 4-14 ist der Spannungsverlauf über dem Stromfluss dargestellt. Man sieht, dass für galvanische Zellen die Spannung bei Erhöhung des Stromes etwa linear abfällt, während bei der Elektrolyse eine die Zersetzungsspannung überschreitende Spannung aufgebracht werden muss, um einen höheren Stromfluss und somit eine höhere Gasausbeute zu erzielen. Beim galvanischen Element sinkt die Klemmenspannung bei Stromfluss durch den Innenwiderstand der Zelle und den Außenwiderstand des Stromkreises, siehe Abbildung 4-15. Im Falle des erzwungenen Stromflusses durch eine Elektrolysezelle addiert sich der Spannungsabfall des inneren Widerstandes der Zelle I · Ri zur Zersetzungsspannung EZ und ergibt so die Klemmenspannung EKl [4-11]: EKl = EZ + I · Ri. Diese steigt mit wachsendem Strom, wie in der Abbildung erkennbar ist. Das heißt, je höher der Stromfluss, desto höher muss auch die der Zelle aufgezwungene Spannung sein, um die elektrolytische Reaktion in Gang zu setzen oder zu verstärken.
Klemmenspannung EKl
Einen realeren Verlauf des Strom-Spannungsverhaltens einer Elektrolysezelle gibt Abbildung 4-16 wieder. Es ist der anfänglich nicht-lineare Bereich erkennbar, wobei eine merkliche Zunahme des Stromflusses erst ab dem Erreichen der Zersetzungsspannung EZ einsetzt [4-11].
E0
b)
lle eze s y l ktro Ele
a) g alva
n. E lem ent
Ez
I Ri
I Ri
I Ra
Strom I Abbildung 4-14: Strom-Klemmspannungsverlauf a) galvanischen Element und b) Elektrolysezelle
4.6 Spaltung von Wasser
73
Abbildung 4-15: Ersatzschaltbild einer galvanischen Zelle mit Innen- und Außenwiderstand
I Ri EKl
Ra
E0
Strom I [A]
Abbildung 4-16: Elektrolysestrom als Funktion der Klemmspannung
EZ Klemmenspannung E Kl [V]
Aus thermodynamischen Gründen ist eine erhöhte Betriebstemperatur für die Elektrolyse vorteilhaft. Die verlustlosen Verläufe von Reaktionsentropie 'S, freier Reaktionsenthalpie 'G und Reaktionsenthalpie 'H für die Wasserzersetzung über der Temperatur zeigt Abbildung 4-17 [4-10]. Es gilt 'G = 'H – T · 'S, siehe Abschnitt Brennstoffzelle. Man erkennt, dass mit steigender Temperatur ein zunehmender Anteil der Reaktionsenthalpie durch Wärme anstelle von elektrischer Arbeit zugeführt werden kann. Bei sehr hohen Temperaturen erfolgt die Wasserspaltung wie erwähnt rein thermisch.
74
4 Erzeugung
300
'+
250
Energie [kJ/mol K]
Q = T 'S 200
150
100
Wel = 'G
'S
50
'G
0 0
500
1000
1500
2000
2500
3000
3500
4000
4500
5000
Temperatur [K]
Abbildung 4-17: Energieanteile der Elektrolyse über der Temperatur
Elektrolysesysteme In Elektrolyseuren soll die Betriebstemperatur möglichst hoch gewählt werden, was auch die Reaktionskinetik an den Elektroden verbessert. Allerdings ergeben sich mit steigender Temperatur zunehmend Materialprobleme, so dass in konventionellen Elektrolyseuren Temperaturen von 80 °C kaum überschritten werden, neue Systeme erreichen Temperaturen bis 120 °C. Elektrolyseure werden bereits seit vielen Jahren kommerziell betrieben, es gibt eine Reihe von Ausführungen [4-27]. Ein prinzipielles Anlagenschema zeigt Abbildung 4-18. Die Elektrolyse erfordert eine konstante Zufuhr von Wasser, es werden ca. 0,8 Liter Wasser pro 1 Nm³ Wasserstoff verbraucht. In einer Wasseraufbereitungsanlage wird das Wasser entsalzt. Dies erfolgt etwa durch Deionisation in regenerierbaren Mischbettentsalzungspatronen. Der erzeugte Wasserstoff weist eine Reinheit von über 99,9 % auf, eine weitere Reinigung kann etwa durch adsorptive Trocknung erfolgen. Vor der Speicherung muss der Wasserstoff verdichtet werden. Durch Widerstände und Verluste erreichen Elektrolyseure derzeit Wirkungsgrade von etwa 65 % bis 70 %. Der elektrische Energiebedarf beträgt somit mindestens 4 kWh pro erzeugtem Nm³ Wasserstoff. Elektrolyse ist dort rentabel, wo billiger Strom zur Verfügung steht, etwa aus Wasserkraft oder Offshore Windparks.
4.6 Spaltung von Wasser
75
O2 Speisewasseraufbereitung
H2
Gaskühler Wäscher
Gasabscheider
Druckbehälter
Speisewasserbehälter
Flaschen Abfüllung
Elektrolyseur Verbraucher
Elektrolyttank
Elektrolytpumpe
Gleichstrom Leistungsaufbereitung
Gas Kompressor Zwischenbehälter -reinigung -trocknung
Abbildung 4-18: Anlagenschema zur Elektrolyse [4-9]
Konventionelle alkalische Elektrolyse Dieses Verfahren verwendet einen wässrigen, alkalischen Elektrolyten, etwa eine 6 %ige Kalilauge KOH. Der Kathoden- und der Anodenraum sind durch eine mikroporöse halbdurchlässige (= semipermeable) Membrane geteilt, um die Vermischung der entstehenden Gase zu unterbinden. OH-Ionen durchdringen dieses Diaphragma. Die Entwicklung von neuen Materialien für die Diaphragmen erlaubt auch einen variablen Betrieb in Zusammenhang mit regenerativer Stromerzeugung etwa aus Windenergie. Durch Widerstände und Verluste erreichen alkalische Elektrolyseure derzeit Wirkungsgrade von etwa 65 % bis 70 %. Alkalische Druckelektrolyse Da der Wasserstoff meist unter Druck benötigt wird und der Stromverbrauch der Elektrolyse unter Druck kaum zunimmt, bietet sich die Druckelektrolyse an. Alkalische Druckelektrolyseure bis 50 bar sind verfügbar, jedoch ist die Konstruktion und Versiegelung der Zelle aufwendig. Die Wirkungsgrade liegen etwas unter denen atmosphärisch betriebener Elektrolyseure [4-23]. Membranelektrolyse Die Membranelektrolyse (SPE) arbeitet mit einem festen Protonenleiter als Elektrolyten. Die Ionentauschermembran vereinigt die Funktion der Trennwand und des Elektrolyten in der Zelle. Die Zellen werden lediglich mit reinem Wasser versorgt. Ein Zusatz alkalischer oder saurer Agentien zur Erhöhung der Leitfähigkeit ist nicht nötig. Die Technik verlangt wegen des sauren Charakters der Membran sehr stabile und aktive Elektrodenmaterialien. Wegen des geringen elektrischen Widerstands der Membran können sehr hohe Stromdichten mit bis zu 20000 A/m² bei einer Membranstärke von etwa 1 mm eingesetzt werden. Dank der hohen Stromdichte haben die bipolaren Zellenblöcke bei der Membran-
76
4 Erzeugung
elektrolyse eine besonders hohe Leistungsdichte und sind entsprechend kompakt. Wegen des Fehlens eines alkalischen Elektrolyten hat die Membranelektrolyse Vorteile in Hinblick auf die Betriebssicherheit und kann auch bei höheren Drücken bis über 100 bar betrieben werden. Die Wirkungsgrade liegen derzeit etwas unter 70 %. Neue Membranmaterialien wie Oxid-Keramik-Membranen basierend auf Barium, Calcium, Titanat oder Nickeloxid werden entwickelt um den elektrischen Widerstand zu senken. In der bekannten PEM-Elektrolyse (Proton Exchange Membran) wird eine Protonen leitende Membran verwendet.
4.6.3 Chemische Wasserspaltung Zur chemischen Spaltung von Wasser können alle Stoffe dienen, die eine höhere Affinität zu Sauerstoff als der Wasserstoff haben. Das sind jene Elemente, die ein negativeres Normalpotenzial als Wasserstoff aufweisen [4-12]. Dazu gehören die Elemente der 1. bis 4. Hauptgruppe, Phosphor und alle Elemente der Nebengruppen – außer Kohlenstoff und Metalle mit Platin, Kupfer und Quecksilber. In den ersten drei Hauptgruppen nimmt die Reaktionsfähigkeit von den Alkalimetallen (1. Hauptgruppe) zu den Erdmetallen (3. Hauptgruppe) ab und innerhalb der Gruppen von unten nach oben, weil die gebildeten Metallhydroxide zunehmend unlöslicher werden und die Reaktion durch eine Schutzschicht um das Metall behindern. Allgemein gilt: M + n H2O ĺ M(OH)n + n/2 H2
n = 1, 2 und 3
Eine Übersicht über derartige Reaktionen gibt Tabelle 4-2. Angegeben sind das Ausgangsprodukt (Edukt), dessen molare Masse und Dichte, die Reaktionsgleichung und die Reaktionsenthalpie. Da die Reaktionen meist exotherm ablaufen, kann die Energiefreisetzung durch einen auf das Ausgangsprodukt bezogenen volumetrischen und gravimetrischen Heizwert ausgedrückt werden. Während die Alkalimetalle Wasser bei Normalbedingungen mit so großer Heftigkeit spalten, dass die entstehende Wärme die Metalle schmilzt und den gebildeten Wasserstoff entzündet, reagieren andere Metalle erst bei erhöhter Temperatur. Je nach Reaktionsbedingungen werden Hydroxide und Oxide gebildet [4-12]. Diese Reaktionen können prinzipiell zur Wasserstoffproduktion genutzt werden. Allerdings kommen die Metalle und Metallhydride in der Natur meist nicht rein vor und müssen erst gewonnen werden, etwa durch Schmelzflusselektrolyse. Die Kosten dafür sind in der Regel zu hoch, um eine wirtschaftliche Wasserstoffproduktion zuzulassen. Die solargestützte thermochemische Wasserspaltung findet als emisionsfreies Herstellungsverfahren für Wasserstoff Interesse in der Forschung. Dazu werden meist zweistufige Prozesse herangezogen, bei denen Wasserstoff aus der Reaktion eines Metalloxids mit Wasser gewonnen wird. Das dabei oxidierte Oxid wird in einem endothermen Hochtemperaturschritt wieder reduziert. Die erforderlichen Temperatruen zwischen 800 °C und 2000 °C werden durch die Fokussierung von Sonnenstrahlen über Spiegel in einem Reaktor erzeugt. Einzelheiten über entsprechende Verfahren finden sich in der Literatur [4-1].
4.6 Spaltung von Wasser
77
Tabelle 4-2: Reaktionen von Metallen und Wasser Edukt
Molare Dichte Reaktionsgleichung Masse [kg/dm³] [kg/kmol]
o
'RH Hu Hu [kJ/mol] [MJ/kg] [MJ/dm³]
Na
22,990
0.97
Na + H2O
K
39,099
0,86
K + ½ H2O
Be
9,012
1.85
Be + H2O
Mg
24,305
1,74
Mg + 2 H2O
o
Mg(OH) 2 + H2
Ca
40,080
1,55
Ca + 2 H2O
o
Ca(OH)2 + H2
Si
28,086
2.33
Si + 2 H2O
o
SiO2 + 2 H2
Fe
55,847
7,86
3 Fe + 4 H2O
Li
6,941
0,53
Li + H2O
–131,1
5,7
5,5
KOH + ½ H2
–269,8
6,9
5,9
Be(OH) 2 + H2
–434,8
48,2
89,2
–88,8
3,7
6,4
–127,2
3,2
4,9
178,2
–6,3
–14,8
–153,7
2,8
21,6
–243,1
35,0
18,6
NaOH + ½ H2
o
o
o
o
Fe3O4 + 4 H2
LiOH + ½ H2
Ist das Normalpotenzial des Reaktionpartners positiver als das von Wasserstoff, wie bei Kohlenstoff und den meisten anderen Nichtmetallen, ist zur Wasserspaltung Energiezufuhr erforderlich. Von technischer Bedeutung ist dabei die Spaltung von Wasser durch Kohlenstoff oder Kohlenwasserstoffe. H2O + C o CO + H2
ǻRH = –131,4 kJ/mol
Bei dieser „chemischen Kohlenwasserstoffspaltung“ handelt es sich um eine thermische Kohlenwasserstoffspaltung mit einer Oxidation des Kohlenstoffs, wobei der Sauerstoff dafür dem Wasser entzogen wird, vgl. Abschnitte Vergasung und Reformierung. Eisen-Dampf-Prozess Historisch von Interesse ist der Eisen-Dampf-Prozess, mit dem früher Wasserstoff produziert wurde, indem Wasserdampf über rotglühende Eisenspäne geleitet wurde. Bei Temperaturen ab ca. 500 °C bilden sich Eisenoxide und Wasserstoff. In jüngster Zeit werden Eisenoxide wieder für thermochemische Zweistufenprozesse zur Wasserstoffproduktion aus Wasser in Solarreaktoren eingesetzt [4-3]. Alkalimetalle Die bekannte und heftig exotherme Reaktion von Alkalimetallen und Wasser liefert das Metallhydroxid und Wasserstoff, z. B. für Natrium: Na + H2O o NaOH + ½ H2
ǻRH = –131,1 kJ/mol
Bei dieser Reaktion treten keine schädlichen Emissionen auf, NaOH kann abgekühlt in fester Form ausgefällt und wieder zu Na umgewandelt werden, so dass ein geschlossener Metallkreislauf entsteht. Allerdings bedarf es der Zufuhr von Strom, die Herstellung der Alkalimetalle mittels der Schmelzflusselektrolyse ist teuer.
78
4 Erzeugung
Lässt man die Reaktion im Brennraum einer Verbrennungskraftmaschine absaufen, führen die Wärmefreisetzung und die Volumenzunahme bei der Verdampfung zu hohen Werten von Temperatur und Druck, die durch Expansion zur Arbeitsverrichtung genutzt werden können. Die Verbindung der Herstellung von Wasserstoff mit der Arbeitsleistung ergibt hohe Gesamtwirkungsgrade, die dieses Verfahren interessant erscheinen lassen. Silizium Aus Silizium kann unter basischen Bedingungen, z. B. in Gegenwart von Natronlauge, Wasserstoff gewonnen werden. Dabei wird Silizium mit Wasser direkt zu Silikaten und Wasserstoff umgesetzt: Si + 2 NaOH + H2O o Na2SiO3 + 2 H2 Silizium kann auch in exothermen Reaktionen mit Sauerstoff und Stickstoff reagieren und der Energiegewinnung dienen. Die Prozesse laufen mit Kupferoxid bei Temperaturen um 600 °C ab und könnten in Solarreaktoren realisiert werden. Da Silizium aus Sand gewonnen wird, der in ausreichendem Maße zur Verfügung steht, ist Silizium immer wieder als Energieträger im Gespräch, oft auch in Ergänzung zu Wasserstoff [4-2].
4.7
Biologische Herstellungsverfahren
Es gibt verschiedene biologische Prozesse, bei denen Wasserstoff freigesetzt wird oder als Zwischenprodukt auftritt, wie etwa bei der Atmung oder dem Stoffwechsel zur Energieversorgung von Zellen [4-26]. Als Herstellungsverfahren von Wasserstoff stehen zwei biologische Prozesse im Interesse der Forschung: Die Photolyse, bei der Algen oder Bakterien aus Wasser und Sonnenlicht Energie und Wasserstoff gewinnen, und die Fermentation, bei der Bakterien aus organischen Substanzen Wasserstoff erzeugen. Für aktuelle Forschungsergebnisse und Details sei auf die Literatur verwiesen [4-5, 4-15, 4-17, 4-18, 4-20, 4-30]. Für die biologische Wasserstofferzeugung werden lebende, vermehrungsfähige Organismen eingesetzt wie Algen oder Bakterien. Die Prozesse unterscheiden sich durch die beteiligten Organismengruppen und Proteine (Enzyme), die Licht- und Sauerstoffabhängigkeit der Stoffwechselprozesse, die genutzte Elektronenquelle wie auch die gleichzeitig mit Wasserstoff gebildeten Stoffwechselprodukte. Die Verfahren befinden sich im Forschungs- und Laborstadium und weisen derzeit noch ungenügende Produktionsraten wie Standzeiten und niedrige Wirkungsgrade auf. Der Wirkungsgrad ist definiert als das Verhältnis von Heizwert der Produkte zu Heizwert der Edukte plus eingesetzte Energie. Das entstehende Biogas enthält neben Wasserstoff meist noch etliche andere Komponenten und muss einer oft aufwändigen Separierung oder Reinigung unterzogen werden. In verschiedenen Forschungsprojekten wird versucht, die Wasserstoffausbeute durch Optimierung der Umgebungsbedingungen zu erhöhen.
4.7 Biologische Herstellungsverfahren
79
4.7.1 Enzyme der Wasserstofferzeugung Enzyme sind Proteine (Eiweiße aus Aminosäuren), die als biologische Katalysatoren wirken und die Aktivierungsenergie von chemischen Prozessen senken. Stoffwechselvorgänge mit Wasserstofferzeugung in Photolyse und Fermentation erfolgen meist durch die Enzyme Hydrogenase und Nitrogenase. Hydrogenasen katalysieren die Reaktion von Protonen und Elektronen zu molekularem Wasserstoff: 2 H+ + 2 e ļ H2 Hydrogenasen reagieren sehr empfindlich auf Sauerstoff und können durch den meist auch auftretenden Sauerstoff rasch inaktiviert werden. Hydrogenasen weisen hohe Umsatzraten auf und können in 1 Sekunde bis zu 9000 Moleküle H2 erzeugen, was technisch betrachtet allerdings nur einer Bildungsrate von etwa 5 · 10–17 mol/h entspricht. Hydrogenasen sind unter Mikroorganismen (Bakterien, Viren, Pilze und Algen) weit verbreitet. Alle heute bekannten Hydrogenasen sind Metalloenzyme. Abhängig von der Art der Metallionen im Reaktionszentrum unterscheidet man:
Nickel-Eisen (Ni-Fe) Hydrogenasen (häufigste Gruppe) Eisen-Eisen (Fe-Fe) Hydrogenasen
Nickel-Eisen-Hydrogenasen bestehen hauptsächlich aus zwei Untereinheiten, siehe Abbildung 4-19. Die große Untereinheit beherbergt das Reaktionszentrum, das molekularen Wasserstoff bindet. In der kleinen Untereinheit befinden sich drei Eisen-SchwefelCluster, die Teil einer Elektrontransportkette sind. Das Protein enthält ferner einen Gaskanal („Wasserstoffkanal“) und eine Protonentransferkette („Protonenkanal“) zum Anund Abtransport der Edukte und Produkte.
Abbildung 4-19: Schema einer NiFe Hydrogenase. Quelle: Max-Planck-Institut [4-30]
80
4 Erzeugung
Nitrogenasen reduzieren Stickstoff N2 zu Ammonium, was immer mit einer H2-Freisetzung verbunden ist.
4.7.2 Biophotolyse Als Biophotolyse bezeichnet man die lichtabhängige Spaltung von Wasser in Wasserstoff (bzw. in Wasserstoffprotonen und Elektronen) und Sauerstoff, die mit Hilfe von Enzymen in photosynthetisch aktiven Mikroorganismen abläuft. Diese Reaktion wird etwa in zahlreichen einzelligen Grünalgen erforscht, z. B. in Clamydomonas reinhardtii Algen, siehe Abbildung 4-20. Diese Organismen nutzen zwar die aus der Wasserspaltung stammenden Elektronen in der Regel zur Reduktion von CO2, über das der Aufbau von Biomasse und Assimilationsprodukten erfolgt. Bei Nährstoffmangel etwa durch Schwefeldotation stellen die Algen ihren Stoffwechsel um und bilden Wasserstoff.
Abbildung 4-20: Links: Algen im anaeroben Gefäß. Quelle: Ruhr-Universität-Bochum [4-24]; rechts: einzelne Algenzellen stark vergrößert. Quelle: Universität Bielefeld [4-29]
Neben den Grünalgen verfügen einige Bakterien wie Purpur- und Cyanobakterien über einen Wasser spaltenden Photosyntheseapparat. Da sie gleichzeitig auch molekularen Stickstoff binden können, verfügen sie über ein komplexeres Enzymsystem als Grünalgen. Am Wasserstoffstoffwechsel sind die Enzyme Nitrogenase, Uptake-Hydrogenase und reversible Hydrogenase beteiligt, siehe Abbildung 4-21. Sowohl bei den Grünalgen als auch bei den Bakterien stellt sich das Problem, dass CO2beziehungsweise N2-Fixierung Konkurrenzreaktionen zur Wasserstoffbildung darstellen. Das Ausschalten oder Zurückdrängen dieser konkurrierenden Reaktionen ist kaum möglich, da diese Reaktionen essentiell für die Lebens- und Regenerationsfähigkeit der Zellen sind. So sind derzeit nur Wirkungsgrade in Höhe einiger Prozent bei geringen Produktionsraten und Standzeiten erreichbar. Veröffentlichte Produktionsraten bewegen sich in der Größenordnung von 0,2 bis 0,8 mg Wasserstoff pro Liter Nährlösung und Stunde.
4.7 Biologische Herstellungsverfahren
81
H2
uptakeHydrogenase
reversibleHydrogenase
Nitrogenase
Elektronen
Photosynthese
H2O
Atmung
Gärung
organische Substanzen
Abbildung 4-21: Wasserstoffstoffwechsel von Cyanobakterien
4.7.3 Fermentation Bei der Fermentation wird aus Biomasse über mikrobielle Abbauprozesse Wasserstoff gebildet. Diese bakterielle Gärung erfolgt meist in einer anaeroben Umgebung, also unter Ausschluss von Sauerstoff, und im Dunkeln. Theoretisch können aus einem mol Glukose vier mol Wasserstoff gebildet werden. Bei dem Prozess entstehen auch Essigsäure und CO2. Der entstehende Wasserstoff muss wieder entsprechend gereinigt werden. C6H12O6 + 2 H2O o 2 CH3COOH + 4H2 + 2CO2 Als Ausgangsstoffe für die Fermentation kommen Kohlenhydrate aus Energiepflanzen, industriellen und landwirtschaftlichen Nebenprodukten sowie organischen Abfällen in Frage. Die beteiligten Mikroorganismen sind meist Bakterien der Arten Enterobakter (sowohl aerob als auch anaerob), Bacillen (aerob) und Clostridien (anaerob). In der Literatur werden je nach eingesetzten Stoffen, Bakterien und Bedingungen (Temperatur, Partialdruck von Wasserstoff) Produktionsraten von 0,1 bis 200 mg Wasserstoff pro Liter Nährlösung und Stunde sowie Wirkungsgrade bis 25 % genannt. Rechnet man die Wasserstoffproduktion aus dem Labormaßstab hoch, könnte theoretisch ein Bioreaktor von ca. 2 m³ eine Brennstoffzelle für maximal 1 kW Leistung mit Wasserstoff versorgen.
82
4.8
4 Erzeugung
Literatur
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4.8 Literatur
83
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85
5
Speicherung und Transport
Wasserstoff ist ein bei Normalbedingungen sehr leichtes Gas. Trotz seines hohen gravimetrischen Heizwertes von 120 MJ/kg ist sein volumetrischer Heizwert von 10 MJ/Nm³ sehr gering. Nach der Herstellung stellen Speicherung und Transport von Wasserstoff daher technische Herausforderungen dar. Um möglichst hohe volumetrische Speicherdichten zu erreichen werden folgende Methoden angewendet:
Speicherung und Transport von verdichtet gasförmigem Wasserstoff, Speicherung und Transport von tiefkalt flüssigem Wasserstoff, Speicherung und Transport von Wasserstoff in chemischen oder physikalischen Verbindungen.
Gasförmiger Wasserstoff wird auf Drücke von 200 bar bis 900 bar hoch verdichtet und als CGH2 (compressed gaseous hydrogen) in Druckbehältern gespeichert. Die Verdichtung erfordert Energieaufwand, an die Verdichter wie auch an die Druckbehälter werden hohe Anforderungen gestellt. Um die hohe erforderliche Reinheit des Wasserstoffs zu garantieren, werden meist schmierstofffreie Kolbenverdichter eingesetzt. Die Druckbehälter müssen aus geeigneten Materialien bestehen, um den Drücken stand zu halten und die Diffusion zu verhindern. Um höhere Energiedichten zu erreichen, wird Wasserstoff verflüssigt und als LH2 (liquid hydrogen) tiefkalt gelagert. Da Wasserstoff erst unterhalb von –240 °C (33 K) flüssig wird, ist der Aufwand für die Verflüssigung hoch, die tiefkalte Speicherung erfolgt in Isoliergefäßen. Abbildung 5-1 zeigt die Abhängigkeit der Dichte vom Druck für flüssigen und gasförmig komprimierten Wasserstoff. Parallel zur Dichte ist eine Skala für die Energiedichte dargestellt. Bei den heute üblichen Betriebsbereichen liegt die (Energie-)Dichte von LH2 etwa um 50 % höher als die von CGH2. Ebenfalls in die Abbildung eingetragen sind die erforderlichen idealen Arbeiten für die Verflüssigung und Verdichtung in Prozent des Heizwerts von Wasserstoff. Für die Verflüssigung wurde dabei ein idealer Kreisprozess mit isobarer Abkühlung angenommen, für die Verdichtung eine isotherme Zustandsänderung mit idealer Kühlung. Wenn man die Wirkungsgrade der realen Prozesse mit 0,3 bis 0,5 berücksichtigt, wird deutlich, was für einen großen Energieaufwand Verflüssigung und Verdichtung erfordern. Um noch höhere Dichten zu erreichen, gibt es Forschungsprojekte, Wasserstoff in einer „Slush“ genannten Form als Gemisch von flüssiger und fester Phase bei noch tieferen Temperaturen um –259 °C (14 K) zu erzeugen und zu lagern. Slush besitzt eine 10 % bis 20 % höhere Dichte als flüssiger Wasserstoff, der Aufwand zur Herstellung ist allerdings hoch. Neben CGH2 und LH2 ist auch die Speicherung von Wasserstoff in chemisch oder physikalisch gebundener Form möglich. Die Herausforderungen dabei sind das meist hohe Gewicht des Trägermaterials sowie die oft aufwändigen Bedingungen zur Be- und Entladung (Zeit, Druck und Temperatur).
86
5 Speicherung und Transport
90
9
80
8 Verflüssigungsarbeit
2
1
6 Verdichtungsarbeit
50
5
Dichte LH2 kritischer Punkt
40
4
30
3
20
2
10 0
7
60 Dichte [kg/m³]
Energieinhalt [kWh/l]
70
0
1
Dichte CGH2 1
10
100
0 1000
p [bar]
Abbildung 5-1: Dichte (blau) und Arbeit (rot) für LH2 und CGH2 über dem Druck. [5-14]
Abbildung 5-2: Gravimetrische und volumetrische Energiedichten verschiedener Kraftstoffe
Arbeit [%Hu]
3
5.1 Verdichtung und Abgabe von gasförmigem Wasserstoff
87
Der Vergleich der gravimetrischen und volumetrischen Energiedichten verschiedener Kraftstoffe in Abbildung 5-2 zeigt zusammenfassend, dass die gravimetrische Energiedichte für Wasserstoff mit Abstand am größten ist, Wasserstoff aber weder in verdichteter noch in flüssiger Form die volumetrische Energiedichte flüssiger Kohlenwasserstoffe erreicht. Eine Zusammenfassung der Dichte und des volumetrischen wie gravimetrischen Energieinhalts von Wasserstoff für verschiedene Drücke und Zustände gibt Tabelle 5-1. Tabelle 5-1: Dichte und Energieinhalt von Wasserstoff
Wasserstoff 1 kg 1 Nm³ 1 m³ Gas 1 m³ Gas 1 m³ Gas 1 m³ Gas 1 m³ flüssig
5.1
Druck [bar] 1 1 200 350 750 900 1
Temperatur [°C] 25 25 25 25 25 25 –253
Dichte [kg/m³] 0,08 0,08 14,5 23,3 39,3 46,3 70,8
Energieinhalt in MJ 120 10,7 1685 2630 4276 4691 8495
Energieinhalt in kWh 33,3 3,0 468 731 1188 1303 2360
Verdichtung und Abgabe von gasförmigem Wasserstoff
Thermodynamisch ist bei Hochdruckwasserstoff einerseits die Verdichtung selbst von Interesse, andererseits aber auch die Befüllung eines Druckbehälters, die über ein entsprechendes Druckgefälle erfolgt. Der minimale Arbeitsaufwand für die Verdichtung von Wasserstoff ergibt sich bei isothermer Verdichtung, bei der angenommen wird, dass durch ideale Kühlung das Medium immer auf konstanter Temperatur gehalten wird. Dieses Verhalten kann in gekühlten Kolbenkompressoren angenähert realisiert werden. Das Ts-Diagramm in Abbildung 5-3 links zeigt die Verdichtung von Wasserstoff bei Raumtemperatur von 1 bar Druck und einem spezifischen Volumen von 11,1 m³/kg auf 1000 bar Druck und ein spezifisches Volumen von 0,02 m³/kg. Die spezifische Arbeit w berechnet sich aus dem 1. Hauptsatz der Thermodynamik für offene Systeme aus der Differenz der Enthalpien und der spezifischen Kühlwärme: w = h2 – h1 + qK. Für den reibungsfreien Fall entspricht die Kühlwärme der Fläche im Ts-Diagramm unter der Zustandsänderung qK = T's. Für Gleichgewichtswasserstoff erhält man folgende Zahlenwerte: w = 4606 – 3958 + 8721 = 9409 kJ/kg, die Verdichtung beansprucht also einen Energieaufwand von über 7 % des Heizwerts des Wasserstoffs. Die Befüllung eines Druckbehälters soll in möglichst kurzer Zeit erfolgen, wofür ein entsprechend hohes Druckgefälle notwendig ist. Sind z. B. Druckbehälter mit 700 bar CGH2 zu befüllen, werden Verdichter für ca. 900 bar eingesetzt, die Betankung erfolgt über einen Zwischenpuffer. Die Betankung des Druckbehälters über das Druckgefälle
88
5 Speicherung und Transport
entspricht einer Drosselströmung mit Druckabnahme. Die dabei auftretende Temperaturänderung wird durch den Joule-Thomson-Koeffizienten beschrieben, vgl. Abschnitt Eigenschaften: § wT · P JT ¨¨ ¸¸ © wp ¹h Wasserstoff weist bei hohen Drücken einen negativen Joule-Thomson-Koeffizienten auf. Beispielsweise verursacht die isenthalpe Entspannung von Wasserstoff von 1000 bar auf den kritischen Druck von 13 bar eine Erwärmung um fast 50 K, siehe Abbildung 5-3 rechts. Darin unterscheidet sich Wasserstoff von Erdgas, das einen deutlich positiven Joule-Thomson-Koeffizienten aufweist, so dass bei der Drosselung Wärme zugeführt wird. Beim Wasserstoff resultiert aus der Erwärmung des Druckbehälters beim Betanken eine entsprechende Verringerung der betankten Masse bei anschließender Abkühlung. Diese Abfüllverluste werden durch langsame Betankung mit Wärmeabfuhr an die Umgebung verringert, was die Betankungszeit erhöht, oder durch so genannte Cold Fill Anlagen verhindert, bei denen in einem Wärmetauscher das zu betankende Gas abgekühlt wird, etwa durch flüssigen Stickstoff.
300
350 'T 300
250
p = 1000 bar
p = pkrit
150
'p
250
p = 1 bar
T [K]
T [K]
200
h = konst
p = 1000 bar
200
p = pkrit
p = 1 bar
150
100 100
50
50
Qrev = T's 0
0
20
40
60 80 s [kJ/kmol K]
100
120
0
0
20
40
60 80 s [kJ/kmol K]
100
120
Abbildung 5-3: Ts-Diagramm: links: isotherme Verdichtung von 1 bar auf 1000 bar rechts: isenthalpe Entspannung von Wasserstoff von 1000 bar auf 13 bar
Die Zapfsäule für gasförmigen Wasserstoff gleicht einer üblichen Abgabestation für Erdgas. Zertifizierte Tankkupplungen sind für PKW und Nutzfahrzeuge erhältlich und gleichen ebenfalls der Erdgaskupplung [5-30]. Nach dem Ankuppeln erfolgt ein Druckstoß
5.1 Verdichtung und Abgabe von gasförmigem Wasserstoff
89
zur Dichtheitsprüfung, ist diese erfolgreich, beginnt die Betankung über das Druckgefälle zwischen Speicher und Tank. Die Betankung dauert wenige Minuten. Eine ausgeführte Zapfsäule für 350 bar zeigt Abbildung 5-4. Auch für Gemische aus Wasserstoff und Erdgas sind ähnliche Zapfsäulen in Betrieb.
Abbildung 5-4: Gaszapfsäule für Wasserstoff. Bild HyCentA [5-11]
Um die für die Speicherung geforderten hohen Drücke von 500 bis 900 bar zu erreichen, werden zur Verdichtung von Wasserstoff wegen der großen Volumenänderung meist mehrstufige Kolbenkompressoren eingesetzt. Diese lassen sich auch besser regeln als Turbomaschinen. Der Antrieb erfolgt elektrisch, wobei aus Sicherheitsgründen zur Vermeidung elektrischer Funken in explosionsgefährdeten Zonen der Elektromotor oft ein Hydrauliksystem auf Druck bringt, über das der Kompressor angetrieben wird. An die Verdichter werden hohe Anforderungen gestellt, die Werkstoffe müssen für Wasserstoff geeignet sein, wegen der geforderten Reinheit des verdichteten Wasserstoffs müssen die Verdichter ohne Schmierung auskommen um die Ölfreiheit des verdichteten Mediums zu garantieren. Den ausgeführten Verdichter am HyCentA zeigt Abbildung 5-5. Es handelt sich um einen zweistufigen Kolbenverdichter mit Hydraulikantrieb, der Wasserstoff in drei Pufferbündel bei Niederdruck, Mitteldruck und Hochdruck speichert. Zur Betankung von Fahrzeugen bei hohem Durchsatz kann in einer so genannten Boosterfunktion hoch vorverdichteter Wasserstoff angesaugt werden.
90
5 Speicherung und Transport
Abbildung 5-5: Wasserstoffverdichter für 480 bar. Bild HyCentA [5-11]
Technischen Daten des Verdichters: Förderleistung im Normalbetrieb Förderleistung im Boosterbetrieb Spezifische Antriebsleistung Eingangsdruck Arbeitsverfahren:
150 Nm³ / h 780 Nm³ / h 0,18 kWh / Nm³ min. 5 bar, max. 300 bar 2-stufige 4 Zylinder-Anlage mit annähernd isothermer Verdichtung in ölfreier Ausführung
Um die Kompressorarbeit zuminimieren, gibt es neuerdings so genannte Ionenverdichter, bei denen der Kolben durch eine ionische Flüssigkeit ersetzt wird. Ionische Flüssigkeiten sind salzartige flüssige Verbindungen, deren Eigenschaften für bestimmte Anwendungen gezielt abgestimmt werden können. Für die Anwendung in Verdichtern wird eine Flüssigkeit eingesetzt, die keinen Dampfdruck für Wasserstoff besitzt, in der sich Wasserstoff also nicht löst. Durch eine Zweizylinderausführung mit Kühlung der ionischen Flüssigkeit kann eine isotherme Verdichtung angenähert werden. Ein Schema mit einem Schnitt durch einen Zylinder zeigt Abbildung 5-6.
5.2 Druckspeicher für Wasserstoff
91
Abbildung 5-6: Schnittbild eines Verdichters mit ionischer Flüssigkeit. Quelle: Linde [5-16]
5.2
Druckspeicher für Wasserstoff
Für die Druckgasspeicherung wird Wasserstoff meist auf Drücke von 200 bar bis 350 bar verdichtet, in letzter Zeit sind Speicherdrücke von 700 bar und mehr in Erprobung. Die gasförmige Speicherung von Wasserstoff bildet ein geschlossenes System, d. h., gasförmiger Wasserstoff kann auch über längere Zeiträume verlustfrei gespeichert werden, vorausgesetzt die eingesetzten Materialien verhindern die Diffusion des Wasserstoffs. Bei 700 bar beträgt die Dichte mit 40 kg/m³ wie erwähnt etwas mehr als die Hälfte gegenüber der Flüssigspeicherung, die erforderliche Energie zur Verdichtung liegt bei etwa 15 % des Energieinhalts. Bei derartig großen Drücken sind allerdings auch Fragen der Werkstoffwahl, der Bauteildimensionierung und der Sicherheit der Komponenten zu beachten, so dass die Tanksysteme sehr komplex und schwer werden, das Speichergewicht liegt derzeit bei etwa 20 kg bis 40 kg pro kg gespeichertem Wasserstoff, was einer gravimetrischen Speicherdichte von 5 % bis 2,5 % entspricht. Als Tankformen von Druckbehältern werden wegen der günstigen Spannungsverteilung Zylinder oder Kugeln bevorzugt. Nachteilig bei Kugeltanks ist die aufwendige Herstellung, weswegen in der Praxis meist Zylindertanks eingesetzt werden. Für die Speicherung im Fahrzeug sind aus Platzgründen so genannte Freiformtanks erwünscht, für die entsprechende Werkstoffe in Entwicklung sind. Druckgase werden seit langem in Zylindern verschiedener Größe gelagert, wobei die maximalen Drücke in Österreich 200 bar und in Deutschland 300 bar betragen. Handelsübliche Stahlflaschen für Wasserstoff sind mit einem Volumen von 2 l bis 50 l erhältlich,
92
5 Speicherung und Transport
siehe Tabelle 5-2. Sie bestehen meist aus Chrom-Molybdän-Stahl (Typ 1), wiegen ein Vielfaches des speicherbaren Wasserstoffs und sind in roter Farbe gehalten. Tabelle 5-2: Handelsübliche Wasserstoffdruckflaschen Inhalt [l]
2
10
20
33
40
50
Fülldruck [bar]
200
150/200/300
200/300
300
150
200/300
Prüfdruck [bar]
300
225/300/450
300/450
450
225
300/450
Gas-Inhalt [Nm³]
0,4
1,5/2,0/3,0
3,9/5,9
9,8
5,9
9,9/14,8
Gas-Inhalt [kg]
0,03
0,11/0,14/0,20
0,28/0,39
0,64
0,43
0,70/1,00
Gesamtgewicht [kg]
2,5
22/12/18
36,5/40
55
73
65/77
Aufgrund der Gewichtsvorteile speziell im mobilen Bereich wurden in den letzten Jahren die Stahlflaschen Typ 1 durch Composite-Behälter ergänzt. Dabei werden Innenbehälter (Liner) aus Metall (Stahl oder Aluminium) für die Dichtigkeit eingesetzt. Der Liner ist teilweise (Typ 2) oder vollständig (Typ 3) von einem Netz aus Kohlenstoff-Fasern umgeben, das für die notwendige Festigkeit sorgt. Beim Typ 4 besteht auch der Liner selbst aus Kunststoff, siehe Abbildung 5-7. Diese Composite-Behälter sind leichter, aber auch teurer als Stahlflaschen.
Abbildung 5-7: Druckflaschen Wasserstoff. Quelle: Dynetek [5-20]
5.3 Verflüssigung von Wasserstoff
93
Für den Transport per Lastwagen oder Zug sind große zylindrische Druckbehälter üblich. Druckbehälter für automotive Anwendungen bestehen aus austenitischem Stahl, der gute Dichtheits- und Sicherheitseigenschaften aufweist, aber auch ein hohes Gewicht hat. Neuere Konzepte sehen nur mehr eine dünne metallische innere Schicht aus korrosionsbeständigem Edelstahl oder Aluminium als Liner vor, der eine ausreichende Dichtheit garantiert, die Festigkeit wird durch Verbundwerkstoffe und Kohlefasern erreicht. Außer dem Behälter selbst benötigt man Ventile zum Reduzieren des Drucks, die Gasleitungen und Sensorik zum Überwachen von Drücken, Temperaturen und Dichtigkeit. Die handelsübliche Ausführung eines Drucktanks für 350 bar zeigt Abbildung 5-8, Druckspeicher für 700 bar befinden sich in Erprobung.
Abbildung 5-8: Fahrzeugtank für 350 bar CGH2. Quelle: Dynetek [5-20]
5.3
Verflüssigung von Wasserstoff
1898 gelang dem 1842 in Schottland geborenen Forscher James Dewar erstmals die Verflüssigung von etwa 20 cm3 Wasserstoff. Dewar bestimmte dessen Siedetemperatur mit 20 K bei einem Druck von 1 bar. Zur Abkühlung des Wasserstoffs benutzte er flüssige Luft, dann verdichtete er den Wasserstoff auf 180 bar, wobei die Temperatur auf 205 °C anstieg. Durch die anschließende Entspannung in einer Drossel brachte Dewar den Wasserstoff schließlich auf Verflüssigungstemperatur. Mit der Entwicklung der Wasserstoffbombe sowie des Wasserstoffraketenantriebs stieg der Bedarf an flüssigem Wasserstoff. Die großtechnische Verflüssigung wurde durch die US Air Force vorangetrieben. Im Rahmen des Apolloprogramms wurde die erste große Verflüssigungsanlage gebaut. Heute sind weltweit Verflüssigungsanlagen für eine Kapa-
94
5 Speicherung und Transport
zität von 270 t Wasserstoff pro Tag installiert, der größte Teil davon in den USA. Die größte Anlage produziert 60 t Wasserstoff pro Tag bei einem Energiebedarf von etwa 40 MJ/kg (30 % des Heizwerts). In Europa gibt es vier kleinere Anlagen, die flüssigen Wasserstoff mit etwas geringerem Wirkungsgrad produzieren. Air Liquide betreibt eine Anlage in Lille, Frankreich, mit ca. 10 t/d. Air Products produziert in den Niederlanden ca. 5 t/d und Linde betreibt 2 Anlagen in Ingolstadt und Leuna, Deutschland, mit 4,4 t/d und 5 t/d, siehe Abbildung 5-9. Das Prinzip der Wasserstoffverflüssigung wird an Hand des Ts-Diagramms in Abbildung 5-10 dargestellt, vgl. auch [5-18, 5-19]. Im Idealfall einer isobaren Abkühlung bei Umgebungsdruck pN bis zum Taupunkt TP und anschließende Kondensation bis zum Siedepunkt TS gilt für die abzuführende Kühlwärme: qrev = dh – vdp. Mit dp = 0 folgt daraus bei Reibungsfreiheit: qrev = qK = 'h. Für die in Abbildung 5-10 grau eingetragene Kühlwärme qK erhält man damit: qK = – 0,888 – 3959 = – 3960 kJ/kg. Das sind etwa 3,3 % des Heizwerts von Wasserstoff. Diese Kühlung wäre theoretisch mit flüssigem Helium möglich, allerdings ist diese Variante praktisch nicht wirtschaftlich darstellbar. Daher ergänzt man die isobare Abkühlung zu einem idealen Kreisprozess zwischen der Umgebungstemperatur T0 und der Siedetemperatur TS. Für die zuzuführende minimale Arbeit amin gilt dabei: amin = qzu – qab = T0 's – qK. Für die in Abbildung 5-10 grün eingetragene Arbeit erhält man: amin = 16092 – 3960 = 12132 kJ/kg. Das sind etwa 10 % des Heizwerts von Wasserstoff. Neben diesem Niederdruckverfahren, bei dem der Wasserstoff bei einem Druck pN unter dem kritischen Druck durch das Zweiphasengebiet verflüssigt wird, gibt es auch die Möglichkeit des Hochdruckverfahrens, das bei überkritischen Drücken pH arbeitet, siehe Abbildung 5-10. Beim Hochdruckverfahren tritt kein Phasenübergang auf, was Vorteile für die Auslegung der Wärmetauscher bietet, allerdings wird die Anlagenkonstruktion insgesamt aufwändiger. Aus dem für die Verflüssigung in der Praxis angegebenen Energiebedarf von etwa 30 % des Heizwerts von Wasserstoff folgt, dass der Idealprozess so nicht umgesetzt werden kann. In den großtechnisch eingesetzten Verfahren wird der Wasserstoff zunächst auf Drücke um 30 bar verdichtet. Es folgt eine Abkühlung in Wärmetauschern mit günstig verfügbarem flüssigem Stickstoff bis ca. 80 K. Im Temperaturbereich von 80 K bis 30 K wird mit Expansionsturbinen gekühlt. Dabei wird Wasserstoffgas komprimiert, gekühlt und in Expansionsturbinen die Temperatur weiter gesenkt. In diesen Bereich fällt auch die katalytische ortho-para-Umwandlung des Wasserstoffs, die exotherm verläuft und daher zusätzliche Kühlleistung benötigt. Die letzte Stufe der Abkühlung von 30 K auf 20 K erfolgt in Joule-Thomson-Ventilen, wo der positive Joule-Thomson-Koeffizient bei der Expansion zur Abkühlung genutzt wird. Die Aufschlüsselung des Energieaufwands für die einzelnen Schritte des Prozesses in Abbildung 5-11 zeigt, dass neben der Kompression vor allem die Kühlung von 80 K auf 30 K einen sehr hohen Energiebedarf aufweist.
5.3 Verflüssigung von Wasserstoff
95
Abbildung 5-9: Wasserstoffanlage in Leuna (D). Quelle: Linde [5-16]
300
pH
pN
T
250
T [K]
200
amin
150
100
50 SP 0
0
Ts
qrev
TP
20
40
60 s [kJ/kmol K]
80
100
's
Abbildung 5-10: Hochdruck- und Niederdruckverfahren zur Wasserstoffverflüssigung
120
96
5 Speicherung und Transport
8
Kühlung 80-30 K
Energieaufwand des Teilschrittes [MJ/kg]
7 6 5 4
H2 Kompression 3
Kühlung 300-80 K
2
Kühlung 30-20,3 K
1 0
0
10
20
30
40
50 p [bar]
60
70
80
90
100
Abbildung 5-11: Energieaufwand der Teilschritte der Verflüssigung. Quelle: Quack [5-19]
Man arbeitet an der Verbesserung des Wirkungsgrads der Verflüssigung und erforscht neue Verfahren. Eine bis zu 30 %ige Verbesserung des Wirkungsrades verspricht die Optimierung des Prozesses durch den Einsatz eines Helium-Neon-Gemischs als Kältemittel im Temperaturbereich zwischen 80 K und 30 K [5-19]. Unter anderem wird die Ausnutzung des magnetokalorischen Effekts für die Verflüssigung von Wasserstoff oder anderen Gasen untersucht. Es gibt Materialien, die sich in einem starken magnetischen Feld erwärmen. Entfernt man das magnetische Feld wieder, kühlt sich das erwärmte Material ab. Wenn man von einem zu kühlenden Gas Wärme auf das Trägermaterial überträgt, lässt sich in mehreren Zyklen die Gastemperatur bis zur Verflüssigung absenken. Das Verfahren befindet sich im Laborversuchsstadium.
5.4
Verdichtung von flüssigem Wasserstoff
Wasserstoff wird oft bei hohen Drücken benötigt, etwa für die gasförmige Speicherung bei Drücken zwischen 300 bar und 900 bar oder als Treibstoff für Raketen (20 bar bis 30 bar) oder Verbrennungskraftmaschinen (bis 10 bar bei äußerer Gemischbildung, bei 150 bar und mehr bei innerer Gemischbildung). Anstatt den Wasserstoff gasförmig zu verdichten, besteht die Möglichkeit bei Vorliegen der flüssigen Phase den Wasserstoff tiefkalt mit Kryopumpen zu komprimieren. Infolge der weitgehenden Inkompressibilität von Flüssigkeiten benötigt die Verdichtung eines flüssigen Mediums nur einen Bruchteil der Arbeit der Verdichtung im gasförmigen
5.4 Verdichtung von flüssigem Wasserstoff
97
Zustand. Beispielhaft zeigt Tabelle 5-3 den Vergleich der Arbeiten für isentrope Verdichtung as von flüssigem und gasförmigem Wasserstoff von 1,1 bar und 20,56 K auf 150 und 300 bar [5-4]. Die Arbeiten sind im gasförmigen Zustand um einen Faktor 5 bis 6 höher. Die isentrope Verdichtung auf 300 bar überschreitet die kritische Dichte, so dass der Wasserstoff als überkritisches Fluid vorliegt, die Enthalpie h2 ist in der Tabelle hellgrau hinterlegt. Die Leistungsangaben Ps beziehen sich auf einen Massendurchsatz von ca. 12,8 kg/h. Tabelle 5-3: Arbeitsaufwand für die Verdichtung von Wasserstoff Isentrope Verdichtung, H2 als reales Fluid flüssig, einstufig p1 [bar]
T1 [K]
p2 [bar]
T2 [K]
h1 [kJ/kg]
h2 [kJ/kg]
as [kJ/kg]
Ps [kW]
1.1
20.54
150
26.13
273.4
471.3
197.9
0.70
1.1
20.54
300
30.1
273.4
654.2
380.8
1.35
gasförmig, einstufig 1.1
20.56
150
139.1
717.8
1993.0
1275.2
4.52
1.1
20.56
300
173.6
717.8
2531.0
1813.2
6.42
überkritisch
Abbildung 5-12 zeigt die isentrope Verdichtungsarbeit as über der Ausgangstemperatur T1 mit dem Druckverhältnis p2 / p1 als Parameter [5-4]. Die isentropen Verdichtungsarbeiten wurden für reales Gasverhalten berechnet. Man erkennt wieder, dass die Verdichtungsarbeiten im flüssigen Zustand bis etwa zur Temperatur T1 = 25 K fast unabhängig vom Druckverhältnis und wesentlich kleiner sind als im gasförmigen Zustand. Auf der zweiten Ordinate rechts ist die Endtemperatur T2 aufgetragen. Beim Einsatz von Kryopumpen für flüssigen Wasserstoff sind eine Reihe von Fragen in der Konstruktion und der Werkstoffwahl zu lösen. Da der Wasserstoff nicht verunreinigt werden darf, müssen die Pumpen ohne Schmiermittel auskommen, auch die Abdichtung stellt eine Herausforderung dar. Die entscheidende Frage ist aber, ob die Pumpe direkt im flüssigen Wasserstoff eingetaucht arbeitet oder außerhalb des Kryotanks liegt. Im ersten Fall befindet sich die Pumpe immer auf Tieftemperatur und fördert nur flüssigen Wasserstoff, allerdings wird durch den erforderlichen Antrieb der Pumpe Wärme in den Kryotank eingebracht, was wegen der resultierenden Verdampfungsverluste unerwünscht ist. Auch die Wartung der Pumpe ist erschwert. Liegt die Pumpe außerhalb des Tanks und damit auf höherem Temperaturniveau, muss die Pumpe für die Förderung kalt gefahren werden. Die Pumpe muss in diesem Fall als Zweiphasenverdichter ausgelegt werden, weil der flüssige Wasserstoff zunächst verdampft und die Pumpe kühlt, bis die kritische Temperatur unterschritten wird. Erst ab dann kann flüssiger Wasserstoff gefördert werden [5-4].
