Planung und Steuerung von Innovationsprojekten 383500736X, 9783835007369 [PDF]


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Zitiervorschau

Joachim Weise Planung und Steuerung von Innovationsprojekten

Betriebswirtschaftslehre für Technologie und Innovation, Band 59 Herausgegeben von Prof. Dr. Dr. h.c. Sönke Albers, Prof. Dr. Dr. h.c. Klaus Brockhoff (em.), Prof. Dr. Holger Ernst, Prof. Dr. Hans Georg Gemünden, Prof. Dr. Dr. h. c. Jürgen Hauschildt, Prof. Dr. Thorsten Teichert Geschäftsführender Herausgeber: Professor Dr. Dr. h.c. Sönke Albers, Institut für betriebswirtschaftliche Innovationsforschung, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

In der Schriftenreihe werden Ergebnisse von Forschungsarbeiten veröffentlicht, die sich in herausragender Weise mit Fragen des Managements neuer Technologien, der industriellen Forschung und Entwicklung und von Innovationen aus betrieblicher Perspektive beschäftigen. Die Reihe richtet sich an Leser in Wissenschaft und Praxis, die Anregungen für die eigene Arbeit und Problemlösungen suchen. Sie ist nicht auf Veröffentlichungen aus den Instituten der Herausgeber beschränkt.

Joachim Weise

Planung und Steuerung von Innovationsprojekten Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Hans Georg Gemünden

Deutscher Universitäts-Verlag

Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Dissertation Technische Universität Berlin, 2007 D83

D 17

. .. Auflage Dezember 1997

1. Auflage Oktober 2007 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitäts-Verlag | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Frauke Schindler / Sabine Schöller Der Deutsche Universitäts-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-0736-9

Geleitwort F¨ ur die Praxis des Innovationsmanagements spielen formale Planungs- und Steuerungsinstrumente eine große Rolle, und dabei insbesondere die Frage nach der richtigen Intensit¨at des Einsatzes dieser Instrumente im Innovationsprozess. Der effektivit¨ats- und effizienzsteigernden Wirkung von Planung und Steuerung stehen die f¨ ur Innovationsvorhaben grunds¨atzlich notwendigen Bedingungen wie Kreativit¨at, Flexibilit¨at und Entscheidungsfreir¨aume gegen¨ uber, die potentiell durch zu starke formale Steuerung eingeschr¨ankt werden. Eine empirische Analyse zur Ann¨aherung an die Frage, bis zu welchem Grad noch formelle Projektsteuerung und Fortschrittskontrolle zul¨assig sind, ohne dass Dysfunktionalit¨aten eintreten, ist somit von großem Interesse f¨ ur die betriebliche Praxis des Innovationsmanagements. Obwohl bereits in der Vergangenheit eine Vielzahl empirischer Studien die Erfolgsfaktoren bei der Planung und Steuerung von Innovationsprojekten untersucht haben, kann die Dissertation von Herrn Weise doch unseren Erkenntnisstand auf diesem Gebiet in wesentlichen Punkten erweitern. Diese Erweiterung bezieht sich sowohl auf inhaltliche als auch methodische Aspekte. W¨ahrend die u ¨berwiegende Mehrzahl der Studien Planung und Steuerung als voneinander unabh¨angige Pr¨adiktoren des Vorhabenserfolges betrachtet, legt Herr Weise ein schl¨ ussig abgeleitetes Pfadmodell vor, das eine differenzierte Analyse der Mediatorbeziehungen zwischen Planung, Steuerung und Innovationserfolg erlaubt. Hinzu tritt die Analyse des multidimensional erfassten Innovationsgrads als kritische Randbedingung (Moderatorvariable) f¨ ur die Erfolgswirkung von Planungs- und Steuerungsaktivit¨aten in Innovationsprozessen. Methodisch besonders hervorzuheben ist die quantitative Meta-Analyse der bisherigen Forschungsergebnisse, die u ¨ber die sonst ¨ u wird diese noch durch die ¨bliche qualitative Literaturkritik weit hinausgeht. Ubertroffen ¨außerst anspruchsvolle empirische Studie, in der Herr Weise eindrucksvoll seine methodische Kompetenz belegt und Analyseans¨atze pr¨asentiert, die in der betriebswirtschaftlichen Forschung bisher kaum diffundiert sind. Die Ergebnisse der Analysen von Herrn Weise zeigen, dass die Businessplanung zu Projektbeginn wesentlich zur Strukturierung und Qualit¨at der sp¨ateren Vorhabensphasen beitr¨agt und damit ein unverzichtbarer Erfolgsfaktor f¨ ur Innovationsprojekte ist, und zwar auch f¨ ur hochgradige Innovationen, die sich scheinbar einer solchen Planung entziehen. Stark operativ orientierte Projektplanung und eine entsprechend an Meilensteinen

vi

GELEITWORT

ausgerichtete Steuerung sollten dagegen nur bei Vorhaben mit vergleichsweise niedriger Innovationsh¨ohe betont werden, da sie sich bei hochgradigen Innovationen als Ressourcenverschwendung oder gar Hindernis erweisen k¨onnen. Wichtiger als ablauforientierte Projektplanung sind Aspekte der Risikoidentifikation, -analyse und -vermeidung. Solche Aktivit¨aten helfen bei der Stabilisierung des sp¨ateren Projektverlaufs und haben dar¨ uber hinaus eine direkte Erfolgswirkung. H¨aufige Anpassungen der zentralen Vorhabensziele und der Ressourcenausstattung eines Projektes sollten unbedingt vermieden werden. Selbst bei hochinnovativen Projekten erweisen sich Konstanz und Stabilit¨at der Projektsteuerung als wesentliche Erfolgsfaktoren. Die Dissertation von Herrn Weise kombiniert einen theoretisch schl¨ ussig abgeleiteten Bezugsrahmen mit einer außergew¨ohnlich anspruchsvollen und umfassend dokumentierten empirischen Studie. Neben dem beachtlichen wissenschaftlichen Beitrag zur Innovationsforschung hat die Arbeit auch eine hohe Relevanz f¨ ur die praktische Ausgestaltung der Planung und Steuerung von Innovationsprojekten im Unternehmensalltag - ein nicht h¨aufig zu beobachtender Tatbestand. Daher w¨ unsche ich mir eine weite Verbreitung der hier dokumentierten Erkenntnisse in Wissenschaft und Praxis. Es w¨are ein echter Gewinn, nicht nur f¨ ur den Autor, sondern vor allem f¨ ur die Leser und Nutzer seiner Ergebnisse.

Hans Georg Gem¨ unden

Vorwort Diese Arbeit entstand im Rahmen des Forschungsprojekts Innovationskompass“, das ” an den Lehrst¨ uhlen Technologie- und Innovationsmanagement, Prof. Dr. Hans Georg Gem¨ unden, sowie Marketing, Prof. Dr. Volker Trommsdorff, der Technischen Universit¨at Berlin durchgef¨ uhrt wurde. Mein Dank geb¨ uhrt zun¨achst meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Hans Georg Gem¨ unden, f¨ ur die stets konstruktive F¨orderung des Dissertationsvorhabens und die sehr angenehme Forschungsatmosph¨are an seinem Lehrstuhl. Wesentlichen Anteil an diesem Forschungsgeist und der guten Atmosph¨are hatte auch sein ehemaliger Habilitand Prof. Dr. S¨oren Salomo, der die gesamte Untersuchung mit viel Engagement begleitet und wesentlich zu ihrem Gelingen beigetragen hat. Prof. Dr. Volker Trommsdorff danke ich f¨ ur ¨ die Ubernahme des Korreferates und seine wertvollen Anregungen im Verlauf der Arbeit. Neben den beteiligten Lehrst¨ uhlen m¨ochte ich vor allem meiner Projektkollegin Frau Dr. Katrin Talke f¨ ur die vielen konstruktiven Diskussionen und den gemeinsamen Einstieg in die Welt der Strukturgleichungsmodelle danken. Weiterhin soll an dieser Stelle den zahlreichen Respondenten der untersuchten Innovationsprojekte gedankt werden, ohne deren Auskunftsbereitschaft die Datenbasis der vorliegenden Untersuchung nicht zustande gekommen w¨are. Der The Boston Consulting Group danke ich daf¨ ur, dass sie zwei Jahre lang auf meine Arbeitskraft verzichtete und mir dadurch den n¨otigen Freiraum zum Forschen ließ. Ein besonders herzlicher Dank gilt meiner Familie. Meine Frau Kirsten zeigte viel Verst¨andnis f¨ ur die Arbeit und hielt mir stets den R¨ ucken frei. Meinen Eltern, Dr. Hans-Peter und Gabriele Weise, danke ich schließlich f¨ ur ihre langj¨ahrige Unterst¨ utzung w¨ahrend Studium und Promotion sowie die kritische Korrektur des Manuskripts, durch die noch zahlreiche Fehler getilgt werden konnten.

Joachim Weise

Inhaltsverzeichnis I

Theoretischer Teil

1

1 Einf¨ uhrung in die Problemstellung

3

1.1

Motivation und zentrale Forschungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

1.2

Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8

2 Begriffliche Grundlagen: Innovation und Innovationsgrad 2.1

2.2

2.1.1

Funktionaltypologie von Innovationen . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

2.1.2

Dichotomische Charakterisierung von Innovationen . . . . . . . . . 16

2.1.3

Notwendigkeit der Operationalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . 20

Der Innovationsgrad und seine Dimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 2.2.1

Makroperspektive des Innovationsgrads . . . . . . . . . . . . . . . . 22

2.2.2

Mikroperspektive des Innovationsgrads . . . . . . . . . . . . . . . . 24

3 Theoretische Bezugspunkte der Arbeit 3.1 3.2

3.3

3.4

3.5

11

Begriff der Innovation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

27

Einordnung in die Forschung zur Neuproduktentwicklung . . . . . . . . . . 27 Ressourcenbasierter Ansatz

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

3.2.1

Konzeptionelle Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

3.2.2

Kritische W¨ urdigung und Relevanz f¨ ur die vorliegende Arbeit . . . 33

Situativer Ansatz der Organisationsforschung

. . . . . . . . . . . . . . . . 35

3.3.1

Konzeptionelle Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

3.3.2

Fit und seine Konzeptualisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

3.3.3

Kritische W¨ urdigung und Relevanz f¨ ur die vorliegende Arbeit . . . 42

Situative Theorie der Informationsverarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . 45 3.4.1

Konzeptionelle Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

3.4.2

Relevanz f¨ ur die vorliegende Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

Fazit der theoretischen Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

4 Planung, Steuerung und Erfolg von Innovationsprojekten 55 ¨ 4.1 Uberblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 4.2

Planung von Innovationsvorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

INHALTSVERZEICHNIS

x

4.3

4.4

4.2.1

Businessplanung

4.2.2

Zieldefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

4.2.3

Projektplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

4.2.4

Risikomanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

Steuerung von Innovationsvorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 4.3.1

Methoden formeller Projektsteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . 75

4.3.2

Formelle versus organische Steuerung bei innovativen Projekten . . 78

4.3.3

Kontinuit¨at versus Flexibilit¨at bei innovativen Projekten . . . . . . 80

Erfolgsbeurteilung von Innovationsvorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 4.4.1

Perspektiven der Erfolgsbeurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

4.4.2

Abgrenzung Innovationserfolg und Projekteffizienz . . . . . . . . . . 84

4.4.3

Empirische Befunde zu Dimensionen und Maßen des Innovationserfolgs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

4.4.4

Kongruenz subjektiver und objektiver Erfolgsbeurteilung . . . . . . 94

5 Metaanalyse der empirischen Forschung zur Planung und Steuerung

Ziele der Metaanalyse und Auswahl der Studien . . . . . . . . . . . . . . . 97

5.2

Ergebnisse allgemeiner NPD- und NSD-Studien . . . . . . . . . . . . . . . 99

5.3

Studien mit Fokus auf Projektplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

5.4

Studien mit Fokus auf Projektsteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

5.5

Quantitative Metaanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

5.6

5.5.1

Methodik der Metaanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

5.5.2

Ergebnisse der Metaanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

Zusammenfassung der Befunde

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147

6 Hypothesen der empirischen Untersuchung

II

97

5.1

151

Empirischer Teil

161

7 Untersuchungsdesign

163

7.1

Vorgehen bei der Datenerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

7.2

Absch¨atzung m¨oglicher Methodenfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165

7.3

Beschreibung der Stichprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167

8 Methodik der Datenauswertung 8.1

169

Strukturgleichungsmodelle mit latenten Variablen . . . . . . . . . . . . . . 169

8.2

Exploratorische Faktorenanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174

8.3

Grundlagen des LISREL-Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180

8.4

G¨ utebeurteilung von LISREL-Modellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

INHALTSVERZEICHNIS

8.5

xi

Vorgehen bei der Analyse des Messmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 8.5.1

Reflexive und formative Indikatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191

8.5.2

Tetraden-Test nach Bollen und Ting (2000) . . . . . . . . . . . . . 193

8.5.3

Behandlung reflexiver Konstrukte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 8.5.3.1

Unidimensionalit¨at . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197

8.5.3.2

Reliabilit¨at . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199

8.5.3.3

Validit¨at . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201

8.5.4

Behandlung formativer Konstrukte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204

8.5.5

Mehrdimensionale Konstrukte und Faktorenanalysen zweiter Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206

8.5.6 8.6

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210

Vorgehen bei der Analyse des Pfadmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 8.6.1

Beurteilung fundamentaler Modellbestandteile . . . . . . . . . . . . 211

8.6.2

Separate G¨ utebeurteilung f¨ ur Mess- und Pfadmodell . . . . . . . . . 212

8.6.3

Untersuchung von Alternativmodellen mittels Veripath . . . . . . . 213

8.6.4

Moderatoreffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 8.6.4.1

Moderierte Regressionsanalysen . . . . . . . . . . . . . . . 215

8.6.4.2

Strukturgleichungsmodelle mit Interaktionstermen . . . . 217

9 Operationalisierung und Validierung der Konstrukte

219

9.1

Businessplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219

9.2

Projektplanung und Risikomanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228

9.3

Projektsteuerung (Prozessformalisierung und -stabilit¨at) . . . . . . . . . . 232

9.4

Vorhabenserfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237

9.5

Innovationsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245

9.6

Vollst¨andiges Messmodell und Diskriminanzvalidit¨at . . . . . . . . . . . . . 253

¨ 10 Wirkungszusammenh¨ ange: Uberpr¨ ufung der Hypothesen

259

10.1 Basismodell mit Faktoren zweiter Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 10.2 Alternativmodell ohne Faktoren zweiter Ordnung . . . . . . . . . . . . . . 264 10.3 Alternativmodell mit formativer Konstruktmessung . . . . . . . . . . . . . 268 10.4 Untersuchung des Basismodells auf Wahrheits¨ahnlichkeit . . . . . . . . . . 271 10.5 Erweiterung des Basismodells um Moderatoreffekte . . . . . . . . . . . . . 276 10.6 Erg¨anzende Analysen zur Zieldefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 11 Zusammenfassung und Ausblick

291

11.1 Zusammenfassung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 11.2 Methodische Aspekte und Ansatzpunkte f¨ ur zuk¨ unftige Forschung . . . . . 293 ur die Unternehmenspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 11.3 Konsequenzen f¨

INHALTSVERZEICHNIS

xii

III

Anh¨ ange

297

A Algorithmus zum Tetradentest

299

B Erg¨ anzende Angaben zur Strukturmodellpr¨ ufung

307

C Erg¨ anzende Erl¨ auterungen zur Veripath-Analyse

313

Abbildungsverzeichnis 1.1

Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

2.1 2.2

Innovationstypen nach Henderson und Clark . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Dimensionen des Innovationsgrads . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

3.1 3.2

Grundmodell des situativen Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Modell der organisationalen Informationsverarbeitung . . . . . . . . . . . . 50

3.3

Theoretisches Grundmodell der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

4.1

Modell der Planung und Steuerung im Front End von Innovationsprojekten 56

4.2

Core Measures auf Projektebene nach Griffin und Page (1993) . . . . . . . 86

6.1

Zentrale Hypothesen der empirischen Untersuchung . . . . . . . . . . . . . 159

7.1

Segmentierung der Stichprobe nach Mitarbeiterzahl . . . . . . . . . . . . . 168

7.2

Segmentierung der Stichprobe nach Umsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . 168

8.1 8.2 8.3

Reflexive und formative Messmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 Identifizierte formative Messmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Faktoranalysen h¨oherer Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

9.1

Vollst¨andiges Messmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256

10.1 Basismodell mit Faktoren zweiter Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 10.2 Alternativmodell ohne Faktoren zweiter Ordnung . . . . . . . . . . . . . . 265 10.3 Strukturmodelle mit reflexiver und formativer Abbildung der Projektplanung269 10.4 Strukturmodelle mit reflexiver und formativer Abbildung des Risikomanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 10.5 Alternativmodelle aus Veripath-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 10.6 Alternativmodelle aus Veripath-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 10.7 Moderatorwirkung des Innovationsgrads auf die Beziehung zwischen Prozessformalisierung und Erfolg. (a) Reiner Moderator im Regressionsmodell. (b) Quasi-Moderator im LISREL-Modell. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 C.1 Fitmaße der von Veripath erzeugten Alternativmodelle . . . . . . . . . . . 316

Tabellenverzeichnis 3.1

Klassifikation von Fit-Konzepten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

4.1

Studien zur Erfolgsmessung bei Innovationsvorhaben . . . . . . . . . . . . 89

4.2

Studien zur Korrelation zwischen subjektiven Einsch¨atzungen und objektiven Performance-Maßen auf Unternehmensebene . . . . . . . . . . . . . . 95

¨ 5.1 Ubersicht u ¨ber allgemeine NPD- und NSD-Studien . . . . . . . . . . . . . 101 5.2

Erfolgswirkung der in allgemeinen NPD- und NSD-Studien untersuchten

Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 ¨ 5.3 Ubersicht u ¨ber Studien mit Fokus auf Projektplanung . . . . . . . . . . . . 113 5.4

Erfolgswirkung der Planung – Zusammenfassung der Befunde f¨ ur Projekte

unterschiedlichen Innovationsgrads . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 ¨ 5.5 Ubersicht u ¨ber Studien mit Fokus auf Projektsteuerung . . . . . . . . . . . 124 5.6

Erfolgswirkung der Projektsteuerung – Zusammenfassung der Befunde f¨ ur Projekte unterschiedlichen Innovationsgrads . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 ¨ 5.7 Ubersicht u ¨ber die Studien zur Metaanalyse hinsichtlich Businessplanung . 142 ¨ 5.8 Ubersicht u ¨ber die Studien zur Metaanalyse hinsichtlich formeller Projektsteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 5.9

Innovationsgrad als Moderator f¨ ur die St¨arke des Effekts von formeller Projektsteuerung auf den Projekterfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 ¨ 5.10 Ubersicht u ¨ber die Studien zur Metaanalyse hinsichtlich Zielstabilit¨at . . . 145 5.11 Ergebnisse der Metaanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 6.1

Aussagen, Befunde und Hypothesen zur Planung . . . . . . . . . . . . . . . 155

6.2

Aussagen, Befunde und Hypothesen zur Projektsteuerung . . . . . . . . . . 157

6.3

Aussagen, Befunde und Hypothesen zur Zieldefinition . . . . . . . . . . . . 158

7.1

Charakterisierung der Stichprobe nach Industrien . . . . . . . . . . . . . . 167

9.1

Messkonzept f¨ ur die Qualit¨at der Businessplanung . . . . . . . . . . . . . . 220

9.2

Exploratorische Faktorenanalyse zur Businessplanung . . . . . . . . . . . . 223

9.3

Tetradentest zur Businessplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224

9.4

Vergleich geschachtelter Messmodelle zur Businessplanung . . . . . . . . . 224

TABELLENVERZEICHNIS

xvi

9.5

Konfirmatorische Faktorenanalyse zur Businessplanung . . . . . . . . . . . 225

9.6

Konvergenz- und Diskriminanzvalidit¨at der Businessplanung . . . . . . . . 227

9.7

Messkonzept zu Projektplanung und Risikomanagement . . . . . . . . . . . 229

9.8

EFA zu Projektplanung und Risikomanagement . . . . . . . . . . . . . . . 230

9.9

Tetradentest zu Projektplanung und Risikomanagement . . . . . . . . . . . 230

9.10 Konfirmatorische Faktorenanalyse zu Projektplanung und Risikomanagement231 9.11 Messkonzept zur Projektsteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 9.12 Exploratorische Faktorenanalyse zur Projektsteuerung . . . . . . . . . . . . 234 9.13 Tetradentest zur Projektsteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 9.14 Konfirmatorische Faktorenanalyse zur Projektsteuerung . . . . . . . . . . . 236 9.15 Messkonzept f¨ ur den Vorhabenserfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 9.16 Operationalisierung des Vorhabenserfolgs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 9.17 Exploratorische Faktorenanalyse zum Vorhabensserfolg . . . . . . . . . . . 241 9.18 Tetradentest zum Vorhabenserfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 9.19 Vergleich geschachtelter Messmodelle zum Vorhabenserfolg . . . . . . . . . 242 9.20 Konfirmatorische Faktorenanalyse zum Vorhabenserfolg . . . . . . . . . . . 243 9.21 Konvergenz- und Diskriminanzvalidit¨at des Vorhabenserfolgs . . . . . . . . 244 9.22 Messkonzept f¨ ur die Makro-Perspektive des Innovationsgrads . . . . . . . . 246 9.23 Messkonzept f¨ ur die Mikro-Perspektive des Innovationsgrads . . . . . . . . 247 9.24 Exploratorische Faktorenanalyse zum Innovationsgrad . . . . . . . . . . . . 249 9.25 Tetradentest zum Innovationsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 9.26 Vergleich geschachtelter Messmodelle zum Innovationsgrad . . . . . . . . . 250 9.27 Konfirmatorische Faktorenanalyse zum Innovationsgrad . . . . . . . . . . . 251 9.28 Konvergenz- und Diskriminanzvalidit¨at des Innovationsgrads . . . . . . . . 252 9.29 Konfirmatorische Faktorenanalyse des gesamten Messmodells. . . . . . . . 255 9.30 Beurteilung der Diskriminanzvalidit¨at anhand von χ2 -Differenztests . . . . 257 9.31 Beurteilung der Diskriminanzvalidit¨at nach dem Fornell-Larcker-Kriterium 258 10.1 Basismodell: Gesch¨atzte Parameter zwischen latenten Variablen . . . . . . 260 10.2 Basismodell: Totale, direkte und indirekte Effekte der latenten Variablen . 262 10.3 Basismodell: Anpassungsg¨ ute von Mess-, Pfad- und Gesamtmodell . . . . . 264 10.4 Alternativmodell ohne Faktoren zweiter Ordnung: Totale, direkte und indirekte Effekte der latenten Variablen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 10.5 Alternativmodell ohne Faktoren zweiter Ordnung: Anpassungsg¨ ute von Mess-, Pfad- und Gesamtmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 10.6 Vergleich der durch LISREL und Veripath gesch¨atzten Pfadkoeffizienten . . 273 10.7 Moderatormodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279

TABELLENVERZEICHNIS

xvii

10.8 Moderierte Regressionsanalyse zum Einfluss von Zielwichtigkeit auf Technischen Erfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 10.9 Moderierte Regressionsanalyse zum Einfluss von Zielwichtigkeit auf Markterfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 10.10Moderierte Regressionsanalyse zum Einfluss von Zielwichtigkeit auf Finanzerfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 10.11Moderierte Regressionsanalyse zum Einfluss von Zielwichtigkeit auf Zeitplaneinhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 10.12Moderierte Regressionsanalyse zum Einfluss von Zielspezifit¨at auf den Technischen Erfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 10.13Moderierte Regressionsanalyse zum Einfluss von Zielspezifit¨at auf den Markterfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 10.14Moderierte Regressionsanalyse zum Einfluss von Zielspezifit¨at auf den Finanzerfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 10.15Moderierte Regressionsanalyse zum Einfluss von Zielspezifit¨at auf die Zeitplaneinhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 10.16Moderierte Regressionsanalyse zum Einfluss von Steuerungsgr¨oßen auf den Technischen Erfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 10.17Moderierte Regressionsanalyse zum Einfluss von Steuerungsgr¨oßen auf den Markterfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 10.18Moderierte Regressionsanalyse zum Einfluss von Steuerungsgr¨oßen auf den Finanzerfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 10.19Moderierte Regressionsanalyse zum Einfluss von Steuerungsgr¨oßen auf die Zeitplaneinhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 B.1 Messmodell: Kovarianzen und Korrelationen der latenten Variablen . . . . 308 B.2 Basismodell: Kovarianzen und Korrelationen der latenten Variablen . . . . 309 B.3 Basismodell: Gesch¨atzte Parameter des Messmodells . . . . . . . . . . . . . 310 B.4 Alternativmodell ohne Faktoren zweiter Ordnung: Kovarianzen und Korrelationen der latenten Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311

Teil I Theoretischer Teil

Kapitel 1 Einfu ¨ hrung in die Problemstellung 1.1

Motivation und zentrale Forschungsfragen

Die historische Entwicklung hin zur gegenw¨artigen Industrielandschaft ist stark durch technologische Revolutionen und die Fokussierung auf Innovationen als Quelle von Wettbewerbsvorteilen determiniert.1 Empirische Studien belegen, dass der Aufbau von Wettbewerbsvorteilen durch innovative Neuprodukte wesentlich zu Wachstum und Profitabilit¨at von Firmen beitr¨agt.2 Sch¨atzungsweise 25 Prozent der Unternehmensums¨atze werden heute von Produkten generiert, die innerhalb der letzten drei Jahre in den Markt eingef¨ uhrt wurden.3 Daneben deuten Untersuchungen auf einen positiven Zusammenhang zwischen der Einf¨ uhrung neuer Produkte und dem Marktwert von Unternehmen hin.4 Obwohl die strategische Bedeutung von Produktinnovationen weithin anerkannt ist, sehen sich viele Firmen bei ihrer Umsetzung mit schweren Problemen konfrontiert, die u. a. die Wahl effizienter und effektiver Prozesse und Managementmethoden betreffen.5 So zeigen Studien zu Neuprodukt-Erfolgsraten, dass diese unbefriedigend sind und sich im Zeitverlauf auch nicht verbessern.6 Die tats¨achlich festgestellten Misserfolgsraten schwanken dabei stark, jedoch wurden in der Vergangenheit meist Werte zwischen 30 und 45 Pro-

1

Leifer et al. (2001), S. 102.

2

Vgl. u. a. Cr´epon et al. (1998), S. 135f.; Geroski et al. (1993), S. 208f.; Hall und Mairesse (1995), S. 287f.; L¨ o¨ of und Heshmati (2002), S. 14ff. Ittner und Larcker. (1997, S. 21) k¨ onnen dagegen zwar f¨ ur die Computerindustrie einen direkten Zusammenhang zwischen Innovationsaktivit¨ at und Profitabilit¨ at nachweisen, nicht aber f¨ ur die Automobilindustrie.

3

Ayers et al. (1997), S. 107; Urban und Hauser (1993), S. 3f.

4

Vgl. u. a. Blundell et al. (1999), S. 550; Chaney und Devinney (1991), S. 590ff.; Chaney und Devinney (1992), S. 678; Deeds (2001), S. 42.

5

Gupta und Wilemon (1990), S. 28ff.; Wheelwright und Clark (1992a), S. 70. ¨ Solche Ubersichten zu Neuprodukt-Erfolgsraten finden sich u. a. bei Crawford (1977), S. 51 und Urban und Hauser (1993), S. 4f.

6

1. Einf¨ uhrung in die Problemstellung

4

zent genannt und eher ein Zu- als ein Abnehmen der Rate vermutet.7 Produktentwicklung scheint insbesondere dann schwierig zu sein, wenn Firmen nur geringe Erfahrung mit den verwendeten Produkt- und Prozesstechniken haben.8 Gerade solche hochgradigen Innovationen werden jedoch zunehmend wichtig, da Unternehmen heute immer st¨arker Gefahr laufen, ihre Wettbewerbsf¨ahigkeit einzub¨ ußen, wenn sie nicht auf die – h¨aufig durch radikale technische Neuerungen hervorgerufenen – diskontinuierlichen Ver¨anderungen in ihrer Industrie reagieren k¨onnen.9 So bemerken Lynn et al. (1996, S. 9): [. . . ] a careful reading of recent industrial history leads to the conclusion ” that in competitive, technology-intensive global markets, advantage is built and revenewed through the more discontinuous form of innovation – through the creation of entirely new families of products and businesses. Continuous, incremental product line extensions and improvements are essential for maintaining leadership, but only after it has first been established through the more discontinuous form of innovation.“ Nat¨ urlich handelt es sich nicht bei jedem neuen Produkt um eine hochgradige Innovation, vielmehr l¨asst sich ein breites Spektrum von inkrementellen Produktmodifikationen bis hin zu radikalen technischen Neuerungen identifizieren.10 Nach dem heutigen Stand der Wissenschaft erscheint es fraglich, ob sich weitl¨aufig eingesetzte Best Practices, die ein effizientes Management kontinuierlicher Produktverbesserungen versprechen, ohne weiteres auch auf radikale Innovationen u ¨bertragen lassen.11 Vielmehr kann es als eine der Grundthesen des Innovationsmanagement angesehen werden, dass sich Innovationen nicht durch wiederholte Routineentscheidungen zum Erfolg f¨ uhren lassen, sondern einer gesonderten Behandlung bed¨ urfen.12 So zeigen empirische Studien, dass Neuproduktentwicklungen, die auf sehr hohe Innovationsgrade abzielen, anderer Managementmethoden bed¨ urfen als ¨ der mittel- oder niedriginnovative Entwicklungsprojekte,13 und dass sich die Ubertragung bei normalen Produktentwicklungen erprobten Praktiken auf radikale Innovationen als kontraproduktiv erweisen kann.14 7

Booz, Allen & Hamilton, Inc. (1982); Boulding et al. (1997), S. 164.; Crawford (1977), S. 51.

8

Ayers et al. (2000), S. 133; Tatikonda und Rosenthal (2000), S. 74.

9

Christensen und Overdorf (2000), S. 73; Tushman und O’Reilly (1996), S. 8ff.

10

Der Innovationsbegriff und Fragen der Innovationsgradmessung werden in Abschnitt 2.1 ausf¨ uhrlich erl¨ autert.

11

Song und Montoya-Weiss (1998), S. 126f.; Veryzer (1998a), S. 305f.

12

Hauschildt (2004), S. 27.

13

Salomo et al. (2003b); Salomo et al. (2003a); Song und Montoya-Weiss (1998), S. 130ff.

14

Leifer et al. (2000); Veryzer (1998a), S. 317.

1.1. Motivation und zentrale Forschungsfragen

5

Der Prozess der Neuproduktentwicklung ist komplex und erfordert zumeist die Beteiligung einer Reihe von Personen aus unterschiedlichen funktionalen und hierarchischen Positionen innerhalb eines Unternehmens.15 In der Vergangenheit sind zahlreiche empirische Untersuchungen mit dem Ziel durchgef¨ uhrt worden, die kritischen Erfolgsfaktoren im Rahmen von Neuprodukt-Entwicklungsprozessen zu identifizieren.16 Meta-Analysen dieser Arbeiten zeigen, dass zu den Faktoren, die dabei immer wieder als erfolgswirksam identifiziert werden, u. a. die methodische Ideengenerierung und -evaluation, die Entwicklung eines Produktkonzeptes und des darauf basierenden Business-Planes, die operative Projektplanung und schließlich die stringente Steuerung des Entwicklungsprozesses gem¨aß dieser Planung geh¨oren.17 Die Relevanz dieser Prozessschritte wird v. a. in der RationalPlan-Literatur18 zur Neuproduktforschung hervorgehoben, die davon ausgeht, dass die einzelnen Produktentwicklungsschritte relativ zuverl¨assig planbar sind und als Top-DownProzess, beispielsweise im Rahmen eines Stage-Gate Systems ,19 gesteuert werden sollten. Prozess¨ uberwachung, -bewertung und -steuerung erfolgen in einem systematischen Feedback-Zyklus. Meilensteine helfen dem Team, den Projektfortschritt systematisch zu u ¨berwachen, formelle Reviews erm¨oglichen eine Bewertung des Projektstatus und bilden die Grundlage f¨ ur strategische Projektentscheidungen. Weisungsorientierte Projektsteuerung schließlich erlaubt es dem Management, Zielvorgaben und Projektressourcen bei Bedarf anzupassen.20 Obwohl auch allgemein ein gewisses Maß an Flexibilit¨at und Entscheidungsspielr¨aumen als wichtige Voraussetzung f¨ ur erfolgreiche Produktentwicklung angesehen wird,21 bilden nach wie vor die traditionellen Methoden formeller Projektsteuerung das zentrale Managementinstrument, um die Erreichung strategischer wie operativer Projektziele zu gew¨ahrleisten.22 Dabei stellt sich jedoch gerade im Zusammenhang mit innovativen Forschungs- und Entwicklungsprojekten die kritische Frage, bis zu welchem Grad noch formelle Projektsteuerung und Fortschrittskontrollen zul¨assig sind, ohne dass Dysfunktionalit¨aten eintreten.23 W¨ahrend Montoya-Weiss und Calantone (1994) in ihrer umfassenden Meta-Analyse 15

H¨ ogl und Gem¨ unden (2001), S. 436ff.

16

Vgl. hierzu Kapitel 5, insbesondere Abschnitt 5.2.

17

Vgl. u. a. Balachandra und Friar (1997); Brown und Eisenhardt (1995); Ernst (2001, 2002); Gerwin und Barrowman (2002); Griffin und Hauser (1996); Henard und Szymanski (2001); Johne und Snelson (1988); Krishnan und Ulrich (2001); Lilien und Yoon (1989); Montoya-Weiss und Calantone (1994).

18

Vgl. Brown und Eisenhardt (1995), S. 348ff., und Abschnitt 3.1 dieser Arbeit.

19

Das Konzept des Stage-Gate Systems wird in der Literatur v. a. von Cooper und Kleinschmidt diskutiert, vgl. beispielsweise Cooper (1990); Cooper und Kleinschmidt (1990); Cooper (1991).

20

Rosenau und Moran (1993); Wheelwright und Clark (1992b).

21

Burns und Stalker (1961); Moorman und Miner (1998).

22

Cooper und Kleinschmidt (1995), S. 384.

23

Eisenhardt und Tabrizi (1995), S. 106.

1. Einf¨ uhrung in die Problemstellung

6

der empirischen Literatur zur Neuproduktentwicklung noch feststellten, dass Faktoren wie Proficiency of Predevelopment Activities und Financial/Business Analysis nur von einer geringen Zahl von Studien untersucht wurden,24 sind in den letzten Jahren eine Reihe empirischer Arbeiten erschienen, die explizit die Erfolgswirkung von Planungsund Steuerungsaktivit¨aten im Rahmen von Produktentwicklungsprojekten untersuchen und dabei inhaltlich und methodisch deutliche Fortschritte gegen¨ uber ¨alteren, breiter geucksichtigt zumindest ein Teil fassten Erfolgsfaktorenstudien erzielen.25 Insbesondere ber¨ dieser Studien, wie wichtig die Einbeziehung zentraler Projektcharakteristika als Kontingenzfaktoren ist,26 indem sie Moderatorwirkungen des Innovationsgrads untersuchen. Betrachtet man allerdings die Befunde dieser Untersuchungen, so f¨allt es z. T. schwer, einen gemeinsamen Nenner zu identifizieren, und in einigen Aspekten treten sogar eklatante Widerspr¨ uche zu Tage. W¨ahrend beispielsweise die Studie von Shenhar et al. (2002) feststellt, dass Projektplanung vor allem bei komplexen, mit hoher Unsicherheit konfrontierten Projekten wichtig ist, kommen Song und Montoya-Weiss (1998) zu dem Ergebnis, dass detaillierte Projektplanung bei hochinnovativen Projekten geradezu kontraproduktiv ¨ ist. Ahnliche Widerspr¨ uche sind auch hinsichtlich der Projektsteuerung zu konstatieren: Folgt man den Befunden von Tatikonda und Montoya-Weiss (2001), so hat formelle Projektsteuerung unabh¨angig vom Grad der technischen Unsicherheit eine positive Erfolgswirkung. Im Gegensatz dazu finden Lewis et al. (2002) einen negativen Interaktionseffekt zwischen Planned Style-Projektmanagement und technischer Unsicherheit, w¨ahrend schließlich Griffin (1997) u ¨berhaupt keinen Zusammenhang zwischen Prozessformalisierung und Entwicklungsdauer feststellen kann. Vor dem Hintergrund dieser Widerspr¨ uche ist es das zentrale Anliegen der vorliegenden Arbeit, im Rahmen einer großzahligen empirischen Untersuchung zun¨achst die bereits angesprochenen Aspekte von Projektplanung, -steuerung und -erfolg sowie Innovationsh¨ohe multidimensional zu messen, um auf dieser Grundlage differenzierte Aussagen u ¨ber m¨ogliche Kausalzusammenh¨ange treffen zu k¨onnen. Im Mittelpunkt stehen dabei die folgenden Forschungsfragen: 1. Welchen Einfluss haben unterschiedliche Aspekte der Vorhabensplanung sowie der formellen Projektsteuerung auf den Erfolg von Innovationsprojekten? 2. Welcher Zusammenhang besteht dabei zwischen den Planungs- und den Steuerungsaktivit¨aten, inwiefern u ur die Be¨bt also die Projektsteuerung eine Mediator -Rolle f¨ ziehung zwischen Planung und Erfolg aus? 24

Montoya-Weiss und Calantone (1994), S. 411.

25

Vgl. hierzu Kapitel 5, insbesondere Tabelle 5.3 (S. 113ff.) und Tabelle 5.5 (S. 124ff.).

26

Shenhar (2001); Song und Montoya-Weiss (1998)

1. Einf¨ uhrung in die Problemstellung

8

1.2

Aufbau der Arbeit

Die Arbeit gliedert sich entsprechend Abbildung 1.1 in einen theoretischen und einen empirischen Teil. Der theoretische Teil beginnt mit der Vorstellung der zentralen Forschungsfragen und der wissenschaftstheoretischen Grundhaltung der vorliegenden Untersuchung. Im folgenden Kapitel 2 werden die Begriffe Innovation“ und Innovationsgrad“ erl¨autert, die f¨ ur ” ” das Verst¨andnis der Arbeit von zentraler Bedeutung sind. Neben einer kurzen Er¨orterung der Bezugspunkte zu Str¨omungen der Neuproduktforschung dient Kapitel 3 vor allem der Ableitung eines theoretischen Grundmodells, das die Forschungsfragen vor dem Hintergrund betriebswirtschaftlicher Theoriebildung integriert, wobei der situative Ansatz, die Theorie der Informationsverarbeitung sowie der ressourcenbasierte Ansatz herangezogen werden. Entsprechend der grunds¨atzlichen Differenzierung des Grundmodells in Informationserzeugung und -verarbeitung werden in Kapitel 4 die f¨ ur Innovationsvorhaben relevanten Elemente der Projektplanung und -steuerung n¨aher untersucht, wobei neben der Literatur zur Neuproduktentwicklung auch auf allgemeinere Arbeiten zum Projektmanagement und zur strategischen Planung zur¨ uckgegriffen wird. In Kapitel 5 erfolgt eine systematische Bestandsaufnahme der empirischen Forschung zur Planung und Steuerung von Innovations- und Produktentwicklungsprojekten sowie eine meta-analytische Verdichtung der relevanten Befunde. Kapitel 6 stellt den Bezugsrahmen sowie die Hypothesen f¨ ur den empirischen Teil dieser Arbeit vor. Dieser Abschnitt kann relativ kurz gehalten werden, da hier im wesentlichen auf die in den Kapiteln 3 und 4 systematisch abgeleiteten Aussagen sowie auf die in Kapitel 5 aggregierten Befunde zur¨ uckgegriffen wird. Der empirische Teil der Arbeit beginnt in Kapitel 7 mit einer Erl¨auterung des Untersuchungsdesigns, insbesondere des Vorgehens bei der Datenerhebung, und einer Beschreibung der Stichprobencharakteristika. Kapitel 8 geht zun¨achst auf methodische Fragen der Konstruktbildung ein, bevor der Ablauf der statistischen Datenanalyse und die dabei verwendeten Verfahren n¨aher beschrieben werden. Die in der vorliegenden Arbeit verwendeten Konstrukte werden in Kapitel 9 operationalisiert und validiert, bevor die eigentliche Hypothesenpr¨ ufung in Kapitel 10 durch Ermittlung von direkten Zusammenh¨angen, Mediatorbeziehungen und Moderatoreffekten erfolgt. Im abschließenden Kapitel 11 werden die gewonnenen Erkenntniss diskutiert, wobei sowohl konkrete Handlungsempfehlungen f¨ ur die Praxis als auch wichtige Implikationen der Arbeit f¨ ur die Forschung dargelegt werden.

1.2. Aufbau der Arbeit

9

Teil I – Theoretischer Teil

Kap. 1 Einführung in die Problemstellung

Kap. 4

Kap. 2

Begriffliche Grundlagen: Innovation und Innovationsgrad

Kap. 3

Theoretische Bezugspunkte der Arbeit

Planung, Steuerung und Erfolg von Innovationsprojekten

Kap. 5

Metaanalyse der empirischen Forschung zur Planung und Steuerung

Hypothesen der empirischen Untersuchung

Kap. 6

Teil II – Empirischer Teil

Kap. 7

Untersuchungsdesign

Kap. 8

Methodik der Datenauswertung

Kap. 9

Operationalisierung und Validierung der Konstrukte

Kap. 10

Wirkungszusammenhänge: Überprüfung der Hypothesen

Kap. 11

Zusammenfassung und Ausblick

Abbildung 1.1: Aufbau der Arbeit

1.1. Motivation und zentrale Forschungsfragen

7

3. Welchen Einfluss hat die Innovationsh¨ohe auf die Beziehungen zwischen Vorhabensplanung, -steuerung und -erfolg, inwiefern u ¨bt also der Innovationsgrad eine Moderator -Rolle aus? Im einzelnen soll die vorliegende Arbeit den derzeitigen Stand der Forschung wie folgt erweitern: 1. Die zentralen Konstrukte der Untersuchung werden als mehrdimensionale Konstrukte operationalisiert, um eine umfassende Erfassung des Erkenntnisgegenstandes sicherzustellen. Entsprechend der Empfehlung von Dougherty (1996) wird dabei ein starker Fokus auf die tats¨achlichen Aktivit¨aten von Produktentwicklungsprozessen gelegt.27 Zwar wird dadurch die Verallgemeinerbarkeit der Befunde tendenziell geringer ausfallen als bei sehr allgemein gefassten, abstrakten Operationalisierungen, auf der anderen Seite steigen jedoch Praxisrelevanz und Nachpr¨ ufbarkeit der postulierten Beziehungen und damit letztlich der Erkenntnisgehalt der Untersuchung. 2. Der Bezugsrahmen der empirischen Untersuchung ber¨ ucksichtigt, dass unter dem theoretischen Gesichtspunkt der Informationsverarbeitung von Organisationen sowohl die Informationsgenerierung als auch die -verarbeitung wesentlich f¨ ur den Eruheren Studien auf dem folg von Innovationsprojekten sind.28 Im Gegensatz zu fr¨ Gebiet der Neuproduktentwicklung werden daher Planung und Steuerung nicht als voneinander unabh¨angige Pr¨adiktoren des Vorhabenserfolgs betrachtet, sondern ihre Wechselwirkungen explizit im Rahmen eines vergleichsweise komplexen Pfadmodells untersuchen. 3. Da der Grad der Produktneuheit als zentraler Kontingenzfaktor im Rahmen der Neuproduktentwicklung angesehen wird, werden alle postulierten Kausalzusammenh¨ange konsequent auf m¨ogliche Interaktionen mit dem Innovationsgrad hin untersucht. Dabei erfolgt die Operationalisierung des Innovationsgrads in Anlehnung an aktuelle Messkonzepte, die davon ausgehen, dass er am besten als ein mehrdimensionales Ph¨anomen zu verstehen und messen ist.29 Um die Identifikation von Moderatoreffekten zu erleichtern, wurde besonderer Wert darauf gelegt, Projekte mit einem breiten Spektrum an Produktinnovationsgraden zu erfassen und insbesondere auch hochinnovative Vorhaben in die Erhebung einzubeziehen. 27

Dougherty (1996), S. 424

28

Vgl. Abschnitt 3.4 (S. 45ff.).

29

Solche Messkonzepte werde u. a. von Danneels und Kleinschmidt (2001), Garcia und Calantone (2002), Gatignon et al. (2002), Salomo (2003), und Schlaak (1999) entwickelt.

Kapitel 2 Begriffliche Grundlagen: Innovation und Innovationsgrad 2.1

Begriff der Innovation

Jedes Unternehmen unterliegt, ebenso wie sein Umfeld, einem st¨andigen technischen, wirtschaftlichen und sozialen Wandel. Um erfolgreich sein zu k¨onnen, m¨ ussen Firmen den Anforderungen dieses Wandels durch Innovationen entsprechen, die damit als richtige ” Antworten der Unternehmen auf Ver¨anderungen in ihrer Aufgabenumwelt“ angesehen werden k¨onnen.1 Der durch die Ver¨anderungen hervorgerufene Grad an Neuigkeit ist folglich auch das konstitutive Merkmal von Innovationen, wie eine etymologische Analyse zeigt (lat.: innovatio = Neuerung). Dabei muss Innovation jedoch von Invention und Imitation unterschieden werden. Allen ist gemeinsam, dass es sich um etwas Neues handelt, dessen Ursprung eine Idee zur Befriedigung eines unmittelbar feststellbaren oder auch nur vermuteten Bed¨ urfnisses ist.2 Eine Imitation bezeichnet zun¨achst nur eine Nachahmung, also die wiederholte Anwendung einer neuen Probleml¨osung in einem anderen Unternehmen. Dennoch kann es sich dabei aus der subjektiven Sicht des imitierenden Unternehmens um eine Neuerung handeln (vgl. hierzu die Ausf¨ uhrungen zur Mikroperspektive des Innovationsgrads in Abschnitt 3 2.2.2). Der Begriff Invention bedeutet Erfindung“. Er beinhaltet die gedankliche Konzi” pierung und technische Realisierung einer Neuheit auf der Basis neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse bzw. durch neue Kombination bestehender Erkenntnisse.4 Eine Erfindung muss nicht zwangsl¨aufig geplantes Ergebnis von Forschung und Entwicklung sein, sie kann 1

Zahn und Weidler (1995), S. 352; Pleschak und Sabisch (1996), S. 1.

2

Brockhoff (1999), S. 35ff.

3

Pleschak und Sabisch (1996), S. 6.

4

Haß (1983), S. 2.

2. Begriffliche Grundlagen: Innovation und Innovationsgrad

12

auch als Zufallsprodukt“ abfallen.5 ” Innovation schließlich ist ein schillernder“ Begriff, f¨ ur den in der Literatur eine Viel” zahl uneinheitlicher Definitionen verwendet wird.6 Gemeinsam ist diesen Definitionen jedoch, dass mit einer Innovation untrennbar eine tats¨achliche Nutzung bzw. Marktdiffusion verbunden ist. Das Vorliegen einer Erfindung ist hier also nicht hinreichend – Innovation ur die Zwecke dieser ist mehr als Invention.7 Im Folgenden soll der Begriff Innovation“ f¨ ” Arbeit definiert werden, wobei zum einen der Prozess der Neuerung betrachtet wird, zum anderen das Objekt bzw. Ergebnis dieses Prozesses. Die prozessuale Betrachtung l¨aßt sich eng und weit abgegrenzen:8 Bei enger Abgrenzung9 versteht man unter einer Innovation die Durchsetzung einer Invention am Markt bzw. deren wirtschaftliche Nutzung, w¨ahrend eine Innovation im weiteren Sinne den gesamten Prozess der Invention und Marktdurchsetzung umfasst.10 Da die vorliegende Arbeit Aspekte des Planungs- und Steuerungssystems v. a. in fr¨ uhen Projektphasen betrachtet, wird hier in Anlehnung an Uhlmann (1978, S. 41) und Goldhar (1980, S. 284) folgende weitgefasste Definition gew¨ahlt: Prozessuale Definition von Innovation Eine Innovation ist der Prozess, den eine neuartige Probleml¨osung von der Ideenfindung u ¨ber die Entwicklung bis hin zur Marktdurchsetzung oder Verwendung im eigenen Unternehmen durchl¨auft. Die Phasen dieses Prozesses werden durch formale Entscheidungspunkte verbunden, an denen Entscheidungen u unftige Ressourcen¨ber die zuk¨ allokation getroffen werden. Auf die Frage, inwiefern sich bei hochgradigen Innovationen wirklich typische Prozessphasen und Entscheidungspunkte identifizieren lassen, wird in Kapitel 4 n¨aher eingegangen,11 dennoch liefert diese Herangehensweise ein fruchtbares Gedankenmodell f¨ ur die Untersuchung von Planungs- und Steuerungsprozessen. Neben der prozessbezogenen Definition des Innovationsbegriffes wird in der Literatur meist auch eine objektbezogene verwendet, n¨amlich dann, wenn auf das Ergebnis des Innovationsprozesses, z. B. ein neu entwickeltes Produkt, referenziert wird: Objektbezogene Definition von Innovation Innovationen sind qualitativ neuartige Produkte oder Verfahren, die sich gegen¨ uber dem vorhergehenden 5

Specht und Beckmann (1996), S. 15.

6

Hauschildt (2004), S. 4ff.; Zahn und Weidler (1995), S. 353; Pleschak und Sabisch (1996), S. 1.

7

Hauschildt (2004), S. 24.

8

Marr (1980), Sp. 948.

9

So z. B. bei Specht und Beckmann (1996), S. 15

10

So z.B. bei Souder (1987), S. 6; Kupsch et al. (1991), S. 1073.

11

Vgl. hierzu auch Veryzer (1998a).

2.1. Begriff der Innovation

13

Zustand merklich unterscheiden, von einer Unternehmung erstmalig im Markt oder eigenen Betrieb eingef¨ uhrt werden und sich dort bew¨ahren m¨ ussen. Die Neuartigkeit besteht darin, dass Zwecke und Mittel in einer bisher nicht bekannten Form verkn¨ upft werden.12 Eine Innovation liegt also nur bei neuartigen Zweck-Mittel-Beziehungen vor. Werden neue Mittel zur Erf¨ ullung vorhandener oder neuer Zwecke angeboten, so kann man von einer mittelinduzierten Innovation sprechen, entsteht dagegen ein neuer Zweck, der mit unver¨anderten oder neuen Mitteln befriedigt wird, liegt eine zweckinduzierte Innovation vor. Bei einer eigentlichen Innovation schließlich sind die Zwecke neu gesetzt, und es werden zugleich neue Mittel zur Erf¨ ullung dieser Zwecke eingesetzt.13 Bereits hier wird deutlich, dass bei Innovationen unterschiedliche Grade der Neuartigkeit auftreten k¨onnen und ihre Messung anhand verschiedener Dimensionen zu erfolgen hat. Bevor auf dieses mehrdimensionale Messproblem n¨aher eingegangen wird, soll im n¨achsten Abschnitt zun¨achst anhand einer Funktionaltypologie n¨aher beleuchtet werden, welche Arten von Innovationen eigentlich auftreten k¨onnen, d. h. welche Objekte einer Neuerung“ unterliegen. Obwohl die dabei vorgestellten Innovationstypen teilweise deut” lich u ¨ber den Rahmen hinausgehen, der durch die oben stehenden Definitionen gegeben ist, verdeutlichen sie doch die Reichweite, die die Diskussion des Ph¨anomens Innovation“ ” in der Betriebswirtschaftslehre mittlerweile angenommen hat. 2.1.1

Funktionaltypologie von Innovationen

Die Unterscheidung von Innovationstypen hinsichtlich ihrer Zugeh¨origkeit zu Funktionsbereichen geht auf die Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“ von Schumpeter (1931) ” zur¨ uck. Schumpeter verwendet hier zwar den Begriff Innovation“ noch nicht explizit,14 ” geht aber auf die Durchsetzung neuer, diskontinuierlicher Kombinationen von Produktionsmitteln ein. Solch neuartige Mittelkombinationen k¨onnen nach Schumpeter durch Herstellung eines f¨ ur einen bestimmten Konsumentenkreis neuen Produktes, durch Anwendung eines f¨ ur einen bestimmten Industriezweig neuen Produktionsverfahrens, durch ¨ Erschließung neuer Beschaffungsquellen oder Absatzm¨arkte sowie durch Anderung von 15 Wettbewerbsstrukturen hervorgerufen werden. In Anlehnung an Zahn und Weidler 12

Hauschildt (1992), Sp. 1029; Hauschildt (2004), S. 11.

13

Hauschildt (2004), S. 11.

14

Dieser findet sich erst bei Schumpeter (1939), S. 87.

15

Schumpeter (1931), S. 100f. Diese Beschreibung nimmt bereits eine Reihe von im Folgenden noch zu besprechenden Aspekten vorweg, so den Verzicht auf eine rein technische Betrachtungsweise zugunsten einer betriebswirtschaftlichen Perspektive, die Unterscheidung von Produkt- und Prozessinnovationen und die Einbeziehung von wettbewerbsbezogenen Innovationen.

2. Begriffliche Grundlagen: Innovation und Innovationsgrad

14

(1995, S. 362ff.) sowie Hauschildt (2004, S. 13) k¨onnen diese Perspektiven systematisiert und in vier Dimensionen zusammengefasst werden:16 Technische, organisationale, wettbewerbsbezogene und soziale Innovationen. Technische Innovationen resultieren aus der Erweiterung naturwissenschaftlichtechnischen Wissens als Ergebnis erfolgreicher Forschungs- und Entwicklungst¨atigkeiten. Technischer Fortschritt ver¨andert die Bestimmungsgr¨oßen f¨ ur Qualit¨at, Quantit¨at und Wirtschaftlichkeit einzelner Leistungsprozesse und beeinflusst damit auch das Leistungsergebnis. Die resultierenden Produkt- und Prozessinnovationen sind Ursprung der wirtschaftlichen Dynamik.17 Produktinnovationen liegen vor, wenn eine Unternehmung Produkte in ihr Leistungsprogramm aufnimmt, die es dem Benutzer erlauben, neue Zwecke zu erf¨ ullen oder vorhandene Zwecke in einer v¨ollig neuartigen Weise zu erf¨ ullen.18 Damit Produktinnovationen den Nutzer u ussen sie sich am ¨berhaupt erreichen k¨onnen, m¨ Markt durchsetzen k¨onnen. Prozessinnovationen dagegen m¨ ussen sich nur innerbetrieblich durchsetzen. Bei ihnen handelt es sich um neuartige Faktorkombinationen, durch die die Produktion eines bestimmten Gutes kosteng¨ unstiger, qualitativ hochwertiger, sicherer oder schneller erfolgen kann. Ziel dieser Innovation ist also eine Effizienzsteigerung.19 Der Zusammenhang zwischen Produkt- und Prozessinnovationen wird in der Literatur sowohl auf Branchen- als auch auf Firmenebene untersucht, wobei h¨aufig ein ProduktProzess-Muster unterstellt wird, bei dem Organisationen zun¨achst Produktinnovationen implementieren, bevor sie sich verst¨arkt der Durchf¨ uhrung von Prozessinnovationen zuwenden.20 Organisationen spielen im Rahmen des Innovationsmanagement eine zentrale Rolle, da sie die Effektivit¨at und Effizienz der in ihnen ablaufenden Neuerungsprozesse bestimmen. Vor diesem Hintergrund m¨ ussen Unternehmen selbst das Objekt sog. organisationaler Innovationen werden, um ihr Innovationspotential als Quelle technischer und wettbewerbsbezogener Innovationen zu sichern.21 Organisationale Innovationen stehen oft in Zusammenhang mit Produkt- bzw. Prozessinnovationen oder Unternehmensgr¨ undungen, k¨onnen jedoch auch als gesonderte Organisationsmaßnahme durchgesetzt werden.22 Sie k¨onnen struktureller Natur sein (z. B. bei der Bildung neuer Organisationseinheiten), durch eine

16

Andere Autoren unterscheiden dagegen nur zwischen Produkt-, Prozess- und Sozialinnovationen, vgl. u. a. Thom (1980), S. 7 und Whipp und Clark (1986).

17

Marr (1980), Sp. 950.; Utterback und Abernathy (1975), S. 645ff.

18

Hauschildt (2004), S. 11.

19

Ettlie und Reza (1992), S. 796; Gopalakrishnan et al. (1999), S. 148.

20

Damanpour und Gopalakrishnan (2001), S. 50; Gopalakrishnan et al. (1999), S. 148ff.; Utterback und Abernathy (1975), S. 645.

21

Zahn und Weidler (1995), S. 363.

22

Pleschak und Sabisch (1996), S. 23.

2.1. Begriff der Innovation

15

¨ Anderung in den Managementsystemen hervorgerufen werden (z. B. bei der Einf¨ uhrung eines neuen ERP-Systems) oder durch eine Ver¨anderung der Unternehmenskultur bedingt sein (z. B. in Form gr¨oßerer Eigenverantwortung und Motivation auf unteren Hierarchieebenen23 ).24 Im Falle der wettbewerbsbezogenen Innovationen sind die Neuerungsobjekte nicht mehr allein die Technik oder die Organisation, sondern die f¨ ur das Unternehmen relevanten M¨arkte und Branchenstrukturen sowie die im Gesch¨aft geltenden Spielregeln“.25 Die Un” ternehmensumwelt wird damit nicht statisch betrachtet, sondern wird Objekt einer dynamischen Neugestaltung. Ausl¨oser solcher Ver¨anderungen k¨onnen wiederum Produkt- und Prozessinnovationen sein, beispielsweise wenn sie es erm¨oglichen, durch ver¨anderte PreisLeistungs-Verh¨altnisse oder Nutzenstrukturen neue Marktsegmente oder sogar M¨arkte zu bearbeiten. Nachhaltiger als die Ansprache neuer Marktsegmente ist meist eine Innovation in den grundlegenden Spielregeln des Marktes, so beispielsweise wenn die in der Branche entscheidenden Wettberbsvorteile nicht l¨anger u ¨ber Preis- oder Leistungsvorteile, sondern u ¨ber Servicequalit¨at erzielt werden.26 Da es sich bei betriebswirtschaftlichen Organisationen um soziotechnische Systeme27 handelt, werden sie schließlich auch von sozialen Innovationen beeinflusst. Soziale Innovationen sind Reaktion auf den st¨andigen Entwicklungsprozess, dem das Werte- und Normensystem einer Gesellschaft unterworfen ist, und stimulieren diesen wiederum.28 Sie ¨ k¨onnen sich z. B. in Anderungen im politischen System oder in neuen Lebensstilen ¨außern und f¨ uhren damit zu ver¨anderten Rahmenbedingungen, unter denen das Unternehmen zu agieren hat.29 Im Gegensatz zu den drei anderen Funktionaltypen sind soziale Innovationen vom Einzelunternehmen praktisch nicht zu beeinflussen, sondern stellen ein datum dar, auf das es reagieren muss. Die in diesem Abschnitt u ¨berblicksartig beschriebenen Innovationstypen gehen z. T. deutlich u ¨ber den vergleichsweise engen Rahmen hinaus, der durch die beiden Definitionen auf S. 12 abgesteckt wurde. Den zentralen Fragestellungen dieser Arbeit entsprechend wird jedoch im weiteren Verlauf, insbesondere im empirischen Teil, praktisch ausschließlich auf

23

Kieser und Kubicek (1992), S. 389.

24

Pleschak und Sabisch (1996, S. 23) und Thom (1992, S. 8) bezeichnen alle organisatorischen Innovationen, die den Humanbereich des Unternehmens betreffen, als Sozialinnovation. Dieser Definition wird hier nicht gefolgt, stattdessen wird der Begriff soziale Innovation“ auf gesellschaftliche ” Ver¨ anderungen bezogen (siehe unten).

25

Zahn und Weidler (1995), S. 365.

26

Robert (1991), S. 53ff.

27

Neidhardt (1980).

28

Marr (1980), Sp. 949.

29

Zapf (1989).

2. Begriffliche Grundlagen: Innovation und Innovationsgrad

16

Produktinnovationen Bezug genommen. 2.1.2

Dichotomische Charakterisierung von Innovationen

Es reicht nicht aus, die Neuartigkeit einer Innovation zu postulieren, vielmehr sollte man den graduellen Unterschied gegen¨ uber dem bisherigen Zustand durch Bestimmung eines Innovationsgrads“ mess- und bewertbar machen. Bevor jedoch solche intersubjektiv ” u ufbaren Messungen auf Kardinal- oder wenigstens Ordinalskalen konzipiert wur¨berpr¨ den, lag der Fokus der wissenschaftlichen Diskussion auf einer Reihe von Dichotomien, die zumindest eine nominale Unterscheidung von Innovationen erm¨oglichen.30 Ohne Anspruch auf Vollst¨andigkeit sollen hier nur vier Begriffspaare vorgestellt werden, die eine besondere Bedeutung f¨ ur die Entwicklung der Innovationsgradmessung hatten.31 Innovation in Kern- und peripheren Systemen Betrachtet man Produkte als eine hierarchisch geordneten Menge von Subsystemen und Schnittstellen,32 so lassen sich Innovationen unterscheiden, die die Kernkomponenten eines Produkts betreffen, und solche, die Ver¨anderungen in eher peripheren Komponenten bewirken. Vor dem Hintergrund dieser Unterscheidung konnte in einer Reihe von Untersuchungen33 festgestellt werden, dass es zun¨achst meist die zentralen Komponenten eines Produktes sind, in denen technische Ver¨anderungen erfolgen. Diese Kernkomponenten fungieren anschließend als Impulsgeber f¨ ur den technischen Fortschritt in eher peripheren Komponenten, sie bilden also strategische Engpassfaktoren. So beschreibt z. B. Constant (1980), wie die Einf¨ uhrung des Strahltriebwerks weitreichende Ver¨anderungen in fast allen anderen Teilsystemen des Flugzeugs nach sich zog. Die Unterteilung in zentrale und periphere Komponenten kann nach dem Kriterium erfolgen, wie fest ein Teilsystem mit den anderen Systemen eines Produktes verbunden ist.34 Kernkomponenten, wie z. B. der Oszillationsmechanismus einer Uhr, sind enger verbunden mit anderen Teilsystemen, st¨arker abh¨angig von diesen und von h¨oherer Bedeutung f¨ ur die zentralen Leistungsparameter eines Produktes als die peripheren Komponenten.35 ¨ ¨ Anderungen in diesen zentralen Komponenten ziehen zwangsl¨aufig Anderungen in den ¨ meisten anderen Komponenten nach sich. Werden dagegen Anderungen an peripheren Komponenten, wie z.B. dem Armband einer Uhr, vorgenommen, so hat dies h¨ochstens 30

Hauschildt (2004), S. 14f.

31

Vgl. Gatignon et al. (2002), S. 1105ff. f¨ ur eine ¨ ahnliche Darstellung.

32

Clark (1985); Schilling (2000).

33

Vgl. u. a. Constant (1980); Landes (1983); Henderson (1993); Henderson (1995).

34

Gatignon et al. (2002), S. 1106.

35

Landes (1983).

2.1. Begriff der Innovation

17

geringe Auswirkungen auf den Rest des Systems. Architektonische und modulare Innovationen Auf der Grundlage der Definition eines Produktes als einer Hierachie von Teilsystemen und Schnittstellen kann man Innovationen noch nach einem weiteren Kriterium differenzieren, das auf Henderson und Clark ¨ (1990) zur¨ uckgeht. Sie unterscheiden modulare Innovationen, die zu Anderungen in einzelnen Teilsystemen eines Produktes f¨ uhren, und architektonische Innovationen, die nur die Schnittstellen zwischen den Komponenten eines Produktes betreffen.36 Architektonische Innovationen ¨andern also die Art, auf die die Bestandteile eines Produktes miteinander verbunden sind, lassen jedoch das wesentliche Designkonzept, das den Komponenten zu¨ bzgl. grundeliegt, unber¨ uhrt.37 Ausgehend von diesen beiden Dimensionen – Anderungen ¨ Produktarchitektur und Anderungen bzgl. Komponentendesign – definieren Henderson und Clark (1990) mit imkrementellen“ und radikalen“ Innovationen zwei weitere Ty” ” pen (vgl. Abbildung 2.1).

Verbindung zwischen Kernkomponenten

Kernkomponenten Beibehalten

Ersetzt

Unverändert

Inkrementelle Innovationen

Modulare Innovationen

Geändert

Architektonische Innovationen

Radikale Innovationen

Abbildung 2.1: Innovationstypen nach Henderson und Clark (1990, S. 12)

Innovationen sind nach dieser Klassifikation dann radikal“, wenn sie in einer neuen Pro” duktarchitektur Komponenten miteinander verbinden, die selbst wieder auf neuen Gestaltungskonzepten beruhen. Inkrementelle Innovationen dagegen verbessern und erweitern bestehende Produkte, ohne Ver¨anderungen an der grunds¨atzlichen Gestaltung der Komponenten und der verbindenden Architektur vorzunehmen. Die Verwendung des Begriffs 36

Henderson und Clark (1990), S. 10.

37

Dies heißt jedoch nicht notwendigerweise, dass architektonische Innovationen die Komponenten selbst ¨ vollkommen unver¨ andert lassen. Oft werden architektonische Innovationen von Anderungen in einzelnen Leistungsparametern der Komponenten ausgel¨ ost, die neuartige Wechselwirkungen in der Produktarchitektur ausl¨ osen bzw. erm¨ oglichen.

2. Begriffliche Grundlagen: Innovation und Innovationsgrad

18

radikale Innovation“ ist jedoch in der einschl¨agigen Literatur alles andere als einheitlich, ” was im folgenden Abschnitt diskutiert wird. Radikale und inkrementelle Innovationen In der umfangreichen Literatur zu Innovationsmanagement und Neuproduktentwicklung wird der Begriff der radikalen Innova” tion“ meist wesentlich weiter als bei Henderson und Clark (1990) gefasst und dabei auch um nicht-technische Aspekte bereichtert. So definiert beispielsweise Utterback (1994, S. 200) radikale Innovationen dadurch, dass sie einen wesentlichen Teil der von einer Firma geleisteten Investitionen in technische F¨ahigkeiten, Produktdesign sowie Produktionstechnologie und -anlagen obsolet machen. Weiterhin werden radikale Innovationen h¨aufig dadurch charakterisiert, dass sie mit sehr langen Entwicklungszeiten und hohen Investitionen uhere verbunden sind,38 dass sie einen wesentlich h¨oheren Kundennutzen generieren als fr¨ 39 40 Produkte derselben Industrie , dass sie nachhaltige Wettbewerbsvorteile schaffen und dass sie meist von diskontinuierlichen Ver¨anderungen auf Firmen- oder Industrieebene begleitet werden, w¨ahrend inkrementelle Innovationen dort eher zu einer Standardisierung und der Herausbildung eines stabilen status quo f¨ uhren. Alternativ werden f¨ ur solche Innovationen auch die Bezeichnungen discontinuous“ 41 , breakthrough“ 42 , pioneering“ 43 ” ” ” und really new“ 44 verwendet. ” Da es das Ziel dieses Abschnittes ist, eine m¨oglichst klare Abgrenzung der vier genannten Klassifikationsdimensionen zu erreichen, wird hier in Anlehnung an Gatignon et al. (2002) eine Innovation dann als radikal bezeichnet, wenn sie das derzeitige PreisLeistungs-Verh¨altnis viel st¨arker steigert als dies durch normalen technischen Fortschritt m¨oglich w¨are. Dabei wird die bis zu diesem Zeitpunkt in der Industrie vorherrschende technologische Trajektorie verlassen und eine neue etabliert.45 Im Gegensatz dazu ist ei38

McDermott und O’Connor (2002), S. 425.

39

Meyers und Tucker (1989), S. 73; Chandy und Tellis (2000), S. 2.

40

Chandy und Tellis (1998), S. 474

41

Veryzer (1998a), S. 305; Veryzer (1998b), S. 137.

42

Wind und Mahajan (1997), S. 3.

43

Ali (1994), S. 48.

44

Schmidt und Calantone (1998), S. 112f.; Song und Montoya-Weiss (1998), 126.

45

Das Konzept der technologischen Trajektorie geht auf institutionen¨ okonomische Betrachtungen von Dosi (1982) zur¨ uck. Dosi fasst Innovationen als paradigmengebundene Probleml¨ osungsprozesse auf, die im wesentlichen von zwei Faktoren beeinflusst werden: Den technologischen Chancen und den Aneignungsm¨ oglichkeiten der Innovationsrenten durch die Institution der Unternehmen. Das technologische Paradigma umfasst also nicht nur ein naturwissenschaftliches Prinzip oder eine Schl¨ usseltechnologie, sondern auch ein bestimmtes Muster von Such- und L¨ osungsmethoden sowie die Definition der wirtschaftlich relevanten Probleme. Der tats¨ achliche technische Wandel verl¨ auft nach Dosi wie auf einer technologischen Bahn (Trajektorie) entlang den ¨ okonomischen und technischen Zielkonflikten innerhalb des Paradigmas.

2.1. Begriff der Innovation

19

ne Innovation inkrementell, wenn sie zu Leistungssteigerungen entlang einer bestehenden Technologietrajektorie f¨ uhrt. Inkrementelle Innovationen untermauern tendenziell die Wettbewerbsposition etablierter Firmen, da sie auf bestehenden Kernkompetenzen aufbauen, w¨ahrend radikale Innovationen solche Kompetenzen h¨aufig obsolet werden lassen.46 Da hier jedoch kein eindeutiger Zusammenhang vorliegt, haben Tushman und Anderson (1986) als weiteres Begriffspaar die Unterscheidung zwischen kompetenzvernichtenden“ und kompetenzverst¨arkenden“ ” ”

Innovationen etabliert.

Kompetenzvernichtende und -verst¨ arkende Innovationen In bewusster Abgrenzung zur Dichotomie zwischen inkrementellen und radikalen Innovationen unterscheiden Tushman und Anderson zwischen Innovationen, die auf bestehenden Kompetenzen eines Unternehmens aufbauen und diese erweitern, und Innovationen, die bestehende Kompetenzen zerst¨oren.47 Die Unterscheidung entlang dieser Dimension ist firmenspezifisch vorzunehmen, sie liegt in der historischen Entwicklung der einzelnen Firma und den daraus erwachsenen Kompetenzen begr¨ undet und ist damit unabh¨angig von der Einteilung in radikale und inkrementelle Innovationen. Jede Innovation hat das Potenzial, bei bestimmten Firmen Kompetenzen zu erweitern, w¨ahrend sie Kompetenzen anderer Firmen vernichtet. Kompetenzvernichtende Produktinnovationen generieren entweder vollst¨andig neue ¨ Produktkategorien oder l¨osen existierende ab (beispielsweise beim Ubergang von Dampfzu Diesellokomotiven oder bei der Substitution von Verst¨arkerr¨ohren durch Transistoren48 ), w¨ahrend kompetenzvernichtende Prozessinnovationen eine neue Methode etablieren, um bestehende Produkte herzustellen (beispielsweise durch die Einf¨ uhrung des Planarprozesses in der Halbleiterfertigung).49 Kompetenzverst¨arkende Innovationen dagegen bauen auf demselben Know-How auf, das auch bereits den Produkten zugrundelag, die sie ersetzen. Bestehende Kompetenzen werden also nicht hinf¨allig, sondern k¨onnen daf¨ ur verwendet werden, bestimmte Leistungsparameter mit z.T. neuen Technologien um

46

Abernathy und Clark (1985).

47

Anderson und Tushman (1990), S. 609; Tushman und Anderson (1986), S. 442. ¨ Gerade beim Ubergang von Verst¨ arkerr¨ ohren zu Transistoren wird deutlich, welches Ausmaß die Kompetenzvernichtung bei etablierten Firmen annehmen kann. W¨ ahrend Mitte der f¨ unfziger Jahre Firmen wie RCA, Sylvania, Raytheon und Westinghouse zu den Marktf¨ uhrern im R¨ ohrengesch¨ aft z¨ ahlten, mussten sie mit der zunehmenden Verbreitung des Transistors ihre Stellung an Firmen wie Texas Instruments, Motorola und Fairchield abgeben, bevor diese im Zuge h¨ ochstintegrierter ULSISchaltkreise wiederum durch Firmen wie Intel, NEC, Toshiba und Hitachi abgel¨ ost wurden. Vgl. Tushman und O’Reilly (1996), S. 9ff.

48

49

Tushman und Anderson (1986), S. 442.

2. Begriffliche Grundlagen: Innovation und Innovationsgrad

20

Gr¨oßenordnungen zu steigern.50 So basieren beispielsweise Mantelstrom- und PropfanTriebwerke auf den gleichen Entwicklungs- und Produktionsf¨ahigkeiten wie klassische Strahltriebwerke, haben aber einen sehr viel niedrigeren spezifischen Krafstoffverbrauch.51 2.1.3

Notwendigkeit der Operationalisierung

Die Darstellung der verschiedenen Innovations-Dichotomien hat gezeigt, dass es sich durchaus um unterschiedliche Konzepte handelt. Dennoch bestehen zwischen ihnen z. T. ¨ Uberschneidungen, und es ist nicht immer eindeutig, wie die Konzepte im Interesse einer klaren Abgrenzung operationalisiert werden k¨onnen. Gatignon et al. (2002) haben daher in ihrer wegweisenden Arbeit Multi-Item-Skalen ¨ f¨ ur die beschriebenen Innovationstypen entwickelt. Die empirische Uberpr¨ ufung zeigt, dass es sich bei den Typen z. T. zum mehrdimensionale Konstrukte handelt und die Diskriminanzvalidit¨at f¨ ur alle Faktoren gegeben ist. Zwischen den Konstrukten bestehen zwar z. T. deutliche Korrelationen,52 interessanterweise jedoch nicht zwischen kompetenzvernichtenden und radikalen Innovationen. Wie oben schon angedeutet, k¨onnen radikale Innovationen also tats¨achlich sowohl kompetenzverst¨arkend als auch -vernichtend wirken. Die Radikalit¨atsdimension korreliert ebenfalls nicht mit den Faktoren, die den Grad der Ver¨anderungen im technischen Produktdesign (Architektur, Komponenten) messen. Das Messkonzept von Gatignon et al. (2002) ist also insgesamt als sehr differenziert zu beurteilen, vernachl¨assigt aber praktisch vollkommen die Marktseite des Innovationsprozesses: Radikalit¨at“ und Kompetenzvernichtung“ werden nur sehr sparsam opera” ” tionalisiert und enthalten keine Marktaspekte, dagegen beziehen sich 75 Prozent aller von den Autoren verwendeten Items auf Produkttechnologie, -architektur und -komponenten. Da sich dieser Fokus nur zum Teil mit den inhaltlichen Bed¨ urfnisse der vorliegenden Arbeit deckt, sollen im folgenden Abschnitt Forschungsergebnisse einer Reihe von Untersuchungen vorgestellt werden, die die Innovationsh¨ohe als ein mehrdimensionales Konstrukt messen, das auch in umfassender Weise den von der Innovation verursachten Anpassungsbedarf im eigenen Unternehmen, im Markt sowie im gesellschaftlichen Umfeld ber¨ ucksichtigt.

2.2

Der Innovationsgrad und seine Dimensionen

Wie im letzten Abschnitt deutlich wurde, kann die Bestimmung des Innovationsgehalts eines betrieblichen Entscheidungs- und Durchsetzungsproblems anhand verschiedener Di50

Anderson und Tushman (1990), S. 609.

51

H¨ unecke (1983), S. 20.

52

Vgl. Gatignon et al. (2002), Tabelle 2.

2.2. Der Innovationsgrad und seine Dimensionen

21

mensionen erfolgen. In der Literatur finden sich zahlreiche Ans¨atze zur Messung eines Innovationsgrads, die sich hinsichtlich ihres Messkonzeptes und ihrer Detaillierung voneinander unterscheiden.53 Eine Reihe relativ neuer Studien54 vergleicht im Rahmen von Literaturanalysen die unterschiedlichen Verwendungen des Begriffs Innovationsgrad“, um ” u ¨ber die Identifizierung u ¨bereinstimmender, charakteristischer Dimensionen zu einem umfassenden Konzept f¨ ur seine Definition und Messung zu gelangen. Da auch diese Metaanalysen bereits an anderer Stelle vergleichend gegen¨ ubergestellt wurden,55 sollen hier nur die f¨ ur die vorliegende Arbeit wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst werden. Gemeinsam ist den erw¨ahnten neueren Studien, dass sie den Innovationsgrad als ein komplexes mehrdimensionales Konstrukt definieren. Bei der Bildung von Dimensionen muss dabei zun¨achst beachtet werden, dass die Einsch¨atzung der qualitativen Unterschiede einer Innovation gegen¨ uber dem vorhergehenden Zustand naturgem¨ass subjektgebunden ist und bestenfalls objektiviert, aber nicht objektiv bestimmt werden kann.56 Es ist daher von zentraler Bedeutung, aus welcher Perspektive die Neuheit beurteilt werden soll. Vor diesem Hintergrund differenzieren Garcia und Calantone (2002) sowie Danneels und Kleinschmidt (2001) auf Basis der von ihnen analysierten Untersuchungen grunds¨atzlich nach einem Innovationsgrad hinsichtlich des Marktes und einem Innovationsgrad hinsichtlich des Unternehmens.57 Die erste Dimension, die von Garcia und Calantone als MakroPerspektive bezeichnet wird, misst, inwieweit eine Innovation einen Paradigmenwechsel in Wissenschaft und Technik bzw. in der Struktur eines Marktes oder einer ganzen Industrie herbeizuf¨ uhren vermag. Die unternehmensspezifische Dimension (Mikroperspektive) dagegen dr¨ uckt aus, wie weit sich ein Unternehmen durch eine Innovation von bekannten und bew¨ahrten Strategien und Kompetenzen in Marketing und Technologie entfernen muss.58 Aus diesen Definitionen geht hervor, dass eine auf Makro-Ebene ermittelte Neuartigkeit auch eine Neuartigkeit auf Mikro-Ebene bedingt, wohingegen eine auf Mikro-Ebene bestimmte Neuheit nicht hinreichend f¨ ur eine Neuheit auf Makro-Ebene ist. Die Dimensionen des Innovationsgrads und ihre Komponenten sind in Abbildung 2.2 dargestellt und werden in den folgenden Abschnitten n¨aher erl¨autert.

53

Hauschildt und Schlaak (2001).

54

Avlonitis et al. (2001); Danneels und Kleinschmidt (2001); Garcia und Calantone (2002); Green et al. (1995); Schlaak (1999).

55

Billing (2003), S. 19ff.; Salomo (2003).

56

Hauschildt (2004), S. 22.

57

Auch die Untersuchungen Avlonitis et al. (2001) und Green et al. (1995) identifizieren diese beiden Dimensionen, erg¨ anzen jedoch auf gleicher Gliederungsebene noch weitere Dimensionen des Innovationsgrads.

58

Garcia und Calantone (2002), S. 113.

2. Begriffliche Grundlagen: Innovation und Innovationsgrad

22

Innovationsgrad

Makro-Perspektive

Markt

Mikro-Perspektive

Technologie

Umfeld-Fit

Neuer Kunden- Neues techn. nutzen Prinzip

Infrastruktur

Neuer Markt

Regulation

Neue Kunden

Gesellschaftl. Bedingungen

Neue Marktposition

Adoptionsrisiko

Leistungssteigerung

Markt

Verhaltensänderung

Technologie Neues techn. Prinzip Leistungssteigerung

Ressourcenfit Strategie Organisationsstruktur Prozesse Informale Organisation

Lernaufwand

Abbildung 2.2: Dimensionen des Innovationsgrads. Quelle: Salomo (2003)

2.2.1

Makroperspektive des Innovationsgrads

Die Makroperspektive des Innovationsgrads beurteilt eine Innovation anhand von Firmenexogenen Faktoren, die anzeigen, wie neuartig sie f¨ ur einen Markt, eine Industrie oder sogar die Welt an sich ist. Dabei ist es unerheblich, in welchem Verh¨altnis die Innovation zu Strategie, Organisation, F¨ahigkeiten und Ressourcen des einzelnen Unternehmens steht. Im Zusammenhang mit dieser Makroperspektive werden h¨aufig zwei Quellen bzw. Triebkr¨afte identifiziert, n¨amlich marktbezogene und technologiebezogene Diskontinuit¨aten.59 Als dritte Quelle des Makro-Innovationsgrads wird daneben in neueren Arbeiten auch der Umfeldinnovationsgrad, also der Fit einer Innovation in das Makro-Umfeld (z. B. Branchenstruktur), konzeptualisiert.60 Marktbezogene Diskontinuit¨aten treten dann auf, wenn eine Innovation aus Sicht des Kunden neu ist.61 Diese Kundensicht wird im Rahmen der umfangreichen Forschung zur Diffusion und Adoption von Innovationen behandelt,62 auf deren Ergebnisse die Erfolgsfaktorenforschung zur Neuproduktentwicklung h¨aufig zur¨ uckgreift. Insbesondere der Aspekt eines relativen Produktvorteils bzw. eines v¨ollig neuen Kundennutzens wird hier 59

Moriarity und Kosnik (1989), S. 8; Beard und Easingwood (1996), S. 96ff; Garcia und Calantone (2002), S. 119.

60

Billing (2003), S. 35; Salomo (2003).

61

Danneels und Kleinschmidt (2001), S. 360.

62

Vgl. hierzu grundlegend Rogers (1995).

2.2. Der Innovationsgrad und seine Dimensionen

23

intensiv diskutiert und zur Kennzeichnung von marktbezogenen Diskontinuit¨aten verwendet. So grenzt O’Connor (1998) wirklich neue“ Produkte von inkrementellen“ Verbes” ” serungen durch einen deutlichen Sprung in ihrer Leistungsf¨ahigkeit und Funktionalit¨at ab. Rice et al. (2001) definieren radikale Innovationsprojekte durch ihr Potential, entweder eine Reihe von grundlegend neuen Leistungsmerkmalen zu etablieren oder eine bis zu f¨ unffache Steigerung der Leistung in bestehenden Produktmerkmalen zu erzielen. Sie heben an anderer Stelle die Kundensicht ihrer Definition hervor, indem sie sie als driven ” by new value added to the marketplace rather than by technical novelty or newness to the firm“ charakterisieren.63 Andere Autoren betonen im Rahmen der Kundensicht vor allem das Risiko, das durch die Entscheidung zur Adoption und den hierf¨ ur gew¨ahlten 64 Zeitpunkt hervorgerufen wird. Gatignon und Robertson (1991) unterscheiden hier unter anderem ein Risiko, dessen Ausl¨oser die Unsicherheit dar¨ uber ist, anhand welcher Standards die Innovation beurteilt werden soll, eine Risikokomponente hinsichtlich der von der Innovation erreichten Leistungsmerkmale und eine Risikokomponente, die aus m¨oglichen Einbußen am Sozialstatus resultiert. Weitere Aspekte, die im Zusammenhang mit marktbezogenen Diskontinuit¨aten h¨aufig diskutiert werden, sind vom Kunden zu lei¨ stende Verhaltens¨anderungen, v. a. Anderungen in seinem Kaufverhalten,65 sowie ein vom 66 neuen Produkt verursachter Lernaufwand. Technologiebezogene Diskontinuit¨aten treten allgemein dann auf, wenn es zu einem Paradigmenwechsel in einer f¨ ur ein Produkt wesentlichen Technologie oder Wissenschaft kommt (Makro-Perspektive) oder wenn eine Firma neue Forschungs- und Entwicklungskompetenzen aufbauen bzw. f¨ ur die Umsetzung der Innovation neue Produktionsverfahren einf¨ uhren muss (Mikro-Perspektive).67 Die meisten der oben erw¨ahnten Untersuchungen zum Innovationsgrad beschr¨anken sich auf die Diagnose technologischer Neuartigkeit aus der Mikro-Perspektive,68 nur Green et al. (1995) bilden eine Dimension technological uncertainty“, die sich inhaltlich von der Firmensicht l¨ost.69 Danach ist der ” Technologie-Innovationsgrad auf Makro-Ebene dann besonders hoch, wenn eine f¨ ur ein Produkt wesentliche Technologie sich noch in einem sehr fr¨ uhen Entwicklungsstadium befindet, der wissenschaftliche Erkenntnisstand noch relativ ungesichert ist, die Technologie sich sehr schnell weiterentwickelt und ihre Erforschung mit schwer kalkulierbaren Kosten verbunden ist. Als Grund f¨ ur die geringe Verwendung der Makro-Ebene des Technologie63

Leifer et al. (2000), S. 6.

64

Gatignon und Robertson (1991); Schmidt und Calantone (1998), S. 113.

65

Atuahene-Gima (1996), S. 38; Veryzer (1998b), S. 138.

66

Lee und O’Connor (2003), S. 8.

67

Abernathy und Clark (1985), S. 6; Garcia und Calantone (2002), S. 119.

68

Salomo (2003), S. 5.

69

Green et al. (1995), S. 210.

2. Begriffliche Grundlagen: Innovation und Innovationsgrad

24

Innovationsgrads ist vermutet worden, dass sich diese theoretisch ableitbare Kategorie in der Realit¨at mit Messprobleme konfrontiert sieht.70 Zum einen l¨asst sich die objektive Neuheit einer Technologie nur schwer ermitteln, zum anderen sind beide Kategorien stark korreliert: Ein hoher Makro-Innovationsgrad f¨ uhrt automatisch zu einem hohen Mikro-Innovationsgrad, bei einem niedrigen Makro-Innovationsgrad dagegen werden Firmen tendenziell z¨ogern, eine f¨ ur sie individuell vollkommen neue Technologie auch als solche einzustufen.71 Neben markt- und technologiebezogenen Diskontinuit¨aten stellt der Umfeld-Fit einen dritten Treiber f¨ ur den Makro-Innovationsgrad dar.72 Innovationen k¨onnen einen signifikanten Einfluss auf ganze Industrien aus¨ uben und Wettbewerbsstrukturen revolutionieren.73 Sie k¨onnen Wertsch¨opfungsketten ver¨andern und den Aufbau vollkommen neuer Infrastruktur erforderlich machen, beispielsweise die Errichtung eines neuen Tankstellennetzwerkes f¨ ur die Versorgung wasserstoffbetriebener PKW.74 Neben solchen Infrastrukturerfordernissen k¨onnen innovative Produkte jedoch auch weiterreichende soziale und gesellschaftliche Diskussionen ausl¨osen und Anpassungsprozesse erfordern – der Erfolg einer Produktinnovation h¨angt hier also vom Eintreten einer Sozialinnovation ab.75 Billing (2003, S. 35) f¨ uhrt in diesem Zusammenhang das Beispiel der Kernenergie an, deren mangelnde gesellschaftliche Akzeptanz letztlich ihre nachhaltige Etablierung im Energieerzeugungsmarkt beeintr¨achtigt hat.

2.2.2

Mikroperspektive des Innovationsgrads

Die Mikro-Perspektive des Innovationsgrads dr¨ uckt aus, wie weit sich ein Unternehmen durch eine Innovation von bekannten und bew¨ahrten Strategien und Kompetenzen in Marketing und Technologie entfernen muss. Sie wird von Danneels und Kleinschmidt (2001) in eine Vertrautheitskomponente und eine Fitkomponente gegliedert.76 Die Vertrautheitskomponente bezieht sich auf die Beziehungen zwischen einer Unternehmung und ihrer Umwelt. Nach Thompson (1967) etabliert jede Organisation eine Dom¨ane, die durch die Menge all jener Punkte eingegrenzt ist, an denen die Organisation

70

Billing (2003), S. 32.

71

Salomo (2003), S. 5.

72

Der Umfeld-Fit wird von Salomo (2003, S. 6) als externer Ressourcenfit“ bezeichnet, Billing (2003, ” S. 35) verwendet den Begriff Umfeldinnovationsgrad“. ” Green et al. (1995), S. 204; Johannessen et al. (2001), S. 23; Robert (1991), S. 53ff.; Song und Montoya-Weiss (1998), S. 126.

73

74

Billing (2003), S. 35; Salomo (2003), S. 6.

75

Vgl. Abschnitt 2.1.1 zum Begriff der Sozialinnovation.

76

Danneels und Kleinschmidt (2001), S. 360f.

2.2. Der Innovationsgrad und seine Dimensionen

25

auf externen Input angewiesen ist.77 Normann (1971) interpretiert eine solche Dom¨ane als den Bereich des Markt- und Technologieumfelds, mit dem das Unternehmen permanent in Wechselwirkung steht. Der Teil der Umwelt, der nicht in die Dom¨ane des Unternehmens f¨allt, wird als Sekund¨arumfeld bezeichnet.78 Produktinnovationen erweitern die Dom¨ane des Unternehmens, so dass eine Auseinandersetzung mit einem Teil der Sekund¨arumwelt erfolgen muss, die eine Herausforderung f¨ ur die Mitarbeiter darstellt und eventuell eine Anpassung vorhandener kognitiver Strukturen erforderlich macht. In marktbezogener Hinsicht kann dies beispielsweise die Auseinandersetzung mit neuen Kundensegmenten und Wettbewerbern umfassen, in technologiezogener Hinsicht das Erlernen neuer Technologien und Produktionsprozesse.79 Die Fitkomponente des Innovationsgrads kann aus dem ressourcenbasierten Ansatz hergeleitet werden, der die Erzielung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile durch das Vorhandensein firmenspezifischer, einzigartiger Ressourcen erkl¨art.80 Materielle wie immaterielle Ressourcen sind eine unverzichtbare Voraussetzung f¨ ur die Entwicklung neuer Produkte. Insbesondere immaterielle Ressourcen, wie z. B. ein besonders ausgepr¨agtes MarktKnow-How, unterliegen dabei keinem Verbrauch, sind nur schwer imitierbar und k¨onnen immer wieder neuen Produkten zum Erfolg verhelfen. Je besser das Produkt zu den eigenen Kompetenzen passt, desto niedriger ist der subjektiv empfundene Innovationsgrad. Entsprechend kann die Fitkomponente des Mikro-Innovationsgrads als Grad an Synergie bestimmt werden, der zwischen den Kompetenzen des Unternehmens und den Anforderungen des Produkts besteht.81 Dabei kann zun¨achst wieder eine Unterscheidung nach markt- und technologiebezogenen Kompetenzen vorgenommen werden, wichtiger d¨ urften hier jedoch dynamische, integrative F¨ahigkeiten sein, also Prozesse, Systeme und Strukturen, die die Verarbeitung technischer und marktbezogener Informationen erm¨oglichen und so letztendlich zur Erzielung von Innovationsrenten beitragen.82

77

Thompson (1967), S. 27.

78

Normann (1971), S. 206.

79

Danneels und Kleinschmidt (2001), S. 366.

80

Hauschildt und Schlaak (2001), S. 167. Vgl. zum ressourcenbasierten Ansatz auch die Ausf¨ uhrungen in Abschnitt 3.2 (S. 30ff.) der vorliegenden Arbeit.

81

Danneels und Kleinschmidt (2001), S. 361.

82

Vgl. Verona (1999), S. 134 sowie den Abschnitt 3.2.2 (S. 33ff.) der vorliegenden Arbeit.

Kapitel 3 Theoretische Bezugspunkte der Arbeit Im vorliegenden Kapitel erfolgt die theoretische Einordnung der Arbeit. Verschiedene Ans¨atze aus der Organisationstheorie sowie der Theorie zum Strategischen Management werden herangezogen, um die theoretischen Bezugspunkte der Untersuchung zu verdeutlichen, ein Grundmodell zur Planung und Steuerung von Innovationsprojekten aufzustellen sowie vorl¨aufige Kontingenz- und Effizienzaussagen abzuleiten. Bei diesen Aussagen handelt es sich allerdings noch nicht um die eigentlichen Hypothesen f¨ ur den empirischen Teil der Arbeit. Vor deren Aufstellung werden zun¨achst in Kapitel 4 die relevanten Elemente von Planungs- und Steuerungssystemen anhand der Literatur zur Neuproduktentwicklung und zum Projektmanagement aufgearbeitet sowie in Kapitel 5 die bisherigen empirischen Befunde zum Untersuchungsgegenstand zusammengefasst. Erst im Anschluss daran erfolgt in Kapitel 6 die Darstellung des empirischen Bezugsrahmens sowie die Zusammenfassung der zu untersuchenden Hypothesen.

3.1

Einordnung in die Forschung zur Neuproduktentwicklung

Die umfangreichen Forschungsergebnisse zur Neuproduktentwicklung sind in der j¨ ungeren ¨ Vergangenheit in einer Reihe von Ubersichtsarbeiten zusammengefasst worden.1 Insbesondere die Arbeiten von Brown und Eisenhardt (1995) sowie Krishnan und Ulrich (2001) haben dabei auch wesentlich zur Strukturierung des Forschungsgebietes beigetragen und sollen daher im folgenden genutzt werden, um die vorliegende Untersuchung anhand der unterschiedlichen Forschungsrichtungen einzuordnen. 1

Vgl. u. a. Balachandra und Friar (1997); Brown und Eisenhardt (1995); Ernst (2001, 2002); Gerwin und Barrowman (2002); Griffin und Hauser (1996); Henard und Szymanski (2001); Johne und Snelson (1988); Krishnan und Ulrich (2001); Lilien und Yoon (1989); Montoya-Weiss und Calantone (1994).

3. Theoretische Bezugspunkte der Arbeit

28

Krishnan und Ulrich analysieren die Literatur zur Neuproduktentwicklung aus einer Entscheidungsperspektive heraus, d. h. sie definieren Produktentwicklung als einen Gesch¨aftsprozess, in dessen Verlauf eine große Zahl spezifischer Entscheidungen zu treffen ist. Sie begr¨ unden die Wahl dieses Standpunktes damit, dass sich zwar die Art und Weise, wie Produkte entwickelt werden, sehr stark zwischen unterschiedlichen Unternehmen unterscheiden kann oder sogar innerhalb einer Firma u ¨ber den Zeitverlauf sehr stark variieren kann, dass aber die generischen Entscheidungen, die dabei getroffen werden m¨ ussen, tendenziell gleich bleiben.2 Um die gesamte Breite an Entscheidungen behandeln zu k¨onnen, die im Laufe eines Produktentwicklungsprozesses zu treffen sind, greifen die Autoren auf die Ergebnisse von vier Forschungsrichtungen zur¨ uck, die sie als Marketing“, Engi” ” neering Design“, Operations Management“ und Organizations“ bezeichnen. W¨ahrend ” ” sich die ersten drei Str¨omungen stark auf ihre funktionsspezifischen Erfolgsfaktoren, Entscheidungsvariablen und Erfolgsgr¨oßen fokussieren, ist es die Operations-Perspektive, die die breiteste Betrachtungsweise w¨ahlt. Ein Produkt wird hier als Ergebnis eines Organisationsprozesses angesehen, den es so zu konfigurieren gilt, dass ein m¨oglichst hoher Projekterfolg erzielt wird.3 Da es das Ziel der vorliegenden Untersuchung ist, erfolgreiche Gestaltungsm¨oglichkeiten f¨ ur Planungs- und Kontrollprozesse bei hochgradigen Innovationen zu ermitteln, also eine typische Organisationsfrage im Vordergrund steht, wird stark auf die Erkenntnisse der Organizations-Perspektive zur¨ uckgegriffen. Ihre zentralen Ergebnisse sind in dem umfas¨ senden Ubersichtsartikel von Brown und Eisenhardt (1995) dargestellt. Auch Brown und Eisenhardt differenzieren wiederum zwischen mehreren Theoriestr¨omungen, die anhand ihrer jeweiligen Zitationsmuster und zentralen Konstrukte identifiziert werden: Ratio” nal Plan“, Communication Web“ und Disciplined Problem Solving“. Dabei betonen ” ” sie jedoch, dass es sich bei dieser Einteilung um eine gewisse Idealisierung handelt und ¨ Uberlappungen zwischen den drei Kategorien unvermeidlich sind.4 Die sog. Rational Plan-Forschung hat ihren Ursprung in einer Reihe von breitgef¨acherten Studien zu Erfolgsfaktoren in der Produktentwicklung.5 Solche Erfolgsfaktorenstudien haben oft einen explorativen Fokus und untersuchen ein breites Spektrum an Variablen hinsichtlich ihrer Wirkung auf den (weit gefassten) Projekterfolg. Vor- und 2

Krishnan und Ulrich (2001), S. 3.

3

Projekterfolg wird hier im Gegensatz zu den drei anderen Forschungsrichtungen als ein umfassendes Maß verstanden, zielt also nicht auf einzelne Messgr¨ oßen, wie z. B. Kundenzufriedenheit, technische Leistung oder Lead time ab.

4

Brown und Eisenhardt (1995), S. 345 und 348.

5

Die wichtigsten fr¨ uhen Arbeiten sind Myers und Marquis (1969); Rothwell (1972); Rothwell et al. (1974); Rubenstein et al. (1976). Zentrale sp¨ atere Arbeiten sind u. a. Cooper (1979a); Cooper und Kleinschmidt (1987a); Maidique und Zirger (1984); Maidique und Zirger (1985); Zirger und Maidique (1990).

3.1. Einordnung in die Forschung zur Neuproduktentwicklung

29

Nachteile eines solchen Zugangs werden von Brown und Eisenhardt pointiert charakterisiert: This broad-brush approach leads to an excellent and a comprehensive over” view of the product-development process [. . . ]. This same breadth, however, also somewhat undermines the contributions of the stream. To use a colloquialism, it is often difficult to observe the new product development“ forest ” amid myriad results“ trees. The findings of many studies read like a fishing ” ” expedition“ – too many variables and too much factor analysis. [. . . ] Further, extensive bivariate analysis is commonplace, and this blurs possible multivariate relationships.“ 6 Ein weiterer Kritikpunkt der Autorinnen besteht darin, dass die Arbeiten der Rational Plan-Forschung bei ihrem Untersuchungsdesign oft wenig theoriegeleitet vorgehen und es vers¨aumen, ihre empirischen Befunde an theoretischen Erkenntnissen widerzuspiegeln. Die beiden anderen von Brown und Eisenhardt umrissenen Forschungsrichtungen arbeiten tendenziell st¨arker theoriebasiert und nehmen im weitesten Sinne Bezug auf die Information Processing Theory. Die Communication Web-Forschung betrachtet stark fokussiert die Wirkung von interner und externer Kommunikation des Produktentwicklungsteams auf zumeist psychosoziale Erfolgsmaße.7 Die Disciplined Problem SolvingRichtung erweitert diesen informationstheoretischen Ansatz inhaltlich, indem sie Produktentwicklung – stark vereinfacht ausgedr¨ uckt – als eine Gratwanderung zwischen relativ eigenst¨andigen Probleml¨osungsprozessen des Projektteams auf der einen Seite und der disziplinierenden Rolle einer u ¨bergreifenden Produktvision und eines Heavyweight Project ” Manager“ 8 auf der anderen Seite interpretiert. Untersuchungen dieser Forschungsrichtung9 arbeiten oft fallstudienbasiert und bilden Prozessaspekte der Produktentwicklung realistischer ab als die Arbeiten des Rational Plan, abstrahieren auf der anderen Seite aber von den psychosozialen Aspekten, die in der Communication Web-Forschung behandelt werden. Vor diesem Hintergrund kann die vorliegende Arbeit in die Organisationsforschung zur Neuproduktentwicklung eingeordnet werden. Der empirische Teil der Arbeit untersucht, 6

Brown und Eisenhardt (1995), S. 353.

7

Zentrale Arbeiten dieser Forschungsrichtung sind u. a. Allen (1971); Allen (1977); Katz und Tushman (1981); Katz (1982); Katz und Allen (1985); Ancona und Caldwell (1990); Ancona und Caldwell (1992a); Ancona und Caldwell (1992b); Dougherty (1990); Dougherty (1992).

8

Clark und Fujimoto (1991), S. 247ff..

9

Zentrale Arbeiten sind u. a. Imai et al. (1985); Takeuchi und Nonaka (1986); Hayes et al. (1988); Clark und Fujimoto (1991); Womack et al. (1990); Iansiti (1992); Iansiti (1993); Eisenhardt und Tabrizi (1995).

3. Theoretische Bezugspunkte der Arbeit

30

wie einzelne Faktoren des Planungs- und Steuerungssystems gestaltet werden sollten, um einen m¨oglichst hohen Projekterfolg zu erzielen, behandelt also eine typische Forschungsfrage des Rational Plan-Zugangs zur Neuproduktentwicklung. Auf der anderen Seite wird jedoch großer Wert auf die theoretische Ableitung der Hypothesen anhand der Theorie der Informationsverarbeitung10 sowie auf die damit verbundene Konzeptualisierung und Operationalisierung der betrachteten Konstrukte gelegt. Die Arbeit greift also auch direkt auf die Methoden der beiden anderen Forschungsstr¨omungen zur¨ uck. Im Interesse klarer Fokussierung werden allerdings die f¨ ur die Communication Web-Forschung charakteristischen psychosozialen Aspekte des Teamprozesses und damit verbundene Konstrukte, wie z. B. die Teamwork Quality, im Weiteren nicht vertieft betrachtet, diese sind beispielsweise von H¨ogl und Gem¨ unden (2001) umfassend analysiert worden. Auf der Grundlage dieser Einordnung in das Forschungsfeld zur Neuproduktentwicklung wird in den n¨achsten Abschnitten auf verschiedene Ans¨atze der Organisationstheorie und der Forschung zum Strategischen Management zur¨ uckgegriffen, um ein theoretisches Grundmodell f¨ ur die vorliegenden Untersuchung abzuleiten.

3.2

Ressourcenbasierter Ansatz

Der ressourcenbasierte Ansatz, der vor allem in der Literatur zum strategischen Management stark diskutiert und als komplement¨are Sichtweise zur Industrie¨okonomik verwendet wird, stellt die internen Ressourcen einer Unternehmung in den Mittelpunkt der Analyse. Obwohl die Bedeutung der internen Ressourcenausstattung schon l¨anger in der o¨konomischen Theorie11 und der strategischen Managementliteratur12 betont wurde, war es vor allem Wernerfelt (1984), der den ressourcenbasierten Ansatz als potentielle Grundlage f¨ ur die Forschung im strategischen Management etabliert hat.13 Die Bedeutung des ressourcenbasierten Ansatzes wird insbesondere dann deutlich, wenn man die Ausrichtung der amerikanischen Managementforschung w¨ahrend der 80er Jahre unter dem Einfluss von Vertretern der Harvard Business School ber¨ ucksichtigt. Insbesondere von Porter (1980) wurden unternehmensexterne Faktoren als wesentliche Einflussfaktoren des Unternehmensverhaltens betrachtet, so dass der wirtschaftliche Erfolg 10

Vgl. Abschnitt 3.4 der vorliegenden Arbeit.

11

Vgl. u. a. Penrose (1959), Nelson und Winter (1982).

12

Vgl. u. a. Christensen et al. (1982), Rumelt (1991).

13

Die Aufmerksamkeit, die dieser Forschungsansatz in den letzten Jahren erfahren hat, kann man z. B. an einer Reihe von Sonder- oder Schwerpunktheften international f¨ uhrender ManagementZeitschriften erkennen, u.a. Organization Science (Sept./Okt. 1996), Strategic Management Journal (Special Issue Okt. 2003) und Journal of Management (Fr¨ uhzahr 1991 und Special Issue Nov./Dez. 2001). Einflussreiche Artikel im Harvard Business Review zeigen zudem, dass das Thema auch f¨ ur Praktiker von hoher Relevanz ist, vgl. v. a. Prahalad und Hamel (1990) und Stalk et al. (1992).

3.2. Ressourcenbasierter Ansatz

31

eines Unternehmens letztlich als Funktion der Branchenattraktivit¨at und seiner relativen Wettbewerbsposition in dieser Branche betrachtet werden kann.14 Das Grundkonzept dieser umweltorientierten Forschungsrichtung wird oft in Anlehnung an Bain (1956) als Structure-Conduct-Performance-Paradigma oder als Market-Based View 15 bezeichnet. An dieser branchenzentrierten Sichtweise setzt nun die Kritik des ressourcenbasierten Ansatzes an. Die Dominanz umweltorientierter Faktoren als Pr¨adiktoren des unternehmerischen Erfolgs wird bezweifelt, stattdessen versuchen die Vertreter des ressourcenbasierten Ansatzes, den Erfolg eines Unternehmens und die Performance-Unterschiede zwischen mehreren Unternehmen einer Branche durch das Vorhandensein firmenspezifischer, einzigartiger Ressourcen zu erkl¨aren.16 3.2.1

Konzeptionelle Grundlagen

Nach dem ressourcenbasierten Ansatz besteht die zentrale Aufgabe des Management zun¨achst darin, ausgehend von der spezifischen Ressourcensituation des Unternehmens ad¨aquate Wettbewerbsstrategien f¨ ur dessen T¨atigkeitsbereiche zu entwickeln. Dabei stellt eine sorgf¨altige Analyse der unternehmensinternen Ressourcen den Ausgangspunkt aller ¨ folgenden Uberlegungen und Maßnahmen dar. Das spezifische Ressourcenprofil eines Unternehmens kann sich im Vergleich zur Konkurrenz als entscheidender Wettbewerbsvoroder -nachteil erweisen. Folglich m¨ ussen die Ressourcen dergestalt weiterentwickelt werden, dass sie eine Form der Einzigartigkeit erlangen und zur Sicherung l¨angerfristiger Wettbewerbsvorteile beitragen. Die Nutzung des Ressourcenpotentials wird somit zur wesentlichen Quelle von Wettbewerbsvorteilen und substituiert damit z. T. Maßnahmen zur Wettbewerbsbeschr¨ankung (z.B. Eintritts- und Mobilit¨atsbarrieren), die in den industrie¨okonomischen Ans¨atzen Wettbewerbsvorteile begr¨ unden.17 Die Frage, was genau unter einer Ressource zu verstehen ist, kann noch nicht als abschließend gekl¨art betrachtet werden. F¨ ur Wernerfelt (1984) sind Ressourcen anything ” which could be thought of as a strength or weakness of a given firm“. Dabei kann zwischen materiellen und immateriellen Ressourcen unterschieden werden. Materielle Ressourcen bezeichnen Kapital, das handelbar ist und der Erzeugung von Endprodukten dient, also z. B. Produktionsanlagen und Standort, EDV-Systeme, aber auch Humankapital, Patente und Lizenzen. Immaterielle ( intangible“, tacit“) Ressourcen dagegen bezeichnen das ” ” Verm¨ogen, Ressourcen zu einem gew¨ unschten Zweck einzusetzen. Sie umfassen u. a. die 14

Porter (1980), S. 142f.

