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German Pages 380 Year 2008
Ralf T. Kreutzer Praxisorientiertes Marketing
Stimmen zum Buch „Dieses kompakte, aktuelle und umfassende Marketing-Lehrbuch vermittelt aufgrund seiner klaren Konzeption einen hervorragenden Überblick über die vielfältige Welt des Marketing. Anschaulich und sehr praxisnah werden die wichtigen Zusammenhänge herausgearbeitet. Zahlreiche aktuelle, treffende und für jeden Leser interessante Beispiele machen die allgemeinen Konzepte verständlich und lebendig. Die so schnell erscheinende zweite Auflage zeigt, wie gut das Buch bei Studierenden und Lehrenden ankommt.“ Professor Dr. Reinhold Roski, Fachhochschule für Technik und Wirtschaft, Berlin
„Mit seinem Buch ,Praxisorientiertes Marketing’ hat Ralf Kreutzer ein Marketinglehrbuch geschrieben, das sowohl den Anspruch an die Vermittlung fundierter Theorie als auch den der Praxisorientierung erfüllt. Sicher und kompetent führt er den Leser durch die Grundlagen des Marketing und es gelingt ihm dabei stets, den Lehrstoff lebendig darzustellen und an vielen Beispielen erfassbar zu machen. Ein gut strukturiertes, vielfältiges, anschauliches und sehr aktuelles Buch!“ Prof. Dr. Sabine Haller, Fachhochschule für Wirtschaft Berlin „Mit dem Lehrbuch ,Praxisorientiertes Marketing’ ist es gelungen, die Grundlagen des Marketing sehr anschaulich, kompakt und zugleich theoretisch fundiert darzustellen. Die klare Sprache und die vielen aktuellen Fallbeispiele motivieren den Leser, sich mit der spannenden Praxis des Marketing konzeptionell auseinanderzusetzen.“ Prof. Dr. Klaus Gutknecht, Professor für Handels-, Dienstleistungs- und E-Marketing, Fachhochschule München „Das Werk von Kreutzer ist wie ein Marketing-Lehrbuch heute sein sollte: aktuell, praxisorientiert, mit dem notwendigen theoretischen Tiefgang und einer Vielzahl überzeugender Beispiele. Dieses Buch ist allen uneingeschränkt zu empfehlen, die ihr Marketing-Know-how auf- oder ausbauen möchten.“ Dr. Wolfgang Merkle, Marketing Direktor Kaufhof, Köln
Ralf T. Kreutzer
Praxisorientiertes Marketing Grundlagen – Instrumente – Fallbeispiele 2., aktualisierte und erweiterte Auflage 2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Prof. Dr. Ralf T. Kreutzer war über 15 Jahre in verschiedenen Managementpositionen bei Bertelsmann, Volkswagen und der Deutschen Post World Net tätig. Er ist seit April 2005 Professor für Marketing an der Fachhochschule für Wirtschaft, Berlin, und Marketing und Management Consultant.
1. 2. 1. . 1. 2.
Auflage Oktober 1991 Auflage Mai 1998 Auflage Januar 1988 Auflage 2006 Auflage 2008
Alle Rechte vorbehalten © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Barbara Roscher | Jutta Hinrichsen Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Ulrike Weigel, www.CorporateDesignGroup.de Druck und buchbinderische Verarbeitung: Wilhelm & Adam, Heusenstamm Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-0752-3
Vorwort zur 2. Auflage
Sehr geehrte Leserinnen und Leser, es freut mich sehr, dass die 1. Auflage dieses Werkes eine so positive Aufnahme in Wissenschaft und Praxis gefunden hat, dass schon nach einem Dreiviertel Jahr eine Neuauflage ansteht. Dies unterstreicht, dass die konsequente Zielgruppenorientierung, die bei der Erarbeitung dieses Lehrbuchs zugrunde lag, das gewünschte Ziel erreicht hat. Neben der Ergänzung zentraler Literaturquellen und der Aktualisierung vieler Beispiele wurde im Kommunikationsteil das Themenfeld „Web 2.0“ neu in dieses Buch aufgenommen. Die hohe Dynamik, die hier festzustellen ist, erzwingt die Aufnahme in ein praxisorientiertes Lehrbuch geradezu. Außerdem wurde das Kapitel zum 5. P im Marketing-Mix konsequent weiterentwickelt. Möge dieses Werk dazu beitragen, die eigenen Grenzen zu verschieben, denn es gilt: „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.“ Ludwig Wittgenstein In diesem Sinne wünsche ich wiederum allen an Marketing und seinen zentralen Fragestellungen interessierten Personen viel Spaß und wichtige Erkenntnisse beim Lesen dieses Buches.
Mit den besten Wünschen
Ralf T. Kreutzer
V
Vorwort
„Wer fertig ist, dem ist nichts recht zu machen, ein Werdender wird immer dankbar sein.“ (Johann Wolfgang von Goethe) Am Anfang der Entwicklung dieses Lehrbuchs stand eine Idee: ein Buch nicht nur für, sondern auch mit den Lernenden, d.h. der im Fokus stehenden Zielgruppe zu verfassen. Ausgehend von einem intensiven Gespräch mit Rolf-Günther Hobbeling, Marketingleiter des Gabler Verlages, Wiesbaden, und vertieft durch gute Gespräche mit der mich betreuenden Lektorin, Barbara Roscher, wurde diese Idee innerhalb eines Jahres immer weiter verfeinert und konkretisiert. Deshalb wurden, nachdem der Titel „Praxisorientiertes Marketing“ den Fokus dieses Lehrbuchs gesetzt hatte, Studierende an der Fachhochschule für Wirtschaft, Berlin, zu ihren Erwartungshaltungen bzgl. eines Marketing-Lehrbuchs befragt. Denn dieses Werk soll nicht nur die relevante Marketing-Substanz transportieren, sondern idealerweise beim Studium auch Spaß bereiten– sicherlich ein ehrgeiziger Anspruch an ein Lehrbuch. Orientiert an mehr als 300 Fragebögen, die mit wertvollen Anregungen für Konzeption und Ausgestaltung bestückt von den Studenten zurück kamen, wurde das Buch entwickelt. Dies war allerdings nur der erste Teil, die Zielgruppe in den Entstehungsprozess einzubinden. Zusätzlich wurden alle Teile des Buches von Katharina Burgdorff, Stefanie Jägerling und Steffen Grunwald, Studenten der Fachhochschule für Wirtschaft, Berlin, hinsichtlich Verständnis, Motivationskraft und Lesespaß überprüft. Außerdem haben sie intensiv an der Recherche von überzeugenden Praxisbeispielen mitgewirkt. Ihnen möchte ich an dieser Stelle meinen besonderen Dank aussprechen, weil ich durch sie viele wichtige Anregungen erhalten habe. Schließlich wurden in meinen Vorlesungen viele der integrierten Fallbeispiele und Fragestellungen diskutiert, um deren Aussagekraft und Transferleistung kritisch zu hinterfragen. Mein Dank gilt deshalb meinen Studenten, die durch die kritische Diskussion der vielfältigen Aspekte des Marketing immer wieder neue Anregungen zur Weiterentwicklung und Präsentation des Stoffs gegeben haben. Basierend auf dem vielfältigen Austausch mit den Studenten wurden jedem Kapitel nicht nur Lernziele vorangestellt, sondern auch Kontrollfragen erarbeitet. Auf diese Weise erhalten Sie die Möglichkeit, den erlernten Stoff zu rekapitulieren. Auf Musterlösungen habe ich dabei bewußt verzichtet, weil Sie den Austausch über die „optimale“ Lösung mit anderen Studenten suchen sollten. Ein Stoff wie Marketing, zu dem jeder aufgrund seines individuellen Erfahrungsschatzes viel beitragen kann, erschließt sich nicht durch stures Auswendiglernen – und auch nicht, wenn – wie VII
Vorwort
geschehen – der Stoff zum regelmäßigen Wiederholen auf MP3 gesprochen wird. Um Marketing verstehen, verinnerlichen und anwenden zu können, bedarf es des Dialogs. Dazu sollen die Wiederholungsfragen Anregung liefern. Eine besondere Dankbarkeit empfinde ich gegenüber meinen akademischen Lehrern Prof. Dr. Hans Raffée und Prof. Dr. Erwin Dichtl, Universität Mannheim, die meine Begeisterung für das Marketing geweckt haben und die noch heute anhält... Ein herzliches Dankeschön gilt auch meiner Frau Sabine, die über viele Monate dafür Verständnis zeigte, dass ich auch unzählige Abend-, Nacht- und Wochenendschichten für dieses Werk eingelegt habe. Es stellt sich bei einem Lehrbuch wie diesem die Frage, wie ein korrekter Umgang mit dem Thema „Gender“ erfolgen soll. Muß jedesmal vom Kunden und der Kundin, vom Entscheidungsträger und der Entscheidungsträgerin gesprochen werden? Ich hoffe meine Leser und – an dieser Stelle auch – Leserinnen verzeihen mir, wenn ich auf derartige Lesebremsen verzichte und auch die Varianten KundenInnen oder Mitarbeiter/in nicht einsetze, weil eine saubere Durchdeklination den Text m.E. unnötig holperig machen würde. Ebenfalls verzichte ich auf die Variante „Studierende“, die häufig eingesetzt wird, um scheinbar elegant die Genderfrage zu umgehen. Diese Form ist zwar sehr geläufig, nur leider grammatikalisch falsch. Denn ein Studierender ist nur so lange Studierender, wie er tatsächlich studiert, sei es den Wöhe, ein Vorlesungsskript oder die Speisekarte. Davor und danach ist er oder sie Student, aber kein Studierender. So ist ein Schwimmender auch nur so lange Schwimmender, so lange er/sie schwimmt. Folglich ist auch der beste Student einmal Relaxender, Tanzender, Lesender, Chattender, SMS-Verfassender etc. Wie schwer sich selbst der Gesetzgeber mit der Genderfrage tun, zeigt § 1 UWG: „Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucherinnen und der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauterem Wettbewerb….“ Warum nicht auch Mitbewerberinnen und Marktteilnehmerinnen etc.? Ich hoffe, meinen Respekt und meine Hochachtung gegenüber dem weiblichen Geschlecht auf andere Weise ausdrücken zu können als durch die Endung „Innen“ an allen möglichen Begriffen dieses Lehrbuchs. Bei den Literaturhinweisen habe ich mich – neben zentralen Ursprungsquellen – schwerpunktmäßig auf solche Werke konzentriert, die für den Leser weitere Hintergrundinformationen bereitstellen, eine hohe Aktualität aufweisen und eine große Verbreitung gefunden haben. Ein Anspruch, alle Autoren oder Werke zu zitieren, die zu den jeweiligen Themen bereits einmal etwas veröffentlicht haben, wird nicht erhoben. Ob sich meine Mühe insgesamt gelohnt hat, können Sie, lieber Leser, liebe Leserin, selbst entscheiden. Für einen konstruktiven Dialog mit Ihnen finden Sie bei mir immer ein offenes Ohr.
Herzlichst Ihr Ralf T. Kreutzer VIII
Inhaltsverzeichnis
Verzeichnis der Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .XIII Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .XIX 1. Allgemeine Grundlagen des Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1 1.1 Begriffliche Grundlagen des Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1 1.1.1 Was ist Marketing? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1 1.1.2 Wie hat sich die Bedeutung des Marketing im Laufe der Zeit verändert? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .7 1.1.3 Definition des Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11 1.1.4 Arten des Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .13 1.1.5 Tauschobjekte im Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .15 1.1.5.1 Differenzierung der Tauschobjekte nach Inhalt/Verwendungsart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .15 1.1.5.2 Differenzierung der Tauschobjekte nach Kaufverhalten . . .16 1.1.5.3 Differenzierung der Tauschobjekte nach dem Grad des Produktinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .18 1.1.5.4 Differenzierung der Tauschobjekte nach Markierung/Branding . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .20 1.1.6 Kategorien von Kaufentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .25 1.1.7 Kaufverhalten von Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .29 1.2 Marketing-relevantes Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .33 1.2.1 Kennzeichnung von Märkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .33 1.2.2 Makro-Umwelt des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .38 1.2.3 Mikro-Umwelt des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .42 1.3 Verhaltenswissenschaftliche Einflussfaktoren des Marketing . . . . . . . . . . .43 1.3.1 Soziologische Einflussfaktoren des Kaufverhaltens . . . . . . . . . . . . .43 1.3.2 Psychologische Einflussfaktoren des Kaufverhaltens . . . . . . . . . . . .45 2
Marketing-Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .53 2.1 Relevanz und Funktionen von Zielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .53 2.2 Anforderungen an die Formulierung von Zielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .55 2.3 Unternehmens- und Marketing-Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .58 2.4 Markenwertschöpfungskette als Ausgestaltung eines Marketing-Zielsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .62 2.4.1 Kennzeichnung der Markenwertschöpfungskette . . . . . . . . . . . . . . .62 2.4.2 Phasen der Markenwertschöpfungskette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .67 2.4.2.1 Phase 1: Aided Recall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .67 2.4.2.2 Phase 2: Unaided Recall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .68 IX
Inhaltsverzeichnis
2.5
2.4.2.3 Phase 3: Kaufinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .68 2.4.2.4 Phase 4: Kaufbereitschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .69 2.4.2.5 Phase 5: Nachfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .70 2.4.2.6 Phase 6: Erstkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .72 2.4.2.7 Phase 7: Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .73 2.4.2.8 Phase 8: Nachkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .73 2.4.2.9 Phase 9: Empfehlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .74 2.4.3 Ausgewählte Ergebnisse der Markenwertschöpfungskette . . . . . . .75 2.4.4 Verbreitungsgrad der Markenwertschöpfungskette . . . . . . . . . . . . .79 Einbettung der Marketing-Ziele in eine Balanced Scorecard . . . . . . . . . . . .79 2.5.1 Grundkonzept der Balanced Scorecard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .79 2.5.2 Marketing-Scorecard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .81 2.5.3 Verbreitungsgrad von Balanced Scorecards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .82
3
Marketing-Strategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .87 3.1 Kennzeichnung von Strategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .87 3.2 Kategorien von strategischen Konzepten im Marketing . . . . . . . . . . . . . . . .89 3.2.1 Wettbewerbsorientierte Strategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .90 3.2.2 Kundenorientierte Strategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .98 3.2.2.1 Marktfeldstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .98 3.2.2.2 Marktstimulierungsstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .104 3.2.2.3 Marktparzellierungsstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .108 3.2.2.4 Marktarealstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .121
4
Marketing-Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .129 4.1 Produkt- und Programmpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .129 4.1.1 Entscheidungsfelder der Produkt- und Programmpolitik . . . . . . .129 4.1.2 Erweiterter Produktlebenszyklus als Orientierungsrahmen . . . . .133 4.1.2.1 Darstellung des Konzeptes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .133 4.1.2.2 Produktinnovationsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .135 4.1.2.3 Produktlebenszyklus im engeren Sinne . . . . . . . . . . . . . .147 4.1.2.4 Produktmodifikations-/-eliminationsprozess . . . . . . . . . .150 4.1.3 Markenstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .151 4.1.4 Servicestrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .156 4.1.5 Controlling der Produkt- und Programmpolitik . . . . . . . . . . . . . . .158 4.2 Preis- und Konditionenpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .162 4.2.1 Entscheidungsfelder der Preis- und Konditionenpolitik . . . . . . . .162 4.2.2 Rechtliche Rahmenbedingungen der Preis- und Konditionenpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .164 4.2.3 Ansätze zur Preisbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .168 4.2.3.1 Kostenorientierte Preisfestlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .168 4.2.3.2 Nachfrageorientierte Preisgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . .170 4.2.3.3 Konkurrentenorientierte Preisgestaltung . . . . . . . . . . . . .176 4.2.4 Statische Preisstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .178 4.2.4.1 Instrumente der statischen Preis- und Konditionengestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .178
X
Inhaltsverzeichnis
4.2.4.2
4.3
4.4
4.5
Preisdifferenzierung als Spezialinstrument der statischen Preis- und Konditionengestaltung . . . . . . . . . .187 4.2.4.3 Kalkulatorischer Ausgleich als Spezialinstrument der statischen Preis- und Konditionengestaltung . . . . . .191 4.2.5 Dynamische Preisstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .192 4.2.6 Produktübergreifende Aspekte der Preis- und Konditionenpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .195 Distributionspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .199 4.3.1 Entscheidungsfelder der Distributionspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . .199 4.3.2 Absatzwege und Absatzorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .200 4.3.2.1 Direktvertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .201 4.3.2.2 Indirekter Vertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .203 4.3.2.3 Multi-Channel-Vertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .215 4.3.3 Absatzwege- und Absatzorgane-Management . . . . . . . . . . . . . . . .217 4.3.4 Distributionslogistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .219 Kommunikationspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .223 4.4.1 Kennzeichnung der Kommunikationspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . .223 4.4.2 Ziele, Zielgruppen und Informationsfelder der Kommunikationspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .226 4.4.3 Instrumente und Medien der Kommunikationspolitik . . . . . . . . . .230 4.4.3.1 Übergreifende Begrifflichkeiten der Kommunikationspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .230 4.4.3.2 Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .238 4.4.3.3 Public Relations . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .248 4.4.3.4 Verkaufsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .251 4.4.3.5 Direktkommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .252 4.4.3.6 Internet-Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .259 4.4.3.7 Sponsoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .263 4.4.3.8 Messen/Ausstellungen/Events . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .266 4.4.3.9 Lobbyismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .267 4.4.3.10 Integrierte Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .267 4.4.4 Budgetierung der Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .270 4.4.5 Systeme der Kommunikationspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .271 4.4.5.1 Corporate Identity . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .271 4.4.5.2 Kundenbindungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .274 4.4.6 Spezialgebiet Web 2.0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .279 4.4.6.1 Kennzeichnung des Web 2.0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .279 4.4.6.2 Motivstrukturen hinter Web 2.0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .280 4.4.6.3 Erscheinungsformen des Web 2.0 und ihre Erfolgsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .286 4.4.6.4 Guidelines für die Nutzbarmachung des Web 2.0 . . . . .295 Personalpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .301 4.5.1 Plädoyer für das „5. P“ im Marketing-Mix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .301 4.5.2 System eines „Marketing nach innen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .308 4.5.2.1 Grundüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .308 4.5.2.2 Leitideen für ein Marketing nach innen . . . . . . . . . . . . . .309 XI
Inhaltsverzeichnis
4.5.2.3 4.5.2.4 4.5.2.5 5
Sicherstellung des „strategischen Informationsflusses“ im Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . .312 Sicherstellung einer „dialogischen Kommunikation“ im Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . .313 Integration in die Balanced Scorecard . . . . . . . . . . . . . . . .316
Entwicklung einer geschlossenen Marketing-Konzeption . . . . . . . . . . . . . . . . .321 5.1 Erstellung eines Marketing-Plans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .321 5.2 Zuordnung von Aktivitäten zum Produktlebenszyklus . . . . . . . . . . . . . . .322
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .325 Stichwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .349
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Verzeichnis der Abbildungen
Abb. 1/1: Abb. 1/2: Abb. 1/3: Abb. 1/4: Abb. 1/5: Abb. 1/6: Abb. 1/7: Abb. 1/8: Abb. 1/9: Abb. 1/10: Abb. 1/11: Abb. 1/12: Abb. 1/13: Abb. 1/14: Abb. 1/15: Abb. 1/16: Abb. 1/17: Abb. 1/18: Abb. 1/19: Abb. 1/20: Abb. 1/21: Abb. 1/22: Abb. 1/23: Abb. 1/24: Abb. 1/25: Abb. 2/1: Abb. 2/2: Abb. 2/3: Abb. 2/4: Abb. 2/5: Abb. 2/6:
Kennzeichnung von Verkäufer- und Käufermärkten . . . . . . . . . . . . . . . .4 Mikro- und Makro-Umwelt des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .5 Prozess des Marketing-Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .7 Entwicklung der Bedeutung des Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8 Pyramide des Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .13 Kennzeichnung von Angeboten nach Kaufverhalten . . . . . . . . . . . . . . .17 Kennzeichnung von Angeboten nach Produktinteresse . . . . . . . . . . . . .19 Kennzeichnung von Markenartikeln, Handelsmarken und No-Names . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .21 Relative Qualitäts- und Preis-Positionierung unterschiedlicher Produktklassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .23 Loyalitätsentwicklung bei Marken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .24 Vom Bedürfnis zum Kaufakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .26 Phasen eines extensiven Kaufentscheidungsprozesses . . . . . . . . . . . . . .26 Produktportfolio der Marke Nivea . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28 Buying Center des Kaufverhaltens in Organisationen . . . . . . . . . . . . . .31 Begriffe zur Beschreibung von Märkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .35 Schema der Marktformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .36 Entwicklung der Lebenserwartung in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . .39 Entwicklung der Haushaltsgröße in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . .40 Veränderung des Nettoverdienstes je Arbeitnehmer in Deutschland in Prozent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .41 Einflussfaktoren des Kaufverhaltens von Konsumenten . . . . . . . . . . . .44 Sinus-Milieus in Deutschland 2006 – Soziale Lage und Grundorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .45 Beziehung zwischen Aktivierung und Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .46 Hörzu-Werbung mit erotischen und kognitiven Reizen . . . . . . . . . . . . .48 TAZ-Werbung mit kognitiven und physischen Reizen und FTD-Anzeige mit kognitiven Reizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .48 Information Overload als Determinante des Konsumentenverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .49 Hierarchisches Zielsystem eines Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . .60 Visualisierung von Zielbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .61 Marketing-Zielsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .62 Kernphasen der Markenwertschöpfungskette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .63 Abschmelzverluste entlang einer reduzierten Markenwertschöpfungskette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .64 Image ist keine Stufe der Markenwertschöpfungskette, sondern eines ihrer Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .65 XIII
Verzeichnis der Abbildungen
Abb. 2/7: Abb. 2/8: Abb. 2/9: Abb. 2/10: Abb. 2/11: Abb. 2/12: Abb. 2/13: Abb. 2/14: Abb. 2/15: Abb. 2/16: Abb. 2/17: Abb. 3/1: Abb. 3/2: Abb. 3/3: Abb. 3/4: Abb. 3/5: Abb. 3/6: Abb. 3/7: Abb. 3/8: Abb. 3/9: Abb. 3/10: Abb. 3/11: Abb. 3/12: Abb. 3/13: Abb. 3/14: Abb. 3/15: Abb. 3/16: Abb. 3/17: Abb. 3/18: Abb. 3/19: Abb. 3/20: Abb. 3/21: Abb. 3/22: Abb. 4.1/1: Abb. 4.1/2: Abb. 4.1/3: Abb. 4.1/4: Abb. 4.1/5: Abb. 4.1/6: Abb. 4.1/7: Abb. 4.1/8: XIV
Dominante Faktoren entlang der Markenwertschöpfungskette . . . . . .66 Einflussfaktoren des Markenguthabens im Eisberg-Modell . . . . . . . . .67 Abbau von „Passivität“ zugunsten von „Aktivität“ entlang der Markenwertschöpfungskette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .71 Gewinnsteigerungspotenzial durch Stammkunden . . . . . . . . . . . . . . . .74 Motivierende und demotivierende Faktoren entlang der Markenwertschöpfungskette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .75 Bewertung ausgewählter Marken in Prozent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .76 Vergleich einer Premium- und einer Volumen-Marke . . . . . . . . . . . . . .77 Verwendung zentraler Steuerungsgrößen im Marketing . . . . . . . . . . . .78 Grundkonzept der Balanced Scorecard für ein Unternehmen . . . . . . . .80 Marketing-Scorecard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .82 Einsatz von und Zufriedenheit mit ausgewählten Planungsund Steuerungsinstrumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .83 Strategietypen nach Porter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .91 Erfahrungskurveneffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .92 Stoßrichtung einer wettbewerbsstrategischen Überholstrategie . . . . . .97 Kundenorientierte Strategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .98 Produkt-Markt-Matrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .99 Formen der Diversifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .103 Klassisches Schichtenmodell eines Marktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .104 Raster zur Ausgestaltung der Marktstimulierungsstrategie . . . . . . . .105 Hybrides Kaufverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .106 Verlust-in-der-Mitte-Phänomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .107 Ausgestaltungsformen der Marktsegmentierung . . . . . . . . . . . . . . . . .109 Werblicher Auftritt des Otto-Versandes 1959 und 1989 . . . . . . . . . . . .111 Ausgewählte Kriterien der Marktsegmentierung im BtC-Markt . . . .112 Ausgewählte Kriterien der Marktsegmentierung im BtB-Markt . . . . .113 Segmentierungskriterien von microdialog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .115 Konzept des Kunden-Lebenszyklus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .116 Dreiklang der Kundenbetreuung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .118 Ausgewählte Merkmale zur Beschreibung der eigenen Interessenten und Kunden im BtC-Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .119 Entscheidungsfelder der Marktarealstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .122 Strategien für die internationale Expansion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .123 Wasserfall-Strategie zur internationalen Produkteinführung . . . . . . .124 Sprinkler-Strategie zur internationalen Produkteinführung . . . . . . . .125 Prozess zur Ausgestaltung der Produkt- und Programmpolitik . . . . .130 Fünf Konzeptionsebenen des Produktes mit zunehmender Wertsteigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .132 Breite und Tiefe des Produktprogramms am Beispiel Miele . . . . . . . .133 Konzept des erweiterten Produktlebenszyklus . . . . . . . . . . . . . . . . . . .135 Klassifizierung von Innovationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .136 Ausgewählte Trigger und Quellen des Innovationsprozesses . . . . . . .137 Phasen des Innovationsprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .139 Ausgewählte Quellen von Neuproduktideen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .140
Verzeichnis der Abbildungen
Abb. 4.1/9: Abb. 4.1/10: Abb. 4.1/11: Abb. 4.1/12: Abb. 4.1/13: Abb. 4.1/14: Abb. 4.1/15: Abb. 4.1/16: Abb. 4.1/17: Abb. 4.1/18: Abb. 4.1/19: Abb. 4.1/20: Abb. 4.1/21: Abb. 4.1/22: Abb. 4.1/23: Abb. 4.2/1: Abb. 4.2/2: Abb. 4.2/3: Abb. 4.2/4: Abb. 4.2/5: Abb. 4.2/6: Abb. 4.2/7: Abb. 4.2/8: Abb. 4.2/9: Abb. 4.2/10: Abb. 4.2/11: Abb. 4.2/12: Abb. 4.2/13: Abb. 4.2/14: Abb. 4.3/1: Abb. 4.3/2: Abb. 4.3/3: Abb. 4.3/4: Abb. 4.3/5: Abb. 4.3/6: Abb. 4.3/7: Abb. 4.3/8: Abb 4.3/9:
Attribute-Listing zur Entwicklung eines Fachbuches . . . . . . . . . . . . . .142 Trichtermodell zur Bewertung und Auswahl von Neuproduktideen 143 Scoring-Modell zur Neuproduktbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .144 Break-even-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .145 Diffusionsmodell bei Innovationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .148 Entscheidungsfaktoren bei einer Produktmodifikation bzw. -elimination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .151 Alternative Branding Strategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .152 Markenstrategie bei Beiersdorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .153 Vorteile alternativer Markenstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .153 Vor- und Nachteile einer Mehrmarken-Strategie . . . . . . . . . . . . . . . . . .154 Orientierungspunkte für die Findung von Markennamen . . . . . . . . . .155 Produkt-Marken-Portfolio am Beispiel des Volkswagen-Konzern . . .155 Serviceleistungen als Teil der Produkt- und Programmpolitik . . . . . .157 ABC-Analyse des Angebotsprogramms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .158 Altersstrukturanalyse eines Produktprogramms . . . . . . . . . . . . . . . . . .159 Einflussfaktoren und Gestaltungsfelder der Preis- und Konditionenpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .163 Preis-Absatz-Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .171 Preisveränderung im elastischen Bereich der Preis-Absatz-Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .172 Preisveränderung im unelastischen Bereich der Preis-Absatz-Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .173 Auswirkungen des Preises auf die Kaufwahrscheinlichkeit . . . . . . . .176 Konkurrentenorientierte Preisgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .177 Konkurrentenorientierte Preisstrategien am Beispiel von Volkswagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .177 Rabattarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .179 Ausgestaltungsmöglichkeiten des Couponing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .180 Payback-Coupons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .181 Pre-Sales-Coupons von Procter & Gamble . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .183 Prozessablauf einer Couponing-Aktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .185 Arten der Preisdifferenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .188 Dynamische Preisstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .193 Einflussfaktoren und Entscheidungsfelder der Distributionspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .199 Alternative Absatzwege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .200 Funktionen des Handels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .202 Betriebsformen des Absatzgroßhandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .205 Betriebsformen des Einzelhandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .206 Betriebsformate des stationären Einzelhandels I . . . . . . . . . . . . . . . . . .206 Betriebsformate des stationären Einzelhandels II . . . . . . . . . . . . . . . . .207 Einkaufsstättenpräferenzen für Güter des täglichen Bedarfs in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .208 Einkaufhäufigkeit und Kassenbon nach Lebenszyklen für Güter des täglichen Bedarfs in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .209 XV
Verzeichnis der Abbildungen
Abb. 4.3/10: Abb. 4.3/11: Abb. 4.3/12: Abb. 4.3/13: Abb. 4.3/14: Abb. 4.4/1: Abb. 4.4/2: Abb. 4.4/3: Abb. 4.4/4: Abb. 4.4/5: Abb. 4.4/6: Abb. 4.4/7: Abb. 4.4/8: Abb. 4.4/9: Abb. 4.4/10: Abb. 4.4/11: Abb. 4.4/12: Abb. 4.4/13: Abb. 4.4/14: Abb. 4.4/15: Abb. 4.4/16: Abb. 4.4/17: Abb. 4.4/18: Abb. 4.4/19: Abb. 4.4/20: Abb. 4.4/21: Abb. 4.4/22: Abb. 4.4/23: Abb. 4.4/24: Abb. 4.4/25: Abb. 4.4/26: Abb. 4.4/27: Abb. 4.4/28: Abb. 4.4/29: Abb. 4.4/30: Abb. 4.4/31: Abb. 4.4/32: Abb. 4.4/33: Abb. 4.4/34: Abb. 4.4/35: Abb. 4.4/36: XVI
Relevante Einkaufskriterien bei Gütern des täglichen Bedarfs in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .209 Reaktion der Konsumenten auf Sortenvielfalt im Regal . . . . . . . . . . . .211 Kriterien zur Auswahl von Absatzkanälen und Absatzorganen . . . . .217 Zielkonflikte im Absatzkanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .218 Wertschöpfungskette der Logistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .220 Prozess zur Ausgestaltung der Kommunikationspolitik . . . . . . . . . . .224 Entscheidungsfelder der Kommunikationspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . .225 Prozess der Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .225 Zielgruppen der unternehmerischen Kommunikation . . . . . . . . . . . . .227 Push- und Pull-Strategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .228 Informationsfelder der unternehmerischen Kommunikation . . . . . . .230 Ausgewählte Werbeträger und ihre Werbemittel . . . . . . . . . . . . . . . . .231 Netto-Werbeeinnahmen erfassbarer Werbeträger in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .232 Werbestärkste Branchen in Deutschland 2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .233 Ergebnisse der Allensbacher Werbeträgeranalyse für Wirtschaftstitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .237 Muster von Kommunikationsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .238 Zielgruppen-affine Werbeansprachen für Tierärzte . . . . . . . . . . . . . . .240 Monolog-Anzeige von KönigPilsner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .241 Dialog-/Direct Response-Anzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .242 TV-Sehdauer in Deutschland 2001 – 2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .243 Guerilla-Marketing für amnesty international . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .246 Handzettel der Berliner Volksbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .247 PR-Gau für die Deutsche Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .248 PR-Anzeige der forschenden Pharma-Unternehmen . . . . . . . . . . . . . .250 Finanz-PR von Alex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .251 Arten der Verkaufsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .252 Obi-Coupon, der zur unmittelbaren Aktion auffordert . . . . . . . . . . . .254 Fehlerhafte Ausgestaltung einer One-to-One-Ansprache . . . . . . . . . . .256 Umweltsponsoring von Krombacher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .265 Zeitbudget für Mediennutzung und parallel laufende Aktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .268 Multi-Channel-Effekt von TV und Online . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .269 Bereiche der Corporate Identity . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .272 Bedeutung von und Kompetenz in Kundenbindung im Marketing .275 Bedeutung von Erfolgsfaktoren für Unternehmen im Marketing-Mix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .276 Beispiele des Customer Lifetime Value . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .277 Kundenclub-Matrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .278 Motivstrukturen des Web 2.0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .281 Zentrale Erscheinungsformen des Web 2.0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .286 Homepage von Wikipedia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .288 Vernetzung über das Business Network xing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .291 MeinProf.de - Bewertungsplattform für Professoren und Dozenten .293
Verzeichnis der Abbildungen
Abb. 4.4/37: Abb. 4.5/1: Abb. 4.5/2: Abb. 4.5/3: Abb. 4.5/4: Abb. 4.5/5: Abb. 4.5/6: Abb. 4.5/7: Abb. 4.5/8: Abb. 4.5/9: Abb. 4.5/10: Abb. 4.5/11: Abb. 4.5/12: Abb. 5/1: Abb. 5/2:
Auftritte in Second Life . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .294 Entwicklung des Engagement Index von Gallup . . . . . . . . . . . . . . . . . .302 Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .303 Ansatzpunkte zur Erreichung von Uniqueness . . . . . . . . . . . . . . . . . . .304 Passion-getriebene Marketing-Excellence-Turbine . . . . . . . . . . . . . . . .306 Anteil der Europäer an der Weltbevölkerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .307 Einordnung des Marketing nach innen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .308 Leitideen des Marketing nach innen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .310 Eisberg-Modell der Leistungserbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .311 Wirkungskette der Kommunikation eines Marketing nach innen . . .312 Dialogische Kommunikation im Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .314 Engagement-Portfolio zur Beziehung zwischen Employee Engagement und Customer Engagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .317 Marketing-Diamant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .318 Grobstruktur eines Marketing-Plans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .322 Aktionsbausteine eines Marketing-Plans in Abhängigkeit von den Phasen des Produktlebenszyklus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .323
XVII
Abkürzungsverzeichnis
asw: bspw.: BtB: BtC: B2B: B2C: bzw.: CB: CC: CD: CI: CLV: CPC: CPI: CPO: CPR: CSR: CoC: DB: DDV: DM: d.V.: ERP: FAS: FAZ: FMCG: FT: FTD: GA: GfK: GWB: HB: HBR: HGB: i.d.S.: insb.: IPO: PAngV: POP:
Absatzwirtschaft beispielsweise Business-to-Business Business-to-Consumer Business-to-Business Business-to-Consumer beziehungsweise Corporate Behavior Corporate Communication Corporate Design Corporate Identity Customer Lifetime Value Cost-per-Coupon Cost-per-Interest Cost-per-Order Cost-per-Redemption Corporate Social Responsibility Codes of Conduct Deckungsbeitrag Deutscher Direktmarketing Verband direkt marketing, Magazin für kundenorientierte Kommunikation der Verfasser Enterprise Resource Planning Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung Frankfurter Allgemeine Zeitung Fast Moving Consumer Goods Financial Times Financial Times Deutschland Bonner Generalanzeiger Gesellschaft für Konsumforschung Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung Handelsblatt Harvard Business Review Handelsgesetzbuch in diesem Sinne insbesondere Initial Public Offering Preisangabeverordnung Point of Purchase XIX
POS: PR: TK: o.g.: o.V.: OEM: UAP: UPP: USP: UWG: vfa: VKF: WiSt: ZAW: ZfAW: z.B.: z.T.:
XX
Point of Sale Public Relations Teilkosten oben genannt ohne Verfasser Original Equipment Manufacturer Unique Advertising Proposition Unique Passion Proposition Unique Selling Proposition Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb Verband forschender Arzneimittelhersteller Verkaufsförderung Wirtschaftswissenschaftliches Studium Zentralverband der Deutschen Werbewirtschaft Zeitschrift für die gesamte Wertschöpfungskette Automobilwirtschaft zum Beispiel zum Teil
1.
Allgemeine Grundlagen des Marketing
„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben!“ (Hermann Hesse)
Lernziele Fähigkeit... Marketing in seinen unterschiedlichen Ausprägungen zu erkennen Entwicklung des Marketing nachzuvollziehen verschiedene Marketing-Konzeptionen zu unterscheiden Marketing-relevante Einflussfaktoren zu ermitteln unterschiedliche Kategorien von Produkten und ihre Relevanz für den Marketing-Einsatz zu erkennen Begriffe zur Beschreibung von Märkten anwenden zu können Marktformen und ihre Implikationen für das Marketing zu erfassen verhaltenswissenschaftliche Aspekte des Marketing zu verstehen und bei der Ausgestaltung des Marketing zu berücksichtigen Unterschiede zwischen BtB- und BtC-Marketing zu beherrschen
1.1
Begriffliche Grundlagen des Marketing
1.1.1 Was ist Marketing? Coca-Cola ist bereits seit Jahren die wertvollste Marke der Welt und wird mit 68 Mrd. $ bewertet (vgl. Interbrand, 2007). Doch der monetäre Markenwert ist nur eine Wirkungsdimension einer starken Marke. Die andere – den monetären Markenwert begründend – ist die Relevanz der Marke für den Kaufentscheidungsprozess des Kunden. In Tests wird immer wieder festgestellt, dass bei einer Blindverkostung, d.h. wenn der Konsument nicht weiß, welche Cola er trinkt, i.d.R. Pepsi-Cola am besten schmeckt. Ganz anders fällt das Ergebnis jedoch aus, wenn der Konsument weiß, welche Cola er trinkt; dann schmeckt ihm auf einmal Coca-Cola besser (Chernatony/ McDonald, 1998, S. 83). In der Konsequenz bedeutet dies, dass der Markenname und das über verschiedene Werbemaßnahmen aufgebaute Image das Geschmackserlebnis 1
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Allgemeine Grundlagen des Marketing
des Konsumenten beeinflusst. Dabei wird die Bedeutung des Marketing am Beispiel der Marken- und Kommunikationspolitik deutlich. Designer-Kleidung bei H&M – eine Kombination, die sich bis Ende 2004 keiner so richtig vorstellen konnte, bis es H&M gelang, Karl Lagerfeld zum Entwurf von Kleidungskollektionen exklusiv für H&M zu gewinnen. Dieser Geniestreich verstärkte nicht nur die Kompetenz von H&M mit seiner Positionierung „Mode und Qualität zum besten Preis“, sondern steigerte auch die Begehrlichkeit der H&M-Produkte dramatisch – bis hin zur Versteigerung der limitierten Stücke bei ebay. Zusätzlich wurde der Börsenkurs von H&M beflügelt. Dieses Beispiel verdeutlicht die Möglichkeiten der Produkt- und Kommunikationspolitik. Ende 2005 ist Aldi mit Aldi-Talk in den Markt für mobile Telekommunikation eingestiegen und hat damit das bisher von simyo stark dominierte Feld der DiscountTelefonie neu aufgemischt und den im Markt schon vorherrschenden Preisdruck weiter erhöht. Zur Freude der Konsumenten setzte ein weiterer Preisrutsch – auch bei den etablierten Mobilfunkunternehmen – ein. Eine klassische Marketing-Maßnahme, bei der eine bereits am Markt angebotene Technologie – hier der Mobilfunk – durch einen neuen Anbieter mit einer besonders aggressiven Preisstrategie in den Markt getragen wurde. Da Aldi mit über 4.000 Filialen in Deutschland ein flächendeckendes Netz zum Vertrieb sowie zur Wiederaufladung der Pre-Paid-Karten besitzt, konnte Aldi den Markt nachhaltig verändern und damit die Relevanz der Preispolitik unterstreichen. Der Siegeszug von Dell begann 1984 damit, dass der damals 19-jährige Michael Dell aus handelsüblichen Fertigteilen IBM-kompatible Computer produzierte und diese per Telefon und Katalog direkt an seine Kunden verkaufte (Karg, 1998, S. 52). Später wurde das Internet konsequent in die Vertriebsstrategie integriert. Dieser sogenannte Direktvertrieb war in Verbindung mit einer guten Qualität und einem ausgewogenen Preis-Leistungs-Verhältnis die Grundlage dafür, dass es Dell gelang, die viel länger am Markt operierenden Unternehmen wie IBM/Lenovo und Hewlett-Packard zu überrunden und für mehrere Jahre zur globalen Nr. 1 im PC- und Laptop-Segment zu werden. Hier wird deutlich, wie entscheidend die richtige Distributionspolitik für den Erfolg eines Unternehmens sein kann. Die Hotelgruppe Ritz-Carlton überzeugt seit Jahren durch eine exzellente, weit über dem Durchschnitt liegende Service-Qualität. Eine wesentliche Ursache hierfür ist, dass den Mitarbeitern der Hotels hinsichtlich Auswahl, Qualifikation und Schulung eine große Bedeutung zugemessen und diese durch ein entsprechendes Qualitätsmanagement gesichert wird. Jeder Mitarbeiter ist gehalten, das Credo und die Grundsätze von Ritz-Carlton, die in einem Folder in Visitenkartengröße dokumentiert sind, immer „am Mann“ zu haben. Hierdurch soll der „Geist des Hauses“ allzeit präsent sein. Bei den Grundsätzen unter Punkt 13 heißt es bspw.: „Verlieren Sie nie einen Gast. Die sofortige Zufriedenstellung eines Gastes liegt in der Verantwortung eines jeden Mitarbeiters. Jeder, an den eine Beschwerde herangetragen wird, ist Eigentümer dieser Beschwerde, löst sie zur Zufriedenheit des Gastes und dokumentiert den Vorfall.“ (Ritz-Carlton, 2006). Hier wird die Bedeutung des Mitarbeiters als zentraler Leistungsträger und damit auch der Personalpolitik eines solchen Dienstleistungsunternehmens deutlich. 2
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Durch eine Zusammenarbeit mehrerer europäischer Unternehmen ist es gelungen, nicht nur eine europäische Flugzeugindustrie namens Airbus aufzubauen, sondern mit dem A 380 auch eine technologische Weltneuheit zu konzipieren und erfolgreich zum Fliegen zu bringen. Die Nachfrage nach diesem Flugzeugtyp und die Reaktion des Konkurrenten Boing auf das neue Angebot zeigt den Erfolg dieser Kooperation. Dies ist ein Beispiel für Marketing aus dem Business-to-Business-Bereich. Schließlich geht es um die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen bei der Entwicklung und Produktion. Zusätzlich besteht der Zielmarkt wiederum aus Unternehmen, konkret aus den Fluggesellschaften und Luftfrachtunternehmen dieser Welt. Marketing-Aktivitäten sind häufig eng mit den Unternehmensstrategien verbunden. Bei der Börseneinführung von Wacker Chemie 2006 wird diese Verbindung deutlich, weil der erstmalige Börsengang (IPO als Initial Public Offering) zunächst eine unternehmensstrategische Entscheidung darstellt, ihre Umsetzung aber in hohem Maße Marketing-Aufgaben beinhaltet; so bspw. bei der für den IPO notwendige Kommunikation zur Gewinnung interessierter Anleger. Auch die Entscheidung von Karstadt-Quelle, sich von der Unternehmensbeteiligung Starbucks zu trennen, zeigt die enge Verbindung zwischen Unternehmensstrategie (In welchen Geschäftsfeldern möchte das Unternehmen aktiv sein?) und den Marketing-Strategien (Für welche Zielgruppen biete ich welche Leistungen an?). Je marktorientierter Unternehmen agieren, desto stärker wird diese Verbindung zwischen Unternehmens- und MarketingStrategien. Diese Beispiele verdeutlichen: Marketing ist wesentlich mehr als Werbung, die uns als Konsument und Endverbraucher allgegenwärtig ist. Marketing setzt zunächst einmal – wenn man den Begriff Marketing analysiert – mit „Market“ den „Markt“ und damit die Kunden, seien es Konsumenten oder Unternehmen als Abnehmer, in den Mittelpunkt. In diesem Fall sprechen wir von Absatzmärkten, d.h. von Märkten, auf denen Produkte oder Dienstleistungen verkauft werden. Eine Ausrichtung auf die Absatzmärkte ist dann erforderlich, wenn diese den Engpass der unternehmerischen Aktivität darstellen, d.h. der Absatz der Güter nicht „von selbst“ passiert, wie das beispielsweise in der Nachkriegszeit in Deutschland der Fall war. Damals war nicht der Absatz der Engpass, sondern die Rohstoffbeschaffung und die Produktion. Weil damals der „Verkäufer“ i.S. des anbietenden Unternehmens (sei es der Hersteller selbst oder der Händler) in der dominanten Marktposition war, da ihm die Produkte von den Kunden quasi aus den Händen gerissen wurden, wird in einem solchen Fall von einem Verkäufermarkt gesprochen. Welche weiteren Merkmale mit einem Verkäufermarkt einhergehen, zeigt Abb. 1/1. In den entwickelten Industrienationen der heutigen Zeit stellt i.d.R. nicht mehr der „Verkäufer“ den Engpass dar, sondern der Käufer. Deshalb spricht man vom sogenannten Käufermarkt, da der Käufer die dominierende Marktposition innehat. Er entscheidet darüber, welches Produkt er kauft, welchen Preis er zu akzeptieren bereit ist, in welchem Distributionskanal (etwa Internet, Versandhandel oder Warenhaus) er einkauft und von welcher kommunikativen Ansprache er sich angezogen fühlt. Die notwendigen Antworten hierauf liefert das Absatz-Marketing. 3
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Abb. 1/1:
Kennzeichnung von Verkäufer- und Käufermärkten In Anlehnung an Bea et al., 2002, S. 215
Merkmal
Verkäufermarkt
Käufermarkt
Stadium der wirtschaftlichen Entwicklung
Mangelwirtschaft
Überfluss-/Wohlstandsgesellschaft
Relation von Angebots- zu Nachfrage > Angebot (Nachfrageüberhang) Nachfragemenge
Nachfrage < Angebot (Angebotsüberhang)
Engpassbereich und damit Beschaffung, Fertigung Fokus des Unternehmens
Vermarktung, Absatz
Vorrangige Aufgabe des Unternehmens
Vergrößerung der Beschaffung- und Produktionskapazitäten
Aktivitätsschwerpunkt
Nachfrager ist aktiver als der Anbieter ist aktiver als der Nachfrager Anbieter
Aktivierung und Lenkung von Nachfrage
Es wird deutlich, warum mit dem Absatzmarkt das Marketing als unternehmerische Grundorientierung (i.S. der Ausrichtung des Unternehmens an den Anforderungen des Marktes), aber auch das Marketing als betriebliche Teilfunktion (z.T. als eigene Abteilung oder als eingebundener Bereich in der Unternehmensorganisation) mit der wirtschaftlichen Entwicklung von Ländern immer mehr ins Zentrum rückte. Denn wie heißt es in Bezug auf wirtschaftlich weit entwickelte Länder in einer These so treffend: „Wir haben heute keinen Mangel an Produkten, wir haben einen Mangel an Bedürfnissen!“ Heute stellen vielfach nicht nur Absatzmärkte einen Engpass für die unternehmerische Tätigkeit dar. Auch Beschaffungsmärkte können zum Engpass werden, wenn bspw. in bestimmten Branchen qualifizierte und hochmotivierte Mitarbeiter fehlen, Lizenzen für die Nutzung bestimmter Erfindungen erworben werden müssen oder bestimmte Rohstoffe (temporär) knapp werden (bspw. Stahl, Erdöl, Energie). Deshalb ist es notwendig, dass sich das Marketing auch auf die Beschaffungsmärkte ausrichtet; dabei wird folglich vom Beschaffungs-Marketing gesprochen. Aber auch diese erweiterte Perspektive reicht heute nicht mehr aus. Gefordert ist vielmehr die Ausrichtung der unternehmerischen Tätigkeiten an den Anforderungen der sogenannten Mikro- und Makro-Umwelt (vgl. Abb. 1/2). Die aufgeführten Bereiche sind unternehmensspezifisch daraufhin „abzuklopfen“, welche der dort zuzuordnenden Einflussfaktoren auf das unternehmerische Geschehen wirken bzw. welche bei der Ausgestaltung der Unternehmensaktivitäten zu berücksichtigen sind. 4
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Abb. 1/2:
Mikro- und Makro-Umwelt des Unternehmens
Makro-Umwelt e,
h sc che Mikro-Umwelt i t li tli lt o P ch we K lun re Um ta r i de p e n Ka eb g
Li ef er an te n
So zi al e Um , k u w ltu el re t lle
Te ch n Um olo w gis el ch t e
Unter-nehmen tet ber W er w be Ö
he c is m elt o n w ko Um
Konkret bedeutet dies, dass in der Mikro-Umwelt neben den Absatz- und Beschaffungsmärkten (Kunden, Lieferanten) auch die Wettbewerber mit ihren Aktivitäten in der unternehmerischen Perspektive zu berücksichtigen sind. D.h., dass heute quasi kein im Konkurrenzkampf stehendes Unternehmen seine Aktivitäten ausgestalten kann, ohne die relevanten Wettbewerber im Fokus zu haben. Auch die Kapitalgeber, seien es echte Anteilseigner (Shareholder) oder die finanzierenden Banken, müssen mit ihren Interessen bei der Umsetzung des Marketing berücksichtigt werden. Durch die Diskussion des Shareholder-Value, d.h. der Schaffung von Werten für die Anteilseigner, wurden deren Interessen besonders in den Mittelpunkt gerückt und die Unternehmensleitung dazu aufgefordert, besonders an einer Wertsteigerung für diese Zielgruppe zu arbeiten (vgl. weiterführend Rappaport, 2005; Bonin, 2004). 5
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Die Berücksichtigung der Anforderungen von unterschiedlichen Interessengruppen der Mikro-Umwelt reicht heute ebenfalls nicht mehr aus, um langfristig erfolgreich am Markt agieren zu können. Immer mehr Anforderungen werden an das Unternehmen auch seitens der Makro-Umwelt gestellt, die von Wünschen der politischen Entscheidungsträger und Teilen der aktiven Öffentlichkeit hinsichtlich der Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen über die Förderung der nationalen Ökonomie durch den Aufbau weiterer Standorte, die Berücksichtigung ökologischer Anforderungen bis zum Transfer bestimmter Technologien in Schwellenländer führen kann. Vor diesem Hintergrund ist das o.g. Shareholder-Konzept zum Stakeholder-Konzept weiterentwickelt worden, wobei die Stakeholder nicht als „Teilhaber“ im rechtlichen, sondern vielmehr im übertragenen Sinne zu verstehen sind. Dabei gilt es, deren Interessen und Anforderungen an das Unternehmen bei der Ausgestaltung des Marketing zu berücksichtigen (vgl. Hopfenbeck, 2000). Teilweise wird in der Literatur bzgl. der Analyse der Makro-Umwelt auch von der PEST-Analyse gesprochen, wobei PEST als Akronym steht mit „P“ für „Political-Legal Environment“, „E“ für „Economic Environment“, „S“ für „Social Environment“ und „T“ für „Technological Environment“ (vgl. bspw. Ramme, 2004, S. 57). Vor diesem Hintergrund ist Marketing als unternehmerische Führungskonzeption wie folgt zu kennzeichnen (vgl. Meffert, 2000, S. 6; Homburg/Krohmer, 2003, S. 7-12; Kotler, 2003, S. 5-7; Kotler/Bliemel, 2001, S. 3f.; grundlegend Fritz, 1997). Dabei basieren alle Unternehmensaktivitäten auf Informationen über die relevante Umwelt, auf die alle Handlungen des Unternehmens ausgerichtet werden. Hierbei bedient sich das Marketing folgender „Werkzeuge“: Informationsbeschaffende und -verarbeitende Instrumente und Analysen (als Bestandteil der Markt- und Marketing-Forschung), Planungssysteme zur Festlegung von Marketing-Zielen, zur Ableitung von Marketing-Strategien sowie zur Ausgestaltung verschiedener Marketing-Instrumente (konkret der Preis-, Produkt-, Kommunikations-, Distributions- und Personalpolitik, die in einer konkreten Ausgestaltung zusammen den MarketingMix bilden), Implementierungs- und Controllingsysteme zur Umsetzung des Marketing bzw. zur Überwachung von Prozessen sowie der Zielerreichung, Organisationskonzepte, um Marketing in der Unternehmensstruktur zu verankern. Die o.g. Tools fließen im Prozess des Marketing-Management zusammen, wie Abb. 1/3 zeigt. Hier wird deutlich, dass das Marketing-Controlling die Gesamtheit des Marketing kritisch analysieren soll und nicht nur auf die Ergebniskontrolle am Ende eines Geschäftsjahres beschränkt sein darf. Ein solches Konzept besitzt nicht nur für Unternehmen eine große Relevanz. Die zur Anwendung kommenden Systeme und Prozesse können in ihren Grundzügen ebenfalls auf einen Lernenden angewandt werden, sei es an der Hochschule oder als Ausdruck des „Lifelong Learning“ im Beruf. Welche Ziele möchte ich erreichen, seien es reiner Wissenserwerb oder Noten- und Abschlussziele (etwa Bachelor, MBA, Promotion)? Auf welchem Wege und damit durch welche Strategie möchte ich diese Ziele verwirklichen, durch ein Fern-, Abend- oder Ganztagsstudium? Möchte ich als 6
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Einzelkämpfer oder als Teamplayer, d.h. mit Lerngruppen, agieren? Beteilige ich mich aktiv an den Vorlesungen, oder bin ich ein passiv Lernender, der bei Lehrveranstaltungen nur „körperlich anwesend“ ist? Welche Zeiten reserviere ich mir für das Lernen? Wie messe ich meine Lernfortschritte? Dieser gesamte Prozess gelingt natürlich dann besonders gut, wenn ich vorher die Bedürfnisse der Arbeitswelt analysiert und bspw. ermittelt habe, welche „Schlüsselqualifikationen“ von der Wirtschaft gefordert werden, indem ich mir Informationen über verschiedene Bildungsträger besorgt und mich ggf. mit Spezialisten ausgetauscht habe (vertiefend Dahm, 2005).
Abb. 1/3:
Prozess des Marketing-Management
MarketingAnalyse
MarketingZiele MarketingStrategien
MarketingPlanung
MarketingInstrumente
MarketingControlling
MarketingUmsetzung
Marketing-Organisation
1.1.2 Wie hat sich die Bedeutung des Marketing im Laufe der Zeit verändert? Wie im Zusammenhang mit der Kennzeichnung von Verkäufer- und Käufermärkten deutlich wurde, hat Marketing nicht immer diese dominante Position inne gehabt, die es in den hochentwickelten Industrienationen heute einnimmt. Am Beispiel von Deutschland soll aufgezeigt werden, wie sich der Unternehmensfokus innerhalb der letzten Jahrzehnte verschoben hat (vgl. hierzu u.a. Meffert, 2002, S. 38; Homburg/ Krohmer, 2006, S. 6-11; vgl. Abb. 1/4). In der Nachkriegszeit stand zuerst die Sicherung der Grundversorgung der Bevölkerung im Mittelpunkt des Interesses, da bei der breiten Mehrheit zunächst „... 7
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Abb. 1/4:
ProduktPerspektive
Entwicklung der Bedeutung des Marketing
MassenmarktPerspektive
HandelsMarketing
Strategisches Interaktives Globales Marketing Marketing/CRM Marketing/CRM
HandelsPerspektive
Strategische Perspektive
KundenbindungsPerspektive
Globale Perspektive
Überflußgesellschaft Konsumgesellschaft Mangelgesellschaft Dominanz der Verkäufermärkte 50er Jahre
60er Jahre
Dominanz der Käufermärkte 70er Jahre
80er Jahre
90er Jahre
2000er Jahre
Zeit
einige Scheiben Brot, vielleicht ein Tupfer Margarine, zwei kleine Kartoffeln, etwas Milchsuppe...“ als Tagesration ausreichen musste (Wiegrefe, 2005, S. 48). Damit dominierte die Produkt-Perspektive die unternehmerische Tätigkeit, weil den erst im Aufbau befindlichen landwirtschaftlichen und industriellen Produktionskapazitäten eine riesige Nachfrage gegenüber stand – und das über Branchengrenzen hinweg (Bekleidung, Nahrungsmittel, Möbel, Wohnraum, Unterhaltung etc.). Besonderen Ausdruck fand diese Produkt-Perspektive und der zugrunde liegende Mangel in Lebensmittelkarten sowie weiteren Bezugsscheinen, die alleine zum Bezug bestimmter Produkte berechtigten. Während der sogenannten Hamsterfahrten von Stadtbewohner zu Bauern im Umland wurde versucht, Pelze, Besteck oder Schmuck gegen Grundnahrungsmittel wie Mehl, Kartoffeln oder Eier einzutauschen. Andere Anbieter boten ihre Produkte lieber auf dem Schwarzmarkt an, als diese zu festgesetzten Preisen abzuliefern. Schließlich stand vielen Milliarden Reichsmark nur ein sehr reduziertes Warenangebot gegenüber. Dieser immense Kaufkraftüberhang wurde erst durch die Währungsreform am 20. Juni 1948 überwunden, bei der jede Person 40 Deutsche Mark erhielt und Sparguthaben drastisch abgewertet wurden. In vielen Bereichen löste die D-Mark die Zigarette als Währung ab. Die Care-Pakete aus den USA trugen ebenfalls dazu bei, Versorgungsmängel im Nachkriegsdeutschland zu lindern. Die Überwindung der Mangelwirtschaft (dokumentiert durch die Abschaffung der Lebensmittelrationierung und der Lebensmittelkarten 1950 im Westen und 1958 im Osten Deutschlands) gelang u.a. dadurch, dass ein Großteil der Preise freigegeben wurde und sich das Produzieren und Verkaufen wieder lohnte. Dies führte in den Folgejahren zu einem fortschreitenden Aufbau von Produktionskapazitäten, so dass 8
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allmählich eine Massenmarkt-Perspektive ins Zentrum rückte. Zielsetzung war bei vielen Unternehmen, möglichst große Mengen identischer Produkte kostengünstig für einen Massenmarkt zu produzieren, um die Versorgung breiter Bevölkerungsschichten sicherzustellen. So rollte im Westen Deutschlands bei Volkswagen am 3. Juli 1953 der 500.000ste Käfer vom Band, dessen Standardmodell DM 4.150 kostete. Schon 1955 wurde dort der 1 Millionste Käfer gefeiert. Parallel dazu wurden sechs Millionen Neubauwohnungen für 16 Millionen Menschen geschaffen. Gefördert wurde dieser ökonomische Aufschwung u.a. durch eine extrem hohe Motivation der Bevölkerung zur Überwindung der Notsituation sowie durch eine Sechs-Tage-Woche bei einem Urlaubsanspruch von zwei Wochen im Jahr (vgl. Wiegrefe, 2005, S. 59-61, 47). In der DDR wurde 1957 die Produktion des Trabant in Zwickau gestartet, von dem bis 1991 rund 3,1 Millionen Stück – über die Jahrzehnte technisch weitgehend unverändert und mit fast identischem Aussehen – verkauft wurden. Allerdings musste der Durchschnittsbürger in der DDR rund zwölf Jahre auf seinen „Trabi“ warten (o.V., 29.4.2006, S. 40). Bei der „planmäßigen Wohnraumbewirtschaftung“ mussten sich die DDR-Bürger ebenfalls in Geduld üben; die durchschnittliche Bearbeitungszeit entsprechender Anträge belief sich auf fünf Jahre. In die Zeit der sich entwickelnden Konsumgesellschaft in Westdeutschland fallen z.T. die Gründungen bzw. die großen Wachstumsphasen der Universalversender Quelle (Gründung 1927), Otto (Gründung 1949) und Neckermann (Gründung 1950; Erstauflage des Kataloges 100.000 Exemplare), die zunächst mit einem einheitlichen Angebot dem Markt gegenüber auftraten. Ausdruck dieses Massen-Marketing war neben dem zweimal im Jahr erscheinenden Hauptkatalog der Versender auch die Dominanz weniger großer, auf breite Zielgruppen ausgerichteter Medien. Im Fernsehmarkt waren dies ARD und ZDF, bei den Zeitschriften Hörzu (erste Auflage 1946), Der Spiegel (erste Auflage 1947) und Stern (erste Auflage 1948). In den 60iger Jahren „... brausen die Westdeutschen mit Vespas oder tuckern im Goggomobil durch Neubausiedlungen, in denen Kühlschränke und Waschmaschinen oft schon zum Standard zählen. Sie erleichtern sich das Kochen mit dem Elektroherd, sehen im Fernsehen die „Tagesschau“ und pendeln morgens aus den Vorstädten zur Arbeit. 1-23-4 lautet die Erklärungsformel dieser Welt: ein Ehepartner, zwei Kinder, drei Räume, vier Räder“ (Wiegrefe, 2005, S. 61). Mit dem weiter fortschreitenden Aufbau der Produktionskapazitäten, dem Engagement von immer mehr Unternehmen, zunehmend auch aus dem Ausland, wurde in den 70iger Jahren in vielen Bereichen der Engpass Produktion überwunden und ein neuer Engpass tat sich auf, der Handel. Die Handelsunternehmen nahmen aufgrund eines zunehmenden Waren- und Dienstleistungsangebotes der entstehenden Überflussgesellschaft eine immer wichtiger werdende Mittlerposition zwischen den Herstellern und den Kunden ein. Mehr und mehr Anbieter suchten, i.d.R. unter Einbindung von Handelsunternehmen, wie bspw. Warenhäusern, Supermärkten, den Weg zum Kunden. Da „Regalplatz“ im Handel immer ein knappes Gut war und ist, wurde es eine vorrangige Aufgabe des Handels, aus der Vielzahl der angebotenen Produkte die relevanten für die jeweils betreute Zielgruppe auszuwählen. Der Engpass Handel in Verbindung mit dessen Zugang zum Endkunden führte dazu, dass ein neues Wort auftauchte, die Handelsmacht. Der Handel konnte in hohem 9
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Maße frei darüber entscheiden, welche Güter in das Angebot aufgenommen wurden und diese Macht bei der Durchsetzung von Konditionenwünschen gegenüber Herstellern deutlich artikulieren. Auch wenn die Handelsmacht in jenem Jahrzehnt „entstanden“ ist, blieb ihre Bedeutung in vielen Bereichen bis heute erhalten bzw. wuchs noch weiter. Dies wird bspw. daran deutlich, dass heute 120 Molkereien in Deutschland nicht einmal zehn große Einzelhandelskonzerne als Abnehmer gegenüberstehen, die deshalb einen hohen Einfluss auf die erreichbaren Preise haben (vgl. o.V. 24./25.3.2005, S. 10). In den 80iger Jahren rückte durch den zunehmenden Wettbewerb die strategische Perspektive in den Mittelpunkt des Marketing. Die Unternehmen waren viel stärker als zuvor gezwungen, z.T. auch aufgrund einer zunehmend internationalen Konkurrenz, über die langfristige Ausrichtung des Unternehmens zu entscheiden. Es wurden zentrale Konzepte der Unternehmensstrategie (u.a. die Portfolio-Analyse, deren Grundkonzept von der Boston Consulting Group in den 70iger Jahren entwikkelt wurde) und der Wettbewerbsanalyse (u.a. von Michael Porter) in die Unternehmen und ins Marketing eingeführt. Da die Schlacht um die Kunden mit immer ausgefeilterer Technik ausgetragen werden musste, wurde das strategische Marketing geboren. Ein zentraler Einflussfaktor war auch die erstmals auf breiter Front aufkommenden Forderungen nach einem stärker ökologisch orientierten Marketing, die durch einen Wertewandel in Teilen der kritischen Öffentlichkeit verursacht wurde. Dazu trug die Anfang 1979 neu gegründete Partei Die Grünen bei, deren Kernforderungen nach und nach auch von den großen Volksparteien aufgegriffen wurden. Unternehmen begannen z.T. für das gesamte Unternehmen bzw. für einzelne Produkte sogenannte Öko-Bilanzen aufzustellen, um ein umweltbewusstes Agieren nach außen besser kommunizieren zu können. Mit der Entwicklung des Internets zum Massen-Kommunikationsmedium startete zunächst ein wahrer „Internet-Hype“, an dessen Höhepunkt das Überleben der „Old Economy“ durch die Internet-gestützte „New Economy“ in Frage gestellt wurde. Konferenzen und Seminare wurden unter den Titel „Old economy meets new economy“ gestellt, um deutlich zu machen, dass zwei ganz unterschiedliche Philosophien aufeinander trafen. Bei vielen Internet-Start-ups wurde der „Erfolg“ zunächst in „Cash Burning Rates“ gemessen wurde, orientiert an der Frage: Wie lange benötigt das Unternehmen, um das durch einen Börsengang gewonnene Geld durch das Geschäftsmodell zu vernichten? Allerdings bewahrheitete sich wieder die These: „Technology changes, economic laws don´t!“. Schließlich wurde nach dem Zusammenbruch der „Internet-Blase“ der Slogan zu „Old economy eats new economy“. Die vermeintlich überholten Geschäftsmodelle der Vergangenheit bedienten sich der Internet-Technologie als Instrument, um sich in Gestalt des interaktiven Marketing bspw. neue Kommunikations- oder Vertriebswege aufzubauen (bspw. bei Versendern, Verlagen, dem stationären Handel, den Billig-Fluggesellschaften). Nur wenige der neugegründeten Unternehmen – wie bspw. amazon, ebay, Google – schafften es, zum dominanten Player zu werden. Parallel dazu verlief eine andere Entwicklung, die den Fokus von der Kundenakquisition immer stärker in Richtung Kundenbindung verschob. Die Gründe hier10
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für lagen zum einen in dem Trend einer generell abnehmenden Kundenloyalität. Durchaus auch zufriedene Kunden wechselten immer häufiger „ihren“ Lieferanten. Dies war nicht zuletzt Ausdruck einer immer gleichförmigeren und damit austauschbaren Produktqualität. Zum anderen stiegen die Kosten für die Kundengewinnung kontinuierlich an. Orientiert an der Leitidee, dass „es sieben- bis neunmal teurer ist, einen neuen Kunden zu gewinnen als einen bestehenden zu halten“ (vgl. Hartmann et al., 2004, S. 7; Kotler/Bliemel, 2001, S. 83), begannen die Unternehmen, Budgets von der Akquisition zur Betreuung zu verlagern. Die gesamte Entwicklung lief und läuft unter dem Schlagwort CRM (Customer Relationship Management) und fand seinen deutlichsten Ausdruck in der Gründung unternehmensspezifischer Kundenbindungsprogramme (etwa Lufthansa Miles & More, Volkswagen Club, Audi A plus-Programm, Mercedes Card) sowie unternehmensübergreifenden Kundenbindungsprogramme, dessen erfolgreichster Vertreter das Payback-System darstellt. Der Gesetzgeber hatte durch den Wegfall von Rabattgesetz und Zugabeverordnung im Juni 2001 eine wichtige rechtliche Rahmenbedingung für diese Entwicklung geschaffen (vertiefend Hartmann et al., 2004). Die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte wirken in der gegenwärtigen Unternehmensrealität immer noch nach. Die Anforderungen der Konsumenten und der breiten Öffentlichkeit hinsichtlich der unternehmerischen Verantwortung haben sich u.a. in der Diskussion um die Corporate Social Responsibility (CSR), d.h. in dem Bemühen der Unternehmen, sich ihrer sozialen Verantwortung zu stellen, durch eine Vielzahl von Aktivitäten niedergeschlagen (vgl. grundlegend hierzu Wiedmann et al., 2005). Beispiele hierfür sind etwa die Bildungsinitiative business@school der Boston Consulting Group, die jedes Jahr ca. 1.000 Schüler bei der Entwicklung einer eigenen Geschäftsidee begleitet (vgl. www.business-at-school.de), oder die Entwicklungshilfeprojekte der Unternehmensgruppe Deichmann in Indien und Tansania (vgl. www.deichmann.de). Gleichzeitig spüren fast alle Unternehmen die Auswirkungen der Globalisierung, sei es durch die Abwanderung ihrer Kunden zu ausländischen Anbietern, die steigende Nachfrage nach knappen Rohstoffen oder die Konkurrenz durch Produkte und Dienstleistungen aus Niedriglohnländern (bspw. Kinderspielzeug und Textilien aus China und Software-Entwicklung und Call-Center-Services aus Indien). Während Deutschland auch 2006 wieder Export-Weltmeister wurde, wird diese Position zunehmend von China in Frage gestellt, das sich zur größten Wirtschaft der Welt entwickeln wird.
1.1.3 Definition des Marketing Heute wird Marketing angesichts der aufgezeigten Entwicklungen als ein Konzept der marktorientierten Unternehmensführung gekennzeichnet (vgl. Becker, 2006, S. 3f.; Meffert, 2000, S. 8; Homburg/Krohmer, 2006, S. 6-11; Kotler/Bliemel, 2001, S. 3f.; Backhaus, 2003, S. 6; grundlegend Fritz, 1995). Hierbei ist Markt nicht allein als Synonym für „Absatzmarkt“ zu verstehen, sondern als Ausdruck für alle Teile eines Unternehmens, in denen ein – über marktliche Mechanismen – geregelter Austausch 11
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mit anderen Leistungsträgern stattfindet. Dieser Austausch erfolgt in den folgenden Bereichen: Absatzmarkt, konkretisiert durch Unternehmen oder Konsumenten als Abnehmer einerseits sowie der Wettbewerber andererseits Beschaffungsmarkt, bspw. in Form von Rohstoffen, Energie, Zulieferteilen, Maschinen, aber auch hinsichtlich Kapital, Lizenzen und Mitarbeitern Darüber hinaus sind weitere Interessensgruppen (Stakeholder) zu berücksichtigen, deren Einfluss auf das Unternehmensgeschehen nicht zu vernachlässigen und ggf. aktiv zu gestalten ist (bspw. durch PR- und Lobbyarbeit): Allgemeine Öffentlichkeit (bspw. hinsichtlich der Akzeptanz von Atomenergie oder Windrädern, Gen-Produkten, neue Technologien) Gesetzgeber (etwa bzgl. rechtlicher Rahmenbedingungen für Forschung und Industrieansiedlung, bspw. durch Subventionen oder Steuervorteile, Schutz von Erfindungen etc.) Kooperationspartner (bspw. zur gemeinsamen Erschließung von Auslandsmärkten, einer kooperativen Produktentwicklung oder grundlegenden Forschungskooperationen) Bei der weiteren Beschreibung des Marketing ist eine Orientierung an einer Pyramide sinnvoll (vgl. Abb. 1/5), in deren Spitze die Marketing-Ziele zu definieren sind (vgl. 2.). Zur Erreichung dieser Ziele stellt das Marketing verschiedene Strategien bereit (vgl. 3.), die wiederum den Einsatz der sogenannten Marketing-Instrumente bestimmen. Diese Instrumente werden i.d.R. in folgende Kategorien unterteilt:
Produkt- und Programmpolitik Preis- und Konditionenpolitik Kommunikationspolitik Distributionspolitik
M.E. ist die Beschränkung auf diese Kategorien des sogenannten Marketing-Mix, häufig auch als „4 Ps“ (Product, Price, Promotion, Place) bezeichnet, zu kurz gedacht. Aufgrund einer Vielzahl von Entwicklungen, bspw. des steigenden Dienstleistungsanteils an der Wertschöpfung einer Volkswirtschaft wie Deutschland und der zunehmenden Relevanz des Service zur Differenzierung des eigenen Angebotes von Wettbewerbern, ist die Zeit reif für die Aufnahme eines „5. Ps“ im Marketing-Mix. Dieses „P“ steht dabei für People und soll die immer größer werdende Bedeutung der Mitarbeiter eines Unternehmens für dessen Erfolg zum Ausdruck bringen. Folglich gestaltet sich der weiterentwickelte Marketing-Mix wie folgt (vgl. 4.):
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Produkt- und Programmpolitik Preis- und Konditionenpolitik Kommunikationspolitik Distributionspolitik Personalpolitik
Begriffliche Grundlagen des Marketing
Abb. 1/5:
Pyramide des Marketing
MarketingZiele
Marketing-Strategien
Marketing-Instrumente
1.1.4 Arten des Marketing Die Grundorientierung des Marketing, die mit den zugrundeliegenden Werten und Prinzipien auch als Marketing-Philosophie bezeichnet wird, sowie die bereits kurz angesprochenen Strategien und Instrumente des Marketing können aufgrund ihrer generellen Relevanz praktisch in jedem Unternehmen zum Einsatz kommen. Um mögliche Unterschiede herauszuarbeiten, ist es notwendig, verschiedene Arten des Marketing zu kennzeichnen. Differenzierung nach der Gewinnerzielungsabsicht von Unternehmen Hinsichtlich einer vorhandenen Gewinnerzielungsabsicht eines Unternehmens ist zwischen dem sogenannten Business- bzw. kommerziellen Marketing und dem NonProfit- bzw. nicht-kommerziellen Marketing zu unterscheiden. Wenn bei einem Unternehmen eine Gewinnerzielungsabsicht vorliegt, spricht man vom BusinessMarketing. Die Marketing-Methoden werden mit dem Ziel ausgewählt und eingesetzt, für das Unternehmen einen Gewinn zu erwirtschaften. Ganz anders sieht es bei NonProfit-Unternehmen aus, die u.a. folgende Ziele verfolgen können (vgl. grundlegend Raffée/Wiedmann, 1995; zum Kirchenmarketing Raffée, 1998; zum Marketing für den öffentlichen Sektor Raffée et al., 1994; Hohn, 2006): 13
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soziale Ziele, wie bspw. der Aktion Mensch (u.a. Betreuung von behinderten Menschen), bei UNICEF (weltweite Linderung der Not von Kindern), Amnesty International (Hilfe für Gefangene), beim Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (bspw. zum Alkohol- und Nikotin-Missbrauch oder zur AIDS-Prävention) umweltbezogene Ziele, wie bei BUND, Greenpeace, WWF glaubensbezogene Ziele, etwa bei den Kirchen Bildungs- und Kulturziele, z.B. bei Museen, Theatern, Hochschulen politische Ziele, so bei Parteien, Gewerkschaften, Verbänden Bei diesen Institutionen steht keine Gewinnerzielung im Mittelpunkt, sondern eine Veränderung von Verhaltensweisen und/oder die Generierung von Spenden (Fundraising), mit deren Hilfe die o.g. Ziele erreicht werden können. Bei diesen Organisationen spricht man deshalb vom Non-Profit-Marketing. Differenzierung nach dem fokussierten Markt In Abhängigkeit davon, ob sich der Einsatz der Marketing-Instrumente auf den Absatz- oder den Beschaffungsmarkt ausrichtet, wird konsequenterweise zwischen Absatz- und Beschaffungs-Marketing unterschieden. Im Gegensatz zum AbsatzMarketing steht beim Beschaffungs-Marketing der Zugang zu den Ressourcen im Mittelpunkt, die ein Unternehmen für seine Wertschöpfung benötigt. Dieses können besonders qualifizierte Mitarbeiter sein, die im Zuge eines Hochschul-Marketing gezielt gewonnen werden. Oder es geht um die Nutzung von Technologien, die Gewinnung von Wirtschaftsförderungsmaßnahmen, Steuervorteilen zur Unternehmensansiedlung oder um die langfristige Erschließung zentraler Rohstoffe. Eine weitere Differenzierung orientiert sich an den unterschiedlichen Absatzmärkten selbst. Stehen Konsumenten im Fokus, so wird vom Business-to-ConsumerMarketing (BtC oder B2C) gesprochen. Beispiele hierfür sind etwa McDonald´s und Aldi, die mit ihrem Marketing den Konsumenten ansprechen. Ist das Marketing dagegen auf Unternehmen als Kunden ausgerichtet, wird dies als Business-to-BusinessMarketing (BtB oder B2B) bezeichnet. Dies ist bspw. der Fall in der Beziehung zwischen Volkswagen und seinen Zulieferern, konkret von Continental für Reifen und Bosch für die Fahrzeugelektronik. Differenzierung gemäß der internen oder externen Ausrichtung des Marketing Während die Ausrichtung des Marketing insb. auf den Markt, aber auch auf die anderen Felder der Mikro- und Makro-Umwelt und damit das externe Marketing für die große Mehrheit der Unternehmen bereits an der Tagesordnung ist, besteht bei vielen Unternehmen hinsichtlich des internen Marketing oder des „Marketing nach innen“ noch ein großer Nachholbedarf. Durch eine solche Ausrichtung des Marketing nach innen, hier insb. der unternehmerischen Kommunikation, sind Mitarbeiter über die strategische Ausrichtung und die zentralen Ziele des Unternehmens frühzeitig zu informieren, damit jene über existenzielle Entscheidungen des Unternehmens (bspw. bzgl. Personalabbau und Standortverlagerung) nicht erst aus der Presse erfahren. Demotivierend für die Mitarbeiter (bspw. in einem Customer Service Center) ist es, 14
Begriffliche Grundlagen des Marketing
wenn diese nicht im Vorfeld mit Hinweisen auf geplante Werbeaktionen versorgt werden, so dass anrufende Kunden besser informiert sind als die betreuenden Mitarbeiter. Aufgrund des steigenden Wettbewerbsdrucks und des damit verbundenen „Werben um jeden einzelnen Kunden“ wird die Bedeutung des internen Marketing in Zukunft noch steigen, weshalb die Personalpolitik als eigenständiges Instrument in das Marketing-Mix integriert wurde (vgl. 4.5).
1.1.5 Tauschobjekte im Marketing Für die Ausgestaltung des Marketing ist es wichtig, zwischen verschiedenen Arten von Tauschobjekten (i.S. der Gegenstände der marktlichen Austauschprozesse) zu unterscheiden. Deren Charakteristika haben einen entscheidenden Einfluss auf den Einsatz der verschiedenen Marketing-Methoden. Im folgenden werden die Tauschobjekte nach folgenden Kriterien differenziert:
Inhalt/Verwendungsart Kaufverhalten Ausmaß des Produktinteresses Markierung/Branding
1.1.5.1 Differenzierung der Tauschobjekte nach Inhalt/Verwendungsart Hinsichtlich Inhalt/Verwendungsart ist zwischen Konsum- und Investitionsgütern einerseits und Dienstleistungen andererseits zu unterscheiden. Bei Konsumgütern handelt es sich um körperliche Produkte, die Einzelpersonen oder private Haushalte kaufen, um sie einer konsumtiven Verwendung zuzuführen. Das bedeutet, dass diese Produkte für den eigenen Ge- oder Verbrauch bestimmt sind und keiner gewerblichen Nutzung unterliegen. Hierzu gehören Waschmittel und Textilien ebenso wie das TVGerät und der selbstgenutzte PKW. Um Investitionsgüter handelt es sich, wenn die von Einzelpersonen oder Organisationen erworbenen, körperlichen Produkte zur Erzeugung anderer Produkte oder Dienstleistungen eingesetzt werden (vgl. Backhaus, 2004, S. 8; Ramme, 2004, S. 108; Hüttner et al., 1999, S. 387f.; Kotler/Bliemel, 2001, S. 722-724; Rüggeberg, 2003, S. 67). Hier handelt es sich um eine produktive Verwendung. Beispiele hierfür sind Produktionsanlagen und Fabrikgebäude, aber auch Waschmittel, Textilien, TV-Geräte und PKW. Es wird deutlich, dass es Investitionsgüter gibt, die „von Natur aus“ für den gewerblichen Einsatz bestimmt sind, wie bspw. Produktionsanlagen und Fabrikgebäude. Diesbezüglich spricht man von geborenen Investitionsgütern. Bei den anderen Beispielen hängt die Zuordnung zum Konsum- oder Investitionsgut von der Art des Einsatzes ab. Kauft eine Wäscherei Waschmittel, ein Krankenhaus weiße Kittel, ein Beratungsunternehmen TV-Geräte für Schulungszwecke und die Deutsche Post PKW für die Briefzusteller, dann handelt es sich um Investitionsgüter. Genauer gesagt sind dies gekorene Investitionsgüter, weil erst die Art der Verwendung aus dem Produkt ein Investitionsgut macht. Ein Spezifikum von Investitionsgütern liegt darin, dass es sich bei 15
1.1
1
Allgemeine Grundlagen des Marketing
diesen um einen abgeleiteten Bedarf handelt, d.h., die beschafften Leistungen sind abhängig vom Endprodukt des kaufenden Unternehmens (bspw. vom Leistungsangebot der Wäscherei oder den Dienstleistungen, die die Deutsche Post anbietet). Bei Dienstleistungen handelt es sich um nicht-gegenständliche Güter, wie bspw. die Beratung eines Unternehmens, die Inanspruchnahme eines Friseurs, der Besuch eines Restaurants, die Entwicklung einer Werbekampagne, die Stadtreinigung oder das Unterrichten von Studenten. Teilweise wird von einer nutzenstiftenden Wirkung der Dienstleistung gesprochen, wobei der Nutzen in ganz unterschiedlichen Bereichen entstehen kann (Meffert/Bruhn, 2000, S. 30; vertiefend Kleinaltenkamp, 2001). Diese Beispiele zeigen, dass auch Dienstleistungen einer produktiven oder konsumtiven Verwendung zugeführt werden können, je nachdem, ob bspw. ein Restaurantbesuch im Rahmen einer privaten Verabredung oder im Zuge einer Geschäftsreise erfolgt. Einige Besonderheiten der Dienstleistungen sind, dass sie in hohem Maße personenabhängig sind, häufig zum Zeitpunkt des Verbrauchs erst erzeugt werden (bspw. bei Schulungen oder beim Friseur). Es wird vom „uno-actu“-Prinzip gesprochen, da der Prozess ohne Unterbrechung, quasi in einem Akt erfolgt (vgl. dazu und vertiefend zum Dienstleistungs-Marketing Haller, 2005, S. 8f.). Außerdem können Dienstleistungen nicht gelagert werden, denn die nicht belegten Hotelbetten von gestern Abend können heute nicht doppelt belegt werden.
1.1.5.2 Differenzierung der Tauschobjekte nach Kaufverhalten Hinsichtlich des Kaufverhaltens lassen sich ebenfalls verschiedene Kategorien unterscheiden (vgl. Kotler/Bliemel, 2001, S. 720f.; Schneider, 2004, S. 29-32). Zum einen gibt es Impulskäufe (auch Spontankäufe genannt), bei denen sich der Kunde – i.d.R. angeregt durch das konkrete Angebot – spontan, d.h. ungeplant für einen Kauf entscheidet. Hierzu sollen nicht nur die Angebote von Süßigkeiten in der sogenannten „Quengelzone“ an den Kassen im Handel beitragen, sondern auch Zweitplatzierungen von Produkten. Das Leistungsversprechen von Tchibo, „jede Woche eine neue Welt“, soll neugierig machen und Kunden ebenfalls zu spontanen Käufen motivieren, weil die heute angebotenen Produkte in der nächsten Woche schon nicht mehr im Angebot sein werden. Da viele Millionen Konsumenten jede Woche bei Tchibo „vorbeischauen“, in der Bereitschaft, bei passenden Angeboten „zuzuschlagen“, kann man m.E. von einem nur scheinbar widersprüchlichen geplanten Impulskauf sprechen, weil tatsächlich die Bereitschaft zum impulsiven Kaufen geplant wurde (vgl. zusammenfassend Abb. 1/6). Bei Convenience Goods handelt es sich um Produkte, bei denen die Bequemlichkeit im Einkauf im Mittelpunkt steht. Allerdings wird der gleiche Begriff auch für Produkte verwendet, bei denen die Bequemlichkeit in der Zubereitung angesprochen ist (bspw. Fertiggerichte, Tiefkühlpizzas, Tütensuppen); diese sind hier jedoch nicht gemeint. Da der Konsument die erstgenannten Produkte regelmäßig kauft, möchte er keinen großen Such- und Auswahlaufwand betreiben. Deshalb werden diese Produkte gewohnheitsmäßig bzw. habitualisiert gekauft. D.h., der Kaufvorgang ist zur Routine, zur Gewohnheit (engl. „habit“) geworden. So vergleicht ein Konsument nicht bei jedem Joghurtkauf wieder von neuem, welche Marke, mit welchem Fettgehalt, in welcher Verpackungsgröße, mit welcher Geschmacksrichtung etc. zu wählen ist. Man 16
Begriffliche Grundlagen des Marketing
Abb. 1/6:
Kennzeichnung von Angeboten nach Kaufverhalten
Kriterium
Impulsprodukte
Convenience Goods
Shopping Goods
Specialty Goods
Planungsintensität
Keine Planung
Gering
Hoch
Hoch
Finanzieller Einsatz
Gering
Gering
Hoch
Hoch
Kaufhäufigkeit
Abhängig vom Angebot
Regelmäßig
Selten
Selten
Habitualisierungsgrad
Unterschiedlich
Hoch
Gering Sorgfältiger Vergleich der Angebote Offen für Kaufimpulse und Informationen
Gering Intensive Suche nach einem bereits bekannten Anbieter/ Produkt Preisvergleich bzgl. des gleichen Angebotes
Angebotspräferenz
Keine
Gegeben
Offen für passende Angebote
Gegeben
Ziel des Käufers vor dem Kauf
Keines
Bequemlichkeit im Einkauf
Einkaufen aus Spaß
Suche nach einem bestimmten Angebot
Beispiele
Kaugummi Marmelade TchiboProdukte
Viele Lebensmittel Süßigkeiten Zigaretten Tageszeitung
Konsequenzen aus Anbietersicht
Auffallende, ansprechende Angebotspräsentation am POS „Funke“ soll spontan überspringen Starke Marke hilfreich
Hohe Erhältlichkeit (Ubiquität) Einkaufswiderstände abbauen Service/ Beratung nicht relevant
Selektive Vertriebswege möglich Aufmerksamkeit am POS erregen Service/ Beratung wird z.T. erwartet
Möbel z.T. Kleidung Schuhe Elektroartikel PKW
Möbel z.T. Kleidung Schuhe Elektroartikel PKW
Selektive Vertriebswege möglich Service/Beratung wird nicht unbedingt erwartet, da Präferenzen vorliegen Eher Auswahlbestätigung hilfreich
17
1.1
1
Allgemeine Grundlagen des Marketing
greift zu Fruchtzwerge oder Landliebe, oder entscheidet sich für Weihenstephan – weil man dies schon häufiger getan hat und zufrieden war. Die Habitualisierung des Verhaltens führt, wie in anderen Feldern auch, zu einer Komplexitätsreduktion des Konsumenten und spart dadurch Zeit und „geistige Energie“. Aus Anbietersicht ist es wichtig, dass diese Produkte leicht zu finden und möglichst immer vorrätig sind. Eine gleichbleibende Qualität und eine vertrauensbildende Preisstrategie tragen ebenso zur gewünschten Habitualisierung bei. Viele Convenience Goods gehören zu der Gruppe der Fast Moving Consumer Goods (FMCGs). Hierbei handelt es sich um „schnelldrehende“ Konsumgüter. Dies sind Produkte, die nur eine kurze Verwendungszeit haben (wie bspw. Lebensmittel, Shampoos, Tierfutter, Getränke) und deshalb eine hohe Kaufhäufigkeit aufweisen. Davon zu unterschieden sind die Durable Goods i.S. der langlebigen Konsumgüter, wie bspw. TV-Geräte, Handys, CD-Player. Bei Shopping Goods, die seltener gekauft werden und häufig auch im höheren Preissegment liegen (bspw. Anzüge, Schuhe, Möbel), ist der Kunde bereit, für das „Einkaufen“ Zeit und Energie zu investieren. Er vergleicht verschiedene Angebote, sucht unterschiedliche Einkaufsstätten auf und ist offen für Informationen und Beratung. Sein Präferenzsystem liegt noch nicht fest. Deshalb kann eine ansprechende Produktpräsentation und ein guter Service am POS (Point of Sale i.S. des Verkaufspunktes, bspw. in einem Einzelhandelsgeschäft) zur Ausbildung dieser Präferenzen beitragen. Der Unterschied zu den Specialty Goods liegt lediglich darin, dass bei letzteren das Präferenzsystem des Kunden schon ausgebildet ist. D.h. der Kunde hat sich bspw. für Schuhe der Marke Camper entschieden und sucht diese jetzt in verschiedenen Handelsformaten. Findet er sie in einem Schuhgeschäft nicht, geht er ins nächste. Allerdings darf man die Geduld des Kunden nicht überstrapazieren. Wenn die Produkte zu selten zu finden sind, kann das auch als mangelnde Attraktivität des Produktes interpretiert werden und zu einem Überdenken der eigenen Präferenzen führen. Wichtig ist, sich bewusst zu machen, dass diese Klassifizierungen nur Tendenzen darstellen, die im Zuge einer Marktsegmentierung für die Definition von Zielgruppen relevant sind (vgl. 3.2.2.3). Auf Basis von Einzelpersonen oder bestimmten Gruppen können bspw. auch Lebensmittel zum Specialty Good werden, wenn ganz bestimmte Anbieter präferiert werden (bspw. Saucenfonds von Lacroix oder Mehl von Demeter). Es kann auch passieren, dass ein bisher auf Bequemlichkeit basierender Kaufvorgang auf einmal mit mehr Sorgfalt und Bedacht vollzogen wird, weil bspw. bestimmte Lebensmittel durch Lebensmittelskandale (Stichwort Gammelfleisch) in Verruf kommen. Es ist auch schon vorgekommen, dass jemand eigentlich nur Erdbeeren kaufen wollte und mit einem Gebrauchtwagen zurück kam (ein eher untypisches Beispiel für einen Spontankauf!).
1.1.5.3 Differenzierung der Tauschobjekte nach dem Grad des Produktinteresses Angebote können auch nach dem Grad des Produktinteresses seitens der Kunden unterschieden werden (vgl. Schneider, 2004, S. 31). Hierbei wird zwischen Low- und 18
Begriffliche Grundlagen des Marketing
High-Interest-Produkten differenziert. Low-Interest-Produkte sind Güter des täglichen Bedarfs, denen durch die Kunden – auch aufgrund der häufig niedrigen Preisstellung – keine hohe Bedeutung beigemessen wird. Hierzu zählen bspw. Marmelade, Margarine und Fruchtsaft. High-Interest-Produkte sind dagegen solche, denen der Kunde aus verschiedenen Gründen eine höhere Aufmerksamkeit schenkt (vgl. Abb. 1/7).
Abb. 1/7:
Kennzeichnung von Angeboten nach Produktinteresse
Kriterium
Low-Interest-Produkte
High-Interest-Produkte
Subjektiv empfundenes Kaufrisiko
Niedrig
Hoch
Höhe des finanziellen Aufwandes
Niedrig
Hoch
Sichtbarkeit des Konsums nach außen
Niedrig
Hoch
Beeinflussbarkeit der Kaufentscheidung
Gering
Hoch
Beispiele
Süßigkeiten Strom Margarine
Konsequenzen aus Kundensicht
Schwache Aktivierung Oberflächliche Beschäftigung mit Produktinformationen Geringe Ich-Beteiligung
Hohe Aktivierung Aktive Informationsbeschaffung Hohe Ich-Beteiligung
Konsequenzen aus Anbietersicht
Relevanz muss erst aufgebaut werden
Anbieter kann auf aktiven Kunden setzen
PKW Oberbekleidung Geldanlagen Urlaubsreisen IT-Anlagen Hochschule
Eine besondere Bedeutung hat das Risiko einer Fehlentscheidung in den Augen der Kunden. Je höher dieses ist, desto mehr Wert legt der potenzielle Käufer auf einen sorgfältigen Entscheidungsprozess. Zu dieser Kategorie gehört häufig der Kauf von höherwertiger bzw. „gewagterer“ Kleidung, von PKW, von Haushaltselektronik und IT-Geräten, die mehrere Jahre genutzt werden. Dienstleistungen, wie Finanzanlagen oder Versicherungen sowie die Wahl der Hochschule, gehören ebenfalls in diese Kategorie. Allerdings gilt auch hier, dass diese Klassifizierung nur Tendenzen darstellt. So können Lebensmittel für besonders ernährungsbewusste Konsumenten auch ein High19
1.1
1
Allgemeine Grundlagen des Marketing
Interest-Produkt darstellen, weil nur biologisch angebaute Produkte mit Gütesiegel konsumiert werden. Dagegen kann Bekleidung von diesen allein nach Preis vom Wühltisch gekauft werden. Eine besondere Herausforderung besteht, wenn ein Unternehmen ein Low-InterestAngebot hat und bei den Kunden eine Verhaltensänderung erreicht werden soll. Vor dieser Herausforderung standen u.a. Yello und E.ON, die nach der Liberalisierung des Energiemarktes als neue Strommarken auf den Markt kamen und Kunden zu einem Wechsel des Energieversorgers motivieren wollten. Die groß angelegten Kampagnen von Yello (1999: „Also ich glaube, Strom ist gelb.“) und von E.ON (2000: Veronika Ferres: „Mein E.ON steht mir gut.“) mussten zunächst die Angebote emotional aufladen. Gleichzeitig wurde das Ziel verfolgt, „Strom“ aus dem Low-Interest-Bereich in das Bewusstsein der Kunden zu bringen. Dies war aufgrund des bis dahin geltenden Anschlusszwangs der Stromkunden, die von den Energieversorgern i.d.R. nicht als Kunden, sondern als „Bezugsberechtigte“ bezeichnet wurden, nicht notwendig. Aus Unternehmenssicht ist diese Produktklassifizierung für die Frage relevant, wieviel Zeit und Energie der Kunde in die Beschäftigung mit dem Angebot investieren möchte. Bei Low-Interest-Produkten ist die Bereitschaft dafür zunächst einmal sehr eingeschränkt.
1.1.5.4 Differenzierung der Tauschobjekte nach Markierung/Branding Eine ganz wichtige Unterscheidung von Produkten ist die nach Markierung oder auch Branding. Hier werden in der Literatur drei unterschiedliche Klassen dargestellt (vgl. weiterführend Hüttner, 1999, S. 289-292; Bruhn, 2004, S. 145-147; Homburg/Krohmer, 2003, S. 516-526, 860-863; Haller, 2001, S. 142-148; Diller, 2007, S. 169f.; Weis, 2007, S. 281; Busch et al., 2007; grundlegend Esch, 2005; Meffert et al., 2005; Adjouri, 2004; Esch et al, 2004; Burmann/Meffert, 2005, S. 163-182; Gröppel-Klein, 2005, S. 1113-1137; Meffert, 2000, S. 875; Lingenfelder/Lauer, 2005; Zentes/Morschett, 2005): Markenartikel Handelsmarken No-Names In Abb. 1/8 werden die zentralen Unterschiede dieser Klassen zusammengefasst. Bei Markenartikeln handelt es sich um Produkte, die sich durch eine Markierung und/oder einen Markennamen auszeichnen und damit eine – häufig auch über Ländergrenzen und über längere Zeitspannen hinweg – einheitliche Aufmachung aufweisen. Sie zeichnen sich durch eine hohe Qualität bzw. durch einen hohen eigenen Qualitätsanspruch aus, der mit einer relativ hohen Preisstellung korrespondiert. Das „relativ“ bezieht sich dabei auf die Wettbewerbsangebote. „Absender“ der Markenartikel ist das herstellende Unternehmen, welches den Markenartikel konzipiert und produziert bzw. produzieren lässt (deshalb auch Herstellermarke genannt). Die Mehrheit der den Konsumenten geläufigen Marken gehören zu den Markenartikeln, da deren Hersteller versuchen, die Konsumenten durch umfassende Werbemaßnahmen für ihre Produkte zu gewinnen. 20
Begriffliche Grundlagen des Marketing
Abb. 1/8:
Kennzeichnung von Markenartikeln, Handelsmarken und No-Names
Kriterium
Markenartikel
Handelsmarke
No-Names
Kennzeichnung
Markierung/Markenname für einzelne Produkte/ Produktgruppen
Markierung/Markenname für einzelne Produkte/Produktgruppen
Markierung für eine Vielzahl von Produkten aus unterschiedlichen Kategorien Einzelprodukte tragen keinen eigenen Markennamen
Relative Qualität/ Qualitätsanspruch
Hohe/höchste Qualität
Mittlere bis hohe Qualität
u.U. schwankende Qualität
Relative Preisstellung
Hohe/höchste Preise
Niedrigste bis hohe Preise
Niedrigste Preise
Erhältlichkeit
I.d.R. in verschiedenen Vertriebskanälen
Konzentration auf einen Konzentration auf einen Vertriebskanal oder auf Vertriebskanal oder auf Kanäle einer Handelsgruppe Kanäle einer Handelsgruppe
„Absender“ des Produktes
Hersteller
Handel
Handel
Zielsetzung des Absenders
Sicherstellung der Wiedererkennung des eigenen Angebotes Differenzierung des eigenen Angebotes im Wettbewerbsumfeld von Herstellern und Handel Emotionale Aufladung des Angebotes Bindung des Kunden an das eigene Produkt Habitualisierung des Kaufverhaltens bzgl. des eigenen Angebotes
Sicherstellung der Wiedererkennung des eigenen Angebotes Differenzierung des eigenen Angebotes im Umfeld anderer Händler Emotionale Aufladung des Angebotes Bindung des Kunden an den eigenen Vertriebskanal Habitualisierung des Kaufverhaltens bzgl. des eigenen Vertriebskanals Höhere Wertschöpfung durch Eigenkonzeption der Marke
Sicherstellung der Wiedererkennung des eigenen Angebotes Differenzierung des eigenen Angebotes im Umfeld anderer Händler Dominante Kommunikation des Preisvorteils Bindung des Kunden an den eigenen Vertriebskanal Habitualisierung des Kaufverhaltens bzgl. des eigenen Vertriebskanals Antwort des Handels auf die Angebote der Discounter
Beispiele
Tandil, Knusperone A&P (Kaiser´s, Müsli, FIF (Aldi) Tengelmann) Red Wood, Miss H, Mark JA! (Rewe) Adam New York, Rover & Gut&Günstig (Edeka) Lakes (Kaufhof) Giorgio, Bamboo (SinnLeffers) Privileg, Universum (Quelle) Balea, Das gesunde Plus (DM-Markt) Westbury (C&A) Christian Berg; McNeal; Abrams (Anson’s; P&C) Obi-Plantania, Obi-Montana, Obi-Classic (Obi) Bioness (Lidl) BioBio (Plus) Prima Bio (Aldi)
Coca-Cola Marlboro Nivea Persil Pampers Head & Shoulders Nutella Boss Tommy Hilfiger Bugatti Brax Gucci Rolex Montblanc Miele iPod, iPhone Eastpack
21
1.1
1
Allgemeine Grundlagen des Marketing
Die Verantwortung für Handelsmarken liegt bei den Handelsunternehmen selbst. Die Handelsmarken werden häufig auch als die Markenartikel des Handels bezeichnet, weil sie viele Merkmale erfüllen, die auch auf Markenartikel zutreffen (u.a. Markierung, eigener Markenname). Preislich und i.d.R. auch qualitativ sind sie unterhalb der Markenartikel angesiedelt. Ein entscheidender Unterschied liegt im Distributionskanal, d.h. in den Vertriebsstätten, in denen die Produkte angeboten werden. Während Markenartikel i.d.R. eine hohe Erhältlichkeit – auch über verschiedene Vertriebsformen hinweg – anstreben, ist die Erhältlichkeit von Handelsmarken auf den „herausgebenden“ Handelskanal beschränkt bzw. auf die zu einem Handelskonzern gehörenden Unternehmen. So ist die Handelsmarke Christian Berg nur bei Anson´s und Peek & Cloppenburg verfügbar, die gesellschaftsrechtlich verbunden sind. Über starke Handelsmarken verfügt auch Aldi, die mit Tandil sogar den Marktführer für Vollwaschmittel stellen, noch deutlich vor dem Markenartikel Persil von Henkel. Mit Universum und Privileg hat der Universalversender Quelle ebenfalls starke Handelsmarken im Angebot. Die meisten Waschmaschinen werden in Deutschland von der Handelmarke Privileg verkauft. 2006 wurden von mehreren Handelsbetrieben Bio-Marken eingeführt, die den Anforderungen der Öko-Verordnung entsprechen: Bioness von Lidl, BioBio von Plus und Prima Bio von Aldi. Unter dieser Handelsmarke werden mehrere aus unterschiedlichen Lebensmittelkategorien stammen Produkte angeboten (von Gemüsesaft über Weizenmehl und Ketchup bis zu Schokolade, Tee und Honig). Die dritte Kategorie stellen No-Names dar, auch Generics, „Weiße“, markenlose Artikel, Private Brands oder Gattungsmarken genannt. Hierbei handelt es sich um eine übergreifende Namensgebung für ein Sortimentsteil des Handels. In diesen wird häufig nur ein Produkt aus verschiedenen Kategorien aufgenommen, von Apfelmus über Kartoffelchips, Katzenfutter, Mehl, Milch, Papiertaschentücher bis zu Zitronentee und Zucker. Die auf den ersten Blick irreführende Bezeichnung „No-Names“ wird nachvollziehbar, wenn man sieht, dass das einzelne Produkt eben nur „Mehl“ oder „Zucker“ heißt, und nicht Aurora oder Südzucker, oder eben Papiertaschentuch und nicht Tempo oder Zewa-Softies. Eine Markierung ist hier somit nur produktgruppenübergreifend gegeben. Das Produktprogramm umfasst bei Rewe 300 JA!-Artikel und bei Edeka sogar 550 Gut&Günstig-Produkte und ist die Antwort der etablierten Lebensmittelketten auf den Siegeszug der Discounter. Ein konkretes Qualitätsversprechen wird nur z.T. gegeben, weil die Lieferanten durchaus wechseln können. Der herausgestellte Kundenvorteil ist eindeutig der relativ niedrige Preis. Handelunternehmen versuchen mit Handelsmarken und No-Names drei zentrale Ziele zu erreichen. Zunächst soll die Bindung der Kunden an die eigenen Vertriebskanäle erhöht werden. Gleichzeitig wird versucht, sich dadurch im Wettbewerb gegenüber anderen Kanälen zu profilieren und eigene Qualitäts- oder Preispositionen aufzubauen. Zusätzlich wird eine Ertragsverbesserung angestrebt, indem viele Funktionen der Markenführung selbst übernommen werden (vgl. Haller, 2001, S. 150). Auch wenn bei Handelsmarken und No-Names der Handel „Absender“ des Produktes ist, so bedeutet dies nicht, dass die Handelsunternehmen selbst Hersteller der Produkte sind. Entweder kaufen sie kostengünstig „under cover“ Produkte der eta22
Begriffliche Grundlagen des Marketing
blierten Markenartikel-Hersteller, um sie unter eigenem Branding preisgünstig anzubieten, oder sie binden Drittlieferanten ein. Es gibt viele Versuche, die Marken hinter den Handelsangeboten zu identifizieren, woran die Markenartikel-Hersteller natürlich nicht interessiert sind (vgl. hierzu Schneider, 2005). Zu einer Transparenz bzgl. der relativen Produktqualität tragen die monatlichen Tests der Stiftung Warentest ebenfalls bei. Bei diesen hersteller- und anbieterunabhängigen vergleichenden Warentests erreichen immer wieder No-Names oder Handelsmarken gute oder sehr gute Beurteilungen. Sie schneiden z.T. sogar besser ab als die häufig sehr viel teureren Markenartikel, weshalb eine Positionierung von diesen drei Produktklassen bzgl. ihrer Qualität sehr unterschiedlich ausfällt (vgl. Abb. 1/9).
Abb. 1/9:
Hoch
Relative Qualitäts- und Preis-Positionierung unterschiedlicher Produktklassen
NoNon ames names
Hande lsmarken Handelsmarken
Niedrig
Relative Qualität
Markenartikel Markenart ike l
Niedrig
Relativer Preis
Hoch
Immer mehr Konsumenten werden deshalb in ihrer Kaufentscheidung verunsichert und sind weniger bereit, den Preisaufschlag für Markenartikel zu bezahlen. Die Loyalität gegenüber Markenartikeln ist in den letzten Jahren deutlich gesunken (vgl. Abb. 1/10). Bei diesen Untersuchungen wird allerdings auch sichtbar, dass hinter einer Handelsmarke (bspw. bei Tandil von Aldi), durchaus unterschiedliche Produzenten stehen können, je nachdem, ob dieses Produkt bei Aldi Süd oder Aldi Nord eingekauft wird (Stiftung Warentest, 3/2005, S. 62). Hiermit kann eine gewisse Verunsicherung der Konsumenten bzgl. einer „Qualitätsgarantie“ einer solchen Handelsmarke verbunden sein, wenn der Konsument über diese Hintergrundinformationen verfügt. 23
1.1
1
Allgemeine Grundlagen des Marketing
Abb. 1/10:
Loyalitätsentwicklung bei Marken Quelle: AWA, 2006
Es stellt sich die Frage, warum Konsumenten nicht nur noch preisgünstigere Handelsmarken und No-Name-Produkte kaufen, wenn objektive Testergebnisse à la Stiftung Warentest immer wieder deren hohe Qualität beweisen, sei es bei Lebensmitteln, bei Elektrogeräten oder Bekleidung. Die Antwort auf diese Frage ist ganz einfach: Weil es beim Kauf eines Produktes nicht allein auf dessen Grundnutzen, d.h. den technisch-funktionalen Leistungsbeitrag, ankommt. Der Grundnutzen bei Seife ist die Reinigungsfunktion, der von Bekleidung eine Schutz- und Wärmefunktion, der einer Uhr ist die Möglichkeit, die aktuelle Zeit abzulesen, der eines Autos, möglichst sicher und geschützt von A nach B zu gelangen. In der heutigen Zeit erfüllen fast alle Produkte die Grundnutzenanforderungen. Folglich reicht deren Erfüllung für eine erfolgreiche Positionierung in Käufermärkten nicht aus. Deshalb ist zum Grundnutzen der sogenannte Zusatznutzen hinzugetreten, der auch als ästhetischer Nutzen oder als Prestige- und Geltungsnutzen bezeichnet wird. Heute wird die Produktwahl immer stärker durch den Zusatznutzen dominiert. Es macht in den Augen vieler Konsumenten, und nur darauf kommt es an, einen großen Unterschied, ob auf einer Daunenjacke sichtbar das Branding Abrams von Anson’s 24
Begriffliche Grundlagen des Marketing
zu sehen ist, oder das von Tommy Hilfiger, BOSS oder Armani. Für diesen Unterschied, selbst bei identischer Grundnutzenerfüllung, ist der Konsument bereit, einen mehr oder weniger hohen Preis-Premium, d.h. einen Preisaufschlag zu bezahlen. Gründe dafür können sein, dass er sich in letzterem Produkt wohler fühlt, sich damit lieber im Freundeskreis zeigt, weil er sich mit der Marke und deren Philosophie identifiziert. Deshalb wird es auch immer Kunden geben, die für einen Füller der Marke Montblanc € 205 zu bezahlen gewillt sind, obwohl Füller anderer Marken oder ohne Markierung mitunter schon unter € 10 zu erwerben sind. Die Nutzung des Montblanc Schreibgerätes ist mit einem ganz anderen Prestige- oder Geltungsnutzen im Gebrauch verbunden als bei einem Füller für € 5,95. Dafür ist der Kunde bereit, entsprechend mehr zu bezahlen.
1.1.6 Kategorien von Kaufentscheidungen Bevor unterschiedliche Arten von Kaufentscheidungen skizziert werden, ist zunächst zu klären, welche Prozesse dem Kaufakt vorausgehen (vgl. Abb. 1/11; vgl. Homburg/Krohmer, 2003, S. 3; Kotler et al., 2007b, S. 331-342; Kotler et al., 2007a, S. 302f.). Initialfaktor für einen Kaufprozess ist ein Bedürfnis, d.h. ein „Spannungszustand mit Antriebscharakter“ im inneren System eines Individuums. Dieses Bedürfnis, sei es Hunger oder Durst, „schreit gleichsam nach Befriedigung“. Deshalb stellt der Organismus dafür Energie bereit. Das Bedürfnis ist zunächst noch ungerichtet und erfährt eine weitere Konkretisierung erst als Bedarf, denn hierbei handelt es sich um eine „objektorientierte Handlungsabsicht“. Die Befriedigung wird dabei durch ein ganz bestimmtes Objekt gesucht (sei es Mars oder Twix, eine Karotte oder Banane, oder der Früchtetraum von Ehrmann). Dieser Bedarf wird aber erst als Nachfrage handlungswirksam, wenn das Individuum das entsprechende Produkt erwerben möchte. Die Nachfrage ist dabei so definiert, dass sie kaufkraftgestützt sein muss. D.h., ein potenzieller Kunde, der gerne ein Mars erwerben möchte, aber nicht über das notwendige Geld verfügt, übt in diesem Sinne keine Nachfrage aus. Beim Kaufakt handelt es sich um den vollzogenen Kauf. Nicht jede Nachfrage führt zum Kauf, bspw. weil Geschäfte geschlossen haben oder der gewünschte Artikel nicht vorrätig ist (vgl. vertiefend 2.4). Dieser Prozess läuft nicht bei allen Gütern gleichförmig ab. Vielmehr lassen sich Kaufentscheidungsprozesse danach abgrenzen, ob diese extensiv, habituell oder impulsiv ablaufen. Extensiver Kaufentscheidungsprozess Ein extensiver (i.S. ausgedehnter) Prozess wird nur für Anschaffungen durchgeführt, die zu den Shopping Goods oder den High-Interest-Produkten gehören. Dabei besteht aus der subjektiven Perspektive des Kunden die Notwendigkeit, sich intensiv mit den Angebotsalternativen zu befassen. Bevor ein Gut zum Specialty Good wird, erfolgt i.d.R. auch ein solch extensiver Such- und Bewertungsprozess. Der Einstieg in diesen beginnt mit der Anregungs-Phase, die durch Werbung, ein Gespräch mit einem Bekannten oder durch ein konkretes Bedürfnis ausgelöst werden kann (vgl. Abb. 1/12). Im Zuge der Such-Phase werden verschiedene Wege 25
1.1
Abb. 1/11:
Vom Bedürfnis zum Kaufakt
Hunger
Bedarf
Mars, Twix
Nachfrage
Konkretisierungsebene
Bedürfnis
Spannungsebene
1
Allgemeine Grundlagen des Marketing
Aktion
Kaufakt
beschritten, um sich einen Überblick über das Angebot zu verschaffen. Dies gilt für das Thema Urlaubsreisen ebenso wie für ein Fortbildungsangebot oder den Kauf eines TV-Gerätes. Die stattfindende Informationsbeschaffung kann online und/oder offline erfolgen. In der Bewertungs- und Auswahl-Phase werden die Alternativen hinsichtlich ihrer Eignung zur Befriedigung des Bedürfnisses geprüft und über Bedarf und Nachfrage zur Kaufakt-Phase weitergeführt, wenn die notwendige Kaufkraft vorhanden ist.
Abb. 1/12:
Phasen eines extensiven Kaufentscheidungsprozesses
Anregungsphase
SuchPhase
Nachkauf Phase
KaufaktPhase
26
Bewertungsund AuswahlPhase
Begriffliche Grundlagen des Marketing
Eine besonders wichtige, in vielen Geschäftsfeldern noch vernachlässigte Phase schließt sich an den Kaufakt an: die Nachkauf-Phase. Hier tauchen bei vielen Kunden die sogenannten Nachkauf-Dissonanzen auf (post-decisional regret), d.h. das „Bedauern nach der Entscheidung“ (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg, 2003, S. 187; Mayer/Illmann, 2000, S. 239-242). Was ist passiert? Der Kunde hat sich – ggf. nach einem längeren Entscheidungsprozess – für eine Alternative entschieden und damit gegen andere, vielleicht gleichwertige Angebote. Deshalb können jetzt Fragen auftauchen, wie bspw. „Habe ich das richtige Angebot ausgewählt?“, „Habe ich alle wesentlichen Kriterien bei der Auswahl berücksichtigt?“, „Hätte ich mich nicht doch besser für das andere Angebot entscheiden sollen?“, „Habe ich alle relevanten Informationen im Vorfeld beschafft?“ etc. Wie sollte ein Unternehmen darauf reagieren? Der Kunden sucht in dieser Phase nach Kaufbestätigung. Diese kann schon dadurch erfolgen, dass als Produktbeilage ein Schreiben beigefügt ist mit dem Tenor: „Herzlichen Glückwunsch zum Kauf dieses Produktes! Sie gehören damit zu über 100.000 Kunden, die sich Jahr für Jahr für unser Unternehmen entscheiden...“. Oder es werden nochmals die besonderen Garantiebedingungen (beim Versender Land´s End bspw. die „lebenslange Garantie“) oder ein Hotline-Support herausgestellt. Solche Angaben können dem Kunden das gewünschte „gute Gefühl“ vermitteln. Auch ein nach Vertragsabschluss versandtes Schreiben, in dem auf positive Testergebnisse der Stiftung Warentest hingewiesen wird (so bspw. regelmäßig bei der Cosmos Direkt Versicherung), hilft dem Kunden beim Abbau seiner Dissonanzen – und bereitet gleichzeitig einen möglichen Folgekauf vor. Habitueller Kaufentscheidungsprozess Der habituelle, gewohnheitsmäßige Kaufentscheidungsprozess kommt i.d.R. bei Convenience Goods und bei Low-Interest-Produkten zum Tragen. Für Angebote wie Zeitschriften, Zahncreme und Zigaretten entscheidet man sich einmal: Dann werden diese Produkte häufig über mehrere Jahre oder sogar Jahrzehnte gekauft, ohne dass die Produktwahl nochmals hinterfragt wird. D.h., ein Such-, Bewertungs- und Auswahlprozess entfällt ganz oder wird zumindest stark verkürzt (vgl. vertiefend Kroeber-Riel/Weinberg, 2003, S. 400-409). Für Unternehmen ist es ein dominantes Ziel, seine Angebote in solchen gewohnheitsmäßigen Kaufprozessen zu etablieren. Dazu gehört nicht nur eine Markenpflege, die auf Kontinuität hinsichtlich Positionierung und Produktentwicklung setzt, sondern auch der Aufbau einer hohen Präsenz im Handel, damit dem Käufer kein hoher Suchaufwand entsteht. Ein treffendes Beispiel hierfür ist die im Jahre 1911 entwickelte Nivea-Creme, die allen Modeströmungen zum Trotz mit ihren über 90 Jahren nach wie vor eine große Attraktivität und Dynamik ausstrahlt – und dies weit über das Creme-Segment hinaus (vgl. Abb. 1/13). Impulsiver Kaufentscheidungsprozess Bei impulsiven Kaufentscheidungen durchläuft der Konsument keinen geplanten Prozess (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg, 2003, S. 409-416). Hier wird der Käufer durch das konkrete Angebot am POS (Point of Sale) bzw. POP (Point of Purchase), d.h. 27
1.1
Begriffliche Grundlagen des Marketing
1.1.7 Kaufverhalten von Organisationen In Unternehmen sind es letztendlich ebenfalls einzelne Personen, die Entscheidungen treffen. Diese können sich auf die Einstellung von neuen Mitarbeitern, die Installation einer neuen ERP (Enterprise Resource Planning)-Software oder den Kauf von Büromaterial beziehen (vgl. vertiefend Backhaus, 2003, S. 66-157; Homburg/Krohmer, 2006, S. 140-142; Godefroid, 2003, S. 43-96; vertiefend Werani et al., 2006). Worin liegen wichtige Unterschiede zwischen dem BtC- und dem BtB-Kaufverhalten? Höherer Formalisierungsgrad Grundsätzlich weisen Einkaufsprozesse in größeren Organisationen einen höheren Formalisierungsgrad auf. Vielfach gibt es umfassende Einkaufsrichtlinien, die in Einkaufshandbüchern dokumentiert sind. Geschäftsführer und Vorstände verpflichten sich teilweise bereits in ihren Anstellungsverträgen, die im Unternehmen jeweils gültigen Richtlinien zu berücksichtigen. Was ist der Grund für diese Reglementierung der Einkaufsprozesse? Je größer ein Unternehmen ist, desto umfangreicher werden die Losgrößen für den Einkauf, sei es bei Büroklammern, PCs, Büromöbeln, Fahrzeugen oder Maschinen. Mit diesen steigenden Losgrößen wächst die Begehrlichkeit der Lieferanten, solche Aufträge zu akquirieren – und sei es auch mit unlauteren Maßnahmen. Die schriftlich dokumentierten Anweisungen, ab einer bestimmten Auftragshöhe (bspw. ab € 1.000) grundsätzlich drei Lieferanten anzufragen und den günstigsten auszuwählen, oder ab € 10.000 eine nationale oder europaweite Ausschreibung vorzusehen, soll diesen „Kungeleien“ vorbeugen. Dass dies nicht immer von Erfolg gekrönt ist, kann regelmäßig der Presse entnommen werden. Ein weiteres Argument für die stärkere Reglementierung der Prozesse ist im Pooling von Einkaufsmacht zu sehen. Würde jede einzelne Abteilung oder in einem größeren Konzern jede Tochtergesellschaft die Einkaufsprozesse autonom durchführen, könnten i.d.R. nur deutlich ungünstigere Konditionen bei den Lieferanten „herausgeholt“ werden. Die Zusammenführung von Nachfrage bspw. in einer gesonderten Einkaufsabteilung ermöglicht es, entsprechende Mengenrabatte zu erzielen und ggf. sogar eine VIP-Betreuung als Großkunde zu erreichen. Abweichende Entscheidungskriterien Neben dem Preis kommen bei Einkaufsentscheidungen in Unternehmen häufig noch andere Kriterien zum Einsatz. Die Investitionssicherheit stellt ein solches Kriterium dar. Hierunter wird die Gewissheit verstanden, dass es bspw. bestimmte Produkte, seien es Möbel, Maschinen oder Software, auch noch in mehreren Jahren am Markt geben und Wartung ebenso wie die Belieferung mit Ersatzteile garantiert wird. Dies stellt einen Grund dafür dar, warum sich kleinere und neue Unternehmen häufig schwerer tun, Aufträge von Großunternehmen zu erhalten. Dort ist man sich häufig unsicher, ob es den Lieferanten auch in zwei Jahren noch geben wird. Deshalb fallen Entscheidungen für langlebige Güter häufig zugunsten größerer und bekannterer Lieferanten aus, selbst wenn diese nicht das optimale Angebot aufweisen. 29
1.1
1
Allgemeine Grundlagen des Marketing
Auch Imageaspekte können bei der Auswahl des Partners eine Rolle spielen. Wer schmückt sich als Entscheidungsträger nicht gerne damit, mit Consultants von Bain & Company, Boston Consulting Group oder McKinsey & Company zusammenzuarbeiten? Dies klingt deutlich besser als die Kooperation mit Mr. Nobody & Co., selbst wenn letztere vielleicht die deutlich bessere Leistung, z.T. auch zu attraktiveren Konditionen, anbieten kann. Dabei spielt die Investitionssicherheit wiederum eine Rolle: Es wird einem Manager wohl kaum vorgeworfen werden können, sich für die Bains entschieden zu haben. Wer kann beim Scheitern eines Projektes aber noch rechtfertigen, sich für Mr. Nobody & Co. entschieden zu haben? Gegengeschäfte können bei der Wahl des Partners ebenfalls eine Rolle spielen. In der Werbung der Deutschen Post World Net in den Jahren 2004 und 2005 wurde das Versandhaus Quelle häufig als Partner erwähnt. Dies hat sicherlich auch mit der strategischen Entscheidung bei Quelle zu tun, langfristig mit der Deutschen Post zusammenzuarbeiten. Höhere Rationalität Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass beim Kaufverhalten von Unternehmen ein höheres Maß an Rationalität erreicht wird. Zwar wird u.a. durch den o.g. höheren Formalisierungsgrad versucht, eine solche quasi zu erzwingen; eine Garantie ist das jedoch keineswegs. Fremdbestimmter, abgeleiteter Bedarf Die Nachfrage von Unternehmen ist fremdbestimmt bzw. abgeleitet von dem Leistungsportfolio, welches das Unternehmen selbst anbietet. Erbringt ein Unternehmen Zustelldienstleistungen, wie bspw. UPS, DHL oder Hermes, dann werden dafür entsprechende Fahrzeuge benötigt. Stellt ein Unternehmen die Bodenwanne für Kraftfahrzeuge her, so werden dafür nicht nur Stahl, sondern auch Press-, Schweiß- und Schneidewerkzeuge sowie Schutzbekleidung für die Mitarbeiter benötigt. In all diesen Fällen leitet sich die Nachfrage des Unternehmens von den gefertigten Produkten und Dienstleistungen ab. Das hat zur Konsequenz, dass bspw. bei nachlassender Nachfrage nach dem VW Golf auch die Nachfrage nach Navigationssystemen von Blaupunkt für dieses Fahrzeug sinken wird, mit entsprechenden Auswirkungen für Blaupunkt. Nicht umsonst versuchen Zulieferer dann, durch innovative Vertriebsideen den Verkauf des Ursprungsproduktes zu fördern, um quasi „huckepack“ den Absatz der eigenen Produkte zu stärken. Entscheidungen im Kollektiv treffen Entscheidungen in Unternehmen werden häufig im Kollektiv getroffen. Um diesen Sachverhalt zu verdeutlichen, hat sich der Begriff des Buying Centers eingebürgert (vgl. grundlegend Webster/Wind, 1972; vertiefend Backhaus, 2003, S. 65; Kotler et al., 2007b, S. 371f.; Kotler/Bliemel, 2001, S. 381-383; Godefroid, 2003, S. 63-66). Hierbei geht es um ein gedankliches Konstrukt, das den multipersonalen Ansatz im Kaufverhalten von Organisationen zum Ausdruck bringt. Das Buying Center stellt nicht zwangsläufig eine organisatorische oder prozessual definierte Einheit 30
Begriffliche Grundlagen des Marketing
dar, sondern dient vielmehr dazu, die in einen Entscheidungsprozess mehr oder weniger stark involvierten Personen zu benennen (vgl. Abb. 1/14). Durch diesen Ansatz wird deutlich, dass nicht die Einkäufer bzw. die Einkaufsabteilung allein in das Zentrum der vertrieblichen Aktivitäten gerückt werden sollte, sondern auch andere Personen – mehr oder weniger sichtbar – Einfluss auf die Kaufentscheidung nehmen.
