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German Pages 328 Year 2007
Karl-Andreas Zotter Entwicklung prozesstechnologischer Systeme in Unternehmungen
nbf neue betriebswirtschaftliche forschung Band 358
Karl-Andreas Zotter
Entwicklung prozesstechnologischer Systeme in Unternehmungen
Deutscher Universitäts-Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Habilitationsschrift Universität Graz, 2007 Gedruckt mit Unterstützung der Karl-Franzens-Universität Graz und des Landes Steiermark.
1. Auflage August 2007 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitäts-Verlag | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Frauke Schindler / Nicole Schweitzer Der Deutsche Universitäts-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-0827-4
Für Tamara, Anja und Alexander
Vorwort Zum Entstehen dieser Arbeit haben viele Menschen beigetragen, denen ich an dieser Stelle danken möchte. Zunächst ist mein akademischer Lehrer Herr o. Univ.-Prof. Dr. Heinz Strebel von der KarlFranzens-Universität Graz zu nennen, der mich sowohl in der Entstehungsphase der Arbeit durch zahlreiche Diskussionen als auch in der Phase der Einreichung der Habilitationsschrift tatkräftig unterstützte. Mein Dank gilt ebenfalls meinen Kollegen am Institut für Innovationsund Umweltmanagement der Universität Graz. Weiters möchte ich mich bei den Herren o. Univ.-Prof. Dr. Joachim Käschel, o. Univ.-Prof. Dr. Erich Schwarz, o. Univ.-Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Horst Wildemann und ao. Univ-Prof. Dr. Ulrich Pferschy für ihre Tätigkeit als Gutachter im Habilitationsverfahren bedanken. Außerdem danke ich auch noch meiner Frau Mag. Tamara Zotter für ihre Unterstützung, als geduldige und kritische Lektorin wesentlich zum erfolgreichen Abschluss der Arbeit beizutragen. In dieser Aufzählung dürfen natürlich meine beiden Kinder Anja und Alexander nicht fehlen, die oft auf gemeinsame Aktivitäten verzichten mussten. Meiner Frau und unseren Kindern möchte ich diese Arbeit widmen.
Karl-Andreas Zotter
VII
Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis ...........................................................................................................XV Abkürzungsverzeichnis .......................................................................................................XVII 1
Einleitung und Problemstellung ........................................................................................ 1 1.1 Theoretischer Bezugsrahmen und Zielsetzung ......................................................... 4 1.2 Aufbau....................................................................................................................... 7
2
Definition und Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes .......................................... 9 2.1 Der Begriff der Prozesstechnologie .......................................................................... 9 2.2 Das unternehmerische Prozesstechnologiesystem .................................................. 12 2.3 Der Ressourcenansatz als Erklärungsansatz für die strategische Entwicklung von Prozesstechnologiesystemen ............................................................................ 20 2.3.1 Der Ressourcenbegriff....................................................................................... 24 2.3.2 Der Kausalzusammenhang zwischen Ressourcen und Unternehmenserfolg.... 25 2.3.3 Ressourcensysteme und potenzialerschließende Ressourcensysteme............... 27 2.3.4 „Ressourcen-Fit“ und „dynamic capability“ als Basis nachhaltiger Erfolgsbeiträge .................................................................................................. 30 2.4 Prozesstechnologiesysteme als Ressourcen unternehmerischer Zielerreichung ..... 38 2.4.1 Leistungsmerkmale prozesstechnologischer Systeme ...................................... 40 2.4.1.1 Leistungsmerkmale der Input-Output-Relationen des Prozesstechnologiesystems ..................................................................... 41 2.4.1.2 Entwicklungsmöglichkeiten der Leistungseigenschaften von Prozesstechnologiesystemen ................................................................... 45 2.4.1.3 Machtpositionen und Reputation ............................................................ 46 2.4.2 Prozesstechnologien als Ressourcen überdurchschnittlichen Unternehmenserfolges....................................................................................... 46 2.4.2.1 Prozesstechnologien als wertvolle Ressourcen zur unternehmerischen Zielerreichung ......................................................................................... 47 2.4.2.2 Prozesstechnologien als knappe Ressourcen........................................... 56 2.4.2.3 Fehlende Imitierbarkeit und Substituierbarkeit von Ressourcen ............ 57 2.4.2.4 Die Abnutzbarkeit als bestimmender Faktor nachhaltiger Vorteile........ 61
3
Das prozesstechnologische Managementsystem............................................................. 62 3.1 Zwecksetzung und Systemelemente des Prozesstechnologiemanagements ........... 62 3.2 Das Prozesstechnologiemanagement als integraler Bestandteil des unternehmerischen Managementsystems................................................................ 68 3.2.1 Die Managementphilosophie............................................................................. 68 3.2.2 Die normative Managementebene..................................................................... 69 IX
3.2.2.1 Der prozesstechnologische Bezug von Unternehmensvisionen.............. 69 3.2.2.2 Der prozesstechnologische Bezug der Unternehmenspolitik.................. 70 3.2.2.2.1 Ökonomische unternehmungspolitische Zielsetzung und deren Bezug zu Prozesstechnologien .............................................................. 73 3.2.2.2.2 Ökologische unternehmungspolitische Zielsetzung und deren prozesstechnologischer Bezug .............................................................. 74 3.2.2.2.3 Soziale und ethische unternehmungspolitische Zielsetzung und deren prozesstechnologischer Bezug .................................................... 77 3.2.2.2.3.1 Ökonomisches und soziales Wohlbefinden von Menschen ........... 78 3.2.2.2.3.2 Physisches und psychisches Wohlbefinden von Menschen........... 79 3.2.2.2.3.3 Ethische und religiöse Grundsatzfragen......................................... 79 3.2.3 Die strategische Managementebene .................................................................. 80 3.2.4 Die operative Managementebene ...................................................................... 84 3.3 Das kybernetische System des strategischen Prozesstechnologiemanagements..... 85 3.4 Ein dynamisches Modell der wechselseitigen Beeinflussung von Wettbewerbs-, Umweltschutz- und Prozesstechnologiestrategie ........................... 92 4
X
Das strategische prozesstechnologische Planungssystem ............................................... 97 4.1 Die Partialsysteme des strategischen Prozesstechnologiemanagements................. 97 4.2 Definition und Realisation prozesstechnologischer Positionen (Which Way to Go?) ............................................................................................... 97 4.2.1 Die Geschäftsfeldstrategie als originäre Basis zur Definition von Prozesstechnologiepositionen ........................................................................... 98 4.2.2 Marktteilnehmerstrategien als originäre Basis der Definition künftiger Prozesstechnologiepositionen ......................................................................... 100 4.2.2.1 Kundenorientierte Strategieansätze....................................................... 100 4.2.2.2 Konkurrenzorientierte Strategieansätze ................................................ 101 4.2.3 Produkteigenschaften als Basis der strategischen prozesstechnologischen Planung............................................................................................................ 106 4.2.4 Die Umweltschutzstrategie als Basis des strategischen Prozesstechnologiemanagements.................................................................... 111 4.2.5 Prozesstechnologische Timingstrategien ........................................................ 116 4.2.6 Prozesstechnologische Abhängigkeiten zwischen Unternehmungen ............. 118 4.2.7 Die technologische Umgebung in ihrer Bedeutung für die prozesstechnologische Entwicklung von Unternehmungen........................................ 121 4.2.8 Das unternehmerische prozesstechnologische und potenzialerschließende Ressourcensystem als Anfangsbedingung der weiteren möglichen Entwicklungen ................................................................................................ 128 4.2.8.1 Das prozess- und regelungstechnische System ..................................... 129
4.2.8.1.1
Der einzelne Fertigungsprozess als Regelstrecke des Prozesstechnologiemanagements ........................................................ 129 4.2.8.1.2 Produktionssysteme als Regelstrecken des Prozesstechnologiemanagements ........................................................ 132 4.2.8.1.3 Die Planung von Transformationsverfahren und –methoden (Die Ebene der Fertigungsdisposition)................................................ 133 4.2.8.1.4 Die Bedeutung prozesstechnologischen Wissens für andere Unternehmensfunktionen .................................................................... 135 4.2.8.2 Leistungsmerkmale prozesstechnologischer Systeme .......................... 139 4.2.8.2.1 Die Produktivität prozesstechnologischer Systeme ............................ 139 4.2.8.2.2 Die technische Qualität prozesstechnologischer Systeme .................. 141 4.2.8.2.3 Operative Flexibilität........................................................................... 141 4.2.8.2.4 Prozessstabilität................................................................................... 145 4.3 Grundsätzliche Entwicklungsoptionen zur Realisation prozesstechnologischer Positionen.................................................................................... 146 4.3.1 An den Elementen von Prozesstechnologiesystemen ansetzende Entwicklungsoptionen..................................................................................... 149 4.3.2 An der Struktur von Prozesstechnologiesystemen ansetzende Gestaltungsmaßnahmen .................................................................................. 150 4.3.3 Erweiterung und Reduktion von Prozesstechnologiesystemen durch neue Prozesstechnologien ............................................................................... 151 4.3.4 Reale Entwicklungen in Prozesstechnologiesysteme...................................... 153 4.3.5 Wirkungen struktureller und elementarer Veränderungen innerhalb von Prozesstechnologiesystemen .................................................................... 153 4.4 Das strategische Planungssystem als Einflussgröße auf die Entwicklung prozesstechnologischer Systeme ........................................................................... 156 4.4.1 Prozesstechnologische und potenzialerschließende Ressourcen der strategischen Planungsebene........................................................................... 156 4.4.2 Das Informationssystem des strategischen Prozesstechnologiemanagements 158 4.4.2.1 Grundsätzliche Probleme der Informationsbeschaffung des strategischen Prozesstechnologiemanagements .................................... 159 4.4.2.2 Das unternehmensintern orientierte prozesstechnologische Informationssystem ............................................................................... 161 4.4.2.3 Das unternehmensextern orientierte prozesstechnologische Informationssystem ............................................................................... 164 4.4.2.3.1 Externe Informationsquellen ............................................................... 166 4.4.2.3.2 Informationen über prozesstechnologische Konkurrenten.................. 167 4.4.2.3.3 Informationsverarbeitung .................................................................... 168 4.5 Die Entscheidungen über prozesstechnologische Pläne........................................ 169
XI
4.6 5
Art der Beschaffung von Prozesstechnologien - Make and/or Buy? .................... 171
Unternehmensexterne Einflussfaktoren auf die Entwicklung von Prozesstechnologiesystemen ......................................................................................... 176 5.1 Einflüsse aus der unmittelbaren Aufgabenumgebung der Unternehmung............ 176 5.1.1 Kundenerfordernisse als dominierende Faktoren für die Entwicklung prozesstechnologischer Systeme..................................................................... 176 5.1.2 Die konzeptionelle Gestaltung prozesstechnologischer Systeme in Abhängigkeit von der Wettbewerbsstrategie .................................................. 177 5.1.3 Die konzeptionelle Gestaltung von Prozesstechnologiesystemen bei Verfolgung einer Preis-Mengen-Strategie ...................................................... 181 5.1.3.1 Konzeption der prozesstechnischen Ebene ........................................... 181 5.1.3.2 Planung von Produktionsabläufen - Produktionsüberleitung bei Neuprodukten ........................................................................................ 188 5.1.3.3 Die Einplanung und Koordination von Kundenaufträgen..................... 189 5.1.3.4 Anforderungen an die Leistungsmerkmale integrierter Systeme .......... 190 5.1.4 Konzeptionelle Gestaltung von Prozesstechnologiesystemen bei Verfolgung einer Differenzierungsstrategie.................................................... 191 5.1.4.1 Konzeption der prozesstechnischen Ebene ........................................... 192 5.1.4.2 Planung von Produktionsabläufen - Produktionsüberleitung bei Neuprodukten ........................................................................................ 195 5.1.4.3 Die Einplanung und Koordination von Kundenaufträgen..................... 197 5.1.4.4 Anforderungen an die Leistungsmerkmale flexibler Systeme .............. 198 5.1.5 Potenzialausstattung der F&E ......................................................................... 199 5.1.6 Potenzialausstattung des Marketing ................................................................ 200 5.1.7 Die konzeptionelle Gestaltung von Prozesstechnologiesystemen bei simultanen hybriden Wettbewerbsstrukturen.................................................. 200 5.1.7.1 Limitierende Faktoren prozesstechnischer Systeme ............................. 201 5.1.7.2 Das regelungstechnologische System als limitierender Faktor............. 204 5.1.8 Die technologische Umgebung in ihrer Bedeutung für die Entwicklung prozesstechnologischer Systeme..................................................................... 205 5.1.8.1 Der Einfluss technologischer Systeme von Kunden und Lieferanten... 206 5.1.8.2 Der Einfluss von Wettbewerbern .......................................................... 211 5.2 Die generelle Unternehmensumgebung in ihrer Bedeutung für die Entwicklung von Prozesstechnologiesystemen..................................................... 212 5.2.1 Die generelle technologische Umgebung als Einflussfaktor auf die Entwicklung von Prozesstechnologiesystemen......................................... 212 5.2.2 Die rechtliche Umgebung in ihrer Bedeutung für die Entwicklung prozesstechnologischer Systeme..................................................................... 213
XII
5.2.3
Die natürliche Umwelt als Einflussgröße der Entwicklung prozesstechnologischer Systeme..................................................................... 217 5.3 Unsicherheit über externe Einflussgrößen in deren Bedeutung für die Entwicklung prozesstechnologischer Systeme ..................................................... 218 5.3.1 Die Beeinflussung der Entwicklung prozesstechnologischer Systeme durch Unsicherheit .......................................................................................... 218 5.3.2 Unternehmensexterne Quellen der Unsicherheit in ihrer Bedeutung für die Entwicklung prozesstechnologischer Systeme.................................... 221 5.3.2.1 Marktunsicherheit als Einflussgröße auf die Systementwicklung ........ 221 5.3.2.2 Unsicherheit in der Ver- und Entsorgung als Einflussgröße auf die Entwicklung prozesstechnologischer Systeme................................ 224 5.3.2.3 Unsicherheit über die Entwicklung der gesetzlichen Umgebung ......... 225 5.3.2.4 Unsicherheit über die technologische Umgebung in ihrer Bedeutung für die Systementwicklung ................................................. 227 5.3.2.5 Unsicherheit über den Status und die Entwicklung wettbewerbsrelevanter Prozesstechnologien......................................... 231 5.3.2.6 Technologische Unsicherheit über den Status und die Entwicklung der Prozesstechnologiesysteme von Kunden und Lieferanten .............. 234 6
Unternehmerische Ressourcensysteme (PTS und RES) in ihrer Bedeutung für die Entwicklung von Prozesstechnologiesystemen....................................................... 235 6.1 Einleitung .............................................................................................................. 235 6.2 Das strategische Managementsystem als Einflussfaktor für prozesstechnologische Entwicklungen.................................................................. 236 6.2.1 Prozesstechnologisches Wissen als Basis einer effektiven Systementwicklung ......................................................................................... 237 6.2.2 Unsicherheiten über die unternehmensinternen Integrationsbedingungen als Einflussfaktoren auf die Entwicklung von Prozesstechnologiesystemen.. 242 6.2.2.1 Der Risikofaktor Kompatibilität............................................................ 243 6.2.2.2 Merkmale von Entscheidungsträgern als Einflussfaktoren auf die Entwicklung prozesstechnologischer Systeme...................................... 244 6.2.2.2.1 Einflüsse des Bildungs- und Karriereweges der Entscheidungsträger 244 6.2.2.2.2 Die Risikobereitschaft von Entscheidungsträgern .............................. 246 6.2.2.3 Möglichkeiten zur Begrenzung negativer Folgen von Fehlschlägen als Einflussfaktor auf die Systementwicklung ...................................... 248 6.2.3 Die Ausprägung des prozesstechnologischen Informationssystems als Einflussgröße auf die Systementwicklung ...................................................... 248 6.3 Das operativ genutzte Ressourcensystem als Einflussfaktor auf die Systementwicklung ............................................................................................... 251
XIII
6.3.1 Grundzusammenhänge .................................................................................... 252 6.3.2 Präjudizierende Wirkungen prozesstechnischer Systeme ............................... 254 6.3.2.1 Schnittstellenbedingungen als bestimmende Größen der Entwicklungspräjudikation (bzw. -limitierung) bei prozesstechnischen Systemen ........................................................................... 254 6.3.2.2 Präjudizierende Wirkungen prozesstechnologischer Systeme .............. 257 6.3.2.3 Prozesstechnologische Paradigmen und deren Bedeutung für die Kompatibilität zwischen Entwicklungsoption und aufnehmendem System ......................................................................... 258 6.3.2.4 Die Art der Koppelung von Transformationsprozessen als präjudizierender Faktor ......................................................................... 261 6.3.2.5 Prozesstechnologische und wettbewerbsbedingte Abhängigkeiten zwischen Kern-, Supplemental- und Enabling-Technologien als Einflussgrößen der Systementwicklung ................................................ 262 6.3.2.6 Die Präjudikation prozesstechnischer Systeme aus wettbewerbsstrategischer Sicht ............................................................. 263 6.3.2.6.1 Entwicklungspfade integrierter Transformationssysteme ................... 263 6.3.2.6.1.1 Prozesstechnologische Entwicklungen unter Beibehaltung einer Kostenführerstrategie .......................................................... 263 6.3.2.6.1.2 Prozesstechnologische Entwicklungen bei Wechsel der Wettbewerbsstrategie in Richtung Differenzierung..................... 265 6.3.2.6.2 Entwicklungspfade flexibler Transformationssysteme ....................... 266 6.3.2.6.2.1 Prozesstechnologische Entwicklungen unter Beibehaltung einer Differenzierungsstrategie .................................................... 266 6.3.2.6.2.2 Prozesstechnologische Entwicklungen beim Wechsel zu einer Kostenführerstrategie .......................................................... 266 6.3.2.6.3 Die Produktkonzeption hybrider Systeme in Abhängigkeit vom Ausgangssystem.................................................................................. 267 6.3.3 Das operativ genutzte prozesstechnologische Wissen als präjudizierender Faktor der Systementwicklung........................................................................ 268 6.3.4 Der Mensch mit seinen individuellen Zielen als Einflussfaktor auf die Systementwicklung ......................................................................................... 272 6.3.5 Prozesstechnologisches Wissen in seiner Bedeutung für die Entwicklung von Prozesstechnologiesystemen bei Veränderung der Wettbewerbsstrategie ...................................................................................... 272 7
Zusammenfassung und Ausblick................................................................................... 274
8
Literaturverzeichnis....................................................................................................... 277
XIV
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Dimensionen unternehmerisch entscheidungsrelevanter Prozesstechnologiesysteme .............................................................................. 14 Abbildung 2: Erklärung von Erfolgspotenzialen aus Perspektive der Industrieökonomie und des Ressourcenansatzes............................................................................. 22 Abbildung 3: Potenzialressourcen und potenzialerschließende Ressourcensysteme ............. 28 Abbildung 4: Das Modell des Dynamic Capabilities Ansatzes.............................................. 32 Abbildung 5: Das Leistungspotenzial prozesstechnologischer Systeme................................ 42 Abbildung 6: Das Leistungspotenzial von Prozesstechnologien – theoretische und realisierte Leistungspotenziale ......................................................................... 44 Abbildung 7: Eigenschaften von (tangiblen bzw. intangiblen) Wissen ................................. 52 Abbildung 8: Unternehmenspolitischer Willensbildungsprozess und Strategieentwicklungssystem ........................................................................... 72 Abbildung 9: Das allgemeine Regelkreismodell des Führungsprozesses .............................. 87 Abbildung 10: Einflussfaktoren auf die Entwicklung, Beschaffung und Verwertung prozesstechnologischer Systeme ...................................................................... 91 Abbildung 11: Die wechselseitige Beeinflussung zwischen Unternehmensstrategie und dynamischem Prozesstechnologiesystemen ..................................................... 94 Abbildung 12: Grundlegende Produkt-Markt-Kombinationen ................................................ 99 Abbildung 13: Entwicklungsmöglichkeiten zur Flexibilitätssteigerung bei simultaner Kostensenkung in prozesstechnologischen Systemen.................................... 103 Abbildung 14: Ebenen der Integration umweltbezogener prozesstechnologischer Entwicklungsoptionen.................................................................................... 115 Abbildung 15: Model nach Utterback und Abernathy ........................................................... 125 Abbildung 16: Die prozesstechnische Ebene ......................................................................... 131 Abbildung 17: Prozesstechnologische Entwicklungsoptionen............................................... 147 Abbildung 18: Einflussfaktoren auf die Entscheidung „vertikale Integration versus Eigenfertigung“ .............................................................................................. 152 Abbildung 19: Wirkungen von Koppelungen zwischen Technologien in Systemen............. 155 Abbildung 20: Das Modell von Hayes und Wheelwright ...................................................... 179 Abbildung 21: Dimensionen der Produktionsstruktur nach Kotha und Orne ........................ 180 Abbildung 22: Modell von Kotha/Orne mit Integration der Produkt-Prozessmatrix ............ 182 Abbildung 23: Charakteristischer Gesamtkostenverlauf prozesstechnischer Systeme in Abhängigkeit von der Nutzungsintensität ...................................................... 203 Abbildung 24: Lösungssystem und aufnehmendes System ................................................... 255 Abbildung 25: Wirkung von learning-before-doing auf die Ausschöpfung verfügbarer Leistungspotenziale prozesstechnologischer Systeme und Durchschnittskosten erstellter Produkte ............................................................................... 271 XV
Abkürzungsverzeichnis AAV .................... Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung AbfallG................ Abfallgesetz AltölG.................. Altölgesetz AltölV.................. Verordnung des BMWA über die Durchführung des Altölgesetzes ANSchG .............. Arbeitnehmerschutzgesetz ArbIG .................. Arbeitsinspektionsgesetz AtomsperrG......... Bundesgesetz über das Verbot der Nutzung der Kernspaltung für die Energiegewinnung in Österreich (Atomsperrgesetz) Aufl. .................... Auflage AWG ................... Abfallwirtschaftsgesetz BergG .................. Berggesetz BGBl. .................. Bundesgesetzblatt BMLF .................. Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft BMWA ................ Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten bzw. .................... beziehungsweise ca. ....................... circa CKW.................... Chlor-Kohlenwasserstoffe CKW-V ............... CKW-Anlagen-Verordnung d. h. ..................... das heißt DBW.................... Die Betriebswirtschaft Dec. .................... December DIN...................... Deutsche Industrie-Norm(en) DKV .................... Dampfkesselverordnung e. V. .................... eingetragener Verein Ed. ...................... Editor EisbG................... Eisenbahngesetz EN........................ Europäische Norm erg. ...................... ergänzt(e) erw. ..................... erweitert(e) et al. .................... et alii etc. ....................... et cetera ETG ..................... Elektrotechnikgesetz ETV ..................... Elektrotechnikverordnung EU........................ Europäische Union F&E ..................... Forschung und Entwicklung f. .......................... folgende ff. ........................ fortfolgende XVII
ForstG.................. Forstgesetz ForstLV ............... Verordnung des BMLF über forstschädliche Luftverunreinigungen GasG.................... Gassicherheitsgesetz GewO .................. Gewerbeordnung GießV .................. Verordnung für Gießereien GlasV................... Verordnung für Anlagen der Glaserzeugung HBR..................... Harvard Business Review HRM.................... Human Resource Management Hrsg. ................... Herausgeber i. A. ..................... im Allgemeinen i. d. R. ................. in der Regel i. e. S. .................. im engerem Sinn i. S. v. .................. im Sinn von i. w. S. ................. im weiterem Sinn i. d. F. .................. in der Fassung ISO ...................... International Organization for Standardization JfB ....................... Journal für Betriebswirtschaft Jg. ....................... Jahrgang LFG ..................... Luftfahrtgesetz LRG-K................. Luftreinhaltegesetz für Kesselanlagen LRV-K................. Luftreinhalteverordnung für Kesselanlagen LuftreinhalteG ..... Luftreinhaltegesetz MIT...................... Massachusetts Institute of Technology MüllG .................. Müllgesetz No. ...................... Number Nov. .................... November Nr. ....................... Nummer o. S. ..................... ohne Seitenangabe o. V. .................... ohne Verfasser REFA................... Verband für Arbeitsgestaltung, Betriebsorganisation u. Unternehmensentwickung e.V. S. ......................... Seite SAG..................... Sonderabfallgesetz SchSprG .............. Schieß- und Sprengmittelgesetz SmogAG.............. Smogalarmgesetz Sp. ....................... Spalte StIV ..................... Störfallinformationsverordnung StrSchG ............... Strahlenschutzgesetz StrSchV ............... Strahlenschutzverordnung
XVIII
u. a. ..................... und andere u. U. .................... unter Umständen UK ....................... United Kingdom UVP-G................. Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz VDI...................... Verein Deutscher Ingenieure VEG..................... Verwaltungsentlastungsgesetz vgl. ...................... vergleiche Vol. ..................... Volume WiSt..................... Wirtschaftswissenschaftliches Studium WISU................... Das Wirtschaftsstudium WRG.................... Wasserrechtsgesetz z. B. .................... zum Beispiel ZfB ...................... Zeitschrift für Betriebswirtschaft zfbf ...................... Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung ZfO ...................... Zeitschrift für Organisation ZFP ...................... Zeitschrift für Planung ZWF .................... Zeitschrift für wirtschaftliche Fertigung
XIX
1
Einleitung und Problemstellung
In den letzten Jahrzehnten haben sich die Anforderungen an Unternehmungen mit zunehmender Geschwindigkeit verändert. Aus der Perspektive produzierender Unternehmen lässt sich eine Intensivierung des Wettbewerbs durch wachsende Produktvielfalt bzw. Produktvariantenvielfalt, verkürzte Produktlebenszyklen, verschärfte Anforderungen an die technische Produktqualität und die Liefersicherheit bei sinkenden Preisen feststellen. Als maßgebliche Faktoren, die diese Entwicklung auslösen bzw. beschleunigen, sind dynamische Technologieentwicklungen sowie zunehmende Internationalisierung des Wettbewerbs, verbunden mit einer wachsenden Zahl einer fast immer aggressiven Konkurrenz, zu sehen.1 Der raschere Wandel in der Unternehmensumgebung führt weiters dazu, dass Informationen, die als Basis für Entscheidungen dienen, abnehmende zeitliche Relevanz aufweisen. Unternehmerische Entscheidungen werden damit nicht nur zunehmend schwieriger und komplexer, sondern auch riskanter. Unternehmungen sind als pluralistisch legitimierte Wertschöpfungseinheiten zu verstehen, welche eine Vielzahl sozioökonomischer Funktionen für verschiedene Stakeholder übernehmen. Diese Funktionen sind nicht ausschließlich Angelegenheit der am Unternehmen unmittelbar Interessierten (Management, Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten etc.), sondern berühren durch externe Effekte (gesellschaftliche Kosten und Nutzen) - und das in zunehmendem Maße - Interessen der Gesamtgesellschaft. So gewinnen neben ökonomischen zusätzlich soziale und ökologische Zielsetzzungen für Unternehmungen an Bedeutung. Nicht nur monetäre Kosten-Nutzenkalküle bestimmen das Unternehmensverhalten. Auch der schonende Umgang mit der natürlichen Umwelt als Existenzgrundlage des Menschen sowie die Verantwortung gegenüber Gesellschaft und Individuen müssen in die Entscheidungsfindung in zunehmendem Maße integriert werden.2 Ein Ende dieser, durch wachsende Komplexität und rascheren Wandel gekennzeichneten Umgebungsentwicklung, ist nicht absehbar. Niederschlag findet diese Entwicklung nicht nur in veränderten Wettbewerbsbedingungen3, sondern auch - viel grundsätzlicher - in einer sich permanent verändernden Basis zur Legitimation der Unternehmensexistenz. Unabdingbare Existenzgrundlage von Sachleistungen erstellenden Unternehmen sind Technologien.4 Technologien sind Auslöser für das Entstehen wie den Niedergang von Branchen. Auf Ebene einzelner Unternehmungen können sie relative Wettbewerbsvorteile begründen und zur relativen Umweltschonung beitragen. Andererseits sind Defizite in der technologischen Ausstattung mit Wettbewerbsnachteilen verbunden. Zwischen der Beherrschung von Technologie, deren weitgehenden Ausschöpfung und der ökonomischen (wie ökologischen 1 2 3 4
Vgl. Simon, H., Wettbewerbsvorteile, 1988, S. 462f.; Persentili, E., Alptekin, S. E., Flexibility, 2000, S. 2011; Zahn, E., Nowak, M., Schön, M., Strategien, 2005, S. 72 Vgl. Ulrich, P., Fluri, E., Management, 1992, S. 60ff. Vgl. Kaluza, B., Produktdifferenzierungsstrategie, 1996; S. 193ff. Vgl. Shenhar, A. J., Adler, P. S., Base, 1996, S. 4.2f.; Tampoe, M., Competencies, 1994, S. 67f.; Cooper, A., Schendel, D., Strategic, 1976, S. 61
1
und sozialen) Entwicklung von Unternehmungen besteht damit ein zwingender kausaler Zusammenhang.5 Die Beherrschung und Weiterentwicklung der technologischen Basis von Unternehmungen muss als dynamischer Prozess verstanden werden, der auch den Wechsel zu neu entstehenden Technologien aktiv unterstützt. Erst mit dieser strategischen Flexibilität zum Wechsel der technologischen Basis der Unternehmung können Wettbewerbsvorteile generiert und langfristig abgesichert werden. Vor allem in Branchen mit turbulenter Entwicklung der technologischen Umgebung ist diese Fähigkeit eine Überlebensmaxime.6 Voraussetzung für die Weiterentwicklung der technologischen Basis von Unternehmungen ist eine adäquate personelle wie finanzielle Ressourcenausstattung. Diese kann aber nur durch konsequente ökonomische Technologieausschöpfung gebildet werden. Unternehmenserfolg und Entwicklung der technologischen Unternehmensbasis sind damit untrennbar miteinander verbunden. Als Ressourcen zur Realisation unternehmerischer Zielsetzungen sind Produkt- und Prozesstechnologien zu unterscheiden. Produkttechnologien sind konstituierende Elemente der verwertbaren Unternehmensleistungen. Die spezifische Kombination in Produkttechnologiesystemen ist Grundlage für die Funktionserfüllung von Produkten. Prozesstechnologien dienen der Leistungserstellung, gehen jedoch nicht als „Bestandteil“ in Produkte ein.7 Sie schaffen aber die technologische Möglichkeit der Produkterstellung und damit der Funktionserfüllung in und mit Produkten (siehe auch Abschnitt 2.1). Wettbewerbsvorteile können ausschließlich durch die erstellten Unternehmensleistungen generiert werden. Prozesstechnologien bestimmen jedoch in hohem Umfang die Produkteigenschaften (Art und Qualität der Funktionserfüllung von Produkten). Prozesstechnologien liefern damit mittelbar Beiträge zu Wettbewerbsvorteilen durch die erstellten Leistungen, die Kunden bereit sind zu honorieren. Relativ zu Konkurrenten resultieren Wettbewerbsvorteile aus der besseren Realisation von kaufentscheidenden Produktmerkmalen durch das unternehmerische Prozesstechnologiesystem. Wettbewerbsvorteile sind dann auf unternehmensspezifische Produkt-Prozesstechnologie-Kombinationen zurückzuführen, die Wettbewerber nicht realisieren können. Unmittelbare Erfolgsbeiträge können Prozesstechnologien zu ökologischen Zielsetzungen liefern. Produkt-Prozesstechnologie-Kombinationen bestimmen die Nutzung natürlicher Ressourcen in der Phase der Produkterstellung. Produkte können oft unter Nutzung verschiedener Prozesstechnologiesysteme erstellt werden. Durch geeignete Wahl von Prozesstechnologien
5
6 7
2
Vgl. Itami, H., Numagami, T., Interaction, 1992, S. 119; Gerpott, T. J., Innovationsmanagement, 2005, S. 1ff.; Schneider, D., Zieringer, C., Make, 1991, S. 16ff.; Zahn, E., Technologiemanagements, 1995, S. 9ff.; Porter, M. E., Competing, 1988, S. 213f. Vgl. Nicholls-Nixon, C. L., Technological, 1995, S. 1ff. Zur Abgrenzungsproblematik zwischen Produkt- und Prozesstechnologien vgl. Simonetti, R., Archibugi, D., Evangelista, R., Innovations, 1995; Albach, H., Innovationsstrategien, 1989, S. 1340f.; Müller, T., Zukunftstechnologien, 1985, S. 177; Pleschak, F., Sabisch, H., Innovationsmanagement, 1996, S. 91
ist damit auch die Umweltnutzung in der Phase der Produkterstellung unmittelbar beeinflussbar.8 Der Aufbau von produkt- wie prozesstechnologischen Ressourcensystemen und den zu deren Ausschöpfung erforderlichen komplementären Ressourcensystemen ist als strategische Aufgabe mit determinierender Bedeutung für den Unternehmenserfolg (bzw. -bestand) zu verstehen. Entsprechend seiner erfolgskritischen Bedeutung ist das Management von Technologien auch bedeutendes Betrachtungsobjekt in der Literatur.9 Diese Aussage ist jedoch zu relativieren. So werden Prozesstechnologien und deren Entwicklung extensiv in ihrer Bedeutung zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen diskutiert. Demgegenüber wird der strategischen technologischen Entwicklung von Produktionssystemen in Unternehmungen weit weniger Augenmerk geschenkt. Der Grund dafür, dass prozesstechnologische Systeme als Wettbewerbsfaktor in der Literatur unterrepräsentiert sind, ist die lange Zeit vernachlässigte Bedeutung der Produktion als Wettbewerbsfaktor. Die Prozesstechnologiestrategie ist zentrales Element des strategischen Produktionsmanagements. Die Vernachlässigung des strategischen Produktionsmanagements hatte damit unmittelbare Auswirkungen auf die prozesstechnologische Diskussion in der Literatur. Viele Autoren fordern als adäquate Reaktion auf zunehmend dynamischere und komplexere Umgebungsanforderungen die ganzheitliche, alle leistungserstellenden und leistungsverwertenden Aufgabenbereiche integrierende Konzeption der Unternehmensführung, um so effektiv auftretende Gefahren abzuwehren bzw. Chancen auszuschöpfen.10 Die Produktion nimmt als leistungserstellendes System hierbei eine Schlüsselposition zur Umsetzung von Wettbewerbs- und Umweltschutzstrategien ein.11 Im angloamerikanischen Raum wurde seit Beginn der 70er Jahre die Diskussion über Produktionsstrategien in einer Vielzahl an Beiträgen geführt.12 Blecker und Kaluza zeigen auf „…, dass von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen … in Deutschland … keine Produktionsstrategieforschung existiert.“13 Entsprechend ist auch die Diskussion zur Entwicklung prozesstechnologischer Systeme als Wettbewerbsfaktor im deutschsprachigen Raum als kaum existent zu bezeichnen. Gewählt wurde der Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit, weil, trotz existenzieller Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit produzierender Unternehmungen, die technologische Entwicklung von Produktionssystemen in der betriebswirtschaftlichen Forschung nur selten behandelt wurde.14 8 9 10 11
12 13 14
Vgl. Zotter, K.-A., Wasserwirtschaft, 1996, S. 113ff. Vgl. Beard, J. W., Technology, 2002, S. 45f. Vgl. Kaluza, B., Produktdifferenzierungsstrategie, 1996; S. 193; Zahn, E., Produktionsstrategie, 1988, S. 517f. Vgl. Blois, K. J., Weapon, 1986, S. 64ff.; Wheelwright, S. C., Hayes, R. H., Competing, 1985, S. 100ff.; Wheelwright, S. C., Strategy, 1984, S. 78ff.; Skinner, W., Manufacturing, 1969, S. 140ff.; Blecker, T., Kaluza, B., Produktionsstrategien, 2003, S. 1ff.; Braßler, A., Schneider, H., Produktionsmanagement, 2000, S. 27f. Für einen Überblick vgl. Dangayach, G.S., Deshmukh, S. G., Manufacturing, 2001; Adam, E. E.; Swamidass, P. M., Assessing, 1989 Blecker, T. Kaluza, B., Produktionsstrategien, 2003, S. 1f. Vgl. Pleschak, F., Sabisch, H., Innovationsmanagement, 1996, S. 20; Voss, C. A., Issues, 1994, S. 460
3
1.1
Theoretischer Bezugsrahmen und Zielsetzung
Die Weiterentwicklung prozesstechnologischer Systeme ist ein komplexes, mit hoher Unsicherheit behaftetes, nicht delegierbares Aufgabengebiet des Top-Managements. Gekennzeichnet ist die Aufgabenstellung dadurch, dass Unternehmungen gezwungen sind, Entscheidungen über die Entwicklung ihres Systems zu treffen. Die Produktion kann hierbei als „Mühlstein“ oder als Waffe zur Realisation unternehmenspolitischer Zielsetzungen betrachtet werden.15 Je nach Grundhaltung wird die Entwicklung des Prozesstechnologiesystems mehr oder weniger systematisch, proaktiv oder reaktiv erfolgen. Proaktiv werden Prozesstechnologiesysteme entwickelt, um als strategische Waffe anhaltend Wettbewerbsvorteile zu generieren.16 Eine reaktive Systemanpassung muss hingegen erfolgen, wenn durch externen Druck die Wettbewerbsfähigkeit mit bestehenden Systemen kurz- bis mittelfristig gefährdet ist.17 Die Weiterentwicklung bzw. der Wechsel von Prozesstechnologien ist regelmäßig mit erheblichem Ressourceneinsatz verbunden. Dieser ist i. A. irreversibel. Korrekturen können, wenn überhaupt, nur langfristig umgesetzt werden. Erweisen sich realisierte Systeme als Fehlentscheidungen, so verschlechtern sie nachhaltig die wettbewerbsstrategische Position der Unternehmung. Aber auch wenn Unternehmungen grundsätzlich die für ihre Anforderungen „richtigen“ Prozesstechnologien forcieren, ist noch nicht gesichert, dass deren Leistungspotenziale in geeigneter Weise erschlossen und in ökonomische bzw. ökologische Erfolge umgesetzt werden können. Dazu muss die Unternehmung ein System komplementärer Ressourcen aufbauen, die die Potenzialausschöpfung des Prozesstechnologiesystems in effizienter Weise gewährleistet.18 Die Potenzialausschöpfung gelingt Unternehmungen höchst unterschiedlich. Entscheidungen zur Entwicklung prozesstechnologischer Systeme erfolgen stets unter Unsicherheit. Diese resultiert zunächst aus nicht vorhersehbaren Entwicklungen der Unternehmensumgebung Von primärer Bedeutung sind Nachfrageverschiebungen, veränderte gesetzliche Rahmenbedingungen der Systemnutzung etc. Neue bzw. weiterentwickelte Prozesstechnologien können für die Unternehmungen Chancen eröffnen deren Wettbewerbsposition signifikant zu verbessern. Andererseits bedrohen permanent neue (noch unbekannte) Prozesstechnologien, die bestehende Systeme substituieren können, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmung. Besonders in technologisch turbulenten Branchen ist das Risiko kurzfristiger Technologiesubstitutionen hoch. Aber auch in technologisch langfristig stabilen Branchen können sehr rasch bestehende durch neue Prozesstechnologien substituiert werden. Entsprechend den Umgebungsbedingungen richten Unternehmungen ihr Technologiemanagement aus. Unabhängig von der technologischen Dynamik resultiert Unsicherheit bei der Entscheidung über die Entwicklung von Prozesstechnologiesystemen daraus, dass keine gesicherten 15 16 17 18
4
Vgl. Skinner, W., Manufacturing, 1969, S. 136ff.; Wheelwright, S. C., Hayes, R. H., Competing, 1985, S. 100f.; Itami, H., Numagami, T., Interaction, 1992, S. 120 Vgl. Pisano, G. P., Factory, 1997, S. 1ff. Vgl. Specht, D., Kahmann, J., Siegler, O., Flexibilität, 1999, S. 177 Vgl. Gerpott, T. J., Innovationsmanagement, 2005, S. 2ff.
Aussagen über die Geschwindigkeit der Weiterentwicklung oder bevorstehende Substitutionen von Technologien möglich sind. In arbeitsteiligen Wirtschaften erstellen Unternehmungen definierte Produkte, die als Input in Produktionen anderer Unternehmen einfließen bzw. der Bedürfnisbefriedigung von Konsumenten dienen. Jede Unternehmung übernimmt damit die Verantwortung über Teile von Produkt-Prozess-Technologiesystemen entlang von Wertschöpfungsketten. Die Entscheidung darüber, welche Produkt-Prozess-Technologieteilsysteme Unternehmungen abdecken wollen, weist fundamentalen Charakter auf. Für Unternehmen ergibt sich deshalb bei der Gestaltung ihres Prozesstechnologiesystem zunächst die Fragestellung: „Welches ProduktProzess-Technologiesystem kann und will die Unternehmung innerhalb einer Wertschöpfungskette bereitstellen?“ Im Rahmen der unternehmerischen Strategieentwicklung ist es dann Aufgabe des Prozesstechnologiemanagements zu klären, wann welche Prozesstechnologien auf welchem Leistungsniveau und in welchen Relationen zu bestehenden wie geplanten Technologien im Unternehmen (heute/künftig) verfügbar sein sollen.19 Zielsetzung der Arbeit ist es, die Aufgaben des strategischen Prozesstechnologiemanagements als integrales Element des unternehmerischen Managementsystems bei der Entwicklung prozesstechnologischer Systeme aufzuzeigen. Dazu sollen unternehmensexterne und unternehmensinterne Einflussfaktoren in deren Bedeutung für die Systementwicklung erläutert werden. Unternehmensexterne Einflussbereiche werden in die unmittelbare und generelle Unternehmensumgebung unterteilt. Die unmittelbare Unternehmensumgebung beschreibt das Spannungsfeld zwischen der Unternehmung, ihrer Lieferanten, Kunden und Konkurrenten. Von dominierender Bedeutung für die konzeptionelle Entwicklung prozesstechnologischer Systeme (und damit ihrer Leistungspotenziale) ist die von der Unternehmung verfolgte Wettbewerbsstrategie. So determinieren primär Kundenanforderungen an das Leistungsprogramm sowie wettbewerbsstrategische Ziele der Unternehmung die Grundkonzeption des unternehmerischen Prozesstechnologiesystems. Ökologische und soziale Vorgaben sind demgegenüber i. A. von untergeordneter Relevanz. Entsprechend sollen die Interdependenzen zwischen Wettbewerbsstrategie und strategischer Systementwicklung im Zentrum der Betrachtungen stehen. In arbeitsteiligen Wirtschaftssystemen ist die erstellte Unternehmensleistung unmittelbar von Vorleistungen abhängig. Als weiterer Einflussfaktor der unmittelbaren Unternehmensumgebung sollen daher auch prozesstechnologische Relationen zu Lieferanten und Kunden in ihrer Bedeutung für die Systementwicklung betrachtet werden. Künftige Prozesstechnologiepositionen werden zumeist auf Basis bestehender Prozesstechnologiesysteme angestrebt. Bestehende Prozesstechnologiesysteme und die zu ihrer Ausschöpfung in der Vergangenheit aufgebauten Ressourcensysteme bilden zusammen mit verfügbaren finanziellen Ressourcen Anfangsbedingungen künftiger Systementwicklung. Sie wirken präjudizierend auf die Richtung und Geschwindigkeit der Systemveränderung. Bestehende Systeme und verfügbare finanzielle Ressourcen bestimmen damit den Bereich künftig 19
Vgl. Tschirky, H., Technologie, 1998, S. 296ff.
5
realisierbarer technologischer Positionen. Auch der Fall, dass ein Prozesstechnologiesystem unabhängig von bestehenden Systemen („auf der grünen Wiese“) realisiert werden soll, ist von Relevanz. Die Freiheitsgrade der Planung werden hier durch bestehende Systeme nicht eingeschränkt. Da diese Problemstellung aus technologisch-ökonomischer Perspektive als eine, relativ zur Weiterentwicklung eines bestehenden Systems, simple Problemstellung darstellt, wird sie nicht explizit weiterverfolgt. Zielsetzung ist es, im Rahmen der Arbeit den präjudizierenden bzw. limitierenden Einfluss bestehender Systeme bei knappen Ressourcen zur Systementwicklung darzustellen. Unsicherheit der Systementwicklung ergibt sich auch aus unternehmensinternen Faktoren. Ursache dafür ist, dass kein vollständiges Wissen über die Eigenschaften prozesstechnologischer wie potenzialerschließender Ressourcensysteme der eigenen Unternehmungen existiert. So sind Entscheidungen über Systemveränderungen stets auch unter der Unsicherheit ihrer zielkonformen internen Realisation zu treffen. Die Entwicklungsrichtung und –geschwindigkeit prozesstechnologischer Systeme wird weiters von der konzeptionellen Gestaltung, dem Leistungspotenzial und den Eigenschaften der Träger des strategischen prozesstechnologischen Managementsystems bestimmt. Auch dieser Einflussbereich soll in seinen Wirkungen auf die Systementwicklung erläutert werden. Prozesstechnologien werden im Rahmen dieser Arbeit als potenziell wirkungsvolle Waffen im Wettbewerb verstanden. Durch Prozesstechnologien können folglich Wettbewerbsvorteile generiert und abgesichert werden. Diese Betrachtung deckt sich mit dem Ressourcenansatz. Dieser stellt einen Kausalzusammenhang zwischen wertvollen, knappen und schwer imitier- bzw. substituierbaren Ressourcen und Wettbewerbsvorteilen her. Prozesstechnologien sind aus dieser Perspektive Ressourcen, die unter bestimmten Bedingungen Wettbewerbsvorteile generieren können. Zwecksetzung des strategischen Prozesstechnologiemanagements ist es dann, das prozesstechnologische und das zu seiner Ausschöpfung erforderliche Ressourcensystem konzeptionell so zu entwickeln, dass es künftigen Anforderungen in möglichst hohem Maße gerecht werden kann und damit Wettbewerbsvorteile nachhaltig generiert werden können. Wertvoll sind Prozesstechnologien nicht nur zur Erstellung von Unternehmensleistungen, sondern auch als Wissen des strategischen Managements, das es gestattet, das Prozesstechnologiesystem (und potenzialerschließende Ressourcensystem) so zu entwickeln, dass es zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen genutzt werden kann. Ein weiteres Ziel der Arbeit ist es damit, auf Basis des Ressourcenansatzes die Bedingungen unter denen Prozesstechnologien Wettbewerbsvorteile generieren können zu erläutern.
6
1.2
Aufbau
Zur Umsetzung der dargestellten Zielsetzungen der Arbeit werden im zweiten Abschnitt zunächst die Grundlagen der weiteren Ausführungen behandelt. In der betriebswirtschaftlichen Literatur werden unter dem Begriff „Technologie“ uneinheitliche Inhalte verstanden. Für die weiteren Ausführungen wird daher in Abschnitt 2.1 die erforderliche Klarheit über den zugrunde gelegten Begriffsumfang geschaffen. Für unternehmerische Entscheidungen sind i. A. nicht einzelne isolierte Prozesstechnologien, sondern Prozesstechnologiesysteme von Relevanz. Das unternehmerisch entscheidungsrelevante Prozesstechnologiesystem beschränkt sich hierbei nicht nur auf den Produktionsbereich der betrachteten Unternehmung, sondern erstreckt sich auch über andere Funktionalbereiche und über Unternehmensgrenzen hinweg. In Abschnitt 2.2 wird daher das entscheidungsrelevante Prozesstechnologiesystem als Funktionalbereiche übergreifendes Ressourcensystem entwickelt. Dem Ressourcenansatz folgend sind Produkt- und Prozesstechnologiesysteme Ressourcensysteme mit spezifischen Leistungsmerkmalsausprägungen, die potenziell Erfolgsbeiträge zur Realisation unternehmerischer Zielsetzungen liefern können. Prozesstechnologien alleine sind aber nicht geeignet, unternehmerische Zielsetzungen zu realisieren. Die zielorientierte Ausschöpfung von Prozesstechnologiesystemen erfordert stets die Kombination mit potenzialerschließenden Ressourcen bzw. Ressourcensystemen. Nach einer grundsätzlichen Darstellung des Ressourcenansatzes (Abschnitt 2.3) wird daher das unternehmerische prozesstechnologische und potenzialerschließende Ressourcensystem in dessen Bedeutung zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen erläutert (Abschnitt 2.4). Aufgabe des Prozesstechnologiemanagements ist die effektive Weiterentwicklung (strategische Managementebene) und effiziente Umsetzung (operative Managementebene) des unternehmerischen entscheidungsrelevanten Prozesstechnologiesystems. Prozesstechnologische Aspekte sind aus diesem Grund auf allen Hierarchieebenen (normative, strategische, operative) des unternehmerischen Managementsystems von Relevanz und entsprechend zu integrieren. Von dominierender Bedeutung ist hierbei die Festlegung strategischer Positionen und Vorgehensweisen für deren Umsetzung. Im Zentrum des Abschnitts 3 steht die Entwicklung des strategischen prozesstechnologischen Managementsystems als integrales Element des unternehmerischen Managementsystems. Dazu werden die Zielsetzungen des Prozesstechnologiemanagements erläutert (Abschnitt 3.1) und prozesstechnologische Bezüge auf normativer, strategischer und operativer Managementebene hergestellt (Abschnitt 3.2). In Abschnitt 3.3 wird das strategische prozesstechnologische Führungs- und Planungssystem in dessen Relation zu über- und untergeordneten Managementebenen sowie externen Einflussbereichen erläutert. Abschließend wird in Abschnitt 3.4 ein Modell der Entwicklung prozesstechnologischer Systeme entwickelt. Gegenstand des 4. Abschnitts ist die Darstellung der Partialsysteme des strategischen Prozesstechnologiemanagements und den Einflüssen auf deren Entwicklung (Abschnitt 4.1 und 4.2). Die Diskussion grundsätzlich möglicher Systementwicklungsoptionen (Abschnitt 7
4.3) und die Darstellung des prozesstechnologischen Planungssystems (Abschnitt 4.4) schließt daran an. In den Abschnitten 5 und 6 werden die Einflussfaktoren auf die Systementwicklung diskutiert. In Abschnitt 5.1 werden Einflussfaktoren der unmittelbaren in Abschnitt 5.2 der generellen Unternehmensumgebung behandelt. Gegenstand des Abschnitts 5.3 ist die Diskussion der Einflüsse unsicherer Umgebungsentwicklungen auf die Konzeption des unternehmerischen Prozesstechnologiesystems. Abschnitt 6 ist dem bestehenden unternehmerischem Ressourcensystem in dessen Wirkungen auf die konzeptionelle Systementwicklung gewidmet. Dazu werden die Leistungseigenschaften des strategischen Managementsystems (Abschnitt 6.2) und des operativ zur Produkterstellung genutzten Ressourcensystems (Abschnitt 6.3) in deren Einfluss auf die Systementwicklung diskutiert.
8
2 2.1
Definition und Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes Der Begriff der Prozesstechnologie
Das die Beherrschung, Weiter- bzw. Neuentwicklung von Technologien Voraussetzung für die Prosperität von Unternehmungen ist, wird in der Literatur nicht in Frage gestellt. Zwar wird auf negative externe Effekte der Technologienutzung verwiesen, insgesamt ist aber der Technologiebegriff mit einer positiven Valenz versehen. Trotz der herausragenden Bedeutung für Unternehmungen, besteht in der Literatur aber kein Konsens über den Inhalt des Technologiebegriffes.20 Für die weiteren Ausführungen ist daher eine Klärung des zugrunde gelegten Technologiebegriffes erforderlich. Viele deutschsprachige Autoren trennen begrifflich zwischen Technologien i. e. S. und Techniken.21 Unter Technologien i. e. S. werden dann „ ... allgemein wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse [Aussagesysteme] über Ziel-/Mittelbeziehungen, die bei der Lösung praktischer Probleme angewendet werden können“22, verstanden. Das „Ziel“ umfasst hierbei die Gesamtheit der Sachziele, die durch den Technologieeinsatz in einer konkreten, praktischen Problemlösung realisiert werden können. Bei dieser Auffassung wird der Technologiebegriff inhaltlich auf das Wissen über technisch-naturwissenschaftliche Wirkungsbeziehungen reduziert.23 Bei extensiver Begriffsauffassung werden alle Ziel-/Mittelbeziehungen, unabhängig davon, ob sie natur- oder sozialwissenschaftlicher Herkunft sind, als Technologien bezeichnet.24 Entsprechend herrschender Meinung stellen Sozialtechnologien jedoch kein gesondert zu berücksichtigendes Betrachtungsfeld des betriebswirtschaftlichen Technologie- und Innovationsmanagements dar.25 Technologie i. e. S. wird von diesen Autoren begrifflich von „Technik“ abgegrenzt. Unter Technik wird dann die in Produkten oder Verfahren (Produktionsprozessen) materialisierte, auf die Lösung bestimmter praktischer Probleme ausgerichtete Anwendung von Technologien i. e. S. - die Artefakte von Technologien - verstanden.26 Das immaterielle technologische Wissen (Technologie i. e. S.) ist bei dieser Sichtweise begrifflich von materiellen Produkten und Verfahren zu unterscheiden.
20 21
22 23
24 25
26
Vgl. Gerpott, T. J., Innovationsmanagement 2005, S. 17ff.; Fleck, J., Howells, J., Paradox, 2001, S. 523ff. Vgl. Specht, G., Technologiemanagement, 1992, S. 548f.; Pleschak, F., Sabisch, H., Innovationsmanagement, 1996, S. 7; Specht, G., Beckmann, C., Amelingmeyer, J., F&E-Management, 2002, S. 12f.; Bürgel, H. D., Haller, C., Binder, M., F&E-, 1996, S. 13; Bullinger spricht in diesem Zusammenhang von einem Paradigmenwechsel im Produktionsmanagement. Vgl. Bullinger, H.-J., Technologiemanagement, 1994, S. 32ff.; Vahs, D., Burmester, R., Innovationsmanagement, 2005, S. 2.; Aus anderer Sicht wird Technologie als „ ... Lehre von der Umwandlung der Rohstoffe in Gebrauchsgegenstände … “ verstanden. Vgl. Kopecky, A., Schamschula, R., Technologie, 1977, S. 1; Seibert, S., Technisches, 1998, S. 15f. Gerpott, T. J., Innovationsmanagement 2005, S. 17f. Vgl. stellvertretend für viele andere Brockhoff, K., Innovationsmanagement, 2000, S. 19; Servatius, H.-G., Methodik, 1985, S. 34f.; Zahn, E., Technologiemanagements, 1995, S. 4f.; Bürgel, H. D., Haller, C., Binder, M., F&E-, 1996, S. 13ff. Vgl. Hauschildt, J., Innovationsmanagement, 2004, S. 12f. Vgl. Gerpott, T. J., Innovationsmanagement, 2005, S. 18; Tschirky, H., Technologie, 1998, S. 226ff.; Vgl. dazu auch den Begriff des „technischen Wissens” nach Ropohl. Ropohl, G., Systemtheorie, 1979, S. 209ff.; dagegen Zahn, E., Technologiemanagements, 1995, S. 4ff. Vgl. Ropohl, G., Systemtheorie, 1979, S. 30ff.; Gutenberg, E., Grundlagen, 1973, S. 85ff.
9
Englischsprachige Autoren nehmen zumeist keine begriffliche Trennung zwischen Technologie i. e. S. (body of scientific principles and laws) und Technik (specific sets of artefacts) vor.27 Unter „Technologie i. w. S.“ werden das immaterielle prozesstechnologische Wissen und dessen Materialisierung in Produkten und Verfahren begrifflich subsumiert.28 So definiert etwa Lowe: „A technology is the structured application of scientific principles and practical knowledge to physical entities and systems.”29 Der weiteren Arbeit wird diese extensivere Begriffsauffassung zugrunde gelegt. Verschiedene Gründe sprechen für dieses Vorgehen: x
Da Technologien i. e. S. keinen erfolgswirksamen Selbstzweck für Unternehmungen aufweisen, werden ökonomische Entscheidungen über Technologien stets unter dem Gesichtspunkt der Umsetzbarkeit in Produkte oder Verfahren getroffen.30 Auch wenn technologisches Wissen - als marktgängiges Gut - einem anderen Unternehmen zur Verfügung gestellt wird, ist dessen Verwertbarkeit in Produkten oder Verfahren der ursächliche Grund für eine Auseinandersetzung mit Technologien. So wird auch in der Praxis i. A. der Technologiebegriff i. w. S. verwendet.31
x
Weiters ist prozesstechnologisches Wissen integraler Bestandteil und unabdingbares Erfordernis zur Nutzung und Entwicklung von Produktionsprozessen, sodass eine Trennung bei einer ganzheitlichen Gestaltung sozio-technischer Systeme als nicht sinnvoll erscheint (siehe Abschnitte 4.2.8.1.1 und 4.4).
Gerpott weist zudem darauf hin, dass Übergänge zwischen Technologien und technischen Lösungen, in deren spezifischen Ausrichtungen auf konkrete praktische Anwendungen fliesend sind und sich keine hinreichend operationalen Kriterien für eine klare (empirische) Abgrenzung finden lassen.32 So ist etwa nicht eindeutig abgrenzbar, ob ein grundsätzliches Lösungskonzept - eventuell verkörpert in Prototypen - oder die auf ein einzelnes klar definiertes Produkt abgestimmte Anwendung einer Technologie (z. B. eine Zylinderkopfschraube für einen bestimmten Motor) als „Technik“ zu bezeichnen ist. Technologien werden, je nach Intention der Untersuchungen, nach unterschiedlichsten Kriterien systematisiert.33 Nach dem Einsatzgebiet wird zwischen Produkt- und Prozesstechnologien unterschieden.34 Produkttechnologien sind konstituierende Elemente der verwertbaren Unternehmensleistungen; während Prozesstechnologien der Leistungserstellung dienen, x
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10
Vgl. Gerpott, T. J., Innovationsmanagement, 2005, S. 18f.; Lowe, P., Technology, 1995, S. 9 Vgl. Schröder, H.-H., Innovationsplanung, 1999, S. 995f. Lowe, P., Technology, 1995, S. 9 Vgl. Bleicher, K., Technologiemanagement, 1995, S. 581; Fleck, J., Howells, J., Paradox, 2001, S. 526ff.; Grindley, P., Technology, 1993, S. 37 Vgl. Schröder, H.-H., Technologiemanagement, 1996, Sp. 1995f. Vgl. Gerpott, T. J., Innovationsmanagement, 2005, S. 19 Für eine Überblick über die verschiedenen Kriterien, nach denen Technologien klassifiziert werden können vgl. Tschirky, H., Technologie, 1998, S. 226ff.; Gerpott, T. J., Innovationsmanagement, 2005, S. 26f. Vgl. Tschirky, H., Technologie, 1998, S. 228ff.
aber nicht in Produkte eingehen.35 Unter einem „Prozess“ ist hierbei „eine Abfolge von Aktivitäten, die in ihrer logischen … Verknüpfung der Erstellung von Produkten … dienen“, zu verstehen.36 Bei dieser Systematisierung ergeben sich allerdings Abgrenzungsprobleme in Abhängigkeit davon, wie weit der Produktbegriff gefasst wird.37 Wird der Produktbegriff auf Basis der verfolgten Zwecksetzung der Unternehmung abgegrenzt, so ist eine eindeutige Trennung zwischen Produkt- und Prozesstechnologien grundsätzlich möglich. Wird die grundsätzliche Zwecksetzung des betrachteten Technologiesystems als Klassifizierungskriterium herangezogen, so ergeben sich jedoch begriffliche Überschneidungen. Abgesetzte Sachleistungen (Produkte i. e. S.) von Unternehmungen können zunächst in prozesstechnologischen Anlagen (z. B. Drehmaschinen) für andere Unternehmungen bestehen. Unternehmerische Leistungen (Produkte i. w. S.) umfassen weiters neben Sachgütern oft auch immaterielle Komponenten.38 Immaterielle Produktbestandteile sind Dienstleistungen wie etwa Schulungen, Serviceleistungen, Beratungsleistungen etc. Diese Leistungsumfänge können prozesstechnologisches Wissen umfassen, das an Kunden transferiert wird. So kann beispielsweise der Leistungsumfang im Zusammenhang mit dem Absatz der Sachleistung „Werkstoff“ eine Unterweisung im sachgerechten Einsatz in Prozesstechnologiesystemen des Kunden beinhalten. Die vorliegende Arbeit setzt sich mit der Entwicklung prozesstechnologischer Systeme in Unternehmungen auseinander. Ob die Unternehmensleistungen - die Produkte i. w. S. - Produkt- oder Prozesstechnologien umfassen, ist hierbei grundsätzlich irrelevant. In weiterer Folge wird daher als Kriterium zur Technologieklassifizierung der verfolgte Unternehmenszweck zugrunde gelegt. Im Bedarfsfall wird konkret auf Prozesstechnologien als Leistungselement hingewiesen. Die begriffliche Definition wurde bis jetzt aus der Perspektive einer einzelnen, isolierten Technologie entwickelt. Technologien können aber erst im Zusammenwirken mit anderen Technologien, als Elemente eines Technologiesystems, ihre Leistungspotenziale entfalten.39 Unter „technologischem Wissen“ ist daher über das Zweck-/Mittelwissen hinausgehend auch Wissen über Kombinationsmöglichkeiten mit anderen Technologien zu verstehen.40 Die Entwicklungen in der jüngsten Vergangenheit sind dadurch gekennzeichnet, dass neue erfolgrei-
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38
39 40
Vgl. Albach, H., Innovationsstrategien, 1989, S. 1340f.; Müller, T., Zukunftstechnologien, 1985, S. 177; Pleschak, F., Sabisch, H., Innovationsmanagement, 1996, S. 91 Vgl. Pleschak, F., Sabisch, H., Innovationsmanagement, 1996, S. 20 Simonetti weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass viele als Produktinnovationen bezeichnete Neuerungen eigentlich den Charakter von Prozessinnovationen (als Vorprodukte für andere Unternehmungen) aufweisen. Vgl. Simonetti, R., Archibugi, D., Evangelista, R., Innovations, 1995, S. 78; Abernathy, W. J., Townsend, P. L., Technology, 1975, S. 382ff. Vgl. Kern, W., Produktionswirtschaft, 1990, S. 96ff.; Schneider, H., Produktion, 1999, S. 227ff.; Engelhardt, W. H., Kleinaltenkamp, M., Reckenfelderbäumer, M., Leistungsbündel, 1993, S. 407ff.; Braßler, A., Schneider, H., Produktionsmanagement, 2000, S. 40ff.; Frese, E., Lehnen, M., Valcárcel, S., Leistungsindividualisierungen, 1999, S. 888f. Vgl. Tushman, M. L., Rosenkopf, L., Determinants, 1992, S. 325 Henderson und Clark bezeichnen dieses Wissen als “architectural knowledge”. Vgl. Henderson, R. M., Clark, K. B., Architectural, 1990, S. 11; Tyler, B. B., Complementarity, 2001, S. 8f.
11
che Produkte und Verfahren oft durch die Kombination von Technologien aus unterschiedlichen Wissenschaftsfeldern entstehen (z. B. Mechatronik).41 Das Wissen über (potentielle) Kombinationsmöglichkeiten von Technologien wird damit zu einem wesentlichen Faktor in der Entwicklung von Produkten und Verfahren. 2.2
Das unternehmerische Prozesstechnologiesystem
Gegenstand betriebswirtschaftlicher Betrachtungen sind im Regelfall nicht einzelne, isolierte Technologien, sondern Technologiesysteme. Grund dafür ist, dass ökonomische Entscheidungen regelmäßig Produkte und Prozesse zum Gegenstand haben und zu deren Funktionserfüllung eine Vielzahl von Technologien in spezifischer Weise zusammenwirken müssen.42 Einzelne, isoliert eingesetzte Technologien sind i. A. nicht geeignet, erwünschte Funktionen zu erfüllen. Das gilt nicht nur für materielle Produkt- und Prozesstechnologien, sondern in gleicher Weise auch für prozesstechnologisches Wissen, das erst als integraler Bestandteil von Technologiesystemen seine Wirkungen entfalten kann und so zur Lösung von Problemstellungen nutzbar wird. Die weiteren Ausführungen beziehen sich aus diesem Grund auf Prozesstechnologiesysteme. Nur in Ausnahmefällen wird auf Sachverhalte eingegangen, die einzelne Prozesstechnologien betreffen. Prozesstechnologiesysteme konstituieren sich aus einer Vielzahl von Prozesstechnologien, die in unterschiedlichen Relationen zueinander stehen.43 Demnach sind Prozesstechnologiesysteme als „komplex“ zu bezeichnen.44 Die Relationen zwischen Prozesstechnologien werden prinzipiell gezielt durch den Menschen gestaltet, können aber auch ungeplant - weil unberücksichtigt oder unbekannt - aufgebaut werden.45 In produzierenden Unternehmungen bilden Prozesstechnologien die unabdingbare Basis der Leistungserstellung und -verwertung. Prozesstechnologien sind aufgrund dieser zentralen
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45
12
Vgl. Tschirky, H., Technologie, 1998, S. 4 Vgl. Benkenstein, M., Modelle, 1989, S. 504; Clark, K. B., Hierarchies, 1985, S. 237f.; Singh, K., Complexity, 1997, S. 340ff. Zum Begriff der Koppelung von Elementen (Subsystemen) in Systemen vgl. Ropohl, G., Systemtheorie, 1979, S. 59 und 64ff. Ropohl bezeichnet als „komplexe Systeme“ solche, die durch eine Vielzahl an Elementen und unterschiedlichen Relationen gekennzeichnet sind. Als „kompliziert“ werden Systeme bezeichnet, die aus einer größeren Zahl verschiedenartiger Subsysteme aufgebaut sind. Vgl. Ropohl, G., Systemtheorie, 1979, S. 71f.; Rycroft, R. W., Kash, D. E., Path, 2002, S. 30; Tschirky hingegen bezeichnet Systeme (und Problemstellungen) als „komplex“, wenn sie sich durch dynamische Veränderungen auszeichnen. Vgl. Tschirky, H., Technologie, 1998, S. 218ff. In weiterer Folge soll der Begriffsdefinition von Ropohl gefolgt werden und in Ergänzung dazu zwischen statischen Zuständen und dynamischen Entwicklungen von Systemen unterschieden werden. Gopalakrishnan, Bierly und Kessler weisen in diesem Zusammenhang etwa (für Banken) bei Prozess- in Relation zu Produktinnovationen höhere Komplexität nach. Vgl. Gopalakrishnan, S., Bierly, P., Kessler, E. H., Reexamination, 1999, S. 151f. Es ist hierbei anzumerken, dass vollständiges Wissen über Technologien bzw. über Relationen zwischen Technologien prinzipiell nicht vorliegt. So können auch Relationen zwischen Technologien (bzw. einzelnen Technologiesystemen) bestehen, die bei der Systemgestaltung nicht beabsichtigt wurden. Etwa beeinflussen elektromagnetische Wellen, die von einem rotierenden mechanischen Technologieteilsystem abgestrahlt werden, in unbeabsichtigter Weise elektronische Bauteile.
Bedeutung integrales Element nahezu aller Funktionalbereiche.46 Das impliziert die Notwendigkeit, Prozesstechnologien in alle Hierarchieebenen des unternehmerischen Planungssystems zu integrieren.47 Das unternehmerisch entscheidungsrelevante prozesstechnologische System kann folglich nach zwei Dimensionen entwickelt werden. Die horizontale Dimension beschreibt (unternehmensübergreifend) den Systemaufbau innerhalb und zwischen Funktionalbereichen. Die vertikale Dimension definiert die Relationen zwischen über- und untergeordneten Ebenen des unternehmerischen Managementsystems und dem dabei entscheidungsrelevanten prozesstechnologischen Wissen (siehe Abbildung 1).48 Ausgehend von der Zielsetzung des Technologiemanagements sind normative, strategische und operationale Zielsetzungen zu definieren und zu erreichen (siehe Abschnitt 3.2), ergibt sich die Notwendigkeit, prozesstechnologische Aspekte zur Entwicklung bzw. Stabilisierung einer nachhaltigen49 (i. S. v. anhaltenden) Legitimationsbasis auf normativer, strategischer und operativer Managementebene und in allen zu erfüllenden Funktionen zu integrieren.50 Man kann in diesem Zusammenhang von der vertikalen Ausdehnung des unternehmerischen Prozesstechnologiesystems sprechen (siehe Abbildung 1). Die relevanten Prozesstechnologien aber auch die betrachteten Technologieaspekte unterscheiden sich zwischen den Managementebenen. In der Literatur wird vor allem die strategische Komponente des Prozesstechnologiemanagements diskutiert.51 Weniger Beachtung finden Fragestellungen im Zusammenhang mit der Integration von Prozesstechnologien auf operativer Ebene.52 Welche Bedeutung jedoch die operative Ebene der Prozesstechnologiemanagements etwa für die Entwicklung des Prozesstechnologiesystems aufweist zeigen beispielsweise Guimares und Dean auf. Sie weisen in einer empirischen Studie nach, dass durchschnittlich eine Fehlerrate von 50-75 %, bei der Implementierung von Fertigungstechnologien, auf die Vernachlässigung von Humanfaktoren auf operativer Ebene zurückzuführen ist.53 Hier kommt dem Middle-Management eine zentra-
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51 52 53
Vgl. Porter, M. E., Wettbewerbsvorteile, 2000, S. 224 Vgl. Tschirky, H., Technologie-, 1991, S. 29ff.; Bennigson, L. A., Manufacturing, 1996, S. 93ff. Vgl. Gluck, F. W., Kaufmann, S. P., Walleck, A. S., Wettbewerbsvorsprung, 1981, S. 57; Bullinger, H.-J., Paradigm, 1997, S. 218; Devaraj, S., Hollingworth, D. G., Schroeder, R. G., Generic, 2004, S. 316, in vergleichbarer Weise wird eine solche Integration für das HRM gefordert. Da das HRM wesentliche Bedeutung für die Realisation prozesstechnologischer Zielsetzungen aufweist, ist eine solche Parallelität der Integration konsequent. Vgl. Ridder, H.-G., Bruns, H.-J., Personalentwicklung, 2002, S. 100 Der Begriff der Nachhaltigkeit wird in der betriebswirtschaftlichen Literatur unter unterschiedlichsten Perspektiven kontroversiell diskutiert. Vgl. Strebel, H., Umweltwirtschaft, 2005, S. 35ff. Im Rahmen dieser Arbeit wird „nachhaltig“ synonym mit dem Begriff „zeitlich anhaltend“ verwendet. Vgl. Beard, J. W., Technology, 2002, S. 50ff.; Pretorius, M. W., de Wet, G., Technology, 2000, S. 5ff.; Bleicher, K., Management, 1992, S. 56; Tschirky, H., Technologie, 1998, S. 226ff.; Skinner, W., Factory, 1974, S. 114; Fine, C. H., Hax, A. C., Manufacturing, 1985, S. 29ff.; Hayes, R. H., Wheelwright, S. C., Competitive, 1984, S. 164ff.; Walton, R. E., Susman, G. I., Machines, 1987, S. 104ff. Vgl. Phaal, R., Paterson, C. J., Probert, D. R., Technology, 1998, S. 543ff Vgl. Krell, T., Longevity, 2000, S. 10ff.; Schröder, H.-H., Technologiemanagement, 1996, Sp. 2003ff. Vgl. Miller, J. S., Cardy, R. L., Technology, 2000, S. 449; Guimaraes, T., Igbaria, M., Client/Server, 1997, S. 853 und 858; Chung, C., Human, 1996, S. 283ff.; Meyers, P. W., Sivakumar, K., Nakata, C., Implementation, 1999, S. 299f.; Lowe, P., Technology, 1995, S. 152ff.
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le koordinierende Bedeutung bei der Umsetzung prozesstechnologischer Strategien zu.54 Diese Aufgaben sind unter Einhaltung unternehmensautonomer und -externer Vorgaben operativ umzusetzen.55 vertikale Dimension unternehmerischer Prozesstechnologiesysteme
Managementfunktionen
Kontrolle
strategische Ebene
Führung Personaleinsatz horizontale Dimension unternehmerischer Prozesstechnologiesysteme
Organisation
Funktionalbereiche der betrachten Unternehmung
andere
Marketing
HRM
Produktion
Prozessentwicklung
Produktentwicklung
Lieferanten
Planung
andere externe Organisationseinheiten (Universitäten, branchenfremde Unternehmen et.)
operative Ebene
Kunden
Managementebenen
normative Ebene
Abbildung 1: Dimensionen unternehmerisch entscheidungsrelevanter Prozesstechnologiesysteme56 Die Aufgabenerfüllung auf operativer Ebene vollzieht sich auf Basis gegebener unternehmerischer (und unter Berücksichtigung unternehmensfremder) Prozesstechnologiepositionen. Als Prozesstechnologieposition ist die Gesamtheit der Leistungsmerkmale von Prozesstechnologiesystemen zu einem definierten Zeitpunkt zu verstehen. Für die operative Leistungserstellung bzw. Systementwicklung ist nur ein Teil der Leistungsmerkmale und damit nur ein Teilsystem des gesamten unternehmerischen Prozesstechnologiesystems von Interesse. Dieses Teilsystem wird in weiterer Folge als „operatives (leistungserstellendes) Prozesstechnologiesystem“ bezeichnet. Von vorrangiger Bedeutung sind auf dieser Ebene Formalzie54 55 56
14
Vgl. Floyd, S. W., Wooldridge, B., Dinosaurs, 1993, S. 51ff. Diese Vorgaben beziehen sich auf ökonomische, ökologische und soziale Zielsetzungen, die allen unternehmerischen Aktivitäten zugrunde gelegt sind. Vgl. Pretorius, M. W., de Wet, G., Technology, 2000, S. 5f.; Hayes, R. H.; Wheelwright, S. C., Competitive, 1984, S. 164ff.; Papazoglou, M. P., Ribbers, P., Tsalgatidou, A., Chains, 2000, S. 328ff.; Steinmann, H., Schreyögg, G., Management, 2005, S. 8ff.
le. Zentrales Bestreben bei der operativen Nutzung bestehender Prozesstechnologiesysteme ist die Erzielung möglichst hoher Erfolgsbeiträge bei geringen Risiken und Kosten.57 Das operative Prozesstechnologiesystem konstituiert sich aus der Gesamtheit der Prozesstechniken zur Erstellung von Sachleistungen - dem Prozesstechniksystem. Darüber hinaus umfasst es prozesstechnologisches Wissen über die nutzbaren Leistungsmerkmale unternehmenseigener sowie -fremder Prozesstechnologiesysteme, deren Ausprägungen und Nutzungsbedingungen. Aufgabe des strategischen Prozesstechnologiemanagements ist es, künftige Prozesstechnologiepositionen zu definieren und festzulegen, welche Ressourcen wie einzusetzen sind, um die angestrebte Position zu erreichen (siehe Abschnitt 3.1). Es umfasst damit alle Aktivitäten, die auf die Bereitstellung, die Speicherung und die Verwertung von Prozesstechnologien zur Erfüllung von Unternehmenszielen gerichtet sind.58 Durch die Prozesstechnologieposition wird definiert, wann welche Leistungsmerkmale auf welchem Niveau durch das unternehmerische Prozesstechnologiesystem realisiert werden sollen.59 Zukünftige Prozesstechnologiepositionen bilden die Voraussetzungen zur Realisation unternehmenspolitischer Zielsetzungen (siehe Abschnitt 3.2.2.2). Von zentralem Interesse sind auf strategischer Ebene daher realisierbare Sachziele von Prozesstechnologiesystemen und deren prinzipielle Eignung, Beiträge zur unternehmenspolitischen Zielerreichung zu leisten. Im Zentrum strategischer Planungsaktivitäten stehen daher künftige Prozesstechnologiepositionen definiert durch Leistungsmerkmalsausprägungen zur Realisation von Sachzielen. Die Sachziele definieren die zu erstellenden Unternehmensleistungen und die mit deren Erstellung verbundenen positiven externen Effekte. Weitere Sachziele mit zunehmender Bedeutung resultieren aus dem Bestreben, negative externe Effekte unternehmerischer Aktivitäten zu reduzieren (siehe Abschnitt 3.2.2.2). Entsprechend ist die gleichberechtigte Integration prozesstechnologischer Aspekte in die Entwicklung von Unternehmensstrategien zu fordern.60 Dies zu missachten, zieht als Konsequenzen künftig ineffiziente Prozesstechnologiesysteme nach sich. Auch die effektive Weiterentwicklung des Systems wird be- bzw. verhindert und somit die Existent der Unternehmung langfristig gefährdet. Zur Aufgabenerfüllung auf strategischer Managementebene ist deshalb prozesstechnologisches Wissen unabdingbar. Anzu-
57 58
59 60
Vgl. Szyperski, N., Tilemann, T., Ziele, 1979, Sp. 2310 Vgl. Brockhoff, K., Innovationsmanagement, 2000, S. 22; Specht, G., Beckmann, C., Amelingmeyer, J., F&E-Management, 2002, S. 17; Hamel, G., Prahalad, C. K., Competing, 1994, S.127ff.; Gerpott, T., J., Innovationsmanagement, 2005, S. 59ff.; Der Weg zur Realisation prozesstechnologischer Positionen kann durch kontinuierliche oder sprunghafte Systementwicklung realisiert werden. Zu den Vor- und Nachteilen vgl. Hayes, R. H., Revers, 1985, S. 114ff. Vgl. Pleschak, F., Sabisch, H., Innovationsmanagement, 1996, S. 105ff. Vgl. Skinner, W., Manufacturing, 1969, S. 140ff.; Skinner, W., Manufacturing, 1996, S. 5f.; Wheelwright, S. C., Strategy, 1984, S. 88; Zahn, E., Huber-Hoffman, M., Wettbewerbsfaktor, 1995, S. 148; Wheelwright, St. C., Bowen, K. H., Manufacturing, 1996, S. 63ff.; Tracey, Vonderembse und Lim weisen empirisch fundiert einen positiven Zusammenhang zwischen der Partizipation von Produktionsmangern bei der Formulierung der Unternehmenstrategie und dem ökonomischen Unternehmenserfolg nach. Vgl. Tracey, M., Vonderembse, M. A., Lim, J.-S., Manufacturing, 1999, S. 412ff.; Foschiani, St., Produktionsmanagement, 1994, S. 57ff.
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merken ist, dass nicht nur das operative, sondern auch das strategische Prozesstechnologiesystem systematisch weiterentwickelt werden muss. Gegenüber dem operativen ist das strategische Prozesstechnologiemanagement dadurch gekennzeichnet, dass es andere Aspekte und zusätzliche Prozesstechnologien ins Zentrum der Betrachtungen stellt. Auf operativer Ebene stehen prozesstechnologische Leistungsmerkmale im Zentrum des Interesses, die die effiziente Nutzung und Integration von Prozesstechnologien beeinflussen. Auf strategischer Managementebene sind hingegen Leistungsmerkmale von Prozesstechnologien von Bedeutung, die deren Effektivität zur Realisation unternehmenspolitischer Zielsetzungen betreffen. Weitere strategisch bedeutende Aspekte betreffen die Entwickelbarkeit einzelner Technologien bzw. des unternehmerischen Prozesstechnologiesystems. Die Entwicklung prozesstechnologischer Systeme erfolgt auf Basis bestehender Systeme. Damit sind auf strategischer Managementebene operativ genutzte Prozesstechnologien als Planungsbasis (Anfangsbedingung) von zentraler Bedeutung. Von primärem Interesse sind Leistungspotenziale von Prozesstechnologien und deren Eignung, unternehmenspolitische Zielbeiträge zu leisten. Zunächst sind Prozesstechnologien, die im Einflussbereich der Unternehmung disponierbar sind, von Bedeutung. Für diese Technologien sind aber auch Leistungspotenziale relevant, die von Konkurrenten genutzt werden bzw. am Markt verfügbar sind. Weiters beeinflussen die Entwicklungsmöglichkeiten dieser Technologien Managemententscheidungen. Neben den von Unternehmungen bereits genutzten Prozesstechnologien sind künftig potenziell nutzbare Prozesstechnologien von strategischem Interesse. Weiters sind Prozesstechnologien entscheidungsrelevant, die bestehende substituieren könnten. Auf normativer Ebene sind bei der Entwicklung von Unternehmensvisionen und in weiterer Folge der Unternehmenspolitik Produkt- und Prozesstechnologien wesentliche, prägende Einflussgrößen. Betrachtungsobjekte sind Prozesstechnologien, die im Unternehmen oder vom Konkurrenten bereits genutzt werden, genauso wie solche, die künftig geeignet erscheinen, erwünschte Unternehmensziele zu realisieren. Im Zentrum des Interesses stehen bei den Betrachtungen generell positive wie negative (externe) Effekte von Prozesstechnologien. Unternehmenslegitimation (bzw. die Realisation von Unternehmenszielen generell) resultiert nicht aus Aktivitäten eines einzelnen Funktionalbereiches, sondern vielmehr aus dem abgestimmten Zusammenwirken aller unternehmerischen Funktionen.61 Eine zielorientierte Kombination von Ressourcen über Funktionalbereiche hinweg ist damit unumgänglich. Chanaron, Jolly und Soderquist verstehen unter „technologischem Management“ die Integration und Anwendung von Technologien zur Steigerung der Effizienz und Effektivität aller unternehmerischen Funktionalbereiche. Sie sehen Technologien als primäre Basis der Unternehmensexistenz, die alle Managementfunktionen determiniert. Managementfunktionen
61
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Vgl. Handlbauer, G., Hinterhuber, H. H., Matzler, K., Kernkompetenzen, 1998, S. 913; Morgan, L. O., Daniels, R. L., Integrating, 2001, S. 234
entwickeln, nutzen oder konsumieren Technologien bzw. deren Ergebnisse.62 Von zentralem Interesse sind Prozesstechnologien bzw. deren Wirkungen in Produktionsprozessen für die Produktentwicklung, das Marketing, den Einkaufsbereich, das Human Resource Management63 und das Umweltmanagement.64 Im Rahmen dieser Arbeit soll dieser Sichtweise grundsätzlich gefolgt werden. Prozesstechnologien werden als Existenzbasis produzierender Unternehmungen gesehen, die auf alle Funktionalbereiche Auswirkungen aufweisen (etwa auf das Personalwesen) bzw. deren Aufgabenerfüllung determinieren (etwa die des Produktionsbereiches). Entsprechend sind prozesstechnologische Aspekte in die funktionalbereichsübergreifende Ressourcenabstimmung zu integrieren.65 Die funktionalbereichsübergreifende Ressourcenkombination und -abstimmung erfordert eine gewisse Überlappung des Wissens über verfügbare prozesstechnologische Leistungsmerkmale und deren Ausprägungen.66 Erforderlich ist das, um die Wirkungen eigener Entscheidungen für andere Funktionalbereiche zu erkennen. Nur so können Abstimmungsbedarfe erkannt und in konkrete Maßnahmen übergeführt werden.67 In diesem Zusammenhang kann von der horizontalen (funktionalbereichsübergreifenden) Ausdehnung des Prozesstechnologiesystems gesprochen werden (Abbildung 1). Prozesstechnologisches Wissen ist damit nicht nur für die Aufgabenerfüllung in der Produktion, sondern auch für andere Funktionalbereiche von Interesse. Erst wenn ein bestimmtes Niveau an prozesstechnologischem Wissen in Funktionalbereichen vorhanden ist, sind diese in der Lage, zu erkennen, dass für konkrete operative Problemstellungen prozesstechnologischer Abstimmungsbedarf besteht. So lassen sich etwa Überleitungsprobleme von neu entwickelten Produkten in die Produktion unter anderem auf zu geringes Problembewusstsein bezüglich prozesstechnologischer Fragestellungen in der F&E zurückführen.68 Auch im Bereich Marketing lassen sich prozesstechnologische Wissensbedarfe erkennen. So können etwa stark schwankende Volumina gewünschter Produktionslose erhebliche Effizienzprobleme in der Nutzung des Prozesstechnologiesystems aufwerfen. Diese potenziellen Wirkungen müssen vom Marketing erkannt, abgeklärt und adäquat gegenüber dem Kunden vertraglich berücksichtigt werden. Das ist etwa erforderlich, wenn im Vergleich zu regelmä-
62 63 64 65 66 67 68
Vgl. Chanaron, J.-J., Jolly, D., Soderquist, K., Technological, 2002, S. 618 Vgl. Wright, P. M., McMahan, G. C., McWilliams, A., Resources, 1994, S. 304ff; Miller, J. S., Cardy, R. L., Technology, 2000, S. 449ff. und 456ff.; Hentze, J., Kammel, A., Personalwirtschaftslehre, 2001, S. 197ff. Vgl. Szyperski, N., Tilemann, T., Ziele, 1979, Sp. 2304 und 2306; Phaal, R., Paterson, C. J., Probert, D. R., Technology, 1998, S. 541 Vgl. Fine, C. H., Hax, A. C., Manufacturing, 1985, S. 28ff. Vgl. Cohen, W. M., Levinthal, D. A., Capacity, 1990, S. 133ff.; King, A. W., Zeithaml, C. P., Knowledge, 2003, S. 764f.; Grindley, P., Technology, 1993, S. 38 Vgl. Dougherty, D., Hardy, C., Innovation, 1996, S. 1133f.; Song, M., Swink, M., Involvement, 2002, S. 82 Vgl. Coenenberg, A. G., Prillmann, M., Variantenmanagement, 1995, S. 1248f.; Salomo, S., Cratzius, M., Neuproduktentwicklung, 2005, S. 73ff.; Maidique, M. A., Patch, P., Technological, 1982, S. 283f.; Griffin, A., Hauser, J. R., Communication, 1992, S. 361ff.; Zur instrumentellen Unterstützung der Kommunikation über Funktionalbereichsgrenzen hinweg siehe ebenda S. 363ff.; Dougherty, D., Hardy, C., Innovation, 1996, S. 1138ff.
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ßig durchgeführten Produktionsaufträgen einzelne Kundenaufträge sehr kleine bzw. große Losgrößen umfassen, für die das Prozesstechnologiesystem nicht konzipiert wurde (siehe Abschnitt 5.1.2). Oft übernimmt das Marketing Beratungsleistungen über die grundsätzliche Gestaltung kundenspezifischer Produkte (Verkaufsingenieure). Sind hier Defizite im prozesstechnologischen Wissen vorhanden, können Probleme bei der produktionsadäquaten Produktgestaltung auftreten und im Extremfall dazu führen, dass Kundenaufträge nicht vereinbarungsgemäß abgewickelt werden können.69 Im Einkaufsbereich ist prozesstechnologisches Wissen Basis der Aufgabenerfüllung. So ist erst durch adäquates Wissen über die prozesstechnologischen Gegebenheiten des eigenen Unternehmens die bedarfsgerechte Beschaffung von Produktionsinput möglich. Defizite führen dazu, dass zugekaufte Einsatzfaktoren nicht oder nur unter Effizienzeinbußen eingesetzt werden können. Auch auf strategischer Ebene lassen sich über Funktionalbereiche hinweg prozesstechnologische Abstimmungsbedarfe und damit Bedarf an überlappendem prozesstechnologischem Wissen erkennen. Mit Veränderungen in den prozesstechnischen Systemen der Unternehmung können sich Bedarfe zur strategischen Weiterentwicklung prozesstechnologischen Wissens in Funktionalbereichen (und hier nicht nur des Produktionsbereiches) ergeben. Da Funktionalbereichsstrategien zur Umsetzung der Unternehmensstrategie abgestimmt entwickelt werden müssen, sind entsprechend prozesstechnologische Ressourcen zu berücksichtigen.70 Das erfordert ein grundsätzliches Verständnis über die Bedeutung von Prozesstechnologien als Ressourcen zur unternehmerischen Zielerreichung. In arbeitsteiligen Wirtschaften erfolgt die Produkterstellung entlang von Wertschöpfungsketten über mehrere Unternehmungen hinweg. Die Ausprägungen erstellter Leistungen sind dabei von der Qualität bzw. Quantität der Vorleistungen abhängig. Zur Abstimmung unternehmerischer Angebote bzw. Bedarfe kann daher eine prozesstechnologische Abstimmung zwischen Unternehmungen erforderlich bzw. sinnvoll sein.71 Da in zunehmenden Maße Unternehmungen eine Konzentration auf Kernkompetenzen vornehmen, gewinnt die unternehmensübergreifende Integration prozesstechnologischer Systeme an Bedeutung.72 Entsprechend ist die horizontale Systemausdehnung unternehmensübergreifend zu verstehen.73 Ab69 70 71
72 73
18
Vgl. Morgan, L. O., Daniels, R. L., Kouvelis, P., Marketing/manufacturing, 2001, S. 949; Meyers, P. W., Sivakumar, K., Nakata, C., Implementation, 1999, S. 300ff. Vgl. Blecker, T., Kaluza, B., Produktionsstrategien, 2003, S. 1 und 5ff.; Wheelwright, S. C., Strategy, 1984, S. 85 Vgl. Afuah, A. N., Bahram, N., Hypercube, 1995, S. 53ff.; Banerjee, S. K., Manufacturing, 2000, S. 80; Kaluza, B., Blecker, T., Technologiemanagement, 2000, S. 138; Gemünden, H. G., Ritter, T., Kompetenz, 2001, S. 302ff.; Van de Ven, A. H., Walker, G., Interorganisational, 1984, S. 600ff.; Burgess und Gules zeigen, auf Basis einer empirischen Untersuchung, zunehmende Relevanz der Zusammenarbeit von Kunden und Lieferanten bei der Integration von Technologien auf. Vgl. Burgess, T. F., Gules, H. K., Buyer, 1998, S. 128ff. Vgl. Specht, D., Kahmann, J., Siegler, O., Flexibilität, 1999, S. 179ff.; Sen, F. K., Egelhoff, W. G., Alliances, 2000, S. 177 Vgl. Burgess, T. F., Gules, H. K., Buyer, 1998, S. 131f.; Zur Bedeutung der IT als Voraussetzung bzw. Auslöser dieser Entwicklung vgl. Papazoglou, M. P., Ribbers, P., Tsalgatidou, A., Chains, 2000, S. 324ff. und 338ff.; Benkenstein, M., Henke, N., Integration, 1993, S. 86; Metcalfe, S. J., Boden, M., Paradigms,
stimmungsbedarfe können hierbei auf operativer wie strategischer Managementebene notwendig sein.74 Auf operativer Ebene erstreckt sich das Prozesstechniksystem zur Produkterstellung i. A. über mehrere Unternehmen. Die zieladäquate Regelung des prozesstechnischen Systems ist operative Aufgabe der Produktion. Über die Funktionalbereiche Einkauf und Marketing werden auf operativer Managementebene Relationen zu Kunden und Lieferanten aufgebaut. Über diese Schnittstellen werden Bedarfe bei Material-, Energie- und Informationsströmen erfasst und abgestimmt. Eine Überlappung prozesstechnologischen Wissens kann auch auf strategischer Ebene über Unternehmensgrenzen hinweg notwendig sein. So ist eine in der eigenen Unternehmung problemlos umsetzbare prozesstechnologische Entwicklung daraufhin zu überprüfen, ob von dieser Anforderungen an Prozesstechnologiesysteme von Kunden, Lieferanten oder Produzenten komplementärer Produkte gestellt werden, die diese nicht erfüllen können oder wollen.75 Umgekehrt können prozesstechnologische Veränderungen Dritter dazu führen, dass die Unternehmung entsprechende strategische Entwicklungen einleiten muss, um ihre Wettbewerbsposition zu behaupten. Wissen über die strategische Weiterentwicklung unternehmensexterner prozesstechnologischer Systeme kann genutzt werden, um adäquate Maßnahmen frühzeitig in die Gesamtplanung zu integrieren. Gegenseitige Information und sogar Abstimmung prozesstechnologischer Strategien können aus diesem Grund im Interesse aller beteiligten Unternehmungen sein. Darüber hinaus sind prozesstechnologische Relationen (mit Universitäten, branchenfremden Unternehmungen etc.) von Bedeutung, die über die unmittelbare Unternehmensumgebung hinausgehen (siehe Abschnitt 4.2.7). Auf allen Managementebenen sind in allen Funktionalbereichen Managementfunktionen zur Erfüllung dispositiver Aufgaben wahrzunehmen. Die von Unternehmungen (Lieferanten, Kunden und anderen externen Organisationseinheiten) wahrzunehmenden Managementfunktionen sind Planung, Personaleinsatz, Führung, Kontrolle und Organisation.76 Bei der Erfüllung dieser Managementfunktionen sind prozesstechnologische Aspekte oftmals (auch außerhalb des Produktionsbereiches) von Bedeutung. Die Integration prozesstechnologischer Aspekte in die Managementfunktionen kann damit als dritte Ausdehnung des prozesstechnologischen Systems verstanden werden (siehe Abbildung 1). So ist etwa eine Basis zur Produktentwicklung adäquates Wissen über die prozesstechnologischen Rahmenbedingungen zur Produkterstellung. Entsprechend sind bei Planungsaktivitäten der Produktentwicklung auch prozesstechnologische Aspekte zu berücksichtigen. Beispielsweise ist auf strategischer Ebene als Planungsaufgabe die Entwicklung des produkttechnologischen Wissens wahrzunehmen. In
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1993, S. 87f.; Mildenberger, U., Systemische, 2001, S. 714ff.; Rockart, I. F., Short, I. E., Information, 1989, S. 10ff. Vgl. Kaluza, B., Blecker, T., Technologiemanagement, 2000, S. 138ff. Vgl. Afuah, A., Co-opetitors´, 2000, S. 388ff.; Afuah, A. N.; Bahram, N., Hypercube, 1995, S. 56ff. Vgl. Steinmann, H., Schreyögg, G., Management, 2005, S. 10ff.
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diese Planungsaktivitäten ist die adäquate Entwicklung des prozesstechnologischen Wissens des Funktionalbereiches zu integrieren. Zur Umsetzung der Planungsergebnisse sind Aufgaben zur Organisationsgestaltung, dem Personaleinsatz sowie Führungsaufgaben zu erfüllen. Neben produkttechnologischen beeinflussen hierbei prozesstechnologische Aspekte die Aufgabenerfüllung. So sind etwa von der Produktentwicklung Informationssysteme aufzubauen, die darauf abzielen, externes prozesstechnologisches Wissen zu erfassen und in dessen Bedeutung für die Produktentwicklung zu bewerten. Das erfordert eine, an prozesstechnologischen Erfordernissen ausgerichtete Organisationskonzeption und adäquaten Personaleinsatz. Aufgabe der Kontrolle ist die Überprüfung der in der Planung festgelegten Ziele und gegebenenfalls die Ableitung neuer Planungsbedarfe. Die Kontrolle erstreckt sich auf relevante prozesstechnologische Aspekte. Relevante Aspekte sind zunächst prozesstechnologische Zielvorgaben, die auf Erreichung hin überprüft werden. Von Bedeutung zur Kontrolle der Zielerreichung sind aber auch prozesstechnologische Aspekte, die dazu führten, dass positiv wie negativ zu bewertende Abweichungen von festgelegten Zielen auftraten. 2.3
Der Ressourcenansatz als Erklärungsansatz für die strategische Entwicklung von Prozesstechnologiesystemen
Aufgabe der strategischen Unternehmensführung ist die Entwicklung von Potenzialen, die Vorlaufgrößen für künftige Erfolge bilden.77 Zentrale Fragestellung ist, welche Potenziale als Grundlage für anhaltende, überdurchschnittliche Erfolge aufgebaut werden müssen.78 Der Erfolg ist hierbei an der Realisation mehrdimensionaler (ökonomischer, ökologischer und sozialer) Zielvorgaben der Unternehmungspolitik zu messen.79 Hofer und Schendel definieren „Strategie” als „… the match an organization makes between its internal resources and skills … and the opportunities and risks created by external environment.”80 Mit dieser Definition wird klargestellt, dass Strategieentwicklung auf Basis erwarteter Kausalzusammenhänge zwischen dem Unternehmenserfolg und unternehmensinterner wie - externer Faktoren erfolgen muss.81 Zwecksetzung von Strategien ist es deshalb, durch grundsätzliche Entscheidungen unternehmenspolitische Zielsetzungen zu erreichen. Strategien weisen aus dieser Perspektive Mittelcharakter zur unternehmenspolitischen Zielrealisation auf.82 Die Diskussion der Frage nach den Grundlagen überdurchschnittlicher Unternehmenserfolge wird in der Literatur auf Basis unterschiedlicher theoretischer Ansätze geführt. Seit Be77 78 79
80 81 82
20
Vgl. Gälweiler, A., Unternehmensführung, 1987, S. 23ff. Vgl. Bamberger, I., Wrona, T., Ressourcenansatz, 1996, S. 130 Ökonomische Zielsetzungen dominieren das Unternehmensverhalten. Soziale und ökologische Zielsetzungen weisen sekundäre Bedeutung auf. Als Unternehmenserfolg wird damit von den meisten Autoren der Gewinn, Wettbewerbsvorteile, überdurchschnittliche Wachstumsraten etc. herangezogen. Vgl. Ansoff, I. H., Management-, 1966, S. 55ff.; Tschirky, H., Technologie-, 1991, S. 27f. Hofer, C. W., Schendel, D., Strategy, 1978, S.12 Vgl. Barney, J. B., Resources, 1991, S. 99ff.; Mintzberg, H., Design, 1990, S. 172ff.; Penrose, E. T., Growth, 1980, S. 85ff. Vgl. Corsten, H., Wettbewerbsstrategie, 1998, S. 4
ginn der 80er Jahre richtete die betriebswirtschaftliche Forschung mit der Industrieökonomie ihr Augenmerk, unterstützt durch empirische Befunde, primär auf Zusammenhänge zwischen Unternehmensstrategie, Wettbewerbsposition und Unternehmensumgebung.83 Die Industriestruktur, die Analyse von Chancen und Risiken des Wettbewerbsumfeldes und deren Bedeutung für den Unternehmenserfolg standen im Zentrum des Interesses. Erfolge resultieren aus industrieökonomischer Sicht aus Merkmalen der Branchenstruktur und daraus abgeleiteten adäquaten strategischem Verhalten von Unternehmungen. Porter unterscheidet fünf fundamentale Wettbewerbskräfte (sie werden als „Industriestruktur“ bezeichnet), die den ökonomischen Erfolg von Unternehmungen determinieren: „ … the five forces are the threat of entry, substitution, bargaining power of suppliers, bargaining power of customers, and rivalery among incumbent competitors.“84 (Abbildung 2) Die Entwicklung bzw. der Wechsel von Prozesstechnologien beeinflusst alle Wettbewerbskräfte und verändert so die ökonomische Position von Unternehmungen.85 Zwar werden in industrieökonomischen Ansätzen unternehmensinterne Ressourcen als für die Strategie von Bedeutung erachtet, eine weitergehende Analyse deren Wirkungen findet aber nicht statt. Impliziert wird die Modellprämisse, dass Unternehmungen innerhalb einer wettbewerbsstrategischen Gruppe in ihren Ressourcenausstattungen homogen sind. Weitere Prämisse ist, dass bei Heterogenität der Ressourcenausstattung zwischen Unternehmungen diese nur von kurzem Bestand ist und über Faktormärkte als Folge hoher Ressourcenmobilität rasch ausgeglichen wird.86 Im Gegensatz zu industrieökonomischen Ansätzen liegt bei Vertretern des Ressourcenansatzes das Schwergewicht der Betrachtungen auf den Wirkungen von Unternehmensressourcen auf die Wettbewerbsposition bzw. Strategiebildung von Unternehmungen. Unternehmungen werden als eine Gesamtheit von materiellen, immateriellen und finanziellen Ressourcen, unter gemeinsamer Eigentums- bzw. Verfügungshoheit, verstanden.87 In Erweiterung dieser Sichtweise sind in zunehmendem Maße Ressourcen anderer Unternehmungen (Ressourcensysteme der unmittelbaren Unternehmensumgebung), auf deren Nutzung und Entwicklung Einfluss genommen werden kann, als Quellen der unternehmenspolitischen Zielerreichung von Bedeutung und damit in ressourcentheoretisch geleitete Ansätze aufzunehmen. Weiters können auch Ressourcen der generellen Unternehmensumgebung Quellen der unternehmenspolitischen Zielerreichung sein. So ist etwa die Infrastruktur einer Region (etwa Universitäten, Verkehrsanbindungen etc.) als Ressourcensystem für Unternehmungen nutzbar.88 Der resource-based-view-Ansatz stellt Kausalzusammenhänge zwischen diesen Ressourcen, der 83
84 85 86 87 88
Vgl. Grant, R. M., Resource-based, 1991, S. 114; Porter, M. E., Wettbewerbsvorteile, 2000, S. 37ff.; Zu den Unterschieden verschiedener industrieökonomischer Ansätze gegenüber dem Ressourcenansatz vgl. Conner, K. R., Resource-based, 1991 Porter, M. E., Competing, 1988, S. 212; Williamson, O. E., Transaction, 1990, S. 138ff. Vgl. Porter, M. E., Competing, 1988, S. 214ff. Vgl. Barney, J. B., Resources, 1991, S. 100 Vgl. Penrose, E. T., Growth, 1980, S. 24ff. Vgl. Pfeffer, J., Salancik, G. R., External, 1978, S. 46ff.; Penrose, E. T., Growth, 1980, S. 31
21
Unternehmensstrategie und wirtschaftlichen Erfolgspositionen (in Form von Wettbewerbsvorteilen) her.89 (siehe Abbildung 2)
ressourcentheoretischer Ansatz
Ressourcensysteme der generellen Unternehmensumgebung (verfügbare Infrastruktur): •Universitäten •poltisches Umfeld • …
unternehmensinternes Ressourcensystem: Gesamtheit aus • materiellen, • immateriellen und • finanziellen Ressourcen, im Eigentum der Unternehmung
Erfolgspotenziale aus der Ressourcenausstattung der Unternehmung und ihrer Umgebung
Ressourcensysteme der unmittelbaren Unternehmensumgebung: • Lieferanten • Kunden • Produzenten komplementärer Produkte
Strategisches Verhalten der Unternehmung
Industriestruktur: • threat of entry • substitution • bargaining power of suppliers • bargaining power of customers • rivalery among incubent competitors
Erfolgspotenziale aus der Industriestruktur
Unternehmenserfolg
industrieökonomischer Ansatz
Abbildung 2: Erklärung von Erfolgspotenzialen aus Perspektive der Industrieökonomie und des Ressourcenansatzes90 Die Sichtweise unternehmensinterner Ressourcen als Quellen überdurchschnittlicher Unternehmenserfolge geht auf Penrose (1959) zurück, erlangte aber erst durch Wernerfelt und anderen Autoren Ende der 80er Jahre als Ansatz der unternehmerischen Strategiebildung grö-
89
90
22
Vgl. Barney, J. B., Resources, 1991, S. 105ff.; Grant, R. M., Resource-based, 1991, S. 118ff.; Grant, R. M., Prospering, 1996, S. 379ff.; Wernerfelt, B., Resource-based, 1984, S. 172ff.; Gagnon, S., Resource, 1999, S. 125f. Vgl. Bamberger, I.; Wrona, Th., Ressourcenansatz, 1996, S. 146ff; Pfeffer, J., Salancik, G. R., Organizations, 1978, S. 47ff.; Barney J. B., Resources, 1991, S. 105ff.
ßere Bedeutung.91 In weiterer Folge wurde auf Basis des Ressourcenansatzes (resource-basedview) eine Vielzahl an Forschungen in unterschiedlichste Richtungen angestrengt. So wurden unter anderem Erkenntnisse über Firmengrenzen, vertikale Integration, den Imitationswettbewerb, die Rolle asymmetrischer Informationen, die Bedeutung akkumulierter Ressourcen für nachhaltige Wettbewerbsvorteile, Timingstrategien etc. gewonnen.92 Die Hinwendung verschiedenster Autoren zum Ressourcenansatz reflektiert unter anderem die Unzufriedenheit mit der Prämisse der Ressourcenhomogenität der Industrieökonomie.93 So wird von Vertretern des Ressourcenansatzes die Heterogenität der Ressourcenausstattung sowie Unterschiede in der Ressourcenkombination in Unternehmungen als Ursache von Wettbewerbsvorteilen betrachtet. Zentrale Prämisse des Ressourcenansatzes ist es, dass Heterogenitäten in der Ressourcenausstattung zwischen Unternehmungen langfristig nicht (vollständig) über Faktorenmärkte ausgeglichen werden können.94 Die von der Industrieökonomie vorausgesetzte hohe Ressourcenmobilität wird damit für den wettbewerbsentscheidenden Teil der Unternehmensressourcen bezweifelt. Die Prämissen zur Ressourcenverteilung sind bei Vertretern der Industrieökonomie und des Ressourcenansatzes völlig diametral. Das soll jedoch nicht den Eindruck erwecken, dass diese Ansätze als konkurrierend zu betrachten sind. Vielmehr stellen sie zwei sich ergänzende Konzepte dar. Mit industrieökonomischen Modellen können Unternehmensattribute isoliert werden, welche geeignet sind, Chancen in der Unternehmensumgebung zu erschließen bzw. Risiken zu neutralisieren. Der Ressourcenansatz beschreibt dann die Charakteristika von Ressourcen näher, die nachhaltige Wettbewerbsvorteile generieren sollen.95 Im Rahmen dieser Arbeit wird der Ressourcenansatz als Basis der strategischen Gestaltung unternehmerischer Prozesstechnologiesysteme herangezogen. Ressourcenansatz und Industrieökonomie sollen weiterhin nicht als Gegenpole verstanden werden, sondern als sich wechselseitig ergänzende Ansätze. (Abbildung 2) Fundamentale Annahme des Ressourcenansatzes ist, dass die einzigartige Ausstattung mit wertvollen, schwer imitier- bzw. substituierbaren materiellen und immateriellen Ressourcen Quelle nachhaltiger Wettbewerbsvorteile ist und daraus überdurchschnittliche Gewinne generiert werden können.96 Von besonderer Bedeutung ist hierbei die unternehmensspezifische
91
92 93
94 95
96
Vgl. Penrose, E. T., Growth, 1980; Wernerfelt, B., Resource-based, 1984; Barney, J. B., Resources, 1991; Conner, K. R., Resource-based, 1991; Dierickx, I., Cool, K., Advantage, 1989; Grant, R. M., Resourcebased, 1991; Siehe dazu die Kritik von Teece an der Theorie der Unternehmungen. Vgl. Teece, D. J., Management, 1984, S. 88ff. Vgl. Lieberman, M. B., Montgomery, D. B., (Dis)Advantages, 1998 Vgl. Teece, D. J., Management, 1984, S. 96ff.; Vertreter des Ressourcenansatzes argumentieren auch, dass der Einfluss der Branchenstruktur relativ gering sei. Vgl. Rumelt, R. P., Matter, 1991, S. 176ff. So sind überdurchschnittlich erfolgreiche Unternehmungen branchenunabhängig zu erkennen. Vgl. Dierickx, I., Cool, K., Advantage, 1989, S. 1505f.; Penrose, E. T., Growth, 1980, S. 132ff., 136ff. Vgl. Bamberger, I., Wrona, T., Ressourcenansatz, 1996, S. 147; Barney, J. B., Advantage, 1995, S. 49; Jenner, T., Erfolgspotenziale, 1998, S. 1313; McGrath, R. G., MacMillan, I., Venkataraman, S, Competence, 1995, S. 252f. Vgl. Rhyne, L. C., et al., Technology-based, 1997, S. 188; Bamberger, I., Wrona, T., Ressourcenansatz, 1996, S. 131f.; Barney, J. B., Resources, 1991, S. 105ff.; Barney J. B., Resource, 2001
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Ressourcenintegration.97 Anhaltende Wettbewerbsvorteile können aber nur dann realisiert werden, wenn heterogene Ressourcenausstattungen über längere Zeiträume aufrechterhalten werden können (Abbildung 2). Das setzt voraus, dass Ressourcen immobil und nicht substituierbar sind. „Exklusivität ist [jedoch] eine Eigenschaft, die vom Wesen her flüchtig ist.“98 Entsprechend der Erosionsgeschwindigkeit mit der die Exklusivität einer Ressource abnimmt, verliert diese als Wettbewerbsfaktor an Bedeutung. Die Mehrzahl der Autoren setzt den Ressourcenansatz in Beziehung zu generierbaren Wettbewerbsvorteilen.99 Vernachlässigt wird damit aber, dass unternehmenspolitische Zielsetzungen mehrdimensional sind und Wettbewerbsvorteile gegenüber Konkurrenten und die daraus erzielbaren Gewinne nur einen Aspekt der Unternehmenslegitimation darstellen. Den Ressourcenansatz auf die Erreichung ökonomischer Zielsetzungen zu reduzieren, stellt folglich eine unzulässige Verkürzung der Realität dar. In gleicher Weise wie Unternehmensressourcen überdurchschnittliche ökonomische Zielerreichung ermöglichen können, können sie auch Quellen für überdurchschnittliche Beiträge zu ökologischen und eventuell sozialen Zielsetzungen sein. Das gilt auch für Prozesstechnologien. 2.3.1
Der Ressourcenbegriff
Unter „Ressourcen“ sind alle Träger von Leistungspotenzialen (kurz Potenzialträger), die der Unternehmung verfügbar sind und Stärken oder Schwächen bedingen können, zu verstehen.100 Der Ressourcenbegriff wird in der Literatur sehr extensive interpretiert und umfasst alle materiellen und immateriellen Güter, Systeme und Prozesse, die von einer Unternehmung disponierbar sind.101 Das umfasst zunächst Ressourcen, die sich im Eigentum der Unternehmung befinden. Darüber hinaus können Unternehmungen aber auch über Ressourcen disponieren, die sich nicht in deren Eigentum befinden. Das sind etwa infrastrukturelle Ressourcen (Verkehrswege, Rohstoffversorgung etc.) oder Ressourcen anderer Unternehmungen, die zur Verfügung stehen (etwa bevorzugte Rechte, Leistungen von Lieferanten zu nutzen).102 Die Klassifizierung und Abgrenzung von Ressourcen erfolgt, je nach Zielsetzung der Veröffentlichung, in sehr unterschiedlicher Weise.103 Zumeist wird (wenn auch häufig nur implizit) zwi97 98 99 100 101 102 103
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Vgl. Silverman, B. S., Diversification, 1999, S. 1110 Kern, W., Kernkompetenzen, 2002, S. 20 Vgl. Grant, R. M., Resource-based, 1991, S. 118ff. Vgl. Wernerfelt, B., Resource-based, 1984, S. 172f.; West III, P. G., DeCastro, J., Weaknesses, 2001, S. 421ff.; Penrose, E. T., Growth, 1980, S. 25 Vgl. Bamberger, I., Wrona, T., Ressourcenansatz, 1996, S. 132ff.; Barney, J. B., Resources, 1991, S. 101f.; Tyler, B. B., Complementarity, 2001, S. 3f. Vgl. Schneider, U., Wissensmanagement, 2001, S. 105f. Penrose unterscheidet etwa zwischen „physical“ und „human resources“. Speziell betont Penrose die Bedeutung von Wissen und Erfahrung des Managementteams und deren subjektiven Interpretationen der Unternehmensumgebung. Vgl. Penrose, E. T., Growth, 1980, S. 24ff. und 31ff.; Rhyne, L. C., et al., Technologybased, 1997, S. 189ff. Sie untergliedern in Ressourcen (physische, technologische, finanzielle), Human assets und Senior Management. Barney bezeichnet als Ressourcen alle Vermögenswerte, Fähigkeiten, Unternehmensattribute, Informationen, Wissen etc., die unter der Kontrolle der Unternehmung stehen. Barney, J. B., 1991, Resources, S. 101f. Nach Hofer und Schendel sind zu unterscheiden: finanzielle, physikalische, menschliche, technologische und organisatorische Ressourcen. Vgl. Hofer, C. W., Schendel, D., Strategy,
schen tangiblen (physischen und finanziellen) und intangiblen (immateriellen) Ressourcen unterschieden.104 Unter tangiblen Ressourcen sind Potenzialträger zu verstehen, die körperlich erfassbar (inventarisiert) und zumeist mit Preisen bewertet werden können. Diese Ressourcen sind in Unternehmungen, da entsprechende Aufzeichnungen zu führen sind, i. A. einfach zu ermitteln.105 Intangible Ressourcen sind im Gegensatz dazu Potenzialträger ohne physische Substanz. Sie umfassen zunächst Potenzialträger wie etwa Patente, Lizenzen, Urheberrechte, Verträge, Reputation etc. Auch diese sind zum Teil erfassbar und (monetär) bewertbar. Darüber hinaus sind unter intangiblen Ressourcen Wissen und Begabungen der Mitarbeiter sowie die Organisationskultur zu verstehen.106 Diese Anteile intangibler Ressourcen sind nicht oder nur unvollständig inventarisierbar und entziehen sich einer objektiven Bewertung hinsichtlich ihrer Erfolgswirkungen.107 Technologien stellen ebenfalls Ressourcen im obigen Sinn dar.108 Unterscheiden lassen sich bei diesen - entsprechend der gewählten Prozesstechnologiedefinition - tangible (Techniken) und intangible Ressourcenanteile in Form von Mitarbeiterwissen und Mitarbeiterbegabungen. 2.3.2
Der Kausalzusammenhang zwischen Ressourcen und Unternehmenserfolg
Zentrale Aussage des Ressourcenansatzes ist, dass Ressourcen, über die Unternehmen verfügen, Quellen überdurchschnittlicher Erfolge - durch realisierte Wettbewerbsvorteile sein können.109 Wettbewerbsvorteile resultieren aus Kosten-Nutzen-Relationen, die aus Kundenperspektive von der Unternehmung relativ zu Konkurrenten in höherem Maße erfüllt werden. Überlegene Leistungen müssen x
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für den Kunden wichtige Leistungsmerkmale betreffen,
1978, S. 145; Grant, R. M., Resource-based, 1991, S. 119f., Bamberger, I., Wrona, T., Ressourcenansatz, 1996, S. 132ff. Vgl. Praest, M., Capabilities, 1998, S. 179; Penrose, E. T., Growth, 1980, S. 52ff Vgl. Grant, R. M., Resource-Based, 1991, S. 119f. Es ist zu betonen, dass durchaus auch immaterielle Vermögenswerte - etwa Lizenzen - in der Unternehmensbilanz enthalten sind. Vgl. Hall, R., Resources, 1992, S. 136ff.; Hall, R., Capabilities, 1993, S. 608ff. und die dort zitierte Literatur; Bouncken, R. B., Kernkompetenzen, 2000, S. 867; Handlbauer, G., Hinterhuber, H. H., Matzler, K., Kernkompetenzen, 1998, S. 914f.; Praest, M., Capabilities, 1998, S. 179ff.; Powell, T. C., Alignment, 1992, S. 120f.; Zur Typologisierung von Wissen vgl. Zahn, E., Wissen, 1998, S. 43f.; Oftmals werden in der Literatur die Begriffe „Kompetenz“ und „Fähigkeit“ verwendet. Praest systematisiert diese Begriffe im Rahmen des unternehmerischen Ressourcensystems hierarchisch. Kompetenzen (die unter anderem auch Fähigkeiten umfassen) sind demnach Kapazitäten begriffshierarchisch übergeordnet. Wesentlicher Merkmalsunterschied ist der hohe Anteil an tacit-knowlede von Kompetenzen gegenüber Fähigkeiten. Vgl. Praest, M., Capabilities, 1998, S.177ff. Siehe dazu im Gegensatz die Definition intangibler Ressourcen durch ICANZ (ED87) und das International Accounting Standards Committee (ISAC) (IAS38) als identifizierbare, nicht-monetäre Vermögenswerte ohne physische Substanz (immateriell), die von Unternehmen zur Nutzung in der Produktion oder in der Güterversorgung, zur entgeltlichen Überlassung an Dritte oder für administrative Zwecke gehalten werden. (IASC, 1998, IAS38, para. 7) Vgl. Tozer, L., Hawkes, L., Intangible, 2001, S. 159f. Vgl. Rhyne, L. C., et al., Technology-based, 1997, S. 194f. Vgl. Hahn, D., Führungsaufgaben, 1981, S. 1081; Penrose entwickelt in ihrer Theorie des Wachstums von Unternehmungen einen Kausalzusammenhang zwischen Ressourcen und einem profitablen Unternehmenswachstum. Vgl. Penrose, E. T., Growth, 1980, S. 178f.
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als Vorteile vom Kunden wahrgenommen werden und
dauerhaft sein, im Sinne, dass sie von Konkurrenten nicht kurzfristig einholbar sind.110 Wettbewerbsvorteile ergeben sich nur, wenn Unterschiede in den Ressourcenausstattungen (bzw. der Ressourcenkombination) zwischen Unternehmungen bestehen und diese langfristig aufrechterhalten werden können.111 Nicht alle Unternehmensressourcen sind jedoch geeignet, nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu generieren bzw. abzusichern.112 Ressourcen, die dieses Potenzial aufweisen, sind durch folgende Eigenschaften gekennzeichnet:113 x
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sie sind „wertvoll“ in dem Sinne, dass durch sie Chancen, die die Unternehmensumgebung eröffnet, erschlossen bzw. Risiken neutralisiert werden können
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sie müssen knapp sein
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sie dürfen nicht vollständig imitierbar sein
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sie dürfen nicht vollständig substituierbar sein
sie dürfen keiner zeitlichen Abnutzung unterliegen, um nachhaltig (i. S. v. zeitlich anhaltend) Wettbewerbsvorteile zu generieren In der Literatur werden Unternehmensressourcen primär als Quellen nachhaltiger Wettbewerbsvorteile zur Erreichung ökonomischer Zielsetzung diskutiert.114 Im Rahmen dieser Arbeit soll diese Sichtweise ausgeweitet und Ressourcen auch in deren Bedeutung als Quellen ökologischer wie sozialer Zielbeiträge analysiert werden. Die Realisation ökologischer und sozialer unternehmenspolitischer Zielsetzungen erfordert stets den Einsatz von Unternehmensressourcen. Zunächst können dann durch Erreichen ökologischer Zielsetzungen Wettbewerbsvorteile realisiert werden. Das ist etwa dann der Fall, wenn in einem Marktsegment „ökologisch erstellte“ Produkte anderen vorgezogen werden. Weiters können Wettbewerbsvorteile generiert werden, wenn es Unternehmungen gelingt, ökologische Zielsetzungen ökonomisch effizienter (durch geringeren Einsatz monetärer Ressourcen) als Konkurrenten umzusetzen. Ressourcen, mit denen Unternehmungen ökologische Zielsetzungen realisieren, können damit unmittelbar der Generierung von Wettbewerbsvorteilen dienen - es besteht Zielkomplementarität zwischen ökologischen und ökonomischen Zielsetzungen.115 x
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Vgl. Simon, H., Wettbewerbsvorteile, 1988, S. 463ff. Vgl. Corsten, H., Wettbewerbsstrategie, 1998, S. 136ff.; Tyler, B. B., Complementarity, 2001, S. 12ff.; Wheelwright, S. C., Bowen, K. H., Manufacturing, 1996, S. 61 Vgl. Leonard-Barton, D., Knowledge, 1995, S. 3ff.; Dierickx, I.; Cool, K., Advantage; 1989, Barney J. B., Resources, 1991 Vgl. Barney, J. B., Resources, 1991, S. 105f.; Bamberger, I., Wrona, T., Ressourcenansatz, 1996, S. 135ff.; Wernerfelt, B., Resource-based, 1984, S. 173ff.; Grant, R. M., Resource-Based, 1991, S. 123ff.; Dierickx, I., Cool, K., Advantage, 1989, S. 1507ff.; Penrose, E. T., Growth, 1980, S. 53, 74ff., 137, Vgl. Leonard-Barton, D., Knowledge, 1995, S. 3ff.; Roberts weist in diesem Zusammenhang nach, dass einzigartige Ressourcen den Erfolg neu gegründeter Unternehmungen wesentlich beeinflussen. Vgl. Roberts, E. B., Success, 1992, S. 7ff. Vgl. Strebel, H., Zielsysteme, 1981, S. 460f.
Von zentraler Bedeutung für die anhaltende Prosperität von Unternehmungen ist die Fähigkeit, neue Ressourcen(kombinationen) zu generieren, welche Wettbewerbsvorteile ermöglichen. Um das Ressourcensystem der Unternehmung weiter zu entwickeln, sind die unternehmerischen Fähigkeiten, neue Ressourcen(kombinationen) zu identifizieren, zu entwickeln und auszuschöpfen, erforderlich.116 Diese existenziellen Fähigkeiten sind vor allem in dynamischen und turbulenten Technologieumfeldern von Bedeutung. Die Entwicklung neuer prozesstechnologischer Ressourcen(kombinationen) ist weiters nicht ex nihilo möglich, sondern erfordert zwingend eine prozesstechnologische wie potenzialerschließende Ressourcenbasis. Je größer der Umfang dieser Ressourcenbasis ist, umso wahrscheinlicher ist es, dass weitere, neue Ressourcen(kombinationen) generiert werden können. Entwickelt wird die Ressourcenbasis in der Vergangenheit durch unternehmensspezifische (trial-and-error) Lernprozesse. Die spezifische Ressourcenausstattung und ihre weitere Entwicklung ist damit Ergebnis eines nicht imitierbaren, im Kontext organisations- und umgebungsspezifischer Rahmenbedingungen zu betrachtenden Entwicklungspfades.117 2.3.3
Ressourcensysteme und potenzialerschließende Ressourcensysteme
Unternehmensressourcen weisen je nach ihren qualitativen und quantitativen Eigenschaften ein grundsätzliches Potenzial auf, Beiträge zur Erreichung unternehmerischer Zielsetzungen zu liefern (Quellen von Erfolgsbeiträgen, Potenzialressourcen). Unter dem Potenzial ist aber nur die Möglichkeit zur verstehen, durch eine Ressource Erfolgsbeiträge zu realisieren.118 Um das Potenzial der Ressource zu erschließen und dadurch konkrete Erfolgsbeiträge zu erzielen, ist zwingend ein ressourcenerschließendes System erforderlich.119 Dieses ermöglicht es der Unternehmung, sich potenziell erzielbare Erfolgsbeiträge einer Ressource anzueignen.120 Das ressourcenerschließende System ist keine Quelle von Erfolgspotenzialen jedoch als komplementäres Ressourcensystem unabdingbar.121 Von Unternehmungen müssen
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Vgl. Schumpeter, J. A., Theorie, 1997, S. 88ff. Vgl. Godfrey, P. C., Gregersen, H. B., Resources, 1999, S. 41ff. Einen empirischen Befund dafür liefern McGrath, MacMillan und Venkataraman. Vgl. McGrath, R. G., MacMillan, I., Venkataraman, S, Competence, 1995, S. 255ff. Vgl. Pümpin, C., Dynamik-, 1992, S. 47ff.; Bullinger, H.-J., Technologiemanagement, 1994, S. 89ff.; Li, T., Calantone, R. J., Competence, 1998, S. 14f.; Oft wird auch der Begriff der Kompetenz synonym zu Potenzial (bzw. Qualifikation) verwendet. Das entspricht einer prozessualen Sicht des Kompetenzbegriffes. Vgl. Li, T., Calantone, R. J., Competence, 1998, S. 14; Gemünden, H. G., Ritter, T., Kompetenz, 2001, S. 302f.; Rhyne, L. C., et al., Technologybased, 1997, S. 188; Youndt, M. A., et al., Performance, 1996, S. 836ff.; Prahalad, C. K., Hamel, G., Competence, 1990, S. 82; Blecker, T., Kaluza, B., Produktionsstrategien, 2003, S. 19ff.; Servatius, H.-G., Methodik, 1985, S. 30f.; Tyler, B. B., Complementarity, 2001, S. 18f. Am Beispiel flexibler Fertigungsprozesse stellen Faria, Fenn und Bruce diesen Zusammenhang dar. Vgl. Faria, A., Fenn, P., Bruce, A., Determinants, 2002, S. 574ff.; Zahn, E., Huber-Hoffman, M., Wettbewerbsfaktor, 1995, S. 141; Shenhar, A. J., Adler, P. S., Base, 1996, S. 4.5ff.; Tampoe, M., Competencies, 1994, S. 68f. Vgl. Bamberger, I., Wrona, T., Ressourcenansatz, 1996, S. 135; Cohen, W. M., Levinthal, D. A., Capacity, 1990, S. 133ff. Gleiches gilt für dynamic capabilities. Auch diese sind nicht als Quelle nachhaltiger Wettbewerbsvorteile zu betrachten. Sie sind aber zur Realisation dieser unabdingbar. Vgl. Eisenhardt, K. M., Martin, J. A., Capabilities, 2000, S. 1110
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daher auch Ressourcensysteme aufgebaut werden, die geeignet sind, vorhandene Ressourcenpotenziale (im Rahmen dieser Arbeit Leistungspotenziale von Prozesstechnologien) effizient in Beiträge zur Zielerreichung umzusetzen.122 Als komplementär werden Ressourcensysteme bezeichnet, wenn sie eine (überdurchschnittlich) erfolgswirksame Ausschöpfung vor Ressourcen mit Quellcharakter - wie etwa Technologien - ermöglichen. Diese Definition lässt Spielraum für sehr extensive Interpretationen offen. So sind etwa effiziente Distributionskanäle, die effektive werbemäßige Ausschöpfung technologischer Ressourcen, ein adäquates, die Produktion unterstützendes, Controllingsystem etc. als komplementäre Ressourcensysteme prozesstechnologischer Systeme zu verstehen.123 Wird ein hohes Aggregationsniveau herangezogen, so können unter komplementären Ressourcen Ressourcensysteme von Funktionalbereichen (Marketing, F&E etc.) verstanden werden, die die Ausschöpfung von prozesstechnologischen Ressourcensystemen ermöglichen. Auf niedrigerer Aggregationsstufe ist unter „komplementären Ressourcen“ jenes Ressourcensystem zu verstehen, das unmittelbar der Ausschöpfung prozesstechnologischer Leistungspotenziale zur Erstellung unternehmerischer Leistungen dient (Abbildung 3).