15

Vgl. zur Unterscheidung zwischen Resource Based View und Market Based View u. a. Makhija (2003), S. 433, Mehra (1996), S. 307f. und Peteraf und Bergen (2003), S. 1028.

16

Barney (1991), S. 100f.; Wernerfelt (1984), S. 172.

17

Barney (1991); Teece et al. (1997).

3. Theoretische Bezugspunkte der Arbeit

32

Organisationskultur und organisatorische F¨ahigkeiten, z. B. Koordinations-, Integrationsund Lernf¨ahigkeiten. Bei immateriellen Ressourcen handelt es sich um informationsbasierte Prozesse, die durch komplexe Wechselwirkungen zwischen den Ressourcen einer Firma entstehen.18 Sie k¨onnen nur im Unternehmen selbst entwickelt werden und sind damit ur diese beiden fundamentalen Ressourcenkategorien unternehmensspezifisch.19 Obwohl f¨ in der einschl¨agigen Literatur teilweise abweichende Bezeichnungen und geringf¨ ugig unterschiedliche Zuordnungen verwendet werden,20 ist doch das Vorliegen der zweiten Kategorie, n¨amlich der nicht handelbaren, unternehmensspezifischen Ressourcen die Basis f¨ ur die grundlegenden Pr¨amissen des ressourcenbasierten Ansatzes.21 Die Generierung und Umsetzung von Strategien kann als kontinuierliche Suche nach sogenannten Renten verstanden werden, also nach Ertr¨agen, die die Opportunit¨atskosten des Eigent¨ umers der Ressource u ¨berdurchschnittlicher Renten ¨bersteigen.22 Diese Erzielung u steht im Mittelpunkt theoretischer Untersuchungen zu Wettbewerbsvorteilen.23 Im Gegensatz zu neoklassischen Theorien, die von effizienten M¨arkten ausgehen, wird im Rahmen ressourcenbasierter Ans¨atze meist angenommen, dass Rentenerzielung kurzfristig, wenn nicht sogar langfristig, m¨oglich ist,24 was durch die beiden zentralen Pr¨amissen der Ressourcenheterogenit¨at und der Ressourcenimmobilit¨at zusammengefasst werden kann.25 Die Pr¨amisse der Ressourcenheterogenit¨at besagt, dass Unternehmungen durch asymmetrische Ressourcenausstattungen gekennzeichnet sind, denn ein Großteil ihrer Ressourcen ist spezifischer Natur. Die Pr¨amisse der Ressourcenimmobilit¨at besagt, dass wichtige, insbesondere immaterielle Ressourcen der Unternehmung nicht handelbar und damit immobil sind. Um aus den Pr¨amissen des ressourcenbasierten Ansatzes Leitlinien f¨ ur erfolgreiches Management abzuleiten, muss die Frage beantwortet werden, wie Unternehmen aus ihren Ressourcen dauerhafte, nachhaltige Wettbewerbsvorteile generieren k¨onnen. Dabei werden unter dauerhaften Vorteilen solche verstanden, die nicht durch Imitation der Konkurren-

18

Amit und Schoemaker (1993), S. 35.

19

Dierickx und Cool (1989); Knyphausen (1993).

20

So bezeichnen z.B. Amit und Schoemaker (1993) materielle Ressourcen schlicht als Ressourcen (i.e.S.) w¨ ahrend sie f¨ ur immaterielle Ressourcen den Begriff F¨ ahigkeiten“ (capabilities) verwenden. ” In Abh¨ angigkeit von der Frage, ob eher die Dinghaftigkeit oder die Handelbarkeit der Ressourcen in den Vordergrund gestellt wird, unterscheiden sich verschiedene Klassifikationen auch in ihrer Zuordnung des Humankapitals sowie von Patenten und Lizenzen. Daher f¨ uhrt z.B. Barney (1991), S. 101, das Humankapital als eigene Kategorie.

21

Barney (1991), S. 101.

22

Bowman (1974), S. 47.

23

Porter (1985).

24

Schoemaker (1990), S. 1180.

25

Barney (1991), S. 101.

3.2. Ressourcenbasierter Ansatz

33

ten zunichte gemacht werden k¨onnen.26 In der Literatur werden h¨aufig vier Bedingungen daf¨ ur genannt, dass auf asymmetrische Ressourcenausstattungen zur¨ uckzuf¨ uhrende Wettussen Resbewerbsvorteile entstehen und aufrechterhalten werden k¨onnen.27 Danach m¨ sourcen erstens einen deutlichen Wert schaffen, es also beispielsweise der Unternehmung erlauben, M¨oglichkeiten im Unternehmsumfeld zu nutzen oder Bedrohungen abzuwehren. Zweitens m¨ ussen Ressourcen knapp sein, denn wenn eine große Zahl von Wettbewerbern sie ebenfalls bes¨aße, w¨ urden sie keine Wettbewerbsvorteile generieren. Ressourcen d¨ urfen drittens nicht substituierbar sein, es darf also keine ¨ahnlichen oder alternativen Ressourcen geben, die die zum Aufbau von Wettbewerbsvorteilen notwendigen Leistungen gleichwertig erbringen k¨onnen. Viertens k¨onnen Ressourcen nur dann eine Quelle zum Aufbau von Wettbewerbsvorteilen sein, wenn sie schwer imitierbar sind.28 Diese letzte und wichtigste Bedingung der Nichtimitierbarkeit kann dann als erf¨ ullt angesehen werden, wenn die vorteilhafte Ressourcenposition eines Unternehmens auf seine charakteristische historische Entwicklung zur¨ uckzuf¨ uhren ist ( Pfadabh¨angigkeit“),29 wenn der Kausalzusammen” hang zwischen bestimmten Ressourcen und einem Wettbewerbsvorteil f¨ ur die Konkurrenz schwer zu erkennen ist ( kausale Ambiguit¨at“) oder wenn die Ressourcen aus einem kom” plexen System von Elementen besteht, die miteinander interagieren und kaum isoliert voneinander analysiert werden k¨onnen ( soziale Komplexit¨at“).30 ” 3.2.2

Kritische W¨ urdigung und Relevanz f¨ ur die vorliegende Arbeit

Trotz der weiten Verbreitung, die der ressourcenbasierte Ansatz erfahren hat, ist er teilweise auch deutlicher Kritik ausgesetzt gewesen. So wurde in Bezug auf diese Forschungsrichtung ge¨außert, dass sie konzeptionell vage und tautologisch sei und sich damit einer ¨ empirischen Uberpr¨ ufung entziehe.31 Der zentrale Vorwurf l¨asst sich dahingehend zusammenfassen, dass die wertvollen, nicht imitierbaren Ressourcen in der Praxis h¨aufig dadurch identifiziert w¨ urden, dass man bei einem Unternehmen zun¨achst Wettbewerbsvorteile feststelle, die dann ex post auf die Wirkung der jeweils wertvoll erscheinenden Ressourcen zur¨ uckgef¨ uhrt w¨ urden.32 Charakterisiert man jedoch Ressourcen genau dann als wertvoll, wenn sie die Implementation effizienz- und effektivit¨atssteigernder Strategien erm¨oglichen

26

Barney (1991), S. 103.

27

Vgl. z. B. Grant (1991), S. 123ff; Barney (1991), S. 105ff.; Mahoney und Pandian (1992); Peteraf (1993), S. 180.

28

Vgl. hierzu grundlegend Lippmann und Rumelt (1982).

29

Dierickx und Cool (1989).

30

Barney (1991), S. 110.

31

Williamson (1999); Priem und Butler (2001a); Priem und Butler (2001b).

32

Eisenhardt und Martin (2000), S. 1108.

3. Theoretische Bezugspunkte der Arbeit

34

(Barney, 1991, S. 106), l¨auft man leicht Gefahr tautologische, nicht-falsifizierbare Aussagen zu generieren.33 Diese Gefahr l¨asst sich nach Ansicht von Eisenhardt und Martin (2000, S. 1108) dadurch mindern, dass man weniger auf den derzeitigen Ressourcenbestand abstellt als vielmehr auf die dynamischen F¨ahigkeiten (Dynamic Capabilities) zur Ressourcen¨anderung, also auf die konkreten organisatorischen Prozesse, durch die die Integration externer und die Rekonfiguration interner Ressourcen erfolgt.34 Produktentwicklungs- und Innovationsprozesse sind ein zentrales Beispiel f¨ ur solche dynamischen F¨ahigkeiten, da sie die Kombination vielf¨altiger Begabungen und funktioneller Hintergr¨ unde zur Erzeugung gewinnbringender Produkte und Dienstleistungen erm¨oglichen.35 Sie k¨onnen damit als Routinen zur Transformation von Ressourcen beschrieben werden.36 Obwohl der ressourcenbasierte Ansatz vor allem im Rahmen der strategischen Theoriebildung entwickelt wurde, kann er also durch die Betrachtung dynamischer F¨ahigkeiten (d. h. organisatorischer Prozesse) auch herangezogen worden, um Determinanten f¨ ur die Effizienz und Effektivit¨at von Entwicklungs- und Innovationsvorhaben abzuleiten.37 Die besondere Qualit¨at eines Produktentwicklungsprozesses kann danach zur Quelle nachhaltiger, u ¨berdurchschnittlicher 38 Renten werden. Im ressourcenbasierten Modell der Produktentwicklung von Verona (1999) werden dabei neben technischen und marketingbezogenen F¨ahigkeiten, die stark funktionsorientiert sind, integrative F¨ahigkeiten betont, von denen insbesondere die internen Integrationsf¨ahigkeiten f¨ ur die vorliegende Arbeit relevant sind. Verona (1999) versteht hierunter die Prozesse, Systeme und Strukturen, die die Verarbeitung technischer und marktbezogener Informationen erm¨oglichen und zur Reduktion von Unsicherheit f¨ uhren. Diese lassen sich als dynamische F¨ahigkeiten auffassen, die die Differenz zwischen den bestehenden und den zur Innovation erforderlichen Kompetenzen ausgleichen uhrt und so letztendlich zur Erzielung von Innovationsrenten beitragen.39 Als Beispiel f¨ Verona (1999) ausdr¨ ucklich Planungs- und Steuerungsf¨ahigkeiten an, so dass die folgende Aussage festgehalten werden soll: Aussage 3.1: Je st¨arker die F¨ahigkeiten zum Management von Innovati33

Priem und Butler (2001a), S. 27.

34

Die Notwendigkeiten, neben Ressourcen als Bestandsgr¨ oßen auch die F¨ ahigkeit zur Ressourcenakkumulation als Stromgr¨ oße zu betrachten, wird bereits von Penrose (1959), S. 25 sowie Dierickx und Cool (1989) hervorgehoben. Das Konzept der Dynamic Capabilities als Erweiterung des ressourcenbasierten Ansatzes wurde vor allem von Teece et al. (1997), S. 515ff. ausgearbeitet.

35

Eisenhardt und Martin (2000), S. 1107.

36

Mahoney (1995), S. 93; Moenaert et al. (1995), S. 244.

37

McGrath et al. (1996), S. 390.

38

Verona (1999), S. 134.

39

Amit und Schoemaker (1993), S. 40; McGrath et al. (1996), S. 390f.; Verona (1999), S. 137.

3.3. Situativer Ansatz der Organisationsforschung

35

onsprojekten ausgepr¨agt sind, je gr¨oßer also beispielsweise die Planungs- und Steuerungsf¨ahigkeiten sind, desto gr¨oßer sind die nachhaltigen, u ¨berdurchschnittlichen Renten, die von Innovationsprojekten generiert werden k¨onnen.

3.3

Situativer Ansatz der Organisationsforschung

Im vorhergehenden Abschnitt wurde auf der Grundlage des ressourcenbasierten Ansatzes die generelle Aussage hergeleitet, dass Unternehmen, die auspr¨agte Kompetenzen hinsichtlich der Planung und Steuerung von Innovationsprojekten erworben haben, auch h¨ohere Erfolge bei diesen Projekten erzielen. Eine solche Aussage legt zun¨achst die Suche nach sogenannten Best Practices nahe, also nach allgemein g¨ ultigen Leitlinien, wie diese Kompetenzen konkret ausgestaltet sein sollten, um den Projekterfolg zu sichern. Bei n¨aherer ¨ Uberlegung erscheint es jedoch unwahrscheinlich, dass es einen einzigen optimalen Weg f¨ ur das Management von Innovationsvorhaben mit unterschiedlichen Neuigkeitsgraden in unterschiedlichen Organisationen und Industrien geben kann. Vielmehr sollte die Theoriebildung eben diesen Unterschieden Rechnung tragen und differenziertere Aussagen hinsichtlich verschiedener Innovationsgrade und Umfeldsituationen erlauben.40 Solche und ¨ahnliche Kontingenzbetrachtungen werden in der Organisationstheorie allgemein unter der Bezeichnung situativer Ansatz subsumiert. 3.3.1

Konzeptionelle Grundlagen

Der situative Ansatz (alternativ: Kontingenzansatz) geht von der zentralen Pr¨amisse aus, dass sich die Effizienz und Effektivit¨at von Organisationen aus ihrer Anpassung an ¨außere ¨ Situationen bzw. Kontingenzen ableitet. Da eine Ubereinstimmung mit diesen Kontingenzen erfolgssteigernd wirkt, streben Organisationen aktiv danach, ihre strukturellen Eigenschaften so lange anzupassen, bis ein Fit erreicht ist, ihre Organisationsstruktur wird also – unter der Voraussetzung rationaler, erfolgsmaximierender Akteure – zu einem gewissen Grade direkt von externen Kontingenzen determiniert.41 Untersuchungen, die auf den Grundannahmen des situativen Ansatzes basieren, postulieren – im Gegensatz zur ¨alteren Organisationslehre – nicht mehr generelle G¨ ultigkeit beanspruchende Organisationsprinzipien, sondern formulieren Bedingtheitsaussagen, gem¨aß derer die Auspr¨agung und die Effizienz organisatorischer Regelungen von der jeweiligen Situation abh¨angig sind.42 Das zentrale Ziel solcher Studien besteht also darin, Beziehungszusammenh¨ange zwischen den Strukturen von Organisationen und ihren ¨außeren 40

Tidd (2001), S. 173; Tidd und Bodley (2002), S. 128.

41

Donaldson (2001), S. 1f.

42

Ebers (1992), Sp. 1818.

3. Theoretische Bezugspunkte der Arbeit

36

Bedingungen aufzuzeigen sowie darzulegen, welche Organisationsstrukturen unter welchen Bedingungen effizient sind.43 Das Forschungsprogramm des situativen Ansatzes kann damit durch die folgenden Fragegestellungen n¨aher umrissen werden (vgl. auch Abbildung 3.1):44 1. Wie k¨onnen Organisationsstrukturen operationalisiert werden, um eventuelle Unterschiede zwischen ihnen in empirischen Untersuchungen feststellen zu k¨onnen? 2. Welche situativen Einflussfaktoren erkl¨aren eventuell festgestellte Unterschiede zwischen Organisationsstrukturen? 3. Welche Auswirkungen haben unterschiedliche Situation-Struktur-Konstellationen auf die Effizienz der Organisation und damit auf das Verhalten der Organisationsmitglieder? L¨asst sich f¨ ur jede Situation eine effiziente Organisation finden? Aus der letzten Fragestellung geht bereits hervor, dass die mangelnde Anpassung einer Organisation an ihre Umwelt Verhaltens¨anderungen bei ihren Mitgliedern hervorrufen kann, die auf eine Beseitigung der Diskrepanzen ausgerichtet ist. Ein auf diese Weise dynamisierter Kontingenzansatz, der auch als SARFIT (Structural Adaptation to Regain Fit) bezeichnet wird, geht also davon aus, dass im Falle eines mangelhaften Leistungsniveaus, das beispielsweise durch ver¨anderte Umfeldbedingungen hervorgerufen worden sein kann, ein Feedback-Mechanismus in Gang gesetzt wird, in dessen Rahmen bestimmte Gestaltungsparameter ver¨andert werden, um so wieder eine zufriedenstellende Anpassung der Organisation an ihre Kontingenzen herzustellen.45 Das dementsprechend erweiterte Grundmodell des situativen Ansatzes ist in Abbildung 3.1 zusammengefasst. Obwohl damit die generelle Fragestellung des Forschungsansatzes umrissen ist, bleibt noch zu kl¨aren, welche Kontextfaktoren als besonders einflussreich und untersuchenswert erachtet werden. Zwei Forschungsrichtungen, die das Bild der kontingenztheoretischen Forschung in besonderer Weise gepr¨agt haben, betrachten jeweils die Umwelt bzw. die eingesetzte Technologie als wesentliche Determinante der Organisationsstruktur.46 Die Betrachtung des Kontextfaktors Umwelt geht vor allem auf die einflussreiche Pionierarbeit von Burns und Stalker (1961) zur¨ uck. Sie stellen in ihrer Untersuchung 20 britischer Industriebetriebe fest, dass die Unternehmen mit wenig b¨ urokratisierten, organi” ¨ schen“ Organisationsstrukturen und Managementsystemen Anderungen in ihrer Marktumwelt und in der technologischen Entwicklung erfolgsreicher bew¨altigen als st¨arker 43

Fieten (1980), Sp. 1613.

44

Kieser (1993), S. 163f.

45

Donaldson (1987), S. 2ff.

46

Schrey¨ ogg (1998), S. 333.

3.3. Situativer Ansatz der Organisationsforschung

Kontingenzfaktoren

Andere Ursachen

Fit

Organisationsstruktur

37

Erfolg

SARFIT: Dynamische Anpassung bei mangelhaftem Erfolg

Abbildung 3.1: Das Grundmodell des situativen Ansatzes (durchgezogene Linien) leitet den Erfolg von Organisationen aus einem Fit zwischen deren Organisationsstruktur und externen Kontingenzfaktoren ab. Der erweiterte SARFIT-Ansatz (Structural Adaptation to Regain Fit, gestrichelte Linien) beschreibt, wie Unternehmen auf mangelnden Fit und mangelnde Performance durch Strukturanpassungen reagieren. Darstellung in Anlehnung an Donaldson (2001, S. 12).

b¨ urokratisierte Unternehmen. Bei stabilen Umweltbedingungen erweisen sich hingegen st¨arker b¨ urokratisierte, mechanistische“ Strukturen und Managementsysteme als erfolg” 47 reicher. Dieser Ansatz wurde von Lawrence und Lorsch weiterentwickelt und messtheoretisch verfeinert.48 Ihnen wird auch die Pr¨agung des Begriffs Kontingenztheorie“ zu” geschrieben.49 Im Gegensatz zu Burns und Stalker (1961) und vielen sp¨ateren Studien betrachten Lawrence und Lorsch nicht Merkmale der Gesamtorganisation, sondern der verschiedenen organisatorischen Einheiten in Beziehung zu ihren jeweils relevanten Umweltsektoren.50 Hierbei wird angenommen, dass sich organisatorische Subsysteme tendenziell an den spezifischen Gegebenheiten ihres Umweltsektors orientieren und als Folge davon analog zu den unterschiedlich ausgepr¨agten Umweltsektoren variierende Charakteristika aufweisen. Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung zeigen, dass Abteilungen in vergleichsweise sicheren Umweltsektoren (z. B. Produktion) generell st¨arker strukturiert und formalisiert sind als solche mit unsicheren Umweltbedingungen (z. B. Forschung).51 Dabei weisen Subsysteme in erfolgreichen Unternehmen eine bedeutend ¨ bessere Ubereinstimmung mit den jeweiligen Umweltbedingungen auf als solche in weni-

47

Zu ¨ ahnlichen Ergebnissen gelangen auch Schoonhoven (1981) und Leblebici und Salancik (1981).

48

Lawrence und Lorsch (1967a); Lawrence und Lorsch (1967b). Vgl. auch die ausf¨ uhrliche Diskussion dieser Untersuchung bei Schrey¨ ogg (1994), S. 24-53.

49

Donaldson (1996b), S. 60.

50

Lawrence und Lorsch (1967a), S. 4f. und S. 13-16.

51

Lawrence und Lorsch (1967a), S. 18.

3. Theoretische Bezugspunkte der Arbeit

38

ger erfolgreichen. Erfolgreiche Unternehmen in unsicheren Umweltsektoren sind st¨arker differenziert, weniger formalisiert, haben einen l¨angerfristigen Planungshorizont und verwenden in st¨arkerem Maße Integrationsmechanismen.52 Die Untersuchung der Technologie als Determinante der Organisationsstruktur bildet eine zweite Forschungsrichtung im Rahmen der kontingenztheoretischen Ans¨atze.53 Die Hauptthese dieser Schule l¨auft – grob vereinfachend – darauf hinaus, dass bestimmte technologische Konstellationen eher flexible, dezentrale Organisationsstrukturen erfordern, andere dagegen eher straffe, b¨ urokratische Strukturen.54 Die Pionierarbeit von Woodward (1958; 1965) untersuchte Organisationsstruktur und Fertigungstechnologie in 100 englischen Industriebetrieben. Der zentrale Befund ist, dass es bei angepassten (d. h. erfolgreichen) Firmen wohldefinierte Beziehungen zwischen den Organisationsstrukturen und Managementpraktiken gibt. So weisen die Unternehmen bei zunehmender Komplexit¨at des Fertigungsverfahrens mehr Hierarchieebenen auf. Bei geringer und hoher Komplexit¨at der Fertigungstechnologie implementieren Firmen tendenziell organische, im mittleren Bereich der Technologie-Skala dagegen eher formale Managementsysteme.55 W¨ahrend sich Woodward noch eng an industrieller Fertigungstechnik orientiert, fasst Perrow (1967) Technologie als ein allgemeines Konzept zur Beschreibung von Transformationsprozessen auf.56 Er schl¨agt zwei Dimensionen zur Klassifikation von Technologien vor: 1. Aufgaben¨anderung (task variability), d. h. der Grad an Ausnahme- und Problemf¨allen, die sich einer Routinebehandlung entziehen. 2. Analysierbarkeit der Aufgabe (task analyzability), d. h. das Ausmaß an Probleml¨osungsaktivit¨aten, die zur Erf¨ ullung der Aufgabe notwendig sind. Je st¨arker eine Aufgabe analysierbar ist, desto eher kann sie durch Routineprozeduren erf¨ ullt werden. Perrow definiert anhand der Auspr¨agungen hoch“ und niedrig“ entlang dieser beiden ” ” Dimensionen vier Technologietypen, f¨ ur die er strukturelle Gestaltungsempfehlungen gibt. Danach erfordert der Extremtyp Non-Routine“ (hohe Aufgaben¨anderung, geringe Ana” lysierbarkeit) organische Managementsysteme w¨ahrend f¨ ur den Typ Routine“ (gerin” ge Aufgaben¨anderung, hohe Analysierbarkeit) eher mechanistische Managementsysteme 52

Lawrence und Lorsch (1967a), S. 28f.

53

Miller et al. (1991) f¨ uhren eine umfassende Metaanalyse der Befunde hinsichtlich des Verh¨ altnisses von Technologie und Organisationsstruktur durch.

54

Schrey¨ ogg (1998), S. 61.

55

Woodward (1965), S. 51-67.

56

Staehle (1994), S. 451.

3.3. Situativer Ansatz der Organisationsforschung

39

angebracht sind. Diese vornehmlich theoretisch begr¨ undeten Empfehlungen von Perrow konnten sp¨ater in einer Reihe empirischer Untersuchungen tendenziell best¨atigt werden.57 Da sowohl die Ergebnisse des Umwelt- als auch des Technologieansatzes z. T. widerspr¨ uchlich geblieben sind, haben sich sp¨atere Studien, vor allem die der Aston-Gruppe, darauf konzentriert, unter einer ganzen Reihe von Kontingenzfaktoren diejenigen Faktorkombinationen zur ermitteln, die am meisten Strukturvarianz zu erkl¨aren verm¨ogen.58 3.3.2

Fit und seine Konzeptualisierung

Fit bzw. Misfit stellen zentrale Begriffe des situativen Ansatzes dar. Sie geben allgemein an, ob sich zwei Variablengruppen (z. B. Umwelt und Organisationsstruktur) in ihren Merkmalen entsprechen, ob sie aufeinander abgestimmt sind.59 In Kontingenzmodellen folgt der organisationale (unternehmerische) Erfolg als Konsequenz aus der ¨ Ubereinstimmung der beiden Variablengruppen.60 Als eines der zentralen Probleme des situativen Ansatzes kann jedoch die Tatsache angesehen werden, dass das Fit-Konzept nie in einer allgemeinen, d. h. von der jeweiligen Untersuchung unabh¨angigen Form charakterisiert wurde.61 So schreiben Galbraith und Nathanson (1979, S. 266): Although the concept of fit is a useful one, it lacks the precise definition ” needed to test and recognize whether an organization has it or not.“ Obwohl in vielen Studien durch die Verwendung von Begriffen wie contingent upon“, ” matched with“, consistent with“, fit“ oder coalignment“ eine Fit-Beziehung zum Aus” ” ” ” druck kommt, wird nur in wenigen F¨allen eine analytische Konzepualisierung des jeweils verwendeten Fit-Konzepts vorgenommen und daraus die Wahl der mathematischen Untersuchungsmethode abgeleitet.62 Eine explizite Benennung des gew¨ahlten Fit-Konzepts ist jedoch notwendig, da hiervon sowohl die theoretische Argumentationslogik abh¨angt als auch die Frage, welche Daten genau zu erheben sind und wie sie statistisch ausgewertet werden m¨ ussen.63 Van de Ven und Drazin unterscheiden mit dem Selektionsansatz, dem Interaktionsansatz sowie dem Systemansatz drei grundlegend unterschiedliche Verst¨andnisse des Fit57

Hage und Aiken (1969); Van de Ven und Delbecq (1974); Tushman und Nadler (1978).

58

Schrey¨ ogg (1998), S. 62.

59

Staehle (1994), S. 47.

60

Drazin und Van de Ven (1985), S. 515.

61

Galbraith und Nathanson (1979), S. 266; Van de Ven und Drazin (1985), S. 333.

62

Venkatraman (1989), S. 423.

63

Schoonhoven (1981), S. 351ff.; Wolf (2000), S. 41.

3. Theoretische Bezugspunkte der Arbeit

40

Konzeptes.64 Beim Selektionsansatz wird implizit angenommen, dass aus einer festgestellten Kongruenz zwischen Kontext und Organisationsstruktur auch die Effizienz folgt, ohne dass diese Effizienz durch Erfolgsmaße operationalisiert und gemessen wird. Als beispielhaft f¨ ur diesen Ansatz werden die Arbeiten von Woodward (1965) und Perrow (1967) sowie darauf aufbauende Folgeuntersuchungen angesehen.65 Die Effizienz der festgestellten Kongruenz ist sp¨ater v. a. dadurch begr¨ undet worden, dass es langfristig im Rahmen von evolution¨aren Prozessen zu einer Auslese kommt, durch die sichergestellt wird, dass nur angepasste (d. h. effiziente) Unternehmen fortbestehen.66 Das vorrangige Interesse beim Interaktionsansatz besteht dagegen weniger in der Aufdeckung einer Kausalstruktur zwischen Kontext und Gestaltung, sondern vielmehr in der Erkl¨arung von Erfolgsunterschieden durch die Wechselwirkung von Kontext- und Gestaltungsvariablen. Regressionen mit multiplikativen Interaktionstermen stellen hier eine typische Analysemethode dar, wobei Schoonhoven (1981, S. 351f.) die damit verbundene starke Einschr¨ankung der Wechselwirkungsform auf lineare Modelle hinweist.67 Beim System- oder Gestaltansatz schließlich handelt es sich um eine neuere Forschungsrichtung, die die Notwendigkeit multivariater Analysen der Zusammenh¨ange zwischen vielf¨altigen Kontext-, Struktur- und Erfolgsdimensionen betont und davon ausgeht, dass es mehrere, gleichermaßen g¨ unstige Gestaltungsm¨oglichkeiten geben kann: There is too much emphasis given to making minor modifications to atomi” stic hypotheses, a process that has often been prompted by conflicting findings concerning the linear associations among small sets of variables. But the myriad conflicts in the field seem to be pointing to the need for more than minor adjustments. [. . . ] We shall argue that researchers should search for different organizational configurations or adaptive patterns that are richly described by the dynamic interaction among variables of environment, organization, and strategy. [. . . ] When such configurations represent very commonly occurring and, therefore, predictively useful, adaptive patterns or scenarios, they will be called Gestalts.“ 68 Diese unterschiedlichen Gestaltungsm¨oglichkeiten haben jeweils unterschiedliche Implikationen f¨ ur die Organisationstruktur, und die Reaktion auf mehrfache Umweltkontingenzen 64

Van de Ven und Drazin (1985), S. 334ff.; Drazin und Van de Ven (1985), S. 515ff.

65

Drazin und Van de Ven (1985), S. 516.

66

Hannan und Freeman (1977); DiMaggio und Powell (1983).

67

Wechselwirkungseffekte m¨ ussen nicht linearer Natur sein, so stellte ja Woodward (1965) einen umgekehrt U-f¨ ormigen Zusammenhang zwischen der Komplexit¨ at der Fertigungstechnologie und dem Formalisierungsgrad der Managementsysteme fest, siehe oben S. 38.

68

Miller (1981), S. 1-3.

3.3. Situativer Ansatz der Organisationsforschung

41

kann zu Inkonsistenzen in der Organisation f¨ uhren. Neben der Forderung, dass Gestalten typische, h¨aufig anzutreffende Variablenkombinationen darstellen, gilt daher h¨aufig die interne Stimmigkeit des Beziehungsgef¨ uges als ein weiteres Kriterium f¨ ur das Vorlie69 gen einer Gestalt. In verschiedenen empirischen Untersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass ein positiver Zusammenhang zwischen der internen Konsistenz unterschiedlicher Organisationsvariablen und der Effizienz einer Organisation besteht.70 Vor diesem Hintergrund unterscheidet Mintzberg (1979, S. 219ff.) zwischen Kongruenz- und Konfigurationshypothesen. Kongruenzhypothesen entsprechen dem klassischen Denkmodell des situativen Ansatzes: Eine Struktur ist effizient, wenn ein Fit zwischen Kontingenzfaktoren und Gestaltungsparametern besteht. Konfigurationshypothesen fordern dar¨ uberhinaus, dass eine interne logische Konsistenz zwischen den Gestaltungsparametern besteht. Die Suche nach einer begrenzten Anzahl in sich konsistenter Konfigurationen71 oder Gestalten wird dabei nicht als Alternative, sondern als Erweiterung des urspr¨ unglichen Kontingenzansatzes verstanden.72 Bei dem gleichzeitigen Streben nach externem Fit und interner Konsistenz kann es dabei zwar teilweise zu Zielkonflikten kommen, die beiden Ziele sind jedoch nicht grunds¨atzlich inkompatibel.73 Die Klassifikation von Van de Ven und Drazin (1985) wurde sp¨ater von Venkatraman (1989) erweitert und v. a. hinsichtlich der statistischen Operationalisierung der verschiedenen Ans¨atze pr¨azisiert, vgl. Tabelle 3.1. Venkatraman geht davon aus, dass bei jeder mit einem Fit-Konzept arbeitenden Untersuchung zwei grundlegende Entscheidungen zu ¨ bestimmt treffen sind.74 Auf der einen Seite muss aufgrund theoretischer Uberlegungen werden, durch welchen funktionalen Zusammenhang der Fit zwischen Variablen erfasst werden soll, also ob z. B. ein sehr spezifischer multiplikativer Interaktionsterm angebracht ist, oder ob der Fit eher durch einen einfachen euklidischen Abstand gemessen werden sollte. Dabei gilt tendenziell, dass der Funktionszusammenhang umso spezifischer gew¨ahlt werden kann, je weniger Variablen in die Analyse einbezogen werden. Auf der anderen Seite muss – wie oben bereits erw¨ahnt – entschieden werden, ob die Auswirkung von Fit auf ein bestimmtes Effizienzkriterium untersucht wird, oder ob die Variablenkongruenz als eine Qualit¨at an sich betrachtet wird, aus der u ¨ber Selektionsargumente direkt auf Effizienz geschlossen werden kann.75

69

Macharzina (1995), S. 69.

70

Khandwalla (1973); Child (1975).

71

Meyer et al. (1993).

72

Staehle (1994), S. 62.

73

Miller (1992), S. 175.

74

Venkatraman (1989), S. 424.

75

Wolf (2000), S. 46.

3. Theoretische Bezugspunkte der Arbeit

42

Eigenschaften der Fitfunktion

Fitkonzept

Grad der Spezifikation

Zahl der Variablen

Verankerung

Profilabweichung

niedrig

viele

kriteriumsspezifisch

Mediation

mittel

mittel

kriteriumsspezifisch

Moderation

hoch

wenige

kriteriumsspezifisch

Gestalt

niedrig

viele

kriteriumsfrei

Kovariation

mittel

mittel

kriteriumsfrei

Matching

hoch

wenige

kriteriumsfrei

Tabelle 3.1: Klassifikation von Fit-Konzepten anhand der Eigenschaften ihrer jeweiligen Fitfunktion. Eigene Darstellung in Anlehnung an Venkatraman (1989, S. 425).

Venkatraman (1989) diskutiert die konzeptionellen Grundlagen der sechs in Abb. 3.1 dargestellten Fit-Konzepte und operationalisiert sie, indem er jeweils geeignete Moglichkei ¨ ten zur statistischen Analyse vorschl¨agt.76 Diese Diskussion soll hier nicht im Einzelnen nachvollzogen werden, sondern wird im Zusammenhang mit Moderatormodellen im Abschnitt 8.6.4 wieder aufgegriffen.

3.3.3

Kritische W¨ urdigung und Relevanz f¨ ur die vorliegende Arbeit

Der situative Ansatz hat eine Reihe von methodischen und inhaltlichen Innovationen in die Organisationsforschung eingef¨ uhrt.77 Die wesentliche methodische Neuerung des Kontingenzansatzes besteht darin, dass sich seine Aussagen nicht mehr vornehmlich auf die Autorit¨at und Erfahrungsberichte einzelner Autoren st¨ utzen, sondern auf systematisch durchgef¨ uhrte, empirisch-quantitative Untersuchungen mehrerer Organisationen. Inhaltlich erweitert er die Perspektive der Organisationsforschung, indem er den Strukturunterschieden von Organisationen mehr Beachtung schenkt und die organisatorische Bedeutung zuvor nicht ber¨ ucksichtigter Situationseinfl¨ usse auf die organisatorische Gestaltung, Effektivit¨at und Effizienz aufzeigt. Obwohl der situative Ansatz also wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Organisationsforschung ein differenzierteres und empirisch informierteres Bild der Struktur von

76

Im Fall des Gestaltansatzes ist die Frage der statistische Operationalisierung noch nicht abschließend gekl¨ art, f¨ ur einen aktuellen Ansatz vgl. Veliyath und Srinivasan (1995), S. 212ff.

77

Vgl. hierzu Ebers (1992), Sp. 1817ff.

3.3. Situativer Ansatz der Organisationsforschung

43

Organisationen und deren m¨oglicher Einflussfaktoren entwickelt hat,78 wird er mittlerweile von zahlreichen Organisationstheoretikern z. T. heftig kritisiert und v. a. von Donaldson immer wieder ebenso engagiert verteidigt.79 An dieser Stelle sollen nur einige der wichtigsten Kritikpunkte kurz erw¨ahnt werden: 1. Mit Hinblick auf die Grundannahmen des situativen Ansatzes wird eingewendet, dass die Organisationsstruktur nicht eindeutig durch die externe Situation determiniert sei: In der Realit¨at sei es ex ante nicht m¨oglich, eine optimale Organisauberhinaus handelten Manager nur begrenzt tionsstruktur zu identifizieren.80 Dar¨ rational und h¨atten auch die M¨oglichkeit, ihre externe Umwelt zu beeinflussen.81 2. Das Fehlen einer theoretischen Fundierung wird bem¨angelt: Der situative Ansatz erkl¨are nicht die grundlegenden Mechanismen, durch die die Anpassung der Organisationsstruktur an die Situation erfolgt. Es handelte sich also mehr um eine Metatheorie“ bzw. einen Denkansatz als eine Theorie im eigentlichen Sinne.82 ” 3. Inhaltlich wird kritisiert, dass wichtige Struktur- und Umweltmerkmale nicht ber¨ ucksichtigt w¨ urden und der Informationsgehalt der empirischen Ergebnisse gering sei.83 4. Hinsichtlich der Methodik wird kritisiert, dass die Operationalisierung der Konstrukte teilweise unangemessen sei, dass die Stichproben nicht immer repr¨asentativ und vergleichbar seien und dass die Autoren sich bei der statistischen Analyse zu unkritisch auf lineare Modelle verließen und oft nur Korrelationen betrachteten.84 Die inhaltlichen Kritikpunkte sind nicht spezifisch f¨ ur den situativen Ansatz, sondern treffen in ¨ahnlicher Form auf den gr¨oßeren Teil der empirischen Wirtschafts- und Sozialforschung zu. Organisationen sind als offene soziale Systeme durch Komplexit¨at und Dynamik gekennzeichnet.85 Dieser Tatsache tragen systemtheoretische Organisationstheorien dadurch Rechnung, dass sie analytisch-isolierende Betrachtungsweisen durch eine st¨arkere 78

Ebers (1992), Sp. 1829.

79

Ausf¨ uhrliche Zusammenfassungen der Kritikpunkte liefern u. a. Schrey¨ ogg (1994), S. 141-193, Schrey¨ ogg (1998), S. 356-370, Kieser (1993), S. 175-184. Auf eine Pr¨ asentation der Gegenargumente von Vertretern des situativen Ansatzes wird dort verzichtet. Am nachhaltigsten verteidigt wird der situative Ansatz von Donaldson (1985; 1996a); vgl. auch die Debatte in Hinings et al. (1988).

80

Meyer et al. (1993), S. 1178.

81

Miller (1981), S. 6ff.; Schrey¨ ogg (1994), S. 184-191; Schrey¨ ogg (1998), S. 367-369.

82

Schoonhoven (1981), S. 350; Staehle (1994), S. 51.

83

Kieser (1993), S. 175-177.

84

Aldrich (1972), S. 28; Mitchell (1985); Kieser (1993), S. 176; Meyer et al. (1993), S. 1177.

85

Bronner (1992), Sp. 1123.

3. Theoretische Bezugspunkte der Arbeit

44

Akzentuierung ganzheitlicher Aspekte erg¨anzen. Dabei waren es gerade die oben kurz ¨ vorgestellen fr¨ uhen Kontingenzuntersuchungen, die eine Offnung und st¨arkere Umweltorientierung der Organisationstheorie bewirkt haben.86 Obwohl die neueren Gestalt- bzw. Konfigurationsans¨atze der Kontingenzforschung den Versuch unternehmen, zunehmend gr¨oßere Variablenkomplexe in die Analyse einzubeziehen, sind der empirischen Forschung dabei durch den Datenerhebungsaufwand nat¨ urliche Grenzen gesetzt – empirische Sozialforschung muss sich zu einem gewissen Grade immer auf Partialanalysen und ceteris paribus-Betrachtungen verlassen. Die methodischen Einw¨ande m¨ogen auf einen Teil der fr¨ uheren Kontingenzforschung zutreffen, allerdings haben Konstruktvalidierung und Kausalanalyse in den letzten Jahrzehnten deutliche Fortschritte gemacht und sollen auch in der vorliegenden Arbeit sorgf¨altig dokumentiert werden (vgl. Kapitel 9 und 10). Schwerer wiegen die beiden Einw¨ande gegen die grunds¨atzliche Logik des Kontingenzansatzes. Die Kritik an den Grundannahmen ist sicher dann gerechtfertigt, wenn von Seiten der Kontingenzforscher ein Absolutheitsanspruch erhoben wird, wenn also behauptet wird, es g¨abe f¨ ur jede Umweltsituation eine eindeutig identifizierbare Optimalstruktur, die folglich auch realisiert w¨ urde. Eine solch deterministische Sichtweise weisen allerdings Kieser und Kubicek (1992) als ein – durch die Kontingenztheoretiker selbst verursachtes – Missverst¨andnis zur¨ uck. Sie vertreten die Auffassung, dass kontingenztheoretische Aussagen nur angeben, in welchem Umfang Organisationsgestalter auf die gleiche Situation mit den gleichen Maßnahmen reagieren.87 Entsprechend beschr¨ankt sich auch die vorliegende Untersuchung auf die Identifizierung bestimmter Konfigurationen des Planungs- und Steuerungssystems, die tendenziell zu h¨oherem Innovationserfolg f¨ uhren, verzichtet dabei jedoch angesichts der großen Anzahl in der Analyse nicht ber¨ ucksichtigter Umwelt- und Gestaltungsparameter bewusst auf einen Absolutheitsanspruch. Da der situative Ansatz weiterhin keine geschlossene theoretische Begr¨ undung f¨ ur den Anpassungsprozess liefert, u ¨ber den die Organisation auf bestimmte Kontextfaktoren reagiert, soll er hier eher als ein Forschungsansatz denn als eine Theorie im eigentlichen Sinne aufgefasst werden.88 Dennoch sollen an dieser Stelle bereits zwei grunds¨atzliche Aussagen der Kontingenzforschung festgehalten und auf die Fragestellung der vorliegenden Untersuchung u uhren sowohl die Untersuchungen der ¨bertragen werden. Wie oben dargestellt wurde, f¨ Umwelt- als auch der Technik-Schule zu dem generellen Ergebnis, dass unsichere Kontextfaktoren besser durch wenig formalisierte Organisationsstrukturen und Managementsysteme behandelt werden k¨onnen:

86

Lehmann (1992), Sp. 1844.

87

Kieser und Kubicek (1992). Vgl. Schrey¨ ogg (1994), S. 152f. zu einer Kritik an dieser Sichtweise.

88

Vgl. zu dieser Sichtweise Schoonhoven (1981), S. 350; Staehle (1994), S. 51.

3.4. Situative Theorie der Informationsverarbeitung

45

Aussage 3.2: Je h¨oher der Innovationsgrad eines Vorhabens ist, desto gr¨oßer ist die Erfolgswirkung organischer Planungs- und Steuerungssysteme.89 Die zweite Aussage leitet sich aus den neueren Konfigurations- und Gestaltans¨atzen her, bei denen – wie oben erl¨autert – neben der Kongruenz zwischen externen Kontingenzfaktoren und internen Gestaltungsparametern auch eine interne Konsistenz der Gestaltungsparameter gefordert wird: Aussage 3.3: Je h¨oher die interne Konsistenz der f¨ ur den Innovationsprozess relevanten Managementsysteme ist, je besser also ihre Elemente aufeinander abgestimmt sind, desto h¨oher ist der Innovationserfolg. Zur Ableitung konkreterer Aussagen f¨ ur das theoretische Grundmodell der vorliegenden Arbeit wird im folgenden Abschnitt auf die Information Processing Theory zur¨ uckgegriffen, die zwar auf dem situativen Ansatz beruht, diesen jedoch um Aspekte von Informationsbedarf und -verarbeitung bereichert und damit schl¨ ussige Kontingenzund Effizienzaussagen ableiten kann.

3.4 3.4.1

Situative Theorie der Informationsverarbeitung Konzeptionelle Grundlagen

Ein grundlegendes Problem des oben vorgestellten situativen Ansatzes besteht darin, dass es sehr schwer f¨allt, den Fit zwischen einer Organisationsstruktur und der jeweils relevanten Umwelt ex ante zu ermitteln, da es sich hier um zwei abstrakte, nicht direkt vergleichbare Konstrukte handelt.90 So bemerkt Aldrich (1979): We know the physics of air, water, and light to which flying, swimming, ” and seeing creatures must conform. We need much better knowledge of organizational types and appropriate environments before we can do as well in understanding organizational change.“ 91 Egelhoff (1991, S. 345) sieht als diese fehlende Physik“ die Informationsverarbeitung von ” Organisationen an, die von Galbraith (1969; 1973; 1977) und anderen Autoren92 im Rahmen einer als Information Processing Theory bezeichneten Forschungsrichtung analysiert 89

Trotz der angef¨ uhrten Kritik am situativen Ansatz kann diese Aussage als unkritisch betrachtet werden. So widersprechen sich zwar beispielsweise die Befunde der Technologie-Schule z. T. auf der Ebene der Gesamtorganisation, sie sind aber viel enger und konsistenter hinsichtlich der Zusammenh¨ ange auf Abteilungs- und Arbeitsplatzebene (Ebers (1992), Sp. 1827).

90

Egelhoff (1991), S. 345; West (2000), S. 350.

91

Aldrich (1979), S. 45.

92

Neben den Arbeiten von Galbraith stammen weitere zentrale Ver¨ offentlichungen u. a. von Tushman und Nadler (1978), Egelhoff (1982) sowie Daft und Lengel (1986).

3. Theoretische Bezugspunkte der Arbeit

46

wird.93 Die Theorie der Informationsverarbeitung f¨ uhrt die betrachtete Organisationsstruktur und ihre Kontingenzen dadurch auf vergleichbare Kategorien zur¨ uck, dass sie die Art und den Umfang an Informationen, die f¨ ur die Ausf¨ uhrung einer bestimmten Aufgabe ben¨otigt werden, mit dem Informationverarbeitungspotential der mit der Ausf¨ uhrung der Aufgabe betrauten Organisationseinheit vergleicht. Die Operationalisierung des Informationsbegriffes wird von Galbraith indirekt vorgenommen – statt Information direkt zu messen, verwendet er den Begriff der Unsicherheit (uncertainty), um Prozesse der Informationsverarbeitung zu beschreiben.94 Unsicherheit kann dabei als Mangel an Information aufgefasst werden: Uncertainty is defined as the difference between the amount of information ” required to perform a particular task, and the amount of information already possessed by the organization.“ 95 Unsicherheit entsteht also als Resultat der Kombination einer bestimmten Aufgabe mit einer bestimmten Organisationskonfiguration. Je h¨oher die hierdurch hervorgerufene Unsicherheit ist, desto gr¨oßer ist der Informationsbedarf, den die Organisation aktiv befriedigen muss: Therefore, the greater the task uncertainty, the greater the amount of infor” mation that must be processed among decision makers during task execution in order to achieve a given level of performance.“ 96 Neben Unsicherheit haben Daft und Lengel (1986) sp¨ater auch das Konzept der Mehrdeutigkeit (equivocality) herangezogen, um die Notwendigkeit der Informationsverarbeitung theoretisch zu begr¨ unden: W¨ahrend Unsicherheit auf einen Mangel an Information zur¨ uckgef¨ uhrt werden kann, der dazu f¨ uhrt, dass auf bestehende Fragen keine Antworten gegeben werden k¨onnen, l¨asst sich Mehrdeutigkeit als das grundlegendere Problem beschreiben, dass nicht einmal klar ist, welche Fragen u ¨berhaupt zu beantworten sind.97 93

94

¨ Ahnlich bezeichnen Rogers und Agarwala-Rogers (1976, S. 7) Kommunikation, also den interpersonellen Informationstransfer, als lifeblood of an organization“. ” Kmetz (1998), S. 6. Der zentrale Einfluss von Unsicherheit auf die Gestaltung von Organisationen wird schon von Thompson (1967, S. 13) hervorgehoben: [. . . ] the central problem for complex orga” nizations is one of coping with uncertainty. As a point of departure, we suggest that organizations cope with uncertainty by creating certain parts specifically to deal with it, specializing other parts in operating under conditions of certainty or near certainty. [. . . ] We also suggest that technologies and environments are major sources of uncertainty for organizations, and that differences in those dimensions will result in differences in organizations.“

95

Galbraith (1973), S. 5.

96

Galbraith (1973), S. 5.

97

Daft und Lengel (1986), S. 556f.

3.4. Situative Theorie der Informationsverarbeitung

47

Mehrdeutige Organisationssituationen k¨onnen auf widerspr¨ uchliche Art interpretiert werden, und dieser Informationsdefekt l¨asst sich auch dadurch nicht beheben, dass zus¨atzliche Informationen beschafft werden.98 Ausl¨ oser der Informationsnachfrage Nachdem Unsicherheit und Mehrdeutigkeit als Ausl¨oser der Informationsverarbeitungsaktivit¨aten einer Organisation identifiziert wurden, ist im n¨achsten Schritt zu kl¨aren, wodurch diese hervorgerufen werden. Als eine wesentliche Ursache von Unsicherheit und Mehrdeutigkeit werden in der Literatur zun¨achst h¨aufig die Charakteristika der von einer Organisationseinheit zu erf¨ ullenden Aufgabe genannt.99 So haben Daft und MacIntosh (1981) sowie Daft und Lengel (1986) das im Ab¨ schnitt 3.3.1 vorgestellte Modell von Perrow (1967) herangezogen, um aus der Anderung und Analysierbarkeit von Aufgaben auf den damit verbundenen Informationsverarbeitungsbedarf zu schließen. Treten im Arbeitsprozess nur wenige Probleme oder Ausnahmesituationen auf, so besitzen die Organisationsmitglieder ein vergleichsweise vollst¨andiges Verst¨andnis der zugrundeliegenden Zusammenh¨ange und sind in der Lage, Aufgaben ohne umfangrei¨ sich dagegen Aufgabestellungen che Informationsverarbeitung vorauszuplanen.100 Andern h¨aufig, so werden Individuen regelm¨aßig mit unerwarteten, neuartigen Ereignissen konfrontiert. Bestehende mentale Repr¨asentationen decken diese Kontingenzen nicht mehr ab, so dass ein gesteigerter Informationsbedarf entsteht. Zusammenfassend ist also zu vermuten, dass mit einem zunehmendem Grad an Aufgaben¨anderungen auch ein steigender Bedarf an Informationsverarbeitung einhergeht.101 Die Analysierbarkeit einer Aufgabe kann mit dem Grad an Mehrdeutigkeit der Informationen in Verbindung gebracht werden, die zu ihrer Ausf¨ uhrung ben¨otigt wird. Je komplexer ein System wird, desto weniger ist es m¨oglich, pr¨azise und gleichzeitig aussagekr¨aftige Aussagen u ¨ber das Systemverhalten zu treffen. Vielmehr muss eine geeignete Repr¨asentation einer unscharfen Situation ebenfalls unscharf ausfallen.102 Trifft man in komplexen, unklaren Situationen scharfe Aussagen, so besteht eine hohe Gefahr der Vereinfachung. Unscharfe Aussagen in klaren Situation bergen dagegen die Gefahr von Fehlinterpretationen und falschen Entscheidungen. Folglich sollte der Grad der Mehrdeutigkeit der verarbeiteten Informationen im umgekehrten Verh¨altnis zur Analysierbarkeit der zu vollrichtenden Aufgabe stehen.103 98

Daft und MacIntosh (1981), S. 211; Kmetz (1998), S. 26.

99

Galbraith (1973), S. 5; Perrow (1967); Van de Ven et al. (1976), S. 324.

100

Galbraith (1973), S. .

101

Daft und MacIntosh (1981), S. 211.

102

Zadeh (1973), S. 28ff.

103

Daft und MacIntosh (1981), S. 212.

3. Theoretische Bezugspunkte der Arbeit

48

Ein weiterer Ausl¨oser organisationaler Informationsverarbeitung ist in der externen Umwelt der Organisation zu suchen.104 Organisation k¨onnen sich als offene soziale Systeme nicht von ihrer Umwelt isolieren, sondern m¨ ussen Informationsmechanismen entwickeln, ¨ die es ihnen erlauben, die f¨ ur ihr Uberleben und Fortkommen relevanten Markttrends, Technologiespr¨ unge und Wettbewerberreaktionen zu erfassen und zu interpretieren.105 Auf der einen Seite ist es notwendig, dass sie Informationen beschaffen, die die Unsicherheit u ¨ber objektive Indikatoren, wie z. B. Marktanteile oder demographische Kundenmerkmale, verringern. Auf der anderen Seite gilt es, unter den Organisationsmitgliedern eine gemeinsame Interpretation mehrdeutiger Ereignisse und Umweltbedingungen zu erzielen, um so ein besseres Verst¨andnis m¨oglicher Ursache-Wirkungsbeziehungen in der externen Umwelt zu erreichen. Folglich k¨onnen sich Manager in tendenziell eindeutig analysierbaren Umweltsituationen auf die Beschaffung objektiver Informationen als Entscheidungsgrundlage konzentrieren. Sind dagegen Kausalzusammenh¨ange ex ante nur schwer zu identifizieren, so muss der Fokus der Informationsverarbeitung eher auf eine Reduktion der Mehrdeutigkeit durch Meinungsaustausch und Diskussionen gerichtet sein.106 Neben den Charakteristika der zu erf¨ ullenden Aufgaben und dem Einfluss der externen Umwelt wird in der Literatur zur organisationalen Informationsverarbeitung vor allem noch die Abh¨angigkeit der Informationsbed¨ urfnisse von aufbauorganisatorischen Merkmalen diskutiert.107 Da die vorliegende Arbeit von der Einbindung der Innovationsprojekte in die Aufbauorganisation der Unternehmen weitgehend abstrahiert, soll jedoch auf diesen Punkt hier nicht n¨aher eingegangen werden.108 Mechanismen der Informationsverarbeitung Die vorhergehende Diskussion hat gezeigt, dass die externe Umwelt der Organisation sowie die Charakteristika der von den Organisationsmitgliedern zu leistenden Aufgaben einen starken Einfluss auf das Ausmaß sowie die Art der erforderlichen Informationsverarbeitung haben. Hier schließt sich nun unmittelbar die Frage an, wie sich diese Kontingenzen auf die effiziente Gestaltung der Organisationsstruktur und der Managementsysteme auswirken, wie also die Informationsverarbeitung einer Organisationseinheit so gestaltet werden kann, dass sie den Informationsverarbeitungsbedarf befriedigen kann. Die Grundhypothese der Informationsvearbeitungstheorie besteht dabei darin, dass Organisationen nur dann erfolgreich operieren 104

Downey et al. (1975); Downey und Slocum (1975); Duncan (1972); Galbraith (1977), Kapitel 14 und 15; Leblebici und Salancik (1981).

105

Daft und Weick (1984), S. 285; Tushman und Nadler (1978), S. 615f.

106

Daft und Lengel (1986), S. 566.

107

Vgl. allgemein Galbraith (1973; 1977) sowie f¨ ur den Sonderfall internationaler Unternehmen Egelhoff (1982; 1991).

108

Vgl. zu diesem Punkt Gem¨ unden et al. (2005) sowie ausf¨ uhrlich Krieger (2005).

3.4. Situative Theorie der Informationsverarbeitung

49

k¨onnen, wenn ihre Informationsverarbeitungsf¨ahigkeiten an den jeweiligen Informationsverarbeitungsbed¨ urfnissen ausgerichtet sind (vgl. Abbildung 3.2):109 Aussage 3.4: Je besser die Informationsverarbeitungsf¨ahigkeiten einer Organisationseinheit an den von ihr zu befriedigenden Informationsverarbeitungsbedarf angepasst sind, desto effektiver wird die Organisationseinheit operieren. Dieser Zusammenhang konnte u. a. von Keller (1994) direkt nachgewiesen werden. Bei einer Stichprobe von 98 F&E-Projektgruppen hat er Unsicherheit und Informationsverarbeitung anhand von Multi-Item-Skalen erhoben und anschließend den Fit als Abstand aus beiden Gr¨oßen ermittelt. In Regressionen auf mehrere Erfolgmaße ging dieses Fitmaß als starker Pr¨adiktor f¨ ur die eigentlichen Outcome-Dimensionen des Projektes ein, die Wirkung auf Maße der Projekteffizienz war dagegen nicht signifikant.110 Hinsichtlich organisatorischer Informationsverarbeitungsmechanismen soll hier vor allem die Frage diskutiert werden, wie die effiziente Gestaltung der Managementsysteme, also beispielsweise der Koordinations- und Kontrollmechanismen, erfolgen sollte. Galbraith (1973) diskutiert in diesem Zusammenhang eine Reihe organisatorischer Mechanismen, die sp¨ater von Tushman und Nadler (1978) sowie Daft und Lengel (1986) anhand ihres Potentials, Unsicherheit und Mehrdeutigkeit zu reduzieren, angeordnet wurden.111 Die letztgenannten Autoren untersuchen daf¨ ur den medialen Reichtum“ (media richness) ” der einzelnen Mechanismen, also ihre F¨ahigkeit, innerhalb eines bestimmten Zeitintervalls durch Informationsverarbeitung zu einem Verst¨andnisgewinn beizutragen.112 Reiche Medien (Gespr¨ache, Gruppen-Meetings, etc.) erfolgen pers¨onlich, von Angesicht zu Angesicht, erlauben unmittelbares Feedback und u ¨bermitteln Informationen sprachlich wie auch u ¨ber sekund¨are Kan¨ale, beispielsweise Stimmlage und K¨orpersprache. Kommunikationsmittel mit geringerem medialen Reichtum (Memos, Pl¨ane, Regeln, Datenbanken etc.) sind dagegen unpers¨onlich und eignen sich weniger zum Abbau von Mehrdeutigkeit, sind daf¨ ur aber ein effizientes Mittel, um große Mengen klarer, wohlverstandener Daten zu verarbeiten. Diese Zusammenh¨ange konnten z. T. auch empirisch belegt werden. So haben Van de Ven et al. (1976) nachgewiesen, dass mit zunehmender Unsicherheit – speziell: Komplexit¨at und Variabilit¨at – der Aufgaben die Verwendung von Pl¨anen und Regeln zur Koordination stark nachl¨asst und diese vor allem durch spontane Meetings undliche Kommunikation und substituiert werden.113 Tushman (1979) hat gezeigt, dass m¨ 109

Tushman und Nadler (1978), S. 619.

110

Keller (1994), S. 174.

111

Galbraith (1973), S. 10ff.; Tushman und Nadler (1978), S. 618; Daft und Lengel (1986), S. 560ff.

112

Daft und Lengel (1986), S. 559f.

113

Van de Ven et al. (1976), S. 329.

3. Theoretische Bezugspunkte der Arbeit

50

Unsicherheit und Mehrdeutigkeit der Umwelt

Neuartigkeit und Komplexität der Aufgaben

Andere Ursachen

Bedarf an Informationsvearbeitung Fit

Erfolg

Potential zur Informationsverarbeitung

Organisationsstruktur

Koordinationsund Kontrollmechanismen

Anpassung bei mangelhaftem Erfolg

Abbildung 3.2: Das Modell der organisationalen Informationsverarbeitung leitet den Erfolg von Organisationen aus einem Fit von deren Informationsverarbeitungspotenzial und dem durch Komplexit¨ at, Unsicherheit und Mehrdeutigkeit hervorgerufenen Informationsbedarf ab. Das Unternehmen kann auf mangelhafte Performance durch Strukturanpassungen reagieren. Darstellung in Anlehnung an Tushman und Nadler (1978), S. 622.

dezentralisierter Informationsaustausch in Forschungsprojekten weiter verbreitet sind als in technischen Wartungsprojekten.114 Randolph (1978) berichtet, dass die Flexibilit¨at der verwendeten Kommunikationsmittel mit steigender technischer Unsicherheit zunimmt. Die Tatsache, dass reiche Medien trotzt ihrer Flexibilit¨at nicht generell den Vorzug finden, l¨asst sich ¨okonomisch begr¨ unden. Die Verwendung organischer Strukturen verursacht h¨oheren Aufwand, ist zeitintensiver und entzieht sich tendenziell der unternehmerischen Kontrolle – verursacht also insgesamt h¨ohere Kosten. Diese Kosten sind mit dem Nutzen der gegen¨ uber mechanistischen Strukturen gesteigerten Mehrdeutigkeitsreduktion abzuw¨agen.115 Zusammenfassend kann daher die folgende Aussage festgehalten werden:

Aussage 3.5: Je h¨oher die Unsicherheit hinsichtlich der externen Umwelt oder der von einer Organisationseinheit zu leistenden Aufgabe ist, desto gr¨oßer ist die Erfolgswirkung organischer Kommunikations- und Kontrollmechanismen mit hohem medialen Reichtum.

114

Tushman (1979), S. 89.

115

Leifer und Mills (1996), S. 121f.; Tushman und Nadler (1978), S. 618.

3.4. Situative Theorie der Informationsverarbeitung

3.4.2

51

Relevanz f¨ ur die vorliegende Arbeit

Die Informationsverarbeitungstheorie l¨asst sich ohne weiteres auf Innovationsprojekte anwenden, da ein wesentlicher Teil der relevanten empirischen Untersuchungen gerade F&EProjekte heranzieht, um die postulierten Beziehungen zu u ufen.116 Als relevante Or¨berpr¨ ganisationseinheit wird hier das Projektteam betrachtet, das sowohl intern kommunizieren als auch mit dem Umfeld Informationen austauschen muss, so u. a. mit seinen Steuerungsorganen (Projektleiter, Lenkungsausschuss, etc.), mit Fachabteilungen, mit externen Forschungspartnern oder mit zuk¨ unftigen Kunden. Die aufgaben- und umweltbezogenen Unsicherheitskompontenten von Innovationen wurden bereits im Abschnitt 2.2 spezifiziert: Die aufgabenbezogene Unsicherheit wird durch den internen Ressourcenfit und die Technologiekomponenten des Innovationsgrads bestimmt, die umweltbezogene Unsicherheit dagegen vor allem durch den Umfeldfit und die Marktkomponenten. Eine zentrale Herausforderung bei der Planung und Durchf¨ uhrung von Innovationsprojekten besteht darin, diese Unsicherheit weitestm¨oglich zu reduzieren, um so die Wahrscheinlichkeit des Innovationserfolgs zu erh¨ohen:117 Aussage 3.6: Innovationsvorhaben k¨onnen als Prozesse der Informationsverarbeitung aufgefasst werden. Die Unsicherheit, die es dabei zu reduzieren gilt, wird durch die Dimensionen des Innovationsgrads bestimmt. Innovations- und Produktentwicklungsprozesse werden h¨aufig durch hybride Modelle118 beschrieben, die sowohl Aktivit¨aten (Stages) als auch Entscheidungspunkte (Gates) enthalten.119 W¨ahrend die Aktivit¨aten als diskrete Entscheidungsverarbeitungsaktivit¨aten aufgefasst werden k¨onnen, stellen die Entscheidungspunkte organisationale Wahlhandlungen dar, die auf den Aktivit¨aten beruhen und den Entscheidungsfluss zwischen diesen Aktivit¨aten beeinflussen. In stark abstrahierenden Betrachtungen wird h¨aufig eine ZweiStufen-Taxonomie verwendet. In der ersten Stufe, der Initiierungs- oder Planungsphase, werden Informationen gesammelt und analysiert, die als Grundlage f¨ ur ihre Bewertung am darauffolgenden Entscheidungspunkt dienen.120 Die hiermit verbundenen Aktivit¨aten werden dementsprechend auch als Predecision Planning bezeichnet.121 F¨allt die Bewertung der Innovation positiv aus, schließt sich eine Implementierungsphase an, in deren 116

So beispielsweise die Untersuchungen von Keller (1994), Moenaert et al. (1994), Moenaert et al. (1995) und Tushman (1978).

117

Souder und Moenaert (1992), S. 488.

118

Saren (1984).

119

So beispielsweise die bei Cooper (1990; 1991) und Rosenthal (1992), S. 18ff. dargestellten Modelle.

120

Souder und Moenaert (1992), S. 492.

121

Rogers et al. (1999), S. 568.

3. Theoretische Bezugspunkte der Arbeit

52

Verlauf die zur Implementierung und Kontrolle der getroffenen Innovationsentscheidungen ben¨otigten Informationen bereitgestellt werden. Dieser T¨atigkeitenkomplex wird als Postdecision Planning oder Programming bezeichnet.122 Der Nutzen der Informationsgenerierung und -verarbeitung ist tendenziell am h¨ochsten in der Initiierungs- oder Planungsphase, da hier durch den hohen Neuigheitsgrad und die geringe Analysierbarkeit der Aufgabe besonders hohe Unsicherheit herrscht.123 Je effizienter diese Unsicherheit abgebaut werden kann, desto strukturierter wird die Implementie¨ rungsphase ablaufen und desto weniger unliebsame Uberraschungen“ werden dort zutage ” treten:124 Aussage 3.7: H¨oherer Abbau von Unsicherheit in der Planungsphase des Innovationsprojektes f¨ uhrt zu einem strukturierteren Implementierungsprozess ¨ und weniger unplanm¨aßigen Anderungen. In der Implementierungsphase sind die Koordinations- und Kontrollmechanismen am Ausmaß der nach der Planungsphase verbleibenden Unsicherheit auszurichten. Liegen weitreichende Kenntnisse u ¨ber Marktgegebenheiten, Kundenpr¨aferenzen, Wettbewerberverhalten und technische Aspekte des Produktes vor, ist der Grad an Unsicherheit und Mehrdeutigkeit also gering, so ist die Analysierbarkeit der im Rahmen der Implementierung zu leistenden Aufgaben hoch. Da hiermit weniger eine interpretative Aufgabe, sondern vielmehr die Koordination des Projektablaufes im Vordergrund steht, sollten im Interesse effizienter Ressourcennutzung formelle Steuerungsmechanismen mit geringem medialen Reichtum eingesetzt werden.125 Entsprechend kann die folgende Aussage festgehalten werden: Aussage 3.8: Je geringer das Ausmaß an Unsicherheit und Mehrdeutigkeit im Rahmen der Implementierungsphase ist, desto st¨arker tragen formelle Koordinations- und Kontrollmechanismen zum Innovationserfolg bei.

3.5

Fazit der theoretischen Diskussion

Die Behandlung unterschiedlicher betriebswirtschaftlicher Theorien in den letzten Abschnitten erlaubt es, ein vorl¨aufiges theoretisches Grundmodell f¨ ur die vorliegende Untersuchung aufzustellen (vgl. Abbildung 3.3). 122

Mintzberg (1981), S. 322.

123

Browning et al. (2002), S. 443.

124

Souder und Moenaert (1992), S. 495.

125

Leifer und Mills (1996), S. 125f.; Souder und Moenaert (1992), S. 500.

3.5. Fazit der theoretischen Diskussion

53

In Anlehnung an Arbeiten des ressourcenbasierten Ansatzes l¨asst sich zun¨achst feststellen, dass der Erfolg eines Innovationsvorhabens zu einem wesentlichen Grad von den Kompetenzen und F¨ahigkeiten der ausf¨ uhrenden Organisation abh¨angt, so u. a. von der F¨ahigkeit des innovierenden Unternehmens oder Projektteams, das Vorhaben zielgerichtet zu planen und durchzuf¨ uhren. Da es jedoch angesichts der durch unterschiedliche Industrien, Innovationsgrade und Zielgr¨oßen hervorgerufenen Vielfalt an denkbaren Projektsituationen nicht m¨oglich ist, allgemeing¨ ultige Erfolgsfaktoren oder Best Practices zu identifizieren, muss ein Kontingenzansatz verfolgt werden, der die Abh¨angigkeit der vermuteten Wirkungsbeziehungen von wesentlichen Einflussgr¨oßen explizit ber¨ ucksichtigt. Angesichts der zentralen Forschungsfragen dieser Untersuchung f¨allt diese Rolle hier dem Innovationsgrad zu. Nach den Ausf¨ uhrungen in Abschnitt 2.2 erfassen die Dimensionen des Innovationsgrads zumindest teilweise den mit einer Innovation verbundenen Grad an Unsicherheit. Nach der situativen Theorie der Informationsverarbeitung k¨onnen Innovationsprozesse damit auch als Prozesse der Informationsbeschaffung und -verarbeitung interpretiert werden, die dem Abbau von Unsicherheit dienen. Je effektiver die fr¨ uhen Planungsphasen eines Vorhabens zur Unsicherheitsreduktion beitragen, desto geradliniger wird die Projektdurchf¨ uhrung ablaufen und desto h¨oher wird letztlich auch der erzielte Innovationserfolg sein. Hochinnovative Projekte erfordern dabei aufgrund der mit ihnen verbundenen Unsicherheit tendenziell gr¨oßere Planungsaktivit¨aten als weniger innovative Projekte. Umgekehrt w¨are es kontraproduktiv, inkrementelle Innovationsvorhaben unter Einsatz massiver Informationsverarbeitungsprozesse mit hohem medialem Reichtum zu steuern, da die bei ihnen zu verrichtenden Aufgaben ja tendenziell gut analysierbar und teilweise programmierbar“ sind. ” Schließlich l¨asst sich noch aus den u ¨ber den klassischen situativen Ansatz hinausgehenden Konfigurations- bzw. Gestaltans¨atzen die Forderung ableiten, dass eine innere logische Konsistenz zwischen den beeinflussbaren Gestaltungsparametern bestehen soll. In Hinblick auf das Management von Innovationsvorhaben kann eine solche Konsistenz beispielsweise dadurch zum Ausdruck kommen, dass der mediale Reichtum bzw. Formalisierungsgrad der Informationsverarbeitung im Rahmen der Projektsteuerung auf den der urspr¨ unglichen Projektplanung abgestimmt ist.

3. Theoretische Bezugspunkte der Arbeit

54

Fit

Planung

Fit

Fit

Projekterfolg

Steuerung

Unsicherheit = Innovationsgrad

Abbildung 3.3: Das theoretische Grundmodell der Arbeit leitet den Erfolg von Innovationsvorhaben aus den im Projektverlauf zum Tragen kommenden Planungs- und Steuerungsf¨ ahigkeiten her. Nach der situativen Theorie der Informationsverarbeitung h¨ angt deren optimale Auspr¨ agung vom Grad der Unsicherheit ab, hier als Innovationsgrad des Vorhabens erfasst. Weiterhin fordern Konfigurationsans¨ atze die interne Konsistenz der Gestaltungsparameter, hier der Planungs- und Steuerungsaktivit¨ aten.

Kapitel 4 Planung, Steuerung und Erfolg von Innovationsprojekten 4.1

¨ Uberblick

Nachdem im letzten Kapitel Elemente betriebswirtschaftlicher Theoriebildung herangezogen wurden, um ein theoretisches Grundmodell f¨ ur die vorliegende Arbeit zu konstruieren, sollen in den folgenden Abschnitten verschiedene Aspekte der Vorhabensplanung und steuerung st¨arker konkretisiert werden, um so den Br¨ uckenschlag zur betriebswirtschaftlichen Unternehmenspraxis und damit auch zur empirischen Untersuchung im zweiten Teil der Arbeit vorzunehmen. Auf der einen Seite wird dabei auf die h¨aufig normative Projektmanagementliteratur zur¨ uckgegriffen, auf der anderen Seite werden deren Aussagen an der meist fallstudienbasierten Literatur zum Innovationsmanagement gespiegelt, um so ¨ die Ubertragbarkeit der Aussagen auf Innovationsprojekte absch¨atzen zu k¨onnen. Auf eine Pr¨asentation der Befunde großzahliger empirischer Untersuchungen wird jedoch zun¨achst verzichtet, da diese im folgenden Kapitel 5 systematisch zusammengefasst werden. ¨ Im Interesse der Ubersichtlichkeit und der klaren Pr¨asentation vermuteter Kausalzusammenh¨ange werden die betrachteten Planungs-, Steuerungs- und Erfolgsvariablen in einem Prozessschema angeordnet, das sich an die Fuzzy Front End -Modelle1 von Khurana und Rosenthal (1997) und Veryzer (1998a) anlehnt (vgl. Abbildung 4.1). Dabei stellt sich zun¨achst die Frage, inwieweit sich Innovationsprojekte u ¨berhaupt anhand eines aktivit¨atenorientierten Phasenmodells, wie es beispielsweise durch den Stage-Gate-Prozess2 1

Der Begriff Fuzzy Front End geht auf Smith und Reinertsen (1991) zur¨ uck und bezeichnet allgemein die fr¨ uheste Phase des Produktentwicklungsprozesses, in der engsten Abgrenzung sogar den Zeitabschnitt, der noch vor dem ersten Team-Meeting und dem damit einsetzenden Strategiebildungsprozess liegt, vgl. u. a. Khurana und Rosenthal (1997), S. 104, Moenaert et al. (1995), S. 243, Reid und de Brentani (2004), S. 171.

2

Cooper (1990); Cooper und Kleinschmidt (1990).

4. Planung, Steuerung und Erfolg von Innovationsprojekten

56

Businessplanung (Pre-Decision Planning)

Go/No-Go Entscheidung

Operative Planung (Post-Decision Planning)

Projektplanung Ideen- und Alternativengenerierung, ’’Vision’’

Produktkonzept, Business Case, Zielfestlegung

Projektsteuerung

Prozessformalisierung Zieländerungen

Risikomanagement

Portfoliostrategie, Multiprojektmanagement

Abbildung 4.1: Modell der Planung und Steuerung im Front End von Innovationsprojekten. Eigene Darstellung in Anlehnung an Khurana und Rosenthal (1997, S. 105) und Veryzer (1998a, S. 317).

realisiert wird, beschreiben lassen. Auf der einen Seite zeigen empirische Untersuchungen, dass gerade bei neuartigen, schlecht strukturierten Entscheidungsproblemen nur selten ein im Voraus definierter geradliniger Entscheidungsprozess verfolgt werden kann.3 Auf der anderen Seite kommt Veryzer (1998a) in seiner Untersuchung des Entwicklungsprozesses von acht hochgradigen Innovationen zu dem Ergebnis, dass diese zwar nicht nach einem ausgesprochen formellen Schema gesteuert werden, insgesamt aber doch einem konsistenten Muster folgen.4 Hochinnovative Projekte beginnen danach h¨aufig mit einer Phase des Dynamic Drifting, in der zun¨achst Ideen und alternative L¨osungswege entwickelt und wieder verworfen werden, bis sich, beispielsweise unter dem Einfluss von Promotoren, eine erste Projektvision herauskristallisiert. Als eine unter vielen m¨oglichen Quellen f¨ ur Projektideen kann dabei beispielsweise die Identifikation strategischer L¨ ucken im Rahmen des ProjektportfolioManagement dienen. In der Folge werden potenzielle Produktkonzepte, Anwendungen und Kundengruppen identifiziert, Kundennutzendimensionen und Produktspezifikationen definiert sowie erste Marktanalysen und Business Case-Betrachtungen durchgef¨ uhrt. Obwohl

3

Vgl. beispielsweise Mintzberg et al. (1976), S. 246ff; Witte (1968), S. 625ff.

4

Veryzer (1998a), S. 313.

¨ 4.1. Uberblick

57

diese mit großer Unsicherheit verbunden sind, bilden sie doch eine notwendige Voraussetzung f¨ ur eine formelle Projektevaluation, die in Koordination mit dem ProjektportfolioManagement vorzunehmen ist und die Entscheidung u ¨ber eine eventuelle Aufnahme der 5 eigentlichen Produktentwicklung herbeif¨ uhrt. Da diese Phase v. a. Planungsaktivit¨aten vor der eigentlichen Go-/No-Go-Entscheidung umfasst, handelt es sich nach Mintzberg (1981), S. 322 um Pre-Decision Planning, die im weiteren Verlauf der Untersuchung als Businessplanung“ bezeichnet werden soll. Mit der Entscheidung zur Fortf¨ uhrung des ” Vorhabens werden strategische Ziele festgelegt, die als Grundlage f¨ ur die Steuerung und Erfolgsbeurteilung des weiteren Projektverlaufes dienen. Die zur Erreichung der Ziele notwendigen Arbeitspakete und Aktivit¨aten werden, soweit sie bereits absehbar sind, im Rahmen einer eher operativ ausgerichteten Planung (Post-Decision Planning bzw. Programming 6 ) erarbeitet. Diese umfasst einerseits die klassische Projektplanung, andererseits aber auch das projektbezogene Risikomanagement, da gerade bei Innovationsprojekten mit dem Eintreten unvorhergesehener Ereignisse zu rechnen ist, die zu identifizieren und quantifizieren sind, damit Pl¨ane zur Schadensvermeidung bzw. -minderung entwickelt werden k¨onnen. In Erweiterung des in Abbildung 3.3 zusammengefassten theoretischen Grundmodells soll vorhabensbezogene Planung im Folgenden also in die zwei Bereiche Businessplanung (Pre-Decision Planning) und operative Planung (Post-Decision Planning) differenziert werden, zwischen denen die kritische Entscheidung u ¨ber die Aufnahme der eigentlichen Produktentwicklung f¨allt. Die Vorhabenssteuerung baut idealerweise direkt auf den so erstellten Pl¨anen auf. An zentralen Meilensteinen des Projektes kann in formellen Reviews der Status des Projektes mit der urspr¨ unglichen Planung verglichen und so der Grad der Zielerreichung hinsichtlich der wesentlichen Projektziele ermittelt werden. F¨ ur den Fall, dass hier wesentliche Abweichungen festgestellt werden oder sich die Auspr¨agung kritischer Umfeldfaktoren stark ver¨andert hat, kann es zu Zielanpassungen kommen, die zu einer ver¨anderten Ressourcenausstattung des Projektes oder sogar zum Abbruch oder Einfrieren des Vorhabens f¨ uhren k¨onnen. Diese zentralen Vorhabensentscheidungen sind wiederum in Koordination mit dem Projektportfolio-Management zu treffen. Die hier kurz erw¨ahnten Aspekte der Vorhabensplanung und -steuerung werden in den folgenden Abschnitten n¨aher beleuchtet und insbesondere hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit bei innovativen Projekten untersucht. Dabei wird – ¨ahnlich wie im vorhergehenden Kapitel – wiederum eine Reihe zentraler Aussagen abgeleitet, die die Grundlage f¨ ur die Metaanalyse bisheriger empirischer Forschung in Kapitel 5 und die Hypothesenformulie5

Veryzer (1998a), S. 314f.

6

Mintzberg (1981), S. 322.

4. Planung, Steuerung und Erfolg von Innovationsprojekten

58

rung f¨ ur den empirischen Teil in Kapitel 6 bilden.

4.2

Planung von Innovationsvorhaben

Planung kann als Durchf¨ uhrung formalisierter Prozeduren aufgefasst werden, die eine Organisation einsetzt, um Entscheidungen zu treffen, zu integrieren und zu artikulieren.7 Die im Rahmen dieser Prozeduren entwickelten Pl¨ane sollten weitestm¨oglich objektiv, logisch und sachlich sein, realistische Zielsetzungen enthalten und Wege aufweisen, um diese Ziele zu erreichen.8 Planung umfasst zun¨achst die Entwicklung und Analyse von Handlungsalternativen, die als Grundlage f¨ ur eine Entscheidung u ¨ber das weitere Vorgehen dienen.9 Solche Entscheidungen k¨onnen mit Hilfe formeller Planungsmethoden erheblich beschleunigt werden, da durch sie fehlende Informationen wesentlich effizienter beschafft werden k¨onnen als durch zuf¨allige Suchstrategien.10 Planung stellt weiterhin einen wichtigen Bezugspunkt f¨ ur anschließende Handlungen dar, erm¨oglicht also nicht nur die Setzung von Zielen, sondern erleichtert zugleich auch deren Erreichung, indem sie definiert, was zu tun ist, wie etwas zu tun ist, und wer f¨ ur die Durchf¨ uhrung verantwortlich ist.11 Mintzberg (1981) nimmt, wie bereits erw¨ahnt, eine konzeptionelle Unterteilung des Planungsprozesses in zwei Phasen vor: Eine eher vision¨are erste Phase, in der Ziele und Handlungsalternativen entwickelt und abgewogen werden (Pre-Decision Planning), und eine zweite Phase, deren Fokus auf der Ausarbeitung der Konsequenzen und operativen Umsetzungsschritte einer gew¨ahlten Handlungsalternative liegt (Post-Decision Planning, Programming).12 Dieser Zweiteilung wird in den n¨achsten Abschnitten gefolgt, indem zun¨achst Businessplanung (Abschnitt 4.2.1) und die damit verbundene Zieldefinition (Abschnitt 4.2.2) behandelt werden, bevor mit Projektplanung (Abschnitt 4.2.3) und Risikomanagement (Abschnitt 4.2.4) n¨aher auf die operative, umsetzungsorientierte Phase der Planung eingegangen wird. 4.2.1

Businessplanung

Im Rahmen der Fr¨ uhphasenplanung von Innovationsprojekten ist es erforderlich, dass das zu l¨osende Problem erkannt und definiert wird, dass Ziele aus dem Vergleich der 7

Mintzberg (1981), S. 321.

8

Steiner (1969), S. 20.

9

Koontz und O’Donnell (1976), S. 70; Snyder und Glueck (1980), S. 73.

10

Delmar und Shane (2003), S. 1167

11

Snyder und Glueck (1980), S. 73.

12

Mintzberg (1981), S. 322f.

4.2. Planung von Innovationsvorhaben

59

gegenw¨artigen Situation mit dem erforderlichen Sollzustand abgeleitet werden und dass m¨ogliche Probleml¨osungen gesucht und bewertet werden, damit eine hinreichende Entscheidungsgrundlage f¨ ur einen etwaigen Eintritt in die eigentliche Entwicklungsphase be13 uhphasenplanung wird im Rahmen der Disciplireitsteht. Der zeitliche Ablauf dieser Fr¨ ned Problem Solving-Forschung14 als ein System iterativer Probleml¨osungszyklen beschrieben. Ein Probleml¨osungszyklus besteht dabei aus einer Abfolge von Informationsverarbeitungsschritten, zu denen im wesentlichen die Punkte Problem- und Zieldefinition, Alternativengenerierung, Evaluation und Entscheidungsfindung geh¨oren.15 In einem zyklischen Durchlaufen von Situationsanalyse, Problemstellung und m¨oglichen L¨osungen n¨ahert sich ein Entwicklungsvorhaben seiner Realisierung, wobei der Detaillierungsgrad zu- und der Entscheidungsspielraum abnimmt.16 Es handelt sich dabei um einen alles andere als linearen Prozess, dessen Phasen auch im Rahmen von Concurrent Engineering-Ans¨atzen u ¨berlappen k¨onnen.17 In den folgenden Abs¨atzen werden zun¨achst mit der Ideen- und Alternativengenerierung sowie der methodischen Businesscase-Analyse einzelne Aspekte der Businessplanung er¨ortert, bevor auf die Anwendbarkeit der Businessplanung bei innovativen Projekten eingegangen wird. Aspekte der Zielfestlegung werden dann in Abschnitt 4.2.2 untersucht. Trotz der so festgelegten Reihenfolge ist zu betonen, dass es sich hier um interdependente Aktivit¨aten handelt: Alternativkonzepte k¨onnen nicht ohne die Existenz erster Globalziele generiert werden, und Zielver¨anderungen im Innovationsprozess ziehen wiederum Konzept¨anderungen nach sich.18 Ideengenerierung und Alternativenabw¨ agung Das Entwickeln neuer Ideen und das Suchen und Finden alternativer L¨osungskonzepte kann als eigentliche Leistung eines Innovators angesehen werden.19 Konkrete Innovationsvorhaben entstehen dabei aus einer Phase des Dynamic Drifting heraus, die bei hochgradigen Innovationen h¨aufig mit der Erforschung neuer Technologien verbunden ist, ohne dass deren Vermarktung in einem Produkt bereits im Vordergrund steht.20 Neben einem solchen eher mittelorientierten Technologieschub der unternehmensinternen Leistungspotenziale (Technology Push) 13

Pleschak und Sabisch (1996), S. 129.

14

Vgl. Abschnitt 3.1 der vorliegenden Arbeit.

15

Clark und Fujimoto (1991), S. 206f.

16

Specht und Beckmann (1996), S. 122.

17

Vgl. Gerwin und Barrowman (2002) f¨ ur eine aktuelle Metaanalyse empirischer Befunde der Concurrent Engineering-Forschung.

18

Marks et al. (2001), S. 365; Urban und Hauser (1993), S. 50f.

19

Hauschildt (2004), S. 375.

20

Veryzer (1998a), S. 313.

4. Planung, Steuerung und Erfolg von Innovationsprojekten

60

k¨onnen innovative Ideen generell auch durch den eher zweckorientierten Nachfragesog des Kunden (Demand Pull ) induziert werden.21 Die Quelle der Initialidee ist letztlich weniger entscheidend als vielmehr ihre technische Realisierbarkeit, ihre wirtschaftliche Tragf¨ahigkeit und ihr Fit mit den Kernkompetenzen und der Strategie des Unternehmens.22 Innovative L¨osungskonzepte sind meist ebenso das Ergebnis systematischen Vorgehens wie u ¨berraschender Einf¨alle, erfordern also eine Mischung aus Kreativit¨at, analytischer undete Auswahl unter den InitialideSystematik und harter Arbeit“.23 Bevor eine begr¨ ” en vorgenommen werden kann, m¨ ussen diese durch Detaillierung und Ausarbeitung zu groben Produktkonzepten verdichtet werden.24 Die Generierung alternativer Konzepte im Innovationsprozess kann in Anlehnung an Hauschildt (2004) in multiple und mutative Entwicklungen differenziert werden. Erzeugt man immer neue Kombinationen der unterschiedlichen Auspr¨agungen bestehender Produkteigenschaften, so werden multiple“ ” Alternativen generiert. F¨ ugt man einem Produkt dagegen v¨ollig neue Eigenschaften hinzu, liegt eine mutative Alternativenentwicklung vor. In diesem Fall ist der realisierte Innovationsgrad deutlich h¨oher, und erst hier liegt wohl eine eigentliche Innovation vor.25 Mit der Alternativengenerierung ist immer auch eine erste Alternativenselektion verbunden, da sich einzelne Konzepte h¨aufig schon im Prozess der L¨osungssuche als nicht tragf¨ahig erweisen. Damit k¨onnen bereits im Verlauf der L¨osungssuche viele Gestaltungsoptionen verworfen werden, und der Raum m¨oglicher Probleml¨osungen wird immer st¨arker eingegrenzt, je n¨aher das Projekt dem ersten zentralen Entscheidungspunkt, also dem m¨oglichen Eintritt in die Entwicklungsphase, kommt.26 Am Ende des Suchprozesses liegen schließlich mehrere alternative Grobkonzepte zur Auswahl vor, die einer detaillierten methodischen Analyse zu unterziehen sind, um ihre technischen, marktbezogenen und finanziellen Implikationen deutlich und vergleichbar zu machen. Eine solche systematische Generierung und Evaluation alternativer, z. T. kontr¨arer Gestaltungs- und Handlungsoptionen ist im allgemeinen gut geeignet, um schlechtstrukturierte Probleme ( messes“) zu behandeln. Je gegens¨atzlicher dabei die Optionen ausge” staltet werden, desto eher gelingt es, die den verschiedenen Ans¨atzen zugrundeliegenden Annahmen aufzudecken und infragezustellen.27 Neben der Tatsache, dass diese dialektische Alternativenanalyse kritische Annahmen und Hypothesen explizit machen kann, 21

Rosenthal (1992), S. 128ff.

22

Specht und Beckmann (1996), S. 144.

23

Hauschildt (2004), S. 371.

24

Specht und Beckmann (1996), S. 144.

25

Hauschildt (2004), S. 389.

26

Morris (1998), S. 10.

27

Mitroff und Emshoff (1979), S. 2.

4.2. Planung von Innovationsvorhaben

61

hilft sie auch, das Management-Commitment f¨ ur einzelne Alternativen zu reduzieren und damit die Gefahr zu senken, dass sp¨ater eine offensichtlich aussichtslose Option blind weiterverfolgt wird ( commitment to a loosing course of action“, vgl. auch Abschnitt ” 4.3.1).28

Methodische Businessplan-Analyse Ist der L¨osungsraum auf eine geringe Zahl von Alternativen eingegrenzt, deren technische und wirtschaftliche Realisierbarkeit auf den ersten Blick nicht utopisch erscheint, so muss die Auswahlentscheidung vor Aufnahme der eigentlichen Produktentwicklung und dem damit verbundenen Ressourcen-Commitment vorbereitet werden. Hierf¨ ur ist ein Businessplan bzw. Detailkonzept zu erarbeiten, in dem eine konsistente Projektstrategie zur Erreichung der Innovationsziele entwickelt und als sp¨atere Entscheidungsgrundlage aufbereitet wird.29 Erfahrungen zeigen, dass diese Validierungsphase von eminenter Wichtigkeit zur Vermeidung sp¨aterer Fehlschl¨age ist und – bei gr¨ undlicher Ausf¨ uhrung – zwischen drei und sechs Prozent der sp¨ateren aggregierten Projektkosten verursachen kann.30 Ausgangspunkt der Konzeptentwicklung ist idealtypischerweise zun¨achst die Identifizierung eines attraktiven Markt- oder Gesch¨aftsfelds durch die Analyse der eigenen Leistungspotenziale sowie der Marktchancen und -risiken. Hierunter fallen beispielsweise die Untersuchung und Prognose von Kundenbed¨ urfnissen, Technologielebenszyklen oder reguurfnissen sind dann latorischen Rahmenbedingungen.31 Aus den identifizierten Kundenbed¨ im n¨achsten Schritt die zentrale Value Proposition und die geforderten Leistungsmerkmale ur jedes der relevanten Alternativkonzepte ist des zuk¨ unftigen Produktes abzuleiten.32 F¨ ein vorl¨aufiges technisches L¨osungskonzept zu erarbeiten, das zwar noch nicht die detaillierten Design-Spezifikationen umfasst, aber bereits die wesentlichen Funktionsstrukturen, Technologien und Wirkprinzipien beschreibt.33 Abschließend sind die finanziellen und strategischen Implikationen der Konzeptvarianten zu erarbeiten, da nur deren Vergleich untereinander bzw. mit dem bestehenden Zustand ein Urteil u ¨ber die Vorteilhaftigkeit des Innovationsvorhabens erlaubt.34 Da¨ bei stellt vor allem die Ubersetzung des realwirtschaftlichen Gesch¨aftsmodells in harte

28

Eisenhardt (1989), S. 558.

29

Specht und Beckmann (1996), S. 145.

30

Morris (1998), S. 11.

31

Bacon et al. (1994), S. 33ff.; Khurana und Rosenthal (1997), S. 104f.; Rosenau und Moran (1993), S. 60ff.; Urban und Hauser (1993), S. 130ff. und 222ff.

32

Chesbrough und Rosenbloom (2001), S. 58f.; Khurana und Rosenthal (1997), S. 105.

33

Specht und Beckmann (1996), S. 149.

34

Hauschildt (1991), S. 395.

4. Planung, Steuerung und Erfolg von Innovationsprojekten

62

Finanzzahlen im Innovationskontext eine besondere Herausforderung dar.35 Die hierf¨ ur durchzuf¨ uhrenden Modellrechnungen sollten zwar aufgrund der hohen Unsicherheiten tendenziell pragmatisch gehandhabt werden, aber doch die Simulation unterschiedlicher Markt- und Umfeldszenarien und die Analyse der Ergebnis-Sensitivit¨at hinsichtur solche Senlich zentraler Planungsparamter erlauben.36 Ein anspruchsvolles Beispiel f¨ sitivit¨atsbetrachtungen bildet die bei Browning et al. (2002) dargestellte Performance Risk-Analyse.37 Neben der Betrachtung harter Finanzzahlen muss vor einer Entscheidung u ¨ber die Aufnahme der eigentlichen Produktentwicklung aber auch der Fit des Vorhabens mit der strategischen Ausrichtung des Unternehmens oder Gesch¨aftsbereiches sowie den grundlegenden Kernkompetenzen des Unternehmens beurteilt werden.38 So zeigt die Analyse zahlreicher Fallstudien, dass innovative Vorhaben, die auf bereits bestehenden Kompetenzen aufsetzen und einen klar definierten Beitrag zur strategischen Gesch¨aftsentwicklung erbringen sollen, im sp¨ateren Prozessverlauf weniger Ziel¨anderungen unterworfen sind und insgesamt h¨ohere Erfolgsraten besitzen.39 Fit Weiterhin ist es bei wirklich neuen Produkten wegen der mit ihnen verbundenen hohen finanziellen Risiken und der meist sehr langen Zeit bis zur Markteinf¨ uhrung besonders wichtig, dass ihre Integration in die langfristige Unternehmensplanung und ihr Fit mit der Unternehmensstrategie sichergestellt wird. Nur wenn diese speziellen Produktinnovationen als zentral f¨ ur die Unternehmensstrategie gelten, werden hinreichende Ressourcen eingesetzt und das notwendige Durchhalteverm¨ogen aufgebracht, um solche schwierigen Projekte zum Erfolg zu f¨ uhren.40 Ausgehend von der zuvor erfolgten methodischen Analyse des Gesch¨aftsplanes muss daher noch vor Eintritt in die eigentliche Entwicklungsphase untersucht werden, inwieweit das Vorhaben zur Umsetzung strategischer Unternehmensziele beitr¨agt und ob es dabei von den eigenen Kernkompetenzen profitieren kann.41 Erfolgswirkung bei innovativen Projekten Die im letzten Abschnitt dargestellten Elemente systematischer Businessplanung sollen im Folgenden auf ihre Erfolgswirkung im Rahmen von Innovationsprojekten untersucht werden. Dabei muss allerdings weit35

Chesbrough und Rosenbloom (2001), S. 59.

36

Jovanovi´c (1999), S. 218ff.; Morris (1998), S. 11; Rosenau und Moran (1993), S. 57. Eine ausf¨ uhrliche Beschreibung von Sensitivit¨ atsanalysen als Bestandteil der Modellanalyse findet sich bei Saltelli et al. (2000).

37

Browning et al. (2002), S. 446f.

38

Khurana und Rosenthal (1997), S. 112.

39

Bacon et al. (1994), S. 39f.

40

Deszca et al. (1999), S. 616.

41

Hamilton (2002), S. 132.

4.2. Planung von Innovationsvorhaben

63

gehend auf Analogieschl¨ usse auf der Basis von Arbeiten der Gr¨ undungsforschung und dem strategischen Management zur¨ uckgegriffen werden, da die positive Erfolgswirkung der Businessplanung zwar in allgemeinen empirischen Studien der Neuproduktforschung tendenziell belegt werden konnte,42 konzeptionelle Arbeiten zu dem Themenkreis bisher allerdings kaum existieren. Die Durchf¨ uhrung von Aktivit¨aten der Businessplanung dient zun¨achst der Befriedigung von Informationsbed¨ urfnissen und hilft dem Projektteam, potentielle zuk¨ unftige Probleme zu antizipieren. Eine solche analytische Vorbereitung erm¨oglicht es relativ schnell, gangbare L¨osungen und Kontingenz-Szenarien zu definieren, ohne dass sich das Projektteam auf zeitintensives Trial-and-Error Lernen verlassen muss.43 Die Vorabplanung f¨ordert proaktives Lernen, also das Erkennen kausaler Zusammenh¨ange, bevor Handlungen eingeleitet werden, und f¨ uhrt zu Zeiteinsparungen, da schon vor Beginn der Implementationsphase wichtige Fragen detailliert analysiert werden k¨onnen.44 ¨ Vor dem Hintergrund dieser Uberlegungen erscheint daher die Vermutung plausi¨ bel, dass Planungsaktivit¨aten generell eine positive Erfolgswirkung haben. Ubersichten u ¨ber die empirische Planungsforschung zeigen jedoch, dass hinsichtlich solcher und ¨ahnlicher Wirkungsbeziehungen h¨aufig die jeweiligen Kontextfaktoren, also die relevanten Moderator- und Mediatorvariablen, vernachl¨assigt werden und damit die eigentlichen Wirkungszusammenh¨ange unverstanden bleiben.45 So konnten Studien und Metaanalysen der strategischen Managementforschung sowohl positive als auch negative Wirkungen von strategischer Planung auf den Unternehmenserfolg nachweisen.46 Weiterhin erweisen Studien auf dem Gebiet der Gr¨ undungsforschung, dass sich Gesch¨aftsgr¨ undungen auch ohne vorherige formale Planung als sehr erfolgreich erweisen k¨onnen (so z. B. im Fall der Firma Apple), w¨ahrend andere Firmen trotz intensiver Vorabplanung einen Fehlstart erleiden k¨onnen.47 Nach Ansicht von Castrogiovanni (1996) besteht folglich kein direkter logischer Zusammenhang zwischen Planungsaktivit¨aten und Erfolgsgr¨oßen. Stattdessen sei immer eine transitive Wirkung u ¨ber Mediatorvariablen zu unterstellen.48 Als eine Mediatorgr¨oße zwischen Planung und Erfolgsgr¨oßen im engeren Sinnen postu-

42

Vgl. hierzu die Zusammenfassung der Befunde in Tabelle 5.7 auf S. 142.

43

Delmar und Shane (2003), S. 1168.

44

Castrogiovanni (1996), S. 808.

45

Pearce et al. (1987a), S. 671.

46

Positive Zusammenh¨ ange werden u. a. von Bracker et al. (1988), S. 597, Capon et al. (1994), 109, und Robinson und Pearce (1984) berichtet. Robinson und Pearce (1983), S. 202, finden keinen Zusammenhang zwischen formeller Planung und Erfolg, w¨ ahrend Rue und Fulmer (1973), S. 72, sogar einen negativen Zusammenhang berichten.

47

Castrogiovanni (1996), S. 802.

48

Castrogiovanni (1996), S. 803f.

4. Planung, Steuerung und Erfolg von Innovationsprojekten

64

liert Castrogiovanni (1996) die Effizienz der Projektplanung und -implementation. Ist eine Fr¨ uhphasenplanung erfolgt, so kann die Kommunikation ihrer Ergebnisse zu verbesserter Koordination und damit letztendlich zu verminderten Kosten f¨ uhren.49 Die Kommunikation des Businessplans und der zentralen Vorhabensziele bildet den Ausgangspunkt f¨ ur die operative Projektplanung, indem sie die Definition zentraler Meilensteine vorbereitet und die Erwartungen der zentralen Stakeholder des Vorhabens auf die Erreichung dieser Meilensteine hin fokussiert.50 Daneben stellt die Businessplanung auch die Grundlage zur Ressourcenplanung bereit, indem sie zentrale Ziele fixiert und damit Priorit¨aten f¨ ur einzelne Projektphasen herausarbeitet. Hierdurch kann der jeweilige Ressourcenbedarf fr¨ uhzeitig abgesch¨atzt und Engp¨asse nach M¨oglichkeit vermieden werden.51 Durch die Betrachtung von Kontingenz-Szenarien und die Vorbereitung der Meilensteindefinion bildet die Businessplanung also die Grundlage f¨ ur Risikomanagement und Projektplanung, so dass zusammenfassend die folgenden Aussagen festgehalten werden k¨onnen: Aussage 4.1: Die Durchf¨ uhrung von Aktivit¨aten der Businessplanung f¨ uhrt zu gesteigerter Intensit¨at der Projektplanung. Aussage 4.2: Die Durchf¨ uhrung von Aktivit¨aten der Businessplanung f¨ uhrt zu gesteigerter Intensit¨at des Risikomanagement. Im Zusammenhang mit hochgradig innovativen Vorhaben, die sich ausgiebiger Planung im Wesentlichen zu entziehen scheinen, stellt sich hieran anschließend die Frage, ob diese Aussagen einer Qualifikation hinsichtlich des Innovationsgrads bed¨ urfen. Zur Untersuchung dieser Frage soll Businessplanung wiederum als Prozess zur Reduktion von Unsicherheiten interpretiert werden, mit denen sich das Management konfrontiert sieht. Die Entwicklung wirklich neuer Produkte erfordert ein besonderes Maß an Ver¨anderungen und Lernanstrengungen von Seiten des innovierenden Unternehmens und geht mit einem ur Produkte, die sich als hohen Grad an Unsicherheit einher.52 Dies gilt insbesondere f¨ grundlegend neu f¨ ur das innovierende Unternehmen erweisen oder den Einsatz v¨ollig neuer Technologien erfordern. Je gr¨oßer die hier herrschende Unsicherheit ist, desto wichtiger sind die durch Planungs- und Marktforschungst¨atigkeiten induzierten Lernprozesse.53 So stellt Armstrong (1982, S. 202) fest:

49

Grinyer et al. (1986).

50

Bird (1992), S. 15.

51

Delmar und Shane (2003), S. 1168; MacMillan und Narasimha (1987).

52

Lawton und Parasuraman (1980); Moenaert und Souder (1990).

53

Ottum und Moore (1997), S. 263.

4.2. Planung von Innovationsvorhaben

65

As uncertainties increase, the organization can benefit by planning to deal ” with these uncertainties . . . My hypothesis is that over a practical range for uncertainty, high uncertainty would require more planning.“ Unsicherheit kann also Planungsprozesse stimulieren, so dass grunds¨atzlich davon auszugehen ist, dass mit steigendem Innovationsgrad eines Projektes erh¨ohte Anforderungen an das Planungssystem gestellt werden. Dabei darf jedoch nicht vernachl¨assigt werden, dass mit steigender Unsicherheit auch die Kosten f¨ ur ihre Beseitigung zunehmen, beispielsweise aufgrund der von Managern oder Planungsexperten aufgewendeten Arbeitszeit, und sich eventuell auch ein optimaler Grad an Planung herleiten ließe.54 Dennoch soll hier die zun¨achst die folgende Vermutung festgehalten werden: Aussage 4.3: Je h¨oher der Innovationsgrad eines Projektes ist, desto wichtiger ist die Businessplanung als Vorbereitung f¨ ur Projektplanung und Risikomanagement (positiver Interaktionseffekt).

4.2.2

Zieldefinition

Unter Zielen55 sollen hier in Anlehnung an Hauschildt (1977) normative Aussagen von Entscheidungstr¨agern verstanden werden, die einen gew¨ unschten, von ihnen oder anderen anzustrebenden, zuk¨ unftigen Zustand der Realit¨at beschreiben.56 Mit der Entscheidung zur Aufnahme der eigentlichen Produktentwicklung werden in der Regel auch strategische Zielvorgaben formuliert, die sich auf einzelne Dimensionen des Businessplanes zur¨ uckf¨ uhren lassen. Dabei handelt es sich in der hier betrachteten fr¨ uhen Phase der Produktplanung meist noch um die Etablierung u ¨bergeordneter, eher vision¨are Ziele,57 die beim Entwurf der Produktkomponenten schrittweise zu operationalen Zielen konkretisiert werden.58 Gerade bei innovativen, komplexen Projekten sind die Ziele in dieser ussen in enger Projektphase weder vollst¨andig, noch klar, noch wohlgeordnet,59 sondern m¨ Verzahnung mit dem eigentlichen Probleml¨osungsprozess operationalisiert werden.60 54

Ramanujam et al. (1986), S. .

55

Erg¨ anzen mit Simon (1964) und Heath et al. (1999).

56

Hauschildt (1970), S. 551.

57

Vgl. beispielsweise Latham und Locke (1995), Sp. 2223f. zur Unterscheidung u ¨bergeordneter und spezifischer Ziele.

58

Specht und Beckmann (1996), S. 145.

59

Gem¨ unden (1995), S. 252; Greenwood (1981), S. 226.

60

Drucker (1976), S. 19. Vgl. f¨ ur eine umfassende Behandlung der Zielbildung in innovativen Entscheidungsprozessen auch Hauschildt (1977).

4. Planung, Steuerung und Erfolg von Innovationsprojekten

66

Der Zielfindungsprozess u uhen Projektphasen eine Koordinationsfunktion aus, ¨bt in fr¨ indem er dem Projektteam hilft, ein gemeinsames Verst¨andnis f¨ ur die Strategie zu entwickeln, die im Rahmen des Vorhabens zu verfolgen ist, sowie f¨ ur m¨ogliche Wege, diese 61 Strategie umzusetzen. Teams entwickeln auf diese Weise gemeinsame mentale Modelle, die zu einer Formalisierung bestimmter Rollen, Standards und Arbeitsabl¨aufe f¨ uhren und damit das Potential f¨ ur Missverst¨andnisse und den Bedarf an kontinuierlicher Informationsinterpretation senken.62 Daneben besitzen Ziele auch eine verhaltenssteuernde Wirkung, beispielsweise als Motivation, eine erlebte Diskrepanz zwischen Soll und Ist zu u ¨berwinden, als Einschr¨ankung des Raumes m¨oglicher Probleml¨osungsm¨oglichkeiten (kognitive Funktion) oder als Ausgleich unterschiedlicher Interessen (Konfliktregulierungsfunktion).63 Allerdings kann ein hierarchischer Zielplanungsprozess h¨aufig auch zu starre und enge Vorgaben nach sich ziehen. Zu geringer Handlungsspielraum demotiviert, er beeintr¨achtigt die Flexibilit¨at und Reagibilit¨at des Systems, weil aufwendige Zielrevisionsprozesse durchlaufen werden m¨ ussen. Außerdem ist es nicht ¨okonomisch, unter hoher Unsicherheit zu genau zu planen – es ergibt sich ein Optimierungsproblem hinsichtlich der uhrungsaufgaben, bei Zielklarheit.64 Vor diesem Hintergrund z¨ahlt es zu den wichtigsten F¨ der Zielformulierung jeweils den richtigen Grad an Zielh¨ohe, Zielspezifit¨at und Partizipation der Mitarbeiter zu realisieren.65 Zielh¨ ohe Die Motivationsfunktion anspruchsvoller Ziele und ihr Einfluss auf die Zielerreichung z¨ahlt zu den am intensivsten untersuchten Zusammenh¨angen in der Organisationstheorie.66 Einen zentralen Beitrag hat hier die Zielsetzungstheorie von Locke und Latham geleistet, deren Kernaussage darin besteht, dass h¨oher gesetzte Ziele auch zu h¨oheren realisierten Leistungen f¨ uhren, wenn sie nur hinreichend pr¨azise und innerhalb realistischer Leistungsgrenzen formuliert sind.67 Der Zusammenhang zwischen Zielsetzung und Leistung wird durch eine Reihe von Moderatoren beeinflusst, von denen im Zusammenhang mit Innovationsvorhaben wiederum die Aufgabenkomplexit¨at von besonderer Bedeutung ist:68 Mit steigender Komplexit¨at der Aufgabe steht die Entwicklung neuer

61

McComb et al. (1999), S. 7.