Abb. 1/14:
Buying Center des Kaufverhaltens in Organisationen
Gatekeeper
Nutzer
Influencer
Einkäufer
Entscheider
An erster Stelle sei der Gatekeeper genannt, hinter dem sich der Chef-Sekretär oder der Assistent des Einkäufers verbergen kann. Dieser auch als Informationsregulator bezeichnete Rollenträger bestimmt in hohem Maße, welche Informationen, bspw. in Gestalt von Mailings, Angeboten etc. auf dem Tisch des Vorgesetzten landen. Es wird darüber entschieden, wie leicht ein Vertriebsmitarbeiter telefonisch durchgestellt wird und ob dieser einen Termin bekommt. Deshalb ist es aus vertrieblicher Sicht entscheidend, sich mit diesem Rollenträger „gut zu stellen“. 31
1.1
1
Allgemeine Grundlagen des Marketing
Der Rollenträger Einkäufer stellt die klassische Anlaufstelle für den Vertrieb dar. Hier ist zumindest formal die Einkaufsmacht gebündelt. De facto kann dies aber ganz anders aussehen, wenn bspw. Influencer, seien es externe oder interne Berater, die „graue Eminenz“ des Unternehmens oder andere Meinungsführer aus dem Hintergrund die Fäden ziehen und damit maßgeblich bestimmen, wie die Entscheidung ausfällt. Häufig ist es extrem schwierig, die Inhaber dieser faktischen Macht zu identifizieren. Die Mühe lohnt sich aber i.d.R., weil dann die Möglichkeit besteht, diese in den Vertriebs- und damit Überzeugungsprozess einzubinden. Wie weit die formale Macht des Einkaufs geht, ist auch davon abhängig, ob der letztendliche Entscheider im Einkauf selbst sitzt, bspw. als Leiter dieser organisatorischen Einheit, oder ob der Vorstand oder die Geschäftsleitung, als Person oder als Gruppe, über die Beschaffung befindet. Auf dieser Ebene spielen u.U. wieder andere Kriterien eine Rolle. Ein aus Sicht der Betroffenen selbst häufig vernachlässigter Rollenträger des Buying Centers ist der Nutzer selbst. Nicht selten „darf“ dieser lediglich seinen Bedarf anmelden. Für welchen Lieferanten sich das Unternehmen entscheidet und welche Produkte oder Dienstleistungen letztendlich anhand welcher Kriterien ausgewählt werden, ist für den Nutzer oft nicht transparent. Das Buying Center fasst diese unterschiedlichen Rollenträger gedanklich zusammen. Wie bereits genannt, kann eine Person mehrere Rollen ausfüllen (bspw. Einkäufer und Entscheider), aber eine Rolle kann auch von mehreren Personen wahrgenommen werden. Bspw. kann sich hinter „Einkäufer“ ein Einkäufer-Team verbergen oder hinter „Influencer“ eine Consulting-Einheit, die wiederum aus mehreren Personen besteht. Die große Relevanz erfährt das Buying Center-Konzept durch die Klarstellung, dass die Anforderungen der einzelnen Rollenträger an einen Lieferanten gänzlich unterschiedlich ausfallen können. Der Nutzer interessiert sich bspw. für die Wartungsfreundlichkeit und die Lautstärke einer Maschine, die Schnelligkeit des Zugriffs auf Ersatzteile, die Verständlichkeit des Manuals. Der Einkäufer ist eher an den Zahlungszielen, möglichen Rabatten oder anderen Nachlässen interessiert. Der Influencer wie auch der letztendliche Entscheider können ganz eigene Interessen haben. Diese können der Gewinnung eines besonders imageträchtigen Partner gelten, der für seine wichtigsten Kunden interessante Events gestaltet. Ebenso schmückt man sich besonders gerne mit „großen Namen“, die bei unternehmensübergreifenden Meetings „in die Runde geworfen“ werden können. Zumindest bei der Gewinnung größerer Aufträge kann es für das anbietende Unternehmen ein großer Vorteil sein, wenn es dem Buying Center ein Selling Center entgegen stellt (vgl. Godefroid, 2003, S. 94; Backhaus, 2003, S. 65, 140). Das Pendant zum Einkäufer ist der klassische Verkäufer, der sich i.d.R. auch um die Gunst des Gatekeepers bemühen muss. Dem Nutzer können Referenzkunden als Ansprechpartner präsentiert werden, oder es wird der direkte Kontakt zu Technikern des anbietenden Unternehmens hergestellt, um die aufkommenden Fragen möglichst kompetent beantworten zu können. Für den Entscheider bietet sich häufig – um der hierarchischen Ebene Rechnung zu tragen – die Einbindung der Geschäftsführung des anbietenden Unternehmens an. Auf diese Weise kann, u.U. auf dem Golfplatz oder am Rande 32
Marketing-relevantes Umfeld
eines Formel 1-Rennens, ganz nebenbei über Geschäftliches gesprochen, insb. aber eine Vertrauensbasis durch die zum Ausdruck gekommene Wertschätzung aufgebaut werden. Der Influencer selbst sollte, je nach Ausrichtung, bspw. durch eigene Vertriebsberater betreut werden. Auf diese Weise kann der Akquisitionserfolg nachhaltig gesteigert werden. Der Aufwand ist natürlich entsprechend höher. Es bleibt an dieser Stelle anzumerken, dass sich solche Buying Center-Strukturen z.T. auch im BtC-Bereich wiederfinden. Die geschlechtsspezifischen Unterschiede haben in den letzten Jahren abgenommen, so dass heute bei Familien von einer paritätischen Besetzung des „Entscheider-Gremiums“ von Mann und Frau ausgegangen werden kann (mobil.de, 2005). Allerdings gibt es seitens der Nutzer noch deutliche Unterschiede: Danach favorisieren Frauen aufgrund ihres spezifischen Nutzungsverhaltens im Stadtverkehr eher Kleinwagen bzw. Wagen der unteren Mittelklasse und legen Wert auf eine elektronische Einparkhilfe und eine niedrige Ladekante. Männer, die häufiger längere Strecken fahren, favorisieren dagegen Wagen aus der (oberen) Mittelklasse und legen besonderen Wert auf Klimaanlage und Tempomat (mobil.de, 2005). Händler tun auch hier gut daran, sich die unterschiedlichen Erwartungshaltungen bewusst zu machen und im Verkaufsgespräch zu berücksichtigen. Teilweise kann man bei Werbespots erkennen, dass auch diese versuchen, die unterschiedlichen Rollenträger abzudecken.
1.2
Marketing-relevantes Umfeld
1.2.1 Kennzeichnung von Märkten Der Markt – sei es als Beschaffungs- oder Absatzmarkt – hat für Unternehmen eine zentrale Bedeutung. Was versteht man unter Markt? Beim Markt handelt es sich um (vgl. weiterführend Homburg/Krohmer, 2003, S. 2-6; Nieschlag et al., 2002, S. 81-85; Meffert, 2000, S. 37-39):
eine (gedankliche) Zusammenfassung aller Geschäftsbeziehungen zwischen Anbietern und Nachfragern, für ein bestimmtes Gut bzw. ein bestimmtes Güterspektrum, zu einem bestimmten Zeitpunkt, bezogen auf einen bestimmten Raum.
Der Markt kann dabei so konkrete Gestalt annehmen wie der Wochenmarkt auf dem Marktplatz in Bonn oder der Weihnachtsmarkt auf dem Gendarmenmarkt in Berlin, auf dem sich Anbieter und Nachfrager für einen bestimmten Sortimentsbereich treffen. Er kann aber auch so abstrakt sein wie der globale Arbeitsmarkt, der die Wanderungsbewegungen von Arbeitnehmern zwischen Ländern und die unterschiedlichen Preise für Arbeitsleistungen beschreibt. Eine globale Perspektive liegt auch dem weltweiten Energie- und Kapitalmarkt zugrunde. Zwischen diesen beiden Extrempositionen angesiedelt sind bspw. der deutsche PKW-Markt oder der Touris33
1.2
1
Allgemeine Grundlagen des Marketing
musmarkt in Österreich. Die beiden letzten Beispiele machen deutlich, dass diese regionale Abgrenzung von Märkten in einer zunehmend globalisierten Welt keine große Bedeutung mehr besitzt. So treffen auf dem deutschen PKW-Markt alle relevanten Hersteller der Welt aufeinander und bieten sich einen harten Wettbewerb. Das Angebot der österreichischen Tourismuswirtschaft konkurriert in Sachen Wintersport nicht nur mit St. Moritz und den Langlaufregionen in Finnland, sondern auch mit dem Heli-Skiing in den Rocky Mountains – und mit einem Badeurlaub in Südafrika. U.U. konkurrieren diese Angebote auch mit der Frage, ob das Urlaubsbudget nicht besser für einen Flat-Screen-Fernseher eingesetzt werden sollte. Für jedes Unternehmen ist es deshalb wichtig, den für sich relevanten Markt abzugrenzen, wobei diese Abgrenzung nicht nur räumlich zu interpretieren ist, sondern auch bestimmte Zielgruppen umfassen kann. Erst basierend auf dieser Abgrenzung lassen sich dann sinnvoll weitere marktrelevante Termini einsetzen. Zur Kennzeichnung von Märkten werden verschiedene Begriffe verwendet, die die Größe von Märkten und den Anteil einzelner Unternehmen daran beschreiben (vgl. Abb. 1/15). Dabei werden teilweise Umsatzgrößen (bspw. in €) oder Absatzmengen (in Stück) zur Bestimmung herangezogen. Das Marktpotenzial beschreibt zunächst die potenzielle Aufnahmefähigkeit eines Marktes für ein Gut und kennzeichnet damit die maximal mögliche Absatzmenge bzw. den maximal erreichbaren Umsatz, bspw. für Handys in Deutschland. Bei der Bestimmung dieses Marktpotenzials können Analogien zu anderen Ländern erfolgen (bspw. wie viele Handys pro Kopf der Bevölkerung gibt es in den USA, in Frankreich und Norwegen?), um daraus eine Ableitung der maximalen Marktgröße für Deutschland vorzunehmen. Es können auch Marktstudien in Deutschland selbst durchgeführt werden, um das Kaufverhalten der Bevölkerung zu ermitteln. Generell gilt: Die Größe des Marktpotenzials stellt einen Prognosewert dar und ist folglich mit Unsicherheit behaftet. Legendär ist die Prognose des Gründers von IBM, Thomas J. Watson, der 1943 vermutete: „Ich denke, dass es einen Weltmarkt für vielleicht fünf Computer gibt.“ Das Marktvolumen bezieht sich auf den bereits realisierten Umsatz oder Absatz für ein entsprechendes Gut (bspw. Handyumsatz in Deutschland im Jahre 2007) oder auf einen prognostizierten Umsatz/Absatz, bspw. für ein Jahr (Umsatz/Absatz im Jahre 2009). Es wird deutlich, dass das Marktvolumen wesentlich konkreter ist als das Marktpotenzial. Das Verhältnis beider Größen kennzeichnet den Marktausschöpfungsgrad und stellt eine Maßgröße dafür dar, welches Marktwachstum in Zukunft noch erreicht werden kann. So ist bspw. der Marktausschöpfungsgrad für „weiße Ware“, d.h. für Kühlschränke, Waschmaschinen und Küchenherde, in Deutschland nahe 100 %. Folglich dominiert reiner Ersatzbedarf und ein Wachstum einzelner Anbieter kann nur auf Kosten der Wettbewerber erfolgen. Dies erklärt u.a. den hohen Preisdruck auf dem deutschen Markt. Der absolute Marktanteil eines Unternehmens kennzeichnet den Teil, den ein Unternehmen an einem spezifischen Markt realisiert hat. I.d.R. wird dafür der Umsatz des Unternehmens, z.T. auch die Absatzmenge, herangezogen. Für die Ermittlung dieses Marktanteils ist es wiederum wichtig, den für ein Unternehmen relevanten Markt zu definieren. Ein Berliner Unternehmer, der auf dem dortigen Weihnachtsmarkt hand34
Marketing-relevantes Umfeld
gefertigte Seifen anbietet, kann in Berlin selbst bzgl. derartiger Seifen bspw. einen Marktanteil von 7 % erreicht haben. Würde er seinen Markt mit „hand- und industriellgefertigten Seifen“ definieren, sinkt sein Marktanteil auf einen kleinen Promillewert. Wird nicht Berlin, sondern Deutschland als relevanter Markt definiert, ist dieser Anbieter nicht mehr wahrnehmbar. Deshalb ist bei der Bewertung von Marktanteilen entscheidend, wie der relevante Markt und damit das entsprechende Marktvolumen definiert ist.
Abb. 1/15:
Begriffe zur Beschreibung von Märkten
Absatz-/Umsatzvolumen eines Unternehmens
Marktvolumen (realisierter/geplanter Absatz/Umsatz) Marktpotenzial (gesamte Aufnahmefähigkeit eines Marktes für ein Gut; gemessen als Absatz/Umsatz)
Marktausschöpfungsgrad =
Marktanteil =
Marktvolumen ×100 Marktpotenzial
Umsatz des eigenen Unternehmens ×100 Marktvolumen
Relativer Marktanteil =
Umsatz des eigenen Unternehmens Umsatz des größten Wettbewerbers 35
1.2
1
Allgemeine Grundlagen des Marketing
Der relative Marktanteil ergibt sich dagegen aus der Relation zwischen dem eigenen Marktanteil und dem des größten Wettbewerbers. Die Relevanz dieser Größe zeigt sich an folgendem Beispiel. Hat ein Unternehmen einen Marktanteil von 20 %, so mag dies auf den ersten Blick ein gutes Ergebnis sein. Tatsächlich ist eine Bewertung dieses Marktanteils erst im Vergleich zu den Wettbewerbern möglich. Hat der größte Wettbewerber einen Marktanteil von 40 %, so ist der relative Marktanteil lediglich 0,5. Bei gleichem Marktanteil beider Unternehmen ist der relative Marktanteil 1, und wenn der größte Wettbewerber lediglich auf einen Marktanteil von 5 % kommt, so ist der eigene relative Marktanteil 4. Diese Größe sagt viel mehr über die Bedeutung des Unternehmens im Markt aus als der absolute Marktanteil. In Abhängigkeit von der Anzahl der Anbieter und Nachfrager auf einem Markt ist zwischen neun verschiedenen Marktformen zu differenzieren, die durch unterschiedliche Wettbewerbsintensitäten gekennzeichnet sind (vgl. Abb. 1/16; vgl. Gabler, 2005, S. 1991). Die jeweilige Marktform beeinflusst nicht nur, wie Unternehmen ihr MarketingInstrumentarium einsetzen, sondern auch, in welchem Ausmaß mit Reaktionen der Wettbewerber auf eigene Aktivitäten zu rechnen ist.
Abb. 1/16:
Schema der Marktformen
Nachfrage viele
wenige
einer
Anbieter
viele
Zweiseitiges Polypol
Nachfrageoligopol Nachfragemonopol ( Monopson) (Oligopson)
Beschränktes wenige
Angebotsoligopol
einer
Angebotsmonopol
ZweiseitigesOligopol Nachfragemonopol ( Monopson)
Beschränktes
Zweiseitiges
Angebotsmonopol
Monopol
Ein klassisches Beispiel für ein Angebotsmonopol ist der Markt für Betriebssysteme. Vielen Millionen PC-Nutzern steht weltweit als dominantes Angebot quasi nur das Betriebssystem Windows von Microsoft zur Auswahl, welches einen Marktanteil von 96 % aufweist. Linux erreicht dagegen nur einen Marktanteil von 1,6 % und Mac OS 36
Marketing-relevantes Umfeld
von 2,4 % (o.V., 6.4.2006, S. 11). Damit hat Microsoft im Segment der PCBetriebssysteme ein globales Monopol, weil es keine ernsthaften Wettbewerber gibt. In Deutschland hat die Deutsche Post auf Briefsendungen bis 50 Gramm noch eine Exklusivlizenz, die Ende 2007 auslaufen soll, um den Markt für weitere Anbieter zu öffnen. Als „Gegenleistung“ für dieses Monopol muss die Deutsche Post in Deutschland eine flächendeckende Versorgung mit Postdienstleistungen anbieten. Das US-amerikanische GPS (Global Positioning System) stellt gleichfalls noch ein Monopol dar. Es wird in Zukunft durch das europäische Angebot Galileo herausgefordert werden. Das Bestreben von marktwirtschaftlich orientierten Regierungen zielt auf die Überwindung von Monopolen, da in diesen agierende Unternehmen häufig weniger innovativ und weniger kundenorientiert sind und außerdem tendenziell höhere Preise am Markt durchsetzen können. So kostete vor der Regulierung des Fernmeldemarktes Anfang 1998 ein Telefonat im Festnetz noch € 0,307 pro Minute; 2006 lag der Preis bei ca. € 0,017. In diesem Zusammenhang sind auch die weiteren Liberalisierungsbestrebungen hinsichtlich des Postmarktes sowie der Energiewirtschaft zu sehen (vgl. Neuscheler, 2005, S. 45). Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung („Kartellgesetz“) zielt darauf ab, die Entstehung sowie den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung einzelner Unternehmen zu verhindern (vgl. vertiefend 4.2.2). Ein Beispiel für ein Angebotsoligopol stellt der Markt von großvolumigen Passagierflugzeugen dar. Den Anbietern Airbus und Boing steht hier die Nachfrage einer Vielzahl nationaler und internationaler Fluggesellschaften gegenüber. Diese beiden Unternehmen treffen bei allen wichtigen Nachfragern aufeinander. Häufig ist das Ausmaß der politischen Unterstützung durch die Anbieternationen maßgeblich für Kaufentscheidungen nationaler Fluggesellschaften. Auch hinsichtlich der Modellpolitik „beäugen“ sich die Anbieter kritisch. So war die Antwort von Boing auf die Vorstellung des A 380 im Jahre 2005 die Lancierung des Dreamliners. Der Mineralölhandel in Deutschland stellt ebenfalls ein Angebotsoligopol dar, weil wenigen großen Anbieterketten Millionen kaufender Kunden gegenüberstehen. Hier wird besonders gut sichtbar: Wenn ein Anbieter die Preise verändert, „müssen“ die anderen schnell reagieren, um keine Marktanteile zu verlieren. Bei Tankstellen im unmittelbaren Einzugsbereich erfolgt dies teilweise innerhalb von wenigen Minuten. Beim Bücher- und Zeitschriftenmarkt handelt es sich um ein zweiseitiges Polypol, weil einer Vielzahl von Verlagen eine große Zahl an Buchkäufern gegenüber steht. Ähnlich verhält es sich bei vielen Nahrungsmitteln, da eine Vielzahl von Anbietern auf eine ebensolche von Nachfragern trifft (bspw. bei Softdrinks oder Müsli). Ein Nachfrageoligopol liegt bspw. bei bestimmten Anbietern in der Kfz-Zulieferindustrie vor, weil vielen Anbietern eine überschaubare Anzahl von weltweit ca. 20 Automobilunternehmen gegenüber steht. Ein zweiseitiges Oligopol existiert bei Hochgeschwindigkeitszügen. Den wenigen Ländern, die als Nachfrager z.Zt. aktiv sind, stehen die Angebote aus Deutschland (ICE, Transrapid), Frankreich (TGV) und Japan (Shinkansen) gegenüber. Analysiert man die Vertriebsaktivitäten der dahinterstehenden Unternehmen, dann wird deutlich, dass Vermarktungserfolge i.d.R. nur 37
1.2
1
Allgemeine Grundlagen des Marketing
durch massive politische Unterstützung der eigenen Regierungen, häufig flankiert durch attraktive Finanzierungsprogramme (teilweise durch das Anbieterland abgesichert) zu erreichen sind. Ein (beschränktes) Nachfragemonopol entsteht häufig dann, wenn der Staat oder einzelne Bundesländer als Nachfrager aktiv werden, bspw. bei Rüstungsprojekten oder beim Straßenbau. Ein zweiseitiges Monopol liegt bspw. bei Tarifverhandlungen vor, wenn sich die jeweiligen Arbeitgeber-Verbände und die Gewerkschaften gegenüber sitzen. Aufgrund der hier deutlich werdenden Machtkonzentrationen wird nachvollziehbar, warum Gewerkschaften tendenziell gegen und Arbeitgeberverbände tendenziell für Vereinbarungen auf Unternehmensebene sind. Durch solche würden Machtpositionen der Gewerkschaften abgebaut. Um die Frage zu beantworten, in welcher Marktform ein Unternehmen aktiv ist, hilft wiederum die Abgrenzung des relevanten Marktes. Der Handwerker, der in Pankow/Prenzlauer Berg handgezogene Kerzen produziert und verkauft, ist nicht nur in diesem Teil von Berlin ein Angebotsmonopolist, sondern sogar in ganz Berlin, weil es nur noch einen einzigen Kerzenzieher gibt. Werden als relevanter Markt alle Unternehmen definiert, die in Berlin Kerzen produzieren und/oder verkaufen, dann handelt es sich um ein Polypol – dem jeweils eine Vielzahl von potenziellen Nachfragern gegenüberstehen. Die Frage hinsichtlich der Abgrenzung des relevanten Marktes wird auch dann gestellt, wenn es um darum geht, ob ein Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung innehat. Werden im Medienbereich TV-, Radio-, Zeitungs- und Zeitschriften-Werbung als gegenseitige Substitute angesehen, wird es viel unwahrscheinlicher, dass ein Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung einnimmt, als wenn der Zeitungsmarkt isoliert als relevanter Werbemarkt betrachtet und die Marktanteile der dort agierenden Unternehmen analysiert werden. Diese Überlegungen haben bei dem letztendlich gescheiterten Übernahmeversuch von ProSieben.Sat1 durch den Axel Springer Verlag im Jahre 2006 eine zentrale Rolle gespielt (vgl. vertiefend 4.2.2).
1.2.2 Makro-Umwelt des Unternehmens In Abb. 1/2 wurden die relevanten Bereiche der Makro-Umwelt des Unternehmens benannt. Diese Faktoren, die sich in hohem Maße wechselseitig und auf die MikroUmwelt des Unternehmens auswirken, werden anschließend analysiert. Faktoren der politischen, rechtlichen Umwelt Die Attraktivität eines Landes als Standort bzw. als Zielmarkt für ein Unternehmen wird ganz maßgeblich durch diesen Teil der Makro-Umwelt geprägt. Zentrale Faktoren sind bspw.: Wirtschaftspolitische Ausrichtung (u.a. Regelungen zur Mitbestimmung, Tarifautonomie) Schutz von Privateigentum (auch von geistigem Eigentum, wie Patenten, Markennamen) 38
Marketing-relevantes Umfeld
Rechtssicherheit (Kodifizierung von Regelungen; Möglichkeit, sein Recht durchzusetzen) Gesetze (Steuergesetz, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, Preisangabenverordnung, Markengesetz, Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung, Produkthaftung etc.) Diese Aufzählung vermittelt einen Eindruck davon, welche Aspekte diesem Bereich zugeordnet werden. Einen besonders nachhaltigen Einfluss übt in Europa die Zugehörigkeit zur EU (Europäische Union) aus. Durch die EU-Gremien in Brüssel werden nicht nur viele rechtliche Rahmenbedingungen definiert, sondern auch Handelsschranken zwischen den EU-Mitgliedern abgebaut und einheitliche Rahmenbedingungen für Unternehmen in der EU geschaffen. Faktoren der sozialen und kulturellen Umwelt Gegenstand dieser Umwelt sind die kulturellen Werte und Normen, auf denen Gesellschaften aufbauen. Eine zentrale, wertestiftende Bedeutung kommt hierbei – wenn auch in unterschiedlicher Intensität – den vorherrschenden Religionen, den Familien sowie den für Ausbildung verantwortlichen Institutionen zu. Auch die Bedeutung, die in der Gesellschaft unterschiedlichen Produkten, Tätigkeiten und Organisationen zugeschrieben wird, ist durch derartige Werte geprägt und bestimmt damit ganz wesentlich den Rahmen für den Marketing-Einsatz. Dies gilt für die Nutzbarkeit von Gen- und Atom-Technologie wie auch für die Bereitschaft, für gesellschaftliche und ökologische Ziele zu spenden. Abb. 1/17:
Entwicklung der Lebenserwartung in Deutschland Quelle: Vaupel, 2002, S. 5
120 95
100 75
80 60
55
60
65
80
85
100
90
70
50
40 20 0 1900 1920 1940 1960 1980 2000 2020 2040 2060 2080 2100
39
1.2
1
Allgemeine Grundlagen des Marketing
Darüber hinaus wird im Rahmen dieser Faktoren analysiert, wie sich bspw. die folgenden Kriterien zur Beschreibung von Gesellschaften darstellen und welche Veränderungen absehbar sind (vgl. weiterführend Hartmann, 2007a):
durchschnittliche Familiengröße, Altersstruktur der Bevölkerung, Bildungsniveau, Ausmaß an Berufstätigkeit.
Die in Abb. 1/17 zum Ausdruck gebrachte Lebenserwartung in Deutschland hat – insb. in Verbindung mit dem Rückgang der Geburtenrate – einen dramatischen Effekt auf die Bevölkerungsstruktur. Immer weniger jungen Haushalten stehen immer mehr Menschen im höheren Lebensalter gegenüber. Diese Entwicklung stellt nicht nur eine Herausforderung für die sozialen Sicherungssysteme dar, sondern auch für die Unternehmen, deren Angebote bisher stärker auf das Jugendsegment ausgerichtet waren und die für den wachsenden Seniorenmarkt bisher nur wenige Produkte anbieten. Damit einher geht in Deutschland auch eine Veränderung der durchschnittlichen
Abb. 1/18:
Entwicklung der Haushaltsgröße in Deutschland Quelle: Eggert, 2006 4,5
12,1
2,0 9,5 12,5
15,0
Anzahl Personen: +5 32,0 4
33,0 3 2 1 ~ 44,0 35,4
2000
40
2015
Marketing-relevantes Umfeld
Haushaltsgröße, wie Abb. 1/18 zeigt. Diese Entwicklung hat ebenfalls unmittelbaren Einfluss auf das Marketing, bspw. ganz konkret auf die Verpackungsgröße von Produkten – oder auf die Erwartungen der Single-Haushalte an die Öffnungszeiten von Geschäften, um nach der Arbeit noch einkaufen zu können. Faktoren der ökonomischen Umwelt Die ökonomische Umwelt beeinflusst die unternehmerische Tätigkeit in besonderer Weise, da diese sowohl bei der Produktion wie auch bei der Vermarktung den relevanten Handlungshintergrund darstellt. Zu den besonders wichtigen Einflussgrößen gehören u.a.:
Wirtschaftliches Wachstum des Landes Kaufkraft und Verteilung der Kaufkraft in der Bevölkerung Interne Währungsstabilität (Inflationsrate) Externe Währungsstabilität (Entwicklung des Wechselkurses) Arbeitslosenquote Haushaltseinkommen
Abb. 1/19:
Veränderung des Nettoverdienstes je Arbeitnehmer in Deutschland in Prozent Quelle: Eggert, 2006
Jahr
netto
real
Index %
1991
–
–
100,0
1992
+ 8,6
+ 3,4
103,4
1993
+ 4,7
+ 0,2
103,6
1994
+ 0,2
– 2,4
101,1
1995
+ 0,8
– 0,9
100,2
1996
– 0,1
– 1,5
97,8
1997
– 1,3
– 3,1
95,6
1998
+ 1,1
+ 0,1
95,7
1999
+ 1,3
+ 0,6
96,3
2000
+ 1,9
0,0
96,3
2001
+ 3,6
+ 0,9
97,2
2002
+ 1,4
– 0,1
97,1
2003
+ 2,3
+ 0,5
97,6
2004
+ 2,8
0,0
97,6
2005*
0,0
– 1,0
96,7
2010*
–
–
94,0
2015*
–
–
94,0
* Hochrechnung/Prognose
41
1.2
1
Allgemeine Grundlagen des Marketing
Einen besonderen Stellenwert nimmt in diesem Bereich die Zugehörigkeit zur EU ein, weil durch die Einführung des Euro im Jahre 2002 jegliches Wechselkursrisiko zwischen den Ländern der Euro-Zone weggefallen ist. Daneben stellt sich bspw. die Frage, wie sich das Nettoeinkommen in der Vergangenheit entwickelt hat und wie sich dieses in Zukunft entwickeln wird. Wie Abb. 1/19 zeigt, hat sich in Deutschland der Nettoverdienst seit 1991 bis heute deutlich verringert. Diese Entwicklung hat sich in der Kaufzurückhaltung breiter Bevölkerungskreise in Deutschland niedergeschlagen und zu der für viele Handelsunternehmen unerfreulichen Nachfrageentwicklung geführt, die sich erst ab 2006 entspannt hat. Faktoren der technologischen Umwelt In diesen Bereich fällt u.a. die Infrastruktur, die Unternehmen für Produktion und Vermarktung vorfinden. Die Bandbreite der sogenannten harten Infrastruktur reicht von dem Vorhandensein leistungsfähiger Transportsysteme (sei es über Straße, Schiene, Wasser oder Luft) über eine zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung bis hin zur Versorgung breiter Bevölkerungsgruppen mit leistungsstarken Internetanschlüssen. Zur weichen Infrastruktur gehören u.a. Ausbildungsinstitutionen zur Bereitstellung qualifizierter Mitarbeiter und Rechtssysteme, auf die zur Durchsetzung der vom Gesetzgeber verabschiedeten Regularien zugegriffen werden kann.
1.2.3 Mikro-Umwelt des Unternehmens Im Mittelpunkt der Mikro-Umwelt des Unternehmens stehen die Kunden. Ihre Bedürfnisse und Erwartungen zu ermitteln ist zentrale Aufgabe der Markt-Forschung. Es stellt sich u.a. die Frage, auf welchen Typ von Kunden das unternehmerische Marketing fokussiert: Konsumenten Gewerbliche Abnehmer, die als Produktionsunternehmen oder als Dienstleister (seien es bspw. Handelsunternehmen, Fahrschulen oder Hotelleriebetriebe) Leistungen für Dritte erbringen Öffentliche Abnehmer (hierzu zählen u.a. staatliche Hochschulen und Behörden) In wettbewerbsintensiven Märkten muss die kundenorientierte Perspektive durch eine umfassende Beschäftigung mit den relevanten Wettbewerbern ergänzt werden. Aus der Unternehmensperspektive kann im relevanten Markt geprüft werden, welche anderen Anbieter ein vergleichbares Konzept realisieren. Dieses kann sich an folgenden Kriterien orientieren: Gleichartiger Qualitätsanspruch Bspw. bei den Premium-Anbieter im Bekleidungssegment (u.a. Baldessarini, Lagerfeld, Armani, Bugatti und Strellson) Vergleichbare Preisstellung und Angebotskonzeption Etwa bei den Fluggesellschaften im Low-Cost-Segment (TUI.fly, Germanwings, Ryanair, EasyJet) oder bei den Lebensmittel-Discounter (Aldi, Lidl, Netto, Penny) 42
Verhaltenswissenschaftliche Einflussfaktoren des Marketing
Gemeinsamer Kernmarkt So bei den Automobilhersteller im Volumen-Markt (u.a. Volkswagen, Ford, Opel) Nach Porter (1995) werden die gerade beschriebenen Cluster von Unternehmen strategische Gruppen genannt und stehen im Mittelpunkt der Wettbewerbsanalyse (vgl. Gabler, 2005, S. 2843). Konkurrenten können aber auch aus Sicht der Kunden definiert werden, indem bspw. ermittelt wird, zwischen welchen Angebotsalternativen ein Kunde wählt. Häufig werden diese Alternativen zum Relevant Set zusammengeführt (vgl. 2.4.2). Hierbei kann sich u.a. zeigen, dass bspw. ein junger Konsument bei seinen Essgewohnheiten nicht nur zwischen McDonald´s, BurgerKing und Kentucky Fried Chicken variiert, sondern auch eine Tiefkühlpizza oder der Dönerstand um die Ecke eine Alternative darstellt. Zusätzlich sind die Lieferanten und die Kapitalgeber, als Spezialgruppe der Lieferanten, im Rahmen der Analyse der Mikro-Umwelt zu berücksichtigen. Um alle diese Felder abzudecken, wurde die Markt- zur Marketing-Forschung weiterentwickelt. Die zentralen Inhalte und Gestaltungsfaktoren der Mikro-Umwelt werden innerhalb der Vorstellung der einzelnen Marketing-Methoden aufgegriffen.
1.3
Verhaltenswissenschaftliche Einflussfaktoren des Marketing
1.3.1 Soziologische Einflussfaktoren des Kaufverhaltens Das Entscheidungs- und Kaufverhalten von Konsumenten wird zunächst beeinflusst durch die Umwelt und die Gesellschaft, in der diese Person hineingeboren wurde, aufgewachsen ist und lebt. Bei diesen soziologischen (gesellschaftlichen) Einflussfaktoren spielen die Werte und Normen hinein, die – teilweise durch Religion und/oder Erziehung als Bestandteil der jeweiligen Kultur vermittelt – von den Konsumenten verinnerlicht wurden (vgl. Abb. 1/20; vertiefend Kroeber-Riel/Weinberg, 2003, S. 423-681; Mayer/Illmann, 2000, S. 297-372; Homburg/Krohmer, 2003, S: 25-52; Kotler/Armstrong, 2004, S. 178-191; Wiedmann, 2004). Dazu gehören gesetzliche Ge- und Verbote (bspw. Alkoholverbot in arabischen Ländern) sowie das, was eine Gesellschaft durch Sitten und Gewohnheiten prägt (bspw. Kleidungsgewohnheiten mit und ohne Kopftuch/Schleier etc.). Daneben finden sich i.d.R. Subkulturen und unterschiedliche soziale Schichten und Milieus, deren Werteausprägungen sich von den generellen Strömungen der Kultur deutlich unterscheiden können. Solche Milieus werden in Verbindung mit spezifischen Wertemustern bspw. von Sinus-Sociovision verwendet, um dadurch bspw. die gesamte Bevölkerung von Deutschland zu klassifizieren. In Abb. 1/21 werden bei der Grundorientierung traditionelle Werte (wie Pflichterfüllung und Ordnung), Modernisierung (die sich u.a. im 43
1.3
1
Allgemeine Grundlagen des Marketing
Streben nach Individualisierung und Selbstverwirklichung ausdrückt) und Neuorientierung (mit den Erscheinungsformen wie Multi-Optionalität, Experimentierfreude und einem Leben in Paradoxien) unterschieden. In Verbindung mit der sozialen Lage der entsprechenden Personen werden unterschiedliche Segmente sichtbar, die sich deutlich hinsichtlich ihres Informations- und Konsumverhaltens differenzieren.
Abb. 1/20:
Einflussfaktoren des Kaufverhaltens von Konsumenten Eigene Darstellung nach Fritz/Oelsnitz, 2006, S. 61 Soziologische Einflussfaktoren
Psychologische Einflussfaktoren Meinungsführer Meinungsfolger Gruppendruck
Kultur Kaufentscheidung
Aktivierung
Motive
Wahrnehmung
- Extensiv
Stimmungen
Denken
- Habituell
Emotionen
Lernen
- Impulsiv
Einstellungen
Subkultur Soziale Schicht Soziales Milieu
Konformitätszwang Werte und Normen des Individuums Werte und Normen der Gesellschaft/der Bezugsgruppe
Einen wichtigen Einfluss auf das individuelle Kaufverhalten haben auch die Gruppen, denen ein Konsument angehört oder anzugehören strebt. Häufig wird dabei von Bezugsgruppen oder Peer Groups i.S. von Gruppen Gleichaltriger gesprochen, die für den Konsumenten einen Hintergrund für die Mehrheit seiner Entscheidungen darstellt (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg, 2003, S. 499f.). Derartige Bezugsgruppen können für einen Studenten die anderen Studierenden, Kollegen im Praktikum, die Bekannten aus Fitness- oder Golf-Club und der Freundeskreis darstellen. Sie üben einen maßgeblichen Einfluss auf das eigene Entscheidungs- und Kaufverhalten aus. Beim Austausch von Informationen über Musik, Literatur, die angesagten Kneipen und sonstigen Freizeitaktivitäten kommt Meinungsführern eine besondere Bedeutung zu. Meinungsführer sind an einem Fachgebiet besonders interessiert und beschäftigen sich i.d.R. viel intensiver mit den entsprechenden Angeboten als andere Personen (etwa durch Abonnements entsprechender Zeitschriften oder Newsletter). Meinungsführer44
Verhaltenswissenschaftliche Einflussfaktoren des Marketing
schaft kann sich auf Literatur, Musik, Kleidung, Geldanlagen, IT, Digitalkameras, Handys oder HiFi-Anlagen beziehen. Solche Personen werden von anderen Personen (den Meinungsfolgern) häufig um Rat gebeten und nehmen damit unmittelbaren Einfluss auf das Entscheidungsverhalten (vgl. weiterführend Fill, 2001, S. 52-55; Kroeber-Riel/Weinberg, 2003, S. 518-525).
Abb. 1/21:
Oberschicht / Obere Mittelschicht
Sinus-Milieus in Deutschland 2006 – Soziale Lage und Grundorientierung Quelle: Sinus Sociovision, 2006 Sinus B1 Etablierte 10%
1 2 Sinus A12
Sinus B12
Konservative e 5%
Mittlere Mittelschicht
Sinus C12 Moderne Performer 9%
Sinus B2
2
Sinus S inus AB2 AB2 Sinus A23 Traditionsverwurzelte lt 14%
Untere Mittelschicht / Unterschicht
Postmaterielle 10%
Bürgerliche Mitte 16%
Sinus C2
DDR DDRRRNo N os stalgisch he h e Nostalgische 6%
Experimentalisten E xperimentalisten 8%
Sinu Sinus u s BC3 Sinus B3
3
Konsum-Materialisten 11%
Hedonisten d 1 1% 11%
© Sinus Soc iovis ion 2006
Soziale Lage Grundorientierung
A
B
C
Traditionelle Werte
Modernisierung
Neuorientierung
Pflichterfüllung, Ordnung
I ndividualis ierung, Selbs tverwirklichung, Genuss
Multi-Optionalität, Experimentierfreude, Leb en in Parad oxien
1.3.2 Psychologische Einflussfaktoren des Kaufverhaltens Bei den psychologischen Einflussfaktoren, d.h. den im Individuum selbst liegenden Aspekten, ist zunächst einmal zwischen der Aktivierung und der Wahrnehmung zu unterscheiden. Eine zentrale Voraussetzung für einen Wahrnehmungsprozess stellt die Aktivierung der Zielperson dar. Ohne Aktivierung der Zielpersonen kann keine erfolgreiche Wahrnehmung und Informationsverarbeitung stattfinden, da der Organismus über die Aktivierung mit Energie versorgt wird. Deshalb versuchen viele Marketing-Instrumente – schwerpunktmäßig die Werbung – eine Aktivierung mit dem Ziel einer Bereitstellung von Energie zu erreichen. Die Bedeutung der Aktivierung wird anhand der Abb. 2/22 deutlich, weil diese die klassische Beziehung zwischen dem Ausmaß der Aktivierung und der Leistungsfähigkeit des Organismus (LambdaHypothese) darstellt. Sie besagt, dass bei zunehmender Stärke der Aktivierung die Leistung eines Individuums zunächst ansteigt, von einer bestimmten Aktivierungsstärke an aber wieder abfällt (Kroeber-Riel/Weinberg, 2003, S. 78). 45
1.3
1
Allgemeine Grundlagen des Marketing
Abb. 1/22:
Beziehung zwischen Aktivierung und Leistung Quelle: Kroeber-Riel/Weinberg, 2003. S. 79
Leistung
Aktivierung EDR Schlaf
entspannte Wachheit
starke wache Aufmerk- Erregung samkeit
Panik
Die Messung der Aktivierung kann auf verschiedene Weise erfolgen. Auf der subjektiven Ebene kann das Ausmaß der Aktivierung durch verbale Angaben der Untersuchungsperson erhoben werden. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Person bei der Befragung u.U. nicht die Wahrheit sagt, weil eine Erregung durch erotische Reize oder Gewaltdarstellungen mit deren Wertesystem in Konflikt stehen kann. Man spricht vom Phänomen der sozialen Erwünschtheit, wonach eine befragte Person dazu tendiert, auf Fragen das zu antworten, von dem sie glaubt, dass es den gesellschaftlichen Normen und Erwartungen entspricht. Auf der motorischen Ebene kann das Aktivierungsniveau durch das unmittelbar beobachtbare Verhalten (bspw. Mimik, Gestik, Körperhaltung) ermittelt werden. Allerdings ist der Einsatz in der Werbewirkungsforschung eingeschränkt, da es auf die Präsentation von TV-Spots und Anzeigen i.d.R. keine großen Temperamentsausbrüche gibt (vgl. Berekoven et al., 2004, S. 184). Auf physiologisch-biologischer Ebene kann die Aktivierung durch folgende Messverfahren ermittelt werden: Hirnströme (EEG: Elektroenzephalogramm) Gehirnaktivität (gemessen durch Positronen-Emissions-Tomographie (PET) bzw. durch die funktionelle Magnet-Resonanz-Tomographie (fMRI), bei der aktiviere Gehirnregionen sichtbar gemacht werden können; vertiefend zum Neuromarketing vgl. Scheier, 2007; Kenning et al., 2007) 46
Verhaltenswissenschaftliche Einflussfaktoren des Marketing
Hautwiderstand (EDR: elektrodermale Reaktion bzw. PGR: psychogalvanische Reaktion; mit zunehmender Aktivierung sondert der Körper Schweiß ab und erhöht so die Leitfähigkeit für Strom auf der Haut) Pupillengröße Stimmfrequenz Die Sicherstellung einer Aktivierung stellt eine notwendige, wenn auch keine hinreichende Bedingung für die Erzielung einer werblichen Wirkung dar. Ohne die Erreichung einer Minimalaktivierung ist die Gefahr groß, dass bspw. werbliche Botschaften nicht wahrgenommen und verarbeitet werden. Deshalb versuchen Unternehmen durch eine Vielzahl von Reizen, eine solche sicherzustellen. Eine Aktivierung über innere Reize liegt allein in der Hand der Konsumenten, sei es über Alkohol, Koffein, Tein oder Nikotin. Unternehmen versuchen diese durch äußere Reize zu erreichen, wobei folgende Arten zu unterscheiden sind: Emotionale Reize Zu diesen Reizen gehört der Einsatz des Kindchenschemas (vgl. KroeberRiel/Weinberg, 2003, S. 13f.). Dahinter verbirgt sich die Erkenntnis, dass kleine Vögel, Hunde, pausbäckige Kindergesichter, ein großer Kopf und Kulleraugen beim Betrachter automatische Reaktionen wie Sympathie und Pflegeverhalten auslösen. Diesen Mechanismus machen sich Unternehmen bei der werblichen Verwendung dieser Symbole zunutze. Außerdem fallen erotische Reize in diese Kategorie, die im Vergleich zu anderen Schlüsselreizen die stärksten Aktivierungswirkungen entfalten. Bei ihrem Einsatz ist jedoch darauf zu achten, dass diese nicht von der eigentlichen Intention der Werbung ablenken und keine Reaktanz oder Irritation auslösen (KroeberRiel/Weinberg, 2003, S. 535). Abb. 1/23 zeigt eine Kombination aus erotischen und kognitiven (Reizen vertiefend zur Bedeutung von Emotionen im Marketing vgl. Merkle/Kreutzer, 2007). Kognitive Reize Hier wird mit gedanklichen Konflikten, mit Widersprüchen und Überraschungen gearbeitet. Auf diese Weise soll der Betrachter zur Beschäftigung mit der Werbebotschaft angehalten werden. Ein Beispiel für einen m.E. besonders gelungenen Einsatz kognitiver und physischer Reize zeigt Abb. 1/24. Physische Reize Durch eine besondere Größe oder Farbe des Werbemittels (hier der Anzeige, des Prospektes), durch eine ungewöhnliche Lautstärke, gelernte Muster oder Signaltöne (wie bspw. das Klingeln des Telefons oder das Martinshorn eines Polizeifahrzeugs) soll die Aufmerksamkeit des Konsumenten erreicht werden. Bei Werbebriefen können sogenannte 3-D-Mailings zum Einsatz kommen, bei denen der Empfänger fühlt, dass in einer Versandhülle nicht nur ein Brief, sondern noch etwas anderes zu finden ist. Genau dies soll neugierig machen und zum Öffnen des Briefes anregen.
47
1.3
1
Allgemeine Grundlagen des Marketing
Abb. 1/23:
Hörzu-Werbung mit erotischen und kognitiven Reizen (Anzeige 2005/06)
Abb. 1/24:
TAZ-Werbung mit kognitiven und physischen Reizen (Tageszeitungsbeilage, 5/2005) und FTD-Anzeige mit kognitiven Reizen (Anzeige, 4/2005)
48
Verhaltenswissenschaftliche Einflussfaktoren des Marketing
Der Aktivierung kommt auch deshalb eine besondere Bedeutung zu, weil der Konsument heute in einer Informationsflut versinkt und an einer Informationsüberlastung (Information Overload) leidet. Von allen Informationen, die auf den Konsumenten einwirken, sei es über Radio, TV, Zeitungen, Zeitschriften, Internet, Telefon, Mailings, werden lediglich 1 – 2 % wahrgenommen (Kroeber-Riel/Weinberg, 2003, S. 643). Alle anderen Botschaften, d.h. 98 – 99 % der gesendeten Informationen verfehlen schon das erste kommunikative Ziel, zumindest wahrgenommen zu werden (vgl. Abb. 1/25).
Abb. 1/25:
Information Overload als Determinante des Konsumentenverhaltens
Welches Ausmaß nimmt die Informationsüberlastung heute an? Einige Zahlen können diese Situation für Deutschland veranschaulichen (vgl. Michael, 2003; Holland, 2006): Ein durchschnittlicher Kunde sieht sich täglich mit ca. 3.000 Werbebotschaften konfrontiert. 56.000 Marken werben um die Aufmerksamkeit der Kunden. 3.000 Kundenmagazine kämpfen um die Gunst und die Zeit des Lesers. Pro Monat erscheinen 1.000 neue Buchtitel, die um Käufer werben. Pro Jahr werden 500 neue Publikumszeitschriften ins Rennen um die Käufergunst geschickt. Wie reagieren die Kunden darauf? Wie stark fühlen sie sich der Werbung hingezogen (vgl. Holland, 2006; Fassnacht/Möller, 2005):
67 % sagen: „Werbung nervt.“ Nur 8 % erinnern sich an gesehene Werbespots. Über zwei Drittel zappen während der Werbeblöcke weg. Nur 7 % schauen sich aktiv einen ganzen Werbeblock an. 49
1.3
1
Allgemeine Grundlagen des Marketing
Die durchschnittliche Betrachtungszeit bei Werbung unterstreicht noch einmal das geringe Interesse, auf das werbliche Botschaften bei den Zielpersonen i.d.R. trifft (vgl. u.a. Kroeber-Riel/Weinberg, 2003, S. 76f., 92f.; Kreitz, 2004, S. 338):
Mailing E-Mail Anzeigen: Werbebanner: Plakat: Zeitschriftentitel am Kiosk:
ca. 20 Sekunden ca. 10 -18 Sekunden ca. 1 - 5 Sekunden ca. 1 - 1,5 Sekunden ca. 1 Sekunde ca. 1 Sekunde
Die Wahrnehmung des Konsumenten lässt sich zusammenfassend mit drei zentralen Begriffen beschreiben (Kroeber-Riel/Weinberg, 2003, S. 269; Fill, 2001, S. 94-98; Homburg/Krohmer, 2003, S. 41-52): Subjektivität Die Wahrnehmung hängt von den subjektiven Eigenschaften und Prädispositionen, d.h. von den Voreinstellungen des Konsumenten ab, die durch Wertungen, Wünsche und Vorurteile geprägt werden. So entwickelt jede Person ihre „ganz eigene Welt“, die sich von der „realen Welt“ mehr oder weniger deutlich unterscheiden kann. Und wer definiert überhaupt, was die „reale Welt“ ist? Aktivität Wahrnehmung setzt immer einen aktiven Informationsaufnahme- und -verarbeitungsprozess voraus. Ohne die Mitwirkung der Zielperson kann somit keine Werbewirkung erzielt werden. Selektivität Die Wahrnehmung des Konsumenten fokussiert immer nur auf einen kleinen Ausschnitt der Wirklichkeit; nur so kann er die Informationsüberlastung meistern. Bei diesem Prozess gilt ebenfalls: „Wir sehen nur das, was wir kennen!“ Damit wird überdeutlich: Kein Kunde wartet darauf, von einem Unternehmen werblich angesprochen zu werden. Häufig ist das Gegenteil der Fall und der Wahrnehmungsfilter ist aktiv. Daraus folgt kein Lernen und auch keine Veränderung des Verhaltens. Um diesen Filter zu überwinden, dominiert heute ein Kommunikationsstil, der die folgenden Merkmale aufweist (Kroeber-Riel/Weinberg, 2003, S. 644): Geringe Komplexität Starke Aktivierungskraft Bildbetont und sinnlich Informationsüberflutung heißt heute deshalb vor allem auch Bilderüberflutung. Um in der Bilderflut überstehen zu können, müssen Bilder mit immer stärkerer Aktivierungskraft eingesetzt werden. Auf diese Weise entsteht eine regelrechte Aktivierungsspirale, die sich immer schneller dreht und zu immer drastischeren Ausprägungen führt. Dies hat dazu geführt, dass vermitteltes Wissen und dadurch ausgelöste Gefühle immer weniger sprachlich, sondern in Bildern abgespeichert werden (Kroeber-Riel/Weinberg, 2003, S. 644f.). 50
Verhaltenswissenschaftliche Einflussfaktoren des Marketing
Aktivierende Botschaften treffen auf einen Konsumenten, dessen Denken und Lernen von verschiedenen Stimmungen und Emotionen beeinflusst wird und der ein Set von Werten, Einstellungen und Motiven besitzt, die sein Verhalten beeinflussen (vgl. Abb. 1/20). Die Herausforderung für die Marketing betreibenden Unternehmen besteht darin, den „richtigen Ton“ zu treffen bzw. die „passende Saite zum Klingen“ zu bringen, um die Zielpersonen zum gewünschten Handeln zu motivieren, sei es der Kauf eines Montblanc Füllfederhalters, den Abschluss einer Riester-Rentenversicherung oder eine Spende für UNICEF.
Merkbox
Marketing ist das Konzept einer marktorientierten Unternehmensführung.
Marketing-Ziele werden durch einen Planungsprozess in Marketing-Strategien konkretisiert und durch Marketing-Instrumente umgesetzt.
Die Marketing-Instrumente umfassen die Produkt-/Programmpolitik, die Preis- und Konditionenpolitik, die Distributionspolitik, die Kommunikationspolitik und die Personalpolitik.
Das Unternehmen ist in eine Makro- und eine Mikro-Umwelt eingebettet, die Ausgangsund Endpunkt aller unternehmerischen Aktivitäten darstellt.
Auf Märkten treffen Angebot und Nachfrage aufeinander, wobei unterschiedliche Marktformen zu unterscheiden sind.
Markenartikel, Handelsmarken und No-Names sind zentrale Ausgestaltungen der Branding-Politik von Unternehmen.
Fragen zur Überprüfung Ihres Wissensstandes 1
Anhand welcher Merkmale lassen sich Käufer- von Verkäufermärkten unterscheiden? Welche Bedeutung haben diese unterschiedlichen Marktformen für das unternehmerische Marketing? Nennen Sie zwei aktuelle Beispiele für beide Marktformen!
2
Was sind die Inhalte der Mikro- und der Makro-Umwelt eines Unternehmens? Worin liegt die Bedeutung dieser spezifischen Umweltbetrachtung für ein heute agierendes Unternehmen? Verdeutlichen Sie Ihre Überlegungen am Beispiel der Automobil-Industrie.
3
Was versteht man unter dem Stakeholder-Konzept und wie grenzt es sich gegenüber dem Shareholder-Ansatz ab? Warum reicht vielfach die reine Shareholder-Perspektive nicht mehr aus?
4
Wie kann Marketing heute definiert werden und welche Teilbereiche fließen im Prozess des Marketing-Management ein?
5
Welche Güterkategorien unterscheidet man nach dem Kaufverhalten? Zeigen Sie die Relevanz dieser Kategorien aus Sicht eines Herstellers und aus Sicht eines Einzelhandelsunternehmens auf.
6
Welche Bedeutung hat die Unterscheidung von Low- und High-Interest-Produkten für das Marketing eines Unternehmens?
7
Welches sind die zentralen Merkmale von Markenartikeln, Handelsmarken und No-Names? Gehen Sie zu Aldi, Lidl, Rewe und Spar und prüfen Sie, welches der dort angebotenen Produkte in diese unterschiedlichen Kategorien fallen.
51
1.3
1
Allgemeine Grundlagen des Marketing
8
Suchen Sie Galeria Kaufhof, Karstadt und Sinn-Leffers auf und ermitteln Sie, welche der angebotenen Marken Handelsmarken und welches Herstellermarken (Markenartikel) sind!
9
Versuchen Sie anhand der vorgestellten Kriterien herauszuarbeiten, worin die Relevanz der verschiedenen Markenkonzepte für ein Handelsunternehmen liegen.
10 In welcher Beziehung stehen Marktvolumen und Marktpotenzial zueinander? Wodurch werden diese beiden Größen beeinflusst? 11 Wie unterscheiden sich der absolute und der relative Marktanteil? Welche Bedeutung kommt den beiden Messgrößen zu? Errechnen Sie diese Marktanteile für folgenden Datensatz: – – – – –
Marktpotenzial € 100.000 Marktvolumen € 30.000 Umsatz Unternehmen A € 10.000, Absatzmenge 1.000 Stück Umsatz Unternehmen B € 5.000, Absatzmenge 600 Stück Umsatz Unternehmen C € 2.000, Absatzmenge 300 Stück
12 Skizzieren Sie das Marktformenschema und ordnen Sie jedem Feld mindestens eine Branche bzw. entsprechende Unternehmen zu. Analysieren Sie die Presse intensiv, mit welchen Aktivitäten diese Unternehmen bzw. Branchen in den nächsten Wochen in den Medien zu finden sind. Prüfen Sie, welche Verhaltensweisen ihre Begründung in der entsprechenden Marktform haben. 13 Wodurch unterscheiden sich die Einkaufsprozesse im BtC- und BtB-Bereich? 14 Was ist unter einem Buying Center zu verstehen? Welche Relevanz hat dieses für den Verkaufsprozess und wie kann ein anbietendes Unternehmen die Konzeption des Buying Centers zur Steigerung der Abschlusswahrscheinlichkeit nutzen? 15 Spielen Sie die Entwicklungsprozess vom Bedürfnis zum Kaufakt für die Spannungszustände Durst und dem Wunsch nach neuer modischer Kleidung hinsichtlich Ihrer eigenen Person durch. Welche Einflussfaktoren werden für Sie dabei sichtbar? Wodurch wird Ihr ganz persönlicher Kaufentscheidungsprozess beeinflusst und warum? 16 Welche Gruppen von Einflussfaktoren wirken sich auf den Entscheidungsprozess aus? Welche davon können Sie bei sich selbst besonders deutlich ausmachen? 17 Was ist unter Meinungsführer- und -folgerschaft zu verstehen? 18 Welche Bedeutung kommt der Aktivierung der Zielperson zu und warum? Wie ist der Zusammenhang zwischen dem Aktivierungsniveau und der Leistung? 19 Welche Arten gibt es, um eine Aktivierung herbeizuführen und wie kann diese gemessen werden? 20 Was ist unter Information Overload zu verstehen und in welchen Bereichen ist dieser besonders ausgeprägt? 21 Was verbirgt sich hinter dem Konzept von Sociovision? Für welche Fragestellungen kann dieses relevant sein? 22 Wodurch lässt sich die Wahrnehmung von Konsumenten beschreiben? Welche Relevanz hat dies für das Marketing?
52
2
Marketing-Ziele
„Für ein Schiff, das seinen Hafen nicht kennt, weht kein Wind günstig.“ (Seneca) „Erfolgreich zu sein, setzt zwei Dinge voraus: klare Ziele und den brennenden Wunsch, sie zu erreichen.“ (o.V.)
Lernziele Fähigkeit...
die Relevanz von Zielen für das Marketing und darüber hinaus zu erkennen Anforderungen für die Zielformulierung umzusetzen verschiedene Zielkonzepte in ihrer Bedeutung zu verstehen die Markenwertschöpfungskette als konkreten Zielrahmen einzusetzen Key Performance Indicators für unterschiedliche Phasen der Markenwertschöpfungskette in ihrer Relevanz zu bewerten Bedeutung und Aufbau einer Balanced Scorecard für das Unternehmen und das Marketing zu verstehen
2.1
Relevanz und Funktionen von Zielen
Ziele stellen eine Konkretisierung angestrebter Zustände in der Zukunft dar. Sie liefern damit – im unternehmerischen Bereich wie im privaten Leben – die zentralen Orientierungspunkte für menschliches Handeln. Ohne konkrete Zielsetzung kann kein gerichteter Ressourceneinsatz erfolgen, weil nicht bekannt ist, was eigentlich erreicht werden soll. Während Zielen in Unternehmen eine große Bedeutung beigemessen wird, finden sich konkrete, im Idealfall auch schriftlich formulierte Ziele bei Privatpersonen nur im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Aber wie soll ich bspw. mein Studium organisieren, wenn ich mir nicht klar darüber bin, welches Ziel ich anstrebe? Stelle ich das Studium unter das Maximalziel „Freizeitoptimierung“ und versuche, soviel angenehme Dinge wie möglich zu erleben, während Dauer des Studiums und Abschlussnote eher zweitrangig sind? Oder plane ich nach Abschluss des Studiums einen Master anzuschließen im Wissen, dass ich bei guten Hochschulen nur mit einem bestimmten Notendurchschnitt aufgenommen werde und mich deshalb stärker auf die Lehre und das Lernen konzentrieren sollte? Ein Teil der Studenten „stol53
2
Marketing-Ziele
pert“ nach wie vor ohne große Zielorientierung durchs Studium, wählt Kurse nach dem „professoralen Nasenfaktor“ oder nach dem geringst möglichen Widerstand aus und wundert sich dann, dass weder das Studium so richtig in Fluss kommt noch sich gute Noten einstellen. Häufig wird auch das Privatleben ähnlich „professionell“ gemanagt. Eine für Deutschland repräsentative Lebenszielstudie der Allianz (2005, S. 2023) liefert hierzu interessante Ergebnisse. Danach ist eine „gute Ausbildung“ mit 88 % das meistgenannte Lebensziel der Deutschen, noch vor „Partnerschaft“ (mit 80 %), „finanzieller Absicherung für Zukunft und Alter“ (78 %) sowie „Selbstbestimmung und Individualität“ und „Kinder“ mit je 75 %. Eine vertiefende Analyse zeigt jedoch, dass „gute Ausbildung“ zu den Lebenszielen gehört, deren Erreichen eher als „selbstverständlich“ vorausgesetzt wird! M.E. ein besonders extremes Beispiel für das Auseinanderfallen von Wahrnehmung und Realität. Denn es bewahrheitet sich auch hier: „Du bist heute, was Du gestern gedacht hast.“ (Buddha) In Summe gilt deshalb: Im privaten wie im unternehmerischen Umfeld kommt Zielen eine zentrale Bedeutung zu, denn diese erfüllen u.a. die folgenden Funktionen: Orientierungs- und Lenkungsfunktion Ziele liefern zunächst einmal wichtige Hinweise darauf, „wohin die Reise gehen soll“. Damit kann der Ressourceneinsatz sehr viel gerichteter erfolgen und im Idealfall wird eine „konzertierte Aktion“ aller Mitarbeiter und Führungskräfte erreicht, weil alle nicht nur am gleichen Strang ziehen, sondern auch noch in die gleiche Richtung! Nur wenn der Kapitän weiß, wohin die Reise gehen soll, kann er und sein gesamtes Team die Strategien und den Einsatz der Instrumente in allen Unternehmensbereichen auf dieses Ziel ausrichten. Bei der Verteilung knapper Ressourcen, seien es Mitarbeiter, Kapital, Anlagen etc., liefern die definierten Ziele den wichtigen Orientierungsrahmen. Kontrollfunktion Erst durch das Setzen und das möglichst schriftliche Fixieren von Zielen wird die Möglichkeit geschaffen, den Erfolg eines Unternehmens zu bewerten, bspw. am Ende eines Geschäftsjahres. Durch einen Vergleich zwischen den angestrebten Zielen und den erreichten Ergebnissen wird deutlich, in welchen Bereichen das Unternehmen erfolgreich war und in welchen nicht. Ohne Zielsetzung ist keine Erfolgskontrolle möglich! Motivationsfunktion Ziele können und sollen Mitarbeiter und Führungskräfte motivieren. Dies gelingt besonders dann, wenn an die Erreichung bestimmter Ziele monetäre Anreize wie Provisionen, Tantiemen oder Gewinnbeteiligungen gekoppelt werden. Den Betroffenen wird so deutlich, dass sie mit ihrem eigenen Verhalten unmittelbaren Einfluss auf ihr Jahresgehalt haben. Je höher man in der Unternehmenshierarchie angesiedelt ist, desto größer fällt dieser sogenannte variable Anteil des Jahresgehaltes aus. Die Bandbreite kann sich dabei auf 40 – 80 % belaufen; bei einer Kopplung der Tantieme an den Aktienkurs wird auch ein Mehrfaches des Jahresgehaltes erreichbar. Diese Motivationsfunktion setzt allerdings voraus, dass 54
Anforderungen an die Formulierung von Zielen
die Ziele aus Sicht der Mitarbeiter oder Führungskräfte realistisch sind. Sonst schlägt die Motivationsfunktion genau ins Gegenteil um, weil davon ausgegangen wird, dass auch bei höchstem Engagement eine Zielerreichung nicht möglich sein wird. Die Motivationsfunktion von Zielen kann über das eigene Unternehmen hinaus ausstrahlen, bspw. auf die Börse und deren Bewertung durch Analysten und Anleger. Werden ehrgeizige Ziele kommuniziert, so kann das die Börsenphantasie anregen und die Börsenkapitalisierung, d.h. den durch Aktienkurs bestimmten Wert des Unternehmens, deutlich steigern. Außerdem können durch entsprechende Ziele auch Arbeitnehmer in anderen Unternehmen angeregt werden, sich um eine Mitarbeit zu bewerben.
2.2
Anforderungen an die Formulierung von Zielen
Damit Ziele die oben skizzierten steuernden und motivierenden Funktionen erfüllen können, sind mehrere Anforderungen bei deren Formulierung zu berücksichtigen. Eine Analyse von Zielen – im privaten wie im geschäftlichen Bereich – zeigt immer wieder, dass eine ausreichende Präzisierung der Zielsetzungen nicht erfolgt und damit auch keine umfassende Verbindlichkeit der Ziele erreicht werden kann. Die nachfolgend vorgestellten vier Anforderungen sind bei der Definition von Formalzielen zu berücksichtigen (vgl. Fritz/Oelsnitz, 2006, S. 109f.; Becker, 2006, S. 23-27; Kuß/Tomczak, 2004, S. 120f.): Inhalt: Was soll erreicht werden? Zunächst einmal ist das Ziel inhaltlich zu konkretisieren. Auf ein Ziel Kundenzufriedenheit kann man sich im Unternehmen sicherlich leicht verständigen. Aber was genau ist damit gemeint und wie soll die Zielerreichung gemessen werden? Über den Anteil der „Mehrfachtäter“ in Gestalt von loyalen Kunden, die dem Unternehmen seit zwei oder drei Jahren die Treue halten? Oder über die Höhe der Reklamationsquote, die durch Rücksendung der Produkte oder durch Anrufe im Customer Service Center gemessen wird? Ist angedacht, eine spezielle Studie zur Kundenzufriedenheit durchzuführen? Ist die Zufriedenheit der eigenen Kunden in Relation zu der von wichtigen Wettbewerbern zu messen? Es wird deutlich, dass ein solches Ziel einer exakten Definition bedarf, um die steuernden und motivierenden Funktionen zu erreichen. Ganz ähnlich verhält es sich mit einem Ziel wie Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. Im Unternehmen kann sicherlich schnell Einigkeit über die Wichtigkeit eines solchen Zieles erreicht werden. Entscheidend ist jedoch, wie die Wettbewerbsfähigkeit gemessen werden soll. Hierfür gibt es wieder eine breite Kriterienpalette: von der Berechnung der absoluten oder relativen Marktanteile über die Aufstellung von Messgrößen im Wettbewerbervergleich wie Umsatz, Umsatz- oder Eigenkapitalrentabilität, Gewinn, EBIT (Earnings before Interest and 55
2.2
2
Marketing-Ziele
Tax), EBITDA (Earnings before Interest, Tax, Depreciation and Amortisation) bis zum Cash Flow. Die Produktionskosten pro Stück oder die Durchlaufzeit, bspw. für die Herstellung eines PKW im Vergleich zum Konkurrenten, kann ebenfalls ein solches Ziel darstellen. Welche Relevanz der letzte Punkt hat, wird daran deutlich, dass Volkswagen für den Bau eines Golfs heute ca. 48 Stunden benötigt, während Wettbewerber für eine vergleichbare Qualität lediglich die Hälfte der Zeit benötigen (o.V., 11/2006, S. 94). In diesem Kontext ist auch zwischen den Zielinhalten „Effektivität“ und „Effizienz“ zu unterscheiden. Bei der Effektivität geht es um die Frage: „Doing the right things?“ So kann man sich bspw. fragen, ob der Bau des Premium-Fahrzeuges Phaeton durch Volkswagen zu den „right things“ gehört, wenn dieses Fahrzeug in den USA 2006 wieder aus dem Vertrieb genommen wurde und sich auch in Europa schlecht verkauft. Dabei kann die Produktion des Phaeton in der Gläsernen Manufaktur in Dresden sogar perfekt organisiert sein und damit dem EffizienzZiel: „Doing the things right?“ entsprechen. Bei der Effektivität wird folglich geprüft, ob eine Maßnahme oder ein Zwischenziel auf ein übergeordnetes Ziel positiv einzahlt, während bei der Effizienz die Input-Output-Relation betrachtet wird – unabhängig davon, ob das Ergebnis dieses Prozesses zur unternehmerischen Zielerreichung beiträgt. Ausmaß: Wie viel soll erreicht werden? Ein inhaltlich nachvollziehbares Ziel bedarf einer Operationalisierung, d.h. einer Messbarkeit des Zielinhaltes, damit eine Kontrolle erfolgen kann. Hierbei geht es um die Frage, wie viel EBIT erzielt werden soll, wie viel Prozent der Kunden mit dem Unternehmen „sehr zufrieden oder zufrieden“ sein sollen, welcher „relative Marktanteil“ genau angestrebt wird und in wie viel Stunden in Zukunft ein Golf montiert werden soll. Es wird zum einen zwischen Maximierungs- bzw. Minimierungszielen einerseits und Satisfaktionszielen andererseits unterschieden. Bei den Maximierungszielen gilt es, bspw. einen maximal hohen Marktanteil oder einen maximal hohen Gewinn zu erreichen. Entsprechend wird bei den Minimierungszielen angestrebt, minimale Produktionskosten zu erreichen oder ein Fahrzeug in möglichst kurzer Zeit zu bauen. Problematisch an solchen Zielformulierungen ist, dass „am Ende des Tages“ niemand wirklich feststellen kann, ob diese Ziele tatsächlich erreicht wurden. Denn woran kann man erkennen, ob wirklich die niedrigsten Produktionskosten erreicht wurden? Selbst wenn ein Unternehmen günstiger als alle Wettbewerber produziert, heißt das nicht automatisch, schon die geringsten Kosten erreicht zu haben. Und wer kann darüber entscheiden, ob wirklich der maximale Gewinn erzielt wurde? Deshalb werden Ziele i.d.R. als Satisfaktionsziele formuliert, d.h. es wird festgelegt, einen EBIT von € 450 Mio. zu erzielen, oder Produktionskosten von € 27.000 pro Grundversion eines bestimmten Automodells. Bei einem so formulierten Ziel kann genau überprüft werden, ob es erreicht wurde. Zeithorizont: Bis wann soll es erreicht werden? Hier geht es um die Frage, in welchem Zeitraum ein bestimmtes Ziel umgesetzt werden soll. Strategische Ziele (bspw. in Gestalt des Aufbaus einer Produktionsniederlassung von BMW in Indien) weisen häufig einen Zeitbezug von 3 – 5 Jahren 56
Anforderungen an die Formulierung von Zielen
auf. Operative Ziele orientieren sich dagegen am Geschäftsjahr der Unternehmen und sind folglich auf zwölf Monate ausgerichtet. Die Relevanz der Angabe des zeitlichen Bezugs ergibt sich wieder aus der Kontrollfunktion. Wenn kein zeitlicher Eckpunkt für die Zielerreichung fixiert wird, bleibt unklar, wann die Erfüllung eines Ziels erwartet wird. Genauso wenig reicht es aus, sich als Ziel eines BachelorStudiengangs die Note 2,0 vorzunehmen, ohne zu konkretisieren, ob dieses Ziel in der Regelstudienzeit oder in acht oder zehn Semestern erreicht werden soll. Empfehlenswert ist es hier wie im Unternehmen, nicht nur strategische Ziele in operative Ziele herunterzubrechen, sondern diese weiter als Quartalsziele zu formulieren, um eine möglichst präzise Ausrichtung der Aktivitäten sicherzustellen. Im persönlichen Bereich wie auch im Projektmanagement kann sich diese Zielplanung zur Erreichung einer besonders effizienten Vorgehensweise auf Monats-, Wochen- und/oder Tagesbasis konkretisieren. Geltungsbereich: Wo soll es erreicht werden? Wenn ein Unternehmen eine Marktführerschaft anstrebt, dann wirkt dieses Ziel unterschiedlich ehrgeizig, je nachdem, ob diese Position in MecklenburgVorpommern, in Deutschland, in der EU-27 oder auf dem Weltmarkt erreicht werden soll. Es ist auch unterschiedlich anspruchsvoll, je nachdem, ob diese Marktführerschaft für das gesamte Unternehmen oder lediglich in einem definierten Geschäftsbereich (bspw. bei den Süßwaren im Premiummarkt) angestrebt wird. Teilweise wird bzgl. der Anforderungen an die Zielformulierung auch von den sogenannten SMART-Zielen gesprochen (Fill, 2001, S. 554f.; Broda, 2002, S. 17). Dieses Akronym (i.S. eines Kunstwortes) setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der folgenden Worte zusammen, wobei sich die Begriffsauflösung zwischen den Autoren z.T. gravierend unterscheidet: Specific (i.S. einer genauen Angabe des angestrebten Ergebnisses) bzw. Stated (i.S. einer Festschreibung des Zieles) Measurable (i.S. einer genauen Messbarkeit der Zielerreichung) Achievable (i.S. der Erreichbarkeit der angestrebten Zielhöhe) Relevant (i.S. der Relevanz des Zieles für den jeweiligen Kontext) bzw. Realistic (i.S. einer Übereinstimmung der Vorhaben mit der Realität) Targeted (i.S. einer sachlichen Konkretisierung) bzw. Time-Orientated (i.S. einer zeitlichen Präzisierung) Bis auf die Erreichbarkeit bzw. Realisitik und Relevanz von Zielen sind alle Aspekte durch die oben beschriebenen Anforderungskriterien bereits abgedeckt. „Erreichbarkeit/Realistik“ und „Relevanz“ liegen m.E. auf einer anderen logischen Ebene, weil es bei diesen Kriterien nicht um eine Festlegung, sondern um eine Bewertung von Zielen geht. Hier stellt sich die Frage, wer die Erreichbarkeit und Relevanz von Zielen bewerten soll. Schließlich stellen Ziele angestrebte Zustände in der Zukunft dar, die auch mit den besten Prognoseinstrumenten nicht vorhergesagt und in ihrer Bedeutung abschließend bewertet werden können. Stellt man sich eine Gesprächssituation zwischen einem Vorgesetzten und einem Mitarbeiter über die Zielvereinbarung vor, bei der bspw. 40 % des Mitarbeiter-Jahresgehaltes von der Erzielung eines Zieles abhängt, 57
2.2
2
Marketing-Ziele
dann kann man sich unschwer vorstellen, dass die Bewertung der „Erreichbarkeit“ dieses Zieles zwischen den Gesprächspartnern gänzlich unterschiedlich ausfallen wird. Kurz um: Erreichbarkeit und Relevanz von Zielen sind wichtig, um eine angestrebte Motivationswirkung zu erzielen; entscheidend ist jedoch, sich dabei vor Augen zu führen, dass eine objektive Messgröße zu ihrer Bewertung nicht existiert.
2.3
Unternehmens- und Marketing-Ziele
Die Marketing-Ziele selbst stellen die Grundlage dessen dar, was i.d.R. die MarketingKonzeption genannt wird (vgl. Becker, 2006, S. 1-5; Meffert, 2000, S. 61-63). Deren weitere Elemente sind die Marketing-Strategien und die Marketing-Instrumente, die den Zielen hierarchisch untergeordnet und auf deren Erreichung ausgerichtet sind. Dabei wird deshalb von einer Ziel-Mittel-Relation gesprochen, weil bspw. die Umsetzung der Marketing-Strategien zur Erreichung der Marketing-Ziele, und der Einsatz der Marketing-Instrumente zur Umsetzung der Marketing-Strategien beitragen sollen (vgl. Abb. 1/5). Die Erreichung der Marketing-Ziele selbst soll helfen, die Ziele des gesamten Unternehmens zu erfüllen. Folglich sind die Marketing-Ziele den Unternehmenszielen hierarchisch untergeordnet und werden aus diesen abgeleitet. Die Ziele und die anderen Elemente der Marketing-Konzeption sowie die flankierenden Systeme (bspw. das Marketing-Controlling sowie die Marketing-Organisation) werden in einem Planungskonzept erarbeitet und festgelegt (vgl. Abb. 1/3). Planung kann dabei als Verbindung zwischen Information und Aktion definiert werden bzw. als ein informationsbeschaffender, informationsverarbeitender, willensbildender Prozess. Bei Planung geht es immer auch um Entscheidungen, welche Projekte (bspw. in Gestalt von Neuproduktideen) in Angriff genommen und welche verworfen werden. Bei diesen Entscheidungen wird jeweils versucht, deren Konsequenzen durch Wirkungsoder Entwicklungsprognosen „vorherzusehen“. Deshalb kann auch gesagt werden, dass Planung Entscheidungen unter gleichzeitiger Antizipation der damit verbundenen Wirkungen beinhaltet. Planung stellt in Summe eine geistige Vorwegnahme zukünftigen Handelns dar. Aufgrund der angesprochenen Entscheidungsnotwendigkeiten wird nachvollziehbar, warum Planung eine echte Managementaufgabe darstellt und maßgeblichen Einfluss auf die Unternehmensentwicklung hat (vgl. Bruhn, 2004, S. 37-39; Meffert, 2000, S. 233-235; Nieschlag et al., 2002, S. 1243-1245). Bei den Zielen, die im Rahmen eines solchen Planungsprozesses zu definieren sind, ist zwischen Sach- und Formalzielen zu unterscheiden (vgl. Fritz/Oelsnitz, 2006, S. 109-113; grundlegend hierzu Abell/Hammond, 1979). Bei den Sachzielen handelt es sich im Kern um die Festlegung des unternehmerischen Betätigungsfeldes, um das, was auch als Defining the Business bekannt ist. Diese Business-Definition konkretisiert den 58
Unternehmens- und Marketing-Ziele
generellen, eigendefinierten Auftrag eines Unternehmens, der sich im Zeitablauf mehr oder weniger stark verändern kann. Diese Ziele finden sich häufig in MissionStatements oder in den Visionen, die Unternehmen in ihren PR-Prospekten oder auf ihren Homepages kommunizieren. Dieses „Defining the Business“ steht sinnvollerweise auch am Anfang jeder Existenzgründung (vgl. vertiefend Rüggeberg, 2003, S. 17). So heißt es bspw. hinsichtlich Vision und Ziel von amnesty international: „Das Ziel von amnesty international ist eine Welt, in der alle Menschen die in der ´Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte´ und anderen internationalen Menschenrechtsstandards festgeschriebenen Rechte haben.“ (amesty international, 2003). Der Ausgangspunkt für die Aktivitäten von IKEA war die Idee: „...ein breites Sortiment formschöner und funktionsgerechter Einrichtungsgegenstände zu Preisen anzubieten, die so günstig sind, dass möglichst viele Menschen sie sich leisten können“ (Gmelin, 2002, S. 1). Die Business-Definition der Deutschen Post ließ sich zunächst wie folgt beschreiben: „Transport von Briefen und Paketen in Deutschland, die Unternehmen oder Privatpersonen der Deutschen Post zur Verteilung übergeben.“ Heute ist die Deutsche Post World Net ein internationaler Logistikkonzern, der nicht nur Warenströme – informatorisch und physisch – rund um den Erdball lenkt, sondern für Unternehmen auch Inhaus-Poststellen betreibt, Direktmarketingberatung anbietet, eigene Druckzentren betreibt sowie komplette Warenlager- und Logistikprozesse managt. Heute ließe sich die Business-Definition deshalb wie folgt beschreiben: „Erbringung von Dienstleistungen entlang der kompletten Wertschöpfungskette der Logistik für Privatpersonen und Unternehmen weltweit.“ Diese Weiterentwicklung des Unternehmens erfolgte nicht zuletzt vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden kompletten Liberalisierung des Postmarktes. Eine Weiterentwicklung erfuhr auch die Business-Definition von DaimlerChrysler mit dem Einstieg in die PKW-Segmente A-Klasse und Smart. Welche Risiken mit einer solchen Veränderung des Geschäftsfeldes einhergehen, machen diese Beispiele mit bereits mehreren Milliarden € aufgelaufener Verluste besonders deutlich. Denn jede Geschäftsfeldveränderung geht mit einer mehr oder weniger stark ausgeprägten Veränderung der erforderlichen Technologien sowie der Markt- und Wettbewerbsbeziehungen einher, wodurch sich auch die Anforderungen an die Qualifikation des Managements ändern. In der Berichterstattung über Unternehmen dominieren i.d.R. die Formalziele. Sie beinhalten die Festlegung der allgemeinen Erfolgserwartungen an die unternehmerische Tätigkeit. Häufig wird von Defining the Business Mission gesprochen. Es geht im Kern um die – häufig auf ein Jahr bezogene – Konkretisierung dessen, was ein Unternehmen erreichen möchte. Dabei wird nochmals deutlich: Ohne eine Festlegung solcher Ziele kann bspw. nicht vierteljährlich festgestellt werden, ob ein Unternehmen „auf Kurs“ liegt. Dabei kommen u.a. folgende Kriterien zum Einsatz:
EBIT EBITDA Umsatz Marktanteil 59
2.3
2
Marketing-Ziele
Gewinn Kundenzufriedenheit Kundenwertigkeit Die Gesamtheit der Ziele eines Unternehmens sind in einer Zielhierarchie miteinander verbunden (vgl. Homburg/Krohmer, 2003, S. 342). Orientiert am Unternehmenszweck (i.S. des Defining the Business) und den Unternehmenszielen (i.S. des Defining the Business Mission) werden – bei einer funktionalen Organisation des Unternehmens – auf der nachfolgenden Ebene entsprechende Bereichsziele abgeleitet, bspw. für den Personal-, Produktions- und Marketing-Bereich. Im Marketing können diese Ziele dann weiter auf der strategischen und der instrumentalen Basis konkretisiert werden (vgl. Abb. 2/1).
Abb. 2/1:
Hierarchisches Zielsystem eines Unternehmens
Unter-nehmenszweck
Unternehmensziele Umsatz - Gewinn - Marktanteil - EBITDA Ziele von Unternehmensbereichen Personal – Produktion – Marketing – Vertrieb – Beschaffung Konkrete Marketing-Ziele Marktanteil – Kundenzufriedenheit – Wiederbestellquote – Kosten für die Kundengewinnung – Kundenwertigkeit – Anteil der Freundschaftswerber
Bei der Ausgestaltung eines solchen Zielsystems ist zu berücksichtigen, dass zwischen Zielen verschiedener hierarchischer Ebenen eine Mittel-Zweck-Beziehung gegeben ist. D.h. bspw., dass die Erreichung eines bestimmten Marktanteils dazu beiträgt, die Ziele des Marketing-Bereichs insgesamt zu erreichen. Und dass die Erreichung der Marketing-Ziele, wie auch der Ziele der anderen Unternehmensbereiche helfen, die Unternehmensziele zu realisieren. Bei der Definition der Ziele ist deshalb darauf zu achten, dass die in einer hierarchischen Beziehung zueinander stehenden Ziele komplementär zueinander sind, d.h. dass die Erreichung der Marketing-Ziele zur Erfüllung der Unternehmensziele beitra60
Unternehmens- und Marketing-Ziele
gen (vgl. Becker, 2006, S. 19-21). Diese Zielkomplementarität (auch Zielharmonie genannt) ist auch innerhalb und zwischen den Zielen der einzelnen Funktionsbereiche wichtig. Eine solche Zielharmonie besteht bspw. zwischen der „Reduktion der Produktionskosten“ einerseits und der „Senkung der Verkaufspreise“ andererseits, genauso wie zwischen der „Steigerung der Werbeaufwendungen“ und der „Erreichung von Umsatzwachstum“. Allerdings finden sich in unternehmerischen Zielsystemen – z.T. auch gewollt – Zielkonflikte (auch als Zielkonkurrenz bezeichnet). Eine solche Zielkonkurrenz liegt bspw. zwischen den Zielen „Senkung der Call Center Kosten“ und „Erhöhung des Servicelevels gegenüber dem Kunden“ vor, wie auch zwischen der „Senkung der Werbeaufwendungen pro Kunde“ und der „Erhöhung der Kundenbasis“. Solche Widersprüche im Zielsystem sollen für Mitarbeiter häufig der Auslöser sein, um über neue Wege der Leistungserbringung nachzudenken und ausgetretene Pfade zu verlassen. Eine Zielneutralität (auch Zielindifferenz genannt) ist dann gegeben, wenn die Erreichung eines Zieles keinen Einfluss auf die Erreichung anderer Ziele hat. Ein Beispiel hierfür wäre die „Einführung von Englisch als Unternehmenssprache“ und die „Steigerung des Marktanteils des Unternehmens“. Bei einer genaueren Analyse dieser Ziele stellt man fest, dass durch Englisch als Unternehmenssprache der Einstieg in andere Länder oder das Eingehen von Kooperationen mit ausländischen Partnern leichter fallen kann, was wiederum dem erreichbaren Marktanteil zugute kommt. Deshalb kann man davon ausgehen, dass alle Ziele eines Unternehmens – direkt oder indirekt – in einer positiven oder negativen Beziehung zueinander stehen. Die graphische Darstellung der unterschiedlichen Zielbeziehungen ist in Abb. 2/2 dargestellt.
Abb. 2/2:
Visualisierung von Zielbeziehungen
Zielkomplementarität (Zielharmonie)
Zielkonflikt (Zielkonkurrenz)
Zielneutralität (Zielindifferenz)
Ziel B
Ziel B
Ziel B
10
10
10
8
8
8
6
6
6
4
4
4
2
2
2
2
4
6
8
10 Ziel A
2
4
6
8
10 Ziel A
2
4
6
8
10 Ziel A
61
2.3
2
Marketing-Ziele
Im Marketing ist eine Vielzahl von unterschiedlichen Ziele zu berücksichtigen. Häufig werden diese Ziele in einem Zielsystem wie in Abb. 2/3 dargestellt. Hierbei stehen die einzelnen Zielen relativ unverbunden nebeneinander. Sinnvoller ist es m.E., wenn die Beziehungen zwischen verschiedenen Zielen systematisch herausgearbeitet werden (wie bspw. in der Markenwertschöpfungskette), oder wenn die Gleichzeitigkeit des Anstrebens verschiedener Ziele in einer Scorecard dargestellt wird. Diese beiden Ansätze werden nachfolgend dargestellt. Abb. 2/3:
Marketing-Zielsystem
Marketing
Produkt-/ Programmpolitik
Preis-/ Konditionenpolitik
Distributionspolitik
Kommunikationspolitik
Personalpolitik
Erhöhung des Umsatzanteils neuer Produkte
Erhöhung des Deckungsbeitrages pro Produkt
Aufbau eigener Vertriebslinien
Steigerung der Markenbekannt Markenbekanntheit
Reduktion der Fluktuationsquote
Aufbau produktbegleitender Dienstleistungen
Fixierung von preislichen Aktionslinien
Umstellung des Franchise-Systems
Verbesserung des Unternehmensimage
Steigerung des Mitarbeiterengagements
Verbreiterung des Produktangebots
Nutzung von CouponingStrategien
Aufbau eines Key Account Management
Steigerung des Neukundenanteils
Reduktion des Krankenstands
...
...
...
...
...
2.4
Markenwertschöpfungskette als Ausgestaltung eines Marketing-Zielsystems
2.4.1 Kennzeichnung der Markenwertschöpfungskette Viele, insb. kunden- und vertriebsorientierte Marketing-Ziele stehen nicht unverbunden nebeneinander, sondern weisen eine ganz bestimmte zeitliche und inhaltliche Beziehung zueinander auf. Eine spezifische Abfolge von Zielen soll hier als Markenwertschöpfungskette gekennzeichnet und vorgestellt werden (vgl. Abb. 2/4). In der Literatur wird z.T. auch von Brand Pipeline (Feldmann/Tiemann, 2003, S. 43; Wieselhuber & Partner, 2005), Kauftrichter (Riesenbeck, 2004, S. 505), Brand Equity (Mei-Pochtler et al., 2004, S. 197), Brand Screen Analyse (vgl. Göttgens/ Böhme, 2005, S. 48), Wirkungskette (Becker, 2001, S. 77), Branding Funnel (Winkelmann, 2006, S. 501) sowie vom Kaufentscheidungszyklus gesprochen (Pagel, 2004, S. 231; vgl. zusammenfassend Schimansky, 2004). 62
Markenwertschöpfungskette als Ausgestaltung eines Marketing-Zielsystems
Die Markenwertschöpfungskette misst im Zeitablauf differenziert den Erfolg des Einsatzes verschiedener Marketing-Instrumente anhand von KPIs (Key Performance Indicators). Sie gibt Aufschluss über den Erfolg des eingesetzten Marketing-Mixes in der jeweiligen Zielgruppe und stellt gleichzeitig ein als besonders relevant erachtetes Ziel dar (vgl. zu den einzusetzenden Marktforschungsinstrumenten u.a. Berekoven et al., 2004, S. 187-194). Von einer Markenwertschöpfungskette ist zu sprechen, weil sie zum einen wertschaffende Aktivitäten beinhaltet (i.S. von Investitionen, bspw. zum Aufbau von Markenbekanntheit, zur Imageaufladung), zum anderen aber auch wert(ab)schöpfende Aktivitäten (i.S. des „Return on Investment“, u.a. in Gestalt von Kauf- und Wiederkaufaktionen oder Kundenempfehlungen).
Abb. 2/4:
Kernphasen der Markenwertschöpfungskette
% 100 90 - 27 %
80 70
- 22 % 60 - 27 %
50 40
- 46 %
30
- 41 %
20
- 25 %
-9%
10
- 48 % - 73 %
0 gesamt
Aided Recall
Unaided Kauf-Recall interesse
Kauf-bereit-schaft
Nach-frage
Erst-kauf
Nutzung
Nach-kauf
Em-pfehlung
Die Markenwertschöpfungskette stellt damit m.E. den Königsweg des Marketing dar, weil sich in ihr ergebniswirksam die Gesamtheit des Marketing-Strategie- und -Instrumental-Einsatzes konkretisiert. Sie beginnt marketingmäßig in der „Stunde Null“, d.h. zu einem Zeitpunkt, zum dem bei den Zielpersonen noch keinerlei Kenntnisse, Erfahrungen etc. bzgl. des Angebotes bzw. des Unternehmens vorliegen. Sie zeigt dann im Zeitablauf, in welchem Ausmaß sich Unternehmens-, Produkt-/Dienstleistungs-Nichtkenner zu loyalen Kunden und Mund-zu-Mund-Propagandisten entwikkeln. Dies wirft die Fragen auf, wodurch ein Unternehmen diese Entwicklung erreicht hat und welche unterschiedliche Bedeutung die verschiedenen Marketing-Instrumente im Laufe der Wertschöpfungskette aufweisen. Sowohl den Stand der „Überzeugung“ einer Einzelperson, der Zielgruppe insgesamt oder des Gesamtmarktes gegenüber einem bestimmten Angebot kann man anschaulich zum Ausdruck bringen. 63
2.4
2
Marketing-Ziele
Die Markenwertschöpfungskette definiert sich über die KPIs in den einzelnen Phasen. Jene messen jeweils die Effektivität der Maßnahmen vorgelagerter Prozessstufen. Es soll deutlich werden, wie viel Prozent von einer Stufe zur anderen verloren gehen. Konkret bedeutet das bspw. in Abb. 2/4, dass das betreffende Angebot bei einer gestützten Befragung 27 % der Zielpersonen unbekannt ist, oder dass von den Nutzern des betreffenden Angebotes 48 % keinen Wiederkauf tätigen. Eine Bewertung der Effizienz von eingesetzten Marketing-Maßnahmen wird möglich, wenn die Zielerreichung in Relation
zum eingesetzten Budget, zu Aktivitäten der Wettbewerber, zu vorhergehenden Aktionen, zu vergleichbaren Maßnahmen für andere Angebote
ermittelt wird. Dabei zeigt sich, wie erfolgreich ein spezifisches Marketing-Mix war. In einer Studie wurden 2005 deutsche Top-Manager gefragt, welche Abschmelzeffekte entlang der Wertschöpfungskette gesehen werden. Die Ergebnisse sind in Abb. 2/5 zu finden. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die dort abgebildete Wertschöpfungskette nur einen Teilbereich der in Abb. 2/4 vorgestellten Abfolge abdeckt.
Abb. 2/5:
GESAMT
Abschmelzverluste entlang einer reduzierten Markenwertschöpfungskette Quelle: Wieselhuber & Partner, 2005, S. 22 Gestützter Bekanntheitsgrad
Relevant Set
First Choice
Loyalität
Kauf
16 40
40 65 57 Abschmelzverluste gering mittel groß
47
47
23 12
13
27
13
Es zeigt sich bspw., dass zwischen „Gestützter Bekanntheit“ und dem Relevant Set (i.S. Kaufinteresse, z.T. auch „Evoked Set“ genannt; vgl. Poth/Poth, 2003, S. 126) überwiegend geringe Abschmelzverluste zu verzeichnen sind. Diese steigen zwischen dem Relevant Set und der Zugehörigkeit zur „First Choice“ bereits deutlich an. Beim Schritt zum tatsächlichen Kauf werden große und mittlere Abschmelzverluste in Summe sogar mit 84 % angesetzt. Beim Schritt vom Erstkauf zum loyalen Kunden ist nach der Einschätzung der Befragten in 60 % der Fälle von mittleren bis großen Abschmelzverlusten auszugehen. Diese Ergebnisse sind unternehmensspezifisch herunterzubre64
Markenwertschöpfungskette als Ausgestaltung eines Marketing-Zielsystems
chen, um konkrete Handlungsmaßnahmen zur Reduktion der größten „Stimmverluste“ einzuleiten. Jede Maßnahme entlang der Markenwertschöpfungskette „zahlt“ auf das Image des Unternehmens oder der beworbenen Leistung ein (vgl. weiterführend Esch et al., 2005, S. 1233-1238; auch Wünschmann/Müller, 2005). Die Zielsetzung aller Marketing-Maßnahmen ist es, bei den Angehörigen der Zielgruppe ein möglichst positives Image aufzubauen. Ein negativer Imageaufbau bei Nicht-Zielgruppen-Angehörigen kann bzw. muss akzeptiert werden und ist dabei z.T. Ausdruck der erwünschten Differenzierungsleistung im Wettbewerberumfeld. Wer nicht „everybody´s darling“ werden will, muss durch seine Ansprache auch bestimmte Personen ausgrenzen; idealerweise aber keine aus der eigenen Zielgruppe. Diese Abgrenzungsfunktion wird am Beispiel von Fisherman´s Friend deutlich. Mit dem Slogan Sind sie zu stark, bist du zu schwach präsentiert man sich mit „Ecken und Kanten“ und „verstört“ ganz bewusst und gewollt bestimmte Kundensegmente. Dies ist auch das Ziel von Jamba mit dem Slogan Have it or hate it.
Abb. 2/6:
gesamt
Image ist keine Stufe der Markenwertschöpfungskette, sondern eines ihrer Ergebnisse
Aided Recall
Imageaufbau im Zeitablauf
Unaided KaufRecall interesse
Kaufbereitschaft
Nachfrage
Erstkauf
Nutzung
Nachkauf
Empfehlung
Positives Image + Negatives Image -
Dabei ist das Image eine zentrale erklärende Variable für den Abschmelzungsprozess entlang der Wertschöpfungskette, da im Zuge des Fortschreitens auf der Markenwertschöpfungskette das Image – im positiven wie im negativen Bereich – immer differenzierter wird. Die Imageposition verfestigt und konkretisiert sich immer weiter, d.h., Personen zeigen ein immer stärkeres Interesse an einem Angebot, oder aber sie verlieren das Interesse und bauen u.U. Aggression und Ablehnung auf und wenden sich anderen Angeboten zu. Aufgrund dieser Stellung des Zielkriteriums 65
2.4
2
Marketing-Ziele
„Image“ wird deutlich, warum dieses nicht als Indikator der Markenwertschöpfungskette selbst, sondern m.E. als parallel dazu zu ermittelndes Kriterium gesehen werden sollte (vgl. Abb. 2/6; zu anderen Positionen dazu Gruner&Jahr, 2003; Göttgens/Böhme, 2005, S. 48; ähnlich bzgl. „Vertrautheit“ Riesenbeck, 2004, S. 510, sowie bzgl. „Sympathie“ Mei-Pochtler et al., 2004, S. 197). Bei einer weiteren Analyse der Wertschöpfungskette wird deutlich, dass es im Laufe der einzelnen Phasen zu einem Wechsel von der virtuellen zur konkreten Auseinandersetzung mit dem Angebot kommt. Am Anfang steht die Awareness, d.h. eine Wahrnehmung der von außen kommenden Informationen, und erst später wird diese durch Experience i.S. einer konkreten Erfahrung mit dem Angebot abgelöst (vgl. Abb. 2/7). In den ersten Phasen der Awareness dominieren visuell und auditiv vermittelte Reize, wie bspw.:
Logo/Schrift/Schriftzug Farben Design des Produktes, der Verpackung Jingle (Toyota: „Nichts ist unmöglich...“; Deutsche Telekom)
Eine konkrete Begegnung mit dem Angebot wird seitens der potenziellen Kunden in den ersten Phasen nicht bewusst gesucht. Erst das Kaufinteresse lenkt den Fokus des potenziellen Kunden auf die konkrete Begegnung mit dem Produkt oder der Dienstleistung. Teilweise stellt eine erste „körperliche“ Begegnung mit dem Angebot den Initialfaktor für das Entstehen von Kaufinteresse dar. In dieser Experience-Phase können weitere sinnliche Eindrücke vermittelt werden, bspw. über gustatorische, olfaktorische oder haptische Reize. Abb. 2/7:
Dominante Faktoren entlang der Markenwertschöpfungskette Awareness
gesamt
Aided Recall
Unaided Kauf-Recall interesse
Dominanz der visuellen und auditiven Wahrnehmung
66
Experience
Kaufbereitschaft
Nachfrage
Erstkauf
Nutzung
Nachkauf
Empfehlung
Dominanz des haptischen,, olfaktorischen und gustatorischen Erlebens
Markenwertschöpfungskette als Ausgestaltung eines Marketing-Zielsystems
Welche Faktoren insgesamt auf das Image und übergreifend auf das Markenguthaben einzahlen, zeigt Abb. 2/8. Während u.a. Produkt, Produktrange, Verpackung, Präsentation am POS, Preisgestaltung, Branding, Logo, Farben, Werbung und PR als Markeniconographie die sichtbaren Inputfaktoren darstellen, bildet das Markenguthaben unter der Wasseroberfläche wie bei einem Eisberg das nicht unmittelbar sichtbare Guthaben, das sich eine Marke erarbeitet hat (vgl. Andresen/Nickel, 2005, S. 772).
Abb. 2/8:
Einflussfaktoren des Markenguthabens im Eisberg-Modell Quelle: Musiol et al., 2004, S. 378
2.4.2 Phasen der Markenwertschöpfungskette 2.4.2.1 Phase 1: Aided Recall In der ersten Phase wird ermittelt, wie hoch die gestützte Markenbekanntheit (Aided Recall) eines Angebotes ist, d.h. in welchem Umfang eine Marke aufgrund einer vorgelegten Liste von Markennamen erkannt wird. Eine Erkennung bringt zum Ausdruck, dass die Marke zumindest zum passiven Marken-Wortschatz einer Person gehört. Das Unvermögen, die Marke ohne Hilfestellung zu nennen, unterstreicht allerdings die geringe Relevanz, die die Marke für den Kunden bisher erreicht hat. Dieser Messung geht die Initialzündung des Unternehmens in Bezug auf die Vermarktung eines Produktes oder einer Dienstleistung voraus, die hier als Teasing bezeichnet wird. 67
2.4
2
Marketing-Ziele
Weiteres Zielkriterium in dieser Phase ist die gestützte Werbeerinnerung (Aided Advertising Recall). Dabei wird erhoben, ob dem Befragten die Werbung (bspw. eine Anzeige) bei Vorlage bekannt vorkommt. Darüber hinaus wird in dieser – wie sinnvollerweise auch in allen nachfolgenden Stufen – das Unternehmens-, Produkt- und Markenimage erhoben (vgl. zu den eingesetzten KPIs auch Esch et al., 2005, S. 1239; Keller, 2005, S. 1315-1322; Berekoven et al., 2004, S. 187f.).
2.4.2.2 Phase 2: Unaided Recall Bei der Messung der ungestützten Markenbekanntheit wird ermittelt, wie viel Prozent der relevanten Zielgruppe eine Marke ohne Vorlage einer Liste von Markennamen bekannt ist. Eine Nennung signalisiert, dass die Marke bereits zum aktiven MarkenWortschatz gehört und damit wichtige Lernstufen im „Kopf der Zielpersonen“ bereits erreicht hat. Auch wenn unter Marktforschungsaspekten die ungestützte immer vor der gestützten Bekanntheit abgefragt werden muss, ist ihre Abfolge in der Markenwertschöpfungskette wie oben gezeigt vorzunehmen. Schließlich ist die ungestützte Markenbekanntheit maximal so hoch wie die gestützte, i.d.R. jedoch deutlich niedriger. Zusätzlich steht das Ziel der ungestützten Werbeerinnerung (Unaided Advertising Recall) im Mittelpunkt der Erhebung. Die den Zielpersonen bekannten Leistungen werden auch als Awareness Set bezeichnet. Dieses umfasst neben den für gut befundenen Angeboten (Accepted Set) auch die zurückgewiesenen Alternativen (Rejected Set). U.U. werden aus dem Accepted Set bestimmte Angebote zurückgestellt (Hold Set), weil bestimmte Rahmenbedingungen einem Erwerb noch ausschließen, bspw. fehlende Kaufkraft (Poth/Poth, 2003, S. 126).
2.4.2.3 Phase 3: Kaufinteresse Die Phase des Kaufinteresses bringt zum Ausdruck, dass sich ein allgemeines Bedürfnis (bspw. Hunger) bereits zum Bedarf hinsichtlich eines bestimmten Angebotes (bspw. Mars oder Müller Milchreis) konkretisiert hat. Die entsprechenden Marken gehören damit zum Relevant Set der Zielperson, wenn es um die Befriedigung eines bestimmten Bedürfnisses geht. Dieses beinhaltet die Angebote des Accepted Set ohne die des Hold Set. Wenn eine Marke diese Position erreicht hat, waren viele der vorgelagerten Marketing-Aktivitäten bereits erfolgreich, da es gelungen ist, bei der Zielperson eine Relevanz für das eigene Angebot aufzubauen, sei es bspw. bezüglich:
Lösungskompetenz, Image, Preis-Leistungs-Relation und/oder Kundennutzen.
Das Ausmaß der erreichten Relevanz für die Zielpersonen hängt in hohem Maße davon ab, ob eine Differenzierung des eigenen Angebotes im Wettbewerberumfeld gelingt. Dabei geht es um das Erreichen einer Unique Selling Proposition (USP), d.h., um eine Herausstellung der eigenen Leistung im Vergleich zu den Wettbewerbern. Die 68
Markenwertschöpfungskette als Ausgestaltung eines Marketing-Zielsystems
einzelnen Dimensionen sind dabei wie folgt belegt (vgl. Lobenstein, 2004, S. 210; Boltz, 2004, S. 205f.): Unique (Nutzenversprechen, das von der Zielperson entweder als einmalig oder zu anderen Alternativen zumindest als überlegen angesehen wird) Selling (das Nutzenversprechen muss für die Zielperson eine Kaufentscheidungsrelevanz haben und soll diese davon überzeugen, sich mit dem Erwerb der Leistung auseinanderzusetzen) Proposition (Konkretisierung des ausgelobten Nutzenversprechens durch eine Leistung, die die herausgestellten Nutzenelemente tatsächlich auch liefert) Einer USP liegen damit grds. „objektive“, beweisbare Sachverhalte zugrunde. Davon abzugrenzen ist die Unique Advertising Proposition (UAP), die eine Alleinstellung der Marke durch den werblichen Auftritt des Unternehmens anstrebt und im Gegensatz zu einem „originären“ Nutzenelement häufig schwerer zu kopieren ist (Dudenhöfer, 2005, S. 559; Haller, 2001, S. 270). Als Beispiel hierfür kann der Werbeauftritt von Marlboro dienen, durch den das relativ leicht austauschbare Produkt Zigarette eine einzigartige Aufladung erhalten hat, die über Jahrzehnte konsistent aufgebaut wurde und eine treue – um nicht zu sagen abhängige – Kundenschar für sich gewinnen konnte. Bei der Entscheidung zwischen einem markenlosen Polo-Shirt für € 9,95 und einem von BOSS für € 49,95 spielt aufgrund fehlender nachvollziehbarer Qualitätsunterschiede ebenfalls die werbliche Darstellung die Hauptrolle im Kaufentscheidungsprozess. Auch die Werbeaussage vom Axe, der Duft, der Frauen provoziert bzw. You´ll never walk alone, dient ebenfalls „nur“ zum Aufbau einer UAP zur Differenzierung im Wettbewerberumfeld, ohne dieses Leistungsverspechen in der Realität wohl je einzulösen... Ein Kaufinteresse kann in der Experience-Phase insb. durch eine haptische (tastende), olfaktorische (geruchliche) und/oder gustatorische (geschmackliche) Begegnung mit dem Angebot erreicht bzw. ausgebaut werden (zur multisensualen Markenführung vgl. Kilian/Brexendorf, 2005). Getreu dem Motto: „Wenn der Kunde nicht zum Produkt kommt, kommt das Produkt zum Kunden“, wird bspw. durch Sampling, d.h. eine kostenlose Verteilung von Produkten oder Produktproben, eine direkte Konfrontation mit dem Angebot geschaffen. Dies erfolgt durch das Beikleben von Parfum- oder Creme-Mustern auf Anzeigen in Publikumszeitschriften, durch eine Hausverteilung von Probepackungen (etwa eines neuen Orangensafts) bis hin zur personalisierten Zusendung von Zeitschriften und Zeitungen mit der Aufforderung, das Produkt zu testen und idealerweise gleich zu abonnieren. Ein spezielles Sampling-Konzept wird durch Felicitas umgesetzt: 1000 Hostessen besuche ca. 500.000 Haushalte pro Jahr, um im privaten Umfeld Produkte zu präsentieren (Felicitas, 2007). Ein solches Vorgehen ist natürlich um so erfolgreicher, je deutlicher der Testperson die USP oder UAP des Angebotes vermittelt wird.
2.4.2.4 Phase 4: Kaufbereitschaft Die Kaufbereitschaft wird gemessen durch die vom potenziellen Kunden zum Ausdruck gebrachte Kaufwahrscheinlichkeit. Sie kennzeichnet damit diejenigen Zielpersonen, die beabsichtigen, eine bestimmte Marke zur Bedarfsdeckung zu erwerben. Hier ist das „Relevant Set“ der ins Auge gefassten Alternativen weiter reduziert, 69
2.4
2
Marketing-Ziele
weil ein Angebot zur First Choice geworden ist (vgl. allgemein Högl/Hupp, 2004, S. 129f.; auch Feldmann/Tiemann, 2003). In dieser Phase dominieren damit die Kriterien: Produkt der „ersten Wahl“, Höhe der Kaufwahrscheinlichkeit und die Preisbereitschaft, d.h. die Offenheit, für den Erwerb des Angebotes einen bestimmten Preis bezahlen zu wollen. Besonders wichtige Rahmenbedingungen in dieser Phase, die auch auf die Ausprägungen der anderen Phasen ausstrahlen, sind für den Suchenden das Finden konsonanter Informationen über das Angebot. Dies sind Informationen, die mit der in dieser Phase schon positiv ausgefallenen Bewertung des potenziellen Käufers übereinstimmen. Hierzu zählen bspw. folgende Ausprägungen: Positive Testurteile der Stiftung Warentest Werblicher Einsatz von positiv bewerteten Testimonials (das können Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, wie Franz Beckenbauer oder Boris Becker, sein, aber auch Meinungsführer qua Profession, bspw. Taxifahrer zum Thema Auto oder Zahnärzte zum Bereich Zahnpflege) Positive Mund-zu-Mund-Propaganda aus dem eigenen Freundes- und Bekanntenkreis Hintergrundinformationen, die das Unternehmen selbst bereitstellt (bspw. bzgl. der Verwendung organischer Rohstoffe oder der Verzicht auf Tierversuche im Entwicklungsprozess von neuen Produkten) Die Kaufbereitschaft wird schließlich auch in hohem Maße dadurch beeinflusst, ob der Zielperson die zu nutzenden Bezugsquellen (online oder offline) bekannt bzw. ob diese leicht festzustellen sind.
2.4.2.5 Phase 5: Nachfrage Von Nachfrage wird dann gesprochen, wenn die Kaufbereitschaft kaufkraftgestützt ist, nachfragewirksam wird und ein Angebot folglich konkret verlangt wird, sei es online oder offline. Die Unterscheidung zur Kaufbereitschaft ist deshalb wichtig, weil nicht jeder, bei dem bspw. ein Porsche „First Choice“ ist, sich auch in der Lage sieht, die zum Erwerb notwendige Kaufkraft aufzubringen. Es wird sichtbar, dass – im Vergleich zu den vorangegangenen Prozessstufen – das Engagement in dieser Phase mit am stärksten ausgeprägt ist, weil sich die Zielperson konkret um den Erwerb eines Angebotes bemüht (vgl. Abb. 2/9). In der Nachfrage-Phase kommt es zum 1st Moment of Truth, wenn die in der Awareness-Phase aufgebauten Erwartungshaltungen und die Online- bzw. OfflineRealität aufeinander treffen. Das Delta, d.h. die Abweichungen zwischen den Erwartungshaltungen einerseits und dem Einkaufserlebnis andererseits, dominieren den gesamten weiteren Prozess. Wenn der Einkaufsvorgang im Internet zu aufwendig ist, die vom Kunden präferierten Zahlungswege nicht angeboten werden, u.U. sehr hohe Versandgebühren anfallen, die vorher nicht kommuniziert wurden, kann es zum Abbruch des Kaufprozesses kommen. In der Offline-Welt, d.h. am POS selbst, stellt zunächst die Verfügbarkeit des Produktes ein K.-o.-Kriterium dar. Auch Verkaufs70
Markenwertschöpfungskette als Ausgestaltung eines Marketing-Zielsystems
personal, welches die Produktvorteile auf Nachfrage nicht kennt, ggf. auf andere Angebote hinweist oder nicht das erwartete Servicelevel erreicht, kann eine Nachfrage unterbinden (vgl. Stauss, 2006, S. 72). Dabei gilt es insb., die emotionalen Markenbotschaften im direkten Kundenkontakt einzuhalten (vgl. am Beispiel BMW Schauer, 2007). Eine große Bedeutung kommt beim Bekleidungskauf aber auch ganz „banalen“ Dingen, wie bspw. den Umkleidekabinen zu, deren Größe einen entscheidenden Einfluss auf die Kaufwahrscheinlichkeit haben (vgl. tnsemnid, 2005). Die wahrgenommene Stimmigkeit zwischen dem ausgelobten Produktversprechen und der Anmutung im Geschäft beeinflussen zusätzlich den Einkaufsprozess. Dabei reicht nach einer in den USA und Europa durchgeführten Studie bereits eine einzige schlechte Erfahrung an einer Stelle innerhalb des Kundenprozesses aus, um ca. 79 % der Kunden im BtCMarkt zu verlieren (Reppesgaard, 2006, S. 14).
Abb. 2/9:
gesamt
Abbau von „Passivität“ zugunsten von „Aktivität“ entlang der Markenwertschöpfungskette
Aided Recall
Unaided KaufRecall interesse
Kaufbereit-schaft
Nachfrage
Erstkauf
Nutzung
Nachkauf
Empfehlung
Aktivitäts- und Passivitätsgrad im Zeitablauf Bereich der Aktivität Bereich der Inaktivität
In dieser Phase kommen die folgenden KPIs zum Einsatz:
Gewählter Kanal (online oder offline) Genutzte Bezugsquelle (u.U. Discounter, Supermarkt, Warenhaus) Wahrgenommene Produktqualität (auf Basis Anmutung, Haptik) Wahrgenommene Preispositionierung Nachgefragte Menge Wahrgenommene Qualifikation und Serviceorientierung des Verkaufspersonals Emotionale Stimmigkeit zwischen (Marken-) Botschaften und der POS-Realität Einkaufsstättenimage 71
2.4
2
Marketing-Ziele
Hier wird deutlich, dass aufgrund des Wechsels von der Awareness- zur ExperiencePhase andere Kriterien zur Erfolgsmessung einfließen müssen.
2.4.2.6 Phase 6: Erstkauf Die Marketing-Aktivitäten eines Unternehmens haben im Business-Marketing mehrheitlich ein Ziel: bei bisher nicht betreuten Personen einen Erstkauf zu initiieren. Wird dieser Kaufakt tatsächlich vollzogen, so kommt es zu einer Deckung von Angebot und Nachfrage. Wie bereits angesprochen, ist es hierfür entscheidend, dass die unterschiedlichen, stark durch die unternehmerische Kommunikation geprägten Erwartungshaltungen mit der subjektiv wahrgenommenen Realität übereinstimmen. In dieser Phase stehen folgenden KPIs im Mittelpunkt:
Anteil erstmalig kaufender Personen (an der Gesamtzahl der Kunden) Anteil an Neukunden in dieser Produktkategorie Marktanteil in Relation zur Distributionsdichte Zufriedenheit des Kunden mit dem Angebot (vor Nutzung) Zufriedenheit des Kunden mit der Betreuung/Abwicklung am POS oder im Internet
Ein zentrales Ziel in dieser Phase kann es sein, die Adressdaten des Kunden zu erfassen, um diese in einer Kundendatenbank aufzunehmen, durch die wiederum mehrere Ziele erreicht werden können: Ermöglichung einer direkten Kommunikation mit dem Kunden, sei es als Ausdruck einer After-Sales-Betreuung, oder um weitere Käufe durch den gleichen Kunden sicherzustellen Räumliche Identifikation der erreichten Kunden (über eine Postleitzahl bspw. kann das Einzugsgebiet, aus dem die Mehrheit der Kunden stammt, ermittelt werden) Inhaltliche Identifikation der Kunden (zum einen können bei der Adressaufnahme bereits weitere Daten erfasst werden, bspw. das Geburtsdatum, der Familienstand und die Haushaltsgröße; zum anderen ermöglicht die Adresse den Zugriff auf mikrogeographische Datenbanken, die eine Vielzahl weiterer Informationen bereitstellen können) Bei der Erhebung solcher Adressdaten muss deutlich herausgestellt werden, wie das Unternehmen diese nutzen möchte: nur für Marktforschungs- und Werbezwecke, zur Ermittlung von Kundenwertigkeiten und/oder auch zur Weitergabe an Dritte. Diese Einsatzfelder sind dem Kunden mitzuteilen und von diesem durch eine Unterschrift freizugeben. Für diese Einwilligung wird i.d.R. der Begriff Permission verwendet, der diese Erlaubnis zum Ausdruck bringt (vgl. vertiefend 4.4.3.5). Die Vielzahl der Spielarten, um Adressen von Kunden zu gewinnen, unterstreicht die zunehmende Bedeutung des Database-Marketing, d.h. einer adressgestützten Kundenansprache und Betreuung (vgl. Kreutzer, 2006). U.a. kommen bei der Adressgewinnung folgende Konzepte zum Einsatz (vgl. vertiefend 4.4.5.2): Gewinnspielkarten am POS On-Pack-Karten, d.h. direkt am Produkt befestigte Elemente, mit denen der Kunde zur Bereitstellung seiner Adresse aufgefordert wird (bspw. für ein Gewinnspiel, für weiterführende Informationen eines CD-Versenders etc.) 72
Markenwertschöpfungskette als Ausgestaltung eines Marketing-Zielsystems
Online-Gewinnspiele Qualifizierungsfragebögen, mit denen online oder offline eine Vielzahl von Daten über die Kunden gewonnen werden kann Kundenkarten (sei es bspw. von Payback, Esprit, Douglas) Wie viele und welche Informationen über den Kunden erhoben werden, hängt in hohem Maße davon ab, in welcher Intensität Kunden persönlich betreut werden sollen. Wird ein Customer Relationship Management (CRM) i.S. einer umfassenden, ganzheitlichen, einzelkundenorientierten Betreuung angestrebt, dann sind dafür wesentlich mehr Informationen notwendig, als wenn eine wenig fokussierte Kundenansprache erfolgen soll (vgl. vertiefend 3.2.2.3).
2.4.2.7 Phase 7: Nutzung Nicht jeder Erwerb führt automatisch zur Nutzung des entsprechenden Produktes bzw. des erworbenen Dienstleistungsanspruchs. U.U. hat man sich bei modischen Produkten (wie etwa Schuhen) „verkauft“ oder hat – etwa bei Büchern – das eigene Interesse an bestimmten Themen überschätzt. Ist es für das verkaufende Unternehmen wichtig, ob das verkaufte Produkt auch genutzt wird? Schließlich ist der Umsatz realisiert worden. Eine tiefe Zufriedenheit des Kunden mit dem Produkt wird i.d.R. nur über eine (positive) Nutzungserfahrung erzielt. Ein Nach- oder Wiederkauf setzt bei Verbrauchsgütern (etwa Lebensmittel oder Kosmetika) oder Gebrauchsgütern (MP3Player, TV-Gerät) i.d.R. ebenfalls eine Nutzung voraus. Deshalb ist es wichtig zu erfahren, warum ein Produkt nicht genutzt wird. Ist dies bspw. auf eine schlechte Beratung durch das Verkaufspersonal oder auf eine – aus Sicht des Kunden – irreführende Werbung zurückzuführen, kann dies nicht nur zur Abwanderung vom Produkt, sondern auch vom entsprechenden Anbieter (hier des Händlers) führen. Bei der Nutzung kollidieren die in der Awareness-Phase aufgebauten Erwartungshaltungen im 2nd Moment of Truth mit der Gebrauchsrealität. Die dabei auftretenden Diskrepanzen steuern den weiteren Nutzungs-, Nachkaufentscheidungs- und Empfehlungsprozess. Wie erlebt der Kunde die Nutzung bzw. den Ge- und Verbrauch des Produktes? Werden dem Kunden die in Aussicht gestellten Serviceleistungen angeboten? Ist eine Hilfestellung im Ernstfall auch tatsächlich verfügbar? Diese und weitere Zielsetzungen fließen in die folgenden KPIs ein:
Anteil der Personen, die das Produkt nutzen (Nutzer- vs. Sleeper-Quote) Gebrauchsintensität Wahrgenommene Produkt- und Servicequalität Störfallquote Anteil reklamierender Kunden an der Gesamtzahl der Kunden Zufriedenheit mit dem Produkt/der Dienstleistung Ausmaß der Erfüllung von Kundenerwartungen
2.4.2.8 Phase 8: Nachkauf In dieser Phase wird ein Produkt oder eine Dienstleistung nochmals erworben. Ein wiederholter Kauf durch den selben Kunden beinhaltet für Unternehmen i.d.R. nicht 73
2.4
2
Marketing-Ziele
nur ein großes Umsatz-, sondern insb. auch ein wesentliches Gewinnsteigerungspotenzial. Ein wiederkaufender Kunde ist nicht neu von der Leistungsfähigkeit des Unternehmens bzw. der Qualität eines Angebotes zu überzeugen. Es kann vielmehr auf entsprechendem Vorwissen aufgebaut werden. Deshalb gilt als Grundsatz, dass es „sieben- bis neunmal teurer ist, einen neuen Kunden zu akquirieren, als einen bestehenden zu halten und zum Neukauf zu motivieren.“ Das höhere Gewinnpotenzial ist zusätzlich darauf zurückzuführen, dass „Wiederholungstäter“ oft häufiger kaufen, höhere Beträge investieren, weniger empfindlich auf Preisaufschläge reagieren und aktivere Freundschaftswerber sind. In Abb. 2/10 ist dieser Zusammenhang schematisch aufgezeigt.
