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German Pages 356 Year 2008
Andreas Krause | Heinz Schüpbach | Eberhard Ulich | Marc Wülser (Hrsg.) Arbeitsort Schule
Andreas Krause | Heinz Schüpbach | Eberhard Ulich | Marc Wülser (Hrsg.)
Arbeitsort Schule Organisations- und arbeitspsychologische Perspektiven
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Prof. Dr. Andreas Krause lehrt Angewandte Psychologie an der FH Nordwestschweiz. Prof. Dr. Heinz Schüpbach lehrt Arbeits- und Organisationspsychologie am Institut für Psychologie der Universität Freiburg. Prof. Dr. Dr. h.c. Eberhard Ulich ist Seniorpartner des iafob in Zürich, wissenschaftlicher Leiter des Europäischen Unternehmensnetzwerks „Enterprise for Health“ sowie Präsident der Stiftung Arbeitsforschung. Dr. Marc Wülser ist Mitarbeiter am Institut für Arbeitsforschung und Organisationsberatung (iafob).
Mitglieder der SGO (Schweizerische Gesellschaft für Organisation und Management) erhalten auf diesen Titel einen Nachlass in Höhe von 10 % auf den Ladenpreis.
1. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Ulrike Lörcher | Katharina Harsdorf Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Nina Faber de.sign, Wiesbaden Umschlaggrafik: Giovanni Huber, Künstler, Embrach, Schweiz Druck und buchbinderische Verarbeitung: Wilhelm & Adam, Heusenstamm Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-0640-3
Geleitwort
Geleitwort Dieȱ gesellschaftlicheȱ undȱ volkswirtschaftlicheȱ Bedeutungȱ derȱ BilȬ dungȱ undȱ damitȱ auchȱ derjenigenȱ Institutionenȱ undȱ Personen,ȱ dieȱ sichȱdieserȱAufgabeȱstellen,ȱistȱweitgehendȱunbestritten.ȱBildungȱistȱ derȱ Wettbewerbsfaktorȱ derȱ Zukunftȱ schlechthin.ȱ Wieȱ entscheidendȱ gutȱ ausgebildeteȱ Personenȱ fürȱ dieȱ Gesellschaftȱ undȱ dieȱ Wirtschaftȱ sind,ȱzeigtȱ sichȱ heuteȱ eindrücklichȱinȱdenȱ demographischenȱ SzenaȬ rien.ȱ Daȱ dasȱ Erwerbskräftepotenzialȱ inȱ vielenȱ entwickelten,ȱ westliȬ chenȱ Industrienationenȱ zurückgeht,ȱ istȱ esȱ doppeltȱ wichtig,ȱ dieȱ verbleibendenȱPersonenȱbestmöglichȱaufȱdasȱErwerbslebenȱvorzubeȬ reiten.ȱGleichzeitigȱmitȱderȱzunehmendenȱBedeutungȱderȱBildungsȬ institutionenȱ habenȱ sichȱ dieȱ Arbeitsbedingungenȱ fürȱ Lehrendeȱ grundlegendȱ verändert.ȱ Neueȱ Familienformen,ȱ alternativeȱ ErzieȬ hungsmodelle,ȱ Diversityȱ (Vielfalt),ȱ Wirkungsorientierung,ȱ SchulȬ management,ȱ Bildungsreformȱ undȱ Evaluationȱ sindȱ nurȱ einigeȱ Stichworte,ȱ welcheȱ diesenȱ Wandelȱ symbolisieren.ȱ Derȱ Berufȱ derȱ Lehrendenȱ istȱ gleichzeitigȱ wichtigerȱ undȱ schwierigerȱ geworden.ȱ Grundȱ genug,ȱ sichȱ differenziertȱ mitȱ demjenigenȱ Systemȱ auseinanȬ derzusetzen,ȱanȱdemȱBildungȱstattfindet:ȱdemȱArbeitsortȱSchule.ȱ Mitȱ ihremȱ Sammelwerkȱ habenȱ Andreasȱ Krause,ȱ Heinzȱ Schüpbach,ȱȱ Eberhardȱ Ulichȱ undȱ Marcȱ Wülserȱ einȱ Werkȱ vorgelegt,ȱ dasȱ sichȱ diffeȬ renziertȱ ausȱ einerȱ arbeitsȬȱ undȱ organisationspsychologischenȱ PerȬ spektiveȱmitȱdenȱArbeitsbedingungenȱvonȱLehrkräftenȱauseinanderȬ setztȱundȱdieȱFrageȱthematisiert,ȱwieȱderȱArbeitsortȱSchuleȱzuȱgestalȬ tenȱ ist,ȱ damitȱ dieseȱ eineȱ bestmöglicheȱ Bildungsleistungȱ erbringenȱ können,ȱohneȱihreȱGesundheitȱundȱihrȱWohlbefindenȱzuȱbeeinträchȬ tigen.ȱ Inȱ 14ȱ Kapitelnȱ werdenȱ vonȱ ausgewiesenenȱ Fachkräftenȱ funȬ dierteȱundȱgleichzeitigȱpraxisorientierteȱBeiträgeȱvorgelegt,ȱdieȱsichȱ mitȱ derȱ Gestaltungȱ undȱ Entwicklungȱ vonȱ Schulenȱ auseinandersetȬ zen.ȱNebenȱderȱAnalyseȱdesȱArbeitsortesȱSchuleȱundȱdesȱBerufsȱderȱ Lehrenden,ȱ enthältȱ dasȱ Werkȱ auchȱ konkreteȱ Hinweise,ȱ wieȱ dieȱArȬ beitsbedingungenȱ vonȱ Lehrendenȱ zuȱ gestaltenȱ sindȱ undȱ welcheȱ mentalenȱ Modelleȱ nützlichȱ sind,ȱ umȱ denȱ Arbeitsortȱ Schuleȱ alsȱ geȬ sundheitsförderlichȱundȱnichtȱgesundheitsschädigendȱzuȱverstehen.ȱ MehrereȱAbschnitteȱ sindȱ derȱ Schulentwicklungȱ undȱ demȱ SchulmaȬ nagement,ȱ insbesondereȱ demȱ Personalmanagementȱ inȱ Schulen,ȱ geȬ widmet.ȱDieȱAutorinnenȱundȱAutorenȱlegenȱüberzeugendȱdar,ȱdassȱ einigeȱ Ansätzeȱ undȱ Instrumente,ȱ wieȱ sieȱ auchȱ imȱ UnternehmensȬ
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Geleitwort
kontextȱAnwendungȱ findenȱ (Mitarbeitergespräch,ȱ Jahresarbeitszeit,ȱ Personalentwicklungȱ etc.),ȱ mitȱ derȱ nötigenȱ Umsichtȱ undȱ ÜbersetȬ zungsleistungȱ auchȱ imȱ Schulkontextȱ nützlichȱ eingesetztȱ werdenȱ können.ȱDerȱletzteȱAbschnittȱdesȱBuchesȱwendetȱsichȱeinigenȱweiteȬ renȱinteressantenȱThemenstellungenȱzu,ȱdieȱmithelfen,ȱdenȱArbeitsȬ ortȱSchuleȱundȱseineȱAkteureȱnochȱbesserȱzuȱverstehen.ȱ Insgesamtȱ istȱ einȱ fundiertesȱ undȱ anspruchsvollesȱ Buchȱ entstanden,ȱ dasȱdieȱDiskussionȱumȱdieȱGestaltungȱundȱEntwicklungȱvonȱSchuȬ lenȱeinenȱgroßenȱSchrittȱweiterbringt.ȱEsȱistȱnichtȱnurȱfürȱLehrendeȱ selbstȱlesenswert,ȱsondernȱauchȱfürȱalleȱanderenȱAnspruchsgruppenȱ vonȱ Schulenȱ (Lernende,ȱ Eltern,ȱ Schulleitungen,ȱ Bildungsbehörden,ȱ Beratungsinstitutionenȱ imȱ Schulbereichȱ etc.),ȱ daȱ esȱ neueȱ Einsichtenȱ vermitteltȱundȱkonkreteȱHandlungenȱanregt.ȱDieȱSGOȬStiftungȱ(StifȬ tungȱderȱSchweizerischenȱGesellschaftȱfürȱOrganisationȱundȱManagement)ȱ danktȱ denȱ Herausgebernȱ sowieȱ allenȱ beteiligtenȱ Autorinnenȱ undȱ Autorenȱ fürȱ dasȱ großeȱ Engagementȱ undȱ dasȱ sehrȱ erfreulicheȱ EndȬ ergebnis.ȱ Fürȱ eineȱ Institution,ȱ dieȱ sichȱ denȱ Transferȱ vonȱ (ManageȬ mentȬ)Wissenȱ ausȱ derȱ Wissenschaftȱ inȱ dieȱ Praxisȱ (undȱ umgekehrt)ȱ zumȱ Zielȱ gesetztȱ hat,ȱ stelltȱ dieȱ Auseinandersetzungȱ mitȱ demȱ ArȬ beitssystemȱSchuleȱeineȱwillkommeneȱErweitungȱdesȱAnwendungsȬ spektrumsȱdar.ȱWirȱwünschenȱdiesemȱwertvollenȱBuchȱdieȱverdienteȱ VerbreitungȱundȱinteressierteȱLeserschaft.ȱ ȱ Interlaken,ȱimȱAugustȱ2007ȱ ȱ ȱȱ ȱ
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Prof.ȱDr.ȱRobertȱJ.ȱZauggȱ VizepräsidentȱderȱSGOȱundȱȱ StiftungsratȱderȱSGOȬStiftungȱ
Vorwort
Vorwort ArbeitsortȱSchuleȱ–ȱzuȱdieserȱThematikȱwurdenȱinȱletzterȱZeitȱmehȬ rereȱ Publikationenȱ vorgelegt.ȱ Dieȱ Mehrzahlȱ beschäftigtȱ sichȱ mitȱ FragenȱderȱBelastungȱundȱBeanspruchungȱvonȱLehrkräften.ȱInȱdemȱ hierȱ vorliegendenȱ Buchȱ sollenȱ möglicheȱ Beiträgeȱ derȱ ArbeitsȬȱ undȱ Organisationspsychologieȱ fürȱ dieȱ Analyse,ȱ Bewertungȱ undȱ GestalȬ tungȱschulischerȱArbeitȱaufgezeigtȱwerden.ȱDabeiȱgehtȱesȱnichtȱumȱ dieȱ Wirkungenȱ vonȱ Schuleȱ undȱ Unterrichtȱ aufȱ dieȱ Lernleistungenȱ vonȱSchülerinnenȱundȱSchülern,ȱsondernȱumȱFragenȱderȱGestaltbarȬ keitȱvonȱSchuleȱalsȱprofessionellerȱOrganisation.ȱZugleichȱsollȱexemȬ plarischȱ belegtȱ werden,ȱ dassȱ esȱ sinnvollȱ ist,ȱ beiȱ derȱ SchulentwickȬ lungȱkünftigȱarbeitswissenschaftlichȱfundierteȱKonzepteȱundȱInstruȬ menteȱ systematischȱ zuȱ berücksichtigen.ȱ Imȱ Zentrumȱ unsererȱ ÜberȬ legungenȱstehenȱalsoȱdieȱArbeitsorganisationȱinȱderȱSchuleȱundȱdieȱ darinȱ eingebettetenȱAufgabenȱ undȱ Tätigkeitenȱ derȱ Lehrkräfte.ȱ Eineȱ besondereȱ Rolleȱ spielenȱ inȱ diesemȱ Zusammenhangȱ dieȱ RückwirȬ kungenȱ derȱ Aufgabenausführungȱ aufȱ dieȱ Gesundheit,ȱ dieȱ LeisȬ tungsfähigkeitȱ undȱ dasȱ Wohlbefindenȱ derȱ Lehrkräfte,ȱ derenȱ TätigȬ keitȱhäufigȱunterȱschwierigenȱundȱpsychischȱbelastendenȱBedingunȬ genȱ zuȱ leistenȱ ist.ȱ Darausȱ resultierenȱ dieȱ Frageȱ nachȱ denȱ GestalȬ tungsmöglichkeitenȱ undȱ dieȱ weiterȱ gehendeȱ grundsätzlicheȱ Frage,ȱ obȱderȱBerufȱeinerȱLehrkraftȱauchȱinȱZukunftȱnotwendigerweiseȱalsȱ LebensberufȱverstandenȱwerdenȱmussȱoderȱobȱesȱzuȱdieserȱPerspekȬ tiveȱ denkbareȱAlternativenȱ gibt.ȱ Schließlichȱ handeltȱ esȱ sichȱ beiȱ dieȬ semȱ Berufȱ umȱ einenȱ derȱ wichtigsten,ȱ vielleichtȱ denȱ wichtigstenȱ üȬ berhaupt,ȱinȱunsererȱGesellschaft!ȱȱ DasȱvorliegendeȱBuchȱenthältȱzunächstȱeineȱReiheȱvonȱPositionsbeiȬ trägenȱzuȱFragenȱderȱGesundheitȱundȱBelastungȱvonȱLehrkräftenȱimȱ Kontextȱ vonȱ Schulentwicklung.ȱ Imȱ erstenȱ Kapitelȱ schlägtȱ Heinzȱ Schüpbachȱ vor,ȱ Schulenȱ verstärktȱ alsȱ soziotechnischeȱ Systemeȱ zuȱ verstehen.ȱ Hierbeiȱ wirdȱ eineȱ langeȱ arbeitspsychologischeȱ Traditionȱ aufgegriffen,ȱ derenȱ fruchtbareȱ Übertragungȱ aufȱ denȱ Schulkontextȱ hierȱerstmalsȱvorgelegtȱwird.ȱImȱzweitenȱKapitelȱzeigtȱRainerȱOesterȬ reichȱ auf,ȱ welcheȱ methodischenȱ Defiziteȱ inȱ derȱ schulbezogenenȱ BeȬ lastungsforschungȱbestehen.ȱSoȱdominierenȱpersonenbezogeneȱFraȬ gebögen,ȱ dieȱ Lehrkräfteȱ sowohlȱ zurȱ erlebtenȱ Arbeitssituationȱ alsȱ auchȱ zuȱ ihremȱ subjektivenȱ Befindenȱ befragen.ȱ Gefordertȱ wirdȱ zuȬ sätzlichȱderȱEinsatzȱbedingungsbezogenerȱErhebungsmethoden.ȱȱ
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Vorwort
