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German Pages 136 [141] Year 2010
MedR
Schriftenreihe Medizinrecht
Herausgegeben von Professor Dr. Andreas Spickhoff, Regensburg
Arbeitsgemeinschaft Rechtsanwälte im Medizinrecht e.V. Herausgeber
Delegation und Substitution – wenn der Pfleger den Doktor ersetzt… Mit Beiträgen von K.-O. Bergmann, H. Bonvie, A. Bronner, H. Francois-Kettner, R. Klakow-Franck, D. Möhler, P. Schabram, K. Stöhr, H. van Aken
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Herausgeber Arbeitsgemeinschaft Rechtsanwälte im Medizinrecht e.V. Posener Straße 1 71065 Sindelfingen Deutschland [email protected] Schriftleitung Dr. Alexandra Jorzig Westenhellweg 40-46 44137 Dortmund Deutschland Dr. Roland Uphoff Heinrich-von-Kleist-Straße 4 53113 Bonn Deutschland
ISSN 1431-1151 ISBN 978-3-642-15441-6 e-ISBN 978-3-642-15442-3 DOI 10.1007/978-3-642-15442-3 Springer Heidelberg Dordrecht London New York Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandentwurf: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com)
Vorwort
Beim XXII. Kölner Symposium ist intensiv über die Delegation und Substitution ärztlicher Leistungen unter dem Titel „Muss es immer der Arzt sein?“ referiert und diskutiert worden. Das Thema hat medizinische, medizinrechtliche und rechtspolitische Relevanz. Es geht um die Kernfrage, was ist aus ärztlicher Sicht delegierbar und welche Tätigkeiten sind originäre ärztliche Leistungen, die nur vom Arzt erbracht werden können und dürfen? Es zeigt sich, dass in der klinischen Praxis notwendigerweise ärztliche Leistungen delegiert werden und auch delegiert werden müssen, um ein Funktionieren speziell im Krankenhausbetrieb überhaupt noch gewährleisten zu können. Delegation und zum Teil Substitution der ärztlichen Leistung sind speziell im Bereich der Pflege üblich, etabliert und sinnvoll. Dennoch wird offensichtlich, dass eben auch berufspolitische und ökonomische Gesichtspunkte relevant sind, in welchem Umfang ärztliche Leistungen in erlaubter Weise delegiert werden können. Die Einbeziehung nichtärztlicher Heilberufe speziell im Bereich der Pflege und ggf. auch Intensivbehandlung lässt offensichtlich werden, dass nach wie vor klare, eindeutige und verbindliche Vorgaben, die auch der haftungsrechtlichen Relevanz der Delegation und Substitution gerecht werden, fehlen. Im Mittelpunkt der haftungsrechtlichen, rechtspolitischen und ökonomischen Diskussion um die Delegation und Substitution ärztlicher Leistungen muss in jedem Fall das Wohl des Patienten und damit die Patientensicherheit sein und bleiben. Die Referate und Diskussionsbeiträge zum XXII. Kölner Symposium geben den aktuellen Diskussionsstand zur Delegation ärztlicher Leistungen aus rechtlicher und medizinischer Sicht wieder. Die Diskussion ist noch nicht abgeschlossen; die Diskussion wird aus medizinischer und medizinrechtlicher Sicht auch in Zukunft fortgeführt werden müssen. Ein Dank gilt der Ecclesia Versicherungsdienst GmbH, die das Zustandekommen des Symposiums mit ermöglicht hat. Ein besonderer Dank gilt der Leiterin der Geschäftsstelle der Arbeitsgemeinschaft, Frau Martina Pietsch, die mit großem Engagement bei der Erstellung dieses Tagungsbandes mitgewirkt hat.
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Vorwort
Schließlich danken wir auch dem juristischen Lektorat des SpringerVerlages unter der Leitung von Frau Dr. Brigitte Reschke sowie Frau Ulla Scholl-Kimling. Sindelfingen, im Juli 2010
Dr. Alexandra Jorzig Dr. Roland Uphoff
Inhaltsverzeichnis
Peter Schabram Delegation und Substitution: Vertragsärztliche Sicht..................................1 Horst Bonvie Delegation und Substitution: Berufsrechtliche Sicht ................................17 Karl-Otto Bergmann Delegation und Substitution ärztlicher Leistungen Eine Bestandsaufnahme aus haftungsrechtlicher Sicht..............................25 1. Diskussion..............................................................................................47 Regina Klakow-Franck Delegation und Substitution: Entlastung oder Bedrohung für den Ärztestand?....................................................................................53 Andrea Bronner Delegation und Substitution: Chancen und Risiken für Krankenhausträger .....................................................................................61 2. Diskussion..............................................................................................67 Hugo van Aken Ärztliche Kernkompetenz und Delegation in der Intensivmedizin............75 Hugo van Aken Ärztliche Kernkompetenz und Delegation in der Anästhesie....................81 Hedwig Francois-Kettner Delegation und Substitution: Geht es auch ohne Ärzte? ...........................87 3. Diskussion..............................................................................................91
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Inhaltsverzeichnis
Dieter Möhler Delegation und Substitution: Praktisches Beispiel aus der Sicht des Patienten ..............................................................................................99 Karlheinz Stöhr Delegation und Substitution: Haftet der Arzt für alles und jeden? ..........105 4. Diskussion............................................................................................113 Teilnehmer...............................................................................................119
Autorenverzeichnis
Bergmann, Prof. Dr. Karl-Otto Rechtsanwalt und Notar Schützenstr. 10, 59071 Hamm Bonvie, Dr. Horst Rechtsanwalt Heinrich-Hertz-Str. 125, 22083 Hamburg Bronner, Dr. med. Andrea Leiterin Referat „Strategische Unternehmensentwicklung“ in der Geschäftsführung der Gesellschaften der Alexianerbrüder mbH Gr. Hamburger Str. 5 – 11, 10115 Berlin Francois-Kettner, Hedwig Charité Berlin Charitéplatz 1, 10117 Berlin Klakow-Franck, Dr.med. Regina Bundesärztekammer Leiterin Dezernat 3 – Qualitätssicherung Leiterin Dezernat 4 – Gebührenordnung Stellv. Hauptgeschäftsführerin Herbert-Lewin-Platz 1, 10623 Berlin Möhler, Dieter Rechtsanwalt Vorsitzender des Dt. Diabetiker Bundes Am Kirchbrunnen 25, 98617 Meiningen Schabram, Peter Rechtsanwalt Heinrich-v. Stephan-Str. 25 79100 Freiburg
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Autorenverzeichnis
Stöhr, Karlheinz Richter des VI. Zivilsenats BGH Herrenstr. 45a, 76133 Karlsruhe van Aken, Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. H. Präsident der deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin des UKM Albert-Schweitzer-Str. 33, 48149 Münster
Moderation
Eisenmenger, Prof. Dr. Wolfgang em. Direktor des Institut für Rechtsmedizin d. Universität München Nußbaumstr. 26, 80336 München
Delegation und Substitution: Vertragsärztliche Sicht
Peter Schabram
1. Einleitung und Begriffsbestimmung Die gesellschaftspolitische Diskussion um „Delegation und Substitution ärztlicher Leistungen – wenn der Pfleger den Doktor ersetzt.“ wird zunehmend auch als rechtspolitischer Diskurs geführt, wobei der ambulanten Versorgung gesetzlich Krankenversicherter eine initiale Rolle zukommt. Die vertragsarztrechtliche Sicht eignet sich daher in besonderer Weise, die Problematik in ihren tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen zu entwickeln. Dabei hat am Anfang eine Klärung der zentralen Begriffe zu stehen, wie sie im Ringen der Protagonisten um die Deutungshoheit Verwendung finden. So definiert Roters als Leiter der Rechtsabteilung des Gemeinsamen Bundesausschusses auf dem Symposium der Deutschen Gesellschaft für Kassenarztrecht am 12.03.2009 in Berlin: Assistenz Hilfeleistung in Verantwortung des anordnenden Arztes Delegation Übertragung der Durchführungskompetenz zur Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten in eigener Verantwortung (über das „Wie“) Substitution Übertragung der Entscheidungskompetenz (über das „Ob“). Damit orientiert sich Roters an einer hergebrachten Begrifflichkeit, wie sie etwa im Begriff des „Weiterbildungsassistenten“ ihren Ausdruck findet, der seine heilkundliche Tätigkeit unter Aufsicht und Weisung des Weiterbildungsberechtigten durchführt. Auch die „Assistenz“ der Arzthelferin er-
A. Jorzig, R. Uphoff (Hrsg.), Delegation und Substitution – wenn der PÀeger den Doktor ersetzt.., DOI 10.1007/978-3-642-15442-3_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
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folgt in dieser Weise ohne eigenständige Durchführungs- oder gar Entscheidungskompetenz. Eine echte „Delegation“ in diesem Sinne fand sich demgegenüber im Begriff des „Delegationspsychotherapeuten“, dem eine eigenständige Durchführungskompetenz innerhalb des therapeutischen Prozesses zukam, dessen Leistung selbst jedoch nur durch den Arzt hat ausgelöst werden können („Entscheidungskompetenz“).
2. Vertragsarztrechtliche Ausgangslage Ausgangspunkt der vertragsarztrechtlichen Betrachtung ist der Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung des Vertragsarztes, wie er in § 15 Abs. 1 SGB V, § 32 Abs. 1 Ärzte-ZV und § 15 Abs. 1 BMV-Ä definiert ist. Eine solche persönliche Leistungserbringung wird auch angenommen, wenn der Vertragsarzt die Leistung zwar nicht selbst, jedoch durch einen genehmigten Assistenten in seiner Entscheidungs- und Durchführungskompetenz erbringen lässt. Dahingehende Regelungen finden sich für Weiterbildungs- und Entlastungsassistenten in § 32 Abs. 2 Ärzte-ZV und für sog. Jobsharing-Assistenten bzw. angestellte Ärzte in § 32 b Abs. 1 ÄrzteZV. Dabei fingiert § 15 Abs. 1 BMV-Ä nicht allein deren Leistung als „Eigenleistung“ des Praxisinhabers. Vielmehr wird in Umsetzung der neueren berufsrechtlichen Entwicklung der M-BO dies auch dann angenommen, wenn die ärztliche Leistung des angestellten Arztes in der Betriebsstätte oder Nebenbetriebsstätte der Praxis in Abwesenheit des Vertragsarztes erbracht wird, er diesen also faktisch gar nicht überwachen kann. Zudem wird weitergehend noch der Fall erfaßt, daß der angestellte Arzt eine andere Gebietsbezeichnung als der Vertragsarzt führt, weshalb dieser die Leistung nicht einmal selbst „mit erbringen“ kann (a.a.O.). Die Assistenz nichtärztlicher Mitarbeiter bei der Leistungserbringung des Vertragsarztes ist in § 115 Abs. 1 SGB V i.V.m. § 15 Abs. 1 BMV-Ä geregelt. Ohne Entscheidungs- und Durchführungskompetenz dürfen andere Personen Hilfeleistungen nur dann erbringen, wenn sie vom Vertragsarzt angeordnet und von ihm verantwortet werden, was gemäß § 15 Abs. 1 BMV-Ä deren fachliche Überwachung verlangt. Weitergehende Regelungen, die die Erbringung von ärztlich angeordneten Hilfeleistungen durch nichtärztliche Mitarbeiter in der Häuslichkeit des Patienten, in Alten- oder Pflegeheimen oder in anderen beschützten Einrichtungen vorsehen, finden sich in der sog. „Delegationsvereinbarung“, wobei der Begriff nicht darüber hinwegtäuschen sollte, daß dort dem nichtärztlichen Mitarbeiter weder eine Entscheidungskompetenz über das „Ob“ noch eine Durchführungskompetenz hinsichtlich des „Wie“ zugeordnet wird. Auf die Hinter-
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gründe für die terminologische Wahl wird an anderer Stelle gesondert einzugehen sein. Daneben sind dem System der gesetzlichen Krankenversicherung aber auch zahlreiche Fälle autonomer Leistungserbringung von Nichtärzten („Wie“) nach Indikationsstellung durch den Vertragsarzt („Ob“), d.h. Fälle echter Delegation im eingangs genannten Sinne bekannt. Physiotherapeuten, Ergotherapeuten oder etwa Logopäden werden auf Anordnung niedergelassener Vertragsärzte umfassend und selbständig im Bereich von Prävention, kurativer Medizin und Rehabilitation tätig, wobei ihnen eine eigene Durchführungskompetenz zugewiesen ist. Beispielhaft sei auf § 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V, Ziff. 6 Heilmittelrichtlinie i.V.m. § 8 MPhG verwiesen. Danach werden Masseure und Physiotherapeuten entsprechend der Aufgabenstellung des Berufes insbesondere dazu befähigt, durch „Anwendung geeigneter Verfahren in der Physiotherapie in Prävention, kurativer Medizin, Rehabilitation und im Kurwesen Hilfen zur Entwicklung, zum Erhalt oder zur Wiederherstellung aller Funktionen im somatischen und psychischen Bereich zu geben und bei nichtrückführungsfähigen Körperbehinderung Ersatzfunktionen zu schulen“. Schließlich kennt bereits heute das System vertragsärztlicher Versorgung auch autonome Indikationsstellung und Leistungserbringung durch Nichtärzte im Sinne einer echten Substitution (Entscheidungskompetenz über das „Ob“ und Durchführungskompetenz zum „Wie“). Dabei muss nicht allein auf das historisch gewachsene Beispiel der Hebammen verwiesen werden, welche etwa in Baden-Württemberg gemäß § 195 RVO i.V.m. § 1 Abs. 2 HebBO BW die „Durchführung der zur Beobachtung des Verlaufs einer normalen Schwangerschaft notwendigen Untersuchungen“ genauso veranlassen und beherrschen müssen wie die „Überwachung des Fötus in der Gebärmutter mit Hilfe geeigneter klinischer und technischer Mittel“, ehe schließlich ihnen die „Durchführung und Naht eines erforderlichen Dammschnitts und dessen Nähens eines unkomplizierten Dammrisses“ zugewiesen ist. Im Bereich des Rettungswesens hat die Entwicklung vom Krankenwagenfahrer über den Sanitäter und Rettungssanitäter zum Berufsbild des „Rettungsassistenten“ dazu geführt, dass diesen jedenfalls öffentlichrechtlich die Aufgabenstellung zugewiesen ist, „am Notfallort bis zur Übernahme der Behandlung durch den Arzt lebensrettende Maßnahmen bei Notfallpatienten durchzuführen“ und u.a. „lebenswichtige Körperfunktionen während des Transportes … aufrechtzuerhalten“ (§ 3 RettAssG). Auch wenn hiergegen eingewandt werden mag, dass die Aufgabe des Rettungsdienstes gerade nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung im Sinne des SGB V ist, so erfolgt damit zumindest öffentlich-rechtlich die Übertragung der selbständigen Ausübung der Heilkunde auf Nichtärz-
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te, und zwar sowohl im Sinne einer Entscheidungskompetenz über das „Ob“ der Leistung als auch einer Durchführungskompetenz hinsichtlich des „Wie“. So wird nachvollzogen, was etwa im anglo-amerikanischen Raum mit dem Berufsbild des sog. Paramedics seit langem Gang und Gäbe ist.
3. Demographische Entwicklung und gesellschaftliche Ausgangslage Die demographische Entwicklung wird von der Geburtenrate und der Lebenserwartung bestimmt. Markante Kennzahlen stellen dabei die sog. Altenquotienten „65“ und „85“ dar, d.h. der Anteil der über 65jährigen bzw. über 85jährigen im Verhältnis zu 100 Bürgern der Gruppe der 20-65jähren, als der Gruppe der wirtschaftlich Leistungsfähigen. Deren Prognose wird von der erwarteten Entwicklung der Geburtenrate und der erwarteten Entwicklung der Lebenserwartung geprägt, wobei jeweils mehr oder weniger günstige Annahmen möglich sind. Betrug der Altenquotient „65“ im Jahre 2006 noch 32,63 auf 100, so wird er im Jahre 2005 günstigstenfalls 57,97, ggfs. aber auch 70,92 auf 100 betragen. Kam im Jahre 2006 auf 100 Bürger der Gruppe der 20-65jährigen lediglich 3,2 über 85jährige (Altenquotient „85“), so wird sich diese Zahl bis 2050 sogar mehr als vervierfachen, nämlich günstigstenfalls 14,07, ggfs. aber auch 19,71 auf 100 betragen. Dabei wird sich die absolute Zahl der über 80jährigen von 4 Mill. im Jahre 2006 auf über 12 Mill. im Jahre 2050 verdreifachen (vgl. Koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes 2006). Für das Gesundheitswesen ist diese Entwicklung deshalb so dramatisch, weil „Alter eine der wichtigsten Determinanten für die Inanspruchnahme des Gesundheitssystems ist. Während Kinder und jüngere Männer (0-39jährige) durchschnittlich zwischen 7,5 und 17,1 bzw. Frauen durchschnittlich zwischen 9,0 und 17.5 x jährlich je Altersgruppe Vertragsärzte aufsuchen, erhöht sich dieser Wert ab etwa dem 40. Lebensjahr stetig. Ab einem Alter von 85 Jahren finden sich unabhängig vom Geschlecht etwa 40 Arztkontakte jährlich. Erwachsene im Alter von über 60 Jahren machen zwar nur etwa ein ¼ (26,7 %) aller gesetzlich Versicherten aus, auf sie entfallen aber 65 % des Verordnungsvolumens von Arzneimitteln bzw. 54 % des Umsatzes“ („Koordination und Integration – Gesundheitsvorsorge in einer Gesellschaft des längeren Lebens“ – Sondergutachten des Sachverständigenrats 2009, S. 81). So wird die Bedeutung der demographischen Entwicklung für das Gesundheitssystem deutlich: Finanzieren heute 100 Leistungsfähige der
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Gruppe der 20-65jährigen Bürger 3,22 über 85jährige mit jeweils 40 Arztbesuchen pro Jahr, d.h. 128,8 Arztbesuche, so könnte sich diese Zahl bis zum Jahr 2050 auf 788,4 Arztbesuche nahezu versiebenfachen. Nicht anders stellt sich die Belastung des zukünftigen Gesundheitswesens durch einen Anstieg der Pflegebedürftigen dar: Die Zahl der Pflegebedürftigen von 2,31 Mill. Menschen in Deutschland im Jahre 2005 wird sich bis ins Jahr 2030 auf 3,0 – 3,4 Mill. Menschen erhöhen. Der Anteil der über 85jährigen Pflegebedürftigen wird dabei von rund 33 % auf über 50 % anwachsen („Pflegestatistik“ des Statistischen Bundesamtes 2005). Gleichzeitig geht das Wissenschaftliche Institut der AOK von einer Verweildauer im erlernten Beruf nach Abschluss der Ausbildung bei Altenpflegern von lediglich 8,4 Jahren und bei Krankenpflegern von 13,7 Jahren aus. Derzeit – 2009 – seien 22.000 Altenpfleger- und 19.000 Krankenpflegerstellen unbesetzt. „Überträgt man nur die heutige Relation von Pflegekräften zu Pflegebedürftigen bei unveränderten gesetzlichen Rahmenbedingungen in die Zukunft, sind im Jahre 2040 rund 550.000 zusätzliche professionelle Altenpfleger erforderlich“ (Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste BdA lt. Süddeutscher Zeitung vom 22.09.2009). Es bleibt abzuwarten, ob die Initiative des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend „Berufsbild: Moderne Altenpflege – Was wir können, können nur wir“ bzw. die Initiative „www.coole-jungs-werden-pfleger.de“ hier Abhilfe schaffen können. Aber auch im Bereich der ärztlichen Leistungserbringer ist mit einer dramatischen Entwicklung zu rechnen, die ihren Ausgangspunkt bereits in den letzten Jahrzehnten genommen hat. Das Durchschnittsalter der niedergelassenen Vertragsärzte stieg zwischen 1993 und 2008 von 46,6 Jahren auf 51,4 Jahre. Das Durchschnittsalter der Krankenhausärzte stieg im gleichen Zeitraum von 38,1 auf 41,6 Jahre (Ärztestatistik der BÄK und KBV 2008). Für den Bereich Schleswig-Holstein meldete die KV mit Pressemitteilung vom 12.10.2009: „Nur jeder 5. hausärztlich tätige Vertragsarzt ist jünger als 45 Jahre. In den nächsten sechs Jahren werden in SchleswigHolstein rund 900 Hausärzte – und damit fast die Hälfte der Allgemeinmediziner – in den Ruhestand gehen. Nachwuchs in derselben Größenordnung ist nicht in Sicht“. Diese Einschätzung findet ihre Bestätigung in der Zahl der Studierenden im Fach Humanmedizin, die von 1993 mit rund 90.600 Studenten auf 75.500 im Jahre 2007 zurückgegangen ist. Die Zahl der Absolventen des humanmedizinischen Studiengangs fiel im gleichen Zeitraum von 11.500 auf 9.500 (Ärztestatistik der BÄK und KBV 2008). Dabei wird zunehmend fraglich, ob und inwieweit diese Absolventen tatsächlich im Bereich der Patientenversorgung tätig werden. Waren im
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Jahre 1993 von rund 260.000 Ärzten nur 31 % nicht mit der Patientenversorgung befasst, so stieg dieser Anteil bis ins Jahr 2008 auf rund 40,5 % (a.a.O.). Gleichzeitig ist auch nicht mit einer relevanten Entlastung durch ausländische Ärzte zu rechnen, im Gegenteil: Standen im Jahr 2003 noch rund 2.000 Einwanderungen ausländischer Ärzte rund 2.000 Abwanderungen deutscher Ärzte ins Ausland gegenüber, so fanden 2006 1.400 Einwanderungen statt, demgegenüber rund 2.600 Abwanderungen deutscher Ärzte ins Ausland zu beobachten waren, d.h. eine Nettoabwanderung (a.a.O.).
4. Außervertragsarztrechtliche Entwicklungen Waren es Ende der 90er Jahre die Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichen Psychotherapeuten, die durch Approbation und Integration in die vertragsärztliche Versorgung erfolgreich ein Mehr an gesellschaftlicher Anerkennung erstritten, streben heute andere nichtärztliche Heilberufe dies durch eine Akademisierung ihrer Ausbildungsgänge an. Erste Erfolge zeitigt dies in der am 11.09.2009 vom Bundesrat gebilligten „Gesetzes zur Einführung einer Modellklausel in die Gesetze der Hebammen, Logopäden, Physiotherapeuten und Ergotherapeuten“, die es den Blendern erlaubt, für diese vier genannten Ausbildungsberufe eine universitäre Ausbildung probeweise einzuführen (vgl. BT-Drucks. 16/9898). Ein vom Institute für Community Medicine der Universität Greifswald entwickeltes Pilotprojekt einer arztentlastenden gemeindenahen e-healthgestützten systemischen Intervention („AGnES“) orientierte sich an dem Berufsbild der „DDR-Gemeindeschwester“. Durch Entwicklung einer praxisnahen Aus-/Weiterbildung und Qualifizierung für Gesundheits- und Krankenpflegerinnen soll eine Gemeindeschwester modernen Zuschnitts geschaffen werden, die als verlängerter Arm des Hausarztes diesen in seiner Tätigkeit entlastet, um eine integrative und nachhaltige Komplettierung der ambulanten medizinischen Versorgung zu schaffen. Der Erfolg des Projektes sorgte dafür, dass heute auch die Verträge zur hausarztzentrierten Versorgung den Einsatz von Versorgungsassistenten in der hausärztlichen Versorgung („VERAH“) vorsehen, das Land Nordrhein-Westfalen die Fortbildung zur entlastenden Versorgungsassistentin („EVA“) vorstellte und die KV Niedersachsen für ein Modell Niedersachsen („MoNi“) wirbt. Dabei ist den letztgenannten Projekten zu eigen, daß die nichtärztlichen Leistungserbringer organisatorisch und berufsrechtlich nicht bei den
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Gemeinden oder anderen Trägern von Sozialstationen angebunden sind, sondern Beschäftigte der niedergelassenen Vertragsärzte.
5. Vertragsarztrechtliche Entwicklungen/Modellvorhaben Vor dem Hintergrund der genannten demographischen und gesellschaftspolitischen Entwicklung hat sich der Bundesgesetzgeber zu einer strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung veranlasst gesehen, im Zuge derer er auch durch Änderung des SGB V die vertragsarztrechtliche Grundlage für neue Modellvorhaben geschaffen hat. § 63 Abs. 3b SGB V: Modellvorhaben nach Abs. 1 können vorsehen, dass Angehörige der im Krankenpflegegesetz und im Altenpflegegesetz geregelten Berufe 1. die Verordnung von Verbandsmitteln und Pflegehilfsmitteln sowie 2. die inhaltliche Ausgestaltung der häuslichen Krankenpflege einschließlich deren Dauer vornehmen, soweit diese aufgrund ihrer Ausbildung qualifizieren sind und es sich bei der Tätigkeit nicht um selbstständige Ausübung von Heilkunde handelt. Modellvorhaben nach Abs. 1 können vorsehen das Physiotherapeuten mit einer Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Masseur- - und Physiotherapeutengesetzes die Auswahl und die Dauer der physikalischen Therapie und die Frequenz der Behandlungseinheiten bestimmen, soweit die Physiotherapeuten auf Grund ihrer Ausbildung qualifiziert sind und es sich bei der Tätigkeit nicht um selbstständige Ausübung von Heilkunde handelt. § 63 Abs. 3c SGB V : Modellvorhaben nach Abs. 1 können eine Übertragung der ärztlichen Tätigkeit, bei denen es sich um selbstständige Ausübung von Heilkunde handelt und für die die Angehörigen der im Krankenpflegegesetz geregelten Berufe auf Grund einer Ausbildung nach § 4 Abs. 7 des Krankenpflegegesetzes qualifizierten, auf diese vorsehen. S. 1 gilt für die Angehörigen des im Altenpflegegesetz geregelten Berufes auf Grund einer Ausbildung nach § 4 Abs. 7 des Altenpflegegesetzes entspricht. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in Richtlinien fest, bei welchen Tätigkeiten eine Übertragung von Heilkunde auf die Angehörigen der in den Sätzen 1 und 2 genannten Berufe im Rahmen von Modellvorhaben erfolgen kann. Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses ist der Bundesärztekammer sowie den maßgeblichen Verbänden der Pflegeberufe Gelegenheit
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zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in den Entscheidungen einzubeziehen. Aus der Gesetzesbegründung der Bundesregierung BT-Drucks 16/7439: … Angehörige eines Berufes nach dem Krankenpflegegesetz und nach dem Altenpflegegesetz sollen im Rahmen des Delegationsprozesses eine größere Verantwortung übernehmen und den Arzt bzw. die Ärztin entlasten. Dies gewinnt angesichts des gebietsweise bereits eingetretenen und sich absehbar verschärfenden Hausärztemangels in strukturschwachen Regionen zum Beispiel der neuen Bundesländer zunehmend an Bedeutung. Der neue Absatz 3b ermöglicht, über die bereits bestehenden Möglichkeiten hinaus, weitere Vorhaben zur stärkeren Einbeziehung nichtärztlicher Heilberufe in Versorgungskonzepte. Die Neuregelung eröffnet die Möglichkeit, dass Angehörige der im Krankenpflegegesetz und im Altenpflegegesetz geregelten Berufe in Modellvorhaben nach § 63 ff. in der gesetzlichen Krankenversicherung einzelne bisher allein von Ärzten zu verordnende Leistungen selbst verordnen sowie selbstständig die inhaltliche Ausgestaltung der ärztlich verordneten häuslichen Krankenpflege einschließlich deren Dauer übernehmen. Das führt zu einer Erweiterung für Pflegefachkräfte im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung. Berufsrechtlich dürfen Pflegefachkräfte diese Leistungen bereits nach geltendem Recht erbringen, da sie hierzu nach den in der Ausbildungszielbeschreibung in § 3 Abs. 2 Nr. 1 des Krankenpflegegesetzes und in § 3 des Altenpflegegesetzes dargestellten Berufsbildern befähigt sind. Die in Frage stehenden Tätigkeiten fallen nicht unter den in § 1 Abs. 2 des Heilpraktikergesetzes definierten Bereich der Ausübung der Heilkunde. Mit dieser Regelung wird einem langjährigen Wunsch der Pflegefachkräfte Rechnung getragen. Absatz 3c lässt zu, dass im Rahmen von Modellvorhaben nach § 63 ff. bestimmte ärztliche Leistungen von entsprechend qualifizierten Pflegefachkräften ohne vorherige ärztliche Veranlassung erbracht werden können. Diese Pflegefachkräfte treten als eigenständige Leistungserbringer in der gesetzlichen Krankenversicherung auf, so dass hieraus eine Erweiterung der Leistungserbringerseite folgt. Diese vertragsarztrechtlichen Regelungen werden in öffentlich-recht-licher Hinsicht durch Ergänzungen der berufsrechtlichen Regelungen flankiert, namentlich des Krankenpfleger- und Altenpflegergesetzes: § 1 Abs.1 KrPflG n.F. Wer eine der Berufsbezeichnungen 1. „Gesundheits- und Krankenpflegerin" oder „Gesundheits- und Krankenpfleger" oder
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2. „Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin" oder „Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger" führen will, bedarf der Erlaubnis. Personen mit einer Erlaubnis nach Satz 1, die über eine Ausbildung nach § 4 Abs. 7 verfügen, sind im Rahmen der ihnen in dieser Ausbildung vermittelten erweiterten Kompetenzen zur Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten berechtigt. § 1 AltPflG n.F. Die Berufsbezeichnungen „Altenpflegerin" oder „Altenpfleger" dürfen nur Personen führen, denen die Erlaubnis dazu erteilt worden ist. Personen mit einer Erlaubnis nach Satz 1, die über eine Ausbildung nach § 4 Abs. 7 verfügen, sind im Rahmen der ihnen in dieser Ausbildung vermittelten erweiterten Kompetenzen zur Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten berechtigt. Werden die vorgenannten Regelungen genauer betrachtet, so wird deutlich, dass im Rahmen von Modellvorhaben nach § 63 Abs. 3 b SGB V die Übertragung einer selbständigen Ausübung der Heilkunde durch Nichtärzte gerade nicht vorgesehen ist. Zwar wird hier etwa im Zusammenhang mit der Verordnung von Verbandsmitteln und Pflegehilfsmitteln oder mit der Auswahl und Dauer physikalischer Therapie auch eine Entscheidungskompetenz über das „Ob“ einer vertragsarztrechtlichen Leistung eingeräumt. Dies stellt indes keine selbständige Ausübung der Heilkunde dar, weil die primäre Indikationsstellung und Verlaufskontrolle (Vertrags-) Ärzten vorbehalten bleibt. Dem stehen die weitergehenden Modellvorhaben gemäß § 63 Abs. 3 c SGB V gegenüber, in welchen bei Vorliegen definierter Qualifikationen Alten- und Krankenpflegern die selbständige Ausübung der Heilkunde übertragen wird und sie so zu selbständigen Leistungserbringern in der gesetzlichen Krankenversicherung werden. Die von § 63 Abs. 3 c SGB V vorausgesetzten berufsrechtlichen Grundlagen wurden durch Änderung des KrPFlG und des AlPFlG geschaffen, die die Voraussetzungen und Grenzen der Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten dieser Nichtärzte definieren. Dass die von § 63 Abs. 3 c SGB V angesprochenen Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach wie vor ihrer Umsetzung harren, sei an dieser Stelle zunächst allein konstatiert.
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6. Auszug aus dem gesellschaftspolitischen und rechtspolitischen Diskurs Die genannten gesetzgeberischen Aktivitäten fanden im rechtspolitischen Diskurs erwartungsgemäß ein unterschiedliches Echo bzw. werden in ihrer Zwecksetzung von den beteiligten Verkehrskreisen höchst unterschiedlich wahrgenommen. So hält der Landtagsabgeordnete der Baden-Württembergischen CDU Hoffmann in seiner Kleinen Anfrage vom 04.02.2009 die geplanten Modellvorhaben für unzureichend: „In nahezu allen westlichen Industriestaaten wurde inzwischen eine Neubewertung der Kompetenzen der Berufe im Gesundheitswesen vorgenommen, um insbesondere Pflege- und Rettungsdienstkräften eine ihrer hochqualifizierten Berufsausbildung adäquate Aufgabenkompetenz einzuräumen. Leider scheint das Bundesministerium für Gesundheit nicht gewillt zu sein, die durch Konvention, Rechtsprechung und berufspolitische Interessenvertretung gesetzten Grenzen neu zu definieren“ (Baden-Württembergische LT-Drucks 14-4014). Damit unterstützen Teile der Politik die Forderung des Rechtsgutachtens von Prof. Igl „Weitere öffentlich-rechtliche Regulierung der Pflegeberufe und ihrer Tätigkeit“, das dieser im Jahre 2008 im Auftrag des Deutschen Pflegerats e.V. erstattet hatte: „Eine Veränderung dieser Situation müsste in folgende Richtung gehen: - Mitentscheidende Vertretung in den Gremien des G-BA, wenn Angelegenheiten direkter pflegerischer Leistungserbringung, z.B. bei der häuslichen Krankenpflege betroffen sind - Mitentscheidende Vertretung der Pflegeberufe im IQWiG auf der Ebene des Vorstandes und des Stiftungsrates - Einrichtung eines Rechts der Stellungnahme bei Berührung mit pflegeberufsrechtlich relevanten Gegenstände aufgrund von Beschlüssen des G-BA entsprechend § 91 Abs. 5 SGB V“ Entsprechend der Position der Präsidentin des Deutschen Pflegerates, die im Streitgespräch „Substitution oder Delegation: Muss es immer der Arzt sein?“ in Berlin am 30.10.2008 erklärt: „Die Neuausrichtung, die wir brauchen, ist mehr als eine Arztentlastung. Hier geht es um das Teilen von Wissen, von Macht und von Geld. Nach dem Vorbild selbständig tätiger Hebammen könnten auch Pflegekräfte in eigenen Praxen tätig sein“ (Ärzteblatt 2008; 105 (45): A2360).
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Dass diese Forderung auf einhellige Ablehnung der Ärzteschaft stößt, vermag nicht zu überraschen. Auf der gleichen Veranstaltung hat sowohl der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Dr. Köhler als auch das Vorstandsmitglied Dr. Müller dezidiert dagegen Stellung bezogen: „Ärzte können nicht alles selbst machen. Wogegen wir uns allerdings nachdrücklich aussprechen, ist eine Substitution ärztlicher Leistungen“ (Dr. med. Andreas Köhler – Ärzteblatt a.a.O.). „Die Substitution, also die Verlagerung ärztlicher Tätigkeiten in den Verantwortungsbereich anderer Fachberufe, führt zu einer schleichenden Aushöhlung des medizinischen Versorgungsniveaus“ (Dr. med. Karlheinz Müller, Ärzteblatt a.a.O.). Dabei befinden sich beide Vertreter der Kassenärztlichen Bundesvereinigung im Schulterschluss mit der Bundesärztekammer. So ist der gemeinsamen Stellungnahme von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung vom 29.08.2008 „Persönliche Leistungserbringung – Möglichkeit und Grenzen der Delegation ärztlicher Leistungen“ das Suchwort „Substitution“ völlig unbekannt. In der Stellungnahme werden bei entsprechender Qualifikation des nichtärztlichen Personals insbesondere „technische Untersuchungen, kapillare und venöse Blutabnahmen, intravenöse Injektionen und Infusionen, Versorgung unkomplizierter Wunden, Hausbesuche, Heimversorgung, standardisierte Testverfahren und Case-Management“ zwar als „delegierbar“ bezeichnet. Indes: „In jedem Fall handelt es sich bei einer Delegation nach diesen Vorgaben um Leistungen, die dem Arzt deshalb als eigene Leistungen zugerechnet werden, weil er sie in jedem Einzelfall anordnen und überwachen muss und weil er dafür die volle Verantwortung und Haftung trägt, was eine gleichzeitige deliktische Verantwortlichkeit des Mitarbeiters gemäß § 823 BGB nicht ausschließt“. Bei der „Delegation von Hausbesuchen“ muss der delegierende Arzt „den Patienten zunächst selbst untersucht haben“ und sich u.a. über „die notwendige Qualifikation des nichtärztlichen Mitarbeiters vergewissern“. Zumindest tendenziell weist auch der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und FDP vom 26.10.2009, der im Zusammenhang mit der Weiterentwicklung des medizinischen Versorgungssystems nicht von „Substitution“ spricht, sondern die „Erweiterung der Delegationsmöglichkeiten ärztlicher und anderer Tätigkeiten zur Entlastung von Ärztinnen und Ärzten“ fordert, eine solche Haltung aus. Und schließlich ist es der eingangs zitierte Justitiar des Gemeinsamen Bundesausschusses Roters, der vergeblich den schwierigen Spagat zwischen der ärztlichen Interessenvertretung und dem klaren Wortlaut der gesetzlichen Modellvorhaben zu meistern sucht: „Zumindest der § 63 Abs. 3 c SGB V will über die bisherigen Möglichkeiten hinausgehende Projekte. Deshalb wird man dieser Intention nur dadurch gerecht werden, wenn
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auch heilkundliche Tätigkeiten, welche nach bisheriger Rechtslage nicht auf pflegerische Berufe delegiert werden konnten, zukünftige auf die benannten Pflegeberufe übertragen werden können. Andererseits wäre ein Ziel, welches bereits darauf ausgerichtet ist, zukünftige Gesetzesvorhaben zu unterstützen, wiederum zu hoch angesetzt. Die von Abs. 3 c geschaffene Nische sollte genutzt werden; sie darf jedoch nicht dahingehend missverstanden werden, dass sie auch die Übertragung von Heilkundetätigkeiten erproben darf, die erst nach einer zukünftig noch zu schaffenden Rechtslage zulässig wären. So gesehen mag man in Zukunft zur rechtlichen Absicherung auch Gesetzesänderungen in Angriff nehmen; Ziel der Modellvorhaben kann dies aber nicht sein“ (Roters „Risse im Arztvorbehalt?“ ZMGR 3/2009, S. 171 ff.- Hervorhebung durch den Verfasser).