Abb. 2/10:
Gewinnsteigerungspotenzial durch Stammkunden In Anlehnung an Reichheld/Sasser, 2003, S. 153. Gewinn durch Preisaufschlägen Gewinn durch Weiterempfehlungen Gewinn aus erhöhter Kauffrequenz/ gestiegenen Rechnungsbeträgen Gewinn aufgrund geringerer Verwaltungs- und Vertriebskosten Basisgewinn Akquisitionskosten
Gewinnungs- 1. Jahr periode
2. Jahr
3. Jahr
n. Jahr
Vor dem Hintergrund der aufgezeigten Zusammenhänge wird deutlich, warum Unternehmen gut beraten sind, folgende KPIs einzusetzen: Anteil der Stammkunden am gesamten Kundenbestand, differenziert nach Länge der Kundenbeziehung Ausmaß der Kundenzufriedenheit Anteil der unzufriedenen Kunden, die ihre Unzufriedenheit artikulieren
2.4.2.9 Phase 9: Empfehlung Kunden können als Botschafter der Marke bereits unmittelbar nach dem Kauf und/oder der Nutzung aktiv werden. Der Nutzer des Produktes bzw. einer Dienstleistung spricht dabei in seinem Umfeld Empfehlungen bzgl. des von ihm genutzten Angebotes aus und betreibt damit Mund-zu-Mund-Propaganda. Sie stellt die glaubwürdigste Werbeform dar, weil sie auf positiven Beziehungen aufbaut und keine dominante kaufmännische Motivation unterstellt (vgl. vertiefend 4.4.3.2). 74
Markenwertschöpfungskette als Ausgestaltung eines Marketing-Zielsystems
Interessant ist dabei, dass zufriedene Kunden ihre Erfahrungen im Schnitt drei Kunden mitteilen; unzufriedene Kunden kommunizieren dies dagegen neun Personen (Homburg et al., 2003, S. 97). Zur Erfolgsmessung werden in dieser Phase folgende KPIs eingesetzt: Anzahl der Personen, die ein Produkt oder eine Dienstleistung erfolgreich weiterempfohlen haben Anteil dieser Freundschaftswerber an der Gesamtzahl der Kunden
2.4.3 Ausgewählte Ergebnisse der Markenwertschöpfungskette In Abb. 2/11 sind zusammenfassend zentrale Faktoren, die entlang der Markenwertschöpfungskette motivierend und demotivierend einwirken können, aufgezeigt. Für jedes Unternehmen ist dabei herauszuarbeiten, an welchen Stellen jeweils Optimierungsbedarf besteht. Dazu können unterschiedliche Studien beitragen.
Abb. 2/11:
Motivierende und demotivierende Faktoren entlang der Markenwertschöpfungskette Meinungsführer
Glaubwürdiges Testimonial
Überzeugendes Testergebnis
nutzt gleiches Produkt
Aktivierende Ansprache
Gutes Produkterleben durch Sampling
Werbung schreckt ab
Freunde loben Produktwahl
POS- Platzierung entspricht nicht Erwartungen Langsame Web -Site
Exzellenter Service
Enttäuschender Produktgebrauch
Produkt fehlt am POS Personal kann Fragen nicht beantworten
Verkäufer empfiehlt anderes Produkt
Mit dem MarkenProfil von Gruner & Jahr werden regelmäßig die Kriterien MarkenBekanntheit, -Sympathie und Marken-Verwendung bzw. -Besitz analysiert (vgl. Gruner & Jahr, 2003). M.E. unbestritten hat das Kriterium „Marken-Sympathie“ einen entscheidenden Einfluss auf die Marken-Verwendung; gleichwohl gilt das zum Kriterium „Image“ Ausgeführte analog. Zu beachten ist m.E. auch, dass MarkenSympathie nicht mit der Verwendung der Marke endet, vielmehr hat deren Nutzung 75
2.4
wiederum Rückwirkungen auf die Marken-Sympathie. Folglich ist dieses Kriterium als ein imageprägendes Merkmal über die gesamte Bandbreite der Markenwertschöpfungskette zu messen. Wie die Bewertung ausgewählter Marken mit dem MarkenProfil ausfallen kann, wird in Abb. 2/12 dargestellt. Aus dem Vergleich zwischen Bekanntheit und Sympathie der eigenen Marke im Vergleich zu den relevanten Wettbewerbern sowie zwischen Sympathie und Besitz können wichtige Rückschlüsse auf die notwendige Refokussierung des Marketing gezogen werden. Hier zeigt sich bspw., dass sich bei den Premium-Marken Armani und BOSS die Bekanntheit nicht in gleichem Maße in Sympathie widerspiegeln kann wie bei anderen Anbietern. Die Ergebnisse von Benetton können so interpretieret werden, dass die schockierende Werbung der Vergangenheit zwar auf Bekanntheit, nicht aber in gleichem Maße auf Sympathie eingezahlt hat. Interessant ist auch, dass sich die Sympathie für die Marken adidas, Benetton, H&M sowie P&C und Schiesser in hohem Maße in den entsprechenden Markenbesitz umwandeln ließ. Dies gelang bei Armani und BOSS weniger gut, was sicherlich an der Preisstellung dieser Marken liegt. U.U. sind hierfür auch andere Faktoren zu benennen, wie bspw. die Freundlichkeit oder Arroganz des Verkaufspersonals oder die Hemmschwelle, entsprechende Verkaufsräume aufzusuchen.
Abb. 2/12:
Bewertung ausgewählter Marken in Prozent In Anlehnung an Gruner&Jahr, 2003, S. 209-213
100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0
Bekanntheit Sympathie
ss er
Sc hi e
P& C
e Ni k
H& M
Besitz
BO SS
Ad id as Ar m an i Be ne tto n
2
Marketing-Ziele
Eine Korrelationsanalyse bei 119 Bekleidungsmarken (von adidas bis Zara), bewertet durch die Bevölkerung im Alter von 14 – 64 Jahren, liefert folgende Ergebnisse: 76
Markenwertschöpfungskette als Ausgestaltung eines Marketing-Zielsystems
Korrelation zwischen Bekanntheit und Sympathie: 0.93 Korrelation zwischen Sympathie und Besitz: 0.97 Korrelation zwischen Bekanntheit und Besitz: 0.83 Korrelation ist eine statistische Messgröße, die die Intensität des Zusammenhangs zwischen zwei Merkmalen zum Ausdruck bringt. Eine Korrelation von „1“ bedeutet, dass sich zwei Merkmale parallel zueinander entwickeln, eine Korrelation von „0“ bedeutet, dass die beiden Merkmale unabhängig voneinander sind. Eine Korrelation von „-1“ ist so zu interpretieren, dass sich die Merkmale gegenläufig zueinander entwickeln. Dabei gilt das Motto: „Je mehr vom einen, desto weniger vom anderen!“ Bei den o.g. Werten wird deutlich, dass bei allen Marken eine intensive Beziehung zwischen den erfassten Merkmalen existiert. Die höchste Intensität ist dabei zwischen Sympathie und Besitz gegeben, d.h. wer eine Marke sympathisch findet, hat diese in hohem Maße auch bereits gekauft. Anders ausgedrückt: gekauft werden nur sympathische Marken – oder auch: besessene Marken werden sympathisch. Die vergleichsweise schwächste Beziehung existiert – wie oben gezeigt – zwischen Bekanntheit und Besitz (0.83). Bei einer Detailanalyse für Premium-Marken im Bekleidungsmarkt ergibt sich folgendes Bild: Korrelation zwischen Bekanntheit und Sympathie: 0.95 Korrelation zwischen Sympathie und Besitz: 0.92 Korrelation zwischen Bekanntheit und Besitz: 0.79 Bei Premium-Marken ist ein leicht stärkere Beziehung zwischen Bekanntheit und Sympathie gegen. Allerdings lassen sich sowohl Bekanntheit wie Sympathie weniger stark in Besitz umwandeln. Der Grund hierfür liegt u.a. in der höheren Preisstellung dieser Angebote.
Abb. 2/13:
Vergleich einer Premium- und einer Volumen-Marke In Anlehnung an Gruner&Jahr, 2003, S. 252f.
100 80 60 40 20 0 Bekanntheit
Sympathie
Qualitäts-Image Kaufbereitschaft VW
Besitz
Mercedes-Benz
77
2.4
2
Marketing-Ziele
Ein weiteres Ergebnis sei anhand des Vergleichs zwischen einer Premium-Marke (hier Mercedes-Benz) und einer Volumen-Marke (hier Volkswagen) dargestellt (vgl. Abb. 2/13). Während beiden Marken bei „Bekanntheit“ und „Qualitäts-Image“ vergleichbare Werte aufweisen, gehen bei Mercedes-Benz überdurchschnittlich viele Interessenten
Abb. 2/14:
Verwendung zentraler Steuerungsgrößen im Marketing Quelle: Wieselhuber & Partner, 2005, S. 26
STEUERUNGSGRÖSSEN
VERWENDUNG ZUKÜNFTIG
EINSATZ HEUTE
Bekanntheitsgrad
82
Umsatz/Absatz
79
Produktqualität
71
Markenstärke
70
Marketingkosten
70
Deckungsbeitrag
69
Marktanteil
88 79 82 85 65 84
66
Umsatzrentabilität
65
52
59
Umsatzanteil Neuprodukte
46
68
Kundenloyalität
45
66
Distributionsgrad
43
Kundenzufriedenheit
53
38
Markenpotenziale
62 56
34
Erzielte Preise/Preisabstand
26
Servicequalität
48
23
Brand Pipeline
38 33
18
Kundenwert
15
Monetärer Markenwert
14
30 21
Return on Marketing Investment (ROMI)
14
29
Umsatzanteil Neukunden
11
30
GESAMT
Ja-Antworten
Ja-Antworten
bei Kaufbereitschaft, aber auch noch einmal von Kaufbereitschaft zum Besitz verloren (62 % im Vergleich zu 54 % bei Volkswagen). Hier ist zu fragen, warum die Kaufbereitschaft nicht in vergleichbarem Ausmaß in tatsächliche Käufe umgewandelt werden kann – und welche Maßnahmen (vom Abbau psychologischer Kaufbarrieren bis hin zu verbesserten Finanzierungsangeboten) eingeleitet werden können. 78
Einbettung der Marketing-Ziele in eine Balanced Scorecard
2.4.4 Verbreitungsgrad der Markenwertschöpfungskette Die Markenwertschöpfungskette ist heutzutage ein Instrument, welches sehr stark von Consulting-Unternehmen eingesetzt wird. Eine Befragung von Führungskräften deutscher Unternehmen aus dem Jahr 2005 zeigt jedoch, dass die Bedeutung der Markenwertschöpfungskette in den nächsten Jahren stark zunehmen wird (vgl. Wieselhuber & Partner, 2005, S. 26f.). Während zum Befragungszeitpunkt lediglich 18 % der Unternehmen die auch als Brand Pipeline bezeichnete Markenwertschöpfungskette einsetzten, planen 33 % dies in Zukunft zu tun. Dies entspricht einer Steigerung von über 80 %. Einen ähnlich hohen Bedeutungszuwachs weist bei dieser Untersuchung der Steuerungsgrößen im Marketing nur der damit verbundene monetäre Markenwert sowie Kundenwert, Return on Marketing Investment und der Umsatzanteil von Neukunden auf (vgl. Abb. 2/14; vgl. zum Einsatz der Markenwertschöpfungskette in der FDL-Branche Feldmann/Grötzinger, 2007, S. 242; am Beispiel Allianz Althaus, 2007).
2.5
Einbettung der Marketing-Ziele in eine Balanced Scorecard
2.5.1 Grundkonzept der Balanced Scorecard In den letzten Jahren ist ein bestimmtes Planung- und Steuerungsinstrument auf Unternehmensebene stärker in den Mittelpunkt gerückt: die Balanced Scorecard (vgl. grundlegend Kaplan/Norton, 1997; auch Steinmann/Schreyögg, 2002, S. 233f.; Homburg/Krohmer, 2006, S. 1257f.). Dabei handelt es sich um die Zusammenführung verschiedener Sichtweisen und Schichten von Unternehmens- oder Bereichszielen, die einen mehrdimensionalen Zielrahmen und damit gleichsam das Steuerungs-Cockpit eines Unternehmens darstellen. Neben Zielen der Finanzwirtschaft werden i.d.R. zusätzlich prozess-, kunden- und mitarbeiterbezogene Ziele definiert, denn ein Unternehmen oder ein Geschäftsbereich auf oberster Leitungsebene lässt sich nicht alleine durch finanzielle Kennzahlen führen. Gleichzeitig kommt zum Ausdruck, dass auch Ziele unterschiedlicher Schichten des Unternehmens in hohem Maße miteinander verzahnt sind. Durch die Balanced Scorecard wurde die klassische Zielpyramide (vgl. Abb. 1/3) zu einem Ziele-Cockpit weiterentwickelt, wodurch gleichzeitig dem Gedanken des Stakeholder-Konzeptes Rechnung getragen wird. Das Unternehmen hat sein Gesamtziel dann erreicht, wenn über alle in der Scorecard definierten Felder eine ausgewogene Zielerreichung sichergestellt ist. Auf diese Weise wird eine Optimierung von Teilbereichen zu Lasten des Ganzen zumindest reduziert. Die Erreichung eines „ausbalancierten“ Ergebnisses wird dann verstärkt, wenn die variablen Bestandteile der Vergütung breiter Mitarbeiterkreise – und nicht nur des Top- und Middle-Managements – an die Erreichung der in der Scorecard definierten Ziele gekoppelt werden. Das Grundkonzept einer Balanced Scorecard ist in Abb. 2/15 dargestellt. Auf diese Weise können zentrale Unternehmensziele für ein Geschäftsjahr definiert werden. 79
2.5
2
Marketing-Ziele
Dabei wird bereits durch den Zielfindungsprozess erreicht, dass mehrere unternehmensrelevante Sichtweisen, also bspw. die Kunden- und die Mitarbeiterperspektive, auf höchster Unternehmensebene simultan berücksichtigt werden. Gerade hier zeigen international angelegte Studien immer wieder, dass eine Fokussierung bspw. weder auf die Kunden noch auf die Mitarbeiter alleine zu einer exzellenten Performance führen (vgl. Fleming et al., 2005; vertiefend 4.5.2.5). Quartalsweise oder nach Ablauf des Geschäftsjahres kann genau überprüft werden, welche Bereiche auf Kurs liegen und bei welchen Handlungsbedarf besteht.
Abb. 2/15:
Grundkonzept der Balanced Scorecard für ein Unternehmen
Finanzwirtschaftliche Perspektive
Umsatz; Umsatz/Kunde EBIT/EBITDA Marktanteil (absolut/relativ) Anteil F&E-Budget am Umsatz Börsenkapitalisierung Eigenkapitalquote
Kundenperspektive
Kundenbegeisterung Kundenloyalität Wiederkaufrate Zugang an Neukunden Anteil an Top-Kunden Weiterempfehlerquote
Mitarbeiterzufriedenheit Mitarbeiteridentifikation Mitarbeiterfluktuation Mitarbeiterengagement (bspw. beim Vorschlagswesen)
Unternehmen
Dauer der Auftragsbearbeitung Dauer der Reklamationsbearbeitung Dauer des Produktionsprozesses Dauer von Entwicklungsprozessen Einhaltung von Service-Levels
Interne Prozessperspektive
Mitarbeiterperspektive
Während die finanzwirtschaftliche Perspektive Auskunft darüber gibt, wie sich die Strategieumsetzung in den zentralen Ergebniskennzahlen niederschlägt, zeigt die Kundenperspektive, welche Ergebnisse bei den kundenorientiert definierten Ziele erzielt werden. Die interne Prozessperspektive liefert Erkenntnisse darüber, wie sich die internen Prozesse darstellen, und die Mitarbeiterperspektive zeigt, in welchem Ausmaß es gelungen ist, die Mitarbeiter auf dem Weg der strategischen Entwicklung und operativen Umsetzung „mitzunehmen“. Die kritischen Messkriterien hierfür können über die Personalabteilung ermittelt oder periodisch (bspw. durch eine alle zwei bis drei Jahre durchgeführte Mitarbeiterbefragung) dafür erhoben werden. Ein zentrales Messkriterium ist u.a. die Mitarbeiterfluktuation auf den unterschiedlichen Managementebenen, denn diese wirkt sich unmittelbar auf die Kosten für Rekrutierung und Einarbeitung aus. Auch die Bereitschaft, sich im Zuge des betrieblichen Vorschlagswesen zu beteiligen, kann als Indikator für die Motivation der 80
Einbettung der Marketing-Ziele in eine Balanced Scorecard
Mitarbeiter genutzt werden, wenn bspw. durchschnittliche Beteiligungsquoten der eigenen Branche miteinander verglichen werden. Die aufgezeigten unternehmerischen Teilziele sind im Planungsprozess mit Maßnahmenprogrammen zu hinterlegen, durch die eine Zielerreichung sichergestellt werden kann. Für jedes Teilziel ist regelmäßig zu überprüfen, ob das Unternehmen dieses erreichen wird. Ggf. sind bereits im laufenden Geschäftsjahr zusätzliche Maßnahmen einzuleiten, um dies zu gewährleisten. Aufgrund der Scorecard können dabei mögliche Wechselwirkungen mit anderen Zielen frühzeitig überprüft werden. In einer lernenden Organisation werden sowohl bei einer Zielerreichung wie auch bei einer -verfehlung die jeweiligen Ursachen identifiziert und im anschließenden Planungsprozess berücksichtigt. U.U. waren Planungsprämissen unzutreffend, die Wettbewerberaktivitäten über- oder unterbewertet oder die Marktpotenziale wurden falsch eingeschätzt. Nur wenn die Erfolgs- und Misserfolgsursachen ermittelt und dokumentiert werden und in neue Planungsprozesse einfließen, können von Planungs- zu Planungsrunde die Ergebnisse verbessert werden. Hier kann dann von geschlossenen Wirkungskreisläufen gesprochen werden, wie sie in Abb. 1/5 zum Ausdruck kommen.
2.5.2 Marketing-Scorecard Diese Unternehmens-Scorecard sollte in den zentralen Funktionsbereichen weiter heruntergebrochen werden, da bspw. auch im Marketing von der Leitungsfunktion mehrere Ziele simultan berücksichtigt werden sollten. In einer solchen Marketing-Scorecard können – abgeleitet aus den übergeordneten Unternehmens- und Marketingzielen – erfolgsbezogene Kennzahlen für das Marketing dargestellt werden. Diese Kennzahlen können bspw. nach den zentralen Handlungsfeldern Neukunden-Akquisition, Interessenten- und Kunden-Management sowie Kündiger-Prävention und -Rückgewinnung gegliedert werden (vgl. Abb. 2/16). Dabei sind die jeweiligen Ziele ebenfalls mit entsprechenden Maßnahmenprogrammen zu hinterlegen und kontinuierlich sowie am Ende eines Geschäftsjahres die Zielerreichung zu überprüfen. Teilweise kommen im Marketing auch spezifische Marken-Scorecards zum Einsatz (vgl. Meffert/Koers, 2005, S. 285-288; Burmann/Meffert, 2005, S. 103f.; zu spezifischen Marken-Scorecards in der FDL-Branche vgl. Feldmann/Grötzinger, 2007, S. 254f).
81
2.5
2
Marketing-Ziele
Abb. 2/16:
Marketing-Scorecard
Akquisitions-Fokus
Kunden-Fokus
Cost per Interest (CPI nach Kanal/Aktion) Cost per Order (CPO nach Kanal/Aktion) Kundenwertigkeit nach Anspracheweg
Zugang an Neukunden Verteilung der Kunden nach – Kundenwertigkeit – Freundschaftswerber – Permission-Quote Marketing
Nutzungsquoten von Informationsangeboten Umwandlungsquoten nach Art/Zeitpunkt des Anstoßes Interessentenpotenzial (nach Kanal) Interessenten-Fokus
Wechsler-Rate Frühindikatoren für Wechsler Verteilung der Kunden nach – Inaktivität – abnehmendem Umsatz Kündiger-Fokus
2.5.3 Verbreitungsgrad von Balanced Scorecards Der Einsatz der Balanced Scorecard sowohl zur Steuerung von Unternehmen als auch von einzelnen Funktionsbereichen ist erst im Vormarsch. Eine Untersuchung des Einsatzes und der Zufriedenheit mit ausgewählten Planungs- und Steuerungsinstrumenten zeigt, dass sowohl der Einsatz von Scorecards als auch die bisher erreichte Zufriedenheit noch stark verbesserungsfähig sind. Der Einsatz der Balanced Scorecard soll sich – gemäß Planung der Unternehmen – in Zukunft verdoppeln, die Nutzung einer Marketing-Scorecard sogar fast verdreifachen. Die Verwendung einer Brand-Scorecard, die dem Konzept der Markenwertschöpfungskette, entspricht, soll sogar fast vervierfacht werden (Wieselhuber & Partner, 2005, S. 27f.; vgl. Abb. 2/17). Der geplante stärkere Einsatz von solchen integrierten Planungs- und Steuerungselementen hilft dabei, auf Unternehmensebene den ganzheitlichen Blick auf die relevanten Stakeholder zu erreichen und auf funktionaler Ebene verschiedene Kriterien simultan im Blickfeld zu haben. Dies kann bspw. im gesamten Marketingbereich oder auf der Ebene der Markenwertschöpfungskette gelingen, bei der alle relevanten Stufen von der Zielperson bis zum Wiederholungskäufer und Markenempfehler systematisch durchleuchtet werden. In Summe wird hierdurch die ganzheitliche PerformanceOrientierung im Unternehmen durch entsprechende Planungs- und Steuerungswerkzeuge untermauert. Die Notwendigkeit hierzu wird auch durch eine aktuelle Studie von Droege & Comp. untermauert (Müller, 2007; weiterführend Kreutzer/ Merkle, 2007).
82
Einbettung der Marketing-Ziele in eine Balanced Scorecard
Abb. 2/17:
Einsatz von und Zufriedenheit mit ausgewählten Planungs- und Steuerungsinstrumenten Quelle: Wieselhuber & Partner, 2005, S. 27; Angaben in % bzw. Mittelwerte EINSATZ HEUTE
GESAMT
ZUFRIEDENHEIT
80
Operative Marketingplanung Reklamationsmessung
69
Markt-/Wettbewerbsanalyse
69
Controlling der Vertriebsorganisation (Außendienst/Verkaufsgebiete)
63
2,9 2,6
49 50
63
2,6
Beobachtung Wettbewerbpreise
2,6
Strategische Unternehmensplanung
60
2,6
Zielgruppenbefragung
2,7
Imageanalyse
48
2,6
Produkt-Verpackungstests
48
2,5
Produkt-/Produktgruppencontrolling
47
2,5
Portfolioanalyse Response-Messung
35
Werbewirkungsmessung
34
Absatzmittler-/Händlecontrolling
33 32
Absatzmittlerbefragung
26
Lebenszyklus-Analyse Expertenbefragung
20
51 40 68 41
2,3
48
37
32
2,4
61
55
34
2,3
Strategische Unternehmensplanung
Preis-/Konditionen-Analyse
NUTZUNG ZUKÜNFTIG
48 40 18 56 52
2,4 2,1
27
2,3
49
2,1 1,7
46 32
2,1 2,1
Balance Score Card
18
2,0
Marketing Score Card
15
1,9
Brand Score Card
9
1,9 1 2 3 4 sehr stark/stark 0 = völlig unzufrieden 4 = sehr zufrieden
36 23 35 42 34 verstärkt nutzen
83
2.5
2
Marketing-Ziele
Merkbox
Ziele sind für den persönlichen und unternehmerischen Alltag unverzichtbar.
Bei der Zielformulierung sind spezifische Anforderungen zu berücksichtigen.
Ziel sollten immer schriftlich niedergelegt werden.
Die Markenwertschöpfungskette stellt eine zeitliche und inhaltliche Verbindung zwischen verschiedenen Marketing-Ziele dar. Sie ermöglicht es, die Effektivität verschiedener Marketing-Instrumente zu ermitteln und einen zielorientierten Einsatz zu fördern.
Eine „moderne“ Unternehmensführung sollte durch Balanced Scorecards gesteuert werden, um eine umfassende Berücksichtigung verschiedener Stakeholder sicherzustellen.
Im Marketing-Bereich kann eine spezifische Scorecard die relevanten Zielkriterien auf Kundenebene zusammen führen.
Fragen zur Überprüfung Ihres Wissensstandes 1. Was macht die Relevanz von Zielen aus? 2. Welches sind die konstituierenden Elemente der Marketing-Konzeption? In welcher Beziehung stehen diese zueinander? 3. Was versteht man unter „Defining the Business“? Veranschaulichen Sie Ihre Ausführungen durch die Beschreibung der Business-Definition der Unternehmen Kaufhof, ebay, amazon und Siemens. Arbeiten Sie dabei Unterschiede und Gemeinsamkeiten heraus. 4. Welche Funktionen weisen Ziele auf? Veranschaulichen Sie sich diese Funktionen anhand von konkreten Beispielen sowohl aus Ihrem privaten Umfeld wie auch aus dem Unternehmensbereich. 5. Welche Anforderungen sind bei der Zielformulierung zu berücksichtigen? Beschreiben Sie die Relevanz dieser Anforderungskriterien. 6. Formulieren Sie drei Marketing-Ziele, wobei Sie sich bei der Zielformulierung an den diskutierten Anforderungskriterien orientieren. 7. Was ist der grundsätzliche Unterschied zwischen Maximierungs- und Minimierungszielen einerseits und Satisfaktionszielen andererseits? Welche Ziele lassen sich besser kontrollieren und warum? 8. Was versteht man unter den sogenannten SMART-Zielen? Wie bewerten Sie die darin zum Ausdruck kommenden Anforderungen an eine Zielformulierung? 9. Skizzieren Sie den Unterschied zwischen Effektivität und Effizienz! Verdeutlichen Sie sich die Relevanz dieses Begriffspaares anhand eines Unternehmensbeispiels und anhand des Alltags eines Studenten! Woran sollte im Einzelfall eine Ausrichtung vorgenommen werden? 10. Skizzieren Sie das Zielsystem eines Unternehmens und gestalten Sie die Ziele der einzelnen Ebenen für die Unternehmen KarstadtQuelle und McDonald´s exemplarisch aus. 11. Was versteht man unter der Mittel-Zweck-Beziehung von Zielen? Warum ist sie von großer Bedeutung?
84
Einbettung der Marketing-Ziele in eine Balanced Scorecard
12. Welche Arten von Zielbeziehungen werden unterschieden? Verdeutlichen Sie Ihre Aussagen anhand von jeweils zwei konkreten Beispielen. 13 Skizzieren Sie die Grundidee der Markenwertschöpfungskette und arbeiten Sie deren Relevanz für die heutige Markenführung heraus. 15 Beschreiben Sie die einzelnen Phasen der Markenwertschöpfungskette und definieren Sie die relevanten KPIs. Welchen spezifischen Anforderungen muss der Marketing-Mix in den einzelnen Phasen gerecht werden? 15 Warum führen „Bekanntheit“ und „Sympathie“ nicht zwangsläufig zu „Besitz“? 16 Kennzeichnen Sie das Konzept der Balanced Scorecard. Welche Dimension werden i.d.R. abgedeckt? Warum hat die Balanced Scorecard in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen? 17 Welchen Zusammenhang sehen Sie zwischen dem Konzept der Balanced Scorecard und dem Stakeholder-Ansatz? 18 Auf welchen Ebenen werden Scorecards heute eingesetzt? Warum ist eine Nutzung auf verschiedenen Unternehmensebenen sinnvoll? 19 Welche Bereiche können in einer Marketing-Scorecard abgedeckt werden? 20 Was sind die Vorteile von solchen Planungs- und Steuerungselementen? 21 Warum setzen verstärkt Consulting-Unternehmen die Markenwertschöpfungskette ein? 22 Diskutieren Sie, warum die Balanced Scorecard sich noch nicht so stark im Einsatz befindet. Was könnten mögliche Gründe dafür sein?
85
2.5
3
Marketing-Strategie
„Kreativität ohne Strategie ist wie der Kanonendonner vor der Niederlage!“ (o.V.)
Lernziele Fähigkeit...
verschiedene Strategiekonzepte kritisch zu bewerten und einzusetzen die Ausgestaltung der wettbewerbsorientierten Strategien nachzuvollziehen kundenorientierte Strategien für verschiedene Unternehmen anzuwenden unterschiedliche Konzepte der Marktsegmentierung zu kennen und einzusetzen Bedeutung übergreifender Strategien zu verstehen
3.1
Kennzeichnung von Strategie
Um die Unternehmens- und Marketing-Ziele zu erreichen, müssen diese in verschiedenen Schritten heruntergebrochen und damit konkretisiert werden. Teilweise können diese Ziele nur durch Programme erreicht werden, die auf längere Sicht angelegt sind und damit eine Grundausrichtung der Unternehmensaktivitäten fixieren. Häufig haben solche Programme, die als Strategien bezeichnet werden, eine Laufzeit von mehreren Jahren (vertiefend zum Strategiebegriff Welge/Al-Laham, 2003, S. 12-19). Strategien werden im Rahmen der strategischen Planung erarbeitet und festgeschrieben. Diese lässt sich durch folgende Merkmale kennzeichnen (vgl. Homburg/Krohmer, 2006; Bagozzi et al., 2000; Kuß/Tomczak, 2004; Braunschweig/Reinhold, 2000, S. 8-12): Langfristige Orientierung (Zeithorizont i.d.R. 3 Jahre und mehr) Ganzheitliche Betrachtung (oft des gesamten Unternehmens oder größerer Unternehmenseinheiten) Setzen von Schwerpunkten i.S. von strategischen Stoßrichtungen, die verfolgt werden sollen Entwurf von Systemen, die längerfristige Gültigkeit aufweisen (bspw. die Unternehmensorganisation oder Planungs- und Controllingsysteme) Erarbeitung von Konzepten zur langfristigen Schaffung, Sicherung und Ausschöpfung von Erfolgspotenzialen Fixierung von Rahmenbedingungen für die operative Planung Solche strategischen Entscheidungen können sich entweder auf das gesamte Unternehmen oder einzelne Funktionsbereiche oder strategische Geschäftseinheiten bezie87
3
Marketing-Strategie
hen. Zu strategischen Entscheidungen auf Unternehmensebene sind bspw. die folgenden zu zählen: Entscheidung, das Unternehmen Wacker Chemie 2006 an die Börse zu bringen; ein solcher IPO ist ein Prozess, der sich von der Idee bis zur erstmaligen Listung des Unternehmens an der Börse häufig über mehrere Jahre erstreckt. Einstieg des Unternehmens Apple mit den Produkten iPod und iPhone in den Markt der Consumer Electronics, womit eine teilweise Neuausrichtung des Konzerns einherging. Merger zwischen Daimler-Benz und Chrysler zu DaimlerChrysler sowie dessen Rückabwicklung zu Daimler 2007. Organisation der weltweiten Arbeitsteilung bei adidas in Gestalt einer virtuellen Organisation mit Abteilungen, die weltweit verteilt sind. So ist die Produktentwicklung in Portland, das Design in Tokio und New York, das Marketing in Amsterdam und die weltweite Beschaffung in Hongkong angesiedelt, während die Produktion in mehreren asiatischen Fremdunternehmen erfolgt. Im Stammhaus in Herzogenaurach sind die Abteilungen Produktmanagement und Controlling angesiedelt (Hawranek et al., 2005, S. 73f.). Entscheidung des Mischkonzerns Preussag AG, sich durch den Verkauf der Salzgitter AG und durch die Übernahme des Logistik- und Schifffahrtskonzerns HapagLloyd AG zum Dienstleistungs- und Freizeitunternehmen weiterzuentwickeln. Nach dem 2000 vollzogenen Kauf der britischen Thomson Travel Group entwickelte sich Preussag zum führenden Touristikkonzern der Welt und firmierte 2002 zur TUI AG um (Droll, 2006), die 2007 mit First Choice zur TUI Travel fusionierte. Strategische Neupositionierung der Kaufhof Warenhaus AG, um durch ein Upgrading, d.h. über eine höherwertige Positionierung des Warenangebots und der -präsentation, aus dem aggressiven Preiswettbewerb auszusteigen (vgl. Merkle, 2005; vertiefend Merkle, 2007). Entwicklung des Universalversenders Neckermann zum größten deutschen ECommerce-Händler, vor dessen Hintergrund 2006 die Umbenennung in neckermann.de erfolgte (vgl. Sommer, 2006, 37). Anhand dieser Beispiele wird deutlich, dass derartige strategische Entscheidungen nachhaltige Auswirkungen auf das gesamte Unternehmen haben und dass es teilweise vieler Jahre bedarf, um diese Entscheidungen umzusetzen. I.d.R. sind dabei mehrere oder sogar alle Unternehmensbereiche von der Umsetzung der strategischen Entscheidungen betroffen. Man spricht deshalb auch von der Corporate Strategy (vgl. weiterführend Johnson/Scholes, 2002, S. 267-269). Davon zu unterscheiden sind strategische Entscheidungen auf funktionaler Ebene, d.h. solche Veränderungen, die sich schwerpunktmäßig auf betriebliche Teilbereiche beschränken (sogenannte Business Strategy): Funktionsbereich Produktion: Verlagerung der Produktion von Deutschland in kostengünstigere östliche Länder, wie sie von den Unternehmen der sogenannten „weißen Ware“ (Kühlschränke, Waschmaschinen, Herde) – mit Ausnahme von Miele – vollzogen wurde. Funktionsbereich Beschaffung/Procurement: Aufbau eines Global Multiple Sourcing, d.h. eines Beschaffungsprozesses, bei dem – i.d.R. ab einer bestimmten 88
Kategorien von strategischen Konzepten im Marketing
Auftragshöhe – eine globale Ausschreibung zu erfolgen hat und Aufträge auf mehrere strategische Partner zu verteilen sind, um die Abhängigkeit von einzelnen Zulieferern zu reduzieren. Funktionsbereich Marketing: Einführung eines Customer Relationship Management, durch das intensivere Geschäftsbeziehungen zu den Kunden und eine One-to-One-Kommunikation, d.h. eine auf den einzelnen Kunden individuell ausgerichtete Ansprache, erreicht werden sollen. Funktionsbereich IT: Outsourcing der unternehmenseigenen IT-Abteilung, um auf diese Weise Fixkosten zu reduzieren und ggf. eine leistungsfähigere IT-Unterstützung zu erreichen. Anhand der o.g. Beispiele wird sichtbar, dass derartige strategische Entscheidungen, auch wenn sie schwerpunktmäßig nur einzelne Unternehmensbereiche betreffen, häufig auch Auswirkungen auf andere Teile des Unternehmens haben. Deshalb sollte hier eine umfassende Vernetzung der Bereichsziele erfolgen, bspw. über die bereits skizzierte Balanced Scorecard (vgl. 2.5). In Abgrenzung zur strategischen Planung lässt sich die operative Planung durch folgende Merkmale kennzeichnen (vgl. vertiefend Becker, 2001, S. 142-144): Hierarchisch der strategischen Planung untergeordnet; d.h., die operative Planung muss dazu beitragen, die strategische Planung zu verwirklichen Kurz- bis mittelfristige Orientierung (Zeithorizont i.d.R. weniger als drei Jahre, klassischerweise entspricht er einem Jahr und ist deckungsgleich mit dem Geschäftsjahr eines Unternehmens) Umsetzung von Konzepten zur Schaffung, Sicherung und Ausschöpfung von Erfolgspotenzialen Häufig wird bei der operativen Planung das vorgedacht, was von den verantwortlichen Führungskräften und Mitarbeitern als Tagesgeschäft umgesetzt werden muss.
3.2
Kategorien von strategischen Konzepten im Marketing
Die nachfolgend im Marketing-Kontext diskutierten strategischen Ansätze werden häufig auch auf Unternehmensebene und damit als Teil des strategischen Managements diskutiert (vgl. bspw. Welge/Al-Laham, 2003; Steinmann/Schreyögg, 2002; Johnson/Scholes, 2002; Rosenstiel et al., 2004). Diese Art der Überschneidung und Überlagerung ist bei strategischen Konzeptionen von Unternehmen immer dann unvermeidbar, wenn Marketing als strategische Führungskonzeption verankert ist; denn dann sind Marketing- und unternehmensbezogene Entscheidungen zwangsläufig eng miteinander verzahnt. Im strategischen Kontext wird häufig zwischen kunden- und wettbewerbsorientierten Strategien unterschieden. Während erstere die Kunden als Ausgangs- und 89
3.2
3
Marketing-Strategie
Zielpunkt der strategischen Überlegungen wählen, dominiert bei zweiteren die Abgrenzung gegenüber den im Wettbewerb um die Kunden relevanten Unternehmen. Zunächst soll das Konzept der wettbewerbsorientierten Strategien vorgestellt werden.
3.2.1 Wettbewerbsorientierte Strategien „Wenn Du den Feind kennst und Dich selbst, musst Du auch hundert Schlachten nicht fürchten. Wenn Du Dich selbst kennst, aber den Feind nicht, wirst Du für jeden Sieg auch eine Niederlage einstecken. Wenn Du weder den Feind kennst noch Dich selbst, wirst Du in jeder Schlacht unterliegen“. (Sun Tzu, zitiert nach Krause, 1996) Der Fixpunkt der wettbewerbsorientierten Strategien ist die Erzielung von komparativen Wettbewerbsvorteilen, d.h. die Erreichung einer Überlegenheit gegenüber den Konkurrenzangeboten. Hierbei handelt es sich um wahrnehmbare, wichtige und dauerhafte Nutzenvorteile gegenüber den Angebotsalternativen – aus der Perspektive der Kunden. Verborgene Wettbewerbsvorteile, die der Kunde nicht sieht (bspw. hochwertige Inhaltsstoffe, die nicht deutlich deklariert werden), oder Produktfeatures, die dem Kunden nicht wichtig sind oder die vom Wettbewerb leicht kopiert werden können (bspw. eine verlängerte Garantieleistung) stellen keine Grundlage dar, um darauf eine solide Wettbewerbsstrategie aufzubauen. Als „geistiger Vater“ einer solchen wettbewerbsorientierten Strategie wird i.d.R. Michael Porter genannt, der mit den Erstausgaben seiner Werke Wettbewerbsstrategie (1999; Erstausgabe 1980) und Wettbewerbsvorteil (2004; Erstausgabe 1985) die Diskussion um die Wettbewerbsorientierung von Marketing und Management maßgeblich prägte. Porter unterscheidet zwischen zwei Ansätzen, auf welche Weise ein strategischer Vorteil gegenüber Konkurrenzunternehmen erzielt werden kann: zum einen über eine Kostenführerschaft und zum anderen über eine Differenzierung. Die Kostenführerschaft zielt darauf ab, einen Wettbewerbsvorteil durch eine überlegende Kostenposition in Relation zu den Wettbewerbern aufzubauen. Der strategische Vorteil ist ein entsprechender Kostenvorsprung. Dagegen strebt die Differenzierungsstrategie danach, sich durch andere Leistungsmerkmale vom Wettbewerber abzuheben und als strategischen Vorteil eine Singularität aus Sicht des Käufers zu erreichen. Nach Porter können diese beiden grundsätzlichen strategischen Ansätze auf einen breiten Zielmarkt oder auf ein eng umgrenztes Marktsegment ausgerichtet sein. In Abhängigkeit dieses strategischen Zielobjektes erfolgt dann eine branchenweite oder eine fokussierte/konzentrierte Marktbearbeitung (vgl. Abb. 3/1). Diesen strategischen Ansätzen müssen die Vorgehensweisen entsprechend angepasst werden. Die umfassende Kostenführerschaft kann innerhalb der eigenen Branche 90
Kategorien von strategischen Konzepten im Marketing
Branchenweit
Strategietypen nach Porter In Anlehnung an Porter, 1999
Branchenweite Differenzierung
Branchenweite Kostenführerschaft
Singularität aus Sicht des Kunden
Konzentrierte Differenzierung
Kostenvorsprung Fokus auf ein Segment
Strategisches Zielobjekt
Abb. 3/1:
Konzentrierte Kostenführerschaft
Strategischer Vorteil
durch verschiedene Maßnahmen angestrebt werden (vgl. Porter, 1999, 2004; Homburg/Krohmer, 2006, S. 511-518; Becker, 2006, S. 370-374, 420-425). Hierzu zählen u.a.: Ausschöpfung von Erfahrungskurveneffekten Hierbei handelt es sich um das Phänomen, dass mit jeder Verdopplung der im Zeitablauf kumulierten Produktionsmenge eines Produktes ein auf dessen Wertschöpfung bezogenes Kostensenkungspotenzial der Stückkosten von 20 – 30 % einhergeht (vgl. Abb. 3/2). D.h., je größer die Menge, die ein Unternehmen vom identischen Produkt erzeugt, desto günstiger kann dessen Produktion potenziell erfolgen. Entscheidend ist hierbei, dass es sich um ein Potenzial zur Kosteneinsparung handelt, weil sich die entsprechenden Effekte nicht automatisch einstellen. Die Ursachen für die mögliche Kostensenkung liegen in generellen Lerneffekten, in verbesserten Produktionstechnologien und/oder in einer Veränderung der Produkte, die eine effizientere Produktion erlauben (vgl. Homburg/Krohmer, 2006, S. 445-451; Backhaus/Schneider, 2007, S. 105-112). Bei der Erfahrungskurve wird der gesamte Produktionszeitraum eines Erzeugnisses betrachtet, und bspw. nicht nur ein Geschäftsjahr. Am Beispiel des Flugzeugbaus wird die Relevanz dieses Effektes deutlich: Wurden für den Bau des ersten Airbus noch 280.000 Arbeitsstunden eingesetzt, waren es beim hundertsten Exemplar weniger als 100.000 (vgl. Braunberger, 2005, S. 50). Dadurch wird deutlich, dass beträchtliche Kostensenkungspotenziale „gehoben“ wurden. 91
3.2
Abb. 3/2:
Erfahrungskurveneffekt
Erfahrungskurve 12
Stückkosten k(x)
3
Marketing-Strategie
10 8
20%
6
30% 4 2 0 0
2
4
6
8
10
12
14
16
18
Ausbringungsmenge x
Vor diesem Hintergrund gibt es Unternehmen, die versuchen, große Mengen möglichst standardisierter Produkte weltweit zu vermarkten (bspw. Sportschuhe) oder gleiche Produktbestandteile zu verwenden. Für letzteres wird der im Automobilbau geprägte Begriff Plattform-Strategie (auch Baukasten-Prinzip genannt) verwendet, weil auf einer gleichen Plattform (i.S. Bodenwanne, Motoren, Getriebe, Achsen, Schaltung, Abgasanlage etc.) unterschiedliche Produkte aufgebaut sind. So werden bspw. im Volkswagen Konzern die Modelle Volkswagen Golf, Bora und New Beetle, Audi A 3 und TT, Skoda Oktavia sowie Seat Leon und Toledo zusammen auf einer gemeinsamen Plattform aufgebaut, womit entsprechende Kostenvorteilen einhergehen. In Weiterführung dieser Strategie wird von einem Komponenten-Mix bzw. einer Modulstrategie gesprochen, wenn – wie bspw. bei den Entwicklung des neuen Skoda-Modells Roomster Vorderwagen, Motoren und Antriebstechnik aus dem Polo-/Fabia-Sortiment stammen, während Hinterachse und Tank vom Golf IV übernommen werden (Wüst, 2006, S. 159). Erschließung von Skalenerträgen (auch Economies of Scale, Betriebsgrößenbzw. Größenkostenersparnisse genannt) Skalenerträge können sich mit steigender Unternehmensgröße, gemessen an der Anzahl der Mitarbeiter, der produzierten und vermarkteten Produkte sowie der Umsatzhöhe einstellen. Die Ursachen hierfür liegen bspw. in der Möglichkeit, spezialisierte und damit leistungsstärkere Produktionstechnologien einzusetzen, die zu entsprechenden Kostenvorteilen führen. Außerdem kann in größeren Unternehmen die Arbeitsteilung stärker ausgeprägt werden, wodurch – zumindest in bestimmten Dimensionen – Spezialisierungsvorteile erreicht werden können. In 92
Kategorien von strategischen Konzepten im Marketing
Summe trägt auch die Verteilung von Fixkosten auf eine größere Ausbringungsmenge entscheidend zu weiteren Kostenvorteilen bei. Eine solche Fixkostendegression kann durch die gemeinsame Nutzung von Ressourcen (bspw. von Marken, Vertriebskanälen oder Werbung) für eine breite Produktpalette sowie die Aufteilung von angefallenen F&E-Kosten (bspw. im Automobil- und Flugzeugbau oder in der Pharmaindustrie) auf eine größere Ausbringungsmenge erreicht werden. Dadurch sinkt der Anteil der Fixkosten pro Stück mit steigender Stückzahl. Gleiches gilt für die Aufteilung von Infrastrukturkosten (etwa in der Telekommunikationsbranche für den Netzaufbau oder für eine UMTS-Lizenz). Hier besteht ein großer Unterschied, ob ein in Deutschland tätiges Unternehmen die Kosten für ein flächendeckendes Mobilfunknetz auf 30 oder nur auf 10 Millionen Kunden verteilen kann. Das bedeutet konkret, dass allein die Unternehmensgröße zu Kostenvorteilen führen kann (deshalb auch der Begriff Betriebsgrößenersparnisse). Weitere Ursachen für Kostenersparnisse aufgrund der Unternehmensgröße liegen in Preisvorteilen im Einkauf (etwa auf Basis von Mengenrabatten) oder im Verkauf aufgrund einer dominierenden Marktposition. Während sich die beschriebenen Erfahrungskurveneffekte auf die gesamte Produktionsdauer eines Produktes beziehen, werden die Economies of Scale für eine Periode, i.d.R. für ein Geschäftsjahr ermittelt (vgl. Bagozzi et al., 2000, S. 833f.). Derartige Betriebsgrößenersparnisse stellen ein zentrales Argument für Unternehmenszusammenschlüsse dar, weil durch die dabei erreichbare Unternehmensgröße entsprechende Kosteneinsparungspotenziale aufgebaut werden können. Allerdings kann es ab einer bestimmten Größe auch zu Diseconomies of Scale kommen, weil die Komplexität des Unternehmens der Ausschöpfung von Größenvorteilen im Wege steht. Verzicht auf eigene F&E-(Forschungs- und Entwicklungs-)Investitionen Spezifische Unternehmen können eine Kostenführerschaft erreichen, indem sie auf eigene F&E-Bemühungen verzichten, wie dies bspw. bei den Generika-Anbietern im Pharmamarkt der Fall ist. Unternehmen wie ratiopharm, Hexal und Stada produzieren Medikamente erst dann, wenn der Patentschutz für die forschenden Pharmaunternehmen abgelaufen ist und die Substanzen frei produziert werden können. Die eingesparten Forschungsinvestitionen lassen sich im Markt als Preisvorteile an den Kunden weitergegeben. Effizientes Kostenmanagement Ein besonders effizientes Kostenmanagement kann ebenfalls zur Erreichung einer Kostenführerschaft beitragen. Dies kann bspw. durch niedrige Investitionen am POS sowie durch eine Konzentration auf schnelldrehende Produkte erfolgen, wie dies bspw. bei den Discountern Aldi und Lidl der Fall ist. Im Passagierflugverkehr wurde durch die sogenannten Low-Cost-Carrier ein neues Marktmodell mit dem sogenannten No-Frills-Ansatz („No Frills“ bedeutet „kein Schnickschnack“) eingeführt. Durch konsequente Reduktion des Angebots auf das Fliegen von A nach B haben es Unternehmen wie Ryanair, EasyJet, TUI fly, Air Berlin und Germanwings geschafft, erfolgreich in die Domäne der klassischen Fluggesellschaften ein93
3.2
3
Marketing-Strategie
zudringen und z.T. neue Kundenschichten zu erschließen. Dafür wird i.d.R. auf kostenlose Leistungen wie Zeitungen/Zeitschriften und Verpflegung an Bord verzichtet. Außerdem wurden Dienstleistungen auf Self-Service durch den Kunden umgestellt, so bspw. bei der Buchung über das Internet. Zusätzlich werden im Durchschnitt deutlich mehr Flugstunden pro Tag erreicht und gleichzeitig die Flughafengebühren durch geringere Standzeiten verringert. Bei TUI fly sind die gesamten Produktionskosten ca. 50 % niedriger als bei klassischen Wettbewerber (Keppler, 2005, S. 38). Vermeidung von marginalen Kunden Hierbei geht es um den Verzicht auf Kunden, deren Gewinnung und Bindung ein überdurchschnittlich hoher Aufwand bei gleichzeitig minimaler Wertschöpfung erfordert. Um solche Kunden „abzuschrecken“ und kostenintensive Kleinstbestellungen zu vermeiden, können Mindestbestellmengen eingeführt oder bei Versendern eine portofreie Lieferung erst ab einem bestimmten Bestellvolumen angeboten werden. Ebenso können pauschale Gebühren für Kunden eingeführt werden, die (etwa im Bankensektor) bestimmte Mindestumsätze auf ihrem GiroKonto nicht erreichen. Unternehmen können einzelne oder mehrere der o.g. Faktoren zur Erreichung einer Kostenführerschaft anstreben. Das Unternehmen Dell kann als Beispiel für die Umsetzung einer Kostenführerschaftsstrategie genannt werden, weil bis zum Jahr 2007 durch den Direktvertrieb keine Drittpartner in den Vertrieb eingebunden wurden und durch eine „Production on Demand“ Lagerrisiken vermieden bzw. auf Zulieferer abgewälzt wurden. Auf diese Weise konnte Dell ein ausgewogenes Preis-LeistungsVerhältnis anbieten, eine Strategie, die dieses Unternehmen bis 2006 zum weltweit größten Computer-Hersteller gemacht hat – vor Hewlett-Packard und Lenovo/IBM; 2007 ging die Marktführerschaft von Hewlett-Packard verloren. Im Handel können die Discounter Aldi und Lidl als Beispiele für eine konsequente Umsetzung der Kostenführerschaftsstrategie genannt werden. Durch eine Konzentration des Sortiments auf Schnelldreher, d.h. auf Produkte (häufig nur 1.000 – 1.200 verschiedene Artikel), die sich in kurzer Zeit verkaufen und deshalb auch in großen Volumina beschafft werden, durch den Verzicht auf qualifiziertes Verkaufspersonal und eine schlichte Ladengestaltung haben sie einen entscheidenden Kostenvorteil erreicht, den sie konsequent an die Kunden weitergeben können – und dies mit Erfolg (vgl. vertiefend Brandes, 2004). Im Jahre 2005 gab jeder Privathaushalt in Deutschland durchschnittlich € 1.133 für Güter des täglichen Bedarfs bei DiscountUnternehmen aus, das sind € 12 mehr pro Haushalt als 2004. Die Gesamtausgaben der privaten Haushalte für diese Güter sank dagegen um rund € 100 auf € 3.200. Dadurch wuchs der Discounter-Anteil von 34 auf 35,4 % (ACNielsen, 2006). Im Biermarkt setzt Oettinger die Kostenführerschaftsstrategie konsequent um. Unter Verzicht auf jegliche Werbung, durch die Nutzung einer einzigen Flaschenvariante für verschiedenste Biersorten sowie durch eine Konzentration des Vertriebs auf die umsatzstarken Handelsformate, die direkt ab Brauerei beliefert werden, hat Oettinger die Kostenführerschaft erreicht. Aufgrund dessen kann Oettinger im Billigsegment seine Produkte zum halben Preis im Vergleich zu den etablierten Premium-Marken 94
Kategorien von strategischen Konzepten im Marketing
anbieten. Hierdurch wurde 2005 die Marktführerschaft auf dem deutschen Biermarkt erzielt (Petering, 2005). Die Optiker-Kette Fielmann hat mit ihrer Niedrigpreisstrategie erreicht, dass inzwischen jede zweite Brille in Deutschland dort erworben wird (o.V., 28.4.2006, S. 21). Die aufgezeigten Beispiele unterstreichen, dass die Kundentreue an den Preisvorteil des Anbieters gebunden ist und damit eher durch rationale, kaufmännische Überlegungen verursacht wird. Dies hat zur Konsequenz, dass derartige Kunden, die häufig auch als Smart Shopper, d.h. als besonders clevere Kunden, bezeichnet werden, schnell zu einem Wechsel zu motivieren sind, wenn ein anderer Anbieter ein noch besseres Preis-Leistungs-Verhältnis bietet (vgl. grundlegend Neuhaus, 2001). So weisen i.d.R. auch die Kunden der Low-Cost-Carrier keine hohe Kundenloyalität auf, sondern suchen im Internet nach dem günstigsten Anbieter für eine bestimmte Destination. Nicht zuletzt um diesem Verhalten vorzubeugen, hat Germanwings 2006 das Kundenbindungsprogramm Boomerang Club gestartet. Im Gegensatz zur Kostenführerschaftsstrategie stehen bei der Differenzierungsstrategie die Kosten nicht im Mittelpunkt. Zur Erreichung der gewünschten Differenzierung können Unternehmen eine Vielzahl von Handlungsoptionen nutzen. Zu den wichtigsten Ansätzen, um sich von den Wettbewerbern zu unterscheiden, gehören die Folgenden (vgl. Porter, 1999; Meffert, 2000, S. 269-272; Nieschlag et al., 2002, S. 190-192; Welge/Al-Laham, 2003, S. 289-392): Aufbau einer starken Marke bzw. Markenpersönlichkeit Eine starke Marke kann gegenüber den Wettbewerbern abschirmen, weil sich Kunden an die Marke binden, die ihnen einen einzigartigen „Benefit“ i.S. eines Kundennutzen bietet (etwa ein Montblanc-Füller, das Parfum Chanel Nr. 5 oder eine Seven-Jeans). Aufgrund der starken Imageposition dieser Produkte können diese nur schwer von Wettbewerbern kopiert werden, so dass Kunden i.d.R. auch Preiserhöhungen leichter akzeptieren, weil aus ihrer subjektiven Sicht keine echten Alternativen existieren. Nutzung leistungsfähiger/überlegender Technologie Unternehmen wie Henkel, BASF, Siemens, BMW, Audi und Bosch positionieren sich in den von ihnen bedienten Märkten als Innovations- und Technologieführer. Durch diesen Zugang zu den neuesten Erkenntnissen versuchen sie, sich von ihren Wettbewerbern abzuheben und ihre Kunden an sich zu binden. Aufbau einer spezifischen Design-Kompetenz Der Name Sony stand lange für eine überlegene Design-Kompetenz, die in den letzten Jahren in Teilbereichen, u.a. an Apple, verloren ging. Auch Bang&Olufsen und Tod´s positionieren sich mit ihrem Design im Premium-Bereich und haben dadurch überzeugte Anhänger gefunden. Inszenierung der Warenpräsentation Peek & Cloppenburg versteht es, in seinen Häusern für den Kleidungskauf eine spezifische Erlebniswert durch einen regelrechten „Markentempel“ aufzubauen, in dem kaum ein Wunsch nach hochwertigen Bekleidungslabels unerfüllt bleibt (von Armani über Baldessarini, René Lezard und van Laack bis windsor). Verbunden 95
3.2
3
Marketing-Strategie
mit einer hohen Beratungsqualität erfolgt hierdurch eine deutliche Differenzierung gegenüber Anbietern wie H&M, C&A oder SinnLeffers. Schaffung einer einzigartigen Servicequalität Der Erfolg der Hotelkette Ritz-Carlton ist in hohem Maße auf den exzellenten Service zurückzuführen, den der Kunde hier erfährt. Dabei ist eine Austauschbarkeit des Angebotes aus Sicht des Kunden nur eingeschränkt möglich, wenn auf die spezifischen Vorteile einer exzellenten Betreuung nicht verzichtet werden soll (vertiefend zu Ritz-Carlton Kreutzer, 2007d). Gemäß Porter (1999, S. 66) schirmt eine so ausgerichtete Differenzierung gegen dem Wettbewerb ab, weil die Kunden emotional an die Marke bzw. den Anbieter gebunden werden und damit auch die Preisempfindlichkeit reduziert wird. Gleichzeitig geht damit i.d.R. eine Erhöhung der Ertragsspanne für das anbietende Unternehmen einher, wodurch die Notwendigkeit entfällt, ein extremes Kostenmanagement zu betreiben. Die erreichte „Einzigartigkeit“ des Angebotes schafft gegenüber den Wettbewerbern wichtige Markteintrittsbarrieren, da die Kunden durch ein alternatives Angebot erst mühsam „erobert“ werden müssen. Auch gegenüber Ersatzprodukten kann durch eine erfolgreiche Differenzierung eine gewisse Immunisierung erreicht werden. Nach Porter kann sowohl die Kostenführerschafts- wie auch die Differenzierungsstrategie entweder auf den Gesamtmarkt ausgerichtet sein, oder sich auf Schwerpunkte (Nischen) konzentrieren, die sich bspw. durch folgende Kriterien bestimmen lassen: Auswahl bestimmter Abnehmergruppen Konzentration auf einen Teil des „üblichen“ Angebotsprogramms Fokus auf einen geographisch abgegrenzten Markt Ein Beispiel für die Differenzierungsstrategie mit Fokus auf ein Kundensegment stellt bspw. die Dr. Hauschka Kosmetik der Wala GmbH dar, die sich auf Naturkosmetik spezialisiert haben. Dass es sich hierbei um eine Nischenstrategie handelt, wird daran deutlich, dass der Gesamtumsatz für Naturkosmetik in Deutschland auf € 300 – 700 Millionen geschätzt wird, verglichen mit dem Kosmetik-Gesamtmarkt in Höhe von ca. € 11 Milliarden (Bluhm, 2006, S. 35). Damit hat die Naturkosmetik nur einen Anteil von 3 – 6,4 % am gesamten Kosmetikmarkt. Auch die Automobilhersteller Lamborghini, Bentley und Rolls-Royce konzentrieren sich mit der Fertigung von Sportwagen bzw. extrem hochwertigen Fahrzeugen auf ein kleines Marktsegment und versuchen nicht, unter der gleichen Marke auch Modelle für den Massenmarkt herzustellen. In Deutschland haben viele Brauereien ihren Aktionsschwerpunkt nur auf ein lokales Einzugsgebiet konzentriert. Sie scheuen den kostenintensiven „Auftritt“ auf der nationalen Bühne gegen starke Marken wie Krombacher, Jever oder König-Pilsner. Eine solche Konzentrationsstrategie folgt der Prämisse, dass die strategische Ziele des Unternehmens durch eine solche Konzentration auf Teilmärkte besser erreicht werden können als bei einer Abdeckung des Gesamtmarktes. Der skizzierte Strategieansatz von Porter wurde vielfach kritisch hinterfragt (vgl. u.a. Becker, 2006, S. 372-374; Fritz/Oelsnitz, 2006, S. 135f.). Zum einen ist darauf hinzuweisen, dass sich Differenzierung und Kostenführerschaft auf zwei verschiedene Betrachtungsebenen beziehen: Während die Kostenführerschaft den Fokus auf die 96
Kategorien von strategischen Konzepten im Marketing
Erreichung einer überlegenen Kostenposition legt, liegt der Fokus bei der Differenzierung auf den Kunden. Dabei werden folglich zwei unterschiedliche Perspektiven miteinander verwoben. Zusätzlich ist festzustellen, dass eine Differenzierung des Leistungsangebots auch durch eine überragende Kosten- und damit Preisposition erreicht werden kann, wie die o.g. Beispiele unterstreichen. Folglich schließen sich die Verfolgung einer Differenzierungs- und einer Kostenführerschaftsstrategie nicht gegenseitig aus, sondern können gleichzeitig umgesetzt werden. Wenn adidas durch seinen Global Sourcing Ansatz, d.h. durch eine international ausgerichtete, kostenorientierte Beschaffungspolitik, Kostenvorteile erwirtschaftet, kann dies mit dem Aufbau einer starken Markenpersönlichkeit mit entsprechendem Differenzierungspotenzial gut vereinbar sein. Ein auf Differenzierung ausgerichteter Investitionsgüteranbieter kann durch ein Baukasten-Prinzip sicherstellen, dass im Fertigungsbereich durch eine hohe Gleichteilequote eine Kostenführerschaft und gleichzeitig eine hohe Individualisierung des Angebotes erreicht wird. Hier wird z.T. auch von einem Outpacing (i.S. des „Ausstechens der Wettbewerber“) gesprochen, indem Wettbewerbsvorteile auf mehreren Wegen angestrebt werden (vgl. zu diesem Outpacing-Ansatz insb. Gilbert/Strebel, 1987). Es kann deshalb für Unternehmen m.E. ein sinnvolles Konzept sein, einen Markt bspw. durch eine qualitative Überlegenheit des Angebotes zu erobern und die Marktposition dann über den Aufbau einer Kostenführerschaft abzusichern (vgl. Abb. 3/3).
Abb. 3/3:
Stoßrichtung einer wettbewerbsstrategischen Überholstrategie In Anlehnung an Becker, 2006, S. 374
Strategischer Vorteil
Phase 2 Kostenführer Kosten- und Qualitätsführerschaft
Phase 1 Kostenführer
o erh Üb
a lstr
ie teg
Qualitätsführer
Qualitätsführerschaft Qualitätsführer Zeit
97
3.2
3
Marketing-Strategie
Im folgenden Kapitel wird deutlich, dass der Porter-Ansatz sich komplett auch in das Konzept der kundenorientierten Strategien von Becker (2006) integrieren lässt und die vorhandenen Unschärfen dadurch überwunden werden können.
3.2.2 Kundenorientierte Strategien Der maßgeblich durch Becker (2006) geprägte Ansatz der kundenorientierten Strategien stellt nicht die Wettbewerber, sondern die Kunden in den Mittelpunkt der strategischen Konzeption. Dabei werden vier miteinander verwobene Entscheidungsebenen definiert, auf denen das Unternehmen Entscheidungen bzgl. der angestrebten strategischen Position treffen muss (vgl. Abb. 3/4).
Abb. 3/4:
Kundenorientierte Strategien
Marktfeld-
Marktstimulierungs-
strategie
strategie
Kundenorientierte Strategien
Marktparzellierungs-
Marktareal-
strategie
strategie
3.2.2.1 Marktfeldstrategie Die Grundlage der Diskussion über alternative Marktfeldstrategien stellt die von Ansoff (1966) geprägte Produkt-Markt-Matrix dar (vgl. Abb. 3/5). Orientiert an den Kriterien „Produkte“ und „Märkte“ mit den jeweiligen Ausprägungen „bestehende“ und „neue“ können vier unterschiedliche Felder identifiziert werden, auf denen sich ein Unternehmen bewegen kann. Die skizzierten strategischen Stoßrichtungen können dabei sowohl für die Erarbeitung einer Expansions-, wie auch für den Entwurf einer Rückzugsstrategie für ein Unternehmen genutzt werden. Im Kern geht es um die 98
Kategorien von strategischen Konzepten im Marketing
Frage, in welchen Marktfeldern ein Unternehmen tätig sein möchte. Das Feld „bestehende Produkte/Märkte“ stellt bei dieser Betrachtung den Ausgangspunkt dar; die Pfeile kennzeichnen die Entwicklungsrichtung bei einer Expansionsstrategie.
Abb. 3/5:
Produkt-Markt-Matrix In Anlehnung an Ansoff, 1966
Produkte
bestehende neue
Märkte
bestehende
neue
Marktdurchdringung
Produktentwicklung
Marktentwicklung
Diversifikation
Marktdurchdringung Eine Konzentration auf dieses Feld der Matrix hat das Ziel, den bereits bearbeiteten Markt mit dem vorhandenen Produktprogramm noch stärker zu penetrieren. Zur Erreichung dieses Vorhabens gibt es unterschiedliche Ansatzpunkte (vgl. Kotler/ Bliemel, 2001, S. 127; Becker, 2006, S. 149-152): Erhöhung der Verwendungsrate des Produktes beim Kunden Durch Werbung kann bspw. ein Shampoo als „Shampoo für jeden Tag“ dargestellt werden. Dadurch kann die Verwendungsintensität und entsprechend der Umsatz für das angebotene Produkt steigen. Auch die ursprünglich vom Uhrenhersteller Swatch geprägte Zielsetzung, zu jedem Event die passende Uhr zu tragen, hat in der Kernzielgruppe dazu geführt, das nicht nur eine, sondern mehrere Swatch zur „Grundausstattung“ gehörten. Ein anderer, teilweise kritisch zu bewertender Ansatz besteht darin, den Ersatzbedarf durch die sogenannte künstliche Obsoleszenz/Veralterung zu beschleuni99
3.2
3
Marketing-Strategie
gen. Hierbei werden in Produkte sogenannte Sollbruchstellen eingebaut, die das Produkt – vor der eigentlich zu erwartenden Lebensdauer – entwerten und somit einen Neukauf auslösen sollen. Entscheidend trägt auch die Mode zur Veralterung von Produkten bei, weil Stoffe, Farben oder Schnitte unmodern werden, auch wenn eine Nutzbarkeit u.U. noch über mehrere Jahre möglich wäre. Zur Erhöhung der Verwendungsrate kann auch eine Vergrößerung der Verkaufseinheiten beitragen. Durch größere Darreichungsformen, seien es das 750Gramm-Glas von nutella oder die Super Size-Menüs der Fastfood-Anbieter, soll über die verkaufte Menge des Produktes gleichzeitig der entsprechende Konsum gesteigert werden. Damit können allerdings auch kritische „Nebenwirkungen“ einher gehen. So wurden bspw. die bei McDonald´s verkauften Portionen von Pommes Frites und Softdinks kontinuierlich so gesteigert, dass eine durchschnittliche Fastfood-Mahlzeiten heute fast schon den Kalorienbedarf von drei normalen Mahlzeiten deckt – mit entsprechenden Konsequenzen auf das Körpergewicht (zu einer kritischen Analyse vgl. Spurlock, 2006). Abwerbung von Kunden der Wettbewerber Ein ergänzender Ansatz kann darin bestehen, im definierten Markt gezielt Personen anzusprechen, die bisher nicht zu den eigenen Kunden zählen. Dies können Kunden der Wettbewerber sein, die etwa durch eine aggressive Preispolitik anzusprechen sind. Oder es werden neue Vertriebswege eingebunden, um Kunden zu gewinnen, die ihren Bedarf bisher über andere Kanäle gedeckt haben. So können OnlineAnbieter Verkaufsstätten eröffnen oder klassische Handelsformate das Internet für den weiteren Vertrieb einsetzen. Einen solchen Schritt zur Gewinnung von Wettbewerbskunden wurde 2005 von mehreren Markenartiklern vollzogen (u.a. Procter&Gamble, Henkel und Nestlé), indem diese ihre Produkte z.T. erstmals über den Vertriebsweg Discounter angeboten haben. Um nicht auf einen immer größeren Teil des Marktes verzichten zu müssen, änderten diese Hersteller ihre Vertriebsstrategie (Bernau, 2005, S. 45). Gewinnung von bisherigen Nicht-Verwendern Zusätzlich kann versucht werden, bisherige Nicht-Verwender der vertriebenen Angebote zum Erwerb zu motivieren. So kann bspw. von Fast Food-Unternehmen werblich herausgestellt werden, dass bestimmte Menüs auch anspruchsvollen Ernährungsanforderungen gerecht werden, oder ein Bekleidungsunternehmen kommuniziert, dass es in bestimmten Kundensegmenten als „chic“ gilt, ein bestimmtes Produkt zu besitzen. Auch Preisanpassungen oder das Angebot von Finanzierungen beim Kauf von langlebigen Konsumgütern oder von Urlaubsreisen kann dazu beitragen, Kundenkreise zu erschließen, die bisher aus Kostengründen auf einen Kauf verzichtet haben. Schließlich tragen alle Formen von Werbung und Verkaufsförderung, die die vorhandenen Produkte stärker im bestehenden Markt verankern sollen, dazu bei, dort eine Steigerung von Umsatz, Absatz und/oder Marktanteil zu erreichen (vgl. vertiefend 4.4.3). Produktentwicklung Bei diesem Marktfeld geht es um die Frage, das bestehende Angebotsprogramm im bereits bisher bearbeiteten Markt auszuweiten (vgl. Kotler/Bliemel, 2001, S. 128; Becker, 100
Kategorien von strategischen Konzepten im Marketing
2006, S. 156-164). Dies kann durch die Weiterentwicklung bestehender Produkte, durch die Ausweitung der Produktpalette u.a. erfolgen. Diese Themenfelder werden in Abschnitt 4.1 als Kernbestandteil der Produkt- und Programmpolitik intensiv diskutiert. Marktentwicklung Bei der Marktentwicklung können zwei zentrale Ansatzpunkte identifiziert werden, um mit den bestehenden Produkten höhere Umsätze zu erreichen und neue Märkte zu erschließen (vgl. Kotler/Bliemel, 2001, S. 127f.; Becker, 2006, S. 152-156): Gewinnung bisher nicht abgedeckter Absatzräume im Kernabsatzgebiet Hierzu gehört u.a. das Schließen von weißen Flecken, d.h. von Regionen im bisherigen Kernabsatzgebiet, die aufgrund der bestehenden Dichte an Vertriebsstätten nicht erreicht wurden. Durch die Erhöhung der Anzahl gleichartiger Vertriebsstätten, wie es bspw. der Textildiscounter KiK momentan unternimmt, wird der Markt für das bereits vorhandene Produktangebot entsprechend entwickelt (vgl. o.V., 1/2006, S. 116). Erschließung von funktionalen Zusatzmärkten („Funktionserweiterungen“) Um neue Märkte zu gewinnen, kann die Produkteignung erweitert werden. Dies kann dadurch gelingen, dass ein für eine bestimmte Zielgruppe entwickeltes Produkt werblich für weitere Kundengruppen angeboten wird (bspw. Kinderschokolade oder Penaten-Produkte für Erwachsene). Auch die Positionierung von Original-HippProdukten als ideales Nahrungsmittel für die „Frau um die 30“ stellt ein Beispiel für dieses Vorgehen dar. Die in den dreißiger Jahren von HARIBO vorgenommene Positionierung HARIBO macht Kinder froh wurde Mitte der sechziger Jahre um den Zusatz und Erwachsene ebenso ergänzt, um sich auch diesen Zielmarkt für das bestehende Produktprogramm zu erschließen (Haribo, 2007). Die Marktentwicklung, z.T. auch als Market Stretching bezeichnet, strebt zusammenfassend zweierlei an. Zunächst sollen New Users erreicht werden, um durch neue Verwender für bestehende Produkte die Abnehmerbasis zu verbreitern. Außerdem sollen New Uses i.S. von neuen Einsatzfeldern oder Verwendungszwecken für vorhandene Produkte, die z.T. mit Funktionserweiterungen der vorhandenen Produkte einhergehen, erreicht werden (Becker, 2006, S. 154). Diversifikation Mit einer Diversifikation, d.h. mit dem Eintritt von neuen Produkten in neue Märkte können Unternehmen nicht nur Wachstumsoptionen ausschöpfen, sondern auch das Risiko ihrer Aktivitäten streuen. Ist ein Unternehmen in verschiedenen Märkten mit unterschiedlichen Angeboten vertreten, können rezessive Entwicklungen in einem Markt durch starkes Wachstum in anderen Märkten ausgeglichen werden. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die nachfolgend beschriebenen Diversifikationsstrategien auch mit Risiken verbunden sind. Je weiter die neuen Aktivitätsfelder vom bisherigen Tätigkeitsschwerpunkt entfernt sind, desto größer ist das unternehmerische Risiko, wenn im Unternehmen nur unzureichende Kenntnisse über die entsprechenden 101
3.2
3
Marketing-Strategie
Märkte und deren Erfolgskonzepte vorliegen (vgl. Kotler/Bliemel, 2001, S. 129; Becker, 2006, S. 164-174; grundlegend Jacobs, 1991): Horizontale Diversifikation Bei dieser Strategie wird das bestehende Produktprogramm um verwandte Produkte auf der gleichen wirtschaftlichen Leistungsstufe (deshalb „horizontal“) ergänzt und eine tendenziell gleiche Abnehmerschaft angesprochen. Das Unternehmen agiert folglich weiterhin auf der gleichen Wirtschaftsstufe wie bisher, so dass m.E. keine echte Diversifikation vorliegt, sondern eher eine Erweiterung des Produktprogramms. Vertikale Diversifikation Bei dieser Variante integriert ein Unternehmen vor- oder nachgelagerte Produktions-/Vermarktungsstufen. D.h. konkret, dass das Unternehmen auf einer anderen Wirtschaftsstufe aktiv wird. Wenn Benetton als Textilhersteller beginnt, eigene Schafherden zur Gewinnung von Wolle zu unterhalten, handelt es sich um eine vertikale Diversifikation. In diesem Fall spricht man von einer Rückwärtsintegration, weil eine aus Kundensicht dem eigenen Tätigkeitsfeld rückgelagerte Produktionsstufe integriert wird. Wenn der Kosmetikhersteller Beiersdorf im Jahr 2006 damit beginnt, das erste Nivea-Haus in Hamburg zu eröffnen, um über diesen Weg die Produkte der Nivea-Familie zu vermarkten und Dienstleistungen im Wellness-Segment (u.a. Kosmetik-Anwendungen und Massagen) anzubieten, dann handelt es sich ebenfalls um eine vertikale Diversifikation. Diese wird Vorwärtsintegration genannt, da auf dem Weg zum Kunden eine vorwärts angesiedelte Wirtschaftsstufe (hier die Handelsfunktion) integriert wird. Gleichzeitig beinhaltet dieser Schritt Elemente einer lateralen Diversifikation, da Beiersdorf in ein neues Dienstleistungsfeld vorstößt (o.V., 8.5.2006, S. 22). Laterale Diversifikation Bei dieser Form handelt es sich um eine Diversifikation im engeren Sinne, weil damit ein Vorstoß in völlig neue Produkt- und Marktbereiche verbunden ist. Hier besteht kein sachlicher Zusammenhang zum bisherigen Tätigkeitsschwerpunkt. Ein interessantes Beispiel für verschiedene Diversifikationen liefert die heutige KarstadtQuelle AG. So erwarb die Karstadt AG 1977 die Mehrheit an der Neckermann Versand AG. Damit fasste der im Einzelhandel tätige Warenhauskonzern im Versandhandel Fuß und bediente mit ähnlichen Produkten auf der gleichen Wirtschaftsstufe (als Handelsunternehmen) eine vergleichbare Zielgruppe. Somit handelt es sich hier um eine horizontale Diversifikation. 1997 gründete die Karstadt AG zusammen mit der Deutschen Lufthansa AG ein gemeinsames Touristik-Unternehmen, die Thomas Cook AG. Hierbei handelt es sich um eine laterale Diversifikation, da man mit neuen Produkten auf neuen Märkten tätig wurde. 1999 fusionierten Karstadt und Quelle zur KarstadtQuelle AG. 2001 übernimmt KarstadtQuelle verschiedene weitere Spezialversender und den Textilfilialisten SinnLeffers als weitere horizontale Diversifikationen und gründet als laterale Diversifikation die KarstadtCoffee GmbH, ein Joint Venture mit Starbucks. Mit dem Erwerb des DSF (Deutsches Sport Fernsehen) erfolgt in 2003 eine weitere laterale Diversifikation. 102
Kategorien von strategischen Konzepten im Marketing
Diese hier nur ausschnittsweise aufgezeigten vielfältigen Diversifikationen des Konzerns waren eine der Ursachen für die finanzielle Schieflage des Konzerns, die einschneidende Sanierungsmaßnahmen erforderte und u.U. zum Verkauf der Starbuckssowie der DSF sowie weiterer Beteiligungen in den Jahren 2004 bis 2007 führte – getreu dem Motto: „Konzentration aufs Kerngeschäft“ (KarstadtQuelle, 2007). Die verschiedenen Diversifikationsformen sind in Abb. 3/6 am Beispiel eines Kosmetikherstellers dargestellt. Eine horizontale Diversifikation kann bspw. durch den Einstieg in die Parfumproduktion oder durch den Kauf eines anderen Herstellers von kosmetischen Produkten erfolgen, der eine andere Zielgruppe anspricht. So erwarb L´Oreal 2004 die chinesische Hautpflegemarke Yue-Sai (L´Oreal, 2006). Eine vertikale Diversifikation kann einerseits durch die Aufnahme der Rohstoffherstellung (Rückwärtsintegration) und andererseits durch den Aufbau eigener Verkaufsstellen (Vorwärtsintegration) erfolgen. Eine laterale Diversifikation erfolgt bspw. dann, wenn dieser Kosmetikhersteller eine Kooperation mit einem Nahrungsmittelkonzern eingeht, um Nahrungsmittel mit kosmetischer Wirkung herzustellen. Dieser Weg wurde von L´Oreal durch eine Joint Venture mit Nestlé beschritten, um gemeinsam Nahrungsergänzungsmittel mit kosmetischer Wirkung zu entwickeln und zu vermarkten (L´Oreal, 2002). Diese Produkte werden unter der Marke innéov nutricosmetics in Apotheken vertrieben.
Abb. 3/6:
Formen der Diversifikation
vertikale Diversifikation
Kooperation mit Nahrungsmittelkonzern zur Fertigung von Nahrungsmitteln mit kosmetischer Wirkung
Einstieg in die Rohstoff herstellung Beteiligung an einem Kosmetikhersteller
Kosmetikahersteller
laterale Diversifikation
Aufnahme der Fertigung von Parfum
horizontale Diversifikation
Aufbau eigener Verkaufsstellen
103
3.2
3
Marketing-Strategie
3.2.2.2 Marktstimulierungsstrategie Während es bei der Marktfeldstrategie darum geht, in welchen Produkt-Markt-Kombinationen das Unternehmen tätig sein möchte, legt die Marktstimulierungsstrategie fest, in welcher Art und Weise die Marktbeeinflussung und -steuerung und damit quasi die „Stimulierung der Zielpersonen zum Kauf“ erfolgen soll. Hierzu stellt sich zunächst die Frage, in welcher Weise sich Märkte aufteilen lassen, um dann eine Schichten-strategische Einpassung des Unternehmens im Markt vorzunehmen. Diese Ausrichtung wird durch die Schichten-adäquate Ausgestaltung eines Marketing-Mix auf der operativen Ebene konkretisiert (vgl. vertiefend Becker, 2006, S. 179-182). Klassischerweise wird von einem wie in Abb. 3/7 dargestellten Schichtenmodell ausgegangen.
Abb. 3/7:
Klassisches Schichtenmodell eines Marktes In Anlehnung an Becker, 2006, S. 181
Höchste Preis-Qualitäts-Lage - Premium-Käufer - extrem hohes Anspruchsniveau Obere Preis-Qualitäts-Lage - Marken-Käufer - hohes Anspruchsniveau
Top Markt
Oberer Markt
Mittlere Preis-Qualitäts-Lage - Handelsmarken-/Promotion-Käufer - mittleres Anspruchsniveau
Mittlerer Markt
Untere Preis-Qualitäts-Lage - Handelsmarken-/No-Namesbzw. Preis-Käufer - niedrigeres Anspruchsniveau
Unterer Markt
In diesem Schichtenmodell lassen sich die Premium- und Marken-Käufer von den Promotion- und Preis-Käufern unterscheiden, für die jeweils unterschiedliche Stimulierungsstrategien abzuleiten sind. Die Bandbreite reicht von der dominanten Präferenz-Strategie (auch „Premium-Strategie“) über die Mittellagen-Strategie zur dominanten Preis-Mengen-Strategie, die sich in bestimmten Preispromotion-Aktionen oder in einer Dauer-Niedrigpreisstrategie niederschlagen kann, wie sie bei vielen Handelsmarken und No-Names-Produkten eingesetzt wird (auch „Economy-Strategie“). Entscheidend für die Positionierung ist die vom Unternehmen angestrebte „relative“ Position im Markt, d.h. die Positionierung im Wettbewerberumfeld (vgl. Abb. 3/8). 104
Kategorien von strategischen Konzepten im Marketing
Relative Qualität niedrig mittel hoch
Abb. 3/8:
Raster zur Ausgestaltung der Marktstimulierungsstrategie In Anlehnung an Homburg/Krohmer, 2006, S. 536; Becker, 2006, S. 181
Dominante PräferenzStrategie/ „Premium-Strategie“
(Marktpotenzial wird nicht ausgeschöpft)
Mittellagen-Strategie/ „Mittelklasse-Strategie“
Dominante PreisMengen-Strategie/ „Economy-Strategie“ niedrig
(Übervorteilung der Kunden)
mittel Relativer Preis
hoch
Bei der Kombination „relativ hohe Qualität und relativ niedriger Preis“ wird das vorhandene Marktpotenzial ggf. nicht umfassend ausgeschöpft wird. Sie kann allerdings, etwa als Ausdruck eines Outpacing-Ansatzes, eine interessante Zwischenstrategie sein, um sich – bspw. aus dem niedrigeren Preis-Qualitäts-Segment kommend – in höherpreisige Marktsegmente zu entwickeln. Die Gegenposition, „relativ niedrige Qualität und relativ hoher Preis“, kann tendenziell kein langfristig erfolgreiches Agieren des Unternehmens in Wettbewerbsmärkten sicherstellen. Durch Erlebnisse des Kunden oder durch vergleichende Warentests, bspw. der Stiftung Warentest, kann eine derartige Position transparent werden und zu dauerhaften Kundenabwanderungen führen. Welche relative Position im Markt jeweils angestrebt wird, ist das Ergebnis von strategischen Entscheidungen des Unternehmens. Es gibt Unternehmen bzw. Konzerne, die durch den parallelen Einsatz von mehreren Marken- bzw. Angebotsformen unterschiedliche Marktstimulierungsstrategien verwenden. Die Accor-Hotelgruppe bspw. hat mit Sofitel ein Angebot im unteren Premium-Segment, fährt mit Mercure und Novotel eine Mittelklasse-Strategie und hat mit IBIS, Etap und Formel 1 sogar drei Angebote in der Economy-Klasse. Die Metro Group hat mit Saturn und MediaMarkt zwei Elektrofachmärkte im gleichen Segment preislich aggressiv positioniert, um den Markt zu dominieren. Analysiert man den Markt der in Europa agierenden Fluggesellschaften, dann wird deutlich, dass mit den Low-Cost-Carriern eine ganz neue Form von „EconomyStrategie“ gestartet wurde. In Europa wurde dieses Segment 1985 durch die irische Fluggesellschaft Ryanair eröffnet und hat in den letzten Jahren kontinuierlich an Bedeutung gewonnen. Dies dokumentieren die Anzahl der in diesem Segment tätigen 105
3.2
3
Marketing-Strategie
Fluggesellschaften sowie das kontinuierlich steigende Passagieraufkommen. Fluggesellschaften wie Lufthansa und AirFrance/KLM sind in der Mittellage angesiedelt, während das Premium-Segment durch Gesellschaften wie Cathay Pacific, Quantas Airways, Emirates und Singapore Airlines dominiert wird (o.V., 6.6.2005). Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt, dass die beschriebene Aufteilung der Märkte in unterschiedliche Schichten zwar nach wie vor Bedeutung hat (vgl. Abb. 3/7), dass sich diesen aber nicht mehr in sich homogene Konsumentengruppen zuordnen lassen. Es zeigt sich, dass ein Kundentypus entstanden ist, der als hybrider Konsument bezeichnet wird (vgl. Diller, 2003, S. 248-251; Boltz, 1999, S. 195199). „Hybrid“ steht dabei für „gemischt i.S. von zweierlei Herkunft“. Ein hybrider Konsument kauft morgens bei Aldi ein, um ein paar Cent zu sparen, und gibt am Nachmittag für eine Edeljeans von Seven € 200 aus oder gönnt sich ein Essen in einem Top-Restaurant. Da sich die Kunden, die in den verschiedenen Marktschichten agieren, vermischt haben, werden diese auch Cross-Shopper genannt (Frank/Schuster, 2006, S. 117). Abb. 3/9 zeigt diese Entwicklung deutlich auf, denn hier wird sichtbar, dass auch qualitätsorientierte Konsumenten in sehr hohem Maße bei Discountern einkaufen.
Abb. 3/9:
106
Hybrides Kaufverhalten Quelle: AWA, 2006
Kategorien von strategischen Konzepten im Marketing
Die aufgezeigte Entwicklung geht mit einer weiteren Verschiebung innerhalb der Märkte einher. Während früher der „mittlere Markt“, den Unternehmen mit einer „MittelklasseStrategie“ bedient haben, den größten Umsatzanteil aufwies, ist in den letzten Jahren eine Polarisierung der Märkte zulasten dieser Mitte festzustellen. In vielen Branchen, von Lebensmitteln bis hin zu Bekleidung ist das sogenannte Verlust-in-der-Mitte-Phänomen festzustellen (Becker, 2001, S. 359-361). Konkret bedeutet dies, dass einerseits der „Topbzw. obere Markt“ und andererseits der „untere Markt“ wachsen – zulasten der Unternehmen und Produkte, die in der Mittellage positioniert sind. Bei Unternehmen, die in der Mittellage angesiedelt positioniert sind, spricht man vom Stuck-in-the-Middle. Beispiele hierfür liefern etwa die Universalversender (wie Otto, Quelle und Neckermann) oder die Großvertriebsformate des Einzelhandels (insb. Warenhäuser wie Karstadt), die weder „richtig preiswert“ noch „richtig gut“ sind und aufgrund dieser „Durchschnittspositionierung“ in den letzten Jahren beträchtlichen Umsatz an höherwertige bzw. spezialisierte Vertriebsformen (wie etwa Douglas) sowie an die Discounter (neben Aldi und Lidl auch an KiK etc.) verloren haben. Vor diesem Hintergrund ist die strategische Neupositionierung von Kaufhof zu sehen, die unter dem Slogan „Mehrwert statt billig“ eine konsequente Upgrade-Strategie fährt und für eine Differenzierung in der Mitte auf hochwertige Eigenmarken wie Redwood, Mark Adam New York und Miss H setzt, um sich mit bis zu zwölf Kollektionen im Jahr im Wettbewerbsumfeld zu profilieren (vgl. Merkle, 2005; Frank/Schuster, 2006, S. 117; vertiefend zum „Markt der Mitte“ Merkle, 2007a; GfK, 2007).
Abb. 3/10:
Verlust-in-der-Mitte-Phänomen
Top Markt
Top Markt
Oberer Markt
Oberer Markt
Mittlerer
Mittlerer
Markt
Markt
Unterer Markt
Unterer Markt
bisher
heute
Die angesprochene Polarisierung zeigt sich auch bei den FMCGs, bei denen gemäß einer Studie der GfK in 150 verschiedenen Produktgruppen zwischen 1999 und 2004 107
3.2
3
Marketing-Strategie
nur zwei Segmente gewachsen sind, das der Premium-Marken von 11,8 auf 12,3 % und das der Handelsmarken sogar von 23,4 auf 33,4 %. Alle anderen Segmente haben dagegen verloren (GfK, 2005). Abb. 3/10 macht diese Entwicklung deutlich, die Unternehmen bei der Segmentierung der Märkte berücksichtigen müssen. Es stellt sich die zentrale Frage: In welchem Marktbereich soll das Angebot positioniert werden?
3.2.2.3 Marktparzellierungsstrategie Im Mittelpunkt der Marktparzellierungsstrategie steht die Marktsegmentierung. Deren Kern ist die Aufteilung eines Marktes in einzelne Segmente (i.S. klar abgegrenzter Untergruppen von Zielobjekten, bspw. Personen oder Unternehmen), die jeweils als eigener Zielmarkt angesehen und mit einem spezifischen MarketingMix bearbeitet werden. Voraussetzung für eine erfolgreiche Strategie ist die interne Homogenität (d.h. eine große Ähnlichkeit) der zu Segmenten zusammengefassten Zielobjekte. Gegenüber anderen Segmenten wird dagegen eine externe Heterogenität und damit eine Differenzierung zu den „ausgegrenzten“ Objekte angestrebt. Bei der Marktsegmentierung stellen sich für ein Unternehmen die beiden folgenden Fragen: In welchem Umfang soll das Angebot differenziert werden? Soll bspw. nur ein Leistungsangebot vermarktet werden, oder werden für unterschiedliche Marktsegmente differenzierte Angebote bereitgestellt? In welchem Ausmaß soll der Markt abgedeckt werden? Konzentriert sich das Unternehmen auf einen Marktausschnitt, oder soll der gesamte Markt mit Angeboten bedient werden? Diese Fragen unterstreichen, dass es zunächst um eine akquisitionsorientierte Segmentierung geht. Dabei wird definiert, welche Zielsegmente ein Unternehmen ansprechen möchte; deshalb kann auch von der Entwicklung eines Beuterasters gesprochen werden, weil festgelegt wird, auf welche Zielgruppe oder Zielgruppen das Marketing ausgerichtet wird, d.h. wer letztendlich angesprochen werden soll. Bezüglich des Ausmaßes der Marktabdeckung wird die Beziehung zum Porter-Konzept hinsichtlich der angestrebten branchenweiten oder fokussierten Marktbedienung deutlich. Die grundlegenden Entscheidungsmöglichkeiten sind in Abb. 3/11 aufgezeigt. Beim undifferenzierten Marketing wird der Gesamtmarkt mit einem spezifischen Marketing-Mix abgedeckt. Hier kann von einer Massenmarkt-Strategie gesprochen werden. Diese können sich i.d.R. nur Unternehmen „erlauben“, die eine monopolartige Situation im Markt erreicht haben – sei es aufgrund des Fehlens von Wettbewerbern oder aufgrund einer dominierenden Marktstellung. Allerdings kann ein Monopolist zur Erreichung seiner Wachstumsziele gezwungen sein, verschiedene Segmente zu unterscheiden und differenziert zu bearbeiten. So konzentrierte sich die Marktbearbeitung der Deutschen Post vor der Liberalisierung des Postmarktes bzgl. Kommunikation und Betreuung auf die umsatzstärksten Segmente (bspw. die Direktmarketing betreibenden Unternehmen). Ein solches Vorgehen kann auch als präventive Maßnahme eingesetzt werden, um bei Kunden keinen zu hohen „Leidensdruck“ entstehen zu lassen, der sich bei einer Marktöffnung in einer dra108
Kategorien von strategischen Konzepten im Marketing
matischen Abwanderung von Kunden zu den neu auftretenden Wettbewerbern entladen könnte. Teilweise wird in der Literatur zwischen einer Massenmarkt- (i.S. eines undifferenzierten Marketing) und der Marktsegmentierungsstrategie unterschieden (vgl. Becker, 2006, 238-248; Schneider, 2004, S. 159-167). Dieser Idee wird nicht gefolgt, da bei der Massenmarktstrategie der Gesamtmarkt als ein Segment definiert und entsprechend bearbeitet wird. Deshalb kann m.E. auch das undifferenzierte Marketing als eine spezifische Ausgestaltung der Marktsegmentierung angesehen werden.
Abb. 3/11:
Ausgestaltungsformen der Marktsegmentierung
Undifferenziertes Marketing
Differenziertes Marketing
Marketing Mix 4 für S gment 4 Se
Ein Marketing Mix zur Abdeckung des Gesamtmarktes
MarketingMix 2 für Segment 2
MarketingMix 1 für Segment 1
Konzentriertes Marketing Marketing Mix 1 für Segment 1
Marketing gMix 3 für Segment 3
Ein differenziertes Marketing liegt vor, wenn für alle definierten Segmente des Marktes unterschiedliche Marketing-Mix-Ansätze zum Einsatz kommen. Dabei versucht ein Unternehmen, alle relevanten Kundengruppen eines Marktes mit eigenen Angeboten zu bedienen. Ein Beispiel für diese Strategie stellt die schon erwähnte Accor-Hotelgruppe mit ihrem breitgefächerten Angebot dar. Das Angebot des Volkswagen-Konzerns, welches vom Fox über Golf und Passat, Phaeton, Audi A 8 bis zu Lamborghini und Bentley reicht, unterstreicht ebenfalls das Bestreben nach einer umfassenden Marktabdeckung. Beim konzentrierten Marketing werden aus den identifizierten Marktsegmenten nur ein oder einige wenige Segmente für die Bearbeitung ausgewählt. Beispiele wurden bereits bei der Vorstellung der Fokussierungsstrategie nach Porter erwähnt (u.a. Dr. Hauschka Kosmetik). Im BtB-Bereich zählt zu den Unternehmen mit einer konzentrierten Marketing-Strategie bspw. die Linde Group, die die Tätigkeitsschwerpunkte Industrie- und Medizingase abdeckt. Dabei wird im Vergleich zu einem „chemischen Vollsortimenter“ wie der BASF ein deutlicher Unternehmensfokus sichtbar. 109
3.2
3
Marketing-Strategie
Was bewegt Unternehmen, sich mit der Marktsegmentierung auseinander zu setzen? In entwickelten Märkten, wie sie in den Industrienationen heutzutage mehrheitlich anzutreffen sind, stoßen Unternehmen auf unterschiedliche Bedarfsstrukturen einzelner Kundengruppen. Die Kunden können es sich angesichts des Überangebotes – im Vergleich zu Verkäufermärkten – leisten, sehr wählerisch zu sein. Unternehmen müssen deshalb im Rahmen der Marktstimulierungsstrategie definieren, welches Leistungsangebot sie besonders glaubwürdig anbieten können, um im Rahmen der Marktsegmentierungsstrategie dann die „passenden“ Zielsegmente zu identifizieren. Diese beiden Entscheidungsfelder sind sehr stark miteinander verbunden, so dass einmal ein überzeugendes Leistungsangebot definiert und dafür interessante Zielsegmente gesucht werden (hier kann von einem eher angebot- oder produktgetriebenen Vorgehen gesprochen werden). Ein anderes Mal wird durch die Marketingforschung ein interessantes und ggf. noch nicht durch Wettbewerber besetztes Zielsegment identifiziert, für welches maßgeschneiderte Angebote entwickelt werden (marktgetriebenes Vorgehen). Durch die mit einem differenzierten oder konzentrierten Marketing verbundene stärkere Ausrichtung an den Bedürfnissen einzelner Kunden kann häufig erst die notwendige Differenzierung im Wettbewerberumfeld erreicht werden, die Kunden dazu motiviert, sich dem entsprechenden Anbieter zuzuwenden. Eine hierdurch erreichbare höhere Kundenorientierung kann Kundenzufriedenheit oder sogar -begeisterung schaffen, eine wichtige Voraussetzung für die Sicherstellung einer längeren Kundenbindung (vgl. vertiefend Hartmann et al., 2004). Die Entwicklung der Marktsegmentierung soll anhand des Otto-Versandes deutlich gemacht werden (vgl. Abb. 3/12). 1959 stellte der Otto-Hauptkatalog mit zwei Ausgaben im Jahr den zentralen Kommunikationskanal zum Kunden dar. Dies war eine klassische One-to-Mass-Kommunikation, weil ein Sender zur undifferenziert betrachteten Gesamtheit des Marktes „sprach“. 1989 wurde der Hauptkatalog schon von einer Vielzahl von Katalogen für spezifische Zielgruppen flankiert (bspw. für die modebewusste junge Frau, für den Gartenliebhaber oder den Heimwerker). Damit wurde der Ausdifferenzierung der Nachfrage und der Notwendigkeit Rechnung getragen, das Angebot stärker auf einzelne Zielgruppen auszurichten. Dabei kann von einer One-to-Many-Kommunikation gesprochen werden, weil nicht mehr der Massenmarkt der Empfänger war, sondern spezifische Zielgruppen. Dieses Konzept wurde von Otto noch weiter verfeinert, indem neben dem – 2005 erstmalig dreimal im Jahr erschienenen – Hauptkatalog eine immer stärkere Ansprache von Zielpersonen auf Basis individuellen Kundenwissens erfolgte. Wird eine differenzierte Ansprache an der individuellen Kundenhistorie ausgerichtet, so wird von einer One-to-OneKommunikation gesprochen. Dabei wird das Zielgruppen-Marketing zu einem Zielpersonen-Marketing, das die Marktsegmentierung zur Betreuung des Segment of One weiterführt. Diese Entwicklung wird unter dem Schlagwort Customer Relationship Management intensiv diskutiert. Im Mittelpunkt steht dabei die Pflege von Geschäftsbeziehungen zu einzelnen Zielpersonen, für die Ansprache und ggf. auch Angebote maßgeschneidert werden. Viele Unternehmen schreiben sich die Oneto-One-Kommunikation heute schon auf die Fahnen, obwohl sie von einer differenzierten Kundenansprache und -betreuung teilweise noch weit entfernt. 110
Kategorien von strategischen Konzepten im Marketing
Abb. 3/12:
Werblicher Auftritt des Otto-Versandes 1959 und 1989
Welche Anforderungen müssen die Kriterien erfüllen, auf denen eine Segmentierung im BtC- und im BtB-Markt aufgesetzt werden kann (vgl. Meffert, 2000, S. 186-189; Homburg/Krohmer, 2006, S. 485f.; Becker, 2006, S. 291-293)? Verhaltensrelevanz der Kriterien (d.h., die Kriterien sollten einen Bezug zum Verhalten der jeweiligen Zielgruppe aufweisen, sei es zum Informations-, Kaufoder Gebrauchsverhalten) Aussagefähigkeit der Kriterien für den Einsatz der Marketing-Instrumente (idealerweise liefern die Kriterien Anhaltspunkte für die Ausgestaltung des Marketing-Mix) Messbarkeit der Kriterien (i.S. einer Operationalität muss es möglich sein, die Merkmalsausprägungen zu messen) Sicherstellung einer Zugänglichkeit der definierten Segmente (die anhand der Kriterien beschriebenen Segmente sollten für das Unternehmen erreichbar sein) Zeitliche Stabilität der gebildeten Segmente (die anhand der Kriterien gebildeten Segmente sollten eine Dauerhaftigkeit aufweisen, damit eine Ausrichtung der Marketing-Instrumente auf die entsprechenden Segmente sinnvoll vorgenommen werden kann) Schaffung von wirtschaftlich bearbeitbaren Segmenten (durch die eingesetzten Kriterien sollten Segmentgrößen entstehen, die eine Bearbeitung zur Erreichung der Unternehmensziele sinnvoll erscheinen lassen) Für die Segmentierung im BtC-Markt selbst haben sich verschiedene Gruppen von Kriterien bewährt, die in unterschiedlicher Kombination zum Einsatz kommen können (vgl. Abb. 3/13). Die demographischen und psychographischen Merkmale beschreiben die generelle Lebenssituation und verhaltensbeeinflussende Faktoren. Einer darauf basierenden akquisitionsorientierten Segmentierung liegen dabei Hypothesen im 111
3.2
3
Marketing-Strategie
Hinblick auf das Kaufverhalten zugrunde. So kann aus dem Lebensalter einer Zielperson (bspw. über 70 Jahre) der Bedarf an einem Handy mit größeren Tasten abgeleitet werden, während eine junge Familie an preiswertem Familienurlaub interessiert sein dürfte. Eine Segmentierung nach Marketing-Mix-bezogenen Kriterien liefert unmittelbare Anhaltspunkte darüber, wie eine Ausgestaltung der Marketing-Instrumente zur Erreichung und Gewinnung der entsprechend charakterisierten Zielobjekte erfolgen sollte. I.d.R. ist deshalb ein kombinierter Einsatz dieser Kriteriengruppen zielführend.
Abb. 3/13:
Ausgewählte Kriterien der Marktsegmentierung im BtC-Markt Weiterentwicklung des Ansatzes von Freter, 2006, S. 3845
Demographische Kriterien Geschlecht Familien-Lebenszyklus Alter Familienstand Haushaltsgröße Haushaltsstruktur Soziale Schicht Bildung Beruf Einkommen Werteorientierung Subkultur Geographische Merkmale Wohnortsgröße Region Kaufkraftniveau Stadt/Land Infrastrukturdichte
Psychographische Kriterien
Marketing-Mix-bezogene Kriterien
Persönlichkeitsmerkmale Soziale Orientierung Risikofreude/-scheu / Entscheidungsverhalten
Produktebene Qualitäts-/Markenorientierung Ver- bzw. Gebrauchsintensität Verbundkaufverhalten Anbieterloyalität Preisebene Preisorientierung/ -bewusstsein Preisschwellen Bonität
Lifestyle, geprägt durch Werte Aktivitäten Interessen Meinungen
Distributionsebene Einkaufsstättenpräferenzen Online-/OfflineAffinität Distributorloyalität Kommunikationsebene Informationsquellen Informationssuchverhalten Personenebene Qualifikationsniveau Service-Orientierung
Teilweise reichen bereits wenige Merkmale aus, um eine Zielgruppe prägnant zu beschreiben. So sind es bei den Neckermann-Töchtern Happy Size die Konfektionsgröße der Damen und bei Men Plus die der Herren. Beim 2006 gestarteten US-Fernsehsender BabyFirstTV ist es die Altersgruppe, hier Kinder im Alter von sechs Monaten bis zu drei Jahren sowie deren Eltern, auf die das Leistungsangebot ausgerichtet wird (o.V., 12.5.2006, S. 36). Wer Damenkosmetikprodukte verkauft, kann sich am Geschlecht der potenziellen Kunden orientieren und bei Tiernahrung am Merkmal Katzen- oder Hundebesitzer. Ein Verlag, der hochwertige Kunstbücher und -zeitschriften verlegt, 112
Kategorien von strategischen Konzepten im Marketing
kann dagegen bei seiner Marktsegmentierung auf das Merkmal Bildung kaum verzichten. In den USA stellen sich immer mehr Unternehmen auf die „XXL-Bürger“ ein, da bereits heute fast zwei Drittel aller US-Einwohner übergewichtig sind (60 Mio. leiden sogar unter extremer Fettleibigkeit) und Bedarf an speziellen Produkten haben, bspw. an übergroßen Kleiderbügeln oder an „Leg Liftern“, einer Ein- und Ausstiegshilfe fürs Auto (o.V., 26.7.2005, S. 25). Unternehmen haben inzwischen auch die Zielgruppe der 50plus-Generation entdeckt, die liebevoll „Forever Young“ oder auch „Silver Surfer“ genannt werden, und für die spezielle Handys (Produktname „Katharina, das Große“) oder Einfachcomputer (namens „SimPliCo“) entwickelt wurden (Sagatz, 2006, S. 35). Die niedrige Kaufkraft vieler Ländern war Anlass für das MIT, die Entwicklung eines 100-$-HandkurbelLaptops zu starten, um einen Beitrag zur Überwindung der digitalen Kluft zwischen den reichen und armen Nationen zu leisten (o.V., 25.12.2006, S. 36).
Abb. 3/14:
Ausgewählte Kriterien der Marktsegmentierung im BtB-Markt
Makro-Kriterien Gründungsjahr Branche Unternehmensgröße Umsatz Mitarbeiter Einkaufsvolumen Rechtsform
Mikro-Kriterien Strategische Ausrichtung Innovationsführer/-folger / Regionaler, nationaler, internationaler Fokus Vorhandensein von bedarfskonkretisierenden Faktoren Fuhrpark F&E-Abteilung Werbe-Abteilung Personal-Abteilung
Marketing-Mix-bezogene Kriterien Produktebene Qualitäts-/Markenorientierung Ver- bzw. Gebrauchsintensität Verbundkaufverhalten Anbieterloyalität Preisebene Preisorientierung/ -bewusstsein Preisschwellen
Standort Bonität Führungkräfte/Entscheider Buying Center-Struktur Gatekeeper Entscheider Beeinflusser Einkäufer Nutzer
Distributionsebene Einkaufsstättenpräferenzen Online-/OfflineAffinität Distributorloyalität Kommunikationsebene Informationsquellen Informationssuchverhalten Personenebene Qualifikationsniveau Hierarchische Position Service-Orientierung
113
3.2
3
Marketing-Strategie
Im BtB-Markt können Unternehmen zunächst einmal anhand von Makro-Kriterien selektiert werden – orientiert am Angebotsfokus des anbietenden Unternehmens. Diese Klassifizierung kann im folgenden Schritt durch die Berücksichtigung von Mikro-Kriterien verfeinert werden, um die Relevanz des eigenen Angebotes für die Zielunternehmen zu konkretisieren und ggf. bereits erste Informationen über das zu berücksichtigende Buying Center zu bekommen (vgl. 1.1.7). Die Marketing-Mix-bezogenen Kriterien kommen analog zum Einsatz (vgl. Abb. 3/14; vgl. Godefroid, 2003, S. 127-129; Backhaus, 2003, S. 232-240). Die Zweckmäßigkeit, Personen und Unternehmen durch Segmentierungsansätze in bestimmte „Schubladen zu stecken“, wird angesichts der Individualität dieser Zielgruppen sowie aufgrund der im Zeitablauf erfolgenden Veränderungen immer wieder kritisch hinterfragt (vgl. bspw. zum Thema „Verfassungsmarketing“ Hermes, 2005, S. 12-14). Wichtig ist, dass die definierten Zielsegmente nicht auf Dauer festgeschrieben, sondern – in Abhängigkeit von der Veränderungsgeschwindigkeit der betreuten Märkte – im Abstand von ca. ein bis drei Jahren auf ihre Gültigkeit überprüft werden. In Summe bleibt jedoch festzuhalten, dass der vorgestellte Versuch, die Komplexität des Marktes durch eine Segmentbildung zu reduzieren, zum erforderlichen Handwerkszeug jedes Unternehmens gehört. Erst auf Basis einer solchen Definition kann ein anbietendes Unternehmen bspw. die Dienstleistungen von Adressverlagen für Business-Adressen in Anspruch nehmen. Anhand der Kriterien Branche und Land können bspw. für Deutschland 41 und für Österreich fünf Kinderschuhhersteller selektiert werden oder 1.041 Unternehmen, die in Deutschland einen Großhandel für Farben und Lacke betreiben. Für diese können die zur Akquisition notwendigen Adressdaten sowie ggf. weitere Profildaten und Entscheiderinformationen zur Verfügung gestellt werden. Hierbei kann eine Auswahl an folgenden Merkmalen erfolgen (Schober, 2006, S. 19):
Entscheider der 1. und 2. Führungsebene (nach Funktion) Führungskräfte – mit Privat- und Geschäftsadresse Firmenneugründungen Post-Kaufaffinität, d.h. solche Unternehmen, die über Versandhandel bestellen Messeaussteller Small Office/Home Office (SOHOs), d.h. kleinere Unternehmen Unternehmen mit Homepage, Fuhrpark etc.
Schon an diesen Kriterien wird deutlich, welche Bedeutung einer intelligenten Definition der angestrebten Zielgruppen zukommt. Die entsprechenden Adressverlage – u.a. Schober, AZ Direct, BeDirect und Deutsche Post Direkt – bieten neben Unternehmensadressen z.T. auch Adressen von Privatpersonen für die werbliche Ansprache an. Dabei ist es notwendig, den Zielmarkt im ersten Schritt klassifiziert zu haben, um zu entscheiden, welche der nachfolgend exemplarisch nach Alphabet aufgezeigten Zielgruppen angesprochen werden sollen (Schober, 2006, S. 277-291): 114
Absolventen von Fachhochschulen Audi-Besitzer Brillenträger Dessous- und Wäschekäufer Haustierbesitzer
Kategorien von strategischen Konzepten im Marketing
Heimwerkerzubehör-Käufer Käufer nach Einkaufsstätte (etwa Aldi, Edeka etc.) Leser der FAZ Österreich-Urlauber Reihenhausbewohner Sammler von Briefmarken TV-Shopping-Käufer Zigarrenraucher
Teilweise kann zusätzlich selektiert werden, ob diese Personen zum momentanen Zeitpunkt konkrete Kaufabsichten haben, in Mehrpersonenhaushalten wohnen, eine ausreichende Kaufkraft und eine gute Zahlungsmoral aufweisen. Adressverlage und List-Broker (diese makeln Adresslisten, die anderen Unternehmen, bspw. Versandhäusern, gehören) bieten Adressdaten z.T. auch auf Basis von mikrogeographischen Segmentierungsansätzen an. Hierbei handelt es sich i.d.R. um flächendeckende Datenbanken, die gemäß dem Motto „Gleich und gleich gesellt sich gern!“, Daten zum Informations- und Kaufverhalten auf kleinräumiger Basis zusammenführen. Die Informationssubstanz soll hier anhand des Analysekonzeptes microdialog der Deutschen Post Direkt (2006) verdeutlicht werden. Vergleichbare Systeme sind u.a. regio Select von AZ Direct (Bertelsmann), von der GfK (Pointplus) und MOSAIC Milieus von microm (vgl. Kothe, 2002).
Abb. 3/15:
Segmentierungskriterien von microdialog In Anlehnung an Post Direkt, 2006
Soziodemographische Faktoren Akademischer Titel Altersstruktur Kaufkraft Bonitätsrisiko Kulturkreisschwerpunkt Haushaltsgröße Familienstruktur
Faktoren zum Wohnumfeld Geo-Koordinate Gebäudegröße (Anzahl der Haushalte) Straßentyp/Bebauungsstruktur Gewerbedichte Ortsgröße Bundesland
Faktoren zum Konsumverhalten Anonymitätsbedürfnis Umzugsmobilität Versandhandelsaffinität Bevorzugte Kommunikationsmedien Sortiments-/Konsumschwerpunkte Multibuyer-Index Kundentreue
Faktoren zum PKW -Besitz* PKW-Dichte PKW-Alter PKW-Leistung PKW-Typen * Quelle: Kraftfahrbundesamt (KBA); Bereitstellung der Daten auf Basis von 20 Haushalten
Bei microdialog werden die in Abb. 3/15 beschriebenen Informationen auf der Basis von durchschnittlich 6,6 Haushalten flächendeckend für Deutschland zur Verfügung 115
3.2
gestellt. Die zugrundeliegenden Daten stammen von den Versendern Quelle und Neckermann sowie von der Deutschen Post. Anhand dieser Merkmale können zum einen Zieladressen für die Kundenakquisition selektiert werden. Zum anderen kann durch eine Anreicherung vorhandener Kundenadressen mit diesen Daten festgestellt werden, welche Merkmale die Kunden zu unterscheiden helfen. Auf diese Weise kann nicht nur die Transparenz über die eigenen Kunden nachhaltig erhöht, sondern auch die Neukundengewinnung durch eine Verortung der interessanten Neukunden verbessert und die Ansprache optimiert werden (zur Vertiefung der Anwendung vgl. Geppert, 2003; Kreutzer et al., 2003a). Neben diesen, primär zur Zielgruppendefinition genutzten akquisitionsorientierten Segmentierungskonzepten und -kriterien ist für die Interessenten und Kunden eines Unternehmens eine transaktionsorientierte Segmentierung durchzuführen. Den Hintergrund hierfür stellt das Konzept des Kunden-Lebenszyklus dar (vgl. Abb. 3/16). Hier gilt es, zwischen den drei Phasen zu unterscheiden: Interessenten-Management Kunden-Management Rückgewinnungs-Management
Abb. 3/16:
Konzept des Kunden-Lebenszyklus In Anlehnung an Stauss, 2000, S. 16
Beziehnungsintensivität (z.B. Kundenwert)
3
Marketing-Strategie
(Degenerationsphase) Anbahnungsphase
InteressentenManagement
Sozialisa- Gefähr- Wachstums- Gefährtionsphase dungsphase dungsphase phase
KundenManagement
Reifephase
Gefährdungsphase
RevitalisierungsKündigungsAbstinenz- phase phase phase
Zeit
RückgewinnungsManagement
Dabei sollte man sich vor Augen führen, dass zum einen die Interessenslage sowie der Informationsbedarf von Personen in diesen verschiedenen Phasen ganz unterschiedlich sind. Zum anderen strebt das Unternehmen auch ganz verschiedene Ziele an (vgl. 2.4). Beim Interessenten-Management geht es primär darum, Personen oder Unter116
Kategorien von strategischen Konzepten im Marketing
nehmen für die eigene Leistung zu interessieren (fokussierte Akquisition). Wenn das anbietende Unternehmen Direktmarketing-Instrumente einsetzt, ist frühzeitig in die Adressgewinnung einzusteigen. Dann können Interessenten, bspw. im Rahmen eines Interessenten-Aktivierungs-Programms, durch eine stufenweise Kommunikation zum Kunden entwickelt werden (vgl. weiterführend Wirtz, 2005b, S. 250-283). Dies erfolgt bspw. im Versandhandel dadurch, dass zunächst bei potenziellen Kunden das Interesse am Versandhauskatalog ermittelt wird (vgl. weiterführend Thieme, 2003). Wurde ein Katalog angefordert und geliefert – und nach einer gewissen Zeit noch nicht bestellt – so kann ein „Nachfass-Mailing“ erfolgen, mit dem der Interessent zum Kauf motiviert werden soll. Ähnliche Programme laufen an, wenn sich ein potenzieller Kunde im Internet für einen Mobilfunkanbieter interessiert und dann in mehreren Stufen per E-Mail angesprochen wird, um ihn als Kunden zu gewinnen. Sowohl beim Interessenten- wie beim Kunden-Management geht es um die Frage, welche Personen oder Unternehmen wurden als Interessenten und Kunden gewonnen? Welche Merkmale weisen diese Gruppen aus? Wurden diejenigen erreicht und zum Handeln motiviert, sei es Informationsabforderung oder Kauf, die im „Beuteraster“ beschrieben wurden. Im Rahmen des Kunden-Management gilt es zunächst, diesen mit dem Angebot und dem dahinter stehenden Unternehmen vertraut zu machen. Dies sieht bei der Bestellung eines Herren-Pullovers natürlich gänzlich anders aus, als wenn ein Kunde einen Computer oder eine Heim-Kino-Anlage oder ein Unternehmen eine komplexe ERP-Software oder eine neue Druckmaschine erworben hat. Folglich steht zunächst die Sozialisation des Kunden im Mittelpunkt. Darüber hinaus sollten die folgenden, für die weitere Kundenbetreuung sowie für die Neukundengewinnung zentralen Fragen beantwortet werden: Welche der angesprochenen Personen, Personengruppen bzw. Unternehmen sind aktiv geworden? Welche Erst- und Folgeumsätze wurden getätigt? Welcher Warenkorb mit welchen Deckungsbeiträgen wurde nachgefragt? Welche Kaufmuster lassen sich erkennen? Aus welchem Einzugsgebiet kommen die Kunden? Welche Sortimentsteile werden von Kunden aus welchem Einzugsgebiet nachgefragt? Welche Gewinnungswege führen zu welcher Kundenwertigkeit (bspw. bei Umsatzhöhe und Einkaufsstättentreue)? Welche Akquisitionsquoten sind bei personalisierter Ansprache (bspw. über Mailings) im Vergleich zu unpersonalisierter Ansprache (bspw. über personalisierbare Coupons) zu erreichen? Zusätzlich sollte das Unternehmen schon sehr bald – wenn das entsprechende Angebot vorhanden ist – einen Dreiklang der Kundenbetreuung einleiten (vgl. Abb. 3/17). Im Zuge des More-Sell sollte versucht werden, eine Kundenloyalität zu schaffen, damit der Kunde dem Produkt oder dem Anbieter i.S. des betreuenden Handelsunternehmens treu bleibt und „mehr vom Gleichen“ erwirbt. Dies ist ein Ansatz von Kundenbindungssystemen, mit denen der Wiederkauf belohnt wird (bspw. durch das 117
3.2
3
Marketing-Strategie
Clubsmart-Programm von Shell oder das Vielflieger-Programm Miles & More der Lufthansa). Im BtB-Markt haben sich bspw. mit dem Profi Grohe-Club sowie mit dem Gira-Aktiv-Partner-Programm spezifische Formen zur Intensivierung der Zusammenarbeit von Herstellern mit dem Fachhandel bzw. den Handwerkern etabliert (vgl. vertiefend 4.4.5.2; Kreutzer, 2005a).
Abb. 3/17:
Dreiklang der Kundenbetreuung
Up-Sell Cross-Sell Stoßrichtungen des KundenManagement
More-Sell
Beim Cross-Sell wird versucht, den Käufer eines Produktes bzw. den Nutzer eines Angebotes zum Erwerb weiterer Leistungen des eigenen Unternehmens zu motivieren. Dies kann durch verschiedene Ansprachen, etwa per Telefon, Mailing, E-Mail, oder – sowohl im BtC- wie im BtB-Markt – durch den persönlichen Verkauf erfolgen. Die Volkswagen Bank Direkt erreicht die Ausschöpfung des vorhandenen Cross-SellPotenzials dadurch, dass Kunden, die dort ein Festgeldkonto unterhalten, regelmäßig auf weitere Finanzdienstleistungen des Unternehmens aufmerksam gemacht werden. Mit der gleichen Zielsetzung wird bspw. ein Unternehmenskunde der Deutschen Post angesprochen, der bisher nur die klassischen Logistikdienstleistungen abgenommen hat. Dabei wird versucht, diesem bspw. eine (teilweise kostenpflichtige) Direktmarketing-Beratung anzubieten, damit dieser in Zukunft weitere Leistungen in Anspruch nimmt. Beim Up-Sell schließlich geht es um den Versuch, einen Kunden zum Erwerb höherwertiger und damit i.d.R. auch renditestärkerer Leistungen zu motivieren. So versucht die Kreditkartenorganisation Amexco regelmäßig, potenzialstarke Kunden bspw. der preiswerten grünen Kreditkarte das „exklusive“ und „streng limitierte“ Angebot der goldenen Kreditkarte für € 110 Jahresgebühr schmackhaft zu machen. Gleichermaßen versuchen Automobil-Händler ihre Kunden vom Audi A 4 zum A 6 oder vom Golf 118
Kategorien von strategischen Konzepten im Marketing
zum Passat weiterzuentwickeln. Cross- und Up-Sell-Maßnahmen können nur eingesetzt werden, wenn das Unternehmen über ein entsprechendes Angebot verfügt. EinProdukt-Unternehmen sind deshalb an dieser Stelle gefordert, orientiert an der Ansoff-Matrix festzustellen, welche Formen der Produktentwicklung für das eigene Unternehmen nutzbar gemacht werden können. Über diese Maßnahmen der Kundenbetreuung hinaus wird i.d.R. das Ziel angestrebt, eine möglichst lange und profitable Kundenbeziehung sicherzustellen. Dabei hat Kundenbindung alleine keinen Selbstwert. Sie fokussiert zwingend auf Kunden, die dem Unternehmen bereits heute zu attraktiven Deckungsbeiträgen verhelfen und/oder das Potenzial aufweisen, dies in Zukunft zu tun. So werden Kunden mit negativem Deckungsbeitrag (etwa Studenten) bei Banken bspw. durch das Angebot einer kostenlosen Kontoführung bewusst gewonnen – in der Erwartung, dass daraus zukünftig profitable Kunden werden (zu entsprechenden Auswertungen mit neuronalen Netzen vgl. Pfeiffer/Imhoff, 2007). Vor diesem Hintergrund wird deutlich, warum viele Unternehmen im Kontext des Customer Relationship Management, welches eine ganzheitliche Betreuung über den gesamten Kunden-Lebenszyklus anstrebt, eine Vielzahl von Informationen benötigen, um die oben angesprochene transaktionsorientierte Segmentierung durchzuführen. Um eine kundenwertorientierte Betreuung zu ermöglichen, sind im Rahmen der Akquisition bzw. der Kundenbetreuung möglichst viele der folgenden Informationskategorien mit Inhalt zu füllen (vgl. Abb. 3/18).