62

Carley und Palmquist (1992), Weick (1993).

63

Gem¨ unden (1995), S. 254.

64

Gem¨ unden (1995), S. 259.

65

Gebert (1995), Sp. 428ff.

66

So bemerken Mento et al. (1987, S. 74): If there is ever to be a viable candidate from the organizatio” nal scienes for elevation to the lofty status of a scientific law of nature, then the relationships between goal difficulty, difficulty/specificity and task performance are most worthy of serious considerations.“

67

Vgl. hierzu u. a. Locke und Latham (1990), S. 27ff.

68

Gem¨ unden (1995), S. 255.

4.2. Planung von Innovationsvorhaben

67

Probleml¨osungsstrategien im Vordergrund, w¨ahrend Faktoren wie Anstrengung und Ausdauer an Bedeutung verlieren und der Zusammenhang zwischen Zielniveau und Leistung folglich schw¨acher wird. Dieser Moderatoreffekt konnte – wie bereits oben im Fall der Zielspezifit¨at – auf individualpsychologischer Ebene durch die Metaanalysen von Wood et al. (1987) und Wright (1990) belegt werden, w¨ahrend auf der Ebene der Gruppenziele wiederum nur der Haupteffekt nachgewiesen wurde.69 Da jedoch die Entwicklung neuer Probleml¨osungsstrategien gerade im Rahmen von Innovationsprojekten, bei denen oft starke Unsicherheit hinsichtlicher technischer Zusammenh¨ange und funktioneller Pr¨aferenzen der ¨ zuk¨ unftigen K¨aufer besteht, von besonderer Relevanz ist, wird hier die Ubertragbarkeit des Zusammenhanges vermutet und daher die folgende Aussage festgehalten: Aussage 4.4: Je h¨oher das Anspruchsniveau hinsichtlich bestimmter Vorhabensziele gesetzt wird, desto h¨oher f¨allt auch die Zielerreichung in der entspechenden Erfolgsdimension aus. Mit zunehmendem Innovationsgrad wird dieser Zusammenhang schw¨acher ausgepr¨agt sein (negativer Interaktionseffekt). Zielspezifit¨ at In den fr¨ uhen Phasen von Innovationsvorhaben k¨onnen meist nur u ¨bergeordnete Ziele oder Visionen formuliert werden, die vergleichsweise abstrakt und allgemein gehalten sind. Diese Allgemeinheit erschwert die Messung der Zielgr¨oßen und damit die Beurteilung des erreichten Fortschrittes in Richtung der Ziele, die folglich Gefahr laufen, als leeres Gerede“ betrachtet zu werden und Zynismus bei Mitarbeitern ” auszul¨osen.70 Im Gegensatz dazu kann vermutet werden, dass mit zunehmender inhaltlicher Spezifizierung des Zieles auch die Leistung der Mitarbeiter steigt. Theoretisch l¨asst sich dies dadurch begr¨ unden, dass u ¨ber eine hohe Zielspezifizierung die Ableitbarkeit zielf¨orderlicher Handlungspl¨ane steigt, so dass auch das Zielcommitment und damit die Zielerreichungswahrscheinlichkeit zunehmen.71 Die erfolgssteigernde Wirkung spezifischer Ziele konnte zwar zun¨achst in zahlreichen empirischen Studien auf dem Gebiet der angewandten Psychologie tendenziell best¨atigt werden,72 dennoch wird die Allgemeing¨ ultigkeit dieses Zusammenhanges mittlerweile zunehmend bezweifelt. Insbesondere f¨ ur den Fall komplexer Aufgaben wird hervorgehoben, dass zu spezifische Zielsetzungen die Verfolgung subobtimaler L¨osungsprozesse nach sich ziehen k¨onnen,73 statt den notwendigen Raum f¨ ur die Entwicklung einer Meta-Strategie“, also einer Strategie zum ” 69

Wood et al. (1987), S. 420; Wright (1990), S. 230; O’Leary-Kelly et al. (1994), S. 1294.

70

Latham und Locke (1995), Sp. 2223f.

71

Gebert (1995), Sp. 428.

72

¨ Vgl. hierzu unter anderem den Uberblicksartikel Locke et al. (1981).

73

Baumler (1971); Huber (1985); Klein (1989), S. 155.

4. Planung, Steuerung und Erfolg von Innovationsprojekten

68

explorativem Erlernen der Aufgabe, zu lassen.74 Empirische Best¨atigung erfahren diese Argumente – zumindest auf der Ebene von Individualzielen – durch die umfassende Metaanalyse von Wood et al. (1987), in der ein negativer Interaktionseffekt zwischen der Zielspezifit¨at und der Aufgabenkomplexit¨at nachgewiesen werden kann: Die positiven Leistungseffekte spezifischer Ziele sind bei einfachen Aufgaben h¨oher als bei komplexen.75 Weniger gut untersucht wurde dieser Zusammenhang auf der Ebene von Gruppenzielen: So best¨atigt die Metaanalyse von O’Leary-Kelly et al. (1994) zwar die generell leistungssteigernde Wirkung spezifischer Ziele, untersucht jedoch nicht die Interaktion mit der ¨ der Aussagen auf die f¨ ur Aufgabenkomplexit¨at.76 Dennoch wird hier die Ubertragbarkeit Innovationsprojekte typische Gruppenkonstellation vermutet und die folgende Aussage festgehalten: Aussage 4.5: Je spezifischer die zentralen Ziele des Vorhabens formuliert werden, desto h¨oher f¨allt die Zielerreichung in den entspechenden Erfolgsdimensionen aus. Mit zunehmendem Innovationsgrad wird dieser Zusammenhang jedoch schw¨acher ausgepr¨agt sein (negativer Interaktionseffekt). Partizipation Neben der erfolgssteigernden Wirkung spezifischer, anspruchsvoller Ziele kann aufgrund verschiedener theoretischer Argumente auch vermutet werden, dass die Partizipation von Teammitgliedern bei der Zielbildung und -festlegung erfolgsf¨ordernd wirkt, beispielsweise u ¨ber die h¨ohere erzielte Qualit¨at bei der Zielformulierung, die Verbindlichkeit der Zielvorgaben und die Reduktion der im Team auftretenden Konflikte.77 Im Rahmen kognitiver Modelle wird u. a. hervorgehoben, dass Mitarbeiter in partizipativen Entscheidungsprozessen ihren speziellen Erfahrungshintergrund st¨arker einbringen k¨onnen, wodurch eine breitere Wissenbasis zur Verf¨ ugung steht und besser informierte Entscheidungen getroffen werden k¨onnen. Daneben sind die Mitarbeiter durch die Teilnahme an der Entscheidungsvorbereitung bereits besser auf die Umsetzungsphase vorbereitet.78 Affektive Ans¨atze stellen dagegen Motivationseffekte in den Vordergrund. Die Grundannahme besteht zun¨achst darin, dass Partizipation im Entscheidungsprozess zur Befriedigung h¨oherer Bed¨ urfnisse, wie z. B. Selbstwertgef¨ uhl und Anerkennung von anderen, f¨ uhrt. Die Befriedigung dieser Bed¨ urfnisse f¨ uhrt wiederum zu h¨oherer Zufriedenheit der Mitarbeiter und st¨arkt dadurch ihre Motivation und Produktivit¨at.79 74

Earley et al. (1989), S. 32.

75

Wood et al. (1987), S. 420.

76

O’Leary-Kelly et al. (1994), S. 1294.

77

Gem¨ unden (1995), S. 258.

78

Miller und Monge (1986), S. 730.

79

French et al. (1960), S. 5; Ritchie und Miles (1970), S. 348.

4.2. Planung von Innovationsvorhaben

69

Betrachtet man allerdings die tats¨achlich vorliegenden empirischen Befunde der Organisationsforschung und angewandten Psychologie, so ist zu konstatieren, dass bislang keine Einigkeit dar¨ uber erzielt werden konnte, ob Partizipation tats¨achlich zu h¨oherer Leistung f¨ uhrt und welche Mediatorvariablen diesen Effekt eventuell vermitteln.80 Die Metaanalyse von Miller und Monge (1986) zur partizipativen Entscheidungsfindung81 identifiziert zun¨achst mit einer mittleren Effektst¨arke ρ = 0, 34 einen starken Zusammenhang zwischen Partizipation und Zufriedenheit.82 Die Wirkung der Partizipation auf die Produktivit¨at f¨allt dagegen mit ρ = 0, 15 vergleichsweise gering aus und betr¨agt insbesondere bei Studien, die speziell die Wirkung von Zielsetzung untersuchen, nur ρ = 0, 11.83 Die Untersuchung von Wagner und Gooding (1987) stellt eine methodische Erweiterung fr¨ uherer Metaanalysen zu diesem Thema dar, indem sie zwischen Arbeiten mit Percept-PerceptInflation84 und solchen, die Informationen aus verschiedenen Quellen erheben, unterscheidet. Im Ergebnis der Arbeit zeigt sich, dass ein deutlicher Unterschied zwischen den Arbeiten der ersten und denen der zweiten Kategorie festzustellen ist: W¨ahrend die mittlere Effektst¨arke im Percept-Percept-Paradigma ρ = 0, 454 betr¨agt, lassen sich Studien, die verschiedene Informationsquellen heranziehen, durch die deutlich niedrigere Effektst¨arke ρ = 0, 108 zusammenfassen. Ein sehr ¨ahnliches Resultat ergibt sich auch beim Effekt der Partizipation auf die Mitarbeiterzufriedenheit (ρ = 0, 423 vs. ρ = 0, 109), w¨ahrend die Ergebnisse hinsichtlich des Motivationseffektes ausgeglichener sind (ρ = 0, 347 vs. ρ = 0, 252).85 Die Wirkung partizipativer Entscheidungsfindung und Zielsetzung auf die Produktivit¨at von Mitarbeitern kann also nach dem derzeitigen Stand der Forschung als gering eingestuft werden, was auch eine Reihe gezielter Experimente zur Kl¨arung der widerspr¨ uchlichen Befunde zeigt.86 Hinsichtlich des m¨oglichen Einflusses situationsbezogener Moderatorvariablen, wie z. B. Aufgabenkomplexit¨at oder -neuartigkeit, liegen keine signifikanten Befunde vor.87 Dagegen kann es als gesicherte Tatsache angesehen werden, dass partizipative Entscheidungsfindung zumindest die Informationsbasis bei der Entscheidungsfindung bereichert und somit letztendlich zu besseren Entscheidungen f¨ uhrt: Aussage 4.6: Partizipation im Prozess der Planung und Entscheidungsfin80

Gebert (1995), Sp. 429f.; Latham und Locke (1995), Sp. 2224f.

81

Dieser Forschungszweig wird im englischsprachigen Raum auch als PDM (Participation in Decision Making) bezeichnet.

82

Miller und Monge (1986), S. 740.

83

Miller und Monge (1986), S. 742.

84

Vgl. Abschnitt 7.2

85

Wagner und Gooding (1987), S. 532.

86

Latham et al. (1988), S. 767.

87

Wagner und Gooding (1987), S. 532.

4. Planung, Steuerung und Erfolg von Innovationsprojekten

70

dung f¨ uhrt zu besser informierten Entscheidungen und steigert dadurch die Planungsqualit¨at. Partizipation im Rahmen der eigentlichen Zielsetzung hat jedoch keinen direkten Einfluss auf die Erreichung der Vorhabensziele. Beide Zusammenh¨ange sind unabh¨angig von der H¨ohe des Innovationsgrads.

4.2.3

Projektplanung

Ausgehend von der zentralen Projektvision, die im Rahmen der Businessplanung in konkretere Technologie-, Markt- und Finanzzielen u ¨bersetzt wird, ist es das zentrale Anliegen der Projektplanung, die zur operativen Durchf¨ uhrung notwendige Aufgabenstrukturierung, Ablaufplanung und Ressourcenplanung vorzunehmen. Zun¨achst ist es notwendig, das Vorhaben durch einen Projektstrukturplan systematisch in zweckm¨aßige Teilaufgaben zu gliedern. Hierauf bauen sowohl die Ablauf- und Terminplanung als auch die Ressourcenzuweisung zu einzelnen Arbeitspaketen auf. Diese Elemente der Projektplanung werden in den folgenden Abs¨atzen n¨aher dargestellt. Projektstrukturplanung F¨ ur die Planung und Bearbeitung von Projekten ist es erforderlich, die globale Aufgabenstellung in sinnvolle Teilaufgaben bzw. Arbeitspakete zu gliedern. Als Grundlage der Gliederung wird ein Projektstrukturplan (Work Breakdown Structure) erstellt, der den Ausgangspunkt f¨ ur die gesamte weiterf¨ uhrende Projektplaullen kann, muss zun¨achst nung bildet.88 Damit der Projektstrukturplan diese Rolle erf¨ sichergestellt werden, das er tats¨achlich alle wesentlichen Aufgabenbereiche umfasst, da ansonsten die Gefahr besteht, dass die Produktspezifikation in wesentlichen Punkten verfehlt werden k¨onnte.89 Das Projekt kann durch die Gliederung in Aufgaben und Teilaufgaben bis hin zu Arbeitspaketen als voneinander abgegrenzte und damit unabh¨angige Teilschritte hierarchisch dargestellt werden.90 Ein Arbeitspaket ist eine in sich geschlossene Arbeitsmenge mit einem vordefinierten, eindeutigen und nachweisbaren Ergebnis. Es bildet die Basis f¨ ur Planung, Vorgabe, Kontrolle, Abnahme und Freigabe von Ergebnissen im Projekt und meist die kleinste Einheit, auf der Kosten geplant und gesammelt werden. Durch die hierarchische Systematisierung der Leistungsstruktur stellt der Projektstrukturplan gewissermaßen das Organigramm des Projektes dar und kann als zentrales Managementinuhrung strument fungieren.91 Die strukturierte Zusammenfassung aller zur Projektdurchf¨ 88

Bullinger (1996a), S. 37

89

Rosenau und Moran (1993), S. 83.

90

Bullinger (1996a), S. 37

91

Simons und Lucarelli (1998), S. 159f.

4.2. Planung von Innovationsvorhaben

71

zu erbringenden Leistungen bildet zun¨achst die Grundlage der Projektfortschrittskontrolle, des Berichtswesens und der Projektdokumentation und kann schließlich auch f¨ ur den Aufbau von Projektdatenbanken herangezogen werden.92 Daneben bildet der Projektstrukturplan den Ausgangspunkt f¨ ur das Schnittstellenmanagement innerhalb des Projektes: Indem f¨ ur jedes Arbeitspaket Hauptverantwortung, Zustimmungspflicht, Beratungsrolle, etc. verschiedener Mitarbeiter festgestellt wird, k¨onnen Schnittstellen und Kommunikationsbedarf zwischen Projektgruppen oder einzelnen Projektmitgliedern ermittelt werden. Schließlich dient er als Grundlage f¨ ur die Ber¨ ucksichtigung zeitlicher Interdendenzen im Rahmen der Ablaufplanung.93

Ablauf- und Terminplanung Die aufgabenlogischen Zusammenh¨ange der definierten Arbeitspakete und die meist knappen Personalressourcen grenzen den Spielraum ein, der f¨ ur die Planung des Projektablaufes bleibt. Dar¨ uber hinaus soll h¨aufig die Gesamtdauer des Vorhabens minimiert werden.94 Vor diesem Hintergrund muss die logische Struktur des Projektstrukturplanes unter rein zeitlichen Gesichtspunkten aufgeschl¨ usselt und damit einer zeitlichen Optimierung des entstehenden Netzwerkes zug¨anglich gemacht werden.95 Zun¨achst ist ein Ablaufplan zu erstellen, der die Arbeitspakete logisch von Projektbeginn bis -ende anordnet und ihre wechselseitigen Abh¨angigkeiten abbildet. Im darauffolgenden Schritt k¨onnen die so definierten Aktivit¨atssequenzen mit Zeitdauern belegt werden und der Zeitverlauf berechnet werden, wobei je nach Komplexit¨at des Projektes Balkendiagramme oder verschiedene Netzplantechniken zum Einsatz kommen k¨onnen.96 Allerdings erschwert die geringe Determinierbarkeit von Innovationsprojekten die exakte Ausarbeitung von Netzpl¨anen, und ein mit großem Aufwand erstellter Netzplan spiegelt ur eine nicht notwendigerweise den tats¨achlichen Projektverlauf wider.97 Unverzichtbar f¨ sp¨atere Leistungskontrolle ist aber zumindest die Festlegung von Meilensteinen, die wichtige Ereignisse im Projektverlauf sowie oft auch das Ende wohldefinierter Projektphasen kennzeichnen und im Rahmen der Projektsteuerung Freigabecharakter haben, also zur F¨allung der zentralen Go/No-Go-Entscheidungen bzw. zur Ressourcenanpassung genutzt werden.98

92

Madauss (1994), S. 193f.

93

Meredith und Mantel (1995), S. 221ff.

94

Seibt (1989), Sp. 1669.

95

Bullinger (1996a), S. 38.

96

Gido und Clements (1998), S. 177ff.; Meredith und Mantel (1995), S. 207ff. und S. 332ff.

97

Bullinger (1996b), S. 45.

98

Hart et al. (2003), S. 22ff.

4. Planung, Steuerung und Erfolg von Innovationsprojekten

72

Ressourcenplanung Arbeitspakete werden geeigneten Aufgabentr¨agern zur Abwicklung u ur eine erfolgreiche Abwicklung ist, dass gen¨ ugend der¨bertragen. Voraussetzung f¨ artige Aufgabentr¨ager f¨ ur die Zwecke des Projektes zur Verf¨ ugung gestellt werden und ihre Kapazit¨at ausreicht, um ein Projekt in einem bestimmten gew¨ unschten Zeitraum abzuwickeln.99 Diese Voraussetzungen werden mittels der Ressourcen- bzw. Einsatzmittelplanung geschaffen, die auf der Struktur-, Ablauf- und Terminplanung aufbaut und die Grundlage f¨ ur den Kosten- und Finanzierungsplan bildet. Hierzu m¨ ussen die im Projekt ben¨otigten Kapazit¨aten erhoben und mit der Linie sowie anderen Projekte abgeglichen werden, um eventuelle Engp¨asse zu identifizieren.100 Die Engpassanalyse ist von eminenter Wichtigkeit, da sich hier zeigt, ob zentrale Ressourcen, beispielsweise Entwicklungsingenieure mit besonderer Kompetenz auf einem f¨ ur die Innovation relevanten Technologiesektor, zum geforderten Zeitpunkt u ¨berhaupt zur Verf¨ ugung stehen oder eventuell bereits anderweitig eingesetzt sind. Eventuell auftretende Ressourcenkonflikte k¨onnten den gesamten Projektplan gef¨ahrden und in letzter Konsequenz ein Scheitern des Projektes nach sich ziehen.101 Ein Nachteil vieler Netzplanmethoden besteht gerade darin, dass sie vorrangig auf Ablaufaspekte fokussiert sind und dabei die Ressourcenallokation nicht oder nur unvollst¨andig ber¨ ucksichtigen. Daher sind bei komplexen Projekten gesonderte Techniken einzusetzen, um die Ressourcenauslastung und -verteilung – insbesondere im Multiprojekt-Umfeld – zu planen.102 Erfolgswirkung bei innovativen Projekten Im Gegensatz zur Businessplanung kann bei der Projektplanung davon ausgegangen werden, dass die Elemente der Struktur-, Ablauf- und Ressourcenplanung unabh¨angig vom Innovationsgrad eine wichtige Vorbereitung f¨ ur die eigentliche Projektdurchf¨ uhrung darstellen. Zum einen strukturieren sie den weiteren Prozess und zeichnen Projekt-Reviews an zentralen Meilensteinen vor, zum anderen kann ein formelles Durchdenken“ der Durchf¨ uhrungsphase ex ante dazu f¨ uhren, ” dass der Implementationsprozess geradliniger verl¨auft und weniger Plan- und Ressourcen¨anderungen mit sich bringt. Eine direkte Wirkung der Projektplanung auf den Vorhabenserfolg wird allerdings nicht unterstellt. Somit liegen die folgenden Aussagen nahe: Aussage 4.7: Je intensiver die Projektplanung durchgef¨ uhrt wird, desto strukturierter kann die Projektsteuerung in der eigentlichen Durchf¨ uhrungsphase erfolgen. Dieser Zusammenhang ist unabh¨angig von der H¨ohe des Innovationsgrads. 99

Seibt (1989), Sp. 1668.

100

Bullinger (1996a), S. 39f.

101

Rosenau und Moran (1993), S. 105f.

102

Meredith und Mantel (1995), S. 395ff. und 412ff.

4.2. Planung von Innovationsvorhaben

73

Aussage 4.8: Je intensiver die Projektplanung durchgef¨ uhrt wird, desto weniger Plan- und Ressourcen¨anderungen werden im Laufe der Durchf¨ uhrungsphase notwendig. Dieser Zusammenhang ist unabh¨angig von der H¨ohe des Innovationsgrads.

4.2.4

Risikomanagement

Der Terminus Risiko“ ist zun¨achst von Unsicherheit“ zu unterscheiden. Der forma” ” le Risikobegriff, der sich in der Entscheidungstheorie durchgesetzt hat, kn¨ upft an das Vorhandensein objektiver statistischer Wahrscheinlichkeiten f¨ ur den Eintritt zuk¨ unftiger Datenkonstellationen an und beschreibt Risiko als messbare Unsicherheit. Liegen dagegen keine oder nur subjektive Wahrscheinlichkeitsinformationen vor, so ist eine Entscheidungssituation unter Unsicherheit gegeben.103 St¨arker als dieser entscheidungstheoretische Risikobegriff hat sich in der betriebswirtschaftlichen Praxis die pragmatische Auffassung von Risiko als Maß der potentiellen Sch¨aden durchgesetzt, die auch im Folgenden verwendet unstige Abweichung“, also als Zielwerden soll.104 Hierbei wird Risiko einseitig als ung¨ ” verfehlung zur negativen Seite hin, beschrieben, g¨ unstige Abweichungen“ dagegen meist ” als Chance bezeichnet.105 Gerade Innovationsprojekte sind von Natur aus mit hohen Risiken verbunden, beispielsweise hinsichtlich der Fragen, ob das zuk¨ unftige Produkt die gew¨ unschten Leistungsmerkmale erreichen wird, ob die Bed¨ urfnisse potentieller Kunden angesprochen werden k¨onnen oder ob der Projektzeitplan eingehalten werden kann. Dieser Umstand ist nicht nur darauf zur¨ uckzuf¨ uhren, dass Innovationen Gebrauch von neuen, z. T. unvollst¨andig verstandenen Technologien machen und die Nachfrage, die sie befriedigen wollen, erst noch generieren m¨ ussen, sondern auch darauf, dass sie gerade auf die Destabilisierung von M¨arkten und die Erzielung u ¨berdurchschnittlicher Ertr¨age ausgerichtet sind.106 Die zentrale Aufgabe des projektbezogenen Risikomanagement liegt im Erkennen und Analysieren potentieller Projektrisiken sowie in der Risikohandhabung, d. h. dem Initiieren und Implementieren von Maßnahmen zur Minimierung dieser Risiken und ihrer m¨oglichen undel werden in folgenden Abs¨atzen n¨aher betrachtet. Folgen.107 Diese beiden Aufgabenb¨

103

Kupsch (1995), S. 530.

104

von Werder (1992), Sp. 2212.

105

Farny (1989), Sp. 1751.

106

Branscomb und Auerswald (2001), S. 3.

107

Farny (1989), Sp. 1751ff.; Keizer und Vos (2003), S. 5; Kupsch (1995), S 534ff.; von Werder (1992), Sp. 2213f.; Wideman (1998), S. 138f.

4. Planung, Steuerung und Erfolg von Innovationsprojekten

74

Risikoerkennung und -analyse Die Risikoerkennung dient der Identifizierung bisher noch unbekannter Gefahren. Angesichts der Neuartigkeit der zu entdeckenden Schadensquellen ist die Erkennung von Risiken zum einen ein kreativer Prozess, der beispielsweise durch Kreativit¨atstechniken unterst¨ utzt werden kann, erfordert zum anderen aber auch die systematische Sammlung und Auswertung von Informationen u ¨ber m¨ogliche Risiken, beispielsweise anhand von Checklisten.108 Erkannte Risiken sind im Rahmen des Projekt-Risikomanagement anschließend zu analysieren und zu bewerten. Im Vordergrund steht hier idealtypischerweise die Ermittlung der Lage- und Streuungsparameter von Ergebnisverteilungen, d. h. Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Ergebnisse wirtschaftlichen Handelns.109 In der Praxis ist dieser Aspekt jedoch aufgrund unvollkommener Informationen mit großen Schwierigkeiten verbunden, so dass h¨aufig auf eine Bestimmung von Wahrscheinlichkeitsverteilungen verzichtet wird und stattdessen diskrete Schadensszenarien, beispielsweise die aus einer bestimmten Ursache resultierenden Maximalsch¨aden (Worst Case), quantifiziert werden.110 Zur systematischen Risikoanalyse ist neben Fachkenntnissen aus den verschiedensten Disziplinen auch ein zuverl¨assiges Urteilsverm¨ogen f¨ ur die Quantifizierung von Risikowahrscheinlichkeiten erforderlich. Hierf¨ ur wurden eine Reihe unterst¨ utzender Methoden entwickelt, so z. B. Potential Problem Analysis, Fault Tree Analysis oder Failure Mode and Effects Analysis (FMEA).111 Risikohandhabung Im Rahmen der Risikohandhabung erfolgt die Auswahl, Durchf¨ uhrung und Kontrolle der Maßnahmen zur Bew¨altigung der identifizierten Risiken, wobei zwischen ursachenbezogener und wirkungsbezogener Risikopolitik zu unterscheiden ist. Die ursachenbezogene Risikopolitik zielt auf die Beseitigung von Schadensursachen ab. Dies kann durch zus¨atzliche Informationsgewinnung, bespielsweise intensivere Marktbeobachtung, geschehen, durch Risikomeidung, also den Verzicht auf bestimmte Handlungsutung ist darauf ausgerichtet, alternativen, oder aber durch Risikoverh¨ utung.112 Risikoverh¨ die Eintrittswahrscheinlichkeit des Risikofalles zu mindern, indem sie die Ausgangsrisikolage in eine als minder gef¨ahrlich eingesch¨atzte Risikolage u uhrt, ohne dabei vollst¨andig ¨berf¨ auf die risikobehaftete Handlungsalternative zu verzichten.113 Wirkungsbezogene Risikopolitik ist auf Verlustverk¨ urzung im Risikofall sowie auf Ver108

von Werder (1992), Sp. 2213.

109

Vgl. Browning et al. (2002), S. 446f. f¨ ur ein Anwendungsbeispiel, das kontinuierliche Wahrscheinlichkeitsverteilungen zur Risikoquantifizierung verwendet.

110

Farny (1989), Sp. 1751f.; Madauss (1995), S. 683f.

111

Keizer und Vos (2003), S. 3f.

112

Kupsch (1995), S. 536.

113

Farny (1989), Sp. 1754.

4.3. Steuerung von Innovationsvorhaben

75

lustvorsorge zur Herabsetzung von Verlustwirkungen ausgerichtet. Eine Verlustverk¨ urzung kann beispielsweise dadurch erfolgen, dass Risiken durch Garantiebedingungen, Vertragstrafen, etc. begrenzt werden, dass sie mit anderen Gesch¨aftspartner geteilt werden oder dass sie auf Versicherungen u ¨bertragen werden.114 Eine Verlustvorsorge dagegen kann u. a. dadurch erfolgen, dass ein Verlustausgleich geplant wird, beispielsweise durch die Zusammenfassung mehrerer gegenl¨aufiger Risiken, die sich in ihrer Wirkung tendenziell ausgleichen (Hedging).115 Erfolgswirkung bei innovativen Projekten Wie die Businessplanung stellt auch die Risikoerkennung und -analyse einen Prozess der Informationsbeschaffung und -verarbeitung dar. Damit ist zu vermuten, dass Maßnahmen des Risikomanagement gerade bei hochinnovativen, von hoher Unsicherheit gekennzeichneten Projekten eine besondere Erfolgswirkung aus¨ uben. Dies kommt auf der einen Seite dadurch zum Ausdruck, dass Maßnahmen der Risikoanalyse und -handhabung zu einem strukturierteren und stabileren Implementationsprozess f¨ uhren und damit indirekt den Vorhabenserfolg steigern, auf der anderen Seite aber auch dadurch, dass speziell die Maßnahmen der Risikohandhabung durch Verlustvermeidung und -verk¨ urzung direkt einen positiven Einfluss auf den Projekterfolg aus¨ uben. Somit k¨onnen die folgenden Aussagen festgehalten werden: Aussage 4.9: Je intensiver das Risikomanagement erfolgt ist, desto strukturierter und stabiler kann die Projektsteuerung in der Durchf¨ uhrungsphase ablaufen. Mit zunehmendem Innovationsgrad wird dieser Zusammenhang st¨arker ausgepr¨agt sein (positiver Interaktionseffekt). Aussage 4.10: Je intensiver das Risikomanagement erfolgt ist, desto h¨oher f¨allt der Projekterfolg aus. Mit zunehmendem Innovationsgrad wird dieser Zusammenhang st¨arker ausgepr¨agt sein (positiver Interaktionseffekt).

4.3 4.3.1

Steuerung von Innovationsvorhaben Methoden formeller Projektsteuerung

Fortschrittskontrolle und Steuerungsgr¨ oßen Die fortlaufende Beobachtung und Bewertung des Projektfortschrittes ist eine der zentralen Aufgaben im Rahmen der Projektsteuerung.116 Da nicht grunds¨atzlich davon ausgegangen werden kann, dass gesetzte 114

Kupsch (1995), S. 538f.

115

Brealey und Myers (1996), S. 707ff.

116

Gerwin und Moffat (1997); Pinto und Prescott (1988); Pinto und Prescott (1990); Steckler und Fondas (1995).

4. Planung, Steuerung und Erfolg von Innovationsprojekten

76

Ziele auch erreicht werden, muss eine Erhebung des aktuellen Zielerreichungsgrads sowie ein Vergleich mit den urspr¨ unglich gesetzten Anspruchsniveaus erfolgen, um Abweichungen zu ermitteln. Inakzeptable Planabweichungen oder Planrevisionen aufgrund neuer Erkenntnisse k¨onnen eine umfassende Neubewertung ausl¨osen und dadurch zu einer deutlichen Anpassung der Ressourcenausstattung des Projektes oder sogar zu seinem Abbruch f¨ uhren.117 Bei der Gestaltung der Projektsteuerung ist grunds¨atzlich zu kl¨aren, zu welchen Zeitpunkten Innovationsvorhaben beurteilt werden sollten, damit jeweils ein wohlbegr¨ undetes Urteil u uhrung, Res¨ber den erzielten Fortschritt sowie eine Entscheidung u ¨ber Weiterf¨ sourcenanpassung oder Abbruch des Projektes gef¨allt werden kann.118 Nach den obenstehenden Ausf¨ uhrungen zur Projektplanung bieten sich hierf¨ ur die Meilensteine an, die f¨ ur jedes Innovationsvorhaben individuell zu bestimmen sind und sich nicht aus einem allgemeing¨ ultigen Prozessschema ableiten lassen. Zur Verfolgung des Projektverlaufes werden diese Meilensteine h¨aufig samt der sie vorbereitenden Aktivit¨aten in Balken- oder Netzpl¨anen zusammengefasst. Zwar kann der Einsatz dieser Methoden – wie oben erw¨ahnt – aufgrund der geringen Determinierbarkeit von Innovationsprojekten mit Schwierigkeiten verbunden sein. Wurden sie jedoch im Rahmen der Planung eingesetzt, dann muss auch tats¨achlich anhand dieser Pl¨ane gef¨ uhrt werden; der Einsatz als Alibifunktion zur Dokumentation der bisher geleisteten Aufgabenpakete w¨ urde sich schnell als zeit- und 119 kostenintensives Instrumentarium erweisen. Die Fortschrittskontrolle erstreckt sich u ¨ber die gesamte Laufzeit des Entwicklungsvorhabens und erfasst als Beurteilungsdimensionen meist produkt-, markt- und zeitbezogene Zielgr¨oßen.120 Hart et al. (2003) haben systematisch untersucht, welche Gr¨oßen von Unternehmen in der Praxis zur Steuerung von Entwicklungs- und Innovationsvorhaben eingesetzt werden, und konnten nachweisen, dass sich deren Verwendung und Gewichtung u ¨ber den Projektverlauf stark ver¨andert. Werden anfangs noch insbesondere das Marktpotenzial und die technische Realisierbarkeit einer Innovation beurteilt, gewinnt mit fortschreitender Projektrealisierung und Informationsverf¨ ugbarkeit an sp¨ateren Meilensteinen zunehmend die Kontrolle von Produktleistung, Qualit¨at und Budgeteinhaltung an Bedeutung. Soll mit anderen Worten ein mehrdimensionaler Vorhabenserfolg erzielt werden, muss auch eine entsprechend differenzierte Menge von Steuerungsgr¨oßen eingesetzt werden, da durch die Verwendung einer bestimmten Steuerungsgr¨oße die Zielerreichung in der

117

Lange (1993), S. 15.

118

Brown und Svenson (1988), S. 12; von Hippel (1990), S. 407ff.

119

Bullinger (1996b), S. 45.

120

Tymon (1986), S. 236.

4.3. Steuerung von Innovationsvorhaben

77

entsprechenden Erfolgsdimension gef¨ordert wird.121 Dabei ist wiederum davon auszugehen, dass dieser Zusammenhang mit zunehmendem Innovationsgrad schw¨acher ausgepr¨agt ist, so dass die folgende Aussage gerechtfertigt erscheint: Aussage 4.11: Je st¨arker bestimmte Steuerungsgr¨oßen im Rahmen der Projektsteuerung verwendet werden, desto h¨oher ist die Zielerreichung in den korrespondierenden Erfolgsdimensionen. Je h¨oher der Innovationsgrad eines Projektes ist, desto schw¨acher wird dieser Zusammenhang ausgepr¨agt sein (negativer Interaktionseffekt).

Klare Abbruchkriterien Im Einf¨ uhrungskapitel der vorliegenden Arbeit wurde herausgestellt, dass Ertragskraft und Marktwert einer Firma durch die Initiierung von Neuproduktvorhaben gesteigert werden k¨onnen. W¨ahrend die Identifikation und Aussch¨opfung von Innovationspotentialen damit eine zentrale Managementaufgabe darstellt, ist es ebenso wichtig, wenig aussichtsreiche Projekte rechtzeitig als solche zu identifizieren und zu beenden, um unn¨otige Ressourcenbindung zu minimieren.122 Entscheidungen u ¨ber den Abbruch wichtiger, prestigetr¨achtiger Projekte erfolgen in der Praxis meist nicht nach einem objektiven entscheidungstheoretischen Kalk¨ ul, da sie mit besonderen Probleme behaftet sind. Ein Projektabbruch wird oft als Fehler des Management hingestellt – ein Makel, den dieses ungern in Kauf nimmt, sondern stattdessen eher an wenig aussichtsreichen Projekten festh¨alt.123 Verschiedene Ursachen stoßen einen Prozess an, der als Throwing Good Money after the Bad“ bzw. Commitment to a Lo” ” sing Course of Action“ bezeichnet wird.124 Eine dieser Ursachen kann in der f¨alschlichen Ber¨ ucksichtigung von Sunk Costs begr¨ undet liegen, die einen Entscheidungstr¨ager dazu f¨ uhren kann, in der schwachen Hoffnung auf zuk¨ unftige Gewinne an einer Enscheidung festzuhalten, die sich bis zu diesem Zeitpunkt als verlustreich erwiesen hat.125 In uhren, dass ein Manager lieber an einem ¨ahnlicher Weise kann Selbstrechtfertigung dazu f¨ wahrscheinlich aussichtlosen Produktentwicklungsprojekt festh¨alt, als eine fr¨ uhere Entscheidung zu revidieren und damit einen m¨oglicherweise karrieresch¨adigenden Mißerfolg einzugestehen.126

121

Hart et al. (2003), S. 24f.

122

Avlonitis et al. (1999), S. 41.

123

Balachandra (1994), S. 451.

124

¨ Vgl. Simonson und Staw (1992) f¨ ur eine grundlegende Ubersicht.

125

Whyte (1986).

126

Schmidt und Calantone (2002), S. 106; Staw und Ross (1987), S. 70.

4. Planung, Steuerung und Erfolg von Innovationsprojekten

78

Im Rahmen empirischer Studien und Experimente konnte gezeigt werden, dass die Gefahr solche Fehlentscheidungen mittels verschiedener Entscheidungshilfen deutlich verringert werden kann.127 Zu den effizientesten Mechanismen geh¨ort dabei die Definition einer objektiven Entscheidungsregel, die vor Beginn des Entscheidungsprozesses festzulegen ist und eindeutig ermittelt, wann eine Abbruchentscheidung zu treffen ist.128 Als Konsequenz f¨ ur die erfolgsorientierte Steuerung von Innovationsprojekten kann damit die Forderung abgeleitet werden, dass bereits im Rahmen der Projektplanung unter Partizipation des Projektteams eindeutige Kriterien oder Szenarien zu definieren sind, die einen Abbruch des Vorhabens nach sich ziehen. Hierdurch kann das Risiko gemindert werden, dass unternehmerische Wahrnehmungsverzerrungen die Fortf¨ uhrung aussichtsloser Projekte verursachen. Dieser Aspekt der Risikominderung kann auch herangezogen werden, um die folgende, statistisch gepr¨agte Aussage zu formulieren: Aussage 4.12: Die Formulierung klarer Abbruchkritieren und ihre Ber¨ ucksichtigung im Rahmen der Projektsteuerung steigert im statistischen Mittel u ¨ber eine große Zahl von Innovationsvorhaben den durchschnittlich realisierten Finanzerfolg dieser Projekte. Diese Aussage ist aus zwei Gr¨ unden bewusst restriktiv formuliert. Erstens l¨asst sich f¨ ur abgebrochene Projekte kein umfassendes Erfolgsmaß ermitteln, da sich die tats¨achliche Erreichung von Markt-, Technik- und Zeitzielen durch den Abbruch vor Beginn der Markteinf¨ uhrung nicht beurteilen l¨asst. Einzig ein Finanzerfolg“ l¨asst sich auf der Ba” sis der bereits durch das Projekt verursachten Kosten beurteilen. Zweitens l¨asst sich im Rahmen eines weit verbreiteten und auch im Rahmen dieser Arbeit verwendeten Untersuchungsdesigns, das den Erfolg tats¨achlich durchgef¨ uhrter, nicht abgebrochener Projekte untersucht, kein direkter Erfolgszusammenhang auf Einzelprojektebene feststellen. Abgebrochene Projekte werden im Rahmen einer solchen Untersuchung nicht ber¨ ucksichtigt, w¨ahrend die Formulierung von Abbruchkriterien keinen Einfluss auf die Zielerreichung bei erfolgreich verlaufenden Vorhaben hat. 4.3.2

Formelle versus organische Steuerung bei innovativen Projekten

Im letzten Abschnitt wurden verschiedene Aspekte formeller Projektsteuerung vorgestellt, deren Verwendung bei der F¨ uhrung von Projekten im Allgemeinen sowie von Technologieund Innovationsprojekten im Speziellen gemeinhin als erfolgsf¨orderlich angesehen wird. Gerade bei hochinnovativen Vorhaben stellt sich jedoch die Frage, inwieweit ein hoher 127

Vgl. u. a. Boulding et al. (1997), S. 171ff.

128

Boulding et al. (1997), S. 166; Simonson und Staw (1992), S. 420.

4.3. Steuerung von Innovationsvorhaben

79

Formalisierungsgrad der Projektsteuerung mit dem Bed¨ urfnis nach Flexibilit¨at und kreativem Freiraum im Rahmen des Innovationsprozesses vertr¨aglich ist.129 Unter Formalisierung der Projektsteuerung soll dabei im Folgenden der Grad verstanden werden, zu dem Zielvorgaben, Prozeduren und Entscheidungsregeln den Ablauf des Innovationsvorhabens bestimmen. Ein hoher Formalisierungsgrad ¨außert sich meistens durch die Verwendung eines Stage-Gate Prozessmodells, das den Entwicklungsprozess in klare Phasen gliedert und formelle Bewertungen des Projektfortschrittes an bestimmten Meilensteinen beinhaltet. Prozessformalisierung kann die Effektivit¨at eines Innovationsprozesses dadurch steigern, dass regelm¨aßige Kontrollen und Reviews den Projektmitgliedern ein Gef¨ uhl von Struktur und Ordnung vermitteln und die Unsicherheit dar¨ uber verringern, wer welche Aufgaben mit welcher Dringlichkeit zu erf¨ ullen hat.130 Zielvorgaben und Bewertungen k¨onnen weiterhin motivierende Wirkung haben und geben den Projektmitgliedern die M¨oglichkeit, den Status des Vorhabens und den bisher erreichten Fortschritt zu beurteilen. Auf der anderen Seite k¨onnen sich konkrete Zielvorgaben und Arbeitspl¨ane jedoch auch als hinderlich erweisen, da sie das Innovationsvorhaben in eine vorgegebene Richtung lenken und es nur in eingeschr¨anktem Maße zulassen, auf die unvorhergesehenen Umst¨ande zu reagieren, die h¨aufig im Rahmen solcher Projekte auftreten k¨onnen.131 Angesichts dieser Spannungen wurde zuletzt in einer Reihe von Ver¨offentlichungen die Erfolgswirkung von tendenziell formell-mechanistischen“ Steuerungsmechanismen mit ” der von eher organisch-partizipativen“ Methoden zur F¨ uhrung von Innovationsprojek” ten kontrastiert, so u. a. von Olson et al. (1995), Tatikonda und Montoya-Weiss (2001), Bonner et al. (2002) und Lewis et al. (2002). Organisch-partizipative Steuerungsmodelle verlassen sich weniger auf plan- und weisungsorientiertes Vorgehen, sondern stellen st¨arker die Kreativit¨at, Flexibilit¨at und Improvisationsgabe der Projektmitglieder in den Vordergrund, wobei die betriebswirtschaftliche Theoriebildung vor allem Erkenntnisse aus eklektischen Studien des Gruppenverhaltens im Rahmen von Jazz- und Theaterauff¨ uhrungen, Mannschaftssportarten oder Feuerwehreins¨atzen bezieht.132 Im Rahmen der theoretischen Diskussion kommen die genannten Ver¨offentlichungen zu dem Ergebnis, dass ein hoher Grad der Prozessformalisierung dann angemessen ist, wenn Ursache-WirkungsZusammenh¨ange bekannt und zeitlich stabil sind.133 Unter dieser Voraussetzung k¨onnen formelle Steuerungsmethoden eine motivierende Wirkung aus¨ uben und eine effiziente Projektdurchf¨ uhrung bewirken. Da bei hochinnovativen Projekten hingegen die relevante Wis-

129

Bonner et al. (2002), S. 234.

130

Tatikonda und Montoya-Weiss (2001), S. 156.

131

Eisenhardt und Tabrizi (1995), S.

132

Vgl. u. a. Dougherty (1992), Moorman und Miner (1998) und Weick (1998).

133

Ouchi (1979), S. 838ff.

4. Planung, Steuerung und Erfolg von Innovationsprojekten

80

senbasis des Unternehmens oft klein ist und in nur sehr geringem Maße Erfahrungen aus vergleichbaren Projekten u ¨bertragen werden k¨onnen, kann sich hier ein hoher Grad der Prozessformalisierung sogar deutlich negativ auf den Vorhabenserfolg aus¨ uben, da er die Handlungsfreiheit des Projektteams und die Kreativit¨at der Probleml¨osung zu stark einschr¨ankt.134 Zusammenfassend soll daher die folgende Aussage festgehalten werden: Aussage 4.13: Ein hoher Grad der Prozessformalisierung wirkt erfolgssteigernd bei inkrementellen Innovationsvorhaben und erfolgshemmend bei hochinnovativen Vorhaben. 4.3.3

Kontinuit¨ at versus Flexibilit¨ at bei innovativen Projekten

Vor Beginn der Durchf¨ uhrungsphase sollten nach M¨oglichkeit die strategische Stoßrichtung sowie die zentralen Projektziele festgelegt sein.135 Gerade bei innovativen Vorhaben treten jedoch im Projektverlauf h¨aufig umweltbedingte Ver¨anderungen und technische Unw¨agbarkeiten auf, die einen gewissen Grad an Zielflexibilit¨at erforderlich erscheinen unglich in die Produktdefinition eingelassen.136 Wesentliche Planungsgr¨oßen, die urspr¨ flossen sind, k¨onnen sich im Laufe des Projektes ¨andern. Wettbewerber k¨onnen Konkurrenzprodukte in den Markt einf¨ uhren, Kundenbed¨ urfnisse k¨onnen sich verschieben, und regulatorische Auflagen k¨onnen erleichtert oder versch¨arft werden. Solche Ver¨anderungen stellen große Herausforderungen an die Projektsteuerung, da voreilige bzw. ungeschickte ¨ Anderungen einzelner Zielgr¨oßen und Aspekte der Produktdefinition zu Verz¨ogerungen bei ¨ der Markteinf¨ uhrung, zu Uberschreitungen des Projektbudgets oder sogar zum Scheitern des Gesamtprojektes f¨ uhren k¨onnen.137 Projektteams sollten daher grunds¨atzlich in die Lage versetzt werden, die urspr¨ unglichen Ziele im Projektverlauf kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls an ¨ sich die Projektziele jedoch wiege¨anderte Randbedingungen anzupassen.138 Andern derholt im Projektverlauf, so kann dies Konfusion und Frustration bei den Projektmitgliedern ausl¨osen, die Teamkreativit¨at mindern sowie die Qualit¨at und den Markterfolg des resultierenden Produktes beeintr¨achtigen.139 So ist beispielsweise im Rahmen von ¨ Produktentwicklungsprojekten sorgf¨altig abzuw¨agen, ob Anderungen am aktuellen Produktkonzept noch gerechtfertigt sind oder eher Anpassungen in Nachfolgeprodukten nach 134

Bonner et al. (2002), S. 238; Lewis et al. (2002), S. 552.

135

McDonough (2000), S. 223.

136

Barczak und Wilemon (1989).

137

Bacon et al. (1994), S. 47.

138

Marks et al. (2001), S. 365; Urban und Hauser (1993), S. 50f.

139

Bonner et al. (2002), S. 238; Lynn und Akg¨ un (2001), S. 382.

4.4. Erfolgsbeurteilung von Innovationsvorhaben

81

sich ziehen sollten. Es kommt also wesentlich darauf an, die richtige Balance zwischen intensiver Fr¨ uhphasenplanung und fortlaufenden Zielanpassungen, zwischen endg¨ ultigen“ ” Entscheidungen und absichtlich verfolgten Parallelentwicklungen zu finden.140 Die Suche nach einer solchen Balance ¨ahnelt der Gratwanderung zwischen formeller und organischer Projektsteuerung, die im letzten Abschnitt dargestellt wurde. Bei Innovationsprojekten stellt sich dabei die grunds¨atzliche Frage, ob stabile Ziele u ¨berhaupt realisierbar und wichtig sind.141 Aufgrund der typischerweise hohen Unsicherheiten k¨onnen sich anf¨anglich entwickelte Pl¨ane schnell als obsolet erweisen und ¨ Anderungen unterliegen. Fehlende Kontinuit¨at im Rahmen der Projektimplementation erweist sich in einem solchen Umfeld unter Umst¨anden dann nicht als erfolgskritisch, wenn sich ein Innovationsprojekt auch auf anderen, zu Projektbeginn noch nicht absehbaren Wegen zum Erfolg f¨ uhren l¨asst.142 Auf der anderen Seite k¨onnen mit hoher Unsicherheit konfrontierte Entscheidungstr¨ager nur schwer Vorhersagen u ¨ber ihre Umwelt treffen und tendieren dazu, auf Signale, die sie aus dieser Umwelt empfangen, u ¨berzureagieren. Es besteht damit die Gefahr, dass Projekte unter solch unsicheren Rahmenbedingungen zunehmend von reaktion¨aren Verhaltensweisen gepr¨agt sind und ihren strategischen Fokus verlieren. Vorhaben, die es hier schaffen, ihren strategischen Fokus zu bewahren, sind als erfolgstr¨achtiger einzusch¨atzen als solche, die zum Spielball spontaner Strategiewechsel werden.143 Verschiedene Fallstudienuntersuchungen k¨onnen entsprechend belegen, dass auch hochgradige Innovationen von stabilen, im Projektverlauf m¨oglichst konstanten Ziele profitieren.144 Damit kann die folgende Vermutung festgehalten werden: Aussage 4.14: Die Kontinuit¨at der Projektsteuerung im Sinne von geringen Ziel-, Plan- und Ressourcen¨anderungen hat unabh¨angig vom Innovationsgrad des Vorhabens eine positive Erfolgswirkung.

4.4 4.4.1

Erfolgsbeurteilung von Innovationsvorhaben Perspektiven der Erfolgsbeurteilung

F¨ ur die vorliegende Untersuchung ist der Innovationserfolg – oder genauer: der Erfolg von Innovationsprojekten – insofern eine zentrale Gr¨oße, als sie im empirischen Teil zur Effizienzbeurteilung der Planungs- und Steuerungsaktivit¨aten herangezogen wird. Hierbei 140

Khurana und Rosenthal (1997), S. 114.

141

Lynn und Akg¨ un (2001), S. 381.

142

Dutton und Webster (1988), S. 664.

143

Covin und Slevin (1998), S. 217; Romanelli (1987), S. 174.

144

Billing (2003); Lynn und Akg¨ un (2001), S. 381; Rice et al. (2001), S. 54.

82

4. Planung, Steuerung und Erfolg von Innovationsprojekten

steht zun¨achst das wissenschaftliche Interesse aus dem Blickwinkel der Erfolgsfaktorenforschung im Vordergrund. Angesichts der hohen Investitionen, die mit der Entwicklung neuer Produkte oder mit Innovationsvorhaben im allgemeineren Sinne verbunden sind, ist es jedoch auch f¨ ur Unternehmen und ihre Stakeholder wichtig, den Erfolg der Innovationsaktivit¨aten auf Unternehmens-, Abteilungs- und Projektebene messen zu k¨onnen. ¨ Ahnlich wie beim Innovationsgrad handelt es sich also auch beim Innovationserfolg um ein vielschichtiges Konzept, das aus einer Reihe unterschiedlicher Perspektiven betrachtet werden kann. Um ein vollst¨andiges Messkonzept f¨ ur den Innovationserfolg zu definieren, m¨ ussen der Messbereich, das Messsubjekt, der Messzeitpunkt sowie die Messdimensionen und ihre Referenzgr¨oßen spezifiziert werden.145 Hinsichtlich des Messbereichs ist zu kl¨aren, auf welches Objekt Bezug genommen wird und auf welcher Ebene der Erfolg bestimmt werden soll. Volkswirtschaftliche oder industrie¨okonomische Ans¨atze beziehen sich auf ganze Nationen oder Branchen und messen dort als zentrale Erfolgsgr¨oßen beispielsweise den technischen Fortschritt.146 In der Betriebswirtschaftslehre sind dagegen in der Vergangenheit insbesondere Maße f¨ ur die Effizienz und Effektivit¨at von Forschung und Entwicklung auf Unternehmensebene diskutiert worden. In einer mittlerweile schwer u ¨berschaubaren Vielzahl von Ver¨offentlichungen hat sich hierbei das Hauptinteresse v. a. auf Kennzahlensysteme gerichtet, die eine schnelle Erfassung der R&D Productivity“ und ihrer Treiber ” erlauben sollen.147 In deutlich geringerem Umfang sind dagegen die Dimensionen des Innovationserfolgs auf Projektebene in der betriebswirtschaftlichen Diskussion thematisiert worden, was angesichts der großen Zahl der auf dieser Ebene angesiedelten Erfolgsfaktorenstudien erstaunlich ist.148 In Anbetracht der zentralen Forschungsfragen der vorliegenden Arbeit wird im Folgenden ausschließlich diese Vorhabensebene des Innovationserfolgs weiter diskutiert. Auch wenn man sich ausschließlich auf das Einzelvorhaben fokussiert, bleibt der Innovationserfolg ein vielschichtiges Konstrukt, das zu unterschiedlichen Zeitpunkten aus den

145

Gem¨ unden (1990), S. 8f.; Hauschildt (1991), S. 466; Kerssens-van Drongelen und Cook (1997), S. 351ff.

146

Vgl. hierzu Grupp (1994) sowie Grupp (1997), v. a. Kapitel 3 und 4. Beispiele f¨ ur solche Analysen sind u. a. Solow (1957); Henderson (1993); Henderson und Cockburn (1996); Iansiti und West (1999).

147

Vgl. hierzu u. a. Brown und Svenson (1988); Cordero (1990); Kerssens-van Drongelen und Cook (1997); Foster et al. (1985); Hertenstein und Platt (2000); McGrath und Romeri (1994); Pappas und Remer (1985); Pearson et al. (2000); Schoenecker und Swanson (2002); Schumann et al. (1995).

148

Hauschildt (2004), S. 501. Diese u ¨berproportionale Fokussierung der Forschung auf die Erfolgsbeurteilung auf Unternehmensebene wird auch durch die empirischen Befunde von Griffin und Page (1993), S. 303 best¨ atigt.

4.4. Erfolgsbeurteilung von Innovationsvorhaben

83

unterschiedlichen Perspektiven diverser Messsubjekte heraus beurteilt werden kann.149 Betrachtet man beispielsweise Innovationen als mit hoher Unsicherheit behaftete Investitionen, so kann man aus einer Investorenperspektive schon vor Eintritt in das Projekt nach dem erwarteten finanziellen Ergebnis fragen. Ein Innovator oder Innovationsmanager wird dagegen den Erfolg eher in sp¨aten Projektphasen anhand von technischen Indikatoren beurteilen, w¨ahrend ein Controller eine vermittelnde Funktion einnimmt: F¨ ur die fortlaufende Kontrolle der Leistungs- und Zeitziele muss er zwangsl¨aufig auch technische Informationen ber¨ ucksichtigen, ohne dass er dabei aber seine ¨okonomische Grundperspektive aufgeben darf. Neben den in der betriebswirtschaftlichen Praxis vertretenen Perspektiven l¨asst sich noch eine Wissenschaftsperspektive identifizieren, die das Konstrukt In” novationserfolg“ als abh¨angige Variable zur Effizienzbeurteilung der jeweils untersuchten Managementpraktiken heranzieht.150 Bevor jedoch wissenschaftlich valide Aussagen u ¨ber m¨ogliche Erfolgsfaktoren getroffen werden k¨onnen, muss zun¨achst genau definiert werden, was unter Erfolg“ zu verste” hen ist.151 Hierbei kann die Auswahl der relevanten Erfolgsdimensionen in Abh¨angigkeit von den jeweiligen Forschungsinteressen stark unterschiedlich ausfallen.152 Die Interaktion zwischen Unternehmenspraxis und empirischer Wirtschaftsforschung f¨ uhrt zwar dazu, dass die wissenschaftliche Erfolgsmessung z. T. auf die Kategorien und Beurteilungsstandards der Praxis zur¨ uckgreift,153 dennoch bestehen systematische Differenzen zwischen den von Wissenschaftlern und Praktikern verwendeten Erfolgsmaßen. Griffin und Page (1993) konnten in einer maßgeblichen Ver¨offentlichung zu diesem Themenkreis nachweisen, dass zwar beide Gruppen gleichermaßen die Erreichung von Umsatz- und Rentabilit¨atszielen nachhalten, Firmenvertreter jedoch daneben insbesondere Marktanteil und Kundenzufriedenheit messen, w¨ahrend Wissenschaftler st¨arkeren Wert auf die Produktleistung und die Entwicklungsgeschwindigkeit legen.154 Es wird also deutlich, dass kein Konsens dar¨ uber besteht, welche Dimensionen f¨ ur die Beurteilung des Innovationserfolgs auf Vorhabensebene relevant sind und durch welche Messgr¨oßen sie zu operationalisieren sind. Daher soll im folgenden Abschnitt zun¨achst eine Abgrenzung unterschiedlicher Erfolgsdimensionen auf Vorhabensebene vorgenommen 149

Vgl. Freeman und Beale (1992), S. 8 sowie Hauschildt (1991), S. 452f. zur folgenden Darstellung idealtypischer Perspektiven.

150

Vgl. March und Sutton (1997) zu einer grundlegenden Kritik an der Verwendung von Performance als abh¨ angige Variable. Vgl. hierzu auch die Anmerkungen in Abschnitt ??.

151

Gem¨ unden (1990), S. 8.

152

Vgl. hierzu die entsprechenden Angaben in den Tabellen 5.1, 5.3 und 5.5 der vorliegenden Arbeit sowie Hauschildt (1991), Tabelle 1 f¨ ur Gegen¨ uberstellungen verschiedener Erfolgsoperationalisierungen in empirischen Innovationsstudien.

153

Hauschildt (2004), S. 500.

154

Griffin und Page (1993), S. 299.

4. Planung, Steuerung und Erfolg von Innovationsprojekten

84

¨ werden, bevor in Abschnitt 4.4.3 eine Ubersicht u ¨ber empirische Studien zur Erfolgsmessung gegeben wird. 4.4.2

Abgrenzung Innovationserfolg und Projekteffizienz

Eine unabdingbare Voraussetzung f¨ ur die Erfolgsbeurteilung von Innovationsvorhaben ist zun¨achst eine begriffliche Pr¨azisierung dessen, was unter Erfolg verstanden werden soll.155 Obwohl gerade Innovationsprojekte von zentraler Bedeutung f¨ ur die strategische Entwicklung von Organisationen sind (vgl. Abschnitt 1.1), gehen die Erfolgsdefinitionen hier weit auseinander und orientieren sich nur selten an u ¨bergeordneten Ziele, wie beispielsweise dem Unternehmenserfolg.156 So ist es in der Literatur zum Projektmanagement u ¨blich, den Projekterfolg verk¨ urzend durch die Dimensionen Zeit, Kosten und Qualit¨at zu erfassen, die auch als Zieltrio“, goldenes Dreieck“ oder magisches Dreieck“ bezeichnet werden.157 ” ” ” Dabei gibt es eine Vielzahl von Beispielen, die belegen, dass auch Projekte, die diese Effizienzziele deutlich verfehlen, sich langfristig als einzigartig erfolgreich erweisen k¨onnen, so beispielsweise die erste Generation des Windows-Betriebssystems von Microsoft oder das Sydney Opera House.158 Die Fokussierung auf die durch das Zieltrio“ erfasste Pro” jekteffizienz kann zu einer starken Betonung kurzfristiger Ziele unter Vernachl¨assigung der l¨angerfristig entscheidenden Interessen unterschiedlicher Stakeholder f¨ uhren.159 Statt nur auf die Effizienz der Projektausf¨ uhrung zu achten, sollte der eigentliche Innovationserfolg weiter gefasst sein und die tats¨achlichen Resultate des Vorhabens beurteilen, also als Beurteilungsmaßstab die zentralen Zielen heranziehen, die urspr¨ unglich f¨ ur das Projekt definiert wurden.160 Nur dadurch kann unterschiedlichen Beurteilungsobjekten und -perspektiven Rechnung getragen werden. So wird die Erfolgsbeurteilung bei Projekten strategischer Natur nach anderen Kriterien erfolgen als bei solchen mit operativer Ausrichtung, und entsprechend k¨onnen auch die Ziele der zentralen Stakeholder u. U. unglichen Projektziele als Referenzgr¨oßen zur stark divergieren.161 Setzt man die urspr¨ Erfolgsbeurteilung an, so kann es allerdings eventuell als problematisch angesehen werden, wenn der Erfolg als Grad der Zielerreichung – also relativ zu den selbst gesteckten Zielen – gemessen wird. Sind beispielsweise die Gewinn- oder Umsatzziele von vornherein 155

Gem¨ unden (1990), S. 8.

156

Liu und Walker (1998), S. 209; Shenhar et al. (2001), S. 700.

157

Vgl. u. a. Gardiner und Stewart (2000), S. 251ff.; Platz und Schmelzer (1986), S. 134ff.; Pleschak und Sabisch (1996), S. 6.

158

Shenhar et al. (2001), S. 700.

159

Baccarini (1999), S. 25f.; Wateridge (1998).

160

Gem¨ unden (1990), S. 9; Lechler (1997), S. 42.

161

Freeman und Beale (1992), S. 8; Hauschildt (1991), S. 452f.; Lim und Mohamed (1999), S. 243f.; Shenhar et al. (2001), S. 703.

4.4. Erfolgsbeurteilung von Innovationsvorhaben

85

sehr niedrig gew¨ahlt, so gibt ihre Erreichung nicht notwendigerweise Aufschluss dar¨ uber, ob das betreffende Projekt als erfolgreicher einzustufen ist als ein anderes Vorhaben desselben Unternehmens oder gar eines Wettbewerbers.162 Auf der anderen Seite erscheint ein Zeit- oder Betriebsvergleich nicht weniger problematisch, da hier durch die Auswahl eines geeigneten Vergleichsprojektes der Referenzzustand praktisch willk¨ urlich bestimmt werden kann. Hauschildt (2004) sieht daher in einem Vergleich des Innovationserfolgs mit einem zuvor definierten Ziel den einzig rationalen Messvorgang.163 4.4.3

Empirische Befunde zu Dimensionen und Maßen des Innovationserfolgs

Um das komplexe Konstrukt Innovationserfolg“ besser zu verstehen, sind vor allem seit ” Anfang der neunziger Jahre eine Reihe von Studien durchgef¨ uhrt worden, die anhand unterschiedlicher Methoden eine Sammlung und Klassifikation der verwendeten Messgr¨oßen vornehmen, vgl. Tabelle 4.1. Zwar kann eine solche Konzeptualisierung durch ” Messung“ eine umfassende theoretische Diskussion nicht ersetzen und bleibt wahrscheinlich unvollst¨andig, dennoch kann die kritische Betrachtung der Messung einzelner Bereiche des Konstrukts zu einem tiefergehenden Verst¨andnis beitragen.164 Die Studien von Hauschildt (1991) und Griffin und Page (1993) ziehen f¨ ur die Diskussion relevanter Erfolgsdimensionen die von anderen Wissenschaftlern im Rahmen von Erfolgsfaktorenstudien verwendeten Erfolgsmaße heran. Eine solche Vorgehensweise wird auch in verschiedenen Studien zur Organizational Effectiveness auf Unternehmensebene165 gew¨ahlt und von Steers (1975, S. 546) wie folgt charakterisiert: The perspective taken here is one of measurement; that is, it is argued that ” a meaningful way to understand the abstract idea of effectiveness is to consider how researchers have operationalized and measured the construct in their work.“ Hauschildt (1991) stellt in einer vergleichenden Literaturanalyse die Erfolgsmessung bei 35 Studien zu Erfolgsfaktoren der Neuproduktentwicklung gegen¨ uber und f¨ uhrt auf dieser Grundlage eine heuristische Bildung von Erfolgsdimensionen durch. Er unterscheidet zun¨achst zwischen technischen und ¨okonomischen Effekten, die er jeweils in direkt und indirekt untergliedert.166 In einer dritten Dimension fasst er sonstige“ Effekte zusammen, ” 162

Ernst (2001), S. 168.

163

Hauschildt (2004), S. 508.

164

Cameron und Whetten (1983), S. 267.

165

Vgl. u. a. Kanter und Brinkerhoff (1981) sowie Venkatraman und Ramanujam (1986) f¨ ur eine Systematisierung und Zusammenfassung der Forschung zum Erfolgsbegriff auf Unternehmensebene.

166

Hauschildt (1991), S. 467.

4. Planung, Steuerung und Erfolg von Innovationsprojekten

86

die vor allem die Erf¨ ullung individueller Sozialziele betreffen. Inhaltlich kann an dieser Systematik bem¨angelt werden, dass sie das Spektrum an Erfolgsmaßen, das in den untersuchten Ver¨offentlichungen verwendet wird, nur unvollst¨andig erfasst. So werden Aspekte der Projekteffizienz, also beispielsweise die Einhaltung von Projektzeitplan und -budget, nicht ber¨ ucksichtigt und der marktbezogene Erfolg nur in Form des Umsatzes erfasst, Maße f¨ ur die Kundenzufriedenheit werden dagegen gar nicht ber¨ ucksichtigt. Hinsichtlich der Methodik dieser Arbeit haben Griffin und Page (1993) kritisiert, dass keine statistische Validierung der Ergebnisse erfolgt.167 Dieser Vorwurf ist jedoch nur bedingt haltbar, da eine quantitative Auswertung nur durch eine meta-analytische Zusammenfassung verschiedener Faktorenanalysen zum Vorhabenserfolg erfolgen k¨onnte. Voraussetzung f¨ ur eine solche Analyse ist jedoch, dass in den Ver¨offentlichungen jeweils die Korrelationsmatrizen berichtet werden,168 was aber in ¨alteren Arbeiten der einschl¨agigen Fachzeitschriften nur selten der Fall ist – zumal auf der Ebene einzelner Items. Project-level core measures

Product

Customer

Financial

Launch on time

Met revenue goals

Profit goals

Met quality specs

Met share goals

Margin goals

Development cost

Met unit volume goals

Break-even time

Perform to specs

Customer acceptance

ROI / IRR

Speed to market

Customer satisfaction Revenue growth

Abbildung 4.2: Core Measures auf Projektebene nach Griffin und Page (1993). Die H¨ aufigkeit, mit der die Maße verwendet werden, nimmt je Dimension von oben nach unten ab. Quelle: Eigene Darstellung basierend auf den Daten von Griffin und Page (1993), S. 297f.

Interessanterweise sehen sich Griffin und Page mit dem gleichen Problem konfrontiert. Zwar f¨ uhren die Autoren anhand einer Literaturanalyse eine umfangreiche Sammlung der in der Wissenschaft verwendeten Erfolgsmaße durch, verdichten sie jedoch zun¨achst nur durch Konsensbildung im Rahmen von Gruppendiskussionen mit anderen Wissenschaft¨ lern zu Dimensionen. Die statistische Uberpr¨ ufung dieser Dimensionen mittels Faktorenanalysen basiert dagegen auf Frageb¨ogen, die von 50 Managern w¨ahrend der PDMA167

Griffin und Page (1993), S. 295.

168

Vgl. Hunter und Schmidt (1990), S. 503. Die Durchf¨ uhrung einer Meta-Analyse von Faktoranalysen wird von Becker (1996) erl¨ autert.

4.4. Erfolgsbeurteilung von Innovationsvorhaben

87

Konferenz 1991 ausgef¨ ullt wurden.169 Griffin und Page kommen im Ergebnis zu einer produktbezogenen, einer kundenbezogenen und einer finanziellen Dimension des Innovationserfolgs auf Vorhabensebene, denen sie insgesamt 16 sog. Core Measures zuordnen, vgl. Abbildung 4.2.170 Als Core Measures bezeichnen sie dabei die Maße, die sowohl von Innovationsforschern als auch von Firmen derzeit verwendet werden und die die Firmen auch in Zukunft weiter verwenden wollen. Durch die umfassende Sammlung von Erfolgsmaßen sowie die gleichzeitige Einbindung von Wissenschaftlern und Firmenpraktikern haben Griffin und Page ein vergleichsweise breites und gut fundiertes Messkonzept f¨ ur den Vorhabenserfolg entwickelt, das den Ausgangspunkt f¨ ur mehrere Nachfolgeuntersuchungen gebildet hat, die im wesentlichen Kontingenz¨ uberpr¨ ufungen anstellen.171 Betrachtet man die von Griffin und Page gebildeten Erfolgsdimensionen, so f¨allt auf, dass zwar die kundenbezogene (oder umfassender: marktbezogene) und die finanzielle Dimension jeweils relativ homogen sind und ihr zugrundeliegendes Konzept weitgehend abbilden, der produktbezogene Faktor dagegen eigentlich zwei separate Aspekte erfasst, n¨amlich die Projekteffizienz (Entwicklungszeit und -kosten) auf der einen Seite und die Erreichung von Produktzielen auf der anderen Seite. Dieser Eindruck wird tendenziell durch die Untersuchung von DeCotiis und Dyer (1979) best¨atigt, die ebenfalls eine Faktorenanalyse u uhren und dabei einen Faktor Projektef¨ber Items zum Projekterfolg durchf¨ ” fizienz“ identifizieren, der eben die Zeitplan- und Budgeteinhaltung im Projektablauf misst. Ungl¨ ucklicherweise berichten Griffin und Page (1993) nicht das Faktorladungsmuster, anhand dessen sie die drei Erfolgsdimensionen abgeleitet haben, so dass eine objektive Beurteilung der Unidimensionalit¨at ihrer Teilskalen nicht m¨oglich ist. Besser dokumentiert sind die Ergebnisse der Faktorenanalysen von Shenhar et al. (2001), die anhand einer Stichprobe von 172 israelischen Projekten mit starkem Schwerpunkt im Produktentwicklungsbereich vier Dimensionen des umfassend verstandenen Konstrukts Projekterfolg“ ableiten. Vergleicht man anhand von Tabelle 4.1 die iden” tifizierten Erfolgsdimensionen mit denen von Griffin und Page (1993), so tritt zun¨achst am deutlichsten die neue Dimension Preparing for the Future hervor, deren Items zwar inhaltlich u ¨ber den von Griffin und Page (1993) gesteckten Rahmen hinausgehen, jedoch teilweise keine echten Erfolgsaspekte, sondern eher Indikatoren der Innovationsh¨ohe umfassen. Die Kundendimension f¨allt bei beiden Untersuchungen zwar grunds¨atzlich ¨ahnlich aus, ermittelt bei Shenhar et al. (2001) jedoch auch die Einhaltung der funktionellen

169

Griffin und Page (1993), S. 292f.

170

Das letzte der 16 Core Measures von Griffin und Page ist allerdings auf Firmenbene angesiedelt.

171

So untersuchen Story et al. (2001) die Anwendbarkeit des Messkonzeptes auf die (britische) Automobilzulieferindustrie, Hultink und Robben (1995) den Einfluss von Zeitperspektive, Markt, Innovationsgrad und Strategie sowie Griffin und Page (1996) ebenfalls den Einfluss der Strategie auf die jeweilige Wichtigkeit der Erfolgsgr¨ oßen.

88

4. Planung, Steuerung und Erfolg von Innovationsprojekten

und technischen Produktspezifikation, die bei Griffin und Page (1993) einen Aspekt des produktbezogenen Faktors bilden. Die beiden u ¨brigen Faktoren – Projekteffizienz und Business Success – ¨ahneln in ihrer Struktur st¨arker den entsprechenden Resultaten in der Untersuchung von DeCotiis und Dyer (1979), da ihre jeweiligen Inhalte bei Griffin und Page (1993) entweder gar nicht oder aber in anderen Faktoren ber¨ ucksichtigt werden. Insgesamt geht aus dem Vergleich der in Tabelle 4.1 aufgestellten Studien deutlich hervor, dass sich die verwendeten Erfolgsmaße zwar oft ¨ahneln, ihre Verdichtung zu Dimensionen jedoch immer wieder unterschiedlich ausf¨allt. Dass eine dimensionale Abgrenzung der Erfolgsdimensionen mit Problemen verbunden ist, deuten dabei auch schon die hohen Querladungen an, die bei der von Shenhar et al. (2001) berichteten Faktorenanalyse zu Tage treten. Vor diesem Hintergrund soll im Rahmen der Konstruktoperationalisierung in Kapitel 9 der vorliegenden Arbeit eine vergleichsweise große Zahl von Erfolgsindikatoren untersucht und statistisch zu Dimensionen verdichtet werden. Durch methodische Itemselektion soll dabei versucht werden, eine m¨oglichst klare Trennung und Charakterisierung der einzelnen Dimensionen zu erreichen.

Konzeptualisierung und Operationalisierung des Erfolgs von F&E-Projekten

Identifikation aller verwendeten Erfolgsmaße sowie Bildung und Validierung zusammenfassender Dimensionen

DeCotiis und Dyer (1979)

Griffin und Page (1993)

Einteilung der Maße danach, ob sie von Innovationsforschern genutzt werden, ob sie von Firmen tats¨ achlich genutzt werden oder ob Firmen sie gern nutzen w¨ urden

Ziel der Studie

Publikation

50 Frageb¨ ogen, ausf¨ ullt von Managern auf der PDMA Konferenz 1991

77 Publikationen aus 61 Forschungsprojekten

20 strukturierte Interviews mit F&EMitarbeitern eines USamerikanischen Großunternehmens

Empirische Basis

Group consensus process, Faktorenanalyse

Inhaltsanalyse der Interviews, dann Faktoranalyse u ¨ber identifizierte Erfolgsitems

Verfahren

(wird fortgesetzt)

Firmen nutzen im Mittel 4 Maße: 2 Customer Acceptance, 1 Financial, 1 Firm oder Product Level. Innovationsforscher gewichten Firm und Program Level st¨ arker

Zuordnung der Maße zu 5 Kategorien: Firm Benefit, Program Level, Product, Financial Performance, Customer Acceptance

16 Maße ( Core Measures“) sind in allen drei ” Kategorien vertreten

75 unterschiedliche Erfolgsmaße wurden identifiziert (46 aus Ver¨ offentlichungen, 34 von Firmen verwendet, 45 von Firmen als erstrebenswert eingesch¨ atzt)

(1) Manufacturability and Business Performance (u. a. Time-to-market, Profitabilit¨ at); (2) Technical Performance; (3) Efficiency (u. a. Zeitplaneinhaltung, Budgeteinhaltung, Produktivit¨ at); (4) Personal Growth Experience (Projekt stellt interessante, herausfordernde Erfahrung dar etc.); (5) Technological innovativeness (u. a. entscheidender technischer Fortschritt)

5 Erfolgsdimensionen identifiziert:

Befunde

Tabelle 4.1: Studien zur Erfolgsmessung bei Innovationsvorhaben

4.4. Erfolgsbeurteilung von Innovationsvorhaben 89

Hart (1993)

Analyse des Zusammenhangs zwischen Projektstrategie und verwendeten Maßen f¨ ur Projekterfolg

Griffin und Page (1996)

Daneben sollen auch Dimensionen des Erfolgs auf Projektebene identifiziert werden

Hauptziel ist die Analyse der wechselseitigen Beziehungen von Erfolgsmaßen auf Programmebene

Analyse des Zusammenhangs zwischen Firmenstrategie und verwendeten Maßen f¨ ur Programmerfolg

Ziel der Studie

Publikation

(Fortsetzung)

69 Frageb¨ ogen, ausgef¨ ullt von Mitarbeitern britischer Manufacturing ” Companies“ diverser Branchen

80 Manager aus dem T¨ atigkeitsfeld Produktentwicklung, die aktive Mitglieder der PDMA oder der NPD Common Interest Group der APQC sind

Empirische Basis

Faktorenanalyse

Frageb¨ ogen beschreiben Projektund Firmenstrategien, zu denen die Studienteilnehmer jeweils die Maße nennen, die sie am ehesten verwenden w¨ urden

Verfahren

(wird fortgesetzt)

Technology Race: Technological Break” through“, Beaten the competition technical” ly“, Beaten the competition to market“ ” Price/Cost: Reduced production costs“, ” Beaten the competition on costs“, Met the ” ” objectives set“, Launched into new markets“ ” ROI: Profits in excess of costs“, Beaten the ” ” competition to market“, Met the objectives ” set“

Innovationserfolg wird auf Projektebene durch 3 relativ heterogene Dimensionen mit z. T. hohen Querladungen erfasst:

Empfohlene Maße f¨ ur Programmerfolg unterscheiden sich z. T. signifikant entlang der Strategietypen von Miles und Snow (1978): Prospectors betonen v. a. Sales“ und Opportu” ” nities“, die anderen Kategorien v. a. Strategy ” Fit“ und Program ROI“ ”

Met Profit Goals“, Competitive Advantage“ ” ” und Customer Satisfaction“ geh¨ oren u ¨ber al” le Typen von Projektstrategien zu den meistgenutzten Maßen, daneben werden je nach Projekttyp weitere Maße herangezogen

Befunde

90 4. Planung, Steuerung und Erfolg von Innovationsprojekten

Ziel der Studie

Vergleich der Konzepte zur Messung des Innovationserfolgs in wissenschaftlichen Ver¨ offentlichungen

Analyse, wie die Verwendung der 16 Core Measures von Griffin und Page (1993) von Zeitperspektive, Markt, Strategie, Innovationsgrad und funktioneller Orientierung anh¨ angt

Analyse des in der Praxis eingesetzten Systems zur Erfolgsbeurteilung von NPD auf Projekt-, Programm- und Unternehmensebene mit dem Ziel, Kontingenz- und Effizienzaussagen zu treffen

Publikation

Hauschildt (1991)

Hultink und Robben (1995)

Kerssens-van Drongelen und Bilderbeek (1999)

(Fortsetzung)

44 Frageb¨ ogen, ausgef¨ ullt von F&E-Managern niederl¨ andischer Firmen, Vertiefung durch 9 strukturierte Interviews

80 Frageb¨ ogen, ausgef¨ ullt von Marketingund F&E-Managern niederl¨ andischer Großunternehmen

35 Erfolgsfaktorenstudien, die den Innovationserfolg als Variable verwenden

Empirische Basis

Deskriptive Statistik

t-Tests

Heuristische Gruppierung der Erfolgsmaße

Verfahren

wissen-

(wird fortgesetzt)

74% Zeitplaneinhaltung, 42% Qualit¨ at, 26% Budgeteinhaltung, 21% Kundenzufriedenheit, 11% ROI

Maße zur Projektbeurteilung werden mit der folgenden Frequenz von Firmen eingesetzt:

Keine signifikanten Ergebnisse hinsichtlich der anderen Kontingenzfaktoren

Kurzfristig sind v. a. Time-to-market und Entwicklungskosten wichtig, langfristig sind v. a. Profitabilit¨ atsmaße und Umsatzziele wichtig

Sonstige Effekte: Umwelteffekte, schaftliche Anerkennung, etc.

Technische Effekte: Direkt: technische Messwerte; Indirekt: Know-How-Aufbau, Werbeeffekte, Abwehreffekte, etc. ¨ Okonomische Effekte: Direkt: Umsatz, Gewinn, Kosten; Indirekt: Umsatzverringerung oder Kostenerh¨ ohung der Konkurrenz

Innovationserfolg wird durch 3 Dimensionen erfasst:

Befunde

4.4. Erfolgsbeurteilung von Innovationsvorhaben 91

Bestimmung der relativen Wichtigkeit verschiedender Dimensionen des Projekterfolgs

Identifikation der Dimensionen des Konstrukts Projekt” erfolg“

Lipovetsky et al. (1997)

Shenhar et al. (2001)

Analyse der jeweiligen Wichtigkeit der Erfolgsdimensionen f¨ ur unterschiedliche Projekttypen

Ziel der Studie

Publikation

(Fortsetzung)

127 Frageb¨ ogen von Projekten aus 76 israelischen Firmen, davon ca. 75% aus dem Bereich Produktentwicklung

Jeweils 3 Frageb¨ ogen ausgef¨ ullt von End ” User“, Customer“ und ” Developer“ f¨ ur 110 ” NPD-Projekte in der israelischen Verteidigungsindustrie

Empirische Basis

Zweite Stufe: Faktorenanalysen u ¨ber die in den Frageb¨ ogen aufgef¨ uhrten Erfolgsitems

Erste Stufe: Fallstudieninterviews bei 15 Firmen zur Sammlung potentieller Erfolgsmaße und -dimensionen

Round Robin Tournament, AHP

Verfahren

(wird fortgesetzt)

Preparing for the Future: Entwicklung einer neuen Technologie, Schaffung einer neuen Produktlinie, Schaffung eines neuen Marktes

Business Success: Wirtschaftlicher Erfolg und Erlangung eines großen Marktanteils

Impact on the Customer: Einhaltung funktioneller und technischer Spezifikationen, L¨ osung eines Kundenproblemes, Erf¨ ullung der Kundenbed¨ urfnisse, Der Kunde nutzt das Produkt, Kundenzufriedenheit

Project Efficiency: Budget- und Zeitplaneinhaltung

Projekterfolg wird durch 4 Dimensionen erfasst:

Alle 3 Bewertergruppen priorisieren die 4 Erfolgsdimensionen gleich: (1) Benefits to the customer, (2) Meeting design goals, (3) Benefits to the defense infrastructure, (4) Benefits to the developing organizsation

Befunde

92 4. Planung, Steuerung und Erfolg von Innovationsprojekten

Frageb¨ ogen beantwortet von 43 Managern britischer Diensleistungsfirmen

Strukturierte Interviews mit jeweils einem NPDManager aus 10 britischen Automobilzulieferfirmen

Analyse, wie Firmen den Erfolg neuer Dienstleistungen auf Projekt- und Programmebene messen

¨ Uberpr¨ ufung der 16 Core Measures von Griffin und Page (1993) auf Vollst¨ andigkeit und Relevanz f¨ ur eine spezielle Branche

Storey und Kelly (2001)

Story et al. (2001)

Empirische Basis

Ziel der Studie

Publikation

(Fortsetzung)

Deskriptiv

Deskriptive Statistik

Verfahren

Technical: Qualit¨ at wird h¨ aufig als wichtige Zielgr¨ oße genannt, weniger h¨ aufig dagegen das strategische Potential des Projekts

Customer/market measures: Marktanteil, St¨ uckzahl und Kundenzufriedenheit werden h¨ aufig gemessen, nicht dagegen Umsatz.

Financial measures: Gewinn, ROI und Budgeteinhaltung werden h¨ aufig gemessen, nicht dagegen Break-even-time.

56% aller Firmen messen den NSD-Erfolg anhand von Gewinn und Umsatz, 28% messen Kundenzufriedenheit, nur gut 10% messen jeweils Projektrentabilit¨ at, Kosteneinhaltung und strategischen Fit

Befunde

4.4. Erfolgsbeurteilung von Innovationsvorhaben 93

4. Planung, Steuerung und Erfolg von Innovationsprojekten

94

4.4.4

Kongruenz subjektiver und objektiver Erfolgsbeurteilung

Dass subjektive Erfolgseinsch¨atzungen weitgehend valide Ergebnisse liefern, konnte zumindest f¨ ur Erfolgsmaße auf Unternehmensebene durch die in Tabelle 4.2 zusammengestellten Studien nachgewiesen werden, bei denen sowohl subjektive als auch objektive Erfolgsmaße erhoben wurden. Zentrales Ergebnis der Pionierstudie von Dess und Robinson (1984) sind relativ hohe Korrelationen zwischen den objektiv ermittelten Werten f¨ ur Umsatzwachstum und Return On Assets nach Steuern auf der einen Seite und den entsprechenden subjektiven Einsch¨atzungen durch Firmenmitarbeiter auf der anderen Seite. Weiterhin zeigt sich, dass die objektiven Finanzmaße auch deutlich mit einem stark aggregierten, subjektiven Erfolgsmaß Overall Performance“ korrelieren.172 Diese ” Ergebnisse konnten in den Folgestudien weitgehend repliziert werden, wobei tendenziell zu erkennen ist, dass jeweils absolute Zahlen (z. B. Umsatz) pr¨aziser gesch¨atzt wurden als Verh¨altniszahlen (z. B. Profitabilit¨at) und diese wiederum pr¨aziser gesch¨atzt wurden als Wachstumszahlen (z. B. Umsatzwachstum und Marktanteilswachstum). Die Zahlenwerte der berichteten Korrelationskoeeffizienten machen jedoch deutlich, dass subjektive Erfolgsmaße kein vollst¨andiges Substitut f¨ ur objektive Maße sein k¨onnen, so dass letztere – wann immer m¨oglich – vorzuziehen sind.173

172

Dess und Robinson (1984), S. 269.

173

Dess und Robinson (1984), S. 271.

4.4. Erfolgsbeurteilung von Innovationsvorhaben

95

Studie

Stichprobe

Korr.

Untersuchte Maße

Chamanski und Waag¨ o (2001)

115 norwegische New-Technology Based Firms

0,57

Aggregierte Maße aus Umsatz, Marktanteil und Profitabilit¨ at

Covin et al. (1994)

91 US-amerikanische Firmen ( Advanced Manufacturing“) ”

0,44

Umsatzwachstum

Dawes (1999)

45 australische Firmen (davon 23 produzierendes Gewerbe)

0,51 0,48

ROI des aktuellen Jahres ROI des Vorjahres

Dess und Robinson (1984)

26 US-amerikanische Firmen (produzierendes Gewerbe)

0,69 0,61 0,56 0,48

Umsatz ROA nach Steuern Performance (subj.) und Umsatz Performance (subj.) und ROA

Hart und Banbury (1994)

Ca. 240 US-amerikanische Firmen (breiter Industriequerschnitt)

0,55 0,44

ROA Umsatzwachstum

Pearce et al. (1987b)

92 US-amerikanische Firmen (produzierendes Gewerbe)

0,74 0,77

ROA Umsatz

Zahra (1996)

112 US-amerikanische junge Biotechnologieunternehmen

0,67 0,64 0,59

ROE Umsatzwachstum Marktanteilswachstum

Tabelle 4.2: Studien zur Korrelation zwischen subjektiven Einsch¨ atzungen und objektiven PerformanceMaßen auf Unternehmensebene

Kapitel 5 Metaanalyse der empirischen Forschung zur Planung und Steuerung 5.1

Ziele der Metaanalyse und Auswahl der Studien

In diesem Kapitel sollen die Ergebnisse bisheriger empirischer Forschung in Bezug auf die Planung und Steuerung von Innovations- und NPE-Projekten aufgearbeitet werden. Hierf¨ ur werden 39 empirische Untersuchungen, die in 45 Aufs¨atzen ver¨offentlicht wurden, einer detaillierten Analyse unterzogen. Die Metaanalyse dieser Studien verfolgt im wesentlichen drei Ziele: 1. Anhand einer umfassenden Sichtung der Literatur zur Planung und Steuerung von Innovationsprojekten soll eine m¨oglichst vollst¨andige Zusammenstellung und Systematisierung des relevanten empirischen Forschungsfeldes erreicht werden. Neben der Erfassung der jeweils gew¨ahlten Operationalisierungen zentraler Variablen betrifft dies vor allem die Befunde hinsichtlich der Erfolgswirkung verschiedener Planungsund Steuerungsaspekte. 2. Um eine zuverl¨assige Synthese der Forschungsergebnisse zu erzielen, wird eine quantitative Aggregation der Befunde angestrebt, soweit es die Datenqualit¨at der zugrundliegenden Studien zul¨asst. Hedges und Olkin (1980) haben gezeigt, dass sich dies nur sehr begrenzt durch Abz¨ahlmethoden (Vote Counting) erreichen l¨asst, da diese mit einem hohen Fehler 2. Art verbunden sind. Stattdessen werden hier aggregierte Effektst¨arken nach der Methode von Hunter und Schmidt (1990) ermittelt (vgl. Abschnitt 5.5.1). 3. Die Rolle des Innovationsgrads als zentraler Kontingenzfaktor im Rahmen von Pro-

98

5. Metaanalyse der empirischen Forschung zur Planung und Steuerung

duktentwicklungsprojekten soll herausgearbeitet werden. Hierf¨ ur wird zun¨achst systematisch untersucht, ob jeweils die Befunde innerhalb einer Studie R¨ uckschl¨ usse auf Unterschiede in den Wirkungsbeziehungen f¨ ur Projekte mit hohem bzw. niedrigem Neuheitsgrad zulassen. Im Rahmen der quantitativen Metaanalyse wird dann u uft, ob sich widerspr¨ uchliche Befunde eventuell auf Unterschiede in den mitt¨berpr¨ leren realisierten Innovationsgraden zwischen den Studien zur¨ uckf¨ uhren lassen. Die Suche nach relevanten Studien erfolgte zun¨achst in Form von Datenbankabfragen mit logisch verkn¨ upften Stichworten (innovation, new product development, planning, control, formality, etc.) in Datenbanken zur wirtschaftswissenschaftlichen Literatur (EBSCO, ABIINFORM). Erg¨anzend wurden die Inhaltsverzeichnisse derjenigen deutsch- und englischsprachigen Zeitschriften durchsucht, in denen am ehesten Ver¨offentlichungen zu Fragen des Innovationsmanagement auf Projektebene erscheinen.1 Als weitere Quelle einzubeziehender Studien dienten die Zitationen bereits ermittelter Ver¨offentlichungen. Studien mussten die folgenden Kriterien erf¨ ullen, um in die Metaanalyse einbezogen zu werden: 1. Die Ebene der Analyse muss das Einzelprojekt sein. Nicht ber¨ ucksichtigt werden also Arbeiten, die sich ausschließlich auf das Innovationssystem auf Projektprogrammoder Gesamtunternehmensebene beziehen. 2. Der Zusammenhang zwischen Aspekten der Planung und Steuerung auf der einen Seite und dem Projekterfolg auf der anderen Seite muss auf der Basis großzahliger Stichproben untersucht werden. Ergebnisse von Arbeiten, die reine Existenzaussagen treffen oder auf Fallstudien basieren, wurden im letzten Kapitel berichtet. 3. Die Stichprobe muss sich zum gr¨oßten Teil aus wirklichen Entwicklungsprojekten rekrutieren. Untersuchungen, bei denen Innovationsprojekte nur beispielsweise 20 Prozent der Stichprobe ausmachen, m¨ ussen so zugunsten der Homogenit¨at ausgeschlossen werden. 4. Basieren mehrere Ver¨offentlichungen auf derselben Datenbasis, so werden deren Ergebnisse zusammenfassend dargestellt. Von dieser Regel wird abgewichen, wenn sp¨atere Arbeiten aufgrund unterschiedlicher Auswertungsmethoden zu differierenden Ergebnissen kommen bzw. neue Themenbereiche abdecken. Im Rahmen der Literatursuche musste festgestellt werden, dass sich im Vergleich zu anderen, thematisch weiter gefassten Metaanalysen nur eine relativ geringe Zahl von Studien 1

Bei den folgenden Zeitschriften wurden die Jahres-Inhaltsverzeichnisse ab 1990 auf relevante Studien hin untersucht: Academy of Management Journal, Administrative Science Quarterly, Die Betriebswirtschaft, Journal of Management, Journal of Product Innovation Management, Management Science, R&D Management, Zeitschrift f¨ ur Betriebswirtschaft, Zeitschrift f¨ ur betriebswirtschaftliche Forschung.

5.2. Ergebnisse allgemeiner NPD- und NSD-Studien

99

mit diesem Themenkreis befasst. Zudem berichtet nur ein kleinerer Teil der Arbeiten die f¨ ur eine quantitative Metaanalyse geeignete Effektst¨arken . Um dennoch eine m¨oglichst umfassende Darstellung des empirischen Forschungsfeldes zu gew¨ahrleisten, wird zun¨achst eine qualitative Gegen¨ uberstellung der zentralen Befunde durchgef¨ uhrt. Dabei bietet sich unter inhaltlichen und methodischen Gesichtspunkten die folgende Dreiteilung an: In Abschnitt 5.2 werden die Untersuchungen analysiert, die sich in ihrer Methodik an die fr¨ uhe Studie von Cooper (1979a) anlehnen und auf eher abstrakter Ebene sowohl Planungs- als auch Steuerungsaspekte behandeln. Abschnitt 5.3 behandelt Studien, die gezielt Aspekte der Projektplanung betrachten, und Abschnitt 5.4 analysiert schließlich Studien, die den Fokus auf Projektsteuerung setzen. Die quantitative Metaanalyse erfolgt dann im Abschnitt 5.5 bevor die zentralen Befunde in Abschnitt 5.6 zusammengefasst werden.

5.2

Ergebnisse allgemeiner NPD- und NSD-Studien

Die in diesem Abschnitt vorgestellten Studien sind dadurch gekennzeichnet, dass sie ein relativ breit gef¨achertes Spektrum organisationaler Gestaltungsmerkmale auf ihren Einfluss auf den Innovationserfolg hin untersuchen. Sie gehen dabei stark exploratorisch vor und identifizieren u ¨ber Diskriminanzanalysen, Korrelationsrechnungen oder einfache Mittelwertvergleiche eine oft relativ große Zahl sogenannter Erfolgsfaktoren“, stellen also ” typische Beispiele f¨ ur den Rational Plan-Zugang zur Neuproduktforschung dar.2 Konzeptionell lehnen sich nahezu alle Arbeiten stark an die beiden Pionierstudien von Cooper (1979a) sowie Cooper und Kleinschmidt (1987a) an und u ¨bernehmen in großen Teilen deren Fragebl¨ocke. Die wesentlichen Merkmale der Studien werden in Tabelle 5.1 dargestellt sowie in Tabelle 5.2 verdichtet. In den ersten Arbeiten von Cooper (1979a; 1979b; 1980a; 1980b), die auf der Untersuchung NewProd“ vom Ende der siebziger Jahre basieren, werden 77 Variablen durch ex” ploratorische Faktorenanalysen zu 18 Dimensionen verdichtet. Die Diskriminanzanalyse in der methodisch ausgefeiltesten der vier Ver¨offentlichungen (1979a, S. 100f.) zeigt, dass der Erfolg neuer Produkte vor allem durch drei Aspekte signifikant positiv beeinflusst wird: ¨ des Produktes“ 3 , die Professionalit¨at der Marktforschung“ und die die Uberlegenheit ” ” Professionalit¨at der technischen Produktentwicklung“. Projektplanung und -steuerung ” werden von Cooper nicht untersucht, dagegen werden Aspekte der Businessplanung durch 2

Vgl. Abschnitt 3.1 (S. 27ff.) sowie Brown und Eisenhardt (1995), S. 348ff. Eine Sonderstellung nimmt jedoch die Arbeit von Ernst (2001) ein, der zun¨ achst umfassend die einschl¨ agigen Erfolgsfaktorenstudien gegen¨ uberstellt, um dann anhand einer eigenen Erhebung deren Validit¨ at, v. a. hinsichtlich des sog. informant bias , abzusch¨ atzen.

3

Dieser Faktor enh¨ alt auch mindestens zwei Items, die die Makro-Perspektive des Innovationsgrads messen: Highly innovative product, new to market“ und Product had unique features for customer“. ” ”

100

5. Metaanalyse der empirischen Forschung zur Planung und Steuerung

einen Faktor Proficiency of Precommercialization Acitivities erfasst. Dieser tr¨agt jedoch nur sehr gering zur Varianzerkl¨arung in der Faktorenanalyse bei, hat durchweg Faktorladungen unter 0,5 und umfasst zwei Items, die deutlich h¨oher auf den Faktor Profes” sionalit¨at der Marktforschung“ laden. In die Diskriminanzfunktion zwischen Erfolg und Misserfolg geht dieser Faktor nicht ein. In den sp¨ateren Arbeiten von Cooper und Kleinschmidt ( NewProd II“: 1987a; 1987b; ” 1987c) u uher verwendeten Variablen, ¨bernehmen die Autoren zum großen Teil die schon fr¨ nehmen jedoch teilweise Erg¨anzungen vor und strukturieren die Inhalte anhand des von ihnen entwickelten Stage-Gate-Prozesses4 . Cooper und Kleinschmidt – sowie zahlreiche Forscher, die auf ihrem Konzept aufbauen – erfassen damit m¨ogliche Erfolgsfaktoren als Proficiencies of New Product Activities, also als Professionalit¨at“ in der Ausf¨ uhrung einer ” chronologisch angeordneten Reihe von Produktentwicklungst¨atigkeiten. Ernst (2001, S. 27) u ¨bt zurecht Kritik an der Methodik dieser Untersuchungen: Cooper und Kleinschmidt (1987a) verdichten die 11 Erfolgsitems nicht zu Dimensionen, f¨ uhren keine Faktorenanalysen f¨ ur die postulierten Gestaltungsdimensionen durch und ordnen – wie schon bei NewProd – einzelne Fragebogenitems mehreren Dimensionen zu, so dass im Ergebnis die berichteten Werte f¨ ur Cronbach’s Alpha und die Item-to-Total-Korrelationen ur die vorz. T. sehr niedrig sind.5 Dies wird auch gerade an dem Faktor deutlich, der f¨ liegende Arbeit von gr¨oßtem Interesse ist. Unter Proficiency of Predevelopment Activities (α = 0, 5) fassen die Autoren f¨ unf Items zusammen, die eher durch die ihre zeitliche Einordnung in den Produktentwicklungsprozess zusammenfallen als durch inhaltliche Kongruenz: Initial Screening, Preliminary Market Assessment, Preliminary Market Assessment, Detailed marketing research und Business/Financial Analysis.

4

Vgl. u. a. Cooper und Kleinschmidt (1986).

5

Bei vier von zehn Faktoren liegt Cronbach’s Alpha unter 0.6, ein Drittel der Items hat Item-to-TotalKorrelationen unter 0.4. Vgl. Cooper und Kleinschmidt (1987a), Tabelle 2 auf S. 176-177.

Stichprobe

243 nordamerikanische NPE-Projekte aus kleinen Fertigungsbetrieben

275 australische Innovationsprojekte aus 158 produzierenden und 117 Dienstleistungfirmen

195 kanadische NPE-Projekte aus 103 Unternehmen verschiedener Industrien

203 NPE-Projekte aus 125 kanadischen Industrieunternehmen.

Publikation

Ali et al. (1995)

AtuaheneGima (1996)

Cooper (1979a; 1979b; 1980a; 1980b)

Cooper und Kleinschmidt (1987a; 1987b; 1987c)

Erfolgsmessung anhand von 11 Items, die Profitabilit¨ at, Payback Period, Umsatz und Window of Opportunity“ erfassen. ”

(Mikro-) Innovationsgrad ( newness to the ” firm“) wird durch 7 items gemessen: Neuartigkeit von Kunden, Produkt, Produktnutzen, Technik, Produktionsprozess, Vertrieb, Marketing, Wettbewerbern.

Erfolgsmessung: Einteilung in erfolgreiche und nicht erfolgreiche Projekte durch die Respondenten (102 erfolgreiche, 93 nicht erfolgreiche Projekte).

Innovationsleistung als Faktor mit 12 Items operationalisiert (u. a. Grad der Zielerreichung hinsichtlich Umsatz, Marktanteil, Profitabilit¨ at, Wettbewerbsvorteil).

Erfolgsmessung anhand von NPD cycle time sowie die Break-even time.

Messung von Erfolg sowie ggf. Innovationsgrad

(wird fortgesetzt)

Proficiency of predevelopment activities (u. a. Ideenevaluation, Marktforschung, finanzieller Business Case) zeigt signifikante positive Korrelationen mittlerer H¨ ohe mit allen Erfolgsmaßen außer mit der Payback Period, mit der sie negativ korreliert.

Im Rahmen einer Diskriminanzanalyse zwischen erfolgreichen und erfolglosen Projekten mit insgesamt 18 Faktoren erscheint dieser Faktor nicht erfolgswirksam.

Proficiency of precommercialization activities durch 7 Items erfasst, u. a. durch Marktstudie, Ideenevaluation und Businessplanung.

Proficiency of predevelopment activities (u. a. Ideenevaluation und Business Case) hat bei Produktinnovationen eine vergleichsweise geringe positive Wirkung auf den Innovationserfolg, bei Dienstleistungsinnovation wirkt sie gar nicht signifikant.

Gute Up-front homework (u. a. Marktstudie, Ideenevaluation und Business Case) wirkt stark positiv auf die NPD cycle time, die (positive) Wirkung auf die Break-even time ist dagegen nicht signifikant.

Wesentliche Befunde hinsichtlich Projektplanung und -steuerung

¨ Tabelle 5.1: Ubersicht u ¨ber allgemeine NPD- und NSD-Studien

5.2. Ergebnisse allgemeiner NPD- und NSD-Studien 101

Stichprobe

103 nordamerikanische und britische NPE-Projekte aus 21 Unternehmen der chemischen Industrie

Gleiche Datenbasis wie bei Cooper (1994a, 1994b)

135 Neuproduktprogramme von Firmen aus Nordamerika und Europa (v. a. Deutschland und D¨ anemark)

Publikation

Cooper (1994a, 1994b)

Cooper und Kleinschmidt (1994)

Cooper und Kleinschmidt (1995)

(Fortsetzung)

Overall success Profit rating Tech success rating Impact on company Time efficiency Adherence to schedule

Anhand dieser zwei Dimensionen werden vier Erfolgscluster gebildet: Solid perfor” mers“, Technical winners“, Low-impact ” ” performers“ und Dogs“. ”

1. Program impact 2. Program profitability

Erfolg des Projektprogramms wird u ¨ber 10 Items erhoben, die auf 2 Faktoren laden:

1. Zeitplaneinhaltung 2. Zeiteffizienz (tats¨ achliche Projektdauer im Verh¨ altnis zu theoretisch effizienter Projektdauer)

Timeliness gemessen durch 2 Items:

1. 2. 3. 4. 5. 6.

Erfolgsmessung: Clusterung der Projekte in Top, Mid und Bottom anhand von 6 Dimensionen:

Messung von Erfolg sowie ggf. Innovationsgrad

(wird fortgesetzt)

Solid performers“ heben sich von den anderen drei Clustern u. a. ” durch ihre Projektsteuerung ab. Sie verfolgen ein umfassendes Prozessschema, dass sorgf¨ altig und flexibel umgesetzt wird, halten an Steuerungsgr¨ ossen fest und nutzen diese f¨ ur wohldefinierte Go/Kill-Entscheidungen.

Product definition (Zielmarkt und -positionierung, Kundennutzendimensionen und Produktspezifikation) hat ein vergleichsweise geringe Wirkung auf die Timeliness.

Up-front homework (Marktstudie, Ideenevaluation und Building ” the business case“ vor dem Entscheidungspunkt Go to Develop” ment“) ist der zweitwichtigste Erfolgsfaktor f¨ ur die Timeliness.

Firmen mit besonders guter Up-front homework geh¨ oren entlang allen Erfolgsdimensionen zu den Top-Performern.

Up-front homework (Pre-development activities) enth¨ alt als wesentliche Punkte Marktstudie, Ideenevaluation und sowie Buil” ding the business case“ vor dem Entscheidungspunkt Go to De” velopment“.

Wesentliche Befunde hinsichtlich Projektplanung und -steuerung

102 5. Metaanalyse der empirischen Forschung zur Planung und Steuerung

Stichprobe

276 kanadische Dienstleistungsinnovation aus 115 Firmen, breites Spektrum an Sektoren (Finanz, Professional, Logistik und Kommunikation)

Gleiche Stichprobe wie bei de Brentani (1991)

Gleiche Stichprobe wie bei de Brentani (1995)

Publikation

de Brentani (1991)

de Brentani (1995)

de Brentani (2001)

(Fortsetzung)

(wird fortgesetzt)

Formelle Planung und Steuerung (Marktstudie, Ideenevaluation, Finanzplan, Alternativenabw¨ agung, Markttest, Launch) hat bei niedriginnovativen Projekten nur geringe Erfolgswirkung und ist bei hochinnovativen gar nicht signifikant.

Service newness to the firm“ hat eine negative Erfolgswirkung ” bei kleinen Firmen, Moderatoreffekte wurden nicht untersucht.

(Mikro-) Innovationsgrad wurde anhand der beiden Faktoren Market newness to ” the firm“ (5 Items) und Service newness ” to the firm“ (3 Items) erhoben. Gleiche Operationalisierung wie bei de Brentani (1995)

Formelle Planung und Steuerung (Marktstudie, Ideenevaluation, Finanzplan, Alternativenabw¨ agung, Markttest, Launch) hat bei kleinen Firmen eine schwache, bei großen Firmen eine sehr schwache Erfolgswirkung.

2. Effektivit¨ at des NSD-Management (u. a. Teambeteiligung in der Planungsphase)

1. Formale Planung und Steuerung (Marktstudie, Ideenevaluation, Finanzplan, Alternativenabw¨ agung, Markttest, Launch)

Qualit¨ at des NSD-Prozesses hat von allen Faktoren die h¨ ochste Wirkung auf die Cost performance und die zweith¨ ochste Wirkung auf die Sales performance, zeigt jedoch nur eine schwache Wirkung auf die Competitive Performance. Qualit¨ at des NSD-Prozesses besteht dabei aus den 2 Faktoren

Wesentliche Befunde hinsichtlich Projektplanung und -steuerung

Erfolgsmessung: Einteilung in erfolgreiche und nicht erfolgreiche Projekte durch die Respondenten (150 erfolgreiche, 126 nicht erfolgreiche Projekte).

Sales performance (6 Items) Competitive performance (4 Items) Cost performance (3 Items) Other booster“ (2 Items) ” (Mikro-) Innovationsgrad wurde anhand der beiden Faktoren Market newness to ” the firm“ (5 Items) und Service newness ” to the firm“ (3 Items) erhoben.

1. 2. 3. 4.

Daneben Erhebung diverser Erfolgsitems, die zu 4 Dimensionen verdichtet wurden:

Erfolgsmessung: Einteilung in erfolgreiche und nicht erfolgreiche Projekte durch die Respondenten (150 erfolgreiche, 126 nicht erfolgreiche Projekte).