Einȱ Beispielȱ fürȱ eineȱ bedingungsbezogeneȱ Vorgehensweiseȱ wirdȱ inȱ Kapitelȱ3ȱvonȱAndreasȱKrause,ȱFlorianȱBäuerleȱundȱCosimaȱDorsemagenȱ vorgestellt.ȱ Dasȱ Beobachtungsinstrumentȱ RHIAȬUnterrichtȱ ermögȬ lichtȱ eineȱ objektivierendeȱ Erhebungȱ sogenannterȱ RegulationsbehinȬ derungenȱ vonȱ Lehrkräftenȱ imȱ Unterricht.ȱ Marcȱ Wülserȱ charakteriȬ siertȱ inȱ Kapitelȱ 4ȱ denȱ Berufȱ derȱ Lehrkraftȱ überȱ dieȱ Qualitätȱ derȱ soȬ zialenȱ Austauschprozesseȱ mitȱ Schülerinnenȱ undȱ Schülernȱ undȱ belegtȱhierüberȱentstehendeȱBeanspruchungen.ȱ Peterȱ Paulusȱ undȱ Lutzȱ Schumacherȱ stellenȱ inȱ Kapitelȱ 5ȱ ihrenȱ Ansatzȱ fürȱ eineȱ guteȱ gesundeȱ Schuleȱ vor,ȱ mitȱ demȱ Lehrkräfteȱ angeleitetȱ werden,ȱsichȱmitȱprototypischen,ȱkonfliktreichenȱHandlungssituatiȬ onenȱimȱArbeitsalltagȱauseinanderzusetzen.ȱȱ ZweiȱFallbeispieleȱveranschaulichenȱmöglicheȱVorgehensweisenȱzurȱ Schulentwicklung.ȱ Zunächstȱ stellenȱ Simoneȱ Inversini,ȱ Eberhardȱ Ulichȱ undȱ Marcȱ Wülserȱ einȱ schulübergreifendesȱ Projektȱ inȱ Baselȱ vor,ȱ dasȱ unterȱ demȱ Titelȱ hotȱ (helpȱ ourȱ teachers)ȱ durchgeführtȱ wurdeȱ undȱ eindrücklichȱ belegt,ȱ dassȱ esȱ möglichȱ ist,ȱ aufȱ derȱ Basisȱ einerȱ umfasȬ sendenȱAnalyseȱ entsprechendeȱ Gestaltungskonzepteȱ zuȱ entwickelnȱ (Kapitelȱ 6).ȱ Marianneȱ Reschȱ undȱ Claudiaȱ Fenzlȱ habenȱ ebenfallsȱ einȱ breitesȱMethodenȬȱundȱInterventionsspektrumȱeingesetzt;ȱsieȱberichȬ tenȱ inȱ Kapitelȱ 7ȱ exemplarischȱ überȱ eineȱ arbeitsȬȱ undȱ organisationsȬ psychologischeȱ Vorgehensweiseȱ zurȱ Unterstützungȱ derȱ SchulentȬ wicklung.ȱȱ Erfahrungenȱ ausȱ Projektenȱ zurȱ Schulentwicklungȱ inȱ derȱ Schweizȱ sindȱ dieȱ Grundlageȱ fürȱ dieȱ beidenȱ folgendenȱ Beiträgeȱ zumȱ SchulȬ management.ȱ Corinnaȱ Semlingȱ undȱ Martinaȱ Zölchȱ fokussierenȱ HuȬ manȱ Resourceȱ Managementȱ undȱ dieȱ zunehmendeȱ Bedeutungȱ derȱ Personalführungȱ anȱ Schulen.ȱ Daȱ Führungȱ vonȱ Lehrkräftenȱ nurȱ beȬ grenztȱ akzeptiertȱ wird,ȱ müssenȱ dieȱ Schulleitungenȱ besondereȱ SchwierigkeitenȱmeisternȱundȱsichȱinsbesondereȱmitȱdemȱDilemmaȱ derȱ „geführtenȱ Autonomie“ȱ auseinandersetzenȱ (Kapitelȱ 8).ȱ Oliverȱ Strohm,ȱ Ursȱ Wannerȱ undȱ Veronikaȱ Niederhauserȱ gehtȱ esȱ ebenfallsȱ umȱ Personalmanagement,ȱ wobeiȱ dieȱ Gestaltungȱ einesȱ JahresarbeitsȬ zeitmodellsȱ besondereȱAufmerksamkeitȱerhält.ȱ Sieȱ verdeutlichenȱinȱ Kapitelȱ 9,ȱ dassȱ hierüberȱ gleichzeitigȱ dieȱ Schulkulturȱ imȱ positivenȱ Sinneȱ verändertȱ undȱ eineȱ Belastungsoptimierungȱ erreichtȱ werdenȱ kann.ȱ Anschließendȱ wirdȱ imȱ Beitragȱ vonȱ Winfriedȱ Hacker,ȱ Peggyȱ Looks,ȱ Constanceȱ Winkelmann,ȱ Gordonȱ Krahlȱ undȱ Christinaȱ Krahlȱ inȱ
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Vorwort
Kapitelȱ10ȱeinȱbreitesȱSpektrumȱverschiedenerȱAnsatzmöglichkeitenȱ zurȱ gesundheitsȬȱ undȱ leistungsförderndenȱ Gestaltungȱ derȱ LehrarȬ beitȱvorgestellt.ȱ Derȱ letzteȱ Abschnittȱ desȱ Buchesȱ enthältȱ Beiträgeȱ zuȱ spezifischenȱ Themen,ȱdieȱweitere,ȱfürȱdieȱSchulentwicklungȱbedeutsameȱFacettenȱ beinhalten.ȱNicolaȱJacobshagenȱundȱThomasȱRigottiȱgebenȱinȱKapitelȱ11ȱ einenȱ umfassendenȱ Überblickȱ überȱ Erkenntnisseȱ zumȱ Stressȱ vonȱ Schülerinnenȱ undȱ Schülern.ȱ Anschließendȱ stehenȱ wiederȱ dieȱ LehrȬ kräfteȱ imȱ Mittelpunkt,ȱ wennȱ Andreasȱ Krause,ȱ Anjaȱ Philipp,ȱ Feliciaȱ Baderȱ undȱ Heinzȱ Schüpbachȱ überȱ aktuelleȱ Erkenntnisseȱ zurȱ BedeuȬ tungȱderȱEmotionsarbeitȱbzw.ȱzurȱBeeinflussungȱeigenerȱEmotionenȱ imȱArbeitsalltagȱvonȱLehrkräftenȱberichtenȱ(Kapitelȱ12).ȱEvaȱBambergȱ undȱPamelaȱOstendorfȱerläuternȱinȱKapitelȱ13ȱdieȱgesundheitlichȱbeȬ dingteȱ Dienstunfähigkeitȱ vonȱ Lehrkräftenȱ anhandȱ einerȱ Reanalyseȱ personalärztlicherȱ Gutachtenȱ undȱ gebenȱ Einblicke,ȱ welcheȱ Themenȱ inȱ denȱ Gutachtenȱ imȱ Vordergrundȱ stehen.ȱ Zuletztȱ greiftȱ Sebastianȱ Stegmannȱ inȱ Kapitelȱ 14ȱ dieȱ zunehmendeȱ Forderungȱ nachȱ ZusamȬ menarbeitȱ innerhalbȱ vonȱ Kollegienȱ auf.ȱ Hierȱ findenȱ sichȱ AnregunȬ genȱundȱDenkanstößeȱzurȱFörderungȱderȱKooperationȱanȱSchulen.ȱȱ Weitereȱ geplanteȱ Beiträgeȱ zuȱ zentralenȱ Fragestellungen,ȱ etwaȱ zurȱ Förderungȱ einerȱ fürȱ dasȱ Kollegiumȱ alternsgerechtenȱ Schule,ȱ konnȬ tenȱ ausȱ Platzgründenȱ leiderȱ nichtȱ aufgenommenȱ werden.ȱ Dennochȱ hoffenȱ wir,ȱ dassȱ Leserinnenȱ undȱ Leserȱ inȱ demȱ hierȱ vorliegendenȱ Bandȱ Anregungenȱ fürȱ dieȱ Gestaltungȱ derȱ schulischenȱ Arbeitȱ undȱ derȱ Schulentwicklungȱ finden,ȱ dieȱ ihnenȱ sinnvollȱ undȱ realisierbarȱ erscheinen.ȱ Fürȱ entsprechendeȱ Rückmeldungen,ȱ aberȱ auchȱ konȬ struktiveȱkritischeȱAnmerkungenȱsindȱwirȱdankbar.ȱ DenȱAutorinnenȱ undȱAutorenȱ dankenȱ wirȱ fürȱ dieȱ –ȱ inȱ ZusammenȬ hangȱ mitȱ diversenȱ Kürzungswünschenȱ vielleichtȱ nichtȱ immerȱ ganzȱ leichteȱ –ȱ Zusammenarbeit.ȱ Einȱ speziellerȱ Dankȱ giltȱ Cosimaȱ DorseȬ magen,ȱdieȱdieȱmühsameȱAufgabeȱderȱFormatierungȱdesȱBandesȱaufȱ sichȱgenommenȱundȱvorzüglichȱerledigtȱhat.ȱ ȱ Oltenȱ–ȱFreiburgȱ–ȱZürich,ȱimȱAugustȱ2007ȱ ȱ AndreasȱKrause,ȱHeinzȱSchüpbach,ȱEberhardȱUlichȱȱ undȱMarcȱWülserȱ
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Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis Geleitwort .............................................................................................5ȱ Vorwort .................................................................................................7ȱ Inhaltsverzeichnis..............................................................................11ȱ ȱ Kapitelȱ1ȱ SchulenȱalsȱsoziotechnischeȱSystemeȱ HeinzȱSchüpbach ..................................................................................21ȱ 1.1ȱ Einleitung:ȱWasȱistȱeineȱguteȱSchule?ȱ .................................23ȱ 1.2ȱ DieȱGrundzügeȱdesȱsoziotechnischenȱSystemansatzes .....25ȱ 1.2.1ȱ DerȱfachhistorischeȱHintergrund.................................25ȱ 1.2.2ȱ TheoretischeȱFundierungȱdesȱsoziotechnischenȱ Systemansatzes...............................................................27ȱ 1.2.3ȱ MerkmaleȱsoziotechnischerȱSystemeȱundȱderenȱ ÜbertragbarkeitȱaufȱSchulen ........................................29ȱ 1.3ȱ SchulenȱalsȱsoziotechnischeȱSysteme...................................34ȱ 1.3.1ȱ ThesenȱzurȱSchuleȱausȱsoziotechnischerȱSicht ...........34ȱ 1.3.2ȱ SoziotechnischeȱSystemanalysenȱinȱSchulen..............35ȱ 1.3.3ȱ AusgewählteȱEinzelergebnisseȱundȱderenȱ Interpretation..................................................................38ȱ 1.4ȱ Ausblick ...................................................................................42ȱ 1.5ȱ Literatur ...................................................................................43ȱ ȱ Kapitelȱ2ȱ KonstrukteȱundȱMethodenȱinȱderȱForschungȱȱ zurȱLehrerbelastungȱȱȱ RainerȱOesterreich................................................................................47ȱ 2.1ȱ Einleitung ................................................................................49ȱ 2.2ȱ EntwicklungenȱinȱderȱBurnoutȬForschung .........................49ȱ 2.2.1ȱ Eineȱ„ResearchȱAgenda“ȱausȱdemȱJahrȱ1999 ..............50ȱ 2.2.2ȱ ZurȱFolgenlosigkeitȱderȱ„ResearchȱAgenda“ .............52ȱ 2.2.3ȱ EinigeȱProblemeȱmitȱzuȱwenigȱunterschiedenenȱ Konstrukten ....................................................................54ȱ 2.3ȱ DieȱbedingungsȬȱundȱpersonbezogeneȱFragestellungȱȱ inȱderȱA&OȬPsychologie........................................................57
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Inhaltsverzeichnis
2.4ȱ 2.5ȱ 2.6ȱ 2.7ȱ 2.8ȱ
2.3.1ȱ EntstehungȱdesȱKonzeptsȱ„Bedingungsbezogeneȱ Arbeitsanalyse“ ..............................................................57ȱ 2.3.2ȱ KonstruktlogikȱimȱBelastungsȬȱundȱ Beanspruchungskonzept:ȱBelastungȱ„vonȱaußen“ȱȱ undȱBeanspruchungȱ„imȱInneren“ ..............................60ȱ 2.3.3ȱ BezügeȱzurȱVerhältnisȬȱundȱVerhaltensprävention ...60ȱ 2.3.4ȱ ErhebungsmethodischeȱKonsequenzen ......................61ȱ ErweiterungȱdesȱKonzeptsȱ„BedingungsȬȱundȱ personbezogeneȱFragestellung“ ...........................................62ȱ VierȱArtenȱderȱPrägungȱdesȱLehrerhandelns......................64ȱ EinȱallgemeinesȱWirkmodellȱzurȱLehrerbelastungȱȱ undȱerhebungsmethodischeȱHinweise ................................66ȱ GefahrenȱdesȱMissbrauchsȱderȱwissenschaftlichenȱ ForschungȱzurȱLehrerbelastung ...........................................69ȱ Literatur ...................................................................................71ȱ