Abb. 3/18:
Ausgewählte Merkmale zur Beschreibung der eigenen Interessenten und Kunden im BtC-Markt
Adress- und Profildaten Adresse, inkl. Vornamen, ggf. Titel Telefon-/Fax-Nummern/ E-Mail-Adresse (idealerweise mit Permission zur entsprechenden Kontaktaufnahme) Geburtsdatum/Alter Familienstand/Haushaltsgröße Interessensgebiete Haushaltseinkommen Haushaltsausstattung
Aktionsdaten Anspracheform, u.a. - Angebotsmailings - ClubmitgliedschaftsAngebot - Einladung zu einer Produktpräsentation - Zuleitung von Coupons Ansprachezeitpunkt
Reaktionsdaten Anlagedatum Gewinnungsweg (etwa Mailing, Coupon, Freundschaftswerbung, angemietete Adresse) Getätige Umsätze (inkl. Sortimentsschwerpunkte) Kaufverhalten (u.a. Schnäppchenjäger; Coupon-Nutzer, Konzentration auf Aktionsware) Umtauschverhalten Kaufkanal (präferierte Filiale, online/offline) Zahlungsart (Barzahlung, Kreditkarte, Finanzierung) Bonität (Einhaltung von Zahlungsverpflichtungen)
119
3.2
3
Marketing-Strategie
Aufgrund dieser Kriterien wird sichtbar, in welchen Segmenten das Unternehmen mit seinem Angebot besonders erfolgreich war. Genau in diesen Segmenten sollten – orientiert an der Maxime „Stärken verstärken“ – weitere Kunden gesucht werden, solange keine einschneidenden Veränderungen im Marketing-Mix vorgenommen werden. Neukunden dagegen in ganz anderen Segmenten gewinnen zu wollen, stellt dagegen eine i.d.R. wesentlich teurere Alternative da, weil sich die Zugehörigen zu diesen Segmenten bisher, aus ganz bestimmten Gründen, nicht vom Angebot angesprochen gefühlt haben. Im Mobilfunkmarkt werden die angesprochenen Merkmale bspw. durch ScoringModelle zur Identifikation von Handlungsfeldern eingesetzt. Dies kann zur Interessenten-Aktivierung oder zur Kündigungsprävention erfolgen. Entsprechende Scoringläufe, bspw. zur Ermittlung besonders geeigneter Angebote, werden z.T. realtime durchgeführt. Auf diese Weise kann vermieden werden, dass ein Kunde, der mehrmals am gleichen Tag im Call Center anruft, ungewollt erneut auf ein für ihn passendes Angebot angesprochen wird – weil im System hinterlegt ist, dass der Kunde dieses Angebot entweder bereits bei der ersten Ansprache angefordert oder abgelehnt hat (zu vertiefenden Analysen vgl. Pfeiffer/Imhoff, 2007). Um einer unkritischen, zu umfassenden Sammlung einer Vielzahl von Informationen über Kunden und Interessenten vorzubeugen, kann anhand der folgenden Schlüsselfragen geprüft werden, auf welche Profildaten im Zuge der fokussierten Erhebung besonderen Wert gelegt werden sollte (vgl. zum Vorgehen im Einzelhandel Kreutzer, 2004): Hilft dieses Merkmal, das gegenwärtige oder zukünftige Potenzial eines Kunden bewerten zu können? Ist geplant, eine Marketing-Maßnahme an diesem Merkmal auszurichten? Besteht eine Möglichkeit, die Aktualität dieses Merkmals in regelmäßigen Abständen zu überprüfen, um eine möglichst fehlerfreie Ansprache des Kunden sicherzustellen? Durch eine Ausrichtung der Informationsbeschaffung an diesen Fragen wird vermieden, dass mit hohen Kosten Daten erhoben und verwaltet werden, die keine Relevanz für das Unternehmen aufweisen oder für die keine geeigneten Pflegemechanismen existieren. Erfahrungsgemäß reichen bei den Profildaten häufig fünf bis sieben Merkmale aus, um eine Differenzierung der Kundenbetreuung – orientiert an den Erkenntnissen der Aktions- und Reaktionsdaten – über mehrere Jahre sicherstellen zu können. Bei der Informationsgewinnung und -nutzung ist darauf zu achten, dass die relevanten Aspekte des Datenschutzes ihre Berücksichtigung finden. Die Datenspeicherung im Rahmen von Club- und Kartenkonzepten ist i.d.R. durch das Vertrags- oder Interessentenverhältnis gerechtfertigt. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Datennutzung nur im Rahmen der Zweckbestimmung des konkreten Verhältnisses erfolgt (bspw. zur Zusendung von Informationen oder zur Rabattgewährung). Für die Nutzung weiterführender Informationen, bspw. zur Familiensituation, zum Lifestyle, bedarf es einer Interessensabwägung zwischen den berechtigten Interessen an der Gewinnung und Auswertung derartiger Daten im Unternehmen einerseits und den schutzwürdigen Belangen der Konsumenten andererseits. Bei der Einholung einer 120
Kategorien von strategischen Konzepten im Marketing
Einwilligung (auch Permission genannt) des Käufers muss genau auf den Zweck der Speicherung und einer ggf. vorgesehenen Übermittlung schriftlich hingewiesen werden (vgl. vertiefend Breinlinger, 2001, S. 214-218). Im Mittelpunkt der letzten Phase des Kunden-Lebenzyklus steht das Rückgewinnungs-Management. Idealerweise wird im Zuge einer Kündigungsprävention oder eines Churn-Prevention versucht, aus der Analyse des Verhaltens eines Kunden auf eine mögliche Kündigungs- oder Wechselabsicht zu schließen. Voraussetzung für Gegenmaßnahmen ist auch hier das Vorhandensein von Kundenadressen und weiteren Informationen, etwa über Umsätze oder Reaktionen auf Ansprachen. Nochmals wird die Relevanz von Kundenbindungssystemen deutlich, die versuchen, über den Einsatz von Kundenkarten ein exaktes Profil des Kaufverhaltens zu erstellen. So kann man Payback-Kunden „mit vierwöchiger Inaktivität“ bei einem sonst intensiv genutzten Vertriebskanal direkt anschreiben, um den Kunden zu reaktivieren (vgl. vertiefend Hartmann et al., 2004, S. 209-224). Ein Telekommunikationsunternehmen kann dagegen aufgrund des unmittelbaren Zugriffs auf die Telefoniedaten erkennen, ob ein Kunde „absprunggefährdet“ ist. Hierbei wird aufgrund der Analyse des Telefonierverhaltens vor einer Kündigung des Vertrages (bei Postpaid-Verträgen) oder vor dem Inaktivwerden eines Kunden (bei Prepaid-Kunden) bei den bereits verlorenen Kunden geprüft, ob es typische Entwicklungsmuster gibt, die bei den noch aktiven Kunden wiedergefunden werden können. So können diejenigen Kunden mit dem höchsten Gefährdungspotenzial identifizieren und entsprechend mit Streichel-Mailings zur Erhöhung der Bindung angesprochen werden. Aufgrund der oben aufgezeigten Ansatzpunkte wird deutlich, welche strategische Bedeutung eine intelligente Marktsegmentierung für die Ausgestaltung des unternehmerischen Marketing nach wie vor aufweist. Je dynamischer die Märkte oder die Kunden sich entwickeln, desto flexibler müssen Unternehmen darauf durch eine dynamische Markt- und Kundensegmentierung reagieren.
3.2.2.4 Marktarealstrategie Bei den Marktarealstrategien geht es in Ergänzung zu den Entscheidungen, die bzgl. der Marktfeld-, Marktstimulierungs- und Marktparzellierungsstrategien getroffen wurden, um die Frage, welches räumliche Gebiet abgedeckt werden soll (vgl. weiterführend Becker, 2006, S. 299-351). Ansatzpunkte für die räumliche Expansion sind in Abb. 3/19 dargestellt. Die Entscheidung, welches Marktareal bedient werden soll, wird in hohem Maße durch die Unternehmensziele und die vorhandenen Ressourcen beeinflusst. Auch die Wettbewerbssituation und die wirtschaftliche Entwicklung in den bisherigen Schwerpunktmärkten wirken sich auf dieses Entscheidungsfeld aus. So kann ein schwacher Binnenmarkt deutsche Unternehmen „zwingen“, ihr Wachstum im europäischen oder außereuropäischen Raum zu suchen. Dies ist bspw. bei vielen Baumarktketten und Bekleidungsunternehmen geschehen. Häufig werden in diesen Märkten aufgrund einer geringeren Wettbewerbsdichte und/oder einer stark expandierenden nationalen Wirtschaft deutlich höhere Wachstumsraten als im Binnenmarkt erreicht. 121
3.2
Abb. 3/19:
Entscheidungsfelder der Marktarealstrategie
lokal
Stadtteil Einzugsgebiet einer Stadt
Stadt Ballungsgebiet
regional
Mehrere Ballungsgebiete
national
3
Marketing-Strategie
Bundesland Region Norddeutschland
WestEuropa national
Mehrere Bundesländer Deutschland, Europa Schweiz Deutschland, Schweiz, Frankreich, Spanien
Deutschland
international
Unternehmen
Europa/ Amerika Welt global
Den Unternehmen stehen für eine internationale Expansion verschiedene Strategien zur Verfügung. Diese Strategien können danach unterschieden werden, welcher Anteil des Kapitals sowie des Managements zur Durchführung der Strategie jeweils im Herkunfts- bzw. im Gastland eingesetzt wird (vgl. Abb. 3/20; vertiefend zu den unterschiedlichen Strategien im internationalen Marketing Backhaus et al., 2005; Müller/Kornmeier, 2002; Müller/Gelbrich, 2004; Kotler, 2003, S. 383-403; Kotabe/ Helsen, 2004; Bruche, 2003, S. 141-164; Mühlbacher et al., 2006; Albau, 2001, S. 324-343; Scholz-Ligma, 2003, S. 123-141; Thieme, 2000). Beim Export wird bspw. weiterhin im Heimatmarkt produziert und andere Märkte mit oder ohne Einbindung von Partnern versorgt. Durch eine Lizenzierung wird einem anderen Unternehmen gegen Entgeld das Recht eingeräumt, bspw. bestimmte Produkte für einen ausländischen Markt zu produzieren und zu vermarkten. Bei der Kontraktproduktion wird dem ausländischen Partner i.d.R. das produktionstechnische Know-how geliefert, teilweise verbunden mit einer Abnahmegarantie. Auf diese Weise kann das internationalisierende Unternehmen den Qualitätsstandard und die Mengen steuern, ohne selbst im Ausland entsprechende Kapazitäten aufzubauen. Eine weit verbreitete Strategie zur internationalen Expansion ist das Franchising (vgl. 4.3.2.2). Diese Vorgehensweisen sind Beispiele für strategische Allianzen, weil Partner – i.d.R. auf einer vertraglichen Basis – längerfristig zusammenarbeiten, ohne dass es zu einer Kapitalverpflechtung zwischen diesen kommt. Die Umsetzung der nachfolgend genannten strategischen Konzepte geht mit einer deutlich höheren Investition im Gastland einher, die i.d.R. als Direktinvestition (auch Foreign Direct Investment) bezeichnet wird. Dies kann bereits beim Franchising der 122
Kategorien von strategischen Konzepten im Marketing
Fall sein, wenn im Gastland bspw. eine eigene Franchise-Zentrale zur Steuerung der Franchisepartner aufgebaut wird. Beim Joint Venture bauen zwei oder mehrere selbständige Unternehmen gemeinsam ein neues Unternehmen auf. Teilweise fordern Gastländer, wie bspw. China, ausländische Unternehmen, die auf dem chinesischen Markt tätig werden wollen, dazu auf, mit einheimischen Unternehmen ein solches Gemeinschaftsunternehmen zu gründen. Auf diese Weise möchte das Gastland u.a. Einfluss auf die Unternehmensaktivitäten nehmen und gleichzeitig einen Know-howTransfer fördern. Diese Strategie kam bspw. beim Markteintritt von Volkswagen sowie beim Bau des Transrapid in China zum Einsatz.
hoch
Strategien für die internationale Expansion
Export Lizenzierung
Strategische Allianzen
Kontrakt produktion Franchising Joint Venture niedrig
Kapital-/Management-Anteil im Herkunftsland
Abb. 3/20:
Direktinvestition
Produktionsniederlassung Tochtergesellschaft
niedrig
hoch
Kapital-/Management-Anteil im Gastland
Eine eigene Produktionsniederlassung oder der Aufbau einer eigenen Tochtergesellschaft stellen weitere Formen dar, um sich langfristig in einem Zielland zu engagieren. Zur Beschleunigung des Expansionsprozesses können u.U. bereits im Gastland tätige Produktionseinheiten oder ganze Unternehmen erworben werden, um so einen besseren Zugang zu den Märkten zu finden. Häufig werden im Zeitablauf mehrere der beschriebenen Strategien eingesetzt, um sich entwickelnde Märkte immer umfassender bedienen zu können. Ist ein Unternehmen in mehreren Marktarealen gleichzeitig tätig, stellt sich u.a. die Frage, in welcher Weise neue Produkte in diesen Märkten eingeführt werden sollen. Ermöglicht die Branche eine Einführung nach dem Wasserfall-Konzept (vgl. Abb. 3/21), welches ein sukzessives Erschließen der Auslandsmärkte vorsieht? Oder ist das Unternehmen aufgrund einer hohen globalen Präsenz und angesichts der Wettbe123
3.2
3
Marketing-Strategie
werbsintensität gezwungen, eine zeitlich parallelisierte Produkteinführung vorzunehmen, wie sie die Sprinkler-Strategie vorsieht (vgl. Abb. 3/22; vgl. grundlegend Kreutzer, 1989, S. 238-253; Backhaus et al., 2005, S. 110-120)? Eine solche Vorgehensweise ist immer dann geboten, wenn über bestimmte Produkte und Technologien global informiert wird und die Gefahr besteht, dass Wettbewerber bei einer sukzessiven Markteinführung die internationalen Wachstumsziele durch eigene Angebote gefährden können.
Abb. 3/21:
Wasserfall-Strategie zur internationalen Produkteinführung
Eintritt Deutschland Österreich Frankreich Spanien Italien Großbritannien 1
2
3
4
5
6
7
8
Jahre
Bei der Sprinkler-Strategie sind die Anforderungen an die notwendigen Produktionskapazitäten sowie an den internationalen Vertrieb viel höher, weil innerhalb eines kleines Zeitfensters die strategisch relevanten Märkte bedient werden müssen. Auch die Konsequenzen eines Misserfolges sind dabei um ein Vielfaches höher, weil aufgrund der engen zeitlichen Taktung des Vorgehens keine Möglichkeiten mehr bestehen, aus den Erfahrungen der Markteinführung in einem Land für die weitere Expansion Ableitungen vorzunehmen. Diese Sprinkler-Strategie kam in den letzten Jahren auch zunehmend in der Filmindustrie zum Einsatz (bspw. beim Film Da Vinci-Code Sakrileg), weil durch die schnelle weltweite Vermarktung neuer Kinofilme den Raubkopierern kein wochen- oder monatelanger Zeitvorsprung eingeräumt werden sollte. 124
Kategorien von strategischen Konzepten im Marketing
Abb. 3/22:
Sprinkler-Strategie zur internationalen Produkteinführung
Deutschland
USA
Japan
Österreich
Kanada
Südkorea
Frankreich
Mexiko
Indonesien
Spanien
Argentinien
China
Italien
Indien
Groß-britannien
Taiwan
1
2 Jahre
Ein Unternehmen muss bei der konsequenten Umsetzung der kundenorientierten Marketing-Strategien zu allen besprochenen Bereichen, konkret bzgl.
Marktfeldstrategie, Marktstimulierungsstrategie, Marktparzellierungsstrategie und Marktarealstrategie
Entscheidungen treffen, um eine planvolle Unternehmensentwicklung sicherzustellen.
Merkbox
Strategien definieren die langfristige Ausrichtung eines Unternehmens.
Strategien finden sich auf der Ebene des Gesamtunternehmens sowie auf der von unternehmerischen Teilbereichen.
125
3.2
3
Marketing-Strategie
Porter unterscheidet bei seiner Wettbewerbsstrategie zwischen der Kostenführerschaft und Differenzierung.
Der Erfahrungskurve kommt bei der Kostenführerschaft eine zentrale Stellung zu.
Outpacing-Ansätze führen Kostenführerschaft und Differenzierung in einem strategischen Ansatz zusammen.
Beim Konzept der kundenorientierten Strategien wird zwischen vier Handlungsfeldern unterschieden, die parallel zu bearbeiten sind: Marktfeld-, Marktstimulierungs-, Marktparzellierungs- und Marktarealstrategie.
Bei der Marktfeldstrategie wird festgelegt, mit welchen Produkten ein Unternehmen in welchen Märkten aktiv sein möchte.
Die Marktstimulierungsstrategie definiert, wodurch die Kunden zum Kauf motiviert werden sollen.
Die Marktsegmentierung liefert die Grundlage für die Kundenakquisition und -betreuung.
Die transaktionsorientierte Segmentierung ist die Basis für ein Customer Relationship Management.
Im Zuge der Marktarealstrategie legt das Unternehmen seinen räumlichen Aktionsradius fest.
Fragen zur Überprüfung Ihres Wissensstandes 1
Wie lässt sich „Strategie“ kennzeichnen?
2
Wodurch unterscheiden sich operative und strategische Planung? Wie sind diese miteinander verbunden?
3
Recherchieren Sie Beispiele für Unternehmensstrategien einerseits und Bereichsstrategien andererseits. Arbeiten Sie die Unterschiede und Gemeinsamkeiten bei Ihren Beispielen deutlich heraus.
4
Kennzeichnen Sie das Konzept der wettbewerbsorientierten Strategien nach Porter. Welches sind die zentralen Überlegungen, die diesem Ansatz zugrunde liegen?
5
Was versteht man unter „komparative Wettbewerbsvorteilen“ und welche Bedeutung kommt ihnen im Porterschen Ansatz zu?
6
Was ist unter Erfahrungskurveneffekten zu verstehen? Wodurch werden sie erreicht und welche Bedeutung haben sie für Unternehmen? Nennen Sie konkrete Beispiele ihrer Umsetzung!
7
Was versteht man unter der Plattform-Strategie, welche Ziele werden mit ihr verfolgt und wodurch werden diese erreicht?
8
Was sind Economies of Scale? Wodurch werden sie erreicht und welche Bedeutung haben sie für Unternehmen? Nennen Sie konkrete Beispiele.
9
Beschreiben Sie die Grundzüge der kundenorientierten Strategien nach Becker. Welche Entscheidungsfelder sind dabei zu unterscheiden und wie sind diese miteinander verwoben?
10 Kennzeichnen Sie die Produkt-Markt-Matrix von Ansoff. Für welche strategischen Entscheidungen kann diese Matrix zum Einsatz kommen?
126
Kategorien von strategischen Konzepten im Marketing
11 Analysieren Sie die Expansion der KarstadtQuelle AG anhand dieser Matrix und arbeiten Sie heraus, vor welchem strategischen Hintergrund die jeweiligen Schritte erfolgten. 12 Führen Sie eine Internet-Recherche zu Beiersdorf und L´Oreal durch und analysieren Sie deren strategische Expansion anhand der Produkt-Markt-Matrix. 13 Welche Entscheidungsfelder sind bei der Marktstimulierungsstrategie zu unterscheiden? Welche Aspekte sind dabei zu berücksichtigen? 14 Analysieren Sie das Produktprogramm von Ford und Volkswagen hinsichtlich der eingesetzten Marktstimulierungsstrategie und vergleichen Sie diese Ergebnisse mit einer Analyse der Angebotspalette von Rolls-Royce. 15 Untersuchen Sie die aktuellen Entwicklungen im Markt der Fluggesellschaften hinsichtlich des Einsatzes der verschiedenen Marktstimulierungsstrategien. Welche Strategien sind momentan besonders erfolgreich und warum? 16 Was versteht man unter der Outpacing-Strategie? Wann kann deren Einsatz sinnvoll sein? 17 Kennzeichnen Sie die Strategie der Marktsegmentierung. Welche Ziele werden damit verfolgt? 18 Welche Kriterien können zur Bildung von Marktsegmenten herangezogen werden? Welchen Anforderungen müssen diese Kriterien Rechnung tragen? 19 Analysieren Sie das Produktprogramm von BMW sowie von Volkswagen und arbeiten Sie heraus, welche Segmente durch welche Produktangebote angesprochen werden sollen. 20 Analysieren Sie die Strategie der Hotelgruppe Accor im Hinblick auf die Ansprache unterschiedlicher Marktsegmente. 21 Warum hat die Marktsegmentierung für Unternehmen eine große Bedeutung? 22 Anhand welcher Kriterien kann im BtC- bzw. im BtB-Markt segmentiert werden? 23 Was versteht man unter mikrogeographischer Marktsegmentierung und in welchen Bereichen kann sie zum Einsatz kommen? 24 Was verbirgt sich hinter den Begriffen More-Sell, Cross-Sell und Up-Sell? 25 Skizzieren Sie für ein Versicherungsunternehmen, für ein Autohaus und für einen Versender Strategien, die auf More-Sell, Up-Sell und Cross-Sell abzielen. Was ist dabei zu berücksichtigen? 26 Was ist der Unterschied zwischen der akquisitorischen und der transaktionsorientierten Segmentierung? 27 Was versteht man unter Kunden-Lebenszyklus? In welche Phasen gliedert sich dieser und welche Maßnahmen sind in den einzelnen Phasen besonders wichtig? 28 Welche Entscheidungsfelder sind im Rahmen der Marktarealstrategie zu diskutieren? 29 Wodurch lassen sich die Sprinkler- und die Wasserfall-Strategie voneinander abgrenzen? Welche Vor- und Nachteile sind mit deren Einsatz verbunden?
127
3.2
4
Marketing-Instrumente
„Der beste Weg, die Zukunft vorzubereiten, ist es, sie zu erfinden.“ (Alan Kay, Professor für Informatik) In der klassischen Marketing-Literatur (vgl. bspw. Kotler/Armstrong, 2004; Meffert, 2000; Becker, 2006; Homburg/Krohmer, 2006; Nieschlag et al., 2002) wird i.d.R. zwischen vier verschiedenen Marketing-Instrumenten unterschieden. Dazu zählen die Produkt- und Programmpolitik, die Preis- und Konditionenpolitik, die Distributionspolitik und die Kommunikationspolitik. In diesem Werk wird das MarketingInstrumentarium um die Personalpolitik als Ausdruck eines „Marketing nach innen“ ergänzt. Hintergrund hierfür ist u.a. der wachsende Stellenwert der Mitarbeiter am Wertschöpfungsprozess der Unternehmen, der durch einen kontinuierlichen Anstieg des Dienstleistungsanteils am Angebotsprogramm der Unternehmen seinen Ausdruck findet. Deshalb wird im Folgenden die Personalpolitik als eigenständig zu vertiefendes Instrument in den Marketing-Mix integriert.
4.1
Produkt- und Programmpolitik
Lernziele Fähigkeit...
die Relevanz des Produktlebenszyklus für das Marketing zu erkennen unterschiedliche Ausgestaltungsmöglichkeiten von Produkten zu erarbeiten Methoden und Konzepte zur Gewinnung und Bewertung von Produktinnovationen einzusetzen Scoring-Modelle eigenständig zu erarbeiten verschiedene Markenstrategien kritisch zu bewerten Methoden zur Analyse des Produktprogramms anzuwenden
4.1.1 Entscheidungsfelder der Produkt- und Programmpolitik Die Ziele dieses Marketing-Instruments leiten sich aus den generellen Unternehmensbzw. den daraus bestimmten Marketing-Zielen und -Strategien ab. Die Produkt- und Programmpolitik steht dabei in einer Zweck-Mittel-Relation zu diesen Zielen und 129
4
Marketing-Instrumente
Strategien, d.h. sie soll zur Erreichung der Marketing- und Unternehmensziele sowie zur Umsetzung der diskutierten Strategien beitragen. Werden bestehende Produkte weiterentwickelt oder das Angebotsprogramm um Innovationen ergänzt, sollte vor der Markteinführung zunächst überprüft werden, ob hierdurch die angestrebten Ziele erreicht werden können. Ist bspw. eine generelle Marktakzeptanz des Angebotes gegeben? Kann die angestrebte Positionierung erreicht werden? Ist die geplante Qualitätswahrnehmung zu erreichen? Der damit einhergehende Prozess der Ausgestaltung der Produkt- und Programmpolitik, der auf diese und weitere Fragen Antworten geben soll, ist in Abb. 4.1/1 dargestellt. Tests, die vor der Einführung (bspw. eines Produktes) angesiedelt sind, werden Pretests genannt („pre“ engl. für „vor“). Bei erfolgreichen Tests bzw. nach einer Weiterentwicklung der Angebote aufgrund der Testergebnisse erfolgt deren Einführung auf dem definierten Markt. Auch nach diesem Schritt sind die Ergebnisse der produkt- und programmpolitischen Entscheidungen regelmäßig (bspw. quartalsweise oder jährlich) hinsichtlich der Zielerreichung zu überprüfen, um bei Bedarf frühzeitig gegensteuern zu können. Dabei soll es zu einem geschlossenen Regelkreis kommen, bei dem die eingesetzten Maßnahmen kontinuierlich überprüft und die gewonnenen Erkenntnisse wiederum in die Weiterentwicklung einfließen.
Abb. 4.1/1:
Prozess zur Ausgestaltung der Produkt- und Programmpolitik
Unternehmens-/Marketingziele Produkt- und programmpolitische Ziele Festlegung der Produkt- und Programmpolitik Ausgestaltung
Kontrolle der Wirkungen (Pretest)
Durchführung
Kontrolle
130
Produkt- und Programmpolitik
Im Mittelpunkt der Produkt- und Programmpolitik steht die Kernleistung des Unternehmens, seien dies Konsum- bzw. Investitionsgüter oder Dienstleistungen. Wenn im Folgenden von Produkt gesprochen wird, dann gelten diese Ausführungen i.d.R. analog für Dienstleistungen. Die Ausgestaltung dieses Marketing-MixInstruments wird inhaltlich stark geprägt u.a. durch die Festlegungen, die bei der Ausarbeitung der Marktfeld- und Marktstimulierungsstrategien getroffen wurden. Die folgenden Entscheidungsfelder stehen im Mittelpunkt der Produkt- und Programmpolitik: Leistungsumfang des einzelnen Produktes/der Dienstleistung (inkl. Qualität, Funktionalität) Programmgestaltung (i.S. von Breite, Tiefe und Genre des Angebotes) Verpackungsgestaltung des Produktes Markierung der Leistung Die damit verbundenen Fragestellungen sind nicht nur einmalig, bspw. zum Zeitpunkt der Einführung einer Leistung am Markt, zu beantworten (statische Perspektive). Sie sind vielmehr ebenfalls hinsichtlich ihrer jeweiligen Ausprägungen während der gesamten Vermarktungsphase der Angebote kritisch zu hinterfragen und ggf. weiter zu entwickeln (dynamische Perspektive). Hierbei geht es u.a. um die folgenden Fragestellungen:
Entwicklung und Einführung neuer Angebote Pflege bereits eingeführter Leistungen Angebotsmodifikationen Elimination von Angeboten bzw. Angebotsbereichen
Die Ausgestaltung eines Produktes kann sich bspw. an fünf unterschiedlichen Konzeptionsebenen orientieren (vgl. vertiefend Kotler/Bliemel, 2001, S. 717; vgl. Abb. 4.1/2). Zunächst wird der Kernnutzen eines Produktes durch die ursprüngliche Nutzenbzw. Leistungskomponente bestimmt, bspw. in Gestalt des „Schreibens mit Tinte“. Das Basisprodukt transferiert diesen Kernnutzen in ein entsprechendes Produkt, so etwa einen Füller der Marke Montblanc Meisterstück. Beim erwarteten Produkt handelt es sich um die Leistungsfelder, die der Kunde regelmäßig erwartet, in diesem Beispiel höchste Qualität, gute Haptik, einen exklusiven Vertrieb und eine dauerhaft hohe Preisstellung. Beim erweiterten (augmentierten) Produkt handelt es sich um Leistungen, die der Kunde nicht standardmäßig erwartet. Bei Montblanc war dies etwa die durch Anzeigen kommunizierte Einladung an Kunden, Montblanc Schreibgeräte bei ausgewählten Juwelieren kostenlos überprüfen zu lassen. Dies stellt eine überraschende, geldwerte Zusatzleistung zum bereits – u.U. vor vielen Jahren – gekauften Füller dar. Beim potenziellen Produkt handelt es sich um Produktweiterentwicklungen oder -verbesserungen, etwa um die Verwendung noch edlerer Materialien für die Herstellung der Füller oder um einen Transfer der PremiumStrategie von Montblanc auf die Kreation von Uhren, Gürteln und weiteren Accessoires. Ein Unternehmen ist gut beraten, seine Produkte im Hinblick auf diese Konzeptionsebenen zu überprüfen und ggf. weiter zu entwickeln, wenn entsprechende Handlungsbedarfe sichtbar werden. 131
4.1
Abb. 4.1/2:
Fünf Konzeptionsebenen des Produktes mit zunehmender Wertsteigerung In Anlehnung an Kotler/Bliemel, 2001, S. 717
Potenzielles Produkt
ige run
g
Erweitertes Produkt
rts te
Erwartetes Produkt
Basisprodukt
We
4
Marketing-Instrumente
Kernnutzen
Hinsichtlich der Programmpolitik geht es u.a. um die Frage, wie breit und wie tief das Angebotsprogramm eines Unternehmens sein sollte. Diese Frage stellt sich für ein Produktions- oder Dienstleistungsunternehmen gleichermaßen. Die Programmbreite wird definiert durch die Anzahl der unterschiedlichen Produktlinien/-kategorien, die ein Unternehmen parallel im Angebot hat. In Abb. 4.1/3 ist die Programmbreite für das Unternehmen Miele dargestellt. Die Programmtiefe beschreibt die Anzahl der unterschiedlichen Produkte bzw. Produktvarianten innerhalb einer Produktlinie. Diese ist in Abb. 4.1/3 ebenfalls schematisch aufgezeigt. Die gleichen Begriffe können zur Beschreibung des Angebots im Handel genutzt werden, wobei hier vom Sortiment gesprochen wird. Anhand der Sortimentsbreite und -tiefe können bspw. die unterschiedlichen Geschäftsansätze eines Lebensmitteldiscounters im Vergleich zu einem Warenhaus herausgearbeitet werden. Das Sortiment des Discounters ist mit ca. 1.000 – 1.200 Produkten im Stammsortiment sowohl schmal als auch flach angelegt, während das eines Warenhauses (Motto: „Alles unter einem Dach“) mit ca. 100.000 Artikeln branchenübergreifend breit angelegt ist und in den einzelnen Sortimentslinien auch noch eine große Tiefe aufweist (bspw. durch die Vielzahl der unterschiedlichen Lebensmittel- oder Textilangebote; vgl. 4.3.2.2). Ein weiteres Merkmal zur Beschreibung des Produktprogramms oder Sortiments stellt das Genre (i.S. der Wertigkeit) dar, welches von einem Unternehmen angestrebt wird. So sind die Produkte von Miele im Premium-Segment angesiedelt, während der Wettbewerber Beko versucht, besonders preisattraktive Angebote zu entwickeln. Bei dieser Fragestellung ist also eine unmittelbare Verbindung zur bereits diskutierten Marktstimulierungsstrategie gegeben. 132
Produkt- und Programmpolitik
Abb. 4.1/3:
Breite und Tiefe des Produktprogramms am Beispiel Miele
Tiefe des Produktprogramms
Modell 7 Modell 6
Modell 6 Modell 5
Modell 5
Modell 5
Modell 4
Modell 4
Modell 4
Modell 3
Modell 3
Modell 3
Modell 3
Modell 2
Modell 2
Modell 2
Modell 2
Modell 2
Modell 2
Modell 2
Modell 1
Modell 1
Modell 1
Modell 1
Modell 1
Modell 1
Modell 1
Wäschepflege
Geschirrspüler
Kochen/ Braten/ Backen
Kühl-/ Gefrierschränke
Bodenpflege
Küchenmöbel
Gewerbe maschi nen
Modell 3
Breite des Produktprogramms
Analysiert man die Geschäftsentwicklung von Unternehmen, so zeigt sich, dass im Zeitablauf häufig umfassende Veränderung der Programmbreite und -tiefe stattfinden. Viele Unternehmen starten als Einproduktunternehmen mit einem einzigen Angebot (so bspw. Volkswagen nach dem Krieg mit dem VW Käfer). Um im Zeitablauf nicht nur gleichartige, sondern – als Ausdruck einer Diversifikationsstrategie – gänzlich andere Angebotsfelder zu besetzen, wurde bei Volkswagen neben dem Volkswagen Versicherungsdienst auch Volkswagen Financial Services aufgebaut, das heute eine breite Palette von Finanzdienstleistungen anbietet. Dabei kann – insb. in der Anfangsphase – von produktbegleitenden Dienstleistungen gesprochen werden, weil Versicherungen und das Finanzieren und Leasen von Fahrzeugen das Kerngeschäft unterstützen und fördern (zu Servicekonzepten im Automobilsektor vgl. Lademann/Gutknecht, 2004).
4.1.2 Erweiterter Produktlebenszyklus als Orientierungsrahmen 4.1.2.1 Darstellung des Konzeptes Die dynamische Perspektive der Produkt- und Programmpolitik findet ihren Niederschlag im Produktlebenszyklus, der standardmäßig die folgenden Marktphasen beinhaltet (vgl. u.a. Meffert, 2000, S. 338-346; Becker, 2006, S. 723-742; Homburg/Krohmer, 2006, S. 451-459): 133
4.1
4
Marketing-Instrumente
Einführungsphase Wachstumsphase Reifephase Sättigungsphase Rückgangsphase
Obwohl ausschließlich vom „Produkt“-Lebenszyklus gesprochen wird, haben die genannten Prozessstufen für Dienstleistungen eine gleiche Relevanz. Dieser Produktlebenszyklus stellt idealtypisch das „Leben“ des Produktes eines bestimmten Herstellers (bspw. des Volkwagen Käfer), einer gesamten Produktgattung (etwa von Multivans) oder eines Produktmarktes (bspw. Personenkraftwagen) dar. Bzgl. letzterem kann auch von einem Marktlebenszyklus gesprochen werden. Das Beschreibungskonzept kann auch für Unternehmen herangezogen werden, um deren Entwicklung i.S. des Unternehmenslebenszyklus kritisch zu analysieren. Welche Relevanz derartige Analysen auf Unternehmensebene haben, zeigt ein Blick auf das „Werden und Vergehen“ von Unternehmen in der Internet-Hype-Phase. Dort können interessante Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren herausgearbeitet werden, um deutlich zu machen, warum sich Internet-Unternehmen wie ebay oder amazon in einem schwierigen Umfeld durchgesetzt haben, während eine Vielzahl von anderen Start-ups wieder vom Markt verschwunden ist bzw. von Vertretern der „Old Economy“ übernommen wurde. Die Abfolge der einzelnen Phasen stellt ein Gedankenkonzept dar, ohne Allgemeingültigkeit und ohne eine Exaktheit der Phasenabgrenzung zu beanspruchen. Die Länge des Lebenszyklus einzelner Produkte kann wenige Tagen betragen, wenn bspw. ein neues TV-Format bei den Zuschauern und damit bei den Werbekunden schon bei der ersten Ausstrahlung durchfällt. Die Dauer kann aber auch viele Jahrzehnte betragen, wenn man an Produkte wie Nivea Creme oder VW Golf denkt. Die Länge wird zum einen beeinflusst durch Umfeldfaktoren, wie bspw. technologische Entwicklungen (etwa in Gestalt der „Entwertung“ von Schallplattenspielern und Kassettenrekordern durch den Siegeszug der CD). Zum anderen üben Unternehmen durch die Markenpflege sowie insgesamt durch den Marketing-Mix selbst maßgeblich Einfluss auf die Dauer des Lebenszyklus aus. Der Lebenszyklus stellt entweder eine Prognose dar, vor deren Hintergrund ein Unternehmen sein Marketing ausgestaltet. Er kann ebenso das Ergebnis einer Ex-post-Analyse (d.h. einer im Nachhinein durchgeführten Betrachtung) des Marktes sein, um zu beschreiben, wie sich ein Produkt entwickelt hat. Im Folgenden wird der erweiterte Produktlebenszyklus nach Fritz/Oelsnitz (2006, S. 174; vgl. Abb. 4.1/4) zugrunde gelegt, der den gesamten Innovationsprozess sowie die Entsorgungsphase abdeckt und damit die gesamte wirtschaftlich relevante Entwicklungs- und Lebensdauer eines Produktes beinhaltet. Im Folgenden werden die drei Haupthasen Produktinnovationsprozess, Produktlebenszyklus im engeren Sinne, Produktmodifikations-/-eliminationsprozess beschrieben. 134
Produkt- und Programmpolitik
Abb. 4.1/4:
Konzept des erweiterten Produktlebenszyklus Quelle: Fritz/Oelsnitz, 2006, S. 174
Umsatz Gewinn/Verlust
Umsatz Gewinn/Verlust
Innovationsbedarf
Produktmodifikation (evtl.)
Markteinführung des Neuprodukts
Produktinnovationsprozeß Produktinnovationsprozess
Produktlebenszyklus i.e.S.
IInnonnoIIdeendeen- KonzeptIdeenI deenEi nEntWachsvationsin- prüf ung wickreali- f ührung tum definigewinvations- gew feldnung und sierung lung tion nung feldbestimund und und -auswahl bestimmung mung -auswahl -auswahl Test des Neuprodukts
Rei R i fee
Sättigung
Rückgang
Produktelimination
Endgültige Beseitigung
Neuzyklus
Produktentsorgung
Relaunch (evtl.)
Recycling B eseitigung
(Umsatz)
(Gewinn)
+ 0 -
Lebenszeit rodukts * desProdukts
(Verlust) Entstehungsphase
Marktpräsenzphase
Entsorgungsphase * : sofern Anbieter selbst entsorgt und Kosten nicht abwäl zen kann
4.1.2.2 Produktinnovationsprozess „Am Anfang war die Idee.“ Ein Erkennungsmerkmal gesättigter Märkte ist ein starker Wettbewerb, der u.a. über hohen Werbedruck, aggressive Preisstrategien, aber auch durch einen Innovationswettlauf zwischen den anbietenden Unternehmen ausgetragen wird. Hohe Umsatz- und Gewinnanteile der aktiven Unternehmen entfallen häufig auf Produkte, die erst in den letzten drei bis fünf Jahre eingeführt wurden (vgl. vertiefend Vahs/Burmester, 2005, S. 9-14). Dieser Innovationswettlauf führt dazu, dass neue Angebote eines Unternehmens nach kurzer Zeit durch Innovationen eines Wettbewerbers entwertet und dadurch die Marktphase dieses Angebots (hier der Produktlebenszyklus i.e.S.) immer stärker verkürzt wird – bei teilweise steigenden Kosten für den Innovationsprozess. Solche Entwicklungen sind bspw. auf dem Markt der Handys und Digitalkameras zu beobachten; teilweise werden alle drei bis sechs Monate neue Produktvarianten auf den Markt gebracht. Im Parfummarkt hat der Kunde heute schon die Wahl zwischen 1.700 Düften – und jedes Jahr kommen 100 bis 200 neue dazu, von denen sich jedoch nur ca. 3 % langfristig am Markt etablieren können (Weiguny, 2006, S. 13; weiterführend Hartmann, 2007b). Der Begriff Innovation steht für „Einführung von etwas Neuem“, zusätzlich für „Erneuerung“ von Bestehendem. Innovation kann sich dabei sowohl auf Produkte und Dienstleistungen beziehen (Produkt-/Dienstleistungsinnovation; allgemein auch 135
4.1
Angebotsinnovation), als auch auf Prozesse, bspw. im Produktions- oder Vermarktungsbereich (Prozessinnovation). Wenn von Innovationen gesprochen wird, ist zu unterscheiden, für wen bzw. in welchem Umfeld ein Angebot als Innovation zu bezeichnen ist. Ist ein Angebot für den Markt neu, so wird generell von Marktneuheit gesprochen; stellt es nur für einen Anbieter eine Innovation dar, so ist dies eine Betriebsneuheit. Im Zusammenführen dieser beiden Achsen ergibt sich eine Matrix, die von der einfachen Angebotsmodifikation bis zur Weltneuheit reicht (vgl. Abb. 4.1/5; vgl. ergänzend Homburg/Krohmer, 2003. S. 462-465; Godefroid, 2003, S. 163f.; Vahs/Burmester, 2005, S. 45-47). Die vorgenommene Klassifizierung stellt ein Denkmodell dar, bei der zwischen den einzelnen Gruppen fließende Übergänge bestehen können.
Abb. 4.1/5:
Klassifizierung von Innovationen Klassifizierung von Innovationen
Neuartigkeitsgrad für den Anbieter Niedrig Hoch
4
Marketing-Instrumente
Betriebsneuheit (Unternehmen steigt mit eigenem Angebot in einen schon existenten Markt ein)
Eingeschränkte Marktneuheit (Unternehmen steigt mit für den Markt partiell neuem Angebot ein)
Weltneuheit (Innovation für Markt und Anbieter gleichermaßen)
Relative Angebotsentwicklung (Unternehmen setzt marktbekannte Entwicklung ebenfalls um)
Angebotsentwicklung (schon am Markt vorhandenes Angebot wird weiterentwickelt)
Eingeschränkte Betriebsneuheit (Unternehmen führt weiterentwickeltes Angebot auf neuem Markt ein)
Relative Angebotsmodifikation (Unternehmen führt bekannte Modifikation in anderen Märkten ein)
Relative Marktneuheit (Einführung eines schon vorhandenen Produktes auf einem neuen Markt)
Angebotsmodifikation (schon am Markt vorhandenes Angebot wird abgewandelt) Niedrig
Neuartigkeitsgrad im Markt
Hoch
Eine Weltneuheit stellten bspw. der MP3-Player als innovative Technologie, der TripleRecorder von JVC (ein DVD-, VHS- und Festplattenrecorder) oder der Airbus A 380 als erstes komplett doppelstöckiges Passagierflugzeug der Welt dar. Auch das HandyTV oder das MP3-Handy stellen bei Markteinführung in dieser Kombination Weltneuheiten dar. Wenn BenQ die bereits im Markt eingeführte Technologie des Klapp- und Fotohandys für seine eigenen Produkte neu einsetzt, ist dies eine Betriebsneuheit, deren erstmalige Einführung in einem bestimmten Markt eine relative Marktneuheit. Im Grenzbereich zwischen Angebotsmodifikation und -entwicklung liegt bspw. die Steigerung der Leistungsfähigkeit von Handys hinsichtlich 136
Produkt- und Programmpolitik
Speicherkapazität und Auflösung von Fotos (bspw. in Gestalt des ersten Handys mit Megapixel-Kamera). Eine reine Angebotsmodifikation ist die Herstellung schon vorhandener Handys in unterschiedlichen Größen und Farben, soweit deren Funktionalität sich nicht entscheidend verändert. Es ist nachvollziehbar, dass die Entwicklung einer Weltneuheit für ein Unternehmen mit weitaus größeren Risiken verbunden ist, als bspw. die Modifikation eines schon vorhandenen Produktes. Welche Risiken Betriebsneuheiten selbst für große Konzerne mit sich bringen können, zeigt der über Jahre nicht profitable Einstieg von DaimlerChrysler in das Segment der Kleinwagen bzw. der unteren Mittelklasse mit den Angeboten Smart und A-Klasse. Mit der Bearbeitung dieser Segmente hat DaimlerChrysler in den letzten Jahren einen kumulierten Verlust von ca. fünf Milliarden Euro erzielt (o.V., 27.3.2006, S. 18).
Abb. 4.1/6:
Ausgewählte Trigger und Quellen des Innovationsprozesses
Interner Anstoß
- Marktforschungsergebnisse Kurzfristig wirkend
- Kundenreklamationen - Gewinn-/Umsatzeinbruch - Ergebnisse der F&E-Abteilung
- Überalterung des eigenen Angebotsprogramms Langfristig wirkend
- Neue strategische Ausrichtung des Unternehmens (hinsichtlich Marktfeld, -stimulierung, -parzellierung und -areal)
Externer Anstoß
- Neue Wettbewerberangebote - Veränderte Modetrends - Neue Technologien - Veränderung von Marktsegmenten - Bahnbrechende Forschungsergebnisse - Demographische Entwicklungen - Änderung rechtlicher Rahmenbedingungen (bspw. durch Verbote, Besteuerung)
Es existieren verschiedene Faktoren zum Anstoß eines Innovationsprozesses. Teilweise können diese Prozesse durch neue Ideen selbst oder durch Erkenntnisse angestoßen werden, die inner- oder außerhalb des Unternehmens gewonnen werden. Einen Überblick über derartige „Trigger“ (i.S. des Auslösefaktors), die gleichzeitig Quellen von Neuproduktideen darstellen können, liefert Abb. 4.1/6. Diese zeigt verschiedene Faktoren und ordnet diese dem in- bzw. externen Bereich und als Tendenzaussage auch der kurz- bzw. langfristigen Perspektive zu, ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. Als Auslösefaktoren können diese im Unternehmen „Leidens-“ und damit auch „Hand137
4.1
4
Marketing-Instrumente
lungsdruck“ für den Einstieg in den Innovationsprozess erzeugen. Besonders große Bedeutung kann Anstößen aus der eigenen Kundschaft zukommen, die sich im Internet selbständig in Communities organisiert oder durch Unternehmen ganz systematisch zur Erprobung von Produkten eingebunden wird. Ein Beispiel hierfür stellt das Microsoft Developer Network dar (vgl. vertiefend Kreutzer, 2007b; vgl. zu Web 2.0 4.4.6). Wenn im Folgenden vom Produktinnovationsprozess gesprochen wird, so fokussiert sich dieser in hohem Maße auf Betriebsneuheiten, wobei – je nach Kreativkraft und Risikobereitschaft des Unternehmens – auch echte Weltneuheiten entstehen können. Hinsichtlich der Erarbeitung von Innovationen können Unternehmen m.E. nicht nur zwischen „Make“ or „Buy“, sondern zwischen „Make“, „Buy“ und „Copy“ unterscheiden. Bei der „Make“-Option nimmt ein Unternehmen die Verantwortung für Innovationen selbst in die Hand, um eine Innovationsführerschaft zu erreichen. Bei der „Buy“-Option erwirbt ein Unternehmen entweder Lizenzen, um Erfindungen anderer Unternehmen für sich selbst zu nutzen, delegiert den Innovationsprozess an externe F&E-Institutionen (bspw. Design-Büros) oder kauft Unternehmen auf, die interessante Innovationen erarbeitet haben. Bei der „Copy“-Option analysiert ein Unternehmen kritisch die Entwicklungen in den interessanten Märkten, um auf diese Weise festzustellen, welche Innovationen besonders Erfolg versprechend sind. Wenn solche identifiziert wurden, wird als Innovationsfolger versucht, das Erfolgsmodell intelligent zu übernehmen oder weiterzuentwickeln und sich – bei Vorhandensein einer hohen Marktpräsenz oder einer hohen Investitionskraft – den Markt auch als Nachzügler „zu kaufen“. Dies hat Microsoft als Innovationsfolger bspw. mit dem Microsoft Internet Explorer gegenüber Netscape Navigator geschafft. Im Pharmamarkt hat sich mit den Generika-Herstellern eine ganz Gruppe von Unternehmen darauf spezialisiert, auf eigene F&E zu verzichten und nur die Produkte „nachzubauen“, deren Patentschutz abgelaufen ist. Durch preisaggressive Angebote haben diese Unternehmen (u.a. ratiopharm, Hexal) einen beträchtlichen Marktanteil erobert. Diese Beispiele unterstreichen, dass es nicht notwendigerweise eine Frage des Budgets ist, ob ein Unternehmen eigene Innovationen vorantreibt, sondern eine Frage der strategischen Ausrichtung. Der oben beschriebene Innovationsdruck bringt es mit sich, dass die Flop-Quote, d.h. der Anteil der nicht erfolgreichen Angebotseinführungen, in verschiedenen Branchen ca. 70 % erreicht. Bei Lebensmitteln und im Drogeriemarkt liegt dieser Wert im Durchschnitt bei 72,6 % (Information Resources, 2005). Bei Parfums scheitern sogar bis zu 97 % und sind teilweise schon nach wenigen Monaten wieder vom Markt verschwunden (Weiguny, 2006, S. 13). Aufgrund dieses hohen Scheiterrisikos erfolgt ein qualifiziertes Innovationsmanagement insb. dann, wenn erfolgreiche Innovationen für das Überleben eines Unternehmens unverzichtbar sind, bedeutsame Budgets für den F&E-Bereich bereitgestellt werden müssen, die Zeitspanne bis zur Markteinführung zeitkritisch ist und/oder lange Forschungszeiträume in Kauf genommen werden müssen, um zu neuen Angeboten zu kommen. Die Entwicklung des Airbus A 380, die insgesamt ca. € 14 Mrd. verschlungen und mehr als sieben Jahre gedauert hat, kann als ein besonders beeindruckendes Beispiel genannt werden (Braunberger, 2006). Beträchtliche Größenordnungen bzgl. Länge und Kosten von Entwicklungsprozessen werden auch in 138
Produkt- und Programmpolitik
der pharmazeutischen Industrie erreicht. Im Durchschnitt dauert die Entwicklung eines neuen Arzneimittels zwölf Jahre und kostet durchschnittlich $ 800 Mio. (vfa, 2006). Bei der Durchführung eines Innovationsprozesses ist die Ausrichtung an folgendem idealtypischen Ablaufmodell zweckmäßig (vgl. Abb. 4.1/7; Homburg/Krohmer, 2003, S. 463-465; Fritz/Oelsnitz, 2006, S. 152-172; zum Innovationsmanagement im NonProfit-Bereich vgl. Eckstaller, 2001). Die Gesamtheit der Schritte wird i.d.R. eingesetzt, wenn die „Make“-Option gewählt wird. Auch beim Einsatz der „Buy“- bzw. „Copy“Option können die beschriebenen Methoden zur Anwendung kommen, um bspw. aus einer Vielzahl von Möglichkeiten diejenigen auszuwählen, die für das Unternehmen die höchste Wertschöpfung bei akzeptablem Risiko versprechen.
Abb. 4.1/7:
Phasen des Innovationsprozesses Phasen des Innovationsprozesses 4 Realisierung
3 Prüfung und Auswahl von Neuproduktideen
Management des Innovationsprozesses
Entscheidung
2 Gewinnung von Neuproduktideen
Ideenbündel
1 Innovations-/ Suchfeldbestimmung
Controlling des
Fokus Innovationsprozesses
Der Prozess beginnt i.d.R. mit der Definition des Innovations- und Suchfeldes. Dieses wird maßgeblich geprägt durch die Entscheidungen der Marktfeldstrategie. Dabei wird festgelegt, in welcher Richtung ein Unternehmen innovativ werden möchte. Für ein Automobilunternehmen kann bspw. festgelegt werden, dass auch Aktivitäten im Logistikbereich interessante Wachstumsfelder sind, während ein Nahrungsmittelkonzern bspw. erstmals mit innovativen Produkten eine Produktlinie „Süßigkeiten“ aufbauen möchte. Interessant ist dabei, dass eine enge Geschäftsfelddefinition der Besetzung innovativer Angebotsfelder häufig im Wege steht. So waren es bspw. nicht Post-Unternehmen, die versucht haben, den Massenmarkt E-Mail 139
4.1
4
Marketing-Instrumente
zu besetzen. Und Zeitungsverlage haben den lukrativen Anzeigenmarkt für Immobilien und Stellenangebote neuen Internetanbietern kampflos überlassen. „Zu oft erinnert die Reaktion in den betroffenen Branchen an das fatale Beispiel der Musikindustrie. Diese hatte die Entwicklung im Internet zuerst verschlafen, sich dann verweigert und schließlich durch die Forderung von Verboten die nicht mehr aufhaltbare Verbreitung von Musik über das Internet unter Jugendlichen noch schick gemacht.“ (Nonnast, 2005, S. 8). Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, das eigene Geschäftsfeld breit zu definieren, um lukrative Wachstums- und ggf. Bedrohungsfelder nicht zu übersehen und folglich eine Marketing-Myopia (i.S. einer MarketingKurzsichtigkeit) zu vermeiden (vgl. grundlegend Levitt, 1960). Ist der relevante Zielbereich definiert, können unterschiedliche Wege zur Gewinnung von Neuproduktideen beschritten werden. Eine Übersicht liefert Abb. 4.1/8 (vgl. Freter, 2004, S. 70; Homburg/Krohmer, 2003, S. 465-468; Vahs/Burmester, 2005, S. 143164; zu besonders innovativen Konzepten vgl. Lensker, 2007; Lang/Reich, 2007).
Abb. 4.1/8:
Ausgewählte Quellen von Neuproduktideen
F&E-Abteilung Marketing-Abteilung Interne Quellen
Vertrieb/Außendienst Beschwerdemanagement Unternehmenseigene Trendscouts Betriebliches Vorschlagswesen/Qualitätszirkel Produktionsbereich Markt- und Branchenstudien, Kundenbefragungen Fokus-Gruppen mit Schlüssel-/Zielkunden Vertriebspartner
Externe Quellen
Lieferanten Wettbewerber Eigenständige Forschungsinstitute Innovationsberater/Kreativagenturen Messen/Ausstellungen
Um das unternehmensinterne Innovationspotenzial zu nutzen, werden verschiedene Kreativitätstechniken verwendet. Diese können in den unterschiedlichen Funktionsbereichen des Unternehmens – etwa im Marketing- oder F&E-Bereich – eingesetzt werden, um gezielt neue Leistungsfelder für das Unternehmen zu finden oder um Möglichkeiten zur Weiterentwicklung vorhandener Angebote zu identifizieren. Die am weitesten verbreitete Technik ist das so genannte Brainstorming (vgl. grundlegend Osborn, 1963; auch Vahs/Burmester, 2005, S. 168f.). Ziel ist es dabei, in einer 140
Produkt- und Programmpolitik
Gruppendiskussion durch „lautes Denken“ eine möglichst große Anzahl von Ideen zusammenzutragen. Die ideale Dauer beträgt ca. 30 – 45 Minuten, um eine hohe Konzentration bei den Mitwirkenden sicherzustellen. Die Zahl der Teilnehmer sollte sich auf fünf bis acht beschränken und idealerweise verschiedenen Abteilungen und/oder Hierarchiestufen entstammen. Eine zentrale, in vielen Fällen unterschätzte Rolle kommt dem Moderator zu, um die Erfassung aller Vorschläge und insb. die Befolgung der folgenden Guidelines sicherzustellen:
„Jede Idee wird begrüßt!“ „Je ungestümer eine Idee ist, desto besser!“ (d.h. Quantität geht vor Qualität) „Kritik ist verboten!“ (kein „Ideenkilling“) „Freie Assoziation zu den Vorschlägen!“ (d.h. Ideen der anderen aufgreifen und weiterentwickeln)
Die schwierigste Aufgabe des Moderators besteht i.d.R. darin, das „Ideenkilling“, sei es verbal oder non-verbal, zu unterbinden. Häufig sind alle Teammitglieder darauf fixiert, bei allen möglichen Vorschlägen gleich die Nachteile und Schwierigkeiten zu thematisieren, getreu einer Regel des Rheinischen Grundgesetzes: Kenne mer nit! Bruuche mer nit! Fott domett! Denn jede Veränderung, jede Neuerung verursacht zunächst einmal Ängste, die zur Abwehr von entsprechenden Innovationen führen. Gerade beim Brainstorming gilt es jedoch, die Ideen und Vorschläge auf die eigene Kreativität wirken zu lassen. Erfolgt eine Zurückweisung von Kritik nicht konsequent, ist das der sichere Tod jeder Kreativität. Dies gilt insb. dann, wenn verschiedene Hierarchiestufen präsent sind und/oder introvertierte Personen mitwirken, die sich durch Kritik schnell entmutigen lassen. Peters (1997, S 71) hat diesbezüglich treffend konstatiert: „It´s easier to kill an organization than to change it!”. Um diese Nachteile zu vermeiden, bietet sich das Brainwriting (auch Methode 6-3-5 genannt) an. Bei dieser Kreativitätstechnik erhalten sechs Teilnehmer eine schriftliche Problemstellung, um zu dieser jeweils drei Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Diese werden fünfmal weitergereicht. Eine solche Sitzung dauert ca. 60 Minuten und ermöglicht eine konfliktfreie Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Hierarchiestufen und unterschiedlichen Persönlichkeitsstrukturen. Ein systematisch-analytische Methode zur Neuproduktentwicklung stellt das Attribute-Listing dar (vgl. Freter, 2004, S. 79). Hierbei wird das betreffende Angebot zunächst in verschiedene Merkmale zerlegt und anhand dieser der Ist-Zustand beschrieben. Anschließend wird in jeder Merkmalsgruppe nach unterschiedlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten gesucht, um so Ansatzpunkte zur kreativen Weiterentwicklung zu finden. Durch eine Kombination der neu gefundenen Ausprägungen können Innovationen entstehen, die anschließend hinsichtlich ihrer Realisierbarkeit zu bewerten sind. Ein Beispiel für die Entwicklung eines Fachbuches zeigt Abb. 4.1/9. 141
4.1
4
Marketing-Instrumente
Abb. 4.1/9:
Attribute-Listing zur Entwicklung eines Fachbuches
Merkmal
Ist-Zustand
Varianten
Form
rechteckig
rund, quadratisch, trapezförmig, dreieckig
Material
Papier
mit haptischen Elementen (Stoff, Folie etc.)
Ausgestaltung
Hardcover, Paperback
E-Book, Hörbuch/MP3-Format, CD, DVD
Interaktivität
keine
Online-Dialog mit Verlag/Autor Online-Aufgaben mit Lösungsskizze Online-Tests Bereitstellung von aktuellem Hintergrundmaterial
Die durch die verschiedenen Quellen und Methoden identifizierten Neuproduktideen sind nun in einem mehrstufigen Prozess daraufhin zu überprüfen, ob diese zur Erreichung der Marketing-Ziele beitragen. Hier bietet sich die Orientierung an dem in Abb. 4.1/10 aufgezeigten Trichtermodell an, bei dem unterschiedliche Methoden zur Ideenbewertung und -auswahl zum Einsatz kommen. In der Vorauswahlstufe (häufig auch „Screening“ genannt), werden die einzelnen Ideen anhand einer Checkliste mit sogenannten „Must“-Kriterien bewertet (vgl. Vahs/Burmester, 2005, S. 184-186; Godefroid, 2003, S. 167-170). Hierbei geht es um die Frage, ob die identifizierten Vorschläge alle Anforderungen erfüllen, die aus Unternehmenssicht unverzichtbar sind. Dazu zählen u.a.:
Vereinbarkeit mit den Unternehmenszielen (insb. der „Business-Definition“) Stimmigkeit mit dem bestehenden Image des Unternehmens Time-to-Market (Zeitdauer, bis eine Idee zur Marktreife entwickelt ist) Kostengrößenordnung in Relation zum entsprechenden Budget Verfügbarkeit bzw. Beschaffbarkeit der notwendigen Technologien
Neuproduktideen, die die „Must“-Kritieren erfüllen, werden in einem weiteren Schritt anhand eines Scoring-Modells (auch Punktbewertungsmodell oder Nutzwertanalyse) beurteilt (vgl. Homburg/Krohmer, 2006, S. 583f.; Freter, 2004, S. 81-83; Gabler, 2005, S. 2197f.). Um ein solches Modell zu entwickeln, muss zunächst festgelegt werden, anhand welcher Merkmale eine Idee bewertet werden soll. Anschließend müssen diese Merkmale mit einer Gewichtung versehen werden, um die unterschiedliche Bedeutung der verschiedenen Merkmale zum Ausdruck zu bringen. Die Gewichtungsfaktoren müssen sich dabei zu 1,0 addieren. Im Zuge dieser Festlegung finden in den Unternehmen häu142
Produkt- und Programmpolitik
fig intensive Diskussionen statt, weil bei der Entwicklung eines solchen Scoring-Modells eher intuitiv geprägte Bewertungsmuster transparent und damit auch diskutierbar werden. Allein hierin liegt bereits ein großer Wert dieses Ansatzes. Es ist darauf zu achten, dass die Kriterien möglichst unabhängig voneinander sind, um eine ungewollte Mehrfacherfassung gleicher Sachverhalte zu vermeiden. Im nächsten Schritt müssen alle Kriterien operationalisiert, d.h. messbar gemacht und hinsichtlich ihrer unterschiedlichen Ausprägungen mit Punkten (Scores) versehen werden. Aus der Multiplikation der vergebenen Punkte mit den jeweiligen Gewichten, summiert über alle Kriterien, ergibt sich dann für jede Alternative ein Gesamtpunktwert, anhand dessen ein Vergleich der zu bewertenden Ideen möglich ist (vgl. Abb. 4.1/11). Zusätzlich wird ein Mindestwert (hier bspw. 3,3) definiert, den eine Idee zur Weiterverfolgung mindestens aufweisen muss. Generell werden die Ideen mit dem höchsten Punktwert vertieft.
Abb. 4.1/10:
Trichtermodell zur Bewertung und Auswahl von Neuproduktideen
Bewertungsebene
„Trichteransatz“ Neuprodukt-Ideen
Vorauswahl/ „Screening“
Bewertungsmethode Checkliste mit „Must“Kriterien Scoring-Modell Break-even-Analyse
Feinauswahl
Amortisationsrechnung Kapitalwert-Analyse Machbarkeitsstudie Akzeptanz-/Markttest
Set an relevanten Ideen für die Umsetzung
Der Vorteil von solchen Scoring-Modellen ist, dass qualitative und quantitative Kriterien in eine Bewertung einfließen können. Außerdem werden subjektive Einschätzungen (das berühmte „Bauchgefühl“) durch die Einbindung mehrerer Personen zur einer Gesamtbewertung verdichtet. Die Dokumentation der Bewertungsmechanik erlaubt es, bspw. nach einem Jahr, zu überprüfen, wie zutreffend die vorgenommenen Einschätzungen waren. Auf diese Weise werden wichtige Voraussetzungen für eine „lernende Organisation“ geschaffen – weil die Erfahrungen mit dem Scoring-Ansatz zur Optimierung des Prozesses genutzt werden können. 143
4.1
4
Marketing-Instrumente
Abb. 4.1/11:
Scoring-Modell zur Neuproduktbewertung
Bewertungskriterium
Rel. Gewicht (A)
Bewertung einer Neuproduktidee (B) 1 2 3 4 5
X
Ergebnis (A x B)
Marktpotenzial
0,25
0,50
Marktwachstum
0,20
Preisbereitschaft
0,10
X
0,50
Wettbewerbsintensität
0,15
X
0,75
Entwicklungskosten
0,15
Produktionsanforderungen
0,15
Summe
1,00
X
0,60
X
0,45
X
0,60 3,40
1: sehr ungünstig, 5: sehr gut Mindestwert zur Weiterverfolgung einer Idee 3,3
Die hier vorgestellte Funktionsweise des Scoring-Modells kann in den nachfolgenden Fällen ebenfalls zielführend eingesetzt werden: Definition von Kundenwertigkeiten (u.a. nach Umsatz, Deckungsbeitrag, „Handlingkosten“, Engagement als Freundschaftswerber) Ermittlung der Kreditwürdigkeit potenzieller Kunden (Vor einer Kreditgewährung oder einer Belieferung auf Rechnung ermitteln Unternehmen aufgrund mehrerer Kriterien (wie bspw. bisheriges Zahlungsverhalten), die erwartete Bonität. Vielfach wird auch auf den Bonitäts-Scorewert der Schufa, d.h. der Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung, zurückgegriffen. In diese Berechnung fließen u.a. die Anzahl der Kreditkarten und Girokonten, die laufenden Kredite oder die Häufigkeit von Wohnungswechseln ein.) Auswahl von Produktionsstandorten (u.a. nach steuerlichen Anreizen, Kostensituation beim Personal, Zugang zu Rohstoffen, Ausgestaltung der Infrastruktur, bspw. durch Anbindung an notwendige Verkehrswege) Bewertung von Zielmärkten (u.a. nach politischer und wirtschaftlicher Stabilität, wirtschaftlichem Wachstum, Wettbewerbsintensität, Stellenwert des eigenen Unternehmensimages, bspw. in einem Länder-Portfolio) 144
Produkt- und Programmpolitik
Mediaauswahl (u.a. nach Reichweite, Kosten, Imageaffinität zum eigenen Angebot und zum Unternehmen) Auswahl von Absatzwegen (u.a. nach Steuerungsmöglichkeiten, Kosten, Kundenzugang, Image) Diese Beispiele machen deutlich, dass der Einsatz eines Scoring-Modells immer sinnvoll ist, wenn eine Entscheidung unter Heranziehung mehrerer, unterschiedlich wichtiger Kriterien getroffen werden soll. Für Produktideen, die das Scoring „überlebt“ haben, finden in der Feinauswahl stärker quantitativ geprägte Verfahren Anwendung (Wirtschaftlichkeitsanalysen). Eine wichtige Methode ist die Break-even-Analyse, bei der jene Absatzmenge ermittelt wird, bei der die Gesamtkosten (als Summe der fixen und variablen Kosten) für das Projekt und die erzielten Umsätze übereinstimmen und somit weder ein Gewinn noch ein Verlust entsteht (Break-even-Point; vgl. Kotler/Bliemel, 2001, S. 836f.). In Abb. 4.1/12 ist dieser Punkt bei 500 Einheiten erreicht, da die Gesamtkosten (fixe Kosten + variable Stückkosten x Menge) genauso hoch sind wie der erzielte Umsatz (Verkaufspreis x Menge). Bei einer prognostizierten Verkaufsmenge unter 500 Stück ist es für dieses Unternehmen nicht wirtschaftlich, ein solches Produkt auf den Markt zu bringen, wenn nicht andere unternehmenspolitische Entscheidungen dafür sprechen (bspw. die Notwendigkeit, das eigene Produktprogramm entsprechend abzurunden).
Abb. 4.1/12:
Break-even-Analyse
Umsatz/Kosten (in Mio. •) 16
Umsatz
14 12
Gesamtkosten
Break-evenPoint
10 8 6
Fixkosten
4 2
Menge 100
300
500
700
900 145
4.1
4
Marketing-Instrumente
Diese Analyse kann für die gesamte Laufzeit eines Produktes durchgeführt werden. So müssen vom Airbus A 380 inzwischen über 420 Stück verkauft werden, bevor das Gesamtprojekt profitabel wird (Hains, 2006). Es kann aber auch ermittelt werden, welche jährliche Absatzmenge anzustreben ist, um bei einem Projekt die Gewinnschwelle zu erreichen. So erfordert die Produktion des Premium-Modells Maybach einen jährlichen Absatz von 1.500 Stück, um profitabel zu sein. Von diesem Wert liegt Daimler Chrysler seit der Markteinführung im Jahr 2002 weit entfernt (o.V., 51/2005, S. 8). Bei der Amortisationsrechnung (auch Pay-back- bzw. Pay-off-Rechnung genannt) wird ermittelt, wie lange es dauert, bis die Initialauszahlungen für die Umsetzung der Neuproduktidee in der Periode 0 (IA Periode 0) durch die kumulierten Zahlungsüberschüsse der Folgeperioden (n) abgedeckt werden (vgl. Vahs/Burmester, 2005, S. 211f.). Die Initialauszahlungen können bspw. Lizenzgebühren oder Aufwendungen für Spezialmaschinen darstellen. Die Zahlungsüberschüsse ergeben sich aus der periodenbezogenen Gegenüberstellung der Einzahlungen (E) und der Auszahlungen (A). Während sich die Einzahlungen aus den Umsatzerlösen ergeben, setzen sich die Auszahlungen u.a. aus Löhnen, Gehältern, Materialkosten und Abschreibungen für Maschinen zusammen. Die Ermittlung der Armotisationsdauer (AD) erfolgt dann nach der Formel: AD = IAPeriode 0 / ∅ Zahlungsüberschuss pro Jahr Ein Unternehmen kann für die Entscheidung über die Entwicklung eines neuen Produktes eine bestimmte Amortisationsdauer (bspw. drei Jahre) festlegen, die nicht überschritten werden darf. Produktideen, deren Amortisationsdauer diese drei Jahre übersteigen, würden ausgeschlossen. Diese Art der Wirtschaftlichkeitsrechnung betrachtet allerdings nur das Risiko in Gestalt der Dauer, bis sich die Investition amortisiert hat (vgl. Freter, 2004, S. 85-87). Eine Aussage darüber, welcher Gewinn über den Lebenszyklus des Produktes insgesamt erzielt werden kann, ist mit dieser statischen Wirtschaftlichkeitsrechnung nicht verbunden. Aussagen hierzu trifft die zu den dynamischen Wirtschaftlichkeitsrechnungen zählende Kapitalwertmethode, die den zeitlichen Anfall und die Höhe der Zahlungen über den gesamten geplanten Vermarktungszeitraum (t) einer Innovation, d.h. den Produktlebenszyklus i.e.S., zu erfassen sucht (vgl. Vahs/Burmester, 2005, S. 212f.; Meffert, 2000, S. 407). Unter Kapitalwert (K) ist dabei die abgezinste Summe aller für die Vermarktungsphase geplanten zukünftigen Ein- und Auszahlungen (E – A) zu verstehen, abzüglich der Initialaufwendungen (IA) in der Periode 0. Die Notwendigkeit zur Abzinsung resultiert daraus, dass bspw. ein Einnahmeüberschuss von € 1 Mio. in fünf Jahren für ein Unternehmen weniger wertvoll ist als ein solcher in zwei Jahren. Diese unterschiedlichen Wertigkeiten werden durch die Abzinsung berücksichtigt. Der Kapitalwert K in der Periode 0 errechnet sich wie folgt: KPeriode 0 = – IAPeriode 0 + Σt =1 – n (E t – A t) × 1 / (1 + i)t Die erwartete Vermarktungsdauer des Produktes (t) kann bspw. über vier Jahre laufen; dann nimmt „n“ den Wert von „4“ an. Für die Abzinsung wird bspw. der Zinssatz 5 % verwendet. Ein positiver Kapitalwert zeigt an, dass es – auf den Entscheidungszeitpunkt berechnet – einen positiven Finanzmittelrückfluss geben wird. Ein negativer 146
Produkt- und Programmpolitik
Kapitalwert bedeutet dagegen einen Verlust. Stehen mehrere Alternativen zur Auswahl, so erhält die Alternative mit dem höchsten Kapitalwert grds. die größte Priorität. Entscheidend für den Kapitalwert ist – neben den berücksichtigten Ein- und Auszahlungen – die Höhe des eingesetzten Kalkulationszinssatzes (i). Je höher dieser veranschlagt wird, bspw. aufgrund anderer attraktiver Anlagealternativen, desto geringer fällt der Kapitalwert aus. Aufgrund der zur Berechnung notwendigen Daten wird deutlich, dass der Informationsbeschaffungsaufwand für die Durchführung einer Kapitalwertermittlung beträchtlich größer ist als bei einer statischen Wirtschaftlichkeitsrechnung. Gleichzeitig steigt aber auch die Aussagekraft gegenüber den statischen Verfahren deutlich an (zu weiterführenden Konzepten vgl. Ebert, 2004; KreminBuch, 2004; Lachnit/Müller, 2006). Ist die Entscheidung für eine Produktidee gefallen, so schließen sich in der Realisierungsphase eine Vielzahl weiterer Aufgaben an. Am Anfang kann, insb. bei besonders innovativen Vorhaben, eine Machbarkeitsstudie (Feasibility Study) stehen, mit der die Realisierbarkeit einer Idee überprüft wird. Dem kann sich die Entwicklung von Prototypen anschließen, die ggf. unter Einbindung von Schlüsselkunden (etwa im BtB-Markt) oder durch erste Akzeptanztests bei Konsumenten hinsichtlich ihrer Vermarktbarkeit bewertet werden. In Abhängigkeit des Innovationsgrades können umfassende Markttests durchgeführt werden, die Anhaltspunkte über die Akzeptanz des Produktes, die geeignete Preisstrategie und den Erfolg versprechenden werblichen Einsatz geben können (vgl. vertiefend Kamenz, 2001; Berekoven et al., 2004; Herrmann/Homburg, 2000).
4.1.2.3 Produktlebenszyklus im engeren Sinne Der Produktlebenszyklus i.e.S. beginnt mit der Markteinführung. Dabei stellen sich u.a. die folgenden Fragen: Auf welches Marktsegment, d.h. auf welche Gruppe potenzieller Kunden, soll die Einführung fokussiert werden? Auf welchen Ländermärkten soll die Einführung in welchem zeitlichen Ablauf erfolgen? Welche werblichen Botschaften können die Zielgruppe am besten überzeugen und über welche Medien kann diese am besten angesprochen werden? Mit welcher Preisstellung können die definierten Umsatz-/Gewinnziele am wahrscheinlichsten erreicht werden? Welche Vertriebskonzepte passen am besten zum angestrebten Produktimage und zur anvisierten Zielgruppe? Wodurch kann eine Abgrenzung zu den relevanten Wettbewerbern erreicht werden? Mit welchen Reaktionen ist von deren Seite zu rechnen? Sind verschiedene Schritte allein oder besser in Zusammenarbeit mit Partnern zu realisieren (bspw. durch die Bildung eines Joint Ventures oder durch strategische Kooperationen)? Gerade die letzte Frage kann existenzielle Bedeutung erhalten. So wurde bspw. im Kampf um den neuen DVD-Standard für blue-ray ein Konsortium u.a. mit Sony, Samsung, Philips und Panasonic gebildet, das sich am Markt mit den Befürwortern 147
4.1
des HD-DVD-Standards um Tochiba, NEC, Microsoft und Intel konfrontiert sieht (Krümpel, 2006a, S. 4). Zu dieser Zusammenarbeit sah sich Sony deshalb gezwungen, weil es diesem Unternehmen weder beim Videorecorder (mit Betamax), noch mit der Minidisc als Speichermedium, noch mit Atrac als Audioformat zur Komprimierung von Musikstücken (hier gegen MP3) gelungen war, die eigenen Entwicklungen als Weltmarktstandard durchzusetzen (Krümpel, 2006b, S. 5).
Abb. 4.1/13:
Anteil der übernehmenden Personen in %
4
Marketing-Instrumente
Diffusionsmodell bei Innovationen Mittelwert bezeichnet den Zeitpunkt, bis 50 % der Kunden ein Produkt erworben haben; s weist die Standardabweichung von diesem Mittelwert aus In Anlehnung an Nieschlag et al., 2002, S. 127
35 30 25 20 15 10
Innova toren (2,5 %)
5 MW – 2 Ã
Früh adoptoren (13,5 %)
Frühe Mehrheit (34 %)
Späte Mehrheit (34 %)
Nach zügler (16 %)
Mittelwert MW – Ã MW + Ã Zeitspanne bis zur Übernahme der Innovation
Bei innovativen Produkten ist zu berücksichtigen, dass sich deren Erstkäufer von späteren Kunden deutlich unterscheiden können. Zur Beschreibung dieser Sachverhalte dient das Diffusionsmodell für Innovationen (vgl. Becker, 2006, S. 724f.; Homburg/ Krohmer, 2003, S. 490-496; Kotler/Bliemel, 2001, S. 564-567). Nach diesem Denkansatz stoßen neue Produkte zunächst bei einer bestimmten Zielgruppe auf besonderes Interesse, die Innovatoren genannt werden (vgl. Abb. 4.1/13). Diese zeichnen sich insb. durch ein hohes Interesse an der entsprechenden Produktkategorie und eine höhere Preisbereitschaft aus, i.d.R. verbunden mit einer höheren Risikoakzeptanz. Die Innovatoren haben in ihrer Bezugsgruppe häufig eine Meinungsführerfunktion inne, weil sie sich mit den betreffenden Angeboten besonders intensiv auseinander setzen und deshalb andere gut beraten können. Innovatoren kaufen bspw. technologische Innovationen (seien es die ersten Digitalkameras, Flatscreen-TV-Geräte, DVD-Recorder usw.) oder topmodische Produkte als erste und sind auch bereit, dafür mehr Geld auszugeben. Im Gegensatz dazu lassen die Frühadoptoren und die Frühe Mehrheit 148
Produkt- und Programmpolitik
genannten Kundengruppen erst andere die Innovationen „ausprobieren“, bevor sie selbst zugreifen – mit reduziertem Risiko und bei häufig niedrigeren Preisen. Zur Späten Mehrheit und den Nachzüglern gehören die Personen, die gerne anderen den Vortritt lassen und lieber abwarten, bis die Produkte technisch ausgereift sind und/oder noch deutlich günstiger angeboten werden (seien es Flatscreen-TV-Geräte bei Aldi oder Paperbackausgaben von Bestsellern). Auch bei diesem Ansatz wird wieder die Relevanz der Markt- und Kundensegmentierung deutlich. Jedes Unternehmen, welches mit innovativen Lösungen auf den Markt kommt, sollte sich vor Augen führen, dass sich die folgenden Kriterien bei den oben beschriebenen Kundengruppen deutlich unterscheiden lassen: Informationsbedarf bzgl. des Angebotes Werden detaillierte technische Informationen gewünscht oder nur Auskunft über allgemeine Produktvorteile? Wie hoch ist die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit dem Angebot? Art der genutzten Informationsquellen Wie informiert sich der Interessent, über Fach- oder Publikumszeitschriften? Getätigter Beschaffungsaufwand Welche Bereitschaft besteht, das Angebot in unterschiedlichen Bezugsquellen zu suchen? Relevante Produktfeatures Was motiviert die potenziellen Kunden? Haben Neuigkeiten einen Wert an sich? Oder dominiert die Bequemlichkeit beim Einkauf und eine attraktive Preisstellung die Kaufentscheidung? Vor diesem Hintergrund ist nicht nur die Struktur der gewonnenen Kunden i.S. einer dynamischen Segmentierung kontinuierlich zu überprüfen. Auch die Ausrichtung des Marketing-Mix ist kontinuierlich anzupassen, etwa hinsichtlich Kommunikationsmaßnahmen, Preisstellung und genutzten Vertriebskanälen. Dabei stellt sich – insb. bei einer Vermarktung über Ländergrenzen hinweg – die Frage, in welchem Ausmaß ein Standardisierung des Produktes, d.h. eine unveränderte Vermarktung, bzw. eine Differenzierung zur Erschließung weiterer Marktsegmente erfolgen soll (vgl. grundlegend Mayer, 1993; Kreutzer, 1989). Welchen Verlauf der gesamte Innovationsprozess selbst aufweist, wird von den folgenden Faktoren beeinflusst: Innovationsgrad des Angebotes Hierdurch wird das damit verbundene „wahrgenommene Risiko“ und somit der Akzeptanzwiderstand beeinflusst. Image des anbietenden Unternehmens Ist dieses ein „Nobody“ oder ein weltweit erfolgreich agierender Konzern? Relativer Vorteil gegenüber vorhandenen Angeboten Verträglichkeit des Angebotes mit Normen, Werten, Erfahrungen und Erwartungen der Zielpersonen Neben der Ermittlung, welche Strukturen die gewonnenen Kunden aufweisen, sind zur Beurteilung der Produkteinführung weitere Zielkriterien zu definieren, die sich an den KPIs der Markenwertschöpfungskette orientieren können (vgl. 2.4). 149
4.1
4
Marketing-Instrumente
4.1.2.4 Produktmodifikations-/-eliminationsprozess Wenn ein Produkt am Ende des wirtschaftlichen Lebenszyklus angekommen ist – abzulesen an sinkenden Umsatz- und Gewinnwerten – stellt sich die Frage, ob diesem Trend durch eine Veränderung des Produktes oder der anderen MarketingInstrumente entgegen gesteuert werden kann. Bei der Produktmodifikation können zwei Ansätze unterschieden werden (vgl. Nieschlag et al., 1997, S. 277f.; Homburg/ Krohmer, 2006, S. 617-619): Produktvariation Von einer Variation wird gesprochen, wenn das ursprüngliche Produkt in seiner Grundkonzeption erhalten bleibt, aber einzelne Bestandteile im Laufe der Zeit verändert und/oder modernisiert werden. In diesem Fall löst das variierte Produkt das Vorgängerangebot ab. Dies ist bspw. bei der Weiterentwicklung von Automobilmodellen, etwa vom Volkswagen Golf IV zum Golf V, zu beobachten. Durch eine Produktvariation verändert sich folglich weder die Programmtiefe noch die -breite. Produktdifferenzierung Eine Differenzierung liegt vor, wenn neben das ursprüngliche Produkt eine veränderte Produktversion tritt; z.T. wird hier auch von Line Extension gesprochen. So wurde der Volkswagen Golf um die Versionen Golf Cabrio, Golf Plus und Golf Variant ergänzt, um zusätzliche Zielgruppen zu erschließen. Durch diese Produktdifferenzierung erweitert sich die Programmtiefe des Anbieters. Diese Formen der Produktmodifikation werden von Unternehmen in der Sättigungs- und Rückgangsphase des Lebenszyklus häufig in umfassende Marketing-Aktionen eingebunden, die bei der Produktvariation den vorhandenen Produkten „neues Leben“ einhauchen sollen. Dann wird von einem Relaunch (i.S. eines Neustarts) des Produktes gesprochen, weil versucht wird, dem rückläufigen Umsatz durch eine Marketing-Offensive entgegen zu wirken. Ein solcher Relaunch geht nicht immer mit „echten“ Produktveränderungen einher. Häufig passiert dieser allein durch die Kommunikation, in dem in der Werbung „jetzt neu“, „noch besser“, „noch wirksamer“, „noch pflegeleichter“, „energieverstärkt“ o.ä. herausgestellt wird – ohne dass zwangsläufig eine konkrete Produktweiterentwicklung stattgefunden haben muss. Bei der Entscheidung darüber, ob ein Produkt modifiziert oder tatsächlich eliminiert werden soll, gibt es eine Vielzahl von Faktoren, die zu beachten sind (vgl. Abb. 4.1/14). Wichtig ist, dass rückläufige Umsätze oder Ergebnisbeiträge i.d.R. alleine nicht ausreichen, um derartige Entscheidungen zu treffen. Welche anderen „Eliminierungsfaktoren“ relevant sein können, zeigen die folgenden Beispiele. Bayer nahm 2001 nach weltweiten Diskussionen um Nebenwirkungen den Cholesterinsenker Lipobay vom Markt und musste dabei Umsatzverluste in Milliardenhöhe hinnehmen (o.V., 15.6.2006, S. 17). DaimlerChrysler hat lange an der Entscheidung bzgl. eines teilweisen Rückzugs aus der Produktion der 1998 eingeführten Marke Smart gerungen. Aufgrund der über Jahre kumulierten Verluste von meh150
Produkt- und Programmpolitik
reren Milliarden Euro wurde 2005 die Produktion des Smart Roadster und 2006 auch die des Smartforfour eingestellt. Allein letzterer führte zu Schließungskosten in der Größenordnung von einer Milliarde Euro. Durch diese Maßnahme soll die defizitäre Kleinwagenmarke 2007 erstmals Gewinne erreichen (o.V., 27.3.2006, S. 18). Dass die Produktion des VW Käfer nach 70 Jahren und nach rund 22 Millionen verkauften Exemplaren Ende 2005 auslief, wurde insb. durch strenge Umweltgesetze erzwungen (vgl. o.V., 27.12.2005, S. 26). Auch die Vermarktung von Nickel-Cadmium-Batterien wurde durch gesetzliche Regelungen unterbunden (vgl. o.V., 21.12.2004, S. 20).
Abb. 4.1/14:
Entscheidungsfaktoren bei einer Produktmodifikation bzw. -elimination
Quantitative Kriterien Abnehmender Umsatz (absolut) Abnehmender Umsatz (relativ zum Gesamtumsatz des Unternehmens) Rückgang von Gewinn/ Deckungsbeitrag (absolut/relativ) Marktanteilsverluste (absolut und relativ zu den stärksten Wettbewerbern)) Notwendigkeit der Verkaufsankurbelung durch Preisnachlässe,, Werbedruck, Händlerpromotions o.ä.
Qualitative Kriterien Veralterung des Angebots durch neue Technologien, leistungsstärkere Angebote, Modetrends Verschärfung der rechtlichen Rahmenbedingungen bzgl. Produktion, Einsatz und Entsorgung Negative Diskussion in der Öffentlichkeit über das Angebot Veränderung der demographischen, technologischen und/oder ökonomischen Rahmenbedingungen Verbünde mit anderen Produkten des eigenen Unternehmens
4.1.3 Markenstrategien Die unterschiedlichen Markenarten (Markenartikel, Handelsmarken und No-Names) wurden bereits im Abschnitt 1.1.5.4 dargestellt. Im Rahmen der Produkt- und Programmpolitik stellt sich die Frage, welche Branding-Strategie eingesetzt werden soll, d.h. in welcher Weise die eingesetzten Markennamen miteinander in Verbindung stehen sollen (vgl. Meffert et al., 2005; Adjouri, 2004; Esch, 2004; Becker, 2006, S. 195214; Becker, 2005; Homburg/Krohmer, 2006, S. 638-642; Andresen/Nickel, 2005; Boltz/Leven, 2004). Zum einen wird von Dachmarken gesprochen, bei denen i.d.R. auf dem Unternehmensnamen aufgesetzt wird (so bei Coca-Cola). Bei Familienmarken werden unter einer Marke unterschiedliche Leistungsfelder zusammengeführt, wie 151
4.1
4
Marketing-Instrumente
bspw. das breite Produktprogramm von Nivea. Teilweise finden sich Ableitungen von Dachmarken bei einzelnen Produkten wieder, so etwa beim Lebensmittelkonzern Nestlé mit der Familienmarke Nescafé oder bei Ferrero mit der Einzelmarke Ferrero Küsschen. Andere Produkte von Ferrero, wie Duplo, TicTac oder MonCherié sind dem Konzern dagegen nicht unmittelbar zuzuordnen und bilden reine Einzelmarken, z.T. auch Monomarke oder Produktmarke genannt (vgl. Haller, 2001, S. 145). Bei Nivea wird die Familienmarke auf Produktmarken herunter gebrochen (bspw. Nivea for Men). Als Privatbrand schließlich werden No-Name-Produkte bezeichnet. In Abb. 4.1/15 sind verschiedene Varianten des Branding unterschieden.
Abb. 4.1/15:
Alternative Branding-Strategien
Branding-Strategie -
Basis
Beispiel
Corporate Brand/ Dachmarke
Unternehmensname
Coca-Cola, Nestlé, Volkswagen, Ferrero, Nokia, Lego, P&G, TUI
Family Brand/ Familienmarke
Produktgruppe/-linie
Nivea, Tesa, Melitta, Bild, Milka, Pampers
Product Brand/ Einzelmarke
Einzelprodukt
Nutella, Duplo , Fandil, Robinson Club
Private Brand/No-Name/ Gattungsmarke
Drittanbieter
Ja!, A&P, Gut&Günstig
Ein Beispiel für eine komplexe Markenstrategie liefert Beiersdorf. Hier wird sichtbar, dass neben einer starken Dachmarke mehrere Familienmarken aufgebaut wurden, die sich in Einzelmarken konkretisieren und mit unterschiedlichen Produkten ausgefüllt werden (vgl. Abb. 4.1/16). Bei der Entscheidung, ob eine Familienmarken- oder eine Einzelmarken-Strategie zum Einsatz kommen soll, sind verschiedene Faktoren zu berücksichtigen, die Abb. 4.1/17 zeigt. Ferrero verfolgt parallel Einzel- und Familienmarken-Konzepte. Mit Nutella, TicTac, MonChéri, Hanuta, Giotto, Raffaello und Duplo wurden einerseits starke Einzelmarken aufgebaut. Andererseits werden unter der Familienmarke Kinder laufend neue Produkte in den Markt eingeführt. Das entsprechende Sortiment umfasst 2006 u.a. Kinder Country, Kinder Riegel, Kinder Überraschung, Kinder Schokobons, Kinder Happy Hippo, Kinder bueno, Kinder pingui, Kinder Milchschnitte und Kinder friends.
152
Produkt- und Programmpolitik
Abb. 4.1/16:
Markenstrategie bei Beiersdorf www.nivea.de, www.tesa.de, 2006
Abb. 4.1/17:
Vorteile alternativer Markenstrategien In Anlehnung an Freter, 2004, S. 61 Familienmarke
Einzelmarke
Ausschöpfung eines vorhandenen Markenwertes (i.S. einer starken Marke) durch mehrere Produkte
„Zugespitztes“ Leistungsversprechen ist möglich
Leichtere Markteinführung aufgrund der Markenbekanntheit im Handel
Eine hohe Kundenorientierung wird durch eine Fokussierung auf enge Zielgruppen möglich
Bei den Endkunden kann bei Neuprodukteinführungen auf dem vorhandenen Markenimage aufgebaut werden
Misserfolge des Produktes haben keine negativen Ausstrahlungseffekte auf eine Markenfamilie
Ältere Marken können durch die Einführung von neuen Produkten der gleichen Marke „jung“ gehalten werden
Umpositionierungen bzw. Produkteliminierungen strahlen nicht auf eine Markenfamilie aus
153
4.1
4
Marketing-Instrumente
Zusätzlich stellt sich die Frage, ob ein Unternehmen eine Ein- oder eine MehrmarkenStrategie realisieren sollte. Bei der Einmarken-Strategie bietet das Unternehmen in jeder Produktlinie nur eine einzige Marke, bei der Mehrmarken-Strategie können verschiedene Marken innerhalb der gleichen Produktlinie miteinander im Wettbewerb stehen. Dann wird auch von Multibranding gesprochen (vgl. Homburg/Krohmer, 2003, S. 529; Kotler/Bliemel, 2001, S. 696; Meffert/Perrey, 2005, S. 816-823; grundlegend Becker, 2005). Entscheidend dabei ist, dass die Marken aus Sicht der Kunden als selbständige und unterscheidbare Marken wahrgenommen werden. Ein Beispiel hierfür lieferte bisher DaimlerChrysler, die mit den Marken Maybach, Mercedes-Benz, smart, Dogde, Chrysler und Jeep weltweit aktiv war. Auch die schon zitierte AccorGruppe verfolgt eine Mehrmarken-Strategie. Die Vor- und Nachteile eines entsprechenden Vorgehens sind in Abb. 4.1/18 dargestellt. Abb. 4.1/18:
Vor- und Nachteile einer Mehrmarken-Strategie In Anlehnung an Freter, 2004, S. 62 Vorteile
Nachteile
Unabhängige Ansprache verschiedenster Zielgruppen möglich; dadurch hohe Marktabdeckung erreichbar
Verlust von Betriebsgrößenvorteilen, wenn keine Plattformstrategie zum Einsatz kommt
Alternative Preis-Leistungs-Strategien parallel zueinander realisierbar; hierdurch „Abdichten“ der Märkte gegenüber Wettbewerbern
Kunden wählen u.U. bei mehreren Angeboten das günstige Produkt, wenn die Herkunft aus dem gleichen Unternehmen bekannt ist
Steigerung des unternehmensinternen Wettbewerbs zwischen verschiedenen Angeboten
Unternehmensinterne Kannibalisierung durch u.U. überschneidende Angebote
Partieller Risikoausgleich durch unterschiedliche Angebote in mehreren Marktsegmenten
Verlust von Economies of Scope durch differenzierten Marktauftritt
Bei der Entwicklung von Markennamen können unterschiedliche Orientierungspunkte herangezogen werden. Eine Auswahl von Anhaltspunkten für die Namensfindung ist in Abb. 4.1/19 dargestellt. Bei international agierenden Unternehmen ist es wichtig, bei der Entwicklung von Markennamen auf deren internationale Einsatzfähigkeit zu achten. Hierbei ist nicht nur an Namensrechte zu denken, sondern auch an Assoziationen, die länder- oder regionalspezifisch mit bestimmten Namen einhergehen (vgl. vertiefend Müller/Gelbrich, 2004, S. 606-613). Zusätzlich sind die einschlägigen Bestimmungen des umfangreichen Markenrechts zu berücksichtigen, das u.a. im Markengesetz sowie in der Markenverordnung niedergelegt ist. 154
Produkt- und Programmpolitik
Abb. 4.1/19:
Orientierungspunkte für die Findung von Markennamen Markennamen
Kunstnamen
Direkter Bezug zum Produkt
Direkter Bezug zu Produkteigenschaften
Indirekter Bezug zu Produkteigenschaften
Regionaler Bezug
Bezug zum Gründer
Arvato
Wikipedia
Slimfast
Lexus
Meissner Porzellan
Ford
Arventis
T-Mobil
Nirosta
Nivea for Men
Spreewalder Gurken
Siemens
Novartis
Sport Bild
Milky Way
Becker´s Bester
Fulda Reifen
adidas
Xerox
TV Today
MonCherié
Du darfst
Royal Copenhagen
HARIBO
Abb. 4.1/20:
Produkt-Marken-Portfolio am Beispiel des Volkswagen-Konzern In Anlehnung an Homburg/Krohmer, 2006, S. 643
Produktlinien
bestehende neue
Marken
bestehende
neue
Linienausweitung (Line Extension)
Markentransfer (Brand Extension)
Golf, Golf Plus, Golf Variant, Golf Cabrio
Golf-Asseccoires , GolfBekleidung
Mehrmarken-Strategie (Multibranding)
Marken- und Produktlinien-Innovation
Sharan, Alhambra Tuareg, Q 7
Bentley, Bugatti
155
4.1
4
Marketing-Instrumente
Die Konzepte zur Weiterentwicklung des Angebots- sowie des Markenprogramms können in einem Produkt-Marken-Portfolio zusammengeführt werden, wobei das Feld „bestehende Marken und Produktlinien“ den Ausgangspunkt der Entwicklung darstellt (vgl. Abb. 4.1/20; vgl. Homburg/Krohmer, 2006, S. 642-644; Esch et al., 2005; Burmann et al., 2005). Bei der Line Extension (auch Produktdifferenzierung oder Linienausweitung) wird versucht, den etablierten Markennamen auf weitere Produkte innerhalb der bestehenden Produktlinie zu übertragen (so beim Aufbau der VW GolfFamilie). Bei der Brand Extension (auch Markentransfer) erfolgt der Einsatz des etablierten Markennamens für neue Produktlinien. Häufig werden derartige Produkte durch Drittunternehmen gefertigt, die dafür vom Markenrechteinhaber entsprechende Lizenzen erwerben (etwa zur Fertigung der Golf-Accessoires). Im Parfummarkt haben Procter&Gamble und Benckiser bspw. die Rechte für die Herstellung und Vermarktung von Marken wie Hugo Boss, Laura Biagiotti, Naomi Campell, Calvin Klein und Lagerfeld erworben (Weiguny, 2006, S. 13; vgl. weiterführend Binder, 2005). Beim Multibranding (Mehrmarken-Strategie) treten neben die bereits etablierte Marke weitere, um das Marktpotenzial auszuschöpfen. Bei Volkswagen trat neben den VW Sharan das vergleichbare Modell Alhambra von Seat, sowie neben dem Touareg von VW der Q 7 von Audi. Bei der Marken- und Produktlinien-Innovation wird mit neuen Marken in neue Produktlinien vorgestoßen. Dies war bspw. beim Einstieg des Volkswagen-Konzerns in den Luxusbereich mit den Marken Bugatti und Bentley der Fall. In welchen Fällen von „neuen“ Produktlinien gesprochen werden kann und wann ein Unternehmen sich innerhalb „bestehender“ Produktlinien bewegt, kann nicht generell bestimmt werden. Die hier vorzunehmende Abgrenzung orientiert sich in hohem Maße an der Zielsetzung der Analyse.
4.1.4 Servicestrategien Zur Komplettierung der Angebotspalette können unterschiedliche Servicestrategien zum Einsatz kommen, um das Leistungsspektrum für Interessenten oder bereits gewonnene Kunden noch attraktiver zu gestalten und damit eine Angebotsdifferenzierung im Qualitätswettbewerb zu erreichen (Gabler, 2005, S. 52; vgl. Abb. 4.1/21). Sowohl im BtB- wie im BtC-Markt kann zunächst eine Gruppierung nach der Phase der Servicebereitstellung erfolgen, ob diese vor, während oder nach dem Kauf erfolgt. Zusätzlich ist eine Differenzierung danach zweckmäßig, ob die entsprechenden Services produkt- oder eher personenbezogen erbracht werden. Orientiert an Abb. 4.1/21 kann jedes Unternehmen für sich entscheiden, welche Leistungsfelder zur Differenzierung im Wettbewerb eingesetzt werden sollten. Pre-SalesServices sollen den Verkauf anbahnen, in dem bspw. das Produkt physisch erlebbar wird. Dies ist bspw. bei Probefahrten oder bei Produktvorstellungen im Haushalt der Fall, wie sie bei jungen Familien sowie der Zielgruppe 50+ durch Felicitas erfolgen (vgl. Felicitas, 2007). Referenzbesuche können im BtB-Segment einen Verkauf anzubahnen helfen, wenn überzeugende Beispiele für den Produkteinsatz bei anderen Unternehmen aufgezeigt werden (bspw. von IT-Systemen oder Software-Lösungen). Dazu zählen 156
Produkt- und Programmpolitik
auch die innovativen Konzepte, die unter den Leitideen interaktive Wertschöpfung bzw. Customer Integration z.Zt. diskutiert werden und eine umfassende Einbindung der Zielkunden bereits in den Entwicklungsprozess vorsehen (vgl. Reichwald/Piller, 2006; Kreutzer, 2007b; Lang/Reich, 2007). Sales-Services sollen dazu beitragen, den konkreten Kauf zu erleichtern. Besonders wichtig sind in diesem Bereich auch Zahlungsmodalitäten, die in 4.2.6 als Teil der Preispolitik vertieft werden. Zu den After-Sales-Services zählen Leistungen, die den Einsatz der erworbenen Leistungen erleichtern sollen, in dem bspw. Schulungen und Wartungen angeboten werden. So bietet Dell eine Vielzahl von After-Sales-Services. Diese reichen von Protect it (u.a. Unfall- und Diebstahlschutz), über Start it (Installations- und Transferservices) bis zu Use it (i.S. E-LearningPaketen). Zusätzlich werden Leasingmöglichkeiten angeboten (Dell, 2006, S. 18). Im Volkswagen-Sorglos-Paket sind ebenfalls eine Vielzahl von Leistungen zusammen geführt. Neben einem speziellen Ausstattungspaket wird ein effektiver Jahreszins von 0,9 % sowie eine Kfz-Vollkasko-Versicherung geboten. Zusätzlich ist eine Garantieverlängerung sowie eine Kreditabsicherung für den Fall der Arbeitslosigkeit enthalten. Ergänzend sind innerhalb von vier Jahren Wartung und Inspektion kostenlos (Volkswagen, 16.7.2006, S. 5). Durch derartige Angebote, die Gestaltungsfelder der Produkt-/Programm- sowie der Preis-/Konditionenpolitik berühren, können dauerhafte Kundenbeziehung aufgebaut werden, die im Idealfall zu zufriedenen Kunden und damit auch zu Folgekäufen führen. Dazu tragen auch Konzepte bei, die speziell auf die Verlängerung und Intensivierung der Kundenbeziehung ausgerichtet sind, wie bspw. Kundenmagazine oder weiterführende Kundenbindungsprogramme (vgl. vertiefend 4.4.5.2).
Abb. 4.1/21:
Serviceleistungen als Teil der Produkt- und Programmpolitik In Anlehnung an Hansen et al., 2001, S. 167 Pre-SalesServices Kostenlose, zeitlich befristete Produktüberlassung (bspw. Probefahrt, Probeabonnement) Sampling
Sales-Services
After-SalesServices
Einpackservice
Lieferservice Kundendienst Wartung
Mit Produktbezug
Produktvorführung am POS oder zu Hause, ausführliche Beratung, Referenzbesuche bei bestehenden Anwendern
Finanzierungsleistungen (u.a. Ratenzahlung, 0 %-Finanzierung)
Kostenlose/-pflichtige Schulungen
Ohne Produktbezug
Einladung zu Events, Informationsservice
Warten in einer VIPLounge, Geschenke, Zugaben
Kundenmagazine, Kundenbindungsprogramme
Produktbezogene Services
Personenbezogene Services
157
4.1
4
Marketing-Instrumente
4.1.5 Controlling der Produkt- und Programmpolitik Die generelle Zielsetzung des Marketing-Controlling ist eine punktuelle und/oder kontinuierliche, i.d.R. an Vergleichs- oder Zielgrößen orientierte Analyse der Marketing-konstituierenden Elemente zur Sicherstellung einer langfristig erfolgreichen Unternehmensführung (vgl. Becker, 2006, S. 863-892). Im Kontext der Produktund Programmpolitik geht es primär um die Frage, mit welchen Instrumenten die Attraktivität des unternehmerischen Leistungsangebots überprüft werden kann. Eine bewährte Methode stellt eine produktbezogene ABC-Analyse dar, bei der die Produkte eines Unternehmens in Abhängigkeit von ihrem Umsatzanteil als Konzentrationskurve dargestellt werden (vgl. Abb. 4.1/22). Anhand einer solchen relativ einfachen Analyse wird deutlich, in welchem Maße ein Unternehmen von einzelnen Produkten abhängig – und wie verwundbar es dementsprechend ist. Werden – wie in diesem Beispiel – über 80 % des Umsatzes nur mit 20 % der Produkte erzielt, dann muss besonderes Augenmerk darauf gelegt werden, dass es bei diesen A-Produkten zu keinem Umsatzeinbruch kommt. Gleichzeitig ist zu fragen, ob unter den B- und CProdukten, die heute keine großen Umsatzanteile auf sich vereinen, solche mit Zukunftspotenzial sind, die die bestehenden „Bread&Butter“-Produkte einmal ablösen können. Das bedeutet, dass eine solche Analyse nicht statisch, allein zur Beleuchtung des Status quo eingesetzt werden sollte, sondern dynamisch, um Entwicklungen von Produkten aus dem B- und C-Segment zu zukünftigen A-Produkten gezielt zu fördern.
Abb. 4.1/22:
ABC-Analyse des Angebotsprogramms
% 100 C-Produkte
80 60
B-Produkte
40 20
A-Produkte
% 20 158
40
60
80
100
Produkt- und Programmpolitik
Eine solche ABC-Analyse kann ebenso bei anderen Fragestellungen wichtige Informationen liefern, etwa bei der Klassifizierung von Kunden, Vertriebskanälen und Absatzmärkten, aber auch von Beschaffungskanälen. Die Konzentration auf wenige Bereiche kann dadurch ermittelt werden und je nach Ausmaß als Anlass für eine Gegensteuerung fungieren, um zu große Abhängigkeiten abzubauen. Bei derartigen Analysen zeigt sich oft das Pareto-Prinzip, das eine 20 zu 80 % Beziehung aufzeigt und deshalb auch 20:80-Regel genannt wird. Die genannte Relation zeigt dabei eine Tendenz an, ohne dass exakt die Werte 20 bzw. 80 zu erreichen sind. Bei einer Kundenanalyse kann sich herausstellen, dass ca. 20 % der Kunden 80 % des Deckungsbeitrages erzielten, oder auch, dass 20 % der Kunden 80 % der „Probleme“ verursachten. Im privaten Umfeld gibt es Pareto-CDs, -Kleidungsstücke oder -Einkaufsstätten. Auch dort finden sich entsprechende Konzentrationseffekte, die analysiert werden können, um daraus Konsequenzen für das eigene Kaufverhalten abzuleiten.
Abb. 4.1/23:
Altersstrukturanalyse eines Produktprogramms (in den Balken Anzahl der Produkte)
Produktgruppe A
2
Produktgruppe B
7
Produktgruppe C
8
Produktgruppe D
5
Produktgruppe E
9 40 30 20 10 Umsatzbeitrag in %
1
2 3 4 5 Lebenserwartung in Jahren
Bei der Altersstrukturanalyse wird ermittelt, welchen Umsatzbeitrag einzelne Produkte haben und welche Lebenserwartung diese noch aufweisen (vgl. Hansen et al., 2001, S. 226; Meffert, 2000, S. 346-350). In Abb. 4.1/23 wird sichtbar, dass der größte Umsatzanteil von zwei Produktgruppen abhängt, die nur noch eine geringe 159
4.1
4
Marketing-Instrumente
Lebenserwartung besitzen. Deshalb sind aus dem restlichen Produktprogramm solche Leistungsträger zu identifizieren, die die Umsatznachfolge antreten können. Sind solche Produkte nicht zu finden, ist unverzüglich ein Innovationsprozess zu starten, um die absehbaren Umsatzausfälle zu kompensieren. Durch derartige Analyseinstrumente ist die Erfolgsträchtigkeit sowie das Zukunftspotenzial des Angebotsprogramms kontinuierlich zu überwachen. Wenn Handlungsbedarfe sichtbar werden, kann unmittelbar in den skizzierten Innovationsprozess eingestiegen werden.
Merkbox
Innovationen haben eine zentrale Bedeutung für eine Vielzahl von Unternehmen.
Der Produktlebenszyklus stellt ein wichtiges Analyse- und Prognose-Instrument für die Produkt- und Programmpolitik dar.
Der Innovationsprozess muss aufgrund seiner Wichtigkeit umfassend ausgestaltet werden.
Für die Auswahl von Neuproduktideen gibt es eine Vielzahl von wichtigen Bewertungskonzepten.
Mit einem Scoring-Modell können unterschiedlichste Entscheidungen systematisiert werden.
Das Diffusionskonzept bei Innovationen zeigt, dass sich durch neue Produkte im Zeitablauf ganz unterschiedliche Kundensegmente angesprochen fühlen.
Durch Produktvariation und -differenzierung wird versucht, den Lebenszyklus eines Produktes zu verlängern.
Servicestrategien können entscheidend dazu beitragen, eine Differenzierung der eigenen Leistungen im Wettbewerberumfeld zu erreichen.
Das Produktprogramm eines Unternehmens ist hinsichtlich seiner langfristigen Attraktivität kontinuierlich zu bewerten.
Das Pareto-Prinzip, das Konzentrationen verdeutlicht, findet sich im unternehmerischen wie im privaten Umfeld wieder.
Fragen zur Überprüfung Ihres Wissensstandes 1
Durch welche Begriffe lässt sich das Leistungsangebot eines produzierenden Unternehmens sowie eines Handelsunternehmens beschreiben?
2
Was versteht man unter den fünf Konzeptionsebenen des Produktes? Welche Bedeutung kommt diesen im Marketing zu? Veranschaulichen Sie Ihre Ausführungen an einem Beispiel für Bekleidung und einem für den Automobilsektor.
3
Welche Bedeutung kommt Innovationen in entwickelten Märkten zu? Wodurch ist dies zu begründen?
4
Welche Arten von Innovationen gibt es und wie können diese unterschieden werden? Nennen Sie konkrete Beispiele für alle Innovationsformen und veranschaulichen Sie, welche Chancen und Risiken für die anbietenden Unternehmen damit jeweils verbunden sind oder waren.
160
Produkt- und Programmpolitik
5
Welche strategischen Optionen hat ein Unternehmen hinsichtlich der Durchführung von Innovationsprozessen? Wodurch lassen sich Unternehmen bei dieser Fragestellung leiten?
6
Welche Größenordnung erreicht in entwickelten Märkten die Misserfolgsquote bei Neuprodukteinführungen? Worauf führen Sie diese Entwicklung zurück?
7
Welche Phasen sind bei einem Innovationsprozess im Unternehmen zu unterscheiden? Welche Methoden kommen dabei in welcher Abfolge zum Einsatz?
8
Erarbeiten Sie ein Scoring-Modell zur Ermittlung von Kundenwertigkeiten sowie zur Bewertung der Attraktivität von Absatzmärkten. Machen Sie sich dabei deutlich, weshalb Sie welche Kriterien berücksichtigt haben und wodurch Sie sich bei der Gewichtung lenken lassen. Führen Sie eine konkrete Berechnung für diese Beispiele durch.
9
Kennzeichnen Sie Zielsetzung, Vorgehen und Guidelines für das Brainstorming. Setzen Sie diese Methode in einer Gruppe zur Entwicklung des „idealen Lehrbuchs für Marketing“ ein.
10 Kennzeichnen Sie Zielsetzung und Vorgehen für das Brainwriting. Setzen Sie diese Methode in einer Gruppe zur Bearbeitung einer Fragestellungen Ihrer Wahl ein. 11 Kennzeichnen Sie Zielsetzung und Vorgehen für das Attribute-Listing. Nutzen Sie diese Methode zur Entwicklung neuer Schokoladensorten im „Selbstversuch“. 12 Was versteht man unter der Break-even-Analyse und in welchen Fällen kommt diese zum Einsatz? Veranschaulichen Sie sich deren Aussage anhand eines Beispiels Ihrer Wahl. 13 Was ist der Unterschied zwischen der Amortisationsrechnung und der Kapitalwertmethode? Welches Verfahren liefert aussagekräftigere Ergebnisse? Führen Sie eigene Berechnungen mit den vorgestellten Methoden durch. 14 Was versteht man unter dem Diffusionsmodell für neue Produkte? Welche Relevanz hat dieses für das unternehmerische Marketing? Welche Aspekte sind dabei zu berücksichtigen? 15 Veranschaulichen Sie sich das Diffusionsmodell am Beispiel von MP3-Playern. Wer hat diese zuerst erworben? Welche Preisstrategien kamen zum Einsatz? Welche Personen aus Ihrem privaten Umfeld gehört bei diesem Produkt zu den Innovatoren, welche zu den Nachzüglern? 16 Welche Ansätze der Produktmodifikation gibt es? Welche Konsequenzen sind damit für die Unternehmen verbunden? 17 Welche Aspekte sind bei einer Produktelimination zu berücksichtigen? 18 Welche Branding-Strategien sind zu unterscheiden? Nennen Sie Beispiele für alle Ausprägungsformen. Welche Vor- und Nachteile sind mit den verschiedenen Ansätzen verbunden? 19 Wodurch unterscheiden sich Einzel- und Familienmarkenstrategien? Welche Vor- und Nachteile gehen damit einher? 20 Was verbirgt sich hinter Mehrmarken-Strategien? Welche Kriterien sind bei deren Bewertung zu berücksichtigen? 21 Kennzeichnen Sie das Konzept des Produkt-Marken-Portfolios. Welche unternehmerischen Entscheidungen sind damit verbunden? Verdeutlichen Sie sich die Relevanz dieses Konzeptes durch die Analyse des Angebotes vom Schreibgerätehersteller Montblanc. 22 Grenzen Sie Pre- und After-Sales-Services von Sales-Services ab. Wie kann deren inhaltliche Ausgestaltung weiter differenziert werden? Entwickeln Sie eine Servicestrategie für ein Autohaus und eine Elektrofachgeschäft. 23 Welche Aussagen lassen sich durch die ABC-Analyse ermitteln? Wie sind diese zu interpretieren? 24 In welchen Feldern – außerhalb der Produkt- und Programmpolitik – kann die ABC-Analyse ebenfalls zum Einsatz kommen? 25 Welche Relevanz hat die Altersstrukturanalyse für produkt- und programmpolitische Entscheidungen? Wie ist diese Analyse aufgebaut?
161
4.1
4
Marketing-Instrumente
4.2
Preis- und Konditionenpolitik
„Nicht der ist ein guter Führer, der alle Dinge richtig macht, sondern der, der die richtigen Dinge tut.“ (Peter F. Drucker)
Lernziele Fähigkeit...
den Stellenwert der Preis- und Konditionenpolitik im Marketing-Mix zu verstehen Gestaltungsfelder der Preis- und Konditionenpolitik zu beherrschen preisdeterminierende Faktoren zu bestimmen alternative Konzepte zur Preisfindung anzuwenden unterschiedliche Preisstrategien zu verstehen und ihre Einsatzfelder sicher zu charakterisieren
4.2.1 Entscheidungsfelder der Preis- und Konditionenpolitik Wie in Abb. 4.2/1 aufgezeigt, wird die Festlegung von Preisen von einer Vielzahl von Kriterien beeinflusst. Hierzu gehören als interne Faktoren neben den schon angesprochenen Unternehmens- und Marketing-Zielen insb. die Kosten für Produktion und Vermarktung der Angebote. Als externe Faktoren fließen die rechtlichen und marktlichen Rahmenbedingungen (bspw. eine wachsende oder rezessive, d.h. schrumpfende Wirtschaft) sowie die Konkurrenzaktivitäten und die Verhaltensmuster der Nachfrager ein. Im Mittelpunkt der Preis- und Konditionenpolitik stehen mehrere Aufgabenbereiche (vgl. Schneider, 2003, S. 95-98; Homburg/Krohmer, 2006, S. 667-755; Meffert, 2000, S. 483-488; Kotler et al., 2007a, S. 587-645; Diller, 2007, S. 179-209). Es geht um die Fixierung des optimalen Verkaufspreises für ein Produkt oder eine Dienstleistung. Die Frage der „Optimalität eines Preises“ kann dabei nur im Hinblick auf die definierten Marketing- und Unternehmensziele beantwortet werden. D.h., eine Preisstellung ist dann optimal, wenn sie bestmöglich zur Erreichung dieser Ziele beiträgt. Hierzu kann entweder ein Kampfpreis zum Einsatz kommen, um Marktanteile „zu kaufen“ oder Wettbewerber aus dem Markt zu drängen. Dies ist bspw. bei der Markteinführung der chinesischen Automarke Landwind in Europa 2005 zu beobachten gewesen. Dieses Geländefahrzeug wurde mit einem Preis von ca. € 15.000 eingeführt und lag damit deutlich unter anderen Angeboten (vgl. Geiger, 2005). Oder es wird ein Premiumpreis festgesetzt, um die Preisbereitschaft der Kunden „abzuschöpfen“ bzw. um eine bestimmte Imageposition als Ausdruck einer Fokussierung auf das Top-Segment des Marktes aufzubauen. Dies ist bspw. bei Miele-Produkten der Fall, die sich im Top-Markt positionieren und dabei „Made in Germany“ als verkaufsverstärkendes Element werblich hervorheben. An diesen beiden Beispielen wird deutlich, 162
Preis- und Konditionenpolitik
dass die Kosten, maßgeblich bestimmt durch die Produktion in Hoch- oder Niedriglohnländern, unmittelbar auf die erreichbaren Preisstrategien durchschlagen können. Während eine Niedrigpreisstrategie eine besonders kostengünstige Produktion voraussetzt, können einer Premiumstrategie auch in Niedriglohnländern gefertigte Erzeugnisse zugrunde liegen, wie dies bspw. bei vielen großen Bekleidungslabels der Fall ist. Allerdings muss dabei die Qualität der Erzeugnisse dem Premiumanspruch genügen.
Abb. 4.2/1:
Einflussfaktoren und Gestaltungsfelder der Preis- und Konditionenpolitik
Interne Faktoren - DB-Ziele - Umsatz-, Gewinn-, - Marktanteilsziele - Imageziele - Zielsegmente - Innovationsgrad des Angebotes - Kosten (u.a. von Produktion, Vertrieb)
Externe Faktoren - Marktentwicklung, Konjunktur - Wettbewerbsintensität - Macht der Handelspartner - Preissensibilität der Endkunden - Technologischer Fortschritt - Phase im Produktlebenszyklus - Einschlägige Gesetze
Preis- und Konditionenpolitik Festlegung des „optimalen“ Preises Durchsetzung des Preises am Markt Bestimmung der Preishöhe im Zeitablauf Umsetzung einer Preisdifferenzierung Definition der Konditionen der Entgeltentrichtung
Wurde der „optimale“ Preis bestimmt, so gilt es, in enger Abstimmung mit den Instrumenten der Distributions- und Kommunikationspolitik diesen Preis am Markt durchzusetzen, d.h. bei eingebundenen Handelspartnern und/oder den Endabnehmern. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass eine „Optimalität“ aus Unternehmenssicht durchaus im Widerspruch zur „Optimalität“ aus Sicht der Marktpartner und/oder Kunden stehen kann. Ein hoher Preis für ein Vollwaschmittel (bspw. Persil) kann aus Sicht des Markenartikelunternehmens (hier Henkel) zielführend sein. Die Handelspartner (etwa real,-) würden diesen Markenartikel dagegen gerne mit einem Kampfpreis zur Kundenanlockung einsetzen und könnten hierbei mit einer hohen Akzeptanz bei den Verbrauchern rechnen. Bei einer Maurice Lacroix-Herrenuhr, einem im Premiumsegment angesiedelten Produkt, trifft eine hohe Preisstellung bei Hersteller und Handel aufgrund der erreichbaren Deckungsbeiträge auf hohe Akzeptanz. Diese werden in diesem Beispiel u.U. gleichermaßen beim Endkunden erreicht, weil sich aufgrund des hohen Preises nur wenige Kunden dieses Produkt leisten können und des163
4.2
4
Marketing-Instrumente
halb mit dem Besitz einer solchen Uhr viel Prestige verbunden ist. Deshalb könnte bei einer Preissteigerung die Nachfrage sogar steigen. Der damit verbundene Demonstrativkonsum wird auch Prestige- oder Vebleneffekt genannt. Der Konsument strebt dabei nach auffälligem und zugleich aufwändigem Konsum und fragt deshalb teurer werdende Güter verstärkt nach. Hiervon abzugrenzen ist der so genannte Snob-Effekt. Dieser liegt vor, wenn bei sinkendem Preis die individuelle Nachfrage fällt, weil die bisherigen Käufer sich durch den höheren Konsum anderer Personen um die Exklusivität eines entsprechenden Kaufes beraubt fühlen (vgl. zu diesen Effekten Diller, 2003, S. 246; Gabler, 2005, S. 2676, 3087). Die Preisfestsetzung ist i.d.R. keine statische Aufgabe i.d.S., dass ein einmal definierter Preis für die gesamte Marktpräsenz eines Produktes bestehen bleibt. Bei der Preis- und Konditionenpolitik geht es deshalb um die Bestimmung der Preishöhe im Zeitablauf, worauf u.a. die erreichte Phase im Produktlebenszyklus, die Wettbewerbsintensität, der technologische Fortschritt und insb. auch die wirtschaftliche Lage der Zielgruppe bzw. des Zielmarktes einwirken. Gleichzeitig ist zu prüfen, in welcher Form eine Preisdifferenzierung (i.S. unterschiedlicher Preise für ein „gleiches“ Angebot) einzusetzen ist, um eine möglichst hohe Marktausschöpfung zu erreichen. Schließlich bedarf es der Festlegung der Bedingungen der Entgeltentrichtung, wozu u.a. Rabattgewährung, Zahlungs- und Lieferbedingungen sowie Garantieregelungen gehören. Eine persönliche Anmerkung zum Thema Preis sei mir erlaubt. Auch wenn uns Lidl seit Jahren den Slogan Wir machen die billigen Preise vorsetzt, so gilt ganz einfach: Billige Preise gibt es ebenso wenig wie teure Preise, billige oder teure Miete, billige oder teure Kosten. Preise können hoch oder niedrig, sporadisch auch „heiß“, aber niemals billig sein! Denn nicht der Preis hat einen Wert, sondern das damit ausgezeichnete Produkt oder die entsprechende Dienstleistung. Außerdem sollten wir uns fragen, welche Konnotationen, d.h. welche Begriffsinhalte wir mit „billig“ verbinden, wenn von „billigem Parfum“, „billigen Klamotten“ oder „billiger Anmache“ gesprochen wird. Über die Wortwahl können wir uns differenzieren – so wir dies wollen! Darüber ist von G.B. Shaw mit Pygmalion sogar ein Theaterstück geschrieben worden, das als Musical My Fair Lady weltberühmt wurde.