Messung von Erfolg sowie ggf. Innovationsgrad

5.2. Ergebnisse allgemeiner NPD- und NSD-Studien 103

Stichprobe

95 NPE-Projekte aus 75 australischen Firmen

118 Dienstleistungsinnovationen aus 67 britischen Bausparkassen

148 Dienstleistungsinnovationen aus 88 britischen Bausparkassen und Banken

Publikation

Dwyer und Mellor (1991)

Edgett und Parkinson (1994)

Edgett (1994)

(Fortsetzung)

Einteilung in erfolgreiche und nicht erfolgreiche Projekte durch die Respondenten (78 erfolgreiche, 70 nicht erfolgreiche Projekte).

Einteilung in erfolgreiche und nicht erfolgreiche Projekte durch die Respondenten (62 erfolgreiche, 56 nicht erfolgreiche Projekte).

Einteilung in erfolgreiche und nicht erfolgreiche Projekte durch die Respondenten (61 erfolgreiche, 32 nicht erfolgreiche Projekte), daneben Erhebung von Umsatz, Profitabilit¨ at und Window of opportuni” ty“.

Messung von Erfolg sowie ggf. Innovationsgrad

(wird fortgesetzt)

Mittelwertvergleiche ohne Skalenbildung zeigen, dass hinsichtlich der formellen Projektselektion nur schwach signifikante Unterschiede zwischen erfolgreichen nur nicht erfolgreichen Projekten bestehen, hinsichtlich der Items zur Business Planung (schriftliches Niederlegen der Projektziele, Erstellung eines ersten Business Case, formelle Go/No-Go Entscheidung und weiterer Business Case vor Launch) dagegen sehr hohe.

Prozessformalisierung erfasst, wie formell Projektselektion und -ausf¨ uhrung erfolgten.

Businessplanung umfasst dabei schriftliches Niederlegen der Projektziele, die Erstellung eines ersten Business Case, eine formelle Go/No Entscheidung und einen weiteren Business Case vor Launch.

Businessplanung und Prozessformalisierung gehen in Diskriminanzfunktion als relativ schwache Pr¨ adiktoren f¨ ur Projekterfolg ein.

Korrelationsanalyse zeigt, dass Ideenevaluation sowohl mit Umsatz als auch mit Profitabilit¨ at signifikant korreliert; Marktstudie und Business Case korrelieren mit dem Umsatz.

Wesentliche Befunde hinsichtlich Projektplanung und -steuerung

104 5. Metaanalyse der empirischen Forschung zur Planung und Steuerung

258 Informanten (jeweils 129 aus der Leitungs- und Projektebene) u ¨ber die NPE-Programme von 43 Unternehmen bzw. SGEs

276 australische NPEProjekte aus den Bereichen Maschinenbau und chemische Industrie

120 deutsche Projekte

288 koreanische NPE-Projekte aus 144 Firmen

Ernst (2001)

Huang et al. (2002)

Kotzbauer (1992)

Mishra et al. (1996)

NPE-

Stichprobe

Publikation

(Fortsetzung)

Einteilung in erfolgreiche und nicht erfolgreiche Projekte durch die Respondenten sowie Erhebung eines Items Projekterfolg“ ” auf 10er Skala.

1. Markterfolg 2. Finanzieller Erfolg 3. Strategischer Erfolg

Einteilung in erfolgreiche und nicht erfolgreiche Projekte durch die Respondenten. Daneben Erfolgsmessung in 3 Dimensionen:

Erfolgsmessung anhand der 16 Core Measures von Griffin und Page (1993). Danach Einteilung in erfolgsreiche und nicht erfolgreiche Projekte.

1. Umsatzwachstum (3 Items) 2. Profitabilit¨ at (3 Items) 3. Zielerreichung (2 Items)

Erfolgsmessung in 3 Dimensionen:

Messung von Erfolg sowie ggf. Innovationsgrad

(wird fortgesetzt)

Marktstudie und Ideenevaluation korrelieren relativ hoch mit dem Projekterfolg, finanzielle Analyse dagegen geringer.

Planungsqualit¨ at wird gemessen als G¨ ute der Planungsaktivit¨ aten vor Eintritt in die Entwicklungsphase (Vorabdefinition des Zielmarktes, der Kundenw¨ unsche, des Produktkonzeptes, der technischen Produktanforderungen).

Planungsqualit¨at wirkt positiv auf den Neuprodukterfolg.

Diskriminanzanalyse zwischen erfolgreichen und nicht erfolgreichen Projekten zeigt, dass Analyse des finanziellen Business Case ein signifikanter Erfolgsfaktor ist. Hinsichtlich des Idea Screening unterscheiden sich erfolgreiche und nicht erfolgreiche Projekte nicht.

Vorarbeiten mit kommerzieller Projektbewertung und Prozessbegleitende Bewertung und Steuerung haben einen signifikant positiven Einfluss auf die Profitabilit¨ at des NPE-Programms.

Prozessbegleitende Bewertung und Steuerung umfasst Steuerung des NPE-Prozesses und Kriterien f¨ ur Projektfortf¨ uhrung.

Vorarbeiten mit kommerzieller Projektbewertung umfasst projektvorbereitende Arbeiten, fr¨ uhzeitige Definition der Produkteigenschaften und Leistungsmessung.

Wesentliche Befunde hinsichtlich Projektplanung und -steuerung

5.2. Ergebnisse allgemeiner NPD- und NSD-Studien 105

258 chinesische NPE-Projekte aus 129 Firmen

151 NPE-Projekte aus High-Tech Firmen, davon 111 aus den USA und 40 aus Deutschland

788 japanische NPE-Projekte aus 404 Firmen.

Parry und Song (1994)

Simpson et al. (2002)

Song und Parry (1996)

Die Stichprobe wird auch in Song und Parry (1997) verwendet.

Stichprobe

Publikation

(Fortsetzung)

1. 2. 3. 4.

Product Relative Relative Relative

advantage (7 Items) profitability (4 Items) sales (3 Items) market share (4 Items)

Erfolgsmessung in 4 Dimensionen:

Einteilung in erfolgreiche und nicht erfolgreiche Projekte durch die Respondenten. (79 erfolgreiche und 72 nicht-erfolgreiche Projekte, davon 21 bzw. 19 aus Deutschland).

Einteilung in erfolgreiche und nicht erfolgreiche Projekte durch die Respondenten sowie Erhebung eines Items Projekterfolg“ ” auf 10er Skala.

Messung von Erfolg sowie ggf. Innovationsgrad

(wird fortgesetzt)

Proficiency of the predevelopment planning process (u. a. Projektstrukturplan und Meilensteinplanung) geh¨ ort zu den Faktoren, die weniger stark mit den vier Erfolgsfaktoren korrelieren.

Proficiency of concept development and evaluation (u. a. Ideenentwicklung, Alternativenabw¨ agung, Businessplanung, Machbarkeitsstudie) geh¨ ort zu den Faktoren, die eher stark mit den vier Erfolgsfaktoren korrelieren.

Die Qualit¨at des Projektprozesses (3 items) hat positive Erfolgswirkung in der deutschen Teilstichprobe, in der amerikanischen dagegen ist die Beziehung nicht signifikant.

Finanzielle Analyse und Alternativenabw¨agung geh¨ oren zu den Prozessfaktoren, die am h¨ ochsten mit dem Erfolg korrelieren.

Wesentliche Befunde hinsichtlich Projektplanung und -steuerung

106 5. Metaanalyse der empirischen Forschung zur Planung und Steuerung

788 japanische und 612 nordamerikanische NPE-Projekte aus 404 bzw. 312 Firmen.

Song und Parry (1997)

74 Projektteams aus 27 internationalen Technologiefirmen

64 japanische und 128 koreanische Neuprodukte aus den Bereichen Elektronik und Kommunikation

Thamhain (2003)

Thieme et al. (2003)

Die japanische Stichprobe wird auch in Song und Parry (1996) verwendet.

Stichprobe

Publikation

(Fortsetzung)

Predicting change Market focus Communication effectiveness Resource effectiveness Overall innovative performance

Einteilung in erfolgreiche und nicht erfolgreiche Produkte anhand einer survival ” classification“.

1. 2. 3. 4. 5.

Innovative team performance gemessen durch 4 Items:

1. Relative profitability (4 Items) 2. Relative sales (3 Itesm) 3. Relative market share (4 Items)

Aus Positionierungsvorteil folgt Relative product performance mit 3 Dimensionen:

Positionierungsvorteil durch Differenzierung als vorgelagertes Erfolgsmaß. Hierin sind tats¨ achliche Differenzierungsaspekte enthalten (u. a. superior to competing products, higher quality, first into the market), aber auch Innovationsgradaspekte (highly innovative, first of its kind, technology never used before, changes the whole industry).

Messung von Erfolg sowie ggf. Innovationsgrad

(wird fortgesetzt)

Planungsqualit¨at (detaillierte Projektplanung und -kontrolle, Partizipation des Projektteams, klare Berichtswege) wirkt positiv auf Prozessqualit¨ at und Projekterfolg.

Prozessqualit¨at (G¨ ute der Durchf¨ uhrung von 8 Prozessphasen) wirkt positiv auf den Projekterfolg.

Ein klarer Projektplan wirkt positiv auf alle Erfolgsdimensionen, v. a. auf die Ressourceneffektivit¨ at. ¨ Prozessstabilit¨ at und wenig Anderungen zeigen dagegen keine signifikante Erfolgswirkung.

Proficiency in the Idea Development and Screening Stage (u. a. Ideenentwicklung, Alternativenabw¨ agung, Businessplanung, Dokumentation) dagegen hat in der amerikanischen Stichprobe einen signifikant negativen Einfluss auf den Positionierungsvorteil, in der japanischen Stichprobe keinen signifikanten Einfluss.

Proficiency in the Business and Market Opportunity Analysis Stage (u. a. Marktstudie, Machbarkeitsstudie sowie Investitions-, Zeit- und Risikoplanung) wirkt in beiden Stichproben stark positiv auf den Positionierungsvorteil.

Wesentliche Befunde hinsichtlich Projektplanung und -steuerung

5.2. Ergebnisse allgemeiner NPD- und NSD-Studien 107

Stichprobe

148 nordamerikanische NPE-Projekte im Bereich Elektronik, v. a. Computer-, Messund Kommunikationstechnik

Publikation

Zirger und Maidique (1990)

(Fortsetzung)

Einteilung in erfolgreiche und nicht erfolgreiche Projekte durch die Respondenten (77 erfolgreiche, 71 nicht erfolgreiche Projekte).

Messung von Erfolg sowie ggf. Innovationsgrad R&D Excellence (7 Items) wirkt positiv auf den Produkterfolg. Dieser Faktor enth¨ alt auf der einen Seite Aspekte des Projektmanagement (gute Prozessplanung und Koordination, gute Unterst¨ utzung durch Projektleitung und Promotoren), auf der anderen Seite aber auch Produktaspekte (hohe Qualit¨ at und Zuverl¨ assigkeit, Ausrichtung auf Kundenbed¨ urfnisse).

Wesentliche Befunde hinsichtlich Projektplanung und -steuerung

108 5. Metaanalyse der empirischen Forschung zur Planung und Steuerung

5.2. Ergebnisse allgemeiner NPD- und NSD-Studien

109

Der Verzicht auf eine bessere statistische Best¨atigung bzw. Bereinigung der Faktorstruktur ist umso bedauerlicher, als sie im Rahmen der Chemiestudie von Cooper und Kleinschmidt (1993a; 1993b; 1993c; 1994) wieder verwendet wurde und als Vorbild f¨ ur die Arbeiten anderer Autoren diente, die die in Kanada entwickelte NewProd II-Systematik auf andere L¨ander u ¨bertrugen. In der vorliegenden Analyse werden davon die folgende Studien ber¨ ucksichtigt: Australien – Dwyer und Mellor (1991) sowie Atuahene-Gima (1996), China – Parry und Song (1994), Japan – Song und Parry (1996), Korea – Mishra et al. (1996) sowie USA – Song und Parry (1997). Mit Ausnahme von Song und Parry (1997) kommen alle genannten Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass sorgf¨altige Marktforschung, bewusste Ideengenerierung und Alternativenabw¨agung sowie die Erstellung eines finanziellen Business Case positiv auf die jeweils gew¨ahlten Erfolgsmaße wirken.

Neben den bisher vorgestellten Studien enthalten die Tabellen 5.1 und 5.2 mit de Brentani (1991; 1995; 2001), Edgett (1994) sowie Edgett und Parkinson (1994) auch f¨ unf Arbeiten, die die Erfolgsfaktoren bei der Entwicklung neuer Dienstleistungen untersuchen. Dienstleistungen unterscheiden sich von Produkten durch eine Reihe besonderer Charakteristika,6 die die Vergleichbarkeit der jeweiligen Erfolgsfaktoren zun¨achst fraglich erscheinen lassen. Da die vorliegende Arbeit jedoch Planungs- und Steuerungmechanismen untersucht, die stark vom eigentlichen Ergebnis des Innovationsprozesses abstrahieren und im Schwerpunkt deutlich vor der Markteinf¨ uhrung ablaufen, sollen auch diese Dienstleistungsstudien zur Verbreiterung des empirischen Fundaments herangezogen werden.7

6

H¨ aufig werden in Anlehnung an Zeithaml et al. (1985) Intangibility, Inseparability, Heterogenity, Perishability genannt.

7

Dar¨ uberhinaus wird es in einigen Industrien zunehmend schwieriger, eine klare Trennung zwischen Produkt und Dienstleistung vorzunehmen, vgl. Johne und Storey (1998, S. 185-187). Dies trifft auch auf einige der Innovationen zu, die im empirischen Teil dieser Arbeit untersucht werden.

5. Metaanalyse der empirischen Forschung zur Planung und Steuerung

110

ee ni ng ss Pr C as oj ek e tp Pr la nu oj ek ng ts te ue ru ng in e

cr

Zeit







Atuahene-Gima (1996)

Multidim.







Cooper (1979a)

S/F







Cooper und Kleinschmidt (1987a)

Multidim.







Cooper und Kleinschmidt (1993a)

S/F

Cooper und Kleinschmidt (1994)

Zeit







Cooper (1994a)

S/F







Cooper und Kleinschmidt (1995)

S/F

de Brentani (1991)

Multidim.







de Brentani (1995; 2001)

S/F







Dwyer und Mellor (1991)

Multidim.





Edgett (1994)

S/F







Edgett und Parkinson (1994)

S/F







Ernst (2001)

Multidim.





Huang et al. (2002)

Multidim.



Kotzbauer (1992)

S/F



Mishra et al. (1996)

S/F

Parry und Song (1994)

S/F

Simpson et al. (2002)

S/F

Song und Parry (1996)

Multidim.









Song und Parry (1997)

Multidim.









Thamhain (2003)

Multidim.





Thieme et al. (2003)

S/F





Zirger und Maidique (1990)

S/F



B us

Id

Ali et al. (1995)

ee

Erfolgsmessung

ar

Studie

M

kt

ns

st

ud

ie

Relevante Erfolgsfaktoren

























Erl¨ auterung. Drei Arten der Erfolgsmessung werden verwendet: Dichotome oder trichotome Erfolgsklassifikation ( S/F“ = Success/Failure); Projektplaneinhaltung bzw. Time-to-market ” ( Zeit“); mehrdimensionale Erhebung ( Multidim.“). Erfolgswirkung der Planungs- und Steue” ” rungsfaktoren wie folgt kodiert:  = stark positiv;  = schwach positiv;  = keine signifikante Wirkung;  = schwach negativ. Tabelle 5.2: Erfolgswirkung der in allgemeinen NPD- und NSD-Studien untersuchten Faktoren

Die Ver¨offentlichungen von de Brentani (1991; 1995; 2001) beruhen alle auf dersel-

5.2. Ergebnisse allgemeiner NPD- und NSD-Studien

111

ben Stichprobe von 276 kanadischen Dienstleistungsinnovationen verschiedener Branchen. Die Studie u ¨bernimmt die Fragenbl¨ocke von Cooper (1979a) und kommt zu den gleichen Ergebnissen wie die produktbezogenen Erfolgsfaktorenstudien: Marktforschung, Ideenevaluation und Business Case wirken positiv auf den Vorhabenserfolg. Von den in diesem Abschnitt vorgestellten Arbeiten ist de Brentani (2001) die einzige, die Moderatorwirkungen des Innovationsgrads untersucht. Dabei zeigt sich, dass die Proficiency of Predevelopment Activities 8 bei inkrementellen Innovationen schwach positiv auf den Vorhabenserfolg wirkt, bei diskontinuierlichen“ Innovationen dagegen keine signifikante Erfolgswirkung ” hat.9 Die Untersuchungen von Edgett und Parkinson (1994) sowie Edgett (1994) zeigen im Ergebnis wiederum eine positive Erfolgswirkung der Predevelopment Activities (ohne nach dem Innovationsgrad zu kontrollieren) und stellen erg¨anzend fest, dass sich eine formelle Projektsteuerung mit klaren Go/No-Go-Entscheidungen ebenfalls positiv auf den Erfolg auswirkt. Dass formelle Projektsteuerung einen positiven Einfluss auf den Projekterfolg hat, wird auch im Rahmen der Untersuchungen von Cooper und Kleinschmidt (1995) sowie Ernst (2001) nachgewiesen. Die Operationalisierungen der Projektsteuerung erfassen dabei vor allem, inwieweit anhand eines klaren Prozessschemas gesteuert wird und ob klare Kriterien f¨ ur Go/No-Go-Entscheidungen vorliegen. Zu ¨ahnlichen Ergebnissen gelangen auch Simpson et al. (2002) sowie Thieme et al. (2003), zielen jedoch in ihrer Operationalisierung st¨arker auf die Frage ab, wie vollst¨andig die Aufgabenpakete der einzelnen Prozessschritte abgearbeitet werden.10 Thamhain (2003) untersucht, inwieweit ein stabiler Projektprozess mit m¨oglichst geringen Ziel- und Ressourcen¨anderungen erfolgswirksam ist, kann jedoch keine Korrelation mit den verschiedenen Erfolgsmaßen feststellen.11 Ebenso wie die Projektsteuerung wurde auch die eigentliche Projektplanung im urspr¨ unglichen NewProd-Ansatz von Cooper und Kleinschmidt nicht ber¨ ucksichtigt, sondern wird erst in einer Reihe neuerer Untersuchungen untersucht. Die Arbeiten von Song und Parry (1996; 1997), Thamhain (2003), Thieme et al. (2003) sowie Zirger und Maidique (1990) kommen dabei u ¨bereinstimmend zu dem Ergebnis, dass eine klare Projektplanung eine signifikant positive Wirkung auf den Vorhabenserfolg hat. Damit lassen sich die zentralen Befunde der breit gef¨acherten Erfolgsfaktorenstudien wie folgt zusammenfassen: 1. Businessplanung – operationalisiert durch sorgf¨altige Marktforschung, bewusste Ide-

8

Dieser Faktor wird bei de Brentani (2001, S. 187) als NSD: formal evaluation and design bezeichnet und enth¨ alt u. a. die Items In-depth Market Study, Formal Idea Screening und In-depth Financial Analysis.

9

de Brentani (2001), S. 179.

10

Simpson et al. (2002), S. 199; Thieme et al. (2003), S. 118.

11

Vgl. Thamhain (2003), Tabelle 4 auf S. 305. Werte mit τ  0, 2 sind dabei nicht signifikant.

5. Metaanalyse der empirischen Forschung zur Planung und Steuerung

112

engenerierung und Alternativenabw¨agung sowie die Erstellung eines finanziellen Business Case – wirkt positiv auf den Vorhabenserfolg. 2. Die Erfolgswirkung der Businessplanung wird negativ durch den Innovationsgrad moderiert, tritt also v. a. bei Projekten mit niedrigem Innovationsgrad zutage. 3. Klare Projektplanung wirkt positiv auf den Vorhabenserfolg. 4. Die Steuerung von Innovationsprojekten anhand eines klaren Prozessschemas mit wohldefinierten Kriterien f¨ ur Go/No-Go-Entscheidungen wirkt positiv auf den Vorhabenserfolg. 5. Ein Einfluss von Prozessstabilit¨at (bzw. invers kodiert: Ziel¨anderungen) auf den Vorhabenserfolg kann nicht nachgewiesen werden. Die Pr¨asentation dieser Befunde ist jedoch als vorl¨aufig anzusehen, da einige der Untersuchungen methodisch nicht auf dem aktuellen Stand der Forschung sind (siehe oben), die Operationalisierung der Konstrukte aus einem Teil der Ver¨offentlichungen nicht klar hervorgeht und die Punkte (2) und (5) nur auf den Ergebnissen jeweils einer Studie beruhen. In den beiden n¨achsten Abschnitten werden weitere Studien vorgestellt, die z. T. deutlich detailliertere Ergebnisse zur Planung und Steuerung von Innovationsprojekten enthalten.

5.3

Studien mit Fokus auf Projektplanung

Im ersten Teil dieses Abschnitts werden drei Arbeiten der israelischen Forschergruppe um Dvir und Shenhar vorgestellt, die gezielt die Erfolgswirkung von Projektplanung anhand langer T¨atigkeitenlisten untersuchen. Der Verdienst dieser Arbeiten ist es, einzelne Planungsaktivit¨aten unter die Lupe zu nehmen“, eine Konstruktbildung wird jedoch nicht ” vorgenommen. Im Anschluss werden zwei Arbeiten diskutiert, die eine geringe Anzahl kritischer Entwicklungsaktivit¨aten“ betrachteten (darunter jeweils mehrere Planungs” faktoren), um ihre Erfolgswirkung bei hoch- und niedriginnovativen Projekten zu untersuchen. Sie arbeiten also fokussierter als die in Abschnitt 5.2 (S. 99ff.) vorgestellten Untersuchungen, k¨onnen aber im Gegensatz zu den Arbeiten von Dvir und Shenhar keine Aussage u ¨ber Einzelaktivit¨aten treffen (vgl. Tabelle 5.3).

Stichprobe

100 griechische Dienstleistungsinnovationen aus dem Finanzsektor

110 israelische Verteidigungsprojekte, vgl. Dvir et al. (1998)

Publikation

Avlonitis und Papastathopoulou (2001)

Dvir et al. (2003) 1. Meeting planning goals (5 Items) 2. End-user benefits (7 Items) 3. Contractor benefits (9 Items)

Ein Item Gesamterfolg des Projekts“. Da” neben 3 Multi-Item Erfolgsdimensionen:

Innovationsgrad : Multidimensional erhoben, in der vorliegenden Arbeit wird aber nur eine Einteilung in innovative bzw. nicht innovative Projekte anhand eines zusammenfassenden Items vorgenommen.

Erfolgsmessung: Gesamterfolg durch ein Item auf 5er-Skala erhoben, danach Einteilung in erfolgreiche und nichterfolgreiche Projekte (54 erfolgreiche, 46 nicht erfolgreiche Projekte).

Messung von Erfolg sowie ggf. Innovationsgrad

(wird fortgesetzt)

Keine Korrelation zwischen der Implementation des Projektmanagement und den Erfolgsdimensionen. Dagegen korrelieren die Anforderungs- und Spezifikationsentwicklung hoch mit dem Enduser Benefit und dem Gesamterfolg.

1. Entwicklung funktionaler Anforderungen (6 Items) 2. Entwicklung technischer Spezifikationen (9 Items) 2. Implementation des Projektmanagement (17 Items)

Projektplanung wird durch 3 Dimensionen erfasst:

Projektplanung (u. a. Setzung von Leistungszielen, Absch¨ atzung von Zeit-, Personal- und allg. Ressourcenbedarf) hat bei nicht innovativen Projekten hohe Erfolgswirkung, bei innovativen Projekten niedrige Erfolgswirkung.

Businessplanung (u. a. Alternativenabw¨ agung, Produktkonzept, Business Case) hat bei innovativen Projekten sehr hohe Erfolgswirkung, bei nicht innovativen Projekten gar keine Erfolgswirkung.

Wesentliche Befunde hinsichtlich Projektplanung

¨ Tabelle 5.3: Ubersicht u ¨ber Studien mit Fokus auf Projektplanung

5.3. Studien mit Fokus auf Projektplanung 113

Stichprobe

127 israelische NPE-Projekte, v. a. aus den den Bereichen Elektronik, Computer, Maschinenbau, Chemie und Bau

Gleiche Stichprobe wie bei Raz et al. (2002)

Publikation

Raz et al. (2002)

Shenhar et al. (2002)

(Fortsetzung)

Technische Unsicherheit und Projektumfang werden jeweils durch die Auspr¨ agungen hoch“ und niedrig“ beschrie” ” ben.

1. Meeting design goals (Erreichung der Leistungsziele, Zeitplaneinhaltung, Budgeteinhaltung) 2. Benefits to the customer (4 Items) 3. Commercial success and future potential (5 Items)

Erfolgsmessung in 3 Dimensionen:

Technische Unsicherheit wird durch Zuordnung zu einer von 4 Unsicherheitsklassen ermittelt.

1. Einhaltung funktioneller Spezifikationen 2. Einhaltung technischer Spezifikationen 3. Einhaltung Zeitplan 4. Einhaltung Plan-Budget

Erfolgsmessung u ¨ber 4-Item Skala:

Messung von Erfolg sowie ggf. Innovationsgrad

(wird fortgesetzt)

Meilensteinplanung und Netzplantechniken sind vor allem bei komplexen Projekten mit hoher Unsicherheit wichtig.

Erstellung eines Projektstrukturplans ist unabh¨ angig vom Projekttyp erfolgswirksam.

Dokumentation der Planung ist vor allem bei Projekten mit hoher Komplexit¨ at und niedriger Unsicherheit wichtig.

Alternativenabw¨ agung und Machbarkeitsstudien sind unabh¨ angig vom Unsicherheitsgrad des Projektes erfolgswirksam.

Items 1, 4 und 5 sind bei allen Projekten positiv mit der Budgeteinhaltung korreliert. Bei Projekten mit hoher technischer Unsicherheit korrelieren Items 1 und 4 auch positiv mit der Zeitplaneinhaltung.

Projekt-Risikomanagement wird durch 5 Items erfasst: 1. Systematische Risiko-Identifizierung 2. Probabilistische Risikoanalyse 3. Planung zur Risikoreduktion 4. Planung zur Risikobew¨ altigung 5. Ernennung eines Risikomanagers

Wesentliche Befunde hinsichtlich Projektplanung

114 5. Metaanalyse der empirischen Forschung zur Planung und Steuerung

Stichprobe

331 NPE-Projekte US-amerikanischer High-Tech Unternehmen

Publikation

Song und MontoyaWeiss (1998)

(Fortsetzung)

Business and market analysis (7 Items) wirkt bei wenig innovativen Projekten positiv auf den Erfolg, ist jedoch bei hochinnovativen Projekten kontraproduktiv.

Innovationsgrad: Einteilung der Produkten in really new“ (163) und incremen” ” tal“ (169) durch die Respondenten.

Projektplanung ( Proficiency in the Strategic Planning Stage“, ” 8 Items) hat dagegen positive Erfolgswirkung bei hochinnovativen Projekten und ist kontraproduktiv bei niedriginnovativen. Hierunter fallen u. a. Items zur Zeit- und Meilensteinplanung, zur Investitions- und Kostenplanung sowie zum Risikomanagement.

Idea development and screening (5 Items) hat weder bei hochnoch bei niedriginnovativen Produkten eine signifikante Wirkung auf den Projekterfolg.

Wesentliche Befunde hinsichtlich Projektplanung

Erfolgsmessung: Grad, zu dem das Produkt die Gewinnziele des Unternehmens erf¨ ullt

Messung von Erfolg sowie ggf. Innovationsgrad

5.3. Studien mit Fokus auf Projektplanung 115

116

5. Metaanalyse der empirischen Forschung zur Planung und Steuerung

Shenhar et al. (2002) und Raz et al. (2002) Beide Ver¨offentlichungen der Forschergruppe um Dvir und Shenhar basieren auf einer Stichprobe von 127 israelischen Produktentwicklungsprojekten, die einen breiten Industriequerschnitt widergeben. Ein Innovationsgrad im Sinne von Kapitel 2.2 wird nicht erhoben, stattdessen werden die Projekt anhand einer von den Autoren entwickelten Projekttypologie mit den zwei Dimensionen Technische Unsicherheit“ und Projektumfang“ klassifiziert.12 ” ” Die Arbeit von Shenhar et al. (2002) nimmt eine inhaltlich fast ersch¨opfende Untersuchung der Verwendung und Erfolgswirkung operativer Techniken des Projektmanagement vor, betrachtet jedoch weder Aspekte der Businessplanung noch psychosoziale Aspekte der Teamarbeit. Insgesamt werden f¨ unf Variablengruppen mit 22 Untergruppen und insgesamt 172 Items betrachtet, die jedoch nicht statistisch zu Faktoren und Dimensionen verdichtet werden. Zur Erfolgsbeurteilung werden die drei Variablen Meeting design goals“, Custo” ” mer benefits“ und Commercial success and future potential“ verwendet. Angesichts der ” Variablenzahl und der unterschiedlichen Projekttypen liefert die Datenauswertung mittels kanonischer Korrelationsanalyse eine F¨ ulle an Einzelbefunden, die sich hinsichtlich der Projektplanung wie folgt aggregiert lassen: 1. Unabh¨angig vom Projekttyp sind sorgf¨altige Alternativenabw¨agung und Machbarkeitsstudien in fr¨ uhen Projektphasen wichtig. 2. Die Erstellung eines detaillierten Projektstrukturplans ist grunds¨atzlich wichtig, vor allem aber bei Projekten mit hoher Unsicherheit. 3. Die sorgf¨altige Identifikation wichtiger Meilensteine und ihre Abbildung in einem Meilensteinplan ist vor allem f¨ ur Projekte mit hohem Unsicherheitsgrad wichtig, in geringerem Maße auch f¨ ur solche mit hoher Komplexit¨at. Insgesamt zeigt sich also, dass formelle Methoden der Projektplanung grunds¨atzlich eine positive Erfolgswirkung haben, insbesondere bei Projekten mit hohem Unsicherheitsgrad. Die Ver¨offentlichung von Raz et al. (2002) setzt auf der eben beschriebenen Untersuchung auf, indem sie einen der 22 Faktoren des Projektmanagement herausgreift und n¨aher untersucht. Die zentrale Fragestellung lautet hier, zu welchem Grad f¨ unf Aktivit¨aten des Risikomanagement bei den verschiedenen Projekttypen eingesetzt werden und welche Auswirkung dies auf den Projekterfolg hat. Bei den f¨ unf Aktivit¨aten handelt es sich um (1) Risikoidentifikation, (2) Probabilistische Analyse der Risikoh¨ohe, (3) Vorbeugende Planung zur Reduktion der Eintrittswahrscheinlichkeit, (4) Maßnahmenplanung f¨ ur den 12

Vgl. zu dieser Typologie Shenhar et al. (1995) sowie Shenhar und Dvir (1996), S. 610ff.; Dvir et al. (1998), S. 917ff.; Shenhar (2001), S. 397ff.

5.3. Studien mit Fokus auf Projektplanung

117

Eintritt des Risikofalls sowie (5) Ernennung eines Risikomanagers. Die Erfolgsmessung erfolgt im Gegensatz zu Shenhar et al. (2002) nur anhand von vier Items, n¨amlich Budgetund Zeitplaneinhaltung sowie Einhaltung technischer und funktioneller Spezifikationen. Die empirischen Ergebnisse zeigen zun¨achst, dass im Rahmen der untersuchten Projekte nur in relativ geringem Umfang Methoden der Risikobew¨altigung verwendet werden. Projekte, die sich mit hoher technischer Unsicherheit konfrontiert sehen, investieren signifikant mehr Ressourcen in Risikoidentifikation und vorbeugende Planung, die den Eintritt des Risikofalls vermeiden. Bei Projekten mit niedrigem Unsicherheitsgrad zeigt keine der Maßnahmen eine positive Erfolgswirkung, die Ernennung eines Risikomanagers korreliert sogar deutlich negativ mit der Erreichung technischer und funktioneller Spezifikationen. Bei Projekten mit hoher technischer Unsicherheit f¨ordern die Maßnahmen (1), (2) und (5) die Budgeteinhaltung, die Maßnahmen (1) und (4) die Zeitplaneinhaltung. Zusammenfassend l¨asst sich also sagen, dass sich Aktivit¨aten zum Risikomanagement bei Projekten hoher Unsicherheit zwar positiv auf die Projekteffizienz auswirken, aber keinen Effekt auf Outcome-Dimensionen haben. Bei Projekten mit niedriger Unsicherheit k¨onnen Risikomanagement-Methoden sogar kontraproduktiv wirken. Dvir et al. (2003) Die neueste Ver¨offentlichung der israelischen Forschungsgruppe untersucht die Erfolgswirkung der Projektplanung an einer Stichprobe von 110 Entwicklungsprojekten aus dem milit¨arischen Sektor. Die Anzahl der ber¨ ucksichtigen Managementaktivit¨aten wird hier k¨ urzer gehalten, was die Ergebnisse u ¨bersichtlicher gestaltet, allerdings wird auch auf die Differenzierung zwischen unterschiedlichen Projekttypen verzichtet, so dass keine Kontingenzaussagen m¨oglich sind. Die vier bei Raz et al. (2002) verwendeten Erfolgsitems werden unter der Rubrik Meeting planning goals“ zusammen” gefasst, daneben werden die Erfolgsdimensionen End user benefits“ und Contractor ” ” benefits“ verwendet sowie ein zusammenfassendes Item Overall success“. ” Ein zentraler Befund der Studie ist die Tatsache, dass keine signifikante Korrelation zwischen den Erfolgsdimensionen und der Implementation of project management“ ” besteht. Diese Variablengruppe umfasst insgesamt 17 Items, darunter auch Fragen zum Risikomanagement sowie zur Zeit- und Ressourcenplanung. Methodisch ist hier einzuwenden, dass wiederum keine Faktorbildung vorgenommen wird, sondern stattdessen u ¨ber eine große Anzahl z. T. sehr unterschiedlicher Items gemittelt wird. Sieht man u ¨ber diesen Einwand hinweg und ber¨ ucksichtigt, dass nicht nach Unsicherheitsgrad oder Innovationsh¨ohe kontrolliert wird, so kann dieser Befunde durchaus mit den Ergebnissen der beiden zuvor besprochenen Studien in Einklang gebracht werden: Detaillierte Projektplanung und Maßnahmen des Risikomanagement zahlen sich tendenziell nur bei Projekten mit hohem Unsicherheitsgrad aus. Ein weiteres Resultat der Untersuchung besteht darin, dass die sorgf¨altige Spezifikation funktioneller und technischer Anforderungen zu hohen Contrac”

118

5. Metaanalyse der empirischen Forschung zur Planung und Steuerung

tor benefits“ f¨ uhrt, die durch eine Reihe von Kundennutzen-Dimensionen erfasst werden. Song und Montoya-Weiss (1998) Die Autoren dieser Studie untersuchen die Erfolgswirkung von sechs ausgew¨ahlten Aktivit¨aten des Produktentwicklungsprozesses, gehen also st¨arker fokussiert vor als die im Abschnitt 5.2 vorgestellten Untersuchungen. Durch eine Unterscheidung von wirklich neuen“ gegen¨ uber inkrementellen“ Produkten zielen ” ” sie zudem darauf ab, eine Moderatorwirkung des dichotomisch gemessenen Innovationsgrads hinsichtlich einzelner Prozessaktivit¨aten zu identifizieren. Zu den sechs untersuchten Entwicklungst¨atigkeiten z¨ahlen auch drei Faktoren, die Planungst¨atigkeiten umfassen.13 Bei der Betrachtung der drei von Song und Montoya-Weiss untersuchten Planungsfaktoren muss zun¨achst kritisch angemerkt werden, dass die f¨ ur die Faktoren gew¨ahlten Bezeichnungen z. T. dem Inhalt der dahinterliegenden Fragebogenitems deutlich zuwiderlaufen.14 So enth¨alt der Faktor Strategic Planning Proficiency zwar ein Item Assessing ” of the required investment, time, and risk of the product concept“, daneben aber auch Meilensteindefinition, Zeit- und Kostenplanung, also typische Aspekte operativer Projektplanung. Der Faktor Idea Development and Screening dagegen beinhaltet Items zur Entwicklung des Produktkonzeptes sowie zur Analyse des finanziellen Business Case. Der Faktor Business and Market Opportunity Analysis schließlich erfasst neben Aspekten der Markt- und Wettbewerberanalyse auch verschiedene Aktivit¨aten zur Ableitung von Kundennutzendimensionen, betrifft also wie auch der zweite Faktor die Produktkonzeption. Erst vor diesem Hintergrund lassen sich die empirischen Ergebnisse interpretieren, die Song und Montoya-Weiss anhand von zwei separaten Regressionsmodellen f¨ ur die wirk” lich neuen“ sowie die inkrementellen“ Produkte ermitteln. ” Die Befunde zur operativen Projektplanung (Faktor 1) sind eindeutig: Bei hochinnovativen Produkten wirken Meilensteindefinition, Zeit- und Kostenplanung stark positiv auf den finanziellen Erfolg des Projektes, bei niedriginnovativen Produkten haben sie jedoch eine deutlich negative Wirkung. Der zweite Faktor zeigt weder bei hoch- noch bei niedriginnovativen Projekten eine statistisch signifikante Wirkung, die Erfolgswirkung des dritten Faktors ist dagegen genau reziprok zu der des ersten: Die Analyse von Umfeld und Kundennutzen-Dimensionen ist der gr¨oßte Erfolgsfaktor bei niedriginnovativen Produkten, wirkt aber kontraproduktiv bei den hochinnovativen. W¨ahrend also klare Aussagen hinsichtlich der Projektplanung vorliegen, wird die Interpretation der Befunde zur Busi¨ nessplanung durch die inhaltliche Uberschneidung der Faktoren 2 und 3 erschwert. Eine m¨ogliche Kernaussage k¨onnte darin bestehen, dass es sich bei der Alternativenabw¨agung, 13

Die sechs Faktoren wurden von den Autoren anhand von Fallstudien und Fokusgruppen als besonders erfolgskritisch identifiziert. Neben den drei Planungsfaktoren z¨ ahlen dazu noch Produkttest, technische Entwicklung und Kommerzialisierung.

14

Vgl. Song und Montoya-Weiss (1998), Appendix auf S. 134f.

5.3. Studien mit Fokus auf Projektplanung

119

Produktkonzeption und Analyse des daraus erwachsenden Business Case im Allgemeinen um Hygienefaktoren“ handelt, dass aber das Verstehen des Marktes“ und eine stringen” ” te Ableitung von Kundennutzen-Dimensionen die wahren Erfolgsfaktoren bei der Planung hochinnovativer Produkte sind. ¨ Avlonitis und Papastathopoulou (2001) Ahnlich wie Song und Montoya-Weiss (1998) nehmen auch Avlonitis und Papastathopoulou eine dichotomische Einteilung in hoch- und niedriginnovative Projekte vor und ermitteln dann die Erfolgsfaktoren der jeweiligen Kategorie entlang einzelner Schritte des Produktentwicklungsprozesses. Grundlage f¨ ur ihre Untersuchung bildet jedoch eine Stichprobe von 100 Dienstleistungsinnovationen aus dem Finanzsektor, was die Vergleichbarkeit mit anderen hier berichteten Befunden einschr¨ankt.15 Die Autoren leiten aus einer Literaturanalyse sechs kritische Prozessbestandteile ab, von denen zwei Planungsbezug haben: Idea generation and screening deckt mit Prozessschritte von Idea screening“ bis Translating the product concept into business terms“ ” ” die Businessplanung ab, w¨ahrend der Faktor Technical development entgegen seiner Bezeichnung v. a. Aspekte der operativen Projektplanung umfasst.16 Die Regressionsmodelle f¨ ur die beiden Projektkategorien liefern klare Ergebnisse: Businessplanung ( Idea gene” ration . . .“) ist der wichtigste Erfolgsfaktor bei den niedriginnovativen Produkten, zeigt aber bei den hochinnovativen keine signifikante Erfolgswirkung. Die operative Projektplanung wirkt bei beiden Projektkategorien positiv auf den Erfolg, besonders stark jedoch bei Projekten mit niedrigem Innovationsgrad.

¨ Diskussion Zur schnelleren Ubersicht werden die Befunde der in diesem Abschnitt beschriebenen Studien noch einmal in stark abstrahierter Form in Tabelle 5.4 gegen¨ uberstellt. Dabei f¨allt unmittelbar auf, dass sich die Arbeiten von Avlonitis und Papastathopoulou (2001) sowie Song und Montoya-Weiss (1998) hinsichtlich ihrer Kontingenzaussagen fundamental widersprechen: Folgt man den Ergebnissen von Avlonitis und Papastathopoulou, so ist bei hochinnovativen Projekten besonderer Wert auf sorgf¨altige Businessplanung zu legen, w¨ahrend detaillierte Projektplanung bei Vorhaben mit niedrigem Innovationsgrad im Vordergrund stehen sollte. Eine solche Konstellation ist jedoch nach Song und Montoya-Weiss gerade als erfolgssch¨adigend einzustufen. Die m¨ogliche Ursache dieses Widerspruches k¨onnte nat¨ urlich in der Tatsache zu suchen sein, 15

Vgl. hierzu die Anmerkungen im vorigen Abschnitt.

16

Hierunter fallen z. B. die Items Exploring implications on operating/delivery systems“, Assessing ” ” time, personnel and investment requirements“ und Setting performance objectives“, vgl. Avlonitis ” und Papastathopoulou (2001), Appendix 1.

5. Metaanalyse der empirischen Forschung zur Planung und Steuerung

120

Businessplanung

Projektplanung

Studie

HochNiedrigHochNiedriginnovative innovative innovative innovative Projekte Projekte Projekte Projekte

Avlonitis und Papastathopoulou (2001)









Dvir et al. (2003)





Raz et al. (2002)





Shenhar et al. (2002)









Song und Montoya-Weiss (1998)









Erl¨ auterung. Erfolgswirkung der Planung wie folgt kodiert:  = stark positiv;  = schwach positiv;  = keine signifikante Wirkung;  = schwach negativ. Tabelle 5.4: Erfolgswirkung der Planung – Zusammenfassung der Befunde f¨ ur Projekte unterschiedlichen Innovationsgrads

dass die von Avlonitis und Papastathopoulou betrachteten Dienstleistungsinnovationen eben doch ein grunds¨atzlich anderes Planungssystem ben¨otigen als Produktinnovationen – eine Vermutung, die jedoch durch die im vorigen Abschnitt dargestellten Befunde nicht unterst¨ utzt wird. Schwerer wiegen wohl eher die Unterschiede in der Operationalisierung der Planungskonstrukte. So messen Avlonitis und Papastathopoulou die Qualit¨at der Businessplanung durch einen Faktor, der die Aspekte Ideenevaluation, Definition des Produktkonzeptes und Erstellung eines Business Case umfasst, w¨ahrend Song und Montoya-Weiss hier zwei Faktoren bilden: Ihr Idea Screening“-Faktor enth¨alt genau ” dieselben Items, zeigt aber weder bei hoch- noch bei niedriginnovativen Projekten eine signifikante Erfolgswirkung. Der Business and Market Analysis“-Faktor dagegen, ” der zu den kontr¨aren Befunden f¨ uhrt, erfasst vor allem, wie sorgf¨altig Marktstudien, Wettbewerberanalysen und Machbarkeitsstudien durchgef¨ uhrt werden. ¨ Ahnliche Differenzen treten zutage, wenn man die Operationalisierung der Projektplanung vergleicht. Beide Arbeiten enthalten zun¨achst jeweils ein Item zur Zeit- und Ressourcenplanung. Daneben erfassen jedoch die weiteren Fragen bei Avlonitis und Papastathopoulou st¨arker inhaltliche Gesichtspunkte, n¨amlich wie die vom Innovationsvorhaben verursachten Ver¨anderungen operativer Gesch¨aftsprozesse untersucht und geplant werden, w¨ahrend Song und Montoya-Weiss st¨arker auf die eigentlichen Mechanismen der Projektplanung abstellen. Die zentrale Aussage von Avlonitis und Papastathopoulou (2001) hinsichtlich der Projektplanung besteht darin, dass es sich vor allem bei den weniger innovativen Vorhaben auszahlt, schon in fr¨ uhen Projektphasen detailliert die notwendigen Anpassungen in operativen Gesch¨aftsabl¨aufen vorzubereiten, w¨ahrend dies bei hochin-

5.4. Studien mit Fokus auf Projektsteuerung

121

novativen Vorhaben nur in geringem Maße erfolgssteigernd wirkt. Dagegen weisen Song und Montoya-Weiss (1998) sowie Shenhar et al. (2002) u ¨bereinstimmend nach, dass sich fortgeschrittene Methoden der Projektplanung, also Meilen- und Netzplantechniken sowie Risikomanagement, vor allem bei hochinnovativen Projekten auszahlen. Abstrahiert man pragmatisch von den eben dargestellten Differenzen in Detailbefunden und Fragen der Operationalisierung, so kann festgehalten werden, dass Businessplanung – operationalisiert durch sorgf¨altige Marktforschung, bewusste Ideenevaluation sowie die Erstellung eines finanziellen Business Case – positiv auf den Vorhabenserfolg wirkt. Diese Wirkung wird tendenziell negativ durch den Innovationsgrad moderiert, Businessplanung wirkt also v. a. bei Projekten mit niedrigem Innovationsgrad erfolgssteigernd. Die Moderatoraussage ist nicht unstrittig, scheint jedoch insofern vertretbar zu sein, als sie die Mehrzahl der Studien widerspiegelt und der st¨arkste Widerspruch von einer Studie u uhrt. ¨ber Dienstleistungsinnovationen (Avlonitis und Papastathopoulou, 2001) herr¨ Projektplanung wirkt generell positiv auf den Vorhabenserfolg. Die Wirkung fortgeschrittener Projektplanungsmethoden (v. a. Meilensteinplanung, Netzplantechniken, Risikomanagement) auf den Vorhabenserfolg wird positiv durch den Innovationsgrad moderiert, komplexe Projektplanungstechniken wirken also v. a. bei Projekten mit hohem Innovationsgrad erfolgssteigernd. Auch im Fall der Projektplanung ist es wiederum nur die Ver¨offentlichung von Avlonitis und Papastathopoulou (2001), die hinsichtlich des Moderatoreffektes zu gegens¨atzlichen Aussagen gelangt. Da sie zudem einen anderen Schwerpunkt bei der Konstruktoperationalisierung setzt, scheint die Aussage gerechtfertigt zu sein.

5.4

Studien mit Fokus auf Projektsteuerung

Die Arbeiten, die in diesem Abschnitt besprochen werden sollen, lassen sich in drei Kategorien einteilen. Die beiden Arbeiten der Gruppe um Lynn et al. (1999; 2000) betrachten schwerpunktm¨aßig das Zusammenspiel von Projektvision, Team Learning und Teamprozess und generieren dabei auch Erkenntnisse u ¨ber die Erfolgswirkung von Projektsteuerung und Zielstabilit¨at . In die zweite Kategorie fallen die Studien Dvir et al. (1998) sowie Shenhar et al. (2002), die zwar wenig theoriegeleitet vorgehen und keine Konstruktbildung durchf¨ uhren, daf¨ ur aber f¨ ur die betrachteten Projekttypen sehr detaillierte Informationen mit u ¨berdurchschnittlicher Praxisrelevanz liefern. Alle u ¨brigen Arbeiten lassen sich einer dritten Kategorie zuordnen, deren gemeinsames Ziel es ist, Kontingenz- und Effizienzaussagen hinsichtlich der Verwendung von formell-mechanistischen“ Steuerungsin” strumenten im Gegensatz zu organisch-partizipativen“ zu machen. Diese Arbeiten gehen ” u uchlichen Ergebnissen ¨berwiegend theoriegeleitet vor, kommen aber zum Teil zu widerspr¨ und k¨onnen kaum konkrete Gestaltungsempfehlungen f¨ ur das Management von Innovationsprojekten geben. Forschungsdesign und die zentralen Befunde aller Studien sind in

122

5. Metaanalyse der empirischen Forschung zur Planung und Steuerung

Tabelle 5.5 gegen¨ ubergestellt und werden im Folgenden analysiert. Lynn et al. (1999; 2000) Beide Ver¨offentlichungen von Lynn et al. gehen im Schwerpunkt der Frage nach, inwieweit eine klare Projektvision und organisationales Lernen im Projektteam wichtige Determinanten des Vorhabenserfolgs sind, der jeweils durch einen umfassenden Faktor New Product Success und das speziellere Kriterium Speed gemessen wird. In der ersten Arbeit, die auf einer Stichprobe von 95 amerikanischen Hochtechologieprojekten basiert, wird daneben auch die Erfolgswirkung formeller Projektsteuerung untersucht. Die Operationalisierung erfolgt durch Items, die u. a. die Verfolgung eines Meilensteinplanes sowie Mechanismen der Fortschritts- und Kostenkontrolle ermitteln. Durch Regressionsanalysen k¨onnen die Autoren signifikant positive Wirkungen der Projektsteuerung auf beide Erfolgskriterien nachweisen. Die zweite Arbeit erweitert die Analyse der Projektvision, indem sie neben der Klarheit der Vision auch deren Stabilit¨at u ¨ber den Projektverlauf untersucht. Vision Stabi” lity“ wird dabei anhand konkreter Projektziele operationalisiert, erfasst also vor allem, ¨ in welchem Ausmaß Design-, Produktions- oder sonstige technische Ziele Anderungen unterworfen waren. Eine Pfadanalyse, die auf einer Stichprobe von 280 amerikanischen Produktentwicklungsprojekten basiert, weist einen positiven Einfluss der Ziel- bwz. Visionsstabilit¨at auf das Kriterium Speed nach, der Zusammenhang mit dem umfassenden New Product Success wird im Pfadmodell dagegen nicht untersucht. Allerdings l¨asst sich der angegebenen Korrelationsmatrix ein hoher Korrelationskoeffizient zwischen diesen Gr¨oßen entnehmen, so dass auch dieser Effekt im Rahmen der quantitativen Metaanalyse in Abschnitt 5.5 ber¨ ucksichtigt werden kann. Dvir et al. (1998) Im Rahmen dieser Arbeit werden zun¨achst die 110 untersuchten Projekte aus der israelischen Verteidigungindustrie mittels linearer Diskriminanzanalyse anhand verschiedener Pr¨adiktor-Dimensionen17 in sechs Projektkategorien eingeteilt. ¨ Uber kanonische Korrelationsanalyse wird anschließend f¨ ur die sechs Projektkategorien untersucht, wie groß die Erfolgswirkung von insgesamt 106 Items zum Projektmanagement bei den sechs Projektkategorien auf die beiden Erfolgsdimensionen Meeting design goals und Benefits to the customer ist. Aufgrund der Tatsache, dass keine Wirkungszusammenh¨ange auf aggregierter Faktorebene untersucht, sondern 1272 Einzelkorrelationen betrachtet werden, lassen sich aussagekr¨aftige Befunde nur schwer identifizieren.18 Zudem sind die Ergebnisse wegen der 17

Zu diesen z¨ ahlen u. a. Projektumfang, technische Unsicherheit, Technologietyp, Hard- vs. Software, etc.

18

Die von Brown und Eisenhardt (1995) gew¨ ahlte Bezeichnung Fishing Expedition“ charakterisiert ” diese Herangehensweise treffend, vgl. das auf S. 29 der vorliegenden Arbeit wiedergegebene Zitat.

5.4. Studien mit Fokus auf Projektsteuerung

123

sehr untersuchungsspezifischen Definition der Projekttypen kaum mit denen anderer Arbeiten vergleichbar. Mittelt man die Aussagen u ¨ber die verschiedenen Projekttypen, so zeigt sich, dass das Steuern anhand eines Meilensteinplanes positiv mit der Realisierung ur das Erreichen der Design goals 20 sind ebenfalls der Customer benefits 19 korreliert. F¨ Meilensteinsteuerung sowie strikte Budgetkontrolle wichtig. Bei sehr umfangreichen und komplexen Projekten sind dar¨ uber hinaus Massnahmen zum Risikomanagement erfolgskritisch.21 ¨ Shenhar et al. (2002) Ahnlich wie die fr¨ uheren Ver¨offentlichungen Shenhar und Dvir (1996) sowie Dvir et al. (1998) untersuchen auch Shenhar et al. (2002) Erfolgsfaktoren im Prozessablauf von Neuproduktentwicklungen mit Hilfe von langen Itembatterien, fassen aber die betrachteten 127 NPE-Projekte anhand von Komplexit¨at und Unsicherheitsgrad zu nur vier Klassen zusammen. Die Suche nach Treibern des Projekterfolgs wird hier ebenfalls u uhrt, die unter den insgesamt ¨ber eine kanonische Korrelationsanalyse durchgef¨ 170 ber¨ ucksichtigten Items 96 Erfolgsfaktoren“ identifiziert. ” Angesichts der großen Zahl betrachteter Einzelkorrelationen sind verallgemeinerbare Aussagen wiederum nur schwer zu treffen. In den fr¨ uhen Projektphasen sind v. a. Alternativengenerierung, Durchf¨ uhrung von Machbarkeitsstudien sowie die Erstellung eines Projektstrukturplans unabh¨angig vom Projekttyp erfolgswirksam. Die Steuerung anhand von Meilenstein- bzw. Netzpl¨anen wird dagegen v. a. bei Projekten mit hoher Unsicherheit empfohlen, sorgf¨altige Projektdokumentation ist dort ebenfalls wichtig. Bei Projekten hoher Unsicherheit sollte verst¨arkt die Zeitplaneinhaltung u ¨berwacht werden, bei Projekten niedriger Sicherheit dagegen die Budgeteinhaltung.

19

Customer benefits liegen nach Dvir et al. dann vor, wenn das Produkt in Betrieb genommen wurde, eine lange Nutzungsdauer erreicht sowie Kundenzufriedenheit erzielt hat.

20

Hierunter fallen u. a. Budgeteinhaltung, Zeitplaneinhaltung sowie die Einhaltung technischer und funktionaler Spezifikationen.

21

Dvir et al. (1998), S. 924.

Stichprobe

95 nordamerikanische NPE-Projekte, davon ca. 1/3 Konsumg¨ uter

110 israelische Verteidigungsprojekte

Publikation

Bonner et al. (2002)

Dvir et al. (1998)

Einhaltung Projektzeitplan Einhaltung Projektbudget Einhaltung Produkt-Leistungsziele Zufriedenheit mit der Leistung des Teams

1. Meeting design goals (Budgeteinhaltung, Zeitplaneinhaltung sowie Einhaltung technischer und funktionaler Spezifikationen) 2. Benefits to the customer (u. a. Produkt wurde in Betrieb gesetzt, Nutzungsdauer, Kundenzufriedenheit)

Erfolgsmessung in 2 Dimensionen:

Innovationsgrad als dichotome Variable: Entsprechend Systematik von Booz, Allen & Hamilton, Inc. (1982) wurden die Projekttypen New-to-the-World und Newto-the-Firm als innovativ, alle anderen als nicht-innovativ eingestuft.

1. 2. 3. 4.

Erfolgsmessung u ¨ber 4-Item Skala:

Messung von Erfolg sowie ggf. Innovationsgrad

(wird fortgesetzt)

F¨ ur das Erreichen der Customer benefits ist das Steuern anhand eines Meilensteinplans von mittlerer Wichtigkeit f¨ ur alle Projekttypen.

F¨ ur das Erreichen der Design goals wichtig sind Budgetkontrolle und das Steuern anhand eines Meilensteinplans. Risikomanagement ist nur f¨ ur sehr umfangreiche und komplexe Projekte wichtig.

Die Projekte wurden nach mehreren Kriterien, u. a. Projektumfang, in 6 Kategorien eingeteilt.

Einflussnahme des Teams auf die operative Steuerung hat positive Wirkung auf den Projekterfolg, Managementintervention und formelle Projektsteuerung haben negative Erfolgswirkung.

Interaktive Steuerungsmechanismen umfassen den Einfluss des Projektteams auf die operative Steuerung (4 items), den Einfluss des Teams auf die Projektstrategie (4 items) sowie Interventionen des Management (6 items).

Formelle Steuerungsmechanismen umfassen Projektsteuerung (4 items), outputorientierte Steuerung (4 items) und Anreizsystem (3 items)

Projektsteuerung wird durch formelle Steuerungsmechanismen und interaktive Steuerungsmechanismen erfasst:

Wesentliche Befunde hinsichtlich Projektsteuerung

¨ Tabelle 5.5: Ubersicht u ¨ber Studien mit Fokus auf Projektsteuerung

124 5. Metaanalyse der empirischen Forschung zur Planung und Steuerung

Stichprobe

343 Entwicklungsprojekte (Produkte und Dienstleistungen) aus 21 Gesch¨ aftsbereichen von 11 Firmen (Elektromaschinenbau, Chemie, Konsumg¨ uter, Medizintechnik, Kommunikation)

80 NPE-Projekte aus 4 Gesch¨ aftsbereichen eines US-amerikanischen Chemie-Konzerns

95 US-amerikanische NPE-Projekte ( high ” technology“)

Publikation

Griffin (1997)

Lewis et al. (2002)

Lynn et al. (1999)

(Fortsetzung)

1. Speed to Market (4 Items) 2. New Product Success (8 Items verschiedener Dimensionen

Erfolgsmessung in 2 Dimensionen:

1. Technical uncertainty (10 Items) 2. Commercial uncertainty (5 Items)

1. Technical knowledge:“ Aufbau von ” Markt- und technischem Know-how, Erzielung eines Wettbewerbsvorteils (7 Items) 2. Commercial objectives:“ Einhaltung ” von Time-to-market und Zielkosten, Erreichung der Ergebnisziele (4 Items) 3. On time“ (2 Items) ” 4. Within budget“ (3 Items) ” Uncertainty in 2 Dimensionen:

Erfolgsmessung in 4 Dimensionen:

(wird fortgesetzt)

NPD Process, d. h. Steuerung anhand Meilenplan, Mechanismen zur Fortschrittskontrolle und Mechanismen zur Kostenkontrolle, wirkt signifikant positiv sowohl auf Speed to Market als auch auf New Product Success.

Der Planned Style wirkt v. a. positiv auf Budgeteinhaltung und Technical knowledge, der Emergent Style wirkt v. a. positiv auf Zeitplaneinhaltung und die Commercial objectives. Einzelne Moderatoreffekte konnten identifiziert werden: Commercial uncertainty moderiert die Erfolgswirkung der Items des Emergent Sty” le“ tendenziell positiv, technical uncertainty moderiert die Erfolgswirkung des Planned Style“ tendenziell negativ. ”

Zwei Arten des Projektmanagement werden unterschieden: Emergent Style und Planned Style. Der Emergent Style stellt Aspekte des Lernens, Verstehens, Experimentierens und Improvisierens in den Vordergrund. Der Planned Style sieht Projektmanagement als einen rationalen top-down Prozess. Methodische Kontrolle bildet die Grundlage f¨ ur Go/Kill- und Ressourcen-Entscheidungen bei Meilenstein-Reviews.

Moderierte Regressionen auf die drei Zeitkenngr¨ oßen ergibt, dass formelle Projektsteuerung keine direkte Erfolgswirkung hat. Der Interaktionsterm zwischen formeller Projektsteuerung und Produktkomplexit¨ at wirkt negativ auf die Development time, d. h. komplexe Projekte sollten formeller gesteuert werden, um kurze Entwicklungszeiten zu erreichen.

1. Development time 2. Concept to customer time 3. Total time Produktkomplexit¨at gemessen durch die Anzahl an Funktionen, die ein Produkt erf¨ ullen muss (ein Item).

Formelle Projektsteuerung gemessen durch ein Item: Having and ” following a well-documented product development process“.

Wesentliche Befunde hinsichtlich Projektsteuerung

Erfolgskriterium ist die NPD cycle time“ ” in 3 Auspr¨ agungen:

Messung von Erfolg sowie ggf. Innovationsgrad

5.4. Studien mit Fokus auf Projektsteuerung 125

Stichprobe

280 US-amerikanische NPE-Projekte, (breiter Querschnitt von Industrien mit Schwerpunkt auf Elektronik und Kommunikationstechnik)

78 Projekte aus 40 belgischen Firmen verschiedener Industrien

Publikation

Lynn et al. (2000)

Moenaert et al. (1994; 1995)

(Fortsetzung)

Innovationsgrad wird durch die Dimensionen Technological Newness“ (5 Items) ” und Market Newness“ (5 Items) erfasst. ”

Commercial Success wird durch Items gemessen.

1. Speed to Market (4 Items) 2. New Product Success (6 Items hinsichtlich Profitabilit¨ at und Erreichung der Marktziele

Erfolgsmessung in 2 Dimensionen:

Messung von Erfolg sowie ggf. Innovationsgrad

(wird fortgesetzt)

Zwischen Project Formalization und Commercial Success besteht eine schwach signifikante positive Korrelation.

Project Formalization erfasst, inwieweit der Prozess anhand eines Projektplans mit definierten Aktivit¨ aten, Zeitvorgaben und Meilensteinen gesteuert und der Fortschritt u ¨berwacht wurde (5 Items).

Vision Stability, erfasst als Stabilit¨ at von Designzielen, Produktionszielen sowie technischen Zielen, wirkt signifikant positiv auf Speed to Market (korreliert aber auch sehr hoch mit New Product Success).

Vision Clarity, erfasst als Klarheit hinsichtlich Gesch¨ aftszielen, technische Zielen, Produkteigenschaften, Zielmarkt und Kundenpr¨ aferenzen, wirkt signifikant positiv auf Vision Stability und New Product Success.

Wesentliche Befunde hinsichtlich Projektsteuerung

126 5. Metaanalyse der empirischen Forschung zur Planung und Steuerung

45 NPE-Projekte aus 15 Gesch¨ aftsbereichen von 12 Firmen (breiter Querschnitt von Industrien)

127 israelische Industrieprojekte, v. a. aus den den Bereichen Elektronik, Computer, Maschinenbau, Chemie und Bau.

Olson et al. (1995)

Shenhar et al. (2002)

Gleiche Stichprobe wie bei Raz et al. (2002).

Stichprobe

Publikation

(Fortsetzung)

Technische Unsicherheit und Projektumfang werden jeweils durch die Auspr¨ agungen hoch“ und niedrig“ beschrie” ” ben.

1. Meeting design goals (Erreichung der Leistungsziele, Zeitplaneinhaltung, Budgeteinhaltung) 2. Benefits to the customer (4 Items) 3. Commercial success and future potential (5 Items)

Erfolgsmessung in 4 Dimensionen:

Innovationsgrad in Form der Klassifikation von Booz, Allen & Hamilton, Inc. (1982) erhoben.

Erfolgsmessung in 3 Dimensionen: 1. Product and financial outcomes (Qualit¨ at, Zufriedenheit mit Produktdesign, Time-to-break-even, Umsatzzielerreichung) 2. Efficiency outcomes (Entwicklungszeit, Launchdauer, Budgeteinhaltung) 3. Psychosocial outcomes (Gef¨ uhl von Zufriedenheit, eigenem Beitrag und Zielerf¨ ullung)

Messung von Erfolg sowie ggf. Innovationsgrad

(wird fortgesetzt)

Projektsteuerung: Erstellung eines Projektstrukturplans ist unabh¨ angig vom Projekttyp erfolgswirksam. Detaillierte Meilensteinplanung und Netzplantechniken sind vor allem bei komplexen Projekten mit hoher Unsicherheit wichtig. Bei Projekten hoher Unsicherheit sollte tendenziell die Zeitplaneinhaltung u ¨berwacht werden, bei Projekten niedriger Unsicherheit die Budgeteinhaltung.

Projektplanung: Alternativenabw¨ agung und Machbarkeitsstudien sind unabh¨ angig vom Unsicherheitsgrad des Projektes erfolgswirksam. Dokumentation der Planung ist vor allem bei Projekten mit hoher Komplexit¨ at und niedriger Unsicherheit wichtig.

Erfolgswirkung: Je besser der Innovationsgrad des Projekts und der Formalisierungsgrad der Steuerungsmechanismen zueinander passen, desto h¨ oher ist die Zielerreichung, v. a. hinsichtlich Umsatz, Zeitplaneinhaltung und den psychosozialen Maßen.

Gestaltung der Projektsteuerung: Projekte mit geringem Innovationsgrad werden tendenziell mechanistischer und hierarchischer gesteuert als solche mit hohem Innovationsgrad.

Wesentliche Befunde hinsichtlich Projektsteuerung

5.4. Studien mit Fokus auf Projektsteuerung 127

Stichprobe

120 nordamerikanische NPE-Projekte von 57 Firmen, schwerpunktm¨ aßig aus den Bereichen Medizintechnik, Imaging, Informations- und Kommunikationselektronik

Publikation

Tatikonda und MontoyaWeiss (2001)

(Fortsetzung)

Marktneuartigkeit f¨ ur die Firma durch ein Item erfasst.

Produktinnovationsgrad operationalisiert als Neuigkeitsgrad der Produkttechnologien, -module und -architektur.

1. Kundenzufriedenheit mit Produkt 2. Erreichung Umsatzziel

Market outcomes als 2-Item Skala:

1. Erreichung Produktleistung 2. Einhaltung Produktzielkosten 3. Einhaltung Time-to-market

Operational outcomes als 3-Item Skala:

Messung von Erfolg sowie ggf. Innovationsgrad

Erreichung der Produktleistung und Einhaltung der Time-tomarket wirken positiv auf die Kundenzufriedenheit, wobei die Wirkung der Produktleistung auf die Kundenzufriedenheit wird leicht negativ durch die Marktneuartigkeit moderiert wird. Die Produktleistung und die Einhaltung der Produktzielkosten wirken positiv auf die Umsatzzielerreichung.

Process adaptibility (Ausmaß, zu dem die Projektleitung Vorgehen, Zeitplanung und Art der Reviews bestimmen kann) wirkt stark positiv auf die Time-to-market sowie bei hochinnovativen Produkten auch positiv auf die Einhaltung der Produktzielkosten (Interaktionseffekt).

Process formality (Projektmanagement durch Regeln und Prozeduren, Befolgung dieser Prozeduren, Durchf¨ uhrung formeller Reviews) wirkt stark auf die Operational outcomes.

Wesentliche Befunde hinsichtlich Projektsteuerung

128 5. Metaanalyse der empirischen Forschung zur Planung und Steuerung

5.4. Studien mit Fokus auf Projektsteuerung

129

Griffin (1997) Die Arbeit von Griffin hat einen etwas engeren Fokus als die anderen in diesem Abschnitt vorgestellten Studien. Die Autorin untersucht anhand einer Stichprobe von 343 Entwicklungsprojekten (sowohl Produkt- als auch Dienstleistungsinnovationen), welchen Einfluss der Grad der Prozessformalisierung auf die Entwicklungsdauer in drei verschiedenen Abgrenzungen hat, andere Erfolgsdimensionen werden nicht erhoben. Zudem wird der Formalisierungsgrad der Projektsteuerung nur durch ein einziges Item operationalisiert, das nicht sonderlich scharf gefasst ist.22 Als charakterisierendes Element der Projekte wird im Gegensatz zu anderen Arbeiten nicht der Innovationsgrad, sondern die Produktkomplexit¨at“ erhoben, die als Anzahl der vom Produkt zu erf¨ ullenden Funk” tionen operationalisiert wird. Der zentrale Befund der Arbeit von Griffin besteht darin, dass von der Existenz und Befolgung eines formellen Projektprozesses im Allgemeinen keine direkte Erfolgswirkung ¨ ufung auf Moderatoreffekte zeigt, wann formelle Projektsteueausgeht.23 Erst die Uberpr¨ rung Erfolg zeitigt: Bei Produkten hoher Komplexit¨at f¨ uhrt ein formeller Produktentwicklungsprozess zu einer signifikanten Verringerung der Entwicklungszeit im engeren Sinne, Auswirkungen auf die Concept to customer time oder Total NPD cycle time k¨onnen jedoch nicht nachgewiesen werden. Hinsichtlich der Signifikanz dieses Moderatoreffektes muss jedoch kritisch angemerkt werden, dass die Autorin in die moderierte Regression nur den direkten Effekt der Produktkomplexit¨at sowie den Interaktionsterm mit der Prozessformalisierung aufnimmt, nicht jedoch den direkten Effekt der Prozessformalisierung.24 Dies entspricht nicht dem empfohlenen Standardvorgehen f¨ ur moderierte Regressionen (vgl. Abschnitt 8.6.4). Sie begr¨ undet dieses Vorgehen ausdr¨ ucklich mit der Tatsache, dass die Interaktionsterme bei der Sch¨atzung des vollst¨andigen Modells nur noch schwach signifikant sind. Olson et al. (1995) Die Studie von Olson et al. zielt explizit darauf ab, die moderierende Rolle des Innovationsgrads auf Koordinationsaspekte im Rahmen der Neuproduktentwicklung zu untersuchen. Die zentrale Kontingenzhypothese der Arbeit besagt, dass bei geringer Erfahrung mit den verwendeten Produkt- und Prozesstechnologien ein hoher Bedarf an Informations- und Ressourcenfluss zwischen verschiedenen Abteilungen (v. a. Marketing und F+E) besteht und daher organische Koordinationsformen Verwendung finden, w¨ahrend bei geringen Innovationsgraden mechanistische Formen bevorzugt werden. Daran schließt sich die zentrale Erfolgshypothese an, n¨amlich dass ein Fit zwi22

Das Item lautet Having and following a well-documented product development process“. Man ver” gleiche dagegen beispielsweise die ausf¨ uhrlichen, theoretisch fundierten Ableitungen in den Arbeiten von Lewis et al. (2002) sowie Tatikonda und Montoya-Weiss (2001), siehe unten.

23

Dieser Befund wird in der Arbeit von Griffin (1997) nur in einer Fussnote auf S. 31 berichtet.

24

Vgl. Griffin (1997), Tabelle 6 auf S. 31.

130

5. Metaanalyse der empirischen Forschung zur Planung und Steuerung

schen der Neuartigkeit des Produktes und dem Formalisierungsgrad der Projektsteuerung notwendige Voraussetzung f¨ ur die Erreichung der Projektziele ist. Um den Formalisierungsgrad der Projektsteuerung zu operationalisieren, greifen die Autoren auf fr¨ uhere Arbeiten von Galbraith und Nathanson (1978) sowie Mintzberg (1979) zur¨ uck und definieren insgesamt sieben Typen organisatorischer Koordinationsmechanismen, die das Kontinuum von mechanistischen, fest gekoppelten Strukturen bis hin zu organischen, locker gekoppelten Strukturen abdecken.25 Im Rahmen der empirischen Untersuchung von 45 NPE-Projekten aus 12 amerikanischen Firmen wird der Formalisierungsgrad der Projektsteuerung erhoben, indem die Respondenten ihr Projekt einer dieser sieben Koordinationsmechanismen zuordnen. Der Innovationsgrad der Projekte wird u ¨ber die zweidimensionale Typologie von Booz, Allen & Hamilton, Inc. (1982) ermittelt, zur Erfolgsmessung werden Effizienzmaße, Produkt- und Finanzzielerreichung sowie psychosoziale Erfolgsgr¨oßen erhoben. Die empirischen Befunde von Olson et al. (1995) best¨atigen zun¨achst die Kontingenzhypothesen, hochinnovative Projekte f¨ uhren zu erh¨ohten funktionellen Interdepenzen und damit tendenziell zur Bevorzugung organischer Organisationsformen. Dieser Fit zwischen Innovationsgrad und Koordinationsmechanismen ist jedoch bei vielen Projekten alles andere als perfekt, so dass hinreichend Varianz in der Stichprobe vorhanden ist, um die Effizienzhypothesen mittels multivariater Varianzanalysen (MANOVA) zu u ufen. Diese ¨berpr¨ f¨ uhren zum Ergebnis, dass Projekte mit hohem Fit in allen Dimensionen erfolgreicher sind als Projekte, die entweder zu formal“ oder zu organisch“ gesteuert werden. ” ” Bonner et al. (2002) Die Autoren untersuchen anhand einer Stichprobe von 95 nordamerikanischen NPE-Projekten den Einfluss, den verschiedene Elemente der Projektsteuerung des oberen Management“ auf den Projekterfolg haben. Dabei wird zum einen ein ” differenziertes Spektrum an steuerungsrelevanten Faktoren abgeleitet und operationalisiert, zum anderen werden Interaktionseffekte mit dem Innovationsgrad der Vorhaben und ihrer Einbindung in das Projektprogramm ber¨ ucksichtigt. Bonner et al. differenzieren grunds¨atzlich zwischen formellen Steuerungsaspekten, die in der Literatur traditionell stark betont werden, und sog. interaktiven Steuerungsmechanismen. Formelle Steuerungsaspekte umfassen dabei die Frage, inwieweit das obere Management Vorgaben bez¨ uglich des Innovationssprozesses und der zu bearbeitenden Schritte und Aufgabenpakete gemacht hat (formelle Projektsteuerung), inwieweit vom Management klare Zielvorgaben gemacht wurden (outputorientierte Steuerung) und die Frage, inwieweit das Projektteam ein attraktives Anreizsystem (Entlohnung, Bef¨orderungen, An25

Diese sieben Koordinationsmechanismen sind Bureaucratic control, Individual liaisions, Temporary task forces, Integrating managers, Matrix structures, Design teams und Design center.

5.4. Studien mit Fokus auf Projektsteuerung

131

erkennung) vorfand. Interaktive Steuerungsmechanismen dagegen entstehen dadurch, dass es im Verlauf von Entscheidungsprozessen zu aktiven Wechselwirkungen zwischen oberem Management und Projektteam kommt. Dies kann zum einen darauf zur¨ uckzuf¨ uhren sein, dass Management und Projektteam im Rahmen der Projektplanung eng zusammenarbeiten, beispielsweise bei der Festlegung der strategischen Stoßrichtung des Projekts und der operativen Abbildung in einem Projektplan. Zum anderen kann interaktive Steuerung aber auch dadurch entstehen, dass das obere Management direkt in den Projektverlauf eingreift, indem es die Projektziele ¨andert, neue Prozessschritte zur Zielerreichung vorgibt oder sogar bei Entscheidungen des Projektteams interveniert. Vor diesem theoretischen Hintergrund untersuchen Bonner et al., welche Erfolgswirkung die Betonung einer dieser unterschiedlichen Steuerungsmechanismen hat und wie die Erfolgswirkung vom Innovationsgrad des Projektes und seiner Einbindung in das Projektprogramm beeinflusst wird. Sie f¨ uhren dazu eine moderierte Regression des Faktors Projekterfolg (Durchschnitt u ¨ber vier Erfolgs-Items) auf die insgesamt sechs Steuerungsfaktoren, den Innovationsgrad, die Programm-Einbindung sowie verschiedene Interaktionsterme durch. Vier unabh¨angige Variablen zeigen im Ergebnis eine signifikante Erfolgswirkung:26 1. Die direkte Intervention des oberen Management im Projektprozess wirkt stark negativ auf den Erfolg. Unter diesen Faktor fallen u. a. Items, die messen, wie h¨aufig im Projektverlauf Ziele und Meilensteine ver¨andert wurden, in welchem Ausmaß die Ressourcenzuteilung angepasst wurde und wie stark das obere Management direkt und indirekt in Entscheidungsfindungsprozesse eingriff. 2. Einflussm¨oglichkeiten des Teams auf die operative Projektsteuerung und -kontrolle, d. h. Mitwirkung hinsichtlich Projektzielen, -budget und -zeitplan, wirken stark positiv auf den Erfolg. 3. Wird vom oberen Management dagegen der Projektprozess samt Arbeitsschritten dezidiert vorgegeben (Process control), so wirkt dies im allgemeinen negativ auf die Erreichung der Projektziele. 4. Die negativen Auswirkungen strikter Prozesskontrolle durch das Management werden zumindest dann gemildert, wenn das Projekt in ein u ¨bergeordnetes Projektprogramm integriert ist und damit Abh¨angigkeiten zwischen mehreren Projekten zu ber¨ ucksichtigen sind. Die Vorgabe zu starrer Prozessschemata als Bestandteil formeller Steuerung zieht also h¨aufig negative Konsequenzen nach sich: Kosten¨ uberschreitungen, Terminverz¨ogerungen 26

Bonner et al. (2002), S. 240.

132

5. Metaanalyse der empirischen Forschung zur Planung und Steuerung

und Nichterreichung der spezifizierten Leistungsziele. Um dies zu verhindern, sollten Teams im NPE-Prozess in die Lage versetzt werden, die operative Prozessgestaltung selbst mit zu bestimmen. Dieses Ergebnis zeigt sich in der Untersuchung von Bonner et al. unabh¨angig vom Innovationsgrad, was angesichts der Befunde von Griffin (1997) sowie Olson et al. (1995) bemerkenswert ist.27 Eine aktive Mitwirkung des Teams an der strategischen Projektplanung hat dagegen keine Erfolgswirkung, da hier eventuell nicht der ad¨aquate Erfahrungshintergrund vorhanden ist.28 Ebenfalls bemerkenswert ist der Befund, dass die direkte Intervention des oberen Management im Projektverlauf h¨aufig negative Auswirkungen hat. Die aktive Beteiligung des Top-Management an NPE-Projekten konnte in einer Vielzahl von Untersuchungen als Erfolgsfaktor identifiziert werden.29 Bonner et al. interpretieren ihren Befund so, dass dem oberen Management v. a. eine anregende, motivierende, integrierende und wegbereitende Rolle zukommen sollte, w¨ahrend zu h¨aufiges, evtl. inkonsistentes Intervenieren im Projektverlauf negative Folgen nach sich zieht.30 ¨ Lewis et al. (2002) Ahnlich wie Bonner et al. (2002) unterscheidet auch die Untersuchung von Lewis et al. zwei unterschiedliche Grundhaltungen des Projektmanagement. ¨ In Anlehnung an theoretische Uberlegungen, v. a. von Dougherty31 , operationalisieren sie die Auspr¨agungen, die die drei Bereiche Projektsteuerung, -¨ uberwachung und -beurteilung (control, monitoring and evaluation) im Rahmen eines planorientierten Projektmanagement ( planned style“) sowie im Rahmen eines improvisatorischen Projektmanagement ” ( emergent style“) annehmen. ” Bef¨ urworter eines improvisatorischen Projektmanagement sehen Produktentwicklungsund Innovationsvorhaben als komplexe, tendenziell chaotische Prozesse an, die nur schwer im Voraus planbar sind. Zentrale Aufgabe des oberen Management ist es, Projektteams mit der Freiheit und F¨ahigkeit zur Improvisation und zum Lernen durch eigene Erfahur ihre Studie rung zu versehen.32 Lewis et al. operationalisieren diese Grundhaltung f¨ anhand der drei oben genannten Bereiche des Projektmanagement: Projekt¨ uberwachung ¨ als Uberwachung des Verstehens, Projektbeurteilung als Informationssammlung ( Boun” 27

Ein zentraler Befund der Untersuchung von Olson et al. (1995) besagt ja, dass der Projekterfolg stark davon abh¨ angt, wie gut der Innovationsgrad des Projektes und der Formalisierungsgrad der Steuerungsmechanismen zusammenpassen.

28

Bonner et al. (2002), S. 242.

29

¨ Vgl. z. B. die zusammenfassenden Ubersichten in den Arbeiten von Balachandra und Friar (1997), S. 281, Brown und Eisenhardt (1995), S. 346, Montoya-Weiss und Calantone (1994), S. 406.

30

Bonner et al. (2002), S. 242.

31

Dougherty (1992); Dougherty (1996).

32

Vgl. f¨ ur diese Grundhaltung beispielsweise Dougherty (1996), Barrett (1998) und Weick (1998).

5.4. Studien mit Fokus auf Projektsteuerung

133

dary Spanning“ 33 und Environmental Scanning“) 34 und partizipative Steuerung mit viel ” Entscheidungsspielraum f¨ ur das Team. Vertreter eines planorientierten Vorgehens sehen dagegen Projektmanagement als vergleichsweise rationalen, deterministischen Prozess an. Erfolgreiche Manager leiten Projektziele aus Unternehmenszielen her und stellen die notwendigen Strukturen zur Verf¨ ugung, damit Projektteams ihre individuellen Ziele erreichen k¨onnen. Projektmanagement stellt hier einen festen Regelkreis dar, den Lewis et al. als Projekt¨ uberwachung anhand von Meilensteinen, formelle Projektbeurteilung sowie weisungsorientierte Steuerung durch das obere Management operationalisieren.35 Die Datenbasis f¨ ur den empirischen Teil von Lewis et al. (2002) bilden 80 NPEProjekte aus verschiedenen Gesch¨aftsbereichen eines US-amerikanischen Chemie-Konzerns, die z. T. im L¨angsschnitt bis zu zwei Jahre lang begleitet wurden. Anhand der erhobenen Stichprobe wird zun¨achst u ¨ber konfirmatorische Faktorenanalysen und χ2 -Differenztests die Diskriminanzvalidit¨at der drei Aktivit¨atenpaare des Projektmanagement nachgewieunglichen Hypothese, dass die Verwendung improvisatorischer sen.36 Entgegen der urspr¨ Elemente im Projektverlauf abnimmt, die der planorientierten dagegen konstant bleibt, sinkt mit zunehmender Projektdauer die Bedeutung der planorientierten Aktivit¨aten, bei den improvisatorischen Elementen ist teilweise eine schwach signifikante Abnahme zu beobachten. Im Ergebnis kommt es also u ¨ber den Projektverlauf zu keiner signifikanten Verschiebung im Schwerpunkt der Projektmanagementaktivit¨aten. Um Kontingenz- und Effizienzaussagen zu den beschriebenen Grundhaltungen des Projektmanagement machen zu k¨onnen, werden zwei Dimensionen der Projektunsicherheit (technische und kommerzielle) sowie vier Erfolgsdimensionen (Aufbau von Know-How, Erreichung kommerzieller Ziele sowie Zeitplan- und Budgeteinhaltung) erhoben. Die vier moderierten Regressionen der Erfolgsdimensionen auf Prozessvariablen, Projektunsicherheit und Interaktionsterme liefern z. T. u ¨berraschende Befunde: 1. Partizipatorische Projektsteuerung hat als einziger der improvisatorischen“ Fak” toren eine signifikante Erfolgswirkung. Sie wirkt positiv auf die Zeitplaneinhaltung und die Erreichung der kommerziellen Ziele. 2. Weisungsorientierte Projektsteuerung beg¨ unstigt dagegen den Aufbau von KnowHow im Projektverlauf sowie bei hochgradig unsicheren Projekten die Einhaltung des Zeitplans. 33

Aldrich und Herker (1977); Ancona und Caldwell (1990); Ancona und Caldwell (1992a); Leifer und Delbecq (1978).

34

Aguilar (1967)

35

Vgl. f¨ ur diese Grundhaltung beispielsweise die praxisorientierten Monographien von Wheelwright und Clark (1992b) sowie Rosenau und Moran (1993).

36

Vgl. zu diesem Vorgehen Abschnitt 8.5.3.3 der vorliegenden Arbeit.

134

5. Metaanalyse der empirischen Forschung zur Planung und Steuerung

3. Regelm¨aßige formelle Projektreviews wirken negativ auf die Budgeteinhaltung, bei Projekten hoher Unsicherheit jedoch stark positiv auf den Aufbau von Know-How. 4. Bei Projekten mit hohem Unsicherheitsgrad wirkt die Projekt¨ uberwachung anhand von Meilensteinen positiv auf die Zeitplaneinhaltung und die Erreichung der kommerziellen Ziele, jedoch negativ auf die Budgeteinhaltung und den Aufbau von Know-How. Zun¨achst ist anzumerken, dass bei 24 m¨oglichen Kombinationen zwischen den sechs Prozess- und den vier Erfolgsdimensionen vergleichsweise wenige direkte Zusammenh¨ange identifiziert werden k¨onnen, dagegen jedoch eine Reihe von Moderationseffekten, was f¨ ur eine Verwendung von Kontingenzmodellen im Rahmen der Forschung zur Steuerung innovativer Projekte spricht. Die Befunde zeigen, dass weder die improvisatorische noch die planorientierte Ausrichtung grunds¨atzlich der jeweils anderen vorzuziehen ist. Improvisatorisches Projektmanagement f¨ordert grunds¨atzlich die Projekteffizienz, da partizipative Projektsteuerung positiv auf die Zeitplaneinhaltung wirkt, formelle Projektreviews dagegen negativ auf die Budgeteinhaltung. Schließlich sollte bei Projekten mit hoher Unsicherheit eher planorientierten Aktivit¨aten der Vorrang gegeben werden. Insgesamt decken sich diese Ergebnisse mit den Befunden von Griffin (1997): Formelle Projektsteuerung ist f¨ ur sich genommen kein Garant f¨ ur kurze Projektlaufzeiten, wird bei Projekten mit hoher Unsicherheit und Komplexit¨at aber zu einem wesentlichen Erfolgsfaktor.37 Tatikonda und Montoya-Weiss (2001) Die Studie von Tatikonda und MontoyaWeiss (2001) verbindet in ihrem Design Ansatzpunkte aus zwei unterschiedlichen Forschungsrichtungen zur Neuproduktentwicklung. Zum einen wird die Information Processing Theorie 38 herangezogen, um Hypothesen zum effizienten Management der operativen Produktenwicklung abzuleiten, zum anderen werden u ¨ber den Ressourcenbasierten Ansatz39 Hypothesen u ¨ber die Wirkung von F¨ahigkeiten in der operativen Produktentwicklung auf den Markterfolg abgeleitet. Diese Hypothesen werden anhand einer Stichprobe von 120 nordamerikanischen NPE-Projekten aus Firmen verschiedener Hochtechnologiebranchen u uft. ¨berpr¨ Zur Untersuchung des operativen Produktentwicklungsprozesses werden drei Faktoren gebildet, zum einen die Prozessparallelit¨at ( Simultaneous Engineering“), zum anderen ” die auch f¨ ur diese Arbeit relevanten Faktoren Prozessformalisierung und -anpassbarkeit. Tatikonda und Montoya-Weiss operationalisieren die Prozessformalisierung als Grad, zu 37

Es sei jedoch wieder auf die gegenl¨ aufigen Ergebnisse von Olson et al. (1995) hingewiesen.

38

Vgl. hierzu Abschnitt 3.4 der vorliegenden Arbeit.

39

Vgl. hierzu Abschnitt 3.2 der vorliegenden Arbeit.

5.4. Studien mit Fokus auf Projektsteuerung

135

dem das operative Projektmanagement durch das Aufstellen und Befolgen fester Regeln ¨ und Prozeduren sowie das Durchf¨ uhren planm¨aßiger Uberpr¨ ufungen bzw. Revisionen erfolgt. Ein zentraler Befund ihrer Untersuchung ist, dass die so definierte Prozessformalisierung nahezu gleichermaßen stark positiv auf die drei betrachteten Erfolgsdimensionen Produktleistung, -zielkosten und Time-to-market wirkt, und zwar unabh¨angig vom Innovationsgrad des Vorhabens. Dieser Befund ist insofern bemerkenswert, als die Untersuchung von Bonner et al. (2002) eine negative Wirkung formeller Projektsteuerung auf die Erfolgsitems Budgeteinhaltung, Zeitplaneinhaltung, Produktleistung und Team Performance nachweist. Da der Erfolg in beiden Studien ¨ahnlich operationalisiert ist, sind die widerspr¨ uchlichen Befunde vermutlich auf geringf¨ ugige Unterschiede in der Operationalisierung der Projektsteuerungsdimension zur¨ uckzuf¨ uhren: Bonner et al. betonen v. a. die Vorgabe spezifischer Arbeitsschritte durch das obere Management w¨ahrend Tatikonda und Montoya-Weiss st¨arker das Vorliegen eines strukturierte Prozessschemas bzw. Regelwerks in den Vordergrund stellen.40 Tatikonda und Montoya-Weiss operationalisieren die Prozessanpassbarkeit als den Grad, zu dem die Projektleitung Vorgehen, Zeitplanung und Art der Revisionen im Projektverlauf selbst bestimmen kann. Dieser Faktor wirkt stark positiv auf die Einhaltung der Time-to-market, hat jedoch zun¨achst keinen signifikanten Einfluss auf die beiden anderen Erfolgsdimensionen. Erst durch Miteinbeziehung eines Interaktionsterms mit dem Produktinnovationsgrad in die Regressionsmodelle wird deutlich, dass Prozessanpassbarkeit bei hochinnovativen Produkten tats¨achlich auch stark positiv auf die Einhaltung der Produktzielkosten wirkt. Direkte Effekte der Prozessfaktoren auf den Markterfolg werden in der Studie nicht untersucht, obwohl zumindest die Prozessanpassbarkeit signifikant mit den beiden Marktzielen Kundenzufriedenheit und Umsatzzielerreichung korreliert.41 Das Erreichen der operativen Ziele Produktleistung, -zielkosten und Time-to-market wird von Tatikonda und Montoya-Weiss stattdessen als Vorhandensein von Produktentwicklungsf¨ahigkeiten interpretiert, von denen nach dem Ressourcenbasierten Ansatz positive Impulse auf die Marktzielerreichung ausgehen.42 Die moderierte Regression der Kundenzufriedenheit auf die operativen Leistungsziele ergibt, dass die Produktleistung und die Einhaltung der Time-

40

Vgl. Bonner et al. (2002), S. 243, sowie Tatikonda und Montoya-Weiss (2001), S. 168.

41

Tatikonda und Montoya-Weiss (2001), S. 162.

42

F¨ ur Tatikonda und Montoya-Weiss ist also die Erreichung der operativen Leistungsziele ein Indikator daf¨ ur, dass besondere immaterielle Ressourcen vorliegen, n¨ amlich die notwendigen F¨ ahigkeiten, um Produktentwicklung so durchzuf¨ uhren, dass die Voraussetzungen zur Erreichung der Marktziele gegeben sind. Aufgabe des Management ist es dann, unter gegebenen Ressourcenbeschr¨ ankungen einzelne Ziele zu priorisieren und negativen Effekten technischer und externer Unsicherheiten vorzubeugen (vgl. Tatikonda und Montoya-Weiss (2001), S. 154).

136

5. Metaanalyse der empirischen Forschung zur Planung und Steuerung

to-market wesentliche Determinanten f¨ ur die Kundenzufriedenheit sind.43 Der Einfluss der Produktleistung auf die Kundenzufriedenheit wird leicht negativ durch die Marktneuartigkeit f¨ ur das Unternehmen moderiert, d. h. die Firma kann in f¨ ur sie neuen M¨arkten dem Kunden die Leistungsmerkmale des eigenen Produktes schwerer vermitteln. Die Regressionsgleichung f¨ ur die Umsatzzielerreichung identifiziert v. a. die Produktleistung als Umsatztreiber, die Einhaltung der Zielkosten hat nur eine geringe, schwach signfikante Wirkung. ¨ Diskussion Zur besseren Ubersicht u uchlichen Befunde werden ¨ber die z. T. widerspr¨ diese in vereinfachter Form in Tabelle 5.6 gegen¨ ubergestellt. Offensichtlich unstrittig sind die Ergebnisse hinsichtlich der Zielstabilit¨at : Beide Studien, die diesen Faktor ber¨ ucksichtigen, k¨onnen eine deutliche Erfolgswirksamkeit nachweisen. Ein ganz anderes Bild zeigt sich hinsichtlich der formellen Projektsteuerung. Vier der acht Ver¨offentlichungen, die diesen Aspekt untersuchen, differenzieren nicht nach dem Innovationsgrad und decken in ihren Ergebnissen das gesamte Spektrum von stark positiver bis hin zu stark negativer Erfolgswirkung ab. Die vier Arbeiten, die den Innovationsgrad ber¨ ucksichtigen, liefern ebenfalls kein klares Bild, da einige zu dem Ergebnis kommen, dass sich formelle Methoden des Projektmanagement nur f¨ ur niedriginnovative Vorhaben eignen, w¨ahrend andere Untersuchungen gerade den gegenteiligen Befund ermitteln, dass insbesondere hochinnovative Projekte dieser Methoden bed¨ urfen. ¨ Uber die Ursache dieser Diskrepanzen kann an dieser Stelle nur spekuliert werden. Zum einen k¨onnten die Differenzen aus den jeweils unterschiedlichen Methoden zur ¨ Uberpr¨ ufung der Moderatorwirkung des Innovationsgrads herr¨ uhren.44 Olson et al. (1995) lehnen sich methodisch an ¨altere Arbeiten des Kontingenzansatzes an und gehen ex ante davon aus, dass innovativere Projekte organischer Steuerungsmethoden bed¨ urfen. Anschließend wird nachgewiesen, dass ein solchermaßen definierter Fit mit h¨oherem Vorhabenserfolg korreliert. Dagegen verwenden Shenhar et al. (2002) kanonische Korrelationsanalysen und leiten dadurch Kontingenzaussagen ab, dass sie die H¨ohe von Korrelationskoeffizienten bei unterschiedlichen Projekttypen vergleichen. Die u ¨brigen Arbeiten verwenden schließlich moderierte Regressionen, wobei zumindest Griffin (1997) diese Methode inkorrekt einsetzt. Ein weiterer Grund f¨ ur die Diskrepanzen kann in der Verwendung unterschiedlicher Erfolgsmaße sowie unterschiedlicher Operationalisierungen des Innova43

Ein kausaler Zusammenhang zwischen Time-to-market und Kundenzufriedenheit l¨ asst sich nach Ansicht des Autors nur dann begr¨ unden, wenn der Kunde in Ermangelung von Substitutionsprodukten mit ¨ ahnlichem Image und Leistungsmerkmalen keine M¨ oglichkeit hat, seiner Unzufriedenheit durch Wahl eines anderen Produktes vorzubeugen. Daher w¨ are es zu untersuchen, ob die Time-to-market wirklich als vorgelagertes Ziel betrachtet werden kann oder nicht vielmehr auf einer Ebene mit den Marktzielen stehen sollte.

44

Vgl. hierzu die Ausf¨ uhrungen in Abschnitt 3.3.2 der vorliegenden Arbeit.

5.5. Quantitative Metaanalyse

137

tionsgrads vermutet werden. W¨ahrend Bonner et al. (2002) und Olson et al. (1995) die Innovationstypologie von Booz, Allen & Hamilton, Inc. (1982) verwenden, nehmen Lewis et al. (2002) sowie Tatikonda und Montoya-Weiss (2001) mehrdimensionale Operationalisierungen des Innovationsgrads vor. Griffin (1997) und Shenhar et al. (2002) schließlich fokussieren vor allem auf die Unsicherheit hinsichtlich wichtiger Projektparameter. Entsprechend kann hier also kein Fazit hinsichtlich der Erfolgswirkung von formellen Projektsteuerungstechniken gezogen werden, allerdings sei auf die Diskussion im Rahmen der quantitativen Metaanalyse verwiesen, in der der Stichprobenmittelwert des Innovationsgrads als Moderatorvariable im Vergleich zwischen den Studien herangezogen wird, um diese offene Frage n¨aher zu beleuchten.

Formelle Projektsteuerung

Studie

Zielstabilit¨ at

Alle Projekte

Bonner et al. (2002)





HochNiedriginnovative innovative Projekte Projekte



Dvir et al. (1998)









Olson et al. (1995)





Shenhar et al. (2002)





Griffin (1997) 

Lewis et al. (2002)



Lynn et al. (1999) Lynn et al. (2000) Moenaert et al. (1994, 1995)

Tatikonda und Montoya-Weiss (2001)

 



Erl¨ auterung. Erfolgswirkung der Planung wie folgt kodiert:  = stark positiv;  = schwach positiv;  = stark negativ;  = schwach negativ. Tabelle 5.6: Erfolgswirkung der Projektsteuerung – Zusammenfassung der Befunde f¨ ur Projekte unterschiedlichen Innovationsgrads

5.5 5.5.1

Quantitative Metaanalyse Methodik der Metaanalyse

Als Assoziationsmaß zwischen den Gestaltungs- und den Erfolgsvariablen wird hier der Pearson-Korrelationskoeffizient gew¨ahlt, da diese Effektst¨arke noch am ehesten in den hier

138

5. Metaanalyse der empirischen Forschung zur Planung und Steuerung

untersuchten Studien berichtet wurde, allgemein wohl am h¨aufigsten im Rahmen von Metaanalysen eingesetzt wird und damit auch die zur Verf¨ ugung stehenden Rechenverfahren am breitesten dokumentiert sind.45 Im Folgenden werden die von Hunter und Schmidt (1990) vorgeschlagenen Verfahren der Metaanalyse verwendet, da ihre heuristische Natur Probleme mit der statistischen Testst¨arke bei kleiner Studienanzahl vermeidet und die Korrektur verschiedener Fehlerquellen erm¨oglicht, die zu einer Verzerrung der Korrelationen f¨ uhren k¨onnen. Beispiele f¨ ur solche Fehlerquellen, die von Hunter und Schmidt auch als Studien-Artefakte bezeichnet werden, sind mangelnde Reliabilit¨at (Messfehler), mangelnde Validit¨at, Skalenbeschr¨ankungen (Range Restrictions) oder k¨ unstliche Dichotomisierung der abh¨angigen 46 und unabh¨angigen Variablen. Eine Metaanalyse kann damit in den folgenden in drei Schritten durchgef¨ uhrt werden:47 (1) Der Stichprobenfehler wird ermittelt, (2) die mittlere Effektst¨arke wird gesch¨atzt und um den verzerrenden Einfluss von Studien-Artefakten (hier: die jeweilige Variablen-Reliabilit¨at, gemessen durch Cronbach’s Alpha) korrigiert und (3) die Heterogenit¨at der zugrundeliegenden Studien wird u uft um festzustel¨berpr¨ len, ob die Suche nach einem Moderator notwendig erscheint, der die Varianz zwischen den Studien erkl¨aren k¨onnte.

Ermittlung des Stichprobenfehlers Im Folgenden bezeichnen r1 , . . . , rk die Stichprobenkorrelationen von k unabh¨angigen Studien und ρ1 , . . . , ρk die zugeh¨origen Populationseffektst¨arken. Bei der Absch¨atzung des Stichprobenfehlers geht man analog zur klassischen Testtheorie von dem Ansatz aus, dass die Stichprobeneffektst¨arke ri der Studie i von der tats¨achlichen Populationseffektst¨arke ρi um einen Stichprobenfehler ei abweicht,48 ri = ρi + ei , wobei ρi und ei als unkorreliert angenommen werden. Damit kann die Effektst¨arken-Varianz nach σ 2 (ri ) = σ 2 (ρ) + σ 2 (ei ) zerlegt werden, wobei σ 2 (ρ) die Varianz der Verteilung ist, die den ρ1 , . . . , ρk zugrunde liegt. Die Varianz der Populationseffektst¨arke kann dann nach σ2 (ρ) = σ2 (r) − σ2 (e) gesch¨atzt werden, wobei σ 2 (r) durch die Stichprobenvarianz S 2 (r) und σ 2 (e) approximativ als Mittelwert von σ2 (ei ) = (1 − ri2 )2 /(ni − 1) gesch¨atzt werden.49 Als Sch¨atzer f¨ ur die um den Stichproben45

Vgl. die Darstellungen bei Hunter et al. (1982), Kapitel 3, Hunter und Schmidt (1990), Kapitel 3-5.

46

Hunter und Schmidt (1990), S. 44-72; Hunter und Schmidt (1994), S. 325f.

47

Vgl. Hunter et al. (1982), S. 35ff. und Schwarzer (1996), S. 35ff. zur Methodik sowie Gerwin und Barrowman (2002), S. 942f. f¨ ur ein aktuelles Anwendungsbeispiel.

48

Fricke und Treinies (1985), S. 124; Hunter et al. (1982), S. 43.

49

Hedges (1989), S. 470. Alternativ leitet Hedges einen erwartungstreuen Sch¨ atzer f¨ ur σ(ρ) ab, der jedoch schwieriger zu berechnen ist und in der praktischen Anwendung nur bei sehr kleiner Gesamtstichprobengr¨ oße Vorteile bietet, vgl. Hedges (1989), S. 473ff.

5.5. Quantitative Metaanalyse

139

fehler korrigierte Varianz erh¨alt man folglich 1  (1 − ri2 )2 σ2 (ρ) = S 2 (r) − k i=1 ni − 1 k

k ∼ = S 2 (r) − (1 − r2 )2 N

(5.5.1) .

ur große ni verwendet.50 In der letzten Gleichung wurde r2 ≈ r2 und ni /(ni − 1) ≈ 1 f¨ k N = i=1 ni bezeichnet hier den Gesamtstichprobenumfang der Metaanalyse, d. h. die Summe u ¨ber die Stichprobenumf¨ange ni der k Studien. Sch¨ atzung der Effektst¨ arke Zur Charakterisierung der Effektst¨arke werden in den hier untersuchten Studien Pearson-Korrelationskoeffizienten verwendet, auf deren Grundlagen jetzt der Populations-Korrelationskoeffizient ρ gesch¨atzt werden soll. Geht man davon aus, dass die unbekannte Populationskorrelation u ¨ber alle Studien konstant ist, und ber¨ ucksichtigt man, dass die empirischen Effektst¨arken von Studien mit großer Stichprobengr¨oße die tats¨achtliche Populationskorrelation pr¨aziser sch¨atzen als solche mit kleinem N , so sollte der beste Sch¨atzer einen gewichteten Durchschnitt der einzelnen Korrelationskoeffizienten bilden.51 Hunter und Schmidt (1990, S. 150) verwenden daher die folgenden ur die Populationskorrelation ρ sowie S 2 (r) f¨ ur die Stichprobenvarianz σ 2 (r), Sch¨atzer r f¨ wobei sie als Gewicht wi den jeweiligen Stichprobenumfang ni verwenden: k wi ri r = i=1 k i=1 wi

;

S 2 (r) =

k

wi (ri − r)2 k i=1 wi

i=1

.

(5.5.2)

Zwar ist S 2 streng genommen kein erwartungstreuer Sch¨atzer, dennoch kann auf eine Anwendung der Fisher-Z-Transformation verzichtet werden, da die resultierenden Differenzen im Normalfall unterhalb des Rundungsfehlers liegen und selbst bei sehr kleinen Stichprobengr¨oßen trivial gegen¨ uber dem Stichprobenfehler sind.52 Ber¨ ucksichtigung von Messfehlern Ausgehend von der unkorrigierten Effektst¨arke sollen im n¨achsten Schritt die Reliabilit¨at der Variablenmessung und ihre Auswirkung auf die Populationseffektst¨arke ber¨ ucksichtigt werden. Dabei muss nicht nur zwischen Populations- und Stichprobenstatistiken, sondern auch zwischen beobachteten und unbeobachteten wahren“ Gr¨oßen unterschieden werden. F¨ ur jede Studie existieren zwei unbe” kannte Populationskorrelationen ρ und ρtrue sowie eine bekannte Stichprobenkorrelation r. 50

Hunter et al. (1982), S. 44.

51

Hunter et al. (1982), S. 40f.; Schwarzer (1996), S. 35.

52

Hunter und Schmidt (1990), S. 71.

5. Metaanalyse der empirischen Forschung zur Planung und Steuerung

140

Messfehler werden durch Cronbach’s αP f¨ ur die Projektmanagementvariablen sowie αE f¨ ur die Erfolgsvariablen erfasst. Idealerweise w¨ urde jede Studie Reliabilit¨atsmaße berichten, so dass die Messfehlerkorrektur individuell erfolgen k¨onnte. Da dies jedoch in der Praxis nicht der Fall ist, wird hier das Artefakt-Verteilungsverfahren von Hunter und Schmidt verwendet, das in drei Schritten abl¨auft.53 Zuerst werden die Mittelwerte αP und αE sowie die Varianzen σ 2 (αP ) und σ 2 (αE ) anhand der Studien berechnet, die die jeweiligen Alpha-Koeffizienten berichten. Im zweiten Schritt werden wiederum die Sch¨atzer ρ = r sowie σ2 (ρ) = S 2 (r) nach Gl. 5.5.2 mit dem Gewicht wi = ni berechnet.54 Im dritten Schritt werden die in den beiden ersten Schritten errechneten Gr¨oßen herangezogen, um 55 2  die Sch¨atzer ρ true und σtrue (ρ) zu berechnen: ρ true = √

ρ √

αP αE

2 2 2 2 2 σ2 (ρ) − ρ true (αP σ (αE ) + αE σ (αP )) 2 ; σ true (ρ) = 2 2 σ (αE ) σ (αP )

.

(5.5.3)

In dem Maße, in dem die abh¨angigen oder unabh¨angigen Variablen mit Messfehlern versehen sind, liegen also die beobachteten Korrelationen unter den wahren“ Werten. Die ” Interpretation der wahren“ Werte muss jedoch mit Vorsicht erfolgen, da die dargestellte ” Prozedur bei sehr geringen Reliabilit¨aten zu einem sehr hohen Sch¨atzer f¨ ur die Reliabilit¨at f¨ uhren kann. Eine vern¨ unftige Variablenmessung sollte jedoch eigentlich immer den Ausgangspunkt einer Untersuchung bilden und ist einer nachtr¨aglichen Korrektur vorzuziehen, jedoch kann eine Metaanalyse nicht die Qualit¨at der ihr zugrunde liegenden Studien verbessern. Daher sollten neben der wahren“ Effektst¨arke auch immer die ” gewichtete, jedoch nicht korrigierte Effektst¨arke nach Gl. 5.5.2 berichtet werden.56 Test auf Homogenit¨ at Eine Populations-Effektst¨arke kann nur dann zuverl¨assig interpretiert werden, wenn die zugrunde liegenden Datens¨atze hinreichend homogen sind. Werden beispielsweise Studien mit starkem negativen und starkem positiven Effekt integriert, kann eine durchschnittlich Effektst¨arke von Null resultieren, obwohl die einzelnen Populationseffektst¨arken signifikant von Null verschieden sind.57 Liegen solch inhomogene Effektst¨arken vor, muss im Rahmen der Metaanlyse nach Moderatorvariablen gesucht werden, die die starken Unterschiede zwischen den Studien erkl¨aren k¨onnen. Die Voraussetzung der Homogenit¨at kann dann als erf¨ ullt angesehen werden, wenn der gr¨oßte Teil 53

Hunter et al. (1982), S. 74ff.