Erfolgsbeiträge
Erschlossene Leistungspotenziale der Ressource
Potenzialressource (Quelle von Erfolgsbeiträgen) z. B. Prozesstechnologien
potenzialerschließendes Ressourcensystem
Verhalten der Mitarbeiter
Gestaltungsbereiche des Prozesstechnologiemanagements (in Zusammenwirken mit anderen Funktionalbereichen)
Abbildung 3: Potenzialressourcen und potenzialerschließende Ressourcensysteme
122 123
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Vgl. Hamel, G., Prahalad, C. K., Stretch, 1993, S. 78ff. Vgl. King, D. R., Covin, J. G., Hegarty, H. W., Complementary, 2003; Alvarez, S. A., Barney, J. B., Alliances, 2001, S. 140f.; Tyler, B. B., Complementarity, 2001, S. 3f.; Teece, D. J., Profiting, 1986; Shenhar, A. J., Adler, P. S., Base, 1996, S. 4.12f.
Unter unternehmerischen Leistungen sind hierbei Produkte i. w. S. zu verstehen, aber auch durch F&E hervorgebrachte Inventionen. Komplementär sind diese Ressourcen stets in Relation zu einer betrachteten Prozesstechnologie (bzw. einem prozesstechnologischen System). In diesem Sinne können komplementäre Ressourcen andere Prozesstechnologien (Prozesstechnologiesysteme) sowie potenzialerschließende Ressourcensysteme sein. Das potenzialerschließende Ressourcensystem umfasst Wissen und Verhaltensweisen (ausgenommen prozesstechnologisches), dass eine effiziente Ausschöpfung betrachteter Prozesstechnologiesysteme ermöglicht. Beispiele dafür sind Arbeitsmethoden zur koordinierten Technologieausschöpfung oder ein adäquates Projektmanagement zur Weiterentwicklung von Prozesstechnologiesystemen. In weiterer Folge wird dem Zweck der vorliegenden Arbeit entsprechend die letztere Abgrenzung zugrunde gelegt. Potenzialressourcen und potenzialerschließendes, komplementäres Ressourcensystem bedingen sich zur Realisation von Erfolgsbeiträgen und sind entsprechend aufeinander abzustimmen.124 Die Veränderung von Zielsetzungen durch veränderte Unternehmensstrategien (bzw. Funktionalbereichsstrategien) erfordern deshalb die simultane Weiterentwicklung von Ressourcensystemen mit dem Charakter von Erfolgsquellen und des für die Nutzbarmachung ihrer Potenziale erforderlichen komplementären Systems.125 Von zentraler Bedeutung ist damit die Integration prozesstechnologischer und potenzialerschießender Ressourcen. Komplementäre Ressourcen müssen dazu nicht zwingend im Eigentum der eigenen Unternehmung stehen. Von Bedeutung ist lediglich der gesicherte Zugriff zu benötigten Ressourcen.126 Erfolgt die Integration mangelhaft, ist eine unvollständige Ausschöpfung des Leistungspotenzials von Prozesstechnologien die Konsequenz daraus. Weiters ist auch eine „Abstoßreaktion“ gegenüber neuen Prozesstechnologien durch Organisationen möglich. Die neue Prozesstechnologie kann dann aufgrund unternehmensinterner Rigiditäten nicht in ihr Ressourcensystem integriert werden.127 Wright, McMahan und McWilliams weisen weiters darauf hin, das Mitarbeitern als Träger von Wissen zentrale Bedeutung als Potentialressource sowie als potenzialerschließende Ressource zukommt. Sie erweitern in diesem Zusammenhang die Integration von Potenzialressourcen und potenzialerschließenden Ressourcen um einen verhaltenstheoretischen Ansatz. Unternehmenszielsetzungen sind demzufolge nur dann realisierbar, wenn Wissen durch ein
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Vgl. Chi, T., Trading, 1994, S. 274f. So stehen kleine, innovative, junge Unternehmen bei ihren Expansionsbemühungen oft vor dem Problem, adäquate (oftmals finanzielle) Ressourcen zur Ausbeutung technologischer Ressourcen nicht in ausreichender Qualität bzw. Quantität zu besitzen. Oft werden die Defizite durch Kooperation mit großen Unternehmungen beseitigt. Vgl. King, D. R., Covin, J. G., Hegarty, H. W., Complementary, 2003, S. 595ff.; Youndt, M. A., et al., Performance, 1996, S. 836 Vgl. Hamel, G., Prahalad, C. K., Strech, 1993, S. 80f.; Harrison, J. S., u. a., Complementarity, 2001, S. 680f. Utterback und Afuah zeigen die hohe Bedeutung der regionalen Infrastruktur (regionale Kunden- und Lieferantenstruktur, regionale Technologiekonzentration, Politik etc.) als Ressourcensystem zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen auf. Vgl. Utterback, J. M., Afuah, A. N., Diamond, 1998, S. 185ff.; Nicholls-Nixon, C. L., Technological, 1995, S. 10 Vgl. Gopalakrishnan, S., Unraveling, 2000, S. 141ff.
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entsprechendes Verhalten der Mitarbeiter erschlossen werden kann.128 Aufgabe des Human Ressource Managements, in Abstimmung mit dem Prozesstechnologiemanagement, ist es somit, nicht nur das Wissen von Mitarbeitern zielorientiert zu entwickeln, sondern auch deren Verhaltensweisen (Abbildung 3). Das umfasst die Akquisition, Nutzung, Speicherung und Veränderung der Dimensionen von Humanressourcen - das Mitarbeiterwissen wie deren Verhalten.129 2.3.4
„Ressourcen-Fit“ und „dynamic capability“ als Basis nachhaltiger Erfolgsbeiträge
Kontingenztheoretischer Ansatz, um Unternehmenserfolge zu erklären, ist die adäquate Ausrichtung endogener Designvariablen (wie etwa die Organisationsstruktur, Formalisierung von Planungsabläufen etc.)130 mit exogenen Kontextvariablen (wie etwa Marktunsicherheit, Technologiedynamik etc.).131 In gleicher Weise wird auch im Ressourcenansatz argumentiert. Durch „geeignet“ ausgerichtete Ressourcensysteme werden Chancen, die die Unternehmensumgebung eröffnet, erschlossen bzw. Risiken neutralisiert und so Wettbewerbsvorteile begründet. Wettbewerbsvorteile resultieren dann daraus, dass order-winning-Kriterien in höherem Maße als von Konkurrenten erfüllt werden können (siehe Abschnitt 4.2.3).132 Unternehmungen sind in eine Umgebung eingebettet, deren Anforderungen an die erstellten Leistungen (sowie anderen erwünschten wie unerwünschten externen Effekten) im Zeitablauf Veränderungen unterliegen. Über gewisse Bereiche kann den veränderten exogenen Anforderungen durch die bestehenden Ressourcenkonzeptionen mittels operativer Flexibilität nachgekommen werden.133 Langfristig ist die Wettbewerbsfähigkeit aber nur durch „… die Fähigkeit eines Unternehmens, sich rasch und kostengünstig an wesentliche, nachhaltige Veränderungen der relevanten Gegebenheiten (auch) durch ein verändertes Produktions- oder Leistungsprogramm anzupassen“134 zu gewährleisten.135 Diese Fähigkeit ist Voraussetzung für die langfristige Existenzsicherung und damit systematisch zu entwickeln.136 Das verlangt aus prozesstechnologischer Perspektive, dass Unternehmungen zur Verteidigung bzw. zum
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129 130 131 132 133 134 135 136
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In diesem Zusammenhang wird auf die Aufgabe des Human Ressource Managements, das Verhalten wie Wissen und die Fähigkeiten der Mitarbeiter simultan zu entwickeln, eingegangen. Wright, P. M., McMahan, G. C., McWilliams A., Resources, 1994, S. 304f.; Wright, P. M., Dunford, B. B., Snell, S. A., Human, 2001, S. 704ff.; Huselid, M. A., Jackson, S. E., Schuler, R. S., Human, 1997, S. 171f.; Arthur, J. B., Manufacturing, 1994, S. 671ff.; Wildemann, H., Reorganisationsgeschwindigkeit, 1995, S. 7 Vgl. Wright, P. M., Snell, S. A., Human, 1991, S. 211ff. So zeigt Powell auf Basis empirischer Daten einen Zusammenhang zwischen Unternehmensgröße und adäquater Organisationsstruktur auf. Vgl. Powell, T. C., Alignment, 1992, S. 121f. Vgl. Powell, T. C., Alignment, 1992, S. 120f.; Hofer, C. W., Schendel, D., Strategy, 1978, S.12; Wright, P. M., Dunford, B. B., Snell, S. A., Human, 2001, S. 712f. Vgl. Schlie, T. W., Technology, 1996, S. 7.3ff. Vgl. Gutenberg, E., Grundlagen, 1973, S. 80ff. Jacob, H., Flexibilität, 1989, S. 57 Vgl. Persentili, E., Alptekin, S. E., Flexibility, 2000, S. 2011f.; Hayes, R. H., Pisano, G. P., Beyond, 1994 Vgl. Godfrey, P. C., Gregersen, H. B., Resources, 1999, S. 50ff.; Teece, D. J., Pisano, G., Shuen, A., Capabilities, 1997, S. 515
Ausbau ihrer Wettbewerbsposition in der Lage sein müssen, alle Entwicklungsphasen einer Prozesstechnologie zu beherrschen und auch Technologiewechsel rasch zu vollziehen.137 Teece, Pisano und Shuen fordern aus diesem Grund eine stärkere Dynamisierung des Ressourcenansatzes und entwickeln dazu den „Dynamic Capabilities Ansatz“.138 Definiert werden „… dynamic capabilities as the firm´s ability to integrate, build, and reconfigure internal and external competences to address rapidly changing environments.”139 Zielsetzung des Modells ist es, einen Erklärungsansatz für die Fähigkeiten von Unternehmungen zu liefern ihre Kompetenzen entsprechend veränderter Anforderungen der Unternehmensumgebung zu erneuern. Ziel ist es, in dynamischen Umgebungen langfristig Kongruenz zwischen Umgebungsanforderungen und Ressourcensystem der Unternehmung zu gewährleisten. Mit dem dynamic capabilities Ansatz wird auf Basis des Ressourcenansatzes abgeleitet, wie diese Forderung zu realisieren ist. „The term ´dynamic´ refers to the capacity to renew competences so as to achieve congruence with the changing business environment; …“140 Eine Schlüsselrolle bei der Weiterentwicklung von Ressourcensystemen nimmt das strategische Management ein: “The term ´capabilities´ emphasizes the key role of strategic management in appropriately adapting, integrating, and reconfiguring internal and external organisational skills, ressources, and functional competences …“141 Zentrale Aussage des Modells ist, dass Wettbewerbsvorteile in Organisations- und Managementprozessen begründet sind. Diese werden von den verfügbaren Ressourcen der Unternehmung und deren zurückliegenden Entwicklung determiniert. Auch dynamic capabilities sind als Ressourcen zu betrachten. Wertvoll ist diese Ressource, wenn sie konsequent zur antizipativen Weiterentwicklung der Unternehmung erschlossen werden kann (Abbildung 4).142 Prozesse übernehmen die Rolle der Koordination/Integration, des Lernens und der Rekonfiguration/Transformation. Koordination/Integration wird als statisches Konzept verstanden. Koordinations- bzw. Integrationsaufgaben verfolgen die Zwecksetzung der möglichst effizienten Kombination vorhandener unternehmenseigener und -fremder Ressourcen. Bezogen werden diese Prozesse begrifflich auf Nutzung konzeptionell festgelegter Ressourcensysteme zur Lösung bekannter Aufgaben.143 Damit sind Koordinations- bzw. Integrationsprozesse als
137 138
139 140 141 142 143
Vgl. Williams, J. R., Advantage, 1992, S. 33ff. Vgl. Teece, D. J., Pisano, G., Shuen, A., Capabilities, 1997; Penrose erklärt das dauerhafte Wachstum von Unternehmungen durch Ressourcenakkumulationsprozesse, gepaart mit dem Prozess der administrativen Reorganisation. Penrose konzentriert sich in ihren Ausführungen auf den Ressourcenakkumulationsprozess. Allerdings hebt Penrose auch die Bedeutung von Innovationen zur Generierung bzw. Absicherung eines ökonomisch effizienten Unternehmenswachstums hervor. Vgl. Penrose, E. T., Growth, 1980, S. 65ff. und 136ff. Teece, D. J., Pisano, G., Shuen, A., Capabilities, 1997, S. 517 Teece, D. J., Pisano, G., Shuen, A., Capabilities, 1997, S. 515 Teece, D. J., Pisano, G., Shuen, A., Capabilities, 1997, S. 515 Vgl. Eisenhardt, K. M., Martin, J. A., Capabilities, 2000, S. 1116; Shenhar, A. J., Adler, P. S., Base, 1996, S. 4.5ff. Vgl. Eisenhardt, K. M., Martin, J. A., Capabilities, 2000, S. 1107
31
repetitive Routinen zu betrachten, die von Unternehmungen mehr oder weniger effizient gestaltet werden können. Ressourcen der Unternehmung • materielle • immaterielle • finanzielle
Koordination Integration
Lernen
Organisationsund Managementprozesse
Wettbewerbsvorteile
Replikation Rekonfiguration Transformation
Pfadabhängigkeit
Abbildung 4: Das Modell des Dynamic Capabilities Ansatzes Unter Replikation ist der Transfer von Kompetenzen von einem konkreten Transformationssystem auf ein anderes (neues) zu verstehen.144 Das Transformationssystem ist durch seine Transformationsaufgabe (Zwecksetzung des Systems), Systemressourcen, Inputs, Outputs und deren Verknüpfung in Transformationsprozesse definiert. Zunächst ist es Zielsetzung von Replikationsprozessen, Transformationssysteme innerhalb eines Betriebes oder an verschiedenen Standorten zu duplizieren. Von zentraler Bedeutung für die Replizierbarkeit und Replikationsgeschwindigkeit ist das Ausmaß an kodifizierbaren Wissen zur Kompetenzbeschreibung (siehe Abschnitt 2.4.2.1). Ist die Kompetenz vollständig kodifizierbar, so ist im Sinne eines mechanistischen Systems eine Replikation als triviales Problem zu betrachten. Systeme können damit sehr rasch und effizient repliziert werden. Je rascher und einfacher Systeme dupliziert werden können, umso leichter sind sie i. d. R. auch imitierbar. Aus Perspektive des Ressourcenansatzes sind solche Systeme als nicht wertvoll zu klassifizieren.145 Mit zunehmenden Anteilen nicht kodifizierbaren (bzw. tacit) Wissens nehmen die Probleme der Repli144
145
32
Vgl. Teece, D. J., Pisano, G., Shuen, A., Capabilities, 1997, S. 525, in einem anderen Zusammenhang bezeichnet Nicholls-Nixon den dazu erforderlichen Lernprozess als „learning-by-using“ im Gegensatz zu „learning-by-doing“. Vgl. Nicholls-Nixon, C. L., Technological, 1995, S. 7 Vgl. Winter, S. G., Knowledge, 1987
kation zu. Wissen (Kompetenz) kann dann nicht mehr durch systematische Schulungen repliziert werden. Systembetreiber des neuen Systems müssen, geführt durch erfahrene Mitarbeiter im neuen Arbeitssystem angeleitet werden. Zwecksetzung ist es, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es Mitarbeitern ermöglichen, individuelle Erfahrungen mit Transformationssystemen zu kanalisieren und so rasch erforderliches „tacit-knowledge“ aufzubauen (siehe auch Abschnitt 2.4.2.1). Von einer reinen Duplikation der Kompetenz kann dann nicht mehr gesprochen werden, da aus Erfahrungen mit Transformationssystemen individuelle Modelle über Ursache-Wirkungszusammenhänge aufgebaut werden. Gründe dafür sind Unterschiede in den wahrgenommenen Systemverhalten, in verschiedenartigen Wertesystemen und Erfahrungen (mit anderen Transformationssystemen) in der Vergangenheit. Replikation kann damit nicht auf die Kompetenzübertragung im Sinne einer 1:1-Kopie aufgefasst werden. Die Fähigkeit der Replikation ist aber auch auf die Abbildung von Kompetenzen auf veränderte Transformationssysteme zu übertragen. Von einer (affinen) Abbildung bestehender Kompetenzen wird gesprochen, da es hier nicht mehr Zielsetzung ist, Kompetenzen möglichst unverändert in Transformationssysteme zu integrieren, die in ihren Elementen und/oder Relationen neuartig sind, sondern vielmehr deren Anpassung an veränderte Systembedingungen. Bestreben ist es, auf Basis vorhandener Kompetenzen durch Lernprozesse diese so zu adaptieren, dass sie eine effiziente Nutzung des neuen Systems gestatten. Die erste Phase der Kompetenztransformation muss aus Effizienzgründen von analytisch geprägtem Lernen (Learningbefore-doing) dominiert sein, in dem Rahmenbedingungen konzipiert werden, die eine Transformation bestehender Kompetenzen in neue zulassen. Lernen stellt ein dynamisches Konzept dar. Durch Wiederholen und Experimentieren werden neue Muster für Routineprozesse entwickelt (Learning-by-doing).146 Unterstellt wird von den Autoren, dass diese effizienter sind als die Substituierten. Impliziert wird ein Selektionsprozess, der Effizienzsteigerungen des Gesamtsystems sichert und suboptimale Lösungen verwirft. Unterstützt wird diese Verfestigung durch Aktivitäten des Prozessmanagements. So zeigen Benner und Tushmann einen positiven Zusammenhang zwischen der Intensität von Aktivitäten des Prozessmanagements und Innovationen, die eine vorhandene Technologiebasis extensiv ausschöpfen.147 Erfolgreiche Routinen verfestigen sich im Sinne ausgetretener Denkpfade auf individueller wie organisationaler Ebene.148 Das Gruppen- wie Individualverhalten erstarrt jedoch mit der wiederholten Ausübung von Routinen und wird damit gegenüber neuen Verhaltensmustern zunehmend resistenter.149 Explorative Innovationen, die darauf aufbauen, dass externes Wissen rasch integriert und ausgeschöpft wird, sind bei verfestigten Handlungsroutinen tendenziell seltener. Benner und Tushmann weisen einen negativen Zusammenhang zwischen Aktivitäten des Prozessmanagements und explorativen Innovationen 146 147 148 149
Vgl. Jambekar, A. B., Nelson, P. A., Barriers, 1996, S. 29.2ff.; Mildenberger, U., Systemische, 2001, S. 707ff. Vgl. Benner, M. J., Tushman, M., Photography, 2002, S. 679ff. Vgl. McGrath, R. G., MacMillan, I., Venkataraman, S, Competence, 1995, S. 255f. Vgl. Leonard-Barton, D., D., Rigidities, 1992, S. 118ff.; Boeker, W. Strategic, 1997, S. 154
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nach.150 Durch Aktivitäten des Prozessmanagements verfestigte Verhaltensmuster be- bzw. verhindern demnach den Aufbau neuartiger Technologien. Weiters wird die Entwicklung veränderter Verhaltensweisen für die Ausschöpfung der neuen Technologien unterbunden. Der dynamic capabilities Ansatz als koordinierender Managementprozess soll Impulse setzen, diesen Erstarrungsprozess zu verhindern. Zur effektiven Weiterentwicklung prozesstechnologischer Systeme ist oftmals eine Vielzahl beharrender Kräfte zu überwinden sowie eine große Vielfalt an Einflußfaktoren zu berücksichtigen. Der Planungsprozess sollte aus diesem Grund offen gestaltet werden. Darunter ist eine Planung zu verstehen in der eine Vielzahl unterschiedlichster Handlungsoptionen berücksichtigt werden müssen.151 Von besonderer Bedeutung sind dynamic capabilities bei der Übernahme neuer Technologien, die bisher genutzte substituieren. Damit dynamic capabilities verfügbar sind, müssen sie in Phasen inkrementaler Technologieentwicklungen aufgebaut werden.152 Als Instrumente werden interorganisationales Lernen oder die Flexibilisierung von Arbeitsaufgaben vorgeschlagen, um so kontinuierlich neue Lernimpulse zu setzen.153 Tranfield und Smith sehen als eine Möglichkeit, Inflexibilität durch Erstarren unternehmerischer Ressourcen zu verhindern, die kontinuierliche Regeneration durch offensive qualitative wie quantitative Leistungssteigerungen.154 Burmann weist darauf hin, dass Lernen als zentrale Kompetenz in den Kompetenzen der Replikation und Rekonfiguration impliziert sind.155 Mit dem Prozess der Rekonfiguration wird das zur Leistungserstellung und –verwertung genutzte Ressourcensystem in seinen Elementen und Relationen verändert, um so veränderten Umgebungsanforderungen zu entsprechen. Damit ist der Umfang von Veränderungen als Reaktion auf oder Antizipation von Umgebungsveränderungen nicht definiert (siehe dazu die Anpassungserfordernisse prozesstechnologischer Systeme auf Veränderungen von Kundenbzw. Lieferantenanforderungen in Abschnitt 4.2.6).156 Den Rekonfigurationsprozess beziehen Teece, Pisano und Shuen auf konzeptionelle Veränderungen des Ressourcensystems von Unternehmungen. In zunehmend arbeitsteiligen Wirtschaften ist eine Ressourcenrekonfiguration oft nur mehr als koordinierter Prozess mehrerer Unternehmungen möglich. Der Rekonfigurationsprozess muss daher inhaltlich extensiver definiert werden und gleichermaßen Prozesse zur Veränderung unternehmensfremder Ressourcensysteme umfassen. Voraussetzung für die Rekonfiguration von Ressourcensystemen ist, dass die dazu benötigten Ressourcen der Unternehmung zugänglich und in das betrachtete Ressourcensystem technisch integrierbar sind. Der Zugriff auf Ressourcen kann etwa durch Patente, Geheimhaltung etc. blockiert werden. Auch fehlende Systemkompatibilität kann die Rekonfiguration 150 151 152 153 154 155 156
34
Vgl. Benner, M. J., Tushman, M., Photography, 2002, S. 681ff. Vgl. Jenner, T., Planungsprozessen, 2001, S. 115ff. Vgl. Tripsas, M., Surviving, 1997, Sp. 344; Sen, F. K., Egelhoff, W. G., Alliances, 2000, S. 175f. und179f.; Hayes, R. H., Revers, 1985, S. 116f. Vgl. Wildemann, H., Reorganisationsgeschwindigkeit, 1995, S. 9f.; Teece, D. J., Pisano, G., Shuen, A., Capabilities, 1997, S. 520f. Vgl. Gagnon, S., Resource, 1999, S. 131f. Vgl. Burmann, C., Flexibilität, 2005, S. 39f. Vgl. Eisenhardt, K. M., Martin, J. A., Capabilities, 2000, S. 1107f.
eines Ressourcensystems verhindern. Das ist etwa der Fall, wenn durch einen Technologiewechsel kerntechnologische und mit diesem komplementäre Ressourcensysteme obsolet werden. Auf Basis bestehender Ressourcen kann eine Rekonfiguration damit nicht erfolgen. Ist der Zugriff auf Ressourcen und deren Systemkompatibilität gewährleistet, so ist für die Effizienz des Rekonfigurationsprozesses zunächst das frühzeitige Erkennen von Veränderungsbedarfen bestimmend. Diese Fähigkeit kann als „Strategiekompetenz“ bezeichnet werden.157 Je früher Veränderungsbedarfe erkannt werden, umso länger ist der Zeitraum für eine koordinierte Planung und schrittweise Konzeptionsänderung des Ressourcensystems. Das rekonfigurierte System kann dann i. d. R. mit geringeren Kosten realisiert werden. Das erfordert eine permanente Überwachung der Märkte, Technologien und anderer relevanter Umgebungsfaktoren (siehe Abschnitt 4.4.2.3).158 Voraussetzung einer effizienten Umsetzung ist die Aneignungsfähigkeit neuer Ressourcen bzw. Ressourcenkombinationen. Das setzt den Willen und die Fähigkeit der Mitarbeiter voraus, sich das zur Systemrealisation erforderliche Wissen in Lernprozessen anzueignen. Lernprozesse bei Rekonfigurationsaufgaben bestehen in hohem Maße aus trial-and-error-Lernprozessen (learning-by-doing überwiegt hierbei als organisationales Lernverhalten).159 Die strategische Position von Unternehmungen ist nicht nur durch ihre Prozesse bestimmt, sondern auch durch die von ihr gehaltenen Ressourcen. Teece, Pisano und Shuen beziehen sich hier auf unternehmensspezifische Ressourcen. Diese umfassen „ … for example its [der Unternehmung] specialized plant and equipment. These include its difficult-to-trade knowledge assets and assets complementary to them, as well as its reputational and relational assets. Such assets determine its competive advantage at any point in time.”160 Unterschieden wird zwischen x
technology,
x
complementary,
x
financial,
x
reputational,
x
structural (formale und informale Strukturen der Organisation),
x
institutional (Regulierungssystem, Systeme zum Schutz von Wissen etc.) und
x
market (structure) assets.
Als weitere Einflussgröße auf die strategische Position wird das Ausmaß der vertikalen, horizontalen und lateralen Integration diskutiert. Die Sichtweise, dass die strategische Position von Unternehmungen durch deren spezifischen Ressourcen begründend wird, ist allerdings nicht vollständig. Die Gesamtheit der Resx
157 158 159 160
Vgl. Zahn, E., Foschiani, S., Tilebein, M., Wissen, 2000, S. 63f.; Zahn, E., Strategiekompetenz, 1999, S. 13f. Vgl. Teece, D. J., Pisano, G., Shuen, A., Capabilities, 1997, S. 520f. Vgl. Burmann, C., Flexibilität, 2005, S.41f.; Zur Theorie des organisationalen Lernens vgl. Zahn, E., Dillerup, R., Wandels, 1995, S. 62ff. Teece, D. J., Pisano, G., Shuen, A., Capabilities, 1997, S. 521
35
sourcen und damit auch unspezifische Ressourcen begründen die strategische Position von Unternehmungen. So können etwa von unspezifischen Ressourcen Wirkungen ausgehen, die eine Schwächung der strategischen Position zur Konsequenz haben. Schwächen aus Ressourcen müssen nicht zum Zeitpunkt der Betrachtung, sondern können erst später wirksam werden. Wettbewerbsvorteile sind dementsprechend Ergebnis des unternehmerischen Ressourcensystems mit all seinen Stärken und Schwächen.161 Die zukünftige Entwicklung von Unternehmungen ist vom Status quo der Unternehmung (Ressourcen und Prozesse) und von deren Entwicklung in der Vergangenheit abhängig „history matters“.162 Zentrale Aussage ist, dass Investitionen in technische Ausstattungen und das aufgebaute Repertoire an Routinen die künftige Entwicklung bestimmen.163 Argumentiert wird von den Autoren, dass in der Vergangenheit Handlungsroutinen (zumeist trial-, feedback- und evaluation-Prozesse) entwickelt wurden, in denen Lernprozesse eingebettet ablaufen und dadurch die weiteren Entwicklungsmöglichkeiten limitiert werden. Wie die Handlungsroutinen ausgeprägt sind, hängt von der Ressourcenausstattung der Unternehmung ab. Leonard-Barton unterscheidet vier Dimensionen von Kompetenzen: Fähigkeiten und Wissen, technische Systeme, Managementsysteme sowie Werte und Normen.164 Von der Ausprägung dieser Dimensionen ist abhängig, ob Kompetenzen Veränderungen fördern bzw. behindern. In Phasen inkrementaler technologischer Entwicklungen werden diese Dimensionen auf Basis vorhandener Ressourcensysteme, durch deren Nutzung und Entwicklung technologiekonform geprägt und verfestigt. Bei einem bevorstehenden Technologiewechsel wirken diese Dimensionen Veränderungen entgegen.165 Dynamic capability, organisationale Aufmerksamkeit und Strategieemergenz bilden die Kernelemente strategischer Flexibilität; von Jacob als „Entwicklungsflexibilität“ bezeichnet.166 Darunter ist die Fähigkeit von Unternehmungen zum strategischen Wandel durch zielorientierte Veränderungen aller Strategien und deren Elemente zu verstehen.167 Können Unternehmungen nicht proaktiv Umgebungsentwicklungen in ihren Strategien antizipieren, so wird die strategische Flexibilität als reaktives Potenzial, auf veränderte Anforderungen zu antworten, ein kritischer Erfolgsfaktor der Existenzsicherung.168 Cohen, Nelson und Walsh
161 162 163 164
165 166
167 168
36
Vgl. West III, P. G., DeCastro, J., Weaknesses, 2001, S. 421ff.; Christensen, R. C. u. a., Business, 1987, S. 247ff. Vgl. Teece, D. J., Pisano, G., Shuen, A., Capabilities, 1997, S. 522f. Vgl. Eisenhardt, K. M., Martin, J. A., Capabilities, 2000, S. 1114ff. Itami und Numagami weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass durch eine in Unternehmungen integrierte und akzeptierte Technologie, Strategien die dieser aufbauen von Organisationen leichter akzeptiert werden. Grund dafür ist die akzeptierte Logik bestehender Technologiesysteme. Vgl. Itami, H., Numagami, T., Interaction, 1992, S. 129f. Vgl. Leonard-Barton, D., Rigidities, 1992, S. 112ff. Vgl. Kaluza, B., Blecker, T., Flexibilität, 2005, S. 3ff.; Burmann, C., Flexibilität, 2005, S. 30ff.; Jacob, H., Flexibilität, 1989, S. 57ff.; Burman thematisiert die strategische Flexibilität als wesentlicher Einflussfaktor auf den Unternehmenswert. Vgl. Burmann, C., Flexibilität, 2001; Swink, M., Hegarty, H. W., Manufacturing, 1998, S. 381ff.; Hirschbiegel, U., Frauenfelder, P., Substitutionen, 1998, S. 502f. Vgl. Sanchez, R., Flexibility, 1993, S. 254ff. Vgl. Zahn, E., Nowak, M., Schön, M., Strategien, 2005, S. 84ff.
zeigten in einer empirischen Studie, dass diese Fähigkeit bei der Nutzung von Prozesstechnologiesystemen wichtiger ist als Patente auf Fertigungstechnologien.169 Die Entwicklung prozesstechnischer Systeme wird - aus rein technischer Perspektive ausschließlich durch deren Status quo bestimmt; wie dieser in der Vergangenheit erreicht wurde, ist irrelevant. Aus ökonomischer Perspektive beeinflussen die Entwicklung des Prozesstechniksystems in der Vergangenheit sowie die verfügbaren Finanzressourcen die weitere Systementwicklung. Jedes Element materieller Systeme weist eine spezifische Nutzungsdauer auf. Der Beschaffungszeitpunkt, die Intensität der Nutzung sowie ökonomische Effizienzargumente bestimmen dann den Zeitpunkt des planmäßigen Ausscheidens bzw. Ersatzes. Für die Planung der Entwicklung prozesstechnologischer Systeme lassen sich die bestehenden Systemelemente in ihrer ökonomischen Bedeutung wie folgt unterscheiden: x
Anlagen, die innerhalb des Planungshorizontes o planmäßig ersetzt werden müssen o planmäßig ersatzlos ausscheiden
x Anlagen, die bis über den Planungshorizont genutzt werden sollen. Zunächst werden durch künftige Bedarfe an Ersatzinvestitionen finanzielle Ressourcen der Unternehmung gebunden, die die strategische Entwicklung des Systems behindern (verzögern) können. Entscheidungsproblem ist, ob die Ersatzinvestition oder eine Investition in andere (systementwickelnde) Anlagen getätigt werden soll bzw. kann. So ist oftmals aus technischen Gründen eine Ersatzinvestition erforderlich und nicht disponierbar (außer Produkte werden aufgegeben). Das ist zum Beispiel der Fall, wenn in Fertigungsprozessen Toleranzgrenzen der Produktmerkmale nicht mehr eingehalten werden können. Weiters stellt sich im Zusammenhang mit der Entwicklung von Prozesstechnologiesystemen oft auch die Frage, ob aufgrund veränderter Zielsetzungen Anlagen vor dem geplantem Ersatz bzw. Ausscheiden aus der Unternehmung bereits substituiert bzw. eliminiert werden sollen. Diese Entscheidung wird von der verbleibenden Restnutzungsdauer beeinflusst. So sind die (inflationär bereinigten) variablen Kosten von Transformationssystemen über die Nutzungsdauer nicht konstant, sondern variieren mit der technischen Qualität prozesstechnologischer Systeme, die wiederum vom technischen Zustand des Systems (und damit von der zurückliegenden Nutzungsdauer und -intensität) abhängen. Unternehmungen verfügen nicht über unbegrenzte finanzielle Mittel. Neu- und Ersatzinvestitionen sind daher in Abhängigkeit von Beschaffungszeitpunkten, der Art der Nutzung des technischen Systems und zukünftigen Unternehmensstrategien zu entscheiden. Bestehende Techniksysteme und unabdingbare Ersatzinvestitionen können so prozesstechnische Expansionsbemühungen begrenzen. „History matters“ gilt also auch hier.
169
Vgl. Cohen, W., Nelson, R. R., Walsh, J., Patent, 1997; Wildemann, H., Reorganisationsgeschwindigkeit, 1995, S. 3
37
2.4
Prozesstechnologiesysteme als Ressourcen unternehmerischer Zielerreichung
Strategische Aktivitäten beinhalten die Schaffung langfristiger Erfolgspotenziale (Legitimationspotenziale) durch Allokation und Entwicklung von Ressourcen.170 Auch Prozesstechnologien (bzw. Prozesstechnologiesysteme) sind Ressourcen (Ressourcensysteme) in diesem Sinne, die ein Nutzenpotenzial - das Prozesstechnologiepotenzial - zur Zielerreichung bereitstellen. Unter dem „Prozesstechnologiepotenzial einer Unternehmung“ ist damit die prinzipielle Fähigkeit von Unternehmungen zu verstehen, auf Basis ihrer Ausstattung mit prozesstechnologischem Wissen und Techniken sowie deren unternehmensspezifischer Kombination, den an sie gestellten Anforderungen zu entsprechen.171 Das Prozesstechnologiepotenzial ist als eine unternehmensspezifische latent oder effektiv vorhandene Konstellation des entscheidungsrelevanten Prozesstechnologiesystems aufzufassen, die durch Aktivitäten des Unternehmens zur Erreichung unternehmenspolitischer Zielsetzungen erschlossen werden kann.172 Das Prozesstechnologiesystem mit seinen Merkmalsausprägungen ist folglich Quelle von Zielbeiträgen, die durch Kombination mit anderen (komplementären) potenzialerschließenden Ressourcen zur unternehmerischen Zielerreichung erschlossen werden kann.173 Potenzialerschließende Ressourcen sind aber keine Quellen, die ursächlich zur Zielerreichung beitragen.174 Es ist anzumerken, dass Prozesstechnologien keinen Selbstzweck aufweisen, sondern erst durch zielorientierte Ausbeutung Nutzen stiften sollen. Die Entwicklung von Prozesstechnologien erfordert demnach aus ökonomischer Perspektive zwingend komplementäre, potenzialerschließende Ressourcen. Zwischen komplementären Ressourcen besteht damit eine wechselseitige Abhängigkeit zur Realisation künftiger Erfolgsbeiträge.175 Prozesstechnologiesysteme und die für deren Potenzialerschließung erforderlichen komplementären Ressourcensysteme sind demzufolge als eine Einheit zu betrachten, die in ihrer Gesamtheit vom unternehmerischen Prozesstechnologiemanagement zielorientiert zu entwickeln ist.176 Wird nur das Prozesstechnologiesystem zum Gegenstand systematischer strategischer Planungen gemacht, so sind Defizite bei der Potenzialerschließung die Folge. Die Aus-
170 171 172 173 174
175 176
38
Vgl. Hinterhuber, H. H., Unternehmensführung, 1980, S. 26ff. Vgl. Tschirky, H., Technologie-, 1991, S. 28; Tschirky, H., Technologie, 1998, S. 245f. Vgl. Pümpin, C., Dynamik-, 1992, S. 46ff. Vgl. Teece, D. J., Organization, 1996, S. 197ff.; Teece, D. J., Profiting, 1986, S. 288ff.; Bouncken, R. B., Kernkompetenzen, 2000, S. 869; Tampoe, M., Competencies, 1994, S. 67 Wright, McMahan und McWilliams weisen in diesem Zusammmenhang darauf hin, dass das TopManagement nicht Quelle von Wettbewerbsvorteilen ist, sondern Mitarbeiter mit entsprechendem technologischen Wissen. Die Bedeutung des Top-Managements besteht in der Ressourcenausschöpfung durch entsprechende Ressourcenallokation. Vgl. Wright, P. M., McMahan, G. C., McWilliams A., Resources, 1994, S. 313f. Vgl. Chi, T., Trading, 1994, S. 274f.; Porter, M. E., Wettbewerbsvorteile, 2000, S. 223ff. Floyd und Wooldridge weisen auf die zentrale Bedeutung des Middle-Managements bei der Entwicklung potenzialerschließender Ressourcen und dynamic capabilities hin. Vgl. Floyd, S. W., Wooldridge, B., Dinosaurs, 1993, S. 49ff.
schöpfung vorhandener Prozesstechnologiepotenziale erfolgt dann nur unvollständig.177 Von Unternehmungen werden in diesem Fall (unbewusst) prozesstechnologische Überkapazitäten gehalten, um festgelegte Zielsetzungen zu realisieren. Werden komplementäre, potenzialerschließende Ressourcen zieladäquat weiterentwickelt, so können höhere Zielbeiträge bei gleichem Prozesstechnologiesystem realisiert werden.178 Das Prozesstechnologiesystem determiniert die zieladäquate Ausgestaltung des potenzialerschließenden Ressourcensystems. Umgekehrt wird die Potenzialausschöpfung des Prozesstechnologiesystems durch die konkrete Ausprägung des potenzialerschließenden Ressourcensystems bestimmt. Prozesstechnologiesystem wie potenzialerschließendes Ressourcensystem sind nicht als statisch, sondern als sich dynamisch entwickelnde Systeme zu betrachten. Veränderungen in einer der beiden Komponenten weisen im Regelfall unmittelbare Auswirkungen auf die andere und in weiterer Folge auf das verfügbare wie ausgeschöpfte Prozesstechnologiepotenzial der Unternehmung auf. Da unternehmenspolitische Zielsetzungen zeitlichen Veränderungen unterliegen, ist auch die Entwicklungsfähigkeit des unternehmerischen Prozesstechnologiesystems in seiner grundlegenden Bedeutung zur Leistungserstellung und -verwertung als Begriffsinhalt des Prozesstechnologiepotenzials zu verstehen.179 Das Nutzenpotenzial besteht dann darin, dass ein vorhandenes prozesstechnologisches und das damit verbundene potenzialerschließende Ressourcensystem seine zielkonforme Weiterentwicklung in technisch einfacher Weise, unter möglichst geringem ökonomischem Aufwand zulässt. Dieses Nutzenpotenzial wird von Teece, Pisano und Schuen als „dynamic capability“ bezeichnet.180 Basis dieses Nutzenpotenzials sind spezifische Ausprägungen von Ressourcen und Ressourcenkombinationen des prozesstechnologischen wie potenzialerschließenden Ressourcensystems, die das Potenzial aufweisen, eine rasche Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen zu gestatten.181 Ein Konzept, die strategische Flexibilität prozesstechnischer Systeme möglichst hoch zu gestalten, sind „Reconfigurable Manufacturing Systems (RMS)“. Im Vergleich zu konventionellen Fertigungssystemen können die Subsysteme (Produktionsanlagen und EDV-gestützte Regelungssysteme) von RMS in deren Relationen rasch verändert werden. Weiters ist eine Integration neuer Prozesstechniken einfach möglich (Zu den Voraussetzungen dafür siehe Abschnitt 6.3.2.1.). Das setzt für heutige Fertigungsstandards extrem hohe qualitative wie quantitative, operative wie strategische Flexibilität voraus. Bei Fertigungsprozessen stoßen diese Intentionen rasch an physikalische Grenzen. Probleme seitens des unterstützenden EDV-Systems sind hingegen von eher untergeordneter Bedeutung. Vertreter des RMSAnsatzes sind sich dieser Problemstellung offensichtlich bewusst und argumentieren, dass (modular aufgebaute) Produktfamilien in solchen Systemen gefertigt bzw. strategisch integ177 178 179 180 181
Vgl. Skinner, W., Technology, 1984, S. 122f. Vgl. West III, P. G., DeCastro, J., Weaknesses, 2001, S. 430f. Vgl. Bullinger, H.-J., Technologiemanagement, 1994, S. 50 Vgl. Teece, D. J., Pisano, G., Shuen, A., Capabilities, 1997, S. 510f.; Burmann, C., Flexibilität, 2001, S. 174ff. Vgl. Gagnon, S., Resource, 1999, S. 130; Brown, S., Managing, 2001, S. 469f.
39
riert werden sollen. Die Forderung nach Modulbauweise schränkt das erforderliche Ausmaß der Flexibilität prozesstechnologischer Systeme erheblich ein.182 Defizit des RMS-Konzeptes ist die fehlende Abgrenzung gegenüber flexiblen Fertigungssystemen auf prozesstechnischer Ebene, sodass sich das innovative RMS-Konzept lediglich als konsequente Nutzung flexibler Fertigungssysteme darstellt.183 Das Prozesstechnologiepotenzial ist von den „Leistungsmerkmalen prozesstechnologischer Systeme und deren Ausprägungen“ begrifflich abzugrenzen. Leistungsmerkmale sind wertneutrale, objektive, interpersonell überprüfbare Aussagen über die physikalischen, chemischen, optischen etc. Wirkungen (Input-Output-Relationen) und Eigenschaften von Prozesstechnologiesystemen. Die wertneutrale, interpersonell überprüfbare Erfassung von Leistungspotenzialen stößt allerdings bei prozesstechnologischem Wissen an Grenzen. Bedingt ist das durch verschiedenartige Interpretation nicht operationalisierbarer Leistungsanteile sowie tacit knowledge. Die Gesamtheit der Leistungsmerkmale von Prozesstechnologien wird in weiterer Folge als „technische Leistungsfähigkeit bzw. Leistungspotenzial“ bezeichnet.184 Mit dem Begriff des „Prozesstechnologiepotenzials“ werden Leistungsmerkmale von Prozesstechnologiesystemen aus einer unternehmensspezifischen Perspektive wertend als Erfolgspotenzial betrachtet.185 Basis der Bewertungen bzw. Beurteilungen ist das unternehmenspolitische Zielsystem.186 Das Prozesstechnologiepotenzial ist damit eine unternehmensspezifische Größe, die zwischen erwünschten, unerwünschten und neutralen Leistungsbeiträgen des Prozesstechnologiesystems wertend differenziert.187 Bei identen prozesstechnologischen Systemen zweier Unternehmungen, jedoch unterschiedlichen Zielsystemen, werden die Leistungsmerkmale in ihrer Zielwirkung unterschiedlich beurteilt werden. Entsprechend unterscheiden sich auch die Bestrebungen zur Potenzialerschließung voneinander. Als Konsequenz daraus, werden verschiedenartige Ressourcensysteme zur Erschließung des vorhandenen Prozesstechnologiepotenzials ausgebildet werden. 2.4.1
Leistungsmerkmale prozesstechnologischer Systeme
Einziges unternehmerisches Interesse an Prozesstechnologiesystemen sind die Zielbeiträge (das Prozesstechnologiepotenzial), die mit diesem generiert werden können. Aus den unternehmenspolitischen Zielsetzungen sind für die strategische prozesstechnologische Planung 182 183
184 185 186 187
40
Vgl. Abdi, M. R., Labib, A., Manufacturing, 2003, S. 2274ff. Die Steigerung der operativen und strategischen Flexibilität ist Zielsetzung verschiedenster Konzepte des Produktionsmanagements. Für einen Überblick über die Managementkonzepte „fraktales Unternehmen“, „bionic manufacturing“, „world class manufacturing“, „next generation manufacturing“, „E-manufacturing“ und „agile manufacturing“ vgl. Zahn, E., Dillerup, R., Foschiani, S., Produktionsmanagement, 1997, S. 136ff.; Blecker, T., Produktionskonzepte, 2001, S. 5ff. Vgl. Kern, W., Fertigungskapazitäten, 1962, S. 23ff.; Domsch, M. E., Ladwig, D. H., Fähigkeiten, 1995, S. 290ff. Vgl. Bullinger, H.-J., Technologiemanagement, 1994, S. 90; Zum Problem der Bewertung neuer Technologien vgl. Gold, B., Capabilities, 1983, S. 210ff. Vgl. Bullinger, H.-J., Technologiemanagement, 1994, S. 99ff.; Strebel, H., Zielsysteme, 1981, S. 458ff. Siehe dazu die Bemühungen das Technologiepotenzial als Bilanz darzustellen. Vgl. Hartmann, M., Technologiebilanz, 1998; Koch, A., Technologiebilanz, 2004, S. 65ff.
daher Prozesstechnologiepotenziale und in weiterer Folge Leistungspotenziale künftiger prozesstechnologischer Systeme abzuleiten. Aus den erforderlichen Leistungspotenzialen sind die konkret einzusetzenden Prozesstechnologien und die Konzeption des potenzialerschließenden Ressourcensystems zu entwickeln. Quellen prozesstechnologischer Potenziale sind: x
Leistungsmerkmalsausprägungen des Prozesstechnologiesystems zur Realisation intendierter Input-Output-Relationen
x
Entwicklungsmöglichkeiten des Prozesstechnologiesystems188
x
Eigenschaften des Prozesstechnologiesystems wie o Machtpositionen in der unternehmensübergreifenden Wertschöpfungskette o Reputation als systemische Eigenschaft des Prozesstechnologiesystems
2.4.1.1 Leistungsmerkmale der Input-Output-Relationen des Prozesstechnologiesystems Primäre Zwecksetzung von Prozesstechnologien bzw. Prozesstechnologiesystemen ist die Realisation intendierter Input-Output-Relationen.189 Die Integration von Prozesstechnologien zu einem System ist ein wesentlicher Bestimmungsfaktor für die Leistungsfähigkeit einzelner Prozesstechnologien. Grund dafür sind limitierende Leistungsmerkmalsausprägungen von Prozesstechnologien, mit denen Relationen aufgebaut werden. So kann eine Prozesstechnik zwar grundsätzlich ein hohes Leistungsniveau aufweisen, durch die Kombination mit anderen Prozesstechniken kann jedoch unter Umständen dieses Leistungsniveau nicht ausgeschöpft werden (LFTk des PTSi, k in Abbildung 5).190 Unterschiede in der Leistungsfähigkeit von Prozesstechnologiesystemen resultieren damit aus der spezifischen Kombination von Prozesstechnologien (charakterisiert durch Art und Leistungsniveau der systembildenden Prozesstechnologien). Innerhalb des betrachteten Systems verfügt die Prozesstechnik über ein zu hohes, weil nicht ausschöpfbares, Leistungspotenzial (Tk*). Analoges gilt für technologisches Wissen, welches stets erst im Gesamtkontext von Produkt-Prozess-Technologiesystemen seine Wirkungen entfalten kann - oder eben nicht. Diese Aussage gilt unternehmensübergreifend. So wird die Leistungsfähigkeit des unternehmerischen Prozesstechnologiepotenzials durch Prozesstechnologiesysteme vor- und nachliegender aber auch anderer, mit der Leistungserstellung der Unternehmung nicht in unmittelbarer Relation stehenden Prozesstechnologiesystemen (z. B. der Produzenten komplementärer Produkte) wesentlich beeinflusst.191 Das Leistungspotenzial von Prozesstechnologiesystemen ergibt sich folglich nicht aus der Summe der einzelnen Leistungspotenziale aller Prozesstechnologien des betrachteten Sys188 189 190 191
Vgl. Teece, D. J., Pisano, G., Shuen, A., Capabilities, 1997, S. 515ff. Vgl. Servatius, H.-G., Methodik, 1985, S. 35 Vgl. Henderson, R., Cycles, 1995, S. 640f. Vgl. Afuah, A. N., Bahram, N., Hypercube, 1995, S. 56ff.; Kaluza, B., Blecker, T., Technologiemanagement, 2000, S. 142ff; Singh, K., Mitchell, W., Collaboration, 1996, S. 99ff.; Brockhoff, K., Wissens, 1995, S. 30f. Im Resource-Dependence-Ansatz werden unternehmensübergreifende Bündelungen von Ressourcen als zentrales Element des Wettbewerbs behandelt. Vgl. Gemünden, H. G., Ritter, T., Kompetenz, 2001, S. 303f.; Zur Bedeutung operativer Koordinationsaktivitäten auf Unternehmensbeziehungen vgl. Van de Ven, A. H., Walker, G., Interorganisational, 1984, S. 600ff
41
LF Tk
tems, sondern aus deren Gesamtheit in ihrer spezifischen Kombination (Abbildung 5). Prozesstechnologiesysteme sind komplexe Systeme. Sie sind durch eine Vielzahl an Elementen gekennzeichnet, die eine Vielzahl an veränderlichen Relationen aufweisen können und als Gesamtheit beeinflusst und verändert werden müssen.192 Eine analytisch exakte Ermittlung der Leistungsfähigkeit prozesstechnologischer Systeme scheitert an der fehlenden Beherrschbarkeit der Systemkomplexität.
TkÙTi
PTSi,k
Ti
T k*
LF Tk
Tk
Tj
T kÙ T j
T k*
PTSj,k LF Tk Ti; Tj; Tk PTSi, k PTSj, k Ti; Tj
Leistungsfähigkeit von Tk Prozesstechnologiesysteme Prozesstechnologiesystem bestehend aus Ti und Tk Prozesstechnologiesystem bestehend aus Tj und Tk alternative, mit Tk kombinierbare (vorgelagerte) Prozesstechnologiesysteme Relation zwischen Prozesstechnologiesystemen Tk*; theoretisch mögliche Leistungsfähigkeit bei entsprechenden vorgeschalteten PTS
Abbildung 5: Das Leistungspotenzial prozesstechnologischer Systeme Halten Kunden oder Lieferanten Produkt- bzw. Prozesstechnologien, die komplementär zu den Ressourcen der Unternehmung genutzt werden können, so resultiert daraus die Möglichkeit, einer höheren Ausschöpfung des unternehmerischen Prozesstechnologiepotenzials als bei Fehlen dieser Ressourcen.193 Von zentraler Relevanz ist dann, in welchem Umfang die Unternehmung über unternehmensfremde Ressourcen verfügen kann.194 Bei wachsender Konzentration auf einen abnehmenden Umfang an Prozesstechnologien, die im Eigentum 192 193
194
42
Vgl. Singh, K., Complexity, 1997, S. 340ff.; Ropohl, G., Systemtheorie, 1979, S. 71f. Auf Basis empirischer Daten weist Dyer einen positiven Zusammenhang zwischen human asset und site specifity zwischen Kunden und Lieferanten nach. Ein positiver Zusammenhang bei physical asset specialization konnte nicht nachgewiesen werden. Limits der empirischen Daten sind die Konzentration auf Automobilhersteller und der geringe Stichprobenumfang. Vgl. Dyer, J. H., Networks, 1996, S. 272ff. Vgl. Grossmann, S. J., Hart, O. D., Ownership, 1986, S. 693f.; Christensen, C. M., Bower, J. L., Customer, 1996, S. 212
einer Unternehmung stehen, nimmt der Einfluss unternehmensfremder Prozesstechnologien auf die Leistungsfähigkeit des unternehmerischen Prozesstechnologiesystems zu. Entsprechend wächst die Bedeutung von Zugriffsmöglichkeiten auf Prozesstechnologiesysteme anderer Unternehmungen.195 Die Ausschöpfung von Kern-Prozess-technologien zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen ist daher neben der unternehmenseigenen Ressourcenausstattung in wesentlichem Maße von Relationen zu Lieferanten und Kunden abhängig (siehe Abschnitt 4.2.6). Die Koordination vertikal desintegrierter Fertigungssysteme wird aus diesem Grund zu einem zentralen Faktor zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen.196 Als singuläre theoretische Leistungsfähigkeit von Prozesstechnologiesystemen wird in weiterer Folge die Gesamtheit der maximal erreichbaren Ausprägungen aller Leistungsmerkmale verstanden.197 Es ergibt sich daraus ein potenzielles Handlungsfeld, innerhalb dessen die Gesamtheit der tatsächlich nutzbaren Kombinationen an Leistungsmerkmalsausprägungen des Systems liegt. Schrittweise ermitteln lässt sich die singuläre theoretische Leistungsfähigkeit eines einzelnen Leistungsmerkmals i (hier i=1), unter Vernachlässigung der Ausprägungen aller anderen Leistungsmerkmale. Wird dieser Vorgang für alle Leistungsmerkmale i=1 bis n durchgeführt, so ergibt sich eine Einhüllende der maximalen Merkmalsausprägungsvektoren & (hier: Z1 ) der singulären Leistungsfähigkeit des betrachteten Prozesstechnologiesystems (siehe Abbildung 6). & Zi
1
ª Z1 max º « » : « » «¬ Z n »¼
Der Bereich der theoretischen singulären Leistungsfähigkeit von Prozesstechnologiesystemen wird durch naturwissenschaftlich-technische Verknüpfung zwischen den Leistungsmerkmalen im betrachtetem Prozesstechnologiesystem eingeschränkt. Gegenüber der Einhüllenden der maximalen theoretischen singulären Leistungsmerkmalsausprägungen eines Prozesstechnologiesystems ergeben sich dann realisierbare Kombinationen von Merkmalsausprägungen, die innerhalb der Hüllkurve liegen.198 Es kann also nicht jede beliebige Merkmalsausprägungskombination innerhalb des theoretischen Handlungsfeldes realisiert werden. Das Prozesstechnologiesystem lässt aufgrund seiner technischen Ausstattungsmerkmale (vorhandenes prozesstechnologisches Wissen bzw. Prozesstechniken) nur gewisse Merkmalsausprägungskombinationen zu. Bei forcierter Nutzung eines Leistungsmerkmals können i. A. 195 196
197 198
Vgl. Stuckey, J., White, D., Integrate, 1993, S. 78ff. Vgl. Benkenstein, M., Henke, N., Integration, 1993, S. 78; Papazoglou, M. P., Ribbers, P., Tsalgatidou, A., Chains, 2000, S. 323ff.; Burgess, T. F., Gules, H. K., Buyer, 1998; Mildenberger, U., Systemische, 2001, S. 705ff. Als Beispiel für ein Bündel an Leistungsmerkmalsausprägungen siehe Servatius, H.-G., Methodik, 1985, S. 363f. Das entspricht dem Technologiebegriff im produktionstheoretischen Sinne, wie er in der Literatur häufig verwendet wird. Eine Technologie (Technologiemenge) ist demnach die Menge der realisierbaren Produktionen (Input-Output-Relationen) betrachteter prozesstechnologischer Systeme. Vgl. Wittmann, W., Produktionstheorie, 1968, S. 3; Dinkelbach, W., Rosenberg, O., Produktionstheorie, 2004, S. 44f.
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andere Leistungsmerkmale nur mehr auf einem geringen Niveau genutzt werden. So ein unerwünschter Effekt ist etwa die Versprödung von Stahlwerkstoffen mit zunehmender Festigkeit. Ein technisch wie ökonomisch unerwünschter Effekt ist auch der überproportionale Anfall unerwünschter Kuppelprodukte bei der Nutzung von Prozesstechniken im Überlastbereich.199 Grundsätzlich kann jedoch auch der Fall eintreten, dass die forcierte Ausschöpfung eines Leistungsmerkmals zu höheren Merkmalsausprägungen anderer Leistungsmerkmale führt. Leistungsmerkmalsausprägungen bei singulärer Maximierung des Leistungsmerkmals Z1
Z1
Z2
Z7
Hüllkurve der theoretischen Leistungsmerkmalsausprägungen bei singulärer Maximierung einzelner Leistungsmerkmalsausprägungen einer einzelnen Prozesstechnologie
Z6
Z3
Z4 Z5 realisierbare Leistungsmerkmalsausprägungen der betrachteten Prozesstechnologie im Kontext eines definierten Prozesstechnologiesystems
tatsächlich realisierte Leistungsmerkmalsausprägungen der betrachteten Prozesstechnologie im Kontext eines definierten Prozesstechnologiesystems
Abbildung 6: Das Leistungspotenzial von Prozesstechnologien – theoretische und realisierte Leistungspotenziale Zur Beschreibung der real möglichen Leistungsfähigkeit von Prozesstechnologiesystemen ist damit die Kenntnis der funktionalen Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Leistungsmerkmalen der Technologie erforderlich. Prinzipiell ist dieses Wissen - wenn auch nicht vollständig – in Unternehmungen vorhanden. Da jedoch die Komplexität der Zusammenhänge bei Betrachtung mehrerer verbundener (in deren Wirkungen eventuell rückkoppelnde) Pro199
44
Riebel, P., Erzeugungsverfahren, 1963, S. 11ff.; Strebel, H., Umwelt, 1994, S. 754; Matschke, M., Umweltwirtschaft, 1996, S. 24ff.
zesstechnologien für Unternehmungen nicht mehr handhabbar ist, ist eine analytische Ermittlung der real vorhandenen Leistungsfähigkeit von Prozesstechnologiesystemen aus ökonomischer Sicht nicht sinnvoll. Die fundierte Abschätzung der bedeutendsten realisierbaren Leistungsmerkmalsausprägungen muss an die Stelle exakter Erhebungen treten. Die von Unternehmungen tatsächlich ausgeschöpfte Leistungsfähigkeit unterscheidet sich von der real vorhandenen Leistungsfähigkeit eines Prozesstechnologiesystems. Durch festgelegte Ziele und Restriktionen, durch externe Festlegungen (z. B. Rechtsvorschriften bezüglich erlaubter Schadstoffemissionen), durch situative Erfordernisse aber auch aus Unwissenheit über die vorhandenen Leistungspotenziale und wie diese erschlossen werden können, werden nur bestimmte Teile der verfügbaren Leistungsmerkmale bzw. Leistungsniveaus tatsächlich ausgeschöpft. So weisen Prozesstechnologiesysteme zumeist Reserven auf, die zur Verfolgung anspruchsvollerer Zielsetzungen genutzt werden könnten.200 2.4.1.2 Entwicklungsmöglichkeiten der Leistungseigenschaften von Prozesstechnologiesystemen Ein spezifisches Nutzenpotenzial ergibt sich für Unternehmungen aus den Möglichkeiten, die ein Prozesstechnologiesystem zu seiner Weiterentwicklung eröffnet.201 Bezeichnet wird das Entwicklungspotenzial als strategische technologische Flexibilität. Ein hohes Entwicklungspotenzial von Prozesstechnologiesystemen schafft der Unternehmung Handlungsfreiräume, um auf veränderte Anforderungen rasch und unter geringem Investitionsbedarf zu reagieren.202 Prozesstechnologiesysteme mit geringem Entwicklungspotenzial sind in ihrer Entwicklungsfähigkeit limitiert bzw. lassen eine Weiterentwicklung nicht zu. Bei Veränderungen in der technologischen Umgebung oder der Bedürfnisstruktur der Anspruchsgruppen ist eine Reaktion (wenn überhaupt) nur mit erheblichem ökonomischem und zeitlichem Aufwand durchführbar (Abschnitt 6.3). Entwicklungsmöglichkeiten von Prozesstechnologiesystemen beziehen sich auf erwartete Veränderungen der Ausprägungen einzelner (oder mehrerer) Leistungsmerkmale. Das Ausmaß der Entwicklungsmöglichkeiten kann hierbei ex ante nicht gesichert prognostiziert werden. Angaben über Entwicklungspotenziale fußen auf mehr oder weniger fundierten subjektiven Erwartungen von Fachleuten über Entwicklungstrends von Prozesstechnologien und den mit diesen verbundenen potenzialerschließenden Ressourcensystemen. Diese Erwartungen sind jedoch ein wesentlicher Einflussfaktor für die Entwicklung unternehmerischer Prozesstechnologiesysteme. Die Literatur stellt zur Abschätzung der Leistungsentwicklung von Technologien verschiedenste Modelle auf unterschiedlichen Aggregationsniveaus zur Verfü-
200 201 202
Vgl. Kaluza, B., Produktdifferenzierungsstrategie, 1996, S. 194 Vgl. Koch, A., Technologiebilanz, 2004, S. 99 Vgl. Sanchez, R., Flexibility, 1993, S. 257
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gung.203 Problematik dieser Modelle ist, dass die meisten von ihnen statistisch nicht verifiziert sind (siehe etwa das S-Kurven-Modell) und eine Überleitung der Erkenntnisse auf andere Technologien nicht möglich ist.204 2.4.1.3 Machtpositionen und Reputation Opportunistisch nutzbare Machtpositionen können aus der Stellung, die das unternehmerische Prozesstechnologiesystem (bzw. einzelne Prozesstechnologien) innerhalb der Branche, der Region, von Wertschöpfungsketten etc. einnimmt, resultieren. Positionen, die Wettbewerbsvorteile generieren, eröffnen sich aus der Verbreitung des unternehmerischen Prozesstechnologiesystems und seiner technisch-ökonomischen Bedeutung für unternehmensfremde Prozesstechnologiesysteme. Wettbewerbsvorteile (aber auch andere unternehmenslegitimierende Nutzenbeiträge) ergeben sich für Unternehmungen, wenn sie Schlüsseltechnologien beherrschen, welche für Produkte oder Prozesse anderer Unternehmungen von zentraler Bedeutung sind und nicht substituiert werden können. Der Nutzen für die Unternehmung resultiert aus einer mehr oder weniger exklusiven Nutzungsmöglichkeit einer Prozesstechnologie mit Schlüsselcharakter in Wertschöpfungsketten oder Regionen und damit verbunden einer (Quasi)Monopolstellung. Bei opportunistischen Verhalten entstehen so einseitige Abhängigkeitsverhältnisse (siehe Abschnitt 4.2.6). Prozesstechnologien können langfristig aber auch Wirkungen auf die Reputation von Unternehmungen aufweisen.205 So suggeriert die Modernität prozesstechnischer Systeme, dass die in diesen Unternehmungen erstellten Produkte qualitativ hochwertiger seien als in vergleichbaren, jedoch älteren Prozesstechnologiesystemen. Entsprechend können auch daraus Wettbewerbsvorteile resultieren.206 2.4.2
Prozesstechnologien als Ressourcen überdurchschnittlichen Unternehmenserfolges
Lange Zeit wurde die Bedeutung des Produktionsbereiches als Ressourcensystem, dass unternehmerische Zielsetzungen in erheblichem Umfang unterstützt, nicht beachtet. Die Produktion wurde eher als „Mühlstein“ zur Realisation unternehmenspolitischer Zielsetzungen, denn als effektive Waffe im Wettbewerb gesehen.207 Skinner, und nach ihm viele andere, wei-
203
204 205 206 207
46
Als zusammenfassende Darstellung häufig zitierter Technologieentwicklungsmodelle vgl.: Benkenstein, M., Modelle, 1989, S. 498ff.; Martino, J. P., Forecasting, 2003; Bürgel H. D., Haller C., Binder M., F&E-, 1996, S. 88ff. Vgl. Brockhoff, K., Innovationsmanagement, 2000, S. 30ff.; Hirschbiegel, U., Frauenfelder, P., Substitutionen, 1998, S. 508; Specht, G., Beckmann, C., Amelingmeyer, J., F&E-Management, 2002, S. 64ff. Vgl. Zahra, S. A., Covin, J. G., Strategy, 1993, S. 456; Zur Bedeutung der Reputation bei technologischen Informationen gegenüber Kunden vgl. Gierl, H., Helm, R., Satzinger, M., Information, 1999, S. 1183ff. Vgl. Hall, R., Capabilities, 1993, S. 610 und 616 Vgl. Skinner, W., Manufacturing, 1969, S. 136ff.; Wheelwright, S. C., Hayes, R. H., Competing, 1985, S. 100f.; Itami, H., Numagami, T., Interaction, 1992, S. 120
sen darauf hin, dass gerade im vernachlässigtem Produktionsbereich erhebliche wettbewerbs-, umwelt- und sozialstrategische Potenziale vorhanden sind.208 2.4.2.1 Prozesstechnologien als wertvolle Ressourcen zur unternehmerischen Zielerreichung Der Bedeutung des Produktionsbereiches und damit prozesstechnologischer Ressourcen als Faktoren zur Begründung und Absicherung des ökonomischen Unternehmenserfolges wird in zunehmendem Maße in der Diskussion über die Ausgestaltung von Produktionsstrategien Rechnung getragen. Bemerkenswert sind hierbei die Erkenntnisse von Gupta und Lonial, die feststellten, dass der direkte Einfluss der Produktionsstrategie auf die ökonomische Erfolgsposition von Unternehmungen größer ist als der der Wettbewerbsstrategie. Weiters wiesen sie einen mittelbaren Zusammenhang - über die Produktionsstrategie - zwischen der Wettbewerbsstrategie und ökonomischer Erfolgsposition nach.209 Diese Erkenntnisse stützt die Vermutung, dass „ … die Produktion in industriellen Unternehmen einen höheren, vielleicht den höchsten Stellenwert im Orchester der betrieblichen Funktionen“210 erhalten sollte. Für produzierende Unternehmungen ist zunächst das prozesstechnische System als wertvolle tangible Ressource von Bedeutung. Prozesstechniken (bzw. prozesstechnische Systeme) sind dann als wertvoll zu bezeichnen, wenn sie (in überdurchschnittlicher Weise) zur Erreichung von Unternehmenszielsetzungen beitragen.211 Kundenbedürfnisse können mit wertvollen prozesstechnischen Systemen, relativ zu Wettbewerbern, anhaltend in höherem Maße erfüllt werden. Daraus resultieren nachhaltige Wettbewerbsvorteile.212 Oft ist die Produkterstellung auch untrennbar an die Beherrschung spezifischer Prozesstechnologien gebunden.213 Voraussetzung zur Generierung bzw. Absicherung von Wettbewerbsvorteilen ist die permanente Weiterentwicklung des unternehmerischen Leistungsprogramms und damit i. A. auch des prozesstechnischen Systems. Unternehmungen müssen dazu kontinuierlich prozesstechnologische Systeme weiter- oder neu entwickeln, um so relative Vorteile gegenüber Wettbewerbern aufrechtzuerhalten.214 Prozesstechnische Systeme sind demnach weiters als wertvoll zu bezeichnen, wenn durch deren konzeptionelle Gestaltung Veränderungen von Kundenbedürfnissen bereits antizipiert wurden. Vorbedingung dafür ist, dass Unternehmungen frühzeitig Szenarien über mögliche Veränderungen von Kundenbedürfnissen entwickeln und diese einer Systemgestaltung zu Grunde legen. 208
209 210 211 212 213 214
Vgl. Skinner, W., Manufacturing, 1969, S. 139ff.; Skinner, W., Paradox, 1986, S. 56f.; Wheelwright, S. C., Hayes, R. H., Competing, 1985, S. 99ff.; Wheelwright, S. C., Strategy, 1984; Braßler, A., Schneider, H., Produktionsmanagement, 2000, S. 27f.; Tushman und Romelli betonen die Bedeutung von Produktionssystemen als Wettbewerbsfaktor bei Produkten in fortgeschrittenen Lebensphasen. Vgl. Tushman, M. L., Romanelli, E., Metamorphosis, 1985, S. 181; Zahn, E., Huber-Hoffman, M., Wettbewerbsfaktor, 1995, S. 146 Vgl. Gupta, Y. P., Lonial, S. C., Manufacturing, 1998, S. 258f.; Sweeney, M. T., Szwejczewski, M., Manufacturing, 1998, S. 27ff. Zahn, E., Produktionsstrategie, 1988, S. 517 Vgl. Schroeder, R. G., Bates, K. A., Junttila, M. A., Manufacturing, 2002, S. 108 und 112ff. Vgl. Zäpfel, G., Produktions-Management, 2000, S. 125f.; Schewe, G., Imitationsmanagement, 1992, S. 256f.; Palupski, R., Beschaffung, 2002, S. 282 Vgl. Geschka, H., Technologiefrühaufklärung, 1995, S. 626 Vgl. Hayes, R. H., Abernathy, W. J., Decline, 1980, S. 73f.
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Aber nicht nur Anforderungen von Kundenseite sind von Relevanz, auch ökologische und soziale Forderungen von anderen Stakeholdern sind in der konzeptionellen Gestaltung von Prozesstechnologiesystemen zu beachten. Aus umweltorientierter Sicht sind Prozesstechniksysteme dann als „wertvoll“ zu bezeichnen, wenn sie die Umweltnutzung bei der Produkterstellung input- wie outputseitig innerhalb vorgegebener Umweltnutzungsgrenzen langfristig gewährleisten bzw. das Risiko möglicher Störfälle mit umweltrelevanten Wirkungen möglichst niedrig halten. Diese unternehmerische Zielsetzung ist nachhaltig nur dann zu realisieren, wenn der Aspekt ständig verschärfender externer Anforderungen frühzeitig Beachtung findet und bei der strategischen Systemgestaltung antizipiert wird. Die Gestaltung prozesstechnologischer Systeme (Prozesstechniksysteme wie Systeme prozesstechnologischen Wissens) erfolgt auf Basis unsicherer künftiger Entwicklungen. Es können damit nicht alle möglichen künftigen Anforderungen durch das Prozesstechnologiesystem berücksichtigt werden. Um bei unerwarteten Anforderungsänderungen Wettbewerbsvorteile abzusichern (zu generieren), ist es erforderlich, dass das prozesstechnologische System an veränderte Anforderungen rasch und effektiv angepasst werden kann. Die Anpassung von Prozesstechnologiesystemen an unerwartete Anforderungen ist ein technisch-ökonomisches Problem. Technisch sind Anpassungen zumeist möglich, werden aber durch ihre ökonomische Sinnhaftigkeit und Finanzierbarkeit begrenzt. Als wertvoll sind folglich Prozesstechnologiesysteme zu bezeichnen, die auch unerwartete Anpassungen in technisch einfacher und damit in kostengünstiger Weise zulassen. Ob ein Prozesstechnologiesystem als wertvoll i. d. S. zu bezeichnen ist, kann jedoch nur ex post beurteilt werden. Das Prozesstechnologiemanagement hat als zu gestaltende Ressourcen neben technischen Anlagen an Mitarbeiter gebundenes Wissen zum Gegenstand. Dem an Mitarbeiter bzw. Organisationen gebundenem Wissen wird von vielen Autoren hauptursächliche Bedeutung bei der Generierung von Wettbewerbsvorteilen beigemessen.215 Aus prozesstechnologischer Perspektive sind Wissen und Verhalten einzelner Mitarbeiter wie ganzer Organisationseinheiten von zentraler Bedeutung für die Systemeffizienz wie Systemeffektivität. Eine systematische Gestaltung der Leistungsfähigkeit von Individuen wie Mitarbeitergruppen ist daher zentraler Aufgabenbereich des Prozesstechnologiemanagements in Zusammenarbeit mit dem Human Resource Management (HRM).216 In weiterer Folge soll der Aufgabenbereich des HRM extensiv, wie in etwa Boxall vertritt, verstanden werden. Boxall versteht unter HRM „… all those activities associated with the management of employ215
216
48
Vgl. Rhyne, L. C., et al., Technology-based, 1997, S. 194; Hall, R., Resources, 1992, S. 139ff.; King und Zeithaml zeigen auf, dass die Bedeutung von Wissen als wertvolle Ressource branchenabhänig variiert. Vgl. King, A. W., Zeithaml, C. P., Knowledge, 2003, S. 764f.; Youndt, M. A., et al., Performance, 1996, S. 839ff.; Grant, R. M., Prospering, 1996, S. 376ff.; Braßler, A., Schneider, H., Produktionsmanagement, 2000, S. 47ff.; Snell, S. A., Dean, J. W. Jr., Manufacturing, 1992, S. 469; Cohen, W., Empirical, 1995, S. 207f.; Albach, H., Maßstäbe, 1988, S. 74 Vgl. Boxall, P., Purcell, J., Human, 2003, S. 89ff. Huselid, Jackson und Schuler weisen auf Basis empirischer Daten einen positiven Zusammenhang zwischen operativem und strategischem, technikorientiertem HRM und dem Unternehmenserfolg nach. Vgl. Huselid, M. A., Jackson, S. E., Schuler, R. S., Human, 1997, S. 173ff.; Bullinger, H.-J., Paradigm, 1997, S. 218
ment realtionships in the firm.“217 Die aus dieser Definition resultierenden Aufgabenfelder erstrecken sich von der Rekrutierung, Entwicklung und Schulung, der Gestaltung des Entlohnungssystems, der Arbeitsorganisation, etc. bis hin zum Management des Ausscheidens des Mitarbeiters aus der Organisation.218 Zielsetzung des strategischen HRM ist es, die Produktivität, Organisationsflexibilität und Soziale Legitimation des Einsatzes von Humanressourcen entsprechend den strategischen Zielsetzungen der Unternehmung zu gestalten.219 Das HRM ist damit als Aufgabenbereich zu betrachten, der in engster Zusammenarbeit die Zielsetzungen des Prozesstechnologiemanagements unterstützen muss (und umgekehrt).220 Prozesstechnologie- und HR-Management überschneiden sich hierbei in ihren Zielsetzungen wie Aufgabenstellungen. Einen Ansatz zur Klärung der Frage, unter welchen Bedingungen Wissen und Begabungen von (potenziellen) Mitarbeitern für Unternehmen wertvoll sind, liefert die firmenspezifische Humankapitaltheorie.221 Ist der Bedarf an prozesstechnologischem Wissen über alle relevanten Unternehmungen homogen (das Wissen und damit die Wissensträger sind perfekt substituierbar) und ist auch die Versorgung mit diesem Wissen homogen (alle Mitarbeiter und potenziellen Mitarbeiter sind in ihrem Wissen und ihrer Wissenserschließung ident), so können keine Wettbewerbsvorteile aus der Ressource Wissen gezogen werden. In allen Unternehmungen würde das vorhandene Wissen gleiche Wirkungen aufweisen. Reale Verhältnisse sind jedoch durch inhomogene Angebote wie Bedarfe gekennzeichnet.222 Grundsätzlich kann zwischen spezifischem und unspezifischem Wissen unterschieden werden.223 Spezifisches Wissen kann nur von einer einzigen Unternehmung (bzw. wenigen Unternehmungen) wettbewerbswirksam genutzt bzw. ausgeschöpft werden. Prozesstechnologisches Wissen, dass diese Eigenschaft aufweist, ist etwa für die Abwicklung unternehmensspezifischer, komplexer Produktionsabläufe erforderlich, die nicht vollständig automatisiert werden können. Weiters ist spezialisiertes prozesstechnologisches Wissen bei der Entwicklung von Produkten notwendig. Hier ist die Spezialisierung nicht auf die Regelung von Prozessen bezogen, sondern auf die spezifische Prozesseignung zur Erstellung von Produkten. Je spezifischer Wissen ist, umso geringer ist die Wahrscheinlichkeit, Mitarbeiter über den Arbeitsmarkt akquirieren zu können, die diesen Bedarf decken. Die interne Aus- und Weiterbildung wird zum bedeutendsten Instrument zur Entwicklung der Ressource Wissen.224 Bedarf an unspezifischem prozesstechnologischem Wissen ist prinzipiell über Faktormärkte akquirierbar. Anzumerken ist, dass die Akquisitionsmöglichkeiten in hohem Maße davon abhängen, welche Qualität an unspezifischem Wissen nachgefragt wird. So lassen sich 217 218 219 220 221 222 223 224
Boxall, P., Purcell, J., Human, 2003, S. 1; Miles, R. E., Snow, C., C., Designing, 1984, S. 47ff. Vgl. Ridder, H.-G., Bruns, H.-J., Personalentwicklung, 2002, S. 97 Vgl. Boxall, P., Purcell, J., Human, 2003, S. 6ff. Vgl. Majchrzak, A., Automation, 1988, S. 130ff. Vgl. Wright, P. M., McMahan, G. C., McWilliams A., Resources, 1994, S. 305f.; Steffy, B. D., Maurer, S. D., Measuring, 1988, S. 273ff. Vgl. Ridder, H.-G., Bruns, H.-J., Personalentwicklung, 2002, S. 106 Vgl. Teece, D. J., Pisano, G., Shuen, A., Capabilities, 1997, S. 520ff. Vgl. Snell, S. A. u. a., Selection, 2000, S. 449ff.
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massive Unterschiede in der Verfügbarkeit zwischen nicht- bzw. schlecht- und hoch qualifizierten Arbeitskräften konstatieren. Probleme ergeben sich für Unternehmungen, wenn auf einem benötigten Qualifizierungsniveau (meist sind das hoch qualifizierte Arbeitskräfte) die Akquisition über Faktormärkte oder andere Quellen nicht möglich ist. In solchen Fällen kann dann temporär auch durch unspezifisches prozesstechnologisches Wissen ein Wettbewerbsnachteil entstehen.225 Neben der Unterscheidung zwischen spezifischem und unspezifischem Wissen ist die Kodifizierbarkeit ein weiteres Merkmal von Wissen. Kodifizierbares Wissen ist dadurch gekennzeichnet, dass Ursache-Wirkungsbeziehungen, Prozessabläufe, Organisationsroutinen etc. in geeigneter Weise (etwa über Veröffentlichungen, Schulungen etc.) kommunizierbar sind. Dieses Wissen kann damit, unabhängig von Unternehmensgrenzen, weitergegeben werden. Kodifiziertes prozesstechnologisches Wissen umfasst inhaltlich systematisch erfasste Ziel-Mittelbeziehungen.226 Beispielsweise ist darunter Wissen über die gesicherte Realisation gewünschter Input-Output-Relationen von Prozesstechniksystemen, unter Einwirkung von Störgrößen zu verstehen. Auch Arbeitsmethoden oder Patente stellen kodifiziertes Wissen dar. Kodifiziertes Wissen kann genutzt werden, um bei gut strukturierten Problemstellungen durch vorgegebene „Routinen“ Lösungen rasch zu generieren. Der systematische Einsatz kodifizierten prozesstechnologischen Wissens setzt voraus, dass Gesetzmäßigkeiten von Ursache-Wirkungsbeziehungen erkannt und formalisiert werden können. Die Reproduktion von Lösungen ist bei Kenntnis dieser Gesetzmäßigkeiten prinzipiell (bei entsprechender Qualifikationsbasis) personen- und organisationsunabhängig möglich. Kodifizierbares prozesstechnologisches Wissen von Unternehmen weist i. A. spezifische wie unspezifische Wissensanteile auf. Unspezifisches kodifiziertes Wissen ist nicht geeignet (da über Märkte verfügbar) Ressourcenheterogenität und damit Wettbewerbsvorteile zu begründen. Entsprechend ist dieses Wissen als nicht wertvoll einzustufen.227 Spezifisches kodifiziertes Wissen ist hingegen grundsätzlich geeignet, Wettbewerbsvorteile aufzubauen und zu sichern. Die dafür langfristige Ressourcenheterogenität wird durch Maßnahmen zur Sicherung einer exklusiven Ressourcennutzung aufrechterhalten. Das kann durch Geheimhaltung oder Patentierung (bzw. durch die exklusive Nutzung einer Lizenz) erreicht werden. Spezifisches prozesstechnologisches Wissen weist damit die grundsätzliche Eignung auf, Wettbewerbsvorteile zu generieren und kann daher als potenziell wertvoll bezeichnet werden. Spezifisches kodifiziertes Wissen besteht beispielsweise in Kenntnissen über selbst entwickelte Prozess-
225 226 227
50
Vgl. Coff, R. W., Dilemmas, 1997, S. 377f.; Foley, P. D., Watts, D. H., Wilson, B., Skills, 1993, S. 135ff. Vgl. Zander, U., Kogut, B., Knowledge, 1995, S. 79; Schneider, U., Wissensmanagement, 2001, S. 46f. Vgl. Ambrosini, V., Bowman, C., Tacit, 2001, S. 825; Siehe weiters die empirischen Befunde von Teece. Vgl. Teece, D. J., Transfer, 1977, S. 247ff.; Weiters stellte Teece fest, dass mit zunehmendem Alter einer Technologie die Kosten des Technologietransfers sinken. Der Grund dafür ist, dass mit zunehmendem Alter der Umfang kodifizierten Wissens über Technologien zunimmt und damit der Aufwand zur Wissensbeschaffung sinkt.
technologien (bzw. –techniken), die spezifische Kombination und Nutzung von Prozesstechniken für Problemlösungen etc. Besondere Bedeutung für die Generierung von Wettbewerbsvorteilen wird von vielen Autoren nicht kodifizierbarem „tacit knowledge“ beigemessen.228 So sehen viele Autoren dieses Wissen, gebunden an die Mitarbeiter der Organisation, als Hauptursache für Wettbewerbsunterschiede in vielen Branchen.229 Kennzeichen von „tacit knowledge“ sind fehlende Kodifizierbarkeit, hohe Komplexität und damit fehlende Lehrbarkeit und fehlende systematische Erfassbarkeit.230 Polanyi beschreibt tacit knowledge wie folgt: „I shall reconsider human knowledge by starting from the fact that we can know more than we can tell.“231 Wright unterscheidet zwei Dimensionen von “tacit resources” (siehe Abbildung 7) und weist darauf hin, dass Intangibilität und Tacitness keine deckungsgleichen Begriffe sind. So muss tacit knowledge nicht unbedingt intangibel sein. Fähigkeiten sind zwar oft nicht artikuliert aber durchaus lehrbar.232 In weiterer Folge wird der Begriff „tacit knowledge“ verwendet und soll so verstanden werden, dass eine positive Valenz mit Intangibilität besteht. Tacit Knowledge wird in sozial komplexen Systemen aufgebaut, ist damit kontextabhängig und weist kausale Ambiguität bezüglich der Bedeutung für den Unternehmenserfolg auf.233 Konkrete Kausalzusammenhänge zwischen der Ausprägung intangibler Ressourcen(systeme) und Wettbewerbswirkungen können nicht hergestellt werden. Bei tacit knowledge besteht nur eine vage Vermutung über seine Existenz.234 Grund dafür ist, dass aufgrund der spezifischen Eigenschaften dieses Wissens ein Informationsdilemma besteht. Da tacit knowledge nicht kodifizierbar ist, entzieht es sich logischer Weise einer systematischen Erfassung. Grund dafür ist, dass tacit knowledge per Definition nicht in explizites Wissen konvertiert werden kann. Entsprechend ergibt sich für die Entwicklung von tacit knowledge das Problem, dass eine systematische Ressourcenentwicklung, aufgrund der genannten Eigenschaften, nicht möglich ist.235 Unternehmungen können deshalb nur auf Basis vermuteter, 228
229 230
231 232 233 234 235
Vgl. Lubit, R., Knowledge, 2001; Henderson, R., Cycles, 1995, S. 635; Gopalakrishnan, Bierly und Kessler weisen für Banken nach, dass Prozess- relativ zu Produktinnovationen höhere Anteile an tacit knowledge beinhalten. Vgl. Gopalakrishnan, S., Bierly, P., Kessler, E. H., Reexamination, 1999, S. 150ff.; Für weitere empirische Befunde vgl. Wright, R. W., Tacitness, 1994, S. 53ff.; Wissen beinhaltet stets explizite wie implizite Anteile. Vgl. Ambrosini, V., Bowman, C., Tacit, 2001, S. 815f.; Wong, W. L. P., Radcliffe, D. F., Tacit, 2000, S. 495ff.; Schreyögg, G., Geiger, D., Wissensmanagement, 2005, S. 434f.; Nonaka, I., Takeuchi, H., Knowledge-Creating, 1995, S. 3ff. Vgl. Handlbauer, G., Hinterhuber, H. H., Matzler, K., Kernkompetenzen, 1998, S. 914f.; Powell, T., C., Advantage, 1993, S. 203ff. Vgl. Martin X., Salomon R., Tacitness, 2003, S. 298f.; Zander, U., Kogut, B., Knowledge, 1995, S. 79f.; Wong, W. L. P., Radcliffe, D. F., Tacit, 2000, S. 494ff.; Schreyögg, G., Geiger, D., Wissensmanagement, 2005, S. 441ff. Polanyi, M., Tacit, 1966, S. 4 Für ein Beispiel dazu vgl. Wright, R. W., Tacitness, 1994, S. 52 Vgl. Coff, R. W., Dilemmas, 1997, S. 378ff.; Ambrosini, V., Bowman, C., Tacit, 2001, S. 813 Vgl. Kogut, B., Ventures, 1988, S. 322ff.; Ridder, H.-G., Bruns, H.-J., Personalentwicklung, 2002, S. 109ff. Vgl. Dierickx, I., Cool, K., Advantage, 1989, S. 1508f.; Coff, R. W., Dilemmas, 1997, S. 378ff.; Chesbrough, H. W., Teece, D. J., Virtuous, 1996, S. 67f. Konträr dazu entwickelten Nonaka und Takeuchi im Modell der „Wissensspirale“ einen Ansatz, durch den implizites in explizites Wissen konvertiert werden soll. Vgl. Nonaka, I., Takeuchi, H., Knowledge-Creating, 1995, S. 56ff. Schreyögg und Geiger weisen nach, dass massive logische Brüche im Modell von Nonaka und Takeuchi bestehen, sodass die angestrebte
51
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ungewisser Zusammenhänge versuchen, Rahmenbedingungen zur Förderung von tacit knowledge zu schaffen.236
Dimension „tangibility“ intangibel
nicht fassbar
tangibel fassbar
nicht erkennbar
erkennbar
Abbildung 7: Eigenschaften von (tangiblen bzw. intangiblen) Wissen237 Die Eigenschaften von tacit knowledge sind der Grund dafür, warum auch in der Forschung weitgehende Unklarheit darüber herrscht, wie durch dieses Wissen der Unternehmenserfolg beeinflusst wird.238 Lubit unterscheidet vier Kategorien von tacit knowledge:239 x
Hard (not) to pin down skills
x
Mental modells
x
Ways of approaching problems
x Organizational routines Prozesstechnologisches Wissen und dessen zielorientierte Ausschöpfung kann oft durch Zeichnungen, Worte, Vorführungen etc. nicht vollständig kommuniziert werden; es umfasst demnach tacit knowledge-Anteile.240 Tacit knowledge ist damit für die Nutzung expliziten Wissens als komplementäre Ressource zu verstehen. Art und Umfang des tacit knowledge ist wesentlich vom Alter der Technologie (bzw. dem verfügbaren technologischen Wissen des
236
237 238 239 240
52
Wissenskonvertierung mit diesem Modell nicht möglich ist. Vgl. Schreyögg, G., Geiger, D., Wissensmanagement, 2005, S. 434f. Vgl. Coff, R. W., Dilemmas, 1997, S. 380ff.; Miller, J. S., Cardy, R. L., Technology, 2000, S. 449ff.; Schreyögg, G., Geiger, D., Wissensmanagement, 2005, S. 450f.; Wenger, Etienne C., Snyder, William M., Communities, 2000, S. 143ff. Vgl. Wright, R. W., Tacitness, 1994, S. 52f. Vgl. Martin, X., Salomon R., Tacitness, 2003, S. 297 Vgl. Lubit, R., Knowledge, 2001, S. 166f. Vgl. Wong, W. L. P., Radcliffe, D. F., Tacit, 2000, S. 501ff.
Technologienutzers) abhängig. Junge Technologien sind in deren Wirkungen noch weitgehend unerforscht. Wirkungszusammenhänge werden bei diesen oft vermutet, können aber nicht explizit dargestellt werden. Tacit knowledge muss diese Lücke im verfügbaren technologischem Wissen schließen. Mit zunehmendem Alter der Technologie nimmt der Umfang erforschter Wirkungszusammenhänge zu. Was zunächst nicht greifbar war, wird kodifizierbar. Entsprechend der veränderten expliziten Wissensbasis werden Technologien auch in anderer Weise genutzt als dies bei jungen Technologien der Fall war. Entsprechend muss sich die komplementäre Ressource „tacit knowledge“ qualitativ verändern.241 Wie problematisch der Transfer von tacit knowledge bereits innerhalb einer Unternehmung ist, zeigt sich etwa, wenn neue Produktionsstandorte aufgebaut und dabei prozesstechnologisches Wissen transferiert werden muss.242 Grund für die mangelnde Transferierbarkeit ist, dass Mitarbeiter durch die fortgesetzte Nutzung prozesstechnologischen Wissens ein „Gefühl“ für die Nutzungsmöglichkeiten von Prozesstechnologien entwickeln. Dieses Wissen kann auch als „systemisch“ bezeichnet werden.243 Menschen bilden hierbei mentale Modelle mit einer individuellen Vorstellung über Ursachen-Wirkungsbeziehungen. Sie beurteilen die Systemelemente nach deren Bedeutung im Systemzusammenhang subjektiv. Determiniert werden diese Modelle durch Erfahrungen aus der Vergangenheit (trial-and-error-Lernen) sowie die Werthaltung des einzelnen Mitarbeiters. Die individuellen Modelle und Beurteilungen werden bei der Definition, Analyse, Lösung und Entscheidung von Problemstellungen implizit von den Mitarbeitern zu Grunde gelegt. Eine Möglichkeit tacit knowledge trotzdem, zumindest teilweise, zu transferieren, ist die temporäre Integration von Mitarbeitern in Arbeitsaufgaben in denen tacit knowledge als relevanter Faktor vermutet wird (siehe dazu auch Abschnitt 2.3.4).244 Die fortgesetzte Nutzung und Weiterentwicklung prozesstechnologischen Wissens und dessen Anwendung führt zu einer Akkumulation von prozesstechnologischen tacit knowledge. Dieses ist an einzelne Personen bzw. Organisationen, in denen es sich entfalten kann, gebunden und untrennbar mit unternehmensspezifischen Problemlösungen (bzw. Problemlösungsprozessen) verbunden; folglich „einzigartig“ zur Lösung von Problemen verfügbar und somit als potenziell wertvoll zu klassifizieren.245
241 242
243
244
245
Vgl. Wong, W. L. P., Radcliffe, D. F., Tacit, 2000, S. 496f.; Saviotti, P. P., Dynamics, 1998 Vgl. Schröder, H.-H., Innovationsforschung, 1998, S. 313f.; Schröder weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das Know-how-Gefälle zwischen Sender und Empfänger wesentlichen (negativ korrelierenden) Einfluss auf die Effizienz des Informstransfers aufweist. Für ein Beispiel zum Problembereich Wissenstransfer siehe Griffith, R., Redding, S., Van Reenen, J., Absorptive, 2003, S. 99ff.; Ruigrok, W., Wagner, H., Standortverlagerung, 2005, S. 312f. Vgl. Müller-Merbach, H., Systemansätzen, 1992, S. 863ff.; Der Technologietransfer ist umso schwieriger je geringer die Kodifizierbarkeit des Wissens ist; die Transferzeit nimmt zu. Vgl. Zander, U., Kogut, B., Knowledge, 1995, S. 79f. und 84f. Vgl. Kogut, B., Ventures, 1988, S. 323; Salomo, S., Cratzius, M., Neuproduktentwicklung, 2005, S. 75 und 82ff; Burmann, C., Flexibilität, 2005, S. 39ff.; Patel, P., Pavitt, K., Measurement, 1995, S.18f.; Schreyögg, G., Geiger, D., Wissensmanagement, 2005, S. 438ff.; Wenger, Etienne C., Snyder, William M., Communities, 2000 Vgl. Martin, X., Salomon R., Tacitness, 2003, S. 300f.; Snell, S. A. u. a., Selection, 2000, S. 451ff.
53
Das Prozesstechnologiesystem ist ursächliche Quelle einer überdurchschnittlichen unternehmerischen Zielerreichung.246 Das potenzialerschließende Ressourcensystem hingegen ist zwar für die Erreichung unternehmenspolitischer Zielsetzungen unabdingbar, stellt jedoch keine ursächliche Quelle zur Zielerreichung dar. Die Ausstattung des potenzialerschließenden Ressourcensystems bestimmt jedoch den Umfang und die Effizienz der Ausschöpfung und Entwicklung von Prozesstechnologiesystemen. Aus diesem Grund können bedarfsadäquate potenzialerschließende Ressourcensysteme grundsätzlich wertvoll sein.247 Die Bedeutung potenzialerschließender Ressourcen liegt in der Ermöglichung bzw. Unterstützung von Problemlösungsprozessen, in deren Rahmen prozesstechnologische Ressourcen Anwendung finden. Sie dienen der Strukturierung von Problemen, der Planung, Steuerung sowie Organisation von Problemlösungsprozessen. Gelingt es Unternehmungen nicht, ein adäquates potenzialerschließendes Ressourcensystem aufzubauen, durch das eine effiziente Ausbeutung des Prozesstechnologiesystems gewährleistet wird, so können relative Wettbewerbsnachteile gegenüber Unternehmungen mit weit schlechterer prozesstechnologischer Ressourcenausstattung die Konsequenz sein.248 Wesentliche potenzialerschließende Ressource ist weiters Wissen über unternehmensinterne wie –externe Informationsquellen und –kanäle zur Informationsbeschaffung.249 Von zentraler Bedeutung ist dieses Wissen, wenn prozesstechnologische Projekte (und Daueraufgaben) interdisziplinär über Funktionalbereiche und Unternehmensgrenzen hinweg abgewickelt werden sollen. Das Wissen über Informationsquellen und –kanäle eröffnet dann die Möglichkeit, effektiv wie effizient prozesstechnologische Problemstellungen abzuwickeln.250 Kodifizierbares, unspezifisches potenzialerschließendes Wissen ist aus den gleichen Gründen wie prozesstechnologisches Wissen nicht geeignet, Wettbewerbsvorteile zu begründen und damit als nicht wertvoll einzustufen (s. f.). Spezifisches, kodifizierbares Wissen ist die Anpassung unspezifischen Wissens an konkrete unternehmerische Rahmenbedingungen. Adäquates Fachwissen vorausgesetzt, kann diese Ressourcen grundsätzlich imitiert werden. Durch kodifizierbares, potenzialerschließendes Wissen sind damit keine nachhaltigen Wettbewerbsvorteile generierbar. Die mangelnde Ausstattung mit potenzialerschließendem Wissen hat allerdings zur Folge, dass prozesstechnologische Ressourcen nur unvollständig ausgeschöpft werden können. Konsequenz daraus ist, dass ökonomische, ökologische und
246 247 248
249 250
54
Vgl. Gopalakrishnan, S., Bierly, P., Kessler, E. H., Reexamination, 1999, S. 154 Vgl. Mallok, J., Fritsch, M., Techniknutzung, 1997, S. 142ff; Jenner, T., Erfolgspotentiale, 1998, S. 1316; Cohen, W., Empirical, 1995, S. 207ff. Penrose unterscheidet zwischen „productive resources“ und „productive services“. Bei gegebenen Ressourcen hängt der erzielbare „productive service“ vom einzigartigen (unternehmensspezifischen) Einsatz der „productive resources“ ab. Vgl. Penrose, E. T., Growth, 1980, S. 5, 24ff.; Wie „productive resources“ eingesetzt werden, hängt von den Eigenschaften des potenzialerschließenden Ressourcensystems ab. Vgl. Monteverde, K., Vertical, 1995, S. 1628f. Monteverde stellt das Wissen über Informationsquellen und –kanäle als wertvolle Ressourcen ins Zentrum von Überlegungen über die vertikale Integration von Unternehmungen. Er stellt fest, dass mit zunehmender Intensität an unstrukturiertem technologischem Dialog tendenziell die Wahrscheinlichkeit einer vertikalen Integration zunimmt. Vgl. Monteverde, K., Vertical, 1995, S.1633ff.
soziale Zielsetzungen in geringerem Ausmaß, als es das Prozesstechnologiesystem zulassen würde, realisiert werden können. Während durch kodifizierbares, potenzialerschließendes Wissen keine nachhaltigen Wettbewerbsvorteile generiert werden können, kann nicht-kodifizierbares „tacit knowledge“ hohe Bedeutung zur Realisierung von Wettbewerbsvorteilen (bzw. ökologischer und sozialer Zielerreichung) aufweisen. Dabei sind vor allem die personen- wie organisationsspezifischen „ways of approaching problems“ und „organizational routines“ von zentraler Bedeutung. Die Art und Weise, wie Mitarbeiter (bzw. Organisationen) Problemstellungen gegenüberstehen und diese bearbeiten, ist höchst unterschiedlich. Wie bei der Problemlösung vorgegangen wird, ist nicht nur von logisch deduktiven Plänen zur Problemlösung, sondern in hohem Maße von Erfahrungen, die zur Ausbildung von Problemlösungsmuster führten, abhängig. „Ways of approaching problems“ sind vom akkumuliertem (prozesstechnologischem wie ressourcenerschließendem) Wissen sowie dem Wertesystem der innerhalb spezifischer Organisationsumgebungen handelnden Personen abhängig. Diese Faktoren determinieren die Planung und Entscheidungsfindung, die stets unter Einfluss von tacit-knowledge erfolgen.251 Abweichungen zwischen Organisationen ergeben sich in den Aspekten, die bei der Systemnutzung bzw. -entwicklung berücksichtigt werden (z. B. Betonung einzelner Systemelemente versus einer komplexen Sichtweise, die das Gesamtsystem mit all seinen Relationen umfasst).252 Beim Problemlösungsvorgehen lassen sich Unterschiede erkennen, ob in „ausgetretenen“ Denkmustern immer wieder versucht wird, auf ähnliche Problemlösungen aus der Vergangenheit zuzugreifen oder ob kreative neue Lösungen gesucht werden. Ob und wie individuelles Verhalten - kausal erklärbar - zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen führt, ist nicht erforscht. Dass Wirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit in erheblichem Maße auftreten, die auf „ways of approaching problems“ zurückzuführen sind, wird in der Literatur jedoch akzeptiert. Entsprechend seiner Eigenschaften ist dieses Wissen als potenziell wertvoll im Sinne der Definition zu bezeichnen.253 „Organizational routins“ werden große Bedeutung zur Generierung und Sicherung von Wettbewerbsvorteilen beigemessen. Unter „Routinen“ sind vorhersagbare Verhaltensmuster von Organisationen bzw. deren Mitglieder zu verstehen.254 Routinen sind beispielsweise informelle Vorgehensweisen bei der Entwicklung neuer Produkte oder Prozesse, aber auch, wie Mitarbeiter akquiriert, entwickelt und entlassen werden etc. Ein großer Teil des tacit knowledge von Unternehmungen ist in Form von organisationalen Routinen „gespeichert“. Die Gestaltung von Routinen bzw. von Rahmenbedingungen, die zu entsprechenden Routinen führen, obliegt den zuständigen Managern. Sie gestalten Prozesse und Rahmenbedingungen auf Basis von subjektiven Vorstellungen darüber, wie Aufgaben durchgeführt werden sollten. Das in Routinen eingebettete tacit knowledge des Managers umfasst individuelles 251 252 253 254
Vgl. Lubit, R., Knowledge, 2001, S. 166f. Vgl. Müller-Merbach, H., Systemansätzen, 1992, S. 857ff. Vgl. Wright, P. M., McMahan, G. C., McWilliams, A., Resources, 1994, S. 304ff. Vgl. Lubit, R., Knowledge, 2001, S. 167
55
Wissen und Werthaltungen. Diese bilden die Basis einer Beurteilung der Relevanz von Daten bezüglich ökonomischer, ökologischer und sozialer Erfolgsbeiträge von Routinen. Das in Routinen implizite Wissen bleibt - zumindest über einen gewissen Zeitraum - erhalten, wenn die Prozessverantwortung wechselt. Grundsätzlich kann durch adäquate Prozessgestaltung die Effizienz der Nutzung sowie die Effektivität der Entwicklung von Prozesstechnologiesystemen gesteigert werden (siehe Abschnitt 3.4). In diesem Sinne können „organizational routins“ für Unternehmungen als potenziell wertvoll bezeichnet werden. Abschließend ist anzumerken, dass realisierbare Erfolgsbeiträge prozesstechnologischer Ressourcensysteme aus der Gesamtheit prozesstechnologischer und potenzialerschließender Ressourcen und deren Kombination durch die Unternehmung resultieren. Neben wertvollen Ressourcen werden von Unternehmungen solche gehalten, die keine Erfolgsbeiträge liefern bzw. sogar negative Wirkungen aufweisen. Auch inadäquate Ressourcen entwickeln sich pfadabhängig über die Zeit hinweg. Schwächen werden oft erst unter Einwirkung dynamischer Veränderungen in der Unternehmung oder deren Umgebung erkannt.255 Ob Ressourcen anhaltend als wertvoll zu bezeichnen sind, ist davon abhängig, in welchem Umfang sie eine zielorientierte Entwicklung des Prozesstechnologiesystems in der Zukunft zulassen. So können ehemals strategisch wertvolle Ressourcen bei veränderten Rahmenbedingungen (neuen Technologien, unerwarteten Kundenanforderungen etc) zu Barrieren der Systemveränderung werden.256 2.4.2.2 Prozesstechnologien als knappe Ressourcen Weitere Voraussetzung dafür, dass durch prozesstechnologische Ressourcen Wettbewerbsvorteile generiert werden können, ist - dem Ressourcenansatz entsprechend - die Knappheit von Ressourcen. Knapp sind Ressourcen, wenn sie in gewünschter Qualität über Faktormärkte nicht oder nur in eingeschränkter Menge akquirierbar sind. Diesem Anspruch genügen langfristig nur (unternehmens)spezifische Prozesstechnologien bzw. (unternehmens)spezifische, potenzialerschließende Ressourcen. Unspezifische Ressourcen sind, wie bereits dargelegt, am Markt frei verfügbar und damit grundsätzlich nicht knapp. Knappheit an prozesstechnischen Ressourcen kann aber für andere (konkurrierende) Unternehmungen auf unterschiedlichste Weise gezielt generiert werden.257 Dazu müssen von Unternehmungen einzigartige Ressourcenkombinationen entwickelt, ausgebeutet und adäquat gegen Nutzung durch Dritte geschützt werden.258 Oft werden prozesstechnologische Ressourcen von Unternehmungen selbst oder in Kooperationen mit anderen neu- oder weiterentwickelt. Die Nutzung dieser Ressourcen kann dann prinzipiell durch Geheimhaltung oder Patentierung zumindest temporär auf eine (wenige) Unternehmung(en) beschränkt werden. Die 255 256 257 258
56
Vgl. West III, P. G., DeCastro, J., Weaknesses, 2001, S. 426ff. Vgl. Leonard-Barton, D., Knowledge, 1995, S. 29ff. Vgl. Dunford, R., Suppression, 1987, S. 514ff. Hier besteht gegenüber anderen Ansätzen ein wesentlicher Unterschied im Erklärungsansatz ökonomischer Wettbewerbsvorteile. Vgl. Conner, K. R., Resource-based, 1991, S. 142
Bedeutung der Geheimhaltung bzw. Patentierung von Prozesstechnologien nimmt mit dem Potenzial, relative Wettbewerbsvorteile zu generieren, zu. Eine relative Verringerung der Knappheit wird durch Lizenzvergabe erreicht. Sinnvoll ist eine solche etwa, wenn Unternehmungen die von ihnen erstellten Produkte auf spezifischen Märkten selbst nicht absetzen können.259 Nicht-kodifizierbares, prozesstechnologisches wie potenzialerschließendes Wissen (tacit knowledge) ist per Definition bereits als knappe Ressource zu betrachten. Grund dafür ist, dass dieses Wissen an einzelne Individuen, Gruppen (z. B. eine F&E-Abteilung) oder Organisationen gebunden ist und nicht vollständig transferiert werden kann. Selbst der Transfer (sofern überhaupt möglich) einer gesamten F&E-Abteilung in ein anderes Unternehmen oder der Aufkauf von Unternehmungen weist als negative Folgeerscheinung einen zumindest teilweisen Verlust von wettbewerbsrelevantem tacit knowledge auf.260 2.4.2.3 Fehlende Imitierbarkeit und Substituierbarkeit von Ressourcen Ressourcen können nur solange zu nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen führen, solange es Wettbewerbern nicht gelingt, sie zu identifizieren, nachzuahmen oder zu substituieren, und so eine vorhandene relative Ressourcenknappheit zu beseitigen. Es lassen sich folgende Ursachen für eine unvollständige Imitierbarkeit von Ressourcen unterscheiden:261 x
259 260 261 262 263
Die Möglichkeiten, Ressourcen zu entwickeln und in bestehende Systeme zu integrieren, hängen von der unternehmensspezifischen Entwicklung in der Vergangenheit ab.262 Dieser pfadabhängige Akkumulationsprozess führt, auf Basis vorhandener Ressourcenpotenziale zu Ressourcensystemen mit unternehmensspezifischen Merkmalsausprägungen (Ressourcenstärken und -schwächen), die Wettbewerbsvorteile begründen aber auch erforderliche Veränderungen behindern können.263 Zentrale Bedeutung zur Verhinderung von Imitation erlangt hier das über die Zeit kumulierte tacit knowledge. Dieses ist Resultat einer Vielzahl kleiner Entscheidungen, die im Sinne von trial-and-error-Lernprozessen zur kontinuierlichen Verbesserung des Systemverständnisses führen, ohne das bei Fehlentscheidungen für die Unternehmung schwer-
Vgl. Becker, J., Marketing-, 2001, S. 325; Wolfrum B., Technologiemanagement, 1991, S. 325ff. Vgl. Martin X., Salomon R., Tacitness, 2003, S. 298ff. Vgl. Barney J. B., Resources, 1991, S. 107ff.; Gagnon, S., Resource, 1999, S. 130f. Vgl. Dierickx, I., Cool, K., Advantage; 1989, S. 1506f.; Tushman, M. L., Romanelli, E., Metamorphosis, 1985, S. 181ff. Pisano stellt den Einfluss unternehmenshistorischer Entwicklungen auf die Entscheidung zwischen Eigenund Fremdentwicklung von Produkten dar. Vgl. Pisano, G. P., Boundaries, 1990, S. 160ff.; Leonard-Barton, D., D., Rigidities, 1992, S. 118ff.; West III, P. G., DeCastro, J., Weaknesses, 2001, S. 420f.; Tushman, M. L., Romanelli, E., Metamorphosis, 1985, S. 181ff.; Wright, P. M., McMahan, G. C., McWilliams A., Resources, 1994, S. 309ff.; siehe weiters auch Hofer, C. W., Schendel, D., Strategy, 1978, S. 148ff.; Saviotti, P. P., Mani G. S., Knowledge, 1998, S. 257; Die Einzigartigkeit der Pfade zur Realisation von wettbewerbspositionen wird von Tranfield und Smith empirisch untermauert. Vgl. Tranfield, D., Smith, S., Regeneration, 1998, S. 121ff.
57
wiegende Konsequenzen zu erwarten sind.264 Die gewonnenen Erkenntnisse sind grundsätzlich nicht imitierbar. x
kausale Ambiguitäten
Die Wettbewerbsvorteile generierenden Ressourcen entfalten sich in komplexen, unternehmensspezifischen sozialen Relationen, welche grundsätzlich nicht imitierbar sind.265 Ursachen für Imitationsbarrieren sind Isolationseffekte (etwa durch Patente, enge Beziehungen zu Kunden und Lieferanten, spezialisiertes Wissen und spezialisierte Anlagen, Reputation etc.), adäquate komplementäre Ressourcen266 und komplexe Organisationsroutinen.267 Diese Ursachen wirken simultan in unterschiedlicher Intensität und können im Zeitablauf zu wertvollen, kaum imitierbaren Ressourcen führen. In welchem Ausmaß einzelne Mechanismen zum Aufbau von Barrieren beitragen, hängt wesentlich von der Ressourcendynamik ab. Bei langsamen Ressourcen(Technologie)entwicklungen bzw. -wechsel sind Isolationsmechanismen von zentraler Bedeutung. Bei sehr dynamischer Ressourcenentwicklung sind hingegen komplexe Organisationsroutinen primäre Wirkmechanismen zur Verhinderung von Imitationen. Im letzten Fall können Ressourcen prinzipiell sehr rasch imitiert werden; erst im Zusammenhang eines nicht imitierbaren unternehmensspezifischen Organisationskontextes entfalten sie allerdings Wettbewerbswirkungen.268 Implizite Prämisse des Ressourcenansatzes ist, dass die Fähigkeit Ressourcen zu akquirieren, zu entwickeln und auszubeuten von der zurückliegenden Unternehmensentwicklung abhängt.269 Unternehmungen, die nicht die gleiche historische Entwicklung vollzogen haben, sind (relativ zu Wettbewerbern mit einem anderen Entwicklungspfad) oft nicht in der Lage, die benötigten Ressourcen adäquat zu beschaffen, zu entwickeln (bzw. zu imitieren), zu integrieren und auszubeuten. Diese Problematik wird etwa dann augenscheinlich, wenn Unternehmungen es aufgrund von (oft sehr erfolgreichen) zurückliegenden Entwicklungen - trotz ausreichender Möglichkeiten und Zeit - es nicht geschafft haben, Technologiewechsel zu vollziehen.270 Zurückzuführen ist das, auf die fehlende (bei Wettbewerbern aber u. U. vorhandene) Fähigkeit auf Veränderungen in der technologischen Umgebung durch rechtzeitige Anpassung der unternehmerischen Ressourcen und deren Allokation in adäquater Weise zu reagieren. Es besteht folglich ein kausaler Zusammenhang zwischen der Ressourcennutzung und Ressourcenentwicklung von der historischen Unternehmensentwicklung und nicht nur vom Technologiestatus auf dem sich die Unternehmung in der Gegenwart befindet. Hat damit eine x
264 265 266 267 268 269
270
58
Vgl. Barney, J. B., Advantage, 1995, S. 53ff.; Vidal, M., Pioniervorteile, 1995, S. 48 Vgl. Chi, T., Trading, 1994, S. 278ff. Vgl. Teece, D. J., Profiting, 1986, S. 288ff. Vgl. Williams, J. R., Advantage, 1992, S. 31f. Vgl. Williams, J. R., Advantage, 1992, S. 33ff.; Cohen, W., Nelson, R. R., Walsh, J., Patent, 1997 Vgl. Barney, J. B., Resources, 1991, S. 107ff. Eine Annahme industrieökonomischer Modelle ist die Unabhängigkeit generierter Wettbewerbsvorteile von unternehmensspezifischen Entwicklungen in der Vergangenheit. Vgl. Weiru, C., Determinants, 2003
Unternehmung wertvolle und knappe Ressourcen im Laufe ihrer historischen Entwicklung gebildet, so können auf dieser Basis Strategien zu Ressourcenausbeutung und -entwicklung realisiert werden, die durch andere Unternehmungen (mit anderer historischer Entwicklung) nicht imitiert werden können.271 Von Interesse sind hierbei materielle (z. B. eine „ökonomisch einmalige geografische Positionierung“) und immaterielle (z. B. Wissenschaftler, die eine neue innovative Prozesstechnologie entwickelt und ausgeschöpft haben; gewachsene Organisationskulturen etc.) sowie prozesstechnologische Ressourcen, die in der Vergangenheit gebildet wurden. Kausale Ambiguität als Ursache für unvollständige Imitierbarkeit von Unternehmensressourcen wird in der Literatur von vielen Autoren aufgegriffen.272 Als „ambigue“ (vieldeutig) werden Sachverhalte bezeichnet, bei denen der Zusammenhang zwischen Ressourcen und Wettbewerbsvorteilen nicht (oder nur sehr lückenhaft) nachvollziehbar ist. Damit ist die systematische Imitation oder Substitution von Ressourcensystemen mit ambiguen Kausalbeziehungen grundsätzlich nicht möglich.273 Der Versuch, eine erfolgreiche Strategie durch Imitation von Ressourcen nachzubilden, scheitert damit daran, dass nicht klar ist, welche Ressourcen bzw. Ressourcenkombinationen zu diesem Zweck imitiert werden müssen. Analog ergibt sich für die Unternehmung, die solche Ressourcen(kombinationen) hält, die Problematik, dass sie auch nicht genau spezifizieren kann, welche Ressourcen bzw. Ressourcenkombinationen wie entwickelt werden müssen, um Wettbewerbsvorteile anhaltend zu generieren bzw. zu sichern. Dieses unternehmensinterne Wissensdefizit resultiert aus hochkomplexen, nicht greifbaren Wirkungszusammenhängen zwischen diesen Ressourcen und den generierten Wettbewerbsvorteilen. Beim Management dieser Ressourcen existieren über Kausalzusammenhänge nur - nicht verifizierbare - Hypothesen. Es besteht jedoch für imitierende Unternehmungen eingeschränkt die Möglichkeit, das vorhandene Defizit über strategiebestimmende prozesstechnologische Ressourcen zu reduzieren, indem Mitarbeiter aus Schlüsselpositionen abgeworben werden. Auch wenn unter diesen Restriktionen Ressourcen imitierbar wären, so be- bzw. verhindern oftmals unternehmensinterne Barrieren deren Übernahme. In diesem Zusammenhang ist das „not invented here-Syndrom“ als Barriere bei der Übernahme von fremden Ideen in die eigene Unternehmung (Abteilung) zu nennen.274 Deshalb ist als ein zentrales Attribut unternehmerischer Ressourcensysteme zur langfristigen Generierung von Wettbewerbsvorteilen
271 272 273 274
Vgl. Barney, J. B., Resources, 1991, S. 108 Vgl. Barney, J. B., Resources, 1991, S. 108f.; Rhyne, L. C., et al., Technology-based, 1997, S. 191f. Vgl. Chi, T., Trading, 1994, S.276f. Vgl. Albach, H., Differenzierung, 1990, S. 777f.; Brockhoff, K., Wissens, 1995, S. 37ff. Gemünden und Ritter weisen in einer empirisch gestützten Untersuchung nach, dass der Innovationserfolg von Unternehmungen nicht nur von der Stärke eigener Entwicklungseinrichtungen abhängt, sondern wesentlich auch davon, in welchem Umfang fremde technologische Ressourcen durch Kooperationen oder Aufträge erschlossen und kundenwertstiftend umgesetzt werden können. Vgl. Gemünden, H. G., Ritter, T., Kompetenz, 2001, S. 308f.
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deren Flexibilität und Toleranz zu sehen, neue unternehmensfremde Ressourcen(allokationen) zu integrieren.275 Ein weiterer Grund für unvollständige Imitierbarkeit ist, dass Unternehmensressourcen komplexe soziale Phänomene bzw. Elemente solcher darstellen können, die sich einer systematischen Identifikation weitgehend entziehen. Beispiele dafür sind Beziehungen zwischen Mitarbeitern, die Unternehmenskultur, die Reputation der Unternehmung etc. Zu beachten ist, dass physische Technologien (Techniken) grundsätzlich imitierbar sind. Wenn Unternehmungen Informationen über neue Techniken von Konkurrenten beschaffen können (siehe Abschnitt 4.4.2.3.2), ist es ihnen zumeist auch möglich, die Ursachen von Effizienzvorteilen logisch-analytisch abzuleiten. Ausgangsbasis der Untersuchungen der Ursachen von Effizienzvorteilen sind InputOutput-Betrachtungen von Konkurrenztechniken. Outputseitig lassen Qualität und Quantität von Produkten und Produktionsrückständen Rückschlüsse auf die konkrete technische konzeptionelle Gestaltung von Techniken zu. Die Beschaffung dieser Datenbasis ist oft relativ einfach möglich. So können etwa Konkurrenzprodukte auf Märkten frei verfügbar sein. Über Marktanalysen sind außerdem die abgesetzten Quantitäten abschätzbar. Auch Produktionsrückstände können Auskunft über die Technikkonzeption geben. Rückstandsdaten können beispielsweise über die Entsorger der Konkurrenzunternehmung generiert werden. Inputseitige Informationen beziehen sich auf Qualität und Quantität der eingesetzten Stoffe und Energien. Weiters von Interesse können die im Unternehmen neu aufgebauten Mitarbeiterqualifikationen sein. Schließlich können aus Besichtigungen der Anlage durch Fachleute (etwa im Rahmen von Werksbesichtigungen, Ausstellungen etc.) Rückschlüsse auf die technische Systemkonzeption gezogen werden. Die Gesamtheit der Informationen kann als Basis für die Ableitung der in der neuen Technik eingesetzten Technologien, deren Integration zu einem Technologiesystem und die konkrete Konzeption des Techniksystems herangezogen werden. Auf dieser Basis sind Rückschlüsse auf das einer kostenrechnerischen Betrachtung des Techniksystems zugrunde zu legende Mengengerüst möglich. Für Unternehmungen ist es daher von zentraler Bedeutung, Informationen über neue innovative Prozesstechniken vor dem Zugriff durch Wettbewerber zu schützen. Erfordernis, um Ressourceninhomogenitäten langfristig aufrechtzuerhalten, ist (neben mangelnder Imitierbarkeit) auch, dass Ressourcen(kombinationen) durch andere, strategisch gleichwertige Ressourcen(kombinationen) nicht substituiert werden können. Strategisch gleichwertig sind Ressourcen(kombinationen), wenn mit diesen die gleichen Strategien entwickelt und umgesetzt werden können wie mit den substituierten. Sind Ressourcen(kombinationen) substituierbar, so bedeutet das, dass verschiedene Unternehmungen mit verschiedenen Ressourcen(kombinationen) in unterschiedlicher Art und Weise gleiche Wettbewerbsstrategien realisieren können. Damit ergibt sich für keine Unternehmung ein nachhaltiger 275
60
Vgl. Schroeder, R. G., Bates, K. A., Junttila, M. A., Manufacturing, 2002, S. 108 und 112ff.
Wettbewerbsvorteil. Der Nachweis erfolgreicher Substitute ist grundsätzlich nur bei physischen Ressourcensystemen möglich. Bei immateriellen Ressourcensystemen scheitert der Nachweis eines Substitutionssystems daran, dass nicht kodifizierbare Ressourcenanteile und deren Potenziale nicht erfassbar sind. 2.4.2.4 Die Abnutzbarkeit als bestimmender Faktor nachhaltiger Vorteile Um anhaltende Wettbewerbsvorteile zu generieren, dürfen prozesstechnologische Ressourcen keinen nutzungs- oder zeitlich bedingten Abnutzungen unterliegen. Diese Bedingung wird von den meisten prozesstechnologischen Ressourcen erfüllt. So ist Wissen dadurch gekennzeichnet, dass es gerade durch seine Nutzung vermehrt und nicht abgenutzt (i. S. v. verringert) wird. Eine Abnutzung (Reduzierung des Wissens) erfolgt im Gegenteil dazu, wenn Wissen nicht genutzt wird. Das zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen genutzte Wissen wird folglich tendenziell anwachsen. Daneben weisen aber Mitarbeiter auch Wissen auf, welches nicht regelmäßig genutzt wird. Dieses unterliegt einer zeitlichen Abnutzung durch fehlende Nutzung und damit verbundenen Vergessen. Es gehen dadurch der Unternehmung Wissen und Begabungen von Mitarbeitern verloren. Ob und in welchem Umfang diese künftig Wettbewerbsrelevanz (bzw. Relevanz zur Erreichung ökologischer oder sozialer Zielsetzungen) aufweisen, kann ex ante nicht abgeschätzt werden. Aus statischer Perspektive des Ressourcenansatzes sind diese Wissensanteile grundsätzlich nicht von Relevanz. Bei dynamischer Betrachtung können sie die Effizienz, das Ausmaß und die Geschwindigkeit von Veränderungsprozessen beeinflussen (siehe Abschnitt 6.2.1). Ein zentrales Problem prozesstechnologischen Wissens, dass an einzelne Individuen gebunden ist, ist die hohe Mobilität, die Mitarbeiter aufweisen.276 Es besteht damit für die Unternehmung die Gefahr, dass durch Abgang von Mitarbeitern, die Wissen mit Schlüsselcharakter aufweisen, prozesstechnologisch begründete Wettbewerbsvorteile verloren gehen können.277 Das Bestreben von Unternehmungen muss dann darin liegen, solches Wissen auf eine breitere Basis von Wissensträgern zu stellen und entsprechende Anreize zu schaffen, Mitarbeiter im Unternehmen zu halten.278 Intangible prozesstechnologische Potenzialträger (Patente, Lizenzen, Urheberrechte, Verträge etc.) und Prozesstechniken unterliegen einer nutzungs- oder zeitlich bedingten Abnutzung. Mit der Abnutzung können Wettbewerbsvorteile zunichte gemacht werden.
276 277 278
Vgl. Wright, P. M., McMahan, G. C., McWilliams, A., Resources, 1994, S. 311 Als Beispiel siehe den Wechsel von Brokern mit Schlüsselwissen zu einer anderen Bank. Vgl. Coff, R. W., Dilemmas, 1997, S. 377 Vgl. Wright, P. M., McMahan, G. C., McWilliams, A., Resources, 1994, S. 314ff; Coff, R. W., Dilemmas, 1997, S. 381ff.
61
3 3.1
Das prozesstechnologische Managementsystem Zwecksetzung und Systemelemente des Prozesstechnologiemanagements
Unternehmungen sind als pluralistisch legitimierte Wertschöpfungseinheiten zu verstehen, welche eine Vielzahl an Funktionen für verschiedene interne wie externe Stakeholder erfüllen sollen.279 Zwecksetzung von Unternehmungen ist die Bereitstellung von als erwünscht definierten Produkten i. w. S.280 Die Produkterstellung und –verwertung ist jedoch stets auch mit unerwünschten externen Effekten (gesellschaftlichen Kosten) verbunden. Einen Ausgleich zwischen erwünschten und unerwünschten externen Effekten herbeizuführen, ist Ziel der Unternehmenspolitik (siehe Abschnitt 3.2.2.2). Gekennzeichnet ist die heutige Situation dadurch, dass negative externe Effekte in zunehmenden Maße erkannt und von Stakeholdern eine Berücksichtigung dieser in unternehmenspolitischen Zielsetzungen reklamiert wird.281 Neben ökonomischen gewinnen soziale und ökologische Zielsetzungen für Unternehmungen an Bedeutung. Unternehmerische Entscheidungen gestalten sich aufgrund wachsender Zahl an zum Teil konkurrierenden Zielsetzungen (und damit wachsender Systemkomplexität) immer schwieriger. Der raschere Wandel in der Unternehmensumgebung führt weiters dazu, dass Informationen, die als Basis für Entscheidungen dienen, abnehmende zeitliche Relevanz aufweisen. Auch die technologische Unternehmensumwelt ist durch zunehmende Dynamik gekennzeichnet. Daraus resultieren beschleunigte Entwicklung und Ausschöpfung von Leistungsmerkmalen von Technologien und raschere Technologieablösen. Die Fähigkeit, rasch neue bzw. weiterentwickelte Technologien zu adoptieren bzw. selbst zu entwickeln, diese adäquat in ihr Technologiesystem zu integrieren und auszuschöpfen, wird damit für die Prosperität von Unternehmungen zum entscheidenden Faktor.282 Nur so kann die Wettbewerbsfähigkeit und dadurch die Erreichung ökonomischer Unternehmensziele langfristig gesichert bzw. ausgebaut werden. Aber nicht nur ökonomische Zielsetzungen werden von dieser Entwicklung erfasst. Auch die Realisation ökologischer und sozialer Unternehmungsziele wird von technologischen Veränderungen maßgeblich beeinflusst. Viele Autoren fordern aufgrund der dargestellten Problematik ganzheitliche, alle leistungserstellenden und –verwertenden Aufgabenbereiche integrierende Konzepte der Unternehmensführung, um so auftretende Gefahren effektiv abzuwehren und Chancen adäquat auszuschöpfen.283 Das leistungserstellende System von Unternehmungen nimmt hierbei eine Schlüsselposition ein.284 Hayes und Wheelright charakterisieren die Situation zusammenfassend derart: „The experience of the late 1960s and early 1970s suggests that major competitive advantages 279 280 281 282 283 284
62
Vgl. Ulrich, P., Fluri, E., Management, 1992, S. 60ff. Vgl. Tschirky, H., Technologie-, 1991, S. 28 Vgl. Nowotny, H., Wissen, 1998, S. 40f.; Christensen, R. C. u. a., Business, 1987, S. 459ff. Vgl. Tschirky, H., Technologie-Management, 1998, S. 194 Vgl. Wheelwright, S. C., Hayes, R. H., Competing, 1985, S. 105f. Vgl. Blois, K. J., Weapon, 1986, S. 64ff.; Hayes, R. H., Wheelwright, S. C., Competitive, 1984, S. 35 und 41ff.
can accrue to companies that are able to integrate manufacturing and marketing organization with a common strategy.“285 Umso erstaunlicher ist es, dass dieses lange in seiner Bedeutung für den Wettbewerb in Theorie wie Praxis vernachlässig wurde.286 Den wachsenden Anforderungen an Unternehmungen entsprechend ist die Integration prozesstechnologischer Aspekte mit gleicher Priorität, wie etwa Marketing- oder Finanzwirtschaftsaspekte, in das Managementsystem nur konsequent. Diesem liegt die Überlegung zu Grunde, dass Produkt-MarktPositionen aber auch ökologische und soziale Erfolgspositionen vom verfügbaren Potenzial des unternehmerischen Prozesstechnologiesystems wesentlich mitbestimmt werden. Zielsetzung des strategischen Prozesstechnologiemanagements ist daher die Definition und Realisierung einer Prozesstechnologieposition, „ … die über einen längeren Zeitraum (nachhaltig) und in erheblichem Ausmaß (signifikant) zur Sicherung und Verbesserung der wirtschaftlichen [, ökologischen und sozialen] Erfolgsposition (realisiertes Erfolgsniveau) des Unternehmens beiträgt.“287 Somit steht die Funktion der Gestaltung des unternehmerischen prozesstechnologischen Leistungspotenzials im Zentrum des strategischen Prozesstechnologiemanagements zur Realisation unternehmenspolitischer Zielvorgaben.288 Dazu ist es unabdingbar, simultan mit der Entwicklung von Prozesstechnologien auch adäquate potenzialerschließende Ressourcensysteme aufzubauen (siehe Abschnitt 2.3.3). Zielsetzung des strategischen Prozesstechnologiemanagements ist damit letztlich die effiziente bzw. effektive Ausschöpfung der Leistungspotenziale von Prozesstechnologiesystemen zu gewährleisten.289 Zur Erfüllung dieser Aufgabenstellung ist das Prozesstechnologiemanagement in das normative, strategische und operative Planungs- und Entscheidungssystem der Unternehmung zu integrieren.290 Inhaltlich umfasst das Prozesstechnologiemanagement die Bereitstellung und Integration von Prozesstechnologien sowie deren externe Verwertung. Im Sinne eines geschlossenen Strategiekonzepts können daher drei inhaltlich abgrenzte - jedoch nicht unabhängige - Strategiedimensionen des Prozesstechnologiemanagements unterschieden werden:291
285 286 287 288 289 290 291
Hayes, R. H., Wheelwright, S. C., Link, 1979, S. 136 Vgl. Skinner, W., Manufacturing, 1969 Gerpott, T. J., Innovationsmanagement, 2005, S. 57f.; Siehe dazu auch die Definition der Produktionsstrategie. Vgl. Braßler, A., Handlungsalternativen, 1999, S. 32ff. Vgl, Specht, G., Technologiemanagement, 1992, S. 549; Bullinger, H.-J., Technologiemanagement, 1994, S. 39ff. und 85ff. Vgl. Wolfrum, B., Technologiestrategien, 1995, S. 246; Zahn, E., Technologiemanagements, 1995, S. 15f.; Grindley, P., Technology, 1993, S. 38 Vgl. Bleicher, K., Management, 1992, S. 57ff.; Tschirky, H., Technologie-, 1991, S. 29ff.; Specht, G., Zörgiebel, W. W., Wettbewerbsstrategien, 1985, S. 169ff. Vgl. Gerpott, T. J., Innovationsmanagement, 2005, S. 57; Tschirky, H., Technologie, 1998, S. 296ff.; Brodbeck weist in diesem Zusammenhang auf die Vernachlässigung der Keep-or-Sell Entscheidung in der Literatur hin. Vgl. Brodbeck, H., Entscheidungsprozesse, 1998, S. 419ff.; Beneito, P., Technological, 2003, S. 693ff.; Specht, G., Technologiemanagement, 1992, S. 550f.; siehe dazu aus Perspektive des Ressourcenansatzes: Bamberger, I., Wrona, T., Ressourcenansatz, 1996, S. 140ff.; Zahra, S. A., Covin verweisen in diesem Zusammenhang auf unterschiedliche Sichtweisen über den Inhalt der Technologiestrategie. Vgl. Zahra, S. A., Covin, J. G., Strategy, 1993, S. 451ff.; Maidique, M. A., Patch, P., Technological, 1982, S. 275; Specht, G., Beckmann, C., Amelingmeyer, J., F&E-Management, 2002, S.104ff.; Wolfrum B., Technologiemanagement, 1991, S. 71f.
63
x
Entwicklungsstrategie des Prozesstechnologiesystems (Which Way to Go and How to Integrate?)
x
Beschaffungsstrategie (Make or Buy?)
x Verwertungsstrategie (Keep or Sell?) Im Rahmen der Entwicklungsstrategie ist zu klären, welche Funktionen das Prozesstechnologiesystem (heute und künftig) erfüllen soll und welche prozesstechnologische Position dazu eingenommen werden muss. Inhaltlich umfasst die Definition der anzustrebenden Prozesstechnologieposition Festlegungen (prozesstechnologische Sachziele) darüber, x
welche Prozesstechnologien
x
auf welchem Leistungsniveau (in Relation zu Konkurrenten)
x
in welchen Relationen zu bestehenden und geplanten Prozesstechnologien
x wann realisiert sein sollen.292 Aufbauend auf der gegenwärtigen Prozesstechnologieposition sind Optionen zur Realisation der definierten Zielposition zu entwickeln, auszuwählen und umzusetzen.293 Welche Entwicklungsoption realisiert wird, hängt von den erwarteten ökonomischen, ökologischen und sozialen Erfolgsbeiträgen durch die potenziell realisierbaren Entwicklungsoptionen ab.294 Das entspricht der Beantwortung der Frage: „Which Way to Go and How to Integrate?“ Mit dieser Festlegung werden weiters die prozesstechnologischen Funktionen innerhalb von Wertschöpfungsketten, die von der Unternehmung wahrgenommen bzw. anderen Unternehmungen überlassen werden sollen, definiert. Inhalt der Gestaltungsaufgabe ist aber nicht nur die Festlegung des unternehmenseigenen Prozesstechnologiesystems, sondern auch die gezielte Beeinflussung unternehmensexterner Prozesstechnologiesysteme von (potenziellen) Kunden und Lieferanten.295 Determiniert werden strategische Entscheidungen über die Gestaltung von Prozesstechnologiesystemen von: x
den in der Unternehmenspolitik definierten Zielsetzungen
x
der Ressourcenausstattung der Unternehmung und deren Entwicklung in der Vergangenheit296
x Einflüssen aus der unmittelbaren und generellen Unternehmensumgebung297 Eine weitere Strategiedimension, die im Zusammenhang mit der Gestaltung des Prozesstechnologiesystems zu klären ist, ist die Beschaffungsstrategie. Mit dieser wird festgelegt, in
292
293 294 295 296 297
64
Vgl. Specht, G., Zörgiebel, W. W., Wettbewerbsstrategien, 1985, S. 169f.; Wildemann, H., Zeitaspekte, 1989, S. 133; Schröder, H.-H., Innovationsplanung, 1999, S. 1000ff.; Maidique, M. A., Patch, P., Technological, 1982, S. 275f. Vgl. Pleschak, F., Sabisch, H., Innovationsmanagement, 1996, S. 105ff.; Koch, A., Technologiebilanz, 2004, S. 37 Vgl. Schröder, H.-H., Innovationsplanung, 1999, S. 1007ff. Vgl. Conner, K. R., Resource-based, 1991, S. 141 Vgl. Dierickx, I., Cool, K., Advantage, 1989, S. 1506f. Vgl. Rhyne, L. C., et al., Technology-based, 1997, S. 189ff.
welchem Ausmaß die angestrebte Prozesstechnologieposition durch Entwicklungsaktivitäten der eigenen Unternehmung oder durch Zukauf von Dritten realisiert werden soll.298 Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob Prozesstechnologien zugekauft oder durch die Unternehmung selbst bzw. zusammen mit anderen Unternehmungen, Universitäten etc. entwickelt werden sollen.299 In der Literatur wird diese Fragestellung zwischen externen Erwerb und interner Entwicklung von Technologien zumeist in Form einer dichotomischen Make-orBuy-Entscheidung diskutiert. Zentrale theoretische Ansätze sind die Transaktionskostentheorie300 und Property Rights-Ansätze.301 Andere Autoren argumentieren demgegenüber, dass Komplementarität zwischen unternehmensinternen und extern zugekauftem Wissen besteht. Nur wenn adäquates unternehmensinternes prozesstechnologisches wie ressourcenerschließendes Wissen vorhanden ist, kann demnach externes prozesstechnologisches Wissen effizient absorbiert werden.302 Die Definition der Technologieposition (Which Way to Go?) und die Art der Beschaffung (Make or/and Buy?) sind damit über die vorhandene Ressourcenbasis der Unternehmung miteinander verbunden. Die zwei Alternativen Make bzw. Buy sind dann als Endpunkte eines Kontinuums zu verstehen, welches aus unterschiedlichen Anteilen der internen und externen Beschaffung von Technologien besteht.303 Von einer reinen Buy-Entscheidung kann nur gesprochen werden, wenn mit dem Zukauf der Prozesstechnologie keinerlei unternehmensintern vorzunehmende Abstimmungen mit anderen Prozessen oder Lernprozesse der Mitarbeiter erforderlich wären. Bei der Integration von Prozesstechniken ist das etwa bei Ersatzinvestition, die bei gleicher Betriebsweise exakt gleiche Verhaltensweisen wie die ersetzte Anlage aufweisen.304 Zumeist sind mit dem Zukauf von Prozesstechniken aber Schulungen von Mitarbeitern zum Aufbau adäquaten prozesstechnologischen Wissens notwendig. Weiters sind oft auch prozesstechnische Anpassungen des Produktionssystems durch die Unternehmung selbst vorzunehmen. Von reinen BuySituationen kann aus prozesstechnologischer Sicht dann nicht mehr gesprochen werden.305 298
299 300 301
302
303 304 305
Zu den vielfältigen Möglichkeiten der Beschaffung von Technologien siehe: Gerpott, T. J., Innovationsmanagement, 2005, S. 251ff.; Wolfrum, B., Technologiestrategien, 1995, S. 258ff.; Vahs, D., Burmester, R., Innovationsmanagement, 2005, S. 304ff.; Banerjee, S. K., Manufacturing, 2000, S. 87ff. Vgl. Veugelers, R., Cassiman, B., Make, 1999, S. 64f. Vgl. Picot, A., Vertikale, 1991, S. 344ff.; Schneider, D., Zieringer, C., Make, 1991, S. 44ff. Siehe zu den transaktionskostentheoretischen Ansätzen etwa: Pisano, G. P., Boundaries, 1990, S. 156ff.; Williamson, O. E., Transaction, 1990, S. 150ff.; Siehe zu den property rights Ansätzen etwa: Grossmann, S. J., Hart, O. D., Ownership, 1986, S.; Veugelers, R., Cassiman, B., Make, 1999, S. 66ff.; zur Strategic behavior Theorie siehe: Kogut, B., Ventures, 1988, S. 321f. Vgl. Radnor, M., Acquisition, 1991, S. 115ff.; Cohen, W. M., Levinthal, D. A., Capacity, 1990, S. 129ff.; Cohen und Levinthal zeigen in dieser Veröffentlichung weiters auf, wie durch interne und externe Kommunikation und individuelle wie organisationale Lernprozesse die Ressourcenbasis (technologisches und potenzialerschließendes Wissen) aufgebaut wird. Vgl. Veugelers, R., Cassiman, B., Make, 1999, S. 68ff. Dieser Fall tritt z. B. bei einer Investition in Anlagen auf, welche in gleicher Ausstattung bereits im Unternehmen genutzt werden. Athaide, Meyers und Wilemon weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass bei Lieferanten prozesstechnischer Systeme hohes Interesse an einer möglich reibungsfreien Integration ihrer Anlagen besteht. Entsprechend hoch ist das Engagement in der Phase der Anlagenintegration (etwa durch Schulungen, Unterstützung bei der Abstimmung von Prozessen etc.). Auch nach der Anlagenintegration wird der Kontakt vom Systemlieferanten oftmals gezielt aufrechterhalten, um systematisch Anregungen zur Produktverbesserung
65
Bei reinen Make-Situationen wird ausschließlich das im Unternehmen vorhandene Prozesstechnologiepotenzial als Basis für Veränderungen herangezogen. Dieser Fall tritt etwa ein, wenn Mitarbeiter durch Nutzung von Prozesstechniksystemen deren Möglichkeiten in zunehmendem Maße erkennen und damit prozesstechnologisches Wissen generieren und erschließen (Learning by doing). Bei der strategischen Entwicklung von Prozesstechnologien sind reine Make-Entscheidungen zumeist nicht realistisch. Prozesstechnologien entfalten ihre Leistungspotenziale erst als Elemente von Prozesstechnologiesystemen. Unternehmungen sind i. A. nicht in der Lage, alle Prozesstechnologien eines Systems adäquat zu entwickeln. Die Entwicklung von Prozesstechnologiesystemen erfordert aus diesem Grund im Regelfall auch einen externen Zukauf von Prozesstechnologien. Die Frage, wie die ausgewählte Technologie beschafft werden soll (Make and Buy?), steht im unmittelbarem Zusammenhang mit der Frage „Which Way to Go and How to Integrate?“.306 So ist zunächst zu klären, ob die zur Realisation von definierten Positionen erforderlichen Prozesstechnologien auf Märkten verfügbar sind. Sind erforderliche Prozesstechnologien auf Märkten nicht frei verfügbar, ist zu klären, ob diese auf Initiative der Unternehmung entwickelt werden sollen und ob diese durch die eigene Unternehmung oder (zum Teil) von Dritten im Auftrag entwickelt werden können bzw. sollen. So kann gerade die fehlende Verfügbarkeit einer Prozesstechnologie auf Märkten von Unternehmen als Chance gesehen werden, Wettbewerbsvorteile zu generieren. Ob Unternehmungen dann Prozesstechnologien selbst oder fremd entwickeln lassen, wird u. a. von der Ausstattung mit adäquatem prozesstechnologischem Wissen für die Prozesstechnologieentwicklung bestimmt. Sind geeignete Entwicklungsressourcen nicht gegeben, so ist die Unternehmung auf die Erstellung durch Dritte angewiesen. Bei anderen Prozesstechnologien wiederum ist davon auszugehen, dass ihre Verfügbarkeit auf Märkten erst dazu führt, dass sie als Bestandteil des unternehmerischen Prozesstechnologiesystems aufgenommen werden. So müssen Unternehmungen etwa auch Prozesstechnologien halten, die nicht geeignet sind, Wettbewerbsvorteile zu begründen bzw. ökologische oder soziale Zielsetzungen zu fördern (siehe Abschnitt 4.3). Bei solchen Prozesstechnologien ist kaum zu erwarten, dass Unternehmungen riskante F&E-Projekte initiieren; diese werden im Regelfall zugekauft. Es lässt sich daraus schließen, dass die Verfügbarkeit bzw. fehlende Verfügbarkeit von Prozesstechnologien auf Märkten die Entwicklungsstrategie der Unternehmung wesentlich beeinflusst. Die Ressourcenausstattung der Unternehmung und andere Faktoren bestimmen damit über Make- bzw. Buy-Anteile einer initiierten Prozesstechnologieentwicklung (siehe
306
66
zu generieren. Vgl. Athaide, G. A., Meyers, P. W., Wilemon, D. L., Interactions, 1996, S. 408ff.; Veugelers, R., Cassiman, B., Strategies, 1999, S. 68ff.; Gerpott, T. J., Innovationsmanagement, 2005, S. 251f.; Veugelers, Reinhilde, Sourcing, 1997, S. 303ff.; Beneito, P., Technological, 2003, S. 702f.; Brockhoff, K., Innovationsmanagement, 2000, S. 41ff.; Radnor, M., Acquisition, 1991, S. 114ff. Roberts stellt einen Zusammenhang zwischen Marktfaktoren (bekannte vs. neue Märkte), Technologien (bekannte vs. neue Technologien) und der Art der Beschaffung her. Vgl. Roberts, E. B., Berry, C. A., Entering, 1985, S. 9ff.
Abschnitt 4.6). Die Entscheidung darüber, welche prozesstechnologische Entwicklungsstrategie verfolgt und welche Beschaffungsstrategie dazu eingeschlagen wird (werden muss), wird wesentlich von der gleichen unternehmerischen Ressourcenbasis mitbestimmt. Die beiden strategischen Partialfragen müssen deshalb simultan beantwortet werden.307 Werden von der Unternehmung - im Rahmen der Entwicklungsstrategie - prozesstechnologische Entwicklungen initiiert, so ist konsequenter Weise auch deren künftige Verwertung zu klären. Die entwickelte Prozesstechnologie wird damit selbst zum Produkt der unternehmerischen Leistungserstellung. Grundgedanke ist die umfassende Verwertung von Technologien während ihres gesamten Lebenszyklus, um so einen möglichst hohen ökonomischen Nutzen zu realisieren.308 Kernproblem dieser Keep-or/and Sell-Entscheidungen ist, ob und in welchem Umfang durch die externe Technologieverwertung die Wettbewerbsposition der Unternehmung beeinträchtigt wird.309 Es stellt sich die Frage, ob im Sinn einer Ausweitung des unternehmerischen Leistungsspektrums Prozesstechnologien anderen Unternehmungen zur Nutzung überlassen werden sollen (externe Verwertung).310 Diese Fragestellung findet in der Literatur relativ wenig Beachtung. Eine exklusive Nutzung durch das eigene Unternehmen ist aber nur dann sinnvoll, wenn diese dadurch Wettbewerbsvorteile begründen kann. Lassen Prozesstechnologien eine Anwendung bei nicht-konkurrierenden Unternehmungen (etwa anderer Branchen) zu, so ist prinzipiell eine externe Verwertung, ohne Beeinträchtigung der eigenen Wettbewerbsposition, möglich.311 Aus F&E-Bemühungen können auch ungeplante Ergebnisse (Serendipitätseffekt) resultieren, die intern nicht genutzt werden können.312 Auch Nebenergebnisse von F&E-Anstrengungen, die geplant anfallen, aber in eigenen Prozessen nicht eingesetzt werden sollen, können ohne Wettbewerbsnachteile extern verwertet werden.313 Es kann mit der Neu- bzw. Weiterentwicklung einer Prozesstechnologie jedoch auch die Stoßrichtung verfolgt werden, sie im eigenen Unternehmen zu betreiben und gleichzeitig anderen zur Verfügung zu stellen (Keep-and-Sell-Entscheidung).314 Eine solche Strategie ist etwa dann sinnvoll, wenn die Unternehmung die Versorgung von Märkten mit ihren Produkten nicht übernehmen kann und durch Überlassung der Prozesstechnologie an geeignete Produzenten (in Form von Lizenzen) diese Märkte zusätzlich erschlossen werden können.315 Eine 307 308 309 310 311 312 313 314
315
Vgl. im Gegensatz dazu: Veugelers, R., Cassiman, B., Make, 1999, S. 64ff. Vgl. Brodbeck, H., Birkenmeier, B., Tschirky, H., Entscheidungsstrukturen, 1995, S. 116ff.; Radnor, M., Acquisition, 1991, S. 120f. Vgl. Wolfrum, B., Technologiestrategien, 1995, S. 260f. Vgl. Gerpott, T. J., Innovationsmanagement, 2005, S. 254ff. Vgl. Mittag, H., Technologiemarketing, 1985, S. 92ff. Vgl. Hauschildt, J., Innovationsmanagement, 2004, S. 287 Vgl. Mittag, H., Technologiemarketing, 1985, S. 132ff. Eine solche Strategie verfolgt etwa die Firma AVI/EVG. Diese produziert Stahlbewährungen (Marktführer in Österreich). Die Unternehmung entwickelt und erstellt weiters die zur Produkterstellung erforderlichen Produktionsanlagen, die weltweit vertrieben werden. Mit diesem Produkt beherrscht die Unternehmung den Weltmarkt. Vgl. Wolfrum, B., Technologiestrategien, 1995; Dunford, R., Suppression, 1987, S. 519f.
67
Überlassung an Dritte ist außerdem zweckmäßig, wenn die Unternehmung mit der exklusiven Nutzung der Prozesstechnologie keine Wettbewerbsvorteile gegenüber Konkurrenten mehr erringen kann. Das kann beispielsweise aus Veränderungen in der verfolgten Wettbewerbsstrategie resultieren. Prozesstechnologien verlieren dann ihre strategische Bedeutung als Ressourcen zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen. Es kann weiters auch die Strategie verfolgt werden, durch externe Verwertung Umgehungsentwicklungen durch Konkurrenten zu verhindern.316 Als weitere Möglichkeit der externen Verwertung ist die Veräußerung von Prozesstechnologien an andere Unternehmungen, ohne diese in der eigenen Produktion weiterhin zu nutzen. Sinnvoll ist ein solches Vorgehen beispielsweise, wenn sich die Unternehmung aus Produkt-Markt-Feldern zurückzieht, zu deren Versorgung die Prozesstechnologie entwickelt wurde. Im Extremfall wird eine Prozesstechnologie, ohne dass technologisches Know-how oder Anlagen im Unternehmen verbleiben, an Drittunternehmen verkauft. Auch die Entscheidung über die Verwertung von Prozesstechnologien ist damit (neben anderen Faktoren) von der unternehmerischen Ressourcenausstattung abhängig. Kann etwa eine Unternehmung aufgrund fehlender komplementärer Ressourcen (etwa fehlendes Knowhow in der Vermarktung von Produkten oder aufgrund mangelnder Integrierbarkeit in das unternehmerische Prozesstechnologiesystem) keine Wettbewerbsvorteile aus Prozesstechnologien ziehen, kann diese Art der externen Verwertung sinnvoll sein.317 Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass jede Veränderung des unternehmerischen Prozesstechnologiesystems auf Basis der unternehmensspezifischen Beantwortung von entwicklungs-, beschaffungs- und verwertungsstrategischen Fragestellungen erfolgt. Im Gegensatz zur Auffassung von Brodbeck sind diese drei gleichprioritären Entscheidungsaufgaben bei der Gestaltung des Technologiepotenzials nicht als Sequenz, sondern als eine ganzheitlich zu beantwortende Entscheidungsaufgabe zu verstehen.318 3.2
Das Prozesstechnologiemanagement als integraler Bestandteil des unternehmerischen Managementsystems
3.2.1
Die Managementphilosophie
Gemeinsame Wertbasis unternehmerischen Handelns aller Führungskräfte bildet die Managementphilosophie. Sie ist als ganzheitliche Interpretation der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Funktion und Stellung der Unternehmung und der daraus abzuleitenden Sinnzusammenhänge und Wertbezüge des Managements zu verstehen.319 Die Managementphilosophie stellt damit die gemeinsame Wertbasis des Denkens und Handelns der Führungskräfte im
316 317 318 319
68
Vgl. Gerpott, T. J., Innovationsmanagement, 2005, S. 296ff. Vgl. Alvarez, S. A., Barney, J. B., Alliances, 2001, S. 140ff. Vgl. Brodbeck, H., Birkenmeier, B., Tschirky, H., Entscheidungsstrukturen, 1995, S. 108ff.; Brodbeck, H., Entscheidungsprozesse, 1998, S. 414f. Vgl. Ulrich, P., Fluri, E., Management, 1992, S. 53
Sinne einer „moralischen Willensbekundung" dar.320 Ihre zentrale Aufgabe ist es, Klarheit über die Grundlagen des unternehmerischen Handelns und somit eine Legitimation für die Existenz der Unternehmung zu schaffen.321 Das Handeln des Managements zur Realisation unternehmerischer Zielsetzungen wird so prognostizierbar. Begründet wird die Managementphilosophie aus den grundlegenden Einstellungen, Überzeugungen und Werthaltungen der maßgeblichen Führungskräfte der Unternehmung.322 Aus den Annahmen über die grundlegende gemeinsame Wertbasis leitet sich das Verhalten des gesamten Managements ab. Auf Grundlage der Managementphilosophie vollzieht sich das Management auf normativer, strategischer und operativer Ebene.323 3.2.2
Die normative Managementebene
Aufgabe des normativen Managements ist es, Rahmenbedingungen zu gestalten, in denen sich das strategische wie operative Geschehen der Unternehmung effizient vollziehen kann. Aufgabe der normativen Managementebene ist die Entwicklung und Kommunikation einer für die Unternehmensaktivitäten verbindlichen Unternehmensvision und -politik. Der Vorgabecharakter normativer Festlegungen für alle Unternehmensaktivitäten determiniert die Entwicklungen prozesstechnologischer Systeme.324 Die Diskussion über die Integration prozesstechnologischer Elemente auf normativer Ebene findet trotz ihrer zentralen Bedeutung in der Literatur kaum Niederschlag. 3.2.2.1 Der prozesstechnologische Bezug von Unternehmensvisionen Inhalte von Visionen sind Vorstellungen über den Zukunftszustand unternehmerischer Leistungen und den Wegen zu deren Realisierung.325 Zwecksetzung von Visionen ist die Definition der Unternehmung als legitimen Bestandteil der Gesellschaft. Visionen beinhalten Aussagen darüber, welchen Nutzen die Leistungen der Unternehmung für die Gesellschaft aufweisen sollen. Generiert wird Nutzen in produzierenden Unternehmungen durch die Erstellung von Sach- und mit diesen verbundenen Dienstleistungen (Produkte i. w. S.).326 Für alle Mitarbeiter bildet die Unternehmensvision damit die Basis der Sinnvermittlung und dient so als Orientierungspunkt für die Ausrichtung unternehmerischer Aktivitäten.327 „Die Vision ist ein konkretes Zukunftsbild, nahe genug, dass wir die Realisierbarkeit noch sehen können, 320 321 322
323 324 325 326 327
Vgl. Ulrich, P., Fluri, E., Management, 1992, S..53ff.; Kreikebaum, H., Produktethik, 2000, S. 489f. Vgl. Wheelwright, S. C., Strategy, 1984, S. 78ff. Wheelwright unterstreicht die Bedeutung der Fertigungsfunktion im Rahmen der Entwicklung und Kommunikation der Managementphilosophie. Er argumentiert damit, dass die Mehrzahl der Arbeitskräfte im Fertigungsbereich konzentriert ist. Wheelwright, S. C., Strategy, 1984, S. 78f. Vgl. Bleicher, K., Management, 1992, S. 58ff. Vgl. Tushman, M. L., Rosenkopf, L., Determinants, 1992, S. 313f. Vgl. Henzler, H., Vision, 1988, S. 20ff. Nutzen generiert wird weiters durch Bereitstellung von Arbeitsplätzen, Steuerzahlungen etc. Vgl. Ulrich, P., Fluri, E., Management, 1992, S. 94ff. Vgl. Bleicher, K., Management, 1992, S. 82ff.; Zur Bedeutung von Visionen als strategischer Erfolgsfaktor vgl. Brown, S. L., Eisenhardt, K. M., Change, 1997, S. 16ff.
69
aber schon fern genug, um die Begeisterung der Organisation für eine neue Wirklichkeit zu wecken.“328 Unternehmensvisionen müssen sich konsequenter Weise auch auf negative externe Effekte beziehen, die grundsätzlich vermieden werden sollen. So sind ökologische und soziale Zukunftszustände ebenfalls in die Konzeption der Unternehmensvision zu integrieren. Impliziert werden in Aussagen über die Unternehmensvision stets, dass diese durch Produkt- und mit diesen zwangsläufig verbunden Prozesstechnologien realisiert werden könnten.329 Konkrete Aussagen über Technologien sind jedoch nicht Gegenstand von Unternehmensvisionen. 3.2.2.2 Der prozesstechnologische Bezug der Unternehmenspolitik Unternehmungen sind offene sozio-technologische Systeme.330 Folge der Systemoffenheit sind erwünschte (social benefits) und unerwünschte Wirkungen (social costs), die von der Unternehmung ausgehen und auf deren Umgebung einwirken und umgekehrt.331 Die von Unternehmensaktivitäten Betroffenen werden als Stakeholder (Anspruchsgruppen, Umgebungsgruppen) bezeichnet. Unterschieden werden interne (Eigentümer, Management, Mitarbeiter) und externe (Fremdkapitalgeber, Lieferanten, Kunden, Konkurrenz, Staat und Gesellschaft) Anspruchsgruppen.332 Auf Basis deren Wertesysteme und Machtpotenziale wirken diese auf die Gestaltung der Unternehmenspolitik ein. Das der Bewertung externer Effekte zu Grunde liegende Wertesystem unterliegt zeitlichen Veränderungen. Social costs und benefits unternehmerischen Handelns werden damit über die Zeit hinweg unterschiedlich von den Anspruchsgruppen bewertet. So wurden beispielsweise die Wirkungen unternehmerischen Handelns auf die natürliche Umwelt erst in den 70er Jahren als existenzieller Problembereich wahrgenommen und „Umweltschutz“ im Wertesystem der Gesellschaft integriert.333 Verschärfte Rechtsnormen aber auch Initiativen einzelner Anspruchsgruppen führten dann dazu, dass Umweltschutz von vielen Unternehmungen in ihr Zielsystem aufgenommen wurde. Wie dynamisch sich das gesellschaftliche Wertesystem entwickelt, lässt sich heute etwa an der Gentechnik- und Globalisierungsdiskussion ersehen.
328 329 330 331 332
333
70
The Boston Consulting Group, Vision, 1988, S. 7 Vgl. Hinterhuber, H. H., Friedrich, S. A., Technology, 2002, S. 197; Als Beispiel einer realisierten (technologischen) Vision vgl. Bhattacherjee, A., Technologies, 1998, S. 269f. Vgl. Tschirky, H., Technologie-, 1991, S. 28 Vgl. Ulrich, P., Fluri, E., Management, 1992, S. 56ff. Vgl. Ulrich, P., Fluri, E., Management, 1992, S. 77ff.; Hinterhuber, H. H., Unternehmensführung, 1980, S. 20f. Zur Diskussion einer breiten bzw. engen Sicht des Stakeholderbegriffs vgl. Mitchell, R. K., Alge, B. R., Wood, D. J., Stakeholder, 1997, S. 855ff. und die dort zitierte Literatur. Im Rahmen dieser Arbeit wird ein breiter Ansatz, wie in Freeman definiert, unterstellt. Dieser wird gewählt, da prozesstechnologische Strategien auch von Organisationen bzw. Individuen beeinflusst werden können, die bei enger Auslegung keine Berücksichtigung finden würden. Vgl. Freeman, E. R., Stakeholder, 1984, S. 43ff. Vgl. stellvertretend für viele: Meadows, D. H., Meadows, D. L., Randers J., Grenzen, 1995, S. 21ff.; Newman, R. W., Hanna, M. D., Manufacturing, 1996, S. 69ff. Zur Berücksichtigung umweltschutzrelevanter Sachverhalte in der Betriebswirtschaftslehre vgl. Strebel, H., Umweltwirtschaft, 2005
Anspruchsgruppen weisen unterschiedliche Macht, Legitimation (i. S. sozialer Akzeptanz)334 und Dringlichkeit (i. S. der Geschwindigkeit mit der die Erfüllung von Forderungen durch den Stakeholders erwartet wird und mit welcher Relevanz diese durch den Stakeholder versehen sind) in ihren Interessen gegenüber der Unternehmung auf.335 In welchem Umfang es einzelnen Anspruchsgruppen gelingt, ihre Interessen durchzusetzen, ist davon abhängig, über welche Machtpotenziale sie bei der Festlegung grundsätzlicher Unternehmenszielsetzungen verfügen.336 Prinzipiell ist es möglich, dass einzelne Anspruchsgruppen mit entscheidungsdominierender Macht (vor allem Eigentümer und Management) diese ausschöpfen und in opportunistischer Weise ihre Interessen zum Nachteil (social costs) anderer durchsetzen. Übersteigen die social costs anhaltend die social benefits, so wird dies als sinkende Lebensqualität empfunden und die Unternehmenslegitimation von in ihren Interessen frustrierten Stakeholdern in Frage gestellt. Als Rückwirkung auf den Unternehmenserfolg ist zumindest mit Imageverlusten zu rechnen; im Extremfall kann auch die Unternehmensexistenz gefährdet sein. Das kann der Fall sein, wenn von negativen Folgen Betroffene entsprechende Machtpotenziale aufweisen bzw. aufbauen und diese ausschöpfen (z. B. durch Kaufboykots, Lobbying etc.) Langfristig ist die Unternehmenslegitimation auf Basis anhaltenden Überhanges von social costs nicht aufrechtzuerhalten. Zwecksetzung der Unternehmenspolitik ist es daher, einen konsensorientierten Ausgleich zwischen konfligierenden Interessen der verschiedenen Anspruchsgruppen herbeizuführen. Es sollen so langfristig stabile Beziehungen zu allen unternehmensintern und –extern Beteiligten und Betroffenen von Unternehmensaktivitäten aufgebaut und gefestigt werden, um dadurch die Existenz der Unternehmung zu legitimieren und langfristig zu sichern.337 Im Prozess der Politikgestaltung muss über Grundzweck, Ziele und Verhaltensgrundsätze der Unternehmung entschieden werden. In die Entscheidungsfindung fließen neben Normen aus den Wertesystemen der Anspruchsgruppen auch Fakten über die Unternehmung und deren Umgebung ein. Moderierend auf die Entwicklung der Unternehmenspolitik wirkt hierbei die Unternehmens- und Umgebungssicht der gestaltenden Manager.338 Die Unternehmenspolitik bildet dann mit ihrem Bündel an Grundsatzentscheidungen den verbindlichen Rahmen der strategischen und operativen Unternehmensplanung (Abbildung 8).339 Eine Vielzahl unternehmenspolitischer Festlegungen bezieht sich implizit oder explizit auf die Nutzung bzw. Entwicklung von Produkt- und Prozesstechnologien. Grund dafür ist, dass diese letztlich Basis der unternehmerischen Existenz sind und aus ihrer Nutzung im
334 335 336 337 338 339
Vgl. Kreikebaum, H., Produktethik, 2000, S. 489f. Vgl. Freeman, E. R., Stakeholder, 1984, S. 865ff. Vgl. Mitchell, R. K., Alge, B. R., Wood, D. J., Stakeholder, 1997, S. 865ff. Vgl. Ulrich, P., Fluri, E., Management, 1992, S. 77ff. Vgl. Mitchell, R. K., Alge, B. R., Wood, D. J., Stakeholder, 1997, S. 870ff. Vgl. Ulrich, P., Fluri, E., Management, 1992, S. 79ff.; Tushman, M. L., Romanelli, E., Metamorphosis, 1985, S. 174ff.; Hinterhuber, H. H., et.al, Führung, 2000, S. 1359f.
71
Leistungserstellungs- und Leistungsverwertungsprozess externe Effekte resultieren.340 In zunehmendem Maße rücken gesellschaftliche Folgen der Technologienutzung in das Zentrum des Interesses von Stakeholdern.341 Informationen über UnterUmgebung nehmung Fakten Strategieentwicklung
Ebene der Geschäftsfeldstrategien
externe Anspruchsgruppen
etc.
Verhaltensgrundsätze
Funktionalbereichsstrategien Marketingstrategie
Normen
F&E-Strategie
Ziele
Beschaffungsstrategie
Grundzweck
Produktionsstrategie
Interessen sausgleich
Unternehmungspolitik
interne Anspruchsgruppen
Unternehmensstrategie • wettbewerbsstrategische Festlegungen • Umweltschutzstrategie • Sozialstrategie
Unternehmungsvision
Prozesstechnologiestrategie
Managementphilosophie
Strategieumsetzung
Abbildung 8: Unternehmenspolitischer Willensbildungsprozess und Strategieentwicklungssystem Aufgabe des normativen Managements ist es demnach, die Basis für die visionsgeleitete Auseinandersetzung der Unternehmung mit Technologien auf oberster Führungsebene zu schaffen. Das erfordert entsprechendes prozesstechnologisches Basiswissen des Top-Manage340 341
72
Vgl. Bullinger, H.-J., Technologiemanagement, 1994, S. 69ff. Vgl. Dierkes, M., Mützel, S., Technikfolgen, 1995, S. 646ff.
ments, das durch das normative bzw. strategische Management systematisch aufgebaut werden muss.342 Auf dieser Grundlage können prozesstechnologische Grundsatzfragen adäquat in die Unternehmenspolitik integriert werden. Grundlage für die Formulierung unternehmenspolitischer Zielsetzungen bilden Kenntnisse über bereits existierende, bekannte Technologien und Erwartungen über deren Entwicklung in der Zukunft. Weiters sind potenzielle künftige Prozesstechnologien in die Entwicklung der Unternehmenspolitik aufzunehmen. Inhaltlich lassen sich ökonomische, ökologische und soziale unternehmenspolitische Festlegungen unterscheiden. 3.2.2.2.1 Ökonomische unternehmungspolitische Zielsetzung und deren Bezug zu Prozesstechnologien Von der Unternehmung gehaltene bzw. künftig zu integrierende Produkt- und Prozesstechnologien determinieren den monetär-ökonomischen Erfolg von Gegenwart und Zukunft. Damit werden monetäre Interessen von Eigentümern (Verzinsung des investierten Kapitals), Mitarbeitern (Einkommen), Fremdkapitalgebern (sichere Kapitalanlage, befriedigende Verzinsung), Lieferanten (gesicherte Zahlungsfähigkeit des Kunden) sowie von Gesellschaft und Staat (Angemessenheit der Steuerleistung) angesprochen. Außerdem ist der Wert von Unternehmungen unmittelbar von den gehaltenen Technologien und deren Entwicklungspotenziale abhängig. Für Anspruchsgruppen mit monetär-ökonomischer Interessenslage sind Aussagen über die Grundsätze prozesstechnologischer Entwicklungen in der Unternehmenspolitik von großem Interesse. Prozesstechnologiepolitische Aussagen können sich hierbei auf künftig forcierte Prozesstechnologiefelder, das grundsätzliche Verhalten gegenüber neuen Prozesstechnologien, die Patentpolitik etc. beziehen.343 Von zentralem Interesse ist in diesem Zusammenhang die Darstellung von Kausalzusammenhängen zwischen prozesstechnologischen Positionen bzw. Entwicklungen und dem erwarteten monetären Unternehmenserfolg. Im Zuge unternehmenspolitischer Festlegungen sind aber auch Interessen von Staat, Gesellschaft und anderen Unternehmungen in einer Region zu beachten. Von Interesse ist für diese die strukturelle Regionalentwicklung durch Integration und Erweiterung von Prozesstechnologiesystemen. Da prozesstechnologische Entwicklungen stets mit dem Risiko eines Scheiterns verbunden sind, stellt das Risikoverhalten bei der Entwicklung und dem Einsatz neuer Technologien eine weitere bedeutende unternehmenspolitische Aussage dar.344 Grundsätzlich kann zwischen offensivem, auf Technologieführerschaft gerichtetem, und defensivem, abwartendem Verhalten gegenüber neuen Prozesstechnologien unterschieden werden (siehe Abschnitt
342 343 344
Vgl. Tschirky, H., Technologie-, 1991, S. 29 Vgl. Tschirky, H., Technologie, 1998, S. 278ff.; Specht, G., Zörgiebel, W. W., Wettbewerbsstrategien, 1985, S. 171f. Vgl. Tschirky, H., Technologie, 1998, S. 278
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4.2.5).345 Unterschiede im grundsätzlichen Verhalten gegenüber neuen Prozesstechnologien lassen sich aus ressourcentheoretischer Sicht zunächst darauf zurückführen, dass differierende Erwartungen bezüglich der generierbaren Wettbewerbsvorteile bestehen. Bei optimistischer Sichtweise wird erwartet, dass durch einen frühzeitigen Einstieg in eine neue Prozesstechnologie rasch Wettbewerbsvorteile aufgebaut und durch Weiterentwicklung der Prozesstechnologie (und deren Nutzung) im Unternehmen diese auch anhaltend abgesichert werden können. Voraussetzung dafür ist, dass bestehende prozesstechnologische wie potenzialerschließende Ressourcensysteme der Unternehmung Entscheidungsträgern geeignet erscheinen, eine Prozesstechnologie frühzeitig - mit all ihren Problemen - adäquat in bestehende Systeme zu integrieren und weiter zu entwickeln.346 Diese Erwartungshaltung wird vor allem dann gestärkt werden, wenn bereits in der Vergangenheit Prozesstechnologien sehr frühzeitig von der Unternehmung erfolgreich integriert wurden. Entscheidungsträger vertrauen dann darauf, dass in der Vergangenheit prozesstechnologisches wie potenzialerschließendes Wissen aufgebaut wurde, welches die Unternehmung in die Lage versetzt, Prozesstechnologiesysteme effizient zu integrieren und dabei auftretende Probleme zu lösen (siehe Abschnitt 2.3.4). Aus Sicht der betroffenen Anspruchsgruppen können aus der grundsätzlichen technologischen Ausrichtung Rückschlüsse auf die Absicherung ihrer Kapitalanlage durch stabile prozesstechnologische Unternehmensentwicklungen gezogen werden. Entsprechend bedeutsam ist in diesem Zusammenhang auch die Abschätzung der Chancen und Risiken prozesstechnologischer Entwicklungen zu sehen. 3.2.2.2.2 Ökologische unternehmungspolitische Zielsetzung und deren prozesstechnologischer Bezug Die industrielle Produkterstellung ist stets an die Nutzung der natürlichen Umwelt gebunden. Inputseitig wird hierbei die natürliche Umwelt als Lieferant von Ressourcen, outputseitig als Aufnahmemedium für unerwünschte Rückstände der Produktion genutzt.347 Diese Nutzung führt zu mehr oder weniger umfangreichen Schädigungen der natürlichen Umwelt auf regionaler und überregionaler Ebene, die grundsätzlich irreversibel oder reversibel sein können.348 Beginnend in den 70er Jahren wurde die Zielsetzung „Umweltschutz“ immer stärker in das Wertesystem breiter Gesellschaftsschichten integriert. Ursachen dieser Entwicklung waren Erkenntnisse über die Begrenztheit natürlicher Ressourcen sowie Umweltkatastrophen, 345 346 347 348
74
Vgl. Wildemann, H., Zeitaspekte, 1989, S. 135ff.; Müller, A., Innovationen, 1988; Freeman, C., Soete, L., Innovation, 1997, S. 265ff. Vgl. Wildemann, H., Zeitaspekte, 1989, S. 135ff. Vgl. Strebel, H., Umwelt, 1994, S. 753ff.; Matschke, M., Umweltwirtschaft, 1996, S. 22ff. Bei irreversibler Schädigung werden der natürlichen Umwelt nicht nachwachsende bzw. nicht regenerative Stoffe entnommen oder Umweltmedien regional so stark belastet, dass sie für andere Nutzungen (langfristig) nicht mehr zur Verfügung stehen bzw. ihre Funktion innerhalb des ökologischen Systems nicht mehr erfüllen können und kollabieren. Eine reversible Nutzung im Sinne einer „nachhaltigen Ressourcenbewirtschaftung“ ist dann gegeben, wenn reproduzierbare/regenerative Ressourcen so genutzt werden, dass ihre Fähigkeit zur Regeneration- bzw. Reproduktion nicht beeinträchtigt wird. Das Nutzungspotenzial bleibt so zukünftigen Generationen unbeeinträchtigt erhalten. Siehe dazu das Konzept des nachhaltigen Wirtschaftens. Vgl. Strebel, H., Umweltwirtschaft, 2005, S.. 35ff.
die das Augenmerk der Öffentlichkeit auf die Nutzung der natürlichen Umwelt durch die Industrie lenkten.349 Viele Staaten verschärften in weiterer Folge die Bestimmungen zur Nutzung der natürlichen Umwelt. Darüber hinaus traten verstärkt Interessensgruppen auf, die den Schutz der natürlichen Umwelt als Leitmotiv aufgriffen (Greenpeace, WWF etc.). Im Sinne einer konsensorientierten Gestaltung der Unternehmenspolitik sind auch Zielsetzungen und Verhaltensweisen zu definieren, die Bezug auf die Nutzung der natürlichen Umwelt durch die Produkterstellung und –nutzung (bis hin zur Entsorgung bzw. darüber hinaus) nehmen. Ob und wie Umweltschutzaspekte bei der Gestaltung und Nutzung prozesstechnologischer Systeme integriert werden, hängt von der unternehmerischen Grundhaltung gegenüber umweltorientierten Problemstellungen ab. Unterscheiden lassen sich illegale, defensive (reaktive bzw. reaktionäre), offensive und normativ-ethische Verhaltensweisen gegenüber ökologischen Fragestellungen.350 Je nach Verhalten differieren die umweltbezogenen, unternehmenspolitischen Zielvorgaben und die zu ihrer Realisation eingesetzten prozesstechnologischen Instrumente.351 Unternehmungen stehen zunächst externen Vorgaben (durch Gesetzesnormen, Forderungen der Behörde etc.) gegenüber. Werden diese gesellschaftlichen Zielsetzungen als konfligierend mit unternehmerischen Zielsetzungen (vor allem monetär-ökonomischen) gesehen, so wird bei defensivem Verhalten als „unternehmerische“352 Zielsetzung die permanente Konformität der Produkterstellung mit bestehenden Gesetzen angestrebt. Die Einhaltung inputund outputseitiger Umweltnutzungsrestriktionen steht im Zentrum unternehmerischen Bestrebens. Darüber hinausgehende, unternehmensautonom schärfer definierte umweltbezogene Zielsetzungen werden nicht verfolgt. Die Unternehmung ist bestrebt, den Status quo ihrer Fertigung unverändert beizubehalten und nicht aufgrund von umweltbezogenen Zielsetzungen zu verändern.353 Verschärfungen von Gesetzesnormen werden als ökonomische Bedrohung aufgefasst, die „ohnehin nur Kosten verursachen“. Umweltschutzmaßnahmen im Produktionssystem werden nur bei externem Zwang durchgeführt. Bei reaktionärem Verhalten versuchen Unternehmungen zusätzlich aktiv Verschärfungen von Umweltschutznormen (über Lobbys) zu verwässern bzw. zeitlich zu verzögern. Wird Umweltschutz nicht als Bedrohung, sondern als Chance gesehen, die unternehmerische Wettbewerbsposition zu verbessern bzw. monetär-ökonomische Vorteile zu realisieren, so integrieren Unternehmungen autonom postulierte umweltbezogene Zielsetzungen in das Unternehmenszielsystem. Ein solches Verhalten kann als offensiv bezeichnet werden. Nicht mehr alleine die Einhaltung gesetzlicher Rahmenbedingungen wird angestrebt, sondern dar349
350 351 352 353
Vgl. Meadows, D. H., Meadows, D. L., Randers J., Grenzen, 1995; Matschke, M., Umweltwirtschaft, 1996, S. 10ff. Man denke in diesem Zusammenhang etwa an Tschernobyl, die Freisetzung von Dioxinen in Seveso, Tankerunfälle u.v.a.m. Vgl. Zotter, K.-A., Wasserwirtschaft, 1996, S. 68ff.; Newman, R. W., Hanna, M. D., Manufacturing, 1996, S. 80ff.; Kreikebaum, H., Produktethik, 2000, S. 490ff.; Schwarz, E. J., Prozessinnovationen, 1999, S. 110ff. Vgl. Förstner, U., Pollution, 1995, S. 5ff.; Schwarz, E. J., Prozessinnovationen, 1999, S. 92ff. Es handelt sich hier eigentlich nicht um unternehmerische Zielsetzungen, sondern um externe Vorgaben! Weltweit betrachtet ist dieses Verhalten dominierend. Vgl. Newman, R. W., Hanna, M. D., Manufacturing, 1996, S. 70
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über hinausgehend, restriktivere Umweltschutzziele (z. B. freiwillige Begrenzung gesetzlich nicht geregelter Emissionen, verschärfte Entnahmebestimmungen von Rohstoffen aus der natürlichen Umwelt etc.).354 Umweltschutzmaßnahmen, über gesetzliche Mindesterfordernisse hinaus, werden realisiert, wenn die Unternehmung dadurch ihre Kosten senken bzw. ihre Produkterlöse aufgrund des durch den Kunden honorierten Produktzusatznutzens „Umweltschutz“ steigern kann. Damit werden ökonomische und ökologische Ziel nicht von vornherein als konfligierend gesehen. Bei normativ-ethischer Unternehmenspolitik schließlich wird die gesellschaftliche Zielsetzung „Umweltschutz“ als gleichrangig mit ökonomischen Zielsetzungen betrachtet. Unternehmungen, die diese Umweltpolitik verfolgen, sind grundsätzlich bereit, zugunsten umweltbezogener Zielbeiträge auf ökonomische zu verzichten. Ein solches Verhalten wird jedoch nur eine geringe Zahl von Unternehmungen konsequent an den Tag legen.355 Dominante Zielsetzung von Unternehmungen ist nach wie vor die Gewinnerzielung – Unternehmen werden nicht gegründet, um Umweltpreise zu erringen.356 Auch bewusst illegales Unternehmensverhalten gegenüber umweltbezogen Rechtsnormen ist eine mögliche Verhaltensweise. Unternehmungen missachten hierbei bewusst, anhaltend gesetzliche Rahmenbedingungen, um kurzfristig monetär-ökonomische Vorteile zu erzielen. Sie nehmen das Risiko, ertappt zu werden, bewusst in Kauf, wenn sie den Erwartungswert möglicher Strafzahlungen niedriger einschätzen als die Kosten gesetzeskonformen Verhaltens.357 Umweltschutzziele werden bei einem solchen Verhalten grundsätzlich nicht in das unternehmerische Zielsystem aufgenommen. Illegales Verhalten kann prinzipiell nicht als konsensorientierte unternehmenspolitische Zielsetzung, sondern nur als temporär erfolgssteigernde Maßnahme gesehen werden. In vielen Ländern ist heute ein solches Verhalten von Unternehmungen langfristig kaum mehr durchzuhalten. Da im Rahmen dieser Arbeit von einem langfristig konsensorientierten Verhalten von Unternehmungen ausgegangen wird, werden illegale Verhaltensweisen nicht mehr weiter diskutiert. Für die konzeptionelle Gestaltung prozesstechnologischer Systeme ist die unternehmensspezifische Ausprägung der Umweltschutzpolitik von zentraler Bedeutung. So lässt sich feststellen, dass bei offensiver und normativ-ethischer Umweltschutzpolitik tendenziell Maßnahmen forciert werden, die in bestehende Prozesstechnologiesysteme (integrierte Umweltschutzmaßnahmen) eingreifen. Umweltschutzziele müssen damit bereits bei der Systementwicklung berücksichtigt werden. Bei defensivem Verhalten werden Prozesstechnologiesysteme aus umweltbezogenen Gründen nur unter externem Zwang angepasst. Unternehmungen versuchen bei diesem Verhalten, bestehende Systeme möglichst lange unverändert zu betreiben. Müssen umweltbezogene Vorgaben erfüllt werden, erfolgt das vor allem durch so ge354 355 356 357
76
Ein weiteres Beispiel ist etwa die Selbstverpflichtung der Automobilindustrie Kunststoffe ihrer Fahrzuge zu recyklieren. Siehe dazu die Diskussion über die Bedeutung des Gewinnes als Maßstab der unternehmerischen Effizienz (Existenzlegitimation) vgl. Hinterhuber, H. H., Unternehmensführung, 1980, S. 22f. Vgl. Ulrich, H., Unternehmungspolitik, 1990, S. 123 Vgl. Dyckhoff, H., Umweltmanagement, 1999, S. 18f.; Terhart, K., Umweltschutzauflagen, 1986, S. 33ff.
nannte End-of-Pipe-Systeme. Das unter der - zumeist falschen - Annahme, dass durch diese Umweltschutzmaßnahmen die Produktion nicht negativ beeinflusst wird.358 3.2.2.2.3 Soziale und ethische unternehmungspolitische Zielsetzung und deren prozesstechnologischer Bezug Technologien sind zum festen Bestandteil des täglichen Lebens geworden und die Technologieentwicklung nimmt an Dynamik weiter zu. Gleichzeitig wachsen Skepsis und Unbehagen gegenüber Technologien.359 Gekennzeichnet ist die Einstellung gegenüber (neuen) Technologien einerseits durch eine gewisse Erwartungshaltung über deren Nutzen, andererseits werden aber auch zunehmend negative Wirkungen befürchtet bzw. erkannt.360 Mit Technologieentwicklungen ist außerdem ein mehr oder weniger weitgreifender sozialer Wandel verbunden. Man denke in diesem Zusammenhang an die Umwälzungen, die mit der Modernisierung (Mechanisierung und Automatisierung) im Produktionsbereich einhergingen bzw. -gehen. Soziale Problemstellungen, resultierend aus technologischen Entwicklungen, ergeben sich daraus, dass social benefits und costs ungleichmäßig über die Betroffenen verteilt werden. Im 20. Jahrhundert traten verstärkt Kontroversen auf, die ihre Ursachen im Bewusstwerden dieser Asymmetrie hatten. Es wurde erkannt, dass technologischer Fortschritt nicht mit sozialem gleichgesetzt werden kann und Technologien kaum Antworten auf soziale Fragen der Gesellschaft liefern können.361 Es soll hier nicht der Eindruck vermittelt werden, dass Technologien einseitig die gesellschaftliche Entwicklung beeinflussen. Technologischer Fortschritt kann sich erst eingebettet in wirtschaftlich wie sozial innovativen Gesellschaften entwickeln.362 Wechselwirkungen zwischen Technologien und Gesellschaft führen zu einer simultanen Veränderung beider Systeme - auch wenn sich manchmal Menschen von Technologieentwicklungen „überfahren“ fühlen. Gekennzeichnet sind diese Wechselwirkungen durch zunehmende Komplexität aus wachsenden Anforderungen der Gesellschaft an Technologien.363 Das Bestreben, immer stärker die Möglichkeiten der Mitsprache bei der Entwicklung und Nutzung von Technologien auszuschöpfen, wächst. Ein weiterer komplexitätssteigernder Faktor für Unternehmen ist die zunehmende Globalisierung der unternehmerischen Aktivitäten. Unterschiedliche gesellschaftliche Strukturen und Kulturen (und damit nicht vergleichbare Wertesysteme) sind in ihren Wirkungen für die Unternehmung zu berücksichtigen. Eine zentrale Aufgabe der Technologienutzung und entwicklung besteht daher heute darin, innovative Lösungen bereitzustellen, die heterogenen sozialen Zielsetzungen nicht entgegenstehen. 358 359 360 361 362 363
Eigene empirische Befunde weisen aber darauf hin, dass gerade End-of-pipe-Systeme die industrielle Produktion weit mehr beeinträchtigen als integrierte Lösungen. Vgl. Zotter, K., End-of-pipe, 2004, S. 693f. Vgl. Nowotny, H., Wissen, 1998, S. 34ff. Atomstrom ist die sauberste Energie ..... solange nichts passiert. Vgl. Nowotny, H., Wissen, 1998, S. 35ff. Vgl. Endruweit, G., Wechselwirkungen, 1995, S. 1054ff. Siehe dazu etwa die Globalisierungsdebatte.
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Grund für das wachsende Interesse an den Aktivitäten von Unternehmen ist letztlich die Sicherung bzw. Verbesserung der Lebensqualität der Menschen. Bestimmungsfaktoren der Lebensqualität sind die Sicherung der natürlichen Umwelt, materielles Wohlbefinden, Entwicklung bzw. Erhaltung kultureller Werte, soziale Harmonie und Gerechtigkeit etc.364 Mit der Nutzung und Entwicklung von Prozesstechnologiesystemen sind vor allem Zielsetzungen, die natürliche Umwelt (siehe Abschnitt 4.2.4) sowie das ökonomische, soziale, körperliche wie ethisch-religiöse Wohlbefinden betreffend, von Relevanz. Für die Nutzung und Entwicklung von Prozesstechnologien ergibt sich hier ein mehrdimensionales soziales Spannungsfeld. Vollständig lösen lässt sich dieses durch Prozesstechnologien alleine wohl kaum. 3.2.2.2.3.1 Ökonomisches und soziales Wohlbefinden von Menschen Es bedarf keiner revolutionären365 prozesstechnologischen Entwicklungen, um regional oder temporal begrenzte soziale Veränderungen auszulösen. Von zentraler Bedeutung für das soziale und ökonomische Wohlbefinden von Menschen ist zunächst die Frage nach der zukünftigen Gestaltung ihres Arbeitslebens.366 Konfliktgehalte können sich aus allen Veränderungen (Neuerungen) in Prozesstechnologiesystemen ergeben.367 Soziale Spannungsfelder eröffnen sich hier aus dem unternehmerischen Bestreben der Produktivitätssteigerung, veränderter Systemkomplexität und -organisation, der Ausweitung oder Reduktion von Prozesstechnologiesystemen usw. Entwicklungen in Prozesstechnologiesystemen weisen Konfliktpotenziale auf, weil mit diesen Veränderungen im qualitativem und/oder quantitativem Bedarf an Humanressourcen und der organisatorischen Integration verbunden sein können. Tatsächliche Konflikte treten hierbei bereits bei vermuteten und nicht nur bei eingetretenen Veränderungen von Arbeitsbereichen auf. Zielsetzung von Unternehmungen kann grundsätzlich sein, prozesstechnologische Entwicklungen so durchzuführen, dass soziale Spannungsfelder frühzeitig im Planungsprozess antizipiert werden. Da das soziale Konfliktpotenzial mit dem Ausmaß an prozesstechnologischen Neuerungen und daraus resultierenden Veränderungen im individuellen Arbeitsumfeld zunimmt, kann die Umsetzung neuer Systeme in möglichst kleinen Schritten eine unternehmenspolitische Zielsetzung sein. Zweck dieses Vorgehens ist es, den Mitarbeitern ausreichend Zeit zur Verfügung zu stellen, um sich an veränderte Bedingungen neuer Prozesstechnologien anzupassen.
364 365 366 367
78
Vgl. Hentze, J., Kammel, A., Personalwirtschaftslehre, 2001, S. 57ff. Man denke hier an die industriellen Revolutionen. Vgl. Szyperski, N., Tilemann, T., Ziele, 1979, Sp. 2313 Zur Problematik des Konfliktgehalts von Innovationen vgl. Thom, N., Innovationsmanagement, 1980, S. 29ff.
3.2.2.2.3.2 Physisches und psychisches Wohlbefinden von Menschen Mit der Nutzung bzw. Entwicklung von Prozesstechnologiesystemen sind zumeist auch Zielsetzungen verbunden, die das physische und psychische Wohlbefinden und damit die Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Mitarbeiters zum Inhalt haben.368 Gesetzesnormen geben hier über weite Bereiche Mindeststandards für die Arbeitssicherheit und die physische wie psychische Belastung der Mitarbeiter vor. Von Unternehmungen können aber (offensiv) autonome Ziele festgelegt werden, die gesetzliche Vorgaben übertreffen.369 Unternehmen werden eine solche offensive Strategie vor allem dann verfolgen, wenn ökonomische Zielbeiträge simultan realisiert werden können (etwa durch Verringerung krankheitsbedingter Fehlstunden). Weiters werden durch die genutzten Prozesstechnologien und deren Entwicklung u. U. so genannte ego-needs (Status, Anerkennung, Prestige) angesprochen. So sind flexible Prozesstechnologiesysteme oft dadurch gekennzeichnet, dass sie zur effizienten Nutzung eine kontinuierliche Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter erfordern.370 Aufgrund technologischer Erfordernisse werden dann Mitarbeiter in ihrem prozesstechnologischem Wissen und Fähigkeiten gefördert. Davon lassen sich Prozesstechnologiesysteme unterscheiden, bei denen Schulungsmaßnahmen grundsätzlich nicht zur Erfolgssteigerung beitragen.371 Bei letzteren wird der Mitarbeiter oftmals als „… Lückenbüßer in monoton-repetitiven Arbeitsabläufen … zur Maschine degradiert.“372 (siehe Abschnitt 5.1.3.1) In solchen Prozesstechnologiesystemen stellt sich für Mitarbeiter die grundsätzliche Frage nach der Sinnhaftigkeit seiner Betätigung und den Möglichkeiten, die eigenen Fähigkeiten zu entfalten. 3.2.2.2.3.3 Ethische und religiöse Grundsatzfragen Technologisch besonders exponiert sind Produktionsunternehmungen, wenn durch ihre Aktivitäten ethische oder religiöse Grundsatzfragen berührt werden. Speziell die Gentechnologie (aber auch Kinderarbeit, die Ausbeutung unterentwickelter Staaten etc.) steht hierbei heute im Zentrum des gesellschaftlichen Interesses. Als (intrapersonell nicht überprüfbare) Forderung wird der „verantwortungsvolle“ Umgang mit dem „Leben und seinen Grundlagen“ an die betroffenen Unternehmungen herangetragen. Es stellt sich hier die Frage, ob und in welchem Ausmaß in die Lebensgrundlagen von Menschen, Tieren und Pflanzen eingegriffen werden soll bzw. darf. Als unternehmenspolitische Zielsetzung kann der grundsätzliche Verzicht auf ethisch-religiös problematische Produktionstechnologien postuliert werden. Werden kritische Prozesstechnologien von Unternehmungen eingesetzt bzw. entwickelt, so können grundsätzlich gesetzliche Regelungen als Mindestzielsetzungen für die Unterneh368 369 370 371 372
Vgl. Zäpfel, G., Produktions-Management, 2000, S. 276ff.; Kreikebaum, H., Produktethik, 2000, S. 499f.; Szyperski, N., Tilemann, Th., Ziele, 1979, Sp. 2314 Etwa werden von der Firma IKEA eigene Räume zur Entspannung der Mitarbeiter durch Massage etc. bereitgestellt. Vgl. Snell, S. A. u. a., Selection, 2000, S. 447ff. Vgl. Youndt, M. A., et al., Performance, 1996, S. 842f.; Snell, S. A. u. a., Selection, 2000, S. 446 Kreikebaum, H., Produktethik, 2000, S. 497
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mung herangezogen werden. Oft werden aber von Stakeholdern der Unternehmung Forderungen durchgesetzt, die über gesetzliche Mindestanforderungen deutlich hinausgehen können. 3.2.3
Die strategische Managementebene
Strategien beinhalten „... Handlungsalternativen zur Erreichung der in der Unternehmenspolitik festgelegten obersten Unternehmensziele, welche die Gesamtunternehmung wesentlich beeinflussen ...“373 Strategien beziehen sich damit funktionsübergreifend auf die Steuerung der Gesamtunternehmung und sind als Instrument zur Sicherung der Legitimationsbasis und folglich der Unternehmensexistenz zu sehen.374 Aufgabenstellung der Strategieentwicklung ist es, zielorientiert prognostizierte Umgebungsbedingungen mit aktuellen und potenziellen künftigen Unternehmensressourcen in Beziehung zu setzen, um daraus Handlungsspielräume abzuleiten. Basis der Strategieentwicklung sind Annahmen über die Entwicklung des unternehmerischen Umfeldes sowie über die Bedeutung von Unternehmensressourcen, anhaltend Beiträge zur Zielerreichung liefern zu können (Abbildung 8).375 Ergebnis strategischer Planungsaktivitäten sind Vorgaben zur Allokation und Entwicklung unternehmerischer Ressourcen.376 Unternehmungen weisen oftmals mehrere Führungsebenen auf. Die Planungskompetenz ist auf oberster Führungsebene konzentriert, die Durchführung der Planungsaufgaben zur Strategieentwicklung wird aber zumeist delegiert. Planungsträger mit Planungskompetenz, im Rahmen der unternehmerischen Strategieentwicklung, sind damit auf mehreren Führungsebenen angesiedelt. Entsprechend werden in der Literatur oft drei aufbauorganisatorische Planungsebenen der Strategieentwicklung abgegrenzt:377 x
Unternehmensebene
x
Geschäftsfeldebene
x Ebene der Funktionen Unterschieden wird dann zwischen Unternehmensstrategie (corporate strategy), Geschäftsfeldstrategien (business strategies) und Funktionsbereichsstrategien (Abbildung 8).378 Inhalt der Unternehmensstrategie ist die Festlegung der generellen Stoßrichtung der gesamten Unternehmung. Das umfasst, auf Basis mehrdimensionaler unternehmenspolitischer Zielsysteme, wettbewerbsstrategische Festlegungen sowie die Definition von Umweltschutz- und Sozialstrategien. Zentrale Aufgabe der Unternehmensstrategie ist die Konsolidierung der Ge-
373 374 375 376 377 378
80
Ulrich, P., Fluri, E., Management, 1992, S. 168ff.; Hinterhuber, H. H., Wettbewerbsstrategie, 1982, S. 24ff. Vgl. Steinmann, H., Schreyögg, G., Management, 2005, S. 129f. Vgl. Grant, R. M., Resource-Based, 1991, S. 123ff.; Schlie, T. W., Technology, 1996, S. 7.1 Vgl. Hinterhuber, H. H., Unternehmensführung, 1980, S. 34; Hofer, C. W., Schendel, D., Strategy, 1978, S. 49ff.; Christensen, R. C. u. a., Business, 1987, S. 120f. Vgl. Steinmann, H., Schryögg, G., Management, 2005, S. 170f.; Swamidass, P. M., Newell, W. T., Manufacturing, 1987, S. 509; Hinterhuber, H. H. Wettbewerbsstrategie, 1982, S. 27 Vgl. Hofer, C. W., Schendel D., Strategy, 1978, S. 27ff.; Bea, F. X., Haas, J., Management, 1995, S. 155ff.; Hayes, R. H., Wheelwright, S. C., Competitive, 1984, S. 27ff.; Mintzberg, H., Planung, 1995, S. 75ff.
schäftsfeldstrategie. Den Funktionalbereichsstrategien kommt als Planungskomponenten der Strategieimplementation keine Planungsautonomie zu. Als Unternehmensstrategie kann aus ökonomischer Perspektive Wachstum, Stabilisierung oder Schrumpfung als grundsätzliche Entwicklungstendenz angestrebt werden.379 Ausdruck findet die verfolgte Stoßrichtung in der Festlegung von Geschäftsfeldern, in denen die Unternehmung künftig tätig sein will.380 Die Entwicklung von Geschäftsfeldstrategien und deren Konsolidierung im Rahmen der Unternehmensstrategie ist als bedeutendste, originäre Planungsaufgabe mit Vorgabecharakter für alle anderen Strategiebereiche zu sehen. Mit ihr erfolgt die Festlegung der angestrebten Produkt-Markt-Kombinationen (Marktfeldstrategie) und der Wettbewerbsstrategie (Markteilnehmerstrategie), welche die ökonomische Entwicklung der Unternehmung in zentraler Weise determinieren und ihre Zwecksetzung im gesellschaftlichen Kontext definieren. Zentrale Zwecksetzung ist es, zur langfristigen Realisation ökonomischer Vorgaben relative Wettbewerbsvorteile zu generieren und abzusichern.381 Die Geschäftsfeldstrategie ist als Leitstrategie für alle strategischen Aktivitäten von Geschäftsbereichen zu betrachten. Erst mit ihrer Festlegung können Unternehmensstrategien systematisch verfolgt werden.382 Aufbauend auf den einzelnen Produkt-Markt-Kombinationen sind Wettbewerbsstrategien (Marktteilnehmerstrategien) zu entwickeln. In diesen wird festgelegt, wie sich die Unternehmung gegenüber Kunden und Wettbewerbern zur Zielerreichung verhalten will.383 Aufgabe der Konsolidierung der Unternehmensstrategie ist es dann Geschäftsfelder in Beziehung zueinander zu setzen, um ökonomische unternehmenspolitische Vorgaben zu realisieren. Weiters sind für alle Geschäftsfelder die zur Zielerreichung verfügbaren Ressourcen nach Art und Umfang festzulegen.384 Zur Allokation der aktuell und künftig verfügbaren Unternehmensressourcen ist zu diesem Zweck eine Prioritätenreihung der verfolgten Geschäftsfelder vorzunehmen. Im Sinne einer konsensorientierten Unternehmenspolitik sind auf Ebene der Gesamtunternehmung auch Strategien zur Erreichung ökologischer und sozialer unternehmenspolitischer Zielsetzungen zu entwickeln. Entsprechend kann von Umweltschutzstrategien bzw. Sozialstrategien gesprochen werden. Die Verankerung in der Unternehmensstrategie ergibt sich notwendigerweise, da aus der Geschäftsfeldstrategie ökologische und soziale Planungsaufgaben nicht vollständig ableitbar sind und diese Ziele deshalb nicht in adäquater Weise angesprochen werden können. 379 380 381 382 383
384
Vgl. Bea, F. X., Haas, J., Management, 1995, S. 156ff.; Christensen, R. C. u. a., Business, 1987, S. 124ff. Vgl. Ansoff, I. H., Management-, 1966, S. 132; Hinterhuber, H. H., Wettbewerbsstrategie, 1982, S. 27 Vgl. Teece, D. J., Pisano, G., Shuen, A., Capabilities, 1997, S. 509; Benkenstein, M., Henke, N., Integration, 1993, S. 81f. Vgl. Hinterhuber, H. H., Unternehmensführung, 1980, S. 29ff.; Morgan, L. O., Daniels, R. L., Integrating, 2001, S. 222ff. Meffert hebt auch die wachsende Bedeutung und die damit erforderliche Ausweitung der Marktteilnehmerstrategien auf den Handel hervor. Dieser Aspekt der Geschäftsfeldstrategien soll im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter berücksichtigt werden, da er für die weiteren Darstellungen keine zusätzlichen Erkenntnisse bringt. Vgl. Meffert, H., Marketing, 2000, S. 288ff. Vgl. Hinterhuber, H. H., Wettbewerbsstrategie, 1982, S. 31
81
Unternehmenspolitische Zielsetzungen können in ihren ökonomischen, ökologischen und sozialen Dimensionen konfligieren. Um diesen Zielkonflikt zu lösen, ist auch eine Priorisierung zwischen diesen Zieldimensionen vorzunehmen, sodass zielkonforme Entscheidungen getroffen werden können. Zum Teil können ökologische unternehmenspolitische Zielsetzungen bereits in der Geschäftsfeldstrategie impliziert sein.385 Soll etwa ein „umweltbewusstes“ Käuferpotenzial durch Leistungen der Unternehmung angesprochen werden, so müssen zwangsläufig bei Realisation dieser Vorgaben Beiträge zu ökologischen Zielsetzungen geliefert werden.386 Nicht alle umweltbezogenen Aktivitäten von Unternehmungen verfolgen aber die Zwecksetzung der Erschließung von Marktpotenzialen. So können Unternehmensaktivitäten auf eine Verringerung der Umweltnutzung abstellen, ohne dass dadurch Wettbewerbspositionen beeinflusst werden. Das ist etwa der Fall, wenn bei externem Druck oder normativ-ethischer Grundausrichtung der Unternehmung gegenüber ökologischen Fragestellungen Maßnahmen zur relativen Umweltschonung evtl. sogar unter Gewinneinbußen realisiert werden.387 Weiters können initiierte Präventivmaßnahmen, die künftige Gesetzesverschärfungen antizipieren, für die Geschäftsfeldstrategie ohne Bedeutung sein. Wird Umweltschutz als ein Element der Unternehmenslegitimation gesehen, so kann diesem Anspruch allein durch die Geschäftsfeldstrategie nicht Rechnung getragen werden. Unternehmungen müssen daher, zur konsequenten Verfolgung ökologischer Aspekte der Unternehmenspolitik, eine eigenständige Umweltschutzstrategie entwickeln. Schließlich ist es auch nicht möglich, soziale Zielsetzungen in adäquater Weise vollständig in der Geschäftsfeldstrategie zu berücksichtigen. Etwa die Übererfüllung gesetzlicher Maßnahmen zum Schutz der Mitarbeiter vor körperlichen Schäden durch Anlagen oder die verstärkte Integration körperlich behinderter Personen in die Unternehmung etc. findet in der Geschäftsfeldstrategie keinen geeigneten Rahmen. Entsprechend ist eine Sozialstrategie als Element in die Unternehmensstrategie aufzunehmen. In zunehmendem Maße werden auch die betrieblichen Funktionen als Ebene des strategischen Managements begriffen.388 So werden beispielsweise Beschaffungs-, Produktions-, Marketing-, Finanz-, Personal-, Technologiestrategien etc. unterschieden.389 Getragen wird diese Sichtweise von der Überlegung, dass die unternehmenspolitische Zielerreichung nur durch eine abgestimmte strategische Entwicklung der Ressourcen aller Funktionalbereiche
385
386 387 388 389
82
Siehe zur Komplementarität zwischen ökonomischen (wettbewerbsstrategischen) und ökologischen Zielsetzungen: Newman, R. W., Hanna, M. D., Manufacturing, 1996, S. 73ff.; Zotter, K.-A., Wasserwirtschaft, 1996, S. 74ff. Zur Operationalisierung ist aus der Geschäftsfeldstrategie abzuleiten, welche ökologischen Zielereichungen bei „umweltbewussten“ Käuferschichten Kaufanreize im geplanten Umfang generiert. Zur Integration umweltbezogener Aspekte im Unternehmenszielsystem vgl. Zotter, K.-A., Wasserwirtschaft, 1996, S. 68ff. Vgl. Becker, J., Marketing-, 2001, S. 144 Vgl. Bea, F. X., Haas, J., Management, 1995, S. 155 und 168f.
effektiv realisiert werden kann.390 Aus dieser Sicht sind Unternehmens-, Geschäftsfeld- und Funktionalbereichsstrategien als ein ganzheitlich zu konsolidierendes Strategiesystem zu betrachten. Unternehmens- und Geschäftsfeldstrategien weisen hierbei den Charakter von Leitstrategien auf, während die Funktionalbereichsstrategien Begleit- bzw. Folgestrategien darstellen. Aufgabeninhalt von Funktionalbereichsstrategien ist die Implementierung der auf Unternehmens- und Geschäftsfeldebene festgelegten Strategien durch konzeptionelle Gestaltung des unternehmerischen Ressourcensystems.391 Zu betonen ist, dass Funktionalbereichsstrategien in Abhängigkeit ihrer aktuellen und zukünftigen Ressourcenausstattung die Gestaltung von Unternehmens- und Geschäftsfeldstrategieoptionen limitieren. Gleichzeitig aber können und sollen von Funktionalbereichsstrategien auch Impulse zur Weiterentwicklung von Unternehmens- und Geschäftsfeldstrategien ausgehen (siehe Abschnitt 3.4).392 Die Prozesstechnologiestrategie ist ein bedeutendes, funktionalbereichsübergreifendes Teilsystem des unternehmerischen Strategiesystems (Abbildung 8).393 Der Begriff der „Prozesstechnologiestrategie“ kann prozessual als auch inhaltlich interpretiert werden und stellt das zentrale Partialsystem der Produktionsstrategie dar.394 Aus prozessualer Sicht ist unter der Prozesstechnologiestrategie der Prozess zur Entwicklung und Implementierung prozesstechnologischer Systeme zu verstehen.395 Dominiert wird dieser Prozess durch eine top-downEntwicklung, ausgehend von der Unternehmensstrategie hin zur Prozesstechnologiestrategie. Wheelwright und Hayes weisen darauf hin, dass auch eine Anpassung der Unternehmensstrategie als Folge von Weiterentwicklungen des prozesstechnologischen Systems erfolgen kann.396 Grundgedanke ist hier, dass Leistungspotenziale von Prozesstechnologiesystemen über die Zeit hinweg durch Lernprozesse zunehmend erkannt werden und damit das der Unternehmung verfügbare Leistungspotenzial zunimmt. Die veränderte Leistungsbasis kann genutzt werden, um damit anspruchsvollere unternehmenspolitische Zielsetzungen zu realisieren 390 391 392 393
394
395
396
Hinterhuber, H. H., Wettbewerbsstrategie, 1982, S. 33; Wheelwright, S. C., Bowen, K. H., Manufacturing, 1996, S. 74 Vgl. Bea, F. X., Haas, J., Management, 1995, S. 58; Steinmann, H., Schryögg, G., Management, 2005, S. 171 Vgl. Berry, W. L., Hill, T., Klompmaker, J. E., Strategies, 1999, S. 3616; Schroeder, R. G., Andreson, J. C., Cleveland, G., Manufacturing, 1986, S. 412ff. Empirische Untersuchungen zeigten einen positiven Zusammenhang zwischen der Integration von Produktionsmanagern in strategische Entscheidungen und dem Unternehmenserfolg. Vgl. Swamidass, P. M., Newell, W. T., Manufacturing, 1987, S. 518ff.; Weiters ist auf empirische Erhebungen zu verweisen, die einen positiven Zusammenhang zwischen der Integration einer Produktionsstrategie und der Effektivität des Produktionsbereiches feststellen. Vgl. Milling, P. M., Maier, F. H., Mansury, D., Manufacturing, 1999; Besonders gilt das für Unternehmungen mit hohen Anteilen neuer, innovativer Produkte. Vgl. Miller, J. G., Roth, A. V., Taxonomy, 1994, S. 295ff.; Gerybadze, A., Innovationsmanagement, 2004, S. 108ff. Vgl. Blecker, Th.; Kaluza, B., Produktionsstrategien, 2003, S. 8ff.; Acur, N. u. a., Manufacturing, 2003, S. 1114ff.; Adam, E. E.; Swamidass, P. M., Assessing, 1989, S. 182; Hill, T., Manufacturing, 1985, S. 23ff.; Jenner, T., Planungsprozessen, 2001, S. 108ff.; Für einen Literaturüberblick vgl. Dangayach, G.S., Deshmukh, S. G., Manufacturing, 2001, S. 885ff.; Henrich, P., Automobilindustrie, 2002, S. 13ff. Vgl. Swamidass, P. M., Newell, W. T., Manufacturing, 1987, S. 510f.; Banerjee, S. K., Manufacturing, 2000, S. 83ff.; Wheelwright, S. C., Strategy, 1984, S. 85; Dangayach und Deshmukh zeigen auf, dass die prozessuale Perspektive in der Literatur selten diskutiert wird. Vgl. Dangayach, G. S., Deshmukh, S. G., Manufacturing, 2001, S. 904f.; Mills, J. u. a., Manufacturing, 1998; Phaal, R., Paterson, C. J., Probert, D. R., Technology, 1998, S. 541ff.; Henrich, P., Automobilindustrie, 2002, S. 103ff. Vgl. Wheelwright, S. C., Hayes, R. H., Competing, 1985, S. 103
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(Bottom-up-Entwicklungsprozess). Acur u. a. weisen auf Basis einer empirischen Studie nach, dass nicht nur Top-down, sondern auch Bottom-up-Prozesse hohe Bedeutung aufweisen.397 Aus inhaltlicher Perspektive sind unter der Prozesstechnologiestrategie die Ausprägungen künftiger Leistungspotenziale und deren grundsätzliche Richtung sowie die Geschwindigkeit der Systementwicklung zu verstehen.398 Als Dimensionen der Prozesstechnologiestrategie sind demnach die Leistungsmerkmale von Prozesstechnologien, der Umfang, der von der Unternehmung gehaltenen Prozesstechnologien, die Koppelung der Prozesstechnologien sowie die zeitliche Entwicklung einzelner Prozesstechnologien und des gesamten Prozesstechnologiesystems zu betrachten. Diese Dimensionen determinieren die Kosten, die technische Qualität, die Flexibilität und die Stabilität des Produktionssystems und damit dessen Nutzenpotenzial. Weiters wird durch die Ausprägung der Prozesstechnologiestrategie auch deren künftige Weiterentwickelbarkeit im Wesentlichen festgelegt. Als Dimension prozesstechnologischer Strategien ist damit auch die Systempräjudikation (siehe Abschnitt 6.3.1) zu sehen. Aufgabe des strategischen Prozesstechnologiemanagements ist zunächst, die Anforderung an das Leistungspotenzial der künftigen unternehmensinternen und -externen Prozesstechnologiesysteme (Prozesstechnologieposition) aus den Vorgaben der Geschäftsfeld-, Umweltund Sozialstrategie abzuleiten. Darauf aufbauend können alternative Prozesstechnologiebündel zur Realisation des geplanten Leistungspotenzials entwickelt und eines davon umgesetzt werden. Anzumerken ist, dass die Definition der Technologieposition stets unter Beachtung der erforderlichen Maßnahmen zur Umsetzung betrachtet werden muss. Aus diesem Vorgehen kann sich eine Anpassung der angestrebten Technologieposition (und damit der Unternehmensstrategie) ergeben.399 Weiters sind durch das strategische Prozesstechnologiemanagement die Art der Beschaffung und Verwertung von Prozesstechnologien grundsätzlich festzulegen. 3.2.4
Die operative Managementebene
Bei produzierenden Unternehmungen steht die effiziente Nutzung des Prozesstechniksystems im Zentrum des Interesses. Das sicherzustellen, ist zentrale Aufgabe der Produktionsplanung und –steuerung (PPS). Ausgehend von der strategischen wird die mittel- und kurzfristige Produktionsplanung und -steuerung abgeleitet. Diese umfassen die Mengen-, Terminund Kapazitätsplanung für das unternehmerische Prozesstechniksystem. Bei enger Verknüpfung mit Lieferanten und Abnehmern wird oft die mittel- und kurzfristige Produktionsplanung 397 398
399
84
Vgl. Acur, N. u. a., Manufacturing, 2003, S. 1127ff. Inhaltlich umfasst die Produktionsstrategie die Dimensionen Kosten, Qualität, Flexibilität und Verlässlichkeit. Diese Strategiedimensionen werden u. A. durch die eingesetzten Prozesstechnologien bestimmt. Daneben sind aber auch die Ausprägungen des Logistiksystems, des Informationssystems etc. bestimmend für die Dimensionen der Produktionsstrategie. Vgl. Swamidass, P. M., Newell, W. T., Manufacturing, 1987, S. 510f.; Andere Inhalte werden unterschieden von: Hayes, R. H., Wheelwright, S. C., Competitive, 1984, S. 30ff.; Wheelwright, S. C., Strategy, 1984, S. 83ff. Die Produktionsstrategie wird begrifflich sehr unterschiedlich definiert. Vgl. dazu Blecker, T., Kaluza, B., Produktionsstrategien, 2003, S. 2ff. Zur Kritik an der Trennung von Zieldefinition und –realisation vgl. Mintzberg, H., Design, 1990, S. 184ff.
für unternehmensfremde Produktionssysteme durchgeführt. Aus der kurzfristigen Produktionsplanung werden Aufträge generiert, die von der Fertigungssteuerung in Form von Arbeitsanweisungen an einzelne Transformationssysteme weitergegeben werden. Die PPS übernimmt dann die Überwachung der Ergebnisse bzw. die Durchführung der Arbeitsanweisungen aller Transformationssysteme und meldet der Produktionsplanung den Status von Arbeitsaufträgen als Rückkoppelung zurück.400 Alle zu erfüllenden Aufgaben erfordern prozesstechnologisches Wissen über die Leistungsmerkmale einzelner Transformationsstufen sowie des gesamten Produktionssystems. Zielsetzung des operativen Prozesstechnologiemanagements ist die Unterstützung des Produktionsbereiches bei der effizienten Nutzung des bestehenden Prozesstechnologiesystems.401 Aufgabe des operativen prozesstechnologischen Managements ist weiters die Umsetzung strategischer Vorgaben durch Beschaffung und Integration sowie die Verwertung von Prozesstechnologien. Im Rahmen der Beschaffung liegt aus technischer (und ökologischer) Perspektive der Schwerpunkt in der differenzierten Planung technologischer Leistungsdimensionen und konkreter Gestaltung von Transformationsprozessen unter Beachtung gegebener Integrationsbedingungen. Die Entwicklung unternehmerischer prozesstechnologischer Systeme erfordert regelmäßig interne und externe Beschaffung von Prozesstechnologien (siehe Abschnitt 4.6). Zentrale Aufgabe der operativen Managementebene ist dann die Festlegung des konkreten Ausmaßes selbst erstellter (entwickelter) und zugekaufter (bzw. in Kooperation mit anderen Unternehmungen entwickelten) Prozesstechnologien.402 Wie bereits in Abschnitt 2.2 dargestellt, wird prozesstechnologisches Wissen über die Nutzungsmöglichkeiten prozesstechnologischer Systeme nicht nur im Produktions- sondern auch in anderen Funktionalbereichen zur Aufgabenerfüllung benötigt. Aufgabe des operativen Prozesstechnologiemanagements ist es, prozesstechnologische Ressourcen für diese Bereiche systematisch zu entwickeln. Auf Basis strategischer Vorgaben ist schließlich auch die externe Prozesstechnologieverwertung als operatives Aufgabenfeld des Prozesstechnologiemanagements zu betrachten. Im Zentrum der Aktivitäten stehen hier Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Investitionsgütermarketing.403 3.3
Das kybernetische System des strategischen Prozesstechnologiemanagements
Zentrale Aufgabe des Prozesstechnologiemanagements ist die Entwicklung des unternehmerischen Prozesstechnologiesystems. Wie sich die Entwicklung vollzieht, hängt hierbei von unternehmensinternen wie –externen Einflussfaktoren ab. Gegenstand dieses Abschnitts ist die Darstellung des kybernetischen Regelkreissystems des strategischen Prozesstechnologiemanagements zum Zweck der Systematisierung der Einflussfaktoren auf die Systementwicklung. 400 401 402 403
Vgl. Ropohl, G., Systemtheorie, 1979, S. 72ff. Vgl. Jenner, T., Erfolgspotentiale, 1998, S. 1313f. Zu den Einflussfaktoren auf die Make-and-Buy Entscheidungen siehe Abschnitt 4.6 Vgl. Backhaus, K., Industriegütermarketing, 1999, S. 451ff.
85
Voraussetzung für die Erstellung, Überprüfung und Anpassung von Plänen sind geeignete Informationen. Aus prozesstechnologischer Sicht sind auf allen Managementebenen unternehmensinterne wie -externe Informationen über den Statuts und die Entwicklung von Prozesstechnologien wie potenzialerschließender Ressourcensysteme von Bedeutung. Diese sind bei der Planung der strategischen Systementwicklung zu integrieren. Von zentraler Bedeutung für die Entwicklung (und damit Effektivität) prozesstechnologischer Systeme ist in diesem Zusammenhang, welche Informationen in welcher Qualität der Planung zugrunde gelegt werden und wie diese in die Planungsaktivitäten einfließen. Determiniert wird die Qualität der Informationsbasis von der Konzeption des strategischen Regelkreissystems, seiner Elemente und Relationen. Für die Entwicklung prozesstechnologischer Systeme ist daher die konzeptionelle Gestaltung des strategischen Regelkreissystems entscheidend. Unternehmensintern bilden kybernetische Regelungssysteme innerhalb und zwischen Managementebenen die strukturelle Grundlage der systematischen Informationsversorgung (Abbildung 9).404 Das prozesstechnologische Führungs- und Planungssystem ist in das der Produktion integriert. In weiterer Folge werden nicht alle Elemente des strategischen Produktionsmanagements dargestellt, sondern nur das prozesstechnologische Partialsystem. Aufgabe der prozesstechnologischen Führungsinstanz (Regler) ist die Entscheidung über die anzustrebende Prozesstechnologieposition und den dazu anzuwendenden Realisationskonzepten. Anzustrebende Prozesstechnologieposition und anzuwendende Realisationskonzepte sind Stellgrößen die als Zielvorgaben (Soll-Werte) für die hierarchisch untergeordnete Managementebene (Regelstrecke). Da diese Aufgaben der Führungsinstanz nicht ohne Planung und Abstimmung innerhalb der eigenen und mit fremden Unternehmungen erfolgen kann, ist das Planungssystem zur Entscheidungsvorbereitung als zentrales Element des prozesstechnologischen Managementsystems zu betrachten (siehe Abbildung 9). Unternehmenspolitische und –strategische Zielvorgaben bilden, zusammen mit unternehmensinternen wie -externen Ressourceninformationen des operativen Bereiches, eine erste Informationsbasis für prozesstechnologische Planungen dar. Basis zur Definition der strategischen prozesstechnologischen Stellgrößen sind zunächst normative ökonomische, ökologische und soziale Vorgaben der Unternehmenspolitik (siehe Abschnitt 3.2.2.2). Dominierende Bedeutung für die strategische Prozesstechnologieplanung weisen erwartete order-winning-/qualifying-Kriterien auf, welche in den Geschäftsfeldstrategien definiert und durch das künftige Prozesstechnologiesystem realisiert werden sollen.405 Prozesstechnologisch relevante Einflüsse auf die Unternehmensstrategie gehen hierbei von den Akteuren der unmittelbaren Unternehmensumgebung, den (potenziellen) Kunden, Konkurrenten, Lieferanten und Produzenten komplementärer Produkte, aus. Weitere Vorgaben an die strategische
404 405
86
Vgl. Wild, J., Unternehmungsplanung, 1982, S. 33ff.; Ropohl, G., Systemtheorie, 1979, S. 130ff. Vgl. Hill, T., Manufacturing, 1985, S. 52ff.; Szyperski, N., Tilemann, T., Ziele, 1979, Sp. 2308
Kontrolle Abweichungsanalyse
Zielvorgaben
Planung von Prozesstechnologiesystemen ergeben sich aus der Umweltschutz- und Sozialstrategie der Unternehmung.
Planungssystem
Regelgröße (Ist-Wert) Feed back
Regler (Führungsinstanz) Stellgröße (Zielvorgabe, Soll-Wert)
Forecasting
Regelstrecke
Störgrößen
Forecasting-Informationen Informationen als Input/Output des Planungssystems bzw. zur Anpassung von Zielvorgaben
Abbildung 9: Das allgemeine Regelkreismodell des Führungsprozesses Aus den Vorgaben der Geschäftsfeld-, Marktteilnehmer-, Umweltschutz- und Sozialstrategie leiten sich Anforderungen an die künftig erforderlichen Leistungsmerkmale des unternehmerischen Prozesstechnologiesystems ab, die unter den Rahmenbedingungen der unmittelbaren und generellen Umgebung realisiert werden sollen. Die Entwicklung von Strategien auf Basis unternehmensexterner Anforderungen muss stets in Abstimmung mit den unternehmensspezifischen Möglichkeiten und Grenzen erfolgen. Neben externen Faktoren sind daher bestehende unternehmensspezifische Ressourcensysteme und deren Entwicklungsmöglichkeiten planungsbestimmende Größen. Unternehmensexterne wie –interne Einflussfaktoren können hierbei prozesstechnologische Entwicklungen initiieren bzw. fördern aber auch bebzw. verhindern. In welchem Ausmaß die an das künftige Prozesstechnologiesystem gestellten Anforderungen erfüllt werden können, ist vom bestehenden prozesstechnologischen wie ressourcenerschließenden System der Unternehmung abhängig. Es präjudiziert die Art und limitiert das Ausmaß und die Geschwindigkeit prozesstechnologischer Entwicklungen innerhalb des Pla-
87
nungshorizontes. Das bestehende, der Leistungserstellung dienende Prozesstechnologiesystem stellt damit die Anfangsbedingung der prozesstechnologischen strategischen Planung dar. Die Planung der Systementwicklung (Technologieposition wie Veränderungsgeschwindigkeit) wird weiters von den Möglichkeiten beeinflusst, Prozesstechnologien unternehmensintern bzw. unternehmensextern zu beschaffen. Die Entscheidung über verfolgte Technologiepositionen ist aus diesem Grund simultan mit der Beschaffungsart zu treffen. Die Art der Beschaffung wird hierbei von den dargestellten unternehmensinternen wie -externen Einflussfaktoren bestimmt. Richtung und Geschwindigkeit prozesstechnologischer Entwicklungen werden weiters durch das strategische prozesstechnologische Planungs-, Informations- und Entscheidungssystem beeinflusst.406 Die konzeptionelle Gestaltung des Informationssystems determiniert die Qualität und Quantität der für die Planung verfügbaren Basisdaten. Unterschiedliche Informationsbasen führen dann zu verschiedenartigen Systementwicklungen. Analoge Wirkung weist auch die konzeptionelle Gestaltung und die Qualität der Planungsträger auf. Weiters bestimmt das Verhalten von Entscheidungsträgern, ihre Risikobereitschaft und Erfahrung die Systementwicklung. Die Entwicklung prozesstechnologischer Strategien kann als hoch komplexes Planungsproblem, das durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst wird bezeichnet werden (Abbildung 10). Einflussfaktoren sind:407
406 407
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x
unternehmensextern o unmittelbare Unternehmensumgebung Kunden Konkurrenten Lieferanten Produzenten komplementärer Produkte Netzwerke mit Organisationen (andere Unternehmungen, Universitäten, etc.) o generelle Unternehmensumgebung Technologische Umgebung Rechtliche Umgebung Natürliche Umwelt etc.
x
unternehmensintern o Vorgaben Unternehmenspolitische
Vgl. Clark, K. B., Hierarchies, 1985, S. 236ff. Vgl. Teece, D. J., Organization, 1996, S. 197ff.; Wheelwright, S. C., Strategy, 1984, S. 85f.; Grant, R. M. u. a., Appropriate, 1991, S. 45ff.; Tushman, M. L., Rosenkopf, L., Determinants, 1992; Rhyne, L. C.; et al., Technology-based, 1997, S. 189ff.; Servatius, H.-G., Methodik, 1985, S. 58ff.; Bullinger, H.-J., Technologiemanagement, 1994, S. 179ff.; Metcalfe, S. J., Boden, M., Paradigms, 1993, S. 85ff.; Das, A., Jayaram, J., Contingency, 2003, S. 4433ff.; Tranfield, D., Smith, S., Regeneration, 1998, S. 115f.
Unternehmensstrategische o Restriktionen Bestehende prozesstechnologische Ressourcensysteme Bestehende potenzialerschließende Ressourcensysteme Andere Funktionalbereichsstrategien o Eigenschaften und Konzeption des Informations-, Planungs- und Entscheidungssystems Dominierende Bedeutung für die strategische Prozesstechnologieplanung weisen erwartete order-winning-/qualifying-Kriterien auf, welche in den Geschäftsfeldstrategien definiert und durch das künftige Prozesstechnologiesystem realisiert werden sollen.408 Prozesstechnologisch relevante Einflüsse auf die Unternehmensstrategie gehen hierbei von den Akteuren der unmittelbaren Unternehmensumgebung, den (potenziellen) Kunden, Konkurrenten, Lieferanten und Produzenten komplementärer Produkte, aus. Weitere Vorgaben an die strategische Planung von Prozesstechnologiesystemen ergeben sich aus der Umweltschutz- und Sozialstrategie der Unternehmung. Die unmittelbare Umgebung ist eingebettet in die „generelle Umgebung“. Zwar wirkt diese nicht unmittelbar auf Unternehmungen ein, sie stellt jedoch eine dynamische Rahmenbedingung dar, die prozesstechnologische Planungen erheblich beeinflussen kann. Anforderungen an die Gestaltung von Prozesstechnologiesystemen resultieren aus gesetzlichen Rahmenbedingungen mit Bezug zum Produktionssystem (Gewerbeordnung, Umweltschutzrechte, Arbeitnehmerschutzrechte etc.), verfügbaren natürlichen Ressourcen, welche von der Unternehmung genutzt werden können, sowie Entwicklungen der technologischen Umgebung. Daneben können wirtschaftliche, politische, gesellschaftliche und soziodemografische Umgebungsfaktoren auf die strategische prozesstechnologische Planung einwirken. Da diese Faktoren i. A. von untergeordneter Bedeutung sind, werden letztgenannte in den weiteren Ausführungen nicht mehr näher behandelt. Unternehmenspolitische und –strategische Zielvorgaben bilden, zusammen mit unternehmensinternen wie -externen Ressourceninformationen des operativen Bereiches, eine erste Informationsbasis für prozesstechnologische Planungen dar. Basis zur Definition der strategischen prozesstechnologischen Stellgrößen sind zunächst normative ökonomische, ökologische und soziale Vorgaben der Unternehmenspolitik (siehe Abschnitt 3.2.2.2). Faktoren der Branchen- und generellen Unternehmensumgebung weisen entscheidende Bedeutung für die Planung von Prozesstechnologiesystemen auf (siehe Abschnitt 5.1). Entsprechend muss ein extern orientiertes Informationssystem zur adäquaten Erfassung planungsrelevanter Einflüsse und Entwicklungen der Unternehmensumgebung als Teil des Managementsystems etabliert werden. 408
Vgl. Hill, T., Manufacturing, 1985, S. 52ff.; Szyperski, N., Tilemann, T., Ziele, 1979, Sp. 2308
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Den unternehmenspolitischen bzw. –strategischen Vorgaben stehen Restriktionen in Gestalt bestehender Ressourcensysteme und limitierten (finanziellen, personellen) Ressourcen zur Systemveränderung gegenüber. Zukünftige prozesstechnologische Positionen sind als Weiterentwicklung bestehender prozesstechnologischer wie potenzialerschließender Ressourcensysteme zu verstehen. (Der Fall des Aufbaus eines Prozesstechnologiesystems auf der grünen Wisse wird nicht weiter verfolgt.) Informationen über das Leistungspotenzial des bestehenden Prozesstechnologiesystems, sowie die zu seiner Erschließung verfügbaren Ressourcensysteme bilden den Ausgangspunkt zu Planung von Maßnahmen um angestrebte Prozesstechnologiepositionen zu realisieren. Um suboptimale Lösungssysteme zu vermeiden sind strategische Aktivitäten zwischen Funktionalbereichen abzustimmen. Entsprechend sind Restriktionen, die sich aus anderen Funktionalbereichsstrategien ergeben in die prozesstechnologische Planung aufzunehmen (und umgekehrt). Strategische Planungsaktivitäten können zum Ergebnis führen, dass unternehmensstrategische Vorgaben in höherem bzw. nur in niedrigerem Maße mit den eingeplanten Ressourcen realisierbar sind. Entsprechend ist eine Korrektur der eingesetzte Ressourcen oder unternehmensstrategischer Zielvorgaben erforderlich bzw. sinnvoll. Aufgabe des strategischen Prozesstechnologiemanagements ist auch die kontinuierliche Überprüfung der Maßnahmenumsetzung und der damit erzielten Wirkungen. Aus der Umsetzung der geplanten Maßnahmen resultiert ein mehr oder weniger vorgabekonformes Ergebnis (Ist-Werte) der Regelstrecke, welches gemessen und der Führungsinstanz in geeigneter Form als Regelgröße rückgemeldet wird (Rückkoppelung). Die Führungsinstanz stellt Soll- und IstWerte gegenüber und ermittelt, ob und welche Abweichungen von der Zielvorgabe vorliegen. Je nach Art und Ausmaß der Abweichungen wird entschieden, ob und welche Korrekturmaßnahmen ergriffen werden müssen. Soll korrigierend auf das Verhalten der Regelstrecke eingewirkt werden, so ist durch eine Abweichungsanalyse die Abweichungsursachen zu ermitteln und die Ergebnisse als Basis zur Definition neuer Stellgrößen zu Grunde zu legen (Primärmaßnahme). Grundsätzlich ist oft auch eine Symptombehandlung (Sekundärmaßnahme) ohne Ursachenanalyse möglich (man denke hier an End-of-Pipe-Systeme oder terziäre Lärmschutzmaßnahmen etc.). Im Einzelfall ist die operative wie strategische Wirkung von Primärund Sekundärmaßnahmen abzuschätzen. Problematisch ist das dargestellte Vorgehen, weil erst auf Basis von vergangenheitsorientierten Rückmeldungen Abweichungen erkannt und damit adäquate Reaktionen möglich sind. Unter Umständen können dadurch kritische Abweichungen zu spät erkannt werden. Neben der vergangenheitsorientierten Rückkoppelung ist daher ergänzend eine zukunftsorientierte Vorkoppelung (Forecasting) erforderlich, um bei künftig erwarteten Abweichungen rechtzeitig Korrekturmaßnahmen vorzubereiten und einzuleiten (Abbildung 9). Von Bedeutung ist
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generelle Unternehmensumgebung
Einflussfaktoren der unmittelbaren Unternehmensumgebung
eine Vorkoppelung nicht nur bei erwarteten, negativ zu bewertenden Abweichungen, sondern Kunden Konkurrenten
prozesstechnologisches Ressourcensystem
potenzialerschließendes Ressourcensystem
Lieferanten Produzenten komplementärer Produkte technologische Kooperationspartner
operative Ebene
Mitarbeiterverhalten
prozesstechnologisches Ressourcensystem
technologische Umgebung rechtliche Umgebung
Mitarbeiterverhalten potenzialerschließendes Ressourcensystem
Strategisches Managementsystem
natürliche Umwelt etc.
Entwicklungsrichtung und –geschwindigkeit des prozesstechnologischen Systems
Interne und externe Beschaffung von Prozesstechnologien
Interne und externe Verwertung von Prozesstechnologien Strategiedimensionen des Prozesstechnologiemanagements
Abbildung 10: Einflussfaktoren auf die Entwicklung, Beschaffung und Verwertung prozesstechnologischer Systeme auch bei erwarteter Übererfüllung von Zielvorgaben. So können etwa nicht unvorhersehbare Leistungspotenziale einer im Unternehmen entwickelten Prozesstechnologie erweiterte strategische Spielräume zur Verfolgung ökonomischer, ökologischer und sozialer Zielsetzungen eröffnen. Nur durch Vorkoppelung können diese frühzeitig in eine Anpassung der Unterneh-
91
mensstrategie einfließen. In analoger Weise ist das technologische Forecasting zu sehen, mit dem relevante Technologieentwicklungen im Unternehmensumfeld frühzeitig erkannt und auf deren Relevanz für die Unternehmung überprüft werden können (siehe Abschnitt 4.4.2.3). Prozesstechnologische Systeme können in ihren Leistungspotenzialen und deren Erfolgswirkungen nicht vollständig geplant werden. Es besteht daher die grundsätzlich Tendenz, dass nicht intendierte Potenziale bzw. Wirkungen des Systems von der Führungsinstanz nicht nachgefragt werden. Da diese aber für die Weiterentwicklung von Unternehmensstrategien von Bedeutung sind ist auch die Erfassung solcher Informationen zu systematisieren. 3.4
Ein dynamisches Modell der wechselseitigen Beeinflussung von Wettbewerbs-, Umweltschutz- und Prozesstechnologiestrategie
Meistens wird in der Literatur die Bedeutung der Prozesstechnologiestrategie im Strategiesystem der Unternehmung umsetzungsorientiert gesehen. Die Prozesstechnologiestrategie weist demnach die Zwecksetzung auf, entsprechend den Vorgaben der Geschäftsfeldstrategie Prozesstechnologiepositionen zu realisieren, die zur Zielerreichung geeignet erscheinen.409 Zum Zeitpunkt der Festlegung von Geschäftsfeldstrategien bestehen Erwartungen über künftig zu realisierende Produkteigenschaften sowie ökologischen und sozialen Zielsetzungen und die für deren Realisierung erforderlichen Leistungsmerkmale eines zu entwickelnden Prozesstechnologiesystems. Unternehmungen sind primär durch Marktentwicklungen gezwungen, ihre Prozesstechnologiesysteme adäquat anzupassen.410 Schon einzelne wichtige Kunden des Unternehmens können prozesstechnologische Entwicklungen durch verschärfte Anforderungen an einzelne oder mehrere order-qualifying/winning-Kriterien erzwingen. Möchte die Unternehmung ihre Marktposition behaupten bzw. ausbauen, so muss sie folglich - mehr oder weniger reaktiv auf veränderte Anforderungen durch Anpassung ihres Prozesstechnologiesystems reagieren411 bzw. Entwicklungen antizipieren (Abbildung 11). Andererseits wird aber das unternehmerische Prozesstechnologiesystem wie auch das potenzialerschließende Ressourcensystem abseits jeder strategischen Planung permanent weiterentwickelt. Auf physischer Ebene erfolgt das durch operativ erforderliche bauliche Anpassungen, Vorrichtungen, Spezialwerkzeuge etc. Weiters verändert sich das gesamte prozess409 410
411
92
Vgl. Sonntag, V., Manufacturing, 2003, S. 312ff.; Swink, M., Hegarty, H. W., Manufacturing, 1998, S. 376ff.; Zahn, E., Nowak, M., Schön, M., Strategien, 2005, S. 74ff. Siehe dazu die von Schroeder, Congden und Gopinath dargestellten Fälle aus einer Umfrage: Vgl. Schroeder, D. M., Congden, S. W., Gopinath, C., Manufacturing, 1995, S. 176ff.; Das entspricht einer Fertigungsstrategie, die nach Wheelwright und Hayes intern wie extern als neutral zu bezeichnen ist. Gekennzeichnet ist diese Fertigungsstrategie dadurch, dass durch sie keine Wettbewerbsnachteile entstehen. Wildemann, H., Investitionsplanung, 1987; S. 41; Wheelwright, S. C., Hayes, R. H., Competing, 1985, S. 101ff.; Wheelwright, S. C., Bowen, K. H., Manufacturing, 1996, S. 62ff. So verändern sich order-qualifying- und order-winning-Kriterien über die Zeit etwa dadurch, dass Wettbewerber durch Nutzung weiterentwickelter oder neuer Prozesstechnologien verbesserte Qualitätsstandards schaffen, zu niedrigeren Preisen anbieten können etc. Unternehmungen, die dieser Entwicklung nachhinken, sind dann gezwungen, ihr Prozesstechnologiesystem zumindest auf gleiches Leistungsniveau zu bringen oder reduzierte Marktvolumina zu akzeptieren.
technologische Wissen der Organisation durch Schulungen, kontinuierliche Lernprozesse („learning-by/before-doing“) und Mitarbeiterwechsel permanent.412 Mit der Entwicklung der durch die Unternehmung verfügbaren Ressourcensysteme und deren Leistungspotenzialen wird die strategische Planung (im Bereich der Funktionalstrategien bis hin zur Unternehmensstrategie) von Entwicklungen der operativen Ebene in hohem Maße beeinflusst.413 Die Beeinflussung führt dann dazu, dass geplante Strategien durch Einflüsse von operativer Ebene permanent verändert werden, sodass die realisierte von der intendierten Strategie deutlich abweichen kann.414 Die Prozesstechnologiestrategie wie operativ weiterentwickelte Prozesstechnologiesysteme können dann als Leistungspotenziale genutzt werden, die durch innovative Leistungsangebote neue Kundenwünsche wecken können.415 Wird die Prozesstechnologiestrategie durch Entwicklung des prozesstechnologischen Systems konkret umgesetzt, so zeigen sich oft (stille) Leistungsreserven bzw. Leistungsdefizite in den realisierten Lösungen. Auffällig werden diese Abweichungen vom geplanten Leistungspotenzial oftmals erst nach längerer Nutzung im Unternehmen.416 Stille Leistungsreserven können dann durch entsprechend ausgebildete und motivierte Mitarbeiter aufgedeckt und für konkrete Problemstellungen eingesetzt werden.417 Diese können in weiterer Folge zu einer Anpassung der Wettbewerbs-, Umweltschutz- und Sozialstrategie führen (Abbildung 11).418 Das Ausmaß stiller Leistungsreserven in realisierten Prozesstechnologiesystemen hängt davon ab, ob und in welchem Umfang Prozesstechnologien „maßgeschneidert“ an die Bedürfnisse des Nutzers angepasst werden. Zu unterscheiden sind hier unternehmensspezifisch konzipierte von standardisierten Prozesstechnologiesystemen. Standardisierte prozesstechnologische Systeme419 werden von spezialisierten Anbietern auf Basis einer Vielzahl von Kundenwünschen erstellt. Solche Systeme werden nicht spezifisch an die Bedürfnisse einzelner Unternehmungen angepasst und weisen damit Leistungsmerkmale und -niveaus auf, die über die vom Unternehmen nachgefragten hinausreichen können. Da diese Leistungsreserven im Unternehmen nicht unmittelbar zielorientiert eingesetzt werden, bleiben sie häufig lange Zeit unbeachtet. In gleicher Weise bieten Prozesstech412 413 414
415
416 417
418
419
Vgl. Albach, H., Differenzierung, 1990, S. 784f.; Zahn, E., Wissen, 1998, S. 42 Vgl. Zahn, E., Nowak, M., Schön, M., Strategien, 2005, S. 85ff.; Hill, T., Manufacturing, 1985, S. 53ff. Vgl. Zahn, E., Nowak, M., Schön, M., Strategien, 2005, S. 77ff.; Christensen, C. M., Bower, J. L., Customer, 1996, S. 199; Devaraj, S., Hollingworth, D. G., Schroeder, R. G., Generic, 2004; Mintzberg, H., Planung, 1995, S. 29ff. Vgl. Zahn, E., Huber-Hoffman, M., Wettbewerbsfaktor, 1995, S. 143; Pleschak, F., Technologieunternehmen, 2001, S. 75; Backhaus, K., Voeth, M., Technologiemarketing, 1995, S. 396f.; Wojda, F., Implementierungsstrategien, 2004, S. 163f. Vgl. Skinner, W., Technology, 1984, S. 122f.; Pisano, G. P., Learning-before-doing, 1996, S. 1097ff.; Dean, J. W., Snell, S. A., Manufacturing, 1996, S. 476 Vgl. Schroeder, D. M., Congden, S. W., Gopinath, C., Manufacturing, 1995, S. 181; Kaluza, B., Produktdifferenzierungsstrategie, 1996, S. 217; Itami, H., Numagami, T., Interaction, 1992, S. 121ff. und 126ff.; Youndt, M. A., et al., Performance, 1996, S. 845 Vgl. Sonntag, V., Manufacturing, 2003, S. 316f.; Die Unternehmensstrategie wird aus dieser Perspektive vom Lernverhalten einzelner Mitarbeiter aber auch der Organisation u. U. wesentlich beeinflusst. Zur Stellung von Lernprozessen bei der Strategieentwicklung siehe Mintzberg, H., Design, 1990, S. 182f.; St. John, C., Harrison, J., Synergy, 1999, S. 130f.; Penrose, E. T., Growth, 1980, S. 67ff. Etwa sind CNC-Drehmaschinen solche standardisierten Lösungen.
93
nologiesysteme, die aus standardisierten Modulen aufgebaut und entsprechend spezifischer Bedarfe von Unternehmen kombiniert werden, oft Leistungsreserven. Unternehmensstrategie
Geschäftsfeldstrategie
etc.
Marketingstrategie
F&E-Strategie
Beschaffungsstrategie
Produktionsstrategie
Funktionalbereichsstrategien
Prozesstechnologiestrategie
prozesstechnologische Entwicklung des Produktionsbereiches
Systemnutzung Lernen operative Anpassung
Zunahme des nutzbaren prozesstechnologischen Leistungspotenzials
Abbildung 11: Die wechselseitige Beeinflussung zwischen Unternehmensstrategie und dynamischem Prozesstechnologiesystemen420 Auch die Akquisition neuer Mitarbeiter (bzw. externe Schulung von Mitarbeitern) orientiert sich am prozesstechnologischen Wissensbedarf der Unternehmung. Neben dem prozesstechnologischem Wissen, das die Akquisition intendierte, weisen Mitarbeiter zusätzliches Wissen auf, welches von der Unternehmung nicht nachgefragt wird.421 Der Mitarbeiter kann jedoch dieses nicht nachgefragte Wissen (adäquate Rahmenbedingungen vorausgesetzt) zur Lösung konkreter Problemstellungen einsetzen und damit das real nutzbare Prozesstechnologiesystem (wie potenzialerschließende Ressourcensystem) mitgestalten. 420 421
94
Vgl. Sonntag, V., Manufacturing, 2003, S. 316; Swink, M., Hegarty, H. W., Manufacturing, 1998, S. 376 Vgl. Kaluza, B., Produktdifferenzierungsstrategie, 1996, S. 214
Werden auf Basis konventioneller, gut bekannter Prozesstechnologien (bzw. Prozesstechnologiesysteme) entsprechend unternehmensspezifischer Anforderungen maßgeschneiderte Transformationssysteme konzipiert, so ist davon auszugehen, dass über die geplanten Leistungserfordernisse hinaus kaum mehr „stille“ Leistungsreserven vorhanden sind.422 Die Ausbildung von Leistungsmerkmalen bzw. -niveaus, die über die geforderten Ausmaße hinausgehen, verursachen i. A. zusätzliche Kosten, denen zum Zeitpunkt der Systemgestaltung aus Sicht der Unternehmung kein adäquater zusätzlicher Nutzen gegenübersteht. Es bestehen folglich keine Anreize, Prozesstechnologiesysteme über vorgegebene Leistungsniveaus hinaus zu entwickeln. Bei maßgeschneiderten prozesstechnologischen Lösungssystemen ist deshalb davon auszugehen, dass die tatsächlich realisierten Leistungsmerkmale und –niveaus, unabhängig davon, ob das Transformationssystem von der eigenen oder einer fremden Unternehmung entwickelt wird, im Bereich der geplanten Werte liegen. Stille Leistungsreserven können aber dennoch zufolge veränderter, vom Gestalter des Prozesstechnologiesystems nicht geplanter Nutzung des Transformationssystems erschlossen werden. So kann prozesstechnologisches Wissen mit anderem in ungeplanter Weise kombiniert werden oder prozesstechnische Systeme in anderen als den vorgesehenen Verfahrenszuständen betrieben werden. Bei (flexiblen) Prozesstechniken werden häufig auch Zubauten vorgenommen (etwa in Form von Vorrichtungen zur Umsetzung einzelner Kundenaufträge), die das Leistungsniveau des Transformationssystems dimensional, variational oder qualitativ steigern. Weiters werden technische Systeme stets mit „Sicherheitsspielräumen“ konzipiert. Diese haben den Zweck bei Überlastungen einen Defekt der Anlage zu verhindern. Sofern das Regelungssystem die Nutzung von Anlagen im Überlastbereich zulässt, können auch so Leistungsreserven erschlossen werden. Prozesstechnologien (und darauf aufbauende Transformationsprozesse), die unternehmensspezifisch neu- oder weiterentwickelt werden, sind dadurch gekennzeichnet, dass ihre Leistungsfähigkeit aufgrund ihres Neuigkeitsgrades (im Systemverbund) oft nur unzureichend bekannt ist. Damit nimmt das Risiko zu, dass geplante Leistungsziele nicht erreicht werden. Ebenso ist es aber auch möglich, dass sich während der Entwicklungsphase oder nach Übernahme in den Normalbetrieb unerwartete Leistungsmerkmale bzw. –niveaus zeigen, die in der Planung nicht berücksichtigt werden konnten. Leistungsdefizite realisierter Systeme, die langfristig nicht zu beheben sind, können sich unmittelbar auf die Realisation der geplanten Geschäftsfeldstrategie auswirken; entsprechend ist diese anzupassen. Leistungsreserven prozesstechnologischer Systeme können weiters auch durch eine Straffung betrieblicher Abläufe erschlossen werden.423
422
423
Es ist hierbei anzumerken, dass das Leistungsniveau aber auch Leistungsmerkmale zumeist nicht exakt, den Unternehmensvorgaben entsprechend, realisiert werden können. So können etwa durch die eingesetzten, in ihren Leistungseigenschaften genormten Elemente zur Gestaltung von Prozesstechniken nur gewisse Leistungsniveaus und –merkmale erzielt werden. Ein Abweichen durch spezifische Gestaltung von Elementen führt dann bei höheren Kosten zu niedrigeren Leistungsniveaus. Vgl. Coenenberg, A. G., Prillmann, M., Variantenmanagement, 1995, S. 1250
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Stille Leistungsreserven, sofern sie erschlossen werden können, sind geeignet, die Geschäftsfeldstrategie der Unternehmung über das geplante Maß hinaus zu unterstützen. Erschlossene Leistungsreserven prozesstechnologischer Systeme können somit eine Anpassung der Geschäftsfeldstrategie zur Steigerung unternehmenspolitischer Zielerreichung induzieren. Voraussetzung dafür ist, dass der Produktionsbereich aktiv in die Entwicklung von Geschäftsfeldstrategie einbezogen wird. Nur so können stille Leistungsreserven und das dadurch weiterentwickelte Leistungspotenzial des Prozesstechnologiesystems bei der Gestaltung von Geschäftsfeldstrategie adäquat berücksichtigt werden. Aus dieser Perspektive ist das Prozesstechnologiemanagement nicht mehr nur als Umsetzungsstrategie424, sondern als integrales Element zur Gestaltung der Unternehmensstrategie zu verstehen.425 Analoge Wirkungen können sich auch in Relation zu umweltbezogenen Zielsetzungen ergeben. So kann ein gegenüber dem geplanten veränderter Betrieb von Transformationsprozessen (bzw. –systemen) die Umweltnutzung in ungeplanter Weise positiv beeinflussen. Entsprechend kann dieses realisierte Ergebnis Anstoß sein, die Umweltschutzstrategie der Unternehmung anzupassen. Covin, Prescott und Slevin gehen in ihren Hypothesen über den Einfluss von Produktund Prozesstechnologien noch einen Schritt weiter und behaupten einen direkten Einfluss auf die Formulierung der Unternehmensstrategie und Gestaltung der Organisation in Abhängigkeit vom technologischen Niveau, auf dem sich die Unternehmung befindet.426
424 425 426
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Vgl. Hill, T., Manufacturing, 1985, S. 32ff. Vgl. Corsten, H., Will, T., Wettbewerbsvorteile, 1995, S. 5.; Wheelwright, S. C., Hayes, R. H., Competing, 1985, S. 103; Skinner, W., Factory, 1974, S. 114 Vgl. Covin, J. G., Prescott, J. E., Slevin, D. P., Sophistication, 1990, S. 486ff. und 497ff.; Wheelwright, S. C., Hayes, R. H., Competing, 1985, S. 100ff.; Gagnon, S., Resource, 1999, S. 126ff.
4
Das strategische prozesstechnologische Planungssystem
Das strategische prozesstechnologische Planungssystem umfasst die Gesamtheit strategischer Teilplanungen, Planungsträger und Planungsprozesse zur Definition künftiger Prozesstechnologiepositionen sowie zur Entwicklung von Konzepten für deren Realisation.427 4.1
Die Partialsysteme des strategischen Prozesstechnologiemanagements
Der Zwecksetzung des strategischen Prozesstechnologiemanagements entsprechend (siehe Abschnitt 3.1) wird in diesem Abschnitt ein Strategiekonzept, bestehend aus drei strategischen Partialsystemen (Teilplänen), entwickelt. Die einzelnen Partialsysteme umfassen Entscheidungsoptionen über die x
Gestaltung des prozesstechnologischen Ressourcensystems und damit des Prozesstechnologiepotenzials (Which Way to Go?)
x
Art der Beschaffung von Prozesstechnologien (Make or/and Buy?)
Verwertung von Prozesstechnologien, die in der Unternehmung genutzt werden bzw. entwickelt wurden (Keep-or-Sell?)428 Die strategischen Partialsysteme sind materiell-inhaltlich klar voneinander abgrenzt. Durch Bündelung der Optionen der strategischen Partialsysteme können dann prozesstechnologische Strategiekonzepte abgeleitet werden. Hierbei sind wechselseitige Beziehungen zwischen den Partialsystemen zu berücksichtigen und zielorientiert abzugleichen. x
4.2
Definition und Realisation prozesstechnologischer Positionen (Which Way to Go?)
Inhaltlich ergibt sich für das strategische Prozesstechnologiemanagement zunächst die Aufgabe, künftig anzustrebende Prozesstechnologiepositionen zu definieren und Entwicklungsoptionen zu deren Realisation zu identifizieren.429 Es ist zu entscheiden, ob Prozesstechnologiesysteme aufgrund veränderter Leistungsanforderungen weiterzuentwickeln sind und wie schnell und mit welchen konkreten Technologien das erfolgen soll.430 Dominante Basis zur Bestimmung künftig anzustrebender Prozesstechnologiepositionen sind strategische Vorgaben über das künftige Produktionsprogramm durch Festlegung der von der Unternehmung verfolgten Marktfeld- und Marktteilnehmerstrategien. Durch Definition der Qualität und Quantität künftig zu erstellender Produkte wird das zu realisierende Leistungspotenzial des Fertigungssystems im Wesentlichen festgelegt. Prozesstechnologieposition und Marktfeld- bzw. Marktteilnehmerstrategie stehen in einer Zweck-Mittel-Beziehung, d. h. zweitere lässt sich nur bei Erreichen ersterer umsetzen.431 427 428 429 430 431
Vgl. Wild, J., Unternehmungsplanung, 1982, S. 153ff. Vgl. Tschirky, H., Technologie, 1998, S. 296ff. Vgl. Hinterhuber, H. H., Friedrich, S. A., Technology, 2002, S. 197f.; Waldman, D. A., Atwater, L. E., Leadership, 1994, S. 234ff.; Tushman, M. L., Romanelli, E., Metamorphosis, 1985, S. 180f. und 209ff. Vgl. Beneito, P., Technological, 2003, S. 695ff. Vgl. Zahn, E., Huber-Hoffman, M., Wettbewerbsfaktor, 1995, S. 138
97
Auch prozesstechnologische Entwicklungen bei Konkurrenten und daraus erwartete Veränderungen in deren Leistungen beeinflussen die künftig geplante Prozesstechnologieposition.432 Die Konzeption des Prozesstechnologiesystems in seinen Elementen und Relationen wird aus dem geforderten Leistungspotenzial auf Basis vorhandener Ressourcensysteme entwickelt.433 Am unternehmenspolitischem Zielsystem orientiert, erfolgt dann die Auswahl der zu verfolgenden Strategie zur Ressourcenentwicklung. Weiters wird das Leistungspotenzial durch ökologische und soziale strategische Vorgaben bestimmt. Diese Einflüsse sind zumeist aber wesentlich schwächer als die aus dem geplanten Produktionsprogramm.434 4.2.1
Die Geschäftsfeldstrategie als originäre Basis zur Definition von Prozesstechnologiepositionen
Originäre Zwecksetzung von Unternehmungen ist die Befriedigung von Kundenbedürfnissen. Bei einer konsequent an den Bedürfnissen der Kunden ausgerichteten Unternehmensführung bilden diese die Basis aller weiteren strategischen Planungsaktivitäten.435 Zentraler strategischer Ansatz zur Erreichung ökonomischer unternehmenspolitischer Zielsetzungen ist die Fixierung seines Leistungsprogramms und seiner Ausrichtung auf Märkte. Diese Festlegungen sind dann die dominierende Basis für die Definition der künftigen Prozesstechnologieposition.436 Ansoff unterscheidet vier grundlegende Produkt-Markt-Kombinationen (Marktfelder bzw. Wachstumsfaktoren), welche verfolgt werden können (Abbildung 12).437 Unternehmungen müssen im Rahmen der Geschäftsfeldstrategie Festlegungen über zumindest eine verfolgte Produkt-Markt-Kombination (Strategiefeld) treffen (Marktfeldstrategie). Zumeist verfolgen (vor allem ältere) Unternehmungen jedoch mehrere Strategiefelder simultan oder in einer bestimmten Abfolge.438 Ansoff setzt bei seinen Ausführungen an wachstumspolitischen Überlegungen an.439 Die Festlegung von Produkt-Markt-Kombinationen nach dem vorgestellten Schema ist grundsätzlich auch bei Konsolidierungs- und Rückzugsstrategien unumgänglich.440
432 433 434
435 436 437
438 439 440
98
Vgl. Zäpfel, G., Produktions-Management, 2000, S. 139ff.; Vahs, D., Burmester, R., Innovationsmanagement, 2005, S. 114ff. Vgl. Swink, M., Hegarty, H. W., Manufacturing, 1998, S. 379ff.; Grant, R. M. u. a., Appropriate, 1991, S. 50f.; Müller, T., Zukunftstechnologien, 1985, S. 177f. Das ist etwa schon aus der Tatsache ableitbar, dass die Integration von ökologischen Zielen in Unternehmenszielsystemen nur von relativ wenigen Unternehmungen vorgenommen wird. Vgl. Newman, R. W., Hanna, M. D., Manufacturing, 1996, S. 70; Anzumerken ist hierbei jedoch, dass die Integration von Umweltschutzzielen in Abhängigkeit von externen (staatlichen wie nicht-staatlichen) Ansprüchen zunehmen wird. Vgl. Becker, J., Marketing-, 2001, S. 148ff.; Hinterhuber, H. H., Unternehmensführung, 1980, S. 26 Vgl. Wolfrum, B., Technologiestrategien, 1995, S. 244ff.; Schroeder, D. M., Congden, S. W. Gopinath, C., Manufacturing, 1995, S. 170ff.; Wheelwright, S. C., Bowen, K. H., Manufacturing, 1996, S. 62ff. Vgl. Ansoff, I. H., Management-, 1966, S. 126ff.; Andere Autoren unterteilen diese Produkt-MarktKombinationen noch weitergehender, vor allem durch eine verfeinerte Differenzierung der Produktdimension. Vgl. Roberts, E. B., Berry, C. A., Entering, 1985, S. 3f. Vgl. Becker, J., Marketing-, 2001, S. 181ff. Vgl. Ansoff, I. H., Management-, 1966, S. 126f. Vgl. Hahn, D., Führungsaufgaben, 1981, S. 1085ff.
Produkte alt
neu
alt
Marktdurchdringung
Marktentwicklung
neu
Produktentwicklung
Diversifikation
Märkte
Abbildung 12: Grundlegende Produkt-Markt-Kombinationen Aus strategischer prozesstechnologischer Sicht ist die Definition von Geschäftsfeldern durch Festlegung von Produkten und Märkten jedoch nicht ausreichend. Breit definierte Märkte umfassen i. d. R. eine Vielzahl unterschiedlicher Kundengruppen mit unterschiedlichsten Bedürfnissen. Die Mehrzahl der Unternehmungen wird gar nicht in der Lage bzw. Willens sein, den Markt in seiner gesamten Breite abzudecken. Für die Festlegung von Geschäftsfeldstrategien sind daher Gesamtmärkte zu segmentieren. Einzelne Marktsegmente werden dabei aus Teilmengen des Gesamtmarktes gebildet, die durch möglichst homogene Bedürfnisse und Kaufverhalten gekennzeichnet sind.441 Verschiedene Marktsegmente weisen dann möglichst heterogene Bedürfnisse und Kaufverhalten auf. Durch Segmentierung wird es möglich, Marketingstrategien entsprechend bedarfsgerecht zu entwickeln.442 Von zentraler Bedeutung für den Erfolg von Produktinnovationen und damit gekoppelten Entwicklungen prozesstechnologischer Systeme ist die Qualität der Informationen über den Kunden bzw. seiner Bedürfnisse und die Informationsintegration in den Produkt- wie Prozessentwicklungsprozess.443 Erst durch die Segmentierung von Kundenbedürfnissen werden die zu deren Bedürfnisbefriedigung erforderlichen Funktionen in das Zentrum strategischer Betrachtungen gerückt. Zur Befriedigung der Kundenbedürfnisse einzelner Marktsegmente werden von Unternehmen Produkte als Träger marktsegmentspezifischer Funktionenbündel eingesetzt. Welche Funktionen in welcher Qualität in Produkten realisiert und wie diese vom Kunden honoriert werden, entscheidet dann über relative Wettbewerbsvorteile gegenüber Konkurrenten. Aus prozesstechnologischer Perspektive ist zu isolieren, welche order-winning- bzw. orderqualifying-Kriterien durch Prozesstechnologien systematisch angesprochen werden. Christensen weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass eine auf die Wünsche langjähriger, wichtiger Unternehmenskunden ausgerichtete Entwicklung von Produkt- und Pro441 442 443
Vgl. Meffert, H., Marketing, 2000, S. 96ff. Vgl. Becker, J., Marketing-, 2001, S. 246ff. Vgl. Li, T., Calantone, R. J., Competence, 1998, S. 15f. und 25; Bürgel H. D., Haller C., Binder M., F&E-, 1996, S. 55ff.
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zesstechnologiesystemen Risiken birgt.444 Er zeigt, dass neue Produkttechnologien vom bestehenden Kundenstock abgelehnt wurden, was Unternehmungen dazu bewegte, innovative Technologien nicht weiter zu verfolgen. Grund für die Ablehnung war, dass das innovative Technologiesystem mit bestehenden produkt- bzw. prozesstechnologischen Konzepten dieser Kunden nicht kompatibel war. Andere Unternehmungen (meist relativ kleine) orientierten sich auf Basis neuer Technologien oft an neuen Märkten und konnten damit eine dominierende Position gegenüber alteingesessenen Unternehmungen realisieren. Kunden von eingesessenen Unternehmungen - die der Innovation zunächst ablehnend gegenüberstanden - wechselten nach Etablierung der neuen Technologie zum neu eingetretenen Unternehmen. Das vormals große Unternehmen verlor seine Wettbewerbsposition.445 4.2.2
Marktteilnehmerstrategien als originäre Basis der Definition künftiger Prozesstechnologiepositionen
Mit Definition der Marktfeldstrategie sind gleichzeitig strategische Festlegungen über das Verhalten gegenüber Marktteilnehmern zu treffen. In der Marktteilnehmerstrategie wird dazu die Marktbearbeitung und die relative Positionierung zu Konkurrenten definiert. Unterschieden werden hier in weiterer Folge kunden- und konkurrenzorientierte Strategieansätze. 4.2.2.1 Kundenorientierte Strategieansätze Kundenorientierte Strategieansätze weisen engsten Bezug zur Marktfeldstrategie auf und überschneiden sich mit dieser über weite Bereiche. Im Rahmen kundenorientierter strategischer Festlegungen können Unternehmungen grundsätzlich zwischen den Strategieoptionen differenzierter und undifferenzierter Marktbearbeitungen wählen.446 Bei undifferenzierter Marktbearbeitung werden Standardleistungen, die den durchschnittlichen Erwartungen der Kunden entsprechen, angeboten; während bei differenzierter Marktbearbeitung auf die kundenspezifischen Bedarfe durch individualisierte Unternehmensleistungen eingegangen wird. Für das Prozesstechnologiemanagement weist die Vorgabe der grundsätzlichen Marktbearbeitung fundamentale Bedeutung auf. So ist undifferenzierte Marktbearbeitung i. d. R. durch Massenfertigung eines im Wesentlichen gleich bleibenden Produktes gekennzeichnet. Bei differenzierter Marktbearbeitung hingegen werden Leistungsmerkmale der Produkte kundenspezifisch angepasst. Die Erstellung der Produkte erfolgt hier tendenziell durch Einzeloder (Klein)Serienfertigung. Die erforderliche Fertigungsausrichtung - Massen- versus Einzel- bzw. Serienfertigung - determiniert Struktur wie Elemente des unternehmerischen Prozesstechnologiesystems (siehe Abschnitt 5.1.2). Kundenorientierte Strategieansätze weisen auch für immaterielle prozesstechnologische Unternehmensleistungen Relevanz auf. So ist etwa bei Beratungsleistungen, die auf kunden444 445 446
Vgl. Christensen, C. M., Bower, J. L., Customer, 1996, S. 203ff. Vgl. Hirschbiegel, U., Frauenfelder, P., Substitutionen, 1998, S. 505f.; Christensen, C. M., Bower, J. L., Customer, 1996, S. 207ff. Vgl. Meffert, H., Marketing, 2000, S. 268ff. und die dort zitierte Literatur.
100
spezifische, prozesstechnologische Bedürfnisse eingehen, ein breites prozesstechnologisches Wissen erforderlich. Bei Massenprodukten ist diese Beratungsleistung oft deutlich geringer. 4.2.2.2 Konkurrenzorientierte Strategieansätze Unternehmungen stehen bei der marktlichen Verwertung ihrer Produkte in Konkurrenz zu Leistungen anderer Wettbewerber. Neben der Befriedigung von Kundenbedürfnissen muss es für Unternehmungen daher auch Zielsetzung sein, sich in den erstellten Leistungen relativ gegenüber Konkurrenten zu positionieren, um so Gewinnaussichten zu erhalten bzw. auszubauen.447 Um dann im Wettbewerb bestehen zu können, muss jede Unternehmung spezifische Wettbewerbsvorteile (hier modelliert durch die „außergewöhnliche“ Erfüllung von orderwinning-Kriterien) entwickeln und verteidigen.448 Als strategisch können dann Wettbewerbsvorteile bezeichnet werden, wenn sie für den Kunden wichtige Produktmerkmale (und deren Ausprägungen) betreffen, tatsächlich wahrgenommen werden und gegenüber Konkurrenten verteidigt werden können.449 Besondere Bedeutung erlangten in diesem Zusammenhang die von Porter auf Basis von Analysen wesentlicher Wettbewerbsfaktoren aus der Industrieökonomie abgeleiteter Wettbewerbsstrategien.450 Porter unterscheidet branchenweit zwischen den Wettbewerbsstrategien der umfassenden Kostenführerschaft (Preis-Mengen-Führerschaft) und der Differenzierungsstrategie. Als Nischenstrategien, mit Konzentration auf spezifische Zielsegmente (bestimmte Kundensegmente bzw. Leistungen), unterscheidet er die Strategien „cost focus“ und „differentiation focus“.451 Mit der umfassenden Preis-Mengen-Strategie wird die Zielsetzung verfolgt, als kostengünstigster Anbieter der Branche Wettbewerbsvorteile zu erringen.452 Im Zentrum des Interesses steht hier die Realisation möglichst niedriger Stückkosten durch Massenfertigung, welche an Kunden durch entsprechend niedrige Preise weitergegeben werden. Realisierbar ist das durch weitgehende Ausschöpfung von Mengendegressions- und Lernkurveneffekten. Angeboten werden standardisierte Produkte, die den durchschnittlichen Kundenanforderungen entsprechen.453 Im Gegensatz zur Preis-Mengen-Führerschaft versuchen Unternehmungen bei Verfolgung der Differenzierungsstrategie dem Kunden Leistungen anzubieten, die möglichst weitgehend auf seine individuellen Bedürfnisse eingehen. Voraussetzung, durch diese Strategie Wettbe447 448 449 450 451
452
453
Vgl. Meffert, H., Marketing, 2000, S. 282ff.; Berry, W. L., Hill, T., Klompmaker, J. E., Manufacturing, 1999, S. 3606f. Vgl. Prahalad, C. K., Hamel, G., Competence, 1990, S. 83ff. Vgl. Becker, J., Marketing-, 2001, S. 377 Vgl. Porter, M. E., Wettbewerbsvorteile, 2000, S. 25ff. Vgl. Porter, M. E., Wettbewerbsvorteile, 2000, S. 37ff.; Porter, M. E., Wettbewerbsstrategie, 1999, S. 70ff.; Miles und Snow bezeichnen diese Wettbewerbsstrategien als Defender, Prospector und Analyser. Vgl. Miles, R. E., Snow, C., C., Designing, 1984, S. 37ff. Becker weist darauf hin, dass begrifflich von einer Preis-Mengen-Strategie gesprochen werden muss, da Kostenführerschaft auch bei einer Differenzierungsstrategie realisierbar ist. Vgl. Becker, J., Marketing-, 2001, S. 180 Vgl. Specht, G., Zörgiebel, W. W., Wettbewerbsstrategien, 1985, S. 165ff.
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werbsvorteile zu erringen, ist, dass der Kunde den bereitgestellten Zusatznutzen durch Individualisierung erkennt und honoriert.454 Werden Nischenstrategien (Konzentrationsstrategien) verfolgt, geht Porter von der Prämisse aus, dass - bei einer Konzentration auf spezielle Marktsegmente, Produkte, geografische Gebiete etc. - Unternehmungen ihre strategischen Zielsetzungen im höherem Maße erreichen als bei einer breiten Marktabdeckung. Ergebnis dieser Konzentration ist, dass Unternehmungen niedrigere Kosten (cost focus) oder höhere Differenzierung (differentiation focus) oder beide Vorteile simultan in der Nische erzielen.455 Zentrale Aussage von Porter bei der Verfolgung von Wettbewerbsstrategien ist, dass sich Unternehmungen klar in eine Richtung (Konzentrationsprinzip456) - Kostenführerschaft, Differenzierungsstrategie oder Konzentrationsstrategie - entwickeln müssen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Nach dem Konsistenzprinzip besteht (ab einem bestimmten Punkt) bei simultaner Verfolgung von Kostenführer- und Differenzierungsstrategie ein Zielkonflikt, sodass die Forcierung einer Strategie sich zum Nachteil der anderen auswirkt.457 Erfolgt keine klare Konzentration auf die Entwicklung einer Strategie, kommen Unternehmungen in eine äußerst schlechte strategische Position („stuck in the middle“).458 Produktionssysteme sind konzeptionell an Massenfertigungen (bei niedrigen Stückkosten) oder Einzel- bzw. Serienfertigung (mit relativ hohen Stückkosten) auszurichten. Unterlegt man diese Aussagen mit dem Modell von Utterback und Abernathy, so korrespondieren die Differenzierungsstrategie mit der uncoordinated Phase während die Preis-Mengen-Strategie für die systemic Phase charakteristisch ist.459 Die simultane Realisation von Zielvorgaben der Preis-Mengen-Strategie und der Differenzierungsstrategie ist in einem einzigen Prozesstechnologiesystem nicht möglich. Bei der Konzeption prozesstechnologischer Systeme muss demnach ein trade-off zwischen Stückkosten und operativer Prozessflexibilität erfolgen (Abbildung 13).460 Die von Porter entwickelten Ansätze wurden in der Literatur heftig diskutiert und kritisiert.461 Abweichend von Porter´s generischen Wettbewerbsstrategien wurde in empirischen Untersuchungen festgestellt, dass von Unternehmungen erfolgreich Strategien verfolgt wer-
454 455 456 457 458 459 460
461
Vgl. Specht, G., Zörgiebel, W. W., Wettbewerbsstrategien, 1985, S. 163ff. Vgl. Porter, M. E., Wettbewerbsvorteile, 2000, S. 41ff; Porter, M. E., Wettbewerbsstrategie, 1999, S. 70ff.; Kaluza, B., Produktdifferenzierungsstrategie, 1996, S. 195f. Vgl. Simon, H., Wettbewerbsvorteile, 1988, S. 471ff. Vgl. Kaluza, B., Produktdifferenzierungsstrategie, 1996, S. 194 Vgl. Porter, M. E., Wettbewerbsvorteile, 2000, S. 44f.; Porter, M. E., Wettbewerbsstrategie, 1999, S. 78ff.; Simon, H., Wettbewerbsvorteile, 1988, S. 469ff. Vgl. Butler, J. E., Theories, 1988, S. 18 Vgl. Clark, K. B., Competing, 1996, S. 50ff.; Kern, W., Kernkompetenzen, 2002, S. 18; Kaluza, B., Blecker, T., Flexibilität, 2005, S. 5f.; Jacob, H., Flexibilität, 1989, S. 19ff.; Die operative Prozessflexibilität wird in weiterer Folge synonoym zum Begriff der Bestandsflexibilität verwendet. Vgl. Burmann, C., Flexibilität, 2005, S. 33; Hayes, R. H., Pisano, G. P., Manufacturing, 1996, S. 35 Vgl. Kaluza, B., Produktdifferenzierungsstrategie, 1996, S. 193f.; Corsten, H., Will, T., Wettbewerbsstrategien, 1995
102
Kosten
den, die simultan oder sequentiell Kosten- und Differenzierungspositionen beinhalten.462 Kaluza etwa weist darauf hin, dass Kunden auf Basis von Kosten-Nutzen-Verhältnissen Kaufentscheidungen treffen und die alleinige Konzentration auf eine der beiden Komponenten realen Verhältnissen nicht entspricht. Wird von Unternehmen die Strategie der Kostenführerschaft forciert, so müssen die Produkte dennoch einen Mindestnutzen für den Kunden bieten.
A X
C
f(T0)
f*(T1)
B
simultane Kostensenkung und Flexibilitätssteigerung
Flexibilität f(T0)………...…. Kosten-Flexibilitäts-Trade-off-Funktion der derzeit genutzten Technologie f*(T1)..………….Kosten-Flexibilitäts-Trade-off-Funktion der weiterentwickelten bzw. einer neuen Technologie X……………..... derzeit genutzte Kosten-Flexibilitäts-Relationen von T0 A, B, C……….... künftig mögliche Kosten-Flexibilitäts-Relationen von T1
Abbildung 13: Entwicklungsmöglichkeiten zur Flexibilitätssteigerung bei simultaner Kostensenkung in prozesstechnologischen Systemen Umgekehrt sind bei einer Differenzierungsstrategie Mindestanforderungen bei der Preisfestlegung einzuhalten.463 Erfolgreiche Unternehmungen weisen demnach nicht nur in einer, sondern in mehreren Produktdimensionen (Preis, Qualität etc.) relative Vorteile gegenüber Konkurrenten auf.464 Unternehmungen versuchen also offensichtlich simultan, Differenzierungs- und Kostenpositionen zu verbessern, und sind damit erfolgreich.465 462 463 464 465
Vgl. Fleck, A., Wettbewerbsstrategie, 1995, S.13ff. und 59ff. Für einen Literaturüberblick siehe: Corsten, H., Will, T., Wettbewerbsstrategien, 1995, S. 125ff. Vgl. Adner, R., Levinthal, D., Heterogeneity, 2001, S. 615f. Vgl. Jenner, T., Wettbewerbsstrategien, 2000, S. 15; Wheelwright, S. C., Bowen, K. H., Manufacturing, 1996, S. 61ff.; Hayes, R. H., Pisano, G. P., Manufacturing, 1996, S. 28f. Vgl. Kaluza, B., Produktdifferenzierungsstrategie, 1996, S. 193f.; Schroeder, D. M., Condgen, S. W., Gopinath, C., Manufacturing, 1995, S. 170; Kaluza weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass erst bei
103
Unterstützt werden diese Intentionen durch weiterentwickelte Prozesstechnologiesysteme und organisatorische Konzepte, durch die bei hoher Flexibilität deutlich niedrigere Stückkosten realisierbar sind. In Abbildung 13 sind Optionen zur Entwicklung prozesstechnologischer Systeme dargestellt. Ersichtlich ist, dass ein Wechsel (bzw. eine Weiterentwicklung) von Prozesstechnologien oft nur unter einem Kosten-Flexibilitäts-trade-off realisierbar ist (Punkte A und B). Die Abbildung zeigt aber auch, dass durch einen Wechsel der genutzten Prozesstechnologie simultan die Flexibilität gesteigert und Stückkosten gesenkt werden können (Punkt C).466 Hier sei weiters darauf verwiesen, dass i. A. der Mensch mit seinen Fähigkeiten diese Simultanität unterstützt bzw. in Kombination mit prozesstechnischen Systemen erst ermöglicht.467 Fleck unterscheidet zwischen sequenziellen und multilokalen sowie simultan hybriden Wettbewerbsstrategien.468 Bei multilokalen hybriden Strategien werden die Ziele „Kostenvorteile“ bzw. „Differenzierung“ in zwei voneinander (örtlich) getrennten Prozesstechnologiesystemen realisiert.469 Aus prozesstechnologischer Sicht sind bei dieser Strategie zwei voneinander isolierte Systeme zu entwickeln. Es sind hierbei keine Unterschiede gegenüber Systemen zu erkennen, mit denen eine reine Kosten- bzw. Differenzierungsstrategie verfolgt wird. Multilokale Wettbewerbsstrategien sollen daher im Rahmen dieser Arbeit keine weitere Berücksichtigung finden. Bei den sequenziell hybriden Strategien wird zwischen den Strategien „Outpacing“ und „Mass-Customization“ unterschieden.470 Im Zentrum der Überlegungen der OutpacingStrategie steht der sequenzielle Wechsel von der Kostenführerschaft zur Differenzierungsstrategie und umgekehrt. Gefordert wird explizit, dass in allen strategischen Aktivitäten (und damit auch im strategischen Prozesstechnologiemanagement) der Wechsel von einer wettbewerbsstrategischen Ausrichtung auf die andere antizipativ berücksichtigt werden muss. Hierbei sollen die durch Verfolgung einer Wettbewerbsstrategie errungenen Wettbewerbsvorteile beim Strategiewechsel erhalten bleiben und weiter ausgebaut werden. In fortgeschrittenen Phasen sollen durch diese sequenzielle Entwicklung Produkte entstehen, die hohen Kunden-
466
467
468 469 470
Erreichen eines „effizienten Randes“ Zielkonflikte zwischen Kosten- und Differenzierungsfortschritten auftreten. Dieser Rand ist jedoch nicht als absolutes Limit zu sehen. Durch Weiterentwicklung von Prozesswie Produkttechnologien kann diese Grenze verändert werden. Fleck, A., Wettbewerbsstrategie, 1995, S. 146ff. Vgl. Zäpfel, G., Produktions-Management, 2000, S. 250ff.; Clark, K. B., Competing, 1996, S. 55f.; Kaluza, B., Blecker, T., Flexibilität, 2005, S. 5f.; Corsten, H., Wettbewerbsstrategie, 1998, S.120ff.; Faria, A., Fenn, P., Bruce, A., Determinants, 2002, S. 569f.; Arvanitis, S., Hollenstein, H., Determinants, 2001, S. 395ff. und 401ff.; Bartelsman, E., van Leeuwen, G., Nieuwenhuijsen, H., Adoption, 1998, S. 292f.; Boxall, P., Purcell, J., Human, 2003, S. 91ff.; Jenner, T., Wettbewerbsstrategien, 2000, S. 11 Vgl. Wright, P. M., McMahan, G. C., McWilliams A., Resources, 1994, S. 315ff.; Siehe dazu auch die empirisch gestützte Untersuchung von Greenan und Guellec, die aufzeigt, dass mit der Integration von advanced technologies die Kommunikation und Mitarbeiterautonomie zunimmt. Vgl. Greenan, N., Guellec, D., Organization, 1998, S. 316ff. Vgl. Fleck, A., Wettbewerbsstrategie, 1995, S. 59ff. Siehe als ein Beispiel dafür: Hayes, R. H., Wheelwright, S. C., Link, 1979, S. 139 Vgl. Corsten, H., Will, T., Wettbewerbsvorteile, 1995, S. 2ff.
104
nutzen bei günstigen Preisen aufweisen.471 Aus prozesstechnologischer Perspektive stößt diese Intention auf erhebliche Probleme (siehe Abschnitt 6.3.2.6). Zielsetzung der Mass-Customization-Strategie ist die Erstellung individuell gestalteter Produkte mit den Kostenvorteilen einer Massenfertigung.472 Als Instrument zur Realisation beider Zielsetzungen wird mit dem Einsatz komplexer Softwaresysteme und Datennetze argumentiert. Weiters wird die Modulbauweise als fertigungstechnisches Konzept in den Vordergrund gestellt.473 Mass-Customization ist als sequenzielle hybride Wettbewerbsstrategie zu betrachten. Ausgehend von einer Einzelfertigung soll die Unternehmung in einer zeitlichen Sequenz ihre Wettbewerbsstrategie in Richtung Mass-Customization verändern, ohne durch Forcierung der Kostenkomponente Leistungskomponenten zu vernachlässigen. Ein zweiter Weg zur Realisation von Mass-Customization beginnt als Massenfertiger, der unter Wahrung seiner Kostenvorteile den individuellen Kundennutzen steigern soll. Die auftretenden prozesstechnologischen Probleme sind analog zu denen der Outpacing-Strategie. Bei den simultan hybriden Wettbewerbsstrategien lassen sich das Simultanitätskonzept und die dynamische Produktdifferenzierungsstrategie unterscheiden. Zielsetzung simultan hybrider Wettbewerbsstrategien ist es, gleichzeitig - relativ zum Mitbewerber - Kosten- und Leistungsvorteile zu erzielen. Im Rahmen von Differenzierungsstrategien wird damit versucht, den Funktional- und Wirtschaftlichkeitsnutzen für den Kunden simultan zu steigern.474 Fleck unterscheidet zwischen Qualitäts- (vertikale Differenzierung), Varietäts- (horizontale Differenzierung) und Innovationsstrategien (laterale Differenzierung).475 Zielsetzung der dynamischen Produktdifferenzierungsstrategie ist wie beim Simultanitätskonzept die Erstellung von Produkten mit hoher Differenzierung bei relativ niedrigen Kosten. Besondere Bedeutung wird allerdings der Durchführung optimaler Erzeugniswechsel (im langfristigen Sinn) zugeschrieben.476 Kaluza führt mit diesem Konzept neben der Differenzierungs- und Kostenkomponente simultan hybrider Strategien die zeitliche Veränderung der Erzeugnisse als eigenständigen Faktor ein. Diese erhält aufgrund dynamischer Veränderungen in den Kundenbedürfnissen spezifische Bedeutung. Nicht mehr nur Simultanität bei stabilen Produktprogrammen wird berücksichtigt, sondern die Veränderung des Produktionsprogramms und die damit verbundenen Anforderungen an Produktionssysteme werden in die Wettbewerbsstrategie integriert. Der Erzeugniswechsel wird so zu einem strategischen Wettbewerbsfaktor. Siehe dazu auch die Ausführungen zur Flexibilität prozesstechnologischer Systeme in Abschnitt 6.3.
471
472 473 474 475 476
Vgl. Gilbert, X., Strebel, P., Outpace, 1987, S. 31ff.; Glaser, K., Outpacing-Strategien, 1998; Für eine kritische Analyse des Outpacing-Konzeptes aber auch eine Erweiterung des Modells siehe Kleinaltenkamp, M., Dynamisierung, 1987, S. 35ff. Vgl. Pine, B. J., Massenfertigung, 1994, S. 147ff.; Piller, F., Customization, 2001, S. 200ff. Vgl. Pine, B. J., Massenfertigung, 1994, S. 159ff. und 267ff.; Piller, F., Customization, 2001, S. 228ff. Vgl. Kaluza, B., Produktdifferenzierungsstrategie, 1996, S. 196ff.; Corsten, H., Will, T., Wettbewerbsvorteile, 1995, S. 3ff. Vgl. Fleck, A., Wettbewerbsstrategie, 1995, S. 85ff. Vgl. Kaluza, B., Produktdifferenzierungsstrategie, 1996, S. 201ff.
105
4.2.3
Produkteigenschaften als Basis der strategischen prozesstechnologischen Planung
Aus den Festlegungen der Geschäftsfeld- und Marktteilnehmerstrategie lassen sich die in Zukunft abzusetzenden Produkte nach Qualität und Quantität ableiten. Aus dem geplanten Produktprogramm sind auf dieser Basis - in Zusammenarbeit mit der Produktentwicklung die grundsätzlichen qualitativen und quantitativen Anforderungen an das künftige Prozesstechnologiesystem (die Prozesstechnologieposition) zu definieren. Determiniert ist damit weitgehend, wann welche Prozesstechnologien auf welchem Leistungsniveau in welchen Relationen zu bestehenden und geplanten Prozesstechnologien realisiert sein müssen. Produkt- und die zu deren Erstellung notwendigen Prozesstechnologiesysteme sind grundsätzlich als eine Gesamtheit zu betrachten, über die entschieden werden muss.477 So werden mit der Wahl konkreter Produkttechnologiesysteme (bzw. Produktgestalten) die erforderlichen Prozesstechnologiesysteme weitgehend festgelegt.478 Unternehmerische Prozesstechnologiesysteme limitieren umgekehrt die unternehmensintern erstellbaren Produkte (und damit die durch die Unternehmung realisierbaren Wettbewerbsstrategien) qualitativ wie quantitativ.479 Veränderungen der Produktgestalt oder der zu erstellenden Produktquantitäten sind deshalb stets im Zusammenhang mit den Anpassungen des Prozesstechnologiesystems zu betrachten.480 Kaufentscheidungen werden von Kunden auf Basis von Kosten-Nutzen-Kalkülen getroffen. Die Vorziehenswürdigkeit der Produkte einer Unternehmung gegenüber denen anderer resultiert dann aus relativen Kosten-Nutzen-Unterschieden zwischen den wahrgenommenen Entscheidungsalternativen.481 Der Nutzen, den ein Produkt für einen Kunden generiert, ergibt sich aus der Beurteilung der Gesamtheit der angebotenen Produktfunktionen und der Qualität der Funktionserfüllung. Die Beurteilung des Produktnutzens erfolgt hierbei auf Basis subjektiver Zielkriterien, die der Entscheidungsträger (Individuen oder Organisationen) der Kaufentscheidung zugrunde legt. Die verschiedenen Funktionen eines Produktes und deren Ausprägungen weisen für Kunden unterschiedliche Relevanz auf.482 Unterschieden können Basis-, Leistungs- und Begeisterungseigenschaften (bzw. -funktionen) werden.483 Werden vom Kunden erwartete Basiseigenschaften (Basisfunktionen und Minimalanforderungen an die Qualität der Funktionserfüllung bestimmter Funktionen) nicht erfüllt, so resultiert daraus unmittelbar Unzufriedenheit bzw.
477 478 479 480 481 482 483
Vgl. Pisano, G. P., Factory, 1997, S. 30ff. Die Koppelungen zwischen Produkt- und Prozesstechnologien unterscheiden sich in Art und Ausmaß substantiell zwischen Branchen. Vgl. Pisano, G. P., Learning-before-doing, 1996, S. 1099 Vgl. Wolfrum, B., Technologiestrategien, 1995, S. 244 Vgl. Utterback, J. M., Abernathy, W. J., Model, 1975, S. 642ff.; Itami, H., Numagami, T., Interaction, 1992, S. 120ff.; Pleschak, F., Sabisch, H., Innovationsmanagement, 1996, S. 20ff. und 213ff. Vgl. Gerpott, T. J., Innovationsmanagement, 2005, S. 132ff.; Weiber, R., Pohl, A., Nachfrageverschiebung, 1996, S. 682 Vgl. Strebel, H., Forschungsplanung, 1975, S. 31 Vgl. Handlbauer, G., Hinterhuber, H. H., Matzler, K., Kernkompetenzen, 1998, S. 912f.; Hinterhuber, H. H. u. a., Kundenzufriedenheit, 1998, S. 347ff.
106
wird eine negative Kaufentscheidung für die betrachtete Entscheidungsalternative gefällt.484 Die Erfüllung der vom Kunden als selbstverständlich vorausgesetzten Basiseigenschaften qualifiziert das Produkt erst für eine weitergehende Beurteilung und den Vergleich mit Konkurrenzprodukten. Während Basisfunktionen die Kundenzufriedenheit nur bis auf ein vom Kunden ohnehin vorausgesetztes Niveau zu heben vermögen, können mit Leistungs- und Begeisterungseigenschaften die Erwartungen des Kunden übertroffen und Kundennutzen über ein minimales Anspruchsniveau hinaus generiert werden.485 Voraussetzung dafür ist, dass mit Leistungs- bzw. Begeisterungseigenschaften konkrete Bedürfnisse des Kunden angesprochen werden können. Begeisterungseigenschaften werden durch Konkurrenten nicht angeboten und ermöglichen damit eine Differenzierung von diesen. Leistungseigenschaften hingegen werden von anderen Wettbewerbern angeboten, führen jedoch nur dann zu Wettbewerbsvorteilen, wenn aus Kundensicht die Kosten-Nutzen-Relation gegenüber Konkurrenzprodukten günstiger ist. Vorziehenswürdigkeit kann sich aber auch daraus ergeben, dass ein deutlich höheres Leistungsniveau entscheidungsrelevanter Eigenschaften zur Verfügung gestellt wird, für das Kunden bereit sind, überproportionale Kosten in Kauf zu nehmen. Aus Wettbewerbssicht stellt das Konzept der „order-winning- bzw. order-losingKriterien“ einen Ansatz dar, vorhandene und künftige Prozesstechnologiesysteme daraufhin zu beurteilen, wie wertvoll sie zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen sind bzw. sein können. Auch können Defizite dadurch erkannt werden, dass prozesstechnologisch relevante Faktoren ausfindig gemacht werden, die dazu führen, dass Kundenaufträge nicht akquiriert werden können.486 Das Konzept der „order-winning/losing-Kriterien“ beruht darauf, Eigenschaften von Produkten i. w. S. zu erfassen, die Kaufentscheidungen von Kunden zugunsten bzw. zuungunsten der Unternehmung ausfallen lassen.487 Hill nennt hier Produktpreis, -qualität i. w. S., -vielfalt, -zuverlässigkeit, Liefergeschwindigkeit und –zuverlässigkeit (Auftragsdurchlaufzeit und – zuverlässigkeit) als Kriterien von vorrangiger Bedeutung.488 Als weiteres Kriterium ist die verfügbare quantitative Produktionskapazität zu sehen.489 Darüber hinaus gewinnen ökologische (umweltschonende Produkte) wie soziale (Fair Trade) Produktattribute an Bedeutung. Von zentralem strategischem Interesse für Unternehmungen ist es aus diesem Grund, künftige
484 485 486 487
488
489
Vgl. Prahalad, C. K., Hamel, G., Competence, 1990, S. 81 Vgl. Handlbauer, G., Hinterhuber, H. H., Matzler, K., Kernkompetenzen, 1998, S. 912 Vgl. Hill, T., Manufacturing, 1985, S. 45ff.; Hinterhuber, H. H. u. a., Kundenzufriedenheit, 1998, S. 355f. Hier sind auch die Firmenreputation und andere, mit dem Produkt i. w. S. nicht unmittelbar verbundenen Faktoren, zu berücksichtigen. Vgl. dazu in ähnlicher Weise: Bouncken, R. B., Kernkompetenzen, 2000, S. 878f.; Simon, H., Wettbewerbsvorteile, 1988, S. 465ff. Vgl. Hill, T., Manufacturing, 1985, S. 45ff.; Wheelwright, S. C., Strategy, 1984, S. 80f.; Kaluza, B., Blecker, T., Flexibilität, 2005, S. 4ff.; Für eine empirische Erhebung der in der Literatur behandelten Kriterien vgl. Dangayach, G. S., Deshmukh, S. G., Manufacturing, 2001, S. 906ff.; Devaraj, S., Hollingworth, D. G., Schroeder, R. G., Generic, 2004, S. 320ff.; Hoitsch, H.-J., Lingnau, V., Variantenvielfalt, 1995, S. 394f.; Foschiani, S., Produktionsmanagement, 1994, S. 115ff.; Kathuria, R., Partovi, F. Y., Aligning, 2000, S. 217ff. Vgl. Schroeder, R. G., Andreson, J. C., Cleveland, G., Manufacturing, 1986, S. 410ff.
107
order-winning- und order-qualifying-Kriterien zu identifizieren, um durch deren Erfüllung, Wettbewerbsvorteile zu generieren.490 Die Ausstattung des prozesstechnischen Systems der Unternehmung und seiner Zulieferer determiniert die realisierbaren Ausprägungen dieser Kriterien. Gelingt es der Unternehmung, die für den Erhalt beziehungsweise Nicht-Erhalt von Kundenaufträgen ursächlichen prozesstechnischen Ressourcen bzw. Ressourcenkombinationen zu isolieren, kann deren Beitrag zur Erreichung ökonomischer Zielsetzungen abgeschätzt werden. Auf Basis von Erwartungen über künftige order-winning-Kriterien ist damit eine systematische, an Kundenbedürfnissen orientierte Ressourcenentwicklung möglich. Weiters können so auch die Anforderungen an Zulieferer klar definiert und entsprechende inputseitige Maßnahmen ergriffen werden. Zielsetzung aus prozesstechnologischer Perspektive ist es daher, Systeme zu entwickeln, die order-winning-Kriterien vieler Produkte der Unternehmung unterstützen (economies of scope).491 Diese sollen durch ein komplementäres potenzialerschließendes Ressourcensystem extensiv ausgeschöpft werden.492 Aus Unternehmensperspektive bilden Begeisterungsfunktionen, wenn sie auf konkrete Kundenbedürfnisse treffen, „order-winning-Kriterien“. Diese führen dazu, dass Kunden zugunsten des Produktes der Unternehmung entscheiden. Leistungsfunktionen können orderqualifying- wie order-winning-Kriterien darstellen. Nur durch die Erfüllung von orderwinning-Kriterien können aber Wettbewerbsvorteile begründet bzw. absichert werden. Zu beachten ist, dass auch die Erfüllung von order-qualifying-Kriterien zentrale Bedeutung für Unternehmungen aufweist. Leistungs- und Begeisterungseigenschaften werden im Laufe der Zeit von Kunden als selbstverständlich empfunden und mutieren mehr oder weniger schnell zu Basisfunktionen.493 Sie unterliegen damit einer zeitlichen Entwertung, zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen. Entsprechend verändern sich order-winning- und order-qualifying-Kriterien in deren relativer Bedeutung zueinander.494 So wird etwa ein bestimmtes Preis- und (technisches) Qualitätsniveau von Kunden oft als selbstverständlich angesehen. Diese Kriterien weisen dann order-qualifying-Charakter auf.495 Andere Kriterien, wie Versorgungssicherheit, Service etc.
490 491 492 493 494 495
Vgl. Berry, W. L., Hill, T., Klompmaker, J. E., Manufacturing, 1999, S. 3601ff.; Voss, C. A., Winch, G. M., Engineering, 1996, S. 79ff. Vgl. Piller, F., Customization, 2001, S. 238ff.; Zum Synergiebegriff und seiner Beutung für die strategische Entwicklung von Unternehmungen vgl. Gälweiler, A., Unternehmensführung, 1987, S. 85ff. Vgl. Prahalad, C. K., Hamel, G., Competence, 1990, S. 81f.; Bürgel, H. D., Haller, C., Binder, M., Konkurrenz, 1995, S. 3ff. Etwa wiesen Klimaanlagen, elektrische Fensterheber etc. in Kraftfahrzeugen vor 30 Jahren in Europa noch Begeisterungseigenschaften auf. Heute stellen diese Einbauten nahezu Standards dar. Das zeigt sich auch in den wechselnden Anforderungen an Unternehmungen in der Vergangenheit. Vgl. Foschiani, S., Produktionsmanagement, 1994, S. 5ff.; Hill, T., Manufacturing, 1985, S. 50ff. Vgl. Adner, R., Levinthal, D., Heterogeneity, 2001, S. 616
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gewinnen dann an relativer Bedeutung. Welche Priorität Kriterien aufweisen, ist von den betrachteten Märkten abhängig.496 Beiträge zu order-winning/qualifying-Kriterien liefern prinzipiell alle leistungserstellenden wie leistungsverwertenden Unternehmensfunktionen. Von dominierender Bedeutung sind jedoch Marketing, Produktentwicklung und Fertigung. Da diese Bereiche die Ausprägung der order-winning-Kriterien der Unternehmensleistung determinieren und gleichzeitig eine enge technologische Verknüpfung zwischen Produkt und Produktionsprozess besteht, ist es logisch, die Zusammenarbeit dieser Funktionalbereiche möglichst eng zu gestalten.497 Das, um die Überführung in die Fertigung möglichst reibungslos zu gestalten und weiters um Kundenwünsche adäquat im Produkt umzusetzen.498 Zielsetzungen, die durch engste Zusammenarbeit zwischen Produkt- und Fertigungssphäre erreicht werden, sind Erlösziele und gleichzeitig Kostensenkungsziele durch fertigungsgerechte Produktgestaltung und reibungsfreie Produktionsüberleistung.499 Hayes, Wheelwright und Clark identifizieren die Fertigungskompetenz als eine Schlüsseldeterminante erfolgreicher Produktentwicklungsprojekte.500 In welchem Ausmaß (künftige) order-winning- und order-qualifying-Kriterien erfüllt werden können, hängt von der unternehmensspezifischen Ressourcenallokation ab.501 In vielen Märkten (vor allem wenn sich diese in der Phase des Wachstums und der Sättigung befinden) ist der Preis dominantes order-winning-Kriterium bei Kaufentscheidungen.502 Zielsetzung des Prozesstechnologiemanagements ist es dann, dass prozesstechnologische System so zu konzipieren, dass Produkte zu möglichst niedrigen Stückkosten erstellt werden können, um dadurch Kundenaufträge zu erringen und gleichzeitig möglichst hohe Gewinnspannen zu realisieren. Unabhängig davon, welches Produkt in welcher Lebensphase betrachtet wird, sind aber Mindestanforderungen bei der Preisfestlegung grundsätzlich einzuhalten.503 Preis- bzw. Kosten(Gewinn)ziele bilden damit autonome Kriterien, die generell in unternehmerischen Prozesstechnologiepositionen zentrale Bedeutung aufweisen (siehe dazu auch das ökonomische Rationalprinzip). Ein weiteres order-winning-Kriterium stellt die Produktqualität dar. Unter Produktqualität im technischen Sinne (Qualität i. e. S.) ist die Erfüllung von Leistungsmerkmalen innerhalb 496
497
498 499 500 501 502 503
Vgl. Sonntag, V., Manufacturing, 2003, S. 312; Zahn, E., Huber-Hoffman, M., Wettbewerbsfaktor, 1995, S. 137ff.; Hamel, G., Prahalad, C. K., Competing, 1994, S. 126f.; Schroeder, R. G., Andreson, J. C., Cleveland, G., Manufacturing, 1986, S. 410ff. Siehe dazu das Konzept der integrierten Produkt- und Prozessentwicklung. Vgl. Specht, G., Beckmann, C., Amelingmeyer, J., F&E-Management, 2002, S. 123ff.; Gerpott zeigt Defizite in der dazu erforderlichen Kommunikation und wie diese beseitigt werden können auf. Vgl. Gerpott, T. J., Kommunikation, 1995, S. 556ff.; Weinkauf, Högl und Gemünden weisen einen positiven Zusammenhang zwischen der Teamintegration und dem Projekterfolg nach. Vgl. Weinkauf, K., Högl, M., Gemünden, H. G., Zusammenarbeit, 2004, S. 422 und 427f.; McDermott, C., Handfield, R., Outsourcing; 2000, S. 38f. Vgl. Voss, C. A., Winch, G. M., Engineering, 1996, S. 85ff.; Williams, J. R., Advantage, 1992, S. 44f. Vgl. Schlie, T. W., Technology, 1996, S. 7.18f. Vgl. Hayes, R. H., Wheelwright, S., Clark, K. B., Manufacturing, 1988, S. 323ff.; Adler, P. S., et al., Projekt 1995, S. 461ff.. Vgl. Voss, C. A., Winch, G. M., Engineering, 1996, S. 80ff. Vgl. Hill, T., Manufacturing, 1985, S. 46; Schroeder, D. M., Congden, St. W., Gopinath, C., Manufacturing, 1995, S. 170ff. Vgl. Kaluza, B., Produktdifferenzierungsstrategie, 1996, S. 193f.
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akzeptierter Toleranzbereiche zu verstehen (etwa die Zugfestigkeit von Werkstoffen; die geometrischen Abweichungen von Bauteilen etc.). Unter Zuverlässigkeit ist in diesem Zusammenhang die Erfüllungssicherheit von Funktionen über den gesamten Produktnutzungszeitraum definiert. Als Forderung für das Prozesstechnologiesystem ergibt sich daraus, dass Produkte geforderter technischer Qualität i. e. S. erstellt werden können. Qualität im weiteren Sinn ist als "die Gesamtheit von Merkmalen einer Einheit bezüglich ihrer Eignung [für den Kunden], festgelegte und vorausgesetzte Kundenerfordernisse zu erfüllen"504 zu verstehen. Unter dieser Begriffsbestimmung sind alle vom Kunden gewünschten Funktionalitäten eines Produktes unter Qualität i. w. S. zusammengefasst.505 Der Begriff bezieht sich neben der technischen Qualität auf variationale und dimensionale Anforderungen an das angebotene Leistungsbündel. Durch diese kann auf kundenspezifische Wünsche eingegangen werden.506 Determiniert werden die realisierbaren variationalen und dimensionalen Ausprägungen von Unternehmensleistungen durch das verfügbare Leistungspotenzial des Prozesstechnologiesystems. Bei undifferenzierter Marktbearbeitung mit einem Standardprodukt werden relativ geringe Anforderungen an die variationale und dimensionale Flexibilität des Prozesstechnologiesystems gestellt. Wird hingegen bei differenzierter Marktbearbeitung durch Eingehen auf spezifische Kundenwünsche - ein breites Leistungssortiment bereitgestellt, so ist die erforderliche variationale und dimensionale Flexibilität des Prozesstechnologiesystems entsprechend hoch. Ein order-winning-Kriterium mit zunehmender Bedeutung sind die Zeiträume, in denen Kundenaufträge von der Unternehmung abgewickelt werden können (Lieferzeit bzw. Auftragsdurchlaufzeit). Oftmals ist auch die Sicherheit, mit der Lieferungen erfolgen (Lieferzuverlässigkeit) entscheidend dafür, ob Unternehmungen Aufträge zugesprochen werden. Als korrekt ist eine Lieferung dann zu bezeichnen, wenn die richtige Leistung zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zur Verfügung gestellt wird. Welchen Beitrag das prozesstechnologische System zur gesicherten Erreichung vorgegebener Auftragsdurchlaufzeit leisten kann, hängt von der Art des Kundenauftrags ab. Zu unterscheiden sind reine Produktionsaufträge von Entwicklungsaufträgen mit anschließender Produktion. Weitere Einflussfaktoren auf die Auftragsdurchlaufzeit sind dispositive Tätigkeiten zur Auftragsübernahme sowie zur Versorgung der Produktion mit notwendigen Inputfaktoren. Durchlaufzeiten reiner Produktionsaufträge werden vor allem durch das leistungserstellende unternehmensinterne wie -externe Prozesstechnologiesystem sowie den zur Raumüberwindung erforderlichen, logistischen Prozessen bestimmt. Oft sind die Fertigungsgeschwindigkeiten der produkterstellenden Transformationsprozesse von untergeordneter Relevanz, während zwischen- und innerbetriebliche logistische Prozesse die Auftragsdurchlaufzeit dominieren. Die Dauer von Entwicklungsaufträgen wird durch das unternehmerische Prozesstechnologiesystem i. A. in großem Umfang beein504 505 506
DIN EN ISO 8402 Vgl. Zahn, E., Huber-Hoffman, M., Wettbewerbsfaktor, 1995, S. 139; Vahs, D., Burmester, R., Innovationsmanagement, 2005, S. 63ff. Vgl. Kern, W., Kernkompetenzen, 2002, S. 15ff.
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flusst. Bei adäquater Verfügbarkeit und Integration prozesstechnologischen Wissens ist die Überleitung von Entwicklungskonzepten in die Produktion i. A. rasch möglich. Fehlendes oder nicht integriertes prozesstechnologisches Wissen führt dementsprechend zu Verzögerungen. Ein weiteres order-winning/qualifying-Kriterium kann auch die verfügbare quantitative Kapazität des Prozesstechnologiesystems sein. Für Kunden ist hier von Bedeutung, dass besonders große Quantitäten eines Produktes geliefert werden können. Auch dieses orderwinning-Kriterium stellt spezifische Anforderungen an die konzeptionelle Gestaltung des Prozesstechnologiesystems (siehe Abschnitt 5.1.3). 4.2.4
Die Umweltschutzstrategie als Basis des strategischen Prozesstechnologiemanagements
Die Bedürfnisbefriedigung des Menschen durch Produkte ist letztlich Ursache der Umweltnutzung. Hierbei sind grundsätzlich alle Lebensphasen des Produktes, von seiner Entwicklung bis hin zur Entsorgung und Rückführung der Stoffe wie Energie in die natürliche Umwelt, in ihren Umweltwirkungen zu betrachten.507 Unternehmungen können durch Gestaltung von Produkten und des zu deren Erstellung erforderlichen Produktionssystems die Umweltnutzung beeinflussen. Im Rahmen dieser Arbeit sollen nur mehr Sachverhalte Berücksichtigung finden, die sich auf die Umweltnutzung in der Phase der Produkterstellung beziehen. Die konzeptionelle Gestaltung prozesstechnologischer Systeme wird damit nicht mehr nur durch die Produktkonzeption beeinflusst, sondern auch durch Vorgaben zur Verringerung der Umweltnutzung. Darüber hinaus können aber auch begrenzt verfügbare natürliche Ressourcen die prozesstechnologische Strategie determinieren. Das ist etwa dann der Fall, wenn die verfügbaren natürlichen Ressourcen eines Standortes nicht ausreichen, um bestimmte Prozesstechnologien zu betreiben. Man denke hier etwa an limitierte Entnahmemöglichkeiten von Wasser aus Flüssen.508 Weiter zunehmende Verschärfungen der Umweltnutzung sowie Verknappungen in der Verfügbarkeit natürlicher Ressourcen sind künftig zu erwarten. Prozesstechnologische Strategien, die diese Entwicklungen antizipieren, können daher langfristig zur Existenzsicherung der Unternehmung beitragen. Dangayach und Deshmukh sehen in diesem Zusammenhang - auf Basis einer umfangreichen Literaturanalyse - wachsenden Bedarf für künftige Forschungsaktivitäten im Bereich umweltschonender Produktion.509 Unternehmungen nutzen die natürliche Umwelt inputseitig durch die Entnahme und outputseitig durch die Emission von Stoffen/Energie. Folglich lassen sich input- und outputbezogene Zielsetzungen unterscheiden. Weiters sind qualitative und quantitative Zielaspekte zu berücksichtigen.510 Aus quantitativer Sicht nimmt bei Reduktion der benötigten Inputfaktoren 507 508 509 510
Vgl. Strebel, H., Hildebrandt, T., Produktlebenszyklus, 1989, S. 102ff. Vgl. Zotter, K.-A., Wasserwirtschaft, 1996, S. 34ff. Vgl. Dangayach, G. S., Deshmukh, S. G., Manufacturing, 2001, S. 911ff. Vgl. Zotter, K.-A., Wasserwirtschaft, 1996, S. 80ff.
111
bzw. outputseitigen Emissionen die Umweltnutzung ab. Das Ausmaß der Umweltnutzung wird weiters von der Art des entnommenen bzw. emittierten Stoffes/Energie bestimmt.511 Bei der Definition von umweltbezogenen Zielsetzungen tritt hier ein grundsätzliches Bewertungsproblem auf. Dieses besteht darin, dass für die Bewertung der Umweltnutzung verschiedener Stoffe diese in deren Wirkungen miteinander vergleichbar sein müssen. Das ist nur bei vollständiger Information über die ökologische Schadwirkung der betrachteten Stoffe (Energie) möglich. Da solche Informationen nicht verfügbar sind, müssen an ihre Stelle normative Festlegungen treten.512 Diese Festlegungen sind, da von ihnen öffentliche Güter betroffen sind, von den Vertretern der Gesellschaft zu definieren. Auf Basis dieser Werturteile kann prinzipiell eine Bewertung qualitativ und quantitativ alternativer Umweltnutzungen durch die Unternehmung erfolgen. Probleme ergeben sich allerdings aus der Tatsache, dass nur relativ wenige Stoffe in Rechtsnormen erfasst sind und weiters eine eindeutige Priorisierung der Umweltnutzung in Rechtsnormen oftmals nicht vorliegt.513 In prozesstechnologischen Systemen kann an unterschiedlichen Ressourcen und Ressourcenkombinationen angesetzt werden, um umweltorientierte qualitative wie quantitative, inputwie outputorientierte Zielsetzungen zu realisieren. Umweltorientierte prozesstechnologische Entwicklungsoptionen können wie folgt systematisiert werden (siehe auch Abbildung 14):514 x
Maßnahmen die am Produktionssystem und seinen Elementen ansetzen515 o Prozessintegrierte Maßnahmen o Produktionsintegrierte Maßnahmen o externes Recycling
Maßnahmen, die am Ergebnis bzw. Input des Produktionssystems ansetzen o End- bzw. o Front-of-Pipe-Maßnahmen Prozessintegrierte Maßnahmen werden von der Überlegung getragen, unerwünschte Umweltnutzung durch Transformationsprozesse präventiv möglichst weitgehend zu vermeiden. Dazu ist es erforderlich, die prozesstechnologischen Ursachen der Umweltnutzung analytisch zu erfassen. Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse kann dann der Transformationsprozess bzw. dessen Nutzung (durch Veränderung der Betriebsweise) gestaltet werden. Aus prozesstechnologischer Sicht umfassen umweltbezogene Umgestaltungen die Substitution oder Leistungssteigerung des Technologiesystems eines Transformationsprozesses. Zu beachten ist, dass neben Maßnahmen, die am Prozesstechnologiesystem (prozess- wie regelungstechnischem System) ansetzen, oft auch das Produkt (Werkstoffe, Produktgeometrien, -oberflächen etc.) sowie das Wissen und die Fähigkeiten der Mitarbeiter (als Teil des x
511 512 513 514 515
Vgl. dazu die stoffabhängigen Emissionsgrenzen verschiedenster Gesetzesvorgaben, die auf unterschiedlichen vermuteten Gefährdungspotenzialen beruhen. Vgl. Seidel, E., Controlling, 1988, S. 312ff. Vgl. Zotter, K.-A., Wasserwirtschaft, 1996, S. 87ff. Vgl. Förstner, U., Pollution, 1995, S. 1ff.; Zur Problematik der Abgrenzung umweltorientierter prozesstechnologische Entwicklungsoptionen siehe Gelbmann, U., Zotter, K., Dichotomie, 2002, S. 198ff. Vgl. Dunn, R. F., Bush, G. E., CLEANER, 2001
112
regelungstechnologischen Systems) mit verändert werden müssen. Aus ökologischer Sicht können mit prozessintegrierten Maßnahmen grundsätzlich qualitative wie quantitative, inputwie outputseitige Zielsetzungen realisiert werden. Oftmals lassen sich mit prozessintegrierten Lösungen ökologische und ökonomische Zielsetzungen simultan erreichen.516 Produktionsintegrierte Maßnahmen setzen zur Erreichung umweltbezogener Ziele an den Relationen zwischen Transformationsprozessen an. Der Aufbau neuer Relationen erfolgt derart, dass unerwünschte Outputs von Transformationsprozessen gesammelt, eventuell aufbereitet und einer Nutzung in der eigenen oder einer unternehmensfremden Produktion bzw. einer Konsumption zugeführt werden. Man spricht in diesem Zusammenhang von internem bzw. externem Recycling. Aus prozesstechnologischer Sicht ergeben sich zwischen internem und externem Recycling keine relevanten Unterschiede. Unerwünschte Produktionsrückstände können so zu erwünschten Rohstoffen - im ökonomischen Sinne - werden. Aus ökologischer Sicht können mit produktionsintegrierten Maßnahmen zunächst quantitative, input- wie outputseitige Zielsetzungen realisiert werden. Das, weil durch den produktiven Einsatz unerwünschter Prozessoutputs Primärrohstoffe substituiert und gleichzeitig die zu entsorgenden Stoff/Energiemengen reduziert werden können. Über die qualitativen ökologischen Wirkungen von Recycling können keine generellen Aussagen gemacht werden. Können Prozessoutputs ohne zwischengeschaltetes Aufbereitungssystem produktiv genutzt werden (Man spricht in diesem Zusammenhang von „direktem“ Recycling.), so ist mit der quantitativen i. d. R. auch eine qualitative Reduktion der Umweltnutzung verbunden. Voraussetzung ist, dass aus dem Einsatz des Recyklates in Produktionsprozessen keine zusätzlichen Umweltnutzungen resultieren. Zur qualitativen Anpassung von Prozessoutputs an die Erfordernisse des recyklataufnehmenden Prozesses müssen oft Aufbereitungssysteme eingesetzt werden.517 Bei diesem „indirektem Recycling“ müssen zusätzliche Stoffe und Energie zugeführt werden. Output des Aufbereitungssystems ist dann neben dem erwünschten Recyklat ein zumeist unerwünschtes Kuppelprodukt (z. B. Klärschlamm).518 Eine generelle Aussage über die qualitative Wirkung indirekter Recyclingsysteme ist damit nicht mehr möglich.519 Front- und End-of-Pipe-Systeme (auch als additive Systeme bezeichnet) sind Hilfsprozesse, die von Unternehmungen an das Produktionssystem angekoppelt werden, um umweltbezogene Zielsetzungen zu realisieren. End-of-Pipe-Systeme (EoP-Systeme) setzen zur Erreichung umweltbezogener Zielsetzungen an den bereits entstandenen unerwünschten Outputs von Transformationsprozessen (etwa Rauchgase aus Verbrennungsanlagen, biologisch belastete Abwässer etc.) an. Zwecksetzung von EoP-Systemen ist es, Emissionen so zu verändern (zu verdünnen, konzentrieren, chemisch oder mechanisch zu verändern etc.), dass sie unter Erfüllung gesetzlicher oder unternehmensautonomer Vorgaben entsorgt werden können. 516 517 518 519
Vgl. Zotter, K.-A., Wasserwirtschaft, 1996, S. 74ff Man spricht hier auch von „indirektem“ Recycling. Vgl. Lange, C., Umweltschutz, 1978, S. 191f.; Zotter, K.-A., Wasserwirtschaft, 1996, S. 143f. Man denke hier etwa an Kläranlagen. Bei der Aufbereitung stofflich belasteter Abwässer fällt neben dem gereinigten Wasser auch Klärschlamm an, der oftmals deponiert werden muss. Vgl. Stumm, W., Davis, J., Recycling, 1974, S. 78ff
113
Zielsetzung ist die qualitative und nicht die quantitative Veränderung von Emissionen der Produktion. So ist zentraler Kritikpunkt an EoP-Systemen in diesem Zusammenhang, dass sie zumeist nur zu einer Verlagerung der Umweltbelastung von einem Medium (z. B. Wasser) zu einem anderen (z. B. Ablagerung von Klärschlämme auf Deponien) dienen. Aus quantitativer Sicht sind End-of-Pipe-Systeme als kontraproduktiv zu bewerten. So müssen dem End-ofPipe-System zur Aufbereitung der Produktionsemissionen zusätzlich Energie und oft auch Stoffe zugeführt werden. Die Quantität an Outputs in die natürliche Umwelt nimmt damit gegenüber der ursprünglichen Emissionsmenge sogar zu.520 Weiteres Merkmal von EoPSystemen ist, dass die der Produktion zugeführten Stoffe und Energien strukturell nicht verändert werden und damit die inputseitige Umweltnutzung unverändert bleibt. EoP-Systeme sind aus diesem Grund nur zur Erreichung qualitativer, outputseitiger umweltbezogener Zielsetzungen geeignet. Zwecksetzung von Front-of-Pipe-Systemen (FoP-Systemen) ist die Aufbereitung von Stoffen (Energieträger) vor dem produktiven Einsatz, um so unerwünschte Emissionen durch die Nutzung in Produktionsprozessen zu reduzieren. Ein Beispiel dafür ist etwa die Entschwefelung von Brenn- und Treibstoffen, um die Entstehung von Schwefeldioxid bei der Verbrennung zu verhindern. Aus ökologischer Sicht weisen FoP-Systeme vergleichbare Wirkung wie End-of-Pipe-Systeme auf. Outputseitig können unerwünschte Emissionen von Transformationsprozessen qualitativ und quantitativ, zielkonform verändert werden. Wie bei End-of-PipeSystemen sind zusätzliche Energie- und Stoffeinsätze in das FoP-System erforderlich. Inputseitig sind daher FoP-Systeme aus umweltbezogener Sicht kontraproduktiv. Weiters fallen bei FoP-Systemen neben erwünschten ebenfalls unerwünschte Kuppelprodukte an. Sofern diese nicht produktiv genutzt werden können, nimmt die Gesamtmenge an unerwünschten Outputs der Produktion inklusive FoP-System zu. Wie bei EoP-Systemen können auch mit FoPSystemen lediglich outputseitige, qualitative umweltbezogene Zielsetzungen realisiert werden. Als letzte Möglichkeit, umweltorientierte Zielsetzungen auf prozesstechnologischer Ebene zu verwirklichen, ist die ersatzlose Aufgabe von Transformationsprozessen - und den mit diesen erstellten Produkten. Die dargestellten Optionen zur Erreichung umweltbezogener Zielsetzungen werden im Regelfall simultan eingesetzt. Das, weil erst durch das Ansetzen an mehreren Ebenen, ökonomische und ökologische Zielsetzungen erreichbar sind. Eine Abgrenzung einzelner Lösungsvarianten ist zumeist nicht mehr möglich. Etwa, wenn die Outputs eines Aufbereitungsprozesses teilweise in der Produktion eingesetzt der verbleibende Rest aber entsorgt wird. Dieses System ist nicht mehr eindeutig als Recycling- oder End-of-Pipe-System zu klassifizieren.
520
Vgl. Zotter, K.-A., Wasserwirtschaft, 1996, S. 176
114
a
a
Unternehmung I
•externes Recycling
Unternehmung II
Unternehmung II
a
TP2
Front-of-PipeSystem
TP3 End-of-PipeSystem
b TPi
x
a
Transformationssystem
Input
Output Ti
Umwelteinflüsse
Prozessinput und erwünschter Prozessoutput Produktionsrückstände
a b c x
•End-of-Pipe-Systeme •Front-of-Pipe-Systeme
b
c •prozessintegrierte Lösungen
TP1
•internes Recycling
Unternehmung I
Produktionssystem
…externes Recycling …internes Recycling …Emission in die natürliche Umwelt …erwünschte Unternehmensleistung
Abbildung 14: Ebenen der Integration umweltbezogener prozesstechnologischer Entwicklungsoptionen
115
4.2.5
Prozesstechnologische Timingstrategien
Von zentraler Bedeutung für die Definition der anzustrebenden Prozesstechnologieposition ist das mit der Geschäftsfeldstrategie definierte Leistungs- und Kostenniveau von Produkten. Unterscheiden lassen sich nach dem angestrebten Leistungsniveau (Kostenniveau) der Produkte Technologieführerschaft bzw. Technologiefolgerschaft (technologische Präsenz). Produkttechnologieführer streben an, sich in Produkttechnologien mit hoher wettbewerbsstrategischer Bedeutung auf höchstem Niveau von Konkurrenten zu differenzieren. Produkttechnologische Folger versuchen sich bei Normalleistung durch andere Technologien oder Wettbewerbsparameter (Service, kundenspezifische Problemlösungen, Kosten, etc.) zu profilieren.521 In der Literatur wird der Frage nach produkttechnologischer Führer- und Folgerschaft breiter Raum eingeräumt.522 Die Fragestellung nach prozesstechnologischer Führerbzw. Folgerschaft wird demgegenüber kaum behandelt.523 Produkttechnologische Führerschaft ist nicht zwingend mit einer prozesstechnologischen Führerschaft verbunden. So versuchen Unternehmungen neue Produkttechnologien am Beginn ihres Lebenszyklus möglichst durch bestehende Prozesstechnologiesysteme zu erstellen.524 Umgekehrt kann von einer prozesstechnologischen nicht auf eine produkttechnologische Führerschaft geschlossen werden.525 Auch eine produkttechnologische Folgestrategie bedeutet nicht zwingend, dass auch prozesstechnologisch die Unternehmung eine Folgestrategie verfolgt. Gründe dafür, dass prozesstechnologische Führerschaft angestrebt wird, sind:
521
522 523 524 525 526
527
x
Absicherung der Wettbewerbsposition526
x
Aufbau von Eintrittsbarrieren für potenzielle Konkurrenten: Eintrittsbarrieren resultieren daraus, dass order-winning-Kriterien durch Prozesstechnologien, bei denen Führerschaft angestrebt wird, in höherem Maße realisiert werden können als dies mit bestehenden Prozesstechnologiesystemen möglich ist. Voraussetzung ist jedoch eine entsprechende Absicherung der exklusiven Nutzung der prozesstechnologischen Entwicklungen.527
Vgl. Wildemann, H., Zeitaspekte, 1989, S. 135ff.; Servatius, H.-G., Methodik, 1985, S. 267; Freeman, C., Soete, L., Innovation, 1997, S. 268ff.; Wolfrum, B., Technologiestrategien, 1995, S. 255f.; Maidique, M. A., Patch, P., Technological, 1982, S. 276ff.; Pleschak, F., Sabisch, H., Innovationsmanagement, 1996, S. 112f.; Zu Einflussgrößen auf die Gestaltung von Timingstrategien bei Produkten vgl. beispielsweise Buchholz, W., Timingstrategien, 1998; Perillieux, R., Technologietiming, 1995, S. 269ff.; Pfeiffer, W., Weiß, E., Zeitorientiertes, 1990; Für den Einfluss den Ressourcen auf Timingstrategien aufweisen, und einen Literaturreview über empirische Studien zu Vor-/Nachteilen der Technologieführerschaft bei Produkten vgl. Lieberman, M. B., Montgomery, D. B., (Dis)Advantages, 1998 Vgl. Specht, G., Zörgiebel, W. W., Wettbewerbsstrategien, 1985, S. 162f.; Pleschak, F., Technologieunternehmen, 2001, S. 32ff.; Perillieux, R., Technologietiming, 1995 Eine Ausnahme bildet hier Wildemann. Vgl. Wildemann, H., Zeitaspekte, 1989; Porter, M. E., Competing, 1988, S. 219ff. Vgl. Utterback, J. M., Abernathy, W. J., Model, 1975, S. 641 und 643 Vgl. Hirschbiegel, U., Frauenfelder, P., Substitutionen, 1998, S. 512 So zeigen Song, Benedetto und Zhao, dass produkttechnologische Führer Wettbewerbsvorteile (Kostenvorteile, Differenzierungsvorteile) erringen können, die nur mit einem entsprechenden prozesstechnologischen Vorsprung realisiert und aufrecht zu erhalten sind. Vgl. Song, M. X., Benedetto, A. C. Di, Zhao, Y. L., Pioneering, 1999, S. 812ff.; Zahra, S. A., Das, S. R., Advantage, 1993, S. 94ff. Vgl. Zahra, S. A., Das, S. R., Advantage, 1993, S. 93ff.
116
x
Ausnutzung von Lern-/Erfahrungskurveneffekten528
x
Image/Ansehen als Technologieführer (etwa im Bereich Umweltschutz, Arbeitssicherheit, Problemlösungskompetenz etc.)
x
Festlegung von Industriestandards durch entsprechende prozesstechnologieabhängige Produktstandards529
x
Monetäre Vorteile durch relative Vorteile bei den Stückkosten, evtl. verbunden mit der Ausweitung von Marktanteilen530
x
Motivation der Mitarbeiter531
x
Die Produkterstellung wird erst durch neue Prozesstechnologien möglich532
x Aufbau von Machtpositionen Gegen eine prozesstechnologische Führerschaft sprechen hohe Pionierkosten resultierend aus: x
hohen Kosten der Entwicklung von Prozesstechnologien – vor allem wenn diese in frühen Lebensphasen noch unerprobt und ihre Tragfähigkeit unklar ist
x
Unsicherheit über das Preis-Leistungs-Verhältnis (Kostenrisiko) neuer Technologien
x
Unsicherheit über die Leistungspotenziale der eingesetzten Prozesstechnologien (Leistungsrisiko)
x
gesetzlichen Auflagen, deren Bedeutung für neue Technologien noch weitgehend unbekannt ist
x
Genehmigungen eines Prototypen, die i. A. aufwändiger sind als die von Standardanlagen
x
Notwendigkeit adäquater komplementärer Produkte
x
Akquisition neuer Lieferanten
x
Unsicherheit über die Systemkompatibilität
x
Unsicherheit über die Weiterentwickelbarkeit des Prozesstechnologiesystems
x Unsicherheit über die Entwicklung der Unternehmensumgebung533 Technologieführerschaft verlangt nach aktivem Verhalten gegenüber Prozesstechnologien in frühen Lebensphasen.534 Die generelle prozesstechnologische Umgebung ist hierbei ein
528 529 530
531 532 533 534
Vgl. Wildemann, H., Zeitaspekte, 1989, S. 135ff. Vgl. Schröder, H.-H., Innovationsplanung, 1999, S. 1007 Gopalakrishnan weist empirisch einen positiven Zusammenhang zwischen monetär-ökonomischer Zielsetzung und frühzeitiger Übernahme neuer Technologien nach. Der Innovationsgrad hat hingegen keinen signifikant positiven, monetär-ökonomischen Einfluss Vgl. Gopalakrishnan, S., Unraveling, 2000, S. 140ff. Vgl. Wildemann, H., Zeitaspekte, 1989, S. 135 Vgl. Hatch, N. W., Mowery, D. C., Learning, 1998, S. 1462 Vgl. Song, M. X., Benedetto, A. C. Di, Zhao, Y. L., Pioneering, 1999, S. 813ff. Technologieführer weisen ein (gegenüber Technologiefolgern) wesentlich stärkeres Netzwerk technologieorientierter Geschäftsbeziehungen mit anderen Unternehmungen und Forschungseinrichtungen auf. Sie profitieren auch in größerem Maß aus diesen Netzen. Vgl. Gemünden, H. G., Ritter, T., Heydebreck, P., Network, 1996, S. 456ff.
117
wesentlicher impulsgebender Bereich.535 Entwicklungen von Prozesstechnologien der unmittelbaren Unternehmensumgebung werden oft gleichzeitig von mehreren Unternehmungen einer Branche durchgeführt. Auch hier können durch Unternehmensinitiative relative Technologievorteile generiert werden. Konsequenz passiven Verhaltens gegenüber Entwicklungen der technologischen Umgebung ist eine prozesstechnologische Folgeposition. Von Strategie kann hier nicht gesprochen werden, da keine bewusste Ressourcenallokation im Sinne eines Folgers stattfindet, sondern die Unternehmung Entwicklungen einfach verschläft.536 Die Definition von Produkt- wie Prozesstechnologiepositionen erfordert zwingend auch die zeitliche Festlegung wann diese realisiert sein sollen.537 Da die Entwicklung von Prozesstechnologien die Zielsetzung hat, definierte Produkte zu erstellen, ist die Frage nach dem prozesstechnologisch erforderlichen Leistungspotenzial mit der produkttechnologischen Timingstrategieentscheidung auf das engste verknüpft. Zumeist ist davon auszugehen, dass die Entwicklung von Prozesstechnologien durch den konkreten Bedarf eines definierten Produktes induziert wird. Auch ökologische und soziale unternehmenspolitische Zielsetzungen können aus prozesstechnologischer Perspektive Führer- und Folgerstrategien induzieren. So kann bei defensivem Verhalten von einer umweltorientierten Folgerstrategie gesprochen werden. Bei offensivem und normativ-ethischem Verhalten werden aus ökologischen (simultan mit ökonomischen) Vorgaben heraus fortschrittliche Prozesstechnologien forciert werden. Entsprechend kann aus ökologischer Perspektive eine prozesstechnologische Führungsposition aus diesem Verhalten resultieren. 4.2.6
Prozesstechnologische Abhängigkeiten zwischen Unternehmungen
Prozesstechnologiesysteme erstrecken sich in arbeitsteiligen Wirtschaften über mehrere Unternehmungen. Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit solcher Systeme ist, dass Lieferanten geeignete Vorprodukte als Inputfaktoren zur Verfügung stellen. Outputseitig müssen Produkte angeboten werden, die als Input in Folgeprozessen von Kunden (bzw. als Finalprodukte) entsprechend eingesetzt werden können. Prozesstechniksysteme sind somit über Stoff-, Material- und Informationsströme unternehmensübergreifend verbunden. Veränderungen in Prozesstechnologiesystemen einer Unternehmung, sofern sie mit qualitativen oder quantitativen Veränderungen der benötigten Inputfaktoren bzw. erstellten Produkten verbunden sind, können sich auf vor- wie nachliegende Prozesstechnologiesysteme auswirken. Bei unternehmensübergreifend starr gekoppelten Prozesstechnologiesystemen
535
536 537
Empirische Befunde über die Wirkungen unternehmensübergreifender Vernetzung auf den Innovationserfolg von Produkten und Prozessen geben Gemünden, Ritter und Heydebreck. Vgl. Gemünden, H. G., Ritter, T., Heydebreck, P., Network, 1996, S. 450ff. Vgl. Bleicher, K., Technologiemanagement, 1995, S. 590 Vgl. Ansoff, I. H., Steward, J. M., Technology-, 1967, S. 81ff.
118
können bereits veränderte zeitliche Bedarfe an Inputs oder Angebote an Outputs Auswirkungen auf Kunden- wie Lieferantensysteme aufweisen (siehe Abschnitt 5.1.3.1).538 Mit dem prozesstechnologischen System der Unternehmung mittelbar verbunden sind auch Produzenten komplementärer Produkte. Zwar bestehen keine Stoff-, Material- und Informationsbeziehungen mit diesen, Veränderungen in der Gestalt oder Quantität eines Produktes können sich aber durch Anpassungsbedarfe des Komplementärproduktes mittelbar auf das Prozesstechnologiesystem der anderen Unternehmung auswirken. Prozesstechnologiesysteme sind in ihren Wirkungen stets unternehmensübergreifend zu betrachten. Entsprechend sind eigene prozesstechnologische Entwicklungen in ihren Wirkungen auf Kunden, Lieferanten und Produzenten komplementärer Produkte zu überprüfen. Bestehen hierbei Inkompatibilitäten mit prozesstechnologischen Systemen außerhalb der eigenen Unternehmung, so können diese dazu führen, dass Entwicklungsoptionen in ihrer Realisation behindert werden können.539 Bestehen Kompatibilitätsprobleme gegenüber den Kunden, so kann dadurch die Entwicklung des unternehmerischen prozesstechnologischen Systems behindert werden, wenn der Kunde nicht in der Lage oder bereit ist, entsprechende Systemanpassungen vorzunehmen. Umgekehrt können durch Entwicklungen im Prozesstechnologiesystem des Kunden Veränderungen in der eigenen Unternehmung induziert werden. Ob und in welchem Umfang Unternehmungen sich an kundenseitige Restriktionen bzw. Anforderungen prozesstechnologisch anpassen, hängt von der (künftigen) Bedeutung des Kunden für die Unternehmung ab. In gleicher Weise können Kompatibilitätsprobleme mit dem prozesstechnologischen System von Lieferanten Entwicklungen des unternehmerischen prozesstechnologischen Systems induzieren, fördern oder behindern. Können oder wollen Lieferanten prozesstechnologischen Anforderungen der Unternehmung nicht folgen, so kann, wenn ein Wechsel zu anderen Lieferanten nicht möglich (oder sinnvoll) ist, die eigene prozesstechnologische Entwicklung behindert werden. Es kann auch der Fall eintreten, dass prozesstechnologische Entwicklungen beim Lieferanten Innovationen beim Abnehmer induzieren. Etwa wenn der Lieferant in der Lage ist, Vorprodukte zur Verfügung zu stellen, die mit anderen (oder weiterentwickelten) Prozesstechnologien verarbeitet werden können und damit zu Wettbewerbsvorteilen führen. Vorauszusetzen ist hier aber, dass ein exklusiver Zugang zu den Rohstoffen oder Prozesstechnologien besteht. Weiters kann der Lieferant seinen Kunden auf Grund bestehender Marktmacht dazu zwingen, ihre Prozesstechnologiesysteme lieferantenadäquat anzupassen oder aus der Geschäftsbeziehung auszusteigen. Besteht bei Kunden/Lieferanten die grundsätzliche Bereitschaft, prozesstechnologische Anpassungen vorzunehmen, sind jedoch entsprechende finanzielle bzw. personelle Ressourcen dafür nicht vorhanden, besteht für Unternehmungen die Option, aktiv die Entwicklung 538 539
Gold merkt an, dass dieses Problem oftmals unterschätzt wird. Vgl. Gold, B., Capabilities, 1983, S. 212 Vgl. Afuah, A. N., Bahram, N., Hypercube, 1995, S. 53ff.
119
unternehmensfremder Prozesstechnologiesysteme zu unterstützen. Das kann in der Bereitstellung von finanziellen Ressourcen oder prozesstechnologischen Know-how bestehen. So wird der Ausbau des Prozesstechnologiesystems bei Automobilzulieferern oftmals durch deren Kunden unterstützt. Das mit der Zielsetzung, langfristige Kunden-Lieferanten-Beziehungen aufrechtzuerhalten und so die Versorgung mit erforderlichen Vorprodukten abzusichern. So legen japanische Automobilhersteller für jeden Zukaufteil einen Target-Preis für ihre Lieferanten fest. Sie unterstützen ihre Zulieferer aber auch aktiv, diese Preisvorgaben zu erreichen.540
540
Vgl. Cusumano, M. A., Takeishi, A., Supplier, 1991, S. 565
120
4.2.7
Die technologische Umgebung in ihrer Bedeutung für die prozesstechnologische Entwicklung von Unternehmungen
Jede Technologie entwickelt sich über die Zeit hinweg in deren Leistungsmerkmalen und Ausprägungen weiter. Diese Dynamik wird den Unternehmensvisionen zu Grunde gelegt (siehe Abschnitt 3.2.2.1). Auch unternehmenspolitische Zielsetzungen implizieren oftmals eine Weiterentwicklung einzelner Prozesstechnologien bzw. Prozesstechnologiesysteme. So erwarten etwa 34,2 % der befragten Unternehmungen einer eigenen empirischen Studie, dass eine Reduktion der Wassernutzung ihrer Produktion durch neue bzw. weiterentwickelte Prozesstechnologien umgesetzt werden kann.541 Die Entwicklung von Prozesstechnologien wird durch (anlagen- wie produkterstellende542) Unternehmungen, Universitäten und anderen Organisationen vorangetrieben. Auch die eigene Unternehmung kann hierbei Initiativen setzen. 541
Im Jahr 2000 wurde am Institut für Innovations- und Umweltmanagement eine empirische Untersuchung über Wasserschutzmaßnahmen in österreichischen Produktionsunternehmen durchgeführt. 79 Unternehmen gaben hierbei Auskunft über 291 Projekte. Von zentraler Bedeutung, warum Wasserschutzmaßnahmen realisiert bzw. nicht realisiert wurden, waren verfügbare bzw. nicht verfügbare Prozesstechnologien. Von 48,1 % der Unternehmungen wurden weiterentwickelte Prozesstechnologien als wesentliches Argument für die Umsetzung von Wasserschutzmaßnahmen genannt. Alle erhobenen Argumente für die Umsetzung von Wasserschutzmaßnahmen sind in folgender Tabelle aufgelistet: Was waren die 3 wichtigsten Gründe dafür, dass Wasserschutzmaßnahmen nicht gesetzt wurden? Eine wasserschonendere Produktionstechnologie ist am Markt nicht verfügbar. 22,8 % Die wasserschonendere Produktionstechnologie ist aus ökonomischen Gesichtspunkten nicht 26,6 % gewählt worden. Durch technologischen Fortschritt wird, bei Installation von Neuanlagen, der Wasserbedarf 34,2 % künftig ohnehin niedriger sein. Der Einsatz wasserschonender Anlagen erfordert einen zu großen Eingriff in die Produktion. 25,3 % Das technische Risiko ist derzeit zu hoch. 15,2 % Wasserschonende Technologien können derzeit aus organisatorischen Gründen nicht einge5,1 % setzt werden. Wasserschonende Technologien können derzeit aus rechtlichen Gründen nicht eingesetzt 1,3 % werden. Prozesstechnologien wurden weiters als vorrangiges Argument genannt, warum Wasserschutzmaßnahmen nicht realisiert wurden. Von 22,8 % der Befragten wurde fehlende Verfügbarkeit entsprechender Prozesstechnologien als Argument dafür genannt, weshalb Wasserschutzmaßnahmen nicht realisiert wurden. 34,2 % erwarten im Zuge der Weiterentwicklung von Prozesstechnologien reduzierte Wassernutzung neuer Produktionssysteme. Die Argumente, warum Wasserschutzmaßnahmen nicht realisiert wurden, sind in folgender Tabelle zusammengefasst: Warum wurden in Ihrem Unternehmen Wasserschutzmaßnahmen gesetzt? Markieren Sie die 5 wichtigsten Argumente! Umweltbewusstsein der Unternehmung 88,6 % Neue Technologien mit geringerer Wassernutzung 48,1 % Verschärfungen bei wasserbezogenen Rechtsnormen 65,8 % Imageverbesserung des Unternehmens 60,8 % Umweltbewusstsein der Mitarbeiter 26,6 % Engpässe in der Versorgung mit Wasser 12,7 % Engpässe in der Entsorgung von Abwasser 21,5 % Bezugskosten von Wasser 22,8 % Kosten der Abwasserentsorgung 45,6 % Kosten der Abwasseraufbereitung 24,1 %
542
Die Unterscheidung in anlagen- wie produkterstellende Unternehmungen erfolgt nach dem grundsätzlichen Unternehmenszweck. So besteht der Zweck von anlagenerstellenden Unternehmungen darin, Prozesstechnologiesysteme zu entwickeln und sie als Potenzialfaktoren anderen Unternehmungen zur Verfügung zu stel-
121
Die von Unternehmen auf Märkten angebotenen Leistungen werden in deren qualitativen wie quantitativen Ausprägungen und Preisen durch die verfügbaren Leistungsmerkmale des Prozesstechnologiesystems determiniert. Die Leistungsmerkmale und deren Ausprägungen werden durch die eingesetzten Technologien und deren Leistungsniveau bestimmt. Aus prozesstechnologischer Perspektive besteht der Wettbewerb zwischen strategischen Geschäftsfeldeinheiten konkurrierender Unternehmungen in unterschiedlichen Leistungsmerkmalen und -niveaus prozesstechnologischer Systeme. Relative Unterschiede ergeben sich dann daraus, dass verschiedene Unternehmungen gleiche Technologien jedoch auf unterschiedlichen Entwicklungsniveaus nutzen. Weiters resultieren relative Unterschiede aus der Nutzung unterschiedlicher Prozesstechnologien und damit unterschiedlichen Leistungsmerkmalen und deren Niveaus. Es ist daher zur Generierung und Absicherung von Wettbewerbsvorteilen von zentralem Interesse, welches Entwicklungsniveau eigene Prozesstechnologien aufweisen und wie dieses in Relation zu Konkurrenten und potenziellen Substituten zu bewerten ist. Zur Definition der künftigen Prozesstechnologieposition ist deshalb die Entwicklung der prozesstechnologischen Umgebung von zentraler Bedeutung. Da Produkt- und Prozesstechnologien nicht getrennt voneinander betrachtet werden können, ist aus prozesstechnologischer Sicht ebenfalls die Verfolgung produkttechnologischer Entwicklungen zur Positionsfestlegung erforderlich.543 Aber auch die Art der Beschaffung von Prozesstechnologien wird durch das technologische Umfeld mitbestimmt. So ist prinzipiell davon auszugehen, dass mit der Weiterentwicklung von Prozesstechnologien das Leistungsniveau frei verfügbarer Prozesstechnologien steigt. Weiters kann sich die Verteilung prozesstechnologischen Wissens zwischen Unternehmungen so verschieben, dass eigenes Wissen nicht mehr ausreicht, um benötigte Leistungsmerkmale und -niveaus selbst zu realisieren und damit eine Zusammenarbeit mit Unternehmungen, Universitäten etc. sinnvoll wird.544 Basis für die Definition künftiger Prozesstechnologiepositionen und der Art ihrer Beschaffung sind Erwartungen über die Entwicklung bereits genutzter bzw. neuer Prozesstechnologien. Zentrales Problem ist hierbei, dass die Entwicklungen der Leistungsmerkmale von Technologien nicht nach vorhersehbaren Mustern verlaufen. Zwar gibt es in der theoretischen Literatur mehrere Ansätze, mit denen versucht wird, die Entwicklung von Technologien zu modellieren. Gemeinsam ist diesen allerdings, dass sie zur Entscheidungsfindung nicht bzw. nur sehr bedingt geeignet sind.545
543
544 545
len. Davon zu unterscheiden sind Unternehmungen deren Zwecksetzung es nicht ist, Produktionsanlagen zu entwickeln (Solche Unternehmungen sind Gegenstand der vorliegenden Arbeit.). Jedoch können diese Unternehmungen erhebliche Beiträge zur Weiterentwicklung von Prozesstechnologien liefern. Vgl. von Hippel, E., Source, 1988, S. 25ff. und 28ff. Vgl. Utterback, J. M., Abernathy, W. J., Model, 1975, S. 642ff.; Für einen Überblick über Lebenszyklusmodelle und Technologie-Portfolios als Instrumente des strategischen Technologiemanagements siehe: Servatius, H.-G., Methodik, 1985, S. 112ff. Diese Zusammenarbeit wird vor allem von kleinen Unternehmungen, oft in Form von spillovers, genutzt. Vgl. King, D. R., Covin, J. G., Hegarty, H. W., Complementary, 2003, S. 594 Für einen Überblick siehe Specht, G., Beckmann, C., Amelingmeyer, J., F&E-Management, 2002, S. 59ff.
122
Anderson und Tushman entwickeln ein zyklisches Modell des Technologiewechsels bzw. der Technologieentwicklung. Ausgelöst wird der Lebenszyklus von Technologien in diesem Modell durch eine technologische Diskontinuität, die dazu führt, dass bestehende durch neue Technologien substituiert werden, die signifikant höhere Leistungsfähigkeit aufweisen. Auf Basis dieser Technologien können fundamental neue Produkte oder Prozesse realisiert werden. Anderson und Tushman unterscheiden zwischen kompetenzzerstörenden und kompetenzsteigernden Diskontinuitäten.546 Wann diese relativ seltenen Durchbrüche erfolgen, ist nicht vorhersagbar. Auf die technologische Diskontinuität folgt eine Selektionsphase. Diese ist durch eine Konkurrenzsituation zwischen alter und neuer Technologie gekennzeichnet. Darüber hinaus besteht auch zwischen alternativen Konzepten von Produkt- bzw. Prozesstechnologiesystemen der neuen Technologie eine Konkurrenzsituation. Diese Phase ist durch Variations- und Selektionsmechanismen gekennzeichnet. In dieser Phase wird eine Vielzahl an Produkt/Prozessdesigns entwickelt und abgesetzt bzw. genutzt, bis sich ein dominantes Design der Technologienutzung ausbildet. Die anschließende Phase (Era of Incremental Change) ist dann durch inkrementale Weiterentwicklung der Technologie in einer überlebenden Konzeption gekennzeichnet. Das hält so lange an, bis erneut eine technologische Diskontinuität diese Entwicklung unterbricht.547 Ein anderer Ansatz auf höherem Aggregationsniveau ist das S-Kurvenmodell. Die Leistungsdaten vieler Technologien beschreiben über die Zeit (aber auch über den kumulierten Forschungs- und Entwicklungsaufwand548) einen S-förmigen Verlauf.549 Sahal vertritt in diesem Zusammenhang den Standpunkt, dass der abnehmende Zuwachs der Leistungsfähigkeit einer Technologie auf das Erreichen physikalischer Grenzen zurückzuführen ist.550 Das SKurven-Modell ist aus mehreren Gründen problematisch. Zunächst weisen Technologien mehrere Leistungsmerkmale auf, die sich über die Zeit unterschiedlich entwickeln können.551 Weiters können einzelne Leistungsmerkmale von Technologien oft nicht isoliert von anderen weiterentwickelt werden. Der Verlauf der Leistungsmerkmale einer Technologie wird wesentlich vom Interesse industrieller Anwender an einzelnen Leistungsmerkmalen und einer entsprechenden Konzentration von F&E-Aufwendungen bestimmt sein.552 Weiters kann sich die Priorität bei der Entwicklung von Leistungsmerkmalen einer Technologie über die Zeit auf Grund ökonomischer, ökologischer oder sozialer Aspekte verändern. Die Annahme eines kon546
547 548
549 550 551 552
Vgl. Tushman, M. L., Anderson, P., Discontinuities, 1986, S. 442f.; Anderson, P., Tushman, M. L., Designs, 1990, S. 609f., in vergleichbarer Weise unterscheidet Zäpfel zwischen Prozessintensivierung und – innovation. Vgl. Zäpfel, G., Produktions-Management, 2000, S. 119ff. Vgl. Anderson, P., Tushman, M. L., Designs, 1990, S. 610ff. Unklar bleibt hier jedoch, wie dieser in ausreichender Genauigkeit ermittelt werden soll. Weiters ist zu vermerken, dass durch Synergieeffekte bei Entwicklungen Aufwendungen auf zwei oder mehrere Technologien aufzuteilen wären; was logisch nicht möglich ist. Vgl. Brockhoff, K., Forschung, 1999, S. 185ff.; Brockhoff, K., Innovationsmanagement, 2000, S. 30ff. und die dort zitierte Literatur. Henderson zeigt auf, dass auch erwartete physikalische Limits aufgrund neuer Erkenntnisse im Laufe der Zeit Veränderungen unterliegen. Vgl. Henderson, R., Cycles, 1995, S. 635ff. Vgl. Butler, J. E., Theories, 1988, S. 24ff. Vgl. Dosi, G., 1982, Trajectories, 1982, S. 155
123
tinuierlichen Verlaufs der Entwicklung von Leistungsmerkmalen über die Zeit, wie ihn verschiedene Modelle (S-Kurven-Modell, Technologielebenszyklusmodell nach Ford/Ryan553 etc.) suggerieren, ist folglich nicht haltbar.554 Aus Sicht von Unternehmungen ist damit das größte Defizit dieser Modelle, dass sie keinen Aufschluss darüber zulassen, wie sich eine konkrete Technologie künftig entwickeln wird. Auf Grund der Einzigartigkeit technischer Eigenarten sowie ökonomischer, ökologischer und sozialer Interessen an Technologien sind generell Erkenntnisse von einer auf eine andere Technologie niemals übertragbar. Aber nicht nur für die Prognose der Entwicklung einer Technologie versagen diese Modelle, auch können keinerlei Aussagen über eine bevorstehende Technologiesubstitution abgeleitet werden.555 Das Technologielebenszyklusmodell nimmt Bezug auf die Dynamik von Technologien und setzt diese in Beziehung mit der Entwicklung von Märkten. Unterschieden werden von Ansoff und Stewart stabile, dynamische und turbulente Technologieentwicklungen.556 Stabile Technologieentwicklungen sind dadurch gekennzeichnet, dass über den Marktlebenszyklus keine wesentlichen technologischen Veränderungen auftreten. Bei dynamischen Entwicklungen liegen erhebliche technologische Veränderungen einer Technologie während des Marktlebenszykluses vor. Bei turbulenter Technologieentwicklung schließlich treten in raschen Abständen Technologiesprünge auf. Technologien können sich hier nicht langfristig etablieren, sondern werden rasch durch neue ersetzt. Gegenüber dem S-Kurven-Modell ergeben sich keine neuen Erkenntnisse. So lässt die momentane Technologiedynamik keine Aussagen über künftige Entwicklungen zu. Jederzeit können etwa stabile in turbulente Technologieentwicklungen überwechseln oder umgekehrt.557 Auch dieses Modell ist daher für die Definition künftiger Technologiepositionen nicht geeignet. Eines der bedeutendsten Modelle zur Erklärung der Muster von Technologieentwicklungen ist das nach Utterback und Abernathy (Abbildung 15).558 In diesem wird, gestützt auf empirische Untersuchungen aus der Automobilindustrie, ein Zusammenhang zwischen Produkt- und Prozessinnovationsrate in Abhängigkeit von der Zeit hergestellt.559 Utterback und
553 554 555 556 557 558
559
Vgl. Ford, D., Ryan, C., Technology, 1981, S. 121ff. Vgl. Brockhoff, K., Forschung, 1999, S. 188ff.; Foster, R. N., Assessing, 1986, S. 17f. Vgl. Zotter, K., Modelle, 2003, S. 69ff. Vgl. Ansoff, I. H., Steward, J. M., Technology-, 1967, S. 79ff. Vgl. Benkenstein, M., Modelle, 1989, S. 504 Vgl. Utterback, J. M., Abernathy, W. J., Model, 1975; Abernathy, W. J., Townsend, P. L., Technology, 1975, S. 389ff.; Vergleichbare Verläufe finden sich bei King, D. R., Covin, J. G., Hegarty, H. W., Complementary, 2003, S. 590; Tushman, M. L., Rosenkopf, L., Determinants, 1992, S. 316ff.; Tushman, M. L., Romanelli, E., Metamorphosis, 1985, S. 198ff. In Anlehnung an das Modell von Utterback und Abernathy versuchen Damanpour und Gopalakrishnan für Banken eine ähnliche Produkt- und Prozessdynamik nachzuweisen. Feststellbar war, dass die Geschwindigkeit der Adoption von Produkt- gegenüber Prozessinnovationen höher war. Nicht verifizierbar war, dass von Produktinnovationen Prozessinnovationen ausgehen und nicht umgekehrt. Vgl. Damanpour, F., Gopalakrishnan, S., Dynamics, 2001, S. 48ff. Dieses Verhalten wurde auch nicht beim Modell von Utterback und Abernaty für alle Produkt-Prozesskombinationen nachgewiesen. Vgl. Pleschak, F., Sabisch, H., Innovationsmanagement, 1996, S. 21 Vgl. Hayes, R. H., Wheelwright, S. C., Competitive, 1984, S. 201ff.
124
Abernathy unterscheiden in ihrem Modell drei Phasen des Produkt- und Prozesslebenszyklus. Ergänzt wurde das Modell später um eine vierte Phase („discontinuities stage“).560
hoch
Innovationsrate
Produkt
Prozess
niedrig Zeit uncoordinated stage
segmental stage
systemic stage
discontinuities stage
Abbildung 15: Model nach Utterback und Abernathy Aus prozesstechnologischer Sicht zeigt das Modell von Utterback und Abernathy Ansatzpunkte für die zu erwartende Produkt- und Prozesstechnologiedynamik in Abhängigkeit von der Produktlebensphase und dem Status quo der zu ihrer Erstellung genutzten Prozesstechnologiesysteme.561 In Phase „1“ wird bei der Produktgestaltung experimentiert. Kennzeichnend für diese Phase sind kleine Marktvolumina; die Wettbewerbsstrategie ist auf Differenzierung ausgerichtet. Die Produktgestalten und -technologien wechseln entsprechend kundenspezifischen Anforderungen relativ rasch. Innovationen in Prozesse werden nur in geringem Umfang getätigt. Es wird vielmehr versucht, auf Basis bestehender Prozesstechnologiesysteme die entwickelten Produkte zu erstellen. Solange diese Phase anhält, ist nicht zu erwarten, dass produktspezifische Prozesstechnologien bzw. Prozesstechnologiesysteme unter erheblichen Aufwendungen entwickelt werden. Bestehende Prozesstechnologien werden eventuell produktspezifisch angepasst (etwa durch Vorrichtungen); produktinduzierte Entwicklungen neuer Prozesstechnologien sind nicht zu erwarten.562 Folge sind relativ hohe Stückkosten aufgrund unspezifischer, flexibler und damit kostenintensiver Prozesstechniksysteme sowie hoch qualifizierte und deshalb teure Fertigungsmitar560 561 562
Vgl. Utterback, J. M., Innovation, 1994; Abernathy, W. J., Clark, K. B., Mapping, 1985, S. 18ff.; Tushman, M. L., Romanelli, E., metamorphosis, 1985, S. 202ff. Vgl. Abernathy, W. J., Townsend, P. L., Technology, 1975, S. 388 Siehe dazu die empirisch gestützten Erkenntnisse von Zahra und Covin, über den Zusammenhang zwischen Produkttechnologieführerschaft, der Produktinnovationsrate und den Entwicklungen im Prozesstechnologiesystem von Unternehmungen. Vgl. Zahra, S. A., Covin, J. G., Strategy, 1993, S. 457 und 463ff.; Tushman, M. L., Romanelli, E., Metamorphosis, 1985, S. 197ff.
125
beiter. Da geringe Produktquantitäten kundenspezifisch erstellt werden, sind die Produktentwicklungskosten und die Kosten der Überführung in die Fertigung hoch. Da bestehende Prozesstechnologiesysteme limitierend auf erstellbare Produktgestalten bzw. –technologien wirken, müssen Produkte gestalterisch oft auch an diese angepasst und damit second-best Produktlösungen akzeptiert werden. Diese sind technisch aufwändig bzw. stellen Funktionalitäten nur eingeschränkt zur Verfügung. Die Produkte reifen technisch und ökonomisch nicht aus; die Kosten bleiben relativ hoch und die technischen Lösungen sind relativ fehleranfällig.563 In Phase „2“ setzen sich erste Produktstandards durch; das Marktvolumen wächst.564 Es nehmen die Anreize zu, einzelne Transformationsstufen produktspezifisch weiter bzw. neu zu entwickeln. Für eine vollständige Integration prozesstechnologischer Systeme sind die erstellten Produktmengen zu gering. Zentrale Stoßrichtung der Entwicklung von Transformationsprozessen ist die Reduktion von Stückkosten bei zunehmenden Produktquantitäten. Produktgestalt bzw. –technologie und Prozesstechnologien werden dazu aufeinander abgestimmt.565 In dieser Phase ist damit zu rechnen, dass Prozesstechnologien, welche order-winningKriterien stark ansprechen, forciert entwickelt werden. Die bereitgestellten Finanz- wie Personalressourcen nehmen zu. Die Dynamik mit der Kern-Prozesstechnologien weiterentwickelt werden, nimmt ebenfalls zu. Auch ist mit höherer Wahrscheinlichkeit (im Vergleich zu Phase 1) zu erwarten, dass (für die Branche) neue produktspezifische Prozesstechnologien realisiert werden. Die Entwicklungen in Phase „2“ setzen sich in Phase „3“ fort und führen zu einer zunehmenden Integration aller Transformationsstufen hin zu starr gekoppelten Transformationssystemen (siehe Abschnitt 5.1.3.1). Es bilden sich standardisierte Produkte aus, für die spezifische Prozesstechnologiesysteme konzipiert wurden.566 In starr gekoppelten Transformationssystemen ist es i. A. nicht mehr möglich, einzelne Transformationsstufen weiterzuentwickeln, ohne das übrige System entsprechend anzupassen. Dadurch werden dynamische Entwicklungen einzelner Prozesstechnologien u. U. wesentlich gehemmt. Produkt- wie Prozesstechnologien können sich damit kaum mehr weiterentwickeln. Utterback weist durch die Erweiterung des Modells um die Phase „4“ darauf hin, dass bei einer Stabilisierung technologischer Leistungsmerkmale die Wahrscheinlichkeit zunimmt, dass Produkt- wie Prozesstechnologien durch andere substituiert werden.567 Während Utterback und Abernathy das Entstehen dominanter Produktdesigns als zentrale Ursache sinkender Produkt- und steigender Prozessinnovationsraten betrachten568, erklärt 563 564
565 566 567
Da kundenspezifisch das Produktkonzept permanent verändert wird, steigt auch die Wahrscheinlichkeit von Entwicklungsfehlern. Dominate Designs können sich aus verschiedenen Gründen entwickeln. Tushman und Rosenkopf unterscheiden als Ursachen technische Logik, Präferenzen von Nutzern, Marktmacht von Unternehmungen, staatliche Regulierungen etc. Vgl. Tushman, M. L., Rosenkopf, L., Determinants, 1992, S. 321ff.; Rycroft, R. W., Kash, D. E., Path, 2002, S. 29f. Vgl. Clark, K. B., Hierarchies, 1985, S. 247ff. Vgl. Abernathy, W. J., Clark, K. B., Mapping, 1985, S. 14ff. Vgl. Tushman, M. L., Anderson, P., Discontinuities, 1986, S. 444
126
Klepper diese Entwicklung mit abnehmenden Möglichkeiten, angemessene Erträge aus Produktinnovationen zu ziehen.569 Adner und Levinthal kritisieren, dass die genannten Modelle die qualitativen Veränderungen von Produkten als Folge veränderter Kundenanforderungen nicht berücksichtigen. Weiters wird die Anforderungsheterogenität vernachlässigt.570 Pleschak und Sabisch erweiterten das Modell von Utterback und Abernathy um den Fall, dass durch Prozessinnovationen eine Vielzahl von Produktinnovationen induziert werden. Die Entwicklung der Prozesstechnologien ist hier zu Beginn der Entwicklung sehr dynamisch.571 Weiters weisen sie darauf hin, dass oftmals Produkt- und Prozessinnovationen simultan verlaufen. Produktgestalt und Prozesstechnologiesystem werden hierbei schon in einem frühen Stadium ihres Lebenszykluses aufeinander abgestimmt. Die Dynamik prozesstechnologischer Entwicklungen zu Beginn von Produktlebenszyklen ist hoch, geht bei standardisierten Produkten aber sehr schnell in stabile Technologieentwicklungen über.572 Weiters lassen sich alte Produkte ausmachen, bei denen trotz Standardisierung und hohen Produktionsmengen praktisch keine wesentliche Weiterentwicklung der Kern-Prozesstechnologien erfolgte.573 Ursache dafür kann sein, dass produktspezifische technische Eigenarten keine effizienteren Prozesstechnologiesysteme induzierten. Der Bedarf, effizientere Prozesstechnologiesysteme zu entwickeln, ist damit für konkrete Aktivitäten zu schwach ausgeprägt. Das Modell von Utterback und Abernathy und seine Erweiterungen sind nur sehr bedingt zur Definition künftiger prozesstechnologischer Positionen geeignet. So lassen sich keine Aussagen darüber ableiten, welche Prozesstechnologien künftig Schlüsselpositionen einnehmen werden und welche vor einer Substitution durch andere stehen. Lediglich Aussagen darüber, wie sich die Entwicklungsdynamik von Produkt- und Prozesstechnologien entwickeln kann (aber nicht zwangsläufig muss), lässt sich aus diesem Modell ableiten. Wie beim Technologielebenszyklusmodell ist ein Wechsel von stabilen zu turbulenten Entwicklungsphasen nicht ableitbar. Für eine strategische Planung des Prozesstechnologiesystems sind damit Lebenszyklusmodelle grundsätzlich nicht geeignet. Die dargestellten Modelle können nur Hinweise für mögliche Entwicklungen von Prozesstechnologien geben. Als Planungsinstrument sind sie aber grundsätzlich nicht geeignet. Basis der Definition anzustrebender Prozesstechnologiepositionen bilden damit im Regelfall mehr oder weniger gesicherte Erwartungen von Experten. Das Unterstützungspotenzial der 568
569 570
571 572 573
Neben Utterback und Abernathy vertreten auch andere Autoren diesen Ansatz. Vgl. Anderson, P., Tushman, M. L., Designs, 1990, S. 613ff.; Tushman, M. L., Rosenkopf, L., Determinants, 1992, S. 320ff.; Teece, D. J., Profiting, 1986, S. 287f. Vgl. Klepper, S., Entry, 1996, S. 565ff.; Adner, R., Levinthal, D., Heterogeneity, 2001, S. 614f. Vgl. Adner, R., Levinthal, D., Heterogeneity, 2001, S. 616f. Für eine auf Simulationen fussende Untersuchung der Wirkungen von Heterogenitäten und Veränderungen der Kundenbedarfe vgl. Mowery, D., Rosenberg, N., Demand, 1979; Malerba, F., et al., Models, 1999; Klepper, S., Entry, 1996 Siehe dazu die Kritik am Modell von Utterback und Abernathy. Vgl. Adner, R., Levinthal, D., Heterogenity, 2001, S. 614f. Vgl. Pleschak, F., Sabisch, H., Innovationsmanagement, 1996, S. 21; Pearson, J. N., Feldman, H. D., Bracker, J. S., Interaction, 1991, S. 163 Man denke hier etwa an Pkw-Schneeketten, die in ihrer Grundkonzeption über lange Zeiträume i. W. unverändert blieben. Dennoch erfolgte praktisch keine Entwicklung der eingesetzten Prozesstechnologien.
127
dargestellten Modelle lässt sich erschließen, wenn eine entsprechende Technologiebeobachtung erfolgt. Im Zentrum des Interesses stehen Entwicklungen von Kern-Prozesstechnologien und potenziellen Konkurrenztechnologien.574 Skinner hebt die Bedeutung auf die Konzentration auf wenige Kerntechnologien, die von der Unternehmung gehalten werden, hervor, weil eine Unternehmung nicht bei allen Produktionsaufgaben eine hohe Effizienz aufweisen kann.575 Eine ausschließliche Konzentration auf diese ist jedoch problematisch. Prozesstechnologien werden stets im Verbund eines Prozesstechnologiesystems bestehend aus Kern- und EnablingProzesstechnologien genutzt. Prozesstechnologien beeinflussen sich in diesen gegenseitig. Es sind damit auch Prozesstechnologien zu beobachten, die relevante Wirkungen auf Kerntechnologien aufweisen. Für Unternehmungen ergibt sich daraus oftmals eine unüberschaubare Vielfalt zu beobachtender Prozesstechnologien. Zusätzlich sind auch Prozesstechnologien, die potenziell künftig von Relevanz sein können, zu beobachten. Die dabei auftretende Informationsflut geeignet zu bewältigen, ist Aufgabe des extern orientierten prozesstechnologischen Informationssystems. 4.2.8 Das unternehmerische prozesstechnologische und potenzialerschließende Ressourcensystem als Anfangsbedingung der weiteren möglichen Entwicklungen Gegenstand dieses Abschnitts ist die Darstellung des prozesstechnologischen Ressourcensystems von Unternehmungen auf operativer Ebene. Dieses wird in Beziehung zu den für ihre Ausbeutung erforderlichen potenzialerschließenden Ressourcen gesetzt und in deren Wechselwirkungen dargestellt. Auf operativ-taktischer Ebene lassen sich folgende prozesstechnologische Ressourcensysteme unterscheiden:
574 575 576
x
das gesamte prozess- und regelungstechnische Ressourcensystem des Betriebes sowie
x
prozesstechnologisches Wissen zur o Regelung von Prozesstechniken bzw. prozesstechnischen Systemen o Planung der zur Sachleistungserstellung benötigten Transformationsprozesse und der Sequenzen, in denen diese durchlaufen werden o Aufgabenerfüllung in Funktionalbereichen, die nicht der Produktion von Sachleistung dienen (etwa in den Funktionalbereichen Marketing, Einkauf, F&E etc.)576
Vgl. Pisano, G. P., Boundaries, 1990, S. 153 Vgl. Skinner, W., Factory, 1974, S. 115 und 118ff.; Hamel, G., Prahalad, C. K., Competing, 1994, S. 126ff.; Riekhof, H.-C., Personalentwicklung, 1992, S. 54f. Vgl. Clark, K. B., Hierarchies, 1985, S. 248f.
128
4.2.8.1 Das prozess- und regelungstechnische System 4.2.8.1.1 Der einzelne Fertigungsprozess als Regelstrecke des Prozesstechnologiemanagements Hierarchisch tiefste Betrachtungsebene des Prozesstechnologiemanagements ist die der Nutzung einzelner Transformationsprozesse zur Sachgütererstellung. An prozesstechnologischen Ressourcen umfasst diese Betrachtungsebene Prozess- und Regelungstechniken sowie Wissen der Mitarbeiter zur Prozessregelung.577 In Transformationsprozessen sind Prozesstechnologien zu technisch und ökonomisch sinnvollen Einheiten (Subsysteme des Produktionssystems) zusammengefasst (Abbildung 16). Als System sind Transformationsprozesse dadurch definiert, dass ihre Prozesstechniken voll integriert sind und nicht voneinander getrennt betrieben werden können. Die integrierten Prozesstechnologien sind vollkommen starr und technisch untrennbar aneinander gekoppelt. Einzelne Prozesstechniken können nicht isoliert, sondern nur in ihrer Gesamtheit beeinflusst werden. Transformationsprozesse können hingegen grundsätzlich isoliert von anderen betrieben werden. Transformationsprozesse bilden damit eine klar abgegrenzte Regelstrecke innerhalb des Prozesstechnologiesystems. Zwecksetzung von Transformationsprozessen ist die Erstellung von Produkten unter Einsatz von Stoffen und Energie. Einzelne Transformationsprozesse können dazu als „Blackbox“ aufgefasst werden, die durch ihre Transformationsfunktion definiert sind. Die Transformationsfunktion gibt die gesetzmäßige Zuordnung von Einsatzgütern, die in den Transformationsprozess hineinfließen, zu Produkten, welche aus dem Transformationsprozess herausfließen, an.578 Grundsätzlich kann auch der Mensch mit seinen physischen Fähigkeiten Teil des Prozesstechniksystems sein.579 Mit zunehmender Mechanisierung von Transformationsprozessen verlagerte sich aber in der Vergangenheit die Arbeitsaufgabe des Menschen von der unmittelbaren Produkterstellung zur Regelung prozesstechnischer Systeme. Zunehmende Automatisierung von Regelungssystemen führte in weiterer Folge dazu, dass heute Mitarbeiter primär überwachende und planende Aufgaben übernehmen.580 Zur Realisation erwünschter Input-Output-Relationen in Transformationsprozessen ist stets ein regelungstechnologisches System erforderlich (Abbildung 16).581 Dieses übernimmt die Aufgabe, Transformationsprozesse in ihrer Arbeitsweise so zu beeinflussen, dass die erwünschten Ergebnisse erzielt werden können.582 Regelungstechnologische Systeme erfassen 577 578 579
580 581 582
Vgl. Palupski, R., Beschaffung, 2002, S. 269 Vgl. Schweitzer, M., Fertigungswirtschaft, 1994, S. 592ff. Etwa kann der Mensch beim händischen Kneten von Teig als Teil einer Fertigungstechnik gesehen werden. Als Teil des materiellen, regelungstechnologischen Systems kann der Mensch in seiner Aufgabe der Bedienung von Schaltern, Ventilen etc. gesehen werden. Vgl. Kaluza, B., Produktdifferenzierungsstrategie, 1996, S. 219 Vgl. Gutenberg, E., Grundlagen, 1973, S. 90f. Materielle regelungstechnische Elemente sind Relais, IC´s etc.
129
dazu, unter Einsatzes eines Messsystems, den momentanen Betriebszustand (Input-, Outputdaten und Betriebsgrößen wie z. B. Kesseldruck, Materialtemperatur, Werkzeugverschleiß etc.), Umgebungsdaten (z. B. Luftdruck, Umgebungstemperatur etc.) sowie Daten relevanter, gekoppelter Transformationsprozesse.583 Die gewonnenen Daten werden ausgewertet und vorgegebenen Soll-Werten gegenübergestellt (Auswertungs- bzw. Analysesystem). Bei Abweichungen zwischen den vorgegebenen Soll- und den ermittelten Ist-Werten generiert das regelungstechnologische System Stellgrößen, mit denen der Transformationsprozess zielgerichtet beeinflusst wird. Stellglieder des regelungstechnischen Systems übernehmen dann die Umsetzung der Stellgrößen in physische Maßnahmen. Basis, um in Transformationsprozesse zielorientiert regelnd eingreifen zu können, ist adäquates prozesstechnologisches Wissen über das zu beeinflussende System. Das prozesstechnologische Wissen bezieht sich hierbei auf die Möglichkeiten, mit Transformationsprozessen unter unterschiedlichen Vorgaben (Zusammensetzung des Inputs, Umgebungsbedingungen wie Temperatur etc.) definierte Zielsetzungen (erwünschte und unerwünschte Outputs) zu realisieren. Das prozesstechnologische Wissen erstreckt sich damit auf unterschiedliche Transformationsfunktionen und wie diese unter veränderlichen Rahmenbedingungen ausgeschöpft werden können. Die Datenerhebung, -beurteilung, -bewertung und die Entscheidung, ob und wie Fertigungsprozesse beeinflusst werden sowie die konkrete Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen, erfolgt entweder durch ein automatisiertes regelungstechnisches System (z. B. Steuerungsprogramme, mechanische Drehzahlbegrenzer etc.) oder den Mitarbeiter an der Maschine.584 Im Gegensatz zu fertigungstechnischen Systemen umfassen regelungstechnologische Systeme neben Techniken585 auch immaterielle Prozesstechnologieelemente (Wissen und Erfahrung von Mitarbeitern). Die Verteilung der Regelungsaufgaben zwischen Mensch und regelungstechnischem System ist in Abhängigkeit vom Automatisierungsgrad des Regelungssystems höchst unterschiedlich (siehe Abschnitt 5.1.2). Prozesstechnologisches Wissen von Mitarbeitern zur Regelung von Transformationsprozessen erstreckt sich über die Umsetzung vorgegebener (kodifizierter) Arbeitsmethoden zur Erfüllung eines Arbeitsauftrages und individuelles (großteils nicht kodifizierbares) Wissen darüber, wie - aus subjektiver Sicht des Mitarbeiters - Arbeitsaufgaben am „besten“ ausgeführt werden sollten. Bestimmt wird die Art der individuellen Arbeitsweise durch Erfahrungen und das Wertesystem des Mitarbeiters. Das individuelle Wissen über Fertigungsprozesse manifestiert sich in mitarbeiterindividuellen Arbeitsweisen, welche Freiräume von Arbeitsmethoden ausfüllen.586 583 584
585 586
Zum Begriff des „Zustandes eines Systems“ vgl. Ropohl, G., Systemtheorie, 1979, S. 54f. Auch hier hat der Mensch letztlich die Entscheidung getroffen, welche Daten erhoben werden, wie sie zielorientiert zu interpretieren sind und unter welchen Bedingungen das regelungstechnische System eine definierte Handlung setzen soll. Diese sind schon deshalb unerlässlich, da nur durch technische Einrichtungen Prozessbeeinflussungen erfolgen können. Vgl. REFA. Verband für Arbeitsstudien und Betriebsorganisation e.V., Methodenlehre, 1985, S. 81ff.
130
regelungstechnologisches System
T1 Tr
T2
regelungstechnisches System
RT2
RTn RT1
prozesstechnisches System
Transformationsprozess A
Ti
Transformationsprozess B
Tk
Ti, Tk………….. Prozesstechnologien der Transformationsprozesse A bzw. B Tr……………… regelungstechnologisches Wissen von Fertigungsmitarbeitern RTn………….… regelungstechnisches Systemelement
Abbildung 16: Die prozesstechnische Ebene Aufgabe des betrachteten Systems sind ausführende Tätigkeiten zur Produkterstellung. Zielsetzung dieses betrachteten Systems ist zunächst die ökonomisch effiziente und umweltschonende Produkterstellung. Potenzialerschließende Ressourcen bilden Rahmenbedingungen, die ein zieladäquates Verhalten der Mitarbeiter induzieren sollen. In diesem System sind das Anreizsysteme, die den Mitarbeiter motivieren sollen, durch eigene Initiativen – soweit überhaupt möglich - den Zielerreichungsgrad seines Verantwortungsbereiches zu steigern. Dem Mitarbeiter können dazu mehr oder weniger große Freiräume zur selbständigen Abwicklung von Fertigungsabläufen der unter seiner Verantwortung stehenden Transformationsprozesse gewährt werden (siehe Abschnitt 5.1.4.2).
131
4.2.8.1.2 Produktionssysteme als Regelstrecken des Prozesstechnologiemanagements Die Gesamtheit der Transformationsprozesse innerhalb einer Unternehmung wird als „Produktionssystem“ bezeichnet.587 Relationen zwischen Transformationsprozessen bestehen auf physischer Ebene über Stoff- und Energieaustauschbeziehungen und auf regelungstechnologischer Ebene über Informationsbeziehungen. Die Verknüpfung der Transformationsprozesse erfolgt auf physischer Ebene über Verbindungstechnologien (Logistikprozesse zur Raum- und Zeitüberwindung, Zustandsveränderung etc.). Zielsetzung aus prozesstechnologischer Sicht ist die bedarfsgerechte Ver- und Entsorgung aller an der Produkterstellung beteiligten Transformationsprozesse mit Stoffen bzw. Energie. Die Logistik muss damit die Voraussetzungen für eine reibungsfreie Produktion absichern, um so als komplementäres Ressourcensystem die effiziente und effektive Ausschöpfung prozesstechnologischer Ressourcen zu gewährleisten. Dazu sind auf regelungstechnologischer Ebene Informationssysteme zur Sicherstellung der bedarfsgerechten Ver- und Entsorgung aller Transformationsprozesse aufzubauen.588 Prozesstechnologisches Wissen auf dieser Betrachtungsebene bezieht sich auf das Verhalten von Transformationsprozessen im Verbund des Produktionssystems. Von zentraler Bedeutung für die Koordination ist, welches qualitative und quantitative Zeitverhalten Transformationsprozesse bzw. Stoff- und Energieströme aufweisen. Grundsätzlich gilt, dass Qualität und/oder Quantität von Prozessoutputs zeitlichen Veränderungen unterliegen. Ursachen zeitlicher Diskontinuitäten können in qualitativen und quantitativen Veränderungen der Inputfaktoren, Umgebungseinflüsse, menschliche Eingriffe in die Transformationsprozesse oder Veränderungen im Betriebszustand (etwa durch nutzungsbedingte Temperaturanstiege) des Fertigungsprozesses liegen. Aber auch das prozesstechnische System verändert sich durch Nutzung in seinem Betriebsverhalten. So sinkt etwa die mit Produktionsprozessen erstellbare Produktqualität mit zunehmender Nutzungszeit des Systems. Basis für präventive Maßnahmen zur Qualitätssicherung aber auch zur Vermeidung von Prozessausfällen ist fundiertes prozesstechnologisches Wissen.589 Treten unerwünschte Veränderungen des Systemverhaltens auf, so sind vom koordinierenden Regelungssystem präventiv Maßnahmen zu setzen, um negative Auswirkungen auf andere Fertigungsprozesse zu verhindern bzw. nachfolgende Fertigungsprozesse in entsprechender Weise zu betreiben. Zu beachten ist, dass Schwankungen im Betriebsverhalten von Transformationsprozessen außerdem Auswirkungen auf Produktionssysteme von Lieferanten und Kunden aufweisen können. Damit wird u. U. auch prozesstechnologisches Koordinationswissen über unternehmensfremde Prozesstechnologiesysteme auf operativer und strategischer Perspektive benötigt.590 Voraussetzung zur Erfüllung der Koordinationsaufgaben ist die bedarfsgerechte Informationsversorgung des Entscheidungssystems. Dieses ist ein Subsystem des regelungstechnolo587 588 589 590
Vgl. Schweitzer, M., Fertigungswirtschaft, 1994, S. 592f. Vgl. Beal, K., Logistics, 1988, S. 356ff. Vgl. Hipkin, I., Lockett A. G., Implementation, 1995, S. 82ff. Vgl. Pretorius, M. W., de Wet, G., Technology, 2000, S. 4ff.
132
gischen Systems (Abbildung 9). Durch ein Messsystem ist die Informationsbasis für Entscheidungen zu schaffen. Zu erfassende Messgrößen sind zunächst materielle und energetische Inputs und Outputs (in deren qualitativen und quantitativen Aspekten) der zur Produkterstellung eingesetzten Transformationssysteme. Darüber hinaus lassen Informationen, wie etwa die Kapazitätsauslastung, Betriebszustände von Transformationsprozessen etc., Rückschlüsse auf die künftige Entwicklung des Betriebsverhaltens betrachteter Produktionssysteme zu. Funktionen der Mess-, Analyse/Auswertungs-, Entscheidungs- und Umsetzungssysteme können in unterschiedlichem Ausmaß durch automatisierte Systeme und Mitarbeiter übernommen werden. EDV-gestützte Regelungssysteme führen, auf Basis definierter Messgrößen routinemäßige Anpassungen der Betriebszustände aller betroffenen Fertigungsprozesse, Analyseschritte und Entscheidungsroutinen durch. Oft greifen Mitarbeiter nur mehr in Ausnahmefällen (Störungen) koordinierend ein. Regelungstechnologische Systeme können auch unternehmensübergreifende Koordinationsaufgaben wahrnehmen. Bei kritischen Produktionssequenzen werden dazu EDV-gestützte regelungstechnische Systeme aufgebaut, die es Unternehmungen gegenseitig gestatten, Einblick in die Produktion der jeweils anderen zu nehmen bzw. sogar regelnd in diese einzugreifen. Zwecksetzung dieses Aufgabenbereiches ist die effiziente Steuerung von Produktionssystemen. Dazu ist neben dem prozesstechnologischem Wissen auch potenzialerschließendes Wissen über die unternehmensinterne und -übergreifende Koordination von Fertigungsteams erforderlich.591 Wesentliche Bedeutung weisen hier EDV-gestützte Systeme zur Planung und Koordination des gesamten Betriebsgeschehens und aller dazu erforderlichen Aktivitäten außerhalb der Unternehmung auf.592 4.2.8.1.3 Die Planung von Transformationsverfahren und –methoden (Die Ebene der Fertigungsdisposition) Aufgabe der Fertigungsplanung ist die Festlegung der zur Produkterstellung einzusetzenden Transformationsprozesse (Transformationsverfahren) und der Sequenz (Transformationsmethode), die zur Produkterstellung durchlaufen werden soll. Oft stehen mehrere alternative Transformationsprozesse und –methoden zur Verfügung, unter denen zielorientiert ausgewählt werden kann. Wahrzunehmen ist diese Aufgabe an der Schnittstelle zwischen Produktentwicklung und Produktion, da sowohl detaillierte Kenntnisse über das Produkt als auch über die nutzbaren Transformationsprozesse und deren Kombinierbarkeit benötigt werden.593 Voraussetzung für technisch wie ökonomisch rationale Entscheidungen ist prozesstechnologisches Wissen über unternehmenseigene und oft in erheblichem Umfang über betriebsfremde Prozesstechnolo591 592 593
Vgl. Snell, S. A. u. a., Selection, 2000, S. 448f. Vgl. Guimaraes, T. u. a., Complexity, 1999, S. 1255 So ist etwa die Erstellung von einfachen Getriebewellen an bestimmte Abfolgen, von grundsätzlich eigenständigen Fertigungsprozessen, gebunden.
133
gien. Zunehmende Bedeutung erlangt prozesstechnologisches Wissen unternehmensfremder Transformationsprozesse durch Konzentration auf Kernkompetenzen und den damit wachsenden Bedarf an unterschiedlichen extern zuzukaufenden Leistungen.594 Konsequenz daraus ist eine zunehmende unternehmensübergreifende Aufgabendispersion. Bei den mit der unmittelbaren Prozessnutzung betrauten Mitarbeitern besteht ein auf wenige Transformationsprozesse konzentriertes Wissen. Ein umfassendes Wissen über die prozesstechnologischen Leistungsmerkmale des gesamten Betriebes ist bei diesen Mitarbeitern nicht vorhanden. Damit muss die Planung der Transformationssequenz von einer hierarchisch übergeordneten Instanz wahrgenommen werden. Die (unternehmensübergreifende) Koordination der Transformationsprozesse zur Leistungserstellung muss von einer Dispositionsebene aus erfolgen, die koordinierend auf alle beteiligten Transformationssysteme zugreifen kann.595 Wissen über die grundsätzliche Eignung von Transformationsprozessen bzw. –sequenzen zur Erstellung von Produkten wird zunächst durch entsprechende Schulungen erworben.596 Zwischen der Planung von Transformationsverfahren und –sequenzen bestehen wechselseitige Abhängigkeiten. Durch Nutzung von Transformationsprozessen wird zusätzliches (kodifizierbares und nicht-kodifizierbares) Wissen über spezifische Einsatzmöglichkeiten kumuliert. Die in der Unternehmung potenziell verfügbaren prozesstechnologischen Leistungsmerkmale werden dadurch qualitativ wie quantitativ ausgeweitet. Die Ausschöpfung dieses kumulierten Wissens zur konkreten Anwendung von Transformationsprozessen ist am umfangreichsten durch den Prozessnutzer möglich.597 Zur weitgehenden Ausschöpfung vorhandener Leistungsmerkmale verfügbarer Prozesstechnologiesysteme muss daher das Wissen zweier Personenkreise kombiniert werden. Können keine adäquaten Informationsprozesse zum Wissenstransfer etabliert werden, nehmen zwar die potenziell nutzbaren prozesstechnologischen Leistungsmerkmale qualitativ und quantitativ zu, bleiben aber einer Erschließung unzugänglich und können keine Beiträge zur unternehmerischen Zielerreichung liefern. Gelingt es Unternehmungen, den Wissenstransfer effizient zu gestalten, so bleibt er aber stets unvollständig, da nicht-kodifizierbares Wissen der Prozessnutzer nicht kommuniziert werden kann. Die Planung von Transformationsverfahren und -methoden basiert dann auf einer mehr oder weniger stark eingeschränkten Informationsbasis über die verfügbaren Leistungsmerkmale unternehmensinterner wie -externer Prozesstechnologiesysteme. Aus prozesstechnologischer Sicht besteht somit - gemessen am realen Einsatz - eine quantitative bzw. qualitative Überkapazität an Leistungspotenzialen. Das verfügbare Leistungspotenzial muss zur effizienten Ausschöpfung folglich mit Ressourcen kombiniert werden, die Kommunikationsbeziehungen fördern. 594 595
596 597
Vgl. Pisano, G. P., Boundaries, 1990, S. 156 Vgl. Prahalad, C. K., Hamel, G., Competence, 1990, S. 83ff.; Kaluza, B., Blecker, T., Technologiemanagement, 2000; Dyer und Nobeoka zeigen die Bedeutung des systematischen Managements von unternehmensübergreifenden Wissensnetzwerken am Beispiel von Toyota dar. Vgl. Dyer, J. H., Nobeoka, K., Network, 2000 Vgl. Pisano, G. P., Learning-before-doing, 1996, S. 1098f. In Einzel- und Kleinserienfertigungen wird daher oftmals die konkrete Verfahrensplanung dem „Mitarbeiter an der Maschine“ – sofern adäquat ausgebildet - überlassen. Die Transformationssequenz wird (abgesehen von sehr kleinen Werkstätten) vorgegeben.
134
Zur effizienten Ressourcenausschöpfung ist neben prozesstechnologischem Wissen auch adäquates Verhalten der Mitarbeiter unabdingbar. Voraussetzung für eine weitgehende Ressourcenausschöpfung ist damit die grundsätzliche Bereitschaft der Mitarbeiter den Wissenstransfer zu unterstützen. Dazu müssen adäquate organisatorische Rahmenbedingungen geschaffen werden. Zwecksetzung dieses Aufgabenbereiches ist die effiziente Integration neu entwickelter Produkte in die Fertigung. Basis der Aufgabenerfüllung ist potenzialerschließendes Wissen über Durchführung von Integrationsprojekten an der Schnittstelle zwischen Produktion, F&E und Marketing. Da zur Problemlösung regelmäßig die Zusammenarbeit mit Mitarbeitern verschiedener Funktionalbereiche notwendig ist, muss Wissen über die Führung und Koordination von bzw. Kooperation in Problemlösungsteams in adäquater Weise verfügbar sein.598 Konsequenter Weise sind teamorientierte Organisationsformen zur Abwicklung der Arbeitsaufgaben zu etablieren.599 Da diesem Bereich weiters die Aufgabe zukommt, kontinuierlich Maßnahmen zur Effizienzsicherung zu ergreifen, ist Wissen über die Abwicklung von Rationalisierungsprojekten (etwa zur Senkung von Logistikkosten) und dazu verfügbaren Instrumenten (Analyse-, Entscheidungs-, Problemlösungsinstrumente etc.) notwendig. Entsprechend bedeutsam sind qualifizierte Mitarbeiter und kontinuierliche Weiterbildung.600 4.2.8.1.4 Die Bedeutung prozesstechnologischen Wissens für andere Unternehmensfunktionen Die konkrete Nutzung des Prozesstechniksystems ist Kernaufgabe des Fertigungsbereiches. Andere Funktionalbereiche greifen grundsätzlich nicht unmittelbar in die laufende Nutzung von Fertigungssystemen ein. Entsprechend muss in diesen Bereichen kein spezifisches, auf die Nutzung von Prozesstechniken gerichtetes Wissen aufgebaut werden.601 Sehr wohl ist aber Wissen über die Leistungsmerkmale verfügbarer unternehmenseigener wie -fremder Prozesstechnologiesysteme für viele Aufgabenstellungen von zentraler Relevanz und deshalb als Ressource in Bereichen wie Produktentwicklung, Marketing etc. zu integrieren und weiterzuentwickeln.602 Die Erstellung von Produkten ist an die Nutzung bestimmter Prozesstechnologien gebunden.603 Implizit werden mit Festlegung der Produktgestalt und -quantität die zur Erstellung
598 599 600 601
602 603
Vgl. Boxall, P., Purcell, J., Human, 2003, S. 103ff.; Wildemann, H., Reorganisationsgeschwindigkeit, 1995, S. 7 Vgl. Wildemann, H., Reorganisationsgeschwindigkeit, 1995, S. 13ff. Vgl. Snell, S. A. u. a., Selection, 2000, S. 447ff. Arvanitis und Hollenstein zeigen in diesem Zusammenhang den stimulierenden Effekt einer Integration von advanced manufacturing technologies auf die Produktentwicklung auf. Vgl. Arvanitis, S., Hollenstein, H., Determinants, 2001, S. 406f. Vgl. Arvanitis, S., Hollenstein, H., Determinants, 2001, S. 406f. Beispielsweise ist bei Turbinenschaufeln von Flugzeugtriebwerken zur Erfüllung der geforderten Festigkeitseigenschaften und zur Verbindung mit der Triebwerkswelle eine Produkterstellungssequenz bestehend aus einem Schmiedeprozess mit einer anschließenden zerspanenden Formgebung (Fräsen) erforderlich.
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anzuwendenden Prozesstechnologien und deren Effizienz bei der Produkterstellung fixiert.604 Zumeist bestehen dann nur mehr sehr eingeschränkte Wahlmöglichkeiten zwischen prozesstechnologischen Alternativen. In umgekehrter Weise limitieren verfügbare Prozesstechnologiesysteme die Wahl der Produktgestalt.605 Produktgestalt und Prozesstechnologien sind daher grundsätzlich als eine Gesamtheit, über die simultan entschieden werden muss, zu betrachten. Entsprechend ist prozesstechnologisches Wissen bei der Produktgestaltung unerlässlich.606 Pearson, Feldman und Bracker identifizieren acht Charakteristika der Interaktion zwischen Produkt- und Prozesstechnologiesystemen und deren Einfluss auf die Technologiestrategie. Vier Faktoren beschreiben Produktcharakteristika (Lebensphase und Wachstumsrate des Produktes, Produkt und Produktliniencharakteristik, Produktinnovationsrate, PreisKostenrelation und Bedarf des Marktes), vier weitere Produktionssystemcharakteristika (Innovationsrate der Produktionsprozesse, economies of scale, vertikale Integration und Kapazität, Produktionsprozessstruktur (flexible Fertigungsprozesse vs. starre Transferstraße)).607 Bereits in einer sehr frühen Phase der konzeptionellen Produktgestaltung werden die wesentlichen Produktattribute und damit die zur Erstellung einsetzbaren Prozesstechnologien festgelegt. Die systematische Integration prozesstechnologischen Wissens in den Produktentwicklungsprozess muss daher bereits in dieser Phase erfolgen.608 Das, um zu gewährleisten, dass das entwickelte Produkt aus technischer Sicht möglichst reibungsfrei in die Produktion übergeführt werden kann. Weiters kann in dieser Phase die Produktgestalt relativ leicht verändert und es können damit verfügbare Prozesstechnologien forciert werden, die eine ökonomisch bzw. ökologisch effizientere Produkterstellung gestatten.609 Werden prozesstechnologische Aspekte unzureichend bei der Produktgestaltung berücksichtigt, müssen oftmals produktionsbedingte Anpassungen des Produktes im Nachhinein erfolgen. Solche Anpassungen sind bei abgeschlossener Produktgestaltung, ohne die grundsätzliche Produktkonzeption zu zerstören, nur mehr in eingeschränktem Maße möglich. Konsequenzen sind dann häufig technisch aufwändige und somit relativ teure Fertigungsprozesse.610 Als produktbezogene Datenbasis zur Planung von Transformationsverfahren und – methoden dienen Stücklisten, Rezepturen und andere explizite fertigungsrelevante Beschrei604
605 606 607 608
609
610
So werden Getriebekästen bei Einzel- und Kleinserienfertigung (etwa bei Sondermaschinen) geschweißt, während bei einer Massenfertigung (etwa bei Getrieben für Kraftfahrzeuge) Gießen als Fertigungstechnologie eingesetzt wird. Grund dafür ist, dass bei hohen Stückzahlen Gießen, bei niedrigen Stückzahlen aber Schweißen ökonomisch günstiger ist. So können etwa mit Sandgußverfahren kompliziertere Geometrien realisiert werden, als mit Spritzgußverfahren. Vgl. Chanaron, J.-J., Jolly, D., Soderquist, K., Technological, 2002, S. 625; Wong, W. L. P.; Radcliffe, D. F., Tacit, 2000, S. 493 Vgl. Pearson, J. N., Feldman, H. D., Bracker, J. S., Interaction, 1991, S. 165ff. Vgl. Voss, C. A., Winch, G. M., Engineering, 1996, S. 80f.; Einen Überblick über empirische Studien gibt Cohen. Vgl. Cohen, W., Empirical, 1995, S. 202f.; Song, M., Swink, M., Involvement, 2002, S. 81f.; Song und Swink verweisen in diesem Zusammenhang auch darauf, dass die frühzeitige Integration des Fertigungsbereiches radikale Produktentwicklungen eher behindert. S. 82 Stehen für die Erstellung eines Produktes z.B. alternativ die Fertigungstechnologien Schweißen und Gießen zur Verfügung, so unterscheidet sich die Produktgestalt in Abhängigkeit von der gewählten Alternative fundamental. Auch differieren die Kostenstruktur sowie die absoluten Kosten. Vgl. Adler, P., Clark, K., Learning, 1991, S. 271 und 275f.
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bungen des Produktes und der Produktstruktur. Mit diesen Unterlagen können jedoch oft nicht alle produktrelevanten Informationen zur Produktionsüberleitung transferiert werden. Mit Informationstransfer von der Produktgestaltung zur Produktionsplanung (und umgekehrt) ist stets ein gewisser Informationsverlust verbunden. Die Zusammenarbeit von Produktion und Produktentwicklung weist daher erfolgsentscheidende Bedeutung für die (ökonomisch wie ökologisch) effiziente Produktionsüberleitung auf. Die Gestaltung der Zusammenarbeit dieser Bereiche beeinflusst die Qualität der erstellten Produkte genauso wie den Zeitbedarf und den monetären Aufwand der Umsetzung von Prototypen in technisch-ökonomisch sinnvoll produzierbare Produkte. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass im Bereich Produktgestaltung eine relativ große Überlappung mit prozesstechnologischem Wissen besteht. Dies schon deshalb, da die Mitarbeiter beider Bereiche auf eine über weite Bereiche idente Grundlagenausbildung zurückgreifen können. Mit dieser Voraussetzung sind „sprachliche“ und sachliche Verständigungsprobleme i. A. relativ niedrig.611 Prozesstechnologisches Wissen ist für Marketingaufgaben zunächst von Interesse, wenn es Bestandteil des Produktes i. w. S. ist. Prozesstechnologien können in unterschiedlichster Weise Bestandteil des am Markt angebotenen Leistungsbündels sein. Werden von der Unternehmung kundenspezifische Produkt- und damit Fertigungswünsche realisiert (etwa im Anlagenbau), stellt prozesstechnologisches Wissen eine bedeutende Ressource bei der Akquisition von Kundenaufträgen dar. Prozesstechnologisches Wissen bezieht sich hierbei auf die grundsätzlichen Leistungsmerkmale eigener und unternehmensfremder Fertigungssysteme zur Erstellung von kundenspezifischen Produkten. Weiters bildet die Schnittstellenfunktion des Marketings gegenüber Kunden die Basis der Produktentwicklung und damit auch der Entwicklung des Prozesstechnologiesystems der Unternehmung.612 Dem Marketing kommt daher an der Schnittstelle zwischen Kunden, Produktion und Produktentwicklung eine Abstimmungsfunktion zwischen kundenspezifischen Wünschen und den Möglichkeiten, diese in der Unternehmung umzusetzen, zu. Aus Perspektive der F&E und Produktion ist es Aufgabe des Marketings, Aufträge so zu vereinbaren, dass sie effizient im verfügbaren Prozesstechnologiesystem erstellt werden können. Aus Sicht des Kunden besteht Bedarf an zuverlässigen Informationen über die Umsetzbarkeit seiner konkreten Produktvorstellungen, um so das von ihm wahrgenommene Leistungs- wie Kostenrisiko des Auftrages zu reduzieren. Aufgabe des Marketings ist es, nicht produktgestalterische und prozesstechnologische Problemstellungen bis ins letzte Detail zu lösen. Vielmehr muss fundiertes Wissen darüber bestehen, welche Leistungen durch die Unternehmung - und deren Lieferanten - gesichert erstellt werden können bzw. welche nicht. Oftmals existieren im Marketingbereich aber Wissensdefizite über die Leistungsfähigkeit des Produktions- und F&E-Bereiches der Unternehmung. Das gilt vor allem, wenn die erstellten Produkte und/oder das unternehmerische Pro611 612
Vgl. Albach, H., Differenzierung, 1990, S. 783ff. Chanaron, J.-J., Jolly, D., Soderquist, K., Technological, 2002, S. 623f.
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duktionssystem hohe prozesstechnologische Komplexität aufweisen. Bei produkt- bzw. prozesstechnologischen Wissensdefiziten des Marketings sind in die Verkaufsaktivitäten die Bereiche F&E und Produktion zu integrieren. Von entscheidender Bedeutung ist das bei der Vereinbarung des Leistungsumfangs der Unternehmung und der Preisfindung. Als Basis für die Preisfindung sind vor allem bei Produktentwicklungs- und daran gebundene Produktionsaufträge Informationen über die zu erwartenden Kosten und deren Struktur von Bedeutung. Die Abschätzung des kostenrechnerischen Mengengerüstes kann nur von Mitarbeitern mit einschlägiger Projekt- bzw. Produktionserfahrung in adäquater Weise erfolgen. Voraussetzung für eine Integration von F&E und Produktion in Verkaufsverhandlungen ist, dass das Marketing eigene produkt- bzw. prozesstechnologische Wissensdefizite erkennt. Vorbedingung dafür ist adäquates produkt- bzw. prozesstechnologisches Wissen im Marketingbereich (siehe Abschnitt 2.2). Durch prozesstechnologische Kompetenz des Marketings können dann Wettbewerbsvorteile durch kompetente produkt- und prozesstechnologische Informationen generiert werden. Erkennt - aus welchen Gründen auch immer - das Marketing eigene technologische Wissensdefizite nicht und werden daraufhin kompetente Mitarbeiter nicht in Akquisitionsprozesse integriert, so kann das für die Unternehmung mit erheblichen negativen Folgen verbunden sein. Konsequenzen einer Überschätzung der unternehmerischen technologischen Leistungsfähigkeit können zunächst ineffiziente Produktentwicklungs- und Produktionsprozesse sein. Muss zur Erfüllung des Kundenauftrages technologisches Wissen in der Unternehmung aufgebaut werden, ist zu hinterfragen, in welchem Umfang dieser Potenzialaufbau mit geplanten strategischen Ressourcenallokationen konform geht oder konfligiert und damit unerwünschte Abweichungen der intendierten Strategie verursacht. Schließlich kann fehlendes technologisches Wissen der Unternehmung dazu führen, dass das Kundenprojekt scheitert. Beratungsbedarf kann auch gegeben sein, wenn Standardprodukte von Unternehmungen als Inputfaktoren in Fertigungen von Kunden einfließen. Hier ist prozesstechnologisches Wissen über konkrete Einsatzbedingungen von Produkten i. e. S. in spezifischen Prozesstechnologiesystemen von Kunden erforderlich. In Abhängigkeit von der Art des Produktes kann hier die Breite möglicher Einsatzgebiete in Prozesstechnologien stark schwanken. Aufgabe des Einkaufs ist die Versorgung des unternehmerischen Produktionssystems mit geeigneten Stoffen bzw. Energie zur Produkterstellung. Aufgabe aus prozesstechnologischer Sicht ist die für spezifische Transformationsverfahren und –methoden geeigneten Vorprodukte verfügbar zu machen. Erforderliche prozesstechnologische Wissensbasis zur Erfüllung der Einkaufsfunktion sind realisierbare Input-Output-Relationen.
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4.2.8.2 Leistungsmerkmale prozesstechnologischer Systeme Produkteigenschaften, umweltbezogene und soziale Zielsetzungen sind bei der prozesstechnologischen Positionsdefinition in künftig zu erfüllende Leistungsmerkmale prozesstechnologischer Systeme bzw. einzelner Prozesstechnologien zu transformieren.613 Dabei zu definierende Leistungsmerkmale sind: x
Produktivität
x
technische Qualität des prozesstechnischen Systems
x
operative Flexibilität
x
quantitative Kapazität und Flexibilität
x
Prozessstabilität
x
Entwicklungsflexibilität
4.2.8.2.1 Die Produktivität prozesstechnologischer Systeme Dem ökonomischem Rationalprinzip folgend, soll bei der Produkterstellung ein möglichst günstiges Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag realisiert werden. Auf Sachzielebene ist damit das Verhältnis zwischen dem zur Leistungserstellung erforderlichen Ressourceneinsatz und der erstellten Menge an erwünschten Outputs zu minimieren. Prozesstechnologische Innovationen zielen zunächst auf die Verbesserung dieser Relation ab.614 Entsprechend den eingesetzten Ressourcen wird zwischen Material-, Arbeits- und Anlagenproduktivität unterschieden.615 Zielsetzung ist zunächst, die eingesetzten Stoff- und Energiemengen zur Erstellung einer Produkteinheit zu minimieren (Materialproduktivität). Sachleistungen sollen zur Nutzenstiftung Funktionen bereitstellen. Produktfunktionen können zumeist durch unterschiedliche Produktgestalten realisiert werden. Art, Qualität und Menge erforderlicher Erzeugnis- und Betriebsstoffe werden dann von der gewählten Produktgestalt weitgehend determiniert. Auch werden durch die gewählte Produktgestalt, bei gegebenen Transformationsprozessen, die unerwünschten Prozessrückstände qualitativ wie quantitativ implizit festgelegt. Die geforderten nutzenstiftenden Funktionen und deren konkreten Ausprägungen in Form eines Produktes i. e. S. bestimmen damit die zur Produkterstellung benötigten Stoffe/Energie nach Art und Menge und in weiterer Folge - in Abhängigkeit des gewählten Transformationssystems - die Materialproduktivität. Welche Produktgestalt gewählt werden kann, ist unmittelbar vom eingesetztem Prozesstechnologiesystem abhängig. Als Leistungsmerkmal, das die Materialproduktivität (bezogen auf eine zu erstellende Funktion) von Prozesstechnologiesystemen determiniert, ist somit zu-
613 614 615
Vgl. Swink, M., Hegarty, H. W., Manufacturing, 1998, S. 379ff. Ein Beispiel für die Entwicklung der Effizienz prozesstechnologischer Systeme zeigt Albach auf. Vgl. Albach, H., Innovationsstrategien, 1989, S. 1341f. Vgl. Corsten, H., Produktionswirtschaft, 2000, S. 45ff.
139
nächst das konstruktive Gestaltungsfeld, das prozesstechnologische Systeme der Produktentwicklung für materialsparende Gestaltungskonzepte eröffnet, zu sehen. Von zentraler Bedeutung für die Materialproduktivität ist der technische Wirkungsgrad des eingesetzten Prozesstechnologiesystems. Darunter ist das Verhältnis der technisch nutzbringend umgesetzten Menge eines Stoffes/Energie zur zugeführten zu verstehen.616 So sind etwa thermische Transformationsprozesse dadurch gekennzeichnet, dass nur ein relativ geringer Anteil der in Energieträgern gebundenen Energie nutzbar umgesetzt werden kann. So sind nur ca. 30 % der in fossilen Brennstoffen gebundenen Energie durch Verbrennungskraftmotoren in mechanische (nutzbare) Energie umsetzbar. Ca. 70 % der eingesetzten Energiemenge kann nicht nutzbringend umgesetzt werden und verlässt den Transformationsprozess als Rückstand. Beispiele für eingesetzte Materialmengen, die nicht in Produkte eingehen, sind Verschnittabfälle, Abfälle bei der zerspanenden Bearbeitung von Werkstücken etc. Zu beachten ist bei der Definition des technischen Wirkungsgrades, dass oft auch Anteile der zugeführten Stoffmengen grundsätzlich nicht Produktbestandteil werden, sondern als Rückstand anfallen sollen. Man denke hier etwa an taubes Gestein, bei der Erschmelzung von Metallen aus Erzen, das als Rückstand (Schlacke) anfallen soll. Der technische Wirkungsgrad bezieht sich nur auf Inputanteile, die in erwünschte Produkte umgesetzt werden können. In diesem Begriffsumfang ist die Ausschussquote noch nicht berücksichtigt. In welchem Ausmaß von Prozesstechnologiesystemen Ausschuss produziert wird, hängt von der eingesetzten Prozesstechnologiekombination, deren qualitativen Leistungsfähigkeit, der gewählten Produktgestalt,617 den eingesetzten Inputfaktoren, den physikalischen Umgebungsbedingungen und der konkreten Nutzung durch Mitarbeiter ab. Als eine weitere Leistungseigenschaft von Prozesstechnologiesystemen ist die Arbeitsproduktivität - als Verhältnis der erstellten Produkteinheiten je Mitarbeiter - von Bedeutung. Oftmals wird hier als Bezugsbasis die Zahl der ausführenden Mitarbeiter herangezogen. Problematisch ist diese Bezugsgrößenwahl, da heute in zunehmendem Maße ausführende Tätigkeiten von EDV-gesteuerten Systemen übernommen werden. Mit steigendem Automatisierungsgrad von Prozesstechnologiesystemen erhöht sich damit die Arbeitsproduktivität. Die Aussagekraft des Leistungsmerkmals zur Beurteilung von Transformationssystemen sinkt allerdings. Grund dafür ist, dass automatisierte prozesstechnische Systeme von dispositiv arbeitenden (i. A. relativ teuren) Mitarbeitern, örtlich fern der Anlage, entsprechend programmtechnisch vorbereitet werden müssen. Von primärem Interesse ist dann der Zeitbedarf zur Erstellung der programmtechnischen Voraussetzungen zur Produkterstellung und nicht mehr die Arbeitsproduktivität an der Anlage selbst. Ein weiteres Leistungsmerkmal ist die quantitative Kapazität. Unter der quantitativen Leistungsfähigkeit prozesstechnologischer Systeme ist die mögliche Ausbringungsmenge
616 617
Vgl. Vahs, D., Burmester, R., Innovationsmanagement, 1999, S. 70f. So bestimmt etwa die vorgegebene akzeptierte Toleranzgrenze, unter unternehmensspezifischer Nutzung eines definierten Prozesstechnologiesystems, den Ausschussanteil.
140
eines definierten Produktes innerhalb eines Betrachtungszeitraums zu verstehen.618 Bestimmt wird diese durch die produktspezifische Fertigungsgeschwindigkeit eines Transformationssystems und die zeitliche Verfügbarkeit des betrachteten Prozesstechniksystems.619 Es sei darauf verwiesen, dass die Fertigungsgeschwindigkeit zumeist keine über die Betrachtungsperiode konstante Größe ist. So sind Anfahr- und Abstellprozesse häufig durch ein Ansteigen bzw. Abfallen der Fertigungsgeschwindigkeit gekennzeichnet.620 Die zeitliche Verfügbarkeit des Prozesstechnologiesystems ist abhängig von ablaufbedingten Stillständen, Störungen, Umrüstvorgängen und Wartungsprozessen.621 Das Prozesstechnologiesystem ist dabei temporär einer Nutzung völlig entzogen oder kann nur ein vermindertes quantitatives Leistungsniveau zur Verfügung stellen. Bei prozesstechnologischen Systemen, durch die unterschiedliche Produkte erstellt werden sollen, ist die erforderliche Umrüstzeit ein zentrales, die Nutzungszeit oft wesentlich beeinflussendes Leistungsmerkmal. Auch der Zeitbedarf für Wartungsund Instandsetzungsprozesse kann ein Leistungsmerkmal mit hoher Bedeutung darstellen. 4.2.8.2.2 Die technische Qualität prozesstechnologischer Systeme Die technische Qualität gibt an, mit welchen Schwankungsbreiten (Toleranzbereichen) um einen definierten Optimalwert Produktattribute vom betrachtetem Prozesstechnologiesystem erstellt werden können (beispielsweise Abweichungen von den Idealmaßen von Werkstücken, Oberflächenqualitäten etc.). Die technische Qualität von Prozesstechnologiesystemen ist eine über die Zeit veränderliche Größe. Mit zunehmender Nutzungsdauer nimmt sie zumeist aufgrund technischen Verschleißes ab. Bei Entscheidungen ist dieses Leistungsmerkmal daher unter dem Aspekt seiner zeitlichen Veränderung zu berücksichtigen. 4.2.8.2.3 Operative Flexibilität Unter operativer Flexibilität wird die Fähigkeit der Anpassung von Prozesstechnologiesystemen an kurzfristig wechselnde Anforderungen verstanden.622 Veränderte Anforderungen an Prozesstechnologiesysteme können sich in qualitativer und quantitativer Hinsicht inputwie outputseitig ergeben.623 Die Problemstellung operativer Flexibilität ist unternehmensübergreifend zu betrachten. Durch virtuelle Kooperationen können operative (wie strategische) Flexibilitätspotenziale für Unternehmungen massiv ausgeweitet werden. Diese resultieren zunächst aus der hohen Zahl verfügbarer Transformationssysteme der virtuellen Kooperation, die aufgrund loser Koppe618 619
620 621 622 623
Vgl. Kern, W., Fertigungskapazitäten, 1962, S. 7ff. Vgl. Frese, E., Lehnen, M., Valcárcel, S., Leistungsindividualisierungen, 1999, S. 886f.; Unter der produktprozessspezifischen Fertigungsgeschwindigkeit ist die Zahl der erstellten Mengeneinheiten eines definierten Produktes je Zeiteinheit zu verstehen. Man denke hier etwa an die langen Anfahr- und Abstellprozesse von Drehrohröfen der Zementindustrie oder kalorischer Kraftwerke. Vgl. Riebel, P., Umgestaltung, 1964, S. 229f. Vgl. Wright, P. M., Snell, S. A., Human, 1991, S. 764; Persentili, E., Alptekin, S. E., Flexibility, 2000, S. 2012f. Vgl. Wheelwright, S. C., Strategy, 1984, S. 81; Swink, M., Hegarty, H. W., Manufacturing, 1998, S. 381
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lung in ihren Relationen rasch verändert werden können. Die hohe Zahl unterschiedlicher Transformationssysteme ermöglicht eine Vielzahl an Kombinationen und steigert so die Flexibilitätspotenziale zur Produkterstellung wie Entsorgung unerwünschter Produktionsrückstände.624 Es resultiert daraus ein hohes Maß an „architektonischer Systemflexibilität“ (siehe Abschnitt 4.3.2). Weiters sind in virtuellen Kooperationen oft auch Überkapazitäten bereitgestellt, die zur Abdeckung temporärer Bedarfsspitzen genutzt werden können.625 Outputseitige Flexibilität von Prozesstechnologiesystemen ist Voraussetzung dafür, dass auf kundenspezifische Produktgestaltung und Mengenbedarfe eingegangen werden kann.626 Neben erwünschten sind bei der outputseitigen Leistungsbeschreibung prozesstechnologischer Systeme konsequenter Weise auch unerwünschte Kuppelprodukte zu beachten. Die Beschreibung der qualitativen Systemflexibilität kann durch dimensionale und variationale Leistungsmerkmale erfolgen. Dimensionale Leistungsmerkmale geben die Bandbreite der erstellbaren Produktmerkmale wieder (beispielsweise die erzielbaren Oberflächenhärten einer bestimmten Härtungstechnologie, der Durchmesser von Werkstücken bei einer bestimmten Horizontaldrehmaschine etc.). Als variationales Leistungsmerkmal wird die Bandbreite der vom Prozesstechnologiesystem erstellbaren, nach ihrer Art differierenden Produkte unterschieden.627 Die qualitative bzw. quantitative Veränderung outputseitiger Leistungsmerkmale erfordert zumeist auch Anpassungen in den zugeführten Inputs. Output- und inputseitige Leistungsmerkmale bedingen sich damit im Regelfall. Ob und wie sich outputseitige Veränderungen auf den erforderlichen Input (bzw. umgekehrt) auswirken, hängt von den zur Verfügung gestellten Transformationsfunktionen von Prozesstechnologiesystemen ab. Grundsätzlich können dann drei Beziehungen zwischen Outputveränderung und Inputanpassung (bzw. umgekehrt) unterschieden werden. Als qualitativ bzw. quantitativ starr sind Prozesstechnologiesysteme dann zu bezeichnen, wenn input- wie outputseitig Stoffe/Energie nicht variierbar sind (1:1-Beziehung). Ein Beispiel dafür sind etwa Drahtziehanlagen. Hier müssen Input und Output qualitativ und quantitativ vollkommen starr aufeinander abgestimmt werden, um die Produkterstellung überhaupt zu ermöglichen. Oftmals können mit einem definierten Input durch Veränderung der Betriebsweise dimensional und variational unterschiedliche Produkte erstellt werden (1:n-Flexibilität). Von Interesse ist eine hohe 1:n-Flexibilität für Unternehmungen, die auf Basis eines Ausgangsstoffs im Rahmen einer Differenzierungsstrategie eine breite Produktpalette anbieten wollen (z. B. mechanische Werkstätten, Gießereien etc.).
624 625 626 627
Vgl. Strebel, H., Hasler, A., Technologienetzwerke, 2003, S. 378f.; Schwarz, E. J., Unternehmensnetzwerke, 1994, S. 22f. und 89ff.; Strebel, H., Verwertungsnetze, S. 1ff. Vgl. Specht, D., Kahmann, J., Siegler, O., Flexibilität, 1999, S. 184f. Unter Kunden sind hier auch interne Folgeprozesse zu verstehen. Hier ergibt sich das Problem, Produktunterschiede zu klassifizieren, dass sie als Grundlagefür die operative Definition variationale Leistungsmerkmale geeignet sind.
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Bei m:1-Flexibilität ermöglichen Prozesstechnologiesysteme die Erstellung eines definierten Outputs bei qualitativen und quantitativen Schwankungen des Inputs. Variationen in der technischen Qualität und in der Art des Inputfaktors sind hier in gewissen Bandbreiten zulässig, ohne dabei den erwünschten wie unerwünschten Output unzulässig zu beeinträchtigen.628 Für Unternehmen ist eine hohe m:1-Flexibilität ihrer Prozesstechnologiesysteme aus verschiedenen Gründen von Interesse. Die qualitative Definition von Inputfaktoren erfolgt durch Angabe von Merkmalsausprägungen, ergänzt um einen Toleranzbereich um den „Idealwert“ (z. B. wird die Werkstofffestigkeit in N/mm2 + x % angegeben). Je breiter das zulässige Band der Merkmalsausprägung gewählt werden kann, umso niedriger sind i. A. die Einstandspreise zugekaufter Vorprodukte. Auch kann die Versorgungssicherheit mit Rohstoffen durch breitere Qualitätsbänder gesteigert werden. Werden für Inputfaktoren sehr enge Qualitätsgrenzen gesetzt, so wird die Zahl der Lieferanten, die diese erfüllen können, relativ klein sein. Mit zunehmender Breite der zulässigen Qualitätsbänder wird eine wachsende Zahl an Lieferanten in der Lage sein, diese bereitzustellen. Die Abhängigkeit von einem einzigem (oder wenigen) Lieferanten wird damit entschärft. Ein weiteres Argument, eine große inputseitige Toleranzbreite anzustreben, ist, dass dadurch die Prozessstabilität gegenüber inputseitigen Störungen zunimmt. Werden sehr enge inputseitige Toleranzbreiten benötigt, so besteht die Gefahr, dass dies bei geringfügigen Abweichungen bereits zur Ausschussproduktion führen kann bzw. im Extremfall die Fertigung zum Erliegen kommt.629 Werden breitere Qualitätsbänder von der Prozesstechnologie akzeptiert, ist die Wahrscheinlichkeit für unerwünschtes Betriebsverhalten durch qualitativ wie quantitativ schwankende Inputfaktoren deutlich reduziert; der Prozess ist stabiler. Schließlich können Prozesstechnologiesysteme auch m:nFlexibilität aufweisen. Anzumerken ist, dass mit den dargestellten Flexibilitäten nur jene Flexibilitätseigenschaften betrachtet werden, die durch das Prozesstechnologiesystem tatsächlich bereitgestellt werden. So können Produktvariationen etwa auch dadurch realisiert werden, dass unterschiedliche Inputs eingesetzt werden, ohne dass das Prozesstechnologiesystem flexibel sein muss. Beispiele dafür sind etwa unterschiedlich gefärbte Stoffe zur Erstellung von Kleidungsstücken; unterschiedliche Montagebauteile, die von einem Industrieroboter als solche nicht einmal erkannt werden müssen etc. Veränderte Anforderungen an Prozesstechnologiesysteme resultieren weiters aus quantitativen Veränderungen im Bedarf an erwünschten Prozessoutputs. Als quantitative Elastizität wird die Fähigkeit von Prozesstechnologiesystemen verstanden, sich an veränderte quantitative Erfordernisse anpassen zu können.630 Diese Anpassung kann grundsätzlich durch Intensitätsänderung oder zeitliche Anpassung erfolgen. Voraussetzung für eine intensitätsmäßige Anpassung ist, dass durch das Prozesstechnologiesystem bei veränderten Produktionsge628 629 630
Das ist etwa bei zerspanenden Fertigungsverfahren möglich. Hier können verschiedene Metalle bzw. Metallqualitäten aber auch Kunststoffe etc. durch ein einziges Transformationssystem bearbeitet werden. Vgl. Heide, J. B., John, G., Alliances, 1990, S. 28 Vgl. Seicht, G., Anlagenwirtschaft, 1994, S. 336
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schwindigkeiten der gewünschte Transformationsprozess qualitativ gesichert durchgeführt werden kann. Begrenzt wird dieser Elastizitätsbereich i. A. durch eine minimale bzw. maximale Transformationsgeschwindigkeit.631 Oftmals ist für die Ingangsetzung und den stabilen Dauerbetrieb ein minimaler Material- bzw. Energiedurchsatz durch Transformationssysteme erforderlich.632 Wird diese Grenze unterschritten, bricht der Prozess zusammen. Auch eine zeitliche Anpassung kann ökonomisch und technisch problematisch sein. So können etwa bei Prozesstechnologiesystemen sehr lange Anfahr- bzw. Abstellprozessen auftreten. Diese sind technisch aufwändig und ökonomisch meistens negativ zu bewerten. Eine zeitliche Anpassung ist bei solchen Anlagen oft nur bei längerfristigen Stillständen (im Bereich von Wochen bzw. Monaten) sinnvoll. Als Leistungsgröße prozesstechnologischer Systeme ist deshalb die Zeitdauer (Anfahr- bzw. Abstelldauer) bis zur Erreichung des erwünschten Betriebszustandes (bzw. Stillstandes) von Relevanz. Eng mit den dargestellten Flexibilitätsmerkmalen ist die Integrierbarkeit bzw. Erweiterbarkeit (Kompatibilität mit anderen Systemen) prozesstechnologischer Systeme verknüpft. Kompatibilität von Systemelementen gegenüber bestehenden Prozesstechnologiesystemen ist Voraussetzung für deren Integration.633 Gegeben ist Kompatibilität, wenn in allen Schnittstellen zwischen dem zu integrierenden und dem aufnehmendem Prozesstechnologiesystem die geforderten Schnittstellenbedingungen erfüllt werden. Die zu erfüllende Schnittstellenbedingung besteht in der qualitativen und quantitativen Übereinstimmung der stofflichen, energetischen und informellen Angebote und Bedarfe an den Schnittstellen korrespondierender Systeme. Kompatibilität ist damit auf materieller Ebene - zwischen den beteiligten Prozesstechniksystemen - und auf informationstechnischer Ebene - zwischen den relevanten regelungstechnologischen Systemelementen - zu gewährleisten.634 Verschärft werden die Schnittstellenanforderungen durch starre fertigungstechnologische Koppelung der betrachteten Systeme (siehe Abschnitt 6.3.2.1). In diesem Fall muss die qualitative und quantitative Übereinstimmung zu jedem Betriebszeitpunkt erfüllt sein. Besteht keine starre Koppelung, so können Differenzen in der zeitlichen Übereinstimmung durch Ausgleichselemente (Puffer) egalisiert werden.
631
632
633 634
Man denke hier etwa an Stranggussanlagen zur Erstellung von Stahlrohprofilen aus flüssigem Stahl. Dieses Produktionssystem weist einen schmalen Elastizitätsbereich auf. Wird die minimale Transformationsgeschwindigkeit unterschritten, kommt der Prozess vollständig zum Erliegen. Ein weiteres Beispiel für eine Begrenzung der Transformationsgeschwindigkeit ist die Glasverarbeitung in der Hohlglassproduktion. So führt zu langsame Verarbeitung der Glasschmelze zu Ausschussproduktionen. Ausschussprodukte sind auch die Folge, wenn der Folgeprozess - das Abkühlen des heißen Glaskörpers - mit zu hoher Geschwindigkeit durchgeführt wird. Etwa ist zum kontinuierlichen Betrieb von Motoren in Produktionssystemen ein minimaler Energieumsatz erforderlich (Im Leerlauf ist zumindest die Energie zur Überwindung von Reibungswiderständen zuzuführen.), um nicht unter eine Mindestdrehzahl zu fallen, bei der ein Motorstillstand eintritt. Das gilt in gleicher Weise für Elektromotoren wie für Verbrennungskraftmaschinen. Vgl. dazu auch Riebel, P., Umgestaltung, 1964, S. 227 Vgl. Hirschbiegel, U., Frauenfelder, P., Substitutionen, 1998, S. 506f.; Arvanitis, S., Hollenstein, H., Determinants, 2001, S. 396f. Vgl. Singh, K., Complexity, 1997, S. 341
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In diesem Zusammenhang ist als Leistungseigenschaft auch der zeitliche Verlauf des Transformationsprozesses von Interesse. Es kann zwischen kontinuierlichen und diskontinuierlichen Prozessverläufen unterschieden werden. Durch den Prozessverlauf wird der zeitliche Bedarf an Inputfaktoren und die outputseitige Verfügbarkeit von (Zwischen)Produkten in deren zeitlichen Verlauf fixiert. Die Kompatibilität von Prozesstechnologien wird von den gepaarten Prozesstechnologien und von der Fähigkeit betrachteter Prozesstechnologiesysteme, unterschiedliche Schnittstellendaten aufzunehmen und trotzdem erwünschte Funktionalitäten gesichert bereitzustellen (hohe m:n-; 1:n-; m:1-Flexibilität), determiniert. Je breiter die zulässigen Schnittstellendaten einer Prozesstechnologie qualitativ und quantitativ sind und je stabiler auf zeitliche Schwankungen reagiert werden kann, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Integration in ein Prozesstechnologiesystem erfolgen kann; die Kompatibilität der Prozesstechnologie nimmt zu. 4.2.8.2.4 Prozessstabilität Transformationsprozesse verlaufen nicht unter vollkommener Konstanz aller Betriebsparameter. Stets treten mehr oder weniger starke Abweichungen von fixierten „idealen“ Verfahrensbedingungen (-zuständen)635 auf. Ursachen für Abweichungen können sein: x
Schwankungen in der Qualität wie Quantität von Inputfaktoren
x
Umgebungsbedingungen wie etwa Druck, Temperatur, Luftfeuchte etc.
x
Rückwirkungen aus Folgeprozessen
x
menschliches Fehlverhalten bei der Prozessregelung
x
Verschleiß von Werkzeugen oder Anlageteilen
x
betriebsbedingte Veränderung von Prozessparametern (etwa Temperaturanstiege während der Durchführung des Transformationsprozesses)
x etc. Von „stabilen“ Betriebspunkten (bzw. Betriebsbereichen) kann dann gesprochen werden, wenn bei unbeabsichtigten Abweichungen von einem definiertem Betriebszustand keine oder nur unbedeutende Abweichungen vom vorgegebenem Transformationsverhalten auftreten und der Transformationsprozess (bzw. genauer sein regelungstechnologisches System) selbständig adäquate Korrekturen durchführt. Ein solches Verhalten prozesstechnologischer Systeme wird stets angestrebt. Aus ökonomischer Sicht treten bei solchem Systemverhalten als negative Effekte eventuell geringe Mengen an Ausschuss oder ein temporär gesteigerter Stoff- bzw. Energieeinsatz auf. Labiles Verhalten ist hingegen dadurch gekennzeichnet, dass bei Störungen bzw. Abweichungen vom vorgegebenen Betriebszustand über ein gewisses Maß der Prozess (bzw. sein Regelungssystem) nicht mehr in der Lage ist, selbständig Korrekturen durchzuführen. Im Ge635
Für ein Beispiel für Verfahrensbedingungen siehe: Strebel, H., Umweltwirtschaft, 2005, S. 26ff.
145
genteil, es verändert sich das Betriebsverhalten des Produktionsprozesses u. U. so, dass der Transformationsprozess zum Erliegen kommt. Negative ökonomische Konsequenzen sind neben Ausschussprodukten evtl. der Stillstand oder die Beschädigung des Transformationsprozesses etc. Bei sehr labilen Prozessen kann so die quantitative Kapazität und die technische Qualität der erstellten Produkte erheblich reduziert werden. Als Maß für die Prozessstabilität kann die Wahrscheinlichkeit des unzulässigen Abweichens von einem vorgegebenen Verfahrenszustand bei Störungen (definiert durch Art und Ausmaß) herangezogen werden. Vollkommene Stabilität ist grundsätzlich nicht realisierbar, da nicht alle möglichen Einflüsse im System konzeptionell antizipiert werden können.636 4.3
Grundsätzliche Entwicklungsoptionen zur Realisation prozesstechnologischer Positionen
Zunächst ist es möglich, dass die künftige Prozesstechnologieposition sich von der gegenwärtigen nicht unterscheiden. Dieser Fall kann eintreten, wenn sich Kundenanforderungen bzw. ökologische und soziale Anforderungen langfristig nicht oder nur unwesentlich verändern.637 Auch geänderte Anforderungen müssen nicht zwangsläufig zu einer Anpassung des Prozesstechnologiesystems führen. Oft weisen Prozesstechnologiesysteme quantitative, qualitative, dimensionale und variationale Leistungsreserven auf, deren Erschließung ausreicht, um künftigen Anforderungen gerecht zu werden.638 Entsprechend ist dann die Entwicklung potenzialerschließender Ressourcen zentrale Aufgabe des Prozesstechnologiemanagements. Veränderungen des Prozesstechnologiesystems können grundsätzlich unabhängig von der angestrebten Entwicklungstendenz der Unternehmung (Wachstum, Stabilisierung oder Schrumpfung) erforderlich sein. Müssen prozesstechnologische Leistungspotenziale durch Eingriffe in das bestehende Prozesstechnologiesystem realisiert werden, so ist das durch Weiterentwicklung oder Wechsel einzelner Prozesstechnologien und/oder Veränderung von Relationen in einem Prozesstechnologiesystem möglich. Es ergeben sich daraus vier grundsätzliche Entwicklungsoptionen prozesstechnologischer Systeme. Unterschieden werden inkrementale, modulare, architektonische und (seltene639) radikale Entwicklungsoptionen (Abbildung 17).640 Die Begriffe beziehen sich ausschließlich auf die Veränderungen technologischer Systeme.641 636 637 638 639 640
641
Vgl. Perrow, C., Accidents, 1994, S. 3ff. Vgl. Riebel, P., Umgestaltung, 1964, S. 211f. Vgl. Lay, G., Dreher, C., Kinkel, S., Produktionskonzepte, 1996, S. 597ff.; Jacob, H., Flexibilität, 1989, S. 41ff. Vgl. Tushman, M. L., Rosenkopf, L., Determinants, 1992, S. 318; Barney, J. B., Advantage, 1995, S. 51 Vgl. Henderson, R. M., Clark, K. B., Architectural, 1990, S. 11ff.; Abernathy und Clark klassifizieren architektonische, revolutionäre, inkrementale Entwicklungen sowie Nischenentwicklungen nach den Kriterien „Technologieentwicklung“ (kompetenzzerstörend vs. kompetenzsteigernd) und „Marktbeziehungen“ (konservativ vs. neuartig). Dieser Klassifikation wird nicht gefolgt. Vgl. Abernathy, W. J., Clark, K. B., Mapping, 1985, S. 7ff.; Sonntag, V., Manufacturing, 2003, S. 313f. Vgl. Hauschildt, J., Innovationsmanagement, 2004, S. 15f.
146
Begrifflich zu unterscheiden sind davon radikale bzw. inkrementale Innovationen. Unter dem Innovationsgrad ist „ … das Ausmaß des Innovationsschrittes: ein Maß für die Gesamtheit aller Veränderungen“642 zu verstehen.643 Die verallgemeinernde Aussage, dass inkrementale (bzw. radikale) prozesstechnologische Entwicklungen zu inkrementalen (bzw. radikalen) Veränderungen im Unternehmen führen, ist nicht zulässig. Inkrementale Inventionen können zu radikalen Veränderungen in Unternehmen führen, während radikale Inventionen u. U. kaum Veränderungen im Unternehmen (bzw. Teilbereichen) aufweisen können.644
unverändert verändert
Systemrelationen
Systemelemente (Prozesstechnologien) weiter entwickelt
gewechselt
inkrementale Entwicklungsoption
modulare Entwicklungsoption
architektonische Entwicklungsoption
radikale Entwicklungsoption
Abbildung 17: Prozesstechnologische Entwicklungsoptionen645 Tushman und Anderson bezeichnen technologische Veränderungen als „kompetenzsteigernd“, wenn bestehendes technologisches Wissen (Kompetenz) durch Neuerungen erweitert wird.646 Die Entwicklung der Technologie erfolgt hier entlang einer einzigen Technologietrajektorie.647 Konsequenter Weise muss die Wirkung der Neuerung auf das Wissen über eine einzelne Prozesstechnologie als auch der Art und Weise ihrer Integration in Systeme betrach-
642 643
644 645 646 647
Hauschildt, J., Schlaak, T. M., Innovationsgrades, 2001, S. 164 Einen Literaturüberblick und einen mehrdimensionalen Ansatz zur Bestimmung des Innovationsgrades von Produkten geben Hauschildt und Schlaak. Vgl. Hauschildt, J., Schlaak, T. M., Innovationsgrades, 2001; Hauschildt, J., Innovationsmanagement, 2004, S. 16ff. Vgl. Afuah, A. N., Bahram, N., Hypercube, 1995, S. 57ff.; Henderson, R. M., Incompetence, 1993, S. 252ff. Vgl. Henderson, R. M., Clark, K. B., Architectural, 1990, S. 11ff. Vgl. Tushman, M. L., Anderson, P., Discontinuities, 1986, S. 442ff. Vgl. Dosi, G., 1982, Trajectories, 1982, S. 151ff.; Benner und Tushman bezeichnen solche Entwicklungen als „exploitative“ Innovationen. Vgl. Benner, M. J., Tushman, M., Photography, 2002, S. 679
147
tet werden. Demnach sind inkrementale Inventionen als generell kompetenzsteigernd zu klassifizieren.648 Die Ressource „Prozesstechnologie“ nimmt hier an Leistungspotenzial zu. Können Anforderungen an das Leistungsvermögen prozesstechnologischer Systeme durch inkrementale Inventionen nicht realisiert werden, so ist als weitere Handlungsoption die Substitution bestehender durch in ihrer Art neue Prozesstechnologien bzw. Prozesstechnologiesysteme möglich. Diese Entwicklungsoptionen sind als kompetenzzerstörend zu bezeichnen. Stets wird Wissen über einzelne Technologien und/oder deren Integration in Systeme obsolet. Das Bemühen der Unternehmung richtet sich dann auf den möglichst raschen und effizienten Aufbau einer in technologischen Prinzipien und/oder Integrationsprinzipien - von der bisher genutzten - völlig verschiedenartigen Prozesstechnologien.649 Im Sinne einer schöpferischen Zerstörung muss das Bemühen der Unternehmung auch auf die Elimination spezifischer, nicht mehr zielorientiert einsetzbarer Prozesstechniken und prozesstechnologischen Wissens, gerichtet sein.650 Entsprechend kann die Substitution von bestehenden akkumulierten prozesstechnologischem Wissen als kompetenzzerstörend bezeichnet werden.651 Mit kompetenzzerstörenden Entwicklungen werden außerdem oft mit Prozesstechnologien gekoppelte potenzialerschließende Ressourcen obsolet. Komplementäre, nicht-technologische Ressourcen im Marketing, Einkauf etc. und in großem Umfang auch im Produktionsbereich bleiben aber oft in ihrer Bedeutung weitgehend erhalten.652 Als Größe zur Beschreibung des weiterhin nutzbaren Anteils prozesstechnischer Anlagen, bei geänderten bzw. neuen Produkten, schlagen Schünemann und Lehnen den „Weiterverwendbarkeitsgrad“ vor. „Der Weiterverwendbarkeitsgrad kennzeichnet den Anteil der Investitionen an den Anschaffungsauszahlungen, der nach [einem] Aufgabenwechsel zur Produktion weiterverwendet werden kann.“653 Abhängig ist der Weiterverwendbarkeitsgrad von der Struktur und den Elementen vorhandener prozesstechnischer Systeme. Auf Basis empirischer Daten wird der Weiterverwendbarkeitsgrad wie folgt geschätzt:654 Transferstraßen im Automobilbau: 0,05 - 0,4 Flexible Fertigungssysteme: 0,5 - 0,8 Flexible Montagesysteme: 0,4 - 0,5 Industrieroboter: 0,6 - 0,8
648
649 650 651 652 653
654
Vgl. Tushman, M. L., Anderson, P., Discontinuities, 1986, S. 441; Siehe zum Ausmaß der Veränderungen auf Unternehmungen durch inkrementalen Innovationen: Hauschildt, J., Schlaak, T. M., Innovationsgrades, 2001, S.171ff. Vgl. Henderson, R. M., Clark, K. B., Architectural, 1990, S. 9 Vgl. Schumpeter, J. A., Theorie, 1997, S. 99ff. Vgl. Tushman, M. L., Anderson, P., Discontinuities, 1986, S. 442; Montgomery, C. A., Wernerfelt, B., Diversification, 1988, S. 624ff. Vgl. King, D. R., Covin, J. G., Hegarty, H. W., Complementary, 2003, S. 593; Pisano, G. P., Boundaries, 1990, S. 155f.; Montgomery, C. A., Wernerfelt, B., Diversification, 1988, S. 625f. Schünemann, T. M., Lehnen, H., Flexibilitätsgrade, 1983, S. 504; Das Ausmaß der Aufgabenveränderung hat wesentlichen Einfluss auf die Weiterverwendbarkeit prozesstechnischer Systeme. Diese Problemstellung wird von Schünemann und Lehnen nicht diskutiert. Vgl. Witte, K. W., Rationalisierungsreserven, 1983, S. 366; Jacobi, W., Automatisierung, 1982, S. 253; Schünemann, T. M., Lehnen, H., Flexibilitätsgrade, 1983, S. 11
148
Von zentralem Interesse für die Entwicklung prozesstechnologischer Systeme sind KernProzesstechnologien, mit denen order-winning- bzw. qualifying-Kriterien angesprochen werden können.655 Unternehmungen können sich aber nicht ausschließlich auf die Entwicklung von Kern-Prozesstechnologien konzentrieren, um Wettbewerbsvorteile zu begründen. So erfordert die adäquate Nutzung von Kern-Prozesstechnologien im Regelfall unterstützende Prozesstechnologien, die Wettbewerbern zugänglich sind und damit keine Wettbewerbsvorteile begründen können. Diese werden, in Anlehnung an Leonard-Barton als „Enabling-Prozesstechnologien“ bezeichnet.656 Weiters sind Prozesstechnologien in das unternehmerische Prozesstechnologiesystem aufzunehmen, die keinerlei Wettbewerbsvorteile generieren können und auch nicht der Unterstützung von Kern-Prozess-technologien dienen. Diese Prozesstechnologien sind unabdingbar, um unternehmerische Basisfunktionalitäten bereitzustellen, welche in der Branche und von Kunden als selbstverständlich angesehen werden.657 Sie werden in weiterer Folge als Supplemental-Prozesstechnologien bezeichnet. Erst wenn durch sie die prozesstechnologischen Grundvoraussetzungen für einen Wettbewerb erfüllt sind, kann das Schwergewicht der strategischen Entwicklung auf Kern-Prozesstechnologien gelegt werden. Um mit unternehmerischen Prozesstechnologiesystemen anhaltende Wettbewerbsvorteile zu generieren, muss sich das strategische Prozesstechnologiemanagement daher mit der Entwicklung von Kern-, Enabling- und Supplemental-Prozesstechnologien simultan auseinandersetzen. 4.3.1
An den Elementen von Prozesstechnologiesystemen ansetzende Entwicklungsoptionen
Maßnahmen, die an einzelnen Technologien ansetzen, zielen darauf ab, das Leistungspotenzial von Prozesstechnologiesystemen dadurch zu steigern, dass von der Unternehmung bereits genutzte Prozesstechnologien weiterentwickelt oder durch neue substituiert werden. Entwicklungen wie Substitutionen einzelner Prozesstechnologien weisen im Regelfall Wirkungen auf andere auf und bedingen somit oft auch strukturelle Anpassungen. In den folgenden Ausführungen werden die Veränderungen einzelner Prozesstechnologien ins Zentrum der Betrachtungen gestellt und Systemrelationen vorerst vernachlässigt. Eine erste Möglichkeit, gestaltend in Prozesstechnologiesysteme einzugreifen, besteht darin, bereits genutzte Prozesstechnologien in deren qualitativen und/oder quantitativen Leistungspotenzialen (kompetenzsteigernd) weiterzuentwickeln (inkrementale Entwicklungsopti655 656
657
Vgl. Leonard-Barton, D., Knowledge, 1995, S. 4f.; Gerpott, T. J., Innovationsmanagement, 2005, S. 143ff.; Shenhar, A. J., Adler, P. S., Base, 1996, S. 4.3ff.; St. John C., Harrison, J., Synergy, 1999, S. 130 Vgl. Leonard-Barton, D., Knowledge, 1995, S. 4f.; Der von Edge u. a. verwendete Begriff der “Enabling Technologien” entspricht dem von Leonard-Barton inhaltlich nicht. Vgl. Edge, G., et al., Technologiemanagement, 1995, S. 186f., in weiterer Folge wird der Begriff inhaltlich entsprechend Leonard-Barton verwendet. Vgl. Kern, W., Kernkompetenzen, 2002, S. 19f.; Diese Technologien werden etwa gehalten, um dem Kundenwunsch nach Problemlösung „aus einer Hand“ gerecht zu werden. Vgl. Engelhardt, W. H., Kleinaltenkamp, M., Reckenfelderbäumer, M., Leistungsbündel, 1993, S.407; Barney, J. B., Advantage, 1995, S. 52; Zahn, E., Huber-Hoffman, M., Wettbewerbsfaktor, 1995, S. 144
149
on, Abbildung 17). Betreffen Veränderungsbedarfe prozesstechnologisches Wissen, so können diese durch Lernprozesse (Schulungen, Learning by Doing etc.) innerhalb der Unternehmung abgedeckt werden. Außerdem ist die Akquisition neuer Mitarbeiter mit entsprechendem Know-how möglich. Die Integration neu erworbenen prozesstechnologischen Wissens in das bestehende System erfolgt durch Wissensaustausch und damit verbundenen Lernprozessen der beteiligten Wissensträger. Inhaltlich kann sich der Zuwachs prozesstechnologischen Wissens auf die effiziente Nutzung oder die effektive Weiterentwicklung von Prozesstechnologien der eigenen oder fremden Unternehmungen beziehen. Die Weiterentwicklungen von Prozesstechniken kann durch die Unternehmung selbst oder durch Zukauf realisiert werden. Zunächst kann das durch Zu- oder Umbaumaßnahmen an bereits genutzten Prozessen erfolgen. Weiters ist die Substitution von Anlagen durch technologisch gleichartige, in ihrem Leistungspotenzial jedoch veränderte Neuanlagen möglich. Prozesstechnische Veränderungen bedingen im Regelfall auch die Entwicklung von Wissen zur Technologie(system)nutzung.658 Als „modular“ werden Veränderungen von Prozesstechnologiesystemen bezeichnet, wenn ein Teilsystem mehrerer verbundener Prozesstechnologien durch ein Modul (ein neues Technologiesubsystem) ersetzt wird (Abbildung 17). Die Schnittstellen zum übrigen Prozesstechnologiesystem bleiben dabei qualitativ wie quantitativ unverändert erhalten.659 Die Kompetenz über die substituierten Technologien wird durch die Kompetenz über das neue Modul substituiert. Modulare Gestaltungsmaßnahmen sind damit als kompetenzzerstörend zu klassifizieren. Diese Gestaltungsmaßnahme weist nur auf der Ebene von Prozesstechniken Relevanz auf. Hier stellen sie eine häufig eingesetzte Maßnahme zur Prozessintegration dar. Zäpfel unterscheidet zwischen vertikaler und horizontaler Technologiesubstitution.660 Bei vertikaler Substitution werden zwei Wertschöpfungsstufen in einer einzigen integriert; die Wertschöpfungsstufen müssen hierbei nicht unmittelbar aufeinander folgen. Bei horizontaler Substitution wird das Lösungsprinzip einer Wertschöpfungsstufe durch ein anderes ersetzt. 4.3.2
An der Struktur von Prozesstechnologiesystemen ansetzende Gestaltungsmaßnahmen
Prozesstechnologien können erst im Verbund eines Prozesstechnologiesystems ihr Leistungspotenzial entfalten. In welchem Ausmaß dies tatsächlich erfolgt, hängt von den Leistungsmerkmalen der Prozesstechnologien und den Relationen zwischen diesen ab (siehe Abschnitt 2.4.1.1). Für die zielgerichtete Entwicklung prozesstechnologischer Leistungspotenziale sind damit Leistungsmerkmale von Prozesstechnologien und die strukturelle Gestaltung des Prozesstechnologiesystems als Gestaltungsobjekte gleichermaßen von Relevanz.661 Bei der strukturellen Entwicklung von Prozesstechnologiesystemen sind architektonische und radikale Entwicklungsoptionen zu unterscheiden. 658 659 660 661
Vgl. Veugelers, R., Cassiman, B., Make, 1999, S. 64ff. Vgl. Henderson, R. M., Clark, K. B., Architectural, 1990, S. 12 Vgl. Zäpfel, G., Produktions-Management, 2000, S. 35 Vgl. Henderson, R. M., Clark, K. B., Architectural, 1990, S. 10ff.
150
Werden Prozesstechnologien eines bestehenden Prozesstechnologiesystems in ihrer Art und ihrem Leistungspotenzial nicht verändert, jedoch in neue Relationen zueinander gesetzt, so werden solche Gestaltungsmaßnahmen in weiterer Folge als „architektonische“ Entwicklungsoptionen bezeichnet.662 Ein Beispiel für architektonische Optionen bei Prozesstechniken ist etwa das direkte Recycling zur Verringerung der produktionsbedingten Umweltnutzung. Hier wird der prinzipiell unerwünschte Output eines Produktionsprozesses durch eine neue, materielle Verbindung zu einem anderen Produktionsprozess - der eigenen oder einer fremden Unternehmung - zum erwünschten Produktionsinput.663 Architektonische Optionen weisen auch bei der Entwicklung prozesstechnologischen Wissens hohe Bedeutung auf. Durch Rekombination verschiedener vorhandener prozesstechnologischer Wissenselemente können kreative Lösungen für prozesstechnologische Problemstellungen generiert werden.664 Architektonische Optionen sind generell kompetenzsteigernd, da zum bestehenden Kombinationswissen neues hinzutritt. Auf Basis bestehender Prozesstechnologiesysteme werden neue Relationen zwischen den Systemelementen aufgebaut und so das Prozesstechnologiepotenzial zielorientiert entwickelt.665 Radikale Entwicklungsoptionen schließlich sind dadurch gekennzeichnet, dass bei diesen für die Unternehmung neuartige Prozesstechnologien eingesetzt werden. Damit verbunden wird auch die Struktur des prozesstechnologischen Systems verändert. Diese Entwicklungsoption ist stets kompetenzzerstörend hinsichtlich eingesetzter Prozesstechnologien und des zu deren Einsatz erforderlichen Kombinationswissens. 4.3.3
Erweiterung und Reduktion von Prozesstechnologiesystemen durch neue Prozesstechnologien
Als weitere Möglichkeit zur Entwicklung von Prozesstechnologiepotenzialen ist die systematische Erweiterung durch zusätzliche Prozesstechnologien im Sinne einer vertikalen, horizontalen und lateralen Integration zu sehen.666 Die Integration prozesstechnologischer Systeme wird oft unter dem Aspekt einer Dichotomie zwischen der Eigenfertigung und dem Zukauf einer Leistung verstanden. Aus ressourcentheoretischer Sicht ist nicht das Eigentum an einer Ressource, sondern vielmehr der gesicherte Zugriff bei Bedarf entscheidend. Entsprechend kann Integration auch aus Perspektive der Verfügungshoheit über Prozesstechnologiesysteme als Kontinuum verschiedenster Instrumente verstanden werden. An den Endpunkten des Kontinuums stehen Eigen- bzw. Fremderstellung von Produkten (Abbildung 18).667 662 663 664 665 666
667
Vgl. Teece, D. J., Organization, 1996, S. 205 Vgl. Strebel, H., Umwelt, 1994, S. 820ff. Vgl. Zander, U., Kogut, B., Knowledge, 1995, S. 77; Schreyögg, G., Geiger, D., Wissensmanagement, 2005, S. 436 Vgl. Henderson, R. M., Clark, K. B., Architectural, 1990, S. 12f. Vgl. Gabler, Lexikon, 1992, S. 1645; Zum Problem der begrifflichen Definition der vertikalen Integration vgl. Picot, A., Franck, E., Vertikale, 1993, S. 181ff.; Picot und Franck geben auch einen Überblich empirischer Untersuchungen zum Problembereich. Ebenda S. 190ff.; Riebel, P., Umgestaltung, 1964, S. 213ff. Vgl. Benkenstein, M., Henke, N., Integration, 1993, S. 85ff.; Picot, A., Vertikale, 1991, S. 339f.; Harrigan, K. R., Vertical, 1985, S. 398ff.
151
hoch
hoch
groß
groß
Spezifität des Transaktionsgutes
Unsicherheit der Transaktion
Häufigkeit der Transaktion
Verfügbarkeit erforderlicher Ressourcen im eigenem Unternehmen
gering
gering
niedrig
niedrig
Diese Art prozesstechnologischer Entwicklungsoptionen ist stets kompetenzsteigernd, da zusätzliches Wissen über die integrierten Prozesstechnologien und deren Relationen zum bestehenden System aufgebaut werden muss.
Eigenfertigung
Joint Venture
Allianzen
Franchise
langfristige Verträge
…
kurzfristige Verträge
Abbildung 18: Einflussfaktoren auf die Entscheidung „vertikale Integration versus Eigenfertigung“668 Die Entwicklung unternehmerischer Prozesstechnologiesysteme kann jedoch neben der bisher unterstellten Expansion auch eine Leistungspotenzialreduktion zum Inhalt haben. Zur bewussten Beschränkung des Leistungsspektrums werden dazu einzelne Prozesstechnologien ersatzlos aus dem System eliminiert (vertikale, horizontale bzw. laterale Desintegration) oder Relationen zwischen Prozesstechnologien aufgelöst, um so eine Fokusierung der Unternehmensleistung vorzunehmen.669 Die Konzentration auf prozesstechnologische Kernkompetenzen impliziert eine solche Entwicklung.670 So überlassen immer mehr Hersteller, die keramische oder metallische Tapes als Rohmaterial benötigen, die Erstellung von „Green Tapes“ anderen Unternehmungen. Green Tapes dienen als Träger für keramische oder metallische Pulver. Diese Pulver werden von den Unternehmungen auf die Green Tapes aufgebracht, bevor sie weiterverarbeitet werden. Den Unternehmungen gelingt es durch dieses Outsourcing, sich auf ihre zentralen Fertigungskompetenzen zu konzentrieren. Neben Kostenvorteilen konnte dadurch auch die Produktqualität gesteigert werden.671 668 669 670 671
Vgl. Benkenstein, M., Henke, N., Integration, 1993, S. 87; siehe auch Abschnitte 5.3.2.1, 5.3.2.2, 5.3.2.5 Vgl. Hinterhuber, H. H., et.al, Führung, 2000, S. 1352ff. Vgl. Kern, W., Kernkompetenzen, 2002, S. 16f.; Freeman, C., Networks, 1991, S. 502ff. Vgl. o. V., Outsourcing, 1995
152
Eine rechtzeitige Reduktion des Prozesstechnologiesystems ist aber auch als Maßnahme zum Übergang auf neue Kern-Prozesstechnologien sinnvoll sowie bei einem geordneten Rückzug aus Produktmärkten unumgänglich.672 Auf die eliminierten Prozesstechnologien bezogen, ist diese Entwicklung kompetenzzerstörend. Soll damit eine Konzentration auf Kernkompetenzen herbeigeführt werden, so wird impliziert, dass diese Entwicklung kompetenzsteigernd für die verbleibenden Prozesstechnologien sein soll. Gleiches gilt, wenn dieser Prozess zum Übergang auf neue Technologien vollzogen wird. 4.3.4
Reale Entwicklungen in Prozesstechnologiesysteme
Die dargestellten Gestaltungsmaßnahmen zur Entwicklung von Prozesstechnologiepotenzialen sind idealtypisch zu sehen. Reale Gestaltungsmaßnahmen sind im Regelfall Kombinationen dieser Idealtypen. Etwa werden bei der prozesstechnologischen Neuausrichtung einer Unternehmung bestehende Prozesstechnologiesysteme schrittweise reduziert, während simultan ein neues Prozesstechnologiesystem (evtl. unter Nutzung von Teilen des bestehenden Systems) aufgebaut wird. Weiters sind mit der Substitution oder Weiterentwicklung einzelner Prozesstechnologien regelmäßig auch architektonische oder modulare Inventionen verbunden. 4.3.5
Wirkungen struktureller und elementarer Veränderungen innerhalb von Prozesstechnologiesystemen
Bei Eingriffen in Prozesstechnologiesysteme, unabhängig davon, ob sie Elemente oder Relationen betreffen, sind im Regelfall Wirkungen auf unmittelbar und mittelbar gekoppelte Prozesstechnologien zu beachten.673 Grund dafür sind Veränderungen in den Schnittstellendaten gekoppelter Technologien. Dabei sind auch Sekundärwirkungen auf Prozesstechnologien von Relevanz, die nicht unmittelbar mit dem integrierten System in Beziehung stehen. Durch qualitative, quantitative und/oder zeitliche Veränderungen der Schnittstellenwerte verändern sich die Input-Output-Relationen von Prozesstechnologien. Auf materieller Ebene verändern sich das qualitative und quantitative Input-Output-Verhältnis sowie dessen zeitlicher Verlauf. Auf Ebene prozesstechnologischen Wissens können neue Einsichten in die Wirkungsweisen von bekannten Prozesstechnologien resultieren. Bei der Gestaltung von materiellen Prozesstechnologiesystemen ist von zentralem Interesse, bei welchen Prozesstechniken welche Auswirkungen in welchem Ausmaß zu erwarten sind. Schwierig bzw. aufwändig ist eine solche Wirkungsanalyse in der Planungsphase aus verschiedenen Gründen: x
672 673
Zunächst können kritische Auswirkungen bei Prozesstechnologien auftreten, die nicht unmittelbar mit der veränderten Prozesstechnologie in Relation stehen, sondern von dieser im System weit entfernt und nur mittelbar beeinflusst werden. Entsprechend umfangreich kann das zu analysierende Prozesstechnologiesystem sein.
Vgl. Edwards, J. C., Discontinuities, 2000, S. 295ff. Vgl. Benkenstein, M., Modelle, 1989, S. 504; Singh, K., Complexity, 1997, S. 340f.
153
x
Erwünschte oder unerwünschte Auswirkungen treten unabhängig davon auf, ob die Veränderungen im System kompetenzsteigernd oder –zerstörend sind und in welchem Umfang diese Veränderungen erfolgen. So können geringfügige Veränderungen des Leistungspotenzials einer Prozesstechnologie eine andere in deren Leistungsfähigkeit überfordern und dadurch einen Zusammenbruch des Gesamtsystems nach sich ziehen. Es sind daher auch geringfügige Veränderungen im Leistungspotenzial einzelner Prozesstechnologien auf ihre Wirkungen auf das gesamte beeinflusste Prozesstechnologiesystem hin eingehend zu untersuchen.
x
Da Prozesstechnologiesysteme unternehmensübergreifend zusammenwirken, müssen auch potenzielle Auswirkungen auf Prozesstechnologiesysteme von Kunden, Lieferanten und Lieferanten komplementärer Produkte beachtet werden.674 Besondere Bedeutung erlangt die unternehmensübergreifende Sicht technologischer Veränderungen mit zunehmender Konzentration auf Kernkompetenzen und der daraus resultierenden Zunahme an Schnittstellen mit anderen Unternehmungen. Zentrale Aufgabe des Prozesstechnologiemanagements ist es deshalb, über Unternehmensgrenzen hinweg, technologische Auswirkungen von prozesstechnologischen Gestaltungsmaßnahmen in der Planungsphase zu erfassen, in ihren Wirkungen zu bewerten/beurteilen und in der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen.
Da i. A. kein vollständiges Wissen über Wechselwirkungen zwischen Technologien besteht, können in prozesstechnischen Systemen auch ungeplante Relationen aufgebaut werden, welche sich in nicht erklärbaren Abweichungen vom geplanten Systemverhalten bemerkbar machen.675 Bei der Entwicklung von Prozesstechnologiesystemen ergibt sich als zentrale Planungsaufgabe daher, alle potenziellen Auswirkungen auf unmittelbar und mittelbar gekoppelte Technologien systematisch zu erfassen und deren Wirkungen zu beurteilen.676 Grundsätzlich lassen sich hierbei folgende Wirkungen bei Veränderung einer Prozesstechnologie Ti auf andere Technologien Tk unterscheiden:677 x
x
Ti ist von Tk entkoppelt
x Ti ist mit Tk gekoppelt Trivial ist der Fall bei dem Ti von Tk vollständig entkoppelt ist und Ti Tk in keiner (bekannten) Weise, auch nicht mittelbar über andere Systemrelationen, beeinflusst.678 Tk ist dann als Umsystemelement des Wirkungssystems von Ti zu bezeichnen. Auf der Ebene technischer Systeme kann eine Entkoppelung zwischen prozesstechnologischen Transformationsstufen auch „künstlich“ geschaffen werden (Tx in Abbildung 19). Zwischen zwei Technologien wird
674 675 676 677 678
Vgl. Afuah, A. N., Bahram, N., Hypercube, 1995, S. 53ff. Etwa können mechanisch bewegte Teile Störwirkungen auf elektronische Einrichtungen aufweisen. Vgl. Zotter, K., Modelle, 2003, S. 73ff. Vgl. Benkenstein, M., Modelle, 1989, S. 504 Für ein Beispiel vgl. Chesbrough, H. W., Teece, D. J., Virtuous, 1996, S. 67
154
kritische Leistungsbänder
zu diesem Zweck eine dritte geschaltet, die den Zweck hat, dass Tk, trotz Veränderung in Ti, keine veränderten Schnittstellendaten verarbeiten muss.679 Auf Ebene prozesstechnologischen Wissens können Veränderungen von Ti bei Entkoppelung weder einen zusätzlichen Nutzen in Verbindung mit Tk generieren noch wird das Entfaltungspotenzial von Tk negativ beeinflusst. Zu beachten ist aber auf materieller wie immaterieller Ebene, dass durch weitere Veränderungen im Technologiesystem in der Zukunft durchaus Wechselwirkungen zwischen Ti auf Tk entstehen können.
Tk1(t0) Ti(t1)
Tk1(t1) Tx2(t1)
Ti(t0) Tk2(t0)
t0 … t1 … TX … Ti …. Tk …
Tk2(t1)
Tk2(t1)
Ausgangszustand geplante Veränderung Anpassungstechnologie Technologie, deren Leistungspotenzial gesteigert werden soll gekoppelte, beeinflusste Technologien obere Leistungsgrenze genutztes Leistungsniveau untere Leistungsgrenze
Abbildung 19: Wirkungen von Koppelungen zwischen Technologien in Systemen Werden an einer Technologie Ti Veränderungen vorgenommen, die veränderte Inputs oder Outputs der Technologien Tk nach sich ziehen, so sind grundsätzlich zwei Konsequenzen möglich: x
679
Mit der Veränderung des Leistungspotenzials der Technologien Ti verändern sich regelmäßig die Anforderungen an Tk. Bewegen sich die veränderten Anforderungen innerhalb der von Tk verfügbaren Leistungsgrenzen (Tk1 in Abbildung 19), so kann aus technischer Sicht die Prozesstechnologie Tk auf dem derzeitigen Niveau weiter genutzt werden. Veränderungen ergeben sich dann etwa in der Betriebsweise von Tk. Das bedeutet aber, dass qualitative wie quantitative Veränderungen der Inputs und oft auch der Outputs von Tk auftreten. Das führt zu einer veränderten Bewertung der Techno-
Ein Beispiel für eine solche „Ausgleichstechnologie“ sind Digital-Analog-Wandler. Zwecksetzung dieser Technologie ist, dass beim Wechsel von Anlagenteilen von analoger zu digitaler Technologie die verbleibenden analogen Technologiesysteme mit den Digitalanlagen kommunizieren können.
155
logien Tk bei den Beiträgen zur unternehmerischen Zielerreichung. Weiters sind Wirkungen, die von Tk ausgehen und auf andere Prozesstechnologien einwirken, zu berücksichtigen. Kurzfristig ergibt sich aus technischer Sicht kein Handlungsbedarf für die Technologie Tk. Langfristig reduziert sich die verfügbare Leistungsreserve von Tk und kann damit weitere Entwicklungen behindern. x
4.4
Werden durch Veränderungen bei Prozesstechnologien die Leistungsgrenzen von Tk (Tk2 in Abbildung 19) überbeansprucht, so muss simultan mit einer Veränderung Ti die überbeanspruchte Prozesstechnologie Tk weiterentwickelt bzw. substituiert werden. Kann die Leistungsgrenze der Technologie Tk nicht angehoben werden, so kann daraus eine Verzögerung der Entwicklung von Ti die Folge sein.680 Das strategische Planungssystem als Einflussgröße auf die Entwicklung prozesstechnologischer Systeme
Wesentlichen Einfluss auf die Art und Geschwindigkeit prozesstechnologischer Entwicklungen weist das Planungssystem der Unternehmung auf.681 Planungssysteme konstituieren sich aus den Elementen Planungsträger, Informationsbasis, Prozesse, Planungs- und Kontrollfunktionen, Regelungen, Verfahren und Instrumente zur Entwicklung von Partial- und Gesamtplänen.682 Die Ausprägungen und Relationen dieser Systemelemente beeinflussen die verfolgte Prozesstechnologieposition und die Beschaffungsart von Technologien zu deren Umsetzung. Planungsbasis sind prozesstechnologische und potenzialerschließende Ressourcen der strategischen Managementebene. 4.4.1
Prozesstechnologische und potenzialerschließende Ressourcen der strategischen Planungsebene
Basis jeder Planung sind Informationen. Bei der strategischen prozesstechnologischen Planung ist die Informationsbeschaffung und –verarbeitung ein hochkomplexer Prozess. Die Planungsqualität wird von der Qualität und Quantität der verfügbaren Informationen entscheidend beeinflusst.683 Zunächst sind zur strategischen Planung folgende interne und externe prozesstechnologische Informationen zu erfassen: x
Informationen über die technische Leistungsfähigkeit des verfügbaren Prozesstechnologiesystems (bzw. einzelner Prozesstechnologien). Von Interesse sind neben des unternehmenseigenen auch fremde Prozesstechnologiesysteme, auf die die Unternehmung zugreifen kann.
x
Informationen über technologische Entwicklungspotenziale des verfügbaren Prozesstechnologiesystems (bzw. einzelner Prozesstechnologien). Auch hier sind Informatio-
680 681 682 683
156
Vgl. Henderson, R., Cycles, 1995, S. 640f. Vgl. Zahra, S. A., Das, S. R., Advantage, 1993, S. 98f. Vgl. Wild, J., Unternehmungsplanung, 1982, S. 153ff. Vgl. Wild, J., Unternehmungsplanung, 1982, S. 155f.
nen über unternehmensfremde Systeme von Interesse, sofern sie eigene Entwicklungsbestrebungen beeinflussen bzw. sofern deren Entwicklungen mit Wirkungen auf das eigene System verbunden sind (siehe Abschnitt 5.1.8.1). x
Informationen über verfügbare potenzialerschließende Ressourcensysteme der Unternehmung und deren Entwicklungspotenziale. Bei sehr engen Kunden-LieferantenBeziehungen (etwa in der Automobilindustrie zwischen Zulieferer und Assembler) werden unternehmensfremde potenzialerschließende Ressourcensysteme in diese Betrachtungen einbezogen.
x
Informationen über die technische Leistungsfähigkeit und die Entwicklungspotenziale der Prozesstechnologiesysteme von Kunden, Lieferanten und Produzenten komplementärer Produkte.
x
Informationen über die Leistungsfähigkeit und deren Entwicklungspotenziale konkurrierender Prozesstechnologiesysteme.
x
Informationen über die Entwicklungen von Produkttechnologien.
x Informationen über die externen Verwertungsmöglichkeiten von Prozesstechnologien. Voraussetzung dafür, dass die für eine effektive wie effiziente Entwicklung strategischer Pläne erforderlichen Informationen erfasst und adäquat verarbeitet werden können, ist ein geeignetes prozesstechnologisches wie potenzialerschließendes Ressourcensystem auf strategischer Planungsebene. Es ist ein Informationssystem aufzubauen, durch das gewährleistet wird, dass die zur Planerstellung geeigneten Informationen definiert und diese dann effizient erfasst werden können. Voraussetzung dafür ist prozesstechnologisches Wissen der Planungsträger. Erst wenn dieses in adäquater Weise im Unternehmen (oder bei einem beauftragten Dritten) implementiert ist, kann erkannt werden, welches prozesstechnologische Wissen zur Realisierung angestrebter Technologiepositionen zusätzlich aufgebaut werden muss und welche Informationen zu beschaffen sind. Erst auf einer adäquaten prozesstechnologischen Wissensbasis kann beurteilt werden, ob ein planungsrelevanter Wissenszugewinn durch zusätzliche Informationen erreicht werden kann. Sie ist weiters Voraussetzung, um die technologische Position und Bedeutung neuer bzw. weiterentwickelter Technologien, bei einer potenziellen Integration in das unternehmensspezifische Prozesstechnologiesystem, zu bewerten (bzw. zu beurteilen). Der Planungsträger setzt zur technischen Bewertung (bzw. Beurteilung) von neuem technologischen Wissen dieses in Relation zu seiner bereits vorhandenen (kodifizierbaren wie nicht- kodifizierbaren) Wissensbasis und leitet aus dieser Synthese systematisch aber auch intuitiv potenzielle technologische Wirkungen ab. Es ist daher davon auszugehen, dass mit zunehmender Tiefe der bestehenden prozesstechnologischen Wissensbasis die Qualität der technologischen Bewertung zunimmt. Mit zunehmender Wissensbreite nimmt die Vielfalt bekannter Prozesstechnologien zu, die in ihrer Relevanz für das unternehmerische Prozesstechnologiesystem bewertet werden können.
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Vorhandenes prozesstechnologisches Wissen weist folglich für die Definition künftiger Prozesstechnologiepositionen und die Planung von Entwicklungsmaßnahmen zentrale Bedeutung auf. Defizite in der Wissensbasis können dann dazu führen, dass Entwicklungsoptionen nicht erkannt oder falsch eingeschätzt werden. Das Risiko von Fehlentscheidungen, die zu einer Verfehlung angestrebter Prozesstechnologiepositionen führen, nimmt zu. Auf einer breiteren Wissensbasis nimmt dieses Risiko tendenziell ab. Grund dafür ist, dass rasch und zielgerichtet relevante prozesstechnologische Informationen nachgefragt werden und damit eine fundierte Risikoabschätzung bzw. Risikoreduktion erfolgen kann.684 Für die Wissensbeschaffung ist auch die Kenntnis von Informationsquellen von zentralem Interesse. Bei breitem und tiefem vorhandenen Wissen ist davon auszugehen, dass dieses durch intensive Kontakte mit der „scientific community“ aufgebaut wurde und diese Informationsbeziehungen genutzt werden können, um Wissensdefizite zu schließen.685 Der gesamte Informationsbeschaffungsprozess wird dadurch effektiver und effizienter. Geeignete Lösungen werden schneller erkannt bzw. ungeeignete rascher aus weiteren Betrachtungen ausgeschieden. Lösungen zur Realisation von Prozesstechnologiepositionen können rascher zur Entscheidungsreife gebracht werden. Neben der prozesstechnologischen Wissensbasis bilden potenzialerschließende Ressourcensysteme in Form von Prozessen und Instrumenten zum systematischen Scannen der technologischen Umgebung sowie interner Informationserfassung und –speicherung die Voraussetzung einer effektiven wie effizienten Informationsbeschaffung. 4.4.2
Das Informationssystem des strategischen Prozesstechnologiemanagements
Als Informationssystem kann das unternehmerische Teilsystem zur Bereitstellung zweckorientierten Wissens bezeichnet werden. Die Bereitstellung von Wissen vollzieht sich in Prozessen der Gewinnung, Speicherung, Verarbeitung und Übermittlung von Informationen. Diese Definition stellt auf eine formal geregelte, systematische Informationsversorgung von Planungs- und Entscheidungsträgern ab.686 Prozesstechnologisches wie potenzialerschließendes Wissen von Planungs- und Entscheidungsträgern wird allerdings oftmals auch unsystematisch gewonnen, verarbeitet und übermittelt. Man denke in diesem Zusammenhang an intangible Elemente des strategischen Prozesstechnologiesystems (siehe Abschnitt 2.4.2.1). Planungs- und Entscheidungsträger erhalten und speichern weiters prozesstechnologisch relevante Informationen, ohne dass diese zweckorientiert nachgefragt wurden. Zum Zeitpunkt ihrer Erfassung bzw. Speicherung weisen diese Informationen keine Relevanz für den Informationsempfänger auf. Breite und/oder Tiefe des prozesstechnologischen Wissens nimmt aber bei den einzelnen Individuen zu. Zu einem späteren Zeitpunkt kann auf dieses unsystematisch gewonnene, gespeicherte und verarbeitete 684 685 686
Vgl. Weiber, R., Pohl, A., Nachfrageverschiebung, 1996, S. 678ff. Vgl. Schneider, U., Wissensmanagement, 2001, S. 78ff. Vgl. Küpper, H.-U., Controlling, 1994, S. 872ff.
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Wissen zurückgegriffen werden und so die Effizienz und Effektivität der Systementwicklung positiv beeinflussen. Unternehmerische Prozesstechnologiesysteme wie auch die zu deren Erschließung erforderlichen Ressourcensysteme stellen keine statischen Konstrukte dar, sondern verändern sich in ihren Leistungsmerkmalen permanent. Systemverändernde Aktivitäten erfolgen x
strategisch, systematisch geplant und
x operativ, aus momentanen Erfordernissen und Erkenntnissen resultierend. Im Zentrum der Darstellungen dieser Arbeit stehen strategisch, systematische Entwicklungen prozesstechnologischer und potenzialerschließender Ressourcensysteme und die Faktoren, die diese beeinflussen. Basis strategischer, prozesstechnologischer Planungen und Entscheidungen sind unternehmensinterne wie -externe Informationen.687 4.4.2.1 Grundsätzliche Probleme der Informationsbeschaffung des strategischen Prozesstechnologiemanagements Basis strategischer, prozesstechnologischer Planungen und Entscheidungen sind unternehmensinterne wie -externe Informationen.688 Nach der Eignung zur Lösung von Planungsund Entscheidungsproblemen beizutragen, wird zwischen problemrelevanten und für die Problemlösung irrelevanten Informationen unterschieden. Problemrelevante Informationen können inhaltlich als zweckorientiertes Wissen definiert werden. Zweckorientiertes Wissen liefert Nutzensbeiträge zur Lösung strategischer prozesstechnologischer Planungs- und Entscheidungsprobleme. Der Nutzen besteht hierbei aus dem durch eine Information zusätzlich realisierten Zielerfüllungsgrad der Planung bzw. Entscheidung.689 Der Planungs- bzw. Entscheidungsträger besitzt zu jedem Zeitpunkt des Problemlösungsprozesses einen Überblick über prozesstechnologisches und potenzialerschließendes Wissen, dem er subjektiv zweckorientierte Nutzensbeiträge zur Problembewältigung unterstellt. Dieses Wissen kann dem Planungsträger bereits verfügbar sein oder er weis, dass er dieses benötigt. Nicht das gesamte Wissen, dem Nutzensbeiträge zur Zielerreichung zugeschrieben wird, erbringt diese auch wie erwartet. Welches Wissen tatsächlich Nutzenbeiträge erbrachte (und damit problemrelevant ist) kann nur ex post festgestellt werden. Deduktive Methoden der Informationsgewinnung zielen darauf ab, ein als problemrelevant eingestuftes Informationsdefizit zu beseitigen. Ein mehr oder weniger großer Anteil an zweckorientiertem Wissen ist dem Planungsbzw. Entscheidungsträger (unabhängig vom Problemlösungsfortschritt) aber unbekannt. Das gilt grundsätzlich auch für den Zeitpunkt, mit dem die Planung abgeschlossen bzw. die Ent687
688
689
Vgl. Koch, A., Technologiebilanz, 2004, S. 181ff.; Bürgel, H. D., Ackel-Zakour, R., Zeller, A., Technologiefrühaufklärung, 2000, S. 277ff.; Zum Suchverhalten von Unternehmen bzgl. technologischer Sachverhalte vgl. Weiru, C., Determinants, 2003 Vgl. Koch, A., Technologiebilanz, 2004, S. 181ff.; Bürgel, H. D., Ackel-Zakour, R., Zeller, A., Technologiefrühaufklärung, 2000, S. 277ff.; Zum Suchverhalten von Unternehmen bzgl. technologischer Sachverhalte vgl. Weiru, C., Determinants, 2003 Vgl. Strebel, H., Rechnungswesen, 1980, S. 281f.
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scheidung gefällt wurde. Auch hier wird Wissen existieren, dass zwar Zusatznutzen zur Problemlösung gebracht hätte, jedoch als solches während der Planung bzw. Entscheidungsvorbereitung nicht identifiziert wurde.690 Der Anteil an unbekanntem zweckorientiertem Wissen ist von der Neuartigkeit der Problemstellung abhängig. Je weniger über die Verhaltensweisen eines Systems (etwa bei technologisch neuartigen Prozesstechnologiesystemen) bekannt ist, umso größer wird der Anteil an zweckorientiertem Wissen sein, das zur Problemlösung nicht nachgefragt wird. Dem Planungs- bzw. Entscheidungsträger ist nicht bekannt, dass es dieses Wissen gibt oder er schätzt ihm bekanntes Wissen in seiner Bedeutung zur Problemlösung fälschlich als irrelevant ein. Welches Wissen der Planungs- bzw. Entscheidungsträger subjektiv als relevant bzw. irrelevant einschätzt, ist unter anderem vom Problemlösungsfortschritt abhängig. Mit zunehmendem Erkenntnisgewinn über ein Problem, nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, zweckorientiertes Wissen auch als solches zu erkennen. Grund dafür ist die Zunahme an problemspezifischem technologischem Wissen (siehe Abschnitt 6.2.1). Gerade im technologischen Umfeld sind deduktive Methoden der Information alleine nicht zielführend. Induktive Methoden der Informationsgewinnung müssen damit Anwendung finden. Bei diesen werden interne wie externe Informationsquellen daraufhin untersucht, welche Informationen sie grundsätzlich bereitstellen können. Die fortgesetzte Beschäftigung mit prozesstechnologischen Problemstellungen und deren Umfeld führt dazu, dass der Planungs- bzw. Entscheidungsträger mit einer Vielzahl an Technologien in Berührung kommt. Ob er diese bewusst wahrnimmt, ist vom vorhandenen, kumulierten technologischen Wissen abhängig. Mit zunehmendem Wissen nimmt die Wahrnehmung von bisher unbekannten Technologien zu. Fehlt die technologische Wissensbasis, ist dem Planungsträger oft nicht bewusst, dass er einer neuen Technologie (etwa bei Messen in Form von prozesstechnischen Systemen) gegenübersteht. Einer wahrgenommenen Prozesstechnologie wird vom Planungsträger ein gewisses Potenzial zur Problemlösung unterstellt. Für eine eventuelle Erprobung der Technologie wird weiters das Risiko eines Fehlschlages und die daraus resultierenden Konsequenzen abgeschätzt. Wird das Potenzial zur Problemlösung beizutragen ausreichend hoch eingeschätzt und das zu tragende Risiko akzeptiert, so wird die Technologie einer Erprobung unterzogen. Die Erprobung auf Eignung einer Technologie, gewünschte Funktionen zu erfüllen, ist von trial und error Lernprozessen dominiert. Die zu erprobenden Technologien werden auf deren technische Eignung hin überprüft bzw. weiterentwickelt. Erweist sich die Technologie als ungeeignet, Funktionalitäten adäquat zu realisieren, so wird sie als irrelevant verworfen und eine andere Technologie an deren Stelle erprobt.691 Welche Informationen in welcher Qualität dem Planungs- bzw. Entscheidungsträger zur Lösung seiner Problemstellung zur Verfügung 690 691
Vgl. Strebel, H., Rechnungswesen, 1980, S. 289f. Brockoff weist in diesem Zusammenhang auf Serendipitätseffekte hin. So können Technologien, die für die intendierte Funktionalität ungeeignet sind Leistungspotenziale aufweisen, die für andere Nutzungen geeignet sind. Vgl. Brockhoff, K., Forschung, 1999, S. 35f.
160
stehen, hängt von der Konzeption des unternehmensintern wie -extern orientierten prozesstechnologischen Informationssystems ab. 4.4.2.2 Das unternehmensintern orientierte prozesstechnologische Informationssystem Die zentrale Bedeutung des unternehmensinternen prozesstechnologischen Informationssystems liegt in der Sammlung, Auswertung und Interpretation prozesstechnologisch relevanter Daten und deren adäquaten Kommunikation an hierarchisch übergeordnete Stellen (etwa zur Anpassung der Unternehmensstrategie; siehe Abschnitt 3.4). Diese Aufgabe übernimmt das Middle-Management.692 Schließlich ist auch die Analyse und Interpretation prozesstechnologischer Daten als Basis zur Effizienzsteigerung auf hierarchisch untergeordneter Ebene Aufgabe des Middle-Managements.693 Weitere Aufgabe auf dieser Ebene ist die funktionalbereichsübergreifende Information. Sie ist Basis der Koordinationsaufgaben der einzelnen Bereiche. Unternehmensintern sind für strategische prozesstechnologische Planungsaktivitäten folgende Informationen von Bedeutung: x
Vorgaben aus der Unternehmenspolitik sowie der Unternehmensstrategie
x
Ausprägungen der verfolgten Strategien anderer Funktionalbereiche
Status quo und Entwicklung des prozesstechnologischen sowie potenzialerschließenden Systems der Unternehmung694 Vorgaben aus der Unternehmenspolitik und –strategie werden i. A. in schriftlicher Form als Arbeitsaufgabe an das Prozesstechnologiemanagement kommuniziert. Das strategische Prozesstechnologiemanagement ist hier als Regelstrecke des unternehmensstrategischen Managementsystems aufzufassen. Die Entwicklung prozesstechnologischer wie potenzialerschließender Ressourcensysteme muss abgestimmt mit der Ressourcenentwicklung anderer Funktionalbereiche erfolgen. Zwecksetzung von Kommunikationsbeziehungen auf funktionalbereichsstrategischer Ebene ist eine koordinierte Ressourcenentwicklung, um so dem ökonomischem Rationalprinzip entsprechend angestrebte Zielsetzungen unter minimalen Ressourceneinsatz zu realisieren. Bereichsübergreifende Abstimmungen sind unabdingbare Voraussetzung dafür, dass unternehmerische Ressourcen effizient bzw. effektiv kombiniert werden können. Eine koordinierte Ressourcenentwicklung ist schon aus dem Grund unumgänglich, da zwischen Funktionalbereichen Überlappungen in der Ressourcenausstattung bestehen.695 Die Kommunikation relevanter Informationen zur strategischen prozesstechnologischen Planung erfolgt zwischen den Funktionalbereichen zumeist formalisiert auf Anfrage des Planers. Aber auch ohne konkrete Bedarfe können prozesstechnologisch relevante Informationen x
692 693 694 695
Vgl. Christensen, C. M., Bower, J. L., Customer, 1996, S. 199 Vgl. Floyd, S. W., Wooldridge, B., Dinosaurs, 1993, S. 49ff. Siehe dazu die Möglichkeiten zur unternehmensinternen Institutionalisierung von Technologiebilanzen. Vgl. Koch, A., Technologiebilanz, 2004, S. 188ff. Vgl. Gluck, F. W., Kaufmann, S. P., Walleck, A. S., Wettbewerbsvorsprung, 1981, S. 57
161
von anderen Funktionalbereichen der prozesstechnologischen Planung zur Verfügung gestellt werden. Das setzt voraus, dass ein gegenseitiges Verständnis darüber besteht, welche Informationen für den jeweils anderen Bereich von Relevanz sein könnten. Das operativ genutzte prozesstechnologische System stellt die Regelstrecke des strategischen Prozesstechnologiemanagements dar. Für die Regelung sind kontinuierlich regelungsrelevante Informationen über Leistungsmerkmale prozesstechnologischer wie potenzialerschließender Ressourcen zu generieren. Sofern diese Informationen durch Schulungen erworbenes prozesstechnologisches Wissen beinhalten, lassen sich diese Daten in entsprechenden Anlagen- bzw. Schulungsverzeichnissen systematisch einfach erfassen und bei Bedarf abfragen. Die Informationsquellen sind für prozesstechnologische Planungsaktivitäten aber nur sehr eingeschränkt geeignet. Sie geben zumeist nur rudimentäre Auskunft darüber, welche Leistungsmerkmale prozesstechnologische Ressourcen tatsächlich aufweisen. Grund dafür ist, dass eine vollständige Aufzeichnung prozesstechnologischer Leistungsmerkmale in ihrer Vielfalt mit hohem Aufwand verbunden wäre und damit unterbleibt. Weiters ist darauf zu verweisen, dass oftmals Leistungsmerkmale gar nicht kommunizierbar sind (siehe Abschnitt 2.4.2.1). Mitarbeiter, die prozesstechnologische Systeme nutzen, ziehen aus deren konkreten Anwendung - unter problemspezifischen Bedingungen - Erkenntnisse. Damit wird prozesstechnologisches wie potenzialerschließendes Wissen erworben und akkumuliert, welches bei künftigen Problemstellungen eingesetzt werden kann. Kodifiziert wird dieses subjektiv neue Wissen zumeist nicht. Dies weil es teilweise nicht-kodifizierbar ist oder als Expertenwissen nicht explizit nachgefragt wird, und die Kodifizierung aus diesem Grund unterbleibt.696 Der systemnutzende Mitarbeiter baut über die Zeit individuelles, prozessspezifisches Wissen auf und kann das vorhandene Systempotenzial in immer größerem Umfang (qualitativ wie quantitativ) ausschöpfen. Die Nutzung des bestehenden Prozesstechnologiesystems verändert sich über die Zeit; sie wird effizienter in der Ausschöpfung vorhandener Leistungsmerkmale.697 Erkenntnisse aus der Systemnutzung können sich auch auf problemspezifische Defizite in bestehenden Leistungsmerkmalen von Prozesstechnologiesystemen beziehen. Zum Teil werden diese Leistungsdefizite durch die Funktionalbereiche auf operativer Planungsebene selbständig beseitigt. Das erfolgt etwa durch auftragsspezifische Vorrichtungen, Zu- und Umbauten bzw. Schulungen, Akquisition prozesstechnologischen Wissens etc. Ob und in welchem Ausmaß auf operativer Ebene gestaltend auf das Prozesstechnologiesystem und potenzialerschließende Ressourcensystem eingewirkt wird, hängt von den Randbedingungen, die ein autonomes Handeln des Funktionalbereiches ermöglichen (fördern bzw. hemmen), ab. Voraussetzung für diesen Lernprozess ist, dass anspruchsvolle Aufträge an Mitarbeiter ergehen und damit Anreize (Leidensdruck) zu eigenständigen (in Teams erarbeite-
696 697
162
Oft ist Mitarbeitern auch nicht bewusst, dass gewonnene Erkenntnisse für andere Funktionalbereiche von Bedeutung sind. Vgl. Hayes, R. H., Revers, 1985, S. 116 Vgl. Beal, K., Logistics, 1988, S. 353; Riebel, P., Umgestaltung, 1964, S. 228f.
ten) Problemlösungen geschaffen werden.698 Das Dilemma, welches sich hier ergibt, ist, dass der Funktionalbereich, der entsprechende Aufträge erarbeiten kann - die Produktentwicklung gegenüber der Produktion; das Marketing gegenüber der Produktentwicklung etc. - oft keinen adäquaten Überblick über die prozesstechnologischen Möglichkeiten des ausführenden Bereiches aufweist. Das prozesstechnologische Leistungspotenzial wird folglich, aufgrund mangelnden Wissens über seine Dimensionen, nicht ausgeschöpft. Damit bestehen für Mitarbeiter auch keine Anreize bei der Nutzung des prozesstechnologischen Systems dessen verfügbare Leistungsmerkmale auszuloten. Es ist dann davon auszugehen, dass das vorhandene prozesstechnologische Leistungspotenziale anhaltend nicht ausgeschöpft und aus ökonomischer Sicht (ohne das dies Unternehmungen bewusst ist) prozesstechnologische Überkapazitäten gehalten werden. Eine enge Zusammenarbeit der Funktionalbereiche kann über Kommunikation prozesstechnologischer Angebote und Bedarfe solche Anreizwirkungen entfalten, die eine zunehmend extensive Nutzung induziert. Die Gestaltung von Rahmenbedingungen (potenzialerschließenden Ressourcen), die ein solches Verhalten fördern, ist Aufgabe des strategischen Prozesstechnologiemanagements. Solche Rahmenbedingungen können aufgrund ihrer Wirkungen auf die Nutzung von Prozesstechnologiesystemen zu anhaltenden Wettbewerbsvorteilen von Unternehmungen führen.699 Systematisch erfasste Daten, die über die Leistungsfähigkeit prozesstechnologischer wie potenzialerschließender Ressourcen Auskunft geben könnten, sind in Unternehmen häufig nicht vorhanden. Oft werden lediglich negative Abweichungen von Zielsetzungen in Qualitätsberichten, Berichten im Rahmen eines Qualitäts- oder Umweltaudits etc. festgehalten. Leistungszuwächse durch individuelle bzw. bereichsbezogene Lernprozesse werden kaum systematisch gewonnen; oft schon weil den Mitarbeitern nicht bewusst ist, etwas Neues gelernt zu haben. Zur Ausschöpfung vorhandener Leistungsmerkmale aber auch zur strategischen Entwicklung prozesstechnologischer wie ressourcenerschließender Systeme ist damit ein Informationssystem aufzubauen, das in regelmäßigen Abständen die Leistungsfähigkeit der Ressourcen systematisch sammelt und für weitere Planungsaktivitäten adäquat aufbereitet. Eine Möglichkeit, Leistungsmerkmale systematisch zu erfassen, sind „Audits“, in denen charakteristische Leistungsmerkmale von Ressourcen bzw. Ressourcenkombinationen in deren Ausprägungen ermittelt werden. Diese „Audits“ sind als wechselseitiger Lernprozess zu verstehen. Die übergeordnete Planungsebene soll sich Wissen darüber aneignen, welche Leistungsmerkmale verfügbar sind und in welchem Ausmaß diese genutzt werden. Der systemnutzende Mitarbeiter soll andererseits durch konkrete Anforderungen angehalten werden, sein Wissen bzw. die bediente Prozesstechnik in größerem Ausmaß auszuschöpfen. Aus prozesstechnologischer Perspektive können solche Anforderungen in verschärften Qualitätsstandards, veränderten Produkten, die durch den Mitarbeiter zu erstellen sind, etc. bestehen. Wildemann schlägt weiters vor, dass durch kleine Losgrößen Mitarbeiter lernen sollen, die genutzten Pro698 699
Vgl. Wildemann, H., Reorganisationsgeschwindigkeit, 1995, S. 8ff. Vgl. Zahn, E., Nowak, M., Schön, M., Strategien, 2005, S. 86f.
163
zesstechniken rasch an veränderte Anforderungen anzupassen, um so die Systemflexibilität zu steigern.700 Potenzialerschließende Anforderungen können sich auf die teamorientierte Überleitung von neuen Produkten in die Fertigung beziehen. Auf keinen Fall sollen diese „Audits“ als unsystematische Befragungen von Wissensträgern durchgeführt werden. Eine zielorientierte Erfassung relevanter Leistungsmerkmalsausprägungen ist so nicht möglich. 4.4.2.3 Das unternehmensextern orientierte prozesstechnologische Informationssystem Planungs- und entscheidungsrelevante Informationen aus der Unternehmensumgebung sind vor allem rechtlicher und technologischer Natur. Aus prozesstechnologischer Sicht weisen zunächst Informationen über die Entwicklung der relevanten technologischen Umgebung zentrale Bedeutung auf. Sie bilden die Basis für die Planung von Prozesstechnologiepositionen, den dazu einzusetzenden Prozesstechnologien sowie die Art der Beschaffung. Entsprechend ist ein effizientes Informationssystem zur Verfolgung gegenwärtiger und künftiger prozesstechnologischer Entwicklungen (Technologische Vorhersagen, Technological Forecasting) aufzubauen. Um eine effiziente und effektive Anpassung der Unternehmung zu ermöglichen, sind Informationen über prozesstechnologische Entwicklungen möglichst frühzeitig (auf Basis „schwacher Signale“) zu erfassen und in ihrer künftigen Bedeutung für die Unternehmung zu beurteilen.701 Dazu ist die Entwicklung eines sensiblen Informationssystems erforderlich, welches möglichst gesichert unternehmensrelevante Entwicklungen der Technologieumgebung erfassen und adäquat verwerten kann. Eine entscheidende Eigenschaft des Informationssystems ist in diesem Zusammenhang die Eignung (Fähigkeit), frühzeitig meist schwache Signale von Veränderungen wahrzunehmen (Wahrnehmungsgeschwindigkeit) und ihre Relevanz für die Unternehmung richtig einzuschätzen (Wahrnehmungsgenauigkeit).702 Vor allem in Branchen, die durch häufige Produkt- und Prozesstechnologieveränderungen (turbulente Technologieentwicklungen) gekennzeichnet sind, müssen erhebliche Ressourceneinsätze zur adäquaten Informationsversorgung getätigt werden.703 Zu betonen ist, dass auch bei stabiler technologischer Umgebung Substitute sehr rasch bestehende Prozesstechnologien verdrängen können. Damit ist auch bei stabilen Entwicklungen der prozesstechnologischen Umgebung ein Informationssystem zur Verfolgung der generellen technologischen Umgebung aufzubauen, um von Technologiesprüngen bzw. -wechseln nicht überrascht zu werden, sondern relativ zu Konkurrenten Informationsvorsprünge zu generieren.704 Zielsetzung ist es, 700 701
702 703 704
164
Vgl. Wildemann, H., Reorganisationsgeschwindigkeit, 1995, S. 9f. Für einen Überblick über Instrumente der technologischen Vorhersage vgl. Bullinger, H.-J., Technologiemanagement, 1994, S 169ff. Specht, Mieke und Behrens betonen, dass durch frühzeitige Bereitstellung von Informationen über künftige Technologien strategische Flexibilität aufgebaut und durch ein TechnologieControlling umgesetzt werden kann. Vgl. Specht, D., Mieke, C., Behrens, S., Flexibilitätspotenziale, 2005, S. 297ff.; Specht, G., Beckmann, C., Amelingmeyer, J., F&E-Management, 2002, S. 77ff.; Bürgel, H. D., Ackel-Zakour, R., Zeller, A., Technologiefrühaufklärung, 2000, S. 270ff. Vgl. Zahn, E., Nowak, M., Schön, M., Strategien, 2005, S. 88f. Vgl. Brockhoff, K., Competitor, 1991, S. 92ff.; Gerybadze, A., Vorhersagen, 1989, S. 2027ff. Durchbrüche bei Produkt- wie Prozesstechnologien sind vor allem auf individuelle Einzellösungen zurückzuführen und damit generell überraschend. Es stellt sich hier lediglich die Frage, wie schnell adäquate In-
Chancen und Risiken, die sich aus prozesstechnologischen Entwicklungen ergeben können, frühzeitig zu erfassen, um diese in entsprechenden Strategien antizipativ zu berücksichtigen. Zwecksetzung ist es, dadurch Handlungsfreiräume zu gewährleisten und damit die strategische Flexibilität des Prozesstechnologiesystems möglichst hoch zu halten (siehe Abschnitt 6.3). Von Interesse sind dabei Aussagen über x
die Zeiträume, in denen neue bzw. weiterentwickelte Prozesstechnologien verfügbar sein werden,
x
die Ausprägung wettbewerbsrelevanter Leistungsmerkmale sowie
die Akzeptanz durch potenzielle Nutzer und andere Betroffenen (etwa die Gesellschaft bzgl. Emissionen in die natürliche Umwelt) der Prozesstechnologie und damit auch die Bedeutung als Wettbewerbsfaktor.705 Ansatzpunkt der externen Informationsbeschaffung ist, dass Technologien sich häufig in folgender typischen Sequenz entwickeln: x
x
theoretischer Ansatz
x
wissenschaftliche Befunde
x
Anwendung der Technologie im Labor
x
Prototypen
x kommerzielle Nutzung.706 Wie lange die einzelnen Phasen dauern und welche Ergebnisse in ihnen erzielt werden, ist Gegenstand intensiver Forschungsanstrengungen, kann heute aber noch als grundsätzlich ungelöstes Problem betrachtet werden.707 Die erarbeiteten Modelle weisen jedoch für die praktische Anwendung durch Unternehmungen (noch) kaum Relevanz auf. Zwecksetzung einer systematischen Beobachtung der prozesstechnologischen Umgebung durch Unternehmungen ist es, neue Trends frühzeitig zu erkennen und die Gefahr zu minimieren, auf Basis von Informationsdefiziten Fehlinvestitionen zu tätigen.708 Die Beobachtungen sind Grundlage für Prognosen über die weiteren prozesstechnologischen Entwicklungen. Stets sind diese Prognosen aber mit Unsicherheit behaftet.
705 706
707
708
formationen über Durchbrüche durch Unternehmungen beschafft werden können. Vgl. Tushman, M. L., Anderson, P., Discontinuities, 1986, S. 440f. Vgl. Gerpott, T. J., Innovationsmanagement, 2005, S. 108ff. Vgl. Martino, J. P., Forecasting, 2003, S. 720; Eine ähnliche zeitliche Struktur schlägt Arthur D. Little in ihrem Technologielebenszyklus-Konzept vor. Ein weiteres, häufig zitiertes Modell stellt das S-KurvenKonzept dar. Siehe dazu etwa die Kritik am S- Kurven-Konzept durch Gerpott, T. J., Innovationsmanagement, 2005, S. 116ff. Siehe dazu die Vielzahl an einschlägigen Veröffentlichungen. Für einen Überblick über die Forschungstätigkeit vgl. Martino, J. P., Forecasting, 2003; Gerpott, T. J., Innovationsmanagement, 2005, S. 101ff.; Brockhoff, K., Forschung, 1999, S. 190f.; Freeman, C., Networks, 1991, S. 511 Vgl. Geschka, H., Technologiefrühaufklärung, 1995, S. 624ff.
165
4.4.2.3.1 Externe Informationsquellen Unternehmungen steht grundsätzlich eine Vielzahl an externen Quellen zur Informationsgewinnung zur Verfügung. Sie unterscheiden sich nach Qualität, zeitlicher Relevanz und Verfügbarkeit erheblich. Zunächst können Experten auf relevanten prozesstechnologischen Feldern als Informationsquellen genutzt werden. Experten weisen fundiertes Insiderwissen bezüglich betrachteter Technologien auf. Sie arbeiten an spezifischen F&E-Projekten (Mitarbeiter an technischen Universitäten oder anderen Forschungseinrichtungen), erstellen technologiebezogene Gutachten oder sind redaktionell bei einschlägigen Fachzeitschriften tätig.709 Das Wissen solcher Experten ist i. A. von hoher Qualität und zeitlicher Relevanz. Zumeist haben sie Einblicke in sehr frühe Stadien prozesstechnologischer Entwicklungen und können diese fundiert in einen Konnex zu potenziellen industriellen Anwendungen setzen. Da sie sich in der Vergangenheit eingehend mit spezifischen Kern-Prozesstechnologien, erforderlichen Enabling-Technologien aber auch potenziellen Substituten beschäftigten, können fundierte Informationen über zukünftig zu erwartende Entwicklungstrends und potenzielle Technologiesprünge gewonnen werden. Anzumerken ist, dass auch diese Prognosen mit Unsicherheiten verbunden sind. Das Risiko möglicher Fehleinschätzungen ist jedoch gegenüber solchen auf Basis spärlicher spezifischer Kenntnisse bedeutend geringer einzuschätzen. Ein Problem ist u. U. der Zugriff auf entsprechende wenige Experten. So können diese evtl. vertraglich zum Stillschweigen über bestimmte Technologien verpflichtet sein. Weitere externe Quellen prozesstechnologischer Entwicklungen sind Kunden, Lieferanten, Konkurrenten und branchenfremde Unternehmungen. Über persönliche und organisierte Netzwerke können mittels Mitarbeiterkontakte prozesstechnologische Informationen erfasst werden. Schnell und einfach kann auf veröffentlichte Literatur und Patente als prozesstechnologische Informationsquellen zugegriffen werden. Gedruckte oder elektronisch veröffentlichte Informationen sind i. A. leicht zugänglich, richten sich jedoch zumeist an eine breite Leserschaft, sodass Informationen oft unspezifisch bleiben und damit nur bedingt aussagefähig sind. Die Informationen können aber genutzt werden, um rasch spezifische Experten ausfindig zu machen. Außerdem können Veröffentlichungen zur Schaffung eines ersten groben Überblicks über technologische Entwicklungen herangezogen werden. Nachteilig bei der Nutzung dieser Informationsquelle ist, dass zum Zeitpunkt der Veröffentlichungen die Inhalte zumeist schon veraltert sind. Patentrecherchen sind eine weitere Möglichkeit auf Basis einer breiten Informationsbasis rasch einen Überblick über Prozesstechnologien und deren Entwicklung zu erhalten. Geeignet sind Patentanalysen als Grundlageninformationen. Die Informationen bedürfen jedoch jedenfalls einer Interpretation durch Experten. Voraussetzung einer effektiven wie effizienten Ausschöpfung externer Informationsquellen ist ein fundiertes prozesstechnologisches Wissen der datenerhebenden Mitarbeiter (siehe 709
166
Gerybadze, A., Vorhersagen, 1989, S. 2031f.; Geschka, H., Technologiefrühaufklärung, 1995, S. 631f.
Abschnitt 6.2.1). Daneben ist auch Wissen über die Anwendung von Erhebungsinstrumenten unabdingbar.710 Bei Instrumenten, die auf Basis der Kommunikation mit bzw. zwischen Experten erfolgen, sind etwa entsprechende Methoden zur Gesprächsführung notwendig. 4.4.2.3.2 Informationen über prozesstechnologische Konkurrenten Prozesstechnologische Entwicklungen der generellen Umgebung weisen vor allem dann Relevanz für Unternehmungen auf, wenn zu erwarten ist, dass Konkurrenten durch Übernahme von neuen bzw. weiterentwickelten Technologien relative Wettbewerbsvorteile generieren könnten.711 Unter prozesstechnologischen Konkurrenten sind demnach Unternehmungen zu verstehen, von denen potenziell zu erwarten ist, dass sie künftig neue bzw. weiterentwickelte Prozesstechnologien beherrschen, die zu relativen Wettbewerbsnachteilen der eigenen Unternehmung führen können.712 Die Informationsbeschaffung konzentriert sich hier auf konkrete Unternehmungen; die allgemeine technologische Umgebung ist von sekundärer Bedeutung. Beobachtungsobjekte sind direkte, indirekte sowie potenzielle Konkurrenten.713 Während die Aktivitäten direkter Konkurrenten oftmals unter permanenter Beobachtung stehen, ist die Erfassung relevanter prozesstechnologischer Entwicklungen bei indirekten und potenziellen Konkurrenten problematischer. Indirekte und potenzielle Konkurrenten sind i. A. nicht ständige Beobachtungsobjekte von Unternehmungen. Besonders bei Entwicklungen potenzieller Konkurrenten besteht bei den meisten Unternehmungen ein blinder Fleck. Das gilt verschärft für potenzielle Wettbewerber, die aus anderen Branchen heraus die Wettbewerbsposition von Unternehmungen angreifen.714 Auch neu auf den Markt tretende Unternehmungen, deren technologische Basis sich von der „branchenetablierten“ unterscheidet, werden oft nicht bzw. in ihrer Bedeutung zu spät erkannt, weil sie als potenzielle Konkurrenten nicht wahrgenommen werden.715 Zielsetzung der systematischen Informationsbeschaffung und –auswertung der Aktivitäten von Konkurrenten ist es, prozesstechnologische Entwicklung, die eine potenzielle Bedrohung darstellen, ausfindig zu machen.716 Wird diese Managementaufgabe vernachlässigt, können Konkurrenten mit Anlauf verbesserter Produktionssysteme innerhalb kurzer Zeit eine dominante Marktposition einnehmen und andere Unternehmungen vollständig verdrängen. Zielsetzung der technologischen Konkurrenzanalyse und -prognose ist es daher, vorrangig das 710 711 712 713 714
715 716
Geschka unterscheidet hierbei zwischen Methoden zur Erfassung von Expertenwissen, der Umfeldbeobachtung, der Literatur- und Patentanalyse. Vgl. Geschka, H., Technologiefrühaufklärung, 1995, S. 630ff. Vgl. Lange, V. C., Konkurrenzanalyse, 1994, S. 4ff. Vgl. Gerpott, T. J., Innovationsmanagement, 2005, S. 135ff.; Brockhoff, K., Competitor, 1991, S. 91 Indirekte Konkurrenten decken ähnliche Kundenbedürfnisse durch andere Technologien als die eigene Unternehmung ab. Vgl. Lange, V. C., Konkurrenzanalyse, 1994, S. 32ff. und 61ff. Vgl. Müller, T., Zukunftstechnologien, 1985, S. 177; Gerade branchenfremde Unternehmungen werden aber von Unternehmungen oft nicht hinsichtlich technologisch relevanter Entwicklungen betrachtet. Vgl. Brockhoff, K., Innovationsmanagement, 2000, S. 28ff.; Zur Bedeutung branchenfremder Entwicklungen vgl. Cooper, A., Schendel, D., Strategic, 1976, S. 63 Vgl. Römer, E., Konkurrenzforschung, 1988, S. 490f. Lange stellt dar, dass es ein im Wesentlichen vom Grad der Umgebungsturbulenz abhängiges Optimum der Informationsaktivitäten gibt. Vgl. Lange, V. C., Konkurrenzanalyse, 1994, S. 192ff.
167
Risiko, durch unbemerkte prozesstechnologische Entwicklungen Wettbewerbsnachteile zu erleiden, möglichst niedrig zu halten, um so zeitliche Reaktionspuffer zu schaffen.717 Werden Entwicklungen der Konkurrenz rechtzeitig erkannt, kann die Prozesstechnologiestrategie der eigenen Unternehmungen in adäquater Weise neu ausgerichtet werden und steht nicht unter dem Zwang, rasch reaktiv auf aktuelle prozesstechnologische Bedrohungen reagieren zu müssen oder Marktpositionen aufzugeben. Die strategische Handlungsflexibilität des eigenen Prozesstechnologiemanagements bleibt so erhalten.718 Es geht hierbei, dem Ressourcenansatz folgend, nicht um den Versuch, im Sinne eines „best-practies“ Prozesstechnologiesysteme von Konkurrenten zu imitieren und so eine Parität in der Wettbewerbswirkung von Ressourcensystemen zu erzielen. Letztlich sollen auch durch Konkurrenzanalysen Wettbewerbsvorteile auf Basis einzigartiger Ressourcensysteme realisiert werden.719 Auch wenn prozesstechnologische Entwicklungen von Konkurrenten keine Bedrohung darstellen, können gewonnene Informationen eine Anregungsfunktion in der Weise erfüllen, dass Chancen alternativer Technologieansätze für die Unternehmung erkannt werden können. Generell nimmt damit die Breite des im Unternehmen verfügbaren prozesstechnologischen Wissens zu. Voraussetzung für die systematische Erfassung prozesstechnologischer Entwicklungen bei Kunden sind Informationsquellen, die erschlossen werden können. Grundsätzlich steht eine Vielzahl an Informationsquellen zur Verfügung.720 Zunächst können Mitarbeiter von (potenziellen) Konkurrenzunternehmungen als Informationsquellen genutzt werden. So sind bestimmte Branchen etwa durch hohe Personalmobilität gekennzeichnet, die zum Wissenstransfer genutzt werden kann. Weiters bestehen zwischen technischen Mitarbeitern oft unternehmensübergreifende, informelle Netzwerke bzw. es werden Informationen über Expertentreffen ausgetauscht. Auch Lieferanten von Inputfaktoren und Kunden können wichtige Informationsquellen sein. Abschließend sind auch gezielte Spionageaktivitäten als Instrument zur Informationsbeschaffung zu nennen. 4.4.2.3.3 Informationsverarbeitung Die gewonnenen Informationen sind in ihrer Bedeutung für unternehmenspolitische Zielsetzungen hin zu untersuchen. Auf Basis externer Informationen können dann Chancen und Risiken durch neue bzw. weiterentwickelte Prozesstechnologien abgeleitet werden. Aus diesen Erkenntnissen sind in einem weiteren Schritt Entwicklungsoptionen zur Realisation von Prozesstechnologiepositionen sowie die zu wählenden Beschaffungsarten ableitbar. Potenziel-
717 718 719 720
168
Vgl. Brockhoff, K., Competitor, 1991, S. 96f.; Römer, E., Konkurrenzforschung, 1988, S. 481ff.; Porter, M. E., Wettbewerbsstrategie, 1999, S. 86ff. Vgl. Bürgel, H. D., Zeller, A., Haller, C., Hemmnisse, 1996, S. 26 Vgl. Schroeder, R. G., Bates, K. A., Junttila, M. A., manufacturing, 2002, S. 107 Vgl. Lange, V. C., Konkurrenzanalyse, 1994, S. 72, 122ff. und 137ff.; Mansfield, E., Technology, 1985, S. 221f.; Brockhoff, K., Innovationsmanagement, 2000, S. 30ff.; Brockhoff, K., Competitor, 1991, S. 96ff.
le Entwicklungsoptionen und Beschaffungsarten sind in deren Beiträgen zur Erreichung unternehmenspolitischer Zielsetzungen zu bewerten (bzw. beurteilen). Die Bewertung (Beurteilung) prozesstechnologischer Entwicklungsoptionen muss, da mehrdimensionale Zielsysteme vorliegen, auf Basis mehrdimensionaler, qualitativer oder semi-quantitativer Bewertungs- bzw. Beurteilungsverfahren erfolgen.721 Aus prozesstechnologischen Informationen kann aber auch die Erkenntnis gewonnen werden, dass definierte Prozesstechnologiepositionen auf Basis bestehender Systeme nicht entwickelbar sind. Eine weitere Erkenntnis kann sein, dass die definierte Technologieposition nicht ausreicht, um Wettbewerbsvorteile zu generieren bzw. aufrechtzuerhalten. Beide Situationsabschätzungen weisen unmittelbare Relevanz für die Unternehmerstrategie auf. Das intern wie extern anlassbezogen gewonnene Wissen ist systematisiert zu speichern. Prozesstechnologisches Wissen, das nicht anlassbezogen nachgefragt wurde, sondern unsystematisch etwa auf Tagungen oder Kongressen etc. gewonnen wurde, ist darauf zu überprüfen, ob es künftig Relevanz aufweisen könnte. Wird künftige Relevanz angenommen, so sind auch diese Informationen für mögliche spätere Zugriffe systematisiert zu speichern. 4.5
Die Entscheidungen über prozesstechnologische Pläne
Informationen über Prozesstechnologien und potenzialerschließende Ressourcensysteme bilden die Basis zur Entscheidung über: x
künftig realisierbare Prozesstechnologiepositionen
x
die konzeptionelle Gestaltung von Entwicklungsoptionen
die Festlegung möglicher Make- and Buy-Anteile bei der Beschaffung von prozesstechnologischen wie ressourcenerschließenden Ressourcen. Entscheidungen über tatsächlich zu realisierende Technologiepositionen, dazu umzusetzende Entwicklungsoptionen sowie die Beschaffungsart werden auf Basis von unternehmenspolitischen Zielsetzungen getroffen. Dazu sind Kausalbeziehungen zwischen Leistungsmerkmalsausprägungen künftiger Prozesstechnologiesysteme in Kombination mit potenzialerschließenden Ressourcensystemen zur Erreichung ökonomischer, ökologischer und sozialer Zielsetzungen herzustellen. Zur Entscheidungsvorbereitung müssen den Planungsträgern daher Informationen über interne Zielvorgaben (aus der Unternehmensstrategie und normativen unternehmenspolitischen Festlegungen) sowie externe Vorgaben und Rahmenbedingungen verfügbar sein. Durch prozesstechnologische Limits werden die Ausprägungen unternehmensstrategischer Zielsetzungen beeinflusst (siehe Abschnitt 2.4.1.1). Damit ist eine wechselseitige Abstimmung zwischen Prozesstechnologie- und Unternehmensstrategie unabdingbar.722 Das kann in effektiver Weise nur durch vollständige Integration des Prozesstechnologiemanagements in die Planungsaktivitäten zur Definition der Unternehmensstrategie erfolgen. Dann ist auch gewährx
721 722
Vgl. Gelbmann, U., Vorbach, S., Strategisches, 2003, S. 191ff. Vgl. Wheelwright, S. C., Strategy, 1984, S. 85
169
leistet, dass strategische Zielsetzungen ohne Informationsverluste in das Prozesstechnologiemanagement übernommen werden. Voraussetzung zur Ableitung kausaler Beziehungen zwischen geplanten prozesstechnologischen Leistungsmerkmalen und unternehmenspolitischen Vorgaben ist neben prozess- und produkttechnologischem auch betriebswirtschaftliches, juristisches etc. Wissen erforderlich. Die Bewertung (bzw. Beurteilung) von potenziellen Prozesstechnologiepositionen und Entwicklungsoptionen zu deren Realisation kann daher i. A. nicht Einzelpersonen überlassen, sondern muss in interdisziplinärer Zusammenarbeit entwickelt werden. Die Bewertung (Beurteilung) kausaler Beziehungen fußt auf Erwartungen über die Leistungsmerkmalsausprägungen künftiger Prozesstechnologiesysteme, potenzialerschließenden Ressourcen und Umgebungsentwicklungen. Gesicherte Erkenntnisse sind daraus nicht zu generieren; vielmehr ist im Sinne einer Szenarioanalyse die grundsätzliche Bedeutung des künftigen unternehmerischen Prozesstechnologiesystems abzuschätzen.723 Mit Entscheidungen auf dieser Informationsbasis werden von Entscheidungsträgern bewusst Risiken bei der Entwicklung von Prozesstechnologiesystemen eingegangen. Für die Entwicklungsrichtung und -geschwindigkeit prozesstechnologischer Systeme ist hierbei von zentralem Interesse, welches Risiko der Entscheidungsträger einzugehen bereit ist. Von Entscheidungsträgern werden insbesondere Leistungs- und Kostenrisiken wahrgenommen und beurteilt.724 Entscheidungsträger schätzen die mit Entwicklungsoptionen verbundenen Risiken aus zwei Perspektiven ab. Zunächst werden die Auswirkungen potenzieller Misserfolge auf die geplanten Zielsetzungen, darüber hinaus aber auch für die weitere Unternehmensentwicklung abgeschätzt.725 Die zweite Risikoperspektive bezieht sich auf mögliche Konsequenzen von Erfolgen bzw. Misserfolgen bei der Umsetzung von Entwicklungsoptionen für den Entscheidungsträger.726 Bei Misserfolgen können Konsequenzen von Imageverlusten bis hin zu einer Beeinträchtigung des individuellen Karriereweges reichen. Entscheidungsträger werden daher positive und negative Konsequenzen in ihrer Wahrscheinlichkeit und ihrem Wirkungsausmaß für die Unternehmung wie für sich selbst abschätzen und gegenüberstellen. Entwicklungsoptionen mit hohem Risiko werden aus diesem Grund tendenziell gemieden.727 Kompetenzsteigernde prozesstechnologische Entwicklungen mit geringem Neuigkeitsgrad werden daher eher realisiert als sprunghafte oder sogar kompetenzzerstörende Entwicklungsoptionen, die i. A. mit wesentlich höherem Risiko (Technologie-, Marktrisiko etc.) aus Perspektive der Entscheidungsträger verbunden sind.728 Die subjektiv höhere Risikoeinschätzung resultiert aus Unkenntnis möglicher Folgen neuer Technologien und damit verbundener Verunsicherung der Entscheidungsträger. Es ist auch zu erwarten, dass Entscheidungsträger mit fundiertem 723 724 725 726 727 728
170
Vgl. Geschka, H., Technologieszenarien, 1994 Vgl. Freeman, C., Soete, L., Innovation, 1997, S. 242ff.; Baird, I. S., Thomas, H., Risk, 1985, S. 234ff. Vgl. Brown, S., Managing, 2001, S. 470f. Vgl. Lambert, J. H., et al., Risks, 2001, S. 315f. Zur Reihung und Beurteilung von Projektrisiken vgl. Lambert, J. H., et al., Risks, 2001, S. 318ff. Vgl. Christensen, C. M., Bower, J. L., Customer, 1996, S. 202ff.
technologischem Wissen andere Entscheidungen treffen als solche, bei denen dieses Wissen nicht vorhanden ist. Bosworth hat empirisch festgestellt, dass die technologische Entwicklungsdynamik von Unternehmungen von der Ausbildung und dem beruflichen Werdegang von Entscheidungsträgern abhängt.729 So ist die Dynamik bei Entscheidungsträgern mit technischem Background signifikant höher als bei solchen, denen dieses Wissen fehlt. Konsequenz ist dann, dass dynamisch agierende Entscheidungsträger eher bereit sind, sprunghafte bzw. kompetenzzerstörende Entwicklungsoptionen zu verfolgen. Neben der prozesstechnologischen Basis bilden potenzialerschließende Ressourcensysteme, in Form von Prozessen und Instrumenten zur Bewertung prozesstechnologischer Systeme, eine Voraussetzung rationaler Entscheidung. 4.6
Art der Beschaffung von Prozesstechnologien - Make and/or Buy?
Zusammen mit der Definition künftiger Prozesstechnologiepositionen ist zu klären, wie die dazu erforderlichen Prozesstechnologien beschafft werden sollen. Aufgabe des Prozesstechnologiemanagements ist es, festzulegen, welche Anteile bei der Entwicklung und Implementierung von Prozesstechnologien unternehmensintern wahrgenommen und welche extern vergeben werden sollen. Zunächst stellt sich die Frage, ob die zur Erreichung geplanter Prozesstechnologiepositionen benötigten Technologien am Markt bereits verfügbar sind bzw. innerhalb des Planungshorizontes verfügbar sein werden oder ob diese auf Initiative der Unternehmung erst entwickelt werden müssen. Auf Märkten verfügbare Prozesstechnologien sind grundsätzlich nicht geeignet, Wettbewerbsvorteile zu generieren. Von Interesse ist diese Art der Beschaffung daher primär für Enabling- und Supplemental-Technologien. Über Märkte akquirierbare Prozesstechnologien sind daher nur dann von wettbewerbsstrategischem Interesse, wenn deren Nutzung durch mögliche Wettbewerber verhindert (bzw. eingeschränkt) werden kann. Das ist etwa durch exklusive Nutzungsberechtigung von Lizenzen möglich.730 Frei auf Märkten verfügbare Enabling-Prozesstechnologien können allerdings auch in spezifischer Kombination mit anderen Prozesstechnologien als wertvoll bezeichnet werden, wenn die Systemarchitektur zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen geeignet ist.731 Betont wird in der Literatur die „Einzigartigkeit“ komplexer soziotechnologischer Systeme als Ursache dafür, dass Enabling- und Supplemental-Technologien aus wettbewerbsstrategischer Sicht wertvoll (und nicht zu imitieren) sein können. Das Zusammenwirken von Supplemental- und Enabling-Prozesstechniken mit prozesstechnologischem Wissen der Systemnutzer kann solche Systemeigenschaften generieren. Vor allem hohe Anteile an tacit Knowledge sind als wertvolle Ressource zur Steigerung des Leistungspotenzials von Supplemental- und E729 730 731
Vgl. Bosworth, D., Technologies, 1996 Zur externen und internen F&E bei unternehmensspezifischen Leistungsobjekten vgl. Schneider, D., Zieringer, C., Make, 1991, S. 60ff. Vgl. Bamberger, I., Wrona, T., Ressourcenansatz, 1996, S. 141f.
171
nabling-Prozesstechnologien in wettbewerbsstrategische Vorteilspositionen zu betrachten. Jede Ressource für sich isoliert könnte diese Wirkung nicht entfalten; erst die spezifische Kombination führt zu vorteilhaften Positionen. Gelingt es Unternehmungen nicht auf Märkten frei verfügbare Prozesstechnologiesysteme adäquat in ihr Prozesstechnologiesystem zu integrieren und auszuschöpfen, können daraus Schwächen resultieren, die strategisch negativ wirken und den Wert von Kern-Prozesstechnologien verringern können. Das ist etwa der Fall, wenn Kern-Prozesstechnologien in ihren Leistungspotenzialen nicht voll ausgeschöpft werden können, weil Enabling-Technologien keine adäquaten komplementären Beiträge dazu liefern. Viele Prozesstechniken sind nicht frei auf dem Markt verfügbar. Dennoch können diese oft nicht als wertvoll klassifiziert werden. So sind etwa Prozesstechniken zur Erstellung von Gliederketten (für die Maschinenbau- und Stahlbauindustrie) nicht über Märkte akquirierbar und müssen daher von Kettenherstellern entwickelt, realisiert und ausgeschöpft werden. Als wertvoll zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen sind diese nicht zu bezeichnen, da das prozesstechnologische Wissen zur Anlagenentwicklung frei zugänglich ist. Erforderlich ist lediglich ein adäquat ausgebildeter Mitarbeiter zur Umsetzung des frei verfügbaren Wissens in konkrete Techniken. Diese prozesstechnologischen Systeme werden nur mangels spezialisierter Anbieter selbst entwickelt, um bestimmte Unternehmensleistungen dem Kunden zur Verfügung zu stellen. Können künftig benötigte Leistungsmerkmale durch Zukauf von Prozesstechnologien generell nicht abgedeckt werden, so muss bei entsprechendem Bedarf durch die Unternehmung eine Weiter- bzw. Neuentwicklung initiiert werden. Diese kann durch die Unternehmung selbst, durch beauftragte Dritte oder in einer gemeinschaftlichen Forschungs- bzw. Entwicklungsanstrengung realisiert werden.732 In produzierenden Unternehmungen sind eigene F&E-Aktivitäten zur Entwicklung neuer bzw. verbesserter Produkte grundsätzlich als permanent wahrzunehmende Aufgaben zu betrachten, um die Wettbewerbsfähigkeit langfristig abzusichern. In Relation dazu, sind eigene F&E-Aktivitäten, die auf die Entwicklung von Prozesstechnologien abzielen, wesentlich seltener.733 Cohen zeigt auf, dass das Verhältnis der Aufwendungen für Prozess- gegenüber Produktinnovationen sich länderspezifisch stark unterscheiden. So wenden japanische Unternehmungen zwei Drittel ihrer F&E-Aufwendungen für Prozessinnovationen auf, während amerikanische Unternehmungen nur ein Drittel aufwenden.734
732
733 734
172
Siehe zu den verschiedenen Möglichkeiten von Eigen-, Fremd- und Gemeinschafts-F&E und deren Vorund Nachteile: Gelbmann, U., Vorbach, S., Strategisches, 2003, S. 147ff.; Zur Art der externen Akquirierung technologischen Wissens in Abhängigkeit von der Art der Technologieentwicklung (radikale vs. inkrementale Entwicklung) und der wettbewerbsstrategischen Bedeutung (Kern- vs. Komplementärtechnologien) vgl. Nagarajan, A., Mitchell, W., Evolutinary, 1998, S. 1066ff. Vgl. Hotz-Hart, B., Innovationsverhalten, 1998, S. 49f. Vgl. Cohen, W., Empirical, 1995, S. 204f.; Mansfield, E., R&D, 1988, S. 226
In einer Studie der Europäischen Kommission mit einem Sample von 279.000 Industrieunternehmungen wurde ermittelt, dass 47 % (53 %)735 von diesen Innovationen im Zeitraum 1998 – 2001 realisiert hatten. Davon wurden in 57 % (35,4 %) Produkt- und Prozessinnovationen und in 18 % (14,3 %) nur Prozessinnovationen durchgeführt. Der Rest der Befragten gab an, nur Produktinnovationen realisiert zu haben (bzw. bei 7 % (16,6 %) Innovationen nur fortgesetzt bzw. aufgegeben wurden).736 Der hohe Anteil von Unternehmungen, die Produktund Prozessinnovationen umgesetzt haben, lässt die Vermutung zu, dass mit Produktinnovationen adäquate Prozesse zur Produkterstellung entwickelt wurden.737 Gegenstand interner F&E-Aktivitäten sind primär Prozesstechnologien, durch die entsprechende Beiträge zu order-winning-Kriterien generiert werden können.738 Von zentraler Bedeutung ist, dass das entwickelte prozesstechnologische Wissen, sofern es vor dem Zugriff durch Wettbewerber überhaupt geschützt werden kann (etwa durch Geheimhaltung oder Patentierung), der Unternehmung exklusiv zur Verfügung steht (siehe Abschnitt 2.4.2.3). Eine Auslagerung der Entwicklung dieser Prozesstechnologien würde zu einer wettbewerbsstrategischen Schwächung der Unternehmung führen. Konsequenz wäre zunächst, dass im Unternehmen prozesstechnologisches Wissen in weit geringerem Maße aufgebaut wird als bei einer Eigenentwicklung. Zu beachten ist hierbei, dass nie das gesamte prozesstechnologische Wissen zwischen Unternehmungen transferiert werden kann (siehe Abschnitt 2.4.2.1). Da Teile des prozesstechnologischen Wissens nicht im Unternehmen verfügbar wären, nimmt die Abhängigkeit von Technologielieferanten zu. Die Unternehmung würde dadurch Faktoren zur Steigerung ihrer Wettbewerbsfähigkeit bewusst auf einem niedrigen Leistungsniveau halten. Dieses Verhalten ist höchst irrational; aber dennoch mit allen Nachteilen zu beobachten. Zudem würde erfolgsbegründendes prozesstechnologisches Wissen bei Fremdentwicklung u. U. auch Dritten zugänglich gemacht. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Wettbewerbern die Technologie ebenfalls zur Verfügung gestellt wird. Ob die Entwicklung einer Prozesstechnologie durch die Unternehmung selbst durchgeführt wird, hängt weiters vom Entwicklungsrisiko, von Synergiewirkungen, vom Zeitdruck etc. ab. Vorbedingung dafür, dass Entwicklungen von Unternehmungen selbst in effizienter Weise durchgeführt werden können, ist entsprechendes prozesstechnologisches und adäquates potenzialerschließendes Wissen im Bereich F&E.739 Voraussetzung ist weiters, dass eine exklusive Nutzung von Prozesstechnologien langfristig aufrecht bleibt. Geheimhaltung wie Patentierung weisen grundsätzliche Probleme auf, die
735 736 737 738
739
In den Klammern sind die Werte für Österreich vermerkt. Vgl. European Commission, Innovation, 2004, S. 17ff. und 198ff. Vgl. Gerybadze, A., Innovationsmanagement, 2004, S. 70ff. Vgl. Bamberger, I., Wrona, T., Ressourcenansatz, 1996, S. 141f.; Wolfrum, B., Technologiestrategien, 1995, S. 259; Prahalad, C. K., Hamel, G., Competence, 1990, S. 82; Wolfrum, B., Technologiemanagement, 1991, 295ff.; Litstelle zu Imagevorteilen: Seibert, S., Technisches, 1998, S. 146ff.; Steensma, K. H., Corley, K. G., Sourcing, 2001, S. 276ff. Vgl. Wolfrum, B., Technologiemanagement, 1991, S. 295ff.; Seibert, S., Technisches, 1998, S. 146ff.; Nagarajan, A., Mitchell, W., Evolutinary, 1998, S. 1064f.
173
eine exklusive Nutzung über längere Zeit gefährden.740 Versuchen Unternehmungen Prozesstechnologien geheim zu halten und nicht durch Patentierung zu schützen, so besteht die Gefahr, dass über Mitarbeiter, Lieferanten, erstellte Sachleistungen, gezielte Industriespionage etc. Informationen Wettbewerbern zugänglich gemacht werden.741 Bei einer Patentierung ergibt sich andererseits das Problem, dass durch die Veröffentlichung von Entwicklungsergebnissen das Interesse von Wettbewerbern auf bestimmte Erfolgspotenziale von Produkten gelenkt wird. Durch systematische Maßnahmen zur Patentumgehung besteht dann die Gefahr, dass eigene Entwicklungsergebnisse durch entsprechende Substitute ihren Charakter einer wertvollen Ressource relativ verlieren können. Weiters bieten Patente nur eingeschränkten Schutz. So können in Ländern, die keinen Patentschutz gewähren (etwa Indonesien, China), veröffentlichte Entwicklungen über Prozesstechnologien für eine Produkterstellung legal imitiert werden. Sofern die erstellten Produkte keine Schutzrechte verletzen, können diese dann auf Märkten abgesetzt werden, auf denen auch die eigene Unternehmung tätig ist. Aus dieser Perspektive erscheint die Geheimhaltung als geeignetes Instrument zur Absicherung prozesstechnologischer Vorsprünge.742 Den Vorteilen einer internen Entwicklung von Prozesstechnologien stehen vor allem hohe Ressourcenbedarfe an hoch qualifizierten Mitarbeitern und finanziellen Mitteln sowie ein höherer zeitlicher Aufwand entgegen. Außerdem wird bei Eigen-F&E das gesamte Entwicklungsrisiko übernommen, welches durch Kooperationen auf mehrere Unternehmungen aufgeteilt werden kann. Argumente, die für eine zumindest teilweise externe Beschaffung prozesstechnologischen Wissens sprechen, sind die Nutzung (und Implementierung) von technologischen Wissensvorsprüngen743 der Partner (bei höheren Spezialisierungsgrad der Beteiligten), die Beschleunigung von F&E-Aktivitäten durch höheren (auf mehrere Unternehmungen verteilten) Kapazitätseinsatz, etc. Die Streuung der eingesetzten Ressourcen auf mehrere Unternehmungen führt dazu, dass geringere Fixkosten durch Personal und Entwicklungseinrichtungen verursacht werden und durch flexiblere Fremdbezugskosten ersetzt werden. Von Interesse ist das vor allem dann, wenn Unternehmungen in turbulenten technologischen Umfeldern tätig sind und rasche technologische Wechsel vollzogen werden müssen. Der Zeit- und Ressourceneinsatz für die Neugestaltung von Kooperationsbeziehungen ist letztlich geringer als die Umgestaltung eines entsprechend umfangreichen, unternehmenseigenen Ressourcensystems. Zu beachten ist jedoch eine zeitliche Abhängigkeit von Ergebnissen von Partnern. Als ökonomisch nachteilig ist auch der steigende Koordinationsaufwand zwischen den Partnern zu sehen. Insgesamt stellt die Frage der Aufteilung von Eigen- und Fremdentwicklungsanteilen von F&E-Aktivitäten ein komplexes Problem mit weitreichenden Auswirkungen auf die prozess740 741 742 743
174
Vgl. Vidal, M., Pioniervorteile, 1995, S. 45f. Siehe zum Geheimhaltungsproblem: Mansfield, E., Technology, 1985, S. 221; Zum (u. U. problematischen) Kommunikationsverhalten von Industrieforschern vgl. Gerpott, T. J., Kommunikation, 1995, S. 555ff. Vgl. Dunford, R., Suppression, 1987, S. 514ff. Vgl. Schneider, D., Zieringer, C., Make, 1991, S. 101ff.
technologische Entwicklung der Unternehmung dar. Der Vielfalt möglicher Vor- und Nachteile der Eigen- bzw. Fremdentwicklung stehen die prozesstechnologischen Leistungspotenziale der Unternehmung sowie die Fähigkeit, diese durch ressourcenerschließende Systeme auszubeuten, gegenüber. Die Konzentration der eigenen Entwicklung auf wenige, erfolgsdeterminierende Kern-Prozesstechnologien ist aus den genannten Gründen rational. Defizite in der unternehmenseigenen prozesstechnologischen Ressourcenausstattung, die durch Kooperationspartner (bzw. durch externen Zukauf oder Übernahme fremder Unternehmungen) nicht ausgeglichen werden können, führen dazu, dass definierte Prozesstechnologiepositionen nicht oder nur zeitlich verzögert realisiert werden können. Entsprechend sind die Zielsetzungen der Unternehmensstrategie zu revidieren. Im Gegensatz dazu kann eine fundierte, auf Kern-Prozesstechnologien konzentrierte Ressourcenbasis, die durch adäquate ressourcenerschließende Systeme ausgeschöpft wird, zusätzliche Impulse zur Weiterentwicklung der Unternehmensstrategie setzen. Weiters kann auf dieser Basis externes prozesstechnologisches Wissen (etwa von Kooperationspartnern) effizienter in die eigene Unternehmung integriert und als Basis zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen genutzt werden.744
744
Vgl. King, D. R., Covin, J. G., Hegarty, H. W., Complementary, 2003, S. 598; Eisenhardt, K. M., Schoonhoven, C. B., Alliance, 1996, S. 138ff.
175
5
Unternehmensexterne Einflussfaktoren auf die Entwicklung von Prozesstechnologiesystemen
5.1
Einflüsse aus der unmittelbaren Aufgabenumgebung der Unternehmung
5.1.1
Kundenerfordernisse als dominierende Faktoren für die Entwicklung prozesstechnologischer Systeme
Dominierenden Einfluss auf die Gestaltung prozesstechnologischer Systeme üben Anforderungen von (potenziellen) Kunden an die Unternehmensleistungen aus.745 Zum Ausdruck kommen diese Forderungen in der Wahl der Marktfeld- und Marktteilnehmerstrategie (siehe Abschnitt 4.2). Mit Entscheidungen über die zu verfolgende Marktfeld- und Markteilnehmerstrategie wird von Unternehmungen festgelegt, welche Kundenbedürfnisse sie befriedigen und wie sie gegenüber Konkurrenten und Kunden agieren will. Diese Festlegungen bestimmen die Struktur des Prozesstechnologiesystems, die Art der Koppelung und die eingesetzten Prozesstechnologien.746 In weiterer Folge wird damit die Organisation des Fertigungs- aber auch anderer Funktionalbereiche determiniert.747 Relative Wettbewerbsvorteile gegenüber Konkurrenten können dann in einzelnen Marktsegmenten durch Funktionenbündel (getragen von Produkten i. w. S.) errungen bzw. gesichert werden, die Kundenbedürfnisse (Kosten-Nutzen-Relationen) in höherem Maße befriedigen als vergleichbare Konkurrenzprodukte. Die Erwartung, langfristige Wettbewerbsvorteile zu generieren bzw. abzusichern, ist zentrale Argumentation frühzeitig anspruchsvolle Entwicklungen des prozesstechnologischen Systems zu forcieren. Das damit aufgebaute Image eines Technologieführers stellt in diesem Zusammenhang ein weiteres, nicht zu unterschätzendes Argument dar.748 Die gewählte Marktfeld- und Marktteilnehmerstrategie stellt die zentrale Vorgabe für die Entwicklung und Nutzung von Prozesstechnologiesystemen dar.749 Konkretisiert werden diese Strategien durch Produktionsprogramme, welche die zu erstellenden Produkte nach Art und Menge festlegen. Geplante Produktionsprogramme sind dann die Basis für die Entwicklung unternehmerischer Prozesstechnologiesysteme.750 Mit Festlegung von Marktfeld- und Marktteilnehmerstrategie wird implizit definiert, welche prozesstechnologische Position von der Unternehmung künftig zur unternehmenspoliti745
746
747 748 749 750
176
Vgl. Schroeder, D. M., Congden, S. W., Gopinath, C., Manufacturing, 1995, S. 170ff.; Schröder, H.-H., Innovationsforschung, 1998, S. 325f.; Gerybadze, A., Innovationsmanagement, 2004, S. 121f.; Gupta, Y. P., Lonial, S. C., Manufacturing, 1998, S. 251ff. Vgl. Devaraj, S., Hollingworth, D. G., Schroeder, R. G., Generic, 2004, S. 315; Cleveland, G., Schroeder, R. G., Anderson, J. C., Competence, 1989, S. 656ff.; Miller, J. G., Roth, A. V., Taxonomy, 1994, S. 295ff.; Kotha, S., Orne, D., Generic, 1989, S. 222ff.; Porter, M. E., Competing, 1988, S. 217ff.; Pisano, G. P., Factory, 1997, S. 30f. Vgl. Tehrani, M., Montanari, J. R., Carson, K. P., Technology, 1990, S. 181ff.; Dean, J. W., Snell, S. A., Manufacturing, 1996, S. 462f. Vgl. Wildemann, H., Zeitaspekte, 1989, S. 135 Vgl. Swamidass, P. M., Newell, W. T., Manufacturing, 1987, S. 509; Blois, K. J., Weapon, 1986, S. 64ff.; Hayes, R. H., Wheelwright, S. C., Competitive, 1984, S. 197ff. und die dort zitierte Literatur. Vgl. Pisano, G. P., Learning-before-doing, 1996, S. 1099
schen Zielereichung eingenommen werden muss. Je nach verfolgter Marktfeld- und Marktteilnehmerstrategie sowie den marktspezifischen order-winning/qualifying-Kriterien unterscheiden sich dann die genutzten Prozesstechnologiesysteme zur Erreichung unternehmenspolitischer Zielsetzungen in deren Elementen und Relationen. Von - wenn auch untergeordneter - Bedeutung sind darüber hinaus auch Festlegungen der Umweltschutz- und Sozialstrategie der Unternehmung. In diesem Abschnitt werden, ausgehend von der wettbewerbsstrategischen Positionierung der Unternehmung, die spezifischen Eigenschaften prozesstechnologischer Systeme zur Unterstützung gewählter Geschäftsfeldstrategien dargestellt. Daran anschließend werden die Wirkungen der unmittelbaren und generellen Umgebung auf die Systementwicklung näher untersucht. 5.1.2
Die konzeptionelle Gestaltung prozesstechnologischer Systeme in Abhängigkeit von der Wettbewerbsstrategie
In der Diskussion über generische Produktionsstrategien und deren Konex zu Wettbewerbsstrategien werden die Modelle von Hayes und Wheelwright sowie Kotha und Orne von einer Vielzahl von Autoren ihren Untersuchungen zugrunde gelegt.751 Das Modell von Orne und Kotha kann als erhebliche Weiterentwicklung des Modells von Hayes und Wheelwright verstanden werden. Die weiteren Ausführungen stützen sich auf diese Modelle. In der Produkt-Prozess-Matrix wird ein Zusammenhang zwischen der Lebensphase, in der sich ein Produkt befindet, und der konzeptionellen Gestaltung von Prozesstechniksystemen hergestellt.752 Die Produktlebensphase wird hierbei durch den Grad der Produktstandardisierung und den erstellten Produktquantitäten charakterisiert (Die beiden Charakterisierungsmerkmale hängen voneinander ab.). Vergleiche dazu auch das Modell von Utterback und Abernathy in Abschnitt 4.2.7. Auf Basis von Fallstudien leiten Hayes und Wheelwright ab, dass Produktionsunternehmungen ihre Produktionssysteme auf Produktlebensphasen abstimmen müssen, um effiziente Systeme zu realisieren. Mit zunehmender Standardisierung und erstellter Produktquantität lassen sich folgende Produktionsstrukturen unterscheiden:753
751 752 753
x
auftragsungebundene Organisation der Transformationsprozesse (flexible Fertigungssysteme),
x
ablaufgebundene Organisation der Transformationsprozesse (flexible Fertigungssysteme mit logistischer Ausrichtung am Hauptprodukt),
x
organisatorisch bedingte Fließfertigung (Assembling Line z. B. in der Automobilindustrie) und
Vgl. Kotha, S., Orne, D., Generic, 1989; Hayes, R. H., Wheelwright, S. C., Link, 1979; Hayes, R. H., Wheelwright, S. C., Dynamics, 1979; Corsten H., Produktionswirtschaft, 2000, S. 33ff. Vgl. Hayes, R. H., Wheelwright, S. C., Link, 1979; Hayes, R. H., Wheelwright, St. C., Dynamics, 1979; Hayes, R. H.; Wheelwright, St. C., Competitive, 1984 Vgl. Corsten H., Produktionswirtschaft, 2000, S. 31ff.; Warnecke, H.-J., Fertigungstechnologie, 1995, S. 172ff.
177
technisch bedingte Fließfertigung (Zwangslauffertigung), etwa in Zuckerraffinerien, Papierwalzwerken etc. Aus prozesstechnologischer Perspektive werden mit diesem Modell primär Aussagen über die Art der Koppelungen von Prozesstechnologien gemacht. So werden bei kleinen Produktquantitäten ungekoppelte Transformationssysteme genutzt, die überdies hoch flexibel sind. Diese Struktur wird zunächst auch bei wachsenden Stückzahlen beibehalten. So ist die Fertigung bei unverbundener Flußfertigung lediglich als Maßnahme zur Reduktion logistischer Leistungen (und damit Kosten) zu verstehen. Die zunehmende Koppelung der Prozesse hat rein organisatorische Ursachen und wirkt sich auf die technologische Koppelung nicht aus. An der Struktur des Prozesstechnologiesystems ändert sich grundsätzlich nichts. Zusätzlich genutzt werden verstärkt produktspezifische Vorrichtungen und Werkzeuge, die den Zweck der Quantitäts- und Qualitätssteigerung bei sinkenden Kosten verfolgen. Mit zunehmender Produktquantität geht die Fertigung in eine organisatorisch bedingte Fließfertigung über. Die Sequenz aufeinander folgender Transformationsprozesse ist festgelegt. Mit derart organisierten Fertigungssystemen werden wenige Produkte (Produktvarianten) bei relativ hohen Produktquantitäten erstellt. Die dimensionale, variationale aber auch quantitative Flexibilität der einzelnen Transformationsprozesse kann sehr unterschiedlich sein. So sind Stufen, die lediglich einen einzigen, vollständig definierten Transformationsprozess zulassen, aber auch hoch flexible Transformationsprozesse im System integriert. Operative Flexibilität wird durch entsprechende EDV-gestützte Systeme (Industrieroboter) zumeist aber durch das hochflexible Transformationssystem „Mensch“ erreicht. Technisch bedingte Fließfertigung schließlich ist dadurch gekennzeichnet, dass die Erstellung eines Produktes an die Einhaltung einer organisatorisch wie technisch starr gekoppelten Sequenz an Transformationsprozessen gebunden ist. Solche hoch integrierten Systeme sind investitionsintensiv und daher nur bei Massenfertigung eines standardisierten Produktes (bzw. weniger Produktvarianten) ökonomisch sinnvoll einsetzbar. Impliziert wird in diesem Modell, dass mit dem Produktlebenszyklus eine Weiterentwicklung der genutzten Prozesstechnologien erfolgt (vgl. dazu das Modell von Utterback und Abernathy, Abschnitt 4.2.7). Zentrale Aussage des Modells ist, dass eine Position entlang der Matrixdiagonalen effizient ist, während bei Abweichungen von dieser ineffiziente ProduktProzess-Kombinationen zu ökonomischen Nachteilen führen (Abbildung 20). Hayes und Wheelwright schränken aber ein, dass spezifische organisatorische Kompetenzen von Unternehmungen durchaus ein Abweichen von der Diagonale, ohne ökonomische Nachteile zulassen kann. Auf diese dritte Dimension der effizienten Systemgestaltung wird zwar verwiesen, aber nicht näher eingegangen.754 Konsequenzen aus der Wahl von Positionen auf der Matrixdiagonalen sind spezifische erforderliche Kompetenzen sowie spezifische Fertigungsorganisationen. Weiters sind mit der Positionierung in der Matrix Implikationen für die Wahl der Wettbewerbsstrategie verbunden. x
754
178
Vgl. Hayes, R. H., Wheelwright, S. C., Link, 1979, S. 134ff.
flexible Fertigungssysteme
standardisiertes Produkt hohes Produktvolumen
wenige, teilweise standardisierte Produkte hohes Produktvolumen
nicht standardisierte Produkte geringes Produktvolumen
nicht standardisierte Produkte Einzelfertigung
Hayes und Wheelwright weisen weiters auf das Problem hin, dass eine simultane Entwicklung von Produkten und Prozessen i. A. nicht erfolgt, sondern nur eine Dimension der Produkt-Prozess-Matrix entwickelt wird. Entsprechend weichen Unternehmungen von der „optimalen“ Matrixdiagonalen – zumindest temporär - mehr oder weniger stark ab; der Fokus der Fertigung geht so verloren.755
ungünstige Positionen
e tig en ns on gü siti Po
flexible Fertigungssysteme mit logistischer Ausrichtung am Hauptprodukt
organisatorisch bedingte Fließfertigung
technisch bedingte Fließfertigung
ungünstige Positionen
Abbildung 20: Das Modell von Hayes und Wheelwright Kotha und Orne argumentieren, dass die Podukt-Prozess-Matrix ihre Bedeutung mit dem technologischen Fortschritt bei Prozesstechnologien verloren hat. Die von Hayes und Wheelwright zugrunde gelegten Zusammenhänge zwischen Produktlebensphasen und Prozessstrukturen seien demnach nicht mehr zeitgemäß.756 Von der Diagonalen der ProduktProzess-Matrix abweichende Positionen seien in höherem Maße effizient als dies Hayes und 755 756
Vgl. Hayes, R. H., Wheelwright, S. C., Dynamics, 1979, S. 132; Empirisch weisen das Sen und William nach. Vgl. Sen, F. K., Egelhoff, W. G., Alliances, 2000, S. 179f. Empirische Untersuchungen von Safizadeh u. a., DeMeyer und Vereecke, Miller und Roth sowie Devaraj, Hollingworth und Schroeder widerlegen diese Aussage. Vgl. Safizadeh, M. u. a., Matrix, 1996; DeMeyer, A., Vereecke, A., Matrix, 1996; Miller, J. G., Roth, A. V., Taxonomy, 1994; Devaraj, S., Hollingworth, D. G., Schroeder, R. G., Generic, 2001; Zu konträren Ergebnissen gelangen McDermott, Greis und Fisher. Vgl. McDermott, C. M., Greis, N. P., Fischer, W. A., Matrix, 1997
179
Wheelwright darstellen. Als Argumentationsbeispiel für diese Kritik werden flexible Fertigungssysteme herangezogen, die „… some of the same characteristics of continous flow environments and some of the characteristics of job shop environment“757 aufweisen. Kotha und Orne stellen hier auf prozesstechnologische Entwicklungen ab, die bei höherer (qualitativer wie quantitativer) Flexibilität simultan Kostensenkungen realisierten. (vgl. Abbildung 13) Kotha und Orne entwickeln ein Modell zur Typisierung von Fertigungsstrukturen durch drei Dimensionen. Als Basis des Modells dienen die Ansätze von Hayes und Wheelwright sowie die wettbewerbsstrategischen Ansätze von Porter. Unterschieden werden die Dimensionen: x
Prozessstrukturkomplexität
x
Produktlinienkomplexität
x Organisationsumfang Jede dieser Dimension wird durch mehrere Systemvariable beschrieben (Abbildung 21). Dimensions
Underlying variables
Process structur complexity
x Level of mechanization x Level of systemization x Level of interconnection
Product line complexity
x End-product complexity x Variety of final products x Individual product volumes x End-product maturity (experience)
Organizational x Geographic manufacturing scope scope x Geographic market focus x Vertical Integration x Customer-market scope x Scale
Niedrige Merkmalsausprägung der Dimension x Manual x Data collection x Discontinuities x Very low end product complexity x Low Variety of end products x High volumes on specific final products x High levels of product maturity x Operations in one local area x Low level of coordination between process stages x Low level of vertical integration x Narrow mix of customers, markets and distribution channels
Hohe Merkmalsausprägung x Programmable control x Control x Operational (Technological interdependences) x Very High end product complexity x Large Variety of end products x Small volumes on specific end products x Low level of product maturity x Operations (manufacturing, marketing) in most countries x Operations coordinated between countries and process stages x High level of vertical integration x Numerous customer, markets and distribution channels
Abbildung 21: Dimensionen der Produktionsstruktur nach Kotha und Orne758 Produktlinien- und Prozessstrukturkomplexität sind weitgehend deckungsgleich mit den Dimensionen der Produkt-Prozess-Matrix. Hier liefert das Modell nur relativ geringfügige zusätzliche Typisierungsansätze. Speziell gilt dies für die prozesstechnologischen (fertigungswie regelungstechnologischen) Implikationen des Modells. Eine konkrete Erweiterung der 757 758
180
Kotha, S., Orne, D., Generic, 1989, S. 219 Vgl. Kotha, S., Orne, D., Generic, 1989, S. 219ff.
Produkt-Prozess-Matrix stellt die Dimension des „Organisationsumfanges“ dar. Sie wird eingeführt, da x
wichtige Strukturcharakteristika in den ersten beiden Dimensionen nicht abgebildet werden können;
x
mit dieser Dimension die Verbindung zu Wettbewerbsstrategien hergestellt wird;
die Integration von EDV-Systemen zum Informationstransfer zwischen Produktion bzw. Logistik und anderen Funktionalbereichen vom Organisationsumfang abhängig ist (die EDV-Ausstattung etwa ist ein kritisches Element bei der Nutzung fortschrittlicher Prozesstechnologiesysteme)759 Entsprechend den drei zugrunde gelegten Dimensionen zur Typisierung industrieller Fertigungsstrukturen können Relationen zwischen Produkt- und Prozessstrukturen mit Wettbewerbsstrategien als Würfel dargestellt werden. (Abbildung 22) x
5.1.3
Die konzeptionelle Gestaltung von Prozesstechnologiesystemen bei Verfolgung einer Preis-Mengen-Strategie
Zentrale Stoßrichtung bei Kostenführerschaft ist es, dem Kunden - unter Bereitstellung einer geforderten Standardqualität - ein möglichst preisgünstiges Produkt zur Verfügung zu stellen. Kriterium bei Kundenentscheidungen ist dann nahezu ausschließlich der Preis.760 Die Unternehmung versucht diese Zielsetzung über hohe erstellte und abgesetzte Produktquantitäten zu erreichen. Prozesstechnologiesysteme sind bei einer solchen Strategieausrichtung von zentraler strategischer Bedeutung. Darum sind Unternehmungen bestrebt, eine führende Prozesstechnologieposition einzunehmen, um so Kostenvorteile anhaltend zu realisieren.761 Voraussetzung für die Verfolgung dieser Strategie ist, dass ein ausreichend großes Marktvolumen für ein standardisiertes Produkt besteht. Erfüllt wird die Prämisse etwa von Produkten in späten Lebensphasen.762 Die ökonomischen Anreize für die forcierte produktspezifische Entwicklung effizienter Prozesstechnologiesysteme nehmen dann zu. 5.1.3.1 Konzeption der prozesstechnischen Ebene Verfolgen Unternehmungen eine Preis-Mengen-Strategie, so ist ihr primäres Bestreben, bei der Gestaltung des Prozesstechnologiesystems die Stückkosten der erstellten Produkte - bei adäquater technischer Qualität - möglichst niedrig zu halten. Um die Forderung nach hohen Produktionsquantitäten bei möglichst niedrigen Kosten zu erfüllen, finden hoch spezialsierte, oftmals hoch integrierte und hoch automatisierte Prozesstechniksysteme Einsatz.763 Diese
759 760 761 762 763
Vgl. Kotha, S., Orne, D., Generic, 1989, S. 223 Vgl. Becker, J., Marketing-, 2001, S. 214ff. Vgl. Zahra, S. A., Covin, J. G., Strategy, 1993, S. 458 und 464ff. Vgl. Utterback, J. M., Abernathy, W. J., Model, 1975, S. 643ff. Vgl. Grant, R. M. u. a., Appropriate, 1991, S. 45; Pearson, J. N., Feldman, H. D., Bracker, J. S., Interaction, 1991, S. 164
181
werden unter den zugrunde gelegten ökonomischen Rahmenbedingungen produktspezifisch konzipiert.
high
7
n tio tra ie zen teg on tra e K n -S nd enge me neh is-M Zu f Pre au
3
5 low
Prod uc
t line
ad -Pf right tur ruk heelw sst zes s/W Pro Haye h n ac
low
1
comp lexity
n atio ntr n ze n g Ko ieru nde enz me fer neh Dif Zu auf
8 Proce s struc s tu comp re lexity
4
2
6 high
O high
l na tio a iz e an op rg sc
low
Abbildung 22: Modell von Kotha/Orne mit Integration der Produkt-Prozessmatrix 764 Produktionssysteme zur Erstellung hoher Quantitäten eines bzw. sehr weniger Produkte sind in Form organisatorisch oder technisch bedingter Fließfertigungen konzipiert. Letztere wird in weiterer Folge als „Transferstraße“ bezeichnet.765 Zunächst soll auf technisch bedingte Fließfertigung als Extrem prozesstechnologischer Systemkoppelung eingegangen werden. Beispiele für Transferstraßen sind großindustrielle Anlagen der Papierindustrie, viele Anlagen der Lebensmittelindustrie, Erdölraffinerien etc.). Produktionssysteme werden durch Koppelung von Transformationsprozessen aufgebaut. Charakteristisch für Transferstraßen ist, dass die systembildenden Transformationsprozesse starr aneinander gekoppelt sind. Bei starrer Koppelung sind Transformationsprozesse so miteinander verbunden, dass der Output eines Prozesses - über eine Verbindungstechnologie unmittelbar (zwangsläufig) einem definierten Folgeprozess zugeführt wird. Puffer zum Aus764
765
Vgl. Devaraj, S., Hollingworth, D. G., Schroeder, R. G., Generic, 2001, S. 433; Gupta und Lonial weisen auf Basis der Systematik von Kotha und Orne positive Zusammenhänge zwischen der Wettbewerbsstrategie bzw. Fertigungsstrategie und dem ökonomischen Unternehmenerfolg nach. Vgl. Gupta, Y. P., Lonial, S. C., Manufacturing, 1998, S. 251ff. Vgl. Riebel, P., Umgestaltung, 1964, S. 219
182
gleich zeitlicher Diskontinuitäten zwischen Angebot und Bedarf aufeinander folgender Prozesse bestehen regelmäßig nicht. Die Produkterstellung erfolgt damit zwingend in einer gleich bleibenden Sequenz von Transformationsprozessen. Konsequenz der starren Koppelung ist, dass aufeinander folgende Transformationsprozesse in deren Funktionserfüllung voneinander vollständig abhängen. Die Funktionserfüllung der Transformationsprozesse ist inputseitig von korrekt (qualitativ, quantitativ, zeitlich) erstellten Vorprodukten und outputseitig von der Entnahme der Zwischenprodukte (erwünschte wie unerwünschte) durch einen Folgeprozess abhängig. Die einzelnen Transformationsprozesse sind so miteinander verbunden, dass eine Zufuhr von kundenspezifisch erforderlichen Inputfaktoren nicht bzw. nur in eingeschränktem Maße möglich ist.766 Transformationsprozesse werden oft baulich zusammengefasst, um dadurch eine Parallelisierung von Transformationsabläufen zu erreichen bzw. Transportprozesse zu vermeiden. Beispielsweise werden bei der Verarbeitung von großen Mengen an Kunststoff diese in einem Arbeitsgang erwärmt und gleichzeitig mechanisch bearbeitet. Die Produktionssequenz in starr gekoppelten Produktionssystemen ist eine lineare Abfolge von Transformationsprozessen, welche von allen Produkteinheiten in gleich bleibender Weise durchlaufen werden müssen. Relationen zwischen Transformationsprozessen bestehen im Austausch von Stoffen/Energie und auf regelungstechnologischer Ebene von Informationen. Als Schnittstellenbedingung ist bei Transferstraßen die permanente qualitative wie quantitative Übereinstimmung des materiellen Outputs (Angebots) eines Transformationsprozesses mit den notwendigen Inputs (Bedarf) des Folgeprozesses zu gewährleisten. Autonome Veränderungen in den Betriebszuständen eines Transformationsprozesses sind unzulässig (bzw. die Spielräume dafür sind sehr eingeengt). Störungen in den Schnittstellenbedingungen können durch das Produktionssystem kaum ausgeglichen werden. Konsequenzen temporärer Abweichungen zwischen Angebot und Bedarf an einer einzigen Schnittstelle zwischen zwei Transformationsprozessen sind dann Ausschussproduktionen oder der Stillstand der gesamten Transferstraße. Bei der Produktion von Kupferdrähten etwa kommt die gesamte Produktionsanlage zum Stillstand, wenn durch Materialinhomogenitäten oder –verunreinigungen ein Materialbruch zwischen zwei Transformationsprozessen auftritt. Der Gesamtprozess muss dann neu hochgefahren werden. Die starre Systemkoppelung erfordert deshalb, dass die Betriebszustände aller Transformationsprozesse untereinander abgestimmt sind. Die jederzeitige Erfüllung der Schnittstellenbedingungen erfordert damit die zeitliche Abstimmung (Taktung) aller Transformationsstufen der Transferstraße. Basis für die Planung der Taktung ist die geplante Ausbringungsmenge erwünschter Produkte der Engpasskapazität. Angestrebt wird die völlige zeitliche Konstanz aller Produktionssequenzen und damit aller Prozessinput- und Prozessoutputströme. Forderung ist, dass jede Transformationsstufe innerhalb der Taktzeit den für die Folgestufe benötigten Output erstellen muss. Es müssen daher alle Prozesstechnologien sämt766
Etwa unterschiedliche Werbeaufdrucke auf Massenartikeln; kundenspezifische Wünsche bei Kraftfahrzeugen (etwa Sitzbezügen, Farbe des Fahrzeuges) etc.
183
licher Transformationsprozesse entsprechend deren Transformationsgeschwindigkeiten und – zyklen (bei diskontinuierlich arbeitenden Transformationsstufen) aufeinander abgestimmt werden. Über die restriktiven Schnittstellenbedingungen sind somit alle genutzten Prozesstechnologien in den realisierten Leistungsbändern aneinander starr gekoppelt. Als logistische Aufgaben sind Transportvorgänge zwischen den Transformationsprozessen von Bedeutung; Lager- und Umschlagprozesse weisen keine (bzw. kaum) Relevanz auf. Der Transport zwischen einzelnen Fertigungsprozessen erfolgt i. A. vollständig automatisiert und muss analog den Anforderungen der Transformationsprozesse getaktet sein. Pufferlager zwischen Fertigungsprozessen fehlen völlig oder dienen dem Ausgleich geringfügiger temporärer Unregelmäßigkeiten zwischen dem Outputangebot und dem Inputbedarf. Oftmals werden auch Transport- und Transformationsprozesse in einer baulichen Einheit integriert. Bei Abfüllautomaten erfolgt etwa die Befüllung oft simultan mit dem Weitertransport des Gebindes. Spezialisierte Transformationssysteme mit starren Koppelungen zielen auf die Erstellung großer Mengen eines gleich bleibenden Produktes ab. Dennoch können in solchen Systemen durchaus verschiedene Produkte bzw. Produktvarianten erstellt werden.767 Anzumerken ist, dass die Variantenfertigung den Regelfall darstellt, während Einproduktsysteme die Ausnahme bilden.768 Produktvarianten (verschiedene Produkte) können auf unterschiedliche Weise generiert werden.769 Aus Perspektive der Produktion ergeben sich folgende Ansatzpunkte:
767 768 769
770
x
Zunächst lassen sich grundsätzlich Produktvarianten (nach dem Modular- oder Baukastenprinzip) durch Zusteuerung auftragsspezifischer Vorprodukte generieren. Voraussetzung ist, dass unterschiedliche Vorprodukte ohne Veränderung von Transformationsprozessen (bzw. deren Betriebszuständen) genutzt werden können. Man denke etwa an automatisierte Lackiersysteme in der Automobilindustrie oder unterschiedliche Farben bei Erstellung von Stoffen etc. Nicht das Transformationssystem, sondern das koordinierende regelungstechnologische System ist hier Instrument der flexiblen Outputgestaltung.770
x
Weiters können zur Erstellung kundenspezifischer Produkte einzelne Transformationsprozesse (sofern technisch möglich) ohne Durchführung einer Bearbeitung durchlaufen werden. Voraussetzung dafür ist eine auf Modulen basierende Produktkonzeption.
x
Produktvarianten können außerdem durch auftragsspezifische Anpassung einzelner Transformationsprozesse realisiert werden, ohne das Schnittstellenbedingungen ge-
Vgl. Tushman, M. L., Rosenkopf, L., Determinants, 1992, S. 328ff.; Coenenberg, A. G., Prillmann, M., Variantenmanagement, 1995, S. 1244ff. Vgl. Hoitsch, H.-J., Lingnau, V., Charakteristika, 1995, S. 485 Zur Unterscheidung zwischen Produktvarianten und verschiedenartigen Produkten sowie die mit deren Zunahme im Leistungsspektrum der Unternehmung auftretenden Probleme vgl. Hoitsch, H.-J., Lingnau, V., Variantenvielfalt, 1995; Hoitsch, H.-J., Lingnau, V., Variantenfertigung, 1994, S. 243ff.; Wildemann, H., Produktordnungssystemen, 2004, S. 229ff. Vgl. St. John, C., Harrison, J., Synergy, 1999, S. 133f.
184
genüber vor- und nachliegenden Prozessen beeinflusst werden. Beispielsweise ist im Prozess des automatisierten Zuschnitts die Erstellung von Kleidungsstücken, welche sich nur in der Kleidungsgröße unterscheiden, eine solche (dimensionale) Variantenbildung. Auch verschiedene Applikationen auf Kleidungsstücken können als Variantenbildung innerhalb eines einzigen Transformationsprozesses realisiert werden, ohne das dadurch Auswirkungen auf andere Transformationsprozesse verbunden sind. Grundsätzlich ist anzustreben, dass variantenbildende Prozesse möglichst spät im Produktionsablauf positioniert werden. Dies geschieht im Bestreben, möglichst große Teile des Produktionssystems mit einem standardisierten Produkt zu durchlaufen, um so niedrige Stückkosten zu realisieren.771 Über die bisher genannten Möglichkeiten hinausgehende Produktvarianten lassen sich nur mehr durch Umrüsten und Anpassen der Betriebsweise von Transformationsprozessen der Transferstraße realisieren. Eine konzeptionell auf die vorhandenen Transformationsprozesse abgestimmte Produktgestaltung ist Voraussetzung. Aufgrund der starren Koppelung der Transformationsprozesse sind Umrüstvorgänge nur bei Stillstand des gesamten Produktionssystems möglich. Da starr gekoppelte Transformationssysteme hohe Kapitalintensität aufweisen, wird grundsätzlich der kontinuierliche, ununterbrochene Betrieb angestrebt. Fertigungsunterbrechungen durch operative produktwechselbedingte Umrüstvorgänge sind deshalb als ökonomisch nachteilig zu bewerten und sollen in Zahl und Zeitbedarf möglichst niedrig gehalten werden. Werkzeug- und Vorrichtungswechseleinrichtungen, die diese Umrüstvorgänge automatisiert vornehmen und den kontinuierlichen Betrieb trotz unterschiedlicher Produktvarianten nicht (bzw. nur geringfügig) stören, weisen aus diesem Grund hohe Bedeutung zur operativen Systemflexibilisierung auf.772 Ökonomischer Effekt der Nutzung flexibler und somit relativ teurer Werkzeug- und Vorrichtungswechseleinrichtungen ist aber eine Zunahme der Kapitalintensität mit negativer Wirkung auf die Stückkosten. Voraussetzung für den Betrieb kontinuierlich arbeitender, starrer Prozesstechnologiesysteme ist die permanent bedarfsadäquate Versorgung mit Inputs durch Lieferanten. In analoger Weise ist für die kontinuierliche Entsorgung von Rückständen und den Abtransport der Fertigprodukte aus der Produktion zu sorgen. Für eine gesicherte Fertigung sind damit auch ein stabiles, zeitlich abgestimmtes Produktionssystem des Lieferanten sowie der gesicherte Transport zwischen den Unternehmungen erforderlich. Verschärft gilt diese Bedingung, wenn verschiedene Produktvarianten erstellt werden und aus diesem Grund die notwendigen Inputbedarfe zeitlichen Schwankungen unterliegen. Entsprechend muss das Produktionssystem des Lieferanten eine adäquate operative Flexibilität aufweisen. Zur Sicherung der Ver- und Entsorgung ist ein systematisches Informationsversorgungssystem zwischen den beteiligten Unternehmungen aufzubauen. Diese Kommunikation erfolgt auf Produktionsebene, oftmals sogar so automatisiert, dass Inputbedarfe unmittelbar in das 771 772
Vgl. Coenenberg, A. G., Prillmann, M., Variantenmanagement, 1995, S. 1244ff.; Morgan, L. O., Daniels, R. L., Kouvelis, P., Marketing/manufacturing, 2001 Vgl. Jacob, H., Flexibilität, 1989, S. 19ff.; Riebel, P., Umgestaltung, 1964, S. 230
185
PPS-System des Lieferanten eingespeist werden. Voraussetzung dafür sind gemeinsame Datenbestände, auf die beide Unternehmungen zugreifen können.773 Aufgabe des Lieferanten ist dann oft nur mehr die nachträgliche Verifizierung des Auftragseingangs. Als wertvoll können starre Prozesstechnologiesysteme bezeichnet werden, wenn sie gegenüber konkurrierenden Fertigungssystemen Kosten-, Quantitäts- und/oder Qualitätsvorteile774 generieren. Realisierbar ist das zunächst durch Prozesstechnologien, die der Unternehmung exklusiv zur Verfügung stehen. Vorteile können sich aber auch dadurch ergeben, dass grundsätzlich nicht wertvolle Einzeltechnologien zu einem - relativ zu Konkurrenten - effizienteren Gesamtsystem integriert werden können. Die spezifische Architektur des Prozesstechnologiesystems ist dann als wertvoll zu bezeichnen. Ob und in welchem Umfang starre, hoch integrierte Prozesstechnologiesysteme imitiert bzw. substituiert werden können, hängt zunächst von den eingesetzten Prozesstechnologien ab. Von zentraler Bedeutung sind schützbare Prozesstechnologien, die innerhalb des Produkterstellungsprozesses Schlüsselfunktionen übernehmen. Eine vollständige Imitation bestehender Transferstraßenkonzepte ist - vor allem bei komplexen Systemen - aufgrund fehlender prozesstechnologischer Informationen kaum möglich und häufig auch nicht sinnvoll. Da bestehende Transferstraßen auf einer bestimmten, in der Vergangenheit liegenden prozesstechnologischen Basis konzipiert wurden, können Konkurrenten zu einem späteren Zeitpunkt oft auf eine weiterentwickelte, leistungsfähigere Prozesstechnologiebasis zurückgreifen. Eine Imitation „veralteter“ Konzepte ist damit ökonomisch wie technisch nicht rational. Die starre Koppelung einer Vielzahl elementarer Transformationsprozesse erfordert den Einsatz automatisierter regelungstechnischer Systeme zur Prozesskoordination.775 Der Mensch als Regelungssystem ist zumeist nicht in der Lage, die als Entscheidungsbasis benötigte Vielzahl an Messdaten zu erfassen, auszuwerten und in geeignete Korrekturmaßnahmen umzusetzen. Die Regelungen von Transferstraßen erfolgt daher i. A. von EDV-gestützten Fertigungsleitständen aus. Aufgabe des Leitstandführers ist die Überwachung des gesamten Fertigungssystems auf Basis stark verdichteter Daten. Der Leitstandführer greift nur dann in das System ein, wenn außergewöhnliche Planabweichungen auftreten, die das System nicht selbständig korrigieren kann. Zwar wird von den Entwicklern des EDV-gestützten Regelungssystems versucht, eine möglichst breite Palette an Ursachen für Planabweichungen zu erfassen und adäquate (automatisierte) Korrekturroutinen bereitzustellen, die Abdeckung aller möglichen Betriebszustände und Störfälle (Katastrophenfälle) ist aber nicht realisierbar. Lücken in den vom regelungstechnischem System erfassten Ursachen für Planabweichungen und entsprechende Lösungsstrategien sind auch dadurch zu erklären, dass Transferstraßen zumeist
773 774 775
186
Vgl. Kaluza, B., Blecker, T., Technologiemanagement, 2000, S. 150f.; Albach, H., Kaluza, B., Kersten, W., Kernkompetenz, 2002, S. 7f.; Papazoglou, M. P., Ribbers, P., Tsalgatidou, A., Chains, 2000, S. 324f. Diese sind nur dann von Relevanz, wenn durch Qualitätsvorteil Erlöse (durch höhere Preise oder einer quantitativen Zunahme an Verkäufen) gesteigert werden können. Vgl. Grant, R. M. u. a., Appropriate, 1991, S. 45
Unikate sind und das regelungstechnische System speziell an Produkt- und Prozesserfordernisse orientiert ausgelegt wird und aufgrund seiner relativen Neuartigkeit fehleranfällig ist. Da regelungstechnische Systeme starrer Systeme prozess- und produktspezifisch konzipiert werden, muss ein adäquat ausgebildetes Humanpotenzial zur Leitstandbedienung in der Unternehmung aufgebaut werden. Über den Arbeitsmarkt sind diese Humanressourcen nicht akquirierbar. Das prozesstechnologische Wissen der Leitstandführung umfasst zunächst spezifische, kodifizierbare Elemente. Zwecksetzung dieses Wissens ist es, Prozesstechnologiesysteme im Normalbetrieb in einem definierten Betriebszustand zu halten. Als wertvoll ist dieses Wissen nicht zu bezeichnen, da mit diesem keine Effizienzsteigerungen - über die vom prozesstechnischen System ohnehin bereitgestellten Potenziale hinaus - generiert werden können. Trotz hoher Anteile automatisierter Regelungsabläufe weist nicht-kodifiziertes, spezifisches Wissen bei der Leitstandführung Bedeutung bei Planabweichungen aber auch im Normalbetrieb auf. Aufgrund von Erfahrungen aus der Vergangenheit und einem daraus resultierenden „Gefühl“ für den Gesamtprozess kann durch dieses prozesstechnologische Wissen der Prozess im Normalbetrieb z. B. stabiler am „optimalen“ Verfahrenszustand gehalten werden. Weiters können Anfahrt- und Abstellprozesse effizienter gestaltet und bei Störfällen effektivere Maßnahmen ergriffen werden. Dieses Wissen ist wertvoll, da erst auf dieser Basis die weitgehende Potenzialerschließung möglich wird. Es ist nicht imitierbar oder substituierbar und nutzt sich nicht ab. Neben der Leitstandführung sind zum Betrieb starrer Produktionssysteme oft auch Mitarbeiter zur Überwachung einzelner Prozessabschnitte vor Ort erforderlich. Dieser Bedarf besteht, weil durch automatisierte Messsysteme des regelungstechnischen Systems in vielen Fällen nicht alle prozessrelevanten Größen im Normalbetrieb und bei Störfällen erfasst werden können. Man denke etwa an Geschmacks- oder Geruchsnuancen bei Lebensmitteln. Ursachen von Abweichungen vom Normalbetrieb sind Schwankungen in der Qualität wie Quantität des Inputs (in der Lebensmittelindustrie schwankt etwa der Stärkeanteile von Hartweizengrieß zur Teigwarenherstellung), in den Umgebungsbedingungen (etwa kann sich bei Fahrzeuglackierungen aufgrund niedrigen Luftdrucks eine Orangenhaut bilden) etc. Mitarbeiter erfassen daher zur Prozessüberwachung definierte Produkt- und Prozessdaten und werten diese nach vorgegebenen Routinen aus. Das dazu benötigte Wissen ist spezifisch, kodifizierbar und zumeist nicht wertvoll. Der Eingriff in einzelne Prozessschritte durch diese Mitarbeiter ist oft nicht gestattet, sondern erfolgt zentral vom Leitstand aus. Auch nicht-kodifizierbares Wissen ist auf dieser Ebene von Relevanz. Es basiert auf langjährigen Erfahrungen in einem i. A. kleinem Spezialgebiet der Fertigung (z. B. Geschmackstests) und führt etwa dazu, dass hohe Qualitätsstandards kontinuierlich erreicht werden; Störfälle präventiv verhindert werden etc. Das HRM-System baut in solchen Systemen auf geschlossenen Regelkreisen mit klar definierten Vorgaben, Analyse- und Kontrollprozessen auf, die dem Mitarbeiter nur in sehr eingeschränktem Maße Entscheidungsspielräume eröffnen. Arthur bezeichnet solche HRMSysteme als „Control-basiert“, in dem Verhaltenssteuerung- und -koordination sowie Maß-
187
nahmen zur Ausschöpfung vorhandenen Wissens im Zentrum stehen.776 Eine Weiterentwicklung des Wissens und der Fähigkeiten ist im Sinne der Verbesserung ökonomischer Vorgaben nicht zielführend. Die Minimierung der Personalkosten ist ein zentraler Ansatz des Controlbasierten HRM-Systems.777 Bei organisatorisch bedingter Fließfertigung sind auf prozesstechnischer Ebene die Transformationsprozesse nicht mehr zwangsläufig aneinander gekoppelt. Die technisch flexible Koppelung entschärft oftmals die Schnittstellenbedingungen aufeinander folgender Transformationsprozesse in quantitativer wie qualitativer (dimensionaler, variationaler) Hinsicht. Beispiele für organisatorisch bedingte Fließfertigung sind Großnähereien, Fertigungsstraßen für Kraftfahrzeuge etc. Die Transformationsprozesse sind nach wie vor größtenteils hoch spezialisiert und lassen nur die Erstellung weniger standardisierter Produkte zu. Zusätzlich können aber auch flexible Transferstufen in das System integriert werden. Der Mensch als flexibles fertigungs- bzw. regelungstechnologisches System hat hier zentrale Bedeutung. Man denke etwa an Nähereien, die Massenprodukte „kundenspezifisch“ fertigen.778 Entsprechend kann bei organisatorisch bedingter Fließfertigung ein bedeutend höheres input- wie outputseitiges Flexibilitätspotenzial realisiert werden als bei technisch bedingter Fließfertigung. Die Forderung nach permanenter Übereinstimmung von Angebot und Bedarf aufeinander folgender Prozesse ist bei organisatorisch bedingter Fließfertigung aus technischer Perspektive oftmals nicht mehr von Bedeutung. Da aber auch hier die Zielsetzung möglichst niedriger Stückkosten vorherrscht, werden organisatorische Maßnahmen getroffen (etwa JiT), die darauf abzielen, das gebundene Kapital im Umlaufvermögen möglichst niedrig zu halten. Entsprechend wird aus monetär-ökonomischer Perspektive die permanente zeitliche Übereinstimmung von Angebot und Nachfrage zwischen Transformationsprozessen angestrebt. Der temporäre Ausfall einer Transformationsstufe führt aufgrund loser Koppelung nicht zum Stillstand der gesamten Fertigungslinie, sofern Pufferlager vorhanden sind.779 Aus Sicht des Ressourcenansatzes ergeben sich im Vergleich zu technisch bedingter Fließfertigung keine Unterschiede. 5.1.3.2 Planung von Produktionsabläufen - Produktionsüberleitung bei Neuprodukten Bei starren, integrierten Systemen ist die erstellbare Produktvielfalt in Relation zu flexiblen Fertigungssystemen gering. Neue Produkte, die in Transferstraßen gefertigt werden sollen, sind oftmals lediglich geringfügige Modifikationen alter Produkte. Die Planungsaktivitäten zur Überleitung von neuen Produkten in die Produktion umfassen dann die Entwicklung produktspezifischer Werkzeuge und Vorrichtungen sowie die Anpassung von Verfahrenszustän-
776 777 778 779
Vgl. Wright, P. M., Snell, S. A., Human, 1991, S. 218ff.; Bourgeois, L. J., McAllister, D. W., Mitchell, T. R., Organizational, 1978, S. 508; Kathuria, R., Partovi, F. Y., Aligning, 2000, S. 227f. Vgl. Arthur, J. B., Manufacturing, 1994, S. 672; Heijltjes, M., van Witteloostuijn, A., Configurations, 2003, S. 46ff. Vgl. Kaluza, B., Produktdifferenzierungsstrategie, 1996, S. 197 Vgl. Perrow, C., Accidents, 1994, S. 4f.
188
den der Transformationsprozesse. Die Abfolge der Transformationsprozesse steht zumeist nicht zur Disposition, sondern ist bei der Produktgestaltung als Randbedingung zu berücksichtigen. Basis für die Entwicklung von Produkten ist kodifiziertes, spezifisches prozesstechnologisches Wissen über dimensionale, variationale und qualitative Potenziale aller Transformationsprozesse des Systems. Von Interesse ist, in welchem Umfang (neue) Werkzeuge und Vorrichtungen eingesetzt und Betriebszustände zur Produkterstellung angepasst werden können, ohne das Gesamtsystem unzulässig zu verändern. Die prozesstechnischen (baulichen, physikalischen, chemischen etc.) Gegebenheiten bilden hierbei Restriktionen für die Produkt- und Prozessgestaltung bzw. auch für die Werkzeug- und Vorrichtungsgestaltung. Neben kodifizierten ist nicht-kodifiziertes Wissen von hoher Bedeutung. In der Vergangenheit kumuliertes Wissen kann eingesetzt werden, um die variationalen, dimensionalen und qualitativen Leistungsmerkmale des Systems in zunehmendem Maße in der Produktgestaltung auszuschöpfen. Kodifizierbares wie nicht-kodifizierbares Wissen ist dann als wertvoll zu bezeichnen, wenn durch generierte Produktvielfalt (Variantenvielfalt) Wettbewerbsvorteile erzielt werden können.780 Das in diesem Zusammenhang genutzte systemspezifische Wissen ist nicht (bzw. kaum) imitierbar bzw. für Konkurrenten oft nicht von Interesse. Mit konzeptionellen Produktveränderungen sind bei integrierten Systemen i. A. bauliche Anpassungen verbunden. Diese weisen strategischen Charakter auf. Produktveränderungen sind damit außergewöhnliche, relativ seltene Ereignisse. Bei organisatorisch bedingter Fließfertigung ist zu unterscheiden, ob Produktentwicklungen Anpassungen hoch spezialisierter oder flexibler Transformationsstufen bedingen. Bei hoch spezialisierten Transformationsprozessen ist eine Substitution oft unumgänglich. Bei flexiblen Transformationsstufen ist oft nur eine Systemanpassung (etwa durch produktspezifische Vorrichtungen, der Betriebsweise etc.) erforderlich. Grundsätzlich gestaltet sich die Neuprodukteinführung technisch einfacher als bei technisch bedingter Fließfertigung. 5.1.3.3 Die Einplanung und Koordination von Kundenaufträgen Die Einplanung von Kundenaufträgen bei integrierten Systemen stellt im Wesentlichen ein Reihenfolgenproblem dar. In welcher Reihenfolge artverschiedene Kundenaufträge in Transferstraßen abgearbeitet werden, hängt von den produktspezifischen Engpasskapazitäten, den notwendigen Rüstzeiten, der Priorität der Kundenaufträge etc. ab. Auch bei organisatorisch bedingter Fließfertigung gilt das in analoger Weise.
780
Vgl. Coenenberg, A. G., Prillmann, M., Variantenmanagement, 1995, S. 1234ff.; Quelch, J. A., Kenny, D., Varianten, 1995
189
5.1.3.4 Anforderungen an die Leistungsmerkmale integrierter Systeme Bei integrierten Systemen wird durch qualitative und quantitative Definition der zu erstellenden Produkte festgelegt, welche Leistungsbeiträge jede einzelne Prozesstechnologie des Transformationssystems im Prozessverbund zur Aufgabenerfüllung liefern muss. Mit Festlegung der Bandbreiten, in denen Produkteigenschaften und -quantitäten variieren dürfen, werden die qualitativen wie quantitativen Soll-Outputs (erwünschte wie unerwünschte) jedes einzelnen Transformationsprozesses definiert. Integrierte Systeme werden so konzipiert, dass sie auf die Erstellung definierter Outputs möglichst exakt abgestimmt sind; Leistungsreserven werden grundsätzlich nicht eingeplant (siehe Abschnitt 3.4). Für die Erfüllung von Funktionalitäten werden aus diesem Grund in den einzelnen Transformationsprozessen grundsätzlich enge outputseitige Leistungsbänder angestrebt.781 Integrierte Systeme erfordern hohe Quantitäten an gleich bleibenden Inputfaktoren. Aufgrund des hohen Einkaufsvolumens besitzen Produzenten daher gegenüber ihren Lieferanten eine Machtposition, welche unter anderem dazu genutzt wird, engere Schwankungsbreiten in der Qualität der bezogenen Rohstoffe bei niedrigen Einstandspreisen durchzusetzen. Die Sicherstellung qualitativer Anforderungen an Inputfaktoren wird oft vollständig in die Verantwortung des Lieferanten übertragen; der Produzent prüft die Inputqualität nicht mehr. Produzenten streben dazu langfristige stabile Beziehungen mit zuverlässigen Lieferanten an. Vorteilhaft ist die Realisation enger Leistungsbänder, da dadurch Prozesstechnologien bzw. Prozesstechnologiesysteme nicht auf die Transformationen einer Vielzahl an Inputqualitäten ausgelegt werden müssen, welche die Komplexität des Systems steigern. Transferstraßen können nur dann ökonomisch sinnvoll betrieben werden, wenn die Stillstandszeiten und damit die Leerkosten der Anlage niedrig und die Kapazitätsauslastung damit hoch ist. Von zentralem Interesse für den Produzenten ist es daher, die Wahrscheinlichkeit von Störfällen aller Transformationsprozesse möglichst niedrig zu halten.782 Aus Gründen der Stabilität ist es sinnvoll bei der konzeptionellen Gestaltung von Transformationsprozessen, in Relation zu den lieferbaren Qualitätsstandards, ein breites zulässiges inputseitiges Qualitätsband anzustreben. Bei relativ zu lieferbaren Qualitätsstandards - breit ausgelegten inputseitigen Qualitätsbändern nimmt die Prozessstabilität zu. Da Transferstraßen auf die Erstellung eines definierten Produktes abstellen, sind die Möglichkeiten, Inputfaktoren nach ihrer Art zu verändern, stark eingeschränkt. Somit ist Flexibilität gegenüber veränderliche Inputs bei integrierten Systemen i. A. irrelevant. Quantitative Schwankungen bei der Versorgung mit Inputfaktoren stellen für Transferstraßen generell ein kritisches Problem dar. Ist die Versorgung der Transformationsprozesse mit Inputfaktoren - auch nur temporär - gestört, so führt das im Regelfall zum Stillstand des gesamten Systems. Rasche Anpassungen (z. B. durch Drosselung der Fertigung) an unerwar781 782
190
Etwa exakt definierte Spitzenweiten und Durchmesser für Drehteile. Die Ausfallswahrscheinlichkeit einer starr gekoppelten Transferstraße ergibt sich dann aus dem Produkt der Ausfallswahrscheinlichkeiten aller Transformationsstufen. Zu den Bestimmungsgrößen von Ausfalls- bzw. Störfallrisiken in Produktionssystemen vgl. Perrow, C., Accidents, 1994, S. 11ff.
tete Versorgungsengpässe sind aufgrund der Trägheit des Transformationssystems i. A. nicht möglich. Oft sind aus technischen Gründen Minimalmengen an Inputfaktoren erforderlich, um Transformationsprozesse nicht zum Erliegen zu bringen. Bei der konzeptionellen Gestaltung integrierter Systeme wird grundsätzlich von einer von der Beschaffungslogistik zu gewährleistenden, gesicherten Rohstoffversorgung ausgegangen. Unter diesem Aspekt verliert das Leistungsmerkmal „zulässige zeitliche Schwankungen der Inputquantität“ bei der Gestaltung an Bedeutung. Voraussetzung für die Taktung von integrierten Systemen ist bei kontinuierlich arbeitenden Prozessen, dass die Fertigungsgeschwindigkeiten aufeinander folgender Transformationsstufen gleich groß sind. Treten Unterschiede zwischen den Fertigungsgeschwindigkeiten auf, so führt dies zu einer Über- oder Unterversorgung des Folgeprozesses. Grundsätzlich können aber auch Transformationsstufen mit völlig unterschiedlichen Produktionszyklen aufeinander folgen. Hier müssen für einen reibungsfreien Betrieb die Quantitäten je Taktzyklus gleich groß sein. So kann etwa ein diskontinuierlich arbeitender Prozess ein Pufferlager befüllen, das von der nachfolgenden kontinuierlich arbeitenden Transformationsstufe in einem Taktzyklus abgearbeitet wird. Die bisherigen Aussagen gelten in analoger Weise (oft mit der Ausnahme zeitlicher Anforderungen) auch für hoch spezialisierte Transformationsstufen bei organisatorisch bedingter Fließfertigung. 5.1.4
Konzeptionelle Gestaltung von Prozesstechnologiesystemen bei Verfolgung einer Differenzierungsstrategie
Wird von Unternehmungen eine Differenzierungsstrategie verfolgt, so steht als unternehmerische Anstrengung die „Maximierung“ des Kundennutzens zu akzeptablen Preisen im Zentrum der Bestrebungen. Das Prozesstechnologiesystem nimmt auch bei dieser Wettbewerbsstrategie zunehmend eine Schlüsselposition ein.783 Während bei Kostenführerschaft Preise (Kosten) als zu minimierende Größen eindeutig identifizierbar sind, kann unter der Differenzierungsstrategie eine Vielzahl von Produktattributen zur Steigerung des Kundennutzens von Relevanz sein. Unterschiedliche Differenzierungsmerkmale stellen dann verschiedenartige Anforderungen an Prozesstechnologiesysteme.784 Für Unternehmungen ist damit bei der Verfolgung einer Differenzierungsstrategie die Festlegung des zentralen Differenzierungsfaktors (order-winning-Kriterium) für die Gestaltung des Prozesstechnologiesystems von zentraler Bedeutung.
783 784
Zahra und Covin stellen fest, dass eine breite Produktpalette nicht mit einer aggressiven Prozesstechnologieführerschaft verbunden ist. Vgl. Zahra, S. A., Covin, J. G., Strategy, 1993, S. 459 und 464ff. Vgl. Bamberger, I., Wrona, T., Ressourcenansatz, 1996, S. 141
191
5.1.4.1 Konzeption der prozesstechnischen Ebene Bei Verfolgung einer Differenzierungsstrategie werden Prozesstechnologiesysteme benötigt, die es gestatten, unterschiedliche Produkte bzw. Produktvarianten in relativ geringen Quantitäten zu erstellen. Als weitere, simultan zu erfüllende Zielsetzung soll die Realisation des Produktionsprogramms unter minimalen Kosten erfolgen (ökonomisches Rationalprinzip). Schließlich kommt dem Faktor Zeit eine eigenständige Bedeutung zu, welche sich in der Forderung nach kurzen Durchlaufzeiten von Kundenaufträgen niederschlägt.785 Die Erstellung einer Vielzahl unterschiedlicher Produkte erfordert i. A. eine relativ (zu Systemen zur Verfolgung einer Preis-Mengen-Strategie) hohe operative Flexibilität (siehe Abschnitt 4.2.8.2.3) der einzelnen Transformationsprozesse des prozesstechnischen Systems. Verschiedenartige Produkte müssen (können) zumeist auch in unterschiedlichen Sequenzen aufeinander folgender Transformationsprozesse erstellt werden. Daraus resultiert die Forderung, dass Transformationsprozesse eines Produktionssystems in unterschiedlichen produktspezifischen Sequenzen kombiniert werden können. Das ist grundsätzlich nur möglich, wenn die vorhandenen Transformationsprozesse entkoppelt sind und damit voneinander unabhängig betrieben werden können. Weiters erfordert die Erstellung verschiedener Produkte (Produktvarianten), dass Transformationsprozesse in deren Betriebsweise (aber auch in deren Werkzeugen, Vorrichtungen etc.) produktspezifisch angepasst werden können. Solche Transformationsprozesse werden, da eine Vielzahl unterschiedlicher Transformationsfunktionen nutzbar sind, als (operativ) flexibel bezeichnet. Prozesstechnologiesysteme, in denen Transformationsprozesse in vielfältiger Weise kombinierbar sind, werden als flexible Fertigungssysteme bezeichnet.786 Limitiert wird die Zahl erstellbarer Produkte (Produktvarianten) durch die Summe der Leistungsmerkmale der vorhandenen Transformationsprozesse und deren Kombinationsmöglichkeiten. Mit zunehmender Zahl an prozesstechnologischen Subsystemen und Relationen zwischen diesen steigt die Komplexität des Produktionssystems, der Koordinationsaufwand steigt. Guimaraes zeigt auf Basis einer empirischen Untersuchung, dass zunehmende Systemkomplexität zu sinkender Systemeffizienz führt. Performanceverluste ergeben sich auf Ebene der Koordination des Gesamtsystems wie auf der einzelner Transformationsprozesse.787 Die lose Koppelung von Transformationsprozessen gegenüber starren Systemen weist einige generelle ökonomische Vorteile auf. Die Transformationsprozesse werden durch sich permanent verändernde Stoff-, Energie- und Informationsströme in Beziehung zueinander gesetzt. Die Entkoppelung der Transformationsprozesse ermöglicht den autonomen Betrieb jedes einzelnen Transformationsprozesses. Jeder Transformationsprozess kann so, in Abhängigkeit von der momentanen Aufgabenstellung, im jeweils (ökonomisch wie ökologisch) günstigsten Zustand betrieben werden. Bei starr gekoppelten Transformationssystemen ist 785 786 787
192
Vgl. Kaluza, B., Produktdifferenzierungsstrategie, 1996, S. 193 Das umfasst den von Kaluza verwendeten Begriffen der NC-Fertigungseinrichtungen, flexiblen Fertigungszellen und flexiblen Fertigungssystemen. Vgl. Kaluza, B., Produktdifferenzierungsstrategie, 1996, S. 203ff. Vgl. Guimaraes, T. u. a., Complexity, 1999, S. 1257ff.
eine Ausrichtung an der Engpasskapazität erforderlich. Damit müssen zwangsläufig Prozesstechnologien abweichend von ihrem ökonomisch bzw. ökologisch günstigsten Verfahrenszustand betrieben werden. Weiteres muss die Schnittstellenbedingung der permanenten zeitlichen Übereinstimmung zwischen Output eines Transformationsprozesses und Bedarf des Folgeprozesses von flexiblen Fertigungssystemen nicht erfüllt werden. Den zeitlichen Ausgleich zwischen momentanem Angebot und Bedarf schaffen Pufferlager zwischen aufeinander folgenden Transformationsprozessen. Diesem grundsätzlichen Vorteil entkoppelter Transformationsprozesse steht der Nachteil einer Zunahme logistischer Aufgaben gegenüber. Bei starren Produktionssystemen sind logistische Aufgaben zwischen aufeinander folgenden Transformationsprozessen auf ein Minimum reduziert und der verbleibende Rest automatisiert. Logistische Aufgaben zwischen zwei Transformationsstufen umfassen prinzipiell: x
die Entnahme von Produkten (und unerwünschten Rückständen) aus einem Transformationsprozess;
x
den Weitertransport zum nachfolgendem Transformationsprozess;788
x
eventuell eine Zwischenlagerung in definierten Lagerbereichen und
x die Zuführung und Fixierung zur Bearbeitung im folgenden Transformationsprozess. Im Gegensatz zu starren ist bei flexiblen Fertigungssystemen - aufgrund der Vielzahl stochastisch anfallender Transportbeziehungen - die Nutzung automatisierter Logistiksysteme ökonomisch oft nicht sinnvoll bzw. technisch nicht möglich. Logistische Aufgaben in flexiblen Fertigungssystemen werden daher häufig manuell durchgeführt. Entsprechend müssen logistische Aufgaben in flexiblen Fertigungssystemen adäquat koordiniert werden. Das erfordert ein Management der Material- und Informationsströme. Im Allgemeinen werden nur bei Transportbeziehungen mit hoher Intensität automatisierte Transporteinrichtungen eingesetzt. Die Entnahmen von Zwischenprodukten aus Transformationsprozessen und die Zuführungen (Fixierungen) in Folgeprozesse werden zumeist trotzdem manuell (bzw. halbautomatisch) durchgeführt. Grund dafür ist die Vielzahl geometrisch unterschiedlichen Inputs, Vorrichtungen und Werkzeuge. In zunehmendem Maße übernehmen Industrieroboter diese Aufgaben. Nachteilig ist bei diesen aber der i. A. hohe Investitionsaufwand.789 Als zusätzliche logistische Aufgabe (gegenüber Transferstraßen) ist in flexiblen Fertigungssystemen die Verwaltung von Lagerbeständen in der Fertigung wahrzunehmen. Ursache von Pufferlagern ist, dass bei entkoppelten Transformationsprozessen eine Taktung nicht notwendig und auch zur Ausschöpfung momentan "optimaler" Betriebszustände von Transformationsprozessen nicht sinnvoll ist. Damit weichen die erstellten Outputs und benötigten Inputs je Zeiteinheit zwischen aufeinander folgenden Transformationsprozessen i. A. ab. Pufferlager übernehmen den zeitlichen Ausgleich zwischen den Transformationsprozessen. Ein weiterer Grund für Pufferlager ist, dass einmalige Transporte größerer Transporteinheiten
788 789
Rückstände, die nicht mehr im Unternehmen produktiv nutzbar sind, werden in Sammelbereiche gebracht. Vgl. Schünemann, T. M., Lehnen, H., Flexibilitätsgrade, 1983, S. 501f.
193
(etwa mit Paletten) gegenüber kontinuierlichen Transporten kleinerer Produktquantitäten ökonomisch oft sinnvoller sind. Die regelungstechnologischen Aufgabeninhalte und deren Verteilung unterscheiden sich bei flexiblen Fertigungssystemen gegenüber starren wesentlich. Während bei starren Systemen die Erfassung definierter Produkt- und Prozessdaten jedes Transformationsprozesses sowie deren Auswertung, Überprüfung und das Einleiten von Anpassungsprozessen im Wesentlichen automatisiert von zentralen Fertigungsleitständen aus erfolgt, werden bei flexiblen Fertigungssystemen diese Aufgaben zum Großteil von Mitarbeitern an den einzelnen Transformationsprozessen dezentral übernommen. Bei starren Systemen werden gleichartige Produkte in hoher Zahl erstellt. Das erfolgt durch Fertigungsroutinen unter i. A. unveränderten Rahmenbedingungen. Da die Fertigungsabläufe jeder Produkteinheit stets ident sind, kann die Regelung des Prozessverlaufes oftmals von automatisierten Systemen übernommen werden, die kaum mehr Eingriffe der Mitarbeiter erfordern (siehe Abschnitt 5.1.3.1). Es ist hier oftmals, in ökonomisch sinnvoller Weise möglich, Messdaten, die den Betriebszustand von Transformationssystemen repräsentieren, zu definieren, Datenanalysen zu routinisieren und gleich bleibende Prozesse zur Korrektur von Planabweichungen des Fertigungsprozesses zu entwickeln. Flexible Fertigungssysteme werden in der Einzel- und Kleinserienfertigung eingesetzt. Durch das Transformationssystem ist hierbei eine Vielzahl unterschiedlichster, produktspezifischer Fertigungsaufgaben und -abläufe abzuwickeln. Genutzt werden zur Produkterstellung universell einsetzbare Transformationsprozesse (Universalmaschinen), die geeignet sind, diese Aufgaben- und Ablaufvielfalt zu bewältigen. Wechseln die Aufgabenstellungen eines Transformationsprozesses permanent, so sind die für eine Prozessautomatisierung erforderlichen Programmieraufgaben - vor allem bei komplexen Transformationsprozessen - ökonomisch oft nicht mehr sinnvoll. An die Stelle automatisierter Prozessregelungen tritt der Mitarbeiter mit seinem prozesstechnologischen Wissen als flexibles Regelungssystem, das sich rasch und adäquat auf wechselnde, produktspezifische Fertigungserfordernisse einstellt.790 Die Anforderungen an das prozesstechnologische Wissen der Mitarbeiter unmittelbar am prozesstechnischen System sind damit tendenziell höher als bei automatisierten, starren Transformationssystemen. Aufgabe der Mitarbeiter ist es, den zu verantworteten Transformationsprozess produktspezifisch vorzubereiten, in Gang zu setzen, den Verlauf der Produkterstellung zu beobachten und bei Bedarf regelnd einzugreifen. Die Vorbereitung des Fertigungsprozesses umfasst die Wahl geeigneter Werkzeuge, Vorrichtungen und Betriebszustände der Anlage. Diese Problemstellungen werden in flexiblen Systemen meistens von Mitarbeitern an der Maschine gelöst. Sie können aber auch Inhalt zentral vorgegebener Arbeitsmethoden sein. Die Vorgabe der Arbeitsmethode wird vor allem dann erfolgen, wenn bestimmte Produkte in größeren 790
194
Zur ökonomischen Wirkung dieser Dezentralisierung vgl. Gupta, A., Chen, I., Chiang, D., Determining, 1997, S. 513ff.
Stückzahlen gefertigt werden, um durch konkrete Vorgaben die Aufgabenplanung an der Maschine (und damit verbundene erhöhte Stillstandszeiten) zu reduzieren. Oft sind dann zur Bedienung des Transformationsprozesses auch angelernte Hilfskräfte einsetzbar. Die Vorgabe der Arbeitsmethode ist außerdem dann sinnvoll, wenn auf Grund von Produktspezifika nicht erwartet werden kann, dass der Mitarbeiter geeignete Maßnahmen zur Produkterstellung setzen kann. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn die Reihenfolge der an einer Maschine durchzuführenden Aktivitäten die Funktion des Produktes bestimmt (etwa das Fräsen von Abkantmessern). Für die adäquate Reglung der Transformationsprozesse muss der Mitarbeiter in der Lage sein, wechselnde Informationen zu erfassen und ihre (potenziellen) positiven wie negativen Wirkungen für den Produktionsablauf zu beurteilen. Bei großer Produktvielfalt können die entscheidungsrelevanten Daten produktabhängig höchst unterschiedlich sein. Diese zu erkennen und in problemadäquate Maßnahmen umzusetzen, erfordert eine entsprechende Mitarbeiteraus- und -weiterbildung. Mitarbeiter an den Transformationsprozessen müssen damit aber auch erweiterte Entscheidungsfreiräume bei der Prozessnutzung zugestanden werden.791 Notwendig ist das schon deshalb, da bei hoher Produktvielfalt dem Produktentwickler bzw. einer zentralen Produktionsplanung die Prozesseigenarten nicht vollständig bekannt sind. Die individuelle Arbeitsweise der Fertigungsmitarbeiter gewinnt an Bedeutung für die effiziente Produkterstellung.792 Vor allem durch Erfahrungen aufgebautes, nicht-kodifizierbares Wissen darüber, wie sich die Anlage in verschiedensten Betriebszuständen verhält, ist hier von Relevanz und aus diesem Grund als wertvoll zu bezeichnen. Prozesstechnologisches Wissen über die Betriebsweise von Transformationsprozessen in flexiblen Fertigungssystemen ist als wertvoll zu bezeichnen, wenn es dem Mitarbeiter gelingt, unterschiedliche Arbeitsaufgaben gesichert und effizient unter Berücksichtigung definierter Zielsetzungen auszuführen und damit order-winningKriterien anzusprechen. 5.1.4.2 Planung von Produktionsabläufen - Produktionsüberleitung bei Neuprodukten Bei flexiblen Fertigungssystemen ist im Gegensatz zu integrierten Systemen die Erstellung permanent wechselnder Produkte zentrale Zwecksetzung. Entsprechend bedeutsam sind Ressourcensysteme, mit denen die Überleitung neuer Produkte in die Fertigung effizient erfolgen kann. Problematisch für eine mit der Produktion abgestimmten Produktentwicklung ist es hierbei, die ständig zunehmende Vielfalt an Transformationsprozessen und deren Spezifika (Leistungsmerkmale) zu überblicken. Das prozesstechnologische Wissen über unternehmensintern nutzbare Prozesspotenziale ist aufgrund zurückliegender Erfahrungen (sowie örtlicher Nähe)
791 792
Vgl. Kaluza, B., Produktdifferenzierungsstrategie, 1996, S. 215 Vgl. Majchrzak, A., Automation, 1988, S. 44ff.
195
jedoch i. A. besser ausgeprägt als das potenzieller unternehmensextern verfügbarer Prozesstechnologiepotenziale.793 Mitarbeiter in der Fertigung entwickeln kontinuierlich ihr Wissen über die von ihnen genutzten Prozesse weiter. Dieses Wissen kann der Produktentwicklung nur über engste Kooperation mit der Produktion (bzw. sogar mit Mitarbeitern an einzelnen Transformationsprozessen) zur Verfügung gestellt werden. Die frühzeitige Integration des Fertigungsbereiches (evtl. sogar einzelne Fertigungsmitarbeiter) bei der Entwicklung bzw. auch bei geringfügiger Veränderung von Produkten ist deshalb von zentraler Bedeutung für eine effiziente Produktion und reibungsarme Produktionsüberleitung. Vorteile bietet diese frühzeitige Integration interner aber auch externer Produktionsvertreter, da bereits kodifizierbares Wissen oft nicht in adäquater Weise kommuniziert wird. Weiters kann nur so nicht-kodifizierbares Wissen in die Produktentwicklung einfließen. Kodifizierbares Wissen ist nur dann als wertvoll zu bezeichnen, wenn es sich spezifisch auf Prozesstechnologiepotenziale bezieht, die von der Unternehmung exklusiv genutzt werden können. Nicht-kodifizierbares Wissen ist wertvoll, wenn dadurch die prozesstechnologischen Möglichkeiten relativ zu Wettbewerbern effizienter ausgeschöpft werden können bzw. wenn es sich auf geschützte, exklusiv genutzte Prozesstechnologien bezieht. Das ist etwa möglich, wenn bei der Produktgestaltung systematische fertigungstechnisch analoge (idente) Produktgestalten realisiert und dadurch Stillstandszeiten durch Umrüstvorgänge reduziert werden können. Auch wenn die Fertigung in die Entwicklung neuer Produkte integriert wird, ist die Erstellung eines neuen Produktes für die Mitarbeiter an der Maschine eine mehr oder weniger komplexe Problemstellung, welche neue Lösungskonzepte verlangt. Im Gegensatz zu Transferstraßen benötigen daher Mitarbeiter prozesstechnologisches Wissen zur Lösung der Integrationsprobleme neuer Produkte. Weiteres ist Wissen über das Management von Problemlösungsprozessen erforderlich. Müssen zur Problemlösung mehrere Mitarbeiter eingebunden werden, so ist zusätzlich Wissen über die Arbeit in Problemlösungsteams notwendig.794 Damit verbunden sind hohe Intensität der Kommunikationsbeziehungen (sowohl innerhalb als auch zwischen hierarchischen Ebenen) und ein höheres Niveau an Autonomie der Mitarbeiter.795 Die Mitarbeiter müssen konsequenter Weise in höherem Maße in Managementent793
794
795
Armour und Teece stellten auf empirischer Basis einen positiven Zusammenhang zwischen vertikaler Integration und angewandten Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten fest. Grund dafür ist die Anregungswirkung einer wachsenden Zahl an Transformationsprozessen. Voraussetzung zur Erschließung dieser Innovationspotenziale ist die intensive Kommunkation zwischen Produktentwicklung und Produktion. Vgl. Armour, H. O., Teece D. J., Integration, 1980 Vgl. Kaluza, B., Produktdifferenzierungsstrategie, 1996, S. 213ff.; Youndt, M. A., et al., Performance, 1996, S. 858; Zäpfel, G., Produktions-Management, 2000, S. 275f.; Zülch, G., Grießer, K., Wandels, 1995, S. 259ff.; Gupta, A., Chen, I., Chiang, D., Determining, 1997, S. 513ff. Gupta, Chen und Chiang weisen in diesem Zusammenhang auf Basis empirischer Daten nach, dass die Effizienz des Fertigungsbereiches durch Dezentralisation, geringe Formalisierungsgrade und organische Struktur der Organisation zunimmt. Greenan und Guellec zeigen, dass im Zusammenhang mit advanced technologies auf. Vgl. Greenan, N., Guellec, D., Organization, 1998, S. 322ff.; Majchrzak, A., Automation, 1988, S. 94f.; Zur Bedeutung von Kommunikation zur kontinuierlichen Weiterentwicklung der Unternehmung vgl. Brown, S. L., Eisenhardt, K. M., Change, 1997, S. 7ff.; Vgl. Kathuria, R., Partovi, F. Y., Aligning, 2000, S. 224ff.; Walton, R. E., Susman, G. I., Machines, 1987, S. 98ff.
196
scheidungen einbezogen werden. Arthur bezeichnet solche Systeme als „Commitment HRSysteme“.796 Diese Systeme zielen primär auf die Akquisition und Veränderung (Entwicklung) von Wissen sowie Verhaltenskoordination und weniger auf Kontrolle ab.797 Kodifizierbares Wissen über Arbeitsmethoden von Prozesstechniken bzw. den grundsätzlichen Ablauf von Projekten und nicht-kodifizierbares prozesstechnologisches wie potenzialerschließendes Wissen sind in flexiblen Fertigungssystemen damit von hoher Relevanz. Wettbewerbswirksam und aus diesem Grund wertvoll wird dieses Wissen, wenn orderwinning-Kriterien durch Mitarbeiterverhalten auf Basis kodifizierten und nicht-kodifizierten Wissens besser als von Mitbewerbern angesprochen werden können. 5.1.4.3 Die Einplanung und Koordination von Kundenaufträgen Eine Planungsaufgabe in flexiblen Fertigungssystemen mit (gegenüber integrierten Systemen) hoher Komplexität ist die Abstimmung von Kundenaufträgen, deren Einplanung, die Planung der Kapazitätsauslastung der Transformationsprozesse etc. Anspruchsvoll werden diese Aufgaben zusätzlich dadurch, dass oftmals die Erstellung eines Produktes in mehreren, alternativen Fertigungssequenzen erfolgen kann. Welche Fertigungssequenz die günstigste darstellt, ist vom momentanem Fertigungsstatus aller Kundenaufträge und von den alternativ einsetzbaren Prozessen abhängig. Diese Vielzahl an Aufgaben kann bereits bei einer relativ geringen Zahl an zu koordinierenden Transformationsprozessen nicht mehr effizient und gesichert von Mitarbeitern durchgeführt werden; zu groß ist die Quantität der entscheidungsrelevanten Daten. PPS-Systemen zur Koordination von Transformationsprozessen kommt daher bei flexiblen Fertigungssystemen zentrale effizienzbestimmende Bedeutung zu. Zentrale Aufgaben der PPS sind (anderes als bei Transferstraßen) die Planung der Reihenfolge der abzuarbeitenden Fertigungsstufen, die Kapazitätsplanung der Transformationsprozesse, die Planung der Fertigungsdurchlaufzeiten etc. Die Regelung einzelner Transformationsprozesse durch eine zentrale Fertigungssteuerung hat bei flexiblen Fertigungssystemen meistens untergeordnete Bedeutung. Generell kann damit gesagt werden, dass die Planung und Koordination von Fertigungsabläufen zentrale Bedeutung bei flexiblen Fertigungssystemen aufweisen, während die Regelung der Transformationsprozesse bei Transferstraßen im Zentrum des Interesses steht. Nur in Ausnahmefällen werden Transformationsprozesse in flexiblen Systemen zentralisiert geregelt. Beispiele dafür sind etwa Härteöfen, die automatisiert 796
797
Vgl. Heijltjes, M., van Witteloostuijn, A., Configurations, 2003, S. 46ff.; Arthur, J. B., Manufacturing, 1994, S. 672ff.; Arthur zeigt, dass in “Commitment HR-Systemen” die Fluktuationsrate relativ niedrig ist. Da prozesstechnologisches Wissen langfristig kumuliert wird, liegt es im Bestreben von Unternehmungen entsprechend stabile Systeme auszubilden. Bullinger, H.-J., Paradigm, 1997, S. 219ff.; Bates zeigt weist auf Basis empirischer Daten einen Zusammenhang zwischen Produktionsstrategie und Unternehmenskultur nach. Vgl. Bates, K. A. u. a., Manufacturing, 1995, S. 1573ff.; Wildemann, H., Mitarbeiterinvolvierung, 1995, S. 17ff.; Bourgeois, L. J., McAllister, D. W., Mitchell, T. R., Organizational, 1978, S. 513f. Vgl. Wright, P. M., Snell, S. A., Human, 1991, S. 218ff.; Bürgel, H. D., Haller, C., Binder, M., Konkurrenz, 1995, S. 8ff.; Majchrzak, A., Automation, 1988, S. 3ff.; Das und Jayaram zeigen auf, das die Organisation auf operativer Ebene von dominierender Bedeutung für den Erfolg fortgeschrittener Fertigungstechnologien ist. Vgl. Das, A., Jayaram, J., Contingency, 2003, S. 4444ff.
197
ihre Programme absolvieren; Stanzanlagen, die nach Erstellung einer definierten Quantität eines Produktes selbstständig die Produktion beenden etc. Aufgabe der PPS in flexiblen Fertigungssystemen ist außerdem die Beauftragung der einzelnen Transformationsstufen mit zu erstellenden Produkten. Oftmals erfolgt diese sogar unter Freistellung der Auftragsreihenfolge an den einzelnen Fertigungsplätzen. Vor allem wenn die Arbeitsmethode nur sehr grob vorgegeben ist, wird damit die Entscheidung über die technisch sinnvolle Reihenfolge zur Abarbeitung von Kundenaufträgen delegiert. Impliziert wird mit diesem Vorgehen oft, dass der Mitarbeiter die Minimierung der anfallenden Rüstzeiten als Kriterium der Auftragsreihung heranzieht. Problematisch ist das, da der Mitarbeiter an der einzelnen Maschine über die einzelnen Gesamtaufträge keinen Überblick hat und mit seiner Reihung Auftragsverzüge verursachen kann. Durch adäquate Gestaltung der Auftragsinformationen kann diese Problemstellung aber entschärft werden. Je nach Automatisierungsgrad der Anlage werden von der PPS Informationen über den Arbeitsprozess an einzelnen Arbeitsplätzen zur Verfügung gestellt. In einfachster Weise etwa durch Bereitstellung von Arbeitsablaufvorschriften. Werden EDV-gestützte Anlagen zur Produkterstellung genutzt, so wird bei diesen das Steuerungsprogramm oftmals von der PPS zentral verwaltet und auf Abruf vor Ort bereitgestellt. Aufgabe des Mitarbeiters ist dann das Umrüsten der Anlage bei Produktwechsel, die Inputzufuhr zu organisieren sowie den Transformationsverlauf zu überwachen. 5.1.4.4 Anforderungen an die Leistungsmerkmale flexibler Systeme Mit der Forderung, eine Vielzahl verschiedenster Produkte und Produktvarianten bei relativ geringen Quantitäten in flexiblen Fertigungssystemen zu erstellen, ergibt sich für die dafür genutzten Prozesstechnologien, dass sie hohe variationale, dimensionale und qualitative Flexibilität in der Produkterstellung aufweisen müssen. Mit hoher outputseitiger Flexibilität ist entsprechend auch von einer größeren Bandbreite in den Leistungsmerkmalen (relativ zu integrierten Systemen) der Prozesstechnologien auszugehen. Begründbar ist das damit, dass unterschiedliche Produkte verschiedene Anforderungen an die Leistungsmerkmale der Prozesstechnologie stellen und daher bei zunehmender Flexibilität die Bandbreite der Leistungsmerkmale tendenziell zunehmen muss. Weiters steigt auch die Komplexität der einzusetzenden Prozesstechnologiesysteme entlang der gesamten Wertschöpfungskette.798 Unterschiede ergeben sich in der Ausschöpfung von Leistungsbändern gegenüber integrierten Systemen. So werden integrierte Systeme auf die Erstellung bestimmter definierter Produkte ausgelegt und dann entsprechend der technischen Auslegung genutzt. Die Auslegung flexibler Systeme baut auf erwarteten Produktspektren, mit mehr oder weniger unsicheren Bedarfen an prozesstechnologischen Leistungsmerkmalen und deren Ausprägungen, auf. Bei flexiblen Transformationssystemen werden Leistungsmerkmale oft nicht bzw. nicht entsprechend ihrer verfügbaren Leistungsbänder ausgeschöpft, da erwartete Bedarfe nicht eintre798
198
Vgl. Coenenberg, A. G., Prillmann, M., Variantenmanagement, 1995, S. 1234
ten. Hohe outputseitige Flexibilität in den erstellten Produkten erfordert zumeist, dass dem Transformationsprozess eine größere Vielfalt an unterschiedlichen Inputs zugeführt werden kann. Folglich nehmen die Anforderungen an die qualitativen (nach Art, technischer Qualität und Dimension) wie quantitativen Leistungsbandbreiten zulässiger Inputs zu. Bei flexiblen Fertigungssystemen können Prozesstechnologien grundsätzlich ohne Berücksichtigung anderer Fertigungsstufen in deren Transformationsgeschwindigkeiten verändert werden; Restriktionen durch gekoppelte Prozesse treten nicht auf. Entsprechend können auch kontinuierlich und diskontinuierlich arbeitende Transformationsstufen innerhalb des gleichen Fertigungssystems i. A. problemlos zusammenwirken. Grundsätzlich wird auch bei flexiblen Fertigungssystemen - aus ökonomischen wie ökologischen Gründen - hohe Stabilität der Transformationsprozesse angestrebt. Gegenüber Transferstraßen verursachen aber Ausfälle einzelner Transformationsprozesse keine Stillstände des gesamten Produktionssystems, sondern (wenn überhaupt) nur von Partialsystemen. 5.1.5
Potenzialausstattung der F&E
Die konzeptionelle Gestaltung starrer Fertigungssysteme zur Verfolgung einer PreisMengen-Strategie orientiert sich im Wesentlichen an einem einzigem (bzw. einigen wenigen Produkten) Produkt. Grundsätzlich ist nicht geplant, Produkte oder Prozesse kurzfristig zu verändern. Finden F&E-Aktivitäten mit der Zielsetzung statt, Produkte grundsätzlich neu zu gestalten, so umfassen solche Projekte neben der Produktentwicklung auch die simultane Neukonzeption des Transformationssystems. Die Produktgestaltung ist von der Prozessgestaltung nicht zu trennen. Die Gestaltung neuer Produkte und Prozesse ist prinzipiell strategischer Natur. Es ist deshalb nicht sinnvoll, ein permanent verfügbares hohes Niveau prozesstechnologischen Wissens über die Produktionsüberleitung in der Unternehmung aufzubauen, sondern bei konkretem Bedarf erforderliches spezifisches Wissen zu generieren (bzw. zu zukaufen).799 Aufgabe einer kontinuierlich arbeitenden Entwicklung bei Transferstraßen (sofern überhaupt vorhanden) ist die geringfügige Modifikation von Produkten und Prozessen zur Steigerung der Systemeffizienz bzw. zur Abdeckung veränderter Anforderungen.800 Das dafür erforderliche prozesstechnologische Wissen ist im Niveau als relativ niedrig und vom Umfang her eng einzuschätzen. Bei Verfolgung einer Differenzierungsstrategie und damit verbundener Nutzung flexibler Fertigungssysteme werden grundsätzlich andere Anforderungen an F&E-Ressourcen gestellt. In F&E-Abteilungen, die permanent Produkte mit kundenspezifischen Anforderungen entwickeln, muss ein entsprechend hohes Niveau an relativ breitem prozesstechnologischem (neben produkttechnologischem) Wissen zur Produktionsüberleitung verfügbar sein.801 Dieses muss sich, da im Regelfall nicht alle Fertigungsschritte durch die Unternehmung selbst durchge799 800 801
Vgl. Hayes, R. H., Wheelwright, S. C., Competitive, 1984, S. 168f. Vgl. Miles, R. E., Snow, C. C., Designing, 1984, S. 48 Vgl. Zahn, E., Huber-Hoffman, M., Wettbewerbsfaktor, 1995, S. 142; Miles, R. E., Snow, C. C., Designing, 1984, S. 48
199
führt werden, auch über Prozesstechnologien erstrecken, die unternehmensextern vorhanden sind. Zwecksetzung dieses prozesstechnologischen Wissens ist es, grundsätzliche Möglichkeiten zur Produkterstellung abzuschätzen; die Abstimmung mit der unternehmensinternen bzw. -externen Produktion kann damit aber nicht vollständig ersetzt werden. 5.1.6
Potenzialausstattung des Marketing
Prozesstechnologisches Wissen über die Anwendung von Produkten in kundenspezifischen Prozesstechnologiesystemen kann unabhängig von der konzeptionellen Gestaltung der Produktion erforderlich sein. So können grundsätzlich bei standardisierten wie kundenspezifisch gefertigten Produkten Beratungsbedarfe bestehen. Unterschiede können sich für die Beratung in der Breite und Tiefe des notwendigen prozesstechnologischen Wissens ergeben. Bei standardisierten Produkten sind die Anwendungsbereiche oft klar definiert oder der Produktnutzer verfügt über anwendungsspezifisches Wissen des Produktes. Bei Verfolgung einer Differenzierungsstrategie werden die erstellten individuellen Produkte in unterschiedlichsten kundenspezifischen Prozesstechnologiesystemen eingesetzt. Aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher Produkte und Anwendungen ist daher von einer breiteren erforderlichen prozesstechnologischen Wissensbasis über potenzielle Einsatzgebiete auszugehen.802 Unterschiede aufgrund der verfolgten Wettbewerbsstrategien ergeben sich beim benötigten prozesstechnologischen Wissen über die im Unternehmen verfügbaren prozesstechnologischen Leistungsmerkmale zur Erstellung von Produkten. Bei integrierten Systemen sind prozesstechnologische Fragestellungen über die Leistungsmerkmale des Fertigungssystems i. A. unbedeutend. Eine Ausnahme bildet zumeist die Absicherung technischer Qualitätsmerkmale des Produktes. Wird eine Differenzierungs- oder Simultanitätsstrategie verfolgt, so stellt dieses Wissen die Basis für Beratungstätigkeiten in der Akquisitionsphase dar. Notwendig sind Kenntnisse über Leistungsmerkmale verfügbarer Prozesstechnologiesysteme und deren Kombinierbarkeit. 5.1.7
Die konzeptionelle Gestaltung von Prozesstechnologiesystemen bei simultanen hybriden Wettbewerbsstrukturen
Hybride Strategien können danach unterschieden werden, ob sie auf die zeitgleiche (simultane) oder sequenzielle Verfolgung von Kosten- und Differenzierungsposition abzielen. Bei der sequenziell hybriden Strategie des Outpacing steht die zeitliche Veränderung der Wettbewerbsstrategie von einer Preis-Mengen-Strategie in Richtung Differenzierungsstrategie (und umgekehrt) im Zentrum der Betrachtungen. Eine weitere sequentielle Strategie stellt die dynamische Produktdifferenzierung dar.803 Diese beiden Strategien sind mit entsprechenden Veränderungen des unternehmerischen Prozesstechnologiesystems verbundenen. Im folgenden Abschnitt werden zunächst simultan hybride Strategien in ihrer Bedeutung für das Pro802 803
200
Vgl. Majchrzak, A., Automation, 1988, S. 99ff. Vgl. Kaluza, B., Produktdifferenzierungsstrategie, 1996
zesstechnologiesystem erörtert. Sequenziell hybride Strategien sind Gegenstand des Abschnitts 6.3.2.6. Mit dem Simultanitätskonzept wird entgegen der Alternativhypothese von Porter versucht, in einem Fertigungssystem Kosten- und Differenzierungspositionen gleichzeitig zu realisieren. Voraussetzung dafür ist, dass im Prozesstechnologiesystem qualitative und quantitative Potenziale aufgebaut werden, die diesen Zielsetzungen gerecht werden können. 5.1.7.1 Limitierende Faktoren prozesstechnischer Systeme Aus prozesstechnischer Sicht ergeben sich bei Verfolgung der Simultanitätsstrategie aufgrund simultan zu erfüllender, widersprüchlicher Zielsetzungen grundsätzliche Probleme bei der Gestaltung von Transformationssystemen. Das Produktionssystem soll Produkte in hoher Vielfalt erstellen und gleichzeitig Stückkosten realisieren, die im Bereich der Massenfertigung durch integrierte Produktionssysteme liegen. Die Zielsetzung der hohen qualitativen wie quantitativen Flexibilität konfligiert mit geringen Stückkosten. Weiters wird gefordert, dass die Erfüllung von Kundenaufträgen in möglichst kurzer Zeit erfolgt. Auch diese Forderung konfligiert prinzipiell mit niedrigen Stückkosten. Trotz widersprechender Zielsetzungen gelingt es Unternehmungen diese dennoch innerhalb gewisser Grenzen simultan zu realisieren. Von zentraler Bedeutung für die Verfolgung der Simultanitätsstrategie ist es, die Limits simultaner Zielerreichung zu erfassen. Durch Innovationen in Prozesstechnologien (und Produkttechnologien) und potenzialerschließende Ressourcensysteme können diese Grenzen simultaner Zielerreichung dann systematisch verschoben werden.804 Ermöglicht wird das durch moderne Prozesstechniksysteme und qualitativ hochwertig ausgebildete Mitarbeiter, die deren Leistungspotenziale in hohem Maße ausbeuten können. Da durch simultan hybride Wettbewerbsstrategien permanent wechselnde Anforderungen an das Prozesstechnologiesystem gestellt werden, ist zur adäquaten Anpassung auch ein entsprechendes Lernpotenzial der Mitarbeiter unabdingbar.805 Es werden im Folgendem fertigungstechnische Limits diskutiert, die verhindern, dass bei simultan hybriden Wettbewerbsstrategien x
gleiche (vergleichbare) Stückkosten wie in integrierten Systemen bei
gleicher (vergleichbarer) Flexibilität wie in flexiblen Fertigungssystemen realisiert werden können. Charakteristischer Unterschied zwischen integrierten Systemen und flexiblen Systemen ist zunächst, dass bei erstgenannten die einzelnen Transformationsprozesse starr aneinander gekoppelt und aufeinander abgestimmt sind. Die räumliche Distanzüberbrückung erfolgt bei integrierten Systemen i. A. durch einfache Transportsysteme, die Zuführung sowie die Positionierung in der Maschine durch automatisierte Werkstückhaltevorrichtungen etc. x
804 805
Vgl. Hayes, R. H., Pisano, G. P., Manufacturing, 1996, S. 35ff.; Zahn, E., Produktionsstrategie, 1988, S. 522ff Vgl. Jenner, T., Wettbewerbsstrategien, 2000, S. 12ff.
201
Die zeitliche Abstimmung von Transformationsprozessen kann auch in flexiblen Systemen durchaus realisiert werden. Die einzelnen Fertigungsprozesse in deren Arbeitsablauf zu synchronisieren, stellt i. d. R. kein Problem dar, da durch Wahlmöglichkeiten der Verfahrenszustände eine adäquate Anpassung erzielt werden kann. Die Synchronisation von Fertigungsprozessen ist aber gar nicht notwendige Voraussetzung, um sich der Kostenstruktur von integrierten Systemen zu nähern. Ein ökonomischer wie ökologischer Nachteil von integrierten Systemen kann in der notwendigen Ausrichtung aller Transformationsprozesse an einer Engpasskapazität gegeben sein. Vorgaben zur Dimensionierung prozesstechnischer (Partial)Systeme sind neben fertigungstechnischen Erfordernissen auch geometrische, festigkeitstechnische etc. Bedingungen, um eine Systemintegration zu ermöglichen. Weiters werden aus ökonomischen Gründen - soweit möglich - standardisierte Maschinenelemente zur Systemkonzeption genutzt. Zur Erfüllung von Kompatibilitätsanforderungen mit dem übrigen System müssen Anlagenteile u. U. gegenüber den erforderlichen fertigungstechnischen Anforderungen, überdimensioniert werden. Konsequenz daraus ist, dass zur Erfüllung von Integrationsbedingungen diese Prozesstechniken oft nur im Teillastbereich genutzt werden können. Die technologisch mögliche Leistungsfähigkeit des prozesstechnischen Partialsystems kann dann nicht voll ausgeschöpft werden. So müssen Prozesstechnologien mit hohem Leistungspotenzial u. U. unter Teillastverhältnissen betrieben werden, um die innerhalb der Transferstraße geforderte Taktzeit zu erfüllen. Prozesstechnische Systeme weisen oftmals einen Verlauf der Gesamtkosten in Abhängigkeit von der Nutzungsintensität auf, wie er in Abbildung 23 dargestellt ist. (Ein analoger Verlauf lässt sich auch in der Nutzung natürlicher Ressourcen (input- wie outputseitig) feststellen.) Ein Betrieb unter Teillast hat i. A. zur Konsequenz, dass in einem Bereich der Nutzungsintensität gearbeitet werden muss, der vom kostenoptimalen Betriebspunkt deutlich abweicht.806 Bei entkoppelten Systemen können für jeden Transformationsprozess die produktspezifisch kostengünstigsten Betriebszustände gewählt werden (die Fertigungshauptzeiten sind gleichzeitig kürzer als unter Teillastbetrieb). Vor allem bei prozesstechnischen Systemen, die einen hohen Anteil an Fertigungshauptzeiten aufweisen, sind so, relativ zu starr gekoppelten Systemen, Kostenvorteile (und Kapazitätsausweitungen) an einzelnen Transformationsprozessen realisierbar. Ökonomisch nachteilig sind aber zunehmende Rüstzeitanteile. Ökonomisch nachteilig, technisch aber erforderlich, sind weiters Pufferlager als Folge unterschiedlicher Transformationsgeschwindigkeiten und Auftragspräferenzen. Aus ökonomischer Sicht von größerer Tragweite ist die logistische Verknüpfung der Transformationsprozesse. Zu betrachten ist der Prozess von der Entnahme des Zwischenproduktes aus einem bis hin zur Zuführung und Fixierung im folgenden Prozess, sodass die nachfolgende Transformation durchgeführt werden kann. Prinzipiell können diese logistischen Prozesse automatisiert werden (in integrierten Systemen wird das auch weitgehend realisiert). 806
Zur Problematik die Verfahrensbedingungen für höchste Ausbringungsmengen bzw. niedrigsten Kosten vgl. Riebel, P., Umgestaltung, 1964, S. 230
202
Gesamtkosten erstellter Produkte
Mit der Erstellung einer größeren Vielfalt von Produkten stoßen automatisierte Lösungen aus technischer und ökonomischer Sicht jedoch rasch an Grenzen der Machbarkeit bzw. ökonomischen Sinnhaftigkeit. Relativ einfach und meistens mit geringen Investitionen verbunden sind automatisierte Transporte zwischen Transformationsprozessen möglich. Technisch, durch die Produktvielfalt limitiert, und i. A. mit hohen Investitionen verbunden sind automatische Entnahme-, Beschickungs- und Fixierungseinrichtungen. Gründe dafür sind neben geometrisch, chemisch etc. unterschiedlichen Produkten auch produktspezifische Vorrichtungen und Werkzeuge, die unterschiedlichste Entnahme- und Beschickungsmodalitäten erfordern. Bei Entnahme- und Beschickungsprozessen wird aus diesen Gründen oftmals eine manuelle Lösung vorgezogen. Entsprechend steigen die Personalkosten logistischer Prozesse.