ȱ Kapitelȱ3ȱ RHIAȬUnterricht:ȱȱ PsychischeȱBelastungenȱerfassenȱundȱreduzierenȱȱȱ AndreasȱKrause,ȱFlorianȱBäuerleȱundȱCosimaȱDorsemagen ................75ȱ 3.1ȱ Einleitung ................................................................................77ȱ 3.2ȱ HandlungspsychologischeȱArbeitsanalyseverfahrenȱȱ ausȱderȱRHIA/VERAȬFamilie................................................77ȱ 3.3ȱ DasȱVerfahrenȱRHIAȬUnterricht...........................................79ȱ 3.3.1ȱ DieȱAufgabeȱderȱLehrkraftȱimȱUnterricht ...................79ȱ 3.3.2ȱ DieȱSystematikȱdesȱVerfahrensȱRHIAȬUnterricht......80ȱ 3.3.3ȱ DasȱVorgehenȱbeiȱderȱUntersuchungȱundȱdieȱ videogestützteȱAuswertung..........................................84ȱ 3.4ȱ EinsatzmöglichkeitenȱvonȱRHIAȬUnterricht ......................86ȱ 3.4.1ȱ VideogestützteȱkollegialeȱBeratung.............................87ȱ 3.4.2ȱ ThematischerȱWorkshopȱimȱRahmenȱderȱ Schulentwicklung...........................................................92ȱ 3.5ȱ Fazit ..........................................................................................96ȱ 3.6ȱ Literatur ...................................................................................97ȱ ȱ ȱ ȱ
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Inhaltsverzeichnis
Kapitelȱ4ȱ BegrenzteȱResponsivitätȱundȱFehlbeanspruchungenȱȱ beiȱLehrkräftenȱȱȱ MarcȱWülser.......................................................................................101ȱ 4.1ȱ Einleitung ..............................................................................103ȱ 4.2ȱ Schulorganisation:ȱloseȱKopplungȱundȱȱ eingeschränkteȱResponsivität .............................................104ȱ 4.3ȱ KoordinationȱundȱKooperationȱanȱSchulen......................108ȱ 4.3.1ȱ SchulenȱalsȱExpertenorganisationen .........................108ȱ 4.3.2ȱ GruppenarbeitȱanȱSchulen ..........................................110ȱ 4.4ȱ UnterrichtenȱalsȱPrimäraufgabeȱderȱLehrkräfte...............112ȱ 4.5ȱ BegrenzteȱResponsivitätȱimȱUnterricht .............................114ȱ 4.5.1ȱ SozialeȱAustauschprozesseȱundȱmangelndeȱ Reziprozität:ȱErkenntnisseȱderȱȱ BurnoutȬForschung......................................................114ȱ 4.5.2ȱ MangelndeȱVerpflichtungȱzurȱReziprozität:ȱ Besonderheitenȱpersonenbezogenerȱ Dienstleistungstätigkeiten ..........................................115ȱ 4.5.3ȱ MangelndeȱReziprozität:ȱGrenzenȱdesȱȱ KonzeptsȱundȱweiterführendeȱÜberlegungen .........116ȱ 4.6ȱ EmpirischeȱErgebnisseȱausȱeinemȱSchulprojekt...............120ȱ 4.6.1ȱ SchulhausebeneȱundȱUnterrichtsebene:ȱ ZusammenhängeȱmitȱFehlbeanspruchungen ..........121ȱ 4.6.2ȱ ErgebnisseȱausȱLängsschnittuntersuchungen ..........121ȱ 4.7ȱ Literatur .................................................................................124ȱ ȱ Kapitelȱ5ȱ GuteȱgesundeȱSchuleȱ–ȱȱ LehrergesundheitȱalsȱzentraleȱRessourceȱȱȱ PeterȱPaulusȱundȱLutzȱSchumacher...................................................133ȱ 5.1ȱ Einleitung ..............................................................................135ȱ 5.2ȱ GesundheitsförderndeȱSchule ............................................136ȱ 5.3ȱ GuteȱgesundeȱSchuleȱ–ȱȱ mitȱGesundheitȱSchuleȱmachen ..........................................139ȱ 5.4ȱ GuteȱgesundeȱSchuleȱentwickeln .......................................143ȱ 5.5ȱ DieȱGesundheitȱderȱLehrkräfteȱalsȱȱ zentraleȱRessource................................................................144ȱ
13ȱ
Inhaltsverzeichnis
5.6ȱ 5.7ȱ 5.8ȱ 5.9ȱ
PiSAȱ–ȱeinȱneuerȱAnsatzȱzurȱFörderungȱderȱ Lehrergesundheit..................................................................146ȱ AusgangspunkteȱundȱSchritteȱmitȱPiSAȱzurȱgutenȱ gesundenȱSchule ...................................................................151ȱ Schluss....................................................................................154ȱ Literatur .................................................................................155ȱ
ȱ Kapitelȱ6ȱ AnalyseȱundȱOptimierungȱderȱArbeitsbedingungenȱvonȱ Lehrkräftenȱȱȱ SimoneȱInversini,ȱEberhardȱUlichȱundȱMarcȱWülser ........................159ȱ 6.1ȱ Einleitung ..............................................................................161ȱ 6.2ȱ Ausgangslage ........................................................................161ȱ 6.3ȱ DasȱProjektȱ„hotȱ–ȱhelpȱourȱteachers“................................163ȱ 6.3.1ȱ ZielsetzungenȱundȱersteȱProjektaktivitäten..............163ȱ 6.3.2ȱ Projektphasen ...............................................................164ȱ 6.4ȱ Analysephase ........................................................................165ȱ 6.4.1ȱ Design ............................................................................165ȱ 6.4.2ȱ AusgewählteȱErgebnisse .............................................167ȱ 6.4.3ȱ RückmeldungȱderȱErgebnisse.....................................174ȱ 6.5ȱ MaßnahmenplanungȱundȱUmsetzungsphase ..................174ȱ 6.5.1ȱ MaßnahmenplanungȱinȱArbeitsgruppen ..................174ȱ 6.5.2ȱ UmsetzungȱderȱMaßnahmen......................................175ȱ 6.6ȱ WirkungenȱdesȱProjekts.......................................................176ȱ 6.6.1ȱ Evaluation .....................................................................176ȱ 6.6.2ȱ WeitereȱWirkungen ......................................................179ȱ 6.7ȱ KritischeȱWürdigung ...........................................................181ȱ 6.8ȱ ZusammenfassungȱundȱFazit..............................................182ȱ 6.9ȱ Literatur .................................................................................183ȱ ȱ Kapitelȱ7ȱ ExterneȱImpulseȱfürȱinterneȱVeränderungsprozesseȱ–ȱȱ dasȱSchulprojektȱAnabelȱȱȱ MarianneȱReschȱundȱClaudiaȱFenzl ...................................................185ȱ 7.1ȱ EinȱarbeitspsychologischerȱBlickȱaufȱdenȱȱ ArbeitsplatzȱSchule ..............................................................187ȱ 7.2ȱ VorgehenȱundȱMethodenȱimȱProjektȱAnabel ....................188ȱ
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Inhaltsverzeichnis
7.2.1ȱ ÜberblickȱüberȱdenȱVerlauf ........................................188ȱ 7.2.2ȱ ÜberblickȱüberȱdieȱMethoden ....................................189ȱ 7.3ȱ Ergebnisse..............................................................................190ȱ 7.3.1ȱ DieȱhalbstrukturiertenȱInterviews .............................190ȱ 7.3.2ȱ DieȱBefragung...............................................................192ȱ 7.3.3ȱ DieȱTätigkeitsanalysen ................................................198ȱ 7.3.4ȱ DerȱSpiegelȱimȱSpiegel:ȱZusammenschauȱderȱ Ergebnisse .....................................................................205ȱ 7.4ȱ DiskussionȱundȱAusblick.....................................................207ȱ 7.5ȱ Literatur .................................................................................208ȱ ȱ Kapitelȱ8ȱ HumanȱResourceȱManagementȱalsȱAufgabeȱderȱSchulleitungȱȱ CorinnaȱSemlingȱundȱMartinaȱZölch ................................................211ȱ 8.1ȱ Einführung ............................................................................213ȱ 8.2ȱ PersonalführungȱundȱInstrumenteȱdesȱHRMȱȱ anȱSchulen .............................................................................215ȱ 8.2.1ȱ PersonalführungȱanȱSchulen ......................................216ȱ 8.2.2ȱ InstrumenteȱzurȱAusgestaltungȱderȱȱ PersonalführungȱanȱSchulen ......................................221ȱ 8.3ȱ Resümee.................................................................................234ȱ 8.3.1ȱ Implementierungȱeinesȱȱ ZielvereinbarungssystemsȱanȱSchulen......................234ȱ 8.3.2ȱ NeuordnungȱundȱTransparenzȱderȱ Personalführungsaufgaben.........................................235ȱ 8.3.3ȱ AbstimmungȱvonȱSchulȬȱundȱȱ Personalentwicklung ...................................................236ȱ 8.4ȱ Literatur .................................................................................237ȱ ȱ Kapitelȱ9ȱ InnovativesȱPersonalmanagementȱalsȱeffektiverȱHebelȱzurȱ KulturentwicklungȱundȱBelastungsoptimierungȱanȱSchulenȱȱ OliverȱStrohm,ȱUrsȱWannerȱundȱVeronikaȱNiederhauser ..................241ȱ 9.1ȱ GegenstandȱundȱAusgangslage..........................................243ȱ 9.2ȱ ZieleȱundȱkonzeptionellerȱRahmen....................................245ȱ 9.3ȱ DasȱJahresarbeitszeitmodellȱamȱBGS.................................246ȱ 9.4ȱ BeurteilungȱdesȱJAZȬModellsȱamȱEndeȱderȱPilotphase ..249ȱ