98
5 Speicherung und Transport
a s [kJ/kg]
Isentrope Verdichtung - real 5000 4500 4000 3500 3000 2500 2000 1500 1000 500 0
T2 [K]
p2/p1
500 400 300 200 100 0
0
50
100
p1 =4 bar
p2/p1
150
200
T1 [K] 3
6
9
12
15
Abbildung 5-12: Isentrope Verdichtungsarbeit as über
18
T1
mit
21
24
p 2 / p1
27
30
als Parameter
In Japan am Musashi Institute wurden eine Reihe von Wasserstoffautos mit Kolbenmotoren und Kryotanks entwickelt. In der Variante „musashi-8“ wurde eine LH2-Pumpe mit einem Verdichtungsverhältnis von 11 für einen Systemdruck bis 100 bar eingesetzt. Die Pumpe lag nicht direkt im flüssigen Wasserstoff, war aber in den Vakuumtank integriert. Diese einfach wirkende Kolbenpumpe mit Hub = Bohrung = 15 mm wurde elektrisch angetrieben. Das Gesamtkonzept mit der direkten Einblasung von Wasserstoff in den Zylinder zeigt Abbildung 5-13 [5-31]. Ein aktuelles Konstruktionsbeispiel einer Zweiphasenpumpe für eine automotive Anwendung zeigt Abbildung 5-14 [5-4]. Es handelt sich dabei um eine einstufige Kolbenpumpe mit elektrischem Antrieb, die außerhalb des Kryotanks betrieben wird. Technische Daten der Pumpe: Hubvolumen Kolbendurchmesser Kolbenhub Hub/Bohrungsverhältnis
20,3 cm³ 22 mm 52 mm 2,36
Drehzahl
ca. 300 U min bis ca. 5 l Wasserstoff pro Minute
Fördervolumentstrom
Die Flüssigwasserstoffpumpe ist eine trocken laufende Ausführung, d. h., es werden keine Schmiermittel eingesetzt. Als Dichtung zwischen Kolben und Zylinder kommen selbstschmierende Dichtringe aus UHMWPE (Ultra-High-Molecular-Weight Polyethylen) zum Einsatz. Aus diesem Grund wird eine mittlere Kolbengeschwindigkeit von cm = 0,5 m/s gewählt. Die LH2-Pumpe wird aus Wartungsgründen außerhalb des Tanks betrieben, sie
5.4 Verdichtung von flüssigem Wasserstoff
99
ist bei Förderbeginn noch nicht auf Tieftemperatur und muss kalt gefahren werden. Dabei verdampft der angesaugte flüssige Wasserstoff in der Pumpe und kühlt diese ab. Bis zum Erreichen der kritischen Temperatur fördert die Pumpe gasförmigern Wasserstoff. Es muss sich bei der Konstruktion also um eine Zweiphasenpumpe handeln, die möglichst geringe Schadräume aufweisen muss. Dies wird durch eine spezielle Konstruktion des Zylinderkopfs sowie durch eine besondere Ventilanordnung im Zylinderkopf erreicht. Die gesamte Pumpe ist zu Isolationszwecken in eine vakuumisolierte Stahlhülle eingebaut.
Abbildung 5-13: LH2-Pumpe mit selbstzentrierendem Arbeitskolben. Quelle: Yamane [5-31]
Abbildung 5-14: Zweiphasenpumpe für Wasserstoff [5-4]
100
5 Speicherung und Transport
Derartige geregelte Kryopumpen für kleine Durchsätze und intermittierenden Betrieb sind teuer und aufwändig, sie werden fallweise für automotive Anwendungen genutzt. Für große Durchsatzmengen können Turbopumpen eingesetzt werden. Für den Antrieb von Raketen werden flüssiger Wasserstoff und flüssiger Sauerstoff in getrennten Behältern gelagert. Für beide Medien werden großen Turbopumpen eingesetzt, während der relativ kurzen Brenndauer ist ein gleichmäßiger großer Volumenstrom erforderlich. Ein Beispiel für eine solche Pumpe zeigt Abbildung 5-15. Die Pumpe fördert bei einer Drehzahl von 60000 Umdrehungen pro Minute etwa 2,7 kg flüssigen Wasserstoff pro Sekunde bei 26 bar Druck in die Brennkammer.
Abbildung 5-15: LH2-Pumpe für einen Raketenantrieb. Quelle: Springer [5-22]
5.5
Kryospeicherung und Abgabe von flüssigem Wasserstoff
Da die Dichte von LH2 (70,8 kg/m3, 1 bar, 20 K) im Vergleich zu GH2 (1,34 kg/m3, 1 bar, 20 K) bzw. CGH2 (34 kg/m3, 700 bar, 300 K) zu einer deutlichen Reduktion des erforderlichen Speichervolumens führt, weist flüssiger Wasserstoff vor allem bei Speicherung und Transport großer Mengen sowie in der mobilen Anwendungen Vorteile auf. Allerdings benötigt die Verflüssigung wie besprochen einen nicht unerheblichen Energieaufwand und flüssiger Wasserstoff stellt hohe anlagentechnische Anforderungen. Als Kryospeicher für flüssigen Wasserstoff werden Systeme eingesetzt, die aus einem Innentank und einem Außenbehälter bestehen, zwischen denen zur Isolation ein Vakuumraum liegt. Das Vakuum verhindert den Wärmetransport durch Konvektion. Der für die Tanks meist verwendete austenitische Edelstahl behält auch bei sehr niedrigen Temperaturen sein gutes Verformungsvermögen und neigt nicht zur Versprödung. Der evakuierte
5.5 Kryospeicherung und Abgabe von flüssigem Wasserstoff
101
Raum zwischen den beiden ineinander gefügten Behältern enthält in der Regel eine vielschichtige Isolation (MLI – Multi Layer Insulation) mit mehreren Lagen Aluminiumfolie im Wechsel mit Glasfiber-Matten, die den Wärmetransport durch Strahlung minimieren sollen. Wärmetransport durch Leitung tritt an den Distanzhaltern zwischen den beiden Behältern auf sowie bei allen Durchführungen wie an den Leitungen zur Befüllung und Entnahme. Durch den unvermeidbaren Wärmeeintrag kommt es zum Verdampfen von Wasserstoff im Behälter und damit zu einer Zunahme von Druck und Temperatur, siehe dazu auch den Abschnitt Thermodynamik der Flüssigspeicherung. Behälter für flüssigen Wasserstoff sind daher stets mit einem geeigneten Druckentlastungssystem und einem Sicherheitsventil auszustatten. Die Flüssigspeicherung erfolgt also in einem offenen System, bei dem nach einer Druckaufbauphase ab Erreichen des so genannten Boil-Off-Drucks Wasserstoff abgelassen werden muss. Der austretende Wasserstoff wird katalytisch verbrannt oder ins Freie abgelassen. Die Abdampfverluste liegen bei heutigen Tankanlagen in der Größenordnung von etwa 0,3 % bis 1 % pro Tag, wobei größere Tankanlagen wegen der geringeren Oberfläche im Verhältnis zum Volumen im Vorteil sind. Die Kugel hat von allen geometrischen Formen das kleinste Verhältnis von Oberfläche zu Volumen. Dies bedeutet, dass der mögliche Wärmeeintrag von außen am geringsten ist und außerdem bei Belastung die Spannungen gleichmäßig verteilt sind. Nachteilig bei Kugeltanks ist jedoch die aufwändige Herstellung. Außerdem ist die freie Oberfläche der Flüssigkeit im Inneren bei teilweise leerem Kugeltank größer als bei einem stehenden Zylinder, weswegen in der Praxis meist Zylindertanks gewählt werden. Für die Raumfahrt wurden bereits stationäre Tanksysteme mit bis zu 300 m3 Volumen gebaut. Im Zuge des EQHHPP (Euro-Quèbec-Hydro-Hydrogen-Pilot-Project) wurde ein so genannter Barge-Container mit einem Volumen von 3000 m3 entwickelt, jedoch noch nicht realisiert. Als Beispiel für eine stationäre Anlage mit flüssigem Wasserstoff wird ein Teil der Infrastruktur des HyCentA, der Hydrogen Center Austria, in Graz besprochen, vgl. auch Abschnitt Sicherheit. Abbildung 5-16 zeigt den Standtank für flüssigen Wasserstoff am HyCentA. Technische Daten: Abmessungen D x H: 3000 x 9050 mm (Gesamthöhe inklusive Kamin 12550 mm) Volumen 17600 l Leergewicht 16 t Gesamtgewicht inkl. Füllung 17,2 t Betriebsdruck 8 bar Max. zul. Betriebsdruck 12 bar Verdampfungsrate 0,9 % pro Tag Der Standtank besteht aus einem Innenbehälter aus kaltzähem Chrom-Nickel-Stahl und einem Außenbehälter aus Baustahl. Zwischen den beiden Behältern liegt eine evakuierte Isolierschicht mit einer MLI aus 50 Lagen Aluminiumfolie und Glasfaser. Wärmebrücken durch Wärmeleitung bilden sich an Aufhängungspunkten zwischen Innen- und Außenbehälter sowie an Durchführungen für Anschlüsse und Sensorik. Der Standtank wird
102
5 Speicherung und Transport
elektronisch überwacht und ist mit einem Druckregelsystem ausgestattet, das einen einstellbaren Systemdruck zwischen 5 bar und 10 bar hält. Wird kein Wasserstoff entnommen, steigt der Druck im Tank an. Beim Erreichen des oberen Grenzdrucks öffnet ein Boil-Off-Ventil und gasförmiger Wasserstoff wird über den Kamin ins Freie abgeblasen. Sämtliche für die Befüllung, Entnahme und für den Betrieb benötigten Armaturen befinden sich vorne am Standtank, siehe Abbildung 5-16 rechts. Dazu gehören die Sicherheitsventile, die bei 13 bar in den Kamin öffnen, die Anzeigen für Tankdruck und Tankstand sowie der vakuumisolierte Befüllstutzen. Das Tankvolumen von 17600 l fasst bei einem Druck von 5 bar (entspricht einer Dichte von 60,22 kg/m³) eine Masse von etwa 1060 kg Wasserstoff. Der Tankstand wird über eine Differenzdruckmessung zwischen Kopfraum und Boden im Tank über den hydrostatischen Druck bestimmt. Der flüssige Wasserstoff wird in Spezialfahrzeugen mit einem vakuumisolierten Großtank angeliefert. Über einen Verbindungsschlauch zwischen Tankfahrzeug und Befüllstutzen wird der Standtank über die Druckdifferenz zwischen Fahrzeug und Tank befüllt. Die Entnahme des flüssigen Wasserstoffs aus dem Standtank erfolgt über ein vakuumisoliertes Faltenbalgventil. Wird Wasserstoff gasförmig benötigt, wird dieser aus dem Kopfraum des Standtanks entnommen, was den Tankdruck senkt. Bei größeren Entnahmemengen wird flüssiger Wasserstoff in Verdampfern verdampft, das sind Wärmetauscher aus gerippten Edelstahlrohren, die Wärme aus der Umgebungsluft beziehen. Bei Bedarf wird der gasförmige Wasserstoff am HyCentA über einen Kolbenkompressor auf maximal 480 bar verdichtet.
Abbildung 5-16: Kryospeicher für Wasserstoff mit Befüllstutzen. Bild HyCentA [5-11]
Alle Flüssigverbraucherstationen der Anlage werden vom Standtank über Rohrleitungen und Kaltventile versorgt, die analog zum Standtank vakuumisoliert ausgeführt sind. Für die Versorgung der Prüfstände und der Abgabestation wird der flüssige Wasserstoff zunächst in einen vakuumisolierten Konditionierbehälter geführt. Dieser hat ein Fassungs-
5.5 Kryospeicherung und Abgabe von flüssigem Wasserstoff
103
volumen von 1000 l und wird vom Standtank über ein Druckgefälle befüllt. Der Wasserstoff kann über ein elektronisches Druckregelsystem auf Drücke zwischen 2 bar und 4 bar konditioniert werden, siehe Abbildung 5-17.
Abbildung 5-17: LH2-Konditionierbehälter. Bild HyCentA [5-11]
Außer dem Tank selbst ist auch die Infrastruktur für flüssigen Wasserstoff technisch aufwändig: Transferleitungen, Ventile, Betankungskupplungen usw. sind ebenfalls vakuumisoliert auszuführen. Stellen mangelhafter Isolierung von Leitungen bilden Kältebrücken, die sich dadurch bemerkbar machen, dass Wasser aus der Umgebungsluft dort kondensiert und Eis bildet. Im Extremfall kann es durch die tiefe Temperatur des flüssigen Wasserstoffs auch lokal zur Luftverflüssigung kommen. Alle mit Wasserstoff in Berührung kommenden Bauteile müssen aus geeigneten Werkstoffen wie austenitischen Edelstählen bestehen, die Wasserstoffdiffusion verhindern und nicht zur Versprödung neigen, siehe Abschnitt Sicherheit. Bei jeder Rohrleitung und bei jedem Behälter muss sichergestellt werden, dass sich keine Luft und damit kein Sauerstoff im System befindet, bevor Wasserstoff eingefüllt wird. Behälter und Rohrleitungen werden daher vor der Befüllung mit Helium gespült. Üblich ist die mehrmalige Druckwechselspülung, bei der wiederholt Helium bei erhöhtem Druck in das entsprechende Gefäß eingebracht und dieses dann entspannt wird. Um in einen Behälter von Umgebungstemperatur flüssigen Wasserstoff einfüllen zu können, muss der Behälter zunächst kalt gefahren werden, d. h., seine Temperatur muss unter die kritische Temperatur von Wasserstoff bei 33 K abgesenkt werden. Dies erfolgt durch Bespülen mit flüssigem Wasserstoff, der durch seine Verdunstungskälte den Behälter abkühlt, siehe Abschnitt Thermodynamik der flüssigen Wasserstoffspeicherung. Das Kaltfahren verursacht nicht unwesentliche Verluste, wenn der zur Kühlung verwendete Wasserstoff nicht weiter verwendet sondern in die Umgebung abgeblasen wird.
104
5 Speicherung und Transport
Die Ausführung eines Flüssigwasserstofftanks für den automotiven Einsatz zeigt Abbildung 5-18. Wieder befindet sich der tiefkalte Wasserstoff in einem austenitischen Stahlgefäß, das gegenüber einem Außentank über ein Vakuum und MLI-Schichten thermisch isoliert ist. Der Betriebsdruck des Tanksystems liegt in der Größenordnung von 2 bar bis 4 bar. Wird längere Zeit kein Wasserstoff entnommen, steigt der Tankdruck durch Wärmeeintrag und Verdampfen des Wasserstoffs an. Wasserstoff muss dann über ein Boil-Off System kontrolliert abgelassen werden. Dieser Wasserstoff wird katalytisch verbrannt oder kann in einer Brennstoffzelle zur Stromerzeugung genutzt werden. Aufwändig wird das System auch durch die erforderlichen Nebenaggregate und die elektronische Steuerung zur Flüssigbefüllung, zur Druckregelung und zur gezielten Entnahme. Für die Entnahme von Wasserstoff aus einem Kryobehälter sind Zusatzvorrichtungen wie Kryopumpen oder ein gezielter Wärmeeintrag zur Verdampfung und entsprechenden Druckerhöhung im Tank vorzusehen. Im gegenständlichen Fall wird über eine an das Motorkühlwassersystem angeschlossene Leitung kurzfristig Wärme in den Tank eingebracht.
Abbildung 5-18: LH2-Tanksystem für automotive Anwendung. Quelle: MAGNA [5-17]
Die Flüssigwasserstofftanksysteme für das erste Kleinserienfahrzeug mit Verbrennungskraftmaschine für bivalenten Betrieb mit Benzin und Wasserstoff, den BMW Hydrogen 7, werden von der Firma MAGNA in Graz gebaut und am HyCentA in Graz einem Testzyklus zur Prüfung von Isolation und Funktion unterworfen, bevor sie ins Fahrzeug eingebaut werden, siehe Abbildung 5-19. Das Tanksystem fasst bei einem Volumen von ca. 170 Litern etwa 10 kg Wasserstoff bei einem Eigengewicht von ca. 150 kg, was eine Reichweite von ca. 250 km erlaubt. An der Weiterentwicklung von Flüssigtanksystemen wird gearbeitet, etwa im Rahmen des EU Projekts StorHy unter Leitung von MAGNA [5-7]. Ziele der Arbeiten sind die Erhöhung der gravimetrischen und volumetrischen Energiedichten, wobei neue leichtere Mate-
5.5 Kryospeicherung und Abgabe von flüssigem Wasserstoff
105
rialien wie Aluminiumlegierungen und Kohlefasern zum Einsatz kommen („Leichtbautanks“) sowie verbesserte Isolierungen. Auch nicht zylindrische so genannte Freiformtanks werden gebaut, die Vorteile beim Packaging im Fahrzeug bieten. Systeme zur aktiven Kühlung oder Isolierschichten aus flüssiger Luft haben sich aus Kostengründen bei Flüssigtanksystemen bisher nicht durchgesetzt.
Abbildung 5-19: Prüfung eines LH2-Tanksystems für automotive Anwendung. Bild: HyCentA [5-11]
Eine interessante Kombination aus Kryotank und Drucktank stellt das Konzept des KryoDrucktanks dar. Dieser wird mit flüssigem Wasserstoff befüllt und weist damit den Vorteil der höheren volumetrischen Energiedichte auf. Um Boil-Off Verluste zu vermeiden, ist der Tank als geschlossenes System ausgeführt, d. h. durch das Verdampfen von flüssigem Wasserstoff steigt der Druck im System, bis im Extremfall der gesamte Wasserstoff wie in einem Drucktank gasförmig vorliegt. Wie aus den Isochoren des Ts-Diagramms hervor geht, können dabei allerdings sehr hohe Drücke bis 1000 bar auftreten, auch ist zu bedenken, dass für die Flüssigbetankung der Tankdruck wieder abgesenkt werden muss. Abgabestationen zur Befüllung von Fahrzeugtanks mit flüssigem Wasserstoff stellen mechanisch wie elektronisch aufwändige Systeme dar. Für sie gelten die obigen Anmerkungen hinsichtlich Materialien, Isolation, Kaltfahren und Spülen. Die Betankung erfolgt über eine vakuumisolierte Flüssigwasserstoffkupplung, die zunächst luftdicht mit dem Fahrzeugtankstutzen verbunden wird. Anschließend wird die Verbindung mit Helium gespült und mit einem Druckstoß die Dichtheit des Systems geprüft. Über eine elektronische Schnittstelle mit dem Fahrzeug wird der Füllstand des Fahrzeugtanks abgerufen. Sind alle Sicherheitstests positiv verlaufen, beginnt die Flüssigbetankung über ein Druck-
106
5 Speicherung und Transport
gefälle. Während der Befüllung eines Behälters mit flüssigem Wasserstoff muss gasförmiger Wasserstoff aus dem Behälter entnommen werden, um das erforderliche Druckgefälle aufrecht zu erhalten. Dies geschieht über eine Rückgasleitung, wobei das Rückgas meist in die Umgebung abgeblasen wird und einen Verlust darstellt, der vom Druckgefälle und dem absoluten Druckniveau wie von einer Reihe anderer Parameter abhängt, vgl. nächsten Abschnitt und [5-5]. Mehrere Ausführungen von Tankkupplungen sind in Verwendung, vgl. Abbildung 5-20.
Abbildung 5-20: Abgabestation und Tankkupplungen für Flüssigwasserstoff. Quelle: HyCentA und BMW [5-2]
5.6
Thermodynamik der flüssigen Wasserstoffspeicherung
In einem Flüssigwasserstoffbehälter steigt wie erwähnt infolge des unvermeidbaren Wärmeeintrags und der daraus resultierenden Verdampfung der Druck an, bis der maximal zulässige Behälterdruck erreicht ist (Druckaufbauzeit). Ab diesem Zeitpunkt muss Wasserstoff abgeblasen werden (Boil-Off), der Behälter wird zum offenen System. Mit einem einfachen thermodynamischen Modell lassen sich die relevanten Vorgänge des Systems prinzipiell beschreiben, nämlich der Druckaufbau durch Wärmeeintrag, das Abdampfen durch Wärmeeintrag (Boil-Off), das Ausströmen zur Druckabsenkung sowie der Befüllvorgang und das Kaltfahren. Die folgenden Ausführungen sind der Literatur entnommen [5-14], vgl. dazu etwa auch [5-5, 5-9, 5-13, 5-15, 5-24].
5.6 Thermodynamik der flüssigen Wasserstoffspeicherung
107
5.6.1 Allgemeine Beschreibung des Systems Kryobehälter Zur allgemeinen Darstellung soll zunächst ein Kryobehälter mit einem einfließenden Massenstrom me und einem ausfließende Massenstrom ma als offenes System betrachtet werden, siehe Abbildung 5-21. Es wird vorausgesetzt, dass es sich um ein System im thermodynamischen Gleichgewicht handelt, d. h. im System herrscht überall derselbe Druck p, der siedende flüssige Wasserstoff und der gesättigte dampfförmige Wasserstoff weisen überall dieselbe Temperatur t auf. Dieses System wird durch Anwendung des ersten Hauptsatzes der Thermodynamik und des Massenerhaltungssatzes beschrieben. Es gilt der erste Hauptsatz der Thermodynamik für offene Systeme, in dem die über die Systemgrenze transportieren Energien Arbeit At, äußere Wärme Qa und Massenänderungen dmi mit ihrer Enthalpie hi und äußeren Energie eai der Änderung von innerer Energie dU und äußerer Energie dEa gleichgesetzt werden. Abbildung 5-21: System eines Kryobehälters
dAt dQa ¦ dmi .( hi eai )
dU dE a
Bei Vernachlässigung der äußeren Energien gilt: dAt dQ a ¦ dm i .( hi )
dU
In dieser allgemeinen Lösung werden die mechanische Arbeit A (z. B. Wellenarbeit) und die Volumänderungsarbeit p dV separat berücksichtigt. dt dU dt
Q1, 2 A1, 2 me he ma ha p
Für die innere Energie folgt: U
dU dt
m u
U V u
U V
du dV dU U u V u dt dt dt
dV dt
108
5 Speicherung und Transport
U V
du dV dU U u V u dt dt dt
Q1, 2 A1, 2 me he ma ha p
dV dt
Aus dem Massenerhaltungssatz folgt: dm dt
me ma
U V
du u (me m a ) dt
V
dU dV U dt dt Q1, 2 A1, 2 me he ma ha p
dV dt
Die innere Energie wird als Funktion von Dichte und Druck ausgedrückt: u = u(U, p) du dt
§ wu · dU § wu · dp ¨¨ ¸¸ ¨¨ ¸¸ © wU ¹ p dt © wp ¹ U dt § wu · dU ¸¸ U V © wU ¹ p dt
U V ¨¨
§ wu · dp ¨¨ ¸¸ © wp ¹ U dt
Q1, 2 A1, 2 me he ma ha p
dV u (me ma ) dt
§ wu · dp ¸¸ © wp ¹ U dt
U V ¨¨
Q1, 2 A1, 2 me (he u ) ma ( ha u ) p
§ wu · dU dV U V ¨¨ ¸¸ dt © wU ¹ p dt
Mit dem Massenerhaltungssatz: § dV · me ma U ¨ ¸ © dt ¹ V
dU dt
§ wu · dp ¸¸ . © wp ¹ U dt
UV ¨¨
§ wu · dV U V ¨¨ ¸¸ Q1, 2 A1, 2 me (he u ) ma ( ha u ) p dt © wU ¹ p dp dt
§ dV · me m a U ¨ ¸ © dt ¹ V
1 dV º ª «Q1,2 A1,2 me (he u ) ma (ha u ) p dt »¼ § wu · ¬ UV ¨ ¸ © wp ¹ U 1 § wu · ¸ © wp ¹ U
UV ¨
ª § dV me ma U ¨ « w u § · dt © « U V ¨ ¸ « V © wU ¹ p « ¬
·º ¸» ¹» » » ¼
5.6 Thermodynamik der flüssigen Wasserstoffspeicherung
109
Mit der spezifischen Enthalpie: h
u
u
h
dp dt
p
U p
U
° ª § wu · º ½° p ®Q1, 2 A1, 2 me «he h U ¨¨ ¸¸ » ¾ U § wu · © wU ¹ p »¼ °¿ «¬ UV ¨¨ ¸¸ °¯ © wp ¹ U 1
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Umformung der Ableitung §¨ wu ·¸ ¨ wU ¸ © ¹p § wu · ¨¨ ¸¸ © wU ¹ p
wp wU
§ p· w¨¨ h ¸¸ U © ¹ wU
§ p· w¨¨ ¸¸ U wh © ¹ wU wU
wp wU U p wh wU wU U² wU
p = konst.
0
§ wu · ¨¨ wU ¸¸ © ¹p
wh p wU U ²
Die allgemein Form für den Druckgradienten dp für das Gleichgewichtsmodell hat foldt gende Form: dp dt
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110
5 Speicherung und Transport
5.6.2 Druckaufbau eines Kryobehälters im thermodynamischen Gleichgewicht Als konkretes Beispiel soll anhand des Standtanks am HyCentA der Druckaufbau durch Wärmeeintrag in einem System im thermodynamischen Gleichgewicht berechnet und mit Messungen verglichen werden. Trotz der optimierten Wärmedämmung führt wie gesagt der geringe Restwärmeeintrag zum Verdampfen des flüssigen Wasserstoffs im Behälter und damit zum Anstieg des Drucks. Damit wird nach der Druckaufbauzeit beim Erreichen des maximalen Betriebsdrucks des Tanks das Ablassen von Wasserstoff erforderlich (Boil-Off). Zur Simulation von Druckanstieg und Druckaufbauzeit im LH2 Speichersystem wird zunächst ein geschlossenes System im thermodynamischen Gleichgewicht angenommen, das einen konstanten Wärmeeintrag Qa erfährt, siehe Abbildung 5-22. Dabei wird wie erwähnt davon ausgegangen, dass der siedende flüssige Wasserstoff und der gasförmige gesättigte Wasserstoffdampf im gesamten System gleichen Druck und gleiche Temperatur aufweisen. Bei einem gegebenen Behältervolumen von 17.600 l ist bei einer gegebenen Gesamtwasserstoffmasse m das spezifische Volumen v bzw. die Dichte U im Gesamtsystem festgelegt, alle möglichen Zustände bewegen sich auf einer Isochoren im Ts-Diagramm. Bei Vorgabe eines bestimmten Drucks ist der Zustand im System eindeutig festgelegt. Das konstante Behältervolumen V setzt sich aus den variablen Anteilen für den flüssigen und den gasförmigen Wasserstoff V c und V cc zusammen, wobei gilt: V
m
U
m v V c V cc mc v c mcc v cc
Abbildung 5-22: Geschlossenes System Kryospeicher in thermodynamischen Gleichgewicht
Die Masseaufteilung in siedende Flüssigkeit und Sattdampf wird durch die Dampfziffer x beschrieben: mcc mcc x mcc x . m mc 1 x . m c m m mcc
5.6 Thermodynamik der flüssigen Wasserstoffspeicherung
111
Für jeden Druck findet man in Stoffwertedatenbanken die spezifischen Volumina für Flüssigkeit und Sattdampf, womit die Dampfziffer und damit die Massenaufteilung bestimmt werden können: x
v vc v cc v c
Mit den Dampfziffern von zwei durch eine Druckzunahme 'p definierten Zuständen ist auch die verdampfte Wasserstoffmasse ' mcc festgelegt. ' mcc
' x.m
Für zwei verschiedene Flüssigwasserstoff-Füllstände von 37,7 Vol % und 71,8 Vol % wurde der Druckverlauf über der Zeit für den HyCentA Standtank gemessen, siehe Abbildung 5-23. Daraus lassen sich mit den angegebenen Beziehungen alle Zustandsgrößen berechnen.
9.8
37.7 Vol% - Messung 71.8 Vol% - Messung
9.7
9.6
Druck [bar]
9.5
9.4
9.3
9.2
9.1
9 0
2
4
6
8
10
12
14
16
Zeit [h]
Abbildung 5-23: Druckaufbau für Füllstand = 37,7 Vol% bzw. 71,8 Vol%
Für den Druckaufbau von 9,1 auf 9,7 bar wurden für die beiden Füllstände folgende Zeiten gemessen, aus denen sich die Druckaufbaurate ergibt: Druckaufbauzeit [h]
Druckaufbaurate [bar/h]
Füllstand 37,7 Vol%
14,7
0,041
Füllstand 71,8 Vol%
16,8
0,036
Messung
112
5 Speicherung und Transport
Ein anschauliches Verständnis der Vorgänge erlangt man durch Betrachtung der Zustandsänderungen im Ts-Diagramm. In Abbildung 5-24 ist der Prozess des isochoren Druckaufbaus für die beiden betrachteten Füllstände maßstäblich dargestellt. Der Druckanstieg bei Füllstand 37,7 Vol% verläuft entlang der Isochoren v = 0,0366 m³/kg unterkritisch rechts vom kritischen spezifischen Volumen von vkrit = 0,0319 m³/kg von Punkt 1 bei p1 = 9,1 bar im 2-phasen Gebiet zum Punkt 2 bei p2 = 9,7 bar. Die Dampfziffer x steigt von 0,285 auf 0,316 an, der gasförmige Anteil nimmt von 136,8 kg um 14,9 kg auf 151,7 kg zu. Ohne Druckbegrenzung und Boil-Off würde bei ca. 13 bar die Taulinie erreicht werden und die gesamte Wasserstoffmasse gasförmig vorliegen. Der Druckanstieg bei Füllstand 71,8 Vol% verläuft entlang der Isochoren v = 0,0246 m³/kg überkritisch links des kritischen spezifischen Volumens von Punkt 3 bei p1 = 9,1 bar im 2-phasen Gebiet bis zum Punkt 4 bei p2 = 9,7 bar. Die Linien gleicher Dampfziffer werden flacher geschnittten, die Dampfziffer steigt von 0,086 auf 0,087, der Gasanteil nimmt geringfügiger um ca. 1 kg von 61,9 kg auf 62,9 kg zu. Ohne Druckbegrenzung und Boil-Off würde die Isochore bei ca. 13 bar die Siedelinie ins Flüssiggebiet schneiden, die Dampfziffer sinkt auf den Wert Null, durch Kondensation würde die gesamte Wasserstoffmasse flüssig vorliegen.
35 rho=40
rho=50
rho=30
p=15 p=10
rho=20
rho=60
33
p=5
rho=15
2
4
31
3
rho=10
1
rho=6
29 rho=4
rho=2
T [K]
27 25
p=2
p=1
23
p=0.5
21
rho=1 x=0.1
19
x=0.2
x=0.3
x=0.4
x=0.6
x=0.7
x=0.8
x=0.9
x=0.5
rho=0.5 p=0.2
17 15 5
10
15
20
25
30
35
s [J/gK] Abbildung 5-24: Ts-Diagramm für Druckaufbau durch Wärmeeintrag im Gleichgewichtsfall
Die berechneten Verläufe der Dampfziffern für die beiden Fälle zeigen Abbildung 5-25 und Abbildung 5-26. Beide Dampfziffern steigen über der Zeit, was bedeutet, dass flüssiger Wasserstoff verdampft, wobei die Verdampfung wie erwähnt im Fall der überkritischen Isochoren langsamer erfolgt. Ebenfalls in Abbildung 5-25 und Abbildung 5-26 eingezeichnet sind die berechneten Verläufe der Flüssigwasserstoff-Füllstände. Der Füllstand FS ist als volumetrischer Anteil
5.6 Thermodynamik der flüssigen Wasserstoffspeicherung
113
der Flüssigmasse am gesamten Behältervolumen in Vol% definiert und wird dargestellt, weil er auch direkt als Messwert über der Zeit vorliegt: FS
Vc .100 V
mc v c 100 V
Beide Abbildungen zeigen, dass die Übereinstimmung von berechnetem und gemessenem Füllstandsverlauf nicht ganz zufrieden stellend ist. Dazu ist anzumerken, dass einerseits die Messung des Füllstands auf einer Differenzdruckmessung im Tank beruht, die wie die meisten Füllstandsmessungen mit Unsicherheiten behaftet ist, und dass andererseits die Modellannahmen des thermodynamischen Gleichgewichts das System nur angenähert abbilden können. In Abbildung 5-26 fällt auf, dass die Rechnung trotz einer leicht steigenden Dampfziffer, also einer leicht abnehmenden Flüssigwasserstoffmasse, ein Ansteigen des Flüssigvolumenanteils ergibt. Dies lässt sich dadurch erklären, dass das spezifische Volumen der flüssigen Phase bei Druckzunahme bis zum kritischen Wert zunimmt, siehe Abbildung 5-27. Daraus folgt, dass das Flüssigvolumen trotz abnehmender Flüssigmasse und steigendem Druck zunimmt und folglich der Füllstand steigt. Die Ursache des Druckaufbaus ist die eingebrachte Wärmemenge. Die spezifische Wärmemenge lässt sich im Ts-Diagramm als Fläche unter der isochoren Zustandsänderung ablesen. Das System lässt sich während des Druckaufbaus mit dem 1. Hauptsatz für geschlossene Systeme beschreiben: dQa
dU d ( m u ) m du
0.35
40.0 39.5
0.3 39.0
Füllstand [Vol%]
38.0
0.2
37.5 0.15
37.0 36.5
0.1
36.0 0.05
37.7% - Messung 37.7% - Berechnung 101W Dampfziffer - Messung Dampfziffer - Berechnung 101W
35.5 35.0 0
2
4
6
0 8
10
12
14
Zeit [h]
Abbildung 5-25: Verlauf von Füllstand und Dampfziffer bei 37,7 Vol%
16
18
Dampfziffer [-]
0.25
38.5
114
5 Speicherung und Transport
75.0
0.35
71.8% - Messung 71.8% - Berechnung 103W Dampfziffer - Messung Dampfziffer - Berechnung 103W
74.5
0.30
74.0
Füllstand [Vol%]
73.0
0.20
72.5 0.15
72.0 71.5
Dampfziffer [-]
0.25
73.5
0.10
71.0 0.05 70.5 70.0
0.00 0
2
4
6
8
10
12
14
16
18
Zeit [h]
Abbildung 5-26: Verlauf von Füllstand und Dampfziffer bei 71,8 Vol%
spez. Volumen [m³/kg] 0.1
0.05
0.033
0.025
0.02
0.0167
0.0143
0.0125
14
34.00
12
32.00
10
30.00
8
28.00
Dichte gasförmig Dichte flüssig
6
26.00
4
24.00
2
22.00
0
20.00 0
10
20
30
40
Dichte [kg/m³]
Abbildung 5-27: Abhängigkeit der Dichte vom Druck
50
60
70
80
Temperatur [K]
Druck [bar]
0
5.6 Thermodynamik der flüssigen Wasserstoffspeicherung
115
Mit den Beziehungen des vorhergehenden Abschnitts mit den entsprechenden Rand- und Anfangsbedingungen erhält man für den Zusammenhang zwischen Druckanstieg und Wärmeeintrag Q: dp dt
Q 1 . V § wu · U .¨¨ ¸¸ © wp ¹ U
Im gegenständlichen Fall ergeben sich für die Füllstände von 37,7 Vol% und 71,8 Vol% aus dem gemessenen Druckaufbauverlauf Wärmeeinträge von 118 W und 123 W. Um einen detaillierteren Einblick in die Energieverteilung im System zu erhalten, soll im Folgenden die innere Energie für den gasförmigen und flüssigen Teil getrennt betrachtet werden, wobei diese Untersysteme jeweils offene Systeme mit Massetransport darstellen. Es gilt: dQa
dU dU c dU cc d (mc u c) d ( mcc u cc)
mc du c u c dmc mcc du cc u cc dmcc
Unter Nutzung der Masseerhaltung d mcc d mc
erhält man: dQa
mc d u c mcc d u cc dmcc( u cc u c)
Die gesamte eingebrachte äußere Wärme dient also der Erhöhung der inneren Energie des Gesamtsystems. Diese Energiezunahme kann wie dargestellt in die beiden Anteile dU c und dU cc der Gasphase und der Flüssigphase unterteilt werden. Da sich die Aufteilung der Anteile über der Zeit nur wenig ändert, kann sie für den jeweiligen Behälterfüllstand konstant angenommen und über diesem dargestellt werden. In Abbildung 5-28 sind die Anteile der inneren Energien für Flüssigkeit und Sattdampf über dem Füllstand aufgetragen, die zusammen den mit dem Füllstand zunehmenden Gesamtwärmeeintrag ergeben. Ab einem Füllstand von knapp 65 Vol% nimmt die innere Energie der Gasphase ab. Eine detailliertere Betrachtung ergibt sich, wenn die Änderungen der inneren Energien für die gasförmige und flüssige Masse getrennt betrachtet werden sowie ein gemeinsamer Anteil für die Verdampfung, siehe Abbildung 5-29. Dabei fällt auf, dass der Anteil m"du" negativ ist, was daher rührt, dass entlang der Taulinie die innere Energie mit steigender Temperatur abnimmt. Der Energieanteil der Verdampfung nimmt über dem Füllstand ab, bis er bei hohen Füllständen über 70 Vol% infolge auftretender Kondensation negativ wird. Entsprechend steigt der Energieanteil der flüssigen Phase. Infolge des höheren Verdampfungsanteils erfolgt der Druckaufbau bei geringerem Füllstand trotz geringerer insgesamt eingebrachter Wärmemenge rascher als bei höherem Füllstand.
116
5 Speicherung und Transport
8000 7000 6000
dU´ + dU´´
Energie [kJ]
5000 4000
dU´
3000
dU´´
2000 1000 0 -1000
0
20
40
60
80
100
Füllstand [%]
Abbildung 5-28: Aufteilung der inneren Energie über dem Füllstand
9000
Füllstand: 37.7 %
mges(A) = 480.6 kg
Füllstand: 71.8 %
mges(A) = 717.6 kg
mg(A) = 136.7 kg ml (A) = 343.9 kg
mg(E) = 151.6 kg ml (E) = 329.0 kg
mg(A) = 61.4 kg ml (A) = 656.2 kg
mg(E) = 62.6 kg ml (E) = 655.0 kg
8000 7000
dm´´(u´´- u´)
6000
Energie [kJ]
5000
Qa
4000 3000 2000
m´du´
1000 0
m´´du´´
-1000 -2000
0
20
40
60
80
Füllstand [%]
Abbildung 5-29: Aufteilung der inneren Energie über dem Füllstand – Detail
100
5.6 Thermodynamik der flüssigen Wasserstoffspeicherung
117
5.6.3 Druckaufbau eines Kryobehälters im thermodynamischen Ungleichgewicht Um die Aussagekraft gegenüber dem Gleichgewichtssystem zu erhöhen und um Differenzen der Massen- bzw. Füllstandsverläufe zwischen Messung und Rechnung beim Druckaufbau besser beurteilen zu können, wird ein Modell im thermodynamischen Ungleichgewicht vorgestellt, siehe Abbildung 5-30. Dabei wird angenommen, dass zwar im gesamten Behälter derselbe Druck herrscht und dass die gesamte Flüssigphase auf der dem jeweiligen Druck entsprechenden Gleichgewichtstemperatur gehalten wird, die Gasphase aber eine höhere Temperatur aufweisen kann. Von den möglichen Temperaturverteilungen im Behälter nach Abbildung 5-31 wird der mittlere Fall betrachtet, also eine gleichmäßige Überhitzung der Gasphase mit einer Temperatur Tg über der Gleichgewichtstemperatur T c der Flüssigphase. Abbildung 5-30: System Kryospeicher in thermodynamischem Ungleichgewicht
Abbildung 5-31: Temperaturverteilungen im Behälter
118
5 Speicherung und Transport
Wie beim System im thermodynamischen Gleichgewicht ist auch hier aufgrund des geschlossenen Systems bei einem gegebenen Behältervolumen und einer gegebenen Gesamtwasserstoffmasse m das spezifische Volumen v bzw. die Dichte U des Gesamtsystems festgelegt, alle möglichen Zustände bewegen sich wieder auf einer Isochoren im TsDiagramm, siehe die nicht maßstäbliche Darstellung der beiden im Gleichgewicht behandelten Füllstände in Abbildung 5-32.
p+deltap
2´
471.8
2g
v37
v71.8
237
2´´
371.8
1´´
137
1´
p
T[K]
delta qzu71.8
delta qzu37
s[kJ/kgK] Abbildung 5-32: Ts-Diagramm für Druckaufbau durch Wärmeeintrag im inhomogenen System
Das konstante Behältervolumen V setzt sich wieder aus den variablen Anteilen für den flüssigen und den gasförmigen Wasserstoff V c und Vg zusammen. Im Gegensatz zum Gleichgewichtsfall kann sich der gasförmige Anteil jedoch in einem überhitzten Zustand befinden, es gilt nun: V
m
U
m v V c Vg mc v c mg v g
Die Masseaufteilung in siedende Flüssigkeit und überhitzten Dampf kann nun nicht mehr eindeutig durch die Dampfziffer beschrieben werden, es ergibt sich als zusätzliche Variable die Masseaufteilung, die durch die verdampfte Masse dmg beschrieben werden kann. Die Ableitungen und Abbildung 5-32 zeigen, dass gegenüber der Sattdampfmasse im Gleichgewichtsfall die überhitzte Gasmasse nur weniger werden kann, weil das spezifische Volumen des überhitzten Gases gegenüber dem Sattdampf jedenfalls zunimmt. Es
5.6 Thermodynamik der flüssigen Wasserstoffspeicherung
119
wird also weniger Flüssigmasse verdampfen, das Flüssigvolumen wird sich mehr ausdehnen und das Gasvolumen wird komprimiert. Der zusätzliche Freiheitsgrad der Massenaufteilung bedarf zur Festlegung einer weiteren Messung, entweder des Verlaufs des Füllstands oder der Temperatur im Gasraum. Leider sind solche Messungen schwierig und oft nicht sehr zuverlässig. Wie aus dem Ts-Diagramm in Abbildung 5-32 hervorgeht, entspricht die zugeführte spezifische Wärmemenge der Fläche unter der Isobaren und ist somit für jeden Füllstand gleich der zugeführten Wärmemenge beim Gleichgewichtssystem. Um den Zusammenhang zwischen Zustandsgrößen und eingebrachtem äußeren Wärmestrom herzustellen, wird auf das System im thermodynamischen Ungleichgewicht des Kryospeichers nach Abbildung 5-30 wieder der 1. Hauptsatz der Thermodynamik angewendet. Dabei wird die Änderung der inneren Energie des Systems wieder in die Änderungen der inneren Energie der Flüssigphase und der Gasphase aufgeteilt, wobei die Gasphase hier anstatt aus Sattdampf aus überhitztem Wasserstoffdampf besteht: dQa
dU dU c dU g
d (mc uc) d (mg u g )
mc duc ucdmc mg dug u g dmg
Unter Nutzung der Masseerhaltung d mg
d mc
erhält man: dQa
m g d u g mc d u c dm g ( u g u c)
Diese Gleichung ist aufgrund der Abhängigkeit der Stoffwerte von Druck und Temperatur wieder nur numerisch lösbar. Die schrittweise Berechnung der inneren Energie der überhitzten Gasphase u g und damit der Gastemperatur erfolgt unter Vorgabe der verdampften Masse 'mg und der zugeführten Wärmemenge ' Qa , die ident zum Gleichgewichtsfall angenommen wird. Die Diskretisierung der obigen Gleichung ergibt für den n-ten Schritt: ' Qa n
mcn ( u nc 1 u nc ) m g n ( u g n1 u g n ) ' m g n ( u g n1 u g n )
Unter der Annahme, dass das System zunächst im Gleichgewicht vorliegt und sich die Gasphase im Sättigungszustand befindet, kann damit der Verlauf der inneren Energie und somit der Temperatur des überhitzten Dampfes berechnet werden. Für die beiden betrachteten Füllstände zeigen Abbildung 5-33 und Abbildung 5-34 diese Verläufe für eine Variation der verdampften Masse 'mg. Es zeigt sich, dass die Gasphase bei beiden Füllständen nur wenige Grad überhitzt wird, wobei die Temperatur der Gasphase mit kleiner werdendem 'mg zunimmt. Die auftretenden Temperaturzunahmen gegenüber dem Gleichgewichtsfall bewegen sich dabei im Bereich weniger Grad. Die Simulationsergebnisse und die Vergleiche mit den Messungen zeigen, dass die relativ einfache thermodynamische Modellierung des Systems mit einer überhitzten Gasphase weiteren Spielraum für die Simulation und Vorausberechnung der Druckaufbauphase liefern, wobei die Abgleichung mit verbesserten Messergebnissen anzustreben ist.
120
5 Speicherung und Transport
33.50 'mg=-5 33.00
Temperatur [K]
32.50
'mg=-3
32.00 'mg=-1 31.50 'mg= 1 SAT 31.00
30.50
0
1
2
3 4 Rechenschritt [-]
5
6
7
Abbildung 5-33: Temperaturverläufe bei einem Füllstand von 37 Vol%
32.00
31.75
'mg=-9
Temperatur [K]
31.50
'mg=-7 'mg=-5 'mg=-3 'mg=-1 SAT
31.25
31.00
30.75
30.50
0
1
2
3 4 Rechenschritt [-]
5
Abbildung 5-34: Temperaturverläufe bei einem Füllstand von 72 Vol%
6
7
5.6 Thermodynamik der flüssigen Wasserstoffspeicherung
121
In der Realität sind die Verhältnisse im Flüssigspeichersystem allerdings deutlich komplexer. Einerseits strebt das System wieder nach dem thermodynamischen Gleichgewicht, andererseits wird sich eine Temperaturverteilung in einem dreidimensionalen Strömungsfeld einstellen. Es wird in der Regel angenommen, dass der Wärmeeintrag in den Innentank zu einer Erwärmung der äußersten Schichten der Flüssigphase führt. Die dadurch verursachte Dichteänderung führt zu einem Aufsteigen der Flüssigkeit. Daher entsteht eine wärmere Schicht an der Oberfläche der Flüssigkeit, der Grenzfläche zur Gasphase. Somit bildet sich ein Temperaturgradient innerhalb der Flüssigphase aus, der grundsätzlich einen stabilen Zustand darstellt. Diese Schichtung hat weiters einen Wärmetransfer in die Gasphase zur Folge und eine Verdampfung eines Teils der Flüssigphase. Der Druckanstieg in der Gasphase wird maßgeblich von der Oberflächentemperatur der Flüssigphase bestimmt. Die thermische Schichtung in der flüssigen wie gasförmigen Phase wird durch unterschiedlich komplexe numerische Simulationsmodelle berechnet, wobei Grenzschichtphänomene eine wesentliche Rolle spielen. Die messtechnische Erfassung der auftretenden Temperaturgradienten und Strömungszustände gestaltet sich allgemein schwierig. Beispielhaft zeigt Abbildung 5-35 die räumliche Temperaturverteilung in einem Kryobehälter.
Abbildung 5-35: Temperaturverteilung in einem Kryobehälter. Quelle: Scurlock [5-24]
5.6.4 Abkühlung und Befüllung eines Behälters Neben dem Druckaufbauverhalten eines Flüssigwasserstoffbehälters ist die Befüllung eines Behälters von Interesse, wobei in der Regel über ein Druckgefälle befüllt wird und der Druck im zu befüllenden Behälter durch das Abblasen von Wasserstoff während des
122
5 Speicherung und Transport
Befüllvorgangs konstant gehalten wird. Auch das Kaltfahren von Behältern oder warmen Komponenten wie Verbindungsleitungen wird simuliert. Der Befüllvorgang vom LH2Standtank am HyCentA zum Konditionierbehälter erfolgt über eine vakuumisolierte Rohrleitung. Abbildung 5-36 zeigt das Gesamtsystem, das in drei Teilsysteme gegliedert ist.
Abbildung 5-36: System für Befüllung
Für die Kryobehälter Teilsystem 1 und 3, die in diesem Fall offene Systeme darstellen, können die Beziehungen des oben beschriebenen allgemeinen homogenen Modells Anwendung finden, wobei wir annehmen, dass beide Behälter flüssigen Wasserstoff enthalten, sich also auf Tieftemperatur befinden. Da der Wärmeeintrag in den Standtank für den Zeitraum der Befüllung vernachlässigt werden kann, hängt die Änderung der inneren Energie dU1 also nur von der austretenden Masse dm und deren spezifischen Enthalpie h1 ab. Der aus dem Standtank austretende Massenstrom m durchfließt anschließend System 2, d. h. die Rohrleitung, siehe Abbildung 5-37. Falls sich das System 2 „Rohrleitung“ auf einer Temperatur über der kritischen Temperatur Tkrit = 33 K befindet, wie dies in der Regel der Fall ist, muss das Rohrleitungssystem zuerst kalt gefahren werden, um flüssigen Wasserstoff transportieren zu können. Dabei verdampft der aus dem Standtank ausströmende flüssige Wasserstoff in den Rohren und kühlt diese durch die Verdampfungsenthalpie ab.
Abbildung 5-37: System 2: Rohrleitung
5.6 Thermodynamik der flüssigen Wasserstoffspeicherung
123
Abbildung 5-38: Kaltfahren der Rohrleitung
Der flüssig eintretende Massenstrom m verlässt das System zu Beginn der Befüllung als gasförmiger Massenstrom m g . Erreicht die thermische Masse der Rohre eine Temperatur unter Tkrit, stellt sich ein flüssiger Massenstrom m f ein. Zur genaueren Betrachtung des Kaltfahrvorgangs soll ein Teilstück der Rohrleitung betrachtet werden, siehe Abbildung 5-38. Energiebilanz der Abkühlung: ms cs
dT dt
m LH 2 rH 2 D A (T U T )
Der Term D A (TU T ) entspricht dem übergehenden Wärmestrom aus Strahlung und Konvektion und ist um ein Vielfaches kleiner als der Term der Verdampfungsenthalpie m LH 2 rH 2 . Er kann daher vernachlässigt werden und es ergibt sich folgende Differentialgleichung: T (t )
Randbedingung: t 0 , T
m LH 2 rH 2 ms cs
t C
TU
Daraus ergibt sich folgender Temperaturverlauf: T (t )
TU
m LH 2 rH 2 ms cs
t
Energiebilanz für die Rohre: dm12 h1 dm23 h2
dU 2
Das System des Konditionierbehälters ist in Abbildung 5-39 dargestellt. Der eintretende Massenstrom besteht je nach Temperatur der Rohrleitungen aus gasförmigem oder flüssigem Wasserstoff.