54

F¨ ur den Fall, dass alle Studien vollst¨ andige Angaben bzgl. beider Alpha-Koeffizienten machen, k¨ onnte man als Gewicht wi = ni /(αP,i αE,i ) verwenden, das den Studien, die mit h¨ oheren Messfehlern behaftet sind, ein kleineres Gewicht beimisst, vgl. Hunter und Schmidt (1994), S. 329.

55

Hunter et al. (1982), S. 78f.

56

Schwarzer (1996), S. 36.

57

Fricke und Treinies (1985), S. 85.

5.5. Quantitative Metaanalyse

141

der Varianz der beobachteten Korrelationen auf den Stichprobenfehler zur¨ uckzuf¨ uhren ist und nicht auf systematische Differenzen zwischen den Ausgangsstudien. Hierf¨ ur sind drei Kriterien gebr¨auchlich:58 1. Die Varianz der Populationseffektst¨arke σ 2 (ρ), also die Residualvarianz nach Abzug der Stichprobenvarianz, sollte h¨ochstens 25 Prozent der beobachteten Varianz betragen.59 2. Die Standardabweichung σ(ρ) sollte h¨ochstens 25 Prozent der Populationseffektst¨arke ρ betragen.60 3. Die Teststatistik χ2k−1 = S 2 (r)N/(1 − r2 )2 sollte nicht signifikant sein.61 Der zuletzt angegebene Test besitzt jedoch eine sehr hohe Testst¨arke und lehnt die Nullhypothese, dass Homogenit¨at besteht, schon bei sehr kleiner Variation ab. Ist der χ2 -Wert also nicht signifikant, kann dies als sehr starke Best¨atigung der Homogenit¨at aufgefasst werden, w¨ahrend ein signifikanter Wert dennoch auf eine zu vernachl¨assigende Variation zwischen den Studien zur¨ uckzuf¨ uhren sein kann.62 Aus diesem Grund empfiehlt Schwarzer (1996, S. 37) vor allem die Verwendung der beiden ersten Kriterien zur Beurteilung der Studienhomogenit¨at. Es handelt sich dabei allerdings um Faustregeln“, deren Ak” zeptanzgrenzen sich nicht theoretisch begr¨ unden lassen und bislang auch nur bedingt im Rahmen von Simulationsstudien untersucht wurden.63 5.5.2

Ergebnisse der Metaanalyse

Elf der insgesamt 39 im Rahmen der Literaturanalyse analysierten Studien haben ihre Datenbasis in hinreichender Qualit¨at dokumentiert, um in die quantitative Metaanalyse miteinbezogen werden zu k¨onnen. Die restlichen Studien berichten f¨ ur die relevanten Beziehungen weder Korrelationskoeffizienten noch Signifikanztests zwischen erfolgreichen und nicht erfolgreichen Produkten, sondern enthalten ausschließlich Regressionskoeffizienten oder Angaben wie hoch/niedrig“, die sich zur metaanalytischen Auswertung nicht ” eignen. Anhand der elf Studien kann die jeweilige mittlere Erfolgswirkung von Businessplanung, formeller Projektsteuerung und Zielstabilit¨at errechnet werden, dagegen kann 58

Schwarzer (1996), S. 37.

59

Hunter und Schmidt (1990), S. 68 und 440. Siehe auch Schmidt und Hunter (1977) sowie Hunter und Schmidt (1994), S. 335.

60

Stoffelmayr et al. (1983), S. 343.

61

Hunter et al. (1982), S. 47.

62

Hunter und Schmidt (1990), S. 112.

63

Vgl. jedoch Rasmussen und Loher (1988) f¨ ur eine Diskussion des ersten Kriteriums.

5. Metaanalyse der empirischen Forschung zur Planung und Steuerung

142

die Erfolgswirkung der anderen Aspekte der Vorhabensplanung und -steuerung von Innovationsprojekten sowie die Wechselwirkung zwischen Planung und Steuerung aufgrund der begrenzten empirischen Basis nicht untersucht werden. Die f¨ ur die vorliegende Untersuchung relevanten Korrelationskoeffizienten wurden zusammen mit Angaben u ¨ber die jeweilige Studie, Stichprobengr¨oße sowie eventuell vorhandene Angaben u ¨ber Reliabilit¨atkoeffizienten und die in der Stichprobe durchschnittlich realisierte Innovationsh¨ohe systematisch in Microsoft EXCEL erfasst, dort mittels PivotTabellen aggregiert und anhand der im vorherigen Abschnitt beschriebenen Methodik ausgewertet. Anschließend wurden die Ergebnisse mit der Software Meta-Analysis Programs von Schwarzer (1996) u uft. Die Ausgangsdaten sind in den Tabellen 5.7 bis ¨berpr¨ 5.10 zusammengefasst, die statistische Auswertung ist in Tabelle 5.11 dokumentiert.

Erfolgsmaß

Gesamterfolg

Profitabilit¨ at

Umsatz Zeit

Studie

n

Korr.

αE

αP

Cooper (1979a)

195

0,34





Mishra et al. (1996)

288

0,57





Parry und Song (1994)

258

0,70





Cooper und Kleinschmidt (1987a)

203

0,36



0,50

Song und Parry (1996)

788

0,42

0,96

0,88

Cooper und Kleinschmidt (1987a)

203

0,29



0,50

Song und Parry (1996)

788

0,40

0,96

0,88

Cooper und Kleinschmidt (1994)

103

0,41



0,75

¨ Tabelle 5.7: Ubersicht u ¨ber die Studien zur Metaanalyse hinsichtlich Businessplanung

Businessplanung Tabelle 5.7 zeigt die sechs Studien, die den Effekt von Businessplanung auf den Vorhabenserfolg messen. Da bei den Ver¨offentlichungen von Cooper (1979b), Mishra et al. (1996) sowie Parry und Song (1994) die relevanten Facetten der Businessplanung auf mehrere Faktoren verteilt sind, werden hier Durchschnittskorrelationen aus jeweils drei Korrelationskoeffizienten zwischen dem Erfolgsmaß Vorhabenserfolg“und den ” Planungsfaktoren Initial Screening, Preliminary Market Assessment und Financial Analysis errechnet.64 Eine Betrachtung der Ausgangsdaten zeigt zun¨achst, dass die berichteten Korrelationskoeffizienten weitgehend homogen erscheinen, wobei allerdings die sehr hohen Werte r = 0, 70 bei Parry und Song (1994) sowie r = 0, 57 bei Mishra et al. (1996) aus 64

Vgl. zu diesem Vorgehen Hunter und Schmidt (1990), S. 467.

5.5. Quantitative Metaanalyse

143

dem Rahmen fallen. Diese beiden Studien berichten durchweg ungew¨ohnlich hohe Korrelationen, ohne dass den Ver¨offentlichungen ein m¨oglicher Grund daf¨ ur zu entnehmen w¨are. In der aggregierten Betrachtung erh¨alt man zun¨achst eine mittlere Effektst¨arke ρ = 0, 435 bzw. ρtrue = 0, 534 nach Artefakt-Korrektur (vgl. Tabelle 5.11). Die aggregierte Stichprobe ist jedoch als stark heterogen einzustufen, da die Varianz der Populationskorrelationen 83 Prozent der beobachteten Varianz ausmacht und der χ2k−1 -Wert signifikant ist. Aus diesem Grunde werden separate Metaanalysen f¨ ur die einzelnen Erfolgsmaße durchgef¨ uhrt. Die Analyse der drei Studien, die den Vorhabenserfolg schlicht durch ein u bergreifendes Items erfassen, ergibt eine sehr hohe Effektst¨arke ρ = ρtrue = 0, 551. Al¨ lerdings sind die entsprechenden Konfidenzintervalle sehr groß und alle Homogenit¨atstest verletzt, da in diese Teilstichprobe neben der von Cooper (1979b) berichteten normalen“ ” Korrelation auch die erw¨ahnten atypischen Resultate von Parry und Song (1994) sowie Mishra et al. (1996) enhalten sind. Aufgrund der geringen Studienzahl ist eine Suche nach Moderatoren nicht m¨oglich. Die Betrachtung der beiden anderen Erfolgsmaße, Profitabilit¨at und Umsatz, f¨ uhrt jeweils zu homogenen Teilstichproben mit mittleren Effektst¨arken ρ = 0, 409 (ρtrue = 0, 507) bzw. ρ = 0, 377 (ρtrue = 0, 467), nur in der Teilstichprobe zum Erfolgsmaß Umsatz“ macht die Populationsvarianz 30 Prozent der beobachteten Varianz ” aus und liegt damit geringf¨ ugig u ¨ber dem von Hunter und Schmidt (1990) empfohlenen Grenzwert. In Hinblick auf die Analyse zur Profitabilit¨at sowie zwei weiter unten berichtete Analysen ist anzumerken, dass aufgrund der approximativen Natur des Verfahrens von Hunter und Schmidt die Varianz des Stichprobenfehlers u ¨ber der beobachteten Varianz liegt. Da Varianzen kleiner Null nicht interpretierbar sind, wird die Populationsvarianz auf Null fixiert.65 Formelle Projektsteuerung Aufschlussreicher noch als im Fall der Businessplanung f¨allt die Metaanalyse hinsichtlich der Erfolgswirkung formeller Projektsteuerungsmethoden aus. Die qualitative Gegen¨ uberstellung der relevanten Studien im Abschnitt 5.4 hatte gezeigt, dass nicht nur Uneinigkeit u ¨ber die St¨arke des Zusammenhangs besteht, sondern dass noch nicht einmal die Frage als gekl¨art betrachtet werden kann, ob formelle Projektsteuerung erfolgsf¨ordernd oder kontraproduktiv wirkt. Betrachtet man in Tabelle 5.11 zun¨achst wiederum die aggregierte Metaanalyse, die nicht nach Erfolgsmaßen differenziert, so stellt man positive Effektst¨arken ρ = 0, 289 bzw. (ρtrue = 0, 357) fest. Allerdings grenzen die zugeh¨origen Konfidenzintervalle an Null bzw. schließen sie ein, und alle Homogenit¨atskriterien sind deutlich verletzt, so dass dies nicht als Nachweis f¨ ur eine positive Erfolgswirkung gewertet werden kann. Bei der Aufteilung der Gesamtstichprobe 65

Hunter und Schmidt (1990), S. 109.

5. Metaanalyse der empirischen Forschung zur Planung und Steuerung

144

Erfolgsmaß Gesamterfolg

Profitabilit¨ at

Umsatz

Zeit

Studie

n

Korr.

αE

αP

Bonner et al. (2002)

95

-0,35

0,73

0,70

Lynn et al. (1999)

95

0,48

0,94

0,83

Lewis et al. (2002)

80

0,27

0,90

0,69

Moenaert et al. (1994, 1995)

78

0,20

0,88

0,86

Song und Parry (1996)

788

0,37

0,96

0,88

Song und Parry (1996)

788

0,34

0,93

0,88

Tatikonda und Montoya-Weiss (2001)

120

0,03



0,83

Lewis et al. (2002)

80

0,19

0,75

0,69

Lynn et al. (1999)

95

0,34

0,53

0,83

120

0,14



0,83

Tatikonda und Montoya-Weiss (2001)

¨ Tabelle 5.8: Ubersicht u ¨ber die Studien zur Metaanalyse hinsichtlich formeller Projektsteuerung

nach Erfolgsmaßen erh¨alt man f¨ ur Profitabilit¨at“ und Umsatz“ jeweils homogene Teil” ” stichproben. Dabei ist interessanterweise die Effektst¨arke hinsichtlich der Profitabilit¨at deutlich h¨oher als die hinsichtlich der zeitlichen Effizienz des Projektes, ohne dass sich die entsprechenden Konfidenzintervalle u ur die Beziehungen ¨berschneiden. Die Metaanalysen f¨ zwischen formeller Projektsteuerung und die Erfolgsmaße Umsatz“ sowie Gesamterfolg“ ” ” sind stark heterogen, wobei die Effektst¨arken bei letzterer praktisch Null betragen und die Konfidenzintervalle fast den ganzen Wertebereich des Korrelationskoeffizienten abdecken. Eine statistisch solide Suche nach m¨oglichen Moderatoren erscheint aufgrund der geringen Studienzahl nicht m¨oglich, da diese beispielsweise durch Stichprobenteilung anhand der vermuteten Moderatoren und anschließende Differenztests oder durch eine Regression der Effektst¨arken auf die m¨oglichen Moderatoren erfolgen m¨ usste. Dennoch ist es angesichts der zentralen Fragestellung dieser Arbeit notwendig, wenigstens n¨aherungsweise den m¨oglichen Effekt der unterschiedlicher Innovationsgrade, die jeweils in den Studien realisiert werden, zu untersuchen. Drei Studien berichten neben der Korrelation zwischen Projektsteuerung und Erfolg auch den ihrer Studie realisierten Mittelwert des Innovationsgrads, vgl. Tabelle 5.9. Bei Betrachtung der Daten stellt man umittelbar fest, dass die Verwendung formeller Projektsteuerungsmethoden mit zunehmendem Innovationsgrad geringere Wirkung auf den Vorhabenserfolg zeigt und schließlich gar zu einem Hindernis wird. Dieser Zusammenhang ist sehr stark (r = −0, 88).

5.5. Quantitative Metaanalyse

Studie

145

Effektst¨ arke

Innovationsgrad

Bonner et al. (2002)

-0,35

5,36

Tatikonda und Montoya-Weiss (2001)

0,03

4,89

Moenaert et al. (1994, 1995)

0,20

3,64

Erl¨ auterung: Als Effektst¨ arke wird der Korrelationskoeffizient zwischen formeller Projektsteuerung und Projekterfolg berichtet. Als Innovationsgrad werden die Mittelwerte der jeweils in den Studien verwendeten Innovationsgradvariablen berichtet, wobei alle Werte auf den Skalenbereich 1 – 7 umgerechnet wurden. Tabelle 5.9: Innovationsgrad als Moderator f¨ ur die St¨ arke des Effekts von formeller Projektsteuerung auf den Projekterfolg

Zielstabilit¨ at Die Metaanalyse hinsichtlich der Erfolgswirkung der Zielstabilit¨at schließlich st¨ utzt sich auf nur zwei Studien (vgl. Tabelle 5.10). Obwohl sie mit Ge” samterfolg“ und Zeit“ durchaus unterschiedliche Schwerpunkte in der Erfolgsmessung ” setzen, sind doch die Befunde hochgradig homogen. Die mittlere Effektst¨arke liegt bei ρ = 0, 443 bzw. ρtrue = 0, 543 und ist in ihrer H¨ohe damit vergleichbar mit den hinsichtlich der Businessplanung erhaltenen Ergebnisse.

Erfolgsmaß

Studie

n

Korr.

αE

αP

Gesamterfolg

Bonner et al. (2002)

95

0,45

0,73

0,77

Zeit

Lynn et al. (2000)

280

0,44

0,81

0,96

¨ Tabelle 5.10: Ubersicht u at ¨ber die Studien zur Metaanalyse hinsichtlich Zielstabilit¨

3

2

2

— Gesamterfolg

— Profitabilit¨ at

— Umsatz

991

991

741

2826

N

3

2

3

— Profitabilit¨ at

— Umsatz

— Zeit

375

295

908

946

190

2339

0,443

0,218

0,299

0,348

0,064

0,289

0,377

0,409

0,551

0,435

ρ

0,443 – 0,443

0,218 – 0,218

0,111 – 0,487

0,315 – 0,380

-0,722 – 0,849

0,007 – 0,585

0,327 – 0,426

0,409 – 0,409

0,290 – 0,813

0,246 – 0,624

CIρ95%

0,543

0,309

0,335

0,405

0,080

0,357

0,467

0,507

0,551

0,534

ρtrue

0,543 – 0,543

0,309 – 0,309

0,125 – 0,546

0,405 – 0,405

-0,906 – 1,000

-0,002 – 0,715

0,467 – 0,467

0,507 – 0,507

0,294 – 0,821

0,343 – 0,725

CIρ95% true

0,0000

0,0074

0,0110

0,0027

0,1710

0,0264

0,0021

0,0005

0,0198

0,0111

σ 2 (r)

0,0034

0,0092

0,0110

0,0025

0,0104

0,0036

0,0015

0,0014

0,0020

0,0019

σ 2 (e)

0,0000

0,0000

0,0018

0,0003

0,1605

0,0228

0,0006

0,0000

0,0178

0,0093

σ 2 (ρ)

0,00

0,00

0,83

0,10

0,94

0,86

0,30

0,00

0,90

0,83

σ 2 (ρ) σ 2 (r)

0,00

0,00

0,32

0,05

6,31

0,52

0,07

0,00

0,24

0,22

σ(ρ) ρ

0,01

2,41

1

2

2 1

12,07∗∗

1 3,33

9

73,54∗∗

1

32,75∗∗

2,85

1

2 0,73

7 30,16∗∗

df

47,85∗∗

χ2k−1

∗∗

p  0, 01 Tabelle 5.11: Ergebnisse der Metaanalyse

Erl¨ auterung. k = Anzahl berichteter Effektst¨ arken; N = aggregierte Stichprobengr¨ oße; ρ = aggregierte Effektst¨ arke; CIρ95% = Konfidenzintervall f¨ ur ρ; ρtrue = aggregierte Effektst¨ arke nach Artefaktkorrektur; CIρ95% = Konfidenzintervall f¨ ur ρtrue ; σ 2 (r) = Stichprobenvarianz; σ 2 (e) = true ur homogene Stichproben sein; σ(ρ)/ρ Varianz des Stichprobenfehlers; σ 2 (ρ) = Populations- oder Residualvarianz; σ 2 (ρ)/σ 2 (r) sollte  0, 25 f¨ sollte  0, 25 f¨ ur homogene Stichproben sein; χ2k−1 (df ) sollte bei homogenen Stichproben nicht signifikant sein.

Alle Erfolgsmaße

2

2

¨ ZIELSTABILITAT

10

Alle Erfolgsmaße

— Gesamterfolg

FORMELLE PROJEKTSTEUERUNG

8

k

Alle Erfolgsmaße

BUSINESSPLANUNG

Analysierte Beziehungen

146 5. Metaanalyse der empirischen Forschung zur Planung und Steuerung

5.6. Zusammenfassung der Befunde

5.6

147

Zusammenfassung der Befunde

Nach der qualitativen Gegen¨ uberstellung der Studien in den Abschnitten 5.2 bis 5.4 sowie der quantitativen Metaanalyse im letzten Abschnitt werden hier noch einmal die wesentli¨ chen Befunde kurz zusammengefasst und in Beziehung zu den theoretischen Uberlegungen der beiden letzten Kapitel gesetzt. Hinsichtlich der Businessplanung konnten sowohl die Studien im Abschnitt 5.2 als auch die fokussierten Arbeiten im Abschnitt 5.3 generell einen positiven Effekt auf den Vorhabenserfolg feststellen. Die quantitative Metaanalyse ergab eine aggregierte Effektst¨arke von ρ = 0, 435. Dies berechtigt zur folgenden Aussage: Befund 5.1: Businessplanung wirkt im allgemeinen positiv auf den Vorhabenserfolg. Hinsichtlich der Moderatorwirkung des Innovationsgrads sind die Ergebnisse weniger gut gesichert. Der gr¨oßere Teil der Untersuchungen kommt zu dem Ergebnis, dass sich ausgiebige Businessplanung vor allem bei Projekten mit niedrigem Innovationsgrad auszahlt, allerdings gibt es auch entgegengesetzte Resultate, die allerdings von einer Studie u uhren. Daher soll der folgende Befund festgehalten ¨ber Dienstleistungsinnovationen herr¨ werden: Befund 5.2: Die Wirkung der Businessplanung auf den Vorhabenserfolg wird tendenziell negativ durch den Innovationsgrad moderiert, sie wirkt also v. a. bei Projekten mit niedrigem Innovationsgrad erfolgssteigernd. W¨ahrend die Befunde zur Businessplanung f¨ ur sich genommen interessant sind, st¨ utzen sie doch nicht direkt die in Abschnitt 4.2.1 abgeleiteten Aussagen zur Businessplanung. Dieser Umstand ist darauf zur¨ uckzuf¨ uhren, dass alle analysierten Studien die Variablen Businessplanung, Projektplanung und Projektsteuerung als voneinander unabh¨angige Pr¨adiktoren des Vorhabenserfolgs betrachten und ihre Wechselwirkung daher nicht untersuchen. Eines der in der Einleitung der vorliegenden Untersuchung definierten Ziele ist es jedoch gerade, Mediatorbeziehungen zwischen diesen Variablen aufzudecken, so dass im Rahmen der Hypothesenformulierung in Kapitel 6 zumindest im Fall der Businessplanung nicht auf die Befunde der Metaanalyse zur¨ uckgegriffen werden kann. Die operative Projektplanung wurde von einer Reihe von Studien als ein wichtiger Erfolgsfaktor f¨ ur Innovationsprojekte identifiziert, eine quantitative Erh¨artung im Rahmen der Metaanalyse war allerdings nicht m¨oglich, da keiner der relevanten Ver¨offentlichungen verwertbare Effektst¨arken (z. B. Korrelationskoeffizienten) zu entnehmen waren. Befund 5.3: Projektplanung wirkt generell positiv auf den Vorhabenserfolg.

148

5. Metaanalyse der empirischen Forschung zur Planung und Steuerung

Der Einfluss des Innovationsgrads auf die Erfolgswirkung fortgeschrittener Projektplanungsmethoden (v. a. Meilensteinplanung, Netzplantechniken, Risikomanagement) verh¨alt sich interessanterweise – und wohl entgegen den Erwartungen – invers zum Fall der Businessplanung, Projektplanung scheint also gerade bei innovativen, mit hoher Unsicherheit behafteten Projekten von Nutzen zu sein:66 Befund 5.4: Der Einfluss fortgeschrittener Projektplanungsaktivit¨aten auf den Vorhabenserfolg wird positiv durch den Innovationsgrad moderiert, sie wirken also v. a. bei Projekten mit hohem Innovationsgrad erfolgssteigernd. Wie bereits im Fall der Businessplanung ist hier festzustellen, dass die analysierten Studien nur die direkte Erfolgswirkung der Projektplanung untersuchen, jedoch keine Mediatoreffekte. Die Befunde sind damit f¨ ur die Hypothesenableitung wiederum nur begrenzt aussagef¨ahig, da sie keine Aussage u ¨ber den Zusammenhang zwischen Projektplanung und -steuerung erm¨oglichen. Dennoch ist der identifizierte Moderatoreffekt f¨ ur sich genommen bemerkenswert. W¨ahrend in Kapitel 4 eine indirekte Erfolgswirkung der Projektplanung u ¨ber die Projektsteuerung mit negativer Moderation des Pfads von Projektsteuerung auf Innovationserfolg abgeleitet wurde, pr¨asentiert der Befund 5.4 eine positiv moderierte (direkte) Erfolgswirkung. Ein solcher Zusammenhang widerspricht deutlich der in Abschnitt 4.3.2 dargelegten Argumentation. Danach sind formelle Planungs- und Steuerungsmechanismen v. a. dann angemessen, wenn Ursache-Wirkungs-Zusammenh¨ange bekannt und zeitlich stabil sind. Da bei hochinnovativen Projekten jedoch die relevante Wissenbasis des Unternehmens oft klein ist und in nur sehr geringem Maße Erfahrungen aus vergleichbaren Projekten u ¨bertragen werden k¨onnen, kann sich hier ein hoher Planungsund Formalisierungsgrad deutlich negativ auf den Vorhabenserfolg aus¨ uben, da er die Handlungsfreiheit des Projektteams und die Kreativit¨at der Probleml¨osung zu stark einschr¨ankt. Der Befund 5.4 ist von daher als u ¨berraschend zu werten. Im Rahmen der quantitativen Metaanalyse im Abschnitt 5.4 konnte weiterhin gezeigt werden, dass die Stabilit¨at der zentralen Projektziele eine wesentliche Voraussetzung f¨ ur die erfolgreiche Durchf¨ uhrung von Innovationsvorhaben ist. Mit einer Effektst¨arke von ρ = 0, 443 ist sie von vergleichbarer Wichtigkeit wie sorgf¨altige Businessplanung: Befund 5.5: Die Stabilit¨at zentraler Vorhabensziele hat einen positiven Einfluss auf den Vorhabenserfolg. 66

Auch im Fall der Projektplanung ist es wiederum nur eine Studie u ¨ber Dienstleistungsinnovationen, die hinsichtlich dieses Moderatoreffektes zu gegens¨ atzlichen Aussagen gelangt. Da sie zudem einen anderen Schwerpunkt bei der Konstruktoperationalisierung setzt, scheint diese Feststellung gerechtfertigt zu sein.

5.6. Zusammenfassung der Befunde

149

Differenziert sind die Ergebnisse hinsichtlich der formellen Projektsteuerung zu betrachten. Zwar konnte im Rahmen der Metaanalyse u ¨ber zehn Studien ein positiver Effekt ρ = 0, 289 ermittelt werden – deutlich niedriger als bei Businessplanung oder Zielstabilit¨at , allerdings basiert diese Analyse auf einer sehr heterogenen Stichprobe, die zu sehr breiten Konfidenzintervallen der Effektst¨arken f¨ uhrt, insbesondere wenn man nach den Erfolgsmaßen differenziert. Diese Heterogenit¨at ist wohl im wesentlichen auf den Einfluss des Innovationsgrads zur¨ uckzuf¨ uhren: Den Daten in Tabelle 5.9 ist eine hohe negative Korrelation zwischen der Erfolgswirkung formeller Projektsteuerungsaktivit¨aten und dem Innovationsgrad zu entnehmen. Entsprechend kann festgestellt werden: Befund 5.6: Die Wirkung formeller Projektsteuerungsmethoden auf den Vorhabenserfolg h¨angt stark vom Innovationsgrad ab. W¨ahrend sie sich bei niedriginnovativen Vorhaben positiv auswirken, f¨ uhren sie bei neuartigen Projekten ¨ zu starken Dysfunktionalit¨aten. Uber den mittleren Effekt“ kann keine sichere ” Aussage getroffen werden.

Kapitel 6 Hypothesen der empirischen Untersuchung In diesem Kapitel werden die Hypothesen f¨ ur die empirische Untersuchung im zweiten Teil der Arbeit abgeleitet. Die Darstellung kann vergleichsweise knapp gehalten werden, da sich diese Hypothesen als direkte Folgerung aus dem theoretischen Grundmodell der Arbeit (vgl. Abschnitt 3.4 und 3.5), aus den in Kapitel 4 abgeleiteten Aussagen zur Planung und Steuerung von Innovationsvorhaben sowie aus den Befunden der empirischen Metaanalyse (vgl. Abschnitt 5.6) ergeben. Die Tabellen 6.1 bis 6.3 auf den Seiten 155ff. fassen noch einmal die zentralen Aussagen und Befunde zusammen und stellen ihnen die daraus abgeleiteten Hypothesen gegen¨ uber. Die logische Struktur der Hypothesen wird dar¨ uber hinaus in Abbildung 6.1 auf S. 159 veranschaulicht.

Businessplanung Gem¨aß der in Abschnitt 3.4 pr¨asentierten Theorie der Informationsverarbeitung steigert der Abbau von Unsicherheit durch Planungst¨atigkeiten in der Fr¨ uhphase eines Innovationsvorhabens einerseits direkt den Vorhabenserfolg, f¨ uhrt andererseits aber auch zu einer strukturierteren Projektsteuerung mit weniger unplanm¨aßigen ¨ Anderungen und damit indirekt zu einem h¨oheren Vorhabenserfolg. Diese starke Erfolgswirkung von Planungst¨atigkeiten scheint im Fall der Businessplanung bei oberfl¨achlicher Betrachtung durch empirische Untersuchungen klar best¨atigt zu werden. Ein Blick auf die dabei gepr¨ uften Modelle zeigt allerdings, dass diese im Allgemeinen nur direkte Erfolgswirkungen analysieren und eventuell relevante Mediatorvariablen vernachl¨assigen. Konzeptionelle Arbeiten zur Fr¨ uhphasenplanung aus der Innovations- und Gr¨ undungsforschung heben jedoch gerade die Mediatorwirkung der sich anschließenden operativen Planung (Projektplanung und Risikomanagement) hervor und postulieren, dass durch sie die gesamte Erfolgswirkung vermittelt wird, ein direkter Zusammenhang zwischen Fr¨ uhphasenplanung und Vorhabenserfolg also nicht besteht. Dieser empirisch bislang kaum untersuchte Media-

6. Hypothesen der empirischen Untersuchung

152

toreffekt soll dar¨ uberhinaus gerade f¨ ur hochinnovative Projekte von besonderer Bedeutung sein, so dass in der vorliegenden Arbeit die beiden folgenden Hypothesen gepr¨ uft werden sollen: H1: (a) Die Durchf¨ uhrung von Aktivit¨aten der Businessplanung hat einen positiven Effekt auf die Qualit¨at der Projektplanung. (b) Je h¨oher der Innovationsgrad eines Projektes ist, desto st¨arker tritt dieser Effekt zutage (positiver Interaktionseffekt). H2: (a) Die Durchf¨ uhrung von Aktivit¨aten der Businessplanung hat einen positiven Effekt auf das Risikomanagement. (b) Je h¨oher der Innovationsgrad eines Projektes ist, desto st¨arker tritt dieser Effekt zutage (positiver Interaktionseffekt). Projektplanung und Risikomanagement In Abschnitt 4.2.3 wurde gezeigt, dass die Elemente der Struktur-, Ablauf- und Ressourcenplanung unabh¨angig vom Innovationsgrad eine wichtige Vorbereitung f¨ ur die eigentliche Projektdurchf¨ uhrung darstellen. Gem¨aß der Theorie der Informationsverarbeitung l¨asst sich dies wiederum dadurch erkl¨aren, dass der Abbau von Unsicherheit in der Planungsphase zu einem strukturierteren ¨ Implementierungsprozess und einer geringeren Anzahl unplanm¨aßiger Anderungen f¨ uhrt. Die empirische Metaanalyse zeigt, dass auch hier, ¨ahnlich wie im Fall der Businessplanung, die Mediatorrolle der Projektdurchf¨ uhrung als Bindeglied zwischen Projektplanung und Vorhabenserfolg in fr¨ uheren Ver¨offentlichungen nicht untersucht wurde und stattdessen nur der direkte bivariate Zusammenhang zwischen Planung und Erfolg gepr¨ uft wurde. Dennoch werden die theoretischen Argumente aus den Kapiteln 3 und 4 als stark genug erachtet, dass die folgenden Hypothesen aufgestellt werden k¨onnen: H3: Die Intensit¨at der Projektplanung hat einen positiven Effekt auf die Prozessformalisierung. H4: Die Intensit¨at der Projektplanung hat einen positiven Effekt auf die Prozessstabilit¨at. Auch bei der Risikoerkennung und -analyse (vgl. Abschnitt 4.2.4) handelt es sich um Prozesse der Informationsbeschaffung und -verarbeitung, die gerade bei hochinnovativen, von hoher Unsicherheit gekennzeichneten Projekten eine besondere Erfolgswirkung aus¨ uben. Diese kommt auf der einen Seite, ¨ahnlich wie im Fall der Projektplanung, durch die Mediatorwirkung von Projektsteuerungsvariablen zum Tragen, da Maßnahmen der Risikoanalyse und -handhabung zu einem strukturierteren und stabileren Implementationsprozess f¨ uhren und damit indirekt den Vorhabenserfolg steigern. Auf der anderen Seite

153

aber u ¨ben speziell die Maßnahmen der Risikohandhabung durch Verlustvermeidung und -verk¨ urzung auch direkt einen positiven Einfluss auf den Projekterfolg aus. Entsprechend werden f¨ ur die empirische Untersuchung die folgenden Hypothesen aufgestellt: H5: Die Intensit¨at des Risikomanagement hat einen positiven Effekt auf die Prozessformalisierung. H6: Die Intensit¨at des Risikomanagement hat einen positiven Effekt auf die Prozessstabilit¨at. H7: (a) Die Intensit¨at des Risikomanagement hat einen positiven Effekt auf den Vorhabenserfolg. (b) Je h¨oher der Innovationsgrad eines Projektes ist, desto st¨arker tritt dieser Effekt zutage (positiver Interaktionseffekt). Prozessformalisierung und -stabilit¨ at Folgt man der in Abschnitt 3.4 diskutierten Theorie der Informationsverarbeitung, so sind die Koordinations- und Kontrollmechanismen in der Implementierungsphase am Ausmaß der nach der Planungsphase verbleibenden Unsicherheit auszurichten. Je geringer der Grad an Unsicherheit und Mehrdeutigkeit ist, desto st¨arker sollten im Interesse effizienter Ressourcennutzung formelle Steuerungsmechanismen mit geringem medialen Reichtum eingesetzt werden. Da diese Behauptung sowohl durch konzeptionelle Arbeiten aus der Innovations- und Gr¨ undungsforschung als auch durch die empirische Metaanalyse (vgl. v. a. Tabelle 5.9 auf S. 145) gest¨ utzt wird, liegt die folgende Hypothese nahe: H8: (a) Der Grad der Prozessformalisierung hat im Mittel“ u ¨ber die Pro” jekte unterschiedlicher Innovationsgrade keinen signifikanten Einfluss auf den Vorhabenserfolg. (b) Bei niedriginnovativen Projekten wirkt ein hoher Formalisierungsgrad erfolgssteigernd, bei hochinnovativen Projekten dagegen erfolgshemmend (negativer Interaktionseffekt). Als zweiter Aspekt der Projektsteuerung wurde in Abschnitt 4.3.3 die Stabilit¨at der Projektsteuerung behandelt. Dabei hatte sich gezeigt, dass Projektteams bei innovativen Vorhaben zwar immer ein gewisses Maß an Flexibilit¨at ben¨otigen, um beispielsweise auf sich ¨andernde Randbedingungen reagieren zu k¨onnen, dass aber andererseits wiederholte ¨ Anderungen der Zielsetzung, Projektplanung und Ressourcenausstattung zu Konfusion und Frustration bei den Projektmitgliedern f¨ uhren und den Vorhabenserfolg negativ beeinflussen k¨onnen. Zumindest im Hinblick auf die Stabilit¨at der Vorhabensziele konnte diese Aussage auch durch die empirische Metaanalyse gest¨ utzt werden, so dass die folgende Hypothese gerechtfertigt erscheint: H9: Prozessstabilit¨at hat unabh¨angig vom Innovationsgrad eines Vorhabens einen positiven Effekt auf den Vorhabenserfolg.

154

6. Hypothesen der empirischen Untersuchung

Erg¨ anzende Untersuchungen zur Zieldefinition Aspekte der Zieldefinition wurden zwar in den Abschnitten 4.2.2 und 4.3.1 konzeptionell behandelt, im Rahmen der Metaanalyse in Kapitel 5 allerdings nicht ber¨ ucksichtigt. Der Zusammenhang zwischen Zielsetzung und Leistungsh¨ohe ist individualpsychologisch wie gruppenpsychologisch gut belegt, die negative Moderation dieser Beziehung durch die Komplexit¨at der gestellten Aufgabe zumindest individualpsychologisch. Interpretiert man den Innovationsgrad als Aufgabenkomplexit¨at, l¨asst sich die folgende Hypothese aufstellen: H10: (a) Je h¨oher das Anspruchsniveau hinsichtlich bestimmter Vorhabensziele gesetzt wird, desto h¨oher f¨allt auch die Zielerreichung in der entspechenden Erfolgsdimension aus. (b) Je h¨oher der Innovationsgrad eines Projektes ist, desto schw¨acher wird dieser Zusammenhang ausgepr¨agt sein (negativer Interaktionseffekt). Entsprechend den Ausf¨ uhrung in den Abschnitten 4.2.2 und 4.3.1 unterliegt diese Beziehung zwischen Zielsetzung und -erreichung zumindest zwei wichtigen Randbedingungen: Auf der einen Seite ist zu ber¨ ucksichtigen, dass mit zunehmender inhaltlicher Spezifizierung von Zielen auch die Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung steigt, da hierdurch die Ableitbarkeit konkreter Handlungspl¨ane zunimmt. Auf der anderen Seite ist die Erreichung bestimmter Ziele immer auch an eine darauf ausgerichtete Projektsteuerung gebunden, die die Erreichung spezifischer Ziele durch die Verwendung entsprechender Steuerungsgr¨oßen forciert. Dementsprechend sollen im empirischen Teil dieser Arbeit zus¨atzlich noch die zwei folgenden Hypothesen untersucht werden: H11: (a) Je spezifischer die zentralen Ziele des Vorhabens formuliert werden, desto h¨oher f¨allt die Zielerreichung in den entspechenden Erfolgsdimensionen aus. (b) Je h¨oher der Innovationsgrad eines Projektes ist, desto schw¨acher wird dieser Zusammenhang ausgepr¨agt sein (negativer Interaktionseffekt). H12: (a) Je st¨arker bestimmte Steuerungsgr¨oßen im Rahmen der Projektsteuerung verwendet werden, desto h¨oher ist die Zielerreichung in den korrespondierenden Erfolgsdimensionen. (b) Je h¨oher der Innovationsgrad eines Projektes ist, desto schw¨acher wird dieser Zusammenhang ausgepr¨agt sein (negativer Interaktionseffekt).

Aussage 4.1 (vgl. S. 64): Die Durchf¨ uhrung von Aktivit¨ aten der Businessplanung f¨ uhrt zu gesteigerter Intensit¨ at der Projektplanung.

Aussage 3.7 (vgl. S. 52): H¨ oherer Abbau von Unsicherheit in der Planungsphase des Innovationsprojektes f¨ uhrt zu einem strukturierteren Implementierungsprozess, weniger unplanm¨ aßigen ¨ Anderungen und einem h¨oheren Innovationserfolg.

Aussage 4.8 (vgl. S. 73): Je intensiver die Projektplanung durchgef¨ uhrt wird, desto weniger Plan- und Ressourcen¨ anderungen werden im Laufe der Durchf¨ uhrungsphase notwendig.

Aussage 4.7 (vgl. S. 72): Je intensiver die Projektplanung durchgef¨ uhrt wird, desto strukturierter kann die Projektsteuerung in der eigentlichen Durchf¨ uhrungsphase erfolgen.

Aussage 4.3 (vgl. S. 65): Je h¨ oher dabei der Innovationsgrad eines Projektes ist, desto wichtiger ist die Businessplanung als Vorbereitung f¨ ur Projektplanung und Risikomanagement (positiver Interaktionseffekt).

Aussage 4.2 (vgl. S. 64): Die Durchf¨ uhrung von Aktivit¨ aten der Businessplanung f¨ uhrt zu gesteigerter Intensit¨ at des Risikomanagement.

Ver¨ offentlichungen zu Innovations- und Projektmanagement

Theorie der Informationsverarbeitung

Befund 5.4 (vgl. S. 148): Der Einfluss fortgeschrittener Projektplanungsaktivit¨ aten auf den Vorhabenserfolg wird positiv durch den Innovationsgrad moderiert, sie wirken also v. a. bei Projekten mit hohem Innovationsgrad erfolgssteigernd.

Befund 5.3 (vgl. S. 147): Projektplanung wirkt generell positiv auf den Vorhabenserfolg.

Befund 5.2 (vgl. S. 147): Die Wirkung der Businessplanung auf den Vorhabenserfolg wird tendenziell negativ durch den Innovationsgrad moderiert, sie wirkt also v. a. bei Projekten mit niedrigem Innovationsgrad erfolgssteigernd.

Befund 5.1 (vgl. S. 147): Businessplanung wirkt im allgemeinen positiv auf den Vorhabenserfolg.

Empirische Metaanalyse

Tabelle 6.1: Aussagen, Befunde und Hypothesen zur Planung

(wird fortgesetzt)

H4: Die Intensit¨ at der Projektplanung hat einen positiven Effekt auf die Prozessstabilit¨ at.

H3: Die Intensit¨ at der Projektplanung hat einen positiven Effekt auf die Prozessformalisierung.

H2: (a) Die Durchf¨ uhrung von Aktivit¨ aten der Businessplanung hat einen positiven Effekt auf die Intensit¨ at des Risikomanagement. (b) Je h¨ oher der Innovationsgrad eines Projektes ist, desto st¨ arker tritt dieser Effekt zutage (positiver Interaktionseffekt).

H1: (a) Die Durchf¨ uhrung von Aktivit¨ aten der Businessplanung hat einen positiven Effekt auf die Intensit¨ at der Projektplanung. (b) Je h¨ oher der Innovationsgrad eines Projektes ist, desto st¨ arker tritt dieser Effekt zutage (positiver Interaktionseffekt).

Hypothesen

155

Theorie der Informationsverarbeitung

(Fortsetzung)

Aussage 4.10 (vgl. S. 75): Je intensiver das Risikomanagement erfolgt ist, desto h¨ oher f¨ allt der Projekterfolg aus. Mit zunehmendem Innovationsgrad wird dieser Zusammenhang st¨ arker ausgepr¨ agt sein (positiver Interaktionseffekt).

Aussage 4.9 (vgl. S. 75): Je intensiver das Risikomanagement erfolgt ist, desto strukturierter und stabiler kann die Projektsteuerung in der Durchf¨ uhrungsphase ablaufen. Mit zunehmendem Innovationsgrad wird dieser Zusammenhang st¨ arker ausgepr¨ agt sein (positiver Interaktionseffekt).

Ver¨ offentlichungen zu Innovations- und Projektmanagement

Empirische Metaanalyse

H7: (a) Die Intensit¨ at des Risikomanagement hat einen positiven Effekt auf den Vorhabenserfolg. (b) Je h¨ oher der Innovationsgrad eines Projektes ist, desto st¨ arker tritt dieser Effekt zutage (positiver Interaktionseffekt).

H6: Die Intensit¨ at des Risikomanagement hat einen positiven Effekt auf die Prozessstabilit¨ at.

H5: Die Intensit¨ at des Risikomanagement hat einen positiven Effekt auf die Prozessformalisierung.

Hypothesen

156 6. Hypothesen der empirischen Untersuchung

Aussage 4.13 (vgl. S. 80): Ein hoher Grad der Prozessformalisierung wirkt erfolgssteigernd bei inkrementellen Innovationsvorhaben und erfolgshemmend bei hochinnovativen Vorhaben.

Aussage 3.8 (vgl. S. 52): Je geringer das Ausmaß an Unsicherheit und Mehrdeutigkeit im Rahmen der Implementierungsphase ist, desto st¨arker tragen formelle Koordinations- und Kontrollmechanismen zum Innovationserfolg bei.

Aussage 4.14 (vgl. S. 81): Kontinuit¨ at der Projektsteuerung im Sinne von geringen Ziel, Plan- und Ressourcen¨ anderungen hat unabh¨ angig vom Innovationsgrad des Vorhabens eine positive Erfolgswirkung.

Ver¨ offentlichungen zu Innovations- und Projektmanagement

Theorie der Informationsverarbeitung

Befund 5.6 (vgl. S. 149): Die Wirkung formeller Projektsteuerungsmethoden auf den Vorhabenserfolg h¨ angt stark vom Innovationsgrad ab. W¨ ahrend sie sich bei niedriginnovativen Vorhaben positiv auswirken, f¨ uhren sie bei neuartigen Projekten zu starken ¨ Dysfunktionalit¨ aten. Uber den mittleren Effekt“ kann keine si” chere Aussage getroffen werden.

Befund 5.5 (vgl. S. 148): Die Stabilit¨ at zentraler Vorhabensziele hat einen positiven Einfluss auf den Vorhabenserfolg.

Empirische Metaanalyse

Tabelle 6.2: Aussagen, Befunde und Hypothesen zur Projektsteuerung

H9: Prozessstabilit¨ at hat unabh¨ angig vom Innovationsgrad eines Vorhabens einen positiven Effekt auf den Vorhabenserfolg.

H8: (a) Der Grad der Prozessformalisierung hat im Mittel“ u ¨ber die Pro” jekte unterschiedlicher Innovationsgrade keinen signifikanten Einfluss auf den Vorhabenserfolg. (b) Bei niedriginnovativen Projekten wirkt ein hoher Formalisierungsgrad erfolgssteigernd, bei hochinnovativen Projekten dagegen erfolgshemmend (negativer Interaktionseffekt).

Hypothesen

157

Theorie der Informationsverarbeitung

Aussage 4.11 (vgl. S. 77): Je st¨ arker bestimmte Steuerungsgr¨ oßen im Rahmen der Projektsteuerung verwendet werden, desto h¨ oher ist die Zielerreichung in den korrespondierenden Erfolgsdimensionen. Je h¨ oher der Innovationsgrad eines Projektes ist, desto schw¨ acher wird dieser Zusammenhang ausgepr¨ agt sein (negativer Interaktionseffekt).

Aussage 4.5 (vgl. S. 68): Je spezifischer die zentralen Ziele des Vorhabens formuliert werden, desto h¨ oher f¨ allt die Zielerreichung in den entspechenden Erfolgsdimensionen aus. Mit zunehmendem Innovationsgrad wird dieser Zusammenhang jedoch schw¨ acher ausgepr¨ agt sein (negativer Interaktionseffekt).

Aussage 4.4 (vgl. S. 67): Je h¨ oher das Anspruchsniveau hinsichtlich bestimmter Vorhabensziele gesetzt wird, desto h¨ oher f¨ allt auch die Zielerreichung in der entspechenden Erfolgsdimension aus. Mit zunehmendem Innovationsgrad wird dieser Zusammenhang schw¨ acher ausgepr¨ agt sein (negativer Interaktionseffekt).

Ver¨ offentlichungen zu Innovations- und Projektmanagement

Empirische Metaanalyse

Tabelle 6.3: Aussagen, Befunde und Hypothesen zur Zieldefinition

arker bestimmte SteueH12: (a) Je st¨ rungsgr¨ oßen im Rahmen der Projektsteuerung verwendet werden, desto h¨ oher ist die Zielerreichung in den korrespondierenden Erfolgsdimensionen. (b) Je oher der Innovationsgrad eines Projekh¨ tes ist, desto schw¨ acher wird dieser Zusammenhang ausgepr¨ agt sein (negativer Interaktionseffekt).

H11: (a) Je spezifischer die zentralen Ziele des Vorhabens formuliert werden, desto h¨ oher f¨ allt die Zielerreichung in den entspechenden Erfolgsdimensionen aus. (b) Je h¨ oher der Innovationsgrad eines Projektes ist, desto schw¨ acher wird dieser Zusammenhang ausgepr¨ agt sein (negativer Interaktionseffekt).

H10: (a) Je h¨ oher das Anspruchsniveau hinsichtlich bestimmter Vorhabensziele gesetzt wird, desto h¨ oher f¨ allt auch die Zielerreichung in der entspechenden Erfolgsdimension aus. (b) Je h¨ oher der Innovationsgrad eines Projektes ist, desto schw¨ acher wird dieser Zusammenhang ausgepr¨ agt sein (negativer Interaktionseffekt).

Hypothesen

158 6. Hypothesen der empirischen Untersuchung

159

Innovationsgrad (Moderatorvariable)

Projektplanung

H3

Prozessformalisierung H8

H1 H4 Businessplanung

Erfolg H7

H5

H9 H2 Risikomgmt.

H6

Prozessstabilität

H10 Zielwichtigkeit

H11

Zielspezifität

H12 Steuerungsgrößen

Abbildung 6.1: Zentrale Hypothesen der empirischen Untersuchung

Teil II Empirischer Teil

Kapitel 7 Untersuchungsdesign 7.1

Vorgehen bei der Datenerhebung

Die Auswahl der Datenerhebungsmethode sollte von der Zielsetzung der Untersuchung abh¨angig gemacht werden. Da die Art der im theoretischen Teil aufgestellten Hypothesen die Anwendung multivariater statistischer Verfahren erfordert, zielte die Datenerfassung auf eine großzahlige Erhebung standardisierter Indikatoren von Produktinnovationsprojekten ab. Unter Ressourcengesichtspunkten wurde hierf¨ ur eine schriftliche Befragung mit einem voll standardisierten Fragebogen als geeignetes Erhebungsinstrument gew¨ahlt. Neben pragmatischen sprachen aber auch methodische Aspekte f¨ ur die Wahl dieser Erhebungsform. So wird bei schriftlichen Befragungen die Gefahr einer Antwortverzerrung aufgrund sozialer Erw¨ unschtheitseffekte als geringer eingestuft1 und vermutet, dass die zeitliche Flexibilit¨at zu konzentrierterem und u ¨berlegterem Antwortverhalten der Respondenten f¨ uhrt.2 Auf der Grundlage des ersten Fragebogenentwurfes erfolgte zun¨achst eine interne Revision, durch die die Variablenzahl reduziert und die effektive L¨ange des Fragebogens auf 12 Seiten beschr¨ankt werden konnte.3 Im Anschluss wurde ein Pretest mit insgesamt 4 Firmenvertretern durchgef¨ uhrt, um die Brauchbarkeit und G¨ ultigkeit des Erhebungsinstruments zu u ufen. Insbesondere sollte gekl¨art werden, ob die gestellten ¨berpr¨ Fragen verst¨andlich waren, ob Schwierigkeiten bei der Beantwortung auftraten und ob die Fragen tats¨achlich variierende Antworten produzierten. Die Teilnehmer der Vorstudie wurden pers¨onlich aufgesucht, wobei die Gespr¨ache im Mittel 90 Minuten dauerten. Insgesamt zeigte es sich, dass der Fragebogen logisch aufgebaut war und keine wesentlichen Verst¨andnisprobleme auftraten. Einige Fragebogenitems wurden auf Anregung der 1

Bradburn und Sudman (1979), S. 166.

2

Schnell et al. (1995), S. 333.

3

Vgl. Hippler (1988), S. 245.

164

7. Untersuchungsdesign

Interviewpartner umformuliert, um sie leichter verst¨andlich zu machen. Die Untersuchungsstichprobe rekrutiert sich aus drei Teilgesamtheiten, die jeweils dadurch gekennzeichnet sind, dass die ihnen zugehorenden Unternehmen in einem Hoch ¨ technologie-Segment tatig sind und regelmaßig ¨ ¨ selbst Innovationsvorhaben durchfuhren. ¨ Zun¨achst z¨ahlen hierzu Unternehmen, die im Jahre 2001 am Forschungsvorhaben Inno” vationsKompass“ teilgenommen haben, das als Kooperationsprojekt zwischen der Technischen Universit¨at Berlin, dem Verein Deutscher Ingenieure sowie McKinsey&Company durchgef¨ uhrt wurde.4 Weiterhin wurden Bewerber auf den Innovationspreis der Deutschen Wirtschaft des Jahres 2001 angesprochen. Der Preis wird j¨ahrlich von der Zeitschrift Wirtschaftswoche“ und dem Wirtschaftsclub Rhein-Main e.V. ausgeschrieben. ” Auch andere Untersuchungen haben diese Datenquelle in der Vergangenheit verwendet.5 Die Grundgesamtheit der Bewerber auf diesen Preis ist dadurch gekennzeichnet, dass es sich um klar abgegrenzte, bereits reflektierte Projekte handelt, die ein breites Spektrum von Anwendungsfeldern und technischen L¨osungen abdecken und in ihrer Gr¨oße sehr unterschiedlich sind.6 Schließlich wurden lokale Kontaktnetzwerke aus dem Umfeld der TU Berlin gezielt verwendet, um kleinere Hochtechnologiefirmen aus Berlin und Brandenburg anzusprechen, bei denen die Ansiedlung hochinnovativer Projekte vermutet wurde. Die ausgew¨ahlten Unternehmen wurden telefonisch kontaktiert, um einen ad¨aquaten Ansprechpartner zu identifizieren und diesen zur Teilnahme zu bewegen. Hierbei wurden Personen ausgew¨ahlt, die als Projektleiter selbst ein Innovationsvorhaben gesteuert hatten und damit als Schl¨ usselinformant s¨amtliche Teile des Fragebogens kompetent beantworten konnten. Im Rahmen der Kontaktaufnahme wurde das Forschungsprojekt kurz beschrieben und auf die Inhalte des Fragebogens sowie die zu seiner Bearbeitung voraussichtlich erforderliche Zeit eingegangen. Weiterhin wurde auf die Anonymisierung der Daten hingewiesen und als Anreiz zur Teilnahme ein umfangreiches, individuell auf jedes teilnehmende Projekt zugeschnittenes Feedback-Dokument in Aussicht gestellt. Zielpersonen, die w¨ahrend des Telefongespr¨aches Interesse an der Untersuchung signalisierten, bekamen im Anschluss den Fragebogen zusammen mit einem kurzen Anschreiben und einer erl¨auternden Pr¨asentation zugeschickt. Um eine zufriedenstellende R¨ ucklaufquote zu erzielen, wurden die potentiellen Teilnehmer zwei bis drei Wochen nach Zusendung der Unterlagen erneut kontaktiert, falls sie den Fragebogen bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht zur¨ uckgeschickt hatten.

4

Vgl. hierzu unter anderem die Ver¨ offentlichungen Brennecke et al. (2002) und Billing (2003).

5

Vgl. u. a. Littkemann (1997), Hauschildt (1999) und Schlaak (1999).

6

Vgl. Hauschildt (1999), S. 6 f¨ ur diese Einsch¨ atzung.

7.2. Absch¨ atzung m¨ oglicher Methodenfehler

7.2

165

Absch¨ atzung m¨ oglicher Methodenfehler

¨ Der empirische Test theoretischer Uberlegungen bringt insbesondere in der Sozialforschung unweigerlich das Auftreten von Messfehlern mit sich, die sich aus einer zuf¨alligen und einer systematischen Komponente zusammensetzen.7 Als Hauptquelle systematischer Messfehler sind sog. Methodenfehler (im Englischen als common method bias bzw. method variance bezeichnet) identifiziert worden, die insofern problematisch sind, als sie einen systematischen Einfluss auf die beobachtete Korrelation zwischen zwei Variablen aus¨ uben ¨ und dadurch m¨oglicherweise zu einer Uberbzw. Untersch¨atzung ihres theoretisch wah” ren“ Zusammenhangs f¨ uhren.8 Methodenfehler k¨onnen auf eine Vielzahl von Ursachen zur¨ uckgef¨ uhrt werden.9 Diese ¨ werden in einem aktuellen Ubersichtsartikel von Podsakoff et al. (2003) zusammengefasst und den vier Kategorien Itemmerkmale, Itemkontext, Messkontext und Informanteneinfl¨ usse zugeordnet. Unter den ersten Punkt fallen Einfl¨ usse, die aus der spezifischen Gestaltung von Items herr¨ uhren und somit Aspekte wie z. B. Formulierung, Verst¨andlichkeit, soziale Erw¨ unschtheit, Skalierung oder die M¨oglichkeit einer inversen Kodierung umfassen. Der Itemkontext bezieht sich im wesentlichen auf die Frage, in welcher Reihenfolge und Gruppierung Items innerhalb eines Fragebogens angeordnet werden, w¨ahrend unter dem Messkontext die Frage verstanden wird, ob Pr¨adiktor- und Kriteriumsvariablen zur gleichen Zeit, am gleichen Ort und durch das gleiche Messinstrument erhoben werden. Die vierte und vielleicht wichtigste Kategorie fasst Informanteneinfl¨ usse zusammen, also methodische Artefakte, die darauf zur¨ uckzuf¨ uhren sind, dass Pr¨adiktor- und Kriteriumsvariablen in empirischen sozialwissenschaftlichen Untersuchungen nur selten objektiv messbar sind, sondern meist durch Befragung ein- und desselben Respondenten erhoben werden. Im Rahmen der Datenerhebung f¨ ur die vorliegende Untersuchung wurde versucht, die erw¨ahnten Methodenfehler so weit wie m¨oglich zu vermeiden. Hinsichtlich der Itemmerkmale wurde so v. a. die Verst¨andlichkeit der Items im Rahmen von Pretests sichergestellt und soziale Erw¨ unschtheitseffekte durch neutrale Formulierungen und die schriftliche Befragungsform minimiert.10 Auf invers kodierte Items wurde verzichtet, da diese h¨aufig separate Methodenfaktoren bilden, die verschwinden, wenn die Fragen positiv umformuliert werden.11 Ebenso wurde darauf verzichtet, Kontexteffekte durch die Umsortierung von Fragen zu kontrollieren, da dadurch der logische Aufbau des Fragebogens und der 7

Vgl. hierzu auch Abschnitt 8.5.3 der vorliegenden Arbeit.

8

Bagozzi et al. (1991), S. 421.

9

Fiske (1982), S. 81-84; Podsakoff et al. (2003), S. 881-885.

10

Bradburn und Sudman (1979), S. 166.

11

Idaszak und Drasgow (1987).

166

7. Untersuchungsdesign

¨ Ubergang von allgemeinen zu spezifischen Fragen zerst¨ort worden w¨are.12 Die Befragung von Schl¨ usselinformanten konnte jedoch unter den Randbedingungen des hier gew¨ahlten Untersuchungs-Designs nicht vermieden werden. Inwieweit ein solcher Ansatz bei der Analyse institutioneller Ph¨anomene ad¨aquat ist, war und ist Gegenstand intensiver Diskussionen.13 Das Vertrauen in subjektive Bewertungen von Informanten kann zu erheblichen Messproblemen f¨ uhren, die auf beschr¨ankte Informationsverarbeitungskapazit¨aten, Wahrnehmungsunterschiede und divergierende Informationsst¨ande zwischen Informanten und eine Vielzahl unterschiedlicher Motive, wie z. B. das Streben nach Zielerreichung, Anerkennung und Sicherheit, zur¨ uckgef¨ uhrt werden k¨onnen.14 Empirische Untersuchungen zeigen, dass ein solcher Informant Bias mitunter u ¨ber 30 Prozent der gesamten Varianz ausmachen kann und bei vielen Konstrukten h¨oher als die inhaltlich durch das Konstrukt erkl¨arte Varianz ist.15 F¨ ur die Diagnose, Absch¨atzung und Elimination von Methodenfehlern sind eine Reihe statistischer Techniken entwickelt worden, die von Podsakoff et al. (2003, S. 887ff.) zusammengefasst werden. Bei Untersuchungsdesigns, die Pr¨adiktor- und Kriteriumsvariablen im gleichen Kontext aus derselben Quelle erheben und die genaue Ursache des Methodenfehlers ex ante nicht spezifizieren k¨onnen, bieten sich grunds¨atzlich zwei Analysem¨oglichkeiten an. Eine einfache Diagnose m¨oglicher Methodenfehler kann durch den sog. Einfaktoren-Test nach Harman (1978) erfolgen, bei dem alle Items in eine exploratorische Faktorenanalyse geladen werden. Ein Methodenfehler ¨außert sich hier darin, dass die unrotierte L¨osung entweder nur einen Faktor enth¨alt oder dass zumindest ein Methodenfaktor den gr¨oßten Teil der Item-Varianzen erkl¨art. F¨ ur die vorliegende Arbeit wurden bei diesem Test insgesamt neun Faktoren mit einem Eigenwert gr¨oßer Eins extrahiert, wobei der Abfall der Eigenwerte im Scree-Plot bzw. die Abnahme der erkl¨arten Varianz relativ flach verl¨auft, so dass offensichtlich kein schwerwiegender Methodenfehler vorliegt. Da Podsakoff et al. (2003, S. 889) dieser Methode jedoch nur geringe Aussagekraft zuschreiben und ein Ausgleich eines potenziellen Methodenfehlers durch sie nicht m¨oglich ist, empfehlen sie stattdessen die Verwendung eines Strukturgleichungsmodells, bei dem jede manifeste Variable nicht nur auf ihren jeweiligen Faktor l¨adt, sondern auch auf einen generellen Methodenfaktor. Dieses Modell ist jedoch h¨aufig unteridentifiziert, wenn die Zahl der Indikatoren pro Faktor niedrig ist, und konnte auch f¨ ur die vorliegende Arbeit nicht gel¨ost werden.

12

Podsakoff et al. (2003), S. 888.

13

Vgl. u. a. Seidler (1974), Phillips (1981), Podsakoff und Organ (1986), Kumar et al. (1993), Ernst (2001).

14

Ernst (2001), S. 87f.

15

Cote und Buckley (1987), S. 317; Ernst (2003), S. 1260.

7.3. Beschreibung der Stichprobe

7.3

167

Beschreibung der Stichprobe

Bis zur Beendigung der Datenerhebungsphase im Januar 2003 wurden 136 ausgef¨ ullte Frageb¨ogen zur¨ uckgesendet und mit Hilfe der Statistiksoftware SPSS Version 11.0 erfasst. Nach Ausschluss von zwei stark unvollst¨andigen Datens¨atzen bilden 134 auswertbare Produktinnovationen die Stichprobe f¨ ur die empirischen Analysen, was einer korrigierten R¨ ucklaufquote von 42 Prozent entspricht. Die Stichprobe spiegelt einen breiten Querschnitt von Produktentwicklungsaktivit¨aten in Deutschland wider und ist damit als vergleichsweise heterogen einzustufen. Die Verteilung der teilnehmenden Unternehmen nach Industrien wird in Tabelle 7.1 zusammen mit Angaben zur durchschnittlichen Mitarbeiterzahl und zum durchschnittlichen Umsatz berichtet. Neben den zu erwartenden Schwerpunkten in den Bereichen Elektronik/Kommunikation und Maschinenbau f¨allt vor allem auf, dass die Automobilindustrie verh¨altnism¨aßig stark vertreten ist sowie Firmen, die u ¨berwiegend mittels Lasertechnik Werkstoffbearbeitung durchf¨ uhren. Die Gr¨oßenverteilung der teilnehmenden Unternehmen ist in den Abbildungen 7.1 ¨ und 7.2 widergegeben. Uber die H¨alfte aller Firmen hat weniger als 500 Mitarbeiter und erzielt weniger als 100 Mio. Euro Umsatz, wobei allein die kleinste Gr¨oßenklasse mit bis zu 50 Mitarbeitern und bis zu 10 Mio. Euro Umsatz schon fast ein Drittel der Stichprobe konstituiert.

Industrie

Zahl der Unternehmen

Durchschn. Mitarbeiterzahl [in Tsd.]

Durchschn. Umsatz [in Mrd. Euro]

Elektronik und Kommunikation

27

14,7

3,2

Maschinenbau

27

7,9

1,3 2,9

Chemie, Pharma, Medizintechnik

20

9,3

Werkstoff- und Lasertechnik

14

1,7

0,3

Software

14

27,3

1,1

Automobilindustrie

12

52,3

18,2

Sonstige

12

4,8

1,1

Σ = 134

∅ = 14,7

∅ = 3,9

Summe (Σ) bzw. Durchschnitt (∅)

Tabelle 7.1: Charakterisierung der Stichprobe nach Industrien

7. Untersuchungsdesign

168

Anzahl Unternehmen

50 40 30 20 10 0 0 bis 50

50 bis 500

500 bis 5.000

5.000 bis 50.000

grösser als 50.000

Anzahl Mitarbeiter

Abbildung 7.1: Segmentierung der Stichprobe nach Mitarbeiterzahl

Anzahl Unternehmen

50 40 30 20 10 0 0 bis 10

10 bis 100

100 bis 1.000

1.000 bis 10.000

grösser als 10.000

Umsatz in Mio. EURO

Abbildung 7.2: Segmentierung der Stichprobe nach Umsatz in Mio. EURO

Kapitel 8 Methodik der Datenauswertung ¨ Das zentrale Ziel der Datenauswertung ist die empirische Uberpr¨ ufung der im letzten Abschnitt zusammengefassten Hypothesen. Hierzu sind zwei Schritte notwendig: Zun¨achst m¨ ussen die theoretischen Konstrukte des Bezugsrahmens, bei denen es sich um latente (nicht direkt beobachtbare) Variablen handelt, empirisch greifbar, d. h. messbar gemacht werden. Erst im Anschluss daran k¨onnen die Wirkungszusammenh¨ange zwischen den latenten Variablen untersucht werden. In beiden Schritten wird bei der statistischen Analyse auf Strukturgleichungsmodelle mit latenten Variablen zur¨ uckgegriffen, deren Erl¨auterung im Mittelpunkt dieses Kapitels steht. Der folgende Abschnitt enth¨alt dementsprechend zun¨achst eine kurze Einf¨ uhrung zu latenten Variablen und Strukturgleichungsmodellen , bevor in Abschnitt 8.2 auf die Anwendung exploratorischer Faktorenanalysen in der ersten Stufe der Messung latenter Variablen eingegangen wird. In den Abschnitten 8.3 und 8.4 werden die Grundlagen und Anpassungsmaße des weit verbreiteten Strukturgleichungsmodells LISREL erl¨autert. Abschnitt 8.5 behandelt die Konstruktmessung im Rahmen von Strukturgleichungsmodellen, wobei zun¨achst die Unterscheidung zwischen reflexiven und formativen Konstrukten erl¨autert wird, bevor n¨aher auf die Abbildung von reflexiven, formativen und multidimensionalen Messmodellen eingegangen wird. Die ei¨ gentliche Uberpr¨ ufung der Wirkungszusammenh¨ange im Pfadmodell wird schließlich in ¨ Abschnitt 8.6 behandelt, wobei nach einem kurzen Uberblick insbesondere auf die Analyse von Alternativmodellen mittels des Veripath-Algorithmus und die Abbildung von Moderatormodellen eingegangen wird.

8.1

Strukturgleichungsmodelle mit latenten Variablen

Latente Variablen Unter latenten Variablen versteht man Gr¨oßen, die zwar Eingang in – zumeist sozialwissenschaftliche – Modelle finden, sich jedoch nicht direkt einer empirisch ermittelten Datenbasis entnehmen lassen. Sie werden alternativ auch als Konstrukte,

170

8. Methodik der Datenauswertung

Faktoren, unbeobachtete Variablen oder True Scores bezeichnet.1 Vergleicht man unterschiedliche Definitionen von latenten Variablen, so lassen sich zumindest drei Aspekte feststellen, die h¨aufig diskutiert werden.2 Zun¨achst stellen verschiedene Definitionen auf den Umstand der Unbeobachtbarkeit ab, heben also hervor, dass latente Variablen nicht direkt beobachtbar oder messbar sind.3 An zweiter Stelle wird h¨aufig die Frage er¨ortert, ob es sich bei latenten Variablen um reale Gr¨oßen oder aber vielmehr um imagin¨are, hypothetische“ Gebilde handelt. Der letzteren Sichtweise folgen beispielsweise Edwards ” und Bagozzi (2000, S. 156f.), f¨ ur die Konstrukte nicht real sind, sondern nur den Versuch ¨ darstellen, reale Ph¨anomene zu erfassen. Ahnlich kennzeichnen Bentler (1980, S. 420) und Nunnally (1978, S. 96) Konstrukte als etwas, das Wissenschaftler nur in ihrer Vorstellung entwickeln. Drittens werden latente Variablen h¨aufig als Instrumente der Datenreduktion beschrieben, die eine Reihe von Variablen zu einer geringeren Zahl von Faktoren verdichten.4 Hier wird also vor allem die deskriptive Funktion latenter Variablen betont, weniger ¨ die theoretischen Uberlegungen, die der Wissenschaftler vor der Datenerhebung anstellt. Um eine latente Variable empirisch greifbar zu machen, muss zun¨achst gekl¨art werden, welche Dimensionen sie hat, d. h. welche theoretischen Aspekte eines bestimmten Gegenstandsbereiches das hinter ihr stehende Konzept umfasst. Diese Erarbeitung der Konstruktdimensionen bezeichnet man als Konzeptspezifikation oder – in Anlehnung an das Englische – als Konzeptualisierung.5 Aufbauend auf den hypothetischen Konstruktdimensionen ist im n¨achsten Schritt ein Mess-System aus manifesten Variablen bzw. Indikatoren zu entwickeln, das der Operationalisierung des hypothetischen Konstrukts dient. Als Indikatoren bezeichnet man dabei direkt messbare Sachverhalte, die das Vorliegen der gemeinten, aber nicht direkt erfassbaren Ph¨anomene anzeigen.6 Das grundlegende Ziel des Messens latenter Variablen ist es also, den beobachteten Wert des Meßinstruments m¨oglichst nah an den wahren“ der latenten Variable anzugleichen. Dieses Ziel ” wird kaum jemals vollst¨andig zu erreichen sein, da sich die beobachteten Werte aufgrund von systematischen und Zufallsfehlern von den wahren“ Werten unterscheiden werden.7 ” Strukturgleichungsmodelle Bei einem Strukturgleichungsmodell handelt es sich generell um eine komplexe, zusammengesetzte statistische Hypothese u ¨ber die – meist als linear angenommenen – gerichteten und ungerichteten Beziehungen einer Menge von la1

Bagozzi und Phillips (1982), S. 45; Bollen (2002), S. 607.

2

Bollen (2002), S. 607f.

3

So beispielsweise J¨ oreskog und S¨ orbom (1979).

4

Harman (1978), S. 4.

5

Homburg und Giering (1996), S. 5.

6

Backhaus et al. (2000), S. 393.

7

Churchill (1979), S. 65.

8.1. Strukturgleichungsmodelle mit latenten Variablen

171

tenten und manifesten Variablen.8 Ein lineares Strukturgleichungsmodell besteht im Allgemeinen aus zwei Teilen, einem Messmodell und einem Pfadmodell, die in der Folge zusammenfassend als Strukturmodell bezeichnet werden. Dadurch k¨onnen Missverst¨andnisse vermieden werden, die durch die Bezeichnung des Pfadmodells als Strukturmodell im en” geren Sinne“ entstehen k¨onnen.9 Das Messmodell (alternativ: ¨außere Modell) umfasst – meist in Form eines konfirmatorischen Faktorenmodells – die Beziehungen zwischen den latenten und den manifesten Variablen, charakterisiert also den Zusammenhang zwischen unbeobachteten Konstrukten und den zugeh¨origen Indikatoren, die zu ihrer Messung dienen. Das Pfadmodell (alternativ: innere Modell) setzt sich aus einem System von interdependenten linearen Gleichungen zusammen, die die Beziehungen zwischen den latenten Variablen spezifizieren. Durch die simultane Spezifikation eines Pfadmodells und eines faktorenanalytischen Modells f¨ uhren Strukturgleichungsmodelle mit latenten Variablen die Entwick¨ lungen von Okonometrie und Psychometrie zusammen. Diese vergleichsweise große Realit¨atsn¨ahe wird jedoch durch kompliziertere Identifikationsprobleme und aufwendigere Sch¨atzaufgaben als bei den beiden Einzelkomponenten erkauft, so dass f¨ ur ihre Behandlung eine Reihe spezialisierter Computerprogramme entwickelt wurden, die jeweils leicht unterschiedliche Modellstrukturen abbilden. Durch die Verbreitung dieser leicht zu bedienenden Programme haben Strukturgleichungsmodelle mit latenten Variablen in den letzten Jahren zunehmend an Popularit¨at gewonnen und werden heute in vielen Bereichen der Psychologie, Soziologie, Wirtschaftswissenschaften sowie vereinzelt sogar in den Naturwissenschaften angewendet.10 Ausgangspunkt war zun¨achst das J¨oreskog-KeeslingWiley Modell,11 das mit insgesamt acht Matrizen operiert und heute unter dem Namen LISREL bekannt ist. Sp¨ater wurden von Bentler und Weeks (1980) mit dem Drei-Matrix EQS-Modell sowie von McArdle und McDonald (1984) mit dem Zwei-Matrix RAM-Modell alternative Darstellungen f¨ ur Strukturgleichungsmodelle entwickelt, die sich jedoch als im Wesentlichen ¨aquivalent erwiesen haben.12 Aufgrund seiner weiten Verbreitung wird in der vorliegenden Arbeit das LISREL-Modell verwendet, dessen Struktur in Abschnitt 8.3 n¨aher erl¨autert wird.

8

MacCallum und Austin (2000), S. 202.

9

Bollen (1989), S. 11; McDonald und Ho (2002), S. 65.

10

Gegenw¨ artige Anwendung: Williams et al. (2003), Steenkamp und van Trijp (1991), Steenkamp und Baumgartner (2000), Hershberger (2003), Shook et al. (im Druck), Hulland et al. (1996), Medsker et al. (1994), MacCallum und Austin (2000), McDonald und Ho (2002), Baumgartner und Homburg (1996).

11

J¨ oreskog (1973); Keesling (1972); Wiley (1973).

12

Bollen (1989), S. 8; Browne (1982), S. 120; McDonald und Ho (2002), S. 64.

172

8. Methodik der Datenauswertung

Modellierungsstrategie Lineare Strukturgleichungsmodelle mit latenten Variablen erm¨oglichen es, eine simultane Sch¨atzung von Messmodell und Pfadmodell vorzunehmen, also gleichzeitig die Beziehungen zwischen den latenten Variablen und ihren gemessenen Indikatoren sowie die Beziehungen der latenten Variablen untereinander zu ermitteln. Die F¨ahigkeit zu einer solchen Ein-Schritt-Prozedur kann als einer der entscheidenden Vorteile moderner Strukturgleichungsmodelle angesehen werden.13 Dennoch ist es in der einschl¨agigen Literatur nach wie vor umstritten, ob eine solche Ein-Schritt-Prozedur auch notwendigerweise den bevorzugten Weg der Modellbildung darstellt oder ob sich nicht durch eine separate Analyse und Respezifikation des Messmodells vor seiner Einbindung in das Pfadmodell viel bessere Resultate erzielen lassen.14 Die zentralen Argumente, die gegen eine Ein-Schritt-Prozedur vorgebracht werden, betreffen im Wesentlichen die Wechselwirkung zwischen Mess- und Pfadmodell. Auf Burt (1976) geht der Aspekt des Interpretational Confounding zur¨ uck, der dann vorliegt, wenn einer latenten Variable eine andere empirische Bedeutung zugeordnet wird als die, die ein unvoreingenommener Forscher vor Durchf¨ uhrung der Parametersch¨atzung definieren 15 w¨ urde. Da bei der Sch¨atzung eines Strukturgleichungsmodells im Ein-Schritt-Verfahren alle freien Parameter – also sowohl Pfadkoeffizienten als auch Faktorladungen – simultan gesch¨atzt werden, k¨onnen unterschiedlich spezifizierte Pfadmodelle mitunter zu deutlich ver¨anderten Faktorladungsmustern und damit zu interpretatorischen Verschiebungen der latenten Variablen f¨ uhren.16 Ein weiteres Argument, das h¨aufig gegen die Verwendung einer Ein-Schritt-Prozedur angef¨ uhrt wird, ist die Tatsache, dass sich die Folgen eventueller Fehlspezifikationen nicht auf den jeweils verursachenden Modellteil eingrenzen lassen, sondern Auswirkungen im gesamten Modell nach sich ziehen k¨onnen.17 Analysiert man dagegen das Messmodell zun¨achst separat und respezifiert es (falls erforderlich), so kann man vermeiden, dass sich eventuelle Probleme in diesem Teilmodell auf das Gesamtmodell ausbreiten. Um dem Problem des Interpretational Confounding zu begegnen, sind eine Reihe von Modellierungsstrategien vorgeschlagen worden, die eine sequentielle Analyse von Messund Pfadmodell vornehmen und damit mindestens zwei, zum Teil sogar drei oder vier Analyseschritte umfassen. Ein fr¨ uher, vergleichsweise radikaler Vorschlag von Burt (1976) bestand darin, in einem ersten Schritt f¨ ur jede latente Variable der Untersuchung eine separate Faktorenanalyse durchzuf¨ uhren und die gesch¨atzten Faktorladungen dann bei

13

Bollen (2000), S. 74; Fornell und Yi (1992), S. 292.

14

Anderson und Gerbing (1988), S. 411; Lance et al. (1988), S. 171.

15

Burt (1976), S. 4.

16

Anderson und Gerbing (1988), S. 418.

17

Kumar und Dillon (1987), S. 103f.; Lance et al. (1988), S. 173; MacCallum (1986), S. 110.

8.1. Strukturgleichungsmodelle mit latenten Variablen

173

Analyse des vollen Strukturmodells im zweiten Schritt zu fixieren.18 Demgegen¨ uber schlagen Anderson und Gerbing (1988) eine simultane konfirmatorische Faktorenanalyse aller in der Untersuchung betrachteten latenten Variablen vor, ohne dass die Faktorladungen bei der anschließenden Untersuchung des vollen Strukturmodells fixiert werden sollten. Mulaik und Millsap (2000) haben diesen Ansatz zu einer Vier-Schritt-Prozedur erweitert, der auch im Rahmen der vorliegenden Arbeit gefolgt werden soll. Im Rahmen der Vier-Schritt-Prozedur konstruiert man sukzessive eine Reihe ineinander geschachtelter Modelle19 und vergleicht sie mittels χ2 -Differenztests.20 Das Ausgangsmodell ist ein saturiertes Messmodell, in dem die Ladungen aller manifesten auf alle latenten Variablen sowie die Kovarianzen aller latenten Variablen untereinander gesch¨atzt werden, entspricht also einer exploratorischen Faktorenanalyse mit obliquer Rotation, bei ¨ der die Zahl der Faktoren aufgrund theoretischer Uberlegungen vorgegeben ist.21 Das zweite Modell ist eine konfirmatorische Faktorenanalyse, bei der nur die theoretisch antizipierten Faktorladungen gesch¨atzt und alle u ¨brigen auf Null fixiert werden. Im dritten Schritt wird das theoretische Basismodell der Untersuchung abgebildet: Hier werden die Kovarianzen zwischen den latenten Variablen gem¨aß den Substanzhypothesen teilweise durch gerichtete Pfade ersetzt, teilweise auf Null fixiert oder – im Fall der exogenen Konstrukte – als zu sch¨atzende Kovarianzen belassen. Im vierten und letzten Schritt werden die Substanzhypothesen n¨aher untersucht, beispielsweise durch die Betrachtung geschachtelter Modelle mit einer gr¨oßeren Zahl an Freiheitsgraden, die durch das Auferlegen zus¨atzlicher Restriktionen erzeugt werden, oder durch die im Abschnitt 8.6.3 n¨aher erl¨auterte Analyse von Alternativmodellen.22 Obwohl die sukzessive Analyse von Mess- und Pfadmodell nach wie vor nicht unum-

18

Burt (1976), S. 17f.

19

Zwei ineinander geschachtelte Modelle entstehen dadurch, dass man an ein uneingeschr¨ anktes Modell Mu Restriktionen stellt, aus denen ein eingeschr¨ anktes Modell Me hervorgeht mit dfe > dfu Freiheitsgraden. ¨ Steiger et al. (1985) haben gezeigt, dass die χ2 -Differenztests beim Ubergang vom allgemeineren zum spezifischeren Modell voneinander unabh¨ angig sind, dass es also statistisch angemessen ist, die mit den jeweils auferlegten Einschr¨ ankungen verbundenen Nullhypothesen zu u ufen. Vgl. auch ¨berpr¨ Bentler (2000), S. 83.

20

21

Die Untersuchung dieses Modells kann entweder mit einem Programm zur Kovarianzstrukturanalyse (z.B. LISREL) erfolgen oder aber mit einem Programm zur exploratorischen Faktorenanalyse, dem sich Werte f¨ ur die χ2 -Teststatistik entnehmen lassen, so z.B. mit dem Programm CEFA von Browne et al. (1998), das unter http://quantrm2.psy.ohio-state.edu/browne/software.htm heruntergeladen werden kann.

22

Eine ausf¨ uhrlichere Darstellung der Vier-Schritt-Prozedur findet sich bei Mulaik und Millsap (2000), S. 43-52.

8. Methodik der Datenauswertung

174

stritten ist,23 wird sie in einer Vielzahl von Ver¨offentlichung eingesetzt und von Experten auf dem Gebiet der Strukturgleichungsmodellierung empfohlen, so beispielsweise von Bentler (2000, S. 86) und J¨oreskog (1993, S. 297). Dementsprechend werden in der vorlie¨ genden Arbeit zun¨achst exploratorische Faktorenanalysen zur Uberpr¨ ufung und eventuellen Bereinigung der Itemstrukturen durchgef¨ uhrt, wobei entweder jeweils die Dimensionen eines komplexen Konstrukts oder aber ein Aggregat inhaltlich verwandter Konstrukte simultan untersucht wird (vgl. Abschnitt 8.2). Im zweiten Schritt werden konfirmatorische Faktorenanalysen zun¨achst f¨ ur alle Konstrukte separat, dann f¨ ur das gesamte Messmodell parallel vorgenommen, um die Messung auf Reliabilit¨at und Validit¨at hin zu untersuchen (vgl. Abschnitt 8.5). In den Schritten drei und vier werden dann – wie oben angedeutet – das Basismodell der vorliegenden Arbeit sowie m¨ogliche Alternativmodelle analysiert (vgl. Abschnitt 8.6).

8.2

Exploratorische Faktorenanalysen

Im Rahmen von Faktorenanalysen werden latente Variablen identifiziert, die die beobachteten Kovarianzen der manifesten Variablen erkl¨aren. Dabei werden die Varianzen der manifesten Variablen in einen Anteil zerlegt, den sie gemeinsam mit allen anderen Variablen haben (common variance), und eine sog. Einzelrestvarianz, die spezifisch f¨ ur die jeweilige manifeste Variable ist (unique oder specific variance). Beide Varianztypen werden separat gesch¨atzt, wobei der Sch¨atzwert f¨ ur die von den gemeinsamen Faktoren erkl¨arte Varianz einer beobachteten Variable als deren Kommunalit¨at bezeichnet wird und die durch die spezifischen Faktoren bedingte Varianz sich aus tats¨achlich variablenspezifischer Varianz und Messfehlern zusammensetzt.24 Die Zerlegung in gemeinsame und spezifische Varianz kommt in der Grundgleichung der Faktorenanalyse zum Ausdruck, die auch Bestandteil des LISREL-Modells ist und unten in Gleichung (8.3.11) abgeleitet wird. Die folgenden Abs¨atze gehen kurz auf die im Rahmen von Faktorenanalysen zu beachtenden Punkte und zu treffenden Entscheidungen ein und erl¨autern das Vorgehen im Rahmen der vorliegenden Untersuchung. Die Ausf¨ uhrungen orientieren sich dabei an ¨ einer Reihe aktueller Ubersichtsartikel zu diesem Themenbereich.25

23

Die prominenteste Kritik wurde von Fornell und Yi (1992) sowie Hayduk und Glaser (2000) vorgebracht, bezieht sich jedoch z. T. auf eher periphere Aspekte der jeweils kritisierten Ver¨ offentlichungen. Dar¨ uberhinaus konnten einzelne Kritikpunkte sp¨ ater widerlegt werden, vgl. hierzu u. a. Anderson und Gerbing (1992), Herting und Costner (2000) und Mulaik und Millsap (2000).

24

Fabrigar et al. (1999), S. 275; Hair et al. (1998), S. 102.

25

Vgl. v. a. die Ver¨ offentlichungen Fabrigar et al. (1999), Floyd und Widaman (1995), Ford et al. (1986), Gorsuch (1997), Hurley et al. (1997) sowie Preacher und MacCallum (2003).

8.2. Exploratorische Faktorenanalysen

175

¨ Uberpr¨ ufung der Voraussetzungen Vom statistischen Standpunkt aus gesehen stellen die meisten Verfahren der exploratorischen Faktorenanalyse – mit Außnahmen der Maximum-Likelihood-Faktorenanalysen – keine hohen Anforderungen an die zugrunde liegenden Daten, so dass sich Abweichungen von Normalit¨at, Homoskedastizit¨at und Linearit¨at nur in einem niedrigeren Niveau der beobachteten Korrelationen bemerkbar machen. Ein gewisser Grad an Multikollinearit¨at ist ja bei reflexiver Konstruktmessung gerade w¨ unschenswert, da Gruppen assoziierter Variablen geb¨ undelt werden sollen.26 ¨ Dennoch soll hier eine Uberpr¨ ufung der uni- und multivariaten Normalit¨at den Anfang der Analysen bilden, da sie ein besseres Verst¨andnis der Datenstruktur erm¨oglicht und notwendige Vorbedingung f¨ ur die Durchf¨ uhrung des Bartlett-Tests (siehe unten) wie auch f¨ ur die Wahl einer geeigneten LISREL-Fitfunktion im Rahmen der konfirmatorischen Faktorenanalysen darstellt. Die Beurteilung der uni- und multivariaten Normalit¨at der gemessenen Variablen erfolgt generell u ¨ber die Momente dritter und vierter Ordnung, also die Schiefe und Kurtosis der empirischen Verteilung.27 Univariate Schiefe und Kurtosis k¨onnen jedoch nur einen ersten Hinweis auf die Datenqualit¨at liefern, da univariate Normalit¨at zwar eine notwendige, jedoch keine hinreichende Bedingung f¨ ur multivariate Norur sich genommen normal verteilt malit¨at ist.28 Auch wenn alle univariaten Verteilungen f¨ sind, kann ihre gemeinsame Verteilung deutlich von einer multivariaten Normalverteilung abweichen. Mardia (1970) hat einen Koeffizienten entwickelt, der diesem Umstand Rechnung tr¨agt und durch Summation multivariater Schiefe- und Kurtosis-Maße einen Test auf Multinormalit¨at der gemeinsamen Verteilung erm¨oglicht.29 Die komplexe Teststatistik ist u. a. in den Programmen PRELIS und EQS implementiert. Werte der relativen multivariaten Kurtosis u ¨ber 1,96 weisen auf deutliche Verletzungen der Normalverteilungsannahme hin. Weiterhin sollten bei exploratorischen Faktorenanalysen – ¨ahnlich wie bei Strukturgleichungsmodellen – gewisse Richtwerte hinsichtlich des Verh¨altnisses zwischen der Stichprobengr¨oße und der Anzahl zu sch¨atzender Parameter eingehalten werden, da ansonsten die Gefahr des Overfitting“ besteht. Als Faustregel wird hier meist ein Minimum von f¨ unf ”

26

Hair et al. (1998), S. 99.

27

Mittelwert und Varianz einer Verteilung werden auch als Momente erster und zweiter Ordnung bezeichnet. Im Falle einer Normalverteilung nehmen die standardisierten Momente dritter und vierter Ordnung die Werte 0 bzw. 3 an. Zur vereinfachten Interpretation subtrahieren allerdings manche Softwarepakete (u. a. das in LISREL integrierte Data-Screening-Tool PRELIS) den Wert 3 vom standardisierten Moment vierter Ordnung, so dass die Kurtosis einer Normalverteilung hier Null betr¨ agt. Vgl. West et al. (1995), S. 60.

28

DeCarlo (1997), S. 296.

29

Bollen (1989), S. 423f.; Mardia (1970), S. 519ff.; Rencher (2002), S. 98f.

176

8. Methodik der Datenauswertung

Beobachtungen pro analysierter Variable bei einer Stichprobengr¨oße u ¨ber 100 genannt.30 Um die Eignung der beobachteten Korrelationsmatrix f¨ ur eine Faktorenanalyse zu u ufen, sind eine Reihe von Kriterien entwickelt worden, die auf jeweils unterschied¨berpr¨ liche Art das Niveau der Korrelationskoeffizienten beurteilen. Zun¨achst sollten h¨ochstens 25 Prozent der Außerdiagonalelemente der Anti-Image-Kovarianzmatrix gr¨oßer als 0,1 ufgr¨oße sein.31 Zur Pr¨azisierung dieser Faustregel haben Kaiser, Mayer und Olkin eine Pr¨ entwickelt, die nach ihnen als Kaiser-Mayer-Olkin-Maß (KMO) bezeichnet wird.32 Der Wertebereich dieser Gr¨oße liegt zwischen 0 und 1, wobei Werte gr¨oßer als 0,8 als erstrebenswert angesehen werden.33 Dabei ist jedoch zu beachten, dass der KMO nicht nur mit der durchschnittlichen Korrelationsh¨ohe steigt, sondern auch mit der Anzahl der beobachteten Variablen, der Anzahl der extrahierten Faktoren sowie der Stichprobengr¨oße. Daher empfiehlt es sich, zun¨achst ein ¨ahnliches Maß, den MSA (Measure of Sampling Adequacy) jeweils f¨ ur die einzelnen Variablen zu berechnen und diejenigen Variablen mit einem inakzeptabel niedrigen Wert (beispielsweise kleiner als 0,5) zu eliminieren, bevor der KMO f¨ ur die gesamte Faktorenanalyse interpretiert wird.34 Als weiteres Kriterium kann der Bartlett Test of Sphericity herangezogen werden, der die Nullhypothese u uft, dass ¨berpr¨ die Stichprobe aus einer Grundgesamtheit stammt, in der die Variablen unkorreliert sind. Unter der Voraussetzung, dass die analysierten Daten einer Normalverteilung folgen, ist die entsprechende Pr¨ ufgr¨oße χ2 -verteilt, wobei (1 − p) die Wahrscheinlichkeit angibt, dass die Korrelationsmatrix signifikante Korrelationen enth¨alt.35 Wahl des Analyseverfahrens Bei der Durchf¨ uhrung einer Faktorenanalyse kann zwischen verschiedenen Verfahren der Faktorenextraktion gew¨ahlt werden, wobei grunds¨atzlich die Hauptkomponentenanalyse und Faktorenanalysen im engeren Sinne zu unterscheiden sind.36 Die Hauptkomponentenanalyse versucht, die Gesamtvarianz der Ausgangsvariablen durch die Extraktion von Faktoren zu erkl¨aren, die m¨oglichst we30

Floyd und Widaman (1995), S. 5; Hair et al. (1998), S. 98f.; MacCallum et al. (1999); Velicer und Fava (1998).

31

Das Anti-Image bezeichnet in der Anti-Image-Analyse von Guttmann (1953) den Anteil der Varianz einer Variablen, der sich im Rahmen einer multiplen Regressionsanalyse als unabh¨ angig von den u ¨brigen Variablen erweist. Vgl. Backhaus et al. (2000), S. 268.    2 2 Dieses Maß berechnet sich nach der Formel KMO = ( i=j rij )/( i=j rij + i=j a2ij ), wobei rij den einfachen Korrelationskeffizienten zwischen der Variablen i und j bezeichnet sowie aij den partiellen Korrelationskoeffizienten.

32

33

Vgl. Kaiser (1970), S. 405 und Kaiser (1974), S. 111ff.

34

Hair et al. (1998), S. 98f. Der MSA der i-ten Variable berechnet sich analog zum KMO, wobei jedoch nur u ur alle j = i) summiert wird. SPSS gibt die MSA-Werte in der Hauptdiagonale ¨ber den Index j (f¨ der Anti-Image Korrelationsmatrix aus.

35

Backhaus et al. (2000), S. 268.

36

Vgl. u. a. Velicer und Jackson (1990), Widaman (1993).

8.2. Exploratorische Faktorenanalysen

177

nig spezische Varianz enthalten, und w¨ahlt als Startwerte f¨ ur die iterative Kommunalit¨atensch¨atzung daher immer den Wert Eins.37 Bei der eigentlichen Faktorenanalyse wird die Varianz einer Variablen dagegen immer in Kommunalit¨at und Einzelrestvarianz aufgeteilt und Startwerte f¨ ur die Kommunalit¨aten kleiner als Eins vorgegeben, um in der anschließenden Iteration tats¨achlich nur die gemeinsame Varianz zu erkl¨aren. W¨ahrend das Ziel einer Hauptkomponentenanalyse also vor allem in einer m¨oglichst vollst¨andigen Datenreproduktion bzw. Varianzerkl¨arung ohne kausale Interpretation der Hauptkomponenten liegt, ist es die Aufgabe der eigentlichen Faktorenanalyse, in Situationen, bei denen von signifikanten spezifischen Varianzanteilen auszugehen ist, latente Variablen zu identfizieren, die als kausale Einflussfaktoren f¨ ur die manifesten Variablen 38 interpretiert werden k¨onnen. Da in der vorliegenden Arbeit u ¨berwiegend die Identifikation tats¨achlicher latenter Variablen im Vordergrund steht, werden f¨ ur alle Konstrukte zun¨achst Maximum-Likelihood-Faktoranalysen39 gerechnet und im Anschluß mit den Ergebnissen der h¨aufiger eingesetzten Hauptkomponentenanalyse verglichen. Auf die Hauptkomponentenanalyse soll unter anderem aus dem Grunde nicht verzichtet werden, dass bei der ML-Faktorenanalyse h¨aufig Heywood-F¨alle40 auftreten k¨onnen, die die Interpretation des resultierenden Modells nur eingeschr¨ankt zulassen. Zahl der Faktoren F¨ ur die Bestimmung der Zahl der zu extrahierenden Faktoren existieren keine objektiven Kriterien, vielmehr kommt es darauf an, die richtige Balance zwischen statistischer Sparsamkeit (wenige Faktoren) und Plausibilit¨at (ad¨aquate Varianzerkl¨arung) des Modells zu erreichen.41 Dabei zeigen Studien, dass durch die Extraktion einer zu geringen Faktorenzahl (Underfactoring) tendenziell schwerwiegendere Verzerrun-

37

Werden ebenso viele Faktoren wie Variablen extrahiert, so werden die Kommunalit¨ aten von Eins auch immer vollst¨ andig reproduziert, w¨ ahrend sich bei einer geringeren Zahl extrahierter Faktoren auch bei der Hauptkomponentenanalyse ein nicht erkl¨ arter Varianzanteil ergibt, der jedoch eher als Informationsverlust denn als Einzelrestvarianz zu interpretieren ist. Vgl. Backhaus et al. (2000), S. 284ff.

38

Backhaus et al. (2000), S. 285f.; Hair et al. (1998), S. 102.

39

ML-Faktorenanalysen haben gegen¨ uber anderen Typen der exploratorischen Faktorenanalyse den Vorteil, dass f¨ ur sie die aus LISREL bekannten Fitindizes berechnet werden k¨ onnen, setzen aller¨ dings die Uberpr¨ ufung der Normalverteilungsannahmen voraus, vgl. Fabrigar et al. (1999), S. 283. Weiterhin sind sie bei der Identifikation schwacher Faktoren weniger zuverl¨ assig als KleinstquadrateFaktorenanalysen, vgl. Briggs und MacCallum (2003), S. 36ff.

40

Ein Heywood-Fall liegt dann vor, wenn die Kommunalit¨ at einer gemessenen Variable als gr¨ oßer oder gleich Eins gesch¨ atzt wird. Da nicht mehr als 100 Prozent der Varianz einer Variablen erkl¨ art werden k¨ onnen, ist eine solche Sch¨ atzung problematisch. Die Tatsache, dass solche F¨ alle mitunter bei MLFaktorenanalysen auftreten, ist nicht notwendigerweise als Nachteil gg¨ u. Hauptkomponentenanalysen zu werten, da sie auf potentielle Fehlspezifikationen oder Verletzungen der Verteilungsannahmen hindeuten k¨ onnen und damit einen diagnostischen Wert haben, vgl. Fabrigar et al. (1999), S. 275f.

41

Fabrigar et al. (1999), S. 277.

178

8. Methodik der Datenauswertung

gen in den Faktorladungsmustern enstehen als durch die Extraktion zu vieler Faktoren (Overfactoring).42 Die vielleicht am weitesten verbreitete Heuristik zur Bestimmung der Faktorenzahl, das sog. Kaiser-Kriterium, bestimmt, wieviele Eigenwerte der Korrelationsmatrix gr¨oßer als Eins sind, und extrahiert die entsprechende Anzahl an Faktoren. Ein Eigenwert ist dabei genau die Summe der quadrierten Ladungen aller Variablen auf den jeweiligen Faktor.43 In Hinblick auf dieses Kriterium ist kritisiert worden, dass der Wert Eins eine beliebige Grenze darstellt und ein Faktor mit dem Eigenwert 0,99 praktisch den gleichen Erkl¨arungswert besitzt wie einer mit dem Eigenwert 1,01. Weiterhin zeigen Simulationsstudien, dass das Kaiser-Kriterium bei einer Betrachtung von weniger als 20 Variablen tendenziell zu wenige Faktoren extrahiert (Underfactoring).44 Daher wird in der vorliegenden Arbeit zus¨atzlich auch immer der Scree-Plot betrachtet, bei dem die Eigenwerte in absteigender Reihenfolge grafisch dargestellt werden und die Zahl der zu extrahierenden Faktoren aus der Position desjenigen Eigenwertes bestimmt wird, der ¨ nach dem letzten steilen Abfall der Kurve den Ubergang in eine Asymptote zur Abszisse kennzeichnet. Hiernach ist meistens ein Faktor mehr als nach dem Kaiser-Kriterium zu extrahieren.45 Dieses Kriterium ist wiederum v. a. von Kaiser (1970) wegen seiner Subjektivit¨at hinsichtlich der Identifikation eines wirklich steilen“ Abfalles kritisiert worden. ” Simulationsstudien zeigen jedoch, dass das Verfahren bei der Pr¨asenz starker Faktoren gut funktioniert.46 Da es sich bei exploratorischen Faktorenanalysen um einen Spezialfall von Strukturgleichungsmodellen mit latenten Variablen handelt, kann schließlich neuerdings in verschiedenen Software-Implementationen47 auch auf die LISREL-typischen Fitmaße zur¨ uckgegriffen werden, um die Anpassungsg¨ ute unterschiedlicher Faktorl¨osungen mit der empirischen Korrelationsmatrix zu u berpr¨ u fen. F¨ ur die Analysen in Kapitel 9 wird auf ¨ 2 uckgegriffen. den RMSEA und den χ -Wert der ML-Faktorenanalyse zur¨

Wahl der Rotationsmethode Ziel der Faktorration ist es, durch Rotation der Koordinatenachsen eine sog. Einfachstruktur sichtbar zu machen, bei der die Variablen m¨oglichst

42

Fava und Velicer (1992); Wood et al. (1996).

43

Gorsuch (1983), S. 97f. Der Eigenwert ist damit von der Kommunalit¨ at zu unterscheiden, die sich als Summe der quadrierten Ladungen aller Faktoren auf jeweils eine Variable errechnet.

44

Hair et al. (1998), S. 103f.

45

Backhaus et al. (2000), S. 289; Hair et al. (1998), S. 104.

46

Fabrigar et al. (1999), S. 279.

47

So bei dem kostenlos erh¨ altlichen Programm CEFA (Browne et al., 1998) und dem unter http://koko15.hus.osaka-u.ac.jp/∼harada/factor/stepwise/ zug¨ anglichen Webtool, das von Kano und Harada (2000) beschrieben wird.

8.2. Exploratorische Faktorenanalysen

179

immer nur auf einen Faktor hoch und auf alle anderen Faktoren niedrig laden.48 Je nach Wahl des neuen Koordinatensystems unterscheidet man dabei orthogonale (rechtwinklige) Rotationen, bei denen die Faktoren untereinander nicht korrelieren, und oblique (schiefwinklige) Rotationen, bei denen eine Korrelation zwischen den Faktoren zugelassen wird. W¨ahrend in der Vergangenheit h¨aufig die Verwendung orthogonaler Rotationsmethoden empfohlen wurde, setzt sich mittlerweile zunehmend die Meinung durch, dass die ur viele soVerwendung obliquer Rotationen im Allgemeinen angebrachter ist.49 So ist es f¨ zialwissenschaftliche Konstrukte typisch, dass ihre Dimensionen sowohl untereinander als auch mit anderen Konstrukten deutliche Korrelationen aufweisen und daher durch eine schiefwinklige Faktorl¨osung besser repr¨asentiert werden. Die Faktorkorrelationen k¨onnen wichtige Hinweise darauf geben, ob das Konstrukt sinnvoll durch einen Faktor h¨oherer Ordnung erfasst werden kann. Selbst f¨ ur den Fall unkorrelierter Konstrukte liefern oblique Rotationen L¨osungen, die den orthogonalen sehr ¨ahnlich sind und Faktorkorrelationen nahe Null aufweisen.50 In Kapitel 9 wird daher die oblique Promax-Rotation in Verbindung mit der ML-Faktorenanalyse eingesetzt und die Ergebnisse mit denen der h¨aufig verwendeten Little-Jiffy 51 -Kombination, also einer Hauptkomponentenanalyse mit anschließender orthogonaler Varimax-Rotation, verglichen. Interpretation und Respezifikation Die Faktorl¨osungen werden zun¨achst anhand des Faktorladungsmusters und der H¨ohe der Faktorladungen52 beurteilt. Wie oben erw¨ahnt ergibt sich idealerweise eine Einfachstruktur, bei der die Variablen m¨oglichst immer nur auf einen Faktor hoch und auf alle anderen Faktoren niedrig laden. F¨ ur die in dieser Arbeit erzielte Stichprobengr¨oße k¨onnen dabei Faktorladungen u ¨ber 0,5 als signifikant angesehen werden.53 Konnte eine solche Einfachstruktur nicht auf Anhieb erzielt werden, so muss im Interesse klar dimensionierter Skalen eine Variablenselektion erfolgen.54 Dieser Prozess sollte zwar maßgeblich durch inhaltliche Erw¨agungen geleitet sein, kann allerdings auch durch verschiedene datengetriebene Heuristiken unterst¨ utzt 48

Preacher und MacCallum (2003), S. 25. Die Definition der Einfachstruktur geht auf Thurstone (1947, S. 328ff.) zur¨ uck: Danach liegt eine Einfachstruktur dann vor, wenn durch Rotation fast alle oder sehr viele Variablenvektoren in oder nahe an die Koordinatenhyperebenen gebracht werden k¨ onnen. Da die Konfiguration der Variablenvektoren im gemeinsamen Faktorenraum durch die Korrelationsmatrix bestimmt wird, handelt es sich bei der Einfachstruktur also um eine Eigenschaft des Datenk¨ orpers. Vgl. auch Harman (1978), S. 99 und Ueberla (1968), S. 183.

49

Fabrigar et al. (1999), S. 281.

50

Fabrigar et al. (1999), S. 281.

51

Kaiser (1970).

52

Faktorladungen berechnen sich als Korrelation zwischen der Originalvariable und dem Faktor.

53

Vgl. Hair et al. (1998), Tabelle 3.2, S. 112.

54

Kano und Harada (2000), S. 7.

8. Methodik der Datenauswertung

180

werden. Eliminationskandidaten sind danach zun¨achst Variablen, die entweder auf mehrere Faktoren gleichzeitig oder auf keinen der Faktoren stark laden. Desweiteren wird oft die H¨ohe der Kommunalit¨aten als Kriterium zur Variablenselektion herangezogen: Sie sollten zumindest u ¨ber 0,5 liegen, da ansonsten die extrahierten Faktoren weniger als 50 Prozent der Variablenvarianz erkl¨aren.55 Kano und Harada (2000) heben jedoch hervor, dass auch Variablen mit niedrigen Kommunalit¨aten vollst¨andig mit den Daten vertr¨aglich sein k¨onnen und ihre Elimination daher nicht zu einer Verbesserung der Anpassungsg¨ ute f¨ uhren w¨ urde. Vor diesem Hintergrund haben sie eine Teststatistik entwickelt, die auf dem Lagrange-Multiplikatoren-Test56 basiert und im Rahmen einer schrittweisen Variablen¨ selektion die Anderung der Modellanpassung in Form des erwarteten neuen χ2 -Wertes angibt, der aus der Elimination jeweils einer Variablen resultiert. Damit ist ein effizientes Verfahren implementiert, mit dem sich unmittelbar diejenige Variable identifizieren l¨asst, deren Ausschluss zur gr¨oßten Verbesserung der Anpassungsg¨ ute f¨ uhrt, ohne dass daf¨ ur die Evaluation s¨amtlicher alternativer Faktormodelle mit reduzierter Variablenzahl notwendig w¨are.57

8.3

Grundlagen des LISREL-Modells

In den folgenden Abs¨atzen werden kurz die Grundgleichungen und -annahmen des LISREL-Modells vorgestellt, soweit sie f¨ ur das Verst¨andnis der weiteren Arbeit, insbesondere der Abschnitte 8.5.2 und 8.6, erforderlich sind. Die Ausf¨ uhrungen orientieren sich dabei an den Darstellungen bei Bollen (1989, S. 13ff. und 319ff.), Browne und Arminger (1995, S. 205ff.) und Fahrmeir et al. (1996, S. 732ff.). Pfadmodell Im Pfadmodell wird der Zusammenhang zwischen dem m×1 Zufallsvektor η der endogenden Variablen und dem n × 1 Vektor ξ der exogenen Variablen in der folgenden Form spezifiziert: η = Bη + Γξ + ζ

(8.3.1)

Dabei ist B die m × m Matrix mit den Regressionsgewichten bzw. Pfadkoeffizienten der endogenen auf die endogenen Variablen. Die Hauptdiagonalelemente dieser Matrix sind immer gleich Null, da angenommen werden kann, dass eine Variable nicht unmittelbare, instantane Ursache ihrer selbst ist.58 Γ ist die n × n Matrix mit den Pfadkoeffizienten, die die Wirkung der exogenen auf die endogenen Variablen messen, und ζ ist ein m × 1 Zu55

Hair et al. (1998), S. 113.

56

Buse (1982), S. 155ff.

57

Kano und Harada (2000), S. 7.

58

Bollen (1989), S. 15.

8.3. Grundlagen des LISREL-Modells

181

fallsvektor, der sowohl zuf¨allige St¨orungen als auch Fehlspezifikationen in den Gleichungen abbildet. Da die latenten Variablen η und ξ als intervallskaliert vorausgesetzt und nicht beobachtbar sind, ist ihr Nullpunkt noch frei w¨ahlbar.59 Deshalb wird ohne Beschr¨ankung der Allgemeinheit angenommen, dass sie den Erwartungswert Null besitzen, E(η) = 0 ,

E(ξ) = 0 .

(8.3.2)

¨ Uber die St¨orvariablen ζ wird angenommen, dass die den Erwartungswert Null besitzen und mit den unabh¨angigen Variablen ξ unkorreliert sind, cov(ζ, ξ) = E(ζξ ) = 0 .