15ȱ
Inhaltsverzeichnis
9.5ȱ 9.6ȱ 9.7ȱ 9.8ȱ
9.4.1ȱ ErgebnisseȱausȱderȱschriftlichenȱBefragung .............249ȱ 9.4.2ȱ EmpirischeȱZeiterfassungsdaten................................251ȱ 9.4.3ȱ FazitȱausȱderȱJAZȬPilotierung.....................................252ȱ Faktorenvorgabenȱalsȱpersonalbezogenerȱ Orientierungsrahmen...........................................................253ȱ KonzeptȱundȱProzessȱderȱPersonalplanung......................254ȱ FazitȱundȱAusblick................................................................257ȱ Literatur .................................................................................259ȱ
ȱ Kapitelȱ10ȱ MöglichkeitenȱzurȱgesundheitsȬȱundȱleistungsförderndenȱ GestaltungȱderȱLehrarbeit:ȱPrimärpräventionȱȱȱ WinfriedȱHacker,ȱPeggyȱLooks,ȱConstanceȱWinkelmann,ȱȱ GordonȱKrahlȱundȱChristinaȱKrahl ....................................................261ȱ 10.1ȱ Einordnung ...........................................................................263ȱ 10.2ȱ ArbeitspsychologischeȱPrimärpräventionȱȱ beiȱLehrarbeit ........................................................................265ȱ 10.2.1ȱAnsatzmöglichkeitȱArbeitsauftrag:ȱȱ Laufbahnpfade,ȱArbeitsweisenȱ(Lehrformen)..........265ȱ 10.2.2ȱAnsatzmöglichkeitȱAusführungsbedingungen:ȱȱ EinzelȬȱvs.ȱkooperativeȱArbeitsformen;ȱ Arbeitsbedingungen ....................................................266ȱ 10.2.3ȱAnsatzmöglichkeitȱ„Arbeitsgegenstand“:ȱ UnterrichtenȱundȱErziehenȱderȱȱ Interaktionspartnerȱ„Schüler“ ....................................267ȱ 10.2.4ȱAnsatzmöglichkeitȱLeistungsvoraussetzungenȱȱ derȱLehrkräfte ...............................................................268ȱ 10.3ȱ VorstellungenȱvonȱGymnasiallehrkräftenȱzurȱArbeitȱȱ bisȱzurȱRente..........................................................................271ȱ 10.3.1ȱStichprobe......................................................................271ȱ 10.3.2ȱErgebnisse .....................................................................272ȱ 10.4ȱ PrimärpräventiveȱInhalteȱinȱderȱ Berufsschullehrerausbildung..............................................277ȱ 10.4.1ȱStichprobeȱundȱMethodik ...........................................277ȱ 10.4.2ȱErgebnisse .....................................................................277ȱ 10.5ȱ PrimärpräventionȱausȱderȱSichtȱvonȱ Berufsschullehrkräften.........................................................280ȱ 10.5.1ȱStichprobeȱundȱMethodik ...........................................280ȱ
16ȱ
Inhaltsverzeichnis
10.5.2ȱErgebnisse .....................................................................281ȱ 10.6ȱ FazitȱundȱAusblick ...............................................................282ȱ 10.6.1ȱPrimärprävention:ȱZutatȱoderȱGestaltungȱdesȱ Kernarbeitsprozesses...................................................282ȱ 10.6.2ȱPrimärpräventionȱalsȱGestaltungȱdesȱ Kernarbeitsprozesses:ȱAktuelleȱChancen .................283ȱ 10.7ȱ Literatur .................................................................................286ȱ ȱ Kapitelȱ11ȱ VollȱderȱStress?ȱȱ StressȱbeiȱAdoleszentenȱinȱdenȱletztenȱSchuljahrenȱȱȱ NicolaȱJacobshagenȱundȱThomasȱRigotti ............................................289ȱ 11.1ȱ Einleitung ..............................................................................291ȱ 11.2ȱ StressauslösendeȱBedingungenȱbeiȱAdoleszenten ...........291ȱ 11.3ȱ StressreaktionenȱbeiȱAdoleszenten ....................................294ȱ 11.4ȱ RessourcenȱvonȱAdoleszenten ............................................295ȱ 11.5ȱ CopingȱvonȱAdoleszenten ...................................................297ȱ 11.6ȱ DiagnostikȱvonȱStressȱbeiȱAdoleszenten ...........................298ȱ 11.7ȱ MöglicheȱMaßnahmenȱzurȱPräventionȱȱ undȱIntervention...................................................................300ȱ 11.8ȱ Literatur .................................................................................301ȱ ȱ Kapitelȱ12ȱ EmotionsregulationȱvonȱLehrkräften:ȱȱ UmgangȱmitȱGefühlenȱalsȱTeilȱderȱArbeitȱȱȱ AndreasȱKrause,ȱAnjaȱPhilipp,ȱFeliciaȱBaderȱ ȱundȱHeinzȱSchüpbach........................................................................309ȱ 12.1ȱ EmotionaleȱAnforderungenȱimȱLehrberuf ........................311ȱ 12.2ȱ WelcheȱAspekteȱderȱEmotionsregulationȱsindȱzuȱ berücksichtigen? ...................................................................314ȱ 12.2.1ȱEmotionaleȱDissonanzȱ(alsȱRegulationsproblem)....314ȱ 12.2.2ȱRegulationsanforderungen .........................................315ȱ 12.2.3ȱRegulationsmöglichkeiten ..........................................316ȱ 12.2.4ȱStrategienȱderȱEmotionsregulation............................317ȱ 12.2.5ȱZwischenfazit ...............................................................317ȱ 12.3ȱ VorliegendeȱBefundeȱzurȱEmotionsregulationȱvonȱ Lehrkräften............................................................................318ȱ
17ȱ
Inhaltsverzeichnis
12.3.1ȱRegulationsanforderungenȱanȱLehrkräfte ................319ȱ 12.3.2ȱDisplayȱRulesȱundȱRegulationsmöglichkeiten.........321ȱ 12.3.3ȱRegulationsprobleme...................................................321ȱ 12.3.4ȱStrategienȱundȱTechnikenȱȱ derȱEmotionsregulation...............................................322ȱ 12.3.5ȱZusammenhängeȱzwischenȱȱ EmotionsregulationȱundȱGesundheit ........................323ȱ 12.3.6ȱSituationsabhängigkeitȱderȱeingesetztenȱȱ Techniken ......................................................................324ȱ 12.4ȱ Ausblick .................................................................................327ȱ 12.4.1ȱEmotionsarbeitȱalsȱBestandteilȱdesȱȱ professionellenȱBerufsbildesȱundȱderȱPersonalȬȱȱ undȱOrganisationsentwicklung..................................327ȱ 12.4.2ȱForschungsstrategie:ȱEinȱPlädoyerȱfürȱdieȱȱ BetrachtungȱvonȱProzessen,ȱkonkretenȱȱ TechnikenȱderȱEmotionsregulationȱundȱderenȱ Situationsabhängigkeit................................................329ȱ 12.5ȱ Literatur .................................................................................331ȱ ȱ Kapitelȱ13ȱ DienstunfähigkeitȱvonȱLehrerinnenȱundȱLehrernȱimȱSpiegelȱ personalärztlicherȱGutachtenȱȱȱ EvaȱBambergȱundȱPamelaȱOstendorf..................................................335ȱ 13.1ȱ Einleitung ..............................................................................337ȱ 13.2ȱ StresstheoretischeȱGrundlagen ...........................................338ȱ 13.3ȱ SozialeȱBeziehungen.............................................................343ȱ 13.4ȱ ArbeitȱundȱGesundheitȱbeiȱLehrerinnenȱundȱLehrern ....345ȱ 13.5ȱ DieȱUntersuchung ................................................................348ȱ 13.6ȱ Ergebnisse..............................................................................349ȱ 13.6.1ȱSituativeȱRessourcen....................................................350ȱ 13.6.2ȱSozialeȱRessourcen.......................................................351ȱ 13.6.3ȱPersonaleȱRessourcen ..................................................351ȱ 13.6.4ȱStressorenȱderȱArbeitssituation ..................................351ȱ 13.6.5ȱSozialeȱStressoren.........................................................352ȱ 13.6.6ȱDiskrepanzȱSituationȱ–ȱPerson ...................................353ȱ 13.6.7ȱRisikofaktorenȱ–ȱBezugȱArbeitstätigkeit ...................354ȱ 13.6.8ȱRisikofaktorenȱ–ȱBezugȱeingeschränkteȱ Leistungsfähigkeit........................................................354ȱ
18ȱ
Inhaltsverzeichnis