Teillastbereich
Überlastbereich Volllastbereich
Nutzungsintensität
Abbildung 23: Charakteristischer Gesamtkostenverlauf prozesstechnischer Systeme in Abhängigkeit von der Nutzungsintensität In integrierten Systemen können weiters produktspezifische Transformationsprozesse gestaltet werden, in denen mehrere Fertigungsstufen in rascher Abfolge oder parallel, ohne Unterbrechung durch logistische Prozesse, vom Produkt durchlaufen werden. Die Taktzeit reduziert sich dadurch; entsprechend steigt die Outputquantität an. Bei flexibel gestalteten Fertigungssystemen müssen für vergleichbare Produkte häufig mehrere Transformationsprozesse genutzt werden. Bei vergleichbaren Fertigungshauptzeiten steigen dann die Auftragsdurchlaufzeiten aufgrund zusätzlicher logistischer Prozesse. Eine weitere Möglichkeit, die Kapazität von Transferstraßen zu steigern, ist die Aufsplittung von Transformationsprozessen in mehrere Teilschritte, welche insgesamt zu einer Senkung der Taktzeiten führen können. Ein solches Vorgehen ist bei flexiblen Fertigungssyste-
203
men mit zusätzlichen logistischen Aufwand sowie verlängerten Auftragsdurchlaufzeiten verbunden und deshalb nicht rational. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass aus prozess- und verbindungstechnischer Perspektive Barrieren bestehen, die eine Annäherung der Stückkosten (und Produktivität) flexibler Systeme an solche von Transferstraßen verhindern.807 Relative Kostennachteile können auch aus der Entsorgung unerwünschter Produktionsrückstände resultieren. Rückstände von Produktionssystemen zur Erstellung großer Quantitäten eines (weniger unterschiedlicher) Produktes sind durch große Rückstandsquantitäten mit homogener Zusammensetzung gekennzeichnet. Flexible Fertigungssysteme weisen hingegen relativ kleine Rückstandsquantitäten mit inhomogener Zusammensetzung auf. Während bei großen Quantitäten qualitativ gleich bleibender Rückstände interne und externe Recyclingkreisläufe mit ökonomischen Vorteilen aufgebaut werden können, sind bei kleinen Rückstandsmengen diese wirtschaftlich oft nicht sinnvoll.808 Daraus können Kostenvorteile für Massenfertigungen (relativ zu Einzel- und Kleinserienfertigungen) durch Substitution von Primärrohstoffen durch Sekundärstoffe (Rezyklate) resultieren.809 5.1.7.2 Das regelungstechnologische System als limitierender Faktor Regelungstechnologische Systeme von integrierten und flexiblen Fertigungssystemen unterscheiden sich grundsätzlich. Bei integrierten Systemen wird i. A. ein hoher Automatisierungsgrad und zentrale Steuerung des gesamten Produktionsablaufs realisiert. Nur in Ausnahmefällen wird in diese automatisierten Routinen eingegriffen. Eine zentralisierte Reglung der Transformationsprozesse ist in flexiblen Systemen zumeist ökonomisch und technisch nicht sinnvoll. Grund dafür ist die Vielfalt von Produkten, die innerhalb eines Transformationsprozesses erstellt werden können. Diese Vielfalt würde Mess-, Analyse/Bewertungs- und Umsetzungssysteme benötigen, die unterschiedlichste produktspezifische Daten erfassen, auswerten und in konkrete Maßnahmen umsetzen könnten. Technisch ist dieser Forderung kaum nachzukommen. Voraussetzung für die Definition der zu erfassenden Messdaten, Analyseprozeduren und Problemlösungsroutinen automatisierter Systeme sind speziell ausgebildete Mitarbeiter. Zusätzlich zu Mitarbeitern an den Maschinen werden damit auch Fertigungsprogrammierer benötigt. Effizient ist deren Einsatz nur, wenn die (i. A. relativ hohen) zusätzlich verursachten Kosten durch Einsparungen bei der Produkterstellung (bzw. zusätzliche Erlöse) überkompensiert werden. Eine programmgesteuerte Abwicklung der Produktbearbeitung reduziert etwa die Aufgaben der Mitarbeiter auf das Bestücken und die Entnahme von Werkstücken. Eine Überwachung des Prozesses ist oft nicht mehr erforderlich. Entsprechend können oftmals Mitarbeiter mit niedrigem Ausbildungsniveau und 807 808 809
204
Zur Wirkung wachsender Produktvielfalt auf die Produktivität vgl. Coenenberg, A. G., Prillmann, M., Variantenmanagement, 1995, S. 1237ff. Vgl. Matschke, M., Umweltwirtschaft, 1996, S. 275ff. Zu den Bedingungen, unter denen der Einsatz von Sekundärstoffen gegenüber Primärrohstoffen vorteilhaft ist, vgl. Strebel, H., Umwelt, 1994, S. 830ff.
damit niedrigem Lohnniveau eingesetzt werden. Eine Überkompensation der Programmierkosten ist i. d. R. nur bei hohen Produktquantitäten und niedrigen Kosten der Mitarbeiter an den Maschinen möglich. Wird nur ein Stück eines Produktes erstellt, ist eine Überkompensation der Programmierkosten kaum möglich. Grund dafür ist, dass die Erstellung eines adäquaten Programms mehr Zeit beanspruchen würde, als die Problemlösung und manuelle Fertigung durch den Mitarbeiter an der Maschine. Die Produkterstellung verkürzt sich jedoch. Die Verkürzung der Produktionszeit bei einer einzigen erstellten Produkteinheit in Relation zur Programmierzeit gering. Zusätzlich sind die Lohnkosten von CNC-Programmierern je Zeiteinheit i. A. deutlich höher als die qualifizierter Fertigungsmitarbeiter. Der Programmieraufwand ist jedoch unabhängig von der Produktionsmenge. Eine Überkompensation der Programmierkosten ist ab jener Produktionsquantität gegeben, für die gilt: Programmierkosten < vermiedene Kosten der Produkterstellung + zusätzliche Erträge durch gesteigerte Ausbringungsmenge der Fertigung. Die vermiedenen Kosten der Produkterstellung resultieren aus reduzierter Fertigungszeit und geringerem Lohnniveau der eingesetzten Fertigungsmitarbeiter. Durch die Reduktion der Produktionszeit werden weiters Kapazitäten frei, die (entsprechende Auslastungsmöglichkeiten vorausgesetzt) genutzt werden können, zusätzliche Aufträge in das System einzulasten. Bei Serien- und Massenfertigungen führen diese Effekte (neben anderen) zu Kostendegressionen. Simultan hybride Strategien stellen an die Organisation des Fertigungssystems und an die Mitarbeiterqualifikation Anforderungen, die durch klassische Organisationsformen der Werkstatt- und Fließfertigung nicht erfüllt werden können. Zentraler Ansatz ist die Nutzung des Gruppenprinzips zur Erfüllung möglichst ganzheitlicher Arbeitsaufgaben.810 Reduzierte Effizienz (gegenüber Transferstraßen) resultiert auch aus der zunehmenden Komplexität und damit Fehleranfälligkeit der Produktionsplanung und -steuerung. Effizienzreduzierend wirken tendenziell zunehmendes Umlaufvermögen, abnehmende Losgrößen, Sonder- und Schnellaufträge, diskontinuierliche Absatzverläufe etc.811 5.1.8
Die technologische Umgebung in ihrer Bedeutung für die Entwicklung prozesstechnologischer Systeme
Aus Perspektive des Prozesstechnologiemanagements ist unter der „prozesstechnologischen Umgebung“ die Gesamtheit der Prozesstechnologien zu verstehen, die nicht im Besitz der Unternehmung stehen. Die prozesstechnologische Umgebung umfasst damit Prozesstechnologien (prozesstechnologische Systeme) von Kunden, Lieferanten, Konkurrenten, Produzenten komplementärer Produkte sowie von Organisationen, die sich wissenschaftlich mit Prozesstechnologien auseinandersetzen (technische Universitäten, Fachhochschulen etc.). 810 811
Siehe zur Fertigungsorganisation bei simultan hybriden Wettbewerb Corsten, H., Will, T., Simultanität, 1995, S. 240ff. Vgl. Hoitsch, H.-J., Lingnau, V., Variantenfertigung, 1994, S. 244ff.; Hoitsch, H.-J., Lingnau, V., Charakteristika, 1995, S. 485ff.
205
Aufgrund der engen Verknüpfung ist für die Entwicklung prozesstechnologischer Systeme auch die „produkttechnologische Umgebung“ von entscheidender Bedeutung. Aus prozesstechnologischer Perspektive ist hierbei die Gesamtheit der unternehmensinternen wie unternehmensexternen Prozesstechnologien zu verstehen. Die technologische Umgebung hat naturgemäß eine zentrale Bedeutung für die Entwicklung prozesstechnologischer Systeme. Von ihr gehen unmittelbare und mittelbare Wirkungen auf die Entwicklungsrichtung und -geschwindigkeit prozesstechnologischer Systeme aus. Aber auch in umgekehrter Weise können einzelne Unternehmungen die technologische Umgebung maßgeblich beeinflussen. Von entscheidender Bedeutung für die Entwicklungsrichtung und -geschwindigkeit des unternehmerischen Prozesstechnologiesystems ist die Dynamik der technologischen Umgebung. Als Indikator der Dynamik der technologischen Umgebung kann die Geschwindigkeit, mit der sich Produkt- bzw. Prozesstechnologien entwickeln bzw. ablösen, herangezogen werden.812 Die Lebensphasen, in denen sich Produkt- bzw. Prozesstechnologien befinden, sind als Indikator für die technologische Dynamik ungeeignet. So lassen sich Technologien erkennen, die in sehr frühen Lebensphasen sehr starke Anstiege ihrer Leistungsfähigkeit verzeichnen, während andere starke Zuwächse erst relativ spät zeigen. Ausgelöst werden prozesstechnologische Entwicklungen durch weiterentwickelte oder neue Prozesstechnologien, die im unternehmensspezifischen Kontext zur Erstellung von Produkten genutzt werden können, welche order-winning/qualifying Kriterien in höherem Maße erfüllen als dies mit bestehenden Technologien möglich ist. Impulse können von prozesstechnologischen Entwicklungen der eigenen wie der Unternehmensumgebung ausgehen. 5.1.8.1 Der Einfluss technologischer Systeme von Kunden und Lieferanten Von dominierender Bedeutung für die Entwicklung prozesstechnologischer Systeme sind Einflüsse aus dem Spannungsfeld zwischen dem eigenem mit konkurrierenden Produkt- und Prozesstechnologiesystemen gegenüber dynamischen Marktanforderungen. Veränderte Anforderungen an Produktpreis, Qualität, Quantität sowie Liefersicherheit und –geschwindigkeit sind die primären Auslöser zur Entwicklung unternehmerischer Prozesstechnologiesysteme. Prozesstechnologiesysteme sind über Unternehmensgrenzen hinweg miteinander (über Zwischenprodukte) verbunden. Weiterentwicklungen und Wechsel von Produkt- und Prozesstechnologien bei Kunden, Lieferanten und Produzenten komplementärer Produkte können damit auch Auswirkungen auf die Entwicklung des eigenen Prozesstechnologiesystems aufweisen. Umgekehrt werden durch Entwicklungsanstrengungen von Unternehmungen durch diese Koppelungen u. U. auch Kunden- und Lieferantensysteme beeinflusst.813 Anzumerken ist, dass produkt- bzw. prozesstechnologische Veränderungen nicht in jedem Fall unmittelbar
812 813
206
Vgl. Benkenstein, M., Modelle, 1989, S. 503f. Vgl. Afuah, A., Co-opetitors´, 2000, S. 388ff.
zu Anpassungen des prozesstechnologischen Systems Dritter führen müssen (siehe dazu die Erläuterungen zum Thema entkoppelte Technologien in Abschnitt 4.5). Systeme von Kunden, Lieferanten und Produzenten komplementärer Produkte können bei der Realisation von Optionen zur Entwicklung von Prozesstechnologiesystemen erfolgskritisch sein. Es stellt sich in diesem Zusammenhang zunächst die Frage, ob und wie prozesstechnologische Systeme von Kunden, Lieferanten und Produzenten komplementärer Produkte von Veränderungen im prozesstechnologischen System der Unternehmung betroffen sind. Besteht eine wechselseitige Abhängigkeit zwischen den Prozesstechnologiesystemen der Unternehmung und denen von Kunden, Lieferanten und Produzenten komplementärer Produkte, ist weiters zu klären, ob diese die erforderlichen Maßnahmen zur Anpassung ihrer Systeme durchführen können bzw. wollen. Besteht die Möglichkeit oder der Wille einer Anpassung nicht, kann die Entwicklung des unternehmerischen Prozesstechnologiesystems dadurch bebzw. verhindert werden.814 Als Alternative steht der Unternehmung der Wechsel zu anderen Lieferanten und Kunden offen. Weiters gehen aber auch Impulse von produkt- bzw. prozesstechnologischen Entwicklungen von Kunden, Lieferanten und Produzenten komplementärer Produkte aus, die eine Entwicklung des unternehmerischen Prozesstechnologiesystems auslösen bzw. beschleunigen können. Es besteht andererseits die Gefahr, dass Beziehungen mit diesen gelöst werden, wenn die Unternehmung entsprechende Anpassungen nicht durchführt. Von zentraler Bedeutung für die unternehmensübergreifende Entwicklung eines prozesstechnologischen Systems ist die Richtung und Geschwindigkeit produkt- bzw. prozesstechnologischer Veränderungen. Bei turbulenter produkt- bzw. prozesstechnologischer Entwicklung einer Unternehmung ist davon auszugehen, dass Systeme von Lieferanten, Produzenten komplementärer Produkte und Kunden sich auch entsprechend rasch weiterentwickeln. Können Unternehmungen ihr prozesstechnologisches System veränderten Bedürfnissen der unmittelbaren Umgebung nicht in adäquater Weise anpassen, so verlieren Beziehungen an Bedeutung und neue müssen aufgebaut werden. Wie groß der Anpassungsdruck bzw. die entwicklungshemmende Wirkung miteinander verbundener Prozesstechnologiesysteme ist, hängt davon ab, ob unspezifische oder spezifische Güter von Systementwicklungen betroffen sind. Bei unspezifischen Gütern ist ein Wechsel in den Beziehungen von Unternehmungen i. A. relativ einfach möglich. Entsprechend gering ist der Anpassungsdruck bzw. die entwicklungshemmende Wirkung von Partnersystemen. Bei spezifischen Gütern wird ein Wechsel i. A. dadurch erschwert bzw. verhindert, dass Beziehungen zu neuen Partnern u. U. erst langfristig aufgebaut werden müssen. Unbekannt ist, ob neue Partner die geforderten Leistungen in adäquater Weise erbringen können. Werden Prozesstechnologien weiterentwickelt oder substituiert, so sind davon nicht nur die betrachteten Unternehmungen, sondern oft auch deren Lieferanten davon betroffen.815 So sind Lieferanten, vor allem wenn sie spezifische Inputfaktoren bereitstellen, für den Erfolg 814 815
Vgl. Burgess, T.F., Gules, H. K., Buyer, 1998, S. 129f. Vgl. Afuah, A., Boundaries, 2001, S. 1214; Dyer, J. H., Networks, 1996, S. 275
207
von Unternehmungen kritisch. Können oder wollen Lieferanten technologische Weiterentwicklungen bzw. Wechsel nicht vollziehen, so kann die Kunden-Lieferantenbeziehung u. U. trotzdem aufrechterhalten werden. Das wird oft von Problemen begleitet, die aus der technologischen Veralterung der Lieferantensysteme resultieren (z. B. unvollständige Ausschöpfung weiterentwickelter Systeme, höhere Ausschussquoten etc.). Können Inputfaktoren nicht mehr in adäquater Weise bereitgestellt werden, sind neue Lieferanten zu akquirieren. Oftmals bilden aber auch Innovationen in den Technologiesystemen von Lieferanten den Ansatzpunkt prozesstechnologischer Entwicklungen des Kunden. Für die Entwicklung unternehmerischer Prozesstechnologiesysteme von entscheidender Bedeutung sind gegenwärtige und künftige Marktanforderungen. Die Entwicklung unternehmerischer Produkt- und Prozesstechnologiesysteme ist dann davon abhängig, ob Kunden in der Lage (und gewillt) sind, veränderte Produkte zu adoptieren. Die Entwicklung kann dann dadurch ver- bzw. behindert werden, dass auf Basis weiterentwickelter Prozesstechnologiesysteme veränderte Produkte nicht mehr mit Kundensystemen kompatibel sind.816 Sind veränderte Produkte auf technischer Ebene kompatibel, so kann eine Adoption daran scheitern, dass vorhandene potenzialerschließende Ressourcen von Kunden aufgrund veränderter Produkte obsolet werden. Ist der Kunde nicht bereit oder in der Lage, sein prozesstechnologisches bzw. potenzialerschließendes System entsprechend anzupassen und besteht für die Unternehmung keine Möglichkeit über neue Kundenbeziehungen das verbesserte Produkt abzusetzen, so kann dadurch die prozesstechnologische Systementwicklung behindert werden. Beide Adoptionshemmnisse führen zu Verzögerungen oder Richtungsänderungen der Systementwicklung. Wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung unternehmerischer Prozesstechnologiesysteme weisen Richtung, Ausmaß und Geschwindigkeit der Veränderungen in den Marktanforderungen auf. Veränderte Marktanforderungen können sich auf die technische Qualität, die Vielfalt der bereitgestellten Produkte bzw. Produktvarianten, die Produktquantitäten und den Produktpreis beziehen. Außerordentliche Bedeutung für Elemente (Transformationsprozesse und die in ihnen zusammengefassten Prozesstechnologien) wie Struktur des unternehmerischen Prozesstechnologiesystems können Veränderungen in den nachgefragten Produktquantitäten und der Produktvielfalt (Produktvariantenvielfalt) aufweisen. Werden vom Markt zunehmende Quantitäten eines gleich bleibenden Produktes (meist gleichzeitig mit sinkenden Produktpreisen verbunden) gefordert, so ist die Entwicklung tendenziell mit einer zunehmenden Integration prozesstechnologischer Systeme verbunden.817 Die erwartete Geschwindigkeit der Mengenzunahme ist entscheidend für den Entwicklungspfad - ausgehend von bestehenden Prozesstechnologiesystemen. Nimmt der quantitative Bedarf (ausgehend von einem flexiblen Fertigungssystem) langsam zu, so wird von Unter816 817
208
Vgl. Afuah, A., Co-opetitors´, 2000, S. 390; Christensen, C. M., Bower, J. L., Customer, 1996, S. 203ff. Vgl. Utterback, J. M., Abernathy, W. J., Model, 1975, S. 463ff.
nehmungen zunächst versucht, die Zuwächse durch Ausschöpfung eventuell vorhandener Leistungsreserven abzudecken. Ist das nicht möglich, wird das bestehende Prozesstechnologiesystem weiterentwickelt. Das erfolgt durch Steigerung der Fertigungskapazität und verstärkter Ausschöpfung logistischer Potenziale. Die Anhebung der Fertigungskapazität kann durch Entwicklung bestehender oder Adoption neuer Prozesstechniksysteme erfolgen. Die Geschwindigkeit der Integration und Spezialisierung von Transformationsprozessen ist relativ niedrig. Nimmt der Bedarf weiterhin langsam zu, so wird ein effizienter Rand für die schrittweise Systementwicklung erreicht. Die Unternehmung kann entweder den Bedarf nicht mehr decken oder muss Effizienzeinbußen in Kauf nehmen. Ein Übergang zu integrierten Systemen senkt dann die Stückkosten des Produktes schlagartig. Der Wechsel von einem kontinuierlich weiterentwickelten zu einem integrierten System stellt einen radikalen Wechsel in der Struktur und u. U. in den genutzten Prozesstechnologien dar. Darüber hinaus ist das potenzialerschließende Ressourcensystem an die neuen Verhältnisse anzupassen. Der Übergang von einem zum strukturell verschiedenartigen System kann nicht evolutionär erfolgen, sondern ist stets revolutionär. Grund dafür sind technisch-ökonomische Limits der evolutionären Entwicklung, die sich nur durch revolutionäre Lösungen überschreiten lassen (siehe dazu auch Abschnitt 6.3.2.6). Erwarten Unternehmungen kurz- bis mittelfristig starke Anstiege des quantitativen Produktbedarfs, so nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass bestehende Prozesstechnologiesysteme rasch durch integrierte ersetzt werden. Bestehende Systeme werden dann kaum mehr weiterentwickelt, sondern radikal durch integrierte substituiert. Nimmt die Bedarfsmenge weiterhin langsam zu, so kann durch Ausschöpfung von Leistungsreserven (durch Weiterentwicklung von Engpasskapazitäten) die Produktquantität gesteigert werden. Auch diese Entwicklung stößt an technische Grenzen, an denen ein radikaler Wechsel zu konzeptionell veränderten integrierten Systemen unumgänglich ist. Die Anpassung des potenzialerschließenden Ressourcensystems stellt hierbei geringere Anforderungen an das Management als beim Wechsel von flexiblen zu starren Systemen (siehe Abschnitt 6.3.2.6.2.2). Die Abnahme der Bedarfsmengen eines Produktes führt ebenfalls zu Veränderungen im prozesstechnologischen System der Unternehmung. Da die Fixkosten integrierter Systeme hoch sind, steigen mit zunehmender Unterauslastung des Systems die Stückkosten. Die Wahrscheinlichkeit des Übergangs zu flexiblen Fertigungssystemen nimmt zu. Sie wird umso rascher erfolgen, je früher größere Mengenabnahmen und eine Stabilisierung auf niedrigem Quantitätsniveau erwartet werden. Zu- und Abnahmen in den nachgefragten Quantitäten eines Produktes sind oftmals im Zusammenhang mit einem Anstieg bzw. einer Einschränkung der Produkt- bzw. Produktvariantenvielfalt zu sehen. So führen Standardisierungsbemühungen zu einer Abnahme der Produktvielfalt verbunden mit einer Zunahme der Produktquantität. Mengenabnahmen bei einem Produkt sind oft auf die Forderung nach individuellen Produkten und einer damit verbundenen Zunahme der Produkt- bzw. Produktvariantenvielfalt zurückzuführen. Unternehmungen
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gelingt es aber oftmals, durch Modulbauweise die Losgrößen erstellter Module hoch zu halten und trotzdem individuelle Produkte anzubieten.818 Ausgehend von hohen Quantitäten eines standardisierten Produktes werden Prozesstechnologiesysteme mit zunehmender Produktvielfalt in Richtung hybrider bzw. flexibler Fertigungssysteme entwickelt (siehe Abschnitt 6.3.2.6.1). Ändert sich die Produktvariantenvielfalt auf Grund geringer Marktdynamik langsam, wird zunächst das bestehende System in seinen Elementen (den einzelnen Transformationsprozessen) veränderten Anforderungen angepasst. Ab einem gewissen Punkt ist aus ökonomischer Sicht der Eingriff in einzelne Transformationsprozesse nicht mehr effizient. Der Eingriff in die Struktur prozesstechnologischer Systeme wird erforderlich. Bei hoher Marktdynamik wird die Struktur prozesstechnologischer Systeme rascher gewechselt; die inkrementale Weiterentwicklung bestehender Systeme verliert an Bedeutung.819 Entscheidend für die technische Qualität von Produkten sind die einzelnen Transformationsprozesse des Produktionssystems. Von untergeordneter Bedeutung ist i. d. R. die strukturelle Verknüpfung. Veränderungen in den Anforderungen an die technische Qualität von Produkten führen damit zu Anpassungen auf Ebene einzelner Transformationsprozesse. Wie Anpassungen an veränderte qualitative Anforderungen realisiert werden, hängt von der Geschwindigkeit der Veränderung ab. Oft verfügen Prozesstechnologiesysteme über Reserven in ihrer technischen Qualität. Bei langsamer Verschärfung in den qualitativen Anforderungen können diese Reserven ausgeschöpft werden, ohne das prozesstechnologische System zu verändern. Überschreiten die Anforderungen diese Reserven, so sind als Entwicklungsoptionen oft die Weiterentwicklung bestehender Systeme oder die Substitution durch Transformationsprozesse mit veränderter technologischer Basis möglich. Permanentes Bestreben von Unternehmungen ist - dem ökonomischen Rationalprinzip entsprechend - die Ausschöpfung von Kostensenkungspotenzialen, um so die Kosten-NutzenRelation ihres Produktionssystems zu verbessern.820 Unerheblich ist, ob der Anstoß zu Kostensenkungsmaßnahmen vom marktseitigen Preisdruck oder von unternehmerischen Maßnahmen zur Steigerung der Systemeffizienz ausgeht. Als Entwicklungsoptionen zur Erreichung dieser Zielsetzungen kann an einzelnen Elementen oder an der Struktur des Systems angesetzt werden. Auch hier ist zu erwarten, dass bei raschem Verfall des Produktpreises radikale Veränderungen des Prozesstechnologiesystems sehr frühzeitig ergriffen werden. Bei geringem Preisdruck werden - wenn überhaupt nur relativ langsam Anpassungen bestehender Systeme vorgenommen. Zur Disposition stehen grundsätzlich Prozesstechnologien wie die Struktur des Prozesstechnologiesystems. Eine generelle Aussage darüber, wie sich das System entwickelt, ist nicht möglich. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass bei turbulenter produkt- bzw. prozesstechnologischer Entwicklung auf Käufermärkten auch die Dynamik der Entwicklung bzw. des 818 819 820
210
Vgl. Kinkel, S., Fertigung, 2005, S. 23 Vgl. Dean, J. W., Snell, S. A., Manufacturing, 1996, S. 461f. Vgl. Zahn, E., Huber-Hoffman, M., Wettbewerbsfaktor, 1995, S. 139
Wechsels unternehmerischer Prozesstechnologiesysteme zunimmt. Können Unternehmungen ihr prozesstechnologisches System den Bedürfnissen von Kunden, Lieferanten bzw. Produzenten komplementärer Produkte nicht in adäquater Weise anpassen, so verliert die Lieferbeziehung an Bedeutung und neue werden aufgebaut bzw. die Unternehmung zieht sich aus dem Markt zurück. 5.1.8.2 Der Einfluss von Wettbewerbern Wettbewerber weisen i. A. sehr detailliertes Wissen über wichtige Leistungsmerkmale und wie diese durch Prozesstechnologiesysteme von Konkurrenten umgesetzt werden auf. Dieses Wissen können sie nutzen, um ihr eigenes Prozesstechnologiesystem relativ zum Konkurrenten zu positionieren und dadurch Wettbewerbsvorteile generieren. Aktivitäten von Konkurrenten können damit Unternehmungen unter Druck setzen, deren Prozesstechnologiesystem weiterzuentwickeln. Weiters verfügen Kunden über wichtige Vorprodukte ein fundiertes prozesstechnologisches Wissen und verfolgen auch relevante prozesstechnologische Entwicklungen. Damit besitzen sie einen Überblick über den Status der Leistungsmerkmale von Prozesstechnologiesystemen verschiedener Anbieter. Dieses Wissen kann bei entsprechender Marktmacht genutzt werden, um Druck auf Lieferanten auszuüben, deren Prozesstechnologiesystem weiterzuentwickeln, um mit ihren Produkten konkurrenzfähig zu bleiben. Daraus lässt sich folgern, dass die Entwicklungsgeschwindigkeit von vergleichbaren Prozesstechnologiesystemen in Konkurrenzunternehmen vergleichbar ist. Folgt eine Unternehmung der Dynamik prozesstechnologischer Entwicklungen nicht, so verliert sie an Wettbewerbskraft und muss sich in Nischenmärkte zurückziehen beziehungsweise die Produkterstellung vollkommen einstellen. Eine Möglichkeit für Unternehmungen Spielräume auszuweiten, ist auch die vertikale Integration, sofern damit Wettbewerbsvorteile generiert werden und dabei ein erheblicher Kapitalbedarf bei Konkurrenten besteht, Wettbewerbsvorteile zu egalisieren.821 Andererseits wird mit zunehmender vertikaler Integration aber auch die Flexibilität der Unternehmung, sich an dynamische verändernde Markterfordernisse anzupassen reduziert.822 Es sind damit die Kostenvorteile den Flexibilitätsverlusten des Produktionssystems gegenüberzustellen.823
821
822 823
Vgl. Benkenstein, M., Henke, N., Integration, 1993, S. 83; Porter, M. E., Wettbewerbsstrategie, 1999, S. 382ff.; Zur wettbewerbsstrategischen Bedeutung der vertikalen Integration vgl. Picot, A., Franck, E., Vertikale, 1993, S. 185ff.; Harrigan, K. R., Strategies, 1985, S. 16ff. Vgl. Porter, M. E., Wettbewerbsstrategie, 1999, S. 391f.; Harrigan, K. R., Strategies, 1985, S. 16f. Vgl. Jacob, H., Flexibilität, 1989, S. 23ff.
211
5.2
Die generelle Unternehmensumgebung in ihrer Bedeutung für die Entwicklung von Prozesstechnologiesystemen
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit sollen die generelle produkt- bzw. prozesstechnologische sowie die rechtliche Umgebung und die natürliche Umwelt in ihrer Bedeutung für die Entwicklung prozesstechnologischer Systeme näher betrachtet werden. Veränderungen der generellen Unternehmensumgebung können dazu führen, dass Unternehmungen ihr Prozesstechnologiesystem in bestimmte Richtungen und Geschwindigkeit entwickeln (müssen). 5.2.1
Die generelle technologische Umgebung als Einflussfaktor auf die Entwicklung von Prozesstechnologiesystemen
Auf Entwicklungen der unmittelbaren technologischen Umgebung können Unternehmungen proaktiv oder reaktiv antworten, wollen sie ihre Marktposition behaupten. Prozesstechnologien der generellen Umgebung sind dadurch gekennzeichnet, dass sie von einer kommerziellen Anwendung in der Branche der Unternehmung noch entfernt sind. Kaum abschätzbar ist bei diesen, ob sie je Branchenbedeutung erlangen und wie sie sich auf die Entwicklung des unternehmerischen Prozesstechnologiepotenzials auswirken. Unsicherheit besteht weiters auch über den Zeitraum bis zu einer potenziellen Kommerzialisierung. Unternehmungen können sich gegenüber potenziell relevanten technologischen Entwicklungen der generellen Umgebung aktiv oder passiv verhalten. Passives Verhalten gegenüber technologischen Entwicklungen kann verschiedene Ursachen haben, die im Bereich der Unternehmung liegen: x
Defizite im extern orientierten Informationssystem, sodass relevante technologische Entwicklungen nicht oder erst sehr spät (unmittelbar vor der Kommerzialisierung durch Dritte) wahrgenommen werden.
x
Die Technologie wird zwar wahrgenommen, ihre Bedeutung wird aber falsch eingeschätzt. Auch hier kann das vorhandene Ressourcensystem der Unternehmung zur Fehleinschätzung beitragen (siehe Abschnitt 6.2).
Die Unternehmung verhält sich abwartend, um als Technologiefolger in die Prozesstechnologie einzusteigen. Erweist sich die Technologie als irrelevant für die Unternehmung, kann ex post passives Verhalten als effizient bewertet werden. Bei Technologien jedoch die Wettbewerbsrelevanz erlangen, kann passives Verhalten zu langfristigen Wettbewerbsnachteilen führen. Wettbewerbsvorteile bzw. -nachteile resultieren aus Perspektive des Ressourcenansatzes aus Unterschieden in der Ressourcenausstattung zwischen Wettbewerbern. Erweist sich eine Prozesstechnologie, die von der Unternehmung vernachlässigt wurde, als Ressource mit der Wettbewerbsvorteile generiert werden können und haben Konkurrenten hier Leistungspotenziale x
212
aufgebaut, so können dadurch langfristig Ressourceninhomogenitäten von Wettbewerbern begründet werden.824 Abwartendes Verhalten ist nur unter der Voraussetzung rational, wenn die Unternehmung sicherstellen kann, dass sie Zugriff zu erforderlichen Prozesstechnologien bei Bedarf erhält. Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, so ist abwartendes Verhalten potenziell vom Verlust der Wettbewerbsposition bedroht.825 Bei aktivem Verhalten gegenüber Prozesstechnologien der generellen Umgebung gehen Unternehmungen von der Erwartung aus, dass diese künftig wettbewerbsbeeinflussende Bedeutung aufweisen könnten. Erlangt die Prozesstechnologie wider Erwartung keine Relevanz als Ressource zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen, so sind Aufwendungen als sunk costs zu betrachten. Trotz Verfehlen der verfolgten Zielsetzungen können Erkenntnisse aus der Beschäftigung mit der Prozesstechnologie gewonnen u. U. verwertet werden (Serendipitätseffekt).826 Bei Technologien, die sich entsprechend den Erwartungen der Unternehmung entwickeln, können frühzeitig Leistungspotenziale aufgebaut werden, die - sofern schützbar langfristig Wettbewerbsvorteile generieren bzw. sichern können.827 Es ist ex ante nicht abschätzbar, ob reaktives oder proaktives Verhalten gegenüber prozesstechnologischen Entwicklungsoptionen riskanter ist. Grund dafür ist, dass für kein Verhalten die ökonomischen Wirkungen hinreichend genau abschätzbar sind.828 5.2.2
Die rechtliche Umgebung in ihrer Bedeutung für die Entwicklung prozesstechnologischer Systeme
In der Begründung des Erkenntnisses VwSlg 8430/1973 erläutert der VwGH, dass „die technische Entwicklung die Grenzen zu beachten hat, die ihr vom Gesetz zum Schutze des Einzelnen gesetzt wurden.“ Aus prozesstechnologischer Sicht sind Rechtsnormen, die sich unmittelbar und mittelbar auf die Entwicklung und Nutzung von Prozesstechnologien und Prozesstechnologiesystemen beziehen, von Bedeutung. Zentrale Bedeutung für die Entwicklung und Nutzung von Prozesstechnologiesystemen weist das Anlagenrecht auf. Dieses bezieht sich auf Prozesstechniken und definiert den Rahmen legaler unternehmerischer Aktivitäten.829 Zentrale Zwecksetzung des Anlagenrechts ist die Abwehr von Gefahren, wenn technische Anlagen errichtet, betrieben, geändert oder stillgelegt werden. Weiters ist die Gefahrenvorsorge Aufgabe des Anlagenrechts. Da unternehmerische prozesstechnologische Aktivitäten stets auf die Umsetzung in konkrete Prozesstechniksysteme abzielen, weist das Anlagenrecht mittelbar auch Bedeutung für die Entwicklung prozesstechnologischen Wissens auf. Legal agierende Unternehmen werden damit prozesstech824 825 826 827 828 829
Vgl. Schroeder, D. M., Congden, S. W., Gopinath, C., Manufacturing, 1995, S. 181f. Vgl. King, D. R., Covin, J. G., Hegarty, H. W., Complementary, 2003, S. 593; Freeman, C., Soete, L., Innovation, 1997, S. 272ff. Vgl. Brockhoff, K., Forschung, 1999, S. 35f. Vgl. Schroeder, D. M., Congden, S. W., Gopinath, C., Manufacturing, 1995, S. 182ff. Vgl. dazu im Gegensatz Schroeder, D. M., Congden, S. W., Gopinath, C., Manufacturing, 1995, S. 181ff. Vgl. Davy, B., Anlagenrecht, 1990, S. 10ff.
213
nologisches Wissen nur dann weiterentwickeln, wenn dessen Artefakte innerhalb der rechtlichen Rahmenbedingungen genutzt werden können. Das „Anlagenrecht“ ist ein Wissenschaftsbegriff unter dem Vorschriften (Bundes- und Landesgesetze), die sich auf technische Anlagen beziehen, subsumiert werden.830 Die für Industrieunternehmungen wichtigsten Vorschriften des Anlagenrechts sind das:831 x
Allgemeines Anlagenrecht o Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVP-G) o Störfallinformationsverordnung (StIV) o etc.
x
Recht der gewerblichen Betriebsanlagen (GewO) o Verordnung für Gießereien, Anlagen der Glaserzeugung etc (GießV; GlasV etc.) o CKW-Anlagen-Verordnung 1994 (CKW-V) o etc.
x
Nachrangrecht: Das ist das Recht der Anlagen, das mit dem Recht der gewerblichen Betriebsanlagen durch Nachrangregeln verbunden ist. o Abfallrecht (AWG) o Altölrecht (AltölG; AltölV) o technisches Arbeitnehmerschutzrecht (ANSchG, ArbIG, AAV) o Recht der Anlagen, die forstschädliche Luftverunreinigungen verursachen (ForstG; ForstLV) o Luftreinhaltegesetz für Kesselanlagen (LRG-K; LRV-K) o Sonderabfallrecht (SAG) o Strahlenschutzrecht (StrSchG; StrSchV; AtomsperrG)
x
Ausnahmerecht: Das ist das Recht der Anlagen, die gemäß § 2 GewO vom Anwendungsbereich der GewO ausgenommen sind. o Bergrecht (BergG) o Eisenbahnrecht (EisbG) o Luftfahrtrecht (LFG) o Schieß- und Sprengmittelrecht (SchSprG) o etc.
x
Baurecht der Länder
x
Sonstiges Anlagenrecht: Das sind Vorschriften, die sich den anderen Gruppen nicht zuordnen lassen. o Recht der Wasserbauten aller Art (WRG) o Recht der elektrotechnischen Sicherheit (ETG; ETV)
830 831
214
Einen systematischen Überblick über das Anlagenrecht des Bundes geben Kind, M., Schnedl, G., Anlagenrecht, 2000 Vgl. Davy, B., Anlagenrecht, 1990, S. 6ff.; Kind, M., Schnedl, G., Anlagenrecht, 2000
o Dampfkesselsicherheitsrecht (DKV; VEG) o Gassicherheitsrecht (GasG) o allgemeines Luftreinhalterecht (SmogAG; LuftreinhalteG der Länder) o Landesabfallrecht (AbfallG und MüllG der Länder) o Natur- und Landschaftsschutzrecht o etc. Beginnend in den 70er Jahren wurde das Anlagenrecht verstärkt in den Dienst des Umweltschutzes gestellt. Das Anlagenrecht dient damit dem Schutz von Mitarbeitern, Anrainern und gesellschaftlichen Interessen (speziell dem gesellschaftlichen Ziel Umweltschutz). Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass unternehmensautonom Vorgaben auch im Sinne einer offensiven Strategieausrichtung (siehe Abschnitt 3.2.2.2.2) schärfer formuliert werden können. Eine weitere wichtige Aufgabe des Anlagenrechts ist schließlich die Durchsetzung von Projekten gegenüber Dritten. Die Behörde (bzw. eine beauftragte Organisation wie etwa der TÜV) hat hierbei die Aufgabe, dazu beizutragen, dass Projekte realisiert werden können. Relevant ist diese Aufgabe i. A. nur für Großprojekte.832 Da Behörden bzw. beauftragte Organisationen Erfahrungen aus ihren Tätigkeiten sammeln bzw. sogar selbstständige Forschungen betreiben, können sie auf Basis ihres Wissens die prozesstechnologische Entwicklung fördern. Allerdings ist durch enge Auslegung gesetzlicher Vorgaben bzw. restriktiver Normungen auch eine Behinderung möglich.833 Aus Perspektive des Prozesstechnologiemanagements sind Vorschriften, die auf die Abwehr von Gefahren bzw. Schäden abzielen von primärem Interesse. Instrumente, die der Erreichung dieser Vorgaben dienen, lassen sich in folgende Kategorien einteilen:
832 833 834 835
x
Primärmaßnahmen: Mit diesen wird versucht, Gefahren bzw. Belastungen der Umgebung und des Menschen präventiv zu vermeiden. Ein Beispiel dafür ist etwa die Vermeidung von Emissionen durch prozessintegrierte Umweltschutzmaßnahmen.834
x
Sekundärmaßnahmen: Diese Maßnahmen setzen an bereits entstandenen, potenziell gefährlichen bzw. schädlichen Ergebnissen an. Solche Maßnahmen sind etwa End-ofPipe-Systeme (Rauchgasfilter, Kläranlagen, Kapselung von Schall emittierenden Anlagen etc.).835
x
Tertiärmaßnahmen: Hier wird versucht, negative Effekte, die von Anlagen ausgehen, am Ort potenzieller Schädigungen bzw. Belästigungen (Immissionsort) in deren Wirkungen zu minimieren. Man denke hier an Gehörschutz bei Lärmarbeitsplätzen, Lärmschutzwände bei Autobahnen, Airbags etc.
Vgl. Davy, B., Anlagenrecht, 1990, S. 20f. Zur Bedeutung von Behörden für die technologische Entwicklung vgl. Brockhoff, K., Langholz, J., Klassifikationsgesellschaften, 2000 Vgl. Hartje, V. J., Umweltkapitalstocks, 1990, S. 140ff.; Zotter, K.-A., Wasserwirtschaft, 1996, S. 103ff. Vgl. Zimmermann, K., Modernisierung, 1988, S. 207
215
Für die Entwicklung prozesstechnologischer Systeme weisen vor allem Primär- und Sekundärmaßnahmen Bedeutung auf, zumal im Anlagenrecht die Emission von Stoffen und Energie oftmals begrenzt wird.836 Prozesstechnologiesysteme, durch die negative Effekte präventiv vermieden werden, unterscheiden sich in den genutzten Technologien, Leistungsbändern und deren strukturellen Verknüpfung innerhalb von Transformationsprozessen von solchen, bei denen Präventivmaßnahmen nicht gesetzt werden. Eine Möglichkeit präventiv negative Effekte zu vermeiden, ist eine entsprechende Verknüpfung von Transformationsprozessen. Man denke hier etwa an internes Recycling, das darin besteht, zusätzliche Relationen zwischen Transformationsprozessen aufzubauen (evtl. unter Zwischenschaltung einer Aufbereitungstechnologie), um dadurch die Emissionen des gesamten Produktionssystems zu reduzieren.837 Präventivmaßnahmen können damit als „integrierte Maßnahmen“ bezeichnet werden.838 Voraussetzung zur Umsetzung von Primärmaßnahmen ist, dass entsprechende Vorgaben des Anlagenrechts (bzw. unternehmensautonom festgelegte schärfere Vorgaben) bei der strategischen Planung prozesstechnologischer Systeme Berücksichtigung finden. Bei Sekundärmaßnahmen werden bestehende Prozesstechnologiesysteme zur Produkterstellung um Technologiesysteme erweitert, die die Zwecksetzung verfolgen, anlagenrechtliche Vorgaben zu erfüllen. Man denke hier etwa an End-of-Pipe-Systeme, die die Zwecksetzung haben, unerwünschte Emissionen des Produktionssystems so umzuwandeln, dass sie legal in die natürliche Umwelt entsorgt werden können. Man kann Technologiesysteme, die nicht der Produkterstellung, sondern ausschließlich der Erfüllung anlagenrechtlicher Vorgaben dienen, generell als „additive Systeme“ bezeichnen.839 Aus monetär-ökonomischer Perspektive sind Sekundärmaßnahmen zumeist negativ zu beurteilen. Sie steigern die nicht-wertschöpfenden Kosten und damit die Stückkosten des Produktes. Bei Primärmaßnahmen hingegen lässt sich häufig zwischen monetär-ökonomischen und anlagenrechtlichen Zielsetzungen Komplementarität feststellen. So lässt sich oftmals durch umweltorientierte Maßnahmen auch eine Stückkostensenkung erzielen. Zumeist werden vom Gesetzgeber nur Minimalanforderungen definiert, unter denen prozesstechnische Systeme legal genutzt werden dürfen. Oftmals wird in einschlägigen Rechtsnormen dazu der „Stand der Technik“ als zu erfüllende Anforderung vorgegeben.840 Mit der technologischen Weiterentwicklung verändert sich der „Stand der Technik“ und damit auch die Anforderungen an die konzeptionelle Gestaltung von Prozesstechnologiesystemen wie 836 837 838
839
840
Als Beispiel für viele Gesetzesstellen: BGBl. Nr. 537/1993 Vgl. Zotter, K.-A., Wasserwirtschaft, 1996, S. 140ff. Je nachdem, ob Primärmaßnahmen an einzelnen Transformationsprozessen oder an Relationen des Produktionssystems ansetzen, unterscheidet man zwischen „prozessintegrierten“ und „produktionsintegrierten“ Maßnahmen. Vgl. Zotter, K.-A., Wasserwirtschaft, 1996, S. 99ff. Dieser Begriff wird in der Umweltökonomie synonym zu den Begriffen „End-(und Front-)of-Pipe-Systeme“ verwendet, kann aber in analoger Weise für Systeme zum Schutz von Arbeitnehmern vor Gefahren, die von Anlagen ausgehen angewendet werden. Vgl. Zotter, K.-A., Wasserwirtschaft, 1996, S. 34ff.; § 12a. WRG; Hartje, V. J., Umweltkapitalstocks, 1990, S. 144ff.
216
additiven Systemen. Generell ist davon auszugehen, dass sich anlagenrechtliche Vorgaben kontinuierlich verschärfen. Unternehmungen sind deshalb gezwungen, bei der Entwicklung ihres Prozesstechnologiesystems Vorgaben des Gesetzgebers mit zunehmender Tendenz zur Verschärfung zu berücksichtigen. Unternehmungen können diese Entwicklungen in ihrer Prozesstechnologiestrategie integrieren oder kurzfristige Maßnahmen setzen. Während bei einer strategischen Berücksichtigung integrierte Entwicklungsoptionen genutzt werden können, sind beim kurzfristigen Reagieren auf rechtliche Verschärfungen oft nur mehr additive Systeme realisierbar. Bleiben anlagenrechtliche Verschärfungen in der Entwicklung unternehmerischer Prozesstechnologiestrategien unberücksichtigt, so wird das Leistungspotenzial des prozesstechnologischen Ressourcensystems aus monetär-ökonomischer Perspektive nur unzureichend entwickelt bzw. ausgeschöpft. Konsequenz sind Stückkostennachteile relativ zu Konkurrenten, die eine entsprechende Strategieintegration konsequent vornehmen. Voraussetzung dafür ist, Wissen über anlagenrechtliche Entwicklungstrends sowie über Möglichkeiten durch prozesstechnologische (und potenzialerschließende) Ressourcensysteme Wettbewerbsvorteile zu generieren. Mangelnde strategische Integration anlagenrechtlicher Entwicklungen können dann auf Wissensdefizite in diesen Dimensionen zurückgeführt werden. 5.2.3
Die natürliche Umwelt als Einflussgröße der Entwicklung prozesstechnologischer Systeme
Die natürliche Umwelt dient inputseitig als Lieferant von Stoffen und Energie zur Produkterstellung in Prozesstechniksystemen. Outputseitig dient sie zur Aufnahme unerwünschter Kuppelprodukte der industriellen Produktion. Anlagenrechtliche Vorschriften limitieren die Emission von Stoffen und Energie in die natürliche Umwelt. Auch inputseitig wird in geringem Umfang die Entnahme von Ressourcen aus der natürlichen Umwelt anlagenrechtlich eingeschränkt. Man denke hier etwa an Entnahmerestriktionen bei Wasser aus Oberflächengewässern. Der überwiegende Teil produktionsinputseitig zugeführter Stoffe unterliegt keiner rechtlichen Limitierung. Die meisten Stoffe sind jedoch nicht regenerativ und damit in auf verfügbare Bestände im System „Erde“ limitiert. Spürbar werden Rohstoffverknappungen in temporären Versorgungsproblemen und damit steigenden Rohstoffpreisen. Aufgabe des Prozesstechnologiemanagements ist es dann, den Bedarf an (künftig) knappen Stoffen zu reduzieren841 bzw. durch weniger knappe Stoffe zu substituieren. Im Extremfall können im Sinne einer ökologisch nachhaltigen Produktion regenerative Stoffe und Energieträger zur Produkterstellung in Prozesstechnologiesystemen eingesetzt werden.842
841 842
Man denke hier etwa an die Bestrebungen, den Kraftstoffverbrauch von Kraftfahrzeugen durch Hybridkonzepte zu reduzieren. Strebel, H., Umweltwirtschaft, 2005, S. 36f.; World Commission on Environment and Development, Future, 1987
217
5.3
Unsicherheit über externe Einflussgrößen in deren Bedeutung für die Entwicklung prozesstechnologischer Systeme
Basis der strategischen Planung von Prozesstechnologiesystemen sind, neben normativen Vorgaben, Fakten über den Ist-Zustand und Erwartungen über die Entwicklung von relevanten internen und externen Einflussbereichen. Ermittelter Ist-Zustand und erwartete Entwicklungen bestimmen die Richtung und Geschwindigkeit der Veränderung unternehmerischer Prozesstechnologiesysteme und der für deren Nutzung erforderlichen potenzialerschließenden Ressourcensysteme. Informationen über die Einflussfaktoren auf die Entwicklung prozesstechnologischer Systeme sind stets unvollkommen und aus diesem Grund unsicher. Pläne auf Basis unvollkommener Informationen sind stets risikobehaftet.843 Entscheidungen über die konkrete Entwicklung des unternehmerischen Prozesstechnologiesystems erfordern damit von Entscheidungsträgern die Bereitschaft, planimmanente Risiken zu übernehmen. Die von Entscheidungsträgern wahrgenommenen Risiken sowie die zu erwarteten Konsequenzen bei der Entscheidung für eine Entwicklungsoption (und damit die Bereitschaft, ein gewisses Risikoniveau zu akzeptieren) bestimmen dann die Richtung und Geschwindigkeit der Entwicklung prozesstechnologischer Systeme.844 Die Unsicherheit über den Status quo und die Entwicklung unternehmensinterner wie –externer planungsrelevanter Faktoren ist somit eine wesentliche Einflussgröße der Entwicklung unternehmerischer Prozesstechnologiesysteme. 5.3.1
Die Beeinflussung der Entwicklung prozesstechnologischer Systeme durch Unsicherheit
Unsicherheit resultiert aus unvollkommenen Informationen, die der Planung zu Grunde gelegt werden. Milliken identifizierte drei Typen Unsicherheit der Unternehmensumgebung:845 x
Zustandsunsicherheit besteht, wenn für Planungs- bzw. Entscheidungsträger Umgebungsfaktoren nicht vorhersagbar sind.
x
Wirkungsunsicherheit besteht, wenn Kausalzusammenhänge zwischen der Veränderung von Umgebungsfaktoren und deren Wirkungen auf die Unternehmung nicht vorhersagbar sind.
Reaktionsunsicherheit besteht, wenn Unsicherheit über verfügbare Entwicklungsoptionen, deren Leistungsmerkmale und den Nutzen für die Unternehmung besteht. In weiterer Folge steht weniger die Unsicherheit infolge unvollkommener Informationen im Vordergrund, sondern Faktoren aus denen planungsrelevante Informationsdefizite resultieren. Eine Unterscheidung von verschiedenen Unsicherheitstypen, wie sie Milliken vorschlägt, x
843 844
845
218
Vgl. Wild, J., Unternehmungsplanung, 1982, S. 140f.; Baird, I. S., Thomas, H., Risk, 1985, S. 231 Vgl. Swamidass, P. M., Newell, W. T., Manufacturing, 1987, S. 511ff.; Milliken, F. J., Uncertainty, 1987, S. 136; Weiber, R., Pohl, A., Nachfrageverschiebung, 1996, S. 687ff.; Heide, J. B., John, G., Alliances, 1990, S. 26ff. Vgl. Milliken, F. J., Uncertainty, 1987, S. 136ff.
unterbleibt, zumal eine exakte Abgrenzung zwischen diesen nicht möglich ist.846 Grund für die Konzentration auf die Ursachen von Informationsdefiziten ist, dass erkannte Unvollkommenheiten zumindest teilweise durch systematische Ressourcenentwicklung reduziert und dadurch das mit Plänen verbundene Risiko gesenkt werden kann.847 Unvollkommene Informationen sind zunächst Folge objektiver Informationsdefizite über planungsrelevante Einflussfaktoren. In der Literatur wurden als Quellen der Unsicherheit ursprünglich nur objektiv erfassbare Umgebungsfaktoren gesehen. Später wurden externe und interne Quellen der Unsicherheit erkannt.848 Objektiv unvollkommen können Informationen über den Ist-Zustand wie die künftige Entwicklung aller internen und externen Einflussfaktoren sein. So sind etwa Technologien oftmals dadurch gekennzeichnet, dass ihre Wirkungen im Verbund spezifischer, geplanter Technologiesysteme nicht vollständig bekannt sind. Weiters ist auch die Entwicklung von Prozesstechnologien - schon über relativ kurze Zeiträume kaum prognostizierbar.849 Objektive Informationsdefizite und damit Unsicherheit resultieren daraus, dass Aktionen bzw. Reaktionen relevanter Akteure der Unternehmensumgebung nicht vorhersehbar sind. Auch die Reaktionen der Unternehmensmitarbeiter auf Neuerungen sind nicht vollständig vorhersehbar und dadurch Quelle objektiver Unsicherheit.850 Objektive Informationsdefizite resultieren zudem aus inkommensurablen Informationen. So lassen sich verschiedene Technologien und deren Leistungsmerkmale in ihren Ausprägungen und Entwicklungen objektiv nicht vergleichen.851 Oft ist die Leistungsfähigkeit von Ressourcen auch nicht objektiv messbar. Man denke in diesem Zusammenhang etwa an Veränderungen im Geschmack (z. B. durch conchieren von Schokoladerohmasse), Geruch, optischen Eindruck etc. von Produkten. Planungsrelevante Informationen werden durch das intern und extern orientierte prozesstechnologische Informationssystem erfasst und im Planungsprozess zielorientiert verwertet. Neben objektiven Informationsdefiziten führen Informationsverluste bei der Informationsgewinnung und Informationsverarbeitung dazu, dass die für Planungen verfügbaren Informationen unvollständig sind. Tendenziell nimmt damit mit der Datenerfassung, -interpretation und –verarbeitung die Unsicherheit zu. In weiterer Folge werden die durch das Informationssystem verursachten Informationsdefizite der Planung als „subjektiv“ bezeichnet.
846 847 848 849 850 851
Vgl. Krickx, G. A., Uncertainty, 2000, S. 310 Zur Identifikation von Unsicherheitsquellen vgl. Lambert, J. H., et al., Risks, 2001, S. 316ff. Vgl. Jauch, L. R., Kraft, K. L., Uncertainty, 1986, S. 778ff. Siehe dazu die Anstrengungen zur Prognose technologischer Entwicklungen. Vgl. Martino, J. P., Forecasting, 2003 Vgl. Spender, J.-C., Judgement, 1989, S. 49ff. Beispielsweise sind qualitativ und quantitativ verschiedenartige Umweltnutzungen durch alternative Prozesstechnologiesysteme mangels fehlender objektiver Bewertungsbasis nicht vergleichbar. Entsprechend sind objektive Aussagen über die Vorteilhaftigkeit prozesstechnologischer Entscheidungsalternativen aus ökologischer Perspektive objektiv nicht möglich.
219
Die Ursachen subjektiver Informationsdefizite sind: x
Defizite in der Ressourcenausstattung des Planungs- und Informationssystems. Planungsrelevante Daten werden auf Grund mangelnder Ressourcenausstattung nicht als solche erkannt, verzerrt wahrgenommen oder falsch interpretiert.
x
Weiters erfolgt die Informationsbeschaffung durch Mitarbeiter stets unter Einfluss derer Wertesysteme. Konsequenz daraus ist, dass Informationen in ihrer Bedeutung auf Basis des individuellen Wertesystems beurteilt und damit selektiv wahrgenommen werden.
x
Organisatorisch bedingte interne Unsicherheit resultiert außerdem aus einem Defizit an Kommunikation zwischen Entscheidungsträgern mit partialem Wissen über den Entscheidungsgegenstand.852
x
Weiters wird die Informationsbeschaffung durch unternehmenspolitische Vorgaben beeinflusst. Beschaffung wie Verwertung von Informationen sind mit Aufwand verbunden. Bei ökonomisch rationalem Verhalten werden daher nur jene Informationen beschafft und verwertet, von denen zu erwarten ist, dass sie Beiträge zur Realisation definierter Zielsetzungen leisten können. Wird etwa von Unternehmungen gegenüber ökologischen Fragestellungen eine defensive Politik verfolgt, so ist es irrational, Informationen über innovative Prozesstechnologien zur Antizipation künftiger Gesetzesverschärfungen zu generieren. Es werden bewusst Informationen außer Betracht gelassen, weil ihnen keine relevante Zielwirkung zugesprochen wird. Problematisch ist dieses Verhalten, weil damit bewusst auf Informationen verzichtet wird, die aus ökonomischer Perspektive die Systemeffizienz wie -effektivität steigern und als „Abfallprodukt“ ökologische Zielvorgaben realisieren können.853
x
Die Informationsbeschaffung wird oft bewusst unterlassen. So stellten Jauch und Kraft fest, dass Manager Informationsbeschaffung in Bereichen, die sie als nicht gestaltbar betrachten, oftmals nicht durchführen.854
x Weiters werden Informationen durch Fehler verzerrt.855 Die objektive Unsicherheit unterscheidet sich damit stets von der subjektiv empfundenen Unsicherheit der Planungs- und Entscheidungsträger. Entscheidungen über die Entwicklung prozesstechnologischer Systeme erfolgen auf Basis subjektiv empfundener Unsicherheit. Den Ausführungen über den Einfluss von Unsicherheit auf die Systementwicklung wird daher das subjektive Unsicherheitsempfinden zugrunde gelegt. Prämisse ist, dass die subjektive mit der objektiven Unsicherheit positiv korreliert. Auf Basis unvollkommener Informationen werden in unvollkommenen Planungsprozessen risikobehaftete Pläne zur Entwicklung prozesstechnologischer Systeme erstellt. Auf deren Basis werden dann risikobehaftete Entscheidungen über die Allokation unternehmerischer 852 853 854 855
220
Vgl. Krickx, G. A., Uncertainty, 2000, S. 313; Jauch, L. R., Kraft, K. L., Uncertainty, 1986, S. 782 Vgl. Zotter, K.-A., Wasserwirtschaft, 1996, S. 74ff. Vgl. Jauch, L. R., Kraft, K. L., Uncertainty, 1986, S. 780 Vgl. Smithson, M., Ignorance, 1988, S. 83ff.
Ressourcen gefällt. (Auch wenn keine Entscheidung gefällt wird, unterliegt das dem Risiko einer unterlassenen Allokation.)856 Zentrales Problem ist, dass aufgrund bestehender Unsicherheit Relationen zu Kunden, Lieferanten und Wettbewerbern falsch beurteilt werden.857 Weiters wird das verfügbare bzw. nutzbare Prozesstechnologiepotenzial und dessen Entwicklungspotenzial falsch eingeschätzt. Die Planung prozesstechnologischer Systeme erfolgt auf Basis vorhandenen Wissens darüber, wie Informationen zu verarbeiten sind, um daraus Entwicklungsoptionen zu generieren, die zur Erreichung definierter Zielsetzungen geeignet sind. Bestehen Defizite in der Ausstattung der Planungsträger mit prozesstechnologischem oder potenzialerschließendem Wissen, so lässt sich daraus ableiten, dass Informationen nicht in ihrem vollem Potenzial ausgeschöpft bzw. fehlerhaft ausgewertet werden und das Planungsergebnis dadurch an Qualität verliert. Die Unsicherheit nimmt zu, da Informationen verzerrt und deshalb in ihrem Aussagegehalt reduziert werden. Entscheidungen über prozesstechnologische Entwicklungsoptionen werden auf Basis wahrgenommener Risiken getroffen.858 Die Bereitschaft von Planungs- und Entscheidungsträgern, Risiken einzugehen bzw. zu vermeiden, beeinflusst dann in zentraler Weise die Entwicklungsrichtung und -geschwindigkeit prozesstechnologischer Systeme. Siehe dazu Abschnitt 6.2.2.2. 5.3.2
Unternehmensexterne Quellen der Unsicherheit in ihrer Bedeutung für die Entwicklung prozesstechnologischer Systeme
Gegenstand dieses Abschnitts ist es, externe Quellen der Unsicherheit zu identifizieren und in deren Wirkungen auf die Entwicklung unternehmerischer Prozesstechnologiesysteme hin zu analysieren. 5.3.2.1 Marktunsicherheit als Einflussgröße auf die Systementwicklung Einfluss auf die Entwicklung prozesstechnologischer Systeme weisen von Seite der Absatzmärkte Unsicherheiten über die Entwicklung von order-winning/qualifying-Kriterien (Produktpreise, technische Qualitätsanforderungen, geforderte Produkte und deren Vielfalt sowie nachgefragte Bedarfsmengen) auf. Die Entwicklung der Preise als zentrales order-winning-Kriterium ist als ein erster Unsicherheitsfaktor bei der Entwicklung prozesstechnologischer Systeme zu betrachten. Bei im Wesentlichen unveränderten nachgefragten Mengen kann primär durch Weiterentwicklung einzelner Transformationssysteme (bzw. der in ihnen zusammengefassten Prozesstechnologien) aber auch durch zunehmende Integration des Prozesstechnologiesystems ein befürchteter Preisdruck von außen im System antizipiert werden. Empirische Befunde zeigen, dass in-
856 857 858
Vgl. Palmer, T. B., Wiseman, R. M., Decoupling, 1999, S. 1038f. Vgl. Williamson, O. E., Transaction, 1990, S. 143ff. Vgl. Weiber, R., Pohl, A., Nachfrageverschiebung, 1996, S. 677ff.
221
putseitiger Preisunsicherheit positiv mit vertikaler Integration korreliert.859 Tritt eine Verschärfung des Preisdrucks nicht auf, so steigt der ökonomische Vorteil durch sinkende Stückkosten. Preisunsicherheit kann damit (entsprechend dem ökonomischem Rationalprinzip) nicht als Argument einer Änderung der Richtung oder Geschwindigkeit der Systementwicklung gesehen werden. Zu erwarten ist jedoch, dass aufgrund befürchteten Preisdrucks Unternehmungen zunehmend gezwungen werden, ihr Augenmerk auf die Weiterentwicklung prozesstechnologischer Systeme zu richten. Es ist daher davon auszugehen, dass bei wachsender Preisunsicherheit die Dynamik der Entwicklung prozesstechnologischer Systeme zunimmt. Künftig nachgefragte Produkte und Produktquantitäten sind zentrale Bestimmungsgrößen der konzeptionellen Gestaltung prozesstechnologischer Systeme. Konsequenz von Fehleinschätzungen der Bedarfsentwicklung kann sein, dass Prozesstechnologiesysteme in kurzer Zeit obsolet und damit die Existenz der Unternehmung gefährdet wird. Präventive Maßnahme, die Gefahr einer vollständigen wettbewerbsstrategischen Entwertung prozesstechnologischer Systeme möglichst gering zu halten, ist es, flexible Transformationssysteme zu entwickeln.860 Mit wachsender Unsicherheit über künftig zu erstellende Produktqualitäten und Produktquantitäten ist zu erwarten, dass Integrationsbestrebungen im Prozesstechnologiesystem tendenziell sinken.861 Weiters besteht das Bestreben, die Zahl mit Kerntechnologien gekoppelter Enabling-Technologien niedrig zu halten. Diese würden, wenn Kerntechnologien obsolet werden, ebenfalls an Wettbewerbsrelevanz verlieren.862 Bei diesen Aussagen ist zu beachten, dass eine Überlagerung mit dem Faktor „Flexibilität der Prozesstechnologiesysteme“ zu berücksichtigen ist. So zeigen Faria, Fenn und Bruce einen positiven Zusammenhang zwischen Marktunsicherheit und der Wahrscheinlichkeit der Adoption flexibler Fertigungsprozesse auf.863 In welchem Umfang Enabling-Technologien obsolet werden, hängt davon ab, wie spezifisch sie auf eine Kerntechnologie abgestimmt sind. Bei kerntechnologiespezifisch ausgerichteten Enabling-Technologien sind diese für eine Nutzung im Verbund mit anderen Technologien i. A. nicht geeignet. Bei unspezifischen Enabling-Technologien ist eine Nutzung bei veränderten Kerntechnologien wahrscheinlicher.864 Vertikale Integration führt zu einer tendenziellen Zunahme an spezifischen Enabling-Prozesstechnologien. Die Handlungsalternativen vertikal stark integrierter Unternehmungen weisen damit ein hohes Niveau der Austrittsbarrieren auf.865 Dieses verhindert, dass Unternehmungen ihre angestammten Prozesstechnologie859 860 861 862 863 864 865
Vgl. Fan, Joseph P.H., Price, 2000 Vgl. Swamidass, P. M., Newell, W. T., Manufacturing, 1987, S. 521f. Vgl. Walker, G., Weber, D., Make-or-Buy, 1984, S. 383ff. Vgl. Arvanitis, S., Hollenstein, H., Determinants, 2001, S. 396 Vgl. Faria, A., Fenn, P., Bruce, A., Determinants, 2002, S. 576f. Vgl. Williamson, O. E., Transaction, 1990, S. 142f. Harrigan zeigt bei einer empirischen Analyse von 192 strategischen Geschäftsfeldeinheiten, dass zunehmende vertikale Integration (modelliert durch wachsende Zahl und Eigentumsanteil der vertikal integrierten Fertigungsstufen) mit wachsender Inflexibilität verbunden ist und damit hohe Austrittsbarrieren aus vertikal integrierten Systemen bestehen. Vorwärtsintegrierte Stufen können hierbei rascher verlassen werden als rückwärtsintegrierte. Vgl. Harrigan, K. R., Barriers, 1985, S. 693ff.
222
systeme rechtzeitig verlassen und andere aufsuchen können.866 Entsprechend ist bei wachsender Unsicherheit eine Abnahme des Grades vertikaler Integration festzustellen, um Flexibilitätsnachteile zu vermeiden.867 Müssen Produkte und Prozesstechnologiesysteme rasch abgelöst werden, um Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, so ist eine vertikale Integration kontraproduktiv, weil sie die Flexibilität reduziert.868 Das gilt verschärft für Unternehmungen, die in dynamischen Märkten agieren. Hier bilden Kooperationen mit Unternehmungen, die komplementäre Ressourcensysteme zur Verfügung stellen können, eine Möglichkeit, die strategische Flexibilität aufrechtzuerhalten.869 Verstärkt werden die Bemühungen zur Flexibilisierung, wenn bei unsicherer Marktentwicklung eine Hedging-Strategie bei Produkt- wie Prozesstechnologien verfolgt wird. Hierbei entwickeln Unternehmungen simultan konkurrierende Produkttechnologien (Produkttechnologiesysteme) weiter, um beim Übergang in die Phase dominierender Designs als Technologieführer einzusteigen. Gelingt das nicht, so sind wettbewerbsstrategische Nachteile die Folge. Im Extremfall bleibt die Unternehmung von der weiteren Marktbearbeitung ausgeschlossen (Lock-out-Effekt).870 Eine weitere Möglichkeit, Fehlentwicklungen des Prozesstechnologiesystems präventiv zu begegnen, ist es, Investitionen zeitlich aufzuschieben und Investitionen nur schrittweise in geringem Umfang zu tätigen. Konsequenz daraus ist, dass die Geschwindigkeit der Systementwicklung sinkt.871 Wachsende Bedarfsmengen führen tendenziell zur Integration prozesstechnologischer Systeme. Diese Integration führt, ausgehend von flexiblen Fertigungssystemen zunächst in Richtung hybrider Fertigungssysteme und bei weiter zunehmender Bedarfsmenge zu starren Fertigungssystemen. Können die erwarteten Quantitäten nicht abgesetzt werden, so sind Leerkosten die Folge. Wurde aus einem flexiblen ein hybrides Fertigungssystem entwickelt, so bleibt die ursprüngliche Flexibilität im Wesentlichen erhalten. Hybride Systeme sind aber aufgrund der umfassenden EDV-Unterstützung bedeutend kapitalintensiver; die Stückkosten steigen. Können bei starren Systemen erwartete Quantitäten nicht realisiert werden, so sind die Leerkosten oftmals so hoch, dass das Fertigungssystem vollständig still gelegt wird. Entsprechend sind diese Investitionen als Totalverlust zu bezeichnen. Beim Übergang zu hybriden wie starren Systemen besteht daher das Risiko, dass Stückkosten steigen. Vor allem der Übergang zu einem starren System erscheint unter unsicheren Markterwartungen als riskant. Grund dafür ist, dass veränderte (andere) Produkte auf diesem 866 867 868 869 870 871
Vgl. Servatius, H.-G., Methodik, 1985, S. 266ff. Vgl. Benkenstein, M., Henke, N., Integration, 1993, S. 83; Harrigan, K. R., Vertical, 1985, S. 415ff.; Cooper, A., Schendel, D., Strategic, 1976, S. 66 Vgl. Harrigan, K. R., Barriers, 1985, S. 696; Balakrishnan, S., Wernerfelt, B., Technical, 1986, S. 356ff.; Hayes, R. H., Abernathy, W. J., Decline, 1980, S. 72f. Vgl. Harrison, J. S. u. a., Complementarity, 2001, S. 684f. Vgl. Hatfield, D. E., Tegarden, L. F., Echols, A. E., Hedging, 2001, S. 65ff.; Bürgel, H. D., Zeller, A., Haller, C., Hemmnisse, 1996, S. 26f. Zu den Vorteilen schrittweiser Implementation von Prozessinnovationen vgl. Meyers, P. W., Sivakumar, K., Nakata, C., Implementation, 1999, S. 300
223
System nicht erstellt werden können. In hybriden Fertigungssystemen ist es zumeist möglich, eine reduzierte Nachfrage durch andere Produkte auszugleichen. Mit steigender Unsicherheit der nachgefragten Produktquantität ist beim Übergang zu starren Systemen daher mit zeitlichen Verzögerungen zu rechnen. Die Bereitschaft hybride, Systeme zu realisieren ist höher, da alternative Nutzungen möglich sind. Mit zunehmender Unsicherheit ist aber generell von einer Reduktion der Veränderungsgeschwindigkeit prozesstechnologischer Systeme auszugehen. 5.3.2.2 Unsicherheit in der Ver- und Entsorgung als Einflussgröße auf die Entwicklung prozesstechnologischer Systeme Voraussetzung für eine gesicherte Produkterstellung ist die bedarfsgerechte Versorgung mit Materialen wie Entsorgung unerwünschter Rückstände aus der Produktion.872 Inputseitig ist dazu sicherzustellen, dass die Bedarfsdeckung mit qualitativ wie quantitativ anforderungsadäquaten Materialen (materielle Liquidität) stets zeitgerecht erfolgt.873 Outputseitig ist in analoger Weise die adäquate, zeitgerechte Entsorgung unerwünschter Produktionsrückstände permanent zu gewährleisten. Konsequenz temporärer materieller Illiquidität bzw. Entsorgungsengpässe sind Produktionsstörungen bis hin zum Stillstand. Kundenbedürfnisse können damit nicht in adäquater Weise erfüllt werden; Folge sind relative Wettbewerbsnachteile gegenüber Wettbewerbern. Zielsetzung der Ver- und Entsorgung ist, dass diese unter minimalen Kosten erfolgen soll. Auch relative Kostennachteile gegenüber Konkurrenten können hierbei zu Wettbewerbsnachteilen führen. Einflussfaktor auf die Entwicklungsrichtung und -geschwindigkeit unternehmerischer prozesstechnologischer Systeme ist auch die Ver- bzw. Entsorgungsunsicherheit resultierend aus den spezifischen Bedarfen der betrachteten Entwicklungsoption.874 Reduziert werden können die mit Ver- bzw. Entsorgungsunsicherheiten verbundenen Risiken aus prozesstechnologischer Perspektive zunächst dadurch, dass der Bedarf an Materialien bzw. der Entsorgungsbedarf qualitativ und/oder quantitativ gesenkt wird. Eine weitere Möglichkeit besteht inputseitig in der Substitution der Materialien durch andere mit geringerem Ver- bzw. Entsorgungsrisiko. Aus prozesstechnologischer Perspektive sind bereits bestehende wie künftig erwartete Ver- und Entsorgungsunsicherheiten von Bedeutung und können die Geschwindigkeit und Richtung prozesstechnologischer Systeme beeinflussen. Irrelevant ist hierbei, ob der Lieferant
872 873 874
Vgl. Benkenstein, M., Henke, N., Integration, 1993, S. 83ff.; Matschke, M., Umweltwirtschaft, 1996, S. 282ff. Vgl. Grün, O., Materialwirtschaft, 1994, S. 453f. Singh und Mitchell stellen in diesem Zusammenhang die Abhängigkeit zwischen kooperierenden Unternehmungen bei der Kommerzialisierung von Produktinventionen dar. Sie zeigen auf Basis empirischer Daten die Bedeutung des Ausscheidens eines Partners für die verbleibende Unternehmung auf. Singh, K., Mitchell, W., Collaboration, 1996
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der Materialen bzw. der Entsorger der Rückstände eine andere Unternehmung oder die natürliche Umwelt ist.875 Aktuell bestehende Ver- bzw. Entsorgungsunsicherheiten können prozesstechnologische Entwicklungen zur Reduktion oder Substitution von Input- bzw. Outputfaktoren auslösen bzw. beschleunigen. Unterbleibt eine Weiterentwicklung des Systems, so besteht das Risiko, dass künftig aus materieller Illiquidität Wettbewerbsnachteile resultieren. Mit zunehmender Unsicherheit über die Deckung künftiger Ver- bzw. Entsorgungsbedarfe nimmt das Risiko zu, dass geplante Prozesstechnologiesysteme durch materielle Illiquidität nicht wie vorgesehen betrieben werden können. Negative Abweichungen führen dann dazu, dass Kundenbedürfnisse nicht entsprechend den unternehmerischen Vorgaben realisiert werden können. Ver- bzw. Entsorgungsunsicherheit künftig geplanter Prozesstechnologiesysteme führen damit tendenziell zu einer Verzögerung (etwa durch Ermittlung zusätzlicher Informationen zur Risikoreduktion) bzw. Richtungsänderung der eingeschlagenen Entwicklungen. Auch Unsicherheiten über die Preisentwicklung von Inputfaktoren und Entsorgungsleistungen können die Entwicklung prozesstechnologischer Systeme beeinflussen. Unsicherheit über die Preisentwicklung bezieht sich auf die zu erwartenden Preisanstiege über die Zeit. Mit zunehmender Preisunsicherheit geht der Entscheidungsträger das Risiko ein, künftig ein Prozesstechnologiesystem zu halten, dass relativ zu Konkurrenten höhere Stückkosten aufweist und damit Wettbewerbsnachteile nach sich zieht. Zunehmende Preisunsicherheit ist damit tendenziell mit einer Verzögerung bestehender Entwicklungskonzepte verbunden. Forciert werden Prozesstechnologiesystemen die Inputfaktoren und Entsorgungsleistungen mit geringerem Preisrisiko erfordern. Bei wachsender Unsicherheit darüber, ob Lieferanten ihre prozesstechnologischen Systeme adäquat anpassen, nimmt die Wahrscheinlichkeit einer vertikalen Integration zu. Weiters ist die Unsicherheit abhängig von der Variabilität der Bedarfe anderer Kunden des Lieferanten.876 Zwecksetzung ist dann, den durch prozesstechnologische Entwicklungen erforderlichen Systeminput selbst zu erstellen.877 5.3.2.3 Unsicherheit über die Entwicklung der gesetzlichen Umgebung Unsicherheit über gesetzliche Rahmenbedingungen bezieht sich auf die Richtung und Geschwindigkeit in der Verschärfung von Rechtsnormen mit Bezug zum geplanten unternehmensspezifischen Prozesstechnologiesystem. Unsicherheit kann aber auch bei innovativen Prozesstechnologiesystemen aus dem zum Betrieb erforderlichen Verfahren zur Anlagengenehmigung resultieren. Besteht Unsicherheit, ob künftige Rechtsnormen die Nutzung bestehender prozesstechnologischer Systeme einschränken bzw. verhindern, können Unternehmungen sich gegenüber 875 876 877
Vgl. Zotter, K.-A., Wasserwirtschaft, 1996, S. 8ff. Vgl. Lieberman, M. B., Determinants, 1991, S. 453 Vgl. Porter, M. E., Wettbewerbsstrategie, 1999, S. 385ff.; Stuckey, J., White, D., Integrate, 1993, S. 74; Harrigan, K. R., Vertical, 1985, S. 405f.
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potenziellen Entwicklungen aktiv oder passiv verhalten. Grundsätzlich entscheidet die Haltung, die Unternehmungen (bzw. deren Entscheidungsträger) gegenüber gesetzlichen Entwicklungen einnehmen darüber, ob offensiv die Entwicklung prozesstechnologischer Systeme beschleunigt oder defensiv verzögert wird. Bei offensiver Haltung wird erwartet, dass mit einer beschleunigten Systementwicklung, welche antizipativ mögliche Gesetzesverschärfungen vorwegnimmt, Chancen eröffnet werden, Wettbewerbsvorteile zu generieren. Wettbewerbsvorteile können zunächst aus Kostenvorteilen gegenüber Wettbewerbern (oder anderen Erfolgsbeiträgen) resultieren. Bei Komplementarität ökonomischer mit den gesellschaftlichen Zielsetzungen, die zu Gesetzesverschärfungen führen, kann aus der antizipativen Erfüllung künftig erwarteter, verschärfter Rechtsnormen ein ökonomischer Vorteil gezogen werden; unabhängig davon, ob die erwarteten Verschärfungen eintreten oder nicht.878 Man denke in diesem Zusammenhang etwa an Maßnahmen des integrierten Umweltschutzes, die die Belastung der natürlichen Umwelt präventiv unter das Niveau bestehender gesetzlicher Vorgaben abzusenken versuchen. Dies erfolgt bei offensivem Verhalten gegenüber dem gesellschaftlichen Ziel Umweltschutz unter Ausschöpfung von Kostensenkungspotenzialen und anderen ökonomischen Vorteilen.879 Unter diesen Voraussetzungen kann Unsicherheit über die Entwicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen eine Dynamisierung der Entwicklung prozesstechnologischer Systeme bewirken. Bedingung ist ein adäquates ökonomisches wie gesetzesspezifisches Problemlösungswissen. Ist adäquates Wissen nicht vorhanden bzw. können keine Erfolgspotenziale durch antizipatives Verhalten erkannt werden, so wird defensives Verhalten Konsequenz der Unsicherheit über gesetzliche Entwicklungen sein. Befürchtet wird, da entsprechendes Wissen fehlt, dass mit Gesetzesverschärfungen ökonomische Nachteile (und damit Wettbewerbsnachteile) verbunden sind („Umweltschutz kostet nur Geld“). Sofern durch Optionen zur Entwicklung des unternehmerischen Prozesstechnologiesystems solche unsicheren Rechtsnormen berührt sind, wird tendenziell die Systementwicklung verzögert. Grund dafür ist, dass durch Investitionen in solche prozesstechnologische Entwicklungsoptionen die Gefahr besteht, dass diese bei Gesetzesverschärfungen nicht wie geplant genutzt werden können und u. U. durch andere Systeme ersetzt bzw. ergänzt werden müssen. Beide Alternativen würden ökonomisch nachteilig sein.880 Im Gegensatz zu präventivem Verhalten wird von vielen Unternehmungen, reaktiv das prozesstechnologische System kurzfristig angepasst. Kurzfristige, reaktive Maßnahmen sind nicht in den strategischen Kontext der Systementwicklung integriert, sondern stellen Maßnahmen dar, die eine kontinuierliche strategische Systementwicklung grundsätzlich stören. Man denke hier an End-of-Pipe-Maßnahmen zur kurzfristigen Erfüllung von Umwelt-
878 879 880
226
Vgl. Newman, R. W., Hanna, M. D., Manufacturing, 1996, S. 75 Vgl. Newman, R. W., Hanna, M. D., Manufacturing, 1996, S. 73ff. Siehe dazu etwa die negative ökonomische Wirkung von End-of-Pipe Systemen, als typische Maßnahme eines defensiven Verhaltens gegenüber Verschärfungen in Rechtsnormen zum Umweltschutz.
schutzvorgaben. Neben ökonomischen Nachteilen limitieren solche Systeme künftige Entwicklungen des Prozesstechnologiesystems der Unternehmung. 5.3.2.4 Unsicherheit über die technologische Umgebung in ihrer Bedeutung für die Systementwicklung Objektive Unsicherheit über die prozesstechnologische Umgebung ergibt sich bezüglich des Status sowie der Entwicklung von Produkt- und Prozesstechnologien. Fehleinschätzungen des technologischen Umfeldes führen zu relativen Wettbewerbsnachteilen bis hin zur Existenzgefährdung für die Unternehmung. Diese Folgen ergeben sich aus einer durch Konkurrenten veränderten produkt- und/oder prozesstechnologischen Basis, die geforderte orderwinning-Kriterien in höherem Maße erfüllen und so das Prozesstechnologiesystem der Unternehmung aus wettbewerbsstrategischer Sicht entwerten. Ein rascher Umstieg auf weiterentwickelte bzw. neue Prozesstechnologien ist dann zumeist nicht mehr möglich. Objektive Informationsdefizite resultieren zunächst aus der Tatsache, dass Wissen über Prozesstechnologien nicht vollständig ist. Vor allem in sehr frühen Entwicklungsstadien von Technologien sind deren möglichen Wirkungen oft nur sehr unvollständig bekannt. Man denke hier an die Atomenergie oder an die Wirkungen elektromagnetischer Strahlungen von Handys. Aber auch bei bereits lange eingeführten Technologien treten im Kontext neuer Technologiesysteme unerwartete Wirkungen auf. Es ist damit davon auszugehen, dass bei Prozesstechnologien ein (bewusstes bzw. unbewusstes) Wissensdefizit bei Planungs- und Entscheidungsträgern über das Verhalten innerhalb spezifischer Prozesstechnologiesysteme besteht. Objektive technologische Informationsdefizite erwachsen weiters daraus, dass neue bzw. weiterentwickelte Produkt- wie Prozesstechnologien von Wettbewerbern und anderen Organisationen (Technische Hochschulen etc.) geheim gehalten werden. Wettbewerbsrelevante Prozesstechnologien können, im Gegensatz zu Produkttechnologien, durch Unternehmungen langfristig geheim gehalten werden.881 Aber auch wenn geheim gehaltene Technologien durch Konkurrenten ausgeforscht werden können, so bleibt ihnen grundsätzlich noch immer das über die Zeit aufgebaute intangible technologische Wissen verborgen. Eine Möglichkeit die Unsicherheit bei Konkurrenten noch weiter zu steigern, sind gezielte Fehlinformationen.882 So werden etwa in der Pharmaindustrie Patente über fehlgeschlagene Entwicklungen angemeldet, um damit Konkurrenten über die verfolgte zentrale Entwicklungsrichtung der Unternehmung und den Status von gehaltenen Technologien zu verunsichern.883 Von Konkurrenten kann, auf Basis des vorhandenen prozesstechnologischen Wissens kaum abgeschätzt werden, welche veröffentlichten Patentschriften Relevanz für die Entwicklung ihres Prozesstechnologiesystems aufweisen und welche nicht. Oft sind aufwändige 881 882 883
Vgl. Mansfield, E., Technology, 1985, S. 219ff.; Albach, H., Innovationsstrategien, 1989, S. 1343 Vgl. Dunford, R., Suppression, 1987, S. 521 Vgl. Jauch, L. R., Kraft, K. L., Uncertainty, 1986, S. 777
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technische Analysen des Patents erforderlich, um dessen technologische Bedeutung abzuklären. Unternehmungen stehen damit vor dem Dilemma, dass sie gezielt in falsche technologische Richtungen geführt werden könnten. Objektive Unsicherheit besteht auch über die künftige Entwicklung von Technologien. Fehleinschätzungen künftiger Entwicklungen führen dazu, dass die „falsche“ Technologie verfolgt wird bzw. die Entwicklung von Leistungsmerkmalen bestehender Technologien nicht im „richtigen“ Ausmaß erfolgt. Ob „falsche“ Technologien verfolgt wurden bzw. die Leistungsentwicklung bestehender Technologien nicht im „richtigem“ Ausmaß durchgeführt wurden, lässt sich nur ex post feststellen. Bemühungen von Theorie und Praxis sind daher darauf gerichtet, künftige technologische Entwicklungen zu erkennen. Es muss konkretisiert werden, dass nicht die Entwicklung einer Technologie Gegenstand von Vorhersagen sein kann. Von Interesse sind einzelne Leistungsmerkmale von Technologien. Für die Praxis ist das Scannen der technologischen Umgebung ein erster Ansatz, Technologieentwicklungen abzuschätzen. Grundsatzüberlegung ist, dass technologische Wechsel oft einer gleich bleibenden Sequenz, beginnend bei theoretischen Ansätzen, über wissenschaftliche Befunde, Laboranwendungen, Prototypen bis hin zur kommerziellen Nutzung folgen. Die Nutzungsphase beginnt mit einer durch die neue Technologie ausgelöste Diskontinuität. Daran schließt sich eine Phase an, in der konkurrierende Designkonzepte entwickelt werden, die in einem dominanten Design münden können. In der abschließenden Retentionsphase erfolgt eine inkrementale Weiterentwicklung, bis zu einer Substitution der Technologie.884 Das Auffinden von Technologien in den verschiedenen Phasen wird heute durch EDV-basierte Suchsysteme unterstützt.885 Ein weiteres Instrument zur technologischen Vorhersage sind Delphistudien. Anwendung finden diese in großen nationalen Untersuchungen, die unter anderem auch technologische Inhalte umfassen.886 Für einzelne Unternehmungen ist der Aufwand, der mit einer Delphistudie verbunden ist, ökonomisch kaum zu rechtfertigen. Wesentliches Manko dieser Instrumente ist, dass sie die Unsicherheit über künftige Entwicklungen von Technologien nicht zu reduzieren vermögen. Sie können keinerlei gesicherte Anhaltspunkte über die Entwicklungsgeschwindigkeit technologischer Leistungsmerkmale über die Zeit geben. Aus prozesstechnologischer Sicht ist als zentrale Zwecksetzung dieser Verfahren die umfassende Informationsbeschaffung und -auswertung über den technologischen Status und möglicher Entwicklungen in deren Bedeutung für die Unternehmung zu sehen. Theoretische Modelle basieren auf Kausalmodellen, Extrapolationen auf Basis verschiedener Wachstumsmodelle oder chaostheoretischen Ansätzen. Basis sind Wachstumsmodelle, die auf Erkenntnissen zurückliegender Verläufe von Technologieentwicklungen aufbauen. Alle Modelle zur Prognose der zeitlichen Entwicklung technologischer Leistungsmerkmale weisen aber grundsätzliche Probleme auf, die es als fragwürdig erscheinen lassen, ob solche
884 885 886
228
Vgl. Tushman, M. L., Rosenkopf, L., Determinants, 1992, S. 316ff. Vgl. Martino, J. P., Forecasting, 2003, S. 720 Vgl. Wildemann, H., Wissensmanagement, 2002
Vorhersagen für die praktische Anwendung in einer ausreichenden Genauigkeit erfolgen können.887 Zunächst stellt jede Technologie aus technischer Perspektive eine mit anderen Technologien nicht vergleichbare Ressource dar. Da sich Wirkungen verschiedener Technologien im Technologiesystemverbund voneinander unterscheiden, besteht keine Möglichkeit, auf Vergleichsdaten aus der Vergangenheit zurückzugreifen. Es besteht deshalb Unsicherheit darüber, ob durch geplante Entwicklungsanstrengungen angestrebte Leistungsmerkmale und deren Ausprägungen realisiert werden können. Mit Fehlentwicklungen ist stets zu rechnen. Ein Vergleich der zeitlichen Entwicklung von Technologien scheitert damit bereits an unterschiedlichen technischen Rahmenbedingungen. Technologien können ihre Leistungspotentiale erst im Systemverbund entfalten. Die Entwicklung von Technologien kann aus diesem Grund von Leistungsmerkmalen gekoppelter Technologien behindert oder gefördert werden. So kann die Entwicklung von Technologien durch limitierende Leistungsmerkmale gekoppelter Technologien verhindert werden. Erst wenn das Leistungspotential der gekoppelten Technologie angehoben werden kann, ist die Weiterentwicklung der betrachteten Technologie möglich. Es ist weiters davon auszugehen, dass unterschiedliche Entwicklungsanstrengungen sich in der Wahrscheinlichkeit von Fehlern unterscheiden. Die Entwicklung von Technologien erfolgt durch Teams. Deren Leistungsmerkmale, die Stabilität der Teamzusammensetzungen sowie die Rahmenbedingungen ihrer Tätigkeiten beeinflussen die Entwicklungsrichtung und geschwindigkeit von Technologien. Unter den Leistungsmerkmalen von Entwicklungsteams ist deren prozesstechnologisches und potenzialerschließendes Ressourcensystem zu verstehen. Breite und Tiefe des Wissens von Teams beeinflussen die Entwicklung von Prozesstechnologien. Die Zusammensetzung und Stabilität von Entwicklungsteams stellt eine weitere Einflussgröße auf die Entwicklung einer Technologie dar. Nur auf Basis stabiler Teams können kontinuierliche Entwicklungen erfolgen. Bei instabilen Teams geht mit dem Ausscheiden von Teammitgliedern stets auch ein Teil des prozesstechnologischen Wissens (tangibel wie intangibel) verloren. Neueinsteiger müssen sich erst in die Thematik einarbeiten; die Aufwendungen zur Technologieentwicklung steigen, weiters verlangsamt sich tendenziell die Entwicklungsgeschwindigkeit.888 Andererseits können jedoch neue Mitarbeiter der Technologieentwicklung Impulse geben, die die Geschwindigkeit wie Richtung von Entwicklung wesentlich (zielorientiert positiv wie negativ) beeinflussen können. Eine generelle Aussage der Teamzusammensetzung wie –stabilität ist damit nicht möglich. Auch die Rahmenbedingungen für die Entwicklungsaktivitäten von Teams haben Einfluss auf die Entwicklung von Technologien. 887
888
Vgl. Heide, J. B., John, G., Alliances, 1990, S. 28; Noch fragwürdiger erscheint in diesem Zusammenhang eine Abschätzung ökonomischer Erfolge zur Bewertung von Technologiestrategien heranzuziehen, die sich auf unbekannte Technologieentwicklungen und Anwendungsmöglichkeiten stützen. Vgl. Babini, M., Merz, M., Technologie, 1992, S. 29f.; Cooper, A., Schendel, D., Strategic, 1976, S. 62ff. Vgl. McGrath, R. G., MacMillan, I., Venkataraman, S, Competence, 1995, S. 256f.
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So wurde etwa festgestellt, dass finanziell besonders gut ausgestattete Entwicklungsteams nicht die besten Resultate erzielen. Mit der Entwicklung von Technologien wird die Umsetzung ökonomischer, ökologischer und sozialer Zielsetzungen verfolgt. Technologien werden unter unterschiedlichen Zielsetzungen entwickelt. Entsprechend unterscheiden sich die Schwerpunkte der Entwicklungsaktivitäten. Forciert durch entsprechende Finanz- bzw. Personalressourcen, werden dann einzelne Leistungsmerkmale intensiv weiterentwickelt, andere hingegen vernachlässigt. Über die Zeit können sich die Schwerpunkte der Entwicklung von Leistungsmerkmalen einer Technologie verschieben. Damit werden veränderliche Zielsetzungen zur treibenden Kraft technologischer Entwicklungen. Weist eine Technologie geringe bzw. keine wettbewerbsstrategische Bedeutung auf, so wird diese auch nicht weiterentwickelt. Die Technologieentwicklung wird weiters von technologiespezifischen, dynamischen wie ökonomischen Rahmenbedingungen beeinflusst. Auch aus dieser Perspektive ist ein Vergleich der Entwicklung verschiedener Technologien nicht möglich. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die technologischen Eigenarten, Zielsetzungen und Rahmenbedingungen der Entwicklungen verschiedener Technologien so verschiedenartig sind, dass auf dieser Basis keine Entwicklungsprognosen möglich sind. Schließlich stellen auch Zufälle ein Faktum dar, die technologische Entwicklungen maßgeblich beeinflussen können.889 Aus prozesstechnologischer Perspektive ist Unsicherheit über Status und Entwicklung von Produkt- und Prozesstechnologien der eigenen Unternehmung sowie (potenzieller) Kunden, Lieferanten wie Konkurrenten von Bedeutung. Die Relevanz von Kunden- und Lieferantensystemen ergibt sich aus der unternehmensübergreifenden Verknüpfung prozesstechnologischer Systeme. Entsprechend sind bei Inkompatibilitäten Auswirkungen auf die Entwicklung des unternehmerischen Prozesstechnologiesystems möglich. Die Bedeutung von Prozess- bzw. Produkttechnologien konkurrierender Unternehmungen liegt darin, dass Wettbewerbsvorteile u. a. auch durch prozesstechnologische Systeme begründet bzw. gesichert werden können. Voraussetzung dafür sind relative Vorteile in den Leistungsmerkmalen unternehmerischer Prozesstechnologiesysteme (bzw. des potenzialerschließenden Ressourcensystems) gegenüber Wettbewerbern. Potenzielle Bedrohungen durch bestehende bzw. weiterentwickelte Prozesstechnologiesysteme konkurrierender Unternehmungen bilden damit eine weitere Größe, die die Systementwicklung beeinflusst.
889
230
Vgl. Tyler, B. B., Complementarity, 2001, S. 8; Nowotny, H., Wissen, 1998, S. 39f.; Versuche, wie etwa der von Arthur D. Little, basierend auf einem nicht verifizierten S-Kurvenverlauf, für den Entwicklungsverlauf von Technologien Zeitangaben anzugeben, erscheinen aus dieser Perspektive als fragwürdig.
5.3.2.5 Unsicherheit über den Status und die Entwicklung wettbewerbsrelevanter Prozesstechnologien Aus wettbewerbsstrategischer Perspektive ist zunächst die Entwicklung von Prozesstechnologien, die geeignet sind Wettbewerbsvorteile zu generieren von Bedeutung. Unsicherheit besteht darüber, wie sich bereits genutzte Prozesstechnologien bzw. potenzielle Substitutionstechnologien entwickeln und welche wettbewerbsstrategische Relevanz sie aufweisen. Mit zunehmender Komplexität technologischer Systeme nimmt hierbei das Risiko von Fehleinschätzungen zu.890 Das Risiko sinkt aber tendenziell mit zunehmendem Alter von Technologien.891 Unsicherheit besteht zunächst darüber, ob in der Unternehmung genutzte Prozesstechnologien durch neue Prozesstechnologien unter Substitutionsdruck geraten könnten. Substitutionsdruck resultiert daraus, dass neue Prozesstechnologien mit verbesserten Leistungseigenschaften entwickelt und von Konkurrenten adoptiert werden könnten und sich daraus Wettbewerbsnachteile ergeben. Weiters kann auch der Fall eintreten, dass Kunden neue Prozesstechnologien übernehmen und damit eine vertikale Rückwärtsintegration vollziehen. Konsequenz daraus ist Unsicherheit über die künftig absetzbaren Produktquantitäten. Besteht Unsicherheit über potenziellen Substitutionsdruck durch Konkurrenten, so können Unternehmungen grundsätzlich mit zwei unterschiedlichen Systementwicklungsstrategien reagieren. Zunächst besteht die Option, das bestehende Prozesstechnologiesystem nicht weiterzuentwickeln. In theoretischen und empirischen Arbeiten wurde von verschiedenen Autoren die vertikale Integration, als eine Entwicklungsoption prozesstechnologischer Systeme, unter technologischer Unsicherheit durch Wechsel wettbewerbsrelevanter Prozesstechnologien diskutiert. Festgestellt wurde ein negativer Zusammenhang zwischen vertikaler Integration und technologischer Unsicherheit. Einer vertikalen Integration würde eine Zunahme der Zahl an Enabling-Technologien und damit wachsender Kapitalintensität entsprechen. Zentrales Argument für einen negativen Zusammenhang bei zunehmender technologischer Unsicherheit ist dann, dass mit einem Wechsel der Kerntechnologie eine zunehmende Zahl an EnablingTechnologien obsolet werden würde.892 In analoger Weise kann argumentiert werden, dass auch die Weiterentwicklung von Kern-Prozesstechnologien eine simultane Entwicklung von Enabling-Technologien erfordern würde. Eine Substitution der Kern-Prozesstechnologien würde dann auch die Zahl (bzw. die Investitionssumme) obsolter Enabling-Technologien erhöhen. Daraus ist zu folgern, dass bei Substitutionsdruck durch Konkurrenten die Entwick890 891 892
Singh weist diesen Zusammenhang empirisch für Spitals-Softwarehersteller nach. Vgl. Singh, K., Complexity, 1997, S. 342ff. und 353ff. Vgl. King, D. R., Covin, J. G., Hegarty, H. W., Complementary, 2003, S. 599; Tushman, M. L., Rosenkopf, L., Determinants, 1992, S. 318ff. Vgl. Balakrishnan, S., Wernerfelt, B., Technical, 1986, S. 348 und 351ff.; Walker, G., Weber, D., Make-orBuy, 1984, S. 374f.; Harrigan zeigt auf, dass in Branchen mit raschem technologischem Wechsel Unternehmungen zur Erhaltung ihrer Flexibilität nicht vertikal integrieren sollten. Vgl. Harrigan, K. R., Strategies, 1985, S. 16f.; Harrigan, K. R., Vertical, 1985, S. 404
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lungsgeschwindigkeit bestehender Systeme reduziert wird. Es ist dann rational, die neue Technologie zu beobachten und wenn sich diese als dominierend gegenüber der bestehenden Prozesstechnologie herausstellt, schrittweise zu übernehmen.893 Entsprechend nimmt die Entwicklungsgeschwindigkeit der neuen Prozesstechnologien unter Substitutionsdruck von Konkurrenten tendenziell zu. Wird die neue Technologie übernommen, so ist ein Argument für eine vertikale Integration, dass der Koordinationsaufwand bei der Entwicklung prozesstechnologischer Systeme zwischen verschiedenen Unternehmungen höher ist als innerhalb einer einzigen Unternehmung.894 Typische Eigenschaften, bei denen vertikale Märkte versagen, sind wenige Käufer oder Lieferanten, hohe Spezifität des Transaktionsbeziehung (bzw. der mit dieser verbundenen Ressourcen) sowie hohe Frequenzen der Transaktionen.895 Weiters beeinflussen Unsicherheiten, Opportunismus und begrenzte Rationalität die vertikale Integration.896 Da diese Einflussgrößen über die Zeit Veränderungen unterliegen, ist auch die strategische Ausrichtung der Zusammenarbeit zwischen Unternehmungen bzw. der Grad der vertikalen Integration langfristig als dynamisch zu betrachten.897 Auch Entwicklungen von Produkt- und Prozesstechnologien beeinflussen langfristig die Kunden-Lieferantenbeziehungen bzw. den Grad der vertikalen Integration von Prozesstechnologiesystemen.898 Bei geringer Zahl an Lieferanten bzw. Käufern besteht die Intention, Monopollstellungen zu erringen bzw. auszubauen. Eine Möglichkeit, diese Zielsetzung zu realisieren, ist die vertikale Integration.899 Hier soll dieser Fall nicht weiter verfolgt werden. Aus Perspektive des Prozesstechnologiemanagements von größerer Bedeutung sind die Spezifität der Transaktionsbeziehung und die Frequenz mit der die Transaktionen erfolgen. Spezifität der Transaktionsbeziehung (und damit oft verbunden eine Spezifität der ausgetauschten Güter, aber auch Rückstände) kann aus verschiedenen Ressourcenattributen resultieren.900 Zunächst können Unternehmungen (zur Reduktion der Transport- und Anlagekosten) am selben geografischen Ort in enger Kooperation tätig werden. In dieser Situation wer-
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894 895 896 897 898 899
900
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Dieses Verhalten lässt sich oft bei großen Unternehmungen beobachten, die eher bereit sind, in erprobte Technologien zu investieren und neue sehr riskante Technologien eher meiden. Sie sind auch eher bereit zu einem Zeitpunkt in den Wettbewerb einzusteigen, wenn durch Prozessentwicklungen Kostensenkungspotenziale erschlossen werden können. Vgl. King, D. R., Covin, J. G., Hegarty, H. W., Complementary, 2003, S. 596 Vgl. Shelanski, H. A., Klein, P. G, Transaction, 1995, S. 336ff.; Grossmann, S. J., Hart, O. D., Ownership, 1986, S. 691ff. Vgl. Picot, A., Vertikale, 1991, S. 344ff.; Harrigan, K. R., Vertical, 1985, S. 415ff. Vgl. Stuckey, J., White, D., Integrate, 1993, S. 72ff. Vgl. Stuckey, J., White, D., Integrate, 1993, S. 79ff. Vgl. Roberts, E. B., Wenyun, K. L., Ally, 2001, S. 31ff. Die Ergebnisse empirischer Untersuchungen zeigen hier unterschiedliche Bestätigung dieser Aussage. Bestätigung fand die Aussage etwa durch empirische Untersuchungen etwa von Walker und Weber. Vgl. Walker, G., Weber, D., Supplier, 1987, S. 593f. Liebermann konnte nicht verifizieren, dass bei geringer Zahl an Lieferanten eine Rückwärtsintegration wahrscheinlicher wird. Vgl. Lieberman, M. B., Determinants, 1991, S. 452 und 461ff. Vgl. Grossmann, S. J., Hart, O. D., Ownership, 1986, S. 692ff.
den (quasi-)vertikale Integrationen angestrebt.901 Auch aus prozesstechnologischen Spezifitäten können spezifische Transaktionsbeziehungen resultieren. Spezifität ergibt sich daraus, dass in Techniken bzw. prozesstechnologisches Wissen902 investiert wurde, die (das) nur durch die Kooperation zweier Unternehmungen ökonomisch effizient bzw. effektiv eingesetzt werden können. In anderen Beziehungen sind diese Ressourcen nicht wertvoll. Spezifität der Beziehung resultiert weiters aus Investitionen, die unter der (vertraglich gesicherten) Voraussetzung einer langfristigen Zusammenarbeit getätigt wurden. Schließlich bildet transaktionsspezifisches Wissen (aufgebaut durch learning by doing oder Schulungen) eine weitere Ressource, die zu einer Spezifität von Transaktionsbeziehungen führen kann.903 Vor allem bei hohen Frequenzen der Transaktionen werden Unternehmungen nach einer vertikalen Integration streben. Bei geringer Spezifität und Frequenz werden keine dauerhaften Beziehungen angestrebt bzw. wird eine mehr oder weniger starke Bindung und Zusammenarbeit (quasi-Integration) zwischen Kunden und Lieferanten aufgebaut.904 Eine vertikale Integration erscheint aber nur dann als sinnvoll, wenn nach der Systemintegration stabile, langfristig nutzbare Prozesstechnologiesysteme entstehen. Agiert die Unternehmung in einer sehr dynamischen Umgebung, so ist damit zu rechnen, dass Systeme rasch abgelöst werden und damit eine vertikale Integration dazu führt, dass neben der Kerntechnologie umfangreiche Enabling-Technologien obsolet werden. In dynamischen Umgebungen erscheint es daher sinnvoll, nicht vertikal zu integrieren.905 Unternehmungen deren Prozesstechnologiesystem unter Substitutionsdruck durch Konkurrenten gerät, können auch dadurch reagieren, dass sie bestehende Systeme in ihren Leistungseigenschaften forciert entwickeln.906 In diesem Fall erwarten Unternehmungen, dass Leistungsdefizite bestehender gegenüber neuen Prozesstechnologien ausgeglichen werden können. Erwartet wird, dass Leistungsnachteile bestehender relativ zu neuen Technologien durch Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen der Unternehmung egalisiert werden können und bestehende Technologien dazu noch ausreichend Entwicklungspotenzial aufweisen. Diesem Verhalten zugrunde gelegte Prämisse ist, dass dadurch Wettbewerbsnachteile abgewehrt werden können und diese durch Nutzung vorhandenen Wissens mit geringerem Aufwand realisierbar ist. Unsicherheit kann weiters über die Entwicklungsgeschwindigkeit von durch die Unternehmung genutzten Prozesstechnologien bestehen. In Abhängigkeit davon, ob die Unternehmung eine Technologieführerschaft oder –folgerschaft anstrebt, ergeben sich aus dieser Unsi901 902 903 904 905 906
Beispielsweise ist das in der Aluminium-Industrie der Regelfall. Vgl. Stuckey, J., White, D., Integrate, 1993, S. 73; Analoge Entwicklungen sind in der Auto-Zulieferindustrie zu bemerken. Vgl. Monteverde, K., Teece, D. J., Supplier, 1982, S. 207ff. Vgl. Shelanski, H. A., Klein, P. G, Transaction, 1995, S. 341ff; Stuckey, J., White, D., Integrate, 1993, S. 73ff. Vgl. Shelanski, H. A., Klein, P. G, Transaction, 1995, S. 337f.; Stuckey, J., White, D., Integrate, 1993, S. 74ff.; Hayes, R. H., Abernathy, W. J., Decline, 1980, S. 73 Vgl. Afuah, A., Boundaries, 2001, S. 1214ff. Vgl. Hirschbiegel, U., Frauenfelder, P., Substitutionen, 1998, S. 517; Cooper, A., Schendel, D., Strategic, 1976, S. 67
233
cherheit unterschiedliche Verhalten. Wird Technologieführerschaft angestrebt und besteht Unsicherheit über die Entwicklungsanstrengungen von Konkurrenten, so kann daraus eine forcierte Technologieentwicklung durch die Unternehmung induziert werden. Rational ist dieses Verhalten jedenfalls, wenn erwartet wird, dadurch künftig Unternehmensziele in höherem Maße zu realisieren. Opportunitätskosten für den Fall, dass Konkurrenten keine Entwicklung durchführen, entstehen damit grundsätzlich nicht. Der Zuwachs an relativem Prozesstechnologievorsprung kann dann genutzt werden, um zusätzliche Wettbewerbsvorteile zu generieren. Wird eine Technologiefolgerstrategie verfolgt, so kann auch hier Unsicherheit zu einer beschleunigten Entwicklung des Prozesstechnologiesystems führen. Die Unsicherheit besteht darin, dass prozesstechnologische Defizite entstehen könnten, die durch die Unternehmung nicht rechtzeitig ausgeglichen werden können. Entsprechend muss das prozesstechnologische System beschleunigt entwickelt werden. Opportunitätskosten unterlassener Entwicklungen von Prozesstechnologiesystemen resultieren aus relativen Verlusten von Wettbewerbsvorteilen. 5.3.2.6 Technologische Unsicherheit über den Status und die Entwicklung der Prozesstechnologiesysteme von Kunden und Lieferanten Die Entwicklung prozesstechnologischer Systeme muss stets unter Beachtung unternehmensübergreifender Wirkungen auf produkt- und prozesstechnologische Systeme von Kunden und Lieferanten erfolgen (siehe Abschnitt 4.2.6). Besteht Unsicherheit darüber, ob durch bestehende oder künftige Technologiesysteme von Kunden oder Lieferanten veränderte Produkteigenschaften akzeptiert bzw. Bedarfe an Inputfaktoren gedeckt werden können, so resultiert daraus tendenziell eine Verlangsamung der Entwicklungsgeschwindigkeit prozesstechnologischer Systeme. Grund dafür ist, dass durch höhere Entwicklungsgeschwindigkeiten bestehende Wettbewerbsvorteile dadurch zunichte gemacht werden, dass die Unternehmung mit dem Prozesstechnologiesystem die Entwicklungen der Kunden bzw. Lieferanten zu weit vorauseilen könnte und damit die inputseitige Versorgung mit Vorprodukten bzw. outputseitig die marktliche Verwertung gefährdet wäre.907
907
234
Vgl. Afuah, A. N., Bahram, N., Hypercube, 1995, S. 57ff.; Afuah, A., Co-opetitors´, 2000, S. 389f.
6
Unternehmerische Ressourcensysteme (PTS und RES) in ihrer Bedeutung für die Entwicklung von Prozesstechnologiesystemen
6.1
Einleitung
Von der Unternehmensumgebung gehen Impulse aus, die die Entwicklung prozesstechnologischer Systeme in Hinblick auf Richtung, Geschwindigkeit und Ausmaß wesentlich beeinflussen. Weiters wirken Hemmnisse, die Entwicklungen be- bzw. verhindern können. Aus externen Impulsen und Hemmnissen resultieren Anforderungen an künftige Prozesstechnologiesysteme, die aus bestehenden Systemen heraus entwickelt werden sollen. Gegenstand dieses Abschnitts ist es, die in Unternehmungen vorhandenen Prozesstechnologiesysteme (und die mit diesen verbundenen potenzialerschließenden Ressourcensysteme) als Anfangsbedingungen für künftige Entwicklungen darzustellen. Im Zentrum der Betrachtung stehen Systemeigenschaften, die Entwicklungen in Richtung definierter künftiger Prozesstechnologieposition fördern, be- oder verhindern. Systematisiert werden die Einflüsse nach den Planungsebenen von denen Wirkungen ausgehen. Demnach werden Einflüsse der normativen, strategischen und operativen Planungsebene unterschieden. In den Ausführungen wird daher nach folgenden Partialsystemen unterschieden: x
Partialsystem der normativen Ebene
x
Partialsysteme der strategischen Ebene
Partialsysteme der operativen Ebene o das Prozesstechniksystem o das prozesstechnologisch relevante Ressourcensystem zur Leistungserstellung und Leistungsverwertung Prämisse der folgenden Ausführungen ist, dass bereits ein Prozesstechnologiesystem und ein potenzialerschließendes Ressourcensystem zu dessen Ausbeutung existiert und diese Systeme die Basis darstellen, auf der die weiteren Entwicklungen erfolgen. Bei der konzeptionellen Gestaltung völlig neuer Prozesstechnologiesysteme „auf der grünen Wiese“ wirken prinzipiell die gleichen Faktoren auf die Systemplanung und -umsetzung ein. Zum Unterschied von Systemveränderungen bestehen bei der erstmaligen Gestaltung von Systemen jedoch weitaus größere Freiheitsgrade zur Systemgestaltung. Es kann zur Unterstützung prozesstechnologischer Entwicklungen aber auch nicht auf in der Vergangenheit akkumuliertes Wissen zurückgegriffen werden. Ein weiterer Grund für die Konzentration auf die Entwicklungen bestehender Ressourcensysteme ist, dass dieser Fall weitaus häufiger auftritt und für Unternehmungen damit generell größere Relevanz aufweist als ein Systemaufbau ohne Einflüsse aus bestehenden Technologiesystemen.908 x
908
Vgl. Skinner, W., Manufacturing, 1996, S. 11
235
6.2
Das strategische Managementsystem als Einflussfaktor für prozesstechnologische Entwicklungen
Voraussetzungen für die planvolle, zielorientierte, strategische Entwicklung des unternehmerischen Prozesstechnologiesystems sind, dass prozesstechnologische Entwicklungspotenziale und Entwicklungsoptionen erkannt, in deren Bedeutung für die Unternehmung richtig eingeschätzt, adäquat beschafft, integriert und erfolgsorientiert ausgeschöpft werden.909 Cohen und Levinthal bezeichnen diese Fähigkeit als „Absorptionskapazität/potenzial“ und beziehen diesen Begriff auf die Erschließung und Integration externen Wissens in die eigene Unternehmung.910 Basis der Absorptionsfähigkeit ist in der Vergangenheit kumuliertes prozesstechnologisches wie potenzialerschließendes Wissen. Die Absorptionskapazität wird entsprechend durch Maßnahmen zum Aufbau der Ressource Wissen ausgebaut.911 NichollsNixon weist in diesem Zusammenhang, auf Basis empirischer Daten nach, dass die Vielfalt der externen, technologiebezogenen Relationen (Lizenzen, Kooperationen etc.) von zentraler Bedeutung ist.912 Für die Weiterentwicklung prozesstechnologischer Systeme ist dieser Begriff auf die Integration extern verfügbarer Prozesstechniken auszuweiten. Inhaltlich wird der Begriff damit um das Integrationspotenzial bestehender Prozesstechniksysteme gegenüber Entwicklungsoptionen erweitert. Die Absorptionsfähigkeit bezieht sich im gleichen Maße auf weiterentwickelte wie auf völlig neue Prozesstechnologien.913 Aber nicht nur extern verfügbare Prozesstechnologien sind für die strategische Systementwicklung von Bedeutung. Auch das Erkennen, Einschätzen und Ausschöpfen unternehmensinternen prozesstechnologischen Wissens zur Entwicklung des unternehmerischen Prozesstechnologiesystems ist zur Realisation strategischer Technologiepositionen unabdingbar. Die Fähigkeit, unternehmensintern vorhandene Prozesstechnologiepotenziale zu erkennen, zu evaluieren und weiterzuentwickeln, wird in weiterer Folge als „Explorationspotenzial“ bezeichnet. Das Absorptions- und Explorationspotenzial von Unternehmungen hängt wesentlich von dem unternehmensintern wie -extern vorhandenem Wissen sowie den Kommunikationsbeziehungen zwischen den Wissensträgern ab. Die Weiterentwicklung der Potenziale erfordert daher neben individuellem in hohem Umfang auch organisationales Lernen zur Wissensmehrung und zum Aufbau von Kommunikationsbeziehungen. 909 910
911 912
913
Vgl. Tripsas, M., Surviving, 1997, S. 344; Empirische Befunde liefern: Arora, A., Gambardella, A., Evaluating, 1994, S. 93ff.; McGrath, R. G., MacMillan, I., Venkataraman, S., Competence, 1995, S. 253 Vgl. Cohen, W. M., Levinthal, D. A., Capacity, 1990, S. 128f.; Goodman und Lawless sowie Hitt, Ireland und Hoskisson zeigen auf, dass es kleinen in Relation zu großen Unternehmungen effektiver gelingt, externe F&E-Ergebnisse zu integrieren und auszubeuten. Vgl. Goodman, R. A., Lawless, M. W., Technology, 1994, S. 256ff.; Hitt, M. A., Ireland, D. R., Hoskisson, R. E., Strategic, 1999, S. 310ff. Vgl. Cohen, W. M., Levinthal, D. A., Capacity, 1990, S. 129ff.; Nicholls-Nixon, C. L., Technological, 1995, S. 6ff. Vgl. Nicholls-Nixon, C. L., Technology, 2003, S. 653, interessant ist, dass Nicholls-Nixon keinen signifikanten Zusammenhang zwischen den Investitionen in interne F&E, der Breite interner F&E-Aktivitäten und späteren technologischen Output feststellen konnte. (Betrachtet wurden neue, aufkommende Technologien.) Vgl. Tripsas, M., Surviving, 1997, S. 341ff.
236
6.2.1
Prozesstechnologisches Wissen als Basis einer effektiven Systementwicklung
Unabdingbare Voraussetzung dafür, dass für die Unternehmung relevante interne wie externe prozesstechnologische Entwicklungsoptionen als solche erkannt und in ihrer Bedeutung für die Unternehmung beurteilt werden können, ist akkumuliertes prozesstechnologisches wie potenzialerschließendes Wissen von Mitarbeitern.914 Prozesstechnologisches Wissen entwickelt sich auf Basis von Schulungen oder Fachliteraturstudium vor allem aber durch trial and error Prozesse bei der Nutzung von Technologien.915 Auf dieser Basis wird durch Eigenschaften von Entscheidungsträgern die Entwicklung von Prozesstechnologiesystemen langfristig determiniert.916 Geprägt wird die Art, Breite und Tiefe dieses Wissens durch den Karriereweg (Ausbildung, beruflicher Werdegang und Erfahrungen) von Planungs- und Entscheidungsträgern und dem dabei kumulierten prozesstechnologischen wie potenzialerschließenden Wissen.917 Erst auf Basis adäquaten Wissens können kausale Zusammenhänge zwischen (extern verfügbaren) Prozesstechnologien bzw. prozesstechnologischen Entwicklungen - in Verbindung mit dem unternehmerisch relevanten Prozesstechnologiesystem - und den angestrebten unternehmenspolitischen Zielsetzungen hergestellt werden.918 Diese den langfristigen Unternehmenserfolg bestimmende Managementaufgabe kann nicht durch problemspezifischen Zukauf von Mitarbeitern oder gar durch externe Berater erfüllt werden.919 Aufgebaut werden muss das erforderliche Wissen während Phasen inkrementaler Entwicklung von Prozesstechnologiesystemen. Prozesstechnologisches Wissen umfasst produkt- und prozesstechnologisches Basis- und unternehmensspezifisches Spezialwissen, eine in der scientific community genutzte Sprache sowie Wissen (bzw. technisch fundierte Erwartungen) über Entwicklungstrends von Prozesstechnologien. Darüber hinaus weisen Individuen auch prozesstechnologisches Wissen, welches durch die übertragenen Aufgaben nicht unmittelbar ausgeschöpft wird, auf. Im Unternehmen kann prozesstechnologisches Wissen auf unterschiedliche Weise entwickelt werden. Unspezifisches Wissen kann extern akquiriert oder durch interne Schulungen übermittelt werden. Spezifisches Wissen hingegen wird als „Nebenprodukt“ der Beschäfti914
915 916 917
918
919
Vgl. Veugelers, R., Cassiman, B., Make, 1999, S. 64; Zander, U., Kogut, B., Knowledge, 1995, S. 79f.; Skinner, W., Technology, 1984, S. 122ff.; Pisano, G. P., Knowledge, 1994, S. 86ff.; Beneito, P., Technological, 2003, S. 5; Arvanitis, S., Hollenstein, H., Determinants, 2001, S. 384; Morgan, L. O., Daniels, R. L., Integrating, 2001, S. 220; Brockhoff, K., Wissens, 1995, S. 31f.; Zahn, E., Wissen, 1998, S. 47ff. Gerpott weist darauf hin, dass Forscher i. A. nur wenige Stunden pro Woche für die Weiterbildung durch Fachliteratur aufwenden. Vgl. Gerpott, T. J., Kommunikation, 1995, S. 557 Vgl. St. John, C. H., Cannon, A. R., Pouder, R. W., Millennium, 2001, S. 152; Teece, D. J., Pisano, G., Shuen, A., Capabilities, 1997, S. 522; Rycroft, R. W., Kash, D. E., Path, 2002, S. 22ff. und 26ff. So werden Entscheidungsträger eher bereit sein, Risiken auf sich zu nehmen, die sie gewohnt sind zu bewältigen, als solche, die völlig neue Bewältigungsstrategien erfordern. Vgl. Hayes, R. H., Wheelwright, S. C., Competitive, 1984, S. 311ff. Vgl. Hayes, R. H., Wheelwright, S. C., Competitive, 1984, S. 184ff.; Chatterji, Deb, Accessing, 1996, S. 49ff.; Hinterhuber, H. H. u. a., Kundenzufriedenheit, 1998, S. 365; Schröder, H.-H., Innovationsforschung, 1998, S. 313; Freeman, C., Soete, L., Innovation, 1997, S. 250ff.; Siehe dazu auch die empirischen Untersuchungen von Palmer und Wiseman, die keinen Zusammenhang zwischen zunehmender Heterogenität des Entscheidungsteams mit dem wahrgenommenen Risiko von strategischen Entscheidungen feststellten. Palmer, T. B., Wiseman, R. M., Decoupling, 1999, S. 1042ff. Vgl. Cohen, W. M., Levinthal, D. A., Capacity, 1990, S. 135
237
gung mit Prozesstechnologien aufgebaut.920 Das kann durch Nutzung im Rahmen der Produktion oder durch F&E-Aktivitäten in Zusammenarbeit mit dem Produktionsbereich erfolgen.921 Der überwiegende Teil der in Unternehmungen genutzten Prozesstechnologien ist i. A. als unspezifisch zu bezeichnen. Nur wenige Prozesstechnologien sind unternehmensspezifisch entwickelt worden und damit als Ressourcen zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen geeignet. Unterschiedliche Individuen kumulieren qualitativ wie quantitativ unterschiedliches Wissen. Wachsendes kumuliertes Wissen steigert die Fähigkeit, neues Wissen aufzunehmen, zu interpretieren und zielorientiert auszuschöpfen.922 Weiters ist mit wachsendem Wissen aufgrund einer zunehmenden Zahl an erfassten und abgespeicherten Wissenselementen, Mustern und Konzepten zur Wissensanwendung auch eine Selbstverstärkung der Wissensweiterentwicklung verbunden.923 Neue Wissenselemente (Entwicklungsoptionen) werden in Relationen mit den kumulierten Wissenselementen, Mustern und Konzepten gesetzt und auf ihre Konformität mit diesen überprüft. Bei erkannten Abweichungen im Vergleich mit bekanntem Wissen wird dann überprüft, ob und wie dieses neue Wissen als prozesstechnologische Entwicklungsoption für betrachtete Prozesstechnologiesysteme Relevanz aufweist. Je größer das in der Vergangenheit kumulierte prozesstechnologische Wissen ist, umso wahrscheinlicher ist es, dass externe oder interne Entwicklungsoptionen als solche erkannt und in deren Bedeutung für die unternehmerische Zielerreichung bewertet werden können. Weiters nimmt damit auch die Geschwindigkeit der Entscheidungsfindung zu.924 Grund dafür ist, dass mit zunehmendem Wissensumfang die Zahl der herstellbaren Relationen mit neuem Wissen zunimmt. Durch diesen Mechanismus wird individuell neues Wissen generiert. Weiterer Effekt zunehmenden Wissens ist, dass die prozesstechnologische Bedeutung von Entwicklungsoptionen auf einer fundierteren Basis beurteilt werden kann und damit qualitativ hochwertigere Evaluierungen von Entwicklungsoptionen auf ihre Zielwirkungen möglich sind. Entsprechend sinkt das Risiko aus prozesstechnologischer Sicht, Fehlentscheidungen zu fällen; die Wahrscheinlichkeit einer effektiven Entwicklung des Prozesstechnologiesystems steigt. Es ist außerdem zu erwarten, dass der Planungs- und Entscheidungsprozess zur Systementwicklung auf fundierter Wissensbasis effizienter durchgeführt werden kann. Brockhoff weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass wahrgenommene Relevanz und Zugänglichkeit Basis externer Wissensnutzung sind.925 Wahrgenommene Prozesstechnologien und die Zugänglichkeit zu externem Wissen sind mit zunehmender Wissensbasis qualitativ hochwertiger. Bei prozesstechnologischen strategischen Planungs- und Entscheidungsaktivitäten bestehen i. d. R. Wissensdefizite über Entwicklungsoptionen. Mit fundierter Wissensbasis kann 920 921 922 923 924 925
Vgl. Itami, H., Numagami, T., Interaction, 1992, S. 125 Vgl. Cohen, W. M., Levinthal, D. A., Absorptive, 1990, S. 138ff. Vgl. Cohen, W. M., Levinthal, D. A., Absorptive, 1990, S. 131ff.; Snell, S. A., Dean, J. W. Jr., Manufacturing, 1992, S. 472f. Vgl. Bower; Hilgard 1981, S. 424 Vgl. Eisenhardt, K. M., Decisions, 1989, S. 559ff. Vgl. Brockhoff, K., Innovationsmanagement, 2000, S. 40ff.
238
rascher erkannt werden, welche Wissensdefizite bestehen und wie diese zu beseitigen sind. Schließlich erfolgt mit zunehmendem prozesstechnologischem Wissen auch die Entwicklung bzw. Integration von Entwicklungsoptionen effizienter, weil ein breiteres Spektrum an möglichen prozesstechnologischen Fehlentwicklungen frühzeitig erkannt und adäquate Präventivmaßnahmen gesetzt werden können. Ein spezielles Problem im Zusammenhang mit der Exploration unternehmensinterner Entwicklungspotenziale ist eine gewisse Betriebsblindheit der handelnden Personen. Unterstellt man obiges Modell, so kann Betriebsblindheit auf Defizite im unternehmensintern induziertem prozesstechnologischem Wissenszuwachs zurückgeführt werden. Kann der Planer bzw. Entscheidungsträger Entwicklungen bzw. Entwicklungspotenziale des unternehmensinternen Prozesstechnologiesystems nicht erkennen, so wird er diese bei seinen Planungen bzw. Entscheidungen nicht berücksichtigen. Ursache dafür kann ein gewisser Zufriedenheitsstatus sein, der sich daraus ergibt, dass sich vorgegebene Zielsetzungen durch das bestehende (bzw. leicht modifizierte) System ohnehin erreichen lassen. Solange dieser Status erhalten bleibt, besteht für die handelnden Personen kein Bedarf, ihr Wissen über Potenziale des unternehmerischen Prozesstechnologiesystems aktiv zu steigern. Es fehlen damit Impulse, die Planern bzw. Entscheidungsträgern prozesstechnologische Möglichkeiten bewusst machen. Dieses Verhalten kann auch so gesehen werden, dass unternehmerische Zielsetzungen einen zu geringen Anreiz bilden, das prozesstechnologische System kontinuierlich zu hinterfragen und weiterzuentwickeln. Passives Verhalten gegenüber prozesstechnologischen Potenzialen der Unternehmung führt in weiterer Folge dazu, dass der Produktionsbereich Vorgaben erhält, von denen keine Anreizwirkungen zur Weiterentwicklung des prozesstechnologischen Systems ausgehen. Eine Stagnation der Leistungsfähigkeit des prozesstechnologischen Systems ist die Folge. Die Übernahme externer Problemlösungen durch die Unternehmung wird durch mangelndes prozesstechnologisches Wissen behindert. Cohen und Levinthal zeigen auf, dass das not-invented-here-Syndrom auch darauf zurückgeführt werden kann, dass die handelnden Personen auf Basis mangelhaften Wissens die Bedeutung einer externen Lösung nicht erkennen und damit aus Unwissenheit eine Übernahme verhindern.926 Mangelhaftes prozesstechnologisches Wissen auf strategischer Ebene und Zielsetzungen, die keine Anreizwirkung zur Weiterentwicklung prozesstechnologischen Wissens aufweisen, führen dann dazu, dass das Unternehmen sich selbst von technologischen Möglichkeiten ausschließt (locked-out-Effekt).927 Durchbrochen werden kann diese Stagnation durch anspruchsvolle Zielvorgaben an die Ausbeutung und Entwicklung prozesstechnologischer Sys926
927
Vgl. Cohen, W. M., Levinthal, D. A., Absorptive, 1990, S. 133 und 136ff.; Siehe zur Notwendigkeit der Überwindung des not-invented-here-Syndroms: Veugelers, R., Sourcing, 1997, S. 304ff.; Siehe zum Verhalten gegenüber externen Technologien und dem damit zusammenhängendem individualpsychologischem not-invented-here-Syndrom: Brockhoff, K., Innovationsmanagement, 2000, S. 42f.; Brockhoff entwickelt auf Basis des „Aufklärungs-, Transfer- und Innovationspotenzials“ von Unternehmungen ein Modell zur effizienten Nutzung externen technologischen Wissens. Vgl. Brockhoff, K., Steuerung, 1997, S. 458ff. Vgl. Cohen, W. M., Levinthal, D. A., Absorptive, 1990, S. 136f.