7. Thesen zur vertragsärztlichen und vertragsarztrechtlichen Entwicklung a) Den schon immer bestehenden erheblichen Belastungen der Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung sowohl im stationären als auch im ambulanten Sektor (Lage und Umfang von Arbeits- und Bereitschaftszeiten, rechtliche und ethische Verantwortung, Hierarchiestrukturen) standen bis Ende der 80iger Jahre beachtliche finanzielle und gesellschaftliche Boni gegenüber (Weit überdurchschnittliche Honorierung, über Jahrzehnte bestehende Stabilität der Rahmenbedingungen, weitgehendes Fehlen von Leistungswettbewerbern, Delegations- und Weisungsbefugnisse gegenüber Nichtärzten, überragendes Sozialprestige). Ein solcher Ausgleich findet objektiv zunehmend weniger statt und wird subjektiv kaum noch als solcher wahrgenommen. Bei dem demographisch gesicherten Anstieg der finanziellen Belastung des Gesundheitssystems und einem auch nur gleichbleibenden Anteil der ärztlichen Dienstleistung im Verhältnis zu apparativ-technischen Aufwendungen und Arzneimittelausgaben an den Gesamtausgaben, ist mit einer deutlichen Verbesserung der Rahmenbedingungen und Anreizsysteme nicht zu rechnen. Gleichzeitig sind bereits heute sowohl in Teilen der ambulanten Versorgung als auch im Krankenhausbereich die Folgen eines Haus- beziehungsweise Fachärztemangels spürbar, wodurch die Belastung der tätigen Leistungserbringer weiter ansteigt. Selbst wenn es gelingt, der Überalterung der Ärzteschaft entgegenzuwirken und wieder mehr Absolventen des Studiengangs Humanmedizin zum Eintritt in die stationäre oder ambulante Patientenversorgung zu ge-
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winnen, zwingt die Morbiditätsentwicklung zur Übertragung verantwortungsvollerer Aufgaben auch auf Nichtärzte. b) In dieser Lage streben die Organisationen und Berufsverbände der Gesundheitsfachberufe (Früher: Heilhilfsberufe) unter Akademisierung ihrer Ausbildungsgänge nach mehr gesellschaftlicher Anerkennung, Teilhabe an den vertragsarztrechtlichen/gesundheitspolitischen Entscheidungs- und Verteilungsprozessen und eigenverantwortlicher Indikationsstellung und Leistungserbringung (Substitution). Dabei muss indes auch der notwendige gesellschaftliche Respekt hinzukommen, der neben der Teilhabe an der gesundheitspolitischen Gestaltung genauso seinen Ausdruck finden muss in einer angemessenen finanziellen Ausstattung der Berufsträger. Sollten tatsächlich nicht ausreichend junge Menschen zukünftig für die Berufe des Alten- oder Krankenpflegers gewonnen werden, so könnte schon bald nicht zuletzt auch angesichts der Verkürzung des Zivildienstes die Einführung eines geschlechterunabhängigen „Sozialen Pflichtjahres“ notwendig werden, um die zukünftigen Kosten der erforderlichen Kranken- und Altenpflege zu schultern und eine Konzentration entsprechend ausgebildeter Kranken- und Altenpfleger auf hochwertige Leistungen zu ermöglichen. c) Mit der Geburtshilfe und im Rettungs- und Notfalldienst werden seit Jahrzehnten in signifikanten Hochrisikobereichen der Gesundheitsvorsorge Mitglieder von Gesundheitsfachberufen mit autonomer Indikationsstellung und Leistungserbringung betraut. Dabei umfasst deren Ausbildung gerade auch die Komplikationserkennung, um die rechtzeitige Hinzuziehung eines Arztes zu gewährleisten. Hebammengesetz und Rettungsassistentengesetz i. V. m. den Rettungsdienstgesetzen der Länder bilden dabei die gesetzliche Grundlage für eine Durchbrechung des regelhaften Arztvorbehaltes des Heilpraktikergesetzes. Danach stellt es sich zunächst als Ausdruck berufspolitischen Protektionismus da, jegliche Substitution durch Gesundheitsfachberufe als „schleichende Aushöhlung des medizinischen Niveaus“ zu diskreditieren. Nicht anders ist die Aufgabe der ärztlichen Präsenzpflicht bei der Überwachung von Arzthelferinnen im Rahmen der vertragsärztlichen Leistungserbringung (Assistenz) zu bewerten. Diese ermöglicht zunächst allein eine Ausweitung der dem Arzt zuzuordnenden, d.h. von ihm abgerechneten Systemleistungen, ohne dass ersichtlich ist, warum eine autonome Leistungserbringung ärztlich angeordneter medizinischer Grundversorgung (einschließlich Injektionen, Infusionen und Wundversorgung) durch unabhängig arbeitende, entsprechend qualifizierte Alten- und Krankenpfleger (Delegation) ein strukturelles Gesundheitsrisiko bewirken soll. Schließlich ist nicht ersichtlich, warum ein Rettungsassistent zwar die In-
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dikationen für den Einsatz eines Rettungshubschraubers prüfen und ggf. verneinen darf, Hebammen ein CTG anlegen und Befunden dürfen, ein entsprechend theoretisch und praktisch geschulter Alten- oder Krankenpfleger jedoch nicht im Sinne einer Delegation ärztlich verordnete Injektionen verabreichen oder im Sinne einer Substitution die Durchführung einer Dekubitusbehandlung selbständig veranlassen und die notwendigen Verbandsmittel verordnen darf. Durch die ergänzenden Regelungen im Krankenpflege- und Altenpflegegesetz i.V.m. § 63 Abs. 3c SGB V sind entgegen Roters die wesentlichen gesetzlichen Voraussetzungen zur selbstständigen Ausübung von Heilkunde durch diese Gesundheitsfachberufe nach Durchlaufen einer ergänzenden Ausbildung geschaffen. Angesichts fehlender Repräsentanz der Gesundheitsfachberufe in den Organen des G-BA ist zu befürchten, dass die dort gem. § 63 Abs. 3c SGB V zu entwickelnde Richtlinie eine von der Ärzteschaft abgelehnte unabhängige Neubewertung der Kompetenzen der Berufe im Gesundheitswesen zur Schaffung weiterer selbstständiger Leistungserbringer eher unterlaufen als befördern wird. d) Unstreitig bleiben Diagnostik (insb. klinische Untersuchung und Befundinterpretation), Arzneimittelversorgung (einschließlich intravenöse Erstapplikation) und operative Intervention nicht übertragbare Kernbereiche ärztlicher Leistungserbringung. Bei der dafür erforderlichen Ausbildungsdauer und der damit verbundenen Verantwortung werden die Ärzte ihren finanziellen und gesellschaftlichen Spitzenplatz erfolgreich verteidigen, selbst wenn sich dieser im historischen Vergleich relativiert hat. Wenn es allerdings heute ein ungewollter Kollateraleffekt des Umgangs mit der Finanzkrise wird, dass Abiturienten, die ihr persönliches Glück erst jenseits von 250.000 € p.a. zu erkennen vermögen, eher Investmentbanker als Arzt werden, so muss sich dies für ein zukünftiges Gesundheitssystem nicht zum Kollateralschaden ausweiten. Eine Ärzteschaft, die einen „Bachelor of Medicine“ als „grotesk“ frivol ablehnt (SD E-Ausgabe v. 24.09.2009), muss sich indes fragen lassen, ob der Hausärztemangel nicht auch dadurch hervorgerufen wird, dass sich Ärzte nach 6 Jahren Studium und 6 Jahren Weiterbildung als überqualifiziert empfunden, wenn sie allein als „Lotse im Gesundheitssystem“ vor allem AGnES, VERAH´s und EVA´s überwachen und die (das Spezialistentum idealisierenden) Patienten an besser honorierte Fachärzte überweisen müssen. e) Die Akademisierung der Gesundheitsfachberufe durch Einrichtung entsprechender Studiengänge orientiert sich an einem bis heute Geltung beanspruchenden gesellschaftlichen Rollenverständnis. Angesichts des Ringens
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um einen krankheits-, im besten Fall praxis-, idealerweise sogar patientenorientierten Studiengang „Humanmedizin“ bleibt der Nachweis ungeführt, warum ein diplomierter Kranken- oder Altenpfleger bei der Übertragung von Entscheidungs- und Durchführungskompetenzen gegenüber dem praktisch und theoretisch an einer Pflegefachschule Ausgebildeten entscheidende Vorteile bietet. Ob daneben auch nach Absolvierung eines Studiums der Alten- und Krankenpflege jene AGnES, VERAH´s oder EVA´s die notwendige Orientierung in einem immer komplexer werdenden medizinischen Versorgungssystem bieten können, darf allein angesichts von 32 Gebietsbezeichnungen mit bis zu 10 Facharztbezeichnungen oder bis zu vier Schwerpunktkompetenzen sowie 46 Zusatzweiterbildung der aktuellen M-WBO bezweifelt werden. f) Geburtshilfe und Notfalldienst sind naturgemäß für eine ungerechtfertigte Mengenausweitung wenig anfällig, was eine straffe Wirtschaftlichkeitskontrolle entbehrlich macht. Werden indes Kranken - und Altenpfleger genauso wie Physiotherapeuten selbstständige Leistungserbringer mit eigenen Verordnungsrechten im Gesundheitssystem, so wird es nicht nur einer Ausweitung des Systems der Wirtschaftlichkeitsprüfung und Regressnahme bedürfen. Es wird - quasi als Kehrseite der Entscheidungsund Durchführungskompetenzen - auch umso dringlicher, die bekannten Defizite im Bereich der Heimaufsicht zu beheben und für den Bereich häuslicher Pflege geeignete Kontrollmechanismen zu entwickeln.
Delegation und Substitution: Berufsrechtliche Sicht
Horst Bonvie
1. Begriffliches Delegation beschreibt die Durchführung ärztlicher Leistungen unter Aufsicht des zur Leistungserbringung verpflichteten Arztes; Substitution ist die eigenverantwortliche Erbringung der Leistung des ursprünglich zu dieser Leistung verpflichteten Arztes durch einen Dritten.
2. Delegation und Substitution als beruflichrechtliches Problem In der Vergangenheit war die berufsrechtliche Diskussion auf die Frage beschränkt, welche Leistungen des Arztes delegierbar sind; die Übertragung von Leistungen im Sinne einer Substitution auf Dritte lag außerhalb der durch den umfassenden Arztvorbehalt geprägten berufsrechtlichen Vorstellungen. Ausdruck dieses berufsrechtlichen Verständnisses ist die Stellungnahme der Bundesärztekammer und Kassenärztlichen Bundesvereinigung vom 29.08.2008 zur persönlichen Leistungserbringung. Hier heißt es in Art eines Fanals: „Die persönliche Leistungserbringung ist eines der wesentlichen Merkmale freiberuflicher Tätigkeit. Sie prägt wie kein anderes Merkmal das Berufsbild des Arztes und steht dafür, dass der Arzt seine Leistungen auf der Grundlage einer besonderen Vertrauensbeziehung erbringt… Das Ausüben der Heilkunde im umfassenden Sinne ist dem Arzt vorbehalten.“
Die aktuelle legislative Entwicklung, insbesondere die Verabschiedung des Pflegeweiterentwicklungsgesetzes mit der Neufassung des § 63 Abs. 3 c) SGB V zeigt, dass es berufsrechtlich nicht mehr allein darum geht, den
A. Jorzig, R. Uphoff (Hrsg.), Delegation und Substitution – wenn der PÀeger den Doktor ersetzt.., DOI 10.1007/978-3-642-15442-3_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
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Umfang der Delegation ärztlicher Leistungen zu bestimmen. § 63 Abs. 3 c) SGB V lautet: „Modellvorhaben nach Abs. 1 können eine Übertragung der ärztlichen Tätigkeiten, bei denen es sich um selbständige Ausübung von Heilkunde handelt und für die die Angehörigen der im Krankenpflegegesetz geregelten Berufe aufgrund einer Ausbildung nach § 4 Abs. 7 des Krankenpflegegesetzes qualifiziert sind, auf diese vorsehen. Satz 1 gilt für die Angehörigen des im Altenpflegegesetz geregelten Berufes aufgrund einer Ausbildung nach § 4 Abs. 7 des Altenpflegegesetzes entsprechend. Der gemeinsame Bundesausschuss legt in Richtlinien fest, bei welchen Tätigkeiten eine Übertragung von Heilkunde auf die Angehörigen der in den Sätzen 1 und 2 genannten Berufe im Rahmen von Modellvorhaben erfolgen kann. Vor der Entscheidung des gemeinsamen Bundesausschusses ist der Bundesärztekammer sowie den maßgeblichen Verbänden der Pflegeberufe Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidungen einzubeziehen.“
3. Fallgestaltungen a) Die aufgrund des Pflegeweiterentwicklungsgesetzes angestoßene Diskussion zur Delegation und Substitution ärztlicher Leistungen hat ausschließlich die Delegation und Substitution ärztlicher Leistungen auf/durch nicht ärztliches Personal zum Gegenstand; hierbei wird jedoch häufig übersehen, dass die Delegierbarkeit bzw. Substituierbarkeit ärztlicher Leistungen von zwei Rechtsprinzipien abhängt, nämlich zum einen dem in § 2 Abs. 5 Bundesärzteordnung formulierten so genannten „Arztvorbehalt“ und dem in § 613 Abs. 1 BGB niedergelegten Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung. Während bei einer Delegation/Substitution ärztlicher Leistungen auf ärztliches Personal der Arztvorbehalt gewahrt ist, das berufsrechtliche Problem also aus dem Grundsatz der höchstpersönlichen Leistungserbringung resultiert, ist bei der Delegation auf nichtärztliches Personal fraglich, ob die Delegation der konkreten ärztlichen Leistung im Rahmen des Arztvorbehaltes zulässig ist. Es gibt folgende grundsätzlich denkbare, aus berufsrechtlicher Sicht zu bewertende, Fallgestaltungen: -
Delegation auf ärztliches Personal Delegation auf nichtärztliches Personal Substitution auf ärztliches Personal Substitution auf nichtärztliches Personal
Delegation und Substitution: Berufsrechtliche Sicht
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b) Delegation ärztlicher Leistungen auf ärztliches Personal: Bei der Delegation ärztlicher Leistungen auf ärztliches Personal verbleibt dem die Durchführung der Leistung anordnenden Arzt die Anordnungsund Überwachungsbefugnis. Die Delegation ärztlicher Leistungen auf ärztliches Personal ist berufsrechtlich gesehen dann kein Verstoß gegen den Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung, wenn die Praxis durch den Arzt, der die Delegation an das ärztliche Personal vornimmt, geleitet wird. Delegiert der Praxisinhaber eine Leistung an einen angestellten Arzt seiner Praxis, so kann das Tatbestandsmerkmal der Leitung der Praxis durch den Praxisinhaber nicht verletzt sein, weil der Praxisinhaber bei der Delegation die Anordnungsund Überwachungsbefugnis behält. Nach § 19 Abs. 1 Satz 2 der Berufsordnung ist der Arzt nicht verpflichtet, jede ärztliche Tätigkeit selbst auszuüben, er leitet die Praxis auch dann noch, wenn er ärztliche Leistungen auf angestellte Ärzte delegiert. Hierbei ist auch nicht entscheidend, ob der ärztliche Mitarbeiter als angestellter Arzt in der Praxis tätig wird oder als freier Mitarbeiter, zum Beispiel im rahmen eines Konsilmodells. Entscheidend ist, dass der Praxisinhaber die Praxis leitet, was bei einer Delegation schon begriffsimmanent durch die fortbestehende Anordnungs- und Überwachungsverpflichtung des Praxisinhabers der Fall ist. c) Bei der Substitution ärztlicher Leistungen durch ärztliches Personal stellt sich jedoch die Frage, ob der die Substitution anordnende Arzt seine Praxis noch leitet. Der Satzungsgeber hat den Begriff der „Leitung der Praxis“ nicht definiert. Jedenfalls wird man aus dem Zusammenspiel von § 19 Abs. 1 Satz 1 MBO (Ärztinnen und Ärzte müssen die Praxis persönlich ausüben) und § 19 Abs. 1 Satz 2 MBO zu entnehmen haben, dass die Substitution ärztlicher Leistungen durch andere Ärzte dann gegen den Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung verstößt, wenn von einer „Leitung der Praxis“ keine Rede mehr sein kann. Die „Leitung der Praxis“ setzt nicht voraus, dass der Praxisinhaber die Anordnungs- und Überwachungsbefugnis für jede einzelne substituierte Leistung behält. Dies zeigt bereits § 19 Abs. 2 MBO. Danach darf ein Arzt als Praxisinhaber für ihn fachgebietsfremde ärztliche Leistungen auch durch einen angestellten Facharzt des anderen Fachgebietes erbringen lassen, wenn der Behandlungsauftrag des Patienten regelmäßig von Ärzten verschiedener Fachgebiete gemeinschaftlich durchgeführt werden kann. In diesem Fall fehlt es aber an der – auf einer entsprechenden Indikationsstellung des Praxisinhabers – beruhenden Anordnung der fachfremden Leistung und ihrer Überwachung durch den Praxisinhaber, da diese Leis-
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tung für ihn fachfremd ist. Dennoch bestimmt § 19 Abs. 2 MBO, dass eine Substitution dieser Leistung berufsrechtlich zulässig ist. Umso mehr muss dann eine Substitution einer ärztlichen Leistung durch den Praxisinhaber zulässig sein, wenn sie für ihn nicht fachfremd ist, immer vorausgesetzt, dass der Praxisinhaber die Praxis auch im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 2 MBO „leitet“. Hieraus folgt, dass der Begriff der Leitung der Praxis nicht auf die konkrete ärztliche Leistung bezogen ist, sondern das allgemeine Direktionsrecht des Praxisinhabers meint. Die Substitution ärztlicher Leistungen durch andere Ärzte ist damit berufsrechtlich zulässig, so lange dem Praxisinhaber das allgemeine Direktionsrecht verbleibt, er der Praxis „sein Gepräge“ gibt. d) Die Delegierbarkeit und Substituierbarkeit ärztlicher Leistungen durch nichtärztliche Mitarbeiter gehört dem gegenüber nicht in den Anwendungsbereich des § 19 MBO. Die Berufsordnung ist nur auf Ärzte anwendbar; inwieweit ärztliche Leistungen auf nichtärztliche Mitarbeiter delegiert oder durch diese substituiert werden können, ist nicht Regelungsgegenstand der Berufsordnung, sondern bundesgesetzlich geregelt. Gegenstand des ärztlichen Berufes ist nach § 2 Abs. 5 der Bundesärzteordnung die Ausübung der Heilkunde. Die Ausübung der Heilkunde ist in § 1 des Heilpraktikergesetzes legal definiert als die berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen, auch wenn sie im Dienst von anderen ausgeübt wird. Wer also berufsmäßig zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten tätig wird, bedarf damit einer Erlaubnis. Damit wären auch zum Beispiel die kappiläre und venöse Blutabnahme erlaubnispflichtig und damit nicht auf nichtärztliches Personal ohne Erlaubnis delegierbar. Nach allgemeinem Verständnis ist jedoch der Wortlaut des § 1 des Heilpraktikergesetzes zu weit gefasst. Zur ärztlichen Behandlung gehört auch die Hilfeleistung anderer Personen, wenn sie vom Arzt angeordnet und von ihm zu verantworten ist. Dieser Grundsatz findet sich zwar in § 15 Abs. 1 SGB V, also einer sozialversicherungsrechtlichen Norm; § 15 Abs. 1 SGB V wird jedoch ein allgemeiner Rechtsgedanke entnommen, der den zu weiten Wortlaut des § 1 des Heilpraktikergesetzes einschränkt und damit auch berufsrechtlichen Gehalt hat. Konkretisiert wird § 15 Abs. 1 SGB V durch die Regelung in § 15 Bundesmantelvertrag – Ärzte: „Persönliche Leistungen sind ferner Hilfeleistungen nichtärztlicher Mitarbeiter, die der Arzt anordnet und fachlich überwacht, wenn der nichtärztliche Mitarbeiter zur Erbringung der jeweiligen Hilfeleistung qualifiziert ist“.
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Auf dieser Rechtsgrundlage haben die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche Bundesvereinigung die Stellungnahme zu Möglichkeiten und Grenzen der Delegation ärztlicher Leistungen, Stand 29.08.2008, entwickelt. Nicht delegierbar sind danach Leistungen oder Teilleistungen, die der Arzt wegen ihrer Schwierigkeit, ihrer Gefährlichkeit für den Patienten oder wegen der Unvorhersehbarkeit etwaiger Reaktionen unter Einsatz seiner spezifischen Fachkenntnis und Erfahrung höchstpersönlich erbringen muss. Nicht delegierbar sind dementsprechend: -
Anamnese, Indikationsstellung, Untersuchung des Patienten einschließlich invasiver diagnostischer Leistungen, Stellen der Diagnose, Aufklärung und Beratung des Patienten, Entscheidung über die Therapie und Durchführung invasiver Therapien einschließlich der Kernleistungen operativer Eingriffe.
Leistungen, die der Arzt wegen ihrer Art oder der mit ihnen verbundenen besonderen Gefährlichkeit für den Patienten oder wegen der Umstände ihrer Erbringung, insbesondere der Schwere des Krankheitsfalles, nicht höchstpersönlich erbringen muss, darf er an nichtärztliche Mitarbeiter delegieren. Die Entscheidung, ob und an wen der Arzt die Leistung delegiert, ob er den betreffenden Mitarbeiter gegebenenfalls besonders anzuleiten und wie er ihn zu überwachen hat, muss der Arzt von der Qualifikation des jeweiligen Mitarbeiters abhängig machen. Insofern ist danach zu differenzieren, ob der betreffende Mitarbeiter über eine ihn zur Erbringung der konkreten Leistung befähigende Ausbildung in einem Fachberuf im Gesundheitswesen verfügt. Die Delegation ist dann von folgenden kumulativen Voraussetzungen abhängig: -
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Feststellung der formalen Qualifikation des Mitarbeiters Feststellung zu Beginn der Zusammenarbeit, dass die Leistungen des Mitarbeiters auch tatsächlich eine seiner formalen Qualifikation entsprechende Qualität haben stichprobenartige Überprüfung der Qualität der erbrachten Leistungen.
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Verfügt der Mitarbeiter, an den der Arzt delegieren will, nicht über eine abgeschlossene Ausbildung in einem Fachberuf im Gesundheitswesen, die die zu delegierende Leitung einschließt, so ist die Delegation von folgenden kumulativen Voraussetzungen abhängig: -
Feststellung der Eignung des Mitarbeiters für eine Delegation der betreffenden Leistung aufgrund seiner allgemeinen Fähigkeiten Schulung des Mitarbeiters zur selbständigen Durchführung der zu delegierenden Leistung regelmäßige Überwachung des Mitarbeiters, gegebenenfalls Übergang zur Stichprobenprüfung bei Feststellung der Eignung des Mitarbeiters.
In beiden Fällen ist der Arzt verpflichtet, sich grundsätzlich in unmittelbarer Nähe (Rufweite) aufzuhalten. e) Dieses Regelungskonzept schließt eine Substitution ärztlicher Leistungen durch nichtärztliche Mitarbeiter aus. Entweder handelt es sich um die Ausübung der Heilkunde, ohne dass die konkrete Tätigkeit sich als Hilfeleistung darstellt, dann bedarf der die konkrete Tätigkeit ausübende Mitarbeiter einer Erlaubnis im Sinne des § 1 des Heilpraktikergesetzes oder § 2 Abs. 5 der Bundesärzteordnung; oder es handelt sich um Hilfeleistungen, dann sind die Grundsätze der Delegation ärztlicher Leistungen auf nichtärztliche Mitarbeiter anwendbar. Damit ist die Frage nach dem Rechtsverhältnis zwischen § 2 Abs. 5 der Bundesärzteordnung, § 1 Heilpraktikergesetz und § 63 Abs. 3 c) SGB V aufgeworfen. § 63 Abs. 3 c) SGB V enthält keine Einschränkung von § 2 Abs. 5 Bundesärzteordnung bzw. § 1 Heilpraktikergesetz, so dass fraglich ist, inwieweit Tätigkeiten im Sinne des § 63 Abs. 3 c) SGB V durch Nichtärzte selbständig ausgeübt werden können. Diese Rechtsunsicherheit hat vielfältige Resonanzen ausgelöst. Die AWMF lehnt eine Substitution ärztlicher Leistungen durch Leistungen nichtärztlicher Gesundheitsberufe ab. Die Substitution ärztlicher Leistungen durch Leistungen nichtärztlicher Gesundheitsberufe führe zu schwierigen tatsächlichen Abgrenzungen und daraus resultierenden Haftungsfragen. Auch die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche Bundesvereinigung haben sich in ihrer gemeinsamen Stellungnahme zum Entwurf des Pflegeweiterentwicklungsgesetzes gegen die Substitution ärztlicher Leistungen - und sei es auch nur im Modellvorhaben - ausgesprochen. Dabei würde ein Weg zur Öffnung des Arztvorbehaltes in der medizinischen Versorgung beschritten. Von nichtakademischen Gesundheits-berufen könnten die notwendigen multifaktoriellen, ganzheitlich systemischen Kenntnisse nicht erwartet werden.
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Rothers, Justiziar des zur Ausfüllung des § 63 Abs. 3 c) SGB V berufenen gemeinsamen Bundesausschusses hat in der ZGMR 3/2009, S. 171 ff. unter der Überschrift „Risse im Arztvorbehalt?“ die Frage aufgeworfen, welchem Erkenntnisziel die Modellvorhaben des § 63 Abs. 3 c) SGB V überhaupt sinnvoll dienen könnten. Die durch § 63 Abs. 3 c) SGB V geschaffene Nische dürfe nicht dahingehend missverstanden werden, dass die uneingeschränkte Übertragung von Heilkundetätigkeiten erprobt werden dürfe. Berufsrechtlich gesehen stellt sich zunächst die Frage der verfassungsrechtlichen Wirksamkeit des § 63 Abs. 3 c) SGB V. Zweifelhaft könnte die Gesetzgebungskompetenz des Bundes sein, betrifft doch die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit nach Artikel 70 GG Landesrecht. Allerdings steht der Arztvorbehalt in engem Zusammenhang zu den Erlaubnistatbeständen der §§ 2 Abs. 5 Bundesärzteordnung, 1 Heilpraktikergesetz, so dass die Frage der Reichweite des Arztvorbehaltes auch als eine Regelung der Berufswahl und damit kompetenzrechtlich als Regelungsgegenstand des Artikel 74 Abs. 1 Nr. 19 GG (Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe), jedenfalls aber als Regelungsgegenstand des Artikel 74 Abs. 1 Nr. 12 GG (Recht der Sozialversicherung) angesehen werden kann. Eine Verfassungswidrigkeit des § 63 Abs. 3 c) SGB V wird auch nicht aus materiellem Verfassungsrecht, insbesondere Artikel 12 GG und Artikel 2 Abs. 1 GG herzuleiten sein. Sieht man in § 63 Abs. 3 c) SGB V eine die Berufsausübung des Arztes regelnde Rechtsmaterie, so wäre die Berufsfreiheit des Arztes insofern durch Gesetz wirksam einschränkbar; dass § 63 Abs. 3 c) SGB V die Freiheit der Berufswahl des Arztes in einem die immanenten Schranken dieses Verfassungsrechts tangierenden Maße einschränkt, wird man angesichts der vielfältigen verbleibenden Betätigungsmöglichkeiten für Ärzte kaum annehmen können. Auch das Grundrecht des Patienten auf körperliche Unversehrtheit ist durch die Regelung des § 63 Abs. 3 c) SGB V nicht verletzt, da die Regelung nur den Rahmen für Modellvorhaben absteckt. Allerdings ist die Regelung in § 63 Abs. 3 c) SGB V in ihrer konkreten Anwendung, im Übrigen entgegen des Wortlauts der Norm, nicht schrankenlos. An diesen Schranken, dem aus Artikel 12 GG abgeleiteten Kernbereich ärztlicher Tätigkeit und dem aus Artikel 2 Abs. 1 GG abgeleiteten Abwehrrecht des Patienten, durch die Substitution ärztlicher Leistungen auf Nichtärzte keinem nicht beherrschbaren Gesundheitsrisiko ausgesetzt zu werden, werden die Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses zu messen sein. Damit – und dies ist der eigentliche berufsrechtliche Kern – überantwortet der Gesetzgeber das Schicksal des Arztvorbehaltes in die Hände einer Einrichtung des Sozialversicherungsrechts.
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Erneut schafft der Gesetzgeber sozialversicherungsrechtliche Fakten, die unmittelbar in das Berufsrecht ausstrahlen. Ob nun sozialversicherungsrechtliche Qualitätssicherungsrichtlinien zur Interpretation des allgemein anerkannten Stands der medizinischen Erkenntnisse herangezogen werden, ob die berufsrechtlichen Kooperationsformen durch das Rechtsinstitut des Medizinischen Versorgungszentrums mittelbar beeinflusst werden, stets wirkt der Gesetzgeber über das ihm zur Verfügung stehende sozialversicherungsrechtliche Regelungsinstrumentarium in das ärztliche Berufsrecht hinein. Dieses regulatorische Vorgehen findet allerdings am Arztvorbehalt seine Grenze. Die Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses und die daraufhin initiierten Modellvorhaben sind zeitlich befristet; eine auf Dauer angelegte Substitution ärztlicher Leistungen auf Nichtärzte bedarf berufsrechtlich gesehen einer gesetzlichen Regelung außerhalb des Sozialversicherungsrechts.
Delegation und Substitution ärztlicher Leistungen Eine Bestandsaufnahme aus haftungsrechtlicher Sicht
Karl Otto Bergmann
1. Einleitung Delegation, also die Übertragung von arztspezifischen Tätigkeiten, welche trotz der Übertragung vom Arzt zu verantworten sind, ist in der modernen arbeitsteiligen Medizin eine Selbstverständlichkeit. Mit den haftungsrechtlichen Fragen der Delegation, Fragen der Anordnungs- und Ausführungsverantwortung, Kompetenz-, Koordinations-, Kommunikations- und Qualitätsmängeln hat sich die Rechtsprechung seit über 100 Jahren immer wieder beschäftigt. Substitution, also die Übertragung der Verantwortung für heilkundliche Tätigkeit, also mit Beendigung der Arztverantwortung, ist erst seit der Neufassung des § 63 Abs. 3 SGB V in der Diskussion. Hier geht es nicht mehr um „Hilfeleistungen anderer Personen“ i.S. vom § 15 Abs. 1 S. 2 SGB V, sondern um Verantwortungswechsel einerseits und Arztvorbehalt andererseits. Allerdings ist der Arztvorbehalt auch die entscheidende Grenze für zulässige Delegation.
2. Bestandsaufnahme des Wandels Ehe wir uns aber in abstrakte Begriffe verlieren, sollten wir einen Blick in den medizinischen Alltag richten. Um welche Tätigkeiten geht es konkret?
A. Jorzig, R. Uphoff (Hrsg.), Delegation und Substitution – wenn der PÀeger den Doktor ersetzt.., DOI 10.1007/978-3-642-15442-3_3, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
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Eine im Jahre 2007 unter Mitwirkung des Verfassers durchgeführte Studie des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI)1 hat danach gefragt, welche ärztliche Tätigkeiten ganz oder teilweise in den teilnehmenden Krankenhäusern an Pflegekräfte oder andere Berufsgruppen delegiert werden. Hintergrund dieser Frage war es, einen Überblick über die Häufigkeit der Verlagerung der gängigen delegierbaren Tätigkeiten zu bekommen. Es zeigt sich, dass Anlagen/Wechsel von Verbänden sowie das Anlegen und Umstecken von Infusionen in rd. 80 % der Krankenhäuser (auch) von nichtärztlichen Berufsgruppen durchgeführt wird. In rund zwei Dritteln der Krankenhäuser erfolgen die venöse Blutentnahme sowie Injektionen (i.v. oder i.m.) ebenfalls nicht ausschließlich durch Ärzte. Seltener wird das Legen von Magensonden oder das Legen von peripheren venösen Zugängen an nichtärztliche Berufsgruppen delegiert. Zum Bereich der Delegation von administrativen Aufgaben zählen Kodierung und Dokumentation. In fast der Hälfte der Krankenhäuser wird die 1
Vgl. Neiheiser/Offermanns, Neuordnung von Aufgaben des ärztlichen Dienstes, das Krankenhaus 2008, 463.
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Kodierung nicht ausschließlich von Ärzten vorgenommen. Dagegen erfolgt die Dokumentation von ärztlichen Leistungen nur in rd. einem Fünftel der Häuser auch durch nichtärztliche Berufsgruppen. In Krankenhäusern werden aber nicht nur die oben dargestellten ärztlichen Tätigkeiten an andere Berufsgruppen delegiert, sondern auch darüber hinausgehende Tätigkeiten und Aufgabenbereiche. Folgende komplexe Aufgabenbereiche werden ebenfalls häufiger delegiert: -
Wund- und Schmerzmanagement, Casemanagement in Form der Belegungssteuerung und des Entlassmanagements, Assistenz im OP wie Hakenhalten, Lagerung, Venenstripping, Kommunikation mit dem MDK.
Eine weitere Frage richtete sich danach, ob in Krankenhäusern im Rahmen von Modellvorhaben oder durch die Entwicklung neuer Berufsbilder bzw. den Einsatz neuer Berufsgruppen eine neue Aufgabenverteilung zwischen Ärztlichem Dienst und anderen Berufsgruppen geplant oder erreicht worden ist. Bei dieser Frage geht es also um die Substitution von Leistungen, also um echte Neuallokation von Tätigkeiten. Die originäre Zuständigkeit für eine Tätigkeit liegt damit nicht mehr bei den Ärzten, sondern bei den anderen Berufsgruppen, die diese Leistung dann auch eigenverantwortlich erbringen. In rd. 19 % der Krankenhäuser – in größeren Häusern rd. 40 % – wird eine neue Aufgabenverteilung zwischen Ärzten und anderen Berufsgruppen erprobt oder ist zumindest geplant. Die neuen oder veränderten Berufsbilder lauten z.B.: -
Operationstechnischer Assistent (OTA) im OP Arzthelferinnen im OP Chirurgische Assistenten im OP-Bereich/Bachelor of Science in Physician Assistance Gefäßchirurgische Assistenten Anästhesietechnische Assistenten Stationsassistenten Medizinische Dokumentations-Assistenten.
Das Klinikum Dortmund hat nach klinikinterner Umfrage bei den Ärzten und der Pflege als flächendeckende Übertragungsobjekte die Blutentnahmen und Anlage von Verweilkanülen, die i.v.-Applikation von Medikamenten, die Anlage von Kurzinfusionen und das Schmerzmanagement nach Schmerzschema sowie als fachspezifische Projekte die Anlage von
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diagnostischen Geräten (Langzeit-RR), Diabetesmanagement (Blutzucker einstellen und kontrollieren, Insulingabe), Ultraschalluntersuchungen sowie die Durchführung einfacher diagnostischer Tests (z.B. Schelling, PANDA) als Pilotprojekte beschlossen und das Projekt Blutentnahme und Anlage von Venenverweilkanülen inzwischen abteilungsweise umgesetzt. Ein Leitfaden und Hinweise für die venöse Blutentnahme sowie das Legen peripherer Venenverweilkanülen verbunden mit Schulung sowie Befähigungsnachweis „Spritzenanweisung“ mittels Dienstanweisung und Verfahrensanweisung sind als qualifizierende Maßnahmen vorgesehen2. In vielen Krankenhäusern hat sich die nichtärztliche Chirurgieassistenz bei operativen Eingriffen durchgesetzt. Zu den Aufgaben eines Chirurgieassistenten zählen beispielsweise Mithilfe beim Zugangsweg durch situationsgerechtes Verwenden von Instrumenten und/oder Händen, Fadenführen, Anwendung verschiedener Knotentechniken, Bedienung und Anwendung medizinischer Geräte, Einlegen und Sicherung von Drainagen/Sonden/Kathetern/Tamponaden, Mithilfe beim schichtweisen Wundverschluss, auch durch eigenständige Naht, sowie das Anlagen steriler Verbände jeglicher Art. Derzeit bestehen 4 verschiedene Möglichkeiten zur Qualifikation als Chirurgieassistenz, entweder durch Ausbildung zum „chirurgisch technischen Assistenten“, durch Weiterbildung als „Chirurgieassistent“, durch den Studiengang „Bachelor of Science in Physician Assistance“ oder durch Weiterbildung als „Gefäßassistent DGG“. Nachdem wir uns nun einen ersten Überblick über das gegenwärtig bestehende Maß an Delegation in deutschen Krankenhäusern verschafft haben, gilt es, die haftungsrechtlichen Grenzen aufzuzeigen.
3. Haftungsrechtliche Grenzen der Delegation Nach allgemeiner Meinung bestimmt sich die Grenze der Delegations- und Substitutionsfähigkeit danach, wo der Kernbereich der ärztlichen Tätigkeit beginnt, wobei bisher dieser Kernbereich der ärztlichen Tätigkeit nicht beschrieben worden ist3. Die Grenze wird, ohne eine Abgrenzung im einzelnen vorzunehmen, lediglich damit beschrieben, dass der Kernbereich ärztlichen Handelns diejenige medizinische Tätigkeit voraussetzt, die spezi-
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Sabine Decker, Vortrag DKI Düsseldorf vom 01.07.2008. Laufs/Uhlenbruck/Laufs, Handbuch des Arztrechts, § 101 Rdn. 11; Bamberger/Roth/Spindler, BGB, Band 2, 2003, § 823 Rdn. 723; Hahn NJW 1981, 1977, 1980; Heinze/Jung, MedR 1985, 62, 65, 67.
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fisch ärztliches Fachwissen erfordert, über das nur die Profession des Arztes, nicht jedoch Dritte verfügen4. Instruktive ist eine frühe Entscheidung des BGH5: „Die Verwendung nichtärztlicher Hilfspersonen ist aus der modernen Medizin und insbesondere aus dem heutigen Klinikwesen nicht wegzudenken. Es ist auch unvermeidlich, dass diesen Hilfspersonen im Einzelfall ein hohes Maß von Verantwortung zufällt – so im gesamten Bereich der Aseptik, bei hoch entwickelten technischen Geräten, deren Funktion verlässlich oft nur von einem Techniker zu kontrollieren ist, oder bei der Bereitstellung von Medikamenten und anderen Chemikalien. In allen diesen Bereichen ist dem Arzt ein persönliches Tätigwerden im Einzelfall teils aus Gründen der wirtschaftlichen Arbeitsteilung nicht zumutbar, teils auch wegen der Grenzen seiner fachlichen Kenntnisse gar nicht möglich. Damit kann sich eine Pflicht des Arztes, solche Tätigkeiten im Einzelfall persönlich auszuüben, nicht schon aus der Schwere der Gefahren ergeben, die eine unsachgemäße Ausführung mit sich bringen kann. Ein persönliches Eingreifen des Arztes ist vielmehr grundsätzlich nur zu fordern, wo die betreffende Tätigkeit gerade dem Arzt eigene Kenntnisse und Kunstfertigkeiten voraussetzt. Dann erschöpft sich die Sorgfaltspflicht des verantwortlichen Arztes darin, die fachliche und charakterliche Zuverlässigkeit der mit der Prüfung betrauten Hilfskraft zu überwachen und zu gewährleisten, dass sie sich der mit ihrer Tätigkeit verbundenen hohen Verantwortung bewusst blieb.“ Sowohl das Arzthaftungsrecht als auch das Arztstrafrecht legen keine unmittelbare Grenze hinsichtlich der Zulässigkeit der Delegation ärztlicher Aufgaben fest. Die Rechtsprechung hat aber mehrfach entschieden, dass ein Behandlungsfehler vorliegt, wenn einer nach ihrem Ausbildungs- und Erfahrungsstand zur Vornahme bestimmter Eingriffe in die körperliche Integrität eines Patienten nicht befugten Person solche Eingriffe dennoch übertragen und von ihr ausgeführt werden6. Die Berufsgruppen haben die Abgrenzung zwischen ärztlichen und nichtärztlichen Leistungen selbst vorzunehmen. Die Abgrenzung ist historisch gewachsen, sie unterliegt dem historischen Wandel, und zwar national und international. Im Streitfall obliegt die Abgrenzung dem Sachverständigen, im Übrigen hat die Festlegung durch die Leistungserbringer selbst zu erfolgen. Es gibt einen Kernbereich medizinischer Behandlung, der nicht delegierbar ist. Behandlungsmaßnahmen, die wegen
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Laufs/Uhlenbruck/Laufs, Handbuch des Arztrechts, § 10 Rdn. 6. BGH VersR 1975, 952 s. Fn. 29. Vgl. BGH NJW 1984, 655 m.w.N..