13.7ȱ ZusammenfassungȱundȱFazit .............................................355ȱ 13.7.1ȱPersonalärztlicheȱGutachtenȱalsȱȱ Informationsquelle.......................................................355ȱ 13.7.2ȱDieȱKategorien..............................................................356ȱ 13.7.3ȱDieȱBedeutungȱsozialerȱBeziehungen .......................357ȱ 13.7.4ȱDerȱStellenwertȱbedingungsbezogenerȱFaktoren ....358ȱ 13.7.5ȱ(MissȬ)Verhältnisȱvonȱsituativenȱundȱȱ personalenȱBedingungen ............................................358ȱ 13.7.6ȱEinschränkungenȱderȱLeistungsfähigkeit .................359ȱ 13.7.7ȱSchlussfolgerungenȱfürȱpraktischeȱMaßnahmen .....359ȱ 13.8ȱ Literatur .................................................................................360ȱ ȱ Kapitelȱ14ȱ EinzelkämpferȱoderȱTeamplayer?ȱȱ SozialeȱArbeitsbedingungenȱanȱSchulenȱȱȱ SebastianȱStegmann ...........................................................................365ȱ 14.1ȱ Einleitung ..............................................................................367ȱ 14.2ȱ BisherigeȱErkenntnisseȱzuȱsozialenȱȱ ArbeitsbedingungenȱanȱSchulen ........................................368ȱ 14.3ȱ WasȱsindȱeigentlichȱsozialeȱArbeitsbedingungen?...........372ȱ 14.3.1ȱSozialerȱEinflussȱdurchȱIdentifikation.......................373ȱ 14.3.2ȱSozialerȱEinflussȱdurchȱInterdependenz...................375ȱ 14.4ȱ WieȱsehenȱsozialeȱArbeitsbedingungenȱanȱȱ deutschenȱSchulenȱaus? .......................................................377ȱ 14.5ȱ Fazit ........................................................................................381ȱ 14.6ȱ Literatur .................................................................................382ȱ ȱ Autorenverzeichnis...............................................................................387ȱ ȱ
19ȱ
Einleitung: Was ist eine gute Schule?
1.1
Einleitung: Was ist eine gute Schule?
1.1
1
Dieȱ SchulevaluationsȬȱ undȱ Schulentwicklungsforschungȱ versuchtȱ dieȱ Frage,ȱ wasȱ eineȱ guteȱ Schuleȱ istȱ undȱ wieȱ eineȱ Schuleȱ zuȱ einerȱ gutenȱSchuleȱwird,ȱimȱRahmenȱvonȱzweiȱgrundlegendȱunterschiedliȬ chenȱAnsätzenȱzuȱbeantworten.ȱ a)ȱ Derȱ erste,ȱ inȱ derȱ Forschungȱ undȱ Praxisȱ weitȱ verbreiteteȱ Ansatzȱ verstehtȱSchulenȱrationalȱundȱabstraktȱalsȱinȱsichȱabgegrenzteȱInstiȬ tutionen,ȱ welcheȱ nachȱ allgemeinȱ gültigen,ȱ vorgegebenȱ Standardsȱ undȱLehrplänenȱstrukturiertȱundȱgeleitetȱwerdenȱmüssenȱundȱkönȬ nen.ȱDieȱAufgabeȱderȱSchulentwicklungsforschungȱwirdȱdabeiȱdarinȱ gesehen,ȱ imȱSinneȱdesȱScientificȱ Managementȱ (vgl.ȱUlich,ȱ2005)ȱdieȱ allgemeinȱgültigenȱVorgabenȱbzw.ȱKriterienȱzuȱermitteln,ȱwelcheȱdieȱ Effektivitätȱ undȱ Effizienzȱ derȱ Schuleȱ gewährleisten.ȱ Vertretenȱ wirdȱ dieserȱAnsatzȱ z.B.ȱ vonȱ derȱ traditionellenȱ „Schoolȱ Effectiveness“Ȭȱ undȱ „SchoolȱImprovement“ȬForschungȱ(vgl.ȱvanȱDick,ȱWagner,ȱStellmacherȱ &ȱChrist,ȱ2001;ȱHuber,ȱ1999;ȱWenzel,ȱ2004).ȱDerȱVorteilȱdiesesȱAnsatȬ zesȱ wirdȱ darinȱ gesehen,ȱ dassȱ erȱ einerseitsȱ klareȱ PlanȬȱ bzw.ȱ SollȬ Vorgabenȱ fürȱ dieȱ imȱ wahrstenȱ Sinneȱ desȱ Wortesȱ „normale“ȱ Schuleȱ festlegt,ȱandererseitsȱdieȱEntwicklungȱvonȱEvaluationsinstrumentenȱ ermöglicht,ȱmitȱdenenȱsichȱdieȱaktuelleȱ„Qualität“ȱeinerȱSchuleȱauchȱ externȱüberprüfenȱundȱAbweichungenȱvonȱdenȱVorgabenȱermittelnȱ lassen.ȱ Problematischȱ istȱ ausȱ arbeitsȬȱ undȱ organisationspsychologiȬ scherȱ Sichtȱ zuȱ werten,ȱ dassȱ dabeiȱ nahezuȱ zwangsläufigȱ einȱ DefizitȬ modellȱdesȱMenschen,ȱd.h.ȱderȱLehrkräfte,ȱKollegienȱundȱLeitungenȱinȱ denȱ Schulen,ȱ impliziertȱ wird.ȱ Dieseȱ sind,ȱ wieȱ Evaluationsstudienȱ immerȱ wiederȱ belegen,ȱ offenbarȱ kaumȱ inȱ derȱ Lage,ȱ dieȱ Standardsȱ derȱ „normalen“ȱ Schuleȱ einzuhalten.ȱ Dieȱ LehrergesundheitsforȬ schungȱzeigtȱallerdings,ȱdassȱdieȱexterneȱVorgabeȱvonȱEffektivitätsȬȱ undȱ Effizienzkriterienȱ ohneȱ Berücksichtigungȱ derȱ konkretenȱ BeȬ lastungsȬȱ undȱ Ressourcensituationȱ dieȱ Lehrkräfteȱ aufȱ dieȱ Dauerȱ inȱ spezifischerȱWeiseȱüberfordertȱundȱauslaugt,ȱwieȱdieȱsehrȱhoheȱZahlȱ vonȱ krankheitsbedingtenȱ Frühpensionierungenȱ undȱ BurnoutȬ ErkrankungenȱvonȱLehrkräftenȱbelegtȱ(Rudow,ȱ1994;ȱKrause,ȱ2003). ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱ 1ȱȱ Ichȱ widmeȱ diesenȱ Beitragȱ Eberhardȱ Ulich,ȱ derȱ michȱ lehrte,ȱ soziotechnischeȱ ZuȬ
sammenhängeȱzuȱerkennenȱundȱzuȱverstehen.ȱ
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1
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Schulen als soziotechnische Systeme
b)ȱDerȱzweite,ȱinȱderȱForschungȱundȱPraxisȱwenigerȱverbreiteteȱAnȬ satzȱ betrachtetȱ Schulenȱ eherȱ pragmatischȱ undȱ ausȱ derȱ Erfahrungȱ herausȱ alsȱ offeneȱ undȱ komplexeȱ Systeme,ȱ welcheȱ sichȱ anȱ vielfältiȬ gen,ȱ oftȱ widersprüchlichenȱ Rahmenbedingungenȱ undȱ begrenztenȱ Ressourcenȱ orientierenȱ müssen.ȱ Derenȱ Dynamikȱ verursachtȱ Schwankungen,ȱStörungenȱundȱSpannungen,ȱwelcheȱdieȱLehrkräfteȱ undȱ Schulleitungenȱ zwingen,ȱ sehrȱ vielȱ Energieȱ undȱ Ressourcenȱ aufzubringen,ȱ umȱ ihreȱAuswirkungenȱ aufȱ denȱ Unterrichtȱ undȱ denȱ Schulbetriebȱzuȱpuffernȱundȱauszugleichen.ȱDieȱSchwankungenȱundȱ Störungenȱ bringenȱ einȱ hohesȱ Maßȱ anȱ Belastungenȱ mitȱ sich,ȱ welcheȱ nebenȱ derȱ Erfüllungȱ derȱ eigentlichenȱAufgabenȱ zuȱ verkraftenȱ sind.ȱ DasȱProblemȱderȱ(psychischen)ȱBelastungȱderȱLehrkräfteȱwirdȱdaherȱ nichtȱ primärȱ inȱ denȱ (zuȱ hohen)ȱ Anforderungenȱ desȱ „normalen“ȱ SchulȬȱ undȱ Unterrichtsbetriebsȱ gesehenȱ (derȱ sog.ȱ „Primäraufgabe“ȱ derȱ Schule),ȱ sondernȱ vielmehrȱ inȱ denȱ Aufwendungenȱ dafür,ȱ dieȱ Voraussetzungenȱ fürȱ einenȱ „normalen“ȱ SchulȬȱ undȱ UnterrichtsbeȬ triebȱüberhauptȱerstȱzuȱschaffenȱ(d.h.ȱfürȱdieȱsog.ȱ„SekundäraufgaȬ ben“).ȱ Alsȱ Vertreterȱ diesesȱ Ansatzesȱ istȱ dieȱ Forschungȱ zurȱ „gutenȱ gesundenȱSchule“ȱ(HealthȱPromotingȱSchool;ȱvgl.ȱPaulus,ȱ2003;ȱBuȬ chen,ȱHorsterȱ&ȱRolff,ȱ1999)ȱzuȱsehen.ȱAllerdingsȱistȱdieseȱnochȱeherȱ programmatischȱ ausgerichtetȱ undȱ postuliert,ȱ dassȱ nebenȱ derȱ EffekȬ tivitätȱundȱEffizienzȱdesȱUnterrichtsȱundȱdesȱSchulbetriebsȱauchȱdieȱ Gesundheitȱ nichtȱ nurȱ derȱ Schüler,ȱ sondernȱ auchȱ derȱ Lehrkräfte,ȱ berücksichtigtȱ werdenȱ müsse.ȱ Dieȱ Stärkeȱ diesesȱ Ansatzesȱ liegtȱ ausȱ arbeitsȬȱ undȱ organisationspsychologischerȱ Sichtȱ darin,ȱ dassȱ erȱ vonȱ einemȱ Ressourcenmodellȱ desȱ Menschenȱ ausgeht,ȱ d.h.ȱ einerseitsȱ dieȱ Fähigkeitȱ desȱ Menschenȱzuȱ Flexibilitätȱundȱ Kreativitätȱ herausstellt,ȱ andererseitsȱ dieseȱ Ressourceȱ alsȱ begrenztȱ erachtet.ȱ Zielȱ istȱ nichtȱ mehrȱdieȱKonzeptionȱderȱ„normalen“ȱSchule,ȱsondernȱeinerȱSchule,ȱ inȱ welcherȱ dieȱ menschlichenȱ Fähigkeitenȱ undȱ Bedürfnisseȱ vonȱ denȱ BetroffenenȱfortwährendȱmitȱdenȱformalenȱVorgabenȱderȱBildungsȬ planungȱ undȱ denȱ Erwartungenȱ derȱ Schulbehörden,ȱ Elternȱ undȱ Schülerȱ abgestimmtȱ werden.ȱ Dieȱ Aufgabeȱ derȱ SchulentwicklungsȬ forschungȱbestehtȱdabeiȱnichtȱdarin,ȱNormvorgabenȱzuȱentwickeln,ȱ sondernȱ eigentlichȱ imȱ Gegenteilȱ darin,ȱ GestaltungsȬȱ undȱ HandȬ lungsspielräumeȱ aufzuzeigen,ȱ welcheȱ fürȱ denȱ SchulȬȱ undȱ UnterȬ richtsbetriebȱ autonomȱ nutzbarȱ sind.ȱ Eineȱ „gute“ȱ Schuleȱ istȱ somitȱ eineȱinȱsichȱstimmige,ȱgutȱausbalancierteȱundȱmitȱihrenȱRahmenbeȬ dingungenȱ optimalȱ abgestimmteȱ Schule.ȱ Unklarȱ bleibtȱ inȱ diesemȱ eherȱ prozessorientiertenȱSchulentwicklungskonzept,ȱ wasȱgenauȱ dieȱ
Die Grundzüge des soziotechnischen Systemansatzes
1.2
EffektivitätȱundȱEffizienzȱderȱSchuleȱundȱderȱLehrkräfteȱeinschränktȱ undȱdieȱhoheȱBelastungȱderȱLehrkräfteȱverursacht.ȱ Mitȱ demȱ soziotechnischenȱ Systemansatzȱ verfügtȱ dieȱ ArbeitsȬȱ undȱ Organisationspsychologieȱ überȱ einenȱ konzeptuellenȱ undȱ methodiȬ schenȱOrientierungsrahmen,ȱderȱdieȱaufgeworfenenȱFragenȱundȱdieȱ eherȱuntergründigenȱQuellenȱderȱBelastungȱderȱLehrkräfteȱaufzudeȬ ckenȱvermagȱ(vgl.ȱSchüpbachȱ&ȱZölch,ȱ2004;ȱUlich,ȱ2005).ȱErȱistȱzuȬ demȱinȱhohemȱMaßeȱvereinbarȱmitȱdenȱinȱDeutschlandȱverbreitetenȱ Programmenȱ zurȱ „Innerenȱ Schulentwicklungȱ (ISE)“.ȱ Allerdingsȱ wurdeȱ derȱ soziotechnischeȱ Systemansatzȱ ursprünglichȱ imȱ Rahmenȱ vonȱ Industrieprojektenȱ entwickeltȱ undȱ überprüft.ȱ Eineȱ unkritischeȱ ÜbertragungȱaufȱdieȱSchuleȱwäreȱdaherȱproblematisch.ȱȱ DieserȱBeitragȱzieltȱdaraufȱab,ȱdieȱkonzeptuellenȱundȱmethodischenȱ Grundzügeȱ desȱ soziotechnischenȱ Systemansatzesȱ darzustellenȱ undȱ derenȱ Übertragbarkeitȱ aufȱ dieȱ Schuleȱ bzw.ȱ aufȱ dieȱ Schulevaluationȱ undȱSchulentwicklungȱkritischȱzuȱdiskutieren.ȱDabeiȱverfolgtȱerȱeinȱ zweifachesȱInteresse:ȱZumȱeinenȱsollȱausȱarbeitsȬȱundȱorganisationsȬ psychologischerȱ Sichtȱ dieȱ Weiterentwicklungȱ desȱ soziotechnischenȱ Systemansatzesȱ vorangebrachtȱ werden.ȱ Zumȱ anderenȱ kannȱ dieȱ Schuleȱ vonȱ dieserȱ praxisorientiertenȱ Feldforschungȱ profitieren,ȱ inȬ demȱ sieȱ fundierteȱ Datenȱ zurȱ Klärungȱ derȱ Fragenȱ erhält,ȱ woȱ einerȬ seitsȱ dieȱ psychologischȱ kritischenȱ Probleme,ȱ woȱ andererseitsȱ ResȬ sourcenȱ undȱ Potentialeȱ fürȱ derenȱ Bewältigungȱ liegenȱ undȱ welcheȱ OptionenȱfürȱdieȱSchulentwicklungȱsichȱdarausȱableitenȱlassen.ȱȱ
1.2
Die Grundzüge des soziotechnischen Systemansatzes
1.2.1
Der fachhistorische Hintergrund