124
5 Speicherung und Transport
Energiebilanz für den Konditionierbehälter: dm23 h2
dU 3
Die Zeiten für das Kaltfahren bewegen sich dabei im Bereich von Minuten, die verdampfende Wasserstoffmenge ist im allgemeinen als Verlust zu betrachten und wird durch einen Kamin in die Umgebung entsorgt. Bei Flüssigbetankungen ist dabei von Verlusten von 30 % bis über 100 % auszugehen. Im Folgenden werden Vergleiche von Simulationen und Messungen von zwei Befüllungen am HyCentA dargestellt. Abbildung 5-39: System 3: Konditionierbehälter
Für einen Befüllversuch bei kalten Verbindungsrohren und einem Füllstand von 30 % im Konditionierbehälter bei einem Druck von 3,7 bar zeigt Abbildung 5-40 den Vergleich von Simulation und Messung der Verläufe von Druck und Füllstand, in Abbildung 5-41 sind die berechneten Verläufe von Dampfziffer und flüssiger wie gasförmiger Wasserstoffmasse im Konditionierbehälter dargestellt. Es fällt auf, dass beim Start des Befüllvorganges der Druck im Konditionierbehälter durch den Druckausgleich zwischen Standtank und Konditionierbehälter und durch den einströmenden wärmeren gasförmigen Wasserstoff rasch ansteigt. Gasmasse und Dampfziffer steigen bis zum Beginn der Flüssigannahme an. Ab diesem Zeitpunkt nimmt die Flüssigmasse im Behälter zu, die Dampfziffer sinkt, ebenso die gasförmige Masse infolge des Öffnens eines Druckabbauventils am Konditionierbehälter. Dieses soll die für die Befüllung erforderliche Druckdifferenz zum Standtank aufrecht halten, der Druck sinkt bis zum Ende der Befüllung leicht ab. Nach Beendigung der Befüllung durch Schließen des Kaltventils wird weiter Wasserstoff abgeblasen, bis der vorgegebene Zieldruck von 3,3 bar erreicht ist.
5.6 Thermodynamik der flüssigen Wasserstoffspeicherung
5
125
Ende der Befüllung
25 Druck [barü] Druck - Simulation [barü]
4.8
Masse [kg] Masse - Simulation [kg]
4.6
23
22
Start der Befüllung
4.2
21
4
20
3.8
19
3.6
18
3.4
Masse [kg]
4.4
Druck [barü]
24
17
Beginn LH2 Annahme 3.2
16
3 0
20
40
60
80
100
120
140
15 160
Zeit [s]
Abbildung 5-40: Vergleich Simulation – Messung von Druck und Masse LH2
Start der Befüllung
Ende der Befüllung
25
0.25 m_flüssig [kg] m_gas [kg]
Beginn LH2 Annahme
Dampfziffer [-]
0.20
15
0.15
10
0.10
5
0.05
Masse [kg]
Dampfziffer [-]
20
0 0
20
40
60
80
100
120
Zeit [s]
Abbildung 5-41: Simulation von Dampfziffer und Masse GH2 und LH2
140
0.00 160
126
5.7
5 Speicherung und Transport
Speicherung in physikalisch und chemisch gebundener Form
Viele Stoffe besitzen die Eigenschaft, physikalische oder chemische Verbindungen mit Wasserstoff einzugehen. Die Bindungen können in festen, flüssigen oder gasförmigen Medien erfolgen. Als wesentliche Bewertungskriterien für die Eignung einer Verbindung als Wasserstoffspeicher sind zu nennen:
Wasserstoffmenge, die pro Gewichts- und Volumeneinheit gespeichert wird, Bedingungen für die Be- und Entladung des Speichers (Temperatur, Druck, Kinetik), Anzahl der möglichen Beladungszyklen (Lebensdauer).
Trotz teilweise theoretisch sehr hoher gravimetrischer und volumetrischer Speicherdichten befinden sich die meisten gebundenen Speicherformen im Versuchsstadium. Bei am Markt erhältlichen Feststoffspeichern in Hydriden liegt das Speichergewicht bei rund 30 kg bis 40 kg pro kg gespeichertem Wasserstoff, das sind ca. 3 Masseprozent Wasserstoff. Meist erweisen sich auch die Bedingungen für die Be- und Entladung als aufwändig.
5.7.1 Physikalische Adsorption auf Festkörperoberflächen In Abhängigkeit von Druck und Temperatur adsorbiert Wasserstoff physikalisch in molekularer Form oder chemisch in atomarer Form auf Festkörperoberflächen. Bei der physikalischen Adsorption oder auch Physisorption kommt es zur Bindung durch Wechselwirkungen ohne strukturelle Änderung des Wasserstoffmoleküls, siehe Abbildung 5-42. Die Bindungsenergie ist bei der physikalischen Adsorption deutlich geringer. Der Werkstoff sollte eine große Oberfläche (Poren) besitzen, um die Speicherfläche zu maximieren. Abbildung 5-42: Physikalische Adsorption von Wasserstoff. Quelle: DoE [5-26]
5.7 Speicherung in physikalisch und chemisch gebundener Form
127
Eingehend untersucht wurde die physikalische Adsorption von Wasserstoff auf Kohlenstoff. Kohlenstoffatome können Fullerene bilden, das sind mehrere fünf- und sechseckige Kohlenstoffringe, die zusammen ein Gitter formen. Diese Gitter können zu zylindrischen Röhrchen aufgerollt werden, so genannten Nanotubes, siehe Abbildung 5-43. Durch physikalische Adsorption an der Oberfläche dieser Gitter wird Wasserstoff bei meist niedrigen Temperaturen von 50 K bis 80 K gespeichert. Nach anfänglicher Euphorie, man sagte 1998 Speicherkapazitäten von über 60 Gewichtsprozenten Wasserstoff voraus [5-3], konnten bisher Speicherdichten von 3 bis 5 Gewichtsprozenten umgesetzt werden [5-10]. Da auch die rasche Freisetzung des gebundenen Wasserstoffs Probleme bereitet, sind noch keine Nanospeicher am Markt. Abbildung 5-43: Struktur von Nanotubes. Quelle: University of Reading [5-29]
Untersucht wird auch die Adsorption an andere Strukturen wie Microsheres. Neuere Forschungen sprechen auch davon, dass gewisse Kunststoffe (Polyanilin, Polypyrrol) bis zu 8 Gewichtsprozent Wasserstoff speichern können. Die Verfahren befinden sich noch im Laborforschungsstadium.
5.7.2 Chemische Adsorption in Hydriden Fast alle Elemente bilden Verbindungen mit Wasserstoff, vgl. Abschnitt Eigenschaften. Wasserstoffverbindungen mit Halb- und Nichtmetallen aus der 3. bis 7. Hauptgruppe sind meist Gase oder Flüssigkeiten. Die wichtigsten Vertreter dieser Gruppe sind die Kohlenwasserstoffe (z. B. Methan, Benzin und Diesel) und Wasser. Je nach Polarität der Bindung unterscheidet man Bindungspartner mit formal positiv geladenem Wasserstoff (z. B. Wasser – H2O, Ammoniak – NH3, Salzsäure – HCl), Bindungspartner mit formal negativ geladenem Wasserstoff (z. B. Silane SiH4 oder Borane) sowie Verbindungen,
128
5 Speicherung und Transport
welche schwache polare Wasserstoffbindungen aufweisen und als unpolar oder kovalent bezeichnet werden (z. B. Methan CH4). Es gibt auch Metalle, die kovalente Hydride bilden können wie z. B. Aluminium, Beryllium und Gallium. Aus einigen flüssigen Wasserstoffverbindungen könnte durch Reformierung direkt an Bord von Fahrzeugen Wasserstoff gewonnen werden. Dem Vorteil der höheren Energiedichte des Ausgangshydrids stehen Nachteile gegenüber wie der Aufwand für den Reformer, der oft hohe Temperaturen, Katalysatoren und Umsetzungszeit benötigt, die Freisetzung von CO2 bei Kohlenwasserstoffen oder die Giftigkeit mancher Verbindungen. Versuche mit Reformern gibt es z. B. mit Methan, Methanol und Ammoniak. Salzartige Hydride sind ionische Verbindungen, die in einem Ionengitter kristallisieren, siehe Abbildung 5-44. Sie besitzen das Hydridion H und weisen als Bindepartner elektropositive Alkali- und Erdalkalimetalle, mit Ausnahme von Beryllium, auf (z. B. Alanate wie Lithiumaluminiumhydrid LiAlH4). Hydridionen Hz finden sich auch in komplexen Verbindungen mit Übergangsmetallen My und einem elektropositiven Metall Gx. Diese Hydride werden auch als komplexe Metallhydride bezeichnet und haben die allgemeine Form GxMyHz. Es gibt viele Verbindungen dieser Art mit Erdalkalimetallen und Alkalimetallen. Ein Beispiel ist Natriumborhydrid (NaBH4): NaBH4 + 2 H2O o NaBO2 + 4 H2. Die für die Speicherung von Wasserstoff wichtigsten Hydride sind die metallischen Hydride. Elementare Metalle (z. B. Palladium, Magnesium, Lanthan), intermetallische Verbindungen und Leichtmetalle (z. B. Aluminium) sowie bestimmte Legierungen (z. B. TiNi-Ti2Ni, Mg-Mg2Ni) sind in der Lage, Wasserstoff zu speichern. Wasserstoffatome werden chemisch ins Metallgitter eingebunden. Das Interesse der Forscher richtet sich insbesondere auf intermetallische Verbindungen, die aus einem Element mit hoher Wasserstoffaffinität und aus einem Element mit niedriger Wasserstoffaffinität bestehen (z. B. ZrMn2, LaNi5, Mg2Ni). Abbildung 5-44: Salzgittermodell. Quelle: Universität Freiburg [5-27]
5.7 Speicherung in physikalisch und chemisch gebundener Form
129
Be- und Entladung metallischer Hydride Wenn der Wasserstoff auf das Metall trifft, wird das Wasserstoffmolekül zunächst an die Oberfläche gebunden und in seine Atome dissoziiert (Lösungs-D-Phase). Die Wasserstoffatome diffundieren dann in das Material und werden ins Metallgitter eingebaut bis sie die Hydrid-E-Phase bilden, siehe Abbildung 5-45 links. Thermodynamisch wird der Vorgang durch Isotherme in einem Druck-Konzentrations-Diagramm dargestellt, siehe Abbildung 5-45 rechts. In der D-Phase steigt der Wasserstoffdruck mit der Konzentration [H] (H-Atom pro Metall-Atom) stark an, bis bei [H] = 0,1 – 0,2 der Wasserstoff in die Hydridphase übergeht. Während des Zeitraums der Koexistenz der beiden Phasen wird bei annähernd konstanten Werten für Temperatur und Druck Wasserstoff ins Metallgitter eingebaut. Die Breite des horizontalen Plateaus ist ein Maß dafür, wie viel Wasserstoff reversibel im Hydrid gespeichert werden kann. Ist die Hydridbildung abgeschlossen, steigt der Wasserstoffdruck mit weiterer Konzentrationszunahme stark an. Die Plateaubreite ist von der Temperatur abhängig. Oberhalb der kritischen Temperatur Tc bildet sich kein Plateau mehr aus.
Abbildung 5-45: Bildung und Übergangsphasen von Metallhydriden. Quelle: Schlapbach Züttel [5-21]
Die Be- und Entladung erfolgt bei Drücken zwischen 1 bar und 60 bar. Liegt ein PlateauGleichgewicht bei Temperaturen um 20 °C bis 90 °C vor, spricht man von Niedertemperaturhydriden, bei Temperaturen von 200 °C bis 300 °C von Hochtemperaturhydriden. Für die meisten Hydride hat die Bildungsenthalpie einen Wert von etwa ¨H = 20 MJ pro kmol H2. Bei der exothermen Chemisorption wird diese Wärme abgegeben, bei der endothermen Desorption muss sie zugeführt werden. Für den Vorgang der Wasserstoffentnahme wird also viel Energie benötigt. In der Realität liegt der Plateaudruck für die Chemisorption etwas höher als für die Desorption. Man spricht dabei von Hysterese. Wird bei der Chemisorption nicht genügend Wärme abgeführt, ergibt die steigende Temperatur ein erhöhtes Plateauniveau und der anliegende Wasserstoffdruck reicht zur Erhaltung der Reaktion nicht mehr aus.
130
5 Speicherung und Transport
Sicherheitstechnisch haben Hydridspeicher den Vorteil, dass im Falle eines Unfalls oder Lecks die Wärmezufuhr und das Druckniveau zusammenbrechen, was zur sofortigen Inaktivierung der Wasserstofffreisetzung führt. Metallhydride eignen sich vor allem für die Versorgung von Brennstoffzellen, da Verunreinigungen an der Oberfläche des Metalls aufgenommen werden, wodurch Wasserstoff hoher Reinheit freigegeben wird. Als Nachteile der Hydridspeicher sind neben den teilweise hohen Kosten und dem hohen Gewicht zu nennen, dass die erreichten Speicherdichten sehr niedrig sind (2 bis 3 Masseprozent bei den Niederdruckhydriden und 6 bis 8 Masseprozent bei den Hochdruckhydriden) und dass die Be- und Entladung oft nicht einfach zu bewerkstelligen ist. Die Dauer zur Be- und Entladung ist von der Kinetik von Adsorption, Dissoziation und Diffusion abhängig. Eine große Rolle spielt dabei neben Druck und Temperatur die Oberflächenbeschaffenheit des Metalls. Bei Kontakt mit Sauerstoff bildet sich eine Oxidschicht, die die Chemisorption verlangsamen oder hemmen kann. Einen ähnlichen Effekt bewirken auch Spuren von H2S, CO oder SO2. Oft ist auch die Anzahl der möglichen Zyklen begrenzt. Die Be- und Entladung erfordert eine aufwändige Tankstelleninfrastruktur. Um die Beladungsdauer von typischerweise 10 bis 30 Minuten zu verkürzen, sind spezielle Mühlen im Einsatz, in denen Stahl- oder Keramikkugeln mit hoher Energie auf die pulverförmigen Ausgangssubstanzen geschleudert werden. Der Vorgang läuft unter Schutzatmosphäre ab und wird durch Additive beschleunigt. Die Wasserstoffatome belegen Plätze im Metallgitter und verzerren dieses trotz ihrer geringen Größe um bis zu 20 Volumprozent. Die Ausdehnung des Gitters erfolgt anisotrop, also in verschiedene Richtungen unterschiedlich. Dies führt zu strukturellen Spannungen und bei wiederholten Be- und Entladungszyklen zur Rissbildung, das Metall zerfällt mit der Zeit, wobei sich eine Korngröße von 5 µm mit einer spezifischen Oberflächengröße von 0.1 m2/g bis 0.2 m2/g einstellt, siehe Abbildung 5-46. Abbildung 5-46: Metallhydridstücke. Quelle: SciELO [5-23]
5.7 Speicherung in physikalisch und chemisch gebundener Form
131
Beispiele für Hydridspeicher Heute werden Hydridspeicher in kleinen Kartuschen zur mobilen Wasserstoffversorgung portabler Kleinverbraucher wie Laborgeräten eingesetzt, vereinzelt in mobilen Anwendungen und in U-Booten. Ein Beispiel eines Metallhydridspeichers zeigt Abbildung 5-47.
Abbildung 5-47: Metallhydridspeicher. Quelle: Treibacher Industrie AG [5-25]
Als Beispiel sei aich der Ratrac der Universität Fribourg angeführt, der einen Metallhydridspeicher mit folgenden Daten enthält, siehe Abbildung 5-48.
Abbildung 5-48: Ratrac-Brennstoffzellen-Fahrzeug. Quelle: Universität Fribourg [5-28]
132
5 Speicherung und Transport
Legierung: Ti0.93Zr0.05(Mn0.73V0.22Fe0.04)2 Speicherkapazität: 500 g H2 (16 kWh) Speichergewicht: ca. 40 kg Durchmesser außen: 165 mm, Länge: 400 mm Arbeitsdruck: 10 bar, Berstdruck >250 bar Wärmezufuhr durch Kühlwasser mit ca. 65 °C Maximale Entnahmemenge: 72 Liter/min (6.4 g/min) Übersicht Speicherung Eine zusammenfassende Übersicht über die Speichermöglichkeiten von Wasserstoff gibt Abbildung 5-49, in der die volumetrische Speicherdichte über der gravimetrischen Speicherdichte für verschiedene Wasserstoffspeicher aufgetragen ist [nach 5-21]. Dabei ist zu beachten, dass für die Druckgasspeicherung und Kryospeicherung Gewicht und Volumen des Speichers selbst berücksichtigt wurden, nicht aber für die Hydride.
Volumetric H2 density [kg H2/m³]
160
density
5 g/cm³
BaReH9 520K KBH4 dec. 580K
0.7 g/cm³ Al(BH4)3 dec.373K m.p. 208K
MgH2 620 K, 5 bar
FeTiH1.7 300 K, 1.5 bar
100
nano
LiAlH4 dec. 400K
C8H18
LiBlH4 dec. 553K
liq.
liq.
CH4 b.p. 112K
liq.
C4H10 b.p. 272K
LiH dec. 650K
H2 chemisorbed on carbon
H2 physisorbed on carbon
liq.
H2 20.3K
60 1000 800
40
1000
20
200 130
reversible Hydride
800 Gas
500 Pressurized H2 (steel) p[bar]
Gas
Pressurized H2 (composite material) p[bar]
irreversible Hydride
500
Kohlenwasserstoffe 200 130
0 0
5
10
15
20
25
Gravimetric H2 density [mass%] Abbildung 5-49: Vergleich der Speicherformen von Wasserstoff. Quelle: Schlapbach Züttel [5-21]
Die strichlierten Linien im unteren Bildteil für Druckspeicher (pressurized H2) bei 700 bar zeigen, dass Kompositmaterialien mit ca. 14 Masseprozent (14 kg H2 / 100 kg) gegenüber Stahl mit ca. 2 Masseprozent einen entscheidenden Vorteil in der gravimetrischen Dichte bieten, die volumetrische Speicherdichte jedoch gering bleibt. Mit Flüssigspeicherung (H2liq)ist eine höhere volumetrische Energiedichte bei mittlerer gravimetrischer Dichte erreichbar. Die Kurve für Oberflächenanlagerung (physisorbed) zeigt, dass durch die Vergrößerung der Speicheroberfläche hohe gravimetrische Speicherdichten möglich sind, allerdings bei bescheidener volumetrischer Dichte. Höchste gravimetrische Speicherdichten erreichen die flüssigen Kohlenwasserstoffe (chemisorbed).
5.8 Transport und Verteilung von Wasserstoff
133
Großes theoretisches Potenzial bieten Hydride, wobei die höchsten gravimetrischen Speicherdichten von 10 bis 20 Masseprozent nur von irreversiblen Hydriden erreicht werden, die unter praktisch realisierbaren Bedingungen nicht mehr entladbar sind. Legierungen aus Übergangsmetallen erzielen H2-Massenanteile von ungefähr 3 %. Die einzigen Elemente, die aufgrund ihres geringen spezifischen Eigengewichtes Masseanteile von über 3 % zulassen, sind Kalzium und Magnesium. MgH2 erreicht Speicherdichten von bis zu 7.6 %. Noch ist die Reaktion von Magnesium und gasförmigen Wasserstoff zur Betankung aufwändig, auch das thermodynamische Plateau von ca. 200 °C ist etwas hoch. Auch Mg2Ni/Mg2NiH4 zeigt gute Be- und Entladeeigenschaften, jedoch sind auch hier der H2-Massenanteil gering und das thermodynamische Plateau mit 280 °C zu hoch. MgLegierungen (z. B. Mg-Al, Mg-Cu) versprechen eine Reduktion des Temperaturplateaus sowie ein geringeres Gewicht. Mg2FeH6 erreicht einen H2-Massenanteil von 5,2 %. Bei diesen Vergleichen ist zu bedenken, dass für die genannten Hydride das Gewicht des Speichers selbst nicht berücksichtigt wird, weil es dafür noch keine praktischen Erfahrungswerte gibt, und sich dadurch wesentliche Verschlechterungen ergeben können.
5.8
Transport und Verteilung von Wasserstoff
Entsprechend den Speichermöglichkeiten kann Wasserstoff gasförmig in Druckbehältern, flüssig in Kryobehältern sowie in gebundener Form transportiert werden, und zwar per LKW, Bahn oder Schiff. Dabei gelten prinzipiell die Aussagen des Abschnitts über die Speicherung, verdichteter Wasserstoff kann in geschlossenen Systemen unter Druck transportiert werden, tiefkalter flüssiger Wasserstoff bei höherer Dichte nur in offenen Systemen. Zusätzlich besteht auch die Möglichkeit, Wasserstoff in Rohrleitungen gasförmig unter Druck oder flüssig tiefkalt zu transportieren. Pipelines erlauben eine saubere Verteilung ohne die Verursachung von Verkehrsaufkommen oder Treibhausgasen, allerdings sind Rohrleitungen örtlich fix und die Investitionen hoch. Drucktanks, Kryotanks und Feststoffspeicher werden heutzutage hauptsächlich in Lkws oder Zügen transportiert, siehe Abbildung 5-50 und Abbildung 5-51. Stand der Technik im Transport von LH2 über größere Entfernungen stellt der Transport in 12-MeterContainer dar. Diese Container gibt es mit und ohne Kühlung durch Ummantelung mit flüssigem Stickstoff. Die Zeit bis zum Boil-Off beträgt für diese Container 30 Tage, mit aktiver Stickstoffummantelung 60 Tage. Vorteile dieser Container sind die geringere Anzahl an Transferfüllvorgängen und somit reduzierte Verluste. Schiffe für den Transport von flüssigem Wasserstoff wurden geplant, bisher aber nicht realisiert. In Deutschland gibt es zwei Pipelinenetze für komprimierten gasförmigen Wasserstoff, an denen mehrere Produzenten und Verbraucher angeschlossen sind. Eines davon befindet sich im Ruhrgebiet und eines im Industriegebiet von Leuna-Bitterfeld-Wolfen, siehe Abbildung 5-52. Beide Pipelinesysteme umfassen mehr als 100 km an Leitungen und werden mit einem Druck von etwa 20 bar betrieben. Zur Speisung der Pipeline werden elektrisch angetriebene Verdichter eingesetzt. Da die Regelung von Radial- oder Axialverdichtern für unterschiedliche Drücke und Volumenströme schwierig und unwirtschaftlich ist, werden Kolbenverdichter verwendet. Gaspipelines werden auch bei höheren Drücken von bis zu 100 bar betrieben.
134
5 Speicherung und Transport
Abbildung 5-50: Transporter, links: H L 2, rechts: CGH2. Quelle: HFP, iLnde [5-8, 5-16]
Abbildung 5-51: CGH2-Speicher. Quelle: HFP [5-8]
Abbildung 5-52: Wasserstoffpipelinenetz um eLuna in Deutschland. Quelle: iLnde [5-16]
5.8 Transport und Verteilung von Wasserstoff
135
Pipelines für gasförmigen Wasserstoff sind vor allem für Offshore Windparks im Gespräch und als fixe Fernverbindung. Die berechneten Investitionskosten für Transportvarianten von Wasserstoff aus einem Offshore Windpark zeigt Abbildung 5-53. Die Kosten für eine Pipeline mit gasförmigem Wasserstoff wurden mit 100 % angesetzt. Eine Verflüssigung Onshore und eine Flüssigpipeline würde die Kosten um ca. die Hälfte erhöhen, am teuersten wäre wegen der hohen Containerkosten und der wetterfesten Be- und Entladeterminals der Transport per Schiff. Die Varianten sind in sofern nicht unmittelbar vergleichbar, weil der Wasserstoff gasförmig oder flüssig und in unterschiedlichen Behältnissen vorliegt.
Abbildung 5-53: Investitionskosten für Wasserstofftransport. Quelle: Altmann [5-1]
Insgesamt bestehen bei Transport und Speicherung Ähnlichkeiten zwischen den gasförmigen Brennstoffen Wasserstoff und Erdgas. Das früher übliche Stadtgas aus der Vergasung von Kohle enthielt bis 50 % Wasserstoff. Das Pipelinenetz für Erdgas könnte auch für Wasserstoff genutzt werden. Auch hinsichtlich einer Mischung der beiden Gase in unterschiedlichen Verhältnissen ergeben sich interessante Varianten, siehe Abschnitt Verbrennungsmotor. Bei beiden Gasen wird die Verflüssigung zur Erhöhung der volumetrischen Energiedichte eingesetzt. Es gibt für beide Kraftstoffe Flüssig-Versuchsfahrzeuge mit Kryobehältern, auch der Transport in großen Kryobehältern per Schiff wird für beide Kraftstoffe diskutiert. Geplante, aktive und bereits eingestellte Wasserstofftankstellen in Europa per Stand Jänner 2008 zeigt Abbildung 5-54, vgl. auch [5-6, 5-12].
136
5 Speicherung und Transport
Abbildung 5-54: Europäisches H2-Tankstellennetz. Quelle: H2 Stations [5-12]
5.9 Literatur
5.9 5-1
5-2 5-3 5-4
5-5
5-6 5-7 5-8 5-9
5-10 5-11 5-12 5-13 5-14
5-15 5-16 5-17 5-18 5-19
5-20
5-21 5-22 5-23
137
Literatur Altmann, M.; Gaus, S.; Landinger, H.; Stiller, C.; Wurster, R.: Auszug aus der GEO-Studie, Wasserstofferzeugung in offshore Windparks „Killer-Kriterien“, grobe Auslegung und Kostenabschätzung; Studie im Auftrag der GEO Gesellschaft für Energie und Ökologie mbH, 2001. http://www.lbst.de/publications/studies_d/2001/GEO_Studie_Wasserstoff_public.pdf BMW AG, http://www.bmw.com, http://www.press.bmwgroup.com Chambers, A.; Park, C.; Terry, R.; Baker, K.: Hydrogen storage in graphite nanofibers. J Phys Chem B 102 (1998) S. 4254–4256 Eichner, T.: Kryoverdichtung – Erzeugung von Hochdruckwasserstoff. Diplomarbeit am Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik der Technischen Universität Graz, 2005 Emans, M.; Mori, D.; Krainz, G.: Analysis of back-gas behaviour of an automotive liquid hydrogen storage system during refilling at the station. International Journal of Hydrogen Energy 32 (2007) S. 1961–1968 EU FP6 Integrated Projekt HYWAYS, http://www.hyways.de EU FP6 Integrated Projekt STORHY, http://www.storhy.net European Hydrogen and Fuel Cell Technology Platform, http://infotools.hfpeurope.org Gursu, S.; Sherif, S. A.; Veziroglu, T. N.; Sheffield, J. W.: Analysis and Optimization of Thermal Stratification and Self-Pressurization Effects in Liquid hydrogen Storage Systems – Part 1: Model Development. Journal of Energy Resources Technology, Vol 115 (1993) S. 221–227 Hirscher, M.; Becher, M.: Hydrogen storage in carbon nanotubes. Journal of Nanoscience and Nanotechnology Vol 3 (2003) S. 3–17 Hydrogen Center Austria, http://www.hycenta.at Hydrogen Filling Stations Worldwide, http://www.h2stations.org Kindermann, H.: Thermodynamik der Wasserstoffspeicherung. Diplomarbeit, HyCentA Graz, Montanuniversität Leoben, 2006 Klell, M.; Zuschrott, M.; Kindermann, H.; Rebernik, M.: Thermodynamics of Hydrogen Storage. Beitrag zum 1st International Symposium on Hydrogen Internal Combustion Engines, VKM-THD Mitteilungen, Heft 88. Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik der Technischen Universität Graz, 2006 Lin, C. S.; Van Dresar, N. T.; Hasan, M.: A Pressure Control Analysis of Cryogenic Storage Systems. Journal of Propulsion and Power, 20 / 3 (2004) S. 480–485 Linde Gas GmbH, http://www.linde-gas.de MAGNA STEYR Fahrzeugtechnik AG & Co KG, http://www.magnasteyr.com Peschka, W.: Flüssiger Wasserstoff als Energieträger – Technologie und Anwendung. Springer Verlag, Wien New York 1984 Quack, H.: Die Schlüsselrolle der Kryotechnik in der Wasserstoff-Energiewirtschaft. Wissenschaftliche Zeitschrift der Technischen Universität Dresden, 50 Heft 5/6 (2001) S. 112–117 Rau, S.: Compressed hydrogen storage for vehicle applications. Beitrag zum 1st International Symposium on Hydrogen Internal Combustion Engines, VKM-THD Mitteilungen, Heft 88. Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik der Technischen Universität Graz, 2006 Schlapbach, L.; Züttel, A.: Hydrogen storage-materials for mobile applications. Nature 414 (2001) S. 23–31 Schmidt, D.: Raketentreibstoffe, Springer Verlag, Wien New York, 1968 SciELO Argentina, Lat.Am.Appl.Res.v.32n.4.
138
5 Speicherung und Transport
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139
6
Brennstoffzelle
Das Funktionsprinzip der Brennstoffzelle wurde 1838 von Christian Friedrich Schönbein entdeckt. Im darauf folgenden Jahr konnte der Physiker und Jurist Sir William Robert Grove auf dieser Basis die erste Brennstoffzelle entwickeln, siehe Abschnitt Geschichtliches. Die Brennstoffzelle konnte sich jedoch gegen die zeitgleich entwickelten mechanisch angetriebenen Dynamomaschinen zur Stromerzeugung nicht durchsetzen. Ihre Anwendung blieb auf Spezialgebiete beschränkt, so hat sie sich als Energiequelle in der Raumfahrt bewährt. In letzter Zeit wird wieder intensiv an der Weiterentwicklung der Brennstoffzelle gearbeitet. Vorteile der Brennstoffzelle als Energiewandler sind:
Direkte Umwandlung von chemisch gebundener Energie in elektrische Energie.
Das Potenzial höherer Wirkungsgrade bei niedrigen Temperaturniveaus, da sie nicht an den Carnot-Prozess gebunden ist.
Es treten keine Emissionen von Schadstoffen oder Lärm auf, bei Wasserstoff als Brennstoff auch keine CO2 Emissionen.
Die Brennstoffzelle arbeitet ohne bewegte Bauteile.
Nachteile der Brennstoffzelle beim derzeitigen Stand der Technik sind:
Die Brennstoffzelle weist hohe Herstellkosten auf.
Das hohe Wirkungsgradpotenzial konnte in der Praxis noch nicht ausreichend demonstriert werden.
Das Langzeitverhalten und die Lebensdauer von Brennstoffzellen sind vor allem bei instationärem Betrieb noch nicht zufrieden stellend.
Einige Brennstoffzellentypen benötigen hochreinen Wasserstoff.
Die Erzeugung, Verteilung und Speicherung des Brennstoffs Wasserstoff ist teuer.
Die Brennstoffzelle ist ein elektrochemischer Energiewandler, eine Art galvanisches Element, bei dem die Reaktanten allerdings kontinuierlich zugeführt werden. Dabei findet eine Redoxreaktion statt, bei der durch das Fließen von Elektronen Arbeit geleistet wird. Als Reduktionsmittel kommen z. B. Wasserstoff, Methanol oder Erdgas zur Anwendung. Das Oxidationsmittel kann beispielsweise Sauerstoff oder Luft sein. Ein wesentlicher Vorteil der Brennstoffzelle etwa gegenüber der Verbrennungskraftmaschine ist ihre direkte Umwandlung von stoffgebundener chemischer Energie in elektrische Energie. Bei der Verbrennungskraftmaschine treten zusätzliche Umwandlungsprozesse auf, zunächst wird die chemische Energie des Brennstoffs in Wärme umgewandelt, diese dann in mechanische Energie und diese ggf. in einem Generator in Strom. Dabei ist vor allem die Umwandlung von Wärme in mechanische Energie im Wirkungsgrad be-
140
6 Brennstoffzelle
grenzt, es kann maximal der Carnot’sche Wirkungsgrad erreicht werden, der von der mittleren oberen und unteren Temperatur des Prozesses bestimmt wird [6-9].
K C 1
To Tu
Die obere mittlere Temperatur To wird durch die mechanische und thermische Belastbarkeit der Bauteile begrenzt, die Absenkung der unteren Prozesstemperatur Tu ist durch die Umgebungstemperatur eingeschränkt. Der thermodynamische Wirkungsgrad Kth der Brennstoffzelle ist durch den Quotienten aus der freien Enthalpie 'G (nutzbare stoffgebundene Energie) und der Reaktionsenthalpie 'H (gesamte stoffgebundene Energie) gegeben:
Kth
'G 'H
100
Wirkungsgrad in %
80
60
Șc (Tu = 323.15 K)
40
Șth der Brennstoffzelle
20
0 273
523
773
1023
1273
1523
1773
2023
Temperatur To in Kelvin
Abbildung 6-1: Gegenüberstellung der temperaturabhängigen idealen thermodynamischen Wirkungsgrade einer Brennstoffzelle (rot) und einer Verbrennungskraftmaschine (blau)
Eine Gegenüberstellung des thermodynamischen Wirkungsgrades der Brennstoffzelle und des Carnot-Wirkungsgrades über der mittleren oberen Prozesstemperatur zeigt Abbildung 6-1. Man erkennt, dass der thermodynamische Wirkungsgrad der Brennstoffzelle bis zu einer Temperatur von ca. 1100 °C über dem Carnot’schen Wirkungsgrad liegt. In der Praxis treten sowohl bei der Brennstoffzelle als auch bei der Verbrennungskraftmaschine Verluste auf, so dass die theoretischen Werte bei weitem nicht erreicht werden. Tendenziell gilt jedoch, dass die Brennstoffzelle sowie Elektromotoren bereits bei niedriger Last gute Wirkungsgrade aufweisen und dass Verbrennungsmotoren den Bereich bester Wirkungsgrade bei höherer Last erreichen. Für Fahrzeugantriebe bedeutet dies, dass Elektromotoren und Brennstoffzellen etwa im Stadtbetrieb einen Wirkungsgradvorteil gegenüber
6.1 Prinzip der Brennstoffzelle
141
Verbrennungsmotoren aufweisen. So wird für den europäischen Stadtfahrzyklus (European Driving Cycle EDC) für ein Brennstoffzellenfahrzeug ein durchschnittlicher Wirkungsgrad von 36 % angegeben, das baugleiche Dieselfahrzeug erreicht 22 % [6-11]. Aufgrund der theoretischen Wirkungsgradvorteile, vor allem aber wegen des schadstofffreien Betriebs gilt die Brennstoffzelle als zukunftsweisende Technologie und findet derzeit großes Interesse in Forschung und Industrie. Im Folgenden wird kurz auf die Grundlagen der Brennstoffzellentechnologie eingegangen, zur weiteren Vertiefung sei auf die Fachliteratur verwiesen [6-2, 6-4, 6-6].
6.1
Prinzip der Brennstoffzelle
Am Beispiel einer Wasserstoff-Sauerstoff-Brennstoffzelle (H2/O2-BZ) mit alkalischem Elektrolyten (Alkaline Fuel Cell: AFC) wird die prinzipielle Arbeitsweise einer Brennstoffzelle erläutert, siehe Abbildung 6-2. Es handelt sich dabei um die Umkehrung des Elektrolyseprozesses, siehe Abschnitt Erzeugung.
Anode -
2e-
2e-
-
Kathode +
-
2 OH-
-
-
-
H2
½O2 H2O
H2 + 2 OH o 2 H2O + 2 e
H2O + ½ O2 + 2 e o 2 OH
Abbildung 6-2: Prinzip der Brennstoffzelle (AFC)
Wasserstoff als Brennstoff wird an die Anode (Brennstoffelektrode) herangeführt. Der Wasserstoff reagiert mit negativ geladenen Hydroxid-Ionen (OH) zu Wasser, wobei zwei Elektronen abgegeben werden. Diese werden von der Anode aufgenommen, die hier der Minus-Pol ist, der Brennstoff wird oxidiert. Anode:
H2 (g) + 2 OH (aq)
o
2 H2O (l) + 2 e
Oxidation (Elektronenabgabe)
142
6 Brennstoffzelle
Da die Elektronen nicht durch den Elektrolyten geleitet werden, fließen sie über den äußeren Stromkreis, um für die Reduktionsreaktion an der Kathode zur Verfügung zu stehen. An der Kathode (Sauerstoffelektrode) reagiert Wasser mit Sauerstoff unter Aufnahme von Elektronen zu Hydroxid-Ionen. Die Kathode gibt Elektronen an die Reaktanten ab, sie ist hier der Plus-Pol, das Oxidationsmittel wird reduziert. Kathode:
H2O (l) + ½ O2 (g) + 2 e o 2 OH (aq) Reduktion (Elektronenaufnahme)
Die OH-Ionen schließen die Reaktionskette indem sie durch den Elektrolyten auf die Anodenseite diffundieren, wo sie für die Oxidation von Wasserstoff zur Verfügung stehen. Die Gesamtreaktion, bei der ein Strom von 2 e je Molekül H2 fließt, lautet: H2 (g) + ½ O2 (g) o H2O (l) Die Elektroden einer AFC können aus Metall, Polytetrafluorethylen (PTFE) oder Grafit bestehen und sind porös ausgeführt. Durch die Porosität wird die Diffusion der gasförmigen Reaktanten zum Elektrolyten erleichtert und so eine möglichst große Oberfläche für die Reaktion bereitgestellt. Zur Beschleunigung der Reaktion ist diese Oberfläche bei den Niedertemperatur-Brennstoffzellen mit einem Katalysator aus Edelmetall wie beispielsweise Platin oder Palladium beschichtet. Bei der hier beschriebenen AFC kann auch Nickel zum Einsatz kommen.
6.2
Kenngrößen der Brennstoffzelle
Zur Bestimmung der elektrochemischen Kenngrößen einer Brennstoffzelle wie Heizwertspannung, Standardpotential und Zellspannung werden die freie Enthalpie G (GibbsEnergie) und die Enthalpie H herangezogen [6-1, 6-3]. Die Zustandsgröße G ist wie folgt definiert: G { H T S
Darin sind H die Enthalpie, T die Temperatur und S die Entropie. Oft werden die Variablen mit dem Zusatz 0, der für den Standardzustand steht, geschrieben. Die Stoffwerte bei Standardzustand sind für eine Vielzahl von Stoffen gemessen und in Datenbanken veröffentlicht [6-8, 6-10]. In weiterer Folge interessiert die als freie Reaktionsenthalpie 'G oder 'RG bezeichnete Änderung der freien Enthalpie bei einer chemischen Reaktion: 'G
'H T 'S
Für eine allgemeine Reaktionsgleichung
Q A A Q B B ... o Q E E Q F F ... erfolgt die Berechnung der freien Reaktionsenthalpie analog zur Berechnung der Reaktionsenthalpie, siehe Abschnitt Elektrolyse, aus der Differenz der freier Reaktionsenthalpien mal der stöchiometrischen Koeffizienten von Produkten minus Edukten: ǻRG
¦
Produkte
Ȟ i ǻG i
¦Ȟ
Edukte
j
ǻG j
6.2 Kenngrößen der Brennstoffzelle
143
Angeschrieben für die molare freie Reaktionsenthalpie
' Gm0
in kJ/mol, meist bezogen
auf 1 mol eines Ausgangsproduktes A (Qst$ beim Standarddruck p0: ǻ Gm0
Q
st E
¦Q
Gm0 E Q st F Gm0 F ... Q st A Gm0 A Q st B Gm0 B ...
st i
Gm0 i
i
Die freien Enthalpien beim Standardzustand G
0 mi
stellen die Bildungsenthalpien dar und
sind tabelliert. Um einen Zusammenhang zwischen der freien Reaktionsenthalpie und der Arbeit herzustellen, folgt aus der Definition der freien Enthalpie: dG = dH + d(T S) Setzt man für ein allgemeines stationäres System: dH = dW + dQ ein, erhält man für den reversiblen Fall mit dQ = TdS für eine isobar – isotherme Reaktion: dG = dWmax Dabei bezeichnet dWmax die maximal abgebbare (Nichtvolumen-)Arbeit und entspricht damit der Exergieänderung. Die freie Reaktionsenthalpie ist deshalb ein Maß für die maximale Arbeit, die eine chemische Reaktion verrichten kann. Demnach ist die Änderung der freien Reaktionsenthalpie gleich der Änderung der Enthalpie, falls die Entropieänderung der Reaktion Null ist. Dies trifft näherungsweise für Reaktionen zu, bei denen die Molzahl der gasförmigen Komponenten unverändert bleibt, weil die Entropie vom Bewegungszustand der Moleküle abhängt und insbesondere bei Phasenumwandlungen zunimmt. In der Wasserstoff-Sauerstoff-Brennstoffzelle erhält man für die Gesamtreaktion H 2 + ½ O 2 o H 2O bei Standardbedingungen für die Arbeit je mol H2 Wel,m
ǻ Gm0
Gm0 H2O Gm0 H2
1 0 Gm O2 2
237 ,3 kJ/mol H 2
Die elektrische Arbeit ist andererseits über die Faraday Konstante F = 96485 As/mol proportional der Ladungszahl z (Molanzahl der ausgetauschten Elektronen) und dem Energiepotential E der Zelle. Das Vorzeichen der abgegebenen Arbeit ist definitionsgemäß negativ: Wel
z F E
'G 0
Daraus erhält man das so genannte Standardpotential (auch: reversible Zellspannung, Energiepotential) E0 einer galvanischen Zelle: 'G 0 E0 zF
144
6 Brennstoffzelle
Für die Wasserstoff-Sauerstoff-Brennstoffzelle erhält man mit einer Ladungszahl z = 2 ein Energiepotential E0 von 1,23 V, wenn das Produktwasser in flüssiger Form vorliegt: E0
' G0 zF
237,3 103 J/mol 1,23V 2 96485As/mol
Dieser Zusammenhang lässt sich analog für die Reaktionsenthalpie 'H ableiten, womit man die Heizwertspannung oder thermoneutrale Spannung EH0 erhält: EH0
'H 0 zF
Neben der elektrischen Leistung bzw. der elektrischen Arbeit und dem Standardpotenzial der Brennstoffzelle interessiert deren Wirkungsgrad. Für den thermodynamischen Wirkungsgrad einer elektrochemischen Umwandlung gilt wie eingangs erwähnt: T ǻS ǻG 1 K th ǻH ǻH Brennstoffzellen können mit einer Reihe verschiedener Brennstoffe betrieben werden. Daraus ergeben sich aufgrund der chemisch gebundenen Energiemenge unterschiedliche Spannungen und Wirkungsgrade. Einen Überblick über mögliche Brennstoffe und deren Gesamtreaktion gibt Tabelle 6-1. Angegeben sind auch die Anzahl der an der Reaktion beteiligten Elektronen nel (= Ladungszahl z), die auf 1 mol Brennstoff bezogene Enthalpiedifferenz '+0, die molare freie Reaktionsenthalpie 'Gm0 , das Standardpotential E0 und der thermodynamische Wirkungsgrad Kth. Tabelle 6-1: Kenngrößen für Brennstoffzellen bei unterschiedlichen Brennstoffen [6-4] Brennstoff
Gesamtreaktion
nel
'+0 [kJ/mol]
'Gm0 [kJ/mol]
E0 [V]
Kth [%]
Wasserstoff
H2 + ½ O2 o H2O
2
–285,0
–237,3
1,23
83,0
Methan
CH 4 2 O 2 o CO 2 2 H 2 O
8
–890,8
–818,4
1,06
91,9
Methanol
CH3OH + 3/2 O2 o 2 H2O + CO2
6
–726,6
–702,5
1,21
96,7
Kohlenstoff
C O 2 o CO 2
4
–393,7
–394,6
1,02
100,2
In der Tabelle fällt auf, dass die thermodynamischen Wirkungsgrade von Brennstoffzellen mit Kohlenwasserstoffen als Brennstoff sehr hoch sind, im Fall von reinem Kohlenstoff liegt der Wert sogar über 100 %. In diesem Fall muss die Entropiezunahme des Systems so groß sein, dass gilt: T 'S > ' H. Dieser Fall tritt bei Reaktionen auf, bei denen die Molzahl gasförmiger Endprodukte die Molzahl der Ausgangsprodukte übersteigt. Meist übersteigt aber die Molzahl der gasförmigen Ausgangsprodukte die der gasförmigen Endprodukte, so dass die Entropie im System abnimmt. Diese hohen theoretischen Wirkungsgrade der Brennstoffzelle können real jedoch nicht erreicht werden, weil eine Reihe von Verlusten auftreten und die Zellspannung mindern.
6.2 Kenngrößen der Brennstoffzelle
145
Zellspannung E [V]
Eine anschauliche Darstellung der einzelnen Verluste einer Brennstoffzelle gibt das Spannungs-Strom-Diagramm in Abbildung 6-3. Darin ist zunächst die Heizwertspannung EH0 aufgetragen, also das maximal erreichbare Spannungsniveau bei Standardzustand. Diese Spannung vermindert sich um den Entropieanteil T'S, der aufgrund des jeweiligen Umgebungszustandes nicht genutzt werden kann und man erhält das Standardpotenzial E 0 .
Heizwertspannung EH0
Entropiedifferenz
Standardpotenzial E0 Nernstspannung EN
T 'S zF
Bereich der Aktivierungsüberspannungen Bereich der Widerstandsüberspannungen Zellspannung EZ
Bereich der Diffusionsüberspannungen Zellenleistung
Strom I [A] Abbildung 6-3: Strom-Spannungs-Kennlinie einer Brennstoffzelle [6-7]
Bei Abweichungen von Standardzustand erreicht man nur die so genannte Nernstspanung EN, die auch als Leerlaufspannung bezeichnet wird. Die Nernstgleichung berücksichtigt die Temperatur und die Aktivitäten ai der Reaktionspartner, die bei Lösungen den Konzentrationen und bei idealen Gasen den Partialdrücken der Komponenten entsprechen. Die Nernstgleichung lautet: EN E 0
Rm T R T p ¦ vi ln(ai ) E 0 m ¦ vi ln( 0i ) zF zF p
Ausgehend von der Nernstspannung verringert sich die reale Zellspannung bei Belastung, d. h. bei Anschluss eines elektrischen Verbrauchers, aufgrund unterschiedlicher Hemmungen des Ladungstransportes. Die resultierende effektive Spannung der Zelle ist die Zellspannung EZ. Bei den Verlusten sind drei Bereiche zu unterscheiden, die als Bereich der Aktivierungsüberspannungen, der Widerstandsüberspannungen (Ohm’sche Verluste) und der Diffusionsüberspannungen bezeichnet werden, wobei das Verhältnis von realer zu idealer Spannung jeweils als Wirkungsgrad definiert wird [6-3]: Aktivierungsüberspannungen (KA) treten aufgrund der Endlichkeit der Ladungsdurchtrittsgeschwindigkeit durch die Phasengrenzfläche zwischen Elektrode und Elektrolyt auf.
146
6 Brennstoffzelle
Die Widerstandsüberspannungen (KW) bilden den Innenwiderstand der Zelle ab (Ohm’sche Verluste). In diesem Bereich wird die Brennstoffzelle hauptsächlich betrieben, die Zellspannung sinkt annähernd linear mit steigender Stromstärke. Der Elektrolyt stellt im System Brennstoffzelle die determinierende Komponente dar, die den höchsten Innenwiderstand aufweist. Die Diffusionsüberspannungen (KD) lassen sich durch die bei hohen Strömen auftretenden unzureichenden Transportprozesse erklären. Die Zufuhr der Reaktionsgase zur Reaktionszone bzw. der Abtransport der Produkte aus der Reaktionszone laufen zu langsam ab und bewirken dadurch ein stärkeres Absinken der Zellspannung. Außerdem kommt es in allen Bereichen der UI-Kennlinie zu so genannten Reaktionsüberspannungen (KR), die sich aufgrund von eingeschränkten Reaktionsgeschwindigkeiten bei gekoppelten Reaktionen ausbilden (beispielsweise vor- und nachgelagerte Teilreaktionen). Aufgrund der beschriebenen Verluste verringert sich die Zellspannung stark. Das aus Abbildung 6-3 unmittelbar ablesbare Verhältnis aus der tatsächlichen momentanen Zellspannung EZ zur theoretischen Heizwertspannung EH0 wird als Zellenwirkungsgrad KZ bezeichnet:
KZ
EZ EH0
Der thermodynamische Wirkungsgrad lässt sich auch mit Hilfe der Spannungen anschreiben als:
K th
'G 'H
E0 EH0
Grau strichliert in Abbildung 6-3 dargestellt ist die elektrische Zellenleistung Pel = U · I. Gute Brennstoffzellen erreichen heute Zellenwirkungsgrade um 60 % (Einzelzelle), für einen Zellstapel können Werte bis 50 % erreicht werden und für ein Gesamtsystem um 40 %.
6.3
Aufbau von Brennstoffzellen
Da mit einer Brennstoffzelle nur geringe Spannungen (Standardpotenzial E0 um 1 V, vgl. Tabelle 6-1) erreichbar sind, werden für technische Anwendungen mehrere Einzelzellen zu Zellstapeln (Stacks) seriell verbunden. So lassen sich durch deren Serienschaltung höhere Spannungen bereitstellen, gleichzeitig ermöglicht es eine kompakte, Platz sparende Bauweise. Der grundsätzliche Aufbau eines Zellstapels mit den einzelnen Komponenten wird anhand einer Brennstoffzelle mit einem Festkörperelektrolyten (Polymerelektrolytmembran – PEMFC) besprochen, siehe Abbildung 6-4.
6.3 Aufbau von Brennstoffzellen
147
+ Bipolarplatte
Dichtung
Strömungsstruktur (Reaktanden) Endplatte
Elektrolyt GDL Elektrode mit Katalysator
Abbildung 6-4: Aufbau eines Brennstoffzellenstacks
Die einzelne Brennstoffzelle besteht aus einem Elektrolyten, an den zwei poröse Elektroden mit einer katalytischen Schicht angrenzen. Der Verbund von Elektrolyt und den Elektroden wird auch als Membran-Elektroden-Einheit (MEA = Membrane Electrode Assembly) bezeichnet. Die Elektroden sind an der Grenzfläche zum Elektrolyten mit einer Katalysatorschicht versehen, weil an dieser Fläche die Redoxreaktion abläuft und der Katalysator zur Beschleunigung der Reaktion dient. Genauer findet die Reaktion an Stellen statt, wo Elektrode (Katalysator), Elektrolyt und Gas zusammentreffen. Diese Zone wird als Dreiphasengrenze bezeichnet. Ziel ist es bei der Herstellung von MEAs, diese Zone möglichst groß auszubilden, um hohe Stromdichten zu realisieren. Die MEA wird beidseitig von so genannten Gasdiffusionsschichten (GDL = Gas Diffusion Layer) begrenzt und schließlich durch die Bipolarplatten (auch Interconnector genannt) zusammengehalten. In die Bipolarplatten sind Strömungsstrukturen eingearbeitet. Diese ermöglichen die Zu- und Abfuhr der Reaktanten und des Kühlmediums. Die Verteiler- und Sammlerkanäle werden oft als Manifolds, die in die Bipolarplatten eingeprägten Strömungsstrukturen als Flowfields bezeichnet. Der Brennstoffzellenstack wird von zwei Endplatten zusammengehalten.
6.3.1 Membran-Elektroden-Einheit (MEA) Die MEA ist das Herzstück der Brennstoffzelle und bestimmt deren Leistungsfähigkeit. Sie besteht aus mehreren Schichten, dem Elektrolyten, den Katalysatorschichten, den Elektroden und den Gasdiffusionsschichten, siehe Abbildung 6-5.