(8.3.3)

Untereinander d¨ urfen die St¨orvariablen aber korrelieren und bilden eine symmetrische Kovarianzmatrix Ψ, (8.3.4) Ψ = cov(ζ, ζ) = E(ζζ  ) . Schließlich wird angenommen, dass (I − B) regul¨ar ist, so dass (I − B)−1 existiert und Gleichung (8.3.1) in die reduzierte Form umgeformt werden kann, bei der η nur auf der linken Seite der Gleichung auftritt, η = (I − B)−1 (Γ ξ + ζ) .

(8.3.5)

Messmodell Da die Vektoren η und ξ nicht beobachtbar sind, m¨ ussen sie durch manifeste Zufallsvariablen y und x operationalisiert werden. Dabei ist y der p × 1 Vektor der Indikatoren endogener Variablen und x der q × 1 Vektor der Indikatoren exogener Variablen, die u ¨ber den folgenden faktoranalytischen Ansatz mit den latenten Variablen verkn¨ upft sind: y = Λy η + 

(8.3.6)

x = Λx ξ + δ

(8.3.7)

Die p × m Matrix Λy und die q × n Matrix Λx enthalten die Ladungen der manifesten auf die latenten Variablen. Die Zufallsvariablen  und δ repr¨asentieren die in den manifesten Variablen y und x enthaltenen Messfehler. Die Gleichungsstruktur setzt dabei implizit voraus, dass die y-Variablen nicht auf die ξ-Faktoren und die x-Variablen nicht auf die η-Faktoren laden. Weiterhin wird angenommen, dass die Fehlervariablen des Messmodells 59

Fahrmeir et al. (1996), S. 733.

8. Methodik der Datenauswertung

182

den Erwartungswert Null besitzen, dass sie mit den latenten Variablen unkorreliert sind und dass sie mit den Fehlervariablen des Pfadmodells unkorreliert sind, cov(, η) = cov(δ, ξ) = cov(, ξ) = cov(δ, η) = 0 cov(, δ) = cov(, ζ) = cov(δ, ζ) = 0 .

(8.3.8)

Dagegen d¨ urfen die Messfehler selbst aber korrelieren und symmetrische Kovarianzmatrizen bilden, die im Gegensatz zum klassischen faktorenanalytischen Modell nicht notwendigerweise diagonal sein m¨ ussen, Θ = cov(, ) = E( ) Θδ = cov(δ, δ) = E(δδ  ) .

(8.3.9)

Kovarianzstruktur In den Gleichungen (8.3.1), (8.3.6) und (8.3.7) sind die un¨ abh¨angigen Variablen jeweils nicht beobachtbar. Ahnlich wie beim faktorenanalytischen Modell k¨onnen daher auch beim LISREL-Modell die Modellparameter nicht direkt dadurch gesch¨atzt werden, dass die Beobachtungen der abh¨angigen Variablen auf die zugeh¨origen Beobachtungen der unabh¨angigen regressiert werden.60 Stattdessen betrachtet man Σ(θ), die Kovarianzmatrix des Vektors aller beobachteten Variablen in Abh¨angigkeit vom Vektor aller unbekannten Modellparameter:61 ⎡



⎢Σyy (θ) Σyx (θ)⎥ ⎢ ⎥ ⎥ Σ(θ) = ⎢ ⎢ ⎥ ⎣ ⎦ Σxy (θ) Σxx (θ) ⎡ ⎢Λy (I − B)−1 (ΓΦΓ + Ψ) [(I − B)−1 ] Λ + Θ y ⎢ = ⎢ ⎢ ⎣  Λx ΦΓ [(I − B)−1 ] Λ y

(8.3.10) ⎤ ⎥ Λy (I − B)−1 ΓΦΛ x⎥ ⎥ ⎥ ⎦  Λx ΦΛx + Θδ .

Dabei ist die Matrix Σxy (θ) im linken unteren Quadranten dieser Gleichung die Transponierte der Matrix Σyx (θ) im rechten oberen Quadranten. Die Teilmatrizen lassen sich unter Verwendung der Rechenregeln f¨ ur Erwartungswerte und Kovarianzen sowie der Glei-

60

Fahrmeir et al. (1996), S. 738.

61

Bollen (1989), S. 323ff.; Hayduk (1987), S. 106ff.

8.3. Grundlagen des LISREL-Modells

183

chungen (8.3.1) bis (8.3.9) herleiten,62 wie das folgende Beispiel illustriert: Σxx (θ) = E xx 

 = E (Λx ξ + δ) ξ  Λ x +δ    = Λx E ξξ Λx + E δδ

(8.3.11)

= Λx ΦΛ x + Θδ Diese Umformung zeigt unter anderem, wie die Fehlervariablen δ in die Kovarianzmatrix ur die Kovarianzmatrix der der Fehler Θδ u ¨bergehen, weiterhin wurde das neue Symbol Φ f¨ exogenen latenten Variablen eingef¨ uhrt. Gleichung (8.3.11) wird auch als Grundgleichung der Faktorenanalyse bezeichnet und spiegelt die Zerlegung der Varianz der manifesten Variablen in gemeinsame und Einzelrestvarianz wider f¨ ur den allgemeinen Fall, dass die Faktoren korrelieren und eine Varianz ungleich Eins besitzen k¨onnen.63 Die oben erl¨auterten Annahmen des LISREL-Modells f¨ uhren zu einer vergleichsweise strengen Struktur, die durch acht Matrizen vollst¨andig spezifiziert werden kann.64 Vier dieser Matrizen enthalten Regressionsgewichte: Λy und Λx die Ladungen manifester Variablen auf die endogenen bzw. exogenen Faktoren, B die Regressionsgewichte der endogenen auf die endogenen Faktoren und Γ die Regressionsgewichte der endogenen auf die exogenen Faktoren. Zus¨atzlich m¨ ussen vier Kovarianzmatrizen spezifiziert werden: Φ ist die Kovarianzmatrix der exogenen Faktoren, Ψ die Kovarianzmatrix der Regressionsfehler; Θδ und Θ sind die Kovarianzmatrizen der zu den exogenen bzw. endogenen Faktoren geh¨orenden Fehlervariablen. Wahl der Fitfunktion F¨ ur die Messung des Anpassungsgrads zwischen einer theoretischen Kovarianzmatrix Σ(θ) und der zugeh¨origen empirischen Kovarianzmatrix S werden in der Literatur verschiedene Diskrepanzfunktionen F (S, Σ(θ)) vorgeschlagen. Diese Diskrepanzfunktionen erf¨ ullen drei Eigenschaften: (1) Sie sind nichtnegativ, (2) sie nehmen den Wert Null genau dann an, wenn eine perfekte Anpassung S = Σ(θ) vor f¨ liegt, und (3) sie sind zweimal stetig differenzierbar in S und Σ(θ). Sch¨atzwerte θ ur die Modellparameter eines LISREL-Modells enth¨alt man dadurch, dass man eine Dis62

Vgl. die ausf¨ uhrlichen Darstellungen bei Bollen (1989), S. 323ff. und Hayduk (1987), S. 106ff.

63

Lawley und Maxwell (1971), S. 13.

64

Browne und Arminger (1995), S. 206. Diese Struktur wird von einigen Forschern als zu rigide empfunden. So weist u. a. Bentler (2000), S. 85 darauf hin, dass es in der Praxis durchaus der Fall sein kann, dass eine manifeste Variable einen direkten Einfluss auf eine andere manifeste Variable hat oder dass die Fehlervariable einer manifesten Variable mit dem Regressionsfehler des ihr zugeordneten Faktors korreliert. Solche Effekte lassen sich in LISREL nur u ¨ber bestimmte Modellierungstricks“ abbilden, ” f¨ ugen sich jedoch nat¨ urlich in das von Bentler und Weeks (1980) vorgeschlagene EQS Modell ein, in dem sich beliebige Modellvariablen gegenseitig beeinflussen k¨ onnen.

8. Methodik der Datenauswertung

184

krepanzfunktion F u ¨ber alle im Rahmen der vorliegenden Modellspezifikation zul¨assigen Paramterwerte θ minimiert. Am weitesten verbreitet sind die ML-, die GLS- und die WLS-Diskrepanzfunktion.65 Gleichung (8.3.12) zeigt anhand der ML-Diskrepanzfunktion beispielhaft, wie die Modell-Matrizen in einen Skalar transformiert werden: FML (S, Σ(θ)) = ln Σ(θ) + Sp S Σ−1 (θ) − ln S − (p + q) .

(8.3.12)

Wenn das hypothetisierte Modell korrekt spezifiziert ist und die manifesten Variablen multivariat normalverteilt sind, l¨asst sich analytisch zeigen, dass die unterschiedlichen Sch¨atzprozeduren gegen dasselbe Optimum konvergieren und a¨hnliche asymptotische Eigenschaften haben.66 Unter Idealbedingungen ist die Wahl der Diskrepanzfunktion also beliebig. Da diese jedoch in der Realit¨at nur selten vorliegen, stellt sich die berechtigte Frage, welche der Prozeduren sich unter bestimmten Bedingungen als vorteilhaft gegen¨ uber den anderen erweist. Zur Beantwortung dieser Frage sind eine Reihe von Untersuchungen durchgef¨ uhrt worden, die im wesentlichen zeigen, dass ML bei fehlspezifizierten Modellen realistischere globale Anpassungsmaße produziert als GLS. Dagegen ist WLS nur in den seltensten F¨allen vorzuziehen und liefert nur bei sehr großen Fallzahlen ( 1.000) Anpassungsmaße, die denen der anderen Methoden nahe kommen.67

Festlegung der Skalen Ein LISREL-Modell ist erst dann vollst¨andig spezifiziert, wenn f¨ ur alle latenten Variablen eine Maßeinheit fixiert wurde.68 Eine M¨oglichkeit der Skalenfixierung besteht darin, dass man die Maßeinheit der latenten Variable gleich der eines sog. Referenzindikators setzt, dass man also in jeder der Ladungsmatrizen Λx und Λy genau ein Element auf Eins fixiert.69 Die zu einer bestimmten Spalte einer Ladungsmatrix geh¨orende latente Variable besitzt dann genau die gleiche Maßeinheit wie der Referenzindikator, in dessen Zeile das Spaltenelement gleich Eins gesetzt wurde.70 Die zweite M¨oglichkeit zur Skalenfixierung besteht darin, dass man die Varianzen der latenten Variablen auf Eins fixiert. Dadurch entf¨allt die Notwendigkeit, Parameter in den Λ-Matrizen zu fixieren, und alle Faktorladungen k¨onnen frei gesch¨atzt werden. Diese L¨osung wird von LISREL ab Version 8.0 automatisch realisiert, falls vom Benutzer keine der Faktorladungen fixiert

65

Fahrmeir et al. (1996), S. 746.

66

Browne (1982).

67

Curran et al. (1996), S. 20ff.; Olsson et al. (2000), S. 577ff. Vergleiche hierzu auch die Ausf¨ uhrungen zu inferenzstatistischen Anpassungsmaßen im n¨ achsten Abschnitt.

68

Long (1983), S. 49ff.

69

Marsh und Hocevar (1985), S. 566.

70

Bollen (1989), S. 183.

8.4. G¨ utebeurteilung von LISREL-Modellen

185

wurde.71

8.4

Gu ¨ tebeurteilung von LISREL-Modellen

Im Anschluss an die Parametersch¨atzung stellt sich die Frage, inwieweit das spezifizierte Modell geeignet ist, um die Assoziation zwischen den beobachteten Variablen zu beschreiben. Diese Fragestellung wird als globale G¨ utebeurteilung bezeichnet.72 Grunds¨atzlich werden zur globalen G¨ utebeurteilung zwei Arten von Anpassungsmaßen (Fitindizes) herangezogen: Inferenzstatistische Anpassungsmaße, die einen statistischen Test auf die ¨ Ubereinstimmung zwischen der empirischen und der gesch¨atzten Kovarianzmatrix erlauben, und deskriptive Anpassungsmaße, die – statt ein dichotomes Testergebnis zu liefern – die Modellanpassung anhand von kontinuierlichen G¨ utemaßen beschreiben.73 χ2 -Anpassungstest Die konventionelle inferenzstatistische Beurteilung von Strukturgleichungsmodellen basiert letztendlich auf einem Vergleich zwischen der empirischen und der vom Modell gesch¨atzten Kovarianzmatrix. Die verwendete Teststatistik T = (N − 1)F folgt asymptotisch einer χ2 -Verteilung und bedient sich der Diskrepanzfunktion F (S, Σ(θ)), die ein Maß f¨ ur die Unterschiedlichkeit der empirischen Kovarianzmatrix S und der gesch¨atzten Kovarianzmatrix Σ(θ) ist. Damit ist im Prinzip die Frage nach der Anpassungsg¨ ute des Modells abschließend beantwortet, da das Strukturgleichungsmodell auf einem gegebenen Signifikanzniveau α inferenzstatistisch gepr¨ uft werden kann. Die Nullhypothese des Tests besteht darin, dass die empirische exakt der modelltheoretischen Kovarianzmatrix entspricht, also S = Σ(θ). Sie wird dann abgelehnt, wenn die T -Statistik den Wert Tα der χ2 -Verteilung auf einem Signifikanzniveau α u ¨berschreitet.74 Der χ2 -Test erfreute sich anfangs großer Beliebtheit, da es schien, dass seine Anwendung im Rahmen konfirmatorischer Faktorenanalysen viele der subjektiven Entscheidungen ersetzen k¨onnte, die im Rahmen exploratorischer Faktorenanalysen zu treffen sind (z.B. Rotationsmethode und Anzahl zu extrahierender Faktoren). Ein objektiver Test w¨ urde damit subjektive Urteile ersetzen. Von diesem Standpunkt ist man heute weitgehend abger¨ uckt. Zum einen ist dies auf die sehr restriktive Nullhypothese zur¨ uckzuf¨ uhren, ullt ist, zum anderen aber auch auf die restriktiven n¨amlich dass H0 : S = Σ(θ) exakt erf¨ 71

Byrne (1998), S. 30.

72

W¨ ahrend globale Anpassungsmaße ermitteln, ob das Gesamtmodell eine zufriedenstellende Anpassung an die Daten liefert, existieren daneben noch lokale G¨ utemaße, die sich nur auf einzelne Teilstrukturen beziehen. Diese werden nach Mess- und Pfadmodell differenziert in den Abschnitten 8.5 und 8.6 behandelt.

73

Hu und Bentler (1998), S. 426.

74

Hu und Bentler (1995), S. 77.

186

8. Methodik der Datenauswertung

Annahmen, unter denen die χ2 -Asymptotik gilt, n¨amlich dass die Beobachtungen multinormal verteilt sind, die Stichprobe groß ist und die Analyse auf der Kovarianzmatrix, nicht der Korrelationsmatrix basiert.75 Im Rahmen von Strukturgleichungsmodellen u uft der χ2 -Test, ob das Modell die ¨berpr¨ Wirklichkeit vollst¨andig abbildet. Man kann jedoch davon ausgehen, dass dies praktisch niemals der Fall ist, sondern ein Modell eher das bescheidenere Ziel verfolgt, die wesentlichen Wirkungsbeziehungen aufzuzeigen und eine vern¨ unftige“ Anpassung an die Daten ” zu erzeugen.76 Eine perfekte Anpassung ist also im Zweifel ein wenig geeigneter Maßstab, ullt ist. und hohe χ2 -Werte spiegeln wider, dass H0 eben nur n¨aherungsweise erf¨ ullung Die Anwendbarkeit des χ2 -Tests ist von der Stichprobengr¨oße und der Erf¨ von Verteilungsannahmen abh¨angig. Da die Teststatistik T nur asymptotisch χ2 -verteilt ist, gen¨ ugt sie bei kleinen Stichproben eventuell nicht der χ2 -Verteilung und ist daher f¨ ur die Modellbeurteilung nicht anwendbar. Desweiteren ist nach T = (N − 1)F der gesch¨atzte χ2 -Wert proportional zur Fallzahl, so dass die Testst¨arke77 mit steigendem N zunimmt. Als Folge k¨onnen bei großen Stichproben schon kleine, inhaltlich irrelevante Abweichungen zwischen der empirischen und der gesch¨atzten Kovarianzmatrix zur Ablehnung des Modells f¨ uhren, w¨ahrend es umgekehrt die bei kleinen Fallzahlen geringe Testst¨arke sehr schwer macht, selbst deutliche Abweichungen zwischen S und Σ(θ) nachzuweisen.78 Neben großen Fallzahlen setzen sowohl die Maximum-Likelihood (ML) als auch die Generalized-Least-Square (GLS) Sch¨atzung multivariat normalverteilte Daten voraus, damit die Sch¨atzer TML bzw. TGLS jeweils χ2 -verteilt sind. In der Praxis erhobene Datens¨atze erf¨ ullen jedoch nur in den seltensten F¨allen die Normalverteilungsannahme,79 was im Allgemeinen zu u ¨bersch¨atzten χ2 -Werten und zu stark untersch¨atzten Standardabweichungen der Strukturkoeffizienten f¨ uhrt.80 Um diesem Problem zu begegnen, sind verschiedene Methoden und Korrekturfaktoren vorgeschlagen worden, so u. a. von Browne (1982) ein asymptotisch verteilungsfreier Sch¨atzer, der im LISREL-Programm als WLS (Weighted Least Squares) bezeichnet wird.81 Dieser kann jedoch in der vorliegenden Untersuchung nicht verwendet werden, da Simulationsstudien gezeigt haben, dass er erst bei

75

Bollen (1989), S. 266; Sobel und Bohrnstedt (1985), S. 153.

76

J¨ oreskog und S¨ orbom (1982), S. 408; Bollen (1989), S. 268.

77

Die Testst¨ arke bezeichnet die Gegenwahrscheinlichkeit 1 − β des Fehlers 2. Art (β-Fehler). Sie gibt an, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Signifikanztest zugunsten einer spezifischen Alternativhypothese entscheidet, sofern diese wahr ist, d.h. mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Unterschied oder Zusammenhang entdeckt wird, wenn er existiert. Vgl. Bortz (1999), S. 122.

78

Bollen (1989), S. 268; Hu und Bentler (1995), S. 78.

79

Micceri (1989), S. 161.

80

West et al. (1995), S. 62f.

81

Browne (1982), S. 90ff.

8.4. G¨ utebeurteilung von LISREL-Modellen

187

sehr großen Fallzahlen zu zuverl¨assigen Ergebnissen f¨ uhrt.82 Damit sind f¨ ur kleine und mittlere Stichproben die durch eine moderate Verletzung der Normalverteilungsannahme verursachten Verzerrungen bei einer ML/GLS-Sch¨atzung als geringer einzustufen als die durch zu kleine Stichprobengr¨oßen verursachten Probleme einer ADF-Sch¨atzung.83 Um dennoch eventuelle Probleme aufgrund nicht-normaler Beobachtungen absch¨atzen zu k¨onnen, wird bei der Validierung des Messmodells in der vorliegenden Arbeit routinem¨aßig Mardia’s Maß f¨ ur Nichtnormalit¨at berechnet. Die vierte Voraussetzung f¨ ur die Anwendbarkeit des χ2 -Tests ist die Forderung, dass eine Kovarianz-, nicht eine Korrelationsmatrix analysiert wird. Der wesentliche Grund f¨ ur diese Forderung liegt darin begr¨ undet, dass die Maximum-Likelihood Sch¨atzung auf Kovarianzmatrizen basiert und bei der Verwendung von Korrelationsmatrizen unter beur die Pastimmten Bedingungen zu inkorrekten χ2 -Werten und Standardabweichungen f¨ ¨ von Kovarianzen zu Korrelationen beinrametersch¨atzungen f¨ uhren kann.84 Der Ubergang haltet eine Reskalierung der Variablen, die in der statistischen Behandlung von Strukturgleichungsmodellen ber¨ ucksichtigt werden m¨ usste und diese deutlich komplizierter machen w¨ urde. Auf der anderen Seite sind viele der im Rahmen von Strukturgleichnungsmodellen erfolgenden Sch¨atzungen und Tests skaleninvariant,85 wodurch die χ2 -Werte in praktischen Anwendungen oft kaum voneinander abweichen. Allerdings sind selbst bei skaleninvarianten Modellen die auf der Basis von Korrelationsmatrizen gesch¨atzten Stanussen manuell dardabweichungen der Modellparameter im Allgemeinen inkorrekt86 und m¨ 87 korrigiert werden. Starke praktische Einw¨ande gegen die Verwendung von Korrelationsmatrizen sind v. a. dann vorzubringen, wenn sich bei wiederholten Messungen die Varianzen systematisch u ¨ber die Zeit ver¨andern (z.B. bei Wachstumseffekten) oder bei multiplen Gruppenvergleichen, da in diesen F¨allen die Unterschiede der Varianzen die wesentliche

82

Die Simulationen von Curran et al. (1996, S. 24) erreichen ab einer Stichprobengr¨ oße N = 500 eine stabile ADF-Sch¨ atzung. Dagegen f¨ uhren die Simulationen von Hu et al. (1992, S. 355) erst ab N = 5.000 zu zufriedenstellenden Ergebnissen f¨ ur eine konfirmatorische Faktorenanalyse mit 15 Indikatoren und 3 korrelierenden Faktoren. Zu einem ¨ ahnlichen Ergebnis kommen auch Boomsma und Hoogland (2001, S. 159), die f¨ ur eine konfirmatorische Faktorenanalyse mit 15 Indikatoren und 5 korrelierenden Faktoren eine minimale Stichprobengr¨ oße von N = 3.600 ermitteln.

83

McDonald und Ho (2002), S. 70.

84

Cudeck (1989), S. 317.

85

Ein Modell Σ ist skaleninvariant, wenn f¨ ur jede Diagonalmatrix Dα (αi = 0) und jeden Parametervektor γ ein weiterer Parametervektor γ ∗ existiert, so dass Σ(γ ∗ ) = Dα Σ(γ)Dα erf¨ ullt ist, vgl. Browne (1982), S. 75ff. Ein Beispiel sind konfirmatorische Faktorenanalysen ohne Gleichheits-Restriktionen, vgl. Bollen (1989), S. 267 und Cudeck (1989), S. 318f.

86

Eine Ausnahme stellen sog. skaleninvariante Parameter dar, vgl. Cudeck (1989), S. 323.

87

Entsprechende Rechnungen werden von Lawley und Maxwell (1971), S. 59ff. und 100ff. sowie Browne (1982), S. 90ff. demonstriert. Sie sind in den aktuellen Versionen von LISREL und EQS nicht implementiert, vgl. Steiger (2001), S. 334.

188

8. Methodik der Datenauswertung

Grundlage f¨ ur das Verst¨andnis des Zeiteffektes bzw. der Gruppenunterschiede bilden.88 Aufgrund dieser sehr restriktiven Annahmen ist es mittlerweile g¨angige Praxis, χ2 nicht mehr als Teststatistik im eigentlichen Sinn zu verwenden, sondern als Maß f¨ ur die Anpas89 2 sungsg¨ ute. Ein Modell ist danach dann anzunehmen, wenn der χ -Wert im Verh¨altnis zu den Freiheitsgraden df einen bestimmten Schwellenwert unterschreitet, wobei das Spektrum der Empfehlungen von der vergleichsweise leicht zu erf¨ ullenden Forderung χ2 /df  3 2 90 bis zur sehr anspruchsvollen Forderung χ /df  1 reicht. Deskriptive Anpassungsmaße Vor dem Hintergrund der im letzten Abschnitt beschriebenen Probleme mit dem χ2 -Test wurde eine schwer u ¨berschaubare Vielfalt deskriptiver Anpassungsmaße entwickelt, die auf einen statistischen Test verzichten und relativ robust gegen¨ uber Verletzungen der Multinormalverteilungsannahme sind.91 Deskriptive Anpassungmaße k¨onnen zun¨achst in absolute und inkrementelle (komparative) unterteilt werden.92 Ein absolutes Anpassungsmaß ermittelt direkt, wie gut ein a priori definiertes Modell die empirisch ermittelten Daten reproduziert. Obwohl kein Referenzmodell zur Beurteilung herangezogen wird, kann doch implizit oder explizit ein Vergleich mit einem saturierten Modell vorgenommen werden, das die beobachtete Kovarianzmatrix exakt reproduziert. Dagegen bestimmen inkrementelle Fitindizes eine relative Verbesserung in der Anpassungsg¨ ute durch den Vergleich des hypothetisierten Modells mit einem geschachtelten Referenzmodell, das sich durch Auferlegung weiterer Restriktionen erzeugen l¨asst. Als Referenzmodell wird dabei h¨aufig ein Nullmodell verwendet, bei dem zwar die Varianzen der manifesten Variablen gesch¨atzt werden, die Kovarianzen der Variablen untereinander jedoch auf Null fixiert werden.93 ¨ Ahnlich wie bei den inferenzstatistischen Anpassungsmaßen erweist sich jedoch auch die Verwendung der deskriptiven Fitindizes als nicht unproblematisch. Da den deskriptiven Anpassungsmaßen eine den inferenzstatistischen Maßen ebenb¨ urtige mathematische Basis fehlt, existieren keine klaren Kriterien, die die Bevorzugung weniger ausgew¨ahlter Indizes gegen¨ uber den u urde. Verschiedene Untersuchungen ¨brigen Maßen rechtfertigen w¨ zeigen dar¨ uber hinaus, dass h¨aufig keine zufriedenstellende Korrelation zwischen unterschiedlichen Anpassungmaßen besteht, so dass die Verwendung unterschiedlicher Fitindizes mitunter zu gegenl¨aufigen Aussagen u ute der Modellanpassung f¨ uhren kann.94 ¨ber die G¨ 88

Netemeyer et al. (2001), S. 85.

89

Fahrmeir et al. (1996), S. 759; J¨ oreskog und S¨ orbom (1982), S. 408.

90 91

Letzterer Wert wird von Backhaus et al. (2000), S. 466, angegeben. ¨ Eine Ubersicht l¨ asst sich den Beitr¨ agen im Sammelband von Bollen und Long (1993).

92

Hu und Bentler (1998), S. 426.

93

Hu und Bentler (1999), S. 2; McDonald und Ho (2002), S. 72.

94

Vgl. hierzu auch Abbildung C.1 auf S. 316 der vorliegenden Arbeit.

8.4. G¨ utebeurteilung von LISREL-Modellen

189

Um diesen Missstand zu beheben und eine begr¨ undete Auswahl zu erm¨oglichen, haben Hu und Bentler (1998) Simulationen durchgef¨ uhrt, die die Sensitivit¨at verschiedener absoluter und inkrementeller Fitindizes u. a. gegen¨ uber Fehlspezifikationen des Modells, Verletzungen der Verteilungsannahmen sowie Verzerrungen durch kleine Stichprobengr¨oßen untersuchen. Damit ein Anpassungmaß sinnvoll zur Modellbeurteilung und zum Vergleich unterschiedlich spezifizierter Modelle eingesetzt werden kann, sollte es m¨oglichst sensitiv gegen¨ uber Fehlspezifikationen des Modells und m¨oglichst insensitiv gegen¨ uber Verletzungen der Verteilungsannahmen und dem Vorliegen kleiner Stichprobenumf¨ange sein. Im Ergebnis zeigt sich zun¨achst, dass die Fitindizes unter ML-Sch¨atzung diese Kriterien deutlich besser erf¨ ullen als unter GLS- oder ADF-Sch¨atzung. Eine Reihe h¨aufig verwendeter Maße, darunter der GFI und der AGFI, liefern insgesamt unbefriedigende Ergebnisse, da sie h¨aufig st¨arker auf Verteilungsspezifika oder die Stichprobengr¨oße reagieren als auf unterschiedliche Modellstrukturen. Hu und Bentler (1998) empfehlen daher, die Modellbeurteilung anhand von zwei Arten von Maßen vorzunehmen: Grunds¨atzlich sollte immer der SRMR berichtet werden, da er die gr¨oßte Sensitivit¨at gegen¨ uber Fehlspezifikationen im Pfadmodell aufweist. Daneben sollte ein weiteres G¨ utemaß verwendet ur werden, das insbesondere sensitiv gegen¨ uber Fehlspezifikationen im Messmodell ist.95 F¨ die vorliegende Arbeit wird dabei der CFI ausgew¨ahlt, da er zu den am h¨aufigsten verwendeten Fitindizes geh¨ort und damit eine Vergleichbarkeit mit anderen Ver¨offentlichungen gew¨ahrleistet.96 Hu und Bentler (1999) haben auf der Basis ihrer Simulationen Grenzwerte f¨ ur diese beiden G¨ utemaße abgeleitet, die auch als Grundlage f¨ ur die Modellbeurteilung in den folgenden Kapiteln 9 und 10 dienen sollen. Danach sollte der SRMR Werte unterhalb von 0,08 annehmen, der CFI m¨oglichst Werte oberhalb von 0,95. Obwohl durch die Analysen von Hu und Bentler (1998) objektive Kriterien f¨ ur die Auswahl von Fitindizes bereitgestellt werden, sehen es McDonald und Ho (2002) weiterhin als gravierendes Problem an, dass die Fitindizes keine Information dar¨ uber liefern, wie ein gegebenes Maß an Anpassungsg¨ ute zustande kommt, ob also der festgestellte Grad an Modellabweichung durch wenige korrigierbare Fehlspezifikationen hervorgerufen wird oder auf die mangelhafte Reproduktion zahlreicher Parameter im gesamten Modell ur die Anpassungsqualit¨at einzelner zur¨ uckzuf¨ uhren ist.97 Um ein besseres Verst¨andnis f¨ Modellbestandteile zu entwickeln, empfehlen sie daher, zun¨achst die standardisierten Residuen der manifesten Variablen zu betrachten, die routinem¨aßig in Verbindung mit der Korrelations- bzw. Kovarianzmatrix berichtet werden sollten.98 Im Anschluss sollte unter-

95

Hu und Bentler (1999), S. 5.

96

McDonald und Ho (2002), S. 72.

97

McDonald und Ho (2002), S. 72.

98

McDonald (1999), S. 388f.

8. Methodik der Datenauswertung

190

sucht werden, in welcher Weise die Korrelationen der latenten Variablen im Messmodell von den Korrelationen abweichen, die unter den Restriktionen des Pfadmodells reproduziert werden.

8.5

Vorgehen bei der Analyse des Messmodells

Das Messmodell stellt als Bestandteil eines Strukturgleichungsmodells die Verkn¨ upfung zwischen latenten und manifesten Variablen (Indiktoren) her und erkl¨art damit aus forschungslogischer Sicht die Verbindung zwischen empirischen und theoretischen Gr¨oßen.99 Eine aussagekr¨aftige Messung komplexer sozialwissenschaftlicher Konstrukte kann nur unter der gleichzeitigen Verwendung mehrerer Indikatoren erfolgen. Die Beweggr¨ unde f¨ ur die Verwendung dieser sogenannten Multi-Item-Skalen werden in den folgenden Zitaten zum Ausdruck gebracht: Given the complexity of our subject matter, what makes us think we can ” use responses to single items (or even two or three items) as measures of these concepts, then relate these scores to a host of other variables, arrive at conclusions based on such an investigation, and get away calling what we have done quality research‘?“ (Jacoby, 1978, S. 93) ’ With a single measure of each variable, one can remain blissfully unaware ” of the possibility of measurement [error], but in no sense will this make his inferences more valid. [. . . ] In the absence of better theory about our measurement procedures, I see no substitute for the use of multiple masures of our most important variables.“ (Blalock, 1970, S. 111) Zum einen ist ein einzelner Indikator nur sehr begrenzt in der Lage, verschiedene Facetten eines Konstrukts zu erfassen, zum anderen ist jede Messgr¨oße mit zuf¨alligen und systematischen Fehlern behaftet, deren verzerrender Einfluss erst durch die Mittelung u ¨ber einen Satz alternativer Indikatoren verringert werden kann.100 So ist die Reliabilit¨at von Skalen gr¨oßer als die einzelner Indikatoren, da im Zuge der Addition die gemeinsame Varianz aggregiert wird, w¨ahrend sich Zufallsfehler tendenziell ausgleichen. Weiterhin ist mit praktisch jedem Item ein spezifischer, systematischer Varianzanteil verbunden, der beispielsweise auf idiosynkratische Frageformulierungen zur¨ uckzuf¨ uhren sein kann. Da diese systematischen Verzerrungen ebenfalls im Zuge der Addition mehrerer Indikatoren tendenziell ausgeglichen werden, besitzen Skalen auch eine h¨ohere Validit¨at . Schließlich korrelieren Skalen st¨arker miteinander als einzelne Indikatoren, da sie weniger grobk¨ornig“ ” 99

Klein (2000), S. 234.

100

Churchill (1979), S. 66f.; Zeller und Carmines (1980), S. 48f.

8.5. Vorgehen bei der Analyse des Messmodells

191

als die Likert-Skalen individueller Items sind und eine weniger schiefe Verteilung aufweisen als die jeweiligen Items, aus denen sie gebildet wurden.101 In den folgenden Abschnitten wird zun¨achst eine Unterscheidung zwischen reflexiver und formativer Konstruktmessung vorgenommen, bevor methodische Aspekte dieser beiden Messmodelle n¨aher erl¨autert werden. Im Anschluss daran werden noch multidimensionale Konstrukte diskutiert, bei denen nicht nur ein Konstrukt durch mehrere Indikatoren gemessen wird, sondern dar¨ uberhinaus eine Reihe inhaltlich verwandter Faktoren zu einem komplexen mehrdimensionalen Konstrukt zusammengefasst wird. 8.5.1

Reflexive und formative Indikatoren

Hinsichtlich der Beziehung zwischen latenten Variablen und Indikatoren sind zwei F¨alle zu unterscheiden:102 Von reflexiven Indikatoren (Effektindikatoren) spricht man, wenn ein Faktor die ihm zugeordneten beobachtbaren Variablen verursacht“, d.h. die Indikatoren ” werden hier als (in der Regel fehlerbehaftete) Messungen des wahren“ Konstrukts be” trachtet. Die Entwicklung einer Menge von reflexiven Messgr¨oßen f¨ ur eine latente Variable bezeichnet man auch als Skalenbildung. Eine alternative Messperspektive, die mitunter als Indexbildung bezeichnet wird, basiert auf formativen Indikatoren (Kausalindikatoren) und geht davon aus, dass es die Indikatoren sind, die einen kausalen Einfluss auf die latente Variable aus¨ uben (vgl. Abbildung 8.1).

(a)

(b)

Abbildung 8.1: (a) Reflexives Messmodel, bei dem eine latente Variable ξ vier Indikatoren x1 , . . . , x4 beeinflusst. Die Messfehler δ1 , . . . , δ4 werden auf der Itemebene erfasst. (b) Formatives Messmodel, bei dem vier Items x1 , . . . , x4 eine Kompositvariable ξ definieren. Der Messfehler ζ wird auf der Konstruktebene erfasst.

Reflexive Messmodelle basieren auf dem sog. Domain-Sampling Modell, nach dem ein Messinstrument durch eine zuf¨allige Stichprobe aus einer hypothetischen, unendlich 101

Gorsuch (1997), S. 537f.

102

Bollen und Lennox (1991); Diamantopoulos und Winklhofer (2001).

192

8. Methodik der Datenauswertung

großen Grundgesamtheit von Items gebildet wird, die als Dom¨ane oder Universum bezeichnet wird.103 Die messtheoretische Fundierung reflexiver Messmodelle beruht auf den Annahmen der klassischen Testtheorie und setzt unter anderem voraus, dass die ein Konstrukt gemeinsam erfassenden Indikatoren intern konsistent sind und untereinander deutlich h¨oher korrelieren als mit den Indikatoren anderer Konstrukte.104 Da die Indikatoren von den dahinter liegenden latenten Variablen beeinflusst werden und deren Facetten gleichermaßen gut erfassen sollten, ist die Konstruktvalidit¨at idealerweise invariant gegen¨ uber dem Austausch oder Eliminieren einzelner Indikatoren.105 Formative Messmodelle gehen dagegen nicht davon aus, dass die Auspr¨agungen der gemessenen Indikatoren durch eine einzelne, dahinter liegende latente Variable beeinflusst werden. Hier sind es umgekehrt die empirisch beobachteten Variablen, die das Konstrukt beeinflussen, die Kausalit¨at fließt“ m.a.W. von den Items zum Konstrukt.106 Rossiter ” (2002) weist zurecht darauf hin, dass man im Zusammenhang mit formativen Messmodellen nicht l¨anger von Indikatoren sprechen sollte, da den Items hier gerade keine indikative, sondern eine formative Funktion zukommt. Entsprechend handelt es sich bei formativ gemessenen Konstrukten auch nicht um latente Variablen , so dass hier z. T. der Begriff Kompositvariable“ verwendet wird.107 Im Gegensatz zu reflexiven Messmodellen folgen ” formative Modelle nicht dem Domain-Sampling Modell, die Items eines Index k¨onnen also, anders als die Items einer Skala, nicht ohne weiteres weggelassen oder ersetzt werden, ohne dass sich das Konstrukt inhaltlich ver¨andert.108 Da die Items eines formativen Messmodells nicht durch einen gemeinsamen Faktor beeinflusst werden, ist es im Gegensatz zu reflexiven Messmodellen auch nicht notwendig, dass die Items untereinander deutliche Korrelationen aufweisen und intern konsistent sind.109 Damit ist es bei formativen Konstrukten auch unangebracht, eine Skalenbereinigung unter dem Gesichtspunkt der internen Konsistenz, beispielsweise unter Verwendung von Cronbach’s Alpha, durchzuf¨ uhren, da hierbei im Zweifelsfall gerade diejenigen Items eliminiert w¨ urden, die die ¨ geringste Uberschneidung mit den anderen Items aufweisen und damit entscheidend zur ussen forinhaltlichen Definition des Konstrukts beitragen.110 Vor diesem Hintergrund m¨ 103

Nunnally und Bernstein (1994), S. 216ff.

104

Bollen und Lennox (1991), S. 305. Vgl. hierzu im einzelnen auch Abschnitt 8.5.5.

105

Dies gilt zumindest f¨ ur den Fall einer wirklich unidimensionalen Operationalisierung des Konstrukts. Leidet dagegen die Inhaltsvalidit¨ at einer Skala deutlich unter der Elimination oder dem Austausch eines Indikators, so ist sie im Zweifel als multidimensional einzustufen. Vgl. Bollen und Lennox (1991), S. 308 sowie unten, Abschnitt 8.5.3.

106

Jarvis et al. (2003), S. 201.

107

MacCallum und Browne (1993), S. 534.

108

Jarvis et al. (2003), S. 202; Rossiter (2002), S. 315.

109

Bollen und Lennox (1991), 312; Heise (1973), S. 6.

110

Rossiter (2002), S. 315.

8.5. Vorgehen bei der Analyse des Messmodells

193

mativ gebildete Konstrukte vor allem danach beurteilt werden, wie vollst¨andig sie den inhaltlich-semantischen Bereich des Konstrukts repr¨asentieren (Inhaltsvalidit¨at) und inwieweit sich die theoretisch vorhergesagten Wirkbeziehungen zu kausal vor- und nachgelagerten Konstrukten empirisch nachweisen lassen (nomologische Validit¨at).111 Die Frage, ob ein Konstrukt durch ein reflexives oder ein formatives Modell abgebildet werden sollte, muss vor allem auf der Grundlage inhaltlicher Erw¨agungen entschieden werden. Aus der erl¨auterten Unterscheidung zwischen reflexiven und formativen Konstrukten lassen sich sechs Indizien ableiten, die f¨ ur die Verwendung eines formativen Modells sprechen:112 (1) Die Items definieren die Facetten des Konstrukts, (2) den Items liegt nicht notwendigerweise ein gemeinsamer inhaltlicher Kern zu Grunde, (3) ver¨anderte Auspr¨agungen der Items ziehen eine ver¨anderte Auspr¨agung der Kompositvariable nach sich, (4) ver¨anderte Auspr¨agungen der Kompositvariable gehen nicht notwendigerweise mit ver¨anderten Auspr¨agungen aller Items einher, (5) ver¨anderte Auspr¨agungen eines Items gehen nicht notwendigerweise mit ver¨anderten Auspr¨agungen der anderen Items einher und (6) die Items sind nicht notwendigerweise durch dieselben Ursachen und Wirkungen gekennzeichnet. 8.5.2

Tetraden-Test nach Bollen und Ting (2000)

Aus der Darstellung im letzten Abschnitt geht hervor, dass die Unterscheidung zwischen reflexiven und formativen Indikatoren durch inhaltliche Erw¨agungen geleitet werden muss. Dennoch ist es sicherlich erstrebenswert, statistische Tests zu entwickeln, die die Unterscheidung dadurch erleichtern, dass sie Vertr¨aglichkeit des jeweils gew¨ahlten statistischen Modells mit den erhobenen Daten u ufen. Bei der Durchf¨ uhrung einer konfirmatori¨berpr¨ schen Faktorenanalyse im Rahmen des LISREL-Modells stellt die Maximum-Likelihood Fitfunktion genau eine solche Entscheidungsunterst¨ utzung dar und kann als LikelihoodRatio- bzw. χ2 -Differenztest zum Vergleich geschachtelter Modelle verwendet werden.113 Obwohl der Likelihood-Ratio Test von zentraler Bedeutung f¨ ur die Beurteilung alternativer LISREL-Modelle ist, gibt es doch eine Reihe von Fragen, die er nicht beantworten kann. So ist er beispielsweise insensitiv gegen¨ uber bestimmten Fehlspezifikationen des Gleichungssystems, kann nur f¨ ur den Vergleich geschachtelter Modelle verwendet werden ¨ und setzt eine Uberidentifizierung des Gleichungssystems voraus.114 Vor diesem Hintergrund haben Bollen (1990) sowie Bollen und Ting (1993) einen Test 111

Bollen und Lennox (1991), S. 312; Bagozzi (1994), S. 333; Diamantopoulos und Winklhofer (2001), S. 272; Jarvis et al. (2003), S. 202.

112

Jarvis et al. (2003), S. 203.

113

Bollen (1989), S. 292; Bollen und Ting (1993), S. 149.

114

Bollen und Ting (1993), S. 149.

8. Methodik der Datenauswertung

194

entwickelt, der die Tatsache ausnutzt, dass modellbedingt bestimmte Kombinationen von Kovarianzen, sog. Tetraden, verschwinden m¨ ussen. Die Entdeckung und Verwendung dieser verschwindenden Tetradendifferenzen geht bereits auf fr¨ uhe Arbeiten von Spearman (1904) und Kelley (1928) zur¨ uck und wird auch in den strukturfindenden Algorithmen von Spirtes et al. (1993) ausgenutzt, allerdings haben erst Bollen und Ting (1993) die Elimination redundanter Tetraden implementiert und einen statistisch wohldefinierten Omnibus-Test f¨ ur die nichtredundanten Tetraden entwickelt (siehe Anhang A der vorliegenden Arbeit f¨ ur eine ausf¨ uhrliche Beschreibung). Eine Tetrade bzw. Tetradendifferenz τghij bezeichnet dabei ein Objekt mit vier Indizes, das als Differenz zwischen zwei Produkten jeweils zweier Kovarianzen gebildet wird, τghij = σgh σij − σgi σhj

.

(8.5.13)

Hier bezeichnet σ die Populationskovarianz der beiden durch die Indizes gekennzeichneten Variablen, also σgh = cov(xg , xh ).115 Das Konzept der verschwindenden Tetraden l¨asst sich am einfachsten am Beispiel des in Abbildung 8.1 dargestellten Messmodells mit vier reflexiven Indikatoren erl¨autern. W¨ahlt man entsprechend Gleichung (8.3.7) die x-Darstellung x = Λx ξ + δ und bildet nach Gleichung (8.3.11) die Kovarianzmatrix, so erh¨alt man die Modellstruktur ⎤



2 λ1 λ2 var(ξ) λ1 λ3 var(ξ) λ1 λ4 var(ξ) ⎥ ⎢λ1 var(ξ) + var(δ1 ) ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ 2 ⎥ ⎢ λ var(ξ) λ var(ξ) + var(δ ) λ λ var(ξ) λ λ var(ξ) λ 2 1 2 2 3 2 4 2 ⎥ ⎢ Σ(θ) = ⎢ ⎥. ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ λ3 λ2 var(ξ) λ23 var(ξ) + var(δ3 ) λ3 λ4 var(ξ) λ3 λ1 var(ξ) ⎥ ⎢ ⎦ ⎣ λ4 λ2 var(ξ) λ4 λ3 var(ξ) λ24 var(ξ) + var(δ4 ) λ4 λ1 var(ξ)

(8.5.14)

Ber¨ ucksichtigt man jetzt, dass sowohl σgh σij als auch σgi σhj gleich λg λh λi λj var2 (ξ) sind, so lassen sich Gleichung (8.5.14) drei Tetraden entnehmen, die nichttrivial identisch verschwinden,116 τ1234 = σ12 σ34 − σ13 σ24 = 0 τ1342 = σ13 σ42 − σ14 σ32 = 0

(8.5.15)

τ1423 = σ14 σ23 − σ12 σ43 = 0 . 115

Aus der Definition der Tetrade und der Identit¨ at σij = σji sind verschiedene Symmetrieeigenschaften direkt ersichtlich, beispielsweise τghij = τijgh = τhgji oder τghij = −τgihj .

116

Triviale F¨ alle sind beispielsweise τiiii oder Tetraden, die – unabh¨ angig von der konkreten Modellstruktur – allein schon wegen der Symmetrie der Kovarianzmatrix verschwinden, also beispielsweise τijji .

8.5. Vorgehen bei der Analyse des Messmodells

195

Allerdings sind diese Gleichungen nicht unabh¨angig voneinander: Substituiert man beispielsweise die erste in die zweite Gleichung, so erh¨alt man die dritte Tetradengleichung. Diese Redundanz muss vor Durchf¨ uhrung des Tetradentests beseitigt werden (siehe Anhang A). Die Gleichungen (8.5.15) sind unabh¨angig von den konkreten Werten der Pfadkoeffizienten und der Varianz der latenten Variable erf¨ ullt, dr¨ ucken also Eigenschaften des Modells, nicht der gesch¨atzten Parameter aus. Hierin liegt gerade die besondere Bedeutung der Tetradendifferenzen f¨ ur die Unterscheidung zwischen reflexiven und formativen Messmodellen: Im letzteren Fall verschwindet im Allgemeinen keine der Tetraden in den Gleichungen (8.5.15). Das formative Messmodell ξ=



γi xi + ζ

(8.5.16)

i

bildet die Kompositvariable ξ als Linearkombination der manifesten Variablen xi zuz¨ uglich einem St¨orterm ζ ab, der den Einfluss all derjenigen Variablen umfasst, die zwar ξ beeinflussen, aber im Modell nicht enhalten sind. Die manifesten Variablen xi sind hier also exogene Gr¨oßen, deren Assoziation im Modell nicht untersucht wird, folglich werden auch keine Einschr¨ankungen hinsichtlich der Populationskovarianzen σij = E(xi xj ) gemacht. Damit k¨onnen Tetraden im formativen Fall nur dann verschwinden, wenn auf jeder Seite der Tetradendifferenzen mindestens je eine Kovarianz gleich Null oder zuf¨allig σgh σij gleich σgi σhj ist. Die in der Stichprobe realisierten Sch¨atzer tghij der verschwindenden GrundgesamtheitsTetraden τghij werden aufgrund des Stichprobenfehlers im Allgemeinen von Null abweichen. Mit einer von Bollen (1990) entwickelten Teststatistik kann f¨ ur einen maximalen Satz nichtredundanter verschwindender Tetraden simultan ein Test auf die Hypothesen uhrt werden. Die Teststatistik ist χ2 -verteilt, wobei H0 : τ = 0 und H1 : τ = 0 durchgef¨ die Zahl der Freiheitsgrade gleich der Zahl der nichtredundant verschwindenden Tetraden ist.117 Eine nichtsignifikante Teststatistik deutet darauf hin, dass die beobachteten Tetraden nicht signifikant von Null abweichen und somit die Daten mit dem betrachteten reflexiven Messmodell vertr¨aglich sind, stellt also eine notwendige Bedingung f¨ ur eine reflexive Konstruktmessung dar. Die Berechnung der Teststatistik und vor allem die Ermittlung redundanter verschwindender Tetraden ist aufw¨andig, so dass Ting (1995) den gesamten Algorithmus, also die Ermittlung verschwindender Tetraden, die Elimination redundanter Tetraden sowie die Errechnung des Testers, in einem SAS-Makro implementiert hat. Da die Statistik-Software SAS dem Autor der vorliegenden Arbeit nicht zur Verf¨ ugung stand, wurde der Algorithmus im Computeralgebra-System Mathematica programmiert, vgl. Anhand A. Ein 117

Bollen und Ting (2000), S. 12.

8. Methodik der Datenauswertung

196

wesentlicher Vorteil dieser Implementierung besteht darin, dass mit Mathematica die verschwindenden Tetraden symbolisch direkt anhand von Gleichung (8.3.11) ermittelt werden k¨onnen, w¨ahrend in SAS zun¨achst die Erzeugung eines k¨ unstlichen Datensatzes aus der unterstellten Modellstruktur heraus notwendig ist, um anschließend numerisch die veschwindenden Tetraden zu bestimmen.118 8.5.3

Behandlung reflexiver Konstrukte

Ausgangspunkt der Skalenbildung, d. h. der Operationalisierung eines Konstrukts durch ein reflexives Messmodell, ist zun¨achst die Generierung eines umfassenden Itempools. Hierbei m¨ ussen m¨oglichst alle Facetten erfasst werden, die im vorangegangenen Prozess der Konzeptualisierung definiert wurden, wobei in der Auswahl der Items im Zweifelsfall sogar noch die vom Forscher definierte inhaltliche Dom¨ane des Konstrukts u ¨berschritten werden kann.119 Die Elimination derjenigen Indikatoren, die nur einen schwachen Zusammenhang mit dem Rest der Skala aufweisen, kann im Zuge der Datenauswertung leicht durch psychometrische Analysen erfolgen, wohingegen die Identifikation fehlender Aspekte auf diese Weise nat¨ urlich nicht m¨oglich ist.120 Die G¨ ute, mit der ein Konstrukt durch ein reflexives Messmodell erfasst wird, l¨asst sich vor allem anhand der Dimensionen Reliabilit¨at und Validit¨at erfassen, die ihre statistische Fundierung im Rahmen der klassischen Testtheorie erfahren. Deren Ausgangspunkt ist die Annahme, dass sich eine Beobachtung x aus einem wahren Wert t und einem Messfehler e zusammensetzt, wobei der Erwartungswert der Fehlervariablen Null ist sowie die Korrelationen zwischen wahren Werten und Fehlern und die Korrelationen der Fehlervariablen untereinander gleich Null sind.121 Um den Unterschied zwischen Reliabilit¨at und Validit¨at einer Messung definieren zu k¨onnen, muss diese Grundstruktur der klassischen Testtheorie dadurch modifiziert werden, dass der Messfehler e gedanklich in einen systematischen Messfehler s sowie einen zuf¨alligen Messfehler r zerlegt wird,122 x=t+s+r

.

(8.5.17)

Ein Messinstrument ist dann vollst¨andig valide, wenn die beobachteten Gr¨oßen exakt den 118

Vgl. Bollen und Ting (1993), S. 156.

119

Loevinger (1957, S. 659) bringt dies wie folgt zum Ausdruck: The items of the pool should be chosen ” so as to sample all possible contents which might comprise the putative trait according to all known alternative theories of the trait“.

120

Clark und Watson (1995), S. 311.

121

Lord und Novick (1968), S. 36. Vgl. f¨ ur die entsprechende Formulierung im Rahmen des LISRELModells auch Gleichung (8.3.8).

122

Zeller und Carmines (1980), S. 12.

8.5. Vorgehen bei der Analyse des Messmodells

197

wahren Gr¨oßen entsprechen, x = t, wenn also weder systematische noch zuf¨allige Messfehler vorliegen.123 Ist das Messinstrument dagegen mit systematischen Messfehlern behaftet, aber keinen Zufallsfehlern unterworfen, so ist es zumindest reliabel (zuverl¨assig). Reliabilit¨at ist damit eine notwendige, jedoch keine hinreichende Bedingung f¨ ur Validit¨at.124 Die Methoden zur Beurteilung von Reliabilit¨at und Validit¨at einer Messung werden in den folgenden Abschnitten n¨aher erl¨autert, zun¨achst soll jedoch noch das verwandte Konzept der Unidimensionalit¨at eingef¨ uhrt werden. 8.5.3.1

Unidimensionalit¨at

Eine grundlegende Annahme der Messtheorie besteht darin, dass alle Indikatoren eines Messinstruments nur ein gemeinsames Konstrukt messen.125 Der Umstand, dass nur eine latente Variable einer Reihe von manifesten Variablen zugrunde liegt, wird als Unidimen¨ ur die Uberpr¨ ufung einer Skala auf sionalit¨at bezeichnet.126 Obwohl vielf¨altige Maßgr¨oßen f¨ Unidimensionalit¨at vorgeschlagen wurden, haben sich im Gegensatz zur Reliabilit¨ats- und Validit¨atsbeurteilung bislang keine weithin akzeptierten Standards durchsetzen k¨onnen.127 Eine zuverl¨assige Beurteilung scheint am ehesten im Rahmen von Latent-Trait-Modellen m¨oglich zu sein.128 Eindeutig nachgewiesen ist mittlerweile jedoch, dass Reliabilit¨atskennzahlen nicht zur Beurteilung der Unidimensionalit¨at einer Skala eingesetzt werden k¨onnen. Reliabilit¨at (gemessen als interne Konsistenz) stellt eine Aussage u ¨ber den Grad dar, zu dem die Items einer Skala frei von zuf¨alligen Messfehlern sind, w¨ahrend Unidimensionalit¨at ein Ausdruck daf¨ ur ist, dass s¨amtliche Indikatoren nur einen dahinterliegenden Faktor abbilden. Green et al. (1977) sowie Cortina (1993) haben Simulationen durchgef¨ uhrt, die zeigen, dass auch Items, die unter einem mehrdimensionalen Modell erzeugt wurden, je nach H¨ohe ihrer mittleren Korrelationen zu befriedigenden bis hohen Werten f¨ ur Cronbach’s Alpha f¨ uhren k¨onnen.129 Eine solche Konstellation liegt gerade dann vor, wenn es mehrere B¨ undel von Items gibt, die einer Dimension entstammen und untereinander stark korrelieren, w¨ahrend zwischen den Items verschiedener Dimensionen nur geringe Korrelationen bestehen. Umgekehrt kann auch aus niedrigen Reliabilit¨atskennzahlen nicht auf 123

In diesem Fall wird also die gesamte beobachtete Varianz der Messgr¨ oße allein durch die Varianz im zugrunde liegenden Konstrukt erkl¨ art. Vgl. Peter (1981), S. 134

124

Churchill (1979), S. 65.

125

Lumsden (1976), S. 266.

126

Anderson und Gerbing (1982), S. 453; Hattie (1985), S. 139.

127

Vgl. dazu u. a. den Diskurs in den Ver¨ offentlichungen Anderson und Gerbing (1982), Kumar und Dillon (1987) und Anderson et al. (1987).

128

Hattie (1985), S. 158.

129

Cortina (1993), S. 102.

8. Methodik der Datenauswertung

198

die Mehrdimensionalit¨at einer Skala geschlossen werden, obwohl dies oft in der Literatur behauptet wird.130 Damit ist interne Konsistenz also weder eine notwendige noch eine hinreichende Bedingung f¨ ur die Unidimensionalit¨at einer Skala. Als pragmatische Methode zur Beurteilung der Unidimensionalit¨at einer Skala hat sich mittlerweile die Verwendung exploratorischer und konfirmatorischer Faktorenanalysen durchgesetzt.131 Sowohl im Rahmen einer exploratorischen als auch einer konfirmatorischen Faktorenanalyse stellt sich jeweils die zentrale Frage, ob die Analyse simultan u ¨ber mehrere latente Variablen oder aber f¨ ur jede Variable separat ausgef¨ uhrt werden sollte. Analysiert man jede latente Variable separat, so kann man zwar feststellen, ob die jeweiligen Indikatoren signifikant mit der latenten Variable, die sie erfassen sollen, assoziiert sind, erh¨alt jedoch keine Informationen u ur Uni¨ber die zweite notwendige Bedingung f¨ dimensionalit¨at, n¨amlich dass die Indikatoren nicht gleichzeitig auch die Facetten einer weiteren latenten Variable widerspiegeln.132 Exploratorische Faktorenanalysen k¨onnen zum einen zur Konstruktion von unidimensionalen Skalen durch Itemselektion verwendet werden. Hierbei werden aus einem anf¨anglich gew¨ahlten Pool diejenigen Indikatoren eliminiert, die nur niedrige Faktorladungen bez¨ uglich einer latenten Variable aufweisen bzw. – im Fall mehrerer extrahierter Faktoren – deutliche Querladungen“ auf weitere latente Variablen aufweisen. Zum an” deren kann eine exploratorische Faktorenanalyse auch dazu verwendet werden, die Unidimensionalit¨at einer ex ante definierten Itembatterie dadurch nachzuweisen, dass im Zuge der Faktorenanalyse nach dem Kaiser-Kriterium nur ein Faktor extrahiert wird.133 Im Rahmen konfirmatorischer Faktorenanalysen kann ein Test auf Unidimensionalit¨at anhand der Anpassungsg¨ ute von Modellen erfolgen, die so spezifiziert sind, dass alle Indikatoren auf genau einen Faktor laden. Eine nicht signifikante χ2 -Teststatistik bzw. gute Fitmaße deuten auf eindimensionale Skalen hin. Erh¨alt man dagegen nur eine unbefriedigende Anpassungsg¨ ute, so kann man v. a. anhand der Residual-Kovarianzmatrix diejenigen Indikatoren identifizieren, die am schlechtesten mit dem eindimensionalen Mouft werden, ob sich dell vertr¨aglich sind.134 Mit einem χ2 -Differenztest kann dann u ¨berpr¨ die Indikatoren-Menge eventuell besser durch ein Zwei-Faktor-Modell erkl¨aren l¨asst.135 130

So unter anderem von Clark und Watson (1995), S. 315 und Cortina (1993), S. 100.

131

Ahire und Devaraj (2001), S. 321f.

132

O’Leary-Kelly und Vokurka (1998), S. 391f.

133

Homburg und Giering (1996), S. 12.

134

Bollen (1989), S. 262; McDonald (1981), S. 102.

135

Hattie (1985), S. 147.

8.5. Vorgehen bei der Analyse des Messmodells

8.5.3.2

199

Reliabilit¨at

Als Reliabilit¨at (Zuverl¨assigkeit) bezeichnet man nach den obigen Ausf¨ uhrungen den Grad, zu dem die Indikatoren eines Konstrukts frei von zuf¨alligen Messfehlern sind.136 In der empirischen Sozialforschung werden drei klassische Standardformen von Reliabilit¨atspr¨ ufungen unterschieden:137 (1) Test-Retest-Reliabilit¨at, d. h. Korrelation mit einer Vergleichsmessung desselben Messinstruments zu einem zweiten Zeitpunkt, (2) ParalleltestReliabilit¨at, d. h. Korrelation mit einer Vergleichsmessung auf einem a¨quivalenten Messinstrument und (3) Interne-Konsistenz- oder Split-Half-Reliabilit¨at, d. h. Korrelation zwischen zwei H¨alften der Items eines Messinstruments. Da in der empirischen Sozialforschung wirklich ¨aquivalente Messinstrumente nur schwer zu definieren und wiederholte Messungen nur selten zu realisieren sind, werden in der Praxis vor allem Reliabilit¨atsmaße der dritten Kategorie verwendet.138 Split-Half-Reliabilit¨atsmaße erfassen die Homogenit¨at einer Skala, indem sie die beobachteten Werte der Indikatoren h¨alftig teilen und die so entstandenen Halbskalen miteinander korrelieren. Dabei stellt sich allerdings die grundlegende Frage, nach welchem Kriterium die Skala geteilt werden soll. Meist geschieht dies durch die Trennung von gerade und ungerade numerierten Items oder nach einem Zufallsprinzip, wobei diese Varianten jeweils zu einem anderen Zahlenwert f¨ uhren, was nicht als erstrebenswert angesehen 139 werden kann. Diesen Mangel behebt Cronbachs Alpha-Koeffizient, der die Reliabilit¨at einer Skala mit k Items als Mittelwert aller m¨oglichen Split-Half-Korrelationen wie folgt bestimmt:140   k var(xi ) k 1 − i=1 α= k−1 var(xt )   (8.5.18) k k i=1 var(xi ) = 1 − k k k−1 i=1 var(xi ) + 2 i>j cov(xi , xj ) Alpha kann Werte zwischen Null und Eins annehmen; empirische Werte u ¨ber 0,7 bzw. 0,8 werden h¨aufig als akzeptabel betrachtet. Aus Gleichung (8.5.18) geht jedoch hervor, dass Alpha eine Funktion der Itemzahl sowie ihrer wechselseitigen Korrelationen ist. Durch eine große Zahl von Indikatoren kann somit auch bei einer niedrigen mittleren Korrelation der 136

Peter (1979), S. 7; Peter und Churchill (1986), S. 4.

137

Bollen (1989), S. 209ff.; O’Leary-Kelly und Vokurka (1998), S. 395ff.; Peter (1979), S. 8ff.; Schnell et al. (1995), S. 145ff.; Zeller und Carmines (1980), S. 52ff.

138

O’Leary-Kelly und Vokurka (1998, S. 395) stellen unterschiedliche Methoden der Reliabilit¨ atssch¨ atzung mit ihren jeweiligen Voraussetzungen sowie Vor- und Nachteilen tabellarisch gegen¨ uber.

139

Bollen (1989), S. 215ff., Peter (1979), S. 8.

140

Cronbach (1951), S. 299; Lord und Novick (1968), S. 87-95.

8. Methodik der Datenauswertung

200

Skalenitems und dem Vorliegen zuf¨alliger Messfehler ein hoher Alpha-Koeffizient erzielt werden. Neben den klassischen Formen der Reliabilit¨atspr¨ ufung setzen sich in letzter Zeit verst¨arkt Methoden durch, die von schw¨acheren Voraussetzungen ausgehen und auf Informationen basieren, die im Rahmen konfirmatorischer Faktorenanalysen ermittelt werden.141 Diese Kennzahlen gehen von der klassischen Definition von Reliabilit¨at als quadrierter Korrelation zwischen den beobachteten Werten x und den wahren Werten t aus.142 Die Reliabilit¨at ρi f¨ ur einen Indikator xi einer latenten Variable ξ berechnet sich damit als quadrierte Korrelation zwischen Indikator und latenter Variable.143 Unter den in Abschnitt 8.3 genannten Voraussetzungen kann eine a¨quivalente Darstellung der Indikatorreliabilit¨at als Quotient zwischen der durch das Konstrukt erkl¨arten Varianz λ2i · var(ξ) und der den Messfehler beinhaltenden Gesamtvarianz von xi hergeleitet werden,144 ρi =

λ2i · var(ξ) [cov(xi , ξ)]2 = 2 var(xi ) · var(ξ) λi · var(ξ) + var(δi )

,

(8.5.19)

wobei λi die gesch¨atzte Faktorladung und δi der gesch¨atzte Messfehler des Indikators sind.145 Die Indikatorreliabilit¨at ist auf den Bereich von Null bis Eins normiert. Ab wann ihre Werte als befriedigend angesehen werden k¨onnen, ist in der Literatur umstritten, allerdings wird h¨aufig eine Indikatorreliabilit¨at von wenigstens 0,4 gefordert.146 Wichtiger als die Frage, wie gut einzelne Indikatoren eine latente Variable messen, ist die Frage, wie gut sie durch die Gesamtheit der ihr zugeordneten Indikatoren abgebildet wird. Der ur die Faktorreliabilit¨at ermittelt von Werts, Linn und J¨oreskog angegebene Index ρWLJ f¨ ¨ahnlich wie Cronbach’s Alpha eine aggregierte Reliabilit¨at als Anteil der durch die latente Variable erkl¨arten Varianz an der Gesamtvarianz,147 ρWLJ =

  ( i λi )2 · var(ξ) [cov( i xi , ξ)]2  =   var( i xi ) · var(ξ) ( i λi )2 · var(ξ) + i var(δi )

,

(8.5.20)

wobei hier Werte oberhalb von 0,6 als erstrebenswert gelten.148 Fornell und Larcker (1981) schlagen daneben ein ¨ahnlich berechnetes Maß f¨ ur die durchschnittlich erkl¨arte Varianz 141

Fornell und Larcker (1981), S. 45f.; O’Leary-Kelly und Vokurka (1998), S. 398f.

142

Lord und Novick (1968), S. 61.

143

Wiley und Wiley (1970), S. 112.

144

Bei der Herleitung wird von den Gleichungen (8.3.7) und (8.3.8) sowie den Rechenregeln f¨ ur Varianzen und Kovarianzen Gebrauch gemacht.

145

Bagozzi und Baumgartner (1994), S. 402; Fornell und Larcker (1981), S. 45; Ping (2004), S. 129.

146

Bagozzi und Baumgartner (1994), S. 402.

147

Werts et al. (1974), S. 29.

148

Fornell und Larcker (1981), S. 46; Bagozzi und Yi (1988).

8.5. Vorgehen bei der Analyse des Messmodells

201

vor, das zur Beurteilung der Konvergenzvalidit¨at verwendet werden kann und in Abschnitt 8.5.3.3 n¨aher beschrieben wird, vgl. Gleichung (8.5.21) auf S. 202. 8.5.3.3

Validit¨at

Die Validit¨at (G¨ ultigkeit) eines Messinstruments bezeichnet das Ausmaß, in dem das Messinstrument tats¨achlich das misst, was es messen sollte, also den Grad, zu dem die gemessenen Werte x den wahren Werten t entsprechen. Wie bereits oben erw¨ahnt, sind Unidimensionalit¨at und Reliabilit¨at nur notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzungen f¨ ur die Validit¨at eines Messinstruments, da auch eine (praktisch) zufallsfehlerfreie Messung eines Faktors eben den falschen Faktor messen und damit invalide sein kann.149 Die Validit¨at eines Instruments wird in der Praxis anhand von drei Kriterien definiert, n¨amlich Inhaltsvalidit¨at, Kriteriumsvalidit¨at und Konstruktvalidit¨at.150 Inhaltsvalidit¨ at Inhaltsvalidit¨at bezieht sich darauf, dass m¨oglichst alle Aspekte der Dimension, die gemessen werden sollte, ber¨ ucksichtigt wurden. Da diese Definition wenig operational ist, wird Inhaltsvalidit¨at h¨aufig mit der sog. Face-Validity, der logischen und fachlichen Beurteilung einer Skala durch Experten, gleichgesetzt.151 Bohrnstedt (1970, S. 92) kennzeichnet Inhaltsvalidit¨at durch den Grad, zu dem die eine Skala konstituierenden Items den inhaltlich-semantischen Bereich des Konstrukts repr¨asentieren und seine inhaltlichen Facetten vollst¨andig erfassen.152 Kriteriumsvalidit¨ at Die Kriteriumsvalidit¨at eines Messinstruments ist dann gegeben, wenn zwischen den empirisch gemessenen Ergebnissen des Messinstruments und einem anders gemessenen Kriterium ein starker Zusammenhang besteht. Wird das Alternativkriterium zur gleichen Zeit wie das eigentliche Messinstrument erhoben, so wird das Zusammenhangsmaß auch als Concurrent Validity bezeichnet; ist die Messung des Alternativkriteriums zu einem sp¨ateren Zeitpunkt erfolgt, so gibt der Zusammenhang beider Ergebnisse Auskunft u ¨ber die Predictive Validity (Prognosevalidit¨at). Die praktische Anwendbarkeit der Kriteriumsvalidit¨at als G¨ utekriterium einer Skala ist allerdings – ¨ahnlich wie im Falle der oben erw¨ahnten Paralleltest-Reliabilit¨at – dadurch stark eingeschr¨ankt, dass es nur selten m¨oglich ist, eine hinreichend genau messbare Kriteriumsvariable f¨ ur die Validierung der Messung zu identifizieren.153 Konstruktvalidit¨ at 149

Nunnally (1978), S. 103; Zeller und Carmines (1980),S. 77f.

150

Cronbach und Meehl (1955), S. 281.

151

Churchill (1979), S. 69.

152

Vgl. auch Haynes et al. (1995) und Rossiter (2002).

153

Schnell et al. (1995), S. 150.

8. Methodik der Datenauswertung

202

Aussagekr¨aftiger als die beiden vorher genannten Merkmale ist das Konzept der Konstruktvalidit¨at, das auf Cronbach und Meehl (1955) zur¨ uckgeht. Unter Konstruktvalidit¨at versteht man die Beziehung zwischen einem abstrakten, begrifflich festgelegten Konstrukt und seiner operativen Messkonzeption. Sie kann dann als ideal erf¨ ullt angesehen werden, wenn ein Messinstrument Gr¨oße und Richtung aller Charakteristika eines Konstrukts erfasst und nicht daneben noch durch zuf¨allige oder systematische Einfl¨ usse anderer Variablen gepr¨agt wird.154 Bei der Beurteilung der Konstruktvalidit¨at wird oft wiederum zwischen Konvergenz- und Diskriminanzvalidit¨at155 sowie nomologischer Validit¨at156 unterschieden. Konvergenzvalidit¨at kann als Korrelation zweier Messungen bestimmt werden, die mit maximal unterschiedlichen Messmethoden erhoben wurden. Traditionell wurde die Konvergenzvalidit¨at anhand sog. Multitrait-Multimethod-Matrizen nach Campbell und Fiske (1959) beurteilt, wobei sich mittlerweile eine methodisch verl¨asslichere Variante im Rahmen hierarchisch geschachtelter konfirmatorischer Faktorenanalysen durchgesetzt hat.157 Da die vorliegende Arbeit jedoch einen Key-Informant-Ansatz verfolgt und damit keine separaten Messmethoden zur Verf¨ ugung stehen, kann hier keine MTMM-Analyse durchgef¨ uhrt werden. Stattdessen ist es in den weitverbreiteten Monomethoden-Studien g¨angige Praxis, die einzelnen Indikatoren einer Skala als separate Methoden der Konstruktmessung ur die Konzu betrachten und auf ihre Konvergenz zu pr¨ ufen.158 Ein Minimalkriterium f¨ vergenzvalidit¨at eines Messinstruments stellt dabei zun¨achst die Forderung dar, dass alle Faktorladungen hinreichend groß und signifikant sind, was durch einen t-Test u uft ¨berpr¨ werden kann.159 Ein sch¨arferes Kriterium fordert, dass die durchschnittlich erfasste Varianz ρave einer latenten Variable ξ, 

ρave = 

2 i λi

2 i λi · var(ξ)  · var(ξ) + i var(δi )

,

(8.5.21)

wenigstens 0,5 betr¨agt, dass also der Varianzanteil, der auf Fehlervariablen zur¨ uckzuf¨ uhren ist, unter 50 Prozent liegt.160 Die Konvergenzvalidit¨at eines mehrdimensionalen Konstrukts l¨asst sich daneben durch die paarweise Untersuchung seiner einzelnen Dimensionen u ufen. Dabei wird jeweils u ¨berpr¨ ¨ber einen χ2 -Differenztest ein Modell, bei dem die Korrelation zwischen beiden Faktoren frei gesch¨atzt wird, mit einem solchen vergli154

Peter (1981), S. 134.

155

Campbell und Fiske (1959), S. 81.

156

Cronbach und Meehl (1955), S. 290ff.

157

Vgl. hierzu die grundlegenden Arbeiten von Widaman (1985) sowie Bagozzi et al. (1991).

158

Ahire und Devaraj (2001), S. 322; Ping (2004), S. 131.

159

Bagozzi und Phillips (1982), S. 434; Homburg und Giering (1996), S. 11.

160

Fornell und Larcker (1981), S. 46; Ping (2004), S. 131.

8.5. Vorgehen bei der Analyse des Messmodells

203

chen, das die Korrelation auf Null fixiert. Ist die Anpassungsg¨ ute bei frei korrelierenden Faktoren jeweils signifikant h¨oher als bei den restringierten Alternativmodellen, so deutet dies auf die enge Verbindung der Dimensionen und damit die Konvergenzvalidit¨at des multidimensionalen Konstrukts hin.161 Diskriminanzvalidit¨at liegt dann vor, wenn empirisch gezeigt werden kann, dass ein Messinstrument andere Sachverhalte misst, als andere Instrumente. Zur praktischen ¨ Uberpr¨ ufung k¨onnen verschiedene Kriterien herangezogen werden, die die Korrelationen des betrachteten Messinstruments mit anderen Skalen untersuchen.162 Zun¨achst lassen uhren, die den χ2 -Wert eines Ausgangsmodells mit denen sich χ2 -Differenztests durchf¨ von hierarchisch geschachtelten Modellen vergleichen, bei denen jeweils die Korrelation zweier Modellfaktoren auf Eins fixiert wurde. Die Nullhypothese des χ2 -Tests mit einem Freiheitsgrad besteht darin, dass sich die Anpassungsg¨ ute des Modells durch die zus¨atzliche Restriktion nicht signifikant verschlechtert, dass die beiden Faktoren also das Gleiche messen. Ist die χ2 -Differenz dagegen signifikant, kann die Diskriminanzvalidit¨at der beiden Konstrukte als gew¨ahrleistet angesehen werden.163 Weiterhin haben Fornell und Larcker (1981, S. 46) vorgeschlagen, die durchschnittlich erfasste Varianz ρave eines Faktors i mit den quadrierten Korrelationen Φij zwischen diesem Faktor und allen weiteren Faktoren j zu vergleichen. Ist die durchschnittlich erfasste Varianz ausnahmslos gr¨oßer als die quadrierten Korrelationen, kann dies als Best¨atigung der Diskriminanzvalidit¨at angesehen werden. Erg¨anzend kann man schließlich noch das Konfidenzintervall f¨ ur den Korrelationskoeffizienten zwischen zwei Skalen ermitteln, um festzustellen, ob darin der Wert Eins enthalten ist. Dies w¨are als Mangel an Diskriminanzvalidit¨at zu interpretieren.164 Nomologische Validit¨at bezeichnet schließlich den Grad, zu dem die auf einem Konstrukt basierenden Vorhersagen im Rahmen einer umfassenderen Theorie best¨atigt werden. Die Betrachtung der nomologischen Validit¨at erfordert also die Einbindung des Konstrukts in einen u ¨bergeordneten theoretischen Rahmen, ein sog. nomologisches Netz,165 aus dem sich empirisch u ufbare Hypothesen ableiten lassen. Ein Test auf nomolo¨berpr¨ ¨ gische Validit¨at l¨auft im Endeffekt also auf die empirische Uberpr¨ ufung des Wahrheitsgehaltes der Theorie und ihrer Substanzhypothesen hinaus und ist von dieser nicht zu trennen.166

161

Gatignon (2003), S. 179; Gatignon et al. (2002), S. 1109.

162

Ahire und Devaraj (2001), S. 322; Ping (2004), S. 131.

163

Bagozzi und Phillips (1982), S. 475.

164

Anderson und Gerbing (1988), S. 416.

165

Cronbach und Meehl (1955), S. 290.

166

Cronbach und Meehl (1955), S. 320; Schwab (1980), S. 2.

8. Methodik der Datenauswertung

204

8.5.4

Behandlung formativer Konstrukte

Obwohl formative Messmodelle seit den siebziger Jahren diskutiert werden und inhaltlich h¨aufig eher angebracht sind als reflexive Modelle, haben sie in wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Studien bislang kaum Verwendung gefunden.167 Die Bevorzugung reflexiver Messmodelle mag einerseits durch die spezifisch auf die Skalenbildung zugeschnittenen methodischen Anforderungen einschl¨agiger Fachzeitschriften beg¨ unstigt werden, kann andererseits aber auch auf methodische Schwierigkeiten zur¨ uckzuf¨ uhren sein, die sich bei der Spezifikation formativer Modelle im Rahmen von Strukturgleichungsmodellen ergeben.168 Zum einen ist die Grundform eines formativen Messmodells, wie sie in Abbildung 8.1b dargestellt ist, wegen des Fehlerterms auf Konstruktebene und der fehlenden Skalenfixierung nicht identifiert, zum anderen muss eine Entscheidung dar¨ uber getroffen werden, wie die Kovarianzen der formativen Items untereinander und mit anderen exogenen Konstrukten zu behandeln sind. Um die Identifikation eines formativen Messmodells zu erreichen, m¨ ussen mehrere Bedingungen erf¨ ullt sein. Zun¨achst muss, wie auch bei reflexiven Konstrukten, die Skala des Messmodells festgelegt werden, indem entweder der Pfad eines Items auf das Konstrukt hin auf Eins fixiert wird oder die Residualvarianz des Konstrukts auf Eins fixiert wird.169 Weiterhin m¨ ussen von einer formativ gebildeten Variable wenigstens zwei Pfade ausgehen, die jeweils entweder auf eine latente Variable mit Effektindikatoren oder auf eine ¨ direkt beobachtete Variable gerichtet sind.170 Abbildung 8.2 pr¨asentiert einen Uberblick u ¨ber verschiedene Strukturmodelle mit formativen Konstrukten: (a) Ein formatives Konstrukt, das f¨ ur sich allein nicht identifiziert ist, (b) ein formatives Konstrukt, das durch zwei Strukturbeziehungen identifiziert ist, (c) ein formatives Konstrukt, das durch einen zus¨atzlichen reflexiven Indikator und eine Strukturbeziehung identifiziert ist und (d) ein formatives Konstrukt, das durch zwei zus¨atzliche reflexive Indikatoren identifiziert ist. Letzteres Modell ist in der Literatur als MIMIC (multiple indicators and multiple causes)uber den beiden anderen den Vorteil, dass es unabh¨angig Modell171 bekannt und hat gegen¨ von anderen Konstrukten identifiziert ist und damit an beliebigen Stellen des Pfadmodells

167

Fr¨ uhe Unterscheidungen zwischen reflexiven und formativen Messmodellen finden sich beispielsweise bei Blalock (1971), S. 336 und Heise (1973), S. 6. Diamantopoulos und Winklhofer (2001), S. 275 sowie Jarvis et al. (2003), S. 205ff. demonstrieren anhand zahlreicher Beispiele aus der Marketingliteratur, dass Konstrukte, die eigentlich als formativ aufzufassen sind, in der Forschungspraxis meist durch reflexive Messmodelle abgebildet werden.

168

Jarvis et al. (2003), S. 213.

169

Jarvis et al. (2003), S. 213

170

MacCallum und Browne (1993), S. 540.

171

Hauser und Goldberger (1971), S. 95ff.; J¨ oreskog und Goldberger (1975), S. 631ff.; Winklhofer und Diamantopoulos (2002), S. 152ff.

8.5. Vorgehen bei der Analyse des Messmodells

205

platziert werden kann.172 (a)

(b)

(c)

(d)

Abbildung 8.2: Idenfizierung verschiedener formativer Messmodelle: (a) Nicht identifiziert, (b) Identifizierung durch zwei Strukturbeziehungen, (c) Identifizierung durch zwei zus¨ atzliche reflexive Indikatoren, (d) Identifizierung durch einen zus¨ atzlichen reflexiven Indikator und eine Strukturbeziehung.

Eine weitere Entscheidung, die im Zusammenhang mit formativen Konstrukten gef¨allt werden muss, betrifft Frage, wie die Kovarianzen der formativen Items untereinander und mit anderen exogenen Konstrukten zu modellieren sind. Bei formativen Items handelt es sich um exogene Variablen, da sie zwar andere Modellvariablen u ¨ber gerichtete Pfade beeinflussen, selbst jedoch keine gerichteten Pfade empfangen. Auf Grund der Tatsache, dass auch exogene Variablen u ¨ber nicht im Modell abgebildete Gr¨oßen gemeinsamen Einfl¨ ussen ( spurious causes“ 173 ) unterliegen und korreliert sein k¨onnen, besteht daher im ” Rahmen von Strukturgleichungsmodellen die Konvention, alle Kovarianzen zwischen exogenen Variablen als freie Modellparameter sch¨atzen zu lassen. Vor diesem Hintergrund 172

Allerdings haftet dem MIMIC-Modell eine gewisse konzeptionelle Mehrdeutigkeit an. Das Modell l¨ asst sich auf drei verschiedene Weisen interpretieren, n¨ amlich (1) als ein Konstrukt mit mehreren formativen und zwei reflexiven Indikatoren, (2) als mehrere exogene Variablen, die ein endogenes Konstrukt mit zwei reflexiven Indikatoren beeinflussen und (3) als ein formativ gemessenes Konstrukt, das zwei manifeste Variablen anderer Konstrukte beeinflusst. Vgl. Jarvis et al. (2003), S. 213.

173

Simon (1954), S. 467ff.

8. Methodik der Datenauswertung

206

unterscheiden MacCallum und Browne (1993) zwei Strategien zur Behandlung formativer Konstrukte. Im Rahmen der ersten Strategie werden nur die Kovarianzen formativer Items eines Konstrukts untereinander gesch¨atzt, die Kovarianzen mit anderen manifesten und latenten exogenen Variablen werden dagegen auf Null fixiert. Die zweite Strategie entspricht demgegen¨ uber dem u ¨blichen Vorgehen bei der Strukturgleichungsanalyse und behandelt alle Kovarianzen exogener Variable als frei zu sch¨atzende Modellparameter.174 Der erste Ansatz hat den Vorteil, dass die statistische Sparsamkeit des Modells nicht durch eine große Zahl von nicht mit Hypothesen untermauerten Kovarianzpfaden gef¨ahrdet wird, trifft andererseits aber die sehr starke Annahme einer vollst¨andigen Unkorreliertheit der formativen Konstrukte untereinander und mit anderen Konstrukten. Dagegen zeichnet sich der zweite Ansatz, der von MacCallum und Browne (1993) empfohlen wird, durch den Vorteil aus, dass die Anpassungsg¨ ute nicht durch eine große Zahl auf Null fixierter Modellparameter gef¨ahrdet wird, ist jedoch statistisch alles andere als sparsam, so dass der Modell-Fit zu einem guten Teil durch Parameter bestimmt wird, denen keine theoretisch belastbare Hypothese zu Grunde liegt. Um hier eine begr¨ undete Entscheidung treffen zu k¨onnen, empfehlen Jarvis et al. (2003) die Betrachtung einer Reihe ineinander geschachtelter Modelle. Ausgehend vom sparsamen ersten Modell k¨onnen sukzessive weitere Kovarianzen aufgenommen werden uft werden, ob die zus¨atzlichen Freiheitsgrade den Erund durch χ2 -Differenztests u ¨berpr¨ kl¨arungswert des Modells signifikant verbessern.175 8.5.5

Mehrdimensionale Konstrukte und Faktorenanalysen zweiter Ordnung

Die Diskussion hat sich bislang auf die Beziehung zwischen empirisch beobachteten Indikatoren und latenten Variablen erster Ordnung beschr¨ankt. Die konzeptionelle Definition von Konstrukten erfolgt jedoch oft auf einer abstrakteren Ebene, die mehrere reflexive oder formative Dimensionen erster Ordnung umfassen kann. K¨onnen diese verschiedenen Facetten oder Dimensionen auf einer abstrakteren Ebene so zusammengefasst werden, dass sich die Abstraktion als inhaltlich sinnvoll erweist und dar¨ uber hinaus eine sparsame statistische Modellierung erm¨oglicht, so kann das Konstrukt als multidimensional angesehen werden.176 Die Dimensionen korrelieren dabei untereinander im Allgemeinen nur moderat und repr¨asentieren das multidimensionale Konstrukt nur unvollkommen. Sie werden jedoch zusammengefasst, da jede Dimension eine bestimmte Facette des allgemeineren Konstrukts erfasst.177 174

MacCallum und Browne (1993), S. 536.

175

Jarvis et al. (2003), S. 215.

176

Law et al. (1998), S. 741.

177

Law und Wong (1999), S. 144.

8.5. Vorgehen bei der Analyse des Messmodells

207

Der Nutzen multidimensionaler Konstrukte wird z. T. kontrovers diskutiert. Kritiker wenden gegen ihre Verwendung ein, dass nur konzeptionell wie empirisch eindimensionale Konstrukte inhaltlich aussagekr¨aftig seien. Multidimensionale Konstrukte seien dagegen konzeptionell oft mehrdeutig, erkl¨arten weniger Varianz als ihre einzelnen Dimensionen und verschleierten die Beziehungen zwischen diesen Dimensionen und anderen Konstrukten. Advokaten multidimensionaler Konstrukte argumentieren dagegen, dass Theorien m¨oglichst umfassend sein sollen und damit auch umfassende Variablen erfordern, die komplexe Ph¨anomene erfassen k¨onnen und f¨ ur die Theoriebildung bedeutungsvoller sind, als ihre einzelnen, teilweise sehr spezifischen Dimensionen.178 Bei der Auswertung empirischer Daten im Rahmen von Strukturgleichungsmodellen a¨ußert sich nach Ansicht von Gerbing und Anderson (1984) die Vernachl¨assigung multidimensionaler Konstrukte h¨aufig darin, dass korrelierende Fehlervarianzen zwischen mehreren Faktoren auftreten, die anzeigen, dass eine diese Variablen beeinflussende Gr¨oße, also beispielsweise ein Faktor zweiter Ordnung, nicht im Modell ber¨ ucksichtigt wurde.179 F¨ ur die eindeutige Spezifikation eines mehrdimensionalen Konstrukts ist es notwendig, die Beziehung zwischen dem Konstrukt und seinen einzelnen Dimensionen zu definieren. Hierzu werden in der Literatur latente Modelle, aggregierte Modelle und Profilmodelle unterschieden.180 Das latente bzw. u ¨bergeordnete (superordinate) Modell kann dann als realisiert angesehen werden, wenn das multidimensionale Konstrukt auf einer u ¨bergeordneten, abstrakteren Ebene existiert als seine Einzeldimensionen und diesen inhaltlich zu Grunde liegt. Die Dimensionen eines u ¨bergeordneten mehrdimensionalen Konstrukts sind also den reflexiven Indikatoren eines eindimensionalen Konstrukts ¨ahnlich, wobei zu beachten ist, dass es sich bei den Indikatoren um direkt beobachtbare Gr¨oßen handelt, w¨ahrend die Dimensionen eines latenten Konstrukts selbst latente Variablen sind, die als Manifestationen des u ¨bergeordneten Konstrukts fungieren. Im Gegensatz dazu k¨onnen aggregierte Konstrukte als Kombination ihrer Dimensionen dargestellt werden, die hier also eine ¨ahnliche Funktion wie die Indikatoren eines formativen Konstrukts erf¨ ullen.181 Bei Profilmodellen ist das multidimensionale Konstrukt wie auch beim aggregierten Konstrukt auf der Ebene der Dimensionen angesiedelt, l¨asst sich jedoch nicht durch deren algebraische Verkn¨ upfung erfassen. Vielmehr wird das multidimensionale Konstrukt durch die St¨arke der Auspr¨agung der unterschiedlichen Dimensionen charakterisiert.182 Latente mehrdimensionale Konstrukte lassen sich am besten durch Faktorenanalysen

178

Edwards (2001), S. 145; Jarvis et al. (2003), S. 204.

179

Gerbing und Anderson (1984), S. 576.

180

Law et al. (1998), S. 742f.

181

Edwards (2001), S. 146f.

182

Law et al. (1998), S. 742f.

208

8. Methodik der Datenauswertung

zweiter Ordnung erfassen, die das u ¨bergeordnete Konstrukt als Faktor zweiter Ordnung, seine Dimensionen als Faktoren erster Ordnung und deren Indikatoren als beobachtete Variablen abbilden.183 Hierdurch lassen sich die Messfehler in den beobachteten Variablen von der spezifischen, nicht durch das u ¨bergeordnete Konstrukt erkl¨arten Varianz der Dimensionen differenzieren. Dies ist nicht mehr m¨oglich, wenn man beispielsweise das u ¨bergeordnete Konstrukt als Faktor erster Ordnung und seine Dimensionen durch Summation u ¨ber die jeweiligen Indikatoren als beobachtete Variablen abbildet.184 Der wesentliche Unterschied aggregierter multidimensionaler Konstrukte gegen¨ uber den latenten Konstrukten besteht im Rahmen von Strukturgleichungsmodellen darin, dass die Pfade beim latenten Modell vom u ¨bergeordneten Konstrukt auf die Dimensionen hin gerichtet sind, w¨ahrend sie beim aggregierten Modell von den Dimensionen auf das zusammengesetzte Konstrukt weisen.185 Die Entscheidung, ob verschiedene Facetten zu einem multidimensionalen Konstrukt zusammengefasst werden sollten, und welches der beschriebenen Modelle sich daf¨ ur am ¨ besten eignet, muss vor allem durch inhaltliche Uberlegungen getrieben sein. So ist zwar beispielsweise das Vorliegen deutlicher Korrelationen zwischen den Dimensionen eine notwendige Voraussetzung f¨ ur die Anwendbarkeit des latenten Modells, jedoch nicht hinreichend, da korrelierte Dimensionen auch mit dem aggregierten und dem Profilmodell vertr¨aglich sind.186 Dennoch kann die statistische Untersuchung im Rahmen von Strukturgleichungsmodellen hier zumindest in zweierlei Hinsicht Hilfestellung leisten. Zun¨achst ist die nomologische Validit¨at der unterschiedlichen Konstruktbildungen zu pr¨ ufen, da die unterschiedlichen Abstraktionen meist auch zu unterschiedlich stark ausgepr¨agten Wirkbeziehungen im nomologischen Netzwerk f¨ uhren. Die durch die Zusammenfassung der Dimensionen erfolgende Abstraktion kann nur dann als sinnvoll erachtet werden, wenn das fragliche Konstrukt nach wie vor die erwarteten Beziehungen zu kausal vor- und nachgelagerten Konstrukten aufweist. Daneben geben die Anpassungsmaße der unterschiedlichen Strukturgleichungsmodelle einen Hinweis auf die relative Vorteilhaftigkeit der Dimensionszusammenfassung. Insbesondere kann die χ2 -Anpassungsstatistik bei latenten multidimensionalen Konstrukten dazu herangezogen werden, um eine Reihe ineinander geschachtelter Modelle durch χ2 -Differenztests zu vergleichen und damit die Dimensionalit¨at der Konstrukte zu u ufen. Man beginnt dabei mit einem m¨oglichst allgemeinen Messmodell und erlegt ¨berpr¨ ihm sukzessive weitere Restriktionen auf, so dass jedes neue Modell ein Spezialfall des

183

Hunter und Gerbing (1982); Marsh und Hocevar (1985); Rindskopf und Rose (1988).

184

Edwards (2001), S. 146.

185

Law und Wong (1999), S. 146.

186

Law et al. (1998), S. 752.

8.5. Vorgehen bei der Analyse des Messmodells

209

(a)

(b)

(c)

(d)

Abbildung 8.3: Durch den Vergleich verschiedener ineinander geschachtelter Messmodelle kann die Dimensionalit¨ at eines Konstrukts untersucht werden: (a) Faktorenanalyse erster Ordnung, (b) Faktorenanalyse zweiter Ordnung, (c) Gruppen-Faktormodell, (d) Bi-Faktormodell.

vorangegangenen ist, vgl. Abbildung 8.3. Rindskopf und Rose (1988) empfehlen, mit einem Bi-Faktormodell zu beginnen, bei dem jeder Indikator sowohl einem Faktor aus einer Gruppe korrelierender Faktoren zugeordnet ist als auch einem allgemeinen bzw. Methodenfaktor. Restringiert man die Ladungen des Methodenfaktors auf Null, erh¨alt man als Spezialfall ein reines Gruppen-Faktormodell. Schr¨ankt man die Kovarianzen zwischen den Faktoren dadurch ein, dass man einen Faktor zweiter Ordnung einf¨ uhrt, erh¨alt man wiederum als Spezialfall eine Faktorenanalyse zweiter Ordnung. Setzt man bei dieser die Einzelrestvarianzen der Faktoren erster Ordnung gleich Null, erh¨alt man schließlich eine Faktorenanalyse erster Ordnung.187 ¨ Die Anpassungsg¨ ute wird zwar im Ubergang vom Bi-Faktormodell zur Faktorenanalyse erster Ordnung immer weiter abnehmen, allerdings ben¨otigen die Modelle auch immer weniger Freiheitsgrade zur Erkl¨arung der empirischen Datenbasis und vermeiden daher zunehmend die Gefahr eines Overfitting“. Durch χ2 -Differenztests l¨asst sich je” weils u ufen, ob der Verlust an Anpassungsg¨ ute signifikant ist oder im Interesse einer ¨berpr¨ sparsameren statistischen Modellierung in Kauf genommen werden kann. Um die relative Anpassungsg¨ ute der unterschiedlichen Messmodelle schnell erfassbar zu machen, haben 187

Rindskopf und Rose (1988), S. 55f.

8. Methodik der Datenauswertung

210

Marsh und Hocevar (1985) den sog. Target-Koeffizienten vorgeschlagen, der als Quotient zwischen dem χ2 -Wert der Faktorenanalyse erster Ordnung und dem χ2 -Wert eines allgemeineren Vergleichsmodells gebildet wird.188 8.5.6

Zusammenfassung

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird grunds¨atzlich der Versuch unternommen, f¨ ur alle verwendeten Konstrukte eine mit reflexiven Messmodellen vertr¨agliche Operationalisierung zu erreichen. Daher sollen alle Konstrukte zun¨achst nach der im Abschnitt 8.5.3 dargestellten Methodik untersucht werden. Zun¨achst werden exploratorische Faktoren¨ analysen zur Uberpr¨ ufung und eventuellen Bereinigung der Itemstrukturen durchgef¨ uhrt, wobei entweder jeweils die Dimensionen eines komplexen Konstrukts oder aber ein Aggregat inhaltlich verwandter Konstrukte simultan analysiert wird. Obwohl dabei jeweils eine Hypothese f¨ ur die Anzahl der zu extrahierenden Faktoren besteht, werden Scree-Plot und ¨ Kaiser-Kriterium zur Uberpr¨ ufung herangezogen. Die Faktorl¨osungen werden zun¨achst anhand des Faktorladungsmusters und der H¨ohe der Faktorladungen beurteilt. Idealerweise wird hier eine Einfachstruktur angestrebt, bei der die Variablen m¨oglichst immer nur auf einen Faktor hoch und auf alle anderen Faktoren niedrig laden. Weiterhin sollten die beobachteten Variablen n¨aherungsweise einer Multinormalverteilung folgen, ihr MSA u ¨ber 0,5 liegen, das Kaiser-Mayer-Olkin Maß einen Wert gr¨oßer als 0,8 aufweisen und der Bartlett Test of Sphericity auf die Existenz signifikanter Korrelationen hinweisen. K¨onnen diese Kriterien nicht auf Anhieb erf¨ ullt werden, erfolgt eine Variablenselektion, bei der die H¨ohe der Kommunalit¨aten, die von Kano und Harada (2000) vorgeschlagene Teststatistik und inhaltliche Gesichtspunkte ber¨ ucksichtigt werden. Sobald eine statistisch wie inhaltlich zufriedenstellende Faktorl¨osung ermittelt wurde, wird anhand des Tetradentests nach Bollen und Ting (1993, 2000) u uft, ob die resul¨berpr¨ tierende Variablenmenge wie vorausgesetzt mit einem reflexiven Messmodell vertr¨aglich ist. Ist dies der Fall, werden Unidimensionalit¨at, Reliabilit¨at und Validit¨at der Konstruktmessung gem¨aß der Ausf¨ uhrungen in Abschnitt 8.5.3 u uft. Das Vorliegen einer Ein¨berpr¨ fachstruktur im Rahmen der exploratorischen Faktorenanalyse kann bereits als erster Hinweis auf die Unidimensionalit¨at des Faktormodells gewertet werden. F¨ uhrt auch eine konfirmatorische Faktorenanalyse, bei der alle Indikatoren auf genau einen Faktor laden, zu zufriedenstellenden Anpassungsmaßen bzw. einer nicht signifikanten χ2 -Teststatistik, kann dies als weitere Best¨atigung der Unidimensionalit¨at gewertet werden. Die Reliabilit¨at der Messung wird anhand von Cronbach’s Alpha und den aus dem LISREL-Output zu errechnenden Indikator- und Faktorreliabilit¨aten u uft. Alpha sollte Werte u ¨berpr¨ ¨ber 188

Marsh und Hocevar (1985), S. 570f.

8.6. Vorgehen bei der Analyse des Pfadmodells

211

0,7 annehmen, die Indikatorreliabilit¨aten sollten u ¨ber 0,4 liegen und der WLJ-Koeffizient gr¨oßer als 0,6 sein. Zur Beurteilung der Konstruktvalidit¨at wird zun¨achst gepr¨ uft, ob die durchschnittlich extrahierte Varianz der latenten Variable als Maß ihrer Konvergenzvalidit¨at u ¨ber 0,5 liegt. Die Diskriminanzvalidit¨at wird schließlich im Zusammenhang mit den u ¨brigen latenten Variablen der Untersuchung u ¨ber χ2 -Differenztests und das FornellLarcker-Kriterium beurteilt. Bei multidimensionalen Konstrukten werden dar¨ uberhinaus Bi-Faktormodelle, Gruppen-Faktormodelle und Faktorenanalysen zweiter Ordnung miteinander verglichen und die Konvergenz der Faktoren beurteilt.

8.6

Vorgehen bei der Analyse des Pfadmodells

Eine der bemerkenswertesten Eigenschaften von Strukturgleichungsmodellen ist die Tatsache, dass sie die Anpassungsg¨ ute eines komplexen Geflechts simultaner Wirkungsbeziehungen durch globale Fitindizes bewertbar machen, w¨ahrend alternative statistische Methoden (z. B. Regressionsanalysen) meist nur die individuelle Untersuchung einzelner ute jedoch nicht Modellgleichungen erm¨oglichen.189 Dass eine hohe globale Anpassungsg¨ zur kritiklosen Akzeptanz eines Modells f¨ uhren sollte, ist das zentrale Thema dieses Abschnitts. Selbst bei hohem Gesamtfit kann es vorkommen, dass Probleme in einzelnen fundamentalen Modellbestandteilen (Gleichungen) oder Teilmodellen (z. B. Pfadmodell) auftreten, dass Alternativmodelle mit deutlich h¨oherer Anpassungsg¨ ute existieren oder dass die Einbeziehung nichtlinearer Terme (z. B. Interaktionseffekte) zu einem verbesserten Erkl¨arungsgehalt f¨ uhren kann. Diese Aspekte werden in folgenden Abschnitten 8.6.1 bis 8.6.4 n¨aher ausgef¨ uhrt. 8.6.1

Beurteilung fundamentaler Modellbestandteile

Unter fundamentalen Modellbestandteilen sollen hier Gr¨oßen verstanden werden, die sich spezifisch auf einzelne Modellgleichungen beziehen, wie z. B. die direkten, indirekten und totalen Effekte einer gegebenen Variable auf eine andere oder der Varianzanteil, den die Pr¨adiktoren einer endogenen Variable erkl¨aren k¨onnen. Zwischen der globalen Anpassungsg¨ ute eines Strukturgleichungsmodells und der Qualit¨at fundamentaler Modellbestandteile besteht kein unmittelbarer Zusammenhang. So kommt es einerseits vergleichsweise h¨aufig vor, dass Modelle mit sehr guten Fitmaßen nur kleine Pfadkoeffizienten aufweisen und kaum zur Varianzerkl¨arung der endogenen Variablen beitragen, w¨ahrend mitunter auch F¨alle auftreten, bei denen Modelle mit exzellenter Varianzerkl¨arung zu einer unbefriedigenden Anpassungsg¨ ute f¨ uhren.190 189

Tomarken und Waller (2003), S. 578.

190

Vgl. hierzu auch die bei Tomarken und Waller (2003), S. 586 pr¨ asentierten Beispiele.

8. Methodik der Datenauswertung

212

Vor diesem Hintergrund soll bei der Analyse des Pfadmodells hinreichendes Augenmerk auf die angesprochenen fundamentalen Modellbestandteile gelegt werden. Zun¨achst wird neben Betrag und Vorzeichen aller Pfadkoeffizienten auch die statistische Signifikanz in Form des t-Wertes berichtet. Weiterhin werden neben den direkten Effekten einer Variablen auf eine andere Variable auch die indirekten Effekte berichtet, da sich erst dadurch ihre vollst¨andige Wechselwirkung beurteilen l¨asst.191 Schließlich werden noch Angaben zur Varianzerkl¨arung im Pfadmodell gemacht: Zur Beschreibung der Effektst¨arke wird f¨ ur jede endogene Variable ηi die von LISREL ermittelte multiple Korur die Varianzerkl¨arung relation Rη2i = 1 − var(ζi )/var(ηi ) angegeben, w¨ahrend als Maß f¨  Σ  ηη | berichtet aller Pfadgleichungen gemeinsam der Determinationskoeffizient 1 − |Ψ|/| 192 wird. 8.6.2

Separate G¨ utebeurteilung f¨ ur Mess- und Pfadmodell

Die Ausf¨ uhrungen in Abschnitt 8.1 dieser Arbeit haben gezeigt, dass es sich bei einem Strukturgleichungsmodell um eine komplexe statistische Hypothese u ¨ber die gerichteten und ungerichteten Beziehungen einer Mengen von latenten und manifesten Variablen handelt, die im Allgemeinen aus zwei Teilen, einem Messmodell und einem Pfadmodell, besteht. Obwohl durch die h¨aufig praktizierte sukzessive Analyse von Mess- und Pfadmodell bereits ein gewisses Maß an Information u ute der beiden Teilmodelle vorliegt, ¨ber die G¨ kann eine belastbare Aussage erst dann getroffen werden, wenn der Fit f¨ ur den Mess- und Pfadanteil separat ausgewiesen wird. Das entsprechende Vorgehen wird von Anderson und Gerbing (1988, S. 418ff.) sowie McDonald und Ho (2002, S. 73ff.) beschrieben: Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass die asymptotische Verteilung einer ML-Diskrepanzfunktion nach Steiger et al. (1985) in unabh¨angige additive Komponenten f¨ ur das Mess- und das Pfadmodell zerlegt werden kann. Die Pfadkomponente kann als Differenz aus der Diskrepanzfunktion des vollst¨andigen Strukturmodells und der des Messmodells gesch¨atzt werden. Die Anzahl der Freiheitsgrade ur Mess- und Pfadmodell durchgef¨ uhrt df ist ebenfalls additiv, so dass separate χ2 -Tests f¨ werden k¨onnen. Hierbei erweist sich h¨aufig die Anpassungsg¨ ute der Pfadkomponente als kritisch, da die Anzahl der Freiheitsgrade dort wesentlich niedriger als im Messmodell ist. Die in der vorliegenden Untersuchung haupts¨achlich verwendeten globalen Fitindizes SRMR und CFI lassen sich zwar f¨ ur die beiden Teilmodelle nicht separat ausweisen, jedoch ist dies f¨ ur den RMSEA m¨oglich. Der RMSEA geh¨ort ebenfalls zu den von Hu und Bentler (1998; 1999) ausdr¨ ucklich empfohlenen Anpassungsmaßen und l¨asst sich nach

191

Bollen (1989), S. 376ff.; Bollen (1987), S. 38.

192

Backhaus et al. (2000), S. 462ff.; Bollen (1989), S. 337.

8.6. Vorgehen bei der Analyse des Pfadmodells

213

 RMSEA = F0 /dfT berechnen mit F0 = max[(Fmin − df )/(N − 1), 0], wobei Fmin den minimalen Wert der χ2 -Fitfunktion bezeichnet und N die Stichprobengr¨oße.193 Da der RMSEA offensichtlich nicht additiv ist, muss diese Berechnung jeweils f¨ ur die Teilmodelle separat durchgef¨ uhrt werden. 8.6.3

Untersuchung von Alternativmodellen mittels Veripath

¨ Abgesehen von a¨quivalenten Modellen l¨asst sich meist durch geringf¨ ugige Anderungen (z. B. Hinzuf¨ ugen, Eliminieren oder Umkehren von Pfaden) eine Vielzahl nicht¨aquivalenter Alternativmodelle aufstellen, die von der zu Grunde liegenden Theorie ebenfalls getragen werden. Da die hierbei auftretenden Modelle h¨aufig von gleicher Komplexit¨at sind, aber stark unterschiedliche Kausalzusammenh¨ange aufweisen, lassen sie sich nicht durch χ2 Differenztests vergleichen, wie sie im Abschnitt 8.5.5 beschrieben wurden. Um zumindest f¨ ur die große Zahl von Modellen gleicher Komplexit¨at einen systematischen Modellvergleich zu erm¨oglichen, haben Meehl und Waller (2002) einen von ihnen als Veripath bezeichneten Algorithmus in Mathematica implementiert, der die Wahrheits¨ahnlichkeit eines gegebenen Zielmodells aus einem Vergleich mit der Menge gleich komplexer Alternativmodelle ermittelt.194 Der Veripath-Algorithmus basiert auf der folgenden Grund¨ uberlegung:195 Obwohl jedes Diagramm D, das die Substanzhypothesen eines Strukturgleichungsmodells grafisch repr¨asentiert, strenggenommen inkorrekt ist, kann man davon ausgehen, dass die unteruberhinaus eine Menge suchte Theorie T ein bevorzugtes Diagramm D∗ motiviert und dar¨ von Diagrammen {DT } toleriert. Falls Elemente der nicht tolerierten Menge {−DT } zu einer deutlich besseren Modellanpassung f¨ uhren als D∗ , wird die untersuchte Theorie T diskreditiert. Ziel der Veripath-Untersuchung ist es, das pr¨aferierte Modell D∗ und eine m¨oglichst kleine Menge geduldeter Diagramme {DT } mit der Menge {−DT } der von der Theory T ausgeschlossenen Diagramme zu vergleichen. Hierdurch wird indirekt die Stichhaltigkeit der Theorie T mit der von m¨oglichen Alternativtheorien verglichen. Die Untersuchung erfasst allerdings nur die topologische Struktur der Theorie, die durch das Pfaddiagramm erfasst wird, nicht dagegen einzelne Strukturkomponenten. Direkte Aussagen u ¨ber die Signifikanz oder Wahrheits¨ahnlichkeit einzelner Pfade sind also nicht m¨oglich, sondern nur Aussagen u ¨ber die Wahrheits¨ahnlichkeit des pr¨aferierten Modells D∗ im Vergleich zur Menge der nicht tolerierten Diagramme {−DT }. F¨ ur die eigentliche Modellbeurteilung geht die Veripath-Analyse von der folgen193

J¨ oreskog (1993), S. 310; Hu und Bentler (1998), S. 428.