4.2.2 Rechtliche Rahmenbedingungen der Preis- und Konditionenpolitik Bei der Diskussion der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Preis- und Konditionenpolitik ist zunächst darzustellen, welche Leitideen der Gesetzgeber bei der Festlegung der einschlägigen rechtlichen Rahmenbedingungen zugrunde gelegt hat. Im Kern handelt es sich um die folgenden: Aufrechterhaltung und Förderung des Wettbewerbs Schutz der Verbraucher vor unlauteren Geschäftspraktiken Sicherstellung einer Ausgewogenheit zwischen wirtschaftlichen und anderen Interessen 164
Preis- und Konditionenpolitik
Zwei einschlägige Gesetze, die in der Vergangenheit die Preis- und Konditionengestaltung massiv eingeschränkt hatten, waren das Rabattgesetz vom 25. November 1933 (Gesetz über Preisnachlässe) und die Zugabeverordnung vom 9. März 1932, die beide 2001 komplett außer Kraft gesetzt wurden. Kerninhalte der Zugabeverordnung war das generelle Verbot des Ankündigens, Anbietens und Gewährens von unentgeltlichen Zugaben. Eine Erlaubnis gab es nur bei wenigen Ausnahmetatbeständen. Das Rabattgesetz beschränkte u.a. den Barzahlungsrabatt als Preisermäßigung bzw. Nachlass vom allgemein angekündigten bzw. geforderten Preis auf maximal drei Prozent des Rechnungsbetrages. Auch Mengen- und Sondernachlässe wurden im Rabattgesetz konkret geregelt. Erst aufgrund des Wegfalls dieser gesetzlichen Rahmenbedingungen konnten u.a. durch Kundenbindungssysteme und Couponing-Maßnahmen Preisvorteile und Zugaben in einem bisher nicht gekannten Ausmaß gewährt werden. Die explosionsartige Entwicklung von Konzepten zur Kundenbindung, die „Treue“ zum Anbieter oder zur Marke belohnen, wird vor diesem Hintergrund ebenso nachvollziehbar wie die Rabattinflation in Deutschland, die bereits als Rabattitis bezeichnet wird (vgl. vertiefend zu Couponing und Kundenbindungssystemen Hartmann et al., 2003 und 2004). Ausgangspunkt für den Wegfall dieser Gesetze war die Weiterentwicklung des Kundenleitbildes i.d.S., dass die Kunden heute als weniger schutzbedürftig angesehen werden, als dies noch vor 70 Jahren der Fall war. Das nach wie vor gültige Kartellgesetz (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung, GWB) hat über die Preis- und Konditionenpolitik hinaus Relevanz und tangiert auch Fragestellungen der Unternehmensstrategie. Das Ziel des Kartellgesetzes ist es, wirtschaftlichen Machtkonzentrationen Grenzen zu setzen und dient damit dem Schutz des Wettbewerbs. Es soll dazu beitragen, mögliche Wettbewerbsbeschränkungen durch Fusionen, Kollaborationen und Absprachen zu verhindern. Diese Zielsetzung wird im § 1 GWB zum Thema Kartellverbot deutlich: „Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.“ Hierunter fallen bspw. Aktivitäten, die auf Preisabsprachen bzw. -harmonisierung zwischen Anbietern hinauslaufen. In § 19 GWB heißt es bzgl. des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung: „Die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen ist verboten.“ Für die Preisfindung bedeutet dies bspw., dass der Gesetzgeber extrem hohe Preise in mono- oder oligopolistisch geprägten Märkten ebenso verhindern möchte wie extrem niedrige Preise, wenn der Wettbewerb darunter langfristig leiden würde. Eine Konkretisierung findet sich mit dem Diskriminierungsverbot in § 20 (4) GWB: „Unternehmen mit gegenüber kleinen oder mittleren Wettbewerbern überlegener Marktmacht dürfen ihre Marktmacht nicht dazu ausnutzen, solche Wettbewerber unmittelbar oder mittelbar unbillig zu behindern. Eine unbillige Behinderung im Sinne des Satzes 1 liegt insbesondere vor, wenn ein Unternehmen Waren oder gewerbliche Leistungen nicht nur gelegentlich unter Einstandspreis anbietet, es sei denn, dies ist sachlich gerechtfertigt.“ 165
4.2
4
Marketing-Instrumente
Ein Verkauf von Leistungen „unter Einstandspreis“ liegt vor, wenn Produkte zu einem niedrigeren Preis verkauft werden, als sie bspw. ein Unternehmen selbst hergestellt oder ein Handelsunternehmen erworben hat. In diesem Fall ist der Verkaufspreis niedriger als die Produktionskosten bzw. als der Bezugspreis des gleichen Unternehmens. Eine sachliche Rechtfertigung einer Untereinstandspreispolitik ist etwa bei Lebensmitteln vor Ablauf des Verfallsdatums oder bei modischen Produkten zum Auslauf der Saison gegeben. Eine solche Preisstellung darf aber nicht über längere Zeit zur gezielten Verdrängung von Wettbewerbern eingesetzt werden. In den Fällen des Verkaufs von Produkten „unter Preis“ (d.h. unter einem bestimmten Referenzpreis) wird von Dumping gesprochen (Gabler, 2005, S. 758). In § 30 (1) GWB wird die Preisbindung bei Zeitungen und Zeitschriften erlaubt. Hier heißt es, dass das oben zitierte Kartellverbot des § 1 GWB „... nicht für vertikale Preisbindungen (gilt, d.V.), durch die ein Unternehmen, das Zeitungen oder Zeitschriften herstellt, die Abnehmer dieser Erzeugnisse rechtlich oder wirtschaftlich bindet, bei der Weiterveräußerung bestimmte Preise zu vereinbaren oder ihren Abnehmern die gleiche Bindung bis zur Weiterveräußerung an den letzten Verbraucher aufzuerlegen.“ Durch diese Regelung wird einer ganzen Branche eine nach bestimmten Kriterien vorzunehmende Preisanpassung gegenüber dem Endkunden vorgegeben. Dies hat die politisch gewollte Konsequenz, dass bspw. die Käufer von FAZ oder Der Spiegel in der Berliner City den gleichen Preis entrichten müssen wie auf der schwerer erreichbaren Nordseeinsel Juist. I.d.R. übernimmt das Bundeskartellamt bzw. weitere Kartellbehörden die in GWB definierten Aufgaben und Befugnisse (§ 48 GWB) zur Sicherstellung der Einhaltung definierter Regeln. Das GWB sieht in § 42 bzgl. Unternehmenszusammenschlüssen eine Ministererlaubnis vor, die eine Entscheidung des Bundeskartellamts aufheben kann: „Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit erteilt auf Antrag die Erlaubnis zu einem vom Bundeskartellamt untersagten Zusammenschluss, wenn im Einzelfall die Wettbewerbsbeschränkung von gesamtwirtschaftlichen Vorteilen des Zusammenschlusses aufgewogen wird oder der Zusammenschluss durch ein überragendes Interesse der Allgemeinheit gerechtfertigt ist. Hierbei ist auch die Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten Unternehmen auf Märkten außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes zu berücksichtigen. Die Erlaubnis darf nur erteilt werden, wenn durch das Ausmaß der Wettbewerbsbeschränkung die marktwirtschaftliche Ordnung nicht gefährdet wird.“ Auf diese Weise erhält die Regierung ein wichtiges Instrument, um wirtschaftliche Entwicklungen i.S. der Politik beeinflussen zu können. Dieses Instrument kam bspw. Anfang 2003 zum Tragen, als die vom Bundeskartellamt untersagte Fusion zwischen Ruhrgas und E.ON genehmigt wurde – und zu einer deutlichen Wettbewerbskonzentration auf dem Energiemarkt beigetragen hat. Mit der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen wurde in diesem Kontext eine selbständige Bundesoberbehörde geschaffen. Deren Aufgabe ist es, „... durch Liberalisierung und Deregulierung für die weitere Entwicklung auf dem Elektrizitäts-, Gas-, Telekommunikations-, Post- und seit dem 01. Januar 2006 auch auf dem Eisenbahninfrastrukturmarkt zu sorgen“ (Bundesnetzagentur, 2006). Im Bereich Telekommunikation und Post soll sie u.a. für 166
Preis- und Konditionenpolitik
die Sicherstellung eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs sowie einer flächendeckenden Grundversorgung mit Telekommunikations- und Postdienstleistungen sorgen. Im Bereich Energie strebt sie eine „... möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas...“ an (Bundesnetzagentur, 2006). Weitere, für den Marketing-Mix, speziell für die Preis- und Konditionenpolitik relevanten Regelungen enthält das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG). In § 1 ist der Zweck des Gesetzes niedergelegt: „Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucherinnen und der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauterem Wettbewerb. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.“ Im § 3 UWG heißt es zum Verbot des unlauteren Wettbewerbs: „Unlautere Wettbewerbshandlungen, die geeignet sind, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer nicht nur unerheblich zu beinträchtigen, sind unzulässig.“ § 4 UWG listet u.a. die folgenden Beispiele für unlauteren Wettbewerb auf:
Ausübung von Druck auf die Verbraucher Ausnutzung der Unerfahrenheit von Kindern und Jugendlichen Uneindeutige Preisnachlässe, Zugaben und Geschenke Gewinnspiele mit Werbecharakter mit unklaren Teilnahmebedingungen Herabsetzung von Mitbewerbern
In vielen Fällen bleibt es der gerichtlichen Klärung überantwortet, Verfehlungen der o.g. Art bei Unternehmen festzustellen. Die Preisangabeverordnung (PAngV) greift noch direkter in die Preis- und Konditionenpolitik von Unternehmen ein. Welchen Konkretisierungsgrad diese Eingriffe annehmen können, wird an den folgenden Beispielen deutlich. In § 3 PAngV bspw. wird festgelegt: „Wer Letztverbrauchern gewerbs- oder geschäftsmäßig oder regelmäßig in sonstiger Weise Elektrizität, Gas, Fernwärme und Wasser leitungsgebunden anbietet oder als Anbieter dieser Waren gegenüber Letztverbrauchern unter Angaben von Preisen wirbt, hat den verbrauchsabhängigen Preis je Mengeneinheit einschließlich der Umsatzsteuer und aller spezifischen Verbrauchssteuern (Arbeits- oder Mengenpreis) gemäß Satz 2 im Angebot oder in der Werbung anzugeben.“ Für den Finanzdienstleistungsbereich wird in § 6 (1) PAngV definiert: „Bei Krediten sind als Preis die Gesamtkosten als jährlicher Vomhundertsatz des Kredits anzugeben und als ´effektiver Jahreszins` oder, wenn eine Änderung des Zinssatzes oder anderer preisbestimmender Faktoren vorgehalten ist (§ 1 Abs. 5), als ´anfänglicher effektiver Jahreszins` zu bezeichnen.“ Schließlich wird für Tankstellen bspw. in § 8 (1) PAngV vorgegeben: „An Tankstellen sind die Kraftstoffpreise so auszuzeichnen, dass sie (1.) für den auf der Straße heranfahrenden Kraftfahrer, (2.) auf Bundesautobahnen für den in den Tankstellenbereich einfahrenden Kraftfahrer deutlich lesbar sind. Dies gilt nicht für Kraftstoffmischungen, die erst in der Tankstelle hergestellt werden.“ Diese Beispiele unterstreichen, welchen starken, z.T. unmittelbar auf die Preisangabe bzw. auszeichnung durchschlagenden Einfluss der Gesetzgeber auf dieses wichtige Marketing-Instrument ausübt. 167
4.2
4
Marketing-Instrumente
4.2.3 Ansätze zur Preisbestimmung Die Preishöhe hat einen dominanten Einfluss auf den Absatz eines Angebotes und wirkt i.d.R. wesentlich stärker als werbliche Maßnahmen. Wie im Folgenden aufgezeigt wird, kann die Wirkung einer Preisveränderung auf die nachgefragte Menge anhand der Preiselastizität ermittelt werden. Bereits an dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die Preiselastizität etwa 10- bis 20-mal größer ist als die Werbeelastizität, d.h., dass eine relative Preisänderung wesentlich stärker auf die verkaufte Menge wirkt als eine prozentual gleiche Änderung der Werbeausgaben (vgl. Herrmann, 2003, S. 35; Haller, 2001, S. 267; grundlegend Simon, 1992, S. 137-139). Damit stellt die Preispolitik ein besonders stark und i.d.R. auch schnell wirkendes Instrument im Marketing-Mix dar. Die Preiselastizität liegt bei Konsumgütern durchschnittlich bei - 2,5. Das Minuszeichnen zeigt, dass die Veränderungen gegenläufig sind, d.h., dass eine Preiserhöhung zu einer Reduktion der nachgefragten Menge führt und umgekehrt. Die Größe „2,5“ bringt zum Ausdruck, dass bei einer Durchschnittsbetrachtung eine Preisveränderung von einem Prozent zu einer 2,5-prozentigen Mengenveränderung führt (vgl. Fritz/ Oelsnitz, 2006, S. 193). Diese nachhaltigen Auswirkungen unterstreichen die Notwendigkeit, die Festlegung der Preisstrategien mit sehr viel Sorgfalt vorzunehmen, weil der Preis „ein sehr scharfes Instrument“ ist. Zur Identifikation der preisbeeinflussenden Faktoren für ein spezifisches Unternehmen bzw. für eine ausgewählte Branche können die Bereiche der Mikro- und MakroUmwelt systematisch „abgeklopft“ werden (vgl. Abb. 1/2). Die wichtigsten Konzepte zur Preisfestlegung, die sich an unterschiedlichen internen und externen Faktoren ausrichten, werden nachfolgend aufgezeigt.
4.2.3.1
Kostenorientierte Preisfestlegung
Bei der kostenorientierten Preisgestaltung wird ermittelt, mit welchen Kosten Produktion und Vermarktung eines Produktes oder eines gesamten Produktprogramms verbunden sind. Hierzu können verschiedene Methoden zum Einsatz kommen. Findet eine Preiskalkulation auf Vollkostenbasis statt, dann werden alle bspw. für ein bestimmtes Produkt anfallenden Kosten zusammengeführt (Gesamtkosten) – die i.d.R. in der Kostenträgerrechnung enthalten sind – und durch die Produktionsmenge dividiert. Die Stückkosten werden um den definierten Gewinnaufschlag (absolut oder in Prozent der Stückkosten) ergänzt, um den Verkaufspreis zu erhalten (vgl. Bruhn, 2004, S. 174-176; Meffert, 2000, S. 506-512). GesamtkostenProdukt A = Σ Kosten für Produktion und VermarktungProdukt A StückkostenProdukt A = GesamtkostenProdukt A : ProduktionsmengeProdukt A VerkaufspreisProdukt A = StückkostenProdukt A + GewinnaufschlagProdukt A Hierbei wird auch von einer Zuschlagskalkulation gesprochen, weil der Gewinn auf die Kosten des Produktes „aufgeschlagen“ wird (bspw. durch einen zwanzigprozenti168
Preis- und Konditionenpolitik
gen Aufschlag). Problematisch ist eine solche Kalkulation, wenn ein Unternehmen mehrere Produkte parallel herstellt, weil dann die Frage auftaucht, wie die beschäftigungsunabhängigen Kosten – auch Fix- oder Gemeinkosten genannt (bspw. Vorstandsgehälter, Aufsichtsratsvergütungen, Kosten für das Verwaltungsgebäude oder für PR-Aktivitäten) – auf die einzelnen Produkte oder Produktlinien zu verteilen sind. Dies kann bspw. nach „Tragfähigkeit“ erfolgen, d.h. Produkte, für die höhere Preise am Markt erzielbar sind, werden mit höheren Fix- und Gemeinkostenanteilen belastet. Eine Verteilung kann sich auch prozentual an den beschäftigungsabhängigen Kosten (etwa für Löhne, Material) – auch variable Kosten bzw. Einzelkosten der Herstellung genannt – orientieren, so dass in der Fertigung teurere Produkte stärker mit den beschäftigungsunabhängigen Kosten belastet werden. Diese Kosten können aber auch nach einem anderen Schlüssel auf unterschiedliche Produkte oder Produktlinien verteilt werden. Es wird deutlich, dass dieses Verfahren zwar einfach anzuwenden ist, aber ein hohes Maß an „Willkür der Kostenaufteilung“ besteht. Deshalb wird von einer „Schlüsselungsproblematik“ hinsichtlich der Aufschlüsselung der Kosten auf unterschiedliche Bereiche gesprochen. Gleichzeitig besteht bei diesem Kalkulationsansatz die Gefahr, dass sich die „zu tragenden“ Fix- bzw. Gemeinkosten bei rückläufiger Nachfrage- und niedrigerer Produktionsmenge auf eine geringere Anzahl verteilen und sich die Verkaufspreise erhöhen. Aufgrund dieser „Kosten-plus“-Kalkulation kommt es zu einer prozyklischen Preisfindung, weil bei hoher Nachfrage die Preise niedriger und bei nachlassender Nachfrage höher ausfallen (vgl. Meffert, 2000, S. 507-512). Von einem prozyklischen Vorgehen wird deshalb gesprochen, weil die Markteffekte durch eine entsprechende Preisstellung noch verstärkt werden: Gleichzeitig wird dabei die Kausalität des Marketing-Instruments „Preis“ umgekehrt: Der Preis ist nicht länger ein wichtiges Instrument, um die Absatzmenge zu beeinflussen, sondern ergibt sich aus der verkauften Menge. Angesichts der Grenzen einer solchen Vorgehensweise findet in vielen Unternehmen eine Preiskalkulation auf Teilkostenbasis statt. Als Teilkosten werden entweder die variablen, d.h. die beschäftigungsabhängigen Kosten definiert, die bspw. für Material oder als Stücklohn anfallen. Teilkosten können aber auch die dem Produkt unmittelbar zurechenbaren Einzelkosten sein, so etwa die Kosten für eine Patententwicklung oder eine produktspezifische Werbekampagne. Im Kern werden damit zunächst die Kosten berücksichtigt, die eine unmittelbare Beziehung zum jeweiligen Produkt haben und diesem deshalb direkt zugerechnet werden können. Da ein Erlös allein dieser produktbezogenen Kosten (Teilkosten) am Markt nicht ausreichend ist, um die Gesamtkosten eines Unternehmens zu decken, werden produkt- oder produktlinienbezogene Deckungsbeitragszuschläge (DB-Zuschläge) definiert, die die Produkte über ihre unmittelbar zurechenbaren Kosten hinaus am Markt einspielen sollen. Auf diese Weise sollen Beiträge zur Deckung der diesem Produkt nicht unmittelbar zurechenbaren Kosten geleistet werden, die etwa für Grundlagenforschung, Messebeteiligungen oder als Kosten der Verwaltung anfallen. TeilkostenProdukt A = Σ unmittelbar zurechenbare KostenProdukt A 169
4.2
4
Marketing-Instrumente
StückkostenProdukt A = TeilkostenProdukt A : ProduktionsmengeProdukt A VerkaufspreisProdukt A = StückkostenProdukt A + DB-ZuschlagProdukt A Bei der Kalkulation von Verkaufspreisen auf Teilkostenbasis ist darauf zu achten, dass jedes Produkt zur Deckung der Fix- oder Gemeinkosten des gesamten Unternehmens beizutragen hat. Denn ein Unternehmen, welches langfristig nur die variablen oder Einzelkosten am Markt einspielt, ist nicht überlebensfähig (zu weiteren Kalkulationsansätzen vgl. Ebert, 2004; Kilger et al., 2001).
4.2.3.2 Nachfrageorientierte Preisgestaltung Bei der nachfrageorientierten Preisgestaltung steht am Beginn der Kalkulation nicht die Betrachtung der Herstellungs- und Vertriebskosten, sondern die am Markt ermittelte Preisbereitschaft bereits vorhandener oder zukünftiger Käufer. Bei diesem Target Costing bzw. Target Pricing genannten Vorgehen leiten sich die Kostenziele des Unternehmens aus den am Markt erzielbaren Preisen ab (vgl. Homburg/Krohmer, 2006, S. 611; Kotler/Bliemel, 2001, S. 832f.; Meffert, 2000, S. 512-514; Rüggeberg, 2003, S. 143). Deshalb kann auch von einer Zielkostenmethode gesprochen werden. Ausgehend vom Marktpreis können Anforderungen an die eigene Produktentwicklung, den Produktionsbereich sowie Zulieferer definiert werden, um eine Erreichung der Zielkosten und damit auch des Zielpreises sicherzustellen. Ein solches Vorgehen ist gleichzeitig hilfreich gegen die Gefahr des Over-Engineering als Ausdruck der „Produktverliebtheit“ von Technikern, die alle vorstellbaren Innovationen in ein Produkt integrieren möchten, unabhängig davon, ob der damit verbundene Mehrpreis am Markt auch erlöst werden kann (vgl. Homburg/Krohmer, 2003, S. 502f.; vertiefend Homburg/Daum, 1997). Einen entscheidenden Einfluss auf die nachfrageorientierte Preisfestlegung hat die Preiselastizität der Nachfrage. Sie gibt Auskunft über die Höhe der relativen Absatzmengenänderung aufgrund einer relativen Preisänderung bei einem bestimmten Produkt (vgl. Homburg/Krohmer, 2006, S. 721-724; Kotler/Bliemel, 2001, S. 826f.; Bruhn, 2004, S. 184f.; Meffert, 2000, S. 488-493; Haller, 2001, S. 173-176). Die Preiselastizität (PE) wird dabei wie folgt ermittelt: dx PE = x dp p Diese Preiselastizität ist i.d.R. negativ, d.h. eine Preiserhöhung führt zu einem Rückgang der nachgefragten Menge und umgekehrt. Die Preiselastizität wird aus der PreisAbsatz-Funktion (PAF) abgeleitet, die die nachgefragte Menge in Abhängigkeit vom Angebotspreis darstellt (vgl. Abb. 4.2/2). In dieser idealtypischen Darstellung werden der Anfangs- und Endpunkt durch den Höchstpreis und die Sättigungsmenge definiert. Der Höchstpreis (auch Prohibitivpreis genannt) zeigt an, bei welcher Preisstellung keine Nachfrage mehr stattfindet. Die Sättigungsmenge bringt dagegen 170
Preis- und Konditionenpolitik
zum Ausdruck, welche Menge höchstens nachgefragt wird, wenn das Angebot kostenlos ist. Die Preiselastizität nimmt entlang dieser Funktion unterschiedliche Werte an. Bei einem PE-Wert „< – 1“ oder „| PE | > 1“ wird vom elastischen Bereich bzw. von einer elastischen Nachfrage gesprochen, in dem Preiserhöhungen zu einem Umsatzrückgang führen und umgekehrt Preissenkungen zu einem Umsatzzuwachs. Nimmt die Preiselastizität den Wert „> – 1“ bzw. „| PE | < 1“ an, so spricht man vom unelastischen Bereich bzw. von einer unelastischen Nachfrage. Hier führen Preiserhöhungen zu Umsatzsteigerungen und Preisreduktionen zu Umsatzrückgängen. Beim PE-Wert von „– 1“ bleibt der Umsatz bei einer Preisveränderung konstant. Die Steigung der Funktion selbst entspricht dem Grenzabsatz, d.h. der absoluten Mengenveränderung bei der Veränderung des Preises um eine Einheit.
Abb. 4.2/2:
Preis-Absatz-Funktion
Menge Sättigungsmenge 100 PE = > –1 (unelastischer Bereich)
90 80 70 60
PE = –1
50 40
PE = < –1 (elastischer Bereich)
Preis-Absatz-Funktion
30 Höchstpreis
20 10 0
Preis 1
2
3
4
5
Die unterschiedliche Wirkung einer Preisveränderung entlang der Preis-AbsatzFunktion kann anhand der dadurch ausgelösten preis- bzw. mengeninduzierten Umsatzeffekte erklärt werden. Wie in Abb. 4.2/3 sichtbar wird, führt die Preisreduktion um € 1 zu einem preisinduzierten Umsatzverlust von € 20 (d.h. 20 Stück, die vorher zu einem Preis von € 4 verkauft wurden, werden jetzt zu einem Preis von je € 3 abgegeben). Diese Auswirkung wird als preisinduzierter Umsatzeffekt bezeichnet. Diesem steht ein mengeninduzierter Umsatzeffekt gegenüber, weil die Preisreduktion zur Erhöhung der Nachfrage führt. In diesem Beispiel insgesamt um 20 Einheiten zu einem Preis von € 3. Folglich beträgt der mengeninduzierte Umsatzeffekt € 60. In Summe steigt damit der Umsatz um € 40. 171
4.2
4
Marketing-Instrumente
Abb. 4.2/3:
Preisveränderung im elastischen Bereich der Preis-Absatz-Funktion
Menge PE = < –- 1 (elastischer Bereich) 10
Umsatzsteigerung bei Preisreduktion
9
(mengeninduzierter Umsatzeffekt > preisinduzierter Umsatzeffekt)
8 7 6 5 4 3
Mengeninduzierter Umsatzeffekt
2 Preisinduzierter Umsatzeffekt
1 0
Preis 1
2
3
4
5
Die Preiselastizität ermittelt sich dabei wie folgt: 20 PE = 20 = − 4 −1 4 Die Preiselastizität liegt mit „– 4“ im elastischen Bereich der Preis-Absatz-Funktion. Eine gleichgroße Preisreduktion führt im unelastischen Bereich der Preis-AbsatzFunktion zu einem preisinduzierten Umsatzeffekt von € – 60, da 60 Stück für € 1 weniger verkauft werden. Dem steht ein mengeninduzierter Umsatzeffekt von 20 Einheiten gegenüber. D.h., nur 20 Stück können aufgrund der Preisreduktion zusätzlich verkauft werden, wodurch ein mengeninduzierter Umsatzeffekt von € 20 erreicht wird. Der Gesamteffekt summiert sich hier auf € – 40, d.h. die Preissenkung führt zu einem Umsatzrückgang. Die Preiselastizität ermittelt sich in diesem Fall wie folgt: 20 60 PE = = −0,67 −1 2 Dieser Wert ist > – 1 und liegt damit im unelastischen Bereich der Preis-AbsatzFunktion mit dem Effekt, dass eine Preisreduktion zu einem Umsatzrückgang führt. 172
Preis- und Konditionenpolitik
Abb. 4.2/4:
Preisveränderung im unelastischen Bereich der Preis-Absatz-Funktion
Menge PE = > – 1 (unelastischer Bereich) 10
Umsatzreduktion bei Preisreduktion (mengeninduzierter Umsatzeffekt < preisinduzierter Umsatzeffekt)
9 8 7 6
Mengeninduzierter Umsatzeffekt
5 4 3
Preisinduzierter Umsatzeffekt
2 1 0
Preis 1
2
3
4
5
Die Höhe der Preiselastizität in unterschiedlichen Märkten wird durch Experten oder durch aufwändige Marktforschungsmethoden auf der Basis von Kundenbefragungen ermittelt. Dabei kommen schwerpunktmäßig Conjoint Measurement-Analysen zum Einsatz (vgl. grundlegend Simon, 1992). Auch ex-post, d.h. nach Preisveränderungen, können entsprechende Untersuchungen durchgeführt werden. Dabei gilt es, die nachfolgend dargestellten Faktoren zu berücksichtigen, die sich auf die Höhe der Preiselastizität auswirken (vgl. Kotler/Bliemel, 2006, S. 825f.; Fritz/Oelsnitz, 2001, S. 192f.; Homburg/Krohmer, 2003, S. 571): Vorhandensein von Substitutionsprodukten Je mehr Angebotsalternativen aus Sicht des potenziellen Käufers existieren, desto höher fällt die Preiselastizität aus. Hierbei geht es zum einen um die subjektive Bekanntheit von Alternativen, und zum anderen um eine vergleichbare Qualitätseinstufung, damit ein Wechsel nicht mit Qualitätseinbußen einhergeht. Sind diese Anforderungen erfüllt, kann der Käufer bei einer Preissteigerung leicht zu einem anderen Angebot wechseln. Ein Maßstab für diese Substitutionsbeziehung stellt die Kreuzpreiselastizität dar. Bei dieser werden die relative Mengenänderung beim Produkt B einer relativen Preisveränderung beim Produkt A gegenüber gestellt. dxAngebot − B xAngebot − B Kreuzpreiselastizität = dpAngebot − A pAngebot − A
173
4.2
4
Marketing-Instrumente
Bei substitutiven, d.h. bei sich gegenseitig ersetzbaren Produkten ist die Kreuzpreiselastizität positiv, weil eine Preissteigerung bei A zu einer erhöhten Nachfrage bei B führt. So wird die Nachfrage nach Margarine steigen, wenn sich der Butterpreis erhöht. Eine analoge Situation besteht zwischen kostenpflichtigen MP3-Dateien und CDs. Bei komplementären (d.h. sich gegenseitig ergänzenden) Gütern wird diese negativ sein, weil sich bspw. steigende Benzinpreise bei verbrauchsstarken Fahrzeugen absatzmindernd auswirken. Relative Ausgabenhöhe Je geringer die Ausgaben für ein bestimmtes Angebot in Relation zum verfügbaren Einkommen und/oder zur Gesamtausgabe bei einem Kauf sind (bspw. Wartungsgebühren bei einer großen IT-Anlage), desto weniger preisempfindlich wird der Kunde reagieren. Eingeschränkte Transparenz über Preisveränderungen Je schwieriger es für einen Käufer ist, Preisveränderungen zu erkennen, desto weniger wird ein Kunde auf Preisveränderungen reagieren. Dies kann der Fall sein, wenn sich diese bspw. auf Folgekosten beziehen oder in den Kaufbedingungen „versteckt“ sind. Ausprägung des Preisbewusstseins Je stärker die Käufer für das Thema Preis sensibilisiert sind, desto empfindlicher wird auf Preisveränderungen reagiert. Durch die seit Jahren laufenden Werbeaktionen Geiz ist geil von Saturn und Ich bin doch nicht blöd von Media Markt sowie durch die in vielen Marktfeldern auftretende Rabattitis (i.S. „Rabatte für jeden und alles zu jeder Zeit“) hat in Deutschland eine umfassende Sensibilisierung für das Thema Preis stattgefunden. Damit hat sich das Preisbewusstsein generell deutlich verschärft. Entsprechend sensibel reagieren Kunden in vielen Branchen auf Preisveränderungen. Dass Preisvergleiche fast schon Volkssport-Charakter angenommen haben, kann an den Auflagen der Schnäppchenführer sowie an der Vielzahl der Preisvergleichsdienstleister im Internet abgelesen werden, die unter www.billiger.de, www.preisvergleich.de, www.geizkragen.de, oder auch www.sparsam.de zu finden sind. Dieses ausgeprägte Preisbewusstsein hat auch dazu geführt, dass – gestützt durch Anbieter wie ebay und amazon – eine zusätzliche Konkurrenz zwischen neuen und gebrauchten Produkten entstanden ist. Habitualisierungsgrad von Kaufprozessen Je stärker Kaufprozesse habitualisiert sind, d.h. gewohnheitsmäßig ablaufen, desto weniger stark wirken sich Preisveränderungen auf das Kaufverhalten aus. Um solche Verhaltensmuster aufzubrechen, bedarf es i.d.R. gravierender Preissprünge. Deshalb wird durch Kundenbindungsprogramme versucht, Kunden dauerhaft an bestimmte Dienstleister (wie bei Lufthansa Miles&More) oder Anbieter (wie bei der Esprit Kundenkarte) zu binden, damit die Habitualisierung stattfindet und – zumindest teilweise – gegen Preiserhöhungen „immunisiert“. Relevanz des Preises in Relation zum Anbieter-/Angebotsimage Je geringer der Stellenwert des Preises im Vergleich zu einem überragenden Image ist (bspw. bei Porsche oder Kleidung von Dior), desto weniger Bedeutung werden 174
Preis- und Konditionenpolitik
Preisveränderungen zugemessen. Ob bspw. der platinierte Bleistiftverlängerer von Faber-Castell statt für € 165 für € 185 oder die Uhr Masterpiece Double Retrograde von Maurice Lacroix statt für € 9.300 für € 9.700 angeboten wird, dürfte sich auf die Nachfragemenge kaum auswirken. Die Entscheidung für derartige Produkte wird primär durch die starke Marke und erst nachgelagert durch den Preis bestimmt. Interpretation der Preissteigerung Werden Preissteigerungen angesichts wahrgenommener oder vermuteter Qualitätsverbesserungen oder aufgrund der allgemeinen Preissteigerung als angemessen interpretiert, reagieren Käufer ebenfalls weniger preissensibel. Dies ist auch der Fall, wenn aufgrund einer Preissteigerung mehr Prestige für den Käufer/Nutzer eines bestimmten Angebotes erwartet wird (vgl. den Vebleneffekt in 4.2.1). Die oben aufgezeigten Kriterien können bei der Prognose bzw. der Interpretation von Nachfrageeffekten aufgrund von Preisveränderungen herangezogen werden. Dabei gilt es auch einen anderen mit der Preisstellung unmittelbar verbundenen Aspekt zu berücksichtigen: die Nutzung des Preises als Qualitätsindikator (vgl. Diller, 2003, S. 245; Haller, 2001, S. 179-181). Der Preis wird als Qualitätsindikator herangezogen, wenn ein Kunde über keine Vorerfahrungen oder Qualitätsinformationen bzgl. eines Angebotes verfügt und solche auch nicht vorliegen (etwa in Gestalt eines Testurteils der Stiftung Warentest). Das Produkt selbst kann sich im Handel einer Qualitätskontrolle entziehen, etwa bei verpackten Oberhemden oder bei Wein. Soll dann bspw. für Freunde ein „guter Tropfen“ gekauft werden, so wird der NichtWeinkenner eher seltener zum Weinangebot für € 1,99 greifen, sondern eher zu dem für € 14,99 – in der Erwartung, damit eine deutlich bessere Qualität zu erwerben. Der Weinkenner selbst hat dagegen ganz andere Kriterien und wird bspw. gezielt zum Gaja Barolo Sperss eines bestimmten Jahrgangs greifen, weil dieser für ihn höchsten Trinkgenuss verspricht. Weil der Preis auch als Qualitätsindikator dient, kann ein Unternehmen seine Produkte auch zu günstig anbieten. Als Braun einen Rasierer im Markt zu einem Preis anbot, der nur 1/3 des marktüblichen Preises kostete, wurde das Angebot aufgrund vermuteter Qualitätsdefizite nicht akzeptiert. Erst nach einer Preisverdopplung auf einen Preis, der nur noch 30 % unter dem Referenzpreis lag, zog die Nachfrage an (Simon, 2006, S. 37). Neben diesem Qualitätsaspekt wirkt sich die Preishöhe auch auf die wahrgenommenen Kosten einer Kaufentscheidung aus (vgl. Abb. 4.2/5). Ein hoher Preis kann folglich nicht nur die Qualitätswahrnehmung steigern, sondern erhöht auch den wahrgenommenen Einsatz des Käufers i.S. des finanziellen Engagements. Die Abwägung zwischen beiden Ergebnissen führt zum wahrgenommenen Nettonutzen, dessen Höhe sich direkt auf die Kaufwahrscheinlichkeit auswirkt. Eine hohe wahrgenommene Qualität strahlt positiv, ein hoher wahrgenommener Einsatz des Käufers dagegen negativ auf den wahrgenommenen Nettonutzen aus (vgl. vertiefend Homburg/ Krohmer, 2006, S. 714f.; Rudolph/Wagner, 2003). Entscheidend ist jeweils die subjektive Wahrnehmung des Käufers – die von einer „objektiven“ Bewertung weit entfernt sein kann. 175
4.2
4
Marketing-Instrumente
Abb. 4.2/5:
Auswirkungen des Preises auf die Kaufwahrscheinlichkeit In Anlehnung an Homburg/Krohmer, 2006, S. 715
wahrgenommene Produktqualität
+
+ wahrgenommener Nettonutzen
wahrgenommener Preis
+
+
Kaufwahrscheinlichkeit
-
wahrgenommener Einsatz des Käufers
4.2.3.3 Konkurrentenorientierte Preisgestaltung Orientiert an den Entscheidungen zur Marktstimulierungsstrategie hat ein Unternehmen verschiedene Möglichkeiten, sich im Angebotsraum der Wettbewerber preislich zu positionieren. Dazu bestehen grds. folgende Alternativen (vgl. Meffert, 2000, S. 530-542; Nieschlag, 2002, S. 742-746; Weis, 2007 S. 326-330; Abb. 4.2/6): Mittelpreis-Strategie Bei dieser Vorgehensweise passt sich das Unternehmen an den branchenüblichen, durchschnittlichen Marktpreisen und damit am herrschenden Preisniveau an. Ggf. kann eine entsprechende Orientierung am jeweiligen Marktführer erfolgen. Bei diesem Verhalten wird auch vom Preisfolger gesprochen. Preisüber- oder Preisunterbietung Bei der Preisüber- bzw. Preisunterbietung – jeweils relativ zum Mittelpreis – strebt das Unternehmen aus dem Durchschnittsbereich heraus, indem es sein Produkt entweder höherpreisig positioniert, um hierdurch ggf. auch höhere Qualitätserwartungen zu schaffen. Oder es positioniert sich unterhalb des branchenüblichen Marktpreises, um – ggf. bei Fehlen anderer Produktvorteile – Kunden über den Preis zum Kauf zu motivieren. Hoch- oder Niedrigpreisstrategie Mit dieser agiert das Unternehmen mit seinem Leistungsangebot außerhalb des Durchschnitts. Zum einen dadurch, dass es sich preislich extrem nach oben absetzt, um sich auf diese Weise bspw. als Qualitätsführer oder als besonders image- und prestigeträchtiger Anbieter zu positionieren (bspw. die Jeansmarke Seven, der 176
Preis- und Konditionenpolitik
Energydrink Red Bull, der Espressoanbieter Illy oder der Schuhhersteller Tod´s). Zum anderen durch eine preisliche Positionierung, die den niedrigsten Preis im Markt anstrebt. Beispiele hierfür sind die Lebensmittel-Discounter Aldi und Lidl sowie im Textilbereich Anbieter wie KiK und Takko, die in diesem Markt mit Cheap-Chic einen neuen Trend kreiert haben (o.V., 1/2006, S. 116). Abb. 4.2/6:
Konkurrentenorientierte Preisgestaltung
Preis 10 9
Hochpreisstrategie
8 7 6
P r e i s ü b e r b i e t u n g
5
Mittelpreisstrategie
4
P r e i s u n t e r b i e t u n g
3 2
Niedrigpreisstrategie
1 0
Zeit
Abb. 4.2/7:
hoch
Konkurrentenorientierte Preisstrategien am Beispiel von Volkswagen
Phaeton
mittel
Passat Bora Jetta
Touran Golf
Sharan EOS New Beetle
Polo Lupo niedrig
Relative Leistung
Touareg
Fox
niedrig
mittel
hoch
Relativer Preis
177
4.2
4
Marketing-Instrumente
Wie in Abb. 4.2/7 deutlich wird, kann ein Unternehmen wie Volkswagen gleichzeitig verschiedene Preis-/Leistungsstrategien umsetzen. Allerdings zeigt dieses Beispiel auch, dass eine Ausweitung der Produktpalette in den Oberklassebereich (durch das Modell Phaeton) mit hohen Marktrisiken verbunden sein kann. Zusätzlich wird sichtbar, dass i.d.R. mit der preislichen auch eine qualitative Positionierung vorgenommen werden muss, weil langfristig eine niedrige Qualität zu einem hohen Preis nicht marktfähig ist, soweit ein funktionierender Wettbewerb besteht.
4.2.4 Statische Preisstrategien Bei den statischen Preisstrategien erfolgt die Preisfestsetzung auf der Grundlage der aktuell vorliegenden Informationen über die in Abschnitt 4.2.3 diskutierten Sachverhalte. Das „statische“ Element kommt dadurch zum Ausdruck, dass der Preis zum Zeitpunkt seiner Festlegung nicht bereits im Hinblick auf zukünftige Preisveränderungen fixiert wird, bspw. mit dem Ziel, diesen Preis in Zukunft deutlich zu senken oder zu erhöhen. Der Begriff „statisch“ darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die vorgenommene Preisfestsetzung nach unterschiedlichen Kriterien variieren kann (bspw. nach der Menge, nach der Person des Nachfragenden). Die Preisveränderungen beziehen sich dabei aber i.d.R. auf den gleichen Zeitpunkt. Im Vergleich dazu fließen bei den dynamischen Preisstrategien von vornherein Überlegungen zur künftigen Marktentwicklung ein, um auf diese Weise eine Preisfolge für einen längeren Zeitabschnitt vorab festzulegen (vgl. Meffert, 2000, S. 548; vgl. zum Preis als multifunktionales Instrument der Markenführung Simon/Janssen, 2005).
4.2.4.1 Instrumente der statischen Preis- und Konditionengestaltung Wenn ein Unternehmen sich für eine bestimmte konkurrentenorientierte Preisstrategie entschieden hat, bspw. für eine Hochpreisstrategie, können bei der Umsetzung verschiedene Instrumente zum Einsatz kommen. Hinsichtlich einer solchen Konditionengestaltung stehen den Unternehmen verschiedene Konzepte zur Verfügung, die in der Literatur nicht immer einheitlich dargestellt werden (vgl. Poth/Poth, 2003; Kotler/Bliemel, 2001, S. 854f.; Becker, 2006, S. 525; Meffert, 2000, S. 581589; Freter, 2004, S. 117-119). Zunächst ist zwischen den beiden folgenden Instrumenten zu unterscheiden: Rabatt Beim Rabatt handelt es sich um einen Preisnachlass für Waren und/oder Dienstleistungen, die auf einen Listenpreis gewährt werden (z.T. auch Bonus genannt). Die Empfänger von Rabatten können Vertriebspartner oder die Endkunden („Konsumentenrabatt“) sein. Mit dem Funktionsrabatt wird der Handel für die Übernahme bestimmter Aufgaben („Funktionen“) entlohnt; deshalb werden diese teilweise auch als Händlerrabatte bezeichnet. Sie können eine Listung, d.h. die Aufnahme in das Sortiment des Handelspartners, unterstützen oder eine Auslistung verhindern. Zusätzlich können sie zur Intensivierung der 178
Preis- und Konditionenpolitik
Marktbearbeitung durch den Handel beitragen und Markteintrittsbarrieren für Wettbewerber aufbauen. Mengenrabatte stellen ein Instrument des Anbieters dar, um Abschlüsse und bestimmte Auftragswerte oder -zusammensetzungen zu erreichen. Mit Zeitrabatten hat der Anbieter ein Instrument in der Hand, um den Verkauf zeitlich zu beeinflussen. So lobte Plus zum Achtelfinale der Fußballweltmeisterschaft am 23. und 24.6.2006 passend 8 % auf alles (außer Pfand, Zigaretten und Tabak) aus, um von der Fußballeuphorie in Deutschland zu profitieren. Treuerabatte sollen die Kundenbindung erhöhen, indem spezifische Verhaltensmuster belohnt werden (vgl. Abb. 4.2/8). Skonto Beim Skonto handelt es sich um einen Preisnachlass, der gewährt wird, wenn die Bezahlung einer Rechnung innerhalb eines bestimmten Zeitraums erfolgt. Da das anbietende Unternehmen in diesem Fall geringere Finanzierungskosten zu tragen hat, werden diese Kostenvorteile anteilig an den Kunden weitergegeben. Teilweise wird diesbezüglich von Barzahlungsrabatt gesprochen.
Abb. 4.2/8:
Rabattarten In Anlehnung an Becker, 2006, S. 525; Meffert, 2000, S. 586 Rabattarten
Funktionsrabatt (im Handel)
Mengenrabatt
Zeitrabatt
Treuerabatt
Rabatt für in Zeit Großhandelsrabatt Einzelhandelsrabatt Werbekostenzuschuss Zweitplatzierungs-
rabatt Sonderaktionsrabatt Rabatt für die
Übernahme einer Finanzierungsfunktion
Umsatzabhängiger
Rabatt (nach Auftragsvolumen) Auftragsinhalts-
abhängiger Rabatt (nach Auftragszusammensetzung)) Abschlussabhängiger
Rabatt
Einführungsrabatt Frühbestellungsrabatt Saisonrabatt Ausverkaufsrabatt
gemessene „Treue“ eines Kunden zu einem bestimmten Unternehmen Rabatt für einen
Folgeauftrag des gleichen Kunden Rabatt für eine
spezifische Umsatzhöhe des gleichen Kunden in einem bestimmten Zeitraum
In Summe sollen Rabatt und Skonto dazu beitragen, entweder bestimmte Leistungen von Partnern zu entlohnen, oder Vertragspartner zu einem bestimmten Verhalten zu motivieren. Dies kann eine Umsatz- oder Absatzsteigerung sein, die Verlängerung der Kundenbeziehung oder die Vereinfachung der Abwicklung durch größere Auftragsvolumen und eine entsprechende Steuerung des Auftragseingangs. Zeitlich 179
4.2
4
Marketing-Instrumente
beschränkte Vergünstigungen eines Angebotes, ohne dessen generelle Preisposition zu verändern, können ebenfalls Motive des Rabatteinsatzes sein. Alle diese Schritte dienen letztlich der Erreichung übergeordneter Unternehmens- und Marketing-Ziele. Vor diesem Hintergrund ist nachvollziehbar, warum viele Anbieter nach dem bereits beschriebenen Wegfall des Rabattgesetzes 2001 sehr kreative Ansätze erarbeiteten, um durch die Rabattgestaltung Verkäufe sowie generell Kundengewinnung und -bindung zu steigern. In diesem Umfeld trat in Deutschland mit dem Couponing ein Instrument seinen Siegeszug an, das bis dahin keine große Beachtung gefunden hatte. Beim Couponing handelt es sich um eine Maßnahme, bei der ein Herausgeber einer ausgewählten Personengruppe durch ein Medium einen Berechtigungsnachweis (entspricht dem Coupon) zur Verfügung stellt. Durch dessen Einsatz bei einer ausgelobten Akzeptanzstelle wird für einen definierten Zeitraum ein spezifischer Vorteil versprochen, wenn die Zielperson ein bestimmtes Verhalten zeigt (vgl. Kreutzer, 2003, S. 6). Nachfolgend werden unterschiedliche Ausgestaltungsmöglichkeiten des so definierten Couponing aufgezeigt. Einzelne Varianten können – analog zum morphologischen Kasten aus der Kreativitätstechnik – nach Belieben weiter kombiniert werden, um innovative Couponing-Varianten zu erhalten (vgl. 4.2/9).
Abb. 4.2/9:
Ausgestaltungsmöglichkeiten des Couponing Ausgestaltungsmöglichkeiten des Couponing
Herausgeber Hersteller (Markenartikler, Industrie generell) Anbieter von Dienstleistungen Vertriebskanal
Akzeptanzstelle Internet-Shop POS Sonstige Vertragspartner
Personengruppe Interessenten Aktive Kunden Ehemalige, inaktive Kunden Zielkunden (einer Region, einer Altersstufe etc.)
Zeitraum ... der Gültigkeit des Coupons (bspw. von ... bis ...) ... der Coupon-Verteilung (vor, während oder nach einem Kauf)
Medium Anzeige, Prospekt, Beilage, Handzettel, Postwurf Mailing, E-Mail, Newsletter, Coupon-Portal, Internet allg. Dispenser, Coupon-Automat, Verkaufsmitarbeiter Produkt
Vorteil Preisvorteil Mengenvorteil Produktzugabe Information
Berechtigungsnachweis Gutschein SMS mit Gutschein-Charakter (SMS-Coupon) E-Coupon Kassenbon mit entsprechendem Aufdruck
Verhalten Kauf eines bestimmten Produktes, einer definierten Menge Nutzung eines ausgewählten Vertriebskanals Kauf innerhalb eines spezifischen Zeitraums Bereitstellung von Informationen
Nachfolgend werden die wichtigsten Coupon-Arten, die heute zum Einsatz kommen, vorgestellt. Informations-Coupon Bei dieser Variante stellt der Coupon einen Gutschein für den Bezug von Informationsmaterial dar. Die häufigste Anwendung findet er in Gestalt sogenannter 180
Preis- und Konditionenpolitik
Coupon-Kataloge, in denen gegen Vorlage bzw. Einsendung des entsprechenden Gutscheins Informationen oder auch Produktproben bereit gestellt werden (vgl. die Angebot von Multibus oder Willi´s Infobon). Rabatt-Coupon/Cash-Coupon Dem Nutzer dieses Coupons wird bei dessen Vorlage ein Preisnachlass für ein bestimmtes Produkt, für eine Produktgruppe oder für den gesamten Einkauf in einem Vertriebskanal gewährt. Entweder ist der Preisvorteil in Prozent oder als Euro-Betrag ausgewiesen. Diese Coupons werden bspw. von den Kundenbindungssystemen Payback oder Happy Digits eingesetzt (vgl. Abb. 4.2/10).
Abb. 4.2/10:
Payback-Coupons
Treue-Coupon/Mail-in-Coupon Dieser Coupon-Typ kann – als Belohnung für eine langfristige Kundenbeziehung – in Form des Rabatt-/Cash-Coupons ausgestaltet sein, der unmittelbar zu einem Preisvorteil führt. Oder er kann gleichsam eine virtuelle Währung enthalten (bspw. Meilen oder Bonuspunkte), die in Abhängigkeit vom getätigten Umsatz einem dafür angelegten Kundenkonto gutgeschrieben werden. Das dort angesparte 181
4.2
4
Marketing-Instrumente
Guthaben kann in bar oder gegen Prämien eingelöst werden (so bspw. bei Lufthansa Miles & More sowie bei Payback; vgl. vertiefend Hartmann et al., 2004, S. 209-224). Eine andere Form sieht vor, dass der Kunde als Kaufnachweis i.d.R. als On- oder In-Pack gestaltete Coupons (etwa auf oder in der Verpackung angebrachte Treuepunkte) sammelt, um diese bei Erreichung einer bestimmten Menge wiederum gegen Geld oder Prämien einzulösen. Diese Variante wird insb. von Markenartikel-Unternehmen eingesetzt und heißt Mail-in-Coupon, da der Coupon-Nutzer diese zum Erhalt seiner „Belohnung“ einsenden muss. Dieses Konzept wird bspw. von Zentis eingesetzt. Auf Marmeladengläsern finden sich Treuepunkte, die gegen Prämien der Marke Silit eingetauscht werden können. Allerdings müssen für den Erhalt der kleinsten Prämie bereits über dreizehn Gläser erworben werden; die wertigsten Prämien haben ein Äquivalent von sechzig Gläsern! E-Coupon Ein E-Coupon liegt vor, wenn dieser bei Bestellvorgängen im Internet eingesetzt werden kann. Dies kann bspw. beim gleichen Unternehmen erfolgen, so etwa, wenn amazon die Teilnahme an einer Umfrage mit einem € 10-Coupon belohnt, der bei der nächsten Bestellung eingesetzt werden kann. Diese Art von Coupon findet aber auch bei Cross-Promotions ihren Einsatz, wenn bspw. auf der Verpackung von Weihenstephan-Milch ein € 5-Coupon aufgedruckt ist, der bei einer Internetbestellung bei buch.de eingesetzt werden kann. Pre-Sales- vs. After-Sales-Coupon Der Pre-Sales-Coupon wird im Vorfeld eines möglichen Kaufaktes distribuiert, um einen solchen anzustoßen. Procter & Gamble setzt mit seinem Programm For me diese Coupon-Variante ein, um gezielt den Kauf der Markenprodukte zu fördern (vgl. Abb. 4.2/11). Bei After-Sales-Coupons erfolgt die Verteilung direkt im Anschluss an einen Kauf. Diese Bereitstellung kann bspw. durch einen Aufdruck auf dem Kassenzettel oder durch die Übergabe eines Coupons durch das Verkaufspersonal erfolgen. Ziel ist die Auslösung eines Wiederkaufs, indem bei einem Folgekauf (innerhalb einer bestimmten Zeitspanne) besondere Vorteile in Aussicht gestellt werden. Ein- vs. mehrstufige Coupons Um einstufige Coupons handelt es sich, wenn Herausgeber und Akzeptanzstelle identisch sind. Dies ist der Fall, wenn eine Warenhauskette über sein Kundenbindungsprogramm an ausgewählte Kunden Coupons zur Einlösung im eigenen Haus verschickt (bspw. Kaufhof über Payback). Bei mehrstufigen Coupons fallen Herausgeber und Akzeptanzstelle auseinander. Dann lobt bspw. ein Markenartikler (Coca-Cola) einen Mengenrabatt aus, der im teilnehmenden Handel (EDEKA) gewährt wird. Die Abwicklung der damit verbundenen Zahlungsströme sind die Domäne der Clearing-Häuser. Um das Couponing in der strategischen Kundenbetreuung zu verankern, empfiehlt es sich, den Einsatz einer Couponing-Strategie am bereits vorgestellten Kunden182
Preis- und Konditionenpolitik
Lebenszyklus auszurichten (vgl. Abb. 3/16). In der Phase des Interessenten-Managements ist es ein vorrangiges Ziel, Interessenten zu generieren, um diese zu Erstkäufen anzuregen. Hier ist insb. die Lenkungsfunktion des Couponing gefordert, um entweder den Besuch eines bestimmten Vertriebskanals oder den Kauf eines speziellen Produktes zu erreichen. Cash- und Rabatt-Coupons können eine wichtige Anreizfunktion übernehmen, um den Kaufwiderstand des potenziellen Kunden zu reduzieren.
Abb. 4.2/11:
Pre-Sales-Coupons von Procter&Gamble
In der Phase des Kunden-Managements besteht die Aufgabe darin, die Sozialisations-, Wachstums- und Reifephase des Kunden i.S. des Aufbaus möglichst langfristiger Kundenbeziehungen auszugestalten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass durch Wettbewerberaktivitäten, etwa Neuprodukteinführungen oder aggressive Akquisitionsmaßnahmen, immer wieder Gefährdungsphasen zu bewältigen sind, in denen das Risiko einer Kundenabwanderung besteht. Um die Kundenloyalität zu erhalten, 183
4.2
4
Marketing-Instrumente
können Rabatt-Coupons eingesetzt werden. Auf die Verlängerung der Kundenbeziehung und damit auf den Aufbau von Wechselbarrieren zielen Treue-Coupons. Deren Erhalt ist an eine bestimmte Kundentreue, definiert in Zeitdauer, Umsatz oder Intensität der Produktnutzung, gebunden. Deren Steuerung setzt eine KundenDatenbank voraus. Werden bestimmte Vorteile, bspw. beim Herrenausstatter Anson´s, an Mindestumsätze gebunden, so kann dadurch zusätzlich die Höhe des Durchschnitts-Bons, d.h. des durchschnittlich getätigten Umsatzes, gesteigert werden. After-Sales-Coupons dienen der Verlängerung der Kundenbeziehung, in dem nach erfolgtem Kauf durch die Übergabe eines Coupons, der erst beim nächsten Kauf eingelöst werden darf, ein Anreiz zum Wiederkommen gegeben wird. Kann bei dieser Stimulierung gezielt auf den aktuellen Warenkorb bzw. das bisherige Kaufverhalten zugegriffen werden, ist durch eine zielpersonengenauen Ansprache der Schritt zum One-to-one-Couponing vollzogen (vgl. vertiefend Ploss/Berger, 2003, S. 57). Auch im Zuge des Rückgewinnungs-Managements werden Coupons eingesetzt. Übergreifend zu den o.g. Fragestellungen gilt es zu entscheiden, ob man sich zur Distribution von Coupons der angebotenen Systeme (bspw. Coupon-Kataloge oder Zeitungen und Zeitschriften) auf regionaler oder nationaler Ebene bedient, oder ob die Zielgruppe wesentlich gezielter und ggf. personalisiert (bspw. durch ein Mailing) angesprochen werden soll. Diese Entscheidung ist vom Vorhandensein eigener Kunden-Datenbanken sowie von der Umsatz- oder Deckungsbeitragshöhe abhängig, die durch einen Produktverkauf erzielt werden kann. Um einen reibungslosen Coupon-Einsatz zu ermöglichen, sind verschiedene Funktionsträger in einen Wirkungskreislauf einzubinden (vgl. Abb. 4.2/12). Die Herausgeber der Coupons (Markenartikler, Dienstleistungsanbieter, Handelsunternehmen) sind i.d.R. diejenigen, die die Kosten der gesamten Couponing-Aktion tragen müssen, da der Einsatz von Coupons schwerpunktmäßig zur Erreichung der eigenen Ziele führt. Die Herausgeber können sich zur Streuung der Coupons verschiedenartiger Distributionssysteme bedienen (Stufe 1). Die Auswahl der geeigneten Distributionsform ist abhängig von der konkreten Zielsetzung der Aktion. Je präziser diese definiert ist, desto schärfer zeichnet sich auch das Empfängerprofil ab, welches über den ausgewählten Distributionskanal angesprochen werden soll (Stufe 2). Zu diesen Distributionssystemen zählen neben Zeitungen/Zeitschriften, Telefonbüchern und den Gelben Seiten auch Mailings, die schon genannten Anbieter von CouponKatalogen sowie Coupon-Portale, die Coupons für den Empfänger z.T. kostenlos verteilen (bspw. www.couponlink24.de; www.kupona.de.; www.coupons4u.de; www. gutis.de). Eine umfangreiche Coupon-Distribution erfolgt auch durch die Betreiber von Kundenbindungssystemen (wie bspw. BSW, Payback). Hat die Zielperson einen Coupon erhalten, so liegt es in ihrer Hand, ob sie das Leistungsversprechen abruft. Der Einsatz ist auf die definierten Akzeptanzstellen beschränkt, sei dies offline am POS oder online im Internet (Stufe 3; zum Couponing-Einsatz im Internet vgl. vertiefend Kreutzer/Kuhfuß, 2004). Je nach Art des Coupons erhält der Nutzer einen unmittelbaren Vorteil, bspw. einen Barrabatt oder ein kostenloses Produkt (Stufe 4). Fallen Coupon-Herausgeber und Akzeptanzstelle bspw. in einer Handelskette oder in der Systemgastronomie zusammen, so endet der Prozess bereits 184
Preis- und Konditionenpolitik
an dieser Stelle mit der Auswertung der Erfolgswirksamkeit der Aktion. Liegen die Verantwortlichkeiten dagegen in verschiedenen Händen (Markenartikler als Herausgeber, Handel als Akzeptanzstelle), so schließt sich mit der Stufe 5 die Einbindung eines Clearing-Hauses an. Dieses tritt als „monetärer Vermittler“ zwischen Herausgeber und Akzeptanzstelle auf, indem es nach Prüfung der Voraussetzungen für eine Leistungserstattung die Abrechnung gegenüber dem Herausgeber initiiert (Stufe 6). Abschließend erfolgt eine Gutschrift bei der Akzeptanzstelle (Stufe 7). Dabei ist zwischen einem manuellen und einem elektronischen Clearing zu unterscheiden (vgl. Mückel, 2003). Wenn der Empfänger seinen Vorteil nicht unmittelbar beim Einlösevorgang erhalten hat, kann in einer abschließenden Stufe der Herausgeber direkt oder über einen entsprechenden Servicepartner eine Gutschrift auf das Konto des Empfängers veranlassen (Stufe 8). Dies ist bspw. der Fall, wenn Apollo über Payback Coupons verteilen lässt, die eine Gewährung von 25 Payback-Punkten beim Erwerb von Premium-Brillengläsern bei Apollo zum Inhalt haben. Nach vollzogenem Kauf findet die Gutschrift der erworbenen Punkte auf dem Konto des Payback-Mitglieds statt.
Abb. 4.2/12:
Prozessablauf einer Couponing-Aktion
Ein Vorteil des Couponing ist die hohe Flexibilität und die geringe Vorlaufzeit. Der Coupon-Herausgeber entscheidet, ob die Distribution mit einem lokalen Fokus oder national erfolgen soll, ob bestimmte Zielgruppensegmente aktiviert, ausgewählte Vertriebswege und/oder selektierte Produkte gefördert werden sollen. Diese Lenkfunktion ermöglicht es, dass Maßnahmen kurzfristig auf spezifische Vertriebsziele 185
4.2
4
Marketing-Instrumente
„einzahlen“ (bspw. Erhöhung der Erstkaufrate, Steigerung des Durchschnitts-Bons). Wenn die Einlösung an bestimmte Mindestauftragswerte gebunden oder auf ausgewählte, besonders margenträchtige Sortimentsteile ausgerichtet ist, können sich Coupon-Aktionen schon im ersten Schritt rechnen (vgl. vertiefend zur Erfolgskontrolle Kuhfuß, 2003; Kreutzer et al., 2003b). Für Markenartikler und Händler gleichermaßen relevant ist, dass durch die Herausgabe von Coupons eine produktbezogene Preiserosion vermieden werden kann. Im Gegensatz zu Rabattaktionen, die den Produktpreis um x % reduzieren, bleibt beim Coupon-Einsatz der ursprüngliche Referenzpreis am Produkt und – fast noch wichtiger – auch im Kopf des Kunden erhalten. Durch Vorlage eines entsprechenden Coupons wird dem Kunden ein Preisvorteil eingeräumt, ohne den Ursprungspreis zu verändern. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der Coupon-Wert i.d.R. nur kostenmäßig zu Buche schlägt, wenn der Kunden den beabsichtigten Kaufakt tatsächlich tätigt. Im Nichteinlösefall ist und bleibt der Coupon ein Leistungsversprechen, das – je nach Absender – entweder das verteilende Industrieunternehmen oder den Handel in den Augen der Kunden aufwertet, da dem Kunden attraktive Vorteile eingeräumt wurden. Für die Markenartikelindustrie ergibt sich durch das Couponing die Möglichkeit, über die klassische Werbung sowie die an den Handel zu entrichtenden Werbekostenzuschüsse u.a. hinaus ein Instrument an die Hand zu bekommen, mit dem eine direkte und ungefilterte Beeinflussung des Kaufverhaltens der Konsumenten erreicht werden kann. Durch Coupon-Anzeigen sowie durch die Streuung von Postwurfsendungen oder Mailings mit Coupons im relevanten Einzugsgebiet kann sehr gezielt das Kaufverhalten beeinflusst werden – vorausgesetzt, der Handel akzeptiert die Einlösung des Coupons. Deshalb ist es entscheidend, eine Akzeptanz der verteilten Coupons auf Handelsbasis sicherzustellen. Dies ist aufgrund der heterogenen Handelslandschaft in Deutschland nicht leicht. Nicht alle zu einer Handelskette gehörenden Märkte, alle Tankstellen mit gleicher Markenidentität oder alle zu einer Systemgastronomie gehörenden Lokale sind zur Akzeptanz bereit und/oder verfügen über eine Kasseninfrastruktur, die eine Coupon-Abwicklung unterstützt. Um den Kunden bzgl. des angestrebten Coupon-Einsatzes nicht in die Irre zu führen, werden auf den Coupons i.d.R. alle Akzeptanzstellen aufgelistet. Wie bei allen neuen Marketing-Instrumenten besteht auch beim Couponing die Gefahr, dass ein Abnutzungseffekt eintritt. Diese ist insb. gegeben, wenn es in absehbarer Zeit zu einer regelrechten Coupon-Schlacht kommen sollte, bei der breite Konsumentenschichten undifferenziert Coupons erhalten. Dies könnte zu einem Gewöhnungseffekt führen mit der Folge, dass Kunden ihre Käufe so lange verschieben, bis sie einen passenden Coupon erhalten. Kunden können aufgrund einer Coupon-Inflation auch mit Reaktanz (das Gegenstück zur Akzeptanz) reagieren und aus der Nutzung komplett aussteigen. Während mit dem Einsatz von Coupons i.d.R. Vergünstigungen für einzelne Kunden oder bestimmte Kundengruppen gewährt werden, stellt sich die Frage, wie Unternehmen bei „normalen“ Preiserhöhungen vorgehen. Bei der Diskussion der Preiselastizität wurde bereits deutlich, welche nachhaltige Wirkung Preissteigerungen 186
Preis- und Konditionenpolitik
auf die Nachfragemenge und den Umsatz ausüben können. Deshalb wird häufig versucht, Preissteigerungen zu verschleiern. Durch eine nicht deutlich herausgestellte Verringerung der Stückzahlen pro Verpackungseinheit bei gleichem Preis wird eine Preiserhöhung vollzogen, die – so sie „unentdeckt“ bleibt – nicht zu Nachfragerückgängen führt. Ein solches Vorgehen wurde 2006 von der Stiftung Warentest aufgedeckt. Bei gleicher Boxgröße und -aufmachung wurde bei Tempo von Procter& Gamble die Menge bei unverändertem Preis von 100 auf 80 Taschentücher reduziert. Ein analoges Vorgehen wurde bei den Menthol-Softis von Zewa ermittelt, bei denen die Menge um 15 % abnahm und gleichzeitig der Preis um 7 % stieg (Stiftung Warentest, 4/2006, S. 7; vgl. auch die Ausführungen zur Preisbündelung). In diesen Kontext fallen auch sogenannte Mogelpackungen, die Kunden eine größere Füllmenge vortäuschen, als in ihnen enthalten ist, wie dies bspw. bei einer nur halb gefüllten Dose Nachsaat-Rasen von Compo der Fall war (Stiftung Warentest, 9/2005, S. 7). Außerdem wurde in den letzten Jahren immer wieder festgestellt, dass Großpackungen (sei es von Kosmetik, Schokolade, Weichspüler) relativ teurer waren als kleinere Gebinde. Da der Käufer bei einer größeren Abnahmemenge grds. einen Preisvorteil erwartet, sind dies Beispiele dafür, wie das Vertrauen der Verbraucher in die Marke missbraucht wird. Derartige Fälle, die regelmäßig von der Stiftung Warentest sowie von Verbraucherzentralen aufgedeckt werden, können teilweise nach dem Eichgesetz mit einem Bußgeld geahndet werden. Hinsichtlich der Preisveränderungen stellt sich für Unternehmen die Frage, ob sie diesbezüglich lieber eine Führer- oder Folgerposition einnehmen. Die Preisführerschaft hat das Unternehmen inne, welches eine Preisveränderungsrunde in einer Branche einleitet, sei es nach oben oder unten. Während Preissteigerungsrunden (bspw. bei Benzin) häufig ein breites, negatives Medienecho finden, müssen die entsprechenden Unternehmen bei Preissenkungsrunden eher selbst auf neue „Dauerniedrigpreise“ (etwa bei LebensmittelDiscountern) hinweisen. Im Mineralölhandel wird häufig sichtbar, dass die Preisführerschaft zwischen den Marken wechselt, damit nicht bei einem Anbieter das Image der Preistreiberei entsteht. Preisfolger sind alle Unternehmen, die aufgrund der durchgeführten Änderungen ihre Preise in gleicher Richtung anpassen. Das Konzept von Preisführern und -folgern ist insb. in oligopolistisch geprägten Märkten zu beobachten.
4.2.4.2 Preisdifferenzierung als Spezialinstrument der statischen Preisund Konditionengestaltung Bei der Preisdifferenzierung handelt es sich um unterschiedliche Preisstellungen für (nahezu) gleiche Leistungen, die nach verschiedenen Kriterien erfolgen. Die Preisdifferenzierung gehört zu den statischen Preisstrategien, die sich bei der Umsetzung teilweise der oben beschriebenen Rabattarten bedient. Um eine Preisdifferenzierung durchführen zu können, müssen mehrere Anforderungen erfüllt werden. Zum einen muss sich die Zielgruppe in mindestens zwei verschiedene Segmente aufteilen lassen, weil eine Differenzierung sonst nicht möglich wäre. Zum zweiten müssen die definierten Zielgruppen, wie nachfolgend skizziert wird, unterschiedliche Preiselastizitäten aufweisen, weil sonst eine Veränderung der Preise nicht zu den angestrebten Ergebnissen führt. Zum dritten müssen sich die identifizierten 187
4.2
4
Marketing-Instrumente
Segmente in einem bestimmten Ausmaß trennen lassen, so dass unterschiedliche Preise für gleiche Leistungen am Markt Bestand haben können (vgl. Fassnacht, 2003, S. 487). Die verschiedenen Arten der Preisdifferenzierung sind in Abb. 4.2/13 dargestellt (vgl. vertiefend Fassnacht, 2003; Homburg/Krohmer, 2006, S. 724-735; Kotler/Bliemel, 2001, S. 857f.; Haller, 2005, S. 146-150; Meffert, 2000, S. 550-561; Haller, 2001, S. 197-199).
Abb. 4.2/13:
Arten der Preisdifferenzierung
Arten der Preisdifferenzierung Bezugsebene
Bezeichnung
Umsetzung
Person
Persönliche Preisdifferenzierung
Kostenloses Giro-Konto für Studenten; Studenten-Abo für Zeitungen und Zeitschriften; Senioren-Tarif in Museen
Region
Räumliche Preisdifferenzierung
Z.T. dramatische Preisunterschiede für identische PKW oder Medikamente in verschiedenen EU-Staaten
Zeit
Zeitliche Preisdifferenzierung
Sonderpreise in der Vor- und Nachsaison, hohe Preise in der Hauptsaison; Handytarife gestaffelt nach dem Zeitpunkt des Telefonats; Frühbucherrabatte
Leistung
Leistungsbezogene Preisdifferenzierung
Verschiedene Preise für Reisen der 1. und 2. Klasse bei der Deutschen Bahn, oder in der First, Business oder Economy Class der Lufthansa
Menge
Mengenbezogene Preisdifferenzierung
Einräumung von Mengenrabatten für Großabnehmer
Vertriebsweg
Vertriebswegbezogene Preisdifferenzierung
Unterschiedliche Konditionen für Online- und OfflineBuchungen; verschiedene Tarife für Online- und OfflineServices (Brokerage, Banking)
Nachfrage-Mix
Preisbündelung
Kunden, die mehrere Produkte zusammen erwerben, wird ein günstigerer Preis gewährt
Die generelle Leitidee einer Preisdifferenzierung ist, dass ein Unternehmen seine Ziele besser erreichen kann, wenn die Preise nach verschiedenen Kriterien aufgegliedert und damit „differenziert“ werden. Hinter der persönlichen und räumlichen Preisdifferenzierung steht i.d.R. die unterschiedlichen Preiselastizitäten der Nachfrager. Bei der Zielgruppe Studenten bspw. wird generell davon ausgegangen, dass diese eine niedrigere Kaufkraft aufweist als Personen, die voll im Berufsleben eingebunden sind. Um auch Studenten für das eigene Angebot zu gewinnen, wird dieser Zielgruppe ein günstigerer Preis angeboten (bspw. ein FAZ-Abonnement für € 17,50 statt für € 35,50 pro Monat im Jahr 2007). Preisvorteile für treue Kunden (bspw. durch das Ansammeln von Payback-Punkten) oder ein vergünstigtes Probeabonnement zur Gewinnung von neuen Lesern stellen weitere Formen der persönlichen Preisdifferenzierung dar. 188
Preis- und Konditionenpolitik
Die Preiselastizität kann teilweise als Begründung für unterschiedliche Preisstellungen in verschiedenen Ländern herangezogen werden, wenn zwischen diesen größere Kaufkraftunterschiede existieren. Ein zur Veranschaulichung gern herangezogenes Beispiel ist der Big Mac Preisindex der Zeitschrift Economist (vgl. Economist, 9.6.2005). Nach deren Erhebung schwankt der Preis für den Big Mac in der Spitzengruppe zwischen $ 6,67 (Island), $ 6,06 (Norwegen), $ 5,05 (Schweiz) und $ 1,43 (Ukraine), $ 1,27 (China) und $ 0,68 (Qatar). Es ist leicht nachzuvollziehen, dass sich der Big Mac in China zum Preis der Schweiz kaum verkaufen ließe. In diesem Zusammenhang wird häufig der Begriff Dumping verwendet. Dabei liegt als Referenzpreis der Angebotspreis für Inlandsverkäufe desselben Gutes zugrunde und wird zur Beurteilung der Preisstellung auf einem ausländischen Markt herangezogen. Dabei sind i.d.R. noch Aufschläge für Transportkosten zu berücksichtigen (vgl. Gabler, 2005, S. 758). Wettbewerber oder staatliche Interessengruppen versuchen teilweise, zum Schutz der eigenen Märkte gegen ein entsprechendes Preisdumping vorzugehen, d.h. eine Preisstellung zu unterbinden, die unter der des Herkunftslandes liegt. Von Sozialdumping wird gesprochen, wenn Exportprodukte aufgrund niedriger Arbeits- und/oder Lohnnebenkosten preiswerter angeboten werden können als die im Zielland selbst hergestellten Erzeugnisse. Ursachen für niedrige Nebenkosten können das Fehlen von sozialen Absicherungssystemen (bspw. Kranken-, Renten-, Unfall- oder Arbeitslosenversicherung) oder die Herstellung unter ungünstigen Arbeitsbedingungen bis hin zur Kinderarbeit sein. Die Bekämpfung von Sozialdumping erfolgt teilweise mit dem Ziel, die heimische Industrie von ungewünschten Billigimporten zu schützen. Sozialdumping stellt im rechtlichen Sinne kein Dumping dar, da dieses durch unterschiedliche Standortkosten verursacht wird und deshalb keine räumliche Preisdifferenzierung ist (Gabler, 2005, S. 2698). Eine räumliche Preisdifferenzierung kann ebenso in unterschiedlichen Steuersystemen begründet liegen. Erheben Länder bspw. hohe Umsatz- und zusätzlich noch Zulassungssteuern bspw. auf Fahrzeuge, dann streben Automobilunternehmen niedrige Einstiegspreise an, um ihre Produkte „verkaufbar“ zu halten. Deshalb kostet bspw. ein VW Golf in Finnland rund 26 und in Dänemark 18 % weniger als in Deutschland, wo im Automobilsektor EU-weit die höchsten Preise erzielt werden (vgl. Kracht, 2006, S. 14). Unterschiedliche Marktpositionen des anbietenden Unternehmens (Marktführer auf einem, Neueinsteiger in einem anderen Markt) können ebenfalls unterschiedliche Preisstellungen erfordern. Die zeitliche Preisdifferenzierung hat drei unterschiedliche Ausprägungen. Zum einen variiert der Preis in Abhängigkeit vom Zeitpunkt des Kaufes in Relation zu dem des Konsums. In diesen Bereich fallen u.a. sogenannte Frühbucherrabatte, die Kunden mit Preisabschlägen belohnen, die bereits zu einem frühen Zeitpunkt buchen. Diese Preisstrategie liegt u.a. auch bei den Low-Cost-Carriern zugrunde, denn die ausgelobten „€ 0“-Angebote (häufig zzgl. hoher Gebühren und Steuern) sind nicht nur knapp gehalten, sondern häufig nur viele Wochen vor dem Abflugtermin erhältlich. Durch diese Preisstrategie sollen Kunden motiviert werden, zu einem möglichst frühen Zeitpunkt zu buchen, um so die Planungssicherheit der Unternehmen zu erhöhen und Kunden vertraglich an sich zu binden. Diese können dann nicht mehr den „Verlockungen“ der Wettbewerber erliegen. 189
4.2
4
Marketing-Instrumente
Zum zweiten variiert der Preis in Abhängigkeit des Konsumzeitpunkts. Hierzu gehören alle Reiseangebote, die ihre Preise nach Vor-, Haupt- und Nachsaison staffeln, Handytarife, die nach dem Zeitpunkt des Telefonats differieren, unterschiedliche Tarife für Tag- und Nachtstrom, Cocktails zum Happy Hour-Preis usw. Das dominante Ziel hinter dieser Preisstellung ist eine Verstetigung der Nachfrage. Es geht darum, Nachfragespitzen zu kappen und Nachfragetäler zu füllen. So verfolgt ein Reiseveranstalter das Ziel, Nachfrage aus der Hauptsaison in die Vor- und Nachsaison zu verschieben, weil er in der Hauptsaison seine Kapazitäten (seien es Hotels, Flugzeuge, Restaurants) nur maximal zu 100 % auslasten kann. Mit Happy HourAngeboten wird in Restaurants und Bars versucht, Kunden in den nachfragearmen Zeitpunkten „anzulocken“, um jene gleichmäßiger auszulasten. Die unterschiedlichen Preise für TV-Werbezeiten innerhalb und außerhalb der als Prime Time bezeichneten Hauptsendezeit (i.d.R. zwischen 20.00 und 23.00 Uhr), dienen dem gleichen Ziel. Zum dritten kann der Preis auch allein nach dem Kaufzeitpunkt differieren, d.h. unabhängig vom Konsum durch den Erwerber. So können zu bestimmten Zeiten Sonderverkäufe stattfinden (bspw. Sommer- und Winterschlussverkauf), oder die Preise differieren nach der Kaufuhrzeit dergestalt, dass besondere Schnäppchen in den USA bspw. zwischen 2.00 und 6.00 Uhr morgens zu bekommen sind (vgl. Thier, 2005, S. 17). Bei der leistungsbezogenen Preisdifferenzierung wird versucht, eine ähnliche Leistung so aufzufächern, dass diese in verschiedenen Preisgruppen angeboten werden kann. Hierzu gehören unterschiedliche Zimmerausstattungen im gleichen Hotel ebenso wie die Differenzierung nach First, Business und Economy Class bei der Lufthansa oder nach 1. und 2. Klasse bei der Deutschen Bahn. Durch dieses Vorgehen soll die unterschiedliche Preisbereitschaft der Kunden ausgeschöpft werden, um für das Unternehmen eine höhere Wertschöpfung zu erreichen. Von einer Preisdifferenzierung sollte m.E. nicht mehr gesprochen werden, wenn sich die Angebote deutlich unterscheiden, wie dies bspw. bei einer Zweitmarken-Strategie der Fall ist. Hier differiert das Leistungsversprechen insb. bzgl. des Zusatznutzens häufig deutlich. Bei der Verwendung verschiedener Materialien (Kunstfaser vs. Kaschmirwolle) für identische Produkte handelt es sich ebenfalls um eine Produktvariation und nicht um eine Preisdifferenzierung. Bei der mengenbezogenen Preisdifferenzierung erfolgt eine Anpassung des Preises entweder aufgrund der nachgefragten Menge pro Käufer, oder aufgrund der Tatsache, dass mehrere Personen gleichzeitig Leistungen in Anspruch nehmen (bspw. bei der Buchung des Urlaubs für eine 4-köpfige Familie zum Preis von drei Personen). Im Kern kommt dabei der schon angesprochene Mengenrabatt zum Einsatz. Die vertriebswegbezogene Preisdifferenzierung erhebt unterschiedliche Preise bspw. in Abhängigkeit davon, welches Ausmaß an Self-Service der Kunde erbringt. So unterscheiden sich nicht nur die Tarife für Online- und Offline-Banking, sondern auch für Tickets, die entweder im Reisebüro erworben oder selbst im Internet gebucht und ausgedruckt werden. Beim Online-Brokerage unterscheiden sich die Tarife für die Dienstleistung im Vergleich zu den klassischen Wegen des Erwerbs von Wertpapieren. Strom- und Gasanbieter (bspw. Rhenag) offerieren z.T. ebenfalls günstigere 190
Preis- und Konditionenpolitik
Konditionen, wenn der Kunde mit dem Versorger online kommuniziert. Dem ursprünglichen Konzept der Factory Outlets lag diese Form der Preisdifferenzierung ebenfalls zugrunde: Ohne Beratung, in „fabrikähnlicher“ Umgebung, teilweise ohne Umkleidekabinen wurde Markenkleidung zu deutlich reduzierten Preisen angeboten; heute ist die Ausstattung dieser Outlets häufig mit der von gehobenen Modehäusern vergleichbar. Die Preisdifferenzierung nach Vertriebsweg findet sich ebenso im Gastronomiebereich. Kostet eine Flasche Mineralwasser San Pellegrino im einfachen Restaurant € 2,40, ist das gleiche Produkt im Drei Sterne-Lokal für € 11,50 im Angebot. Eine Preisbündelung liegt vor, wenn verschiedene Produkte zu einem Angebotspaket zusammen gefasst werden, für die dann ein Bündelpreis zu bezahlen ist (vgl. Priemer, 2003; Herrmann, 2003, S. 41f.). Dieser ist i.d.R. niedriger als die Summe der Einzelpreise der zusammengefassten Produkte. Beispiele sind „All inclusive“-Angebote von Reiseveranstaltern oder das Office-Paket von Microsoft, bei dem verschiedene Programme gebündelt und mit einem deutlichen Preisabschlag angeboten werden. Auch in Restaurants ist bspw. ein Vier-Gang-Menü grds. kostengünstiger als die Bestellung der einzelnen Gänge. U.U. sind jedoch die Portionen kleiner und ggf. setzt der Restaurantchef darauf, dass durch eine mit dem Menü verbundene längere Verweildauer im Restaurant der Konsum von Getränken steigt, die i.d.R. höher kalkuliert sind. Auf diese Weise fließen zusätzliche Effekte des nachfolgend beschriebenen kalkulatorischen Ausgleichs ein. Durch die Preisbündelung, die bspw. auch bei Bank-Dienstleistungen erfolgt (Girokonto verbunden mit einer Kreditkarte und ggf. weiteren Versicherungen), wird dem Kunden die Möglichkeit genommen, Einzelpreise zu vergleichen. Diese Vorgehensweise findet sich bspw. bei Hotels, die häufig Komplettpreise (Zimmerpreis, inkl. Frühstück, € 126), statt Einzelpreise (Zimmerpreis € 102, Frühstück € 24) ausloben. Dienstleister, wie bspw. Unternehmensberatungen oder Werbeagenturen, präferieren ebenfalls solche Packagepreise, um eine Nachvollziehbarkeit der einzelnen Preise zu vermeiden. Preiserhöhungen können durch solche Packageangebote verschleiert werden, wenn Einzelpreise (bspw. für einzelne Wartungsleistungen bei Anlagen) nach einer Preiserhöhung nicht mehr ausgewiesen werden (vgl. zu diesen Konzepten Priemer, 2003, S. 514). Gleichzeitig können attraktive Leistungsbündel geschaffen werden, die sich u.U. besser bewerben lassen (Simon, 2006, S. 37). Im BtB-Sektor wird bei IT-Anlagen, die alle relevanten Einheiten und ggf. auch noch einen mehrjährigen Wartungsvertrag einschließen, von einem Systempreis gesprochen. In Summe soll durch die Preisbündelung der Umsatz pro Kaufakt gesteigert werden. Außerdem sollen durch eine höhere Attraktivität des Angebotes neue Kundengruppen erschlossen werden.
4.2.4.3 Kalkulatorischer Ausgleich als Spezialinstrument der statischen Preis- und Konditionengestaltung Beim kalkulatorischen Ausgleich (z.T. auch preispolitischer Ausgleich oder Mischkalkulation genannt) werden verschiedene Produkte, die entweder zeitgleich oder nacheinander verkauft werden, mit unterschiedlichen Kalkulationsauf- bzw. 191
4.2
4
Marketing-Instrumente
-abschlägen angeboten (vgl. Meffert, 2000, S. 561-564; Freter, 2004, S. 103). Ein simultaner kalkulatorischer Ausgleich liegt bspw. vor, wenn ein PKW zu einem niedrigen Einstiegspreis angeboten wird (ohne alle Extras als so genannte „Strip-downVersion“), bei dessen Verkauf das Unternehmen nur einen geringen Deckungsbeitrag erwirtschaften würde. Gleichzeitig wird versucht, den Kunden zum Erwerb entsprechender Sonderausstattungen oder Ausstattungspakete zu motivieren, die i.d.R. mit höheren Deckungsbeiträgen kalkuliert sind. Bei diesen selbst findet wiederum eine Preisbündelung statt, weil innerhalb eines Paketes unterschiedliche Leistungen verbunden werden. So sind beim Audi A 6 Avant im S Line Sportpaket neben Sportfelgen, einer speziellen Bremsanlage bspw. auch Sportsitze enthalten. Auf diese Weise wird beim Fahrzeug ein attraktiver Einstiegspreis (Eye Catcher) erreicht. Dies ist wichtig, denn Käufer sind beim Fahrzeug selbst wesentlich preisempfindlicher als bei der Zusatzausstattung (Simon, 2006, S. 37). Basierend auf der Erkenntnis, dass PKW selten komplett ohne Extras erworben werden, erreicht das Unternehmen eine höhere Wertschöpfung. Ein sukzessiver kalkulatorischer Ausgleich liegt dagegen vor, wenn zunächst ein Produkt (bspw. ein Tintenstrahldrucker von Dell) für € 75 mit niedrigen oder sogar negativen Deckungsbeiträgen verkauft wird, das allerdings den Erwerb höher kalkulierter Tintenpatronen nach sich zieht. Basierend auf dem Wissen, wie viele Tintenpatronen im Zeitablauf (u.U. exklusiv beim Hersteller des Druckers für je € 22,50) durchschnittlich erworben werden, wird der Ergebnisbeitrag für das Leistungspaket im Zeitablauf optimiert. Auf diese Weise werden die Verbundeffekte zwischen den Produkten bei der Preisstellung berücksichtigt. Da Druckertinte eine der teuersten Flüssigkeiten auf der Welt ist und mehr als eine gleiche Menge Chanel Nr. 5 kostet (vgl. Maier, 2006, S. 4), ist die Strategie besonders Erfolg versprechend. Das gleiche Konzept findet sich bei der Vermarktung von Mobilfunk-Verträgen. Ein hoch subventioniertes Handy (Angebot zu € 1) wird nur zusammen mit einem 2-Jahresvertrag angeboten, dessen gesamte finanzielle „Fußangeln“ sich nur dem aktiven Leser erschließen. Diese Art des kalkulatorischen Ausgleichs kann m.E. auch als Trojanische Preisstrategie bezeichnet werden, weil dem Kunden der kostentreibende Produktverbund zum Zeitpunkt des Kaufs i.d.R. nicht transparent ist. In beiden Fällen des kalkulatorischen Ausgleichs ist das Ziel die Optimierung des Gesamtergebnisses durch die Erreichung eines finanziellen Ausgleichs zwischen ergebnisstarken und -schwachen Produkten. Dies erfolgt, wie bereits aufgezeigt, entweder zum gleichen Zeitpunkt oder im Zeitverlauf.
4.2.5 Dynamische Preisstrategien Eine dynamische Preisstrategie liegt vor, wenn bereits zum Zeitpunkt der erstmaligen Preisfixierung feststeht, dass der Preis im Zeitablauf ganz bestimmten Anpassungen unterliegen soll. Im einzelnen können die folgenden Konzepte unterschieden werden (vgl. Schneider, 2003, S. 100; Becker, 2006, S. 728f.; Homburg/Krohmer, 2006, S. 671; Meffert, 2000, S. 565-568; Rüggeberg, 2003, S. 141f.; Abb. 4.2/14): 192
Preis- und Konditionenpolitik
Abschöpfungspreis-Strategie (Skimming Pricing) Penetrationspreis-Strategie (Penetration Pricing) „Follow-the-Free“-Strategie „Follow-the-Cheap”-Strategie
Abb. 4.2/14:
Dynamische Preisstrategien
Preis 10 9 8 7 6
Skimming-Pricing
5
Penetration-Pricing
4 3 2
Follow-the-Cheap-Strategie Follow-the-Free-Strategie
1 0
Zeit
Bei der Abschöpfungspreis-Strategie bzw. beim Skimming-Pricing („to skim the cream from the milk“ heißt „die Milch entrahmen“) wird ein Produkt zunächst zu einem hohen Preis im Markt eingeführt, bevor es im Zeitablauf immer günstiger angeboten wird. Auf diese Weise wird die Preisbereitschaft der Kunden sukzessive abgeschöpft. Diese Preisstrategie findet häufig bei technologischen Innovationen ihren Einsatz. So kosteten die ersten Flatscreen-TV-Geräte noch viele tausend Euro. Bei diesem Preis hat insb. die bereits angesprochene Zielgruppe der Innovatoren gekauft. Mit jeder Preissenkung konnten weitere Zielgruppen angesprochen und für das Produkt gewonnen werden. Für das Unternehmen führt diese Preisstrategie anfangs zu hohen Deckungsbeiträgen pro Stück bei einer geringen Absatzmenge. Diese ist für das Unternehmen zunächst von Vorteil, wenn zum Start der Produktion nur geringe Stückzahlen gefertigt werden. Mit zunehmender Produktionsmenge und dadurch realisierbaren Erfahrungskurveneffekten wird der Preis stufenweise gesenkt. Ein solches Vorgehen konnte regelmäßig bei Innovationen beobachtet werden, wie bspw. den ersten MP3-Geräten, Digitalkameras, Plasma-Bildschirmen etc. Die Einführung des ersten Blue-ray-Discplayers in den USA durch Samsung im Jahr 2006 für ca. $ 1.000 vermittelt eine konkrete Vorstellung dieser Preisstrategie (o.V., 24.6.2006, S. 38). Auch bei CDs und DVDs sowie bei Büchern (mit anfänglichen Hardcover-Ausgaben und später erscheinenden Paperback-Versionen) findet diese Preisstrategie Anwendung. 193
4.2
4
Marketing-Instrumente
Diese Preisstrategie birgt das Risiko, dass sich Wettbewerber aufgrund der vermeintlich hohen Umsatzrentabilität aufgrund der hohen Preise selbst zum Markteintritt motiviert fühlen. Deshalb kann die stufenweise Preisabsenkung auch als Abwehrmaßnahme gegenüber Wettbewerbern eingesetzt werden. Außerdem führen hohe Preise dazu, dass der Zeitbedarf für die Erreichung einer Marktdurchdringung viel größer ist, weil preisorientierte Kunden ihre Käufe so lange aufschieben, bis die nächsten Preissenkungen vollzogen werden. Bei der Penetrationspreis-Strategie bzw. dem Penetration-Pricing wird ein Angebot zunächst mit einem niedrigen Preis in den Markt eingeführt. Mit dieser Strategie versuchen häufig Nachzügler, d.h. Unternehmen, die als „x-te“ Anbieter in einen Markt einsteigen, auf sich aufmerksam zu machen. Da der Preis vielfach ein zentrales Kaufargument darstellt, können häufig schnell große Absatzmengen erreicht werden. Da die Unternehmen bei diesem Vorgehen u.U. am Anfang auf Deckungsbeiträge verzichten, wird davon gesprochen, dass sich solche Unternehmen „den Markt kaufen“. Diese Preisstrategie nutzten die japanischen Automobilhersteller, als sie in den 70er Jahren in die europäischen und US-amerikanische Märkten eintraten. Die gleiche Vorgehensweise setzten die südkoreanischen Produzenten in den 90er Jahren ein. Der globale Einstieg der chinesischen Hersteller nutzt ebenfalls diese Strategie. Mit dem schon zitierten Landwind wurde im Jahr 2005 ein Geländewagen in Europa für € 15.000 angeboten – weit unter den Preisen vergleichbarer Fahrzeuge (vgl. Geiger, 2005). Wurde am Anfang in den belieferten Ländern die Qualität belächelt, konnte am Beispiel der japanischen und südkoreanischen Hersteller erlebt werden, wie einer preisfokussierten Markteroberung eine qualitative Weiterentwicklung der Produkte folgte – mit einer entsprechenden Anpassung der Preise. Bei der Follow-the-Free-Strategie (vgl. Zerdick et al., 2001, S. 193; Fritz, 2004, S. 204f.) bietet ein Unternehmen eine Leistung zunächst kostenlos an, um auf diese Weise eine Kundenbasis aufzubauen und einen Kundenbindungseffekt zu erzielen. Zu einem späteren Zeitpunkt werden die gleichen Leistungen bepreist oder den Kunden höherwertige Angebote unterbreitet. Mit für den Nutzer zunächst kostenlosen Leistungen starteten viele Internet-Unternehmen im Glauben, diese Dienstleistungen langfristig durch Werbeerlöse finanzieren zu können. Erst als der Internet-Hype zusammenbrach, stellten Unternehmen ihre Finanzierungsmodelle um. So bot ebay in einer ersten Stufe seine Dienstleistungen für den Nutzer kostenlos an. In der zweiten Stufe wurden transaktions- und erfolgsabhängige Preise erhoben und in der dritten Stufe wurde das Erlösmodell um erfolgsunabhängige Einnahmen für das Freischalten der Auktion ergänzt (vgl. Fritz, 2004, S. 314). Bei dieser Strategie können zwei Ausprägungen unterschieden werden. Entweder ist dem Kunden bereits bei der erstmaligen Nutzung bekannt, dass die Leistung nur befristet kostenlos angeboten wird. Oder der Kunde geht von einer dauerhaften Kostenlosigkeit aus, während das Unternehmen bereits eine Kostenpflichtigkeit der Leistungserbringung geplant oder sich später aufgrund der Erlössituation zu einem kostenpflichtigen Angebot gezwungen sieht. In beiden Fällen soll eine Gewöhnung des Kunden an das Angebot erreicht werden, damit zum Zeitpunkt der Bepreisung dem Unternehmen möglichst viele Kunden erhalten bleiben. 194
Preis- und Konditionenpolitik
Eine m.E. Follow-the-Cheap-Strategie zu nennende Vorgehensweise wird häufig bei Produkteinführungen in bereits reifen Märkten eingesetzt. Durch eine niedrige Preisstellung (etwa € 1 bei Einführung von Vanity Fair in Deutschland 2006) sollen zunächst möglichst viele Testkäufe generiert werden. Da durch niedrige Preise das wahrgenommene Kaufrisiko für den Kunden gering ausfällt, können Testkäufe ausgelöst werden. Wird die Niedrigpreisstrategie über einen längeren Zeitraum aufrecht erhalten, kann eine Gewöhnung an das Angebot erfolgen, so dass eine spätere Preisanhebung viele Kunden nicht zum Produktwechsel motiviert (so wurde der Preis von Vanity Fair 2007 auf € 2 erhöht). Im Gegensatz zum Penetration-Pricing findet bei der Follow-the-Cheap-Strategie grds. keine qualitative Weiterentwicklung des Angebotes statt. Außerdem erfolgt i.d.R. nur eine einmalige Anhebung auf das für eine profitable Gestaltung notwendige Preisniveau.
4.2.6 Produktübergreifende Aspekte der Preis- und Konditionenpolitik Einen weiteren Teilbereich der Preis- und Konditionenpolitik stellen die Bedingungen der Entgeltentrichtung dar, die über die bereits angesprochenen Skonti hinaus gehen. Über die Einräumung von Absatzkrediten und Ratenzahlung verfügen Unternehmen über wichtige verkaufsfördernde Maßnahmen (vgl. Meffert, 2000, S. 589-591). U.U. können diese Zahlungsvarianten bestimmten Käuferschichten erst einen Kauf ermöglichen. In Deutschland wurden im Jahr 2005 bspw. 80 % der verkauften Autos bereits entweder über Kredit finanziert oder geleast (Scherff, 2006, S. 49). Derartige Möglichkeiten haben in den USA dazu geführt, dass dieses Land – als einziges unter den führenden Industrienationen – eine negative Sparquote aufweist. D.h., dass die Verbraucher dort im Durchschnitt mehr Geld ausgeben als sie einnehmen. So entfallen im Jahr 2006 auf jeden US-Haushalt durchschnittlich $ 19.000 als ungesicherte Schuld, wobei Autokredite und Hypothekendarlehen noch nicht berücksichtigt sind (vgl. Thier, 2005, S. 17). Zusätzlich sind die Lieferbedingungen zu präzisieren, zu denen u.a. die folgenden Bereiche gehören (vgl. Haller, 2005, S. 155f.; Meffert, 2000, S. 591-593): Ort/Zeitpunkt der Warenübergabe Dauer bis zur Lieferung (bspw. innerhalb von 24 Stunden, zwei Tagen oder einer Woche) Verteilung der Transport-/Versicherungskosten Mindestabnahmemengen Konventionalstrafen Umtausch-/Rücktrittsmöglichkeiten (Reduktion des wahrgenommenen Risikos) Gerichtstand Auch der Umfang von Garantieregelungen, die über die gesetzlichen Vorgaben hinaus gehen, gehören zu den relevanten Konditionen. Teilweise werden diese gezielt eingesetzt, um das eigene Angebot im Wettbewerberumfeld zu differenzieren. Dies ist bspw. beim Bekleidungsversender Lands´End mit folgendem Garantieversprechen der Fall: „Sollten Sie mit einem unserer Artikel nicht 100%ig zufrieden sein, senden Sie ihn ein195
4.2
4
Marketing-Instrumente
fach zurück. Egal, aus welchem Grund, egal, zu welcher Zeit. Wir liefern umgehend Ersatz oder erstatten Ihnen den vollen Kaufpreis. Kein Kleingedrucktes. Keine Diskussion. Guaranteed. Period.®“ (Lands´End, 2006). Zusätzlich können Nachkaufgarantien (bspw. bei Porzellan oder Gläsern) oder die garantierte Versorgung mit Ersatzteilen zu diesen Serviceleistungen gerechnet werden. Solche Leistungen schlagen sich allerdings in den Preisen nieder, denn es besteht ein gravierender Unterschied zwischen der Vermarktung einer Sonderauflage einer bestimmten Gläsersorte einerseits und dem Versprechen gegenüber dem Kunden andererseits, die gekauften Produkte lebenslang nachkaufen zu können (so bspw. bei der SommelierGläserserie von Riedel). Die Silbermanufaktur Robbe & Berking gibt auf ihre Bestecke sogar eine Nachkaufgarantie bis mindestens 2040 (Robbe & Berking, 2007, S. 51). Die Ausführungen unterstreichen, welchen zentralen Stellenwert die Preis- und Konditionenpolitik im Marketing-Mix einnimmt. Gleichzeitig sind alle diesbezüglichen Maßnahmen auf ihre Auswirkungen auf die anderen Instrumentalbereiche abzuprüfen, um einen konsistenten Auftritt im Markt zu gewährleisten.
Merkbox
Der Preis ist eine sehr schnell und nachhaltig wirkendes Marketing-Instrument.
Ein Preis ist immer nur optimal im Hinblick auf ganz bestimmte Unternehmens- und Marketing-Ziele.
Eine Vielzahl rechtlicher Rahmenbedingungen schränkt die unternehmerischen Möglichkeiten der Preisgestaltung ein.
Die Preisfestlegung kann sich an den Kosten der Produktion, an den Wettbewerbern und/oder an den Kunden orientieren.
Bei der kundenorientierten Preisbestimmung kommt der Preiselastizität eine zentrale Bedeutung zu. Diese Preiselastizität weist aus, welche Mengenänderung durch eine Preisänderung ausgelöst wird und welche Umsatzveränderungen damit einher gehen.
Die Kreuzpreiselastizität zeigt die Verbindung zwischen zwei Produkten auf.
Der Preis dient in bestimmten Fällen auch als Qualitätsindikator.
Zur Beeinflussung der Marktpartner wie der Kunden werden verschiedene Rabattarten eingesetzt.
Couponing ist ein interessantes Instrument zur Beeinflussung der Käufer.
Preise können für (fast) identische Leistungen nach unterschiedlichen Kriterien differenziert werden.
Es ist zwischen statischen und dynamischen Preisstrategien zu unterscheiden.
196
Preis- und Konditionenpolitik
Fragen zur Überprüfung Ihres Wissensstandes 1
Welche Handlungsfelder deckt die Preis- und Konditionenpolitik ab?
2
Welches sind die zentralen Einflussfaktoren, die bei der Preisfindung zu berücksichtigen sind?
3
Woran orientiert sich der „optimale“ Preis für ein bestimmtes Unternehmen?
4
Grenzen Sie Snob- und Vebleneffekt gegeneinander ab und zeigen Sie auf, in welchen Bereichen diese von Bedeutung sind. Welche Relevanz haben diese Effekte für die Preispolitik?
5
Zeigen Sie auf, ob und ggf. welche Zielkonflikte es bei der Preisgestaltung zwischen Hersteller, Handelspartnern und/oder den Endkunden geben kann. Nennen Sie konkrete Beispiele.
6
Welche gesetzlichen Rahmenbedingungen wirken sich direkt auf die Preisgestaltung aus? Ziehen Sie die entsprechenden Gesetzestexte heran und machen Sie sich mit den einschlägigen Paragraphen im „O-Ton“ vertraut.
7
Welche Leitidee steht aus Sicht des Gesetzgebers hinter diesen gesetzlichen Regelungen?
8
Welche Aufgaben hat die Bundesnetzagentur abzudecken?
9
Welche verschiedenen Ansätze zur kostenorientierten Preisfestlegung sind zu unterscheiden?
10 Wie wird bei der Preiskalkulation auf Vollkostenbasis vorgegangen? Welche Vor- und Nachteile sind mit diesem Konzept verbunden? 11 Wie wird bei der Preiskalkulation auf Teilkostenbasis vorgegangen? Welche Vor- und Nachteile sind mit diesem Konzept verbunden? 12 Was versteht man unter Target Costing bzw. Target Pricing? Wie wird dabei vorgegangen und warum? Welche positiven Effekte sind damit verbunden? 13 Was versteht man unter Preiselastizität der Nachfrage? Für welche Fragestellungen ist diese relevant? 14 Skizzieren Sie eine Preis-Absatz-Funktion und rechnen Sie unterschiedliche Preisveränderungen durch. Ermitteln Sie die verschiedenen Elastizitätsbereiche. 15 Welche Konsequenzen hat eine Preissteigerung im elastischen sowie im unelastischen Bereich der Preis-Absatz-Funktion? Begründen Sie die Relevanz dieser Erkenntnisse. 16 Auf welchem Wege können Preiselastizitäten ermittelt werden? 17 Was ist i.d.R. größer, die Preis- oder die Werbeelastizität und warum? 18 Was verbirgt sich hinter dem Begriff Kreuzpreiselastizität? Welche Arten von Beziehungen zwischen Produkten können anhand dieser Messgröße ermittelt werden? 19 Was ist mit der Aussage „Preis als Qualitätsindikator“ gemeint? In welchen Situationen kommt dieser Effekt zum Tragen? 20 Kennzeichnen Sie die unterschiedlichen Wirkungen, die ein hoher Preis auf den Kaufentscheidungsprozess des Konsumenten haben kann. Veranschaulichen Sie sich diese Wirkung anhand eines Beispiels Ihrer Wahl. 21 Welche Rabattarten lassen sich unterscheiden? Welche Wirkungen werden durch den Einsatz verschiedener Rabattarten auf die unterschiedlichen Zielgruppen angestrebt? 22 Was versteht man unter Couponing? Welche Ziele werden damit angestrebt? 23 Welche Coupon-Arten lassen sich unterscheiden? Welche Ziele sind mit deren Einsatz jeweils verbunden?
197
4.2
4
Marketing-Instrumente
24 Welche Funktionsträger sind bei einer Couponing-Aktion eingebunden? Welche Aufgaben fallen den jeweiligen Partnern zu? 25 Welche Vor- und Nachteile sind mit dem Couponing verbunden? 26 Was versteht man unter „Mogelpackung“? Wie bewerten Sie deren Einsatz? 27 Worin liegen die Unterschiede zwischen den statischen und den dynamischen Preisstrategien? Nennen Sie konkrete Beispiele für deren Einsatz. 28 Welche Ansätze zur Preisdifferenzierung können Sie unterscheiden? Welches sind die Hintergründe für die Notwendigkeit der Preisdifferenzierung? Welche Ziele verbinden Unternehmen mit deren Einsatz? 29 Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit eine Preisdifferenzierung erfolgreich durchgeführt werden kann? 30 Recherchieren Sie im Internet je zwei Beispiele für die unterschiedlichen Arten von Preisdifferenzierung. 31 Von welchen Arten der Preisdifferenzierung haben Sie bereits selbst profitiert? 32 Was versteht man unter Preis- und was unter Sozialdumping? Welche Beispiele sind Ihnen dazu geläufig? 33 Was versteht man unter dem kalkulatorischen Ausgleich? Welche Arten werden unterschieden? Welche Beispiele aus Ihrem eigenen Umfeld fallen Ihnen dazu ein? 34 Was kennzeichnet das Skimming-Pricing? Welche Vorteile sind damit für das anbietende Unternehmen verbunden? Welche Risiken gehen damit einher? 35 Welche Kundengruppen werden durch das Skimming-Pricing zunächst angesprochen und warum? 36 Was kennzeichnet das Penetration-Pricing? Welche Vorteile sind damit für das anbietende Unternehmen verbunden? Welche Risiken gehen damit einher? 37 Welche Kundengruppen werden durch das Penetration-Pricing zunächst angesprochen? 38 Was verbirgt sich hinter dem Follow-the-Free-Konzept? In welchen Bereichen kommt es zum Einsatz? 39 Was versteht man unter dem Follow-the-Cheap-Konzept? In welchen Fällen kommt dieses zum Einsatz? 40 Welche Ausgestaltungsmöglichkeiten bestehen bei der Konditionengestaltung? Welche Bedeutung kommt diesen im Marketing-Mix zu?
198
Distributionspolitik
4.3
Distributionspolitik
„Man entdeckt keine neuen Erdteile, ohne den Mut zu haben, alte Küsten aus den Augen zu verlieren.“ (André Gide)
Lernziele Fähigkeit...
den Stellenwert der Distributionspolitik im Marketing-Mix zu verstehen Gestaltungsfelder der Distributionspolitik zu beherrschen Kriterien für die Bewertung und Auswahl verschiedener Distributionskanäle zu kennen und einzusetzen Betriebsformen des Groß- und Einzelhandels zu kennen und hinsichtlich ihrer Leistungen zu bewerten Aufgaben der Marketing-Logistik nachzuvollziehen
4.3.1 Entscheidungsfelder der Distributionspolitik Die Ausgestaltung der Distributionspolitik wird von einer Vielzahl von internen und externen Faktoren beeinflusst. Zentrale Leitschnur für deren Ausgestaltung stellen wiederum die Unternehmens- und Marketing-Ziele dar, aber auch die strategische Ausrichtung des Unternehmens und die bereits erfolgten Festlegungen im Bereich der anderen Marketing-Mix-Instrumente (vgl. Abb. 4.3/1). Im Zentrum der Distributionspolitik steht zum einen die akquisitorische Distribution vom Hersteller zum Endkunden, die bspw. die Auswahl der an der Vertriebsleistung beteiligten Institutionen umfasst. Neben dieser Auswahl ist festzulegen, welche Aufgabenbereiche die eingebundenen Partner übernehmen. Geht es bspw. „nur“ um die Anbahnung oder den Abschluss des Kaufvertrages und/oder werden bspw. weitere After-Sales-Services durch einen Vertriebspartner erbracht? Außerdem stellt sich die Frage, wie die Absatzmittler zur Erreichung der Marketing-Ziele zu motivieren sind. Zum anderen umfasst die Distributionspolitik die Fragestellungen der physischen Distribution i.S. des körperlichen Gütertransfers vom Hersteller zum Endkunden. Dabei stehen u.a. die Entscheidung bzgl. des einzusetzenden Logistikkonzepts sowie die Durchführung der damit verbundenen Aufgaben im Mittelpunkt (vgl. Meffert, 2000, S. 600-605; Homburg/Krohmer, 2006, S. 864-866; Nieschlag et al., 2002, S. 881-886; Winkelmann, 2006, S. 278f.; Diller, 2007, S. 211-236; Kotler et al., 2007b, S. 1004-1010; Specht/Fritz, 2005, S. 33-52).
199
4.3
Abb. 4.3/1:
Einflussfaktoren und Entscheidungsfelder der Distributionspolitik
Interne Faktoren - Umsatz-, Gewinn-, DB-Ziele - Marktanteilsziele - Imageziele - Zielsegmente - Ausgestaltung des Marketing-Mix - Kosten (u.a. von Produktion, Vertrieb)
Absatzwege-/Absatzorgane-Management - Auswahl der Absatzwege - Führung der Absatzorgane
Externe Faktoren
Distributionslogistik/Marketing-Logistik
- Wettbewerbsintensität - Macht der Handelspartner - Preissensibilität der Endkunden - Phase im Produktlebenszyklus - Einkaufsstättenpräferenzen - Einschlägige Gesetze
- Gestaltung/Auswahl der Logistikkonzepte
Abb. 4.3/2:
- Durchführung der Logistik
Alternative Absatzwege
Einstufiger Vertrieb z.B. Einzelhandel, Handelsvertreter Zweistufiger Vertrieb Großhandel
Konsument (BtC) Unternehmen (BtB)
Direktvertrieb
Hersteller
4
Marketing-Instrumente
Einzelhandel
4.3.2 Absatzwege und Absatzorgane Im Zentrum des Absatzwege- und Absatzorgane-Managements steht die Frage, auf welchem Weg bzw. durch Einbindung welcher Partner die akquisitorische und teilweise auch die physische Distribution durchgeführt werden soll. Die Frage des Absatzweges 200
Distributionspolitik
definiert u.a., auf welchem Weg bzw. Kanal die Angebote an die Zielpersonen herangetragen werden. Dies kann direkt oder indirekt, ein- oder mehrstufig erfolgen. Die Frage der Absatzorgane entscheidet darüber, welche anderen Funktionsträger in den Vertriebsprozess eingebunden werden. Diese heißen Absatzmittler bzw. Absatzhelfer. Absatzmittler sind rechtlich und wirtschaftlich selbständige Organe, die Produkte und Dienstleistungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zum Weiterverkauf erwerben (etwa der Einzel- und Großhandel). Absatzhelfer sind rechtlich und wirtschaftlich selbständige Organe, die den Distributionsprozess auf unterschiedliche Weise unterstützen, ohne selbst Eigentum an der Ware zu erlangen; bspw. Logistikunternehmen, oder die nachfolgend beschriebenen Handelsvertreter, Kommissionäre und Makler (vgl. Homburg/Krohmer, 2003, S. 709; Nieschlag et al., 2002, S. 908-911). Verschiedene Konzepte der Einbindung von Absatzmittlern sind in Abb. 4.3/2 dargestellt, die im BtC- wie im BtB-Markt zum Einsatz kommen können.
4.3.2.1 Direktvertrieb Beim Direktvertrieb übernimmt der Hersteller die Vermarktung seiner Güter in Eigenregie, d.h. er bindet keine anderen selbständigen Institutionen (wie bspw. den Handel) ein. Dabei stellt sich die Frage, durch wen die entsprechenden Vertriebsaufgaben wahrgenommen werden. So kann der Vertrieb über eigene Verkaufsabteilungen, Verkaufsniederlassungen oder einen eigenen Außendienst erfolgen, der sich aus fest angestellten Mitarbeitern zusammen setzt, die Reisende genannt werden (vgl. Gabler, 2005, S. 2528). Dies ist häufig bei hochwertigen, erklärungsbedürftigen Gütern der Fall, bspw. beim Investitionsgüter- und Dienstleistungsvertrieb. Dabei spricht man von Personal Selling bzw. vom persönlichen Verkauf, weil ein unmittelbarer Kontakt zwischen Verkäufer und Käufer stattfindet. Hierbei besucht ein Mitarbeiter im Auftrag eines Herstellers Unternehmensrepräsentanten, um diesen bestimmte Produkte oder Dienstleistungen anzubieten. Zum Personal Selling gehören auch Verkaufsgespräche auf Messen, Verhandlungsrunden mit dem Kunden und telefonische Verkaufsgespräche (vgl. Gabler, 2005, S. 2316; vgl. speziell zum BtB-Markt Backhaus, 2003, S. 378-381, 388-399; Godefroid, 2003, S. 228-231). Im BtC-Markt werden Kunden z.T. direkt zu Hause aufgesucht, weshalb von Tür-zu-Tür-Verkauf (auch Door-to-Door-Selling) gesprochen wird (vgl. vertiefend Homburg/Krohmer, 2003, S. 736-744; Nieschlag et al., 2002, S. 886-888; Haller, 2001, S. 339-342; zur Berücksichtigung spezieller Kundenwünsche Schuchert-Güler, 2001; Kuß/Schuchert-Güler, 2004). Werden diese für die Kundenakquisition und -betreuung verantwortlichen Mitarbeiter einzelnen Kunden direkt zugeordnet, so wird vom (Key) Account Management gesprochen (vgl. Homburg/Krohmer, 2006, S. 1166f.; Homburg et al., 2006, S. 311-321; Winkelmann, 2006, S. 291). Der Begriff „Key Account“ steht dabei für „Schlüsselkonto“, hier als Schlüsselkunde zu verstehen. Die Deutsche Post World Net betreut ihre wichtigsten Kunden (bspw. die Universalversender oder die Großbanken) durch solche Key Account Manager, um möglichst nah an den Kunden und deren Bedürfnissen zu sein. Von Direktvertrieb wird ebenfalls gesprochen, wenn der Hersteller eigene Verkaufsniederlassungen unterhält. Dies ist bspw. bei den Bekleidungsherstellern Zara und Mango der Fall, die nicht nur selbst produzieren, sondern auch über eigene 201
4.3
4
Marketing-Instrumente
Verkaufsstellen vertreiben. Da diese Unternehmen verschiedene Stufen des vertikalen Wertschöpfungsprozesses in sich vereinen, wird in diesen Fällen auch von vertikalen Anbietern gesprochen (vgl. Merkle, 2004, S. 431f.). Bei dieser Vertriebsform entscheidet der Hersteller selbst über die Auswahl der Standorte, an denen die Angebote vermarktet werden, eine Frage, die einen nachhaltigen Einfluss u.a. auf das Anbieterimage und auf die Erreichbarkeit unterschiedlicher Zielgruppen hat (zu diesem Entscheidungsproblem vgl. vertiefend Haller, 2005, S. 160-170). Der Vertrieb über Internet, wie er bspw. von Dell durchgeführt wird, ist ebenfalls dem Direktvertrieb zuzuordnen. Etwas irritierend wird teilweise auch von Direktvertrieb gesprochen, wenn Handelsvertreter in den Vertrieb eingebunden werden (Nieschlag et al., 2002, S. 918). Diese sind rechtlich selbständige Gewerbetreibende und damit betraut, für andere Unternehmen Geschäfte zu vermitteln oder diese in deren Namen abzuschließen. Sie agieren damit im Namen und für Rechnung eines oder mehrerer Unternehmen(s). Für ihre Leistungen erhalten sie primär eine variable Vergütung, die sich am erzielten Umsatz bzw. generell an der Zielerreichung orientiert. Die rechtlichen Grundlagen finden sich in §§ 84-92 HGB. Damit nehmen sie zunächst den Status eines selbständigen Absatzhelfers ein. Deren Zuordnung zum direkten Vertrieb erfolgt, wenn es sich um einen Anweisungsvertrieb handelt, bei dem die Handelsvertreter wie herstellergebundene Verkaufsorgane zu bewerten sind. Dies ist der Fall, wenn sie etwa nur die Angebote eines Unternehmens vermarkten, wie dies i.d.R. bei Handelsvertretern des Hausgeräteherstellers Vorwerk, des Kosmetikanbieters Avon sowie der Heimzustelldienste von eismann und bofrost der Fall ist. Die Vorteile des Direktvertriebs bestehen darin, dass das gesamte Distributionsmanagement in der Hand des Herstellers liegt und dieser damit den gesamten Vertriebsprozess direkt steuern kann. Auf diese Weise wird die Abhängigkeit von dritten Vertriebspartnern vermieden. Ein Nachteil des Direktvertriebs ist, dass keine Risikoteilung zwischen verschiedenen Partnern im Absatzkanal erfolgt. Außerdem muss das herstellende Unternehmen häufig hohe Kosten für Aufbau und Unterhalt der eigenen Vertriebskanäle in Kauf nehmen. Zusätzlich sind Aufgaben in eigener Verantwortung zu übernehmen, die klassischerweise Handelspartner ausfüllen. Diese vielfältigen Handelsfunktionen werden in Abb. 4.3/3 aufgezeigt (vgl. Homburg/ Krohmer, 2003, S. 713f.). Bei der Raumüberbrückungsfunktion geht es um die Aufgabe, Teile der physischen Distribution durch den Transport der Waren in die Nähe des Kunden (bei Verkaufsstätten) oder zum Kunden direkt (bspw. durch Versandhandelsunternehmen) zu übernehmen. Die Zeitüberbrückungsfunktion des Handels wird durch dessen Lagerhaltung erreicht. Die qualitative und quantitative Sortimentsfunktion des Handels besteht darin, ein für die Zielgruppe attraktives Angebotsprogramm zusammen zu stellen und dieses in nachfragegerechten Mengen anzubieten. Verfügt ein Hersteller selbst über ein schmales Leistungsprogramm, so wird dieses häufig erst durch die Einbindung in ein umfassenderes Sortiment vermarktbar. Handelsunternehmen haben sich von dieser Sortimentsfunktion für die Hersteller in den letzten Jahrzehnten immer stärker emanzipiert und durch den Aufbau starker Eigen202
Distributionspolitik
Abb. 4.3/3:
Funktionen des Handels
Raumüberbrückungsfunktion
Zeitüberbrückungsfunktion
Qualitative
Quantitative
Sortimentsfunktion
Sortimentsfunktion
Handel Beratungsfunktion
Werbefunktion
Kreditfunktion
Marktbeeinflussungsfunktion
marken (Handelsmarken und No-Names) eine zunehmende Wettbewerbsposition gegenüber den Herstellern aufgebaut (vgl. 1.1.5.4). Wichtige Beratungs- und Kreditfunktionen (vgl. dazu 4.1.4) können ebenfalls vom Handelspartner übernommen werden. Schließlich übt der Handel häufig eine wichtige Werbe- und Marktbeeinflussungsfunktion aus, indem er in seinem Einzugsgebiet bzw. in seiner Zielgruppe Leistungen verschiedener Anbieter bekannt macht und deren Verkauf werblich unterstützt. Diese vielfältigen Funktionen werden mit den in 4.2.4.1 beschriebenen Funktionsrabatten durch die Hersteller honoriert. Beim Direktvertrieb muss der Hersteller auf diese vielfältigen Unterstützungsleistungen durch Partner verzichten und sie in Eigenregie erbringen. Erfolgsvoraussetzung für den Direktvertrieb ist damit insb. eine hohe Vertriebsstärke des Herstellers bzw. eine eigene Kernkompetenz im Vertrieb. Gleichzeitig muss das Potenzial und die Attraktivität des eigenen Leistungsprogramms so hoch sein, dass eine Tragfähigkeit für einen eigenen Vertrieb gegeben ist.
4.3.2.2 Indirekter Vertrieb Treten zwischen Hersteller und Endkunden wirtschaftlich und rechtlich selbständige Organe, wird vom indirekten Vertrieb gesprochen. Hierbei können ein oder mehrere rechtlich und wirtschaftlich selbständige Absatzmittler in den Vertriebsprozess eingebunden werden. Wird nur eine Art von Absatzmittler eingebunden, bspw. der Einzelhandel, spricht man vom einstufigen Vertrieb. Beim zweistufigen Vertrieb werden Vertriebsaufgaben gleichzeitig auf mehrere Absatzmittler verlagert, bspw. auf 203
4.3
4
Marketing-Instrumente
Groß- und Einzelhandel. Der Großhandel verkauft Produkte im eigenen Namen und auf eigene Rechnung an andere Unternehmen, die bspw. als Handelsunternehmen, Weiterverarbeiter oder Großabnehmer aktiv sind. Der Einzelhandel wendet sich mit seinen Leistungen dagegen direkt an den Endabnehmer, seien dies Konsumenten oder Unternehmen. Den indirekten Vertrieb gibt es im Konsum- und Investitionsgüterhandel wie auch bei der Vermarktung von Dienstleistungen. Ist vom Hersteller ein bestimmter Kanal ausgewählt, so stellt sich die Frage, durch welche Konzepte bzw. durch welche Absatzmittler und -helfer der ausgewählte Absatzweg ausgefüllt werden soll. Teilweise werden Handelsvertreter dieser indirekten Vertriebsform zugeordnet, wenn diese als Mehrfirmen-Vertreter und damit als Absatzhelfer für verschiedene Unternehmen tätig sind und u.U. komplementäre (d.h. sich gegenseitig ergänzende) Produkte anbieten (vgl. Backhaus, 2003, S. 381). Handelsvertreter sind u.a. von den Kommissionären abzugrenzen. Letztere übernehmen gewerbsmäßig, Waren oder Wertpapiere für Rechnung eines anderen (Kommittent) im eigenen Namen zu kaufen oder zu verkaufen. Sie unterliegen dabei besonderen Weisungen des Kommittenten (bspw. in Gestalt von Preisrichtlinien) und erhalten für abgeschlossene Verträge eine i.d.R. umsatzabhängige Provision (Kommission). Die Kommissionsgeschäfte finden ihre rechtliche Grundlage in §§ 383-406 HGB. Beispiele hierfür stellen u.a. der Kauf und Verkauf von Waren und Wertpapieren sowie Export-Kommissionsgeschäfte dar (vgl. Meffert, 2000, S. 634). Handelsmakler vermitteln gewerbsmäßig Verträge zwischen Anbietern und Nachfragern in fremdem Namen und auf fremde Rechnung. Sie führen auf diese Weise die Interessen von Käufern und Verkäufern zusammen und wirken bei Verhandlungen vermittelnd mit. Makler stehen dabei in keinem ständigen Vertragsverhältnis zu ihren Auftraggebern. Die rechtlichen Regelungen hierzu finden sich in §§ 93-104 HGB. Beispiele für Handelsmakler stellen z.T. Reisebüros, aber auch Vermittler von Versicherungen oder Wertpapieren sowie Immobilien-Makler dar. Vertriebsagenten leisten Unterstützung bei der Gewinnung von neuen Kunden sowie bei der Auftragsabwicklung. Sie finden sich in Import- und Export- sowie in Versicherungsagenturen. Hinsichtlich dieser Absatzhelfer gibt es eine Vielzahl von Mischformen und unterschiedlichen Ausprägungen, die sich nicht immer eindeutig bestimmten Gruppierungen zurechnen lassen. Bei der Einbindung von OEMs (Original Equipment Manufacturers) liegt ebenfalls ein mehrstufiger Vertrieb vor, weil auf dem Weg zum Endkunden ein weiterer Partner eingebunden wird. Bei OEMs handelt es sich um produzierende Unternehmen, die Produkte oder Produktteile bei anderen Herstellern erwerben, um sie als Erstausrüster in ihre eigenen Produkte zu verbauen (Godefroid, 2003, S. 27; Backhaus, 2003, S. 705f.). So ist Volkswagen ein OEM für Continental-Reifen, wenn diese auf Passat-Fahrzeuge als Erstausstattung aufgezogen werden. Von überragender Bedeutung im Vertrieb sind die unterschiedlichen Betriebsformen des Groß- und Einzelhandels, die auch Vertriebsformate genannt werden. Beim Großhandel ist zunächst der sammelnde, kollektierende oder Aufkaufgroßhandel zu nennen, dessen Aufgabe darin besteht, Waren oder Rohstoffe mehrerer Lieferanten zu 204
Distributionspolitik
aggregieren, um ausreichende Mengen für den Vertrieb zu bevorraten. Diese Form des Großhandels ist bspw. bei landwirtschaftlichen Produkten (sei es Milch, Kakao, Kaffee oder Baumwolle) anzutreffen. Davon abzugrenzen ist der verteilende, distribuierende oder Absatzgroßhandel, dessen Aufgabe der Gütertransfer an weitere Großabnehmer ist (Nieschlag et al., 2002, S. 889). Diese unterschiedlichen Aufgaben können auch vom gleichen Großhändler wahrgenommen werden. Weiterhin ist zwischen dem Sortiments-Großhandel mit einem breiten und grds. eher flachen Sortiment und dem Spezial-Großhandel mit engem und tiefem Angebotsprogramm zu unterscheiden (vgl. Freter, 2004, S. 176; Nieschlag et al., 2002, S. 888-894; Haller, 2001; S. 33f.). Die verschiedenen Formate des distribuierenden Großhandels sind in Abb. 4.3/4 dargestellt.