148
6 Brennstoffzelle
Verpressen
Elektrolyt Katalysatorschicht
MEA inkl. GDL
Elektrode GDL
Abbildung 6-5: Schematischer Aufbau einer Membran-Elektroden-Einheit
Bei der PEMFC wird der Elektrolyt beidseitig mit einem durch Kohlenstoffpartikel getragenen Katalysator beschichtet. Die Elektroden- und Katalysatorschichten liegen also in gemischter Form vor, wodurch sich die aktive Oberfläche (Reaktionszone) vergrößert. Dieser Verbund ist schematisch in Abbildung 6-6 dargestellt. Dabei sind die erkennbaren groben Körner die Kohlenstoffpartikel (20 nm bis 40 nm) an welchen die kleinen Platinoder Pt/Ru-Partikel (2 nm bis 4 nm) haften. Dieser Verbund wird mit Membranmaterial kombiniert, das die bei der Reaktion entstehenden Protonen abtransportiert.
Nafion® Polymermembran Katalysator/Elektrodenschicht Gasdiffusionsschicht (GDL)
Abbildung 6-6: Schematischer MEA-Aufbau einer PEMFC
Elektrolytmembran Als Elektrolyt kommt eine nicht korrosive Polymermembran zum Einsatz. Das bekannteste Membranmaterial ist Nafion®, das von der Firma DuPont entwickelt wurde. Es besteht aus einer PTFE-Grundstruktur (Polytetrafluorethylen), an die Sulfonsäuregruppen
6.3 Aufbau von Brennstoffzellen
149
(SO3H) angelagert sind. In Kombination mit Wasser sind diese Säuregruppen für den Leitmechanismus verantwortlich. Die Polymerfolie weist im ungequollenen Zustand Dicken zwischen 25 und 180 µm auf und ist bei ausreichender Befeuchtung bis zu einer Temperatur von 120 °C einsetzbar. Die wesentlichsten Anforderungen an eine Membran sind:
Gasdichte Trennung der Elektrodenräume,
keine Elektronenleitfähigkeit bei gleichzeitig möglichst hoher Protonenleitfähigkeit (niedriger Ohmscher Widerstand),
mechanische, chemische und thermische Langzeitstabilität,
niedrige Material- und Herstellkosten.
Katalysatorschicht Als Katalysatormaterialien kommen bei der PEMFC Platin und Ruthenium für die Anode und Platin für die Kathode zum Einsatz. Wesentliches Ziel bei der Weiterentwicklung von Katalysatoren ist die Senkung der Kosten. Einerseits wird die für eine hinreichende Leistungsausbeute notwendige Menge an Edelmetallen reduziert, andererseits werden alternative Materialien erforscht. Derzeit werden zwischen 0,1 mg bis 0,6 mg Katalysatormaterial pro cm² verwendet. Folgende Eigenschaften werden gefordert:
hohe katalytische Aktivität, gutes Langzeitverhalten, hohe Konvertierungsrate (große Oberfläche in feinporöser Struktur).
Gasdiffusionsschicht Die Gasdiffusionsschicht (GDL) soll eine Gleichverteilung der zuströmenden Gase über die gesamte Zellenfläche sicherstellen. Die Gase diffundieren von der Verteilerstruktur (Kanäle) der Bipolarplatte zur Katalysatorschicht. Gleichzeitig hat die GDL die Aufgabe, die Reaktionsprodukte (Produktwasser) abzuführen, was durch eine grobporöse Struktur erleichtert wird. Zudem muss sie eine hohe elektrische Leitfähigkeit aufweisen, um die Elektronen mit möglichst geringen Verlusten von der anodenseitigen zur kathodenseitigen Reaktionszone zu transportieren. Auch die Prozesswärme wird über die GDL in die Bipolarplatten und weiter in die Kühlmittelebene geleitet. Für die GDL kommen Kohlenstoffgewebe oder Kohlenstoffpapier zum Einsatz.
6.3.2 Bipolarplatten Neben der MEA ist die Bipolarplatte bzw. der Strömungsverteiler die wichtigste Komponente der Brennstoffzelle. Bei der seriellen Verschaltung von Zellen zu einem Stack versorgen diese Platten über ihre eingeprägten Strömungsstrukturen die aktive Zellenfläche mit den erforderlichen Medien, wobei eine gleichmäßige Verteilung zu gewährleisten ist. Außerdem leiten sie den Strom zur benachbarten Zelle, was einen möglichst niedrigen elektrischen Widerstand erfordert. Die Bipolarplatte nimmt die mechanischen Belastungen auf und sie soll einen gleichmäßigen Anpressdruck auf die GDL und die MEA sicherstellen. Sie muss korrosionsbeständig sein und ihre Eigenschaften dürfen sich unter
150
6 Brennstoffzelle
thermischer Beanspruchung nicht zu stark verändern. Darüber hinaus soll sie eine möglichst hohe Temperaturleitfähigkeit aufweisen, weil bei vielen konstruktiven Ausführungen die Prozesswärme über sie an das Kühlmedium abgegeben wird. Der Strömungsverteiler hat ebenfalls Gasdichtheit zwischen Anoden- und Kathodenraum bzw. zur Umgebung hin zu garantieren. Da die Bipolarplatten den Hauptanteil des Stackgewichts ausmachen, ist auf das spezifische Gewicht der Materialien besonderes Augenmerk zu legen. Bipolarplatten können aus Grafit, (beschichtetem) Edelmetall, Grafit-Polymer-Compound oder Keramik gefertigt sein.
6.3.3 Dichtungen Die Hauptaufgabe der Dichtelemente besteht in der sicheren Abdichtung der Reaktanten zueinander und zur Umgebung hin. Wesentliche Anforderungen sind die mechanische und vor allem thermische und chemische Langzeitbeständigkeit. Die Dichtungseigenschaften müssen über die gesamte Lebensdauer des Stacks stabil bleiben. Es dürfen sich keine Dichtungsbestandteile lösen, denn diese würden sich in der Zelle ablagern und gegebenenfalls die Leistungsfähigkeit beeinflussen. Für eine kommerzielle Stackproduktion sind Dichtungselemente anzustreben, die entweder in der Bipolarplatte oder in der MEA integriert sind. Dies erlaubt eine Bauteilreduktion und minimiert Fehler beim Zusammenbau.
6.3.4 Endplatten Die Endplatten halten die einzelnen Zellen zusammen und versorgen diese mit den Reaktanten und dem Kühlmedium. Sie müssen mechanisch stabil, chemisch beständig und möglichst leicht sein. Darüber hinaus haben sie einen gleichmäßigen Anpressdruck über die gesamte Zellenfläche sicher zu stellen. Mit Hilfe von Zugankern oder Bändern werden die beiden Endplatten verspannt, wodurch die Zellen mit der erforderlichen Anpresskraft beaufschlagt werden.
6.4
Typen von Brennstoffzellen
Brennstoffzellen werden entweder nach deren Betriebstemperatur oder nach der Art des verwendeten Elektrolyten eingeteilt. Aufgrund ihrer Betriebstemperatur unterscheidet man Niedertemperaturbrennstoffzellen (NT) und ab ca. 600 °C Hochtemperaturbrennstoffzellen (HT). Einen Überblick über Brennstoffzellentypen gibt Tabelle 6-2. Nach dem Elektrolyten wird unterteilt in die Alkalische Brennstoffzelle (AFC), die Polymerelektrolytmembran-Brennstoffzelle (PEMFC), die Phosphorsaure-Brennstoffzelle (PAFC), die Schmelzkarbonat-Brennstoffzelle (MCFC) und die Oxidkeramische Brennstoffzelle (SOFC). Die PEMFC lässt sich weiter in die Direktmethanol-Brennstoffzelle (DMFC), Niedertemperatur-Polymerelektrolytmembran-Brennstoffzelle (NT-PEMFC) und die Hochtemperatur-Polymerelektrolytmembran-Brennstoffzelle (HT-PEMFC) einteilen. Man bezeichnet PEMFCs auch häufig als Polymerelektrolyt-Brennstoffzellen (PEFC).
6.4 Typen von Brennstoffzellen
151
Tabelle 6-2: Brennstoffzellentypen [6-7] Typ
Betriebstemperatur
Elektrolyt
Ionenleitung
CO2 -Ver- Brennstoff Temp.träglichkeit Bereich
AFC
60 °C bis 80 °C
Wässrige Kalilauge
OH-
1 ppm
H2
ca. 80 °C
Protonenleitende Membran
H+
---
CH3OH
+
NT
PEMFC DMFC
NT
NTPEMFC
60 °C bis 120°C
Protonenleitende Membran
H
100 ppm
H2
HTPEMFC
120 °C bis 200 °C
Protonenleitende Membran
H+
500 ppm bis 1 %
H2
PAFC
160 °C bis 200 °C
Konzentrierte Phosphorsäure
H+
1%
H2
NT
MCFC
ca. 650 °C
KarbonatSchmelze
CO3
verträglich
H2, CO
HT
SOFC
ca. 1000 °C
Dotiertes Zirkoniumdioxid
O
verträglich
H2, CO
HT
Brennstoffzellen werden in einer Reihe von portablen, automotiven und stationären Anwendungen eingesetzt, siehe Abschnitt Anwendung. Einen Überblick über Leistung, elektrischen Wirkungsgrad und Anwendungsbereiche von Brennstoffzellen gibt Tabelle 6-3. Tabelle 6-3: Eigenschaften von Brennstoffzellen [6-4] Brennstoffzelle
Leistung [kW]
el. Wirkungsgrad [%]
Anwendung
AFC
10–100
Zelle 60–70 System: 60
Raumfahrt, Fahrzeuge
PEMFC
0,1–500
Zelle 50–70 System 30–50
Raumfahrt, Fahrzeuge
DMFC
0,01–1
Zelle 20–30
Kleingeräte
PAFC
bis 10.000
Zelle 55 System 40
Kleinkraftwerke
MCFC
bis 100.000
Zelle 55 System 50
Kraftwerke
SOFC
bis 100.000
Zelle 60–65 System 55–60
Kraftwerke und APU
152
6 Brennstoffzelle
Es folgt eine Kurzcharakterisierung der verschiednen Brennstoffzellentypen, für Details sei auf die Fachliteratur verwiesen [6-2, 6-4, 6-6].
6.4.1 AFC – Alkaline-FC (Alkalische-BZ) Die alkalische Brennstoffzelle zählt zu den Niedertemperatur-Brennstoffzellen. Das Funktionsprinzip dieses Zelltyps ist in Abbildung 6-7 dargestellt. Die erste Anwendung der AFC erfolgte in der Raumfahrt bei der Apollo Mission und in den US Space-Shuttels. Es wird meist eine wässrige Kaliumhydroxid-Lösung (KOH-Lösung) als Elektrolyt verwendet. Ein solcher Elektrolyt ist für OH-Ionen leitend. Diese werden an der Kathode gebildet, wandern durch den Elektrolyten auf die Anodenseite, um dort mit dem vorliegenden Wasserstoff Wasser und Elektronen zu bilden.
e
Brennstoff H2
Sauerstoff O2
H2
OH O2
H2 O
Elektrolyt 35-50% KOH Anode
Kathode
H2O + Wärme Katalysator
Abbildung 6-7: Prinzip AFC
Bei der so genannten mobilen Variante der AFC liegt der Elektrolyt in flüssiger Form vor und muss in einem Elektrolytkreislauf umgewälzt werden. Dabei kann die Prozesswärme über den Elektrolyten abgeführt werden. Bei der immobilen Bauweise wird die KOHLösung durch ein saugfähiges Material (Matrix) aufgenommen und auf diese Weise zwischen den Elektroden gespeichert. Aufgrund der umweltschädigenden Wirkung darf KOH nicht austreten. Als Brennstoff wird Wasserstoff an die Anode geführt. Da der CO2Gehalt der Atmosphäre bei über 360 ppm liegt, muss der Kathode reiner Sauerstoff zugeführt werden. CO2 führt zur Karbonatbildung und dies verstopft die feine Porenstruktur der GDL und der Elektrode. Ein Teil des gebildeten Wassers der Anodenseite wird der Kathode zugeführt, weil die chemische Reaktion Wasser benötigt.
6.4 Typen von Brennstoffzellen
153
Reaktion: Anode: Kathode:
H2 + 2 OH o 2 H2O + 2 e
H2O + ½ O2 + 2 e o 2 OH
Gesamtreaktion: H2 + ½ O2 o H2O
Oxidation/Elektronenabgabe Reduktion/Elektronenaufnahme Redoxreaktion
Vergleich mit anderen Brennstoffzellen: Die AFC wird bei Leistungen zwischen etwa 10 kW und 100 kW eingesetzt. Sie ist einfach und robust aufgebaut und erreicht gute Wirkungsgrade. Als Nachteil ist die Verwendung von Kalilauge als Elektrolyt zu sehen, was ein Sicherheitsrisiko darstellt und durch Korrosion der Elektroden zu einer kurzen Lebensdauer führt. Die AFC muss mit reinem Sauerstoff versorgt werden.
6.4.2 PEMFC – Proton-Exchange-Membrane-FC (Polymerelektrolytmembran-BZ) Die PEMFC zählt zu den Niedertemperaturbrennstoffzellen, auch die Bezeichnung PEFC (Polymerelektrolyt-BZ) ist üblich. Sie arbeitet je nach Typ in einem Temperaturbereich zwischen 60 °C und 200 °C. Alle drei PEM-Zelltypen – die DMFC, die NT-PEMFC und die HT-PEMFC – verwenden ein nicht korrosives Polymer als Elektrolyt. Die PEMFC ist in stationären, mobilen und portablen Anwendungen weit verbreitet, siehe Abschnitt Anwendungen. DMFC – Direct Methanol FC (Direkt-Methanol-BZ) Als Sonderform der PEMFC gilt die DMFC, bei der Methanol in flüssiger Form oder dampfförmig der Anode zugeführt wird. Das Prinzip ist in Abbildung 6-8 dargestellt. Reaktion: Anode:
CH3OH + H2O o CO2 + 6 H+ + 6 e
Oxidation/Elektronenabgabe
Kathode:
3/2 O2 + 6 H+ + 6 e o 3 H2O
Reduktion/Elektronenaufnahme
Gesamtreaktion: CH3OH + 3/2 O2 o 2 H2O + CO2
Redoxreaktion
An der Anode entsteht als Abgas CO2. Der Kathode wird Luftsauerstoff zugeführt. Als Elektrolyt kommt eine protonenleitende Polymermembran zum Einsatz, die für den Leitmechanismus stets Wasser benötigt. Dies erfordert ein Befeuchten über die zugeführten Stoffströme oder durch Rückdiffusion von Produktwasser von der Kathode zur Anode. Meist wird der Anode ein flüssiges Methanol-Wasser-Gemisch zugeführt. Dabei ist jedoch eine präzise Dosierung der Gemischkonzentration über eine Dosierpumpe notwendig. Der Ladungstransport erfolgt mit Hilfe von H+-Ionen. Ein Problem stellt der so genannte Methanoldurchtritt (Methanol-Crossover) dar. Dabei diffundiert Methanol von der Anoden- zur Kathodenseite und mischt sich an der Kathodenoberfläche mit Sauerstoff. Die unerwünschte Methanoloxidation reduziert die Leistungsfähigkeit und damit den Wirkungsgrad der Zelle. Wesentliche Vorteile der DMFC sind eine direkte Umwandlung des Brennstoffs Methanol und eine einfache Systemtechnik, weil es im Gegensatz zur her-
154
6 Brennstoffzelle
kömmlichen PEMFC keiner komplexen Befeuchtereinheit bedarf. DMFCs werden meist für Kleinanlagen bis maximal 5 kW eingesetzt. Hauptsächlich findet diese Zelle Anwendung im portablen Bereich.
Brennstoff CH3OH Methanol
Sauerstoff O2
O2 CO2
CH3OH H+ Protonenaustauscher-Membran Anode
H2O Kathode H2O + CO2 + Wärme
Pt- Ru- Katalysator
Abbildung 6-8: Prinzip DMFC
Vergleich mit anderen Brennstoffzellen: Die DMFC wird bei geringen Leistungen bis etwa 1 kW in Kleingeräten eingesetzt. Sie ist einfach aufgebaut, weist eine gute Lebensdauer auf und ist einfach zu betanken. Der Wirkungsgrad ist relativ gering, ein Problem stellt die Permeation von Methanol dar, als Abgas entsteht CO2. NT-PEMFC – Low-Temperature-Proton-Exchange-Membrane-FC (Niedertemperatur-Polymerelektrolytmembran-BZ) Das Funktionsprinzip einer NT-PEMFC ist in Abbildung 6-9 dargestellt. Wasserstoff dient als Reduktionsmittel und Luftsauerstoff als Oxidationsmittel. Wasserstoffmoleküle gelangen über die GDL zur Katalysatorschicht bzw. zur Reaktionszone. Dort wird H2 an der Katalysatoroberfläche adsorbiert, zu H dissoziiert und weiters zu Wasserstoffprotonen H+ oxidiert (Elektronenabgabe). Die Protonen bilden mit Wasser H3O+-Ionen, die die Grundlage des Leitungsmechanismus darstellen. Nun können einerseits Wasserstoffprotonen durch den so genannten Grotthuß-Mechanismus von Wassermolekül zu Wassermolekül zur Kathode wandern [6-1], andererseits können H3O+-Ionen Richtung Kathode diffundieren. An der Kathode wird der Sauerstoff an der Katalysatoroberfläche reduziert, nimmt zwei Elektronen auf und bildet schließlich mit zwei H+-Ionen Wasser. Durch den Diffusionsprozess kommt es zu Austrocknungserscheinungen, weil Wasser beim Transport der Ionen mitwandert. Um den Wasserbedarf an der Anodenseite zu decken, muss
6.4 Typen von Brennstoffzellen
155
das gebildete Wasser von der Kathode durch die Membran rückdiffundieren oder außerhalb der Zelle mittels unterschiedlicher Befeuchtungstechniken dem Stoffstrom zugeführt werden. Dieser Brennstoffzellentyp ist empfindlich gegenüber Kohlenmonoxid, das bei Konzentrationen über 100 ppm die aktiven Zentren der Elektroden blockiert, was zur Verminderung der Leistungsfähigkeit führt. Diese Katalysatorblockade ist reversibel. Auch die Beaufschlagung der Zelle mit Schwefel und Schwefelverbindungen (H2S) sollte unter 1 ppm liegen, um die Katalysatoraktivität nicht zu mindern.
e
Brennstoff H2
Sauerstoff
H2
O2 H+
H2O
Protonenaustauscher-Membran Anode
Kathode H2O + Wärme Pt- Katalysator
Abbildung 6-9: Prinzip NT-PEMFC
Reaktion: Anode: Kathode:
H 2 o 2 H+ + 2 e +
½ O2 + 2 H + 2 e o H2O
Gesamtreaktion: H2 + ½ O2 o H2O
Oxidation/Elektronenabgabe Reduktion/Elektronenaufnahme Redoxreaktion
Vergleich mit anderen Brennstoffzellen: Die NT-PEMFC wird bei Leistungen bis etwa 500 kW eingesetzt. Sie erreicht eine hohe Stromdichte und weist ein gutes dynamisches Verhalten auf. Die Zelle benötigt ein aufwändiges Wassermanagement und ist empfindlich gegen Verunreinigungen durch Kohlenmonoxid, Ammoniak und Schwefelverbindungen.
156
6 Brennstoffzelle
HT-PEMFC – High-Temperature-Proton-Exchange-Membrane-FC (Hochtemperatur-Polymerelektrolytmembran-BZ) Die so genannte HT-PEMFC entspricht im Prinzip der NT-PEMFC, vgl. Abbildung 6-9, unterscheidet sich von dieser aber durch eine neue Membran, die verfahrenstechnische und elektrochemische Vorteile verspricht [6-7]. Die neu entwickelte Polybenzimidazol-Membran (PBI) benötigt kein Wasser für die Leitfähigkeit. Die Membran wird in Phosphorsäure (H3PO4) getränkt, nimmt die Säure teilweise auf und gewährleistet dadurch die Protonenleitfähigkeit. Dadurch entfällt bei diesem Zelltyp das komplexe Wassermanagement. Das stellt einen der wesentlichen Vorteile dieser Brennstoffzelle dar. Darüber hinaus ermöglicht die phosphorsäuredotierte PBIMembran höhere Betriebstemperaturen, wodurch bei Nutzung der Prozesswärme der Anlagenwirkungsgrad deutlich gesteigert werden kann. Weiters hat die Temperaturanhebung eine höhere CO-Toleranz zur Folge, was sich durch ein günstigeres Adsorptions-/Desorptionsverhalten des Katalysators erklären lässt. So beträgt die CO-Verträglichkeit der HT-PEMFC gegenüber der NT-PEMFC ein Vielfaches, nämlich bei 120 °C 500 ppm und bei 180 °C 5000 ppm (0,5 %) CO. Wird Wasserstoff aus fossilen Energieträgern erzeugt, ist für den Einsatz in einer NT-PEMFC im Reformierungssystem stets eine Feinreinigungsstufe notwendig, was bei der HT-PEMFC entfällt. Bei mobilen Anwendungen spielt das erhöhte Temperaturniveau eine entscheidende Rolle, da sich die Wärmetauscherflächen aufgrund der größeren Temperaturdifferenz zwischen Betriebstemperatur und Umgebung verringern lassen. Dies führt zu Gewichts-, Kosten- und Packagingvorteilen im Vergleich zur herkömmlichen NT-PEMFC. Im Bereich der Hausenergieversorgung lässt sich die Wärme zur Brauchwasser- und Heizwasseraufbereitung heranziehen, womit höhere Gesamtwirkungsgrade erreichbar sind [6-5]. Nachteilig sind die erhöhten Kosten für temperaturbeständige Systemkomponenten (Verdichter, Ventile, Kompressoren etc.) und für temperatur- und säurebeständige Materialien. Außerdem muss ein Kondensieren des Produktwassers unbedingt vermieden werden, da es sonst zur Phosphorsäureauswaschung der Membran kommt. Diese Gefahr besteht hauptsächlich bei Anfahr- und Abschaltvorgängen. Reaktion: Anode:
H 2 o 2 H+ + 2 e
Oxidation/Elektronenabgabe
Kathode:
½ O2 + 2 H+ + 2 e o H2O
Reduktion/Elektronenaufnahme
Gesamtreaktion:
H2 + ½ O2 o H2O
Redoxreaktion
Vergleich mit anderen Brennstoffzellen: Die HT-PEMFC benötigt kein aufwändiges Wassermanagement, allerdings muss Wasserkondensation wegen der Phosphorsäurebildung vermieden werden. Die Zelle ist wegen der temperatur- und säurebeständigen Materialien teurer in der Herstellung, dafür kann der Gesamtwirkungsgrad durch Nutzung der Abwärme verbessert werden.
6.4 Typen von Brennstoffzellen
157
6.4.3 PAFC – Phosphoric Acid FC (Phosphorsaure-BZ) Die PAFC zählt zu den Niedertemperaturbrennstoffzellen. Sie ist weit verbreitet und deckt einen weiten Leistungsbereich von 50 kWel bis 11 MWel ab. Weltweit sind ca. 250 Anlagen in Betrieb [6-5]. Die PAFC verwendet als Elektrolyt konzentrierte Phosphorsäure, die in einer PTFE-gebundenen Siliziumkarbidmatrix (SiC) fixiert ist, Prinzip siehe Abbildung 6-10. e
Brennstoff H2
Sauerstoff O2
H2
O2
H+
Konz. H3PO4 Anode
H2O Kathode
H2O + Wärme Pt- oder P- Katalysator
Abbildung 6-10: Prinzip PAFC
Reaktion: Anode: Kathode:
H2 o 2 H+ + 2 e +
½ O 2 + 2 H + 2 e o H 2O
Gesamtreaktion: H2 + ½ O2 o H2O
Oxidation/Elektronenabgabe Reduktion/Elektronenaufnahme Redoxreaktion
Die Leitfähigkeit wird durch H+-Ionen dargestellt, die von der Anode zur Kathode wandern. Aufgrund des säurehaltigen Elektrolyten werden hohe Materialanforderungen an die Zellkomponenten gestellt. Als Brennstoff kommt Wasserstoff und als Oxidationsmittel Luftsauerstoff zum Einsatz. Für die Elektroden wird poröser Grafit verwendet, der meist mit Platin als Katalysator beschichtet ist. An der Anode wird Wasser zur Reaktion benötigt, das auf der Seite der Kathode wieder rückgebildet wird. Ein aufwendiges Wassermanagement über eine Membran ermöglicht eine Rückdiffusion. Überschüssiges Wasser wird als Wasserdampf an der Kathodenseite abgeführt. Trotz des hohen technischen Reifegrads dieser Brennstoffzelle kann sich die PAFC nicht weiter durchsetzen, weil sie zu hohe Kosten verursacht und ihr Kostensenkungspotenzial weitgehend erschöpft ist [6-5].
158
6 Brennstoffzelle
Vergleich mit anderen Brennstoffzellen: Die PAFC wird in Kleinkraftwerken bei Leistungen bis etwa 10000 kW eingesetzt. Sie ist robust und weist eine erhöhte Verträglichkeit gegenüber CO, CO2 und Schwefel auf. Wegen der Phosphorsäure ist die Lebensdauer begrenzt, die Leistungsdichte ist gering, die Materialkosten sind hoch ohne Potenzial zur Senkung. Die höhere Betriebstemperatur erlaubt bessere Gesamtwirkungsgrade.
6.4.4 MCFC – Molten Carbonate FC (Carbonat-Schmelze BZ) Die MCFC ist eine Hochtemperaturbrennstoffzelle, die Betriebstemperatur bewegt sich um 650 °C, Prinzip siehe Abbildung 6-11. e
Brennstoff H2 + CO
Sauerstoff O2 + CO2
H2 CO2 H2 O
O2 CO3--
Carbonatschmelze Li2CO3 und K2CO3 Anode (poröses Ni)
CO2
Kathode (poröses NiO)
H2O + CO2 + Wärme
Abbildung 6-11: Prinzip MCFC
Reaktion: Anode:
H2 + CO3 o H2O + CO2 + 2 e Oxidation/Elektronenabgabe (CO + CO3 o 2 CO2 + 2 e ) (CO + H2O o CO2 + H2 ) interne Reformierung
Kathode:
½ O2 + CO2 + 2 e o CO3
Gesamtreaktion: H2 + ½ O2 + CO2 o H2O + CO2
Reduktion/Elektronenaufnahme Redoxreaktion
Eine Alkalicarbonatschmelze aus Lithiumcarbonat (Li2CO3) und Kaliumcarbonat (K2CO3) dient als Elektrolyt. Dieser wird in einer Matrix aus Lithiumaluminat fixiert. Der Elektrolyt leitet Karbonationen von der Kathode zur Anode. Im Gegensatz zu den bisher genannten Brennstoffzellentypen kann ein Gasgemisch aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid als Brennstoff verwendet werden. Dieses Gemisch wird durch interne Reformierung eines methanhaltigen Energieträgers hergestellt. Auf der Kathodenseite muss ein Gemisch aus Sauerstoff und Kohlendioxid zugesetzt werden. Der Sauerstoff bindet sich unter Elektro-
6.4 Typen von Brennstoffzellen
159
nenaufnahme mit Kohlendioxid und es kommt zur Karbonatbildung. Auf der Anodenseite entstehen aus Wasserstoff und Karbonationen Wasser und Kohlendioxid. Das Karbonat wandert durch die Elektrolytmatrix. Bei den hohen Betriebstemperaturen sind keine teuren Edelmetall-Katalysatoren notwendig. Als Elektrodenmaterial kann Nickel zum Einsatz kommen, allerdings müssen für die Zelle hochtemperaturfeste Werkstoffe verwendet werden. Die Giftigkeit sowie die Entzündlichkeit der MCFC-Reaktanten stellen ein Problem dar. Die hohen Temperaturschwankungen aufgrund der ständigen Erwärm- und Abkühlvorgänge führen zu einem hohen Verschleiß der Brennstoffzelle. Die interne Reformierung stellt auch hohe, aber kontrollierbare Anforderungen an die Sicherheit. Bei gleichzeitiger Wärmenutzung wird ein Gesamtwirkungsgrad von bis zu 90 % erreicht. Vergleich mit anderen Brennstoffzellen: Die MCFC wird in Kraftwerken bei Leistungen bis 100000 kW eingesetzt. Da keine teuren Katalysatoren verwendet werden, sind die Herstellungskosten relativ niedrig. Die MCFC ist unempfindlich gegen CO sowie CO2 und erlaubt eine interne Reformierung. Durch Nutzung der Abwärme sind hohe Wirkungsgrade möglich. Wegen der hohen Temperaturen sind entsprechende Sicherheitsvorkehrungen nötig, die Zelle hat einen hohen Platzbedarf und es tritt CO2 als Emission auf.
6.4.5 SOFC – Solid Oxide FC (Oxid-Keramik BZ) Die SOFC ist eine Hochtemperaturbrennstoffzelle mit einer Betriebstemperatur zwischen 750 °C und 1000 °C, Prinzip siehe Abbildung 6-12. Ihr Elektrolyt besteht aus einem unveränderlichen festen keramischen Werkstoff, aus yttriumdotiertem Zirkoniumdioxid (YSZ). YSZ ist in der Lage, Sauerstoffionen zu leiten, Elektronen werden jedoch nicht geleitet. Die Kathode besteht aus einem für Elektronen und Ionen leitfähigen keramischen Material, etwa Lanthan-Strontium-Manganoxid (LSM). Für die Anode verwendet man einen ionen- und elektronenleitfähigen, keramisch-metallischen Cermet-Werkstoff. Da Temperaturen über 500 °C vorliegen, kann auf einen externen Reformer verzichtet werden. Der flüssige Brennstoff wird direkt im System mit Hilfe von Katalysatormetallen wie Ruthenium und Cer zu Kohlenmonoxid und Wasserstoff reformiert. Zum Start der Brennstoffzelle ist jedoch eine externe Heizung notwendig. Der Ladungstransport erfolgt mittels O Ionen. Die SOFC befindet sich noch im Forschungsstadium und soll in der Energieversorgung eingesetzt werden. Reaktion: Anode:
H2 + O o H2O + 2 e (CO + O o CO2 + 2 e )
Oxidation/Elektronenabgabe
Kathode:
½ O2 + 2 e o O
Reduktion/Elektronenaufnahme
Gesamtreaktion: H2 + ½ O2 o H2O (CO + ½ O2 o CO2)
Redoxreaktion
Vergleich mit anderen Brennstoffzellen: Die SOFC weist einen weiten Anwendungsbereich von der Stromversorgungseinheit bis zum Kraftwerk bei Leistungen bis 100000 kW auf. Die SOFC ist einfach und robust auf-
160
6 Brennstoffzelle
gebaut, sie erfordert kein Flüssigkeitsmanagement. Sie hat eine lange Lebensdauer und erlaubt eine interne Reformierung. Durch Nutzung der Abwärme sind hohe Wirkungsgrade möglich. Wegen der hohen Temperaturen sind entsprechende Sicherheitsvorkehrungen nötig, die Zelle emittiert CO2.
e
Brennstoff H2 + CO
Sauerstoff O2
H2 CO2 H2 O yttriumdotiertes Zirkoniumdioxid Anode (Cermet)
O2 O--
Kathode (LSM)
H2O + CO2 + Wärme
Abbildung 6-12: Prinzip SOFC
6.5
Literatur
6-1 Atkins, P.; de Paula, J.: Pysikalische Chemie. 4. Auflage. Verlag Wiley-VCH, Weinheim 2006 6-2 Hacker, V.: Brennstoffzellensysteme. Neue Konzepte für Brennstoffzellen und für die Wasserstofferzeugung. Habilitationsschrift Technische Universität Graz 2003 6-3 Hamann, C. H.; Vielstich, W.: Elektrochemie. 4. Auflage. Verlag Wiley-VCH, Weinheim 2005 6-4 Kordesch, K.; Simader, G.: Fuel cells and Their Applications. Verlag Wiley-VCH, Weinheim 1996 6-5 Krewitt, W.; Pehnt, M.; Fischedick, M.; Temming, H.V.: Brennstoffzellen in der KraftWärme-Kopplung. Erich Schmidt Verlag, Berlin 2004 6-6 Kurzweil, P.: Brennstoffzellentechnik. Vieweg Verlag, 2003 6-7 Morcos, M.; Auslegung eines HT-PEFC Stacks der 5 kW Klasse, Diplomarbeit am Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik der Technischen Universität Graz, 2007 6-8 NIST, National Institute of Standards and Technology, http://www.nist.gov 6-9 Pischinger, R.; Sams, Th.; Klell, M.: Thermodynamik der Verbrennungskraftmaschine. Springer Verlag, Wien New York 2000 6-10 Stull, D. R., et al.: Janaf thermochemical tables. National Bureau of Standards, Washington D. C., 1971 6-11 von Helmolt, R.; Eberle, U.: Fuel cell vehicles: Status 2007. Journal of Power Sources 165 (2007) S. 833–843
161
7
Verbrennungsmotor
7.1
Einleitung
Das Prinzip des Wasserstoffverbrennungsmotors beruht auf einem konventionellen Verbrennungsmotor (zumeist nach dem Ottoprinzip, was aus den nachfolgenden Ausführungen auch erklärlich wird), welcher durch Änderungen am Gemischbildungssystem, Brennverfahren etc. für ausschließlichen oder bivalenten Betrieb mit Wasserstoff adaptiert und mit Wasserstoff oder wasserstoffreichen Gasen als Kraftstoff betrieben werden kann. Neben den erforderlichen Änderungen des Gemischbildungssystems ist natürlich sicher zu stellen, dass alle Materialien und Komponenten, die mit Wasserstoff in Kontakt kommen, dafür geeignet sind. Die Idee, Wasserstoff als Kraftstoff für Verbrennungsmotoren einzusetzen, ist keineswegs neu. Bereits in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts arbeiteten Forscher mit teilweise beachtlichem Erfolg an der Umrüstung von Verbrennungsmotoren auf Wasserstoffbetrieb sowie an der Verbesserung der Wirkungsgrade konventionell betriebener Motoren durch Zumischung von Wasserstoff [7-8, 7-29].
Abbildung 7-1: Erren-Wasserstoffmotor aus dem Jahr 1939 [7-8]
162
7 Verbrennungsmotor
Obwohl sich der überwiegende Anteil der Arbeiten zu Antriebskonzepten auf Wasserstoffbasis auf die Stromerzeugung durch Brennstoffzellensysteme und damit gespeiste elektrische Antriebe konzentriert, wird die Verbrennungskraftmaschine mit Wasserstoff als durchaus aussichtsreiche Alternative bewertet. Aufgrund der vergleichsweise hohen Leistungsdichte verbunden mit günstigen Herstellkosten und einer in mehr als 100 Jahren entwickelten Reife der Verbrennungskraftmaschine sowie der Bi-Fuel-Tauglichkeit von Hubkolbenmotoren ist die direkte Umwandlung von Wasserstoff in mechanische Antriebsenergie eine durchaus interessante Möglichkeit, welche zudem vergleichsweise rasch in einem Massenmarkt eingeführt werden könnte. Die Verwendung von Wasserstoffverbrennungsmotoren ermöglicht darüber hinaus die Nutzung bestehender Produktionseinrichtungen der Automobilindustrie sowie die gewohnte Applikation im Fahrzeug.
7.2
Relevante Stoffeigenschaften von Wasserstoff im Verbrennungsmotor
Wasserstoff unterscheidet sich grundlegend von den bisher hauptsächlich für den Betrieb von Verbrennungskraftmaschinen eingesetzten Kraftstoffen. Dabei ist der gegenüber Benzin und Diesel gasförmige Aggregatzustand bei Umgebungstemperatur der auffälligste, aber keineswegs gravierendste Unterschied. In Tabelle 7-1 sind die für eine Anwendung im Verbrennungsmotor relevanten Stoffeigenschaften von Wasserstoff im Vergleich zu konventionellen flüssigen (Diesel, Benzin) und gasförmigen Kraftstoffen (Methan) dargestellt. Bereits aus diesem Vergleich von Kraftstoffeigenschaften können die zu konventionellen Anwendungen unterschiedlichen Anforderungen an ein wasserstoffspezifisches Brennverfahren deutlich erahnt werden. Der hohe massenspezifische Energieinhalt von Wasserstoff (Hu = 120 MJ/kg) relativiert sich bei Betrachtung des volumetrischen Gemischheizwertes. Unter Realbedingungen bei äußerer Gemischbildung ist dieser deutlich geringer als bei konventionellen Kraftstoffen. Die weiten Zündgrenzen von Wasserstoff erlauben eine Qualitätsregelung im gesamten Betriebsbereich des Motors. Im Unterschied zu konventionellen Kraftstoffen kann Wasserstoff theoretisch bis zu einem Luftverhältnis von O = 10 homogen verbrannt werden. Wie bei konventionellen Kraftstoffen auch, nimmt die erforderliche Zündenergie mit dem Luftverhältnis zu. Zur Entzündung eines stöchiometrischen Wasserstoff-Luft-Gemisches genügt bereits weniger als ein Zehntel der zur Entzündung eines Benzin-Luft-Gemisches notwendigen Energie. Dagegen ist die Selbstzündungstemperatur von Wasserstoff deutlich höher als die der konventionellen flüssigen Kraftstoffe. Dies kann im Falle der vorgemischten Verbrennung zwar Vorteile beim Klopfverhalten bringen, erfordert aber sehr hohe Verdichtungsverhältnisse oder andere Maßnahmen zur Erhöhung der Ladungstemperatur im Falle des selbstzündenden Wasserstoffmotors. Die hohe laminare Flammengeschwindigkeit macht deutlich, dass mit Wasserstoff extrem kurze, wirkungsgradgünstige Brenndauern realisierbar sind. Auch bei mageren Gemischen liegt die laminare Brenngeschwindigkeit deutlich über der konventioneller Kraftstoffe. Jedoch wird bei der vorgemischten Verbrennung stöchiometrischer Gemische das Triebwerk durch den schnellen und damit höheren Druckanstieg stärker belastet und angeregt, was auch zu höherem Verbrennungsgeräusch führt.
7.2 Relevante Stoffeigenschaften von Wasserstoff im Verbrennungsmotor
163
Tabelle 7-1: Stoffeigenschaften von H2 im Vergleich zu konventionellen Kraftstoffen Eigenschaft
Einheit
Dichte (flüssig) 1)
kg/m³
bei 1) 2)
Dichte (gasförmig) Molmasse
Benzin (Super Plus)
Diesel
Methan
Wasserstoff
750 ÷ 770
820 ÷ 845
423
70,8
°C
15
15
–162
– 253
kg/m³
—
—
0,716
0,090
§ 98
§ 190
16,043
2,016
30 ÷ 190
210 ÷ 355
–161,5
–252,8
14,0
14,7
17,2
34,3
Vol%
—
—
9,5
29,5
MJ/kg
41,4
42,9
50
120
31,7
35,8
21
8,5
—
—
12,6 6)
3,0 6)
kg/kmol 1)
Siedepunkt bzw. -bereich
°C
Stöchiometrischer Luftbedarf
kgLuft/kgKst
unterer Heizwert Energiedichte
flüssig
1)
gasförmig
MJ/dm3
Gemischheizwert 1) 2) 4) (gemischansaugend)
MJ/m³
3,76
—
3,40
3,19
Gemischheizwert 1) 2) 4) (luftansaugend)
MJ/m³
3,83
3,77
3,76
4,52
Zündgrenzen1) 3) 5)
Vol%
1 ÷ 7,6
0,6 ÷ 5,5
4,4 ÷ 15
4 ÷ 76
O-Bereich
1,4 ÷ 0,4
1,35 ÷ 0,48
2,28 ÷ 0,6
10 ÷ 0,13
Selbstzündungstemperatur
°C
230 ÷ 450
250
595
585
4) 5)
mJ
0,24
0,24
0,29
0,017
cm²/s
0,05
—
0,16
1) 5)
Minimale Zündenergie Diffusionskoeffizient
5)
1) 2) 7)
—
1,9 · 10
0,61 –2
8,5 · 10–2
laminare Flammengeschwindigkeit 1) 3) 4) 5)
cm/s
§ 40
§ 40
§ 42
§ 230
ROZ
—
100
—
130
—
MZ
—
88
—
100
0
CZ
—
—
52 ÷ 54
—
—
c
%
85,6
86,1
74,9
0
h
%
12,2
13,9
25,1
100
%
2,2
0
0
0
Massenanteile
o 1)
2)
bei 1,013 bar; bei 0 °C; bei 25 °C; 4) bei O = 1; 5) in Luft; 6) bei 350 bar und 280 K; 7) bei 100 bar und 1000 K 3)
164
7 Verbrennungsmotor
Die Kohlenstofffreiheit macht Wasserstoff zum einzigen Kraftstoff, der zumindest theoretisch eine motorische Verbrennung ohne Ausstoß von Kohlendioxid, Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoffen ermöglicht. Im realen Motorbetrieb sind aufgrund des Vorhandenseins von Schmieröl im Brennraum zwar Spuren dieser Schadstoffe im Abgas vorhanden, das Niveau liegt allerdings nahe der Nachweisbarkeitsgrenze. Die bei Wasserstoffbetrieb einzig relevanten Emissionen von Stickoxiden müssen besonders beachtet werden. Insgesamt machen die dargestellten Eigenschaften von Wasserstoff deutlich, dass dieser als Kraftstoff zum Betrieb eines Verbrennungsmotors hervorragend geeignet ist. Hierbei sind verschiedene Verbrennungskonzepte denkbar, die sich vor allem bezüglich Volllastpotenzial aber auch hinsichtlich Komplexität markant unterscheiden.
7.3
Einteilung und Gliederungsmerkmale
Nach Gemischbildungsort bzw. -zeitpunkt Grundsätzlich kann eine Einteilung der Gemischbildungsverfahren anhand des Ortes bzw. Zeitpunktes erfolgen, zu dem der Kraftstoff der Frischluft zugeführt wird, vgl. Abbildung 7-2. Im Gegensatz zur äußeren Gemischbildung (H2-AGB), bei der Wasserstoff in das Saugrohr des Motors eingebracht wird, erfolgt die Wasserstoffeinblasung bei innerer Gemischbildung (H2-DI) direkt in den Brennraum des Motors. Als kombinierte Verfahren werden jene Gemischbildungskonzepte bezeichnet, die aus einer Zusammensetzung der zuvor genannten Varianten bestehen. Ein Versuchsmotor, der mit einem modularen Aufbau Untersuchungen zu verschiedenen Gemischbildungskonzepten erlaubt, ist in Abbildung 7-3 a) und b) dargestellt. Nach Triebwerksbauart: Ebenso wie bei Motoren für konventionelle Kraftstoffe werden Hubkolben- und Kreiskolbenausführung unterschieden. Bis auf die in Abbildung 7-5 und Abbildung 8-40 dargestellte Ausnahme (Mazda H2-Wankel) werden Wasserstoff-Verbrennungsmotoren als Hubkolbenmotoren ausgeführt. Abbildung 7-4 zeigt einen in Kleinserie ausgeführten Hubkolbenmotor von MAN, der sowohl freisaugend als auch aufgeladen ausgeführt wird und als Busantrieb zum Einsatz kommt [7-32].
Gemischbildungsverfahren Äußere GB kontinuierlich
Kombinierte GB
sequentiell
früh
Innere GB spät
Abbildung 7-2: Gemischbildungskonzepte im Wasserstoffbetrieb [7-43]
Verbrennungs– steuerung
7.3 Einteilung und Gliederungsmerkmale
Injektor– dummy
165
Benzin– injektoren
Hochdruckinjektor (inkl. Spannhülse)
Zündkerze einstellbare Verdichtung
a)
b)
Abbildung 7-3: a) Versuchsmotor mit modularem Aufbau für äußere und innere Gemischbildung mit gasförmigen Kraftstoffen und Benzin; b) Außenansicht Prüfstand [7-16]
Abbildung 7-4: MAN Wasserstoff-Busmotor (6 Zylinder-Reihenmotor) [7-32]
166
7 Verbrennungsmotor
Das Prinzip des H2-Wankelmotors, der anstelle von Hubkolben Kreiskolben besitzt, ist in Abbildung 7-5 dargestellt. Für die Kreiskolbenbauart nach Wankel und die damit verbundene Brennraumform stellen die Stoffeigenschaften von Wasserstoff mit der raschen Durchbrenngeschwindigkeit eine günstige Voraussetzung dar. Beim dargestellten Motor wird die Luft in die obere Kammer gesaugt und Wasserstoff über ein elektronisch gesteuertes Einblaseventil eingebracht. Durch die Rotation des Läufers wird das Kraftstoff-LuftGemisch komprimiert und anschließend durch Zündkerzen gezündet. Die durch die Verbrennung verursachte Drucksteigerung treibt den Läufer weiter an, die Verbrennungsgase werden durch den Auslasskanal (im Bild links unten) aus dem Motor befördert.
Abbildung 7-5: Prinzip Wasserstoff-Wankelmotor [7-26]
Weitere Gliederungsmerkmale Neben einer Unterscheidung der Gemischbildungsverfahren anhand des Ortes bzw. Zeitpunktes der Kraftstoffeinblasung kann eine weitere Gliederung u. a. hinsichtlich folgender Merkmale erfolgen:
Temperaturniveau des zugeführten Wasserstoffs Art der Zündungseinleitung Teillastregelung Ladungszustand .
Für den weit variierenden und dynamischen Betrieb in einem Fahrzeug ist die Kombination dieser Merkmale oft sinnvoll. Vor allem bei äußerer Gemischbildung und in Verbindung mit Flüssigspeicherung können durch Einblasung von kryogenem Wasserstoff deutliche Verbesserungen gegenüber der Einbringung von Wasserstoff mit Umgebungstempe-
7.3 Einteilung und Gliederungsmerkmale
167
ratur erzielt werden. Ein Vorteil beruht auf dem Effekt, dass die Einbringung des kalten Wasserstoffes in das Saugrohr zu einer Abkühlung der gesamten Ladungsmasse führt. Die reduzierte Temperatur führt zu einem Anstieg der Gemischdichte und damit des Gemischheizwertes. Das Leistungspotenzial mit kryogener äußerer Gemischbildung liegt unter den getroffenen Annahmen auf etwa gleichem Niveau wie bei Wasserstoff-Direkteinblasung und damit ca. 15 % höher als im Benzinbetrieb. Zusätzlich kann durch die Abkühlung der Frischladung das Auftreten von Verbrennungsanomalien, vor allem Rückund Frühzündungen, günstig beeinflusst werden. In Abbildung 7-6 ist das theoretische Volllastpotenzial verschiedener Wasserstoff-Gemischbildungsverfahren im Vergleich zum konventionellen Ottomotor dargestellt. Je nach Art der Zündungseinleitung wird bei Wasserstoffmotoren ottomotorischer, fremdgezündeter Betrieb und dieselmotorischer, selbstgezündeter Betrieb unterschieden. Aufgrund der im Vergleich zu Dieselkraftstoff hohen Selbstzündungstemperatur von Wasserstoff (ca. 585 °C, vgl. Tabelle 7-1) ist stabiler selbstgezündeter Betrieb nur mit hohen Verdichtungsverhältnissen und teilweise zusätzlicher Luftvorwärmung realisierbar [7-18, 7-35, 7-42]. Aktuelle Einsatzgebiete des H2-Verbrennungsmotors als PKW-Antrieb betreffen ausschließlich ottomotorische Konzepte, wenn es in der Vergangenheit auch nicht an Untersuchungen und Konzepten zu Diesel PKW-Motoren [7-12] und ZweitaktOttomotoren [7-11] für Wasserstoff gefehlt hat. Die bereits aus den unterschiedlichen Kraftstoffeigenschaften, insbesondere der laminaren Flammgeschwindigkeit, ableitbaren Unterschiede bei der motorischen Verbrennung können auch in einer unterschiedlichen Verbrennungsdauer beobachtet werden. Abbildung 7-7 zeigt typische Werte der Verbrennungsdauer von Benzin und Wasserstoff bei O = 1 als Funktion der Drehzahl.
$QQDKPH ˨ ˨D FRQVW Șe = const. n = const. VH = const.
Kraftstoff Gemischbildung Gemischtemperatur [K] Gemischheizwert [MJ/m3] Spezifische Leistung [%]
Benzin Saugrohr 293 3.59 100
Wasserstoff Saugrohr 293 2.97 83
„Stand der Technik“
Wasserstoff Saugrohr, tiefkalt 210 4.14 115
Wasserstoff Direkteinblasung 293 4.21 117
„Forschung“
Abbildung 7-6: Volllastpotenzial von Wasserstoff-Gemischbildungsverfahren [7-13]
168
7 Verbrennungsmotor
O=1
6
Brenndauer = ' (MFB95% – MFB5%)
5
Brenndauer [ms]
Benzin — AGB
4
3
2
1 Wasserstoff — DI
0
1000
2000
3000 4000 Drehzahl [min–1]
5000
6000
Abbildung 7-7: Verbrennungsdauer von Benzin und Wasserstoff bei O = 1 [7-16]
Hinsichtlich Teillastregelung nimmt der Wasserstoff-Verbrennungsmotor wiederum eine Sonderstellung ein, weil aufgrund der weiten Zündgrenzen (0,13 < O < 10) ein qualitätsgeregelter Betrieb im gesamten Lastbereich möglich ist. Vor allem im Hinblick auf die erreichbaren Wirkungsgrade ist ein qualitätsgeregelter Betrieb dem quantitätsgeregelten jedenfalls vorzuziehen. Vorteilhaft kann eine Drosselung zur Optimierung der Laufruhe im Leerlauf und der Brenndauer in der unteren Teillast sowie zur Abgasnachbehandlung mittels O = 1-Regelung in Kombination mit einem 3-Wege-Katalysator sein. Eine Gliederung der Motorkonzepte kann schließlich auch anhand des Ladungszustandes erfolgen, da Wasserstoffmotoren prinzipiell sowohl für Saug- als auch Aufladebetrieb geeignet sind. Im Gegensatz zu Benzinmotoren, die aufgrund der engen Zündgrenzen im Magerbetrieb mit Schichtung betrieben werden müssen, ist Wasserstoff wegen der weiten Zündgrenzen sowohl für homogenen als auch geschichteten Magerbetrieb geeignet. Eine Bewertung der verschiedenen Konzepte zeigt, dass ausgehend von Verfahren mit warmer äußerer Gemischbildung sowohl Direkteinblasestrategien als auch Verfahren mit kryogener äußerer Gemischbildung jeweils mit Fremdzündung großes Entwicklungspotenzial in Hinblick auf Leistung, Wirkungsgrad und Rohemissionen aufweisen. Die Komplexität und der notwendige Entwicklungsaufwand zur Umsetzung dieser Konzepte ist allerdings deutlich höher als bei konventioneller äußerer Gemischbildung. Während zunächst das ausgereiftere Verfahren mit äußerer Gemischbildung bei den Konzeptfahrzeugen und den Kleinserienfahrzeugen favorisiert wird, werden für zukünftige Anwendungen Konzepte mit früher Direkteinblasung sowie Verfahren mit kombinierter
7.4 H2-Betrieb mit äußerer Gemischbildung
169
äußerer und innerer Gemischbildung verfolgt, ein Beispiel zeigt Abbildung 7-8 [7-15]. Die Konzepte mit kryogener äußerer Gemischbildung könnten in Verbindung mit Flüssigspeicherung in absehbarer Zeit in die Serienentwicklung überführt werden. Konzepte mit später Hochdruckdirekteinblasung und Verbrennungssteuerung befinden sich derzeit noch im Forschungsstadium [7-9].