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ihrer Schwierigkeit, ihrer Gefährlichkeit oder wegen der Unvorhersehbarkeit der Reaktion oder des geschützten Rechtsgutes (Willensfreiheit)
professionelles ärztliches Fachwissen voraussetzen, sie sind vom Arzt persönlich durchzuführen und nicht delegationsfähig7. Tätigkeiten, die regelmäßig mit erheblichen Gefahren für den Patienten oder für die Allgemeinheit verbunden sind oder besondere Risiken aufweisen und nur aufgrund ärztlichen Fachwissens beherrschbar sind, müssen dem approbierten Mediziner vorbehalten bleiben. Die berufsspezifischen Sorgfaltspflichten richten sich nach medizinischen Maßstäben und müssen im Streitfall von Sachverständigen anhand des einschlägigen Standards ermittelt werden. Dabei orientiert sich insbesondere auch der Umfang der allgemein bestehenden Organisationspflichten und insbesondere der Auswahlpflichten, Instruktionspflichten, Überwachungspflichten und Kontrollpflichten an dem im jeweiligen Einzelfall konkret zu fordernden Standard. Im Übrigen ist in der arbeitsteiligen Medizin Delegation und Substitution zulässig, soweit sie nicht den Kernbereich, also insbesondere Diagnostik, Differenzialdiagnostik und Therapie nach unverzichtbarem ärztlichem Standard betreffen. Eine Delegation ist unzulässig, wenn nach medizinischem Wissen bei Delegation an einen Nichtarzt eine konkrete Gefährdung für die Gesundheit des Patienten besteht und der Arzt nicht bei der Erbringung dergestalt mitwirkt, dass die Leistung insgesamt als solche des Arztes erkennbar ist.
4. Überblick über die Rechtsprechung Zum Schutz des Patienten hat die Rechtsprechung dem Krankenhausträger umfassende Organisationspflichten auferlegt. Der Organisationsbereich des Krankenhausträgers umfasst ein sehr weites Spektrum. So hat der Krankenhausträger die Pflicht, ausreichend qualifiziertes ärztliches und nichtärztliches Personal zur Verfügung zu stellen, anzuleiten, zu überwachen und weiterzubilden. In jeder Behandlungsphase muss ein qualifizierter Arzt bereitstehen, um die notwendigen Anweisungen zu geben und zu überwachen8. Der Krankenhausträger muss darüber hinaus die ärztlichen 7 8
Vgl. Roters ZMGR 2009, 171 (174). Bergmann/Kienzle, Krankenhaushaftung. Organisation, Schadensverhütung und Versicherung – Leitfaden für die tägliche Praxis, 2. Auflage, Düsseldorf 2003, S. 37.
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und pflegerischen Standards in personeller und fachlicher Hinsicht gewährleisten9. Der Krankenhausträger wiederum hat den leitenden Arzt im Rahmen der Fachaufsicht im Hinblick auf organisatorische Aspekte zu überwachen und die fachgerechte Organisation seitens des Arztes zu überprüfen. Daraus folgt, dass es „gemeinsame Aufgabe von Krankenhausträger und Chefarzt ist, dafür zu sorgen, dass das nachgeordnete Personal, also ärztlicher Dienst und Pflegepersonal, die erforderliche fachliche Qualifikation ohne persönliche Mängel besitzen. Bezüglich des Pflegepersonals gelten strenge Anforderungen an Auswahl, Überwachung und Einsatz“10. Der Krankenhausträger, aber auch der Chefarzt, haben nachzuweisen, dass sie ihre Organisationspflichten mit der erforderlichen Sorgfalt erfüllt haben. Von einem objektiven Mangel wird auf ein pflichtwidriges Verhalten geschlossen. Insofern besteht eine erhöhte Dokumentationspflicht bei der Übertragung ärztlicher Aufgaben auf andere Berufsgruppen. Wer eine Aufgabe ohne berechtigtes Vertrauen und in Erkennbarkeit dessen, dass die Aufgabe die Grenzen seiner Fähigkeiten und Möglichkeiten übersteigt übernimmt, haftet aus Übernahmeverschulden, denn auch die Übernahme einer Leistung, die nach den persönlichen Fähigkeiten für den die Aufgabe Übernehmenden seine Fähigkeiten übersteigt, stellt einen Qualitätsmangel dar, der zum Schadensersatz verpflichtet. Der Zivilrechtsprechung lässt sich letztlich die patientenorientierte Risikobegrenzung als zutreffender Maßstab entnehmen. Eine erwünschte Arbeitsteilung ist nur zulässig, wenn man die mit ihr verbundenen Risiken sicher begrenzen kann und die Übertragung der originär dem Arzt zugewiesenen Aufgabe nach den Anforderungen ordnungsgemäßer Berufsausübung und medizinischem Standard gemäß § 276 BGB genügt. Denn erforderliche Sorgfalt im Sinne des § 276 BGB meint den Standard der jeweiligen Berufsgruppe. Die berufsspezifische Sorgfaltspflicht richtet sich nach medizinischen Maßstäben und muss im Streitfall vom Sachverständigen im Wege juristischer Plausibilitätskontrolle ermittelt werden, ohne Streitfall kann es nur Aufgabe dazu berufener sachverständiger Kreise sein, den Standard von Delegation und Substitution zu ermitteln11. Der Überblick über die Rechtsprechung zeigt die einzelfallbezogene Bewertung der Grenzen der Delegation und ihre inhaltliche Begrenzung
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Vgl. Deutsche Gesellschaft für Medizinrecht (DGMR) e.V.: Organisationsverschulden in Klinik und Praxis, Einbecker-Empfehlungen, www.medizin.unikoeln.de/dgmr/pdf/empf-2005-als-pdf.pdf, Stand: 30. November 2007. Bergmann/Kienzle, Krankenhaushaftung…., a.a.O., S. 182. instruktiv OLG Dresden GesR 2008, 635 für intravenöse Injektion.
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durch Überwachungspflichten, die sich bei jeder Gefahrerhöhung für den Patienten aktualisieren. Einzelfälle -
Entblutungsschock durch Entkopplung eines Infusionsschlauchs BGH, Urteil vom 10. Januar 1984 – VI ZR 158/82 – NJW 1984, 1400 ff.
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fehlende Anweisung zur postoperativen Betreuung und darauf beruhende unzureichende Patientenüberwachung durch Pflegepersonal OLG Köln, Urteil vom 21. August 1996 – 5 U 286/94 – VersR 1997, 1404
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Decubitus-Prophylaxe BGH, Urteil vom 02. Juni 1987 – VI ZR 174/86 – NJW 1988, 762 f. BGH, Urteil vom 18. März 1986 – VI ZR 215/84 – NJW 1986, 2365 f.
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fehlerhafte Fixierung OLG Köln, Urteil vom 02. Dezember 1992 – 27 U 103/91 – VersR 1993, 148 f.
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intramuskuläre Injektion durch Krankenpflegehilfe BGH, Urteil vom 08. Mai 1979 – VI ZR 58/78 – NJW 1979, 1935 OLG Köln, Urteil vom 22. Januar 1987 – 7 U 193/86 – VersR 1988, 44 ff.
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fehlerhafte intravenöse Injektion durch Krankenschwester (Kurznarkose) BGH, Urteil vom 07. Oktober 1980 – VI ZR 176/79 – NJW 1981, 628
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intravenöse Injektion durch MTA BGH, Urteil vom 27. November 1973 – VI ZR 167/72 – NJW 1974, 604.
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mängelbehafteter Tubus BGH, Urteil vom 24. Juni 1975 – VI ZR 72/74 – NJW 1975, 2245 f.
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Operationsassistenz durch Studierende im praktischen Jahr OLG Köln, Urteil vom 04. Juli 1990 – 27 U 86/89 – VersR 1992, 452 ff.
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Einführung eines Darmrohrs durch Arzthelferin OLG München, Urteil vom 29. November 1989 – 27 U 111/89 -VersR 1991, 311
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Schwangerschaftsuntersuchung durch Sprechstundenhilfe OLG Stuttgart, Urteil vom 09. April 1987 – 14 U 33/86 – VersR 1988, 856.
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Fehler bei Überwachung der Aufwachphase durch Anästhesiepfleger OLG Düsseldorf, Urteil vom 30. Dezember 1985 – 8 U 198/84 – VersR 1987, 489
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Magenaushebung durch Sprechstundenhilfe OLG Bremen, Urteil vom 04. Dezember 1969 – 2 U 117/69 – VersR 1970, 447
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Unterlassen einer Anweisung an die Arzthelferin, pathologische Krankheitssymptome sofort zu melden BGH, Urteil vom 19. Januar 1996 – VI ZR 70/95 – NJW 1996, 1597 ff.
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fehlende Kontrolle und Überwachung einer Nachtschwester im Zusammenhang mit der Bewertung des CTG BGH, Urteil vom 16. April 1996 – VI ZR 190/95 – NJW 1996, 2429 ff.
Arbeitsteilung Arzt/Hebamme dazu allgemein Ratzel, DGMR 2008, 192 ff. -
Kompetenz Hebamme endet bei Auftreten einer Schulterdystokie OLG Stuttgart, Urteil vom 15. Juli 1993 – 14 U 3/93 – VersR 1994, 1114.
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ebenso allgemein bei Risikogeburten (etwa „großes Kind“) OLG Hamm, Urteil vom 18. September 1989 – 3 U 233/88 – VersR 1991, 228
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pathologisches CTG OLG Oldenburg, Urteil vom 16. Januar 1996 – 5 U 17/95 – VersR 1997, 1236 OLG Celle, Urteil vom 28. Juli 1997 – 1 U 19/96 – VersR 1999, 486
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Höherstellen des Wehentropfes (gleichzeitig zu geringe Personalstärke) OLG Stuttgart, Urteil vom 20. August 1992 – 14 U 3/92 – NJW 1993, 2384 ff.
Der Umfang von Sorgfaltspflichten im Delegationsbereich kann insbesondere auch beim Einsatz von (selbst ärztlicher) Berufsanfängern berührt sein, vgl. insoweit -
Blinddarmoperation durch Berufsanfänger BGH, Urteil vom 10. März 1992 – VI ZR 64/91 – NJW 1992, 1560 f.
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Lymphdrüsenexstirpation eines Berufsanfängers BGH, Urteil vom 07. Mai 1985 – VI ZR 224/83 – NJW 1985, 2193 f.
5. Rechtliche Grenzen der Delegation am Beispiel von Operation und Anästhesie Es liegt in der Natur der Sache, dass die einzelnen Berufsgruppen – je nach fachlichem Blickwinkel, aber auch berufspolitischem Auftrag – die Grenzen von Delegation und Substitution unterschiedlich bestimmen12. Dies betrifft insbesondere Operation und Anästhesie: Auch bei Leistungen, die den Kernbereich des ärztlichen Handelns betreffen, etwa eine Operation, wird man prüfen müssen, ob und inwieweit Teile dieser ärztlichen Leistung bei Wahrung des Facharztstandards aus Wirtschaftlichkeitsgründen auf nichtärztliches Personal übertragen werden kann. Wenn also beispielsweise eine chirurgische Operation nach der Rechtsprechung von einem Facharzt geleitet werden muss, weil der Patient Anspruch auf eine Behandlung hat, die dem Standard eines erfahrenen Facharztes entspricht, Facharztstandard aber das in der ärztlichen Praxis und Erfahrung bewährte, nach naturwissenschaftlichen Erkenntnissen gesicherte, von einem durchschnittlich befähigten Facharzt verlangte Maß an Kenntnis und Können voraussetzt13, schließt dies nicht die Mitwirkung eines chirurgisch-technischen Assistenten (CTA) bei dieser Operation aus. So können nach der Auffassung von Eypasch überschaubare Eingriffe an der Körperoberfläche wie beispielsweise einfache Blinddarmoperationen, Leistenhernie, Herzschrittmacher, Kniegelenksspiegelung und ambulante Eingriffe von einem Facharzt gemeinsam mit einem chirurgisch-tech12 13
Überblick bei Günter, AZR 2009, 31 ff. vgl. Bergmann/Kienzle, Krankenhaushaftung, Rn. 132.
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nischen Assistenten erbracht werden, während aufwendige Eingriffe in den Körperhöhlen wie beispielsweise Bypass-Herzoperation, offene Hirntumoroperation, komplizierte Darmoperation, aufwendige Gefäßoperation, aufwendige Unfalloperation nur von zwei Ärzten, also entweder zwei Fachärzten oder einem Facharzt und einem Weiterbildungsassistenten erbracht werden können14. Bisher fehlt es an einer bundeseinheitlichen Regelung eines Berufs des operationstechnischen Assistenten (OTA). Das Maß der objektivierten und erforderlichen ärztlichen Sorgfalt richtet sich aus an der Gefährdung des Patienten durch den Eingriff. Je größer die Eintrittswahrscheinlichkeit für eine Gefährdung des Patienten ist, desto höher ist der Maßstab, an dem sich die erforderliche Sorgfalt auszurichten hat15. Die Gefährdung eines Patienten „macht sich vor allem an der Schwere des Eingriffs, der Bedeutung für den unmittelbaren Gesundheitszustand sowie der akuten Gefährdung des Patienten fest. Generell wird man daher sagen müssen, dass, je höher die Komplikationswahrscheinlichkeit und/ oder je größer die Komplikationsschwere der vorzunehmenden ärztlichen Tätigkeit ist, diese das persönliche Tätigwerden des Arztes erfordert“16. Soweit gesetzliche Vorschriften bestimmte Maßnahmen am Patienten dem Arzt vorbehalten, ist ihnen gemeinsam, dass diese Tätigkeiten regelmäßig mit erheblichen Gefahren für den Patienten oder für die Allgemeinheit verbunden ist oder besondere Risiken beschreibt, deren Beherrschung wiederum ärztliches Fachwissen voraussetzt17.18 Wie der Bundesgerichtshof bereits im Jahr 1975 entschieden hat19, kann sich die Pflicht des Arztes, solche Tätigkeiten im Einzelfall persönlich auszuüben, nicht schon aus der Schwere der Gefahren ergeben, die eine unsachgemäße Ausführung mit sich bringen kann, da sich unvermeidbare Gefahren auch bei typisch pflegerischer Tätigkeit oder Tätigkeit von Technikern ergeben. Anknüpfungs-
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Vortrag vom Prof. Dr. Eypasch, Rechtliche Einschränkungen für die Delegation ärztlicher Leistungen an nichtärztliches Personal aus chirurgischer Sicht, Arbeitskreis „Ärzte und Juristen“ am 28.04.2006 in Würzburg. Vgl. Sträßner, Heinz: Haftungsrecht für Pflegeberufe, S. 287. Roßbruch, Robert: Zur Problematik der Delegation ärztlicher Tätigkeiten, S. 141. Vgl. z.B. § 24 Infektionsschutzgesetz (IFSG) vom 20.07.2000/(BGBl I. S. 1045), § 3 Röntgenverordnung i.d. Fassung der Bekanntmachung vom 30.04.2003, BGBl S. 604; § 13 Betäubungsmittelgesetz i.d. Fassung der Bekanntmachung vom 01.03.1994 (BGBl I S. 358, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 22.12.2006, BGBl I S. 3416. Vgl. hierzu auch Spickhoff/Seibl, MedR 2008, 463 – 473. Urteil des BGH vom 24.06.1975, VI ZR 72/74, VersR 1975, 952, 953.
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punkt muss vielmehr sein, dass sich eine spezifische Gefahr dann ergibt, wenn nicht ein Arzt höchstpersönlich die Behandlung übernimmt20. Wenn Spickhoff/Seibl ausführen, dass zum nicht delegierbaren Kernbereich sämtliche operativen Eingriffe, und zwar neben Diagnosestellung und Befundung und Untersuchungen auch die Gabe von Infusionen, Einspritzungen in Katheter, Shunts und Ports bei zentraler Lage in herznahe Venen, in das Ventrikelsystem, das arterielle System, den Periduralraum sowie das Peritoneum und die Entnahme von Blut gehören, insbesondere aber die Injektion von Kontrastmitteln, wird eine sachliche Begründung für diese Auffassung nicht geliefert. Warum der Arzt diese Tätigkeit kraft Profession allein und nicht – jedenfalls zum Teil – delegierfähig durchführen soll, obwohl die Wirklichkeit in den Krankenhäusern gänzlich anders aussieht, wird nicht näher erläutert. Es bleibt aber unklar, ob Spickhoff/Seibl damit die Substitution ohne Anleitung und Überwachung oder die Delegation meinen. Nach Auffassung von Spickhoff/Seibl21 ist die Anästhesie als Teil des Kernbereichs ärztlicher Tätigkeit anzusehen, so dass nur im Notfall denkbar ist, die Leistungen kurzzeitig einem nichtärztlichen Mitarbeiter zu delegieren. Auch nach der Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie vom 27.11.200622 sind Operationsführung und Narkose ärztlich vorbehaltene Tätigkeiten. Demgegenüber weist die Stellungnahme des deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe23 darauf hin, dass „angesichts der fachlichen Qualifikation weitergebildeter Anästhesie-Pflegekräfte und der längst gefahrlos praktizierten Realität“ keine Bedenken im Hinblick auf eine Ausweitung der pflegerischen Tätigkeit bei Anästhesien bestehen können. Differenzierend bewerten die Fachgesellschaften der Anästhesie24 die Delegationsfähigkeit nach der Art der Anästhesie. Der Anästhesist hat die Anästhesieverfahren zu führen, bei denen der Patient sein Bewusstsein und die Schutzreflexe verliert, ferner die rückenmarksnahen Leistungsanästhesien, nichtärztliche Mitarbeiter können lokoregional Anästhesieverfahren wie z.B. die Oberflächenanästhesie oder Infiltrationsanästhesien führen, ferner auch Sedativa und Analgetika, soweit nicht der Verlust der 20
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Zutreffend Gruskow/Klein, Krankenpflege und Recht, 2. Aufl. 2006, S. 199 f.; Hahn NJW 1981, 1977, 1981; anderer Ansicht Spickhoff/Seibl, MedR 2008, 463 – 473. Spickhoff/Seibl, MedR 2008, 463 – 473. Deutsche Gesellschaft für Chirurgie-Mitteilungen 2007, 62. Stellungnahme des deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe DBfK „Die Zukunft der Pflege im Krankenhaus“, 2006, S. 8 f. Anästhesie und Intensivmedizin 46 (2005), 32 und Anästhesie und Intensivmedizin 49 (2008), S. 53 ff. Der Anästhesist 2007, S. 1273 ff.
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Schutzreflexe oder die Atemdepression droht, verabreichen. Für delegationsfähig erachten die Fachgesellschaften venöse Blutentnahmen, EKG, Pulsoxymetrie, das Platzieren peripherer venöser Verweilkanülen sowie die Injektion und Infusion von Arzneimitteln unter Aufsicht des Anästhesisten im Rahmen der Einleitung der Anästhesie. Andererseits sind nach der Ampelrichtlinie des Verbandes der Pflegedirektorinnen und Pflegedirektoren der Universitätskliniken in Deutschland (CVPU) Anlage und Wechsel einer Blutkonserve, Anlage einer PEG-Sonde und Anlage eines peripheren arteriellen Zugangs nicht an Pflegekräfte delegierbar25. Die Diskussion zeigt, dass hier durchaus der Kernbereich ärztlicher Tätigkeit betroffen ist, nach dem Gutachten des Deutschen Krankenhausinstituts (s. Ziffer 2.) die Kategorie 5, bei der eine Delegation unter Aufsicht eines Arztes bei entsprechender strukturierter Weiterbildung der nichtärztlichen Person möglich sein wird. Bei der Auswahl der Mitarbeiter, die die bislang ärztliche Tätigkeit übernehmen sollen, sind ebenfalls die berufsspezifischen Sorgfaltsanforderungen (§ 276 BGB) zu wahren. Inwieweit ärztliche Tätigkeiten delegationsfähig sind, „ist im Einzelfall anhand von drei Kriterien zu prüfen: (1) relative Einfachheit der Maßnahme im Verhältnis zum Kenntnisniveau des Delegierungsadressaten, (2) relative Ungefährlichkeit des Eingriffs im Verhältnis zum Gesundheitszustand des Patienten und (3) Beherrschbarkeit durch en nichtärztlichen Mitarbeiter. Die Kriterien 1 und 3 beziehen sich auf die formelle bzw. materielle Qualifikation desjenigen, der die ärztliche Tätigkeit übernimmt, während das 2. Kriterium auf die schon behandelte Gefährdung des Patienten durch die Tätigkeit abzielt. Für die Zuordnung der Tätigkeiten muss maßgebend sein, dass die Tätigkeit der Person zuzuordnen ist, die diese fachlich, rechtlich, wirtschaftlich und „dem Prozess entsprechend“ hochwertig erbringen kann. Auch bei dieser Bewertung ist Streit zwischen den Berufsgruppen vorprogrammiert26. Weitgehend geklärt erscheinen die Grenzen bei Injektionen.
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Verband der Pflegedirektorinnen und Pflegedirektoren der Universitätsklinik in Deutschland VPU e.V.: Übernahme ärztlicher Tätigkeiten, praktische und rechtliche Grenzen bei der Delegation ärztlicher Tätigkeiten. Zum Selbstverständnis der Pflege vgl. Hanika, PflR 2009, 372 ff.
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(1) Injektionen, Infusionen und Blutentnahmen sind Eingriffe, die zum Bereich des Arztes gehören. (2) Der Arzt kann Assistenzpersonal beauftragen, soweit nicht die Art des Eingriffs sein persönliches Handeln erfordert. (3) Der Arzt bleibt für die Anordnung und ordnungsgemäße Durchführung der Eingriffe sowie für die Auswahl und Überwachung der Hilfskraft verantwortlich. (4) Die Durchführung der subkutanen und intramuskulären Injektionen kann auf Assistenzpersonal übertragen werden, wenn die erforderliche Qualifikation gewährleistet ist. Dann kann z.B. auch die Zytostatikaapplikation delegiert werden27. (5) Die Durchführung der Blutentnahme darf ad personam an einzelne, entsprechend qualifizierte Mitarbeiter delegiert werden. (6) Intravenöse Injektionen und das Anlegen von Infusionen sollten vom Arzt selbst durchgeführt werden. Sie sind delegationsfähig, wenn sich der Arzt von der durch Ausbildung und Erfahrung gewonnenen spezifischen Qualifikation in der Punktions- und Injektionstechnik überzeugt hat und ein Arzt aus der Abteilung persönlich anwesend ist28. (7) Die Instruktion der Hilfskräfte muss den Hinweis enthalten, dass diese im Falle von unerwarteten Reaktionen unverzüglich den Arzt benachrichtigen müssen. (8) der „Spritzenschein“ ist eine Entscheidungshilfe. (9) Stets darf die Art des Eingriffs oder die Konstitution des Patienten nicht das persönliche Handeln des Arztes erfordern, wobei gilt: a) Maßstab muss stets eine patientenorientierte Risikoabgrenzung sein b) Maßstab sind weiter die Risiken durch das zu applizierende Medikament bzw. die anzuwendende Injektionstechnik sowie das technische Können des Durchführungsverantwortlichen c) die rechtliche Verantwortung bleibt über § 278 BGB bzw. § 831 BGB stets beim Arzt und beim Krankenhausträger. Inzwischen haben sich in der haftungsrechtlichen Literatur einige zusätzliche Streitfragen herausgebildet:
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Vgl. Bergmann, MedR 2009, 1 ff.. Vgl. OLG Dresden, GesR 2008, 635 für MTRA = Medizinisch-technische Radiologieassistentin.
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6. Streitfragen: Schriftformerfordernis, Aufklärungsumfang, Kompetenz Patientenaufklärung Im Bereich der Delegation werden vor allem drei Problemfälle streitig diskutiert: -
Schriftformerfordernisse Aufklärung über Delegation Delegierbarkeit der Patientenaufklärung
a) Schriftformerfordernisse Ärztliche Anordnungen und über bloße Routinemaßnahmen hinausgehende Delegationen sind im Zusammenhang mit der Erbringung der Leistung schriftlich zu dokumentieren. Davon zu trennen ist die streitige Frage, ob die delegierte Tätigkeit selbst schriftlich anzuordnen ist (verneinend Bergmann, MedR 2009, 1 (7) gegen Weber, Pflege- und Krankenhausrecht, 91). Die letztere Frage berührt das Arbeitsrecht. Richtiger Auffassung nach kann der Arbeitnehmer keine schriftliche Anordnung verlangen. Im Umfang bestehenden Direktionsrechts ist er verpflichtet, die ihm übertragene Aufgabe auch ohne schriftliche Anordnung auszuführen. Fühlt er sich der Aufgabe nicht gewachsen oder scheint ihm die Aufgabe zu gefährlich oder fehlen ihm notwendige Kenntnisse bzw. sind ärztliche Unterweisungen nicht ausreichend vorgenommen oder wird die notwendige Technik nicht beherrscht, kann der Arbeitnehmer ohne weiteres die Erbringung der Arbeitsleistung verweigern. Dies gilt umso mehr, wenn die verlangte Tätigkeit Strafgesetzen zuwiderläuft (für den öffentlichen Dienst vgl. § 8 Abs. 2 BAT). b) Aufklärung über die Delegation Muss der Patient darüber aufgeklärt werden, dass nicht der Arzt, sondern die Pflegeperson die Leistung erbringt? Auch hier besteht Streit. Spickhoff/Seibl verlangen, dass der Patient etwa über eine Anästhesie durch nichtärztliches Personal im Rahmen der Delegation aufzuklären ist29. Der Bundesgerichtshof hat z.B. im Zusam29
MedR 2008, 463 (471 f.): ebenso Andreas, ArztRecht 2008, 144 (150); a.A. Bergmann, MedR 2009, 1 (8).
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menhang mit einer intravenösen Injektion durch eine nicht voll medizinisch ausgebildete Hilfskraft (Bromthaleintest bei allgemein erhöhter Thrombosebereitschaft) offen gelassen, ob die Überlassung eines solchen Eingriffs an eine Hilfskraft eine zusätzliche Aufklärung erforderlich macht30. Eine Aufklärung über eine Delegation ärztlicher Leistungen auf nichtärztliches Personal liegt nahe, wenn eine Delegation im Rahmen eines neuen Behandlungskonzepts erfolgt. Bei Neulandverfahren ist bekanntlich über die Alternativen, aber auch darüber aufzuklären, dass es sich um eine neue Behandlungsmethode handelt31. Grundsätzlich ist die Delegation aber eine Frage patientengerechter Organisation, der Patient ist insoweit im Rahmen der Behandlungsfehlerhaftung geschützt. Eine Aufklärung ist aber ausnahmslos unverzichtbar, wenn die Delegation zu einer nicht abschätzbaren Risikoerhöhung führen kann bzw. wenn im Umfang der delegierten Tätigkeit das Tätigwerden eines bestimmten Arztes (Chefarzt) vereinbart war. c) Delegierbarkeit der Patientenaufklärung Die für eine wirksame Einwilligung des Patienten notwendige Aufklärung ist ausnahmslos von einem Arzt vorzunehmen. Eine Delegation auf nichtärztliches Personal scheidet aus. Soweit in der Pflege teilweise eine andere Auffassung vertreten wird, fehlt die Orientierung am Rechtsgut der Willensfreiheit32. Delegiert ein Chefarzt die Aufklärung an einen nachgeordneten Arzt, führt dies keinesfalls automatisch zur Entlastung des Chefarztes. Der Chefarzt muss vielmehr darlegen, welche organisatorischen Maßnahmen er ergriffen hat, um eine ordnungsgemäße Aufklärung sicherzustellen und zu kontrollieren33.
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Urteil vom 27. November 1973 – VI ZR 167/72 – NJW 1974, 604 f. Robodoc, vgl. BGH, Urteil vom 13. Juni 2005 – VI ZR 323/02 – NJW 2006, 2477. BGH, Urteil vom 17. November 1972 – VI ZR 167/72 – NJW 1974, 604 f.; Thüringer OLG, Urteil vom 18. Mai 2005 – 4 U 641/04 – ZMGR 2005, 282 ff. BGH, Urteil vom 07. November 2006 – VI ZR 206/05 – ZMGR 2007, 35 ff.
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7. Versicherbarkeit von Delegation und Substitution Versicherungsrechtlich ergeben sich durch die Übertragung herkömmlich ärztlicher Leistungen auf nichtärztliche Mitarbeiter keine besonderen Probleme. Dabei kann für den Regelfall davon ausgegangen werden, dass der Krankenhausträger eine Betriebshaftpflichtversicherung abgeschlossen hat. Wenn der Krankenhausträger keine Betriebshaftpflichtversicherung abgeschlossen hat, bleibt für den Krankenhausmitarbeiter eine nicht unbeträchtliche Deckungslücke. Denn in nahezu jedem Arzthaftpflichtfall bemüht sich der Kläger – zwecks Beweiserleichterung bei Kausalitätsproblemen –, einen schweren, „groben“ Behandlungsfehler im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darzulegen. Wenn nun der grobe Behandlungsfehler zugleich die grobe Fahrlässigkeit des Arztes impliziert, entsteht ein unnötiger Konflikt zwischen Dienstherr und Krankenhausarzt. Der Krankenhausträger kann versuchen, nach den arbeits- und tarifrechtlichen Vorschriften im Falle grober Fahrlässigkeit des mitversicherten Bediensteten Rückgriff zu nehmen34. Dieses Problem des Regresses aus dem Arbeitsverhältnis oder auch einem beamtenrechtlichen Dienstverhältnis (§ 84 LBG) besteht aber immer, wenn der Krankenhausträger nicht haftpflichtversichert ist, schafft also für den Fall der Übertragung von Aufgaben vom ärztlichen auf den nichtärztlichen Dienst keine zusätzlichen Probleme. Besteht eine Betriebshaftpflichtversicherung des Krankenhausträgers, so erstreckt sich der Versicherungsschutz im Rahmen der Haftpflichtversicherung auf die gesamte gesetzliche Haftpflicht des Krankenhauses, also einschließlich der Organisation von Delegation und Substitution. Darüber hinaus besteht ebenfalls Versicherungsschutz für sämtliche übrigen Beschäftigten einschließlich ehrenamtlich und nebenamtlich tätiger Personen und für mitarbeitende Betreute/Patienten für Schäden, die sie in Ausübung ihrer Aufgabe für das versicherte Risiko verursachen. Insofern besteht grundsätzlich Versicherungsschutz für alle Personen im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit unabhängig von der Frage, welche Tätigkeiten konkret ausgeübt werden, so dass eine Neuordnung ärztlicher Aufgaben auf nichtärztliches Personal versicherungsrechtlich keine Auswirkungen hat. Inwieweit dies für alle zu übertragenden Tätigkeiten und/oder alle Berufsgruppen gilt, sollte aber krankenhausindividuell mit dem jeweiligen Haftpflichtversicherungsunternahmen abgestimmt werden.
34
Eingehend Hanau, Medizinrecht 1992, 18; Bergmann, Die Arzthaftpflichtversicherung, in: van Bühren, Handbuch des Versicherungsrechts, 3. Auflage, Köln 2007, S. 988.
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8. Substitution ärztlicher Leistungen Möglichkeiten der Substitution ärztlicher Leistungen bieten sich im ambulanten Versorgungssektor, wobei die Spezialisierung des nichtärztlichen Personals sogar zu einer Qualitätssteigerung des Sorgfaltsmaßstabes führen kann, so beispielsweise nach einer Studie der Universität HalleWittenberg bei der Versorgung chronischer Kranker35. Auch dieses Beispiel zeigt die notwendige ärztliche Begleitung der qualifizierten nichtärztlichen Fachkraft, wenn ausgeführt wird: „Die meisten Studien zeigen bei zusätzlich zur ärztlichen Intervention durchgeführten Maßnahmen durch nichtärztliche Heilpersonen eine Verbesserung der erhobenen klinischen Parameter und eine Verbesserung patientenbezogener Ergebnismaße wie Lebensqualität, Wissen der Patienten und Fähigkeiten zum Selbstmanagement. Im internationalen Kontext sind Pflegekräfte, Diätassistenten oder Physiotherapeuten Spezialisten für ihre Patientenklientel. In den betrachtenden Studien verfügen die Angehörigen der nichtärztlichen Heilberufe fast immer über sehr spezialisierte Ausbildungen, teilweise sogar mit Spezialisierungen, die nur die untersuchte Erkrankung einschlossen. In Deutschland besteht derzeit noch kein solch breites Spektrum an anerkannten Fachweiterbildungen und Spezialisierungen. Um auch in Deutschland die effektive Übernahme vergleichbarer Interventionen zu gewährleisten und eine sinnvolle Unterstützung der ärztlichen Versorgung durch nichtärztliche Heilpersonen zu sichern, können die Ergebnisse aber dennoch als Richtlinien für die Anforderungen der Curricula für zu entwickelnde Spezialisierungen und Qualifizierungen dienen. Erste Schritte sind mit der Entwicklung von Zusatzausbildungen wie dem „Atmungstherapeuten“ oder dem „Diabetesberater“ gemacht. Eine Anforderung des für Deutschland immer mehr an Bedeutung gewinnenden Chronic-Care-Modells ist eine Aufgabenneuverteilung innerhalb des Praxisteams mit dem Ziel, die Betreuung chronisch kranker Patienten zu optimieren.“ Die Einrichtung von Modellvorhaben nach § 63 Abs. 3 c SGB V bedürfen der Abstimmung mit den Ärztekammern und den Berufsverbänden, sie brauchen also Zeit, so dass die Entwicklung nicht als „stürmisch“ prognostiziert wird. Die Krankenhausträger werden die Entwicklung weiter forcieren, schon um dem vergütungsrechtlichen Verdikt zu entgehen, dass mangels formeller Qualifikation der nichtärztlichen Kraft die „Eignung“ fehlt und „eine solche Delegation beispielsweise einen nicht vergütungsfähigen Qualitätsmangel i.S. des § 115 SGB XI darstellt36. 35
36
Großmann u.a. nichtärztliche Heilpersonen in der Betreuung und Behandlung chronisch Kranker, ZÄFQ 103 (2009) 41 – 48. So wörtlich SG Speyer, PflR 2006, 188 ff.
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Es kommt hinzu, dass leistungskonkretisierende Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses haftungsrechtlich relevant sind37. Dies wird also auch für Modellvorhaben nach § 63 Abs. 3 c SGB V gelten, die ja den Richtlinien des Bundesausschusses unterstehen.
9. Ausblick Auf dem Hintergrund demografischer Entwicklungen geht es zunehmend nicht um bloße Delegation, sondern in bestimmten Bereichen um eine grundsätzliche Neuordnung von ärztlichen Aufgaben. In diesem Zusammenhang hat beispielsweise die Deutsche Krankenhausgesellschaft eine Studie „Neuordnung von Aufgaben des ärztlichen Dienstes“ vorgelegt. Daneben gibt es Bestrebungen der Ärzteschaft, aber auch der Pflege sowie einzelner überregional tätiger Krankenhausträger sowohl im stationären als auch ambulanten Bereich Aus- und Weiterbildungskonzepte mit dem Ziel einer Verschiebung genuin ärztlicher Tätigkeiten auf Nichtärzte vorzunehmen. a) Lösungsansätze der Ärzteschaft Die Bundesärztekammer unterstützt Bestrebungen zu einer bundeseinheitlichen Regelung des Berufs des operationstechnischen Assistenten (OTA) mit den Zielen: -
Unterstützung und Entlastung von Chirurgen und Anästhesisten Organisation von Abläufen (Modelle der DKG/AK DH) keine Übergriffe auf originär ärztliche Aufgaben keine Beeinträchtigung der ärztlichen Weiterbildung Finanzierung im Rahmen des Krankenhausfinanzierungsgesetzes
b) Ausbildungsansatz der Asklepios Kliniken Die Asklepios Kliniken bieten ab dem 01. Mai 2009 die Weiterbildung zum chirurgischen Operationsassistenten (COA) an. Zu den Aufgaben des CAO zählen insbesondere:
37
BGH, Beschl. v. 28.03.2008 – VI ZR 57/07 -; vgl. auch Roters, ZMGR 2009, 171.