Abb. 4.3/4:
Betriebsformen des Absatzgroßhandels
Format
Cash & Carry Großhandel
Ausprägung
Selbstbedienung des Kunden Direkte Bezahlung („Cash“) Selbstabholung durch den Kunden („Carry“)
Metro Cash & Carry Handel shof Cash & Carry
Waren werden dem Kunden nach Bestellung geliefert Ausgeprägt als Sortiments- oder Spezialgroßhandel
Buchgroßhändler Koehler & Volkmar Pharma-Großhandel Gehe, Celesio Rewe-Großverbraucher-Service
Großhandel/Hersteller mieten im Groß- oder Einzelhandel Fläche an für Racks (d.h. Regale), die selbst zu befüllen sind („Regalpflege“) Großhandel/Hersteller verkauft auf eigene Rechnung, Vermieter übernimmt z.T. das Kassieren
Zigaretten Heimwerkerbedarf
Großhandel verkauft die Ware Zustellung erfolgt durch den Hersteller selbst, d.h. ohne physi sche Einbindung de s Großhandels
Massengüter, wie bspw. Stahl, Kohle
Zustell-Großhandel
Rack-JobberGroßhandel StreckenGroßhandel
Beispiel
Beim Einzelhandel ist zwischen dem stationären Handel, dem nicht- bzw. halbstationären Handel und dem Versandhandel zu unterscheiden (vgl. Abb. 4.3/5). Der stationäre Handel weist feste Standorte (Ladenlokale) auf, die ein potenzieller Käufer aufsuchen muss, um Einkäufe zu tätigen. Hierzu zählen u.a. Waren- und Kaufhäuser, Tankstellen und Verbrauchermärkte. Von den stationären Betriebsformaten abzugrenzen ist der nicht- bzw. halbstationäre Handel. Zu diesem zählen bspw. die Wochenmärkte, Verkaufsfahrzeuge (bspw. zur Brötchen- und Fischversorgung auf dem Land), Kaffee-Verkaufsfahrten, aber auch Verkaufs-/Ordermessen, wie sie bspw. die Hannover-Messe und die Frankfurter Buchmesse darstellen. Beim Versandhandel wird dagegen „auf Distanz“ ge- und verkauft, d.h., ohne dass sich Verkäufer und Käufer Face-to-Face begegnen. Die wichtigsten Formate des Einzelhandels lassen sich tendenziell wie in Abb. 4.3/6 und 4.3/7 dargestellt charakterisieren (vgl. Meffert, 2000, S. 1192-1195; Nieschlag et al., 2002, S. 900-908; Haller, 2001, S. 34-39; Winkelmann, 2006, S. 379f.). Aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher Ausprägungen sind die Zuordnungen nicht immer eindeutig zu leisten. 205
4.3
Abb. 4.3/5:
Betriebsformen des Einzelhandels
Einzelhandel Nicht-/halbstationärer Handel
Versandhandel
Warenhaus
Wochenmarkt
Universalversender
Kaufhaus
Kaffeefahrt
Spezialversender
Fachgeschäft
Verkaufsfahrzeug
Fachmarkt
Verkaufsmesse
Verbrauchermarkt
Ordermesse
Supermarkt Discounter Boutique
Teleshopping
Stationärer Handel
E-Commerce E-
4
Marketing-Instrumente
Tankstelle/Kiosk
Abb. 4.3/6:
Betriebsformate des stationären Einzelhandels I
Format
Größe
Angebot
Warenhaus
Kaufhaus
Große Verkaufsräume Ab ca. 3.000 qm
Ausgedehnte Verkaufsräume Ca. 1.500 – 3.000 qm
Fachgeschäft
I.d.R. von einem Fachmann geführt Ca. 200 – 600 qm
Fachmarkt
Boutique
Große Verkaufsräume
I.d.R. kleineres Ladengeschäft
206
Branchenüber greifendes, breites Sortiment Ø 100.000 Artikel „Alles unter einem Dach“ Tief gegliedertes, branchenhomo genes Sortiment Keine Lebens mittel Schmales, häufig tiefes Branchen Sortiment Hoher Qualitätsanspruch Auf bestimmte Warengruppen spezialisiert Schmales, häufig tiefes Branchen Sortiment Begrenztes, auf eine Zielgruppe ausgerichtetes Sortiment Schmales und flaches Sortiment
Service/ Preisniveau
Beratung Verschiedene Preislagen
Beratung Verschiedene Preislagen
Beratung i.d.R. durch geschulte Verkaufskräfte Ergänzender Service Eher höherpreisig
Eingeschränkte Beratung Anspruch der Preisgünstigkeit Hohe Beratungs intensität Höheres Preisniveau Häufiger Sortimentswechsel
Warenpräsentation
Lage
Beispiele
Offene Waren präsentation Selbstbedienung dominant
Innenstadt
Kaufhof Karstadt Hertie
Offene Waren präsentation Selbstbedienung dominant
Innenstadt
P&C H&M Zara SinnLeffers
Innenstädtische Haupt- und Nebenlagen
Sport-Check Douglas
Offene Waren präsentation Selbstbedienung dominant
I.d.R. außerhalb der Citylagen von Großstädten
MediaMarkt Obi Reno Bauhaus Toys R Us
Betreuungsverkauf Selten reine Selbstbedienung
Innenstädtische Haupt- und Nebenlagen
Textil-Boutique Sabine SchmuckBoutique Katharina
Betreuungsverkauf Selten reine Selbstbedienung
Distributionspolitik
Um sich die Bandbreite dessen zu verdeutlichen, was bspw. unter Warenpräsentation zu verstehen ist, braucht man nur kurz hintereinander die Textilanbieter P&C, C&A, Zara, H&M, Takko und KiK aufzusuchen, oder durch die Lebensmittelabteilung des KaDeWe bzw. des Kaufhof am Alexanderplatz in Berlin und anschließend durch Aldi zu schlendern. Bei einem solchen „Lokaltermin“ werden die unterschiedlichen Präsentationsformen deutlich. Während in der Adventszeit bspw. das komplette KaDeWe in weihnachtliche Stimmung getaucht wird, merkt man bei Aldi allein am Angebot von Dominosteinen und Lebkuchen (meistens ab Ende September), dass Weihnachten unmittelbar vor der Tür steht!
Abb. 4.3/7:
Betriebsformate des stationären Einzelhandels II
Format
Verbrauchermarkt/ SB-Center
Größe
Service/ Preisniveau
Ca. 800 - > 5.000 qm
Supermarkt
Mindestverkaufs fläche 400 qm Bis ca. 800 qm
Discounter
Ca. 400 – 800 qm
Fachdiscounter
Ca. 300 – 600 qm
Branchenüber greifendes, breites Sortiment „Alles unter einem Dach“
Breiteres Lebensmittel sortiment Ø 5.000 – 8.000 Artikel Ergänzt um Non Food-Artikel Stark begrenztes Lebensmittel sortiment Ø 1.000 – 1.400 Artikel Ergänzt um Non Food-Artikel
Branchenspezifisches, enges Sortiment Kaum/keine Markenartikel
Wenig Beratung Kaum Service angebote Preisgünstiges Sortiment
Mittlere bis partiell niedrige Preislagen
Kein Service am POS Aggressive Niedrigpreispolitik „Dauerniedrig preisstrategie “
Warenpräsentation
Lage
real,Marktkauf Globus
Innenstädtische Haupt- und Nebenlagen
Minimal Edeka Rewe Tengelmann
Innenstädtische Nebenlagen und Stadtrandlagen
Lidl Aldi Netto Penny Norma
Offene Waren präsentation Selbstbedienung dominant
Stadtrandlagen
Offene Waren präsentation Selbstbedienung dominant
Einfache bis einfachste Präsentation Reine Selbstbedienung
Beispiele
Niedrigstes Preisniveau
Einfache bis einfachste Präsentation Selbstbedienung
Innenstädtische Nebenlagen
KiK (Slogan: „Komplett einkleiden für unter • 30“) Takko NKD
Aufgrund ihres für breite Konsumentenschichten hochattraktiven Angebotes haben es die Discounter geschafft, ihren Marktanteil in den letzten Jahren kontinuierlich auszubauen. Nach einer Studie von ACNielsen (2006) gab jeder Privathaushalt 2005 im Durchschnitt € 1.133 für Güter des täglichen Bedarfs bei Discount-Unternehmen aus. Dies sind € 12 mehr pro Haushalt als 2004. Gleichzeitig sind die Gesamtausgaben der privaten Haushalte für diese Güter um rund € 10 auf € 3.200 pro Haushalt gefallen. Damit konnten die Discounter ihren Anteil in einem schrumpfenden Markt von 34 % auf 35,4 % ausweiten und damit die Verbrauchermärkte überholen, während alle anderen untersuchten Vertriebsformen verloren haben (vgl. Abb. 4.3/8). Nahezu jeder Haushalt in Deutschland besuchte 2005 einen Discounter – im Durchschnitt insgesamt rund 66 Mal. Aldi-Märkte wurden dabei am häufigsten aufgesucht, ungefähr alle zwei Wochen einmal. Insgesamt kaufte ein Haushalt durchschnittlich bei vier unterschiedlichen Discountern ein (ACNielsen, 2006). Die Marktmacht der Discounter ist somit 207
4.3
4
Marketing-Instrumente
weiter gewachsen, verstärkt durch die „Geiz ist geil-Mentalität“, das Wachstum des Segments „Smart Shopper“ wie auch durch die real rückläufigen Einkommen und die berufliche Unsicherheit weiter Bevölkerungskreise (vgl. weiterführend Irrgang, 2005).
Abb. 4.3/8:
Einkaufsstättenpräferenzen für Güter des täglichen Bedarfs in Deutschland in Prozent (* „nur Güter des täglichen Bedarfs“) Quelle: ACNielsen, 2006, Basis Consumer-Panel 2005 35
Bedarfsdeckung*
34,5
34
35,4
2004 2005
8,7
8,5 4,9
Verbrauchermärkte
Discounter
Supermärkte
4,8
Drogeriemärkte
Bzgl. des o.g. Rückgangs der Gesamtausgaben um 2,7 % zeigt Abb. 4.3/9, dass bis auf die Zielgruppe „Junge Paare ohne Kind“ alle Gruppen ihre Ausgaben für Güter des täglichen Bedarfs 2005 im Vergleich zum Vorjahr reduziert haben. Diese schon über mehrere Jahre zu verzeichnende Entwicklung führt im Zusammenhang mit dem nach wie vor stattfindenden Flächenwachstum im deutschen Einzelhandel zu einer deutlichen Verschärfung der Wettbewerbssituation. Ein Indikator hierfür ist die abnehmende Flächenproduktivität, die wie folgt ermittelt wird. Flächenproduktivität =
Gesamtumsatz Verkaufsfläche
Wenn der Gesamtumsatz sinkt und gleichzeitig die Verkaufsfläche steigt, verstärken sich die Effekte gegenseitig und reduzieren die erreichbare, für die Profitabilität im Handel entscheidende Produktivität. Eine weitere Analyse liefert interessante Zusatzergebnisse. Nach Abb. 4.3/10 liegen den Kaufentscheidungen der befragten Konsumenten nicht nur preisbezogene Kriterien zugrunde. 66 % der Befragten wählen ihre Einkaufsstätten danach aus, wo Einkäufe besonders schnell erledigt werden können. Dieser Aspekt wird von Discountern aufgrund des stabilen Stammsortiments und der einfachen und übersichtlichen 208
Distributionspolitik
Produktpräsentation häufig erfüllt. 38 % nehmen sich für das Einkaufen dagegen gerne viel Zeit. Eine starke Marke stellt nach wie vor ein wichtiges Kaufargument dar (73 %). Immerhin nehmen aber auch 44 % spontan Sonderangebote war, ein Phänomen, auf dem zumindestens teilweise der Erfolg von Tchibo mit seinem Konzept Jede Woche eine neue Welt basiert.
Abb 4.3/9:
Einkaufhäufigkeit und Kassenbon nach Lebenszyklen für Güter des täglichen Bedarfs in Deutschland (* „nur Güter des täglichen Bedarfs“) Quelle: ACNielsen, 2006, Basis Consumer-Panel 2005 Einkaufshäufigkeit*
Kassenbon* in Euro
2004
2005
2004
2005
Alle Haushalte
225
216
15
15
Junge Singles
135
131
12
13
Junge Paare ohne Kind Paare mittleren Alters ohne Kind Das volle Nest 1 Das volle Nest 2
157 230 194
167 219 185
17 17 20
Gesamtausgaben je HH in allen Geschäften in • 2005*
% Veränderung vs. 2004
- 2,7
3204
- 1,7
1625 2731
16
+ 2,9 3742
- 3,7
3718
- 3,5
17 20
3981 217
209
18
- 1,8
19 4183
Das volle Nest 3
232
209
19
- 2,7
20 3999
Das leere Nest Singles mittleren Alters
292 186
281 175
14 12
- 2,5
14 2078
12
- 3,8
2324 Alleinstehende Senioren
Abb. 4.3/10:
226
216
11
- 3,6
11
Relevante Einkaufskriterien bei Gütern des täglichen Bedarfs in Deutschland Quelle: ACNielsen, 2006, Basis Consumer-Panel 2005
%-Verteilung der Antworten Für's Einkaufen nehme ich mir gerne viel Zeit
positiv
Wenn ich mit einer Marke zufrieden bin, bleibe ich dabei
negativ
48
38
Am liebsten kaufe ich dort ein, wo ich meinen Einkauf schnell erledigen kann
Ich kaufe oft Sonderangebote, die ich nicht geplant hatte
neutral
14
29 29
66
43 43
44
73
5
13
25 25
2
209
4.3
4
Marketing-Instrumente
Der gewünschten Schnelligkeit und Einfachheit im Einkauf liegt ein interessantes Phänomen zugrunde. Studien zum Kauf- und Informationsverhalten der Konsumenten zeigen eine zunehmende Suche nach Hilfestellung. In der durch die Medienund Angebotsvielfalt zunehmend komplexeren Welt spüren breite Konsumentenschichten eine Sehnsucht nach (vgl. hierzu und nachfolgend Grünewald, 2003)
Überschaubarkeit, Orientierung, Geborgenheit und Berechenbarkeit.
Die Überschaubarkeit ist aufgrund der nach wie vor steigenden Anzahl von Marken, aber auch aufgrund der vermehrten Angebote im Informationsbereich, zunehmend verloren gegangen. Grünewald spricht von einem regelrechten Produkt-Flimmern, weil die einzelne Marke und damit das dahinter stehende Angebot aufgrund des permanenten Information Overload nicht mehr deutlich wahrgenommen werden können. Ca. 5.000 Marken mit einem Werbebudget von über € 0,5 Mio. und einer Gesamtzahl von 50.000 in Deutschland angebotenen Marken kämpfen um die Aufmerksamkeit der Zielpersonen (vgl. Michael, 2003). Dem stehen im Vergleich ca. 100 – 200 Worte bei der Chat- und SMS-Kommunikation, 400 – 800 Worte für Alltagsgespräche und ca. 5.000 Worte bei einer anspruchsvollen Unterhaltung gegenüber. Insgesamt umfasst die deutsche Sprache ca. 130.000 Worte (vgl. Duden, 2006). Durch diese Relationen wird nachvollziehbar, dass es für Marken immer schwerer wird, sich im Gedächtnis der Zielpersonen zu verankern. Gleichzeitig ist eine Marken-Erosion festzustellen, weil die Tragfähigkeit der Marken durch deren immer stärkeren Spreizungen teilweise bereits überfordert wurde und damit zu einem Marken-Flimmern führt (Grünewald, 2003). Die Berechenbarkeit ist für viele Konsumenten ebenfalls verloren gegangen. Hierzu hat neben dem Verlust der Orientierungsfunktion der Marke und der Euro-Umstellung auch die preisaggressive Akquisitionsstrategie der Händler beigetragen. Auch wenn der generelle TeuerungsArgwohn (Grünewald, 2003) statistisch nicht nachweisbar ist, ist eine Verunsicherung der Konsumenten auf breiter Basis spürbar. Händler haben mit überzogenen Rabattschlachten, bei denen 20, 30, ja bis zu 60 % Rabatt gewährt wurden – und nicht nur auf Teppiche – , eine zusätzliche Verunsicherung erzeugt, denn immer wieder neue Sonderangebote destabilisieren etablierte Kunden-Beziehungen. Die gesuchte Geborgenheit ging ebenfalls verloren, weil der Handel Produktplatzierungen (insb. bei Lebensmitteln) und auch die Kundenansprachen immer wieder verändert (Grünewald, 2003). Diese Entwicklung führte dazu, dass die Formate im Handel gewannen, die dem Kunden bei der Komplexitätsreduktion durch ein überschaubares Produktangebot, eine Kontinuität im Auftritt, eine Berechenbarkeit des Preis-Leistungs-Verhältnisses Geborgenheit und eine längerfristig gültige Orientierung gaben. Namentlich sind dies bspw. Aldi, IKEA, H&M und Tchibo. Diese Anbieter ersparen den Kunden nicht nur ökonomische, sondern durch die Reduktion aufs Wesentliche auch seelische Kosten. Damit gewinnt ein alter Leitspruch neue Relevanz: „Weniger ist mehr!“ 210
Distributionspolitik
Die Effekte der Komplexitätsreduktion zeigten sich auch bei einer empirischen Studie hinsichtlich der Wirkung von schmalen bzw. breiten Sortimenten. Konsumenten streben danach zu einfacheren und klareren Angeboten, weil sie sich durch Vielfalt häufig überfordert fühlen. Deshalb sind klare, übersichtliche und auch kleinere Angebote häufig erfolgreicher. Bei einer Analyse des Kaufverhaltens von Konfitürensorten aus alternativen Angeboten ergab sich das in Abb. 4.3/11 dargestellte Ergebnis. Danach kann ein breites Angebot zwar viele Personen „anlocken“, aber nur eine vergleichsweise kleine Gruppe tatsächlich zum Kauf motivieren – ganz im Gegensatz zu einem sehr schlanken Sortiment.
Abb. 4.3/11:
Reaktion der Konsumenten auf Sortenvielfalt im Regal In Anlehnung an Brandes, 2004, S. 410 Überschrift
24 Sorten
6 Sorten
Kunden, die interessiert stehen bleiben
60 %
40 %
Von den interessierten Kunden kaufen
3%
30 %
18
120
Von 1.000 Kunden kaufen tatsächlich
Dieses Einkaufsverhalten kann wie folgt erklärt werden. Wer sich am POS mit einem Überangebot konfrontiert sieht, fühlt sich besonders verantwortlich für die getroffene Wahl. Nach der Entscheidung tauchen Zweifel auf, ob noch eine bessere Alternative bestanden hätte. Dies kann zu einem Gefühl der Überforderung sowie zu Stress und Frustration führen. Um dieses zu vermeiden, können Anbieter für ihre Kunden eine Vorauswahl treffen, in dem sie das „Beste“ für diese auswählen. Wird der Händler gleichsam als Treuhänder für seine Kunden tätig, so erleichtert er diesem die Wahl und macht sie sicherer (Brandes, 2004, S. 410f.), ein Konzept, das die Discounter konsequent umgesetzt haben. Neben der dauerhaften Niedrigpreisstrategie setzen Discounter in den vergangenen Jahren auch verstärkt auf andere Akzente. So wurden 2006 nicht nur von Aldi und Lidl neue Bio-Marken eingeführt (vgl. 1.1.5.4), sondern durch Lidl mit Fairglobe eine Marke aufgebaut, die auf fairem Handel („Fair Trade“) basiert. Lidl ist die erste deutsche Handelskette, die solche Lebensmittel unter einer eigenen Marke vertreibt und hiermit über das Angebot von fair gehandeltem Kaffee weit hinaus geht (o.V., 14/2006, S. 96). Eine spezifische Variante im stationären Handel stellt das Shop-in-the-Shop-Konzept dar. Hierbei werden großflächige Verkaufsräume (etwa von Warenhäusern) in mehrere akquisitorische Bereiche aufgeteilt, in denen zusammengehörige Waren in einer jeweils passenden Atmosphäre präsentiert und als Spezialabteilungen herausgehoben werden. Anbieter exklusiver Waren (etwa von Textilien, Lederwaren, Kosmetika, Sportartikeln), aber auch Spezialanbieter wie Wurstwaren, Blumenhändler, Tabak211
4.3
4
Marketing-Instrumente
waren, können sich auf eigenes Risiko in diese Vertriebstätten einmieten (vgl. Gabler, 2005, S. 2661; Nieschlag et al., 2002, S. 903). Unter Versandhandel (auch Distanzhandel oder Homeshopping) sind die Vertriebsformate zu verstehen, bei denen „auf Distanz“, d.h. von „zu Hause“ oder „im Unternehmen“ bei einem Anbieter gekauft wird (vertiefend zum Versandhandel Thieme, 2003). Die Zugehörigkeit zum Versandhandel ist unabhängig davon, wie die Angebote präsentiert werden (per Katalog, im Internet und/oder im TV), und wie der Bestellvorgang erfolgt (per Telefon, per Brief/Postkarte und/oder im Internet). Orientiert an der Breite des Angebotsprogramms ist zwischen Universal- und Spezialversendern zu unterscheiden. Universalversender (wie bspw. Quelle, Otto, Neckermann) weisen ein sehr breites Sortiment auf, dass von Kindersocken über sämtliche Haushaltsutensilien bis zur kompletten Wohnungseinrichtung reicht. Die Spezialversender weisen dagegen ein schmales, aber tiefes Sortiment aus, wie etwa Hess Natur (Textilien), HAWESKO und ebrosia.de (Weine und Spirituosen) oder amazon.de (Bücher, CDs, DVDs, Consumer Electronics). Bei der Produktvermarktung über das Fernsehen spricht man vom Tele-Shopping (abgeleitet von Television), dem in den letzten Jahren eine zunehmend größere Bedeutung zugewachsen ist. Der erfolgreichste Tele-Shopping-Anbieter ist QVC, eine Abkürzung, die für Quality, Value und Convenience steht. Hierbei handelt es sich ebenfalls um einen reinen Versandhandel mit einem „TV-gestützten, lebenden Katalog“, in dem regelmäßig unterschiedliche Produkte präsentiert werden, die zur sofortigen Bestellung anregen sollen. QVC ist in Deutschland 2006 mit ca. 60 % Marktanteil der dominierende Anbieter vor HSE 24 und RTL Shop und bietet jeden Tag ein 24-StundenLive-Programm an. Die Kunden von QVC sind zu 70 % weiblich, zwischen 45 und 65 Jahre alt und weisen eine beeindruckende Kundentreue auf: Jeder Kunde bestellt durchschnittlich zwölf- bis 14-mal bei QVC, wobei aus einem breiten Angebotsspektrum von Einrichtungsgegenständen über Haushaltsgeräte bis Kleidung und Schmuck gewählt werden kann (vgl. Meyer, 2006, S. 17). Von Tele-Shopping kann auch gesprochen werden, wenn Angebote und/oder Bestellungen per Telefon erfolgen. Unpassend ist m.E. der Begriff Tele-Shopping, wenn generell der Distanzhandel gemeint ist, unabhängig davon, ob das Warenangebot im TV oder im Internet präsentiert wird und auch unabhängig davon, auf welchem Wege der Kunden bestellt (vgl. Gabler, 2005, S. 2924). Der internetgestützte Versandhandel wird als E-Commerce („Electronic Commerce“) bezeichnet, weil Warenpräsentation und -bestellung wie auch die weitere Kundenkommunikation (Rechnungsstellung, Informationen über neue Angebote, Bereitstellung von Coupons) ausschließlich oder hauptsächlich über E-Mails und E-Mail-Newsletter erfolgt (vgl. Nieschlag et al., 2002, S. 959-963; weiterführend Fritz, 2004; Treis/Gutknecht, 2002). Der E-Commerce-Umsatz wird 2006 in Europa ca. € 100 Mrd. umfassen. Deutschland liegt beim Onlineumsatz mit ca. € 23 Mrd. nach Großbritannien mit ca. € 43 Mrd. auf Platz zwei (Hillenbrand, 2006, S. 5). Interessant ist, dass viele ausschließlich im Internet gestartete Versender (bspw. ebrosia und amazon) sich heute auch klassischer Werbeformen wie Mailings und Zeitungsbeilagen bedienen, um gegenwärtige und potenzielle Kunden zu erreichen. Oder sie eröffnen klassische Geschäftslokale, wie der Internet-Apotheker Doc Morris im Jahr 2006 (o.V. 3.7.2006, S. 18). 212
Distributionspolitik
Mit dem indirekten Vertrieb gehen für einen Hersteller mehrere Vorteile einher. Bei der Zusammenarbeit mit anderen selbständigen Unternehmen sind geringere Investitionen in einen Vertriebskanal erforderlich, weil auf die bereits bestehende Infrastruktur der eingebundenen Absatzorgane zurückgegriffen werden kann. Dies reduziert nicht nur das finanzielle Risiko, sondern erhöht auch die Schnelligkeit des Marktzugangs. In Abhängigkeit von der Laufzeit der Vereinbarungen mit den Vertriebspartnern kann ein Hersteller u.U. schneller durch den Wechsel der Kanäle auf Marktveränderungen reagieren, als dies mit einer eigenen Vertriebsorganisation möglich wäre. Nachteilig ist beim indirekten Vertrieb die Abhängigkeit von Dritten, die häufig nur eingeschränkt steuerbar sind. Gleichzeitig besteht kein oder nur ein eingeschränkter Durchgriff auf die Endkunden. Diese bleiben dem Hersteller gegenüber i.d.R. anonym und liegt im alleinigen Herrschaftsbereich des Vertriebspartners. Die Aufgaben, die von Drittparteien übernommen werden, sind außerdem durch entsprechende Funktionsrabatte zu entlohnen, was zu Lasten der eigenen Gewinnspanne geht. Der Erfolg des indirekten Vertriebs steht und fällt somit mit der eigenen Durchsetzungsstärke im Vertriebskanal, um die Partner hinsichtlich der Vermarktung der eigenen Leistungen zu motivieren, und mit dem Image und der Leistungsstärke der eingebundenen Absatzorgane. Um einen stärkeren Zugriff auf Vertriebspartner zu sichern und zu verstärken, wurden verschiedene Konzepte vertikaler Marketingsysteme entwickelt. Dazu zählen (vgl. Meffert, 2000, S. 635-642; Homburg/Krohmer, 2003, S. 705-707):
Vertriebsbindungssysteme Alleinvertriebssysteme Vertragshändlersysteme Franchise-Systeme
Bei den Vertriebsbindungssystemen liegt eine einzelvertragliche Vereinbarung zwischen dem Hersteller und den Vertriebspartnern vor. Sie regelt den Absatz von Waren und legt den Vertragsparteien (Hersteller, Handel) bestimmte Rechte und Pflichten auf. Diese können einen räumlichen Fokus beinhalten, der einen Absatz nur in definierten Regionen zulässt (Gebietsbindung). Es kann auch ein personeller Fokus erfolgen, der einen Absatz nur an bestimmte Abnehmer zulässt (Fachhandelsbindung, Apothekenbindung). Auf diese Weise gelingt dem Hersteller eine nach verschiedenen Kriterien umsetzbare Fokussierung des Vertriebes. Bei Alleinvertriebssystemen erfolgt der Vertrieb des Absatzprogramms eines Herstellers oder eines Teil dieses Programms in einem festgelegten Gebiet nur durch einen Abnehmer. D.h., je Bezirk wird einem Partner das Alleinvertriebsrecht eingeräumt und dadurch ein Exklusivvertrieb durchgesetzt. Der Abnehmer verpflichtet sich im Gegenzug u.a. zur Führung und Lagerhaltung des kompletten Herstellerangebots und zur Übernahme von Servicefunktionen. Diese Form des Vertriebs findet sich u.a. bei Finanzdienstleistungen und im PKW-Vertrieb. Im Rahmen von Vertragshändlersystemen werden Vertragshändler als selbständige Gewerbetreibende mit der (exklusiven) Vermarktung von Produkten eines Herstellers betraut (vgl. Haller, 2001, S. 245; Pepels, 1995, S. 12-19). Dabei wird auch vom „lizen213
4.3
4
Marketing-Instrumente
zierten“ bzw. „konzessionierten“ Handel gesprochen. Der Händler ist verpflichtet, sich für den Absatz gemäß der Konzeption des Herstellers einzusetzen. Die rechtliche Ausgestaltung umfasst i.d.R. Absatzbindungen, inkl. Mindestabnahmemengen, die Pflicht zur Unterhaltung eines Lagers, die Erbringung spezifischer Serviceleistungen, die Durchführung bestimmter Werbemaßnahmen, Vorgaben für den Auftritt des Unternehmens (Corporate Design; vgl. 4.4.5.1) sowie ein Gebietsschutz. Vertragshändlersysteme werden besonders häufig im Automobilvertrieb eingesetzt, bspw. bei Volkswagen und Audi (zu Auswirkungen der Gruppenfreistellungsverordnung auf den Automobilhandel vgl. Klauser/Schlattmann, 2003). Beim Vertrieb von Benzin (etwa bei Shell) sowie von Bier (Gastronomiebindung über Bierliefervertrag) kommen entsprechende Konzepte ebenfalls zur Anwendung. Die Gestaltungsmöglichkeiten der so gebundenen Händler sind i.d.R. noch eingeschränkter als bei den Vertriebsbindungs- und Alleinvertriebssystemen. Das Franchise-Konzept beinhaltet eine vertragliche Beziehung zwischen einem Franchise-Geber und mehreren selbständigen Franchise-Nehmern (vgl. Meffert, 2000, S. 638-642; Haller, 2001, S. 245-250). Das Konzept basiert meist auf einem bestimmten Produkt oder einer Dienstleistung, einer Geschäftsidee, einem Markennamen oder einem Patent, das der Franchise-Geber entwickelt hat („Franchise-System“). Der Franchise-Geber ermöglicht den Franchise-Nehmern die Nutzung dieses Konzeptes (inkl. Marketing, Dienstleistungen, Belieferung) gegen eine Gebühr. Neben einer „Eintrittsgebühr“ fallen i.d.R. umsatzabhängige Zahlungen an. Häufig ist der Franchise-Nehmer verpflichtet, alle erforderlichen Produkte und Dienstleistungen exklusiv beim Franchise-Geber zu erwerben. Der Franchise-Nehmer agiert als selbständiger Unternehmer und damit auf eigenes Risiko. D.h., er muss nicht nur eigene finanzielle Mittel zum Aufbau des Geschäfts aufbringen, sondern sein Gewinn hängt allein vom Erfolg des von ihm geführten Franchise-Unternehmens ab. Entsprechende Konzepte finden sich u.a. im Hotel- und Restaurantbereich, im Einzelhandel sowie im Segment Autovermietung, Reisebüros und Fitness Center. Aktuelle Informationen stellt laufend der Deutsche Franchise Verband zur Verfügung (www.dfvfranchise.de). Bei den Franchise-Konzepten lassen sich verschiedene Varianten unterscheiden. Beim Hersteller-geführten Einzelhandels-Franchise besteht das System bspw. aus einem Franchise-Geber und einem Netzwerk unabhängiger Einzelhändler (so bspw. bei Ford, Body Shop, Obi, Foto-Quelle und Benetton). Bei Coca-Cola handelt es sich um ein Hersteller-geführtes Großhandels-Franchise, bei dem auf der Großhandelsebene unabhängige Abfüllbetriebe tätig sind. In Deutschland sind wenige Lizenznehmer tätig, die Marken wie Coca-Cola, Fanta, Lift und Bonaqa abfüllen; dieses System wird in Deutschland gerade neu ausgerichtet (Sachsenröder, 2006, S. 17). Beim Dienstleistungs- bzw. Service-Franchise baut sich der Franchise-Geber ein Netzwerk unabhängiger Partner auf. Dies erfolgt bspw. bei McDonald´s, Burger King, Sunpoint, Mister Minit, Portas, TUI-Reisebüros, Hertz und Avis. Welche Vorteile sind mit einem solchen Konzept für den Franchise-Geber verbunden? Zunächst einmal kann die Expansion ohne große eigene Investitionen für den Aufbau von Vertriebskanälen erfolgen, da die Franchise-Nehmer selbst finanzielle Mittel für 214
Distributionspolitik
den Einstieg bereitstellen müssen. Damit besteht die Möglichkeit, das eigene Knowhow ohne eigenen Finanzbedarf auf nationaler und/oder internationaler Ebene zu multiplizieren und damit eine entsprechende Wertschöpfung zu erreichen. Gleichzeitig kann durch das zu erwartende Engagement der Franchise-Nehmer eine hohe Expansionsgeschwindigkeit erreicht werden, da „nur“ die Rahmenvorgaben und deren Einhaltung von der Franchise-Zentrale gesichert werden. Gleichzeitig kann bei den Franchise-Nehmern aufgrund deren Gewinn- und Verlust-Verantwortung von einer hohen Motivation ausgegangen werden. Für den Franchise-Nehmer ergibt sich zunächst der Vorteil, Zugriff auf ein geschlossenes und häufig schon mehrfach bewährtes Marketing-Konzept (inkl. einer zugkräftigen Marke) zu erhalten. Durch die Partizipation an den Erfahrungen des gesamten Franchise-Konzeptes ergibt sich für ihn ein geringeres Risiko. Die kritischen Erfolgsfaktoren des Franchising sind ein langfristig ausgerichtetes Geschäftsmodell des Franchise-Gebers sowie eine sorgfältige Auswahl der FranchiseNehmer. Ein straffes Franchise-Controlling muss dafür Sorge tragen, dass die Einhaltung der gültigen Standards durch laufende Qualitätskontrollen sichergestellt wird, denn ein Skandal bei einem Franchise-Nehmer kann sich negativ auf die ganze Kette auswirken.
4.3.2.3 Multi-Channel-Vertrieb Wenn sich Unternehmen nicht auf den Einsatz eines Vertriebskanals und/oder eine Art von Absatzorganen beschränken, sondern zeitgleich verschiedene Kanäle und/oder Absatzmittler und -helfer einbinden, wird vom Multi-Channel-Marketing, präziser vom Multi-Channel-Vertrieb gesprochen. Diesem Konzept liegen u.a. folgende Ziele zugrunde (vgl. Backhaus, 2003, S. 386f.; weiterführend Hartmann, 2007c): Erhöhung der Marktabdeckung Durch die Einbindung mehrerer Distributionswege können Kunden mit unterschiedlichen Einkaufsstättenpräferenzen gewonnen und damit die Ausschöpfung des Marktes erhöht werden. Erreichung eines Risikoausgleichs Durch die zeitgleiche Einbindung verschiedener Absatzorgane und/oder Absatzkanäle wird die Abhängigkeit von einzelnen Vertriebspartnern bzw. Kanälen reduziert. Tchibo setzt einen solchen Multi-Channel-Vertrieb konsequent um. Das Unternehmen vermarktet seine Produkte direkt in ca. 1.000 Tchibo-Filialen sowie zusätzlich in ca. 17.000 klassischen Vertriebsformaten (so bspw. bei Edeka und real,-). Außerdem betreibt Tchibo sowohl einen klassischen Versandhandel (mit großflächiger Katalogverteilung) sowie einen Internet-Shop (Stoll, 2006). Klassische Markenartikel-Hersteller verfolgen teilweise ebenfalls einen Multi-ChannelVertrieb. Dies kann zum einen – neben dem klassischen Vertrieb über Groß- und Einzelhandel – in Form von Factory Outlets erfolgen (bspw. von den Bekleidungsherstellern BOSS und Carlo Colucci). Dort werden eigene Produkte (z.T. aus der 215
4.3
4
Marketing-Instrumente
Vorsaison oder mit kleinen Fehlern) „direkt ab Werk“ an Endkunden verkauft. Diese Vertriebsform hat sich inzwischen von der ursprünglichen Idee des Fabrikverkaufs entfernt, was man an der Vielzahl der Factory Outlet Stores erkennen kann, die unabhängig von den Produktionsstandorten in ganz Europa zu finden sind. Diese „Entkopplung“ ist dadurch begründet, dass immer weniger Unternehmen in Europa produzieren. Zum anderen betreiben Markenartikler teilweise auch eigene Geschäfte, die aufgrund ihrer Bedeutung auch Flagship-Stores genannt werden, weil sie das Flaggschiffes i.S. eines Vorzeigegeschäfts eines Unternehmens sind. Dazu zählen bspw. Nike Town, Boss-, Diesel- und Montblanc-Stores. Die Marke soll hier nach den Vorstellungen der Hersteller inszeniert und ein direkter Kundenkontakt aufgebaut werden. Das bereits angesprochene Nivea-Haus gehört ebenfalls in diese Kategorie. Im Zuge der wachsenden Bedeutung des E-Commerce wurde der Universalversender Neckermann 2006 zu neckermann.de umfirmiert. Auf diese Weise soll nicht nur eine stärkere Abgrenzung zum traditionellen Versandhandel von Quelle erfolgen, sondern gleichzeitig der stärkere Fokus auf den Online-Vertriebsweg in Ergänzung zum klassischen Katalogverkauf nach außen kommuniziert werden (vgl. Sommer, 2006, S. 37). Einen temporären Multi-Channel-Vertrieb haben in den letzten Jahren verschiedene Unternehmen praktiziert. So hat die Deutsche Bahn 2005 Fahrscheine bei Lidl verkauft, während Penny Tickets des Low-Cost-Carriers Air Berlin und Aldi solche der dba vermarktet hat. Durch diese vorübergehende Verbreiterung der Distributionskanäle wurden z.T. zusätzliche Zielgruppen angesprochen, die sich bisher nicht für die entsprechenden Anbieter entschieden haben (vgl. weiterführend Gutknecht, 2007). Mit einem solchen Multi-Channel-Vertrieb sind allerdings auch Risiken verbunden (vgl. Backhaus, 2003. S. 387; Specht/Fritz, 2005, S. 168-175): Kannibalisierung zwischen verschiedenen Vertriebskanälen Zwischen den eingebundenen Vertriebsorganen kann es zu einem Wettbewerb kommen, der u.U. über den Preis ausgetragen wird. Zusätzlich kann die Einbindung weiterer Vertriebsorgane oder der vertriebliche Einstieg des Herstellers selbst als Bedrohung der Marktposition der bereits tätigen Vertriebspartner erlebt werden. Verunsicherung der Kunden Werden identische Produkte über verschiedene Kanäle an den Kunden herangetragen, kann dies zu einer Verwirrung auf Kundenseite führen. Dieses Risiko ist gegeben, wenn die eingebundenen Kanäle aus Sicht des Kunden unterschiedliche Imagepositionen und/oder Servicequalitäten aufweisen oder große Preisunterschiede wahrgenommen werden. So bleibt bspw. abzuwarten, wie sich die ab 2005 verstärkt erfolgte Einbindung der Lebensmittel-Discounter in den Vertrieb von Markenartikeln auf die Verbraucher auswirken wird. Erhöhung des Koordinationsaufwandes Mit der Zunahme der eingebundenen Partner steigt die Komplexität der seitens der Hersteller zu leistenden Koordinationsaufgaben. Eine gleichartige Positionierung 216
Distributionspolitik
des Angebotes (inkl. Schulung der eingebundenen Mitarbeiter, zeitgleiche Neuprodukteinführung etc.), die zur Vermeidung der o.g. Kundenverunsicherung beitragen kann, wird folglich immer schwerer zu leisten sein. Eine Ursache hierfür kann kein oder nur ein eingeschränktes Weisungsrecht hinsichtlich der eingebundenen Partner sein. Auf diese Weise nehmen die Steuerungskosten mit jedem weiteren Partner zu, dem die erwarteten Zusatzerlöse bzw. -umsätze gegenüber zu stellen sind. Es wird deutlich, dass mit dem Aufbau eines Multi-Channel-Vertriebs eine Vielzahl von Chancen und Risiken für einen Hersteller verbunden sind.
4.3.3 Absatzwege- und Absatzorgane-Management Die genannten Alternativen zur Ausgestaltung der Absatzwege und zur Einbindung verschiedener Absatzorgane sind vor dem Hintergrund der vom Unternehmen verfolgten Marktsegmentierungsstrategie zu bewerten. Wenn ein Unternehmen eine Massenmarktstrategie und deshalb eine möglichst umfassende Abdeckung des Marktes anstrebt, sind solche Vertriebskonzepte auszuwählen, die einen breiten Marktzugang haben. Das kann bei einem Direktvertrieb der Aufbau eines umfassenden Handelsvertretersystems sein, oder bei einem mehrstufigen Vertrieb die Einbindung von Handelsformaten mit einer großen Distributionsdichte.
Abb. 4.3/12:
Kriterien zur Auswahl von Absatzkanälen und Absatzorganen Grundlegende Unternehmens-/Marketi ngstrategie
Herstellerbezogene Einflussfaktoren
Unternehmensgröße/Finanzkraft Produkt-/Leistungsprogramm Vertriebskompetenz/Erfahrung mit Vertriebswegen Preis-/Qualitätsanspruch
Produktbezogene Einflussfaktoren
Marktbezogene Einflussfaktoren
Erklärungsbedürftigkeit und Serviceintensität Kauffrequenz Lager- und Transportfähigkeit Anzahl und Art der Wettbewerber und Wettbewerbsprodukte Vertriebswege der Wettbewerber Wettbewerbsdruck in bestehenden und neuen Vertriebswegen Anzahl, Kaufkraft, Kaufgewohnheiten der Kunden
Kundenbezogene Einflussfaktoren
Räumliche Verteilung/Streuung der Kunden Offenheit bzw. Zugänglichkeit der Kunden für unterschiedliche Vertriebswege Erwartungen gegenüber dem Anbieter bestimmter Leistungen
Absatzorganbezogene Einflussfaktoren
Angebotenes Sortiment (Breite, Tiefe und Genre) und Warenpräsentation Art, Anzahl, Verfügbarkeit, Image, Standort/Einzugsgebiet sowie Zielgruppenfokus Fähigkeit der Absatzorgane zur Übernahme spezifischer Aufgaben (Service, Beratung) Beeinflussbarkeit/Kontrollierbarkeit und Kosten der Absatzorgane
Sonstige Einflussfaktoren
Vorgaben bzgl. Vertriebskanälen (bspw. Apothekenpflicht) Vorgaben bzgl. der Produktunzugänglichkeit für bestimmte Gruppen (etwa bei Alkohol) Wertvorstellungen/Erwartungshaltungen in der Öffentlichkeit
217
4.3
4
Marketing-Instrumente
Wird dagegen eine fokussierte und damit eine nur partielle Marktbearbeitung angestrebt, kann eine selektive oder sogar eine exklusive Distribution zum Einsatz kommen. Eine selektive Distribution liegt vor, wenn im Zielmarkt jeweils nur wenige Verkaufsstellen zu finden sind, so bspw. bei der Vermarktung von Exklusivprodukten wie Uhren von Rolex. Bei der exklusiven Distribution findet sich in einem Marktverantwortungsgebiet jeweils nur eine Verkaufsstelle, wie dies bspw. beim hochwertigen Möbelanbieter Domicil der Fall ist, der im gesamten Bundesgebiet nur 23 Einrichtungshäuser betreibt. Die Auswahl der Absatzkanäle sowie der einzubindenden Vertriebspartner kann sich dabei an den in Abb. 4.3/12 definierten Kriterien orientieren. Die Auswahlentscheidung kann aufgrund der Vielzahl zu berücksichtigender Kriterien durch den Einsatz von Scoring-Modellen unterstützt werden (vgl. dazu 4.1.2.2; vgl. Meffert, 2000, S. 623; Nieschlag et al., 2002, S. 923-926; Kotler/Bliemel, 2001, S. 1089-1093). Auch nach einer zielorientierten Auswahl der Vertriebspartner kann es zu einer Vielzahl von Konflikten im Absatzkanal kommen, weil die beteiligten Partner häufig gegenläufige Ziele verfolgen. In Abb. 4.3/13 sind zentrale Konfliktfelder aufgezeigt.
Abb. 4.3/13:
Zielkonflikte im Absatzkanal In Anlehnung an Fritz/Oelsnitz, 2006, S. 213f.; Meffert, 2000, S. 612
Ziele des Herstellers
Ziele des Handels
Profilierung der eigenen Produkte und Marken (Markenartikel) Nationale und internationale Produktund Unternehmenswerbung
Profilierung der eigenen Einkaufsstätte Profilierung von Handelsmarken und NoNames POS-fokussierte Werbung (häufig regional oder lokal)
Kontinuierlicher Fluss von Produktinnovationen
Fokussierung auf „profitable“ Innovationen
Vermarktung des gesamten Angebotsprogramms Besondere Platzierung der eigenen Produkte
Konzentration der Vermarktung auf profitstarke, zielgruppenaffine Angebote Produktplatzierung nach Kauf- und Sortimentskriterien
Reduktion der Handelsspanne als Kostenfaktor Kostenneutrale Verlagerung von Funktionen auf den Handel
Gleichmäßiger Absatz in großen Mengen
218
Erhöhung der Handelsspanne als Ergebnistreiber Kostenneutrale Verlagerung von Funktionen auf den Hersteller Zusätzliche Vergütung bei Funktionsübernahmen für den Hersteller Minimierung der Lagerhaltung „Just-in-Time“-Anlieferung
Distributionspolitik
4.3.4 Distributionslogistik Bei der Distributionslogistik geht es um die physische Verteilung von Leistungen, damit im Idealfall
die richtige Leistung (Produkt oder Service), in der notwendigen Menge oder Intensität, am definierten Ort, zur angeforderten Zeit, in der gewünschten Ausprägung
zur Verfügung steht (vgl. Meffert, 2000, S. 654-662; Homburg/Krohmer, 2003, S. 744f.; Nieschlag et al., 2002, S. 953-959; Rüggeberg, 2003, 177-180; Kotler/Bliemel, 2001, S. 1166-1180; Rudolph, 2005, S. 92-101; Daduna, 2003b; Specht/Fritz, 2005; Gutknecht/ Dandl, 2004; zu spezifischen Kennzahlensystemen vgl. Muchna, 2007). Die Herausforderung besteht für Produkte und Dienstleistungen gleichermaßen darin, diese Logistikziele gleichzeitig zu erfüllen. Eine entscheidende Nebenbedingung stellen die damit verbundenen Logistikkosten dar, die sich auf Planniveau befinden oder darunter liegen sollten. Eine Zielvorgabe dergestalt, dass die Erreichung der definierten Logistikziele minimalen Kosten verbunden sein sollten, ist m.E. wenig hilfreich. Schließlich kann die tatsächliche Erreichung von Minimalität so lange bestritten werden, wie die Kosten größer „0“ sind. Deshalb ist m.E. eine Ausrichtung an Plankosten zweckmäßig, da diese konkret kontrollierbar sind (vgl. die entsprechenden Ausführungen in 2.2). Die Erreichung der Logistikziele stellt bei der Vermarktung von Dienstleistungen i.d.R. eine noch größere Herausforderung dar, weil die Erbringung von Services an das Vorhandensein von „Geber“ und „Nehmer“ gebunden ist. So ist es ein Leichtes, einen gedruckten Reiseführer in der Paperbackausgabe am 23.7., 18.00 Uhr, an der Rezeption des Ritz-Carlton in Atlanta für Frau Burgdorff zuzustellen. Wesentlich herausfordernder ist es dagegen, die Dienstleistung „Reiseführung“ für Frau Jägerling am gleichen Ort und zur gleichen Zeit zu erbringen. Selbst wenn der Reiseführer pünktlich vor Ort ist, kann die Dienstleistung nicht erbracht werden, wenn der Gast nicht erscheint. Dann bleibt es bei einem Dienstleistungsangebot, das nicht abgerufen wird. Im Kern steht hinter der Erreichung der genannten Ziele der Lieferservice, der zunehmend über nationale und internationale Grenzen hinaus zu erbringen ist. Häufig werden für die damit verbundenen Aufgabenstellungen Logistikdienstleister eingebunden, die teilweise die komplette Logistikwertschöpfungskette abbilden (vgl. Abb. 4.3/14). Dazu zählen bspw. die Deutsche Post World Net, UPS, Schenker und Fedex. Die in der Wertschöpfungskette aufgezeigten Leistungen können sich dabei auf Polo-Shirts von BOSS, MP3-Player von Apple, PKW von Porsche oder auf die Einrichtung und laufende Versorgung ganzer Bohrinseln im Pazifik beziehen. Bei der Übernahme komplexer Wertschöpfungsketten wird von Kontraktlogistik gesprochen (vgl. Gabler, 2005, S. 1745; weiterführend Engelsleben, 1999), weil hier die langfristige Verlagerung von logistischen Aufgaben durch einen Kontrakt (d.h. einen Vertrag bzw. eine Abmachung) geregelt wird. Auf diese Weise wird der Logistikdienstleister zum Systemlieferanten.
219
4.3
4
Marketing-Instrumente
Abb. 4.3/14:
Wertschöpfungskette der Logistik
Beschaffung
Produktion
Multiple Sourcing, d.h. ü Zusammenführung von Teilen aus mehreren Quellen Global Sourcing, d.h. ü Zusammenführung von Teilen aus international verteilten Quellen
Eingangs-Qualitätskontrolle Lagerhaltung Abrechnung mit Lieferanten Montage Konfektionierung Ausgangs-Qualitätskontrolle Abrechnung mit Kunden Führung eines Warenwirtschaftssystems
Distribution Bereitstellung der Produkte und Services nach definierten Vorgaben hinsichtlich Zeit, Ort, Menge, Qualität, Zustand, Verpackung Aufbau von Ersatzteildepots mit garantierten Lieferzeiten Einrichtung von Task Forces zur schnellen Fehlerbeseitigung
After-Sales-Services Beratung bei der Warenübergabe Wartung Schulung Ersatzteilbereitstellung Einrichtung eines Customer Service Centers
Übernahme von Finanzierungsfunktionen Übernahme von Zoll- und Versicherungsaufgaben Kontinuierlicher Informationsfluss zum Kunden
Die Einbindung solcher Systemlieferanten stellt häufig das Ergebnis eines Outsourcing dar, d.h. einer Verlagerung von bisher durch interne Stellen erbrachten Leistungen auf Drittunternehmen. Damit übernimmt ein anderes Unternehmen die Verantwortung für die folgenden Fragen der Lagerhaltung sowie des Transports (vgl. Freter, 2004, S. 188):
Konzeption der Warendistribution Anzahl, Ort und Größe der einzubindenden Lager Dimensionierung der Höhe der Lagerbestände Wahl der geeigneten Transportmittel Wahl der einzusetzenden Transporteure
In einer wirtschaftlichen Phase, in der sich der Zeitpunkt der Marktpräsenz zunehmend Einfluss auf den Unternehmenserfolg auswirkt, ist die Distributionslogistik zu einem kritischen Erfolgsfaktor geworden.
Merkbox Bei der Distributionspolitik ist zwischen der akquisitorischen und der physischen Distribution zu unterscheiden.
Der Vertrieb kann ein- oder mehrstufig sowie über einen oder mehrere Kanäle erfolgen. Beim Direktvertrieb liegt die gesamte Distribution im Verantwortungsbereich des Herstellers.
220
Distributionspolitik
Beim indirekten Vertrieb werden verschiedene Absatzmittler und/oder Absatzhelfer eingebunden.
Dem Groß- und Einzelhandel kommt mit seinen verschiedenen Ausprägungen eine besondere Rolle im indirekten Vertrieb zu.
Der Handel kann eine Vielzahl von Funktionen im Vertriebsprozess übernehmen. Franchise ist ein Vertriebskonzept, welches sich als besonders erfolgreich gezeigt hat. Beim Multi-Channel-Vertrieb werden verschiedene Vertriebskanäle parallel eingesetzt. Bei der Auswahl von Absatzkanälen und -organen kommen eine Vielzahl von Kriterien zur Anwendung.
Die Distributionslogistik nimmt in der international immer arbeitsteiliger organisierten Wirtschaft einen zentralen Stellenwert ein.
Fragen zur Überprüfung Ihres Wissensstandes 1
Welche Handlungsfelder deckt die Distributionspolitik ab?
2
Welches sind die zentralen Einflussfaktoren, die bei der Distributionspolitik zu berücksichtigen sind?
3
Wodurch unterscheiden sich direkter und indirekter Vertrieb? Welche Vor- und Nachteile sind mit diesen Konzepten verbunden?
4
Was sind Kennzeichen vom ein- und mehrstufigen Vertrieb? Welche Vor- und Nachteile sind mit diesen Konzepten verbunden?
5
Welches sind klassische Aufgaben, die vom Handel übernommen werden?
6
Was bedeutet Personal Selling und in welchem Kontext wird dieser Begriff eingesetzt?
7
Was versteht man unter OEM? Nennen Sie Beispiele für dieses Konzept und recherchieren Sie weitere im Internet.
8
Wie grenzen sich Reisende und Handelsvertreter voneinander ab? Welche Vor- und Nachteile sind mit deren Einsatz verbunden?
9
Welche Betriebsformen des Einzelhandels sind zu unterscheiden? Worin liegen die Unterschiede und Gemeinsamkeiten? Erarbeiten Sie drei Beispiele für jede Handelsausprägung.
10 Welche Formate des Einzelhandels sind zu unterscheiden und welche Erscheinungsformen weisen diese auf? Nennen Sie jeweils mehrere Beispiele hierfür. 11 Wodurch lassen sich die Vertriebsformate Discounter, Fachmarkt und SB-Warenhaus unterscheiden? Nennen Sie Beispiele hierfür. 12 Was sind die Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Warenhaus, Fachgeschäft und Boutique? Welche Unternehmen aus diesen verschiedenen Kategorien kennen Sie? 13 Zu welcher Kategorie ist E-Commerce zu zählen? Was verbirgt sich dahinter? Welche Unternehmen mit diesem Vertriebsmodell kennen Sie? 14 Was versteht man unter Tele-Shopping? In welchen Marktfeldern kommt dieses zum Einsatz?
221
4.3
4
Marketing-Instrumente
15 Was versteht man unter selektivem und exklusivem Vertrieb? In welchen Bereichen kommt dieser zum Einsatz? 16 Was verbirgt sich hinter dem Shop-in-the-Shop-Konzept? Nennen Sie Beispiele für dieses Vorgehen. 17 Wodurch unterscheiden sich Vertriebsbindungs-, Alleinvertriebs- und Vertragshändlersysteme? Was sind die Ziele, die mit dem Einsatz vertikaler Marketing-Konzepte angestrebt werden? In welchen Marktfeldern werden diese genutzt? 18 Was versteht man unter einem Franchise-System? Welche Rechte und Pflichten haben die Beteiligten eines solchen Systems? Welche Beispiele davon sind Ihnen geläufig? Welches sind die Erfolgfaktoren für ein solches Konzept? 19 Welche Zielkonflikte bestehen im Absatzkanal? Arbeiten Sie diese für unterschiedliche Bereiche heraus und überlegen Sie, wie diese im Hinblick auf eine konstruktive Gestaltung der Zusammenarbeit überwunden werden können. 20 Was ist unter Kannibalisierungseffekte zwischen verschiedenen Vertriebskanälen zu entstehen? Wie können diese durch den Hersteller vermieden werden? 21 An welchen Zielen muss sich die Distributionslogistik ausrichten? 22 Welche Wertschöpfungsstufen werden von Logistikdienstleistern übernommen? Was versteht man in diesem Kontext unter Kontraktlogistik? 23 Welche Entscheidungstatbestände sind bzgl. der Distributionslogistik zu unterscheiden? 24 Welche Bedeutung kommt der Distributionslogistik heute zu?
222
Kommunikationspolitik
4.4
Kommunikationspolitik
„Man kann nicht nicht kommunizieren.“ (Paul Watzlawick)
Lernziele Fähigkeit...
den Stellenwert der Kommunikationspolitik im Marketing-Mix zu verstehen Ziele, Zielgruppen, Strategien, Instrumente und Systeme der Kommunikationspolitik zu beherrschen Faktoren, die die Ausgestaltungsmöglichkeiten der Kommunikationspolitik beeinflussen, zu bestimmen unterschiedliche Kommunikationsstrategien und -instrumente hinsichtlich ihrer Einsatzfelder zu kennen zwischen Werbemitteln und -trägern zu unterscheiden die Bereiche der Corporate Identity zielorientiert auszufüllen Konzepte der Kundenbindung zu erarbeiten und zu bewerten Motive, Gestaltungsfaktoren und Ansätze des Web 2.0 zu beherrschen
4.4.1 Kennzeichnung der Kommunikationspolitik Der Prozess der Ausgestaltung der Kommunikationspolitik orientiert sich am gleichen Schema, das bereits bei den anderen Mix-Instrumenten zum Einsatz gekommen ist (vgl. Abb. 4.4/1). Abgeleitet von den Unternehmens- und Marketing-Zielen werden die Ziele für die Kommunikation definiert. Nach Wahl der Kommunikationskanäle sowie der ersten Ausgestaltung der einzusetzenden Instrumente und Systeme für bestimmte Zielgruppen sollte zunächst ein Pre-Test durchgeführt werden, bevor ein breiter Einsatz erfolgt. Wie nachfolgend verdeutlicht wird, kommt im Rahmen dieses Prozesses neben der Erfolgskontrolle auch der Integration verschiedener Kommunikationsaktivitäten eine überragende Bedeutung zu. Kommunikation im Marketing wird als Übermittlung von Informationen an unterschiedliche Zielgruppen durch den Einsatz von spezifischen Instrumenten, Medien und/oder Systemen zur Erreichung bestimmter Ziele verstanden (vgl. Abb. 4.4/2; vgl. Meffert, 2000, S. 678-691; Nieschlag et al., 2002, S. 985-988; Homburg/Krohmer, 2003, S. 621-624). Bei den zu übermittelnden Inhalten bzw. Informationen kann es sich bspw. um die Qualität oder die Preisstellung der Angebote handeln, um Bezugsquellen oder spezifische Garantieleistungen, aber auch um das Engagement des Unternehmens in der Dritten Welt. Die Zielgruppen sind bei der Kommunikationspolitik breit definiert und können alle Gruppen umfassen, die bei der Vorstellung des Stakeholder-Ansatzes in 1.1.1 angesprochen wurden. Die Kommunikationspolitik kann sich einer Vielzahl von Instrumenten bedienen, die von der PR (Public Relations oder auch Öffentlichkeitsarbeit) über 223
4.4
4
Marketing-Instrumente
Werbung, Werbebriefe, Product Placement bis zum Guerilla- und Viral-Marketing reichen. Dabei können unterschiedliche Medien eingesetzt werden, wie bspw. Plakatwände, TV oder das Internet. Welche Kombination aus Inhalt, Zielgruppe, Medium und Instrument eingesetzt werden soll oder ob spezifische Kommunikationssysteme gefordert sind, ist von den Kommunikationszielen abhängig. Kommunikationssysteme führen verschiedene Elemente der Kommunikationspolitik zusammen, wie es bspw. bei Kundenbindungssystemen oder beim Konzept der Corporate Identity der Fall ist.
Abb. 4.4/1:
Prozess zur Ausgestaltung der Kommunikationspolitik
Unternehmens-/Marketingziele
Kommunikationspolitische Ziele Festlegung der Kommunikationspolitik Ausgestaltung Kontrolle der Wirkungen (Pretest) Durchführung
Kontrolle
Bei der Kommunikation geht es im Kern um den in Abb. 4.4/3 dargestellten Prozess. Zur Sphäre des Senders, d.h. dem Wirkungskreis eines Unternehmens, gehört es, die Kommunikationsziele zu definieren und darauf basierend ein Briefing zu erarbeiten. Für die Verschlüsselung (Codierung) dieser Vorgaben in eine Wort- und/oder Bildersprache und deren Umsetzung bspw. in Anzeigen oder Werbespots sowie für deren Übermittlung werden i.d.R. Dienstleister, wie bspw. Kreativ- und Mediaagenturen, Verlage und/oder TV- und Radioanstalten eingebunden. Folglich handelt es sich dabei um die Sphäre der Dienstleister. In den Verantwortungsbereich und damit in die Sphäre des Empfängers gehört die Wahrnehmung der Kommunikation, die Decodierung (Entschlüsselung) und Verarbeitung ihrer Inhalte, um ggf. im Sinne des Senders zu reagieren (vgl. Homburg/Krohmer, 2003, S. 621-624; Meffert, 2000, S. 685691; am Beispiel Gesundheitsmarkt Raski/Borch, 2007). 224
Kommunikationspolitik
Abb. 4.4/2:
Entscheidungsfelder der Kommunikationspolitik
Zielgruppen
e tem s Sy
Zi ele
Kommunikationspolitik Me d
lte ha In
ien
Instrumente
Abb. 4.4/3:
Prozess der Kommunikation
Sphäre des Senders
Definition der Kommunikationsziele
Erarbeitung eines Briefings
Sphäre der Dienstleister
Codierung
Übermittlung
Sphäre des Empfängers
Empfangen Decodieren
Verarbeiten Reagieren
Auch wenn die Kommunikationspolitik und speziell die Werbung aufgrund ihrer besonderen Sichtbarkeit eine wichtige Position im Marketing einnimmt, ist eine sprachliche Differenzierung zwischen Werbung, Kommunikation und Marketing unverzichtbar. Dieser Hinweis ist m.E. notwendig, weil viele neue Entwicklungen im MarketingMix fast „automatisch“ die „Endsilbe“ Marketing erhalten, obwohl diese häufig nur der 225
4.4
4
Marketing-Instrumente
Kommunikationspolitik zuzurechnen sind. Dies gilt bspw. für Permission-Marketing, Viral-Marketing, Buzz-Marketing, Guerilla-Marketing, Online-Marketing und MobilMarketing. In diesen Fällen handelt es sich im Kern um spezifische Ausprägungen der Kommunikationspolitik, wobei nur teilweise andere Mix-Elemente berührt werden. Die konstituierenden Elemente der Kommunikationspolitik sind eng miteinander verwoben. Um eine nachvollziehbare Einführung in diesen Bereich zu sichern, ist gleichwohl eine Aufspaltung in unterschiedliche Aspekte der Kommunikation notwendig.
4.4.2 Ziele, Zielgruppen und Informationsfelder der Kommunikationspolitik Alle Ziele der Kommunikationspolitik lassen sich auf drei Kernziele zurückführen: Informationsziele Durch die unternehmerische Kommunikation sollen bestimmte Informationen über das Unternehmen, dessen Kultur, Leistungsprogramm, Stellung im Markt etc. an unterschiedlichste Zielgruppen übermittelt werden. Dabei steht die Bekanntmachung des Unternehmens und/oder dessen Leistungen an erster Stelle. Beeinflussungsziele Die Bereitstellung von Informationen erfolgt nicht als Selbstzweck, sondern dient wiederum der Erreichung übergeordneter Ziele. So soll bspw. durch die Kommunikation ein bestimmtes Bild bzw. Image des Unternehmens in der Öffentlichkeit, bei Investoren, bei potenziellen Mitarbeitern oder bei Kunden entstehen. Der Einsatz der Kommunikationspolitik erfolgt mit dem Ziel, Wahrnehmung und Bewertung eines Unternehmens und dessen Leistungen durch Dritte zu beeinflussen. Damit soll deren Einstellung zum Unternehmen, zu dessen Angeboten und Mitarbeitern in einer bestimmten Richtung geprägt und folglich ein bestimmtes Image aufgebaut werden. Steuerungsziele Auch diese Beeinflussung erfolgt wiederum zielorientiert, denn durch die Veränderung von Einstellungen werden Verhaltenweisen gesteuert. So sollen sich bspw. besonders qualifizierte Absolventen bei Unternehmen bewerben und interessante Kooperationspartner zur Kontaktaufnahme angehalten werden. Insb. zielt die Kommunikation darauf ab, Unternehmen oder Konsumenten hinsichtlich ihrer Bedarfsbefriedigung auf die Leistungen des anbietenden Unternehmens auszurichten und damit ein bestimmtes Verhalten zu forcieren. Dieses kann sich in der Informationsbeschaffung, dem Kaufinteresse, Erst-/Wiederholungskäufen und/ oder in einer Weiterempfehlung niederschlagen. Die konkrete Ausgestaltung dieser Kommunikationsziele ist u.a. abhängig von der Stellung des Unternehmens und seiner Angebote im Markt, von der Intensität der Wettbewerberaktivitäten, der Einschätzung der Öffentlichkeit gegenüber bestimmten Branchen und Unternehmen sowie der von Produkten und Dienstleistungen erreich226
Kommunikationspolitik
ten Stellung im Produktlebenszyklus (vgl. Meffert, 2000, S. 678-682; Homburg/ Krohmer, 2003, S. 624-627; Roski, 2004, S. 46f.). Eine spezifische Ausprägung dieser Ziele mit Fokus auf die Zielgruppe der Ist- und Ziel-Kunden wurde in Abschnitt 2 bei der Darstellung der Markenwertschöpfungskette sichtbar. Wie Abb. 4.4/4 zeigt, sind Kunden nur eine Zielgruppe der unternehmerischen Kommunikation.
Abb. 4.4/4:
Zielgruppen der unternehmerischen Kommunikation
Kapitalgeber Allgemeine Öffentlichkeit
Dienstleister Ziel-/WunschKunden Interessenten
Politische
Kunden Mitarbeiter
Entscheidungsträger
Kooperationspartner
Im Mittelpunkt der unternehmerischen Kommunikation stehen zunächst drei Zielgruppen: Wunsch- oder Ziel-Kunden, die ein Unternehmen für sich gewinnen möchte Interessenten, d.h. Personen, die bereits ein generelles Interesse an den Leistungen gezeigt haben gegenwärtigen Kunden, die nach dem Kaufakt weiter zu betreuen sind Ist- und Wunsch-Kunden wie auch Interessenten können entweder Konsumenten oder Ansprechpartner in Unternehmen sein. Bezüglich der von einem Unternehmen angesprochenen Kundengruppen kommt der Unterscheidung zwischen Push- und PullStrategie eine besondere Bedeutung zu. Hierbei geht es um die Frage, welchen kommunikativen (häufig rein werblichen) Schwerpunkt ein Unternehmen im Vertriebskanal setzen möchte. Die Push-Strategie ist das Vorgehen eines Herstellers, der versucht, seine Produkte in den Absatzkanal hinein zu drücken („Push“ entspricht 227
4.4
4
Marketing-Instrumente
„Drücken“; vgl. (1) in Abb. 4.4/5). Dieses erfolgt unter der Prämisse, dass der Handel sich für den Verkauf der Produkte einsetzen wird, wenn er diese erst im Sortiment hat (2). Wird der Endkunde (Verbraucher oder Unternehmen) dagegen vom Hersteller selbst umworben (3), damit dieser auf den Handel zugeht und die Produkte und Dienstleistungen quasi „aus dem Absatzkanal herauszieht“ (4), wird von PullStrategie gesprochen („Pull“ entspricht „Ziehen“). Da dabei der Handel übersprungen wird, nennt man diese Strategie auch Sprungwerbung.
Abb. 4.4/5:
Push- und Pull-Strategie
Push-Strategie
Pull-Strategie
Hersteller
Hersteller
Handel
Handel
1
4 2
3 Ziel-Kunde (BtC, BtB)
Ziel-Kunde (BtC, BtB)
Bei beiden Strategien können neben kommunikativen Maßnahmen (u.a. PR, Werbung, Verkaufsförderung) sowohl auf der Handelsebene als auch bzgl. der Endabnehmer weitere preis- und/oder produktpolitische Instrumente eingesetzt werden. So etwa Sonderrabatte für den Handel oder Couponing-Aktionen für den Endkunden. Während die großen Markenartikler sowohl die Pull- als auch die Push-Strategie einsetzen, verzichten andere Hersteller ganz auf die i.d.R. sehr kostenintensive Umwerbung des Endkunden durch eine Pull-Strategie und konzentrieren sich mit einer Push-Strategie auf den Handel als direkten Kunden. Die allgemeine Öffentlichkeit und politische Entscheidungsträger stellen weitere Zielgruppen dar, um bspw. bestimmte Projekte umsetzen und Gesetzgebungs228
Kommunikationspolitik
verfahren beeinflussen zu können. Ein Unternehmen, welches bei diesen Zielgruppen „schlecht angesehen“ ist – begründet oder unbegründet – wird seine Unternehmensziele i.d.R. schwerer erreichen können als eines, das sich in beide Richtungen gut zu verkaufen versteht. Bestehende wie zukünftige Kapitalgeber, seien es finanzierende Banken oder Aktionäre (insb. institutionelle Anleger) sind ebenfalls Zielgruppen der Kommunikation. Ohne entsprechende Netzwerke wird bspw. ein Börsengang schwerer umzusetzen sein. Bei den Kooperationspartnern wird der Bogen von Werbepartnerschaften über strategische Kooperationen (wie sie bspw. Star Alliance oder Sky Team in der Luftfahrt darstellen) bis hin zu Franchise-Systemen gespannt. Partner, mit denen gemeinsame Forschungsvorhaben realisiert werden oder geplant sind, gehören ebenfalls zu dieser Zielgruppe. Es gilt, tragfähige Beziehungen u.a. durch Kommunikation aufzubauen bzw. zu flankieren. Die Zielgruppe der Dienstleister ist in Abhängigkeit von der Position des eigenen Unternehmens unterschiedlich zu definieren. Als herstellendes Unternehmen können die in 4.3 vorgestellten Vertriebspartner in Gestalt der Absatzmittler und -helfer eine wichtige Zielgruppe darstellen. Diese sind zur Führung und aktiven Vermarktung der Leistungen in den Vertriebsprozess einzubinden, informatorisch zu versorgen und zu steuern. Zu den Dienstleistern können im Rahmen der Vertriebslogistik Kurierdienste, aber bspw. auch Finanzinstitutionen gehören, die eine Absatzfinanzierung übernehmen. Auch Werbe- und Eventagenturen, Personaldienstleister etc. gehören zum Kreis der Dienstleister. Consultants stellen im BtB-Markt ebenfalls eine wichtige Zielgruppe der Kommunikation dar (vgl. zum Buying Center-Konzept 1.1.7). Zusätzlich sollten m.E. auch die eigenen Mitarbeiter eine Kernzielgruppe der Kommunikation darstellen, wie in Kapitel 4.5. deutlich werden wird. Bei all diesen Zielgruppen gilt es grds., stabile Beziehungen aufzubauen, denn in der zunehmend vernetzten Wirtschaft gilt stärker denn je: „Niemand ist eine Insel!“. Jedes Unternehmen ist auf die Zusammenarbeit mit Dritten angewiesen, weil ein Einzelkämpfer-Auftritt i.d.R. nicht die gewünschten Erfolge erbringen kann. Dabei ist es gleichsam notwendig und hilfreich, die Netzwerke nicht nur hinsichtlich der gegenwärtigen Partner zu pflegen, sondern diese für potenzielle Partner offen zu halten, seien dies Mitarbeiter, Geldgeber oder Kooperationspartner (vgl. Gutknecht, 2007). Die Felder, über die ein Unternehmen informieren kann, lassen sich in verschiedene Kategorien einteilen (vgl. Abb. 4.4/6). Im Mittelpunkt der unternehmerischen Kommunikation steht i.d.R. das Leistungsprogramm i.e.S., d.h. die Kernleistung eines Unternehmens. Dies kann bei einem Audi-Zentrum der An- und Verkauf von Neuund Gebrauchtwagen, Finanzierung und Leasing von Fahrzeugen sowie Reparaturund weitere Serviceleistungen sein. Bei einem Zulieferer der Automobilindustrie wie Latenstein ist dies bspw. die Entwicklung, Produktion und Vermarktung von feuerverzinkten Bändern. Die unternehmerischen Aufgabenfelder dominieren damit die Kommunikation. Gleichzeitig gilt es, bspw. das öffentliche Engagement des Unternehmens herauszustellen, um auf diese Weise ein positives Image in der Öffentlichkeit aufzubauen. Dies 229
4.4
4
Marketing-Instrumente
können Projekte der AIDS-Aufklärung und -Prophylaxe in Südafrika von Daimler Chrysler oder die Sponsorenschaft der Deutschen Post World Net für das BeethovenFest in Bonn sein. Auf diese Weise wollen Unternehmen dokumentieren, dass sie bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und wichtige Aufgaben für die Gesellschaft unterstützen (vgl. zum Sponsoring 4.4.3.7).
Abb. 4.4/6:
Informationsfelder der unternehmerischen Kommunikation
Öffentliches Engagement
Internes Engagement
Leistungsprogramm i.e.S.
Auch das interne Engagement des Unternehmens kann Teil der in- und externen Kommunikation sein. Dabei kann es um die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen, die Weiterqualifikation von Mitarbeitern oder besonders umfangreiche Sozialleistungen gehen, die Unternehmen ihren Mitarbeitern gewähren. Diese – in der Öffentlichkeit bekannt gemacht – können Leistungsträger motivieren, sich um eine Anstellung in den entsprechenden Unternehmen zu bewerben.
4.4.3 Instrumente und Medien der Kommunikationspolitik 4.4.3.1 Übergreifende Begrifflichkeiten der Kommunikationspolitik In der Kommunikationspolitik wird zwischen Werbemittel und Werbeträger unterschieden. Werbeträger ist das Medium, das verschiedene Werbemittel zu den Zielpersonen transportiert. Zu den Werbeträgern bzw. Werbemedien zählen TV, Radio, 230
Kommunikationspolitik
Zeitungen/Zeitschriften, Internet oder Filmtheater. Das Werbemittel selbst dient als Grundlage der Darstellung einer Werbebotschaft, also bspw. ein Funk-Spot, eine Anzeige, eine Beilage oder ein Werbebanner (vgl. Fill, 2001, S. 349-353; Nieschlag et al., 2002, S. 998-1002; Kotler/Bliemel, 2001, S. 962-967). In Abb. 4.4/7 wird eine breite Definition des Werbemittels zugrunde gelegt, um die unterschiedlichen, heute verfügbaren Möglichkeiten und der dadurch bedingten Entscheidungskomplexität bei deren Auswahl Rechnung zu tragen. Die eingeführten Begrifflichkeiten „Werbeträger“ und „Werbemittel“ dürfen dabei nicht den Eindruck erwecken, dass diese nur für eine Art der Kommunikation, in diesem Fall der Werbung, einzusetzen sind. Vielmehr finden die gleichen Werbeträger und Werbemittel bspw. auch im Zuge von PR-Maßnahmen oder beim Sponsoring Verwendung; sie weisen i.d.S. eine übergreifende Einsetzbarkeit auf. Die in Abb. 4.4/7 vorgestellten Kommunikationsinstrumente werden in den folgenden Abschnitten näher erläutert.
Abb. 4.4/7:
Ausgewählte Werbeträger und ihre Werbemittel
Werbeträger
Werbemittel
TV
Klassischer TV-Spot
DR-TV-Spot
Presenting
Infomercial
Tandemspot
Radio
Klassischer Radio-Spot
DR-Radio-Spot
Presenting
Infomercial
Auslobung von Preisen für Gewinnspiele
MonologAnzeige
DialogAnzeige
Anzeige mit Produktprobe
Werbebeilage
Kundenzeitschrift
Werbebanner
Pop-up
SponsorenLink
E-MailKampagne
E-Newsletter
Werbefilm
Display
Produktverkostung
Buzz-Agent
Gewinnspiel
Großflächenplakat
Litfaßsäule
Leuchtwerbung
Verkehrsmittelwerbung
Blow-ups (Werbeplakat bei Großbaustellen)
Mailing
CouponKatalog
Telefon-Call
Produktprobe
Prospekte
Zeitung/ Zeitschrift
Internet
Kino
Außenwerbung
DirektMedien
Welche Bedeutung den einzelnen Werbeträgern zukommt, zeigt Abb. 4.4/8. Dort sind die Netto-Werbeeinnahmen der wichtigsten Werbeträger erfasst. Die stärksten 231
4.4
4
Marketing-Instrumente
Steigerungen zeigten in den vergangenen Jahren Online-Angebote, die allerdings von einem relativ niedrigen Niveau ausgingen. Die großen Verlierer der letzten Jahre waren Hörfunk, TV, Tageszeitungen sowie Fach- und Publikumszeitschriften. Bei dieser Bewertung muss allerdings berücksichtigt werden, dass sich die Rabattmuster bei den verschiedenen Mediengattungen gravierend unterscheiden; so werden bspw. bei TV besonders hohe Rabatte gewährt.
Abb. 4.4/8:
Netto-Werbeeinnahmen erfassbarer Werbeträger in Deutschland in € Mio. Quelle: ZAW, 2006, S. 13.
In Abb. 4.4/9 werden die werbestärksten Branchen in Deutschland aufgezeigt. Bei der Ermittlung der Brutto-Werbeinvestitionen wurden die Budgets für die klassischen Medien, Direct Mail, Online und Kino zusammengeführt. Bei der Erarbeitung einer Kommunikationsstrategie ist ein dreistufiger Selektionsprozess zu durchlaufen: Inter-Media-Selektion Intra-Media-Selektion Intra-Werbemittel-Selektion pro Werbeträger 232
4
Marketing-Instrumente
Diese drei Selektionsstufen sind miteinander vernetzt, so dass bei der Auswahl vielfältige Abstimmungsrunden zu durchlaufen sind. Bei der Inter-Media- und der Intra-Media-Selektion geht es um die Frage, welche Medienkategorie bzw. welches konkrete Medium am besten geeignet ist, ein bestimmtes Kommunikationsziel unter bestimmten Budgetrestriktionen zu erreichen. Dabei können für beide Selektionsprozesse die folgenden Kriterien herangezogen werden (Weiterentwicklung eines Ansatzes von Meffert, 2000, S. 812-816; Fill, 2001, S. 353-360; Kroeber-Riel/Weinberg, 2003, S. 631-645): Redaktionelles und werbliches Umfeld Einen zentralen Stellenwert für die Platzierung von kommunikativen Botschaften hat der redaktionelle Schwerpunkt eines Mediums sowie das damit verbundene kommunikative Umfeld. In Abhängigkeit davon, in welches Umfeld eine Botschaft platziert ist, wird diese hinsichtlich Glaubwürdigkeit, Vertrauen, Seriosität etc. unterschiedlich aufgenommen und bewertet. So wurde die beim Publikum beliebte Sendung „Augenzeugen-Video“ bereits kurz nach dem Start von RTL aus dem Programm genommen, weil sich nicht genug Werbetreibende fanden, die in diesem Umfeld ihre Werbung platzieren wollten. So ist bspw. auch nur schwer vorstellbar, dass bspw. die CDU in Praline eine Anzeige zur Mitgliedergewinnung schaltet. In Summe geht es bei diesem Kriterium um die Medienaffinität für den Kommunizierenden und den Empfänger gleichermaßen. Primäre Funktion für den Nutzer Welchen Stellenwert besitzt ein bestimmtes Medium für den Nutzer? Wird ein Medium eher zur Unterhaltung eingesetzt, oder dient dieses als Ratgeber oder zur Information (bspw. CNN, n-tv)? Wie intensiv setzt sich der Nutzer mit dem Informationsangebot auseinander? Nutzungssituation Wird das Medium eher aktiv (bspw. Internet, Zeitungen und Zeitschriften) oder eher passiv (etwa TV und Radio) genutzt? Erfolgt die Nutzung im privaten oder im geschäftlichen Umfeld (so bei Publikums- vs. Fachzeitschriften)? Räumlicher Fokus Welches Einzugsgebiet kann durch ein Medium erfasst werden? Dominiert eine regionale Abdeckung, wie sie bspw. die Lokalzeitung Die Harke aus Nienburg aufweist, oder ist ein globaler Verbreitungsgrad wie bei der Financial Times gegeben? Können Teilgebiete eines Mediums belegt werden? Die o.g. Merkmale bestimmen mit den dadurch stimulierten Imagefaktoren die Medienqualität. Medienaktualisierungsrhythmus Welcher Kommunikationsdruck kann durch ein Medium aufgebaut werden? Bei TV- und Radio-Kanälen können Botschaften teilweise 24 h/7 Tage die Woche übermittelt werden, während bei Zeitschriften u.U. nur jedes Quartal eine Botschaft transportiert werden kann und ein Reichweitenaufbau dadurch viel langsamer erfolgt. Diesbezüglich wird auch von der erreichbaren Kontaktdichte gesprochen, die 234
Kommunikationspolitik
beim Lufthansa-Bordbuch, das nur quartalsweise erscheint, eingeschränkt ist. Auch der Einsatz von Großflächen ist eingeschränkt, da bspw. Plakate i.d.R. mindestens elf Tage gebucht werden müssen. Dieser Rhythmus hat auch Auswirkungen darauf, ob zeitlich beschränkte Botschaften (bspw. besondere Tarife) in einem Medium beworben werden können. Medienverfügbarkeit Welche zeitlichen oder rechtlichen Einschränkungen der Mediennutzung existieren? Zu welchen Zeiten kann bspw. im TV Werbung gesendet werden (etwa bei den öffentlichrechtlichen Sendern)? Welche Werbeverbote existieren in bestimmten Medien, bspw. für Zigaretten im TV oder für verschreibungspflichtige Arzneimittel in Publikumsmedien? Medienbandbreite Welche Sinne können durch ein Medium auf welche Weise angesprochen werden? Können Reize visuell (schwarzweiß und/oder in Farbe, als Text oder als Stand- bzw. Bewegtbild), auditiv (Ton), olfaktorisch (Geruch), haptisch (Berührung) und/oder gustatorisch (Geschmack) gesendet werden? Welche Kommunikationsformen werden von einem Medium angeboten? Ist bspw. beim TV Unterbrecherwerbung möglich? Können in Print-Titel Produktproben beigefügt werden, um bspw. die Qualität eines bestimmten Stoffes durch Berührung nachvollziehbar zu machen (etwa in einer Zeitschrift im Vergleich zu einer Zeitung)? Die vorgenannten Kriterien machen in Summe die Medienflexibilität aus. Quantitative (globale) Reichweite Welche Zahl von Personen kann angesprochen werden, unabhängig davon, ob diese zur jeweiligen Zielgruppe gehören? Qualitative (zielgruppenspezifische) Reichweite Welche Zahl von Zielpersonen wird erreicht, bspw. orientiert an den Kriterien Kaufkraft, Bildungsniveau, Familienstand, Alter, soziale Schicht? Welche Möglichkeiten der Feinselektion von Zielgruppen gibt es (bspw. regionale Fenster bei PrintTiteln wie Bild vs. einer bundesweiten Abdeckung durch RTL)? Hinsichtlich dieser Merkmale wird von der Mediennutzerqualität gesprochen. Schaltkosten Wie hoch liegen die absoluten Kosten und die, um bspw. 1.000 Personen zu erreichen (Tausend-Nutzer-Preis)? Besteht die Möglichkeit, dass der Nutzer auch bei einfacher Schaltung mehrfach mit dem Werbemittel in Kontakt kommt? Dies ist bspw. bei einer Anzeige in einer Zeitung oder Zeitschrift sowie bei einer Plakatwerbung, nicht jedoch bei einem TV-, Rundfunk- oder Kino-Spot der Fall. Diese Wahrscheinlichkeit ist bei einem Wochen- oder Monatsmagazin viel höher als bei einer Tageszeitung, bei der das Motto gilt: „Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern!“. Produktionskosten Wie viel kostet es, das entsprechende Werbemittel zu erstellen? Die Kostenunterschiede zwischen einem TV-Spot im Vergleich zu einer Anzeige können beträchtliche Größenordnungen erreichen. 235
4.4
4
Marketing-Instrumente
Die Reichweite des Mediums in Verbindung mit den Schalt- und Produktionskosten bestimmen die Medienökonomie. Hierbei ist zunächst zu ermitteln, wie hoch die Werbeträgerkontaktchance ist, d.h. die Wahrscheinlichkeit, dass Personen mit dem Werbeträger in Kontakt kommen (bspw. mit dem Medium Der Spiegel). Davon zu unterscheiden ist die Werbemittelkontaktchance, d.h. der Kontakt zu einem geschalteten Werbemittel (hier einer Anzeige oder einer Beilage). Um eine Vergleichbarkeit der Mediengattungen sowie der Werbeträger zu ermöglichen, bietet sich eine Orientierung am sogenannten Tausenderpreis bzw. Tausend-Kontakt-Preis an. Er dient als Maßstab für die Wirtschaftlichkeit eines Mediums und wird wie folgt ermittelt: Tausenderpreis =
Kosten der Schaltung × 1.000 Anzahl der Werbeträgerkontakte
Die Anzahl der Werbeträgerkontakte bezieht sich dabei auf die Bruttoreichweite des Mediums. Die Schaltkosten umfassen die Aufwendungen, die mit der Belegung eines Mediums verbunden sind. Beim Tausend-Nutzer-Preis werden die Schaltkosten in Bezug zur Nettoreichweite des Mediums gesetzt, d.h. Mehrfachkontakte zur gleichen Person bleiben dabei unberücksichtigt. Um nicht nur die quantitative, sondern auch die qualitative Reichweite zu berücksichtigen, wird eine Mediaauswahl i.d.R. am Zielgruppen-Tausenderpreis vorgenommen. Dabei wird berücksichtigt, welchen prozentualen Anteil die Zielgruppe am insgesamt erreichten Publikum hat. Der gewichtete Tausenderpreis errechnet sich wie folgt: Zielgruppen-Tausenderpreis =
Kosten einer Schaltung × 1.000 Nutzer × Anteil der Zielgruppe
Während beim gewichteten Tausenderpreis zumindest die Mediennutzerqualität einfließt, bleiben sowohl die Medienqualität und die Medienflexibilität wie auch die Werbemittelkontaktchance unberücksichtigt. Abb. 4.4/10 zeigt exemplarisch Ergebnisse der Allensbacher Werbeträgeranalyse. Dort ist ausgewiesen, welche Reichweite verschiedene Wirtschaftstitel bei Entscheidern aufweisen. Danach ist CAPITAL der reichweitenstärkste Wirtschaftstitel bei Entscheidern, gefolgt von Wirtschaftswoche und Focus Money. Zusätzlich wird deutlich, wie sich der Tausend-Leser-Preis bei den Zielgruppen Führungskräfte und Top-Verdiener hinsichtlich ausgewählter Titel darstellt. Orientiert an den o.g. Kriterien kann ein Streuplan erstellt werden. Dieser zeigt die Verteilung der einzelnen Werbemaßnahmen einer Kampagne hinsichtlich Zeitpunkt, Zeitraum, Einschaltfrequenz bzgl. der eingesetzten Werbeträger und -mittel auf. In diesem wird zwischen dem Basismedium, in dem die Kommunikation schwerpunktmäßig stattfindet, und den flankierenden bzw. Zusatzmedien unterschieden (vgl. Meffert, 2000, S. 716, 811). Hierbei sind zum einen die Wirkungen der einzelnen Werbeträger hinsichtlich der Zahl der erreichten Personen und der Qualität des Kontaktes zu bewerten. Zum anderen ist auch der Wirkungsverbund verschiedener Werbeträger und -mittel zu beurteilen. Hierzu zählt die Anzahl der insgesamt erreichten Kontakte mit Zielpersonen (Brutto236
Kommunikationspolitik
reichweite), d.h. die Summe aller erzielten Kontakte oder Kontaktchancen von Personen mit einem oder mehreren Medien oder einem oder mehreren Werbemitteln. Dabei werden bei Mehrfach-Belegung eines Mediums oder mehrerer Medien die einzelnen Reichweiten ohne Berücksichtigung von Überschneidungen addiert. Zur Ermittlung der Nettoreichweite werden die Überschneidungen eliminiert, um auszuweisen, wie viele Personen mindestens einmal erreicht wurden. Nettoreichweiten lassen sich sinnvollerweise nur innerhalb jeweils einer Mediengattung ermitteln. Dabei wird zwischen internen und externen Überschneidungen unterschieden. Interne Überschneidungen liegen vor, wenn eine Zielperson bei Mehrfachbelegung des gleichen Werbeträgers (bspw. eine Anzeige im Stern) diese mehrfach sieht. Eine externe Überschneidung liegt vor, wenn eine Zielperson durch eine Anzeige in verschiedenen Zeitschriften (bspw. Stern und Focus) erreicht wird. Die Anzahl der durchschnittlichen Kontakte pro Zielperson stellt ebenfalls ein wichtiges Kriterium bei der Ausgestaltung der Streupläne dar (vgl. Freter, 2004, S. 149). Abb. 4.4/10:
Ergebnisse der Allensbacher Werbeträgeranalyse für Wirtschaftstitel Quelle: AWA, 2004 Zielgruppe: 6,77 Mio. Führungskräfte*
990
CAPITAL
1.140
800
590
75,0
Wirschafts Woche manager magazin
4,0 1,4
70,1
CAPITAL
4,1
600
Manager Magazin
70,0 177,0
Euro
480
Handwerk Magazin
540
*Beruf des Befragten: Inhaber, Selbständige, Freie, Leitende Angestelle/Bearrite
420
BÖRSE ONLINE
490 390
Finanzen
Zielgruppe: 10,23 Mio. Top-Verdiener** Reicweite in Prozent
Tausend-Leser-Preis in Euro
390 360
Euro
Euro am Sonntag
Tausend-Leser-Preis in Euro
5,2
660 670
Focus Money
IMPULSE
Reichweite in Prozent
730
Wirtschaftswoche
4,0
330
3,1
270 330
3,0 1,3
220
60,0
CAPITAL
64,4
Wirschafts Woche
60,6
manager magazin Euro
123,5
220
AWA 2003 Basis 64,43 Mio. Personen
AWA 2004 Basis 64,88 Mio. Personen
**Netto-Einkommen Hauptverdiener EUR 2.500,- und mehr pro Monat
Bezüglich des zeitlichen Einsatzes der Medien können verschiedene Strategien zum Einsatz kommen. Eine kontinuierliche Medienpräsenz (Recency-Kampagne) bedingt eine gleichförmige Belegung der ausgewählten Werbeträger (vgl. Abb. 4.4/11). Eine konzentrierte Medienpräsenz liegt dagegen vor, wenn bspw. zur Produktneueinführung oder im Vorfeld eines Börsengangs ein hoher Medieneinsatz erfolgt, der danach wieder zurückgefahren wird. Bei der pulsierenden Medienpräsenz wechseln Phasen der konzentrierten mit Phasen einer Nicht- oder Geringpräsenz ab (Freter, 2004, S. 150; Meffert, 2000, S. 819-823). Die beiden letztgenannten Arten werden auch FlightingKampagnen genannt. Welche Strategie am zielführendsten ist, kann nur vor dem Hintergrund der kommunikativen Aufgabenstellung im jeweiligen Kontext entschieden werden. Dabei fließen i.d.R. verschiedene Wirkungshypothesen ein, die zu dokumentie237
4.4
4
Marketing-Instrumente
Abb. 4.4/11:
Muster von Kommunikationsstrategien
Kommunikations budget in Mio. 10
Konzentrierte Medienpräsenz
9 8 7 6 5 4
Kontinuierliche Medienpräsenz
3 2
Pulsierende Medienpräsenz
1 0
Quartal I.
II.
III.
IV.
I.
ren sind, um nach Abschluss der entsprechenden Kampagnen eine Kontrolle der Zielerreichung durchführen zu können (vgl. vertiefend Heinneccius/Kreutzer, 2007). Die wichtigsten Kommunikationsinstrumente werden nachfolgend dargestellt. Die dabei vorgenommene Abgrenzung kann aufgrund der vielfachen Vernetzungen unterschiedlicher Kommunikationsarten nicht immer überschneidungsfrei erfolgen.
4.4.3.2 Werbung „Wer aufhört zu werben, um Geld zu sparen, kann ebenso seine Uhr anhalten, um Zeit zu sparen.“ (Henry Ford) Werbung ist ein Kommunikationsinstrument, durch das Informations-, Beeinflussungsund Steuerungsziele im Hinblick auf die unternehmerische Kernleistung für die Zielgruppen Interessenten, Ziel- und Ist-Kunden erreicht werden sollen. Die Werbung ist – bspw. im Vergleich zur Verkaufsförderung – längerfristig ausgerichtet. Bei der Werbung können unterschiedliche Medien und Werbemittel zum Einsatz kommen. Grundlage für die Entscheidung darüber, welche Werbewege beschritten werden, ist ein Briefing des werbetreibenden Unternehmens. Es definiert die Zielrichtung der Werbung (sei es für die Konzeption eines TV-Spots, einer Anzeige oder eines Mailings) 238
Kommunikationspolitik
und stellt damit die Grundlage für die Arbeit von Werbe- und Mediaagenturen dar. Ein solches Briefing beinhaltet i.d.R. die folgenden Bestandteile: Zielgruppe Basisbotschaft i.S. der zu bewerbenden Produkte/Dienstleistungen und des Unternehmens als Absender dieser Botschaft Nutzenargumente („Benefits“) als Grundlage für eine USP Begründung des Nutzenversprechens („Reason why“) Positionierung (bspw. im Premium- oder im Low-Cost-Bereich) Ausgestaltung der Werbemittel hinsichtlich Tonality, d.h. Art der Ansprache (bspw. technisch, helfend oder partnerschaftlich) und der Bilderwelt (produkt- oder technikbezogen, kühl oder warm) Timing (d.h. wann und wie lange soll ein werblicher Einsatz erfolgen) Budget für Konzeption, Entwicklung/Produktion und Schaltung der Werbung In einem solchen Briefing wird auch der Einsatz von Werbekonstanten vorgegeben. Diese stellen Inhalte und/oder Gestaltungselemente des kommunikativen Auftritts dar, die über einen längeren Zeitraum in unveränderter Form einzusetzen sind. Hierzu zählen u.a. Unternehmensfarben, Logos, Schriftzüge, die in Summe das Corporate Design des Unternehmens ausmachen (vgl. 4.4.5.1). Von klassischer Werbung wird – etwa in Abgrenzung zur Direkt- oder Internet-Werbung – gesprochen, wenn diese über die klassischen Medien übermittelt wird, zu denen TV, Rundfunk, Zeitungen, Zeitschriften, Kino und Außenwerbung (u.a. Plakate) gehören. „Klassisch“ werden diese Medien deshalb genannt, weil sie schon lange auf dem Markt sind und i.d.R. ein Massenpublikum ansprechen. Die Zuordnung zu diesen klassischen Medien erfolgt dabei unterschiedlich (vgl. Meffert, 2000, S. 713). Werbung per Post zu den klassischen Werbemedien zu zählen, ist m.E. nicht sinnvoll, weil zum einen ein sehr genau ermittelter Personenkreis angesprochen werden kann und zum anderen ein umfassender Einsatz der Direktwerbung im Vergleich zu den o.g. klassischen Medien zeitlich erst viel später erfolgte. Aufgrund der besonderen Bedeutung der Direktwerbung wird diese hier als eigene Kommunikationsform präsentiert. Für die Werbung in Print-Medien stehen u.a. Zeitungen, Zeitschriften, Anzeigenblätter und Adressbücher zur Verfügung (vgl. Meffert, 2000, S. 715-717; Fill, 2001, S. 329-331). Hierbei handelt es sich um Insertionsmedien, wobei Insertion als Ableitung von Inserieren und Inserat als das „Aufgeben einer Anzeige“ zu verstehen ist. Zeitungen lassen sich von Zeitschriften primär durch ihr physisches Erscheinungsbild abgrenzen, da Zeitungen häufig auf weniger hochwertigem Papier gedruckt und die einzelnen Bögen ineinander gelegt werden, die i.d.R. ungebunden bleiben. Bei Zeitschriften ist das Papier tendenziell höherwertig und die Bögen sind geheftet oder geklebt. Eine Unterscheidung hinsichtlich Aktualität, Periodizität (i.S. Erscheinungsrhythmus) und/oder Universalität (hinsichtlich der Breite des abgedeckten Themenkreises) hilft m.E. dagegen nicht weiter, weil es bei Zeitungen und Zeitschriften jeweils völlig unterschiedliche Ausprägungen gibt. Bei Zeitungen und Zeitschriften ist zwischen solchen zu unterscheiden, die sich an eine breite Zielgruppe wenden (General Interest-Titel) und solche, die Spezialzielgruppen ansprechen (Special Interest-Titel). Von diesen Publikumstiteln sind die Fachtitel abzu239
4.4
4
Marketing-Instrumente
grenzen. Zu den Publikumszeitschriften als General Interest-Titel gehören bspw. Der Stern, Der Spiegel, oder HÖRZU. Special Interest-Titel adressieren spezielle Personenkreise, wie etwa manager magazin, Eltern, FliegenFischen, das internationale Magazin für Flugangler, oder build - Das Architekten-Magazin. Fachzeitschriften fokussieren - ebenfalls eng verbunden mit einer spezifischen Zielgruppe - bestimmte Themengebiete, wie bspw. die Zeitschriften absatzwirtschaft, Direktmarketing Praxis, Zeitschrift für Betriebswirtschaftslehre, Finanz Business, Arthroskopie oder SUS Schweinezucht und Schweinemast. Für Zeitungen lässt sich m.E. die gleiche Klassifizierung anwenden. Einerseits gibt es mit Publikumszeitungen Angebote für breite Leserkreise, so bei BILD, FAZ, und Die Zeit. Andererseits existieren Special Interest-Zeitungen, die sich an spezifische Personenkreise richten, wie Computerwelt, Auto Bild und Sport Bild. Fachzeitungen weisen einen speziellen Themenschwerpunkt auf, der wiederum für mehrere Zielgruppen interessant sein kann, so bei Lebensmittel Zeitung, Allgemeine Hotel- und Gaststätten-Zeitung und die Zeitung für die kommunale Wirtschaft. Ein Verzeichnis der Fachzeitungen und -zeitschriften findet sich unter www.Fachzeitungen.de. Zwei verschiedene Anzeigensujets (d.h. Werbeobjekte) für die Zielgruppe Ärzte zeigt Abb. 4.4/12. Bei der linken Variante handelt es sich um ein vom Pharma-Unternehmen Strathmann bezahltes vierseitiges Cover für eine Ausgabe des Stern. Die rechte Anzeige erschien 2006 im Deutschen Tierärzteblatt.
Abb. 4.4/12:
240
Zielgruppen-affine Werbeansprachen für Ärzte
Kommunikationspolitik
In Print-Titeln können schwerpunktmäßig Anzeigen geschaltet werden, die als Monolog- oder als Dialoganzeige ausgestaltet sind. Bei Monolog-Anzeigen werden keine direkten Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme mit dem Werbenden angeboten. Das Ziel derartiger Anzeigen ist i.d.R. die allgemeine Bekanntmachung des Angebotes, eine Übermittlung von Informationen und/oder ein gezielter Imageaufbau (vgl. 4.4/13).
Abb. 4.4/13:
Monolog-Anzeige von KönigPilsner
Bei einer Dialoganzeige wird der Leser dagegen unmittelbar zur Kontaktaufnahme aufgefordert, indem eine oder mehrere Ansprachekanäle ausgelobt werden. Eine aufgespendete Responsekarte (Tip-on-Card) oder ein Coupon, der ausgeschnitten und eingesandt werden soll, gehören zu dieser Gruppe der Dialog-Anzeigen. Diese zielen darauf ab, eine unmittelbare Reaktion des Lesers auszulösen, indem entweder weiterführende Informationen abgerufen oder unmittelbar bestellt werden sollen. Deshalb werden diese Anzeigen auch als Direct Response-Anzeigen (DR-Anzeigen) bezeichnet (vgl. vertiefend 4.4.3.5). Auf Anzeigen kann eine Produktprobe (Sample) aufgespendet sein, um den Leser zu motivieren, einen neuen Duft, ein Shampoo oder eine Hautcreme auszuprobieren. In Abb. 4.4/14 werden der Zielgruppe der Studenten gleich vier Reaktionswege angeboten: Internet, Telefon, Fax und Coupon-Einsendung. 241
4.4
4
Marketing-Instrumente
Die ausgewiesene Aktionsnummer SP06-049 dient dem Verlag zur Ermittlung der Werbewirkung dieser konkreten Anzeige (vgl. vertiefend 4.4.3.5).
Abb. 4.4/14:
Dialog-/Direct Response-Anzeige aus Der Spiegel
Zusätzlich können Zeitungen und Zeitschriften als Träger von Werbebeilagen eingesetzt werden, wie dies regelmäßig durch Waren- und Kaufhäuser erfolgt. Schließlich können Zeitungen und Zeitschriften auch Träger von regelmäßig erscheinenden Beilagen bzw. Supplements (i.S. der Ergänzung der Zeitung oder Zeitschrift durch ein weiteres Printprodukt) sein, wie bspw. der TV-Programmbeilage PRISMA. Hierbei handelt es sich wiederum um einen speziellen Werbeträger. 242
Kommunikationspolitik
Die Auswahl des oder der zu belegenden Titel kann sich an den nachfolgenden Kriterien orientieren: Erscheinungsrhythmus: Täglich, wöchentlich, zweiwöchentlich, monatlich, vierteljährlich etc.? Zeitlicher Vorlauf für eine Schaltung: Wie lange vor dem Erscheinen der Anzeige müssen alle notwendigen Daten beim Verlag sein? Reichweite des Titels: Wie viele Personen können erreicht werden (bspw. Leserschaft von der Zeitschrift „Der Schwimmteich“ im Vergleich zum „Stern“)? Zielgruppenabdeckung: Wie gut kann die definierte Zielgruppe über diesen Titel erreicht werden (etwa im Vergleich von „Der Spiegel“ zu „Das ArchitektenMagazin“)? Image des Titels: Welche Glaubwürdigkeit, welches Vertrauen und in Summe welche Wertigkeit bringt die Zielgruppe diesem Medium entgegen (bspw. „Bild“ vs. „FAZ“)? Kosten der Schaltung: Was kostet es, bspw. 1.000 Personen über einen bestimmten Titel zu erreichen? Und wie hoch sind die absoluten Kosten der Schaltung?
Abb. 4.4/15:
TV-Sehdauer in Deutschland 2001 – 2005 (Grundlage Montag bis Sonntag, 03.00 – 03.00 Uhr, bezogen auf Zuschauer ab 3 Jahren; die Angaben für 2005 umfassen die Monate Januar bis November) Quelle: AGF/GFK-Fernsehforschung, 2006
Welche Bedeutung dem Fernsehen als Medium zukommt, macht Abb. 4.4/15 deutlich. Trotz der zunehmenden Verbreitung und Nutzung des Internets ist der tägliche TVKonsum bei den „Haushalten gesamt“ wie auch bei den „Erwachsenen ab 14 Jahren“ auf durchschnittlich 210 Minuten gestiegen. TV-Werbung verfügt dabei über eine schnelle Breitenwirkung und kann als audiovisuelles Medium Emotionalität zum Imageaufbau transportieren. Deshalb wird es häufig als Basismedium für Image243
4.4
4
Marketing-Instrumente
kampagnen, Produktneueinführungen und Relaunches sowie zur Unterstützung kurzfristiger Aktionen eingesetzt (vgl. Pilot, 2006, S. 13). Dem stehen die hohen Kosten sowie der Werbedruck in diesem Medium gegenüber. Bei der TV-Werbung können im Vergleich zur Print-Werbung nicht nur unterschiedliche Kanäle (etwa ARD vs. Super RTL), sondern für Werbung unterschiedliche Zeitfenster und thematische Umfelder gewählt werden. Durch eine Schaltung von TV-Spots vor, während oder nach Sport- oder Kultursendungen, Reportagen, Spielfilmen, Soapoperas oder Telenovelas können jeweils spezifische Zuschauergruppen angesprochen werden. Soapoperas (Seifenopern) stellen Fernsehserien wie Marienhof dar, die häufig als Endlosserien umgesetzt und regelmäßig, z.T. mehrmals wöchentlich, gesendet werden. Sie sind häufig preiswert produziert und sollen ein werbefreundliches Umfeld schaffen; etwa für Waschmittel, weshalb diese Serien auch Soapopera genannt werden. Die Telenovela als Spezialform der Soapopera wird aus der Perspektive einer (meist weiblichen) Hauptfigur erzählt, wie bei Bianca – Wege zum Glück oder Verliebt in Berlin. Telenovelas werden auch als modernes Märchen mit Happyend gekennzeichnet und sind grds. nicht auf einen Dauereinsatz ausgelegt. Orientiert an diesem Kriterienmix können ganz unterschiedliche Zielgruppen definiert und angesprochen werden. Gleichzeitig bietet TV heute eine Vielzahl von Werbeformen, die über den klassischen „30 sec-Spot“ weit hinaus gehen. Dazu zählen bspw. das Infomercial als Dauerwerbesendung, in der Werbung redaktionell aufbereitet präsentiert wird. Hierbei steht der informative Charakter im Vordergrund. Trotzdem muss diese Sonderwerbeform gemäß der Werberichtlinien mit der Einblendung „Werbesendung“ versehen werden. Beim Tandemspot werden mehrere Spots mit identischer oder sich ergänzender Werbebotschaft kurz hintereinander innerhalb eines Werbeblocks ausgestrahlt, um die Werbewirkung zu erhöhen. Die als Presenting bezeichnete An- und Abmoderation von Spielfilmen, wie bspw. „... wird Ihnen präsentiert von Rotkäppchen...“ oder „... wurde Ihnen präsentiert von Krombacher“ sind Beispiele weitere TV-Werbeformen. Zusätzlich können Werbespots in Scharnier-Inseln (d.h. vor oder nach einer Sendung) oder in den Unterbrecher-Werbeblöcken, die innerhalb einer Sendung liegen, geschaltet werden. Um bei der Vielfalt der Medien, Zeitfenster, Zielgruppen und Werbeformen die richtige Auswahl zu treffen, werden Mediaagenturen eingebunden, wie bspw. pilot media, Carat, MEDIAPLUS, MindShare, MEDIACOM oder OMD. Unterschiedliche Werbeformate wurden nicht nur entwickelt, um insb. für die werbefinanzierten TV-Sender neue Einnahmequellen zu erzielen, sondern auch, um dem kontinuierlich steigenden Phänomen des Zapping entgegen zu steuern (abgeleitet von engl. „Zapper“ für die Fernbedienung). Darunter versteht man das Umschalten von einem Programm zum anderen, insb., wenn der Werbeblock anläuft. Die Zapping-Quote gibt dabei den Unterschied zwischen der Programm- und der Werbeinsel-Reichweite an. Angesichts der sinkenden Aufmerksamkeit pro Mediengattung aufgrund der Mediafragmentierung hat eine spezifische Werbeform an Bedeutung gewonnen, das Product Placement. Damit ist die zu Werbezwecken erfolgte Einbindung (Platzierung) von Produkten, Dienstleistungen oder Marken, u.a. in Spielfilmen, Soapoperas, Telenovelas, Reportagen, Verbrauchersendungen, aber auch in redaktionellen Beiträgen von Zeitungen und Zeitschriften gemeint, ohne dass 244
Kommunikationspolitik
dieses als Werbung herausgestellt und/oder unmittelbar sichtbar wird (vgl. Fill, 2001, S. 343f.). Bekannte Beispiele liefern James Bond-Filme, in denen BMW-Fahrzeuge und PhilipsGeräte als Requisiten auftauchen, auf Plakaten Seiko-Uhren gezeigt werden und James Bond seine Partnerin fragt, ob diese nicht Whiskas zu Hause hätte. In der KrimiSerie Tatort tauchen ebenfalls regelmäßig bestimmte Marken auf, sei es Paroli, Marlboro, Audi oder VW. Natürlich können auch Kommissare Verbrecher nicht per Fahrrad jagen, aber man fragt sich manchmal, ob eine lange Einstellung, die einen immer frisch gewaschenen schwarzen Passat zeigt, aus Sicht der Zuschauer dramaturgisch notwendig ist. Ist dies nicht der Fall und wurde diese durch finanzielle Zuwendungen erkauft, wird dieses Vorgehen in Deutschland der Schleichwerbung zugerechnet und ist nach § 4 (3) UWG untersagt. Demnach handelt unlauter und damit verboten, wer „... den Werbecharakter von Wettbewerbshandlungen verschleiert...“. Die vorgenannten Bedingungen machen deutlich, welche Unsicherheiten bei der Bewertung des Product Placement nach wie vor bestehen (vgl. Wirtz, 2005a, S. 272; Poth/Poth, 2003, S. 400; Nieschlag et al., 2002, S. 1120-1123). Eine besondere Form der Werbung stellt Freundschaftswerbung dar (auch Membergets-Member, Tip-a-friend). Die Grundidee ist, dass eigene Kunden andere Personen aus dem persönlichen Umfeld für die Leistungen eines Unternehmens gewinnen und dafür belohnt werden. Diese Art der Werbung findet bei Zeitungs- und ZeitschriftenAbonnements, bei Versandhäusern, im Finanzdienstleistungssektor etc. statt. Freundschaftswerbung ist eine besonders glaubwürdige Werbeform, da das „Verkaufsgespräch“ auf einer persönlichen Beziehung basiert. Durch Freundschaftswerbung können häufig besonders wertige Kunden gewonnen werden. Aufgrund der Erfolge der Freundschaftswerbung wurde diese zwischenzeitlich so weiterentwickelt, dass auch Nicht-Kunden neue Kunden werben können, was der Ursprungsidee der Freundschaftswerbung widerspricht, gleichwohl aber erfolgreich praktiziert wird. Auf dem Prinzip der Freundschaftswerbung setzt ein neues Kommunikationsinstrument auf, das als Buzz-Marketing bezeichnet wird. Buzz heißt wörtlich übersetzt Summen und bedeutet, dass sich viele Personen möglichst intensiv in der Öffentlichkeit und/oder in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis über die Vorzüge von Produkten oder Dienstleistungen austauschen sollen. Beim Buzz-Marketing handelt es sich um die mehr oder weniger intensive Einbindung eigener Kunden bzw. als solche in Erscheinung tretende Personen, die in ihrem jeweiligen Umfeld aktiv oder passiv ein bestimmtes Angebot herausstellen. Deshalb werden diese Personen Buzz-Agenten genannt. Im Kern handelt es sich um ein spezifisches Kommunikationsinstrument, welches den bisherigen Kommunikations-Mix der Unternehmen ergänzen kann. Der kreative Ansatz des Buzz-Marketing liegt in der Nutzung der persönlichen Beziehungen des Agenten bzw. in der deutlich sichtbaren Produktnutzung in der Öffentlichkeit, ohne dass ein konkreter werblicher Hintergrund besteht und/oder erkannt wird. Hierdurch soll ein Schneeball-Effekt auf Konsumentenseite erzeugt werden (vgl. Siering, 2005, S. 6). Darüber hinaus sind Buzz-Agenten auch als Käufer aktiv, indem sie in einer Vielzahl von Geschäften – jeweils mehrere Agenten unabhängig voneinander – zu verschiedenen Zeitpunkten nach einem bestimmten Produkt fra245
4.4
4
Marketing-Instrumente
gen. Durch dieses als Pull-Strategie bekannte Konzept wird im Handel ein Bedarf spürbar, der bei einer vermuteten Nachhaltigkeit der Nachfrage zur Aufnahme der Produkte führen soll. Hierdurch wird ein Schneeball-Effekt auf Handelsseite ausgelöst, da eine Produktpräsenz im Handel quasi automatisch eine gewisse Nachfrage schafft, weil weitere Konsumenten mit dem Angebot konfrontiert werden und das Produkt ausprobieren. Das ganze Konzept steht und fällt allerdings mit der Qualität des Produktes. Durch eine Mund-zu-Mund-Propaganda kann zwar ein erstmaliger Konsum angestoßen werden; wenn das Produkt jedoch nicht überzeugt, verpufft die Wirkung und die erwünschten Schneeball-Effekte bleiben aus (vgl. vertiefend Kreutzer, 2007a). Beim Guerilla-Marketing (abgeleitet von „Guerilla“ i.S. von Kleinkrieg) handelt es sich im Kern ebenfalls „nur“ um eine spezifische Ausprägung der Kommunikationspolitik. Bei dieser wird versucht, aus ausgetretenen Bahnen der kostenintensiven Kommunikation auszubrechen und mit häufig kleinen, aber überraschenden und unkonventionellen Aktionen eine möglichst hohe Aufmerksamkeit zu erreichen (vgl. grundlegend Schulte/Pradel, 2006, S. 16-18, 31-33; Patalas, 2006; Levinson, 2006). Die Idee des Guerilla-Marketing soll anhand einer Kampagne von Leo Burnett für amnesty international verdeutlicht werden. Um auf die ungerechte Inhaftierung von Menschen in vielen Ländern der Welt aufmerksam zu machen, wurde mit der Aktion „Im Aufzug“ an der Goethe-Universität in Frankfurt/M. die Innenseiten von zwei Fahrstuhltüren durch Plakate in Gefängniswände verwandelt. Bei geschlossenen Fahrstuhltüren wurden die Studenten völlig unerwartet damit konfrontiert, was es heißt, zu Unrecht auf engstem Raum eingesperrt zu sein. Für die Aktion „Hände“ wurden echt wirkende Nachbildungen von Händen an Gullydeckeln in der Frankfurter Innenstadt angebracht. So sollte der Eindruck von um Hilfe suchenden Händen in einer Gefängniszelle vermittelt werden (vgl. Abb. 4.4/16; Leo Burnett, 2003).
Abb. 4.4/16:
246
Guerilla-Marketing für amnesty international Quelle: Leo Burnett, 2003
Kommunikationspolitik
Finanzdienstleister wie die Berliner Volksbank sind ebenfalls ins Guerilla-Marketing eingestiegen. Im Jahr 2006 fanden viele Haushalte den „handschriftlich“ verfassten Zettel der Abb. 4.4/17 in ihrem Briefkasten. Was zunächst wie eine nette Mitteilung von neuen Nachbarn aussah, entpuppte sich erst auf den zweiten Blick als Werbung für ein Finanzierungsangebot der Bank.
Abb. 4.4/17:
Handzettel der Berliner Volksbank
Der Erfolg von Red Bull als Energy Drink ist ebenfalls durch ausgefallene Werbeideen erzielt worden, wie bspw. die gezielte Förderung von Randsportarten, deren Zielgruppe deckungsgleich mit der von Red Bull war. So wurden Veranstaltung der Quadfahrer, Basejumper und von tollkühnen Piloten gefördert, die mit selbstgebastelten Fluggeräten ihr Glück versuchten. Das aufbereitete Filmmaterial wurde privaten TV-Sendern angeboten. Von den Veranstaltern erhielt Red Bull als Gegenleistung für diese Öffentlichkeitsarbeit für wenig Honorar die Rechte als Hauptsponsor – mit dem Ergebnis, dass auf den ausgestrahlten Filmen Red Bull häufig als einzige Marke auftauchte (vgl. Kuttelwascher, 2006, S. 33f.; zum Sportsponsoring vgl. 4.4.3.7). 247
4.4
4
Marketing-Instrumente
Bzgl. Werbung gilt: Werbung alleine macht nicht erfolgreich, und erfolgreiche Unternehmen müssen nicht zwangsläufig auf Werbung setzen. Bspw. ist Oettinger auf dem deutschen Biermarkt ohne Werbung zum Marktführer geworden und Zara hat seine profilierte Position im Textilmarkt ebenfalls ohne große Werbeaktionen erreicht (vgl. Petering, 2005; Merkle, 2004).
4.4.3.3
Public Relations
Im Mittelpunkt von Public Relations (PR, Öffentlichkeitsarbeit) steht der Aufbau positiver Beziehungen zwischen dem Unternehmen und der breiten Öffentlichkeit. Die Zielgruppe geht weit über die Ist- und Ziel-Kunden sowie die Interessenten hinaus und umfasst politische Entscheidungsträger, die allgemeine Öffentlichkeit, die Medien, Investoren, Aktionäre, Lieferanten, Wettbewerber und schließt auch die eigenen Mitarbeiter ein. Gemäß dem PR-Grundsatz „Tue Gutes und rede darüber“ strebt das Unternehmen im Rahmen von PR-Kampagnen danach, ein möglichst positives
Abb. 4.4/18:
248
PR-Gau für die Deutsche Bank
Kommunikationspolitik
Bild von sich in der Öffentlichkeit aufzubauen (vgl. Meffert, 2000, S. 724-729; Homburg/Krohmer, 2006, S. 828-831; Bruhn, 2004, S. 233-235; Fill, 2001, S. 425-432; Nieschlag et al., 2002, S. 994f.). Dies kann durch das Herausstellen von erfolgreichen Produktentwicklungen, vollzogene Patentanmeldungen, Mitarbeiterförderprogrammen und in der heutigen Zeit insb. durch die Einstellung neuer Mitarbeiter erfolgen. Zusätzlich wird etwa über Kultur-Sponsoring berichtet, um auf diese Weise die vom Unternehmen wahrgenommene Verantwortung über den eigenen Leistungsbereich hinaus deutlich zu machen. Generell gilt, dass ein Unternehmen durch eine offensive PR das eigene Image in der Öffentlichkeit nachhaltig beeinflussen kann. Unternehmen, die der Öffentlichkeit und insb. den Medien keine Informationen bereit stellen, sind häufig Gegenstand von Spekulationen. Bei der Vermittlung des Unternehmensimages kommt den Führungskräften eine besondere Bedeutung zu (vgl. Abb. 4.4/18). Zu den klassischen Instrumenten der Öffentlichkeitsarbeit, die organisatorisch häufig beim Vorstandsvorsitzenden oder bei der Geschäftsführung angesiedelt sind, zählen u.a.: Pressekonferenzen Pressekonferenzen haben das Ziel, den eingeladenen Pressevertretern ein bestimmtes Bild des Unternehmens zu vermitteln. Hierzu werden i.d.R. Pressemappen vorbereitet, die bereits fertige Pressetexte (oft in Lang- und Kurzform) sowie Bildmaterial enthalten, die z.T. unmittelbar in Publikationen einfließen. Gleichzeitig besteht die Möglichkeit, durch Fragen an die anwesenden Unternehmensvertreter Hintergrundinformationen zu erhalten. Standardmäßig finden Pressekonferenzen jährlich statt. Zusätzliche Veranstaltungen werden vor oder nach Unternehmensakquisitionen durchgeführt, um die Öffentlichkeit über die damit verbundenen Ziele und Strategien zu informieren. Hauptversammlungen Hauptversammlungen sind ebenfalls eine gute Möglichkeit der Selbstdarstellung, weil – zumindest bei den börsennotierten Aktiengesellschaften – wichtige Medienvertreter anwesend sind und dadurch zentrale Botschaften in die nationalen Nachrichtensendungen einfließen können. Presseinformationen Über diese o.g., in größerem zeitlichen Abstand stattfindenden Veranstaltungen hinaus, verfügen öffentlichkeitsorientierte Unternehmen über Presseverteiler, die zum regelmäßigen Versand von Presseinformationen genutzt werden. Die Herausforderung besteht darin, spannende Felder oder Entwicklungen zu thematisieren, um damit in den Medien präsent zu bleiben. Die bereitgestellten Informationen können durch Hintergrundgespräche mit ausgewählten Pressevertretern sowie durch Redaktionsbesuche abgerundet werden. PR-Anzeigen/Image-Spots etc. Zur Erreichung der gewünschten Wahrnehmung in der Öffentlichkeit können Unternehmen auf eine Vielzahl von Instrumenten zurückgreifen, die im Kontext der Werbung präsentiert wurden. So leisten klassische Anzeigen ebenso einen Beitrag zur Imagepflege wie Direct Mail-Kampagnen oder TV-Spots. Abb. 4.4/19 249
4.4
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Marketing-Instrumente
zeigt eine kooperative PR-Maßnahme der forschenden Pharmaunternehmen, um sich gegenüber den Generika-Unternehmen abzugrenzen. Gleichzeitig soll hierdurch eine Imagepflege in der Öffentlichkeit wie bei politischen Entscheidungsträgern erfolgen. Beiträge und Vorträge von Unternehmensvertretern Abhängig vom Tätigkeitsfeld des Unternehmens kann dieses sein Bild in der Öffentlichkeit, bei Wettbewerbern und insb. bei potenziellen und gegenwärtigen Kunden dadurch verbessern, dass über bestimmte Themenstellungen in Fach- und Publikumsmedien publiziert oder auf Veranstaltungen referiert wird. Tag der offenen Tür Ein Tag der offenen Tür bietet nicht nur den Angehörigen der eigenen Mitarbeiter, sondern auch den Medien und der weiteren interessierten Öffentlichkeit die Möglichkeit eines „Unternehmens zum Anfassen“. Durch die direkte Begegnung können bestimmte Vorurteile oder Befürchtungen u.U. abgebaut und eine größere Nähe hergestellt werden.