194

Das Mathematica-Notebook kann unter http://www.vanderbilt.edu/quantmetheval samt einer kurzen Anleitung heruntergeladen werden.

195

Vgl. Meehl und Waller (2002), S. 286f. sowie Waller (2002), S. 3f.

8. Methodik der Datenauswertung

214

¨ den mathematischen Uberlegung aus: Ein Diagramm D stellt eine komplexe Beziehung Rel({ci }, {rj }) zwischen den Pfadkoeffizienten ci und den beobachteten Korrelationen rj her. Diese Beziehung kann in zwei Mengen Rel1 ({ci }, {rj }) und Rel2 ({ci }, {rl }) zerlegt werden, die sich zwar auf die gleichen Pfade beziehen, jedoch disjunkt hinsichtlich der Korrelationen sind. Diese Zerlegung erfolgt vor dem folgenden Hintergrund: Die Menge Rel1 ({ci }, {rj }) kann verwendet werden, um die k unbekannten Pfadkoeffizienten des Diagrammes durch L¨osung von k Polynom-Gleichungen unter Verwendung der beobachteten Korrelationen rj zu bestimmen. Die so ermittelten k Pfadkoeffizienten k¨onnen im Folgenden in die in Rel2 enthaltenen Polynom-Gleichungen eingesetzt werden, um die nicht verwendeten Korrelationen rl vorherzusagen. Aus der Differenz zwischen den vorhergesagten und den beobachteten Korrelationen kann ein globales Anpassungsmaß ermittelt werden, das dem in LISREL verwendeten SRMR ¨ahnelt, aber nur u ¨ber die in Rel2 enthaltenen, nicht verwendeten Korrelationen summiert:  SRMRVeri =

1  (rij − rij )2 . m i=j

(8.6.22)

Anders als bei den in LISREL verwendeten Full-Information-Methoden, die zur Modellsch¨atzung alle Korrelationen heranziehen, verwendet Veripath also ein Limited Information-Verfahren. Dennoch besteht eine hohe Korrelation zwischen den durch Veripath und LISREL erzielten Parametersch¨atzungen.196 Auf dieser Basis ermittelt Veripath die Wahrheits¨ahnlichkeit des pr¨aferierten Diagrammes D∗ wie folgt: Aus D∗ wird zun¨achst ein korrumpiertes Diagramm D erzeugt, ur eine der Leerstellen“ des Diagramindem einer der Pfade in D∗ elimiert wird und daf¨ ” mes durch einen neuen Pfad gef¨ ullt wird. Diese von Meehl und Waller (2002) als Delete 1 – Add 1 (D1A1) bezeichnete Regel wird anschließend wiederum auf das korrumpierte Modell angewendet, um ein weiteres Alternativmodell zu erzeugen. Auf diese Weise werden alle durch Ersetzung eines Pfades ableitbaren Modelle generiert und anhand des ute untersucht. Obwohl noch zahlreiche andeSRMRVeri hinsichtlich ihrer Anpassungsg¨ re Methoden zur Erzeugung von Alternativmodellen denkbar w¨aren, hat die D1A1-Regel den Vorteil, dass sie strukturell benachbarte Alternativmodelle mit der gleichen Anzahl an Freiheitsgraden und gerichteten Pfaden erzeugt. Dies ist eine notwendige Voraussetzung zum Modellvergleich, da sich die durch den SRMR gemessene empirische Anpassungsg¨ ute eines Modells beim Hinzuf¨ ugen neuer Modellpfade ohne Elimination bestehender Pfade nur verbessern kann, obwohl der theoretische Fit, d. h. die Anpassung des theoretischen Modells an die (unbekannten) wahren Strukturen, eventuell sogar nachl¨asst.197 196

Vgl. Anhang C, insbesondere Tabelle C.1 auf S. 316 sowie Waller und Meehl (2002), S. 323ff.

197

Olsson et al. (1999), S. 34ff.

8.6. Vorgehen bei der Analyse des Pfadmodells

215

Durch den Vergleich der Anpassungsg¨ ute zwischen pr¨aferiertem Modell D∗ und seinen Alternativmodellen kann abschließend die Wahrheits¨ahnlichkeit des Modells beurteilt werden. Die risikoreichste Prognose besteht in der Vorhersage, dass das pr¨aferierte Modell einen besseren Fit aufweist als alle seine Alternativmodelle. Daneben l¨asst sich aber auch die weniger risikoreiche Vorhersage testen, dass das beste Diagramm aus der tolerierten Menge {DT } stammt. 8.6.4

Moderatoreffekte

Die Idee des Moderatorvariablenansatzes entstand aus einer generellen Skepsis gegen¨ uber linear-additiven Modellen, die in vielen F¨allen der Erkl¨arung und Vorhersage menschlichen Verhaltens nicht gerecht werden. Ein linear-additives Modell gestattet nur die Mo¨ dellierung einer additiven Uberlagerung von Effekten, nicht aber die Modellierung einer Wechselwirkung (Interaktion) zwischen Pr¨adiktorvariablen.198 In Abschnitt 3.3.2 wurde jedoch bereits deutlich, dass die Einbeziehung nichtlinearer Interaktionen eine wesentliche Voraussetzung ist, um den Fit von Variablengruppen (z. B. Prozessformalisierung und Innovationsgrad) zu untersuchen. Will man beispielsweise nachweisen, dass der Innovationsgrad einen signifikanten Einfluss auf den Zusammenhang zwischen Prozessformalisierung und Erfolg hat, so liegt ein typisches Beispiel f¨ ur eine Moderationshypothese vor. Allgemein liegt eine Moderation des Zusammenhangs zwischen zwei Variablen X und Y durch die Drittvariable Z dann vor, wenn sich die St¨arke dieses Zusammenhangs mit den Auspr¨agungen die Variablen Z ver¨andert. Dabei wird Z als Moderatorvariable oder auch als Moderator bezeichnet. 8.6.4.1

Moderierte Regressionsanalysen

Zur Modellierung eines Moderatoreffekts mit kontinuierlichen Moderator- und Pr¨adik¨ torvariablen hat sich seit den grunds¨atzlichen Uberlegungen von Saunders (1956) ein re199 gressionsanalytischer Moderatorbegriff etabliert. Der Zusammenhang zwischen einem Kriterium Y und zwei Pr¨adiktoren X und Z wird im Rahmen einer multiplen Regressionsanalyse durch die beiden Steigungen β1 und β2 und die Konstante β0 gemessen: Y = β1 X + β2 Z + β0

(8.6.23)

In dieser Gleichung hat die Steigung von Y in Abh¨angigkeit von X einen konstanten Wert f¨ ur alle Werte von Z. F¨ ugt man Gleichung (8.6.23) dagegen einen Interaktionsterm XZ 198

Klein (2000), S. 1.

199

Vgl. u. a. Jaccard et al. (1990) und Aiken und West (1991).

8. Methodik der Datenauswertung

216

hinzu, so h¨angt die Regression von Y auf X vom spezifischen Wert von Z ab, f¨ ur den sie erfolgt: Y =

β1 X + β2 Z + β3 XZ + β0

= (β1 + β3 Z)X + (β2 Z + β0 )

(8.6.24)

= (β2 + β3 X)Z + (β1 X + β0 ) Die Gleichung wurde suggestiv strukturiert, um zwei Sachverhalte zu verdeutlichen: Zum einen ¨andert sich jetzt die Steigung (β1 + β3 Z) der Regression von Y auf X von Stufe zu Stufe der Moderatorvariablen Z, zum anderen ist die Gleichung symmetrisch in den Variablen X und Z, es kann also nur auf inhaltlicher Basis entschieden werden, welche der beiden Variablen als Moderatorvariable bezeichnet wird.200 F¨ ur die praktische Durchf¨ uhrung einer moderierten Regressionsanalyse sollten die Variablen X und Z zentriert werden, da sie ansonsten stark mit dem Produktterm XZ korrelieren, ein hohes Maß an Multikollinearit¨at in die Regressionsgleichung einbringen und zu numerischen Problemen bei der Parametersch¨atzung f¨ uhren k¨onnen.201 Da dieses Multikollinearit¨atsproblem nur auf die Skalierung der Variablen erster Ordnung zur¨ uckzuf¨ uhren ist und durch Zentrierung umgangen werden kann, spricht Marquardt (1980) von nonessential ill-conditioning. Das Ausmaß an verbleibender Multikollinearit¨at, die durch hohe Korrelation von vermeintlich unabh¨angigen Variablen verursacht werden kann (essential ill-conditioning), kann durch den sog. Variance Inflation Factor (VIF) eines Koeffizienten beurteilt werden, der nach einer weithin verwendeten Faustregel den Wert 10 nicht u ¨bersteigen sollte.202 F¨ ur den Nachweis von Moderatoreffekten muss eine Reihe von Regressionsmodellen getestet werden.203 Zun¨achst wird nur der Haupteffekt untersucht, bevor in einem zweiten Modell die Moderatorvariable und in einem dritten Modell der Interaktionsterm hinzugef¨ ugt werden. Zeigt sich im Rahmen dieser stufenweisen Regression ein signifikanter ¨ vom ersten zum zweiten MoAnstieg des Determinationskoeffizienten R2 beim Ubergang dell, so u ¨bt die Moderatorvariable einen signifikanten Einfluss auf die abh¨angige Variable ¨ vom zweiten zum aus. Steigt der Determinationskoeffizient R2 signifikant beim Ubergang dritten Modell, so gilt der Moderatoreffekt als empirisch nachgewiesen. ¨ Obwohl die regressionsanalytische Uberpr¨ ufung eines theoretisch postulierten Mode200

Aiken und West (1991), S. 9f.; Sharma et al. (1981), S. 294. Vgl. zur grafischen Veranschaulichung auch Abbildung 10.7 auf Seite 280 der vorliegenden Arbeit.

201

Aiken und West (1991), S. 35.

202

Myers (1990), S. 369; DeMaris (2004), S. 110.

203

Vgl. Anderson (1986), S. 191 sowie Zedeck (1971).

8.6. Vorgehen bei der Analyse des Pfadmodells

217

ratoreffektes mittlerweile weite Verbreitung erfahren hat, weist sie doch eine Reihe methodischer M¨angel auf. So wird bei der Regressionsanalyse implizit vorausgesetzt, dass die erfassten Regressoren messfehlerfrei sind, d. h. vollst¨andig reliable Messungen der durch sie repr¨asentierten Konstrukte darstellen. In der Praxis wird diese Annahme jedoch meist verletzt, so dass die Regressionsparameter weder erwartungstreu noch effizient gesch¨atzt werden. Diese Problematik versch¨arft sich bei einer moderierten Regression gegen¨ uber einem rein linearen Modell zus¨atzlich dadurch, dass die Reliabilit¨at eines Produktterms XZ unter der Reliabilit¨at der Ausgangsvariablen X und Z liegt.204 Es kann gezeigt werden, dass das Inkrement des Produktterms in direkter Beziehung zu seiner Reliabilit¨at steht und sich bei sinkender Reliabilit¨at ebenfalls deutlich vermindert.205 Um dieses Problem zu vermeiden, wurde in der Vergangenheit verst¨arkt die Abbildung von Moderatormodellen im Rahmen von Strukturgleichungsmodellen diskutiert, die im n¨achsten Abschnitt kurz vorgestellt werden sollen. 8.6.4.2

Strukturgleichungsmodelle mit Interaktionstermen

Die Abbildung von Moderatoreffekten im Rahmen von Strukturgleichungsmodellen ist vor allem in der j¨ ungeren Vergangenheit intensiv in der einschl¨agigen Literatur diskutiert worden,206 hat sich aber bislang in der angewandten Forschung noch nicht nachhaltig durchsetzen k¨onnen, was u. a. auf die Vielzahl vorgeschlagener Methoden und Schwierigkeiten bei ihrer Implementierung zur¨ uckgef¨ uhrt worden ist.207 Dabei zeichnet sich die Abbildung von Moderatormodellen in LISREL durch eine Reihe von Vorteilen aus, so die Ber¨ ucksichtigung von Messfehlern und die damit verbundene Verbesserung der Variablenmessung, aber auch die M¨oglichkeit, im Gegensatz zu Regressionsmodellen eine simultane Sch¨atzung komplexer Pfadmodelle durchzuf¨ uhren. Ausgehend von der bahnbrechenden Arbeit von Kenny und Judd (1984) sind in der Literatur eine Reihe von Modellen zur Abbildung von Moderatormodellen mit latenten Variablen entwickelt worden. Zentrales Unterscheidungsmerkmal der verschiedenen Ans¨atze ist die Frage, wie sie die Indikatoren der latenten Hauptvariablen kombinieren, um Indikatoren f¨ ur den latenten Produktterm bereitzustellen. Im urspr¨ unglichen Modell von Kenny und Judd (1984) werden die Kreuzprodukte aller Indikatoren der beiden Hauptvariablen gebildet, so dass der Produktterm zweier latenter Variablen mit jeweils vier Indikatoren

204

Sind X und Z vollst¨andig unkorreliert, so entspricht die Reliabilit¨ at des Produktterms dem Produkt der Reliabilit¨ aten der Ausgangsvariablen.

205 206

Busemeyer und Jones (1983); Jaccard und Wan (1995). ¨ Vgl. f¨ ur eine Ubersicht v. a. die Arbeiten von Cortina et al. (2001), Jaccard und Wan (1996), Li et al. (1998), Moulder und Algina (2002) sowie den Sammelband Schumacker und Marcoulides (1998).

207

Cortina et al. (2001), S. 324f.

218

8. Methodik der Datenauswertung

bereits durch 16 Indikatoren zu messen w¨are. Neben der resultierenden hohen Parameterzahl erfordert das Modell die Sch¨atzung nichtlinearer Terme, die sich vor der Einf¨ uhrung von LISREL 8.0 nur unter Zuhilfenahme zahlreicher Phantomvariablen realisieren ließen.208 Als Folge wurden sp¨ater einfachere Modelle entwickelt,209 die sich im Rahmen von Simulationsstudien bew¨ahrt haben und zu jeweils ¨ahnlichen Parametersch¨atzungen f¨ uhren.210 In dieser Arbeit soll ein einfaches Modell mit nur einem Indikator f¨ ur den Interaktionsterm in Anlehnung an Mathieu et al. (1992) und Ping (1995) verwendet und mit den Ergebnissen der moderierten Regressionsanalysen verglichen werden. Um das Modell abbilden zu k¨onnen, wird zun¨achst eine Kovarianzmatrix generiert, die alle latenten Variablen erster Ordnung durch nur einen Indikator erfasst, im Rahmen einer Pfadanalyse die gleichen Strukturbeziehungen wie das vollst¨andige LISREL-Modell liefert und dar¨ uberhinaus einen Indikator f¨ ur den Interaktionsterm enth¨alt. Im ersten Schritt werden dazu in SPSS Summenvariablen f¨ ur die latenten Variablen erster Ordnung errechnet, wobei als Gewichte die von LISREL f¨ ur das vollst¨andige Messmodell errechneten Faktorwerte verwendet werden. Anschließend werden die f¨ ur den Moderatoreffekt relevanten Variablen zentriert, der Indikator des Interaktionsterms durch Multiplikation errechnet und die Kovarianzmatrix gebildet. Im zweiten Schritt wird in LISREL ein Pfadmodell auf Basis der so errechneten Kovarianzmatrix gesch¨atzt und die Signifikanz des Moderatoreffekts beurteilt.

208

Die Anwendung von Phantomvariablen f¨ ur latente Moderatormodelle geht auf Hayduk (1987) zur¨ uck und wird dort ausf¨ uhrlich in Kapitel 7 beschrieben.

209

Jaccard und Wan (1995); J¨ oreskog und Yang (1996); Mathieu et al. (1992); Ping (1995); Ping (1996).

210

Cortina et al. (2001), S. 354ff.; Li et al. (1998), S. 21ff.

Kapitel 9 Operationalisierung und Validierung der Konstrukte Im vorliegenden Kapitel werden zun¨achst alle Konstrukte separat operationalisiert und validiert. Bevor die latenten Variablen gem¨aß der in Abschnitt 8.5 dargestellten Methodik gebildet werden, wird jeweils die Zusammensetzung des zugrunde liegenden Itempools erl¨autert. Die Itemwahl lehnt sich dabei stark an die inhaltlichen Ausf¨ uhrungen in den Kapiteln 2.2 und 4 an und greift h¨aufig auf existente Skalen zur¨ uck.1 In Abschnitt 9.6 wird zusammenfassend die Anpassungsg¨ ute und Diskriminanzvalidit¨at des gesamten Messmodells beurteilt.

9.1

Businessplanung

Gem¨aß der konzeptionellen Ausf¨ uhrungen in Abschnitt 4.2.1 wird Businessplanung hier anhand der vier Dimensionen Alternativenabw¨agung, Methodik, Fit und Partizipation modelliert, vgl. Tabelle 9.1. Alternativenabw¨agung wird durch 2 Items erfasst, die in Anlehnung an Hauschildt (2004), S. 374 und Morris (1998), S. 10 die gezielte Suche nach alternativen L¨osungsoptionen und die systematische Auswahl der vorteilhaftesten dieser Optionen erfassen. Diese Items werden auch von Atuahene-Gima und Li (2004) in einem inhaltlich ¨ahnlichen Konstrukt verwendet, das sie als Strategic Decision Comprehensiveness bezeichnen.2 Die Methodik dimension untersucht anhand von drei Items, wie systematisch im Rahmen der Businessplanung die wesentlichen Werttreiber identifiziert

1

Obwohl hierdurch an aktuelle Forschungsergebnisse angekn¨ upft wird, zeigt die Meta-Analyse von Churchill und Peter (1984, S. 367), dass dies nicht notwendigerweise zu einer h¨ oheren Reliabilit¨ at der Messung f¨ uhrt. Aus diesem Grund werden im vorliegenden Kapitel alle Konstrukte mit den in Kapitel 8.5.3 beschriebenen Methoden validiert.

2

Atuahene-Gima und Li (2004), S. 597.

9. Operationalisierung und Validierung der Konstrukte

220

Faktor

Methodik

Alternativenabw¨ agung

Fit

Partizipation

Item (Kurzbezeichnung)

Item (vollst¨ andige Formulierung)

Analyse auf Werttreiber

Der finanzielle Teil des Gesch¨ aftsplans wurde intensiv auf seine Haupt-Werttreiber untersucht (z.B. durch Sensitivit¨ atsanalysen)

Analyse von Szenarien

Der Businessplan enth¨ alt Szenarien mit Handlungsoptionen, um die Unsicherheit bzgl. zuk¨ unftiger Entwicklungen aufzufangen

Methodisches Vorgehen

Insgesamt sind wir sehr methodisch vorgegangen

Suche nach Alternativkonzepten

Eine gezielte Suche nach Alternativkonzepten hat stattgefunden

Auswahl aus Alternativkonzepten

Aus den alternativen Konzepten wurde methodisch versucht, das optimale auszuw¨ ahlen

Fit mit Unternehmensstrategie

Der Fit des Vorhabens mit der Unternehmensstrategie wurde untersucht

Fit mit Kernkompetenzen

Der Fit des Vorhabens mit eigenen Kernkompetenzen wurde untersucht

Einbindung von Fachabteilungen

An der Konzeptentwicklung waren alle relevanten Fachabteilungen beteiligt

Partizipative Zielvereinbarung

Vorhabensziele wurden in starker Interaktion mit dem Projektteam vereinbart

Tabelle 9.1: Messkonzept f¨ ur die Qualit¨ at der Businessplanung

und unterschiedliche Handlungsoptionen f¨ ur alternative Szenarien untersucht wurden.3 Die Fitdimension erfasst anhand zweier Items, inwieweit im Rahmen der Businesspla¨ nung auf die Ubereinstimmung des Vorhabens mit der Unternehmensstrategie und den zentralen Kompetenzen des eigenen Unternehmens geachtet wurde,4 w¨ahrend unter Partizipation hier die breite, organisatorische Verankerung der Planung durch die Einbindung relevanter Fachabteilungen sowie die Interaktion mit den Projektmitgliedern im Rahmen der Zielfestlegung verstanden wird. Die Ergebnisse der exploratorischen Faktorenanalysen sind in Tabelle 9.2 zusammengefasst. Sowohl bei der PCA/Varimax als auch bei der ML-FA/Promax werden nach dem Kaiser-Kriterium drei Faktoren extrahiert, die jedoch auch nach Rotation keine zufriedenstellende Einfachstruktur aufweisen und inhaltlich schwer zu interpretieren sind. Da der vierte Eigenwert nur knapp unter Eins liegt, wird daher im Folgenden die Faktorenzahl auf Vier restringiert. Sowohl PCA/Varimax als auch ML-FA/Promax extrahieren dabei 3

Jovanovi´c (1999), S. 218ff.; Morris (1998), S. 11.

4

Deszca et al. (1999), S. 616.

9.1. Businessplanung

221

die hypothetisierten Faktoren in sauberer Einfachstruktur, wobei der Bartlett-Test auf signifikante Korrelationen hinweist und die KMO- und MSA-Maße zufriedenstellende Werte annehmen. Auf eine Itemselektion kann daher verzichtet werden. Beide Faktorl¨osungen zeigen ¨ahnliche Ladungsmuster, wobei die ML-FA/Promax allerdings Heywood-F¨alle aufweist und daher mit Vorsicht zu interpretieren ist. Um die Vertr¨aglichkeit der insgesamt neun Indikatoren mit einem reflexiven Messmodell zu u ufen, werden die vier korrelierenden Faktoren in Einfachstruktur in Mathe¨berpr¨ matica abgebildet und der Tetradentest durchgef¨ uhrt. Die 21 nichtredundant verschwindenden Tetraden f¨ uhren zu einer nicht signifikanten Teststatistik (χ2 = 15,87; df = 21; p = 0,78), so dass die Verwendung eines reflexiven Modells nicht abgelehnt werden kann, vgl. Tabelle 9.3. In Vorbereitung auf die konfirmatorische Faktorenanalyse wird die multivariate Normalit¨at der neun Variablen u uft. Die mit PRELIS ermittelte relative ¨berpr¨ multivariate Kurtosis betr¨agt 1,2, so dass keine wesentlichen Verzerrungen bei der Verwendung der ML-Fitfunktion in LISREL zu erwarten sind. Im Rahmen der konfirmatorischen Faktorenanalyse wurde zun¨achst ein GruppenFaktormodell mit vier frei korrelierenden Faktoren gesch¨atzt. Das Modell zeigt sehr gute Fitmaße (SRMR = 0,037; CFI = 0,98) und macht keine Modellmodifikationen notwendig, vgl. Tabelle 9.5. Da die durchschnittlich erkl¨arte Varianz aller Faktoren u ¨ber 50 Prozent liegt, kann ihre Konvergenzvalidit¨at als gew¨ahrleistet angesehen werden. Um weiterhin die G¨ ute des multidimensionalen Messmodells gegen¨ uber alternativen Modellen beurteilen zu k¨onnen, werden entsprechend der in Abschnitt 8.5.5 dargestellten Methodik durch Aufhebung und Hinzuf¨ ugung von Restriktionen mehrere ineinander geschachtelte Modelle konstruiert und durch χ2 -Differenztests verglichen. Die geringsten Restriktionen weist ein Bi-Faktormodell auf, das dadurch entsteht, dass dem Gruppen-Faktormodell ein allgemeiner Faktor hinzugef¨ ugt wird, der auf alle manifesten Variablen l¨adt, mit dem Gruppenfaktoren jedoch nicht korrelieren soll (vgl. Abbildung 8.3d). Das Bi-Faktormodell liefert eine sehr gute Anpassung an die Daten ungliche L¨osung jedoch (χ2 = 17,11; df = 15; p = 0,34), vgl. Tabelle 9.4, wobei die urspr¨ drei negative Fehlervarianzen enthielt, die auf positive Werte fixiert werden mussten.5 Eine m¨ogliche Erkl¨arung f¨ ur die negativen Fehlervarianzen besteht darin, dass entweder der allgemeine oder einer der spezifischen Faktoren zur Beschreibung der Daten nicht notwendig ist und die daraus resultierende Kollinearit¨at der Faktoren zur empirischen Unteridentifikation f¨ uhrt.6 Ein Vergleich des Bi-Faktormodells mit dem Gruppen-Faktormodell ist ¨aquivalent zu einem Test darauf, dass alle Faktorladungen des allgemeinen Faktors gleich 5

Dies ist auch der Grund daf¨ ur, dass f¨ ur das Bi-Faktormodell 15 Freiheitsgrade berichtet werden statt der 12, die sich ceteris paribus durch Hinzuf¨ ugen von 9 weiteren zu sch¨ atzenden Faktorladungen zum Gruppen-Faktormodell mit 21 Freiheitsgraden ergeben w¨ urden.

6

Rindskopf und Rose (1988), S. 59.

222

9. Operationalisierung und Validierung der Konstrukte

Null sind. Die signifikante χ2 -Differenz (∆χ2 = 13,74; df = 6; p = 0,03) zwischen beiden Modellen zeigt zwar, dass das Bi-Faktormodell besser an die Daten angepasst ist, dies wird allerdings durch seine schwerere Interpretierbarkeit erkauft.

0,81 0,80 0,17 0,24 0,11 0,24 0,21 0,10 3,93 44,5%

Methodisches Vorgehen

Suche nach Alternativkonzepten

Auswahl aus Alternativkonzepten

Fit mit Unternehmensstrategie

Fit mit Kernkompetenzen

Einbindung von Fachabteilungen

Partizipative Zielvereinbarung

Eigenwert

Erkl¨ arte Varianz

14,0%

1,31

0,13

0,04

0,14

0,18

0,91

0,93

0,12

0,13

0,20

2

13,2%

1,20

0,20

0,11

0,88

0,92

0,21

0,12

0,19

0,15

0,07

3

PCA/Varimax

10,9%

0,97

0,86

0,86

0,24

0,12

0,03

0,16

0,25

0,08

0,08

4

37,0%

3,33

-0,10

0,19

0,03

-0,04

0,03

0,01

0,80

0,70

0,73

1

13,3%

1,19

0,04

-0,04

-0,07

0,09

0,99

0,83

-0,04

0,02

0,05

2

9,1%

0,81

-0,01

0,00

0,99

0,81

0,03

-0,01

0,01

-0,05

-0,06

3

ML-EFA/Promax

12,8%

1,15

1,03

0,54

0,05

-0,05

-0,07

0,09

0,09

-0,04

-0,02

4

0,70

0,73

0,68

0,64

0,65

0,65

0,83

0,80

0,84

MSA

0,99

0,39

0,99

0,65

0,99

0,73

0,68

0,52

0,52

Com.

4,73

4,36

1,52

0,36

3,00

1,99

3,82

2,66

1,00

LMT

Tabelle 9.2: Exploratorische Faktorenanalyse zur Businessplanung

Erl¨ auterung. KMO = 0,71. Barlett-Test: χ2 = 518,8; df = 36; p=0,00. Die Kommunalit¨ aten beziehen sich auf die ML-FA/Promax. Fett gedruckte Faktorladungen kennzeichnen Werte u ¨ber 0,3. Die Korrelationen der Faktoren nach Promax-Rotation betragen r12 = 0,46; r13 = 0,46; r14 = 0,39; r23 = 0,41; r24 = 0,25; r34 = 0,42.

0,81

Analyse von Szenarien

1

Analyse auf Werttreiber

Indikator

9.1. Businessplanung 223

9. Operationalisierung und Validierung der Konstrukte

224

Tetrade

Wert

Tetrade

Wert

Tetrade

Wert

t1234

−0.1055

t1426

0.0894

t1879

t1423

0.3885

t1429

0.1183

t2437

0.0400

t1235

−0.2865

t1729

−0.0996

t2457

−0.1312

t1325

0.0498

t1538

0.3179

t2849

0.2579

t1237

−0.0400

t1459

−0.3351

t2679

−0.0226

t1238

0.1925

t1657

−0.2095

t3657

−0.3735

t1923

−0.4165

t1678

−0.0209

t4759

−0.3336

0.2830

Tabelle 9.3: Nichtredundante verschwindende Tetraden und zugeh¨ orige Tetradenwerte zur Businessplanung. Die Daten sind mit einem reflexiven Messmodell vertr¨ aglich: χ2 (21) = 15,87 (p = 0, 78).

χ2 -Differenztest

Anpassungsg¨ ute Modell

SRMR

CFI

χ2

df

p

∆χ2

df

p

Bi-Faktormodell

0,030

0,99

17,11

15

Gruppen-Faktormodell

0,037

0,98

30,85

21

0,34







0,08

13,74

6

Faktorenanalyse 2. Ordnung

0,043

0,98

34,25

0,03

23

0,06

3,40

2

Faktorenanalyse 1. Ordnung

0,13

0,53

254,85

0,18

27

0,00

220,60

4

0,00

Tabelle 9.4: Vergleich geschachtelter Messmodelle zur Businessplanung

¨ Der Ubergang vom Gruppen-Faktormodell zur Faktorenanalyse zweiter Ordnung zeigt eine nicht signifikante Verschlechterung der Anpassungsg¨ ute (∆χ2 = 3,40; df = 2; p = 0,18), so dass im Rahmen der im n¨achsten Kapitel untersuchten Pfadmodelle die Abbildung der Businessplanung als Faktor zweiter Ordnung aus Gr¨ unden der modelltechnischen ¨ Sparsamkeit vorzuziehen ist. Den Ubergang zu einer Faktorenanalyse erster Ordnung vollzieht man, indem man in der Faktorenanalyse zweiter Ordnung die Einzelrestvarianzen der Faktoren erster Ordnung auf Null fixiert. Die Zusammenfassung aller neun manifesten Variablen unter einen Faktor f¨ uhrt allerdings zu einer extremen Verschlechterung der Anpassungsg¨ ute (∆χ2 = 220,60; df = 4; p = 0,00), die Erfassung der Businessplanung als Faktor erster Ordnung ist folglich nicht mit den Daten vertr¨aglich.

0,87 0,97 0,79 1,00 0,71 0,83

Auswahl aus Alternativkonzepten

Fit mit Unternehmensstrategie

Fit mit Kernkompetenzen

Einbindung von Fachabteilungen

Partizipative Zielvereinbarung

0,83

Methodisches Vorgehen

Suche nach Alternativkonzepten

0,71

0,71

Ladung

Analyse von Szenarien

Analyse auf Werttreiber

Indikator

8,43

7,50

12,70

9,73

12,16

10,79

10,36

8,61

8,51

t-Wert

0,73

0,68

0,79

0,79

0,84

0,84

0,68

0,61

0,62

rit

0,68

0,51

1,00

0,63

0,93

0,76

0,69

0,51

0,50

ρi

Indikatorreliabilit¨ at

0,74

0,88

0,91

0,79

α

0,75

0,90

0,92

0,80

ρWLJ

Faktorreliabilit¨ at

0,60

0,82

0,84

0,57

ρave

Tabelle 9.5: Konfirmatorische Faktorenanalyse zur Businessplanung

Erl¨ auterung. Analyse der Kovarianzmatrix. Faktorladungen zeigen die standardisierte L¨ osung ohne Skalenfixierung. Die Korrelationen der Faktoren betragen r12 = 0,48; r13 = 0,49; r14 = 0,48; r23 = 0,38; r24 = 0,27; r34 = 0,51. Die Anpassungsmaße betragen SRMR=0,037; CFI=0,98; χ2 = 30,85; df = 21; p = 0,08; χ2 /df = 1,5.

Partizipation

Fit

Alternativenabw¨ agung

Methodik

Faktor

Standard. L¨ osung

9.1. Businessplanung 225

226

9. Operationalisierung und Validierung der Konstrukte

Abschließend wird die Konvergenz- und Diskriminanzvalidit¨at der vier Dimensionen der Businessplanung nach der von Gatignon (2003, S. 179) vorgeschlagenen Methode nachgewiesen. Anhand der χ2 -Statistik wird hierbei je Faktorenpaar ein Basismodell mit einer frei gesch¨atzten Faktorkorrelation Φ mit zwei geschachtelten Alternativmodellen verglichen, bei denen die Faktorkorrelation auf den Wert Null bzw. Eins fixiert wurde. Tabelle 9.6 zeigt, dass sich bei freier Sch¨atzung der Faktorkorrelation in allen F¨allen eine signifikant bessere Modellanpassung ergibt als bei der Restriktion auf den Wert Eins. Obwohl die Faktoren also jeweils signifikant korreliert sein k¨onnen, handelt es sich um unterschiedliche Dimensionen (Diskriminanzvalidit¨at). In ¨ahnlicher Weise erweist sich die freie Sch¨atzung der Faktorkorrelationen in allen F¨allen auch als signifikant besser als eine Restriktion auf den Wert Null, was auf den wechselseitigen Zusammenhang zwischen den Dimensionen hinweist (Konvergenzvalidit¨at). Damit handelt es sich bei den vier untersuchten Dimensionen der Businessplanung also um zusammengeh¨orige, aber unterscheidbare Faktoren.

21,91 39,13

1

2,30

0

0,50

89,93

1

3,16 28,47

0

0,46

98,93

1

2,47 26,28

0

0,42

χ2

5

5

4

5

5

4

5

5

4

df

0,000

0,001

0,680

0,000

0,000

0,532

0,000

0,000

0,650

p

1

0

0,33

1

0

0,42

Φ

2

43,60

12,80

1,42

78,76

23,91

2,31

χ2

2

2

1

2

2

1

df

0,000

0,012

0,491

0,000

0,000

0,128

p

Alternativenabw.

1

0

0,50

Φ

39,16

29,98

4,44

χ2

Fit

2

2

1

df

0,000

0,000

0,109

p

Tabelle 9.6: Konvergenz- und Diskriminanzvalidit¨ at der Businessplanung

Erl¨ auterung. Die drei Zeilen je Faktorpaar geben jeweils die χ -Teststatistik f¨ ur ein Modell mit einer frei gesch¨ atzten Faktorkorrelation Φ sowie f¨ ur Modelle mit einer auf Null bzw. Eins fixierten Faktorkorrelation an. Ist die Anpassungsg¨ ute im zweiten bzw. dritten Modell signifikant schlechter als im ersten, kann dies als Beleg f¨ ur die Konvergenzbzw. Diskriminanzvalidit¨ at der Faktoren gewertet werden.

Partizipation

Fit

Alternativenabw¨ agung

Φ

Methodik

9.1. Businessplanung 227

228

9.2

9. Operationalisierung und Validierung der Konstrukte

Projektplanung und Risikomanagement

Die operativen Aspekte der Vorhabensplanung sollen durch zwei Faktoren, n¨amlich Projektplanung und Risikomanagement erfasst werden (Tabelle 9.7). Obwohl es sich bei diesen Konstrukten gem¨aß der Konzeptualisierung in Abschnitt 4.2 nicht um Faktoren eines mehrdimensionalen Konstrukts handelt, sollen sie doch aufgrund ihrer inhaltlichen N¨ahe in den folgenden statistischen Analysen gemeinsam betrachtet werden, um dadurch die Modellidentifizierung im Rahmen der konfirmatorischen Faktorenanalysen und des Tetradentestes zu gew¨ahrleisten. F¨ ur den Faktor Projektplanung sind f¨ unf Indikatoren vorgesehen, die mit Struktur-, Meilenstein- und Ressourcenplanung sowie Kostenabsch¨atzung und Dokumentation typische Aktivit¨aten der Projektplanung abbilden.7 Der Faktor Risikomanagement lehnt sich stark an die von Raz et al. (2002) entwickelte Skala an. Die Items Risikoidentifikation, Risikoanalyse, Risikoverh¨ utung und Schadensverk¨ urzung wurden direkt der genannten Arbeit entnommen, das dort zus¨atzlich verwendete Item Ernennung ” eines Risikomanagers“ jedoch weggelassen, da es im Gegensatz zu den anderen Indikatoren weniger ein Prozessmerkmal als vielmehr einen aufbauorganisatorischen Aspekt erfasst. Tabelle 9.8 illustriert die Befunde der exploratorischen Faktorenanalysen. Sowohl bei der PCA/Varimax als auch bei der ML-FA/Promax werden nach dem Kaiser-Kriterium jeweils zwei Faktoren extrahiert, was durch den deutlichen Abfall im Scree-Plot untermauert wird. Die Korrelation der beiden Faktoren bei der MF-FA/Promax betr¨agt 0,62, der Bartlett-Test weist auf signifikante Korrelationen hin, und das KMO-Maß sowie alle MSA-Werte sind durchweg sehr hoch. Dennoch wurden nach Betrachtung des Faktorladungsmusters die drei Items Kostenabsch¨atzung, Dokumentation der Projektplanung und Risikoidentifikation von der weiteren Analyse ausgeschlossen, da sie vergleichsweise hohe Querladungen auf den jeweils anderen Faktor aufwiesen. Unter Verwendung von Mathematica wurde ein Tetradentest durchgef¨ uhrt, um die Vertr¨aglichkeit der sechs verbleibenden Indikatoren mit einem reflexiven Messmodell zu u ufen (vgl. Tabelle 9.9). Die beiden korrelierenden Faktoren mit je drei Indikatoren ¨berpr¨ liefern acht nicht redundant verschwindende Tetraden sowie eine Teststatistik, die auf ur die einem Niveau α = 0,05 signifikant ist (χ2 = 15,85; df = 8; p = 0,045). Folglich ist f¨ beiden Faktoren der operativen Vorhabensplanung die Nullhypothese H0 : τ = 0 abzulehnen, die Daten sind hier also nicht mit einem reflexiven Messmodell vertr¨aglich. Angesichts der sehr guten Ergebnisse der exploratorischen Faktorenanalyse ist dieses Ergebnis durchaus u ¨berraschend und sollte daher durch weitere Analysen untermauert werden. Da sich zwar jedem Strukturgleichungsmodell eine Maximalzahl nichtredundant verschwindender Tetraden zuordnen l¨asst, die Wahl der Tetradenmenge jedoch nicht eindeutig ist, wurde 7

Vgl. u. a. Bullinger (1996a), S. 37ff. sowie ausf¨ uhrlich Meredith und Mantel (1995).

9.2. Projektplanung und Risikomanagement

Faktor

Projektplanung

Risikomanagement

Item (Kurzbezeichnung)

Item (vollst¨ andige Formulierung)

Projektstrukturplanung

Die globale Aufgabenstellung wurde in klar umrissene Teil- und Einzelaufgaben gegliedert (Projektstrukturplan)

Meilensteinplanung

Die Aufgaben wurden sorgf¨ altig in Arbeitsschritte strukturiert, auf Abh¨ angigkeiten u uft und in ¨berpr¨ einem Meilensteinplan niedergelegt

Ressourcenplanung

Die zur Realisierung der Aufgaben ben¨ otigten Ressourcen wurden detailliert abgesch¨ atzt

Kostenabsch¨ atzung

Die mit der Realisierung verbundenen Kosten wurden detailliert abgesch¨ atzt

Dokumentation

Die Ergebnisse der Projektplanung wurden sorgf¨ altig dokumentiert

Risikoidentifikation

Die Haupt-Risikofaktoren im Projektverlauf wurden systematisch identifiziert

Risikoanalyse

Die Eintrittswahrscheinlichkeit und Konsequenzen der Risikofaktoren wurden systematisch abgesch¨ atzt

Risikoverh¨ utung

Maßnahmen zur Reduzierung der Risikofaktoren wurden gezielt geplant

Schadensverk¨ urzung

Maßnahmenpl¨ ane f¨ ur den Fall des Eintritts von Risikofaktoren wurden erstellt

229

Tabelle 9.7: Messkonzept zu Projektplanung und Risikomanagement

die Analyse mit alternativen Tetradenmengen wiederholt, die jedoch zu noch h¨oheren χ2 Werten f¨ uhrten. Weiterhin wurde f¨ ur beide Faktoren ein separater Tetradentest berechnet, wobei zur Modellidentifikation allerdings jeweils wieder ein viertes Items aufgenommen werden musste (Kostenabsch¨atzung im Fall der Projektplanung und Risikoidentifikation im Fall des Risikomanagement). Beide Modelle liefern wiederum jeweils zwei nichtredundant verschwindenden Tetraden und signifikante Teststatistiken (χ2 = 23,15; p = 0,000 sowie χ2 = 7,73; p = 0,021). Im n¨achsten Schritt wurden die sechs Indikatoren auf multivariate Normalit¨at untersucht. Die mit PRELIS ermittelte relative multivariate Kurtosis von 1,2 ist akzeptabel, so dass keine nennenswerten Verzerrungen bei der Verwendung der ML-Fitfunktion in LISREL zu erwarten sind. Abschließend wurde daher entgegen der Indikation des Tetradentests ein (reflexives) konfirmatorisches Faktorenmodell gesch¨atzt, um die Modellanpassung zu untersuchen und daraus eventuell den Grund f¨ ur die Ablehnung eines reflexiven Modells zu ermitteln. Tabelle 9.10 zeigt die durchweg hervorragenden Fitmaße, die alle in Abschnitt 8.5 genannten Anforderungen erf¨ ullen. Auch eine Betrachtung der standardisierten Residuen im LISREL-Output zeigt keine Auff¨alligkeiten. Die Abweichungen

9. Operationalisierung und Validierung der Konstrukte

230

PCA/Varimax Indikator

ML-FA/Promax

1

2

1

2

MSA

Com.

LMT

Projektstrukturplanung

0,84

0,16

0,71

-0,01

0,79

0,72

36,76

Meilensteinplanung

0,84

0,27

0,72

0,08

0,82

0,77

38,76

Ressourcenplanung

0,84

0,26

0,98

-0,11

0,82

0,78

57,82

Kostenabsch¨atzung

0,78

0,35

0,87

0,01

0,83

0,73

51,88

Dokumentation

0,74

0,35

0,65

0,16

0,93

0,67

93,97

Risikoidentifikation

0,44

0,79

0,24

0,72

0,90

0,82

95,04

Risikoanalyse

0,34

0,88

0,07

0,88

0,87

0,88

100,44

Risikoverh¨ utung

0,25

0,92

-0,06

0,98

0,87

0,90

94,12

Schadensverk¨ urzung

0,19

0,91

-0,08

0,93

0,87

0,86

100,81

Eigenwert Erkl¨ arte Varianz

5,71

1,42

5,38

1,22

63,4%

15,7%

59,5%

13,6%

Erl¨ auterung. KMO = 0,853. Barlett-Test: χ2 (36) = 992,3 (p = 0, 00). Die Kommunalit¨ aten beziehen sich auf die ML-FA/Promax. Kursiv gedruckte Items werden im Folgenden eliminiert. Fett gedruckte Faktorladungen kennzeichnen Werte u ¨ber 0,3. Die Korrelation der beiden Faktoren nach Promax-Rotation betr¨ agt 0,62. Tabelle 9.8: EFA zu Projektplanung und Risikomanagement

verteilen sich relativ gleichm¨aßig u ¨ber die einzelnen Indikatoren, so dass die Ersetzung einzelner Indikatoren keine wesentliche Verbesserung der Anpassungsg¨ ute zu erwarten ist. F¨ ur die beiden Faktoren bleibt daher abschließend festzuhalten, dass sie zwar eine hohe Anpassungsg¨ ute in der konfirmatorischen Faktorenanalyse aufweisen, der Tetradentest ein solches Modell jedoch ablehnt. Aus diesem Grund sollen Projektplanung und Risiko¨ management bei der Uberpr¨ ufung des vollen Strukturmodells in Kapitel 10 sowohl durch reflexive als auch durch formative Messmodelle abgebildet werden, um die Auswirkung bei der Beurteilung der Substanzhypothesen absch¨atzen zu k¨onnen.

Tetrade

Wert

t1234

0.5385

t1423 t1235

Tetrade

Wert

Tetrade

Wert

t1325

0.1623

t2435

0.0091

−0.7448

t1425

−0.0237

t2456

0.6472

0.5103

t1435

−0.0146

Tabelle 9.9: Nichtredundante verschwindende Tetraden und zugeh¨ orige Tetradenwerte zu Projektplanung und Risikomanagement. Die Daten sind nicht mit einem reflexiven Messmodell vertr¨ aglich: χ2 = 15,85; df = 8; p = 0,045.

0,97 0,71 0,90 0,95 0,89

Ressourcenplanung

Risikoanalyse

Risikoverh¨ utung

Schadensverk¨ urzung

0,83

Ladung

Meilensteinplanung

Projektstrukturplanung

Indikator

12,86

14,46

13,26

9,16

14,21

11,23

t-Wert

0,85

0,90

0,86

0,67

0,84

0,76

rit

0,78

0,90

0,81

0,51

0,94

0,69

ρi

Indikatorreliabilit¨ at

0,94

0,87

α

0,94

0,88

ρWLJ

Faktorreliabilit¨ at

0,83

0,71

ρave

Tabelle 9.10: Konfirmatorische Faktorenanalyse zu Projektplanung und Risikomanagement

Erl¨ auterung. Analyse der Kovarianzmatrix. Faktorladungen zeigen die standardisierte L¨ osung ohne Skalenfixierung. Die Korrelation der beiden Faktoren betr¨ agt r12 = 0,54. Die Anpassungsmaße betragen SRMR=0,048; CFI=0,99; χ2 = 14,49; df = 8; p = 0,07; χ2 /df = 1,8.

Risikomanagement

Projektplanung

Faktor

Standard. L¨ osung

9.2. Projektplanung und Risikomanagement 231

9. Operationalisierung und Validierung der Konstrukte

232

9.3

Projektsteuerung (Prozessformalisierung und -stabilit¨ at)

Die Projektsteuerung soll durch zwei postulierte Faktoren, n¨amlich den Grad der Prozessformalisierung und die Prozessstabilit¨at, erfasst werden. F¨ ur die Prozessformalisierung sind sechs Indikatoren vorgesehen, von denen sich vier (Meilensteinsteuerung, explizite Zielvorgaben, Entscheidungen an Meilensteinen, klare Abbruchkriterien) stark an existierende Skalen zur Prozessformalisierung von Ernst (2001) sowie ferner Tatikonda und Montoya-Weiss (2001) und Lewis et al. (2002) anlehnen.8 Ein weiteres Item (transparente Entscheidungen) wurde zus¨atzlich aufgenommen, um die Prozessformalisierung durch den Grad an Transparenz der im Projektverlauf getroffenen Entscheidungen zu reflektieren. Prozessstabilit¨at wird in Anlehnung an existierende Skalen von Covin und Slevin (1998) sowie Lynn und Akg¨ un (2001) durch vier Items operationalisiert, die messen, in welchem Umfang im Projektverlauf Zielvorgaben und der urspr¨ ungliche Zeitplan ge¨andert wurden, wie h¨aufig Ressourcen-Commitments revidiert werden mussten, inwieweit die aktuellen Projektziele noch mit denen u unglich im Businessplan niederge¨bereinstimmen, die urspr¨ legt wurden, und wie h¨aufig das Top-Management direkt in die Projektarbeiten eingreift (vgl. Tabelle 9.11).9 Tabelle 9.12 illustriert die Befunde der exploratorischen Faktorenanalysen zur Formalisierung der Projektsteuerung. Sowohl bei der PCA/Varimax als auch bei der MLFA/Promax werden nach dem Kaiser-Kriterium jeweils zwei Faktoren extrahiert, wobei der Bartlett-Test auf signifikante Korrelationen hinweist und das KMO-Maß sowie alle MSA-Werte durchweg hoch sind. Beide Faktorl¨osungen zeigen ¨ahnliche Faktorladungen, wobei das Ladungsmuster bei der ML-FA/Promax noch deutlicher zu Tage tritt und zu einer relativ hohen Faktorkorrelation (0,5) f¨ uhrt. Da nach dem Scree-Plot jedoch ebenfalls L¨osungen mit drei Faktoren in Frage k¨amen, wurden zus¨atzlich Faktorenanalysen mit einer auf Drei restringierten Faktorenzahl gerechnet, jedoch auf Grund der statistisch wie inhaltlich unbefriedigenden Faktorladungsmuster verworfen. Im Zuge der Itembereinigung wurden zwei Indikatoren (transparente Entscheidungen, geringe Managementinterventionen) eliminiert, die niedrige Kommunalit¨aten und niedrige Werte in der Kano-HaradaStatistik aufweisen und das Faktormodell inhaltlich dadurch st¨oren, dass sie st¨arker auf den jeweils anderen als den hypothetisierten Faktor laden. Der Tetradentest wurde durchgef¨ uhrt, um die Vetr¨aglichkeit der sieben verbleibenden Indikatoren mit einem reflexiven Messmodell zu u ufen. Das in Mathematica ¨berpr¨ abgebildete Modell mit zwei korrelierenden Faktoren mit jeweils vier bzw. drei Indikatoren in Einfachstruktur liefert bei 13 nichtredundant verschwindenden Tetraden eine nicht

8

Ernst (2001), S. 198; Tatikonda und Montoya-Weiss (2001), S. 168; Lewis et al. (2002), S. 554.

9

Covin und Slevin (1998), S. 233; Lynn und Akg¨ un (2001), S. 379.

9.3. Projektsteuerung (Prozessformalisierung und -stabilit¨ at)

233

signifikante Teststatistik, χ2 (13) = 7,98, p = 0, 85 und ist folglich mit einem reflexiven Messmodell vertr¨aglich (vgl. Tabelle 9.13). In Vorbereitung auf die konfirmatorische Faktorenanalyse werden die verbleibenden Indikatoren schließlich noch auf multivariate Normalit¨at untersucht. Die mit PRELIS ermittelte relative multivariate Kurtosis von 1,3 ist akzeptabel, so dass keine nennenswerten Verzerrungen bei der Verwendung der ML-Fitfunktion in LISREL zu erwarten sind.

Faktor

Item (Kurzbezeichnung)

Item (vollst¨ andige Formulierung)

Meilensteinsteuerung

Die Steuerung erfolgt anhand eines Meilensteinplans mit klaren Zielvorgaben

Explizite Zielvorgaben

Die Zielvorgaben sind den Projektteam-Mitgliedern explizit bekannt

Prozessformalisierung Entscheidungen an Meilensteinen

Prozessstabilit¨ at

Zentrale Vorhabensentscheidungen werden u ¨berwiegend beim Erreichen vorab definierter Meilensteine gef¨ allt

Klare Abbruchkriterien

Es liegen klare Kriterien f¨ ur die Entscheidungen u ¨ber Weiterf¨ uhrung bwz. Abbruch des Vorhabens bzw. deutliche Ressourcenanpassung vor

Transparente Entscheidungen

Die getroffenen Entscheidungen sind f¨ ur alle Beteiligten transparent

Geringe Plan¨ anderungen

Zeitplan und Zielvorgaben wurden nur selten explizit ge¨ andert

Geringe Ressourcen¨anderungen

Ressourcen-Commitments wurden nur selten explizit revidiert

Zielkonstanz

Die zentralen Projektziele stimmen im Wesentlichen noch mit denen u unglichen ¨berein, die im urspr¨ Businessplan niedergelegt waren

Geringe Managementinterventionen

Das Top-Management greift nur selten direkt in Projektarbeiten ein

Tabelle 9.11: Messkonzept zur Projektsteuerung

Die konfirmatorische Faktorenanalyse zeigt sehr gute Fitmaße und macht keine weiteren Modellmodifikationen notwendig, vgl. Tabelle 9.14. Bemerkenswert ist insbesondere der seltene Fall, dass aufgrund der niedrigen Werte der Fitfunktion und der Teststatistik T die Nullhypothese S = Σ(θ) des χ2 -Tests nicht abgelehnt werden kann.

0,71 0,85 0,65 0,12 0,15 0,25 0,28 0,55 3,99 44,4%

Entscheidungen an Meilensteinen

Klare Abbruchkriterien

Transparente Entscheidungen

Geringe Plan¨ anderungen

Geringe Ressourcen¨ anderungen

Zielkonstanz

Geringe Managementinterventionen

Eigenwert

Erkl¨ arte Varianz

15,5%

1,93

0,28

0,64

0,81

0,83

0,70

0,27

0,11

0,21

0,13

2

38,2%

3,44

0,42

0,13

0,08

-0,07

-0,00

0,56

0,81

0,59

0,97

1

12,2%

1,09

0,18

0,51

0,77

0,84

0,57

0,12

-0,06

0,01

-0,01

2

ML-FA/Promax

0,86

0,87

0,78

0,79

0,81

0,86

0,83

0,87

0,75

MSA

0,29

0,34

0,66

0,64

0,32

0,40

0,62

0,42

0,85

Com.

17,01

19,84

19,18

25,08

17,07

18,06

23,23

23,02

16,97

LMT

Tabelle 9.12: Exploratorische Faktorenanalyse zur Projektsteuerung

Erl¨ auterung. Kursiv gedruckte Items werden im Folgenden eliminiert. Fett gedruckte Faktorladungen kennzeichnen Werte u agt 0,5. ¨ber 0,3. Die Korrelation der beiden Faktoren nach Promax-Rotation betr¨ KMO = 0,82. Barlett-Test: χ2 (36) = 400,6 (p = 0, 00).

0,89

Explizite Zielvorgaben

1

PCA/Varimax

Meilensteinsteuerung

Indikator

234 9. Operationalisierung und Validierung der Konstrukte

9.3. Projektsteuerung (Prozessformalisierung und -stabilit¨ at)

Tetrade

Wert

Tetrade

Wert

235

Tetrade

Wert

t1234

0.1587

t1245

−0.0416

t1657

t1423

−0.0717

t1247

0.0912

t2534

−0.0903 0.0694

t1235

−0.3523

t1345

0.4587

t3547

−0.1279

t1325

0.4377

t1634

−0.3122

t1237

−0.0019

t1734

−0.3841

Tabelle 9.13: Nichtredundante verschwindende Tetraden und zugeh¨ orige Tetradenwerte zur Projektsteuerung (Prozessformalisierung und -stabilit¨ at). Die Daten sind mit einem reflexiven Messmodell vertr¨ aglich: χ2 (13) = 7,98 (p = 0, 85).

Indikator

0,64 0,76 0,85 0,57

Geringe Plan¨ anderungen

Geringe Ressourcen¨ anderungen

Zielkonstanz

0,80

Klare Abbruchkriterien

0,64

Entscheidungen an Meilensteinen

0,90

Ladung

Explizite Zielvorgaben

Meilensteinsteuerung

6,35

9,88

8,74

7,56

10,13

7,69

11,95

t-Wert

0,50

0,66

0,65

0,57

0,71

0,56

0,77

rit

0,32

0,72

0,58

0,41

0,63

0,41

0,80

ρi

Indikatorreliabilit¨ at

0,77

0,82

α

0,77

0,84

ρWLJ

Faktorreliabilit¨ at

0,54

0,56

ρave

Tabelle 9.14: Konfirmatorische Faktorenanalyse zur Projektsteuerung

Erl¨ auterung. Analyse der Kovarianzmatrix. Faktorladungen zeigen die standardisierte L¨ osung ohne Skalenfixierung. Die Korrelation der beiden Faktoren betr¨ agt 0,5. Die Anpassungsmaße betragen SRMR=0,044; CFI=1,00; χ2 = 14,22; df =13; p=0,36; χ2 /df = 1,1.

Prozessstabilit¨ at

Grad der Prozessformalisierung

Faktor

Standard. L¨ osung

236 9. Operationalisierung und Validierung der Konstrukte

9.4. Vorhabenserfolg

9.4

237

Vorhabenserfolg

Im Folgenden wird die Operationalisierung des Vorhabenserfolgs erl¨autert, wobei teilweise auf die Ausf¨ uhrungen in Abschnitt 4.4 (S. 81ff.) zur¨ uckgegriffen wird. Tabelle 9.15 fasst das Messkonzept in Anlehnung an die von Hauschildt (1991) entwickelte Systematik zur Erfolgsbeurteilung zusammen.10

Aspekt der Messung

Auspr¨ agung

1. Messbereich:

Projektebene

2. Messdimensionen:

Produkterfolg, Markterfolg, Finanzerfolg, Projekteffizienz

3. Messzeitpunkt:

Markteinf¨ uhrungsphase

4. Referenzgr¨ oßen:

Urspr¨ ungliche Projektziele

5. Messsubjekt:

¨ Uberwiegend subjektive Beurteilung

Tabelle 9.15: Messkonzept f¨ ur den Vorhabenserfolg

Entsprechend der in Abschnitt 1.1 erl¨auterten Motivation wurde in dieser Untersuchung der Innovationserfolg auf der Ebene des Einzelprojektes ermittelt. Als Referenzgr¨oßen zur Erfolgsbeurteilung wurden die im Rahmen der Fr¨ uhphasenplanung urspr¨ unglich definierten Vorhabensziele herangezogen. Eine solche Erfolgsmessung als Grad der Zielerreichung – also relativ zu den selbst gesteckten Zielen – wird mitunter als problematisch angesehen. Sind beispielsweise die Gewinn- oder Umsatzziele von vornherein sehr niedrig gew¨ahlt, so gibt ihre Erreichung nicht notwendigerweise dar¨ uber Aufschluss, ob das betreffende Projekt als erfolgreicher einzustufen ist als ein anderes Vorhaben desselben Unternehmens oder gar eines Wettbewerbers.11 Auf der anderen Seite erscheint ein Zeit- oder Betriebsvergleich nicht weniger problematisch, da hier durch die Auswahl eines geeigneten Vergleichsprojektes der Referenzzustand praktisch willk¨ urlich bestimmt werden kann. In der Innovationsforschung hat sich daher weitgehend die Ansicht durchgesetzt, dass der Grad der Zielerreichung als Erfolgsmaßstab besser geeignet ist als die absolute Auspr¨agung einzelner Erfolgsdimensionen.12 Hauschildt (2004) sieht sogar in einem Vergleich des Innovationserfolgs mit einem zuvor definierten Ziel den einzig rationalen Messvorgang.13 10

Hauschildt (1991), S. 466 und ¨ ahnlich Kerssens-van Drongelen und Cook (1997), S. 351ff.

11

Ernst (2001), S. 168.

12

Block und MacMillan (1985), S. 184; Sheremata (2000), S. 392.

13

Hauschildt (2004), S. 508.

238

9. Operationalisierung und Validierung der Konstrukte

Hinsichtlich des Messsubjektes muss sich diese Untersuchung auf das Urteil von Key Informants verlassen. Von dem Versuch, objektive Kennzahlen f¨ ur die einzelnen Erfolgsdimensionen zu erheben, wurde aus einer Reihe von Gr¨ unden abgesehen. Der gr¨oßte Teil der untersuchten Innovationen befand sich zum Zeitpunkt der Erhebung noch in der Phase der Markteinf¨ uhrung, so dass keine aussagef¨ahigen Profitabilit¨ats- und Umsatzzahlen vorlagen. Hinsichtlich der finanziellen Kennzahlen ist es ohnehin fraglich, ob bei allen Unternehmen Projekterfolgsrechnungen durchgef¨ uhrt werden und inwieweit diese zu vergleichbaren Ergebnissen f¨ uhren. Selbst wenn solche Zahlen bereits vorgelegen h¨atten, w¨aren sie zudem aus Gr¨ unden der Vertraulichkeit wohl nur selten mitgeteilt worden. Dagegen sind subjektive Erfolgseinsch¨atzungen von den Respondenten relativ einfach vorzunehmen und haben bei Studien mit breitem Industriequerschnitt m¨oglicherweise den Vorteil, dass bei ihnen bereits bestimmte Industriespezifika (z. B. typische Profitabilit¨atsniveaus) ber¨ ucksichtigt werden, die die Vergleichbarkeit objektiver Kennzahlen stark einschr¨anken k¨onnten.14 Als relevante Dimensionen des Vorhabenserfolgs werden entsprechend der Ausf¨ uhrungen in Abschnitt 4.4.3 die vier Gr¨oßen Produkterfolg, Markterfolg, Finanzerfolg und Projekteffizienz herangezogen, vgl. Tabelle 9.16. Der Produkterfolg soll durch insgesamt sieben Items messen, inwieweit das Produkt als solches die technischen und strategischen Erwartungen bei Einhaltung der gesetzten Kostenziele erf¨ ullt. Die Marktdimension erfasst durch f¨ unf Items, wie zufrieden die Kunden mit dem Produkt sind, ob es die Umsatz- bzw. Marktanteilsziele erf¨ ullt und inwieweit es dem Unternehmen einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil und Imagegewinn sichert. Der Finanzerfolg wird durch die gesch¨atzte Erreichung von Plan-Kapitalwert und Verzinsung erfasst, w¨ahrend unter Projekteffizienz die Einhaltung von Projektbudget sowie Projektzeitplan und Time-to-Market verstanden wird. Tabelle 9.17 pr¨asentiert die Ergebnisse der exploratorischen Faktorenanalyse. Sowohl bei der PCA/Varimax als auch bei der ML-FA/Promax werden nach dem KaiserKriterium vier Faktoren extrahiert, was auch durch den Scree-Plot nahegelegt wird. Die resultierenden Faktorl¨osungen weisen jedoch in beiden F¨allen z. T. recht niedrige Faktorladungen mit deutlichen Querladungen auf und stimmen nur bedingt mit der hypothetisierten Faktorstruktur u ¨berein. Insbesondere scheint das Faktorladungsmuster die Unidimensionalit¨at des Faktors Produkterfolg zu widerlegen. Unter Heranziehung von Kommunalit¨aten sowie MSA- und LMT-Werten wurde daher eine Itembereinigung vorgenommen, die auf vier Faktoren in Einfachstruktur mit jeweils zwei Indikatoren f¨ uhrt. Insbesondere der erste Faktor hat durch die verbleibenden zwei Items Technische Leistung“ und ” Qualit¨at“ eine starke inhaltliche Re-Fokussierung erfahren und wird daher im Folgenden ” als Technischer Erfolg bezeichnet. Daneben wird der Faktor Projekteffizienz nach Wegfall 14

Dawes (1999), S. 66.

9.4. Vorhabenserfolg

239

des Items Budgeteinhaltung“ in Zeitplaneinhaltung umbenannt. ” Die vier resultierenden Faktoren wurden mit ihren je zwei Indikatoren in Einfachstruktur in Mathematica abgebildet, um anhand des Tetradentests die Vertr¨aglichkeit mit einem reflexiven Messmodell zu u ufen. Mit 14 nicht redundant verschwindenden ¨berpr¨ Tetraden ist die Teststatistik nicht signifikant (χ2 = 11,88; df = 14; p = 0,62), so dass die Verwendung eines reflexiven Modells nicht abgelehnt werden kann, vgl. Tabelle 9.18. In Vorbereitung auf die konfirmatorische Faktorenanalyse wurde weiterhin f¨ ur die multivariate Kurtosis der Wert 1,1 ermittelt, so dass keine wesentlichen Verzerrungen bei der Verwendung der ML-Fitfunktion in LISREL zu erwarten sind. Im Rahmen der konfirmatorischen Faktorenanalyse wurde zun¨achst ein GruppenFaktormodell mit vier frei korrelierenden Faktoren gesch¨atzt. Das Modell zeigt sehr gute Fitmaße (SRMR = 0,043; CFI = 0,98) und macht keine Modellmodifikationen notwendig, vgl. Tabelle 9.20. Bei drei der vier Faktoren liegt die durchschnittlich erkl¨arte Varianz deutlich u ¨ber 50 Prozent, so dass ihre Konvergenzvalidit¨at als gew¨ahrleistet angesehen werden kann. Lediglich der Faktor Technischer Erfolg verfehlt die geforderte Mindestgrenze mit 49 Prozent knapp. Um weiterhin die G¨ ute des multidimensionalen Messmodells gegen¨ uber alternativen Modellen beurteilen zu k¨onnen, wurden durch Aufhebung und Hinzuf¨ ugung von Restriktionen mehrere ineinander geschachtelte Modelle konstruiert und durch χ2 -Differenztests verglichen. Das Bi-Faktormodell, das aus dem Gruppen-Faktormodell durch Hinzuf¨ ugung eines mit den Gruppenfaktoren unkorrelierten allgemeinen Faktors hervorgeht, liefert eine sehr gute Anpassung an die Daten (χ2 = 8,20; df = 8; p = 0,41), vgl. Tabelle 9.19, wobei die urspr¨ ungliche L¨osung jedoch zwei negative Fehlervarianzen enthielt, die auf positive Werte fixiert werden mussten.15 Ein Vergleich des Bi-Faktormodells mit dem GruppenFaktormodell ist ¨aquivalent zu einem Test darauf, dass alle Faktorladungen des allgemeinen Faktors gleich Null sind. Die signifikante χ2 -Differenz (∆χ2 = 13,74; df = 6; p = 0,03) zwischen beiden Modellen zeigt zwar, dass das Bi-Faktormodell besser an die Daten angepasst ist, dies wird allerdings durch seine schwerere Interpretierbarkeit erkauft. Der ¨ Ubergang vom Gruppen-Faktormodell zur Faktoranalyse zweiter Ordnung f¨ uhrt dagegen nur zu einer schwach signifikanten Verschlechterung der Anpassungsg¨ ute (∆χ2 = 4,52; df = 2; p = 0,10), so dass der Projekterfolg im Rahmen der im n¨achsten Kapitel untersuchten Strukturmodelle aus Gr¨ unden modelltechnischer Sparsamkeit als Faktor zweiter Ordnung abgebildet werden sollte. Die Zusammenfassung aller acht Erfolgsitems zu einem Faktor erster Ordnung geht jedoch wiederum mit einer starken Veschlechterung der

15

Dies ist auch der Grund daf¨ ur, dass f¨ ur das Bi-Faktormodell 8 Freiheitsgrade berichtet werden statt der 6, die sich ceteris paribus durch Hinzuf¨ ugen von 8 weiteren zu sch¨ atzenden Faktorladungen zum Gruppen-Faktormodell mit 14 Freiheitsgraden ergeben w¨ urden.

9. Operationalisierung und Validierung der Konstrukte

240

Faktor

Produkterfolg

Item (Kurzbezeichnung)

Item (vollst¨ andige Formulierung)

Technische Leistung

Erreichung der technischen Leistungsziele

Kompetenzgewinn

Gewinn strategischer Kompetenzen

Patentschutz

Erzielung eines Patentschutzes

Qualit¨ at

Erreichung der Ziel-Qualit¨ at

Produktionsfreundlichkeit

Produktionsfreundlichkeit des Produktes

Zielkosten

Einhaltung der Produkt-Zielkosten

Lebenszykluskosten

Einhaltung der Produkt-Lebenszykluskosten

Kundenzufriedenheit

Kundenzufriedenheit

Umsatz

Erreichung des Ziel-Umsatzes

Marktanteil

Erreichung des Ziel-Marktanteiles

Wettbewerbsvorteil

Erzielung eines nachhaltigen Wettbewerbsvorteiles

Imagegewinn

Kommunikationsf¨ ahigkeit im Markt, Imagegewinn

Markterfolg

Finanzerfolg

Projekteffizienz

Kapitalwert

Kapitalwert / Net present value (NPV)

ROI

ROI oder IRR (interner Zinsfuß)

Budgeteinhaltung

Einhaltung des Projektbudgets

Zeitplaneinhaltung

Einhaltung des Projektzeitplanes

Time-to-Market

Einhaltung der Time-to-Market

Erl¨ auterung: Jede Itembatterie wurde mit der folgenden Frage eingeleitet: Wie wichtig waren ” die folgenden produktbezogenen Zielgr¨ oßen f¨ ur Ihr Vorhaben und wie hoch war jeweils die Zielerreichung?“. Tabelle 9.16: Operationalisierung des Vorhabenserfolgs

Anpassungsg¨ ute (∆χ2 = 86,59; df = 4; p = 0,00) einher und ist folglich nicht mit den Daten vertr¨aglich.

0,72 0,40 0,50 0,63 0,74 0,07 0,13 0,23 5,94 44,4%

Imagegewinn

Kapitalwert

ROI

Time-to-break-even

Budgeteinhaltung

Zeitplaneinhaltung

Time-to-market

Eigenwert

Erkl¨ arte Varianz

2

15,5%

1,90

0,70

0,79

0,77

0,31

0,53

0,45

-0,01

-0,05

0,13

0,20

0,05

0,39

0,51

0,19

-0,03

-0,06

0,13

0,16

3

38,2%

1,81

0,18

0,05

0,01

0,02

0,03

0,25

-0,13

0,33

0,05

0,09

0,27

0,62

0,55

0,73

0,67

0,58

-0,04

0,25

4

12,2%

1,16

0,14

0,11

0,13

0,08

-0,15

0,01

0,45

0,21

0,28

0,22

0,57

-0,03

0,02

0,27

0,41

-0,09

0,76

0,64

1

0,18

-0,07

-0,20

0,37

-0,02

0,10

0,47

0,66

0,78

0,68

0,70

-0,07

-0,09

-0,11

0,33

-0,03

0,45

0,33

-0,04

0,34

0,53

0,54

0,93

0,54

-0,02

0,04

0,08

0,35

-0,12

0,25

0,25

-0,01

-0,05

-0,02

-0,26

-0,06

2

-0,01

0,06

0,17

-0,11

-0,09

0,16

-0,09

0,08

-0,17

-0,09

0,25

0,49

0,49

0,79

0,65

0,33

0,07

0,33

3

ML-FA/Promax 4

0,97

0,47

0,11

-0,02

-0,05

-0,02

0,02

0,03

0,13

-0,07

-0,05

0,13

0,15

-0,04

-0,17

0,05

0,18

0,02

0,81

0,80

0,78

0,89

0,84

0,87

0,88

0,90

0,83

0,87

0,87

0,88

0,85

0,78

0,83

0,70

0,79

0,83

MSA

0,57

0,53

0,45

0,57

0,60

0,48

0,21

0,52

0,64

0,69

0,55

0,43

0,46

0,44

0,54

0,19

0,26

0,38

Com.

87,6

104,5

86,5

105,6

98,8

100,0

111,8

104,0

94,3

105,8

102,4

106,2

97,4

107,5

98,8

105,1

104,1

95,0

LMT

Tabelle 9.17: Exploratorische Faktorenanalyse zum Vorhabensserfolg

Erl¨ auterung. Kursiv gedruckte Items werden im Folgenden eliminiert. Fett gedruckte Faktorladungen kennzeichnen Werte u ¨ber 0,3. Die Korrelation der beiden Faktoren nach Promax-Rotation betr¨ agt 0,5. KMO = 0,82. Barlett-Test: χ2 (36) = 400,6 (p = 0, 00).

0,76

Wettbewerbsvorteil

0,18

Lebenszykluskosten

Marktanteil

0,12

Zielkosten 0,47

-0,12

Produktionsfreundlichkeit

0,82

0,26

Kundenzufriedenheit

0,09

Patentschutz

Qualit¨ at

Umsatz

0,08

Kompetenzgewinn

1 0,13

Technische Leistung

Indikator

PCA/Varimax

9.4. Vorhabenserfolg 241

9. Operationalisierung und Validierung der Konstrukte

242

Tetrade

Wert

Tetrade

Wert

Tetrade

Wert

t1324

−0.0916

t1345

−0.1403

t2546

−0.1763

t1325

−0.0439

t1347

−0.0168

t2758

−0.1090

t1327

−0.2261

t1738

0.1178

t3548

0.4205

t1426

0.0020

t1748

0.2063

t3568

−0.3042

t1527

−0.0720

t2346

0.0153

Tabelle 9.18: Nichtredundante verschwindende Tetraden und zugeh¨ orige Tetradenwerte zum Vorhabenserfolg. Die Daten sind mit einem reflexiven Messmodell vertr¨ aglich: χ2 (14) = 11,88 (p = 0, 62).

χ2 -Differenztest

Anpassungsg¨ ute χ2

∆χ2

df

p

0,41







14

0,08

13,87

6

0,03

16

0,05

4,52

2

0,10

20

0,00

86,59

4

0,00

Modell

SRMR

CFI

df

Bi-Faktormodell

0,025

1,00

8,20

8

Gruppen-Faktormodell

0,043

0,98

22,07

Faktorenanalyse 2. Ordnung

0,049

0,97

26,59

Faktorenanalyse 1. Ordnung

0,10

0,75

113,18

p

Tabelle 9.19: Vergleich geschachtelter Messmodelle zum Vorhabenserfolg

Abschließend wird die Konvergenz- und Diskriminanzvalidit¨at der vier Erfolgsdimensionen durch paarweise χ2 -Differenztests nachgewiesen, vgl. Tabelle 9.21. Bei freier Sch¨atzung der Faktorkorrelationen ergibt sich in allen F¨allen eine signifikant bessere Modellanpassung als bei der Restriktion auf den Wert Eins. Obwohl die Faktoren also jeweils signifikant korreliert sein k¨onnen, handelt es sich um unterschiedliche Dimensionen (Diskriminanzvalidit¨at). In ¨ahnlicher Weise erweist sich die freie Sch¨atzung der Faktorkorrelationen in allen F¨allen auch als signifikant besser als eine Restriktion auf den Wert Null, was auf den wechselseitigen Zusammenhang zwischen den Dimensionen hinweist (Konvergenzvalidit¨at). Damit handelt es sich bei den vier untersuchten Erfolgsdimensionen also um zusammengeh¨orige, aber unterscheidbare Faktoren.

0,73 0,94 0,75 0,77 0,81 0,81 0,79

Qualit¨ at

Umsatz

Marktanteil

ROI

Time to break-even

Zeitplaneinhaltung

Time to market

8,58

8,70

10,26

9,67

9,34

12,42

6,38

6,00

t-Wert

0,67

0,67

0,63

0,63

0,70

0,70

0,49

0,49

rit

0,63

0,65

0,66

0,60

0,56

0,89

0,54

0,44

ρi

Indikatorreliabilit¨ at

0,80

0,77

0,82

0,65

α

0,78

0,77

0,84

0,65

ρWLJ

Faktorreliabilit¨ at

0,64

0,63

0,72

0,49

ρave

Tabelle 9.20: Konfirmatorische Faktorenanalyse zum Vorhabenserfolg

Erl¨ auterung. Analyse der Kovarianzmatrix. Faktorladungen zeigen die standardisierte L¨ osung ohne Skalenfixierung. Die Korrelationen der Faktoren betragen r12 = 0,50; r13 = 0,41; r14 = 0,35; r23 = 0,79; r24 = 0,42; r34 = 0,61. Die Anpassungsmaße betragen SRMR=0,043; CFI=0,98; χ2 = 22,07; df =14; p =0,08; χ2 /df = 1,6.

Zeitplaneinhaltung

Finanzerfolg

Markterfolg

0,66

Technische Leistung

Technischer Erfolg

Ladung

Indikator

Faktor

Standard. L¨ osung

9.4. Vorhabenserfolg 243

10,74 27,96

1

0,58

0

0,35

26,34

1

0,00 14,59

0

0,38

23,49

1

1,60 21,56

0

0,50

χ2

2

2

1

2

2

1

2

2

1

df

0,000

0,030

0,448

0,000

0,006

0,959

0,000

0,000

0,206

p

1

0

0,45

1

0

0,78

Φ

2

22,20

12,80

1,08

19,45

58,18

0,00

χ2

2

2

1

2

2

1

df

Markterfolg

0,000

0,012

0,300

0,000

0,005

0,975

p

1

0

0,61

Φ

37,72

33,11

1,09

χ2

2

2

1

df

Finanzerfolg

0,000

0,000

0,300

p

Tabelle 9.21: Konvergenz- und Diskriminanzvalidit¨ at des Vorhabenserfolgs

Erl¨ auterung. Die drei Zeilen je Faktorpaar geben jeweils die χ -Teststatistik f¨ ur ein Modell mit einer frei gesch¨ atzten Faktorkorrelation Φ sowie f¨ ur Modelle mit einer auf Null bzw. Eins fixierten Faktorkorrelation an. Ist die Anpassungsg¨ ute im zweiten bzw. dritten Modell signifikant schlechter als im ersten, kann dies als Beleg f¨ ur die Konvergenzbzw. Diskriminanzvalidit¨ at der Faktoren gewertet werden.

Zeitplaneinhaltung

Finanzerfolg

Markterfolg

Φ

Technischer Erfolg

244 9. Operationalisierung und Validierung der Konstrukte

9.5. Innovationsgrad

9.5

245

Innovationsgrad

Wie im Abschnitt 2.2 ausf¨ uhrlich erl¨autert, sollte der Innovationsgrad eines Projektes als mehrdimensionales Konstrukt aufgefasst werden, dessen Auspr¨agungen sowohl auf einer unternehmens¨ ubergreifenden Makroperspektive wie auch auf einer unternehmensspezifischen Mikroperspektive zu erfassen sind. Auf der Makroebene wurden dabei eine Technologie- und eine Marktdimension sowie der Umfeld-Fit der Innovation unterschieden. Die Technologiedimension des Innovationsgrads zielt hier in Anlehnung an Green et al. (1995) weniger auf die individuelle Neuartigkeit einer Technologie f¨ ur das innovierende Unternehmen ab, sondern erfasst vielmehr, inwieweit eine Technologie prinzipiell neu ist, das Potenzial hat, existierende Technologien zu verdr¨angen und eine deutliche Leistungssteigerung bewirken kann, vgl. Tabelle 9.22.16 Die Makro-Marktdimension soll die Neuartigkeit der Innovation aus der Sicht des Kunden ermitteln. Hierf¨ ur sind vier Indikatoren vorgesehen, die messen, ob das neu entwickelte Produkt Vorteile gegen¨ uber Konkurrenzprodukten aufweist und einen neuen Kundennutzen adressiert, aber auch, ob dem Kunden dadurch Einstellungs- und Verhaltens¨anderungen sowie ein erh¨ohter Lernaufwand abverlangt werden.17 Die Dimension Umfeld-Fit misst, ob die Innovation im Kreuzfeuer gesellschaftlicher Kritik steht und die Schaffung neuer Infrastruktur und gesellschaftlicher Rahmenbedingungen notwendig macht.18 Auf der Mikroebene wurden in Abschnitt 2.2.2 eine Vertrautheits- und eine Fitkomponente unterschieden. Die Vertrautheitskomponente wird hier als Mikro-Marktdimension durch drei Items operationalisiert, die erfassen, ob das Unternehmen in Folge der Innovation mit vielen neuen Kunden sowie einer grundlegend ver¨anderten Marktposition konfrontiert ist und ob sich ganze Wertsch¨opfungsstufen stark ver¨andern oder sogar obsolet werden, vgl. Tabelle 9.23.19 Der interne Ressourcenfit schließlich soll anhand von acht Indikatoren messen, wie gut ein Produkt zu den Kompetenzen und weitergehenden Merkmalen eines Unternehmens passt. Hierf¨ ur wird im Wesentlichen der Anpassungsbedarf erfasst, den die Innovation in Bezug auf Mitarbeiterqualifikationen, Gesch¨aftsprozesse, Produktionsverfahren, Unternehmensstrategie, Organisationsstruktur und Unternehmenskultur ausgel¨ost hat.20 Die Befunde der exploratorischen Faktorenanalyse sind in Tabelle 9.24 zusammengefasst. Sowohl bei der PCA/Varimax als auch bei der ML-FA/Promax werden nach 16

Green et al. (1995), S. 210f.

17

Atuahene-Gima (1996), S. 38; Lee und O’Connor (2003), S. 8; Veryzer (1998b), S. 138.

18

Salomo (2003), S. 6.

19

Danneels und Kleinschmidt (2001), S. 366.

20

Danneels und Kleinschmidt (2001), S. 361.

9. Operationalisierung und Validierung der Konstrukte

246

Faktor

Technologiedimension

MakroMarktdimension

Umfeld-Fit

Item (Kurzbezeichnung)

Item (vollst¨ andige Formulierung)

Neue Technologie

Bei dem Vorhaben wird ein v¨ ollig neues technologisches Prinzip angewendet

Leistungssteigerung

Die Technologie erm¨ oglicht eine sprunghafte Leistungssteigerung

TechnologieVerdr¨ angung

Existierende Technologien werden durch die Innovation verdr¨ angt (z.B. DVD vs. Video)

Neuer Kundennutzen

Die Innovation adressiert einen v¨ ollig neuen Kundennutzen

Kundenvorteil

Die Innovation bietet dem Kunden einzigartige Vorteile gegen¨ uber Konkurrenzprodukten

Verhaltensanderungen ¨

Die Innovation verlangt vom Kunden umfangreiche Einstellungs- und Verhaltens¨ anderungen

Hoher Lernaufwand

Die Innovation erfordert einen hohen Lernaufwand f¨ ur den Kunden

Neue Infrastruktur

F¨ ur die Durchsetzung der Innovation am Markt musste eine neue Infrastruktur geschaffen werden

Regulatorische Anpassungen

F¨ ur die Durchsetzung der Innovation am Markt mussten regulatorische Rahmenbedingungen erheblich angepasst / geschaffen werden

Gesellschaftliche Kritik

Die Innovation steht im Kreuzfeuer gesellschaftlicher Kritik

Tabelle 9.22: Messkonzept f¨ ur die Makro-Perspektive des Innovationsgrads

dem Kaiser-Kriterium zun¨achst sechs Faktoren extrahiert. Der Scree Plot weist jedoch ¨ sp¨atestens beim f¨ unften Faktor den Ubergang in eine Asymptote zur Abszisse auf,21 so dass die Faktorenzahl in der Folge auf f¨ unf restringiert wurde. Dies wird tendenziell auch durch eine Betrachtung der rotierten L¨osung bei sechs extrahierten Faktoren best¨atigt, da einer der Faktoren nur relativ niedrige Ladungen mit gegenl¨aufigen Vorzeichen aufweist. Allerdings weist das Faktorladungsmuster auch bei f¨ unf extrahierten Faktoren z. T. noch deutliche Querladungen auf und stimmt nur bedingt mit der hypothetisierten Faktorstruktur u ¨berein, so dass eine Itembereinigung auf der Basis von MSA- und LMTWerten vorgenommen wurde. Bei der Technologiedimension wird das Item Technologie” Verdr¨angung“ aufgrund seiner niedrigen Faktorladung und LMT-Statistik eliminiert, bei der Makro-Marktdimension die beiden Items, die Nutzen bzw. Vorteile der Innovation erfassen, da sie vergleichsweise niedrige Ladungen aufweisen und sowohl bei PCA/Varimax

21

Die Eigenwerte f¨ unf bis sieben betragen 1,14, 1,06 und 0,97, womit eine Festlegung der Faktorenzahl auf sechs nach dem Kaiser-Kriterium als relativ willk¨ urlich erscheint.

9.5. Innovationsgrad

Faktor

MikroMarktdimension

Interner RessourcenFit

247

Item (Kurzbezeichnung)

Item (vollst¨ andige Formulierung)

Viele neue Kunden

Durch die Innovation gewinnen wir sehr viele neue Kunden

Ge¨ anderte Wertsch¨ opfungskette

Wertsch¨ opfungsstufen werden durch die Innovation u ussig oder ¨ andern sich stark ¨berfl¨

Verbesserte Marktposition

Das Innovationsprojekt verbessert (voraussichtlich) die Marktposition des eigenen Unternehmens grundlegend

Strategische Neuorientierung

Mit der Umsetzung des Vorhabens war eine Neuorientierung der Unternehmensstrategie verbunden

Neue Organisationsstruktur

Die Umsetzung des Vorhabens verlangte eine vollkommen neue Organisationsstruktur

Neue Mitarbeiterqualifikationen

Die notwendigen Qualifikationen der Mitarbeiter zur Umsetzung der Innovationsidee mussten komplett neu aufgebaut werden

Ge¨ anderte Unternehmensprozesse

Zur Umsetzung der Innovation mussten die Unternehmensprozesse grundlegend ver¨ andert werden

Neue Produktionsverfahren

Mit den zur Produktion verwendeten Verfahren / Anlagen hatten wir nur sehr wenig Erfahrung

Ver¨ anderte Unternehmenskultur

Das gesamte Vorhaben hat die bisher in dem Unternehmen vorhandene Kultur sehr stark ver¨ andert

Externe Partner

Die Umsetzung der Innovation verlangte eine deutlich intensivere Zusammenarbeit mit externen Partnern

Außergew¨ ohnlicher Finanzbedarf

Der Finanzbedarf f¨ ur das Vorhaben u ¨bersteigt weit den sonst bei Entwicklungsvorhaben u ¨blichen Rahmen

Tabelle 9.23: Messkonzept f¨ ur die Mikro-Perspektive des Innovationsgrads

als auch bei ML-FA/Promax jeweils anderen Faktoren zuzuordnen sind. Beim Faktor Umfeld-Fit werden dagegen alle drei Items beibehalten. Die Mikro-Marktdimension konnte nicht nachgewiesen werden, da ihre Indikatoren in beiden Analyseformen auf jeweils andere Faktoren luden. Beim Faktor Interner Ressourcen-Fit schließlich wurden die vier Items mit den geringsten Kommunalit¨aten und den h¨ochsten Querladungen eliminiert. Die verbleibenden vier Faktoren wurden in Einfachstruktur in Mathematica abgebildet, um anhand des Tetradentests die Vertr¨aglichkeit mit einem reflexiven Messmodell zu u ufen. Mit 38 nicht redundant verschwindenden Tetraden ist die Teststatistik nicht ¨berpr¨ signifikant (χ2 = 17,80; df = 38; p = 0,99), so dass die Verwendung eines reflexiven Modells nicht abgelehnt werden kann (vgl. Tabelle 9.25). In Vorbereitung auf die konfirmatorische Faktorenanalyse wurde weiterhin f¨ ur die multivariate Kurtosis der Wert 1,1 ermittelt, so

248

9. Operationalisierung und Validierung der Konstrukte

dass keine wesentlichen Verzerrungen bei der Verwendung der ML-Fitfunktion in LISREL zu erwarten sind. Im Rahmen der konfirmatorischen Faktorenanalyse wurde zun¨achst ein GruppenFaktormodell mit vier frei korrelierenden Faktoren gesch¨atzt. Das Modell zeigt sehr gute Fitmaße (SRMR = 0,044; CFI = 1,00; vgl. Tabelle 9.27), wobei allerdings eine als negativ gesch¨atzte Fehlervarianz auf einen positiven Wert fixiert werden musste. Bei drei der vier Faktoren liegt die durchschnittlich erkl¨arte Varianz u ¨ber 50 Prozent, so dass ihre Konvergenzvalidit¨at als gew¨ahrleistet angesehen werden kann. Lediglich die Technologiedimension verfehlt die geforderte Mindestgrenze, wird aber dennoch beibehalten, um die inhaltliche Breite des Innovationsgradkonstrukts zu gew¨ahrleisten. Um weiterhin die G¨ ute des multidimensionalen Messmodells gegen¨ uber alternativen Modellen beurteilen zu k¨onnen, wurden durch Aufhebung und Hinzuf¨ ugung von Restriktionen mehrere ineinander geschachtelte Modelle konstruiert und durch χ2 -Differenztests verglichen. Das Bi-Faktormodell, das aus dem Gruppen-Faktormodell durch Hinzuf¨ ugung eines mit den Gruppenfaktoren unkorrelierten allgemeinen Faktors hervorgeht, liefert ebenfalls eine sehr gute Anpassung an die Daten (χ2 = 20,79; df = 29; p = 0,87), vgl. Tabelle 9.26, wobei die urspr¨ ungliche L¨osung jedoch zwei negative Fehlervarianzen enthielt, die auf positive Werte fixiert werden mussten. Ein Vergleich des Bi-Faktormodells mit dem Gruppen-Faktormodell ist ¨aquivalent zu einem Test darauf, dass alle Faktorladungen des allgemeinen Faktors gleich Null sind. Da die χ2 -Differenz zwischen beiden Modellen nicht signifikant ist (∆χ2 = 11,72; df = 10; p = 0,30), kann hier die Nullhypothese nicht widerlegt werden, der allgemeine Faktor kann also den Erkl¨arungswert des Modells nicht ¨ signifikant steigern. Die Uberg¨ ange vom Gruppen-Faktormodell zur Faktorenanalyse zweiter Ordnung sowie von dieser zur Faktorenanalyse erster Ordnung f¨ uhren dagegen jeweils zu einer signifikanten Verschlechterung der Anpassungsg¨ ute, so dass von der Verwendung dieser beiden Modelle abgesehen werden sollte. Angesichts der Multidimensionalit¨at des Innovationsgrads ist dies im Fall der Faktorenanalyse erster Ordnung nicht u ¨berraschend, deutet bei der Faktorenanalyse zweiter Ordnung allerdings darauf hin, dass sich der Innovationsgrad nicht als mehrdimensionale latente Variable interpretieren l¨asst, sondern eher als ein aggregiertes Konstrukt oder sogar durch ein Profilmodell erfasst werden sollte (vgl. Abschnitt 8.5.5). Um das Zusammenspiel der vier Dimensionen des postulierten InnovationsgradKonstrukts besser zu verstehen, werden abschließend ihre Diskriminanz- und v. a. Konvergenzvalidit¨at untersucht (vgl. Tabelle 9.28). Die Diskriminanzvalidit¨at der Faktoren kann nach dem χ2 -Differenztest als gew¨ahrleistet angesehen werden, da die freie Sch¨atzung der Faktorkorrelationen in allen F¨allen zu einer signifikant besseren Modellanpassung f¨ uhrt als im Fall einer Restriktion auf Eins.

1,40 6,4%

1,12 5,4%

0,19 -0,20 0,01 0,18 0,19 -0,07 0,12 0,15 -0,25 -0,32 -0,04 0,18 -0,20 0,14 0,06 0,36 0,06 0,70 0,10 0,53 -0,05

4

5,20 23,6%

0,14 0,19 0,16 0,05 -0,05 0,01 0,13 -0,06 0,35 0,25 0,09 0,02 0,30 0,73 0,83 0,55 0,80 0,29 0,77 0,43 0,47

5

0,81 3,7%

0,83 0,30 0,29 0,08 -0,03 -0,04 0,11 0,27 -0,04 0,09 -0,19 -0,06 0,09 0,07 -0,10 0,10 -0,10 0,16 -0,08 0,12 0,33

1

1,96 8,9%

0,01 0,07 -0,02 0,64 1,05 0,52 0,13 -0,10 0,02 -0,01 0,03 0,14 -0,02 -0,03 0,02 0,09 -0,08 0,13 -0,03 -0,08 -0,03 1,57 7,1%

0,02 -0,04 0,00 0,07 -0,12 0,15 0,18 -0,08 0,94 0,69 0,00 0,22 -0,04 -0,02 0,00 -0,03 -0,02 -0,03 0,00 0,03 0,08

3

3,66 16,6%

0,05 0,40 0,22 0,01 0,01 -0,03 0,42 0,47 0,03 -0,09 0,76 0,21 0,62 0,06 0,03 -0,06 0,05 -0,27 0,06 -0,09 -0,03

4

ML-FA/Promax 2

2,05 9,4%

-0,02 0,05 0,09 0,02 -0,05 -0,04 0,03 -0,10 0,03 -0,04 0,13 -0,02 0,16 0,71 0,85 0,54 0,83 0,37 0,75 0,44 0,31

5 0,82 0,79 0,69 0,67 0,61 0,72 0,78 0,68 0,75 0,66 0,79 0,62 0,81 0,88 0,87 0,85 0,82 0,77 0,82 0,78 0,80

MSA 0,71 0,37 0,21 0,49 1,00 0,32 0,36 0,33 0,91 0,46 0,52 0,14 0,51 0,56 0,69 0,34 0,63 0,23 0,55 0,21 0,29

Com. 117,4 112,6 102,3 109,9 108,3 117,8 103,0 109,6 113,3 119,0 116,5 107,8 110,2 111,2 111,9 107,9 110,1 113,4 99,3 103,8 112,3

LMT

Tabelle 9.24: Exploratorische Faktorenanalyse zum Innovationsgrad

Erl¨ auterung. KMO = 0,78. Barlett-Test: χ2 = 832,7; df = 210; p =0,00. Die Kommunalitaten beziehen sich auf die ML-FA/Promax. Kursiv gedruckte Items werden im Folgenden eliminiert. Fett gedruckte Faktorladungen kennzeichnen Werte u ¨ber 0,3. Die Korrelationen der Faktoren nach Promax-Rotation betragen r12 = 0,32; r13 = 0,21; r14 = 0,35; r15 = 0,35; r23 = -0,01;r24 = 0,28; r25 = 0,34; r34 = 0,34; r35 = 0,29; r45 = 0,21.

2,43 2,18 11,15% 9,9%

Eigenwert Erkl¨arte Varianz

-0,03 -0,02 0,07 0,13 0,02 0,10 0,51 0,15 0,62 0,47 0,56 0,66 0,28 0,06 0,09 0,06 0,10 0,02 0,10 0,12 -0,13

3

PCA/Varimax

0,28 0,13 0,13 0,72 0,82 0,73 0,15 -0,23 0,39 0,40 -0,25 0,15 -0,11 -0,01 0,06 0,19 -0,05 0,24 -0,01 -0,03 0,18

2

0,66 0,73 0,49 0,16 0,10 0,02 0,44 0,65 0,01 -0,07 0,41 0,00 0,62 0,25 0,12 0,12 0,10 -0,08 0,10 0,04 0,36

1

Neue Technologie Leistungssteigerung Technologie-Verdr¨angung Neue Infrastruktur Regulatorische Anpassungen Gesellschaftliche Kritik Neuer Kundennutzen Kundenvorteil Verhaltens¨ anderungen Hoher Lernaufwand Viele neue Kunden Ge¨ anderte Wertsch¨opfungskette Verbesserte Marktposition Strategische Neuorientierung Neue Organisationsstruktur Neue Mitarbeiterqualifikationen Ge¨anderte Unternehmensprozesse Neue Produktionsverfahren Ver¨anderte Unternehmenskultur Externe Partner Außergew¨ ohnlicher Finanzbedarf

Indikator

9.5. Innovationsgrad 249

9. Operationalisierung und Validierung der Konstrukte

250

Tetrade

Wert

Tetrade

Wert

Tetrade

Wert

tacbd

0.0591

taicj

−0.0004

tbjck

tacbe

0.1777

tajck

0.0215

tbf eg

0.0797

tacbg

0.0182

tadei

0.0279

tbif j

−0.1134 0.1580

0.0613

tacbj

0.3618

tadek

0.0600

tbhjk

tadbg

−0.0278

tahdk

−0.0021

tcdeg

0.4619

taebf

−0.0831

taidk

−0.1181

tcedh

−0.1207

taf bg

−0.1558

tahf k

0.3753

tchdk

−0.0812

tagbj

0.2445

tajf k

−0.0233

tcf gk

−0.3942

tacde

0.3691

taigk

−0.1320

tcigj

−0.0548

tadce

0.0913

tahik

0.9055

tdhf k

tacdi

−0.0462

tahjk

1.0877

tdjik

−0.3980

tacef

0.3120

tbcde

0.0884

tejik

−0.1727

tacei

0.0211

tbcdh

−0.0173

0.0846

Tabelle 9.25: Nichtredundante verschwindende Tetraden und zugeh¨ orige Tetradenwerte zum Innovationsgrad. Die Daten sind mit einem reflexiven Messmodell vertr¨ aglich: χ2 (38) = 17,80 (p = 0, 99).

χ2 -Differenztest

Anpassungsg¨ ute Modell

SRMR

CFI

χ2

df

p

∆χ2

Bi-Faktormodell

0,035

1,00

20,79

29

df

p

0,87







Gruppen-Faktormodell

0,044

1,00

32,51

Faktorenanalyse 2. Ordnung

0,098

0,94

69,63

39

0,76

11,72

10

0,30

41

0,00

37,12

2

Faktorenanalyse 1. Ordnung

0,21

0,29

441,04

0,00

45

0,00

371,41

4

0,00

Tabelle 9.26: Vergleich geschachtelter Messmodelle zum Innovationsgrad

Die Konvergenz der Faktoren ist dagegen nach dem von Gatignon et al. (2002) vorgeschlagenen Kriterium nicht in allen F¨allen gew¨ahrleistet. Tabelle 9.28 zeigt zwar in f¨ unf von sechs F¨allen eine signifikant bessere Modellanpassung bei einer freien Sch¨atzung der Faktorkorrelation als bei einer Restriktion auf Eins, allerdings nicht f¨ ur das Paar Interner Ressourcenfit und Marktdimension. Die Dom¨anen dieser beiden Faktoren weisen eine so ¨ geringe Uberschneidung auf, dass sie nicht durch einen latenten Faktor zweiter Ordnung beschrieben werden k¨onnen und die niedrige Anpassungsg¨ ute der Faktorenanalyse zweiter Ordnung in Tabelle 9.26 herbeif¨ uhren.

0,99 0,64 0,75 0,83 0,79 0,73

Verhaltens¨ anderung

Hoher Lernaufwand

Strategische Neuorientierung

Neue Organisationsstruktur

Ge¨ anderte Unternehmensprozesse

Ver¨ anderte Unternehmenskultur

9,56

10,41

10,75

9,58

5,78

7,40

6,70

10,46

8,62

5,07

5,23

t-Wert

0,68

0,72

0,73

0,68

0,63

0,63

0,50

0,73

0,62

0,41

0,41

rit

0,53

0,63

0,69

0,57

0,41

0,99

0,34

0,78

0,56

0,38

0,45

ρi

Indikatorreliabilit¨ at

0,86

0,77

0,77

0,58

α

0,86

0,81

0,79

0,58

ρWLJ

Faktorreliabilit¨ at

0,60

0,69

0,56

0,41

ρave

Tabelle 9.27: Konfirmatorische Faktorenanalyse zum Innovationsgrad

Erl¨ auterung. Analyse der Kovarianzmatrix. Faktorladungen zeigen die standardisierte L¨ osung ohne Skalenfixierung. Die Korrelationen der Faktoren betragen r12 = 0,31; r13 = 0,28; r14 = 0,41; r23 = 0,30; r24 = 0,11; r34 = 0,34. Die Anpassungsmaße betragen SRMR=0,044; CFI=1,00; χ2 = 32,51; df = 39; p= 0,76; χ2 /df = 0,83.

Interner Ressourcen-Fit

MarktDimension

0,58

Gesellschaftliche Kritik

0,75 0,89

Neue Infrastruktur

Regulatorische Anpassungen

0,62

Leistungssteigerung

Umfeld-Fit

0,66

Neue Technologie

Technologiedimension

Ladung

Indikator

Faktor

Standard. L¨ osung

9.5. Innovationsgrad 251

18,64 24,22

1

7,03

0

0,42

20,50

1

1,33 7,50

0

0,30

24,75

1

5,36 11,38

0

0,27

χ2

9

9

8

2

2

1

5

5

4

df

0,004

0,045

0,533

0,000

0,112

0,250

0,000

0,077

0,252

p

1

0

0,33

1

0

0,32

Φ

2

43,60

12,80

1,42

62,13

18,36

9,61

χ2

2

2

1

5

5

4

df

Umfeld-Fit

0,000

0,012

0,491

0,000

0,005

0,048

p

1

0

0,08

Φ

120,94

13,52

12,82

χ2

14

14

13

df

Marktdimension

0,000

0,486

0,462

p

Tabelle 9.28: Konvergenz- und Diskriminanzvalidit¨ at des Innovationsgrads

Erl¨ auterung. Die drei Zeilen je Faktorpaar geben jeweils die χ -Teststatistik f¨ ur ein Modell mit einer frei gesch¨ atzten Faktorkorrelation Φ sowie f¨ ur Modelle mit einer auf Null bzw. Eins fixierten Faktorkorrelation an. Ist die Anpassungsg¨ ute im zweiten bzw. dritten Modell signifikant schlechter als im ersten, kann dies als Beleg f¨ ur die Konvergenzbzw. Diskriminanzvalidit¨ at der Faktoren gewertet werden.

Interner Ressourcen-Fit

Marktdimension

Umfeld-Fit

Φ

Technologiedimension

252 9. Operationalisierung und Validierung der Konstrukte

9.6. Vollst¨ andiges Messmodell und Diskriminanzvalidit¨ at

9.6

253

Vollst¨ andiges Messmodell und Diskriminanzvalidit¨ at

Wie in den Ausf¨ uhrungen zur Modellierungsstrategie in Abschnitt 8.1 bereits erw¨ahnt, ¨ soll hier im Anschluss an die Uberpr¨ ufung der Messqualit¨at einzelner Konstrukte eine Analyse des gesamten Messmodells erfolgen, um einen l¨ uckenlosen Nachweis der Diskriminanzvalidit¨at zu gew¨ahrleisten und eine Grundlage f¨ ur die Beurteilung der Wechselwir¨ kung zwischen Mess- und Pfadmodell beim Ubergang zum vollst¨andigen Strukturmodell in Kapitel 10 zu legen. Das vollst¨andige Messmodell ist in Abbildung 9.1 dargestellt, wobei hier bereits exogene Faktoren (ξ’s) und endogene Faktoren (η’s) entsprechend ihrer sp¨ateren Stellung im vollst¨andigen Strukturmodell unterschieden werden. Mit 16 latenten und 41 manifesten Variablen weist das Modell eine hohe Komplexit¨at auf und stellt angesichts der vergleichsweise niedrigen Fallzahl n = 134 hohe Anforderungen an die Datenqualit¨at. Tabelle 9.29 zeigt das Ergebnis der Modellsch¨atzung in LISREL. Die χ2 -Statistik ist zwar signifikant, jedoch nicht allzu hoch im Verh¨altnis zu der sehr hohen Zahl an Freiheitsgraden (χ2 = 924,9; df =661; p=0,00; χ2 /df = 1,4). W¨ahrend der SRMR mit 0,067 unterhalb des von Hu und Bentler (1999) ermittelten Grenzwertes von 0,08 liegt, verfehlt der CFI mit 0,86 den Zielbereich ( 0, 95) klar. Alle gesch¨atzten Faktorladungen sind signifikant und zeigen nur geringf¨ ugig ver¨anderte Zahlenwerte gegen¨ uber den in den letzten Abschnitten berichteten Partialmodellen. Nachdem die drei multidimensionalen Konstrukte dieser Arbeit bereits in den letzten Abschnitten auf die Diskriminanzvalidit¨at ihrer Einzeldimensionen hin untersucht wurden, ¨ soll hier noch eine Uberpr¨ ufung der Diskriminanzvalidit¨at des vollst¨andigen Messmodells vorgenommen werden. Tabelle 9.30 zeigt zun¨achst die p-Werte von χ2 -Differenztests mit einem Freiheitsgrad, die jeweils das vollst¨andige Messmodell mit durchweg frei gesch¨atzten Faktorkorrelationen mit einem Alternativmodell vergleichen, bei dem eine der Faktorkorrelationen auf den Wert Eins fixiert wurde. Bei nahezu allen Faktorenpaaren f¨ uhrt dieser Test zu einer signifikanten Zunahme der Teststatistik und deutet damit auf die Diskriminanzvalidit¨at der untersuchten Konstrukte hin. Einzige Ausnahme ist hier die Technologiedimension des Innovationsgrads. W¨ahrend der χ2 -Differenztest bei der Paarung mit dem Umfeld-Fit zumindest noch auf einem 10%-Niveau signifikant ist, zeigt die Teststatistik im Zusammenhang mit der Markt-Dimension und dem Internen Ressourcen-Fit nur noch einen nicht signifikanten Anstieg. Dieses Ergebnis ist insofern u ¨berraschend, als bei der isolierten Analyse des multidimensionalen Innovationsgrad-Konstrukts in Tabelle 9.28 keine Probleme zutage traten.