Abbildung 7-8: Konzeptvarianten mit äußerer und kombinierter Gemischbildung [7-15]
7.4
H2-Betrieb mit äußerer Gemischbildung
Der entscheidende Vorteil der äußeren Gemischbildung mit Wasserstoff bei Umgebungstemperatur liegt in der Einfachheit des Systems sowie in den geringen erforderlichen Wasserstoff-Versorgungsdrücken. Zur Einblasung in das Saugrohr genügt ein relativ geringer Druck, z. B. eines Druckspeichers (günstig für die nutzbare Speicherkapazität) oder der Überdruck eines Kryotanks, der üblicherweise zwischen 0,5 und 5 bar liegt. Die Einblasung erfolgt stets in der Nähe der Einlassventile, Systeme mit zentraler Gemischbildung haben sich in Verbindung mit Wasserstoff nicht bewährt. Eine Gliederung der Konzepte kann anhand der Einblasestrategie erfolgen. Unterschieden werden nach der Dauer der Einblasung die kontinuierliche Gemischbildung, bei der Wasserstoff während des gesamten Arbeitsspieles eingeblasen wird, und die sequentielle Einblasung, die zylinderindividuell, idealerweise saugsynchron erfolgt. Da für die Zuführung des Kraftstoffes bei hohen Drehzahlen theoretisch das gesamte Arbeitsspiel ausgenutzt werden kann, sind die Anforderungen an die Einblaseventile hinsichtlich Schaltzeiten eher gering, der zu steuernde Querschnitt ist aufgrund der geringen Kraftstoffdichte allerdings rund 500 mal so groß wie der eines vergleichbaren Benzinventils.
170
7 Verbrennungsmotor
Abbildung 7-9 zeigt die Zylinderdruck- und Brennverläufe im Wasserstoffbetrieb mit äußerer Gemischbildung bei Variation der Motorlast (Drehzahl n = 2800 min–1). Bei einem Mitteldruck pi = 3 bar (O § 4,6) ergibt sich aufgrund des Homogenbetriebes eine relativ lange Brenndauer (etwa 60 °KW). Mit steigender Motorlast sinkt die Brenndauer, bei einem Mitteldruck pi = 7,7 bar (O § 1,4) beträgt die Brenndauer nur mehr etwa 20 °KW. Eine weitere Annäherung an das stöchiometrische Luftverhältnis führt bei der vorliegenden Konfiguration zum Auftreten von Rückzündungen. Diese Verbrennungsanomalien und der Verdrängungseffekt im Saugrohr führen zu einem merklichen Leistungsnachteil des Wasserstoffmotors mit äußerer Gemischbildung gegenüber konventionellen Benzinmotoren.
n = 2800 min–1, H2–AGB
pi = 3 bar (O = 4.6) pi = 5 bar (O = 2.7) pi = 7 bar (O = 1.7) pi = 7.7 bar (O = 1.4)
60 45 30 15 0
80 60 40 20 0
-60
-45
-30
15 0 -15 Kurbelwinkel [°KW]
30
45
Brennverlauf [J/°KW]
Zylinderdruck [bar]
75
60
Abbildung 7-9: Einfluss der Last auf die Verbrennung bei äußerer Gemischbildung [7-7]
Hinsichtlich Emissionen weist der Wasserstoffmotor deutliche Vorteile gegenüber mit fossilen Kraftstoffen betriebenen Verbrennungskraftmaschinen auf, da Stickoxide die einzige in nennenswerten Konzentrationen auftretende Schadstoffkomponente sind. Eine Analyse einzelner Betriebspunkte zeigt, dass ein eindeutiger Zusammenhang zwischen NOx-Emissionen und Luftverhältnis bzw. Verbrennungstemperatur – weitgehend unabhängig von der Motordrehzahl – herstellbar ist. Bei hohen Luftverhältnissen (O > 2,2) werden keine nennenswerten Stickoxidemissionen gebildet. Eine dazu durchgeführte Zwei-Zonen-Motorprozessrechnung zeigt, dass die maximalen Temperaturen der verbrannten Zone 2000 K nicht wesentlich überschreiten. Wird das Luftverhältnis O von ca. 2,2 unterschritten, treten NOx-Emissionen auf. Diese nehmen mit sinkendem O zu und erreichen bei einem Luftverhältnis O von ca. 1,3 ein Maximum. Bei weiterer Annäherung
7.4 H2-Betrieb mit äußerer Gemischbildung
171
an das stöchiometrische Luftverhältnis nehmen die Stickoxidemissionen aufgrund des verringerten Sauerstoffgehaltes wieder ab. Die von MAN veröffentlichten Ergebnisse von ersten Emissionsmessungen an einem stöchiometrisch betriebenen Busmotor mit äußerer Gemischbildung und nachgeschaltetem Katalysator zeigen ein entsprechend niedriges Emissionsniveau (siehe Abbildung 8-38). Bei HC und NOx liegt dieses um eine Größenordnung niedriger als die zukünftigen Euro 5 Grenzwerte. Auch beim Wasserstoffmotor des BMW Hydrogen 7 werden die geltenden Grenzwerte für Europa und USA bei weitem unterschritten (siehe Abbildung 8-35). Die Emissionen im europäischen Testzyklus liegen sogar unter 2 % der Euro 4 Grenzwerte. Eine emissionsoptimierte Betriebsstrategie für Wasserstoffmotoren mit äußerer Gemischbildung kann demnach aus einem Magerbetrieb oder zwei Betriebsbereichen [7-17] bestehen. Im zweiten Fall kann der Motor bis zum Erreichen des NOx-kritischen Luftverhältnisses mager betrieben werden. Da die NOx-Emissionen auf extrem niedrigem Niveau liegen, ist eine Abgasbachbehandlung nicht erforderlich. Beim Unterschreiten eines definierten O-Wertes wird auf stöchiometrischen Betrieb umgeschaltet. In diesem O = 1-Betrieb kann ein herkömmlicher 3-Wege-Katalysator zur Abgasnachbehandlung eingesetzt werden.
5000
3500
3000
2500
4000 2000
3000 2000 1000 0 0.5
1.0
1500
1.5
2.0 2.5 3.0 3.5 4.0 globales Luftverhältnis O [—]
4.5
1000 5.0
20
16
12
8
O2–Konzentration [%]
ausgeblendeter Bereich
6000
Katalysator
NOx–Emissionen [ppm]
7000
NOx–Rohemissionen Temperatur O2–Konzentration
max. Temp. verbrannte Zone [K]
H2–Betrieb mit AGB
8000
4
0
Abbildung 7-10: NOx-Emissionen, O2-Konzentration und Verbrennungstemperatur im H2-Betrieb mit äußerer Gemischbildung und mögliche Betriebsstrategie [7-17]
Die Einbringung von Wasserstoff mit Umgebungstemperatur in das Saugsystem des Motors bringt aber auch erhebliche Nachteile mit sich. Aufgrund der geringen Dichte von Wasserstoff im Vergleich zu konventionellen, flüssigen Kraftstoffen wird ein Teil der angesaugten Frischluft verdrängt. Dadurch sinkt der Gemischheizwert im Wasserstoffbe-
172
7 Verbrennungsmotor
trieb mit äußerer Gemischbildung (HG = 3,2 MJ/m3) erheblich gegenüber Benzinbetrieb, vgl. Tabelle 7-1. Bei stöchiometrischem Gemisch resultiert hieraus bei ansonsten gleichen Bedingungen ein Leistungsnachteil von ca. 17 %. Bei den aufgrund von Verbrennungsanomalien häufig nur mager realisierbaren Luftverhältnissen ist der Volllastnachteil noch wesentlich ausgeprägter. Wie erwähnt kann das Vorhandensein von zündfähigem Wasserstoff-Luft-Gemisch außerhalb des Brennraumes zum Auftreten von Rückzündungen führen. Diese vor allem bei hohen Motorlasten respektive Annäherung an das stöchiometrische Luftverhältnis auftretenden Phänomene entstehen durch Entzündung der Frischladung an heißen Stellen (z. B. Auslassventile oder Zündkerzenelektroden bzw. rückströmendes Verbrennungsgas) oder Restladungen des Zündsystems während der Ladungswechselphase. Dieser Mechanismus ist auch bei der Entwicklung wasserstoffspezifischer Zündsysteme zu berücksichtigen. Durch Optimierung der Einblasestrategie bei sequentieller Einblasung in Kombination mit einer angepassten Einblaseventilposition und Sauganlage sowie optimiertem Ladungswechsel wird die Rückzündungsneigung schon heute auch bei hoher Last zwar beherrscht, sie ist aber nicht prinzipbedingt ausgeschlossen.
7.5
Innere Gemischbildung bzw. H2-Direkteinblasung
Im Gegensatz dazu wird bei innerer Gemischbildung der Kraftstoff direkt in den jeweiligen Zylinder eingeblasen. Eine Unterteilung der Gemischbildungskonzepte mit direkter Wasserstoffeinblasung erfolgt anhand des Einblasezeitpunktes. Dabei werden Konzepte mit früher Einblasung kurz nach Einlassschluss und später Einblasung in der Nähe des Zündzeitpunktes unterschieden. Geht man von einer Einblasung nach Schließen der Einlassventile aus, so kann das Auftreten von Rückzündungen ausgeschlossen werden. Frühzündungen, eine andere Form von Verbrennungsanomalien, bei der sich das Kraftstoff-Luft-Gemisch während der Kompressionsphase bei bereits geschlossenen Einlassventilen entzündet, sind bei früher innerer Gemischbildung nicht generell ausgeschlossen aber aufgrund des inhomogeneren Gemischs weniger wahrscheinlich. Durch späte Einblasung kann auch dieses unerwünschte Phänomen sicher vermieden werden, da während eines Großteiles der Kompressionsphase kein zündfähiges Kraftstoff-Luft-Gemisch im Brennraum vorliegt. Eine eindeutige Grenze zwischen den beiden Verfahren existiert nicht, vielmehr kann von einem schleifenden Übergang bei Spätverlagerung der Einblasung gesprochen werden. Eine Unterscheidung der Varianten kann anhand des erforderlichen Einblasedruckes getroffen werden. Systeme mit früher innerer Gemischbildung arbeiten mit WasserstoffVersorgungsdrücken ab etwa 10 bis 40 bar. Um bei später Einblasung ein überkritisches Druckverhältnis und damit eine gegendruckunabhängige Einblasedauer sicherstellen zu können, sind abhängig vom Verdichtungsverhältnis Versorgungsdrücke von mindestens 50 bar erforderlich. Soll eine Einblasung auch während der Verbrennung durchgeführt werden, steigen die erforderlichen Einblasedrücke auf Werte von 100 bar bis 300 bar. Ein weiterer Vorteil der inneren Gemischbildung liegt in der erreichbaren Leistungsdichte. Da ein Luftverdrängungseffekt im Saugrohr unterbunden wird, liegt der Gemischheizwert im stöchiometrischen Betrieb ca. 42 % höher als bei äußerer Wasserstoffzufüh-
7.5 Innere Gemischbildung bzw. H2-Direkteinblasung
173
rung. Dies führt zu einem Volllastpotenzial, dass unter ansonsten gleichen Bedingungen theoretisch 17 % über dem eines konventionellen Benzinmotors liegt. Welcher Anteil dieses Potenziales der Direkteinblasung von Wasserstoff im Vergleich zu äußerer Gemischbildung und Benzinbetrieb umgesetzt werden kann, zeigt das Ergebnis experimenteller Untersuchungen in Abbildung 7-11. Der Volllastnachteil der äußeren Gemischbildung kann durch Direkteinblasung aufgehoben und in der untersuchten Konfiguration in einen Vorteil von etwa 15 % gegenüber konventionellem Benzinbetrieb umgewandelt werden.
n = 2800 min–1
14
Indizierter Mitteldruck [bar]
Wasserstoff DI Wasserstoff AGB Benzin AGB
+15%
12 +75%
10 8 6 4 2 0
0
0.5
1.0
1.5 2.0 2.5 Luftverhältnis [—]
3.0
3.5
4.0
Abbildung 7-11: Volllastvergleich von Wasserstoff und Benzin [7-6]
Einfluss des Einblasezeitpunktes Als dominante Einflussgröße auf die Ladungsschichtung zum Zündzeitpunkt und damit den Verbrennungsablauf und die resultierenden Emissionen konnte der Einblasezeitpunkt identifiziert werden [7-6, 7-10]. Bei früher Einblasung kurz nach dem Schließen der Einlassventile (EB = 120 °KW vOT in Abbildung 7-12) steht ausreichend Zeit für eine nahezu vollständige Homogenisierung des Kraftstoff-Luft-Gemisches zur Verfügung. Der symmetrische Verbrennungsablauf ist dem eines Benzinmotors sehr ähnlich, die Verbrennungsdauer hängt wie im Betrieb mit äußerer Gemischbildung wesentlich vom Luftverhältnis und damit vom gewählten Lastpunkt ab. Mit späterem Einblasezeitpunkt (EB = 80 und 40 °KW vOT) kommt es zur Ausbildung einer ausgeprägten Ladungsschichtung zum Zündzeitpunkt. Eine kraftstoffreiche Gemischwolke im Bereich der Zündkerze führt zu einer sehr kurzen, wirkungs-
174
7 Verbrennungsmotor
gradgünstigen Verbrennung mit hohen Umsetzungsraten. Das kraftstoffreiche Gemisch im Nahbereich der Zündkerze führt außerdem zu einem sehr stabilen Motorlauf mit geringen zyklischen Schwankungen. Die ausgeprägte Schichtung und das damit verbundene schnelle Anbrennen des Wasserstoff-Luft-Gemisches führen jedoch auch zu sehr steilen Druckanstiegen, die teilweise über denen von ausgeführten Dieselmotoren liegen.
n = 2000 min–1, pi = 6 bar, pH2 = 150 bar
EB = 120 °KW vOT EB = 80 °KW vOT EB = 40 °KW vOT
Brennverlauf [J/°KW]
125 100 75 50 25 0
-10
0
20 10 Kurbelwinkel [°KW]
30
40
Abbildung 7-12: Einfluss des Einblasezeitpunktes auf den Brennverlauf im DI-Betrieb [7-6]
Der dominante Einfluss des Einblasezeitpunktes auf das Betriebsverhalten des Motors zeigt sich auch deutlich bei den Stickoxidemissionen, siehe Abbildung 7-13. Das bei früher Kraftstoffeinblasung entstehende, gut homogenisierte Wasserstoff-Luft-Gemisch verbrennt bei niedrigen Motorlasten ohne nennenswerte Bildung von NOx-Emissionen. Bei früher Einblasung nimmt das Stickoxidemissionsniveau mit steigendem Mitteldruck stetig zu, die Höhe der emittierten Stickoxide hängt wie bei äußerer Gemischbildung ausschließlich vom Gesamtluftverhältnis bzw. der maximalen Verbrennungstemperatur ab. Die bei hohen Motorlasten und früher Wasserstoff-Einblasung entstehenden Stickoxidemissionen können durch spätere Kraftstoffeinblasung deutlich reduziert werden. Ursache für dieses Phänomen ist wiederum die ausgeprägte Schichtung, Da bei hohen Motorlasten ein global stöchiometrisches Gemisch entstehen würde, das unter starker Bildung von NOx-Emissionen verbrennt, kann durch eine gezielte Schichtung im Brennraum gleichzeitig ein überfetteter Bereich neben einem mageren erzeugt werden. Bei der Verbrennung wird der Luftverhältnisbereich, in dem die meisten Stickoxide entstehen, „unterlaufen“. Im Gegensatz dazu führt ein späterer Einblasezeitpunkt bei niedrigen Motorlasten zu einem Ansteigen der Stickoxidemissionen, welche in kraftstoffreichen Zonen
7.5 Innere Gemischbildung bzw. H2-Direkteinblasung
175
innerhalb des insgesamt mageren Kraftstoff-Luft-Gemisches entstehen. Ein optimierter Motor wird also bei niedriger Last mit früher Einblasung, im Hochlastbereich dagegen mit möglichst später Einblasung betrieben werden.
n = 2000 min–1, pH2 = 150 bar
NOx–Emissionen [ppm]
10000
pi = 5 bar pi = 6 bar pi = 7 bar pi = 8 bar pi = 9 bar pi = 10 bar
8000
6000
4000
2000
0
120
60 80 100 Einblasebeginn [°KW vOT]
40
Abbildung 7-13: Einfluss des Einblasezeitpunktes auf das NOx-Emissionsverhalten bei H2-Direkteinblasung [7-6]
Ein weiterer Vorteil der späten Wasserstoffeinblasung ist die geringere Kompressionsarbeit im Vergleich zur frühen Direkteinblasung, der jedoch – je nach Druckerzeugung – ein höherer Aufwand zur Druckbereitstellung gegenüber steht. Insgesamt kann durch eine geeignete Wahl des Einblasezeitpunktes sowohl das Emissionsniveau des Motors deutlich reduziert als auch das Wirkungsgrad- und Volllastpotenzial von Wasserstoff als Kraftstoff in günstiger Weise ausgenutzt werden. Für die Ausschöpfung des Potenziales und die Weiterentwicklung von Brennverfahren mit Wasserstoff-Direkteinblasung ist die Kenntnis der innermotorischen Vorgänge eine essenzielle Voraussetzung. Die methodischen Ansätze für konventionelle Brennverfahren können dafür jedoch in vielen Fällen nicht direkt übertragen werden, sondern müssen adaptiert oder sogar neu kreiert werden [7-33]. Die als zusätzliches Entwicklungswerkzeug eingesetzte 3D-CFD Simulation eignet sich grundsätzlich hervorragend für die Darstellung der Gemischbildung. Allerdings ist, wie bereits erwähnt, der Einsatz von CFD-Tools in Kombination mit Wasserstoff-Direkteinblasung keinesfalls eine Standardanwendung. Herausforderungen ergeben sich unter anderem aufgrund der im Unterschied zu konventionellen Kraftstoffen stark abweichenden Stoffeigenschaften. Darüber hinaus muss zur Abbildung der Gemischbildung auch
176
7 Verbrennungsmotor
die Einblasung des Wasserstoffes in den Brennraum simuliert werden. Um im zur Verfügung stehenden Zeitfenster eine ausreichende Wasserstoffmasse in den Brennraum einbringen zu können, sind hohe Einblasedrücke – und damit Kraftstoffdichten – erforderlich. Die dabei auftretenden hohen Druckverhältnisse zwischen Einblasesystem und Brennraum führen über lokal stark begrenzte Expansionsströmungen in den Überschallbereich und damit zu hohen Druckgradienten auf engstem Raum. Erst im Rahmen des EUProjektes „HyICE“ konnte – hinterlegt mit entsprechender motorischer Validierung – durch Ausarbeitung geeigneter Vernetzungsstrategien und Setups die CFD als wertvolles Werkzeug zur Voraussimulation der Gemischbildung – und damit auch zur Auslegung von Gemischbildungskomponenten – etabliert werden. Abbildung 7-14 zeigt die berechnete Gemischzusammensetzung zum Zündzeitpunkt für frühe und späte Wasserstoff-Direkteinblasung bei einer Drehzahl von 2000 min–1 und einem Mitteldruck pi = 8 bar (O = 1,4). Die zuvor dargestellten Zusammenhänge zwischen Homogenisierungsgrad und NOx-Emissionen können durch die 3D-CFD Simulation qualitativ bestätigt werden (eingesetzter Programmcode: FLUENT).
n = 2000 min–1 pi ป 8 bar O JOREDO
frühe Einblasung
späte Einblasung
Abbildung 7-14: Gemischzusammensetzung zum ZZP bei früher (EB = 120 °KW vOT; links) und später (EB = 40 °KW vOT; rechts) Wasserstoff-Direkteinblasung [7-27]
7.5.1 Verbrennungsverhalten bei Wasserstoff-Direkteinblasung Aufgrund der komplexen Abläufe während der Verbrennung und des Fehlens einer breiten Erfahrungsbasis entzieht sich die Verbrennung derzeit noch einer verifizierten vollständigen Nachbildung mittels 3D-CFD-Simulation. Um dennoch Einblicke in das Verbrennungsverhalten von Wasserstoff zu ermöglichen, wurden für weitere Untersuchungen ein Transparentmotor und endoskopische Diagnose-
7.5 Innere Gemischbildung bzw. H2-Direkteinblasung
177
werkzeuge eingesetzt. Abbildung 7-15 zeigt ausgewertete Bilder von einem optischen Motor, die sowohl die Gemischbildung als auch die Ausbreitung der Flammenfront für zwei Zeitpunkte darstellen. In Abbildung 7-16 sind Messungen mit Spezialzündkerzen dargestellt, die sowohl eine Analyse der Flammenkernausbreitung (AVL VisioFlame®) als auch eine Bewertung der auftretenden Gesamtlichtintensität in Richtung der Brennraumwände (AVL VisioKnock®) erlauben.
Abbildung 7-15: Optische Aufnahmen von Gemischbildung und Verbrennung
Über die mit VisioFlame gemessenen Flammenkerngeschwindigkeiten konnte das aus der Zylinderdruckanalyse abgeleitete Verbrennungsverhalten für die verschiedenen Einblasezeitpunkte verifiziert werden, siehe Abbildung 7-16 links. Dass die Geschwindigkeitsänderung bei Verschiebung der Einblasung von 80 °KW vOT auf 40 °KW vOT geringer ausfällt, bestätigen auch die dazugehörigen Brennverläufe. Die mit VisioKnock® aufgezeichneten Verbrennungsbilder zeigen in allen drei Fällen eine gleichmäßige Verbrennung, siehe Abbildung 7-16 rechts. Betrachtet man die Lichtintensitätsverteilung, so bestätigt sich zum einen, dass die Verbrennung bei Einblasung 40 °KW vOT später, dafür aber mit höheren Intensitäten startet. Zum anderen ergibt sich auch hier eine Übereinstimmung mit der CFD-Simulation, da die auslassseitig ausgeprägtere Verbrennung bei später Einblasung ein Indiz für die dortige H2-Anreicherung ist. Die Verbrennungsstabilität nimmt mit späterem Einblasebeginn in der Teillast zu, wie aus dem Vergleich der zyklischen Schwankungen in den Druckverläufen für die beiden Extremfälle hervorgeht. Als Gründe werden größere Unterschiede in der Gemischzusammensetzung zum Zündzeitpunkt bei früher Einblasung aufgrund des längeren Zeitraums zwischen Einblasung und Zündung sowie die moderatere Brenngeschwindigkeit vermutet. Abgesehen von einer Einflussnahme auf den Brennverlauf bzw. den Wandwärmeübergang kann mittels Direkteinblasung eine Reihe weiterer Vorteile gegenüber der äußeren Gemischbildung ausgenutzt werden. Dies betrifft unter anderem die Möglichkeit, auch niedrige Teillastpunkte mit global extrem hohen Luftverhältnissen ungedrosselt und damit
178
7 Verbrennungsmotor
wirkungsgradgünstig zu betreiben. Ein ungedrosselter Betrieb bei derart niedrigen Motorlasten wäre mit äußerer Gemischbildung aufgrund der langsamen und relativ instabilen Verbrennung nicht so effizient. Die Direkteinblasung kann auch dazu genutzt werden, Wasserstoff während der Verbrennung und in mehreren Einblasepulsen zuzuführen um damit gezielt Einfluss auf den Verbrennungsablauf zu nehmen (Verbrennungssteuerung). Bei einer Steuerung des Verbrennungsablaufes durch Einblasung eines Teiles des Kraftstoffes während der Verbrennung kann damit sowohl das Verbrennungsgeräusch, der Spitzendruck sowie das NOx-Emissionsverhalten positiv beeinflusst werden.
[Counts]
700
EB = 120 °KW vOT
0 700 [Counts]
EB = 80 °KW vOT
0 700 [Counts]
EB = 40 °KW vOT
0
VisioFlame®
VisioKnock®
Abbildung 7-16: Einsatz von Visualisierungswerkzeugen zur Brennverfahrensanalyse [7-7]
7.5.2 Ladungsschichtung Voraussetzung für einen derartigen Betrieb mit ausgeprägter Ladungsschichtung ist die Verfügbarkeit schneller Injektoren, die sehr kurze Einblasedauern und große Einblasequerschnitte ermöglichen. In Abbildung 7-17 ist das Potenzial des Betriebes mit ausgeprägter Ladungsschichtung (EB = 20 °KW vOT) im Vergleich zu einer frühen Einblasung mit guter Homogenisierung (EB = 120 °KW vOT) dargestellt. Durch die ausgeprägte Schichtung mit fetten Zonen in der Nähe der Zündkerze kann im betrachteten Lastpunkt (2000 min–1, pi = 2 bar) mit später Einblasung die Brenndauer von ca. 60 °KW bei früher
7.5 Innere Gemischbildung bzw. H2-Direkteinblasung
179
50
EB = 120 °KW vOT EB = 20 °KW vOT
n = 2000 min–1, pi = 2 bar
0.2 0.1 0.0
Nadelhub [mm]
Zylinderdruck [bar]
40 32 24 16 8 0
Brennverlauf [J/°KW]
Einblasung auf ca. 15 °KW reduziert werden. Dies wirkt sich positiv auf den erreichbaren Wirkungsgrad aus, da durch die Ladungsschichtung auch der Anteil an unverbranntem Wasserstoff im Abgas gegenüber der frühen Einblasung deutlich reduziert werden kann.
40
30 20
10 0 -120
-100
-80
-60 -40 -20 0 Kurbelwinkel [°KW]
20
40
60
Abbildung 7-17: Optimierter DI-Betriebspunkt im Vergleich zu früher Einblasung [7-7]
Abbildung 7-18 zeigt eine vergleichende Verlustanalyse [7-7], in der Benzinbetrieb, Wasserstoffbetrieb mit äußerer und innerer Gemischbildung und Dieselbetrieb bei einem Mitteldruck pi = 2 bar gegenübergestellt sind. Ausgehend vom Wirkungsgrad des vollkommenen Motors mit realer Ladung (KvrL) werden die einzelnen Teilverluste durch mehrmalige Motorprozessrechnung festgestellt. Dabei werden im Verlust durch Einblasung 'KEB Unterschiede in der Kompressionsarbeit aufgrund verschiedener Einblasezeitpunkte bei Wasserstoff-Direkteinblasung berücksichtigt. Der Anteil an unverbranntem Kraftstoff im Abgas findet sich im Verlust durch unvollständige Verbrennung 'KuV, die Abweichung von der idealen Gleichraumverbrennung spiegelt sich im Verlust durch reale Verbrennung 'KrV wider. Die in dieser Konfiguration mit Wasserstoff-Direkteinblasung höheren Wandwärmeverluste sind im Verlust durch Wandwärme 'KWW dargestellt. Um den Vorteil des ungedrosselten Motorbetriebes darstellen zu können, ist darüber hinaus auch der Verlust durch Ladungswechsel 'KLW abgebildet. Aufgrund des ungedrosselten Betriebes ist der Wirkungsgrad des vollkommenen Motors mit Wasserstoff-Saugrohreinblasung deutlich höher als im gedrosselten Benzinbetrieb. Im Vergleich zum Benzinbetrieb sind im Wasserstoffbetrieb mit äußerer Gemischbildung wiederum wegen des Magerbetriebes auch die Verluste durch unvollständige und reale Verbrennung höher. Die Wandwärmeverluste der beiden Varianten sind vergleichbar, die
180
7 Verbrennungsmotor
Ladungswechselverluste sind im Benzinbetrieb aufgrund der starken Drosselung höher. Eine weitere Wirkungsgradsteigerung im Wasserstoffbetrieb mit äußerer Gemischbildung wäre auch durch eine leichte Androsselung möglich.
n = 2000 min–1, pi = 2 bar
Wirkungsgrad bzw. Verlust [%]
60 50 40 30 ǻȘ EB ǻȘ uV ǻȘ rV ǻȘ WW ǻȘ LW Și
20 10 0 Benzin
H2ņAGB
H2ņDI (EB = ņ120)
H2ņDI (EB = ņ40)
Gen. 1
H2ņDI (EB = ņ20)
Diesel
Gen. 2
Abbildung 7-18: Vergleichende Verlustteilung (Benzin, H2-AGB, H2-DI, Diesel) [7-7]
Mit Wasserstoff-Direkteinblasung ist eine weitere Steigerung im Wirkungsgrad des vollkommenen Motors möglich. Dies ist einerseits auf den Wirkungsgradvorteil durch Direkteinblasung und andererseits auf das höhere Luftverhältnis zurückzuführen. Die Verluste durch Einblasung sind bei frühem Einblasezeitpunkt hoch, da das zusätzlich in den Brennraum eingebrachte Wasserstoffgas mit komprimiert werden muss. Aufgrund des hohen Luftverhältnisses sind auch die Verluste durch unvollständige Verbrennung höher als mit äußerer Gemischbildung. Allerdings sind Optimierungen durch Anpassung des Einblasedrucks, der Dauer und der Düsengeometrie möglich. Mit späterem Einblasezeitpunkt (EB = 40 °KW vOT) können die Verluste durch Einblasung bereits deutlich reduziert werden. Die auftretende Schichtung führt auch zu einer Reduktion der Verluste durch unvollständige und reale Verbrennung. Die kurze Brenndauer und die Schichtung mit fetten Zonen in der Nähe der Brennraumwände führen allerdings zu einem deutlichen Anstieg der Wandwärmeverluste. Diese machen den größten Nachteil im Vergleich zum konventionellen Otto/Dieselmotor aus und bilden damit den wesentlichen Ansatz zur weiteren Wirkungsgradsteigerung, die bei der Auslegung weiterer Brennverfahrenskonzepte eine Kernaufgabe darstellt.
7.5 Innere Gemischbildung bzw. H2-Direkteinblasung
181
Mit optimiertem Injektor (Generation 2) ist eine weitere Spätverschiebung des Einblasezeitpunktes (EB = 20 °KW vOT) möglich. Die resultierende Intensivierung der Ladungsschichtung führt zu einer weiteren Absenkung der Verluste durch Einblasung sowie unvollständige und reale Verbrennung. Als Wirkungsgradziel, das es zu erreichen bzw. übertreffen gilt, ist der Wirkungsgrad eines direkteinspritzenden Dieselmotors dargestellt. Der entscheidende Vorteil des Dieselmotors liegt derzeit im deutlich höheren Verdichtungsverhältnis, das zu einem Anstieg des Wirkungsgrades des vollkommenen Motors führt. Weitere Verbesserungen des Wirkungsgrades eines direkteinblasenden Wasserstoffmotors sind durch eine Anhebung des Verdichtungsverhältnisses möglich. Viel versprechende Ergebnisse wurden bereits mit Verdichtungsverhältnissen von H = 13 bis 15 erzielt. Das für den höchsten Wirkungsgrad erforderliche bzw. zielführende Verdichtungsverhältnis hängt wesentlich vom Wandwärmeverlust ab. Abbildung 7-19 zeigt den durch Simulation ermittelten Zusammenhang [7-45]. Auch erste Untersuchungen mit Fremdaufladung sowie externer Abgasrückführung haben bisher durchaus positive Ergebnisse gebracht.
Verluste durch Wandwärme
n = 2000 min–1, pi = 6 bar
50
Indizierter Wirkungsgrad ȘiHD [%]
48
ņ 35%
46
ņ 25%
44 tim Op
42
g un ier
ņ 10% Basis Konfig.
40
+ 10%
38 36
+ 25%
34 32 30 8
10
12
14
16
18
20
Verdichtungsverhältnis İ [—]
Abbildung 7-19: Wirkungsgradoptimierung in Abhängigkeit von Verdichtungsverhältnis und Wandwärmeübergang [7-45]
182
7 Verbrennungsmotor
7.5.3 Verbrennungssteuerung Eine weitere Verbesserung der Funktionseigenschaften eines wasserstoffbetriebenen Verbrennungsmotors kann durch ein als Verbrennungssteuerung bezeichnetes Verfahren erzielt werden [7-14]. Durch eine ideale Kombination mehrerer direkt in den Brennraum eingebrachter Einblasepulse kann direkt Einfluss auf das Verbrennungsverhalten des Motors genommen werden. Abbildung 7-20 verdeutlicht die Vorteile dieses Verfahrens anhand eines ausgewählten Betriebspunktes. Im Wasserstoff-DI-Betrieb ergibt sich bei hohen Motorlasten bzw. kraftstoffreichen Gemischen aufgrund der schnellen Brenngeschwindigkeit von Wasserstoff eine sehr kurze Verbrennungsdauer. Als Folge davon treten während der Verbrennung hohe Spitzendrücke und Druckgradienten auf, die sowohl zu einer starken mechanischen Belastung des Aggregates als auch zu akustischen Problemen führen können.
Einfacheinblasung Verbrennungssteuerung
70
Zylinderdruck [bar]
60 50
max. Druckanstieg Einfacheinblasung: 8.3 bar/°KW Verbrennungsstrg.: 2.4 bar/°KW
n = 1000 min–1, pi = 8 bar Spitzendruck Einfacheinblasung: 69 bar Verbrennungsstrg.: 47 bar
40 30 20 Stickoxidemissionen Einfacheinblasung: 100 % Verbrennungsstrg.: 4 %
10 0 -120
-90
-60
-30 0 30 Kurbelwinkel [°KW]
60
90
120
Abbildung 7-20: Verbesserungspotenziale durch Verbrennungssteuerung [7-14]
Bei der Verbrennungssteuerung wird nur ein Teil des Wasserstoffes während der Kompressionsphase eingeblasen. Das entstehende homogene, magere Gemisch wird entzündet und brennt nahezu ohne Bildung von Stickoxidemissionen. Durch eine gezielte Einbringung von Wasserstoff während der Verbrennung kann der weitere Verbrennungsablauf gesteuert werden. Neben einer deutlichen Reduktion der mechanischen Belastungen kann durch Verbrennungssteuerung das NOx-Rohemissionsniveau in bestimmten Betriebsbereichen um mehr als 90 % reduziert werden. Zurückzuführen ist diese Reduktion auf eine Reduzierung von Gemischzonen mit Luftverhältnissen, die starke Stickoxidbildung fördern. Wie bereits erwähnt, brennt das homogene
7.5 Innere Gemischbildung bzw. H2-Direkteinblasung
183
Grundgemisch aufgrund des hohen Luftverhältnisses beinahe ohne Bildung von Stickoxiden. Die während der Verbrennung eingebrachte weitere Wasserstoffmenge verbrennt nahe der fetten Zündgrenze in einem O-Bereich, in dem deutlich weniger Stickoxide als im kritischen O-Bereich zwischen 1 und etwa 2,2 gebildet werden. Die Verbrennungssteuerung bietet sich als Werkzeug zur Reduktion der Bauteilbelastungen, des Verbrennungsgeräusches und der Stickoxidemissionen vor allem im Bereich höherer Motorlasten an. Abbildung 7-21 zeigt die Verläufe der Stickoxidemissionen für verschiedene WasserstoffBetriebsstrategien aufgetragen über der Motorlast. Zusätzlich ist der Verlauf der NOxEmissionen für einen konventionellen Ottomotor mit Saugrohreinspritzung als Vergleich dargestellt. Aufgrund der Quantitätsregelung im Benzinbetrieb werden auch bei niedrigen Motorlasten hohe Verbrennungstemperaturen erreicht und dadurch Stickoxide gebildet. Bei äußerer Gemischbildung mit Wasserstoff zeigt sich der typische Verlauf mit vernachlässigbaren Emissionen bei niedrigen Motorlasten und einem deutlichen Anstieg der Stickoxidemissionen bei Unterschreiten eines kritischen Luftverhältnisses. Durch eine Variation der Steuerzeiten konnte bei dieser Messung auch bei äußerer Gemischbildung die Volllast (O = 1) ohne Auftreten von Verbrennungsanomalien erreicht werden. Bei Wasserstoff-Direkteinblasung kann durch eine geeignete Wahl des Einblasezeitpunktes im gesamten Lastbereich ein NOx-Rohemissionsniveau unter dem eines konventionellen Benzinmotors erreicht werden. Durch eine gezielte Anwendung von Verbrennungssteuerung im Bereich höherer Motorlasten ist noch eine weitere, deutliche Reduktion der Stickoxidemissionen möglich.
n = 2000 min–1
NOx–Rohemissionen [g/kWh]
30 Benzin AGB Wasserstoff AGB Wasserstoff DI (ein Puls) Wasserstoff DI (Verbrennungssteuerung)
25
20
15
10
5
0
2
3
4
5 6 7 8 Indizierter Mitteldruck [bar]
9
Abbildung 7-21: Reduktion der Stickoxidemissionen durch Verbrennungssteuerung
10
184
7 Verbrennungsmotor
Insgesamt zeigt das Verfahren mit Verbrennungssteuerung großes Potenzial, sowohl das Verbrennungsgeräusch und die mechanische Belastung als auch die Stickoxidemissionen innermotorisch stark zu reduzieren. Dabei können gleichzeitig hohe Motorleistungen und gute Wirkungsgrade erzielt werden.
7.6
Gemische Wasserstoff – Erdgas/Biogas
Da in den nächsten Jahren eine flächendeckende Versorgung mit Wasserstoff nicht absehbar ist, stellt der Einsatz von bivalenten Fahrzeugen für Wasserstoff und Erdgas bzw. Biogas ein Einstiegsszenario für zukünftigen Wasserstoffbetrieb dar. Die Verbrennung von Erdgas oder Biogas in Verbrennungskraftmaschinen birgt hinsichtlich der Verfügbarkeit und der Emissionen Vorteile gegenüber Benzin und Diesel. Um Synergieeffekte zwischen den beiden gasförmigen Kraftstoffen Wasserstoff und Erdgas/Biogas zu nutzen, werden Gemische aus diesen Gasen untersucht und eingesetzt, die folgende Vorteile bieten:
Magerbetrieb zur Absenkung von NOx durch Nutzung der Zündgrenzenerweiterung durch H2,
Verbrennungsbeschleunigung durch Nutzung der hohen Verbrennungsgeschwindigkeit von H2,
anteilige Senkung der Kohlenstoff-Emissionen im Wasserstoff-Mischungsverhältnis,
Synergien bei gasführenden Komponenten wie Drucktank, Leitungen und Ventile,
Brückenfunktion von CNG zu H2 bezüglich Konsumentenverhalten und Infrastruktur
Graduelle Einführung einer regenerativen H2 Erzeugung.
Weltweit werden Projekte durchgeführt, in denen Wasserstoff-Erdgas-Gemische (auch als HCNG, H2NG oder Hythane bezeichnet) in verschiedensten Mischungsverhältnissen für den Einsatz in Verbrennungskraftmaschinen stationär und in automotiven Applikationen getestet werden, siehe auch Abschnitt Anwendungen. Unter der Bezeichnung Hythane® [7-23] werden Wasserstoff-Erdgas-Gemische bis zu Wasserstoffanteilen von 21 Vol% (§ 7 Energieprozent oder § 3 Masseprozent Wasserstoff) zusammengefasst. WasserstoffErdgas-Gemische mit Wasserstoffanteilen > 21 Vol% bis 50 Vol% werden als HCNG bezeichnet, Der Begriff H2NG wird im Folgenden für die Gesamtheit aller möglichen Wasserstoff-Erdgas-Gemische verwendet.
7.6.1 Charakteristika der Brenngase und deren Mischungen Erdgas Da Erdgas eine je nach Herkunftsort unterschiedliche Zusammensetzung aus Methan, Ethan, Propan, Wasserstoff und anderen Gasen besitzt, ist eine Regelung nötig, um eine einheitliche Erdgasversorgung zu gewährleisten. Die Beschaffenheit von Erdgas wird in
7.6 Gemische Wasserstoff – Erdgas/Biogas
185
Deutschland durch die Deutsche Vereinigung des Gas- und Wasserfachs, Richtlinie DVGW G260 [7-3], geregelt, in Österreich durch die inhaltlich gleiche Richtlinie ÖVGW G31 [7-30] der Österreichischen Vereinigung des Gas- und Wasserfachs. Diese Richtlinien definieren die Qualitätsanforderungen an das Erdgas, die für die Einspeisung in das Netz des jeweiligen Landes erforderlich sind. Die Anforderungen von Erdgas als Kraftstoff für Kraftfahrzeuge wird im Normentwurf DIN 51642 [7-4] festgelegt, in Österreich sind die Spezifikationen für gasförmige Kraftstoffe in der jeweils geltenden Kraftstoffverordnung (BGBl. Nr. 417/2004) zum Kraftfahrgesetz KFG 1967 festgelegt [7-2]. Tabelle 7-2: Erdgasbeschaffenheit und Reglements in Österreich [7-2, 7-30] Einheit
Spezifikationen lt. BGBl. IINr.417/2004
Sollwerte lt. ÖVGW G31
Durchschnittswerte von Importgas (1998 ÷ 2000)
O2
Mol%
—
< 0,5
k. A.
H2
Mol%
—
d
4
2 ppm
CO2
Mol%
—
d
2
0,09
N2
Mol%
—
d
5
0,81
CH4
Mol%
—
> 96
98,22
C2H6
Mol%
—
—
0,59
C3H8
Mol%
—
—
0,19
i-C4H10
Mol%
—
—
0,03
n-C4H10
Mol%
—
—
0,04
i-C5H12
Mol%
—
—
0,01
n-C5H12
Mol%
—
—
0,01
C6+
Mol%
—
—
0,01
Gesamtschwefel
mg/Nm³
—
absolute Dichte
kg/Nm³
0,71 ÷ 0,90
0,71 ÷ 0,84
0,731
relative Dichte
—
0,55 ÷ 0,7
0,55 ÷ 0,65
0,57
Brennwert Ho)
MJ/Nm³
30,2 ÷ 47,2
38,5 ÷ 46
39,86
Wobbeindex
MJ/Nm³
46,1 ÷ 56,6
47,7 ÷ 56,5
53,01
d
10
@ U Luft
Wobbeindex [MJ/Nm³] volumetrischer Heizwert des Brenngases [MJ/Nm³]
d U Gas
relative Dichte Dichte des Brenngases [kg/m³]
U Luft
Dichte der Luft [kg/m³].
Entsprechend den oben abgeleiteten Zusammenhängen ergeben zwei Gase bei gleichem Gasdruck und gleichem Öffnungsquerschnitt bei gleichem Wobbeindex gleiche Energiedurchsätze bei kritischem Ausströmen, wenn man den Einfluss unterschiedlicher Isentropenexponenten vernachlässigt. In Tabelle 7-5 sind die (oberen) Wobbeindizes von Methan, Erdgas in Österreich, verschiedenen H2NG-Gemischen und Wasserstoff angegeben. Tabelle 7-5: Volumetrischer Heizwert und Wobbeindex CH4
Erdgas in Österreich
H2NG15 H2NG30 H2NG50 H2NG80
Ho vol [MJ/Nm³]
39,91
39,86
35,38
31,76
26,33
18,18
12,75
Wo [MJ/Nm³]
54,00
53,01
52,01
50,02
47,48
44,87
48,66
T = 0 °C, p = 1,013 bar, Dichte Luft: ULuft = 1,2929 [kg/m³]
H2
192
7 Verbrennungsmotor
Die ähnlichen Werte für den Wobbeindex von Methan und Wasserstoff bedeuten für die motorische Anwendung, dass für gleichen Energiedurchsatz ein Erdgasinjektor auch für Wasserstoff eingesetzt werden kann, ohne Öffnungsquerschnitt und Öffnungszeit wesentlich verändern zu müssen. Es bleibt allerdings zu prüfen, ob die verwendeten Werkstoffe für Wasserstoff geeignet sind, siehe Abschnitt Sicherheit. CO2-Reduktionspotential Ein wesentlicher Vorteil von H2NG-Gemischen besteht darin, dass mit steigendem Wasserstoffgehalt das C/H-Verhältnis des Kraftstoffgemischs sinkt, womit die treibhauswirksamen CO2-Emissionen verringert werden. Eine Abschätzung des Einsparungspotenzials an CO2-Emissionen kann anhand der idealen Verbrennungsgleichungen erfolgen. Diese lauten für Methan und Wasserstoff: CH4 + 2 O2 ĺ CO2 + 2 H2O H 2 + ½ O 2 ĺ H 2O Bei der Verbrennung von 1 mol CH4 entsteht 1 mol CO2, das entspricht 2,75 kg CO2 pro kg CH4 oder bei einem Heizwert von 13,9 kWh/kg (50 MJ/kg) etwa 0,2 kg CO2 pro kWh, was eine Verringerung gegenüber Benzin oder Diesel von über 25 % bedeutet. Bei Wasserstoff mit einem Heizwert von 120 MJ/kg entsteht kein CO2.
7.6.2 Auswirkung auf die Verbrennung Die Beimischung von Wasserstoff zu Erdgas beeinflusst verbrennungsspezifische Charakteristika wie Zündgrenzen, Zündenergie, Zündverzug und Flammengeschwindigkeit, und damit verbrennungsspezifische motorische Parameter wie Zündzeitpunkt, Brenndauer, Emissionen und Wirkungsgrad. Die Auswirkungen von H2NG mit verschiedenen Zusammensetzungen auf das Betriebsverhalten von Verbrennungskraftmaschinen sind in der Literatur ausführlich beschrieben, die wichtigsten Punkte werden im Folgenden zusammengefasst. Flammengeschwindigkeit und Brenndauer Die laminare Flammengeschwindigkeit von Methan in Luft bei 1,013 bar und O = 1 beträgt ca. 40 cm/s, die laminare Flammenausbreitung von Wasserstoff erfolgt bei gleichen Randbedingungen deutlich schneller mit einer Geschwindigkeit von über 250 cm/s. Die Verbrennung im Motor erfolgt turbulent, wobei die turbulente Flammengeschwindigkeit auf Basis der laminaren Flammengeschwindigkeit modelliert wird [7-31]. Eine Zumischung von Wasserstoff kann die Flammengeschwindigkeit deutlich erhöhen und zu einer kürzeren Verbrennungsdauer führen [7-41]. Abbildung 7-23 zeigt, dass die berechnete laminare Flammengeschwindigkeit für H2NGGemische bei O = 1 im Bereich um 7 Vol% Wasserstoff ein Minimum aufweist und dass ab etwa 15 Vol% Wasserstoff eine deutliche Zunahme der Verbrennungsgeschwindigkeit festzustellen ist [7-20]. In der Abbildung ist auch der abnehmende volumetrische Heiz-
7.6 Gemische Wasserstoff – Erdgas/Biogas
193
wert über dem Volumen- und Energieanteil von Wasserstoff in H2NG-Gemischen dargestellt.
10.5
48
10.0 Hu
46
9.5
44
9.0
42
8.5 vlam
40 38
8.0
0
5
10 15 20 Anteil H2 in CH4 [Vol%]
25
0
1.56
3.24 5.05 7.01 Anteil H2 in CH4 [Energie%]
9.13
Unterer Heizwert [kWh/Nm3]
Laminare Flammen– geschwindigkeit [cm/s]
50
7.5 30
11.45
Abbildung 7-23: Laminare Flammengeschwindigkeiten und volumetrischer unterer Heizwert Hu von H2NG-Gemischen [7-20]
Zwischen O = 0,8 und O = 0,9 erreicht die Flammengeschwindigkeit ihren Maximalwert, weil die Wahrscheinlichkeit, dass die Reaktionspartner aufeinandertreffen, am größten ist [7-40]. In diesem Bereich ist somit die Brenndauer am kürzesten. Bei Abmagerung nimmt die Brenndauer mit steigendem Luftverhältnis zu, bei gleichem Luftverhältnis sinkt die Brenndauer mit zunehmendem Wasserstoffanteil. Eine Druckerhöhung bewirkt eine Beschleunigung der Flamme. Zur Simulation der Flammengeschwindigkeit werden verschiedene chemische Rechenmodelle eingesetzt, deren Komplexität von der Anzahl der berücksichtigten Spezies abhängt [7-25, 7-28, 7-44]. Eine hohe Flammengeschwindigkeit ergibt eine rasche Verbrennung und fördert die Stabilität der Verbrennung besonders bei Abmagerung des Gemischs. Eine rasche Verbrennung ist günstig für den Wirkungsgrad, hat jedoch infolge der hohen Drücke und Temperaturen Nachteile in der Geräuschemission, der Stickoxidbildung und in den Wandwärmeverlusten. Zündgrenzen und Zündenergie Die untere und obere Zündgrenze von Methan in Luft liegen bei 4,4 Vol% und 15 Vol% (O = 2,0 undO = 0,6), jene von Wasserstoff in Luft bei 4 Vol% und 76 Vol% (O = 10,0 undO = 0,13), die minimale Zündenergie beträgt bei Methan 0,29 mJ, bei Wasserstoff 0,017 mJ, siehe Tabelle 7-1.
194
7 Verbrennungsmotor
Durch die Beimischung von Wasserstoff wird eine Ausweitung der Zündgrenzen von Methan erreicht, wobei für eine merkbare Erweiterung ein erforderlicher Wasserstoffanteil von mindestens 20 Vol% bis 30 Vol% angegeben wird [7-21, 7-36, 7-37, 7-39]. Die Vorteile durch weite Zündgrenzen können nur dann voll genutzt werden, wenn sich die nötige Zündenergie auch bei sehr mageren Gemischen in Grenzen hält. Dies wird durch die gegenüber anderen Gasen über einen weiten Konzentrationsbereich sehr niedrige Zündenergie von Wasserstoff gewährleistet, siehe Abbildung 7-24 (logarithmische Ordinate!). Die Erweiterung der Zündgrenzen bringt eine größere Flexibilität in der Lastregelung und in der Abmagerfähigkeit des Motors mit sich. Der Hauptvorteil einer schnellen Verbrennung in Verbindung mit erweiterten Zündgrenzen liegt in der Möglichkeit der Abmagerung der Verbrennung, d. h. in der Erhöhung des Luftverhältnisses. Damit wird einerseits eine deutliche Absenkung des Temperaturniveaus und damit der Stickoxidemissionen erreicht, andererseits kann der Motor qualitätsgeregelt betrieben werden, was den Wirkungsgrad erhöht.
Propan C3H8
Zündenergie [mJ]
100
in Luft bei Normalbedingungen
10 Methan CH4
Wasserstoff H2
1 0.1 0.01
0
10
20
50 40 30 Konzentration [Vol.%]
60
70
80
Abbildung 7-24: Zündenergie für verschiedene Gase in Luft [7-34]
Zündverzug und Zündzeitpunkt Zündverzug und Zündzeitpunkt haben einen großen Einfluss auf die Motorleistung, den Wirkungsgrad und die Emissionen. Ein früher Zündzeitpunkt führt zu früher Verbrennung, was einen guten thermodynamischen Wirkungsgrad, hohe Drücke und Temperaturen, aber auch höhere Wärmeverluste und NOx-Emissionen bedeutet. Der optimale Schwerpunkt des Energieumsatzes sollte etwa 6 bis 10 Grad KW nach OT liegen [7-25, 7-31, 7-40].
7.6 Gemische Wasserstoff – Erdgas/Biogas
195
Durch die Zumischung von Wasserstoff zu Methan wird der Zündverzug wesentlich verringert. Als Ergebnis einer Simulation ist in Abbildung 7-25 der Zündverzug in Abhängigkeit vom Wasserstoffanteil und vom Luftverhältnis bei einer Temperatur von 1000 K und einem Druck von 10 bar dargestellt. Das Diagramm zeigt, dass die Beimischung von Wasserstoff den Zündverzug sehr stark reduziert, bei einem Wasserstoffanteil von 5 Vol% kommt es demnach bereits zu einer Reduzierung des Zündverzugs von über 50 %. Bei mageren Gemischen steigt der Zündverzug. Zur Berechnung des Zündverzugs wurde die Software Chemkin eingesetzt. Durch Eingabe der Mol-Anteile für O2, N2, H2 und CH4 für verschiedene Wasserstoffkonzentrationen ist es möglich, den Zündverzug auch für verschiedene Drücke und Temperaturen zu ermitteln.
p = 10 bar, T = 1000 K
80
O=1 O = 1.5
Zündverzug [ms]
70
60
50
40
30
20
10
0
0
20
40 60 Anteil H2 in CH4 [Vol.%]
80
100
Abbildung 7-25: Zündverzug über dem Wasserstoffanteil bei Ȝ = 1 und Ȝ = 1,5 [7-38]
Neben dem kürzeren Zündverzug beschleunigt eine Beimischung von Wasserstoff wie erwähnt die Verbrennung, der Spitzendruck wird früher erreicht. Der MBT-Zündzeitpunkt (MBT … Maximum Brake Torque) ist der Zündzeitpunkt, bei dem unter gegebenen Randbedingungen (Luftverhältnis, Drehzahl, Drosselklappenstellung usw.) maximales Drehmoment erreicht wird. Zum Erreichen eines optimalen Wirkungsgrades wird mit zunehmendem Wasserstoffgehalt bei gleichem Luftverhältnis der Zündzeitpunkt nach Spät verschoben. Eine Abmagerung des Wasserstoff-Methan-Gemisches führt zu einer Verlangsamung der Verbrennung, der MBT-Zündzeitpunkt muss wiederum nach Früh verstellt werden [7-22, 7-25, 7-37]. Wirkungsgrad Ist aufgrund der erweiterten Zündgrenzen mit steigendem Wasserstoffanteil eine Qualitätsregelung möglich, so können durch Entdrosselung im unteren Lastbereich die Ladungswechselverluste reduziert werden [7-20, 7-37].
196
7 Verbrennungsmotor
Bei mittleren bis hohen Lasten ist entsprechend [7-5, 7-36, 7-37] bis zu einem Wasserstoffanteil von 20 Vol% eine Zunahme des Wirkungsgrades zu verzeichnen, wohingegen bei höheren Wasserstoffanteilen eine deutliche Absenkung des Wirkungsgrades beobachtet wurde (bei gleichem Verdichtungsverhältnis, MBT-Zündzeitpunkt). Dies wurde auf die immer schneller werdende Verbrennung, die damit einhergehenden höheren Temperaturen und die höheren Wärmeverluste zurückgeführt. Mit steigendem Wasserstoffgehalt verschiebt sich das Wirkungsgradmaximum hin zu niedrigeren Lasten [7-36]. Unabhängig vom Wasserstoffanteil kann mit höherem Verdichtungsverhältnis ein höherer Wirkungsgrad erreicht werden. Methan hat eine sehr hohe Klopffestigkeit, womit wirkungsgradgünstige, hohe Verdichtungsverhältnisse möglich sind [7-1]. Mit zunehmendem Wasserstoffanteil wird die Klopfneigung jedoch verstärkt (bei konstantem Zündzeitpunkt). Durch einen späten Zündzeitpunkt kann die Klopfneigung verringert werden, womit aber wiederum Einbußen im Wirkungsgrad zu verzeichnen sind [7-36]. Verbrennungsanomalien und Volllastpotenzial Bei äußerer Gemischbildung wird die maximal erreichbare Last (minimales Luftverhältnis Omin) bei reinem Wasserstoffbetrieb zusätzlich zum niedrigen Gemischheizwert durch Verbrennungsanomalien wie Frühzündungen und Rückzündungen beschränkt. Rückzündungen sind wie erwähnt unerwünschte Zündungen des frischen Brennstoff-/Luftgemisches bevor die Einlassventile geschlossen sind, Frühzündungen sind unerwünschte Zündungen des frischen Brennstoff-/Luftgemischs nach Schließen der Einlassventile, jedoch vor der eingeleiteten Zündung. Davon zu unterscheiden ist Klopfen, die plötzliche Selbstzündung und detonationsartige Verbrennung des noch nicht von der Flamme erfassten Endgases (noch nicht verbranntes Kraftstoff-/Luftgemisch im Brennraum) nach der Einleitung der Zündung durch den Zündfunken [7-31]. Als Größenordnung für das minimal erreichbare Luftverhältnis eines für Benzinbetrieb ausgelegten Brennverfahrens ohne Verbrennungsanomalien bei reinem Wasserstoffbetrieb wird in [7-37] mit Omin = 1,5 angegeben. Für H2NG Gemische gilt diese Einschränkung erst ab etwa 80 Vol% Wasserstoff. Durch Anpassung der Motorsteuerung können wie oben dargestellt auch niedrigere Luftverhältnisse realisiert werden. Das Volllastpotenzial eines Motors ist abhängig von Liefergrad, effektivem Wirkungsgrad und Gemischheizwert [7-31]. Aufgrund der geringen Dichte von Wasserstoff und der Beschränkungen durch Verbrennungsanomalien ist der Gemischheizwert bei äußerer Gemischbildung (AGB) von reinem Wasserstoff bei O = 1,5 um etwa 39 % geringer als jener von Benzin bei stöchiometrischem Luftverhältnis. In Tabelle 7-6 werden die Gemischheizwerte von verschiedenen H2NG Gemischen und reinem Methan mit Benzin bei äußerer Gemischbildung (= 100 %) verglichen. Es ist ersichtlich, dass durch die Mischung von Wasserstoff und Erdgas die Einschränkungen im Leistungspotenzial von gemischansaugenden Motoren teilweise kompensiert werden können. Eine andere Möglichkeit zur Kompensation des niedrigen Gemischheizwerts stellt die Aufladung des Motors dar.
7.6 Gemische Wasserstoff – Erdgas/Biogas
197
Benzin O=1
CH4
H2
H2
O=1
O=1
O = 1,5
äußere GB
100 %
–11,8 %
–17,2 %
–38,8 %
innere GB
Tabelle 7-6: Vergleich der Gemischheizwerte für verschiedene Kraftstoffe für äußere und innere Gemischbildung (GB) bei T = 20 °C
+1,8 %
–2,6 %
+17,5 %
–21,7 %
H2NG O=1 15 Vol% H2
–12,1 %
50 Vol% H2
–13,1 %
15 Vol% H2
–1,8 %
50 Vol% H2
+1,4 %
Emissionen Stickoxide NOx Der vom Motor mit der Luft angesaugte Stickstoff dissoziiert während der Verbrennung bei hohen Temperaturen und wird mit dem vorhandenen Sauerstoff zu NO und NO2 oxidiert. Durch die schnellere Verbrennung mit zunehmendem Wasserstoffanteil in H2NG Gemischen nehmen bei gleichen Luftverhältnissen O die Verbrennungstemperaturen zu, was zu einer Steigerung der NOx-Emissionen führt [7-28]. Ab einem Luftverhältnis von O > 1,5 sind die emittierten Stickoxide unabhängig von der Wasserstoffkonzentration gering, weil hier aufgrund des mageren Gemisches die Verbrennungstemperaturen auch bei hohen Wasserstoffanteilen unter der NOx-Bildungsschwelle liegen [7-21, 7-37]. Eine Absenkung der Verbrennungstemperatur und somit der NOx-Rohemissionen kann auch durch eine Erhöhung des Inertgasanteils der Ladung durch Abgasrückführung erreicht werden. Zusammenfassend gilt, dass die NOx-Emissionen mit zunehmendem Wasserstoffgehalt ohne Gegenmaßnahmen steigen, durch geeignete innermotorische Maßnahmen wie Abmagerung, Abgasrückführung und Spätstellen der Zündung jedoch vergleichsweise niedrigere NOx-Emissionen realisiert werden können [7-1]. Kohlenwasserstoffe HC und Kohlenmonoxid CO Im Vergleich zum reinen Erdgasbetrieb verringert die Beimischung von Wasserstoff die Emissionen von HC und CO. Dies ist auf die Verringerung des Angebots an C-Atomen mit steigendem Wasserstoffgehalt und die verbesserten Durchbrennbedingungen zurückzuführen [7-10]. Um O 1,1 ist bei MBT-Zündzeitpunkten ein Minimum der HCEmissionen auszumachen. Bei diesem Luftverhältnis ist aber gleichzeitig ein hohes NOxEmissionsniveau gegeben. Dies ist darauf zurückzuführen, dass bei O 1,1 genügend Sauerstoff für die Oxidation vorhanden ist und gleichzeitig durch eine hohe Verbrennungstemperatur die NOx-Entstehung begünstigt wird. Bei mageren Gemischen wird aufgrund der niedrigen Verbrennungstemperaturen zwar weniger NOx gebildet, jedoch entstehen aufgrund der schlechteren Verbrennung höhere HC-Emissionen [7-37, 7-39].
198
7 Verbrennungsmotor
7.6.3 Auswirkungen auf das Fahrzeug und Betriebsstrategien In der Literatur wird angegeben [7-10], dass ein für Erdgas angepasster Motor mit H2NGGemischen bis zu etwa 15 Vol% Wasserstoff ohne Modifikationen sicher betrieben werden kann. Sollen höhere Wasserstoffkonzentrationen verwendet werden, so sind entsprechende Sicherheitsvorkehrungen zu treffen und die Motorsteuerung ist anzupassen, um eventuelle Leistungsnachteile zu kompensieren und vorhandene Potenziale bezüglich Wirkungsgrad und Emissionen auszunutzen. Der grundsätzliche Aufbau der Kraftstoffanlage von Gasfahrzeugen mit Tanksystem, Kraftstoffleitungen und Einblaseventilen ist unabhängig vom verwendeten Gas. Der wesentliche Unterschied liegt in den verwendeten Materialien für die kraftstoffberührenden Komponenten. Bei H2NG-Gemischen mit bis zu 30 Vol% Wasserstoff können nach [7-1] Erdgaskomponenten unverändert eingesetzt werden. Für höhere Wasserstoffkonzentrationen müssen sämtliche kraftstoffberührende Komponenten für die spezifischen Eigenheiten von Wasserstoff ausgelegt sein, wie Wasserstoffversprödung, geringe Schmierfähigkeit und hohes Diffusionsvermögen. Als Werkstoffe sind etwa austenitische Edelstähle geeignet, siehe Abschnitt Sicherheit. Betriebsstrategien Für den Betrieb von H2NG Fahrzeugen gibt es prinzipiell drei mögliche Strategien:
Optimaler Wasserstoffgehalt: Wasserstoff und Erdgas sind im Fahrzeug in zwei getrennten Speichern vorhanden und werden je nach Anforderung an Bord gemischt. Je nach Wunsch kann für minimale Emissionen, maximalen Wirkungsgrad oder maximale Leistung das optimale H2NG Gemisch gewählt werden. Aufgrund des hohen Aufwands an Komponenten und Regelung ist diese Variante eher theoretischer Natur.
Konstanter Wasserstoffgehalt: Motor und Fahrzeug sind für ein bestimmtes, gleich bleibendes H2NG Gemisch optimiert, etwa mit 15 Vol% Wasserstoff. Diese Variante ist in den derzeitigen Anwendungen realisiert, an den Tankstellen muss die Versorgung mit genau dem betreffenden Mischungsverhältnis sichergestellt werden.
Variabler Wasserstoffgehalt: Wasserstoff und Erdgas werden in beliebiger Mischung in denselben Drucktank gefüllt. Nach jeder Betankung detektiert ein Sensor das Mischungsverhältnis und teilt dieses der Motorsteuerelektronik mit. Diese aktiviert einen entsprechenden optimalen Parametersatz für die Motorsteuerung. Das Fahrzeug kann mit unterschiedlichsten H2NG Gemischen von 0 % bis 100 % Wasserstoff betrieben werden, je nach Verfügbarkeit kann reiner Wasserstoff, reines Erdgas oder jedes Gemisch getankt werden. Dieses Konzept erlaubt die Nutzung sowohl der im Ausbau befindlichen Infrastruktur für Erdgas als auch der im Aufbau befindlichen Infrastruktur für Wasserstoff und es ermöglicht eine graduelle Gewöhnung an den Kraftstoff Wasserstoff. Der Prototyp eines solchen Fahrzeugs wird an der Technischen Universität Graz in Kooperation vom Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik und der HyCentA Research GmbH entwickelt, siehe Abschnitt Anwendung.
7.7 Literatur
7.7
199
Literatur
7-1 Akansu, S.; Dulger, Z.; Kahraman, N.; Veziroglu, T.; Internal combustion engines fueled by natural gas-hydrogen mixtures. International Journal of Hydrogen Energy 29 (2004) S. 15271539 7-2 Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich. BGBl, II Nr, 417/2004 Änderung der Kraftstoffverordnung 1999, http://www.ris.bka.gv.at 7-3 Deutsche Vereinigung für das Gas- und Wasserfach, http://dvgw.de 7-4 Deutsches Institut für Normung DIN, http://www.din.de 7-5 Dimopoulos, P.; Rechsteiner, C.; Soltic, P.; Laemmle, C.; Boulouchos, K.: Increase of passenger car engine efficiency with low engine out emissions using hydrogen natural gas mixtures: A thermodynamic analysis. International Journal of Hydrogen Energy 32 (2007) S. 30733083 7-6 Eichlseder, H.; Wallner, T.; Freymann, R.; Ringler, J.: The Potential of Hydrogen Internal Combustion Engines in a Future Mobility Scenario. SAE – International Future Transportation Technology Conference, SAE Paper 2003-01-2267, 2003 7-7 Eichlseder, H.; Wallner, T.; Gerbig, F.; Fickel, H.: Gemischbildungs- und Verbrennungskonzepte für den Wasserstoff-Verbrennungsmotor. 7. Symposium „Entwicklungstendenzen bei Ottomotoren“. Esslingen, Dezember 2004 7-8 Erren, R.A.: Der Erren-Wasserstoffmotor. Automobiltechnische Zeitschrift ATZ 41(1939) S. 523–524 7-9 EU FP6 Integrated Projekt HyICE, https://www.hfpeurope.org/uploads/700/836/2005_HFP_Brussels_HyICE.pdf 7-10 Francfort, J.; Darner, D.: Hydrogen ICE Vehicle Testing Activities. SAE Paper No, 200601-433, 2006 7-11 Furuhama, S., Kobayashi, Y., Iida, M.: A LH2 Engine Fuel System on Board – Cold GH2 Injection into Two-Stroke Engine with LH2 Pump. ASME publication 81-HT-81, New York 1981 7-12 Furuhama, S.; Fukuma, T.: Liquid Hydrogen Fueled Diesel Automobile with Liquid Hydrogen Pump. International cryogenic materials conference. Cambridge, Vol 31 (1986) S. 10471056 7-13 Gerbig, F.; Heller, K.; Ringler, J.; Eichlseder, H.; Grabner, P.: Innovative Brennverfahrenskonzepte für Wasserstoffmotoren. Beitrag zur 11. Tagung – Der Arbeitsprozess des Verbrennungsmotors. VKM-THD Mitteilungen, Heft 89, Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik der Technischen Universität Graz, 2007 7-14 Gerbig, F.; Strobl, W.; Eichlseder, H.; Wimmer, A.: Potentials of the Hydrogen Combustion Engine with Innovative Hydrogen-Specific Combustion Processes. FISITA World Automotive Congress, Barcelona 2004 7-15 Göschel, B.: Der Wasserstoff-Verbrennungsmotor als Antrieb für den BMW der Zukunft! 24. Internationales Wiener Motorensymposium, Wien 2003 7-16 Grabner, P.; Eichlseder, H.; Gerbig, F.; Gerke, U.: Opimisation of a Hydrogen Internal Combustion Engine with Inner Mixture Formation. Beitrag zum 1st International Symposium on Hydrogen Internal Combustion Engines. VKM-THD Mitteilungen, Heft 88, Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik der Technischen Universität Graz, 2006 7-17 Grabner, P.; Wimmer, A.; Gerbig, F.; Krohmer, A.: Hydrogen as a Fuel for Internal Combustion Engines – Properties, Problems and Chances. 5th International Colloquium FUELS, Ostfildern, 2005 7-18 Gutmann, M.: Die Entwicklung eines Gemischbildungs- und Verbrennungsverfahrens für Wasserstoffmotoren mit innerer Gemischbildung. Dissertation Universität Stuttgart, 1984
200
7 Verbrennungsmotor
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7.7 Literatur
201
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203
8
Anwendung
Etwa die Hälfte des industriell genutzten Wasserstoffs wird im Haber-Bosch-Verfahren zur Herstellung von Ammoniak verwendet, der als Ausgangsstoff für die Erzeugung von Stickstoffdünger dient. Ein weiteres Viertel des Wasserstoffs wird in Raffinerieprozessen zur Verarbeitung von Erdöl eingesetzt, insbesondere zur Entschwefelung (Hydrofining) und zum Hydrocracking. Wasserstoff und Kohlenmonoxid (Synthesegas) bilden auch die Ausgangsstoffe für die Herstellung flüssiger Kraftstoffe aus Gas, Biomasse oder Kohle nach dem Fischer-Tropsch-Verfahren sowie für die Erzeugung von Methanol. Weiters findet Wasserstoff Anwendung in der Halbleiterindustrie, der analytischen Chemie, der Lebensmittelchemie, der Wasseraufbereitung und in der Metallurgie. Zunehmend an Bedeutung gewinnt die Nutzung von Wasserstoff in der Energietechnik und in der Verkehrstechnik. Schließlich spielt Wasserstoff eine wichtige Rolle in Stoffwechselprozessen. Einen Überblick über die Anwendungsgebiete von Wasserstoff gibt Tabelle 8-1. Tabelle 8-1: Anwendung von Wasserstoff Raffinerieprozesse
Hydrotreating Hydrocracken
Chemie
Haber-Bosch-Verfahren (Ammoniakherstellung) Fischer-Tropsch-Verfahren Methanolherstellung Halbleiterindustrie Analytische Chemie Lebensmittelchemie Wasseraufbereitung
Metallurgie
Reduktion und Behandlung von Metallen Schweißen und Schneiden
Energietechnik
Nukleartechnik Kältetechnik Verbrennungskraftmaschinen Portable und stationäre Brennstoffzellen
Verkehrstechnik
Raumfahrt Luftfahrt Schifffahrt Landfahrzeuge
Stoffwechsel
Synthese von Adenosintriphosphat (ATP)
204
8.1
8 Anwendung
Raffinerieprozesse
Ein Hauptanwendungsgebiet findet Wasserstoff in Raffinerieprozessen bei der Entschwefelung von Benzin, Diesel und Heizöl durch Hydrofining (HF) sowie beim Aufspalten langer Kohlenwasserstoffketten durch Hydrocracken. Wasserstoff entsteht in der Raffinerie als Nebenprodukt beim Reformieren von Benzin und bei der Ethenproduktion. Bei erhöhtem Bedarf muss der Wasserstoff aus schwerem Heizöl oder Erdgas zusätzlich erzeugt werden. Abbildung 8-1 zeigt das Schema eines Erdöl verarbeitenden Raffinerieprozesses. Destillation
Veredelung Gas
Propan
Gaswäsche 20°C
LPG
Butan
80°C
170°C
Mischen Propen
Leicht
Leichtbenzin
HF
Hochoctan Benzin
Rohbenzin
Schwer
HF
Reformer
Ottokraftstoff
Kat. Crackbenzin Hydrocrackbenzin
250°C
300°C
Kerosin
HF
Kerosin hydriert
HF
Hydriertes Gasöl
Gasöl
400°C
K-Cracken
HF
Vakuumgasöl
Dieselkraftstoff
Kat. Crackbenzin
Heizöl leicht
Hydrocrackbenzin Vakuumdestillat
VD
Kerosin
Schmieröle
H-Cracken
Vakuumrückstand atm. Rückstand
Reinigung + Entsalzung
Heizöl schwer
Vakuumrückstand
Bitumen
Vakuumrückstand
Koks
Rohöl
Röhrenofen mit Wärmetauscher
Abbildung 8-1: Schema eines Raffinerieprozesses. Quelle: Jury [8-50]
8.1 Raffinerieprozesse
205
Nach dem Entwässern und Entsalzen wird das Rohöl auf etwa 400 °C erwärmt und in den Destillationsturm eingebracht. Dort erfolgt bei Atmosphärendruck die Aufspaltung des Rohöls in verschiedene Komponenten. Die langkettigen schwer siedenden Kohlenwasserstoffe sammeln sich am Boden des Destillationsturmes, mit zunehmender Höhe nimmt die Temperatur im Turm ab, die Kondensate werden zunehmend flüchtiger und kurzkettiger. Die schwer siedenden Rückstände (>350 °C) werden der Vakuumdestillation (VD) zugeführt, wo bei etwa 0,1 bar die Siedetemperatur um ca. 150 °C abgesenkt wird. Der Vakuumrückstand wird zur Herstellung von Heizöl schwer, Bitumen und Koks verwendet. Ein Teil des Vakuumdestillates wird in der Schmierstoffherstellung weiterverarbeitet, das restliche Vakuumgasöl wird in Crackanlagen veredelt und dient als Mischungskomponente für Heizöl leicht, Diesel und Benzin. Als Kondensat am ersten Kondensationsboden (250 °C bis 350 °C) erhält man als erstes Mitteldestillat Gasöl. Dieses wird nach der Entschwefelung im Hydrofining (HF) zur Mischung mit Dieselkraftstoff verwendet. Aus dem Mitteldestillat der zweiten Ebene erhält man Kerosin und Petroleum (170 °C bis 250 °C). Kerosin wird nach dem Hydrofining als Düsentreibstoff eingesetzt. Die dritte Kondensationsebene liefert als Leichtdestillat Rohbenzin (Naphta). Dieses wird in einer separaten Destillationskolonne in Schwerbenzin (80 °C bis 170 °C) und Leichtbenzin (20 °C bis 80 °C) aufgespaltet. Das niedrigoktanige Schwerbenzin wird durch Reformierung klopffest gemacht und gemeinsam mit Leichtbenzin, katalytischem Crackbenzin und Hydrocrackbenzin zu Ottokraftstoff zusammengemischt. Eine Ansicht der Raffinerie Schwechat und eines Destillationsturms zeigt Abbildung 8-2.
Abbildung 8-2: Raffinerie Schwechat und Destillationsturm. Quelle: OMV [8-57]
206
8 Anwendung
8.1.1 Hydrofining Die Entschwefelung von Mitteldestillaten mit Wasserstoff in Gegenwart eines Katalysators wird als Hydrofining, Hydrotreating oder Hydroentschwefelung bezeichnet. Der Einsatz von Hydrofining ist in der Mineralölindustrie erst wirtschaftlich möglich geworden, seit Wasserstoff durch das Reformieren von Benzin in ausreichender Menge zur Verfügung steht. Die Mitteldestillate werden im Hydrofiner mit Wasserstoff vermischt und erhitzt. Das heiße Gemisch wird in einen Reaktor mit einem Katalysator (z. B. Platin) geleitet. Bei Temperaturen um 350 °C und bei Drücken bis 50 bar verbindet sich der Schwefel aus dem Mitteldestillat mit dem Wasserstoff zu Schwefelwasserstoff (H2S). In einem Trennturm werden dann gereinigtes Produkt, Schwefelwasserstoff und übrig gebliebener Wasserstoff voneinander getrennt. Der Wasserstoff kann erneut zum Entschwefeln verwendet werden, der Schwefelwasserstoff wird in einem speziellen Verbrennungsreaktor mit Sauerstoff zu reinem Schwefel umgesetzt (Claus-Prozess). In Hydrieranlagen können die Schwefelgehalte auf < 50 ppm reduziert werden. Mit hohen Wasserstoffpartialdrücken und zweistufigen Verfahren lassen sich Schwefelgehalte < 10 ppm erzielen. Eine ausgeführte Anlage zeigt Abbildung 8-3 links.
8.1.2 Hydrocracken Beim Cracken werden bei erhöhten Temperaturen hoch siedende langkettige Kohlenwasserstoffe in niedrig siedende kurzkettige aufgespaltet. Durch das Cracken wird die Ausbeute an Benzin und Mitteldestillaten erhöht. Man unterscheidet zwischen thermischem Cracken, katalytischem Cracken und Hydrocracken. Das thermische Cracken erfolgt bei Temperaturen um 500 °C unter Druck. Das katalytische Cracken erfordert keine hohen Drücke, dafür dürfen keine den Katalysator schädigenden Schwefelverbindungen eingebracht werden und der entstehende Koks verlegt mit der Zeit die Katalysatoroberfläche und muss abgebrannt werden. Die Bildung von Koks kann vermieden werden, wenn Wasserstoff eingebracht wird, der sich an die gebildeten Molekülbruchstellen anlagert. Aufgrund seiner Produktvielfalt gewinnt das Hydrocracken trotz höherer Prozesskosten in der Industrie zunehmend an Bedeutung. Dabei wird das Ausgangsmaterial bei Temperaturen von 300 °C bis 500 °C und Drücken von 80 bar bis 200 bar mit Wasserstoff und einem Nickel-MolybdänKatalysator in kurze Kohlenwasserstoffverbindungen aufgespaltet. Beim Hydrocracken entstehen folgende Produkte: 7 % bis 18 % niedrig siedende Kohlenwasserstoffe (C1 bis C5) 28 % bis 55 % Benzine (C5 bis C12) 15 % bis 56 % Mitteldestillat 11 % bis 12 % hoch siedende Komponenten Ein weiterer Vorteil des Hydrocrackens besteht darin, dass Verunreinigungen wie Schwefelwasserstoff und Ammoniak leicht abzuführen sind und Schwefel und Stickstoff als Nebenprodukte gewonnen werden können. Eine ausgeführte Anlage zeigt Abbildung 8-3 rechts.
8.2 Chemie
207
Abbildung 8-3: Hydrofiner (links) und Hydrocracker (rechts). Quelle: Aral [8-2]
8.2
Chemie
In der Chemie spielt Wasserstoff bei vielen Prozessen eine wichtige Rolle, etwa bei der Herstellung von Ammoniak nach dem Haber-Bosch-Verfahren oder im Synthesegas bei der Herstellung flüssiger Kohlenwasserstoffe nach dem Fischer-Tropsch-Verfahren oder bei der Methanolerzeugung. Breite Anwendung findet Wasserstoff auch als Betriebsgas und Trägergas in der Halbleiterindustrie und in der analytischen Chemie, Wasserstoff wird aber auch in der Lebensmittelchemie, bei der Wasseraufbereitung und bei der Glasbearbeitung eingesetzt.
8.2.1 Haber-Bosch-Verfahren Um Ammoniak, die wichtigste Substanz bei der Düngemittelproduktion, in großen Mengen herstellen zu können, wird das Haber-Bosch-Verfahren genutzt. Das Haber-BoschVerfahren wurde zwischen 1905 und 1913 von dem deutschen Chemiker Fritz Haber (1868-1934) und dem Ingenieur Carl Bosch (1874-1940) entwickelt. Bei dem Verfahren wird Ammoniak mittels Synthese aus den Grundelementen Stickstoff und Wasserstoff nach folgender Reaktionsgleichung hergestellt: N2 + 3 H2 ļ 2 NH3
'RH = –92 kJ/mol
208
8 Anwendung
Haber und Bosch fanden durch langjährige Versuche heraus, dass für die Gleichgewichtsreaktion unter folgenden Bedingungen die größte Ammoniakausbeute erzielt werden kann: 1.
bei einer Temperatur von 500 °C
2.
unter hohem Druck von 450 bar
3.
bei folgendem Mengenverhältnis der Ausgangsprodukte: Stickstoff : Wasserstoff = 3 : 1 (Stickstoff im Überschuss)
4.
beim Vorliegen eines Katalysators, der die Reaktion beschleunigt.
Bei sehr hohem Druck verschiebt sich das Gleichgewicht nach rechts und die Ausbeute erhöht sich. Hohe Temperaturen verringern nach dem Prinzip von Le Chatelier jedoch wieder die Ausbeute. Daher wählt man einen Mittelweg und setzt Katalysatoren ein, die die Reaktionsgeschwindigkeit beschleunigen. Das Schema einer Haber-Bosch-Anlage zeigt Abbildung 8-4.
Abbildung 8-4: Ammoniaksynthese in einer Haber-Bosch-Anlage
In einem Kompressor wird das Gasgemisch aus Stickstoff und Wasserstoff auf 450 bar komprimiert. In einem Gasreiniger wird das Gasgemisch von unerwünschten Verunreinigungen wie Schwefelverbindungen oder Kohlenmonoxid gereinigt. Im Kontaktofen läuft die eigentliche Reaktion nach der oben beschriebenen Reaktionsgleichung ab. In einem zylinderförmigen, druckfesten Reaktionsrohr wird das Gasgemisch bei 450 bar auf 500 °C erhitzt. Dabei strömt das Gasgemisch an einer mit dem Katalysator beschichteten Fläche vorbei und reagiert zu Ammoniakgas. Der Katalysator besteht aus einem Gemisch
8.2 Chemie
209
von Eisenoxid und Aluminiumoxid. Außen ist das Reaktionsrohr mit druckbeständigem Stahl verstärkt. Innen darf kein Stahl verwendet werden, weil der Wasserstoff mit dem im Stahl enthaltenen Kohlenstoff reagieren würde. Deshalb besteht das Innenrohr aus kohlenstoffarmem, reinem Eisen. Im Kühler wird das noch heiße Ammoniakgas abgekühlt. Im Abscheider wird das Ammoniakgas von nicht umgesetzten Ausgangsprodukten (Wasserstoff und Stickstoff) getrennt. Im Kontaktofen setzen sich trotz optimaler Reaktionsbedingungen nur etwa 15 % der Ausgangsstoffe in Ammoniak um. Die nicht umgesetzten Restgase werden wieder in den Prozess eingeführt. Das benötigte Synthesegas kann aus Erdgas reformiert werden. Eine moderne HaberBosch-Anlage verbraucht pro Tag ca. 72000 Nm³ Erdgas und produziert 1350 Tonnen Ammoniakgas, vgl. Abbildung 8-5.
Abbildung 8-5: Ammoniakanlage. Quelle: Aral [8-2]
8.2.2 Fischer-Tropsch-Verfahren Das Verfahren wurde von den deutschen Chemikern Franz Fischer und Hans Tropsch im Jahre 1925 entwickelt [8-28]. Es dient zur Umwandlung von Synthesegas in flüssige und feste langkettige Kohlenwasserstoffe. Unter der Bezeichnung Kogasin (Kohle-Gas-Benzin-Verfahren) wurde es während des Zweiten Weltkriegs in Deutschland zur Treibstofferzeugung aus Steinkohle eingesetzt. Durch die gute Verfügbarkeit von Erdöl und Erdgas verlor das Verfahren später an Bedeutung und wurde großtechnisch nur noch in Südafrika eingesetzt. 1993 eröffnete Shell eine Fischer-Tropsch Anlage in Bintulu, Malaysia, die 2005 auf eine Kapazität von 14700 barrel hochreine Kraftstoffe pro Tag aus Erdgas ausgebaut wurde, siehe Abbildung 8-6.
210
8 Anwendung
Beim Fischer-Tropsch-Verfahren wird reines Synthesegas unter 20 bar bis 40 bar Druck bei Temperaturen von 200 °C bis 350 °C an Eisen- oder Kobaltkatalysatoren umgewandelt, indem die Reaktion CO + 2 H2 o –CH2– + H2O wiederholt abläuft und lange gerade Ketten aus gesättigten Alkanen (früher: Paraffinen) entstehen. Die Reaktion verläuft exotherm, was eine entsprechende Kühlung erfordert, um die Prozesstemperatur konstant zu halten. Das optimale Verhältnis von H2 zu CO ist zwei zu eins. Höhere Prozesstemperaturen fördern die Bildung kurzkettiger leichtsiedender Komponenten, niedrigere Temperaturen begünstigen langkettige Alkane und Wachse. Durch gezielte Wahl der Prozessparameter und spezielle Legierungszusätze zum Katalysator (Alkalimetalle, Kupfer, Nickel, Ammoniak, Mangan etc.), kann die Produktzusammensetzung beeinflusst werden. Mit der Fischer-Tropsch-Synthese können hochreine schwefel- und aromatenfreie Kraftstoffe mit bestimmten Siedelagen und Zündeigenschaften reproduzierbar aus unterschiedlichen Rohstoffen hergestellt werden. Je nach dem Rohstoff für die Vergasung zur Erzeugung des Synthesegases unterscheidet man BTL-Treibstoffe (Biomass to liquid, SunFuel, Choren-Verfahren [8-12, 8-68]), GTL-Treibstoffe (Gas to liquid, Synfuel) oder CTL-Treibstoffe (Coal to liquid). Der Wirkungsgrad für die Kraftstoffherstellung mit Vergasung und Synthese erreicht bei CTL und BTL Werte um 50 %, bei GTL bis 70 %. Die synthetischen Kraftstoffe können die Emissionen im Motor vermindern und werden etwa für so genannte alternative Verbrennungsverfahren eingesetzt [8-66]. Ihr volumetrischer Energieinhalt ist um einige Prozent geringer als der konventioneller fossiler Kraftstoffe.
Abbildung 8-6: Fischer-Tropsch GTL Anlage. Quelle: Shell [8-63]
8.2 Chemie
211
8.2.3 Methanolherstellung Der Alkohol Methanol (CH3OH) wird nach folgenden Reaktionsgleichungen in großen Mengen aus Synthesegas hergestellt: CO + 2 H2 ĺ CH3OH
'RH = –90,8 kJ/mol
CO2 + 3 H2 ĺ CH3OH + H2O
'RH = –49,6 kJ/mol
Methanol wird als flüssiger Brennstoff und in der chemischen Industrie eingesetzt. Durch die Dehydrierung von Alkoholen bei Temperaturen zwischen 200 °C und 300 °C erhält man Aldehyde und Ketone. Bei Dehydrierung eines primären Alkohols entsteht das entsprechende Aldehyd, während durch Dehydrierung eines sekundären Alkohols das entsprechende Keton gebildet wird [8-20]. Aus Methanol wird auch nach dem so genannten Silberkontaktverfahren Formaldehyd (CH2O) hergestellt. Das Silberkontaktverfahren ist eine oxidative Dehydrierung und läuft bei Umgebungsdruck sowie Temperaturen um 600 °C bis 700 °C in Anwesenheit von Silberkristallen als Katalysator ab [8-4]: CH3OH ĺ CH2O + H2
'RH = 84 kJ/mol
H2 + ½ O2 ĺ H2O
'RH = –243 kJ/mol
Summenreaktion: CH3OH + ½ O2 ĺ CH2O + H2O
'RH = –159 kJ/mol
8.2.4 Halbleiterindustrie In der Halbleiterindustrie verwendet man Wasserstoff als Trägergas bei der Dotierung und Epitaxie. Unter Dotierung versteht man den gezielten Einbau von Fremdatomen in das Kristallgitter eines Halbleiters mit dem Ziel, die elektrische Leitfähigkeit des Halbleiters zu verändern. Unter Epitaxie versteht man das geordnete Kristallwachstum auf einer Trägerschicht. Dabei wird die atomare Ordnung der Trägerschicht auf das darauf wachsende Substrat übertragen. Je nachdem, ob die Trägerschicht aus demselben oder unterschiedlichen Materialien bestehen, spricht man von Homo- oder Heteroepitaxie [8-29]. Vorteile von Wasserstoff als Trägergas:
in großen Mengen vorhanden,
geringere Kosten gegenüber anderen Prozessgasen,
leicht zu reinigen (durch Diffusion durch eine Palladiumfolie: nur das H2-Molekül ist klein genug, um durch das Kristallgitter hindurch zu diffundieren),
günstige hydrodynamische Eigenschaften (Wasserstoff ermöglicht einen laminaren Fluss bei Atmosphärendruck und ergibt hohe Schichtqualitäten).
Nachteile von Wasserstoff als Trägergas:
die explosive Gemischbildung mit Sauerstoff schon bei geringen Konzentrationen verlangt einen hohen Sicherheitsstandard der gesamten Produktionsanlage,
212
8 Anwendung
Wasserstoff sättigt die Akzeptoren der p-Dotierung ab und reduziert die Ladungsträgerzahl,
Wasserstoff nimmt als inerter Stoßpartner an den Reaktionen teil und führt so zu reversiblen Einlagerungen in die Schicht, was zu geringerer Langzeitstabilität führt.
Größter österreichischer Verbraucher von Wasserstoff ist die Infineon Technologie Austria AG in Villach. Der Wasserstoff wird als Dotiergas im Fertigungsprozess für Chips und Leiterplatten verwendet [8-48].
8.2.5 Analytische Chemie In der analytischen Chemie wird Wasserstoff als Betriebsgas und Brenngas eingesetzt. Wasserstoff wird als Trägergas in der Gaschromatographie verwendet, wobei zu beachten ist, dass dadurch kein Wasserstoff in den Proben nachgewiesen werden kann. Weiters wird Wasserstoff in Flammenionisationsdetektoren als Brenngas verwendet. Die Beimengung von Wasserstoff zum Brenngas führt zu einer Erhöhung der Flammentemperatur und ermöglicht so ein höheres Ionisationspotential. Dadurch können Verbindungen und Elemente mit einem höheren Ionisationspotential ionisiert werden, die bei niedrigeren Temperaturen nicht detektiert werden könnten.
8.2.6 Lebensmittelchemie Bei der Härtung von Pflanzenölen und Fetten handelt es sich um ein Verfahren zur Umwandlung von flüssigen Ölen in feste Fette, etwa bei der Herstellung von Margarine. Pflanzenöle und unbehandelte Fette weisen aufgrund ihrer Doppelbindungen (ungesättigte Fettsäuren) einen niedrigeren Schmelzpunkt auf und sind deswegen meist nicht bei der Verarbeitung von Lebensmitteln brauchbar. Bei Temperaturen von ca. 200 °C, hohen Drücken und bei Anwesenheit eines Katalysators wird Wasserstoff an die Doppelbindungen ( CH = CH ) der Fettsäuren angelagert und reduziert diese zu weniger reaktiven Einfachbindungen (CH2 CH2 ). Dadurch kann der Schmelzpunkt der Fette angehoben werden (gesättigte Fettsäuren). Eine weitere Anwendung von Wasserstoff in der Lebensmittelchemie ist die Konservierung von Lebensmittel. Unter der Abkürzung E 949 wird Wasserstoff statt sauerstoffhaltiger Atmosphäre genutzt, um Lebensmittel länger haltbar zu machen [8-9].
8.2.7 Wasseraufbereitung Infolge zu starker Düngung landwirtschaftlicher Flächen mit Gülle, Mineraldünger und Klärschlamm steigt der Nitratgehalt im Grundwasser kontinuierlich an [8-61]. Stickoxidemissionen aus Industrie und Verkehr tragen ebenfalls zu einer Zunahme des Nitratgehaltes im Grundwasser bei. Nitrat ( NO 3 ) selbst hat nur eine geringe Primärtoxizität, so liegt die letale Dosis für Erwachsene bei 8 bis 30 g. Allerdings kann im Körper durch chemische Reaktion Nitrit ( NO 2 ) gebildet werden, das die Sauerstoffaufnahme des Hämoglobins stören kann. Bei Säuglingen können 10 bis 20 mg Nitrit bereits zu Sauerstoff-
8.3 Metallurgie
213
mangelerscheinungen führen. Aus Nitrit können außerdem stark karzinogene Nitrosamine entstehen (Tertiärtoxizität des Nitrats). Zur Reinigung des Wassers wird Wasserstoff eingesetzt. Bei der katalytischen Nitrat- und Nitritreduktion wird an einem bimetallischen Katalysator (Palladium und Kupfer, Zinn oder Indium) Nitrat mit Wasserstoff zu Nitrit reduziert. Nitrit kann dann mit Palladium zu Stickstoff reduziert werden, wobei NO und N2O (Lachgas) als intermediäre Produkte auftreten können, auch Ammonium (NH4+) kann als unerwünschtes Nebenprodukt auftreten. Wie die folgenden Reaktionsgleichungen zeigen, entstehen bei der Reduktion von Nitrat und Nitrit Hydroxidionen. Das bedeutet, dass während der Reaktion der pH-Wert zunimmt, falls die entstehenden Hydroxidionen nicht durch Zudosieren einer Säure neutralisiert werden. NO 3 + H2 ĺ NO 2 + 2 OH
2 NO 2 + 3 H2 ĺ N2 + 2 OH + 2 H2O + NO 2 + 4 H2 ĺ NH4 + 2 H2O
8.3
erwünscht unerwünscht
Metallurgie
8.3.1 Reduktion und Behandlung von Metallen Wasserstoff wird in der Metallurgie zur Reduktion von Metalloxiden nach folgender Reaktion genutzt: MeO + H2 ĺ Me + H2O Weiters wird Wasserstoff als Schutzgas verwendet, um mögliche Nebenreaktionen bei der Metallbehandlung zu verhindern.
8.3.2 Schweißen und Schneiden Beim Schweißen und Schneiden findet Wasserstoff als Schutzgas Anwendung. Die Zugabe von Wasserstoff und Helium zum herkömmlichen Argonschutzgas bewirkt eine Verbesserung des Fließverhaltens [8-49]. Wasserstoff reduziert wie Sauerstoff die Viskosität der Schmelze und stellt ein gutes Anfließverhalten sicher. Bei 4000 °C ist die Wärmeleitfähigkeit von Wasserstoff höher als die aller anderen Schutzgase. Die Wirkung eines Wasserstoffanteils von 2 % kann mit der von etwa 30 % Helium gleichgesetzt werden. Ob Wasserstoff tatsächlich verwendbar ist, hängt von der Löslichkeit und vom Löslichkeitssprung beim Übergang von der Schmelze zum festen Zustand ab. Besonders kritisch ist das bei Aluminium. Aber auch unlegierter Stahl mit seinem kubisch-raumzentrierten Metallgitter neigt je nach Festigkeit zur Wasserstoffversprödung. Unproblematisch sind dagegen Wasserstoffanteile im Schutzgas bei austenitischen Stählen. Bei ihnen lassen sich der Einbrand und damit die Schweißgeschwindigkeit durch Zugabe von Wasserstoff erheblich erhöhen.
214
8 Anwendung
Beim mechanisierten WIG-Schweißen, bei dem die höhere Energieeinbringung in Geschwindigkeit umgesetzt werden kann, sind Wasserstoffanteile zwischen 5 % und 7,5 % möglich. Beim Handschweißen sollte der Wasserstoffanteil unter 5 % betragen. Abbildung 8-7 zeigt den Vergleich einer Schweißnaht ohne und mit Wasserstoff als Zusatz zu Argon. Durch die Zugabe von Wasserstoff erhält man einen tieferen Einbrand sowie besseres Fließverhalten und erzielt eine höhere Fließgeschwindigkeit. Durch die rußfreie und heiße Flamme sind Wasserstoff-Sauerstoff-Gemische auch zum Schneiden bei sehr hohen Temperaturen gut geeignet. Solche Gemische sind auch ideal für die Bearbeitung von Quarzgläsern und Glasfasern einsetzbar, siehe Abbildung 8-8.
Abbildung 8-7: Schweißnaht links ohne, rechts mit Wasserstoffzusatz. Quelle: Westfalen AG [8-49]
Abbildung 8-8: Schneidbrennen mit Wasserstoff. Quelle: Linde [8-52]
8.4 Energietechnik
8.4
215
Energietechnik
Wie erwähnt stellt die Kernfusion die wichtigste Energiequelle im Universum dar, an ihrer Nutzbarmachung im technischen Maßstab wird in langfristigen internationalen Forschungsprojekten gearbeitet, Ergebnisse werden erst in einigen Jahrzehnten erwartet. Die konventionelle Verbrennung von Wasserstoff zur Energieerzeugung ist bereits nutzbar, worunter einerseits die „heiße“ Verbrennung in Verbrennungskraftmaschinen wie Motoren oder Gasturbinen und andererseits die „kalte“ Verbrennung in Brennstoffzellen verstanden wird. Bewährt haben sich Brennstoffzellen in der Raumfahrt, derzeit etablieren sich die ersten Brennstoffzellen in Nischenmärkten in der Energie- und Verkehrstechnik. Details über Brennstoffzellen und Verbrennungsmotoren in automotiven Anwednungen werden in eigenen Abschnitten besprochen. Energietechnisch sind Stationärmotoren zur Stromerzeugung von Bedeutung, die eine Vielzahl wasserstoffhältiger Gase verbrennen können [8-38]. Auch Gasturbinen mit Kraft-Wärme-Kopplung werden mit Wasserstoff befeuert und ergeben wegen der hohen Verbrennungstemperaturen sehr gute Gesamtwirkungsgrade bis 60 % [8-35]. Wasserstoff wird aufgrund seiner hohen Wärmeleitfähigkeit auch in der Kältetechnik verwendet, etwa zur Kühlung von Generatoren in nuklearen Leichtwasserreaktoren. Dabei sind aufgrund der Diffusionsneigung und Explosivität entsprechend hohe Sicherheitsvorkehrungen erforderlich. Im Weiteren soll anhand einiger Beispiele auf die portable und stationäre Nutzung von Brennstoffzellen hingewiesen werden, für aktuelle Anwendungen sei auf das Internet [8-41, 8-44] und auf das Programm Hyper der Europäischen Kommission [8-23] verwiesen.
8.4.1 Portable Brennstoffzellen Brennstoffzellen sind als Stromversorgungsaggregate für Kleingeräte wie Laptops, Kameras, Mobiltelefone und Laborgeräte in Erprobung. Gute Wirkungsgrade und gegenüber Batterien oder Akkus höhere Betriebsdauern sind die Vorteile, auf Grund derer an der Brennstoffzelle trotz hoher Kosten großes Interesse besteht. Unter der Bezeichnung EFOY, Energy for you, bietet die deutsche Firma SFC Smart Fuel Cell AG portable Brennstoffzellen an, siehe Abbildung 8-9 [8-64]. Die Direktmethanolbrennstoffzellen (DMFC) benötigen 1,1 Liter Methanol pro kWh Strom bei Ladekapazitäten zwischen 0,6 und 1,6 kWh/Tag, die Nennleistungen liegen bei 12 V zwischen 25 W und 65 W. Diese Zelle ist für die Versorgung von elektrischen und elektronischen Geräten abseits eines Stromnetzes geeignet, wie z. B. in Ferienhütten, in Reisemobilen oder auf Booten sowie in netzfernen industriellen Inselsystemen. Das Methanol ist in Tanks zu 5 oder 10 Liter erhältlich, die an die Brennstoffzelle angeschlossen werden. Laut Hersteller beträgt die Laufzeit mit einem 10 Liter Tank bis zu acht Wochen. Die Abmaße der DMFC betragen ca. 40 × 20 × 30 cm, Gewicht um 7,5 kg.
216
8 Anwendung
Abbildung 8-9: Direktmethanolbrennstoffzelle. Quelle: SFC [8-64]
Die britische Voller Energy Group bietet ebenfalls portable Brennstoffzellen an, insbesondere ein Batterieladegerät namens ABC (Automatic Battery Charger), siehe Abbildung 8-10 [8-71]. Das System wird mit Wasserstoff betrieben, der in einer Polymerelektrolytmembran-Brennstoffzelle (PEMFC) zu Strom umgewandelt wird. Es können Spitzenleistungen von 200 W und Durchschnittsleistungen von 70 W im Gleichstrombetrieb bereitgestellt werden. Das Gerät verfügt sowohl über konventionelle Steckdosen für 110 V oder 220 V sowie 12 V als auch über einen USB-Anschluss, womit Handys, MP3Player oder Laptops betrieben oder geladen werden können. Die Abmessungen des Ladegeräts betragen 38 x 30 x 20 cm. Abbildung 8-10: Batterieladegerät ABC. Quelle: Voller Energy Group [8-71]
Vor allem für Laptops wurden in den letzten Jahren eine Vielzahl von portablen Brennstoffzellenprototypen vorgestellt. So wurde auf der Messe in Hannover im Jahr 2002 erstmals ein Laptop mit einer Brennstoffzelle vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg in Kooperation mit dem koreanischen Konzern LG vorgestellt, siehe Abbildung 8-11 [8-31]. Die PEMFC hat eine Spitzenleistung von 50 W bei einer Arbeitsspannung von 24 V.
8.4 Energietechnik
217
Abbildung 8-11: Laptop mit Brennstoffzelle. Quelle: Fraunhofer ISE [8-31]
Von Panasonic wurde im Jahr 2006 ein Notebook mit Brennstoffzelle präsentiert, siehe Abbildung 8-12. Diese DMFC liefert 13 W bis 20 W und wird mit einem Gemisch aus Methanol und Wasser betrieben. Eine Tankfüllung erlaubt eine Betriebsdauer von ca. 20 Stunden [8-58].