Ausgangspunktȱ derȱ Entwicklungȱ desȱ soziotechnischenȱ SystemanȬ satzesȱwarenȱAufsehenȱerregendeȱStudienȱimȱenglischenȱKohlebergȬ bauȱ (vgl.ȱ dieȱ ausführlichenȱ Darstellungenȱ beiȱ Cherns,ȱ 1989;ȱ vanȱ Eijnatten,ȱ 1998;ȱ Emery,ȱ 1978;ȱ Sydow,ȱ 1985;ȱ Ulich,ȱ 2005).ȱ Nachȱ derȱ VerstaatlichungȱdesȱKohlebergbausȱinȱGroßbritannienȱinȱderȱNachȬ kriegszeitȱ warȱ sehrȱ vielȱ Geldȱ inȱ dieȱ technischeȱ Entwicklungȱ undȱ Erprobungȱ desȱ sog.ȱ „Longwallȱ Systems“ȱ investiertȱ worden.ȱ Dieȱ ErȬ
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1
Schulen als soziotechnische Systeme
gebnisseȱ warenȱ enttäuschend.ȱ Dieȱ Produktivitätȱ fielȱ wesentlichȱ geȬ ringerȱ ausȱ alsȱ erwartet,ȱ hoheȱ AbsentismusȬȱ undȱ Fluktuationsratenȱ sowieȱ eineȱ „Verringerungȱ derȱ Arbeitsmoral“ȱ wurdenȱ verzeichnet.ȱ DieȱverantwortlichenȱIngenieureȱfandenȱdafürȱkeineȱErklärung.ȱEricȱ Tristȱ alsȱ Sozialwissenschaftlerȱ undȱ Kenȱ Bamforthȱ alsȱ ehemaligerȱ Bergmann,ȱwelcheȱalsȱExpertenȱbeigezogenȱwurden,ȱinterpretiertenȱ dieȱBefundeȱwieȱfolgtȱ(nachȱCherns,ȱ1989,ȱS.ȱ483f):ȱ„Untertagearbeitȱ istȱ wegenȱ derȱ Sensibilitätȱ undȱ Unvorhersehbarkeitȱ derȱ Umgebungȱ gefährlich.ȱ Dasȱ abzubauendeȱ Rohmaterial,ȱ derȱ Kohleflöz,ȱ verhältȱ sichȱ unterschiedlich.ȱ Ständigȱ sindȱ unerwarteteȱ Schwierigkeitenȱ zuȱ erwarten.ȱ (…)ȱ WertvollsteȱStützeȱistȱ dasȱ Vertrauenȱinȱ dieȱ ZuverläsȬ sigkeitȱ derȱ Kollegenȱ (…)ȱ inȱ derȱ Arbeitsgruppe“.ȱ Imȱ altenȱ Systemȱ (ShortwallȱSystem)ȱhatteȱdieȱArbeitsgruppeȱausȱzweiȱbisȱsechsȱBergȬ leutenȱ bestanden,ȱ welcheȱ ihreȱ Löhneȱ untereinanderȱ imȱ gleichenȱ Verhältnisȱ teilten.ȱ Sieȱ arbeitetenȱ inȱ verschiedenenȱ Schichten,ȱ aberȱ immerȱ amȱ selbenȱ Ortȱ undȱ warenȱfürȱ dieȱ gesamteȱ Bergbautätigkeit,ȱ bestehendȱausȱAbbau,ȱBeladenȱderȱLoreȱundȱTransportȱverantwortȬ lich.ȱ Nachȱderȱ LongwallȬMethodeȱ wurdeȱ jederȱ Teilȱ dieserȱ Tätigkeitȱ einerȱ speziellenȱ Schichtȱ zugewiesen.ȱ Dadurchȱ wurdeȱ dasȱ sozialeȱ Unterstützungssystem,ȱwelchesȱfrüherȱzurȱVerringerungȱdesȱAngstȬ niveausȱbeigetragenȱhatte,ȱzerstückeltȱ(Cherns,ȱ1989,ȱS.ȱ484).ȱ Mitȱ ihrerȱ Interpretationȱ derȱ Befundeȱ entwickeltenȱ Tristȱ undȱ BamȬ forthȱ (1951)ȱ nichtȱ eineȱ neueȱ Theorie,ȱ sondernȱ eherȱ eineȱ neueȱ BeȬ trachtungsweiseȱ derȱ Strukturenȱ undȱ Wechselwirkungȱ vonȱ Menschȱ undȱArbeitssystem.ȱSieȱprägtenȱdafürȱdenȱBegriffȱdesȱ„soziotechniȬ schenȱSystems“.ȱȱ Derȱ soziotechnischeȱ Systemansatzȱ lässtȱ sichȱ aufȱ vierȱ GrundannahȬ menȱ zusammenfassen,ȱ welcheȱ nochȱ ausführlicherȱ dargestelltȱ undȱ begründetȱwerden:ȱ 1. Alsȱ soziotechnischeȱ Systemeȱ werdenȱ komplexeȱ Arbeitssystemeȱ bezeichnet,ȱ inȱ welchenȱ einerseitsȱ technischȬtechnologischeȱ (d.h.ȱ technischeȱ Einrichtungenȱ sowieȱ formaleȱ Strukturenȱ undȱ VorgaȬ ben),ȱ andererseitsȱ sozialeȱ (d.h.ȱ Menschenȱ undȱ Arbeitsgruppenȱ sowieȱinformelleȱStrukturen)ȱTeilsystemeȱbeiȱderȱErfüllungȱeinerȱ Aufgabeȱ zusammenwirken.ȱ Soziotechnischeȱ Systemeȱ werdenȱ zudemȱ alsȱ offeneȱ Arbeitssystemeȱ verstanden,ȱ welcheȱ sehrȱ empȬ findlichȱaufȱ„Turbulenzen“ȱinȱdenȱUmfeldernȱreagierenȱmüssen.ȱȱ
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Die Grundzüge des soziotechnischen Systemansatzes
1.2
2. TurbulenzenȱkönnenȱinȱdenȱArbeitsabläufenȱSchwankungenȱundȱ Störungenȱverursachen,ȱwelcheȱsichȱaufȱdasȱgesamteȱArbeitssysȬ temȱ ausbreiten.ȱ Dieȱ technischȬtechnologischenȱ Komponentenȱ sindȱ kaumȱ inȱ derȱ Lage,ȱ aufȱ dieȱ Turbulenzenȱ zuȱ reagieren.ȱ Sieȱȱȱȱȱ übertragenȱ undȱ verstärkenȱ dieȱ damitȱ verbundenenȱ SchwankunȬ genȱ undȱ Störungenȱ eher.ȱ Aufȱ dasȱ sozialeȱ Teilsystemȱ bzw.ȱ dieȱ MenschenȱwirkenȱdieseȱSchwankungenȱundȱStörungenȱeinerseitsȱ bedrohlichȱ undȱ belastend,ȱ andererseitsȱ könnenȱ sieȱ sichȱ ihnenȱ nichtȱ entziehen.ȱ Esȱ gehörtȱ vielmehrȱ zuȱ ihrenȱAufgaben,ȱ sichȱ ihȬ nenȱzuȱstellen,ȱdaraufȱflexibelȱzuȱreagierenȱundȱdieȱErfüllungȱderȱ AufgabenȱtrotzȱihresȱAuftretensȱzuȱgewährleisten.ȱ 3. Ausȱ demȱ technischȬtechnologischenȱ Umfeldȱ undȱ Teilsystemȱ erȬ gebenȱsichȱzwarȱfürȱdasȱsozialeȱTeilsystemȱunumgänglicheȱRahȬ menbedingungen.ȱ Dieseȱ determinierenȱ dieȱ sozialenȱ Strukturenȱ undȱAbläufeȱjedochȱnichtȱzwingend,ȱsondernȱlassenȱinȱderȱRegelȱ GestaltungsȬȱ undȱ Handlungsspielräumeȱ fürȱ flexiblesȱ undȱ autoȬ nomesȱ Handelnȱ offen,ȱ dieȱ esȱ zuȱ erkennenȱ undȱ zuȱ nutzenȱ giltȱ (TechnologieȱalsȱOption;ȱvgl.ȱUlich,ȱ2005).ȱ 4. Selbstregulationȱ inȱ teilautonomenȱ Arbeitsgruppenȱ ermöglichtȱ einerseitsȱ einȱ flexiblesȱ Auffangenȱ undȱ Puffernȱ derȱ SchwankunȬ genȱundȱStörungenȱimȱSystem,ȱandererseitsȱunterstütztȱesȱdieȱarȬ beitendenȱMenschenȱdabei,ȱdieȱdamitȱverbundenenȱpsychischenȱ BelastungenȱundȱBeanspruchungenȱbesserȱzuȱbewältigenȱundȱzuȱ verkraften.ȱ
1.2.2
Theoretische Fundierung des soziotechnischen Systemansatzes
Vermutlichȱ wegenȱ seinemȱ ganzheitlichenȱ Ansatzȱ sowieȱ seinerȱ pragmatischenȱ Entwicklungȱ istȱ dieȱ theoretischeȱ Fundierungȱ desȱ soziotechnischenȱ Systemansatzesȱ insgesamtȱ vageȱ undȱ offenȱ geblieȬ ben:ȱ„TheȱconceptȱofȱsocioȬtechnicalȱsystemsȱinvokesȱaȱbodyȱofȱsubȬ ordinateȱ conceptsȱ andȱ hypothesesȱ toȱ describeȱ andȱ explainȱ theȱ beȬ haviourȱ ofȱ enterprisesȱ andȱ theirȱ members.ȱ (…)ȱ Thereȱ isȱ noȱ singleȱ bodyȱ ofȱ conceptsȱ thatȱ canȱ claimȱ toȱ beȱ theȱ theoryȱ ofȱ socioȬtechnicalȱ systems“ȱ(Emery,ȱ1993,ȱS.ȱ160;ȱvgl.ȱdazuȱkritischȱSydow,ȱ1985).ȱȱ
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1
Schulen als soziotechnische Systeme
Inȱ einemȱ weiterenȱ Sinnȱ derȱ theoretischenȱ Klassifikationȱ lässtȱ sichȱ derȱ soziotechnischeȱ Systemansatzȱ amȱ ehestenȱ denȱ KontingenzȬȱ undȱ Konsistenzansätzenȱ zurechnenȱ (Mintzberg,ȱ 1979;ȱ vgl.ȱ Staehle,ȱ 1994).ȱ DieȱGrundaussageȱdieserȱAnsätzeȱlautet,ȱdassȱesȱfürȱdieȱGestaltungȱ vonȱ Arbeitssystemenȱ –ȱ vorȱ allemȱ desȱ technischȬtechnologischenȱ Teilsystemsȱ –ȱ keineȱ verallgemeinerbarȱ besteȱ Varianteȱ gibt,ȱ sondernȱ dassȱdieȱentscheidendeȱGestaltungsȬȱundȱManagementaufgabeȱdarȬ inȱ besteht,ȱ dasȱ Systemȱ inȱ sichȱ konsistentȱ undȱ nachȱ außenȱ hinȱ konȬ tingentȱzuȱgestalten.ȱEinȱBeispielȱeinesȱkonkretȱamȱsoziotechnischenȱ Systemansatzȱ orientiertenȱ Versuchs,ȱ dieȱ relevantenȱ Variablenȱ undȱ derenȱ Kontingenzenȱ zuȱ bestimmen,ȱ stammtȱ vonȱ Cummingsȱ undȱ Blumbergȱ(1987;ȱvgl.ȱUlich,ȱ2005).ȱ Theoretischȱ undȱ methodischȱ weiterführendȱ fürȱ denȱ soziotechniȬ schenȱ Systemansatzȱ inȱ derȱ ArbeitsȬȱ undȱ Organisationspsychologieȱ warȱ vorȱ allemȱ dessenȱ Verbindungȱ mitȱ tätigkeitspsychologischenȱ Konzepten,ȱspeziellȱauchȱderȱHandlungsregulationstheorie.ȱFürȱdieȱ psychologischeȱ Arbeitsanalyseȱ ergabȱ sichȱ darausȱ dieȱ Verbindungȱ derȱ soziotechnischenȱ Systemanalyseȱ mitȱ Verfahrenȱ derȱ psychologiȬ schenȱTätigkeitsanalyseȱ(vgl.ȱUlich,ȱ2005;ȱSchüpbachȱ&ȱZölch,ȱ2004).ȱ Alsȱ zentralesȱ Bindegliedȱ zwischenȱ denȱ objektivenȱ Bedingungenȱ imȱ soziotechnischenȱSystemȱundȱderȱindividuellenȱTätigkeitȱerwiesȱsichȱ dabeiȱ inȱ vielenȱ Studienȱ derȱ Tätigkeitsspielraum,ȱ denȱ Ulichȱ inȱ denȱ Grundzügenȱ bereitsȱ 1972ȱ inȱ dieȱ Diskussionȱ einführtȱ hatteȱ (vgl.ȱȱȱ Ulich,ȱ 2005).ȱ „Derȱ Tätigkeitsspielraumȱ istȱ einȱ mehrdimensionalesȱ Konstrukt,ȱ dasȱ sichȱ ausȱ demȱ HandlungsȬ,ȱ demȱ GestaltungsȬȱ undȱ demȱ Entscheidungsspielraumȱ zusammensetzt“ȱ (ebd.,ȱ S.ȱ 183)ȱ undȱ dasȱinsgesamtȱdieȱimȱsoziotechnischenȱSystemȱmöglicheȱFlexibilität,ȱ Variabilitätȱ undȱ Autonomieȱ kennzeichnet.ȱ Tätigkeitsspielräumeȱ werdenȱ vonȱ denȱ Arbeitendenȱ nichtȱ notwendigerweiseȱ vollumȬ fänglichȱerkanntȱ(Hacker,ȱ1998,ȱS.ȱ124ff).ȱUmgekehrtȱkönnenȱHandȬ lungsȬ,ȱ GestaltungsȬȱ undȱ Entscheidungsmöglichkeitenȱ subjektivȱ wahrgenommenȱ werden,ȱ welcheȱ sichȱ inȱ derȱ soziotechnischenȱ SysȬ temanalyseȱ nichtȱ inȱ gleichemȱ Maßeȱ objektivierenȱ lassen.ȱ Dieȱ KläȬ rungȱ desȱ Verhältnissesȱ bzw.ȱ dasȱAufdeckenȱ undȱ Erklärenȱ vonȱ DisȬ krepanzenȱ zwischenȱ einerseitsȱ objektivȱ vorhandenen,ȱ andererseitsȱ subjektivȱ wahrgenommenenȱ undȱ genutztenȱ Tätigkeitsspielräumenȱ gehörtȱ daherȱ zuȱ denȱ zentralenȱ Anliegenȱ derȱ soziotechnischenȱ SysȬ temanalyseȱ undȱ derȱ psychologischenȱ Arbeitstätigkeitsanalyseȱ (Schüpbachȱ&ȱZölch,ȱ2004).ȱ
28ȱ
Die Grundzüge des soziotechnischen Systemansatzes
1.2.3
1.2
Merkmale soziotechnischer Systeme und deren Übertragbarkeit auf Schulen