9. Operationalisierung und Validierung der Konstrukte

254

Faktor ξ1

Alternativenabw¨ agung

Indikator

Ladung (t-Wert)

Fehlervar.

xa Suche nach Alternativkonzepten

λξa1 λξb1

= 0,86 (12,32)

δa = 0,26

= 0,98 (15,69)

δb = 0,04

xb Auswahl aus Alternativkonzepten xc Analyse auf Werttreiber

ξ2 Methodik

xd Analyse von Szenarien xe Methodisches Vorgehen

ξ3 Fit

ξ4 Partizipation

ξ5

Technologiedimension

ξ6 Umfeld-Fit

ξ7

MarktDimension

ξ8

η1

η2

η3

Projektplanung

Risikomanagement

Prozessformalisierung

Prozessstabilit¨ at

δc = 0,54

= 0,72 (9,03)

δd = 0,48

= 0,85 (11,17)

δe = 0,29

xg Fit mit Kernkompetenzen xh Einbindung von Fachabteilungen

λξh4 = 0,67 (7,76)

δh = 0,55

xi Partizipative Zielvereinbarung

λξi4 = 0,88 (10,06)

δi = 0,23

xj Neue Technologie

λξj5 = 0,66 (6,17)

δj = 0,56

xk Leistungssteigerung

λξk5 = 0,62 (5,91)

δk = 0,62

xl Neue Infrastruktur

λξl6 = 0,76 (9,12)

δl = 0,42

xm Regulatorische Anpassungen

λξm6 = 0,87 (10,61)

δm = 0,25

xn Gesellschaftliche Kritik

λξn6 = 0,58 (6,76)

δn = 0,66

xo Verhaltens¨ anderung

λξo7 λξp7

= 0,97 (13,24)

δo = 0,07

= 0,67 (9,53)

δp = 0,56

= 0,68 (9,81)

δq = 0,42

= 0,87 (10,60)

δr = 0,35

anderte Unternehmenskultur xt Ver¨

λξq8 λξr8 λξs8 λξt8

xf Fit mit Unternehmensstrategie

xp Hoher Lernaufwand

xr Neue Organisationsstrukturen anderte Unternehmensprozesse xs Ge¨

= 0,80 (10,34)

δf = 0,36

= 0,99 (13,71)

δg = 0,02

= 0,87 (10,36)

δs = 0,37

= 0,87 (9,76)

δt = 0,42

ya Projektstrukturplanung

ληa1 = 0,84 (11,72)

yb Meilensteinplanung

ληb1 = 0,95 (14,53)

b = 0,09

yc Ressourcenplanung

ληc1 = 0,89 (9,55)

c = 0,47

a = 0,30

yd Risikoanalyse

ληd2 = 0,91 (13,56)

d = 0,17

utung ye Risikoverh¨

ληe2 = 0,93 (14,14)

e = 0,13

urzung yf Schadensverk¨

ληf 2 = 0,89 (13,03)

f = 0,21

yg Meilensteinsteuerung

ληg3 = 0,96 (14,51) ληh3 = 0,62 (7,81) ληi3 = 0,75 (9,95) ληj3 = 0,60 (7,40)

yh Explizite Zielvorgaben yi Entscheidungen an Meilensteinen yj Klare Abbruchkriterien

η4

= 0,68 (8,29)

λξf 3 λξg3

xq Strategische Neuorientierung Interner Ressourcen-Fit

λξc2 λξd2 λξe2

yk Geringe Plan¨ anderungen yl

Geringe Ressourcen¨ anderungen

ym Zielkonstanz

ληk4 = 0,72 (9,08) ληl4 = 0,90 (12,17) ληm4 = 0,55 (6,44)

g = 0,09 h = 0,61 i = 0,44 j = 0,64 k = 0,48 l = 0,18 m = 0,70

(wird fortgesetzt)

9.6. Vollst¨ andiges Messmodell und Diskriminanzvalidit¨ at

255

(Fortsetzung) Faktor η5

Technischer Erfolg

η6 Markterfolg

η7 Finanzerfolg

η8

Zeitplaneinhaltung

Indikator

Ladung (t-Wert)

Fehlervar.

yn Technische Leistung

= 0,96 (13,19)

n = 0,09

at yo Qualit¨

ληn5 ληo5

= 0,74 (9,35)

o = 0,46

yp Umsatz

ληp6 = 0,69 (7,10)

p = 0,52

yq Marktanteil

ληq6 = 0,70 (7,19)

q = 0,51

yr ROI

ληr7 ληs7

= 0,77 (9,75)

r = 0,40

= 0,81 (10,37)

s = 0,34

ys Time to break-even yt Zeitplaneinhaltung yu Time to market

ληt8 ληu8

= 0,74 (8,93)

t = 0,45

= 0,86 (10,67)

u = 0,25

Erl¨ auterung. Analyse der Kovarianzmatrix. Faktorladungen zeigen die standardisierte L¨ osung ohne Skalenfixierung. Die Anpassungmaße betragen SRMR=0,067; CFI=0,86; χ2 = 924,9; df =661; p=0,00; χ2 /df = 1,4. Tabelle 9.29: Konfirmatorische Faktorenanalyse des gesamten Messmodells.

Um diesen Befund n¨aher zu untersuchen, wird in einer zweiten Analyse die Diskriminanzvalidit¨at der Konstrukte anhand des von Fornell und Larcker (1981) vorgeschlagenen Kriteriums untersucht, nach dem die durchschnittlich erfasste Varianz ρave (i) eines Faktors i gr¨oßer sein sollte als die quadrierten Korrelationen Φij zwischen ihm und allen weiteren Faktoren j. Wie Tabelle 9.31 zu entnehmen ist, f¨allt dieser Test wiederum f¨ ur nahezu alle Faktor-Paare positiv aus, insbesondere auch f¨ ur die vier Dimensionen des InnovationsgradKonstrukts. Grenzf¨alle bilden dagegen die aus Projektplanung und Prozessformalisierung sowie aus Technischem Erfolg und der Technologiedimension des Innovationsgrads gebildeten Paare. Hier liegt f¨ ur jeweils einen der beiden Faktoren die durchschnittlich erfasste Varianz unter der quadrierten gemeinsamen Korrelation. Da die Ergebnisse dieser Tests teilweise widerspr¨ uchlich ausfallen, wurden abschließend noch aus dem LISREL-Output die Konfidenzintervalle der gesch¨atzten Korrelationskoeffizienten berechnet. Keines der Konfidenzintervalle enth¨alt den Wert Eins, so dass nach Anderson und Gerbing (1988, S. 416) die Diskriminanzvalidit¨at aller Konstrukte im vollst¨andigen Messmodell als gew¨ahrleistet angesehen werden kann.

9. Operationalisierung und Validierung der Konstrukte

256

Alternativenabwägung

Projektplanung

Methodik

Risikomgmt.

Fit

Prozessformalisierung

Partizipation

Prozessstabilität

Technologiedimension

Technischer Erfolg

UmfeldFit

Markterfolg

Marktdimension

Finanzerfolg

Interner RessourcenFit

Zeitplaneinhaltung

Abbildung 9.1: Vollst¨ andiges Messmodell. Die gestrichelten Pfeile stellen die 120 ungerichteten Pfade (Kovarianzen) zwischen den Faktoren dar. Entsprechend ihrer sp¨ ateren Stellung im vollst¨ andigen Strukturmodell werden hier bereits exogene Faktoren (ξ’s) und endogene Faktoren (η’s) unterschieden.



Methodik

Alternativenabw¨ agung

Fit

Partizipation

Projektplanung

Risikomanagement

Prozessformalisierung

Prozessstabilit¨ at

Technischer Erfolg

Markterfolg

Finanzerfolg

Zeitplaneinhaltung

Technologiedimension

Umfeld-Fit

Markt-Dimension

Interner Ressourcen-Fit

(1)

(2)

(3)

(4)

(5)

(6)

(7)

(8)

(9)

(10)

(11)

(12)

(13)

(14)

(15)

(16)

0,00

0,01

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00



(2)

2

0,00

0,01

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00



(3)

0,00

0,01

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00



(4)

0,00

0,01

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00



(5)

0,00

0,01

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00



(6)

0,00

0,01

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00



(7)

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00



(8)

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00



(9)

0,00

0,01

0,00

0,00

0,00

0,00



(10)

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00



(11)

0,00

0,00

0,00

0,00



(12)

0,29

0,12

0,08



(13)

0,00

0,02



(14)

0,01



(15)



(16)

Tabelle 9.30: Beurteilung der Diskriminanzvalidit¨ at anhand von χ2 -Differenztests

Erl¨ auterung. Dargestellt sind die p-Werte von χ -Differenztests mit einem Freiheitsgrad, die jeweils ein vollst¨ andiges Messmodell mit durchweg frei gesch¨ atzten Faktorkorrelationen mit einem Alternativmodell vergleichen, bei dem eine der Faktorkorrelationen auf den Wert Eins fixiert wurde. Die Diskriminanzvalidit¨ at kann als gew¨ ahrleistet angesehen werden, wenn diese Restriktion zu einer signifikanten Zunahme der Teststatistik f¨ uhrt.

0,00

0,01

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

(1)

p-Werte

9.6. Vollst¨ andiges Messmodell und Diskriminanzvalidit¨ at 257

0,34 0,17

Alternativenabw¨ agung

Fit

Partizipation

Projektplanung

Risikomanagement

Prozessformalisierung

Prozessstabilit¨ at

Technischer Erfolg

Markterfolg

Finanzerfolg

Zeitplaneinhaltung

Technologiedimension

Umfeld-Fit

Markt-Dimension

Interner Ressourcen-Fit

(2)

(3)

(4)

(5)

(6)

(7)

(8)

(9)

(10)

(11)

(12)

(13)

(14)

(15)

(16) 0,57

0,00

0,01

0,01

0,00

0,08

0,20

0,05

0,35

0,49

0,24

0,20

0,24

0,84

0,01

0,00

0,01

0,00

0,05

0,02

0,01

0,02

0,04

0,13

0,21

0,14

0,06

0,14



0,22

(2)

0,82

0,01

0,02

0,00

0,00

0,03

0,01

0,03

0,01

0,14

0,18

0,26

0,26

0,25



0,14

0,24

(3)

0,60

0,00

0,00

0,06

0,00

0,04

0,08

0,14

0,08

0,16

0,26

0,12

0,31



0,25

0,06

0,20

(4)

0,71

0,00

0,00

0,06

0,00

0,12

0,07

0,03

0,03

0,28

0,66

0,30



0,31

0,26

0,14

0,24

(5)

0,83

0,00

0,02

0,00

0,00

0,17

0,19

0,10

0,19

0,32

0,36



0,30

0,12

0,26

0,21

0,49

(6)

0,56

0,00

0,01

0,01

0,01

0,12

0,10

0,02

0,03

0,22



0,36

0,66

0,26

0,18

0,13

0,35

(7)

0,54

0,01

0,01

0,07

0,00

0,38

0,18

0,08

0,21



0,22

0,32

0,28

0,16

0,14

0,04

0,34

(8)

0,49

0,06

0,02

0,02

0,00

0,14

0,61

0,24



0,21

0,03

0,19

0,03

0,08

0,01

0,02

0,17

(9)

0,72

0,08

0,03

0,00

0,01

0,12

0,17



0,24

0,08

0,02

0,10

0,03

0,14

0,03

0,01

0,05

(10)

0,63

0,03

0,02

0,01

0,00

0,35



0,17

0,61

0,18

0,10

0,19

0,07

0,08

0,01

0,02

0,20

(11)

0,64

0,00

0,03

0,00

0,00



0,35

0,12

0,14

0,38

0,12

0,17

0,12

0,04

0,03

0,05

0,08

(12)

0,41

0,10

0,08

0,12



0,00

0

0,01

0,00

0,00

0,01

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

(13)

0,56

0,01

0,18



0,12

0,00

0,01

0,00

0,02

0,07

0,01

0,00

0,06

0,06

0,00

0,01

0,01

(14)

0,69

0,10



0,18

0,08

0,03

0,02

0,03

0,02

0,01

0,01

0,02

0,00

0,00

0,02

0,00

0,01

(15)

0,60



0,10

0,01

0,10

0,00

0,03

0,08

0,06

0,01

0,00

0,00

0,00

0,00

0,01

0,01

0,00

(16)

Tabelle 9.31: Beurteilung der Diskriminanzvalidit¨ at nach dem Fornell-Larcker-Kriterium

Erl¨ auterung. Dargestellt sind die durchschnittlich erfasste Varianz je Faktor sowie die quadrierten Korrelationen aller Faktoren, wobei die obere Diagonalmatrix redundant ist, aber zur leichteren Vergleichbarkeit mit der durchschnittlich erfassten Varianz beibehalten wird. Nach dem Fornell-Larcker-Kriterium ist die Diskriminanzvalidit¨ at eines Faktors i dann als gew¨ ahrleistet anzusehen, wenn seine durchschnittlich erfasste Varianz ρave (i) gr¨ oßer ist als die quadrierten Korrelationen Φij mit allen weiteren Faktoren j.

Durchschn. erfasste Varianz



Methodik

(1) 0,22

(1)

Quadrierte Korrelationen

258 9. Operationalisierung und Validierung der Konstrukte

Kapitel 10 Wirkungszusammenh¨ ange: ¨ Uberpr u ¨ fung der Hypothesen ¨ Die Uberpr¨ ufung der in Kapitel 6 aufgestellten Hypothesen erfolgt in drei Schritten: 1. Im ersten Schritt werden die direkten Wirkungsbeziehungen zwischen Businessplanung, operativer Planung und Projektsteuerung sowie dem Vorhabenserfolg untersucht. Hierf¨ ur wird in Abschnitt 10.1 zun¨achst ein Basismodell u uft, bei dem ¨berpr¨ alle Konstrukte durch reflexive Messmodelle erfasst und Businessplanung und Erfolg als Faktoren zweiter Ordnung abgebildet werden. Anschließend wird in Abschnitt 10.2 ein exploratives Alternativmodell betrachtet, das auf eine Verwendung von Faktoren zweiter Ordnung verzichtet und stattdessen die Wirkungsbeziehungen der Einzeldimensionen von Businessplanung und Vorhabenserfolg untersucht. Im ¨ darauf folgenden Abschnitt 10.3 wird untersucht, inwiefern sich Anderungen in den Kausalzusammenh¨angen ergeben, wenn Projektplanung und Risikomanagement als formative Konstrukte erfasst werden, bevor schließlich in Abschnitt 10.4 mittels des Veripath-Algorithmus’ auf seine Wahrheits¨ahnlichkeit des Basismodells u uft ¨berpr¨ wird. 2. Im zweiten Schritt wird das Basismodell auf durch den Innovationsgrad hervorgerufene Interaktionseffekte untersucht (vgl. Abschnitt 10.5). 3. Im abschließenden dritten Schritt werden erg¨anzende Analysen zur Erfolgswirkung der Zieldefinition in der Fr¨ uhphase des Projektes durchgef¨ uhrt (vgl. Abschnitt 10.6).

10.1

Basismodell mit Faktoren zweiter Ordnung

Als Basismodell wird hier ein lineares Strukturgleichungsmodell bezeichnet, das zun¨achst alle Konstrukte durch reflexive Messmodelle erfasst und die in Kapitel 6 aufgestellten

¨ 10. Wirkungszusammenh¨ ange: Uberpr¨ ufung der Hypothesen

260

Hypothesen u ¨ber direkte Wirkungsbeziehungen mittels entsprechender Pfadkoeffizienten pr¨ uft, jedoch zun¨achst keine Moderatoreffekte untersucht und daher auch auf die Einbeziehung des Innovationsgrad-Konstrukts verzichtet, vgl. Abbildung 10.1. Alle Konstrukte werden zun¨achst durch reflexive Messmodelle erfasst, um eine Identifikation des vollen in Kapitel 6 zusammengefassten Kausalmodells zu erm¨oglichen. Die Einzeldimensionen von Businessplanung und Erfolg werden jeweils als Indikatoren eines Faktors zweiter Ordnung aufgefasst. In diesem Modell stellt der Faktor Businessplanung die einzige exogene Variable dar, die in Abschnitt 9.6 mit ξ1 , . . . , ξ4 bezeichneten exogene Faktoren werden daher jetzt durch die endogenen Variablen ηI , . . . , ηIV ersetzt, die zugeh¨origen manifesten Indikatoren von xa , . . . , xd in yA , . . . , yD umbenannt. Tabelle 10.1 fasst die Parametersch¨atzungen f¨ ur Strukturpfade zwischen latenten Variablen zusammen und ordnet sie – soweit m¨oglich – den in Kapitel 6 aufgestellten Hypothesen zu. Die f¨ ur die manifesten Variablen gesch¨atzten Parameterwerte unterscheiden sich nur geringf¨ ugig von den in Abschnitt 9.6 berichteten und werden zusammen mit den gesch¨atzten Kovarianzen und Korrelationen der latenten Variablen in Anhang B zusammengefasst.

Koeff.

Abh¨ angige Variable

Unabh¨ angige Variable

Wert

t-Wert

Hyp

STRUKTURPFADE γ1,0

η1

Projektplanung

ξ0

Businessplanung

0,70

6,65

H1

γ2,0

η2

Risikomanagement

ξ0

Businessplanung

0,79

7,12

H2

β3,1

η3

Prozessformalisierung

η1

Projektplanung

0,77

10,88

H3

β4,1

η4

Prozessstabilit¨ at

η1

Projektplanung

0,28

2,84

H4

β3,2

η3

Prozessformalisierung

η2

Risikomanagement

0,18

2,75

H5

β4,2

η4

Prozessstabilit¨ at

η2

Risikomanagement

0,43

4,29

H6

β9,2

η9

Erfolg

η2

Risikomanagement

0,33

2,95

H7

β9,4

η9

Erfolg

η4

Prozessstabilit¨ at

0,37

2,95

H9

MESSMODELL γI,0

ηI

ξ0

Businessplanung

0,57

5,42

γII,0

ηII Methodik

Alternativenabw¨ agung

ξ0

Businessplanung

0,80



γIII,0

ηIII Fit

ξ0

Businessplanung

0,66

6,47

γIV,0

ηIV Partizipation

ξ0

Businessplanung

0,63

5,10

β5,9

η5

Technischer Erfolg

η9

Erfolg

0,53

4,18

β6,9

η6

Markterfolg

η9

Erfolg

0,86

8,57

β7,9

η7

Finanzerfolg

η9

Erfolg

0,89



β8,9

η8

Zeitplaneinhaltung

η9

Erfolg

0,64

5,41

Erl¨ auterung. Angaben beziehen sich auf die standardisierte L¨osung mit Skalenfixierung. t-Werte k¨ onnen daher nur f¨ ur die frei gesch¨ atzten Parameter angegeben werden. Tabelle 10.1: Basismodell: Gesch¨ atzte Parameter zwischen latenten Variablen

Finanzerfolg

Zeitplaneinhaltung

261

Prozessstabilität

Partizipation

Fit

Methodik

Alternativenabwägung

Businessplanung

Risikomgmt.

Projektplanung

Prozessformalisierung

Erfolg

Markterfolg

Technischer Erfolg

10.1. Basismodell mit Faktoren zweiter Ordnung

Abbildung 10.1: Basismodell mit Faktoren zweiter Ordnung. Alle Konstrukte werden durch reflexive Messmodelle erfasst, Businessplanung und Erfolg werden als Faktoren zweiter Ordnung abgebildet, Moderation durch den Innovationsgrad wird noch nicht erfasst. Durch Einf¨ uhrung von Businessplanung“ ” als Faktor zweiter Ordnung ξ0 werden die vier Einzeldimensionen zu endogenen Variablen ηI , . . . , ηIV .

0,32 0,30

— Markterfolg

— Finanzerfolg

— Zeitplaneinhaltung

Prozessformalisierung

Prozessstabilit¨ at

Projektplanung

Risikomanagement

η6

η7

η8

η3

η4

η1

η2

0,37

— Technischer Erfolg

0,24

0,30

0,32

0,20

0,37

D

I

0,28

0,77

0,07

0,09

0,09

0,05

0,10

T

0,28

0,77

D

0,07

0,09

0,09

0,05

0,10

I

Projektplanung

0,43

0,18

0,32

0,44

0,42

0,26

0,49

T

0,43

0,18

0,33

D

I

0,32

0,44

0,42

0,26

0,16

Risikomgmt.

0,79

0,70

0,53

0,68

0,30

0,41

0,40

0,25

0,46

T

0,79

0,70

D

0,53

0,68

0,30

0,41

0,40

0,25

0,46

I

Businessplanung

Tabelle 10.2: Basismodell: Totale, direkte und indirekte Effekte der latenten Variablen

Erl¨ auterung. T=Totaler Effekt; D=Direkter Effekt; I=Indirekter Effekt.

0,24

0,20

Erfolg

η5

T

η9

Abh¨ angige Variable

Prozessstabilit¨ at

0,62

0,49

0,39

0,77

0,42

0,80

0,74

0,28

0,39

R2

262 ¨ 10. Wirkungszusammenh¨ ange: Uberpr¨ ufung der Hypothesen

10.1. Basismodell mit Faktoren zweiter Ordnung

263

Tabelle 10.1 zeigt unmittelbar, dass die Hypothesen H1-H9 durch das Basismodell nicht ¨ widerlegt werden k¨onnen, wobei die Uberpr¨ ufung der Moderatorhypothesen H1b, H2b und H7b erst in Abschnitt 10.5 erfolgt. Die Durchf¨ uhrung von Aktivit¨aten der Businessplanung hat sowohl auf Projektplanung als auch auf Risikomanagement einen sehr starken, signifikanten Einfluss (H1a: γ1,0 = 0,70, t = 6,65 und H2a: γ2,0 = 0,79, t = 7,12). Projektplanung wiederum zeigt signifikant positive Wirkungen auf Prozessformalisierung und -stabilit¨at, allerdings f¨allt der erste Effekt deutlich st¨arker als der zweite aus, Aktivit¨aten der Projektplanung scheinen also formelle Methoden der Projektsteuerung stark zu beg¨ unstigen (H3: β3,1 = 0,77, t = 10,88), w¨ahrend sie nur in geringerem Umfang zu Aktivit¨aten-, Ressourcen- und Zielkonstanz beitragen (H4: β4,1 = 0,28, t = 2,84). Ein a¨hnlich differenziertes Bild zeigt sich auch hinsichtlich des Risikomanagement. W¨ahrend Risikoanalyse sowie Risiko- und Schadensverk¨ urzung deutlich zur Stabilit¨at der Projektsteuerung beitragen (H6: β4,2 = 0,43, t = 4,29) und den Vorhabenserfolg positiv beeinflussen (H7a: β9,2 = 0,33, t = 2,95), beg¨ unstigen sie nur in deutlich geringerem Umfang eine formalisierte Projektsteuerung (H5: β3,2 = 0,18, t = 2,75). Besonders interessant ist schließlich die Frage, wie die beiden untersuchten Projektsteuerungsvariablen auf den Vorhabenserfolg wirken. Entsprechend der in Kapitel 6 aufgestellten Untersuchungshypothesen enth¨alt das Basismodell einen Pfad, der den Effekt der Prozesssstabilit¨at auf den Vorhabenserfolg abbildet und im Rahmen der Modellpr¨ ufung als signifikant und relativ hoch gesch¨atzt wird (H9: β9,4 = 0,37, t = 2,95). Der direkte (lineare) Effekt der Prozessformalisierung auf den Erfolg wird dagegen als nicht signifikant angenommen und daher auch nicht im Basismodell abgebildet. Um diese Hypothese zu untersuchen, wird das Basismodell mit einem Alternativmodell verglichen, das um den betroffenen Pfad β9,3 zwischen Prozessformalisierung und Erfolg erg¨anzt wird. Bei der Modellsch¨atzung zeigt sich dabei einerseits, dass der Pfad nur schwach negativ und nicht signifikant ist (H8a: β9,3 = -0,11, t= -0,97), sowie andererseits, dass sich die Anpassungsg¨ ute des Gesamtmodells nicht signifikant ver¨andert (χ2 = 1,7, df = 1, p = 0,00). Hypothese H8a kann damit als best¨atigt angesehen werden, der Formalisierungsgrad der Projektsteuerung hat im Mittel“ u ¨ber Projekte verschiedenster Innovationsgra” de tats¨achlich keinen signifikanten Einfluss auf den Projekterfolg. Obwohl die im Basismodell gesch¨atzten Parameter die zentralen Untersuchungshypothesen zu best¨atigen scheinen, muss letztendlich vor allem die Anpassungsg¨ ute des Gesamtmodells beurteilt werden, um die Stichhaltigkeit der zugrunde liegenden Theorie zu pr¨ ufen. Tabelle 10.3 weist die Fitmaße des Basismodells aus, und zwar sowohl f¨ ur das ute gesamte Strukturmodell als auch separat f¨ ur Mess- und Pfadmodell.1 Die Anpassungsg¨ des Modells ist angesichts der sehr hohen Parameterzahl und der vergleichsweise niedri1

Das Vorgehen, um diese Fitmaße getrennt ausweisen zu k¨ onnen, wurde in Abschnitt 8.6.2 dargestellt.

¨ 10. Wirkungszusammenh¨ ange: Uberpr¨ ufung der Hypothesen

264

Modell

χ2

df

p

χ2 /df

SRMR

CFI

RMSEA

Strukurmodell (gesamt)

602,4

389

0,00

1,55

0,078

0,89

0,064

Messmodell

494,6

339

0,00

1,46

0,066

0,91

0,059

Pfadmodell

107,8

50

0,00

2,16





0,093

Erl¨ auterung. Die χ2 -Statistik des Pfadmodells wird als Differenz aus den χ2 -Werten des gesamten Strukturmodells und des separat gesch¨ atzten Messmodells errechnet. Der RMSEA wird hier in Erg¨ anzung zu SRMR und CFI ausgewiesen, da er sich im Gegensatz zu diesen direkt aus der χ2 -Statistik errechnen l¨ asst und somit auch f¨ ur das nicht direkt zu sch¨ atzende Pfadmodell angegeben werden kann. Tabelle 10.3: Basismodell: Anpassungsg¨ ute von Mess-, Pfad- und Gesamtmodell

gen Stichprobengr¨oße insgesamt als gut zu beurteilen. Das Strukturmodell verfehlt den von Hu und Bentler (1999) vorgeschlagenen Grenzwert f¨ ur den SRMR zwar merklich, den Grenzwert f¨ ur den CFI aber nur knapp und weist dar¨ uberhinaus einen relativ niedrigen Quotienten aus χ2 -Statistik und Freiheitsgraden df auf. Die getrennte Betrachtung von Mess- und Pfadkomponente zeigt, dass sich diese Anpassungsg¨ ute als Mittelwert aus einem angesichts der hohen Parameterzahl sehr guten Fit des Messmodells und einem weniger guten Fit des Pfadmodells ergibt. Vergleicht man die Fitmaße allerdings mit den bei McDonald und Ho (2002), Tabelle 2 berichteten Ergebnissen, so zeigt sich, dass dieser Befund in der Praxis h¨aufig vorkommt und Pfadkomponenten, die weniger Freiheitsgrade bei h¨oheren Fallzahlen aufweisen, oft eine deutlich schlechtere Anpassungsg¨ ute realisieren. Unter den genannten Umst¨anden kann die Modellanpassung also ingesamt als gut angesehen und das zugrunde liegende Theorieger¨ ust nicht zur¨ uckgewiesen werden.

10.2

Alternativmodell ohne Faktoren zweiter Ordnung

In Kapitel 9 konnte durch den Vergleich ineinander geschachtelter alternativer Messmodelle gezeigt werden, dass die Konstrukte Businessplanung und Erfolg im Interesse statistischer Sparsamkeit als Faktoren zweiter Ordnung, also als multidimensionale Konstrukte erfasst werden sollten. W¨ahrend dadurch eine sehr kompakte Pr¨ ufung der zentralen Untersuchungshypothesen gew¨ahrleistet wird, besteht doch die Gefahr, dass durch diese Verdichtung wichtige Informationen u ¨ber den jeweiligen Einfluss der Einzeldimensionen verloren gehen. Vor diesem Hintergrund soll hier das in Abbildung 10.2 dargestellte Alternativmodell untersucht werden, bei dem die Faktoren zweiter Ordnung f¨ ur Businessplanung und Erfolg aufgel¨ost und durch ihre Einzeldimensionen ersetzt werden. Tabelle 10.4 fasst die direkten und indirekten Wirkungen der latenten Variablen untereinander zusammen.

Partizipation

Risikomgmt.

Projektplanung Alternativenabwägung

Zeitplaneinhaltung

Finanzerfolg Fit

Prozessstabilität

Markterfolg Methodik

265

Prozessformalisierung

Technischer Erfolg

10.2. Alternativmodell ohne Faktoren zweiter Ordnung

Abbildung 10.2: Alternativmodell ohne Faktoren zweiter Ordnung. Alle Konstrukte werden durch reflexive Messmodelle erster Ordnung erfasst, Moderation durch den Innovationsgrad wird noch nicht erfasst.

0,11 0,11 0,11

Zeitplaneinhaltung

Prozessformalisierung

Prozessstabilit¨ at

Projektplanung

Risikomanagement

η8

η3

η4

η1

η2

0,11

0,11

D

I

0,08

0,11

0,06

0,06

0,05

0,04

Markterfolg

Finanzerfolg

Zeitplaneinhaltung

Prozessformalisierung

Prozessstabilit¨ at

Projektplanung

Risikomanagement

η7

η8

η3

η4

η1

η2

-0,03

-0,02

-0,26

-0,16

D

I

T

0,59

0,22

D

I

0,70

0,51

0,49

0,31

T

0,70

0,51

0,49

0,31

D

I

2

0,32

0,29

0,23

0,25

0,29

0,20

Prozessstabilit¨ at

0,59

0,22

0,32

0,29

0,23

0,25

0,29

0,20

Methodik T

0,16

0,16

D

I

0,12

0,16

0,08

0,08

0,08

0,05

0,30

0,77

0,19

0,14

-0,05

-0,03

T

0,30

0,70

D

0,19

0,14

-0,05

-0,03

I

Projektplanung

0,16

0,16

0,12

0,16

0,08

0,08

0,08

0,05

Fit T

0,44

0,20

0,32

0,37

0,52

0,36

T

0,01

0,36

D

0,44

0,20

0,02

0,15

0,36

0,26

D

I

0,30

0,22

0,16

0,10

I

0,11

0,28

0,07

0,06

-0,01

-0,01

Risikomgmt.

0,01

0,36

0,11

0,28

0,07

0,06

-0,01

-0,01

Partizipation

0,56

0,45

0,40

0,77

0,49

0,37

0,41

0,18

R2

Tabelle 10.4: Alternativmodell ohne Faktoren zweiter Ordnung: Totale, direkte und indirekte Effekte der latenten Variablen.

Erl¨ auterung. T=Totaler Effekt; D=Direkter Effekt; I=Indirekter Effekt. R bezieht sich auf die Menge aller latenten Variablen mit einer direkten Wirkung auf die jeweils abh¨ angige Variable.

-0,03

-0,02

-0,16 -0,26

Technischer Erfolg

η6

T

Prozessformalisierung

0,08

0,06

η5

Abh¨ angige Variable

0,06

Finanzerfolg

η7

0,05

Markterfolg

η6

T 0,04

Technischer Erfolg

η5

Abh¨ angige Variable

Alternativenabw.

266 ¨ 10. Wirkungszusammenh¨ ange: Uberpr¨ ufung der Hypothesen

10.2. Alternativmodell ohne Faktoren zweiter Ordnung

267

¨ Ahnlich wie im Basismodell zeigt die Projektplanung einen sehr starken Einfluss auf die Prozessformalisierung und einen schw¨acheren Effekt auf die Prozessstabilit¨at , w¨ahrend das Risikomanagement umgekehrt einen deutlichen Einfluss auf die Prozessstabilit¨at und einen schw¨acheren Effekt auf die Prozessformalisierung aus¨ ubt. Ebenso zeigen Risikomanagement und Prozessstabilit¨at deutliche direkte Wirkungen auf die Erfolgsdimensionen, w¨ahrend von der Projektplanung nur ein schwacher indirekter Effekt ausgeht. Interessant ist es hierbei, die jeweils unterschiedliche Betonung der Erfolgsdimensionen zu analysieren. W¨ahrend sich die Antizipation unvorhergesehener Ereignisse im Rahmen des Risikomanagement insbesondere postiv auf den Markterfolg auswirkt, macht sich die Stabilit¨at der Projektsteuerung insbesondere durch die verbesserte Zeitplaneinhaltung bemerkbar. Bei den Dimensionen der Businessplanung zeigt sich ebenfalls gegen¨ uber dem Basismodell ein differenziertes Bild. Die st¨arkste Wirkung geht hier insgesamt von der Methodik aus, die sich insbesondere als Grundlage f¨ ur ein systematisches Risikomanagement herausstellt. Die Partizipation aller Stakeholder im Prozess der Businessplanung erweist sich dagegen vor allem als Voraussetzung f¨ ur den Erfolg der anschließend durchgef¨ uhrten Projektplanung. Um n¨aher zu verstehen, wie sich der nicht signifikante Zusammenhang zwischen Prozessformalisierung und Vorhabenserfolg im Basismodell erkl¨aren l¨asst, wurde hier die Wirkung dieser Variable auf die einzelnen Erfolgsdimensionen mit untersucht. Im Ergebnis zeigt sich, dass formelle Projektsteuerung im Mittel u ¨ber die betrachteten Projekte praktisch keinen Einfluss auf Finanzerfolg und Zeitplaneinhaltung hat, jedoch negative Zusammenh¨ange mit Markt- und Technikerfolg aufweist. W¨ahrend die Betrachtung dieses disaggregierten Modells also interessante Informationen u ¨ber die relative Bedeutung der Einzeldimensionen der beiden multidimensionalen Konstrukte Businessplanung und Erfolg liefert, zeigt Tabelle 10.5 doch, dass die Anpassungsg¨ ute hier deutlich niedriger als im Basismodell ist und insbesondere ein vergleichsweise schlechter Fit des Pfadmodells zu verzeichnen ist. Das Basismodell ist damit aufgrund seiner h¨oheren statistischen Sparsamkeit und Erkl¨arungskraft dem hier untersuchten disaggregierten Modell vorzuziehen.

Modell

χ2

df

p

χ2 /df

SRMR

CFI

RMSEA

Strukurmodell (gesamt)

617,7

375

0,00

1,65

0,081

0,88

0,070

Messmodell

495,0

339

0,00

1,46

0,066

0,91

0,059

Pfadmodell

122,7

36

0,00

3,41





0,135

Tabelle 10.5: Alternativmodell ohne Faktoren zweiter Ordnung: Anpassungsg¨ ute von Mess-, Pfad- und Gesamtmodell

268

10.3

¨ 10. Wirkungszusammenh¨ ange: Uberpr¨ ufung der Hypothesen

Alternativmodell mit formativer Konstruktmessung

In Kapitel 9 wurde systematisch untersucht, ob die zur Operationalisierung eines Konstrukts gew¨ahlten Indikatoren mit einem reflexiven Messmodell vertr¨aglich sind. W¨ahrend die Verwendung reflexiver Messmodelle u ¨berwiegend nicht abgelehnt werden konnte, wurde die Nullhypothese f¨ ur die beiden Konstrukte Projektplanung und Risikomanagement widerlegt. Um Probleme bei der Modellidentifikation zu umgehen und eine Identifizierung und Pr¨ ufung des gesamten in Kapitel 6 zusammengefassten Kausalmodells zu erm¨oglichen, wurden im Basismodell zun¨achst ausschließlich reflexive Indikatoren verwendet. Im vorliegenden Abschnitt soll n¨aher untersucht werden, inwieweit ein solcher Ansatz akzeptabel ist, indem die gesch¨atzten Pfadkoeffizienten bei Modellen mit reflexiven und formativen Indikatoren verglichen werden. Wie in Abschnitt 8.5.4 erw¨ahnt wurde, unterliegt die Abbildung von Strukturmodellen mit formativen Indikatoren im LISREL-Modell vergleichsweise engen Restriktionen. So muss jedes ausschließlich durch formative Indikatoren gemessene Konstrukt durch mindestens zwei unabh¨angige Strukturpfade zu reflexiv gemessenen latenten Variablen identifiziert werden. Da es hierdurch nicht m¨oglich ist, das Basismodell bei Abbildung der latenten Variablen Projektplanung oder Risikomanagement durch formative Messmodelle zu identifizieren, wird die Auswirkung einer Umstellung von reflexiven auf formative Messmodelle anhand von weniger komplexen Teilmodellen untersucht. Abbildung 10.3 vergleicht zwei Strukturmodelle, die die indirekte Wirkung der Projektplanung auf den Vorhabenserfolg u ¨ber die zwei Mediatorvariablen Prozessformalisierung und Prozessstabilit¨at abbilden. In der oberen H¨alfte der Abbildung wird dabei Projektplanung durch ein reflexives Messmodell erfasst, im unteren durch ein formatives. Hinsichtlich der Variablenbenennung ist anzumerken, dass im Rahmen dieser Teilmodelle Projektplanung zu einer exogenen Variable wird und daher durch eine lateinische Ziffer indiziert wird, w¨ahrend die zugeh¨origen Indikatoren durch Großbuchstaben bezeichnet werden. Beide Modelle unterscheiden sich hinsichtlich ihrer globalen Anpassungsg¨ ute kaum, die Fitindizes sind beim Strukturmodell mit formativer Messung der Projektplanung geringf¨ ugig besser, was jedoch zumindest teilweise auf die geringere Anzahl an Freiheitsgraden in diesem Modell zur¨ uckzuf¨ uhren ist. Bei den gesch¨atzten Pfadkoeffizienten ergibt sich fast keine Ver¨anderung, die Wirkung der Projektplanung auf die beiden folgenden Mediatorvariablen wird bei formativer Konstruktmessung leicht h¨oher gesch¨atzt, der Pfad von der Prozessstabilit¨at auf den Vorhabenserfolg bleibt gleich. Auch bei den Faktorladungen der reflexiv gemessenen Variablen ergibt sich praktisch keine Ver¨anderung, nur bei vier von 15 Indikatoren kommt es zu kleinen numerischen Verschiebungen.

10.3. Alternativmodell mit formativer Konstruktmessung

269

,67 Technischer Erfolg ,96

,72

,61 ,75 ,58

,86

,84

,97 ,72

Projektplanung

Erfolg

,52

,92

,52

Prozessformalisierung

,82

,54

,91 ,65

Prozessstabilität

Markterfolg

,77 ,78

Finanzerfolg

,73 ,89 ,55

,81 ,81

Zeitplaneinhaltung ,79

,57 Technischer Erfolg ,96

,72

,62 ,76 ,59

,87

,84

,79 ,21

Projektplanung

Erfolg

,54

,54 Prozessstabilität

,92

,52

Prozessformalisierung

,03

Markterfolg

,91 ,65

,77 ,78

Finanzerfolg

,73 ,89 ,55

,81 ,81

Zeitplaneinhaltung ,79

Abbildung 10.3: Strukturmodelle mit reflexiver und formativer Abbildung der Projektplanung

¨ 10. Wirkungszusammenh¨ ange: Uberpr¨ ufung der Hypothesen

270

,66 Technischer Erfolg ,91

,73

,63 ,78 ,65

,91 ,63

,86

,94 ,89

Risikomgmt.

,91

,54

Prozessformalisierung

Markterfolg

,78

,39 Erfolg

,58

,39

,89 ,64

Prozessstabilität

,77 Finanzerfolg

,72 ,90 ,54

,82 ,83

Zeitplaneinhaltung ,78

,57 Technischer Erfolg ,91

,73

,63 ,78 ,55

,72 ,12 ,10

,90

,54

Prozessformalisierung

,67

,86

Markterfolg

,78

,39

Risikomgmt.

Erfolg

,67

,27 Prozessstabilität

,89 ,65

,77 Finanzerfolg

,70 ,90 ,54

,82 ,83

Zeitplaneinhaltung ,78

Abbildung 10.4: Strukturmodelle mit reflexiver und formativer Abbildung des Risikomanagement

10.4. Untersuchung des Basismodells auf Wahrheits¨ ahnlichkeit

271

Ein ¨ahnliches Ergebnis zeigt der Vergleich von reflexiver und formativer Konstruktmessung auch f¨ ur den in Abbildung 10.4 dargestellten Fall des Risikomanagement. Wiederum f¨ uhrt die formative Konstruktmessung global zu einer leicht h¨oheren Anpassungsg¨ ute, wobei die Verbesserung des SRMR von 0,76 auf 0,69 sp¨ urbar ausf¨allt. Im Pfadmodell kommt es zu st¨arkeren Verschiebungen als im Fall der Projektplanung. W¨ahrend der direkte Pfad von Risikomanagement auf Vorhabenserfolg in beiden F¨allen gleich gesch¨atzt wird, f¨allt im formativen Fall die Wirkung des Risikomanagement auf die beiden folgenden Mediatorvariablen h¨oher aus. Dennoch sinkt im formativen Fall der totale Effekt des Risikomanagement auf den Erfolg von 0,62 auf 0,57, da der Pfad u ¨ber die Mediatorvariable Prozessstabilit¨at an Wirkung verliert. Der h¨oher gesch¨atzte Pfadkoeffizient von Risikomanagement auf Prozessstabilit¨at wird durch den niedriger gesch¨atzten Koeffizienten von Prozessstabilit¨at auf Erfolg u ¨berkompensiert. Hinsichtlich der Faktorladungen bleiben auch hier analog zu den Befunden beim Projektmanagement gr¨oßere Ver¨anderungen der reflexiv gemessenen Variablen aus. Eine zusammenfassende Wertung dieser Befunde zeigt, dass die Umstellung von reflexiver auf formative Konstruktmessung in den betrachteten Teilmodellen keine wesentlichen Ver¨anderungen ergeben hat. Dieser Befund ist insofern bemerkenswert, als eine Reihe akumlichen Erfassung formativ aufzufassender Konstrukte durch tueller Artikel2 vor der irrt¨ reflexive Messmodelle warnt und Beispiele von signifant unterschiedlich gesch¨atzten Strukturmodellen pr¨asentiert. Zuk¨ unftige Untersuchungen sollten sich daher eingehender mit der Frage besch¨aftigen, unter welchen Randbedingungen der in Abschnitt 8.5.2 erl¨auterte Tetraden-Algorithmus Konstrukte als formativ einstuft und wann eine Umstellung von reflexiver auf formative Messung zu signifikant unterschiedlich gesch¨atzten Wirkungsbeziehungen f¨ uhrt. F¨ ur die Belange der vorliegenden Untersuchung ergibt sich aus dieser Diskussion jedenfalls kein Anlass, die G¨ ultigkeit des Basismodells mit ausschließlich reflexiver Konstruktmessung anzuzweifeln.

10.4

Untersuchung des Basismodells auf Wahrheits¨ ahnlichkeit

Obwohl das Basismodell in Abschnitt 10.1 nicht falsifiziert werden konnte und weder die Aufl¨osung der Faktoren zweiter Ordnung noch die Verwendung formativer Indikatoren in den beiden letzten Abschnitten wesentliche Verschiebungen in den Wirkungsbeziehungen der latenten Variablen hervorgerufen haben, existiert umgekehrt weder ein statistischer Test noch ein Fitindex, durch den ein Modell verifiziert werden k¨onnte. Meehl und Waller (2002) argumentieren jedoch, dass die Nicht-Falsifikation eines Modells als Erh¨artung bzw. Untermauerung (corroboration) der zugrunde liegenden Theorie gewertet werden 2

So u. a. Diamantopoulos und Winklhofer (2001) und Jarvis et al. (2003).

272

¨ 10. Wirkungszusammenh¨ ange: Uberpr¨ ufung der Hypothesen

kann, wenn die Vorhersage des Modells hinreichend risikoreich ist. Eine solche risikoreiche Vorhersage besteht f¨ ur sie darin, dass es einem zu beurteilenden Modell besser gelingt, bestimmte Beobachtungen auf der Grundlage anderer Beobachtungen vorherzusagen, als dies eine Menge m¨oglicher Alternativmodelle leisten kann. Je gr¨oßer dabei die Menge der Alternativmodelle ist, desto risikoreicher ist die theoretische Vorhersage und desto gr¨oßer ist die Wahrheits¨ahnlichkeit (verisimilitude) des Basismodells, wenn es die Vorhersage erf¨ ullen kann.3 Die Wahrheits¨ahnlichkeit des Basismodells soll im Folgenden durch den in Abschnitt 8.6.3 erl¨auterten Veripath-Algorithmus beurteilt werden. Da dieser nur Pfadmodelle u uft, wird das im letzten Abschnitt beschriebene vollst¨andige Strukturmodell ¨berpr¨ durch ein ¨aquivalentes Pfadmodell ersetzt, bei dem alle Konstrukte als manifeste Variablen abgebildet werden bzw. als Faktoren erster Ordnung mit einem Indikator, der jeweils Faktorladung Eins und Fehlervarianz Null aufweist. Ein solches Modell kann nicht direkt auf die bisher verwendete empirische Kovarianzmatrix der manifesten Variablen zur¨ uckgreifen, sondern muss eine Kovarianzmatrix auf Konstruktebene verwenden. Ein Weg, eine solche Eingabematrix zu generieren, k¨onnte darin bestehen, Summenvariablen je Konstrukt zu bilden und aus diesen eine Kovarianzmatrix zu errechnen. Bei einem solchen Ansatz w¨ urden jedoch die bisher verwendeten reflexiven Konstrukte durch formative ersetzt werden, was zu einer deutlich unterschiedlichen Konstruktmessung und damit zu ver¨anderten Sch¨atzungen f¨ ur die Pfadkoeffizienten f¨ uhren w¨ urde. Um diesen Effekt zu vermeiden, wird stattdessen auf die von LISREL gesch¨atzte Kovarianzmatrix der latenten Variablen f¨ ur das in Abschnitt 9.6 dargestellte Messmodell zur¨ uckgegriffen, wobei die Einzeldimensionen der Faktoren zweiter Ordnung hier irrelevant sind und keine Verwendung finden. Der Veripath-Algorithmus sch¨atzt zun¨achst mit einer Limited-Information-Methode das Basismodell und identifiziert anschließend unter Verwendung der in Abschnitt 8.6.3 beschriebenen D1A1-Regel insgesamt 69 Alternativmodelle, wobei auf die M¨oglichkeit verzichtet wurde, eine Zeitordnung der Variablen vorzugeben. Tabelle 10.6 zeigt, dass die Pfadkoeffizienten von LISREL und Veripath sehr a¨hnlich gesch¨atzt werden, der SRMRVeri jedoch deutlich niedriger als der SRMRLISREL ausf¨allt, da im vollst¨andigen LISRELStrukturmodell die Parameterzahl aufgrund des Messmodells deutlich h¨oher ist. Die Anpassungsg¨ ute der Alternativmodelle reicht von SRMRVeri = 0,042 bis 0,235, wobei nur drei Modelle einen besseren Fit als das Basismodell aufweisen. Entsprechend der VeripathLogik u ute 95 Prozent der ¨bertrifft damit das Basismodell hinsichtlich der Vorhersageg¨ Alternativmodelle und weist eine hohe Wahrheits¨ahnlichkeit auf. Neben dieser zentralen Aussage ist weiterhin die Untersuchung der von Veripath vor3

Meehl und Waller (2002), S. 285.

10.4. Untersuchung des Basismodells auf Wahrheits¨ ahnlichkeit

273

Koeff.

Abh¨ angige Variable

Unabh¨ angige Variable

LISREL

Veripath

γ1,0

η1

Projektplanung

ξ0

Businessplanung

0,70

0,70

γ2,0

η2

Risikomanagement

ξ0

Businessplanung

0,79

0,79

β3,1

η3

Prozessformalisierung

η1

Projektplanung

0,77

0,78

β4,1

η4

Prozessstabilit¨ at

η1

Projektplanung

0,28

0,30

β3,2

η3

Prozessformalisierung

η2

Risikomanagement

0,18

0,17

β4,2

η4

Prozessstabilit¨ at

η2

Risikomanagement

0,43

0,41

β9,2

η9

Erfolg

η2

Risikomanagement

0,33

0,33

β9,4

η9

Erfolg

η4

Prozessstabilit¨ at

0,37

0,38

0,78

0,60

SRMR

Erl¨ auterung. Sch¨ atzung des vollen Strukturmodells in LISREL (vgl. Abbildung 10.1 und Tabelle 10.1), Sch¨ atzung eines reinen Pfadmodells in Veripath. Tabelle 10.6: Vergleich der durch LISREL und Veripath gesch¨ atzten Pfadkoeffizienten

geschlagenen Alternativmodelle interessant. Abbildung 10.5 zeigt zun¨achst das BasisPfadmodell mit den von Veripath gesch¨atzten Parametern, gefolgt von den 15 Alternativmodellen mit der besten Modellanpassung, die anhand des SRMRVeri in aufsteigender Reihenfolge sortiert sind. Modell Nr. 49 (Abbildung 10.5b) zeigt gegen¨ uber dem Basismodell einen deutlich verbesserten Fit, erkauft diesen jedoch durch die Invertierung einer Wirkungsbeziehung. Da auf die in Veripath m¨ogliche Zeitordnung von Variablen verzichtet wurde, sch¨atzt Veripath eine positive Wirkung des Vorhabenserfolgs auf die Prozessstabilit¨at, was bei der hier verwendeten Operationalisierung den Regeln der Kausalit¨at widerspricht. Wesentlich interessanter sind die beiden folgenden Modelle Nr. 33 und Nr. 20, die hinsichtlich ihrer Struktur und Anpassungsg¨ ute sehr a¨hnlich sind. Beide Modelle ersetzen jeweils einen Pfad von einer der operativen Planungsvariablen auf die Projektsteuerungsvariablen durch einen Pfad, der eine direkte Wirkung der Businessplanung auf die Projektsteuerung anzeigt. Unter den folgenden drei Alternativmodellen befinden sich mit Nr. 44 und Nr. 21 noch zwei weitere Modelle, die einen deutlichen positiven Zusammenhang zwischen Businessplanung und Prozessstabilit¨at unterstellen und dabei eine nur geringf¨ ugig schlechtere Anpassung als das Basismodell erzielen. W¨ahrend die u ¨brigen in Abbildung 10.5 dargestellten Alternativmodelle gr¨oßtenteils Wirkungsbeziehungen zwischen den beiden jeweils als gleichzeitig einzustufenden Planungs- und Steuerungsvariablen enthalten und damit theoretisch weniger interessant sind, sollte die m¨ogliche direkte Beziehung zwischen Businessplanung und Projektsteuerung im Rahmen des vollen Strukturmodells n¨aher untersucht werden.

¨ 10. Wirkungszusammenh¨ ange: Uberpr¨ ufung der Hypothesen

274 (a) SRMR = 0,060 (Basismodell)

(b) SRMR = 0,042 (#49)

,78 ,70

,30

,78

,17

,70

,30

,17

,33 ,79

,55 ,38

,79

,37

,41

,21

(c) SRMR = 0,051 (#33)

(d) SRMR = 0,055 (#20) ,22

,78 ,70

,78

,17

,70

,30

,33 ,79

,33 ,38

,79

,38 ,41

,23 ,43

(e) SRMR = 0,071 (#25)

(f) SRMR = 0,072 (#44)

,78 ,70

,17

,79

,78 ,18

,70 ,33 ,38

,18

,17 ,36

,79

,40

,46 ,48

(g) SRMR = 0,072 (#21)

(h) SRMR = 0,074 (#19)

,87 ,70

,87

,18

,70 -,15

,33 ,79

,38 ,23

,30 ,39

,79

,42 ,41

,30

Abbildung 10.5: Veripath-Analyse. F¨ ur das Basismodell sowie die von Veripath vorgeschlagenen sieben Alternativmodelle mit der besten Anpassungsg¨ ute sind jeweils die von Veripath gesch¨ atzten Pfadkoeffizienten und der SRMR dargestellt.

10.4. Untersuchung des Basismodells auf Wahrheits¨ ahnlichkeit (i) SRMR = 0,075 (#67)

275

(j) SRMR = 0,075 (#18)

,78 ,70

,30

,87 ,70

,17

,30

-,03

,23 ,79

,34 ,45

,79

,39

,41

,41

(k) SRMR = 0,077 (#12)

(l) SRMR = 0,078 (#14)

,87 ,70

,30

,87 ,01

,70

,27

,38

,38 ,41

(m) SRMR = 0,079 (#22)

(n) SRMR = 0,079 (#15)

,87 ,30

,87 ,18

,79

,33

,79

,41

,70

,03

,33

,79

,73 ,32 ,38

,30 -,04

,33

,79

,38 ,41

,41 ,02

(o) SRMR = 0,079 (#17)

(p) SRMR = 0,081 (#13)

,87 ,70

,88

,18

,70

-,03

-,03

,33

,81

,33 ,38

,79

,41 : Businessplanung : Projektplanung

,30

,38 ,41

: Risikomanagement : Prozessformalisierung

Abbildung 10.6: Veripath-Analyse (Fortsetzung)

: Prozessstabilität : Erfolg

¨ 10. Wirkungszusammenh¨ ange: Uberpr¨ ufung der Hypothesen

276

Zu diesem Zweck wurden in LISREL sowohl Varianten des Basismodells gesch¨atzt, deren Strukturmodell exakt den Alternativmodellen Nr. 44 und Nr. 21 entspricht, als auch Varianten, die den jeweils neuen Pfad von der Businessplanung auf eine der Steuerungsvariablen enthalten, ohne dass im Gegenzug ein Pfad des Basismodells eliminiert wird. Die beiden ersten Modelle resultieren in einer leichten Verschlechterung der Anpassungsg¨ ute bei gleicher Anzahl an Freiheitsgraden wie im Basismodell, w¨ahrend die beiden anderen Modelle praktisch die gleiche Anpassungsg¨ ute wie das Basismodell zeigen, jedoch einen Freiheitsgrad weniger besitzen. Inhaltlich folgt damit, dass es auf Grundlage der Veripath-Analyse keinen Anlass gibt, das Basismodell zu revidieren. Methodisch zeigt sich, dass die LISREL- und Veripath-Sch¨atzungen zwar zu erstaunlich a¨hnlichen Ergebnissen f¨ uhren, im Detail jedoch leicht voneinander abweichen k¨onnen, da hier eine Full-Information Sch¨atzung des vollen Strukturmodells mit einer Limited-Information Sch¨atzung des Pfadmodells verglichen wird. Die Korrelation zwischen dem SRMRVeri und verschiedenen in LISREL errechneten Fitmaßen wird in Abbildung C.1 auf Seite 316 systematisch anhand identischer Pfadmodelle verglichen, der verzerrende Einfluss eines zus¨atzlichen Messmodells in der LISREL-Analyse wird dort also ausgeklammert.

10.5

Erweiterung des Basismodells um Moderatoreffekte

Nachdem in den letzten Abschnitten die Strukturparameter des Basismodells mit guter Anpassungsg¨ ute gesch¨atzt wurden, die Verwendung von Faktoren zweiter Ordnung und reflexiven Messmodellen gerechtfertigt werden konnte und die Wahrheits¨ahnlichkeit des Basismodells nachgewiesen wurde, sollen im Folgenden die in Kapitel 6 aufgestellten Moderatorhypothesen gepr¨ uft werden. Entsprechend den Ausf¨ uhrungen in Abschnitt 8.6.4 werden dabei zwei separate Analysemethoden, n¨amlich moderierte Regressionen und ein LISREL-Pfadmodell mit Interaktionstermen verwendet und hinsichtlich ihrer Ergebnisse miteinander verglichen. Tabelle 10.7 pr¨asentiert die in den Regressions- und LISREL-Analysen gesch¨atzten Parameter. Betrachtet man zun¨achst die Pfadkoeffizienten der Variablen erster Ordnung ¨ im LISREL-Modell, so zeigt sich eine große Ahnlichkeit zu den in Abschnitt 10.1 berichteten Resultaten f¨ ur das Basismodell, wobei der Pfad von Prozessformalisierung auf Erfolg neu aufgenommen wurde, um den vermuteten Moderatoreffekt des Innovationsgrads u ufen zu k¨onnen. F¨ ur diese Interaktion wird im LISREL-Modell tats¨achlich ein si¨berpr¨ gnifikant negativer Pfadkoeffizient auf den Erfolg gesch¨atzt (H8b: β = −0, 13, t = −1, 65). Damit kann Hypothese H8b nicht abgelehnt werden, der Innovationsgrad moderiert die Beziehung zwischen Prozessformalisierung und Erfolg also tats¨achlich negativ, d. h. formelle Projektsteuerung wirkt erfolgssteigernd bei niedriginnovativen und erfolgshemmend bei hochinnovativen Projekten. Es handelt sich hier allerdings nicht um einen reinen Mo-

10.5. Erweiterung des Basismodells um Moderatoreffekte

277

deratoreffekt, da der Innovationsgrad selbst einen signifikant negativen Effekt auf den Vorhabenserfolg aus¨ ubt (β = −0, 21, t = −2, 95) und auch die Prozessformalisierung eine negative Erfolgswirkung an der Grenze zur Signifikanz zeigt.4 Die drei anderen Moderatorhypothesen H1b, H2b und H7b werden dagegen widerlegt, da die gesch¨atzten Koeffizienten der Interaktionsterme nicht nur insignifikant sind, sondern auch ein positives Vorzeichen haben. Die positive Wirkung von Businessplanung auf Projektplanung und Risikomanagement wird folglich ebenso wenig durch den Innovationsgrad moderiert wie die Wirkung des Risikomanagement auf den Vorhabenserfolg. Bemerkenswert ist schließlich noch die Tatsache, dass der Innovationsgrad einen signifikant negativen Effekt auf die Projektplanung und einen signifikant positiven Einfluss auf das Risikomanagement aus¨ ubt. ¨ Da die geschlossene Uberpr¨ ufung der drei postulierten Moderatoreffekte in einem einzigen Regressionsmodell nicht m¨oglich ist, wird f¨ ur jede der abh¨angigen Variablen eine separate Regression gerechnet. Wie schon im Rahmen der LISREL-Analyse wird auch im ersten Regressionsmodell f¨ ur den Interaktionsterm zwischen Prozessformalisierung und Innovationsgrad ein signifikant negativer Pfadkoeffizient auf den Vorhabenserfolg gesch¨atzt. Im Gegensatz zum LISREL-Modell zeigen hier jedoch die beiden Variablen erster Ordnung keine signifikante Erfolgwirkung, so dass ein reiner Moderatoreffekt vorliegt. Ein Moderatoreffekt des Innovationsgrads auf die Beziehung zwischen Risikomanagement und Erfolg kann dagegen auch hier nicht festgestellt werden. Die Regressionsmodelle 2 und 3 liefern strukturell a¨hnliche Ergebnisse wie die LISREL-Analyse, d. h. Moderatorbeziehungen k¨onnen zwar nicht nachgewiesen werden, daf¨ ur wird aber ein negativer Zusammenhang zwischen Innovationsgrad und Projektplanung sowie ein positiver Zusammenhang zwischen Innovationsgrad und Risikomanagement gesch¨atzt. Die in diesem Abschnitt berichteten Befunde lassen sich also wie folgt zusammenfassen: Die Beziehung zwischen Prozessformalisierung und Vorhabenserfolg wird negativ durch den Innovationsgrad moderiert, was den Umstand erkl¨art, dass im Basismodell (vgl. Abbildung 10.1 auf Seite 261) dieser zentrale Strukturpfad fehlt. Das durch die in Tabelle 10.7 zusammengefassten Wirkungsbeziehungen definierte Strukturgleichungsmodell u ¨bertrifft in seinem Erkl¨arungsumfang also das Basismodell und bildet das in Abschnitt 6 entwickelte nomologische Netz vollst¨andig ab. Die u ¨brigen dort zusammengefassten Moderatoreffekte lassen sich jedoch empirisch nicht nachweisen. Schließlich sind die direkten Effekte des Innovationsgrads bemerkenswert, auch wenn sich der besonders interessante Befund einer negativen Wirkung des Innovationsgrads auf den Erfolg nur im LISREL-Modell nachweisen l¨asst.

4

Solche Konstellationen werden auch als Quasi-Moderatoren bezeichnet, vgl. Sharma et al. (1981), S. 292.

278

¨ 10. Wirkungszusammenh¨ ange: Uberpr¨ ufung der Hypothesen

Im Anschluss an die letzte Bemerkung l¨asst sich also hinsichtlich der Methodik noch die Schlussfolgerung ziehen, dass die Partialanalysen der Moderatoreffekte u ¨ber moderierte Regressionen strukturell ¨ahnliche Befunde wie das LISREL-Modell liefern, Einzel¨ ergebnisse aber durchaus voneinander abweichen k¨onnen. Auf eine Uberpr¨ ufung von Moderatorhypothesen im Rahmen des vollen durch ein Strukturgleichungsmodell erfassten nomologischen Netzes sollte daher nach M¨oglichkeit nicht verzichtet werden.

0,40 14,40∗∗∗

(7,55) (−2,03) (−0,37) 0,67 0,13 0,06

(9,11) (1,87) (0,85) 0,33 20,72∗∗∗

0,42 30,16∗∗∗

0,80 0,14 0,05

0,69 −0,21 0,02

(15,46) (2,61) (1,03)

(11,63) (−3,43) (0,38)

(3,62) (5,21)

(15,39) (3,77)

(−1,40) (3,42) (5,13) (−2,95) (−1,65) (0,39)

Tabelle 10.7: Moderatormodelle

Erl¨ auterung. Alle Koeffizienten geben standardisierte L¨ osungen wieder. Die Anpassungsmaße f¨ ur das LISRELModell betragen SRMR = 0,055; CFI = 0,96; χ2 = 52,76; df = 19; p= 0,00; χ2 /df = 2,8.

2 Radj. F

PROJEKTPLANUNG — Businessplanung — Innovationsgrad (Innov.) — Innov. × Businessplanung RISIKOMANAGEMENT — Businessplanung — Innovationsgrad (Innov.) — Innov. × Businessplanung

0,29 0,42

−0,12 0,28 0,47 −0,21 −0,13 0,03

t-Wert

LISREL-Modell Koeff.

— Projektplanung — Risikomanagement

0,56 −0,15 −0,03

t-Wert

Regression 3 Koeff.

0,76 0,19

(0,06) (4,40) (3,52) (−0,65) (−1,96) (0,55)

t-Wert

Regression 2 Koeff.

PROZESSFORMALISIERUNG — Projektplanung — Risikomanagement ¨ PROZESSSTABILITAT

0,01 0,38 0,34 −0,05 −0,16 0,05

ERFOLG — Prozessformalisierung — Prozessstabilit¨ at — Risikomanagement — Innovationsgrad (Innov.) — Innov. × Prozessformalisierung — Innov. × Risikomanagement

t-Wert

Regression 1 Koeff.

— Unabh¨ angige Variablen

¨ ABHANGIGE VARIABLEN

10.5. Erweiterung des Basismodells um Moderatoreffekte 279

¨ 10. Wirkungszusammenh¨ ange: Uberpr¨ ufung der Hypothesen

280

(a)

Innovationsgrad Innovationsgrad

1

0

1

0.5 0.25 Erfolg Erfolg

0 0.25  0.5 1

0 Prozessformalisierung Prozessformalisierung

(b)

Innovationsgrad

Innovationsgrad

1

1

0

1

0.5 Erfolg Erfolg

0 0.5

1

0

Prozessformalisierung Prozessformalisierung

1

Abbildung 10.7: Moderatorwirkung des Innovationsgrads auf die Beziehung zwischen Prozessformalisierung und Erfolg. (a) Reiner Moderator im Regressionsmodell. (b) Quasi-Moderator im LISREL-Modell.

10.6. Erg¨ anzende Analysen zur Zieldefinition

10.6

281

Erg¨ anzende Analysen zur Zieldefinition

Nachdem die zentralen Wirkungsbeziehungen dieser Untersuchung getestet wurden, sollen im folgenden noch die erg¨anzenden Hypothesen zur Zieldefinition, also zu Zielh¨ohe, Zielspezifit¨at und zielorientierten Steuerungsgr¨oßen gepr¨ uft werden. In Hypothese H10 wurde zun¨achst vermutet, dass mit steigendem Anspruchsniveau in bestimmten Erfolgsdimensionen auch der realisierte Erfolg in dieser Dimension steigt, der Effekt jedoch mit zunehmendem Innovationsgrad schw¨acher ausgepr¨agt ist. Die Hypothese wird f¨ ur die vier Erfolgsdimensionen separat durch moderierte Regressionen untersucht, deren Ergebnisse in den Tabellen 10.8 bis 10.11 zusammengefasst werden. Die Erfolgsdimensionen werden hier durch Summenvariablen u ¨ber die Items abgebildet, die auch bei der Operationalisierung des Vorhabenserfolgs in Kapitel 9 verwendet wurden.5 Um das Anspruchsniveau in den unterschiedlichen Erfolgsdimensionen erfassen und vergleichbar machen zu k¨onnen, wurde im Rahmen der Datenerhebung die Wichtigkeit aller erhobenen Erfolgsgr¨oßen ermittelt.6 Die statistischen Ergebnisse untermauern zun¨achst Hypothese H10a: Obwohl die Varianzerkl¨arung mit maximal 16 Prozent in den vier Regressionsmodellen relativ niedrig ist, sind die F -Werte und die β-Koeffizienten der Zielwichtigkeit auf die entsprechende Erfolgsdimension durchweg signifikant. Am st¨arksten ist dieser positive Einfluss des Anspruchsniveaus beim Technischen Erfolg ausgepr¨agt (β = 0,34 und p < 0,001), am schw¨achsten beim Markterfolg (β = 0,19 und p < 0,1). Die Moderationshypothese H10b dagegen kann zwar nicht rundheraus abgelehnt werden, allerdings l¨asst sich nur im Fall des Technischen Erfolgs ein signifikant negativer Moderatoreffekt des Innovationsgrads auf die Beziehung zwischen Anspruchsniveau und Zielerreichung nachweisen. Modell 3 in Tabelle 10.8 zeigt, dass der Moderatoreffekt auf 0,1-Prozent-Niveau signifikant ist und 6 Prozent zur Varianzerkl¨arung beitr¨agt. In Modell 4 wurden zus¨atzlich noch die Zielwichtigkeiten der drei u ¨brigen Erfolgsdimensionen als Kontrollvariablen aufgenommen, tragen allerdings hier wie auch in den drei folgenden Regressionsanalysen nicht signifikant zur Varianzerkl¨arung bei. Um sicherzustellen, dass die OLS-Sch¨atzung nicht durch Multikollinearit¨at verzerrt wird, wurde der Variance Inflation Factor f¨ ur alle Variablen ermittelt; mit einem Maximum von 1,6 lag er deutlich unter dem allgemein akzeptierten Grenzwert von 10. Insgesamt wird also Hypothese H10a deutlich untermauert, w¨ahrend die Moderationshypothese H10b zweifelhaft erscheint und einer n¨aheren Pr¨ ufung in zuk¨ unftigen Untersuchungen bedarf.

5

Vgl. v. a. Tabelle 9.20 auf S. 243.

6

Die Items wurden anhand der Frage Wie wichtig waren die folgenden Zielgr¨ oßen f¨ ur ihr Vorhaben?“ ” auf Siebenerskalen erhoben.

¨ 10. Wirkungszusammenh¨ ange: Uberpr¨ ufung der Hypothesen

282

Technischer Erfolg Unabh¨ angige Variablen

Modell 1

Zielwichtigkeit Technischer Erfolg

0,31∗∗∗

Modell 2 0,30∗∗∗ −0,04

Innovationsgrad (INNOV) INNOV × Zielwichtigkeit Technischer Erfolg

Modell 3 0,38∗∗∗

Modell 4 0,34∗∗∗

0,00

0,02

−0,30∗∗∗

−0,27∗∗

Zielwichtigkeit Markterfolg

0,13

Zielwichtigkeit Finanzerfolg

0,02

Zielwichtigkeit Zeitplaneinhaltung

0,08

2

0,09

0,10

0,18

0,21

∆R2

0,09

0,01

0,08

0,03

2 Radj.

0,09

0,08

0,15

0,16

5,68∗∗

7,67∗∗∗

4,60∗∗∗

R

11,29∗∗

F ∗

p < 0, 10,

∗∗

p < 0, 01,

∗∗∗

p < 0, 001.

Tabelle 10.8: Moderierte Regressionsanalyse zum Einfluss von Zielwichtigkeit auf Technischen Erfolg

Markterfolg Unabh¨ angige Variablen

Modell 1 ∗∗

Zielwichtigkeit Markterfolg

0,28

Innovationsgrad (INNOV)

Modell 2 ∗∗

Modell 3 ∗∗

Modell 4 0,19∗

0,27

0,29

−0,14

−0,11

−0,10

−0,11

−0,12

INNOV × Zielwichtigkeit Markterfolg Zielwichtigkeit Technikerfolg

0,05

Zielwichtigkeit Finanzerfolg

0,17

Zielwichtigkeit Zeitplaneinhaltung

0,05

R2

0,08

0,10

0,11

0,14

∆R2

0,08

0,02

0,01

0,03

2 Radj.

0,07

0,08

0,08

0,09

F

9,82∗∗

5,51∗∗

4,12∗∗

5,84∗∗



p < 0, 10,

∗∗

p < 0, 01,

∗∗∗

p < 0, 001.

Tabelle 10.9: Moderierte Regressionsanalyse zum Einfluss von Zielwichtigkeit auf Markterfolg

10.6. Erg¨ anzende Analysen zur Zieldefinition

283

Finanzerfolg Unabh¨ angige Variablen

Modell 1

Zielwichtigkeit Finanzerfolg

0,39∗∗∗

Modell 2 0,40∗∗∗ −0,12

Innovationsgrad (INNOV) INNOV × Zielwichtigkeit Finanzerfolg

Modell 3 0,40∗∗∗

Modell 4 0,34∗

−0,12

−0,12

−0,01

−0,02

Zielwichtigkeit Technikerfolg

0,00

Zielwichtigkeit Markterfolg

0,16

Zielwichtigkeit Zeitplaneinhaltung

0,02

2

0,16

0,17

0,17

0,19

∆R2

0,16

0,01

0,00

0,02

2 Radj.

0,15

0,15

0,14

0,14

6,90∗∗∗

3,83∗∗

R

19,04∗∗∗

F ∗

p < 0, 10,

∗∗

p < 0, 01,

∗∗∗

10,45∗∗∗

p < 0, 001.

Tabelle 10.10: Moderierte Regressionsanalyse zum Einfluss von Zielwichtigkeit auf Finanzerfolg

Zeitplaneinhaltung Unabh¨ angige Variablen

Modell 1

Zielwichtigkeit Zeitplaneinhaltung

∗∗

0,26

Innovationsgrad (INNOV)

Modell 2 ∗∗

Modell 3 ∗∗

Modell 4 0,24∗∗

0,25

0,29

−0,07

−0,06

−0,08

−0,11

−0,09

INNOV × Zielwichtigkeit Zeitplaneinhaltung Zielwichtigkeit Technikerfolg

0,06

Zielwichtigkeit Markterfolg

0,14

Zielwichtigkeit Finanzerfolg

0,25∗

R2

0,07

0,07

0,08

0,13

∆R2

0,07

0,00

0,01

0,05

2 Radj.

0,06

0,06

0,06

0,08

F

8,00∗∗

4,27∗

3,27∗

2,64∗



p < 0, 10,

∗∗

p < 0, 01,

∗∗∗

p < 0, 001.

Tabelle 10.11: Moderierte Regressionsanalyse zum Einfluss von Zielwichtigkeit auf Zeitplaneinhaltung

284

¨ 10. Wirkungszusammenh¨ ange: Uberpr¨ ufung der Hypothesen

Im folgenden soll Hypothese H11 u uft werden, in der vermutet wurde, dass die ¨berpr¨ Zielerreichung in bestimmten Erfolgsdimensionen desto h¨oher ausf¨allt, je spezifischer die Vorhabensziele im Hinblick auf diese Erfolgsdimensionen formuliert wurden (H11a). Mit zunehmendem Innovationsgrad eines Projektes wird dieser Zusammenhang vermutlich sch¨acher ausgepr¨agt sein (H11b). Zur Messung der Zielspezifit¨at wurde wiederum auf die Items zur Zielwichtigkeit zur¨ uckgegriffen. So wird der Grad an Zielspezifit¨at hinsichtlich einer bestimmten Erfolgsdimension dadurch ermittelt, dass die Summe der f¨ ur diese Dimension relevanten Zielwichtigkeitsitems summiert und durch die Gesamtsumme aller Zielwichtigkeitsitems dividiert wird. Die so errechnete Variable wird im folgenden als Betonung“ der jeweiligen ” Erfolgsdimension bezeichnet. Auf diese Weise wird der Versuch unternommen, die Spezifit¨at der Zielformulierung direkt messbar zu machen, anstatt sich auf perzeptive Items zu verlassen.7 Wie oben wurden f¨ ur alle vier Erfolgsdimensionen separate Regressionsmodelle analysiert, deren Ergebnisse in den Tabellen 10.12 bis 10.15 zusammengefasst sind. F¨ ur den Finanzerfolg l¨asst sich ein signifikanter positiver Zusammenhang zwischen einer Betonung finanzieller Ziele und der tats¨achlichen Zielerreichung nachweisen (β = 0,32 und p < 0,01), der F -Wert ist signifikant und l¨asst damit eine sinnvolle Interpretation des Ergebnisses zu, die Varianzerkl¨arung ist mit 8 Prozent immerhin sp¨ urbar. F¨ ur alle anderen Erfolgsdimensionen erweisen sich die direkten Zusammenh¨ange zwischen Zielbetonung und -erreichung als nicht signifikant. Dar¨ uberhinaus haben die Moderatorprodukte zwar in allen vier Modellen negative Vorzeichen, sind jedoch nie signifikant. Eine m¨ogliche Verzerrung durch Multikollinearit¨at kann vernachl¨assigt werden, da der Variance Inflation Factor einen Wert von 1,2 nicht u ¨berschreitet. Angesichts dieser Befunde k¨onnen die Hypothesen H11a und H11b zwar nicht rundheraus abgelehnt werden, allerdings best¨atigt sich die in Abschnitt 4.2.2 erw¨ahnte Tatsache, dass der Zusammenhang zwischen Zielspezifit¨at und Erfolg auf der Ebene von Gruppenzielen bislang nicht besonders eingehend untersucht wurde und sogar auf der Ebene von Individualzielen die Allgemeing¨ ultigkeit des Zusammenhangs mittlerweile angezweifelt wird. Folgearbeiten sollten daher die theoretischen Grundlagen des vermuteten Zusammenhangs n¨aher beleuchten und sich daraus eventuell ergebende alternative Wege der Variablenoperationalisierung und Hypothesenpr¨ ufung eingehend untersuchen.

7

Ein solches Item k¨ onnte etwa durch die Frage Wie spezifisch waren die technischen Ziele f¨ ur das ” Vorhaben formuliert?“ gebildet werden.

10.6. Erg¨ anzende Analysen zur Zieldefinition

285

Technischer Erfolg Unabh¨ angige Variablen

Modell 1

Modell 2

Betonung Technikziele

−0,04

−0,04

0,02

−0,08

−0,10

Innovationsgrad (INNOV) INNOV × Betonung Technikziele

Modell 3

−0,17

2

0,00

0,01

∆R2

0,00

0,01

0,02

2 Radj.

−0,01

−0,01

0,01

0,15

0,43

1,17

R

F ∗

p < 0, 10,

∗∗

p < 0, 01,

∗∗∗

0,03

p < 0, 001.

Tabelle 10.12: Moderierte Regressionsanalyse zum Einfluss von Zielspezifit¨ at auf den Technischen Erfolg

Markterfolg Unabh¨ angige Variablen Betonung Marktziele

Modell 1

Modell 2

−0,07

−0,08

0,07

−0,16

−0,17∗

Innovationsgrad (INNOV) INNOV × Betonung Marktziele

Modell 3

−0,08

2

0,01

0,03

0,04

∆R2

0,01

0,02

0,01

2 Radj.

−0,01

0,01

0,01

0,52

1,57

1,29

R

F ∗

p < 0, 10,

∗∗

p < 0, 01,

∗∗∗

p < 0, 001.

Tabelle 10.13: Moderierte Regressionsanalyse zum Einfluss von Zielspezifit¨ at auf den Markterfolg

¨ 10. Wirkungszusammenh¨ ange: Uberpr¨ ufung der Hypothesen

286

Finanzerfolg Unabh¨ angige Variablen

Modell 1 0,29∗∗

Betonung Finanzziele

Modell 2

−0,15

Innovationsgrad (INNOV)

Modell 3

0,31∗∗

INNOV × Betonung Finanzziele

0,32∗∗ −0,15 −0,11

2

0,08

0,11

0,12

∆R2

0,08

0,03

0,01

2 Radj.

0,08

0,09

0,09

F

9,55∗∗

6,03∗∗

4,46∗∗

R



p < 0, 10,

∗∗

p < 0, 01,

∗∗∗

p < 0, 001.

Tabelle 10.14: Moderierte Regressionsanalyse zum Einfluss von Zielspezifit¨ at auf den Finanzerfolg

Zeitplaneinhaltung Unabh¨ angige Variablen

Modell 1

Betonung Zeitplaneinhaltung

0,13

Innovationsgrad (INNOV)

Modell 2

Modell 3

0,12

0,14

−0,10

−0,10

INNOV × Betonung Zeitplaneinhaltung

−0,05

2

0,02

0,03

0,03

∆R2

0,02

0,01

0,00

2 Radj.

0,01

0,01

0,00

F

1,88

1,49

1,07

R



p < 0, 10,

∗∗

p < 0, 01,

∗∗∗

p < 0, 001.

Tabelle 10.15: Moderierte Regressionsanalyse zum Einfluss von Zielspezifit¨ at auf die Zeitplaneinhaltung

10.6. Erg¨ anzende Analysen zur Zieldefinition

287

Technischer Erfolg Unabh¨ angige Variablen

Modell 1

Wahrscheinlichkeit technischen Erfolgs

0,11

Innovationsgrad (INNOV)

Modell 2

Modell 3

Modell 4

0,11

0,09

0,06

−0,06

−0,05

−0,05

INNOV × Wahrscheinlichkeit technischen Erfolgs

0,06

0,09 −0,14

Wahrscheinlichkeit des Markterfolgs Prognostiziertes Marktvolumen

0,26

Prognostizierter Umsatz

−0,13

Prognostizierte Zielkosten

−0,04 0,29∗

Prognostizierter Kapitalwert/NPV

−0,10

Prognostizierter ROI/IRR Prognostizierte Amortisationszeit

0,10

Einhaltung Projektzeitplan

0,06

Prognostizierte time-to-market

0,09

R2

0,01

0,01

0,02

∆R2

0,01

0,00

0,01

0,16

2 Radj.

0,00

−0,00

−0,01

0,08

F

1,46

0,90

0,72



p < 0, 10,

∗∗

p < 0, 01,

∗∗∗

0,18

1,83∗

p < 0, 001.

Tabelle 10.16: Moderierte Regressionsanalyse zum Einfluss von Steuerungsgr¨ oßen auf den Technischen Erfolg

Abschließend ist noch Hypothese H12 zu pr¨ ufen, in der vermutet wird, dass mit steigender Betonung bestimmter Steuerungsgr¨oßen im Rahmen der Projektsteuerung die Zielerreichung in den korrespondierenden Erfolgsdimensionen steigt (H12a). Je h¨oher der Innovationsgrad eines Projektes ist, desto schw¨acher wird dieser Zusammenhang vermutlich ausgepr¨agt sein (H12b). Insgesamt wurden in Anlehnung an Hart et al. (2003) zehn verbreitete Steuerungsgr¨oßen ausgew¨ahlt und auf Siebenerskalen erhoben, wie wichtig diese Gr¨oßen f¨ ur die Entscheidungsfindung bei zentralen Vorhabensfragen waren. Um die Auswirkung der Betonung verschiedener Steuerungsgr¨oßen auf den Vorhabenserfolg zu beurteilen, wird f¨ ur jede der Erfolgsdimensionen wiederum ein separates Modell untersucht, bei dem zun¨achst die auf die jeweilige Erfolgsdimension zugeschnittenen Steuerungsgr¨oßen als unabh¨angige Variablen in die stufenweise Regression aufgenommen werden, bevor der Innovationsgrad, die Moderatorterme sowie als Kontrollvariablen die u ¨brigen Steuerungsgr¨oßen folgen. Die Ergebnisse sind in den Tabellen 10.16 bis 10.19 zusammengefasst.

¨ 10. Wirkungszusammenh¨ ange: Uberpr¨ ufung der Hypothesen

288

Markterfolg Unabh¨ angige Variablen

Modell 1

Modell 2

Modell 3

Modell 4







0,20∗

Wahrscheinlichkeit des Markterfolgs

0,20

0,21

0,20

Prognostiziertes Marktvolumen

0,26∗

0,27∗

0,22

0,17

−0,16

−0,08

−0,19

Prognostizierter Umsatz

0,31∗∗

Prognostizierte Zielkosten

−0,20 0,30∗∗ −0,04

Innovationsgrad (INNOV)

0,32∗∗ 0,03

0,39∗∗ −0,02

INNOV × Wahrscheinlichkeit des Markterfolgs

−0,16

−0,22∗

INNOV × Prognostiziertes Marktvolumen

−0,10

−0,09

INNOV × Prognostizierter Umsatz INNOV × Prognostizierte Zielkosten

0,13

0,16

−0,00

−0,05 −0,04

Wahrscheinlichkeit technischen Erfolgs

0,28∗

Prognostizierter Kapitalwert/NPV Prognostizierter ROI/IRR

−0,10

Prognostizierte Amortisationszeit

−0,19

Einhaltung Projektzeitplan

−0,13

Prognostizierte time-to-market

0,09

2

0,21

0,21

0,24

0,30

∆R2

0,21

0,00

0,03

0,06

2 Radj.

0,18

0,17

0,17

0,18

F

6,85∗∗∗

5,47∗∗∗

3,45∗∗

2,55∗∗

R



p < 0, 10,

∗∗

p < 0, 01,

∗∗∗

p < 0, 001.

Tabelle 10.17: Moderierte Regressionsanalyse zum Einfluss von Steuerungsgr¨ oßen auf den Markterfolg

Tabelle 10.16 kann entnommen werden, dass sich die gesch¨atzte Wahrscheinlichkeit des technischen Erfolgs nicht als geeignete Steuerungsgr¨oße erweist, um den endg¨ ultig realisierten technischen Erfolg signifikant zu steigern. Demgegenuber zeigt sich uberraschender ¨ ¨ weise, dass sich eine Projektsteuerung anhand der finanziellen Kenngr¨oße Prognostizierter ” Kapitalwert/NPV“ signifikant positiv auf die Erreichung technischer Ziele auswirkt. Eventuell l¨asst sich dieser Umstand dadurch erkl¨aren, dass eine stringente Steuerung anhand n¨ uchterner Finanzkennzahlen eine fokussierende Wirkung auf das Projektteam hat und von der Verfolgung schwer einzusch¨atzender, risikoreicher technischer L¨osungen abh¨alt. Demgegen¨ uber entspricht die in Tabelle 10.17 gezeigte Analyse zur Wirkung von Steuerungsgr¨oßen auf den Markterfolg st¨arker den urspr¨ unglich formulierten Hypothesen. Insbesondere die Beurteilung zentraler Vorhabensentscheidungen vor dem Hintergrund der aus Markt- und Kundenforderungen abgeleiteten Zielkosten zeigt hier eine stark positive Erfolgswirkung, aber auch die Verwendung der Steuerungsgr¨oße Wahrscheinlichkeit des ”

10.6. Erg¨ anzende Analysen zur Zieldefinition

289

Finanzerfolg Unabh¨ angige Variablen

Modell 1

Modell 2

Modell 3

Modell 4

Prognostizierter Kapitalwert/NPV

0,09

0,10

0,09

0,08

Prognostizierter ROI/IRR

0,30∗

0,29∗

0,28∗

0,23∗

Prognostizierte Amortisationszeit

0,06

Innovationsgrad (INNOV)

0,06

0,12

0,03

−0,07

−0,10

−0,09

−0,19

−0,19

INNOV × Prognostizierter Kapitalwert/NPV INNOV × Prognostizierter ROI/IRR INNOV × Prognostizierte Amortisationszeit

0,15

0,12

−0,23∗

−0,23∗ −0,15

Wahrscheinlichkeit technischen Erfolgs Wahrscheinlichkeit des Markterfolgs

0,23∗

Prognostiziertes Marktvolumen

0,10 −0,10

Prognostizierter Umsatz Prognostizierte Zielkosten

0,19 −0,10

Einhaltung Projektzeitplan Prognostizierte time-to-market

0,01

2

0,16

0,17

0,24

0,31

∆R2

0,16

0,01

0,07

0,07

2 Radj.

0,14

0,13

0,18

0,20

F

6,39∗∗

4,92∗∗

4,29∗∗∗

2,89∗∗

R



p < 0, 10,

∗∗

p < 0, 01,

∗∗∗

p < 0, 001.

Tabelle 10.18: Moderierte Regressionsanalyse zum Einfluss von Steuerungsgr¨ oßen auf den Finanzerfolg

Markterfolgs“ stellt sich als positiv heraus. F¨ ur diese Variable best¨atigt sich auch der in H11b postulierte Moderatoreffekt, d. h. mit zunehmendem Innovationsgrad f¨allt die mit der Verwendung dieser Steuerungsgr¨oße verbundene Erfolgssteigerung geringer aus. Daneben erweist sich wie schon beim Technischen Erfolg auch hier wieder die Verwendung der Kenngr¨oße Prognostizierter Kapitalwert/NPV“ als erfolgswirksam. ” Vor diesem Hintergrund ist es als erstaunlich zu werten, dass sich eine Steuerung anhand zuk¨ unftig erwarteter Kapitalwerte nicht in einer signifikanten Steigerung des endg¨ ultig realisierten Finanzerfolgs niederschl¨agt (vgl. Tabelle 10.18).8 Hier erweist sich vielmehr die Betrachtung des erwarteten ROI bzw. des internen Zinsfusses als zielf¨ uhrend sowie die Steuerungsgr¨oße Wahrscheinlichkeit des Markterfolgs“, was inso” fern verst¨andlich ist, als ein Markterfolg als Voraussetzung f¨ ur einen kommerziellen Erfolg 8

Hierbei ist allerdings zu ber¨ ucksichtigen, dass der β-Koeffizient des Moderatorterms aus Innovationsgrad und erwartetem Kapitalwert negativ und an der Grenze zur Signifikanz auf 10-Prozent-Niveau ist.

¨ 10. Wirkungszusammenh¨ ange: Uberpr¨ ufung der Hypothesen

290

Zeitplaneinhaltung Unabh¨ angige Variablen

Modell 1 ∗∗∗

Modell 2 ∗∗∗

Modell 3 ∗∗∗

Modell 4 0,27∗∗

Einhaltung Projektzeitplan

0,36

0,36

0,36

Prognostizierte time-to-market

0,04

0,03

0,07

−0,06

−0,06

−0,06

−0,01

Innovationsgrad (INNOV) INNOV × Einhaltung Projektzeitplan

−0,09

−0,13

INNOV × Prognostizierte time-to-market

−0,16∗

−0,16∗

Wahrscheinlichkeit technischen Erfolgs

−0,08

Wahrscheinlichkeit des Markterfolgs

−0,00

Prognostiziertes Marktvolumen

0,17

Prognostizierter Umsatz

−0,04

Prognostizierte Zielkosten

−0,14

Prognostizierter Kapitalwert/NPV

0,19

Prognostizierter ROI/IRR

0,07 −0,14

Prognostizierte Amortisationszeit 2

0,14

0,14

0,18

0,28

∆R2

0,14

0,00

0,04

0,10

2 Radj.

0,12

0,12

0,14

0,18

F

9,13∗∗∗

6,23∗∗

4,86∗∗∗

2,99∗∗

R



p < 0, 10,

∗∗

p < 0, 01,

∗∗∗

p < 0, 001.

Tabelle 10.19: Moderierte Regressionsanalyse zum Einfluss von Steuerungsgr¨ oßen auf die Zeitplaneinhaltung

anzusehen ist. Tabelle 10.17 kann schließlich noch entnommen werden, dass sich ein strikter Fokus auf Zeitplaneinhaltung tats¨achlich auch in einer entsprechenden Zielrealisierung niederschl¨agt, wobei dieser Zusammenhang wiederum negativ durch den Innovationsgrad moderiert wird. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Hypothese H12 nicht abgelehnt werden kann, die Wirkung der Steuerungsvariablen allerdings nicht durchweg der Erwartung entspricht. So erweist sich beispielsweise die Steuerung anhand der absoluten Finanzkennzahl Kapitalwert/NPV v. a. als f¨orderlich f¨ ur die Erreichung von technischen und Marktzielen, w¨ahrend die Erreichung der finanziellen Projektziele eher durch die Verfolgung der relativen Finanzkenngr¨oßen ROI und IRR unterst¨ utzt werden sollte. Die Koeffizienten der Moderatorterme sind nicht durchg¨angig signifikant und negativ, doch erweisen sich zumindest alle signifikanten Terme als negativ, ein zunehmender Innovationsgrad scheint also tats¨achlich die Erfolgswirkung von Steuerungsgr¨oßen einzuschr¨anken.

Kapitel 11 Zusammenfassung und Ausblick In diesem Kapitel sollen zun¨achst die zentralen Ergebnisse der theoretischen Analyse im ersten Teil dieser Arbeit sowie die Befunde der empirischen Untersuchung im zweiten Teil der Arbeit zusammenfassend diskutiert werden. Im Anschluss werden Konsequenzen f¨ ur die tats¨achliche Planung und Steuerung von Innovationsvorhaben in der Unternehmenspraxis abgeleitet, bevor abschließend Ansatzpunkte f¨ ur die weitere wissenschaftliche Vertiefung des in dieser Arbeit betrachteten Untersuchungsgegenstands aufgezeigt werden.

11.1

Zusammenfassung der Untersuchung

Ausgangspunkt der Untersuchung war die Tatsache, dass sich trotz der großen Bedeutung von Innovationsprojekten nach wie vor viele Unternehmen mit erheblichen Problemen bei der Planung und Umsetzung dieser strategisch wichtigen Vorhaben konfrontiert sehen. Angesichts der Tatsache, dass viele f¨ ur die Unternehmenspraxis formulierte Best Practices, die ein effizientes Management von Neuproduktentwicklungen versprechen, nur unzureichend zwischen hoch- und niedriginnovativen Projekten und ihren spezifischen Anforderungen differenzieren, wurden die Planung und Steuerung von Innovationsvorhaben sowie die dabei m¨oglicherweise auftretenden Moderatorwirkungen der Innovationsh¨ohe zuletzt verst¨arkt in der betriebswirtschaftlichen Forschung untersucht. Dabei traten eine Reihe von offensichtlich widerspr¨ uchlichen Befunden und Forschungsl¨ ucken zutage, die zu den folgenden Forschungsfragen f¨ ur die vorliegende Arbeit gef¨ uhrt haben: 1. Welchen Einfluss haben unterschiedliche Aspekte der Vorhabensplanung sowie der formellen Projektsteuerung auf den Erfolg von Innovationsprojekten? 2. Welcher Zusammenhang besteht dabei zwischen den Planungs- und den Steuerungsaktivit¨aten, inwiefern u ur die Be¨bt also die Projektsteuerung eine Mediator -Rolle f¨ ziehung zwischen Planung und Erfolg aus?

11. Zusammenfassung und Ausblick

292

3. Welchen Einfluss hat die Innovationsh¨ohe auf die Beziehungen zwischen Vorhabensplanung, -steuerung und -erfolg, inwiefern u ¨bt also der Innovationsgrad eine Moderator -Rolle aus? Im theoretischen Teil der Arbeit wurde zun¨achst ein Grundmodell abgeleitet (vgl. Abschnitt 3.5), das den Erfolg von Innovationsvorhaben aus den im Projektverlauf zum Tragen kommenden Planungs- und Steuerungsf¨ahigkeiten herleitet. Nach der situativen Theorie der Informationsverarbeitung h¨angt deren optimale Auspr¨agung vom Grad der Unsicherheit ab, der hier durch den Innovationsgrad des Vorhabens erfasst werden soll. Weiterhin fordern Konfigurationsans¨atze die interne Konsistenz der Gestaltungsparameter, hier also der Planungs- und Steuerungsaktivit¨aten. Dieses theoretische Grundmodell wurde in Kapitel 4 anhand der wissenschaftlichen Literatur zum Innovations- und Projektmanagement konkretisiert und in eine Reihe von Aussagen gefasst, die in Kapitel 5 mit den Befunden einer Metaanalyse u ¨ber die bestehende empirische Forschung zum Untersuchungsgegenstand der Arbeit konfrontiert wurden. Auf dieser Basis wurden in Kapitel 6 die eigentlichen Hypothesen der Arbeit abgeleitet und im empirischen Teil u uft. ¨berpr¨ Die Ergebnisse der statistischen Analyse zeigen zun¨achst, dass sorgf¨altige Businessplanung in der Fr¨ uhphase eines Vorhabens einen starken positiven Effekt auf die Qualit¨at der sich anschließenden Aktivit¨aten von Projektplanung und Risikomanagement hat. Diese Beziehungen gelten sowohl f¨ ur hoch- als auch f¨ ur niedriginnovative Projekte. Die urspr¨ unglich vermutete positive Moderatorwirkung des Innovationsgrades konnte hier also nicht nachgewiesen werden. Die operative Projektplanung in Form von Aktivit¨aten- und Ressourcenplanung sowie systematischer Risikoanalyse und -vorbeugung zeigt wiederum unabh¨angig vom realisierten Innovationsgrad einen starken Einfluss auf die Qualit¨at der Projektdurchf¨ uhrung, die hier durch Prozessformalisierung und -stabilit¨at erfasst wird. Als einzige der Planungsvariablen hat das Risikomanagement, das ja direkt Maßnahmen der Verlustvermeidung bzw. -verk¨ urzung beinhaltet, eine direkte Erfolgswirkung, die wiederum unabh¨angig vom Innovationsgrad des Vorhabens ist. Im Gegensatz zu vielen fr¨ uheren Untersuchungen im Bereich des Innovationsmanagement unterstellt die vorliegende Arbeit also nicht per se eine direkte Erfolgswirkung aller Planungsaktivit¨aten, sondern weist anhand eines Pfadmodells mit mehreren zeitlich separierten Stufen nach, dass sich sorgf¨altige Planung zun¨achst vor allem in einer verbesserten Prozessqualit¨at im Rahmen der Projektdurchf¨ uhrung niederschl¨agt, die dann m¨oglicherweise den Vorhabenserfolg positiv beeinflussen kann. In dieser letzten Stufe des nomologischen Netzes zeigt sich einer der interessantesten Befunde der vorliegenden Arbeit. Basierend auf der situativen Theorie der Informationsverarbeitung war die Hypothese abgeleitet worden, dass die Koordinations- und Kontrollmechanismen in der Implementierungsphase am Ausmaß der nach der Planungsphase

11.2. Methodische Aspekte und Ansatzpunkte f¨ ur zuk¨ unftige Forschung

293

verbleibenden Unsicherheit auszurichten seien, dass also bei niedriginnovativen Projekten ein hoher Formalisierungsgrad erfolgssteigernd wirkt, w¨ahrend er bei hochinnovativen Projekten eine erfolgshemmende Wirkung hat. Diese zentrale Hypothese konnte sowohl im Rahmen der Metaanalyse bestehender Forschung als auch in der eigenen empirischen Untersuchung untermauert werden und relativiert damit zum Teil die Befunde fr¨ uherer Erfolgsfaktorenstudien zu Innovations- und Produktentwicklungsprojekten. Unabh¨angig vom Innovationsgrad konnte dagegen nachgewiesen werden, dass Prozessstabilit¨at im Sinne von geringen Ziel-, Plan- und Ressourcen¨anderungen ein zentraler Erfolgsfaktor ist, selbst bei hochgradigen Innovationen, die eine solche Konstanz schwierig darstellbar erscheinen lassen. Neben diesem Hauptstrang der Untersuchung wurde in einer erg¨anzenden Analyse mit der Zieldefinition ein spezieller Aspekt der Fr¨ uhphasenplanung n¨aher untersucht. Hier ¨ zeigt sich zun¨achst in Ubereinstimmung mit Befunden der individual- und gruppenpsychologischen Forschung, dass die gew¨ahlte Anspruchs- bzw. Zielh¨ohe in einer bestimmten Erfolgsdimension einen signifikanten Einfluss auf den tats¨achlich erzielten Erfolg in dieser Dimension hat. Eine negative Moderation dieser Beziehung konnte allerdings nur f¨ ur eine der Erfolgsdimensionen, n¨amlich den technischen Erfolg nachgewiesen werden. In einem zweiten Schritt wurde untersucht, wie sich die Spezifit¨at der Zielsetzung auf den realisierten Erfolg auswirkt, ob also die Betonung einer bestimmten Zieldimension auch zu einer h¨oheren Erfolgsrealisierung in der entsprechenden Dimension f¨ uhrt. Diese Analyse ergab keine schl¨ ussigen Befunde, da nur im Fall der Finanzziele eine besondere Betonung auch zu einer signifikant h¨oheren Zielrealisierung gef¨ uhrt hat und sich ein Moderatoreffekt nur hinsichtlich der Marktziele nachweisen ließ. Inwieweit dieser negative Befund auf die hier gew¨ahlte Operationalisierung zur¨ uckzuf¨ uhren ist, muss in Folgeuntersuchungen gepr¨ uft werden. In einem dritten Schritt wurde schließlich untersucht, ob die Wahl bestimmter Projektsteuerungs gr¨oßen einen signifikanten Einfluss auf die Zielerreichung in den entsprechenden Erfolgsdimensionen hat. Diese Hypothese wurde tendenziell untermauert, wenn auch einige der Steuerungsgr¨oßen deutliche Effekte auf scheinbar unverbundene Erfolgsdimensionen zeigten. Hierin dr¨ uckt sich aber offensichtlich die Tatsache aus, dass die Dimensionen des Erfolgskonstruktes relativ stark korrelieren, dass also beispielsweise ein hoher Finanzerfolg nicht ohne einen entsprechend hohen Markterfolg zu realisieren ist.

11.2

Methodische Aspekte und Ansatzpunkte fu ¨ r zuku ¨ nftige Forschung

Das in LISREL abgebildete Basismodell zur Planung und Steuerung von Innovationsprojekten erkl¨art knapp 40 Prozent der Varianz des Vorhabenserfolgs. Dieser Wert kann als zufriedenstellend angesehen werden, l¨asst sich aber sicher steigern durch Modellerwei-

294

11. Zusammenfassung und Ausblick

terungen, die u ¨ber den Rahmen der vorliegenden Untersuchung hinausgehen und neue Forschungsfragen aufwerfen. Zun¨achst ist anzumerken, dass sich diese Arbeit klar auf die Ebene des Einzelprojekts beschr¨ankt hat und damit von der Einbettung des Vorhabens in einen u ¨bergeordneten Unternehmenszusammenhang abstrahiert. Folgeuntersuchungen k¨onnten diese Einschr¨ankung aufgeben und beispielsweise analysieren, ob die von einem Unternehmen gew¨ahlte Innovationsstrategie einen nachweisbaren Einfluss auf die Planung und Durchf¨ uhrung einzelner Innovationsprojekte hat, ob sich also signifikant unterschiedliche Wirkungsbeziehungen f¨ ur verschiedene Typen innovierender Unternehmen nachweisen lassen. Ein anderer interessanter Gesichtspunkt ist die Frage, wie Innovationsprojekte in ein Projektportfolio einzubetten sind und welche Auswirkungen dabei hinsichtlich ihrer Planung und Steuerung zutage treten. F¨ uhren regelm¨aßige Priorisierungsentscheidungen im Rahmen eines Portfolios dazu, dass erh¨ohtes Augenmerk auf Aspekte der Businessplanung und Risikoidentifikation gelegt wird? Welchen Effekt hat die Portfoliosteuerung auf Steuerungsvariablen, f¨ uhren also beispielsweise regelm¨aßige Portfolioreviews zu einer formalisierteren Prozesssteuerung? Stellen sich Repriorisierungen im Rahmen des Innovationsportfolios f¨ ur das Einzelvorhaben als st¨orende Eingriffe in den Projektablauf heraus, die zu einer niedrigeren Prozessstabilit¨at f¨ uhren? Eine Analyse von Innovationsvorhaben im Kontext des Projektportfolios w¨ urde dar¨ uber hinaus die M¨oglichkeit er¨offnen, unabh¨angige Einsch¨atzungen der Portfolio- und Einzelprojektperspektive zu erhalten und damit den in der vorliegenden Untersuchung nicht zu vermeidenden Informant Bias zu kontrollieren. Ein weiterer Ansatzpunkt zuk¨ unftiger Forschung k¨onnte in der Ausarbeitung und empirischen Validierung der im theoretischen Teil erl¨auterten informationstheoretischen Fundierung von Planungs- und Steuerungsgesichtspunkten liegen. Aus der situativen Theorie der Informationsverarbeitung lassen sich hier zahlreiche Fragen ableiten, die den Detaillierungsgrad der vorliegenden Arbeit u ¨bersteigen: Welche spezifischen Informationen k¨onnen in unterschiedlichen Projektphasen generiert werden? Wie wirkt sich die G¨ ute der Informationsverarbeitung an kritischen Entscheidungspunkten eines Vorhabens auf den realisierten Erfolg aus? Wie l¨asst sich medialer Reichtum m¨oglichst praxisnah operationalisieren, um das Konstrukt Prozessformalisierung informationstheoretisch messbar zu machen? Auch unter vorrangig methodischen Gesichtspunkten ergibt sich weiterer Forschungsbedarf. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchungen ist großer Wert auf die statistische Operationalisierung und Validierung der verwendeten Konstrukte gelegt worden. Hinsichtlich der dabei zu verwendenden Messmodelle stellt sich die ungel¨oste Frage, inwiefern sich die Indikation des Tetradentests f¨ ur oder gegen die Verwendung eines reflexiven Messmodelles in den spezifischen Charakteristika des analysierten Itempools widerspiegelt. So

11.3. Konsequenzen f¨ ur die Unternehmenspraxis

295

sind in der vorliegenden Arbeit beispielsweise die f¨ ur Projektplanung und Risikomanagement verwendeten Items durch den Tetradentest als klar formativ eingestuft worden, obwohl sie sich auf den ersten Blick nicht offensichtlich von der bei den anderen Konstrukten gew¨ahlten Operationalisierung unterscheiden. Daran anschließend stellt sich die Frage, welche Auswirkung die Umstellung von reflexiver auf formative Messung u ¨berhaupt auf die im Gesamtmodell gesch¨atzten Wirkungsbeziehungen (Pfadkoeffizienten) hat. Die Analysen im Abschnitt 10.3 haben hier keine allzu großen Differenzen erkennen lassen. Zu pr¨ ufen w¨are weiterhin, ob die Wirkung einer Umstellung von reflexiv auf formativ auch von der Position des Konstruktes innerhalb des nomologischen Netzes abh¨angt. Um dies ersch¨opfend untersuchen zu k¨onnen, m¨ usste wahrscheinlich auf Analysen mit PLS 1 uckgegriffen werden, da die in Abschnitt 8.5.4 skizzierten (Partial Least Squares) zur¨ Identifikationsprobleme bei dieser Analysemethode nicht auftreten. Auch hinsichtlich der beiden in dieser Arbeit verwendeten multidimensionalen Konstrukte hat sich weiterer Untersuchungsbedarf ergeben. F¨ ur zwei Dimensionen des Innovationsgrades (Marktdimension und Interner Ressourcenfit) war das hier verwendete Kriterium f¨ ur Konvergenz validit¨at nicht erf¨ ullt. Es sollte daher n¨aher untersucht werden, ob sich die Dom¨anen dieser beiden Faktoren u ¨berhaupt so weit u ¨berschneiden, dass man sie sinnvollerweise unter dem u ¨bergeordneten Konstrukt Innovationsgrad“ zusammenfas” sen kann. In ¨ahnlicher Weise ergeben sich je nach verwendetem Kriterium auch tendenziell Probleme mit der Diskriminanz validit¨at im Zusammenhang mit der Technologiedimension des Innovationsgrades sowie dem Konstruktpaar Projektplanung und Prozessformalisierung. Dimensionalit¨at und Itempool dieser Konstrukte sollte in Folgeuntersuchungen weiter gepr¨ uft und verfeinert werden.

11.3

Konsequenzen fu ¨ r die Unternehmenspraxis

Die Zielsetzung dieser Arbeit war in erster Linie eine wissenschaftliche Untersuchung der Wechselwirkung und Erfolgswirkung von Projektplanung und Steuerung im Rahmen von Innovationsvorhaben. Dennoch stellt sich nach der detaillierten Analyse von 134 Innovationsprojekten die Frage, welche praktischen Handlungsempfehlungen sich f¨ ur das Management ableiten lassen. Eine Reihe solcher Empfehlungen soll hier kurz zusammengefasst werden: 1. Businessplanung in fr¨ uhen Projektphasen ist ein unverzichtbarer Erfolgsfaktor f¨ ur Innovationsprojekte, auch f¨ ur hochgradige Innovationen, die sich scheinbar einer solchen Planung entziehen. Auch wenn die eigentlichen Planungsinhalte bei hochinnovativen Vorhaben evtl. im Projektverlauf modifiziert werden m¨ ussen, tr¨agt doch 1

Lohm¨ oller (1989); Chin (1998).

11. Zusammenfassung und Ausblick

296

schon der Akt der Planung selbst wesentlich zur Strukturierung und Qualit¨at der sp¨ateren Projektphasen bei. 2. Stark operativ orientierte Projektplanung (Projektstrukturplan, Meilensteinplan, Ressourcenplan) und eine entsprechend an Meilensteinen ausgerichtete Steuerung sollte nur bei Vorhaben mit vergleichsweise niedriger Innovationsh¨ohe betont werden. W¨ahrend sie sich sehr gut zur Bew¨altigung komplexer, aber planbarer Abl¨aufe eignen, k¨onnen sie sich bei hochgradigen Innovationen als Ressourcenverschwendung und Hindernis erweisen. 3. Das Zielsystem eines Projektes pr¨agt deutlich die Art des letztendlich realisierten Erfolges, insbesondere wenn die entsprechenden Steuerungsgr¨oßen verwendet werden. Finanzkennzahlen wurden in der untersuchten Stichprobe tendenziell weniger als andere Kennzahlen verwendet, erweisen sich jedoch als zentraler Erfolgsfaktor, da ihre Betonung die Erreichung von Technik-, Markt- und Finanzzielen signifikant positiv beeinflusst. 4. Wichtiger als ablauforientierte Projektplanung sind Aspekte der Risikoidentifikation, -analyse und -vermeidung. Solche Aktivit¨aten helfen bei der Stabilisierung des sp¨ateren Projektverlaufs und haben dar¨ uber hinaus eine direkte Erfolgswirkung. 5. H¨aufige Anpassungen der zentralen Vorhabensziele und der Ressourcenausstattung eines Projektes sollten unbedingt vermieden werden. Selbst bei hochinnovativen Projekten erweisen sich Konstanz und Stabilit¨at der Projektsteuerung als wesentliche Erfolgsfaktoren.

Teil III Anh¨ ange

Anhang A Algorithmus zum Tetradentest Zur Durchf¨ uhrung des Tetradentests wurde das von Ting (1995) beschriebene SAS-Makro in ein Mathematica 5.0-Notebook u ¨bertragen, wobei z. T. die zus¨atzlichen symbolischen F¨ahigkeiten dieses Computer-Algebra-Systems ausgenutzt wurden. Das MathematicaNotebook beginnt mit der Definition der Modellstruktur durch die Matrizen Λ, Φ und Θδ sowie der Eingabe der empirischen Kovarianzmatrix und der Fallzahl. Im Anschluss wird die Kovarianzstruktur des Modells in Form der Matrix Σ = Λx ΦΛ x + Θδ symbolisch – d. h. ohne Verwendung der empirischen Daten – berechnet: