Geschäftsmodellinnovation : Initiierung eines systematischen Innovationsmanagements für Geschäftsmodelle auf Basis lebenszyklusorientierter Frühaufklärung 3835005324, 9783835005327 [PDF]


133 81 25MB

German Pages 424 Year 2006

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Papiere empfehlen

Geschäftsmodellinnovation : Initiierung eines systematischen Innovationsmanagements für Geschäftsmodelle auf Basis lebenszyklusorientierter Frühaufklärung
 3835005324, 9783835005327 [PDF]

  • 0 0 0
  • Gefällt Ihnen dieses papier und der download? Sie können Ihre eigene PDF-Datei in wenigen Minuten kostenlos online veröffentlichen! Anmelden
Datei wird geladen, bitte warten...
Zitiervorschau

Michael Zollenkop Geschaftsmodellinnovation

GABLER EDITION WISSENSCHAFT Schriften zum eurnpaischen Management Herausgegeben von Roland Berger Strategy Consultants - Academic Network

Herausgeberrat: Prof. Dr. Thomas Bieger, Universitat St. Gallen; Prof. Dr. Rolf Caspers, European Business School, Oestrich-Winkel; Prof. Dr. Guido Eilenberger, llniversitat Rostock; Prof. Dr. Dr. Werner Gocht, RWTH Aachen; Prof. Dr. Karl-Werner Hansmann, Universitat Hamburg; Prof. Dr. Alfred Kotzle, Europa llniversitat Viadrina, Frankfurt/Oder; Prof. Dr. Kurt Reding, Universitat Kassel; Prof. Dr. Dr. Karl-Ulrich Rudolph, Universitat Witten-Herdecke; Prof. Dr. Johannes Ruegg-Sturm, Universitat St. Gallen; Prof. Dr. Leo Schuster, Katholische Universitat Eichstatt-lnqolstadt; Prof. Dr. Klaus Spremann, Universitat St. Gallen; Prof. Dr. Dodo zu Knyphausen-AufseB, Universitat Bamberg; Dr. Burkhard Schwenker, Roland Berger Strategy Consultants

Die Reihe wendet sich an Studenten sowie Praktiker und leistetwissenschaftliche Bsitraqe zur okonomischen Forschung im europaischen Kontext.

Michael Zollenkop

Geschaftsmodellinnovation Initiierung eines systematischen Innovationsmanagements fur Geschaftsmodelle auf Basis lebenszyklusorientierter Friihaufklarunq

Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Dodo zu Knyphausen-AufseB

Deutscher Universitats-Verlaq

Bibliografische Information DerDeutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internetuber abrufbar.

Dissertation Universitiit Bamberg, 2006

1.Auflage September 2006 Aile Rechte vorbehalten © Deutscher Universitiits-Verlag I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Brigitte Siegel/Sabine Scholler DerDeutsche Universitiits-Verlag ist ein Unternehmen vonSpringer Science-Business Media. www.duv.de Das Werk einschlieBlich aller seinerTeile ist urheberrechtlich qeschlitzt, JedeVerwertung auBerhalb der engen Grenzen desUrheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verla.gs unzuliissig und strafbar. Das gilt insbesondere fur Vervielfiiltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wiiren und dahervon jedermann benutzt werden dilrften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, ScheBlitz Gedruckt auf siiurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN-10 3-8350-0532-4 ISBN-13 978-3-8350-0532-7

Geleitwort .Geschattsmooelle' sind ein aktuelles Thema in der Unternehmenspraxis. Suchmaschinen weisen diesen Begriff Hunderttausende von Malen im Internet aus. In der betriebswirtschaftlichen Fachliteratur dagegen ist der Begriff noch nicht so weitgehend srortert, wie man dies erwarten konnte. Zwar ist schon eine Reihe von Dissertationen und auch Fachartikeln erschienen, die sich damit auseinandersetzen; diese Veroffentlichungen weisen aber doch, wie der Autor der vorliegenden Untersuchung zeigt, diverse Leerstellen auf, die es noch zu schliefsen gilt. Umso mehr gilt das sicherlich fOr das Konstrukt der Geschaftsmodellinnovation, das zwar schon theoretisch erortert und auch empirisch untersucht (Meinhardt 2002) worden ist, dem aber noch eine gestaltungsorientierte Behandlung fehlt, die insbesondere fOr die Unternehmenspraxis von qrofser Bedeutung ist. Das zeigt nicht zuletzt auch die neueste (2004) Buchveroffentlichung von Clayton Christensen, einem der "Superstars" des Innovationsmanagements, und seinen Koautoren. Auch hier wird die Frage gestellt, wie das Management frOhzeitig Handlungsbedarf erkennen kann. Der Autor der vorliegenden Untersuchung hat sich eine ahnliche Problemstellung vorgenommen, dann aber eine ganz andere, eigenstandige Vorgehensweise gewahlt. Die in Kapitel 1 naher spezifizierten Forschungsfragen werden in Oberzeugender Weise beantwortet: •

Die Zukunftsfahigkeit eines Geschaftsmodells kann grundsatzlich anhand der Position im Lebenszyklus des Produktes, der verwendeten Technologien, des Unternehmens insgesamt und der Branche festgemacht werden. Dabei spielen Fragen der Kopierbarkeit bzw. Imitation durch WeUbewerber und technologische Entwicklungen - die oft aus ganz anderen Branchen kommen - sicherlich eine hervorgehobene Rolle.



Die Moglichkeiten fOr Geschaftsmodellinnovationen setzen zum einen an den einzelnen Elementen eines Geschattsrnodells - ProdukUMarkt-Kombination, Wertschopfungsstruktur und Erlosmodell - an, des weiteren aber auch an der stimmigen Gesamtkonfiguration dieser Komponenten. Zur Systematisierung kann der Autor hier an die bekannte Typologie von Henderson & Clark (1990) anknOpfen, aber auch beachtenswerte Vorschlaqe zur Konkretisierung und Weiterentwicklung anbieten.



Innovationen des Geschaftsrnodells sollten immer dann ausgelost werden, wenn Diskontinuitaten in der Umfeldentwicklung auftauchen, wie sie sich am Beispiel der Umweltveranderungen der Musikindustrie beispielhaft aufzeigen lassen.



Die erforderlichen Informationen Ober bevorstehende Entwicklungen und Trends im Umfeld des Unternehmens konnen beschrieben werden; darauf aufbauend

- V-

setzen dann die Erhebungsinstrumente und Interpretationshilfen der Fruhautklarung und der Szenarioanalyse an, die in der Literatur zwar bekannt sind, aber noch nicht auf Geschattsrnodellinnovationen bezogen worden sind.



Erfolgsvoraussetzungen fOr Geschaftsmodellinnovationen liegen zum einen in der Flexibilitat des Unternehmens, zum anderen aber auch im richtigen Timing. Beides wird im Detail ausgefOhrt.

Die vorliegende Arbeit ist ausgesprochen gut formuliert und daher auch gut zu lesen. Durch die diversen Beispiele wird die Arbeit auch sehr anschaulich. Der Autor versteht es, an bekannten Beispielen anzuknOpfen, diese aber noch einmal in konziser Weise aufzuarbeiten und dem Leser bzw. der Leserin vor Augen zu fOhren. Besonders detailreich ist natorlich die in Kapitel 5 prasentierte Fallstudie, die aufgrund ihrer Aktualitat sicherlich auch in besonderer Weise Interesse hervorruft. Auch sonst besticht die Arbeit durch eine aulserqewohnliche Literaturkenntnis, die sich nicht zuletzt in einer FOlie von sehr detailreichen Anmerkungen niederschlaqt. Dabei ist bemerkenswert, mit welcher Akribie sich der Autor begrifflich-theoretischen Diskussionen zuwendet, beispielsweise wenn es um die Abgrenzung von .Geschattsrnodell", .Strateqie" und "Wettbewerbsregeln" geht (Kapitel 2.2.3). Hier zeigt sich einmal mehr, wie weitgehend der Autor sich mit der Forschungsliteratur auseinandergesetzt hat, und dass es nicht beim blofsen Zitieren bleibt. Neben der theoretischen Orientierung verfOgt die Arbeit schliel3.lich auch Ober eine ausgesprochene Anwendungsorientierung; das kommt insbesondere in Kapitel 4 zum Vorschein, in dem eine Systemkonzeption fOr die FrOherkennung von Handlungsbedarf fOr Geschaftsmodellinnovationen entwickelt wird. Ich wOnsche der Arbeit eine breite Aufnahme in Wissenschaft und Praxis. Prof. Dr. Dodo zu Knyphausen-Autsefs

- VI-

Vorwort Eine wissenschaftliche Arbeit ist das Ergebnis eines langwierigen, keineswegs geradlinigen und nicht immer einfachen Prozesses. Sie kann nur mit fachlicher und personlicher UnterstOtzung zahlreicher Menschen im privaten, wissenschaftlichen und beruflichen Umfeld des Verfassers gelingen. Allen, die auf ihre spezifische Weise einen Beitrag zum Entstehen und zum Erfolg der vorliegenden Dissertation geleistet haben, rnochte ich daher an dieser Stelle sehr herzlich Dank sagen. Mein Dank gilt zunachst meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Dodo zu KnyphausenAufse I),, Universitat Bamberg, fOr sein Interesse an meinem Forschungsdesign, die Betreuung der Arbeit, das in mich gesetzte Vertrauen sowie die notwendigen akademischen Freiraurne im Rahmen der Promotion. Mit Herrn Prof. Dr. Thomas Bieger, Universitat S1. Gallen, konnte ich einen weiteren ausgewiesenen Experten im Bereich der Geschaftsrnodelltorschunq als Zweitgutachter fOr die Arbeit gewinnen. Auch dafOr meinen herzlichen Dank. Die vorliegende Arbeit entstand weitestgehend wahrend einer 18-monatigen Freistellung von meiner Tatigkeit als Unternehmensberater bei Roland Berger Strategy Consultants, wofOr ich einer Reihe von Personen und Institutionen zu danken habe. FOr die UnterstOtzung meiner Promotionsabsicht und meines Themenvorschlags danke ich meinem ehemaligen Mentor Bernhard Scherer sehr herzlich. FOr umfassende Unterstotzung wahrend der Freistellungszeit sowie fOr verschiedene inhaltliche Hinweise gilt mein herzlicher Dank meinem derzeitigen Mentor Thomas Rinn. Den teilnehmenden Kollegen an den Doktorandenseminaren danke ich fOr zahlreiche hilfreiche Dlskusslonsbettraqe und nicht zuletzt ihre Rolle als "advocati diaboli", was Struktur, Inhalt und Theoriebausteine der Arbeit anbelanqt. Einen ganz besonderen Dank rnochte ich dem seinerzeitigen Manager des Academic Network und der Doktorandenzirkel, Dr. Nils Bickhoff, aussprechen, der mir mit seinen profunden wissenschaftlichen Kenntnissen und Erfahrungen wiederholt auch personlich als Sparringspartner zur Seite stand. Seinem Nachfolger als Manager des Academic Networks, Dr. Christian Krys, danke ich ebenfalls herzlich fOr seine UnterstOtzung insbesondere in der Phase des Abschlusses und der Verotfentlichunq der Arbeit, FOr inhaltliche Diskussionen und Hinweise danke ich darOber hinaus meinem Kollegen Christian Deckert sehr herzlich. Daneben konnte ich fOr das Anfertigen der Abbildungen auf die Hilfe der Grafikabteilung sowie fOr diverse branchen- und firmenbezogene Recherchen auf die Dienste der Researchabteilung zurOckgreifen; fOr die professionelle UnterstOtzung ebenfalls ein herzliches Danke. Einen entscheidenden Beitrag fOr das Durchhaltevermogen wahrend der Erstellung einer solchen Arbeit und den positiven Abschluf; leistet jedoch das private Umfeld eines Doktoranden. Herzlich zu danken habe ich daher zahlreichen lanqjahriqen

- VII -

Freunden und Wegbegleitern sowie meinen Familienmitgliedern fur ihre moralische Unterstotzung und die notwendige Ablenkung im Rahmen der "forschungsfreien" Zeit. Der grol1te Dank gilt dabei meiner Mutter und meinem Bruder fOr ihren fortwahrenden RGckhalt, ihre Motivation auch in schwierigen Phasen und nicht zuletzt fur das sorgsame Korrekturlesen der Arbeit. Meiner Mutter und meinem viel zu fruh verstorbenen Vater danke ich darGber hinaus zutiefst fur die Liebe, die sie mir entgegengebracht und den Weg, den sie mir ermoqlicht haben. Ihnen ist diese Arbeit in Dankbarkeit gewidmet. Michael Zollenkop

- VIII-

InhaltsObersicht Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis AbkOrzungs- und Akronymverzeichnis 1

2

4

5

XIX

EinfUhrung

1

1.1 Problemstellung

1

1.2 Zielsetzung und Forschungsdesign der Arbeit

21

1.3 Vorgehensweise

25

Charakteristika von Geschaftsmodellen und Geschiiftsmodellinnovationen

27

2.1 Bedeutungswandel und Aktualitat von Geschaftsrnodellen

27

2.2 Charakteristika von Geschaftsmodellen

3

XI

XV

40

2.3 Charakteristika von Geschaftsmodellinnovationen

107

Lebenszyklus von Geschiiftsmodellen als Grundlage fur Initiierung und Timing einer Geschiiftsmodellinnovation

141

3.1 Einsatz von Lebenszyklusmodellen in der UnternehmensfOhrung und bei Geschaftsmodellinnovationen

141

3.2 Lebenszyklusmodelle und dynamische Innovationsmodelleals Basis fOrGeschaftsmodelllebenszyklen

175

3.3 Ableitung eines Lebenszyklusmodells fOr Geschaftsrnodelle

224

Initiierung und Erfolgsvoraussetzungen von Geschiiftsmodellinnovationen

248

4.1 Bestimmung von Lebenszyklusposition und Innovationsbedarfeines Geschaftsmodells auf Basis von Fruhautklarunqssystemen

248

4.2 Generierung zukOnftiger Geschattsmodelle mit Hilfe von Szenarien

278

4.3 Erfolgsvoraussetzungen von Geschaftsrnodelllnnovatlonen

297

Fallstudie zur Geschiiftsmodellinnovation

313

5.1 Fallstudienmethodik und Konzeption der Fallstudie zur Geschaftsmodellinnovation

313

5.2 Geschaftsmodell und Geschaftsmodelllnnovation in der Musikindustrie 318 6

Zusammenfassung und Ausblick

Literaturverzeichnis

362 367

- IX-

Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis AbkOrzungs- und Akronymverzeichnis

1

EinfUhrung

XV XIX

1

1.1 Problemstellung 1.1.1

2

Geschaftsrnodelldynamik als Wettbewerbsmerkmal

1.1.2

Geschattsrnodelle als Gegenstand von Innovationen

1.1.3

Geschaftsmodellinnovation als Herausforderung fur UnternehmensfUhrung und Wissenschaft

1 8 16

1.2 Zielsetzung und Forschungsdesign der Arbe it

21

1.3 Vorgehensweise

25

Charakteristika von Geschaftsmodellen und Geschaftsmodellinnovationen

27

2.1 Bedeutungswandel und Aktualitat von Geschaftsmodellen

27

2.1 .1

UrsprOngliche Bedeutung des Begriffs Geschaftsmodell in der Wirtschaftsinformatik

27

2.1.2

Aktuelle Bedeutung von Geschaftsrnodellen im Kontext der UnternehmensfUhrung

29

2.1 .3

BegrOndung der Aktualitat von Geschaftsrnodellen

33

2.2 Charakteristika von Geschaftsmodellen 2.2.1

Stand der Forschung und Definition des Geschattsrnodells

2.2.2

Bestandteile und Systemzusammenhang von Geschaftsmodellen 2.2.2.1 Produkt-/Markt-Kombination 2.2.2.2 Konfiguration und DurchfUhrung der Wertsch6pfung

2.2.3

40 48 48 54

2.2.2.3 Ertragsmechanik

75

2.2.2.4 Systemzusammenhang als Erfolgsdeterminante des Geschaftsmodells

85

Zusammenhang zwischen den Konstrukten Geschaftsrnodell, Strateg ie und Wettbewerbsregeln

92

2.3 Charakteristika von Geschaftsmodellinnovationen 2.3.1

40

107

Charakteristika von Innovationen und Grundlagen des Innovat ionsmanagements

107

2.3.2

Definit ion und Arten von Geschaftsmodellinnovationen

117

2.3.3

Zusammenhang zwischen Geschaftsmodellinnovation, Innovat ion der Strategie sowie kornplernentaren Konzepten

131

- XI -

3

Lebenszyklus von Geschaftsmodellen als Grundlage fUr Initiierung und Timing einer Geschaftsmodellinnovation

141

3.1 Einsatz von Lebenszyklusmodellen in der UnternehmensfOhrung und bei Geschaftsmodellinnovationen

141

3.1.1

Planbarkeit der Untemehmensentwicklung im strategischen Management

141

3.1.2

Notwendigkeit von Geschaftsmodellinnovationen im Rahmen der Unternehmensentwicklung

150

3.1.3

Anwendungsmoglichkeiten und Grenzen von Lebenszyklusmodellen bei Geschaftsmodellinnovationen

167

3.2 Lebenszyklusmodelle und dynamische Innovationsmodelle als Basis fUr Geschaftsmodelllebenszyklen 3.2.1

3.2.2

3.2.3

Ausqewahlte Lebenszyklusmodelle

175 175

3.2.1.1 Produktlebenszyklusmodelle

175

3.2.1.2 Technologielebenszyklusmodelle

182

3.2.1 .3 Unternehmenslebenszyklusmodelle

187

3.2.1.4 Branchenlebenszyklusmodelle

192

3.2.1.5 Zusammenhang der verschiedenen Lebenszyklusmodelle

196

Ausqewahlte Modelle des Innovationsmanagements

203

3.2.2.1 Branchenentwicklungsmodell nach Abernathyl Utterback

203

3.2.2.2 Modell der "disruptive innovation" nach Christensen

211

Implikationen zur Konstruktion des Lebenszyklus von

221

Geschaftsrnodellen

3.3 Ableitung eines Lebenszyklusmodells fUr Geschaftsmodelle

4

224

3.3.1

Lebenszyklus der Produkt-/Markt-Kombination

225

3.3.2

Lebenszyklus von Wertkettenkonfiguration und DurchfOhrung der Wertschopfung

233

3.3.3

Lebenszyklus der Ertragsmechanik

239

3.3.4

Implikationen der Lebenszyklen der Geschaftsmodellbestandteile fOr Geschaftsmodellinnovation und Geschaftsmodeiliebenszykius

244

Initiierung und Erfolgsvoraussetzungen von Geschaftsmodellinnovationen

248

4.1 Bestimmung von Lebenszyklusposition und Innovationsbedarf eines Geschaftsmodells auf Basis von FrUhaufklarungssystemen

248

4.1.1

- XII-

Bedeutung von Fruhautklarunqssysternen bei der zukunftsorientierten Informationsgewinnung

248

4.1.2

4.1.3

Charakteristika und Aufbau von Fruhaufklarunqssysternen fur die Bestandteile des Geschattsrnodells

257

4.1.2.1 Grundstruktur des Fruhautklarunqssysterns bei Geschaftsmodellen

257

4.1.2.2 Indikatorenbasierte FrOherkennung bei Geschaftsmodellen

260

4.1.2.3 FrOhaufklarung schwacher Signale fOr Geschaftsmodelie

263

4.1.2.4 Diskontinultaten in FrOherkennung und FrOhaufklarunq bei den Bestandteilen des Geschaftsrnodells

270

Ermittlung von Innovationsbedarf des Geschaftsmodells auf Basis seiner Lebenszyklusphase

275

4.2 Generierung zukunftiger Geschaftsmodelle mit Hilfe von Szenarien

5

6

278

4.2.1

Szenario-Management als Instrument zur ganzheitlichen Exploration zukOnftiger Wettbewerbsbedingungen

279

4.2.2

Szenarienbasierte Formulierung von Geschaftsmodelloptionen als Basis des zukOnftigen Gescheftsrnodells

288

4.3 Erfolgsvoraussetzungen von Geschaftsmodellinnovationen

297

4.3.1

Flexibllltat als Basis unternehmerischen Veranderunqspotenzials

298

4.3.2

Timing der Geschaftsmodellinnovation

308

Fallstudie zur Geschaftsmodellinnovation

313

5.1 Fallstudienmethodik und Konzeption der Fallstudie zur Geschaftsmodellinnovation

313

5.2 Geschaftsmodell und Geschaftsmodellinnovation in der Musikindustrie

318

5.2.1

Traditionelles Geschaftsrnodell der Musikindustrie

318

5.2.2

Aktuelle Veranderunqen der Wettbewerbskrafte in der Musikindustrie

328

5.2.3

Strategische Fruhautklarunq, Geschaftsmodelllebenszyklus und Szenarien in der Musikindustrie

339

5.2.4

Aktuelle Geschaftsrnodelloptionen und rnoqliche Geschaftsmodellinnovationen in der Musikindustrie

349

Zusammenfassung und Ausblick

Literaturverzeichnis

362 367

- XIII-

Abbildungsverzeichnis Abb.1 .1

Aufbau der Arbeit

26

Abb.2.1

Reichhaltigkeit und Reichweite von Information

36

Abb.2.2

Bestandteile eines Geschaftsmooells

45

Abb.2.3

ProdukUMarkt-Matrix

49

Abb.2.4

Dimensionen der Geschattsfelddefinition

54

Abb.2.5

Modell der Wertkette

57

Abb.2.6

Modell des Wertsystems

58

Abb.2.7

Generische Konfigurationstypen der Wertschopfung

62

Abb.2.8

Abgrenzung von Einzahlungen, Ertraqen und Erlosen der Periode

77

Abb.2.9

Klassifikationsmoglichkeiten von Erlosarten

78

Abb.2.10

Indikatoren zur Abschatzunq der Preissensltlvltat

80

Abb.2.11

Erlosmodellsystematikim Internet (Business-to-Consumer)

82

Abb.2.12

Revenue-Stream-Analyse fur die Automobilbranche und nachgelagerte Wertschopfungsstufen im Lebenszyklus eines PKW

83

Abb.2.13

Profit Pool in der Automobilbranche

Abb.2.14

Entwicklungslinien der Strategiesicht und des Strategie-StrukturZusammenhangs

100

84

Abb.2.15

Richtungsmatrix der Innovation

108

Abb.2.16

S-Kurven-Konzept

111

Abb.2.17

Innovationskategorien aus Produktmodulen und -archileklur

112

Abb.2.18

InnovationswOrfel zur Darstellung des Neuheilsgrades lechnologischer Systeminnovationen

114

Abb.2.19

OptionenwOrfel der Geschaftsmodelllnnovatlon

121

Abb.2.20

Kategorien der Geschaftsmodellinnovation

131

Abb.3.1

Grundverstandnts des Managements zwischen Objektivismus und Subjektivismus

147

Abb.3.2

Kategorien der Branchenkonvergenz

160

Abb.3.3

Stufen der digilalen Konvergenz

161

Abb.3.4

Veranderungen von Geschaftsrnodellen im Zeitverlauf

171

Abb.3.5

Aligemeines Lebenszyklusmodell

173

Abb.3.6

Schematische Darstellung eines vierphasigen Produktlebenszyklus

177

Abb.3.7

Indikatoren und Auspragungen des Procluktlebenszyklus

179

Abb.3.8

Inlegriertes Produktlebenszykluskonzept

181

-xv-

Abb.3.9

Indikatoren und Auspraqunqen des Technologielebenszyklus

185

Abb.3.10

Indikatoren und Auspraqunqen des Unternehmenslebenszyklus

190

Abb.3.11

Indikatoren und Auspraqunqen des Branchenlebenszyklus

194

Abb.3.12

Demand-technology-product lifecycles

197

Abb.3.13

Zusammenhang der verschiedenen Lebenszyklen (idealtypische Darstellung)

198

Abb.3.14

Branchenentwicklungsmodell

206

Abb.3.15

Indikatoren und Auspraqunqen im Branchenentwicklungsmodell

207

Abb.3.16

Indikatoren und Auspraqunqen der Wettbewerbsveranderungen durch Etablierung eines dominanten Designs

209

Abb.3.17

Einfluss einer "sustaining innovation" und einer "disruptive innovation"

214

Abb.3.18

Indikatoren und Auspraqunqen des Modells der "disruptive innovation"

218

Abb.3.19

Schematischer Oberblick zum Phasenzusammenhang der Lebenszyklen der Geschaftsmodellbestandteile mit den verwendeten Lebenszyklus- und Innovationsmodellen

223

Abb.3.20

Indikatoren des Lebenszyklus der Produkt-/Markt-Kombination

230

Abb.3.21

Indikatoren des Lebenszyklus der Wertkettenkonfiguration und der DurchfUhrung der Wertschopfung

235

Abb.3.22

Indikatoren des Lebenszyklus der Ertragsmechanik

243

Abb.4.1

Informationsstand in Zusammenhang mit Informationsbedarf, -angebot und -nachfrage

250

Abb.4.2

Basisaktivitaten einer strategischen FrOhaufklarung

255

Abb.4.3

Realisierbare Bereiche von Reaktionsstrategien

257

Abb.4.4

Integration einer indikatorenbasierten FrOherkennung und einer Fruhaufklarunq auf Basis schwacher Signale fur die FrOhaufklarunq von Geschaftsmodellen

259

Abb.4.5

Wesen von Diskontinuitaten

271

Abb.4.6

Antizipation von Dlskontinuitaten

277

Abb.4.7

Denkmodell fur Szenarien

280

Abb.4.8

Prozess des Szenario-Managements

282

Abb.4.9

Explorative und antizipative Szenarien

283

Abb.4.10

Einsatzmoglichkeiten des Szenario-Managements in der Unterneh mensentwickl ung

284

Abb.4.11

Veranderungen durch die Brennstoffzelle ggO. konventionellem Fahrzeug

292

Abb.4.12

Dimensionen der Unternehmensflexibilitat

300

-XVI-

Abb.5.1

Modell der Wertkette eines Majors der Musikindustrie

322

Abb.5.2

Umsatzverteilung einer CD im traditionellen Geschaftsmodell der Musikindustrie

324

Abb.5.3

Relevante Aspekte der allgemeinen Umwelt als Determinanten der Wettbewerbsumwelt der Musikindustrie

332

Abb.5.4

Wettbewerbsumwelt als Determinante der Attraktivltat der Musikindustrie

338

- XVII-

Abkurzungs- und Akronymverzeichnis Abb. ARIS A&R B-to-C BPR BSE Bsp. bzw. B2B B2C ca. CD CEO c.p. CPU C2C ders. d.h. dies. DRAM DSL DV d.V. DVD EMS EPROM ERP et al. etc.

f. ff. Fn. Forts. F&E ggf. ggO. Hrsg.

1M i.e.S. insb. inkl.

IT

i.Vrn. Jg. kpl.

I LCD LKW LP

Abbildung Architecture of Integrated Information Systems Artist & Repertoire Business-to-Consumer Business Process Reengineering Bovine Spongiforme Enzephalopathie Beispiel beziehungsweise Business-to-Business Business-to-Consumer circa Compact Disc Chief Executive Officer ceteris paribus Central Processing Unit Consumer-to-Consumer derselbe das hei~t dieselben Dynamic Random Access Memory Digital Subscriber Line Datenverarbeitung der/n Verfasser Digital Versatile Disc Electronic Manufacturing Service Erasable Programmable Read Only Memory Enterprise Resource Planning et alii et cetera folgende fortfolgende Fufsnote Fortsetzung Forschung und Entwicklung gegebenenfalls gegenOber Herausgeber Internationale Automobilausstellung im engeren Sinne insbesondere inklusive Informationstechnologie in Verbindung mit Jahrgang komplett Liter Liquid Crystal Display Lastkraftwagen Langspielplatte

-XIX -

LSI

LZ M. MC Mio. MIT MP3 Mrd. m.w.V. No. Nr. OEM o.g. o.Jg.

O.V. p2p p.a. PC PDA PEM PKW PPP

S. sog . Sp. stv. SWOT TIME TV u.a. UdSSR UML UMTS US USA US-GMP u.U. vgl. VHS VLSI Vol. vs. z.B. z.T.

-xx .

Large Scale Integrated Circuits Lebenszyklus Main Musikkassette Million/en Massachusetts Institute of Technology Motion Picture Experts Group One , Audio Layer Three Milliarde/n mit weiteren Verweisen Numero Nummer Original Equipment Manufacturer oben genannte/r ohne Jahrgang ohne Verfasser peer-to-peer per annum Personal Computer Personal Digital Ass istant Polymer Electrolyte Membrane Personenkraftwagen Public Private Partnership Seite sogenannte/s/r Spalte stellvertretende/r Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats Telecommunications, Information , Media and Enterta inment Telev ision unter anderem Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken Unified Modeling Language Universal Mobile Telecommunications System US-amerikanisch United States of America United States Generally Accepted Accounting Principles unter Urnstanden vergleiche Video Home System Very Large Scale Integrated Circuits Volume versus zum Beispiel zum Teil

1

EinfOhrung

1.1

Problemstellung

1.1.1

Geschaftsmodelldynamik als Wettbewerbsmerkmal

Der unternehmerische Wettbewerb ist von zunehmender IntensiUit technologischer, zeitlicher und marktlicher Veranderunqen gepragt: Steigende Innovationsdynamik, verkurzte Entwicklungs- und Marktzyklen sowie die Ausdifferenzierung von Marktnischen auf Grund der Individualisierung der Nachfrage fUhren zu Wettbewerbsbedingungen, die vielfach als hohe Umweltturbulenz bezeichnet werden.' Wettbewerbsvorteile werden immer kurzlebiqer' und der Wandel erscheint als die einzige Konstante im Wettbewerb. 3 Diese "neue Wettbewerbslandschaft,,4 lasst sich anhand von vier Merkmalen zusammenfassend charakterlsleren:" Unsicherheit und Risiken nehmen auf Grund reduzierter Vorhersehbarkeit bevorstehender Anderungen zu. Branchengrenzen losen sich auf. Das Augenmerk des Managements verlagert sich auf Flexibilltat, permanentes Lernen sowie ternporare Kooperation mit Konkurrenten", Organisationen wandeln sich zu flexiblen Netzwerken. Diese veranderte Wettbewerbssituation aufsert sich in junqster Zeit u.a. darin, dass Unternehmen immer otter und fundamentaler ihre Geschaftsgrundlage verandern: Tankstellen definieren sich mittlerweile prirnar als Superrnarkte mit speziellem Sortiment und verlanqerten Offnunqszeiten," einige Automobilhersteller erzielen ihre GeVgl. die Diskussion bei Knyphausen (1993), S. 144ft.; Chakravarlhy (1997), S. 69ft.; Burmann (2001), S. 171f. Vgl. FineNardan/Pethick/EI-Hout (2002), S. 69: "Competitive advantage is, at best, a fleeting commodity that must be won again and again." Vgl. Chesbrough (2003), S. XVII. Bettis/Hitt (1995), S. 11ft., die im Original von einer "new competitive landscape" sprechen: sowie Prahalad (2000), S. 3. Vgl. Bettis/Hitt (1995), S. 11ft.; als ursachlich dafOr sehen sie den beschleunigten technologischen Wandel. die Errungenschaften der Informations- und Kommunikationstechnologie, die zunehmende Know-how-Intensitat des Wettbewerbs sowie Externalitaten und Selbstverstarkungseftekte in zahlreichen Branchen, vgl. Bettis/Hitt (1995), S. 8ft. Prahalad (2000), S. 4f., nennt als dahinter stehende Prarnissen den erweiterlen strategischen Raum von Unternehmen, die Globalitat der Geschaftstatiqkeit, Geschwindigkeit und ein umfassenderes Verstandnis von Innovation. FOr die selektive Kooperation mit Konkurrenten zwecks kornpternentarer Erganzung im Sinne einer win-win-Situation hat der Softwarehersteller Novell den Begrift "Coopetition" qepraqt, vgl. Nalebuft/Brandenburger (1996), S. 16f. LV.m. S. 23ft. zur Definition, zu Beispielen sowie Strategien. Vgl. Kaiser (2003), S. 49, mit dem innovativen Beispiel der Autovermietung bei Shell und o.v. (2004 - Benzinpreise), S. 13, mit dem Hinweis, dass auf Grund des Superrnarktqeschafts inzwischen ein Treibstoftabsatz von 100.000 statt frOher 300.000 I/Monat fOr die Wirlschaftlichkeit einer Tankstelle ausreichl. Vgl. auch Heuskel (1999), S. 10ft., mit dem Beispiel von (Tankstellen-) Shops der Marke Shell Select, die als "normale" Superrnarkte fungieren und an denen kein Benzin verkauft wird. Pauls (1998), S. 135, und Heuskel (1999), S. 15, sprechen diesbezOglich von "Business-Migration", die sie als Migrationsbewegung von Unternehmen auf einzelnen Werl-

- 1-

winne weitgehend mit Finanzdienstleistungen statt mit dem Verkauf von Fahrzeuqen" und das E-Commerce Portal mit der zweitqrofsten Reichweite in Deutschland wird von der Kaffeerosterei Tchibo betrieben." Ergebnis dieser Entwicklung sind Wettbewerbskonstellationen, in denen Unternehmen aufeinander treffen, die ehemals kaum BerOhrungspunkte aufgewiesen hatten: Jene Erosion traditioneller Branchenzugehoriqkeiten und -grenzen fuhrt dazu, dass der Kreis der Wettbewerber in einem bestimmten Geschattsfeld uber die traditionelle Konkurrenz deutlich hinaus gehen karm.'? Etabliertheit in einem Wettbewerbsfeld wird zunehmend unbedeutender." In Zusammenhang mit der Geschaftsprundlaqe eines Unternehmens wird in den letzten Jahren verstarkt das Konstrukt Geschaftsmodell in der Diskussion thematisiert: In einer ersten Naherunq bezeichnet ein Geschaftsrnodell eine ganzheitliche Beschreibung der unternehmerischen Leistungserstellung, des generierten Kundennutzens und der resultierenden Wettbewerbsvorteile. 12 Anhand der Eingangsbeispiele wird bereits deutlich, dass sich der unternehmerische Wettbewerb in der aktuellen Konstellation nicht vorwiegend auf Produkte oder Dienstleistungen, sondern vielmehr auf die Ausgestaltung des Geschaftsrnodells fokussiert: "(... ) competition is no longer between products or services, it's between competing business concepts.t" Eine entsprechende Konkurrenz von Geschiiftsmodellen zeigt sich im Wettbewerb haufig dann, wenn ein branchenfremdes Unternehmen mit einem innovativen Ge-

10

11

12

13

-2-

sch6pfungsstufen definieren, sodass Wettbewerbsfelder verschmelzen, ohne dass eine komplette Wertsch6pfungsstruktur aufgebaut wird. Zur Abgrenzung einer "Business-Migration" von einer Diversifikation vgl. Pauls (1998), S. 140ff. und Pechlaner/Matzler (2001), S. 248f. Zur Konfiguration der Wertsch6pfung vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 2.2.2.2 der vorliegenden Arbeit. Vgl. etwa fOr Volkswagen o.v. (2004 - Geld), S. 13. Vgl. Wiskow (2004 - Wechsel), S. 46f., zur Geschaftstatiqkeit der Firma Tchibo, die mit dem Nonfood-Geschiift h6here Urnsatze erzielt als mit Kaffee. Zum Sortiment geh6ren neben Bekleidung, Haushaltsgegenstanden und technischen Geraten inzwischen auch Reisen, Mobilfunkvertraqe, Versicherungen und - in Sonderaktionen - PKWs. Vgl. Bettis (1998), S. 359f., zur Abl6sung der bisherigen Analyseeinheiten unternehmerischen Erfolgs; vgl. auch die diesbezOglichen AusfOhrungen in Kapitel 2.2.1 der vorliegenden Arbeit. Die Eingangsbeispiele zeigen, dass Automobilhersteller U.U. mit Kaffeeqeschaften um den Absatz von Fahrzeugen konkurrieren. Vgl. Hamel (2000), S. 7: "Never has incumbency been worth less." Verstandlicherweise werden andere Attribute relevant. Vgl. die AusfOhrungen zur Geschiiftsfelddefinition in Kapitel 2.2.2.1 i.V.m. den Erlauterungen zu Kernkompetenzen in Kapitel 2.1.3 der vorliegenden Arbeit. So stellt ein wesentliches Charakteristikum von Tankstellen ihre verkehrsgOnstige Lage verbunden mit langen Offnungszeiten und schneller Transaktionsabwicklung dar, weshalb sie pradestiniert sind fOr die Ausweitung des Sortiments in Richtung Lebensmitteleinzelhandel. Zum Begriff und zur Relevanz von Geschaftsrnodellen vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 2.1, zu den Inhalten des Konzepts vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 2.2 der vorliegenden Arbeit. Hamel (2000), S. 15, mit Beispielen, u.a. der Internettelefonie, dem Online-Vertrieb von Versicherungs- und Finanzdienstleistungen und dem M6belhaus IKEA. Zum Begriff "business concept" bzw. Geschiiftskonzept, der hier zunachst synonym zum Terminus Geschaftsrnodell verwendet wird, vgl. die AusfOhrungen in den Kapiteln 2.2.1 und 2.3.2 der vorliegenden Arbeit.

schaftsrnodell in eine Branche eintritt. Sobald eine Oberlegenheit des neuen Geschaftsrnodells transparent wird, beginnen die davon Oberraschten etablierten Wettbewerber mit Kombinationen herkommlicher und innovativer Geschaftsrnodellbestandteile zu experimentieren, sodass binnen kurzem eine Pluralitat unterschiedlichster Geschaftsmodelle entsteht. Nach einer bestimmten Zeit kristallisiert sich heraus, welche der Modelle tatsachlich dauerhaft tragfahig sind." Ein aktuelles Beispiel 5011 die AusfOhrungen verdeutlichen. Die Musikindustrie, d.h. die mit Produktion, Vermarktung und Distribution von Tontraqern befassten Unternehrnen." befindet sich derzeit auf der Suche nach zukunftsfahigen Geschattsrnodellen. Bislang bilden die sog. Labels Universal, Sony BMG, Warner Music sowie EMI ein Oligopol, auf das weltweit ca. 80% des Umsatzes enttallen." Die Branche ist weitgehend vertikal integriert. Ihr Produkt besteht aus Tontraqern, auf denen eine Vorauswahl an Titeln eines KOnstiers oder einer Musikrichtun~ zu einem branchenweit homogenen Preisspektrum17 zusammengestellt ist. 8 Ursachlich fOr den Bedarf an neuen Geschaftsmodellen sind die massiven Verluste von etwa einem Drittel der Umsatze von 1997 bis 2003,19 die in negativen Jabresabschlussen," der Entlassung zahlreicher KOnstler und Angestellte~1 sowie der Fusion von BMG und Sony Music resultierten." Wesentlicher Ausloser dieser Umsatzverluste waren die Musiktauschborsen

14

15

16

17

18

19

20

21

22

Diese Entwicklung gleicht dem Prozess der Branchenentwicklung im Modell von Abernathy/Utterback, vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 3.2.2.1 der vorliegenden Arbeit. Vgl. Hutzschenreuter (2000), S. 112, Fn. 1, der noch allgemeiner statt von Tontraqern von speicherbaren Audiostocken spricht. Vgl. Hutzschenreuter (2000), S. 112 i.V.m. S. 116; Rottgers (2003), S. 121. BMG steht fur Bertelsmann Music Group, EMI fur Electric and Musical Industries Ltd. Zur Historie der Labels und ihrer Sublabels vgl. etwa Renner (2004), S. 28ft.; Kulle (1998), S. 137ft.; Stahler (2001), S. 257ft. Vgl. Hutzschenreuter (2000), S. 116 und S. 119, mit dem Hinweis auf geringe Wettbewerbsintensitat. Zum traditionellen Geschaftsmodell der Musikindustrie vgl. Stahler (2001), S. 263ft.; Wetzel (2004), S. 226ft.; sowie die AusfOhrungen in Kapitel 5.2.1 der vorliegenden Arbeit. Vgl. Renner (2004), S. 201. Lau/Spielkamp (2004), S. 32, zufolge, sanken in dem Zeitraum die umsatze in Deutschland von 2,6 Mrd. Euro auf 1,6 Mrd. Euro, ein ROckgang von knapp 40%. Weltweit schrumpfte die Musikindustrie von 40 Mrd. US-Dollar (1996) auf unter 30 Mrd. USDollar (2003), vgl. Theurer (2003), S. 11. Vgl. etwa oV. (2003 - Musikfusion), S. 16, zu Verlusten bei Sony Music und BMG, o.v. (2003Verkauf), S. 16, zum Verlust von Warner Music und o.V. (2003 - Krise), S. 18, zu Universal. Vgl. Renner (2004), S. 202, zu Entlassungen der Branche. Nach Lau/Spielkamp (2004), S. 34, sollen etwa bei Universal 75% der deutschen KOnstier entlassen und in der deutschen Musikbranche noch vor der Fusion von BMG und Sony Music 30% bis 40% des Personals abgebaut worden sein. Darunter fielen auch die Deutschland-GeschiiftsfOhrer von EMI, BMG und Universal, vgl. Theurer (2004 - Gotterdammerung), S. 20. Vgl. o.v. (2003 - Musikfusion), S. 16. Vorhergehende Fusionsabsichten zwischen den groBen Labeln, etwa zwischen Warner Music und EMI sowie BMG und EMI, waren gescheitert, vgl. etwa Mewton (2001), S. 51ft. Warner Music wurde Ende 2003 an ein Konsortium um den Unternehmer Bronfman verkauft, vgl. oV. (2003 - Verkauf), S. 16.

- 3-

im Internet, bei denen die Nutzer einzelne Musikstocke im Dateiformat MP323 illegal tauschen und den Kauf von Tontraqern substituleren.": 25 Die Reaktion der Musikindustrie auf diese Entwicklung bestand zunachst darin, gegen Tauschborsen sowie deren Nutzer rechtlich vorzugehen. Ein durchschlagender Erfolg dieser Maf1nahme blieb vor allem deshalb aus, weil immer neue, modifizierte TauschbOrsen entwickelt wurden und sich weder Anbieter noch Nachfrager vom Drohpotenzial der Branche abschrecken lief1en. 26 Daraufhin entwickelten die Plattenlabels CDs mit Kopierschutz, um eine Verbreitung der Musiktitel in Dateiform zu verhindern; unbeabsichtigtes Ergebnis dieser Aktion war die Tatsache, dass sich viele CDs in Autoradios nicht mehr abspielen lief1en. 27 Schliefslich reagierten einzelne Labels im Jahr 2004 mit einer generellen Preissenkung der CDs bzw. einer Differenzierung der CDs in drei Versionen mit entsprechend unterschiedlichen, z.T. erheblich niedrigeren Preisen.28 Den entscheidenden, i.iberlegenen Kundennutzen dieser Tauschborsen wollte die Musikindustrie Ober Jahre hinweg jedoch nicht wahrhaben: Kunden kaufen CDs nicht wegen aller darauf enthaltenen Musiktitel, sondern interessieren sich in der Regel nur fOr einzelne Stocke - im Extremfall ein einziges. Daher generieren die durch die Tauschborsen begrOndeten Moglichkeiten des Einzelerwerbs von Titeln sowie der personlichen Zusammen-

23

24

25

26

27

28

- 4-

MP3 stellt den de-facto-Standard dar und steht fur "Motion Picture Experts Group One, Audio Layer Three", vgl, Mewton (2001), S. 25f. Zur Entwicklung von MP3 vgl. Renner (2004), S. 136ff, Tauschborsen basieren auf dem p2p-Prinzip ("peer-to-peer"): Teilnehmer bzw. Endqerate kommunizieren in Netzwerken direkt, d.h, ohne zentrale Vermittlungsleistung, miteinander. Daher stellen Tauschborsen lediglich die Software fur den Austausch, das sog. File Sharing, zur Verfugung, wanrend der Tausch selbst ohne Beteiligung der Plattform vonstatten geht. Zur p2pTechnologie vgl. Horning/Becker (2002), S. 19ff. Zur ersten Tauschborse Napster sowie deren semizentrales p2p-Modell vgl. Rottqers (2003), S. 13ff" sowie Renner (2004), S. 153ff. DarOber hinaus wird der Musikkonsum zu einem kleineren Teil auch von anderen Freizeitaktivitaten wie Computerspielen und Videos substituiert, vgl. Walsh/Frenzel/Wiedmann (2002), S. 209, sowie Rottgers (2003), S. 174. Ferner werden von CDs immer mehr Kopien erstellt: Bereits 2002 wurden in Deutschland 259 Mio. CDs gebrannt im Vergleich zu 166 Mio. verkauften CDs, vgl. ov. (2003 - Fusionsrunde), Die Anzahl verkaufter CD-Rohlinge hatte sich 2003 gegenOber 1999 versechsfacht, vgl. Renner (2004), S. 144. Napster wurde zwar im Jahr 2001 stillgelegt, vgl. etwa Renner (2004), S. 157f.; parallel waren jedoch andere Plattformen mit weiterentwickelter Technologie entstanden. Zu den Tauschborsen Gnutella mit einem komplett dezentralen Netzwerk sowie Kazaa mit einem System von sog, Supernodes, d.h. ternporaren Servern, vgl. Rottqers (2003), S. 19ff, Zu zahlreichen weiteren Tauschborsen vgl. Rottgers (2003), S. 51. Zur sog. Gratisrnentalitat im Internet als Problem fur kostenpflichtige Angebote vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 2.2.2.3 der vorliegenden Arbeit. Zu diesem und weiteren Problemen mit kopiergeschOtzten CDs vgl. Rottqers (2003), S. 88ff.; Renner (2004), S. 252f. Vgl. Theurer (2004 - Hoffnungswerte), S. 20, zur Preisdifferenzierung anhand von unterschiedlichen Ausstattungsvarianten einer CD bei BMG. Die BiIIigvariante ohne Cover kostete 9,99 Euro, die Normalversion 12,99 Euro und die Luxusausgabe mit dickem Beiheft 16,99 Euro, vgl. ov. (2004 - Drei-Klassen-Gesellschaft), S. 18. In den USA hatte Universal im Jahr 2003 mit generellen Preissenkungen fOrCDs um bis zu 30 Prozent experimentiert, vgl. Renner (2004), S. 196f.

stellung auf einer CD einen hOheren Nutzen zu einem niedrigeren Preis. 29 Legale Angebote zur Deckung dieses Kundenbedurfnisses wurden in unterschiedlicher Form auf den Markt gebracht: So wurden in ausqewahiten Plattenladen CD-Brenner installiert, mit denen der Kunde vor Ort aus einem bestimmten Angebot seine Wunsch-CD brennen karin." Daruber hinaus existieren mittlerweile Online-Vertriebskanale, durch die einzelne MusikstUcke in Dateiform erworben werden konnen, Bezeichnenderweise stammte die erste erfolgreiche und nach wie vor dominierende Plattform nicht von einem Unternehmen der Musikindustrie, sondern vom Computerhersteller Apple." Bezuglich der verschiedenen Onllne-Kanale gibt es aktuell eine Fulle konkurrierender Angebote, u.a. •

Plattformen einzelner Labels neben Branchenplattformen der Musikindustrie sowie Plattformen branchenexterner Unternehrnen,"



die Meglichkeiten eines Erwerbs mit uneingeschrankter Kopierbarkeit der Musikstucke, des Erwerbs mit eingeschrankten Vervielfaltipunqsmoqlichkeiten sowie von sog. Streaming Services, bei denen der Musiktitel anqehort, aber nicht erworben werden kann,"



unterschiedliche Preise pro Musiktitel sowie monatliche Abonnements mit Fixpreis fur den Abruf einer bestimmten Anzahl an Titeln."

Aktuell scheinen daher eine zukunftsfahige Geschaftsgrundlage und damit die Zukunft der Musikindustrie ungewisser denn je:

29

30

31

32 33

34

35



Wie werden Produkte und Markte der Musikindustrie aussehen - CDs, Online-Plattformen, Dienstleistungen der Vermarktung von Kunstlern?



Welche Wertschopfung wird die Musikindustrie aufweisen - in welchem Umfang werden CD-Presswerke noch benotiqt? Kann die Musikindustrie den Vertrieb der Musiktitel weiterhin kontrollieren? 1st die Kernkompetenz der Musikindustrie - die Entdeckung, Forderunq und Vermarktung der Kunstler - noch wie im bisherigen Mar..gefragt?35

Vgl. Hutzschenreuter (2000), S. 131f., der auf die bisherige Praxis der Ouersubventionierung von Musikstocken hinweist. Diese Ouersubventionierung betrifft nicht nur die Musikstocke je KOnstler, sondern vielmehr das komplette Portfolio an KOnstlern eines Labels, da nur fOnf bis zehn Prozent aller produzierten CDs profitabel sind, vgl. Mewton (2001), S. 46; R6ttgers (2003), S. 119f., sowie Renner (2004), S. 112. Weltweit gab es 1999 nur 200 CDs, die mehr als eine halbe Million mal verkauft wurden; von 89% aller ver6ftentlichten Alben wurden weniger als tausend Stock abgesetzt, vgl. R6ttgers (2003), S. 121. Vgl. etwa Mewton (2001), S. 41f. Vgl. Renner (2004), S. 169ft., demzufolge Apples iTunes Musicstore im Jahr 2004 einen Marktanteil von 70% am Online-Musikmarkt hatte. Vgl. etwa Renner (2004), S. 151f. und S. 163ft. Vgl. Hutzschenreuter (2000), S. 133f., zu ternporaren Lizenzsystemen ("pay per listen"); Renner (2004), S. 151f. Zum sog. Streaming vgl. Mewton (2001), S. 38f.; Diederichsen (2001), S. 28f. Vgl. etwa Tunze (2004), S. T2, zum Vergleich von Apples iTunes und Sonys Plattform Connect. Zu den Online-Angeboten von Wal-Mart, des legalen Napster, Microsoft, BuyMusic.com und Yahoo vgl. Lindner (2004 - Preisdschungel), S. 18; oV. (2003 - Musikstocke), S. 14; o.V. (2004 Musikdienst), S. 16. Vgl. R6ttgers (2003), S. 129ft., sowie Stahler (2001), S. 272f., zu innovativen Wertsch6pfungsmodellen sowie Geschaftsbeziehunqen zwischen KOnstlern und Labeln; sowie Hutzschenreuter

- 5-



Welche Erlosoptionen kommen in Frage - verdient die Musikindustrie weiterhin Geld mit dem Verkauf von CDs oder Musikstocken im OnlineVertrieb? Wird es vollig neue Modelle wie etwa GebGhren fur die VerfGgbarkeit von Musiktiteln im Internet, Musikabonnements oder Erlose fur die Musikindustrie aus dem Verkauf von Endgeraten wie PCs geben?36

Die aktuelle Ratlosigkeit der Branche angesichts schwindender umsatze und zunehmender Probleme der Musikindustrie spiegelt sich sehr deutlich in folgender Aussage von Michael Schmidt alias Smudo, Plattenproduzent und Mitglied der Hip-Hop Band "Die Fantastischen Vier", wider: "Vielleicht ist die Zeit, mit Musik Geld zu verdienen, einfach vorbel.?" An diesem Beispiel werden bereits zwei wichtige Erkenntnisse deutlich: Zum einen unterliegen Geschaftsrnodelle im Zeitverlauf deutlichen Modifikationen; bezogen auf die Musikindustrie kann geradezu von einer Geschaftsmodelldynamik im Wettbewerb gesprochen werden. Zum anderen entstehen Geschaftsmodelle durch unternehmerische Entscheidungen und Handlungen. Die Ausloser neuer Geschaftsmodelle konnen unterschiedlicher Natur sein. 1m Fall der Musikindustrie waren exogene bzw. branchenexterne Impulse wie neue technologische Moglichkeiten oder die Veranderunq von KundenbedGrfnissen ausschlaqqebend." Daneben konnen derartige Anstojse fUr ein neues Geschattsmodell auch endogen erfolgen, d.h. innerhalb der betroffenen Branche. Ein Beispiel fur ein gezieltes Umdenken in Bezug auf Branchenkonventionen bietet die Luftfahrtindustrie. Die Fluggesellschaft Southwest Airlines gilt seit langem als das erfolgreichste Unternehmen der Branche uberhaupt." Southwest Airlines nahm

36

37 38

39

- 6-

(2000), S. 133f., zu dem aus Kundensicht hOheren Nutzen einer Label-unabhangigen Vermarktung der KOnstler durch lntermedlare. Vgl. auch Renner (2004), S. 272: "Grol1e Plattenfirmen sind schlichtweg OberflOssig, wenn sie ihr Oeschattsmodell nicht grundlegend andern": diese schwindende Daseinsberechtigung beruht auf non-physischem Vertrieb, deutlich gesunkenen Produktionskosten sowie vielfaltiqen anderweitigen M6glichkeiten fur kOnstJerische Beratung, Promotion und Marketing, vgl. auch Mewton (2001), S. 64f. sowie Diederichsen (2001), S. 16. Zur Konkurrenz der Entdeckung von KOnstlern durch Casting-Shows vgl. Renner (2004), S. 186, zur Obernahme von Kontrolle und Verantwortung durch die KOnstler selbst vgl. ders., S. 274ft. Vgl. R6ttgers (2003), S. 145ft., sowie R6ttgers (2003), S. 133ft., zu weiteren innovativen Erl6smodellen; Mewton (2001), S. 28ft. Zitiert nach Theurer (2002), S. 19. Dahingestellt bleiben muss hier, ob die Musikkonsumenten angesichts der neuen technischen M6glichkeiten ihre BedOrfnisse qeandert haben (Konsum einzelner Musiktitel statt vorkonfigurierter CDs) oder ob dieses neu entdeckte BedOrfnis latent schon lange vorhanden war und durch die Tauschb6rsen erstmalig zufrieden stellend gedeckt werden konnte. Vgl. Hamel (2000), S. 51, zum Vergleich der durchschnittlichen Umsatzrendite sowie der durchschnittlichen jahrlichen Veranderunq von Umsatz und Nettogewinn zwischen American Airlines, Northwest, Delta Air Lines, United Airlines und Southwest Airlines fOr die 1990er Jahre, bei dem Southwest in allen drei Kategorien mit weitem Abstand am besten abschneidet. Der gegenOber der Konkurrenz herausragende Erfolg von Southwest hat sich auf Grund der Oberlegenheit des Oeschattsmodells auch angesichts der jOngsten, terrorinduzierten Krise der Fluggesellschaften fortgesetzt, vgl. Stalk/Lachenauer (2004), S. 66. Keine andere US-Fluglinie war seit Anfang der 1970er Jahre permanent profitabel, vgl. Doganis (2001), S. 2001.

1971 mit dem vollig neuen Geschaftsrnodell eines sog. Low Cost-Carrier den Betrieb zwischen den Stadten Dallas, Houston und San Antonio auf.40 Das Geschaftsmodell stellt in vielfacher Hinsicht das Gegenteil der Branchenkonvention dar," indem es auf Direktverbindungen zwischen Nebenfluqhafen zu niedrigen Kosten und Preisen beruht; es werden hauptsachlich Kurzstrecken bedient, die Anzahl angebotener FIGge auf den Routen ist hoch und aile verzichtbaren Leistungsbestandteile eines Fluges, z.B. Sitzplatzreservierung, werden weggelassen.42 Dadurch ergeben sich sowohl in der Dienstleistung Personenbef6rderung, der Gestaltung der Wertschopfung als auch der Erlosgenerierung fundamentale Unterschiede im Vergleich zu traditionellen Fluglinien. Die Philosophie von Southwest liegt narnlich nicht im Wettbewerb mit anderen Fluglinien, sondern in der Konkurrenz zur Personenbeforderunq zu Land.43 Aile Bestandteile des Geschaftsrnodells sind daher auf niedrige Kosten, hohe Produktivitat und Vermeidung von Komplexitat in der Leistungserstellung ausqertchtet." Der Erfolg von Southwest Airlines liegt somit - neben operativer Exzellenz in der Leistunqserstellunq'" insbesondere in der Gestaltung und konsequenten Umsetzung des Ge40

41

42

43

44

45

Zur Historie von Southwest Airlines vgl. Freiberg/Freiberg (1996), S. 14ff. Das Geschattsmodell Low Cost-Carrier trat damit in Konkurrenz zu Netzwerk- und Chartergesellschaften; gegenwartig gibt es mit Regionalfluggesellschaften ein viertes Geschaftsrnodell in der Luftfahrtindustrie, vgl. Bieger (2002), S. 1ff. zu den jeweiligen Charakteristika und Erfolgsfaktoren. Die Idee zum Low Cost-Carrier stammt von einem Insider der Airline-Industrie, vgl. Freiberg/Freiberg (1996), S. 14. Vgl. Knorr/Arndt (2002), S. 5; Freiberg/Freiberg (1996), S. 4, sowie S. 130 mit einem Zitat eines der FirmengrOnder, dass dies von Anfang an die Strategie von Southwest Airlines war. Das amerikanische Verkehrsministerium spricht in einer Studie von einer "low cost airline service revolution" (zitiert nach Knorr/Arndt (2002), S. 4). Vgl. Porter (1996), S. 64 und S. 71; Freiberg/Freiberg (1996), S. 48ff.; Knorr/Arndt (2002), S. 8; Doganis (2001), S. 128ff. BezOglich Erlosen war das ursprOngliche Preissystem mit Einheitspreisen je Flug, aber Preisdifferenzierung je nach Wochentag und Abflugzeit revolutionar: "It fundamentally changed the economics of passenger flight" (Freiberg/Freiberg (1996), S. 30). Zu allgemeinen Kennzeichen von Low-Cost-Geschaftsmodellen vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 1.1.2 der vorliegenden Arbeit. FOr detaillierte AusfOhrungen zum Geschaftsrnodell eines Low Cost-Carrier vgl. Kapitel 2.3.2. Freiberg/Freiberg (1996), S. 11, zitieren ein Mitglied der Geschaftsleitunq von Southwest wie folgt: "The product we deliver is a wonderful contribution to society. We make it possible for people to fly who could never afford to fly in the past." 'We're not competing with other airlines, we're competing with ground transportation", so einer der UnternehmensgrOnder (zitiert nach Freiberg/ Freiberg (1996), S. 54). Zu Kostenvorteilen vgl. Doganis (2001), S. 131; Knorr/Arndt (2002), S. 6 und S. 10f. Zur Produktivitat vgl. Freiberg/Freiberg (1996), S. 7, S. 33ff. und S. 80; Knorr/Arndt (2002), S. 11f. Zur Einfachheit als Erfolgsdeterminante vgl. Freiberg/Freiberg (1996), S. 56f., S. 79ff. und S. 150. So belegt Southwest Airlines regelmaBig einen Spitzenplatz unter den Fluglinien bezOglich Servicequalitat, die branchenweit durch die Kriterien Kundenzufriedenheit, Punktlichkeit und Anteil verloren gegangener Gepackstucke gemessen wird. DarOber hinaus bedient sich Southwest Airlines eines unkonventionellen Werbe- und Public Relations-Konzepts, wacnst fast ausschliefslich organisch, agiert in Finanzfragen vorsichtig und pflegt traditionell gute Beziehungen zu den Gewerkschaften, vgl. Knorr/Arndt (2002), S. 7 und S. 12ff., sowie Freiberg/Freiberg (1996), S. 5, S. 32f. i.V.m. S. 246ff. Durch diese operativen Aspekte scheint sich Southwest Airlines von anderen Unternehmen zu differenzieren, die mit einer Imitation des Geschaftsrnodells gescheitert sind, etwa People Express. Zu solchen Fluglinien vgl. u.a. Knorr/Arndt (2002), S. 9 sowie die AusfOhrungen in Kapitel 2.3.2 der vorliegenden Arbeit. Zum Zusammenhang zwischen Geschaftsmodellen und operativer Exzellenz vgl. Kapitel 2.2.2.2 und 3.1.2.

-7-

schaftsrnodells Low Cost-Carrier begrOndet. Dieses Gescheftsmodell hat Ryanair 1990 in Europa eingefOhrt - fOr die in finanzielle Schwierigkeiten geratene, "klassische" Fluggesellschaft war diese Entscheidung lebensret-

tend." Festhalten lasst sich an dieser Stelle, dass GescMftsmodelle branchenunabhangige Konstrukte zur Beschreibung der Oeschaftstattqkeit von Unternehmen darstellen. Hohe Bedeutung erhalten sie auf Grund der Moglichkeit, Unterschiede in Art und Umfang der Leistungserstellung sowie Veranderungen des Wetlbewerbs transparent zu rnachen." Gegenwartig sind derartige Modifikationen und damit eine Dynamik von GescMftsmodelien in zahlreichen Branchen von Bedeutung.

1.1.2

Geschaftsmodelle als Gegenstand von Innovationen

Innovationen gelten als Schliisselfaktor fUr Wettbewerbsfiihigkeit und Fortschritt." Damit stellen sie einen wichtigen Baustein fOr den Erfolg eines Unternehmens, die Entwicklung einer Volkswirtschaft und letztlich den Wohlstand einer Gesellschaft dar." Gerade in einer Zeit, in der sich das verfOgbare Know-how in Naturwissenschaften, Technik und weiteren Lebensbereichen multipliziert und das vorhandene Wissen immer schneller veraltet" kommt es fOr die UnternehmensfOhrung darauf an, bestehende Strukturen regelma(l,ig auf den PrOfstand zu stellen: Technologien, Geschaftsprozesse und das unternehmerische Leistungsangebot mOssen auf ihre aktuelle und zukOnftige Adaquanz hin beurteilt und ggf. angepasst werden. Nicht nur Wachstumsabsichten, sondern bereits die langfristige Existenzsicherung eines Unternehmens erfordern solche periodischen Modifikationen der Wetlbewerbsbasis.

Wie Langsschnitlstudien zeigen, gelingt es nur sehr wenigen Unternehmen, sich Ober einen Zeitraum von Jahrzehnten zu behaupten, geschweige denn eine Spitzenstellung im Wetlbewerb einzunebrnenr" Von den fOnfhundert 46

47

48

49

50

51

- 8-

Zum Geschattsrnodell von Ryanair vgl. die AusfUhrungen in Kapitel 2.3.2 in vorliegender Arbeit. Zur Unzulanqlichkelt bisheriger Analysekonzepte unternehmerischer Tatigkeit und zur Notwendigkeit eines neuen Instruments vgl. die AusfUhrungen in Kapitel 2.2.1 der vorliegenden Arbeit. Vgl. Knyphausen-AufseB (1995), S. 171f.; PfeifferlWeiBNolzIWettengl (1997), S. 1, mit besonderem Bezug auf Hochlohnstandorte; Gerpott (1999), S. 1; Lotter (2004), S. 76 und S. 80: Um Innovationen starker ins Bewusstsein zu rOcken, wurde von der deutschen Bundesregierung eine "Innovationsoffensive" gestartet und das Jahr 2004 zum "Jahr der Innovation" erklart, Zu Definition und Arten von Innovationen vgl. die AusfUhrungen in Kapitel 2.3.1 der vorliegenden Arbeit. Vgl. Abernathy/Clark (1985), S. 3, sowie Foster/Kaplan (2001), S. 293: "In the developed world, we are in a time when a country's capacity to innovate has become one of the most important sources of its national power". Vgl. aktuell auch Schmidt (2004), S. 13. Vgl. Vanini (1999), S. 1f., mit einer Reihe diesbezOglicher Zitate und Quellenverweise. Vgl. Foster/Kaplan (2001), S. 7f., zu diesem Beispiel und den Auswertungen von S&P 500 sowie "Forbes 100". Einen ahnlichen Vergleich stellen Tushman/O'Reilly (1997), S. 1f., anhand des Computerunternehmens IBM, des Automobilherstellers General Motors und der Einzelhandelskette Sears an: Wahrend die drei Unternehmen in den Jahren 1972 und 1982/83 noch Spitzenpositionen in den Rankings von "Fortune 500" einnahmen, steckten aile drei im Jahr 1992 in Schwierigkeiten und waren nicht mehr in den ersten zwanzig Rangen zu finden. Zumindest Sears

Unternehmen, aus denen sich der Borsenlndex S&P 500 - die Zusammenstellung der 500 gror..ten amerikanischen Firmen bezogen auf die Marktkapitalisierung, erstellt durch die Ratingagentur Standard & Poor's - im Jahr 1957 ursprGnglich zusammengesetzt hatte,52 waren 1997 nur noch 74 im Index vertreten; lediglich zwolf Unternehmen wiesen in diesem Zeitraum eine konstant Gberdurchschnittliche Wertentwicklung im Vergleich zum Index auf. Ein ahnliches Ergebnis liefert ein Langzeitvergleich der nach "Forbes 100" weltweit fGhrenden hundert Unternehrnen.f Von den Unternehmen, aus denen sich 1917 die erste derartige Liste zusammengesetzt hatte, existierten 1987 nur noch 39; 18 dieser Unternehmen qehorten 1987 noch zu den "Forbes 100". Dabei hatten Gber die 70jahrige Zeitspanne hinweg lediglich der Mischkonzern General Electric und das Fotounternehmen Eastman Kodak einen Gberdurchschnittlichen Ertrag abgeworfen, wobei Eastman Kodak in den 90er Jahren bei seinem Obergang von der klassischen zur digitalen Fotografie in gror..e Schwierigkeiten geraten und aus der Liste ausgeschieden war.54, 55 Den Autoren der Untersuchung zufolge liegen diese wenig erfreulichen Unternehmensentwicklungen vor allem in der Ausrichtung der Unternehmen auf Kontinultat begrGndet, wahrend die entsprechenden Markte hochgradig dynamisch sind: "Only companies that change at the pace of the market can hope to match or exceed the overall market's performance. Unless companies change at the pace and scale of the market, their performance will almost inevitably slide into mediocrity.,,56 (... ) "The failure of a company's leaders to challenge the very premises under which it operates is the source of much of the long-term lack of competitiveness one sees in corporatlons.v'"

52

53

54

55

56 57

und General Motors dOrften auch aktuell von ihren Glanzzeiten weit entfernt sein, wahrend bei IBM diverse Restrukturierungen erfolgreich waren. Der Index S&P 500 wurde bereits im Jahr 1923 begrOndet, umfasste seinerzeit aber nur 233 Unternehmen. In seiner jetzigen Form mit 500 Unternehmen besteht er seit 1957 und gilt heute als das Aktienmarktbarometer schlechthin; zur Historie vgl. http://www2.standardandpoors.com (Abrufam 15.12.2004). Bei den Forbes-Listen handelt es sich um weltweite Rangfolgen von Unternehmen, die jahrlich auf Basis gewichteter Berechnungen mit den Kriterien Umsatz, Gewinn, Bilanzsumme und Marktkapitalisierung erstellt werden, vgl. Dams (2004). Sie haben u.a. Bedeutung fur institutionelIe Investoren. Vgl. Smith/Symonds/Burrows/Neuborne/Judge (1997), S. 52ff.; Wettengl (1999), S. 205ff. Zu den Technologien der klassischen "Silberfotografie", der digitalen Fotografie sowie den Schwierigkeiten des TechnologieObergangs vgl. auch Wettengl (1999), S. 192ff. Mittlerweile werden die fOhrenden 2.000 Unternehmen in der Liste "Forbes 2000" abgebildet. 1m Jahr 2004 belegten die Bank Citigroup, der Mischkonzern General Electric und die Versicherung American International Group die ersten drei Range; Eastman Kodak landete auf Platz 443, vgl. http://www.forbes.com/finance/lists/results.html(Abruf am 15.12.2004). Foster/Kaplan (2001), S. 60. Foster/Kaplan (2001), S. 182. Gerade Erfolge wie eine MarktfOhrerschaft verleiten Unternehmen dazu, ihre erreichten Positionen verteidigen zu wollen, anstatt systematisch neue Wettbewerbsvorteile zu erschliefsen, vgl. etwa Tushman/O'Reilly (1997), S. 2: "This pattern - success followed by failure; innovation followed by inertia - is common across firms and industries and over time (...) Yet success need not be paralyzing. The most successful firms (...) transform themselves through proactive innovation and strategic change. Proactive firms are able to move from

- 9-

Festhalten lasst sich hier, dass Innovationsfahigkeit sowie -bereitschaft zu den wesentlichen Oberlebensdeterminanten eines Unternehmens zahlen. Wie die Beispiele zeigen, durfen Innovationen dabei nicht ausschliefslich auf neue Technologien oder Produkte bezogen werden, sondern rnussen sich gleichermal1en auf die Geschaftsqrundlaqe eines Unternehmens, also das Geschaftsrnodell, erstrecken." Anhand des Vergleichs von Geschaftsrnodellen lassen sich daher Innovationen der Geschaftsqrundlaqe eines Unternehmens oder einer Branche analysieren und Erklarunqsansatze fur Divergenzen im Erfolg der betrachteten Unternehmen ableiten.i" Ein vielzitiertes Beispiel fur ein uberleqenes, innovatives Geschaftsrnodell bildet der Computerhersteller Dell. In der damals vertikal integrierten Branche schuf Michael Dell 1984 das "direkte" Geschaftsmodell, bei dem die Wertschopfungsstufe des Handels durch den direkten Kundenkontakt ersetzt und die gesamte Wertschopfungskette von Lieferanten bis Abnehmern "virtuell integriert", d.h. durch Informationen in Echtzeit verbunden, wird. 6o Dadurch kann die komplette Wertschopfung bis hin zum "kundenauftragsbezogenen Einkauf,61 auf Basis konkreter Bestellungen gesteuert werden. Dies hat umfassende Konsequenzen in Bezug auf Effizienz, Kosten- und Preissituation 62 sowie auf die Zusammenarbeit mit Lieferanten und Kunden. 63. 64

58

59

60

61

62

today's strength to tomorrow's strengths by selling the pace of innovation in their industries." Vgl. auch PfeifterlWei~NolzIWellengl (1997), S. 30, unter dem Stichwort "Ieaders tend to lose". Vgl. auch Prahalad (2000), S. 4f.; Hamel (2000), S. 28; Meinhardt (2002), S. 358, als Ergebnis empirischer Untersuchungen; sowie die AusfOhrungen in Kapitel2.3 der vorliegenden Arbeit. Geschaftsrnodelle sind wesentliche Erfolgsdeterminanten unternehmerischer Tatiqkeit, jedoch nicht allein ausschlaggebend fOr den Erfolg, weshalb hier von "Erklarunqsansatzen" gesprochen wird, vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 2.2.2.4 der vorliegenden Arbeit. Vgl. Dell (1999), S. 25, S. 34f. und S. 249 mit der Formel "Informationspartnerschaften mit Kunden und Lieferanten"; Heuer (2001), S. 74. "(...) virtual integration means you're basically stitching together a business with partners that are treated as if they're inside the company. You're sharing information in a real-time fashion" (Michael Dell, zitiert nach Magrella (1998), S. 75). Dell (1999), S. 203. So betrug Dells Lagerreichweite im Jahr 2001 mit vier Tagen lediglich einen Bruchteil der branchenOblichen Werte, sodass allein an Materialkosten ein Vorteil von drei Prozent gegenOber traditionellen Wellbewerbern realisiert werden kann, u.a. wegen geringerer Wertberichtigung auf Grund der raschen technologischen Entwicklung und des Preisverfalls bei Elektronikkomponenten; zusammen mit dem Kostenvorteil von 11,5% bis 13,5% auf Grund des Direktvertriebs gegenOber Herstellern mit einem Handlernetz kann Dell durchschnilllich 15% niedrigere Preise anbieten, vgl. Heuer (2001), S. 73f., demzufolge der Teilevorrat teilweise sogar nur vier bis fOnf Stunden betraqt, i.V.rn. Preissner (2004), S. 48 und S. 53; vgl. auch Dell (1999), S. 95ft. l.v.rn. S.

48ft. 63

Die enge Anbindung an Lieferanten verhindert u.a. den sog. Peitscheneftekt in der Wertkelle, vgl. Magrella (1998), S. 77, sowie generell zum Peitschen- oder "Bullwhip"-Eftekt vgl. Lee/PadmanabhanlWhang (1997), S. 78ft., die darunter eine zunehmende Verzerrung von Nachfrageinformationen bei einer Informationsweitergabe zu vorgelagerten Wertsch6pfungsstufen verstehen, wodurch sich Nachfrageschwankungen potenzieren; das Phanornen beruht auf einer zu haufiqen Aktualisierung von Nachfrageprognosen, der BOndelung von Auftraqen, Preisschwankungen sowie Mengenkontingentierungen. Dell dagegen kann auf Grund des direkten Kundenkontakts sowie der Kundensegmentierung wesentlich besser die Nachfrage prognostizieren und in gewissem Rahmen steuern sowie auf KundenwOnsche mit Produktmodifikationen wie Akkus mit lanqerer Laufzeit reagieren, vgl. Magrella (1998), S. 79ft. sowie Dell (1999), S. 88ft., S. 171ft.

- 10-

DarOber hinaus resultiert das Modell in deutlichen Unterschieden hinsichtlich Produkten , Wertschopfung sow ie Erlosen im Vergleich zu traditionellen Wettbewerbern: Auf Produktseite ermoqlicht die direkte Kundenschnittstelle eine umfassendere Kundenorientierung sowie zusatzliche Leistungen wie kundenspezifische Software-Uploads, Hardware-Inventarisierung oder Tech notoq leberatunq." Seine Produktlinie hat Dell sukzessive von pes auf Server , Drucker, PDAs und neuerdings Unterhaltungselektronik ausgedehnt, wobei sich Dell stets auf Standardkonfigurationen fokussiert/" BezOglich der Wertschopfung weist Dell einen ger ingeren Eigenanteil als die Konkurrenz 67 auf und bindet seine Lieferanten eng in sein Wertschopfungssystem ein. Zusatzliche Ertose fallen bei Dell durch Zinsertraqe auf Grund der schnellen 68 Bestellabwicklung an. Durch sein Direktmodell wurde Dell zum WeltmarktfOhrer bei pes und innerhalb kurzer Zeit nach Markteintritt zum zweitqrofsten Hersteller kleinerer Server.69 In puncto Rentab ilitat Obertrifft Dell seinen Wettbewerber HP weit: Wahrend HP in einzelnen Geschattsbereichen sogar in der Verlustzone rangiert, erreicht oder Obertrifft Dell regelmaBig die Analystenerwartunqen ." Gerade bei Dell wird in der Diskussion stets das innovative Geschaftsmodell als Ursache seines Erfolgs anqefuhrt." Die Ausgestaltung des Geschaftsrnodells scheint also eine wichtige Erfolgsdeterminante zu sein und damit einen Erklarunqsbeitraq

64

65

66

67

66

69

70 71

und S. 222 . "The direct system really delivers value to the customer all the way from distribution back through manufactu ring and design" (Michael Dell , zitiert nach Magrett a (1998), S. 84). Die Logik des Geschaftsrnodells bezeichnet Michael Dell als die "drei goldenen Dell-Reg eln (...): 'Vermeide Laqerbestand', 'Hare immer auf den Kunden ' und 'Ver kauf e niemals indirekt..••vgl. Dell (1999), S. 73. Vgl. Magretta (1998), S. 79, die Michael Dell wie folgt zitiert: "It (...) means we 're not going to be just your PC vendor anymore. We 're going to be your IT department for PCs." Vgl. Dell (1999), S. 99ff. ; Preissner (2004 ), S. 46ff. Zur Oberlragba rkeit des Modells auf zusatzl iche Produkte vgl. Heuer (2001). S. 72, sowie Lindner (2004 - Ausreden ). S. 14. Vgl. Dell (1999), S. 217f .; so betreibt Dell autser in Prozesssteuerung. wo Dell etwa 200 Patente halt, wenig eigene F&E. vgl. Heuer (2001), S. 76; Preissner (2004), S. 48 , berichtet bereit s von 1.000 Patenten in diesem Bereich . Zur Lieferanten integration vgl. auch Dell (1999) , S. 203ff . Vgl. Heuer (2001), S. 73f., sowie Magretta (1998) , S. 81, wo der damalige Vice Chairman von Dell den Effekt , dass die Kreditkartenzahlung durch die Kunden vor der Bezahlung der Lieferanten erfolgt , als "negative cash- conv ersion cycle" bezeichnet. Bei PCs hatte Dell erstmal ig 1999 Compaq als BranchenfOhrer abqelo st und 2003 den nach der Fusion mit Compaq zwischenze itlich groiJ.len Hersteller HP. vgl. Preissner (2004), S. 46 und S. 50 sowie o.V. (2003 - Oberholt), S. 16. Die Computerhersteller HP und Compaq hatten sich im Jahr 2002 zum Unternehmen HP zusammengeschlossen. vgl. oV. (2004 - way ). W ie bereits erwahnt (und in Kapitel 2.2.2.4 weiter auszufOhren ist), konnen im Rahmen der vorliegenden Arbeit keine Kausalitaten zwischen Geschaftsrnodell und Erfolg in Form quantitativer Belege abgeleitet werden. Stattdessen 5011en die bestehenden Indizien in Zusammenhang mit den noch aufzustellenden Forschungsfragen (vgl. Kapitel 1.1.3) als Motivation der Arbeit gen Ogen. Vgl. o.v. (2004 - Verkaufsmaschine) , S. 18; Lindner (2004 - Ausreden), S. 14. Die Begriffe "innovatives Geschaftsrnodell" sowie im Foigenden "Geschattsrnodelllnnovation" 501len sich in vorliegender Arbeit nicht ausschlielJ.lich auf Weltneuheiten wie im Fall von Dell beziehen, sondern fOr Neuheiten aus der Perspe ktive eines Betrachtungsobjekts , d.h. unternehmensspez ifisch , verwendet werden . Zur BegrOndung einer subjektivistischen Verwendung des Innovationsbegriffs vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 2.3.1 der vorliegenden Arbeit.

- 11 -

fOr die unterschiedlichen Auspraqunqen entsprechender Kennzahlen bei einzelnen Unternehmen zu leisten. Entscheidende Bedeutung kommt daher einer Innovationsbereitschaft bezOglich des Geschattsrnodells zu - fur branchenfremde Unternehmen offnen sich dadurch Markteintrittsmoglichkeiten, wahrend etablierte Unternehmen ihre Position im Markt sichern konnen. "FrOher hatten Fuhrunqskrafte den Luxus scheinbar unsterblicher Geschaftsrnodelle. Natorlich mussten Unternehmen daran arbeiten, besser zu werden. Aber sie mussten sich nicht im Kern vsrandern. Heute ist 'anders werden' der Imperativ. (...) Bei all diesen Unternehmen [die Autoren verweisen auf Coca-Cola, McDonald's, Sun sowie fOhrende Pharmaunternehmen, d.V.] (...) hanqt der Erfolg nicht mehr von einmal gesetzten Impulsen abo Stattdessen zahlt Beweglichkeit - die Fahiqkeit, Geschaftsrnodelle und Strateqien standig den veranderten Rahmenbedingungen anzupassen."? Salopp formuliert unterliegen Geschattsmodelle also einem "Verfallsdatum": "It is imperative (...) that you and everybody else in your organization be alert to the signs that your company's business model is approaching its 'sell by' date - unless, of course, you particularly relish the chance to manage a turnaround."73 "Business concept innovation will be the defining competitive advantage in the age of revolution. (... ) Business concept innovation is the only way for newcomers to succeed in the face of enormous resource disadvantages, and the only way for incumbents to renew their lease on success.,,74 Anhand der Beispiele der Low Cost Carrier sowie des Eintritts des Computerherstellers Apple in die Musikindustrie 75 lassen sich die Vorteile eines bewussten Innovationsprozesses bestehender Geschaftsmodelle sowohl fur brancheninterne als auch -fremde Unternehmen nachvollziehen. Unter einer Geschaftsmodellinnovation soli in einer ersten Definition ein aus Sicht eines betroffenen Unternehmens neues, am Markt eingefOhrtes Geschaftsrnodell verstanden werden." Dabei zeigt sich in Zusammenhang mit dem Beispiel der Low Cost Carrier, dass spezifische Innovati72

73 74 75

76

Harnel/valikanqas (2003), S. 28. Hamel (2000), S. 55. Hamel (2000), S. 18 (Hervorhebung im Original). Durch die Musikplattform konnte Apple seinem Abspielqerat iPod zu einem so enormen Markterfolg verhelfen, dass die Anzahl verkaufter iPods die Verkaufszahlen von Computern Obertrifft (Zahlen fOr 1. Quartal 2004, vgl. o.v. (2004 - iPods), S. 16). Letztlich dient die Etablierung des Musikvertriebskanals fOr Apple primar als Instrument zur Vermarktung der zugehOrigen Hardware iPod, vgl. Renner (2004), S. 171, der von "subventionierte[m) Musikverkauf' spricht, und S. 284. Apple beschreitet damit den Weg in das fur Apple neue Geschaftsfeld der Distribution digitaler Inhalte in Kombination mit neuer Hardware, da Apples Stellung im stagnierenden PC-Markt mit einem Marktanteil von knapp drei Prozent relativ schwach ist, vgl. o.V. (2003 - Geschaftsfelder), S. 20. Zur Geschattsfelddeflnitton vgl. auch die AusfOhrungen in Kapitel 2.2.2.1 der vorliegenden Arbeil. Zur Definition sowie zu einer Typologie von Oeschattsmodellinnovatlcnen vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 2.3.2 der vorliegenden Arbeil.

- 12 -

onsrichtungen von Geschaftsmodellen brancheniibergreifend relevant slnd" So

sind

aktuell

uber

unterschiedliche

Industrien

hinweg

neue

Low

Cost-

Geschattsrnodeje zu beobachten, die - wie im Beispiel der Low Cost Carrier - Unternehmen mit traditionellen Geschaftsrnodellen ernsthaft Konkurrenz machen konnen. Ein weiterer branchenunabhanqiqer Trend besteht darin, dass in verschiedenen Wirtschaftszweigen produktbasierte Geschaftsrnodelle teilweise durch dienstleistungsorientierte Geschaftsrnodelle ersetzt werden. Beide Entwicklungen haben entscheidende Auswirkungen auf den Wettbewerb in den betroffenen Branchen und fur die jeweiligen Unternehmen. 1m Foigenden sollen sie kurz charakterisiert werden.

Low Cost-Geschaftsmodelle haben sich in den vergangenen Jahren in zahlreichen Branchen etabliert." Wahrend entsprechende Konzepte etwa aus den Bereichen Lebensmitteleinzelhandel, Fast Food oder - wie im Fall von Southwest Airlines - Fluggesellschaften bereits lange auf dem Markt erfolgreich sind,79 haben derartige Modelle jungst u.a. bei Autoverrnletunqen." Softwareherstellern'" und sogar der Autornobilinousfrie'" Einzug gehalten; der Grunder der britischen Low Cost-Fluggesellschaft Easyjet sieht sich gar als "Serienunternehmer", der das Prinzip auf zahlreiche Branchen ubertragen rnochte." Dabei basieren Low Cost-Geschaftsmodelle auf einer Einschrankunq der vermarkteten Leistung hinsichtlich Funktionalltat, Nutzer-

77

78

79 80

81

82

83

Diskutieren liefse sich dies auch anhand des Beispiels der Musikindustrie: Hinter den aufgezeigten Veranderungen und UmbrOchen steht das Phanornen der Digitalisierung, das in ahnlicher Weise in Branchen wie der Medienindustrie sowie der Film- und Fernsehbranche relevant ist. Zu rnoqlichen Auswirkungen auf die Fernseh-, Radio- und Filmindustrie vgl. Renner (2004), S. 218ft.: zur Digitalisierung vgl. die AusfOhrungen in KapiteI2.1.3 der vorliegenden Arbeit. Vgl. Barkin/HertzelllYoung (1995), S. 87: Meyer/BIOmelhuber (1996), S. 319ft., in Bezug auf Dienstleistungen; sowie Potter (2004), S. 74, der 250 Unternehmen mit derartigem Angebot untersucht hat. Hauflq wird diesbezOglich auch von "no frills"-Geschaftsmodellen oder -Leistungen gesprochen, vgl. Meyer/BIOmelhuber (1996), S. 321, die den Terminus wortlich mit "Verzicht auf jeglichen 'Firlefanz' oder 'Schnickschnack'" Obersetzen. Vgl. Meyer/BIOmelhuber (1996), S. 320. Vgl. etwa oV. (2003 - Billigmarke), S. 15, sowie die AusfOhrungen in KapiteI2.3.2 der vorliegenden Arbeit. Vgl. etwa Knop (2004 - Billig-Software), S. 20 sowie Knop (2004 - Software-Schreck), S. 20, zur Datenbanksoftware MySQL auf der Basis von "Open Source"-Software. JOngst hat sogar Microsoft eine Billigversion seiner Benutzeroberflache 'Windows" angekOndigt, vgl. o.v. (2004 - Billigversion), S. 16. Anders als bei MySQL dOrfte es sich dabei jedoch nicht um ein neues Low CostGeschaftsrnodell, sondern lediglich eine Produktvariante mit eingeschrankter Funktionalitat handeln, die Microsoft im Rahmen seines bestehenden Geschaftsrnodells produziert. Das Angebot von Microsoft ist als Einstiegsversion fOr asiatische Markte gedacht. Vgl. Gores (2004), S. 49, sowie Dunsch/Preul:l (2004), S. 14, zu den Planen von Renault, ab 2005 unter der Marke Dacia ein "Billigstauto" fur 5.000 Euro in Schwellenlandern und fOr 7.500 Euro auch in Deutschland zu vermarkten. Bei dem Auto wird auf zahlreiche StandardAusstattungsmerkmale wie elektrische Fensterheber, Servolenkung und hohenverstellbare Sitze verzichtet. Aus KostengrOnden erfolgt die Produktion nicht wie heutzutage Oblich hochautomatisiert, sondern mit einem hohen Anteil Handarbeit in Rumanian. Vgl. Wiskow (2004 - easy), S. 68, sowie oV. (2003 - Geschaftsideen), S. 15. So soli es neben der Fluggesellschaft, der Autovermietung und der Hotelkette bald auch Kreuzfahrten, Buslinien, Telefongesellschaften und Pizza-Lieferdienste unter dem Dach der Easy-Firmengruppe geben.

- 13 -

freundlichkeit oder moglicher Verwendunqsdauer." Entscheidend ist bei dieser Leistungsreduktion die Tatsache, dass diejenigen Leistungsbestandteile weggelassen werden, die die Zielkunden weder honorieren noch zu be85 Die WertschOpfung und die Erlosmodelle sind zahlen gewillt sind. entsprechend auf das Angebot ausgerichtet; in Dienstleistungsbereichen geht ein Low Cost-Geschaftsmodell zumeist mit einer Obemahme bestimmter wertschopfender Tatiqkelten durch den Kunden einher.86• 87 Bezogen auf den zweiten Trend der Substitution von produkt- durch dienstleistungsbasierte Angebote lassen sich zwei wesentliche Kategorien unterscheiden: das privatwirtschaftliche , produktionsbezogene "Pay on Production" sowie die "Public Private Partnership" (PPP) als neue Kooperationsform zwischen Privatwirtschaft und offentlicher Hand. Bei "Pay on Production" handelt es sich um ein partnerschaftliches Modell zwischen Anlagenherstellern und -abnehmern, bei dem Finanzierung und Betrieb einer Anlage vom Hersteller Obernommen werden." Die Anlage wird dabei nicht verkauft, sondern verbleibt im Eigentum des Produzenten. Durch die Obernahme von Funktionen , die typischerweise dem Kaufer obliegen, erweitert der Hersteller seinen Wertschopfungsumfang und wird zum Dienstleister. Abgerechnet wird dieses Dienstleistungspaket zu einem gemeinschaftlich festgelegten Preis pro produzierte Einheit. Der Hersteller Obernimmt damit ein, weit hoheres Mal1 an Verantwortung und Risiko; im Gegenzug erhalt er Anlagenbetriebsdaten in Echtzeit, wodurch er die Wartung optimieren und ROckschlOsse fOr die Konstruktion der nachsten Anla-

64

65

56

67

66

Vgl . Pott er (2004 ), S. 73ft., der vier Strategien zur Umsetzung eines Low Cosl-Angebots unterscheidel: Unternehmen konnen Funk tionalitaten weglassen, z.B. Fluggesellschaften. Sie konnen vergleichbare Funktionalitaten preiswerter herstellen, z.B. der Ch iphersteller AMD . Ferner kennen sie das bestehende Leistungsangebot erneuern wie z.B. Amazon durch Online-Bestellung . Schliel1lich besteht die Meglichkeit einer neuen Funktionalitat, z.B. durch Baumarktketten. Vgl. auch Meyer/BIOmelhuber (1996 ), S. 321ft., die folgende vier Grundprinzip ien von Low CostGeschattsrnodellen nennen: faire Preise , EntbOndelung des Ang ebotspakets, hohe Oualitat der Kernleistung sowie Pre is-/Le islungs-Transparenz. Vg l. Meyer/BIOmelhuber (1996), S. 322 , die hier von "Frill-Attributen" der Leistung sprechen . Dagegen sind die sog. Grundattribute, die die Bas isanforderungen der Kunden decken , sow ie sog . Zusatzatlribute, die einen zusatzllchen Wert fOr den Kunden schaften, in der Leistung enthalten . In diesem Sinn kann auch das Geschaftsrnodell von Dell als "Billigkonzept" (Heuer (2001 ), S. 75 ) beze ichnet werden, da Dell den Handler substituiert, vgl. die AusfOhrungen in diesem Kap itel. Vgl. Bosshart (2004), S. 107f., mit den Be ispielen des Low Cost-H otels , be i dem der Kunde selbst aufraumt sow ie den Low Cost-Fluglinien, bei denen der Kunde die Buchung via Internet vorn immt. Ahnliches gilt etwa fur Fast Food Restaurants sowie Low Cost-Autoverm ietungen. DarOber hinaus basiert die Wertschopfung u.a . auf Oberlegenen Kostenstru kturen , Einfachheit und Effizienz sowie der Routinisierung von Ablauten, vgl. Bosshart (2004) , S. 54 und S. 106ff. Zu "Pay on Production" vgl. Mast (2004), S. 16ff.; Gillies (2003); Goergen (2001) , S. 151ff.; Breu (2002) , S. 25; Wildemann (2002), S. 24 ; Scholtys (2002), S. 123. Zur Abgrenzung von Betreibermodellen vgl. Mast (2004), S. 16f . Eine win-win-Situation bezOglich Kosten entsteht vor allem be i High-Tech-Anlagen, da der Anlagenhersteller ein umfangreicheres Know-how bezOglich der Technologie hat; daher kann er u.a. die Anlage bezogen auf die Lebenszyklusk osten optimieren , wahrend die klassischen Kaufer zu sehr auf die Anschaffungskosten achten , vgl. o.V. (2003 Markte), S. 19.

- 14-

gengeneration ziehen kann." DarOber hinaus baut er MarkteintriUsbarrieren gegenOber Konkurrenten auf und kann als Serviceanbieter von den in der Regel hoheren Deckungsbeitragen fur Dienstleistungen protltleren." FOr den Auftraggeber resultieren daraus u.a. Vorteile der Variabilisierung von Fixkosten, der Kapitalfreisetzung, der Reduktion des Marktrisikos sowie der Effizienzsteigerung der Procuktlon." Bislang kommt das Konzept vor allem in der Automobilindustrie zum Einsatz; Paradebeispiel ist hier die Zusammenarbeit zwischen dem Lackieranlagenhersteller Eisenmann und dem Fahrzeughersteller Ford.92

Public Private Partnership bezeichnet eine kooperative Leistungserstellung zwischen mindestens einem privaten und einem offentlichen Partner,93 bei der eine RessourcenbOndelung im Hinblick auf kornplementare Zielsetzungen der Partner im Sinne einer win-win-Situation erfolgt.94 Charakteristisch fur ein PPP ist darOber hinaus, dass die Leistungen, Kosten sowie Rechte und Pflichten der Beteiligten auf Grund der Komplexitat der Transaktion und auf Grund der langen Laufzeiten von bis zu 30 Jahren nicht vollstandiq ex ante spezifiziert werden konnen;95 dementsprechend sind eine kontinuierliche Kooperation sowie ein gewisses Vertrauen untereinander ertorderltch." Inhaltlich kann sich PPP auf eine Vielzahl offentlicher Aufgaben beziehen, etwa in den Bereichen Infrastruktur, Kultur, Bildung sowie offentliche Sicherhelt." Aktuelle Beispiele betreffen etwa den Flu~hafen BerlinBrandenburg sowie das Mauterhebungssystem Toll-Collect. 9 Die Zusammenarbeit kann sich auf eine oder mehrere Phasen der Wertschopfung bestehend aus Planung, Finanzierung, Erstellung und Betrieb bezlehen." Dabei liegen die Motive aus Sicht der offentllchen Hand in der Nutzung privater Ressourcen fur offentliche Aufgaben, der Risikoteilung, der Erschlie-

89 90

91

92

93

94 95

96 97

98 99

Vgl. Mast (2004), S. 21. Vgl. Gillies (2003) sowie o.V. (2003 - Markte), S. 19, mit dem Hinweis auf eine Oberdurchschnittliche Rendite bei Anbietern von "Pay on Production" (der Autor verwendet den Begrift Betreibermodell im Sinne des Terminus "Pay on Production" in vorliegender Arbeit). Vgl. Wildemann (2002), S. 24; Breu (2002), S. 25; Gillies (2003); Mast (2004), S. 19ft. Zur Veranderung der Bilanzstruktur beim Auftraggeber vgl. Goergen (2001), S. 151; zu Besonderheiten bei der Bilanzierung nach US-GAAP vgl. bei Mast (2004), S. 19f. Vgl. Goergen (2001), S. 151ft. sowie ausfOhrlich Mast (2004), S. 17ft. Wahrend Kooperationen zwischen Staat und privater Wirtschaft in vielen Bereichen bereits langer existieren, liegt das wesentlich Neue an PPP in der gestiegenen lntensitat und dem erweiterten Umfang derartiger Aktivitaten, was sich auch an der Anzahl aktueller Initiativen in der Politik ablesen lasst, Dies liegt u.a. an der offentlichen Finanzkrise, der erforderlichen Professionalisierung der offentlichen Verwaltung, des EU-Wettbewerbsrechts sowie der Unterbeschaftiqunq in Teilen der Privatwirtschaft, z.B. in der Bauindustrie, vgl. Budaus (2004b), S. 10f. Vgl. Budaus (2004b), S. 12f.; Oberender/Rudolf (2004), S. 493; Thom/Ritz (2003), S. 443f. Zu diesen und weiteren Risiken bzw. Problemfeldern von PPP vgl. Thorn/Ritz (2003), S. 446ft.; Budaus (2004a), S. 313 und 317; Budaus (2004b), S. 18ft.; Oberender/Rudolf (2004), S. 495; Arnold/HOfner (2004), S. 428. Vgl. Arnold/HOfner (2004), S. 427; Budaus (2004a), S. 313f. Vgl. etwa Thom/Ritz (2003), S. 446 mit zahlreichen weiteren Bereichen und Beispielen. Vgl. Budaus (2004b), S. 9f. Vgl. Budaus (2004a), S. 315; Budaus (2004b), S. 13.

- 15 -

Bung von Innovationen sowie der Effizienzsteigerung. 1OO, 101 Fur die beteiligten Unternehmen ergeben sich Vorteile in Form eines neuen Geschattsfelds, der Differenzierung vom Wettbewerb sowie neuer Kapitalanlagemoglichkei102 ten. Somit wird das produzierende Unternehmen zum Dienstleister, dessen WertschOpfung und dessen Art, Eriose zu erwirtschaften, sich gegenuber fruher fundamental andern. Reslimieren lasst sich daher, dass die Fahigkeit und Bereitschaft der UnternehmensfUhrung, nach innovativen Geschaftsrnodellen zu suchen, eine wichtige Rolle fur die Wettbewerbsfahigkeit des Unternehmens spielen. Teilweise handelt es sich

dabei urn branchenspezifische Phanornene, bei einigen Entwicklungen lassen sich jedoch branchenunabhangige Trends erkennen, die fUr zahlreiche Industrien potenziell relevant sind.

1.1.3

Geschaftsmodellinnovation als Herausforderung fUr UnternehmensfUhrung und Wissenschaft

Vergleicht man die einfUhrenden Beispiele zu Geschaftsmodellen und deren Innovation in den Kapiteln 1.1.1 sowle 1.1.2 der vorliegenden Arbeit, so tritt eine Reihe von Auffalligkeiten zutage. Sie betreffen die Erfolgswirkungen verschiedener Geschaftsmodelle sowie die Aktions- bzw. Reaktionsstrategien unterschiedlicher Akteure angesichts innovativer Geschaftsmodelle. Hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen Unternehmenserfolg und Geschaftsmodell lassen sich an dieser Stelle erste Indikationen erkennen und als Hypothesen festhalten. Das Geschaftsrnodell determiniert - wie anhand der Beispiele der Luftfahrt- sowie der Computerindustrie deutlich wurde - maBgeblich die Art der Leistung sowie der Leistungserstellung eines Unternehmens. Dadurch werden wesentliche Anteile des generierten Kundennutzens und der zu erreichenden WettbewerbsvorteiIe im Verhaltnis zur Konkurrenz vorgezeichnet. Dementsprechend weisen Geschaftsrnodelle eine spezifische Attraktivitat fur bestimmte Kundengruppen und fur bestimmte Unternehmen auf. Der Erfolg eines Unternehmens scheint den Anzeichen zufolge u.a. von der Stimmigkeit seines Geschaftsmodells abzuhangen: Die Voraussetzungen von Unternehmensseite rnussen ebenso mit dem Geschattsrnoden kom-

100

101

102

Vgl. Oberender /Rudolf (2004), S. 493; Budaus (2004b) , S. 14; sowie Arnold/HOfner (2004), S. 426, die die Notwendigkeit von PPP aus Sicht der 6ffentlichen Haushalte deutlich machen: So ist der Anteil der Brulloinvestitionen an den Staatsausgaben zwischen 1995 und 2002 von 4,6% auf 3,3% gesunken, die kommunalen Investitionen sind von 1992 bis 2003 urn uber ein Orillel zurOckgeschraubt worden und den tatsllchlichen Investitionen der Kommunen in Hohe von 22 Mrd. Euro im Jahr 2003 steht ein ermille lter Bedarf von 68 Mrd. Euro p.a. gegenOber. OarOber hinaus bietet PPP die Chance , die Tatigkeit des Staates auf seine eigentlichen hoheitlichen Aufgaben zurOckzufGhren , vgl. Eichhorn (2004), S. 7; Arnold/HOfner (2004), S. 427. Vgl. Arnold /HOfner (2004), S. 427; Budaus (2004b), S. 14.

- 16 -

patibel sein wie die Anforderungen der Marktseite.

103

Die Problematik fehlender

Kompatibilitat wurde u.a. am Beispiel der Musikindustrie deutllch.'?' Die zweite Auffalligkeit bezieht sich auf die Handlungs- und Reaktionsweisen von

Unternehmen im Umgang mit Geschaftsrnodellen. Eine Reihe von Unternehmen initiiert offenbar proaktiv die Innovation eines bestehenden Geschaftsmodells, in den Fallbeispielen etwa die Computerhersteller Apple (in der Musikindustrie) und Dell (in der Computerindustrie) sowie die Fluglinie Southwest Airlines. Andere Unternehmen halten dagegen auch angesichts massiver Bedrohungen durch ein innovatives Geschaftsrnodell so lange wie rnoqlich an ihren bisherigen Geschaftspraktiken fest, etwa die Musiklabels. Anders ausgedrOckt: Manche Unternehmen verfOgen offenbar Ober entsprechende organisatorische Fahigkeiten, Vorgehensweisen oder Instrumente, die spezifischen Starken und Schwachen eines Geschattsrnodells im Verhaltnis zu anderen Modellen wahrzunehmen. Darauf aufbauend erkennen sie die Risiken implementierter und die Chancen innovativer Geschaftsrnodelle sowie den Bedarf an einer Geschaftsrnodellveranderunq.P'' Jene Transparenz bildet den Ausgangspunkt einer erfolgreichen Geschaftsmodellinnovation.l'" Betrachtet man die betroffenen Branchen, Unternehmen und Situationen, in denen im Rahmen der einleitenden Beispiele Innovationen des Geschaftsrnodells aufgetreten sind, so lassen sich auf Anhieb keine einfachen Erklarungen oder Muster fur die beobachteten Phanornene ableiten: Geschaftsrnodelle und der unterschiedliche Erfolg einer Innovation zeigen sich hinsichtlich verschiedener branchen- und unternehmensbezogener Kriterien und damit sehr heterogenen Situationen und Auspragungen:



Branchenbezogen erweisen sich Geschaftsmodelle in traditionsreichen Branchen (Beispiel Bauindustrie, Luftfahrtindustrie) als ebenso relevant wie in vergleichsweise jungen Wetlbewerbsfeldern (Beispiel PC-Industrie). Sie sind in "Iow-tech"-Bereichen (Beispiel Bauindustrie) ebenso wie in "high-tech"- bzw. technologieintensiven Branchen (Beispiel Musikindustrie, PC-Industrie) zu finden. Geschaftsmodelle dienen als Analyseinstrumente sowohl im produzierenden Gewerbe (Beispiel PC-, Bauindustrie) als auch bei dienstieistungsbasierten Unternehmen (Beispiel Luftfahrtindustrie). Auch bezogen auf Branchenstruktur-

103

104

105

106

Zum Konzept der Kornpatlbllitat vergleiche die AusfOhrungen in Kapitel 2.2.2.4 der vorliegenden Arbeit. Vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 1.1.1 der vorliegenden Arbeit. Zum Bedarf an Geschaftsmodelllnnovatlonen vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 3.1.2 der vorliegenden Arbeit. Neben dem Aspekt des Erkennens eines solchen Bedarfs spielt natorlich auch die Fahiqkeit zur Umsetzung eine wichtige Rolle, wovon an dieser Stelle jedoch abstrahiert werden 5011. Zu generellen Erfolgsvoraussetzungen einer Geschaftsmodellinnovation vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 4.3 der vorliegenden Arbeit.

- 17 -

merkmale ergeben sich keine kausalen Zusamrnenhanqe, ob bzw. wann Geschaftsrnodellinnovationen relevant und Erfolg versprechend sind. Die aufgezeigten Beispiele stammen ebenso aus Oligopolen (Beispiel Musikindustrie) wie aus Bereichen mit fragmentierter Anbieterstruktur (Beispiel Bauindustrie). Einige Beispielbranchen durchlaufen Krisenzeiten (Beispiel Musik-, Bau-, Luftfahrtindustriel; dies istjedoch nicht zwanqslaufiq der Fall (Beispiel PC-Industrie). •

1m Hinblick auf die Art des Unternehmens kann eine Innovation des Geschattsmodelis durch bestehende Firmen (Beispiel Bauindustrie) oder durch Start-ups (Beispiel Southwest Airlines, Napster) ausqelost werden. Die Innovatoren konnen in der Branche etabliert (Beispiel PPP in der Bauindustrie) oder aber branchenfremde Unternehmen sein (Beispiel Apple, Dell).

Das Erkennen und erfolgreiche Umsetzen einer Geschattsmodellinnovation hangt also von keinen trivialen Mustern oder direkt ersichtlichen Charakteristika abo Zu vermuten ist vielmehr, dass die UnternehmensfOhrung im Hinblick auf Geschaftsrnodellinnovationen eine entscheidende Rolle spielt, sodass eine nahere wissenschaftIiche Betrachtung von Geschaftsmodellinnovationen gerechtfertigt erscheint. Aus den Ergebnissen des Vergleichs der einfOhrenden Beispiele leiten sich verschiedene Implikationen abo Zunachst scheinen Geschaftsrnodelle unabhanqlq von ihrer Branche eine endliche Lebensdauer aufzuweisen und frOher oder spater von Oberlegenen Geschaftsrnodellen abqelost zu werden. Zum anderen vermoqen es manche Unternehmen offensichtlich sehr viel besser als andere, Bedrohungen eines bestehenden Geschaftsrnodells bzw. Chancen eines innovativen Geschaftsrnodells zu erkennen und entsprechend zu agieren. Daraus resultiert eine Reihe von Forschungsfragen: •

Wie lasst sich die Zukunftsfahigkeit eines Geschaftsmodells bestimmen?



Welche Moglichkeiten einer Geschaftsmodellinnovation gibt es? Wie konnen Unternehmen proaktiv Geschaftsmodellinnovationen initiieren, um neue Wetlbewerbsvorteile zu erzielen?



Wann bzw. in welcher Situation sollte eine Innovation des Geschaftsmodells konkret ausqelost werden?



Welche Informationen sind dazu erforderlich? Wie lassen sie sich in der Praxis erheben und interpretieren?



Gibt es generelle Erfolgsvoraussetzungen fOr eine Geschaftsmodellirmovation?

Auf Grund dieser offenen Fragen sowie der erheblichen Unterschiede bezOglich des Erfolgs im Umgang mit Gescheftsrnodellinnovationen in der Praxis konnen Ge-

- 18-

schaftsmodellinnovationen als Herausforderung fOr die UnternehmensfOhrung

bezeichnet werden. Anhand der Quellen, die sich mit Geschattsrnodellinnovationen beschaftiqen, soli zunachst untersucht werden, ob die genannten Forschungsfragen bereits in der vorhandenen Literatur beantwortet werden und Gestaltungsempfehlungen zum Umgang mit dieser Herausforderung vorliegen.

1m Rahmen wissenschaftlicher Literatur sind in den vergangenen Jahren vier Dissertationen zur Geschaftsmodellthematik erschienen, die auch auf Geschaftsrnodellinnovationen eingehen. 107 Allerdings liefert keine dieser Arbeiten eine theoretische Fundierung des Phanornens Geschartsmodellmnovation oder entsprechende allgerneinqultiqe Handlungsanweisungen fur die UnternehmensfUhrung:108 •

Wetzel (2004) beschreibt unter dem Stichwort "Geschaftsmodellinnovationen in der Musikindustrie" Optionen fur die zukunftiqe Gestaltung der Geschaftsmodellbestandteile fur Musiklabels bezogen auf Produkt-/Markt-Kombination, Wertschopfungsaktivitaten sowie Ertraqsrnechanik.l'" Die Autorin stutzt sich

dabei auf Brancheninterviews, entwickelt aber keine Geschaftsrnodelle im Sinne konsistenter Kombinationen der aufgezeigten Optionen. Konkrete Handlungsanweisungen oder branchenubergreifende Implikationen bezuqlich Geschaftsmodellinnovationen sind nicht Gegenstand ihrer Arbeit.

107

108

109 110

111

112



Broglie (2004) untersucht quantitativ und qualitativ umfassend die Einflussfaktoren und Veranderungsmuster von Unternehmen und Geschaftsmodellen der Biotechnologie. Auf Basis von Lebenszyklusansatzen spricht er von einer "Anpassung" sowie "Adaption" von Geschaftsmodellen, geht im Hinblick auf Innovationen jedoch nicht uber die Nennung dieser Schlagworte hlnaus."?



Meinhardt (2002) als Co-Autor einer allgemeingultigen Definition zu Geschaftsrnodellen 111 befasst sich in seiner Dissertation mit Veranderungen von Geschattsrnodellen in der Biotech-/Pharmabranche sowie der Portalindustrie. Anhand empirischer Untersuchungen entwickelt er Verlaufsmuster bzw. "Trajektorien" und spricht von der "Evolution von Geschaftsrnodellen" sowie von Geschattsrnodelllnnovatlonen.I'" Seine Untersuchung erstreckt sich prirnar

Auf die zahlreichen Publikationen zu Geschaftrnodellen, die jedoch Geschaftsmodellinnovatlonen nicht thematisieren, kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden. FOr einen umfassenderen Oberblick Ober die Literatur zu Geschaftsmodellen vgl. die AusfOhrungen und Quellenverweise in Kapitel 2.2 der vorliegenden Arbeit. Die Reihenfolge der Quellen wurde anhand ihres Publikationstermins beginnend mit der jOngsten Veriiftentlichung gewahlt. Vgl. Wetzel (2004), S. 234ft. Vgl. Broglie (2004), S. 155. Vgl. Knyphausen-AufseB/Meinhardt (2002), S. 66ft., sowie die AusfOhrungen in Kapitel 2.2 der vorliegenden Arbeit. Vgl. Meinhardt (2002), S. 338ft.

- 19-

auf eine ex-post Betrachtung mit der Schlussfolgerung einer hohen Bedeutung von Geschaftsmodellinnovatonen.l" Handlungsempfehlungen fUr Geschaftsmodellinnovationen leitet er nicht ab. 114



Stahler (2001) schlielslich behandelt Geschaftsrnodelle in der digitalen Okonomie und untersucht ebenfalls die Musikindustrie. Dabei verwendet er das Schlagwort Geschattsmodeltlnnovation, ohne es jedoch zu erlautern oder zu definieren. 115 Seine Beispiele fur Geschaftsmodellinnovationen in der Musikindustrie beschranken sich auf eine Beschreibung zweier Start-ups.I'" Empfehlungen fur die UnternehmensfUhrung gibt er nicht.

Somit muss konstatiert werden, dass die vorhandenen Dissertationen die aufgeworfenen Forschungsfragen nicht abdecken. Vereinzelt haben auch wissenschaftliche

Artikel zu Geschaftsmodellen das Thema Geschaftsrnodelllnnovation aufgegriffen: •

Rentmeister/Klein (2003) beschaftigen sich mit Begriff und Inhalt von Geschattsrnodellen, verwenden den Terminus Geschattsrnodellinnovatlon - ahnlich wie Stahler - jedoch als Synonym fur innovative Konfigurationen im E-Business statt wie in vorliegender Arbeit als Prozess der tnnovanon.!"



Servatius (2002, 2003) thematisiert in zwei Publikationen sog. Geschattskonzept-Optimierungen bzw. -Innovationen mit Fokus auf E-Business. 118 Dabei entwirft er in Verbindung mit den Perspektiven der Balanced Scorecard eine dreistufige Vorgehensweise aus den Prozessschritten "Verstandnis der Ausgangssituation", "Entwicklung von Innovationskonzepten" sowie "Pilotanwendungen".119 Somit

nimmt er eine

Prozesssicht ein, tragt jedoch zur

Beantwortung der hier gestellten Fragen auf Grund des hohen Abstraktionsniveaus und der Kurze der Abhandlungen nicht bei, Verschiedene eher praxisnahe Publikationen haben ebenfalls Geschaftsrnodelllnnovationen zum Gegenstand:

113

114

115

116

117 118

119

Vgl. Meinhardt (2002), S. 358: "Offensichtlich spielen rim Rahmen des Technologie- und Innovationsmanagements, dV.] neben den Produkt- und Prozessinnovationen tatsachlich auch Geschaftsmodellinnovationen eine wichtige Rolle." FOr eine ausfOhrlichere WOrdigung von Meinhardts Untersuchung als wichtige Vorarbeit fOr die vorliegende Arbeit vgl. die AusfOhrungen in den Kapiteln 2.3.2 sowie 3.1.1. Vgl. Stahler (2001), S. 3, S. 52 sowie S. 85f., wo er evolutionare von revolufionaren Geschattsmodellinnovationen unterscheidet, statt einer Definition oder Erklarunq jedoch Beispiele anfOhrt. Vgl. Stahler (2001), S. 274ff., zu MP3.com sowie Napster. 1m Verlauf seiner AusfOhrungen verweist er auf moqliche Innovationsobjekte ("Value Innovation, Architektur-, Koordinationsmechanisrnus- und Ertragsmodellinnovation", S. 290) ohne diese naher auszuarbeiten. Vgl. Rentmeister/Klein (2003), S. 26f. m.wv. Vgl. Servatius (2002), S. 438ff.; Servatius (2003), S. 157ff. Vgl. Servatius (2003), S. 158; die Balanced Scorecard beinhaltet die Perspektiven Finanzen, Kunden, Prozesse und Potenziale.

- 20-



Hendrix (2003) zeigt fur das Mobile Business Ansatze zur Identifikation innovativer Geschaftsmoglichkeiten auf und stellt Kreativitats- und Analysetechniken zur Ideengenerierung vor. Seine knappen AusfOhrungen beantworten die hier gestellten Fragen nicht. 120



Prahalad (2000) wirft die Notwendigkeit einer Innovation von Geschaftsrnodellen auf und beleuchtet deren HintergrOnde, entwickelt jedoch keine Losunqsansatze

im Sinne der

in vorliegender Arbeit

interessierenden Frage-

stellunqen.!" •

Hamel (2000) schliefslich verfasst ein lebendiges und praxisnahes Pladoyer fur Geschaftsmodellinnovatlonen. Dabei charakterisiert er Geschattsrnodelllnnovationen zwar abstrakt.!" geht jedoch u.a. nicht auf die Fragen der Beurteilung der Zukunftsfahiqkelt eines Geschaftsmodells, der Moglichkeiten einer Geschaftsmodellinnovation sowie des konkreten Auslosens der Innovation ein. Eine theoretische Fundierung zu Geschaftsmodellinnovattonen leistet Hamel ebenfalls nicht.

Zusammenfassend lasst sich festhalten, dass bislang wenige Veroffentlichungen Geschaftsrnodetlinnovationen Oberhaupt thematisieren; die aufgeworfenen For-

schungsfragen werden von keiner Publikation beantwortet. Zumeist werden Innovationen des Geschaftsmodells nur am Rande betrachtet, haufig aus der Perspektive einer bestimmten Branche. Somit behandelt keine der verfUgbaren Quellen den Kern des vorliegenden Forschungsgebiets, d.h. Methoden zur Initiierung einer Gescheftsrnodellinnovation, sodass hier derzeit eine Forschungsli.icke besteht.

1.2

Zielsetzung und Forschungsdesign der Arbeit

Die vorliegende Arbeit soli der UnternehmensfOhrung eine inhaltlich und methodisch fundierte Hilfestellung bei der Initiierung von Geschaftsmodellinnovationen liefern und dazu beitragen, die aufgezeigten Schwierigkeiten beim Erkennen und Beurteilen der Notwendigkeit einer Oeschattsmodellinnovafion sowie bei der Neuausrichtung des Unternehmens zu Uberwinden. Gleichzeitig soli ein Beitrag zum SchlieBen

der Forschungsli.icke geleistet werden. 1m Rahmen der inhaltlichen Zielsetzung sollen zunachst die Charakteristika von Geschattsmodellen sowie die Arten und Merkmale von Geschaftsrnodellinnovatlonen erortert werden, urn Urnfang und Kornplexitat der Thernatik zu erfassen und Gestaltungsspielraurne erkennen zu konnen, Darauf aufbauend soli ein Modell erstellt wer-

120 121 122

Vgl. Hendrix (2003), S. 416ft. Vgl. Prahalad (2000), S. 3f. Vgl. Hamel (2000), S. 17f. sowle S. 65ft.

- 21 -

den, anhand dessen die Adaquanz von Geschaftsrnodellen im Hinblick auf ihre Zukunftstahiqkeit und die Wettbewerbsfahigkeit eines Unternehmens beurteilt werden konnen. Schliel1lich sollen Ansatze zur konkreten Gestaltung entsprechender Instrumente und Prozesse der UnternehmensfOhrung entworfen werden, anhand derer eine Gescheftsrnocetllnnovation initiiert werden kann. Bei dem Innovator eines Geschaftsmodells kann es sich sowohl urn einen Unternehmer oder Geschaftsfuhrer eines bestehenden Unternehmens handeln als auch urn einen Entrepreneur, der mit einem innovativen Geschaftsrnodell ein Start-up grOndet. Der Terminus Innovation soli subjektivistisch, d.h. aus Sicht des Kenntnis- und Vorbereitungsstandes des Innovators, verwendet werden. 123 Dies hat u.a. den Vorteil, dass nicht nur Innovationen im Sinne von Weltneuheiten betrachtet werden, etwa die Geschaftsmodelle von Dell sowie von Southwest Airlines. Vielmehr werden auch solche Konstellationen einbezogen, in denen ein Unternehmen sein Geschaftsrnodell innoviert und dabei ein bereits existierendes Geschaftsmodell Obernimmt, etwa im Fall von Ryanair, das sich beim Umbau seines Geschattsrnodells an Southwest Airlines orientiert hatte. Bezogen auf die Methodik der Arbeit kommt es vor allem darauf an, dass die zu entwickelnden Definitionen, Vorgehensweisen und Instrumente einen aligemeingOltigen Charakter aufweisen, d.h. weder auf dem Niveau beispielhafter Aufzahlunqen und damit an der Oberflache bleiben noch an Industriespezifika ausgerichtet werden, die auf andere Branchen oder Konstellationen nicht Obertragbar waren. Vielmehr sollen abstrakt formulierte Ansatze entworfen werden, die auf spezifische Einzelfalle angewandt bzw. bei Bedarf adaptiert werden konnen, Dazu mOssen die Einflussgror..en des Forschungsproblems identifiziert und ihre Zusammenhange in einem Bezugsrahmen abgebildet werden, der eine Beantwortung unterschiedlichster, unternehmensspezifischer Fragestellungen ermoglicht. 124 Der Bezugsrahmen besitzt somit eine Orientierungs- oder Problemlosunqsfunktion, ohne inhaltliche l.osunqen, d.h. die konkrete Ausgestaltung des zu implementierenden Geschaftsrnodells, vorzugeben. 125 Damit ist die Forschungskonzeption 126 der vorliegenden Arbeit in der De123

124

125 126

Zur subjektivistischen Verwendung des lnnovationsbegriffs vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 2.3.1 der vorliegenden Arbei!. Vgl. Porter (1991), S. 98: "A framework (...) encompasses many variables and seeks to capture much of the complexity of actual competition. Frameworks identify the relevant variables and the questions which the user must answer in order to develop conclusions tailored to a particular industry and company." Vgl. Volz (1997), S. 14ff. Chmielewicz (1994), S. 8, versteht unter Forschungskonzeptionen "eine Sammelbezeichnung und den Versuch einer Systematik fOr verschiedene als solche bekannte und eingefOhrte Forschungsrichtungen, die in der Wirtschaftswissenschaft und in anderen wissenschaftlichen Disziplinen auftreten" und unterscheidet folgende vier Moglichkeiten (vgl. Chmielewicz (1994), S. 9ff.): • Die Begriffslehre befasst sich mit der Festlegung von Definitionen und Begriffsabgrenzungen und verfolgt dies als essentialistisches Wissenschaftsziel, also zum Selbstzweck. • Die Wirtschaftstheorie strebt ein theoretisches Wissenschaftsziel an und bildet theoretische Aussagen in Form von Ursache-NVirkungs-Zusammenhangen, wobei die Aussagen wahrheitsfahig sind und empirischen Informationsgehalt aufweisen.

- 22-

finitorik von Chmielewicz in die sog. Wirtschaftstechnologie einzuordnen, die ein pragmatisches Wissenschaftsziel mit wahrheitsfahigen Aussagen und mit empirischem lntorrnationsqehalt" verfolgt: Ergebnis der Untersuchung sollen liel-/MittelZusamrnenhanqe ohne normative Werturteile sein. 1m Kontext der vorliegenden Forschungsfragen bedeutet dies, dass Geschaftsmodellinnovationen eine lielsetzung der UnternehmensfOhrung im Umgang mit den beschriebenen Herausforderungen im Wettbewerb darstellen. Ais Mittel zur Initiierung einer Geschaftsrnodellinnovation bietet sich der in vorliegender Untersuchung zu entwickelnde Ansatz an, anhand dessen die Zukunftsfahlqkelt eines Geschaftsmodells beurteilt werden kann und mit Hilfe dessen zukunftsbezogene Informationen zur Generierung von Geschaftsmodelloptionen und zur Neuausrichtung des Unternehmens gewonnen werden konnen, Anders formuliert: Wenn ein potenzieller Innovator das liel der Geschattsmodelllnnovation verfolgt, so kann er als Mittel dazu das zu erarbeitende Instrumentarium einsetzen, um zu beurteilen, ob eine Geschaftsrnodellinnovation sinnvoll oder notwendig ist, welche Innovationsoptionen zur VerfOgung stehen, wie die Dringlichkeit der Geschaftsmodellinnovation slnzuschatzen und wie somit das Timing zu gestalten ist. Die zu entwickelnde Theorie gibt jedoch kein normatives Werturteil vor, sondern die UnternehmensfOhrung muss situationsspezifisch beurteilen, ob das liel Geschattsmodellinnovation zu verfolgen ist und welche Vorgehensweise dazu ggf. zu implementieren ist. Angesichts der Breite des aufgerissenen Themenspektrums Geschaftsrnodellinnovation muss hier eine inhaltliche Abgrenzung der Themenstellung vorgenommen werden. Wie in den bisherigen AusfOhrungen schon deutlich wurde, befasst sich die vorliegende Arbeit nicht mit dem vollstandigen Managementprozess einer Geschaftsrnodellinnovation im Sinne von Planung, Steuerung bzw. Umsetzung und Kontrolle.128 Die Untersuchung soli sich vielmehr auf die Planung und dort auf die •

127

128

Die Wirtschaftstechnologie verfolgt ein pragmatisches Wissenschaflsziel in Form von Ziel-/ Mittel-Aussagen, die ebenfalls wahrheitsfahiq und empirisch informativ sind. • Die Wirtschaftsphilosophie generiert normative Aussagen oder Werturteile; diese sind nicht wahrheitsfahiq und enthalten keinen Informations-, sondern einen normativen Anweisungsgehalt. Wahrheitsfahige Aussagen bezeichnen faktisch wahre oder falsche im Gegensatz zu logisch wahren oder falschen Aussagen. Die Wahrheit faktisch wahrer Aussagen kann daher nur anhand der Realitat oder Empirie begrOndet werden. Faktisch wahre Aussagen entsprechen Tatsachen, wanrend faktisch falsche Aussagen Sachverhalte wiedergeben, die sich in der Realitat als falsch herausstellen, vgl. Chmielewicz (1994), S. 90ff., insb. S. 94 i.V.m. S. 9. Logische Aussagen lassen sich durch einen Beweis als wahr oder falsch bestatiqen, wahrend wahrheitsfahiqe Aussagen sich nur verifizieren, d.h. durch Beobachtung der Realitat bestatiqen oder falsifizieren, d.h. widerlegen, lassen, vgl. Chmielewicz (1994), S. 100 i.V.m. S. 91. Der Informationsgehalt einer wahrheitsfahiqen Aussage besagt, wie informativ - im Gegensatz etwa zu trivial oder wertlos eine Aussage hinsichtlich der Realitat ist. Der Informationsgehalt steigt, je mehr Sachverhalte durch eine Aussage ausgeschlossen oder falsifiziert werden konnen, vgl. Chmielewicz (1994), S. 123f. Zum Prozess des Managements vgl. etwa Hungenberg (2001), S. 18ff.

- 23-

entscheidenden Aspekte der Initiierung einer Geschaftsrnodellinnovation fokussieren:

129

ob ein Geschaftsmodell innoviert werden sollte, wann ein solcher Umbau ein-

geleitet werden muss, welche Methoden dabei zum Einsatz kommen sollten und welche Optionen im Sinne grundsatzlicher Innovationsrichtungen zur VerfOgung stehen. Werden diese Fragen in der Praxis systematisch und methodisch richtig beantwortet, ist der wesentliche erste Schritl einer erfolgreichen Geschaftsrnodellinnovation geleistet. Die generierten Optionen zukOnftiger Geschaftsrnodelle sind anschliefsend unternehmensspezifisch zu bewerten und die als optimal beurteilte Variante ist entsprechend umzusetzen. In Bezug auf die Umfange und insbesondere die Reihenfolge der Entwicklung von Theorie und der Empirie in Form von Fallstudien bestehen in der Literatur zwei rnoqllche Vorgehensweisen. Das Forschungsdesign gemaB Yin sieht zunachst die Theorieentwicklung vor, um anhand einer vorlautiqen Theorie die Beobachtungen der Empirie verstehen bzw. bewerten zu konnen.P" DemgegenOber schlaqt Eisenhardt ein Forschungsdesign vor, bei dem der Forscher unvoreingenommen durch theoretische Vorarbeit die Empirie untersucht und anschlielsend die Beobachtungen mit relevanten Theorien abgleicht, um bei fehlender Erklarbarkeit die Theorien entsprechend weiterzuentwickeln.l" In vorliegender Arbeit soli dem Forschungsdesign von Yin gefolgt werden und zunachst die vorhandene Theorie zu Geschaftsrnodellen und zum Innovationsmanagement aufbereitet und zu einer Theorie der Geschaftsmodellinnovation weiterentwickelt werden. Dazu sollen jedoch jeweils praqnante Beispiele aus der Praxis herangezogen werden, um die theoretischen AusfOhrungen praxisorientiert zu veranschaulichen.

1.3

Vorgehensweise

In Kapitel 1.3 wird kurz erlautert, wie die Ziele der vorliegenden Arbeit im Verlauf der Untersuchung verfolgt werden. Abbildung 1.1 visualisiert den Aufbau der Arbeit.

129

130

131

Die vollstandiqe Planung der Geschaftsmodellinnovation wOrde in Anlehnung an den Managementprozess auch Bereiche wie Alternativenbewertung und Entscheidung fur eine Alternative beinhalten, vgl. Hungenberg (2001), S. 20, zum Managementprozess. Diese beiden Aspekte lassen sich jedoch nicht mehr aligemeingOltig und abstrakt abhandeln, sondern hanqen u.a. vom Unternehmens- und Branchenkontext abo Sie werden daher in vorliegender Arbeit nicht explizit betrachtet, weshalb als Themenstellung auch nicht die Planung, sondern die Initiierung der Geschaftsmodellinnovation als wesentlicher Bestandteil der Planung gewahlt wurde. Vgl. Yin (1994), S. 27: "Among other considerations, the relevant field contacts depend upon an understanding - or theory - of what is being studied." Vgl. Eisenhardt (1989), S. 533ff., die dazu folgendes achtstufige Vorgehen entwickelt hat: Formulierung von Forschungsfragen, Auswahl von Fallstudien, Entwicklung der Methodik zur Datenerhebung und -dokumentation, Datenerhebung, Datenanalyse je Fallstudie sowie "cross-case" Analyse, Hypothesenformulierung, Literatur-fTheorieabgleich der Hypothesen, Erweiterung der vorhandenen Theorie.

- 24-

Zunachst wird in Kapitel 2 eine Charakterisierung von Geschaftsmodellen und Geschaftsmodellinnovationen als Untersuchungsgegenstand der Arbeit angestrebt. Dazu wird nach der BegrOndung von Relevanz und Aktualltat von Geschaftsrnodellen der Stand der Forschung dargestellt und die Definition eines Geschattsmodells fOr die vorliegende Untersuchung hergeleitet. Anschlielsend werden wesentliche Grundlagen des Innovationsmanagements auf Geschaftsrnodelle Obertragen sowie die Definition und Typologie von Geschaftsrnodellinnovationen entwickelt. Schllefslich werden in Kapitel 2 das Konstrukt Geschaftsrnodell von einer Strategie sowie Geschaftsmodellinnovationen von Strategieinnovationen abgegrenzt. Urn erfolgreiche Geschaftsmodellinnovationen initiieren zu konnen, muss Klarheit bezOglich der weiteren Traqfahiqkeit bestehender Geschaftsrnodelle sowie der Erfordernis einer Innovation erzielt werden. Zu diesem Zweck wird in Kapitel 3 ein allgemeingOltiges Lebenszyklusmodell fOr Geschaftsmodelle entwickelt. Wesentliche Bedeutung kommt hier der eingenommenen Perspektive hinsichtlich der Steuerbarkeit der Unternehmensentwicklung durch die UnternehmensfOhrung zu. Nach einer entsprechenden Diskussion in Zusammenhang mit Lebenszyklen werden die wichtigsten Lebenszyklus- sowie Innovationsmodelle vorgestellt. Basierend auf diesen Modellen werden der Lebenszyklus von Geschaftsrnodellen formuliert sowie Implikationen in Bezug auf Geschaftsmodellinnovatlonen erlautert. Kapitel 3 beinhaltet dementsprechend ein grundlegendes Modell, anhand dessen Logik und HintergrOnde einer Geschaftsmodellinnovation transparent werden und - im konkreten Praxisfall die Notwendigkeit einer Geschaftsmodelllnnovatlon abgeleitet werden kann. Der nachste Schritl im Prozess der Initiierung einer Geschaftsrnodellinnovatlon besteht in der Festlegung von Richtung und Timing der Geschaftsrnooellinnovafion. Dazu sind zukunftsbezogene Informationen und Analysen erforderlich, urn entsprechende Chancen und Risiken zu erkennen und zu bewerten. Den Aufbau derartiger Informationsinstrumente sowie generelle Erfolgsvoraussetzungen einer Geschaftsmodellinnovation zu thematisieren ist Zielsetzung von Kapitel 4. Zur Generierung der benotiqten Informationsbasis werden Ansatze eines FrOhwarnsystems entwickelt, auf dessen Grundlage Szenarien erstellt und zukunftsfahige Geschaftsrnodelle erarbeitet werden k6nnen. Reflexionen zur erforderlichen unternehmerischen Flexibilitat als Grundlage einer erfolgreichen Geschaftsrnodelllnnovation sowie zusammenfassende Hinweise zum Timing einer Geschaftsmodellinnovation runden Kapitel 4 abo Urn die Erkenntnisse der vorliegenden Arbeit Ober die Praxisbeispiele in den einzelnen Kapiteln hinaus durchqanqiq anzuwenden und dabei im Zusammenhang zu verifizieren, wird in Kapitel 5 eine umfassende Fallstudie zur Geschaftsmodelllrmovatlon in der Musikindustrie ausgearbeitet. Dazu werden zunachst ein Oberblick Ober die Fallstudienmethodik gegeben sowie Forschungsdesign und Auswahl der untersuchten Branche erlautert. Danach wird die Fallstudie beschrieben, wobei die entwickel-

- 25-

ten theoretischen Konzepte der Arbeit herangezogen werden. Eine Analyse der Fallstudie zieht Schlussfolgerungen bezOglich der entwickelten Theorie sowie zum konkreten Umgang mit Geschaftsmodelllnnovationen in der Musikindustrie. Kapitel 6 fasst die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung zusammen und schliefst die Arbeit mit einem kurzen Ausblick abo

Kapitel1

EinfUhrung 1.1 Problemstellung 1.2 Zielsetzung und Forschungsdesign der Arbeil 1.3 Vorgehensweise

V

Charakteristika von Geschaftsrnodellen und Geschaftsrnodetlinnovationen 2.1 Bedeu tungswandel und Aktualltat von Geschaftsmodellen 2.2 Charaklerislika von Geschaftsmodellen 2.3 Charakteristika von Geschaftsmodelllnnovationen

Kapitel2

V

Kapitel3

Lebenszyklus von Geschiiftsmodellen als Grundlage fUr Initiierung und Timing einer Geschliftsmodellinnovation 3.1 Einsatz von Lebenszyklusmodellen in der UnternehmensfOhrung und bei Geschattsrnodellinnovationen 3.2 Lebenszyklusmodelle und dynam ische Innovalionsmodelle als Basis fOr Geschaflsmodelllebenszyk ien 3.3 Ableitung eines Lebens zyklusmodells fOr Geschaftsmodelle

V

Initiierung und Erfolgsvoraussetzungen von Geschaftsmodellinnovationen 4.1 Best immung von Lebenszyklusposition und Innova tionsbedarf eines Geschaftsrnodetls auf Basis von FrOhaufklarungssystemen 4 .2 Generierung zukOnftiger Geschaftsrnodelle mil Hilfe von Szenarien 4 .3 Erfolgsvoraussetzungen von Geschaftsrnodellinnovationen

Kapitel4

V

Kapitel5

V

Kapitel6

Abb.1.1

- 26-

Fallstudie zur Geschaftsmodellinnovation 5.1 Fallsludienmelhodik und Konzeption der Fallstudie zur Geschaftsmodellinnovalion 5.2 Geschaftsmodell und Geschaftsmodetlinnovation in der Mus ikindustrie

I

Zusammenfassung und Ausblick

Aufbau der Arbeit

I,

2

Charakteristika von Geschaftsmodellen und Geschaftsmodellinnovationen

Kapitel 2 legt die definitorischen und konzeptionellen Grundlagen zu Geschaftsmodellen und Geschaftsmodellinnovationen. Dazu werden in Kapitel 2.1 die inhaltliche Entwicklung sowie Aktualltat des Konstrukts Geschattsrnodell hergeleitet. Anschlielsend wird in Kapitel 2.2 auf Basis des aktuellen Forschungsstands die Definition eines Geschaftsrnodells entwickelt und innerhalb des strategischen Managements eingeordnet. In Kapitel 2.3 werden Geschaftsmodellinnovatlonen definiert und eine entsprechende Systematik von Kategorien erarbeitet; darUber hinaus werden Geschaftsmcdellinnovationen zu weiteren Innovationskonzepten in Beziehung gesetzt.

2.1

Bedeutungswandel und Aktualitat von Geschiiftsmodellen

1m Foigenden wird zunachst ein Oberblick Uber Geschaftsrnodelle in ihrer ursprUnglichen Bedeutung in der Wirtschaftsinformatik gegeben (Kapitel 2.1.1). Anschliefsend wird ihr Bedeutungswandel in den 1990er Jahren thematisiert (Kapitel 2.1.2). Theoretische Grundlagen und HintergrUnde der Aktualitat von Geschaftsrnodellen in Theorie und Praxis sind Gegenstand von Kapitel 2.1.3.

2.1.1

UrsprOngliche Bedeutung des Begriffs Geschaftsmodell in der Wirtschaftsinformatik

Der Begriff Geschaftsmodell geht auf die Anfange der Wirtschaftsinformatik in den 1970er Jahren zuruck und bezeichnet das Ergebnis der sog. Geschaftsmodellierung. 132 Dabei handelt es sich um die Erlassung und Darstellung von Informationsstrornen als Ausgangspunkt einer Modellierung von Geschaftsprozessen und Informationssystemen im Unternehmen.l" Mit Methoden wie ARIS oder UML werden dazu 1st-Prozesse, etwa zur Kundenauftragsabwicklung, abgebildet sowie optimierte Referenzprozesse erarbeltet.P' Die damit verlolgten Ziele sind sowohl organisatorischer als auch informationstechnischer Art. 135 Betriebswirtschaftlich-organisatorisch dient die Geschaftsmodellierung in verschiedener Hinsicht der Effizienzsteigerung: Indem Zustandigkeiten und Verantwortungsbereiche im Unternehmen transparent gemacht werden, wird die innerbetriebliche Kommunikation zwischen (IT-)technischen und kaufrnannischen Funktionalberei-

132

133 134

135

Vgl. Rentmeister/Klein (2003). S. 18. Zur Historie der Wirtschaftsinformatik vgl. Heinrich/Roithmayr (1992), S. XII, sowie Mertens/Bodendorf/Konig/Picot/Schumann/Hess (2004), S. 5f. Vgl. Bailer (1993). S. 28; NilssonfTolis/Nellborn (1999), S. 1; Schoegel (2001), S. 10. Vgl. Bailer (1993), S. 23; Stahler (2001), S. 38. ARIS bedeutet "Architecture of Integrated Information Systems", UML ist das Akronym fOr "Unified Modeling Language". Vgl. ScheerfThomas/Wagner (2003), S. 744.

- 27-

chen erlelchtert.l" Gleichzeitig wird das innerbetriebliche Wissensmanagement unterstutzt, indem Organisationswissen in Form von Referenzmodellen gespeichert wird.

137

DarOber hinaus beabsichtigt die Geschaftsrnodellierunq organisatorische Op-

timierungen durch

Umgestaltung der Informations- und

Geschaftsprozesse.l'"

Schliefslich kann die resultierende Prozessdokumentation zur Zertifizierung sowie unternehmensintern zur Kostenkalkulation von Geschaftsprozessen genutzt werden. 139

Informationstechnisch zielt die Geschaftsrnodellierunq auf eine Aufwandssenkung im Software-Bereich. Hintergrund sind die enormen Kosten einer SoftwareeinfOhrung, die haufig mehr als das FOnffache des Anschaffungspreises betragen und trotz sinkender Hard- und Softwarekosten aktuell steigende Tendenz aufweisen."? Die Geschaftsrnodetlierunq verspricht dabei sowohl in der FrOhphase einer unternehmensinternen Software-Entwicklung als auch bei der Implementierung von Standard-Software wie ERP-Systemen Abhilfe:

141

Informationssysteme k6nnen mit

Hilfe von Referenzmodellen, Modellierungstechniken sowie einem automatisierten Soll-/Ist-Abgleich systematisch geplant und Unternehmensspezifika wie organisatorische Gegebenheiten k6nnen frOhzeitig berOcksichtigt oder angepasst werden. ' 42 Abhangig vom Verwendungszweck kommen unterschiedliche Modellierungswerk-

zeuge zum Einsatz, um die Prozesse in strukturierter Form zu cokumentteren.l" Visualisierungswerkzeuge wie Funktionsanalysediagramme oder eine hierarchische Dekomposition von Organigrammen werden vor allem bei der Prozessdokumentation verwendet. Analyse- und Modellierungstools wie ARIS eignen sich gleichermar..en fur Dokumentation, Prozessanalyse und die Erstellung des Fachkonzepts. Computer Aided Software Engineering-Tools finden mit Datenmodellen im Wesentlichen bei der Erarbeitung des Datenverarbeitungskonzepts Anwendung. Programmierumgebungen unterstutzen schwerpunktrnafsiq die Phase der Implementierung. Der Prozess der Geschaftsmodellierung kann in drei Schritten erfolgen:

144

Zu-

nachst werden durch den Prozesseigner Ziele und verfOgbare Ressourcen der Geschaftstatiqkeit dokumentiert. Darauf aufbauend k6nnen durch Prozessentwickler Strukturen und Geschaftsprozesse definiert und Ressourcen zugeteilt werden. Auf

136

137 138

139 140 141 142

143

144

Vgl. Bailer (1997), S. 28; Nilsson (1999), S. 269; Lindstrom (1999), S. 152; Rentmeister/Klein (2003), S. 18. Vgl. Lindstrom (1999), S. 152; Willars (1999), S. 306; Scheer/ThomaslWagner (2003), S. 745. Vgl. Willars (1999), S. 307; Rentmeister/Klein (2003), S. 18; Scheer/ThomaslWagner (2003), S.745. Vgl. Scheer/ThomaslWagner (2003), S. 745. Vgl. Scheer/ThomaslWagner (2003), S. 746. Vgl. Bailer (1997), S. 29; Stahler (2001), S. 38. ERP steht fur Enterprise Resource Planning. Vgl. Scheer/ThomaslWagner (2003), S. 746f. Vgl. Scheer/ThomaslWagner (2003), S. 758f.; Bailer (1993), S. 28; Rentmeister/Klein (2003), S. 18; sowie Eriksson/Penker (2000), S. 4 und S. 17ft. Vgl. Eriksson/Penker (2000), S. 3.

- 28-

Grundlage eines solchen Geschattsrnodells konnen Systementwickler schliefslich das Informationssystem zur DurchfUhrung der Geschaftstatiokeit konfigurieren.145 Geschaftsmodellierung in seinem urspriinglichen Begriffsverstiindnis bezeichnet also eine vergleichsweise operative Tatigkeit,146 die sich zumeist auf Ebene einzeiner Funktionalbereiche abspielt, in der Regel engen Bezug zur Informationstechnologie aufweist und als Gestaltungsobjekte die Unternehmensprozesse modelliert. 2.1.2

Aktuelle Bedeutung von Geschaftsmodellen im Kontext der Unternehmensfiihrung

Seit Mitte der 1990er Jahre hat der Begriff Geschaftsmodell einen inhaltlichen Wandel sowie ungeahnte Verbreitung erfahren: Geschaftsmodelle bezeichnen in erster Naherunq eine ganzheitliche Beschreibung unternehmerischer Tatigkeit in aggregierter Form ;147 damit betrifft das Geschattsrnodell strategische Fragestellungen auf Gsschaftsbereichs- oder Unternehmensebene mit Ausw irkungen auf sarntliche Funktionalbereiche. In diesem Begriffsverstandnis sind Geschaftsrnodelle gleichermafsen Diskussionsgegenstand in Wissenschaft, Unternehmen und der Offentlichkeit , sodass der Begriff z.T. als modisches "Buzzword,,148 angesehen wird. Darauf scheint auch eine Internet-Recherche nach dem Terminus Geschaftsrnodell bei der Suchmaschine Google 149 hinzudeuten : Ergab eine entsprechende Suche im Mai 2001 noch rund 10.900 Treffer,150 so umfasste die Ergebnisliste der gleichen Recherche im August 2004 bereits 70.200 Eintrage sowie im Juni 2005 sagar 229.000 Ergebnisse. 151 Chronologisch wie inhaltlich fallen die zunehmende Popularitat des Begriffs und sein Bedeutungswandel mit Entstehung und Boom der New Economy zusammen.152 Start-ups begannen, unter dem Schlagwort des innovativen Geschsftsmodells ihr Leistungsangebot, ihre oftmals internetspezifischen Wettbewerbsvorteile sowie ihre Differenzierung von Konkurrenten der Old Economy herauszustellen. P" Dadurch versuchten sie einerse its die Aufmerksamkeit potenzieller Kaufersch ichten 145

146 147 148 149 150 151

152 153

Vgl. Eriksson/Penker (2000), S. 3; ScheerfTh omaslWagner (2003), S. 743f. Ais Grundsatze ordnungsgemaBer Modellierung gellen dabei die Prinzipien der Richtigkeit, Relevanz , W irtschaftlichkeit, Klarheit, Vergle ichbarkeit sowie des systemat ischen Aufbaus . Vgl. Lindstrom (1999), S. 152. Vgl. im Detail die AusfOhrungen in Kapitel 2.2 der vorliegenden Arbeit. Vgl. Magretta (2002) , S. 86. Webadresse www.google.de. Vgl. Knyphausen-AufseB/Meinhardt (2002), S. 64. Recherche des Verfassers am 15.08.2004 sowie am 18.06.2005. Zu berOcksichtigen ist hier die Tatsache , dass im entsprechenden Zeitraum die Anzahl der Internetseiten insgesamt sowie der von Suchmaschinen erfassten Seiten ebenfalls zugenommen hat; an der exponentiell gestiegenen Begriffsverwendung dOrfte dies jedoch nur einen unterproportionalen Anteil haben. Vgl. Schoegel (2001), S. 10; Stahler (2001). S. 37. Vgl. Stahler (2001), S. 37.

- 29 -

zu gewinnen und den Markt zu entwickeln. Andererseits galt es, anhand des Geschaftsmodells Business Plane zu schreiben 154 und Venture Capital-Gesellschaften von der Zukunftstahiqkelt und FinanzierungswOrdigkeit der Geschattsidee zu ubsrzeugen. DarOber hinaus honorierten die Aktienrnarkte lange Zeit jeden Hinweis auf Internet-gestotzte Bestandteile eines Geschaftsmodells, Folglich wurden nicht nur Start-ups wie das Unternehmen Amazon zum Gegenstand der Analyse, sondern das von Amazon begrOndete Geschaftsrnodell sowie dessen Zukunftsperspektiven im Vergleich zu seinen Wettbewerbern der Old Economy.155 Letztlich verdankt der E-Commerce insgesamt seine rasche Verbreitung vor allem neuen Geschaftsmodellen: "In just three or four short years, e-commerce has evolved at lightning speed through a succession of persuasive business models and approaches.v" Genau wie der Hi:ihenflug der New Economy am Aktienmarkt fUhrte ihr Niedergang ab dem Jahr 2000 zu Diskussions- und Analysebedart.!" Dabei bedeutete in vielen Fallen das Scheitern von Internetfirmen auch das Scheitern des gewahlten Geschaftsrnodells auf Grund seiner fehlenden Plausibilitat,158 DarOber hinaus zerbrachen Geschaftsrnodelle an Fehlern in der Umsetzung der Geschaftsidee sowie unzureichender Fokussierung des Geschattsrnodells.l'" Schliefslich fUhrte der Boom der New Economy zu einem Verdrangungswettbewerb von Internetunternehmen untereinander, die sich zum Teil nur um Nuancen unterschieden; der resultierende Wettbewerb um "Aufmerksamkeit" betraf Absatz- und Kapitalmarkt gleicherma~en, wobei die Konsumenten in der FOlie neugegrOndeter Unternehmen und Geschattsmodelle z.T. gar nicht mehr differenzieren konnten.l'" Viele Geschaftsrnodelle hatten daher keine hohen Oberlebenschancen:

154 155

156 157

156

159

160

Zur inhaltlichen Nahe von Business Planen und Geschaftsrnodellen vgl. Magrella (2002), S. 89. Zur Historie des Online-Buchhandlers Amazon vgl. etwa Hutzschenreuter (2000), S. 89f.; zum Geschaftsmodell von Amazon vgl. etwa AfuahfTucci (2001), S. 158ft.; zu den Wellbewerbsvorteilen des Geschaftsmodells vgl. auch Rentmeister/Klein (2003), S. 25. Rayport (1999), S. 5. Erklarunqsansatze beinhalten einerseits die fehlende Beachtung wirtschaftlicher Grundlagen wie Kostenmanagement oder Finanz- und Liquiditatsplanunq, zumal viele Start-ups geradezu stolz waren auf eine hohe sog. Cash Burn Rate, vgl. Frohlinq (2002), S. 33. Andererseits wurden vie 1fach Fehler bei der Etablierung des Unternehmens gemacht, indem etwa zu frOh auf das Erreichen der Gewinnschwelle spekuliert wurde, vgl. Kollmann (2003), S. 60. Vgl. AhlertiBackhaus/Meftert (2001), S. 32; Leister (2001), S. 504. Demnach hallen sich manche UnternehmensgrOnder eher an technischer Machbarkeit stall an Plausibilttat orientiert. Vgl. Leister (2001), S. 504; Clement (2001), S. 42; All/Zimmermann (2001), S. 3: Einige Unternehmer hallen ihre Geschaftsidee in einem wenig Erfolg versprechenden Geschaftsmodell umgesetzt oder aber angesichts zahlreicher Option en nicht ausreichend auf Einzigartigkeit und Wellbewerbsvorteile fokussiert. Vgl. Rentmeister/Klein (2003), S. 27 sowie fOr Medienunternehmen Killius/Muelier-Oerlinghausen (1999), S. 141.

- 30-

"Each business model seemed viable only for a few minutes or hours, not weeks or months or years.'?" "To succeed online, enterprises must above all be flexible to accommodate both business and technology change. In the Net economy, business models can change overnight (... ) New opportunities can spring up on the Web without a moment's notice. To take advantage of opportunities and ward off challenqers, even the most entrenched businesses must be prepared to adapt."r62 Als einer der grol1ten Flops unter den New Economy-Unternehmen gilt die Firma Boo.com:163 Deren Idee, hochwertige Designermode Ober das Internet zu vertreiben, war zum Scheitern verurteilt, da sich Mode im Hochpreissegment anders als Standardware nicht verkauft, ohne sie aus der Nahe gesehen bzw. anprobiert zu haben. Das Geschaftsmodell von Boo.com war daher nicht tragfahig. Der Niedergang von Unternehmen bzw. Geschaftsmodellen der New Economy vollzog sich schlielslich so rasant, dass die Zeitschrift WirtschaftsWoche eine eigene Rubrik mit dem Titel "Dot-Gone der Woche" eingerichtet hatte: Dort wurde jede Woche ein weiteres Unternehmen der New Economy vorgestellt (bzw. verabschiedet), das Insolvenz angemeldet hatte.' 64 Zeitversetzt zur beschriebenen Entwicklung in der New Economy wurden Begriff und Konzept des Geschaftsmodells auch in der sog. Old Economy relevant. Zum einen schwappte die Geschaftsmodell-Dlskusslon auf Grund der fundamentalen Hoherbewertung von Aktienkursen und Borsenkapitalisierung von Wettbewerbern aus der New Economy auf eingesessene Unternehmen ohne jegliche lntemetaffinitat Ober. Viele Old Economy-Firmen begannen daher, ihr Geschaftsmodell zu OberprOfen und E-Business-Komponenten zu inteqrieren.l'" "Where e-business has had a genuine and sometimes powerful effect is in the transformation of established companies. Even as the headlines have blared about the bust of first B2C and then B2B firms, these older giants have been quietly taking to new technology and the Internet with a new purpose.,,166 Ais symptomatisch kann die Transformation von General Electric angesehen werden, deren damaliger CEO Jack Welch das Thema Internet - zumindest GerOchten zufolge - erst dann mit Nachdruck verfolgen liel1, als er 161 162 163 164

165

166

Rayport (1999), S. 5. Hoque (2000), S. 131f. Vgl. Kollmann (2003), S. 60. Das erste derartige Unternehmen war das Finanzportal Moneyshelf der Deutschen Bank, vgl. O.V. (2001 - Dot-Gone), S. 130. Vgl. Frischmuth/Karrlein (2001), S. 14. Vielfach gingen Unternehmen zur elektronischen Abwicklung von Geschiiftsprozessen Ober, z.T. wurden separate E-Business-Sparten oder Tochtergesellschaften gegrOndel.

a.v. (2001

- older), S. 10.

- 31 -

seine Familie den weihnachtlichen Einkaufsbummel 1999 via E-Commerce erledigen sah. Von da an erhielt die Internet-Nutzung bei General Electric "die Prioritaten eins, zwei, drei und vier", wodurch bereits 2001 Oberden privaten Marktplatz von General Electric hOhere Transaktionsvolumma abgewickelt wurden als auf allen unabhanqiqen 828-Marktplatzen zusamrnen.!" Zum anderen nutzten einige Unternehmen wahrend des Niedergangs von Neuem Markt und New Economy die Gunst der Stunde, in Not geratene Start-ups zu Obernehmen und so ihre Geschaftsrnodelle zu diversifizieren.l '" Letztlich fand eine Vermischung von New und Old Economy-Geschaftsmodellen statt, da gleichzeitig verschiedene New Economy-Firmen ihre Geschattstatiqkeit in Teilbereichen "entvirtualisierten" . So begann etwa der Online-Buchhandler Amazon im Jahr 2000, physische Waren lager zu bauen, und rOckte damit von der klassischen , rein virtuellen Strategie von New Economy-Unternehmen aboDarOber hinaus offnete Amazon seinen Markennamen fOr Handler zahlreicher Produktkategorien, indem Amazon sog. zShops in seine Homepage integrierte und Handlern ohne eigenen Internetauftritt eine Marktplattform bot. Amazon selbst stellte damit sein Geschatt auf eine zusatzliche Grundlage und konnte fortan mit diversifizierten Online-Shopping Malls konkurrieren.l" Verschiedentlich wird daher heute von der Aufhebung der Dichotomie von New und Old Economy gesprochen .170 Foigerichtig wird das Konstrukt Geschaftsmodell mittlerweile in allen Konstellationen unternehmerischer Aktivitaten als nutzbringend und wichtig anqesehen.'?' Zusammenfassend lassen sich anhand der bisherigen AusfOhrungen zwei wesentli-

che Ergebnisse festhalten: Geschaftsmodelle sind aktuelle und relevante Kon-

167

Vgl. a.V . (2001 - Welch), S. 8St.

'68

Vereinzelt gab es auch den umgekehrten Fall von Obernahmen von Old Economy- durch New Economy-Unternehmen . Die erste in der Offentlichkeit wahrgenommene Transaktion dieser Art war die Obernahme des Medienkonzerns Time Warner durch das Internetportal AOL Anfang 2000. Aufsehen erregte der Vorgang nicht nur als Prazedenzfall sowie auf Grund der Tradition von Time Warner , sondern auch auf Grund der Tatsache, dass Time Warner deutlich umsatzstarker als AOL war. Zur strategischen Logik dieser Obernahme vergleiche Sjurts (2000), S. 128ft. Vgl. AfuahfTucci (2001), S. 162f. Amazon sieht sich selbst daher auch nicht mehr als Buchhandler, sondern als "Information-Broker ", vgl. Hutzschenreuter (2000), S. 107. Neben Amazon hatten seinerzeit auch andere namhafte New Economy-Unternehmen wie etwa Yahoo Partnerschaften mit Old Economy-Unternehmen geschlossen , vgl. Riecke (2001). Vgl. Zahn (2001), S. 15. Hutzschenreuter (2000), S. 25, spricht generell von realer und InternetOkonomie und weist darauf hin, dass diese sich analog nicht mehr voneinander trennen lassen, sondern srqanzende Moglichkeiten der Abwicklung von Markttransaktionen darstellen: Da viele Kunden sich im Internet informieren, die Transaktion aber im stationaren Einzelhandel tatigen (oder ggf. auch umgekehrt), lassen slch auch die urnsatze von E-Commerce bzw. klassischem Einzelhandel nicht mehr verursachungsgere cht zuordnen . Vgl. Chesbrough (2003), S. 63.

169

170

171

- 32-

strukte in der Unternehmenspraxis, deren Bedeutung sich in der offentlichen Wahrnehmung ebenso wie in Presseberichten widerspiegelt; dies gilt fur Unternehmen von New und Old Economy, deren Grenzen nicht zuletzt auf Grund der Geschaftsmodelldiskussion zunehmend verschwimmen. Daneben ist in den Beispielen bereits der grundlegende Begriffswandel des Geschaftsrnocells deutlich geworden: Geschattsrnodelle besitzen hochste strategische Relevanz und wirken sich auf sarntliche Funktionen und Bereiche des Unternehmens aus. FOr einen Oberblick Ober bestehende Geschattsrnodelldefinitionen sowie eine ausfOhrliche Herleitung des Begriffsverstandnisses in vorliegender Arbeit vgl. Kapitel 2.2.1. 2.1.3

Begrundung der Aktualitat von Geschaftsmodellen

Wesentliche Treiber sowohl neuer Online- als auch Offline-Geschaftsmodelle sind die fundamentalen Fortschritte von Informations- und Kommunikationstechnologien sowie die damit verbundene Ausbreitung des Internets in den 1990er Jahren. 172 Das Zusammenwachsen von Informations- und Telekomrnunlkatlonstechnlk.!" die Entwicklung digitaler Netze 174 sowie offene Kommunikationsstandards 175 fOhrten zu neuen und quasi kostenlosen Formen der Informationsbeschaffung und -verarbeitung 176 und begrOndeten so die Entstehung einer von der Guterokonomie losqelosten mformatlonsokcnomle.V" Waren bislang Informationen untrennbar in gegenstandliche GOter eingebettet, ermoqlichen digitale Netze die Trennung der Information von ihrem physischen Trager - die lnforrnationsokonomie kann ihren eigenen Gesetzen folgen, der bisher bestehende "Kompromiss" eines jeden Geschafts zwischen dem Handel mit einem Gut und den dazuqehoriqen Informationen kann aufgelost werden. Ausgangspunkt dieser Entwicklung ist die Digitalisierbarkeit von Informationen, d.h. die Umwandlung sarntlicher Arten von Information in digitale Einheiten, sog. Bits. 178 Dadurch werden Informationen von ihrem physischen Speichermedium wie etwa Papier oder Tontraqern losqelost und werden 179 Die InformationsObermittiung finraum- und zeitunabhanqlq Obertragbar. det praktisch in Echtzeit statt, ihre Oualitat wird durch die Kombinierbarkeit verschiedener Informationsformen zu Multimedia-Dokumenten signifikant gesteigert. 180 Der ehemals physische Austausch von Geld, Informationen 172

173 174

175 176

177 178 179

180

Zur Entstehung, Verbreitung und Technik des Internets vgl. etwa Tapscott (1996), S. 35 ff.; Wirtz (2000), S. 237f.; Hutzschenreuter (2000), S. 1Off.; AfuahfTucci (2001), S. 11ff.; Zerdick et al. (2001), S. 151ff. Vgl. Bauer (2003), S. 118. Vgl. EvanslWurster (2000), S. 27. Vgl. Bresser/Heuskel/Nixon (2000), S. 3. Vgl. PicotiReichwaldlWigand (1996), S. 57. Vgl. EvanslWurster (2000), S. 25ff. Vgl. Tapscott (1996), S. 69f.; Zerdick et al. (2001), S. 150. Vgl. EvanslWurster (2000), S. 27; Tapscott (1996), S. 71; Zerdick et al. (2001), S. 146. Vgl. Tapscott (1996), S. 70.

- 33-

und Wissen hat sich zu einem virtuellen Austausch gewandelt; Geschaftstransaktionen werden zu einem Strom von Bits. 181 Dies zeigt sich im Alltag etwa beim Online-Banking, beim Online-Kauf von Tickets sowie beim virtuellen Anrufbeantworter, der nicht mehr physisch in ein Endqerat beim Telefonteilnehmer integriert ist, sondern eine digitale Dienstleistung der Telefongesellschaft darstellt,182 Die Digitalisierbarkeit geht in Verbindung mit der zunehmenden Verbreitung von Mikroelektronik in allen Arten von GebrauchsgOtern sogar schon so weit, dass sog. intelligente Reifen Eigenschaften wie Reifendruck und Strafsenlaqe an das Cockpit melden und im sog. intelligenten Haus Regelungsfunktionen wie Heizung und LOftung quasi automatisch ablaufen und der KOhlschrank zukOnftig selbstandiq eine Einkaufsliste generiert bzw. eine Bestellung auslost.l'" Die neuesten Fortschritte auf diesem Gebiet betreffen u.a. Bankautomaten, die Konsumentenkredite vergeben konnen, sowie eine Gewichtserfassung auf Beifahrersitzen im PKW zur praziseren Steuerung der Auslosunq des Beifahrerairbaqs.l'" Diese lnformatlonsokonomle folgt auf Grund einiger spezifischer Eigenschaften digitaler Leistungen anderen Gesetzen als die GOterokonomie. 185 Digitale Leistungen verlieren durch Gebrauch nicht an Wert und lassen sich unbegrenzt sowie ortsungebunden kopieren, wobei Kopien mit den Originalen identisch sind. 186 Auch die Wettbewerbsgrundlagen bzw. potenziellen Wettbewerbsvorteile sind fundamental andere als in der Guterokonornie und bestehen vor allem aus Kontrolle Ober Standards und Patente, Erreichen einer kritischen Masse sowie Anpassung an die jeweiligen Technoloqleanderunqen.l'" Letztlich findet Wettbewerb nach RayportlSviokla parallel in einer physischen und einer auf Informationen basierenden virtuellen Wertschopfunqskette statt; die virtuelle WertschOpfungskette wird dabei zunehmend zur Quelle von Wettbewerbsvorteilen. 188 Wert entsteht in der lntormationsokonomle daher Oberall dort, wo der Nutzwert vorhandener Informationen gesteigert wird bzw. die "Netzwerkintelligenz" besteht, d.h. die Fahiqkelt, Informationen zusammenzustellen, zu speichern, zu modifizieren oder zu verteilen. 189 Durch Vernetzung verschiebt sich also der Ort der Wertentstehung im Vergleich zur unvernetzten Wertschopfungskonfiguration fundamental in vier Richtungen mit entsprechenden Konsequenzen fOr die physische Wertkette: Wert wird dementsprechend vor allem an der Kundenschnitt181 182 183

184 185

186 187 188 189

Vgl. Tapscott (1996), S, 111f. Zu diesen Beispielen vgl. RayporUSviokla (1995), S. 75. Zu intelligenten Reifensystemen mit elektronischen Stabilitats- und Oberrollschutzprogrammen vgl. etwa Wildhage (2003), S. T4; zu Prototypen intelligenter Kuhlschranke vgl. EvanslWurster (2000), S. 83f. und KOhn (2005), S. B11. Zu einem Oberblick Oberdie Applikationen im sog. intelligenten Heim, bei dem aile Gerate aus Unterhaltungselektronik, Datentechnik, Kommunikationstechnik, weifser Ware und Installationstechnik vernetzt sind, vgl. Stoll (2002), S. 73ft. Vgl. oV (2003 - Bankautomaten), S. 16 bzw. O.V. (2003 - Bizerba), S. 16. Zu digitalen Leistungen zahlen digitalisierbare Produkte, digitalisierbare Dienstleistungen, Informationen sowie Finanztransaktionen, vgl. Scheer/Loos (2002), S. 32. Vgl. RayporUSviokla (1995), S. 83; Scheer/Loos (2002), S. 33; EvanslWurster (2000), S. 25. Vgl. EvanslWurster (2000), S. 61f. Vgl. RayporUSviokla (1995), S. 75ft. Vgl. Sawhney/Parikh (2001), S. 80.

- 34-

stelle, durch Obergreifende Infrastrukturnutzung, bei Modularitat von Aktiva oder Prozessen sowie durch Wertschopfungskoordination geschaffen. 19o "(... ) the digitization of information, combined with advances in computing and communications, has fundamentally changed how all networks operate (... ) and that change is having profound consequences for the way work is done and value is created throughout the economy. Network intelligence is the Rosetta stone that can enable executives and entrepreneurs to decipher many of the phenomena shaping the future of business (... ) In a highly connected world, the location and mobility of network intelligence directly influences the way companies organize their people, market products, manage information, and work with partners (... ) [I]n an information economy, improving the utility of information is synonymous with creating economic value. Where intelligence resides, so too does value."!" Der traditionelle Trade-off zwischen Reichweite der ausgetauschten Information, d.h. Anzahl beteiligter Personen, und Reichhaltigkeit der Information, also Qualitatsaspekte wie Aktualitat, Bandbreite, Genauigkeit, Relevanz oder Sicherheit, kann nun Oberwunden werden: Die neue lnformationsokonornie schafft die Voraussetzung fur die gleichzeitige Realisierung vollig neuer Niveaus an Reichhaltigkeit und Reichweite von tntorrnanonen.l" Vgl. dazu auch Abbildung 2.1. War frOher der Austausch hochwertiger Informationen mit einer beliebigen Personenzahl physischen oder kostenrnafsiqen Beschrankungen unterworfen, so kann etwa auf Grund von Data Warehousing und Data Mining jeder Einzelne zielgruppengenau mit adaquaten Informationen versorgt werden. Der lnternet-Buchhandler Amazon ist einer der Pioniere auf diesem Gebiet, indem er registrierten Kunden auf Basis ihrer bisherigen Einkaufe individuelIe Kaufempfehlungen erteilt, was sich technisch ohne groP.,eren Aufwand und zu marginalen Grenzkosten realisieren lasst, Die Digitalisierung ist also auch Ausgangspunkt fur eine vollig neue Kundenorientierung bzw. den Wandel von einer Angebots- zu einer Nachtraqeorlentlerunq.l'" "By accessing massive banks of customer information and buying histories, online businesses can recognize and provide custom services to each customer individually, the same way that local businesses did a century ago. Because of this 'greased' information that moves invisibly across the Internet, even the largest enterprises can once again begin to focus on individual

190

191 192

193

Vgl. Sawhney/Parikh (2001), S. 81. Konkrete Ausprilgungsformen und Konsequenzen dessen werden im weiteren Verlauf der Arbeit noch deutlich werden, vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 2.2.2.2 der vorliegenden Arbeit. Sawhney/Parikh (2001), S. 80. Vgl. EvanslWurster (2000), S. 31ft.; zum Wetlbewerb auf Basis von Reichweite und Reichhaltigkeit vgl. auch EvanslWurster (1999), S. 86ft. Vgl. RayportiSviokla (1995), S. 85; Hoque (2000), S. 25. EvanslWurster (2000) sprechen diesbezOglich von der "Ersetzung von 'Push' durch 'Pull' als dem zentralen Paradigma der Produktion" (S.82).

- 35-

customers and provide services that build strong, long-lasting business rela-

nonshlps."!"

Reichhaltigkeit Reichhaltige, produkt- und kundenspezifische Information

Alter Kompromiss

Austauschbarkeitl Vergleichbarkeit Reichweite

Abb.2.1

Reichhaltigkeit und Reichweite von Information195

Mit der Etablierung von Information als eigenstandiger Geschaftsgrundlage 196 wird Informations- und Kommunikationstechnologie also einerseits zum "Enabler" neuer Geschaftsrnodelle der lnformationstechnoloqie.l'" andererseits bildet sie die Basis fOr das Aufbrechen von Wertschopfungsketten in ihreeinzelnen Bestandteile: "Information ist der Kitt, der Wertketten und Zulieferketten zusammen halt. Aber dieser Kitt lost sich jetzt auf (...) Wenn jeder ausgiebig mit allen anderen kommunizieren kann, werden die engen, fest verdrahteten Kommunikationskanale (...) obsolet. Und damit auch aile Unternehmensstrukturen, die derartige Kanale aufgebaut oder sie fOr ihren Wettbewerbsvorteil genutzt haben.,,198 Dieses Aufbrechen der Wertschopfungskette im Rahmen des Obergangs von der produktions- zur wissensbasierten Okonornie 199 sowie die sukzessive Neuformierung

194

195 196

197 19B 199

Hoque (2000), S. 24f. Quelle: EvanslWurster (2000), S. 132. Vgl. PicotiReichwaldlWigand (1996), S. 28 und 60; EvanslWurster (1999), S. 86; Mahadevan (2000), S. 66; Frischmuth/Karrlein (2001), S. 18. Vgl. Stahler (2001), S. 68. EvanslWurster (2000), S. 24. Vgl. Heuskel (1999), S. 37.

- 36-

der Wirtschaftsstrukturen bezeichnen EvanslWurster als "Dekonstruktion" .200 Auf Grund des Aufbrechens kann die Wertschopfung innerhalb des Unternehmens optimiert werden, indem einzelne Wertschopfungsbestandteile auf bestehende Unternehmensstandorte neu verteilt und lokale Wettbewerbsvorteile realisiert werden. 201 DarOber hinaus konnen aber auch die Fertigungstiefe des Unternehmens verandert und bisher eigenerstellte WertschOpfung von autsen zugekauft werden; bei einer solchen Optimierung bietet sich insbesondere der Obergang zu einem Global Sourcing, d.h. einer Nutzung der internationalen Beschaffungsmarkte zu einer optimierten Leistungsversorgung, an.202 Die Moglichkeit einer solchen Neudefinition der Unternehmenswertschopfunq und damit einer Veranderung der Grenzen des Unternehmens besteht dabei nicht mehr nur fur Standardleistungen, sondern fast gleicherrnafsen fur ehemals oriqinare, spezialisierte Wertschopfungsbestandteile mit hohem lnteraktlonsbedart/?' Informations- und Kommunikationstechnologien ebneten somit durch die groP.,ere Reichweite zu potenziellen Geschaftspartnern und die Vereinfachung des Austausches etwa von Spezifikationen sukzessive den Weg zu einem immer umfangreicheren Outsourcing bzw. einer "Verrnarktlichunq'f'" der Leistungserstellung, die den vorlauter der heutigen Dekonstruktion darstellen: "Outsourcing during the 1980s and 1990s was the beginning of the deconstruction of vertically integrated value chains and business models. Its immediate consequence was an increasing number of specialized businesses, focusing on one or a few layers of a value chain.,,20S Prinzipiell kann daher jede bisher integrierte Tatiqkelt zu einem eigenstandigen Geschaft erhoben werden; vertikale Integration uber die Wertschopfungskette hinweg ist somit im Zeitalter der Dekonstruktion nur noch eine von mehreren Konfigurationsalternativen der Wertschopfung. 206 Eine Beschreibung und WOrdigung der bestehenden Alternativen findet sich in Kapitel 2.2.2.2 der vorliegenden Arbeit. Hier wird bereits deutlich, dass die beschriebenen technischen Hintergrunde der neuen Bedeutung von Geschaftsmodellen eng mit den ebenfalls bereits angeklungenen wirtschaftlichen Ursachen in Verbindung stehen. Dass sich jene Innovationen auf dem Gebiet der Informations- und Kommunikationstechnologie bis hin zur Veranderunq von Unternehmensgrenzen auswirken, beruht auf deren transakti-

200

201 202

203 204

205

206

Vgl. EvanslWurster (2000), S. 45. Unter dem Begrift "vertical disaggregation" wird das gleiche Phanornen bereits von Miles/Snow (1986), S. 62ft., thematisiert. Vgl. Bieger/ROegg-StOrm (2002), S. 16. Zu einem Oberblick Ober Konzeption und Implementierungsmoglichkeiten des Global Sourcing vgl. Voegele/Zollenkop (2003), S. 587ft. Vgl. PicotlReichwaldlWigand (1996), S. 263f. PicotlReichwaldlWigand (1996), S. 60. Bresser/Heuskel/Nixon (2000), S. 2. Zu diesem Zusammenhang vgl. auch Quinn/Hilmer (1994), S.46. Vgl. Miles/Snow (1986), S. 64; Heuskel (1999), S. 60 und 68.

- 37-

onskostensenkender Wirkung: Transaktionskosten bezeichnen die Kosten der Information und Kommunikation fur Anbahnung, Vereinbarung, Abwicklung, Kontrolle und Anpassung bei arbeitsteiliger Lelstunqserstellunq.f" UrsprOnglich zur Erklarunq der Entstehung von Unternehmen entwickelt, dient die Transaktionskostentheorie zur Effizienzanalyse von Organisationsstrukturen zwischen "Markt" und "Hierarchie", d.h. zwischen Zukauf und Eigenerstellung eines bestimmten Leistungsumfangs, sowie zur Bestimmung der Grenzen der Unternehmung im Rahmen der Leistungserstellung.2oe Ein Existenzrecht besitzen Unternehmen demnach immer dann, wenn sie die mit einer bestimmten Leistungserstellung verbundenen Koordinationsprobleme unternehmensintern effizienter losen als bei marktlicher Abwicklung.209 Parameter der Hohe der Transaktionskosten sind vor allem die Spezlfltat, die strategische Bedeutung, der Grad der Unsicherheit sowie die Haufigkeit der Transaktlon.i" Informations- und Kommunikationstechnologie fOhren nun auf Grund der beschriebenen technologischen HintergrOnde einerseits zu deutlich reduzierten Such- und Informationskosten, zur Vergro~erung der regionalen Verteilung und damit der Anzahl in Frage kommender Transaktionspartner sowie zur Beschleunigung der Reaktionsgeschwindigkeit der Markte.211 Andererseits ermoqlicht die resultierende Dekonstruktion von Wertschopfungsketten, einzelne bislang integrierte WertschOpfungsbestandteile am Markt zu handeln.212 Parallel dazu haben seit Anfang der 1990er Jahre zwei einschlagige Entwicklungen auf dem Gebiet der UnternehmensfOhrung weite Verbreitung in Wissenschaft und Praxis erfahren. Zunachst wird das Management von Kapitalgesellschaften zunehmend von einer Orientierung am Shareholder Value gepragt, d.h. einer Ausrichtung der unternehmerischen Tatiqkeit an einer Unternehmenswertsteigerung. 213 Eine solche, auf Ertrag 207

208

209 210 211 212 213

Vgl. Picot (1991), S. 344. Transaktionskosten lassen sich nach den Phasen der Transaktion in ex ante- und ex post-Transaktionskosten unterscheiden, nach dem Zweck ihrer Aufwendungen in Kosten der Koordination und Motivation sowie nach der Quelle der Kosten in direkte Kosten und Opportunitatskosten, vgl. Schuler (2002), S. 74. Vgl. PicoUReichwald/Wigand (1996), S. 234 und 267; Mehlhorn (2002), S. 41ff.; Burr (2003), S. 113 ff. Als BegrOnder der Transaktionskostentheorie gilt Ronald Coase mit seinem 1937 erschienenen Aufsatz "The Nature of the Firm". Wesentliche Impulse erhielt die Transaktionskostentheorie in den Arbeiten von Oliver Williamson in den 1970er und 1980er Jahren. Zu Grundaussagen des Transaktionskostenansatzes und Kritik vgl. auch Knyphausen (1988), S. 196ff., sowie Delfmann (1989), S. 98ff. Vgl. PicoUReichwald/Wigand (1996), S. 41. Vgl. Picot (1991), S. 345ff.; Durth (2000), S. 638. Vgl. Durth (2000), S. 639 sowie ausfOhrlich Schuler (2002), S. 173ff. Vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 2.2.2.2 der vorliegenden Arbeit. Vgl. etwa BOhner (1993), S. 749; Siegert (1995), S. 580f.; Hofner/Pohl (1993), S. 51f. Begriff und Konzept gehen zuruck auf Alfred Rappaport, vgl. Rappaport (1999), S. 1ff. Das Erwirtschaften langfristiger Cash-flows bezeichnet Rappaport (1999), S. 8, als den "Kern des ShareholderValue-Ansatzes". Zu seiner Berechnung vgl. Rappaport, S. 39ff. mit folgenden Grundgleichungen: Shareholder Value Unternehmenswert .I. Fremdkapital, wobei Unternehmenswert

=

- 38-

=

und Wachstum abzielende wertorientierte UnternehmensfUhrung kommt nicht - wie landlaufiq gemutma~t - ausschlielslich den Anteilseignern der Unternehmung zugute, sondern ist mittelfristig betrachtet erst der Garant fur die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplatzen, wovon Arbeitnehmer und letztlich das Gemeinwesen gleicherrnafsen profltleren.i" Unter der Prarnisse der Shareholder Value-Orientierung rnussen qrundsatzllch sarntliche Unternehmensteile eine vorgegebene, uber die Kapitalkosten hinausgehende Rentabilitat erzielen. 1m Zeitalter der Dekonstruktion werden nun sarntliche Wertschopfungsstufen in Bezug auf Rendite und Wettbewerbsfahiqkeit prinzipiell vergleichbar; Unternehmen befinden sich folglich mit sarntlichen potenziellen Anbietern der Leistung einer jeden Wertschopfungsstufe im Wettbewerb.215 Wertschopfungsbestandteile, die dauerhaft ihre Zielvorgaben nicht erfullen, konnen daher individuell identifiziert und - ohne Vorliegen bereichsuberqreifender strategischer Interessen - desinvestiert werden. Bekannt wurde das geflugelte Wort des "fix, sell or close" des langjahriqen CEO von General Electric, Jack Welch, das zur Grundlage eines fundamentalen Unternehmensumbaus und unter Shareholder Value-Mafsstaben lange Zeit erfolgreichen Fuhrunqsstils wurde.216 Allein diese wirtschaftlichen Erwaqunqen fUhren daher bereits zu einem Oberdenken und ggf. Umbau des Geschaftsrnodells. Damit korrespondiert - als zweites populares Managementkonzept - die Ausrichtung unternehmerischer Tatigkeit an den sog. Kernkompetenzen der Unternehmung. Kernkompetenzen sind nach Hamel/Prahalad Unternehmensressourcen, die wesentliche Beitraqe zu den wahrnehmbaren Eigenschaften des Produkts und damit zum Kundennutzen leisten, von Wettbewerbern schwer imitierbar sind und auf unterschiedlichen Markten Nutzen stiften konnen.217 Daruber hinaus mussen diese Ressourcen unternehmensintern auch uber organisatorische Einheiten hinweg verstanden und angewendet werden und durfen sich durch Gebrauch nicht abnutzen.218 Schliefslich mussen Kernkompetenzen die generellen Charakteristika erfolgspotenzialgenerierender Ressourcen erfullen, die zusatzlich zu den von Hamel/ Prahalad genannten Kriterien auf den Eigenschaften der Knappheit, Nicht-

214 215

216 217

218

Gegenwartswert der betrieblichen Cash-flows wahrend der Prognoseperiode + Residualwert + Marklwert handelsfahiger Wertpapiere Vgl. Rappaport (1999), S. 8ff.; Heuskel (1999), S. 176f.; Hungenberg (2001), S. 27f. Vgl. Quinn/Hilmer (1994), S. 46; Heuskel (1999), S. 42; Mehlhorn (2002), S. 15f.; sowie Jarillo (1993), S. 28ff., mit dem Beispiel der Computerindustrie. Vgl. Preissner (2002), S. 70. Vgl. Prahalad/Hamel (1991), S. 71, sowie die englischsprachige Originalversion des Artikels, auf den das Konzept der Kernkompetenzen zurOckgeht: Prahalad/Hamel (1990). FOr einen umfassenden Oberblick Ober weitere Definitionen in der frOhen Literatur zu Kernkompetenzen vgl. Rasche (1994), S. 148ff., fur aktuellere Obersichten vgl. Thiele (1997), S. 67ff. sowie Hummer (2001), S. 78ff., der auch Weiterenlwicklungen des Ansatzes berOcksichtigt. Vgl. Prahalad/Hamel (1991), S, 69.

- 39-

Substituierbarkeit sowie der beschrankten Transferierbarkeit beruhen;219 sie haben damit hohe Relevanz fUr das langfristige Oberleben des Unternehrnens.F? Zunehmender Wettbewerbsdruck und steigende technologische Kornplexitat fUhren daher vermehrt dazu, dass Unternehmen ihre oriqinaren Aufgaben neu definieren, ihre Leistungstiefe anpassen und sich auf ihre Kernkompetenzen bzw. die daraus hervorgehenden sog. Kernprodukte fokussieren: 221 "Anstelle der WertschOpfung errnoqlicht die Technologie der Or~anisation die Schaffung von institutionellen Strukturen, die Werte schaffen.,,2 2 Unternehmerische Tatigkeiten, die die Kriterien der Kernkompetenzen nicht erfOllen, stehen gemal1 diesem Paradigma mittelfristig zur Disposition (vgl. Kapitel 2.2.2). Weitere Faktoren, die die Bedeutung von Geschaftsrnodellen gefordert haben, bestehen in der gestiegenen Effizienz weltweiter Kapitalrnarkte sowie in Deregulierung, Liberalisierung und Privatisierung ehemals staatlich kontrollierter Branchen, etwa des Telekommunikationssektors und der Stromindustrie. 223

2.2

Charakteristika von Geschaftsmodellen

1m Rahmen von Kapitel 2.2 werden zunachst ein Oberblick uber den aktuellen Forschungsstand zu Geschaftsrnodelten gegeben und eine aligemeingOltige Definition eines Geschaftsrnodells als Basis der weiteren Untersuchung vorgestellt (Kapitel 2.2.1). Anschliel1end werden die einzelnen Bestandteile eines Geschaftsmodells, deren Gestaltungsoptionen, ihr jeweiliger theoretischer Kontext in der Betriebswirtschaftslehre sowie die Wirkungsbeziehungen zwischen den Bestandteilen naher betrachtet (Kapitel 2.2.2). Schliel1lich wird das Konzept Geschaftsrnodell in Kapitel 2.2.3 mit den Begriffen Strategie und Wettbewerbsregeln in Beziehung gesetzt; die entsprechenden Zusarnmenhanqe und Unterschiede zwischen den drei Konstrukten werden dabei herausgearbeitet.

2.2.1

Stand der Forschung und Definition des Geschaftsmodells

Nach wie vor bestehen in der Literatur grol1e Unterschiede im Verstandnis des Begriffs Geschaftsmodell. 224 Diese Heterogenitat bestehender Definitionsansatze ist 219

220 221

222 223 224

Vgl. beispielsweise Rasche (1994), S. 68ff. sowie Hummer (2001), S. 56f.; die Kriterien der NichtImitierbarkeit sowie der Nicht-Abnutzbarkeit werden bei Prahalad/Hamel bereits expiizit genannt. Vgl. Thiele (1997), S. 76. Vgl. PicoUReichwaldlWigand (1996), S. 264; Ehrensberger/OpelURubnerlSchmiedeberg (2000), S. 192. Zum Begriff des Kernprodukts vgl. Prahalad/Hamel (1991), S. 73. Tapscott (1996), S. 112 (Hervorhebungen im Original). Vgl. Bresser/HeuskellNixon (2000), S. 3. Vgl. etwa die AusfUhrungen bei Stahler (2001), S. 37, sowie Rentmeister/Klein (2003), S. 18. Chesbrough/Rosenbloom beklagen auch in junqsrer Zeit noch eine Begriffsverwendung ohne entsprechende Bedeutungsdefinition, vgl. Chesbrough/Rosenbloom (2002), S. 532.

- 40-

zumindest teilweise auf unterschiedliche Verwendungszusammenhange , divergierende Zielsetzungen des jeweiligen Autors sowie verschiedene Abstraktions- bzw. Konkretisierungsgrade in der Begriffsverwendung zurOckzufOhren. Haufig finden sich etwa Publlkationen, die eine Diskussion "neuer" oder "innovativer" Geschaftsmodelle von vornherein auf Geschaftsmodetle im E-Business bzw. in der New Economy reduzieren;225 andere Autoren definieren Geschattsrnodelle sehr spezifisch auf konkrete Branchen zugeschniUen. 226 Analog zu Beitraqen von Praktikern oder der Wirtschaftspresse fehlt es daher auch vielen wissenschaftlichen Publikationen an einer Obergreifend gOltigen, abstrakten Begriffsdefinition eines Geschaftsrnodells, die entsprechend des Verwendungszusammenhangs operationalisiert werden kann. Grundsatzlich lassen sich bei der Definition eines Geschattsmodells/'" sog. Partialvon Universalansatzen unterscheiden: Partialansatze fokussieren entweder auf eine bestimmte Branche, sodass Elemente und Wirkungsweise von Geschaftsrnodellen nicht mit branchenfremden Unternehmungen vergleichbar sind, oder auf einzelne Bestandteile eines Geschaftsrnodells: im zweitgenannten Fall werden Interdependenzen zwischen diesen Bestandteilen, zusatzlich relevante Aspekte sowie letztlich die Komplexitat des Konstrukts Geschaftsmodell nicht transparent.i" Einige Ansatze weisen zudem eine relativ operative Ausrichtung auf. Gerade im Bereich von lnternet-Geschaftsmodellen bzw. E-Commerce gibt es zahlreiche derartige Partialmodelle. Wirtz unterscheidet sechs Bestandteile bzw. Perspektiven:229 Marktmodell, Beschaffungsmodell, LeistungsersteliungsmodelJ, LeistungsangebotsmodelJ, Distributionsmodell sowie Kapitalmodell. 1m Unterschied zu Universalansatzen werden hier Interdependenzen und Koharenz nicht entsprechend transparent. Weiter verdeutlicht wird dies in Zusammenhang mit den folgenden AusfOhrungen zu Charakteristika von Universalansatzen.

225

226

227

228

m

Vgl . Goeke/Gersch (2002), S. 6: "Im Sprachgebrauch scheint der Begriff des 'neuen Oes chafts modells' fOr solche reserviert zu sein, die auf dem Internet als Enabler basieren". Zu derartigen Quellen zahlen u.a. Timmers (1998) ; Rayport (1999 ); Mahadevan (2000); Leister (2001); AIU Zimmermann (2001) ; Hummel (2002 ); Kollmann (2003 ). Vgl. u.a. Rudo lph (2000) fOr den Handel sow ie Schenk (2001) fOr Content-Geschaftsrnodelle in den Med ien. Synonym zum Geschaftsrnodell wird in der Literatur Gbereinstimmend der Begriff Geschaftsdesign verwendet, vgl. FlamholtziRandle (1998), S. 17f.; Knyphausen-AufseB /Me inhardt (2002), S. 65 i.V.m . S. 88 . Dagegen wird der Begriff Geschaftskonzept uneinheitlich verwendet: Teilweise fungiert er ebenfalls als Synonym zum Konstrukt Geschaftsrnodell, vgl . Alvesson (1998), S. 89; Servatius (2002), S. 439; Mountfield (2003) , S. 26. Andere Autoren dagegen differenzieren zwischen einem in der Unternehmenspraxis umgesetzten Geschaftsmodell und einem gedachten , noch nicht realisierten sog. Geschaftskonzept, vgl. Hamel (2000 ), S. 66 ; Stahler (2001), S. 41f .; Rentmeister/Klein (2003), S. 20 . Diese Begriffsauffassung kann insbesondere im Zusammenhang mit Geschaftsrnodellinnovationen genutzt werden und wird dementsprechend in vorliegender Arbeit Gbernommen , vgl. die AusfOhrungen in Kapite l 2.3.2 . Vg l. Meinhardt (2002) , S. 219 . Vgl. W irtz (2000 ), S. 82ff .

- 41 -

Universalansatze bezeichnen dagegen eine integrierte und umfassende Sichtweise

des Geschattsrnodells, die die Elemente von Partialansatzen auf hOherem Abstraktionsniveau abbildet und mit ihren Wechselwirkungen veranschaullcht.P'' FOrden weiteren Verlauf der Arbeit soli gemar., der Zielsetzung der AligemeingOltigkeit eine solche branchenunabhangige Definition herausgearbeitet werden. Gleichwohl kann auf einzelne Aspekte von Partialansatzen bei der Charakterisierung von Geschaftsrnodellen im Sinne der vorliegenden Arbeit zurOckgegriffen werden. Unabhanqiq von der konkreten Ausgestaltung des Konstrukts Geschaftsmodell zeichnen sich im Rahmen dieser Universalansatze gewisse Gemeinsamkeiten bezOglich des Begriffsverstandnisses eines Geschaftsmodells ab, die sich in dem zu erarbeitenden Begriffsverstandnis der vorliegenden Arbeit wiederfinden lassen sollten. Demnach handelt es sich bei einem Geschaftsmodell zunachst um eine ganzheitliche Beschreibung der Geschaftstatigkeit eines Untersuchungsobjekts in aggregierter Form. 231 Dieser Untersuchungsgegenstand ist im Regelfall ein Unternehmen,232 kann aber prinzipiell ebenso eine Non-Profit-Organisation oder Beh6rde sein.233 Pointiert formuliert sind Geschaftsmodelle Darstellungen der Funktionsweise von Unternehmen: "Business models (...) are, at heart, stories - stories that explain howenterprises work.,,234 Eine derartige Beschreibung der Geschaftstatigkeit dient insbesondere als Analyseinstrument, mit Hilfe dessen etwa die Wettbewerbsposition des Untersuchungsobjekts transparent gemacht werden kann.235 Das Geschaftsmocell als neues Analyseinstrument wirtschaftlicher Aktivitat ist in der heutigen Wettbewerbssituation deswegen erforderlich, da traditionelle Analyseeinheiten wie Business Units, Unternehmen oder Branchen auf Grund aktueller Entwicklungen wie Informations6konomie, Wertkettendekonstruktion und Neudefinition von Unternehrnensqrenzerr'" allein nicht mehr im Stande sind, wirtschaftlichen Erfolg zu erklaren: 237 "(... ) strategic management suffers from an obsession with the usual suspects (... ) We are accustomed to organizing our analyses around the usual units of analysis: business unit, industry, and firm (... ) This focus may have been appropriate at some point in time, but it is increasingly leading us

230 231

232 233 234 235

236 237

Vgl. Meinhardt (2002), S. 227. Vgl. Alvesson (1998), S. 89f.; Wirtz (2000), S. 82; Stahler (2001), S. 292; Knyphausen-Aufsel\/ Meinhardt (2002), S. 64; Hass (2002), S. 91; Schoegel (2001), S. 16. Vgl. Knyphausen-Aufsel\/Meinhardt (2002), S. 64f. Vgl. Knyphausen-AufsefMMeinhardt (2002), S. 69 LV.m. S. 82. Magretta (2002), S. 87. Vgl. Amit/Zott (2001), S. 494, Bieger/Bickhoff/Knyphausen-Aufsel\ (2002), S. 3; Rentmeister/ Klein (2003), S. 24 f.; Stahler (2001), S. 12; Wirtz (2000), S. 82. Vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 2.1.3 der vorliegenden Arbeit. Vgl. Bieger/Bickhoff/Knyphausen-Aufsel1 (2002), S. 3.

- 42-

astray, causing us to miss important perspectives and results. The usefulness of our units of analysis are not keeping up with our sophisticated methodological tools and analytical concepts, nor with the actual nature of competition and strategy in the late twentieth century.,,238 Dies liegt u.a. daran, dass Unternehmen vielfach Teilbereiche verschiedener Wertketten und Branchen abdecken und sich in traditionelle Branchenschemata nicht tanger einordnen lassen.239 DarOber hinaus wird die Branche als Analyseeinheit auch deswegen zunehmend obsolet bzw. sogar kontraproduktiv, da sich Branchen auf Grund des z.T. rapiden technologischen Wandels laufend verandern und immer ofter mit zuvor unabhanqiqen Branchen konvergieren. 240 "However, rapid technological change is making the conceRt of industry elusive - one that often limits rather than facilitates analysis." 1 Vielmehr bedarf es auf Grund vermehrter kooperativer Leistungserstellung zwischen eigenstandigen Wertschopfungspartnern - etwa in Form von Unternehmensnetzwerken und virtuellen Unternehmen - entsprechend unternehmensi.ibergreifender Analysemoglichkeiten, die die gesamte Leistungserstellung abdecken. 242 Pointiert formuliert: Die Tatsache, dass sich in vielen Wettbewerbsfeldern die relevanten Handlungseinheiten von Unternehmen zu Netzwerken verschoben haben, muss sich in entsprechend veranderten Analyseeinheiten widerspiegeln. Zu berOcksichtigen ist dabei, dass jene Netzwerke unternehmerischer Leistungserstellung teilweise nur ternporar bestehen und Unternehmen zur gleichen Zeit in mehreren Netzwerken tatig sein konnen. Bettis schlaqt angesichts der Kritik an den traditionellen Analyseinstrumenten jeweils Alternativen vor:243 Ais Wettbewerbseinheit nimmt Bettis dynamisch veranderbare Wertschopfungsnetzwerke anstelle von Business Units, um unternehmensObergreifende Leistungsverflechtungen in der Wertschopfung zu berOcksichtigen. Branchen als umfeldbezogenes Analyseobjekt ersetzt Bettis durch Cluster von Unternehmen mit vergleichbaren Fahigkeiten und Know-how-Ressourcen, da diese weniger gegenwarts- oder vergangenheitsbezogen sind als das Konzept der Branche. Ais Alternative zum Unternehmen sieht Bettis die Grenzziehung zwischen Unternehmen und Markt, die wesentlich durch Know-how, Lern- und Wissenseffekte determiniert wird; 238 239

240

241 242

243

Bettis (1998), S. 357. Zu Gestaltungsoptionen in der Wertkettenkonfiguration vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 2.2.2.2 der vorliegenden Arbeit. Zu HintergrOnden, Beispielen und Konsequenzen der Branchenkonvergenz vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 3.1.2 der vorliegenden Arbeit. Vgl. auch die einleitenden Beispiele in Kapitel 1.1.1 der vorliegenden Arbeit. Bettis/Hitt (1995), S. 13. Vgl. Bieger/Bickhoff/Knyphausen-AufseB (2002), S. 2f. Analog lasst sich in der aktuellen Wettbewerbskonstellation nicht ohne weiteres der Unternehmenserfolg aus dem Erfolg von Produkten ableiten, vgl. Bieger/ROegg-SlOrm/Rohr (2002), S. 36. Vgl. Bettis (1998), S. 359f.

- 43-

der Vorteil der Grenzziehung gegenuber dem Unternehmen als Analyseobjekt ergibt sich daraus, dass die Abgrenzung von Unternehmen und Markt aus einer Reihe weiterer Determinanten als lediglich Transaktionskosten besteht. Eine weitere Gemeinsamkeit verschiedener Universalansatze zu GescMftsmodelien besteht darin, die konkrete Ausgestaltung eines Geschaftsrnodells als wichtige Determinante der Leistungsfahigkeit und der Profitabilltat eines Untemehrnens/" bzw. als Erfolgsfaktor unternehmerischer Tatiqkeit zu sehen: 245 "Although a business design or business model is intangible and even tenuous, it is real and has a profound impact on overall organizational behavior as well as ultimate success. Management must understand what its business design is in order to assess whether it continues to be appropriate or must be changed to better fit with its environment or its size."246 Hier wird bereits deutlich, dass sich durch die Analyse und Diskussion des Geschaftsmodells Veranderungs- und Innovationspotenziale aufdecken 247 sowie Zukunftsperspektiven und Wachstumsaussichten der Unternehmung abschatzen lassen. 248 Damit erfullt das Geschaftsrnodell praktisch die Funktion einer "geistige[n] Landkarte,,249 fur die Unternehmensentwicklung. Wesentlich fUr ein umfassendes Verstandnis des GescMftsmodelis ist also, es uber ein Beschreibungs- sowie Erklarungsmodell hinaus auch als Gestaltungsmodell zu begreifen, sodass das Konzept des Geschaftsmodalls in einen engen Kontext mit der strategischen Planung gestellt wird. 250 Der Unterschied zwischen den verschiedenen Geschaftsmodelldefinitionen bei Universalansatzen besteht in dem Verwendungszusammenhang, der der jeweiligen Definition des Geschaftsmodells zugrunde liegt:251 Differenzieren lassen sich insbesondere eine Strukturierung von Geschaftsrnodellen aus integrierter Strategiesicht sowie aus handlungsorientierter Umsetzungsperspektive. Aus Strategiesicht handelt es sich in der Definitorik von Knyphausen-AufsefMMeinhardt bei einem Geschattsrnodell in erster Naherunq urn "eine vereinfachte Beschrei-

244 245

246 247 246 249 250

251

Vgl. Boulton/LiberVSamek (2000), S. 31: AfuahfTucci (2001), S. 3; Ollig (2001), S. 334. Vgl. AhlerVBackhaus/Meffert (2001), S. 32. Chesbrough (2003), S. 64, zufolge kommt dem Geschaftsmodell sogar hohere Bedeutung zu als der den Produkten zugrunde Iiegenden tech nologischen Basis: "(...) a mediocre technology pursued within a great business model may be more valuable that [sic!] a great technology in a mediocre business model." FlamholtziRandle (1998), S. 281. Vgl. Rentmeister/Klein (2003), S. 19 i.V.m. S. 22. Vgl. Meinhardt (2002), S. 1. Bieger/Bickhoff/Knyphausen-AufseB (2002), S. 8. FOr detaillierte AusfOhrungen zum Zusammenhang zwischen Geschaftsmodell und Strategie eines Unternehmens vgl. Kapitel 2.3.3 der vorliegenden Arbeit. Vgl. Bieger/Bickhoff/Knyphausen-AufseB (2002), S. 5.

- 44-

bung der Strategie eines gewinnorientierten Unternehmensu252 . Dabei besteht ein Geschaftsmodell aus drei Bestandteilen (vgl. Abbildung 2.2):253 Die Produkt-/MarktKombination grenzt die Geschaftsfelder des Unternehmens abo Bei der Konfiguration der Wertkette und DurchfOhrung der Wertschopfung werden die Wertschopfunqspartner mit ihren jeweiligen Wertschopfungsanteilen sowie Grundprinzipien der Leistungserstellung festgelegt. Die Ertragsmechanik als dritter Bestandteil gibt an, wie und durch welche Transaktionen das Untersuchungsobjekt Umsatze tatigt. Ziel des Geschaftsmodells eines Unternehmens oder Netzwerks ist die Schaffung von Kundennutzen sowie die Generierung haltbarer Wettbewerbsvorteile.

Produkt-I MarktKombination

Kundennutzen und Haltbarkeit von Wettbewerbsvorteilen

Konfiguration und DurchfLihrung der WertschOpfungsaktlvltaten

Ertragsmechanik

Abb.2.2

Bestandteile eines Geschaftsrnodells'P"

In einer eher handlungsorientierten Umsetzungsperspektive leiten Bieger/ROeggStorm/Rohr eine Definition des Geschaftsrnodells mit acht Bestandteilen als Synthese aus bestehenden Ansatzen in der Literatur ab:255 1m Leistungskonzept werden die Unternehmensleistungen mit ihren Zielkunden definiert. Das Kommunikationskonzept dient der kommunikativen Verankerung des Leistungskonzepts am Markt. Optionen der Umsatzgenerierung werden im Ertragskonzept beschrieben. Das Wachstumskonzept richtet sich vornehmlich an Kapitalgeber und gibt die intendierte Entwicklungsrichtung des Unternehmens an. Die Kompetenzkonfiguration legt 252 253

254 255

Knyphausen-AufseB/Meinhardt (2002), S. 64f. Vgl. Knyphausen-AufseB/Meinhardt (2002), S. 66ft. sowie im Detail die AusfUhrungen in Kapitel 2.2.2 der vorliegenden Arbeit. Quelle: geringfUgig modifiziert nach Knyphausen-AufseB/Meinhardt (2002), S. 66. Vgl. Bieger/ROegg-Storm/Rohr (2002), S. 36ft. Weitere Obersichten mit Defmitionsansatzen in der Literatur finden sich bei Schoegel (2001), S. 9, sowie Stahler (2001), S. 40f.

- 45-

die erforderlichen Fahiqkeiten von Unternehmen und Wertschopfungspartnern fest. Daran anschlieBend ergibt sich die Organisationsform in Gestalt der jeweils adaquaten Wertschopfungstiefe. 1m Kooperationskonzept werden die konkreten WertschOpfungspartner ausqewahlt. Das Koordinationskonzept schliefslich besagt, welchen Koordinations- und Steuerungsmechanismen die gemeinschaftliche Wertschopfung unterliegt. Den weiteren AusfOhrungen der vorliegenden Arbeit wird die beschriebene Strate-

gieperspektive von Geschaftsmodellen mit der Definition von Knyphausen-AufseB/Meinhardt zugrunde gelegt. Dies hat mehrere GrOnde: Zum einen ist die vorliegende Untersuchung strategisch-konzeptionell ausgerichtet und beschaftigt sich mit Fragen der konkreten Umsetzung oder Implementierung nur am Rande. 256 Des Weiteren beinhaltet die Definition die vorgestellten Gemeinsamkeiten der Universalansatze der Literatur und entspricht den Anforderungen einer unternehmensObergreifenden Analysemoglichkeit wirtschaftlicher Tatiqkelt,

Drittens weist die

Definition von Knyphausen-AufseB/Meinhardt einen auch fOr Universalansatze ho-

hen Abstraktionsgrad auf. Dies bietet im Vergleich zu anderen Definitionen den Vorteil der Obersichtlichkeit und Oberschneidungsfreiheit; zudem lassen sich andere Definitionsansatze unter den gewahlten Ansatz subsurnleren.i" 258

Ein weiterer aktueller Universalansatz stammt von Chesbrough. Er unterscheidet sechs Bestandteile eines Geschaftsrnodells: • "Value proposition" als Beschreibung des generierten Kundennutzens, • bedientes Marktsegment, • Struktur der Wertkette des Unternehmens, • Ertragsmechanismen inklusive Kostenstrukturen und Zielmarge des Unternehmens, • Stellung des Unternehmens im Wertschopfungsnetzwerk 256

257

258

In Kapitel 4.3 werden allgemeine Erfolgsvoraussetzungen einer Geschaftsmodellinnovation diskutiert, die fOr eine erfolgreiche Umsetzung in der Praxis sichergestellt werden rnussen, Vgl. etwa die Ansatze zur Geschiiftsmodelldefinition folgender Autoren, deren Definitionsbestandteile bei ahnhchem Abstraktionsgrad geringfOgig anders gegliedert sind oder aber einen hoheren Detaillierungsgrad aufweisen: • Stahler (2001), S. 42ff, der Geschaftsrnodelle uber die Bestandteile "Value Proposition", Architektur der Leistungserstellung und Ertragsmodell definiert; • Rentmeister/Klein (2003), S. 19, die sich mit den Bestandteilen Architektur der Wertsch6pfung, "Value Propositions" und Ertragsmodell der Definition von Stahler anschliell.en; • AfuahlTucci (2001), S. 4, mit folgender Definition: "A business model is about the value that a firm offers its customers, the segment of customers it targets (... ), the scope of products/services it offers (... ), its sources of revenue, the prices it puts on the value offered (... ), the activities it must perform to offer that value, the capabilities these activities rest on (... )." • Mahadevan (2000), S. 59, mit der Unterscheidung von "value streams" als Nutzen aus Unternehmens- und Kundensicht, "revenue streams" als Ertragsmodell sowie "logistical streams" als Wertkettenkonfiguration. Zum Ansatz von Chesbrough (2003), S. 63ff., vgl. die folgenden AusfOhrungen in diesem Kapitel; ebenso zu Autoren, die die Definition von Knyphausen-Aufsell./Meinhardt explizit Obernehmen. Vgl. Chesbrough (2003), S. 63ff.

- 46-

• sowie Wettbewerbsstrategie. Damit stimmt der Ansatz in wesentl ichen lOgen mit der in vorliegender Arbeit gewahlten Definitorik Oberein bzw. lasst sich entsprechend deckungsgleich c1ustern. Der Untersch ied der beiden Definitionen besteht zum einen dar in, dass der Ansatz von Chesbrough die angesprochenen Wirkungszusammenhange bzw. die Hierarchie der Bestandteile nicht berOcksichtigt. lum anderen nimmt Chesbrough die Wettbewerbsstrategie als Komponente des Geschaftsmodells auf, wah rend bei Knyphausen-Aufser../Me inhardt das Geschaftsrnodell ein Abbild der Strategie darstellt, sadass das hierarchische Verhaltnls von Strategie und Geschaftsrnodell entgegengesetzt verlauft, FOr eine ausfOhrliche Diskussion dieses lusammenhangs vgl. Kapitel 2.2.3 der vorliegenden Arbeit. DarOber hinaus trennt der Ansatz von Knyphausen-Aufser..tMeinhardt im Gegensatz zu anderen Definitionen die tatsachlichen Bestandteile des Geschaftsmodells - Produkt- /Markt-Kombination , Wertkettenkonfiguration und Ertragsmechanik - von den intendierten Wirkungen in Form von Kundennutzen und Wettbewerbsvorteilen. 259 Damit wird zunachst der Ursache-Wirkungs-Zusammenhang des Konstrukts Geschaftsmodell transparent, der die sachlogischen Beziehungen und Wechselwirkungen zwischen den Bestandteilen widerspiegelt: Nur wenn Produkt-/Markt-Kombination , Wertkettenkonfiguration und Ertragsmechanik optimal aufeinander abgestimmt sind , entsteht ein Oberlegener Nutzen aus Kundensicht und als Resultat ein Wettbewerbsvorteil fOr den Anbieter. Das Geschaftsmodell stellt also ein System dar , dessen Leistungsfahigkeit von den Bestandteilen und deren Wirkmechanismen gleichermar..en determiniert wird; zudem steht das System in Wechselbeziehungen mit seiner Umwelt: "[A business model] is a system , and how well a system works is not only a funct ion of the type of components, but also a function of the relationships among the components (... ) In addition to the relationships among the components of a firm 's business model , there is the relationship between the business model and its environment. A good business model always tries to

259

Dies entspricht einer Analog ie zur Unterscheidung von sog. Sach- und Formalzielen im Zielsystem eines Unternehmens: Sachziele im Unternehmen entsprechen direkt beeinnussbaren Parametern wie Oualitat , Zeit, Bestanden oder Umweltbewusstsein in der Produktion. Formalziele dagegen stellen die Wertebene des Zielsystems dar und kommen in Gr6r..en wie Kosten, Erlosen, Liouiditat oder Rentabilitat zum Ausdruck ; sie konnen nicht direkt beeinflusst werden , sondern ergeben sich als Konsequenz aus den sachlogisch vorausgehenden Entscheidungen bzw. Mar..nahmen auf Sachzielebene , vgl. PfeifferlWeir..IStrubl (1994), S. 34f. LV.m. S. 41f. Obertragen auf das Geschaftsrnodell bedeutet dies Foigendes: Gestaltungsparameter des Geschaftsmodells sind Produkt-/Markt-Kombination, Wertkettenkonfiguration und Ertragsmechanik. Kundennutzen und Wettbewerbsvorteile fOr das Unternehmen resultieren aus der GOte der drei Geschaftsrnodellbestandteile und deren Interdependenzen ; eine Beeinflussung von Kundennutzen und Wettbewerbsvorte ilen funktioniert daher nur indirekt durch eine adaquate Gestaltung der zugrunde liegenden Geschaftsrnodellbestandteile und deren Beziehungen . Vgl. dazu auch die darauf aufbauenden AusfOhrungen zur Geschaftsm odellinnovat ion in Kapitel 2.3.2 der vorliegenden Arbeit.

- 47-

take advantage of any opportunities in its environment while trying to dampen the effects of threats from it.,,260 "(...) managers must recognize that business models are made up of asset portfolios whose success - or failure - comes in part from how the component assets interact. But we don't mean traditional assets alone - physical assets and financial capital. Rather, these asset portfolios include diverse sources of value, includin~ intangibles such as relationships, intellectual property, and leadership.,,26 Schliefslich spricht fOr die Definition von Knyphausen-Aufser../Meinhardt, dass sie bereits in weiteren wissenschaftlichen Abhandlungen zu Geschaftsmodellen Verbreitung gefunden hat.262 Zusammenfassend lasst sich daher ein Geschaftsmodell im Verstandnis der vorliegenden Arbeit wie folgt charakterisieren: Ein Geschaftsrnodell stellt ein System aus drei Bestandteilen sowie den Beziehungen zwischen ihnen dar. Bei den Bestandteilen handelt es sich um Produkt-/Markt-Kombination. Konfiguration der Wertketle und DurchfOhrung der Wertschopfung sowie Ertragsmechanik; die Systembeziehungen bilden die Wirkmechanismen zwischen den Bestandteilen ab und determinieren wesentlich den generierten Kundennutzen sowie die entstehenden Wetlbewerbsvorteile als Ziele des Gescheftsmcdells. Das Geschaftsmodell dient als strategisches Instrument zur ganzheitlichen. unternehmensObergreifenden Beschreibung, Analyse und Gestaltung der Geschaftstatiqkeit,

2.2.2

Bestandteile und Systemzusammenhang von Geschaftsmodellen

Nachdem in Kapitel 2.2.1 das Verstandnis eines Geschattsmodetls fur die vorliegende Arbeit hergeleitet und das Konstrukt Geschaftsmodell definiert wurde, werden diese AusfOhrungen im Foigenden detailliert. Dazu werden Gestaltungsoptionen von Geschattsrnodellen aufgezeigt und theoretisch fundiert. Konkret werden im beschriebenen Verstandnis eines Geschattsrnodells als System die drei Bestandteile eines Geschaftsmodells (Kapitel 2.2.2.1 bis 2.2.2.3) und anschliefsend deren Wirkungsbeziehungen naher betrachtet (Kapitel 2.2.2.4).

2.2.2.1 Produkt-lMarkt-Kombination Die Produkt-/Markt-Kombination oder synonym Geschaftsfelddefinition 263 beantwortet die Frage nach den bedienten Markten, dem Umfang und der Art des Leis-

260

261 262 263

AfuahfTucci (2001) , S. 4. Boulton/Libert/Samek (2000), S. 31. Vgl. etwa Hass (2002), S. 94; Brogl ie (2004) , S. 63ft.; Wetzel (2004 ), S. 79ft. Zur Begriftssynonymiti:it vgl. z.B. KulYTomczak (2002), S. 70.

- 48-

tungsangebots sowie der Art der Transaktionsbeztehunq.F" Begrundet wurde die Thematik der Geschaftsfelddeflnition durch Ansoffs Produkt-/Markt-Matrix: 265 Ausgehend vom bestehenden Leistungsangebot und dem bedienten Markt kann die Entwicklungsrichtung eines Unternehmens in neue Produktkategorien oder/und neue Marktsegmente veranschaulicht werden (vgl. Abbildung 2.3).

Present

Market penetration

Product development

Market development

Diversification

Present

New

Mission

New

Product Abb.2.3

ProduktlMarkt-Matrix 266

Unter einem Markt wird allgemein der Ort des Zusammentreffens von GUterangebot und -naehfrage sowie entsprechender Tauschvorqanqe verstanden. 267 Entscheidend fUr die Geschaftsfelddeflnition ist zunachst die Abgrenzung des aus Unternehmenssieht sog. relevanten Markts. Dabei handelt es sieh um den Teil des sog. Gesamtmarkts, auf den das Unternehmen sein Leistungsangebot und seine Marketingaktivitaten konzentrlert.f" Markte lassen sieh in der Praxis anhand einer Vielzahl von Kriterien wie Kundengruppen, Leistungsangebote, beherrschte technologisehe Verfahren, erfullte Kundenbedurfnlsse oder Regionen eharakterisieren. Speziell fUr Konsurnqutermarkte haben sieh insbesondere die Parameter Geografie, Demografie (z.B. Alter, Einkommen), psyehografisehe Merkmale (z.B. Lebensstil, soziale Schicht) sowie verhaltensorientierte Kriterien (z.B. Oualitats- vs. Preisorientierung) herauskris-

264 265 266 267 268

Vgl. im Oberblick etwa Knyphausen-AufseB/Meinhardt (2002), S. 66ft. Vgl. Ansoft (1965), S. 108ft. Quelle: Ansoft (1965), S. 109. Vgl. etwa PicotiReichwaldlWigand (1996), S. 25; Diller (2000), S. 57f. Vgl. KuB/Tomczak (2002), S. 58; Abell (1980), S. 23 mit der Unterscheidung von "total market" und "served market". Zur weiteren Abgrenzung des Gesamtmarkts vgl. Kreikebaum (1997), S. 125.

- 49-

tallisiert.269 Auf Investitionsgotermarkten bzw. im B2B-Bereich stellen vor allem die Abnehmerbranchen, die Strategie der Abnehmer auf den Foigemarkten (z.B. Technologie- oder KostenfOhrer), die Unternehmensqrorse sowie die Kundenkompetenz relevante Kriterien der Marktabgrenzung bzw. -segmentierung dar.270 Ais sinnvoll bei der erforderlichen Festlegung der Marktgrenzen fOr die Geschattsfelddefinition erweist sich in der Regel eine Marktbetrachtung nach funktionalen Kriterien: 271 Losqelost von konkreten Produkten, Verfahren oder Kundengruppen werden KundenbedGrfnisse funktional-abstrakt beschrieben, indem nach dem Problernlosunqsbedarf des Kunden gefragt wird, der einem Kauf zugrunde liegt. Der Vorteil dieser Sichtweise besteht darin, dass konkrete Produkte oder Technologien zunachst als "black box" behandelt werden und ausgehend von der Abgrenzung relevanter KundenbedGrfnisse nach Moglichkeilen zur Deckung des Bedarfs gesucht wird. Dadurch rGcken alternative Technologien sowie polenzielle Weltbewerber ins Blickfeld, die andernfalls Gbersehen wGrden. 272 Pfeiffer et al. haben fOr dieses Marktverstandnis den Begriff Funktionalmarkt gepragt. der sarntliche rnoqlichen technologischen Potenziale zur Deckung eines funktional-abstrakl beschriebenen Bedarfs umfasst. Die Ermiltlung dieses Funklionalmarkts hilft also, 'fur ein bestimmtes Problem die Menge der funktlonal-aquivalenten, also polenziell als Substitutionsbedrohung wirkenden innovativen technischen Problernlosunqen und die enlsprechenden Konkurrenten zu identifizieren"m . Ein klassisches Beispiel der Relevanz einer solchen funkl ionalen Marktabgrenzung stellen SchlieBsysteme bestehend aus Schloss und SchlGssel dar.274 Ein Hersleller derartiger SchlieBsysteme konnte seinen Markt nach Kriterien wie Anwendungen oder Kundengruppen abgrenzen und ggf. Modifikationen herkornmlicher SchfieBsysteme, etwa in Werkstoffen oder Qualitat, anbieten. Geht man jedoch von den KundenbedGrfn issen und der Funktion eines SchlieBsystems aus, tasst sich das Anwendungsproblem funktional-abstrakt als Frage der "Zugangskontrolle" charakterisieren. Erst durch eine solche Beschreibung wird jedoch deutlich, dass zur Deckung des KundenbedGrfnisses vollig andere technologische Losungsalternativen in Frage kommen, etwa Magnetkarten oder eine Personenerkennung anhand biometrischer Merkmale wie Fingerabdruck, Slimme oder Netzhautmuster des Auges. Nur anhand einer solchen Betrachtung konnen Bedrohungen der 269 270 27 1

272

273

274

Vgl. Belz (1995), S. 12; Vossebe in (2000) , S. 22. Vgl. Belz (1995) , S. 13. Zu den Vorteilen einer funktional-abstrakten Beschreibung vgl. PfeifferlWeil1NolzIWettengl (1997), S. 72 i.V.m. S. 32ff. und 82ff. sowie Danner (2002), S. 42. Insbesondere bei einer von strukturorientierten sowie an aufserfichen, sog. phanornenoloqiscnen Kriterien geleiteten Betrachtung besteht die Gefahr, sich zu eng am Status quo zu orientieren und Alternativen auszublenden, vgl. PfeifferlWeil1NolzIWettengl (1997), S. 32ff. i.V.m. S. 83f. PfeifferlWeil1NolzIWettengl (1997), S. 74. Die Autoren sprechen hier von einer sog. "bedarfsbasierten Funktionalmarkt-Analyse", da ausgehend von den Anforderungen und BedUrfnissen der Anwender branchenUbergreifend nach technolog ischen Alternat iven gesucht wird. Vgl. zu diesem Beispiel Pfeiffe rlWeil1No lzIWettengl (1997). S. 33f . sowie ausfUhrlich S. 163ff.

- 50-

Gescheftstatiqkeit aber auch Chancen in Form von Wachstumsmoglichkeiten aus Sicht des Herstellers erkannt werden. Analog hat das Unternehmen Xerox bereits frOhzeitig begonnen, seinen relevanten Markt nicht mehr nur als Kopiergeratemarkt zu definieren, sondern sich als Anbieter fOr t.osunqen rund urn den Markt eines "office of the future" zu verstehen.F" Konsequenterweise bezeichnet sich Xerox seit geraumer Zeit als "document company". Dadurch soli zum Ausdruck kommen, dass der Markt funktional-abstrakt als der Markt der Bearbeitung von Dokumenten definiert wird und Gerate u.a. zum Drucken, Kopieren, Faxen, Scannen und Mailen angeboten werden, da diese Bearbeitungsmoglichkeiten die gleichen Funktionen der Dokumentenvervielfaltigung bzw. -verteilung erfOlien. Bei der Festlegung des Leistungsangebots als zweitem Bestandteil von Produkt-/ Markt-Kombination bzw. Geschaftsfelddefinition sollte ebenfalls eine funktionalabstrakte Sichtweise eingenommen werden. Dies bedeutet hier, eine Fixierung auf gegenwartig bediente Kunden und deren BedOrfnisse zu vermeiden. Vielmehr sollte das Unternehmen ausgehend von beherrschten Verfahren und Technologien aile Funktionalmarkte lokalisieren, fOr die die Potenziale des Unternehmens als Problemlosunq Relevanz besitzen. Die Summe dieser Funktionalmarkte bezeichnen Pfeiffer et al. als potenziellen Gesarntrnarkt.V" Nur so ist es rnoqlich, das tatsachliche Marktpotenzial auszuschopfen und eine Fehlausrichtung des Unternehmens zu vermeiden. ZukOnftige Kunden sind narnlich einerseits nicht zwanqslaufiq identisch mit dem bestehenden Kundenstamm. Andererseits konnen auch konstante Kundengruppen weder ihre zukOnftigen BedOrfnisse voraussehen noch erahnen, welche ggf. latenten BedOrfnisse durch technologische Fortschritte in der Zukunft gedeckt werden konnen. 277 Schlagwortartig formuliert unterliegen Kunden einem "notorischen Mangel an Vorausblick".278 Entsprechend problematisch wirken sich daher Marktforschungsmethoden auf die Wettbewerbsfahigkeit von Unternehmen aus, bei denen aktuelle Kunden

nach

ihren WOnschen bezOglich des

kOnftigen Leistungsangebots des

Unternehmens gefragt und die Ergebnisse als die wesentliche Determinante fur die Produktentwicklung verwendet werden. 279 Bei der Festlegung des Leistungsangebots stellt sich darOber hinaus die Frage nach dem Einbezug von erganzenden Dienstleistungen in den Leistungsumfang des Unternehmens. Serviceleistungen erfahren zunehmende Relevanz, da SachgOter vermehrt kornplernentarer Leistungen vor, wah rend oder nach Sachgutverwendung bedOrfen, urn ihr Problernlosunqspotenzial fOr den Kunden tatsachlich entfalten zu

275 276

277 278 279

Vgl. Abell (1980), S. 4. Vgl. PfeifferlWeil1NolzIWettengl (1997), S. 75ff.• die die Vorgehensweise als potenzialbasierte Funktionalmarkt-Analyse bezeichnen. Vgl. Hamel/Prahalad (1995), S. 163ff. Hamel/Prahalad (1995). S. 162. Zur Kritik an derartigen Methoden vgl. PfeifferlWeil1NolzIWettengl (1997), S. 58 sowie S. 61ff.

- 51 -

konnen. 280 Aus Kundensicht ist daher die kostenrnafsiqe BerOcksichtigung von Komplementarleistungen zwingend erforderlich, um eine ganzheitliche Betrachtung der Wirtschaftlichkeit eines Sachgutes im Sinne eines "Total Cost of Ownership" vornehmen zu konnen.281 FOrden Sachguthersteller bedeutet dies eine erhebliche sachliche und zeitliche Ausdehnung seines Betrachtungshorizonts. zumal die Kostenfestlegung fOr den gesamten Anlagenlebenszyklus regelmaBig bereits bei der Anlagenkonzipierung erfolgt. FOr ein aus Kundensicht kostenoptimales Angebot muss der Sachguthersteller daher zwangslaufig Sorge tragen, dass kornplernentare Dienstleistungen entweder am Markt verfOgbar sind oder von ihm selbst erbracht werden. Eine solche Eigenerstellung von Dienstleistungen durch Sachguthersteller wird in vielen Branchen zunehmend attraktiv: In Industrienationen ist bezOglich Investitionsgotern eine Sattigung erreicht, weshalb das Neuqeschaft Oberwiegend aus Ersatzbedarf besteht. Gleichzeitig hat die Anlagennutzungsdauer stetig zugenommen, sodass jene installierte Basis Ober Jahre oder gar Jahrzehnte Wartungs- und Reparaturbedarf aufweist. 282 Kumuliert betrachtet belaufen sich daher die erzielbaren Umsatze aus dem kornplernentaren Leistunqsqeschaft haufig auf ein Vielfaches im Vergleich zu jenen aus dem Anlagenverkauf; darOber hinaus gestatten diese Geschaftstypen tendenziell hohere Margen bei deutlich reduzierter Anlagen- und damit Fixkostenintensitat. 283 SchlieBlich kann bei einer solchen Eigenerstellung von Komplementarleistungen ein wesentlich hoheres MaB an Kundenbindung entstehen, was sich positiv auf Folqekaufe auswirken dOrfte. Anhand des Service- und Wartungsgeschafts kann zudem wertvolle Erfahrung fur die Entwicklung nachfolgender Produktgenerationen gesammelt werden. 284

280

281

282

283

284

Vgl. Volz (1997), S. 64f. Zur Komplementaritat vgl. die AusfOhrungen in KapiteI2.2.2.4 der vorliegenden Arbeit. Vgl. Volz (1997), S. 68ff. Zu einem Oberblick Ober "Total Cost of Ownership", d.h. sarntliche Aufwendungen in Zusammenhang mit der Nutzung eines Gutes wahrend seines Lebenszyklus, vgl. etwa Hirschsteiner (2002). Vgl. Wise/Baumgartner (1999), S. 134 f., die dies anhand verschiedener Branchen demonstrieren. So betraqt das Verhaltnis der verkauften StOckzahlen zur installierten Basis bei PKW 1:13, bei Lokomotiven 1:22 und bei Verkehrsflugzeugen 1:150. Vgl. Wise/Baumgartner (1999), S. 134f.; das Verhaltnis generierbarer Urnsatze aus Anlagenverkauf zu Komplementarleistungen im Lebenszyklus betraqt demnach fOr PCs und PKW jeweils 1:5, fur Lokomotiven 1:21. Nambisan (2001), S. 73f., weist allerdings fur die Software-Industrie darauf hin, dass - trotz Erosion der Grenzen zwischen Produkt- und Serviceqeschaft in der Software- sowie in der HighTech-Branche - Produkt- und Servicegeschiift in funf Punkten fundamental unterschiedlichen Geschaftsqrundlaqen unterliegen. So differenzieren sich Software-Herstellung und -Serviceleistungen hinsichtlich der unterschiedlichen Bedeutung von Komplementaritat und Urheberrechten. Daneben spielen Grofsenvortelle und die Art der Kundenbeziehungen eine prinzipiell andere Rolle im Serviceqeschaft als im Produktqeschatt, Und schliefslich unterscheiden sich die beiden Geschafte in der Kundenspezifitat des jeweils erforderlichen Know-hows. Dies dOrfte neben den angesprochenen Branchen in ahnhcher Form auch fur weitere Industrien gelten.

- 52-

Hinsichtlich der Art der Transaktionsbeziehungen als drittem Gestaltungsobjekt der Geschattsfelddefinition werden das Geschaftsseqment, der Privatbereich sowie die offentliche Verwaltung unterschieden. Jeder der drei Bereiche kann als Leistungserbringer sowie -nachfrager mit den anderen beiden in Beziehung treten, sodass sich eine entsprechende Neun-Felder-Matrix der rnoqlichen Beziehungen ergibt.285 FOr die Festlegung der Produkt-/Markt-Kombination - die im Regelfall der vorliegenden Arbeit von einem Unternehmen ausgeht - stellt sich die Frage nach dem B2B-Geschaftsfeld, dem B2C-Segment oder der offentlichen Verwaltung als Zielkunden. Je nach Wahl der Transaktionsbeziehung werden sich das Leistungsangebot sowie die Art der Marktbearbeitung ggf. deutlich unterscheiden. Geschaftsfelddefinition besteht also wesentlich aus der Festlegung des Umfangs der Geschaftstatiqkelt, der Definition des zu bedienenden Marktsegments sowie der Differenzierung des Leistungsangebots vorn Wettbewerb. 286 Dabei wurde die ursprOngliche, zweidimensionale Ansoff-Matrix der Geschaftsfelddefinition von Abell zu einer dreidimensionalen Systematik erweitert, indem er darlegte, dass Produkte durch die Parameter 'verwendete Technologie(n)' sowie 'erfullte Funktion(en) aus Sicht des Kunden' beschrieben werden konnen, Markte wiederum durch die Kategorien 'bediente Kundengruppe(n)' sowie 'erfOlite Funktion(en)'.287 Auf Grund der doppelten Relevanz des letztgenannten Parameters sowohl in der Produkt- als auch in der Marktdimension ergibt sich die entsprechende dreidimensionale Kategorisierung (vgl. Abbildung 2.4). Somit beinhaltet die Abell'sche Systematik ebenfalls die erlauterte funktional-abstrakte Sichtweise, die dem weiteren Verlauf der Arbeit zugrunde liegen soil.

Der Prozess der Geschaftsfelddefinition geht nun wie folgt vonstattenr'" Zunachst rnussen die konkreten Auspraqunqen der Einflussfaktoren der Geschaftsfelddefinition erhoben werden. Wesentliche Faktoren bilden dabei das Kaufverhalten der Kunden, der Ressourcenbedarf des Unternehmens, die Kostenstruktur potenzieller Geschaftsfelder sowie Starken und Schwachen des Unternehmens. Daraus ergibt sich das Spektrum moqllcher bzw. konkurrenzfahiqer Geschattsfelder, In der Praxis besteht bei der Festlegung der Geschaftsfelder eines Unternehmens eine Schwierigkeit insbesondere in der Oberschneidungs- und interdependenzfreien Abgrenzung der Geschattsfelder: Kirsch/Ringlstetter pladleren daher fur eine eher intuitive und weniger analytische, datenbasierte Vorgehensweise.289 Ergebnis der Geschaftsfelddefinition ist schliefslich eine Festlegung des relevanten Markts und damit der Marktgrenzen aus Sicht des Unternehmens sowie eine Produktdifferenzierung gegenOber

285 286

Vgl. Knyphausen-AufsefMMeinhardt (2002), S. 68f. Vgl. Abell (1980), S. 17.

287

Vgl. Abell(1980), S. 15 LV.m. S. 169f.

288

Vgl. Abell (1980), S. 192 i.V.m. S. 179ft. Vgl. Kirsch/Ringlstetter (1991), S. 244.

289

- 53-

dem WeUbewerb. Geschaftsfelddefinitlon ist somit ein iterativer, bewusst subjektiver Prozess.290 Obwohl Geschaftsfelder sich durch eigenstandige wirtschaftliche Lebensfahigkeit auszelchnen.F" bleibt zu beachten, dass mit Auspraqunq oder Anderung des Geschaftsfelds qrundsatzlich keine aufbauorganisatorischen Implikationen verbunden sind;292 Geschaftsfelder k6nnen, mOssen jedoch nicht organisatorisch mit Unternehmens- oder Gescheftsbereichen Obereinstimmen. Customer Functions

Customer Groups

Alternative Technologies

Abb.2.4

Dimensionen der Geschaftsfelddefinition 293

2.2.2.2 Konfiguration und DurchfUhrung der Wertschopfung Bei der Konfiguration und Durchfi.ihrung der Wertschopfung 294 steht zunachst die Frage nach Umfang und Organisation der eigenerstellten Leistung im Vordergrund, wobei die Entscheidungen Ober die sog. Wertsch6pfungstiefe295 sowie die 290 291 292

293 294

295

Vgl. Brixle (1993), S. 15. Vgl. Simanek (1998), S. 7. Vgl. Abell (1980), S. 17 sowie Brixle (1993), S. 16, mit weiteren Verweisen sowie einer welterfuhrenden Abgrenzung eines GescMftsfelds von Strategischen GescMftseinheiten bzw. Strategic Business Units und Strategic Business Areas. Quelle: Abell (1980), S. 30. Der Fokus der folgenden AusfOhrungen liegt aus zwei Grunden bewusst auf dem Aspekt der Konfiguration der Werlsch6pfung. Zum einen handelt es sich bei der Konfiguration um eine wesentlich strategischere Fragestellung. Zum anderen uberlappt die DurchfOhrung der Werlsch6pfung teilweise mit dem Aspekt der Prozesse; Prozesse werden in vorliegender Arbeit aber als Objektbereich betrachtet, dessen Ausgestaltung dem Geschaftsrnodell nachgelagerl erfolgt bzw. vom Geschattsrnodell abhanqt, vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 2.2.3 der vorliegenden Arbei!. In der Literatur werden die Begriffe Ferligungstiefe, Leistungstiefe sowie Grad der verlikalen Integration uberwiegend synonym zum Terminus Werlsch6pfungstiefe verwendet, vgl. Picot

- 54-

Konfiguration der Wertschopfungskette interdependent und damit simultan zu treffen sind. Wertschopfung bezeichnet einerseits einen Mehrwert oder Gewinn an Nettonutzen aus Kundensicht, andererseits aber auch jenen Prozess des HinzufOgens von Wert zu bestehenden Vorleistungen. 296 1m engeren Begriffsverstandnis apostrophiert sie als Input-Output-Relation ein Ma~ fOr die Leistung eines Wirtschaftsobjekts. 297 Quantifizieren lasst sich die Wertschopfung als Differenz von Gesamt- und Vorleistungen bzw. als Differenz sarntlicher Erlose, Bestandsveranderungen, aktivierter Eigenleistungen und Zinsertraqe sowie samtlicher Aufwendungen fOr Vorleistungen wie Material, fremdbezogene Dienstleistungen und Zinsen. 298 Die Wertschopfungstiefe stellt quantitativ demnach den Quotienten aus Wertschopfung und Gesamtleistung299 sowie qualitativ die Anzahl der Leistungsstufen eines Produkts dar, die innerhalb der Grenzen eines Unternehmens durchlaufen, d.h. eigenerstellt, werden. 300 Entscheidungen bezuglich der Wertschopfungstiefe 301 spielen eine wichtige Rolle fOr Struktur und Wettbewerbsposition des Unternehmens sowie die zukOnftige Unternehmensentwlcklunq.P" DarOber hinaus kann die Gestaltung der WertschOpfungstiefe - vor allem bei komplexen, modularen Produkten - sowohl Einfluss auf objektive Produkteigenschaften als auch subjektiv vom Kunden empfundene Qualitatsrnerkrnale ausOben und ggf. kaufentscheidend sein. 303 Mittlerweile werden Fragestellungen der Wertschopfungsstruktur daher nicht mehr nur als Derivate

296 297 29B 299

300 301

302

303

(1991), S. 337; Femerling (1997), S. 2; Haupt (2000), S. 93. Anders dagegen Dillerup (1998), S. 37, der den Begrift Fertigungstiefe enger eingrenzt als WertschOpfungstiefe sowie Mitzkat (1996), S. 3ft., der zunachst den Begrift Fertigungstiefe enger urnreifst als die Termini Betriebs-, Leistungs- und Wertschopfungstiefe und den Begrift vertikale Integration noch weiter auslegt, schliefslich jedoch fur eine synonyme Verwendung von Fertigungstiefe und vertikaler Integration pladlert (S. 8). Vgl. Dillerup (1998), S. 35. Vgl. Pibernik (2001), S. 141. Vgl. Picot (1991), S. 337; Femerling (1997), S. 2f.; Dillerup (1998), S. 36. Vgl. Picot (1991), S. 337; Dillerup (1998), S. 36; Haupt (2000), S. 93. Vgl. Picot (1991), S. 337. Gleichbedeutend: zwischen Eigen- und Fremdleistung, Make-or-Buy oder Insourcing bzw. Outsourcing. Vgl. Picot (1991), S. 338. Dies Iiegt aus strategischer Sicht darin begrOndet, dass aktuelle Wertschopfunqsantelle und die dauerhafte Bedeutung der erbrachten Wertschopfung am Markt Gror1e, Wachstumsaussichten sowie Erfolgspotenzial des Unternehmens determinieren, vgl. Schneider (1994), S. 14. Operativ betrachtet bestimmt die Wertschopfungstiefe Faktoren wie erforderliches Produktions- und Einkaufs-Know-how, Kostenstruktur des Unternehmens, Beschaftigungsrisiko und Kapitalbindung sowie unternehmerische Flexibilitat, vgl. Picot (1991), S. 338f. Vgl. Mitzkat (1996), S. 8f., der anhand des Kaufkriteriums "Intel inside" bei pes auch auf das Gegenbeispiel der Steigerung objektiver oder subjektiv empfundener Oualitat bei bewusstem Fremdbezug einer wesentlichen Wertschopfungsstufe hinweist.

- 55-

vorgelagerter strategischer Entscheidungen, sondern als eigenstandige Strategiedimension angesehen.304 Der Begriff Konfiguration von Wertschtipfungsaktivitaten wird meist in Zusammenhang mit der weltweit aufgeteilten Spezialisierung auf jeweils bestimmte Leistungserstellungsaktivitaten eines Unternehmens zur Generierung komparativer Vorteile thematisiert.305 Ais Konfiguration der Wertschopfung soli hier ganz allgemein die Wertschopfungsstruktur eines Unternehmens mit ihren Eigenleistungs- und Fremdbezugsanteilen sowie die Anordnung der wertschopfenden Aktivitaten innerhalb und zwischen den verschiedenen Standorten eines Untemehmens verstanden werden. Das gangige Modell zur Visualisierung der Wertschopfungskonfiguration ist die Wertkette von Porter.306 Porter unterscheidet darin die unmittelbar mit der Leistungserstellung zusarnmenhanqenden sogenannten prirnaren Aktivitaten von sogenannten unterstotzenden Aktivitaten, die die Voraussetzungen fOr die DurchfOhrung der prirnaren Aktivitaten schaffen. Prirnare Aktivitaten bestehen in prozessualer Reihenfolge aus Eingangslogistik, Operationen, Marketing und Vertrieb, Ausgangslogistik sowie Kundendienst. Zu den unterstOtzenden Aktivitaten zahlt Porter die Tatiqkeiten der Ressorts Unternehmensinfrastruktur, Personalwirtschaft, Technologieentwicklung und Beschaffung. Eine Gewinnspanne als Wertzuwachs aus Unternehmenssicht wird separat am Ende der Wertkette ausgewiesen (vgl. Abbildung 2.5). Die Wertkette als grab strukturiertes, generisches Abbild einer Unternehmung oder eines Untemehmensberetchs?" stellt damit zunachst ein Analyseinstrument zur Untersuchung von tatsachlichen oder potenziellen Wettbewerbsvorteilen auf Basis von Kostenstruktur oder Differenzierung dar:30B Anhand des Vergleichs von Wertketten lassen sich die tatsachlich Wert schaffenden Aktlvitaten identifizieren und die Dif30g ferenzierung der Wertschopfung vom Wettbewerb transparent machen. Bei einer

304

30S

306

307 308 309

Vgl. Kirsch/Ringlstetter (1991), S. 252, sowie Mehlhorn (2002), S. 1f., fur einen entsprechenden historischen Abriss und die jetzige Relevanz der Wer1schopfungsstruktur fur effiziente Unternehmensorgan isation und -steuerung sowie Untemehmenswertmaximierung . CorstenlW ili (1995), S. 12, gehen sogar so weit, bei Fragen der Wertschopfungsstruktur vom "Mittelpunkt der UnternehmungsfUhrung" zu sprechen. Vgl. Porter (1989), S. 25ff., der die Konfiguration der Wertsch opfung anhand des Kontinuums zwischen geografischer Streuung und Konzent ration misst: Paul (1998), S. 38f. und S. 416; Klopfer (2000) , S. 1Off. Vgl. Porter (2000), S. 63ff. Zum Teil wird auch von der Wertschopfungskette gesprochen und von manchen Autoren geringfUgig vorn Begriff der Wertkette unterschieden . In vorliegender Arbeit sollen die Begriffe synonym verwandt werden, vgl. auch die Argumentation von KnyphausenAufsel1/Meinhardt (2002), S. 69f . Vgl. Meffert (1989), S. 261; Dillerup (1998), S. 82. Vgl. Porter (2000) , S. 63 . Dabei ist zu beachten , dass einerse its ein Unternehmen in der Regel fur verschiede ne Produktgruppen unterschiedlichste Wertketten aufweist, vgl. Schneider (1994), S. 14. Andererseits ist die konkrete Abbildung der Wertk ette auf verschiedenen Abstrak tionsebenen wie etwa Produktg rup-

- 56-

I Unterstiitzende Aktivitiiten

Unternehmensinfrastruktur Personalwirtschaft Technologieentwicklung

L:====;;;=~=;:::::;;:===;;

------Primiire Aktivitiiten-----....I Abb.2.5

Modell der Wertkette 310

solchen Vorteilhaftigkeitsanalyse der Wertkette kommt einer Kundensicht und der Perspektive einer Abnehmernutzenanalyse hohe Bedeutung ZU. 311 Durch eine Konfiguration von Soll-Wertketten mit Preis-Leistungs-Vorgaben fOr einzelne Aktivitaten 312 dient die Wertkette gleichermaBen als Planungs- und Gestaltungsinstrument. 313 Hier wird bereits deutlich, dass die Wertkette eines Unternehmens nicht isoliert betrachtet und fOr sich allein gestaltet bzw. modifiziert werden kann, sondern eng eingebunden in ein Geflecht zahlreicher Wertketten auf Lieferanten-, Kunden- und Wettbewerberseite zu sehen ist. Porter spricht hier vom sog. Wertsystem, das neben den Wertketten der betrachteten Unternehmenseinheiten die Wertketten der jeweiligen Lieferanten, Vertriebskanale und Abnehmer umfasst (vgl. Abbildung 2.6).314

310 311 312 313

314

penfertigung, Werkstatt und Einzelarbeitsplatz moqlich und muss daher subjektiv je nach Analysezweck festgelegt werden, vgl. Esser/Ringlstetter (1991), S. 519, sowie Klopfer (2000), S. 26. Quelle: Porter (2000), S. 66. Vgl. Meffert (1989), S. 263. Vgl. CorstenlWili (1995), S. 27; Meffert (1989), S. 263. Vgl. Meffert (1989), S. 259ff. Die Wertkette kann dabei strategisch, taktisch und operativ eingesetzt werden: Strategisch sind Synergien und Verflechtungen zwischen Geschaftsbereichen plan- und modellierbar. Operativ dient die Wertkette der Aufdeckung und Beeinflussung von Kostentreibern auf Basis einer kompetitiven Analyse der Wertaktivitaten, der horizontalen Schnittstellenplanung und Effizienzsteigerung zwischen Funktionsbereichen im Unternehmen sowie der Planung vertikaler Diversifikationsoptionen. Taktisch ist die Wertkette beim Kostencontrolling sowie bei der BUdgetierung einsetzbar. Vgl. Porter (2000), S. 63ff. Wettbewerbsvorteile bedOrfen daher in entscheidender Weise des Verstandnlsses der AbnehmerbedOrfnisse sowie der Kornpatlbilitat des Leistungsangebots und

- 57-

:~~:;~:

beschrink-

tes unternehme n

1':'\\\

"".: Wertketten der

;~~ Lieferanten

....

Wertkelle des

Wertketten de,

Untemehmens

Vertriebskanale

--J

Dlvers ffiziertes

Wertkette einer

Untemehmens-

Unter -

Untemehmens·

wertkette

nehmen

einheit

~: Wertketten de,

........::••

;.::2

....

Lieferanten

Wertkette einer Untemehmens-

olnho it

Wertketten der

Wertketten de'

Vermebskanaie

Abnehmer

WortkollO olnor Untemehmens-

oln helt

Abb.2.6

Modell des Wertsystems 315

Letztlich sind hier die Obergange zu Wertschopfungspartnerschaften, d.h. der kooperativen Wertschopfung zweier Firmen auf aufeinander folgenden Wertschopfungsstufen, und im nachsten Schritt zu Wertschopfungsnetzwerken, d.h. der Mehrfachverflechtung bilateraler Wertschopfungspartnerschaften, f1iel1end. 316 Angesichts der zunehmenden Relevanz jener Wertschopfungsnetzwerke wurden verschiedentlich Kritik317 , Erganzungen und Altemanvlnstrumente?" zur Wertkette vorgebracht und

315 316

317

318

nicht zuletzt der Wertkette mit dem entsprechenden Wertsystem, vgl. Porter (2000), S. 65, sowie Femerling (1997), S. 61, der von einer erforderlichen "institutionenUbergreifende[n] Sicht" der Wertkette spricht. Zur Analyse der Kunden-Wertkette zur Schaftung zusatzlichen Kundennutzens vgl. auch Kirsch/Ringlstetter (1991), S. 254, sowie Quinn/Hilmer (1994), S. 47. Quelle: geringfUgig modifiziert nach Porter (2000), S. 64. Vgl. Stengel (1999), S. 1 und S. 18. Die Ursache fur die Relevanz solcher Kooperationen liegt darin, dass nicht mehr nur Produkte miteinander im Wettbewerb stehen, sondern geradezu kornpiette WertschOpfungsketten bzw. Wertschopfungsnetzwerke gegeneinander konkurrieren und dementsprechend Wohl und Wehe von Leistungserstellern einer Wertschopfungsstufe auch von der Konkurrenzfahiqkelt jeder anderen WertschOpfungsstufe abhanqt, vgl. Gomes-Casseres (1994), S. 62f.; Femerling (1997), S. 35. Wie bereits ausgefUhrt, schaff! die aktuell in vielen Branchen zu beobachtende Dekonstruktion der Wertkette die Voraussetzung des Vergleichs einzelner Wertschopfungsstufen mit ihren Pendants konkurrierender Wertketten und damit die Identifikation von werterzeugenden bzw. wertvernichtenden WertschOpfungsstufen im Vergleich zum Wettbewerb (vgl. die AusfUhrungen in Kapitel 2.1.3 der vorliegenden Arbeit). Vgl. etwa Hermanns/Flory (1995), S. 51f.; Stabell/Fjeldstad (1998), S. 414; Dillerup (1997), S. 83; Blecker (1999), S. 105. Vgl. Esser/Ringlstetter (1991), S. 518, die Porters unterstutzende Aktivitaten difterenzierter betrachten, um eine "Standortbestimmung des Unternehmens" auch im Ubertragenen Sinn erqanzen und in Sekundar-, Tertiar- und Ouartarbereich c1ustern; Hermanns/Flory (1995), S. 53ft., die die Wertkette fur InvestitionsgUterherstelier je nach WertschOpfungstyp (anonym, integrierend,

- 58-

als zusatzlicn in der Wertkette zu berOcksichtigender Aspekt insbesondere ein Informations- und Interaktionsmanagement gefordert.319 Nach wie vor bleibt Porters Wertkette jedoch das in der Literatur dominierende Instrument fOr die Visualisierung der Wertschopfungsstruktur; die Berechtigung einer expliziten BerOcksichtigung von Information und Koordination im Wertsystem wird allerdings in den weiteren AusfOhrungen dieser Arbeit noch deutlich werden. BezOglich der konkreten Konfiguration der Wertkette sowie der damit verbundenen Festlegung der eigenen Wertschopfungstiefe bestehen also zahlreiche Optionen entlang des Kontinuums zwischen "Markt" und "Hierarchie", d.h. zwischen weitgehendem Fremdbezug und groBtmoglicher vertikaler Integration, auf strategischer, taktischer und operativer Ebene; in vorliegender Arbeit ist prirnar die strategische Fertigungstiefenplanung relevant.320 FOr eine wettbewerbsoptimale Ausrichtung sind

dabei kosten- und ertragsseitige sowie strategische Einflussqrofsen zu beachten. Kostenseitig spielen vor allem Unterschiede in den Herstellkosten der jeweiligen Leistung eine entscheidende Rolle. Zur Vorteilhaftigkeitsberechnung zwischen "make" und "buy" einer Leistung bzw. Wertschopfungsstufe sind die entscheidungsrelevanten Kosten der Eigenerstellung mit den Fremdbezugskosten zu vergleichen. 321 Determinanten der in der Praxis haufig nicht trivialen Bestimmung der Entscheidungsrelevanz der Kosten sind die Fristigkeit der Betrachtung sowie die sogenannte Beschaftigungssituation, d.h. Auslastung der Kapazitaten der Leistungserstellung. Ertrags- bzw. margenseitig sollte auf Basis der dekonstruierten Wertkette im Wettbewerbsvergleich evaluiert werden, in welchen Wertschopfungsstufen tatsachlich Wert im Sinne von wahrnehmbarem Kundennutzen geschaffen wird, der einerseits einen Differenzierungsvorteil darstellt und fOr den andererseits auch eine entsprechende Zahlungsbereitschaft seitens der Kunden besteht, die dem Hersteller rentable Margen gestattet. 322 Derartige Wertschopfungsstufen sollten c.p. nach Moglichkeit

im eigenen Unternehmen erbracht werden. In jOngerer Entwicklung hat die zuneh-

319 320

321

322

individualisiert) in sechs Typen differenziert operationalisieren; Blecker (1999), S. 118ff., der speziell fur Wertschopfungsnetzwerke sog. Wertkreise statt Wertketten und sog. Wertnetze statt eines Wertsystems vorschlaqt; Stabell/Fjeldstad (1998), S. 414ff., die zusatzlich zur "value chain" gerade fur Dienstleistungsbranchen den "value shop" sowie fur Infrastruktur- und Netzwerkunternehmen das "value network" mit jeweils eigener Wertschopfungslogik, Primaraktivitaten sowie Wert- und Kostentreibern einfUhren; letztgenannte Einteilung wurde mittlerweile vielfach in der Literatur aufgegriffen, etwa von AfuahlTucci (2001), S. 87ff. Vgl. Hermanns/Flory (1995), S. 51; Blecker (1999), S. 117. Zur strategischen, taktischen und operativen Fertigungstiefenplanung vgl. Femerling (1997), S. 19f. Zu Entscheidungen zwischen "make" und "buy" und deren Quantifizierung vgl. etwa Picot (1991), S. 340f.; Manuel (1996); Mitzkat (1996), S. 16ff.; Hirschbach (2003), S. 580f. Vgl. Heuskel (1999), S. 42f.; Christensen/RaynorNerlinden (2001), S. 74; sowie die AusfUhrungen in den Kapiteln 2.1.3 und 2.2.2.3 der vorliegenden Arbeit.

- 59-

mende Relevanz von Serviceleistungen und allgemein kornplementarer Dienstleistungen fOr InvestitionsgOter dazu gefOhrt, dass attraktive Margen gerade in konsumentennahen Wertschopfungsstufen zu realisieren sind. 323 Unter strategischen Gesichtspunkten gibt es noch eine Reihe weiterer Einflussfaktoren der Wertschopfungstiefe, die die o.g. rnonetaren Argumente durchaus aufwiegen konnen. Eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung der Wertschopfungskonfiguration aus strategischer Sicht spielt die Frage nach Kernkompetenzen und nach Bewahrung bzw. Generierung von State-of-the-art Know-how zur Zukunftssicherung des Unternehrnens.F" Kernkompetenzen bilden die Basis fOr die Herstellung von sog. Kernprodukten als "Zwischenstationen" zwischen Kernkompetenzen und Endprodukten eines Unternehmens. 325 Kernprodukte werden haufiq auch separat an direkte Wettbewerber im Endproduktqeschaft vermarktet, wodurch einerseits vorhandene Kapazitaten ausgelastet und Deckungsbeitrage erwirtschaftet werden, andererseits die weitere technologische Entwicklung der Endprodukte entscheidend mitgestaltet bzw. beeinflusst werden kann. 326 , 327 Weitere strategische Kriterien zur Gestaltung der Wertschopfungstiefe stellen u.a. Produktcharakteristika dar: 328 Insbesondere der Standardisierungsgrad eines Bauteils ist ein wichtiger Indikator fOr transaktionskostengOnstige und risikolose Fremdbezugsmoglichkeiten und damit eine geringere erforderliche Wertschopfungstiefe. Hinsichtlich prozessbezogener Kriterien sind bei der Gestaltung von Wertschopfungstiefe und -konfiguration vor allem Verbundeffekte mit anderen Wertschopfungsstufen zu beachten, z.B. gemeinsam

323

324

325 326

327

328

Vgl. Wise/Baumgartner (1999), S, 134; Stengel (1999), S. 190; sowie die entsprechenden AusfOhrungen in Kapitel 2.2.2.1 der vorliegenden Arbeit. Zu Kernkompetenzen vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 2.1.3 der vorliegenden Arbeit. Zu der in diesem Zusammenhang haufiq genannten Gefahr der "Aush6hlung" des Unternehmens, d.h. der Aufgabe bzw. Auslagerung wesentlicher erfolgskritischer Bestandteile und entsprechendem Know-how-Abfluss, vgl. Femerling (1997), S. 5. Zur Identifikation von Kernkompetenzen vgl. etwa Thiele (1997), S. 77ft., sowie Hummer (2001), S. 249ft. Zum Aufbau von Kernkompetenzen durch Eigenentwicklung, Austausch oder Zukauf vgl. Thiele (1997), S. 88ft., sowie Hummer (2001), S. 262ft. Vgl. Prahalad/Hamel (1991), S. 73. Vgl. Hamel/Prahalad (1995), S. 256f. und S. 325ft., mit den Unternehmensbeispielen Canon, Matsushita und Sharp und deren Kernprodukten in den Bereichen Bildverarbeitung, Videotechnologie und Flachbildschirme; Simanek (1998), S. 66. Bisweilen erweist es sich in der Entstehungsphase von Innovationen auch als interessante Strategiealternative, sich auf die Erstellung des Kernprodukts zu fokussieren und im Endproduktmarkt zunachst nicht vertreten zu sein; eine Vorwartsintegration in das Endkundenqeschaft bleibt fur den Lieferanten eines uberlegenen Kernprodukts dabei eine zukunftiqe Option, vgl. D'Aveni (2003), S. 26 mit dem Beispiel der revolutionaren Sofortbildtechnik von Polaroid, zu der Kernprodukte in Form wesentlicher Chemikalien von Kodak geliefert wurden. Kodaks Geschaft stand zwar in Konkurrenz zu Polaroids Innovation, Kodak konnte jedoch durch die Herstellung der Kernprodukte erheblichen Einfluss auf Preis, Oualitat und technischen Fortschrill der Sofortbildtechnik nehmen. Zukunftsweisend ist daher vielmehr der Marktanteil an Kernprodukten als derjenige in Endproduktmarkten, vgl. Hamel/Prahalad (1995), S. 257 und S. 330. Vgl. Femerling (1997), S. 108ft.

- 60-

genutzte Produktionsanlagen, unteilbare Produktionsfaktoren oder Mindestbetriebsgrof!,en einer Fertigungsstufe, die wiederum Einfluss auf die Effizienz der Leistungserstellung ausOben und damit Kostenunterschiede zwischen hoher und niedriger vertikaler Integration bewirken.329 Ais unternehmensexterne Parameter330 bei der Festlegung der Wertschopfungstiefe sind absatzmarktbezogene Charakteristika.F' lieferantenmarkt- und wettbewerbsbezogene Indikatoren332 sowie technologische Geslcbtspunkte'" ins KalkOI einzubeziehen. Letztlich kann die tatsachliche Entscheidung bezuglich der zu realisierenden Wert· schopfunqstlefe jedoch nur kontextabhangig erfolgen, wobei die konkreten Branchen- und Wettbewerbsfaktoren zu gewichten sowie die Unternehmensstrategie, -kultur und -historie als wesentliche Determinanten zu berOcksichtigen sind.334 Auf Grund der neuen Wettbewerbsparadigmen der lnforrnationsokonornie haben sich jedoch insbesondere margenbezogene Parameter innerhalb der traditionellen Wertkette zahlreicher Branchen verandert, sodass der durch bestimmte Aktivitaten geschaffene Wert im Vergleich zur traditionellen Wettbewerbssituation prinzipiell differieren kann.335 Pointiert formuliert: Das Aufbrechen von Wertketten hat die Anzahl an Konfigurationsoptionen der WertschOpfung schlagartig vervielfaltigt und gleichzeitig die Vorteilhaftigkeit bisheriger Alternativen fundamental verschoben. Dabei hat sich in der Literatur zu Geschaftsrnodellen fOr die Konfiguration der Wertschopfunq eine Systematik mit vier generischen Konfigurationstypen herauskristallisiert: 336 Vertikal integrierte Unternehmen, Spezialisten bzw. sog. Layer Player, 329

330 331

332

333

334

335

336

Vgl. Femerling (1997), S. 118ff. Ferner spielen auch Kapazitat und Elastizitaten einsetzbarer Produktionsfaktoren, d.h. die Anpassunqsfahiqkeit an Nachfrageschwankungen und wechselnde Einsatzarten, eine Rolle bei der Festlegung der Leistungstiefe, vgl. Femerling (1997), S. 124ff. Bezuqlich der Position einer Wertsch6pfungsstufe innerhalb der Wertkette lassen sich Aktivitaten an den Unternehmensgrenzen, d.h. lieferanten- oder kundennahe Wertsch6pfungsstufen, mit geringerer Kornplexltat auslagern als innerhalb des Unternehmens eingebettete und verwobene Aktlvitaten, vgl. Schneider (1994), S. 14; Femerling (1997), S. 122. Vgl. Femerling (1997), S. 136ff. Etwa die Relevanz der Leistungstiefe in Konsumentenpraferenzen oder die Wertsch6pfungstiefenanforderungen industrieller Abnehmer. Z.B. Lieferantenanzahl, -struktur und -qualifikation sowie Brancheninformationen wie Wettbewerberverhalten. In technologischer Hinsicht besteht hier - neben der bereits thematisierten Bewahrung und Erweiterung der Kernkompetenzen - die M6glichkeit des gezielten Zukaufs eines innovativen Inputs durch bewusste Fremdvergabe einer Wertsch6pfungsstufe und die dadurch m6gliche Leistungssteigerung des Endprodukts. Grundsatzlich scheint die Tendenz zu hoher oder niedriger vertikaler Integration jedoch Modestrornunqen zu unterliegen; waren die 1980er Jahre von einer gewissen Eigenerstellungseuphorie gepragt, ging der Trend in den 1990er Jahren in Richtung maximalen Outsourcings, vgl. Schneider (1994), S. 19f. Vgl. Sawhney/Parikh (2001), S. 81, sowie die AusfOhrungen in Kapitel 2.1,3 der vorliegenden Arbeit. Vgl. Heuskel (1999), S. 36ff.; Meinhardt/Schweizer (2002), S. 95f.; Knyphausen-Aufsef1/Meinhardt (2002), S. 73f.

- 61 -

Koordinatoren sowie sog. Market Maker (vgl. Abbildung 2.7). 1m Foigenden werden diese idealtypischen Konfigurationen der Wertschopfung naher vorgestellt.

Abb.2.7

Layer Player Model:

Market Maker Model:

Integrated Model:

Orchestrator Model :

Generische Konfigurationstypen der Wertschopfung 337

Die traditionell vorherrschende Unternehmenskonfiguration zahlreicher Branchen besteht in vertikal integrierten Unternehmen, die aile wesentlichen unternehmerischen Funktionen und Wertschopfungsstufen innerhalb der eigenen Unternehmensgrenzen erbringen und ihr Leistungsangebot auf eine bestimmte Branche fokussieren. Vertikal integrierte Unternehmen uben also eine weitreichende Kontrolle uber ihre Wertkette aus,338 nehmen aber in Kauf, kaum auf allen Wertschopfungsstufen das bestmoqliche Kosten-/Leistungs-Verhaltnis hausintern realisieren zu konnen. 339 Neben den beschriebenen, generellen Grunden fOr eine hohe Wertschopfungstiefe

340

konnen spezifische Situationen fOr eine vertikale Integration sprechen. So sind innovative Unternehmensbereiche Mufig vertikal integriert, da im Innovationspro-

zess enorme Transaktionskosten beim Fremdbezug innovativer Vorleistungen entstehen konnen, Gerade wenn benotlqte Inputs ihrerseits eine Innovation seitens des

337 338

339 340

Quelle: geringfOgig modifiziert nach Meinhardt/Schweizer (2002), S. 95. Vgl. Aaker (2001), S. 223ff.; u.a. besitzen sie direkten Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmarkten und nehmen auch die QualitatsOberwachung auf allen Wertschopfungsstufen im eigenen Haus vor. Vgl. Miles/Snow (1986), S. 69. Vgl. die obigen AusfOhrungen in diesem Kapitel.

- 62-

Lieferanten, eine sog. Komplernentannnovaton.t" voraussetzen, kann eine entsprechende Lieferantensuche und -qualifizierung zu viel Zeit in Anspruch nehmen oder misslingen;342 eine Eigenerstellung mit vertikaler Integration bietet sich zur effizienten Realisierung der Innovation an. Zudem besteht - insbesondere in frOhen Phasen einer Branchenentwicklung - der entscheidende Wettbewerbsparameter in der Produktfunktionalitiit; entspricht diese noch nicht den Kundenanforderungen, orientiert sich die Produktentwicklung an den Grenzen des technisch Machbaren. 343 Dies resultiert regelmar..ig in proprietaren Produktarchitekturen, bei denen nicht auf bestehende Module zurOckgegriffen werden kann.344 Dabei gibt es auf Grund der noch undefinierten Produktschnittstellen enormen Bedarf an informeller, "unstrukturierter" technologischer Kommunikation Ober die unterschiedlichsten Funktionalbereiche und WertschOpfungsstufen hinweg, was wiederum fOreine Integration spricht. 345 Schliefslich ist zu beobachten, dass typischerweise langjahrig etablierte Unternehmen und BranchenfUhrer diesen Konfigurationstyp aufweisen 346 und langfristig im Rahmen der traditionellen Branchenspielregeln konkurrieren.?" Klassische Faile einer bewussten Entscheidung fOr vertikale Integration in der Automobilindustrie beinhalten die Motorenentwicklung der A-Klasse von Mercedes sowie die UrsprOnge des LKW-Herstellers Freightliner. Bei der ersten Generation der A-Kiasse wollte man die Entwicklung der neuartigen Motoren fremdvergeben, die angefragten Firmen lehnten jedoch mit dem Hinweis ab, das Konzept sei "nicht machbar". Mercedes blieb - ohne vom Konzept abzurOcken - nur die Moglichkeit der Eigenentwicklung: "Wenn andere sagen, das kann man nicht machen, dann sagen wir: Wir 341

342

343 344

345

346

347

Vgl. Schneider (1992), S. 41, der den Begriff einfOhrt, jedoch ausschliefslich auf neue Werkstoffe als Gegenstand von KomplementMnnovationen bezieht; vgl. aligemeingOltig Wettengl (1999), S. 22 und S. 25. Vgl. Wettengl (1999), S. 103ff., zur Gefahr der sog. asymmetrischen Abwarteblockade: Eine Innovationsidee eines Unternehmens wird dabei dadurch gebremst, dass potenzielle, benotigte Innovationspartner nicht entsprechend bereit sind, ihr Know-how einzubringen und ggf. die Unwagbarkeiten einer Innovation auf sich zu nehmen. Einen weiteren Aspekt sehen Kumpe/Bolwijn (1989), S. 78f., darin, dass Zulieferern haufig schlicht die Finanzkraft fehlt um entsprechende Investitionen in F&E oder Spezialanlagen ohne UnterstOtzung eines Konzerns tatiqen zu konnen. Vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 3.2.2.2 der vorliegenden Arbeit. Vgl. ChristensenNerlindenlWesterman (2002), S. 963. Daher dominieren vertikal integrierte Unternehmen regelmaBig die anspruchvollsten Marktsegmente, vgl. dies., S. 956. Vgl. ChristensenNerlindenlWesterman (2002), S. 958f. i.V.m. S. 962. Die erforderliche Kommunikation llefse sich zwar dank der Fortschritte der Informationstechnologie auch Ober Unternehmensgrenzen und ggf. groBere Entfernungen hinweg bewerkstelligen; in der Praxis prateriert ein GroBteil der Unternehmen jedoch nach wie vor eine raurnliche Nahe aller - auch in unterschiedlichen Wertschopfungsstufen - am Innovationsprojekt Beteiligten und damit nicht nur in Fallen erhohter Geheimhaltungsrisiken die Integration in aile kritischen Wertschopfungsaktivitaten. Vgl. Knyphausen-AufseB/Meinhardt (2002), S. 73., die als langfristig vertikal integrierte Unternehmen die KonsumgOterherstelier Procter & Gamble und Nestle anfOhren. Vgl. Meinhardt/Schweizer (2002), S. 95. Zu Branchenspielregeln vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 2.2.3 der vorliegenden Arbeit.

- 63-

mOssen es selbst machen", so ein Entwickler. 348 Der LKW-Hersteller Freightliner verdankt gar seine Existenz einer solchen Situation: Die Spedition Consolidated Freightways suchte 1942 nach einer leichten, aber leistungsstarken lugmaschine fOr einen Sattelauflieger. Da keiner der damaligen Hersteller einen LKW nach Vorstellungen der Spedition konstruieren wollte, begann Consolidated Freightways selbst mit der Fertigung von Lastwagen. 349 Aktuell wird etwa bei Audi uber eine starksre vertikale Integration in der Entwicklung nachgedacht, damit Konstrukteure nicht zu "Koordinatoren" warden, die bei Problemen "Rat bei lulieferern" suchen rnussten, so Vorstandsvorsitzender Winterkorn. ludem sollen bald auch Nischenmodelle in geringen Stuckzahlen wieder im Konzern gefertigt werden. Nebe~ KompetenzgrOnden spielen bei Audis Oberlegungen jedoch die aktuellen Uberkapazitaten im VW-Konzern eine wichtige Rolle. 35 Ein aktuelles Beispiel fOr "Vertikalisierung" bzw. vertikale Re-Integration einer Branche bietet die Bekleidungsindustrie. 351 Deutlich sichtbar zeigt sich dieser Trend auf Vertriebsseite, wo zahlreiche Marken wie Esprit, S.Oliver und lara neuerdings mit eigenen Geschaften prasent sind. Der wesentliche Vorteil der Integration in den Vertrieb besteht fOr die Textilhersteller darin, "naher am Kunden zu sein" und wesentlich schneller auf die standiq wechselnden Kundenpraferenzen reagieren zu konnen, Angesichts der zunehmenden Anzahl Kollektionen pro Jahr und der entsprechend reduzierten time-to-market - bei dem Hersteller S.Oliver etwa sind vier Order- und zehn Liefertermine p.a. ublich - wird Kontrolle uber die Kundenschnittstelle zu einem wichtigen Erfolgsfaktor. 352 Ebenso erfolgt aktuell eine Integration in die Fertigung der Textilien. Boss etwa erreicht nach Eroffnung eines zusatzlichen eigenen Werkes in der Turkel wieder einen Eigenproduktionsanteil von rund 20%;353 fOr die Textilindustrie stellt dies bereits einen hohen Wert dar, zumal die Branche einer der Vorreiter eines weitreichenden Outsourcinqs'" war. Die Labels lara und H&M sollen vorn Entwurf uber Produktion bis Vertrieb sogar weitgehend vertikal integriert sein. 355 Alternativ zur vertikalen Integration errnoqlicht die Wertkettendekonstruktion, wie erlautert,356 das Betreiben prinzipiell jeder Wertschopfungsstufe als eigenstandiges Geschaft, Die entsprechenden Unternehmen fokussieren sich als Spezialisten oder

sog. Layer Player auf eine Wertschopfungsstufe und erbringen die entsprechende Leistung fur verschiedene Branchen."" Typische derartige Funktionalbereiche sind 348 349 350 351 352 353 354 355 356 357

Vgl. Sandmeyer/Elieringmann (1997), S. 82. Vgl. o.V. (1997 - Freightliner), S. 26. Vgl. Kahn (2003 - Kleinserien), S. 16; O.V. (2003 - Automobilzulieferer), S. 17. Vgl. Hirn (2002), S. 106. Vgl. o.V. (2003 - Modehersteller), S. 22. Vgl. Hirn (2002), S. 106. Vgl. Hirn/Neukirchen (2001), S. 295. Vgl. ov. (2001 - Modehersteller), S. 22. Vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 2.1.3 der vorliegenden Arbeit. Vgl. Heuskel (1999), S. 58ft.; Knyphausen-AufseB/Meinhardt (2002),S. 73f.; MeinhardVSchweizer (2002), S. 95f. FOr das als Spezialist agierende Unternehmen bedeutet seine Wertschapfungskonfiguration daher einerseits Beschrankung, andererseits aber auch marktliche Ausdehnung

- 64-

58 etwa Produktentwicklung, Produktion sowie Marketing und Vertrieb.3 Voraussetzung ist dabei jeweils, dass die Leistungserstellung unabhanqiq von anderen Wertschopfunqsstufen erfolgen kann,359 transferierbar ist und eine profitable und nachhaltige Wettbewerbsbasis ermoqlicht, DarOber hinaus rnussen die Schnittstellen der Obernommenen Aktivitaten exakt beschrieben werden, sodass Geschaftsprozesse bzw. Wertketten der Auftraggeber modular "angedockt" werden konnen. 360 Durch die firmen- und branchenObergreifende BOndelung und Bearbeitung von Auftraqen kann das Unternehmen einerseits Kostendegressionseffekte, sog. Economies of Scale,361 realisieren. Andererseits ergeben sich Know-how-Vorteile durch die Beschrankung auf diese eine funktionale Kernkompetenz des Unternehmens. Schliefslich fOhrt die Ausdehnung des Leistungsangebots auf unterschiedliche Branchen mit funktional-abstrakt gesehen ahnlichern Bedarf zu einer Verringerung der Abhanqiqkeit etwa von der konjunkturellen Entwicklung einer bestimmten Branche und damit zu einer Reduktion des ansonsten branchenspezifischen unternehmerischen Risikos.

Treiber der Entstehung dieser Spezialisten sind die ehemals integrierten Endprodukthersteller, d.h. Original Equipment Manufacturers (OEMs), als Auftraggeber der Spezialisten,362 da sie ihrerseits dazu Obergegangen sind, sich auf Kernkompetenzen und Kernleistungen zu fokussieren. Des Weiteren hat sich Schnelligkeit in Produktentwicklung und weltweiter MarkteinfOhrung fOr viele Industrien zu einem kritischen Erfolgsfaktor herauskristallisiert, der durch die Zuhilfenahme von Spezialisten realisiert werden kann. 363 Schliefslich sehen viele OEMs - zumal in Zeiten umfangreicher BemOhungen der Reduktion von Anlagen- und Fixkostenintensitat sowie des Working Capital - die Verlagerung einzelner Wertschopfungsstufen auf Spezialisten als adaquate Mar..nahme, ihr Kapazitatsrlsiko zumindest teilweise weiterzureichen und entsprechend an Handlungs- und Kostenflexibilitat zu gewinnen. 364 Die Nachteile der Nutzung derartiger Auftragsfertiger, sog. Contract Manufacturing Industries, aus

358 359 360 361 362 363

364

durch das Insourcing der von den Auftraggebern fremdvergebenen, nicht mehr als selbst zu erbringende Kernaktivitat definierten Leistungen. Vgl. Miles/Snow (1986), S. 64. Vgl. Heuskel (1999), S. 58. Vgl. Sawhney/Parikh (2001), S. 81. Zu Economies of Scale vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 3.1.2 der vorliegenden Arbeit. Vgl. McKonelTumolo (2002), S. 64f. Vgl. etwa McKonelTumolo (2002), S. 66ff., zum Leistungsangebot der NeuprodukteinfOhrung von Solectron. Zu einem Gegenbeispiel vgl. die obigen AusfOhrungen zur vertikalen Integration. Hier wird bereits deutlich, dass es eine aligemeingOltig optimale Konfiguration nicht geben kann, sondern die jeweils adaquate L6sung von der konkreten Konstellation abhanqt, Haufiq besteht in Wettbewerbsfeldern mit rapiden technologischen EntwicklungssprOngen die Gefahr einer raschen Veralterung von Technologien, sodass die Investitionsbereitschaft von OEMs eher schwach ausqepraqt ist; Layer Player erreichen zudem auf Grund der Volumeneffekte schneller signifikante Lernkurveneffekte, vgl. SchiliingNasco (2000), S. 31. Vgl. SchiliingNasco (2000), S. 31.

- 65-

Sicht des OEMs bestehen im Verzicht des Aufbaus eigenen Know-hows sowie in zusatzllchen Transaktionskosten.P" Mittlerweile haben sich vor allem im Produktionsbereich komplette Branchen an Auftragsfertigern herausgebildet, etwa in der Elektronik, sog. Electronic Manufacturing Services (EMS), sowie in der Pharma- und Automobil(zuliefer)branche. 1m Elektronikbereich wird der Produktionsanteil der Electronic Manufacturing Services fOr 2003 weltweit auf 19% veranschlagt, bis 2007 wird ein Anstieg auf 29% prognostiziert. 366 Dabei handelt es sich um Equipment aus Computer- und Telekommunikationsindustrie ebenso wie um Mobiltelefone, Konsurnquter-, Industrie- und Medizingerateelektronik sowie Elektronikkomponenten fur die Automobilindustrie. Die Branche setzt damit 2003 knapp 100 Mrd. US-Dollar weltweit um, fOr 2006 wird ein Umsatzwachstum um etwa zwei Drittel erwartet. 367 Weltmarktfuhrer war 2002 das Unternehmen Flextronics, Singapur, mit ca. 13,6 Mrd. US-Dollar Umsatz vor Solectron, USA, mit ca. 12,3 Mrd. US-Dollar sowie Sanmina-SCI, USA, mit ca. 10,2 Mrd. US_Dollar.368 Haufiq ubernehrnen diese Produktionsspezialisten im luge eines umfangreichen Fertigungsauftrags auch die entsprechende Fabrik des Auftraggebers. Flextronics hat etwa im Jahr 2000 die ertragsschwache Paderborner PC-Fertigung von Fujitsu-Siemens integriert und konnte sie bei 50% h6herer Auslastung in die Gewinnschwelle fOhren.369 Auch die Automobilindustrie ist seit einigen Jahren durch sinkende WertschOpfungsanteile auf Seiten der OEMs gekennzeichnet. Betrug die Fertigungstiefe deutscher Automobilhersteller im Jahr 1985 noch 36% und die Entwicklungstiefe 88%, wird die prognostizierte Ferti~ungstiefe bis 2005 auf 16-18% und die Entwicklungstiefe auf 50% slnken:" fur das Jahr 2010 erwarten Experten gar eine Wertsch6pfungstiefe von unter 10%.371 Auftragsproduktion in der Automobilindustrie hat seit Porsches Entscheidung 1997, das Modell Boxster von der bis dahin in Deutschland weitgehend unbekannten finnischen Firma Valmet fertigen zu lassen, an Aufmerksamkeit gewonnen. Dabei gibt es dieses Phanornen mit Firmen wie Karmann (vor allem Cabriofertigung) oder Magna Steyr auch im deutschsprachigen Raum schon lanqer; Magna Steyr etwa hat junqst sogar das Grazer Werk seines Kunden DaimlerChrysler ubernomrnen.f? Wie mit den lahlen zur Veranderunq der Entwicklungstiefe bereits angedeutet, geht das Spektrum der an spezialisierte Fremdfirmen ausgelagerten Tatigkeiten mittlerweile jedoch weit uber die Fertigung hinaus und umfasst bereits die Entwicklun~ kompletter Modelle wie den Audi TT und den BMW X3 durch Magna Steyr. 73 Analog ubernirnrnt

365 366 367 368 369 370 371 372 373

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

- 66-

SchiliinglVasco (2000), S. 31f. Carbone (2003), S. 32 i.v.rn. S. 30. Carbone (2003). S. 29. Carbone (2003), S. 36. Hirn/Neukirchen (2001), S. 299. Hirn/Neukirchen (2001), S. 296. Gillies (2002), S. 25. Kuhn (2002), S. 129. Fischer (2002 - Autos), S. 171; Gillies (2002), S. 26; O.V. (2003 - Expansionsphase), S. 19.

die Porsche-Tochter Porsche Engineering Group Entwicklungstatigkeiten fur andere Automobilhersteller ebenso wie fur lndustriequterherstefler.F" Mittlerweile greifen bereits Systemlieferanten der Automobilhersteller verstarkt auf die Dienste der Auftragsproduzenten zurOck und lassen ihrerseits immer umfangreichere Baugruppen und Module etwa im Elektronikbereich von EMS fertigen. 375 Eine ahnliche Entwicklung ist derzeit in den unterstOtzenden Aktivitaten der Wertkette zu beobachten. Wahrend IT-Outsourcing und der Betrieb von Rechenzentren durch spezialisierte Fremdfirmen bereits weit verbreitet sind, werden nun auch Tatiqkeiten wie Buchhaltung, Beschaffung und Personalentwicklung als eigenstandige Geschafte erfolgreich vermarktet; einer der Vorreiter ist hier das 1998 gegrOndete Londoner Unternehmen Xchanging mit einem Umsatz von 243 Mia. Euro 2001. 376 Dabei wird der entsprechende Funktionalbereich von dem Dienstleister Obernommen und unter Anwendung prinzipiell gleicher Effizienzsteigerungs- und Kostensenkungsmethoden wie in industriellen Wertschopfungsprozessen gefOhrt. Das Marktvolumen dieses sag. Business Process Outsourcing soli Schatzunqen zufolge 2005 weltweit 250 Mrd. Euro betragen; auf Deutschland sollen davon zunachst nur sieben Mrd. Euro entfallen. 377 GegenstOck zum Layer Player und damit dritter generischer Konfigurationstyp der Wertkette ist der Koordinator oder orchestratcr.?" Ein solches Unternehmen beschrankt seine Eigenleistung weitgehend auf die Koordination der Leistungserstellung anderer Unternehmen zu einem in sich stimmigen Endprodukt und baut dafOr ein Wertschopfungsnetzwerk auf, an dessen Schaltstelle es sich als "fokales Unternehmen,,379 selbst positioniert. Die Erfolgsvoraussetzung des Koordinators besteht in der Auswahl adaquater Partnerunternehmen sowie der virtuellen Integration im Sinne einer "Best-of-everything"-Organisation38o.381 Dazu muss der Koordinator eine winwin-Situation fOr aile Beteiligten schaffen und eine Synchronisation des AnreizBeltraqs-Verhaltnisses erreichen, um tatsachlich die attraktivsten Partner zu gewinnen.382 In seinem operativen Aufgabenspektrum hat der Koordinator fur eine effiziente Abstimmung der Leistungserstellung zu sorgen. Unverzichtbar ist hier eine ITtechnische Vernetzung der Wertkettenmitglieder, wodurch eine genaue Planung mit

374 375 376

377 378

379 380 381 382

Vgl. Fischer (2002 - Autos), S. 170f. Vgl. Carbone (2003), S. 32. Vgl. Heithecker (2002), S. 15, sowie Simon (2002), S. 109, mit dem Beispiel der US-Firma Exult als sog. Professional Employer Organization. Vgl. Heithecker (2002), S. 15. Vgl. Heuskel (1999), S. 65ft.; Knyphausen-AufseB/Meinhardt (2002), S. 73f.; MeinhardVSchweizer (2002), S. 95f. Dillerup (1997), S. 237. Dillerup (1997), S. 233. Vgl. Heuskel (1999). S. 65. Vgl. Wettengl (1999), S. 73; Dillerup (1997), S. 242f.

- 67-

Informationsaustausch in Echtzeit erfolgen kann. lu den Aufgaben des Koordinators geh6ren darOberhinaus die Definition von liel und relevantem Markt des Netzwerks, eine aktive Marktbeobachtung sowie das Erkennen und Korrigieren von KompetenzIOcken bei den Wertschopfungspartnern. 383 Wesentlich fOr die Nachhaltigkeit dieses Unternehmenstyps ist jedoch im Regelfall, dass der Koordinator selbst einen entscheidenden Mehrwert gegenOber einem Unternehmensnetzwerk ohne derartige steuernde Instanz liefert. Jener Mehrwert des Koordinators besteht haufig in Besitz und FOhrung einer Marke mit entsprechender Reputation in den relevanten Kauferkreisen, sodass den ausqewahlten Layer Playern oder konkurrierenden Netzwerken ein Umgehen des Koordinators nicht ohne weiteres gelingt. Eine derart Oberlegene Stellung des Koordinators kann auch in Marktzugangsbarrieren in Form von WissensvorsprOngen bezOglich Kundenanforderungen oder eines proprietaren Vertriebswegs bestehen.384 Daneben sollte der Koordinator seinen Partnerunternehmen Anreize zur Zuqehoriqkeit zu der Wertschopfunqspartnerschaft in Form einer Oberlegenen Gesamtkoordination und einer hohen Entwicklungskompetenz bei koordinationsintensiven Schnittstellen und Subsystemen bieten k6nnen, da er in der Regel die Produktarchitektur und damit die Modulschnittstellen zwischen den Wertschopfungspartnern festlegt.385 FOrden Koordinator entsteht in dieser Konstellation zweifach Wert: 386 Zunachst besetzt der Koordinator - unter der Prarnisse eines selbst durchgefOhrten Marken- und Kundenbeziehungsmanagements - die entscheidende Kundenschnittstelle fOr den Erfolg auf Nachfrageseite.387 Angebotsseitig stellt die Koordination modularer Wertkettenaktivitaten die Tatigkeit mit dem hochsten Wertentstehungspotenzial dar, weil der Koordinator auf Grund seiner Obersicht die Wertkette nicht zuletzt rentabilltatsoptimal konfigurieren kann.388 Dagegen bestehen in vielen Branchen in der Produktion kaum noch Differenzierungsmoglichkeiten:389 Nach dem Heben wesentlicher Effizienzpotenziale im luge von Lean Management in den 1990er Jahren ist die Fertigung auf Grund des Fehlens fundamentaler InnovationssprOnge in den Herstellverfahren in vielen Branchen sowie auf Grund der Informationsokonomie

383 384

385 366

361

366

389

Vgl. Dillerup (1997) , S. 242f. Vgl. Heuskel (1999), S. 66. Vgl. Baur (1991), S. 104; Herman (2002), S. 34. Vgl. Sawhney/Parikh (2001), S. 81, sowie die AusfOhrungen in Kapitel 2.3.1 zu den Wertverschiebungen auf Grund der Gesetze der Informalions6konomie. Durch die unmitlelbare Kommunika tion kann der Koordinator individuell auf KundenbedOrfnisse eingehen und im Faile von Marktverschiebungen direkl reagieren. Gerade Branchen wie die KonsumgOlerinduslrie, in denen der Markenelablierung und -fOhrung hohe Bedeutung zukomml und die gleichzeilig arbeits- und personalkosleninlensiv sind, sowie Dienstleislungsbereiche mit flexiblem Bedarf an spezialisierten Fachkraften , sind unler den Vorreilern dieser Disaggregalion der Wert ketle mil enlsprechender virtueller Rekonfiguralion und Sleuerung durch ein Koordinalorunlernehmen , vgl. Miles/Snow (1986), S. 69f. Vgl. Heuskel (1999), S. 67f.

- 68-

praktisch zu einer Commodity geworden, die von zahlreichen Fremdfertigern weltweit austauschbar getatigt werden kann. Foigerichtig entspricht die eigentliche Produktion immer weniger einem unternehmerischen Funktionalbereich, der Wert entstehen lasst, Diesen nur noch minderen Stellenwert der Fertigung in vielen Branchen verdeutlichen folgende Zitate der Vorstandsvorsitzenden zweier bedeutender Industrieunternehmen: "Produktions-Know-how brauchen wir nicht", so Adidas-Chef Hainer 2001. 390 Alcatel werde "bald ein Unternehmen ohne eigene Werke (... ) sein" lautete die AnkOndigung des CEO von Alcatel, Tchuruk, ebenfalls im Jahr 2001; nach scharfen Protesten der franzosischen Gewerkschaften und auf Grund. von Bedenken hinsichtlich der Abhanqiqkeit von Zulieferern wurden die Plane modifiziert und es soli "nur" noch die Halfte der Fertigungsstatten zur Disposition stehen. 391 Zu beachten bleibt fur Koordinatorunternehmen jedoch zweierlei: Zum einen dOrfte fur eine effektive Konfiguration und Koordination der Wertkette im Regelfall sehr wohl ein profundes Wissen Ober Fertigungsprozesse und Herstelltechnologien vonnoten sein, um die Wertschopfungspartner bestrnoqlich auswahlen zu konnen und um Prozess-Owner im Innovationsmanagement sein zu konnen, Andernfalls droht hier zumindest mittelfristig eine InnovationslOcke oder mit dem Verlust der TechnologiefOhrerschaft sogar die Ablosung als Koordinator der Wertkette. 392 Zum zweiten erfordert das Modell des Koordinators eine andere als die vielfach noch vorherrschende, tayloristisch qepraqte Zusammenarbeit mit Lieferanten. 393 Denn die Bedenken gegenOber dem Koordinatormodell liegen in der Praxis in Aspekten der Oualitatssicherung, Geheimhaltung sowie der Abhanqiqkeit von den Zulieferunternehmen; die l.osunq dieser Punkte kann nur im Aufbau lanqlahriqer, vertrauensvoller Beziehungen zu Wertschopfungspartnern mit kompatibler Unternehmenskultur und zusammenpassenden unternehmerischen Zielsetzungen bestehen.P' Die Automobilindustrie befindet sich in einer Situation sinkender Wertschopfunqs- und Entwicklungstiefe sowie beginnender vertikaler Desintegra390 391 392

393 394

Zitierl nach Hirn/Neukirchen (2001), S. 295. Zitiert nach Kuhn (2002), S. 126. Da zwischen Know-how in Form von sog. Beobachtungswissen, d.h. kognitivem Wissen wie etwas funktionierl, und sog. Ferligkeitswissen, d.h. dem tatsachlichen operativen K6nnen, ein grolser Unterschied besteht (vgl. Pfeiffer (1980), S. 432), sind in gewissem Umfang Aktivitaten in den Bereichen Grundlagenforschung, Technologiebeobachtung und -frOherkennung sowie ggf. Verfahrenstests auch fur den Koordinator unentbehrlich; es darf jedoch nicht in das Extrem des sog. "shadow engineering", d.h. eine komplette Parallelforschung zu den Aktivitaten des Lieferanten (vgl. O.V. (2002 -Incredible), S. 78), verfallen werden. Vgl. O.V. (2002 -Incredible), S. 78. Vgl. Hirn/Neukirchen (2001), S. 302f. Zur Bedeutung von Verlrauen in unternehmensObergreifenden Werlsch6pfungsparlnerschaften vgl. etwa Weber/Hirsch/Bacher (2004), S. 8ff., die eine VerlrauenswOrdigkeit durch die Determinanten fehlende Opporlunismusgefahr, Reputation sowie Werle beschreiben.

- 69-

tion. Ein wesentlicher Treiber fOr die Zunahme dieser Entwicklung liegt einer aktuellen Studie zufolge in Produktinnovationen, u.a. im Bereich der Vernetzung mechanischer Komponenten mittels Elektronik und des Einsatzes der 395 sog. X-by-wire-Technologien: Diese Kombination oder gar Konvergenz von Mechanik und Elektronik erfordert umfangreiches Know-how nicht nur beider technologischer Grundlagen, sondern auch hinsichtlich ihrer Integration zu Modulen und Systemen sowie ihres Zusammenwirkens mit komplementaren Systemen. Dabei besitzen Zulieferer bereits heute teilweise KompetenzvorsprOnge gegenOber den Herstellern, weshalb sie immer umfangreichere Systeme und Module komplett selbst konfigurieren. 396 Salopp formuliert erfolgt der Zusammenbau des Autos der Zukunft nicht mehr beim PKW-Hersteller, sondern bei den Modullieferanten,397 und in noch weiterreichenden Szenarien werden PKWs eines Tages bausatzartig sowie dezentral in Kundennahe, gemar.. der Prinzipien des Mass Customization bzw. des aus dem PC-Bereich bekannten "build-to-order", zusammenqesetzt.P" Die Hersteller werden sich hingegen auf ausqewahlte Kernkompetenzen aus den Bereichen Marketing, Design, System integration oder kritische Entwicklungstatigkeiten, etwa des Motors, zuruckzlehen.F" Den Beginn dieses Trends markierten Mitte der 1990er Jahre bereits VW mit seiner LKW-Produktion in Resende, Brasilien, sowie die DaimlerChrysler Tochter MCC mit der Fertigung des Smart in Hambach, Lothringen. So werden in Resende in einem sog. Modularkonsortium die Lastwagen aus fOnf Modulen hergestellt, wobei Lieferantenkonsortien je Modul die volle Verantwortung von Entwicklung bis zu Fertigung und Montage ubernehrnen.t'? In Hambach liefern in ahnlicher Weise sieben Systemlieferanten die in unmittelbarer Nahe eigenverantwortlich konstruierten und gefertigten Module zeitgenau ans Band; MCC beschrankt sich bei einer eigenen Fertigungstiefe von nur sieben Prozent auf Schnittstellenfestlegung, Koordination und ZusammenfOgen der Module. 401 Trefflich beschrieb ein beteiligter Projektleiter die Situation folgendermar..en: "Damit gibt Daimler [DaimlerChrysler als Mutterkonzern von MCC, d.V] Kernkompetenzen ab, baut aber gleichzeitig neue Kompetenzen auf: narnlich die Steuerung von Systempartnern.,,402

395 396

397 398

399

400 401 402

Vgl. o.V. (2003 - Revolution), S. 31ff. Vgl. BeckerlWagner (2001), S. 268, die Systeme in diesem Zusammenhang als Komplex von Komponenten definieren, der durch Technologieverwandtschaft und eine gemeinsame Funktion gekennzeichnet ist; Module bezeichnen dagegen eine Gruppe von Komponenten, die nicht funktional sondern raurnlich zusammenhangen und verschiedene Technologien beinhalten konnen. Vgl. Gillies (2002), S. 25. Vgl. o.v. (2002 - Incredible), S. 78. Vorbilder konnten hier der Flugzeugbau sowie die LKWProduktion sein, bei denen Grofskunden exakt Art und Fabrikat etwa von Motor oder Bremssystemen festlegen. Kunden von Boeing und Airbus haben so die Wahl zwischen Motoren von General Electric, Rolls-Royce und Pratt & Whitney. Vgl. o.v. (2003 - Revolution), S. 34; Gillies (2002), S. 25; Hirn/Neukirchen (2001), S. 299 und 304; sowie oV. (2002 - Incredible), S. 75, wo ein Branchenexperte bereits von "vehicle brand owners" statt von PKW-Herstellern spricht, sowie Sabel/Kern/Herrigel (1991), S. 204, die diese Entwicklung bereits Anfang der 90er Jahre vorausgesehen hatten. Vgl. Busch (1996), S. 136; Woodruff/Katz/Naughton (1996), S. 18f. Vgl. o.V. (1997 - Lothringen), S. 24; o.v. (1997 - Baukasten), S. 98. Zitiert nach Goslich (1997), S. 47.

- 70-

Dass Automobilzulieferer in immer weitere Kompetenz- und Wertschopfungsbere iche migrieren und gleichzeitig ihrerseits die beschriebene Entwicklung der Branche vorantreiben, wird bisweilen auf Messen deutlich. Ende 2001 prasentierte die Webasto AG, ursprOnglich Hersteller von Dachund Klimasystemen , sein komplettes Know-how in einem Concept Car, das sich vom Sportkombi zum Cabrio sowie zum Pick-up verwandeln lasst: auf der 1M 2003 wurde bereits ein zweites Modell vorgestellt. 403 1m Konsumgutersektor ist der Konfigurationstyp des Koordinators sehr deutlich bei Sportbekleidungsherstellern ausqepraqt, da aile groBen Player diese Wettbewerbsform Obernommen haben. Vorreiter war hier WeltmarktfOhrer Nike, der bereits 1984 begonnen hat, die Produktion auszulagern und sich auf Design und MarkenfOhrung zu fokussleren .'?' Die deutschen Hersteller Adidas und Puma, die beide in eine bedrohliche Schieflage geraten waren, zogen in den 90er Jahren mit dieser Strategie nach und wandelten sich von produktions- zu designorientierten Unternehmen mit Fokus auf einer Mischung aus Lifest¥le, Mode und Sport, wodurch sie zu hochrentablen Unternehmen wurden." Zur Steuerung der Wertschopfungspartner hat Nike eine Lieferantenhierarchie entwickelt und die Produkte je nach Komplexitat und Innovationsgrad auf die drei Hierarchiestufen verteilt;4°6 "Developed partners" produzieren die neuesten und exklusivsten Produkte in geringeren Volumina und sind an Produktentwicklung und Investitionsaufwand beteiligt, "volume producers" fertigen hochvolum ige Massenartikel und sind als typische Layer Player auch fOr zahlreiche andere Hersteller tatig, "developing sources" schliefslich arbeiten als Billigproduzenten ausschliefsllch fOr Nike und werden von Nike sukzessive fur anspruchsvollere Aufgaben qualifiziert. Neben diesen first-tier Lieferanten unterhalt Nike ein Netz von second-tier Material- und Komponenten-Herstellern sowie von third-tier Unternehmen, die spezielle patentierte Techn ikkomponenten produzieren und von Nike beherrscht werden . Nikes hauseigene F&E-Abteilung hat als Funktionen neben Produktentwicklung insbesondere die Oberwachung des "state-of-the-art" in puncto Produktionstechniken sowie die gezielte Lieferantensuche hinsichtlich solcher Oberlegener Technologien.

Der vierte und letzte generische Konfigurationstyp wird Pionier bzw. Market Maker genannt. Er fOgt in bestehende Wertketten eine zusatzliche Wertschopfungsstufe der Intermediation ein und ermoqlicht dadurch neue Kombinationsmoglichkeiten zwi407 schen den WertschOpfungsstufen verschiedener Wertketten bzw. Wertsysteme . Dabei kompensiert der Market Maker Informationsasymmetrien, im RegelfallinformationsvorsprOnge auf Anbieterseite, und stellt Informationsgleichhe it zwischen Anbie-

403 404 405

406 407

Vgl. o.V. (2001 - Concept-Car) , S. 8. Vgl. Heuskel (1999), S. 66f.; Kuhn (2002) , S. 125. Vgl. Luber (2003), S. 51; BaUhaus (2003), S. 34ft. So arbeitet Puma etwa mit Designerin Jil Sander und Adidas mit dem japanischen Top-Designer Yamamoto zusammen . Rund 80% der Produkte dieser Designer-Produktlini en werden nicht bei sportlicher Betatigung getragen . Vgl. Quinn/Hilmer (1994), S. 51. Vgl. Heuskel (1999), S. 62f.; Knyphausen-AufseP../Meinhardt (2002), S. 73f.; MeinhardUSchweizer (2002), S. 95f.

- 71 -

tern und Nachfragern her. In vielen Fallen schafft der Market Maker durch seine Tatigkeit Uberhaupt erst Transparenz hinsichtlich bestehender Wahlmoglichkeiten auf 408

Grund der Dekonstruktion der Wertkette.

Der Market Maker greift also als Inter-

mediiir auf vorhandene Informationen anderer WertschOpfungsteilnehmer zuruck, bOndelt diese auf einer Plattform und ermoqlicht als sog. lnfornediar ein Netzwerk von Wertschopfungsbeziehungen .409 Abhangig von der konkreten Auspraqunq und insbesondere vom Grad seiner Neutralitat zwischen Anbieter und Nachfrager nimmt der Market Maker daher Koordinations-, Navigations- bzw. Mittlerfunktion oder eine Brokerrolle ein.4 10 Dementsprechend unterschiedlich konnen auch die Optionen der Geschattstatiqkeit des Market Makers sein und diesen Konfigurationstyp etwa die Form einer vollig neuen Funktion bzw. Branche, eines Softwareherstellers, Handlers oder Problernlosers annehmen lassen .t" Konkrete Gestaltungsmoglichkeiten bestehen etwa in Auktionen, Online-Foren, Suchmaschinen oder eben Brokern.4 12 Wichtig fOr den Konfigurationstyp Market Maker ist dabei, dass durch seine Tatigkeit zusatzllche Transaktionen getatigt werden, die ohne seine vermittelnde Rolle auf Grund des fehlenden Zusammentreffens von Angebot und Nachfrage nicht zustande karnen oder aber an zu hohen Transaktionskosten scheiterten. Konsequenterweise kann der Market Maker auf Kosten derjenigen Wertschopfungsstufe, die bisher auf Grund ihres Informationsvorsprungs hohe Renditen erzielt hat, seinerseits Gewinne realisieren; im Regelfall verliert daher der Anbieter einer Wertschopfungsaktivitat auf Grund der neuen Markttransparenz einen bedeutenden Teil seiner Rendite.4 13 Allerdings kommt es nach Dekonstruktion einer Wertkette in der Regel zu einem Wettbewerb um Reichweite und Reichhaltigkeit der geschaffenen Informations408

409

4 10

411 4 12 41 3

Vgl. EvanslWurster (2000), S. 65. Gerade im E-Business fOhren die durch die Dekonstruktion errnoqlichte Disintermediation , d.h. der Wegfall von Handelsstufen , und die Obernahme dieser Funkt ion durch Electronic Commerce , die sog. Transintermed iation, zu einem Bedarf an Reintermediation, also neuen lnterrnediaren , vgl. PicoVHeger (2001), S. 132f. Ursachlich fOr diese Reintermedialion ist die beschriebene Trennung von GOler- und Informationsokonomle, wodurch Informationstransparenz unabhiingig von physischen Prozessen wie Auftragsabwicklung oder Distribution hergestellt und dam it auch von autonomen Dienslle istern erbracht werden kann, vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 2.1.3 der vorliegenden Arbeit. Vgl. Knyphausen-AufsefMMeinhardt (2002), S. 74, sowie Hutzschenreuter (2000), S. 69, der hier vom "Informationsmanagement als neue[r] Wertschopfungsfunktion" spricht. Vgl. PicoVHeger (2001) , S. 132; EvanslWurster (2000), S. 97ft.; sowie Hutzschenreuter (2000) , S. 32, der die potenziellen Leistungen eines solchen lnterrnediars wie folgt konkretisiert: Bereitstellung einer multimedialen Plattform , Strukturierung von Nachfragewunschen, Strukturierung von Angeboten, Bewertung und Empfehlung von Angeboten, Herstellen eines Anbieter-Nachfrager-Match sowie Abwicklung der Transaktion . Vgl. EvanslWurster (2000), S. 102. Vgl. PicoVHeger (2001), S. 132. Vgl. BenjaminlWigand (1995), S. 66; EvanslWurster (2000), S. 100. Aligemein formuliert stellt der Market Maker das bestehende MachtgefOge an den Wertschopfungsschnittstellen, an denen er sich positioniert , auf den Kopf, vgl. auch Ahlert/Bac khaus/Meftert (2001), S. 34f.

- 72 -

transparenz sowie um Kundenbindung zwischen den neu entstandenen Market Ma414

kern: Jenes vom Market Maker begrGndete Netzwerk steigt - gemar.. dem Metcalfschen Gesetz - in seinem Wert proportional zum Quadrat seiner Nutzerzahl. Damit ist klar, dass einerseits Zeitvorteile und das Erreichen einer kritischen Masse an Teilnehmern entscheidende Wettbewerbsparameter fUr den Market Maker darstellen, andererseits in vielen Fallen nur der MarktfGhrer in einem Market Maker Segment eine nachhaltige Wettbewerbsposition einnehmen kann. Das Geschaft des Market Makers nahert sich daher einem Monopol an. Klassisches Beispiel eines Market Makers ist das Reisereservierungssystem SABRE (Semi-Automated Business Research Environment). UrsprGnglich als proprietares System der Fluglinie American Airlines entwickelt, wurde das System durch die Offnung fur andere Fluggesellschaften schnell zum Standard der Tourismusbranche und ist heute eines der weltweit grol1ten Real-Tlme-Cornputersysterne.i" Das in den Anfangsjahren der Luftfahrtbranche Gbliche Abtelefonieren sarntlicher Fluglinien auf der Suche nach freien Kapazitaten wurde so durch einen Blick in das System abqelost und die Transaktionskosten dadurch enorm gesenkt; in vielen Fallen wurde wahrscheinlich erst durch den globalen Umfang von SABRE eine Transaktion, d.h. Reisebuchung, ermoqlicht. Die erforderliche Aktualitat des Systems und die stetig gestiegene Kornplexitat aus Flugverbindungen und Tarifen fUhren zwar zu hohem Aufwand kontinuierlicher Systempflege und -erweiterung, schaffen jedoch hohen Mehrwert fUr den Kunden und haben den Market Maker SABRE zu einem hochprofitablen Geschaft mit 300 Mio. USDollar Umsatz (Jahr 2000) anwachsen lassen.?" Einen vielbeachteten und aul1erordentlich erfolgreichen Market Maker stellt die Online-Auktionsfirma eBay dar.?" 1m September 1995 von dem Ingenieur Pierre Omidyar in seiner Freizeit gestartet, hat sich eBay zum gror..ten Online-Auktionator weltweit entwickelt und steht nun mit seinem Markennamen als das Synonym fur Online-Auktionen. Dabei war Omidyars Motivation lediglich, seiner Verlobten den Handel mit sog. PEZ-Spendern (Kunststoffbehaltnissen fur Brausebonbons im Design von Comicfiguren) zu ermoqllchen bzw. Gberhaupt erst Gleichgesinnte fUr ihr Hobby aufzuspGren. Rasch entwickelte sich daraus eine Plattform fUr C2C-Auktionen, die sukzessive auch fur B2C-Auktionen sowie Festpreisangebote ausgebaut wurde. AIIein bei ebay.de betrug das Handelsvolumen 2002 Gber3 Mrd. US-Dollar, wovon aktuell 27% der zwei Mio. angebotenen Artikel von mehr als 5.000 professionellen Handlern zu Fixpreisen angeboten werden. Auf Grund seines Markennamens und seiner hohen Marktliqulditat werden die zahlreichen 414

415 416

417

Vgl. EvanslWurster (2000), S. 104ff. sowie die AusfOhrungen in Kapitel 2.1.3 der vorliegenden Arbeit. Vgl. Heuskel (1999), S. 62f. Vgl. EvanslWurster (2000), S. 142; BenjaminlWigand (1995), S. 66; AfuahlTucci (2001), S. 16. Letztlich wurde SABRE als eigenstandige Aktiengesellschaft im Jahr 2000 von der Borse beinahe doppelt so hoch bewertet wie die Muttergesellschaft American Airlines, vgl. EvanslWurster (2000), S. 200 und 207. Vgl. AfuahlTucci (2001), S. 285ff.; Matthiesen (2003), S. 147ff; o.v. (2002 - Durchbruch), S. 50ff.; Schmidt (2003), S. 16; AhlertlBackhaus/Meffert (2001), S. 34.

- 73-

Nachahmer, darunter auch Amazon, eBay wohl auch zukOnftig seinen Rang nicht streitig machen ki:innen. eBay hat also einen Markt fOr KonsumgOter aller Art geschaffen, darunter fOr GOter, die fOr herki:immliche Auktionen auf Grund ihres geringen Werts ungeeignet waren, Auf dieser Basis hat eBay sukzessive zusatzliche Geschaftsmodelle wie Verkauf zu fixen Preisen aufgebaut und in seine Plattform integriert. Jene vier generischen Konfigurationstypen treten in der Praxis nicht ausschliefslich in der beschriebenen Reinform auf, wie in den angefOhrten Unternehmensbeispielen teilweise bereits deutlich wurde. Dennoch sollte vom Unternehmen eine bewusste Entscheidung bezOglich einer adaquaten und zukunftsfahiqen Gestaltung der Wertkette erfolgen, da jeder Konfigurationstyp auf spezifischen Pramissen beruht und z.T. vi:illig unterschiedliche Kompetenzen erfordert. Insbesondere die Konfigurationstypen Koordinator und Layer Player stehen slch weitgehend diametral gegenOber;418 allerdings kann das Experimentieren mit einem Konfigurationstyp mit ahnlichen Anforderungen wie denjenigen der gegenwartigen Wertkette die Chance fOr einen sukzessiven Obergang zu einer neuen Konfiguration bieten, etwa vom in419 tegrierten Unternehmen zu einem Layer Player. Bei der DurchfOhrung der Wertschopfung handelt es sich um das operative Management und die Ausgestaltung der Funktionalstrategien wie Einkaufs-, Produktions- oder Vertriebsstrateqle.f" Diese leitet sich teilweise bereits aus der gewahlten Konfiguration der Wertschi:ipfungskette abo Entscheidend aus strategischer Perspektive ist jeweils die sog. operative Exzellenz der Leistungserstellung, um Wettbewerbsvorteile tatsachlich realisieren zu ki:innen. Operative Exzellenz besteht dabei aus einer Reihe von Kriterien wie best-practice in der Leistungserstellung aller Funktionalbereiche des Unternehmens, persi:inlicher Einsatzbereitschaft der Mitarbeiter sowie Oberlegener Ressourcennutzung. Foster/Kaplan fOhren folgende Bestandteile operativer Exzellenz auf: "Operational excellence included best-in-class design, manufacturing excellence, logistics and sales skills, adept execution, personal drive, and an obsession with the customer." 421 Die DurchfOhrung der Leistungserstellung muss dazu zwei Stufen der Exzellenz erreichen: 422 Auf der ersten Stufe muss das Unternehmen die Grundlagen in Form von Oberlegener Kostenstruktur, Oualitat und Durchlaufzeit umsetzen. Darauf aufbauend zeigt sich wahre Oberlegenheit der Leistungserstellung in Reagibilitat ("responsive 418 419

420

421

422

Vgl. Heuskel (1999), S. 68. Vgl. dazu die AusfUhrungen zur Geschattsrnodellinnovation in Kapitel 2.3.2 der vorliegenden Arbeit. Zum operativen Management vgl. etwa Steinmann/Schrey6gg (1996), S. 249ft., sowie Hungenberg (2001), S. 40ft.; zu Funktionalstrategien vgl. Welge/AI-Laham (2001), S. 403ft. Foster/Kaplan (2001), S. 99. Vgl. Lowe/Markham (2001), S. 55f.

- 74-

operat ions") , Beweglichkeit ("agile operations") sowie Schlankheit ("lean operations") der Leistungserstellung:423 Reaqibilitat der WertschOpfung bezieht sich auf sich andernde Anforderungen des Marktes. Eine solche Anpassungsfahigkeit fOhrt zu verkOrzten Zeitperioden fOr Produktentwicklung und NeuprodukteinfOhrung , fOr den Produktionshochlauf bis zur Kammlinie sowie fOr das Erreichen des Break-even . Beweglichkeit zeigt sich in der Fahiqkeit, die Wertschopfungskette immer wieder in Bezug auf ein optimales Kosten-/Leistungs-Verhaltn is hin zu opttmieren. Schlankheit der Leistungserstellung bedeutet Vermeiden von Verschwendung in allen Aktivitaten und Ressourcen. Porter spricht diesbezOglich von "operational effectiveness" und definiert sie generell wie folgt: "Operational effectiveness (OE) means perform ing similar activ ities better than rivals perform them . Operational effectiveness includes but is not limited to efficiency. It refers to any number of practices that allow a company to better utilize its inputs by, for example , reducing defects in products or developing better products faster."424 Letztlich mOssen sowohl die Konfiguration der Wertkette als auch die DurchfOhrung der Wertschopfung bestmoqlich auf die ErfOliung der KundenbedOrfnisse zugeschnitten und zu den anderen beiden Geschattsmodellbestandtellen kornplementar sein, um mit dem gewahlten Geschaftsmodell die angestrebten Wettbewerbsvorteile zu erzielen .

2.2.2.3 Ertragsmechanik Bei der Ertragsmechanik handelt es sich um das Spektrum untersch iedlicher Ertragsquellen , aus dem der Gesamtertrag eines Unternehmens besteht , sowie um den Zusammenhang und die Gewichtung dieser Ertragsquellen. 425 Die Ertragsmechanik ist damit eine strategische Fragestellung , die mit der Geschaftsfelddeflnitlon sowie der Konfiguration der Wertschopfungskette interdependent ist, da diese beiden Gestaltungsbereiche maBgeblich die generierbaren Ertrage der Art nach festlegen. Gleichzeitig stellt die Ertragsmechanik ein Entscheidungsfeld dar , das durch Aspekte 426 des Marketing sowie des Rechnungswesens beeinflusst wird. 1m Rahmen des Rechnungswesens bezieht sich die Ertragsmechnik auf das sog. interne Rechnungswesen 427 und dort auf die Kosten- und Erlosrechnunq , Die Kos-

423 424 425 426

427

Vgl. Lowe/Markham (2001), S. 56. Porter (1996), S. 62 (Hervorhebung im Original). Vgl. Knyphausen-AufseB/Meinhardt (2002), S. 76. Vgl. EngelhardtlReckenfelderbaumer (1997), S. 132, die die Thematik an der Schnitlstelle zwischen Absatzwirtschaft und Rechnungswesen sowie darOber hinaus zwischen Marketing und Controlling ansiedeln. Vgl. EngelhardtlReckenfelderbaumer (1997), S. 132, sowie Becker (1997), S. 1f. Das interne oder innerbetriebliche Rechnungswesen hat prirnar innerbetriebliche Adressaten und umfasst

- 75-

ten- und Erlosrechnung ist auf spezifische Rechnungsziele sowie das Erfolgsziel des Unternehmens gerichtet und kann von Unternehmen frei gestaltet werden.428 Ihre Aufgabe besteht in Erfassung, Verteilung und Auswertung von Kosten- und Erlos429

informationen. Bei der hier im Vordergrund der Betrachtung stehenden Erlosrechnung 430 sind zunachst die Begriffe Einzahlung, Ertrag und Erlos voneinander abzugrenzen und zueinander in Beziehung zu setzen:431 Einzahlungen entsprechen allen in einer Betrachtungsperiode gezahlten Geldbetraqen, Erfolgswirksame, d.h. auf GOterentstehung bezogene Einzahlungen werden als Ertrage bezeichnet. Sachzielbezogene Ertraqe, sogenannte Zweckertraqe sind mit den sogenannten Grunderlosen als Kategorie der Erlose identisch. Obersteigen die Ertraqe die Grunderlose, handelt es sich um neutrale Ertrage, die etwa auBerordentliche 0der periodenfremde Ertraqe betreffen. 1m Fall hOherer Erlose als den Zweckertraqen spricht man von kalkulatorischen Erlosen in Form von sog. Andersertosen, denen Ertrage in anderer Hohe gegenOberstehen, oder von sog. Zusatzerlosen, fOr die keine Ertrage anfallen. FOreinen Oberblick Ober den Zusammenhang zwischen Einzahlungen, Ertraqen und Erlosen vgl. Abbildung 2.8. In vorliegender Arbeit sind ausschlieBlich Zweckertraqe bzw. Grunderlose relevant; vereinfachend kann daher im Foigenden auch von umsataerlosen als Produkt aus Gi.ltermengen und _preisen 432 gesprochen werden.433

428 419

430

43 1

432 433

Kosten- und Erl6srechnung . Investitions- sowie Finanzrechnung ; das sog. externe Rechnungswesen richtet sich dagegen auch an externe Adressaten und entspr ichl der Bilanzrechnung mit Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung , vgl. Haberstock (1997), S. 13. Vgl. Schweitzer/KOpper (2003) , S. 11. Vgl. Schweitzer/KOpper (2003), S. 12, die die beiden Rechnungssysteme wie folgt definieren : "Die Kostenrechnung hat die Aufgabe, die Hohe des faktisch angefallenen bzw. geplanten sachzielbezogenen bewerteten Goterverbrauchs festzustellen. Sie ist als Gegenstock zur output orientierten Erlosrechnunq inputorientiert konzipiert" (dies., S. 12 (Hervorhebung im Original» . "Die Erlosrechnung hat die Aufgabe , die Hohe der faktisch angefallenen bzw. geplanten sachzielbezogenen bewerteten GOterentstehung festzustellen. Sie ist somit als Gegenstock zur inputorientierten Kostenrechnung outputo rientiert" (dies., S. 20 (Hervorhebung im Original)). 1mVergle ich zur Kostenrechnung ist die Erlosrechnunq von Wissenschaft und Praxis lange Zeit vernachtassiqt worden . vgl. Marmet (1983), S. SSt. ; EngelhardUReckenfelderbaumer (1997), S. 128f., mit einer Ursachenanalys e; sowie We iBenberger (2002), Sp. 445f . Vgl. Schweitzer/KOpper (2003), S. 23ff.; diese Begriffstrilogie bildet das Pendant zu den auf GOterverbrauch abstellenden , kostenrechnerischen Begriffen Auszahlung , Aufwand und Kosten , vgl. Schweitzer/KOpper (2003), S. 16ff. Zur Abgrenzung von Ertraqen und Erlosen vgl. auch WeiBenberger (2002), Sp. 445. Vgl. Schweitzer/KOpper (2003), S. 22 . Vgl. Knyphausen-AufseB/Meinhardt (2002), S. 76. In der Terminologie der Erlosrechnunq handelt es sich urn einen pagatorischen Erlosbegriff, der auf den Marktbezug der Erlose abstellt; im Gegensatz dazu kann der wertmatsiqe Erlosbegriff auch Opportunitatserlose, d.h. vermiedene Kosten, sowie kalkulatorische Erlose, d.h. bewertete Bestandserhohunqen an Halb- und Fertigfabrikaten, Eigenleistungen oder Goodwill, enthalten , vgl. Mannel (1983), S. 55f.; Mannel (1992 ), S. 633f.; EngelhardUReckenfelderba umer (1997), S. 131f.; WeiBenberg er (2002), Sp. 444.

- 76-

Einzahlungen Erfolgsneulrale Einzahl ungen

Erfolgswirksame Einzahlungen Ertrage (Sachziel-)neul rale Ertriige

~Qicn N"O ------'----+---'

niedrig

sustaining innovation

0

i>

I Niedergang

nicht vorhanden

c GI .c Angebotsu transparenz c III

Reife

Schnittstellen/ Standards

Cii Produktinno-

"0 0

Wachstum

Funktionalitat

kein EngpaB

Preis Modulebene des Produkts als EngpaB

proprietar, interdependent

modular

modular

interdependent: Architektur- und Komponentenebene

Komponentenebene

Komponentenebene

Indikatoren des Lebenszyklus der Produkt-/Markt-Kombination (Forts.)

Kriterien

·c 0

~

> 0 c

.s III

.~

a 2

Einfiihrung

Reife

I

Niedergang

nein

ja

ja

dom. Design Commoditisierung des Produkts

nicht existent nein

existent beginnend

existent ja

Preiselastizitat der Nachfrage

gering bei Leistungssteigerung

uneinheitlich

hoch trotz Leistungssteigerung

Branchenstruktur

oligopolartig

zunehmende Fragmentierung

fragmentiert

Gewinnpotenziai

Produktebene

Produkt- und Modulebene

Modulebene

Abb. 3.20

3.3.2

Phasen Wachstum

Schnittstellen, Standardisierung

!II

?

I

Indikatoren des Lebenszyklus der Produkt-/Markt-Kombination (FortS.)1240

lebenszyklus von Wertkettenkonfiguration und DurchfOhrung der Wertschopfung

Analog zur Konstruktion des Lebenszyklus der Produkt-/Markt-Kombination werden fOr Wertkettenkonfiguration sowie DurchfOhrung der Wertschopfung im Foigenden die relevanten Parameter der lebenszyklus- und Innovationsmodelle herausgefiltert und aus ihren Auspraqunqen die Phasen Entstehung, Wachstum, Reife und Niedergang des Lebenszyklus der Wertkettenkonfiguration gebildet. Wie schon bei der Herleitung des Lebenszyklus der Produkt-/Markt-Kombination wird auch hier die unterschiedliche Phasenanzahl der verwendeten Modelle sachlogisch harmonisiert (vgl. Abbildung 3.21). In der EinfUhrungsphase einer Wertkettenkonfiguration und einer bestimmten Art der DurchfOhrung der Wertschopfung sind die Auspraqunqen einiger Indikatoren des Produktlebenszyklus1241 charakteristisch. Die SchlOsselaktivitaten der Wertschopfung bestehen in der EinfOhrungsphase in Innovation, Investition sowie Marketing. Das Differenzierungspotenzial der Wertschopfung liegt in der Produktqualitat und die Kapazitatsauslasfunq steigert sich von Unter- zu Vollauslastung. Hinsichtlich der Parameter des Technologielebenszyklus1242 sind ebenfalls verschiedene wertschopfunqsbezoqene Indikatoren bedeutsam. Die Investitionen in Technologieentwicklung betreffen in der EinfOhrungsphase Grundlagenentwicklungen, sodass die Zahl der Patentanmeldungen hoch ist und es sich prirnar urn Kon-

1240 1241

1242

Quelle: eigene Darstellung. Zu Indikatoren und Auspraqunqen des Produktlebenszyklus vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 3.2.1.1 der vorliegenden Arbei!. Zu Indikatoren und Auspraqunqen des Technologielebenszyklus vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 3.2.1.2 der vorliegenden Arbei!.

- 233-

zeptpatente handelt. Insgesamt beschaftiqt sich das Unternehmen in der EinfOhrungsphase der Wertkettenkonfiguration vor allem mit sog. Schrittmachertechnologien. Von den Indikatoren des Unternehmenslebenszyklus 1243 sind hier das Strukturierungskonzept der Wertsch6pfung sowie die Art der Informationsverarbeitung aussagekraftig. In beiden Bereichen haben sich in der EinfOhrungsphase noch keine Methoden und Strukturen herausgebildet. 1m Rahmen der Parameter des Branchenlebenszyklus 1244 kommen fOr die Wertsch6pfung prirnar der Kapitalbedarf und die Rolle der Technologie als Indikatoren in Betracht. Wie auch bei der Diskussion der Indikatoren des Technologielebenszyklus deutlich wurde, ist der Einfluss der Technologie in der EinfOhrungsphase hoch. Hauptanwendungsgebiete der Technologie sind in dieser Phase die Konzeptentwicklung sowie das Produkt-Engineering. Deutlich ergiebiger fOr den Lebenszyklus der Wertkettenkonfiguration sind dagegen die Innovationsmodelle von Abernathy/Utterback bzw. Christensen. Bezogen auf das Branchenentwicklungsmodell 1245 konnen verschiedene Merkmalsauspragungen der "fluid phase" herangezogen werden. Die Innovationstatigkeit des Unternehmens fokussiert sich in der Entstehungsphase auf prinzipielle Produktinnovationen, die zunachst durch Kundenprobleme und z.T. Entwicklungen von Kunden ausqelost werden. Forschung und Entwicklung agieren auf Grund der hohen technologischen Unsicherheit noch unfokussiert und der Produktionsprozess ist f1exibel , aber auch ineffizient. Verwendet werden in der Produktion Universalmaschinen und allgemein verfOgbare Produktionsmaterialien. Dabei mussen erforderliche Komponenten und KomplementargOter durch den Produkthersteller geliefert werden, da auf Grund der Unsicherheit und des Wettbewerbs verschiedener konkurrierender Designs noch kein unabhangiges Unternehmen das Risiko der Komponentenherstellung eingeht. Der Innovator muss daher die Wertschopfungskette weitestgehend unternehmensintern abbilden, der vertikale Integrationsgrad ist daher hoch. Mit Hinblick auf das Modell dar "disruptive innovation,,1246 entspricht die Entstehungsphase der Phase, in der "sustaining innovations" vorherrschen: Das angebotene Leistungspotenzial der Problemlosunqen deckt sich noch nicht mit der Erwartungshaltung der Kunden. Auch in diesem Modell ist der vertikale Integrationsgrad hoch, da die Produktarchitektur auf Grund des Fehlens eines dominanten Designs mit entsprechender Schnittstellenstandardisierung proprietar ist und das Unternehmen Architektur und Module des Produkts interdependent innoviert.

1243

1244

1245

1246

Zu Indikatoren und Auspraqunqen des Unternehmenslebenszyklus vgl. die AusfUhrungen in Kapitel 3.2.1.3 der vorliegenden Arbeit. Zu Indikatoren und Auspraqunqen des Branchenlebenszyklus vgl. die AusfUhrungen in Kapitel 3.2.1.4 der vorliegenden Arbeit. Zu Indikatoren und Auspragungen des Branchenentwicklungsmodells sowie zu Entstehung und Implikationen eines dominanten Designs vgl. die AusfUhrungen in Kapitel 3.2.2.1 der vorliegenden Arbeit. Zu Indikatoren und Auspragungen des Modells der "disrupt ive innovation " vgl. die AusfUhrungen in KapiteJ3.2.2.2 der vorliegenden Arbeit.

- 234 -

Phasen

Kriterien

Einfiihrung

Schlusselaklivilalen

Wachstum

Reife Kundenorlentle-

Niedergang

Innovalion, Inveslition, Marketing

Produklion, Marketing

rung , Zus .leistung

Rationa lisierung , Desinvesl

funklionaler :ii! Schwerpunkl

Forschung & Entw icklung

Produklion

Markeling & Vertrieb

Finanz -, Con lrollingbereich

..

Produktqualitat

Produktionskapazitat

Image

Ressourceneffizienz

Produktion

Werkstattfertigung

Automatisierung

flexible Fertigung

Kapazitatsauslastung

von Unter- zu Vollauslastung

Kapazltatsaufbau. Unterauslastung

Vollauslastung

flexible Fertiqunq Unterauslaslung, Kap.abbau

Marketingakl ivitaten

EinfUhrungsmarketing

Verkaufsfordenmq

StOlzung des Marktanteils

rOcklaufige Aktiv itaten

Investitionen in Technologieentw icklung

mittel (Grundlagen)

hoch (Anwendungen)

niedrig (Koslensenkung)

sehr niedrig

Au swirkung Technologie auf Leitungs / III ::J Kosten:iii Verhaltnls

sekundar

max imal

marginal

marg inal

..c ....

zunehmende, sehr groBe Zahl

groBeZahl

meldungen

abnehmende, kleine Zahl

abnehmende, sehr kleine Zahl

Typ der

Konzeptpatente

Produktpatente

---

F&E-Fah igke iten

Personal

Verfahrenspatente Lizenzen

Wettbewerbspotenzial

sehr geringe AusschOpfung

mittlere Ausschopfunq

hohe Auss chopfung

sehrhohe Ausschopfunq

Zeitbedarf von F&E bis zur Marktreife Technologietyp

7-15 Jahre

2-7 Jahre

1-4 Jahre

1-4 Jahre

Schrittmachertechnologie

SchlOsseltechnologie

Basistechnologie

Basistechnologie

funkt ionale Organisation

funktionale/divisionale Organisation weitgehende Forma lisierung der Methoden

funktionale Organisation

III ::J

~ Differenc zierung

III

..c ~

::J "C

e

ll.

~ Patentanc

III

a;

'Ct Patente 0

'0 Zugangsc barrieren s: u

ell

I-

Strukturie-

~ rungskonzept .;, c ell E Informations-

..E

.r;

.! c

---

AnwendungsKnow-how

wenig entw ickelte Methoden

beginnende Formalisierung der Methoden

Rolle der Technologie

hoher Einfluss , Konzeptentwicklung und ProduktEngineering

hoher Einfluss , Erweiterung der Produktlinie

maBiger Einfluss , Erneuerung der Produktlinie , Rationalisierung von Herstellverfahren

gering, Technologie ist bekannt, verbreitet und stagnierend

Kapitalbedarf

hoch

Oberproportional ansteigend

sinkend

gering

verarbeitung / Entscheidungsfindung

rucklauflqe Formalisierung der Methoden

::::l

~

C:

ell

.r;

o c

e lD

Abb.3.21

Indikatoren des Lebenszyklus der Wertketlenkonfiguration und der DurchfOhrung der Wertschopfung (Teil 1) - 235-

Phasen

Kriterien

Einfiihrung

Graduelle Produktinnovationen, kum. Produktivitats-!Qualitatsverbesserung

Innovationsimpuls

Kundenprobleme, technologische Entwicklungen von Kunden flexibel und ineffizient; prinzipielle Veranderungen gut umzusetzen

Zunehmende interne technologische Fahigkeiten zunehmend starr; Veranderungen in prinzip. Schritten

Druck zur Kostenreduktion und Qualitatsverbesserung

unfokussiert wegen hoher technologischer Unsicherheit Universalmaschinen, qualifizierte Arbeitskrsfte

Fokus auf spezifische Produktmerkmale (nach dom. Desiqn) Automatisierte Teilprozesse, Fertigungsinseln

Fokus auf graduellen Produkttechnologien und v.a. Prozesstechnologien

V.a. vollautomatisierte Spezialmaschinen, Arbeitskrafteeinsatz in Maschinenbedienung und -uberwachunq

Produktionsmaterial

allgemein verfuqbare Materialien

teilweise Spezialmaterialien

Spezialmaterialien; wenn nicht vsrfuqbar vertikale Integration

Betrieb

Kleinbetrieb in Kunden- oder Technoloqienahe

Mittelbetrieb mit spezialisierten Teilbereichen

Grofsbetrieb, hochspezialisiert auf bestimmte Produkte

niedrige Kosten

mafl,ige Kosten

hohe Kosten

informell, unternehmerisch

Projektgruppen, Aufgabenbezug

uber Strukturen, Regeln, Ziele

Produktinnovationsrate

hoch

sinkt sukzessive

niedrig

Produktion von Komponenten! Komplernentarqutern

durch den Produkthersteller, andere Hersteller warten ab

eigenstandige Markte fur Komponenten und Kornplernentarquter

vertikale Integration

hoher Integrationsgrad

unabhanqiqe Hersteller formieren sich! bereiten Markteintritt vor sinkt sukzessive

Innovationsebene

interdependent auf Architektur- und Komponentenebene

Komponentenebene

Komponentenebene

Schnitlstellen, Standard

nein

ja

ja

Produktionsausstattung

I:

:::I

u

!

I: G)

I: G)

.s: o I: l!! ProzesslD

anderungen Organisator. Kontrolle

"I:

~

.,> 0

I:

.S dom. Design G) > vertikale

a... :::I III

'?

Komponentenproduktion

niedriger Integrationsgrad

nicht existent

existent

existent

mittel! abnehmend

geringer Integrationsgrad

durch den Produkthersteller

Komponentenrnarkte entstehen

eigenstandige Markte fur Komponenten

Indikatoren des Lebenszyklus der Wertkettenkonfiguration und der DurchfOhrung der WertschCipfung (Forts.)1247

Quelle: eigene Darstellung.

- 236-

Effizient, kapitalintensiv, starr; hohe Veranderungskosten

hoher Integrationsgrad

Integration

Abb.3.21

1247

Niedergang

Prinz. Prozessinnovation

Gi

:;:

I

Prinzipielle Produktinnovationen

Forschung & Entwicklung

III Ol

Reife

Innovationstyp

Produktionsprozess

"E0

Wachstum

Die Wachstumsphase von Wertkettenkonfiguration und Durchflihrung der Wertschopfung ist in Bezug auf Charakteristika des Produktlebenszyklus 1248 da-

durch gekennzeichnet, dass die Schlusselaktivitaten im Bereich von Produktion und Marketing liegen. Eine Differenzierungsmoglichkeit der WertschOpfung besteht in den aufgebauten Produktionskapazitaten, die Kapazitaten sind dadurch zeitweilig unterausgelastet. Bei den Indikatoren des Technologielebenszyklus 1249 betreffen die Technologieentwicklungsinvestitionen in der Wachstumsphase Anwendungsinnovationen. Die Zahl der Patentanmeldungen ist nach wie vor hoch, bezieht sich nun aber prirnar auf Produktpatente. Ais Technologien werden sog. SchlOsseltechnologien eingesetzt. Bezogen auf Unternehmenslebenszyklus-Indikatoren 1250 vollzieht sich die WertschOpfung typischerweise in einer funktionalen Organisation. In Informationsverarbeitung und Entscheidungsfindung beginnen sich in der Wachstumsphase die Methoden allrnahlich zu formalisieren. Bei der Rolle der Technologie als Indikator des Branchenlebenszyklus 1251 ist in der Wachstumsphase festzustellen, dass ihr Einf1uss nach wie vor hoch ist und vor allem bei der Erweiterung der Produktlinie zum Tragen kommt. 1m Branchenentwicklungsmodell 1252 treffen auf die Wachstumsphase zunachst die Merkmalsauspragungen der "transitional phase" zu. Der vorherrschende Innovationstyp sind nun prinzipielle Prozessinnovationen, deren Rate gegenOber der vorherigen Phase auf Grund des Zuwachses des Produktionsvolumens und des Bedarfs an Effizienzsteigerungen deutlich angestiegen ist; die Produktinnovationsrate ist dagegen merklich niedriger als zuvor. Forschung und Entwicklung werden im Zuge der Herausbildung des dominanten Designs auf spezifische Produktmerkmale ausgerichtet. In der Produktion werden automatisierte Teilprozesse und Fertigungsinseln installiert, das eingesetzte Produktionsmaterial entspricht teilweise bereits Spezialkonfigurationen. In Bezug auf benotigte Komponenten und Komplementarprodukte beginnen unabhanqiqe Hersteller in den Markt einzutreten, sodass der vertikale Integrationsgrad allrnahlich sinkt. Wie in den AusfOhrungen zum Lebenszyklus der Produkt-/Markt-Kombination erlautert wurde, beginnt in der Wachstumsphase auf Grund der Etablierung des dominanten Designs der Obergang zur "specific phase".1253 Die Innovationsrate sinkt sowohl fOr Produkte als auch Prozesse weiter ab und die Innovationstatigkeit beschrankt sich weitge-

1248

1249

1250

1251

1252

1253

Zu Indikatoren und Auspraqunqen des Produktlebenszyklus vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 3.2.1.1 der vorliegenden Arbeil. Zu Indikatoren und Auspragungen des Technologielebenszyklus vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 3.2.1.2 der vorliegenden Arbeil. Zu Indikatoren und Auspragungen des Unternehmenslebenszyklus vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 3.2.1.3 der vorliegenden Arbeil. Zu Indikatoren und Auspraqunqen des Branchenlebenszyklus vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 3.2.1.4 der vorliegenden Arbeil. Zu Indikatoren und Auspraqunqen des Branchenentwicklungsmodells sowie zu Entstehung und Implikationen eines dominanten Designs vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 3.2.2.1 der vorliegenden Arbeil. Vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 3.3.1 der vorliegenden Arbeil.

- 237-

hend auf graduelle Produkt- sowie Produktivitatsverbesserungen. In der Produktion werden Oberwiegend vollautomatisierte Spezialmaschinen sowie Spezialmaterialien eingesetzt. Eigenstandige Markte fOr Komponenten und KomplementargOter haben sich nun vollstandiq etabliert, sodass der vertikale Integrationsgrad auf ein niedriges Niveau sinkt. Die Anzahl an Wettbewerbem auf Komponentenebene steigt bestandiq an. 1m Modell der "disruptive innovation,,1 254 entspricht die Wachstumsphase zunachst noch der Phase eines geringeren Leistungspotenzials im Vergleich zum Kundenbedarf. Allerdings beginnt - wie in den AusfOhrungen zum Lebenszyklus der Produkt-/Markt-Kombination erlautert1255 - innerhalb der Wachstumsphase die Folgephase des Christensen-Modells: Leistungspotenzial und -bedarf decken sich und ein dominantes Design existiert. Konsequenz ist auch in diesem Kontext die Entstehung eigenstandiger Komponenten- und Kompternentarqutermarkte sowie eine abnehmende vertikale Integration. In der Reifephase von Wertkettenkonfiguration und DurchfOhrung der Wertschopfung bestehen die SchlOsselaktivitaten als Indikator des ProduktlebenszykIus 1256 in der Kundenorientierung sowie dem Angebot an Zusatzleistungen. Differenzierungsmoglichkeiten ergeben sich in puncto Image, die Kapazltat ist voll ausgelastet. Bei den Parametern des Technologielebenszyklus1257 sind Investitionen in die Technologieentwicklung in der Reifephase niedrig; sie beschranken sich auf Technologien zur Kostensenkung. Eingereichte Patente betreffen daher Verfahrenspatente, wobei die Anzahl der Patentanmeldungen gegenOber den Vorphasen wesentlich gesunken ist. Die angewandten Technologien zahlen nun zu sog. Basistechnologien. Bezogen auf Indikatoren des Unternehmenslebenszyklus1258 sind die Methoden von Informationsverarbeitung und Entscheidungsfindung weitgehend formalisiert , die Organisation der Wertschopfung kann funktional oder divisional ausqepraqt sein. Der Einfluss der Technologie als Indikator des Branchenlebenszyklus 1259 ist in der Reifephase nur noch mal1ig ausqepraqt: die Technologie dient in diesem Kontext prirnar der Erneuerung der Produktlinie sowie der Rationalisierung der Herstellverfahren. 1m Rahmen des Branchenentwicklungsmodells treffen in der Reifephase wie schon im Verlauf der Wachstumsphase die Auspraqunqen der

1254

1255 1256

1257

1258

1259

Zu Indikatoren und Auspraqunqen des Modells der "disruptive innovat ion" vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 3.2.2.2 der vorliegenden Arbeit. Vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 3.3.1 der vorliegenden Arbeit. Zu Indikatoren und Auspraqunqen des Produktlebenszyklus vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 3.2.1.1 der vorliegenden Arbeit. Zu Indikatoren und Auspragungen des Technologielebenszyklus vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 3.2.1.2 der vorliegenden Arbeit. Zu Indikatoren und Auspraqunqen des Unternehmenslebenszyklus vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 3.2.1.3 der vorliegenden Arbeit. Zu Indikatoren und Auspragung en des Branchenlebenszyklus vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 3.2.1.4 der vorliegenden Arbeil.

- 238-

"specific phase" zu. Bezogen auf das Modell der "disruptive innovation,,126o korrespondiert die Reifephase mit der dritten Phase des Modells, in der "disruptive inno1261 vations" erfolgreich realisiert werden konnen. Die vertikale Integration der Wertschopfungskette ist gering, da sich Markte fur Komponenten und Komplementarquter des dominanten Designs etabliert haben. In der Niedergangsphase von Wertkettenkonfiguration und DurchfUhrung der Wertschopfung verdeutlichen die Merkmalsauspragungen die nur noch begrenzte Dauer des Lebenszyklus. Bei den Indikatoren des Produktlebenszyklus1262 zahlen zu den wesentlichen SchlOsselaktivitaten nun Rationalisierung sowie Desinvestition. Differenzierungspotenziale im Wettbewerb bestehen daher vor allem im Ressourceneinsatz. Die vorhandenen Kapazitaten sind unterausgelastet und werden sukzessive abgebaut. Die Auspraqunqen des Technologielebenszyklus1263 weisen nun sehr niedrige Technologieinvestitionen sowie nur noch sehr wenige Patentanmeldungen auf. Bei den Indikatoren des Unternehmenslebenszyklus1264 stellt sich ein rucklaufiqer Formalisierungsgrad bei Informationsverarbeitung und Entscheidungsfindung ein. Die Wertschopfung ist im Regelfall funktional organisiert. Die Rolle der Technologie als Indikator des Branchenlebenszyklus1265 ist nur noch unbedeutend, da die verwandten Technologien allgemein verbreitet sind und in ihrem Potenzial stagnieren. Beim Branchenentwicklungsmodell sowie beim Modell der "disruptive innovation" ergeben sich in der Niedergangsphase gegenOber der Reifephase keine Anderungen. Zu den Indikatoren von Wertkettenkonfiguration und DurchfUhrung der Wertschopfung sowie ihren Auspraqunqsn in den verschiedenen Phasen vgl. zusammenfassend Abbildung 3.21.

3.3.3

Lebenszyklus der Ertragsmechanik

Wie in den beiden vorangehenden Kapiteln zu den Lebenszyklen der Produkt-/MarktKombination bzw. Wertkettenkonfiguration werden im Foigenden aus den einschlaqigen Indikatoren der Lebenszyklus- und Innovationsmodelle die Phasen der Entstehung, des Wachstums, der Reife und des Niedergangs der Ertragsmechanik konfiguriert. Eine sachlogische Phasenharmonisierung erfolgt wie bereits bei den Lebenszyklen der anderen beiden GescMftsmodelibestandteile soweit erforderlich. Zu1260

1261 1262

1263

1264

1265

Zu Indikatoren und Auspraqunqen des Modells der "disruptive innovation" vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 3.2.2.2 der vorliegenden Arbeil. Vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 3.3.1 der vorliegenden Arbeil. Zu Indikatoren und Auspraqunqen des Produktlebenszyklus vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 3.2.1.1 der vorliegenden Arbeil. Zu Indikatoren und Auspraqunqen des Technologielebenszyklus vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 3.2.1.2 der vorliegenden Arbeil. Zu Indikatoren und Auspragungen des Unternehmenslebenszyklus vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 3.2.1.3 der vorliegenden Arbeil. Zu Indikatoren und Auspraqunqen des Branchenlebenszyklus vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 3.2.1.4 der vorliegenden Arbeil.

- 239-

satzllch ist es fur die Konstruktion des Lebenszyklus der Ertragsmechanik angebracht, auf die Konzepte Revenue Stream sowie Profit Pool zurOckzugreifen sowie die bei der Diskussion der Ertragsmechanik angestellten Oberlegungen zu Preiselastlzitaten und Zahlungsbereitschaften zu integrieren.1266 Bei den Konzepten Revenue Stream und Profit Pool handelt es sich prinzipiell zwar um stalische Ansatze: eine Dynamisierung in Form der Betrachtung von Veranderungsr ichtungen ist jedoch im Sinne der Zielsetzung der vorliegenden Arbeit sinnvoll; fur beide Ansatze variieren die Strukturen je nach Lebenszyklusphase erheblich und resultieren daher in unterschiedlichen Implikationen fur die FOhrung eines Untemehmens im Zeitverlauf. 1m Fall des Profit Pool-Konzepts ist eine Dynamik von den Verfassern auch angedacht: "The profit pool is not stagnant. As power shifts among the players in an industry - the competitors themselves , their suppliers, and their customers the structure of the profit pool will change, often quickly and dramatically (.. .) Mapping the profit pool not only shows the current state of an industry but also prompts some fundamental questions about the industry's evolution: Why have profit pools formed where they have? Are the forces that created those pools likely to change? Will new, more profitable business models emerge?,,'267 Ais Indikatoren fur den Lebenszyklus der Ertragsmechanik kommen die Determinanten des Grunderloses bzw. Zweckertrags eines Unternehmens in Betracht, d.h. Gotermengen und -preise sowie Erlosarten mit ihren jeweiligen Subdeterminanten.' 268 Diese spiegeln sich in einzelnen Indikatoren der Produkt- und Technologielebenszyklusmodelle sowie im Branchenentwicklungsmodell und dem Modell der "disruptive innovation" mit zahlreichen Oberschneidungen wider, weshalb die folgenden AusfOhrungen - anders als bei den Lebenszyklen von Produkt-/Markt-Kombination und Wertkeltenkonfiguration1269- nicht nach diesen Modellen gegliedert sind. 1270 In der Entstehungsphase der Ertragsmechanik beschranken sich die Erlose des Geschaftsfelds sowie der Grofstell von Revenue Stream und Profit Pool auf die innovative Produkt- bzw. Dienstleistung; eine Differenzierung in Komplernentarquter oder Zusatzleistungen ist noch nicht erkennbar. Da deshalb auch keine LeistungsbOndel angeboten werden konnen, kommen als Erlosarten prirnar variable Einzetertose in Frage.1271 Die Urnsatze sind niedrig, da sich in der EinfOhrungsphase lediglich ausgesprochen innovative Kunden auf eine Adoption einlassen, deren Oberdurchschniltlich hohe Anforderungen durch bestehende Problernlosunqen nicht gedeckt wer1266 1267 1268 1269 1270

1271

Vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 2.2.2.3 der vorliegenden Arbeil. Gadiesh/Gilbert (1998 b), S. 141. Vgl. die AusfUhrungen in Kapitel 2.2.2.3 der vorliegenden Arbeil. Vgl, die AusfOhrungen in den Kapiteln 3.3.1 und 3.3.2 der vorliegenden Arbeil. Indikatoren des Unternehmens- sowie des Branchenlebenszyklusmodells sind fOr die Ertragsmechan ik nicht einschlaqiq . Zur Ertragsmechanik und den Konzepten Revenue Stream und Profit Pool vgl. die AusfUhrungen in Kapitel 2.2.2.3 der vo rliegenden Arbe il.

- 240·

den. 1272 Gleichzeitig ist der Verkaufspreis der Innovation aus verschiedenen GrOnden relativ hoch: Die absetzbare Menge ist auf Grund der Neuheit und fehlender Netzeffekte zunachst gering. Die Produktionstechnologie ist unausgereift und ineffizient, da noch keine Prozessinnovationen stattgefunden haben. Innovative Technologien machen sich noch nicht im Kosten-/Leistungs-Verhaltnis des Produkts bernerkbar.F" DarOber hinaus ist auf Grund des Wettbewerbs konkurrierender Designs die Angebotstransparenz fOr Kunden relativ niedrig,1274 sodass das Preisdurchsetzungspotenzial des Herstellers groB ist. Zusatzlich ist wegen des gro(l,en Werts der Innovation fOr dieses Kundensegment deren Preiselastizitat grundsatzlich gering ausgepragt, sodass die Innovation in dieser Marktnische zOgig Obernommen wird. Die Wachstumsphase der Ertragsmechanik ist durch eine rasche Zunahme der Urnsatze charakterisiert: FrOhe Folger Obernehmen nun die Innovation; ihre Preis1275 Das Preisdurch-

elastlzitat ist jedoch geringer als die der ersten Kundengruppe.

setzungspotenzial des Herstellers sinkt demnach. Hohe Bedeutung kommt daher neben einer Produktdifferenzierung auch dem Preis zu; beide Aspekte sollten zu einer Differenzierung in den Erl6sarten fOhren, etwa durch AngebotsbOndelung von Produkt und Komplementarleistungen mit entsprechend resultierenden Gemeinerl6sen. Da sich in dieser Phase der "transitional phase" sowie der beginnenden "specific phase" im Rahmen des Branchenentwicklungsmodells1276 ein dominantes Design herausbildet und spezialisierte Anbieter fOr Komponenten und KomplementargOter in den Markt eintreten, sinkt die vertikale Integration. Zusammen mit m6glichen AngebotsbOndelungen fOhrt dies zu deutlich heterogeneren Revenue Streams sowie Profit Pools als in der Entstehungsphase; die Struktur der Profitabilitat beginnt sich in der Wachstumsphase allerdings erst allrnahlich zu verschieben, indem vertikale Integration keine Voraussetzung fOr das Erzielen von Gewinnen mehr darsteltt.F" Die mit dem Produkt selbst erzielbaren Gewinne erreichen in dieser Phase ihr Maximum; dazu tragen Kostensenkungen auf Grund der hohen Rate an Prozessinnovationen ebenso bei wie der Einsatz von Spezialmaschinen und -material. DarOber hinaus ent-

Zu Indikatoren und Auspragungen des Produktlebenszyklus vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 3.2.1.1 der vorliegenden Arbeil. 1273 Zu Indikatoren und Auspraqunpsn des Technologielebenszyklus vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 3.2.1.2 der vorliegenden Arbeil. 1274 Zu Indikatoren und Auspraqunqen des Branchenentwicklungsmodells sowie zu Entstehung und Implikationen eines dominanten Designs vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 3.2.2.1 der vorliegenden Arbeil. 1275 Zu Indikatoren und Auspraqunqen des Produktlebenszyklus vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 3.2.1.1 der vorliegenden Arbeil. 1276 Zu Indikatoren und Auspraqunqen des Branchenentwicklungsmodells sowie zu Entstehung und Implikationen eines dominanten Designs vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 3.2.2.1 der vorliegenden Arbeit; zur Phasenzuordnung von "transitional" sowie "specific phase" vgl. die AusfOhrungen in den Kapiteln 3.2.3 sowie 3.3.1. 1277 Zu Indikatoren und Auspragunqen des Modells der "disruptive innovation" vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 3.2.2.2 der vorliegenden Arbeil.

1272

- 241 -

falten innovative Technologien nun ihren maximalen Einfluss auf das Kosten-/Leistunqs-verhaltnis von Produkten und Prozessen.F" Die Reifephase der Ertragsmechanik ist durch das Umsatzmaximum, gleichzeitig aber bereits rOcklaufige Gewinne gekennzeichnet. 1279 Da das Marktpotenzial bis auf Ersatzbedarf weit ausqeschopft lst, kommt es in der Reifephase noch starker als in der Wachstumsphase darauf an, mit innovativen Ertosformen zu experimentieren , um den Umsatzverfall abzumildern bzw. zu verzoqern. Gleichzeitig werden Service- und Wartungsleistungen auf Grund der umfangreichen installierten Basis verkaufter Produkte immer wesentlicher ,1280 sodass sich die Struktur von Revenue Stream und Profit Pool deutlich gegenOber den vorigen Phasen verschiebt. Auswirkungen auf Revenue Stream und Profit Pool ergeben sich auch durch die moglich gewordenen "disruptive innovations" in dieser Phase,1281 sodass sich - je nach subjektivistischer Interpretation des Wettbewerbsfelds - strukturelle Verschiebungen oder aber ein neues, konkurrierendes Wettbewerbsfeld mit eigenstandigem Revenue Stream bzw. Profit Pool ergeben. Die Preiselastlzitat der Kaufer nimmt in Foige der hohen Marktsattiqunq und der hohen Wettbewerbsintensitat auf Grund der umfassenden Markttransparenz und des dominanten Designs ihren Maximalwert an, das Preisdurchsetzungspotenzial der Anbieter ist dementsprechend niedrig. Der vertikale Integrationsgrad ist nur noch gering ausqepraqt, da die Markte fOr Komponenten und Komplernentarprodukte nun vollstandlq entwickelt sind. In der Niedergangsphase der Ertragsmechanik sinken die urnsatze schliefslich auf ein niedriges Niveau, das Geschaftsfeld gerat in die Verlustzone . Das Marktpotenzial besteht nun nur noch aus Ersatzbedarf , weshalb innovativen Erlosformen in dieser Phase keine so wesentliche Rolle mehr zukommt wie in der Reifephase. Da sich die Zahl der Wettbewerber weiter konsolidiert , kann das Preisdurchsetzungspotenzial in dieser Phase fOr die Deckung des Ersatzbedarfs der Kunden wieder ansteigen; die Preiselastizitat der Kunden sinkt dernentsprechend.F" Zu den Indikatoren der Ertragsmechanik sowie ihren Auspraqunqen in den verschiedenen Phasen vgl. zusammenfassend Abbildung 3.22.

1278

1279

1280

1281

1282

Zu Indikatoren und Auspragungen des Techno logielebenszyklus vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 3.2.1.2 der vorliegenden Arbei!. Zu Indikatoren und Auspragungen des Produktlebenszyklus vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 3.2.1.1 der vorliegenden Arbeit. Vgl. Potts (1989). S. 101; Wise/Baumgartner (1999) , S. 134ft. Zu Indikatoren und Auspraqunqen des Modells der "disruptive innovation " vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 3.2.2.2 der vorliegenden Arbeit. Die Feststellung einer sinkenden Preiselastizttat stellt den allgemein gOltigen Fall gemal1 dem Produktlebenszyklus dar. Die Aussage einer hohen Preiselastizitat in der letzten Phase des Modells der "disruptive innovation " bezieht sich auf Leistungssteigerungen einer "sustaining innovation", die die KundenbedOrfnisse Obersteigt, sodass fOr die Innovation keine bzw. eine geringe (zusatzliche) Zahlungsbereitschaft besteht. Vgl. die AusfOhrungen in den Kapiteln 3.2.1.1 bzw. 3.2.2.2 der vorliegenden Arbs it.

- 242-

Phasen

Krlterien

ec: ell

Relfe

Elnfiihrung

Wachstum

ErlOsart

variable EinzelerlOse

max . Helerogen ilal

ErlOslrager

innovali ve s Produkl

Einze l- und wnehmend GemeinerlOse, helerogenes ErlOsspektrum Differenzierung , Zusatzleislungen

Zahlungsbereitschaft

sehr hoch

hoch

abnehmend

abnehmend bis auf Null

Umsatz

geringes Wachstum

hohes Wachstum

Umsatzmaximum

sinkend

Grenzumsatz

schwach, steigend

stark ste igend, Ma ximum

abnehmend bis auf Null

negativ

Deckungs-

negativ

posit iv

erreichl Max imum

positiv, sinkend

negaliv bis null

null bis Max imum

positiv, sinkend

sink end , negativ

hohes Potenzial

mittleres Potenzial

geringes Potenzial

ger ing , ste igend

CIl

max . Differenzierung

Nledergang Einze lerlOse, geringe Helerogenilal ge ringe Zahl ErlOslrager

ell

Ul

~ :;: beitrag

>Gewinn N Ul

c:

CIl

.c Preisdurchell

:iii

setzung

'tl

Abnehmertyp

Innovatoren

fruhe Folger

Mehrheit

Nachziigler

Preiselasti-

gering

ste igend

maximal

sinkend

Distributionselastizitat

gering

ste igend

hoch

sinkend

Werbeelast izltat Marktvolume n Marklpreis

sehr hoch

hoch

mittel

gering

gering

steigt sukzessive sinkl

~

e D.

zitat

a; 'tl

0

hoch

hoch sinkt weiler

E Angebotell e stransparenz

niedrig

ste igt sukzess ive

hoch

:;: Kaufkriter ium

Produktfunktionatitat

entstehendes dom . Design

Konformitat m it dom . Design, Netzeffekte, VerfOgbarkeit von Komplementarprodukten

niedrig

ste igt sukzessive

hoch

keine oder sehr niedrige Auswahl

steigende Auswahl

hohe Auswahl

Ul ~

u

~e

Adoplions-

ell c: neigung ell

.c: Komponenu

e ten/Komplel! III mentarquter Netzeffekte

"c: Commoditi-

nullrnledrio

ansteiqend keine Commodity

hoch beginnend

gering be i Leistungssleigerung

uneinheitlich

hoch trotz Leistungssteigerung

durch den Produkthersteller

Komponen-

tenrnarkte

eigenstandige Markte fOr Komponenten

Produkt ist Commodity

.2 sieruno 'l;j

Preiselastizi-

> 0 tal Nachfrage e

.!: Produktion ell > von Kompo-

a..

entstehen

nenten

~

Ul

~

Gewinnpotenzial

Abb.3.22

1283

Produktebene

Produkte und Module

Modulebene

Indikatoren des Lebenszyklus der Ertragsmechanik1283

Quelle: eigene Darslellung.

- 243 -

3.3.4.

Implikationen der Lebenszyklen der Geschaftsmodellbestandteile fOr Geschaftsmodellinnovation und Geschliftsmodelliebenszykius

Nachdem nun Lebenszyklen und ihre Indikatoren fOr die drei Bestandteile eines Geschaftsmodells formuliert wurden, stellt sich die Frage nach deren Auswirkungen auf den Lebenszyklus des gesamten Geschaftsmodells. GroBe Bedeutung kommt dabei den Konsequenzen fOr die Wirkungsbeziehungen zwischen den Geschaftsmodellbestandteilen zu, da sie die Stimmigkeit des Geschaftsrnodells und damit den Erfolg wesentlich determlnleren.F" Eine fehlende Stimmigkeit fOhrtzu einem Anpassungsdruck eines oder mehrerer Bestandteile des Geschaftsrnodells und - je nach Erfolg - zu einer Geschattsmodelllnnovation oder einem Ausscheiden aus dem Markt; fehlende Stimmigkeit entspricht daher einem Ungleichgewicht und kann lediglich temporarer Natur sein.12B5 Entscheidend ist also, welche Foigen sich fOr den Lebenszyklus des Geschattsmodells ergeben, wenn einer der Bestandteile in eine neue Lebenszyklusphase Obergeht (dynamische Perspektive). Zu differenzieren ist hierbei zwischen gezielten und ungewollten PhasenObergangen: Es kann sich urn eine bewusste Innovation des Geschaftsrnodells handeln, bei der die unterschiedlichen Arten von Geschaftsmodellinnovationen zu berOcksichtigen sind.12B6 Ebenso mOssen jedoch Faile einbezogen werden, in denen ein Bestandteil des Geschaftsmodells ungewollt, d.h. auf Grund exogener Faktoren, in eine neue Lebenszyklusphase eintritt. Bei einer solchen dynamischen Perspektive kommt es entweder durch zielgerichtete Aktivitaten der UnternehmensfOhrung zu Veranderungen in der Lebenszyklusphase eines Bestandteils oder aber durch einen ungeplanten Obergang auf Grund externer Faktoren wie veranderten KundenbedOrfnissen oder Technologien. In beiden Fallen hanqen die Auswirkungen auf den Lebenszyklus des Geschaftsmodells von der Kategorie der Veranderung bzw. Geschaftsmodellinnovation ab: Wesentliche Parameter der Kategorien sind die Ebene der Geschaftsrnodellbestandteile (Komponentenebene) sowie die Ebene der Wirkungsbeziehungen des Geschattsmodells (Architekturebene).12B7 Analog zur Unterscheidung von Innovationen auf Komponenten- und Architekturebene bei Produkten und deren Konsequenzen fOr den Produktlebenszyklus ergeben sich auch beim Geschaftsrnodelllebenszyklus unterschiedliche Auswirkungen in den vier Fallen einer modularen, architektonischen, prinzipiellen oder graduellen

1284

1285 1288 1287

Vgl. die AusfOhrungen in den Kapiteln 2.2.1 sowie 2.2.2.4 der vorliegenden Arbeit. Vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 2.3.3 der vorliegenden Arbeit. Vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 2.3.2 der vorliegenden Arbeit. Vgl. zur Definition sowie zu den Kategor ien der Geschaftsmodellinnovation die AusfOhrungen in Kapitel 2.3.2 der vorliegenden Arbeit. Zu der dieser Definitorik zugrunde Iiegenden Unterscheidung von Komponenten- und Architekturebene bei Produkten und Produktinnovationen vgl. Henderson/Clark (1990) sowie die AusfOhrungen in KapiteI2.3.1 der vorliegenden Arbeit.

- 244-

lnnovatlon.F" Eine Unterscheidung zwischen einer bewussten Innovation sowie einer exogen induzierten Veranderunq erObrigt sich zunachst, da die Auswirkungen auf den Lebenszyklus des Geschaftsmodells von der Herkunft des Impulses unabhanqiq sind. Bei den folgenden AusfOhrungen zur Veranderunq des Lebenszyklus eines Geschaftsrnodells durch eine Geschaftsmodellinnovation wird gedanklich von einer Differenzierung des Geschaftsmodells ausgegangen: Die Konsequenzen durch die Innovation werden bei den - im gleichen oder bei einem anderen Unternehmen - zu beobachtenden Veranderungen der Lebenszyklusposition des ursprOnglichen Geschaftsmodells transparent. Bei einer modularen Geschaftsmodellinnovation als Innovation von einem oder mehreren Bestandteilen des Geschaftsmodells ohne nennenswerte Veranderung der Geschaftsmodellarchitektur andern sich die Wirkungsbeziehungen zwischen den Bestandteilen nicht; die Verbesserungen des Geschaftsrnodells in puncto Kundennutzen und Wettbewerbsvorteilen sind dementsprechend begrenzt. 1289 Durch die auf Systemebene nur geringfOgigen Anderungen wird auch der Lebenszyklus des Geschaftsrnodells nur marginal beeinflusst; auf Grund der Verbesserungen ist insbesondere eine gewisse

Verlangerung von Wachstums- oder Reifephase des

Geschaftsmodells denkbar: Analog zu einer Aufwartsbewegung auf der aktuellen Kurve im Modell der S-Kurve wird das Leistungspotenzial des Geschaftsmodells weiter erschlossen bzw. ausqeschopft.F" Eine architektonische Geschaftsmodellinnovation bezeichnet in der Definitorik der vorliegenden Arbeit das Gegenstock zur modularen Geschaftsrnodellinnovation: 1291 Die Geschaftsmodellarchttektur erfahrt eine prinzipielle Innovation, wodurch die Schnittstellen und Wirkungsbeziehungen zwischen den Bestandteilen grundlegend verandert werden und sich v611ig neue Leistungspotenziale, d.h. Kundennutzen und Wettbewerbsvorteile, ergeben. Die Bestandteile selbst erfahren dagegen hochstens graduelle Innovationen, d.h. geringfOgige Weiterentwicklungen. FOr den Lebenszyklus des bisherigen Gescheftsrnodells bedeutet dies auf Grund der LeistungsOberlegenheit eine ernstzunehmende Konkurrenz; das bisherige Geschaftsrnodell wird daher beschleunigt in die nachste(n) Phase(n) seines Lebenszyklus Obergehen. Der Fall einer prinzipiellen Innovation auf Komponenten- und Architekturebene des Geschattsrnodells wird in vorliegender Arbeit als prinzipielle Geschaftsmodellinno-

vation bezelchnet.F" Dabei werden sowohl Bestandteile als auch Wirkungsbeziehungen ohne BerOcksichtigung des bestehenden Geschaftsmodells v611ig neu konfi1288 1289 1290

1291 1292

Vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 3.2.1.5 der vorliegenden Arbeit. Vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 2.3.2 der vorliegenden Arbeit. Zum Konzept der S-Kurve nach Foster vgl. Foster (1986), S. 31ft., sowie die AusfOhrungen in Kapitel 2.3.1 der vorliegenden Arbeit und die dort zitierte Literatur. Vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 2.3.2 der vorliegenden Arbeit. Vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 2.3.2 der vorliegenden Arbeit.

- 245-

guriert, sodass sich auf Grund der hoheren Freiheitsgrade etwa gegenuber einer architektonischen Geschaftsmodellinnovation ein noch hoherer Leistungszuwachs auf Geschaftsmodellebene einstellt. Dementsprechend entsteht auch hier ein Druck auf das bisherige. von anderen Unternehmen als dem innovierenden noch verfolgte Geschaftsrnodell . Daher durfte sich sein Lebenszyklus bei Auftreten der prinzipiellen Geschattsrnodellinnovation rapide beschleunigen und auf ein Nischendasein im Sinne der Niedergangsphase reduz iert werden . Bei einer graduellen Geschaftsmodellinnovation werden sowohl Bestandteile als auch Wirkungsbeziehungen zwischen den Bestandteilen nur graduell innoviert.1293 Die Auswirkungen auf das Geschaftsmodell insgesamt sind daher kaum spurbar, die Veranderungen fUr den Geschaftsmodeiliebenszykius marginal. Die Konsequenzen einer Innovation auf Ebene von Geschaftsmodellkomponenten oder -architektur auf den Lebenszyklus des Geschaftsmodells konnen daher insbesondere bei einer prinzipiellen oder architektonischen Geschattsmodellinnovation dramatische Ausrnalse annehmen : Der Lebenszyklus endet vorzeitig, die kumuliert erzielbaren urnsatze sowie Deckunqsbeitraqe reduzieren sich erheblich und das Unternehmen gerat in eine Abwartsspirale, in der der generierte Kundennutzen und die entstandenen Wetlbewerbsvorteile fUr die beteiligten Unternehmen wegbrechen. Je nach konkreter Situation und Lebenszyklusphase des Geschattsrnodells kann ein Unternehmen dadurch in eine bed rohliche Schieflage geraten , etwa wenn die kumulierten Deckungsbeitrage nicht mehr ausreichen , die Vorleistungskosten fUr Produktentwicklung und Markteintritl abzudecken.

Exogene Entwicklungen. die zu einer solchen Lebenszyktusverkurzunq bei Geschaftsrnodellbestandtellen und als Konsequenz bei Geschaftsrnodelten fUhren kennen , sind etwa Strukturverschiebungen bei Kundenbedurfnlssen , Trendbruche in der Technologie oder regulatorische Anderungen seitens des Staates. Dabei ware es fUr ein betroffenes Unternehmen ggf . existenziell , Anzeichen einer solchen Veranderung fruhzeitig zu registrieren und entsprechend darauf zu reagieren; je nach Art dieser Entw icklung konnte das Unternehmen entweder gegensteuern und eine Lebe nszyktusverkurzunq abmildern oder aber sich zumindest derart vorbereiten , dass es sein Geschaftsmodell rechtze itig anpasst. 1m Gegensatz zu exogenen kann und sollte eine Geschaftsmodelllnnovation endogene Ursachen haben, d.h. proaktiv vom Unternehmen initiiert und durchgefUhrt werden .1294 Das Unternehmen wurde dann zu einem uberleqenen Geschaftsmodell wechseln . wenn sich entsprechende Chancen erkennen lassen. Dabei konnen so-

1293 1294

Vgl. die AusfOhrungen in Kapilel 2.3.2 der vorliegenden Arbeil. Zur Nolwendigkeil von Geschaftsm odelllnncvat lonen vgl. die Ausf Ohrungen in Kapilel 3.1.2 der vorliegenden Arbeil.

- 246·

wohl Bestandteile als auch Architektur des Geschaftsmodells optimal geplant und aufeinander abgestimmt werden, urn eine Stimmigkeit des Geschattsrnodells zu erreichen. Eine Veralterung und Obsoleszenz des Geschaftsmodells wird dadurch von vornherein verhindert; zudem behalt das Unternehmen die Gestaltung seiner Zukunft in den eigenen Handen. In diesem Fall ist das Timing der Innovation von hoher Relevanz, da bei einem zu frOhen Agieren die Erfolgsaussichten ebenso geschmalert werden wie bei einem verspateten.F" FOr beide Moglichkeiten - einen drohenden, exogen induzierten Verfall der Wettbewerbsbasis sowie einen proaktiven Obergang zu einem Oberlegenen Geschaftsrnodell - sind daher Informationen uber Trends und Entwicklungen im Umfeld von entscheidender Bedeutung. Erforderlich sind Systeme, die wesentliche Informationen frOhzeitig erfassen, verdichten und bewerten konnen, urn der UnternehmensfOhrung rechtzeitig entsprechende Entscheidungsgrundlagen fOr eine optimaIe Planung und Gestaltung des Geschaftsrnodells an die Hand zu geben. Wesen und Implikationen solcher Intormationssysteme fur eine Geschaftsmodellinnovation werden im tolgenden Kapitel 4 naher betrachtet.

1295

Vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 4.3.2 der vorliegenden Arbeit.

- 247-

4

Initiierung und Erfolgsvoraussetzungen von Geschafts· modellinnovationen

Nachdem in Kapitel 3 der vorliegenden Arbeit die definitorischen und konzeptionellen Grundlagen zum Lebenszyklus von Geschaftsmodellen gelegt wurden, steht in Kapitel 4 die Frage nach der konkreten Initiierung und damit nach entsprechenden Auslosefaktoren einer Geschaftsmodellinnovation sowie generellen Erfolgsvoraussetzungen im Vordergrund. Dazu wird in Kapitel 4.1 zunachst hergeleitet, wie die aktuelle Lebenszyklusphase eines Geschaftsmodells ermittelt werden kann und inwiefern sich auf Basis dieser Erkenntnis eine Notwendigkeit zur Geschattsmodellinnovation ergibt. Darauf aufbauend thematisiert Kapitel 4.2 M6glichkeiten der Generierung von Optionen des zukOnftigen Geschattsrnodells mit der Szenario-Methode. Kapitel 4.3 betrachtet abschliefsend zwei wesentliche Erfolgsvoraussetzungen einer Geschattsmodellinnovation in Form der Unternehmensflexibilitat sowie des Timings.

4.1

Bestimmung von Lebenszyklusposition und Innovationsbedarf eines Geschaftsmodells auf Basis von Fruhaufklarungssystemen

Aufbauend auf dem in Kapitel 3 erstellten Lebenszykluskonzept von Geschaftsrnodellen wird in Kapitel 4.1. erarbeitet, wie die aktuelle Lebenszyklusphase eines Geschaftsmodells bestimmt werden kann. Dazu werden in Kapitel 4.1.1 zunachst allgemeine Oberlegungen zur Informationsgewinnung und zur Rolle von FrOherkennungssystemen angestellt. In Kapitel 4.1.2 wird ein konkretes FrOherkennungssystem fOr Geschaftsrnodelle entwickelt. Kapitel 4.1.3 hat die Ableitung von Innovationsbedarf des Geschaftsmodells auf Basis von aktueller Lebenszyklusposition und FrOherkennungsinformationen zum Gegenstand. 4.1.1

Bedeutung von Fruhaufklarungssystemen bei der zukunftsorientierten Informationsgewinnung

Geschaftsmodellinnovationen k6nnen durch bewusste Enlscheidungen der UnlernehmensfOhrung initiiert oder durch exogene Ereignisse in der Unlernehmensumwelt 1296 In beiden Fallen haben Informatlonen uber bevorstehende ausgel6s1 werden. Entwicklungen und Trends im Umfeld des Unternehmens hohe Relevanz: Bei rechtzeitig vorliegenden Indikatoren kann das Management einerseils zukOnftige Bedrohungen im Vorfeld erkennen und frOhzeitig Geqenrnafsnahmen einleilen ; andererseits k6nnen auch Chancen wahrgenommen und das Geschaftsrnodell proakliv im Sinne optimaler Wettbewerbsfahigkeit gestaltet werden. Die Grundlagen einer entsprechenden Informationsgewinnung sollen im Foigenden naher ausgefOhrtwerden.

1296

Vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 3.3.4 der vorliegenden Arbeit.

- 248-

Informationen bezeichnen "zweckorientiertes Wissen,,1297 mit dem lieI der Entschei-

dungsvorbereitung: 1298 Sie sind als "Aussagen [zu] verstehen, die den Erkenntnisstand eines Subjektes uber ein Objekt in einer gegebenen Situation zur ErfOliung einer Aufgabe verbesserrr.F" Dabei unterliegen Informationen als immaterielle GOter einer Reihe spezifischer Eigenschaften wie einfache Verbreitung zu niedrigen Vervielfaltigungskosten, Wertgewinn durch Nutzung und Teilung sowie Substitution anderer Ressourcen.P'" 1301 Auf Grund der geschilderten Entwicklung von Digitalisierung, lnformatlonsokonornie und Auflosunq von Unternehmensgrenzen1302 gelten Informationen nicht mehr nur als Produktionsfaktoren, sondern als strategische StellgraBen mit erheblichen wettbewerbspolitischen Auswirkungen im gesamten Wertschopfunqssystern.P'" Entscheidende Bedeutung kommt daher dem Informationsstand als Determinante betrieblicher Entscheidungen zu. Der Informationsstand ist nach Art, Umfang und Oualitat als der Teil der Schnittmenge aus Informationsangebot und -nachfrage definiert, der zur ErfOliung einer Aufgabe erforderlich ist; im Rahmen der Informationsnachfrage ist wiederum die Schnittmenge aus objektivem und subjektivem Informationsbedarf ausschlaggebend (vgl. Abbildung 4.1 ).1304 Die Oualltat des Informationsstands wird maBgeblich durch die GOte des Informationssystems determiniert, durch das die Information generiert

1297

1298

1299 1300

1301

1302

1303 1304

PicoVReichwaldlWigand (1996), S. 69; GemOnden (1993), Sp. 1725; Hildebrand (1995), S. 3. In der Semiotik, der Wissenschaft von Kommunikationsvorgangen, stell en Informationen als zweckorientiertes Wissen die Auspraqunq der ranqhochsten der drei Stufen, der Pragmatik, dar: • Die Syntaktik befasst sich mit der Analyse von Zeichen und deren Beziehungen untereinander; sie betrifft also die Obertragung von Signalen unabhanqiq von ihrer Bedeutung. • Die Semantik bezieht zusatzlich die Bedeutung der Obertragenen Zeichen fOr die Verwender mit ein; bei identischer Bedeutung fOr Sender und Ernpfanqer spricht man von einer Nachrichl. • Die Pragmatik betrachtet darOber hinaus die Wirkung der Signale auf den Verwender und die resultierenden Handlungskonsequenzen; die Signale werden hier handlungsstiftend und die Nachricht wird zur Information, vgl. PicoVReichwaldlWigand (1996), S. 67ft. Zur Entstehung und wissenschaftlichen Verortung der Semiotik vgl. Amler (1983), S. 33f. GemOnden (1993), Sp. 1725. Eine Substitution anderer Ressourcen ergibt sich etwa bei Produktionsinformationssystemen: Eine Anlieferung von Komponenten "just-in-time" ersetz! eine entsprechende Lagerhaltung, vgl. Hildebrandt (1995), S. 20, sowie Magretla (1998), S. 77, wo Michael Dell dieses Prinzip fOr den Computerhersteller Dell erlautert: "We substitute information for inventory and ship only when we have real demand from real end customers." Zum Geschaftsmodell von Dell vgl. auch die AusfOhrungen in Kapitel 1.1.2 der vorliegenden Arbeil. Vgl. PicoVReichwaldlWigand (1996), S. 104; Hildebrand (1995), S. 2; Pietsch/Martiny/Klotz (1998), S. 23, jeweils mit weiteren Merkmalen; sowie die AusfOhrungen zur Intormationsokonomie in Kapitel 1.3 der vorliegenden Arbeil. Vgl. die AusfOhrungen in den Kapiteln 1.3 sowie 2.2.2.2 der vorliegenden Arbeil. Vgl. Hildebrand (1995), S. 25ft. Vgl. PicoVReichwaldlWigand (1996), S. 106. Zu den Begriften Informationsbedarf, -angebot und -nachfrage vgl. auch GemOnden (1993), Sp. 1726ft. Eine wesentliche, aber schwierig zu bestimmende Komponente bildet hier der objektive Informationsbedarf: Wird er vernachlassiqt, sachlich verkehrt oder zu hoch einqeschatzt, resultieren aus der Informationsversorgung leicht die vielzitierten "Zahlenfriedhcfe".

- 249-

Subjektiver Infonnationsbedarf Objektiver Infonnationsbedarf

Infonnationsstand Infonn ationsangebot

--------

Abb .4.1

Informationsstand in Zusammenhang mit Informationsbedarf, -angebot und -nachfrage1305

wird. 1306 Eine okonomische Bewertung von Informationen als weiteres Oualitatskriterium bemisst sich an einer Kosten-/Nutzen-GegenObersteliung von Informationsbeschaffung und -verwertung anges ichts eines Problernlosunqsprozesses: praktisch stellt sich hier allerdings das Problem des sog. Informationsparadoxons, da eine Nutzenbewertung der Information deren Kenntnis voraussetzt und erst ex post moglich iSt,1307 Entscheidungen mOssen daher in der Praxis nicht nur unter unvollkommener Information getroffen werden ,1308 sondern auch in Unklarheit bezOglich der GOte der Entscheidungsgrundlagen. Festhalten lasst sich hier folgendes: Die Ausgestaltung der Informationssysteme gilt als ein wesentlicher Parameter der Informations- und letztlich der Entscheidungsqual itat; Informationssysteme mOssen daher frOhzeitig Informationen bereitstellen, die den Anforderungen aus Vallditat und Kosten-/NutzenRelation gerecht werden, gleichze itig eine "Informationsflut,,1309 jedoch vermeiden .

' 305 '306 ' 307 ,3 0B 1309

Quelle: PicotlReichwaldlWigand (1996). S. 106. Vgl. Amler (1983), S. 2. Vgl. PicotlReichwaldlWigand (1996), S. 109. Vgl. Amler (1983), S. 2. Vgl. Glazer (1999), S. 59f., der in einer Informationsflut ("information overload") und mangelnder Verarbeitungskapazitat eine Gefahr des Informationszeitalters siehl: "For business, the information age has led to the emergence of 'smart markets ', or markets defined by frequent turnover in the general stock of knowledge or information embodied in products and possessed by competitors and consumers (... ) In smart markets (and, more generally , in the information economy) , information is abundant. What is scarce is the ability to process information."

- 250·

Zur ErfOllung dieser Anforderungen schlaqt Ansoff das Konzept der sag. schwachen Signale als Bestandteil der Informationsversorgung von Unternehmen vor:1310 Der Ausgangspunkt des Konzepts besteht in der Beobachtung, dass eine steigende Anzahl "strategischer Oberraschungen", d.h. diskontinuierlicher Umfeldveranderungen mit Bedrohungs- oder Chancencharakter, Unternehmen unvorbereitet trifft;1311 Ansoff bezeichnet dieses Phanornen als "ReaktionsIOcke,,1312, d.h. als Divergenz zwischen der FOlie in der Umwelt verfOgbarer und vom Unternehmen genutzter Informationen. Bei einer besseren Verwertung bzw. Beurteilung der Relevanz verfOgbarer Informationen liefsen sich Diskontinuitaten als potenzielle "strategische Oberraschungen" anhand sog. schwacher Signale im Vorfeld absehen, sodass sich Unternehmen gegen deren Eintreten entsprechend wappnen und ein Krisenmanagement als traditionelle Bewaltigung von Diskontinultaten weitgehend vermeiden konnten: "Die zweite Moglichkeit [des Umgangs mit Diskontinuitaten, d. Verf.] besteht darin, das Problem ex ante zu behandeln, d.h. die Wahrscheinlichkeit strategischer Oberraschungen zu minimieren. Die Unternehmung wird Vorkehrungen treffen, einer strategischen Diskontinuitat im Zeitpunkt des Auftretens den Charakter des Plotzllchen, Dringlichen und Unbekannten zu nehmen.,,1313

Ziel des Konzepts schwacher Signale ist daher die fruhzeitige Wahrnehmung von Diskontinuitaten in Form schwacher Signale und eine abgestufte Reaktion in Abhangigkeit vorn Konkretisierungsgrad der generierten tntormatlon.P" Eine Operationalisierung dieser schwachen Signale nimmt Ansoff nicht vor, er nennt jedoch zwei generelle Bedingungen fOr die Verwendbarkeit von Informationen in der strategischen Planung: Informationen mussen erstens ausreichend frOh fOr eine entsprechende Vorbereitung vorliegen. Zweitens mOssen Informationen eine Abschatzunq der Konsequenzen fur das Unternehmen, eine Auswahl an Reaktionsmoglichkeiten und eine Beurteilung der jeweiligen Wirkungen ermoglichen. 1315, 1316 Damit handelt es

1310 1311

1312

1313 1314

1315

Vgl. Ansoff (1976), S. 131; Ansoff (1981), S. 234ff. Dass der Wirkungszusammenhang andersherum verlautt und erst mangelnde Vorbereitung bzw. Wahrnehmung von Signalen dazu fOhrt, dass Ereignisse den Charakter einer "Oberraschung" erhalten, verdeutlicht McGee (2004), S. 5f.: "Business 'surprises' of all sizes occur with alarming frequency and take a considerable toll (...) Every day there are thousands of business 'surprises'. They are manifest most tangibly in missed earnings reports (called, of course, 'surprises') at the end of a quarter, but they happen every day: Managers make critical business decisions with outdated and practically useless information leading to the surprises of missed opportunities at best or disastrous failures at worst for businesses, for managers, for employees, for the economy (... ) There is always warning before a business surprise takes place" (Hervorhebung im Original). Ansoff (1981), S. 236, der in der englischen Originalversion von "strategic responsiveness" spricht, vgl. Ansoff (1976), S. 132. Ansoff (1981), S. 235 (Hervorhebung im Original). Vgl. Ansoff (1981), S. 237f. LV.m. S. 242ff.; zur Konkretisierung derartiger abgestufter Reaktionen vgl. die weiteren AusfOhrungen des vorliegenden Kapitels. Vgl. Ansoff (1981), S. 237.

- 251 -

sich urn eine formale und eine inhaltliche Voraussetzung , die gleicherma~en auf schwache Signale zutreffen mOssen. Zu beiden Aspekten sind schwache Signale in der Literatur anhand einer Reihe von Merkmalen weiter konkretisiert worden . In formaler, objektunabhangiger Hinsicht bezeichnen schwache Signale zukunftsbezogene, qualitative Zeichen bzw. tnformationen.P" die inhaltlich unstrukturiert und mehrdeutig sind, die noch keine nennenswerte Verbreitung erfahren haben und deren Wirkungszusammenhange nicht bekannt sind. 1318 DarOber hinaus sind schwache Signale zwangslaufig subjektiv: 1319 "Schwache Signale sind vielfach nicht zuletzt deshalb 'schwach', weil sie (noch) nicht in das vorhandene Weltbild passen .,,1320 Inhaltlich beziehen sich schwache Signale auf die jeweils relevanten Gebiete potenzieller Dlskontinuitaten im Umfeld des Unternehmens. F " Dazu sind im Foigenden der Begriff der Dlskonfinuitat sowie die Bestandteile des Unternehmensumfelds als mogliche Objektbereiche von Dlskontinuitaten naher zu betrachten.

Systemtheoretisch handelt es sich bei Oiskontinuitaten um plotzliche, signifikante Veranderungen in den Beziehungen zwischen den Systemvariablen oder der Systemdynamik ; sie resultieren in Zustanden der Konfusion, mangelnder Kontrollierbar1322 keit sowie SystemzusammenbrOchen. Aligemeiner formuliert charakterisieren sich Diskontinuitaten durch qualitative Niveauveranderungen bzw. TrendbrOche im bisherigen Entwicklungsverlauf.1323 Dementsprechend konnen Diskontinuitaten auch als

1316

1317

1318

1319 1320 1321 1322

1323

McGee (2004), S. 34ft., nennt eine weitere Bedingung erfolgre ichen antiz ipativen Handelns angesichts schwacher Signale : Die Informationen mOssen Ober eine Erfassung und Analyse hinaus von der Stelle der Infonmalionsgenerierung im Unternehmen zu den Stellen der Enlscheidungsbzw. Handlungskompetenz zeitgerecht weitergeleitet bzw. berichtet werden. Gerade bei Konzernen besteht die Gefahr eines verspateten Transfers relevanter Informationen mit der Foige strategischer Oberraschungen, wie McGee anhand von Beispielen bei Boeing und Sears belegt , vgl. McGe e (2004 ), S. 91ft. ; zu dem Beispiel Boeing vgl. auch die AusfGhrungen in KapiteI4 .1.2.3 in vorliegender Arbeil. GemaB der Ebenen der Sem iotik kann hier zunachst lediglich von Zeichen, Signalen oder Daten gesprochen werden , da a priori die syntaktische und semantische Ebene , d.h. die Wahrnehmung der Signale und ihrer Bede utung , betroft en sind. Zu Infonmationen werden schwache Signale genau dann, wenn sie auf der Ebene der Pragma tik beim Empfa nger eine Wirkung in Form von Handlungen auslosen ; zur Semiotik vgl. die obigen AusfOhrungen im vorliegenden Kapitel. Vgl. Simon (1986), S. 18f.; Konrad (1991), S. 184f.; Krystek/MOlier-Stewens (1993), S. 166; Liebl (1996) , S. 25; Hammer (1998) , S. 217; Baisch (2000), S. 70; Zeller (2003) , S. 78f. Vgl. Kryslek/MOlier-Stewens (1993), S. 166. Wiedmann (1984), S. 23. Vgl. Zeller (2003), S. 79. Vgl. Zahn (1979), S. 119; Hammer (1998 ), S. 199f.; sowie die AusfOhrungen in Kapitel 4.1.2.4 der vorliegend en Arbeit zu konkreten Methoden der Anl izipation von Diskontinu itaten. Vgl. MGller-Stewens (1990 ), S . 96; Konrad (1991) , S. 119, Bertram (1993), S. 8ot .; Lehmann (1994), S. 8f.; Liebl (1996 ), S. 22f. ; Zeller (2003), S. 36f.

- 252-

Ausbruch aus der "dominant logic", als grundlegender Wechsel von Spiel- bzw. Wettbewerbsregeln sowie als "industry breakpoint" angesehen werden.

1324

Das globale Unternehmensumfeld oder die allgemeine Umwelt1325 als Objektbereich von Diskontinuitaten gliedert sich in das technologische, das politischrechtliche, das sozio-kulturelle, das okoloqische sowie das makrookonornische Umfeld: 1326 Das technologische Umfeld beschreibt die VerfOgbarkeit und Entwicklung jeglicher Technologien mit ihren unternehmensinternen und -externen Auswirkungen auf Bereiche wie Fertigungsprozesse oder Markte und betrifft demnach aile Unternehmen unabhanqiq vom Grad ihrer Technologieintensitat. Die polltlsch-rechtllche Umwelt beinhaltet staatliche Vorgaben in Form kodifizierten Rechts, z.B. die Steuergesetzgebung, ebenso wie die Rechtshandhabung, etwa die Dauer von Genehmigungsverfahren. DarOber hinaus sind Faktoren wie Infrastruktur, Industriepolitik oder Stabllltat des politischen Systems relevant. Das sozlo-kulturelle Umfeld umfasst gesellschaftliche EinfiOsse wie demografische Merkmale, Werte und Einstellungen sowie das Bildungswesen. Die natorliche Umwelt mit Bedingungen wie VerfOgbarkeit von Ressourcen oder Standortcharakteristika ist als okologlsches Umfeld von Bedeutung. Schlielslich bezeichnet die makrookonomische Umwelt volkswirtschaftliche Faktoren wie Inflations- und Zinsniveau, Struktur der Kapitalrnarkte sowie die Konjunkturentwicklung. Diskontinuitaten im globalen Unternehmensumfeld zeigen sich demnach in plotzlichen TrendbrOchen in den entsprechenden Bereichen. 1327 FOrdie frOhzeitige Identifizierung schwacher Signale als Vorboten von Diskontinuitaten ist das globale Unternehmensumfeld aus zwei GrOnden wichtig: Zunachst beinhaltet es Sachverhalte und Entwicklungen, die direkte Auswirkungen auf das Unternehmen und sein Gescheftsrnodell haben. DarOber hinaus steckt das globale Umfeld ebenso den Rahmen fOr das sog. Aufgabenumfeld des Unternehmens bzw. die unternehmensspezifische Umwelt ab: Da Veranderungen im globalen Umfeld auch Konsequenzen bezOglich Substitutionsprodukten, der Rivalitat unter Anbietern oder der Macht von Lieferanten auslosen, konnen durch eine Erfassung schwacher SignaIe Verschiebungen in der unternehmensspezifischen Umwelt antizipiert werden. Die

1324

1325

1326

1327

Vgl. zu den genannten Konzepten die AusfOhrungen in Kapitel 2.2.3 der vorliegenden Arbeit sowie die dort zitierte Literatur. Vom globalen Umfeld zu unterscheiden ist das sog. Aufgabenumfeld des Unternehmens, vgl. Schreyogg (1993), Sp. 4239ft.; Steinmann/Schreyogg (1997), S. 168ft.: Das Aufgabenumfeld besteht - in Erweiterung von Porters "five forces" bzw. Determinanten des Branchenwettbewerbs aus sechs Eintlusskraften: Markteintrittsbarrieren, Lieferanten, Abnehmer, Substitutionsprodukte, Rivalitat unter den Wettbewerbern sowie industrielle Beziehungen und Industriepolitik. Dabei stecken die globalen umwelfkrafte den Rahmen ab und determinieren indirekt die Attraktivitat des Geschaftsfslds. Zu den fOnf Determinanten des Branchenwettbewerbs vgl. Porter (1995), S. 26, sowie die AusfOhrungen in Kapitel 3.2.2.1 der vorliegenden Arbeil. Vgl. Schreyoqq (1993), Sp. 4237; Steinmann/Schreyogg (1997), S. 159ft.; Hungenberg (2001), S. 77ft.; Gagsch (2002), S. 13.ft; sowie die AusfOhrungen in Kapitel 3.1.1 der vorliegenden Arbeil. Zu Beispielen vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 4.1.2.3 der vorliegenden Arbeil.

- 253-

BerOcksichtigung des globalen Unternehmensumfelds kann daher in zweifacher Hinsicht den Handlungsspielraum des Unternehmens zeitlich und sachlich ausweiten. FOr eine Erfassung und Verarbeitung solcher schwachen Signale ist zwischen Fruhwam- , FrOherkennungs- sowie FrOhaufklarungssystemen zu unterscheiden. Bei FrOhwarnung, FrOherkennung und Fruhaufklarunq handelt es sich sowohl um eine chronologische Entwicklungslinie als auch eine Hierarchie der Konzepte nach dem Umfang der Aufklarunqsfunktton:1328 Der Begriff FrOhwarnung 1329 als frOheste und hierarchisch niedrigste Entwicklungsstufe bezeichnet die frOhzeitige Ortung von Bedrohungen und ist damit ausschlieBlich auf potenzielle Risiken ausgerichtet. FrOhwarnsysteme stellen einfach strukturierte Verfahren auf Basis von Kennzahlen oder Planungshochrechnungen dar. Die wesentlichen Schwachen dieses Ansatzes bestehen in der Analyse bereits vergangener Ereignisse sowie der Fokussierung auf quantitat ive, unternehmensinterne Daten. Eine FrOherkennung 1330 erweitert eine FrOhwarnung und berOcksichtigt zusatzlich potenzielle Chancen fOr das Unternehmen. DarOber hinaus ist sie wesentlich strategischer ausgerichtet als eine FrOhwarnung, konzentriert sich nicht ausschlieBlich auf aktuelle Geschaftsfelder und bezieht Aspekte des Unternehmensumfelds sowie qualitative Signale mit ein. Konkret handelt es sich bei einer FrOherkennung um eine systematische Beobachtung definierter Indikatoren. Schwachpunkte der FrOherkennung liegen darin, den Informationsbedarf vorab festzulegen und dadurch den Beobachtungsbereich einzuschranken und kausale GesetzmaBigkeiten zu unterstellen. Eine Erweiterung der FrOherkennung zur FrOhaufklarung 1331 ergibt sich durch eine Ausarbeitung und Initiierung von ReaktionsmaBnahmen und damit eine ausgesprochen strategische Ausrichtung. Voraussetzung ist hier ein tieferes Verstandnis der erhobenen Inforrnationen und der Kausalzusamrnenhanqe der zugrunde Iiegenden Situation. Dabei zielt die FrOhaufklarunq mit der Erfassung schwacher Signale auf die Erfolgspotenziale des Unternehmens und stellt dadurch eine erhebliche qualitative Verbesserung herkornrnlicher Analyseverfahren der strategischen Planung dar. 1328

1329

1330

1331

Vgl. KrysteklMOller-Stewens (1993), S. 2Of.; Liebl (1996), S. 5ft.; SchOnert (1997), S. 63; Loew (1999), S. 21ft. Die Verwendung dieser Begrifte ertolgt in der Literatur jedoch keineswegs einheitlich; verschiedene Autoren sprechen ausschlieBlich von FrOhaufklarungssystemen und difterenzieren durch HinzufOgen der Attribute erster, zweiter oder dritter Generation (vgl. KrysteklM OllerStewens (1993), S. 19f.) oder durch Angabe der Methodik wie Kennzahlen, Indikatoren oder schwache Signale (vgl. Loew (1999), S. 25ft .); Konrad (1991), S. 32ft ., und Bohler (1993), Sp. 1257ft., difterenzieren ebenfalls anhand der Methoden, verwenden aber ausschlieBlich den Terminus FrOherkennung. Vgl. Konrad (1991), S. 33; Krystek/MOlier-Stewens (1993), S. 19; Liebl (1996), S. 5f.; Sepp (1996), S. 119ft.; Schaner! (1997), S. 60; Hammer (1998), S. 175; Loew (1999), S. 21f. und S. 25f. Vgl. Konrad (1991), S. 33f.; Krystek/MOlier-Stewens (1993), S. 20; Bahler (1993), Sp. 1257ft.; Liebl (1996), S. 6; Sepp (1996), S. 119ft .; Schaner! (1997), S. 60; Loew (1999), S. 22 und S. 26f. Vgl. Konrad (1991), S. 49ft.; Krystek/MOlier-Stewens (1993), S. 20f.; Liebl (1996), S. 6f.; Sepp (1996), S. 113ft .; Schaner! (1997), S. 60ft.; Hammer (1998), S. 177f.; Loew (1999), S. 22ft. und S.28ft.

- 254-

Konkret besteht eine solche strategische Friihaufklarung aus den beiden Aktivitaten "Scanning" und "Monitoring,,:1332 1m Rahmen eines Scanning wird das Unternehmensumfeld auf der Suche nach schwachen Signalen abgetastet; um entsprechende Hinweise auf potenziell relevante Phanornene zu finden, ist hier vor allem eine gewisse Intuition bezOglich der Festlegung des Suchgebiets sowie bei der Beurteilung der Entscheidungsrelevanz der Beobachtungen erforderlich. Werden derartige schwache Signale "aufgewirbelt", setzt ein Monitoring, d.h. eine vertiefende, dauerhafte Oberwachung der dahinter stehenden Entwicklung ein. Dementsprechend beruht ein effektives Monitoring auf Analytik und Vemetzung mit anderen Beobachtungen, um Wirkungszusammenhange sowie Chancen- und Bedrohungspotenziale der schwachen Signale zu erkennen. Wichtig ist eine gezielte Gestaltung der Fruhautklarunq anhand von zwei Dimensionen: Eine formale Suche richtet sich auf einen spezifischen Themenbereich, was bei einer informalen Suche nicht der Fall ist; bei einer gerichteten Suche beschrankt sich das Suchfeld auf die Domane des Unternehmens, wahrend bei einer ungerichteten Suche diese Restriktion aufgehoben wird (vgl. im Oberblick Abbildung 4.2). Je nach Dynamik des Umfeldes sowie der verfOgbaren Ressourcen muss daher entschieden werden, welcher Umfang an Aktivitaten sinnvoll ist bzw. geleistet werden kann.

Kategorien der FrlihaufkUirung Ungerichtete Suche Informale Suche

Gerichtete Suche

Das Abtasten nach (schwachen) Signalen auBerhalb der Domane, ohne festen Themenbezug

Das Abtasten nach (schwachen) Signalen innerhalb der Domane, ohne festen Themenbezug

Das Abtasten nach (schwachen) Signalen auBerhalb der Domane, mit einem speziellen Themenbezug

Das Abtasten nach (schwachen) Signalen innerhalb der Domane, mit einem speziellen Themenbezug

Die Beobachtung und vertiefte Suche nach Informationen auBerhalb der Dornane mit speziellem Themenbezug eines bereits identifizierten Signals

Die Beobachtung und vertiefte Suche nach Informationen innerhalb der Domane mit speziellem Themenbezug eines bereits identifizierten Signals

Aktivitaten der Frlihaufklarung

Scanning

Formale Suche

Abb.4.2

1332

1333

Monitoring

Basisaktivitaten einer strategischen Fruhautklarunq 1333

Vgl. Krystek/MOlier-Stewens (1993), S. 175ff.; Bohler (1993), Sp. 1262ff.; Liebl (1996), S. 12; Loew (1999), S. 41ft.; sowie Sepp (1996), S. 237ft., der davon abweichend Scanning mit einer ungerichteten und Monitoring mit einer gerichteten Beobachtung gleichsetzt. Zum Scanning vgl. auch Konrad (1991), S. 50ft. Quelle: geringfOgig verandert nach Krystek/MOlier-Stewens (1993), S. 177 (Hervorhebungen durch den Verfasser).

- 255-

Effiziente QueUen schwacher SignaIe und damit ein rnoqlicher Objektbereich der Fruhaufklarunq sind aile Kommunikationsorgane, die Nachrichten , Ideen und Visionen von Experten, Wissenschaftlern, Trendsettern oder weiteren potenziellen Sendern schwacher SignaIe aggregieren und publizieren; zu berOcksichtigen sind unternehmensinterne sowie -externe Quellen .1334 Je nach Art und Umfang der Fruhautklarung entlang des Kontinuums zwischen gerichteter und ungerichteter sowie zwischen formaler und informaler Suche muss dementsprechend eine Auswahl aus der Vielzahl von Kommunikationsorganen getroffen werden. In Frage kommen dabei insbesondere Fachzeitschriften mit zukunftsweisenden Beitraqen, Scanningdienste, die eine Vielzahl von Quellen themenspezifisch auswerten und aggregieren, Datenbanken, Publikationen von Forschungsinstituten oder der Besuch von Messen. Neben jener situationsspezifischen Auswahl der Quellen schwacher Signale kommt schllefslich der Beurteilung der Relevanz sowie der Dringlichkeit der Ergebnisse des Monitoring hohe Bedeutung zu: 1335 Entscheidende Voraussetzung der Erstellung und Einleitung entsprechender Mar..nahmen ist die Einschatzunq der Konsequenzen der gewonnenen Erkenntnisse auf die zukOnftige strategische Position des Unternehmens sowie die Beurteilung der zeitlichen Dimension dieser Auswirkungen. Auf dieser Basis konnen dann, wie von Ansoff gefordert, abgestufte Reaktionen eingeleitet werden: 1336 Mit zunehmender Konkretisierung der Signale bzw. Abnahme der Ungewissheit muss die Reaktion des Unternehmens entsprechend umfassender ausfallen. Wah rend bei ersten Anzeichen einer Bedrohung oder Chance eine Beobachtung sowie eine ErhOhung interner Flexibilitat ausreicht, muss etwa bei Wahrnehmung einer konkreten Bedrohung oder Chance bereits eine unternehmensinterne Handlungsbereitschaft bestehen, urn kurzfristig eingreifen zu konnen: die Obergange der adaquaten Reaktionsstrategien sind dabei fliefsend (vgl. Abbildung 4.3). Eine derartig differenzierende strategische Fruhaufklarung vermeidet daher eine Oberforderung der Informationsverarbeitungskapazitat durch eine "Informationsf1ut";1337 gleichzeitig ermoqlichen der modulare Aufbau aus Scanning und Monitoring sowie die stufenartige Vorgehensweise eine sukzessive Validierung der Signale bei proportionaler Kosten-/Nutzen-Entwicklung. 1338 Eine FrOhaufklarung kann daher die Voraussetzungen fur einen optimalen Informationsstand und fOr fundierte unter-

nehmerische Entscheidungen schaffen.

1334 1335 1336 1337 1338

Vgl. Krystek/MOlier-Stewens (1993), S. 178ft. ; Sepp (1996), S. 254ft .; Zeller (2003) , S. 90ft. Vgl. Liebl (1996), S. 14ft . Vgl. Ansoft (1981), S. 246ft . Vgl. Bohler (1993), Sp. 1262. Eine Fruhaufklarunq im hier vertretenen Verstandnis entspricht somit den Anforderungen an unternehmerische Informat ionssysteme , vgl. die obigen AusfOhrungen in vorliegendem Kapitel.

- 256-

praqunqen derartiger Indikatoren lassen sich direkt messen. Ein leil der Indikatoren wirkt sich jedoch eher indirekt auf den entsprechenden Lebenszyklus aus und ist schwieriger zu beobachten; 1342 bei indirekten Indikatoren kommt einem systematischen Scanning daher besondere Bedeutung zu. Zur Konstruktion eines Fruhaufklarungssystems lasst sich hier Foigendes festhalten: Nur die Kombination einer indikatorbasierten FrOherkennung mit einer Fruhautklarunq auf Grundlage schwacher Signale scheint eine valide Ermittlung der Lebenszyklusphase eines Geschaftsrnodells sowie - daraus abgeleitet - dessen zukOnftiger lragfahigkeit zu qewahrleisten. Eine solche Integration verschiedener Methoden der FrOhaufklarung wird unter dem Schlagwort einer "'ganzheitlichen' FrOhaufklarung,,'343 auch in der Literatur vorgeschlagen. Bei FrOhwarnung, FrOherkennung und Fruhaufklarunq handelt es sich demnach nicht um substitutive Weiterentwicklungen von Konzepten, sondern um jeweils zusatzliche Betrachtungsperspektiven bzw. eine Differenzierung operativer von strategischen latigkeiten: ' 344 "Obgleich die Erfassung schwacher Signale einen wichtigen Beitrag zur FrOherkennung leistet, ist sie als alleiniger Ansatz fOr die FrOherkennung nicht hinreichend. Wahrend der indikatorgeleitete Ansatz vor allem geeignet ist, die derzeit und zukOnftig relevanten Beobachtungsbereiche und Faktoren gezielt zu Oberwachen, verhindert die ungerichtete Oberwachung schwacher Signale die gefahrliche Einengung auf wenige Umfelder und Entwicklungen. Erforderlich ist daher eine Integration der beiden Ansatze."'345 "Eine verkoppelte operative und strategische Fruhautklarunq muss Obersetzungshilfen leisten, ob z.B. bestimmte 'schwache Signale' aus der strategischen Fruhaufklarunq Konsequenzen fOr die Inhalte einer operativen FrOhaufklarunq haben (...) Weiterhin ist der Hinweis von Bedeutung, dass bestimmte Umweltereignisse/-entwicklungen nur deshalb (bestenfalls) in Form von schwachen Signalen wahrgenommen werden, weil die Suche nach FrOhaufklarungsindikatoren auf dieses spezielle Gebiet noch nicht ausgedehnt wurde. Operative und strategische Fruhaufklarunq sind schliefslich als gleichwertige, sich erqanzende und Oberlappende Ansatze zu betrachten."'346

1342

1343 1344 1345

1346

Vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 3.3.1 der vorliegenden Arbeit anhand der Produkt-/Markt-Kombination. Loew (1999), S. 31. Vgl. Bertram (1993), S. 129; Loew (1999), S. 31. Bohler (1993), Sp. 1261. Zu beachten ist hierbei, dass Bohler - abweichend von der in vorliegender Arbeit verwendeten Terminologie - ausschliefslich von "FrOherkennung" spricht und den Begriff Fruhaufklarunq nicht verwendet; inhaltlich geht er jedoch mit einer Fruhaufklarunq im hier vertretenen Verstandnis konform. Zur Heterogenitat der Begriffsverwendung vgl. auch die AusfOhrungen in Kapitel 4.1.1 der vorliegenden Arbei!. KrystekiMOlier-Stewens (1993), S. 16. Unter operativen Ansatzen verstehen die Autoren die kennzahlen- und hochrechnungsorientierte FrOhwarnung, unter strategischer Fruhaufklarunq die erfolgspotenzialorientierte Suche nach schwachen Signalen; eine indikatorbasierte FrOherkennung wird als operativ und strategisch klassifiziert, vgl. KrystekiMOlier-Stewens (1993), S. 26.

- 258-

Ungewlssheitsgrad Reaktlonsstrateg ie

Anzeichen einer Bedrohung oder Chance

UmweltWahrnehmung

1-

Selbstwahmehmung

I-

Ursache der Bedrohung oder Chance

konkrete Bedrohung oder Chance

konkrete Reaktion

konkretes Ergebnis

.-

interne Flexibilitat externe Flexibilitat

.-

unternehmensinterne Bereitschaft direktes Handeln

Abb. 4.3

4.1.2

,_ ,

-

Realisierbare Bereiche von Reaktionsstrategien1339

Charakteristika und Aufbau von FrOhaufklarungssystemen fOr die Bestandteile des Geschaftsmodells

4.1.2.1 Grundstruktur des Frilhaufklarungssystems bei Geschaftsmodellen Ein adaquates FrOhaufklarungssystem fOr Geschaftsmodelle muss sich auf die einzelnen Bestandteile eines Geschaftsrnodells, d.h. Produkt-/Markt-Kombination, Wertkettenkonfiguration und Ertragsmechanik, beziehen, da der Lebenszyklus von Geschattsrnodellen von den zugrunde liegenden Lebenszyklen der Geschattsrnodellbestandteile determiniert wird.1340 Dies liegt daran, dass die Lebenszyklen der Bestandteile von unterschiedlichen Parametern abhanqen und darOber hinaus Geschaftsmodellinnovationen gemaf1 ihrer Definition an den einzelnen Bestandteilen des Geschaftsmodells sowie den Wirkungsbeziehungen zwischen den Bestandteilen

ansetzen.P" Jene Lebenszyklen der Geschaftsmodellbestandteile basieren auf den Auspragungen jeweils spezifischer Indikatoren. Dabei handelt es sich teilweise um Indikatoren mit direktem Bezug bzw. unmiUelbaren Auswirkungen auf Produkt-/Markt-Kombination, Wertkettenkonfiguration bzw. Ertragsmechanik; Veranderungen in den Aus1339 1340 1341

Quelle: Ansoff (1981), S. 248. Vgl. die AusfUhrungen in den Kapiteln 3.2.3 und 3.3.4 der vorliegenden Arbeit. Zu Definition und Arten der Geschaftsmodellinnovation vgl. die AusfUhrungen in Kapitel 2.3.2 der vorliegenden Arbeit.

- 257 -

Fur ein FrOhaufkUirungssystem von Geschaftsmodellen bedeutet dies, Elemente aus Fruherkennunq sowie Fruhautklarunq auf Produkt-/Markt-Kombination, Wertkettenkonfiguration und Ertragsmechanik zu adaptieren und in ihren Aussagen zu kombinieren. Bezuqlich der Fruherkennunq rnussen zunachst die Indikatoren der drei Lebenszyklen definiert und operationalisiert werden. Gleichzeitig sind fur die Fruhaufklarunq die Suchbereiche fOr schwache Signale festzulegen. Fur Indikatoren wie fUr schwache Signale ist dabei insbesondere zu spezifizieren, wann Beobachtungen als Vorboten von Diskontinuitaten zu klassifizieren sind, urn das Erreichen kritischer Schwellenwerte und damit einen Obergang zur folgenden Lebenszyklusphase so fruh wie rnoqlich antizipieren zu konnen. Die Resultate aus Fruherkennungs- und Fruhaufklarunqsansatzen sind anschlieBend kombiniert auszuwerten und zu interpretieren; Ergebnis dieses Schrittes sind Aussagen zur Lebenszyklusphase von Produkt-/Markt-Kombination, Wertkettenkonfiguration und Ertragsmechanik. SchlieBlich sind diese getrennten Aussagen der drei Bestandteile des Geschaftsrnodells zu integrieren und bezuqlich Interdependenzen sowie Konsequenzen fUr das Geschaftsrnooeh insgesamt zu interpretieren (vgl. im Oberblick Abbildung 4.4). Struktur und Ansatze des Aufbaus eines solchen Systems werden im Foigenden naher ausgefUhrt.

I

Ertragsmechanik

I

)

Wertketlenkonliguration Produkt-IMarkt-Kombination

Indikatorenbasierte Fruherkennung Festlegung von Beobachtungsbereichen Bestimmung von Indikatoren Definition von SollgroBen Informationsverarbeitung Wahrnehmung von Diskontmurtaten

I

Ertragsmechanik

I

Wertketlenkonliguration Produkt-IMarkt-Kombination

I I

Ertragsmechanik

Beurteilung der Tragflihigkeit des Geschaftsmodells

Wertkettenkonliguration Produkt-IMarkt-Kombination

Integration von FrOherkennung und FrOhaufklarung Abgleich der Erkenntnisse Ganzheilliche Interprelalion Bestimmung der Lebenszyklusphase

Inlegrierte Betrachtung dar drei Beslandleile Bestimmung dar Lebenszyklusphase

Beurteilung der Zukunftsperspektiven

FrOhaufklarung mit schwachen Signalen Festlegung von Suchberelchen DurchfGhrungdes Scanning DurchfOhrungdes Monitoring Wahrnehmung von Diskontinuitaten

Abb.4.4

1347

Integration einer indikatorenbasierten Fruherkennunq und einer Fruhaufklarunq auf Basis schwacher Signale fur die Fruhaufklarung von Geschaftsrnodellen 1347

Quelle: eigene Darstellung.

- 259-

4.1.2.2 Indikatorenbasierte FrOherkennung bei Gesehaftsmodellen Indikatoren fur die FrOherkennung fungieren als Hilfsgrol1en bzw. Messkriterien fOr ein zukOnftiges Ereignis, das als sog. Indikandum einer unmittelbaren Messung nicht zuqanqllch iSt.1348 Der Aufbau eines solehen indikatorbasierten FrOherkennungssystems folgt grundsatzlich einer vierstufigen Vorgehensweise aus der Ermittlung von Beobachtungsbereichen, der Bestimmung von Indikatoren, der Definition von Sollqrofsen und Toleranzbereichen sowie der Festlegung von Struktur und Aufgaben der Inrormatlonsverarbeltunqsstetlen.P" Bei der Ermittlung von Beobaehtungsbereichen sind potenzielle unternehmensinterne und -externe Ausgangspunkte zukOnftiger Chancen und Bedrohungen zu erheben. Dazu eignen sich generell Methoden wie Starken/Schwachen-Analysen des Unternehmens, Expertenbefragungen sowie die Szenariotechnik. 1350 Die letztendliche Auswahl der Beobachtungsbereiche, die den Umfang der Fruhaufklarunqsaktivitaten fixiert, erfolgt dabei unter BerOcksichtigung der unternehmerischen Ziele, der vermuteten Relevanz der Bereiche sowie der zur VerfOgung stehenden Ressourcen fOr die FrOherkennung. In Bezug auf Geschaftsmodelle entsprechen die Beobaehtungsbereiehe den drei Bestandteilen des Geschaftsrnodells und ihren Lebenszyklusphasen. FOr Produkt-I Markt-Kombination, Wertkettenkonfiguration sowie Ertragsmechanik sind dazu die grundlegenden Gestaltungsoptionen sowie die theoretischen HintergrOnde und Wirkungszusammenhange in der Beobachtung zu berOcksichtigen, um potenzielle Innovationsarten und -richtungen wahrnehmen und verstehen zu konnen.

1351

Die Bestimmung von Indikatoren als zweiter Schritt erfolgt in der Praxis haufig intuitiv, wenngleich eine systematische, theoriebasierte Identifikation als wOnschenswert anzusehen iSt.1352 FOr eine theoriebasierte Identifikation werden Indikatoren aus 1348

1349 1350 1351 1352

Vgl. Krystek/MOlier-Stewens (1993), S. 76f.; Schonert (1997), S. 55f.; bei Indikatoren handelt es sich also um theoretische Konstrukte mit Stellvertreterfunktion, da Ihnen keine unmiltelbaren empirischen Konstrukte gegenOberstehen. Generell haben Indikatoren nach Randolph (1979), S. 3D, zwei Funktionen: "1. Funktion der Operationalisierung von theoretischen Konstrukten zu rnetsbaren [sic!] (bzw. beobachtbaren) Begriffen (...) 2. Modellfunktion fOr einen weder unmiltelbar meBbaren [sic!] noch beobachtbaren empirischen Sachverhalt" (Hervorhebungen im Original). Vgl. hierzu in und im Foigenden Krystek/MOlier-Stewens (1993), S. 93ff. Zur Szenariotechnik vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 4.2 der vorliegenden Arbei!. Vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 2.2.2 der vorliegenden Arbei!. vgl. Krystek/MOlier-Stewens (1993), S. 98 sowie Randolph (1979), S. 51. Eine solche theoriebasierte Methode stellt Randolph (1979), S. 48ff., unter der Bezeichnung "indirektes Messen" vor. Dabei ist im ersten Schrilt eine "theoretische Anreicherung" des Indikandums, d.h. eine Einordnung in eine existierende Theorie mit adaquatern Gegenstandsbereich, vorzunehmen. Der zweite Schrilt besteht in der Operationalisierung der Indikatoren. AnschlieBend erfolgt der Prozess des ursprOnglichen Messens auf Basis einer "Metrisierung" oder "Skalierung". Ais vierter Schrilt wird die "Integration und Interpretation" vorgenommen. Zur Anwendung dieser Methode im Rahmen der Technologiebewertung vgl. PfeifferlWeiB (1995), S. 665ff.

- 260-

"bewahrten Hypothesen" abgeleitet; dabei ist eine inhaltliche Ausrichtung an aktuellen Trends zu vermeiden sowie transparent zu machen, inwieweit die Indikatoren eine Kompletterfassung oder lediglich eine Teilmessung des Indikandums leisten. 1353 FOr eine effiziente und effektive Nutzung ist hier eine Fokussierung auf wenige, zentrale Indikatoren erforderlich. 1354 Eine solche Fokussierung lasst sich etwa durch eine Auswahl von Indikatoren auf Basis einer Einflussanalyse erreichen: Dabei werden die Indikatoren in einem Schaubild nach Starke, Richtung und Art ihrer wechselseitigen Abhangigkeiten sowie ihren Auswirkungen auf das Unternehmen in Beziehung gesetzt und diejenigen Indikatoren ausqewahlt, bei denen eine Veranderung der Auspraqunq einen Impuls im kompletten Wirkungsgeflecht auslost. 1355 SchlieBlich mOssen die generierten Indikatoren fOr eine entsprechende Validitat 1356 einer Reihe von Voraussetzungen genOgen:1357 Sie rnussen eindeutig, vollstandiq und frOhzeitig Chancen- und Bedrohungspotenziale signalisieren. Die unterstellten Wirkungszusarnrnenhanqe mOssen einfach nachvollzogen werden konnen und die Indikatoren mOssen gleichzeitig robust und f1exibel sein. DarOber hinaus sollte ihr Zusammenhang mit anderen Indikatoren transparent und ihre Anwendung unter Kosten-NutzenAspekten vertretbar sein. FOr Lebenszyklen von Geschaftsmodellen als Analyseobjekte bieten sich grundsatzlich die abgeleiteten Indikatoren der Lebenszyklusphasen von Produkt-/MarktKombination, Wertkettenkonfiguration sowie Ertragsmechanik an,1358 da sie im Wesentlichen die genannten Anforderungen an Indikatoren erfOlien und in der Masse theoretisch anerkannt und empirisch OberprOft sind. FOr eine Anwendung auf Geschaftsmodelle mOsste entsprechend der geschilderten Vorgehensweise eine Auswahl, Gewichtung und Fokussierung auf zentrale Indikatoren getroffen werden. Dies kann an dieser Stelle nicht geleistet werden, sondern muss dem konkreten Anwendungsfall vorbehalten bleiben, da der GroBteil der Indikatoren sehr spezifisch auf das Geschaftsrnodetl und die konkrete Situation zugeschnitten ist. Bei der Definition von SollgroBen und Toleranzbereichen als drittem Schritt des Aufbaus eines FrOherkennungssystems muss zunachst eine Metrisierung bzw. SkaIierung, d.h. die Festlegung einer numerischen Struktur,1359 vorgenommen werden. Wahrend bei quantitativen Indikatoren auf Kardinalskalen auf Basis von Mengen-

1353 1354 1355 1356

1357

1358

1359

Vgl. Randolph (1979), S. 52f. Vgl. Reising/Schnauffer/Bandick (1999), S. 104. Vgl. Reising/Schnauffer/Bandick (1999), S. 104ff. Validltat bedeutet im Zusammenhang mit Indikatoren, dass tatsachlich das gewOnschte Phanomen (und nicht ein anderes) gemessen wird, vgl. Randolph (1979), S. 30. Vgl. Krystek/MOlier-Stewens (1993), S. 103f., die dabei von einem "Maximalkatalog von Anforderungen an Fruhaufklarunqsindikatoren'' sprechen. Zu den Indikatoren im Detail vgl. die AusfOhrungen in den Kapiteln 3.3.1 bis 3.3.3 der vorliegenden Arbei!. Vgl. Randolph (1979), S. 53.

- 261 -

oder Geldeinheiten zurOckgegriffen werden kann, mOssen fur qualitative Indikatoren entsprechende Ordinal- oder Nominalskalen erstellt werden. 1360 Dazu ist jeweils eine Messmethodik festzulegen, die von der Art der Indikatoren abhangt und aus Beobachtungen, Analysen, Tests oder Befragungen bestehen kann,1361 sowie die Bandbreite rnoqlicher Auspraqunqen auf der Skala anzugeben, die etwa aus Dokumentationen sowie Expertenbefragungen gewonnen werden kann.1362 Dabei muss schliefslich beurteilt werden, inwieweit einzelne Auspraqunqsn einer kontinuierlichen Entwicklung entsprechen bzw. bei welchen Indikatorwerten eine Diskontinuitat unterstellt werden muss. Da diese Einschatzunq des Diskontinuitatspotenzials sowie die Wahrnehmung der dahinter stehenden "Wendepunkte" einer Entwicklung sehr entscheidende Schritte sind und zudem fur schwache Signale prinzipiell die gleiche Problematik besteht, werden hierzu in Kapitel 4.1.2.4 gesonderte Oberlegungen angestellt. FOr das Betrachtungsobjekt Geschaftsmodell ist die geschilderte Vorgehensweise der Metrisierung auf die Indikatoren der Lebenszyklen von Produkt-/Markt-Kombination, Wertkettenkonfiguration und Ertragsmechanik anzuwenden. In den Fallen quantitativer Indikatoren wie Umsatzveranderung oder Zahlungsbereitschaft fOr eine bestimmte Leistung kann eine Kardinalskala herangezogen werden, auf der die konkrete Skalierung unternehmens- bzw. qeschaftsmodenspeziflsch vorzunehmen ist. Der Grofsteil der Indikatoren tasst sich jedoch nicht quantifizieren, sodass die Auspraqungen verbal auf einer Ordinal- bzw. Nominalskala beschrieben werden mOssen. Dem1363 entsprechend mOssen auch Olskontinuitaten einzelfallspezifisch beurteilt werden. Beim vierten und letzten Schritt des Aufbaus eines FrOherkennungssystems handelt es sich um die Festlegung von Struktur und Aufgaben der Informationsverarbeitungsstellen. Dabei mOssen sowohl die Aufnahme und OberprOfung von Indikatoren, die Verarbeitung zu Informationen 1364 als auch die Weiterleitung der generierten Erkenntnisse geregelt werden. Entscheidend ist hier u.a. der Umgang mit z.T. widersprOchlichen Anzeichen verschiedener Indikatoren, sodass insbesondere bei der Interpretation das Know-how verschiedenster Experten erforderlich ist; als sinnvoll erweist sich daher haufig die Einrichtung einer zentralen Instanz fOr den Umgang mit 1360

1361 1362 1363

1364

Vgl. KrysteklMOlier-Stewens (1993), S. 109. Bei einer Kardinalskala bestehen die Skalenwerte aus reellen Zahlen. Nominalskalen bezeichnen Skalen, deren Merkmale lediglich nach dem Kriterium gleich bzw. verschieden geordnet werden konnen, Ordinalskalen sind Skalen, deren Merkmale zusatzlich in eine natorliche Reihenfolge gebracht werden konnen, vgl. Schwarze (1992), S. 32f. Vgl. Randolph (1979), S. 54f. Vgl. PfeifferlWeiB (1995), S. 674f. Zu Hinweisen des Erkennens von Diskontinuitaten vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 4.1.2.4 der vorliegenden Arbeit. GemaB der Definition der Semiotik wird in diesem Schritl die Wirkungsrelevanz der Indikatorauspragung ermitlelt, sodass Informationen als zweckorientiertes Wissen entstehen, vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 4.1.1 der vorliegenden Arbeit.

- 262-

FrOherkennungsinformationen, die nach Bedarf auf entsprechende Fachleute zugreifen kann.1365 Bei Geschaftsmodellen ergibt sich gemaB der beschriebenen Vorgehensweise bei der Interpretation der gewonnenen Informationen eine zweifache Kornplexitat: Zum einen rnussen die Ergebnisse der indikatorbasierten FrOherkennung mit den Resultaten der Fruhaufklarunq schwacher Signale abgeglichen und in eine Gesamtaussage eingearbeitet werden. DarOber hinaus mOssen die Erkenntnisse in Bezug auf ProdUkt-/Markt-Kombination, Wertkettenkonfiguration und Ertragsmechanik auf Interdependenzen OberprOft und integriert werden, um ganzheitliche Informationen uber die Lebenszyklusposition sowie die Zukunftsperspektiven des Geschaftsrnodells gewinnen zu k6nnen.

4.1.2.3 FruhaufkUirung schwacher SignaIe fur Geschaftsmodelle Strategische Fruhaufklarungssysteme bestehen aus den beiden Modulen Scanning, d.h. einem Abtasten des Umfelds nach schwachen Signalen, sowie Monitoring, d.h. einer vertieften Suche auf Grundlage der empfangenen schwachen Signale. 1366 Nachdem das Wesen schwacher Signale sowie der generelle Aufbau von Fruhaufklarunqssysternen bereits bei den einfOhrenden Abhandlungen zu dieser Thematik naher betrachtet wurden,1367 k6nnen die Oberlegungen an dieser Stelle auf eine Obertragung auf Geschaftsrnodelle beschrankt werden. Gegenstandsbereich von Scanning und einem ggf. anschlieBenden Monitoring fur Produkt-/Markt-Kombination, Wertkettenkonfiguration und Ertragsmechanik ist ein jeweils auszuwahlender AusschniU aus dem Unternehmensumfeld in Form von technologischem, politisch-rechtlichem, sozio-kulturellem, 6kologischem sowie makro6konomischem Umfeld. ' 368 Dieser Ausschnitt aus dem Umfeld wird separat fur die drei Geschaftsmodellbestandteile je nach spezifischer Relevanz der einzelnen Urnfeldbereiche sowie nach Umfang des Scannings zwischen gerichteter und ungerichteter Suche1369 festgelegt. 1m Foigenden 5011 daher zunachst auf die jeweils

relevanten Umfeldbereiche von Produkt-/Markt-Kombination, Wertkettenkonfiguration und Ertragsmechanik als Objektbereiche eingegangen werden, bevor das konkrete Scanning und Monitoring anhand ausqewahlter Umfeldbereiche naher ertautert wird. Wesentliche Umfeldbereiche fur die Produkt-/Markt-Kombination kennan - abhangig vom konkreten Geschaftsrnodell - in allen fOnf Feldern bestehen. Technologisch 1365 1366 1367 1368

1369

Vgl. Kryslek/MOlier-Slewens (1993), S. 111f. Vgl. die AusfOhrungen in Kapilel 4.1.1 der vorliegenden Arbeil. Vgl. die AusfOhrungen in Kapilel 4.1.1 der vorliegenden Arbeil. Zu den Dimensionen des Unlernehmensumfelds vgl. die AusfOhrungen in Kapilel 4.1.1 der vorliegenden Arbeil. Vgl. die AusfOhrungen in Kapilel 4.1.1 der vorliegenden Arbeil.

- 263-

ist die frOhzeitige Erfassung von Anzeichen zukOnftiger Produkttechnologien von hoher Relevanz, um die Produktentwicklung auf technologische Moglichkeiten und Restriktionen in Produktgestaltung und Design vorzubereiten. zumal die Produktentwicklung angesichts der Konvergenz von Technaiagien 1370 in vielen Wettbewerbsfeldern immer aufwandiqer wird. Politisch-rechtlich konnen Fragen des Verbraucherschutzes, der Normung, der Exportrichtlinien oder der Liberalisierung von Markten von Belang sein. In sozio-kultureller Hinsicht spielen Einstellungsanderungen der Konsumenten (Preis- vs. Qualitatsbewusstsein etc.) ebenso eine Rolle wie generelle Modethemen und Trends. Okoloqisch kann die Wahrnehmung der UrnweltvertraqIichkeit eines Pradukts bzw. seiner Inhaltsstoffe durch den Verbraucher fur den Produktabsatz existenziell sein. In makrookonomlscher Hinsicht konnen sich konjunkturelle Veranderungen. Wechselkurs- oder Kaufkraftverschiebungen maBgeblich auf die Attraktlvitat einzelner Markte auswirken. Ein Beispiel aus dem 6kologischen und gleichzeitig sozio-kulturellen Umfeld mag die Zusammenhange verdeutlichen. 1m Jahr 2000 hauften sich in Deutschland die Faile von BSE, im Volksmund "Rinderwahnsinn", bis im Zuge der sog. BSE-Krise das Verbrauchervertrauen dahingeschmolzen war und der Rindfleischabsatz geradezu einbrach. Die Konsequenzen bekamen auch Molkereien in der Joghurtherstellung zu spOren, obwohl Kuhmilch als vollig unbedenklich galt: Da Gelatine als gangiger Bestandteil von Joghurt aus Knochenmehl gewonnen wurde und das Knochenmark von Rindern als Trager von BSE in Verdacht stand, wuchs die Nervosltat in den Malkereien zu dieser Zeit kontinuierlich. Einige Molkereien warteten jedach bis zum Zusammenbruch des Rindfleischabsatzes. bis sie angesichts einer drahenden offentlichen Diskussion Ober Gelatine begannen. ihre Rezepturen zu andern und "gelatinefreie" Joghurts auf den Markt zu bringen. Die Konsequenz aus der fehlenden Beachtung schwacher Signale in Form der ersten BSE-Falle war ein regelrechtes Krisenmanagement bei der Suche nach markttauglichen Rezepturen ohne Gelatine; bei einem Scanning schwacher Signale waren dagegen sukzessive abgestufte Reaktionen in Vorbereitung auf die Krise rnoqlich gewesen, beispielsweise Markttests sowie eine Optimierung 1371 der Rezeptur vor MarkteinfUhrung. Mit dramatischen Auswirkungen auf das Geschaftsmodell hatte Nokia Anfang der 1990er Jahre zu karnpfen: Nokia war bis dato ein Hersteller von Holz- und Gummierzeugnissen. der den GroBteil seines Umsatzes mit dem Export in die UdSSR erlost hatte. Ais jedoch 1991 die UdSSR in unabhanqige Staaten zerfallen war, brach schlagartig der Absatzmarkt fUr Nokia zusammen, neue Absatzrnarkte waren nicht in Sicht. Nokia hatte jedoch rechtzeitig begonnen, die begrenzte Lebensfahiqkeit seines Halz- und Gummigeschafts zu erkennen und entsprechend neue Geschaftsfelder und

1370 1371

Zur Konvergenz vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 3.1.2 der vorliegenden Arbeit. Das Beispiel basiert auf personucnen Erfahrungen des Verfassers in der milchverarbeitenden Industrie in der fraglichen Zeit.

- 264-

damit ein prinzipiell neues Geschattsrnodell im Bereich MobilfunkausrOstung 1372 aUfzubauen. Ais Umfeldbereiche fur ein Scanning im Hinblick auf die Wertkettenkonfiguration kommen prirnar das technologische, politisch-rechtliche, das okoloqische und ggf. das rnakrookonornische Umfeld als Quellen schwacher Signale in Frage. 1m technologischen Umfeld ist die Erfassung der Veranderungen in den Prozesstechnologien bzw. Herstellverfahren von Relevanz, um - ahnlich wie bei Produkttechnologien nicht von Neuerungen in Form prinzipieller technologischer Innovationen ubsrrascht zu werden. Politisch-rechtlich kommt es auch hier auf Veranderunqen von Richtlinien im Bereich Umwelt-, Verbraucher- oder Arbeitsschutz an. Unter sozio-kulturellen Aspekten spielen Verbrauchereinstellungen gegenOber bestimmten Herstellverfahren oder Technologien eine bedeutende Rolle, etwa in Zusammenhang mit Gentechnik und gentechnisch veranderten Lebensmitteln. Makrookonomisch kann der Konjunkturzyklus Anpassungen der Fertigungskapazitaten erforderlich machen. In der Literatur zum Innovationsmanagement findet sich eine Vielzahl von Fallbeispielen, bei denen Unternehmen auf Grund eines "Ubersehens" von Entwicklun~en im technologischen Umfeld in massive Schwierigkeiten geraten sind. 137 Besonders plastisch stellt sich die Situation in der Halbleiterindustrie dar, einer der dynamischsten Branchen Oberhaupt: 1374 In einer sukzessiven Abfolge prinzipieller technologischer Innovationen wurden seit Mitte der 1950er Jahre immer neue Technologien dominant: Von Vakuumrohren verlief die Entwicklung zu Transistoren (1950), Halbleitern ~1960), Integrierten Schaltkreisen (1975), LSI- (1980) und VLSI-Technik1 75 (1982) und schliefslich Sub-Mikron-Leitern 1376 (1995). 1m Zuge dieser Entwicklung wechselten die fOhrenden Anbieter in diesem Segment: Von den zehn gro[l,ten Herstellern von Vakuurnrohren konnten nur vier den Obergang zu Transistoren vollziehen und einzig RCA schaffte die Entwicklung von Integrierten Schaltkreisen, schied danach jedoch ebenfalls aus dem Wettbewerbssegment aus. Der fOhrende Hersteller von Sub-Mikron-Chips und bis heute dominante Player Intel war dagegen erst ab 1970 in die Riege der fOhrenden zehn Hersteller aufgerOckt. Mit seinem branchenspezifischen Konjunkturzyklus hatte in den 1990er Jah1377 ren der Flugzeughersteller Boeing seine Probleme. Von 1993 bis 1995 war die Zahl ausgelieferter Boeing-Maschinen von 330 auf 206 und der Umsatz mit Verkehrsflugzeugen von 25 Mrd. US-Dollar auf 17,5 Mrd. US-Dollar 1372 1373

1374 1375

1376 1377

Vgl. Steinbock (2001) sowie die AusfOhrungen in Kapitel 2.3.2 der vorliegenden Arbeil. Vgl. Foster (1986), S. 115ft., der davon ausgeht, dass daher 70% der prinzipiellen technologischen Innovationen in einem Wechsel der MarktfOhrerschaft in betroftenen Wetlbewerbsfeldern resultieren; Weir.. (1989), S. 3f., mit Beispielen aus der Uhren-, Kamera-, Maschinenbau-, Elektronik- und Automobilindustrie. Zu diesem Beispiel vgl. Foster (1986), S. 132ft.; Tushman/O'Reilly (1997), S. 17ft. LSI steht fur Large Scale Integrated Circuits, VLSI ist das Akronym fOr Very Large Scale Integrated Circuits, vgl. Gerpotl (1999), S. 3. Ein Mikron (u) bzw. Mikrometer (urn) entspricht einem Tausendstel Millimeter (Millionstel Meter). Zu diesem Beispiel vgl. McGee (2004), S. 91ft.

- 265-

gesunken - der Grund bestand in erheblichen Uberkapazttaten der Luftfahrtbranche und einem 10-w6chigen Ausstand der Flugzeugmechaniker bei Boeing. 1997 war die Zahl ausgelieferter Flugzeuge von Boeing - inzwischen fusioniert mit McDonnell Douglas - auf die Rekordzahl von 374 StOck gestiegen; gleichzeitig musste Boeing die gr6r..ten Verluste in seiner Geschichte bekanntgeben. Die Ursache hierfur lag in fehlender Sensibllitat fur das Anziehen der Luftfahrtkonjunktur, Kapazitatsenqpassen, Vertragsstrafen auf Grund verspateter Auslieferung und insbesondere Teileknappheit auf Grund der Restrukturierung der Wertsch6pfungskette in den Vorjahren. Nach Angaben von Branchenexperten fOhrt bereits ein teilebedingtes Abweichen in der Reihenfolge des Produktionsprozesses auf Grund der hohen Komplexitat im Flugzeugbau zu Mehrkosten in fOnffacher H6he. Bei der Ertragsmechanik als drittem Geschaftsrnodell-Bestandteil sind fur ein Scanning des Umfelds insbesondere technologische, sozio-kulturelle sowie rnakrookonomische Aspekte von Relevanz. Von technologischer Seite geht es dabei im Sinne des Modells der "disruptive innovation,,1378 vor allem urn die Frage, welche Innovationen und welches Leistungspotenzial eines Produkts Kunden Oberhaupt zu schatzen wissen und dementsprechend auch bereit sind, fOr leistungssteigernde Innovationen einen h6heren Preis zu entrichten. In sozio-kultureller Hinsicht spielen hier analog zur Produkt-/Markt-Kombination Einstellungen wie Konsumneigung oder Verschiebungen in Kundensegmenten ("Schnappchenjager" vs. "Geniefser") etc. eine wichtige Rolle, da das Konsumentenverhalten nicht zuletzt durch die soziale Umwelt beeinflusst wird; neben gesellschaftlichen Stromungen sind auch die Medien Determinanten der wahrgenommenen Umwelt und beeinflussen entsprechend das Kaufverhalten. 1379 Makrookonornlsch k6nnten etwa konjunkturell bedingte Veranderungen der Kaufkraft Auswirkungen nach sich ziehen. Internet-Geschaftsmodelle und insbesondere Internet-Portale hatten mit dem Niedergang der New Economy damit zu karnpfen, dass ihren weitestgehend werbefinanzierten Geschaftsmodellen die Ertragsmechanik weggebrochen war: Der Grofsteil der im Internet werbetreibenden Unternehmen waren ebenfalls Start-ups, die folgerichtig in der Krise zunachst Ausgabenbl6cke wie Werbeaufwendungen kOrzten. Die Internet-Portale mussten daher innerhalb kOrzester Zeit - und viele wiederholt - ihr Geschaftsmodell umbauen, um auf teilweise neuen Geschaftsfeldern und mit veranderter Wertsch6pfungskette neue Wege der Erl6sgenerierung zu finden. 1380 Probleme auf Grund der veranderten Zahlungsbereitschaft ihrer Klientel hat derzeit weltweit die Musikindustrie. Nachdem durch die Informations6konomie 1381 die hoch integrierte Wertsch6pfungskette der Musikindustrie aufgebrochen war, konnten Musikkonsumenten zunachst Ober Tauschborsen, spater Ober legale Online-Vertriebswege MusikstOcke einzeln erwerben. Die 1378 1379 1380 1381

Vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 3.2.2.2 der vorliegenden Arbeit. Vgl. Kroeber-RiellWeinberg (2003), S. 592ft. Zu diesem Beispiel vgl. die AusfOhrungen zu Yahoo in Kapitel 2.3.2 der vorliegenden Arbeit. Zur lnformationsokonornie vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 2.1.3 der vorliegenden Arbeit.

- 266-

Foige war ein dramatischer UmsatzrOckgang bei herkomrnlichen Tontraqern: Bei den aktuellen CD-Preisen im Einzelhandel besteht nicht mehr bei allen Musikliebhabern eine entsprechende Zahlungsbereitschaft fOr eine vorkonfigurierte CD mit einer Reihe von Musikstocken, von denen der Kunde im Normalfall nur einen Teil tatsachllch schatzt und besitzen mochte, Die Musikindustrie ist daher seit geraumer Zeit nicht nur auf der Suche nach neuen Erlosformen, sondern nach ganzlich neuen Geschaftsmodellen. 1382 Entscheidend ist bei diesen Scanning- und Monitoringaktivitaten demnach eine geschattsrnodellspezitlsche Vorgehensweise bei der Erfassung und Dokumentation schwacher Signale fOr Produkt-/Markt-Kombination, Wertkettenkonfiguration sowie Ertragsmechanik. 1383 Die wesentliche Herausforderung stellt dabei das Erkennen der Problemrelevanz, des Ausrnalses sowie der Dringlichkeit der empfangenen Signale fOr das Unternehmen dar. 1384 Erforderlich ist daher eine adaquate Interpretation der schwachen Signale, d.h. die Identifizierung potenzieller Wirkungsbeziehungen hinsichtlich des Geschaftsmodetls und damit die Umwandlung von Signalen in Informationen. 1385 Ein wesentlicher Schritt dieser Interpretation besteht in einer Vernetzung der verschiedenen gewonnenen Informationen zu "Trendlandschatten'T'" und ihr Abgleich auf Interdependenzen. Das Zielliegt dabei in einem Erkennen von Mustern und Strukturen, um die Informationsdichte zu erhOhen und ganzheitliches, entscheidungsunterstotzendes Wissen zu generieren. 1387 Die konkrete Vorgehensweise eines solchen Scannings und Monitorings differiert je nach untersuchtem Umfeld erheblich. 1388 In politisch-rechtlicher Hinsicht folgt die Gesetzgebung einem Diffusionspfad, der von einer Haufunq spezifischer Problemfalle ausqelost wird und nach rnehrjahrlqer Vorlaufzeit mit zahlreichen parteiinternen, offentlichen und legislativen Instanzen in konkreten Gesetzen mOndet; darOber hinaus bestehen regional bzw. international unterschiedliche Verlaufsmuster, sodass Tendenzen oder Prazedenzfalle einer geanderten Gesetzgebung ggf. im Ausland vorab erkennbar sind. Bei sozio-kulturellen Faktoren konnen schwache Signale anhand von Veroffentlichungen der Meinungs- oder Trendforschung zu Veranderungen in Einstellungen und Werten sowie zu demografischen Verschiebungen wahrgenommen werden. Makrookonomisch sind analog Prognosen zur langfristigen Entwicklung von Branchen, Volkswirtschaften oder konjunkturellen Verlaufen zu beachten. 1m okologischen Bereich sind etwa Veroffentlichungen bezOglich Res-

1382 1383

1384 1385

1386 1387 1388

Zu diesem Beispiel vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 1.1.1 der vorliegenden Arbeit. Zur Erfassung und Dokumentation schwacher Signale vgl. Krystek/MOlier-Stewens (1993), S. 186ft. Vgl. KrystekiMOlier-Stewens (1993), S. 194f. Zur Definition von Information und zum Zusammenhang zwischen Signalen und Informationen vgl. die AusfOhrungen zur Semiotik in Kapitel 4.1.1 der vorliegenden Arbeit. Krystek/MOlier-Stewens (1993), S. 196. Vgl. Zeller (2003), S. 66f. unter Bezugnahme auf technologisches Wissen. Vgl. im Foigenden Krystek/MOlier-Stewens (1993), S. 204ft.

- 267-

sourcenvorkommen, der Umweltverschmutzung sowie Tendenzen auf dem Feld nachhaltigen Wirtschaftens von Relevanz. Auf Grund ihrer Kornplexitat sowie ihrer Bedeutung soli die Fruhautklarunq im technologischen Umfeld an dieser Stelle naher konkretisiert werden; daruber hinaus wird mit dem Issue Management eine aktuelle Methode vorgestellt, die ubergreifend fur das sozio-kulturelle, politischrechtliche sowie ggf. auch okoloqische und makrookonomische Umfeld anwendbar ist. Bei der technologischen Fruhaufklarung geht es um die Generierung von Einschatzungen bezuqlich des Weiterentwicklungspotenzials neuer sowie der Grenzen genutzter Technologien, technologischer Substitutionsbeziehungen sowie potenzieller Diskontinuitaten in der Entwicklung von Technologien.' 389 Analog zur Unterscheidung zwischen Scanning und Monitoring erfolgt eine Technologieexploration ungerichtet und unabhangig von genutzten bzw. bekannten Technologien, wahrend die Technologieuberwachung gezielt nach Entwicklungen in den vom Unternehmen bereits erschlossenen Technologiefeldern SUCht. 1390 Primate Quellen einer technologischen Fruherkennunq konnen innovative Kunden, sog. Lead User,1391 Zulieferer, wissenschaftliche Einrichtungen sowie technologiebezogenes Informationsmaterial sein.' 392 Bei schriftlich vorhandenen und offentlich zuganglichen Informationen kommen insbesondere Fachliteraturanalysen, Patentanalysen sowie die Analyse von Standards in Frage:1393 Bei Publikationsanalysen werden etwa Veranderungen in Veroffentlichunqshaufiqkelten auf einzelnen Technologiefeldern, Haufigkeitsverteilungen von Schlaqwortern oder der Anzahl von Zitierungen bestimmter Veroffentlichungen in anderen Quellen erfasst; die Aussagekraft hanqt hier wesentlich von der zugrunde Iiegenden Datenbankqualitat abo Patentanalysen ermitteln u.a. die Anzahl an Patenten oder Patentanmeldern sowie die technologische und okonornische Wertigkeit der Patente, etwa anhand von Aktualitatskennziffern und Zitierhaufigkeiten. Die Analyse von Standards errnoglicht Ruckschlusse auf den Reifegrad sowie Substitutionsmoglichkeiten von Technologien. ' 394 An diese Primarquellen anschlieBende Verfahren zur weiterfuhrenden Interpretation der schwachen Signale im Rahmen der Technoloqiefruhaufklarunq beinhalten Verflechtungsmatrizen zur Visualisierung von Abhanqiqkeiten zwischen Technologiefeldern sowie Technologie-

1389

1390 1391 1392 1393 1394

Vgl. Gerpott (1999), S. 101f., der von "TechnologiefrOherkennung und -prognose" spricht; in der Systematik der vorliegenden Arbeit wird der prognostische Teil in Kapitel 4.2 abgehandelt und wird daher an dieser Stelle nicht naher ausgefOhrt. Vgl. Gerpott (1999), S. 102f. sowie ausfOhrlich Peiffer (1992), S. 140ff. Zum Lead User-Ansatz vgl. Hippel (1988), S. 107, sowie die AusfOhrungen in KapiteI3.2.2.1. Vgl. Gerpott (1999), S. 103f. Vgl. Gerpott (1999), S. 105ff. sowie Zeller (2003), S. 90ff. und S. 135ff. Vgl. in diesem Zusammenhang die AusfOhrungen zu dominanten Designs in Kapitel 3.2.2.1 der vorliegenden Arbeit, die als "de facto Standards" analog derartige Phasen mit wechselnden Indikatorauspraqunqen durchlaufen.

- 268-

Roadmaps, anhand derer Experten die zukOnftige Entwicklung einer Technologie antizipieren und vlsuallsteren.F" Das sog. Issue Management kann bei der Erfassung schwacher Signale bezOglich aufkommender Themen in der 6ffentlichen Meinungsbildung genutzt werden: Issues bezeichnen 6ffentliche Anliegen in Form von politischen, sozialen und gesellschaftlichen (Streit-)Fragen. ' 396 Derartige Fragen weisen eine gesellschaftliche Relevanz, einen Organisationsbezug in Form potenzieller Auswirkungen auf ein Betrachtungsobjekt sowie ein Konfliktpotenzial im Sinne kontroverser Ansichten oder Probleml6sungen auf. ' 397 Ein Issue Management als Verfahren zur Sicherstellung organisationaler Beobachtungs- und Informationsverarbeitungsfahigkeit zielt generell auf eine FrOhwarnung bezOglich relevanter Umfeld- bzw. Meinungsveranderungen, die Einspeisung der generierten Informationen in unternehmerische Entscheidungsprozesse sowie zusatzlich auf eine aktive, strategische Steuerung von Issues in der Offentlichkeit. 1398 Damit ist das Issue Management inhaltlich an der Schnittstelle von strategischem Management, Public Relations sowie Trendforschung angesiedelt. ' 399 Ais Verfahren zur Identifikation schwacher Signale dient dabei das sog. Issue Monitoring: 14oo Analog zur Unterscheidung zwischen Scanning und Monitoring werden beim induktiven Issue Monitoring aile neuen Issues der relevanten Umwelt erfasst; bei dem anschliel1enden deduktiven Issue Monitoring erfolgt fur kritisch beurteilte Issues eine detaillierte Analyse bezOglich des Weiterentwicklungs- und Brisanzpotenzials. Grundsatzlich entstehen permanent potenzielle Issues, von denen jedoch nur diejenigen in der Offentlichkeit Beachtung erfahren, die eine entsprechende Interpretation und eine Mobilisierung in Form von Motivation und Ressourcen ausl6sen: Erst bei einer Mobilisierbarkeit werden Interessen und BedOrfnisse auch artikuliert. 1401 Daher analysiert man im Rahmen des induktiven Issue Monitoring verschiedene Leitmedien, urn die Entstehung neuer, von Leitmedien gemeinsam ver6ffentlichter Issues zu erfassen; Basis dieser Analyse ist die Tatsache, dass Issues im Rahmen eines Lebenszyklus durch verschiedene Medientypen diffundieren und ihre Be-

1395

1396 1397 1398

1399 1400 1401

Vgl. Kobe (2001), S. 43f. Zu Technologie-Roadmaps vgl. im Detail Geschka/Schauffele/limmer (2002), S. 106ff. Vgl. Liebl (2000), S. 21; R6t1ger(2001a), S. 16. Vgl. Liebl (2000), S. 21; R6t1ger (2001a), S. 16ff. Vgl. R6t1ger (2001a), S. 15f. und S. 23: "Aufgabe des Issues (!) Managements ist es, externe Issues, die die Organisation tangieren k6nnten, so zu Oberselzen, dass sie als entscheidungsrelevante Informationen in organisationspolitischen Entscheidungsprozessen verarbeitet werden k6nnen. Issues Management erfOlit daher eine zentrale Oberselzungs- und Vermitllungsfunktion (...)"; Liebl (2000), S. 47f.: "Issue-Management kann nicht als liel anstreben, die Welt zu erktaren oder herauszufinden, was 'die Wahrheit' ist; vielmehr gilt es zu eruieren, was an neuen Interpretationen und Deutungsleistungen aufkommen und was sich davon lelzten Endes durchselzen k6nnte - auf dem Markt der Issues und ihrer Deutungsmuster ebenso wie auf KonsumgOtermarkten." Vgl. auch Merten (2001), S. 41f. Vgl. Liebl (2000), S. 15f. Vgl. Imhof/Eisenegger (2001), S. 263f. Vgl. Liebl (2000), S. 33f. Die Entstehung von Issues erfordert daher, dass Akteure bestimmte Sachverhalte als Problem wahrnehmen und Ihnen im Hinblick auf eine Organisation Relevanz beimessen, vgl. R6t1ger(2001a), S. 18.

- 269-

1402 richterstattungsintensitat wechselt. Typischerweise werden Issues vorn EnthOllungsjoumalismus oder von politisch einseitig ausgerichteten Medien lanciert, bevor sie ggf. von "Media-Opinion-Leaders", d.h. Medien mit hohem Prestige, aufgegriffen und weiter verbreitet werden. 1403 Einen Durchbruch erfahrt ein Issue daher dann , wenn es "die Grenzen seines 'kommunikativen Milieus ' Oberschreitet"1404.

4.1.2.4 Diskontinuitaten In Frliherkennung und Fruhaufklarung bel den Bestandteilen des Geschaftsmodells Einer frOhzeitigen Antizipation von Diskontinuitaten kommt sowohl bei der indikatorenbasierten FrOherkennung als auch bei der FrOhaufklarung mit schwachen Signalen eine entscheidende Bedeutung ZU. 1405 Dlskontinuitaten bezeichnen generell StrukturbrOche im bisherigen Verlauf einer Entwicklung auf Grund von Veranderungen in den Beziehungen zwischen Systemvariablen oder der Systemdynamik. 1406 Um schwache Signale solcher Diskonf inuitaten wahmehmen zu konnen , ist das Konstrukt Diskontinuitat zunachst theoretisch naher zu beschreiben, sodass anschlieP.>end Methoden fOr die Identifikation von Diskontinuitaten abgele itet werden konnen, StrukturbrOche einer Entwicklung, die ex post als Diskontinuitat klassifiziert werden, resultieren haufig aus dem sog. Schwellen-Verhalten, bei dem Verhaltensvariablen erst mit Verzogerung auf Veranderungen ihrer extern en Steuervariablen reagieren:1407 Nach einer Phase relativer Traqheit der Verhaltensvariable erfolgt an einem Schwellenpunkt ein diskreter Sprung auf eine hohere Ebene , von dem aus sie sich entsprechend der Steuervariable wieder kontinuierlich entwickelt (vgl. Abbildung 4.5). Diese Diskontlnultaten resultieren aus einer Oberlappung widersprOchlicher Inputbzw. Steuervariablen oder einem Zusammenspiel schnell reagierender Output- bzw. Verhaltensvariablen mit langsameren Steuervariablen. 1408 Ein solches Schwellen-Verhalten findet sich oftmals in der betrieblichen Investitionstatigkeit. Insbesondere in konjunkturell unsicheren Zeiten werden Investitionsvorhaben autqeschoben, um entweder kurzfr istig finanzielle Belastungen zu vermeiden oder den zukOnftigen Kapazitatsbedarf besser abschatzen zu konnen . Ab einem bestimmten Schwellenpunkt hat jedoch der

1402 1403

1404

Vgl. Imhof/Eisenegger (2001) , S. 265. Vgl. Imhof/Eisenegger (2001), S. 267, sowie Liebl (2000), S. 56, anhand des Beispiels der Diffusion eines Issues von der "Tageszeitung" (taz) zur "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAl). Liebl (2000) , S. 56. Zu Determinanten des Aufmerksamkeitswerts eines Issues vgl. Liebl (2000),

S .88. 1405 1406 1407 1408

Vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 4.1.2.2 der vorliegenden Arbeit. Vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 4.1.1 der vorliegenden Arbeit. Vgl. Zahn (1979), S. 122. Vgl. Zahn (1979) , S. 122.

- 270-

Anpassungsdruck ein so hohes Ausrnats erreicht, dass sich der "Stau" 1409 schlagartig aufl6st und in einen Investitionsschub mOndet.

Ve rhal tensva ria ble

Verhaltensvariab le

---Steuervariab le

Abb.4.5

A

Steuervariable

Wesen von Diskontinuitaten 1410

Solche Schwellenpunkte, an denen eine kontinuierliche Entwicklung einen diskontinuierlichen Verlauf nimmt, korrespondieren in der Literatur zur UnternehmensfOhrung mit dem Konstrukt "industry breakpoint", einem Wechsel von Wettbewerbsregeln sowie dem Ausbruch aus der "dominant logic".1411 Das gleiche Phanornen beschreibt kontextunabhanqiq auch das Konzept des "Tipping Point": Ein "Tipping Point" stellt den Zeitpunkt dar, an dem sich Ideen, Produkte, Verhaltensweisen oder Botschaften schlagartig ausbreiten, wofOr bei dem Konzept die Metapher des Ausbruchs einer Epidemie verwendet wird. 1412 Dabei ist dem "Tipping Point" mit den anderen genannten Konstrukten gemeinsam, dass sie ein diskretes Ereignis bezeichnen, das von der Masse der Betroffenen als Diskontinuitat wahrgenommen wird. Ein derartiges Ereignis lasst sich anhand der beiden Methoden der Diffusionsanalyse sowie der Diskontinuitatenbefragung antizipieren.

1409 1410 1411

1412

Zu diesem Beispiel vgl. Zahn (1979), S. 122. Quelle: Zahn (1979), S. 122. Vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 4.1.1 der vorliegenden Arbeit; zu den Konstrukten "industry breakpoint" und "dominant logic" vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 2.2.3. Vgl. Gladwell (2000), S. 14ft. Die Erklarunq eines solchen "Tipping Point" beruht erstens - gemar..der Metapher der Epidemie - auf dem Prinzip der Ansteckung, zweitens auf der Erkenntnis, dass kleine Ursachen gror..e Wirkung haben konnen, und drittens darauf, dass Veranderungen sich mit gror..erGeschwindigkeit ausbreiten (epidemisches Prinzip), vgl. Gladwell (2000), S. 16. - 271 -

Die Diffusionsanalyse im Rahmen der Fruhautklarunq basiert auf der Tatsache, dass Diskontinuitaten nicht abrupt auftreten, sondern sich entsprechende Anzeichen in Form schwacher Signale frOhzeitig erkennen lassen und sich im Laufe der Zeit verdichten bzw. ausbreiten.V" Generell untersucht die zugrunde liegende Diffusionsforschung die Expansion neuer Phanornene, wobei nicht spezifische Zeitpunkte, sondern eine Abfolge von Ereignissen erhoben bzw. im Sinne der FrOhwarnung antizipiert werden."!" Der Verlauf der Diffusion vollzieht sich dabei entlang sechs typischer Gruppen von Adoptoren mit spezifischen Adcptionszeitpunkten.Y" Von den ersten Traqern der Innovation bzw. des Paradigmenwechsels verlauft die Adoption Ober sog. Innovatoren, frOhe und spate Folger sowie die Gruppe der NachzOgler, bis

schliefsfich ein Kern an dauerhaften Nicht-Adoptoren Obrigbleibt. Bezogen auf die Antizipation von Dlskontinultaten kommt es im Rahmen der Diffusionsanalyse also darauf an, den entsprechenden Adoptionsverlauf eines Phano-

mens zu erkennen, um das Ausrnafs potenzieller Konsequenzen sowie deren zeitliches Auftreten abschatzen zu k6nnen. Dabei kann bei der Ausbreitung innovativer Produkte, Ideen oder Verhaltensweisen die Identifikation von SchlOsselpersonen unter den Adoptoren eine wichtige Hilfestellung geben: 1m Konzept des "Tipping Point" k6nnen Trends durch drei Arten von Multiplikatoren die kritische Masse erreichen und zu "Epidemien" werden: "Kenner" besitzen ein bestimmtes Spezialistenoder Insiderwissen und fungieren als Informationsmakler, indem sie ihr Wissen freigebig streuen. 14 16 "Vermittler" als zweite Kategorie der Ausloser von Epidemien verfOgen etwa auf Grund von Neugier, Geselligkeit oder Charisma Ober vlelfaltiqe "schwache Bindungen" in unterschiedlichsten Gesellschafts-, Berufs- oder Interessengruppen und transportieren dadurch Informationen oder Trends Ober ihren ursprOnglichen sozialen Kontext hlnaus.'!" "Verkaufer" schllefslich verstehen es, durch die Art ihrer Kommunikation Begeisterung fOr eine Idee zu wecken und so den Diffu14 18

sionsprozess entscheidend zu fOrdern:

"In einer gesellschaftlichen Epidemie sind die Kenner die Datenbanken. Sie stellen die Botschaft. Die Vermittler sind der soziale Klebstoff: sie verbreiten die Botschaft. Aber es gibt darOber hinaus eine Gruppe von Menschen, die die Fahigkeit besitzen, uns zu Oberreden, wenn wir von dem, was wir geh6rt haben, nicht Oberzeugt sind - die Verkaufer, Und diese Verkauter sind eben-

1413 1414

1415 1416 1417 1418

Vgl. Konrad (1991), S. 52. Vgl. Krampe/MOiler (1981), S. 391; Richter (1991), S. 51ft. und 119f.; Konrad (1991), S. 52ft.; Lehmann (1994), S. 15; Sepp (1996), S. 296; Hammer (1998), S. 209ft. Vgl. Krampe/MOiler (1981), S. 391f.; Sepp (1996), S. 296f. Vgl. Gladwell (2000), S. 67ft. Vgl. Gladwell (2000), S. 49ft. Gladwell (2000), S. 77ft.

- 272-

so entscheidend fur das Auslosen einer Mund-zu-Mund-Epidemie wie die beiden anderen Gruppen.,,1419 Gladwell veranschaulicht das Konzept des "Tipping Point" u.a. anhand der Schuhkollektion "Hush Puppies", einer bestimmten Art Wildlederschuhe des Herstellers Wolverine. 1994 war die Marke mit einem Absatz von 30.000 Paar an einem Tiefpunkt angelangt, sodass Wolverine die Produktion aufgeben wollte. Die Marke erholte sich jedoch ohne Zutun des Herstellers: 1995 konnten bereits 430.000 und 1996 Ober 1,2 Mio. Paar abgesetzt werden. Zudem erhielten "Hush Puppies" 1996 einen Preis als bestes modisches Accessoire. Ihren Ausgangspunkt nahm die Wiederbelebung der Marke bei Jugendlichen in New Yorker Szenekreisen, die die unpopularen "Hush Puppies" trugen, um sich vom Geschmack der Masse zu differenzieren. Diese Idee griffen Designer auf und liefsen ihre Models in diesen Schuhen bei Modenschauen auftreten. Innerhalb kurzer Zeit eroberten "Hush Puppies" dadurch die Schuhqeschatte in den USA.1420 Ein aktuelles Beispiel fOr die schlagartige Ausbreitung eines Produkts nach Eintreten eines "Tipping Point" stellt das Lied "Schnappi, das kleine Krokodil" dar, das Anfang 2005 mehrere Wochen lang Platz 1 der Verkaufsstatistiken fOr Singles in Deutschland und im benachbarten Ausland belegte.1421 Das Unqewohnliche am Erfolg dieses Liedes besteht darin, dass es sich zum einen um ein Kinderlied handelt, das von einem zum Zeitpunkt der Aufnahme sechs Jahre alten Madchen gesungen wurde; zum anderen wurde das Lied erst drei Jahre nach seiner Entstehung popular und erst auf Grund seiner Bekanntheit zunachst als Single (und spater in einer Albumversion) Oberhaupt auf den Markt gebracht. Seine Diffusion verdankt das Lied der Tatsache, dass es als MP3-Datei ins Internet gelangte, verbreitet wurde und von Radiosendern aufgegriffen und gespielt wurde. Eher im Scherz hatte die Popzeitschrift "Spex" frOhzeitig auf den Ohrwurmcharakter des Liedes hingewiesen. 1422 Somit erwies sich moglicherweise "Spex" - zusammen mit denjenigen, die das Lied erstmals ins Internet gestellt hatten - als "Kenner" im Sinne des "Tipping Point"-Konzepts. "Vermittler" wiederum entdeckten die MP3-Datei im Internet und versandten sie per Mail an ihren Freundeskreis. Als "Verkaufer" hatten nicht zuletzt die Radiosender fungiert, die das Lied vor seiner allgemeinen Bekanntheit gespielt hatten. Als tatsachlicher "Tipping Point" kommt bei diesem Beispiel neben der zunehmenden Verbreitung vor allem die Veroffentllchunq als Single durch Universal Music im Dezember 2004 in Betracht.

1419 1420

1421

1422

Gladwell (2000), S. 76t. Zu diesem Beispiel vgl. Gladwell (2000), S. 11f. Ahnlich erging es etwa den Marken Adidas und Puma in ihren Krisen Antang der 1990er Jahre: Wahrend Adidas u.a. von der Rapband Run DMC getragen wurde, erfreute sich Puma - auch ohne Werbevertrag - u.a. der Sympathie der Popikone Madonna (vgl. Steinkirchner (2002), S. 78); bei beiden Marken steigerten sich Image und Popularitat sukzessive. Vgl. Peitz (2005), S. 10; ROth (2005), S. 31. Platz 1 wurde u.a. auch in Osterreich erzielt, weitere Top-Platzierungen konnten etwa in den Beneluxlandern sowie Danernark realisiert werden. Vgl. Peitz (2005), S. 10.

- 273-

Bei einer Diskontinuitatenbefragung als zweiter Methode der Antizipation von Diskontinultaten werden Experten, MeinungsfOhrer oder wesentliche Anspruchsgruppen im Rahmen einer gro~zahligen Umfrage um eine Einschatzung des weiteren Entwicklungsverlaufs eines bestimmten Sachverhalts gebeten.1423 Entscheidende schwache Signale bestehen dabei in Abweichungen von der herrschenden Meinung, da sie latente Diskontlnuitaten darstellen konnen, die erst von wenigen Fachleuten als Vorboten einer zukUnftigen Entwicklung interpretiert werden. 1424 Allerdings wird das Ergebnis einer solchen Diskontinuitatenbefragung rnafsqebllch von der Auswahl der Befragten bzw. deren Sachverstand determiniert: So entsprechen derartige UrteiIe stets subjektiven Einschatzungen und hanqen von der Intuition und Kreativitat des Experten ab, sodass die Identifikation schwacher SignaIe im schlimmsten Fall wilikUrlich iSt. 1425 Noch entscheidender stellt sich jedoch zunachst das Problem der Auswahl der Befragten dar: Bei "Experten" als Kennern des vorherrschenden Paradigmas sollte nicht unreflektiert davon ausgegangen werden, dass diese auch tatsachlich Diskontinuitaten bzw. die dahinter stehenden zukUnftigen Paradigmen identifizieren konnen: "Der Experte der Vergangenheitstechnik ist nicht zwangslaufig auch der Experte der Zukunftstechnik.,,1426 "Das Wissen eines Experten festigt sich im Laufe des 'Experten-Lebens '. Es ist durch seine bisherigen Erfahrungen und seine bisherigen Tatigkeiten gepragt und mit seinem methodischen, analytischen bzw. abstrahierenden Wissen gekoppelt. Fakten und Methoden sind die wesentlichen Elemente des historisch gewachsenen Expertenwissens..1427 (...) "Die (Markt-)Experten der Gegenwart sind durch eine zu geringe Know-how-Basis , was Zukunftsrnarkte betrifft, nicht unbedingt Experten uber den zukUnftigen Markt einer Innovation (...) Aber genau diese grundlegenden Kenntnisse uber den Zukunftsmarkt werden zur Beurteilung der Relevanz einer Innovation bzw. deren Substitutionsgefahren benOtigt...1428

1423

'424

'425 1426

1427 1426

Vgl. Richter (1991), S. 52; Bohler (1993). Sp. 1265; Lehmann (1994), S. 14f.; Sepp (1996), S. 253; Zeller (2003), S. 84. Vgl. Richter (1991), S. 52; Bohler (1993), Sp. 1265; Lehmann (1994), S. 14f.; Zeller (2003), S.84. Vgl. Richter (1991), S. 117; Liebl (1996), S. 61f.; Sepp (1996), S. 261; Zeller (2003), S. 35. Weif! (1989), S. 101, in Bezug auf technologische Dlskontinuitaten . Vgl. auch Weif! (1989), S. 95ft., zu einem LiteraturOberblick Ober Ursachen von "Expertenfehlern" und zu der Argumentation, dass Experten des vorherrschenden technologischen Paradigmas keine Motivation zur Identifikation von Dlskontinuitaten haben, da sie bei einem tatsachlichen Know-how-entwertenden TechnologieObergang ihr Expertenwissen und ihren Expertenstatus vertoren. PfeifterlWeif!NolzIWettengl (1997), S. 53, Fn. 103. PfeifferlWeiBNolzIWettengl (1997), S. 55.

- 274-

Geradezu klassisch sind mittlerweile einige Fehleinschatzungen von Experten auf Grund nicht antizipierter zukOnftiger Diskontlnuitaten im jeweiligen Umfeld:1429 • Gottlieb Daimler, Automobilpionier (1907): "Die weltweite Nachfrage nach Kraflfahrzeugen wird 1 Million nicht Obersteigen- allein schon aus Mangel an verfOgbaren Chauffeuren" • Thomas J. Watson, Vorstandsvorsitzender von IBM (1943): "Ich glaube, der Weltmarkt hat Raum fOrfOnf Computer - nicht mehr" • Ken Olsen, Vorstandsvorsitzender von DEC (1977): "Ich sehe keinen Grund, warum einzelne Individuen ihren eigenen Computer haben sollten" Eine Identifikation schwacher Signale durch eine Diskontinuitatenbefragung erfordert daher in erster Linie einen Einbezug von Fachleuten unterschiedlichster Know-howKategorien sowie eine genaue Verfolgung entsprechender Minderheitenmeinungen . 4.1.3

Ermittlung von Innovationsbedarf des Geschaftsmodells auf Basis seiner Lebenszyklusphase

Ganzheitliche Fruhaufklarunpssysterne fOr Geschaftsmodelle mOssen sowohl indikatorenbasierte FrOherkennungselemente als auch eine Fruhautklarunq auf Grundlage schwacher Signale beinhalten, um den spezifischen Anforderungen von Geschaftsmodellen gereeht zu werden. 1430 Dabei erstreeken sich FrOherkennung und FrOhaufklarunq jeweils separat auf Produkt-/Markt-Kombination, Wertkettenkonfiguration und Ertragsmeehanik. 143 1 Daraus ergibt sieh ein Integrationsbedarf in zweifaeher Hinsieht: Zunachst sind die Ergebnisse aus FrOherkennung und FrOhaufklarung je Bestandteil des Geschaftsrnodells zu integrieren, um eine Einschatzung der Lebenszyklusposition und der weiteren Tragfahigkeit des jeweiligen Betraehtungsobjekts zu erhalten. Anschllefsend mOssen die Interdependenzen zwischen den drei Geschaftsmodellbestandteilen im Hinbliek auf ihre Lebenszyklusphase OberprOft werden. Aus beiden SchriUen kann jeweils ein Innovationsbedarf des Geschaftsmodells resultieren. Bei einer Integration von FrOherkennungs- und FrOhaufklarungserkenntnissen stellt sich das Problem des Umgangs mit Informationen unterschiedlieher Kategorien und Oualitaten: Wahrend bei einer FrOherkennung der Beobachtungsbereich von vornherein auf die Indikatoren der Lebenszyklusphasen von Produkt-/Markt-Kombination, Wertkettenkonfiguration und Ertragsmechanik eingeschrankt und die Art der zu generierenden Informationen dadurch vordefiniert ist, werden bei einer FrOhaufklarung schwaehe Signale verschiedener Umfeldbereiehe generiert, die unstrukturiert 1429 '43 0 1431

Zitiert nach Fink/Schlake/Siebe (2000 ), S. 35. Vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 4.1.2.1 der vorliegenden Arbeil. Vgl. die AusfOhrungen in den Kapiteln 4.1.2.1 und 4.1.2.2 der vorliegenden Arbe il.

- 275 -

und bezOglich ihrer Bedeutung und Wirkungszusammenhange interpretationsbedOrftig sind.

1432

Letztlich verstarken sich hier die generellen Probleme bei der Verarbei1433

Es handelt sich um eine Mischung tung von FrOhaufklarungsinformationen: qualitativer und quantitativer Daten heterogener Unsicherheitsgrade in Bezug auf GOltigkeit und Eintrittswahrscheinlichkeit. DarOber hinaus bestehen die Daten teils aus objektiven Gegebenheiten, teils jedoch aus subjektiven Wahrnehmungen. SchlieBlich sind die Informationen vielfach kontextabhanqiq. Ein entscheidender Schritt der Integration der divergenten Informationen besteht daher in einer ganzheitlichen Betrachtung und Interpretation potenziell zusammengeheriger Informationen. Wie bei der Erfassung und Dokumentation schwacher Signale sind auch hier eine Vernetzung der verschiedenen Erkenntnisse, ein Abgleich auf Interdependenzen sowie eine gegenseitige PlausibilitatsOberprOfung erforderlich, um potenzielle Diskontinuitaten zu antizipieren und entscheidungsrelevantes Wissen zu generieren .1434 Zur Bestimmung der Lebenszyklusphase bzw. der frOhzeitigen Wahrnehmung eines bevorstehenden PhasenObergangs kommt es wesentlich auf die Antizipation der sog. Schwellenpunkte, "industry breakpoints" oder eines "Tipping Point" an:1435 Derartige Ereignisse bzw. Zeitpunkte haben das Potenzial, den Verlauf des Lebenszyklus zu beeinflussen, indem sie eine neue Lebenszyklusphase initiieren: Dadurch dass sie ein bestehendes Paradigma obsolet werden lassen und den Obergang zu einem neuen Paradigma auslosen, beenden sie den Lebenszyklus des bestehenden Paradigmas vorzeitig und verhelfen einem neuen Paradigma zu einem Aufschwung. Anders ausgedrOckt: Diese Schwellenpunkte korrespondieren mit einer Innovation (eines Bestandteils) des Geschaftsrnodells. Mathematisch gesehen stellen die Schwellenpunkte die Scheitelpunkte der S-farmigen Lebenszykluskurve von Produkt-/Markt-Kombination, Wertkettenkonfiguration bzw. Ertragsmechanik dar. Der Verlauf der Lebenszykluskurve wechselt in diesem Moment in seine Steig- bzw. Sinkphase (vgl. Abbildung 4.6). Dies geschieht jedoch sowohl im Konzept von FrOherkennung und FrOhaufklarung als auch mathematisch nicht Oberraschend: Analog zu Diskontinuitaten, die durch schwache Signale vorzeitig wahrgenommen werden konnen, deuten sich die Scheitelpunkte einer Lebenszykluskurve durch die vorausgehenden Wendepunkte an. Die zu Oberwachenden Indikatoren bestehen in den Kurvensteigungen bzw. deren Determinanten; schwache Signale als Vorboten eines Paradigmenwechsels im Umfeld eines Unternehmens konnen als Beginn einer konkurrierenden S-Kurve mit einem hoheren Leistungspo1432 1433 1434 1435

Vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 4.1.1 der vorlisqenden Arbeit. Vgl. Peiffer (1992), S. 308 m.w.V.; Zeller (2003), S. 67f. Vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 4.1.2.3 der Yorliegenden Arbeit. Vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 4.1.2.4 der vorlleqenden Arbeit sowie zum Konzept des "industry breakpoint" Kapitel 2.2.3.

- 276-

tenzial visualisiert werden. Je nach Kurvensteigung der Lebenszykluskurve sowie nach Relevanz konkurrierender S-Kurven lasst sich schliefslich die aktuelle Lebenszyklusphase eines Geschaftsmodell-Bestandteils abschatzen.

Leistungspotenzial Altes Paradigma

Neues Paradigma

Indikatoren der FrOherkennung: Kurvensteigungl Veranderunq im Leistungspotenzial des gege benen Paradigmas

Dlskontinuitat

Scheite lpunkt

Abb.4.6

schwache Signa Ie de r FrOhaufklarung : Entstehen eines neuen Paradigmas

Aufwand

Antizipation von Diskontinuitaten 1436

Innovationen konnen im Verstandnls des technologieorientierten Innovationsmanagements generell sowohl bedarfs- als auch potentialbasiert ausqelost werden: 1437 Bei einer Bedarfsinduktion oder einem "market pull" geht der Innovationsimpuls vorn Markt aus; fur gegebene Markte und Bedurfnlsse wird hier nach innovativen technologischen Problemlosungsmitteln recherchiert. 1m umgekehrten Fall des potenzialbasierten Vorgehens bzw. "technology push" existiert ein technologisches Potenzial, fur das entsprechende Anwendungsmoglichkeiten gesucht werden. Ein Innovationsbedarf besteht daher einerseits in der Deckung bestehender Kundenbedurfnisse in Form der Bedarfsinduktion; andererseits kann ein Innovationsbedarf auch darin gesehen werden, die sich bietenden Chancen einer Potenzialinduktion im Sinne einer Generierung zusatzlicher Wetlbewerbsvorteile zu nutzen. Obertragen auf die Feststellung der gegenwartigen Lebenszyklusposition anhand von Indikatoren und schwachen Signalen bedeutet dies, dass eine Innovation eines Geschaftsmodell-Bestandteils bedarfsbasiert ausgelost werden kann, wenn ein 1436 1437

Quelle: eigene Darstellung. Vgl. PfeifferlWeil1NolzIWettengl (1997), S. 61ff. sowie Pfeiffer/Metze (1989), Sp. 2009ff., wo in gleicher Bedeutung das Begriffspaar Bedarfsinduklion sowie autonome Induktion verwendet wird. Zu Definition und Arlen von Innovationen vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 2.3.1 der vorliegenden Arbeit.

- 277-

drohender Abschwung des Lebenszyklus antizipiert wird: Sobald die erhobenen tndikatorenauspraqunqen sowie die schwachen Signate einen Wendepunkt im gegenwartigen Paradigma bzw. die Anfanqe eines oder mehrerer alternativer Paradigmen signalisieren, muss sich ein Unternehmen proaktiv auf eine Innovation des entsprechenden Geschaftsmodell-Bestandteils vorbereiten, um nicht von Entwicklungen des Umfelds Oberrascht und in ein Nischendasein gedrangt zu werden. Andererseits kann eine Innovation von Produkt-/Markt-Kombination, Wertkettenkonfiguration oder Ertragsmechanik potentialbasiert initiiert werden, indem entstehende Chancen in Form alternativer Paradigmen erkannt werden, die das Unternehmen bedienen kann. In diesem Fall geht es also darum, unabhangig von der Tragfahigkeit eines bestehenden (Bestandteils des) Geschattsrnodells zukOnftige Chancen zu antizipieren; diese konnen dann ergriffen werden, indem entweder ein zusatzliches Geschaftsmodell zur Nutzung dieser Meglichkeiten aufgebaut oder das bestehende Geschattsrnodell entsprechend abqeandert wird. Die zweite erforderliche Integrationstatigkeit bei der FrOhaufklarung in Bezug auf Geschaftsmodelle besteht im Umgang mit den Interdependenzen zwischen Produkt-/Markt-Kombination, Wertkettenkonfiguration und Ertragsmechanik. Diese Interdependenzen entsprechen den Wirkungsbeziehungen zwischen den Bestandteilen des Geschattsrnodells und determinieren maBgeblich die Stimmigkeit und damit die Leistunqsfahipkeit eines Geschaftsmodells insgesamt. 1438 Ergeben sich nun bei einem Abgleich zwischen den Lebenszykluspositionen von Produkt-/Markt-Kombination, Wertkettenkonfiguration oder Ertragsmechanik greBere Divergenzen, resultiert eine derartige fehlende Stimmigkeit des Geschattsrnodells insgesamt in einem Anpassungsdruck eines oder mehrerer Bestandteile; die Konsequenz ist zwanqslaufiq eine modutare oder prinzipielle Geschaftsmodellinnovation, da ein Geschaftsmodell 1439 mit einem dauerhaften Mangel an Stimmigkeit nicht lanqerfristiq tragfahig iSt.

4.2

Generierung zukOnftiger Geschaftsmodelle mit Hilfe von Szenarien

Nachdem in Kapitel 4.1 hergeleitet wurde, wann bzw. bei welchen Anzeichen ein Bedarf an einer Geschaftsmodellinnovation besteht, wird in Kapitel 4.2 die Erstellung eines innovativen Geschattsmodells thematisiert. Dazu wird in Kapitet 4.2.1 die Szenario-Methode zur Erhebung zukOnftiger Rahmenbedingungen vorgestellt. AnschlieBend wird die Vorgehensweise zur Generierung von Geschaftsmodelloptionen beschrieben und auf ein Praxisbeispiel angewendet (Kapitel 4.2.2).

1438 1439

Vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 2.2.2.4 der vorliegenden Arbeit. Vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 3.3.4 der vorliegenden Arbeit.

- 278-

4.2.1

Szenario-Management als Instrument zur ganzheitlichen Exploration zukOnftiger Wettbewerbsbedingungen

Ergebnis einer Fruhaufklarunq sind Anzeichen zukOnftiger Chancen und Bedrohungen aus Sicht eines Unternehmens. 1440 1m Kontext der Bestimmung der Lebenszyklusposition eines Geschattsrnodells ergeben sich Hinweise auf die weitere Traqfahlqkeit des Geschaftsmodells sowie die generelle Richtung reievanter Umfeldveranderungen. Die Fruhaufklarunq liefert jedoch keine umfassenden Erkenntnisse Ober ein zukOnftig zu erwartendes Unternehmensumfeld und keine Gestaitungshinweise fur innovative Geschaftsmodeile, weshalb der komplementare Einsatz des SzenarioManagements erforderlich ist. FrOhaufklarung und Szenario-Management weisen dabei zwei wesentliche Zusammenhange auf: 1441 Zum einen kann die Fruhaufklarung als Initiator von Szenario-Prozessen fungieren, indem sie potenziell relevante Themen in Form von schwachen Signalen identifiziert. Die moqlichen Entwicklungsrichtungen der Signale konnen anhand von Szenarien erforscht und in ihrem Entstehungskontext ganzheitlich analysiert werden. Zum anderen konnen Erkenntnisse des Szenario-Managements in den Prozess der strategischen Fruhaufklarunq zurOckflief),en: Das Szenario-Management kann in zusatzlich zu beobachtenden Indikatoren der FrOherkennung oder in Beobachtungsbereichen fur schwache Signale resultieren, sodass die strategische Fruhaufklarunq gezielter und effektiver eingesetzt werden kann. 1m Foigenden werden daher Szenarien und das Szenario-Management vorgestellt und im theoretischen Rahmen der vorliegenden Arbeit eingeordnet. Szenarien entsprechen systematisch erstellten, plausiblen Zukunftsbildern komplexer Systeme. 1442 Dabei handelt es sich sowohl um die Beschreibung rnoqlicher zukOnftiger Zustande als auch von Entwicklungspfaden zu diesen zukOnftigen Situationen. 1443 Oblicherweise werden Szenarien in Trichterform visualisiert: Je weiter ein Szenario in die Zukunft reicht, desto grof),er werden die Unsicherheit und die Streuung der rnoqlichen Konstellationen (vgl. Abbildung 4.7).1444 Da Szenarien auf den Veranderungspotenzialen zahlreicher vernetzter Determinanten beruhen, lassen sich keine EintriUswahrscheinlichkeiten vorhersagen .1445

Eine grundlegende Voraussetzung der Generierung von Szenarien stellt daher ein zukunftsoffenes und vernetztes Denken und Handeln dar: 1446 Dies bedeutet ei1440 1441 1442

1443

1444 1445 1446

Vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 4.1.2 der vorliegenden Arbeit. Vgl. Fink/Schlake/Siebe (2000b), S. 45. Vgl. Fink/Schlake/Siebe (2000b), S. 34; Fink/Schlake/Siebe (2001), S. 21; Geschka (2001), S.304. Vgl. Reibnilz (1992), S. 14; Gausemeier/Fink/Schlake (1995), S. 90 sowie S. 108f., wo sie zur Differenzierung die Begriffe Situations- und Prozessszenarien einfOhren; Geschka (2001), S.304. Vgl. Reibnilz (1992), S. 26f.: Geschka (2001), S. 304f. Vgl. Gausemeier/Fink/Schlake (1995), S. 90; Graf (2000), S. 14. Vgl. Fink/Schlake/Siebe (2000a), S. 43f.; Fink/Schlake/Siebe (2001), S. 21.

- 279-

nerseits die Denkhaltung einer nicht prognostizierbaren, "multiplen" Zukunft. Andererseits ist darunter die explizite Berucksichtigung der Komplexitat unternehmerischen Handelns im Spannungsfeld vielfaltiqer und dynamischer Einflussgri:if!.en zu verstehen.'?" Dementsprechend bezeichnet das Szenario-Management "die systematische Anwendung von alternativen Zukunftsbildern komplexer Systeme zur Identifikation und Erschlief!.ung von Erfolgs- und Nutzenpotenzlalen'vt".

Trendbruchereignis

======::::_-

Betrachtungszeitpunkt (Zukunft)

Heute

Abb.4.7

Denkmodell fur Szenarien 1449

Dabei ki:innen sich Szenarien auf unterschiedliche sog. Gestaltungsfelder beziehen, etwa Unternehmen, Produkte oder Technologien. 1450 In Bezug auf das sog. Szenariofeld als Betrachtungsbereich eines Szenarios lassen sich vier Mi:iglichkeiten unterscheiden: 1451 Bei Unternehmens-, Geschatts- oder Produktszenarien steht das Gestaltungsfeld des Szenarios im Fokus. Marktszenarien erstellen mi:igliche zukunftige Abnehmerfelder, wahrend Branchen- bzw. Wetlbewerbsszenarien potenzielle Entwicklungen der Anbieter eines Marktes zum Gegenstand haben. Globale Szenarien schllefslich beziehen sich auf uberqreifende Themenbereiche wie Zukunftsoptionen von Wirtschaftsraumen oder Stakeholdern. Szenarien beschreiben also nicht zwanqslaufiq den Gestaltungsbereich des Unternehmens, sondern fokussieren haufig auf Aspekte und Einflussbereiche im Umfeld des Unternehmens. 1447

1448 1449 1450 1451

Zur Komplexltat als Ma~gr6~e fur Anzahl, Verschiedenartigkeit und VerknOpfung der Variablen eines Systems vgl. die AusfUhrungen in Kapitel 3.1.1 der vorliegenden Arbeit. Fink/Schlake/Siebe (2001), S. 22. Quelle: Geschka (2001), S. 305. Vgl. Gausemeier/Fink/Schlake (1995), S. 99; Fink/Schlake/Siebe (2000a), S. 46. Vgl. Gausemeier/Fink/Schlake (1995), S. 99f.; Fink/Schlake/Siebe (2000a), S. 46.

- 280-

Die generelle Zielsetzung des Einsatzes von Szenarien besteht in einer ganzheitlichen Auseinandersetzung mit der Zukunft zur Verbesserung der Validitat strategi1452 scher Entscheidungen im Untemehmen . Durch eine derartige Beschaftigung mit moglichen zukOnftigen Entwicklungen entsteht ein "Orientierungswissen" . das in Entscheidungssituationen in strukturierter Form prasent ist und einem Unternehmen schnellere und fundiertere Reaktionen auf Umfeldveranderungen erm6glicht. 1453 Konkret konnen mit Hilfe von Szenarien Entscheidungsalternativen bewertet sowie die Neuformulierung einer Strategie unterstOtzt werden .1454 Letztlich wird durch einen Einbezug von Szenarien in die strategische Entscheidungsfindung der gestiegenen Umweltkomplexitat durch eine Erhohung der Kornplexltat im strategischen Entschei1455 dungsprozess Rechnung getragen. Der Prozess der Szenario-Erstellung erstreckt sich auf die drei Phasen Szenariofeld-Analyse. Szenario-Prognost ik und Szenario-Bildung. denen eine Szenario-Vorbereitung vorausgeht und an die sich der Szenario-Transfer anschlier..t: 1456 1m Rahmen der Vorbereitung der Szenario-Erstellung werden Gestaltungs- und Szenariofeld definiert und die Ausgangssituation des Gestaltungsfelds im Hinblick auf aktuelle Starken und Schwachen analysiert. Bei der Szenariofeld-Analyse werden auf Basis von Einflussbereichen und Einflussfaktoren die entscheidenden SchlOsselfaktoren fOr das Gestaltungsfeld ermittelt. Wah rend der Szenario-Prognostik als Kernphase des Szenario-Managements werden fOr die ermittelten SchlOsselfaktoren entsprechende Zukunftsprojektionen erstellt. Kombinationen dieser Zukunftsprojek tionen werden als sog. ProjektionsbOndel in der Phase der Szenario-Bildung zunachst mit Hilfe von Konsistenzanalysen beurteilt. Daran anschliefsend werden konsistente ProjektionsbOndel zu Rohszenarien zusammengefasst . visualisiert und beschrieben . Idealerweise werden so zwei oder drei Szenarien mit deutlich unterschiedlichen Konstellationen erarbeitet, sodass sich die tatsachllche Entwicklung innerhalb des aufgespannten Raums zwischen den "Extremszenarien" einstellt. 1457 Die generierten Szenarien werden in der Phase des Szenario-Transfers zunachst auf ihre Auswirkungen auf das Gestaltungsfeld hin analysiert und es werden entsprechende Chancen und Risiken ermittelt. In der anschliefsenden Eventualplanung werden szenariospezifische Hand1452 1453 1454 1455 1456

1457

Vgl. Graf (2000), S. 17. Vgl. Fink/Sch lake/Siebe (2000a), S. 48. Vgl. Fink/Schlake/Siebe (2000b ), S. 40. Vgl. Graf (2000), S. 17. Vgl. Gausemeier/Fink/Schlake (1995), S. 100ft.; Fink/Schlake/Siebe (2000a) , S. 45ft.; sowie Fink/Schlake/Siebe (2001), S. 67ft., die insbesondere den Szenario-Transfer weiter detaillieren und als eigensUindige Schritte die Szenario-Kommunikation, die strategische FrOherkennung und die Strategieentwicklung bzw. -bewertung anfOhren. Zum Zusammenhang zwischen Szenarien und strategischer Fruhautklarunq vgl. die weiteren AusfOhrungen im vorliegenden Kapitel. FOr ein Beispiel der Szenario-Erstellung bei Geschattsrnodellen vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 4.2.2. Eine alternative, achtstufige Vorgehensweise bei der Szenarienerstellung beschreibt Geschka (2001), S. 307ft. Vgl. Geschka (2001), S. 305.

- 281 -

lungsanweisungen ersteltt und - je nach Zielsetzung der Szenariobildung - in zukunftsrobuste Ziele oder Strategien umgesetzt. FOr einen Oberblick Ober den Prozess des Szenario-Managements vgl. Abbildung 4.8.

Szenario-Plattform : Projektdefin i----------~ tion und Ausgangssituation des ,....------'-- - - ..., Gestaltungsleldes Cl C

---------~ SchlOssellaktoren

~

a;

~

w

.g.

.. c

----------~ Zukunftsprojeklionen

,....-- - - - -'-- - -...,

N

en

---------~

Szenarien

_ _ _ __ _ _ _ __

Stralegische Handlungsoptionen/

~

Slralegien

Abb.4.8

Prozess des Szenario-Managements 1458

Eine wichtige Unterscheidung bezOglich Szenarien betrifft die eingenommene Perspektive bei der Szenario-Erstellung :1459 Explorative Szenarien gehen von einem konkreten Ist-Zustand aus und beschreiben verschiedene Entwicklungsmoglichkeiten, d.h. Foigen der Szenarien; derartige Szenarien werden auch als startpunktgesteuert bzw. als "Was-ware-wenn-Szenarien" bezeichnet. Antizipative Szenarien dagegen legen konkrete zukOnftige Zustande fest und suchen rOckwartsgerichtet nach Entwicklungsverlaufen , die zu diesen zukOnftigen Situationen fOhren konnen: man spricht daher auch von Endpunktsteuerung bzw. ''Was-mul1-geschehen-dassSzenarien" [sic!]. Eine Visualisierung der beiden Moglichkeiten zeigt Abbildung 4.9.

In engem Zusammenhang mit der Unterscheidung dieser beiden Perspektiven steht die Differenzierung verschiedener Einsatzmoglichkeiten bzw. Rolten des Szenario1460 Managements im Rahmen der Unternehmensentwicklung. Dabei erstreckt sich ein Kontinuum an Moglichkeiten entlang der Kriterien der Prognostizierbarkeit

1458 1459 1460

Quelle : Fink/Schlake/Siebe (2000a) , S. 45. Vgl. Krystek/MOlier-Stewens (1993), S. 2161.; Gausemeier/Fink/Schlake (1995 ), S. 110. Zur Unternehmensentwicklung und insbesondere ihrer Planbarkeit vgl. die AusfOhrungen in Kapitel 3.1.1 der vorliegenden Arbeit.

- 282-

Explorative Szenarien: Was-ware-wenn-Szenarien

Startpunktsteuerung





Basisannahmen = konkrete 1ST- Situation - - - - ' - - - - - - - - - - ' - - -.... . Gegenwart Zukunftshorizont Antizlpalive Szenarien: Was-muss-geschehen-dassSzenarlen

Endpunktsteuerung





Zeit

Basisannahmen konkrete Zukunftsbilder

=

=

MClgliche Ereignisse Mehrere Entwlckl ungsvertaule, ggl . mehrere IST-Situationen

---'-- - - -- - - -..........- - .... . Gegenwart Zukunftshorizont

Abb.4.9

Zeit

Explorative und antizipative Szenarien 1461

sowie der Beeinflussbarkeit des Eintretens eines Szenarios:1462 1st weder die Eintrittswahrscheinlichkeit von Szenarien abschatzbar noch deren Realisierung durch das Untemehmen steuerbar, verbleibt als Strategie lediglich eine Maximierung der unternehmerischen Flexibllltat, um kurzfrist ig auf zukOnftige Situationen reagieren zu konnen , Das Untemehmen kann sich daher nur hinsichtlich derjenigen Parameter auf die Zukunft vorbereiten, die allen potenziellen Szenarien zugrunde liegen . Sind dagegen die Eintrittswahrscheinlichkeiten nicht beeinflussbarer Szenarien bekannt, lassen sich drei Meglichkeiten unterscheiden: In der schwachsten Form der Steuerung der Unternehmensentwicklung konzentriert sich das Unternehmen auf die Minimierung von Risiken , indem es sich gegen das Krisenszenario wappnet. Bei der Strategie einer Reaktion auf Trends wird das Unternehmen jewe ils auf das wahrsche inlichste Szenario ausgerichtet und die Strategie einer Reaktion auf Chancen bedeutet eine Fokussierung der unternehmerischen Ressourcen auf das Szenario mit den greBten sich bietenden Chancen . 1m Fall einer maximalen Steuerung der Unternehmensentwicklung kann das Unternehmen schliefsllch die zukOnftige Umfeldentwicklung beeinflussen und so die unternehmerische Vision als Optimalszena rio verwirklichen (zu einem Oberblick Ober die Strateg iealternativen vgl. Abbildung

4.10).

146 1 1462

Quel/e : Gausemeier/Fink/Schlake (1995 ), S. 111. Vgl. Fink/Schlake/Siebe (2000b ), S. 431.; Fink/Schlake/Siebe (2000a), S. 52ft.

- 283-

Maxlmlerung der Flexibilitat OffenhaUen aller Opticnen

Sl raleg ie

Maximales Abwarten

Mlnimler ung von Risiken Vorbereilung gegen Krlsenszenario Ggf. Abs icherung durch Attemativ-

szenano

Elnlrlll des

Szonarios



Prognostizierbar



Beeinflussbar

Elnflussnahme auf unrernenmens-

I I

Reakl lon auf

Reakl lon auf

Trends

Chancen

Orientierung

amwahrscheinhch-

sten Szenario Ggf. Absicherung ourcn Alternalivszenario

Nein

Ja

Ja

Nein

Nein

Ne in

entw icklung

Abb. 4.10

Verw lrkllchung derVision

Orienberung an grOllter sich bietenderChanee Ggf. Absicherung durcn Altemativ-

Beeinflus· sung der Ent";cklung

szena no

Ggf. Abslche · rung durch Atternat ivszenano

Verwir1