239
teme in Kombination mit einem intensiven unternehmensinternen wie –externen Informationsaustausch über adäquate Informationssysteme.928 Bilden unternehmenspolitische Zielsetzungen anhaltend Anreize, die zu einer kontinuierlichen, systematischen Informationsbeschaffung für eine inkrementale Weiterentwicklung von Prozesstechnologien bzw. des Prozesstechnologiesystems führen, so können relative prozesstechnologische Vorteile gegenüber Konkurrenten generiert werden, die geeignet sind, Wettbewerbsvorteile zu begründen bzw. zu sichern.929 Relativ zu Wettbewerbern können Unternehmungen realisierte prozesstechnologische Entwicklungsoptionen in höherem Maße ausschöpfen und damit proaktiv als Technologieführer agieren bzw. reaktiv auf Technologieentwicklungen effektiver reagieren.930 Unternehmungen mit einem relativen Nachteil agieren entsprechend reaktiv bzw. können nur in prozesstechnologischen Nischen Vorteile generieren.931 Unternehmungen bilden zur Informationsbeschaffung für genutzte Prozesstechnologien Routinen in externen wie internen Informationssystemen aus. Diese routinemäßige Informationsbeschaffung bezieht sich primär auf Kern-Prozesstechnologien bzw. auf Konkurrenztechnologien. Zwecksetzung dieser Informationssysteme ist es, Planungs- und Entscheidungsträger frühzeitig mit Informationen über Entwicklungstrends zu versorgen. Problematisch sind routinemäßige Informationsbeschaffungsprozesse, wenn abseits beobachteter Technologiefelder neue, konkurrierende Technologien entstehen. Kritisch ist das vor allem, wenn relevante neue Prozesstechnologien von anderen Branchen entwickelt werden. Die konsequente Ausschöpfung prozesstechnologischer Potenziale erfordert ein adäquates potenzialerschließendes Ressourcensystem (siehe Abschnitt 2.3.3). Relative prozesstechnologische Vorteile gegenüber Konkurrenten resultieren - bei vergleichbaren Prozesstechnologiesystemen - aus der effizienteren Ausschöpfung durch potenzialerschließende Ressourcen. Auch hier gilt, dass mit zunehmendem potenzialerschließendem Wissen auch die Fähigkeit zunimmt, zusätzliches potenzialerschließendes Wissen zur Nutzung weiterentwickelter Systeme zu generieren. Fehlt entsprechendes Wissen, so folgt daraus, dass prozesstechnologische Entwicklungen durch Defizite im potenzialerschließendem Ressourcensystem nur mit Verzögerungen (evtl. auch niemals) adäquat ausgeschöpft werden können. Bisher wurde unterstellt, dass Entwicklungsoptionen im Sinne kompetenzsteigernder Innovation durch kumuliertes Wissen unterstützt werden. Es ist aber zu erwarten, dass bei einem Prozesstechnologiewechsel (oder einer sprunghaften Weiterentwicklung von Prozesstechnologien) kumuliertes Wissen positiv mit der Effizienz der Integration neuer Prozesstechnologien korreliert.932 Begründet kann das damit werden, dass kumuliertes Wissen als Basis 928 929 930 931 932
Vgl. Zahn, E., Nowak, M., Schön, M., Strategien, 2005, S. 90f. Vgl. Leonard-Barton, D., Rigidities, 1992, S. 116ff.; Tushman, M. L., Romanelli, E., Metamorphosis, 1985, S. 187ff. Vgl. Zahn, E., Nowak, M., Schön, M., Strategien, 2005, S. 86f. Vgl. Cohen, W. M., Levinthal, D. A., Absorptive, 1990, S. 137f. Vgl. Faria, A., Fenn, P., Bruce, A., Determinants, 2002, S. 574; Snell, S. A., Dean, J. W. Jr., Manufacturing, 1992, S. 472f.
240
für Analogieschlüsse herangezogen werden und aus diesem Grund Wissen über neue Prozesstechnologien rascher in der Unternehmung integriert werden kann. Wissen konnte in der Vergangenheit durch Nutzung von Lernstrategien angeeignet werden.933 Mit zunehmender Wissensbasis konnten diese immer weiter verfeinert werden. Diese Lernstrategien, wie auch das kumulierte Wissen, sind nun verfügbar, um neues Wissen effizient zu adoptieren.934 Unternehmungen mit hohem kumuliertem Wissen ihrer Individuen und der Organisation können folglich dieses nutzen, um effizient und effektiv die Adoption einer völlig neuen bzw. sprunghaft verbesserten Prozesstechnologie durchzuführen. Unternehmungen, die einen relativen Vorteil in ihrer akkumulierten prozesstechnologischen Wissensbasis aufweisen, können so relativ zu Wettbewerbern bei vergleichbaren Zeitpunkten der Technologieübernahme Wettbewerbsvorteile generieren. Analoges gilt für potenzialerschließendes Wissen. Vorhandenes prozesstechnologisches wie potenzialerschließendes Wissen ist demnach kein Hemmnis, sondern prinzipiell eine Unterstützung für die Übernahme neuer bzw. sprunghaft weiterentwickelter Prozesstechnologien. In der Literatur wird jedoch auch dargestellt, dass Unternehmungen, die eine Führungsrolle bei einer Technologie eingenommen haben, durch neue Unternehmungen, die eine neue Technologie erfolgreich einführen können, in ihrer Wettbewerbsposition massiv geschädigt bzw. verdrängt wurden. Dies geschah, obwohl diese Unternehmungen die Bedeutung der Technologie rechtzeitig erkannten und eine rechtzeitige Anpassung erfolgen hätte können.935 Das ein adäquater Wechsel zu neuen Technologien nicht erfolgte, lässt sich auf das Beharrungsvermögen bestehender technischer Systeme und organisatorischer wie individueller Routinen zurückführen.936 Diese Barriere nimmt mit wachsender Differenz zwischen vorhandenem und künftig erforderlichem Wissen zu.937 Die durch bestehende Organisationen auftretenden Entwicklungshemmnisse sind nicht nur bei sprunghaftem Wechsel in der Technologie zu beobachten. Auch bei inkrementalen Entwicklungsoptionen sind diese erkennbar. Da letztgenannte radikale Anpassungen der Organisation erfordern können, sind gleiche Hemmnisse zu erwarten wie bei einem Technologiewechsel. Als wesentlichen Baustein des Technologiemanagements - und nicht delegierbare Aufgabe des Top-Managements - ist daher auch die Fähigkeit zu sehen, das Beharrungsvermögen (das Festhalten an obsoletem Wissen und Pro933 934
935 936
937
Lernstrategien sind Routinen, die eine effektive, systematische Entwicklung, Speicherung und Anwendung neuen Wissens gestatten. Vgl. Dyer, J. H., Nobeoka, K., Network, 2000, S. 347ff. Vgl. Cohen, W. M., Levinthal, D. A., Capacity, 1990, S. 129f.; Schroeder, R. G., Bates, K. A., Junttila, M. A., Manufacturing, 2002, S. 107f. und 112ff.; Wright, P. M., Snell, S. A., Human, 1991, S. 764; Adler, P., Clark, K., Learning, 1991, S. 270ff.; Hatch, N. W., Mowery, D. C., Learning, 1998, S.1474ff. Vgl. Tripsas, M., Destruction, 1997, S. 124ff.; Tripsas, M., Surviving, 1997, S. 342ff. Vgl. Leonard-Barton, D., Rigidities, 1992, S. 118ff.; McGrath, R. G., MacMillan, I., Venkataraman, S, Competence, 1995, S. 255f.; Mintzberg führt die Effektivität von Unternehmungen auf die Konsistenz organisationaler Prozesse zurück. Diese wirken so, dass Faktoren (strategische Orientierung, Effizienz, Innovationen, Konzentration, Leistungsfähigkeit, Kooperation, Wettbewerbspotenzial), die hohe Effektivität aufbauen, adäquat unterstützt werden. Bei Technologiewechsel ist regelmäßig eine Anpassung organisationaler Prozsse erforderlich. Die Unternehmung muss dann ein neues, in sich konsistentes Prozesssystem etablieren, das effizienzbeeinflussende Faktoren adäquat unterstützt. Die relative Bedeutung der Einflussfaktoren wird hierbei gegenüber der Ausgangsposition verändert sein. Vgl. Mintzberg, H., Organization, 1991, S. 55ff Vgl. Saviotti, P. P., Mani G. S., Knowledge, 1998, S. 265ff.
241
zessen) aller Mitarbeiter rasch abzubauen. Leonard-Barton weist in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass neue Technologien (anfänglich) einen niedrigeren Prestigestatus in Unternehmungen aufweisen, als bekannte und erfolgreiche Technologien.938 Das Top-Management muss hier seine Leadershiprolle aktiv wahrnehmen.939 Oftmals wird diese allerdings nicht wahrgenommen, was zur Frustration bei Promotoren der neuen Technologie führt. Wesentlichen Einfluss auf die Überwindung von Widerständen weisen Chancen- und Krisensituationen auf. In Chancensituationen agieren Unternehmungen eher risikoavers während in Krisensituationen ökonomische Sachzwänge Handlungsdruck (Druck bzw. die Bereitschaft, Trägheitswiderstände zu überwinden) erzeugen und damit auch höhere Risikobereitschaft induzieren.940 Weiters können Unternehmungen, die bereits in der Vergangenheit Prozesstechnologiesysteme erfolgreich adoptiert haben, weitere Veränderungen rascher, effizienter und effektiver durchführen. Zurückgeführt werden kann dies auf den Aufbau von Wissen darüber, wie Unsicherheiten antizipativ reduziert und auftretende Konflikte bewältigt werden können, ohne dadurch Veränderungsbestrebungen zu gefährden.941 6.2.2
Unsicherheiten über die unternehmensinternen Integrationsbedingungen als Einflussfaktoren auf die Entwicklung von Prozesstechnologiesystemen
Investitionen zur Veränderung von Prozesstechnologien werden von Unternehmungen primär getätigt, um Wettbewerbsvorteile zu generieren bzw. abzusichern und damit ökonomische Zielsetzungen zu realisieren. Von untergeordneter Bedeutung sind Veränderungen, die ausschließlich auf die Realisation ökologischer und sozialer Zielsetzungen abstellen. Investitionsentscheidungen werden unter unsicheren Erwartungen über externe Entwicklungen getätigt. Aus prozesstechnologischer Sicht sind hierbei Unsicherheiten über die Marktentwicklung, Entwicklung von Produkt- und Prozesstechnologien, den rechtlichen Rahmenbedingungen (etwa die Entwicklung der Gesetzgebung zur Emission von Produktionsrückständen) etc. relevant. Aus prozesstechnologischer Sicht besteht weiters Unsicherheit darüber, ob die erwarteten Leistungsmerkmale initiierter Systemveränderungen im Verbund des unternehmerischen Prozesstechnologiesystems überhaupt wie geplant realisiert werden
938
939 940 941
Vgl. Hinterhuber, H. H. u. a., Kundenzufriedenheit, 1998, S. 365ff.; Hinterhuber, H. H., Friedrich, S. A., Technology, 2002, S. 194ff. In welchem Umfang die Leadershiprolle bei F&E-Projekten wahrgenommen werden muss, wird von Waldmann und Atwater diskutiert. Vgl. Waldman, D. A., Atwater, L. E., Leadership, 1994, S. 234ff.; Leonard-Barton, D., Rigidities, 1992, S. 120f.; Dougherty, D., Hardy, C., Innovation, 1996, S. 1124 und 1141ff.; Gopalakrishnan, S., Unraveling, 2000, S. 141ff.; Gold, B., Capabilities, 1983, S. 212 Vgl. Bhattacherjee, A., Technologies, 1998, S. 270; Wheelwright, S. C., Bowen, K. H., Manufacturing, 1996, S. 75; Meyers, P. W., Sivakumar, K., Nakata, C., Implementation, 1999, S. 299f. Vgl. Wildemann, H., Reorganisationsgeschwindigkeit, 1995, S. 7; Perlitz, M., Löbler, H., Krisen, 1985, S. 429ff.; Boeker, W., Strategic, 1997, S. 154 Vgl. Amburgey, T. L., Kelly, D., Barnett, W. P., Resetting, 1993, S. 55ff.
242
können. Systemveränderungen werden unter Erwartung einer gewissen Kostenstruktur im Normalbetrieb initiiert. Hier besteht das Risiko, dass diese nicht realisiert werden kann.942 6.2.2.1 Der Risikofaktor Kompatibilität Aus technischer wie ökonomischer Perspektive weisen die in der Unternehmung genutzten Transformationsprozesse (bzw. Prozesstechnologien) unterschiedliche Relevanz auf. Die Bedeutung von Prozesstechnologien im Verbund eines spezifischen Prozesstechnologiesystems lässt sich in Formen einer technischen bzw. ökonomischen Hierarchie darstellen.943 Aus ökonomischer, wettbewerbsorientierter Perspektive können Prozesstechnologien in Kern-, Enabling- und Supplemental-Prozesstechnologien unterschieden werden (siehe Abschnitt 4.3). Die Bereitschaft, bei Entwicklungsoptionen wahrgenommene Risiken zu akzeptieren, nimmt mit dem erwarteten zusätzlichen Nutzen durch die zu integrierende Entwicklungsoption zu. So wird der Nutzen von (potenziellen) Kern-Prozesstechnologien höher beurteilt werden, als der von Supplemental-Technologien. Entsprechend werden Risiken bei der Integration von Kern-Prozesstechnologien in größerem Maße akzeptiert als bei SupplementalTechnologien. Sind Prozesstechnologien unternehmensübergreifend technisch gekoppelt, so können aus technisch-ökonomischer Perspektive Abhängigkeiten resultieren. Oft ist diese Abhängigkeit wechselseitig, sodass opportunistisches Verhalten eines Partners nicht sinnvoll wäre. Man denke hier an Aluminiumhersteller, die geografisch unmittelbar neben Bauxitabbauenden Unternehmungen positioniert werden und kooperativ arbeiten. Kritisch kann die KundenLieferanten-Beziehung werden, wenn eine einseitige Abhängigkeitsbeziehung besteht. In diesem Fall wird das abhängige Prozesstechnologiesystem ökonomisch (im Extremfall) wertlos, wenn das dominierende (als „potent“ bezeichnete) Prozesstechnologiesystem - aus welchen Gründen auch immer - nicht mehr verfügbar ist.944 Transformationsprozesse lassen sich auf Basis ihrer Wirkungen auf das Produktionssystem bei einem Systemausfall aus technischer Perspektive in eine hierarchische Ordnung bringen. Es sind dann innerhalb des Produktionssystems Transformationsprozesse zu erkennen, deren temporärer Ausfall oder qualitativen/quantitativen Abweichungen bei den erstellten Outputs für den Betrieb des restlichen Systems keine oder nur geringe Auswirkungen aufweisen.945 Diesem stehen Prozesse gegenüber, deren Ausfall weitreichende negative Auswirkungen auf das gesamte Prozesstechnologiesystem hat.946 Diese Unterscheidung nach den technischen Auswirkungen eines Prozesstechnologieausfalls deckt sich nicht mit der strukturellen 942 943 944 945 946
Vgl. Tushman, M. L., Rosenkopf, L., Determinants, 1992, S. 313; Kuhn, T., Revolutions, 1962; Constant, E., Technological, 1987 Vgl. Clark, K. B., Hierarchies, 1985, S. 241ff. und 244ff. Vgl. Dietl, H., Abhängigkeit, 1995, S. 578f.; Allgemein ausgedrückt wird eine „cospecialized“ Ressource opportunistisch eingesetzt. Vgl. Teece, D. J., Profiting, 1986, S. 291f. Ein Beispiel für Prozesstechnologien, die diese Bedingung erfüllen können, sind etwa EoP-Systeme zur Aufbereitung von Produktionsrückständen. Vgl. Singh, K., Complexity, 1997, S. 341f.
243
Unterscheidung in Peripher- und Zentralprozesse (siehe Abschnitt 6.3.2.1) und auch nicht mit der von Kern-, Enabling- und Supplemental-Prozesstechnologien. So kann etwa der Ausfall eines peripheren Enabling-Transformationsprozesses den gesamten Betrieb zum Erliegen bringen. Sind Prozesstechnologien mit solchen weitreichenden Auswirkungen auf das Prozesstechnologiesystem eine Entwicklungsoption, so ist tendenziell davon auszugehen, dass hier die Bereitschaft, Risiken der Integration und des Betriebes zu akzeptieren, sehr gering sein wird. Entsprechend werden Entwicklungen mit geringerem wahrgenommenem Risikoniveau forciert. Es werden demnach Lösungen forciert, von denen erwartet wird, dass sie ohne Probleme in das Prozesstechnologiesystem integriert werden können. Dieser Umstand verstärkt die Präferenz für Entwicklungsoptionen entlang in der Unternehmung genutzter Technologietrajektorien. 6.2.2.2 Merkmale von Entscheidungsträgern als Einflussfaktoren auf die Entwicklung prozesstechnologischer Systeme 6.2.2.2.1 Einflüsse des Bildungs- und Karriereweges der Entscheidungsträger Entscheidungen über die Weiterentwicklung prozesstechnologischer Systeme werden auf Basis einer Vielzahl quantitativer wie qualitativer Kriterien gefällt.947 Diese betreffen ökonomische, technische, ökologische und soziale Zielsetzungen. Welche Kriterien zur Entscheidungsfindung herangezogen werden sowie deren relative Bedeutung zueinander, ist abhängig von der Präferenzstruktur des Entscheidungsträgers. Auf Basis unterschiedlicher Kriterienund Präferenzstrukturen werden Merkmalsausprägungen von Entwicklungsoptionen von verschiedenen Entscheidungsträgern unterschiedliche Bedeutung beigemessen.948 Die Präferenzstruktur, auf der Entscheidungen basieren, ist u. A. Ergebnis zurückliegender Ausbildungen und Erfahrungen. Daraus lässt sich folgern, dass unterschiedliche Ausbildungen und Erfahrungen in der Vergangenheit zu unterschiedlichen Projektbeurteilungen führen. Grund dafür sind (karrierepfadabhängig) unterschiedliche Betrachtungsperspektiven und -schwerpunkte von Entwicklungsoptionen bei der Entscheidungsfindung. Bei der Entwicklung prozesstechnologischer Systeme sind i. A. Entscheidungsträger mit ökonomischen und/ oder technischen Karrierewegen beteiligt. In Abhängigkeit von der Verteilung der Ausbildungs- und Erfahrungsschwerpunkte der Entscheidungsträger sind damit unterschiedliche Entscheidungen bei gleichartigen Entwicklungsoptionen zu erwarten.949 Prozesstechnologische Entwicklungsoptionen werden oftmals durch ein Gremium, bestehend aus mehreren Entscheidungsträgern, gefällt. In welchem Umfang Präferenzstrukturen einzelner Entscheidungsträger in Entscheidungen einfließen, hängt wesentlich von deren Machtpotenzial und dessen Einsatz bei der Entscheidungsfindung ab. Der Machteinsatz wird 947 948 949
Vgl. Strebel, H., Forschungsplanung, 1975, S. 16ff. Vgl. St. John, C. H., Cannon, A. R., Pouder, R. W., Millennium, 2001, S. 152 Der Einfluss persönlicher Ausbildungs- und Karrierewege auf die Entscheidung für bzw. gegen technologische Allianzen wird von Tyler und Steensma auf Basis einer empirischen Untersuchung dargestellt. Vgl. Tyler, B. B., Steensma, K. H., Experiences, 1998, S. 943ff.; Biehl, W., Innovationsbereitschaft, 1981, S. 19ff.
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hierbei von individuellen Wertvorstellungen, Normen und Individualzielen getragen (etwa im Sinne einer Karrierechance etc.). Bosworth stellte in empirischen Untersuchungen fest, dass bei Entscheidungsträgern mit technischem Karriereweg in höherem Maße fortgeschrittene prozesstechnologische Systeme integriert werden als dies bei Entscheidungsträgern mit rein ökonomisch geprägter Karriere der Fall ist.950 Bei technisch geprägten Entscheidungsträgern ist damit eine höhere Dynamik in der Entwicklung des prozesstechnologischen Systems zu erwarten als bei ökonomisch geprägten.951 Entscheidungen über die Entwicklung prozesstechnologischer Systeme weisen langfristigen Charakter auf. Demgegenüber sind die dominierenden ökonomischen (marktorientierten) Zielsetzungen kurzfristiger. Es ist deshalb zu erwarten, dass ökonomisch geprägte Entscheidungsträger prozesstechnologische Entscheidungen aus gleicher zeitlicher Perspektive fällen wie marktorientiert-ökonomische Entscheidungen. Weiteres zentrales Argument dieser Gruppe sind auch Kostensenkungspotenziale.952 Konsequenz daraus ist, dass länger an bestehenden Systemen festgehalten wird und diese in kleinen Schritten weiterentwickelt werden. Dieser Weg wird beschritten, um die Versorgung mit alten oder nur geringfügig veränderten Produkten zu sichern. Eine offensive Weiterentwicklung im Sinne einer Technologieführerschaft zum Aufbau neuer bzw. langfristiger Absicherung bestehender Wettbewerbsvorteile, welche auf Leistungen der Produktion beruhen, erfolgt eher nicht. Zentrale Gefahr eines solchen Verhaltens ist, dass ein Wechsel zu grundsätzlich anderen Prozesstechnologien relativ spät - als Technologiefolger - stattfindet. Die Produktion kann dann nicht als Ressource zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen genutzt werden, sondern hinkt Konkurrenten in ihrer Entwicklung nach. Im Gegensatz dazu werden von Entscheidungsträgern mit technischer Karriere Lösungen bevorzugt, die auf längere Zeithorizonte abstellen. Tendenziell wird eine Technologieführerschaft angestrebt. Auf Basis einer Technologieführerschaft können dann Wettbewerbsvorteile durch das Produktionssystem generiert werden. Das die Integration fortgeschrittener Prozessund Produkttechnologien eine wesentliche Determinante für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmungen ist, ist weithin akzeptiert.953 Die Produktion wird so zur „Waffe“ im Wettbewerb.954 Als nachteilig bei einem solchen Verhalten sind Probleme mit neuen Prozesstechnologien in frühen Lebensphasen zu sehen. Es stehen keine prozesstechnologischen Kenntnisse auf breiter Basis zur Verfügung, auf der prozesstechnische Systeme konzipiert werden können. Entsprechend störungsanfällig sind diese Prozesstechniksysteme. Wie effektiv diese dann genutzt werden können, ist davon abhängig, ob Probleme durch den Produktionsbereich - in Zusammenarbeit mit der F&E - gelöst werden können. 950 951 952 953 954
Vgl. Bosworth, D., Technologies, 1996, S. 273ff. und 277ff.; Biehl, W., Innovationsbereitschaft, 1981, S. 130ff. Zur Karriereentwicklung technischer Experten vgl. Domsch, M. E., Ladwig, D. H., Fähigkeiten, 1995, S. 298ff. Vgl. Bosworth, D., Technologies, 1996, S. 270f. Vgl. Bosworth, D., Technologies, 1996, S. 269f. Vgl. Swamidass, P. M., Newell, W. T., Manufacturing, 1987, S. 905
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Wesentlichen Einfluss für die Geschwindigkeit, mit der Entscheidungen getroffen werden, hat Wissen über Konfliktregelungen. Je besser dieses ausgeprägt ist, umso rascher kann eine tragfähige Lösung gefunden werden. Gerade in sehr dynamischen Umfeldern ist das für die Qualität der Entscheidung von zentraler Bedeutung.955 Eisenhardt und Schoonhoven zeigen weiters, dass mit wachsendem Umfang des TopManagementteams die Zahl der Kooperationen bei der Entwicklung von Produkten bzw. Prozessen zunimmt. Der Effekt ist hier, dass das Risiko durch die kooperative Problemlösung gestreut wird und damit die Wahrscheinlichkeit steigt, riskante prozesstechnologische Projekte zu realisieren. Weiters wird in dieser empirischen Studie auch nachgewiesen, dass die hierarchische Position und die Größe der Unternehmung (gemessen an der Mitarbeiterzahl), in der Top-Manager in der Vergangenheit wirkten, maßgeblichen Einfluss auf das Zustandekommen von Kooperationen aufweisen. Argumentativ wird dieser Zusammenhang mit einer Zunahme an Kontakten des Managers gestützt.956 Auch die Eigentümerstruktur der Unternehmung hat Einfluss auf die Entwicklung prozesstechnologischer Systeme. So wurde von Bosworth festgestellt, dass Unternehmungen, die in inländischem Eigentum standen, weniger bereit waren, in fortgeschrittene Prozesstechnologien zu investieren als solche, die Eigentum ausländischer Unternehmungen waren.957 Argumentiert kann damit werden, dass über Diffusionskanäle ausländischer Unternehmungen der Zugang zu neuen Prozesstechnologien rascher erfolgen kann.958 Der empirisch festgestellte Zusammenhang ist aber schwach und nicht signifikant. Von wesentlich höherem Einfluss auf die Systementwicklung ist, ob Manager, die Entscheidungen über die Entwicklung von Prozesstechnologiesystemen treffen, an der Unternehmung beteiligt sind. Palmer stellte in diesem Zusammenhang fest, dass mit zunehmendem Eigentumsanteil bei Entscheidungsträgern die Bereitschaft Risiken, bei der Entwicklung prozesstechnologischer Systeme in Kauf zu nehmen, zunimmt.959 Nachgewiesen wurde ein starker positiver, signifikanter Zusammenhang. 6.2.2.2.2 Die Risikobereitschaft von Entscheidungsträgern Prozesstechnologische Entscheidungen werden immer unter Unsicherheit getroffen. Die Entscheidung über die verfolgte Entwicklungsoption erfolgt stets unter (mehr oder weniger fundierter) Abschätzung möglicher positiver wie negativer Folgen.960 Der Entscheidungsträger muss grundsätzlich bereit sein, das Risiko eines Misserfolges seiner Entscheidung zu tragen.961 Er ist daher bestrebt, das Risiko und die mit einem Scheitern verbundenen negativen 955 956 957 958 959 960 961
Vgl. Eisenhardt, K. M., Decisions, 1989, S. 562ff. Vgl. Eisenhardt, K. M., Schoonhoven, C. B., Alliance, 1996, S. 140f. und 144ff. Vgl. Bosworth; D., Technologies, 1996, S. 275ff. Vgl. Faria, A., Fenn, P., Bruce, A., Determinants, 2002, S. 574 Vgl. Palmer, T. B., Wiseman, R. M., Decoupling, 1999, S. 1042ff. Vgl. Pablo, A. L., Risk, 1997, S. 4f.; Wildemann, H., Zeitaspekte, 1989, S. 135ff. Vgl. Hinterhuber, H. H., Friedrich, S. A., Technology, 2002, S. 200ff.; Skinner, W., Technology, 1984, S. 122f.
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Konsequenzen möglichst niedrig zu halten. Möglichen wahrgenommenen negativen Konsequenzen stellt er potenzielle Erfolgsaussichten gegenüber. Beurteilt werden positive wie negative Konsequenzen einer Entscheidung aus zwei Perspektiven. Es erfolgt einerseits eine Beurteilung aus Perspektive der Unternehmung, der andererseits eine Beurteilung über individuelle Konsequenzen (etwa auf den weiteren Karriereweg) eines Erfolges bzw. Scheiterns von Entwicklungsoptionen zur Seite gestellt werden.962 Die Bereitschaft, Risiken mit Entscheidungen zu übernehmen, hängt neben erwarteten negativen wie positiven Konsequenzen auch von der Situation der Unternehmung und des Entscheidungsträgers ab.963 Steht die Unternehmung unter Druck, Entscheidungen zu treffen, so wird damit die Bereitschaft steigen, höhere Risiken zu übernehmen.964 Auch die Position des Entscheidungsträgers beeinflusst seine Risikoneigung. Je erfolgreicher Entscheidungsträger in der Vergangenheit bei Entscheidungen waren, umso höher wird die Bereitschaft, auch hohe Risiken zu übernehmen, sein.965 Boeker zeigt weiters auf Basis empirischer Daten einen negativen Zusammenhang zwischen der Dauer der Amtszeit von Entscheidungsträgern und dem Wechsel zu neuen Strategien.966 Verschiedene Autoren haben in diesem Zusammenhang festgestellt, dass Manager oftmals Unsicherheiten nicht durch aktives Handeln zu reduzieren versuchen, sondern diese einfach ignorieren, wenn Unsicherheit verursachende Faktoren außerhalb ihres Einflussbereiches liegen.967 Auch wurde empirisch festgestellt, dass ein Zusammenhang zwischen dem Unternehmensalter und der Risikofreudigkeit besteht. So attestieren Covin, Prescott und Slevin jungen Unternehmungen höhere Risikofreudigkeit als vergleichsweise älteren.968 Zum Ausdruck kommt die Bereitschaft, prozesstechnologische Entwicklungsaktivitäten konsequent umzusetzen, durch Vermittlung klarer Zielsetzungen auf Basis erkannter Chancen, Ermöglichung eines innovativen Unternehmensklimas und die Übernahme von Verantwortung bei Entscheidungen.969 Rhyne u. a. stellten fest, dass diese Leadership-Rolle vor allem Unternehmungen im nicht-high-technology-Bereich besondere Bedeutung aufweist. Im high-technology-Bereich wurde eine relativ geringe Bedeutung des Senior-Managements als Projekttreiber konstatiert.970 962 963
964 965
966 967 968 969 970
Vgl. Baird, I. S., Thomas, H., Risk, 1985, S. 233ff. Vgl. Leonard-Barton, D., Rigidities, 1992, S. 119f.; Bürgel, Zeller und Haller verweisen in diesem Zusammenhang auf die oft mangelhafte Entscheidungsvorbereitung, die zu einem „Hineinstolpern“ in technologische Veränderung führt und so zur Verunsicherung der Entscheidungsträger beiträgt. Vgl. Bürgel, H. D., Zeller, A., Haller, C., Hemmnisse, 1996, S. 25f. Vgl. Weiber, R., Pohl, A., Nachfrageverschiebung, 1996, S. 680f.; Boeker, W. Strategic, 1997, S. 154 Vgl, Pablo, A. L., Risk, 1997, S. 12ff.; Sitkin, S. B., Weingart, La. R., Determinants, 1995, S. 1581ff.; Tyler, B. B., Steensma, K. H., Experiences, 1998, S. 948ff.; Palmer, T. B., Wiseman, R. M., Decoupling, 1999, S. 1043ff. Vgl. Boeker, W., Strategic, 1997, S. 157f. Vgl. Jauch, L. R., Kraft, K. L., Uncertainty, 1986, S. 780; Milliken, F. J., Uncertainty, 1987, S. 139; Vgl. Smithson, M., Ignorance, 1988, S. 5ff. Vgl. Covin, J. G., Prescott, J. E., Slevin, D. P., Sophistication, 1990, S. 500 Vgl. Rhyne, L. C., et al., Technology-based, 1997, S. 192f.; Eisenhardt, K. M., Decisions, 1989; Hinterhuber, H. H., Friedrich, S. A., Technology, 2002; Waldman, D. A., Atwater, L. E., Leadership, 1994 Vgl. Rhyne, L. C., et al., Technology-based, 1997, S. 200f.
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6.2.2.3 Möglichkeiten zur Begrenzung negativer Folgen von Fehlschlägen als Einflussfaktor auf die Systementwicklung Der Umfang, in dem in Prozesstechnologiesysteme eingegriffen werden muss, hat zentrale Bedeutung für das Ausmaß negativer Wirkungen, wenn vorgegebene Zielsetzungen nicht erreicht werden können. Das ist unabhängig davon, ob Entwicklungsoptionen kompetenzsteigernd oder kompetenzzerstörend sind. Tendenziell werden daher kleine, auf wenige Transformationsprozesse beschränkte Entwicklungsoptionen solchen vorgezogen, die zu umfangreichen Eingriffen in das Produktionssystem führen. Sind umfangreiche Eingriffe durch Entwicklungsoptionen unumgänglich, so wird versucht, diese im Sinne eines „Peacemeal-Managements“ in mehreren kleinen Schritten zu realisieren. Grundgedanke ist hierbei, dass kleine Veränderungen in ihren negativen Wirkungen nur relativ geringen ökonomischen Schaden verursachen, während die Integration einer umfangreichen Entwicklungsoption in einer einzigen Aktion überproportionale ökonomische Nachteile nach sich ziehen würde. Bei kleinen Veränderungen können Systemwirkungen leichter erfasst und bei Problemen leichter korrigierend eingegriffen werden. Weiters lassen sich Fehlentwicklungen i. A. einfacher revidieren.971 Die Bevorzugung einer schrittweisen Systemintegration lässt sich auch mit deren Finanzierungsmöglichkeiten durch Unternehmungen erklären. Während umfangreiche Entwicklungsoptionen die Möglichkeiten einer Finanzierung durch Unternehmungen häufig überschreiten, können Optionen, die eine schrittweise Systemintegration gestatten, über längere Zeithorizonte eher realisiert werden. 6.2.3
Die Ausprägung des prozesstechnologischen Informationssystems als Einflussgröße auf die Systementwicklung
Planungsvoraussetzung zur Systementwicklung ist prozesstechnologisches wie potenzialerschließendes Wissen. Die Qualität der Planung hängt hierbei von der Menge und Qualität der zugrunde gelegten Informationen ab.972 Träger dieses Wissens müssen dazu jene Mitarbeiter, die mit der Planung und Entscheidung betraut sind, sein. Teile des für die Planung erforderlichen Wissens werden bereits zum Planungsbeginn von diesen Mitarbeitern gehalten. Informationsdefizite müssen durch geeignete Informationen, die über intern und extern orientierte Informationssysteme beschafft werden, zu beseitigen. Erkannte, als problemrelevant eingeschätzte Wissensdefizite sind durch deduktive Methoden der Informationsbeschaffung effizient zu decken. Da problemrelevante Wissensdefizite dem Planungsträger oftmals nicht bewusst sind, muss das prozesstechnologische Informationssystem so konzipiert werden, dass auch eine induktive Informationsbeschaffung (etwa durch Messebesuche) bzw. Informationsauswertung in effektiver Weise erfolgen kann. Ein auf die induktive Informationsbeschaffung gerichtetes externes Informationssystem ist erfor971 972
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Vgl. Haberfellner, R., et. al, Engineering, 1992, S. 23.; Wildemann, H., Zeitaspekte, 1989, S. 133 Vgl. Wild, J., Unternehmungsplanung, 1982, S. 155f.; Jenner, T., Planungsprozessen, 2001, S. 110ff.
derlich, da bei den Planungs- wie Entscheidungsträgern kein vollständiges Wissen darüber bestehen kann, welche Prozesstechnologien zur Problemlösung in der globalen Umgebung vorhanden sind. Wird eine induktive (ungerichtete) Informationsbeschaffung unterlassen, besteht die Gefahr, bedrohende Technologieentwicklungen zu übersehen (siehe Abschnitt 4.4.2.1). Unter der Struktur von Informationssystemen ist das Beziehungsnetz zu internen wie externen Informationsquellen zu verstehen. Beschrieben wird die Netzstruktur durch seine Elemente und den Informationsbeziehungen zwischen diesen. Da in diesem Abschnitt die Beschaffung von Informationen im Zentrum steht, soll die Betrachtungsperspektive auf Elemente mit unmittelbarem Kontakt zum Informationssuchenden eingeschränkt werden. Unberücksichtigt bleiben Informationsbeziehungen der Informationsquellen untereinander bzw. zu anderen Informationsträgern. Das Informationssystem weist unter dieser Prämisse Sternstruktur auf. Entscheidend für die Qualität der gewonnenen Information ist zunächst die Qualität der Informationsquelle. So ist Expertenwissen als besonders hochwertig einzuschätzen. Umfeldbeobachtungen, Patent- und Literaturanalysen sind in Relation dazu als qualitativ schlechter einzustufen. Ein wesentlicher Unterschied von Experten gegenüber den anderen Informationsquellen ist, dass als Information bereits Kausalzusammenhänge zwischen betrachteten Prozesstechnologien, unternehmensspezifisch vorhandenen potenzialerschließenden Ressourcensystemen und Produkten bereitgestellt werden können. Solche kausalen Zusammenhänge müssen bei den anderen Informationsquellen erst durch entsprechende unternehmensinterne Untersuchungen abgeleitet werden. Informationsquellen sind verfügbare, potenziell wertvolle Ressourcen, die aber erst durch Kombination mit komplementären Ressourcen ihre Wirkung in Form von verfügbarem Wissen zur Planung bzw. Entscheidung entfalten. Komplementäre Ressourcen sind in diesem Zusammenhang das vorhandene prozesstechnologische wie potenzialerschließende Wissen der mit der Informationsbeschaffung betrauten Mitarbeiter. Im Abschnitt 4.4.1 wurde bereits dargestellt, dass mit zunehmendem Wissen auch das Potenzial steigt, zusätzliches Wissen zu beschaffen und zu implementieren. Es ist jedoch davon auszugehen, dass erst mit hohem vorhandenem Wissensstatus hochwertige Informationsquellen adäquat ausgeschöpft werden können. Grund dafür ist, dass von Experten i. A. kein allgemein verfügbares Basiswissen kommuniziert wird, sondern spezialisiertes prozesstechnologisches Wissen auf einem hohen Wissensstatus. Das erfordert entsprechendes Basiswissen des Informationssuchenden sowie ein adäquates Niveau der Fachsprache zum Kommunikationsaufbau. Das prozesstechnologische Wissen ist in diesem Zusammenhang als potenzialerschließend zu bezeichnen. Als potenzialerschließende Ressourcen sind weiters Prozesse und Verhaltensweisen zu verstehen, die es dem Informationssuchenden in systematischer Weise gestatten, Wissen der Informationsquelle zu erschließen, auszuwerten und systematisiert zu speichern. In Abhän-
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gigkeit von der auszuschöpfenden Informationsquelle lassen sich verschiedene Vorgehensweisen, die adäquat instrumentell zu unterstützen sind, unterscheiden.973 Die adäquate Wahl der Vorgehens- und Verhaltensweisen entsprechend der verfügbaren Informationsquelle, ist ein erfolgsentscheidender Faktor der Informationsbeschaffung. Einen wesentlichen Einfluss auf die Wissensbasis der strategischen Planung weist weiters die Intensität der unternehmensinternen wie -externen Informationsbeziehungen auf. Kontinuierliche Kommunikation mit internen und externen Informationsquellen gepaart mit einer systematischen Datenauswertung kann genutzt werden, um die prozesstechnologische Wissensbasis auszuweiten bzw. auf dem neuesten Stand zu halten. Weiters führt die kontinuierliche extern orientierte Kontaktpflege zur scientific community dazu, dass die Zahl möglicher Informationsquellen zunimmt und damit die verfügbare Breite und Tiefe potenziell nutzbaren Wissens ausgeweitet wird. Punktuelle, aus momentanen Bedürfnissen resultierende Aktivitäten zur Informationsbeschaffung führen dazu, dass Informationen erfasst werden, welche einen Ausschnitt des Status bzw. die Entwicklung von Prozesstechnologien wiedergeben. Bei kontinuierlicher Verfolgung relevanter Technologien können langfristige Entwicklungstrends erkannt und entsprechend antizipiert werden. Das gilt in gleichem Maße für unternehmensinterne wie -externe Informationsquellen. Der permanente Informationsaustausch mit qualitativ hochwertigen externen Informationsquellen ist vor allem von Interesse, weil damit sehr frühzeitig Informationen über weiterentwickelte bzw. neue Prozesstechnologien erfasst werden können und so eine Technologieführerposition aufgebaut werden kann. Kontinuierliche Ausweitung der prozesstechnologischen Wissensbasis führt nicht nur zu einer qualitativ verbesserten Planung, auch können neue Informationen als Initialzündung für Planungsaktivitäten wirken. Es ergibt sich für das Prozesstechnologiemanagement daraus die Möglichkeit, durch offensives Verhalten Veränderungen von Wettbewerbs-, Umweltschutzund Sozialstrategien zur Erfolgssteigerung der Unternehmungen zu initiieren. Das unternehmerische Prozesstechnologiesystem wird dadurch zur effektiven Waffe im Wettbewerb. Bei hoher Intensität der Informationsbeziehung kann das Prozesstechnologiemanagement Entwicklungen in höherem Maße antizipieren und auf dieser Basis auf die Unternehmensstrategie stärker gestaltenden Einfluss ausüben. Der permanente Kontakt zu prozesstechnologischen Informationsquellen ist unerlässlich, wenn die Unternehmung in einer dynamischen bzw. turbulenten prozesstechnologischen Umgebung agiert. Für Unternehmungen relevante prozesstechnologische Entwicklungen vollziehen sich regelmäßig innerhalb der angestammten Branche. Technologische Entwicklungen sind heutzutage aber vor allem dadurch gekennzeichnet, dass sie Technologien aus unterschiedlichen naturwissenschaftlichen Fachbereichen integrieren. Weiters können Lösungen anderer Branchen u. U. rasch in der eigenen Branche Fuß fassen und bestehende Prozesstechnologien ver973
Zur instrumentellen Unterstützung der externen Informationsbeschaffung und -auswertung siehe Geschka, H., Technologiefrühaufklärung, 1995
250
drängen. Aus diesen Gründen ist es für Unternehmungen sinnvoll, prozesstechnologische Entwicklungen anderer Branchen zu verfolgen. Ein Nutzen dieser Informationen kann dann schon alleine daraus gewonnen werden, dass branchenfremde Lösungskonzepte als Impulse für eigene Problemstellungen durch Analogieschluss genutzt werden können. Sind umfangreiche explorative Untersuchungen prozesstechnologischer Entwicklungen durchzuführen, so ist es zur raschen Informationsbeschaffung sinnvoll, wenn mehrere Mitarbeiter koordiniert unterschiedliche Informationsquellen bearbeiten. In Unternehmungen ergibt sich zumeist für eine Vielzahl von Mitarbeitern die Möglichkeit, relevante prozesstechnologische Informationen zu gewinnen. Man denke in diesem Zusammenhang etwa an prozesstechnologische Lösungen bei Kunden, die durch das Marketing erfasst werden können. Analoge Möglichkeiten ergeben sich außerdem für andere Bereiche, wie den Einkauf, die F&E, den Produktionsbereich etc. Aufgabe des Prozesstechnologiemanagements ist es, diese Mitarbeiter über prozesstechnologische Informationsbedarfe der Unternehmung in Kenntnis zu setzen, verbunden mit dem Auftrag, gezielt bestimmte Prozesstechnologiesysteme und deren Veränderung (im Sinne einer Scanning-Gruppe) zu beobachten.974 Wesentliches Kriterium dafür, dass gewonnene Informationen effektiv und effizient eingesetzt werden können, ist deren Verfügbarkeit für die Unternehmung. Das erfordert zwingend (soweit möglich) eine systematische Dokumentation interner wie externer Informationen und Erkenntnisse, die aus diesen gezogen wurden. Wird durch Individuen gewonnenes prozesstechnologisches Wissen nicht kodifiziert, so wird es vergessen und steht deshalb bei Problemstellungen (bei denen der Wissensträger nicht mitwirkt) nicht zur Verfügung oder geht mit dem Ausscheiden des Wissensträgers aus der Unternehmung verloren. Zweckmäßig ist in diesem Zusammenhang auch die Verbreitung erworbenen Wissens durch entsprechende Weitergabe der Informationen durch interne Vorträge, Berichterstattung im Kreis fachlich betroffener Mitarbeiter etc. Ein hoher Grad an Formalisierung erleichtert hier die strukturierte Speicherung und zu späteren Zeitpunkten die rasche Datenabfrage. 6.3
Das operativ genutzte Ressourcensystem als Einflussfaktor auf die Systementwicklung
Folgt man der Strategieauffassung von Hofer und Schendel (siehe Abschnitt 2.3), so sind erfolgreiche Strategien dadurch gekennzeichnet, dass die Abstimmung interner Ressourcen mit externen Chancen und Risiken - relativ zu Konkurrenten - effektiver erfolgt. Unternehmen sind in eine dynamische Umgebung eingebettet, in der sich Chancen und Risiken permanent verändern. Die strategische Anpassung des unternehmerischen Ressourcensystems an veränderte Umgebungsbedingungen ist folglich Grundvoraussetzung, um die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmungen aufrechtzuerhalten. Aus prozesstechnologischer Sicht sind da-
974
Vgl. Gerybadze, A., Vorhersagen, 1989, S. 2032ff.
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mit das materielle und immaterielle sowie das zu deren Ausbeutung erforderliche potenzialerschließende Ressourcensystem entsprechend künftig erwarteter Anforderungen zu entwickeln. Die konzeptionelle Gestaltung unternehmerischer Ressourcensysteme wurde durch Entscheidungen in der Vergangenheit festgelegt. Die so entstandenen Systeme wirken nun präjudizierend auf ihre weitere Entwicklung.975 Bestimmte Entwicklungsoptionen werden durch bestehende Ressourcensysteme gefördert, während andere behindert werden. Angestrebt wird bei langfristig konzipierten Produktionssystemen möglichst geringe prozesstechnologische Präjudizierung. Besonders gilt das bei turbulenten technologischen Entwicklungen. Gegenstand der Betrachtungen dieses Abschnitts sind präjudizierende Wirkungen von Ressourcensystemen auf deren weitere Entwicklungen.976 Die Entwicklung von Systemen wird durch ihre Fähigkeit, Entwicklungsoptionen (Lösungssysteme) zu integrieren, determiniert. Unter „Lösungssystemen“ sollen in weiterer Folge Systeme verstanden werden, die durch Integration in bestehende prozesstechnologische Systeme eine zielorientierte Weiterentwicklung gestatten. 6.3.1
Grundzusammenhänge
Bestehende materielle wie immaterielle Ressourcensysteme weisen stets eine die künftige Systementwicklung limitierende bzw. präjudizierende Wirkung auf.977 So lassen sich zunächst bestimmte Systementwicklungen auf Basis vorhandener Systeme - aus technischer Sicht - nicht realisieren. Entwicklungsoptionen werden durch die bestehenden Ressourcensysteme nicht oder nur unzureichend unterstützt werden. Enabling- und SupplementalProzesstechnologien zum Betrieb einer neuen bzw. weiterentwickelten Kern-Prozesstechnologie sind in diesem Fall nicht in geeigneter Art vorhanden und müssten in ihrer Gesamtheit zusätzlich beschafft werden. Die Realisation solcher Entwicklungsoptionen ist damit nur möglich, wenn das existierende System vollständig eliminiert und durch ein anderes System ersetzt wird. Abgesehen von diesem Fall sind, aufbauend auf bestehenden Systemen, zumeist eine Vielzahl an Entwicklungen technisch realisierbar. Unterschiede ergeben sich dabei in der Unterstützung von Entwicklungsoptionen durch das System. In Abhängigkeit von der betrachteten Entwicklungsoption bestimmt das existierende Ressourcensystem Ausmaß und Geschwindigkeit seiner eigenen Veränderung. Durch bestehende Ressourcensysteme wird damit die Systementwicklung in eine bestimmte Richtung unterstützt, während andere Entwicklungspfade behindert werden. Generell sind alle technisch realisierbaren Entwicklungspfade als mehr oder weniger systempräjudiziert zu bezeichnen.978
975 976 977 978
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Vgl. Rycroft, R. W., Kash, D. E., Path, 2002, S. 28ff.; Pisano, G. P., Factory, 1997, S. 33ff. Vgl. Jacob, H., Flexibilität, 1989, S. 28f. Vgl. Itami, H., Numagami, T., Interaction, 1992, S. 120ff. Unter dieser Perspektive sind auch unternehmensabhängig mehr oder weniger große Probleme beim Wechsel zu neuen Technologien zu sehen. Vgl. Tripsas, M., Surviving, 1997, S. 341ff.
Systempräjudiziert unterstützte Entwicklungen sind dadurch gekennzeichnet, dass erforderliche Systemanpassungen in technisch einfacher Weise möglich sind.979 Kennzeichnend für eine solche Situation ist, dass zur Systemintegration die Abstimmung der Systemschnittstellen technisch einfach möglich und Eingriffe in das bestehende System nur in geringem Umfang erforderlich sind. Neue Systemelemente können ohne wesentliche Eingriffe in bestehende Systeme als Modul hinzugefügt werden. Die Aufwendungen zur Integration systempräjudiziert unterstützter Entwicklungsoptionen sind damit relativ gering. Anzumerken ist hierbei, dass in diesen Aufwendungen noch nicht die der neuen Systemelemente beinhaltet sind. Systempräjudiziert behinderte Entwicklungen sind entsprechend dadurch gekennzeichnet, dass sie technisch nur unter großem Aufwand in vorhandenen Systemen realisiert werden können. Die Systemintegration erfordert umfangreiche Eingriffe in das bestehende System (etwa durch Austausch von Enabling- bzw. Supplemental-Technologien); die Anpassung von Schnittstellen ist problematisch. Sind Entwicklungen erforderlich, die durch unternehmerische Systeme be- bzw. verhindert werden, so kann sich aus dieser Situation eine strategische Schwäche des Unternehmens ergeben. Die Schwächung tritt nicht zwangsläufig auf, da die Wettbewerbsstärke einer Unternehmung aus verschiedenen Ressourcenstärken und Ressourcenschwächen resultiert und die Schwächen von Ressourcen durch Stärken anderer Ressourcen aufgehoben werden können.980 Die präjudizierende Wirkung von Ressourcensystemen auf eine Entwicklungsoption kann grundsätzlich nicht als absolute Größe angegeben werden. Es kann lediglich die relative Präjudikation eines definierten aufnehmenden Ressourcensystems auf alternative Entwicklungsoptionen angegeben werden. Soll etwa die präjudizierende Wirkung eines bestehenden Prozesstechniksystems S gegenüber alternativen Entwicklungsoptionen O1 und O2 untersucht werden, so sind grundsätzlich folgende Überlegungen zu Grunde zu legen. Relationen zwischen Prozesstechniken werden durch Verbindungstechnologien hergestellt. Diese können in einfachster Weise aus logistischen Einrichtungen bestehen, aber auch Technologiesysteme umfassen, welche die Zwecksetzung haben, erforderliche (qualitative) Schnittstellenbedingungen zwischen zwei Prozesstechniken herzustellen (Digital-Analog-Wandler). Kann das System S die Option O1 unter Nutzung eines einfachen logistischen Systems integrieren, während eine Option O2 zur Integration zusätzliche Verbindungstechnologien zur Gewährleistung von Schnittstellenbedingungen erfordert, so weist gegenüber dem System S die Option O1 ein größeres Integrationspotenzial in Relation zu O2 auf. Das System S unterstützt damit die Umsetzung der Entwicklungsoption O1 in höherem Maße als die von O2. Das System S wirkt damit präjudizierend unterstützend auf O1 und relativ behindernd auf O2. Mit der relativen Systempräjudikation gegenüber alternativen Entwicklungsoptionen werden auch die erforderlichen finanziellen wie personellen Ressourcenbedarfe zur Systemveränderung in Ausmaß und zeitlichen Bedarf bestimmt. Ex ante können die Ressourcenbedarfe oft 979 980
Vgl. Silverman, B. S., Diversification, 1999, S. 1110f. Vgl. West III, P. G., DeCastro, J., Weaknesses, 2001, S. 421ff. und 430ff.
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nur grob geschätzt werden. Problematisch sind vor allem Ressourcenabschätzungen, wenn Entwicklungsoptionen Forschungs- und Entwicklungsaufgaben beinhalten. Die zur Umsetzung von Entwicklungen verfügbaren knappen finanziellen und personellen Ressourcen schränken die tatsächlich (ökonomisch sinnvoll) realisierbaren Entwicklungspfade ein. Aus ökonomischer Perspektive sind die gesamten Aufwendungen zur Erstellung (Zukauf und/oder Eigenerstellung) von Entwicklungsoptionen und deren Integration den systempräjudizierenden Betrachtungen zu Grunde zu legen. Die präjudizierende Wirkung bestehender Ressourcensysteme auf Veränderungsbestrebungen sind daher im Spannungsfeld vorhandener technischer Entwicklungsspielräume des Systems und den finanziellen wie personellen Potenzialen von Unternehmungen zu sehen. Präjudizierend auf die künftige Entwicklung wirken physische Artefakte wie auch prozesstechnologisches wie ressourcenerschließendes Wissen der Mitarbeiter. Letzteres ist präjudizierend aufgrund ausgetretener Denk- und Handlungspfade als Folge anhaltender Nutzung zu verstehen.981 6.3.2
Präjudizierende Wirkungen prozesstechnischer Systeme
6.3.2.1 Schnittstellenbedingungen als bestimmende Größen der Entwicklungspräjudikation (bzw. -limitierung) bei prozesstechnischen Systemen Entwicklungsoptionen prozesstechnischer Systeme bestehen aus einer definierten Menge an Prozesstechniken, die dem System hinzugefügt bzw. aus diesem entfernt werden. Weiters sind Veränderungen von Relationen zwischen Prozesstechniken als weitere Option möglich. Bestehende physische Systeme präjudizieren technisch mögliche und ökonomisch sinnvolle Entwicklungsoptionen.982 Von Bedeutung sind hier fertigungs- wie regelungstechnische Anlageteile. Kompatibilität zwischen Lösungssystem und bestehendem Prozesstechniksystem ist die Voraussetzung für eine Integration von Entwicklungsoptionen.983 Kompatibilität ist gegeben, wenn alle Schnittstellenbedingungen zwischen der betrachteten Entwicklungsoption und dem aufnehmenden Prozesstechnologiesystem qualitativ wie quantitativ über Verbindungstechnologien erfüllt werden können. Kompatibilität ist zwischen und innerhalb der prozess- und informationstechnischen Ebene zu gewährleisten. Die Systemkompatibilität bezieht sich auf prozesstechnischer Ebene auf Schnittstellendaten ausgetauschter Stoff- oder Energieströme und auf informationstechnischer Ebene auf die Struktur ausgetauschter Informationen. Weitere Bedingung ist oftmals die zeitliche Übereinstimmung zwischen Angebot und Nachfrage an der betrachteten Schnittstelle. Es ist weiters aber auch Kompatibilität zwischen der prozess- und regelungstechnischen Ebene Voraussetzung für eine Integration einer Lösungsoption. Darunter ist (prozessoutputseitig) die Eignung 981 982 983
Vgl. Weiru, C., Determinants, 2003 Vgl. Leonard-Barton, D., Rigidities, 1992, S. 119 Vgl. Schröder, H.-H., Innovationsplanung, 1999, S. 1031f.
254
messtechnischer Einrichtungen zur adäquaten Erfassung des zeitlichen Verlaufs prozesstechnischer Daten (Temperatur, Druck etc.) und die adäquate Signalumsetzung in verwertbare Informationen zu verstehen. Inputseitig müssen regelungstechnische Einrichtungen geeignet sein, Informationen in entsprechende prozesstechnische Maßnahmen umzusetzen. Eine Systemintegration ist dann nicht möglich, wenn Schnittstellenbedingungen durch Technologiekombinationen nicht erfüllt werden können und durch Verbindungstechnologien (Puffer, Analog-Digital-Wandler etc.) ein Ausgleich von Schnittstellendiskrepanzen nicht zu beseitigen ist (Abbildung 24).
Lösungsansatz 2
Lösungsansatz 1
Erfüllung der Relation durch Lösungsansatz 2
Relation die mit Lösungsansatz 1 nicht realisiert werden kann
Relationen die die erforderlichen Schnittstellenbedingungen erfüllt sind Relationen die die erforderlichen Schnittstellenbedingungen nicht erfüllt sind
Abbildung 24: Lösungssystem und aufnehmendes System Bestimmende Größen für Kompatibilität zwischen Lösungssystem und bestehendem Prozesstechnologiesystem sind alle qualitativen und quantitativen Leistungsmerkmale der zu vereinigenden prozess- wie regelungstechnischen Systeme. Verschärfend kann für Kompatibilität auch die Erfüllung zeitlich schwankender Angebote wie Nachfragen Bedingung sein. Kompatibilitätsbestimmend sind input- wie outputseitige qualitative und quantitative Flexibilität der zu vereinigenden Systeme (siehe Abschnitt 4.2.8.2.3). Je breiter die verfügbaren Leistungsbänder der Entwicklungsoption bzw. des aufnehmenden Systems hierbei sind, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Integration unter geringem technischem Aufwand 255
erfolgen kann und umso einfacher können Schnittstellenbedingungen abgestimmt werden; die Realisation der betrachteten Entwicklungsoption wird dann systempräjudiziert unterstützt.984 Bei bestehenden Prozesstechnologiesystemen nimmt deshalb die behindernde Systempräjudikation mit wachsender Flexibilität tendenziell ab; die Zahl realisierbarer Entwicklungsoptionen nimmt zu.985 Die Integration prozesstechnologischer Entwicklungsoptionen in bestehende Systeme wird folglich umso schwieriger, je größer die qualitativen und quantitativen Unterschiede (sowie der zeitliche Input- bzw. Outputanfall) in den Leistungsmerkmalen der betrachteten Systeme sind. Je geringer die erwarteten Kompatibilitätsprobleme bei der Integration von Entwicklungsoptionen sind, umso wahrscheinlicher ist deren Übernahme in das unternehmerische Prozesstechniksystem. Mit Zunahme der erwarteten Kompatibilitätsprobleme steigen die erwarteten Implementierungskosten sowie Kosten- bzw. Leistungsrisiken. Entsprechend sinkt die Wahrscheinlichkeit einer Realisation bzw. wird die Realisation verschoben, um Unsicherheiten durch Informationsbeschaffung zu klären und damit das wahrgenommene Risiko zu senken.986 Bei hoher erwarteter Systemkompatibilität und folglich relativ geringem erwartetem Risiko sind raschere Entscheidungen zugunsten solcher Entwicklungsoptionen zu erwarten. Die Entwicklungsgeschwindigkeit des Prozesstechnologiesystems nimmt aufgrund verkürzter Entscheidungsvorbereitung tendenziell zu. Bei hoher Systemkompatibilität ist weiters zu erwarten, dass der Zeitbedarf zur Systemintegration aufgrund technisch einfach realisierbarer Schnittstellenabstimmung kurz ist. Das System kann dadurch schnell und mit geringen Integrationsrisiken umgesetzt werden. Die Entwicklung solcher prozesstechnischer Systeme wird damit durch die erwartete Systemkompatibilität beschleunigt. Entwicklungsoptionen, die gegenüber unternehmerischen Prozesstechnologiesystemen die dargestellten Eigenschaften aufweisen, werden präferiert realisiert. Entsprechend werden Entwicklungsoptionen, von denen erwartet wird, dass sie nur sehr schwer in das existierende System integriert werden können, gemieden. Da Entscheidungsträger versuchen eventuelle Risiken solcher Lösungen möglichst weitgehend abzuklären (und durch präventive Maßnahmen zu verhindern bzw. in ihren Wirkungen abzuschwächen), sind umfangreiche Aktivitäten der Informationsbeschaffung und –aufbereitung zur Entscheidungsvorbereitung notwendig. Tendenziell ist hier zu erwarten, dass die Umsetzungsgeschwindigkeit dadurch sinkt. Weiters wird die Systementwicklung dann durch Integrationsprobleme verzögert.
984
985 986
256
Es ist anzumerken, dass die Übereinstimmung von Schnittstellendaten i. A. über einen gewissen qualitativen und quantitativen Schwankungsbereich gewährleistet sein muss, da Transformationssysteme in ihren Inputbedarfen bzw. ihrem Outputanfall Schwankungen unterliegen. Vgl. Haberfellner, R., et. al, Engineering, 1992, S. 160; Zahn, E., Nowak, M., Schön, M., Strategien, 2005, S. 91ff.; Jacob, H., Flexibilität, 1989, S. 32f. Vgl. Weiber, R., Pohl, A., Nachfrageverschiebung, 1996, S. 678ff.
Aus systemstruktureller Sicht lassen sich Peripher- und Zentralprozesse unterscheiden.987 Zentralprozesse weisen eine Vielzahl an Schnittstellen mit dem übrigem Prozesstechnologiesystem auf, während bei Peripherprozessen die Schnittstellenzahl gering ist. Grundsätzlich gilt, dass es bei Lösungssystemen mit wachsender Zahl an Schnittstellen gegenüber dem bestehendem Prozesstechnologiesystem technisch zunehmend schwieriger wird, alle Schnittstellenbedingungen in adäquater Weise zu erfüllen.988 Verschärft gilt das, wenn im Normalbetrieb eine simultane Erfüllung mehrerer Schnittstellenbedingungen gefordert wird. Die Zahl der abzustimmenden Prozess- und Verbindungstechnologien sowie die (sich teilweise widersprechenden) Anforderungen an deren Leistungsmerkmale nehmen mit der Schnittstellenzahl rasch zu. Ein Abgleich zwischen den Systemen wird dadurch erschwert (verhindert), dass sich die erforderlichen Abstimmungsmaßnahmen gegenseitig behindern. Entsprechend wachsen die zu bewältigenden technischen Problemstellungen und damit die monetären Aufwendungen der Systemintegration. Das Risiko, technische wie ökonomische Zielsetzungen zu verfehlen, steigt.989 Es ist daher davon auszugehen, dass Entwicklungsoptionen, die als Module mit wenigen abzustimmenden Schnittstellen gegenüber bestehenden Prozesstechnologiesystemen integriert werden können, solchen vorgezogen werden, die eine Vielzahl an Schnittstellen aufweisen. Folglich werden Systementwicklungen forciert, die durch Peripherprozesse realisiert werden können.990 Ist ein bloßes Hinzufügen oder Substituieren einer Entwicklungsoption aufgrund unvereinbarer Schnittstellen technisch nicht möglich, so bleibt zur weiteren Verfolgung dieser Entwicklungsoption nur mehr die Möglichkeit, das bestehende System in seinen Elementen in zunehmenden Umfang zu verändern (Abbildung 24). Entsprechend steigen dann die Bedarfe an finanziellen und personellen Ressourcen. Weiters nehmen die Risiken der Systementwicklung zu. 6.3.2.2 Präjudizierende Wirkungen prozesstechnologischer Systeme Prozesstechnologien können erst im Verbund eines Systems ihre Wirkungen entfalten. Präjudizierende Wirkungen bestehender Prozesstechnologiesysteme gehen dann von der Art möglicher Relationen, die gegenüber Entwicklungsoptionen aufgebaut werden können, aus. Weiters bestimmt auch das Ausmaß, mit dem das zu integrierende Prozesstechnologiesystem an Erfordernisse des bestehenden Systems angepasst werden kann die Systempräjudikation.991 Präjudizierend wirkt hierbei der technische wie ökonomische Aufwand, mit dem die Integration der Entwicklungsoption verbunden ist. 987 988 989 990
991
Vgl. Tushman, M. L., Rosenkopf, L., Determinants, 1992, S. 325 Vgl. Haberfellner, R., et. al, Engineering, 1992, S. 23 Vgl. Tushman, M. L., Rosenkopf, L., Determinants, 1992, S. 325 Man denke in diesem Zusammenhang etwa daran, dass zentrales Argument zur Nutzung von End-of-pipeSystemen die Möglichkeit ist, diese an das Produktionssystem über eine einzige Schnittstelle zu integrieren. Vgl. Zotter, K., End-of-pipe, 2004, S. 687f. Vgl. Wright, P. M., Snell, S. A., Human, 1991, S. 1998
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Die Integration von Entwicklungsoptionen ist regelmäßig mit Unsicherheiten verbunden, ob erwartete Leistungsmerkmale bzw. ökonomische Zielsetzungen realisiert werden können. Zur Umsetzung konkreter Entwicklungsoptionen müssen Entscheidungsträger bereit sein, Risiken aus diesen unsicheren Erwartungen zu tragen. Von verschiedenen Entwicklungsoptionen werden bei der Integration in ein bestehendes Prozesstechnologiesystem nach Art und Ausmaß unterschiedliche Risiken wahrgenommen. Bevorzugt werden Entwicklungsoptionen, die im Alternativenvergleich geringere wahrgenommene Risiken aufweisen. Präjudiziert unterstützte Systeme weisen ein geringeres Risiko auf, als solche Entwicklungsoptionen, die durch bestehende Systeme präjudiziert behindert werden.992 Präjudizierend wirkt das prozesstechnologische wie potenzialerschließende Ressourcensystem in seinem pfadabhängigem Status und seiner Entwicklungstendenz.993 Fehlentscheidungen über prozesstechnologische Positionen zeigen sich ex post dadurch, dass Wettbewerbserfordernisse (und ökologische wie soziale Erfordernisse) nicht erfüllt werden können. Irrelevant ist dann, ob das auf Veränderungen der Unternehmensumgebung oder falscher prozesstechnologischen Positionierung bzw. Umsetzung prozesstechnologischer Strategiekonzepte zurückzuführen ist. Ex post lässt sich weiters feststellen, ob durch prozesstechnologische Konzeptionen künftig angestrebte Entwicklungen behindert oder gefördert werden. Die ex post Feststellung der Ineffizienz oder Ineffektivität prozesstechnologischer Positionen ist aus ökonomischer Perspektive ohne Relevanz für künftige Entwicklungen. Grund dafür ist, dass die Entwicklungen, die zu einer bestimmten Prozesstechnologieposition führten, weitgehend irreversibel sind.994 6.3.2.3 Prozesstechnologische Paradigmen und deren Bedeutung für die Kompatibilität zwischen Entwicklungsoption und aufnehmendem System Ein technologisches Paradigma ist „… a pattern of solutions to selected technical problems which derives from certain engineering relationship. A paradigm identifies the problems that have to be solved and the way to inquire about them ….”995 Technologische Paradigmen präjudizieren in hohem Maße die Entwicklung des Prozesstechnologiesystems.996 Prozesstechnologische, kompetenzsteigernde Entwicklungen vollziehen sich auf Trajektorien gleicher technologischer Paradigmen. Bei kompetenzzerstörenden prozesstechnologischen Innovationen wird ein bestehendes technologisches Paradigma für eine unternehmensspezifische Nutzung verworfen und durch ein neues substituiert. Die neue Technologie entwickelt sich dann entlang einer sich von der substituierten Technologie unterscheidenden Trajektorie entsprechend eines veränderten Technologieparadigmas weiter.997
992 993 994 995 996 997
Vgl. Silverman, B. S., Diversification, 1999, S. 1111 Vgl. Teece, D. J., Pisano, G., Shuen, A., Capabilities, 1997, S. 522 Vgl. Teece, D. J., Organization, 1996, S. 196 Teece, D. J., Organization, 1996, S. 195; Vgl. auch Dosi, G., 1982, Trajectories, 1982, S. 152 Vgl. Sonntag, V., Manufacturing, 2003, S. 316 Vgl. Dosi, G., 1982, Trajectories, S. 152ff.
258
Wird eine Prozesstechnologie durch eine andere, auf der gleichen Trajektorie liegenden Technologie substituiert (kompetenzsteigernde Innovation), so ist davon auszugehen, dass diese Entwicklung sich tendenziell einfacher in das bestehende System integrieren lässt als solche mit verschiedenartiger paradigmatischen Basis. Grund dafür ist, dass in ihren Paradigmen unterschiedliche Prozesstechnologien i. A. auch verschiedenartige Anforderungen an Inputs aufweisen bzw. grundsätzlich (qualitativ/quantitativ) andersartige Outputs erstellen und eine Systemkompatibilität oft nur unter großem Aufwand oder gar nicht herstellbar ist. Weiters erfordern neue prozesstechnologische Paradigmen im Regelfall auch Veränderungen der organisationalen Routinen.998 Das Integrationspotenzial von Entwicklungsoptionen - zur Substitution bestehender Systeme - mit gleichem prozesstechnologischem Paradigma ist folglich höher einzuschätzen als bei solchen mit verschiedenartigen Paradigmen. Dieser paradigmatisch bedingte Zusammenhang präjudiziert eine Weiterentwicklung prozesstechnologischer Systeme entlang unveränderter Trajektorien.999 Gefördert wird das Festhalten an bekannten (langjährig verfolgten) Technologietrajektorien auch durch Lernprozesse, die in der Vergangenheit zu Routinen führten, welche die effiziente Ausbeutung einer Technologie sicherten. Ein Wechsel zu Technologien mit anderer paradigmatischen Basis zerstört den Nutzen solcher Routinen (siehe Abschnitt 2.3.4). Die Unternehmung begibt sich in Bereiche ihr unbekannter Technologietrajektorien, deren technischen Wirkungen, Rahmenbedingungen und Zusammenhänge sie in weit geringerem Maße beherrscht als langjährig genutzte. Das Risiko von Fehlschlägen bei der Anwendung neuer, weitgehend unbekannter Prozesstechnologien ist damit wesentlich höher als bei bekannten. Planungs- und Entscheidungsträger forcieren grundsätzlich Projekte mit geringem Risiko. Ein Festhalten an in der Vergangenheit erfolgreichen Technologietrajektorien ist damit nur logisch konsequent.1000 Als Beispiel für ein solches Verhalten sei auf die forcierte Entwicklung alter Technologien bei Aufkommen einer neuen, substituierenden Technologie verwiesen. Entwicklungsoptionen, die mit Paradigmenwechsel verbunden sind, stellen einen Bruch für das Prozesstechniksystem dar. Bei Verfolgung einer solchen Option ist i. A. davon auszugehen, dass eine grundsätzliche Neuorientierung des gesamten (bzw. großer Teile des) unternehmerischen Prozesstechnologiesystems erfolgen muss und neben veränderten KernProzesstechnologien auch in größerem Umfang Enabling- und Supplemental-Prozesstechnologien angepasst werden müssen. Da solche Entwicklungen für Unternehmungen außergewöhnlich hohe Investitionsvolumen erfordern, sind sie relativ selten.
998 999 1000
Vgl. Nicholls-Nixon, C. L., Technological, 1995, S. 5f. Vgl. Sonntag, V., Manufacturing, 2003, S. 314 Vgl. Benner, M. J., Tushman, M., Photography, 2002, S. 679ff.; Hendreson stellt anhand des Beispiels der fotolithografischen Elektronikindustrie dar, dass die kombinatorische Ausprägung von Inkompetenz (bzw. Trägheit zur Veränderung, wie sie eingesessenen Unternehmungen attestiert wird) und die Ausstattung mit Finanzmitteln für die Umsetzung radikaler Innovationen von entscheidender Relevanz sind. Vgl. Henderson, R. M., Incompetence, 1993, S. 252ff.
259
Sollen Prozesstechnologien dem bestehendem System hinzugefügt (im Sinne einer vertikalen, horizontalen oder lateralen Integration) werden, so lassen sich keine allgemein gültigen Aussagen darüber treffen, wie sich verschiedene Prozesstechnologietrajektorien bei einer Systemintegration auswirken. Auf technischer Ebene können paradigmatisch für die Unternehmung völlig neuartige Prozesstechnologien durchaus ohne wesentliche Probleme integriert werden. Zu beachten ist jedoch, dass sich hier Barrieren als Folge von Defiziten im prozesstechnologischen Wissen ergeben können (siehe Abschnitt 4.3). Die dargestellten Mechanismen besitzen nicht nur auf Ebene prozesstechnischer Systeme Gültigkeit, sondern auch auf der Ebene regelungstechnischer Systeme. Ein Wechsel oder eine Integration regelungstechnischer Systeme, die von in der Unternehmung genutzten informationstechnologischen Paradigmen abweichen, können oft nur über aufwändige Schnittstellen realisiert werden. Entspricht etwa das regelungstechnische System neuer Anlagen nicht den informationstechnologischen Grundsätzen eines hierarchisch übergeordneten Regelungssystems, so müssen häufig technisch wie ökonomisch aufwändige Anpassungen vorgenommen werden. Damit sind auch Weiterentwicklungen regelungstechnologischer Systeme bei unverändertem Paradigma i. A. einfacher in Systeme zu integrieren als dies bei verändertem Paradigma der Fall wäre. Man denke in diesem Zusammenhang an die Integrationsprobleme von „Standardsoftware“ unterschiedlicher Anbieter. Erfordert ein Transformationsprozess ein spezifisches Regelungssystem, so kann eine Inkompatibilität auf regelungstechnologischer Ebene die Weiterentwicklung des Prozesstechnologiesystems behindern. Es gilt, dass qualitativ, quantitativ wie zeitlich breite Leistungsmerkmalsbänder regelungstechnischer Systeme die Integration von Entwicklungsoptionen fördern. Aber auch bei der Substitution von Prozesstechnologien durch solche mit gleicher paradigmatischer Basis können sich Kompatibilitätsprobleme ergeben. Mit Weiterentwicklung der Leistungsmerkmale von Prozesstechnologien verändern sich oft auch die Anforderungen an den Input; die erstellten Outputs können sich qualitativ wie quantitativ erheblich verändern. Je größer der Unterschied zwischen den Entwicklungsphasen der substituierten und substituierenden Prozesstechnologie ist, umso schwieriger wird eine Integration. Wesentlich ist hierbei, wie dynamisch die Entwicklung der betrachteten Technologie ist.1001 Die Entwicklung der Leistungsfähigkeit von Technologien vollzieht sich mit höchst unterschiedlicher Dynamik. So kann bei sehr langsamer Technologieentwicklung eine Substitution über sehr lange Zeiträume ohne größere technische Probleme erfolgen, während bei turbulenter Technologieentwicklung (Hard- und Softwarebereich, Biotechnologie etc.) bereits nach kurzer Zeit eine Integration von weiterentwickelten Systemen problematisch sein kann. Langsame Technologieentwicklungen weisen hier den Vorteil auf, dass ausreichend Zeit zur Verfügung steht, Verbindungstechnologien zur Anpassung an bestehende „alte“ Prozess1001
Einen Hinweis für die Richtigkeit dieser Annahme liefert Biehl. Vgl. Biehl, W., Innovationsbereitschaft, 1981, S. 150ff.
260
technologiesysteme zu entwickeln. Bei turbulenter Technologieentwicklung sind die Zeiträume zur Entwicklung von Verbindungstechnologien entsprechend kurz. Die Entwicklung von Verbindungstechnologien läuft damit Gefahr, von der prozesstechnologischen Dynamik überrollt zu werden. Denn zu dem Zeitpunkt, zu dem die Integration über Verbindungstechnologien realisiert wurde, haben sich bereits die Leistungsmerkmale der Prozesstechnologie zu Ungunsten des integrierenden Unternehmens weiterentwickelt. 6.3.2.4 Die Art der Koppelung von Transformationsprozessen als präjudizierender Faktor Ein bedeutender präjudizierender bzw. limitierender Faktor für die weitere Systementwicklung stellt die Art der Koppelung von Transformationsprozessen dar. Transformationsprozesse starr gekoppelter (integrierter) Systeme sind für die Erstellung großer Quantitäten gleich bleibender Produkte konzipiert. Entsprechend weisen die systembildenden Transformationsprozesse geringe Flexibilität gegenüber Schwankungen im angebotenem Input bzw. nachgefragtem Output auf. Die Wahrscheinlichkeit, dass Systemkompatibilität mit Entwicklungsoptionen hergestellt werden kann, ist daher niedrig. Die Zahl der Optionen zur Systementwicklung ist folglich gering. Die Wahrscheinlichkeit einer Weiterentwicklung einzelner Transformationsstufen sinkt damit generell. Weiters steigt auch das Risiko, dass Schnittstellenbedingungen nicht in geeigneter Weise abgestimmt werden können. Der Stillstand starrer Systeme ist zumeist mit hohen ökonomischen Nachteilen (Leerkosten) verbunden. An geplante Entwicklungsoptionen wird folglich die Forderung gestellt, dass bei deren Integration möglichst geringe Stillstandszeiten auftreten.1002 Entscheidungsträger sind hier nicht bereit, Risiken bei der Schnittstellenabstimmung in Kauf zu nehmen. Tendenziell ist daher davon auszugehen, dass starre Koppelungen eine Systementwicklung massiv hemmen.1003 Sollen Entwicklungsoptionen umgesetzt werden, so wird versucht, durch extensive Informationsbeschaffung das Integrationsrisiko niedrig zu halten. Prozesstechniksysteme mit starrer Kopplung sind aufgrund ihrer Trägheit gegenüber technischen Veränderungen aus wettbewerbsstrategischer Sicht anfällig bezüglich weiterentwickelten bzw. neuen Prozesstechnologien. Können Unternehmungen auf Basis weiterentwickelter oder neuer Prozesstechnologien Produktionssysteme gestalten, die auf Massenmärkten Wettbewerbsvorteile generieren, so sind Konkurrenten kaum in der Lage, auf Basis ihrer bestehenden Prozesstechnologiesysteme adäquat zu reagieren. Da grundsätzlich alle Transformationsprozesse des bestehenden Systems aufeinander abgestimmt sind, ist die Weiterentwicklung einzelner Prozesse kaum möglich. Die Unternehmung befindet sich in einer prozesstechnologisch schwachen Position, die oft nur durch die Erstellung neuer Produktionssysteme (auf der grünen Wiese) beseitigt werden kann. Voraussetzung dafür ist der Zugang zu entsprechenden Technologien. Analoges gilt auch für den Fall, dass Unternehmungen Substi-
1002 1003
Vgl. Zotter, K., End-of-pipe, 2004, S. 689 Vgl. Utterback, J. M., Abernathy, W. J., Model, 1975, S. 642
261
tutionsprodukte auf Massenmärkten etablieren, welche veränderte Produktionssysteme erfordern. Flexible Systeme weisen in Relation zu starren Systemen i. A. höheren Spielraum zur Integration unterschiedlicher Entwicklungsoptionen auf. In starren Systemen sind die integrierten Transformationssysteme aufeinander abgestimmt. Die Bandbreite der Ausprägungen der Leistungsmerkmale ist entsprechend schmal. Bei flexiblen Systemen erstrecken sich die Merkmalsausprägungen i. d. R. über weitere Bandbreiten. Diese Transformationsprozesse sind daher in der Lage, größere dimensionale und variationale Inputs aufzunehmen bzw. Outputs herzustellen. Entsprechend ist eine Abstimmung an den Schnittstellen zu Entwicklungsoptionen einfacher als bei starren Systemen. Die Zahl der technisch realisierbaren Entwicklungsoptionen ist deshalb generell höher; die Integrationsrisiken sind niedriger. Flexible Systeme gestatten damit auch eine wesentlich höhere Entwicklungsdynamik. Sie sind aus wettbewerbsstrategischer Sicht außerdem tendenziell weniger anfällig gegenüber weiterentwickelten bzw. neuen Prozesstechnologien. Eine Integration, sofern entsprechende Technologien beschafft werden können, ist vergleichsmäßig (in Relation zu starren Systemen) einfach möglich. 6.3.2.5 Prozesstechnologische und wettbewerbsbedingte Abhängigkeiten zwischen Kern-, Supplemental- und Enabling-Technologien als Einflussgrößen der Systementwicklung Die Entwicklung bzw. Integration von (potenziellen) Kern-Prozesstechnologien kann nicht losgelöst von Supplemental- und Enabling-Prozesstechnologien vorangetrieben werden. Enabling-Technologien bilden die Basis bzw. unterstützen die Nutzung von Kern-Prozesstechnologien. Defizite bei der Ausstattung mit Enabling-Technologien führen dann dazu, dass Kern-Prozesstechnologien nicht integriert werden können bzw. deren Nutzung nur eingeschränkt möglich ist. Aus dieser Verknüpfung resultiert, dass Investitionen in Kern-Prozesstechnologien stets unter Berücksichtigung von Investitionen in Enabling-Prozesstechnologien getätigt werden müssen. Sind Enabling-Prozesstechnologien als komplementäre Ressourcen im Unternehmen nicht verfügbar, so können daraus Verzögerungen in der Realisation von Kern-Prozesstechnologien resultieren. Grund dafür kann sein, dass der Unternehmung adäquate Finanzressourcen kurzfristig nicht zur Verfügung stehen. Weiters benötigt die Beschaffung und Integration von Enabling-Prozesstechnologien zur Planung, Entscheidung, Beschaffung und Integration Zeit. Supplemental-Prozesstechnologien können, da sie mit Kern-Prozesstechnologien in keinem unmittelbaren technologischen Zusammenhang stehen, grundsätzlich von diesen isoliert entwickelt werden. Eine Verbindung zwischen Kern- und Supplemental-Prozesstechnologien wird über die von der Unternehmung erbrachte Leistung hergestellt. So können Kunden fordern, dass bestimmte Leistungsbestandteile von einer einzigen Unternehmung erstellt werden. Unternehmungen integrieren Supplemental Prozesstechnologien daher nur dann, wenn die 262
Alternative eines Leistungszukaufs nicht möglich oder ökonomisch nachteilig ist. Sie weisen keine technische Relevanz bei der Nutzung und Entwicklung von Kern-Prozesstechnologien auf. 6.3.2.6 Die Präjudikation prozesstechnischer Systeme aus wettbewerbsstrategischer Sicht Die in der Vergangenheit verfolgte Wettbewerbs- und Umweltschutzstrategie von Unternehmungen führte zu spezifischen Ausprägungen des unternehmerischen Prozesstechnologiesystems (siehe Abschnitt 5.1.2). Unabhängig davon, ob die Unternehmung ihre grundsätzliche Wettbewerbs- bzw. Umweltschutzstrategie beibehält oder verändert, kann es sinnvoll bzw. notwendig sein, das prozesstechnologische System zu entwickeln. Gegenstand dieses Abschnitts sind die Wirkungen von veränderten Wettbewerbsstrategien auf prozesstechnologische Systeme. Es soll aufgezeigt werden, welche präjudizierenden Wirkungen auftreten und wodurch Entwicklungen absolut begrenzt werden. 6.3.2.6.1 Entwicklungspfade integrierter Transformationssysteme 6.3.2.6.1.1 Prozesstechnologische Entwicklungen unter Beibehaltung einer Kostenführerstrategie Integrierte Fertigungssysteme sind charakteristisch für die Verfolgung von Kostenführerstrategien (siehe Abschnitt 5.1.3). Zunächst kann von der Unternehmung die verfolgte Wettbewerbsstrategie beibehalten werden und damit die grundsätzliche Forderung an das Prozesstechnologiesystem, große Produktquantitäten zu möglichst niedrigen Kosten herzustellen, aufrecht bleiben. Eine Flexibilisierung des Systems zur Erstellung einer größeren Zahl unterschiedlicher Produkte wird nicht angestrebt. Die grundsätzliche Systemarchitektur in deren starren Koppelungen bleibt erhalten. Von zentralem Interesse bei integrierten Systemen ist stets die Reduktion der Stückkosten. Ansatzpunkte, diese zu reduzieren, ergeben sich durch Reduktion von Personal-, Material- und Anlagekosten (bezogen auf die erstellte Produktquantität). Durch prozesstechnologische Entwicklung können unmittelbar Personalkosten beeinflusst werden. Zunächst ist hier an Maßnahmen zu denken, die die Stabilität des Transformationssystems steigern und dadurch störungsbedingte Eingriffe durch Mitarbeiter verringern bzw. völlig vermeiden. Auch sind Überwachungstätigkeiten von Mitarbeitern durch Entwicklungen automatisierter fertigungs- und regelungstechnischer Systeme substituierbar. Schließlich lassen sich Produktions- oder Logistikprozesse, die sich an den Schnittstellen des Produktionssystems zu Zulieferern bzw. Kunden befinden und von Mitarbeitern durchgeführt werden, prozesstechnologisch - im Sinne der Substitution menschlicher Arbeit durch ein automatisiertes Fertigungs- bzw. Verbindungssystem - integrieren. Funktionen, die Mitarbeiter erfüllen, werden durch prozesstechnologische (regelungstechnologische) Systeme substituiert. Instrumente dafür sind Mechanisierung, Automatisierung und Prozessstabilisierung. Zielsetzung ist es zunächst, die Zahl der zur Produkterstellung 263
benötigten Mitarbeiter zu senken. Eine weitere, mit diesen Maßnahmen verfolgte Zielsetzung ist die Substitution hoch qualifizierter durch weniger qualifizierte Mitarbeiter. Erreicht wird das durch Vereinfachung von Arbeitsinhalten und wachsenden Anteilen an Routineabläufen (etwa bei teilautomatisierten bzw. teilmechanisierten Fließbandfertigungen in der Automobilindustrie). Personal- werden hier durch Anlagekosten substituiert. Materialkosten können durch prozesstechnologische Entwicklungen des Systems ebenfalls reduziert werden. Prozesstechnologische Anstrengungen beziehen sich hier auf die Reduktion der benötigten Material- und Energiequantitäten bzw. -qualitäten. Ansatzpunkte ergeben sich durch Senkung der Ausschussquote oder den Aufbau systeminterner Recyclingkreisläufe.1004 Eine weitere Option besteht darin, Werkstoffe - auf Basis der Entwicklung von Transformationsprozessen - durch kostengünstigere zu substituieren. Die Substitution kann durch andere oder qualitativ schlechtere (und damit preisgünstigere) Werkstoffe erfolgen. Voraussetzung ist hierbei, dass die Produktqualität nicht in unzulässiger Weise beeinflusst wird. Auch die Anlagekosten je erstellter Produkteinheit stellen eine prozesstechnologisch beeinflussbare Größe dar. So kann durch Reduktion der Stillstandszeiten (etwa durch Störungen) oder der Erhöhung der Transformationsgeschwindigkeit (und damit verbunden die Reduktion der Taktzeit) der quantitative Produktoutput gesteigert werden. Damit würden gleichzeitig die Kaufkriterien „Liefergeschwindigkeit und -zuverlässigkeit“ sowie „Lieferkapazität“ positiv beeinflusst werden. Prozesstechnologische Entwicklungen können aber auch unter Beibehaltung der Wettbewerbsstrategie auf die verbesserte Erfüllung bzw. Ausweitung von Produktattributen abstellen, um dadurch Wettbewerbsvorteile zu generieren. In welchem Umfang Eingriffe in das prozesstechnologische System erforderlich sind, hängt von den (erwarteten) veränderten Umgebungsbedingungen (Anforderungen an Produktqualität, -quantität und -preise; ökologische Vorgaben etc.) ab. Kann die Unternehmung verschärfte ökonomische und ökologische Vorgaben innerhalb des bestehenden Systems bewältigen, so beschränken sich die Entwicklungsmaßnahmen zumeist auf die Weiterentwicklung der Engpasskapazitäten. Bestehende Transformationsstufen werden dann oftmals von verbesserten (fertigungs- und/oder regelungstechnischen) Modulen ersetzt. Voraussetzung dafür ist, dass andere Transformationsstufen in deren Leistungsfähigkeit nicht überbeansprucht werden. Tritt das ein, so wächst die Zahl der Transformationsprozesse, in die zur Realisation der Entwicklungsoption eingegriffen werden muss. Architektonische Entwicklungsoptionen sind oft aufgrund der geringen Flexibilität der Transformationsprozesse nicht möglich. Eine Ausnahme bildet hier internes Recycling. Verändern sich die Anforderungen an das Produktionssystem so stark, dass eine Vielzahl der bestehenden Transformationsprozesse adäquate Anpassungen nicht mehr zulassen, ergibt 1004
Zur ökonomischen und ökologischen Wirkung von Recyclingsystemen siehe Strebel, H., Umwelt, 1994, S. 830ff.
264
sich das Problem, das gesamte Produktionssystem durch ein neues, evtl. technologisch verändertes zu ersetzen. Dieser Fall tritt etwa dann ein, wenn Konkurrenten durch technologisch veränderte Produktionssysteme Wettbewerbsvorteile der Unternehmung zunichte machen. 6.3.2.6.1.2 Prozesstechnologische Entwicklungen bei Wechsel der Wettbewerbsstrategie in Richtung Differenzierung Vollziehen Unternehmungen einen Wechsel in ihrer Wettbewerbsstrategie hin zu einer simultan hybriden Strategie oder einer Differenzierungsstrategie, so wird damit i. A. die Zielsetzung verfolgt, unter Erhaltung bestehender Kostenvorteile eine größere Zahl unterschiedlicher Produkte (bzw. Produktvarianten) zu erstellen.1005 Als order-winning-Kriterium mit zunehmender Relevanz ist dann die kundenindividuelle Produktgestaltung zu forcieren. Diese Bestrebungen können, müssen aber nicht, zwingend Wirkungen auf das Prozesstechnologiesystem aufweisen. Von zentralem Interesse aus prozesstechnologischer Perspektive ist die Frage, ob einzelne Transformationsprozesse oder die Struktur des Prozesstechnologiesystems verändert werden muss. Wie bereits im Abschnitt 5.1.3.1 dargestellt, können Produktvarianten (bzw. unterschiedliche Produkte) durch entsprechende Modulbauweise und Anpassungen einzelner Transformationsprozesse generiert werden, ohne damit in die Struktur des Produktionssystems einzugreifen (siehe Abschnitt 5.1.3.1).1006 Die Möglichkeiten der Produktvariation innerhalb starrer Systeme sind aber eingeschränkt, sind doch die Abfolge der Transformationsprozesse und deren zeitliche Abstimmung als limitierende Rahmenbedingungen der Flexibilisierung zu beachten. Eine weitergehende Individualisierung von Produkten kann dann nur mehr durch Veränderung der Systemstruktur realisiert werden. Dazu muss in die Architektur bestehender Produktionssysteme durch Auflösung starrer Koppelungen eingegriffen werden. Daraus resultieren Kostenanstiege, Fertigungsdurchlaufzeit und damit -kapazität sinken tendenziell. Kostensteigernd bei der Entkoppelung von Transformationsprozessen wirken zunächst zusätzliche logistische Aufgaben. Nicht mehr automatisierte Transportsysteme stellen die physischen Verbindungen zwischen Transformationsprozessen her, sondern zumeist manuell bediente Transportmittel. Da eine Taktung nicht mehr erfolgt (und oft auch nicht sinnvoll ist) sind i. A. Pufferlager erforderlich. Konsequenzen sind längere Fertigungsdurchlaufzeiten und höheres gebundenes Kapital. Mit der Entkoppelung von Transformationsprozessen nimmt die Systemkomplexität zu. Grund dafür ist die mit der Entkoppelung intendierte Zunahme der Kombinationsmöglichkeiten zwischen den Transformationsprozessen. Wachsende Komplexität ist im Regelfall mit gestiegenem Koordinationsaufwand und entsprechenden Kostenanstiegen verbunden. Mit der Entkoppelung wird eine Steigerung der operativen Flexibilität verfolgt. Das bedeutet kleinere Losgrößen bei zunehmender Produkt- bzw. Pro1005 1006
Vgl. Kaluza, B., Produktdifferenzierungsstrategie, 1996, S. 201f. Arvanitis und Hollenstein zeigen auf Basis empirischer Daten, dass das von advanced manufacturing technologies nur geringe Effekte auf die Produktvielfalt bei Integration in Massenfertigungen ausgehen. Vgl. Arvanitis, S., Hollenstein, H., Determinants, 2001, S. 401ff.
265
duktvariantenzahl. Die Kapazität des Produktionssystems nimmt damit, aufgrund zunehmender Zahl an Umrüstvorgängen, tendenziell ab. (Siehe zu den Wirkungen einer Entkoppelung von Transformationsprozessen Abschnitt 5.1.7.) Die architektonische Veränderung starrer Systeme zur Steigerung der Systemflexibilität stößt auch an ein grundsätzliches technisches Limit. Zwar können starre Koppelungen größtenteils aufgelöst werden, die Flexibilität der einzelnen Transformationsprozesse bleibt, da sie ursprünglich auf spezifische, klar dimensional und variational definierte Aufgabenstellungen ausgelegt waren, gering. Flexible Systeme in starre Prozesstechnologiekoppelungen zu integrieren erscheint auch als nicht zielführend. Grund dafür ist die mangelnde Ausschöpfbarkeit von Flexibilitätspotenzialen in Kombination mit starr gekoppelten Systemen.1007 Die Möglichkeit der Wandlung eines integrierten zu einem flexiblen Fertigungssystem ist damit grundsätzlich anzuzweifeln.1008 6.3.2.6.2 Entwicklungspfade flexibler Transformationssysteme Die Forcierung einer Differenzierungsstrategie ist an die Nutzung flexibler Fertigungssysteme gebunden. Flexibel sind diese Fertigungssysteme in ihren Relationen zwischen einzelnen Transformationsprozessen aber auch in den realisierbaren Input-Output-Relationen ihrer Elemente (siehe Abschnitt 5.1.4). 6.3.2.6.2.1 Prozesstechnologische Entwicklungen unter Beibehaltung einer Differenzierungsstrategie Wird von der Unternehmung als Wettbewerbsstrategie auch weiterhin eine Differenzierungsstrategie verfolgt, so können sich die mit Entwicklungsoptionen verfolgten Zielsetzungen auf alle order-winning-Kriterien (Preis, Produktqualität i. w. S.) und -zuverlässigkeit, Liefergeschwindigkeit und -zuverlässigkeit sowie Lieferkapazität) beziehen. Restriktionen der Systementwicklung ergeben sich aus dem Integrationspotenzial des bestehenden Systems. 6.3.2.6.2.2 Prozesstechnologische Entwicklungen beim Wechsel zu einer Kostenführerstrategie Bei einer Veränderung der Wettbewerbsstrategie in Richtung Simultanität gewinnen Kosten(Preis)ziele an relativer Bedeutung gegenüber anderen order-winning/qualifying-Kriterien. Verbunden ist damit auch die Forderung nach verstärkter quantitativer Flexibilität des Fertigungssystems. Erfüllt sollen diese beiden verschärften Kriterien unter Beibehaltung der Flexibilitätspotenziale des bestehenden Prozesstechnologiesystems werden. Ein Ansatz, diese kontroversen Zielsetzungen simultan zu realisieren, ist die (verstärkte) Nutzung von CNC-(bzw. DCNC-)Fertigungssystemen. Kennzeichnend für solche Fertigungs1007 1008
Vgl. Dean, J. W., Snell, S. A., Manufacturing, 1996, S. 462 Bennigson weist darauf hin, dass veränderte Wettbewerbsstrategien (solche stellen radikale Anforderungen an das Prozesstechnologiesystem) radikale und keine inkrementalen Anpassungen von Produktionssystemen erfordern. Vgl. Bennigson, L. A., Manufacturing, 1996, S. 92ff.
266
systeme ist die möglichst weitgehende programmgesteuerte Produkterstellung. Nicht die Fertigungstechnologie, sondern die regelungstechnischen Systeme sind gegenüber dem betrachteten Ausgangssystem weiterentwickelt. Voraussetzung, dass solche Fertigungssysteme effizient genutzt werden können, ist die Integration in ein Produktionssystem, dass in seiner Gesamtheit EDV-gestützt betrieben wird. In ihrer umfassendsten Ausprägung sind das voll integrierte CIM-Systeme. Die Umsetzung einer Insellösung ist nicht zielführend, da die erforderliche IT-Infrastruktur zum Betrieb kostenintensiv ist und adäquat ausgebildete Personalressourcen benötigt. Eine Integration von CNC-Anlagen ohne diese Infrastruktur ist zwar möglich, scheitert aber oft daran, dass eine adäquate Nutzung nicht gegeben ist. Neben der regelungstechnischen Integration ist weiters eine adäquate unternehmensinterne logistische Unterstützung zur effizienten Systemnutzung unumgänglich. Grundsätzlich ist die Transformation eines flexiblen in ein starres Fertigungssystem technisch vorstellbar. Der ökonomische Aufwand zur vollständigen logistischen und informationstechnischen Integration muss jedoch als so starke Restriktion gesehen werden, dass die starre Verkettung einzelner Transformationsstufen praktisch keine Relevanz aufweist. Grund dafür ist, dass weder prozesstechnische noch informationstechnische Ausstattungen flexibler Transformationssysteme für eine Integration in einem starrem System konzeptionell geeignet sind (Vergleiche dazu die fundamental unterschiedlichen Ressourcenausstattungen starrer und flexibler Systeme in Abschnitt 5.1.2). Weiters ist anzumerken, dass flexible Transformationsstufen, die auf die Erstellung unterschiedlicher Produkte konzipiert sind, in Relation zu produktspezifisch spezialisierten Systemen wesentlich höhere Anlagekosten aufweisen. Diese Kostenart kann nicht reduziert werden. Eine permanente starre Koppelung erscheint aus diesem Grund unsinnig. 6.3.2.6.3 Die Produktkonzeption hybrider Systeme in Abhängigkeit vom Ausgangssystem Es mag der Eindruck entstehen, dass beim Wechsel von einer Preis-Mengen- oder Differenzierungsstrategie hin zu einer hybriden Wettbewerbsstrategie beide Entwicklungen zu identen Positionen führen. Dem ist jedoch nicht so. Grundsätzliche Unterschiede ergeben sich in der konzeptionellen Gestaltung der erstellten Produkte im angestrebten „hybriden“ Fertigungssystem in Abhängigkeit davon, ob sich das Fertigungssystem aus einem starren oder flexiblen Fertigungssystem heraus entwickelt hat. Ist das Ursprungssystem ein starres, so werden Produktvarianten vor allem durch Veränderung einzelner Produktmodule, die über definierte Schnittstellen zu einem Gesamtprodukt integriert werden, gebildet. Verschiedene Produktvarianten, selten aber unterschiedliche Produkte, werden im Sinne eines Baukastensystems konzipiert. Auch bei hybriden Fertigungssystemen, die aus flexiblen Fertigungssystemen hervorgingen, ist dieses Konzept realisierbar. Darüber hinaus können aber auch Produktvarianten erstellt werden, die sich in ihrer Konzeption voneinander völlig unterscheiden und nicht durch auswechselbare Module aufgebaut werden können. Auch können in so entstandenen Fertigungssystemen verschiedenartige Produkte erstellt werden. 267
6.3.3
Das operativ genutzte prozesstechnologische Wissen als präjudizierender Faktor der Systementwicklung
Zur Integration neuer oder weiterentwickelter Prozesstechnologien sowie zur effizienten Systemnutzung ist adäquates prozesstechnologisches und potenzialerschließendes Wissen auf operativer Ebene unabdingbar.1009 Unabhängig davon, welche prozesstechnologische Entwicklungsoptionen in Unternehmungen realisiert werden sollen, ist die Qualifikation der Mitarbeiter und deren Verhalten bei der Umsetzung auf Ebene der operativen Nutzung von Prozesstechnologiesystemen von entscheidender Bedeutung.1010 Umsetzungsprobleme ergeben sich hierbei primär aus Qualifikationsdefiziten. Von weitaus geringerer Bedeutung sind Widerstände gegen Veränderungen durch Mitarbeiter oder Gewerkschaften.1011 Auch auf dieser Ebene gilt, dass mit Ansteigen des kumulierten prozesstechnologischen und potenzialerschließenden Wissens die Fähigkeit zunimmt, neues Wissen über bisher bereits genutzte Technologien zu integrieren.1012 Das bisher kumulierte Wissen ist präjudizierend fördernd für prozesstechnologische Entwicklungen entlang bekannter Technologietrajektorien. Mit Zunahme der verfügbaren prozesstechnologischen Wissenselemente, Muster und Methoden zur Problemlösung sowie verfügbaren Lernstrategien kann aber auch ein sprunghafter Wechsel zu einer anderen Technologie effizienter (rascher und kostengünstiger) durchgeführt werden als ohne diese.1013 Entsprechend können bei geringem akkumuliertem Wissen Weiterentwicklung oder Wechsel von Prozesstechnologien nur unter erheblich größeren Aufwand realisiert werden. Es ist daher davon auszugehen, dass Mitarbeiter mit niedrigerem akkumuliertem Wissen bei prozesstechnologischen Weiterentwicklungen bzw. Technologiewechsel in höherem Maße substituiert werden, als dies bei Mitarbeitern mit hohem akkumuliertem Wissen der Fall ist. Wissen zur problemadäquaten Nutzung von Prozesstechnologien wird auf operativer Ebene vor allem durch die Anwendung von Prozesstechnologien (learning-by-doing) aufgrund entsprechender Problemstellungen, die der Mitarbeiter zu bewältigen hat, aufgebaut. Zusätzliches Wissen wird durch Schulungen vermittelt. Es umfasst Wissen über zu erfassende Produkt- und Prozessdaten, deren Auswertung und Interpretation sowie über technische Lösungsoptionen, Abweichungen von vorgegebenen Sachzielen zu beheben. Dieses Wissen ist produkt-, prozesstechnologie- und betriebsmittelspezifisch. 1009 1010
1011
1012
1013
Vgl. Schröder, H.-H., Innovationsplanung, 1999, S. 1032; Patel, P., Pavitt, K., Measurement, 1995, S. 19 Vgl. Kaluza, B., Produktdifferenzierungsstrategie, 1996, S. 213ff.; Lowe, P., Technology, 1995, S. 155ff.; Siehe dazu auch die kulturellen Probleme des Wissenmanagements. Vgl. Schneider, U., Wissensmanagement, 2001, S. 33ff. Vgl. Patel, P., Pavitt, K., Measurement, 1995, S. 27; Northcott, J., Knetsch, W., Lestapis, B., Microelectronics, 1985; Komplementarität zwischen den Zielen der betroffenen Mitarbeiter und der Unternehmung ist hierbei Voraussetzung. Vgl. Hentze, J., Kammel, A., Personalwirtschaftslehre, 2001, S. 481ff. Unterstützt kann Komplementarität aber nur durch eine adäquate Informationspolitik werden. Vgl. Itami, H., Numagami, T., Interaction, 1992, S. 123f.; Sonntag, V., Manufacturing, 2003, S. 316; Zander, U., Kogut, B., Knowledge, 1995, S. 79f.; Guimaraes, T., Igbaria, M., Client/Server, 1997, S. 858; Meyers, P. W., Sivakumar, K., Nakata, C., Implementation, 1999, S. 297ff. Vgl. Zander, U., Kogut, B., Knowledge, 1995, S. 78
268
Prozesstechnologiespezifisches Wissen beinhaltet hierbei Zweck-Mittel-Wissen zur Erstellung definierter Produkte durch ein Transformationssystem auf einem bestimmten Leistungsniveau innerhalb eines bestimmten Prozesstechnologiesystems und mit einem spezifischen Interface zwischen Mensch und Betriebsmittel.1014 Es besteht zwar ein grundsätzliches prozesstechnologisches Wissen der Mitarbeiter, dieses ist jedoch auf spezifische ProduktProzess-Kombinationen eines definierten Betriebsmittels konzentriert. Bei verschiedenen Betriebsmitteln (mit gleicher prozesstechnologischer Basis) kann die Schnittstelle zwischen Mensch und Betriebsmittel unterschiedlich konzipiert sein. Betriebsmittelspezifisches Wissen ergibt sich dann aus der Nutzung eines spezifischen Interfaces. Die Qualität des MenschMaschine-Interfaces und der Schulung des Users sind von zentraler Bedeutung für die Effizienz der Systemnutzung.1015 Bei kompetenzsteigernder Weiterentwicklung von Prozess- bzw. Regelungstechnologien ist die Fähigkeit der Mitarbeiter, aufbauend auf bestehendem Wissen, neue prozess- bzw. regelungstechnologische Zusammenhänge zu erfassen und in konkrete Problemlösungen umzusetzen, erforderlich. Prozess- und regelungstechnologische Entwicklungen verändern weiters oft die Art des Mensch-Maschine-Interfaces. Weiters sind daher veränderte „Kommunikationsstrukturen“ mit prozesstechnischen Systemen zu erlernen. Im Gegensatz zu kompetenzsteigernden kann bei kompetenzzerstörenden Entwicklungsoptionen nicht auf bestehendes prozesstechnologisches Wissen zurückgegriffen werden. Es muss prozesstechnologisches und potenzialerschließendes Wissen neu aufgebaut werden und entsprechend obsolet gewordenes Technologiewissen „verlernt“ werden.1016 Trotzdem lässt sich feststellen, dass bei umfangreichem Bestand an prozesstechnologischen und potenzialerschließenden Wissen neues Wissen rascher aufgebaut wird als bei geringem Wissen. Damit kann bestehendes Wissen, auch wenn es obsolet geworden ist, als wertvolle Ressource bezeichnet werden.1017 Und zwar in dem Sinn, als es den Wechsel zu neuen Prozesstechnologien grundsätzlich unterstützt. Zurückzuführen ist diese Wirkung obsoleten Wissens darauf, dass über Analogiebildung rascher die Wirkungsweise und mögliche Potenziale neuer Technologien erfasst werden können. Weiters sind zum Aufbau prozesstechnologischem und potenzialerschließendem Wissen Lernstrategien notwendig, die bei fundiertem (aber obsoletem) Wissen in der Vergangenheit ausgebildet wurden und nun wieder genutzt werden können. Diese Strategien können bei learning before und by doing effizienzsteigernd genutzt werden.1018 Zahn weist darauf hin, dass bei radikalen Wechseln der Kernkompetenzen (analog auch bei prozesstechnologischen Wechsel) Werte, Überzeugungen und mentale Modelle (eingetretene 1014 1015 1016
1017 1018
Über dieses Interface „kommunizieren“ Mensch und Maschine wechselseitig. Vgl. Guimaraes, T. u. a., Complexity, 1999, S. 1259ff. Vgl. Tripsas, M., Surviving, 1997, S. 341ff.; Bleicher, K., Technologiemanagement, 1995, S. 580; Teece, D. J., Pisano, G., Shuen, A., Capabilities, 1997, S. 515ff. In einer empirischen Studie stellte Jones fest, dass nur 3 % der befragten Unternehmungen beim Wechsel von Technologien oder Märkten nicht vor dem Problem obsoleten Wissens standen. Vgl. Jones, R., Hire, 1984 Vgl. Cohen, W. M., Levinthal, D. A., Capacity, 1990, S. 129ff. Vgl. Pisano, G. P., Learning-before-doing, 1996, S. 1097ff.
269
Denkpfade) überwunden werden müssen.1019 Kompetenzzerstörende (aber auch kompetenzsteigernde) Entwicklungsoptionen erfordern damit von den Mitarbeitern die Fähigkeit und das adäquate Verhalten, neues Wissen aufzubauen und obsoletes Wissen zu „verlernen“ bzw. als Basis zu nutzen, um neues aufzubauen.1020 Können die veränderten Anforderungen neuer Technologien nicht unternehmensintern in adäquater Zeit bereitgestellt werden, so ist ein (teilweiser) Austausch der Mitarbeiter unumgänglich. Das kann temporär zu einer strategisch geplanten Reduktion der Belegschaft führen. Besonders bei kompetenzzerstörenden oder sprunghaften kompetenzsteigernden Technologieentwicklungen können Unternehmungen die geänderten Anforderungen intern oft nicht abdecken. Gerade in diesen Fällen müssen neue Mitarbeiter akquiriert werden. Erhöht wird der Druck zum Austausch von Mitarbeitern weiters, wenn der Technologiewechsel unter Zeitdruck steht. Gerade in dynamischen Umgebungen ist das regelmäßig der Fall. Wird der Wechsel nicht oder inadäquat (unter hohem Zeitaufwand und mit ungeeigneten Mitarbeitern) durchgeführt, sind Effizienznachteile die Konsequenz.1021 Grundsätzlich ist jede Option zur Entwicklung prozesstechnischer Systeme an die simultane Entwicklung eines adäquaten prozesstechnologischen Wissens der Mitarbeiter gebunden. In der Anlaufphase und in weiterer Folge im Normalbetrieb lernen Mitarbeiter am Verhalten des Betriebssystems und können auf Basis des so akkumulierten prozesstechnologischen Wissens Leistungsmerkmale der genutzten Prozesstechniken im zunehmenden Ausmaß ausschöpfen - „Learning-by-doing.1022 Die Entwicklung erforderlichen Wissens kann aber zumeist schon vor Integration einer neuen Prozesstechnik erfolgen.1023 Resultat eines solchen „Learning-before-doing” ist eine Verkürzung der relativ ineffizienten Anlaufphase. Weiters ist zu erwarten, dass bereits in frühen Nutzungsphasen Leistungsmerkmale in höherem Maße ausgeschöpft werden können, als dies ohne vorbereitende Maßnahmen möglich ist. Die ökonomischen Nachteile der Anlaufphase können durch Learning-before-doing damit erheblich reduziert werden (siehe Abbildung 25).1024 Voraussetzung für ein „Learning-before-doing” sind bereits realisierte Prozesstechniken, an denen der Mitarbeiter eingeschult werden kann. Außerdem können Simulationsprogramme oder andere Möglichkeiten, die ein adäquates Prozessverständnis aufbauen, zur vorauseilenden Schulung eingesetzt werden.1025 Bei Prozesstechniken, die unter-
1019 1020
1021 1022 1023 1024 1025
Vgl. Zahn, E., Strategiekompetenz, 1999, S. 5f: Shepherd, McDermott und Stock zeigen in diesem Zusammenhang, dass mit zunehmendem Neuigkeitsgrad von Prozesstechnologien deren erwarter Nutzen abnimmt. Dies, weil mit zunehmendem Neugikeitsgrad die Probleme der Integration massiv ansteigen. Vgl. Shepherd, D. A., McDermott, C., Stock, G., Manufacturing, 2000, S. 21ff. Vgl. Edwards, J. C., Discontinuities, 2000, S. 295ff. Vgl. Hatch, N. W., Mowery, D. C., Learning, S. 1461f.; Adler, P., Clark, K., Learning, 1991, S. 275f. Vgl. Pisano, G. P., Learning-before-doing, 1996, S. 1101ff. Vgl. Pisano, G. P., Factory, 1997, S. 36ff. Die Entscheidung zwischen learning-by-doing und learning-before-doing wird primär von der Verfügbarkeit geeigneter „Experimentiermöglichkeiten” determiniert. Dafür ist Grundvoraussetzung, dass unternehmensspezifische Einflussgrößen auf den Prozessbetrieb realitätskonform dargestellt werden können. Vor allem
270
nehmensspezifisch konzipiert und erstellt werden, sind diese Möglichkeiten oft nicht vorhanden. Hier kann es sinnvoll sein, den mit der künftigen Nutzung betrauten Mitarbeiter in der Phase der konzeptionellen Gestaltung von Prozesstechniken zu integrieren, um damit die prozesstechnologischen Zusammenhänge frühzeitig zu kommunizieren. Bei der Integration der entwickelten Technik kann dann bereits auf ein fundiertes theoretisches prozesstechnologisches Wissen zurückgegriffen werden.
Leistungspotenziale Durchschnittskosten
Ausschöpfung prozesstechnologischer Leistungspotenziale
Leistungsgrenze des prozesstechnologischen Systems
ohne vorbereitendes learning-before-doing
mit vorbereitenden learning-before-doing
Durchschnittskosten
erstellter Output (kumuliert)
Abbildung 25: Wirkung von learning-before-doing auf die Ausschöpfung verfügbarer Leistungspotenziale prozesstechnologischer Systeme und Durchschnittskosten erstellter Produkte
bei jungen Technologien ist das als zentrales Problem zu sehen. Vgl. Pisano, G. P., Learning-before-doing, 1996, S. 1102ff. und 1117
271
6.3.4
Der Mensch mit seinen individuellen Zielen als Einflussfaktor auf die Systementwicklung
Neben sachlichen Gründen ist auch der Wille (und damit das Verhalten) betroffener - unternehmensinterner wie externer - Personen eine bestimmende Größe für die realisierbaren Entwicklungspfade und –geschwindigkeiten.1026 Die Veränderungen prozesstechnologischer Systeme sind in Abhängigkeit von Neuigkeitsgrad und Komplexität stets mit Unsicherheit verbunden. Das führt zwangsläufig zu Konfliktpotenzialen.1027 So werden Entwicklungsoptionen von Mitarbeitern eher akzeptiert, die geringen Neuigkeitsgrad aufweisen und den Status quo ihrer Arbeitsaufgaben nur geringfügig verändern. Entsprechend werden Prozesstechnologiewechsel mit umfassenderen Veränderungen verbunden sein, die auch u. U. umfangreiche Anpassungen der Organisationsstruktur erfordern.1028 Wird vermutet, dass Arbeitsprozesse, -bereiche oder gar Verantwortungsbereiche („Königreiche und Herzogtümer“) verändert werden, so ist mit Gegenwehr betroffener Mitarbeiter zu rechnen. Mitarbeiter reagieren, auf Basis erwarteter individueller Konsequenzen, auf Basis ihrer individuellen Zielsysteme, die zumeist nicht deckungsgleich mit denen der Unternehmungen sind. Mit kontraproduktiven Aktivitäten betroffener Mitarbeiter, die darauf abzielen, Veränderungen zu verhindern oder zumindest zu verwässern, ist zu rechnen. Oft stehen diesen Mitarbeitern andere gegenüber, deren Position durch solche Entwicklungsoptionen gestärkt wird. Die systempräjudizierende Größe der prozesstechnologischen Unternehmensentwicklung ist hier der Mensch mit seinen individuellen Zielsetzungen und seinem Potenzial, diese durchzusetzen. 6.3.5
Prozesstechnologisches Wissen in seiner Bedeutung für die Entwicklung von Prozesstechnologiesystemen bei Veränderung der Wettbewerbsstrategie
Sind Veränderungen der Wettbewerbsstrategie von Unternehmungen mit Anpassungen im prozesstechnischen System verbunden, so ist entsprechend auch eine Anpassung des prozesstechnologischen und des potenzialerschließenden Wissens der Mitarbeiter erforderlich. Hohes kumuliertes Wissen unterstützt hierbei den Integrationsprozess.1029 Umfang und Verteilung prozesstechnologischen Wissens ist bei flexiblen und starren Fertigungssystemen grundsätzlich verschieden (siehe Abschnitt 5.1.2). Daraus ergeben sich unterschiedliche Anforderungen und Limitierungen in Abhängigkeit davon, ob eine Veränderung von einer PreisMengen- zu einer Differenzierungsstrategie oder umgekehrt realisiert werden soll. Bei flexiblen Fertigungssystemen ist das prozesstechnologische Wissen in hohem Umfang bei den Mitarbeitern an den einzelnen Transformationsprozessen konzentriert. Benötigt 1026 1027 1028 1029
Vgl. Jambekar, A. B., Nelson, P. A., Barriers, 1996, S. 29.6f. Vgl. Thom, N., Innovationsmanagement, 1980, S. 23ff. Vgl. Hauschildt, J., Schlaak, T. M., Innovationsgrades, 2001, S.; Tehrani, M., Montanari, J. R., Carson, K. P., Technology, 1990, S. 181ff. Vgl. Veugelers, R., Cassiman, B., Make, 1999, S. 64; Cohen, W. M., Levinthal, D. A., Capacity, 1990, S. 129ff.; Beneito, P., Technological, 2003, S. 697; Arvanitis, S., Hollenstein, H., Determinants, 2001, S. 395f.
272
wird dieses zur Anpassung der Transformationsprozesse an unterschiedlichste Produkterfordernisse. Inhaltlich ergeben sich hier Wissenszuwächse durch „learning-by-doing“ über das Betriebsverhalten des Transformationsprozesses. Zusätzlich werden aber auch Lösungsstrategien zur Erstellung unterschiedlicher Produkte entwickelt. Eine prozesstechnologische Entwicklung zur Unterstützung hybrider Wettbewerbsstrategien wird auf Basis dieses Wissens der Mitarbeiter prinzipiell unterstützt. Auch bei Produktionssystemen zur Verfolgung hybrider Strategien ist Wissen über die Erstellung unterschiedlicher Produkte notwendig. Da bei hybriden Strategien verstärkt EDV-gestützte Transformationsprozesse zum Einsatz kommen, ist jedoch neben prozesstechnologischem auch Wissen zur EDV-Programmerstellung erforderlich. Daher erfolgt zumeist eine Trennung zwischen Programmieraufgaben mit hohem Bedarf an prozesstechnologischem Wissen und Überwachungsaufgaben an den Transformationsprozessen. Die Entwicklung der Mitarbeiter kann entweder in Richtung reiner Programmierarbeiten oder in Richtung reduzierter Aufgabenumfänge an Transformationsprozessen gehen. Investitionen, die in der Vergangenheit zum Aufbau prozesstechnologischen Wissens getätigt wurden, können damit aber jedenfalls ihr Potenzial zur Weiterentwicklung des Systems entfalten. Neben prozesstechnologischem muss in flexiblen Fertigungssystemen weiters potenzialerschließendes Wissen zur Lösung produktspezifischer Probleme der Produktionsüberleitung aufgebaut werden. Auch dieses unterstützt eine Entwicklung in Richtung hybrider Strategien. Bei starren Systemen ist hingegen das prozesstechnologische Wissen zumeist bei einer i. A. geringen Anzahl an Mitarbeitern, die das Transformationssystem regeln, konzentriert. Hier wird das prozesstechnologische Wissen vor allem dazu benötigt, Abweichungen von vorgegebenen Transformationsabläufen zu korrigieren. Wissenszuwächse aus der Anpassung an veränderte Produkterfordernisse sind untergeordneter Relevanz. Mit einem Übergang zu hybriden Strukturen wird es erforderlich, dass eine breitere Basis an Mitarbeitern über prozesstechnologisches Wissen verfügt. Aufgrund des relativ (zu flexiblen Systemen) geringen akkumulierten prozesstechnologischen Problemlösungswissens und dessen Konzentration auf relativ wenige Mitarbeiter ist zu erwarten, dass beim Übergang zu hybriden Strukturen vorhandene Wissensdefizite als Hemmnisse wirken. Daraus resultiert, dass bei einem Wechsel zu hybriden Strukturen ein relativ hoher prozesstechnologischer Schulungsaufwand auftritt bzw. Produktionsmitarbeiter in größerer Zahl durch fachlich qualifiziertes Personal ersetzt werden muss.1030 Es bestehen aber auch Defizite in der Ausstattung mit potenzialerschließendem Wissen. Da Mitarbeiter starrer Systeme zumeist kein Wissen zur Produktionsüberleitung von Produkten und anderen Projekten aufweisen, muss auch dieses Wissen aufgebaut werden.1031 Bei einer generell niedrigen prozesstechnologischen bzw. potenzialerschießenden Ressourcenbasis ergeben sich erhebliche Probleme, diese so anzuheben, dass hybride u. U. EDVgestützte Fertigungssysteme betrieben werden können. 1030 1031
Vgl. Snell, S. A. u. a., Selection, 2000, S. 447ff. Vgl. Grant, R. M. u. a., Appropriate, 1991, S. 50
273
7
Zusammenfassung und Ausblick
Produzierende Unternehmungen sind Systeme mit der Zwecksetzung der Erstellung und Verwertung von Gütern zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse. Voraussetzung für die langfristige Existenzsicherung von Unternehmungen ist die anhaltende Erfüllung exogener Anforderungen. Von zentraler Bedeutung sind hier vor allem relative Wettbewerbsvorteile gegenüber Konkurrenten, als Basis ökonomischer Erfolge. Wettbewerbsvorteile werden errungen, wenn es Unternehmungen gelingt - relativ zu ihren Konkurrenten - Bedürfnisse in höherem Maße zu realisieren. Aufgabe der Strategieentwicklung ist es, durch Allokation unternehmerischer Ressourcen Voraussetzungen zur Erfüllung exogener Vorgaben zu schaffen. Der Ressourcenansatz stellt einen Kausalzusammenhang zwischen Ressourcen, über die die Unternehmung verfügen kann, und daraus generierbare Wettbewerbsvorteile her. Die Ressourcen müssen jedoch, um Beiträge zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen zu liefern, knapp, wertvoll und durch Wettbewerber nicht imitier- bzw. substituierbar sein. Diese Eigenschaften können durch unternehmerische Prozesstechnologiesysteme erfüllt werden. Unabdingbare Grundlage zur Erfüllung des Zwecks produzierender Unternehmungen sind Produkt- und Prozesstechnologien. Aus dieser Perspektive ist die systematische, strategische Entwicklung prozesstechnologischer Systeme (als zentrales Element der unternehmerischen Produktionsstrategie) gleichrangig mit der Marketing- und F&E-Strategie zu entwickeln. Verschärfte Wettbewerbsbedingungen, zunehmende Forderungen nach sozialer Verantwortung und die Schonung der natürlichen Umwelt erfordern zur Existenzsicherung produzierender Unternehmungen die konsequente strategische Ausrichtung aller Ressourcen an künftigen exogenen Vorgaben. Daraus resultiert die Forderung nach Integration von Unternehmensstrategie, Geschäftsfeldstrategien und aller Funktionalbereichsstrategien Marketing-, F&E- und Produktions(Prozesstechnologie)strategie sind hierbei eng miteinander verbunden. Eine Sichtweise der Marketingstrategie in der Rolle einer Führungsstrategie und der F&E- und Produktions(Prozesstechnologie)strategie als Folgestrategie, denen die Aufgabe zufällt, die Voraussetzungen für eine festgelegte Marketingstrategie zu erfüllen, ist obsolet. Vielmehr determiniert die Prozesstechnologiestrategie die künftig realisierbaren Wettbewerbsstrategien der Unternehmung in hohem Umfang. Marketingstrategie und Produktions(Prozesstechnologie)strategie (und in gleicher Weise die F&E-Strategie) sind damit als ein Metasystem zu betrachten, das erst durch bereichsübergreifende Abstimmung konsequent auf künftige exogene Anforderungen und dabei unternehmensinterne Potenziale abgestimmt werden kann. Der Status quo und die möglichen künftigen Entwicklungen prozesstechnologischer Systeme können hierbei verfolgte Wettbewerbsstrategien fördern (bzw. induzieren) aber auch be- bzw. verhindern. Die Entwicklung unternehmerischer prozesstechnologischer Systeme stellt eine Aufgabe mit hoher Komplexität dar. Eine Vielzahl unternehmensinterner und -externer Einflussgrößen, die in ihrer Entwicklung schwer - oftmals gar nicht - abschätzbar sind, bestimmen die Pla274
nung. Weiters sind rasche Veränderungen prozesstechnologischer Systeme zumeist nicht möglich. Wird erkannt, dass Entwicklungen falsch eingeschätzt wurden, ist (wenn überhaupt) eine Korrektur der Entwicklung oft nur sehr langsam, mit i. A. hohem finanziellem und personellem Aufwand möglich. Prozesstechnologische Fehlentscheidungen führen daher zumindest zu (langfristigen) Wettbewerbsnachteilen und gefährden damit die Unternehmensexistenz. Die Planung der prozesstechnologischen Entwicklung der Unternehmung ist aus diesen Gründen komplex, unsicher und mit hohen strategischen Nachteilen bei Fehlentscheidungen verbunden. Stellt man die Planungsaufgabe zur Systementwicklung der Bedeutung prozesstechnologischer Systeme als Existenzbasis produzierender Unternehmungen gegenüber, erscheint es seltsam, dass diese Fragestellung in der wissenschaftlichen Literatur kaum Niederschlag findet. Eine Intensivierung der Forschungsaktivitäten zur Integration der Kernfunktionalitäten Marketing, Produktion und F&E auf strategischer Ebene sollte aus diesem Grund forciert werden. Unterstrichen wird die Dringlichkeit dieser Integration durch die Öffnung von Märkten als Folge des Zusammenbruchs des eisernen Vorhanges und der EU-Osterweiterung. Der damit einhergehenden Abwanderung produzierender Unternehmungen muss auf politischer Ebene aber auch durch konsistente strategische Ausrichtung aller Unternehmensressourcen entgegengewirkt werden. Die vorliegende Arbeit soll dazu einen Beitrag leisten.
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8
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