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fachkundige Betreuung des Patienten unter Berücksichtigung seiner psychischen und physischen Situation Koordination der Arbeitsabläufe Lagerung des Patienten, die Hautdesinfektion und die Abdeckung des Patienten klinisch-spezifisch ausgewählte operative Zugänge und Präparationen chirurgische Assistenz während der Operation Legen von Drainagen und Kathetern Wundverschluss Qualitätskontrolle bei chirurgischen Eingriffen Wundversorgung und ausgewählte Eingriffe in der Ambulanz
c) Ausbildungsansatz der Schüchtermann-Klinik Bad Rothenfelde In der Herzchirurgie der Schüchtermann-Klinik in Bad Rothenfelde präparieren bereits seit sechs Jahren eigens ausgebildete Chirurgie-Assistenten endoskopisch Beinvenen für Bypassoperationen. Nach den Erfahrungen führt die nichtärztliche Entnahme der Beinvenen sowohl konventionell als auch endoskopisch und die Assistenz am offenen Thorax zur Qualitätssteigerung des Operationsverlaufs. Durch die erreichte Routine hat sich die mittlere Dauer einer Bypassoperation verringert. Dadurch können in einem OP-Saal nun drei statt vorher zwei Eingriffe vollzogen werden. d) Gefäßassistenten(in) Die Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie bietet ein strukturiertes Ausbildungs- und Weiterbildungsprogramm an, durch das sich Angehörige medizinischer Assistenzberufe zu Gefäßassistenten qualifizieren können. In der Weiterbildungsordnung der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie sind u.a. die nachfolgenden Tätigkeitsmerkmale genannt: -
Erhebung einer Basisanamnese und eines Basisbefundes Kodierung von Erkrankungen und gefäßchirurgischen Eingriffen vorbereitende Information des Patienten (Stufenaufklärung) Blutabnahme und Legen von Verweilkanülen Wundmanagement nach ärztlicher Anordnung Aktive Assistenz im Operationssaal Assistenz bei Qualitätssicherungsmaßnahmen Überwachung ärztliche eingeleiteter Therapien
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Sämtliche bisher begonnenen Konzepte bewegen sich im Grenzbereich zwischen Delegation und Neu-Allokation. Haftungsrechtlich wird dabei häufig übersehen, dass durch eine Neuordnung der Tätigkeiten nicht erreicht werden kann, dass sich der bislang für derartige Tätigkeiten maßgebliche ärztliche Standard in irgendeiner Weise zu Lasten eines geringeren nichtärztlichen Standards verschiebt. Die vorgestellten Konzeptionen lassen sich jedenfalls im Wege einer Delegation und damit einer ärztlichen Überwachung der übertragenen Tätigkeiten erreichen. Regelmäßig dürften dem ärztlichen Berufsbild entnommene Tätigkeitsbereiche nur im Wege der Assistenz unter gesicherter ärztlicher Aufsicht delegierbar sein. Im Bereich angestrebter Neu-Allokation besteht die Gefahr, dass die Rechtsprechung eher zu einem Übernahmeverschulden und tendenziell zu einem Organisationsverschulden kommt, was dann zu der beweisrechtlichen Besonderheit führen würde, dass allein aufgrund des missglückten Ausgangs des Eingriffs eine Beweislastumkehr im Hinblick auf die Kausalität bejaht würde. Wird allerdings die Substitution ärztlicher Leistungen auf Nichtärzte im Rahmen von Modellvorhaben durchgeführt, sollten derartige Strukturmängel ausgeschlossen sein. Denn dem Zweck der Neuregelung des § 63 Abs. 3 c SGB V wird man nur gerecht, wenn auch heilberufliche Tätigkeit, die bisher nicht delegationsfähig war, zukünftig auf die Pflegeberufe übertragen werden kann38. Wir sind noch am Anfang einer auch die Medizinrechtler noch lange beschäftigenden Entwicklung.
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Zutreffend Günter, ZMGR 2009, 171, 175.
1. Diskussion
Eisenmenger: Da wir bislang keine ärztlichen Stimmen gehört haben, wird vielleicht nicht zuviel Diskussionsbedarf bestehen. Bitte sehr. van Aken, Münster: Man hat kurz darauf hingewiesen, auf den drohenden Ärztemangel; das ist alles richtig, ich überblicke das auch. Seit 23 Jahren bin ich Klinikdirektor und sehe, dass in den letzten Jahren eine deutliche Abnahme von Bewerbungen zu verzeichnen ist. Aber die Ursache, die man hierfür genannt hat, ist nicht hundertprozentig richtig. Es ist nicht so, dass es weniger Ärzte gibt. 1960 hatten wir 100.000 Ärzte in der Bundesrepublik. Im Jahr 2008 waren es 320.000. Die Hauptursache für mich ist eigentlich das Arbeitszeitgesetz. 1970 arbeitete ein Arzt 2.000 Stunden im Jahr und in 2008 nur noch 1.400 Stunden. Das sind 30 % weniger. Die zweite Ursache ist die Feminisierung der Medizin. Wir haben in diesem Semester 70 % Medizinstudentinnen in Münster, die arbeiten auch – das habe ich auch gerade vor wenigen Tagen gehört – , im gesamten Berufsleben ungefähr 30 % weniger als ihre männlichen Kollegen. Das sind zwei große Unterschiede. Und der dritte ist die neue Generation der jungen Ärzte, die so genannte Y-Generation. Das ist die Generation, die die Arbeit an das Leben anzupassen hat und nicht mehr das Leben an die Arbeit. Eisenmenger: Vielen Dank Herr Prof. van Aken. In Puncto Arbeitszeitgesetz kann ich wohl sagen, dass das Arbeitszeitgesetz überall unterlaufen und nur offiziell eingehalten wird. Die Arbeitszeiten sind nicht mehr viel kürzer geworden gegenüber früher. Es wird nur nach außen hin nicht so evident. van Aken: Das kann ich leider so nicht stehen lassen. Wir werden dauernd kontrolliert; in Münster hat bereits einer der Klinikdirektoren eine Strafe von 30.000 Euro aus eigener Tasche bezahlen müssen und da wird ganz genau kontrolliert. Junge Ärzte, ich sage dieY-Generation, die kontrollieren das noch besser. Die möchten ihre Freizeit haben und wenn sie mehr als 42 Stunden gearbeitet haben, dann reklamieren sie am Ende des Monats ihre Tage, die sie in Freizeitausgleich möchten. Die möchten nicht das Geld haben, die möchten die Freizeit haben. A. Jorzig, R. Uphoff (Hrsg.), Delegation und Substitution – wenn der PÀeger den Doktor ersetzt.., DOI 10.1007/978-3-642-15442-3_4, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
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1. Diskussion
Eisenmenger: Gut. Weitere Diskussionsbemerkungen oder Fragen? Herr Teipel. Teipel, Rechtsanwalt, Berlin: Herr Dr. van Aken hat auf Diskrepanzen zwischen Praxis und Theorie aufmerksam gemacht. Ich denke, wir werden tatsächlich einige Vertreter aus der Praxis erst hören müssen, damit sich die Dinge hier verdichten, da haben Sie völlig recht, aber eines scheint mir doch jetzt schon vollkommen theoretisch zu sein. Sie haben heute schon in weitgehenden Bereichen in der Praxis zum Beispiel die Anlage von Zytostatika durch nichtärztliches Personal. Ich kann mich nicht damit anfreunden, mir zu überlegen, ob das jetzt delegiert wird. Der Arzt ist meistens gar nicht da und auch gar nicht in der Nähe. Wollte er die ärztliche Verantwortung weitergeben, wollte er substituieren? Wir haben es mit unzähligen Fällen von Paravasaten zu tun, jedenfalls wir als Haftungsrechtler und in der Praxis ist das längst gang und gebe. Die Frage ist doch nur, was sage ich denn dann der armen Schwester, die unter Umständen gar nicht weiß, dass man DMSO spritzen muss oder was auch immer. Der Arzt jedenfalls ist nicht da und die Schwestern sitzen mit den Dingern allein da. Ich erhoffe mir da viel Antworten von Frau Francois-Kettner. Ich denke schon, dass bei der Problematik deutlich wird, dass die Frage, was der Arzt denn wollte, wollte er delegieren, wollte er substituieren, rein theoretische Überlegungen sind, die sich in der Praxis bereits jetzt schon gar nicht stellen. Dankeschön. Eisenmenger: Weitere Diskussionsbemerkungen, Fragen? Ja bitte sehr. Klakow-Franck, Bundesärztekammer: Herr Schabram, Herr Bonvie hat Ihnen in der Frage glaube ich schon widersprochen. Die Unterscheidung zwischen Assistenz und Delegation ist für mich als Ärztin nicht nachvollziehbar. Schabram: Also ich habe angeknüpft an die Differenzierung, die Rothers vorgestellt hat, welche ich auch ganz vernünftig finde. Eine Assistenz ist eben eine überwachte Hilfsleistung. Eine Delegation heißt, ich delegiere. Ich ordne zwar als Arzt noch die Leistungserbringung an, delegiere dann aber die Ausführung an einen Dritten, der dann auch die Durchführungsverantwortung innehat. Ich habe das Beispiel deswegen mit dem alten Psychotherapeuten gemacht. Da hatten wir nämlich genau das. Wir haben jetzt auch das Phänomen, dass der Arzt die Ergotherapie oder die Logopädie anordnet und der Orthopäde das Angeordnete dann im Umfang nach Maßgabe der Verordnung ausübt, das „Wie“ der Ausübung obliegt hier also ihm. Das ist eine Delegation. Wenn wir jetzt ärztliche Leistungen delegie-
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ren, ändern sich daran ja gar nichts. Das wäre der Begriff der Delegation einer ärztlichen Leistung auf einen Nichtarzt. Zum Beispiel Anordnung: Sie delegieren hier die Dekubitusversorgung an einen in der Wundpflege qualifizierten Krankenpfleger, dann wird der das ausführen und wenn er soweit selbst sagt, ich habe einen Dekubitus, ich behandle den, dass er sogar über das „Ob“ entscheidet, dann haben wir eine Substitution. Der Unterschied zwischen Assistenz und Delegation ist: In der Assistenz entscheidet der Arzt ständig, der Arzt kann also stets über das „Wie“ entscheiden. Wenn der Arzt sagt, machen Sie das bitte so und so, dann ist das eben Assistenz. Wenn der Arzt sagt, beim Ausfüllen einer AUBescheinigung nehmen Sie bitte den roten Kugelschreiber und keinen grünen, dann ist das eine Assistenz. Wenn die AU-Bescheinigung durch die Arzthelferin ausgefüllt werden kann wie sie will, dann ist es eine Delegation. Eisenmenger: Zufrieden? Herr Dr. Bonvie möchte sich noch zu Herrn Teipels Bemerkung sich äußern. Bonvie: Herr Kollege Teipel hat einen Punkt angesprochen, der mich in der Tat auch umtreibt. Diesen Punkt will ich auch ganz bewusst noch einmal unter rechtlichen Überlegungen ansprechen. Wem überantworten wir eigentlich die Entscheidung, festzulegen, was Delegation oder Substitution ist? So ganz einfach ist es ja nicht. Wenn wir im klassischen Bereich der Delegation sind, haben wir Handreichungen, darauf habe ich hingewiesen, das hat auch Herr Kollege Bergmann ausgeführt. Wenn wir aber in Grenzbereiche kommen, wer trägt denn dann eigentlich die Verantwortung, darüber zu entscheiden, delegiere ich noch oder substituiere ich schon?. Und da es ja hin und wieder auch die Pflegekraft ist, hat ja gerade sie dieses Risiko. Ist sie noch in der Delegation oder ist sie schon in der Substitution? Gerade deswegen meine ich, dass wir unter berufsrechtlichen Gesichtspunkten eine Regelung hierzu brauchen, eine klare gesetzgeberische Abgrenzung.. Das ist genau der Punkt, den ich auch deutlich machen wollte und deswegen finde ich - mit Verlaub gesagt - dass dies nicht bloß theoretisch, sondern genau das, worauf Sie hingewiesen haben, die zentrale Frage ist. Eisenmenger: Eine weitere Wortmeldung? Nösser, Bundesärztekammer: Herr Schabram, ich muss noch mal anknüpfen an die Frage, die Frau Klakow-Franck auch gerade gestellt hat. Delegation – Assistenz. Wir haben uns natürlich auch mit der Frage befasst und ich gebe Ihnen Recht, dass der Begriff nicht vorgeprägt ist, sondern dass
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da also etwas Spielraum drin ist. Es ist aber auch nach unserem Verständnis so, dass allgemein der Begriff der Delegation so verstanden wird, dass es sich um Leistungen handelt, für die der Arzt insgesamt auch haftungsrechtlich verantwortlich bleibt. Was die Stellungnahme angeht, ist ja zu unterscheiden; es handelt sich dabei nicht nur um ein Strategiepapier, sondern um den Versuch, für Ärztinnen und Ärzte zu beschreiben, wie man mit diesem Thema in Anbetracht der geltenden Rechtslage umgehen kann. Insofern also noch mal die Frage, sind Sie der Meinung, dass man auf der Grundlage des geltenden Rechts und mit Blick auf die haftungsrechtlichen Folgen derzeit zu anderen Aussagen kommen könnte oder, und ich darf das mal so ein bisschen zuspitzen, wünschen Sie, dass wir den Begriff der Delegation freigeben, damit unter dem Begriff der Delegation etwas diskutiert werden kann, was unserer Auffassung nach redlicherweise unter dem Begriff Substitution diskutiert werden sollte? Es muss dann aber auch deutlich gemacht werden, Vorsicht hier passiert was, hier werden Teile des Heilkundeausübens auf Nichtärzte übertragen, was eine besonders intensive Diskussion über die Frage erfordert, ob und inwieweit das möglich ist. Schabram: Ich weiß jetzt nicht, welchen Einfluss Sie haben, als jemand, der im gemeinsamen Bundesausschuss Justitiar wird. Und ich habe ganz bewusst diesen Herrn zitiert, um mich da aus dieser Diskussion herauszuhalten. Es ist doch klar, die Begrifflichkeit wird genutzt im berufspolitischen, im gesellschaftspolitischen Ränkespiel. Ich würde da gar nicht von unredlich oder redlich reden. Sie haben völlig recht, jeder versteht da etwas anderes, weil er etwas anderes verstehen will. Und wenn die Begründung der Bundesregierung zu § 63 Abs. 3 c) von Delegation und davon spricht, dass dort selbständige Leistungserbringer installiert werden sollen, dann will ich dem Bundesgesetzgeber keine Unredlichkeit unterstellen. Richtig ist, wir müssen den Begriff richtig definieren und jeder sollte klar sagen, was er damit meint, denn nur dann kann er unter Verwendung seines so definierten Begriffes jeden Beitrag abgeben. Eisenmenger: Vielen Dank. Weitere Fragen oder Diskussionsbemerkungen? Ich sehe noch eine Meldung. Stegers, Rechtsanwalt, Berlin Ich möchte noch einmal auf ein Abgrenzungsproblem aufmerksam machen. Sowohl in Fragen der Delegation als auch bei einer Substitution - wenn beides selbständige Tätigkeiten werden aber auch, wenn beides nicht selbständige Tätigkeiten werden oder sind ,stellt sich ja die Frage nach der begleitenden Kommunikation. Ich benutze bewusst jetzt mal nicht den Begriff Aufklärung. Wir wissen bei der Chirotherapie dass es ist, dass die Anordnung und damit die ärztliche Verant-
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wortung, somit auch die Aufklärung darüber, Teil der ärztlichen Verantwortung ist. Wenn wir aber zunehmend delegieren und zunehmend substituieren, müssen wir auch anerkennen, dass solche Leistungen nicht in die Behandlung im engeren Sinne und in die Kommunikation andererseits aufgespalten werden können, mit der Folge, dass die gesamte Kommunikation, die mit der Tätigkeit verbunden ist, auch auf denjenigen übertragen werden muss, der sie ausübt. Als simples Beispiel etwa: Pflasterallergie. Es wird ein Pflaster geklebt und der Hinweis an den Patienten erteilt, „passen Sie auf, wenn sich da eine Allergie bildet, das sieht dann so und so aus, dann müssen Sie sich sofort wieder melden.“ Zweites Beispiel: Besonderheiten bei Therapien zum Beispiel Schmerzen bei einer Chirotherapie, liegen bisher in der Durchführungsverantwortung. Wem obliegt denn dann – etwa wenn ich eine bestimmte Therapie, also Chirotherapie, als Physiotherapeut durchführe, – die Pflicht, den Hinweis zu geben, dass hier Besonderheiten im posttherapeutischen Verlauf liegen, und Risiken auftreten können, die sich erst im Rahmen der Durchführung realisieren, obwohl der Patient dafür sensibilisiert werden muss. Es wird sich dadurch wohl eine neue Problematik in der Kommunikation ergeben und auch in der Abgrenzung in der kommunikativen Verantwortung zwischen Arzt einerseits und Patient andererseits. Es werden nicht die Leistungen allein sein, um die es geht. Danke schön. Eisenmenger: Vielen Dank, möchte jemand dazu Stellung nehmen? Wenn dies nicht der Fall ist, dann darf ich Sie in die Pause bitten.
Delegation und Substitution: Entlastung oder Bedrohung für den Ärztestand?
Regina Klakow-Franck
Spätestens seit dem Gutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen „Kooperation und Verantwortung. Voraussetzungen einer zielorientierten Gesundheitsversorgung“ von 2007 stellen Delegation, Substitution und neue Aufgabenverteilung ein politisch sehr lebhaft diskutiertes Thema dar. Wesentliche Rahmenbedingungen, unter denen diese Debatte erfolgt, sind bereits in den vorangegangenen Beiträgen skizziert worden. Hervorgehoben wird als Begründung für die Notwendigkeit eines neuen Professionenmixes in der medizinischen Versorgung immer wieder der so genannte Ärztemangel. Van Aken (2010, S. 47) hat deutlich gemacht, dass der so genannte Ärztemangel differenzierter diskutiert werden muss, als dies häufig geschieht. So resultiert der derzeitige Ärztemangel im stationären Bereich, derzeit ist jede 4. Stelle im ärztlichen Dienst unbesetzt, vor allem aus dem neuen Arbeitszeitgesetz, das zu einem höheren Bedarf an Ärzten geführt hat. Zudem ergibt sich ein höherer Bedarf aufgrund der gestiegenen Anzahl an teilzeitbeschäftigten Ärzten. Grundsätzlich liegen die Arztzahlen in Deutschland im europäischen Vergleich auf einem sehr hohen Niveau. Gleichwohl zeigen aktuelle Zahlen, dass in verschiedenen Regionen bereits Hausärzte, aber auch Fachärzte fehlen (Kopetsch 2007). Ein Hausärztemangel lässt sich nicht nur in den neuen Bundesländern, sondern auch im alten Bundesgebiet feststellen. Allerdings sind die als „unterversorgt“ gekennzeichneten Gebiete immer noch zu 90 % mit Hausärzten versorgt. Nichtsdestotrotz zeichnen sich nicht nur in der hausärztlichen Versorgung, sondern auch in der ambulanten fachärztlichen Versorgung in bestimmten Regionen unstreitig erste Engpässe ab.
A. Jorzig, R. Uphoff (Hrsg.), Delegation und Substitution – wenn der PÀeger den Doktor ersetzt.., DOI 10.1007/978-3-642-15442-3_5, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
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Weiterhin wird häufig aus der demographischen Entwicklung abgeleitet, dass sich hieraus „zwangsläufig“ ein höherer Versorgungsbedarf ergibt, der eine neue Arbeitsteilung notwendig macht. Allerdings bleibt diese Aussage nicht unwidersprochen. Der These, dass es allein durch die Alterung der Gesellschaft zu einem größeren Versorgungsbedarf kommt (Medikalisierungsthese), steht die Auffassung gegenüber, dass die Menschen zwar immer älter werden, sie dabei aber auch immer länger gesund bleiben (Kompressionsthese). Sowohl die Entwicklung der Arztzahlen als auch des Versorgungsbedarfs sind differenzierter zu diskutieren, als dies häufig geschieht, und begründen nicht zwangsläufig einen neuen Professionenmix. Als weiteres Argument werden Mittelknappheit und Unterfinanzierung genannt. Bergmann (2010, S. 25) hat darauf hingewiesen, dass die Krankenhäuser gar nicht umhin können, sich allein aufgrund von Wirtschaftlichkeitsüberlegungen Gedanken darüber zu machen, wie sie die eine oder andere Leistung im Rahmen einer Neuordnung des ärztlichen Dienstes umorganisieren können. Delegation oder gar Substitution ärztlicher Leistungen setzen aber entsprechend qualifizierte Mitarbeiter voraus, an die solche Aufgaben übertragen werden können. Wenngleich derzeit vielfältige neue nicht-ärztliche Gesundheitsberufe mit neuen Qualifikationen entstehen bzw. sich bestehende Berufe fortentwickeln, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass diese ärztliche Aufgaben auch kostengünstiger erbringen können. Für eine neue Aufgabenverteilung sprechen allerdings am stärksten die wachsende Komplexität der Medizin und die geänderten Versorgungsbedarfe der Patienten. Die moderne Medizin ist inzwischen so komplex geworden und korrespondierend hat sich das Krankheitsverständnis so geändert, dass in vielen medizinischen Gebieten die Notwendigkeit besteht, interdisziplinär und berufsgruppenübergreifend in einem Team die medizinische Versorgung zu leisten. Die Langzeitbetreuung und die koordinierte Leistungserbringung, auch sektorenübergreifend, bei chronisch kranken, multimorbiden oder pflegebedürftigen Patienten werden immer wichtiger. Hieraus erwächst die Notwendigkeit, sich darüber Gedanken zu machen, wie Ärzte und nichtärztliche Gesundheitsberufe in Zukunft besser zusammenarbeiten können. Die berufspolitische Schlüsselfrage, die sich für die Ärzteschaft in der Debatte stellt, lautet: Wird eine neue Aufgabengewichtung zwischen Arzt und nichtärztlichen Gesundheitsberufen unter Beibehaltung der derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen benötigt oder – und das ist der Streitpunkt z. B. mit der berufspolitischen Vertretung der Pflegeberufe – eine neue Versorgungsebene? Neue Versorgungsebene bedeutet, über die Substitution bisher ärztlicher Aufgaben die Neuausrichtung nichtärztlicher Ge-
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sundheitsberufe, die dann selbst als „Marktteilnehmer“ beispielsweise in Konkurrenz zum Hausarzt agieren. Was wurde bisher getan, um mit den sich wandelnden Anforderungen Schritt halten zu können? Im ambulanten Bereich wurden die Delegationsmöglichkeiten ausgebaut. Nach dem Pflegeweiterentwicklungsgesetz vom Mai 2008 sind gemäß § 87 Abs. 2b Satz 5 SGB V „ärztlich angeordnete Hilfeleistungen anderer Personen (…) in der Häuslichkeit der Patienten in Abwesenheit des Arztes“ möglich. Bekannt ist das AGnES-Konzept (Arzt-entlastende, Gemeindenahe, E-Health-gestützte, Systemische Intervention), das am Institut für Community Medicine der Universität Greifswald entwickelt wurde. Inzwischen existieren verschiedene analoge Konzepte (VERAH, EVA). Anders als es häufig dargestellt wird, handelt es sich hierbei nicht um Substitutionskonzepte. Die „Schwester AGnES“ agiert nicht eigenständig, sondern ist angedockt an eine ärztliche Praxis und erbringt ärztlich angeordnete Hilfeleistungen. Grundlage für das Erbringen und Abrechnen von Hilfeleistungen, die nichtärztliche Praxisassistenten auf Anordnung von an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten in der Häuslichkeit der Patienten, in Alten- und Pflegeeinrichtungen oder in anderen beschützenden Einrichtungen in Abwesenheit des Vertragsarztes erbringen, ist die Delegationsvereinbarung vom 17.03.2009. Hierfür wird die Bundesärztekammer in Kürze ein Curriculum vorlegen. Anders sieht es mit den Modellvorhaben nach § 63 Abs. 3c SGB V aus. In diesen Modellvorhaben soll eine über die Delegation hinausgehende Übertragung ärztlicher Aufgaben auf nichtärztliche Gesundheitsberufe, speziell Pflegeberufe, erprobt werden. Internationales Vorbild hierfür sind Advanced Nurse Practitioner in den USA. Physiotherapeuten haben dieses Konzept ebenfalls aufgegriffen und fordern berufspolitisch die Einführung eines direkten Zugangs des Patienten zum Physiotherapeuten (direct access). Die aktuellen Entwicklungen im stationären Bereich sind u. a. in dem Bericht „Neuordnung von Aufgaben des Ärztlichen Dienstes“ des Deutschen Krankenhausinstitutes von 2008 dargestellt. Die Bewertung solcher konkreten Konzepte, wie der grundsätzlichen Einführung einer neuen Versorgungsebene, erfolgt vor dem Hintergrund des ärztlichen Berufsrechts. Das ärztliche Berufsrecht erfüllt eine Doppelfunktion: Über die Qualitätssicherung der ärztlichen Berufsausübung schützt es zugleich die Patienten. In diesem Sinne dient das Berufsrecht dem Verbraucherschutz. Der Arztvorbehalt hat in der Vergangenheit eine hohe Versorgungsqualität und eine Rechtssicherheit für die Patienten sicher gestellt. Die Befürwortung des Arztvorbehalts erfolgt von ärztlicher Seite nicht aus pekuniären Motiven, sondern anhand folgender Kriterien
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für die Evaluation einer Neugewichtung oder Neuverteilung von Aufgaben zwischen den Berufen: -
Rechtssicherheit Versorgungsqualität und Patientensicherheit Arztentlastung Patientenzufriedenheit Effizienz und Wirtschaftlichkeit der Versorgung Berufszufriedenheit der beteiligten Gesundheitsberufe Bewältigung neuer Aufgabenfelder (Versorgungsmanagement, Prävention etc.) Gewährleistung der ärztlichen Weiterbildung
Wie sich die Übertragung ärztlicher Aufgaben auf andere Gesundheitsberufe tatsächlich auf die Patientenzufriedenheit, die Effizienz und Wirtschaftlichkeit der Versorgung, die Berufszufriedenheit der beteiligten Gesundheitsberufe, die ärztliche Weiterbildung im Krankenhaus usw. auswirkt, wurde bisher nur unzureichend untersucht. Zwar wird zu diesem Thema viel publiziert, die meisten Studien sind allerdings methodisch unzureichend. Hervorzuheben ist zunächst der Review „Substitution of doctors by nurses in primary care“ (Laurant et al. 2005). Von 4.253 Artikeln erfüllten 25 Artikel bzw. 16 Studien die Einschlusskriterien. 15 von diesen 16 Studien wurden als methodisch unzureichend charakterisiert. Die Autoren des Reviews kommen zu dem Ergebnis, dass die Nurse Practitioner im Vergleich zu den Ärzten eine niedrigere Produktivität aufwiesen. Dies begründet sich insbesondere aus dem geringeren Ausbildungsniveau. Zudem mussten sie zur Absicherung ihrer Diagnosestellung häufiger einen Arzt hinzuziehen. Die Arbeitsbelastung der Ärzte blieb relativ unverändert; ein Entlastungseffekt für die Ärzte ließ sich nicht nachweisen. Im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit ergaben sich keine eindeutigen Kostensenkungen, da zwar die Nurse Practitioner zu geringeren Vergütungssätzen als Ärzte arbeiten, aber gleichzeitig eine Leistungsausweitung stattfand. Der Zugang zur Versorgung sowie der Aktionsradius konnte insbesondere in strukturschwachen Regionen mit einer geringen Arztdichte verbessert werden. Vorteile ergaben sich weiterhin beim Case Management. Die Autoren kommen zu der Schlussfolgerung, dass anstelle der Substitution ärztlicher Aufgaben durch Pflegekräfte die Einführung multidisziplinärer Teams wünschenswert wäre. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt das von der Bundesärztekammer in Auftrag gegebene Literaturreview „Effektivität und Effizienz von nicht-ärztlichen Berufen in ambulanten Versorgungskonzepten“ (Redaélli et al. 2009).
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Szecsenyi (2006) weist in seiner Studie „Ergebnisse aus internationalen Erfahrungen mit Unterstützungsmodellen für die hausärztliche Versorgung“ darauf hin, dass die Übernahme neuer Aufgaben eine Weiterqualifikation des Praxispersonals erforderlich macht. Zugleich bringen Substitution und Parallelstrukturen keine Verbesserung der Versorgung, keine Entlastung der Ärzte und keine Kostenersparnis für das Gesamtsystem. Empfohlen wird die Integration einer entsprechend fortgebildeten medizinischen Fachangestellten in das Praxisteam anstelle der Schaffung einer neuen Versorgungsebene, die wiederum neue Schnittstellenprobleme mit sich bringt. Nach der Darstellung verschiedener Übersichtsarbeiten soll im Folgenden auf die Neuordnung des ärztlichen Dienstes in den Krankenhäusern am Beispiel des Chirurgisch-technischen Assistenten (CTA) eingegangen werden. Wenngleich die Bundesärztekammer Verständnis dafür hat, dass die Krankenhäuser unter dem aktuellen Wettbewerbs- und Wirtschaftlichkeitsdruck nach neuen Konzepten fahnden müssen, werden solche Konzepte sehr kritisch gesehen. Anders als der Operationstechnische Assistent (OTA) sollen nichtärztliche Chirurgieassistenten auch Aufgaben übernehmen, die bisher vom ersten Assistenzarzt im OP übernommen wurden. In der Herzchirurgie, in der dieses Konzept entwickelt wurde, gehörten die Venenentnahme (konventionell oder endoskopisch), die erste Assistenz, der Wundverschluss, der Wundverband und die OP-Dokumentation zu diesen Tätigkeiten. Die Erfahrungen aus dem Projekt zeigen jedoch, dass sich Leistungen bzw. Kernprozesse identifizieren ließen, die aufgrund des Risikopotentials nicht an einen Chirurgisch-technischen Assistenten delegiert und schon gar nicht substituiert werden dürfen. „In beiden herzchirurgischen Abteilungen wurde festgelegt, dass die Überprüfung eines vom Chirurgieassistenten entnommenen Venengrafts und insbesondere der Verschluss von Seitenästen wegen des Nachblutungsrisikos weiterhin nur durch den Operateur durchgeführt werden dürfen.“ (Diegeler et al. 2006, S. A 1802). Dieses Beispiel zeigt, dass die Grenzen für die Neuordnung des ärztlichen Dienstes im Risikopotential der Aufgaben liegen, die von anderen Gesundheitsberufen übernommen werden sollen. Aus ärztlicher Sicht stellt sich zudem die Frage, welche Auswirkungen auf die ärztliche Weiterbildungssituation zu erwarten sind. Werden bestimmte Aufgaben wie z. B. der Wundverschluss oder die Venenentnahme regelhaft an den Chirurgisch-technischen Assistenten delegieren, können Ärzte in Weiterbildung diese Operationsschritte weniger intensiv üben, was jedoch zwingend notwendig ist. Die Übernahme ärztlicher Aufgaben durch Pflegekräfte im Krankenhaus setzt zudem voraus, dass genügend Pflegekräfte verfügbar sind bzw. diese über freie Zeitkapazitäten verfügen. Bei der Vergegenwärtigung der Ge-
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samtproblematik wird deutlich, dass nicht nur eine ärztliche Unterversorgung droht, sondern auch ein Pflegenotstand. Seit 1995 wurde 15 % des Pflegepersonals in den Krankenhäusern bei gleichzeitiger Steigerung der stationären Fälle um 6 % abgebaut. Dies hat zu einer erheblichen Arbeitsverdichtung in der Pflege mit verifizierbaren Auswirkungen auf die Patientensicherheit und Versorgungsqualität geführt. Einem Positionspapier des Verbandes der Pflegedirektoren (2008) zufolge, hat diese Entwicklung zu einem Anstieg von Krankenhausinfektionen, der Zunahme von Dekubitalulcera sowie dem Burnout-Syndrom bei Pflegekräften geführt. Im ambulanten Bereich wird es durch den demographischen Wandel zu einer Zunahme von chronischen Erkrankungen, Multimorbidität und Pflegebedürftigkeit kommen. Nach derzeitigen Schätzungen wird die Anzahl der Pflegebedürftigen von 2 Mio. auf 3,4 Mio. im Jahr 2040 ansteigen. Hier stellt sich die Frage, ob neben der Bewältigung dieser Aufgaben noch genügend Angehörige anderer Gesundheitsberufe vorhanden sind, um zusätzlich ärztliche Aufgaben zu übernehmen? Oder führt dies dann zu einer Delegations- oder Substitutions-Kaskade? Für die Ärzteschaft kann dies nicht die Lösung darstellen. Das berufspolitische Versorgungsziel aus Sicht der Ärzteschaft lautet vielmehr Aufrechtherhaltung des Facharztstandards in Diagnostik und Therapie. Die Ärzteschaft plädiert klar gegen eine Lockerung des Arztvorbehalts. Wie lassen sich diese Ziele unter den immer widriger werdenden Rahmenbedingungen umsetzen? Die Ärzteschaft muss zunächst erkennen, dass die Bewältigung der Zukunftsaufgaben nur arbeitsteilig möglich ist. Erforderlich ist die Erweiterung und Optimierung der Delegationspraxis sowohl im ambulanten als auch im stationären Sektor. Dies klingt nach einem sehr strukturkonservativen Vorschlag, aber nach Einschätzung der Ärzteschaft sind die Möglichkeiten, die die Delegation bietet, bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Zum Optimierungspotential der Delegationspraxis in den Krankenhäusern hat die Bundesärztekammer selbst eine Studie initiiert, die 2010 veröffentlicht werden soll. Die moderne Medizin selbst erfordert mehr interdisziplinäre, berufsgruppenübergreifende Teamorientierung und Kooperationsbereitschaft. Allerdings ist dann auch zu fordern, dass solche Teamleistungen entsprechend finanziert werden. Dies liegt im gemeinsamen Interesse von Ärzteschaft und z. B. den Pflegeberufen. Mehr Teamorientierung und Kooperationsbereitschaft machen einen Paradigmenwechsel notwendig: Zukünftig muss der Fokus auf Zusammenarbeit statt Besitzstandsverteidigung bzw. dem Abstecken neuer Claims liegen. Es geht um die Synergie vorhandener Kompetenzen statt um Konzepte, die auf Kompetenzverlagerung und Konkurrenz zwischen den Gesund-
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heitsberufen hinauslaufen. Das professionsspezifische Expertentum und das jeweilige Spezialwissen müssen anerkannt werden. Die Patientenzentrierung des Behandlungsablaufs sollte für alle Berufsgruppen im Vordergrund stehen. Für all diese Forderungen müssten im Rahmen der Qualitätssicherung Indikatoren entwickelt werden. Ein einfacher Indikator im Krankenhaus wäre, ob und wie oft gemeinsame Visiten durchgeführt werden. Diese für selbstverständlich gehaltene Kultur im Krankenhaus scheint durch die Ökonomisierung der Krankenhäuser mehr oder weniger zum Erliegen gekommen zu sein. Die gemeinsame Visite ist ein wichtiges Instrument zur Zusammenführung der verschiedenen Perspektiven und Kompetenzen der im Krankenhaus tätigen Gesundheitsberufe und somit zur Verbesserung der Versorgungsqualität. Die Bundesärztekammer plädiert weiterhin dafür, den § 63 Abs. 3c SGB V neu zu formulieren und sich bei den Modellvorhaben statt auf Substitution auf die Förderung interprofessioneller Kooperation auf der Basis vorhandener Kompetenzen zu konzentrieren. Einrichtungsintern gilt es, die multi-disziplinäre Teambildung zu fördern, einrichtungsübergreifend die transsektorale bzw. interprofessionelle Vernetzung. Grundsätzlich gilt, dass ohne die Einsicht, dass alle zusammenarbeiten müssen, die Zukunftsaufgaben, vor denen das Gesundheitswesen steht, nicht gemeistert werden können. Literatur Deutsches Krankenhausinstitut (DKI), Offermanns M. Bergmann O. DKIStudie „Neuordnung von Aufgaben des Ärztlichen Dienstes“ Effizienter Personaleinsatz erfordert neue Aufgabenverteilung im Krankenhaus. Available from: http://www.dkgev.de/media/file/4347.DKI-Studie Neuordnung-Aerztlicher-Dienst Langfassung.pdf (Last visited: 2008 May 02): 2008. Verband der Pflegedirektorinnen der Unikliniken (VPU), Positionspapier des Verbands der Pflegedirektorinnen der Universitätsklinika Deutschlands e.V. (VPU) zur Stärkung der Gesundheits- und Krankenpflege in den deutschen Krankenhäusern (04. August 2008). Available from: http:// www.vpu-online.de/de/pdf/positionspapierstaerkung-gesundheits-undkrankenpflege.pdf (Last visited: 2009 NOV 10); 2008. Diegeler A, Debong B, Hacker R, Warnecke H. Nichtärztliche Chirurgieassistenz: Bessere Qualität durch mehr Routine, Deutsches Ärzteblatt 2006; 103 (26):A1802-A1804.
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Kopetsch, T. Studie zur Altersstruktur- und Arztzahlenentwicklung: Daten, Fakten, Trends, 4. Aufl., 09.10.2007, Available from: http://www.bundesaertzekammer.de/downloads/Arztzahlstudie 09102007.pdf (Last visited: 2009 NOV 10); 2007. Laurant M, Reeves D, Hermens R, Braspenning, J, Grol R, Sibbald B, The Cochrane Collaboration Cochrane Reviews – Substitution of doctors by nurses in primary care. Available from: http://www.cochrane.org/ reviews/en/ab001271.thml (Last visited: 2009 Nov 11): 2009. Redaélli M, Stock S, Simic D, Wilm S. Internationales Literaturreview zur “Effektivität und Effizienz von nichtärztlichen Berufen in ambulanten Versorgungskonzepten” der Universität Witten/Herdecke/Institut für Allgemeinmedizin und Familienmedizin vom 05.06.2009. Available from: http://medizin.uni-wh.de/index.php?eID=tx_nawsecuredl&u=0&file= fileadmin/user_upload/modules/Fakultaeten/Fakultaet_fuer_Medizin/ Humanmedizin/Inst._fuer_Allgemeinmedizin_und_Familienmedizin/ Forschung/Projekte/Projekt_LiteraturreviewBAEK__Redaelli.pdf& t=1258029216&hash=c23e171cb714dd459a0b781d28ba7e18 2009. Szecsenyi, J. Internationale Erfahrungen mit Unterstützungsmodellen für die Hausarztpraxis. 2006.
Delegation und Substitution: Chancen und Risiken für Krankenhausträger
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Die Alexiander GmbH ist als neue Dachgesellschaft aller AlexianerEinrichtungen gegründet worden. Mit fast 10.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in rund 50 Einrichtungen in Bayern, Berlin, Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt gehören die Alexianer mit zu den größten Trägern von Gesundheits- und Sozialeinrichtungen in Deutschland. In dem Verbund werden vor allem somatische und Psychiatrische Krankenhäuser, Seniorenpflegeheime, Werkstätten und Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderungen sowie Medizinische Versorgungszentren betrieben. Die Angebote sind vielseitig und reichen von ambulanten bis hin zu teilstationären und stationären Hilfen. Die zentral definierte Delegation von Aufgaben ist in unserem Unternehmen für den Aufbau synchronisierter Strukturen, zur Vereinheitlichung des Vorgehens, für aktives Risikomanagement (Fehlervermeidung) sowie zur Erleichterung der Rotation von Personal ein wichtiges Thema. Durch die stärkere Berücksichtigung des Themas in unternehmensinternen Prozessen wollen wir uns als attraktiver Arbeitgeber hervorheben. Ausgangspunkt der Überlegungen zu diesem Thema sind für uns als Krankenhausträger die Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen, die zu höherer Effizienz und Effektivität in der Versorgung zwingen. Als symptomatisch sind die sich abzeichnende demographische Entwicklung, mit einhergehendem, zunehmendem Auftreten von Multimorbidität, die komplexer werdenden Versorgungsanforderungen, Präventionsanforderungen und auch höheren Belastungen (mehr Fälle, schwere Krankheitsverläufe, kürzere Verweildauern, mehr chronisch Kranke und hochbetagte Patienten, weniger Personal) anzusehen. Erschwerend kommen personalseitig der zunehmende Mangel an Ärzten und an qualifizierten Pflegekräften sowie Mängel in der interprofessionellen Standardisierung hinzu.
A. Jorzig, R. Uphoff (Hrsg.), Delegation und Substitution – wenn der PÀeger den Doktor ersetzt.., DOI 10.1007/978-3-642-15442-3_6, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
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Die zunehmende Betrachtung in Prozessabläufen, statt weniger in Abteilungen oder Berufsgruppen sowie die Notwendigkeit Organisationsdefiziten, Kommunikationsdefiziten und Mängel in der Kooperation zu begegnen, unterstreichen den Bedarf sich mit dem Thema „Delegation“ auseinanderzusetzen. Auf dieser Basis haben wir in unserem Unternehmen folgende Ziele formuliert: -
Den Aufgaben bei knapper werdenden Ressourcen weiterhin gerecht werden. (Anspruch an Leistung und Qualität) Sich ökonomischen Herausforderungen stellen. (Quantität/Kosten) Dem Personalmangel entgegenwirken. (Qualifizierung, Spezialisierung, veränderte Aufgabenteilung) Das Unternehmen durch Anpassung zukunftssicher am Markt positionieren.
Unser Ansatz liegt dabei insbesondere in der Neuordnung und im Neuzuschnitt von Aufgaben und Verantwortlichkeiten zunächst zwischen Ärzten und Pflegenden, dann zwischen Pflegenden und Hilfs-, Absatz- und Servicepersonal sowie in der Integration neuer Berufsgruppen. Die Fokussierung auf originär ärztliche und pflegerische Tätigkeiten steht dabei im Vordergrund. Unser erstes Projekt in diesem Bereich wurde mit dem Titel „Verhältnis von Pflege und Medizin“ vom Geschäftsführer in Auftrag gegeben und im Zeitraum von Juni 2007 bis Mai 2008 durchgeführt. Ziel des Projektes war die Analyse möglicher Delegationspotentiale und der Qualität der berufsgruppenübergreifenden Zusammenarbeit. Die Projektgruppe setzte sich aus zwei Pflegeleitungskräften, einem Chefarzt der psychiatrischen Abteilung und einem Chefarzt der somatischen Abteilungen zusammen. Im Rahmen der Analyse wurden berufsgruppenspezifische Workshops von Chefärzten und Pflegedirektoren durchgeführt und die Ergebnisse zusammengetragen. Daraus wurden die Delegationspotentiale und Grenzen sowie die Situation der Zusammenarbeit abgeleitet. Nach einer Bestandsaufnahme delegationsfähiger Leistungen, strittiger delegationsfähiger Leistungen und nicht delegationsfähiger Leistungen konnte im Ergebnis des Projektes festgestellt werden, dass es zum einen bereits Tätigkeiten gab, die in einigen Einrichtungen delegiert wurden, zum anderen, dass Tätigkeiten und Verfahren dort, wo Übereinstimmung besteht, kurzfristig umgesetzt werden können. Auf der Grundlage dieser Erfahrungen konnten folgende Kriterien in Zusammenhang mit der Delegation von Tätigkeiten festgelegt werden:
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Zulässigkeitsvoraussetzungen festlegen (unter Einbindung eines Juristen) Schriftliche Festlegung (Liste), welche Tätigkeiten unter welchen Bedingungen von Ärzten auf Pflege- und andere Dienste/ von Gesundheits- und Krankenpflegerinnen auf Hilfs- und Servicekräfte übertragen werden Schriftliche Formulierung der Qualifikationsanforderungen Schulungskonzepte mit Schulungsmodulen Dienstanweisungen Befähigungsnachweise Evaluation getroffener Maßnahmen Berufshaftpflichtfragen abklären Genuine Aufgaben der Pflege und Medizin sichern Delegation von Aufgaben muss für die Patienten in gleicher Qualität erfolgen
Der medizinisch-technische Fortschritt sowie die erweiterten Anforderungen bezüglich Dokumentation und Qualitätssicherung in Kliniken führen zur Integration von neuen Berufsgruppen in die stationäre Arbeit. Sowohl Ärzte als auch die Pflege sollen effektiv entlastet werden, so dass sich auf die originären Aufgaben konzentriert werden kann und dadurch die Zufriedenheit erhöht wird. Im Rahmen des Projektes kristallisierte sich Bedarf für die Beschäftigung von Mitarbeitern in folgenden Berufen erhaus (m./w.): Stationssekretär, Dokumentationsassistent, Kodierassistent, Medizinisch-technischer Assistent in der Funktionsdiagnostik, Case Manager und Versorgungsassistent. Hingegen wurde sich gegen die Einbindung von Operationstechnischen Assistenten und Chirurgisch-technischen Assistenten entschieden. Die Projektgruppe ist zu dem Schluss gekommen, dass bei der Delegation von Aufgaben folgende wesentliche Punkte zu beachten sind: 1. Zur verbesserten Kooperation sind die Planung von Veränderungen sowie eine prozessorientierte Zusammenarbeit besonders wichtig. Das Schnittstellenmanagement bei Aufnahme und Kontakten mit Externen, die Prozesssteuerung und das Schnittstellenmanagement bei Verlegung oder Entlassung erfordern besondere Aufmerksamkeit in der Kooperation. Die externe und interne Terminplanung und Koordination der diagnostischen und therapeutischen Leistungen dürfen dabei nicht unberücksichtigt bleiben. 2. Zur Förderung der Zusammenarbeit soll das unternehmensinterne Institut für Fort- und Weiterbildung stärker in die Prozesse eingebettet werden.
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3. Die Einbindung des Juristen des Hauses hinsichtlich der Klärung rechtlicher Fragestellungen ist von herausragender Bedeutung. Im Rahmen des Folgeprojektes „Delegation von Aufgaben“ sollte auf Basis der Erfahrungen in den einzelnen Häusern ein allgemein gültiger Rahmen für die Delegation von Tätigkeiten formuliert werden. Gegebenenfalls sollten gezielt Mittel in notwendige Strukturmaßnahmen fließen. Im Zeitraum von März bis September 2009 arbeitete die Projektgruppe bestehend aus dem Referat Personal, dem Referat Unternehmensentwicklung, zwei Pflegeleitungskräften sowie je einem Chefarzt der Somatik und der Psychiatrie am Projektauftrag. Das Ziel „Bündelung der Erfahrungen und Umsetzungsansätze der verschiedenen Einrichtungen“ sollte durch die Ist-Aufnahme der Delegationsverfahren, eine Prüfung der Zweckdienlichkeit von Maßnahmen und der Nutzung positiver Effekte für alle sowie der Ableitung von verbundweiten Maßnahmen erreicht werden. Der erste Schritt lag darin, die zu delegierenden Tätigkeiten in drei Bereiche zu clustern. In A-Bereiche, in denen eine einheitliche Delegation erfolgt; in B-Bereiche, in denen eine einheitliche Delegation teilweise erfolgt, jedoch noch Schulungsbedarf besteht; und in C-Bereiche, in denen eine Delegation erst perspektivisch möglich oder sinnvoll ist. Daraufhin wurden in den einzelnen Einrichtungen Tätigkeits-Cluster identifiziert. Dabei wurde genauer untersucht, ob bereits ein Katalog von zu delegierenden Tätigkeiten vorhanden ist, inwiefern und in welcher Form die Delegation zwischen Berufsgruppen stattfindet und welche Probleme bei der Umsetzung gesehen werden. Ein weiterer Bestandteil der Projektarbeit lag in der Bestimmung von Kriterien zur Erfolgsmessung der zu delegierenden Tätigkeiten. Als erfolgreich einzustufen sind zu delegierende Tätigkeiten demnach, wenn positive finanzielle Effekte, die Verbesserung der Qualität von Tätigkeiten, die Erhöhung der Zufriedenheit bei den Beteiligten als auch Prozessoptimierung erreicht werden können. Ingesamt betrachtet werden bereits in allen Häusern Tätigkeiten delegiert, die Art und der Umsetzungsgrad der Delegation sind jedoch sehr unterschiedlich. Die Integration neuer Berufsgruppen ist in einigen Häusern gut gelungen. Allerdings ist es schwierig, eine eindeutige Bewertung der Aktivitäten abzugeben. Die derzeitigen Aktivitäten im Unternehmen umfassen die Beurteilung der Effekte durch die Geschäftsführungen der Einrichtungen bezüglich der Arbeitserleichterung einzelner Berufsgruppen, der Prozessoptimierung, wirtschaftlicher Effekte, Empfehlungen zur grundsätzlichen Delegation
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und Übertragbarkeit auf andere Standorte sowie der Einbindung von Befragungsergebnissen. Des Weiteren werden notwendige Dokumente erstellt und notwendige Schulungen durchgeführt. Es ist vorgesehen, die Aktivitäten schrittweise auszubauen und perspektivisch mit dem Marketing zu verknüpfen. Außerdem soll mittelfristig die Ableitung eines standardisierten, berufsgruppenübergreifenden Vorgehens zur Delegation von Aufgaben erreicht werden. Damit die Alexianer weiterhin als attraktiver Arbeitgeber agieren können, wird das Thema Delegation von Aufgaben auch zukünftig bei uns im Mittelpunkt stehen, wenn es um die Rückbesinnung auf originär ärztliche Tätigkeiten, eine zielgerichtete Personalentwicklung und die Bereitstellung von sektorübergreifenden Versorgungsangeboten geht.
2. Diskussion
Schabram, Rechtsanwalt, Freiburg: Frau Klakow-Franck, vielen Dank für Ihren gewinnenden Vortrag. Wenn Sie den Eindruck hatten, dass ich die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche Bundesvereinigung verdächtige, sie haben pekuniäre Interessen, nehmen Sie das als deformation professionell. Die Haftungsrechtler vermuten überall, dass es ums Geld geht. Nachdem ich Ihren Vortrag gehört habe, fühle ich mich ein Stück weit bestätigt. Sie wollen keine Konkurrenz durch eine zweite Versorgungsebene und fordern stattdessen die gegenseitige Anerkennung des professionsspezifischen Expertentums. Das heißt doch, ich vertraue jemandem eine bestimmte Frage an, die er innerhalb seines Expertenwissens in eigener Verantwortung löst. Das ist das, was ich eingangs mit Herrn Rothers als Delegationsübertragung der Durchführungsverantwortung definiert habe. Wenn wir dazu nicht bereit sind, werden die Pflegeberufe weiterhin unattraktiv bleiben und wir werden den Mangel in der Versorgungsebene der Krankenschwestern und der Altenpfleger feststellen. Es gibt das Problem heute schon. Frau Bronner und Sie erwähnten das Phänomen, dass die durchschnittliche Verweildauer in einem Altenpflegeberuf heute bei ca. 8 Jahren liegt. D.h., nach Abschluss der Ausbildung arbeitet jemand 8 Jahre in diesem Beruf und dann verabschiedet er sich daraus. Beim Krankenpfleger sind es 13,5 Jahre laut einer Studie der Universität Freiburg. Wenn wir diese Berufe nicht attraktiver machen, wenn keine soziale Anerkennung erfolgt und die erfolgt nur, wenn wir da Kompetenzen und Verantwortung hingeben, dann werden wir niemanden haben, auf den wir delegieren können oder mit dem wir substituieren können. Danke. Klakow-Franck, Bundesärztekammer, Berlin: Herr Schabram, ich gebe Ihnen völlig Recht und Sie spielen mir den Ball wieder zurück. Ich wollte aber gar nicht Sie überzeugen, sondern das Auditorium. Eisenmenger: Herr Teipel.
A. Jorzig, R. Uphoff (Hrsg.), Delegation und Substitution – wenn der PÀeger den Doktor ersetzt.., DOI 10.1007/978-3-642-15442-3_7, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
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2. Diskussion
Teipel, Rechtsanwalt, Berlin: Ich möchte auch niemanden überzeugen von Frau Klakow-Franck. Ich möchte eigentlich nur noch einmal den Finger in eine meines Erachtens ganz gewaltige Wunde legen dürfen. Wir haben heute in der Krankenversorgung schon viele Strukturen, die einfach so gehandhabt werden, sich aber gleichwohl in einer totalen rechtlichen Grauzone befinden. Gehen Sie in eine x-beliebige Praxis, Sie werden überall feststellen, dass Schwestern selbstverständlich IV-injizieren und Blut abnehmen und ich denke wie Peter Schabram, dass wir etwas tun müssen, um diese Grauzone zu klären, aufzufüllen und vor allem Verantwortlichkeiten zu schaffen, um diese Berufe attraktiver zu machen. Denn eins ist klar, dass wird alles längst gemacht, nur keiner weiß in der Praxis, wer rechtlich dafür verantwortlich ist und als Haftungsrechtler bin ich gewohnt zu fragen, wer letztendlich dafür haftet. Danke schön. Klakow-Franck, Bundesärztekammer, Berlin: Auch wir stellen die Frage, wer darf was eigentlich machen. Manche Sachen dürfen Krankenschwestern nicht machen, aber Arzthelferinnen schon, weil sie das in ihrer Berufsausbildung erlernen und damit die Fachkunde nachweisen. An manchen Stellen und in manchen Tätigkeitsbereichen erleichtert man sich das Leben, wenn man in der Klinik Arzthelferinnen einstellt, und das tun ja auch viele Kliniken, wir tun das auch. Das zweite klingt jetzt vielleicht ein bisschen provokant, ich schätze die Pflegekräfte sehr, aber in der Ausbildung haben Arzthelferinnen sehr viel intensiveren Patientenbezug im Sinne einer Dienstleistung wie z.B. auch eine Hotelfachkraft. Es tut allen gut, das auch in Kliniken zu nutzen. Es hat parallel den Vorteil, dass man sich juristisch an vielen Stellen auf sicherem Terrain befindet. Ansonsten haben wir festgestellt, dass man mit den Pflegekräften zusätzliche Dinge einfach vereinbaren muss. Teipel, Rechtsanwalt, Berlin: Sie bestätigen damit aber eigentlich genau diese rechtliche Unsicherheit, weil es eben doch einen rechtlichen Unterschied gibt zwischen der Krankenschwester und der Arzthelferin. Genau da befinden wir uns wieder in einer Grauzone. Deshalb bleibt der Ruf nach einer Klärung. Danke. Kröll, Facharzt für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Graz: Ich bin Arzt aus Österreich und verwundert, worüber Sie im Hinblick auf Delegation diskutieren. Weil all das, was Sie an delegierbaren Leistungen des Pflegepersonals hier aufgezählt haben, ob das eine IV-Injektion ist, ob dass das Legen einer Magensonde oder eines Harnkatheters usw., das ist in Österreich seit 1997 im Gesundheits- und Krankenpflegegesetz ganz genau geregelt. Substitution ist wieder etwas anderes, darüber werden wir wahr-
2. Diskussion
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scheinlich auch diskutieren. Aber Delegation an das diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonal und auch an die Pflegehilfskraft, das ist im Gesundheits- und Krankenpflegegesetz ganz genau festgelegt. Danke. Eisenmenger: Vielen Dank. Wird dazu das Wort gewünscht? Bronner, Geschäftsführung der Gesellschaften der Alexianerbrüder, Berlin: Ja, ich bin Ihnen zutiefst dankbar, dass Sie das sagen, weil mich frustriert die Diskussion auch an vielen Stellen. Ich gebe Ihnen völlig recht. Auch im anglo-amerikanischen Raum wundert man sich über das Niveau der Diskussion in Deutschland. Fakt ist, dass im Augenblick auf diesem Niveau diskutiert werden muss, weil wir es nicht anders geregelt haben und uns deshalb jetzt allein auf den Weg machen, müssen. Klakow-Franck, Bundesärztekammer, Berlin: Frau Bronner sagte es schon, aber ich wiederhole es extra noch mal. Ambulant sieht die Situation anders aus, weil die medizinische Fachangestellte für solche Tätigkeiten eben auch qualifiziert ist. Das hat es überhaupt erst ermöglicht, zusammen mit den gesetzlichen Krankenkassen vereinbarten Zusatzqualifikationen, dass jetzt auch Leistungen an die medizinische Fachangestellte oder analog Schwester AGnES delegiert werden können in der häuslichen Umgebung des Patienten ohne Anwesenheit des Arztes. So gesehen ist im ambulanten Bereich schon weiter organisiert, wahrscheinlich eher nach österreichischem Vorbild, als dies stationär noch der Fall ist. Warum ist das stationär noch nicht der Fall? Ich vermisse entsprechende Vorstöße auch des Pflegepersonals, die Qualifikation in der Hinsicht nachzubessern oder zu erweitern. Da gehen aber die Vorstellungen, Frau Bronner hat es auch gezeigt, eher in Richtung Management, also die Fallsteuerung des Patienten im Krankenhaus, und weniger in die Richtung, Assistenzleistungen für den Arzt im Krankenhaus zu übernehmen. Das ist eine andere Wertungsfreiheit, es ist eine andere Stoßrichtung bei der stationären Pflege in Deutschland zu beobachten. Eisenmenger: Vielen Dank, Bitte, Herr Professor Bergmann. Bergmann, Rechtsanwalt und Notar, Hamm: Frau Klakow-Franck, vielen Dank für Ihren sehr differenzierten Vortrag. Sie haben den Gesichtspunkt der patientenorientierten Risikobegrenzung wieder aufgegriffen und genau da liegt doch der entscheidende Punkt. Was ist originär ärztliche Tätigkeit und muss auch originär ärztliche Tätigkeit bleiben? Was ist delegierbar? Was ist substituierbar? Da halten Sie sich dann verständlicherweise zurück. Die Ärztekammern sagen grundsätzlich ja zur Delegation. Wobei
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unklar bleibt, wann muss wegen der patientenorientierten Risikobegrenzung der Arzt handeln. Was gehört zum Arztvorbehalt? Das ist bisher nicht ausreichend definiert. Sie sagen auch, der chirurgische Operationsassistent oder der CTA sind diejenigen, die dem Arzt zur Seite stehen können und auch ärztliche Tätigkeiten übernehmen können. Grundsätzlich ja, aber nur eingeschränkt. Was bleibt sonst für die Ausbildung der Ärzte übrig? Dieses Dilemma sollte man überprüfen und da würde ich auch gerne noch eine ergänzende Stellungnahme von Ihnen haben. Die andere Frage, die Sie aufgeworfen haben, ist der Pflegenotstand, das ist unbestritten. Der Pflegenotstand kann aber nicht etwa Anlass sein, die Delegation zu begrenzen, sondern, insoweit stimme ich Herrn Schabram und Herrn Teipel zu, den Pflegeberuf muss und kann man dann attraktiver machen. Diese sogenannte Delegationskaskade, die Sie aufwerfen, sehe ich nicht. Sie wissen, dass die DKG zur Zeit ein Gutachten entwickelt zur Frage, was ist delegierbar oder was ist neuordnungsmöglich im Rahmen der Pflegeberufe. Es gibt bestimmte Bereiche, die die Pflege übernommen hat, die aber auch wieder ausgegliedert werden können. Das müsste wieder neu geordnet werden. Ich hoffe, dass ich von Ihnen noch weitere Aufklärung bekomme bezüglich des Punktes Risikobegrenzung und Delegation. Klakow-Franck, Bundesärztekammer, Berlin: Ich versuche kurz auf Ihre Frage einzugehen. Zum Thema Risikobegrenzung: Ich weiß, dass gerade die Juristen, also Sie, als wir unsere Stellungnahme zur persönlichen Leistungserbringung einschließlich der Fragen der Delegationsfähigkeit ärztlicher Leistungen vor anderthalb Jahren aktualisiert haben, erwartet haben, die Bundesärztekammer und KBV veröffentlicht dazu einen Katalog delegationsfähiger Leistungen. Diese Erwartung wird sehr oft an uns herangetragen oder wenn wir das nicht machen, legen wir wenigstens unsere ärztlichen Kernprozesse fest, die auf jeden Fall unter Arztvorbehalt stehen müssen. Zu der Delegation einige Beispiele: Wir haben im Anhang zu unserer Stellungnahme veröffentlicht, was beispielhaft im Regelfall oder im Einzelfall aus unserer Sicht delegationsfähig ist. Wir haben das differenziert für den Einzelfall, d.h. der Arzt muss sich persönlich davon überzeugen, dass die delegierten Aufgaben tatsächlich von der Pflegeperson übernommen werden können, auch abgestuft nach dem Gefährdungspotential des Patienten. Ich weiß nicht, ob das Ihre Frage schon beantwortet hat. Gerade aufgrund der Komplexität ärztlicher Tätigkeit ist es sehr schwer auf einen einfachen Katalog runterzubrechen, was delegationsfähig ist und was nicht. Ich denke, da haben es die Zahnärzte etwas einfacher. Ich beneide die sehr oft um die Homogenität dieser Gruppe, während wir uns vielen Facharztdisziplinen auseinandersetzen müssen. Dort beschränkt sich das auf die Kieferorthopäden, die Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen und die
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Wurzelbehandler. Man kann abgrenzen, dass die Zahnprophylaxe ganz klar etwas ist, was die Zahnarzthelferin allein und selbständig in alleiniger Verantwortung machen kann. Mittlerweile ist das auch bei uns work in progress und es geht nicht nur um Sachen wie Blutentnahme, wo wir uns ärzteseitig auf jeden Fall wünschen würden, dass das nicht nur die medizinische Fachangestellte oder Schwester AGnES mit übernehmen kann, sondern auch die Krankenpflege im Krankenhaus. Es geht auch um Aufgaben, wie z.B. das Case-Management. Wir sind jetzt in der Planung, die Aufgabe der Fallsteuerung, wohlgemerkt nicht die Steuerung der medizinischen Therapie, aber der Fallsteuerung des Patienten, entweder einrichtungsintern auf Basis eines clinical pathways oder sektorenübergreifend im Sinne von Case-Management auch anderen Berufsgruppen zuzugestehen. Wir wollen gemeinsam mit der Pflege und anderen dazu ein berufsgruppenübergreifendes Curriculum zum Case-Management entwickeln. Dann noch kurz zu Ihrer anderen Anmerkung, zum Risikopotential für die Patienten und warum wir uns schwer tun, Kataloge dazu aufzulegen. Sie haben zu Recht von uns eine ergänzende Stellungnahme zu den Folgen für die Weiterbildung erwartet und ich habe Verständnis für die Überlegungen der Krankenhäuser signalisiert. Wie kann ich fehlende Arztstellen auffüllen, wenn ich schlichtweg durch nichtärztliche Qualifikation keinen mehr habe, der eine OP-Assistenz übernimmt. Trotz der verschärften Situation möchten wir das gerne gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft reflektieren. Insofern muss ich Sie da vertrösten. Im Moment sehe ich nur den Widerspruch, dass es Mitarbeiterumfragen bei der Pflege und den Ärzten gibt und andererseits die jungen Ärzten, gerade die in Weiterbildung, sich wünschen, sich mehr ihren eigentlichen Aufgaben widmen zu können. Das nehme ich ihm aber durch die neuen Konzepte weg und das ist doch eine total paradoxe Entwicklung. Wir sind im Moment dabei, diese ganzen Knackpunkte zu identifizieren und dann im Konsens mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft zu lösen. Eisenmenger: Bitte, die nächste Frage. Leins, Unfallchirurg und Orthopäde, Baden-Baden: Ich möchte zu dem Thema auch etwas sagen. Ich bin seit 25 Jahren im OP und finde immer interessant, wie über operative Fächer diskutiert wird, ohne dass ein Chirurg da ist. Im amerikanischen System, das privat geführt wird, muss der Patient für eine Operation bezahlen. Wenn er nicht bezahlt, wird er nicht operiert. Dieses System wird nicht billiger, indem bestimmte Leistungen unter Haftung des operierenden Arztes vom Pflegepersonal übernommen werden. Dass Krankenhausträger nach Modellen suchen, ärztliche Leistungen aus anderen Ländern oder anderen Gesundheitssystemen einzuführen, hal-
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te ich für extrem gefährlich, weil hier eben andere Gesundheitssysteme, eine andere Bezahlung und auch andere Ausbildungssysteme vorliegen. Ein amerikanischer Arzt wird völlig anders ausgebildet als ein deutscher. Ein amerikanischer Arzt verdient nach seiner Ausbildung bereits sehr viel Geld. Das ist auch mit ein Grund, warum deutsche Ärzte, vor allem auch aus den operativen Fächern, weggehen. Wenn diskutiert wird, dass der Blinddarm der Körperoberfläche zugehört, dann wird es schwierig. Sie müssen einfach realisieren, manchmal ist der Blinddarm ein Blinddarmkarzinom und das ist ein bösartiger Tumor. Wenn den eine medizinische Hilfskraft rausnimmt, ist der Patient tot. Das ist viel komplexer als Sie sagen, weil sich in der Humanmedizin die Wissenschaft pro Jahr verdoppelt. Ich arbeite im Bereich der Endoprothetik. Wir kriegen laufend neue Endoprothesen auf den Markt, man kann Handgelenksendoprothesen oder Ellenbogengelenksendoprothesen machen. Als wirtschaftlich arbeitendes Krankenhaus, werden Sie ein Gelenk, das arthortisch ist, versteifen, das ist die billigste Lösung. Es muss die Frage diskutiert werden, wollen wir Qualität oder Rationalisierung im Gesundheitswesen? Den Begriff Rationalisierung sollte man vielleicht auch mal diskutieren. Was bedeutet Wirtschaftlichkeit und Rationalisierung für uns als Gesellschaft? Was wollen wir als Gesellschaft? Ich bin wirklich auch der Ansicht, wir müssen kooperieren. Wir müssen aufhören, Ärztegruppen gegeneinander auszuspielen. Man muss für die Versorgung dieser zukünftigen Bundesrepublik Deutschland ein ganz neues Konzept finden. Krankenschwestern, Management und auch Juristen brauchen wir, weil wir davon keine Ahnung haben. Eisenmenger: Bitte, Frau Dr. Bronner. Bronner, Geschäftsführung der Gesellschaften der Alexianerbrüder, Berlin: Wir haben bei uns auch insbesondere die operativen Bereiche mit rein genommen und ich kann nur bestätigen, was Sie gerade sagten. Zwei Punkt sind dabei wichtig. Erstens: Die Operateure. Der erste Operateur, der am Tisch steht, hat nachher auch die Verantwortung für das Gelingen der Operation. Ich habe gestern einen Vortrag zum Thema Prothesenverwechslung gehalten. Da meldete sich ein Jurist zu Wort und sagte, der Fehler liegt beim Operateur, wenn der die falsche Prothese einbaut. Das stimmt natürlich. Insofern geben ich Ihnen Recht. Auch die bei uns operativ tätigen Ärzte haben ganz klar gesagt, dass sie die Verantwortung tragen und insofern auch sichergestellt haben möchten, dass im OP entsprechend gut ausgebildetes Personal vorhanden ist. Zweiter Punkt, die Weiterbildung gerade der jungen Ärzte ist wirklich eine ganz wichtige Sache, um die Ärzte im Lande und dann auch an den Kliniken zu halten. Wir wollen attraktive Arbeitgeber sein, d.h. die Ärzte zu halten und ihnen zu ermögli-
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chen, zügig ihre OP-Programme realisieren zu können, d.h. sie müssen häufig Operationen durchführen können. Das geht natürlich nicht, wenn sie durch andere ersetzt werden. Unser System der Versorgung von Patienten ist so komplex, deshalb ist unser Ansatz, wirklich insgesamt unsere Berufsgruppen auf den Prüfstand zu stellen, was ist die originäre Aufgabe des Einzelnen, wo müssen wir viel enger verzahnt miteinander arbeiten. Wir haben z.B. festgestellt, wie wichtig die Dokumentation im Hinblick auf die Patientenversorgung ist, auch unter dem Aspekt Risikominimierung. Wenn der eine so dokumentiert und der andere anders, dann greift das nicht ineinander. Die Ärzte erachten eine Delegation an der Stelle für sehr bedenklich. Es gibt aber ganz viele Bereiche, wo die Delegation gut und auch die Substitution notwendig ist für uns, aber unser System entsprechend erst entwickelt werden muss. Eisenmenger: Vielen Dank. Weitere Fragen oder Diskussionsbeiträge? Brenner, Rechtsanwältin, Bonn: Ich will nur ganz kurz auf diese Delegationskette noch mal zu sprechen kommen. Ich bin vor 20 Jahren aus der Pflege gegangen, war aber während des Studiums weiter in der Pflege tätig. Damals hatten wir selbstverständlich die Putzfrau am Krankenbett, das war nämlich die Stationsassistentin oder die Stationshilfe. Die teilte das Essen aus, half uns Betten machen und machte die Station sauber. Das hätte ich eigentlich ganz gerne wieder. Die kochte uns Schwestern auch schon mal einen Kaffee, wenn wir zuviel zu tun hatten, da machte das Arbeiten ein bisschen mehr Spaß. Was es damals auch gab, war die Schwesternhelferin. Die hat auch geholfen, Patienten zu waschen. Wir hatten aber auch mehr Rekonvaleszenten auf der Station. Da lässt sich das vielleicht besser einbinden. Was ich damit sagen möchte ist, wir können das System ruhig durchlässiger machen. Die Aufgaben der Krankenschwester kann eine Schwesternhelferin nicht übernehmen. Aber das Bettenmachen und das Pfannenschieben, das kann eine Schwesternhelferin sehr gut übernehmen und dazu brauche ich auch keine dreijährige Ausbildung. Wenn wir nun heute gehört haben, in Österreich gibt es bereits so ein Krankenpflegegesetz, warum machen wir einen eigenen work in process, was wieder Jahre dauert. Die Diskussion ist 30 Jahre alt, die ist nicht neu. Auch der deutsche Gesetzgeber könnte aufgefordert werden, sich das Beispiel Österreichs anzusehen. Oder warum guckt man nicht in die Schweiz, wie es dort gemacht wird. Da machen die Krankenschwestern auch viel mehr als in Deutschland. Wir hatten bereits vor 30 Jahren die Diskussion um die Blutabnahmen und auch damals waren die Pflegeorganisationen uneins und stritten sich. Die einen meinten, wer es nicht macht, der will eben nur Pfannen schieben, der gehört eigentlich nicht dazu. Die es machen wollten, wollten
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eigentlich Ärzte sein, also gab es eine Polarisierung. Selbstverständlich haben wir in der Klinik Blut abgenommen. Die IV-Injektion haben wir deshalb nicht gemacht, weil die Applikation des Medikaments zu gefährlich ist. Den technischen Vorgang kann man leichter lernen. Ich muss Ihnen sagen, wenn ich beim niedergelassenen Arzt bin und eine IM-Spritze kriegen muss, würde ich die lieber von der Arzthelferin bekommen als vom Arzt. Es ist ja kein Gesetz, dass der Patient besser geschützt ist, weil es der Arzt macht. Manchmal ist man da sogar mehr gefährdet. In diese Diskussion sollten wir auch als Arbeitsgemeinschaft eintreten sollten, Empfehlungen geben, selber mal gucken, wie es im Ausland läuft. Können wir etwas wieder einführen, was es bereits einmal gab oder scheitert es letztlich einfach nur am Geld. Das ist meine große Befürchtung. Eisenmenger: Vielen Dank für diesen Beitrag. Ich glaube, nach dem Vortrag von Frau François-Kettner können wir das Thema nochmals aufnehmen: Ich würde darum bitten, dass wir während des Mittagessens privat diskutieren.
Ärztliche Kernkompetenz und Delegation in der Intensivmedizin
Hugo van Aken
Entschließung der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI) und des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten e.V. (BDA) vom 11.12.2007
I. Was ist Intensivmedizin? Intensivmedizin ist – jeweils unter Einschluss der Intensivpflege – -
die Intensivüberwachung (Intermediate care) und die Intensivbehandlung (Intensive care).
Leitgedanke der Intensivmedizin ist es, Patienten, deren Vitalfunktionen besonders gefährdet oder gestört sind und die daher einer besonders intensiven Pflege, Überwachung und/oder Behandlung bedürfen, in speziellen Einrichtungen des Krankenhauses, den Intensivstationen, zu konzentrieren. Intensivüberwachung ist bei Patienten erforderlich, deren Vitalfunktionen gefährdet sind und die daher einer kontinuierlichen apparativen/personellen Überwachung bedürfen. Intensivbehandlung/-therapie ist bei Patienten notwendig, deren Vitalfunktionen gestört/ausgefallen sind und künstlich aufrechterhalten werden müssen. Ziel der intensivtherapeutischen Maßnahmen ist es, die Funktionen eines oder mehrerer gestörter lebenswichtiger Organsysteme vorübergehend künstlich aufrechtzuerhalten bzw. wiederherzustellen und so dem Betreffenden ein Überleben zu ermöglichen.
A. Jorzig, R. Uphoff (Hrsg.), Delegation und Substitution – wenn der PÀeger den Doktor ersetzt.., DOI 10.1007/978-3-642-15442-3_8, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
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Ein Charakteristikum der Intensivmedizin ist es, dass Ärzte und Pflegekräfte sowie die zahlreichen anderen an der Therapie beteiligten Berufsgruppen und medizinischen Fachgebiete bei der Behandlung dieser Patienten besonders eng zusammenarbeiten. In der Regel erfordern, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, folgende schwere Krankheitsbilder und Zustände eine intensivmedizinische Versorgung: -
akutes Leberversagen, akutes Lungenversagen, akutes Herzversagen, akutes Nierenversagen, akute Stoffwechselstörungen, akute schwere neurologische Störungen, Sepsis, Schock verschiedener Genese, Polytrauma, Verbrennung, gastrointestinale Blutungen, exogene und endogene Intoxikationen, postoperative Überwachung und Stabilisierung etc.
II. Spezielle ärztlich-intensivmedizinische Expertise Für die sachgerechte intensivmedizinische Versorgung der beispielhaft genannten oder anderer in ihrer Schwere vergleichbarer Krankheitsbilder und Zustände ist eine spezielle ärztlich-intensivmedizinische Expertise unerlässlich. Diese kann nur – neben einer Weiterbildung im Gebiet zum Facharzt – durch eine entsprechende Zusatzweiterbildung erworben werden. Denn häufig sind es multifaktorielle Ursachen, die zu komplexen intensivbehandlungspflichtigen Störungen der Vitalfunktionen führen. Intensivmedizinische Krankheitsbilder verlangen fortlaufend Diagnose- und Therapieentscheidungen, für die die genannten speziellen intensivmedizinischen Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen Grundvoraussetzung sind. Daher sind diese Entscheidungen nicht delegierbar. Die Behandlung hat in enger, kollegial-interdisziplinärer Abstimmung mit den mitbehandelnden bzw. für das Grundleiden zuständigen Ärzten zu erfolgen.
Ärztliche Kernkompetenz und Delegation in der Intensivmedizin
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III. Rahmenbedingungen der Delegation in der Intensivmedizin Auch in der Intensivmedizin ist es weder fachlich noch rechtlich erforderlich, dass der behandelnde Arzt alles, was zur fachgerechten Durchführung intensivmedizinischer Maßnahmen notwendig ist, eigenhändig vornimmt. Er darf an qualifiziertes, nicht-ärztliches Personal delegieren, soweit die betreffende Maßnahme nicht „gerade dem (Fach-) Arzt eigene Kenntnisse und Kunstfertigkeiten voraussetzt“ (BGH NJW 1975, 2245). Wie bei jeder Delegation ärztlicher Leistungen steht allerdings auch diejenige in der Intensivmedizin unter dem strikten Vorbehalt, dass mit der Delegation keinerlei zusätzliche Risikoerhöhung für den Patienten verbunden sein darf. Dies erfordert stets eine ärztlich verantwortete Prüfung, die maßgeblich von folgenden Faktoren bestimmt wird: -
Modalitäten der Delegation (z.B. unter direkter ärztlicher Aufsicht, auf ärztliche Anordnung, Handeln im Rahmen ärztlich festgelegter Regeln), Art der Delegation (z.B. Gefährlichkeit, besondere Schwierigkeit der Maßnahme etc.), Zustand des Patienten, Art und Schwere der Grund- und Begleiterkrankungen sowie Qualifikation des Delegaten, d.h., vor einer Delegation ist zu prüfen, ob der Delegat nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fertigkeiten in der Lage ist, die jeweilige Tätigkeit fachgerecht durchzuführen.
IV. Was ist in der Intensivmedizin delegierbar? Unter der Voraussetzung, dass das Intensivpflegepersonal die unten genannten speziellen Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten vorweist, sind insbesondere folgende Maßnahmen delegierbar: -
Blutentnahme aus liegenden Gefäßkathetern, Injektionen in liegende Infusionssysteme und Katheter nach ärztlicher Anordnung, die technische Durchführung der ärztlich angeordneten Infusionstherapie und parenteralen Ernährung durch liegenden Venenkatheter, die Durchführung einer künstlichen Ernährung (Sondenernährung) nach Plan, die Bedienung und Überwachung von Infusions- und Injektionspumpen,
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die Bedienung und Überwachung von Respiratoren, Dialysegeräten u.a. Medizingeräten, die Bronchialtoilette bei intubierten und tracheotomierten Patienten, die Durchführung einer bettseitigen Aerosolbehandlung bzw. Beatmungsinhalation, die Blutzuckereinstellung mittels eines Insulinperfusors nach vorgegebenen Protokollen bzw. ärztlicher Maßgabe, die Applikation ärztlich verordneter Basismedikation, das selbständige Anlegen peripherer venöser Gefäßzugänge, die Anlage arterieller Gefäßzugänge, Dokumentationsaufgaben.
Erforderliche Qualifikation des Delegaten Der Delegat muss den Standard eines Fachgesundheits- und Krankenpflegers, Fachgesundheits-/ und Kinderkrankenpflegers, Fachgesundheits- und Kinderkrankenpflegers in der Intensivpflege und Anästhesie („Fachpflegestandard“) gewährleisten.
V. Fazit In der Intensivmedizin sind, im Gegensatz zur Anästhesie, der Delegation intensivmedizinischer Leistungen an nicht-ärztliches Personal weniger enge Grenzen gesetzt. Der Grund dafür ist, dass im Operationssaal eine hohe Dichte akut lebensbedrohlicher Interventionen vorherrscht (siehe „Ärztliche Kernkompetenz und Delegation in der Anästhesie“, Entschließung der DGAI und des BDA), die typischerweise während der intensivmedizinischen Versorgung nicht vorliegt. Dieser Unterschied zur Anästhesie im Operationssaal macht deutlich, dass in der Intensivmedizin die unmittelbare Vitalbedrohung durch den operativen Eingriff "per se" – von Ausnahmefällen abgesehen – eine nur untergeordnete Rolle spielt. Auch ist das Gefährdungspotential für den Patienten, das im Operations-Saal zusätzlich von den verschiedenen Anästhesie verfahren (z. B. Intubation, Extubation, vollständige Muskelrelaxation, seitengetrennte Ventilation, Volumenmanagement etc.) ausgeht, auf der Intensivstation im Regelfall wesentlich geringer ausgeprägt. Daher lässt, eine entsprechende Qualifikation des Delegaten vorausgesetzt, die Intensivmedizin deutlich mehr Spielraum für die Delegation ärztlicher Leistungen, zumal – anders als im Operationssaal – der Pflege des Intensivpatienten ohnehin eine hohe Bedeutung für die Sicherung des Behandlungs-
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erfolges zu kommt. Bei akut lebensbedrohlichen Situationen ist die personelle Präsenz und Delegierbarkeit auf der Intensivstation vergleichbar mit der im Operationssaal. Wesentlich für den Umfang der zulässigen Delegation ist die Qualifikation des nicht-ärztlichen Personals. Dabei ist dem einzelnen Fachgebiet die Definition der fachlichen Qualifikation des nicht-ärztlichen Personals für die jeweils zu delegierenden Auf gaben vorbehalten. Auch bei den so erweiterten Delegationsmöglichkeiten bleibt die sofortige Verfügbarkeit eines Arztes mit speziellen intensivmedizinischen Kenntnissen unabdingbare Voraussetzung der Delegation ärztlicher Leistungen auf einer Intensivstation. Nur dadurch werden auch in Zukunft der rechtlich geforderte Facharztstandard und die Qualität der Versorgung der Patienten gewährleistet. Dies ist bei allen zukünftigen gesetzgeberischen Aktivitäten strikt zu beachten. Prof. Dr. Dr. h.c. Hugo Van Aken – Präsident DGAI – Prof. Dr. Bernd Landauer – Präsident BDA – Im vorstehenden Text wird die männliche Berufsbezeichnung „Arzt“, „Ärzte“, „Krankenpfleger“ o.ä. einheitlich und neutral für Ärztinnen und Ärzte sowie Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger verwendet.
Erarbeitet unter maßgeblicher Mitwirkung von: Prof. Dr. Dr. h.c. K. van Ackern, Mannheim Prof. Dr. Dr. h.c. H. Van Aken, Münster Dr. M. Andreas, Karlsruhe Prof. Dr. H.W. Bause, Hamburg Dr. E. Biermann, Nürnberg Prof. Dr. B. Landauer, Ottobrunn PD Dr. J. Martin, Göppingen Prof. Dr. Dr. h.c. K. Peter, München Prof. Dr. Th. Prien, Münster Prof. Dr. M. Quintel, Göttingen Prof. Dr. U. Schulte-Sasse, Heilbronn Prof. Dr. Dr. h.c. J. Schüttler, Erlangen Dipl.-Sozw. H. Sorgatz, Nürnberg Prof. Dr. A. Spickhoff, Regensburg Prof. Dr. Dr. K. Ulsenheimer, München
Ärztliche Kernkompetenz und Delegation in der Anästhesie
Hugo van Aken
Entschließung der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI) und des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten e.V. (BDA) vom 26.10.2007/08.11.2007
I. Was ist „Anästhesie?“ Anästhesie heißt in wörtlicher Übersetzung aus dem Griechischen „Empfindungslosigkeit“. Diese Definition wird dem Inhalt des Fachgebietes Anästhesiologie schon lange nicht mehr gerecht. Anästhesie heute ist vielmehr eine Tätigkeit im Hochrisikobereich der medizinischen Versorgung. Sie umfasst ein Bündel von als solchen bereits gefährlichen Maßnahmen mit dem Ziel, anders nicht durchführbare, zum Teil sogar sonst nicht überlebbare Eingriffe zu ermöglichen und deren Erfolg zu sichern. Für die Dauer des Anästhesieverfahrens legt der Patient infolge des notwendigen, ärztlich induzierten Verlustes von Bewusstsein und Schutzreflexen, der ärztlich gesteuerten Beeinträchtigung von Atmung und Kreislauf bis hin zur vollständigen Muskellähmung sein Leben in die Hand des Arztes, weil nur so optimale Bedingungen für den durchzuführenden Eingriff zu schaffen sind und das Ergebnis des Eingriffs gesichert werden kann. Bei ausgedehnten rückenmarksnahen Regionalanästhesien (Peridural-, Spinalanästhesie) sind die Gefahren für den Patienten und damit seine Abhängigkeit von den Fähigkeiten und Fertigkeiten des Arztes nicht weniger gravierend als bei einer Allgemeinanästhesie. Spezifisch ärztliche anästhesiologische Expertise ist immer dann erforderlich, wenn zur Durchführung eines Eingriffs (z.B. Operation, therapeutische Intervention, diagnostische Maßnahme) die Vitalfunktionen und
A. Jorzig, R. Uphoff (Hrsg.), Delegation und Substitution – wenn der PÀeger den Doktor ersetzt.., DOI 10.1007/978-3-642-15442-3_9, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
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Schutzreflexe1 des Patienten – wie beschrieben – beeinträchtigt werden oder in besonderem Maße gefährdet sind. Eine derartige Beeinträchtigung bzw. Gefährdung der Vitalfunktionen ist nie monokausal, sondern resultiert aus verschiedenen Variablen, insbesondere aus Art und Umfang des erforderlichen Anästhesieverfahrens, aus dem durchzuführenden Eingriff und seinen besonderen Erfordernissen, aus der Schwere der Grund- und Begleiterkrankungen des Patienten und vor allem aus einer Interaktion dieser Faktoren. Deshalb „erweist sich die Durchführung einer Risikoadjustierung als schwierig“ (so mit Recht die Feststellung des SVRates 2007, 110), ja eine Risikoabschätzung ist im Einzelfall mit hinreichender Sicherheit überhaupt nicht möglich.
II. Bei welchen Anästhesieverfahren braucht man einen Anästhesisten? A Ein Anästhesist ist erforderlich bei allen Allgemeinanästhesien (mit Verlust des Bewusstseins und der Schutzreflexe) sowie (z.B. wegen der gleichzeitig auftretenden Sympathikolyse) bei allen rückenmarksnahen Leitungsanästhesien (SpA, PDA). B Ein Anästhesist ist nicht erforderlich, wenn der Eingriff keine Beeinträchtigung der Vitalfunktionen impliziert. Dies kann beispielsweise bei örtlich begrenzten Verfahren der Lokoregionalanästhesie (z.B. Oberflächenanästhesie, Infiltrationsanästhesien) oder bei der Gabe von Sedativa und Analgetika in Dosierungen, die nicht zu einem Verlust der Schutzreflexe oder zu einer Atemdepression führen, der Fall sein. Die Durchführung einer Anästhesie erfordert neben einer theoretischwissenschaftlichen Aus-, Weiter- und Fortbildung mit dem Nachweis entsprechender Kenntnisse und Fertigkeiten eine hinreichende praktischklinische Erfahrung, damit dem Patienten zu jeder Zeit der ihm medizinisch und rechtlich geschuldete Facharztstandard gewährt werden kann.
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Unter dem Begriff „Vitalfunktionen“ werden die lebenswichtigen Vorgänge zusammengefasst, also in erster Linie die Funktion von ZNS, Atmung, Herz- und Kreislauf; in zweiter Linie Blutgerinnung, Wasser- und Elektrolythaushalt, Stoffwechsel, Körpertemperatur etc. Zu den Schutzreflexen zählen insbesondere der Husten- und Schluckreflex, die vor Aspiration schützen, sowie die Schmerzreflexe, die z.B. vor Lagerungsschäden schützen.
Ärztliche Kernkompetenz und Delegation in der Anästhesie
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III. Rahmenbedingungen der Delegation Es ist weder fachlich noch rechtlich erforderlich, dass der Anästhesist alles, was zur fachgerechten Durchführung einer Anästhesie notwendig ist, eigenhändig erledigen muss. Er darf an qualifiziertes nicht-ärztliches Personal delegieren, soweit die betreffende Maßnahme nicht – unter spezieller Beachtung der beschriebenen interagierenden Faktoren – „gerade dem (Fach-)Arzt eigene Kenntnisse und Kunstfertigkeiten voraussetzt“ (BGH NJW 1975, 2245 (2246)). Die Delegation steht unter dem strikten Vorbehalt, dass mit ihr keinerlei zusätzliche Risikoerhöhung für den Patienten verbunden sein darf. Insoweit ist immer eine Einzelfallprüfung erforderlich, die maßgeblich von folgenden Faktoren bestimmt wird: -
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Modalitäten der Delegation (z.B. unter direkter Aufsicht, auf Anordnung, Handeln im Rahmen festgelegter Regeln); Art der delegierten Tätigkeit; Qualifikation des Delegaten; vor einer Delegation muss daher in jedem einzelnen Fall geprüft werden, ob der Delegat nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fertigkeiten in der Lage ist, die jeweilige Tätigkeit durchzuführen; Zustand des Patienten, Art und Schwere der Grund- und Begleiterkrankungen; Art und Ausmaß des Eingriffs; Art und Umfang des Anästhesieverfahrens. (vgl. SVR-Gutachten 2007 S. 120ff).
IV. Was ist in der Anästhesie delegierbar? Die Möglichkeiten der Delegation lassen sich vor dem Hintergrund der fünf Anästhesiephasen unterscheiden: 1. Anästhesievorbereitung 2. Anästhesieeinleitung 3. Anästhesieführung (Aufrechterhaltung) 4. Anästhesieausleitung 5. Unmittelbare Postanästhesiephase (Aufwachraum).
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Ad 1. Die Anästhesievorbereitung umfasst u.a. die medizinische Evaluation des Patienten inklusive Anamneseerhebung und körperlicher Untersuchung, Indikation zusätzlicher Untersuchungen und Maßnahmen, die Planung von Art und Umfang des Anästhesieverfahrens sowie die Aufklärung über die geplanten anästhesiologischen Maßnahmen und ihre Konsequenzen. Diese Maßnahmen sind dem Arzt vorbehalten, sie erfordern nur ihm eigene Kenntnisse und Fertigkeiten und sind nicht delegierbar. Delegierbar sind dagegen administrative Tätigkeiten (z.B. die Herbeibringung erforderlicher Formulare und Befunde, die Datenerfassung), venöse Blutentnahmen für Laboruntersuchungen sowie die technische Vornahme einfacher Untersuchungen (z.B. EKG, Lungenfunktion, Pulsoxymetrie). Erforderliche Qualifikation des Delegaten: Arzthelfer/in oder Gesundheits- und Krankenpfleger/in, Medizintechnische/r Assistent/in. Ad 2. Die Anästhesieeinleitung erfordert die Anwesenheit des Anästhesisten und die Steuerung durch den Anästhesisten. Sie ist deshalb nicht delegierbar. Delegierbar sind die Vorbereitung und Überprüfung von Medikamenten und der erforderlichen medizinischen Gerätschaften, der Gerätecheck im Rahmen der einschlägigen DGAI-Empfehlungen sowie das Platzieren periphervenöser Verweilkanülen. Einzelne Maßnahmen, wie Injektion/Infusion von Arzneimitteln dürfen nur unter direkter Aufsicht des Anästhesisten delegiert werden. Erforderliche Qualifikation des Delegaten: Der Delegat/die Delegatin muss den Standard einer/eines „Fachgesundheits- und Krankenpflegerin, Fachgesundheits- und Krankenpflegers, Fachgesundheits- und Kinderkrankenpflegerin, Fachgesundheits- und Kinderkrankenpflegers in der Intensivpflege und Anästhesie“ („Fachpflegestandard“) gewährleisten. Ad 3. Die Anästhesieführung während der Vorbereitung des Patienten auf den Eingriff (u.a. während der Lagerung), während des Eingriffs selbst und der anschließenden Maßnahmen (z.B. Aufheben der Lagerung, Verband, Röntgen) ist ein höchst komplexer Vorgang, der sich nicht auf die bloße Beobachtung von Monitoren und die Dosierung von Anästhetika innerhalb vorgegebener Behandlungspläne reduzieren lässt. Die Komplexität wird vor allem durch die mehrfach hervorgehobenen interagierenden Faktoren wie Begleiterkrankungen und Risikofaktoren des Patienten, durch Art und Umfang des Eingriffs sowie des Anästhesieverfahrens selbst bestimmt. Angesichts der nicht sicher beherrschbaren Abläufe im menschlichen Organismus ist mit unvorhersehbaren, vital bedrohlichen Ereignissen, die eine zeitkritische unmittelbare diagnostische und therapeutische Reak-
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tion erfordern, stets zu rechnen. Die Anästhesieführung verlangt ständige Diagnose und Therapieentscheidungen, für die spezifisch ärztlich anästhesiologische Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen unabdingbar sind und die in fortlaufender, interdisziplinärer Abstimmung mit dem den Eingriff durchführenden Arzt erfolgt. Diese Aufgaben gehören zum Kernbereich ärztlicher Tätigkeit und schließen eine Delegation aus. Delegierbar sind daher nur reine Überwachungsmaßnahmen unter strikter Beachtung der Entschließung zu Zulässigkeit und Grenzen der Parallelverfahren in der Anästhesiologie (Anästh Intensivmed 1989;30:56-57; Anästh Intensivmed 2007; 48:223-229). Erforderliche Qualifikation des Delegaten: „Fachpflegestandard“. Ad 4. Die Anästhesieausleitung als Übergangsprozess bis zur Wiederherstellung der Vitalfunktionen und Schutzreflexe stellt wegen möglicher vitalbedrohlicher Störungen, insbesondere auf Kreislauf und Atmung bezogen, eine besonders kritische Phase für die Sicherheit des Patienten dar. Auch die Anästhesieausleitung erfordert die Anwesenheit des und die Steuerung durch den Anästhesisten und ist daher nicht delegierbar. Delegierbar sind einzelne Maßnahmen wie Injektion/Infusion von Arzneimitteln unter direkter ärztlicher Aufsicht. Erforderliche Qualifikation des Delegaten: „Fachpflegestandard“. Ad 5. Die unmittelbare Postanästhesiephase (Aufwachraum) erfordert die sorgfältige Überwachung des Patienten, um durch den Eingriff oder die abklingende Anästhesie entstehende Komplikationen rechtzeitig erkennen und behandeln zu können, sowie ggf. die Fortführung einer vorher eingeleiteten Therapie. Die Festlegung von Überwachungsmaßnahmen, die Anordnung von diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen und die Entscheidung über die Verlegungsfähigkeit sind ärztliche Aufgaben und nicht delegierbar. Delegierbar ist dagegen die Überwachung im Aufwachraum unter Beachtung der Empfehlung zur Organisation und Einrichtungen von Aufwacheinheiten in Krankenhäusern (Anästh Intensivmed 1997;38:216-218). Erforderliche Qualifikation des Delegaten: „Fachpflegestandard“
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V. Fazit und Ausblick Im Gegensatz zu manchen anderen Gebieten der Medizin sind der Delegation anästhesiologischer Leistungen an nicht-ärztliches Personal enge Grenzen gesetzt. Wie der SV-Rat in seinem Gutachten zur Delegation ärztlicher Leistungen (S. 112) zu Recht feststellt, überzeugt der Verweis auf die Praxis anderer Staaten und internationale Studien nicht, da dort andere Ausbildungsvoraussetzungen und andere tatsächliche und rechtliche Verhältnisse bestehen. Jegliche Delegation ärztlicher Leistungen im Bereich des Fachgebietes Anästhesiologie erfordert, dass die fachliche Qualifikation des nicht-ärztlichen Personals sich nach den Vorgaben richten muss, die vom Fachgebiet für die Qualifikation des nichtärztlichen Personals festgelegt werden. Nur dadurch wird auch in Zukunft der rechtlich geforderte Facharztstandard und die Qualität der Versorgung der Patienten gewährleistet, wie es der SV-Rat (S.39) empfiehlt. Prof. Dr. Dr. h.c. Hugo Van Aken – Präsident DGAI – Prof. Dr. Bernd Landauer – Präsident BDA – Ersterscheinung in A & I (Anästh Intensivmed. 2007; 48: 712 – 714)
Erarbeitet unter maßgeblicher Mitwirkung von: Prof. Dr. Dr. h.c. K. van Ackern, Mannheim Prof. Dr. Dr. h.c. H. Van Aken, Münster Dr. M. Andreas, Karlsruhe Dr. E. Biermann, Nürnberg Prof. Dr. B. Landauer, Ottobrunn Prof. Dr. Dr. h.c. K. Peter, München Prof. Dr. Th. Prien, Münster Prof. Dr. U. Schulte-Sasse, Heilbronn Prof. Dr. Dr. h.c. J. Schüttler, Erlangen Dipl.-Sozw. H. Sorgatz, Nürnberg Prof. Dr. A. Spickhoff, Regensburg Prof. Dr. Dr. K. Ulsenheimer, München
Delegation und Substitution: Geht es auch ohne Ärzte?
Hedwig François-Kettner
Seit einigen Jahren diskutieren die Berufsverbände im Deutschen Gesundheitswesen über dieses Thema. Einig sind sie bisher nicht. Zahlreiche Gutachten sind inzwischen erarbeitet worden, die zum Thema lösungsorientierte Wege aufzeigen. Die Politik hat sich bisher leider hinter dem Spiel der Kräfte „konfliktscheu“ verhalten. Dabei überholt die Praxis gerade die festgefahrenen ideologischen Debatten. Die Frage stellt sich nicht, ob es auch ohne Ärzte im Deutschen Gesundheitswesen geht. Die Pflegeverbände, organisiert im Deutschen Pflegerat, können und wollen nur gemeinsam und kooperativ mit allen anderen Partnern auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Wie kann das gelingen? Und wie können Neuverteilungen von Tätigkeiten zwischen den Berufsgruppen Medizin und Pflege in dieser Hinsicht Fortschritte erreichen? Zunächst einmal muss es darum gehen, die Relevanz der Umverteilungen zu erkennen. Zunächst ist da die viel zitierte demographische Entwicklung und die Zunahme multimorbider und/oder pflegebedürftiger kranker Menschen in unserer Gesellschaft. Es ist davon auszugehen, dass es einen steigenden Betreuungs- und Beaufsichtigungsbedarf gibt, oftmals ohne ärztliche, medizinische Interventionsnotwendigkeit, vielmehr durch qualitative pflegerische Expertise. Die Wertschöpfung letzterer hinsichtlich ungenutzter Kompetenzen und Ressourcen erfordert eine konzertierte Aktion im Gesundheitswesen. Im internationalen Vergleich gibt es die Nurse Practioners seit 1970 in Kanada, seit 1989 in Großbritannien, seit 1997 gibt es sie in den Niederlanden. Nurse Practioners haben in der Regel eine akademische Ausbildung mit Masterabschluss. Deutschland ist im Übrigen neben Österreich der einzige Europäische Staat ohne regelhafte akademische Pflegeausbildung.
A. Jorzig, R. Uphoff (Hrsg.), Delegation und Substitution – wenn der PÀeger den Doktor ersetzt.., DOI 10.1007/978-3-642-15442-3_10, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
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Hedwig François-Kettner
Im Gutachten des Sachverständigenrats 2007 wurde insbesondere und sehr vertiefend die Entwicklung der Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe zu einer effizienten und effektiven Gesundheitsversorgung gefordert. Im Gutachten wurde die Notwendigkeit zur Veränderung der Arbeitsteilung aufgeführt und eine stärkere Einbeziehung nichtärztlicher Gesundheitsberufe durch Übertragung von Tätigkeit gefordert. Dabei sollte eine größere Handlungsautonomie der Pflegenden, die Integration von Pflegewissenschaften und Pflegepraxis, von Physiotherapeuten, Logopäden und anderen Gesundheitsberufen in die Medizinischen Fakultäten iniziiert werden, auch wurde die Erprobung berufsgruppenübergreifender Poolkompetenzen vorgeschlagen. Der Gesetzgeber hat sowohl die Krankenpflege (§ 3 Abs. 1 KrPflG) also auch die Altenpflege als heilkundlichen Berufe (§ 3 Abs. 2 Satz 2 AltPflG) betitelt. Nach Ausführungen von Professor Dr. Gerhard Igl, Universität Kiel, üben diese Berufe bereits die Heilkunde aus, allerdings ohne offizielle Erlaubnis (Beruferecht). Im Altenpflegegesetz wird die sach- und fachkundige, d.h. die nach allgemein anerkannten pflegewissenschaftlichen und medizinisch-pflegerischen Erkenntnissen entsprechende umfassende und geplante Pflege ausgeführt. Die Mitwirkung bei der Behandlung kranker, alter Menschen einschließlich der Ausführung ärztlicher Verordnungen ist gesetzlich fixiert. Dazu gehört auch die Erhaltung und die Wiederherstellung individueller Fähigkeiten im Rahmen geriatrischer und gerontopsychiatrischer Rehabilitationskonzepte. Ebenso wird die Gesundheitsvorsorge einschließlich der Ernährungsberatung und die umfassende Begleitung Sterbender als Aufgabe ausgeführt. Im Pflegeweiterentwicklungsgesetz im § 63 Abs. 3b SGB V werden Modellvorhaben vorgeschlagen, in denen im Krankenpflegegesetz und im Altenpflegegesetz geregelte Berufe die Verordnung von Verband- und Pflegehilfsmitteln sowie die inhaltliche Ausgestaltung der häuslichen Krankenpflege einschließlich deren Dauer vornehmen, soweit diese aufgrund ihrer Ausbildung qualifiziert sind und es sich bei der Tätigkeit nicht um die selbständige Ausübung von Heilkunde handelt. Damit regelt § 63 Abs. 3b SGB V die bereits bestehenden Delegationsmöglichkeiten der Substitution eigenständiger Verordnungen durch nichtärztliche Berufe im Modellvorhaben. § 63 Abs. 3c SGB V umfasst die Substitution der Leistungserbringung ohne vorherige ärztliche Veranlassung. Zitat: „Diese Pflegefachkräfte treten als eigenständige Leistungserbringer in der Gesetzlichen Krankenversicherung auf, so dass hieraus eine Erweiterung der Leistungserbringerseite folgt.“
Delegation und Substitution: Geht es auch ohne Ärzte?
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Die heilkundlichen Tätigkeiten im Pflegeweiterentwicklungsgesetz zeigen deutliche Wege auf, wie eine Neuordnung von statten gehen kann. Die Ausbildungsstätten haben die Aufgabe, die Details zu regeln. Die Ausbildungspläne sind vom BMG im Einvernehmen mit dem BMFSFJ zu genehmigen. Die Ausbildungsdauer ist entsprechend zu verlängern. Die Möglichkeit, auch an Hochschulen auszubilden besteht bereits jetzt. Die vorbehaltenden Tätigkeiten sind aufgrund unserer Föderalismusstruktur hinsichtlich der Zulassungsregel Bundesangelegenheit und hinsichtlich der Ausübungsregelung Länderangelegenheit. Der Bund hat den Vorbehalt bei Hebammen schon seit Jahrzehnten geregelt. Es fehlt die Thematisierung bei der Berufsgesetzgebung der Länder, in dessen Debatte der Gesetzgeber miteinbezogen werden sollte. Bei vorbehaltenden Tätigkeiten sollten folgende Grundsätze gelten: -
Bei gleicher Qualifikation ist keine Delegation nötig Bei höherer Qualifikation kann ein Vorbehalt geregelt werden
In der Praxis ist es so, dass Delegation und Substitution ärztlicher Tätigkeiten auf medizinisches Fachpersonal täglich ausgeübte Praxis ist (Verbandwechsel, Anlegen von Infusionen, venöse Blutentnahmen etc.). Aus pragmatischen und wirtschaftlichen Gründen sind viele Kliniken und Einrichtungen bereits dazu übergegangen, über die Delegation hinaus Substitutionen von Tätigkeiten zu iniziieren und mit ihren jeweiligen Haftpflichtversicherern abzusprechen (z.B. Funktionsuntersuchungen wie EKG und Ultraschall oder Case- und Entlassungsmanagement). Die Vorstellungen der Pflegeverbände sind: -
Berufsbild mit eigenständigem Profil Freiberuflichkeit der Pflege- und Gesundheitsberufe Akademisierung der Pflege- und Gesundheitsberufe Kammerstruktur der Pflege- und Gesundheitsberufe Verordnungsrecht für Pflege- und Gesundheitsberufe
Es erscheint grotesk, wenn die ärztlichen Funktionäre die Verordnungsmacht über Pflegeutensilien wie Lagerungshilfsmittel oder Pampers nicht abgeben wollen. Bei diesem Beispiel wird deutlich, dass es nicht um fachlich-inhaltlich sinnvolle Lösungen geht, sondern nur um monitäre Alleinherrschaftsansprüche. Am Beispiel der Charité seien einige beispielhafte Tätigkeiten aufgeführt, die im weitesten Sinne unserer Thematik zuzuordnen sind, die sich auf dem Weg der Umsetzung befinden:
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Hedwig François-Kettner
Delegation von Blutentnahmen und Injektionen Manchester Triage-System in den Rettungsstellen (notfallmäßige Erstsichtung durch Pflegekräfte) Wundmanagement durch Pflegeexperten Entlassungsmanagement/Casemanagement Medizinische Dokumentationsassistenten Qualitäts- und Risikomanagement
Es versteht sich von selbst, dass dazu das Pflegepersonal besonders qualifiziert wird/ist. Die Vorstellung der Pflegeverbände zur Substitution betreffen in erster Linie die Verordnung von Verbands- und Hilfsmitteln; bei chronischen Erkrankungen auch von Arzneimitteln in Absprache mit dem Hausarzt. Das Training und die Beratung in allgemeinen Gesundheitsfragen zur Prävention von Krankheiten und zur Ernährung sowie Maßnahmen zur Förderung der Lebensqualität, ebenso das Versorgungsmanagement nach Krankenhausaufenthalt ist Aufgabe von qualifiziertem Pflegepersonal. Die heutige Situation bedarf weiterer gesetzlicher Regelungen über die Modellvorhaben hinaus. Die Akademisierung der Gesundheitsberufe ist grundsätzlich zu ermöglichen. Die Spezialisierung der Pflegeberufe sind entsprechend zu vergüten und die Neuverteilung der Aufgaben so anzulegen, dass keine qualitativen Einbußen damit verbunden sind. Pflegewissenschaft und Pflegeforschung sind in Universitätskliniken zu verankern. Fazit meines Vortrags: Die Demografie erfordert kluge Lösungen. Der Nachwuchs in der Gesundheitsbranche bei Ärzten und Pflegekräften benötigt interessante Angebote. Pflegeberufe können und wollen nur gemeinsam und kooperativ mit allen anderen Partnern zusammenarbeiten. Die entsprechenden Instanzen haben einen Handlungsbedarf, der unter Umständen ohne Moderation von kompetenter Seite nicht zeitgerecht geregelt wird. Hochschulen müssen an gemeinsamen Ausbildungskonzepten arbeiten. Parallele Evaluationen sichern Belege für die Evidenz einer qualitätsorientierten interprofessionellen gesundheitlichen Leistungserbringung.
3. Diskussion
Eisenmenger: Wir haben 20 Minuten zur Diskussion und ich bitte um Wortmeldungen. Ratajczak, Rechtsanwalt, Sindelfingen: Frau François-Kettner, die Richtung, die Sie vorgeben, ist die, die wir auch haben wollen. In der Masse fehlen uns die Ärzte nicht, aber seit die Bundesärztekammer die Ausdifferenzierung der Arztberufe vorantreibt, fehlen uns die Ärzte in den einzelnen Teildisziplinen. Ich weiß beim besten Willen bei vielen unserer Kliniken nicht mehr, wie eigentlich eine saubere Weiterbildung noch dargestellt werden soll, ohne dass man die Weiterbildungszertifikate schlicht und einfach fälscht, was ja auch schon gang und gäbe ist. Ich weiß auch nicht, ob wir es uns überhaupt leisten sollten, den Ärzten die gesamte Verantwortung, auch die haftungs- und strafrechtliche Verantwortung für den gesamten Pflegebereich, aufzulasten. Dafür können und sollen wir keine Ärzte ausbilden, die sind dafür schlicht überqualifiziert. Ich erwarte von Ärzten, dass sie medizinisch kurativ tätig sind. Wenn ich heute höre, dass man dies in Frage stellt, dann frage ich, wieso müssen Ärzte aufklären? Das ist doch keine medizinische Kerntätigkeit. Dafür haben wir sie nicht ausgebildet und sie wissen nicht, worüber sie aufklären sollen. Das ist eine Sache, die man schon deshalb substituieren müsste. Substitution nicht nur Delegation, damit man die Ärzte von diesem haftungsrechtlichen Thema wegbekommt. Wichtig ist die Gleichstellung der Pflegeberufe. Arzt und Pflege sind ein anderes Thema. Wenn wir uns auf Klinikärzte verlassen müssten, was eine Dekubitusprophylaxe betrifft, dann hätten wir nur Probleme. Ein junger Assistenzarzt hat keine Ahnung, ob ein Patient eine Dekubitusprophylaxe braucht und welcher Art. Aber die Pflegekräfte wissen das. Jede Krankenhausdirektorin oder Pflegedirektorin erzählt mir, dass die praktische Ausbildung, und wir reden immer noch von Facharztstandard, den Ärzten vom Pflegepersonal beigebracht wird. Das ist Realität in Deutschland. Warum zieht man nicht die Konsequenz und sagt, es ist gut, wenn die Ärzte überhaupt ausgebildet werden. Wir haben unseren Facharztstandard im Bereich der kurativen und diagnostischen Medizin. Alles Drumherum kann von Ärzten nicht geleistet werden, dafür haben wir sie nicht ausgebildet und
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3. Diskussion
ich will auch nicht, dass sie dafür die haftungsrechtliche Verantwortung tragen. Eisenmenger: Vielen Dank. Ist da eine Antwort erforderlich? François-Kettner, Charité, Berlin: Im Wesentlichen wurde bestätigt, was ich ausgeführt habe. Wir müssen zu einer besseren Arbeitsteilung kommen und das auch in den Einrichtungen verankern. Vor 20 Jahren haben Pflegekräfte Blut abgenommen, warum haben sie das nicht weiter gemacht? Wir haben vor 20, 30 Jahren sogenannte Spritzenscheine bekommen und selber Blut abgenommen. Als ich dann ins Management gekommen bin, habe ich bei den Personalbedarfsberechnungen festgestellt, dass die Tätigkeiten, die originär ärztliche Tätigkeiten waren, immer den Ärzten zugeschrieben wurden, egal, ob sie die tatsächlich ausgeführt haben. Die ganzen Berater, die in unsere Kliniken kamen, haben uns gesagt, das sind ärztliche Tätigkeiten und es kann nur der Arzt dafür einen Personalbedarf geltend machen. Das hat dazu geführt, dass die Pflege zwar immer mehr an Tätigkeiten übernommen hat, aber haftungsrechtlich war das nicht geklärt, genauso wenig wie die Struktur und die Ausstattung. Damals fing die Unterstützung der Pflegeverbände an, denn wir bekamen keine rechtliche Rückendeckung aus den Instanzen. Die Pflegekräfte haben irgendwann aufgehört, immer alles automatisch zu tun, ohne dass sie dafür eine Befugnis hatten. Wir haben damals insistiert, dass wir diese Tätigkeiten regulär übernehmen dürfen. Mittlerweile gibt es in der Charité eine elektronische Dokumentation und die Pflegekräfte sind angewiesen, ärztliche Tätigkeiten, die sie übernehmen, einzutragen. Es gibt darüber Zeiterfassungen und ich mache die entsprechende Budgetverschiebung geltend. Ich sitze in einem Vorstand, von den neun Personen des erweiterten Vorstands sind sechs Ärzte. Da können Sie sich vorstellen, dass das nicht immer leicht ist, solche Diskussionen zu führen. Eisenmenger: Vielen Dank. Sind weitere Wortmeldungen? Ja, Herr Schabram. Schabram, Rechtsanwalt, Freiburg: Frau François-Kettner, vielen Dank für diesen beeindruckenden Vortrag. Ich fand es vor allem gut, dass Sie noch einmal klargemacht haben, dass es bei dem Thema Delegation und Substitution nicht darum geht Krankenpfleger in der Herzchirurgie einzusetzen. Wir haben heute Morgen einen gescheiterten Versuch gesehen. Es ist vielleicht nicht unser zentrales Versorgungsproblem in unserer Republik, sondern in Mecklenburg-Vorpommern fehlt es an Hausärzten und an der Charité fehlt ein Arzt, der in der Ambulanz steht. Herr Professor van
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Aken, ich würde mich auch nie in einem Krankenhaus operieren lassen, wo kein Anästhesist meine Narkose macht. Eisenmenger: Das war ein Statement, keine Fragestellung. Bitte Herr Professor Bergmann. Bergmann, Rechtsanwalt, Hamm: Ich möchte noch mal von der Politik etwas weg zum Fachlichen und zwar zum Haftungsrechtlichen. Ich stimme Herrn Dr. van Aken zu. Die Anästhesie ist eine Maßnahme, die wegen der Unvorhersehbarkeit von Komplikationen sowie ich es auch ausgeführt habe, professionelles Wissen voraussetzt. In diesem Bereich ist grundsätzlich Substitution unzulässig und Delegation nur in gewissem Umfang möglich. Nun müssen die Berufsverbände und die Ärzte selbst festlegen, in welchem Umfang die Delegation möglich ist. Ich glaube, der kritische Punkt ist der Bereich von der Einleitung, die der Arzt vorzunehmen hat, bis zur Ausleitung der Narkose. Dieser Bereich wird heute in der Praxis sicherlich nur zur Hälfte von den Anästhesiepflegern vorgenommen. Teilweise sind sie speziell ausgebildet. Helios hat es mit demMafa-Konzept versucht. Etwas Ähnliches wird auch in Zukunft notwendig sein und wird auch kommen. Meine Frage an Sie ist, wie sehen Sie diesen Zwischenbereich zwischen Einleitung und Ausleitung der Narkose? In welchem Umfang ist da die patientenorientierte Risikobegrenzung möglich? van Aken, Anästhesist, Münster: Vielen Dank. Ich möchte zuerst auf die Qualifikation des Delegats eingehen. In den 80er Jahren hatten wir eine perfekte Weiterbildung für Fachpfleger in die Anästhesie mit ungefähr 400 bis 500 Stunden Praxis. Das wurde reduziert auf unter 200 Stunden. Mitte dieses Jahres wurdedas Gesetz in Nordrhein-Westfalen wieder geändert auf ungefähr 400 bis 600 Stunden. Alle anderen Bundesländer werden das übernehmen, Bayern hat es nie geändert. Das war eine Weiterbildung, die alle 2 Jahre stattgefunden hat und nicht eine Weiterbildung von einem Monat, wie es Helios versucht hat. Die Anästhesieführung ist nicht nur eine eine Überwachung oder ein Ablesen von Monitoren. Während dieser Phase macht ein Chirurg chirurgische Manipulationen. Während dieser Phase kann es zu unerwarteten Blutverlusten oder plötzlichen Stimulation von Vagus oder Herz kommen. Wegen diesen möglichen abrupten Veränderungen im Herz-Kreislauf ist das eine Phase, die aus unserer Sicht nicht delegierbar ist. Bei Operationen, die fünf oder sechs Stunden dauern, muss man einen Anästhesisten ablösen können. Kurze Pausen sind wichtig für die Konzentrationsfähigkeit. Die Hauptursache von großen Komplikationen ist das Nachlassen der Konzentration. Anästhesiepflegekräften können für kurze Zeit übernehmen, wenn ein Anästhesist in einem anderen Saal
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verfügbar ist. Es ist allerdings nicht akzeptabel, dass ein Anästhesiefacharzt die Einleitung übernimmt und die Anästhesieführung während einer Operation, die drei bis vier Stunden dauert, übernimmt die Fachpflegekraft. Das macht man natürlich aus ökonomischen Gründen, da es tatsächlich billiger ist. Die neue Gebührenordnung für Ärzte, der TVE-Vertrag, hat dazu geführt. Ein Arzt im Krankenhaus hat ein Jahresbrutto von ungefähr 80.000 Euro. Ich glaube das Jahresbrutto für eine Pflegekraft liegt bei 45.000 Euro. Da haben die Krankenhausträger ein enormes Potential zur Geldeinsparung. Das tragen wir nicht mit. Anästhesieführung, die Hauptaufgabe in der Anästhesie, ist und bleibt eine ärztliche Tätigkeit. Eisenmenger: Ja bitte. Schulte-Sasse, Anästhesist, Heilbronn: Einen kurzen Hinweis, Herr Professor Bergmann. Es wäre mir ein Vergnügen, Sie zu uns ins OP einzuladen, ich würde Ihnen gerne zeigen, wie Anästhesie geführt wird. Es ist ein fundamentales Missverständnis der Aufgabe, dass nach der Einleitung eine Phase wäre, die geringer Qualifizierten übertragen werden könnte. Ich glaube, liebe Frau François-Kettner, das Thema Delegation und Substitution ist ein ganz heißes Thema. Die Betreiber von Gesundheitseinrichtungen haben ein maximales Interesse daran, die Produktionskosten pro Fall, zu reduzieren. Z.B. geringer qualifiziertes und bezahltes Personal einzusetzen, um gerade noch mit der Gebührenziffer auszukommen. Helios und Mafa haben die wichtige Diskussion um die Anästhesie ein bisschen verzerrt. Auch wenn es sich vielleicht so anhört, dass es ständig Krieg zwischen Pflege und Ärzteschaft gibt, haben wir ganz viel gemeinsam in diesem Kampf und unter dem Kostendruck. Es wäre wirklich ein Gewinn, wenn wir diese Unklarheiten endlich beseitigen und auch rechtlich absichern. Alle, die nicht in ein Krankenhaus wollen, wo die Anästhesie vom Pflegepersonal voll verantwortlich übernommen wird, bitte ich nach Heilbronn zu kommen. Wir haben mittwochs den arztfreien Tag, d.h. dort kann jeder einen oberflächlichen Eingriff wie Appendix operieren, narkotisiert von wem auch immer. Ich halte mich da raus, an dem Tag widme ich mich meiner Frau. Es gibt bestimmte Gebiete, wo es nicht strittig ist, dass die Pflege die Narkose macht. Diese Verantwortung will verständlicherweise keiner übernehmen und auch als Chefarzt bin ich nicht scharf darauf. Es ist schwer genug, den Facharztstandard sicherzustellen. Pflege und Ärzte haben ein gemeinsames Interesse, die Dinge zu lösen und rechtlich auf die Füße zu stellen.
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Eisenmenger: Vielen Dank auch für diesen engagierten Beitrag. Noch mal Herr Schabram. Schabram, Rechtsanwalt, Freiburg: Ich habe noch eine Frage an Frau François-Kettner. Zu der Akademisierung habe ich bereits heute morgen Kritisches angemerkt. Wo sehen Sie den Gewinn? Das soziale Verständnis hat sich natürlich verändert, aber wo haben wir Defizite im europäischen Vergleich, weil wir keine Akademisierung in diesem Sinne haben? François-Kettner, Charité, Berlin: Wir haben deshalb eine hohe Fluktuation aus den Gesundheitsfachberufen, weil wir an einigen Stellen einfach am System und den Strukturen scheitern. Wir erleben das in anderen Ländern so, dass die Pflege eine größere Gestaltungsmacht hat. Wir sind im Moment mit dieser Macht nicht ausgestattet. Es gibt seit ungefähr vier Jahren in einer Kooperation mit der evangelischen Fachhochschule Berlin einen Bachelor-Studiengang, der als Modellstudiengang läuft. Wir bekommen mit den Bachelor-Absolventen zum ersten Mal Leute in die Station, die neben der Arbeit am Patienten auch in der Lage sind, eine Literaturrecherche zu machen und prozessgesteuert Dinge zu verändern. Wir brauchen, wenn wir die Pflege attraktiv machen wollen, mindestens 20% von hochschulausgebildeten Pflegekräften am Patienten. Pflegekräfte, die im Management tätig sind, am Patient sitzen, Prozesse verändern helfen, auf der Station sich auf Augenhöhe mit den Oberärzten auseinandersetzen, die wissen, was Evidenzbasierung ist. Das kann nicht nur wenigen Einzelnen vorbehalten bleiben, dafür sind diese Prozesse viel zu wichtig. Eisenmenger: Vielen Dank. Weitere Wortmeldungen? Herr Teichner. Teichner, Rechtsanwalt, Hamburg: Ich habe eine Anmerkung zu Herrn Kollegen Ratajczak und seiner Anmerkung, dass man die Aufklärung an Leute delegieren sollte, die etwas davon verstehen. Dem muss natürlich widersprochen werden. Aufklärung ist Teil der Therapie und ein Aufklärungsgespräch sollte ein therapeutisches Gespräch sein. Das kann gar nicht delegiert werden, denn ein Teil des Gesprächs sind die Diagnosen. Die Diagnose und die Indikation zur Operation kann nur der Arzt stellen und kein anderer. Das Risiko und die Alternativen kennt nur der Arzt und nur er kann das mit dem Patienten besprechen. Danke schön. Eisenmenger: Vielen Dank, das ist eine klare Aussage. Gibt es weitere Wortmeldungen? Herr Professor Bergmann.
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Bergmann, Rechtsanwalt und Notar, Hamm: Ich habe noch eine fachliche Frage an Frau François-Kettner. Sie hatten gesagt, an der Charité ist das Schmerz- und Entlastungsmanagement übertragen oder substituiert worden an Nichtärzte. Ich bin skeptisch, ob man so weit gehen kann, ob wir hier nicht eine originär ärztliche Tätigkeit haben, die nicht delegiert werden kann. Wenn ich an die Rechtsprechung des BGH denke beispielsweise, setzt die Schmerzmedikation erhebliche pharmakologische Kenntnisse voraus. Sie sagen, ich hätte dazu gerne eine Stellungnahme von Herrn van Aken. Das Entlastungsmanagement setzt die Beratung des Patienten bezüglich der poststationären Verhaltensweisen voraus. Umgekehrt gibt es etliche Fälle aus der Rechtsprechung, in denen Behandlungsfehler bei der Sicherungsaufklärung bekannt sind. François-Kettner, Charité, Berlin: Ich möchte gerne einleitend sagen, bevor Herr van Aken antwortet, dass Sie mich missverstanden haben. Es ist nicht so, dass die Pfleger alleine das Schmerzmanagement regeln. Auf jeder Station ist ein Standard eingeführt worden, dass immer im jeweiligen Einzelfall zwischen Arzt und Pfleger festgestellt wird, was kann dieser Patient im Bedarfsfall haben, manchmal regelt das auch der Verordnungsbogen. Wenn der Arzt nicht auf der Station ist, legt man einen Algorhythmus für jeden Patienten fest, was die Pflege selbständig übernimmt. D.h. es gibt einen ganz klaren Workflow, was und in welchen Abständen bekommt der Patient. Wenn darüber hinaus ein Bedarf entsteht, dann darf die Pflegekraft nicht selbständig handeln, sondern sie bespricht das mit dem Arzt. Der Standard gibt nur den Workflow vor. Deshalb sind Ihre Bedenken völlig unberechtigt. Beim Entlastungsmanagement ist das ähnlich geregelt. Das Entlastungsmanagement ist ein Standard, der im Moment noch schwieriger ist. Wir wollen innerhalb der ersten 24 Stunden mit einer interdisziplinären Arbeitsgruppe eine gemeinsame Anamnese machen, die im System sichtbar ist. Wenn die Pflegekraft aus irgendeinem Grund bereits vor dem Arzt mit dem Patienten geredet hat, hält sie das in der Anamnese fest und der Arzt hinterfragt oder ergänzt es. Mit diesen Vorstellungen kommen wir zu den DRGs und den wirtschaftlichen Arbeitsabläufen. Selbstverständlich haben wir Kliniken, die noch zu lange Verweildauern haben. Mit dem Entlastungsmanagement soll möglichst von vorneherein eine Verweildauer festgelegt werden. Das erleichtert allen anderen Berufsgruppen im Prozess eine verbesserte Intervention. Ein Beispiel: Ein Patient wird heute eingeliefert und morgen operiert und hat hinterher einen großen Unterstützungsbedarf in einer anderen Einrichtung oder zu Hause, der muss innerhalb der ersten 24 Stunden beim Sozialdienst gemeldet werden. Der Sozialdienst wird aber heute, wo wir noch keine elektronische Patientenakte haben, in manchen Stationen tatsäch erst 24 Stunden vor der Entlassung informiert.
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Das sind einfach Schwachstellen in unserer Ablauforganisation und die müssen wir verändern. Deshalb wollen wir beim Entlastungsmanagement bereits mit der Anamnese die wahrscheinliche Verweildauer festhalten. Die kann sich natürlich ändern oder es kann bei irgendwelchen Zwischenfällen zu einer langfristigen Verantwortung kommen. Das Entlastungsmanagement obliegt nicht allein der Pflege obliegt, sondern ist ein Workflow. Auch da hat sowohl der Arzt als auch die Pflegekraft und der Sozialdienst seine Rolle wahrzunehmen. Das Entlastungsmanagement ist ein Zusammenspiel aller Professionen. van Aken, Anästhesist, Münser: Um die Schmerzlinderung ist es in den meisten Krankenhäusern in Deutschland ganz schlecht bestellt . Wir wissen, dass nur 20 - 30% der Patienten zufrieden sind mit einer Schmerzlinderung. Die Ursachen sind auch ganz einfach. Der Arzt ist nachts im OP oder in einer Notfallaufnahme. Die Schwester kann und darf keine schmerzstillenden Mittel verabreichen. Der Arzt benötigt oft 60 Minuten bis 120 Minuten, bevor er beim Patienten ankommt. Man kann die Schmerzlinderung nur verbessern, wenn man zusammen mit der Pflegekraft Protokolle anfertigt. Das haben wir in Münster 1995 angefangen und waren das erste schmerzfreie Universitätskrankenhaus bereits in 1999. Die Pflegekräfte müssen dauernd über die Vorgehensweise unterrichtet sein. Früher wurden auf den Protokollen der Pfleger nur Blutdruck, Puls und Temperatur eingetragen. Nach dem Schmerzempfinden wurde überhaupt nicht gefragt. Das ist heute anders. Wenn der Schmerz einen bestimmten Wert auf einer visible analog score hat – 0 ist kein Schmerz, 10 ist schrecklicher Schmerz – dann kommt ein bestimmtes Protokoll in Ablauf. Die Pflegekraft kann ein einfaches Medikament intravenös verabreichen. Wenn es nach einer Stunde noch nicht wirkt, muss sie den Arzt anrufen. Wenn der Schmerz eine bestimmte Stufe auf der Skala erreicht hat, dann kann das ein Symptom sein, dass etwas Ernstes vorliegt, dann muss sie ebenfalls den Arzt rufen. Schmerzmanagement ist ein ganz wesentlicher Punkt. Es gab gerade in Münster zusammen mit dem Gesundheitsamt ein Gespräch zum Thema Schmerzmanagement machen. Es gibt ein Projekt für alle Krankenhäusern und Altenpflegeheime in Münster, das auf zwei Jahre angelegt ist. Wir versuchen, Schmerzenmanagement zusammen mit den Ärzten auch in den Pflegeheime zu etablieren. Es gab große Diskussionen mit den Ärztekammern, ob wir damit nicht den Hausärzten Aufgaben wegnehmen. Es können derlei Protokolle aber auf jeden Fall nur zusammen mit den Ärzten erstellt werden. Eisenmenger: Herr Bergmann, ist das soweit in Ordnung für Sie? Ja, bitte.
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Teilnehmerin: Ich habe eine Frage an Frau François-Kettner. Gibt es bei den DRGs einen Widerspruch zwischen Pflegetätigkeit und Abrechenbarkeit? François-Kettner, Charité, Berlin: Das ist eingebunden über die sogenannten Pflegepersonalregelungsminuten. Wir erheben die sogenannten PPR und die Kalkulationshäuser sind alle natürlich „PPR-Häuser“. Das ist allerdings auch der Grund, warum der deutschen Pflegerat im letzten Jahr im Bundesministerium vorstellig geworden ist. Es ist nicht alles abgedeckt in einer DRG. Ein Beispiel: Ein Patient kommt zur Gallenoperation ins Krankenhaus. Wichtig ist sein Allgemeinzustand. Wenn er z.B. aus einem Pflegeheim kommt und schon eine Pflegestufe mitbringt, weiß man, er hat einen hohen Pflegebedarf. Das wird in der DRG zu wenig berücksichtigt. Die Pflege ist mit diesen Problemen völlig alleine gewesen und deswegen haben wir sehr heftig interveniert. Nach dem sogenannten Pflegegipfel in Deutschland im letzten Jahr wurde eine Pflegekomplexpauschale beschlossen, die wir derzeit erarbeiten. Wir informieren die Häuser darauf hin, dass diese Pflegekomplexpauschale aufgenommen wird und zusätzlich in Abrechnung kommen kann. Das ist erst mal ein hoher bürokratischer Aufwand und ein Gewöhnungsprozess. Immerhin ist es gelungen, dass das mal im Ministerium angekommen ist und ich hoffe, dass der neue Bundesminister auf diesem Ohr nicht völlig taub ist. Eisenmenger: Vielen Dank.
Delegation und Substitution: Praktisches Beispiel aus der Sicht des Patienten
Dieter Möhler
1. Einleitung Delegation und Substitution ärztlicher Leistungen auf Pflegepersonal steht vielfach in der Diskussion. Aus Sicht des Patienten muss gefragt werden, ob, falls diese Formen zulässig sind, sich in der Praxis Probleme zeigen, die die Gesundheit des Patienten schädigen könnten. Deutlich gemacht werden soll die Problematik an der pflegerischen Behandlung des Diabetikers. Dies hat seine Ursache darin, dass Diabetes mellitus in seinen zwei Erscheinungsformen als Typ I oder Typ II zu den am häufigsten auftretenden chronischen Erkrankungen in Deutschland zählt.
2. Ausgangslage und Zahlen Die Lebenserwartung des Menschen liegt heute um 30 Jahre höher als bei dem vor 100 Jahren geborenen. Neueste Prognosen für das Jahr 2050 gehen davon aus, dass es doppelt so viele Sechzigjährige wie Neugeborene geben wird. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes hatte im Jahre 2007 eine achtzigjährige Frau immer noch eine durchschnittliche Lebenserwartung von 8,92 Jahren. Alter bedeutet in den meisten Fällen das Auftreten von Morbidität. In Bezug auf mögliche Krankheitsformen ist insbesondere das Risiko, an Diabetes mellitus zu erkranken, herauszustellen. Es vergrößert sich, je älter der Mensch ist. Untersuchungen zufolge ist Diabetes mellitus am häufigsten bei Menschen zwischen dem fünfundsiebzigsten und achtzigsten Lebensjahr vertreten. In Deutschland leiden bereits mehr als 25% der über Fünfundsieb-
A. Jorzig, R. Uphoff (Hrsg.), Delegation und Substitution – wenn der PÀeger den Doktor ersetzt.., DOI 10.1007/978-3-642-15442-3_12, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
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zigjährigen an Diabetes; 10% aller Bundesbürger leiden an bereits erkanntem Diabetes. In diese Fallzahlen noch nicht eingerechnet sind die vielfach unbekannten Vorstadien des Diabetes, der sodann zeitabhängig ausbricht. In den vergangenen Jahren hat sich ein weiteres Problem gezeigt, nämlich das vermehrte Auftreten von Diabetes mellitus Typ II als die auf eine Insulinresistenz zurückzuführende Erkrankung gerade bei immer jüngeren Menschen. Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auf gesellschaftliche Veränderungen, einhergehend mit Bewegungsmangel und Ernährungsfehlverhalten. Diese Umstände begünstigen zumindest das frühere Auftreten der Krankheit. Oftmals sind sie sogar verantwortlich für den Ausbruch der Krankheit an sich. Hiervon abzugrenzen ist Diabetes mellitus Typ I als Autoimmunerkrankung.
3. Kosten Gleichzeitig zählt Diabetes mellitus auch zu den teuersten chronischen Erkrankungen. Die Behandlung erfordert einen hohen Therapieaufwand, um den Behandlungszielen gerecht zu werden. Hier ist die Notwendigkeit einer normglykämischen Einstellung zu nennen, die Blutzuckerschwankungen vermeidet, aber auch das Auftreten unerwünschter Nebenwirkungen der Therapie, die häufig mit der Gabe von Insulin verbunden sind. Durch die Gabe von Insulin aber auch von oralen Antidiabetika ergibt sich die Gefahr des Erleidens von Hypoglykämien (Unterzuckerungen) aber auch von Hyperglykämien (Überzuckerungen) in ihren jeweils bisweilen lebensbedrohlichen Erscheinungen. Herausgestellt werden muss, dass die Diabetes-Patienten überdurchschnittlich früh verrentet werden. Sie sind überdurchschnittlich häufig von Pflegemaßnahmen betroffen. Dies liegt daran, dass die an sich „still“ verlaufende Krankheit bei mangelnder Einstellung oft verheerende Komplikationen nach sich zieht. Hierzu gehören Erblindung, Nierenversagen, Herz- und Gefäßerkrankungen, aber auch die Notwendigkeit von Amputationen. Allein im Jahr 2008 sind in Deutschland schätzungsweise 30.000 Amputationen bei Diabetikern durchgeführt worden. Der diabetische Fuß ist für viele Patienten eine furchtverbreitende Vorstellung. Ausgelöst wird die Entwicklung des diabetischen Fußes oftmals durch gestörtes Nervenempfinden, welches durch dann nicht mehr feststellbare Über- und Fehlbelastungen zu Druckstellen oder auch Infektionen am Fuß selbst führt. Durch die veränderte Stoffwechsellage heilen Wunden sehr
Delegation und Substitution: Praktisches Beispiel aus Sicht des Patienten
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schlecht, so dass die Gefahr von Infektionen über die Eintrittspforten an der Haut relevant erhöht ist. Schätzungen zufolge macht allein die Behandlung des Diabetes mellitus zwischen 5 und 10% des nationalen Gesundheitsbudgets aus. Einzig wirksame Strategie zur Vermeidung dieser das Gesundheitssystem belastenden Folgeerkrankung ist eine Therapie, die normglykämische Ziele verfolgt, auf die ich im Weiteren eingehen werde. Neigen Diabetiker im höheren Lebensalter schon grundsätzlich zur Multimorbidität, wird diese Problematik verstärkt im Hinblick auf die Überlegung, dass natürlich parallel auch Gesunde altersabhängige Funktionseinschränkungen und Behinderungen erleiden. Dies wird insbesondere relevant im Falle der Notwendigkeit von Pflegemaßnahmen.
4. Therapien Es gibt neben der Pflege verschiedene Therapieformen wie die Gabe von oralen Antidiabetika, die konventionelle Insulintherapie (Versorgung mit einem dem Tagesbedarf und die Nahrungszufuhr abdeckenden Insulin) sowie die intensivierte Insulintherapie (Grundversorgung über langwirksame Insuline basal und Zugabe von so genannten Insulin boli in Abhängigkeit von Blutzuckerwert und Kohlenhydratgabe bei der Nahrungszufuhr). Patientenzentrierung erfordert das Verfolgen des Ziels der normglykämischen Einstellung aus den oben genannten Gründen. Je nach den erzielten Ergebnissen, die nur über diagnostische Maßnahmen wie die Blutzuckermessung am kapillarem Blut über entsprechende Testgeräte geprüft werden können, ist die Therapie anzugleichen durch entsprechende Berücksichtigung der gemessenen Blutzuckerwerte bei der Insulinzufuhr, bei der Kohlenhydratgabe oder bei beiden Faktoren in ihrer Kombination. Die Gefahr von Folgeerkrankungen erfordert darüber hinaus auch die Vermeidung von starken Blutzuckerschwankungen.
5. Problemstellung: Versorgung mit ärztlicher Leistung Im Pflegebereich stehen die Ärzte den in kognitiven Fähigkeiten und in der körperlichen Leistungsfähigkeit eingeschränkten Patienten nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung. Aus Angst vor der Regressfalle erfolgt im hauptsächlich relevanten Bereich der Behandlung durch Hausärzte oft keine engmaschige Therapieüberprüfung. Zugelassene Diabetologen gibt
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es insbesondere im ländlichen Raum nicht in ausreichender Zahl. Sind Diabetologen vorhanden, kommt hinzu, dass diese im pflegerischen Bereich selten Leistungen aufgrund ihrer Auslastung erbringen können. Das Kernproblem der Mangelversorgung sind in diesem Zusammenhang aber die häuslichen Krankenpflegerichtlinien. Aus dem vorher nst deutlich geworden, dass die Diagnostik ein wesentlicher Bestandteil ist, um überhaupt die Therapie und deren Qualität überprüfen und immer wieder anpassen zu können, da die Therapie bei der Behandlung des Diabetes mellitus keine statische Angelegenheit ist. Durch den grundsätzlich bestehenden Ärztemangel müssen die diagnostischen Leistungen, aber auch die Leistungen der Blutzuckeranpassung, die der nicht pflegebedürftige Patient selbst wahrgenommen hatte, nun von Pflegepersonal erbracht werden. Die Tätigkeit des Pflegepersonals unterliegt im Rahmen der Erstattungsmöglichkeiten des erbrachten Pflegeaufwandes indes restriktivsten Einschränkungen. Angewendet werden nämlich betreffend der Erstattbarkeit des Pflegeaufwandes die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, nunmehr Gemeinsamer Bundesausschuss, über die Verordnung von „häuslicher Krankenpflege“ nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 und Abs. 7 SGG V in direkter oder entsprechender Anwendung. Der Wortlaut dieser Richtlinie ist nachfolgend abgedruckt: Leistungsbeschreibung: Blutzuckermessung Ermittlung und Bewertung des Blutzuckergehaltes kapillaren Blutes mittels Testgerät (z.B. Glucometer), bei Erst- und Neueinstellung eines Diabetes mellitus (insulin- oder tablettenpflichtig), bei Fortsetzung der sog. intensivierten Insulintherapie. Bemerkung: Routinemäßige Dauermessungen sind nur zur Fortsetzung der sog. Intensivierten Insulintherapie verordnungsfähig. Bei der Folgeverordnung ist der HbA 1c-Wert zu berücksichtigen. Nur verordnungsfähig bei Patienten mit einer so hochgradigen Einschränkung der Sehfähigkeit, dass es ihnen unmöglich ist, das kapillare Blut zu entnehmen, auf den Teststreifen zu bringen und das Messergebnis abzulesen oder einer so erheblichen Einschränkung der Grob- und Feinmotorik der oberen Extremitäten, dass sie das kapillare Blut nicht entnehmen und auf den Teststreifen bringen können oder einer so starken Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit, dass sie zu schwach sind, das kapillare Blut entnehmen und auf den Teststreifen bringen zu können (z.B. moribunde Patienten) oder
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einer starken Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit oder Realitätsverlust, so dass die Compliance bei der Diagnostik nicht sichergestellt ist oder entwicklungsbedingt noch nicht vorhandener Fähigkeit, die Leistung zu erlernen oder selbständig durchzuführen. Dies muss aus der Verordnung hervorgehen. Die Häufigkeit der Blutzuckermessung erfolgt nach Maßgabe des ärztlichen Behandlungsplanes in Abhängigkeit der ärztlich verordneten Medikamententherapie.
Bis zu 4 Wo. Bis zu 3 x tägl.
Wir wissen, dass der Therapieverlauf und insbesondere starke Blutzuckerschwankungen mit erheblichen Auswirkungen wie Hypoglykämien und Hyperglykämien nur durch Blutzuckermessungen als diagnostischer Maßnahme festgestellt werden können. Erscheinen ärztlich notwendig zu veranlassende Untersuchungen grundsätzlich noch möglich, sind im Falle der Delegation oder Substitution dieser ärztlicher Leistungen, die aufgrund der oben genannten Probleme notwendig werden, die Möglichkeiten eingesetzten Pflegepersonals stark eingeschränkt. Aus den häufigsten Krankenpflegerichtlinien wird deutlich, dass im Bereich der Pflege die Diagnostik, die notwendiger Bestandteil der Therapie ist, nicht ausreichend beachtet ist. Sie ist nur in Ausnahmefällen als Pflegeaufwand erstattbar, nämlich grundsätzlich bei vorher verordneter intensivierter Insulintherapie, wobei im pflegerischen Bereich die aus der Tabelle deutlichen zusätzlichen Erfordernisse hinzukommen müssen. Im Ergebnis ist eine Feststellung des Therapieverlaufs nicht mehr engmaschig möglich. Der Blutzuckerverlauf ist jedoch ständig schwankend. Oftmals begünstigt das dauerhafte Bestehen einer Überzuckerung die Entstehung einer Ketoazidose mit entsprechenden Vergiftungserscheinungen des Körpers. Durch die erhöhten Werte, die mangels engmaschiger Therapieüberprüfung nicht mehr festgestellt werden können, begünstigen schlecht heilende Wunden und dramatische Verläufe bei liegend Kranken über die Entstehung von Druckstellen und hieraus resultierenden Infektionen. Bei anders als den in der Tabelle erfassten behandelten Patienten sind selbst bei Vorliegen schwerster zusätzlicher Einschränkungen wie in den Richtlinien aufgeführt die Blutzuckermessungen durch das Pflegepersonal nicht erstattbar. Das hat zur Folge, dass die körperliche Unversehrtheit bei der Erbringung von Pflegeleistungen nachteilige Auswirkungen haben kann, weil notwendige diagnostische Maßnahmen unterlassen werden.
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Schwerste Nachteile, insbesondere durch lange Liegedauer ausgelöst, werden nicht im Entstehen verhindert oder nach deren Entstehen beseitigt, sondern bewusst fahrlässig auf Dauer hingenommen.
6. Haftung Neben gesundheitsrechtlichen Überlegungen resultieren aus der aufgezeigten Problematik Haftungsfragen. Bei der Überprüfung der Richtlinie stößt man ohne weiteres darauf, dass dieselbe nicht dem Stand der Medizinwissenschaft entsprechen kann. Folglich wäre sie entsprechend um die aufgezeigten Behandlungsnotwendigkeiten zu ergänzen. Wenn solchen Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Indizwirkung hinsichtlich der Wiedergabe des Standes der Medizinwissenschaft, zukommt, wird diese spätestens durch die einhellige Auffassung der Fachgesellschaften zur diagnostischen Notwendigkeit von Blutzuckermessungen widerlegt. Der behandelnde Arzt und vor allem das Pflegepersonal, dem die Behandlung als auch die Diagnostik delegiert wird, geraten in einen allgegenwärtigen Konflikt zwischen Haftungsrecht und Sozialrecht. Zur Vermeidung dieses Konfliktes muss die Richtlinie zur „häuslichen Krankenpflege“ dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse angepasst werden.
Delegation und Substitution: Haftet der Arzt für alles und jeden?
Karlheinz Stöhr
I. Einleitung „Die Verwendung nichtärztlicher Hilfspersonen ist aus der modernen Medizin und insbesondere aus dem heutigen Klinikwesen nicht wegzudenken. Es ist auch unvermeidlich, dass diesen Hilfspersonen im Einzelfall ein hohes Maß von Verantwortung zufällt, so im gesamten Bereich der Aseptik, bei hoch entwickelten technischen Geräten, deren Funktion verlässlich oft nur von einem Techniker zu kontrollieren ist, oder bei der Bereitstellung von Medikamenten und anderen Chemikalien. In all diesen Bereichen ist dem Arzt ein persönliches Tätigwerden im Einzelfall teils aus Gründen der wirtschaftlichen Arbeitsteilung nicht zumutbar, teils auch wegen der Grenzen seiner fachlichen Kenntnisse gar nicht möglich. Damit kann sich eine Pflicht des Arztes, solche Tätigkeiten im Einzelfall persönlich auszuüben, nicht schon aus der Schwere der Gefahren ergeben, die eine unsachgemäße Ausführung mit sich bringen kann. Ein persönliches Eingreifen des Arztes ist vielmehr grundsätzlich nur zu fordern, wo die betreffende Tätigkeit gerade dem Arzt eigene Kenntnisse und Kunstfertigkeiten voraussetzt.“ Diese Ausführungen stammen aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 1975 zur Haftung einer Ärztin ohne Fachausbildung, die als Assistentin des Chefarztes ein Narkosegerät bediente, und der vorgeworfen wurde, die Funktionsfähigkeit eines verhältnismäßig einfachen Narkosegeräts nicht selbst geprüft zu haben. Nach Auffassung des BGH erschöpfte sich die Sorgfaltspflicht der verantwortlichen Ärztin darin, die fachliche und charakterliche Zuverlässigkeit der mit der Prüfung betrauten Hilfskraft zu überwachen, und zu gewährleisten, dass sie sich der mit ihrer Tätigkeit verbundenen hohen Verantwortung bewusst war.1 Diese Ausführungen 1
BGH, Urteil vom 24.6.1975 – VI ZR 72/74 – VersR 1975, 952, 953.
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zeigen, dass in der Arzthaftung die Notwendigkeit einer – auch vertikalen – Arbeitsteilung seit langem grundsätzlich anerkannt ist und der Arzt nicht für alles und jeden haftet.
II. Rechtsprechung des BGH 1. Unproblematisch sind die Tätigkeiten des nichtärztlichen Personals, die dem Arzt nicht zuzurechnen sind und deshalb nicht in den Bereich einer ärztlichen Haftung fallen. So ist die pflegerische Betreuung eines Patienten einschließlich der Verabreichung von Medikamenten und Infusionen in erster Linie Vertragsaufgabe des Krankenhausträgers, der hier eine eigene Verantwortung für das dafür eingesetzte Pflegepersonal trägt. Die ordnungsgemäße Ausführung dieser Pflegeaufgabe ist daher grundsätzlich nicht zusätzlich vom Arzt geschuldet.2 2. Außerhalb dieses abgrenzbaren Bereichs gibt es aber viele Situationen, bei denen sich entweder der Arzt bei einzelnen Tätigkeiten einer nichtärztlichen Hilfskraft bedient oder ihm das Handeln der Hilfskraft zuzurechnen ist, weil deren Tätigkeit auch zu seiner ärztlichen Behandlungsaufgabe gehört. Hierfür lassen sich Grundsätze für die Verantwortlichkeit des Arztes und die Möglichkeit einer Delegation ärztlicher Leistungen aus einigen BGH-Urteilen ableiten. a) So hat der BGH3 die pflegerische Betreuung der ärztlichen Behandlungsaufgabe zugeordnet, soweit es um die vom Arzt dem Pflegepersonal zu gebenden Instruktionen hinsichtlich der Betreuung eines Infusionssystems ging, das er für die postoperative Behandlung eines Säuglings benötigte. Der Arzt müsse die erforderlichen Anweisungen für die Behandlungspflege geben, wenn eine besondere Gefahrenlage bestehe, deren Kenntnis nicht ohne weiteres vom Pflegepersonal erwartet werden könne. Stellen die vom Arzt zu verantwortenden Behandlungsmaßnahmen spezifische Anforderungen an die pflegerische Betreuung, so ist es seine Sache, durch entsprechende Hinweise und Anordnungen an das Pflegepersonal darauf hinzuwirken, dass diesen Anforderungen Genüge getan wird.4 Aus zwei Urteilen5 zur Feststellung von Versäumnissen bei der Decubitus62 3 4 5
BGHZ 89, 263, 271. BGHZ 89, 263, 271f.. BGHZ 89, 263, 273. BGH, Urteile vom 18.3.1986 – VI ZR 215/84 – VersR 1986, 788, 790; vom 2.6.1987 – VI ZR 174/86 – VersR 1987, 1238, 1239.
Delegation und Substitution: Haftet der Arzt für alles und jeden? 107
Prophylaxe und Decubitus-Behandlung ergibt sich, dass grundsätzlich der Arzt bei Risikopatienten die ärztliche Diagnose stellen sowie die ärztlichen Anordnungen hinsichtlich der Wahl der erforderlichen Pflegemaßnahmen treffen muss. Die Entscheidung über das, was zu tun ist, darf in solchen Fällen nicht allein dem Pflegepersonal überlassen bleiben. Es musste deshalb organisatorisch sichergestellt sein, dass die Decubitus-Prophylaxe und -Pflege ärztlich ausreichend überwacht wurde, und die Durchführung der in einer allgemeinen Anweisung oder für den speziellen Fall angeordneten Maßnahmen musste schriftlich festgehalten werden.7 In einem weiteren Urteil hat der BGH bestätigt, dass das Unterlassen der ärztlichen Anordnung von Maßnahmen der Krankenpflege, die über die Grundpflege hinaus aus medizinischer Sicht für den Heilerfolg erforderlich sind, einen Behandlungsfehler darstellt.8 Hier war eine Ruhigstellung des Beines aus medizinischer Sicht erforderlich, um eine optimale Heilung des verletzten Nervs zu ermöglichen. Es reichte nicht aus, die Anordnung „Hochlagerung des Beins sowie BW-Schiene…“ im vorläufigen Operationsbericht zu treffen. Dies stellte nicht ausreichend klar, in welchem Ausmaß die Ruhigstellung des Beins aus medizinischer Sicht erforderlich und mit welcher Strenge sie einzuhalten war. b) In mehreren älteren Urteilen des BGH9 wurden intramuskuläre Injektionen durch Krankenschwestern oder Krankenpflegehelferinnen nicht als zulässig angesehen. Aus den Begründungen dieser Entscheidungen ergibt sich aber, dass damit nicht die generelle Unzulässigkeit einer Delegation solcher Maßnahmen auf nichtärztliches Personal festgestellt werden sollte. In einem Urteil vom 4.5.195910 wurde darauf abgestellt, dass bei intramuskulären Injektionen bei Kindern wegen der verkleinerten anatomischen Verhältnisse und der besonders großen Gefahr, mit der Injektionsmasse in die Nähe des Ischiasnervs zu gelangen, besondere Anweisungen und Belehrungen erfolgen müssten. Nach einem Urteil vom 30.6.195911 darf die Injektion einer Krankenschwester allenfalls überlassen werden, wenn der leitende Arzt sich vergewissert hat, dass sie dieser Aufgabe gewachsen ist, und wenn für ihre Überwachung und Beaufsichtigung durch die vorhande6 7 8 9
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Durchliegegeschwür. BGH, aaO. BGH, Urteil vom 29.9.1998 – VI ZR 268/97 – VersR 1999, 190, 191. BGH, Urteile vom 4.5.1959 – VI ZR 125/58 – NJW 1959, 2302; vom 30.6.1959 – VI ZR 181/58 – VersR 1960, 19; vom 8.5.1979 – VI ZR 58/78 – VersR 1979, 718. BGH, Urteil vom 4.5.1959 – VI ZR 125/58 – NJW 1959, 2302, 2303. BGH, Urteil vom 30.6.1959 – VI ZR 181/58 – VersR 1960, 19, 21.
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nen Ärzte Sorge getragen wird. Ein Urteil aus dem Jahre 1979 stellt auf den damaligen Zeitpunkt ab. Der BGH führte nämlich aus, weder aus der Ausbildungsordnung und Prüfungsordnung für Krankenpflegehelferinnen und Krankenpflegerhelfer vom 2. August 1966 noch aus den „Richtlinien der Deutschen Krankenhausgesellschaft für den Beruf und die Ausbildung der Pflegehelferin“ vom 22. Mai 1969 ergebe sich ein Hinweis dafür, dass solche Hilfskräfte generell zur Ausführung von Injektionen befugt und befähigt wären. Daher spreche vieles dafür, dass „auch heute noch die Verabreichung von intramuskulären Injektionen durch Krankenpflegehelferinnen grundsätzlich nicht geduldet werden darf, weil deren fehlerhafte Ausführung bekanntermaßen zu typischen schwerwiegenden Schäden führen kann“.12
III. Stellungnahme 1. Die Haftung des Arztes für einen Behandlungsfehler hat die Aufgabe, Qualitätsmängel gegenüber dem anerkannten und gesicherten Stand der ärztlichen Wissenschaft zum Zeitpunkt der Behandlung haftungsrechtlich zu sanktionieren und dadurch dem Patienten bei fehlerhafter Behandlung einen gewissen Ausgleich für den erlittenen Schaden zu geben.13 Die vom Arzt dem Patienten nach §§ 76 Abs. 4 SGB V, 276 BGB geschuldete Sorgfalt bestimmt sich nach dem medizinischen Standard des jeweiligen Fachgebiets. Der Arzt muss also diejenigen Maßnahmen ergreifen, die von einem gewissenhaften und aufmerksamen Arzt aus berufsfachlicher Sicht seines Fachbereichs vorausgesetzt und erwartet werden. Haftungsrechtlich maßgeblich ist demnach, ob sein ärztliches Handeln dem medizinischen Standard seines Fachgebiets, dem so genannten „Facharztstandard“, objektiv entsprochen hat.14 Diese Grundsätze dienen dem Patientenschutz. Sie müssen deshalb auch dann gelten, wenn aufgrund einer Ressourcenknappheit, wirtschaftlicher Gesichtspunkte oder der grundsätzlichen Arbeitsteilung in Arztpraxen oder Krankenhäusern eine Delegation ärztlicher Leistungen erfolgt oder deren Substitution durch eigenständiges Handeln von Angehörigen nichtärztlicher Berufe. Im Interesse des Patienten muss auch dann das Postulat gel12 13
14
BGH, Urteil vom 8.5.1979 – VI ZR 58/78 – VersR 1979, 718, 719. Vgl. Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Aufl., B 1 f.; Herzog GesR 2007, 8; Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, 10. Aufl., Rn. 128 ff.; Stöhr, Festschrift Hirsch, 2008, S. 431. Vgl. BGH, VersR 1995, 659, 660; VersR 1999, 716, 718; VersR 2003, 1128, 1130.
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ten, dass der Patient eine fachqualifizierte Betreuung erhält und diese lückenlos ist.15 Dies ist – auch unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung – der Ausgangspunkt für eine Prüfung, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eine Delegation oder Substitution ärztlicher Leistungen erfolgen kann. 2. Im Arzthaftungsrecht steht außer Frage, dass der Behandlungsstandard, auch soweit er Grundlage für die haftungsrechtliche Beurteilung ist, nur nach den Maßstäben der Medizin bestimmt werden kann.16 Wie sich aus zahlreichen Urteilen des BGH ergibt,17 ist es deshalb regelmäßig erforderlich, im Prozess einen medizinischen Sachverständigen hinzuzuziehen, um den anzuwendenden Facharztstandard und einen eventuellen Verstoß gegen ihn zu ermitteln. Diese Grundsätze müssen entsprechend für die Prüfung gelten, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eine Delegation oder Substitution ärztlicher Leistungen erfolgen kann. Die Klärung dieser Frage im Einzelfall wird mithin im Arzthaftungsprozess regelmäßig mit Hilfe eines medizinischen Sachverständigengutachtens erfolgen. 3. Eine indizielle Wirkung kann dabei den von ärztlichen Fachgremien für typische medizinische Sachverhalte erarbeiteten Leitlinien18 und etwaigen vom Gemeinsamen Bundesausschuss beschlossenen Richtlinien zukommen, jedenfalls dann, wenn man sie in ihrer Ausgestaltung den das Leistungsrecht konkretisierenden Richtlinien nach § 92 SGB V angleicht. Als ärztliche Leitlinien sind die von Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften entwickelten so genannten „Standards“, „Richtlinien“, „Leitlinien“ und „Empfehlungen“, auch die so genannten „Richtlinien“ der Bundesärztekammer anzusehen. Sie können zwar den Erkenntnisstand der medizinischen Wissenschaften deklaratorisch wiedergeben, ihnen kommt aber für den medizinischen Standard keine konstitutive Wirkung zu. Da sie von den Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften veröffentlicht werden, können sie allerdings einen Anhaltspunkt bzw. Wegweiser
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Vgl. Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, 10. Aufl., Rn. 222. Dressler, Festschrift Geiß, 2000, S. 379, 381; Stöhr, Festschrift Hirsch, 2008, S. 431, 432. Vgl. etwa BGH, VersR 1993, 749 f.; VersR 2002, 1026, 1027 f. m.w.N. Vgl. etwa Bekanntmachung der Kassenärztlicher Bundesvereinigung – Persönliche Leistungserbringung – Möglichkeiten und Grenzen der Delegation ärztlicher Leistungen, DÄBl. 2008, A-2173.
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für den medizinischen Standard im Einzelfall und eine Orientierungshilfe für das Gericht geben.19 Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 SGB V sind nach § 91 Abs. 6 SGB V für die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft, den Spitzenverband Bund der Krankenkassen, deren Mitglieder und Mitgliedskassen sowie für die Versicherten und die Leistungserbringer grundsätzlich verbindlich. Obgleich auch ihnen im Haftungsrecht keine konstitutive Wirkung zukommt, haben sie deshalb eine erheblich größere Bedeutung für den medizinischen Standard des jeweiligen Fachgebiets als die Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften. Einer vom Gemeinsamen Bundesausschuss zugelassenen Behandlung kommt jedenfalls eine Indizwirkung für den medizinischen Standard zu, wenn die Richtlinie nach ihrem Zweck den allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse näher bestimmen soll.20 Ob den Richtlinien für das Modellvorhaben nach § 63 Abs. 3c SGB V die gleiche Wirkung zukommt, erscheint zwar fraglich, weil Adressat dieser Richtlinien nur die Träger der Modellvorhaben sind und der Gemeinsame Bundesausschuss nach dem Wortlaut der Vorschrift nur festlegen soll, welche ärztlichen Tätigkeiten den Kranken- und Altenpflegern zur selbständigen Ausübung von Heilkunde übertragen werden können.21 Für eine eventuelle Indizwirkung in Haftungsprozessen wird es aber auf die nähere Ausgestaltung solcher Richtlinien ankommen, insbesondere darauf, inwieweit der allgemeine Stand der medizinischen Erkenntnisse vom Gemeinsamen Bundesausschuss berücksichtigt und festgestellt wird.22 Unabhängig davon könnte der Gesetzgeber erwägen, im Wege einer Gesetzesänderung auch für die Möglichkeit einer Übertragung ärztlicher Tätigkeiten auf Angehörige nichtärztlicher Berufe eine Richtlinienkompetenz zu schaffen, die der in §§ 91, 92 SGB V entspricht. Jedenfalls wird im Prozess regelmäßig nur ein medizinischer Sachverständiger beurteilen können, ob bzw. welche Leitlinien oder Richtlinien im Einzelfall einschlägig sind, ob sie den medizinischen Standard zum Zeitpunkt der Behandlung wiedergeben, ob die Behandlung ihrem Inhalt ge-
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Vgl. BGH, Beschluss vom 28.3.2008 – VI ZR 57/07 – GesR 2008, 361; Stöhr, Festschrift Hirsch, 2008, S. 431, 432 ff., 437 m.w.N. Vgl. §§ 135, 135a Abs. 1, 2 Abs. 1, 70 Abs. 1 SGB V; BSGE 81, 54; 81, 73; Stöhr, Festschrift Hirsch, 2008, S. 431, 435 f., 437 f.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 28.3.2008 – VI ZR 57/07 – GesR 2 008, 361. Vgl. Roters, ZMGR 2009, 171, 175. Vgl. Roters, ZMGR 2009, 171, 175.