Abb. 4.4/19:
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PR-Anzeige der forschenden Pharma-Unternehmen
Kommunikationspolitik
Bei den flankierend einzusetzenden Maßnahmen, die einen Abdruck oder eine Ausstrahlung der gewünschten Informationen sicherstellen können, sind weniger kreative, als vielmehr ethische Grenzen zu berücksichtigen. Wie kreativ und „um Ecken“ dabei gedacht und gehandelt werden muss, zeigt Abb. 4.4/20. Für diese Aufgabenstellungen werden häufig spezialisierte PR-Agenturen eingebunden.
Abb. 4.4/20:
Finanz-PR von Alex Quelle: Taylor/Peattie, 2005, S. 98, 100
4.4.3.4 Verkaufsförderung Im Gegensatz zur Werbung ist die Verkaufsförderung (VKF, auch Sales Promotion) kurzfristig und viel stärker unmittelbar aktionsorientiert ausgerichtet. Die Laufzeit von VKF-Maßnahmen ist beschränkt und kann wenige Tage bis einige Monate umfassen. VKF beinhaltet häufig nicht nur kommunikative Aspekte, sondern schließt auch Instrumente aus anderen Feldern des Marketing-Mix ein (vgl. Homburg/Krohmer, 2003, S. 656f.; Meffert, 2000, S. 721-724; Haller, 2001, S. 322-331). Bei der Verkaufsförderung sind drei wichtige Arten zu unterscheiden (vgl. Abb. 4.4/21). Die Consumer Promotion (Verbraucherpromotion) spricht unmittelbar den Ziel-Kunden an, indem bspw. im Handel Zweitplatzierungen aufgebaut werden, dort Verkostungen stattfinden, Gewinnspiele veranstaltet und – etwa über Coupons – zeitlich befristete Preisvorteile eingeräumt werden. Bei der Dealer Promotion (Handelspromotion) wird der im Vertriebskanal eingebundene Handelspartner umworben, damit sich dieser verstärkt für den Verkauf der Leistungen des Herstellers einsetzt. Dazu können Verkäufertrainings, spezielle Verkaufswettbewerbe oder zeitlich befristete Zusatzrabatte gehören. Bei der Sales Force Promotion (Außendienstpro251
4.4
4
Marketing-Instrumente
motion) wird der Außendienst motiviert, bspw. ebenfalls durch Wettbewerbe oder zusätzliche Leistungsprämien, den Umsatz innerhalb eines spezifischen Zeitfensters nachhaltig zu steigern. Der Außendienst kann sich im Direktvertrieb direkt an den Endkunden wenden, wie dies bspw. bei Avon oder Vorwerk zu Konsumenten und bei Bosch bzgl. der Industriekunden der Fall ist. Oder der Außendienst wird motiviert, sich bspw. als Pharma-Außendienst nicht nur an die Ärzte, sondern auch an den Pharma-Großhandel oder die Apotheken als Einzelhandelsstufe zu wenden. Alle Arten der VKF zielen letztlich darauf ab, den Umsatz für das leistende Unternehmen kurzfristig zu steigern.
Abb. 4.4/21:
Arten der Verkaufsförderung Hersteller
ConsumerPromotion
Sampling Gewinnspiel Produktpräsentation am POS Verkostung Zweitplatzierung Coupons mit Preis-/ Produktvorteilen
DealerPromotion
Verkäuferschulung Händlerwettbewerb Zusatzrabatte
Sales ForcePromotion
Außendienstschulung Außendienstwettbewerb Zusätzliche Abschlussprämien
Außendienst
Handel
Ziel-Kunde (BtC, BtB)
4.4.3.5 Direktkommunikation Die Direktkommunikation stellt ein besonders wichtiges Instrument des Direktmarketing dar (vgl. weiterführend Mann, 2004; Dallmer, 2002a; Holland, 2004; Bruns, 2007; Wirtz, 2005b; Meffert, 2000, S. 743-746; Meffert, 2002; Homburg 2001, 2004). Bei Direktmarketing wird m.E. zurecht von Marketing gesprochen, weil bei der Ausgestaltung auf alle Instrumente des Marketing-Mix zugegriffen werden kann. So wird bspw. auch der Direktvertrieb und der Versandhandel dem Direktmarketing zugeschrieben. Wenn bestimmte Produkte (wie bspw. ausgewählte Musiksysteme von 252
Kommunikationspolitik
Bose) exklusiv über den Versandhandel vermarktet oder unterschiedliche Preisstrategien für den stationären Einzelhandel bzw. für den Versandhandel gewählt werden (bspw. Couponverteilung nur an Versandhandelskunden), sind alle Mix-Elemente angesprochen. Direktkommunikation umfasst im Kern alle Aktivitäten, die sich einer einstufigen (direkten) Kommunikation bedienen, um Zielgruppen gezielt zu erreichen (vgl. auch Dallmer, 2002b, S. 11). Die Ansprache kann dabei in verschiedenen Formen erfolgen: Individuelle Einzelansprache Die individuelle Einzelansprache erfolgt ausgerichtet auf jeden einzelnen Empfänger. Basierend auf der bisherigen Kundenhistorie (etwa bisher getätigte Käufe) oder auf weiteren Daten erfolgt eine ganz individuelle Ansprache, bspw. ein spezifisches Versicherungsangebote auf Basis des Geburtsdatums. Persönliche Einzelansprache Bei der persönlichen Einzelansprache wird eine größere Zielgruppe mit identischem Inhalt namentlich angesprochen („Sehr geehrte Frau Paschen,...“). Halbpersonalisierte Ansprache Eine lediglich halbpersonalisierte Ansprache liegt vor, wenn bspw. wie folgt adressiert wird: „An die Bewohner des Hauses Alter Heeresweg 36 in Königswinter“. Unpersonalisierte Ansprache Eine unpersonalisierten Ansprache erfolgt bspw. durch die Hausverteilung von Produktproben (Sampling) oder durch Postwurfsendungen. Dabei liegt allerdings immer noch eine direkte Ansprache vor, weil die Botschaft unmittelbar den Briefkasten der Zielperson erreicht. Zur Direktkommunikation gehören auch die Aktivitäten, die sich einer mehrstufigen Kommunikation bedienen, um einen direkten individuellen Kontakt herzustellen. Hierzu zählen spezifische Ausgestaltungen der bereits diskutierten Werbemittel. Ein TV-Spot wird zu einem Instrument der Direktkommunikation, wenn eine direkte Reaktionsmöglichkeit angeboten wird. Bei einem solchen DR-TV-Spot werden eine oder mehrere der folgenden Kontaktmöglichkeiten ausgelobt, um den Zuschauer zu einer unmittelbaren Reaktion i.S. einer Direct Response zu bewegen:
postalische Adresse E-Mail-Adresse Homepage oder eine andere spezifische Internet-Adresse Telefonnummer
Durch die Integration derartiger Reaktionsmöglichkeiten werden klassische Werbemedien zu Response-Medien und klassische Werbemittel zu ResponseWerbemitteln. Ein TV-Spot wird zum DR-TV-Spot, ein Radio-Spot zum DR-RadioSpot, eine Anzeige zur DR-Anzeige und ein Plakat zum DR-Plakat. Die Zielsetzung besteht darin, den Zuschauer, Zuhörer oder Leser aus seiner Anonymität herauszuführen und ihn direkt adressierbar zu machen. Dies ist häufig auch die dominante Zielsetzung von Gewinnspielen. Wenn eine Adresse vorliegt, kann eine direkte 253
4.4
4
Marketing-Instrumente
Interaktion bzw. ein Dialog mit der dahinter stehenden Person beginnen, weshalb bei der Direktkommunikation auch von Dialogkommunikation bzw. bei der werblichen Ausrichtung von Dialogwerbung gesprochen wird. Von Direktkommunikation und nicht von Direktwerbung zu sprechen ist so lange angemessen, wie deutlich wird, dass beim Einsatz der entsprechenden Kommunikationsinstrumente nicht zwangsläufig Werbeziele im Mittelpunkt stehen. So kann bspw. ein Interessensverband der pharmazeutischen Industrie wichtige Politiker per Mailing ansprechen, um diese zu einer bestimmten Intervention bei anstehenden Gesetzgebungsverfahren zu motivieren. Dabei stehen der PR zuzurechnende Ziele im Mittelpunkt. In einem anderen Fall können Coupons versandt werden, die als Verkaufsförderungsmaßnahme zur unmittelbaren Reaktion auffordern, wie dies bspw. bei Obi der Fall ist (Abb. 4.4/22). Neben dem generellen Rabatt „auf Ihren kompletten Einkauf am Sonntag, dem 18. Juni 2006 von 14 – 18 Uhr“ wird durch den Zusatzanreiz „9fache Punkte“ versucht, den Kunden zum Einkauf zwischen 16 und 18 Uhr zu bewegen. Dabei ist die gesamte Aktion auf einen spezifischen Obi-Markt ausgerichtet.
Abb. 4.4/22:
254
Obi-Coupon, der zur unmittelbaren Aktion auffordert
Kommunikationspolitik
Von Direktwerbung ist folglich nur dann zu sprechen, wenn direkt wirkende Kommunikationsinstrumente zur Erreichung werblicher Ziele eingesetzt werden. Da dies in der überwiegenden Zahl der Einsatzfelder der Fall ist, kann die sprachliche Unschärfe m.E. nachvollzogen werden. Bei der Differenzierung verschiedener Kommunikationsinstrumente hat sich eine nicht einheitliche Unterscheidung zwischen Above- und Below-the-Line-Kommunikation eingebürgert. Der Above-the-Line-Kommunikation werden i.d.R. die o.g. klassischen Formen (Anzeigen, TV-/Rundfunk-Spots) bzw. die klassischen Medien (Zeitungen, Zeitschriften, TV, Hörfunk, Kino) zugerechnet (vgl. Poth/Poth, 2003, S. 3; Roland Berger, 2003, S. 26; Gabler, 2005, S. 355f.). Auf die Below-the-Line-Kommunikation entfallen dagegen alle nicht-klassischen Formen, so bspw. Telefon-Marketing, Direct Mail, Internet-Marketing. Wenn diese Termini eingesetzt werden, ist m.E. zunächst einmal zu klären, welche imaginären Linie gemeint ist. Orientiert am Bild eines Schiffes wird deutlich, dass nur das der allgemeinen Öffentlichkeit sichtbar ist, was sich oberhalb der Wasserlinie befindet („Above-the-Line“). Alles andere („Below-the-Line“) bleibt den Personen vorbehalten, auf die die Maßnahmen unmittelbar ausgerichtet werden. Dies ist bei Direktmarketing, etwa beim Einsatz von Mailings und TelefonMarketing der Fall. Diese Abgrenzung nach der Sichtbarkeit der Aktivitäten trägt m.E. aber nicht wirklich. Eine klassische Anzeige („Above-the-Line“) in der Fachzeitschrift adhäsion - Kleben und Dichten ist für die breite Öffentlichkeit wesentlich weniger sichtbar als eine Mailing-Kampagne von UNICEF, die an zwei Mio. potenzielle Spender versendet wird („Below-the-Line“). Eine zusätzliche inhaltliche Definition der Begriffe würde diese Klassifizierung vollständig ad absurdum führen. So kann eine Imagewerbung entweder per Mail auf eine kleine Zielgruppe ausgerichtet sein, oder aber durch eine in den Massenmedien geschaltete PR-Kampagne oder eine große Sponsoringaktion umgesetzt werden. Eine Verkaufsförderungsaktion kann ebenfalls bundesweit und damit für alle sichtbar, aber auch in der Boutique Sabine quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Gleichgültig, welche weiteren Kommunikationsarten aufgezeigt werden, sei es Product Placement, Event-Marketing oder Online-Werbung, die Unschärfe der Definition bleibt erhalten, weil Product Placement in einem Kinofilm genauso für „alle“ sichtbar ist wie eine Anzeige in einer Tageszeitung. Wenn man zur OnlineWerbung auch den Auftritt eines Unternehmens durch dessen Homepage subsumiert, so ist der sogar allen Online-Surfern weltweit zugänglich. Damit bleibt festzuhalten, dass die Begriffe Above-the-Line- und Below-the-Line-Kommunikation zwar häufig genutzt werden, aber keine präzise Unterteilung leisten. Eines der wichtigsten Instrumente der Direktkommunikation und damit der Direktwerbung ist das Mailing, auch Direct Mail, Werbebrief oder in Abgrenzung zum E-Mail White Mail genannt (zur Gestaltung vgl. grundlegend Vögele, 2005; Holland, 2002b). Der Einsatz dieses Instruments kann zunächst an eigene Kunden erfolgen, soweit im Rahmen des Geschäftsprozesses deren Adressen erhoben wurden. Während dies bei den meisten Markenartikel-Herstellern nach wie vor nicht der Fall ist, wird die Adresserfassung seitens des Handels bzw. seitens ausgewählter Hersteller insb. im Rahmen von Kundenbindungssystemen systematisch vorangetrieben (vgl. 255
4.4
4
Marketing-Instrumente
4.4.5.2). Hierbei ist allerdings eine hohe Sorgfalt erforderlich, um fehlerhafte Ansprachen zu vermeiden, die das Beispiel von Domicil in Abb. 4.4/23 zeigt. Der Veranstaltungszeitpunkt lag dabei parallel zur Übertragung des WM-Spiels Deutschland-Argentinien...
Abb. 4.4/23:
Fehlerhafte Ausgestaltung einer One-to-One-Ansprache
Eine direkte Ansprache kann an Wunsch-Kunden erfolgen, deren Adressen für werbliche Zwecke angemietet werden (vgl. die Ausführungen zur akquisitionsorientierten Segmentierung in 3.2.2.3; zur Adressanmietung Holland, 2002a; Lehr, 2002; Hölscher, 2002). Vor dem Einsatz entsprechender Adressen ist der Abgleich gegen die vom Deutschen Direktmarketing Verband (DDV) geführten Robinsonliste zu empfehlen. In diese können sich Verbraucher eintragen lassen, die generell oder nur in bestimmten Themenkreisen keine Werbebriefe erhalten möchten. 2006 hatten sich nur ca. 550.000 Verbraucher gegen schriftliche Werbung ausgesprochen. Weitere Informationen sind unter www.ddv.de verfügbar. 256
Kommunikationspolitik
Telefon-Marketing, das präziser wiederum nur Telefon-Kommunikation heißen müsste, gehört zu den wichtigen Instrumenten der Direktkommunikation. Hierunter fällt nicht nur das Inbound-Telefon-Marketing (i.S. hereinkommend), bei dem eine Person mit dem Unternehmen Kontakt aufnimmt, sondern auch das Outbound-TelefonMarketing (i.S. hinausgehend), bei dem Unternehmensmitarbeiter oder entsprechende Dienstleister den direkten Kontakt zur Zielperson suchen. SMS- und MMSAnsprachen gehören ebenfalls zu diesem Instrument (vgl. vertiefend 4.4.3.6). Der Gesetzgeber hat den Einsatz von Instrumenten der Direktkommunikation sowohl zur Kundenbetreuung wie auch zur Kundenakquisition durch die Novellierung des UWG 2004 eingeschränkt und präzisiert. Dort wird in § 7 UWG zum Themenfeld unzumutbare Belästigungen ausgeführt: „(1) Unlauter im Sinne von § 3 handelt, wer einen Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt. (2) Eine unzumutbare Belästigung ist insbesondere anzunehmen 1. bei einer Werbung, obwohl erkennbar ist, dass der Empfänger diese Werbung nicht wünscht; 2. bei einer Werbung mit Telefonanrufen gegenüber Verbrauchern ohne deren Einwilligung oder gegenüber sonstigen Marktteilnehmern ohne deren zumindest mutmaßliche Einwilligung; 3. bei einer Werbung unter Verwendung von automatischen Anrufmaschinen, Faxgeräten oder elektronischer Post, ohne dass eine Einwilligung der Adressaten vorliegt; 4. bei einer Werbung mit elektronischen Nachrichten, bei der die Identität des Absenders, in dessen Auftrag die Nachricht übermittelt wird, verschleiert oder verheimlicht wird oder bei der keine gültige Adresse vorhanden ist, an die der Empfänger eine Aufforderung zur Einstellung solcher Nachrichten richten kann, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen. (3) Abweichend von Absatz 2 Nr. 3 ist eine unzumutbare Belästigung bei einer Werbung unter Verwendung elektronischer Post nicht anzunehmen, wenn 1. ein Unternehmen im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung von dem Kunden dessen elektronische Postadresse erhalten hat, 2. der Unternehmer die Adresse zur Direktwerbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen verwendet, 3. der Kunde der Verwendung nicht widersprochen hat und 4. der Kunde bei der Erhebung der Adresse und bei jeder Verwendung klar und deutlich darauf hingewiesen wird, dass er der Verwendung jederzeit widersprechen kann, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen.“ 257
4.4
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Marketing-Instrumente
Bei der Formulierung dieses Paragraphen lag die Idee des Permission-Marketing zugrunde (vgl. vertiefend Godin, 1999; Schwarz, 2000; Schwarz, 2002). Permission steht dabei für Erlaubnis und soll zum Ausdruck bringen, dass es von der Entscheidung des Empfängers abhängt, in welcher Weise dieser angesprochen werden darf. Nach § 7 (2) 1 UWG darf bspw. keine unpersonalisierte Werbung zugestellt werden, wenn am Briefkasten ein „Keine Werbung“-Aufkleber angebracht ist. Personalisierte Schreiben dürfen allerdings auch dann eingeworfen werden. Verboten ist nach § 7 (2) 2 UWG ein werblicher Telefonanruf an Verbraucher, wenn diese dem nicht explizit zugestimmt haben. Hier wird auch von einer Opt-in-Regelung gesprochen, weil der Verbraucher dafür optiert haben muss, dass er telefonisch angesprochen werden darf. Eine werbliche telefonische Kontaktaufnahme gegenüber anderen Marktteilnehmern (hier sind insb. Unternehmen gemeint) ist nach § 7 (2) 2 UWG bei einer mutmaßlichen Einwilligung zulässig. Dabei liegt die Überlegung zugrunde, dass Unternehmensvertreter eine geringere Schutzbedürftigkeit gegenüber Werbeanrufen aufweisen als Verbraucher. Die immer häufiger festzustellende werbliche Kontaktaufnahme durch Anrufmaschinen, Fax und E-Mail ist ohne Einwilligung des Adressaten ebenfalls verboten (§ 7 (2) 3 UWG). Der Alltag zeigt, dass sich eine große Zahl an Werbetreibenden über diese Regelung hinwegsetzt. Eine Erleichterung für E-Mail-Werbung bietet § 7 (3) UWG für Unternehmen, die im Zuge ihrer Geschäftstätigkeit mit den Kunden deren E-MailAdresse erhalten. Hiernach darf ein Unternehmen diese Adresse für eigene werbliche Zwecke einsetzen, solange der Kunde dem nicht widerspricht. Dabei handelt es sich um eine Opt-out-Regelung, weil der Kunde für den Ausstieg optieren muss, wenn er keine weiteren E-Mails erhalten möchte. Der Erfolg der Direktkommunikation geht mit dem Aufbau und der Pflege einer Kundendatenbank einher. Aufgrund der Bedeutung einer solchen Datenbank wird vom Database-Marketing gesprochen. Hierbei geht es im Kern um die Ermittlung, Aufbereitung, Zusammenführung, Speicherung, Auswertung und Aktualisierung von kunden- und interessentenbezogenen Adress- und Historiendaten (vgl. Ceyp, 2002; vertiefend Huldi/Kuhfuß, 2000; Link et al., 1997; Kreutzer, 2006; Blythe, 2006, S. 608-614). Die dabei zusammengeführten Informationen stellen die Grundlage für CRM sowie zur Durchführung von mikrogeographische Analysen dar (vgl. 3.2.2.3; Kothe, 2002). Der Erfolg der Direktkommunikation kann anhand mehrerer Kriterien bewertet werden. Der Vorteil gegenüber der klassischen Kommunikation besteht darin, dass sich Reaktionen i.d.R. unmittelbar auf bestimmte Anstöße und damit verbundene Kosten zurückführen lassen. Bei einer klassischen Werbekampagne lassen sich Erfolgskennzahlen, wie bspw. Werbeerinnerung, Image etc., häufig erst durch eine gezielte Marktforschung erheben. Im Mittelpunkt der Erfolgsanalyse der Direktkommunikation stehen u.a. die folgenden Kriterien: Response-Quote (Anzahl der Personen, die Informationen abgefordert haben in Relation zur Gesamtzahl der angesprochenen Personen einer Aktion) Bestell-Quote (Anzahl der Personen, die gekauft haben, in Relation zur Gesamtzahl der angesprochenen Personen einer Aktion) 258
Kommunikationspolitik
Cost-per-Interest (CPI; Teilung der Akquisitionskosten durch alle Interessenten einer Aktion) Cost-per-Order (CPO; Teilung der Akquisitionskosten durch alle Besteller einer Aktion) Einlösequote (Anzahl der Personen, die bspw. einen Coupon eingelöst haben, in Relation zur Gesamtzahl der ausgegebenen Coupons einer Aktion) Umsatz pro Coupon (Umsatz, den teilnehmende Personen bei einem CouponEinsatz durchschnittlich getätigt haben) Cost-per-Coupon (CPC; Teilung der Aktionskosten durch alle ausgegebenen Coupons einer Aktion) Cost-per-Redemption (CPR; Teilung der Aktionskosten durch alle eingelösten Coupons) Die meisten für die Ermittlung dieser Kennzahlen vorhandenen Daten sind nach Abschluss der Aktion vorhanden und müssen u.U. nur aus verschiedenen Systemen zusammengeführt werden. Sind, bspw. bei der Coupon-Einlösung, mehrere Parteien eingebunden (bspw. Hersteller und Handel), so wird die Auswertung etwas komplizierter (vgl. zu diesem Wirkungsverbund 4.2.4.1). Der verstärkte Einsatz der Direktkommunikation in den letzten Jahren lässt sich auf mehrere Faktoren zurückführen. Zum einen kann durch die persönliche Ansprache der Zielpersonen der Wahrnehmungsfilter häufig besser umgangen werden, insb. dann, wenn für die Kontaktaufnahme zusätzlich eine Permission vorliegt. Die Direktansprache ermöglicht eine Berücksichtigung von Historiendaten, um darauf basierend werbliche Botschaften abzuleiten, die beim Empfänger „ankommen“ (zu den Grenzen dieses Vorgehens vgl. Kreutzer, 2004d). Gleichzeitig kann bei mehreren Instrumenten der Direktkommunikation eine fokussierte Ansprache der Zielgruppe erfolgen, wodurch Kosten gesenkt, Streuverluste reduziert und die Erfolgsquote gesteigert werden können. Eine unmittelbare Reaktionsmöglichkeit bedeutet für den Angesprochenen u.U. auch ein Gewinn an Bequemlichkeit, bspw. beim Homeshopping. Außerdem kann teilweise eine Exklusivität des Kundenkontaktes erreicht werden, wenn werbliche Botschaften im (fast) konkurrenzfreien Raum den Empfänger erreichen. Dies ist bspw. beim Eingang des Katalogs eines Bekleidungsversenders oder eines Weinanbieters der Fall, während am POS jeweils eine Vielzahl von Alternativen um die Aufmerksamkeit des potenziellen Kunden ringen (vgl. allgemein auch Dallmer, 2002b; Meffert, 2002; Löffler/Scherfke, 1999; Pfeiffer/Imhoff, 2007).
4.4.3.6 Internet-Kommunikation Mit der rasanten Ausbreitung des Internets und der kontinuierlich steigenden Anzahl der Internet-Nutzer ist für Unternehmen ein wichtiges zusätzliches Aktionsfeld entstanden (vgl. Meffert, 2000, S. 753-780; vertiefend Fritz, 2001; zum Konsumentenverhalten im Internet Wiedmann et al., 2004; zum Online-Marketing Wiedmann/Stoll, 2001; Kreutzer, 2007e; Lammenott, 2006; zu spezifischen Kommunikationskonzepten Pradel, 1997; vgl. zu Web 2.0 in 4.4.6). M.E. kann immer dann sinnvoll von InternetMarketing gesprochen werden, wenn dieses über die Kommunikation hinausgeht und 259
4.4
4
Marketing-Instrumente
mehrere Marketing-Instrumente umfasst. Dies ist bspw. bei amazon der Fall, dessen gesamtes Geschäftsmodell internetbasiert ist. Nachfolgende Ausführungen konzentrieren sich auf die Internet-Kommunikation, d.h. auf die Einbindung des Internets in den kommunikativen Auftritt eines Unternehmens. Die Internet-Kommunikation bietet den Unternehmen eine Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten. Neben Text können Graphik, Sprache, Musik und Film eingesetzt werden. Außerdem können interaktive Elemente wie bspw. Spiele zum Verweilen auf der Seite einladen. Zusätzlich kann ein elektronischer Dialog zustande kommen, etwa bei Zusammenstellung und Kalkulation des Wunschfahrzeuges mit Hilfe eines Car Configurators im Automobilsektor. Bei der Internet-Kommunikation sind verschiedene Arten der Nutzereinbeziehung zu unterscheiden. Zum einen gibt es Informationsangebote, die einen aktiv suchenden Nutzer voraussetzen. Dies ist bspw. bei der Unternehmens-Homepage gegeben, die durch die Eingabe der entsprechenden Webadresse erscheint. Bei Werbebannern sowie bei Sponsorenlinks ist dagegen ein aktiv annehmender Nutzer gefordert, der informatorische Angebote annehmen muss. Hierbei kann von Pull-Kommunikation gesprochen werden, weil der Nutzer die Informationen „aus dem Internet herausziehen“ muss (vgl. Kuss, 2003, S. 244). Bei Informationen, die einem Nutzerkreis im Zuge einer Push-Kommunikation zugeleitet werden, ist dagegen ein aktiv lesender Nutzer gefordert, damit die Kommunikationsziele erreicht werden können. Eine ungelesen gelöschte Werbe-E-Mail oder ein E-Newsletter können jeweils nur einen Bruchteil der erwünschten Wirkung entfalten. Diese unterschiedlichen Mitwirkungsnotwendigkeiten der Internetnutzer sind beim Einsatz und bei der Gestaltung der verschiedenen Instrumente der Internet-Kommunikation zu berücksichtigen (vgl. vertiefend Fritz, 2004, S. 216-228; Siebel/House, 2000): Homepage/Corporate Site Die Homepage bezeichnet einmal die Startseite, die der Internet-Nutzer in seinem Webbrowser als zu ladende Seite definiert hat, wenn er eine Internetsession startet. Im Kontext des Unternehmensauftritts ist mit Homepage jedoch das Webdokument gemeint, welches beim Aufruf einer Webadresse (bspw. www.audi.de) erscheint, wenn kein spezifisches Webdokument aufgerufen wird. Die Homepage ist als Einstieg in die Webpräsenz eines Unternehmens (Corporate Site) zu verstehen. In Abhängigkeit vom Geschäftsmodell des Unternehmens können Geschäftsbeziehungen exklusiv oder primär über das Internet angebahnt werden (vgl. Earle/Keen, 2000). Die Dienstleistungen von ebay laufen exklusiv über das Internet. Beim Mobilfunk-Discounter simyo kann man nur im Internet Kunde werden, während die Kundenbetreuung bspw. auch über ein telefonisch anzusprechendes Customer Service Center erfolgt. Häufig nutzen Unternehmen mehrere Vertriebsund Kommunikationskanäle, um eine breite Zielgruppe zu erreichen. Bei amazon erfolgt die Geschäftsanbahnung primär über einen elektronischen Katalog, in dem die Produkte präsentiert werden. Andere Versender, wie bspw. der Otto Versand oder Tchibo nutzen dagegen auch papiergestützte Kataloge, um ihre Zielgruppen zu erreichen. Die elektronische Form des Handels wird als E-Commerce bezeichnet (vgl. Winkelmann, 2006, S. 362-367; weiterführend Daduna, 2003a). 260
Kommunikationspolitik
Sponsorenlinks Um bei Suchmaschinen wie Google, Yahoo oder Fireball auf der am stärksten wahrgenommenen ersten Seite der Suchergebnisse zu erscheinen, kann eine solche Position erkauft werden. Unter Transparenz- und Fairnessaspekten werden diese Suchergebnisse häufig in getrennten Kategorien aufgelistet. Bei Google werden diese Treffer als „Anzeigen“, bei Yahoo als „Sponsoren-Links“ und bei Fireball als „Sponsored Links“ und Anzeigen gekennzeichnet. Darüber hinaus kann versucht werden, durch die Ausgestaltung der eigenen Webpräsenz und die Einpflege wichtiger Suchbegriffe die Trefferqualität bei Suchmaschinen unabhängig von gesponserten Links zu erhöhen. Die Summe diese Aktivitäten wird als SuchmaschinenMarketing bezeichnet. Werbebutton/Werbebanner/Bannerwerbung Ein Werbebutton stellt eine kleine, i.d.R. interaktive Werbefläche dar, die auf fremden Website platziert wird und häufig nur den Namen eines Unternehmens oder eines Produktes enthält. Ein Klick auf diesen Button verbindet den Nutzer mit einer Site des werbenden Unternehmens. Bei der i.d.R. größeren Bannerwerbung wird eine werbliche Information in eine Site eingebunden. Diese Einbindung kann entweder durch die Einbettung des Banners in das Layout oder durch eine (zeitlich befristete) Überlagerung der Site durch den Banner erfolgen. Der Banner verweist als Hyperlink auf das werbende Unternehmen und wird durch das Anklicken des Banners durch den Nutzer aktiviert. Da Werbebanner – wie viele andere Ausprägungen der Werbung – um die Aufmerksamkeit des Betrachters kämpfen müssen, sind diese oft animiert, um den Nutzer zu aktivieren. Dagegen schützen sich Internet-Nutzer z.T. durch Werbefilter, die deren Einblendung unterdrücken. So bspw. bei Pop-up-Ads, d.h. bei Werbeeinblendungen, die sich über die gerade betrachtete Site legen. Aufgrund der damit verbundenen geringeren Wirkung der Werbebanner kommen heute zunehmend Pixel-Banner zum Einsatz (z.T. auch Werbeframes genannt), bei denen eine Grafikdatei in die als solche nutzbare Werbefläche einer Website eingebunden werden. Werbetreibende können diese Werbeblöcke erwerben und dort die gewünschten Informationen und ggf. einen weiterführenden Internetlink platzieren. Der große Vorteil für den Werbetreibenden ist, dass Pixel-Banner nicht durch Werbefilter tangiert werden. Der Einsatz solcher Werbeformen kann im Rahmen von Partnerprogrammen erfolgen, bei denen sich verschiedene Unternehmen gegenseitig Webbesucher zuleiten. Dieses Vorgehen wird auch Bannertausch genannt. Werbebanner können auch über entsprechende Dienstleister (Mediaagenturen) in zielgruppenaffinen Webauftritten erworben werden. Der Preis kann dabei von der Anzahl der Bannereinblendungen oder von der Click-Through-Rate, d.h. von der Anzahl der Besucher, abhängen, die tatsächlich den Banner angeklickt haben. Noch stärker erfolgsabhängige Varianten setzen auf die Conversion-Rate, d.h. die Anzahl der Personen, die bspw. einen Online-Kauf getätigt oder die Anmeldung auf einer spezifischen Internetseite (bspw. zum Abonnement eines Newsletters) vollzogen haben (vgl. zu diesen Erfolgskriterien Heinneccius/Kreutzer, 2007). 261
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Marketing-Instrumente
E-Mail-Kampagnen Unter E-Mail wird die Post bezeichnet, die auf elektronischem Wege über Computernetze von einem Internet-Nutzer zu einem oder mehreren anderen Nutzern übertragen wird. Während E-Mails aus der persönlichen und beruflichen Kommunikation nicht mehr wegzudenken sind, stoßen unverlangte und damit häufig auch unerwünschte Werbe-E-Mails (auch SPAM genannt) auf immer größeren Widerstand der Internet-Nutzer. Der häufig massenhafte Versand derartiger E-Mails (als Spamming oder Spammen bezeichnet) basiert vielfach auf illegal erworbenen E-Mail-Adressdateien oder ignoriert die von den E-Mail-Adressaten eingeräumten Permissions durch den Spammer genannt Versender (vgl. 4.4.3.5). Ein zielgruppenorientierter, wertschätzender Umgang mit Ist- oder WunschKunden sowie mit Interessenten setzt eine Berücksichtigung der erhaltenen Permissions voraus. E-Mail-Newsletter Diese Orientierung gilt auch für den Versand von E-Mail-Newslettern, die häufig zur Betreuung von Interessenten und Kunden eingesetzt werden. Seriöse Unternehmen weisen bei jeder Ansprache darauf hin, dass der Empfänger den Newsletter jederzeit wieder abbestellen kann. Die Herausforderung bei solchen Newslettern besteht in der Abwägung zwischen der erwünschten Kommunikationsdichte des Unternehmens einerseits und den Empfängerinteressen andererseits. Um eine Überfütterung der Empfänger mit uninteressanten Informationen zu vermeiden, ist eine Orientierung an der Goldenen Regel der Kommunikation zu empfehlen: „Schäme Dich nicht zu schweigen, wenn Du nichts zu sagen hast!“ Auf diese Weise kann ein Unternehmen das Interesse der Empfänger am Newsletter aufrecht und die Abmeldequote in Grenzen halten. Welche Relevanz derartige Newsletter für Kunden aufweisen können, zeigen die vielen Millionen Abonnenten von Konsumenten-Newslettern (etwa von Aldi oder Tchibo) sowie der große Nutzerkreis von Business-Newslettern, bspw. der Zeitschriften Direktmarketing Praxis, absatzwirtschaft und Werben&Verkaufen. Zur Identifikation des Internet-Nutzers kann sich dieser zum einen beim Besuch einer Website mit E-Mail-Adresse einloggen. Zum anderen haben die Website-Betreiber die Möglichkeit, zur Durchführung eines User Tracking jeweils Cookies zu setzen. Dies sind kleine Dateien, die vom Webserver zur Identifikation des Nutzers auf dessen lokaler Festplatte abgelegt werden. Bei jedem weiteren Abruf der Website können diese Dateien abgefragt und der Rechner damit eindeutig identifiziert werden (vgl. Fritz, 2004, S. 151). Hierdurch wird es möglich, eine Vielzahl von interaktionsbezogenen Daten über den Nutzer zu speichern. Eine Auswertung dieser Informationen ermöglicht es dem Anbieter, individuelle Angebote zu unterbreiten, wie es bspw. amazon mit „Ihre persönlichen Empfehlungen“ umsetzt. Da die entsprechenden Empfehlungen auf dem bisherigen Kauf- und Suchverhalten basiert, kann von einer unmittelbaren Ausrichtung auf die spezifischen Interessen der Nutzer und auf eine hohe Relevanz geschlossen werden. Hierbei handelt es sich um eine One-to-One-Betreuung. 262
Kommunikationspolitik
Eine Spezialausprägung der Internet-Kommunikation stellt das Viral Marketing (auch Virales Marketing oder Virus-Marketing) dar (vgl. weiterführend Langner, 2005). Beim Viral Marketing handelt es sich im Kern ebenfalls um eine spezifische Form der Kommunikation. Diese nutzt die Vernetzung zwischen Menschen durch das Internet aus, damit sich Informationen im Netz epidemisch und damit wie ein Virus ausbreiten können. Die virale Kommunikation ist die Umsetzung der Mund-zu-MundPropaganda im Internet. Ein besonders bekanntes Beispiel ist das von Johnnie Walker als Consumer Promotion gestartete Computerspiel Moorhuhn-Jagd, welches schon kurze Zeit nach der Möglichkeit zum kostenlosen Download im Internet ein globales Jagdfieber auslöste. Das besondere Kennzeichen derartiger Kampagnen ist, dass sich diese – i.d.R. ohne flankierenden Medieneinsatz – innerhalb der weltweiten Nutzergemeinde wie ein Lauffeuer ausbreiten und damit den bereits beim Buzz-Marketing beschriebenen Schneeball-Effekt ausnutzen.
4.4.3.7 Sponsoring Beim Sponsoring stellt das unterstützende Unternehmen (Sponsor) einem Empfänger (Gesponsorter) Geld-, Sach- und/oder Dienstleistungen zur Verfügung. Im Gegenzug verpflichtet sich der Empfänger, auf die Unterstützung des Sponsors durch verschiedene Kommunikationsmaßnahmen aufmerksam zu machen. Damit liegt beim Sponsoring das Prinzip der Gegenseitigkeit zugrunde (vgl. Homburg/Krohmer, 2003, S. 663-664; Bruhn, 2004, S. 236f.). Durch diese erwartete Gegenleistung wird die Abgrenzung zum Mäzenatentum deutlich, bei der ein Förderer (Mäzen) aus uneigennützigen Motiven handelt und keine Gegenleistung für sein Engagement fordert. Im Sponsoring erfahren die unter 4.4.2 aufgezeigten generellen Kommunikationsziele als Ziele des Sponsoring eine spezifische Ausprägung. In Abhängigkeit von der Art des Sponsorings besteht die Möglichkeit, spezifische Zielgruppen zu erreichen (bspw. bei Konzerten und Sportveranstaltungen), um dort die Bekanntheit zu steigern. Durch diese Art des Engagements wird gleichzeitig eine Beeinflussung des Unternehmensimages angestrebt, indem sich Unternehmen für Umwelt, Kultur, Sport etc. engagieren und damit ihre Verantwortlichkeit über die eigene Kernleistung hinaus dokumentieren (vgl. 4.4.5.1). Dabei wird häufig angestrebt, dass das positive Image des Gesponsorten auf den Sponsor abstrahlt, gleichgültig, ob dieses eine exzellente Gesangseinlage oder ein überzeugender Sieg im Sport ist. Last, but not least sollen derartige Fördermaßnahmen dazu beitragen, bei den Kernleistungen eine höhere Nachfrage zu erzielen. In Abhängigkeit vom Geförderten können verschiedene Arten des Sponsoring unterschieden werden: Kultursponsoring Der Sponsor unterstützt kulturelle Veranstaltungen (Museen, Theater, Konzerte, Ausstellungen, Fotographie, Film, Hörfunk), die häufig ohne entsprechende Förderung ein weit weniger ambitiöses Programm auflegen könnten. So ist die Deutsche Bank finanzieller Förderer für die Berliner Philharmonie und Lexus für die Wiener Staatsoper. Lexus wird aufgrund dieser Zusammenarbeit nicht nur umfassend in die Kommunikation der Wiener Staatsoper eingebunden, sondern 263
4.4
4
Marketing-Instrumente
erhält bspw. über den internationalen Versand der Jahresprogramme indirekten Zugang zu den Besucheradressen und kann hierdurch Interessenten für das eigene Leistungsangebot generieren. Sportsponsoring Hier werden Einzelsportler, Clubs/Teams (bspw. der Bundesliga oder der Tour de France) oder ganze Veranstaltungen unterstützt (von Streetball-Turnieren über Formel 1-Rennen bis zur Fußball-Weltmeisterschaft). Die Hauptsponsoren der Weltmeisterschaft 2006 – Coca-Cola, McDonald´s, Hyundai, Deutsche Telekom, adidas, Emirate Airlines, Gillette, Mastercard, Continental, Yahoo!, Toshiba, Philips, Fujifilm, Budweiser und Avaya – haben für ihr Engagement jeweils ca. € 30 Mio. investiert (vgl. Telgheder, 2006, S. 16). Zusätzlich waren u.a. mit Postbank, Deutsche Bahn und Obi weitere nationale Sponsoren eingebunden. Im Gegenzug für dieses Investment können diese im unmittelbaren Umfeld der Spiel-Übertragungen Werbespots senden. Gleichzeitig werden die Sponsoren-Logos medienwirksam in den Stadien zur Geltung gebracht und bspw. auf der Sponsoren-Tafel verzeichnet, die als Hintergrunddekoration bei wichtigen Interviews zu sehen ist. Außerdem erhalten die Sponsoren häufig auch Tickets für die Veranstaltungen, die im Rahmen des Event-Marketing für die Pflege der Beziehungen zu Kunden, Lieferanten, Kooperationspartnern und politischen Entscheidungsträgern genutzt werden können (vgl. 4.4.3.8). Ein besonders nachhaltiger Eindruck kann bei den Eingeladenen entstehen, wenn Leistungen geboten werden, die für Geld nicht zu haben sind. Dazu gehören bspw. ein Besuch in der Boxengasse bei der Formel 1 sowie Gespräche oder Fototermine mit Spitzensportlern. Ein Unternehmen, welches einem Kunden auf diese Weise einen Kindheitstraum erfüllt, wird lange positiv in Erinnerung bleiben. Eine besondere Form des Sportsponsoring stellt die (Mit-)Finanzierung des Baus oder Umbaus von Sportstadien mit dem Ziel dar, diesem den eigenen Unternehmensnamen zu geben. Dies ist bspw. bei der Allianz-Arena in München und der AOL-Arena (statt Volksparkstadion) in Hamburg der Fall. Umwelt- oder Ökosponsoring Bei dieser Form des Sponsoring engagieren sich Unternehmen für Umweltprojekte, indem finanzielle Mittel entsprechenden Organisationen zur Verfügung gestellt oder eigenständige Initiativen gestartet werden. So hat Krombacher die Spendenoffensive 2006 gestartet und ausgelobt, dass für jede verkaufte Flasche Krombacher 1 Cent gespendet wird. Dieses Geld soll, abhängig von den Präferenzen der Kunden, entweder dem WWF, der Deutschen Knochenmarkspenderdatei oder dem Deutschen Kinderhilfswerk zur Verfügung gestellt werden. Rudi Völler und Günter Jauch waren dabei als Promotoren eingebunden (vgl. www.krombacher.de, 2006; Abb. 4.4/24). Sozialsponsoring Beim Sozialsponsoring widmen sich Unternehmen sozialen Aufgaben und Problemen und versuchen, diese durch eigenes Engagement oder durch finanzielle Zuwendungen zu überwinden. Das o.g. Beispiel von Krombacher gehört z.T. auch in diese Kategorie. Die von Bill Gates gegründete Bill & Melinda Gates 264
Kommunikationspolitik
Foundation, die Gesundheitsprojekte in Entwicklungsländern fördert, gehört m.E. nicht zu dieser Kategorie, weil derartige Aktivitäten im Kern nicht auf Gegenleistung ausgerichtet sind und damit eine Form des Mäzenatentums darstellen.
Abb. 4.4/24:
Umweltsponsoring von Krombacher
Forschungs-/Wissenschaftssponsoring Hier stellen Unternehmen finanzielle Zuwendungen oder Stipendien für wissenschaftliche Institutionen bereit, um Forschungsprojekte zu unterstützen. Ein Beispiel ist das Institut zur Zukunft der Arbeit, welches sich als unabhängiges, privates Wirtschaftsforschungsinstitut auf die ökonomische Analyse der nationalen und internationalen Arbeitsmärkte konzentriert und dabei von der Deutschen Post World Net finanziell gefördert wird (vgl. www.iza.org). Eine besondere Herausforderung besteht darin, die Wirkungen von Sponsoringaktivitäten auf die o.g. Ziele zu erfassen. Aufgrund der häufig eher indirekten, längerfristig wirkenden Mechanismen ist eine umfassende Erfolgsanalyse oft nur schwer zu leisten. 265
4.4
4
Marketing-Instrumente
4.4.3.8 Messen/Ausstellungen/Events Messen und Ausstellungen sind zeitlich befristete Veranstaltungen, die häufig regelmäßig an bestimmten Orten stattfinden und eine Vielzahl von Anbietern und Nachfragern zusammenführen und folglich Marktcharakter aufweisen (vgl. Meffert, 2000, S. 741-743; Nieschlag et al., 2002, S. 1002; Homburg/Krohmer, 2006, S. 831-837). Für Nachfrager bieten derartige Veranstaltung häufig die beste Möglichkeit, sich innerhalb eines kurzen Zeitraums einen umfassenden Marktüberblick zu verschaffen. Anbieter und ggf. Aussteller selbst können eine umfassende Wettbewerberbeobachtung vornehmen, weil ausstellende Unternehmen auf solchen Veranstaltungen i.d.R. versuchen, neue Entwicklungen und Innovationen bekannt zu machen. Bei Messen und Ausstellungen kann hinsichtlich der angesprochenen Zielgruppe zwischen Publikums- und Fachmessen unterschieden werden. Die Ausrichtung ist dabei fließend, wie die Beispiele Frankfurter Buchmesse und Internationale Automobilausstellung (IAA) zeigen. Bei beiden Veranstaltungen wird zwischen Fachbesucherund Publikumstagen unterschieden. Dem persönlichen Verkauf i.S. der Beratung von Interessenten und Kunden kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu (vgl. hierzu auch 4.3). Davon abzugrenzen sind Hausmessen, bei denen i.d.R. ein Unternehmen Kunden und ggf. Kooperationspartner sowie häufig auch Medienvertreter einlädt, um eine Leistungsshow in eigener Sache durchzuführen. Mit solchen spezifischen, von einzelnen Unternehmen durchgeführten Veranstaltungen ist der Übergang zu Events (i.S. Ereignis) vollzogen. Dabei wird häufig von Event-Marketing gesprochen, obwohl es sich im Kern wiederum primär um eine spezifische Kommunikationsveranstaltung handelt. Das dominante Ziel derartiger Veranstaltungen besteht nicht im Verkauf von Leistungen, sondern im Aufbau einer persönlichen Beziehung zu den Event-Teilnehmern, die häufig Entscheidungsträger und Kooperationspartner sind. Das gemeinsame Erlebnis, sei es ein Segeltörn, ein Formel 1-Rennen, ein hochkarätiges Fußballspiel oder der gemeinsame Besuch eines Rolling Stones-Konzert, zahlt langfristig auf die Beziehungen ein und erleichtert auch spätere Akquisitionen (vgl. vertiefend Nieschlag et al., 2002, S. 1128-1132; Meffert, 2000, S. 737-741; Boltz, 1999, S. 158f.). Die „Verlängerung“ eines solchen Event-Marketing mit dem eigenen Produktprogramm bzw. die Umsetzung von Produktkonzepten in Event-Maßnahmen hat Volkswagen über Jahre erfolgreich betrieben. Mit dem globalen Sponsoring von Tourneen der Bands Genesis, Pink Floyd, Rolling Stones und Bon Jovi wurden nicht nur Special Editions insb. des Golfs auf den Markt gebracht, sondern auch weltweit eine Verbindung zwischen den (damals und z.T. heute noch angesagten) Gruppen und der Marke Volkswagen aufgebaut. Wer mit einem VIP(Very Important Person)-Ticket auf Einladung von Volkswagen an einem lauschigen Sommerabend die Rolling Stones im Münchner Olympiastadion erleben durfte, wird das Event sicherlich nie, aber auch den Einladenden nicht so leicht vergessen... Teilweise liegen dem Event-Marketing weitere Ziele zugrunde. Die Zigarettenindustrie hat bspw. früh begonnen, sich auf das abzeichnende Verbot von klassischer Werbung durch die Entwicklung spezieller Events einzustellen. Seitens Marlboro wird Summer 266
Kommunikationspolitik
Jobbing in den USA angeboten, für die Gauloise-Raucher wird eine Party im Hamburger Hafen veranstaltet und Dunhill-Kunden werden in ein „stylisches Umfeld“ eingeladen. Über diese Events wird anschließend in weiteren Medien berichtet (vgl. Paoli/Hülsen, 2006, S. 25). Wenn es schwierig ist, die eigene Zielgruppe zu lokalisieren und über etablierte Medien anzusprechen, kann ein Event ebenfalls eine ideale Möglichkeit der gezielten Kundenansprache sein. So laden bspw. Bentley und Anbieter von Jachten und Hubschraubern zusammen ihre jeweils besten Kunden ein, um diesen gemeinsam ihre Angebote im gehobenen Ambiente zu präsentieren. Über klassische Werbung wäre eine solche Zielgruppe dagegen nur mit sehr hohen Streuverlusten zu erreichen (vgl. Zipfel, 2006).
4.4.3.9 Lobbyismus Unter Lobbyismus ist eine spezifische Form der Interessensvertretung insb. gegenüber Personen im politischen Bereich (Regierungsmitglieder, Abgeordnete, Beamte) zu verstehen. Diese werden durch eine direkte Kontaktaufnahme oder indirekt über Medien und die dadurch geprägte öffentliche Meinung hinsichtlich ihrer Entscheidungsfindung beeinflusst. Gegenstand des Lobbyismus kann bspw. die Einflussnahme auf laufende Gesetzgebungsverfahren sein, bspw. auf das Verbot der Zigarettenwerbung, Deklarationsvorschriften für chemische Stoffe, eine Auszeichnungspflicht für genveränderte Produkte, die Novellierung des UWG, das Verbraucherinformationsgesetz oder die Gesundheitsreform aus Sicht der Ärzte, Apotheker, Patienten, Pharmaunternehmen, Krankenkassen, Krankenhäuser. Jede dieser Gruppen hat wiederum eigene Interessensvertretungen, die auf Abgeordnete und in die Prozesse eingebundene Spezialisten zugehen. Zu diesen Interessensvertretungen gehören u.a. der ADAC, die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), die Centrale Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft (CMA), der Deutsche Bauernverband, der Deutsche Gewerkschaftsbund, der Hartmann-Bund, der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft. Die Lobbyarbeit, die häufig im Hintergrund abläuft und m.E. deshalb nicht zur Öffentlichkeitsarbeit gerechnet werden sollte (vgl. anders Kotler/Bliemel, 2001, S. 1002), wird z.T. schlecht angesehen. Sie stellt m.E. einen zentraler Bestandteil der aktiven Mitwirkung verschiedener Gruppen bei der politischen Arbeit dar. M.E. kann eine sichtbare Parteilichkeit dann akzeptiert werden, wenn verschiedene Interessensgruppen gleichermaßen Einfluss nehmen und mit „fairen Mitteln“ für ihre individuellen Interessen eintreten.
4.4.3.10 Integrierte Kommunikation Die Herausforderung für kommunizierende Unternehmen besteht darin, die verschiedenen Maßnahmen zu integrieren und dadurch einen konsistenten Gesamteindruck in der Zielgruppe zu hinterlassen. Die Notwendigkeit resultiert aus der Tatsache, dass die Mediennutzung durch die Zielpersonen immer auch eine Intermedia-Nutzung ist. 267
4.4
4
Marketing-Instrumente
Die durchschnittliche Mediennutzung summiert sich pro Tag und Person über alle Medien auf über fünf Stunden (vgl. Abb. 4.4/25). Durch Cross-Media-Kampagnen ist folglich das Ansprechen von Ratio und Emotio zur Auslösung der gewünschten Aktionen in einer konzertierten Aktion vorzunehmen. Hierzu gilt es, die Auswahl der Werbeträger und -mittel hinsichtlich Funktion, Zeitpunkt und Werbedruck zu optimieren, um eine möglichst hohe Kampagnenqualität zu erreichen.
Abb. 4.4/25:
Zeitbudget für Mediennutzung und parallel laufende Aktivitäten Quelle: MIT, 2003
Tätigkeit
Nutzung in Minuten
Nutzung von Medien TV Radio Zeitungen Zeitschriften Internet Medien ges.
03:14 01:09 00:14 00:08 00:20 05:05
sonstige Medien:
00:29
Erledigungen Hausarbeit Beruf/Ausbildung Kommunikation Ausgehen Sport Hobbies Unterwegs sein Körperpflege Essen
00:55 01:45 02:34 01:57 00:34 00:14 00:42 01:43 00:47 01:14
Eine Studie von Icon Brand Navigation (2003) zur integrierten Kommunikation von klassischer Werbung und Direktwerbung hat allerdings aufgezeigt, dass eine Integration unterschiedlicher Mediengattungen im Unternehmensalltag häufig an Grenzen stößt. Diese Situation gilt es zu überwinden, weil ein aufeinander abgestimmtes werbliches Auftreten ein großes Synergiepotenzial besitzt. Im Einzelnen wurden folgende Erkenntnisse ermittelt (vgl. Icon Brand Navigation, 2003, S. 24f.): 268
Kommunikationspolitik
Ein in Konzeption und Umsetzung integrierter Einsatz der klassischen (hier TVSpots und Anzeigen) und der direkten Werbeinstrumente (Sampling mit Probepackung sowie Mailings) erhöht bei gleichem Budgetansatz den erreichbaren Kommunikationserfolg. Während die Direktwerbung kurzfristig wirkt, kann über klassische Werbung eine höhere Einprägsamkeit erreicht werden, d.h. letztere wirkt nachhaltiger. Im Vergleich zu der in dieser Studie eingesetzten Direktwerbung kann über die klassische Ansprache eine höhere Emotionalisierung der angebotenen Leistungen erreicht werden. Markensympathie und -loyalität können durch beide Anspracheformen nahezu vergleichbar gefördert werden. Die Ziele „Weiterempfehlung“ und „konkrete Produktnachfrage“ können durch einen integrierten Einsatz der Instrumente in höherem Maße erreicht werden, als wenn das vorhandene Budget nur für Direkt- oder klassische Werbung eingesetzt wird. Damit diese synergetischen Wirkungen der integrierten Kommunikation tatsächlich erreicht werden, sind mehrere Guidelines zu berücksichtigen (vgl. Icon Brand Navigation, 2003, S. 25): Die zeitliche und inhaltliche Synchronisation der Maßnahmen muss bereits bei Konzeption und Kreation des werblichen Auftritts berücksichtigt werden. Die Integration ist keine „innerbetriebliche Angelegenheit“: Entscheidend ist, dass die Werbeaktivitäten seitens der Zielpersonen als zusammenpassend und zusammengehörend wahrgenommen werden.
Abb. 4.4/26:
Multi-Channel-Effekt von TV und Online Quelle: Pilot, 2005, S. 20 30
40
50
60
70
80
90
Ist sympathisch Ist ein junge / moderne Marke Unterscheidet sich von anderen Marken
Markenkenner
Ist von guter Qualität
Werbekenner Internet
Schmeckt besonders gut
Werbekenner TV
Ist passend für jedermann
Werbekenner Internet + TV
Könnte man jeden Tag essen 5-stufige Skala / Top 2 Boxes / in %
Basis: Testgruppe (mit Kontakt-Chance) = 5109
269
4.4
4
Marketing-Instrumente
Eine Integration der Kommunikation setzt darauf hinwirkende innerbetriebliche Organisationsstrukturen und/oder Abstimmungsprozesse voraus. Eine Studie von Pilot (2005) untersuchte die Wirkung von Online-Werbung auf den Absatz der Pralinenmischung Celebrations von Masterfood. Bei dieser Analyse zeigten sich ebenfalls synergetische Effekte eines koordinierten Multi-Channel-Einsatzes, da die Imagewerte bei den „Werbekennern Internet und TV“ am positivsten ausgeprägt waren (vgl. Abb. 4.4/26).
4.4.4 Budgetierung der Kommunikation Durch den Budgetierungsprozess wird festgelegt, welche Mittel für kommunikationspolitische Aufgaben bereit gestellt werden. Aufgrund der spezifischen Bedeutung der Werbung als Kernbereich der Kommunikationspolitik erfolgt die Darstellung der Budgetierung anhand dieses Kommunikationsinstruments. In der Wissenschaft gab und gibt es eine Vielzahl von Versuchen, die Werbebudgetierung durch den Einsatz komplexer Werbewirkungsmodelle zu fundieren und damit der Praxis tragfähige Konzepte und Modelle an die Hand zu geben (vgl. Meffert, 2000, S. 784-799, 836f.; Ellinghaus, 2000; Homburg/Krohmer, 2006, S. 774-785). In Summe muss konstatiert werden, dass diese Versuche nicht die gewünschten Ergebnisse und insb. keine komfortable Übertragbarkeit in die Unternehmenspraxis erbracht haben. Vor diesem Hintergrund wird auf deren theoretische Darstellung verzichtet und aufgezeigt, welche Vorgehensweisen in der Praxis vorherrschen. Hierbei handelt es sich um Methoden, bei denen das Werbebudget entweder aus spezifischen Bezugsgrößen oder aus den zu erreichenden Werbezielen abgeleitet wird (vgl. Freter, 2004, S. 138f.). Bei der Ableitung des Werbebudgets aus anderen Bezugsgrößen wird häufig der geplante oder der in der Vergangenheit realisierte Umsatz zugrunde gelegt. Konkret kann dies bedeuten, dass ein Unternehmen entscheidet, 15 % des Umsatzes eines Jahres in Werbung zu investieren. Dieses Konzept heißt Percentage-of-Sales-Method. Analog kann auch der erwartete oder in der Vergangenheit erwirtschaftete Gewinn die Bemessungsgrundlage darstellen. Die Ableitung könnte dabei lauten, dass 6,5 % des Vorjahresgewinns in Werbung investiert wird. Bei dieser Vorgehensweise wird ein prozyklisches Werbeverhalten verursacht. Erzielt ein Unternehmen hohe Umsätze oder Gewinne, dann steigen die Werbeinvestitionen; im anderen Fall sinken sie und verstärken u.U. eine Abwärtsbewegung. Bei der Competitive-Parity-Method stellt das Werbebudget von Wettbewerbern die Bezugsgröße dar (vgl. Haller, 2001, S. 264). Ein Unternehmen kann definieren, welchen Share of Advertising es auf einem definierten Markt erreichen möchte (vgl. Kuss, 2003, S. 251). In Abhängigkeit der erreichten bzw. der anvisierten Position kann das Budget in Relation zum Wettbewerber höher, niedriger oder gleich hoch angesetzt werden. Dabei ist zu beachten, dass lediglich der Input (in Höhe des eingesetzten Budgets) berücksichtigt wird, nicht jedoch die Effizienz und Effektivität, mit der ein Budgeteinsatz erfolgt. 270
Kommunikationspolitik
Diese Vorgehensweisen sind pragmatisch und relativ einfach umzusetzen. Sie lassen allerdings die Ziele, die mit der Werbung erreicht werden sollen, unberücksichtigt. Diesen Nachteil versuchen die zielorientierten Methoden zu überwinden. Bei diesen erfolgt die Ableitung des Werbebudget aus definierten Werbezielen. Es wird versucht, aus den Werbezielen (bspw. der Steigerung des ungestützten Bekanntheitsgrades von 45 auf 49 %) auf das dafür notwendige Budget zu schließen. Ein solches Vorgehen setzt jedoch voraus, dass tragfähige Hypothesen über die Wirkungen des Werbeeinsatzes vorliegen, was i.d.R. nicht der Fall ist. Selbst wenn solche vorliegen, basieren sie i.d.R. auf Erfahrungen der Vergangenheit und können nicht zwangsläufig als für die Zukunft gültig definiert werden. Die eingeschränkte Übertragbarkeit kann auf den Markteintritt neuer Wettbewerber, die Erhöhung der Mediakosten, ein verändertes Werbenutzungsverhalten oder andere Präferenzen der Zielgruppe zurückzuführen sein. Deshalb hat nach wie vor die Überzeugungskraft und die Schlüssigkeit der Argumentation des um das Werbebudget „kämpfenden“ Marketing-Managers ein besonders hohes Gewicht bei der Verteilung von Budgets. Zusätzlich baut der erfahrene Manager genug „Puffer“ in seine Planung ein, um trotz (absehbarer) Kürzungsrunden die geforderten Kommunikationsergebnisse erzielen zu könen.
4.4.5 Systeme der Kommunikationspolitik 4.4.5.1 Corporate Identity Ein spezifisches – häufig der Kommunikationspolitik zuzurechnendes – System stellt die Entwicklung und Schaffung einer Corporate Identity (CI) dar (vgl. grundlegend Birkigt/Stadler, 2002; Meffert, 2000, S. 705-709; Raffée/Wiedmann, 1993). Darunter ist ein ganzheitlicher, in sich geschlossener Auftritt eines Unternehmens zu verstehen. Dieser umfasst zum einen die Selbstdarstellung des Unternehmens und steuert zum anderen die Gesamtheit der Verhaltensweisen des Unternehmens sowie seiner Vertreter. Der Zielkorridor ist in beiden Fällen nach innen und außen gerichtet. Grundlage und Kern einer CI ist i.d.R. eine Unternehmensphilosophie, die sich häufig in einem Mission Statement und einer Unternehmensvision konkretisiert. In Summe soll ein in sich schlüssiger Aufritt des Unternehmens erreicht werden, indem Bilder, Worte und Taten ein in sich geschlossenes Erscheinungsbild des Unternehmens und damit die Voraussetzung für das Entstehen einer spezifischen Unternehmenspersönlichkeit schaffen. Eine CI i.S. dieses geschlossenen Gesamtauftritts ist folglich das Ergebnis der in Abb. 4.4/27 aufgezeigten Handlungsfelder. CI ist der Kommunikationspolitik zugeordnet, weil alle Unternehmensaktivitäten unter dem kommunikativen Aspekt bewertet und ausgestaltet werden, um einen ganzheitlichen, integrierten Auftritt zu erreichen. Dabei liegt ein umfassender Kommunikationsbegriff zugrunde, der bspw. auch die Unternehmensrepräsentanten als Kommunikatoren begreift und alle vom Unternehmen nach innen und außen wirkenden Kommuni271
4.4
4
Marketing-Instrumente
kationsarten umfasst. CI selbst ist folglich kein Kommunikationsinstrument, sondern das angestrebte Ergebnis eines umfassenden, in sich geschlossenen kommunikativen Ansatzes.
Abb. 4.4/27:
Bereiche der Corporate Identity
Corporate Behavior
Unternehmensphilosophie
Corporate Communications
Corporate Design
Die Unternehmensphilosophie beinhaltet die Werte des Unternehmens und davon abgeleitet die gewünschten Verhaltensmuster aller Unternehmensrepräsentanten. Diese gilt es, über die unterschiedlichen Gestaltungsfelder nach innen und außen zu transportieren, um in Summe eine CI aufzubauen. Das Bekenntnis zu spezifischen Werten haben viele Unternehmen in einer Corporate Social Responsibilty (CSR) verankert, d.h. in der Bejahung einer unternehmerischen Verantwortlichkeit, die über unmittelbare Kunden-, Mitarbeiter- und Lieferantenbeziehungen hinaus geht und auch den Leistungsbeitrag eines Unternehmen für das Gemeinwohl beinhaltet. Durch unterschiedliche Instrumente und Regelungen wird versucht, ein Corporate Behavior (CB) zu sichern. Dieses setzt ein in sich möglichst widerspruchsfreies Verhalten aller Unternehmensmitglieder im Innen- und Außenverhältnis voraus. Grundlage hierfür sind Verhaltensrichtlinien, die sich in Codes of Conduct (CoC) für Mitarbeiter und Führungskräfte niederschlagen können. Siemens (2006) hat für sich definiert: „Zu unserem Selbstverständnis als globales Unternehmen gehört, dass Geschäftserfolg, die Beachtung von Recht und Gesetz, die Verantwortung für unsere Mitarbeiter und ein verantwortungsvoller Umgang mit der Umwelt eng zusammen272
Kommunikationspolitik
hängen.“ Um eine Berücksichtigung dieser Leitidee im täglichen Handeln zu fördern, wurden verschiedene Richtlinien erarbeitet (Siemens, 2006):
Business Conduct Guidelines für Integrität im geschäftlichen Umgang Ethikkodex für Finanzangelegenheiten Richtlinien für „Diversity“ Umweltleitbild: zur Bewahrung der Umwelt Leitlinien für Gesundheits- und Arbeitsschutz: zum Wohl der Mitarbeiter
Die Selbstverpflichtung von Unternehmen kann über den unmittelbaren Verantwortungsbereich hinausgehen und sich bspw. auf Zulieferunternehmen erstrecken. So verpflichtet bspw. der Schuh-Händler Deichmann seine Produzenten dazu, sich an CoC auszurichten, die u.a. Kinderarbeit verbieten, Diskriminierung ausschließen und die Höchstgrenze für die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit bei 48 Stunden setzen (Deichmann, 2006). In den CoC von Tchibo ist ebenfalls geregelt, dass sich die in Inund Ausland tätigen Produzenten von Non-Food-Artikeln verpflichten müssen, u.a. auf Kinderarbeit, Diskriminierung und menschenunwürdige Arbeitsbedingungen zu verzichten (Tchibo, 2006). Um eine Berücksichtigung der definierten Richtlinien im Unternehmensalltag sicherzustellen, bedarf es nicht nur eines CoC-Controlling zur Überwachung der Einhaltung, sondern auch eines Sanktionsmechanismus, wenn diese nicht erfolgt. Erst das Vorhandensein beider Elemente signalisiert allen Mitarbeitern, dass ein entsprechendes Engagement keine reine „PR-Veranstaltung“ darstellt. Zur Erreichung von Corporate Communications (CC), d.h. einer in sich stimmigen Kommunikation, sind alle entsprechenden Maßnahmen, die ein Unternehmen einsetzt, aufeinander abzustimmen und miteinander zu verzahnen. Konkret bedeutet das bspw., dass sich ein Unternehmen auf einer Messe in der gleichen Art präsentieren sollte wie in der Werbung, und dass der Auftritt am POS eine ähnliche Anmutung aufweist wie im Internet. Die Notwendigkeit einer so verstandenen integrierten Kommunikation ist darauf zurückzuführen, dass bei den Zielpersonen diese verschiedenen Ansprachen zusammen kommen und im Idealfall als einheitliches Ganzes wahrgenommen werden. Der dritte CI-Bereich stellt das Corporate Design (CD) dar, welches primär den Einsatz von Gestaltungselementen regelt, bspw. von Schrifttypen und -größen, Farben, Logo. Auf diese Weise soll ein einheitliches visuelles Erscheinungsbild des gesamten Unternehmens erreicht werden. Häufig liegt die Gesamtheit der entsprechenden Vorgaben in CD-Manuals vor, die zum einen die Gestaltung von Geschäftsbriefen, Visitenkarten, Lieferfahrzeugen und zum anderen von allen Arten des werblichen Auftritts umfassen, sein es Anzeigen, Werbeprospekte, PowerPoint-Präsentationen, TV-Spots oder Messeauftritte. Bei letzteren findet teilweise auch ein Corporate Clothing i.S. einer Uniformierung des Betreuungspersonal statt, um ein einheitliches Erscheinungsbild sicherzustellen. Umgangssprachlich wird häufig – fälschlicherweise – von CI gesprochen, wenn lediglich das CD gemeint ist. Durch einen integrierten Gesamtauftritt des Unternehmen sollen im Innenverhältnis ein Wir-Bewusstsein und damit eine Corporate Culture aufgebaut und eine hohe 273
4.4
4
Marketing-Instrumente
Motivation und Arbeitszufriedenheit gesichert werden (zur Unternehmenskultur vgl. Poech, 2003). Dies kann im Innenverhältnis zu höherer Effizienz und kostenschonendem Ressourceneinsatz anregen (vgl. 4.5). Im Außenverhältnis sollen für das gesamte Unternehmen wie für alle Leistungsbereiche und -träger Glaubwürdigkeit, Vertrauen, Akzeptanz und sogar ggf. Zuneigung und Nähe aufgebaut werden. Gleichzeitig kann eine CI einen Beitrag dazu leisten, dass die Marketing-Strategien und -Instrumente bessere Wirkungen entfalten (vgl. Meffert, 2000, S. 708). Der Schaffung und die Sicherung einer CI stellt mit seinen unterschiedlichen Gestaltungsfeldern eine dauerhafte Aufgabe dar, die nie abgeschlossen sein wird, weil sich Unternehmen und Umwelt gleichermaßen verändern und Veränderungsprozesse im Hinblick auf die angestrebte CI nachvollzogen werden sollten.
4.4.5.2 Kundenbindungssysteme „Changes in the market environment can quickly alter prices and technologies, but close relationships can last a lifetime.” (Regis McKenna, Marketing-Guru des Silicon Valley) Das Ziel von Kundenbindungssystemen stellt die Verlängerung der Geschäftsbeziehung zu Konsumenten oder Unternehmen dar. Die diesbezüglichen Aktivitäten werden unter dem Begriff Customer Relationship Management (CRM) diskutiert. Unter CRM ist eine kundenorientierte Unternehmensstrategie zu verstehen, die den Aufbau eines systematischen, langfristigen, profitablen und individualisierten Managements von Kundenbeziehungen zum Ziel hat. Da Kundenbindungssysteme dominant kommunikationsgetrieben sind, werden diese als spezifisches Kommunikationssystem dargestellt (vgl. Homburg/Bruhn, 2003; Brasch et al., 2007; Bruhn, 2001a; Gutknecht et al., 2004; Kuhfuß, 2007b; zum Nachkaufmarketing Hansen/Jeschke, 1995). Abb. 4.4/28 zeigt auf Basis einer empirischen Studie von Roland Berger (2003), dass der Kundenbindung bei den durch Marketing-Instrumente beeinflussbaren Faktoren die höchste Bedeutung (91 % der Nennungen) beigemessen wird. Diese Bewertung deckt sich allerdings nicht mit der Bedeutung, die den korrespondierenden „Kundenbindungsinstrumenten“ innerhalb des Marketing-Mix zugeordnet wird (nur Rang 4). So werden auch lediglich 12 % des Marketing-Budgets für Kundenbindungsprogramme eingesetzt (vgl. Roland Berger, 2003, S. 25). Gleichzeitig wird deutlich, dass die Unternehmen in diesem Feld nur über eine vergleichsweise niedrige Kompetenz verfügen. Zur Erreichung von Kundenbindung können verschiedene Konzepte zum Einsatz kommen. Diese reichen von der einfachen Rabattkarte (bspw. beim Bäcker) über Single-Partner-Programme (etwa von Esprit, Shell, SinnLeffers, P&C) und MultiPartner-Programme (wie Payback, BSW oder HappyDigits) bis hin zu ausdifferenzierten Kundenclubs (u.a. von Volkswagen). Ein solcher ist dann gegeben, wenn ein Unternehmen für bestehende Kunden ein über die Kernleistungen des Unternehmens hinausgehendes Angebot organisiert und dieses durch eine kontinuierliche, dialogorientierte Kommunikation begleitet (vgl. Hartmann et al., 2003, S. 4; Butscher, 274
Kommunikationspolitik
1998; Holz, 1997, S. 19). Ein Kundenclub unterscheidet sich von der bloßen Herausgabe einer Kundenkarte und grenzt sich damit auch von rein kommunikativen Dialogprogrammen ab, die ohne weitere kundenbindende Elemente arbeiten. Aufgrund der Vielzahl heutiger Ausprägungen von Kundenbindungsprogrammen ist eine Klassifizierung nicht immer einfach zu leisten. Zum Teil liegen Club-Konzepte vor, auch wenn diese Programme das Wort „Club“ in der Namensführung nicht verwenden und bspw. Douglas Card oder AUDI A plus-Programm heißen.
Abb. 4.4/28:
Bedeutung von und Kompetenz in Kundenbindung im Marketing Quelle: Roland Berger, 2003, S. 26
Bedeutung durch Marketinginstrumente beeinflussbarer Faktoren [Anzahl Nennungen%]1)
Hohe Bedeutung
91%
78%
Marketinginstrumente: Bedeutung und Kompetenz [Anzahl Nennungen %]1) Hohe Bedeutung
Hohe Kompetenz
Public Relations
76%
63%
„Below the line“ Marketing2)
53%
44%
„Above the line“ Marketing3)
44%
39%
KundenbindungsInstrumente4)
40%
32%
Merchandising
30%
28%
76%
KundenMarken- Neukundenbindung bekanntheit akquisition 1) Mehrfachnennungen möglich 2) Messen, Events, Sponsoring, Direktmarketing, POS-Marketing 3) TV, Print, Hörfunk 4) nur Unternehmen mit Kundenbindungsinstrumenten
Eine Vielzahl von Entwicklungen hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass sich der Fokus vom „Einmalgeschäft“ auf eine „langfristig angelegte Pflege von Kundenbeziehungen“ verschoben hat. Dadurch wurde die Erreichung von Kundenbindung zum strategischen Erfolgsfaktor und als noch wichtiger bewertet als bspw. Produktqualität, Kostenmanagement und Innovation (vgl. Abb. 4.4/29). Angesichts dieser Prioritätensetzung wird nachvollziehbar, dass die Zahl der Kundenkarten in Deutschland bis zum Jahr 2007 auf 85 - 100 Millionen steigen wird (vgl. Roland Berger, 2003, S. 5, 10-12; zu Wirkungsmechanismen und Erfolgsfaktoren von Kundenbindungssystemen Diller, 1996, 1997; Funk, 2005; Luigart, 2002, weiterführend im CRMKontext auch Nitsche, 2002; Huldi, 2002; Plinke/Söllner, 2003, S. 65-89; Homburg et al., 2003, S. 91-121; Hamburg, 2006). Welche Investitionen im Zuge eines Kundenbindungsprogramms bzgl. eines einzelnen Kunden getätigt werden können, hängt entscheidend vom jeweiligen Kundenwert 275
4.4
4
Marketing-Instrumente
bzw. dem Customer Lifetime Value (CLV) ab. Hierbei handelt es sich um den Barwert der kumulierten Deckungsbeiträge, die ein Unternehmen mit einem Kunden erzielen kann, wenn dieser über seinen gesamten Lebenszyklus hinweg einem entsprechenden Anbieter die Treue hält. Hilfsweise können auch die erwarteten Umsätze zur Ermittlung des CLV herangezogen werden. Wichtig ist, dass die gesamte relevante Lebensperiode eines Kunden berücksichtigt wird (vgl. Gierl/Koncz, 2002; Wirtz, 2005b, S. 290-292; Winkelmann, 2006, S. 319f.; Günter/Helm, 2006; Bauer et al., 2006, S. 329-341; weiterführend im Finanzdienstleistungsbereich Wiedmann et al., 2003). Welche Umsatzgrößenordnungen dabei erreicht werden, zeigt Abb. 4.4/30. Abb. 4.4/29:
Bedeutung von Erfolgsfaktoren für Unternehmen im Marketing-Mix (arithmetisches Mittel) Quelle: Roland Berger, 2003, S. 6
Kundenbindung
4,6
Produktqualität
4,4
Niedrige Kosten
4,3
Markenbekanntheit
4,2
Neukundennakquisition
4,1
Innovation
3,8 0 Geringe Bedeutung
1
2
3
4
5 Hohe Bedeutung
Zentraler Bestandteil der meisten Kundenbindungsprogramme ist eine dialogische Kommunikation, die die Beziehung zum Kunden stabilisieren und anreichern soll. Dazu bedarf es eines ausgefeilten Trackings (i.S. eines Verfolgens oder Nachspürens) der Kundenaktivitäten, um eine dynamische Segmentierung der Kunden einerseits und eine bedarfsorientierte Differenzierung der Betreuungselemente andererseits sicherzustellen. Eine weitgehend undifferenzierte Gleichbehandlung aller Kunden über den gesamten Betreuungszeitraum würde der Erreichung eines möglichst hohen Bindungseffektes zuwider laufen. Hinsichtlich des Aufbaus von Kundenbindungsprogrammen existiert für jedes Unternehmen eine Vielzahl von Handlungsoptionen, die bei der Ausgestaltung im Hinblick auf die zu erreichenden Bindungsziele kritisch bewertet werden müssen. Insbesondere folgende Optionen sollen dabei beleuchtet werden (vgl. Hartmann et al., 2003, S. 25; Diller, 1998; Kreutzer, 2004bcd): 276
Kommunikationspolitik
Abb. 4.4/30:
Beispiele des Customer Lifetime Value (umsatzorientiert)
Kategorie
Warenhaus
Potenzieller Lebensumsatz pro Kunde (in •)
Kalkulierte Dauer der Kundenbeziehung (in Jahren)
60.000
25
120.000
21
Telekommunikation
8.000
18
Haushaltselektronik
65.000
18
2.500
8
Kraftfahrzeuge
Zeitung
Zielgruppe des Programms Eintrittsvoraussetzungen (bspw. kostenlos oder kostenpflichtig) Wege zur Gewinnung der Teilnehmer Leistungsangebot des Kundenbindungsprogramms Ausgestaltung als Cost- oder Profit-Center „Make or Buy“ der Leistungserbringung
Eine der bedeutendsten Fragestellungen bei der Konzeption eines Kundenbindungsprogramms ist die nach der angestrebten Zielgruppe. Sollen alle bestehenden und/ oder alle potenziellen Kunden in das Programm eingebunden werden? Sollen nur ganz bestimmte Teilzielgruppen angesprochen werden, die ein spezifisches Produkt nutzen, besondere Umsätze oder Deckungsbeiträge erreicht haben oder sich durch ein anderes Merkmal (etwa als Meinungsführer) qualifizieren? Auch wenn Stammkunden bereits durch ihre Loyalität bewiesen haben, dass sie dem Unternehmen auch ohne zusätzliche Bindungsprogramme die Treue halten, sollten diese in jedem Falle ein Kernsegment für den Aufbau eines Kundenbindungsprogramms darstellen. Gerade diese Zielgruppe wird häufig die höchsten Umsätze, und – aufgrund der bereits eingespielten Akquisitionskosten – besonders hohe Deckungsbeiträge erwirtschaften. Darüber hinaus gilt es, die Kunden mit „Stammkunden-Potenzial“ zu identifizieren, um diese möglichst lange an das Unternehmen zu binden. Hierzu können Analysen, die sich externer Daten aus dem Bereich der Mikrogeographie bedienen, wichtige Erklärungsbeiträge leisten (vgl. Kreutzer et al., 2003a). Ein Bindungsprogramm weist generell nur ein geringes „Eroberungspotenzial“ hinsichtlich neuer Kunden auf, da auch ein attraktives Programm nur wenige (Stamm-)Kunden anderer Anbieter zu einem Wechsel bewegen wird. Eine Eroberung neuer Kunden kann eher indirekt über zufriedene Kunden erfolgen, die in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis als „Botschafter der Marke“ und damit als Freundschaftswerber aktiv sind. 277
4.4
Hinsichtlich der Inhalte eines Bindungsprogramms kann auf Elemente des gesamten Marketing-Mix zugegriffen werden (vgl. weiterführend Homburg/Fassnacht, 2001, S. 457-460). Häufig werden die nachfolgenden Komponenten eingesetzt:
Dialog-/Werbebriefprogramm (offline und/oder online) Service-Center als Anlaufstelle für die betreuten Kunden (offline und/oder online) Kundenkarte Treuebelohnungsprogramm (bspw. mit einer Bonifizierung getätigter Umsätze) Vorteilsprogramm (mit eigenen sowie mit Leistungen von Kooperationspartnern) Kundenmagazin, Newsletter Shop Events
Der Einsatz eines Dialog- bzw. Werbebriefprogramms stellt m.E. eine unverzichtbare Voraussetzung für die Erreichung von Kundenbindungseffekten dar. Ähnlich verhält es sich mit einem Service-Center als Anlaufstelle für Kundenreaktionen. Zur Abrundung des Programms empfiehlt sich die Bereitstellung von Dienstleistungen bzw. Angeboten, die nach Unternehmen und Branche differenzieren (vgl. die Fallstudien bei Hartmann et al., 2003).
Abb. 4.4/31:
Kundenclub-Matrix Quelle: Solon, 2003 Informations- und Erklärungsbedarf
4
Marketing-Instrumente
Kundenclubaffine Branchen Versicherungen, Banken Wein/ Zigarren
Home IT Unterhaltungselektronik
Home/Deco
Körperpflege
Mode Dekorative Kosmetik Auto
Möbel Spielwaren Grundnahrungsmittel Haushaltsgeräte Reisen Gastro
Lebensmittel (Markenartikel) TV/Radio Uhren/ Schmuck Zeitschriften
Bücher/ Video
Bedeutung der Marke
278
Kommunikationspolitik
Kundenclubs stellen nach wie vor die komplexeste Variante von Kundenbindungskonzepten dar. Eine empirische Studie von Solon (2003, S. 7) zeigt, dass von den „Top 100 Werbetreibenden“ zwölf Marken bzw. Unternehmen einen Club betreiben. Von den „50 größten Markenwerten“ betreiben drei und im Consumer Bereich knapp 50 Unternehmen einen Kundenclub. Dabei dominieren zahlenmäßig die Clubs der Medienbranche, die immerhin ein Drittel der BtC-Clubs in Deutschland stellen. Danach folgen die Spielwarenbranche und die Automobilunternehmen mit 19 % bzw. 12 % sowie Konzepte aus den Bereichen Nahrungsmittel, Banken und Home/ Interior. Nach dieser Studie eignen sich Kundenbindungsprogramme, insb. in der Form von Kundenclubs, nur bei Unternehmen, die über starke, positiv besetzte Marken verfügen, bei deren Produkten ein hoher Informations- oder Erklärungsbedarf besteht und die bislang über keinen direkten Kontakt zu ihren Kunden verfügen. Aus dieser Erkenntnis leitet sich eine Kundenclub-Matrix ab, bei der Informations- und Erklärungsbedarf in Bezug zur Bedeutung der Marke gesetzt werden (vgl. Abb. 4.4/31; weiterführend Kreutzer, 2005b). Der Einstieg in umfassende Kundenbindungsprogramme und insb. in Kundenclubs sollte m.E. nur auf Basis einer umfassenden Strategie und eines auf mindestens zwei bis drei Jahre ausgerichteten Business Plans erfolgen. Solche Konzepte haben im Außenverhältnis eine hohe Sichtbarkeit und schon viele Konzepte sind an überzogenen Erwartungen hinsichtlich der zu erzielenden Erfolge gescheitert.
4.4.6 Spezialgebiet Web 2.0 4.4.6.1 Kennzeichnung des Web 2.0 Der Kern des Web 2.0 lässt sich dadurch charakterisieren, dass der Internet-Nutzer vom passiven Konsumenten zum aktiven Teilnehmer i.S. eines Editors von Inhalten wird, indem eigenständig Substanz im Internet aufgebaut, gepflegt und weiter verbreitet wird (vgl. vertiefend zum Nachfolgenden Kreutzer/Merkle, 2007). Der Konsument wird folglich zum Prosument – eine Mischung zwischen Produzent und Konsument. Der sogenannte User Generated Content kann eine originär erstellte Substanz sein oder i.S. des sogenannten Mashup durch die Kombination schon vorhandener Inhalte entstehen. Während bisher Unternehmen für die Bereitstellung von Inhalten (engl. Content) im Internet verantwortlich zeichneten, hat sich die Rolle des bisher passiven Nutzers in Richtung einer aktiven, schöpferischen Beteiligung weiterentwickelt. In dieser Weiterentwicklung stecken für Unternehmen neue Chancen – denn sie eröffnet die Möglichkeit, mit dem Kunden tatsächlich in einen echten Dialog zu treten: Denn während bspw. die bisherige, eher „traditionelle Direktkommunikation“ hauptsächlich auf standardisierten Response-Mechaniken basiert, eröffnen jetzt Internet-basierte Anwendungen völlig neue Dialog-Möglichkeiten – sowohl zwischen Unternehmen und Konsumenten wie zwischen den Konsumenten selbst (vgl. Merkle, 2007b, S. 8). Den Begriff „Web 2.0“ hat Dale Dougherty vom O´Reilly-Verlag 2004 durch die erste „Web 2.0-Konferenz“ geprägt (Kienitz, 2007, S. 13). 279
4.4
4
Marketing-Instrumente
Voraussetzung für die Entwicklung des Web 2.0 waren entsprechende Technologien. Die Möglichkeiten zur schnelleren Datenübertragung in Verbindung mit leistungsstarker Software schafften die Voraussetzungen, um die Ursprungsidee des Internet umzusetzen: Informationen genauso leicht lesen wie schreiben zu können. Im Anfangsstadium des Internets hielten die vorhandenen Technologien nicht Schritt mit dem Bedienungskomfort und der Schnelligkeit der Webbrowser; deshalb folgt die Entstehung des User Generated Content erst mit einem signifikanten Zeitversatz (o.V., 2007a, S. 27). Web 2.0 wurde erst mit der steigenden Verbreitung schneller Internetanschlüsse möglich, die den Nutzern sowohl das schnelle Hochladen wie den Zugriff bspw. auf Fotos und Videos kontinuierlich erleichterten. Zusätzlich stehen jetzt neue Software-Lösungen zur Verfügung, die auch Ungeübten die Möglichkeit bieten, eigene Inhalte leicht online zu publizieren. Die entsprechenden Tools werden häufig als Social Software bezeichnet. Sie umfassen im Kern alle Programme und Systeme, die nicht nur eine Kommunikation zwischen verschiedenen Personen erlaubt (dies war bereits bei Web 1.0 gegeben), sondern es ermöglichen, von Teilnehmern selbst erstellte Inhalte zu übermitteln bzw. diese eigenständig zu verändern, wie dies bspw. bei den nachfolgend beschriebenen Blogs, Wikis und Communities der Fall ist. Damit steht bei Social Software die Möglichkeit zur Kommunikation und Interaktion im Mittelpunkt (vgl. Alby, 2007, S. 88; Kienitz, 2007, S. 33). Hierbei gilt grds. das Prinzip, dass einer eine Plattform aufbaut, auf der viele Nutzer gezielt Inhalte unterschiedlichster Art bereitstellen, verändern und abrufen können. Diese Services können dabei – von Unternehmen wie von Privatpersonen – kostenlos oder kostenpflichtig angeboten werden.
4.4.6.2 Motivstrukturen hinter Web 2.0 Bei der Analyse der Gründe für ein Engagement bei Web 2.0 durch die Substanzgeber sind verschiedene Motivstrukturen zu berücksichtigen. Die zentrale Unterscheidung ist zunächst zwischen kommerziellen und nicht-kommerziellen Antrieben vorzunehmen, da das Wissen um diese Motive die Nutzbarmachung der dahinterstehenden Potenziale maßgeblich beeinflusst (vgl. Abb. 4.4/32). Bei einem Engagement von Business-Unternehmen (in Abgrenzung zu gemeinnützigen Unternehmen) wird generell von kommerziellen Motiven ausgegangen, auch wenn ein initiales Engagement im Web 2.0 häufig zunächst mit Anlaufverlusten einhergeht. Auf Gewinnerzielung ausgerichtete Unternehmen werden sich ein entsprechendes Engagement auf Dauer nur leisten können und wollen, wenn dadurch Ergebnis- oder vorgelagerte Imageziele erreicht werden können.
Nicht-kommerzielle Motive von Web 2.0-Nutzern Das Internet stellt in erster Linie einen Ort der Kommunikation und der sozialen Interaktion dar, d.h. die Bedienung von Blogs, die Mitarbeit an Wikis sowie die Interaktion in Communities ist eine Art der Freizeitbeschäftigung – ohne kommerzielle Interessen zu verfolgen. Deshalb wird Werbung in diesem Umfeld sehr kritisch gesehen; man vertraut viel eher dem „unbekannten Dritten“ und dessen Beurteilungskraft, der das Produkt, eine Dienstleistung oder ein Unternehmen aus eigener Erfahrung kennt. Dafür stellen täglich Millionen von Internetnutzern Substanz unterschiedlichster Qua280
Kommunikationspolitik
Abb. 4.4/32:
Motivstrukturen des Web 2.0
Selbstdarstellung
Kommerzielle Motive
Mitteilungsdrang
Motivstrukturen des Web 2.0
Eskapismus
Suche nach (virtuellen) Kontakten
lität auf den verschiedensten Web 2.0-Plattformen ein bzw. aktualisieren, ergänzen und bewerten von anderen präsentierte Inhalte. Was motiviert diese Personen, Zeit und Energie und teilweise auch Geld in ein entsprechendes Engagement zu stecken? Was ist der Antrieb dafür, im Internet selbst kreativ zu werden, bspw. Werbefilme zu produzieren, Produkte zu entwerfen, eigene „Erzeugnisse“ (seien es Videos oder Fotos) zu veröffentlichen oder sich inhaltlich über alle möglichen und unmöglichen Themen auszutauschen? Welches sind die tieferliegenden Motive, die hinter der dabei häufig zu findenden Leidenschaft stehen?
Selbstdarstellung Wer selbstgedrehte Videos bei YouTube, MyVideo, MySpace oder eigene Fotos (bspw. des letzten Urlaubs) bei flickr einstellt, hat zunächst einmal das Bedürfnis, sich bzw. die Ergebnisse eigenen Tuns einer größeren Öffentlichkeit zu präsentieren. Das hierbei bediente Motiv der Selbstdarstellung bzw. der Eigenprofilierung im Internet stellt die konsequente Verlängerung der entsprechenden TV-Formate ins Internet dar. Im Gegensatz zu den o.g. TV-Formaten erfordert ein Auftritt im Internet aber keinen aufwändigen Auswahlprozess, so dass die eigenen Produktionen weitgehend ungefiltert einem Massenpublikum präsentiert werden können – mit allen Konsequenzen für die dabei gezeigte Qualität! Vielen geht es auch darum, im virtuellen Raum eine Akzeptanz zu finden, die ihnen im realen Leben verwehrt ist (Schlautmann, 2007, S. 2). Außerdem besteht im Internet auch die Möglichkeit, 281
4.4
4
Marketing-Instrumente
die eigene Identität hinter kryptischen Pseudonymen zu verbergen und dadurch eine scheinbare Unangreifbarkeit hinsichtlich der präsentierten Inhalte und Kommentare zu erreichen.
Mitteilungsdrang Verwandt mit dem Wunsch zur Selbstdarstellung ist der generelle Mitteilungsdrang, der sich in vielen Ausprägungen von Web 2.0 widerspiegelt. Hierbei geht es insb. darum, eigenes Wissen oder eigene Bewertungen der Welt im allgemeinen oder auch von profaneren Dingen wie Unternehmen, Marken, Autos, Bezugsquellen, Hotels oder Professoren der globalen Öffentlichkeit kundzutun. Hier hat jemand etwas mitzuteilen – oder glaubt dies zumindest – und engagiert sich deshalb auf den entsprechenden Plattformen. Während beim o.g. Motiv der Selbstdarstellung eher die eigene Personen und deren Sichtbarmachung über verschiedene Plattformen im Zentrum steht, geht es beim Mitteilungsdrang eher um Wissen, Bewertungen und Einschätzungen zu allen Lebensfragen der Menschheit. Häufig geht der Mitteilungsdrang neben einer Spaßkomponente (vgl. Wales, 2006, S. 22) auch mit dem Wunsch nach Prestige und Reputation einher, wenn andere Internet-Nutzer oder Unternehmen eigene Kreationen aufgreifen und diese erfolgreich vermarkten, wie später deutlich werden wird (vgl. auch Schoder, 2007, S. 8). Bei Open-Source-Projekten (wie bspw. bei Linux) ist dagegen ein unmittelbarer Vorteil für alle Mitwirkenden gegeben, weil hier jeder von jedem profitieren kann – was allerdings Trittbrettfahrer nicht ausschließt, die auch ohne eigenes Engagement auf die Ergebnisse der anderen zugreifen können. Verbunden mit diesem Mitteilungsdrang kann auch ein Macht-Motiv sichtbar werden. Während Konsumenten bisher überwiegend Teil einer unorganisierten, unsichtbaren „Masse“ waren, die kaum einen nachhaltigen Einfluss auf Unternehmen ausüben konnte, können sich Kunden heute über das Internet vernetzen und eine für Unternehmen kritische Informations- und damit auch Machtposition einnehmen. Es muss sogar schon davon ausgegangen werden, dass die Konsumenten heute bereits mehr Informationen generieren und distribuieren als die Unternehmen selbst! Hierdurch ist für die Konsumenten eine neue, nicht zu unterschätzende Machtposition entstanden, was bisherige Meinungsbilder in der Öffentlichkeit deutlich relativiert und nachhaltig zu ändern vermag. Über die höhere Verbreitung und aktive Nutzung der neuen Medien wird es zukünftig nicht nur bisherigen Experten schwerer fallen, ihre Meinungs-Monopole zu vermitteln; möglicherweise werden auch völlig neue Aspekte in die Diskussion eingebracht werden können.
282
Suche nach (virtuellen) sozialen Kontakten In Beziehung zum Mitteilungsdrang steht auch der Wunsch nach (virtuellen) sozialen Kontakten. Für viele Nutzer stellt das Internet die Möglichkeit dar, aus der sozialen Isolation auszubrechen und am (virtuellen) Leben aktiv teilzunehmen. Hierzu verlinken bzw. vernetzen sich User untereinander und bilden dadurch eine Gemeinschaft, die ein (themenspezifisches) Zusammengehörigkeitsgefühl aufbaut, das u.U. auch in das reale Leben verlängert werden kann (etwa über www.facebook.com).
Kommunikationspolitik
Eskapismus Die Suche nach sozialen Kontakten in einem vollständig virtuellen Umfeld kann als Eskapismus, d.h. als „Flucht vor der Wirklichkeit und den realen Anforderungen des Lebens in einer imaginäre Scheinwirklichkeit“ verstanden werden (Duden, 2005, S. 290). Dieses spezifische Motiv wird durch Plattformen wie Second Life oder Weblin bedient (vgl. Casati et al., 2007; Ohler, 2007, S. 5). Bei diesem Eskapismus-Motiv kann man ebenfalls eine Verlängerung bereits vorhandener Konzepte ins Internet feststellen. Wie bei der Verkleidung im Karneval – Nutzung einer Maske, um die eigene Maske einmal fallen lassen zu können – oder beim Hineinschlüpfen in eine spezifische Person bei einem Video-Game kann der Internet-Nutzer bei Second Life zu einer Wunschfigur werden und sich damit in einer dem realen Leben mit allen seinen spezifischen Ausprägungen nachempfundenen virtuellen Umwelt bewähren. Das persönliche „Ausleben“ wird vor allem durch die Anonymität ermöglicht und u.U. sogar noch beschleunigt, die der Nutzer in diesem Umfeld hat.
In der zusammenfassenden Kommentierung der nicht-kommerziellen Motive der Internet-gestützten Anwendungen lässt sich ein besonderer Aspekt festhalten, der für die öffentlich Diskussion und für unternehmerische Überlegungen entsprechende Konsequenzen haben kann: Die neuen Anwendungen lassen mehrheitlich einen größeren Meinungs-Pluralismus zu, die – wenn sie im „richtigen“ oder im unternehmerisch gewünschten bzw. erhofften Kontext stehen – für Unternehmen hohen Charme haben können. Gleichzeitig besteht genau in diesem Meinungs-Pluralismus für Unternehmen aber auch die Gefahr, hier Meinungen ausgesetzt zu werden, die nicht nur unangenehm, sondern inhaltlich auch falsch sein können. Denn die Absender der einzelnen Nachrichten bleiben i.d.R. anonym, was es nicht nur erleichtert, Informationen überhaupt zu verbreiten, sondern Informationen auch in einem sprachlichen Duktus zu verwenden, den man sonst möglicherweise meiden würde. Hier heißt es schon: „Das Internet ist zum Stammtisch geworden: Pleb 2.0 statt Web 2.0“ (vgl. Sack, 2007, S. 79).
Kommerzielle Motive von Web 2.0-Nutzern
Kommerzielle Motive von Privatpersonen Durch Plattformen des Web 2.0 erhalten Privatpersonen oder Gruppen die Möglichkeit, die eigene „Schöpfung“, seien es Fotos, Videos, Texte, Produkte oder Musik einer großen Nutzerschaft vorzustellen, ohne im Vorfeld Herausgeber oder Verleger von der Qualität der entsprechenden Inhalte überzeugen zu müssen. Auf diese Weise wird folglich ein direkter Zugang zu den potenziellen Käufern mit dem Ziel hergestellt, um einen Erfolg in der Online-Welt kommerziell auszuschöpfen und/oder offline bei den klassischen Substanzverlegern Gehör zu finden. D.h., die Präsentation entsprechender Inhalte erfolgt mit dem Ziel, eine „Abstimmung“ über die eigenen Leistungen online zu erreichen, um on- oder offline kommerzielle Erfolge zu erzielen. Web 2.0 bietet damit die kosten- und i.d.R. auch risikolose Chance, bspw. als musikalischer Newcomer trotz Media Overflow i.S. einer Überflutung mit medialen Angeboten vom Markt entdeckt zu werden. Dabei können Konzepte 283
4.4
4
Marketing-Instrumente
des viralen Marketings einen wichtigen Beitrag leisten, indem zur Weiterleitung eines als „klasse“ empfundenen Songs an Freunde und Bekannte motiviert wird (vgl. 4.4.3.6). Hierdurch wird es gemäß dem Long Tail-Konzept erstmals möglich, auch Nischenprodukte für Nischenmärkte profitabel zu vermarkten; sei es das „Hundetuch Frech“ oder der „selbstgetöpferte Dachs aus Ton“, die unter www.dawanda.de ihre Kunden suchen (vgl. zum Long Tail-Konzept Andersen, 2007).
Kommerzielle Motive von Entscheidungsträgern und Unternehmen Kommerzielle Motive können bei Business-Netzwerken wie Xing/Open BC unterstellt werden. Wer als Mitarbeiter und/oder Entscheidungsträger von Unternehmen seine detaillierten Daten in diesem Netzwerk präsentiert und seine Interessensgebiete artikuliert, ist grds. an der Identifikation von und Kommunikation mit Gleichgesinnten interessiert, um auf diese Weise Kooperationsfelder oder neue Arbeitgeber/-nehmer zu identifizieren und/oder mit neuen Dienstleistern oder Lieferanten zusammen zu kommen.
Das Selbstdarstellungs- und Mitteilungsbedürfnis der Internet-Nutzer zu befriedigen, ist die Kernleistung von Unternehmen wie Yahoo (mit flickr) bzw. Unternehmern wie Rupert Murdoch (mit MySpace). Da im Internet eine nahezu grenzenlose Nutzerschaft existiert, ziehen derartige Angebote ein Millionenpublikum an, das für die werbetreibende Wirtschaft von großem Interesse ist. Werden Werbebotschaften kontextorientiert bereitgestellt (wie bspw. Werbelinks zu Shopping.com oder ebay), können gleichzeitig Streuverluste in der Zielgruppenansprache reduziert werden. So lassen sich bspw. bei Yahoo 17.000 verschiedene Zielgruppen unterscheiden und Werbung für Digitalkameras bspw. gezielt im Fotoportal flickr platzieren (Shereshewsky, 2006, S. 48). Hier wird dann konsequenterweise vom Behavioral Targeting gesprochen, d.h. von einer Zielgruppenansprache, die sich am konkreten Nutzerverhalten im Internet orientiert. Die Herausforderung der werblichen Ansprache besteht dann im Kern darin, genau zu analysieren, wo die potenziellen Zielkunden am besten zu erreichen sind – wie bei jeder klassischen Mediaplanung auch (vgl. 4.4.3.2). Ähnlich gelagert sind die Motive der etablierten Unternehmen, die sich in zunehmendem Maße bei Second Life engagieren. Ganz vordergründig geht es vielen Anbietern zunächst einmal schlicht darum, die Kunden dort zu erreichen, wo sie sich bewegen. Wenn sich potenzielle Kunden mehr im Internet oder in virtuellen Welten wie Second Life aufhalten, dann müssen die Unternehmen den Kunden folgen, um eine werbliche Wahrnehmung sicherzustellen. Dabei geht es vielen in erster Linie um die Präsentation eigener Produkte und Dienstleistungen in den sich neu darstellenden Kanälen. So bspw., wenn adidas neue Schuhvarianten bei Second Life präsentiert oder Mazda die Möglichkeit bietet, im realen Leben noch nicht erhältliche Concept-Cars zu fahren. Welche nachhaltigen Erfolge hier erzielt werden können, wird sich erst dann zeigen, wenn der aktuelle Hype i.S. des z.Zt. zu beobachtenden Medienrummels und die damit verbundenen Diskussionen verflogen und deutlich wird, ob eine ausreichende kritische Masse erreicht wurde. Denn es fehlt auch nicht an Kritik, die bspw. auf die nicht überzeugende 3D-Darstellung sowie die geringe IT-Performance der Plattform von Second Life abhebt, die immer dann deutlich wird, wenn zu viele Nutzer sich im gleichen Bereich aufhalten (vgl. auch Reitz, 2007). 284
Kommunikationspolitik
Aber nicht nur virtuelle Produkte können über Web 2.0 verkauft werden. Unternehmen und Kreationen von Kunden können auch in Gestalt des Mass Customizing zusammen geführt werden. Das Geschäftsmodell von www.spreadshirt.net basiert darauf, dass Kunden im Online-Shop selbstgestaltete T-Shirts erwerben können. Während die Kunden für das Design des T-Shirts zuständig sind, kümmert sich das Unternehmen Spreadshirt um Wareneinkauf, Druckvorgang, Versand und Inkasso. Überzeugende Wachstumsraten von 100 % jährlich beweisen den Anklang bei Kunden, die hier auch das Firmenlogo gestaltet haben (vgl. Schlautmann, 2007, S. 2). Ein weiteres Unternehmensziel stellt die Nutzung des Web 2.0 als Informationsdrehscheibe dar, um entweder mit den eigenen Mitarbeitern oder mit Kunden und Partnern des Unternehmens in einen intensiveren Dialog einzutreten. So bloggen beim Softwarehersteller Sun Microsystems 3.000 Mitarbeiter über ihren Job und das Unternehmen. In Deutschland hat das Unternehmen FRoSTA einen Blog für Mitarbeiter aufgebaut, in dem diese über Ereignisse im eigenen Unternehmen mit Kunden diskutieren. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, externe Blogger einzuladen, über das eigene Unternehmen zu schreiben oder – bspw. bei Medienunternehmen – eigene Beiträge zu verfassen (vgl. Kreutzer, 2007b, S. 88f.). Hierdurch soll die Kundenbindung bzw. im Verlagssektor die Leser-Blatt-Bindung verstärkt werden. So werden bereits ausgewählte Texte von Nutzern der neon.de-Site in die Printausgabe übernommen, während umgekehrt immer mehr Heftinhalte im Internet präsentiert werden. Dabei wird angestrebt, den Unterschied zwischen Online- und Print-Redaktion weiter zu verringern (o.V., 2007c, S. 10). Außerdem kann – dem Wunsch sich präsentierender Personen entsprechend – eine Suche nach neuen Trends und Talenten über die Selbstdarstellung auf den unterschiedlichen Plattformen im Internet erfolgen. Auf diese Weise können Unternehmen das Ohr ganz nah am Markt haben, ohne dafür spezielle Studien durchführen zu müssen. Denn immer mehr Kreative versuchen auf verschiedenen Wegen, ihr Talent durch im Internet vorgestellte Ergebnisse unter Beweis zu stellen. In den Unternehmen bedarf es dazu eines leistungsfähigen Internet-Talent-Screenings, um die dominierende Spreu vom spärlich zu findenden Weizen zu trennen. Gleichzeitig können Unternehmen die entsprechenden Plattformen selbst nutzen, um hier einen Testmarkt gleich eigene Angebote auf ihre Zielgruppengängigkeit zu überprüfen. So werden Songs von Musikunternehmen und TV-Pilotsendungen von NBC ins Netz gestellt, um vor einem umfassenden Engagement zu ermitteln, wie sich diese dort bewähren (vgl. Zeiler, 2007, S. 37). Hier ist m.E. konsequenterweise von Customer Evaluated Innovations zu sprechen. Schließlich kann das Geschäftsmodell auch die Bereitstellung einer entsprechenden Plattform selbst sein, um bspw. das Interesse am Informationsaustausch, die Selbstdarstellung, den Mitteilungsdrang oder das Bedürfnis nach Eskapismus zu befriedigen. Dies ist bspw. Linden Lab mit Second Life, beim Business Network Xing/Open BC oder bei der Community-Site MySpace oder facebook der Fall, die sich entweder durch Mitgliedsgebühren und/oder Werbeeinnahmen finanzieren. 285
4.4
4
Marketing-Instrumente
4.4.6.3 Erscheinungsfaktoren des Web 2.0 und ihre Erfolgsfaktoren Im Folgenden werden die m.E. besonders wichtigen Ausprägungen von Web 2.0 diskutiert, die in Abb. 4.4/33 zusammengefasst sind.
Abb. 4.4/33:
Zentrale Erscheinungsformen des Web 2.0
Real Community
W
g lo eb W
iki
Erscheinungsformen des Web 2.0
t as dc Po
...
Virtual Community
Weblogs
Bei dem Begriff Weblog oder abgekürzt Blog handelt es sich um ein Kunstwort aus Web und Log(buch). Es entstand, als der Programmierer Jorn Barger 1997 begann, auf seiner Homepage seine Streifzüge durch das Web zu „loggen“ – also aufzuzeichnen. Heute wird Weblog klassisch als Internet-Notizbuch bzw. als Internet-Tagebuch übersetzt. Blogs basieren auf einer einfach zu bedienenden Software, die es auch ungelernten Nutzern ermöglicht, eigene Beiträge schnell und ohne Kosten im Internet zu publizieren. Weblogs stellen einen der wichtigsten Services im Kontext von Web 2.0 dar. Derzeit existieren weltweit – mit stark wachsender Tendenz - etwa 200 Millionen Blogs (davon ca. 300.000 in Deutschland) zu den unterschiedlichsten Themen, wie bspw. Recht, Einzelhandel, Politik, aber auch zu ganz privaten Sachverhalten wie dem, was ein Teenager in Neapel in den letzten Wochen erlebt hat. Es wird momentan davon ausgegangen, dass sich die Anzahl der Blogs weltweit ca. alle sechs Monate verdoppelt 286
Kommunikationspolitik
(Oetting, 2006, S. 183). Hierbei ist zwischen Private und Corporate Blogs zu unterscheiden. Private Blogs werden von Einzelpersonen ins Leben gerufen, die damit i.d.R. keine kommerziellen Ziele verfolgen. Davon abzugrenzen sind die Corporate Blogs, die von Unternehmen genutzt werden, um mit den unterschiedlichsten Stakeholdern, d.h. bspw. Interessensgruppen wie Mitarbeiter, Kunden, Investoren, Lieferanten etc. in Dialog zu treten. Ein Weblog setzt sich aus verschiedenen Elementen zusammen. Den Hauptbestandteil eines Blogs stellen zunächst die Einträge dar. Hierbei entscheidet der jeweilige Verfasser selbst darüber, welche der o.g. Themenfelder angesprochen werden. Zusätzlich zu den Inhalten können Permalinks installiert werden, bei denen es sich um feststehende Verbindungen („permanente Links“) zu anderen Einträgen handelt, die bspw. ähnliche Fragestellungen diskutieren oder weiterführende Informationen beinhalten. Die meisten Weblogs sehen darüber hinaus vor, dass Leser selbst Kommentare zu den Blogeinträgen verfassen, die unter den jeweiligen Einträgen angezeigt werden. Durch den Einsatz von Trackbacks können Besucher bspw. auch einen Link zu einem eigenen Blog herzustellen, der zu ähnlichen Fragestellungen verfasst wurde (Kienitz, 2007, S. 23f.; Alby, 2007, S. 22f.). Auf diese Weise erhalten Weblogs ihren interaktiven, dialogischen Charakter. Bei den sogenannten Tags handelt es sich um Schlagworte, mit denen der Blogger seinen Eintrag (sei es ein Text, ein Bild oder ein Video) versieht, um den Zugriff darauf und das Wiederfinden zu erleichtern. So können Texte mit mehreren Oberbegriffen „verschlagwortet“ werden, um durch diese Klassifizierung die Suche nach Blogs mit bestimmten Inhalten zu erleichtern (etwa zu bestimmten Themen wie Digitalkameras). Auf diese Weise wird die Struktur und damit das Auffinden von Informationen auf Plattformen des Web 2.0 erleichtert. Um eine möglichst große Trefferquote zu erreichen, ist es beim Tagging sinnvoll, verschiedene Schreibweisen von Suchbegriffen zu verwenden (bspw. BMW, bmw, Bayrische Motorenwerke, Bayr. MW). Ein Blog funktioniert nach anderen Regeln als klassische Kommunikationsformen. Für den privaten Blogger selbst stellen soziale Anerkennung und Wertschätzung seiner Ausführungen den zentralen Antrieb dar – keine kommerziellen Interessen. Deshalb werden Aussagen von Bloggern im Vergleich zu Botschaften von kommerziellen Unternehmen grds. eher als glaubwürdiger angesehen. Zentrales Ziel für Unternehmen muss es deshalb sein, positive Informationen in einflussreichen Blogs zu platzieren. Allerdings sind dabei wichtige Regeln zu berücksichtigen. „Platte Werbung“ sollte nicht in einen Blog integriert werden, weil diese von den Bloggern erkannt und entsprechend kommentiert werden würde. Es geht vielmehr darum, glaubwürdige Blogger einzuladen, um über das eigene Unternehmen oder dessen Produkt und/oder Dienstleistungen zu schreiben, wie dies dem Mobilfunkdiscounter Simyo im Zuge von BuzzMarketing-Kampagnen erfolgreich gelang (vertiefend Kreutzer, 2007a, S. 170-172). Dabei gilt, dass sich Blogger grds. einer Kontrolle entziehen, was für Unternehmen natürlich nicht ganz ungefährlich und deshalb z.T. schwer zu akzeptieren ist. Es fehlt demzufolge auch nicht an Beispielen von Unternehmen, die versucht haben, ihre eigenen Bewertungen im Internet zu manipulieren, um besser dazustehen. Solche Eingriffe werden i.d.R. jedoch schnell erkannt und haben schon häufig zu einer Internet-weiten Abstrafung geführt. 287
4.4
4
Marketing-Instrumente
Blogs können eine ungeahnte Eigendynamik entfalten und entziehen sich damit der Kontrolle der Unternehmen – die Grenzen von Web 2.0 zu. Pleb 2.0 sind fließend. Nur solche Unternehmen, die gut und stark genug sind, sich einer offenen Kommunikation zu stellen, sollten auf diese Form der Interaktion setzen. Wer sich einer großen Ablehnerfront gegenüber sieht, sollte ein damit einhergehendes Risiko vermeiden. Denn im Web 2.0 gilt: Wer einmal den Anstoß zu einer kommunikativen Auseinandersetzung im Web gegeben hat, hat kaum die Chance, Richtung, Inhalte und Intensität der Diskussionen zu steuern. Wer ein solches Risiko der Negativkommunikation nicht läuft, kann durch Blogs die emotionale Nähe zum Kunden fördern und den Verbraucher dazu ermuntern, seine Wünsche und Kritik direkt in Richtung Unternehmen zu kommunizieren. Wer die Erkenntnisse dieses zusätzlichen Customer Touch Points i.S. von Kundenkontaktstellen in das Unternehmen zurückführen kann, erhält wichtige Informationen, um seine Leistungen stärker auf die Kunden auszurichten (vgl. Kreutzer, 2007b, S. 77f.).
Wikis
Bei Wikis handelt es sich um eine Seitensammlung im Internet, die von seinen Benutzern nicht nur gelesen, sondern unmittelbar auch online bearbeitet werden kann. Durch eine Vielzahl von Querverweisen wird die Nutzung des dort gespeicherten Wissens erleichtert. Eines der bekanntesten Beispiele hierfür stellt die 2001 gegründete Online-Enzyklopädie Wikipedia dar (www.wikipedia.org; vgl. Abb. 4.4./34). Wikipedia
Abb. 4.4/34:
288
Homepage von Wikipedia
Kommunikationspolitik
setzt sich dabei aus den Begriffen Wiki (kennzeichnet Internetseiten, die alle Benutzer bearbeiten können) und Encyclopedia zusammen. Schließlich kann jeder Nutzer des Internet-Lexikons, der sich dazu aufgerufen fühlt, zu einem bestimmten Thema einen Beitrag zu leisten, die Einträge von seinem Computer aus ändern oder ergänzen bzw. ganz neue Inhalte aufbauen. Die Zielsetzung ist eine möglichst neutrale Informationsbereitstellung durch eine Vielzahl von Nutzern. Die Substanzgeber verzichten dabei auf jeglichen Urheberschutz, so dass die Nutzung kostenlos und unbeschränkt erfolgen kann. Wikipedia verzichtet auch auf Werbeeinnahmen und finanziert sich über Spenden. Wikipedia ist heute in ca. 200 Sprachen verfügbar; in 98 davon sind mehr als 1.000 Lexikonstichwörter aufrufbar. Mit ca. 500.000 Einträgen ist deutsch dabei die zweiwichtigste Sprache für Wikipedia (Kienitz, 2007, S. 58; Wales, 2006, S. 22). Aufgrund der Vielzahl von Wikis, die sich inzwischen im Internet finden, gibt es unter www.wikiindex.org wiederum ein Wiki, welches als Navigationshilfe zu den unterschiedlichen Verzeichnissen sowie den dahinterstehenden Personen und Ideen führt. Schließlich können unternehmensinterne Wikis auch eingesetzt werden, um das in verschiedenen Unternehmensbereichen vorhandene Wissen für das Gesamtunternehmen verfügbar zu machen und damit einen Mehrwert durch Partizipation zu schaffen. Über ein Wiki wird es auch weniger im Mittelpunkt stehenden Mitarbeitern möglich, ihr Wissen dem Unternehmen zur Verfügung zu stellen und damit an der erfolgreichen Weiterentwicklung eines Unternehmens mitzuwirken. Wikis werden hier zum zentralen Element des Knowledge Management in Unternehmen.
Podcast - Podcasting
Bei Podcast handelt es sich um ein Kunstwort, welches sich aus dem bekanntesten MP3-Player, dem iPod von Apple, und dem Begriff Broadcast (Rundfunk) zusammensetzt. Damit werden Audio- und Videobeiträge bezeichnet, die über das Internet verbreitet werden und dort zu abonnieren sind. Für das Abonnieren von Audio- und Video-Podcasts gibt es zwei Feed-Formate (Atom und RSS). Hierdurch werden die kostenlosen Dateien automatisch auf dem Rechner zur Verfügung gestellt und können anschließend zeitversetzt konsumiert werden. Damit wird diese Form der Informationsbereitstellung zum „On-Demand-Angebot“. Um den interessierten Nutzern einen leichteren Zugang zu diesen Informationen zu schaffen, haben sich Portale etabliert, in die Podcasts – nach Themen sortiert und mit entsprechenden Schlagworten versehen – eingetragen werden können. Die wichtigsten sind der iTunes-Store von Apple, www.dopcast.de, www.podcast.de, www.podster.de und andere. Zu den Erscheinungsformen des Web 2.0 gehören allerdings nur die Beiträge, die von Internetnutzern selbst erstellt werden, weshalb auch von Radio und Fernsehen für jedermann gesprochen werden kann. Zunehmend steigen auch professionelle Anbieter wie Zeitungsverlage, Handels- oder Markenartikel-Unternehmen in die Bereitstellung entsprechender Audio- und Videodateien ein, um auf diesem Weg Zielgruppen zu erreichen, die über den klassischen TV- bzw. Radiokanal schwer zu kontaktieren sind. Die Herausforderung besteht hierbei darin, Informationen mit werblichem Hintergrund so aufzubereiten, dass eine möglichst große Zahl von Hörern und Sehern die Inhalte abonnieren. 289
4.4
4
Marketing-Instrumente
Real Communities
Gruppen definieren sich heute immer weniger über soziale Herkunft, Einkommen oder Alter, sondern immer mehr über gemeinsame Interessen. Deshalb kommt den Online-Gemeinschaften bzw. den sogenannten Communities eine besondere Bedeutung zu. Diese ermöglichen mit Online-Kundenforen und -Nutzergemeinden eine besonders intensive Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Menschen, die sich u.U. aufgrund geographischer Distanzen nie persönlich begegnen werden, aber an gleichen Sachverhalten interessiert sind. Die Herausforderung für alle Beteiligten besteht darin, Internetnutzer mit gleichen Interessenslagen virtuell zu identifizieren. Bei den Online-Gemeinschaften sind m.E. eher dem realen Leben zuzurechnende von den rein virtuellen Communities abzugrenzen. Bei den „Real Communities“ ist grds. noch eine größere Nähe zur tatsächlichen Personen gegeben, die sich mit ihren Fragen oder Ergebnissen der eigenen Erlebnisse oder Kreationen präsentiert. Bei den „Virtuell Communities“, zu denen u.a. Second Life zählt, dominiert häufig die fast völlige Loslösung von realen Lebensmodellen. Die Grenzen zwischen beiden Erscheinungsformen der Communities sind allerdings fließend. Bei den Real Communities stehen u.a. der Austausch mit Experten oder das Finden von Gleichgesinnten im Mittelpunkt. Hierzu zählen u.a. die folgenden Beispiele: www.wer-weiss-was.de Diese Community in Gestalt einer Expertenplattformen ist bereits seit 1996 im Netz präsent und umfasst ca. 300.000 selbsternannte Spezialisten, die Fragen aus ca. 800.000 Themenfeldern beantworten. Diese Community basiert auf dem Gegenseitigkeitsprinzip, d.h., wer Fragen stellt, sollte auch bereit sein, eigenes Wissen in die Gemeinschaft einzubringen. Hierbei gilt wie bei den meisten Wikis und Communities auch: „Experte ist, wer sich zum Experten definiert.“ www.slashdot.org Unter www.slashdot.org tauschen sich ca. 200 – 300.000 Autoren regelmäßig über Fragestellungen aus dem High Tech-Bereich aus und diskutieren aktuelle Probleme. Auf diese Weise wird ein kostenlos zugänglicher Informationspool unterhalten, der von kommerziellen und nicht-kommerziellen Nutzern „angezapft“ werden kann. www.studiVZ.net Hierbei handelt es sich um eine Plattform für Studenten, die von der HoltzbrinckGruppe 2007 für ca. € 85 Mio. erworben wurde (o.V., 2007b). Studenten melden sich mit einem eigenen Account und Profil an. Hierdurch wird die Möglichkeit geschaffen, Kontakte zu anderen Studierenden an der eigenen Hochschule zu knüpfen oder bspw. Kommilitonen für Lerngruppen und Freizeitgestaltung zu finden. Dieses Geschäftsmodell soll perspektivisch über Werbung finanziert werden. www.xing.de Diese internationale Business Networking Community dient der Anbahnung von Geschäftskontakten zwischen Anbietern und Nachfragern, Arbeitgebern und Arbeitnehmern, Forschern und Forschern und unterstützt somit den Aufbau von Kontakten 290
Kommunikationspolitik
für Beruf und Karriere. Die Idee ist, dass „Jeder jeden über ein paar Ecken kennt“ und somit eine gute Chance existiert, Zielpersonen über andere zu erreichen (vgl. Abb. 4.4/35). Viele Sonderfunktionen, bspw. ein integriertes E-Mail-Programm sowie die Möglichkeit, themenspezifische Communities zu bilden, rundet die Services ab.