Tristȱ undȱ Bamforthȱ sowieȱ ihreȱ Kollegenȱ amȱ Tavistockȱ Instituteȱ forȱ Humanȱ Relationsȱ inȱ London,ȱ welcheȱ dieȱ Studienȱ imȱ Kohlebergbauȱ durchführten,ȱ leitetenȱ ausȱ ihrenȱ Erfahrungenȱ einigeȱ Erkenntnisseȱ ab,ȱ welcheȱ nichtȱ nurȱ fürȱ industrielleȱ Arbeitsumgebungen,ȱ sondernȱ auchȱ fürȱ dasȱ Verständnisȱ derȱ psychologischenȱ Tiefenstrukturȱ vonȱ Schulenȱbedeutsamȱseinȱkönnen.ȱȱ 1. Soziotechnischeȱ Systemeȱ sindȱ komplexeȱ undȱ offeneȱ Arbeitssysteme,ȱ inȱ denenȱunvorhersehbareȱSchwankungenȱundȱStörungenȱauftreten.ȱ Inȱ vielenȱ Arbeitssystemenȱ tretenȱ oftȱ kaumȱ vorhersehbareȱ undȱ nurȱ schwerȱ durchschaubareȱ Schwankungenȱ undȱStörungenȱ auf,ȱ welcheȱ dieȱ Kontrolleȱ derȱArbeitsabläufeȱ erschwerenȱ undȱ eineȱ zuverlässigeȱ PlanungȱundȱSteuerungȱverunmöglichen.ȱTristȱundȱBamforthȱ(1951,ȱ S.ȱ 19)ȱ stellenȱ dazuȱ fest,ȱ dassȱ esȱ imȱ Kohlebergwerkȱ imȱ Gegensatzȱ zumȱ Industriebetriebȱ unmöglichȱ sei,ȱ „toȱ establishȱ theȱ kindȱ ofȱ conȬ stantȱ backgroundȱ toȱ theȱ taskȱ thatȱ isȱ grantedȱ inȱ theȱ factory.ȱAȱ veryȱ largeȱ varietyȱ ofȱ unfavourableȱ andȱ changingȱ environmentalȱ condiȬ tionsȱisȱencounteredȱatȱtheȱcoalȬface,ȱmanyȱofȱwhichȱareȱimpossibleȱ toȱpredict;ȱothers,ȱthoughȱpredictable,ȱareȱimpossibleȱtoȱalter”.ȱ Psychologischȱ relevantȱ ist,ȱ dassȱ derartigeȱ Umgebungenȱ dieȱ BetrofȬ fenenȱemotionalȱnichtȱ„kalt“ȱlassen,ȱsondernȱvonȱihnenȱalsȱbedrohȬ lichȱ undȱ belastendȱ empfundenȱ werden.ȱ Imȱ transaktionalenȱ StressȬ konzeptȱvonȱLazarusȱundȱLaunierȱ(1981;ȱvgl.ȱauchȱSemmerȱ&ȱUdris,ȱ 2004;ȱ Ulich,ȱ 2005;ȱ Weidenmann,ȱ 1981)ȱ wirdȱ diesesȱ untergründigeȱ Empfindungȱ vonȱ Bedrohlichkeitȱ (primaryȱ appraisal),ȱ inȱ Verbindungȱ mitȱ derȱ Unmöglichkeit,ȱ dieȱ Situationȱ zuȱ verlassenȱ oderȱ zuȱ vermeiȬ denȱ (secondaryȱ appraisal),ȱ alsȱ zentraleȱ Bedingungȱ fürȱ dasȱ Entstehenȱ vonȱ psychischemȱ Stressȱ benannt.ȱ Millerȱ undȱ Riceȱ (1971;ȱ zit.ȱ nachȱ Sydow,ȱ 1985)ȱ sprechenȱ daherȱ auchȱ vomȱ sozialenȱ Teilsystemȱ alsȱ eiȬ nemȱ„SentientȱSystem“.ȱȱ OhneȱZweifelȱfindenȱsichȱauchȱinȱSchulenȱvieleȱSchwankungenȱundȱ Störungen,ȱ welcheȱ aufȱ derenȱ Komplexitätȱ undȱ Offenheitȱ sowieȱ dieȱ Turbulenzȱ inȱ ihrenȱ Umfeldernȱ verweisen.ȱ Allerdingsȱ istȱ dieseȱ OfȬ fenheitȱ –ȱ undȱ Öffentlichkeitȱ –ȱ nichtȱ einȱ Mangel,ȱ sondernȱ eineȱ NotȬ wendigkeitȱ undȱ Teilȱ desȱ Auftragsȱ derȱ Schule.ȱ Schwankungenȱ undȱ StörungenȱalsȱFolgeȱvielfältiger,ȱoftȱwidersprüchlicher,ȱunerwarteter,ȱ
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Schulen als soziotechnische Systeme
sichȱ raschȱ verändernderȱ situativerȱ Bedingungenȱ undȱ Erwartungenȱ müssenȱ inȱ Schulenȱ alsȱ unvermeidbarȱ angesehenȱ werden.ȱ Dieȱ notȬ wendigeȱ Offenheitȱ undȱ Responsivitätȱ gegenüberȱ vielfältigenȱ äußeȬ renȱEinflüssenȱführenȱallerdingsȱnachȱWeickȱ(1976;ȱvgl.ȱauchȱOrtonȱ &ȱ Weick,ȱ 1990;ȱ Perrow,ȱ 1984)ȱ dazu,ȱ dassȱ Schulenȱ undȱ Lehrkräfteȱ typischerweiseȱ zwarȱ vielfältige,ȱ jedochȱ nurȱ loseȱ gekoppelteȱ NetzȬ werkeȱbildenȱundȱnurȱwenigȱverbindlicheȱAbmachungenȱeingehen.ȱ DerȱGrundȱdafürȱwirdȱdarinȱgesehen,ȱdassȱVorgaben,ȱAnweisungenȱ oderȱErwartungenȱvonȱaußenȱ–ȱauchȱvonȱvorgesetztenȱSchulbehörȬ denȱoderȱSchulleitungenȱ–ȱseltenȱungebrochen,ȱsondernȱstetsȱnurȱinȱ AbwägungȱmitȱanderenȱjeweilsȱwirksamenȱBedingungenȱumgesetztȱ werdenȱkönnen.ȱPerrowȱ(1984)ȱundȱWeickȱ(1976)ȱbezeichnenȱdiesȱalsȱ looseȱ couplingȱ undȱ beschreibenȱ ihreȱ Beobachtungenȱ wieȱ folgtȱ (PerȬ row,ȱ1984,ȱS.ȱ90):ȱ„Someȱpublicȱserviceȱorganizations,ȱpublicȱschoolsȱ inȱparticular,ȱseemedȱtoȱbeȱcharacterizedȱbyȱanȱunusuallyȱlargeȱgapȱ betweenȱofficialȱprogramsȱandȱactualȱbehaviour.ȱ(…)ȱWhileȱtheȱproȬ gramsȱ andȱ goalsȱ wereȱ realȱ enough,ȱ theyȱ wereȱ onlyȱ looselyȱ conȬ nectedȱtoȱotherȱmattersȱwithȱwhichȱtheȱorganizationȱhadȱtoȱbeȱpreȬ occupated,ȱ suchȱ asȱ politicalȱ demandsȱ fromȱ theȱ environment,ȱ theȱ autonomyȱofȱprofessionalȱteachers,ȱandȱtheȱineffectiveȱmobilizationȱ ofȱparentalȱdemands”ȱ(ebd.,ȱS.ȱ90).ȱDabeiȱerscheintȱesȱsinnvoll,ȱebenȱ diesenȱ stetenȱ Abwägungsprozessȱ nichtȱ fürȱ emotionalȱ neutral,ȱ sonȬ dernȱ fürȱ konflikthaftȱ undȱ spannungsgeladen,ȱ mithinȱ potenziellȱ beȬ lastendȱzuȱhaltenȱ(Weidenmann,ȱ1981).ȱȱ 2. DasȱsozialeȱundȱdasȱtechnischeȱTeilsystemȱverhaltenȱsichȱinȱsoziotechniȬ schenȱSystemenȱzueinanderȱkomplementär.ȱ Soziotechnischeȱ Systemeȱ umfassenȱ technischeȱ undȱ sozialeȱ KompoȬ nentenȱ bzw.ȱ Teilsysteme,ȱ wobeiȱ dieȱ technischȬtechnologischenȱ Komponentenȱ nichtȱ nurȱ materiellȱ gegebenȱ sind,ȱ sondernȱ vorȱ allemȱ auchȱinȱeinemȱpsychologischenȱSinnȱaufȱdasȱsozialeȱTeilsystemȱeinȬ wirken.ȱ Tristȱ undȱ Bamforthȱ erläuternȱ diesȱ inȱ einemȱ Schlüsselsatzȱ ihrerȱ Ausführungenȱ zumȱ soziotechnischenȱ Systemverständnisȱ wieȱ folgt:ȱ „Theȱ longwallȱ methodȱ willȱ beȱ regardedȱ asȱ aȱ technologicalȱ systemȱ (…)ȱ andȱ asȱ aȱ socialȱ structureȱ consistingȱ ofȱ theȱ occupationalȱ rolesȱ thatȱ haveȱ beenȱ institutionalizedȱ inȱ itsȱ use.ȱ Theseȱ interactiveȱ technologicalȱ andȱ sociologicalȱ patternsȱ willȱ beȱ assumedȱ toȱ existȱ asȱ forcesȱ havingȱ psychologicalȱ effects.ȱ (…)ȱ Together,ȱ theȱ forcesȱ andȱ theirȱeffectsȱconstituteȱtheȱpsychoȬsocialȱwholeȱwhichȱisȱtheȱobjectȱofȱ
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Die Grundzüge des soziotechnischen Systemansatzes
1.2
study“ȱ (Tristȱ &ȱ Bamforth,ȱ 1951,ȱ S.ȱ 5;ȱ vgl.ȱ auchȱ Glaslȱ &ȱ Lievegoed,ȱ 1996).ȱȱ DasȱVerhältnisȱvonȱtechnischȬtechnologischenȱundȱsozialemȱTeilsysȬ temȱwirdȱoftȱmissverstanden.ȱDasȱtechnischȬtechnologischeȱTeilsysȬ temȱistȱnichtȱlediglichȱalsȱstatischeȱundȱdamitȱkalkulierbareȱ„BedinȬ gung“ȱmenschlichenȱHandelnsȱzuȱverstehen,ȱsondernȱalsȱeigenstänȬ digesȱ undȱ eigendynamischesȱ „Kräftefeld“ȱ (Emeryȱ &ȱ Trist,ȱ 1973;ȱ S.214;ȱvgl.ȱauchȱEmery,ȱ1993,ȱS.ȱ159),ȱwelchesȱimȱgünstigenȱFallȱdasȱ Handelnȱ derȱ Menschenȱ unterstütztȱ undȱ verstärkt,ȱ imȱ ungünstigenȱ Fallȱ einschränktȱ undȱ behindertȱ (Ulich,ȱ 2005).ȱ „Theȱ technologicalȱ components,ȱinȱconvertingȱinputsȱintoȱoutputs,ȱplayȱaȱmajorȱroleȱinȱ determiningȱtheȱselfȬȱregulatingȱpropertiesȱofȱanȱenterprise.ȱItȱfuncȬ tionsȱasȱoneȱofȱtheȱmajorȱboundaryȱconditionsȱofȱtheȱsocialȱsystem“ȱ (Emeryȱ&ȱTrist,ȱ1973,ȱS.214).ȱDabeiȱwirdȱderȱBegriffȱderȱTechnologieȱ inȱeinemȱzweifachenȱSinnȱverwendet.ȱEinerseitsȱsindȱdamitȱimȱengeȬ renȱ Sinnȱ Maschinen,ȱ Einrichtungenȱ undȱ Arbeitsmittelȱ gemeint,ȱ imȱ weiterenȱ Sinnȱ aberȱ auchȱ alleȱ formalenȱ Regelungenȱ undȱ Vorgaben,ȱ welcheȱ beiȱ derȱ Erfüllungȱ derȱ Arbeitsaufgabenȱ eineȱ Rolleȱ spielen.ȱ Andererseitsȱ meintȱ „Technologie“ȱ –ȱ imȱ Unterschiedȱ zuȱ „Technik“ȱ –ȱ eineȱbestimmteȱBetrachtungsweiseȱeinesȱGegenstandsbereichs.ȱEineȱ „technologische“ȱ wirdȱ dabeiȱ alsȱ gleichbedeutendȱ mitȱ einerȱ reinȱ funktionalen,ȱ abstraktenȱ Betrachtungsweiseȱ verstanden.ȱ Inȱ diesemȱ zweitenȱ Sinneȱ wirdȱ hervorgehoben,ȱ dassȱ dasȱ sozialeȱ Systemȱ nichtȱ genausoȱwieȱdasȱtechnische,ȱnämlichȱ„technoȬlogisch“ȱfunktioniert,ȱ sondernȱsichȱdazuȱkomplementärȱverhältȱ(vgl.ȱGroteȱetȱal.,ȱ1999).ȱȱ NatürlichȱfindetȱsichȱinȱSchulenȱimȱVergleichȱzuȱIndustriebetriebenȱ nurȱ wenigȱ gegenständlicheȱ Technikȱimȱ Sinneȱ vonȱ Maschinen,ȱ techȬ nischenȱAnlagenȱ oderȱ Gerätenȱ undȱ esȱwäreȱ unsinnigȱ zuȱ vermuten,ȱ dassȱ dieseȱ dieȱArbeitsabläufeȱ inȱ derȱ Schuleȱ wesentlichȱ bestimmen.ȱ Andererseitsȱ darfȱ derȱ Einflussȱ derȱ technoȬlogischenȱ Gegebenheitenȱ aufȱ dasȱ sozialeȱ Teilsystemȱ derȱ Schuleȱ nichtȱ unterschätztȱ werden.ȱ Dazuȱzählenȱz.B.ȱdieȱStundenȬȱundȱStoffpläne,ȱdieȱKlasseneinteilunȬ gen,ȱdieȱräumlichenȱGegebenheiten,ȱdieȱUnterrichtsȬȱundȱPausenzeiȬ tenȱ usw.,ȱ welcheȱ denȱ SchulȬȱ undȱ Unterrichtsbetriebȱ zunächstȱ nurȱ relativȱstarkȱreglementierenȱundȱstrukturieren.ȱAngesichtsȱderȱstarȬ kenȱTurbulenz,ȱwelcheȱvonȱdenȱhohen,ȱoftȱunvereinbarenȱErwartunȬ genȱderȱEltern,ȱSchulbehördenȱundȱderȱSchulleitung,ȱimȱUnterrichtȱ auchȱderȱSchülerȱausgehenȱundȱangesichtsȱderȱOffenheit,ȱwelcheȱdieȱ Lehrkräfteȱ gegenüberȱ dieserȱ Turbulenzȱ aufbringenȱ müssen,ȱ verȬ