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recht geworden ist und welche Umstände gegebenenfalls im Einzelfall eine Abweichung von ihnen veranlasst bzw. gerechtfertigt haben.23 4. Im Hinblick auf die Rechtsprechung zum Arzthaftungsrecht und dem ihr zugrunde liegenden Postulat, dass der Patient eine lückenlose fachqualifizierte Betreuung erhält, kann eine Übertragung ärztlicher Aufgaben im Wege der Delegation oder Substitution auf Angehörige nichtärztlicher Berufe nur erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass diese dafür ausreichend qualifiziert sind. Dies wird sich neben der Indizwirkung von Leitlinien oder Richtlinien in erster Linie aus den jeweils maßgeblichen Ausbildungsgesetzen, Lehrplänen und Prüfungsordnungen ergeben.24 Diese werden bei einer Ausweitung der Delegation ärztlicher Aufgaben auf nichtärztliches Personal, vor allem aber im Falle einer Übertragung auch der Entscheidungskompetenz und Verantwortung hinsichtlich des „ob“ einer Maßnahme, also im Falle der Substitution, häufig die Vermittlung weitergehender Kompetenzen als bisher vorsehen müssen, wie es in § 4 Abs. 7 des Kranken- und Altenpflegegesetzes vorgesehen ist. 5. Auch wenn eine Kompetenzerweiterung im nichtärztlichen Bereich erfolgt, sind wegen des Erfordernisses einer hinreichenden Qualifikation einer Delegation Grenzen gesetzt. In einem Kernbereich medizinischer Behandlung kommt eine Delegation nicht in Betracht. Es handelt sich dabei um Leistungen, die der Arzt wegen ihrer Schwierigkeit, ihrer Gefährlichkeit für den Patienten oder der Unvorhersehbarkeit etwaiger Reaktionen unter Einsatz seiner spezifischen Fachkenntnis und Erfahrung höchstpersönlich erbringen muss.25 Nach den oben erfolgten Ausführungen ist dies im Einzelfall nach Maßstäben der Medizin mit Hilfe eines Sachverständigen zu beurteilen. Man wird aber in Übereinstimmung mit der Bekanntmachung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zur persönlichen Leistungserbringung sagen können, dass grundsätzlich die Indikationsstellung, das Stellen der Diagnose, die Entscheidung über die Therapie, die Durchführung invasiver Therapien einschließlich der Kernleistungen operativer Eingriffe und die Aufklärung des Patienten26 einschließlich der so genann23 24
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Vgl. Stöhr, Festschrift Hirsch, 2008, S. 431, 438 f.. Vgl. BGH, Urteil vom 8.5.1979 – VI ZR 58/78 – VersR 1979, 718, 719; OLG Dresden GesR 2008, 635, 636 f. BeckOK/Spindler, § 823 BGB, Rn. 723 m.w.N.; Bergmann, MedR 2009, 6; Bekanntmacung KBV, Persönliche Leistungserbringung, DÄBl. 2008, A-2173; Laufs/Uhlenbruck/Laufs, HdbArztR, 3. Aufl., § 47 Rn. 4. Vgl. dazu BGHZ 169, 364 Rn. 7 ff.; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Aufl., C 106.
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ten Sicherungs- oder therapeutischen Aufklärung zu den Bereichen gehören, die dem Arzt vorbehalten sind. Außerhalb dieses Kernbereichs ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob die notwendige Qualifikation des nichtärztlichen Personals vorliegt und ob sowie in welchem Umfang eine besondere Anleitung und/oder Überwachung durch den Arzt – gegebenenfalls mit der Möglichkeit, sofort einschreiten zu können – erforderlich ist. Diese Maßstäbe werden auch zu beachten sein, wenn eine Substitution ärztlicher Maßnahmen in Erwägung gezogen wird.
IV. Fazit Grundsätzlich ist eine Delegation oder Substitution, gegebenenfalls nach Gesetzesänderungen, möglich. Dabei ist sicherzustellen, dass der Patient eine lückenlose, fachqualifizierte Betreuung erhält und dem nichtärztlichen Personal nur solche Maßnahmen und diese nur in einem Umfang übertragen werden, für die das nichtärztliche Personal aufgrund seiner Ausbildung und praktischen Erfahrung hinreichend qualifiziert ist. Dies ist nach medizinischen Maßstäben zu beurteilen, wobei Leitlinien der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften und insbesondere Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses eine Hilfe geben können. Eine erhebliche Bedeutung wird dabei auch den maßgeblichen Ausbildungsgesetzen, Lehrplänen und Prüfungsordnungen zukommen, die gegebenenfalls die Vermittlung weitergehender Kompetenzen als bisher vorsehen müssen. Werden diese Grundsätze beachtet, ist für den Arzt und das nichtärztliche Personal das Haftungsrisiko überschaubar. Die aufgeworfene Frage „Haftet der Arzt für alles und jeden?“ kann man dann guten Gewissens verneinen.
4. Diskussion
Eisenmenger: Ich darf um Wortmeldungen zu den Referaten oder zur Gesamtdiskussion bitten, Ja, Herr Teichner. Teichner, Rechtsanwalt, Hamburg: Herr Kollege Stöhr, nur zur Klarstellung, ist Ihrer Meinung nach die Frage nach der Zulässigkeit der Delegation eine reine Rechtsfrage? Ist es im Einzelfall eine reine Rechtsfrage, ob delegiert werden darf? So wie bei der Aufklärung am Ende die Aufklärungsfrage eine Rechtsfrage ist, nämlich die Risikoaufklärung? Wenn dem nicht so ist, dann spielt der Sachverständige eine Rolle im Einzelfall. Der Sachverständige würde zur Aufklärung gefragt, um die Rechtsfrage beantworten zu können, ob Aufklärung geschuldet war. Wenn der Sachverständige vom Richter nach der Delegation gefragt wird, besteht dann nicht die Gefahr, dass die Antwort nur die übliche Sorgfalt wiedergibt und nicht die gebotene Sorgfalt, die geschuldet wird? In einem BGH-Urteil zur Routineimpfung bei Kindern ist z.B. gesagt worden, der Aufklärungsbogen reicht aus, wenn die Möglichkeit besteht, Fragen zu stellen. In einem anderen Urteil wurde sogar für den Einzelfall die Aufklärung am Telefon für ausreichend erachtet. Das sehe ich kritisch. Aber ich wäre Ihnen dankbar für eine Antwort zu meiner Ausgangsfrage, ist Aufklärung eine Rechtsfrage oder nicht? Danke schön. Stöhr, Richter am BGH, Karlsruhe: Das Entscheidende ist nicht die Rechtsfrage, sondern der medizinische Maßstab. Entscheidend ist die Vorgabe der Mediziner, was zum ärztlichen Standard gehört und was nicht. Die Mediziner müssen, deswegen habe ich auch Leitlinien und Richtlinien angesprochen, wie sonst auch bei Behandlungsfehlern bzw. Behandlungsmaßstäben sich darauf einigen, was man vom medizinischen Standpunkt aus machen kann. Schabram, Rechtsanwalt, Freiburg: Mir fällt in der Diskussion auf, dass Delegation als Standard und Standard der Heilkunde vermengt wird. Wenn ich den § 63 3c richtig verstehe, dann soll der Bundesausschuss festlegen, welche heilkundlichen Maßnahmen delegationsfähig sind. Das bedeutet, er ist gar nicht dazu aufgerufen, etwa nach Art einer Mutterschaftsrichtlinie A. Jorzig, R. Uphoff (Hrsg.), Delegation und Substitution – wenn der PÀeger den Doktor ersetzt.., DOI 10.1007/978-3-642-15442-3_14, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
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4. Diskussion
Inhalt von Heilbehandlungen im Rahmen einer Richtlinie zu definieren, sondern nur festzulegen, was ist delegierbar. Die Konsequenz ist dann, dass die Delegation überhaupt nicht zu einer Veränderung der Anforderungen an den Inhalt der Leistung führt. Die Tatsache, dass eine Tätigkeit von jemand in einem weißen Kittel statt einem grünen gemacht wird, wird dadurch nicht besser und nicht schlechter. Wenn eine Pflegekraft oder ein Altenpfleger eine Wundversorgung eines Dekubitus macht, wie das ein Facharzt machen würde, dann wird der Standard gar nicht verändert. Es geht nicht darum, über Delegation fachärztliche Standards abzusenken, sondern die Pflegekraft muss die Leistung so erbringen, wie wir sie von einem Arzt erfordern. Das Setzen der intravenösen Injektion kann nicht nach Art einer Altenpflegerin erfolgen, sondern sie hat zu erfolgen, wie es ein Arzt machen würde. Es geht überhaupt nicht um die Abänderung von Standards. Stöhr, Richter am BGH, Karlsruhe: Das ist absolut richtig und deswegen ist die entsprechende Qualifikation erforderlich. Es wäre eine Hilfe für die Praxis, wenn man solche Richtlinien zur Delegation hätte. Diese Richtlinien müssen, das will ich ausdrücklich dazu sagen, den wissenschaftlichen Erkenntnisstand des medizinischen Standards mitberücksichtigen. Voraussetzung muss sein, zu prüfen, ob die Qualifikation des Delegats gegeben ist und ob er in der Lage ist, nach den Standards der Medizin zu handeln. Wenn Richtlinien das nicht erfüllen, würde ihnen diese indizielle Bedeutung nicht zukommen. Bei § 63 hängt es von der Ausgestaltung ab, im übrigen konnte der Gesetzgeber ähnliche Vorgaben für die Richtlinien machen wie bei der Behandlung nach § 91 und 92 oder für die Qualitätssicherung. Eisenmenger: Herr Teipel. Teipel, Rechtsanwalt, Berlin: Verzeihen Sie, ich habe den Eindruck, dass der Bundesausschuss hier einmal mehr vollkommen überbewertet wird. Ich erinnere mich an zahlreiche Veranstaltungen bei Hart, in denen er immer wieder sagte, selbstverständlich kann eine Richtlinie auf dieser Linienebene nie Standard sein. Es könnte sich möglicherweise aus einer Richtlinie ein Standard entwickeln. Aber ich bin nach wie vor der Meinung, dass wir mit dem, was der Bundesausschuss vorgibt, extrem vorsichtig sein müssen. Ich habe die Sorge, dass die Rechtsprechung des BSG in das Zivilrecht einfließen wird, also normativen Charakter bekommt. Ich denke, die Arbeit des Bundesausschusses wird damit überbewertet werden. Danke schön.
4. Diskussion
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Stöhr, Richter am BGH, Karlsruhe: Weder die Leitlinie noch die Richtlinie ist Standard. Leitlinien kommt eine deutlich geringere Indizwirkung zu. Richtlinien sind geeignet, weil sie für 90% der Behandlungen die Maßstäbe vorgeben, sich zum ärztlichen Standard zu entwickeln. Sie haben ein hohes Indiz für den ärztlichen Standard. Mich beschäftigt das Verhältnis der Definition zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und Anwendung in der Praxis. Beides definieren wir ja als Voraussetzung für einen medizinischen Standard. Wenn in der Praxis aus Kostengründen Richtlinien die Standards vorgeben und man aus Kostengründen Tätigkeiten nach unten delegieren möchte, dann stellt sich die Frage, welche Bedeutung hat die Anwendung in der Praxis zum Erkenntnisstand der Wissenschaft? Möglicherweise laufen Privatbehandlung und andere Behandlung auseinander. Man hat immer ganz klar den gleichen Standard gefordert. Es gab keine Probleme damit, weil wir von einem Korridor ausgehen, in dem sich der medizinische Standard bewegt, sodass es nie zu einer Kollision gekommen ist. Das Bundesinstitut zur Qualitätssicherung hat die ganz klare Vorgabe, den Stand der medizinischen Erkenntnis zu prüfen und zu berücksichtigen und dem Bundesausschuss zuzuarbeiten. Vom Gesetz her ist alles im grünen Bereich, das könnte sich allenfalls in der Praxis anders entwickeln. Das sehe ich im Moment in der Praxis nicht und damit sind wir bisher nicht konfrontiert worden. Eisenmenger: Herr Ratajczak. Ratajczak, Rechtsanwalt, Sindelfingen: Kann man wirklich sagen, der Kernbereich ist nicht substituierbar? Die Ärzte haben sich etwas historisch ausschließlich den Hebammen Vorbehaltenes in ihr Gebiet rübergenommen. Die Hebammen dürfen in diesem Kernbereich, auch haftungsrechtlich, eine komplette Geburt kraft Hebammengesetzes leiten. Wir haben und hatten immer schon eine volle Substitution, das einzige was sich im Laufe der letzten hundert Jahre hier neu ergeben hat, ist, dass auch Ärzte Geburten durchführen. Wann überhaupt werden wirklich grundlegende Entscheidungen getroffen? Bei einer Podiumsdiskussion zum Thema Sterbehilfe kam die Frage auf, wie erreicht man, dass die Patientenverfügung im Notfall beachtet wird? Es ist völlig ausgeschlossen, dass ein Rettungsassistent oder ein Notarzt in der Notfallsituation nach einer gültigen Patientenverfügung sucht und entsprechend handelt. Dafür reicht die Zeit nicht. Gerade der Rettungsassistent übernimmt in einem Notall ärztliche Aufgaben, bis der Notarzt übernehmen kann. Wie weit kann man Delegation und Substitution im Bereich der Ärzte umsetzen? Wenn der Gesetzgeber solche Berufe wie den Rettungsassistenten einführt, dann verschwimmen die Grenzen zum Kernbereich des Arztes sehr oft.
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4. Diskussion
Stöhr, Richter am BGH, Karlsruhe: Mit dem Kernbereich ist die Behandlung des Arztes gemeint. Es gibt aber andere eigenständige Berufszweige mit den entsprechenden Qualifikationen. Die orientieren sich in erster Linie an den Ausbildungsgesetzen, den Prüfungsordnungen und Vorgaben des Gesetzgebers. Es gibt eine Entscheidung des OLG Dresden zur MTA mit der Billigung, die Aufgaben in dem Einzelfall zu delegieren. Ich sehe haftungsrechtlich keine wirkliche Einschränkung der Delegation, wenn die medizinischen Maßstäbe festgelegt werden. Es gibt natürlich Grenzbereiche, wo es um die Risiken und Besonderheiten des Einzelfalls geht. Das gleiche Risiko gilt für die Substitution. Ich darf an unser Hebammen-Urteil von einem Geburtshaus erinnern. Die Hebamme hat das Geburtshaus eigenverantwortlich betrieben und trug die volle Verantwortung. Sie hätte, obgleich der Arzt an Ort und Stelle war, eigenständig die Entscheidung treffen müssen, dass die Weiterbehandlung im Geburtshaus nicht mehr möglich war und in ein Krankenhaus verlegt werden muss. Da ist genau der Punkt: mit der Substitution muss zum einen die richtige Behandlung, zum anderen die richtige Organisation verbunden sein, um im entscheidenden Moment dafür zu sorgen, dass der Arzt zur Stelle ist, wenn die Möglichkeiten dessen, an den substituiert wurde, überschritten sind. Eisenmenger: Vielen Dank, eine letzte Wortmeldung. Wagner, Rechtsanwältin, Koblenz: Ich habe noch eine Frage zum Thema Aufklärung. Wie verhält es sich denn mit Risiken, die erst durch den nichtärztlichen Mitarbeiter eröffnet werden? Der Physiotherapeut, der ein Standard-Bad durchführen soll, müsste z.B. darüber aufklären, dass dies bei einer Herzinsuffizienz nicht möglich ist. Oder die Krankenschwester, die eine Spritze intramuskulär ins Gesäß geben kann. Muss sie nicht vorsichtshalber selbst darüber aufklären, dass es zu einen Spritzenabszess kommen kann? Stöhr, Richter am BGH, Karlsruhe: Es gab den Fall eines Physiotherapeuten, der die Wirbelsäule im Behandlungssinne manipuliert hat und es dann zum Schlaganfall kam. Da ist ein spezifisches Risiko geschildert und es besteht auch für ihn die Aufklärungspflicht. Das ist die Konsequenz. Auch die Krankenschwester wird oft aufklären, aber sicher nicht vor jeder einzelnen Spritze. Wenn sie den Patienten einmal aufgeklärt hat, reicht das aus. Eisenmenger: Ich habe meine Aufgabe als Moderator damit erfüllt und ich darf mich bei allen Referenten und den Diskutanten auch für die Zeitdisziplin herzlich bedanken. Das Schlusswort hat Frau Dr. Jorzig.
4. Diskussion
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Jorzig, Rechtsanwältin, Dortmund: Vielen Dank Herr Professor Eisenmenger, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste. Wir sind am Ende unseres Symposiums. Was können wir aus den heutigen Vorträgen mitnehmen? Bei aller Unterschiedlichkeit in der Sichtweise der einzelnen Vorträge ist deutlich geworden, dass allen Vorträgen der Wunsch nach Klarheit hinsichtlich der Umsetzung von Delegation und Substitution gemein ist. Dies auch im Hinblick auf die Sichtweise der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Nehmen wir mit, dass wir alle gemeinsam aktiv für Klarheit sorgen müssen. An dieser Stelle möchte ich mich im Namen der gesamten Arbeitsgemeinschaft bei allen Referenten sehr herzlich bedanken. Es waren sehr spannende und interessante Vorträge, die viele Anregungen geliefert haben, was sich letztendlich auch daran zeigt, dass doch noch sehr viele trotz der fortgeschrittenen Stunde hier sitzen. Last but not least möchte ich mich bei Herrn Professor Eisenmenger ganz herzlich für seine hervorragende Moderation bedanken. Ich darf wohl das Fazit ziehen, dass es ein sehr erfolgreiches Symposium war, mir hat es sehr viel Spaß gemacht und ich freue mich auf das nächste Symposium im Jahre 2010 und darauf, Sie dann erneut hier begrüßen zu dürfen.
Teilnehmerverzeichnis
Abanador, Michelle Heinrich-Heine-Universität Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Zivilprozessrecht Universitätsstr. 1, 40225 Düsseldorf Ackermann, Joachim Versicherungsverband für Gemeinden und Gemeindeverbände Aachener Str. 10540, 50858 Köln Albrecht, Joachim Rechtsanwalt Ecclesia Versicherungsdienst GmbH Klingenbergstr. 4, 32758 Detmold Althen, Dirk R+V Allgemeine Versicherung AG J.-F.-Kennedy-Str. 1, 65189 Wiesbaden Anschlag, Marc Rechtsanwalt Sachsenring 69, 50677 Köln Bakrac, Sevda AXA Service AG Colonia-Allee 10 – 20, 51067 Köln Bartels, Dr. Mathias Rothenbaumchaussee 123 20149 Hamburg Baumhackel, Monika Rechtsanwältin Moltkestr. 54, 74076 Heilbronn
A. Jorzig, R. Uphoff (Hrsg.), Delegation und Substitution – wenn der PÀeger den Doktor ersetzt.., DOI 10.1007/978-3-642-15442-3, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010
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Teilnehmerverzeichnis
Benson, Dirk Rechtsanwalt Westenhellweg 40 – 46- 44137 Dortmund Benvik, Stina Wivi Sofia R+V Allgemeine Versicherung AG J.-F.-Kennedy-Str. 1, 65189 Wiesbaden Bergmann, Prof. Dr. Karl-Otto Rechtsanwalt und Notar Schützenstr. 10, 59071 Hamm Blechschmidt, Annett Landesärztekammer Hessen Im Vogelsgesang 3, 60488 Frankfurt Bock, Miriam Zurich Versicherung AG Riehler Str. 90, 50657 Köln Bonvie, Dr. Horst Rechtsanwalt Heinrich-Hertz-Str. 125, 22083 Hamburg Brandenburger, Karin Rechtsanwältin Schillerstr. 30, 80336 München Brenner, Barbara Rechtsanwältin Kaiserplatz 7 – 9, 53113 Bonn Bronner, Dr. med. Andrea Leiterin Referat „Strategische Unternehmensentwicklung“ in der Geschäftsführung der Gesellschaften der Alexianerbrüder mbH Gr. Hamburger Str. 5 – 11, 10115 Berlin Dauer, Christa Gothaer Allgemeine Versicherung AG Gothaer Allee 1, 50969 Köln
Teilnehmerverzeichnis
Daun, Ekkehard Rechtsanwalt Fr.-Ebert-Str. 82 -84, 42719 Solingen Demuth, Anni Rechtsanwältin Wilhelmshöher Allee 23, 34117 Kassel Dreixler, Markus Rechtsanwalt Maximilianstr. 10, 76133 Karlsruhe Eisenmenger, Prof. Dr. Wolfgang em. Direktor des Institut für Rechtsmedizin d. Universität München Nußbaumstr. 26, 80336 München Ewig, Eugen Rechtsanwalt Büchelstr. 50, 53227 Bonn Fiedler, André Rechtsanwalt Olivaer Platz 17, 10707 Berlin Figgener, Prof. Dr. Dr. Ludger Havixbecker Str. 83, 48161 Münster Fischer, Klaus Rechtsanwalt Speicherlinie 40, 24937 Flensburg Forster, Eva Kuratorium für Dialayse und Nierentransplantation e.V. Martin-Behalm-Str. 20, 63263 Neu-Isenburg Francois-Kettner, Hedwig Charité Berlin Charitéplatz 1, 10117 Berlin
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Teilnehmerverzeichnis
Freese, Holger MDK Bayern Putzbrunner Str. 73, 81739 München Galster, Elke Rechtsanwältin An der Börse 2, 30159 Hannover Getfert, Sandra Rechtsanwältin Ecclesia Versicherungsdienst GmbH Klingenbergstr. 4, 32758 Detmold Grambow, Dr. Hans-Jürgen Rechtsanwalt Poststr. 25, 20354 Hamburg Grunert, Eva-Christina Rechtsanwältin Frankfurter Str. 14, 64293 Darmstadt Haas, Dorothee Kassenärztliche Vereinigung Bayerns Elsenheimerstr. 39, 80687 München Hallmann, Patrick Rechtsanwalt Speicherlinie 40, 24937 Flensburg Hanke, Alice Rechtsreferendarin Pulverweg 48, 47051 Duisburg Hassert, Dr. Esther Rechtsanwältin Rathausgasse 22 – 24, 53111 Bonn Hawelka, Mario R+V Allgemeine Versicherung AG J.-F.-Kennedy-Str. 1, 65189 Wiesbaden
Teilnehmerverzeichnis
Hein, Matthias Rechtsanwalt Nikolaistr. 27 – 29, 04109 Leipzig Hellweg, Rainer Rechtsanwalt Plathnerstr. 3a, 30175 Hannover Hengst, Simone Friedensstr. 12, 77694 Kehl Hersch, Jürgen Rechtsanwalt Heinrich-von-Kleist-Str. 4, 53113 Bonn Hertwig, Dr. Volker Rechtsanwalt Contrescarpe 10, 28203 Bremen Hessler-Bartels, Lore Rechtsanwältin Rothenbaumchaussee 123 20149 Hamburg Hindemith, Joachim Rechtsanwalt Heinrich-von-Kleist-Str. 4, 53111 Bonn Hoffmann, Claire R+V Allgemeine Versicherung AG J.-F.-Kennedy-Str. 1, 65189 Wiesbaden Holthus, S.C. Melanie Rechtsanwältin Ulzburger Str. 113, 22850 Norderstedt Homberger, Dr. Ilka Rechtsanwältin Klinikum Dortmund gGmbH Beurhausstr. 40, 44137 Dortmund
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Teilnehmerverzeichnis
Hübel, Dr. Stefan Rechtsanwalt Westenhellweg 40 – 46, 44137 Dortmund Human, Uwe Rechtsanwalt Eisenstuckstr. 46, 01069 Dresden Hünnekes, Annette Bundesarbeitsgemeinschaft Deutscher Kommunalversicherer Aachener Str. 952 – 058, 50993 Köln Hüwe, Dirk Rechtsanwalt Westenhellweg 40 – 46, 44137 Dortmund Janssen, Dr. Monika Rechtsanwältin Rüttenscheider Str. 143, 45130 Essen Jennessen, LVD Hermann Universitätsklinikum Aachen Pauwelsstr. 30, 52074 Aachen Jorzig, Dr. Alexandra Rechtsanwältin Westenhellweg 40 – 46, 44137 Dortmund Jungbecker, Dr. Rolf Rechtsanwalt Schreiberstr. 20, 79098 Freiburg Kiehn, Dr. med. Ass. jur. Jasper Leiter Referat Berufsordnung Ärztekammer Hamburg Humboldtstr. 56, 22083 Hamburg Kittner, Alexandra Rechtsanwältin AXA Service AG Colonia-Allee 10 – 20, 51067 Köln
Teilnehmerverzeichnis
Klakow-Franck, Dr.med. Regina Bundesärztekammer Leiterin Dezernat 3 – Qualitätssicherung Leiterin Dezernat 4 – Gebührenordnung Stellv. Hauptgeschäftsführerin Herbert-Lewin-Platz 1, 10623 Berlin Kleitner, Günther Versicherungskammer Bayern Maximilianstr. 53, 80530 München Korb, Anke R+V Allgemeine Versicherung AG J.-F.-Kennedy-Str. 1, 65189 Wiesbaden Kranz, Claudius Rechtsanwalt M 1,1, 68161 Mannheim Krempel, Stephan G. Rechtsanwalt Futterstr. 3, 66111 Saarbrücken Kröll, Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Facharzt für Anästhesiologie und Intensivmedizin Univ.-Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, LKH-Klinikum Graz Auenbruggerplatz 29, A-8036 Graz Kunze, Dr. Inken Rechtsanwältin Westenhellweg 40 – 46, 44137 Dortmund Leins, Dr. med. A. FA Chirurgie, FA für Orthopädie Unfallchirurgie Friedensstr. 12, 77694 Kehl Lenzen, Dr. Rolf Rechtsanwalt Merlostr. 2, 50668 Köln
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Lersch, Elmar Rechtsanwalt Zehnerstr. 29, 53498 Bad Breisig Liebig, Martin Asklepios Kliniken Hamburg GmbH Rübenkamp 226, 22307 Hamburg Lindemann, Dr. Michael Heinrich-Heine-Universität Juristische Fakultät Universitätsstr. 1, 40225 Düsseldorf Lucke, Dr. Diana Universitätsklinikum Greifswald Fleischmannstr. 8, 17489 Greifswald Lüken, Christian Rechtsanwalt Sebastianusstr. 2 – 4, 41460 Neuss Luth, Gabriela Ärztekammer Hamburg Humboldstr. 56, 22083 Hamburg Lutterbeck, Christian GVV Kommunal-Versicherung VvaG Aachener Str. 952 – 958, 50933 Köln Luxenburger, Dr. Bernd Rechtsanwalt Faktoreistr. 4, 66111 Saarbrücken Maeder, Helmar Rechtsanwalt Hagedornstr. 22, 20149 Hamburg Marschewski, Petra Rechtsanwältin Heinrich-von-Kleist-Str. 4, 53113 Bonn
Teilnehmerverzeichnis
Martis, Rüdiger Rechtsanwalt Uferstr. 50, 73525 Schwäbisch Gmünd Meyer, Hartwig Rechtsanwalt Buschkrugallee 53, 12359 Berlin Meyle, Rüdiger Rechtsanwalt Moltkestr. 10, 74072 Heilbronn Möhler, Dieter Rechtsanwalt Vorsitzender des Dt. Diabetiker Bundes Am Kirchbrunnen 25, 98617 Meiningen Müller, Katrin E+S Rückversicherung AG Karl-Wiechert-Allee 50, 30625 Hannover Müller, Klaus BGV Karlsruhe Durlacher Allee 56, 76131 Karlsruhe Müller, Prof. Dr. R.T. Haslach 1, 87654 Friesenried Näther, Axel Rechtsanwalt Markt 14, 53111 Bonn Neu, Johann Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen Hans-Böckler-Allee 3, 30173 Hannover Nösser, Dr. Gerhard Stellv. Leiter der Rechtsabteilung Bundesärztekammer Kassenärztliche Bundesvereinigung Herbert-Lewin-Platz 2, 10623 Berlin
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Teilnehmerverzeichnis
Nuß, Sascha R+V Allgemeine Versicherung AG J.-F.-Kennedy-Str. 1, 65189 Wiesbaden Peltzer, Helmut Rechtsanwalt An der Börse 2, 30159 Hannover Pesch, Rainer Rechtsanwalt Poststr. 2, 01159 Dresden Petry, Franz-Michael Rechtsanwalt Ecclesia Versicherungsdienst GmbH Klingenbergstr. 4, 32758 Detmold Pörner, Marita Gothaer Allgemeine Versicherung AG Gothaer Allee 1, 50969 Köln Predeek, Georg Rechtsanwalt Am Westerntor 6, 33098 Paderborn Prinz, Dr. Felix Rechtsanwalt Parkstr. 3 A, 44532 Lünen Prusselt, Kirsten Rechtsanwältin Görgenstr. 13, 56068 Koblenz Puff-Drobny, Hans-Peter Versicherungskammer Bayern Maximilianstr. 53, 80530 München Pünnel-Leonhard, Monika Rechtsanwältin Stengelstr. 1, 66117 Saarbrücken
Teilnehmerverzeichnis
Putz, Wolfgang Rechtsanwalt Quagliostr. 7, 81541 München Quadt-Kauerz, Brigitte Gothaer Allgemeine Versicherung AG Gothaer Allee 1, 50969 Köln Raible, Peter Rechtsanwalt Bundesallee 213 – 214, 10719 Berlin Ratajczak, Dr. Thomas Rechtsanwalt Posener Str. 1, 71065 Sindelfingen Ratzel, Dr. Rudolf Rechtsanwalt Lenbachplatz 1, 80333 München Reckord, Gabriele Rechtsanwältin Prekerstr. 60 a, 33330 Gütersloh Reifferscheidt-Kreutzfeldt, Dr. Gesundheitsamt Köln Neumarkt 15 – 21, 50667 Köln Riepe, Wolfgang Rechtsanwalt Wendentorwall 25, 38100 Braunschweig Rosenke, Dr. Marion Rechtsanwältin Kättkenstr. 10, 33790 Halle/Westfalen Rust, Helge Rechtsanwalt Wiener Platz 4, 51065 Köln
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Teilnehmerverzeichnis
Säcker, Anna-Vanessa Rechtsanwältin Ecclesia Versicherungsdienst GmbH Klingenbergstr. 4, 32758 Detmold Sapoutzis, Dr. med. Nikolaos Töpferstrasse 26, 61273 Wehrheim Schabram, Peter Rechtsanwalt Heinrich-v. Stephan-Str. 25 79100 Freiburg Schallemacher, Dr. Rainer Rechtsanwalt Schwanallee 10, 35037 Marburg Schendera, Markus Rechtsanwalt Trierer Str. 99b, 56072 Koblenz Schroeder-Printzen, Jörn Rechtsanwalt Kurfürstenstr. 31, 14467 Potsdam Schulte-Sasse, Prof. Dr. med. U. Direktor der Klinik für Anästhesie und Operative Intensivmedizin SLK-Kliniken Heilbronn GmbH Klinikum am Gesundbrunnen Am Gesundbrunnen 20 -26, 74078 Heilbronn Schünemann, Dr. Hermann Rechtsanwalt Hannoversche Str. 57, 29221 Celle Schütz, Petra Gothaer Allgemeine Versicherung AG Gothaer Allee 1, 50969 Köln Schwarz, Dr. Matthias Rechtsanwalt Schreiberstr. 10, 79098 Freiburg
Teilnehmerverzeichnis
Schwarz, Wolfgang K. Rechtsanwalt Colombistr. 17, 79098 Freiburg Schwarze, Bernd Rechtsanwalt Beethovenstr. 5 – 13, 50674 Köln Seebohm, Annabel Bundesärztekammer Berlin Arbeitsgemeinschaft der deutschen Ärztekammern Herbert-Lewin-Platz 1, 10623 Berlin Selbitz, Andreas Rechtsanwalt Rathausgasse 22 – 24, 53111 Bonn Sessel, Alexander Rechtsanwalt Quagliostr. 7, 81543 München Sievers, Kurt Rechtsanwalt Almstr. 20, 31134 Hildesheim Singer, Dr. Ingeborg MDK Bayern Würzburger Landstr. 7, 91522 Ansbach Stange, Hardy Bundesarbeitsgemeinschaft Deutscher Kommunalversicherer Aachener Str. 952 – 958, 50933 Köln Stegers, Christoph-M. Rechtsanwalt Märkisches Ufer 28, 10179 Berlin Steinmeister, Martin Rechtsanwalt Am Hof 34 – 36, 5067 Köln
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Teilnehmerverzeichnis
Stöhr, Karlheinz Richter des VI. Zivilsenats BGH Herrenstr. 45a, 76133 Karlsruhe Strauß, Anja Zurich Versicherung AG Riehler Str. 90, 50657 Köln Streckbein, Katja Rechtsanwältin Granitweg 2, 65582 Diez Stüldt-Borsetzky, Miriam Rechtsanwältin Ecclesia Versicherungsdienst GmbH Klingenbergstr. 4, 32758 Detmold Susen, Britta Referentin der Bundesärztekammer Herbert-Lewin-Platz 1, 10623 Berlin Tadayon, Ajang Rechtsanwalt Kurfürstenstr. 31, 14467 Potsdam Teichner, Matthias Rechtsanwalt Neuer Wall 18, 20354 Hamburg Teipel, Frank Rechtsanwalt und Notar Bundesplatz 8, 10715 Berlin Tholen, Heiner Rechtsanwalt Donnerschweerstr. 205, 26123 Oldenburg Tübben, Jan Rechtsanwalt Heinrich-von-Kleist-Str. 4, 53113 Bonn
Teilnehmerverzeichnis
Ulsperger, Ute HDI Gerling Firmen und Privat Versicherung AG Kaiser-Wilhelm-Ring 3, 50672 Köln Uphoff, Dr. Roland Rechtsanwalt Heinrich-von-Kleist-Str. 4, 53113 Bonn Urschbach, Dr. Roland Rechtsanwalt Adam-Karrillon-Str. 23, 55118 Mainz van Aken, Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. H. Präsident der deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin des UKM Albert-Schweitzer-Str. 33, 48149 Münster Vierling, Anke Rechtsanwältin Schützenstr. 10, 59071 Hamm Vorbringer, Christian Referendar Heinrich-von-Kleist-Str. 4, 53113 Bonn Wagner, Dorothea Rechtsanwältin Rudolf-Virchow-Str. 11, 56073 Koblenz Weinmann, Luc Alexander Rechtsanwalt DAS Prozessfinanzierung Thomas-Dehler-Str. 2, 81728 München Weis, Evelyn Berufsverband Deutscher Anästhesisten Roritzerstr. 27, 90419 Nürnberg
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Weltin, Mechthild Rechtsanwältin Königsallee 14, 40212 Düsseldorf Wenzel, Dr. Frank Rechtsanwalt Am Hof 34 – 36, 50667 Köln Wever, Dr. Carolin Rechtsanwältin Schützenstr. 10, 59071 Hamm Wiesener, Dr. Jan Rechtsanwalt Ottostr. 1, 80333 München Winkhart-Martis, Martina Rechtsanwältin Posener Str. 1, 71065 Sindelfingen Wostry, Harald Rechtsanwalt Zweigertstr. 55, 45130 Essen Zensen, Hubert Rechtsanwalt Widumstr. 38, 59065 Hamm
Arbeitsgemeinschaft Rechtsanwälte im Medizinrecht e. V. Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen Anspruch, Praxis, Perspektiven 1990. X, 174 S. ISBN 978-3-540-52774-9 Die ärztliche Behandlung im Spannungsfeld zwischen kassenärztlicher Verantwortung und zivilrechtlicher Haftung 1992. VIII, 144 S. ISBN 978-3-540-55438-7 Die Budgetierung des Gesundheitswesens Wo bleibt der medizinische Standard? 1997. X, 163 S. ISBN 978-3-540-63071-5 Zulassung und Praxisverkauf Ist das GSG partiell verfassungswidrig? 1997. VIII, 199 S. ISBN 978-3-540-63502-4 Arzneimittel und Medizinprodukte Neue Risiken für Arzt, Hersteller und Versicherer 1997. XII, 201 S. ISBN 978-3-540-63500-0 Krankenhaus im Brennpunkt Risiken – Haftung – Management 1997. VIII, 194 S. ISBN 978-3-540-63505-5 Medizinische Notwendigkeit und Ethik Gesundheitschancen in Zeiten der Ressourcenknappheit 1999. VIII, 187 S. ISBN 978-3-540-64855-0 Medizin und Strafrecht Strafrechtliche Verantwortung in Klinik und Praxis 2000. VIII, 189 S. ISBN 978-3-540-66631-8
Risiko Aufklärung Schmerzensgeld trotz Behandlungserfolg – Wohin führt die Rechtsprechung? 2001. XII, 180 S. ISBN 978-3-540-41765-1 Waffen-Gleichheit Das Recht in der Arzthaftung 2002. X, 177 S. ISBN 978-3-540-41800-9 Leitlinien, Richtlinien und Gesetz Wieviel Reglementierung verträgt das Arzt-Patienten-Verhältnis 2003. X, 157 S. ISBN 978-3-540-00039-6 Ärztliche Behandlung an der Grenze des Lebens Heilauftrag zwischen Patientenautonomie und Kostenverantwortung 2004. X, 199 S. ISBN 978-3-540-20570-8 Globalisierung in der Medizin Der Einbruch der Kulturen in das deutsche Gesundheitswesen 2005. X, 176 S. ISBN 978-3-540-23486-9 Arzthaftungsrecht – Rechtspraxis und Perspektiven 2006. IX, 193 S. ISBN 978-3-540-28418-5 Dokumentation und Leitlinienkonkurrenz – die Verschriftlichung der Medizin 2007. X, 143 S. ISBN 978-3-540-46565-2 Arzneimittelsicherheit – Wunsch und Wirklichkeit 2008. X, 138 S. ISBN 978-3-540-76293-5
Arbeitsgemeinschaft Rechtsanwälte im Medizinrecht e. V. Arzthaftung – Mängel im Schadensausgleich? 2009. X, 165 S. ISBN 978-3-540-87624-3 Cross Border Treatment – Die Arzthaftung wird europäisch 2010. X, 184 Seiten ISBN 978-3-642-04404-5