Abb. 4.4/35:
Vernetzungen über das Business Network xing
www.theoscarproject.org Bereits 1999 wurde das Konzept ins Netz gestellt, in der virtuellen Welt ein ökologisches Fahrzeug zu entwickeln, das unter dem Namen Oscar für Open Source Car steht. Analog zu den Open Source-Entwicklungen von Linus und Firefox wurden und sind hier Interessierte aufgerufen, gemeinsam „ohne Geld, ohne Chef, ohne Werkzeug, ohne Urheberrechte“ an einem umweltverträglichen Fahrzeug zu arbeiten (Gräber, 2007, S. 35). www.pampers.com, www.pampers.de Eine der weltweit größten Communities wurde von Procter & Gamble um das Thema „alles zur Schwangerschaft, Elternschaft und Babys“ aufgebaut. Mit Spezialausgaben für z.Zt. 34 Länder – teilweise mehrsprachig – wurde eine Plattform für den Informationsaustausch in einer besonders spannenden Lebensphase geschaffen. Andere Real Communities widmen sich der Präsentation von eigenen Schöpfungen, wie das bei den nachfolgenden Beispielen der Fall ist: 291
4.4
4
Marketing-Instrumente
www.flickr.com flickr gilt mit ca. 250 Mio. Bildern als die größte Online-Fotosammlung im Netz. Mehrere Millionen Mitglieder – Profis wie Amateure – präsentieren hier öffentlich ihre Werke. Zu einer echten Community wird flickr dadurch, dass die Fotos von anderen Nutzern bewertet und kommentiert und mit eigenen Archiven verlinkt werden können. www.videotube.de, www.myspace.com Auf diesen Internet-Plattformen können selbst erstellte Videos der gesamten InternetGemeinde vorgestellt werden. Auch hier besteht häufig die Möglichkeit, Beiträge zu bewerten oder eigene Beiträge anderen Mitgliedern der Community mitzuteilen. Die Bedeutung von myspace wird anhand folgender Zahlen deutlich (o.V., 2007d, S. 39):
über 60 Mio. aktive Mitglieder ca. 200 Mio. Interaktionen pro Tag Wert der Community ca. $ 2,7 Mrd.
Wieder andere Communities stellen Bewertungsplattformen dar, bei denen man sich über Preise oder Produkt- und Unternehmensbewertungen austauscht. Die Informationsbereitstellung beinhaltet im Kern eine Bewertung von Produkten, Dienstleistungen und/oder Unternehmen durch Dritte. Durch die bereitgestellten Informationen erhalten an entsprechenden Angeboten interessierte Personen „objektive(re)“ Informationen – ohne dass bei den Bereitstellern dieser Informationen selbst kommerzielle Absichten unterstellt werden müssen. Hierdurch wird eine scheinbare Objektivität erreicht – scheinbar deshalb, weil jede Bewertung vor dem Hintergrund subjektiver Erwartungen und Erfahrungen stattfindet und damit per se Objektivität vermissen lässt. Erst über mehrere gleichartige Bewertungen wird eine partielle Cross-Validierung und damit eine Absicherung der Bewertung erreicht. Bei diesen Bewertungen lassen sich verschiedene Erscheinungsformen unterschieden. Zum einen können Kundenbewertungen in den E-Commerce-Auftritt von Unternehmen eingebunden sein, wie dies bspw. bei amazon und dem Versender Otto der Fall ist. Zum anderen können Nutzer zur Bewertung von Produkten auf der Unternehmenswebsite aufgefordert werden, wie dies bspw. L`Oreal für ein neues Haarpflegeprodukt tat (Schlautmann, 2007, S. 2). Allerdings gilt dabei zu berücksichtigen (Schlautmann, 2007, S. 2): Wird der „cleveren Pöbel“ oder auch „smart mob“ auf die eigene Internetseite eingeladen, muss man gute Nerven haben, weil die Einbindung des Internets immer auch mit einem Kontrollverlust einhergeht. Zum dritten gibt es spezielle Plattformen, die einem mehr oder weniger anbieterunabhängigen Informationsaustausch vorbehalten sind, wie nachfolgende Beispiele zeigen. www.holidaycheck.de Unter diesem Namen hat Burda ein Portal aufgebaut, auf dem Urlauber Hotelbewertungen vornehmen können. Gleichzeitig wird eine Vielzahl von Reisetipps, Urlaubsbildern, ein Reiseforum und insb. auch ein Angebot an kommerziellen Reisen präsentiert. Auf diese Weise wird das Motiv zur informatorischen Selbstdarstellung durch die Urlauber mit einer umfassenden Informationsversorgung rund um das Thema Ur292
Kommunikationspolitik
laub verbunden. Eigene Recherchen offenbarten hier jedoch, dass die Bewerter schon einmal die Hotels verwechseln oder Sachverhalte schildern, die sich vor Ort nicht nachvollziehen lassen. Hier zeigt sich besonders deutlich die Achillesferse des Web 2.0: Durch die weitgehende Anonymität der Absender weiß man als Nutzer i.d.R. nicht genau, wer mit welcher Motivation eine Information eingestellt hat. www.ciao.de Auf dieser Plattform bewerten Konsumenten eine Vielzahl von Produkte und Dienstleistungen aus den unterschiedlichsten Branchen. Die Bandbreite reicht hier von Autos über Haushaltsgeräte bis zu Schönheitsprodukten. Bei dieser Community werden in der Selbstdarstellung mehrere der oben genannten Motive konkret angesprochen (www.ciao.de, 12.5.2007):
„Tolle Community - Freunde, Spaß und Gemeinschaft Anerkennung durch hilfreiche Erfahrungsberichte Geld verdienen“
www.meinprof.de Dies ist eine Online-Plattform für die Bewertung von Lehrveranstaltungen und Dozenten an deutschen Hochschulen. Studenten haben hier die Möglichkeit, ihre Professoren zu bewerten, indem sie Veranstaltungen anhand von mehreren Kriterien bewerten. Hierdurch sollen andere Studenten Informationen für die Auswahl des richtigen Kurses
Abb. 4.4/36:
MeinProf.de – Bewertungsplattform für Professoren und Dozenten
293
4.4
4
Marketing-Instrumente
erhalten. Die einzelnen Bewertungen zusammen bilden die Bewertung eines Professors. Diese finden sich dann ab einer Mindestanzahl von Bewertungen in den Beurteilungen der Professoren wieder, über die man zum Beispiel den schwersten Kurs in Deutschland oder den witzigsten Professor in München finden kann (vgl. Abb. 4.4/36).
Virtuelle Communities
Bei Second Life handelt es sich um eine z.Zt. besonders intensiv diskutierte Gemeinschaft, die viel mediale Aufmerksamkeit auf sich zieht (vgl. weiterführend Rymaszwwski, 2007). Dahinter verbirgt sich eine virtuelle Welt, welche Menschen die Möglichkeit bietet, sich eine ganz eigene, neue Identität zu geben. Es können Grundstücke und Häuser gekauft, Geschäfte besucht, Kontakte gepflegt und sonstige Aktivitäten aufgebaut werden. Bei einer kontinuierlich wachsenden Gemeinde von z.Zt. über 5 Millionen Teilnehmern und der nach den USA und Frankreich drittgrößten Mitgliederzahl von 0,4 Mio. in Deutschland (Bokowsky/Laymann, 2007) ist dies eine virtuelle Realität, an der Unternehmen nicht vorbeigehen sollten, ohne zumindest einmal die Relevanz für das eigene Geschäftsmodell überprüft zu haben. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Anzahl der pro Land erreichbaren Nutzer von der Abdeckung durch klassische Massenmedien nach wie vor weit entfernt ist (vgl. Schmitz, 2007, S. 6; vgl. Abb. 4.4/37).
Abb. 4.4/37:
Auftritte in Second Life (Bokowsky/Laymann, 2007, S. 1)
Für Lindendollar, einer virtuellen Währung, die gegen echte Dollar eingetauscht werden kann, ist quasi alles zu kaufen (Kurs 270 Linden-Dollar für einen Dollar). Die Währung ist benannt nach dem Unternehmen Linden Lab, das Second Life entwickelt hat. Beim Eintritt ins virtuelle Leben ist zunächst einmal ein Avatar zu wählen. Hierunter ist die Definition einer virtuellen Identität zu verstehen, mit der man in Second Life aktiv wird. Die spartanische Erstausstattung des Avatars kann gegen Lindendollar 294
Kommunikationspolitik
„aufgehübscht“ werden, indem nicht nur eine sportlichere Figur, sondern bspw. auch eine andere Nase, eine neue Frisur und entsprechende Bekleidung und sonstige Ausstattungsgegenstände erworben werden können.
4.4.6.4 Guidelines für die Nutzbarmachung des Web 2.0 Um das Potenzial des Web 2.0 für Unternehmen zu nutzen, ist zunächst die Frage zu beantworten, welche der o.g. Motivstrukturen durch das unternehmerische Engagement bedient werden könnten. Dabei ist die Beantwortung dieser Frage unabhängig davon zu stellen, ob und in welchem Umfang die eigenen Zielgruppen und die darüber hinaus gehenden Kundenpotenziale die neuen Kommunikationsmöglichkeiten bereits nutzen. Können eigene Produkte und Dienstleistungen den Eskapismus verschönern, oder könnte das eigene Unternehmen eher eine Plattform bieten, die auf Selbstdarstellung, Mitteilungsbedürfnis oder das Schaffen von sozialen Netzwerken einzahlt? Das scheinbar überzeugende Motiv, bei der Welle des Web 2.0 als Innovator (First Mover) oder Early Adaptor dabei sein zu müssen, reicht sicherlich als alleiniges Motiv für ein entsprechendes Engagement langfristig nicht aus. Zunächst ist zwingend zu formulieren, welche Ziele das Unternehmen durch ein entsprechendes Engagement erreichen kann, welche Kundenpotenziale damit erreicht werden können und welche Strategie dafür zielführend ist. Davon abgeleitet ist zu prüfen, ob zur Erreichung der definierten Ziele eine eigene Plattform aufgebaut werden oder ob man sich in bestehenden Konzepten integrieren soll. Dabei sind die entsprechenden Kosten- und Nutzendimensionen in einem Business Case zu bewerten. Ein große Herausforderung besteht auch darin, einen integrierten und konsistenten Auftritt über die verschiedenen Ausprägungen des Web 2.0 einerseits und der sonstigen Kommunikation andererseits zu erreichen – eine Herausforderung, an denen Unternehmen häufig bereits heute bei der Verzahnung von klassischer und direkter Kommunikation scheitern (vgl. 4.4.3.10). Ein dabei bisher oft vernachlässigter Aspekt ist die Bearbeitung der Rückmeldungen in Richtung Unternehmen und – z.T. noch wichtiger – der Inhalte der vom Unternehmen unabhängigen Interaktion zwischen den Millionen potenziellen Akteuren im Internet, die auf das Unternehmen generell, dessen Botschaften und Produkte/Dienstleistungen reagieren. Die Bandbreite der Reaktionen von Unternehmen reichen über die aktive Informationsbereitstellung und Gegendarstellungen zu Falschmeldungen bis hin zum Aufgreifen von Verbesserungsvorschlägen für Produkte und Dienstleistungen, die in Communities oder Blogs erstmalig diskutiert werden. In der Bearbeitung dieser Informationen ist die zentrale Frage, ob die erforderlichen personellen und technischen Ressourcen im Unternehmen vorliegen, um ein entsprechendes Engagement selbst zu gestalten, oder ob man sich spezialisierter Dienstleister bedient, der die zusätzlichen Customer Touch Points auf unternehmensrelevante Inhalte überprüft bzw. entsprechend zur weiteren Bearbeitung vorselektiert. Schon im „traditionellen“ Dialogmarketing hat man sich selbst in Verbraucher- oder Beschwerde-Hotlines häufig nur standardisierter Responsemöglichkeiten – weitgehend automatisiert – bedient (vgl. dazu Merkle, 2007b, S. 10). Die Vielfältigkeit der Internet-gestützten Response-Möglichkeiten bringt hier eine extrem erhöhte Komplexität mit sich. 295
4.4
4
Marketing-Instrumente
Unternehmen sollten ein Blog-Monitoring installieren, um die sogenannte Blogosphäre zu überwachen und um sich dieses kontinuierlichen Informationsstroms zu bedienen. Schließlich gibt es viele Beispiele dafür, dass über Produktschwächen zunächst im Internet berichtet wurde und entsprechende Reklamationen dann zum Massenphänomen wurden und die betroffenen Unternehmen nicht nur Umsatzeinbrüche, sondern z.T. auch rückläufige Börsenkurse zu verzeichnen hatten. Einen wichtigen Beitrag zum Auffinden der relevanten Blogs können sogenannte Blogsuchmaschine leisten. So durchforstet etwa der frei zugängliche Service www.technorati.com ca. 60 Mio. Blogs nach Stichwörtern und Links. Bei www.blogsearch.google.de kann man sich täglich Neueinträge gebündelt zusenden lassen und somit über relevante Entwicklungen frühzeitig informiert werden. Ein solches Monitoring ist nicht nur hinsichtlich der eigenen Angebotspalette sowie der von Wettbewerbern relevant. Hier wird auch sichtbar, in welchem Licht ein Unternehmen als potenzieller Arbeitgeber steht. Je größer der Nachfrageüberhang bei qualifizierten Mitarbeitern ist, desto bedeutsamer wird auch die Imagebewertung von Unternehmen als Arbeitgeber im Internet werden. Schließlich können Bewerber hier eine bisher so nicht verfügbare Quelle nutzen, um sich teilweise aufgrund von Beiträgen ehemaliger oder noch beschäftigter Mitarbeiter einen von der Unternehmens-PR weitgehend unkontrollierten Zugang zu Informationen aus dem Innenleben eines Unternehmens zu beschaffen. Blogs stellen damit ein nicht zu vernachlässigendes Instrument des Employer-Branding dar. Ähnlich wie bei den Blogs ist ein Wiki-Monitoring aufzusetzen, um festzustellen, ob falsche oder imageschädigende Ausführungen über das eigene Unternehmen oder Unternehmensvertreter in Wikis enthalten sind. Hier muss u.U. aktiv eingegriffen werden, wenn tendenziöse oder fehlerhafte Informationen verbreitet werden (vgl. Bernet, 2006, S. 155f.). Sehr interessant kann es auch sein, festzustellen, welche Themenbereiche besonders intensiv bearbeitet werden, weil dadurch Interessenslagen der Internet-Nutzer sichtbar werden. U.U. können auf diese Weise neue Trends und spannende Entwicklungen in einem Frühstadium identifiziert werden. Eine besonders intelligente Art der Schaffung und Nutzung von Communities ist Unternehmen wie Novartis, Dupont und Procter & Gamble gelungen. Auf www.innocentive.com veröffentlichen diese Firmen wissenschaftliche Probleme aus den Bereichen Biologie und Chemie, um die Internetgemeinde zum Finden von Lösungen aufzurufen. Z.Zt. haben sich knapp 100.000 Experten aus 150 Ländern bei InnoCentive registriert. Lösungen, die diese Expertengemeinde finden, werden je nach Komplexitätsgrad der Aufgabe mit Prämien zwischen $ 10.000 und 100.000 belohnt. Nach Aussage von Procter & Gamble werden über 30 % der auf InnoCentive ausgeschriebenen Probleme gelöst (Schoder, 2007, S. 8). Auf der Website von InnoCentive (Stand 8.4.2007) werden spezifische der oben diskutierten Motivstrukturen angesprochen. „Für Wissenschaftler: InnoCentive bietet Forschern die Möglichkeit, fachliche Anerkennung und attraktive Geldprämien für die Lösung von FuE-Problemen zu erhalten. Für auftraggebende Unternehmen: InnoCentive bietet Unternehmen die Möglichkeit, auf der ganzen Welt mit talentierten Wissenschaftlern an innovativen Lösungen für ihre schwierigen FuE-Probleme zu arbeiten.“
296
Kommunikationspolitik
Auch andere Unternehmen nutzen das Kreativpotenzial der Internet-Gemeinde. Lego lässt Produkte von seinen Kunden entwerfen. Dieses Vorgehen kann als Crowd Sourcing oder noch treffender als Peer Production bezeichnet werden (Schoder, 2007, S. 8). Dabei gibt es Gewinner auf beiden Seiten: Zum einen können Unternehmen die grenzenlose Kreativität der Internet-Gemeinde nutzen, um kosteneffizient und schnell zu Innovationen zu kommen und damit den Innovationswettlauf zu gewinnen, der durch einen immer höheren Innovationsdruck, reduzierte F&E-Budgets bei gleichzeitig verkürzten Lebenszyklen von neuen Produkten entstanden ist (vgl. 4.1.2.1). Zum anderen finden die bisher oft in der Anonymität gefangene Tüftler, Kreative und Erfinder endlich aufmerksame Zuhörer, die Ideen aufgreifen und ggf. in marktgängige Produkte umsetzen. Hier ist m.E. von Customer Generated Innovations zu sprechen. Eine monetäre Belohnung ist für diese Zielgruppe häufig nicht einmal der treibende Faktor, sondern die Möglichkeit, sich in neuen Produkten (bspw. von Lego) selbst verwirklicht zu sehen, weshalb Lego auf eine Entlohnung der „dezentralen Kreativen“ sogar ganz verzichtet (Schoder, 2007, S. 8). Hierbei ist jedoch ein schmaler Grat zwischen Enthusiasmus der Kreativgemeinde einerseits und der kommerziellen Verwendung des Geschaffenen andererseits gegeben. Aktuell wird – passend zum Web 2.0 – in verschiedenen Foren und Blogs über Möglichkeiten einer Lizenzierung von gemeinschaftlich geschaffenem geistigen Eigentum diskutiert (Schoder, 2007, S. 8). Diese gestiegene Komplexität ergibt sich nicht nur durch die schnelle Verbreitung neuer Internet-basierter Kommunikationsformen und der damit einhergehenden größeren Anzahl an belegbaren Medien, sondern auch dadurch, dass es zu einer weiteren Fragmentierung der tatsächlichen Media-Nutzung kommen wird. Dies wird an die Verantwortlichen in Unternehmen, Agenturen und bei den Media-Agenturen neue Anforderungen an Selektion, Gestaltung und Buchung der einzelnen Kommunikationskanäle stellen, die ggfs. nur über eine stärkere Verzahnung der einzelnen Disziplinen zu lösen sein wird. Merkbox Kommunikation ist viel umfassender als Werbung. Durch Kommunikation werden Informations-, Beeinflussungs- und Steuerungsziele verfolgt. Im Mittelpunkt der Kommunikation stehen verschiedenste Zielgruppen und unterschiedliche Informationsfelder.
Es existieren eine Vielzahl von Werbeträgern und Werbemitteln, deren Einsatz in Kommunikationskampagnen anhand mehrerer Kriterien auszugestalten ist.
Bei der Entwicklung einer Kommunikationskampagne ist eine Inter-Media-Selektion, eine Intra-Media-Selektion und eine Intra-Werbemittel-Selektion pro Werbeträger durchzuführen.
Medien können anhand der Merkmale Medienqualität, Medienflexibilität, Mediennutzerqualität und Medienökonomie ausgewählt werden.
Der Tausenderpreis ermöglicht einen Vergleich der Kosten verschiedener Medien. Werbung ist die dominante Form der unternehmerischen Kommunikation. Response-Medien versuchen, die Angesprochenen zu einer direkten Reaktion zu veranlassen. 297
4.4
4
Marketing-Instrumente
Durch Public Relations wird versucht, Vertrauen in der Öffentlichkeit aufzubauen. Verkaufsförderung zielt auf eine kurzfristige Umsatzsteigerung. Direktwerbung spricht Person gezielt an und versucht, eine unmittelbare Reaktion auszulösen.
Bei der Internet-Kommunikation können eine Vielzahl von Instrumenten zum Einsatz kommen. Die verschiedenen Kommunikationsaktivitäten eines Unternehmens sind zu integrieren, um eine möglichst hohe Wirkung zu erreichen.
Corporate Identity ist kein Instrument, sondern stellt sich als Ergebnisse verschiedener Maßnahmen ein.
Kundenbindungssysteme helfen, Einmal-Kunden zu loyalen Kunden zu entwickeln. Web 2.0 bietet für Unternehmen vielfältige neue Chancen und Risiken.
Fragen zur Überprüfung Ihres Wissensstandes 1
Wie lässt sich Kommunikationspolitik kennzeichnen?
2
Welche Handlungsfelder weist die Kommunikationspolitik auf?
3
Welche Ziele verfolgt die Kommunikationspolitik?
4
Welche Zielgruppen sind zu unterscheiden?
5
Was versteht man unter Pull- und Push-Strategie in der Kommunikation? Wer setzt derartige Strategien ein und warum?
6
Was ist der Unterschied zwischen Werbeträger und Werbemittel? Nennen Sie dafür jeweils konkrete Beispiele.
7
Was versteht man unter Inter- und Intra-Media-Selektion? Verdeutlichen Sie Ihre Aussagen anhand konkreter Beispiele.
8
Was bedeutet die Intra-Werbemittel-Selektion? Nennen Sie Beispiele für diese Entscheidungssituation.
9
Was verbirgt sich hinter den Begriffen Basis- und Zusatzmedium? Bei welchen Fragestellungen sind diese Termini von Bedeutung?
10 Was ist ein Werbebriefing und welche Festlegungen sind damit verbunden? 11 Wodurch wird die Medienqualität und die Mediennutzerqualität bestimmt? 12 Welche Kriterien wirken sich auf die Medienflexibilität und auf die Medienökonomie aus? 13 Welche Arten von Kommunikationsstrategien lassen sich im Hinblick auf das Timing unterscheiden? Arbeiten Sie Entscheidungssituationen heraus, in der einzelne Strategien bessere Kommunikationserfolge erwarten lassen. 14 Was versteht man unter Werbung? Welche Ziele sind damit verbunden? Welche Instrumente können zum Einsatz kommen? 15 Welche Klassifizierungen bieten sich an, um Gruppen von Zeitungen und Zeitschriften zu unterscheiden? Nennen Sie jeweils Beispiele für diese unterschiedlichen Kategorien, indem Sie im Internet nach entsprechenden Titel suchen.
298
Kommunikationspolitik
16 Welche Möglichkeiten des werblichen Einsatzes von Zeitungen und Zeitschriften sind zu unterscheiden? Welches sind deren Vor- und Nachteile? 17 Was ist der Unterschied zwischen Dialog- und Monolog-Anzeigen? In welchem Kontext werden diese eingesetzt? Suchen Sie dafür jeweils Beispiele in Ihnen zugänglichen Zeitungen und Zeitschriften. 18 Woran kann Product Placement erkannt werden? Wie steht dieses Konzept zur Schleichwerbung? Welche rechtlichen Grundlagen sind dabei zu berücksichtigen? 19 Was verbirgt sich hinter dem Begriff Guerilla-Marketing? Welche Beispiele fallen Ihnen dazu ein? 20 Was versteht man unter Viral-Marketing? In welchem Umfeld wird dieses mit welchem Ziel eingesetzt? 21 Welche Instrumente werden bei der Internet-Kommunikation unterschieden? Wann bietet sich der Einsatz welcher Instrumente an? 22 Was versteht man unter Suchmachinen-Marketing? 23 Was kennzeichnet Sponsorenlinks? Welche Bedeutung haben diese für ein werbendes Unternehmen? 24 Was versteht man unter PR? Welche Unternehmen setzen sie mit welchem Ziel ein? 25 Welche Instrumente werden im Rahmen der PR genutzt? 26 Was versteht man unter Verkaufsförderung? Welche Zielgruppen werden unterschieden? 27 Grenzen Sie die Begriffe Direktmarketing, Direktkommunikation und Direktwerbung voneinander ab und verdeutlichen Sie sich die jeweiligen Unterschiede. 28 Welche Instrumente stehen bei der Direktkommunikation zur Verfügung? Was sind die Merkmale, die ein Kommunikationsinstrument zu einem Instrument der Direktkommunikation machen? 29 Analysieren Sie in Ihrem unmittelbaren Umfeld, welche Maßnahmen der Direktkommunikation Ihnen in den letzten Tagen begegnet sind. 30 Welche Regelungen hat das UWG für die Direktansprache von Konsumenten und Unternehmensvertretern festgelegt? Welche Intention ist damit verbunden? 31 Was versteht man unter Permission-Marketing? Welche Arten sind dabei zu unterscheiden? 32 Aufgrund welcher Faktoren hat die Bedeutung der Direktkommunikation in den letzten Jahren zugenommen? 33 Welche Aktivitäten sind mit Sponsoring verbunden? Welche Arten können unterschieden werden? 34 Worin liegt der Unterschied zwischen Sponsoring und Mäzenatentum? 35 Welche Ziele sind mit Sponsoring verbunden und welche Faktoren wirken sich auf deren Erreichung aus? 36 Wie lassen sich Messen und Ausstellungen beschreiben? Welche derartigen Veranstaltungen sind Ihnen bekannt? Recherchieren Sie zehn verschiedene Veranstaltungen und arbeiten Sie heraus, ob sich diese an ein Fach- oder allgemeines Publikum wenden. 37 Was ist unter Event-Marketing zu verstehen? Welche Wirkungsfelder werden hierbei primär angestrebt? 38 Was versteht man unter Corporate Identity? Welche Ziele sind damit verbunden? Welche Zielgruppen haben Unternehmen im Auge?
299
4.4
4
Marketing-Instrumente
39 Welche Handlungsfelder werden bei der Corporate Identity unterschieden? Wie kann eine Umsetzung der definierten Vorgaben im Unternehmen sichergestellt werden? 40 Was liegt einer Corporate Identity i.d.R. zugrunde? Finden Sie entsprechende Grundlagen durch eine Recherche im Internet. Vergleichen Sie bspw. die Konzepte von Siemens, Daimler und Tchibo. 41 Gibt es einen Unterschied zwischen CI und CD – und wenn ja, welchen? 42 Welche Festlegungen erfolgen im Rahmen des CD? 43 Was wird durch Corporate Communications angestrebt und warum? Wie können die zugrunde liegenden Ziele erreicht werden? 44 Welche Gründe liegen dem Wachstum verschiedener Kundenbindungsprogramme zugrunde? Welche kennen Sie? Was zeichnet diese aus? 45 Welche Arten von Kundenbindungssystemen sind zu unterscheiden? 46 Was kennzeichnet einen Kundenclub? 47 Welche Zielgruppen sollten durch ein Kundenbindungsprogramm erreicht werden? 48 Welche Leistungen kann ein Kundenbindungsprogramm umfassen? Welche Bedeutung messen Sie den einzelnen Elementen dabei zu? 49 Wodurch lässt sich Web 2.0 kennzeichnen? 50 Was versteht man unter User Generated Content? 51 Welche Motivstruktur steht hinter einem Engagement bei Web 2.0? Welche Web 2.0-Angebote bedienen diese Ihrer Meinung nach besonders gut? 52 Was versteht man unter Wikis? Welche Beispiele kennen Sie? 53 Was ist ein Weblog? Welche Bedeutung kommt diesem für Unternehmen zu? 54 Was versteht man unter Podcast? Welche Beispiele kennen Sie? 55 Was ist der Unterschied zwischen Real und Virtual Communities? Welche Beispiele kennen Sie? 56 Welche Guidelines sind bei der Nutzbarmachung des Web 2.0 durch Unternehmen zu berükksichtigen?
300
Personalpolitik
4.5
Personalpolitik
„Nur wer selbst brennt, kann in anderen ein Feuer entfachen!“ (o.V.)
Lernziele Fähigkeit...
den zunehmenden Stellenwert der Personalpolitik im Sinne eines Marketing nach innen zu erfassen Aufgabenfelder des Marketing nach innen zu benennen Instrumente des Marketing nach innen zu beherrschen
4.5.1 Plädoyer für das „5. P“ im Marketing-Mix Der Marketing-Mix wird heute nach wie vor schwerpunktmäßig über die „4 Ps“ definiert, die in den vorangegangenen Abschnitten präsentiert wurden. Nur vereinzelt finden sich insb. in der englischsprachigen Literatur Ansätze, die von einem „5. P“ im Marketing sprechen (vgl. Smith/Taylor, 2004, S. 7). Dabei wird häufig auf den Servicesektor fokussiert, in dem der Mitarbeiter schon immer eine besondere Stellung einnahm. Teilweise finden sich auch Ansätze mit „7 Ps“, wobei die weiteren Ps für „Process“ und „Physical Evidence“ (vgl. Smith/Taylor, 2004, S. 8; Zeithaml et al., 2005, S. 35), oder für „Packaging“ und „Positioning“ stehen (vgl. Collings, 2001, S. 17). M.E. ist die Zeit reif, den Mix generell um ein „5. P“ für Personalpolitik zu ergänzen. Unter „Personalpolitik“ wird in diesem Kontext die Gesamtheit der unternehmerischen Maßnahmen verstanden, die dazu beitragen, den Führungskräften und Mitarbeitern in der Wertschöpfungskette einen gleichen Stellenwert einzuräumen, wie bspw. der Produktpolitik. Um eine Fehlinterpretation der so definierten Personalpolitik zu vermeiden, wird diesbezüglich im Folgenden vom „Marketing nach innen“ gesprochen. Bevor dessen Ausgestaltung vorgenommen wird, soll zunächst dargestellt werden, vor welchem Hintergrund die Weiterentwicklung des Marketing-Mix erfolgt (vgl. auch Bruhn, 2001, S. 707-710; Meffert, 2001, S. 952-955; Fritz/Oelsnitz, 2006, S. 42-44; Becker, 2006, S. 923-933; Bruhn, 2004, S.86). Eine empirische Studie des Gallup-Instituts hat für 2006 ergeben, dass 87 % der knapp 32 Millionen Arbeitnehmer in Deutschland keine echte Verpflichtung gegenüber ihrer Arbeit verspüren. 68 % machen lediglich Dienst nach Vorschrift und 19 % haben ihre innere Kündigung bereits vollzogen (vgl. hierzu und im folgenden Gallup, 2006). Damit erreicht der Anteil der Beschäftigten mit einer geringen oder keiner emotionalen Bindung an ihren Beruf ein erschreckend hohes Niveau (vgl. Abb. 4.5/1). Dabei existieren zwischen den alten und neuen Bundesländern keine erkennbaren Unterschiede. Der Anteil der Arbeitnehmer in Deutschland, die eine hohe emotionale 301
4.5
Personalpolitik
nehmen für 2006 und die Folgejahre hervor (Droege & Comp., 2005, S. 18; Fröndorff, 2006, S. 18): weiteres Investment in Wachstum, Kostensenkung, Neuorganisation.
Abb. 4.5/2:
Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber Quelle: Gallup, 2005
Bei diesen Schwerpunktsetzungen werden die Erkenntnisse vernachlässigt, die Gallup Jahr für Jahr erarbeitet und die m.E. zu einer zumindest partiellen Refokussierung der Unternehmensaktivitäten führen sollten. Die emotionale Ungebundenheit der Mitarbeiter bedeutet nichts anderes, als dass es auf breiter Front zum Bruch des psychologischen Arbeitsvertrages gekommen ist, der die unausgesprochenen Erwartungshaltungen, Hoffnungen und Wünsche der Parteien beinhaltet (vgl. vertiefend Brinkmann/Stapf, 2005; Gössing, 2005). Das Ergebnis ist eine Verweigerungshaltung der Mitarbeiter, wodurch deren Leistungsniveau deutlich und nachhaltig unter dem vorhandenen Potenzial bleibt. Dessen gesamtwirtschaftlicher Schaden beläuft sich allein in Deutschland auf ca. € 250 Milliarden pro Jahr. Zum einen fehlen Mitarbeiter 303
4.5
4
Marketing-Instrumente
ohne emotionale Bindung im Vergleich zu denen mit hoher Bindung deutlich häufiger (acht zu sechs Fehltage). Zum anderen präsentieren sie deutlich weniger Verbesserungsvorschläge (fünf zu zwölf Vorschlägen innerhalb der letzten sechs Monate). Bei der Mund-zu-Mund-Propaganda sind die Mitarbeiter mit geringer emotionaler Bindung ebenfalls deutlich zurückhaltender (Gallup, 2005; vgl. Abb. 4.5/2). Wenn Unternehmen eine Neuorganisation anstreben, mit der nachhaltiges und profitables Wachstum erreicht werden soll, darf m.E. nicht länger vernachlässigt werden, dass ein wichtiger Erfolgsfaktor in den Mitarbeitern zu sehen ist. Diese müssen nicht nur die Neuorganisation mit Leben füllen, sondern werden aufgrund der zunehmenden Bedeutung von Dienstleistungen einen immer größeren Anteil an der Unternehmenswertschöpfung erbringen, da sich die etablierten Industrienationen immer stärker zu Dienstleistungsgesellschaften entwickeln. Diese Tendenz hat im Jahre 2006 in Deutschland einen neuen Höhepunkt erreicht: 71,9 % aller Erwerbstätigen sind im Dienstleistungssektor beschäftigt. 1991 lag dieser Anteil bei ungefähr gleich hoher Erwerbstätigenzahl noch bei 59,5 % (o.V., 3.1.2006, S. 4). Das heißt nichts anderes, als dass der Mitarbeiter als zentrale Ressource im Unternehmen eine immer größere Bedeutung erlangt, weil er in den Wertschöpfungsprozess am Kunden viel intensiver eingebunden ist (vgl. Bruhn, 2001, S. 707). Ein weiterer Faktor, der die Relevanz des Marketing nach innen verstärkt, ist die zunehmende Notwendigkeit, sich bei Angeboten, die sich immer ähnlicher werden, über die Dienstleistungsqualität im Wettbewerb zu differenzieren (vgl. vertiefend Haller, 2005, S. 52f.; Erhard, 1999, S. 102-105). Deshalb ist es m.E. an der Zeit, die in 2.4.2.3 diskutierten Ansatzpunkte zur Erreichung einer Uniqueness im Markt um ein Konzept zu erweitern: die Unique Passion
Abb. 4.5/3:
Ansatzpunkte zur Erreichung von Uniqueness
Unique Selling Proposition
Profilierung
Unique Advertising Proposition
304
Unique Passion Proposition
Personalpolitik
Proposition (UPP; vgl. Abb. 4.5/3). Hierbei geht es um die Zielsetzung, das Leistungsangebot, sei es eine Marke, ein konkretes Produkt oder eine Dienstleistung in den Augen der Kunden dadurch aufzuwerten, dass die Leidenschaft der dahinter agierenden Menschen sicht- und erlebbar wird. Vielleicht gelingt es sogar, ein ganzes Unternehmen als passion-driven auszurichten. Die Abgrenzung zum USP gelingt dadurch, dass bei der UPP keine „Facts and Figures“ zur Dokumentation der Überlegenheit ins Feld geführt werden können, sondern dass es eher um den „Spirit“ geht, der hinter einem Leistungsangebot steht. Insoweit ist der UPP auch wesentlich mehr als der UAP, der auf der rein kommunikativen Schiene stehen bleibt. Wird dieser Spirit für den Interessenten oder Kunden sichtbar, so kann seine Kaufentscheidung dadurch positiv beeinflusst werden gemäß des Mottos: „Wenn sich die Mitarbeiter für ihr Unternehmen, ihre Marke, ihr Produkt ins Zeug legen, dann muss es ja etwas sein!“ Auf diese Weise kann Unsicherheit im Kaufentscheidungsprozess reduziert werden. Eine UPP ist dann und erst dann erreicht, wenn in den Augen der Zielgruppe deutlich wird, dass hinter einem Unternehmen, einer Marke oder eine Dienstleistung ein leidenschaftliches Agieren steht, welches sich in verschiedenen Dimensionen konkretisieren kann: Leidenschaft, dem Kunden eine exzellente Dienstleistung zu erbringen Leidenschaft, das beste Produkt auf den Markt zu haben und dieses kontinuierlichen weiterzuentwickeln Leidenschaft, für den Kunden „die extra Meile zu gehen“ Leidenschaft, sich nie auf seinen Lorbeeren auszuruhen, sondern sich durch Erfolge zu neuen Erfolgen anspornen zu lassen In Summe geht es um die Leidenschaft, eine Marketing-Excellence für das gesamte Unternehmen zu erreichen (vgl. Abb. 4.5/4; weiterführend Kreutzer et al., 2007). Viele Unternehmen werden in den nächsten Jahren nur erfolgreich sein, wenn sie ihre Organisation auf Passion trimmen und dabei alle in der dargestellten MarketingExcellence-Turbine aufgezeigten Leistungsfelder gleichermaßen mit Leidenschaft ausfüllen. Dabei wird sich zeigen, dass selbst Unternehmen, deren Marketing-Strategie weniger innovativ ist als die eines Wettbewerbers, erfolgreicher sein können, wenn die strategischen Konzepte über alle Unternehmenshierarchien und die eingebundenen Partner hinweg überzeugend umgesetzt und als „Passion Driven Organization“ bei den Kunden ankommen. Denn das einzige, was auch langfristig nicht kopiert werden kann, sind die Beziehungen, die ein Unternehmen und insb. dessen Mitarbeiter zu Kunden aufbaut. Somit ist durch die Fokussierung auf den Faktor Passion eine solide Grundlage geschaffen, um eine die langfristige Uniqueness über den UPP zu erreichen. Dies setzt allerdings ein konsequentes Marketing nach innen voraus, weil dieses erst die notwendigen Bedingungen hierfür schaffen kann (vgl. vertiefend Kreutzer, 2007d; auch Merkle/Kreutzer, 2007; Schauer, 2007; Homburg/Stock, 2000). 305
4.5
4
Marketing-Instrumente
Abb. 4.5/4:
Passion-getriebene Marketing-Excellence-Turbine
Eine zusätzliche Notwendigkeit, sich mit der strategischen Ressource Mitarbeiter umfassender zu beschäftigen, resultiert aus der Globalisierung. Analysiert man das globale Umfeld, in dem deutsche Unternehmen heute aktiv sind, dann lässt sich ein Split hinsichtlich der Lerndynamik zwischen den Nationen feststellen. Während noch in den 90er Jahren Bücher wie Peter Senges The Fifth Discipline (1990) das lernende Unternehmen erfolgreich propagierten, findet sich das organisationale Lernen heute immer weniger auf den Agenden der Unternehmen. Das Management des Abschwungs verbunden mit Kostensenkungsprogrammen und damit einhergehenden Standortverlagerungen waren im Fokus der Top-Manager der letzten Jahre. Beim Kampf ums Überleben wurden Budgetansätze für „Training“ und „Organisationsentwicklung“ gekappt, weil solche Kürzungen unmittelbar ergebniswirksam waren – und sich mögliche „Nebenwirkungen“ erst längerfristig zeigen. Denn hier gilt m.E. ebenfalls die Bewertung von John F. Kennedy: „Es gibt nur eines, was auf Dauer teuerer ist als Bildung, keine Bildung.“ Dagegen sind die zwei wichtigsten kommenden Volkswirtschaften, Indien und China, in einer wahren Lerneuphorie. Der jungen Generation beider Länder ist bewusst, dass sie die Möglichkeit haben, eine Stufe auf der Einkommensskala zu erreichen, die keiner der vorhergehenden Generationen möglich war. Gleichzeitig dominiert in beiden Ländern die junge Bevölkerungsgruppe. In Indien sind 31,2 % der Bevölkerung von 1,08 Mrd. Einwohnern im Alter von 0-14 Jahren und in China 21,4 % von 1,3 Mrd. In Deutschland liegt deren Anteil bei lediglich 14,4 % von 82,5 Mio. Einwohnern (Stand 2005; United Nations, 2006). Auch im Management der dort agierenden Unternehmen ist eine extrem große Lernbereitschaft gegeben, weil 306
Personalpolitik
es gilt, ein Entwicklungsdefizit möglichst schnell abzubauen. So hieß es nach der Akquisition der PC-Sparte von IBM durch das chinesische Unternehmen Lenovo: „... the deal was driven not only by a hunger for scale but also by a desire among Lenovo´s Chinese executives to keep climbing the learning curve as fast as humanely possible. … there is … a ´we can really learn from these people´ enthusiasm that is rarely in evidence among US or European acquirers. … The desire to learn arises instead from a potent mix of greed and fear, lace with considerable intelligence and a sprinkling of humility. It is the classic entrepreneurial cocktail” (London, 2005, S. 9). Diese Entwicklung wird durch die Verschiebung in der Weltbevölkerungsstruktur noch weiter verschärft. Vor 100 Jahren war jeder dritte Mensch ein Europäer, 1950 nur noch jeder fünfte, und im Jahr 2050 wird deren Anteil auf 7 % und damit zu einer Minderheit geschrumpft sein (Miegel, 2005, S. 33; vgl. Abb. 4.5/3).
Abb. 4.5/5:
Anteil der Europäer an der Weltbevölkerung In Anlehnung an United Nations, 2006 Anteil Europas an Weltbevölkerung in %
25,00%
20,00%
15,00%
10,00%
5,00%
0,00% 1950
1955
1960
1965
1970
1975
1980
1985
1990
1995
2000
2005
2010
2015
2020
2025
2030
2035
2040
2045
2050
Jahre
In den 80er Jahren haben die europäischen und US-amerikanischen Unternehmen Management- und insb. Produktionskonzepte von japanischen Vorbildern übernommen. Systeme wie Total Quality Management, Lean Production, Six Sigma und andere wurden aufgrund der Überlegenheit japanischer Unternehmen in vielen Branchen erfolgreich aufgegriffen und umgesetzt – mit dem Erfolg, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit europäischer und amerikanischer Unternehmen wieder deutlich verbesserte. An dieser Lerndynamik anzuschließen und damit die lernende Organisation als Erfolgsfaktor zu nutzen, ist nicht nur eine nationale, quasi volkswirtschaftliche 307
4.5
4
Marketing-Instrumente
Aufgabe, sondern eine einzelwirtschaftliche Herausforderung für jedes Unternehmen (vgl. weiterführend Schnurer/Mandl, 2004).
4.5.2 System eines „Marketing nach innen“ 4.5.2.1 Grundüberlegungen Der Schwerpunkt von Marketing-Wissenschaft und -Praxis ist m.E. nach wie vor das „nach außen gerichtete Marketing“, bei dem u.a. die Preisstrategie, das Produktdesign, die gewählten Vertriebsformate und vor allem die Instrumente der Kommunikationspolitik im Mittelpunkt stehen (vgl. anders Bruhn, 1999; Burmann et al., 2005). Es dominiert häufig das Ziel, überzeugende Marketing-Ideen schnell und noch vor einer möglichen Wettbewerberaktion in den Markt hineinzutragen. Häufig wird dabei vergessen, dass alle guten Ideen vom Unternehmen prozessual „gemanagt“ werden müssen und dass alle als Customer Touch Points bezeichneten Anlaufstationen des Kunden – sei es der POS, die Hotline oder das für die Korrespondenz zuständige Customer Service Center am besten noch vor dem Kunden über die Aktionen zu informieren sind. Häufig ist der Kunde nicht nur der erste, sondern auch der einzige, der Kommunikationsstörungen erkennt – mit der entsprechenden Auswirkung auf das Unternehmensimage.
Abb. 4.5/6:
Einordnung des Marketing nach innen
Marketing nach innen
Zielgruppen: - Führungskräfte - Mitarbeiter - Betriebsrat
Unternehmen
Marketing nach außen
308
Zielgruppen: - Kunden - Shareholder - Öffentlichkeit - Medien - Wettbewerber
Personalpolitik
Beim Marketing nach innen ist folglich zunächst die Kommunikation gemeint, die die definierten Unternehmens- und Marketing-Ziele sowie die davon abgeleiteten Strategien im Unternehmen selbst vermittelt. Teilweise findet sich hierfür der Begriff interne Kommunikation, worunter zumeist eine kaskadenartige, von oben nach unten verlaufende Informationsbereitstellung verstanden wird. Das hier angesprochene Konzept des Marketing nach innen greift darüber weit hinaus und stößt zusätzlich u.a. eine dialogische Kommunikation an, um kontinuierliche Rückinformationen aus allen relevanten Unternehmensbereichen zu erhalten. In Summe wird dabei die Überwindung der klassischen Grenzen zwischen Marketing- und Personalarbeit in funktional aufgestellten Unternehmen angestrebt (vgl. Abb. 4.5/6). Basierend auf den Unternehmenszielen sind bei der Umsetzung eines Marketing nach innen zunächst dessen Ziele zu definieren. Für die anschließende Umsetzung sind u.a. folgende Aufgaben zu bearbeiten (vgl. Bruhn, 2001, S. 711-716):
Segmentierung der Mitarbeiter hinsichtlich ihrer Informationsbedürfnisse Festlegung der Kommunikationskanäle Erarbeitung von Feedback-Mechanismen Fixierung der kommunikativen Schwerpunkte Definition von Kontrollpunkten
Entscheidend ist, dass der gesamte Prozess des Marketing nach innen kritisch begleitet wird. Mit dem einmaligen Installieren dieses Konzeptes ist das Ziel einer umfassenden Mobilisierung der unternehmensinternen Effizienzreserven nicht zu erreichen. Deshalb ist regelmäßig eine kritische Überprüfung u.a. der folgenden Fragestellungen notwendig: Wird den sich verändernden Informationsbedarfen der unterschiedlichen Zielgruppen ausreichend Rechnung getragen? Werden die angebotenen Informationskanäle genutzt? Wird von der Möglichkeit, Feedback zu geben, ausreichend Gebrauch gemacht? Die Fragen und Ideen wurden bei der erstmaligen Diskussion um eine Corporate Identity bereits aufgeworfen (vgl. 4.4.5.1), aber nicht in dem Maße vertieft, wie dies angesichts der heutigen Anforderungen m.E. aktuell notwendig wäre.
4.5.2.2 Leitideen für ein Marketing nach innen Die Leitideen für ein Marketing nach innen lassen sich auf einen einfachen Nenner bringen: Wertschätzung – Information – Dialog (vgl. Abb. 4.5/7). Wertschätzung und damit ein respektvoller Umgang mit den Mitarbeitern ist in der Unternehmenspraxis keine Selbstverständlichkeit. Das Miteinander im Unternehmen, sei es auf einer oder zwischen verschiedenen Hierarchieebenen, ist von einem wertschätzenden Umgang häufig noch weit entfernt. Launische Vorgesetzte, neue Mitarbeiter, mit denen am ersten Arbeitstag keiner gerechnet hat, oder Informationen über anstehende Standortschließungen, die betroffene Mitarbeiter der Tagespresse entnehmen müssen, sind Beispiele hierfür (vgl. weiterführend Kreutzer, 2007c; Rudolph, 2005, S. 160-170). 309
4.5
4
Marketing-Instrumente
Die zuvor beschriebenen Prozentwerte der fehlenden Identifikation mit dem Unternehmen finden hier ihre Ursachen. Entsprechende Kommunikationsprobleme führen häufig auch die Listen von Themen an, die Mitarbeiter bei ihrer täglichen Arbeit behindern (vgl. Augustin, 2004, S. 123; Gross, 2002, S. 97-109).
Abb. 4.5/7:
Leitideen des Marketing nach innen
Wertschätzung
Marketing nach innen
Information
Dialog
Wertschätzung drückt sich gerade auch durch ein Interesse am Menschen und nicht nur am Leistungsträger aus. Leistung zu fordern und Mitarbeiter wertschätzend zu behandeln, stellt nur scheinbar einen Widerspruch dar. Die Kausalität ist umgekehrt. Wertschätzung zahlt in hohem Maße auf Leistungsbereitschaft und Motivation ein, nicht auf das Leistungspotenzial, das durch andere Faktoren beeinflusst wird. Der Zusammenhang wird im Eisberg-Modell der Leistungserbringung deutlich (vgl. Abb. 4.5/8). Dabei kann Bezug genommen werden auf die Erkenntnisse von Herzberg, der die Bedingungen für die Entstehung von Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit beim arbeitenden Menschen untersuchte. Er definiert zum einen so genannte Motivatoren (Satisfiers), die zu Arbeitszufriedenheit führen und zu denen Leistungserfolg, die Arbeit selbst, Verantwortung, Entfaltungsmöglichkeiten und insbesondere auch Anerkennung zählen. Zum anderen hat er Hygienefaktoren (Dissatisfiers) herausgearbeitet, deren Nichterfüllung Unzufriedenheit erzeugt, deren Erfüllung aber noch keine Zufriedenheit schafft. Hierzu zählen u.a. Gehalt, zwischenmenschliche Beziehungen, Kollegen, physische Arbeitsbedingungen, Führung. Trotz der teilweise vorgebrachten Kritik an diesem Ansatz können die zentralen Erkenntnisse eine Leitschnur für die Ausgestaltung des Marketing nach innen sein (vgl. weiterführend Steinmann/Schreyögg, 2002, S. 502-506; Rudolph, 2005, S. 162-166; Gross, 2002, S. 135-179; Hamburg/Stock, 2000, S. 104f., 2001, 2002; Eckstaller, 2001). 310
Personalpolitik
Abb. 4.5/8:
Eisberg-Modell der Leistungserbringung
Einflussfaktoren: - Wertschätzung - Information - Dialog
Ausmaß der Leistungsbereitschaft
Leistungspotenzial
Wie ist der Status quo des Marketing nach innen in Deutschland exemplarisch zu kennzeichnen? „Dabei haben die meisten Führungsverantwortlichen den nötigen IQ, um die Probleme zu erkennen. Was fehlt, ist die emotionale Intelligenz, um sie zu lösen“ (Goldfuß, 2006, S. 1). „Deutsche Führungskräfte sind zu autoritär, hören nicht auf ihre Mitarbeiter und sparen zu sehr mit Lob und Anerkennung“ (Wood, Ex-Geschäftsführer von Gallup Deutschland, nach Samhoud et al., 2005, S. 73f.). Beim Thema Information geht es zunächst „ums große Ganze“, d.h. wohin soll sich ein Unternehmen entwickeln? Hierbei kann man sich an dem Zitat von Antoine de SaintExupéry orientieren: „Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“ Die Erreichung ehrgeiziger Ziele wird mit einer motivierenden Kommunikation im Unternehmen steigen, wenn es dadurch gelingt, möglichst viele Mitarbeiter „auf die Reise“ mitzunehmen. Der Dialog selbst ist stärker auf die operative Ebene ausgerichtet und soll sicherstellen, dass die unternehmensinternen Prozesse korrekt ablaufen. Dabei gilt: Informatorische Kommunikation schafft primär Transparenz und kann darüber zu einem Commitment mit dem Unternehmen führen. Die motivatorische Kommunikation (i.S. von Lob und Anerkennung sowie durch die Delegation von Verantwortung) kann sich direkt auf die Motivation und dadurch auf das Commitment auswirken (vgl. Abb. 4.5/9). Während es früher immer hieß: „Der Gewinn liegt im Einkauf“, so kann angesichts der oben aufgeführten Erkenntnisse entgegengehalten werden: „Der Gewinn liegt im Mitarbeiter!“ Denn zum einen wurde die Kostenoptimierung, und nicht nur auf der Einkaufsseite, in den letzten Jahren konsequent umgesetzt. Zum anderen steigt ange311
4.5
4
Marketing-Instrumente
sichts der zunehmenden Verschiebung zum Dienstleistungssektor der Anteil der Arbeitskosten in vielen Branchen an. Deshalb gilt es, das in vielen Bereichen unausgeschöpfte Mitarbeiterpotenzial zu aktivieren (vgl. Lundin et al., 2001; Arussy, 2005; Smith/Taylor, 2005, S. 95-97; Zeithaml et al., 2005, S. 123-125).
Abb. 4.5/9:
Wirkungskette der Kommunikation eines Marketing nach innen
Informatorische Kommunikation
Transparenz
Commitment
Motivatorische Kommunikation
Leistungsstärke der gesamten Organisation
Motivation
4.5.2.3 Sicherstellung des „strategischen Informationsflusses“ im Unternehmen Zu den zentralen Informationsströmen in einem Unternehmen zählen zunächst die strategischen Guidelines, die von der Unternehmensführung zur Zielorientierung des gesamten Managements sowie der Mitarbeiter kommuniziert werden müssen (vgl. Bruhn, 2001, S. 723-727). Dabei geht es u.a. um folgende Bereiche:
In welchen Feldern möchte das Unternehmen in Zukunft tätig sein? Welche Umsatz- und Ergebnisziele strebt das Unternehmen im nächsten Jahr an? Gegen welche Wettbewerber möchte man sich abgrenzen? Welcher Stellenwert wird Innovationen, der Produkt- und/oder Dienstleistungsqualität zugemessen? Wie möchte man den Kunden gegenüber auftreten? Welche Service-Ziele hat man sich gesetzt? Die Bereitstellung derartiger Informationen ermöglicht eine Grundorientierung und Motivation der Mitarbeiter. Werden diese Bereiche nicht Top Down mit Informationen gefüllt, so besteht das Risiko, dass aufgrund eines strategischen Vakuums Bereichsoder Abteilungsziele definiert werden, die nicht oder nicht ausreichend auf die Gesamtziele des Unternehmens einzahlen. Dabei gilt, dass sich i.d.R. nur knapp ein Viertel der Mitarbeiter von ihrem Vorgesetzten umfassend informiert fühlen (vgl. Lutz, 2006, S. 2). In einer Studie des Harvard Business Review wurde sogar festgestellt, dass im Durchschnitt 95 % der Mitarbeiter die Unternehmensstrategie nicht kennen oder nicht verstehen (Maitland, 2006, S. 23). 312
Personalpolitik
Die notwendige Informationskaskade beginnt deshalb auf der obersten Hierarchiestufe. Dem Unternehmen stehen eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Befriedigung der Informationsbedürfnisse der Mitarbeiter zur Verfügung. Dabei handelt es sich m.E. nicht um eine Holschuld der Mitarbeiter, sondern um eine Bringschuld des Management gegenüber den Mitarbeitern. Dazu bieten sich verschiedene Medien und Konzepte an:
Intranet E-Mail E-Mail-Newsletter Mitarbeiterzeitschriften Bekanntmachungen am Schwarzen Brett Informationsveranstaltungen des Managements Weblogs
Die Entwicklung und der Einsatz derartiger Maßnahmen sind konkreter Ausdruck der Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern. Dabei wird deutlich, dass Ressourcen bereit gestellt werden, um dem Informationsbedürfnis der Mitarbeiter Rechnung zu tragen. Über Intranet, E-Mail, E-Mail-Newsletter und/oder Mitarbeiterzeitschriften kann u.a. berichtet werden, für welche Kunden das Unternehmen arbeitet, es können sich die verschiedenen Abteilungen und/oder Niederlassungen vorstellen, neue Produkte werden präsentiert, Mitarbeiter kommen zu Wort etc. Das Management kann bspw. zusätzlich alle sechs Monate zu unterschiedlichen Themen aus dem Unternehmensalltag gegenüber den Mitarbeitern Stellung nehmen. Ein innovatives Instrument der dialogischen Kommunikation stellen Weblogs (vgl. auch 4.4.6) dar. Während in Internet-Tagebüchern bisher primär Teenager über ihre Schulprobleme berichtet und Techniker über Produktinnovationen diskutiert haben, setzen zunehmend auch Unternehmenslenker (bspw. bei Intel, GM und Sun Micro Systems) auf Blogs, um mit der Belegschaft und den Kunden zu kommunizieren (vgl. Lembke, 2006, S. 44). Diese Kommunikationsform entwickelt sich durch MitarbeiterBlogs z.T. zur dialogischen Kommunikation weiter, wodurch sich Mitarbeiter aller Hierarchieebenen über ihre Arbeit, neue Produkte und anderes austauschen können. Gleichzeitig geben diese Mitarbeiter-Blogs dem Unternehmen ein zusätzliches Gesicht nach außen (vgl. vertiefend Scoble/Shel, 2006). Durch diese Maßnahmen kann auch der Aufbau eines Wir-Gefühls gefördert, Stolz auf das eigene Unternehmen und eine Identifikation mit dessen Zielen und Aufgabenstellungen verbessert werden. Dies alles sind Zwischenziele auf dem Weg zur Schaffung einer Corporate Identity (vgl. 4.4.5.1).
4.5.2.4 Sicherstellung einer „dialogischen Kommunikation“ im Unternehmen Zur Sicherstellung einer hohen Motivation der Mitarbeiter gehört deren frühzeitige informatorische Einbindung in kundenorientierte Maßnahmen, um auf entsprechend informierte Kunden, sei es am POS oder im Customer Service Center, ausreichend vor313
4.5
4
Marketing-Instrumente
bereitet zu sein. Derartige Informationen liefern die Voraussetzung dafür, dass im Unternehmen eine überragende Servicequalität erreicht werden kann. Dabei liegt das Ziel zugrunde: „Durch das Unternehmen gut informierte Kunden sollten auf ebenso gut informierte Mitarbeiter treffen“. Im Zuge der dialogischen Kommunikation ist eine umfassende Informationsversorgung aller Customer Touch Points und aller Abteilungen mit nach außen gerichteten Aufgaben sicherzustellen (vgl. Abb. 4.5/10).
Abb. 4.5/10:
Dialogische Kommunikation im Unternehmen
Customer Service Center Technischer Kundendienst
PR-Bereich
MarketingAbteilung
F&E-
...
Abteilung POS
Häufig ist zu beobachten, dass in den Offline-Medien auf bestimmte Homepages verwiesen wird, auf denen man sich anmelden oder weitere Informationen erhalten kann. Doch nicht selten führen solche Verweise ins informatorische Nirvana: Seiten sind noch im Aufbau, versprochene Informationen wurden nicht eingestellt. Auf diese Weise wird dem Nutzer deutlich, dass es in vielen Unternehmen immer noch eine kognitive Firewall zwischen den für die Online- bzw. für die Offline-Medien zuständigen Abteilungen gibt und deshalb eine Multi-Channel-Kommunikation nicht funktioniert (vgl. 4.4.3.10). Weitaus gravierender sind derartige Kommunikationsstörungen, wenn es bspw. um die Entwicklung und Umsetzung eines CRM-Projektes in einem Unternehmen geht. Noch immer gibt es Unternehmen, in denen die Entscheidung für die Einführung eines bestimmten Konzeptes (inkl. Software) in der Unternehmensleitung fällt, ohne die für die Umsetzung verantwortlichen Mitarbeiter in den Entscheidungs- und Ent314
Personalpolitik
wicklungsprozess umfassend einzubinden. Häufig scheitert eine solche als Bombenwurf-Strategie bezeichnete Vorgehensweise an der Motivation der Mitarbeiter bzw. daran, dass relevante Geschäftsprozesse beim Design der Lösung nicht berücksichtigt wurden und deshalb das ganze System nicht einsetzbar ist. Ausdruck eines Marketing nach innen kann hier die Zielsetzung sein, Betroffene zu Beteiligten zu machen, um auf diese Weise einen umfassenden Informationsfluss im Zuge der Systementwicklung wie auch die Einsetzbarkeit des Konzeptes im Unternehmen sicherzustellen. Eine Studie von Roland Berger (2003) hat die Relevanz eines entsprechenden Vorgehens nochmals unterstrichen, weil als zentraler Störfaktor einer CRM-Implementierung an erster Stelle die unklare strategische Einordnung (85 %) genannt wurde. Darüber hinaus wurde von 81 % der befragten Entscheidungsträger ein IT-Umsetzungsproblem genannt. Ursache hierfür kann das Missverständnis darstellen, CRM als Software und nicht als eine umfassende Denkhaltung des gesamten Unternehmens anzusehen. Zunächst muss den Mitarbeitern die Relevanz einer entsprechenden Kundenorientierung deutlich gemacht werden, bevor über die Konzeption des Gesamtsystems und – abgeleitet davon – über eine Software zu entscheiden ist. Schließlich steht und fällt die Akzeptanz eines CRM-Konzeptes in einem Unternehmen mit der Begeisterung sowie dem Ideenreichtum, mit dem dieses „philosophische Konzept“ im Unternehmen aufgenommen wird. Die Voraussetzung hierfür ist, dass die Mitarbeiter dessen Relevanz für das eigene Unternehmen erkannt haben. Bei der Umsetzung dieses Konzeptes, bspw. in Gestalt eines Kundenbindungsprogramms, gilt, dass idealerweise zunächst die Mitarbeiter über dessen Inhalte und Mechaniken zu informieren sind, bevor das Programm der Öffentlichkeit präsentiert wird. Ein ideales Vorgehenskonzept wurde dabei bspw. von der Sparkassen-Organisation gewählt. Zunächst erfolgte eine umfassende Kommunikationskampagne nach innen, um alle Mitarbeiter über das Programm zu informieren. Erst im daran anschließenden zweiten Schritt wurden die Kunden und weiteren externen Zielgruppen informiert (vgl. vertiefend Hartmann et al., 2004, S. 194-208). Ein weiterer zentraler Aspekt der dialogischen Kommunikation ist das unternehmensinterne Ideenmanagement. Nur gut informierte und motivierte Mitarbeiter nehmen die Herausforderung an, sich aktiv an der innovativen Weiterentwicklung des Unternehmens zu beteiligen, gleichgültig, ob es ein web-basiertes Ideenmanagement ist, wie es bspw. bei Chemetall eingesetzt wird, oder ob es das Programm smartidee von O2 ist. Unternehmen gelingt es i.d.R. nur, Mitarbeiter zu einem engagierten Mitmachen zu bewegen, wenn die zuvor genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Einen besonders mutigen Weg beschritt man bei einem Zigarrenhersteller mit dem Dannemann Innovations-Programm. Die zentrale Botschaft dieses Programms lag darin, dass derjenige, der einen Einfall hat, diesen auch selbst umsetzen sollte. Auf diese Weise wollte man verhindern, dass gute Ideen in der Bürokratie hängen bleiben, getreu der Erfahrung: „Eine gute Idee in den Briefkasten einzuwerfen, und dann passiert nichts, das ist doch für die Mitarbeiter demotivierend“ (Großer, 2006, S. 2). Bei Dannemann wurde dieser Briefkasten durch Mentoren als Anlaufstelle ersetzt. Diese sind Mitarbeiter unterschiedlicher Unternehmensbereiche und Hierarchieebenen und fungieren als Gesprächspartner bei neuen Ideen. Umgesetzt werden diese in einem Team, welches der Ideengeber zusammenstellt. Dabei zeigt sich hinsichtlich des 315
4.5
4
Marketing-Instrumente
Anreizmechanismus für den Ideengeber einmal mehr: „Wichtiger als Geld ist den meisten das Gefühl, ernst genommen zu werden. Nicht hinnehmen müssen, sondern ändern können“ (Großer, 2006, S. 4).
4.5.2.5 Integration in die Balanced Scorecard Wenn Unternehmen die interne Effizienzreserve der Mitarbeiter erschließen möchten, müssen dafür die relevanten Steuerungsinformationen vorhanden sein. Hierzu sind die entsprechenden Ziele zu definieren und Messkriterien festzulegen, mit deren Hilfe kritische Veränderungen bei den Mitarbeitern festgestellt werden können. Eine im Jahre 2005 durchgeführte Studie bei Marketing-Entscheidungsträgern in Deutschland zeigt, dass bei den relevanten Steuerungsgrößen im Marketing auf den Spitzenplätzen Bekanntheitsgrad (82 %), Umsatz/Absatz (79 %) und Produktqualität (71 %) stehen. Ein mitarbeiterverbundenes Ziel in Gestalt der Servicequalität rangiert mit 23 % der Nennungen erst auf Platz 16 und mitarbeiterbezogene Ziele fehlen ganz (vgl. Abb. 2/14; vgl. weiterführend Erhard, 1999, S. 191-202; Baldus, 1999). Vor diesem Hintergrund ist in den diskutierten Balanced Scorecard-Konzepten die Mitarbeiterperspektive deutlicher zu integrieren (vgl. 2.5.2). Auf diese Weise wird zum einen die Orientierung des Unternehmens an mehreren Zielsetzungen deutlich (inkl. der Perspektive eines Marketing nach innen). Zum anderen kann die Balanced Scorecard genutzt werden, um diese Ziele auf breiter Basis im Unternehmen zu kommunizieren und damit ein Informationsinstrument für das Marketing nach innen darzustellen. Durch die Einbeziehung möglichst vieler Mitarbeiter in den Kommunikations- und Umsetzungsprozess können die Energien und Potenziale der gesamten Organisation auf die Erreichung der fixierten Ziele ausgerichtet werden. Dabei stellt die Vermittlung von Zielen innerhalb der „Mitarbeiterperspektive“ schon ein Ziel für sich dar. Sehr viel umfassender ist der Ansatz vom Gallup-Institut, die einen international einsetzbaren Fragebogen erarbeitet haben, um den Faktor Employee Engagement zu ermitteln (vgl. Fleming et al., 2005). Durch dessen Einsatz kann der Wert dieses Faktors für einzelne Geschäftsfelder, Vertriebsbereiche oder ganze Unternehmen ermittelt und untereinander oder mit ähnlichen Einheiten anderer Unternehmen verglichen werden. Dabei kommen bspw. die folgenden Statements zum Einsatz:
Ich werde als Mensch geschätzt. Ich weiß, was von mir erwartet wird. Ich habe optimale Arbeitsbedingungen und Materialien. In den letzten 7 Tagen gab es Anerkennung für gute Arbeit. Meine Meinung hat Gewicht. Das Unternehmensziel gibt mir das Gefühl, dass meine Arbeit wichtig ist. Ich habe mich in den letzten Jahren weiterentwickelt und dazugelernt.
Durch deren Einsatz können nicht nur differenzierte Handlungsfelder ermittelt, sondern auch gezielte Maßnahmen abgeleitet werden. U.U. können die für den Ausbau des Marketing nach innen erforderlichen Investitionen bereits kurzfristig durch positi316
Personalpolitik
ve Effekte eines größeren Engagements der Mitarbeiter überkompensiert werden. Verschiedene Studien zeigen nicht nur einen positiven Zusammenhang zwischen der Mitarbeiterzufriedenheit und der Loyalität zum und dem Arbeitseinsatz im Unternehmen, sondern auch zwischen der Mitarbeiterzufriedenheit und der Kundenorientierung (vgl. Samhoud et al., 2005, S. 15, 72). Diese Beziehung wird im Engagement-Portfolio sichtbar (vgl. Abb. 4.5/11). Danach ist eine Ausgewogenheit zwischen beiden Dimensionen anzustreben. Unternehmen oder Abteilungen, die im Feld I liegen, schöpfen ihr Potenzial bei weitem nicht aus, weder bei den Kunden noch bei den Mitarbeitern. Auch eine Position in den Feldern II und III steht für „Underperforming“. Im Feld II sind die Mitarbeiter zwar hoch motiviert, kümmern sich aber nicht ausreichend um die Kunden. Bei Feld III erbringen die Mitarbeiter zwar eine gute Leistung, werden aber nicht ausreichend vom Unternehmen unterstützt und reiben sich selbst im Kundenkontakt auf. Studien von Gallup zeigen, dass ein Leistungsoptimum (gemessen an den finanziellen Ergebnissen) erst im Feld IV erreicht wird, in dem eine Ausgewogenheit zwischen Customer und Employee Engagement gegeben ist (vgl. Fleming, et al., 2005; Stauss, 2006, S. 73; speziell zum Customer Engagement McEwen, 2005, S. 99-106).
hoch niedrig
Employee Engageemnt
Abb. 4.5/11:
Engagement-Portfolio zur Beziehung zwischen Employee Engagement und Customer Engagement In Anlehnung an Fleming et al., 2005, S. 7
II. Begeisterte Mitarbeiter/ Frustrierte Kunden
IV. Begeisterte Kunden/ Begeisterte Mitarbeiter
I. Frustrierte Mitarbeiter/ Frustrierte Kunden
III. Begeisterte Kunden/ Unmotivierte Mitarbeiter
niedrig
hoch
Customer Engagement
317
4.5
4
Marketing-Instrumente
Deshalb ist es eine wichtige Herausforderung, die häufig in unterschiedlichen Abteilungen verankerte und damit organisatorisch getrennte Verantwortlichkeit für Kunden einerseits und Mitarbeiter andererseits in einer konstruktiven Zusammenarbeit zu überwinden und zu einem integrierten Vorgehen zu kommen. Dazu sind zunächst entsprechende Leitsätze und Visionen für das Unternehmen zu definieren, um ggf. die vorhandenen Unternehmenswerte weiterzuentwickeln. Die Grundlage können die in 4.4.5.1 genannten Festlegungen darstellen. Diese sind in Normen zu gießen, die bspw. Verhaltensregeln und Führungsstile definieren (i.S. der beschriebenen Codes of Conduct) und Führungsinstrumente bereitstellen. Diese verändern die sichtbaren Verhaltensweisen und können auf diese Weise die Relevanz der Weiterentwicklung des Unternehmens unterstreichen (vgl. Erhard, 1999, S. 68-75; weiterführend Nagel/Wimmer, 2002; Hamburg/Stock, 2000). Ein solcher Prozess der Kulturveränderung im Unternehmen wird sichergestellt, wenn die Erreichung von korrespondierenden Zielen in den Tantiemevereinbarungen von Führungskräften mit großem Gewicht verankert werden und zur Schaffung einer kundenorientierten Mitarbeiterführung beitragen. Bei konsequenter Umsetzung eines Marketing nach innen bewahrheitet sich die Thesen: „Zufriedene Kunden durch zufriedene Mitarbeiter.“ „Loyale Kunden durch loyale Mitarbeiter“.
Abb. 4.5/12:
Marketing-Diamant
Preis- und
Kommunikations-
Konditionenpolitik
politik Personalpolitik
Distributionspolitik
Produkt- und Programm-Politik
Ein Beispiel für eine konsequente Umsetzung dieses Konzepts stellt m.E. Starbucks dar. Schon 1999 hat Howard Schultz, CEO von Starbucks, definiert: „We built business 318
Personalpolitik
through experience not through the product”, und hat deshalb im Mission Statement von Starbucks postuliert: „Provide a great work environment and treat each other with respect and dignity” (vgl. www.starbucks.com, 2006). Dies hat sich nicht nur in einer extrem niedrigen Fluktuationsquote bei den Mitarbeitern, sondern auch in einem seit Jahren kontinuierlichen Umsatzwachstum niedergeschlagen (vgl. Everke, 2006, S. 43). Gleichzeitig bezeichnet Starbucks seine Mitarbeiter als „Partner“. Vor dem Hintergrund der Ausführungen zum Marketing nach innen ist es m.E. überlegenswert, den Marketing-Mix zu einem Marketing-Diamanten weiterzuentwickeln, wie er in Abb. 4.5/12 zum Ausdruck kommt. Da der gesamte Einsatz der MixInstrumente von der Kreativität, Motivation und dem Leistungspotenzial „des Personals“ abhängig ist, gebührt der Personalpolitik dabei m.E. die zentrale Position.
Merkbox Es gibt gute Gründe, den Marketing-Mix um ein 5. P zu erweitern. Die Bindung von Mitarbeitern an ihr Unternehmen liegt auf einem sehr niedrigen Niveau. Eine Unique Passion Proposition gewinnt an Bedeutung. Die Marketing-Excellence-Turbine liefert einen Orientierungsrahmen. Das Marketing nach innen versucht, die Leistungspotenziale der Mitarbeiter auszuschöpfen. Marketing nach innen orientiert sich an den Leitideen Wertschätzung, Information und Dialog. Ein strategischer Informationsfluss ist im Unternehmen sicherzustellen. Eine dialogische Kommunikation unterstützt die Wertschöpfungsprozesse. Mitarbeiter-orientierte Ziele sind in eine Balanced Scorecard zu integrieren. Das Engagement-Portfolio hilft, die eigene Unternehmensposition zu ermitteln. Der Marketing-Diamant ist die Weiterentwicklung des Marketing-Mix.
Fragen zur Überprüfung Ihres Wissensstandes 1
Was spricht dafür, Personalpolitik als „5. P“ in den Marketing-Mix zu integrieren? Welche Aspekte sprechen dagegen?
2
Welches Ausmaß hat die emotionale Bindung an das eigene Unternehmen in Deutschland erreicht? Wie steht es bzgl. dieses Kriteriums im internationalen Vergleich?
3
Welche Auswirkungen hat eine geringe emotionale Bindung auf die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter?
4
Welche Ziele dominieren momentan die Unternehmensstrategien und warum?
5
Was versteht man unter einer Unique Passion Proposition? Wie grenzt sich diese zur USP und UAP ab? In welchen Fällen ist die UPP von besonderer Bedeutung?
6
Was verbirgt sich hinter der Marketing-Excellence-Turbine? Welche Relevanz hat diese?
319
4.5
4
Marketing-Instrumente
7
Welche Auswirkungen hat die Globalisierung auf den Stellenwert der Personalpolitik?
8
Wie lässt sich Marketing nach innen charakterisieren? Welche Zielgruppen sind dabei zu unterscheiden?
9
Welche Fragestellungen sind in einem Prozess zum Aufbau des Marketing nach innen abzudecken?
10 Welche Leitideen bieten sich für ein Marketing nach innen an? 11 Welche Faktoren wirken sich in welcher Weise auf die Leistungsbereitschaft von Mitarbeitern aus? 12 Wie kann ein „strategischer Informationsfluss“ im Unternehmen sichergestellt werden und welche Informationsfelder sollte dieser abdecken? 13 Wodurch kann im Unternehmen eine „dialogische Kommunikation“ erreicht werden? Welche Ziele sind damit verbunden? 14 In welcher Weise sollte sich das Marketing nach innen in einer Balanced Scorecard wiederfinden? Welche Anforderungen sind dabei zu berücksichtigen? 15 Welche Zusammenhänge hat das Gallup-Institut hinsichtlich Customer und Employee Engagement ermittelt? Welche Konsequenzen lassen sich ableiten? 16 Welche Dimensionen deckt das Engagement-Portfolio ab? Welche Ableitungen können vorgenommen werden? 17 Was ist unter dem Marketing-Diamant zu verstehen?
320
5
Entwicklung einer geschlossenen Marketing-Konzeption
„Damit das Mögliche entsteht, muss immer wieder das Unmögliche versucht werden.“ (Hermann Hesse)
Lernziele Fähigkeit...
den Aufbau eines Marketing-Plans nachzuvollziehen einen Marketing-Plan eigenständig zu erstellen spezifische Marketing-Aktivitäten den einzelnen Phasen des Produktlebenszyklus zuzuordnen
5.1
Erstellung eines Marketing-Plans
Um eine geschlossene Marketing-Konzeption zu entwickeln, müssen die auf den unterschiedlichen Ebenen getroffenen Entscheidungen in einem Plan zusammengeführt werden. Die Ausprägung eines typischen Marketing-Plans beinhaltet Abb. 5/1. Der operative Marketing-Plan dient als Grundlage für die innerhalb eines Geschäftsjahres umzusetzenden Schritte. Zu diesem zählt zunächst die Definition des relevanten Marktes, d.h. für welches Angebot ist der Plan gültig, welche Zielgruppen werden in welchen Regionen und/oder Länder angesprochen. Nach dieser Festlegung kann die Fixierung der Chancen und Risiken erfolgen, die sich für die nächste Zeit und insb. für das Planungsjahr abzeichnen. Welche Veränderungen im Wettbewerb werden sich ergeben? Welche Faktoren wirken sich zusätzlich auf die Marktentwicklung aus? Dies kann die generelle Konjunktur sein, die sich bspw. in der Kauf- und Investitionsneigung, aber bspw. auch die Entwicklung der Arbeitslosigkeit ausdrücken kann. Zeichnen sich technologische und/oder rechtliche Veränderung ab, auf die im Aktionszeitraum reagiert werden muss? Im Zuge der Konkretisierung der Stärken und Schwächen des Unternehmens geht es darum, die Ergebnisse einer vergleichenden Analyse im Wettbewerbsumfeld niederzulegen. Diese können etwa aufzeigen, welche Stärke die eigene Vertriebsmannschaft aufweist, oder wie die eigene Leistungspalette im Vergleich mit Konkurrenten zu bewerten ist. Das Qualifikations- und Identifikationsniveau der Marketing-Mitarbeiter generell gehört ebenso zu den an dieser Stelle festzuhaltenden Informationen. Zusätzlich ist festzuhalten, wer für die Implementierung der gesamten Marketing321
5
Entwicklung einer geschlossenen Marketing-Konzeption
Abb. 5/1:
Grobstruktur eines Marketing-Plans In Anlehnung an Bruhn, 2004, S. 40 Marketing-Plan
Definition des relevanten Marktes Produkt/Dienstleistung Kern- und Randzielgruppe Regionales Zielgebiet
Marketing-Ziele Definition der im Aktionszeitraum angestrebten Ziele Erarbeitung einer Zielpyramide für alle involvierten Bereiche Dokumentation der jeweiligen Zielbeziehungen
Externe Rahmenbedingungen – Chancen und Risiken Zentrale Wettbewerber (heute und zukünftig) Marktentwicklung (inkl. zentraler Einflussfaktoren) Technologische und rechtliche Veränderungen
Marketing-Strategien Fixierung der ausgewählten strategischen Optionen Konkretisierung der strategischen Ausgestaltung für den Aktionszeitraum
Interne Rahmenbedingungen – Stärken und Schwächen Leistungsfähigkeit der eigenen Vertriebsmitarbeiter Qualitätsniveau der eigenen Leistungspalette Qualifikations- und Identifikationsniveau der Marketing-Mitarbeiter insgesamt
Marketing-Instrumente Ausgestaltung des Marketing-Mix Integration der verschiedenen Aktivitäten
Implementierung und Controlling Inhaltliche Verantwortlichkeiten für Implementierung und Controlling Prozessuale Verantwortlichkeiten für Implementierung und Controlling
Marketing-Budget Höhe des Budgets Aufteilung des Budgets auf Aktionsbereiche Prioritäten der Aktionsbereiche
Aktivitäten verantwortlich ist. Welche unternehmensinternen Vernetzungen sind zu berücksichtigen, wenn verschiedene Funktionsbereiche Marketing-Aufgaben zu übernehmen haben? Wer ist für das Controlling der Marketing-Aktivitäten verantwortlich? Diese Fragen sind jeweils inhaltlich (d.h. „Was soll getan werden?“) als auch prozessual (d.h. „Wie soll etwas erledigt werden?“) zu beantworten. Neben der Fixierung dieser Rahmenbedingungen sind die Marketing-Ziel konkret zu dokumentieren. Dabei ist eine Zielpyramide zu entwerfen und vorhandene Zielkonflikte zu thematisieren. Die davon abgeleiteten Marketing-Strategien sind als Guidelines für das operative Marketing zu konkretisieren und in die Ausgestaltung der Marketing-Instrumente herunterzubrechen. Dabei ist auf die Integration der ggf. von verschiedenen Funktionsbereichen bearbeiteten Marketing-Aufgaben zu achten. Die Klammer um alle diese Aktivitäten stellt das Marketing-Budget dar, in dem nicht nur die Höhe, sondern auch die Aufteilung auf verschiedene Aktionsbereiche und Prioritätensetzungen vorgenommen werden.
5.2
Zuordnung von Aktivitäten zum Produktlebenszyklus
Auf der Grundlage eines solchen Marketing-Plans können die Aktionen anlaufen, die sich bspw. an den Phasen des Produktlebenszyklus orientierten. Eine idealtypische Zuordnung liefert Abb. 5/2. 322
Zuordnung von Aktivitäten zum Produktlebenszyklus
Abb. 5/2:
Groß- und EinzelhandelsDistribution aufbauen
Aktionsbausteine eines Marketing-Plans in Abhängigkeit von den Phasen des Produktlebenszyklus In Anlehnung an Kotler/Bliemel, 2001, S. 603 Wiederholungskäufe fördern
Produkt verbessern
Produktbekanntheit weiter steigern
Handel motivieren Produktbekanntheit steigern Erstkäufe fördern
Käuferstamm vergrößern
Repositionierung des Angebotes
Verpackung verbessern
Neue Verwendungsmöglichkeiten erschließen
Produkt weiterentwickeln
Kaufhäufigkeit erhöhen Distributionsdichte erhöhen
Distributionsnetz erhalten
Stammkunden gewinnen
Kundenabwanderung vermeiden
Produktlinie ausbauen
Kundentreue belohnen
Neue VerwenderHandelsschichten gewinnen engagement verstärken Neue Vertriebskanäle erschließen Neue Märkte erobern
Ausdünnung des Angebotes Schrumpfung des Distributionsnetzes verlangsamen Preisliche Attraktivität erhöhen Werbung steigern
Vertriebsengagement verstärken Substitutionsprodukt platzieren Kunden auf neues Angebot ausrichten
Erfolg im Marketing, Erfolg im Unternehmen, Erfolg im Leben bedeutet immer, etwas Neues zu wagen, Unbekanntes auszuprobieren, Mut zu haben. Denn: „Wer immer nur in die Fußstapfen eines anderen tritt, wird ihn nie überholen.“ (o.V.) Merkbox
Im Marketing-Plan fließen alle aktionsrelevanten Informationen verdichtet zusammen.
Der Marketing-Plan definiert die Aufgabe, das relevante Umfeld und die vorgenommenen Marketing-Festlegungen.
Den einzelnen Phasen des Produktlebenszyklus können idealtypisch verschiedene Aktivitäten auf instrumentaler Ebene zugeordnet werden.
Fragen zur Überprüfung Ihres Wissensstandes 1
Welche Felder muss ein Marketing-Plan abdecken?
2
Welche Rahmenbedingungen sind in einem Marketing-Plan zu fixieren?
3
Welche Festlegungen erfolgen auf der Ebene der Ziele, Strategien und Instrumente?
4
Welche Funktion hat das Marketing-Budget zu erfüllen?
323
5.2
5
Entwicklung einer geschlossenen Marketing-Konzeption
5
Erarbeiten Sie mit anderen Lernenden zusammen einen Marketing-Plan für eine (fiktive) Buchhandlung in Ihrer Heimatstadt. Wie sehen dabei die Rahmenbedingungen aus? Welche Ziele könnte ein solches Unternehmen realistischerweise verfolgen? Welche Strategien können zum Einsatz kommen? Wie könnte der Marketing-Mix ausgestaltet werden?
6
Welche Marketing-Aktivitäten lassen sich exemplarisch verschiedenen Phasen des Produktlebenszyklus zuordnen und warum?
324
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Stichwortverzeichnis
1st Moment of Truth", 70 2nd Moment of Truth" 73 3-D-Mailings 47 A ABC-Analyse 158 Ableitung des Werbebudget aus definierten Werbezielen 271 Ableitung des Werbebudgets aus anderen Bezugsgrößen 270 Abnutzungseffekt 186 Above-the-Line-Kommunikation 255 Abrams 24 Absatzgroßhandel 205 Absatzhelfer 201 Absatz-Marketing 3, 14 Absatzmärkte 3, 159 Absatzmittler 201 Absatzorgane 201 Absatzwege- und AbsatzorganeManagement 200 Abschöpfungspreis-Strategie 193 Accepted Set 68 Accor 105, 109, 154 Account Management 201 ADAC 267 adidas 76, 88, 97, 264 Adressverlag 114 After-Sales-Services 157 Aided Advertising Recall 68 Aided Recall 67 Air Berlin 93, 216 Airbus A 380 3, 37, 136 AirFrance/KLM 106 A-Klasse 59, 137 Akquisition, fokussiert 116 Aktivierung 45 Aktivierungsspirale 50 Aktivitäten, wert(ab)schöpfende 63 Aktivitäten, wertschaffende 63
Akzeptanztest 147 Aldi 2, 14, 22, 23, 28, 93, 94, 106, 107, 149, 177, 207, 210, 211, 216, 262 Alhambra 155, 156 Alleinvertriebsrecht 213 Alleinvertriebssystem 213 Allensbacher Werbeträgeranalyse 236 Allianz 54, 264 Allianz, strategische 122 Altersstrukturanalyse 159 amazon 10, 118, 134, 174, 182, 212, 260, 262 amnesty international 59, 246 Amortisationsrechnung 146 Anbieter, vertikaler 202 Angebotsdifferenzierung 156 Angebotsinnovation 135 Angebotsmodifikation 136, 137 Angebotsmonopol 36 Angebotsoligopol 37 Anregungs-Phase 25 Ansoff-Matrix 119 Anson´s 22, 24, 184 Anweisungsvertrieb 202 AOL-Arena 264 Apollo 185 Apothekenbindung 213 Apple 88, 95, 219 Arbeitsmarkt 33 ARD 9, 244 Armani 25, 76, 95 Armortisationsdauer 146 Atlanta 219 Atrac 148 Attribute-Listing 141 Audi A plus-Programm 11, 275 Audi 92, 95, 109, 118, 155, 192, 214, 229, 245 Aufkaufgroßhandel 204 Aurora 22 349
Stichwortverzeichnis
Ausgleich, kalkulatorischer 191 Ausgleich, preispolitischer 191 Außendienst 201 Ausstellung 266 Auswahl-Phase 26 Auto Bild 240 Avaya 264 Avis 214 Avon 202, 252 Awareness Set 68 Awareness 66 Axe 69 Axel Springer Verlag 38 AZ Direct 114, 115 B BabyFirstTV 112 Bain & Company 30 Balanced Scorecard 79, 89, 316 Baldessarini 95 Bang&Olufsen 95 Bannereinblendung 261 Bannertausch 261 Bannerwerbung 261 Barzahlungsrabatt 179 BASF 95, 109 Basismedium 236 Basisprodukt 131 Baukasten-Prinzip 92 Bayer 150 BDA 267 Bedarf 25 BeDirect 114 Bedürfnis 25 Beiersdorf 102, 152 Beilage 242 Beko 132 Below-the-Line-Kommunikation 255 Benckiser 156 Benetton 76, 102, 214 BenQ 136 Bentley 96, 109, 155, 156, 267 Bequemlichkeit im Einkauf 16 Beratungs- und Kreditfunktionen 203 Berliner Philharmonie 263 350
Berliner Volksbank 247 Bertelsmann 115 Beschaffungs-Marketing 4, 14 Beschaffungsmarkt 4 Betamax 148 Betriebsformen des Groß- und Einzelhandels 204 Betriebsneuheit 136 Beuteraster 108 Bewertungsphase 26 Bezugsgruppe 8, 44 Bianca - Wege zum Glück 244 Big Mac Preisindex 189 Bilderüberflutung 50 Bill & Melinda Gates Foundation 264 Bindungsprogramm 278 BioBio 22 Bioness 22 Blaupunkt 30 Blog 293 blue-ray 147 Blue-ray-Discplayers 193 BMW 56, 71, 95, 245 Body Shop 214 bofrost 202 Boing 3, 37 Bon Jovi 266 Bonaqa 214 Bonus 178 Boomerang Club 95 Bora 92 Bosch 14. 95, 252 Bose 253 BOSS 25, 69, 76, 215, 216, 219 Boston Consulting Group 10, 11, 30 Botschafter der Marke 74 Brainstorming 140 Brainwriting 141 Brand Equity 62 Brand Extension 156 Brand Pipeline 62, 79 Brand Screen Analyse 62 Branding Funnel 62 Branding 20
Stichwortverzeichnis
Branding-Strategie 151 Braun 175 Break-even-Analyse 145 Break-even-Point 145 Briefing 238 Bruttoreichweite 236 BSW 184, 274 buch.de 182 Budweiser 264 Bugatti 155, 156 Bundeskartellamt 166 Bundesnetzagentur 166 Bundesverband der Deutschen Industrie 267 Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände 267 Burger King 43, 214 Business Strategy 88 Business-Definition 58 Business-Marketing 13 Business-to-Business-Marketing 14 Business-to-Consumer-Marketing 14 Buying Center 30 Buy-Option 138 Buzz-Agenten 245 Buzz-Marketing 245 C C&A 96, 207 Calvin Klein 156 Camper 18 Carat 244 Carlo Colucci 215 Cathay Pacific 106 CDU 234 Celebrations 270 Centrale Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft 267 Chanel Nr. 5 95 Cheap-Chic 177 Checkliste 142 Christian Berg 22 Chrysler 154 Churn-Prevention 121 Clearing 185
Clearing-Hauses 185 Click-Through-Rate 261 Clubsmart 117 CMA 267 CNN 234 Coca-Cola 1, 151, 182, 214, 264 CoC-Controlling 273 Codes of Conduct 272 Community 290, 294 Competitive-Parity-Method 270 Compo 187 Consumer Promotion 251 Continental 14, 204, 264 Convenience Good 16, 27 Conversion-Rate 261 Cookies 262 Copy-Option 138 Corporate Behavior 272 Corporate Clothing 273 Corporate Communications 273 Corporate Culture 273 Corporate Design 273 Corporate Identity 271, 289 Corporate Site 260 Corporate Social Responsibility 11, 272 Corporate Strategy 88 Cosmos Direkt Versicherung 27 Coupon, After-Sales- 182, 184 Coupon, Cash- 181, 183 Coupon, einstufiger 182 Coupon, In-Pack- 182 Coupon, Mail-in- 182 Coupon, mehrstufiger 182 Coupon, On-Pack- 182 Coupon, Pre-Sales- 182 Coupon, Rabatt- 181, 183, 184 Coupon, Treue- 184 Coupon-Inflation 186 Couponing 180, 182, 186 Coupon-Katalog 181, 184 Coupon-Portal 184 Cross-Media-Kampagne 268 Cross-Sell 118 Cross-Shopper 106 Customer Integration 156 351
Stichwortverzeichnis
Customer Lifetime Value 276 Customer Relationship Management 11, 73, 110, 119, 274 Customer Touch Point 288 D Dachmarke 151 DaimlerChrysler 59, 88, 137, 146, 150, 230 Database-Marketing 72, 258 dba 93, 216 Dealer Promotion 251 Defining the Business Mission 59, 60 Defining the Business 58, 60 Definition des Innovations- und Suchfeldes 139 Deichmann 11, 273 Dell 2, 94, 157, 192, 202 Demeter 18 Demonstrativkonsum 164 Deutsche Bahn 190, 216, 263, 264 Deutsche Bauernverband 267 Deutsche Franchise Verband 214 Deutsche Knochenmarkspenderdatei 264 Deutsche Lufthansa 102, 106, 118, 190 Deutsche Post Direkt 114, 115 Deutsche Post World Net 15, 16, 30, 37, 59, 108, 115, 118, 201, 219, 265 Deutsche Telekom 230, 264 Deutscher Direktmarketing Verband (DDV) 256 Deutscher Gewerkschaftsbund 267 Deutsches Kinderhilfswerk 264 Deutsches Sport Fernsehen 102 DHL 30 Dialog 310 Dialoganzeige 241 Dialogprogramm 278 Dialogwerbung 254 Die Grünen 10 Dienst nach Vorschrift 283 Dienstleister 229 Dienstleistung 16, 278 Dienstleistung, produktbegleitend 133 Dienstleistungsgesellschaft 304 Dienstleistungsqualität 304 Diesel 216 352
Differenzierungsstrategie 90, 95 Diffusionsmodell für Innovationen 148 Dior 174 Direct Response-Anzeigen 241 Direktinvestition 122 Direktkommunikation 253, 254 Direktmarketing 252 Direktvertrieb 201, 203 Direktwerbung 255 Discounter 207 Diseconomies of Scale 93 Diskriminierungsverbot 165 Distanzhandel 212 Distribution, akquisitorische 200 Distribution, exklusive 218 Distribution, physische 200 Distribution, selektive 218 Distributionslogistik 219 Distributionspolitik 2 Distributionssystem 184 Diversifikation, horizontale 103 Diversifikation, laterale 103 Diversifikation, vertikale 103 Doc Morris 212 Dogde 154 Domicil 218, 256 Door-to-Door-Selling 201 Douglas Card 275 Douglas 73, 107 Dr. Hauschka Kosmetik 96, 109 Dreamliner 37 Dreiklang der Kundenbetreuung 117 Droege & Comp. 82 DSF 102, 103 Dumping 166, 189 Dunhill 267 Duplo 152 Durable Goods 18 DVD-Standard 147 E E.ON 20, 166 EasyJet 93 ebay 2, 10, 134, 174, 194, 260 ebrosia 212 E-Commerce 212, 260
Stichwortverzeichnis
E-Coupon 182 EDEKA 22, 182, 215 Effektivität 56, 64 Effizienz 56, 64 Eichgesetz 187 Einkäufer 32 Einkaufshandbuch 29 Einmarken-Strategie 154 Einzelhandel 204 Einzelhandels, Formen des 205 Einzelhandels-Franchise 214 Einzelmarke 152 Eisberg-Modell der Leistungserbringung 311 eismann 202 E-Mail 262 Emirate Airlines 106, 264 Emotion 51 Employee Engagement 317 Energie- und Kapitalmarkt 33 Engagement-Portfolio 317 Entgeltentrichtung, Bedingungen der 195 Entscheider 32 Erstkauf 72 Erwünschtheit, soziale 46 Esprit 73, 174, 274 Etap 105 Europäische Union 39 Event-Marketing 266 Experience 66 Export 122 Eye Catcher 192 F Faber-Castell 175 Fabrikverkauf 216 Fachhandelsbindung 213 Fachzeitschrift 240 Factory Outlet 215, 216 Fairglobe 211 Familienmarke 151 Fanta 214 Fast Moving Consumer Goods (FMCG) 18 FAZ 166, 188 Fedex 219 Feinauswahl 145
Felicitas 69, 156 Ferrero 101, 152 Fielmann 95 Fireball 261 Firewall, kognitive 314 First Choice 70 Fisherman´s Friend 65 Flächenproduktivität 208 Flagship-Store 216 Flighting-Kampagne 237 Flop-Quote 138 Focus Money 236 Follow-the-Cheap-Strategie 195 Follow-the-Free-Strategie 194 For me 182 Ford 214 Foreign Direct Investment 122 Formalziel 59 Formel 1 105 Foto-Quelle 214 Fox 109 Franchise 214 Franchise-Geber 214 Franchise-Konzept 214 Franchise-Nehmer 214 Franchising 122 Frankfurter Buchmesse 205, 266 Freundschaftswerbung 245 Früchtetraum von Ehrmann 25 Fruchtzwerge 18 Frühadoptor 149 Führungsinstrument 318 Führungsstil 318 Fujifilm 264 Funktionsrabatt 178 G Gaja Barolo Sperss 175 Galileo 37 Gallup 301, 302, 303, 304, 311, 316, 317 Gammelfleisch 18 Gatekeeper 31 Gauloise 267 Gebietsbindung 213 Gefährdungsphase 183 Gegengeschäft 30 353
Stichwortverzeichnis
Geiz ist geil 174 Gelben Seiten 184 General Interest-Titel 239 Genesis 266 Genre 132 Germanwings 93, 95 Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft 267 Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb 167 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung 37, 165 Gewinnspiel 72, 73 Gewinnsteigerungspotenzial 74 Gewöhnungseffekt 186 GfK 115 Gillette 264 Giotto 152 Gira-Aktiv-Partner-Programm 118 Global Positioning System (GPS) 37 Globalisierung 11, 286 GM 313 Goldenen Regel der Kommunikation 262 Google 10, 233, 261 GPS 37 Großhandel 204 Großhandel, Sortiments- 205 Großhandel, Spezial- 205 Großhandels-Franchise 214 Grundnutzen 24 Gruner & Jahr 75 Gruppe, strategische 43 Guerilla-Marketing 246 Gut&Günstig 22 Güter, nicht-gegenständliche 16 H H&M 2, 76, 96, 207, 210 Habitualisierung 18 Hamsterfahrt 8 Handel, nicht- bzw. halbstationärer 205 Handel, stationärer 205 Handelsmacht 10 Handelsmakler 204 Handelsmarken 22 Handelsunternehmen 9 Handelsvertreter 202, 204 354
Händlerrabatte178 Hannover-Messe 205 Hanuta 152 Happy Digits 181, 274 Happy Size 112 HARIBO 101 Hartmann-Bund 267 Hausmesse 266 HAWESKO 212 HD-DVD-Standards 148 Henkel 22, 95, 100, 163 Hermes 30 Hertz 214 Herzberg 310 Hess Natur 212 Heterogenität 108 Hewlett-Packard 2, 94 Hexal 93, 138 High-Interest-Produkte 19, 25 Hipp 101 Höchstpreis 170 Hold Set 68 Holschuld der Mitarbeiter 313 Homepage 260 Homeshopping 212 Homogenität, interne 108 Hugo Boss 156 Hygienefaktor 310 Hyundai 264 I IAA 266 IBIS 105 IBM 2, 34, 287 ICE 37 Ich bin doch nicht blöd 174 IKEA 59, 210 Illy 177 Image 30, 65, 226 Impulskauf Impulskauf, geplanter 16 Influencer 32 Infomercial 244 Information Overload 49, 210 Information, konsonante 70 Informationsbedarf 116
Stichwortverzeichnis
Informationskaskade 313 Informationsregulator 31 Informationsüberlastung 49 Infrastruktur, harte 42 Infrastruktur, weiche 42 innéov nutricosmetics 103 Innovation 135 Innovationsfolger 138 Innovationsführer 138 Innovationsprozess 139 Innovationswettlauf 135 Innovator 148, 193 Insertionsmedium 239 Institut zur Zukunft der Arbeit 265 Intel 148, 313 Interessenten-Aktivierungs-Programm 117 Interessenten-Management 116, 183 Inter-Media-Selektion 233 Internationale Automobilausstellung 266 Internet-Kommunikation 260 Internet-Marketing 259 Intra-Media-Selektion 233, 234 Intra-Werbemittel-Selektion 233 Investitionsgut 15 Investitionsgut, geborenes 15 Investitionsgut, gekorenes 15 Investitionssicherheit 29 iPod 88 iPhone 88 J JA 22 Jamba 65 James Bond 245 Jede Woche eine neue Welt 209 Jeep 154 Jever 96 John F. Kennedy 306 Johnnie Walker 263 Joint Venture 123 JVC 136 K KaDeWe 207 kalkulatorischer Ausgleich, simultaner 192
kalkulatorischer Ausgleich, sukzessiver 192 Kampfpreis 162 Kapitalgeber 5, 229 Kapitalwert 146 Kapitalwertmethode 146 Karl Lagerfeld 2 Karstadt 102, 107 KarstadtCoffee 102 KarstadtQuelle 3, 102 Karte, On-Pack- 72 Kartellgesetz 165 Kartellverbot 165 Kasten, morphologischer 180 Kaufakt 25 Kaufakt-Phase 26 Kaufbereitschaft, kaufkraftgestützt 70 Kaufbestätigung 27 Kaufentscheidungsprozess, extensiver 25 Kaufentscheidungsprozess, habitueller, gewohnheitsmäßiger 27 Kaufentscheidungszyklus 62 Käufermarkt 3 Kaufhof 107, 182, 207 Kaufinteresse 68 Kauftrichter 62 Kaufwahrscheinlichkeit 69 Kaufzeitpunkt 190 Kentucky Fried Chicken 43 Kernleistung 131 Kernnutzen 131 Kernsegment 277 Key Account Management 201 Key Performance Indicator 63 KiK 101, 107, 177, 207 Kindchenschema 47 Kinderschokolade 101 Klassifizierung von Kunden 159 Kommissionär 204 Kommunikation 223 Kommunikation, dialogische 309 Kommunikation, informatorische 311 Kommunikation, interne 309 Kommunikation, kontinuierliche, dialogorientierte 307 355
Stichwortverzeichnis
Kommunikation, mehrstufige 253 Kommunikation, motivatorische 311 Kommunikation, One-to-Many- 110 Kommunikation, One-to-Mass- 110 Kommunikation, One-to-One- 110 Kommunikationssystem 224 Kommunikationsziele 224 Komponenten-Mix 92 König-Pilsner 96 Königsweg des Marketing 63 Konsument, hybrider 106 Konsumgesellschaft 9 Konsumgut 15 Kontraktlogistik 219 Kontraktproduktion 122 Konzept der marktorientierten Unternehmensführung 11 Kooperationspartner 229 Korrelation 77 Korrelationsanalyse 76 Kostenführerschaft 90, 94 Kosten-plus-Kalkulation 169 Kostensenkungsprogramm 306 Kostenvorsprung 90 Kreuzpreiselastizität 173 Krombacher 96, 244, 264 Kundenbindung 10, 119 Kundenbindungsprogramm, unternehmensspezifisches 11 Kundenbindungsprogramm, unternehmensübergreifendes 11 Kundenbindungssystem, Betreiber von 184 Kundenclub 274, 279 Kundendatenbank 72 Kundenkarte 73, 275 Kunden-Lebenszyklus 116, 119, 182 Kunden-Management 117, 183 Kundenwert 79, 275 Kundenzufriedenheit 55 Kündigung, innere 283 Kündigungsprävention 121 L L´Oreal 103 Lacroix 18 356
Lagerfeld 156 Lagerhaltung 220 Lambda-Hypothese 45 Lamborghini 96, 109 Land´s End 27, 195 Landliebe 18 Landwind 162, 194 Latenstein 229 Laura Biagiotti 156 Lean Production 307 Lebensmittelkarte 8 Lebenszielstudie 54 Leistungsbereitschaft 310 Leistungspotenzial 310 Leistungsversprechen 186 Leitsätze 318 Lenovo 2, 94, 287 Leo Burnett 246 Lexus 263 Lidl 22, 28, 93, 94, 107, 164, 177, 211, 216 Lieferbedingung 195 Linde 109 Line Extension 150, 156 Linux 37 Lipobay 150 Lizenzierung 122 Logistikdienstleister 219 Logistikkosten 219 Low-Cost-Carrier 93 Low-Interest-Produkt 19, 27 Lufthansa Miles & More 11, 117, 174, 182 M Mac OS 37 Machbarkeitsstudie 147 Mailing 255 Make-Option 138 Makro-Kriterien 113 Makro-Umwelt 6, 38 Mango 201 Marienhof 244 Mark Adam New York 107 Marken- und Kommunikationspolitik 2 Marken- und Produktlinien-Innovation 156
Stichwortverzeichnis
Markenartikel des Handels 22 Markenartikel 20 Markenbekanntheit, gestützte 67 Markenbekanntheit, ungestützte 68 Marken-Erosion 210 Marken-Flimmern 210 Markenführung, multisensuale 69 Markengesetz 154 Markenguthaben 67 Markeniconographie 67 Marken-Käufer 104 Markenname 20 Markenpflege 27 MarkenProfil 75, 76 Markenverordnung 154 Markenwert 1 Markenwertschöpfungskette 62 Marken-Wortschatz 67, 68 Market Stretching 101 Marketing als betriebliche Teilfunktion 4 Marketing als strategische Führungskonzeption 89 Marketing als unternehmerische Grundorientierung 4 Marketing, differenziertes 109 Marketing, interaktives 10 Marketing, internes 14 Marketing, konzentriertes 109 Marketing, ökologisch orientiertes 10 Marketing, undifferenziertes 108 Marketing-Budget 302 Marketing-Controlling 6, 158, 302 Marketing-Diamant 318 Marketing-Excellence-Turbine 306 Marketing, Grundlagen 1 Marketing-Instrumente 129 Marketing-Konzeption 58, 301 Marketing-Myopia 140 Marketing-Philosophie 13 Marketing-Plan 321 Marketing-Scorecard 82 Marketing-Strategie 87, 322 Marketingsystem, vertikales 213 Marketing-Ziele 12, 53, 302 Markierung 20
Markt 33 Markt, relevanter 34 Marktanteil 34 Marktanteil, absoluter 36 Marktanteil, relativer 36 Marktarealstrategie 121 Marktausschöpfungsgrad 34 Marktbearbeitung, fokussierte/konzentrierte 90 Marktdurchdringung 99 Marktfeldstrategie 131 Marktlebenszyklus 134 Marktmacht 207 Marktneuheit 136 Marktneuheit, relative 136 Marktpotenzial 34 Marktsegmentierung 18, 108 Marktstimulierungsstrategie 131 Markttest 147 Marktvolumen 34 Marlboro 69, 245, 266 Mars 25, 68 Massen-Marketing 9 Massenmarkt-Strategie 108 Mastercard 264 Masterfood 270 Maurice Lacroix 163, 175 Maximierungsziel 56 Maybach 146, 154 Mäzenatentum 14, 43, 100, 214, 263, 264 McKinsey & Company 30 Media Markt 105, 174 MEDIACOM 244 MEDIAPLUS 244 Medien, klassische 239 Medienbranche 279 Medienflexibilität 235 Mediennutzerqualität 235 Medienökonomie 235 Medienpräsenz, kontinuierliche 237 Medienpräsenz, konzentrierte 237 Medienpräsenz, pulsierende 237 Medienqualität 234 Medium 180, 224 Mehrheit, frühe 149 357
Stichwortverzeichnis
Mehrheit, späte 149 Mehrmarken-Strategie 154 Meinungsfolger 45 Meinungsführer 44 Men Plus 112 Mengenrabatt 79, 93 Mercedes Card 11 Mercedes-Benz 78, 154 Mercure 105 Merkmale, demographische und psychographische 111 Messe 266 Metro 105 microdialog 115 microm 115 Microsoft Developer Network 138 Microsoft Internet Explorer 138 Microsoft 36, 37, 138, 148, 191 Miele 88, 132, 162 Mikro-Kriterium 113 Mikro-Umwelt 5, 42 Mindestauftragswert 186 MindShare 244 Minidisc 148 Minimierungsziel 56 Ministererlaubnis 166 Mischkalkulation 191 Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung 165 Mitarbeiterfluktuation 80 Mitarbeiterführung, kundenorientierte 318 Mitarbeiterperspektive 80, 316 Mitarbeiterzufriedenheit und Kundenorientierung 317 Mittellagen-Strategie 104 Modulstrategie 92 Mogelpackung 187 MonChéri 152 Monolog-Anzeigen 241 Montblanc 25, 51, 95, 131, 216 Moorhuhn-Jagd 263 More-Sell 117 MOSAIC Milieus 115 Motivatoren 310 Motivstrukturen des Web 2.0 280 358
MP3 136, 148 Müller Milchreis 68 Multibranding 154, 156 Multibus 181 Multi-Channel-Marketing 215 Multi-Channel-Vertrieb 215, 216 Multi-Partner-Programme 274 Mund-zu-Mund-Propaganda 74, 246, 263, 304 N Nachfrage 25 Nachfragemonopol 38 Nachfrageoligopol 37 Nachkauf 73 Nachkauf-Dissonanz 27 Nachkauf-Phase 27 Nachzügler 149 Naomi Campell 156 NEC 148 Neckermann 9, 88, 102, 107, 112, 115, 212, 216 Nescafé 152 Nestlé 100, 103, 152 Netscape Navigator 138 Netto 42 Nettoreichweite 237 Neuromarketing 46 Neuronale Netze 119 New Users 101 New Uses 101 Newsletter 262 Nike Town 216 Nivea 27, 102, 134, 152, 216 No-Frills-Ansatz 93 No-Names 22 Non-Profit-Marketing 14 Non-Profit-Unternehmen 13 Norma 28 Normen 39, 43, 318 Novotel 105 n-tv 234 nutella 100, 152 Nutzen, ästhetischer 24 Nutzenvorteil 90 Nutzwertanalyse 142
Stichwortverzeichnis
O O2 295 Obi 185, 214, 254, 264 Obsoleszenz, künstliche 99 OEM 204 Oettinger 94, 248 Öffentlichkeit, allgemeine 228 Öffentlichkeitsarbeit 248, 249 Öko-Bilanz 10 OMD 244 Opt-in-Regelung 258 Opt-out-Regelung 258 Organisation, lernende 81, 143, 306 Original Equipment Manufacturer (OEM) 204 Otto Versand 9, 107, 110, 212, 260 Outpacing 97 Outsourcing 220 P Packagepreis 191 Panasonic 147 Pareto-Prinzip 159 Paroli 245 Partnerprogramm 261 Payback 11, 73, 121, 181, 182, 184, 185, 188, 274 Peek & Cloppenburg (P&C) 22, 76, 95, 207, 274 Peer Group 44 Penaten 101 Penetration-Pricing 194 Penetrationspreis-Strategie 194 Penny 28, 216 Pepsi-Cola 1 Percentage-of-Sales-Method 270 Permission 72, 121 Permission-Marketing 258 Persil 22, 163 Personal Selling 201 Personalpolitik 2, 15, 129, 301 PEST-Analyse 6 Philips 147, 245, 264 pilot media 244 Pink Floyd 266 Pixel-Banner 261
Planung 58 Planung, operative 89 Planung, strategische 87 Plattform-Strategie 92 Plus 22, 179 Podcast 289 Point of Purchase (POP) 27 Point of Sale (POS) 27 Pointplus 115 Polarisierung der Märkte 107 Polo 92 Pooling von Einkaufsmacht 29 Pop-up-Ads 261 Porsche 70, 174, 219 Portas 214 POS 18 Postbank 264 Post-Decisional Regret 27 PR 248 Präferenz-Strategie 104 Preis-Absatz-Funktion 170 Preisangabeverordnung 167 Preisbereitschaft 70 Preisbindung 166 Preisbündelung 191 Preisdifferenzierung 164, 187 Preisdifferenzierung, leistungsbezogene 190 Preisdifferenzierung, mengenbezogene 190 Preisdifferenzierung, persönliche 188 Preisdifferenzierung, räumliche 188 Preisdifferenzierung, vertriebswegbezogene 190 Preisdifferenzierung, zeitliche 189 Preisdumping 189 Preiselastizität der Nachfrage 168, 170, 173, 186 Preiserosion 186 Preises als Qualitätsindikator 175 Preisfindung, prozyklische 169 Preisfolger 176, 187 Preisführerschaft 187 Preisgestaltung, kostenorientierte 168 Preishöhe, Bestimmung der 164 Preiskalkulation auf Teilkostenbasis 169 359
Stichwortverzeichnis
Preiskalkulation auf Vollkostenbasis 168 Preis-Käufer 104 Preis-Mengen-Strategie 104 Preisnachlass 178, 179 Preis-Premium 25 Preisstrategie, statische 178 Preisstrategie, trojanische 192 Preisstrategien, dynamische 178 Preisvergleichsdienstleister 174 Premium-Marken 77 Premiumpreis 162 Pre-Sales-Services 156 Presenting 244 Prestige- und Geltungsnutzen 24 Pretest 130 Preussag 88 Prima Bio 22 PRISMA. 242 Privatbrand 152 Privileg 22 Procter & Gamble 100, 156, 182, 187 Product Placement 244 Produkt, erwartetes 131 Produkt, erweitertes 131 Produkt, potenzielles 131 Produkt-Flimmern 210 Produktionsniederlassung 123 Produktlebenszyklus 133, 134, 164 Produktlinien/-kategorien 132 Produkt-Marken-Portfolio 156 Produktmarkt 134 Produktmodifikation 150 Profi Grohe-Club 118 Profildatum 120 Programmbreite 132 Programmtiefe 132 Promotionkäufer 104 ProSieben.Sat1 38 Prototyp 147 Prozessinnovation 136 Public Relations 248 Publikumszeitschrift 240 Publikumszeitung 240 Pull-Kommunikation 260 Pull-Strategie 228, 246 Punktbewertungsmodell 142 360
Push-Kommunikation 260 Push-Strategie 227 Q Q7 155 Qualifizierungsfragebogen 73 Qualitätswahrnehmung 175 Quantas Airways 106 Quelle 212, 214, 216 QVC 212 R Rabattgesetz 165 Rabattitis 165, 174 Rabattkarte 274 Raffaello 152 ratiopharm 93, 138 Raumüberbrückungsfunktion 203 Reaktanz 186 real,- 163, 215 Recency-Kampagne 237 Red Bull 177, 247 Redwood 107 regio Select 115 Reglementierung der Einkaufsprozesse 29 Reifephase 183 Reisender 201 Reiz, auditiver 66 Reiz, äußerer 47 Reiz, erotischer 47 Reiz, innerer 47 Reiz, visueller 66 Rejected Set 68 Relaunch 150 Relevant Set 43, 68 relevanter Markt, Definition des 301 René Lezard 95 Return on Marketing Investment 79 Rewe 22 Rhenag 190 Rheinisches Grundgesetz 141 Riedel 196 Ritz-Carlton 2, 96, 219 Robbe & Berking 196 Robinsonliste 256
Stichwortverzeichnis
Rolex 218 Rollenträger 32 Rolling Stones 266 Rolls-Royce 96 Roomster 92 Rotkäppchen 244 RTL Shop 212, 235 Rückgewinnungs-Management 121, 184 Rückwärtsintegration 102, 103 Ruhrgas 93, 105, 166 S Sachziel 58 Sales Force Promotion 251 Sales Promotion 251 Sales-Services 157 Sampling 69 Samsung 147, 193 San Pellegrino 191 Satisfaktionsziel 56 Sättigungsmenge 170 Saturn 105, 174 Scharnier-Insel 244 Schenker 219 Schichten und Milieus, soziale 43 Schiesser 76 Schleichwerbung 245 Schlüsselkunde 147 Schneeball-Effekt auf Handelsseite 246 Schneeball-Effekt auf Konsumentenseite 245 Schnelldreher 94 Schober 114 Schufa 144 Schwarzmarkt 8 Scoring-Modell 120, 142 Seat 92, 156 Segment of One 110 Segmentierung, akquisitionsorientierte 108 Segmentierung, dynamische 121, 149, 276 Segmentierung, mikrogeographische 115 Segmentierung, transaktionsorientierte 116, 119 Seiko 245
Selling Center 32 Service-Center 278 Servicestrategie 156 Seven 95, 106, 176 Sharan 155 Share of Advertising 270 Shareholder-Value 5 Shell 117, 214, 274 Shinkansen 37 Shop-in-the-Shop-Konzept 211 Shopping Good 18, 25 Siemens 95, 272 Silit 182 simyo 2, 260 Singapore Airlines 106 Single-Partner-Programm 274 SinnLeffers 96, 102, 274 Sinus-Sociovision 43, 45 Six Sigma 307 Skimming-Pricing 193 Skoda 92 Sky Team 229 Smart Shopper 95 Smart 59, 137, 151, 154 SMART-Ziele 57 Snob-Effekt 164 Soapopera 244 Sofitel 105 Sony 95, 147, 148 Sortiment 132 Sortimentsfunktion, qualitative und quantitative 203 Sozialdumping 189 Sozialisation 117 Sozialisationsphase 183 SPAM 262 Spammen 262 Spamming 262 Sparkasse 315 Special-Interest-Titel 239 Specialty Good 18, 25 Spezialisierungsvorteil 92 Spielwarenbranche 279 Sponsor 263 Sponsoring 263 Spontankauf 16 361
Stichwortverzeichnis
Sprinkler-Strategie 124 Sprungwerbung 228 Stada 93 Stakeholder-Konzept 6 Stammkunde 277 Standortverlagerung 286 Star Alliance 229 Starbucks 3, 102, 103, 299 Stiftung Warentest 23, 24, 27, 105, 175, 187 Strategie, kundenorientierte 89 Strategie, wettbewerbsorientierte 89 Strathmann 240 Streichel-Mailing 121 Streuplan 236 Stuck-in-the-Middle 107 Subkultur 43 Suchmaschinen-Marketing 261 Such-Phase 26 Südzucker 22 Sun Micro Systems 293 Sunpoint 214 Super RTL 244 Supplement 242 Swatch 99 Systemlieferant 219 Systempreis 191 T Tagesgeschäft 89 Takko 177, 207 Tandemspot 244 Tandil 22, 23 Target Costing 170 Target Pricing 170 Tauschobjekt 15 Tausenderpreis 236 Tausend-Kontakt-Preis 236 Tausend-Nutzer-Preis 236 Tchibo 16, 24, 28, 209, 210, 215, 260 ,262, 273 TCM 24 Teasing 67 Telefon-Marketing 257 Telefon-Marketing, Inbound- 257 362
Telenovela 244 Tele-Shopping 212 Tempo 22, 187 tesa Powerstrips 69 Teuerungs-Argwohn 210 TGV 37 Thomas Cook 102 TicTac 152 Tochtergesellschaft 123 Tod´s 95, 177 Tommy Hilfiger 25 Top Down 312 Toshiba 148, 264 Total Quality Management 307 Touareg 155 Trabant 9 Tracking 276 Transrapid 37, 123 Treuerabatt 179 Trichtermodell 142 TUI 88, 214 TUI fly 93, 94 Tür-zu-Tür-Verkauf 201 TV-Werbung 244 Twix 25 U Überflussgesellschaft 9 Überschneidung, externe 237 Überschneidung, interne 237 Umsatzeffekt, mengeninduzierter 171 Umsatzeffekt, preisinduzierter 171 Umwelt, Faktoren der 38, 39, 41, 42 UNICEF 51, 255 Unique Advertising Proposition (UAP) 69 Unique Passion Proposition 304 Unique Selling Proposition (USP) 68, 69 Universalversender 212 Universum 22 uno-actu-Prinzip 16 Unterbrecher-Werbeblock 244 Untereinstandspreispolitik 166 Unternehmenslebenszyklus 134 Unternehmensphilosophie 271, 272
Stichwortverzeichnis
UPS 30, 219 Up-Sell 118 User Tracking 262
VW Passat 109, 119, 204, 245 VW Phaeton 56, 109, 178 VW Sharan 156
V van Laack 95 Vebleneffekt 164 Veralterung, künstliche 99 Verbraucherzentrale 187 Verkauf, persönlicher 201 Verkäufermarkt 3 Verkaufsabteilung 201 Verkaufsförderung 100, 251 Verkaufsniederlassung 201 Verliebt in Berlin 244 Verlust-in-der-Mitte-Phänomen 107 Versandhandel 117, 212 Vertragshändlersystem 213 Vertrieb, einstufiger 203 Vertrieb, indirekter 203 Vertriebsagent 204 Vertriebsbindungssystem 213 Vertriebsformat 204 Vertriebskanal 159 Verwendung, konsumtive 15 Verwendung, produktive 15 Viral Marketing 263 Virales Marketing 263 Virus-Marketing 263 Vision 298 Volkswagen Bank Direkt 118 Volkswagen Club 11 Volkswagen Financial Services 133 Volkswagen Versicherungsdienst 133 Volkswagen 9, 14, 56, 78, 92, 109, 123, 133, 134, 150, 155, 156, 178, 204, 214, 245, 266, 274 Volkswagen-Sorglos-Paket 157 Vorwärtsintegration 102, 103 Vorwerk 202, 252 Vox 234 VW Golf 30, 56, 92, 109, 118, 134, 150, 155, 156, 189, 234, 266 VW Käfer 9, 133, 151 VW New Beetle 92
W Wachstumsphase 183 Wacker Chemie 3, 88 Wala 96 Wasserfall-Konzept 123 Web 2.0 279 Weblog 286 Weihenstephan 18, 182 Weltneuheit 136 Werbebeilage 242 Werbebriefprogramm 278 Werbebudget 270 Werbebutton 261 Werbeelastizität 168 Werbe-E-Mails 262 Werbeerinnerung, gestützte 68 Werbeerinnerung, ungestützte 68 Werbeframe 261 Werbekonstante 239 Werbemittel 47 Werbemittelkontaktchance 236 Werbeträger 230 Werbeträgerkontaktchance 235 Werbung in Print-Medien 239 Werbung 100, 238, 239 Werte 39, 43 Wertewandel 10 Wertschätzung 309 Wertschöpfung, interaktive 156 Wertschöpfungsprozess am Kunden 286 Wettbewerbsstrategie 90 Wettbewerbsvorteil 90 Wettbewerbsvorteile, komparative 90 Whiskas 245 Wiederkauf 73 Wiki 288 Willi´s Infobon 181 windsor 95 Wir-Bewusstsein 273 Wir-Gefühls 313 Wirtschaftlichkeitsanalyse 145 363
Stichwortverzeichnis
Wirtschaftlichkeitsrechnung, dynamische 146 Wirtschaftlichkeitsrechnung, statische 146 WWF 264 Y Yahoo 261, 264 Yello 20 Z Zapping 244 Zara 28, 201, 207, 248 ZDF 9 Zeitrabatte 179 Zeitüberbrückungsfunktion 203 Zentis 182 Zewa Softis 22, 187 Ziel 57 Ziel, operatives 57
364
Ziel, strategisches 56 Ziele-Cockpit 79 Zielgruppe 223 Zielgruppen-Marketing 110 Zielgruppen-TKP 236 Zielhierarchie 60 Zielkomplementarität 61 Zielkonflikt 61 Zielkostenmethode 170 Zielmarkt 108 Ziel-Mittel-Relation 58 Zielneutralität 61 Zielpersonen-Marketing 110 Zugabeverordnung 165 Zusatzmedien 236 Zusatznutzen 24 zweiseitiges Monopol 38 zweiseitiges Oligopol 37 zweiseitiges Polypol 37 zweistufigen Vertrieb 203