Abbildung 8-12: Notebook mit Brennstoffzelle. Quelle: Panasonic [8-58]
8.4.2 Stationäre Brennstoffzellen Stationäre Brennstoffzellen dienen der Stromerzeugung, meist in Kombination mit der Nutzung der Abwärme (cogeneration system). Sie laufen meist unter konstanten Betriebsbedingungen und decken einen weiten Leistungsbereich ab, von Hilfsaggregaten zur Stromversorgung in Fahrzeugen (Auxilary Power Unit – APU) über die Energieversorgung von Ein- oder Mehrfamilienhäusern bis zu Großkraftwerken mit Kraft-WärmeKopplung (KWK). Zur Anwendung kommen meist Hochtemperaturzellen wie die
218
8 Anwendung
Schmelzkarbonat-Brennstoffzelle (MCFC) oder die oxidkeramische Brennstoffzelle (SOFC). Auch Gasturbinen zur Nutzung der Abwärme aus Hochtemperatur-Brennstoffzellen werden eingesetzt. Durch entsprechende Regel- und Speicherstrategien kann ein Ausgleich zwischen elektrischem und thermischem Energiebedarf im Sommer- bzw. Winterbetrieb geschaffen werden. Zahlreiche Prototypen wurden in den letzten Jahren vorgestellt und in Feldtests auf ihr Langzeitverhalten und ihre Zuverlässigkeit untersucht. Firmen wie beispielsweise Vaillant, Viessmann, Hexis, CFC Solutions (MTU) oder Siemens haben Systeme entwickelt und sehen diese kurz vor der Markteinführung. In Österreich wurden einige Pilotprojekte mit Brennstoffzellen zur dezentralen Energieversorgung durchgeführt [8-18]. So ist im Technologiezentrum Salzkammergut eine Brennstoffzelle zur Strom- und Wärmeversorgung erprobt worden, die 1 kW elektrische Leistung bei einer Betriebstemperatur von ca. 900 °C bereitstellt. Die SOFC wird mit Erdgas betrieben, das in einem integrierten Reformer in Wasserstoff umgewandelt wird. Der elektrische Wirkungsgrad beläuft sich auf ca. 30 %, bei zusätzlicher Nutzung der Prozesswärme zur Brauchwasser- und Heizwasseraufbereitung können Wirkungsgrade von über 90 % erreicht werden. Die technischen Daten des Folgemodells der Hexis AG [8-39] lauten: Type Elektrische Leistung Thermische Leistung Brennstoffzelle Wärmespeicherinhalt Brennstoff Maße Gewicht
SOFC Galileo 1000 N 1 kW max. 2,5 kW max. 200 Liter Erdgas 55 x 55 x 160 cm 170 kg
In dem geförderten österreichischen Leitprojekt HyLOG [8-27] unter Leitung der Firma Fronius International [8-32] wurde am Standort Sattledt, Oberösterreich, auf 3200 m² eine Photovoltaikanlage mit 605 kWpeak zur Stromerzeugung errichtet. Begleitet von einer technischen und wirtschaftlichern Systemanalyse wird der Energiebedarf aus erneuerbarer gedeckt. Das Konzept der kombinierten Strom- und Wasserstofferzeugung zeigt Abbildung 8-13. Während der Sommermonate erzeugt die Photovoltaikanlage einen Stromüberschuss, der zum Betrieb eines Elektrolyseurs genutzt wird. Der dabei erzeugte Wasserstoff wird gespeichert, um in den Wintermonaten, wenn die Stromerzeugung der Photovoltaikanlage abnimmt, durch Verbrennung in einer Brennstoffzelle den Energiebedarf zu decken. Fronius bietet dazu eine PEM Brennstoffzelle mit einer Leistung von 2 kW an, siehe Abbildung 8-14 links. Die Systemspannung beträgt 24 V, über einen Wechselrichter steht Wechselstrom bei 220 V zur Verfügung. Die Brennstoffzelle wird mit Wasserstoff der Reinheitsklasse 3.0 mit einem Eingangsdruck zwischen 5 bar und 15 bar versorgt. Bei Abmessungen von 470 x 850 x 850 mm beträgt das Gewicht inklusive Pufferbatterie 140 kg. Am Standort werden auch Logistikzugfahrzeuge mit der Brennstoffzelle betrieben, die Wasserstoff in 26 l Drucktanks bei 350 bar der Firma Bitter [8-6] speichern, siehe Abbildung 8-14 rechts.
8.4 Energietechnik
219
Abbildung 8-13: Schema der kombinierten Strom- und Wasserstofferzeugung. Quelle: Fronius [8-32]
Abbildung 8-14: PEMFC und Logistikzug. Quelle: Fronius [8-32]
Das deutsche Unternehmen CFC Solutions [8-11] hat ebenfalls zahlreiche europäische Feldversuchsprojekte in Zusammenarbeit mit Energieanbietern wie beispielsweise der RWE, Vattenfall, EnBW oder E.ON durchgeführt. Der Konzern setzt auf die MCFC Technologie und nennt sein Produkt HotModule, siehe Abbildung 8-15. Es arbeitet bei 650 °C und kann mit Erdgas, Biogas, Klärgas u. a. betrieben werden. Es liefert eine Leistung ab 245 kWel und ca. 180 kWth. Der elektrische Systemwirkungsgrad beträgt ca. 50 %, der Gesamtwirkungsgrad der Anlage mit KWK kann bis 90 % betragen. Betriebsdauern von etwa 30000 h konnten erfolgreich realisiert werden. In Chico, Kalifornien, wurde im Jahr 2005 von der Sierra Nevada Brewery ein Brennstoffzellenkraftwerk mit 1 MW elektrischer Leistung in Betrieb genommen, siehe
220
8 Anwendung
Abbildung 8-16 [8-70]. Die Energiewandlung erfolgt in vier MCFCs der Firma FuelCell Energy [8-33], die jeweils 250 kW bereitstellen. Die Zellen werden mit Methan und Abgas des Brauprozesses betrieben. Die Abwärme der MCFC kann beim Bierbrauen verwendet werden und erhöht somit den Gesamtwirkungsgrad der Anlage. Der elektrische Wirkungsgrad beläuft sich auf ungefähr 50 %, inklusive Kraft-Wärme-Kopplung kann dieser auf ca. 75 % angehoben werden.
Abbildung 8-15: HotModule (MCFC). Quelle: CFC Solutions GmbH [8-11]
Abbildung 8-16: Brennstoffzellenkraftwerk in Kalifornien. Quelle: The Pacific Region CHP Application Center [8-70]
8.5 Verkehrstechnik
221
In Japan wird seit Jahren mit hohem finanziellem Einsatz an der Brennstoffzellentechnologie gearbeitet. Bereits im Jahre 1991 ging in Tokyo das größte BrennstoffzellenBlockheizkraftwerk (BHKW) der Welt mit einer elektrischen Leistung von 11 MW in Betrieb. Das Kraftwerk hat mit PAFC bis zu seiner Stilllegung im Jahr 1997 Strom und Wärme erzeugt. Betrieben wurde die Anlage von der Tokyo Electric Power Company (TEPCO) [8-69].
8.5
Verkehrstechnik
In der Verkehrstechnik bietet der Einsatz von Wasserstoff als einziger kohlenstofffreier Kraftstoff die Möglichkeit, lokal die Emission von Kohlendioxid und Ruß zu eliminieren. Die Europäische Union fördert und koordiniert die Verbreitung und Anwendung von Wasserstoff, als alternativen Treibstoff, im Rahmen mehrerer Projekte [8-21, 8-22, 8-23, 8-24, 8-25, 8-26]. Wasserstoff wird in der Raumfahrt als Raketentreibstoff verwendet und als Kraftstoff für Verbrennungskraftmaschinen und Brennstoffzellen zum Antrieb aller Arten von Fahrzeugen zu Lande, zu Wasser und in der Luft, siehe auch [8-37, 8-42, 8-43].
8.5.1 Wasserstoff in der Raumfahrt Der Antrieb von Raketen erfolgt mit flüssigem Wasserstoff (LH2) und flüssigem Sauerstoff (LOX). Wasserstoff fungiert als Brennstoff, Sauerstoff als Oxidator. Beide Komponenten werden in getrennten Behältern tiefkalt flüssig gelagert, Sauerstofftank eines Space Shuttle siehe Abbildung 8-17. Während der Verbrennung werden die Kraftstoffe durch Hochleistungs-Turbopumpen mit 20 bar bis 30 bar Druck in die Brennkammer gepresst. Bei der Verbrennung entstehen Drücke von 200 bar bis 300 bar. Über eine Lavaldüse erfolgt der Antrieb der Rakete durch den mit Überschallgeschwindigkeit austretenden Wasserdampf. Trotz aufwändiger Lagerung der tiefkalten Flüssigkeiten und komplexer Technik wird dieses Antriebssystem in der Raumfahrt schon seit den 1950er Jahren verwendet, siehe Antriebschema und Start einer Ariane Rakete in Abbildung 8-18.
Abbildung 8-17: Externer LH2-LOX-Tank eines Spaceshuttles. Quelle: NASA [8-56]
222
8 Anwendung
Abbildung 8-18: LH2 Raketenantrieb in der Ariane Rakete. Quelle: Arianespace [8-3]
8.5.2 Wasserstoff in der Luftfahrt Das deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) [8-16] präsentierte im Oktober 2005 das Prototypflugzeug HyFish. Das 1,2 m lange und 6 kg schwere Flugzeug ist mit einer 1 kW PEM-Brennstoffzelle ausgestattet. Der erste Flug des Prototyps konnte laut Pressemitteilung des DLR erfolgreich durchgeführt werden.
Abbildung 8-19: HyFish. Quelle: DLR [8-16]
8.5 Verkehrstechnik
223
Im Rahmen des Projekts Cryoplane, an dem eine Reihe europäischer Unternehmen beteiligt waren, wurde die Realisierbarkeit von Flugzeugen mit flüssigem Wasserstoff als Kraftstoff untersucht. Wasserstoff ist für die Luftfahrt von Interesse, weil er kein Kohlendioxid erzeugt und eine massebezogen 2,8-fache Energiedichte im Vergleich zu Kerosin aufweist. Jedoch nimmt er das 4-fache Volumen bei der Speicherung ein, was neue Flugzeugkonzepte verlangt. Beispielsweise wurde der Treibstoffspeicher oberhalb der Passagierkabine angedacht, siehe Abbildung 8-20. Eine Realisierung von Flugzeugen mit Wasserstoffantrieb ist technisch möglich, die Umsetzung bedarf aber einer entsprechenden Vorlaufzeit und ist mit hohen Kosten verbunden [8-13]. Abbildung 8-20: Cryoplane [8-13]
8.5.3 Wasserstoff zu Wasser Derzeit befinden sich vier Unterseeboote mit Brennstoffzellen im Dienst der deutschen Marine, siehe Abbildung 8-21 und Abbildung 8-22 [8-15]. Die Klasse 212A verfügt in ihren Einheiten U31, U32, U33 und U34 neben den Dieselgeneratoren über eine PEMBrennstoffzellenanlage. Die Zellen werden aus Metallhydridspeichern mit Wasserstoff versorgt. Der Propulsionsmotor bezieht den benötigten Strom aus den im Boot integrierten Akkumulatoren. In Überwasser- sowie in Schnorchelfahrt wird das Dieselaggregat genutzt, um die Akkumulatoren zu laden. Im tiefgetauchten Zustand lädt das Brennstoffzellensystem die Akkumulatoren, vorzugsweise bei niedrigen Geschwindigkeiten. Im April des Jahres 2006 stellte die U32 einen Rekord auf. Ihm gelang die längste Tauchfahrt, die ein nichtnuklear angetriebenes Unterseeboot je unternommen hat. Allgemeine Bootsdaten U212: Länge ü. a.: Höhe über Zentraleaufbau: Durchmesser: Verdrängung: Besatzung: Druckkörper:
ca. 56 m ca. 11,5 m max. ca. 7 m ca. 1450 t 27 Mann amagnetischer Stahl
224
8 Anwendung
Abbildung 8-21: U212. Quelle: HDW [8-15]
Abbildung 8-22: Innenleben U212. Quelle: HDW [8-15]
Nach einem Elektromietboot mit einer 800 W PEM-Brennstoffzelle im Jahre 2005 rüstete die Zebotec GmbH [8-73] 2006 das Forschungsschiff Solgenia für die Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung in Konstanz aus, siehe Abbildung 8-23. Das Schiff verfügt über eine Photovoltaikanlage zur Stromerzeugung mit 700 Wpeak, über drei Brenn-
8.5 Verkehrstechnik
225
stoffzellen mit je 1,2 kW, einen Wasserstofftank mit 70 l bei 350 bar und einen 8 kW Elektromotor. Bei der INTERBOOT 2007 in Friedrichshafen stellten die Zebotec GmbH und die Brunnert-Grimm AG [8-8] das Sportboot COBALT 233 ZET vor, siehe Abbildung 8-24. Das Zero-Emission-Sportboot verfügt über ein 50 kW Brennstoffzellensysstem mit einer Batterie zur Abdeckung von Leistungsspitzen und über drei Wasserstoffdrucktanks mit 350 bar. Die Höchstgeschwindigkeit in Gleitfahrt wird mit 40 km/h angegeben.
Abbildung 8-23: Forschungsschiff Solgenia. Quelle: Zebotec [8-73]
Abbildung 8-24: Zero-Emission-Sportboot. Quelle: Zebotec [8-73]
226
8 Anwendung
8.5.4 Wasserstoff zu Lande Vor allem aus Umweltgründen findet Wasserstoff als Treibstoff zunehmend Interesse, wobei einerseits bewährte Technologie in Form von Verbrennungsmotoren eingesetzt wird, andererseits der rein elektrische Antrieb über Brennstoffzellen und Elektromotoren. Die zweite Variante birgt Vorteile hinsichtlich des Wirkungsgrades, vgl. Abschnitt Brennstoffzelle, hat aber noch technische und wirtschaftliche Herausforderungen zu meistern. Auch Hybridlösungen mit Verbrennungskraftmaschinen, Brennstoffzellen und Batterien befinden sich in Erprobung. In großen Pilotprojekten befinden sich unterschiedliche Arten von Wasserstofffahrzeugen im Probeeinsatz, so etwa in der Clean Energy Partnership in Berlin, siehe Abbildung 8-25, oder im öffentlichen Verkehr in Hamburg [8-21]. Auf die automobile Anwendung von Wasserstoff in Verbrennungskraftmaschinen und Brennstoffzellen wird in weiterer Folge noch näher eingegangen.
Abbildung 8-25: Wasserstofffahrzeuge mit Brennstoffzelle und Verbrennungsmotor im praktischen Einsatz in Berlin. Quelle: CEP [8-10]
In Spezialfahrzeugen wie Gabelstaplern oder Förderfahrzeugen in Gebäuden kommen die Vorteile der lokalen Emissionsfreiheit besonders zum Tragen. Im Jahr 2003 stellte die Proton Motor Fuel Cell GmbH [8-59] einen Gabelstapler mit Brennstoffzellenantrieb (PEMFC) vor, siehe Abbildung 8-26. Das Projekt wurde in Kooperation mit der Still GmbH und der Linde Gas GmbH durchgeführt. Der Stapler verrichtete bis zum Projektende 2006 seinen Dienst am Münchner Flughafen, wo er die bestehende Wasserstoffinfrastruktur nutzen konnte [8-47]. Das System ist für einen Betrieb über acht Stunden ausgelegt und ersetzt die herkömmliche Traktionsbatterie durch ein
8.5 Verkehrstechnik
227
Brennstoffzellenaggregat mit einer Nennleistung von 18 kW. Dadurch entfällt das langwierige Aufladen der Batterien, die Betankung mit Wasserstoff erfolgt in wenigen Minuten.
Abbildung 8-26: Brennstoffzellen-Gabelstapler. Quelle: Proton Motor [8-59]
In dem geförderten österreichischen Leitprojekt PEMFC Kleintraktion [8-27] unter Leitung von ECHEM [8-17] werden Anwendungen aus der Kleintraktion im Leistungsbereich von 1 kW bis 3 kWel mit einem PEMFC-Energiebereitstellungssystem aufgebaut. Das erste Fahrzeug „HyCart“ wurde im September 2007 in Betrieb genommen, siehe Abbildung 8-27.
Abbildung 8-27: PEMFC HyCart und Druckspeicher. Quelle: ECHEM und Bitter [8-17, 8-6]
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8 Anwendung
Ein Fahrzeug der Firma Graf Carello [8-36] wurde mit einer PEM-Brennstoffzelle mit einer Nennleistung von 1 kW ausgerüstet, mit zwei 12 V Bleiakkumulatoren mit einer Kapazität von 70 Ah und einem 350 bar Druckwasserstofftankmodul. Bei Testfahrten konnten die Vorteile dieses Systems aufgezeigt werden. So wird die Reichweite gegenüber der rein elektrischen Version um das drei- bis vierfache erhöht (von 50 km auf bis zu 200 km) und die Betankung des Wasserstoffspeichers erfolgt in wenigen Minuten – im Vergleich zu einer Ladezeit von 3 bis 6 Stunden der Bleiakkumulatoren. Der Drucktank mit einer Kapazität von knapp 1 kg Wasserstoff ist eine Kartuschen-Wechsellösung der Firma Bitter GmbH [8-6]. Optional können statt des Drucktanks Metallhydridspeicher eingesetzt werden.
8.5.5 Automotive Anwendungen mit Brennstoffzellen Alle großen Fahrzeughersteller betreiben Versuchsfahrzeuge mit Wasserstoff in Brennstoffzellen oder Verbrennungskraftmaschinen, viele haben eine baldige Markteinführung angekündigt. Nach einem historischen Überblick werden im Folgenden beispielhaft automotive Anwendungen mit Brennstoffzellen besprochen, siehe auch [8-37].
1966 GM Electrovan
1970 Prof. Kordesch
1989 FZ Karlsruhe
1994 NECAR 1
8.5 Verkehrstechnik
1998 Opel Zafira
229
2000 NECAR 5
2007 Chevrolet Equinox
Derzeit befinden sich folgende Fahrzeuge mit Brennstoffzellen in einem marktnahen Entwicklungsstadium: Citaro Stadtbus [8-14] Seit 2003 fahren 30 Mercedes-Benz Citaro-Stadtbusse mit Brennstoffzellen-Antrieb im Rahmen des von der EU geförderten CUTE-Brennstoffzellen-Busprojekts [8-21] auf Europas Straßen, drei weitere sind in Australien im täglichen Linieneinsatz unterwegs. Ende 2001 wurde das CUTE-Projekt („Clean Urban Transport for Europe“) gestartet. Das Brennstoffzellensystem und die Druckgasflaschen sind auf dem Dach des Fahrzeugs untergebracht. Hier wird aus dem Wasserstoff Strom gewonnen, der den 200 kW starken Elektromotor beliefert. Im Bus haben 70 Passagiere Platz, und er hat eine Reichweite von rund 200 Kilometern. Die Spitzengeschwindigkeit beträgt 80 km/h [8-14]. Drei weitere Brennstoffzellenbusse sind im Rahmen des ebenfalls von der EU geförderten Projekts ECTOS („Ecological City Transport System“) in Reykjavik unterwegs [8-46].
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8 Anwendung
Abbildung 8-28: Brennstoffzellenbusse (Citaro) im CUTE Projekt. Quelle: Daimler [8-14]
Mercedes F-Cell [8-14] Auch PKW-Antriebe werden von Daimler entwickelt, so die erste Fahrzeugflotte mit der A-Klasse „F-Cell“, die mit 60 Automobilen den Feldtest auf internationalen Strassen bewältigt. Abbildung 8-29: Mercedes Benz B-Klasse „F-Cell“. Quelle: Daimler [8-14]
8.5 Verkehrstechnik
231
Im Jahr 2005 wurde deren Folgegeneration, die B-Klasse „F-Cell“, präsentiert, siehe Abbildung 8-29. Die Fahrzeuge sind mit PEMFC-Aggregaten ausgestatten, besitzen einen 100 kW starken Elektromotor und erreichen mittels der neuen 700 bar Druckspeicher eine Reichweite von ca. 400 km. Laut Presseberichten des Unternehmens sollen die F-Cells zwischen 2012 und 2015 ihre Marktreife erlangen. Honda FCX [8-40] Honda leistet ebenfalls intensive Forschungs- und Entwicklungsarbeit im Bereich der Brennstoffzellenantriebe für Automobile. Der erste Honda FCX ist bereits als zweitüriger Kleinwagen für eine Testflotte realisiert worden. Die neue Generation des FCX soll im Jahr 2008 erhältlich sein und zunächst als Kleinserie in Hände von Leasingkunden in den USA und Japan übergeben werden. Das neue Konzept ist als 95 kW starker Allradantrieb ausgeführt, der eine Spitzengeschwindigkeit von 160 km/h und eine Reichweite von ca. 550 km ermöglicht. Ein Großserieneinsatz ist für das Jahr 2020 angedacht. Für die unzureichende Wasserstoffinfrastruktur bietet Honda auch eine so genannte „Home Energy Station“ an, die es ermöglicht mittels Erdgasanschluss Wasserstoff zu Hause zu erzeugen.
Abbildung 8-30: Derzeitiger und zukünftiger Honda FCX. Quelle: Honda [8-40]
8.5.6 Automotive Anwendungen mit Verbrennungsmotor Die Verwendung von Wasserstoff in Verbrennungsmotoren erlaubt den Einsatz einer relativ einfachen und vielfach bewährten Technologie, ermöglicht die Nutzung der bestehenden Produktionseinrichtungen der Automobilindustrie sowie die gewohnte Applikation im Fahrzeug und niedrigste Emissionen. Durch die Verbrennung mit Luft können jedoch Stickoxide entstehen, die durch eine entsprechende Abgasnachbehandlung oder Verbrennungsführung minimiert werden müssen, siehe Abschnitt Verbrennungsmotor. Nach einem historischen Überblick werden im Folgenden beispielhaft automotive Anwendungen mit Verbrennungsmotor besprochen, siehe auch [8-37].
232
8 Anwendung
1860 Lenoire 1807 Rivaz
1933 Hydro
1977 Musashi
1979 Riga Autobus Fabrik
1980–2003 BMW
2006 Ford
2007 BMW Hydrogen 7
8.5 Verkehrstechnik
233
Einige Fahrzeughersteller haben Wasserstoff-Verbennungsmotoren in Prototypen realisiert oder eine Kleinserie dargestellt: BMW Hydrogen 7 [8-7, 8-19] BMW beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Einsatz von Wasserstoff in Verbrennungsmotoren. Im Mai 2000 anlässlich der Weltausstellung EXPO 2000 präsentierte BMW eine Wasserstoff-Flotte von 15 BMW 750hL-Fahrzeugen mit Flüssig-Wasserstofftank und einer Brennstoffzellen APU, siehe Abbildung 8-31.
Abbildung 8-31: Fahrzeug der Wasserstoff-Flotte EXPO 2000 mit Brennstoffzellen-APU. Quelle: BMW [8-7]
Der 2007 präsentierte BMW Hydrogen 7 ist der erste PKW mit Wasserstoffantrieb, der in einem Serienentwicklungs- und Freigabeprozess dargestellt wurde, siehe Abbildung 8-32. Der BMW Hydrogen 7 zeichnet sich durch ein bivalentes Motorkonzept für Wasserstoff und Benzin aus. Dies ermöglicht den übergangslosen Umstieg von Wasserstoffantrieb auf Benzinantrieb, der automatisch während der Fahrt durchgeführt werden kann.
Abbildung 8-32: BMW Hydrogen 7. Quelle: BMW [8-7]
Das Tanksystem für den tiefkalt flüssigen Wasserstoff ist im Kofferraum hinter den Rücksitzen des Fahrzeugs positioniert, siehe Abbildung 8-33. Wie im Abschnitt Speicherung erwähnt, wird der Tank in Graz von MAGNA STEYR gefertigt und am HyCentA getestet. Ein Schema des Gemischbildungssystems zeigt Abbildung 8-34. Pro Zylinder ist ein Einblaseventil für Wasserstoff vorhanden, das von der österreichischen Firma Hörbiger gebaut wird [8-67].
234
8 Anwendung
Abbildung 8-33: LH2-Tank des BMW Hydrogen 7. Quelle: BMW [8-7]
Abbildung 8-34: Treibstoffzufuhr und Gemischbildung beim Verbrennungsmotor des BMW Hydrogen 7. Quelle: BMW [8-7]
Die technischen Daten des Fahrzeugs: Hersteller Modell Hubraum Betrieb Leistung mit Wasserstoff Leistung mit Benzin Verbrauch Wasserstoff Reichweite mit Wasserstoff Tankvolumen Wasserstoff Verbrauch Benzin Reichweite Benzin
BMW 760h 5972 ccm bivalent (Benzin und Wasserstoff) 191 kW (260 PS) 191 kW (260 PS) 4 kg/100km 200 km 8 kg flüssig 14,8 l/100km 500 km
8.5 Verkehrstechnik Tankgröße Benzin Sprint 0-100km/h mit H2 Sprint 0-100km/h mit Benzin Max. Geschwindigkeit H2 Max. Geschwindigkeit Benzin
235 74 l 9,5 s 9,5 s 230 km/h 230 km/h
Durch elektronische Motorregelung wird im Benzinbetrieb die Leistung gleich wie bei Wasserstoffbetrieb dargestellt, um ein ruckfreies Umschalten zwischen den beiden Betriebszuständen zu ermöglichen. Die Emissionen in verschiedenen Fahrzyklen sind gering, sie liegen unter 2 % der EURO 4 und der US SULEV Grenzwerte außer bei den Stickoxiden, wo im US Prüfzyklus etwa 30 % des Grenzwertes erreicht werden, siehe Abbildung 8-35. Durch Optimierung auf monovalenten Betrieb ist eine weitere Absenkung der Stickoxide möglich, vgl. Abschnitt Verbrennungsmotor.
Abbildung 8-35: Emissionen im Fahrzyklus (BMW Hydrogen 7) [8-62]
MAN Wasserstoff-Stadtbus [8-53] Von der Firma MAN werden bereits seit 1996 Busse mit Wasserstoff-Verbrennungskraftmaschinen betrieben. Nachdem mit Bussen mit äußerer Gemischbildung eine Betriebserfahrung von über 500000 km gesammelt werden konnte, sind die neuesten WasserstoffVerbrennungsmotoren mit innerer Gemischbildung konzipiert. Seit 2000 betreibt MAN auch Brennstoffzellen-Busse. Die Technologie des aktuellen MAN Stadtbusses beruht auf dem viele Jahrzehnte erfolgreich eingesetzten Verbrennungsmotor. Der 12 m lange MAN CityBus mit 50 Plätzen, siehe Abbildung 8-36, wird von einem 6-Zyinder-Reihenmotor mit 12,8 Liter Hubraum angetrieben, der auf Wasserstoffbetrieb umgerüstet ist. Der Motor mit äußerer Gemisch-
236
8 Anwendung
bildung leistet 150 kW (245 PS), Ansicht siehe Abbildung 8-37, Schnitt siehe Abschnitt Verbrennungsmotor. In einer aufgeladenen Version mit innerer Gemischbildung leistet der Motor 200 kW bei einem besten Wirkungsgrad von 42 % [7-32]. Der Wasserstoff wird in acht Drucktanks am Dach des Busses bei einem Druck von 350 bar gespeichert und erlaubt eine Reichweite von ca. 200 km im Stadtbetrieb. Abbildung 8-36: Wasserstoffbus mit Verbrennungsmotor. Quelle: MAN [8-53]
Abbildung 8-37: WasserstoffVerbrennungsmotor. Quelle: MAN [8-53]
Durch die Nutzung von Wasserstoff (H2) als Kraftstoff werden keine kohlenstoffhältigen Verbindungen emittiert, der Bus hat somit praktisch keine Emissionen an Kohlenmonoxid, Kohlendioxid, Kohlenwasserstoffen und Partikel, siehe den Vergleich mit EURO 4 und EURO 5 Grenzwerten in Abbildung 8-38. Die Emission an Stickoxiden wird durch eine geeignete Verbrennungsführung gering gehalten. Damit weist der Wasserstoffmotor klare Emissionsvorteile gegenüber herkömmlichen Fahrzeugen auf. Im Rahmen des EU Projekts HyFleet-CUTE befinden sich 8 MAN Wasserstoffbusse in Hamburg im Probebetrieb [8-53].
8.5 Verkehrstechnik
237
1) 2)
ESC 13–Stufen–Test für Dieselmotoren (einschl. Dieselmotoren mit Oxidationskat.) ESC 13–Stufen–Test
Emissionen [g/kWh]
4
3
3.5
Euro 41) (ab 2006) Euro 52) (ab 2009) Wasserstoff
2
2 1.5
1.5
1 0.46 0.46 0.04
0.2
0
0.02 0.02 –20
240–500
0,8
Erdgas
4,5
13,5
> –188
600
0,3
Kohlenmonoxid
12,5
75
–191
605
> 0,3
5
15
–188
595
0,3
Petroleum (l)
0,7
5
55
280
0,25
Propan (l)
2,1
9,5
–104
470
0,25
4
75,6
–270,8
585
0,017
Methan
Wasserstoff
Zur Charakterisierung von brennbaren Stoffen werden die folgenden Temperaturen verwendet, welche in der Norm ISO 9038: „Prüfung der Weiterbrennbarkeit von Flüssigkeiten“ definiert sind: Der „Flammpunkt“ einer brennbaren Flüssigkeit ist die niedrigste Flüssigkeitstemperatur, bei der sich unter festgelegten Bedingungen Dämpfe in solcher Menge entwickeln, dass über dem Flüssigkeitsspiegel ein durch Fremdentzündung entzündbares Dampf/LuftGemisch entsteht. Wird die Zündquelle entfernt, erlöschen die Flammen. Die „Zündtemperatur“ ist die niedrigste Temperatur, bei der eine selbständige Entzündung des Kraftstoffs in einem offenen Gefäß erfolgt. Grundsätzlich darf Wasserstoff nur für Zwecke benutzt werden, die mit keinem anderen Gas erreicht werden können. Zunächst ist danach zu trachten, dass die Bildung zündfähiger Gemische verhindert wird. Dazu sind Behälter und Rohrleitungen technisch dicht auszuführen und aus geeigneten Werkstoffen herzustellen. Bei Rohrverbindungen und Anschlüssen sind möglichst unlösbare Verbindungen durch Schweißen oder Hartlöten vorzusehen, bei lösbaren Verbindungen sind Klemmringverschraubungen gegenüber Schneidringverschraubungen zu bevorzugen. Wasserstoff ist nicht korrosiv, so dass alle metallischen Werkstoffe und Kunststoffe genutzt werden können, solange keine tiefkalten Temperaturen zur Anwendung gelangen. Infolge der hohen Diffusivität von Wasserstoff ist jedoch insbesondere bei Belastungen auf die Möglichkeit der Versprödung von metallischen Werkstoffen zu achten. Gusswerkstoffe sind wegen ihrer Porosität nicht für Wasserstoff geeignet. Tiefe Temperaturen, wie sie bei der Verwendung von flüssigem Wasserstoff auftreten, verursa-
258
Normen, Recht und Sicherheit
chen eine Versprödung, so dass Kunststoffe und Baustähle für diesen Anwendungsfall nicht eingesetzt werden können. Verwendet werden stattdessen austenitische Edelstähle. Außer im binären System Luft – Wasserstoff wird Wasserstoff auch in zahlreichen weiteren Gemischen mit anderen Gasen genutzt, etwa mit CO im Synthesegas. Dabei sind die sicherheitsrelevanten Kenngrößen wie Zündgrenzen, Zündenergie, laminare Flammengeschwindigkeit usw. für die jeweiligen Bedingungen zu berücksichtigen. Vielfach werden in der Praxis auch Gemische aus Brenngas, Oxidator und Inertgas verwendet. Daher sind neben den Explosionsgrenzen in binären Systemen mit Luft auch die Explosionsgrenzen in Mehrkomponentengemischen zu beachten. In grafischen Darstellungen von Dreikomponentengemischen stellen die Explosionsgrenzen die Grenzlinien dar, die den Bereich der explosionsfähigen Gemische vom Bereich der nicht explosionsfähigen Gemische trennt. Als Beispiel zeigt Abbildung 9-2 den Explosionsbereich für Wasserstoff im Gemisch mit Luft und Stickstoff.
Abbildung 9-2: Explosionsbereich im System H2/N2/Luft bei atmosphärischen Bedingungen. Quelle: Steen [9-45]
Falls die Bildung zündfähiger Gemische nicht ausgeschlossen werden kann, sind in solchen Bereichen Zündquellen zu vermeiden (wie z. B. offenes Feuer oder Licht, mechanisch, elektrisch oder elektrostatisch erzeugte Funken). Als potenzielle Zündquelle können auch die Reibungswärme beim Betätigen eines Ventils, im Stoffstrom mitgerissene Teilchen oder die Erwärmung eines Gases bei einem Druckstoß wirken. Elektrische Geräte müssen gemäß der Explosionsschutzverordnung ausgeführt sein („ex-geschützt“). Können Zündquellen nicht ausgeschlossen werden, sind Maßnahmen zur Begrenzung möglicher Schäden im Brandfall zu treffen, wie manuelle Notabschalteinrichtungen, bei
9.3 Sicherheit im Umgang mit Wasserstoff
259
deren Betätigung die Wasserstoffzufuhr unterbrochen wird und alle elektrischen Verbraucher ausgeschaltet werden, oder Explosionsdruckentlastungen, die den Aufbau von Druckwellen verhindern. Die Unterbindung einer Ausbreitung von Flammen in Rohren kann mittels statischer Flammendurchschlagsicherungen realisiert werden [9-23, 9-45]. Diese bringen die Verbrennungsreaktion in engen Spalten oder Kanälen durch Wärmeentzug zum Verlöschen. Die einfachsten Flammensperren sind Gewebe aus Stahldrähten. Die Flammensperre wird durch Aufwickeln von jeweils einem glatten und einem gewellten Metallband gefertigt. Die charakteristische Spaltweite (Wellentiefe) der Filterscheibe ist gut reproduzierbar und kann gut abgestimmt werden, ein Beispiel zeigt Abbildung 9-3.
Abbildung 9-3: Flammensperre aus Bandwickeln mit Umfassungskäfig. Quelle: Steen [9-45]
Sollte Wasserstoff in Brand geraten, ist der Brand durch Absperren der Wasserstoffzufuhr zu löschen. Der Einsatz eines Löschmittels, speziell Wasser, ist wegen der Explosionsgefahr nicht zulässig. Für den Menschen sind Wasserstoffflammen am Tag fast nicht erkennbar, weil sie im ultravioletten Bereich leuchten. Aufgrund des Fehlens von Kohlenstoffverbindungen ist die Wärmestrahlung nur sehr gering, bei der Verbrennung entstehen kein CO2 und kein Ruß. Die Flammen haben eine hohe Verbrennungstemperatur und eine hohe Verbrennungsgeschwindigkeit. Wasserstoff/Luft-Gemische an der unteren Zündgrenze besitzen eine ähnliche Dichte wie Luft, sodass sich das Gemisch auch kurzfristig seitwärts bewegen kann. Wasserstoffflammen breiten sich sehr schnell aus, das Gas steigt auf und das Feuer verpufft rasch. Umliegende gefährdete Objekte wie Druckgasflaschen sollten mit Wasser gekühlt werden. Im Folgenden werden beispielhaft die wichtigsten Sicherheitsfragen für einige Anwendungen besprochen, zur Vertiefung sei auf die Literatur verwiesen [9-28, 9-33, 9-32, 9-45].
260
9.4
Normen, Recht und Sicherheit
Sicherheit von Behältern und Leitungen
Für die Speicherung und den Transport von Wasserstoff werden stationäre und mobile Druckbehälter oder Kryobehälter eingesetzt. Ergänzend zu den Ausführungen im Abschnitt Speicherung und Transport wird hier speziell auf sicherheitsrelevante Aspekte eingegangen. Bei allen Behältern und Leitungen ist sicherzustellen, dass sie aus einem für die entsprechende Wasserstoffanwendung geeigneten Material bestehen. Vor der Inbetriebnahme oder Befüllung müssen Luft und Sauerstoff durch Evakuieren oder Spülen vollständig aus dem System entfernt werden. Üblich ist die Druckwechselspülung mit Stickstoff, bei der ein Behälter mehrmals mit Stickstoff unter Druck gefüllt und wieder entleert wird. Bei kryogenen Anwendung ist eine Spülung nur mit Helium sinnvoll, das als einziges Gas einen tieferen Gefrierpunkt als Wasserstoff aufweist. Stickstoff würde gefrieren und im festen Zustand Leitungen und Ventile verlegen oder beschädigen.
9.4.1 Werkstoffe Wasserstoff beeinflusst die Eigenschaften von Werkstoffen, was je nach Anwendung bei der Auswahl des richtigen Werkstoffs zu berücksichtigen ist. Wasserstoffdiffusion Kommt Wasserstoff mit Werkstoffen in Kontakt, so kann er in das Materialinnere eindringen und dort die Werkstoffeigenschaften wesentlich verändern. Der molekulare Wasserstoff dissoziiert an der Materialoberfläche und dringt in atomarer Form in das Werkstoffgefüge ein. Einerseits kann der Wasserstoff so durch das Material hindurch diffundieren, andererseits führt er im Material selbst zu Verzerrungen, die lokale Spannungen und eine Materialversprödung verursachen [9-43]. Wasserstoffversprödung Einschlüsse und Fehlstellen im Gefüge führen besonders bei metallischen Werkstoffen aufgrund von Kerbwirkung zu lokalen Spannungsüberhöhungen, wodurch bereits Belastungen, die noch unter der Festigkeitsgrenze des Materials liegen, zum Bauteilversagen führen können. Denselben Effekt bewirkt atomarer Wasserstoff, der das Gefüge lokal verzerrt. An Leerstellen und Versetzungen sowie an Korngrenzen kann sich überdies atomarer Wasserstoff wieder zu molekularem Wasserstoff zusammensetzen. Aufgrund der großen Volumenzunahme bei dieser Wiedervereinigung können im Gefüge lokal hohe Drücke entstehen, die zu Materialschädigungen führen [9-25, 9-31]. Wasserstoff beeinflusst Streckgrenze, Zugfestigkeit, Brucheinschnürung, Bruchzähigkeit und Dauerhaltbarkeit von Stählen [9-42]. Für das Ausmaß der Wasserstoffversprödung sind mehrere Faktoren von Bedeutung, wie z. B. Werkstoffeigenschaften, äußere Spannungen, Partialdruck des umgebenden Wasserstoffs und Temperatur. Bei kryogenen Anwendungen verstärkt die Tieftemperaturversprödung den Effekt. Anfällig für Wasserstoffversprödung sind harte hochfeste Stähle, nicht anfällig sind weiche kohlenstoffarme Stähle, austenitische Stähle, bestimmte Legierungen etwa mit Aluminium sowie eine Reihe von Kunststoffen.
9.4 Sicherheit von Behältern und Leitungen
261
Schmierfähigkeit Wasserstoff hat verglichen mit anderen Gasen eine sehr geringe Schmierfähigkeit. Daher müssen für Bauteile, die relativ zueinander in Bewegung stehen, geeigneten Werkstoffe verwendet werden. Untersuchungen von Injektoren für Wasserstoff in Verbrennungskraftmaschinen haben gezeigt, dass Injektoren aus Stählen, wie sie z. B. für Erdgas verwendet werden, in Wasserstoffumgebung nur eine sehr geringe Lebensdauer aufweisen [9-26, 9-47]. Stähle Die Eignung von Stählen für Wasserstoffanwendungen hängt von der Gefügestruktur und den Legierungselementen ab.
Ferritische Stähle: Als Ferrite werden Fe-C-Mischkristalle im Metallgefüge bezeichnet, die ein kubisch raumzentriertes Kristallgitter aufweisen. Dabei kann zwischen niedriglegierten Stählen sowie hochlegierten Edelstählen unterschieden werden. Niedriglegierte ferritische Stähle mit CrMo und NiCrMo werden aufgrund der günstigen Kombination aus Festigkeit und Zähigkeit im Druckbehälterbau verwendet. Unter Wasserstoffumgebungen ist eine Absenkung der Festigkeit, der Duktilität (Verformbarkeit) und der Bruchzähigkeit festzustellen, die von der Streckgrenze, dem Wasserstoffdruck, der Temperatur und der Zusammensetzung des Materials abhängt. Werden diese Eigenheiten entsprechend berücksichtigt, so ist ein sicherer Einsatz dieser Materialien auch in Wasserstoffumgebungen möglich [9-39, 9-40]. Hochlegierte ferritische Edelstähle werden durch einen hohen Chromanteil charakterisiert. Dadurch wird eine stabile ferritische Struktur über einen weiten Temperaturbereich sicherstellt. Aufgrund des niedrigen Kohlenstoffgehaltes haben diese Stähle eine geringe Festigkeit bei guter Duktilität [9-41].
Duplex Stähle: Weisen hochlegierte ferritische Stähle neben dem kubisch raumzentrierten Ferrit auch kubisch flächenzentrierten Austenit auf, werden sie als DuplexEdelstähle bezeichnet. Dieses Gefüge wird durch Verwendung geeigneter Legierungselemente (Austenitbildner wie z. B. Ni, Co, Mn, …, Ferritbildner wie z. B. Cr, Mo, V, Al, …) und mit spezieller Wärmebehandlung erhalten. Durch die Kombination beider Phasen wird auch eine Kombination der Eigenschaften erreicht. Duplex Edelstähle sind zäher als ferritische Stähle und fester als austenistische Stähle. Sie werden in Anwendungen eingesetzt, wo hohe Resistenz gegen Spannungsrisskorrosion, gute Schweißbarkeit und hohe Festigkeit gefordert sind.
Austenitische Stähle: Bei austentitischen Stählen, die eine kubisch flächenzentrierte Anordnung der Eisenatome aufweisen, bleiben die Werkstoffeigenschaften auch unter Wasserstoffumgebung großteils erhalten. Austenitische Edelstähle mit mindestens 18% Cr und 8% Ni sind auch für Tieftemperaturanwendungen geeignet und bleiben bis zum absoluten Nullpunkt von –273°C ausreichend zäh [9-19, 9-38, 9-44]. In Tabelle 9-4 sind austenitische Stähle aufgelistet, die für Wasserstoffanwendungen geeignet sind. Die Stähle mit niedrigem Kohlenstoffgehalt sind auch für Tieftemperaturanwendungen geeignet [9-44]. Neben dem Europäischen Bezeichnungssystem für Stähle (EN 10027) ist hier auch die Bezeichnung des American Iron and Steel Institute (AISI) angegeben.
262
Normen, Recht und Sicherheit Tabelle 9-4: Austenitische Stähle für Wasserstoffumgebung [9-44] AISI
Werkstoffbezeichnung nach EN10027-2
Werkstoffbezeichnung nach EN 10027-1
303
1.4305
X 8CrNiS18-9
304
1.4301
X5CrNi18-10
304L
1.4306 1.4307 1.4307
X2CrNi19-11 X2CrNi18-9 X2CrNi18-9
308
1.4303
X4CrNi18-12
316
1.4401 1.4436
X5CrNiMo17-12-2 X3CrNiMo17-13-3
316Ti
1.4571
X6CrNiMoTi17-12-2
316L
1.4404 1.4435
X2CrNiMo17-12-2 X2CrNiMo18-14-3
321
1.4541
X6CrNiTi18-10
347
1.4550
–
–
1.4876
X10NiCrAlTi32-20
–
1.4922
X20CrMoV12-1
Findet ausgehend von der austenitischen Phase eine sehr schnelle Abkühlung unter die Martensitstarttemperatur MS statt, so entsteht Martensit. Martensit ist ein Gefüge mit hoher Härte und Sprödigkeit. Bei der Umwandlung klappt das kubisch flächenzentrierte Gitter des Austenits schlagartig in das kubisch raumzentrierte Gitter des Martensits um. Instabile austenititsche Stähle des Typus AISI 304 und AISI 304L neigen bei niedrigen Temperaturen zur Umwandlung in Martensit und zeigen eine deutliche Abnahme der Duktilität und der Brucheinschnürung [9-37]. Die Martensitumwandlungstemperatur kann durch höheren Nickelgehalt gesenkt werden. Im Allgemeinen kann durch die Zugabe von Nickel eine Verbesserung der Wasserstoffeignung erreicht werden. Martensit kann in den genannten Stahlsorten auch durch Kaltumformprozesse entstehen. In diesem Fall wird von spannungsinduziertem Martensit gesprochen. Dies muss bei Fertigungsverfahren von wasserstoffführenden Bauteilen berücksichtigt werden.
Nichteisenmetalle: Die unter den Handelsnamen Inconel und Monel bekannten hochlegierten Nickellegierungen und Nickel-Kupfer-Legierungen sind sehr oxidations- und korrosionsbeständig und für Wasserstoffanwendungen geeignet. Sie weisen über einen weiten Temperaturbereich bleibende Festigkeitseigenschaften auf. Nachteilig ist ihre schlechte Bearbeitbarkeit und Schweißbarkeit. Bestimmte Legierungen mit Aluminium, Magnesium, Tantal, Niob oder Titan sind auch für kryogene Wasserstoffanwendungen einsatzfähig [9-44].
9.4 Sicherheit von Behältern und Leitungen
263
Keramiken Für Wasserstoffanwendungen geeignet sind so genannte Hochleistungskeramiken auf oxidischer, nitridischer, carbidischer oder boridischer Basis, die besondere mechanische, elektrische, thermische und chemische Eigenschaften aufweisen [9-19]. Kunststoffe Eine Reihe von Kunststoffen ist für den Einsatz in Wasserstoffumgebungen geeignet, beispielsweise für O-Ringe, Ventilsitze und Flachdichtungen. UHMWPE (Ultra High Molecular Weight Polyethylen oder Ultrahochmolukulargewichtiges Polyethylen) zeichnet sich vor allem durch eine hohe chemische Beständigkeit, eine hohe Kerbschlagzähigkeit, hohe Verschleißfestigkeit und einen geringen Gleitreibungskoeffizienten aus und ist von –200 °C bis 120 °C in Wasserstoffumgebung einsetzbar [9-19]. Tabelle 9-5: Materialwerte verschiedener Werkstoffe [9-19] Dichte [kg/m³]
Spez. Wärmekap. [J/kgK]
Wärmeleitfkt. [W/mK]
Temp.leitfkt. [106m²/s]
Ausdehnungskoeff. [10-6 K-1]
Maximale Einsatztemp. [°C]
Aluminiumoxid Al2O3 – A-960
3700
900
25
7,5
8,5
1600
Zirkonoxid ZrO2 – Z-700
6000
400
2
0,83
10,5
1200
Siliciumcarbid SiSiC – C-100
3100
950
85
28,86
4,5
1350
Siliciumnitrid Si3N4 – N-105
3200
750
35
14,58
3,2
1100
UHMWPE
930
1840
0,42
0,25
200
80
Austenitische Chrom-Nickel-Stähle: X5CrNi 18-10
7900
500
15
3,8
18
700
X2CrNi 18-9
7900
500
15
3,8
18
600
X2CrNiMo 17-12-2
7980
500
15
3,76
18
700
Aluminium Al
2700
940
204
80,38
23,8
Kupfer Cu
8930
390
384
110,26
17
70,8 [20 K]
14320 [298 K]
0,184 [293 K]
0,18 [300 K]
Wasserstoff H2
264
Normen, Recht und Sicherheit
Teflon ist der Handelsname für Polytetrafluorethylen (PTFE), es weist höchste chemische Beständigkeit auf, hat einen sehr geringen Reibungskoeffizienten, ist nicht brennbar und kann in einem Temperaturbereich von –200 °C bis zu 260 °C eingesetzt werden [9-44]. Viton ist ein Handelsname für synthetischen Gummi und wird für O-Ringe verwendet. Der Fluoranteil handelsüblicher Sorten beträgt zwischen 66 % und 70 %. Viton ist schwer entzündlich, verfügt über hohe thermische sowie chemische Beständigkeit und kann in einem Temperaturbereich von –20 °C bis 230 °C eingesetzt werden. Einen Überblick über relevante Eigenschaften: von Werkstoffen für Wasserstoffanwendungen gibt Tabelle 9-5.
9.4.2 Druckbehälter Aus sicherheitstechnischer Sicht stellen Druckbehälter ein geschlossenes Aufbewahrungssystem dar, das bei entsprechender Festigkeitsauslegung und Werkstoffwahl Wasserstoff sicher speichert. Entsprechend der Druckgeräteverordnung sind Behälter mit einem Maximaldruck zu belasten, der je nach Anwendung einem Vielfachen des maximalen Betriebsdruckes entspricht. Hierbei muß auch die Druckerhöhung bei Erwärmung des Behälters miteinbezogen werden. Des Weiteren müssen Drucktanks mit Sicherheitsventilen oder Bersteinrichtungen ausgestattet sein, welche spätestens beim Erreichen des doppelten Betriebsdrucks ansprechen und eine weitere Druckerhöhung zuverlässig verhindern. Die österreichische und die deutsche Druckgeräteverordnung [9-5, 9-9] setzt die Richtlinie 97/23/EG des Europäischen Parlaments [9-21] in Recht um. Diese Verordnung findet Anwendung auf Druckgeräte und Baugruppen mit einem maximal zulässigen Druck von über 0,5 bar hinsichtlich der Sachgebiete
Werkstoffe Konstruktion und Bemessung Herstellung Prüfung und Konformitätsbewertung Bewertung und Überwachung von Herstellerbetrieben Kennzeichnung und Dokumentation.
Druckgeräte und Baugruppen dürfen in Verkehr gebracht und in Betrieb genommen werden, wenn sie den Anforderungen dieser Verordnung entsprechen.
9.4.3 Kryobehälter Gase werden wegen der höheren Energiedichte oft in tiefkaltem Zustand gespeichert oder transportiert. Die Siedetemperatur und die Dichte bei Normaldruck für einige tiefkalte Gase zeigt Tabelle 9-6.
9.4 Sicherheit von Behältern und Leitungen
265
Tabelle 9-6: Physikalische Eigenschaften verschiedener verflüssigter Gase Gas
LNG
Sauerstoff
Argon
Stickstoff
Wasserstoff
Helium
Chemisches Symbol
CH4
O2
Ar
N2
H2
He
Siedetemperatur bei 1,013 bar [°C]
–161
–183
–186
–196
–253
–269
Flüssige Dichte bei 1,013 bar [kg/l]
0,422
1,141
1,395
0,806
0,07
0,125
Direkter Hautkontakt mit tiefkalten Flüssigkeiten führt zu Kaltverbrennungen bzw. zu Erfrierungen, Schutzkleidung und Sicherheitsschuhe mit antistatischen Sohlen sind erforderlich. Behälter für tiefkalte Flüssigkeiten sind in der Regel isolierte Gefäße, in denen sich die Flüssigkeit im Siedezustand befindet. Durch unvermeidlichen Wärmeeintrag steigt der Behälterdruck an, so dass bei Erreichen eines Grenzdrucks (meist einige bar) ein Boil-Off Ventil geöffnet werden muss um den Druck zu entspannen (offenes System), vgl. Abschnitt Speicherung. Das Sieden erfolgt besonders heftig, wenn die tiefkalte Flüssigkeit mit warmen Komponenten in Berührung kommt. Die tiefe Temperatur bewirkt, dass sich nicht isolierte Anlagenteile so weit abkühlen, dass an deren Außenseite Luft kondensiert. Da Sauerstoff bei einer höheren Temperatur als Stickstoff kondensiert, kommt es zu einer Anreicherung der flüssigen Luft mit Luftsauerstoff. Dieser flüssige Sauerstoff führt, aufgrund seiner stark oxidativen Wirkung, zu einem erhöhten Explosionsrisiko. Mischen sich tiefkalte Gase mit Luft, so können sich durch die Kondensation der Luftfeuchtigkeit Nebel bilden. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass tiefkalter gasförmiger Wasserstoff eine ähnliche Dichte wie Luft aufweist und daher nicht von einem raschen Aufsteigen wie beim Wasserstoff mit Raumtemperatur ausgegangen werden kann.
9.4.4 Fahrzeugtanks Für Fahrzeugtankanlagen gelten besondere Sicherheitsvorschriften, welche auch zerstörende Tests beinhalten. Solche Berst-, Beschuss- und Brandversuche sind vorgeschrieben, unabhängig davon, ob es sich um Druck- oder Kryotanks handelt. Die Bildreihe Abbildung 4-1 zeigt einen vergleichenden Brandtest zweier Fahrzeuge mit Wasserstoffdrucktank (links) und konventionellem Benzintank (rechts). An den Tanks beider Fahrzeuge wurde eine 1,6 mm große Öffnung angebracht und der Tank in Brand gesteckt [9-48]. Die Bilder zeigen folgenden Verlauf des Versuchs: 1.
Bei beiden Fahrzeugen erfolgt die Zündung in unmittelbarer Umgebung des Lecks.
2.
Nach 3 Sekunden entsteht am Tank des wasserstoffbetriebenen Fahrzeuges durch das mit großem Druck ausströmende Gas eine hohe Stichflamme. Beim benzinbetriebenen Fahrzeug gerät die Benzinlache unter dem Fahrzeug in Brand.
266
Normen, Recht und Sicherheit
3.
Nach 60 Sekunden hat der Druck im Wasserstofftank soweit abgenommen, dass die Flamme kleiner wird. Das Benzinfeuer breitet sich aus.
4.
Nach 90 Sekunden ist der Wasserstoff nahezu vollständig ausgeströmt, die Flamme erlischt. Die Temperatur im Inneren des wasserstoffbetriebenen Fahrzeuges geht nach einem Spitzenwert von 19,4° C wieder zurück, die Spitzentemperatur der Heckscheibe beträgt 47° C. Am benzinbetriebenen Fahrzeug entzünden sich Reifen und Kunststoffteile der Karosserie.
5.
Nach 140 Sekunden ist das Feuer am wasserstoffbetriebenen Fahrzeug vollständig erloschen, das Fahrzeug bleibt bis auf die Umgebung des Lecks unversehrt. Das Benzinfeuer hat auf den Innenraum übergegriffen.
6.
Nach 160 Sekunden steht das benzinbetriebene Fahrzeug vollständig in Flammen.
Abbildung 9-4: Brandtestreihe mit Tanks für Wasserstoff (links) und Benzin (rechts) nach 0, 3, 60, 90, 140 und 160 Sekunden. Quelle: DOE [9-48]
Der Kryotank mit flüssigem Wasserstoff wurde im BMW Hydrogen 7 erfolgreich einem umfangreichen Testprogramm unterworfen. Die Fahrzeuge bestanden alle Crashtests nach den aktuellen Normen: den Frontalcrash nach US-Spezifikation mit vorgeschriebenen 56 km/h Aufprallgeschwindigkeit, den Heckcrash mit 100 % und 40 % Überdeckung sowie den Seitencrash im verwundbarsten Bereich, dem Einfüllstutzen zum Wasserstoff-Tank. Alle Anforderungen wurden dabei einwandfrei erfüllt und es wurde der Beweis erbracht, dass der Fahrzeugbetrieb mit Wasserstoff genauso sicher ist wie mit herkömmlichen Kraftstoffen. Die im BMW Hydrogen 7 verbauten Tanks wurden auch weiteren zerstörenden Tests unterworfen. Dabei wurden gefüllte Tanksysteme, deren Sicherheitsventile absichtlich blockiert wurden, unter hohem Druck zerstört. Die für diesen Extremfall vorgesehene Sollbruchstelle im Innentank sorgte dafür, dass der gespeicherte Wasserstoff dosiert abgeblasen wurde. In weiteren Tests wurden mit flüssigem Wasserstoff gefüllte Fahrzeug-
9.5 Sicherheit von Gasfahrzeugen
267
tanks auf einem Prüfstand Brandtests unterzogen. Über eine Stunde lang wurden die Tanks dabei vollständig von fast 1000 °C heißen Flammen umschlossen. Der verdampfte Wasserstoff entwich über die Sicherheitsventile. Auch die gewaltsame Deformation der Tankanlagen durch massive Gegenstände lieferte zufrieden stellende Ergebnisse, in keinem Fall kam es zur Explosion des Tanks.
9.5
Sicherheit von Gasfahrzeugen
Wasserstoff und Gemische von Wasserstoff mit Erdgas oder Biogas zum Betrieb von Kraftfahrzeugen werden rechtlich aufgrund fehlender eigener Regelungen oft wie reines Erdgas behandelt. Die Norm EN 13423 [9-22] gibt Empfehlungen für den Betrieb von Fahrzeugen mit Erdgas und in den UNECE-Richtlinien ECE R-110, ECE R-115 [9-49] sind Regelungen für den Einbau von Biogas und Erdgassystemen in Kraftfahrzeuge zusammengefasst. Außerdem finden sich in den Richtlinien von DVGW und ÖVGW [9-15, 9-34] Regeln für die Herstellung, den Betrieb, die Reparatur und die Wartung, die Genehmigung und die Abnahme von erdgasbetriebenen Fahrzeugen, deren Grundzüge im Folgenden kurz beschrieben werden. Es sei hier aber angemerkt, dass die Richtlinie G95 der ÖVGW gerade einer umfangreichen Überarbeitung unterzogen wird, in der die ECE Regelungen eingearbeitet werden sowie auch Anforderungen für mobile Arbeitsmaschinen, die nicht der UNECE unterliegen.
9.5.1 Herstellung Als Fachbetrieb für die Herstellung erdgasbetriebener Fahrzeuge werden jene Betriebe bezeichnet, welche aufgrund eigener Sachkenntnis befähigt sind solche Fahrzeuge herzustellen. Diese Betriebe müssen die gewerberechtlichen Bestimmungen erfüllen, mindestens eine Sachkundige Person beinhalten, sowie eine entsprechende Ausrüstung des Betriebes aufweisen.
9.5.2 Kraftstoffanlage Der grundsätzliche Aufbau der Kraftstoffanlage von Gasfahrzeugen ist unabhängig vom gespeicherten Gas. Der wesentliche Unterschied liegt in den für das jeweilige Gas geeigneten Materialien für die kraftstoffberührenden Komponenten. Der zugelassene Betriebsdruck beträgt in Deutschland und Österreich 200 bar. Bei der Materialwahl sind die spezifischen Eigenschaften von Wasserstoff (Wasserstoffversprödung, geringe Schmierfähigkeit, hohes Diffusionsvermögen) zu berücksichtigen, für Leitungen und Komponenten werden austenitische Edelstähle eingesetzt. Bei der Auswahl von Injektoren ist wie erwähnt auf die geringe Schmierfähigkeit von Wasserstoff zu achten, da reine Erdgasinjektoren aufgrund der erhöhten Reibung in reinem Wasserstoff nur sehr geringe Lebensdauern aufweisen (wenige Betriebsstunden) [9-26, 9-47].
268
Normen, Recht und Sicherheit
Abbildung 9-5: Schema der Kraftstoffanlage eines Gasfahrzeuges [nach 9-15, 9-34]
Die wesentlichen Bauteile einer Kraftstoffanlage mit Hochdruckspeichern sind in Abbildung 9-5 dargestellt und im Folgenden aufgelistet:
Hochdruckspeicherzylinder mit geeigneter Befestigung am Fahrzeug Absperreinrichtungen unmittelbar am Zylinder Sicherheitsventile gegen unzulässige, temperaturbezogene Überschreitung des Tankdruckes Durchflussmengenbegrenzer an den Zylindern für den Fall eines Rohrbruches Füllvorrichtung zur Betankung des Fahrzeuges automatische Hauptabsperreinrichtung Druckregler zur Reduzierung des Druckes auf den geforderten Raildruck Einblassystem mit Gasrail und Einblasedüsen Sensorik für Drücke und Temperaturen Verbindungsleitungen Steuergerät
Die Kraftstoffanlage muss fest mit dem Fahrzeug verbunden sein und bei ordnungsgemäßem Betrieb den erwarteten Beanspruchungen sicher widerstehen und dicht bleiben. Die Funktionsfähigkeit muss in einem Temperaturbereich von –20 °C bis +70 °C gewährleistet sein. Weiters müssen die verwendeten Bauteile eine Zulassung der Bauart nach besitzen oder bei einer Prüfstelle für gastechnische Ausrüstung von Kraftfahrzeugen einer Einzelprüfung unterzogen werden. Sämtliche Befestigungen der Kraftstoffanlagenteile dürfen keine scharfen Kanten aufweisen und es müssen korrosionsvermeidende Zwischenlagen verwendet werden. Das innere des Fahrzeuges muss dort gasdicht abgekapselt
9.5 Sicherheit von Gasfahrzeugen
269
und ausreichend be- und entlüftet werden, wo Verbindungsstellen von gasführenden Teilen den Innenraum durchlaufen. Bei bivalenten Fahrzeugen darf immer nur eine Kraftstoffanlage in Betrieb sein. Die Gastanks müssen den zuvor genannten Vorschriften der Druckbehälterverordnung entsprechen. Die Gastanks sind im Fahrzeug mit mindestens zwei Halterungen pro Tank kraftschlüssig so einzubauen, dass sie vor mechanischen oder sonstigen Beschädigungen geschützt sind und nur den zulässigen Stoßbelastungen ausgesetzt sind. Die Befestigungen müssen, je nach Fahrzeugklasse, Beschleunigungen zwischen 6,6 g und 20 g in Fahrtrichtung und zwischen 5 g und 8 g horizontal seitwärts zur Fahrtrichtung aufnehmen können. Es müssen Vorrichtungen getroffen werden, mit denen Verschiebungen, oder Verdrehungen der Gastanks optisch erkennbar sind. Elastische Materialien müssen zwischen Gastanks und Halterungen angebracht sein. Durch den Durchflussmengenbegrenzer muss bei Rohrbruch der ausströmende Gasstrom auf das 0,1-fache des maximal möglichen Gasstromes reduziert werden. Die Hauptabsperreinrichtung muss automatisch betätigt werden und stromlos geschlossen sein. Die Verbindungsleitungen können als Rohre oder Schläuche ausgeführt sein. Hochdruckführende Rohre aus Stahl müssen entweder nahtlose sein und der Druckbehälterverordnung entsprechen oder geeignete Hochdruckschläuche sein. Die Rohrleitungen müssen schwingungsfrei befestigt sein, so dass keine Reibstellen durch Eigenschwingungen entstehen.
9.5.3 Prüfung und Zulassung Die gastechnische Prüfung der Kraftstoffanlage muss bei einer Prüfstelle für die gastechnische Ausrüstung von Kraftfahrzeugen erfolgen und die kraftfahrzeugtechnische Prüfung ist im Anschluss daran bei einer Prüfstelle für das Genehmigungsverfahren von Kraftfahrzeugen zu veranlassen. Einzelzulassungen werden in Österreich vom zuständigen Landeshauptmann und Typengenehmigungen vom zuständigen Minister erteilt.
9.5.4 Betrieb, Reparatur und Wartung Im Motorraum und im Bereich des Füllanschlusses sind Hinweise bezüglich des verwendeten Gases und dessen maximalen Speicherdruckes anzubringen. Die gesamte Kraftstoffanlage muss einmal pro Jahr einer Dichtheitsprüfung unterzogen werden. Aufzeichnungen bezüglich wiederkehrender Überprüfungen der Kraftstoffanlage haben in einem Betriebsbuch zu erfolgen. Reparaturen und Wartungen der Kraftstoffanlage dürfen nur durch Fachbetriebe durchgeführt werden. Zu den werksseitigen Vorgaben an solche Fachbetriebe gelten:
Belüftete Räume mit Explosionsklappen Warnsensoren für Gaskonzentrationen von 20 % UEG Zwangslüftung bei Ansprechen der Warnsensoren Antistatische Bodenbeläge und Arbeitsschuhe Für den Umgang mit dem betreffenden Gas ausgebildetes Personal
270
Normen, Recht und Sicherheit
9.5.5 Garagen für Gasfahrzeuge Für die Benutzung von Garagen mit wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen treffen die Bestimmungen für gasbetriebene Fahrzeuge zu. Diese sind je nach Land unterschiedlich und enthalten meist die folgenden Punkte, die aus dem steiermärkischen Baugesetz § 85 zitiert werden [9-46]: 1.
Für Garagen zum Abstellen von Kraftfahrzeugen, die mit Flüssiggas oder Erdgas betrieben werden, gelten folgende Vorschriften: x
Sie dürfen nicht unter Aufenthaltsräumen liegen.
x
Es sind nur Heizungen zulässig, die Oberflächentemperaturen von höchstens 120 °C erreichen können.
Die Lüftung muss so beschaffen sein, dass austretende Gase gefahrlos ins Freie geleitet werden. Bei Garagen zum Abstellen von Kraftfahrzeugen, die mit Flüssiggas betrieben werden, müssen die Fußböden über der Geländeoberfläche liegen. x
2. 3.
9.6
Kraftfahrzeuge, die mit Gas betrieben werden, dürfen in Garagen, die Erfordernisse des Abs. 1 nicht erfüllen, nicht abgestellt werden. Auf dieses Verbot muss bei der Zufahrt gut lesbar und dauerhaft mit dem Wortlaut „Einfahrt mit gasbetriebenen Fahrzeugen verboten“ hingewiesen werden.
Sicherheit von Prüfständen
Prüfstände bei denen brennbare Gase wie Wasserstoff eingesetzt werden, entweder direkt in Versuchen oder als Treibstoff für Motoren, sind mit entsprechenden Sicherheitseinrichtungen auszustatten. Die Beurteilung des Gefahrenpotenzials von gasförmigen Treibstoffen an Prüfständen erfolgt anhand der Neigung zur Bildung und Entzündung explosionsfähiger Atmosphären wie Zündgrenzen, Entflammbarkeit (minimale Zündenergie) und Brenngeschwindigkeit. Für Wasserstoff gelten dabei etliche Gemeinsamkeiten mit konventionellen Gasen wie Erdgas oder Flüssiggas aber auch mit flüssigen Treibstoffen wie Benzin [9-36].
9.6.1 Ausbreitungsverhalten von Wasserstoff Von besonderer Bedeutung für die Sicherheit von Prüfständen und Anlagen ist das Ausbreitungsverhalten des Gases in der Atmosphäre, das von folgenden Faktoren bestimmt wird:
Dichteunterschied zur Atmosphäre Diffusionsverhalten Belüftung Einbringungsdruck und Gasausflussrate am Leck.
Wasserstoff ist ein sehr leichtes Element und verfügt über eine hohe Diffusivität. Daher entweicht freigesetzter Wasserstoff rasch in die Höhe und verdünnt sich schnell, so dass
9.6 Sicherheit von Prüfständen
271
die untere Explosionsgrenze (UEG) des Wasserstoffgemischs relativ leicht unterschritten werden kann. Anlagen für Wasserstoff sollten daher möglichst im Freien liegen. In geschlossenen Räumen ist für eine Zwangsbelüftung, Dachöffnungen und die Überwachung der Konzentration von Wasserstoff im Raum zu sorgen. Bei Erreichen von 20 % der unteren Explosionsgrenze, bei Wasserstoff in Luft sind das 0,8 Vol% oder 8000 ppm, ist ein entsprechender Alarm auszulösen und die Lüftung zu aktivieren. Um genauere Informationen über die Ausbreitung und Verteilung eines austretenden Leckgases in einer normal belüfteten Prüfstandszelle zu erhalten, wurde eine 3D Strömungssimulation mit einem CFD-Programm am Beispiel eines Motorenprüfstands für Verbrennungskraftmaschinen mir Wasserstoffbetrieb durchgeführt [9-36]. Betrachtet wurde eine Motorenprüfstandszelle mit Frischluft/Abluft (keine Zirkulation) und einem Motor mit Wasserstoffzufuhr. Der Prüfstand verfügt über eine Absaughaube, die genau über dem Prüfmotor positioniert ist, um austretenden Wasserstoff abzusaugen bevor er sich in der gesamten Testzelle ausbreitet. Es wurde ein Gasleck in der Wasserstoffversorgung mit 3 mm Durchmesser nahe dem Testmotor angenommen. Abbildung 9-6 zeigt das Modell. Die Simulation erfolgte für drei Varianten für ausströmende Gase mit 7 bar Druck: „Wasserstoff warm“ bei 300 K, „Wasserstoff kalt“ bei 150 K und „Methan warm“ bei 300 K. Als Ergebnisse der Simulation sind das räumliche Feld für Strömungsgeschwindigkeit und Gaskonzentration in Abbildung 9-7 bis Abbildung 9-9 dargestellt. Die Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Für warmen Wasserstoff ergab sich eine enge Säule entflammbaren Gasgemischs mit über 40000 ppm Wasserstoff. Das Gemisch wurde vollständig von der Absaughaube abgezogen, so dass sich im Prüfraum keine explosive Gaskonzentration bildete.
Für kalten Wasserstoff wurden sehr ähnliche Resultate gewonnen. Aufgrund der höheren Dichte des eingebrachten Gases war sowohl die eingebrachte Masse als auch die Säule des entflammbaren Gasgemisches höher bzw. breiter. Das Gas wurde trotzdem von der Absaughaube abgezogen.
Für warmes Methan ist die Zone, in der zündfähiges Gemisch (UEGCH4 = 44000 ppm) gebildet werden kann, deutlich kleiner. Die Grenze zur Zündfähigkeit wurde während der ganzen Testphase nicht überschritten.
In allen drei Fällen wurde eine hohe Gasgeschwindigkeit im Kern des Leckstrahls beobachtet. Im Falle eines horizontal liegenden Lecks muss davon ausgegangen werden, dass der Großteil des austretenden Gases sich durch den Raum verteilt, bis es an eine Wand trifft. Dieser Effekt tritt umso stärker auf, je höher der Druck der Versorgungsdruckleitung des Wasserstoffs ist. Abschließend sei noch erwähnt, dass aufgrund des Masseflusses und der Konzentration das Gefahrenpotenzial für LPG oder Propan definitiv höher liegt als bei Wasserstoff, da zündfähiges Gemisch schon bei 1,7 Vol% auftritt und aufgrund der höheren Dichte deutlich mehr brennbare Masse aus demselben Leck austritt.
272
Normen, Recht und Sicherheit
Abbildung 9-6: CAD-Modell für die Berechnung des Gasausbreitung [9-36]
Abbildung 9-7: Strömungsgeschwindigkeit (li) und Gaskonzentration (re) H2 (300 K) [9-36]
Abbildung 9-8: Strömungsgeschwindigkeit (li) und Gaskonzentration (re) H2 (150 K) [9-36]
9.6 Sicherheit von Prüfständen
273
Abbildung 9-9: Strömungsgeschw. (li) und Gaskonzentration (re) Methan (300 K) [9-36]
9.6.2 Komponenten eines Wasserstoffprüfstands In diesem Abschnitt wird auf Komponenten eines Wasserstoffprüfstands eingegangen, die eine spezielle Modifikation bei Verwendung von Brenngasen benötigen bzw. zusätzlich eingebracht werden [9-36]. Einen ausgeführten Prüfstand zeigt Abbildung 9-10.
Abbildung 9-10: Steuerungswarte und Wasserstoffprüfstand. Bild HyCentA
Konzentrationsmessung Bei der Messung von Gaskonzentrationen in Prüfständen sind grundsätzlich zwei Anwendungsfälle zu unterscheiden:
die Detektierung zur Erfassung von Lecks und für Sicherheitsanwendungen mit einem Messbereich bis etwa zur unteren Explosionsgrenze
274
Normen, Recht und Sicherheit die Konzentrationsmessung für Steuerungs- und Regelungszwecke mit einem Messbereich von 0 Vol% bis 100 Vol% Brenngas in verschiedenen Medien.
In Tabelle 9-7 sind häufig eingesetzte Messprinzipien und typische Messbereiche für Sensoren zur Messung von Wasserstoffkonzentrationen aufgelistet, wobei die ersten vier für die Wasserstoffdetektierung eingesetzt werden können, die letzten drei vorwiegend für Steuerungs- und Regelungsaufgaben. Daneben befinden sich weitere Sensoren in Verwendung oder Entwicklung, die andere wasserstoffspezifische Änderungen erfassen, wie etwa optische Eigenschaften, Viskosität u. a., für Details sei auf die Hersteller verwiesen [9-2, 9-3, 9-13, 9-14, 9-18, 9-20]. Im Fall eines Gaslecks muss der Sensor sehr rasch das austretende Gas erfassen, um notwendige Maßnahmen so schnell wie möglich einzuleiten. Die Wahl des Anbringungsortes des Sensors ist je nach Art des Gases verschieden. Für Gase mit einer höheren Dichte als Luft sollte der Sensor nahe dem Fußboden liegen. Für Gase mit einer niedrigeren Dichte als Luft, wie beispielsweise Wasserstoff, sollte der Sensor an der höchsten Stelle des Raumes angebracht werden. Vorzugsweise sollte dieser Platz nahe dem Motor bzw. dem Lüftungssystem sein. Für Wasserstoffanwendungen sollte man zusätzlich einen Sensor mit höherer Empfindlichkeit (< 1000 ppm) im Abluftsystem anbringen, um so ein Leck zu entdecken, bevor der Prüfstand mit Wasserstoff kontaminiert ist. Tabelle 9-7: Messprinzipien und Messbereiche von Wasserstoffsensoren Messprinzip
Messbereich [Vol%] Nachweisgrenze
obere Grenze
Wärmetönung (katalytische Sensoren)
0,003
4
Widerstand von Halbleitermetalloxiden
0,0015
2
Elektrochemisch mit O2
0,0015
0,3
–
10
< 0,01
100
Schallgeschwindigkeit
–
100
Wärmeleitfähigkeit
–
100
Thermoelektrisch Elektrochemisch ohne O2
Prüfstandsbelüftungssystem Aufgaben der Prüfstandsbelüftung sind das Verhindern der Ansammlung einer kritischen Konzentration austretender Gase sowie das Abführen der Abwärme und damit Begrenzung der maximalen Oberflächentemperatur (heiße Maschinenteile, Auspufftopf, Kühler) Durch eine Querbelüftung mit separaten Frischluft- und Abluftventilatoren wird eine Rezirkulation des Brenngases verhindert. Um einen unnötig hohen Energieverbrauch zu verhindern und die Temperatur des Prüfraums zu kontrollieren, wird der Raum mit einem geschwindigkeitsregulierbaren Ventilator belüftet. Die Belüftung wird durch einen Tem-
9.6 Sicherheit von Prüfständen
275
peratursensor gesteuert, der je nach momentaner Wärmeabgabe des Motors die Belüftung reguliert. Wenn der Gasdetektor kritische Konzentrationen an Wasserstoff registriert, wird die Belüftung auf Maximum geschaltet, damit das gebildete Gas so schnell wie möglich entfernt und die Bildung einer explosiven Atmosphäre verhindert wird. Das Durchsatzvolumen der Belüftungsvorrichtung variiert je nach Raumgröße und erwarteter Wärmeabstrahlung des Motors. Um die Bildung explosionsfähiger Gemische zu verhindern, sollte die Lüftung standardmäßig zwischen 50 bis 100 Raumluftwechsel pro Stunde ermöglichen. Je 100 kW Abwärme sollte man ca. 30000 m3/h Frischluft einbringen [9-36]. Elektronisches Kontrollsystem Es gibt wie erwähnt zwei Möglichkeiten, die Gefahr einer Explosion zu verhindern: Die erste Möglichkeit besteht darin, die Bildung von explosiven Atmosphären zu verhindern, die zweite darin, das Auftreten von Zündquellen zu vermeiden. Muss in einem Prüfstand für Wasserstoffanwendungen im normalen Betrieb mit dem Auftreten explosionsfähiger Atmosphären gerechnet werden, sind alle elektrischen Geräte ex-geschützt auszuführen. Dies bedeutet einen erheblichen finanziellen Aufwand von der Beleuchtung über Mess- und Laborgeräte bis hin zu den elektrischen Einrichtungen. In Motorprüfständen wird im normalen Betrieb kein Gasaustritt erwartet, dieser stellt einen Störfall dar. Deswegen werden nur elektronische Geräte explosionsgeschützt ausgeführt, die für die Sicherheitsmaßnahmen bei Gasaustritt in Betrieb sind. Alle anderen Installationen sind für normalatmosphärische Bedingungen ausgelegt. Diese Geräte müssen im Störfall bei Detektion von Wasserstoff sofort ausgeschaltet werden. Da ein Motorprüftand immer Zündquellen besitzt (heiße Oberflächen, etwa am Auspuffrohr bis zu 800 °C), ist es nicht möglich, alle Zündquellen aus dem Prüfstand zu entfernen. So ist es notwendig, alle Sicherheitsvorkehrungen auf das Verhindern von zündfähigen Gasgemischen zu fokussieren. Dazu dient ein elektronisches Kontrollsystem zur kontinuierlichen Überwachung von Gas- und Feuerdetektionssystem, Stromversorgung, Treibstoffversorgung und Ventilationssystem. Im Störfall löst das Kontrollsystem Alarm aus und entscheidet, wo die Stromversorgung unterbrochen wird, ob das Ventilationssystem auf Maximum geschalten wird oder ob alle Lüftungen feuersicher verschlossen werden. Die Treibstoffversorgung wird in jedem Fall abgeriegelt [9-36]. Gasspeicherung und Gasversorgung Je nach Anwendungsfall wird Wasserstoff zur Prüfstandsversorgung flüssig oder gasförmig in Druckbehältern in einem Nebenraum oder im Freien gespeichert. In einem Druckgaslager wird Wasserstoff in Hochdruckgaszylindern in einem belüfteten Raum in Bündeln zu 12 bis 16 Flaschen gelagert. Sicherheitsstandards schreiben einen minimalen Abstand von Gebäuden und öffentlichen Straßen, explosionssichere Installationen, Beleuchtungen und entsprechende Ventilatoren für den Gasraum vor. Je nach Wasserstoffverbrauch müssen regelmäßig neue Gasflaschen angeliefert werden. Der Wasserstoff wird flüssig oder gasförmig in Leitungen zum Prüfstand geführt. Im Falle tiefkalter Anwendungen sind alle Leitungen vakuumisoliert auszuführen und es ist zu beachten, dass Flüssigwasserstoffsysteme als offene Systeme auszuführen sind. Für die Befüllung sind Rückgasleitungen auszulegen, vgl. Abschnitt Speicherung und Transport. Im Falle flüssi-
276
Normen, Recht und Sicherheit
ger Speicherung bei etwa 4 bis 8 bar und gasförmigem Verbrauch wird der Wasserstoff in einem Verdampfer mit Umgebungswärme verdampft und bei Bedarf auf höheren Druck gebracht. Dabei ist es energetisch günstiger, technisch aber aufwändiger, die Verdichtung durch eine Kryopumpe vor der Verdampfung durchzuführen, als durch einen Verdichter danach. In der Testzelle ist ein Terminal erforderlich, das Gas zum Motor liefert, über eine Sicherheitsabschaltung verfügt und das mit Inertgas durchspült werden kann. Abbildung 9-11 zeigt ein solches Terminal mit einem Störfallsicherheitsventil, einem Massestrommesser und einer Druckanzeige. Weiters kann über ein Dreiwegeventil Spülgas (Helium) in das Rohrwerk geleitet werden, um die Anlage bei längeren Betriebsunterbrechung oder Wartungsarbeiten zu inertisieren.
Abbildung 9-11: Wasserstoffversorgung. Bild TU Graz
Regelung und Standards Ein Motorenprüfstand unterliegt den lokalen Sicherheitsstandards und Auflagen für Prüfstände. Seit 1995 basieren die Auflagen in Österreich auf den „European Standards“, folgenden Normen und Auflagen sind zu erfüllen:
Standard für Gasversorgungsanlagen Richtlinien für die Versorgung mit verflüssigten Gasen ÖVGW Richtlinien Richtlinien für Arbeitsplätze Richtlinien für die Sicherheit von Maschinen Standard für Druckbehälter 97/23/EG Mobile Druckbehälter 1999/36/EG ATEX Standard und VEXAT-Dokument Aufstellung technischer und organisatorischer Vorsichtmaßnahmen und Aktivitäten im Störfall.
9.7 Sicherheit von Anlagen
9.7
277
Sicherheit von Anlagen
Am Beispiel der Anlage des HyCentA, siehe Abbildung 9-12, soll in diesem Abschnitt exemplarisch auf die sicherheitstechnischen Bestimmungen einer gewerblichen Anlage zur Nutzung von Wasserstoff eingegangen werden. Es sei hier auf das Projekt HyApproval der Europäischen Kommission verwiesen, dass sich mit der Sicherheitsthematik von Wasserstoffanlagen (Abgabestellen) und deren Zulassung beschäftigt [9-27].
Abbildung 9-12: Anlage HyCentA. Bild HyCentA
Sicherheitsgutachten Grundlage des Sicherheitskonzepts stellt das von einem unabhängigen Ziviltechniker erstellte sicherheitstechnische Gutachten dar. Die folgenden Maßnahmen sind vorgesehen:
Die Lagerstätte sowie die Förderanlagen und Abgabestellen für Wasserstoff werden durch einen 2,5 m hohen Schutzzaun vor dem Zugriff durch Unbefugte gesichert. Dieser Schutzzaun ist so angelegt, dass um den Lagerbehälter eine Schutzzone von 5m gewährleistet ist.
Definition der Schutzzonen: 0,2 m um die Betankungseinrichtung: 2,0 m um die Betankungseinrichtung: 0,2 m Kugelradius um die Zapfpistole: 5,0 m Kugelradius um das Fahrzeug:
Zone 1 Zone 2 Zone 1 Zone 2
278
Normen, Recht und Sicherheit Innerhalb der Schutzzone dürfen sich keine Zündquellen, öffentliche Verkehrswege, Schächte oder Kanaleinläufe, Kellerabgänge und wie immer geartete Lagerungen befinden.
Die Lagerstätte und die Abgabestelle sind entsprechend zu beschildern. Die folgenden Warn- und Verbotstafeln sind vorgesehen, siehe Abbildung 9-13:
Abbildung 9-13: Warn- und Verbotszeichen am HyCentA (von links nach rechts) – Verbotszeichen „Feuer, offenes Licht und Rauchen verboten“ – Verbotszeichen „Mobilfunk verboten“ – Verbotszeichen „Zutritt für Unbefugte verboten“ – Verbotszeichen „Fotografieren verboten“ – Gebotszeichen „Gehörschutz und Augenschutz tragen“ – Warnzeichen „Warnung vor explosionsgefährlichen Stoffen“ – Warnzeichen „Warnung vor explosionsfähiger Atmosphäre“
Die Abgabestelle sowie die Betankungsfläche sind mit einem Flugdach zum Schutz vor Sonneneinstrahlung und Niederschlägen ausgestattet.
Die elektrische Beleuchtung der Abgabestelle wird in EX-Schutz-Ausführung (gemäß VEXAT) ausgeführt. Die Ansteuerung erfolgt automatisch in Abhängigkeit vom Tageslicht und gewährleistet eine Mindestlichtstärke von 300 Lux.
Ein Gaswarngerät ist vorgesehen, welches optische und akustische Warnmeldungen bei der Abfüllstelle sowie in der zentralen Warte anzeigt: WARNUNG: bei Erreichen von 20 % UEG ALARM: bei Erreichen von 40 % UEG; führt zum Ansprechen der Not-Aus-Routine
Die Betankungsfläche ist als befestigte Dichtbetonfläche ausgeführt, wobei der Ableitwiderstand einen Wert von 105 : nicht überschreiten darf um elektrostatische Aufladungen zu vermeiden.
Not-Aus-Matrix Die sogenannte Not-Aus-Matrix beschreibt die in der elektronischen Anlagensteuerung implementierten Not-Aus-Kreise sowie deren Verschaltung untereinander. Die Not-AusMatrix stellt einen wesentlichen Bestandteil des Sicherheitskonzepts dar. Folgende NotAus-Kreise sind am HyCentA installiert: Haupt Not-Aus: Betätigung/Ansprechen: x Haupt-Not-Aus Taster am Prüfstand x Not-Aus Taster am Gelände (Eindrückscheibe) x H2-Konzentration 40 % UEG in der Warte
9.7 Sicherheit von Anlagen Abschaltungsbereich: x Leistungselektronik (220 V) der gesamten Anlage x Versorgungsventile zu x Verdichter im sicheren Aus-Zustand x Anlage im sicheren Aus-Zustand (außer USV, Torantrieb, Sicherheitsleittechnik, Beleuchtung) Not-Aus H2-Tankanlage: Betätigung/Ansprechen: x Not-Aus Taster an der Tankanlage x Druck-Überwachung LH2-Tank x Erdungs-Problem (bei Betankung) Abschaltungsbereich: x Elektrische Anschlüsse an der Tankanlage x Ventile am Standtank zu Not-Aus LH2-Zapfsäule: Betätigung/Ansprechen: x Not-Aus Taster an der Zapfsäule Abschaltungsbereich: x LH2-Zapfsäule: Kaltventil zu x Konditionierbehälter: Kaltventil zu Not-Aus rechte und linke Prüfzelle: Betätigung/Ansprechen: x Not-Aus Taster in der Warte x H2-Konzentration 40 % UEG an einem der beiden Sensoren in der Prüfzelle Abschaltungsbereich: x Alle Versorgungsleitungen zu x Prüfstelle spannungslos (außer Sensorik, Beleuchtung, Lüftung) x Querlüftung aktiviert Not-Aus Verdichter: Betätigung/Ansprechen: x Not-Aus Taster an der GH2-Zapfsäule x Not-Aus Taster im Steuerraum des Verdichters x Kühlertemperatur > 70 °C x Gasvordruck zu gering x Eingangsdruck Zapfsäule x H2-Konzentration 40 % UEG an einem der beiden Sensoren im Gasraum Abschaltungsbereich: x Alle Ventile am Verdichter zu x Warnlampe am Verdichter
279
280
Normen, Recht und Sicherheit
TÜV Um die Funktionalität der Anlage sicherzustellen, schreibt der Anlagenerbauer vor, dass die Funktion und die Sicherheit gewisser Komponenten vom TÜV geprüft wird. Diese Komponenten müssen teils periodisch, teils nur einmalig bei der Errichtung kontrolliert werden. Die folgenden Komponenten der Anlage besitzen ein TÜV-Zertifikat:
Elektro-TÜV: Die gesamte Elektrik der Anlage ist periodisch zu überprüfen. Dazu zählen u. a. auch der Blitzschutz und die Messung des Erdungswiderstandes. Die Überprüfung erfolgt jährlich (Erdung) bzw. alle 3 Jahre (restliche Elektrik).
Druck-TÜV: Druckbehälter sind im 3-Jahres-Rhythmus zu überprüfen. Auch die Überprüfung der Füllanlagen erfolgt im Rahmen der Druck-TÜV-Inspektion.
Tor-TÜV: Auch die Funktion und die Sicherheit des Schiebetors an der Einfahrt auf das Gelände muss sichergestellt werden. Die entsprechende Kontrolle durch den TÜV findet jährlich statt.
CE-Konformitätserklärung Für die gesamte Anlage bestehend aus Verdichtereinheit, Zapfsäule für gasförmigen Wasserstoff, Prüfcontainer, Konditionierbehälter, Heliumstation, Flüssigtankstelle, Standtanks für flüssigen Wasserstoff und flüssigen Stickstoff sowie den erforderlichen Rohrleitungen und Ausrüstungsteilen gibt es eine CE-Konformitätserklärung. Diese nimmt auf die folgenden Richtlinien Bezug:
Druckgeräterichtlinie 97/23/EG Maschinenrichtlinie 89/392/EWG Niederspannungsrichtlinie 73/23/EWG Richtlinie für elektromagnetische Verträglichkeit 89/336/EWG Richtlinie für einfache Druckgeräte 87/404/EWG Richtlinie für Explosionsschutz 94/4/EG
In der Konformitätserklärung wird bestätigt, dass die Anlage und alle Komponenten den oben genanten Richtlinien entsprechen. Unter anderem sind die folgenden Unterlagen eingeschlossen:
Eine Gefährdungsbegutachtung (gemäß Betriebssicherheitsverordnung und Arbeitsschutzgesetz)
Ein gefährdungsbeurteilendes Explosionsschutzdokument (gemäß VEXAT)
Ein EX-Zonen Plan
Gewerberechtliche Genehmigung Aufgrund dem vorliegenden Sicherheitskonzept, der Konformitätserklärung und den TÜV-Zertifikaten wurde der HyCentA Research GmbH gemäß Gewerbeordnung §81 [9-10] die gewerberechtliche Genehmigung als Wasserstoff-Abgabestelle und Versuchsanlage erteilt.
9.8 Literatur
9.8
281
Literatur
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282
Normen, Recht und Sicherheit
9-30 Japanese Standards Association, http://www.jsa.or.jp 9-31 Nakhosteen, C. B.: Einfluss von Wasserstoff bei der Verarbeitung und Anwendung metallischer Werkstoffe. Leuze Verlag, Essen 2003 9-32 NASA (National Aeronautics and Space Administration), http://www.nasa.gov Safety Standard for Hydrogen and Hydrogen Systems. Washington D.C. 1997 9-33 Network of Excellence for Hydrogen Safety, HySafe, http://www.hysafe.org/ 9-34 Österreichischen Vereinigung für das Gas- und Wasserfach, http://www.ovgw.at 9-35 Österreichisches Normungsinstitut, http://www.on-norm.at 9-36 Rossegger W.; Posch U.: Design Criteria and Instrumentation of Hydrogen Test Benches. Beitrag zum 1st International Symposium on Hydrogen Internal Combustiuon Engines, Mitteilungen des Instituts für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik, Technische Universität Graz, 2006 9-37 San Marchi, C.: Technical Reference on Hydrogen Compatibility of Materials, Austenitic Stainless Steels Type 304 & 304L (code 2101). Sandia National Laboratories, May 2005 9-38 San Marchi, C.: Technical Reference on Hydrogen Compatibility of Materials, Austenitic Stainless Steels Type 316 & 316L (code 2103). Sandia National Laboratories, March 2005 9-39 San Marchi, C.: Technical Reference on Hydrogen Compatibility of Materials, Austenitic Stainless Steels A-286 (code 2301). Sandia National Laboratories, November 2004 9-40 San Marchi, C.: Technical Reference on Hydrogen Compatibility of Materials, Low Alloy Ferritic Steels: Tempered Fe-Cr-Mo Alloys (code 1211). Sandia National Laboratories, December 2005 9-41 San Marchi, C.: Technical Reference on Hydrogen Compatibility of Materials, Low Alloy Ferritic Steels: Tempered Fe-Ni-Cr-Mo Alloys (code 1212). Sandia National Laboratories, December 2005 9-42 San Marchi, C.; Somerday, B. P.; Robinson, S. L.: Hydrogen Pipeline and Material Compatibility Research at Sandia. Sandia National Laboratories 9-43 San Marchi, C.; Somerday, B. P.; Robinson, S. L.: Permeability, solubility and diffusivity of hydrogen isotopes in stainless steels at high gas pressures. Sandia National Laboratories, July 2006 9-44 Schmidt, D.: Raketentreibstoffe. Springer Verlag, Wien New York 1968 9-45 Steen, H.: Handbuch des Explosionsschutzes, Verlag Wiley-VCH, Weinheim 2000 9-46 Steiermärkisches Baugesetz 2003 (Stmk. BauG), http://www.bauordnung.at 9-47 Stockhausen, W.; Natkin, R.; Kabat, D.; Reams, L.; Tang, X.; Hashemi, S.; Szwabowski, S.; Zanardelli, V.: Ford P2000 Hydrogen Engine Design and Vehicle Development Program. SAE Paper No. 2002-01-0240, 2002 9-48 U. S. Department of Energy: Swain, M. R.: Fuel Leak Simulation. Proceedings of the 2001 DOE Hydrogen Program Review, http://www1.eere.energy.gov/hydrogenandfuelcells/pdfs/30535be.pdf 9-49 United Nations Economic Commission for Europe, http://www.unece.org
283
Sachwortverzeichnis
A Abdampfen 106 Abgabestationen 105 Adsorption – chemische 127 – physikalische 126 AFC 152 Aktivierungsüberspannung 145 Aldehyde 43 Alkalimetalle 77 Alkane 42 Alkene 43 Alkohole 43 Ammoniaksynthese 208 Ampere 71 Analytische Chemie 212 Anergie 12 Anode 53, 68, 141 ANSI – American National Standards Institute 248 Aromaten 43 Atmosphäre, explosionsfähige 254 Atombindung 41 Atomspin 37 autotherme Reformierung 57
B Bakterien 80 Befüllung 121 Befüllung eines Druckbehälters 87 Benzinreformierung 51 Betriebsstrategien 198 Bevölkerungswachstum 1 Bildungsenthalpien 70 Biogas 186 Biophotolyse 80 Bipolarplatten 149 BMW Hydrogen 7 233, 266 Boil-Off 106 – Ventil 265 Brand 259
Brenndauer 192 Brennstoffzellen 139 – portable 215, 216 – stationäre 217 – -typen 150 Brennwert 44 BTL-Treibstoffe 210 Bussystem 282
C Cavendish, Henry 15 CE-Konformitätserklärung 280 CEN – Comité Européen de Normalisation 248 Chemikalienrichtlinie 253 chemische Adsorption 127 chemische Wasserspaltung 76 Chemisorption 129 Chlor-Alkali-Elektrolyse 52 Citaro Stadtbus 229 Clean Energy Partnership 226 Cold Fill 88 Composite-Behälter 92 Coulomb 71 Cracken 58 Cryoplane 223 CTL-Treibstoffe 210
D Dampfreformierung 54 Dampfziffer 110 Deflagration 45 Destillationsturm 205 Detonation 45, 256 Deuterium 36, 256 Diffusionsüberspannung 146 DIN – Deutsches Institut für Normung 248 Direkteinblasung 172 Diskretisierung 119 Dissoziation 46 DMFC 153
284 Döbereiner, Johann Wolfgang 16 3D-CFD-Simulation 176 Druckaufbaurate 111 Druckaufbauzeit 106 Druckbehälter – aus sicherheitstechnischer Sicht 264 – befüllen 87 Druckelektrolyse 75 Druckgeräteverordnung 264 Druckgradienten 109 Druck-Konzentrations-Diagramm 129 Druckspeicher 91 Druckwechseladsorption 66 Druckwechselspülung 260 – mit Stickstoff 260
E Einblasezeitpunkt 173 Eisen-Dampf-Prozess 77 Electrovan 22 Elektroden 68 Elektrolyse 67 Elektrolysesysteme 74 Elektrolyt 68 Elektrolytmembran 148 Elementarladung 71 Emissionen 6, 197, 235, 236 EN – Europäische Normen 248 Endplatten 150 Energie, innere 107, 115 Energiedichte 187, 189 – gravimetrische 87 – volumetrische 87 Energiequellen 3 Energiespeicher 12 Energietechnik 215 Energieträger – alternative 8 – fossile 7 – nukleare 8 – pflanzliche 8 – primäre 7 – sekundäre 9 Energieverbrauch, globaler 1 Energiewandler 12
Sachwortverzeichnis Enthalpie 109 – freie 142 Entschwefelung 63, 206 Enzyme der Wasserstofferzeugung 79 Erdgas 184 Erren, Rudolf 20 Erwärmung, globale 6 Ethenproduktion 52 Evakuieren 260 Exergie 12 Expansionsturbinen 94 explosionsgefährdete Bereiche 254 Explosionsbereich 258 Explosionsdruckentlastungen 259 Explosionsgrenze – obere 257 – untere 257, 271 Explosionsschutz – primärer 255 – sekundärer 255
F Fahrzeugtanks 265 Faraday Konstante 71, 143 Faradaysches Gesetz 71 Fermentation 78, 81 Festigkeitsgrenze des Materials 260 Fischer-Tropsch-Verfahren 209 Flammendurchschlagsicherungen 259 Flammengeschwindigkeit 162, 192 Flammensperren 259 Flammpunkt einer brennbaren Flüssigkeit 257 Flugstromreaktor 62 Forschungsschiff 224
G Gabelstapler 226 Garagen 270 Gas, ideales 28 Gasdiffusionsschicht 149 Gasturbinen 215 Gaswäsche 64 Gefahren – -begrenzung 254 – -bewertung 254
Sachwortverzeichnis – -bezeichnung 254 – -ermittlung 254 – -symbol 254 Gegenstromvergaser 61 Gemini 5 22 Gemischbildung – äußere 169 – innere 172 – kyrogene äußere 167 Gemischbildungsverfahren 164 Gemische – Dreikomponenten- 258 – Mehrkomponenten- 258 – zündfähige 257 Gitter, metallische 40 Gleichgewicht, thermodynamisches 110 Gleichgewichtswasserstoff 38 Gleichstromvergaser 62 Grove’sches Element 17 Grünalgen 80 GTL-Treibstoffe 210 Gusswerkstoffe 257
H H2NG 184, 239 H2NG10 242 H2NG20 241 H2NG8 240 Haber-Bosch-Verfahren 207 Halbleiterindustrie 211 Heizwert 44 Heizwertspannung 144 Hindenburg 19 Hippomobile 18 Honda FCX 231 HT-PEMFC 156 Hubkolbenmotor 164 HyCart 227 Hydride 40 – metallische 128 – salzhaltige 128 Hydridspeicher 131 Hydrieranlagen 206 Hydrocracken 206 Hydrocracker 207 Hydroentschwefelung 206
285 Hydrofiner 207 Hydrofining 206 Hydrogenasen 79 Hydrotreating 206 Hyperfeinstruktur-Übergang 38
I Inconel 262 Ionenbindungen 40 Ionisation 46 ISO – International Standardization Organisation 248 Isotope 36 ITER 25
J JIS – Japanese Industrial Standards 248 Joule-Thomson-Koeffizient 33, 88, 94 JSA – Japanese Standards Association 248
K Kältetechnik 215 Kaltfahren 122 Katalysatorschicht 149 Kathode 53, 68, 142 Keramiken 263 Kerbwirkung 260 Kernfusion 46 Kettenreaktion 45 Kirchhoff-Gleichung 70 Klemmenspannung 72 Kohlenstoffverbindungen 42 Kohlenwasserstoffe 42 Konditionierbehälter 102 Konzentrationsmessung 273 Kordesch, Karl 22 Kraftfahrzeuge, Genehmigungsverfahren von 269 Kraftstoffanlage 268 Kraftstoffeigenschaften 162 Kryobehälter 104, 107, 260, 264 Kryo-Drucktank 105 Kryopumpen 97 Kryospeicherung 100 Kunststoffe 263 Kværner-Verfahren 58
286 L Ladungsschichtung 178 Ladungszahl 72 Lavoisier, Antoine 15 Lebensmittelchemie 212 Lenoir, Etienne 18 List, Hans 20 Luftbedarf 45 Luftfahrt 222 Luftverhältnis 44, 162
M Magerbetrieb 171 MAN Wasserstoff-Stadtbus 235 Martensit 262 Massenerhaltungssatz 108 Mazda RX-8 Hydrogen RE 237 MCFC 158 Membran-Elektroden-Einheit 147 Membranelektrolyse 75 Membranverfahren 66 Mercedes F-Cell 230 Metallhydride 67 Metallurgie 213 Methanolherstellung 211 Mischungen, hochentzündliche 256 Modellierung, thermodynamische 119 Molanteil 188 Monel 262
N Nanospeicher 127 Nernstspanung 145 Nitrogenasen 80 Normalbedingungen 28 Normalwasserstoff 38 Normen 247 – europäische 248 – internationale 248 – österreichische 247 Notabschalteinrichtungen 258 NT-PEMFC 154
O Ohm 71 Öläquivalent 3
Sachwortverzeichnis ÖNORM 247 Orthowasserstoff 37 Oxidation 40, 67 – partielle 56
P PAFC 157 Paracelsus 15 Parawasserstoff 37 Partialdruck 187 PEFC 153 PEMFC 153 Photolyse 78 Photovoltaikanlage 218 Pipelines 133 Polarisationseffekt 17 Porosität 257 primäre Energieträger 7 Protium 36 Prüfstandsbelüftungssystem 274 Prüfung, gastechnische 269 Punkt, kritischer 28
Q Quantum H2 Hybrid 238
R Raffinerieprozesse 204 Raketenmotor 21 Raumfähre Challenger 24 Raumfahrt 221 Reaktionsenthalpie 70 – freie 73, 142 Reaktionsüberspannung 146 Realgasansätze 28 Realgasfaktor 29 Recht 253 Reduktion 40, 67 Reformierung 53 – autotherme 57 Reinigung 63 Reserven 5 Ressourcen 5 Risikomanagement 254 Rivaz, François Isaac de 16 R-Sätze 254
Sachwortverzeichnis S Satz von Hess 70 Schadstoffe 6 Schmierfähigkeit 261 Schutzgas 213 Schutzzone 277 sekundäre Energieträger 9 Shiftreaktion 54 Sicherheit – von Gasfahrzeugen 267 – von Prüfständen 270 Sicherheitsfragen 259 Silizium 78 Slush 85 SOFC 159 Spannungs-Strom-Diagramm 145 Spannungsüberhöhungen 260 Speicherdichte, volumetrische 132 Spektrallinien 38 Sportboot 225 Spülen 260 S-Sätze 254 Stähle – austenitische Edel- 258 – austentitische 261 – Duplex- 261 – ferritische 261 Standardbedingungen 28 Standardenthalpien 70 Standardpotential 143 Standtank 101 Stationärmotoren 215 Stickoxidemission 174, 183 Stoffeigenschaften 162 Stoffwerte 33 Strom- und Wasserstofferzeugung, kombinierte 218 Synthesegas 54, 210, 258
287 Tieftemperaturversprödung 260 Transport 133 Treibhauseffekt 6 Tripelpunkte 34 Tritium 37, 256 Ts-Diagramm 29, 112, 118 Turbopumpen 100
U Umwandlungsverfahren, chemische 65 Ungleichgewicht, thermodynamisches 117 Unterseeboot 223
V Vakuumdestillation 205 Van-der-Waals-Gleichung 28 Verbrennung 44 – ideale 6 – reale 6 Verbrennungsanomalien 196 Verbrennungsgeschwindigkeit 259 Verbrennungsmotor 161 Verbrennungssteuerung 182 Verdichter 89 Verdichtung von Wasserstoff 87 Verdichtungsverhältnis 181 Verflüssigung von Wasserstoff 93 Vergasung 58 Verkehrstechnik 221 Verlustanalyse 179 Verne, Jules 18 Versprödung 257 VEXAT – Verordnung über explosionsfähige Atmosphären 254 Viton – synthetischer Gummi 264 Volllastpotenzial 196 Volt 71 Volumenanteil 188
T
W
Tankkupplungen 106 Teflon – Polytetrafluorethylen 264 Temperaturskala 34 Temperaturverteilung, räumliche 121 Temperaturwechseladsorption 66 Thermodynamik, erster Hauptsatz der 107
Wankelmotor 166 Wärmeeintrag 110 Wärmestrahlung 259 Wasseraufbereitung 212 Wassergas 54 Wassergasreaktion 54
288 Wasserspaltung – chemische 76 – elektrochemische 67 – thermische 67 Wasserstoff – Ausbreitungsverhalten 270 – Detonationsgrenzen 256 – -diffusion 260 – Drucktank 265 – Isotope 256 – verflüssigen 93 – -versprödung 260 Wasserstoffballon 16 Wasserstoffbombe 20 Wasserstoff-Erdgas-Gemische 184, 239 Wasserstoffgehalt 198 Wasserstoff-Sauerstoff-Brennstoffzelle 141 Wasserstofftankstellen 135 Wasserstoffversorgung 276 Wasserstoffwirtschaft 9 Werkstoffe, Eigenschaften 264 Widerstandsüberspannung 146
Sachwortverzeichnis WIG-Schweißen 214 Wirbelschichtvergaser 62 Wirkungsgrad 144, 179, 195 – thermodynamische 140 Wirkungsgrade 50 Wobbeindex 190
Z Zapfsäule 89 Zellenwirkungsgrad 146 Zellspannung 145 Zellstapeln 146 Zersetzungsspannung 72 Zündenergie 162, 193, 256 – minimale 257 Zündgrenzen 162, 193, 256 Zündquellen 258 Zündtemperatur 257 Zündverzug 194 Zündzeitpunkt 194 Zustandsgrößen – kalorische 29 – thermische 27
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