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wundertȱ esȱ nicht,ȱ dassȱ dieȱ Bewältigungȱ derȱ damitȱ verbundenenȱ Schwankungen,ȱ Störungenȱ undȱ Spannungenȱ vonȱ denȱ Lehrkräftenȱ alsȱhoheȱBelastungȱempfundenȱwird,ȱwelcheȱihnenȱsehrȱvielȱEnergieȱ abverlangt.ȱ 3. DasȱtechnischeȱTeilsystemȱlässtȱGestaltungsȬȱundȱTätigkeitsspielräumeȱ fürȱeineȱautonomeȱEntwicklungȱdesȱsoziotechnischenȱSystemsȱoffen.ȱ BamforthȱstellteȱimȱRahmenȱseinerȱStudienȱfest,ȱdassȱsichȱdieȱBedinȬ gungenȱ inȱ einemȱ bestimmtenȱ Schachtȱ deutlichȱ verbesserten,ȱ nachȬ demȱdieȱKumpelȱdortȱGelegenheitȱerhaltenȱhatten,ȱdieȱArbeitseinteiȬ lungȱ selbständigȱ weiterzuentwickelnȱ (vgl.ȱ Tristȱ &ȱ Bamforth,ȱ 1951).ȱ Dieseȱ Verbesserungenȱ tratenȱ auf,ȱ obwohlȱ anȱ denȱ technischenȱ EinȬ richtungenȱ undȱ derȱ Funktionsweiseȱ desȱ LongwallȬSystemsȱ keineȱ wesentlichenȱ Veränderungenȱ vorgenommenȱ wurden.ȱ Dieȱ Forscherȱ schlossenȱdaraus,ȱdassȱdieȱTechnologieȱzwarȱeinenȱstarkenȱEinflussȱ aufȱ dieȱArbeitstätigkeitenȱ ausübte,ȱ dassȱ derȱ Umgangȱ damitȱ jedochȱ sehrȱunterschiedlichȱgestaltetȱwerdenȱkonnte.ȱDieȱTechnikȱalleinȱerȬ zwingtȱ somitȱ nichtȱ eineȱ bestimmteȱ Arbeitsorganisation,ȱ sondernȱ lässtȱ mehrȱ oderȱ wenigerȱ weiteȱ Gestaltungsspielräumeȱ undȱ –mögȬ lichkeitenȱ (organizationalȱ choices)ȱ offen.ȱAndersȱformuliert:ȱAuchȱbeiȱ sehrȱ ähnlichenȱ technischȬfunktionalenȱ Voraussetzungenȱ könnenȱ sichȱinȱsoziotechnischenȱSystemenȱsehrȱunterschiedlicheȱorganisatiȬ onaleȱundȱsozioȬkulturelleȱGegebenheitenȱentwickelnȱ(distinctivenessȱ nachȱOrtonȱ&ȱWeick,ȱ1990).ȱȱ Gumpȱ(1980)ȱbestätigtȱdieseȱBefundeȱfürȱdasȱSettingȱSchuleȱweitgeȬ hend.ȱSoȱstellteȱerȱinȱeinerȱStudieȱzumȱVerhältnisȱvonȱoffenȱgestalteȬ tenȱ Schulgebäudenȱ zurȱ Offenheitȱ vonȱ Schulprogrammenȱ fest:ȱ „21ȱ schoolsȱ varyingȱ fromȱ minimumȱ toȱ radicalȱ physicalȱ opennessȱ showedȱ noȱ significantȱ relationȱ betweenȱ originallyȱ designedȱ openȬ nessȱ andȱ aȱ measureȱ ofȱ programȱ openness“ȱ (S.ȱ 557)ȱ undȱ dieȱ Studieȱ „didȱ notȱ showȱ anyȱ advantageȱ toȱ openȱ schoolȱ childrenȱ forȱ locusȱ ofȱ control,ȱselfȬesteem,ȱorȱverbalȱorȱfiguralȱcreativity”ȱ(S.ȱ558).ȱErstȱdieȱ spezifischeȱAbstimmungȱvonȱsozialenȱGegebenheitenȱderȱSchuleȱmitȱ denȱ technisch/technologischenȱ Rahmenbedingungenȱ führteȱ zuȱ eiȬ nemȱklarenȱZusammenhang:ȱ„Aȱsignificantȱcorrelationȱshowedȱthatȱ schoolsȱwithȱtheȱmoreȱtraditionalȱprogramsȱphysicallyȱmodifiedȱtheȱ openȱ spaceȱ milieuȱ muchȱ moreȱ heavilyȱ thanȱ didȱ theȱ lessȱ traditionalȱ schools“ȱ(S.ȱ557).ȱDasȱGleicheȱgaltȱfürȱandereȱRahmenbedingungenȱ wieȱ dieȱ SchulȬȱ undȱ dieȱ Klassengrößeȱ oderȱ dieȱ sozialeȱ ZusammenȬ
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Die Grundzüge des soziotechnischen Systemansatzes
1.2
setzungȱ derȱ Schulklassen.ȱ Gumpȱ (1980)ȱ berichtetȱ überȱ eineȱ Studieȱ zurȱ Klassengröße,ȱ welcheȱ zeigte,ȱ dassȱ „densityȱ mayȱ notȱ resultȱ inȱ negativeȱsocialȱeffectsȱwhenȱtheȱfreeȱplayȱprogramȱisȱmadeȱlessȱfree“ȱ (S.ȱ 561).ȱ Diesȱ istȱ umsoȱ bemerkenswerter,ȱ alsȱ dieȱ Klassengrößeȱ inȱ Befragungenȱ alsȱ einȱ anȱ undȱ fürȱ sichȱ gewichtigerȱ Einzelfaktorȱ derȱ Lehrerbelastungȱgilt.ȱ 4. Selbstregulationȱ inȱ teilautonomenȱ Arbeitsgruppenȱ gewährleistetȱ einenȱ flexiblenȱUmgangȱmitȱSchwankungenȱundȱStörungen.ȱȱ DieȱErfahrungenȱmitȱdemȱLongwallȱSystemȱzeigten,ȱdassȱnichtȱmögȬ lichȱ war,ȱ dieȱArbeitsabläufeȱ zentralȱ zuȱ planenȱ undȱ zuȱ steuern.ȱ Einȱ dynamischesȱ Gleichgewichtȱ konnteȱ erstȱ hergestelltȱ werden,ȱ nachȬ demȱ denȱ Kumpelnȱ unterȱ Tagȱ einȱ hohesȱ Maßȱ anȱ Selbstregulationȱ zugestandenȱwurde.ȱDieȱErfahrungenȱzeigtenȱallerdingsȱauch,ȱdassȱ esȱ nichtȱ ausreichte,ȱ dieȱ Selbstregulationȱ anȱ denȱ individuellenȱ ArȬ beitsplätzenȱ zuȱ erhöhen.ȱ Erstȱ eineȱ Zusammenfassungȱ allerȱ TeilaufȬ gabenȱ zuȱ einemȱ ganzheitlichenȱ Rollensystem,ȱ welchesȱ dieȱ Kumpelȱ inȱdieȱLageȱversetzte,ȱalsȱsozialeȱEinheitȱ„geschlossen“ȱaufzutreten,ȱ erwiesȱsichȱalsȱwirksam.ȱ„Geschlossenȱauftreten“ȱmeintȱdabeiȱeinerȬ seitsȱeineȱBündelungȱderȱKräfteȱanȱderȱGrenzeȱzuȱdenȱAußensysteȬ men,ȱ andererseitsȱ eineȱflexibleȱVerteilungȱ derȱAufgabenȱ imȱ Innern.ȱ “Theȱconceptȱofȱrolesȱdoes,ȱhowever,ȱleadȱoneȱtoȱexpectȱworkersȱtoȱ experienceȱtasksȱnotȱinȱisolationȱbutȱasȱrolesȱthatȱgenerateȱaȱsenseȱofȱ dependency,ȱsubordinations,ȱselfȬworth,ȱtrust,ȱisolationȱetc.”ȱ(Emery,ȱ 1993,ȱS.ȱ170).ȱDieȱZusammenfassungȱderȱAufgabenȱderȱKumpelȱundȱ dieȱBildungȱvonȱteilautonomenȱArbeitsgruppenȱzieltenȱsomitȱdaraufȱ ab,ȱPufferȱgegenüberȱdenȱSchwankungenȱundȱStörungenȱsowieȱgeȬ genseitigeȱ Unterstützungȱ alsȱ Ressourceȱ imȱ Umgangȱ mitȱ Stressȱ zuȱ schaffen.ȱ “Taskȱ interdependenciesȱ areȱ correlatedȱ primarilyȱ toȱ roleȱ relationshipsȱ ratherȱ thanȱ toȱ interpersonalȱ relations,ȱ i.e.,ȱ socialȱ relaȬ tionsȱformedȱtoȱcopeȱwithȱtaskȱdemandsȱratherȱthanȱinformalȱsocialȱ relationsȱservingȱindividualȱends.ȱ(…)ȱWhatȱisȱrequiredȱareȱrelationsȱ inȱwhichȱworkersȱseeȱtheirȱtaskȱperformancesȱasȱmutuallyȱsupportȬ ing”ȱ(Emery,ȱ1993,ȱS.ȱ170ff).ȱ Lehrkräfteȱ geltenȱ imȱ Allgemeinenȱ eherȱ alsȱ „Einzelkämpfer“ȱ undȱ nichtȱ alsȱ Teamworkerȱ (Bauer,ȱ 2004;ȱ Schüpbach,ȱ 2004).ȱ Dabeiȱ stelltȱ sichȱdieȱFrage,ȱausȱwelchenȱBedingungenȱundȱAspektenȱderȱArbeitsȬ rolleȱderȱLehrkräfteȱsichȱderȱschulischeȱundȱpersönlicheȱNutzenȱvonȱ „Einzelkämpfertum“ȱgegenüberȱvermehrterȱZusammenarbeitȱableiȬ
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tenȱlassenȱ(vgl.ȱWegner,ȱ2005).ȱNurȱwennȱesȱgelingt,ȱdieȱsystemischeȱ Dynamikȱ derȱ Kooperationȱ undȱ Kommunikationȱ inȱ Schulenȱ aufzuȬ decken,ȱ kannȱ esȱ gelingen,ȱ Erfolgȱ versprechendeȱAnsätzeȱ fürȱ derenȱ Weiterentwicklungȱzuȱfinden.ȱ
1.3
Schulen als soziotechnische Systeme
1.3.1
Thesen zur Schule aus soziotechnischer Sicht
Dieȱ ausȱ denȱ bisherigenȱ Ausführungenȱ abgeleiteteȱ grundlegendeȱ Theseȱ zurȱ Schulevaluationȱ undȱ Ȭentwicklungȱ ausȱ soziotechnischerȱ Sichtȱ lautet,ȱ dassȱ dieȱ Lehrkräfteȱ inȱ denȱ Schulenȱ undȱ imȱ Unterrichtȱ wenigerȱ deshalbȱ unterȱ einerȱ hohenȱ Belastungȱ undȱ FehlbeanspruȬ chungȱ leiden,ȱ weilȱ sieȱ „zuȱ viel“ȱ zuȱ tunȱ haben,ȱ sondernȱ vielmehrȱ deshalb,ȱ weilȱ dieȱ heuteȱ dominierenden,ȱ technologischȱ konzipiertenȱ Schulstrukturenȱsieȱzuȱwenigȱdarinȱunterstützen,ȱmitȱderȱTurbulenzȱ undȱdenȱdamitȱverbundenenȱErschwernissenȱfertigȱzuȱwerden,ȱwelȬ cheȱsichȱausȱderȱoffenenȱSchulumgebungȱergeben.ȱDiesȱbedeutetȱimȱ Einzelnen:ȱ Theseȱ1:ȱDasȱtechnischȬtechnologischeȱTeilsystemȱderȱSchuleȱistȱstarkȱ ausgeprägt.ȱ LehrȬȱ undȱ Stundenpläne,ȱ tendenziellȱ auchȱ SchulleitunȬ genȱ (vgl.ȱ denȱ Beitragȱ vonȱ Semlingȱ &ȱ Zölch,ȱ inȱ diesemȱ Band),ȱ sindȱ zentralistischȱ strukturiertȱ undȱ weitgehendȱ anȱ Vorgabenȱ orientiert.ȱ DieȱKontrolleȱderȱHandlungsbedingungenȱistȱsomitȱtrotzȱderȱinsgeȬ samtȱhohenȱAutonomieȱderȱLehrkräfteȱimȱFalleȱvonȱSchwankungenȱ undȱStörungen.ȱeingeschränkt.ȱLooseȱCouplingȱistȱalsȱderȱindividuȬ elleȱ Versuchȱ derȱ Lehrkräfteȱ zuȱ werten,ȱ sichȱ einenȱ Teilȱ davonȱ zuȱ wahren.ȱ Theseȱ2:ȱDieȱeherȱbürokratischeȱ„TechnoȬLogik“ȱderȱformellenȱSchulȬ strukturenȱistȱnichtȱkontingentȱzuȱdenȱgesellschaftlichȬsozialenȱUmȬ feldernȱ (v.a.ȱ auchȱ denȱ Erwartungenȱ derȱ Eltern)ȱ undȱ derenȱ TurbuȬ lenz.ȱEsȱistȱfürȱdieȱLehrkräfteȱundȱKollegienȱsehrȱschwierig,ȱdieȱsichȱ darausȱergebendenȱDiskrepanzenȱundȱWidersprücheȱzuȱbewältigen.ȱȱ
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Theseȱ 3:ȱ Dieȱ „TechnoȬLogik“ȱ derȱ formellenȱ Schulstrukturenȱ gehtȱ einherȱ mitȱ einerȱ eherȱ geringȱ ausgeprägtenȱ Motivationȱ fürȱ dieȱ TeilȬ nahmeȱ anȱ gemeinsamenȱ Schulentwicklungsprojektenȱ undȱ mitȱ eiȬ
Schulen als soziotechnische Systeme
1.3
nemȱ wenigȱ ausgeprägtenȱ „Innovationsklima“.ȱ Dieȱ anȱ sichȱ vorhanȬ denenȱSpielräumeȱfürȱdieȱSchulentwicklungȱwerdenȱwenigȱgenutzt.ȱȱ Theseȱ4:ȱDieȱTendenzȱderȱLehrkräfte,ȱdenȱWiderspruchȱzwischenȱdenȱ Turbulenzenȱ inȱ ihremȱ SchulȬȱ undȱ Unterrichtsumfeldȱ (v.a.ȱ auchȱ ElȬ tern)ȱundȱdenȱVorgabenȱderȱLehrȬȱundȱStundenpläneȱ„einzelkämpȬ ferisch“ȱzuȱbewältigen,ȱführtȱdazu,ȱdassȱsieȱdieȱsubstanzielleȱEntlasȬ tungȱ undȱ dieȱ pufferndeȱ Wirkungȱ gegenseitigerȱ sozialerȱ UnterstütȬ zungȱ wenigȱ nutzen.ȱ Alsȱ dysfunktionaleȱ Folgeȱ davonȱ trittȱ Burnoutȱ alsȱ einȱ Syndromȱ vonȱ emotionalerȱ Erschöpfung,ȱ Depersonalisationȱ undȱreduzierterȱLeistungsfähigkeitȱinȱerhöhtemȱMaßeȱaufȱ(Semmerȱ &ȱUdris,ȱ2004).ȱ Inȱ derȱ SchulevaluationsȬȱ undȱ Schulentwicklungsforschungȱ wirdȱ eineȱ Vielzahlȱ vonȱ Einzelbefundenȱ berichtet,ȱ welcheȱ dieseȱ Thesenȱ stützen.ȱEinȱstringenterȱBezugȱdieserȱEinzelbefundeȱzumȱsoziotechȬ nischenȱSystemȱSchuleȱstehtȱdagegenȱnochȱaus.ȱ
1.3.2
Soziotechnische Systemanalysen in Schulen
Inȱ derȱ Literaturȱ zurȱ SchulȬȱ undȱ Unterrichtsforschungȱ findenȱ sichȱ bisherȱ keineȱ nennenswertenȱ Bestrebungen,ȱ denȱ soziotechnischenȱ Systemansatzȱ aufȱ dieȱ Schuleȱ anzuwenden.ȱ Ersteȱ Versuche,ȱ insbeȬ sondereȱ derenȱ Methodikȱ aufȱ personbezogeneȱ Dienstleistungenȱ imȱ Krankenhausȱ undȱ inȱ derȱ Arztpraxisȱ zuȱ übertragen,ȱ wurdenȱ vonȱ Manser,ȱ Thieleȱ undȱ Wehnerȱ (2003)ȱ sowieȱ vonȱ Schüpbachȱ undȱ MaȬ jumdarȱ(2003)ȱ unternommen.ȱ EineȱStudieȱ zuȱ denȱArbeitsbedingunȬ gen,ȱBelastungenȱundȱRessourcenȱvonȱLehrkräften,ȱwelcheȱsichȱmeȬ thodischȱ engȱ anȱ derȱ soziotechnischenȱ Systemanalyseȱ orientiert,ȱ leȬ genȱUlich,ȱInversiniȱundȱWülserȱ(2002)ȱvor.ȱȱ ErprobteȱVerfahrenȱoderȱInstrumenteȱzurȱsoziotechnischenȱSystemȬ analyseȱ inȱ Schulenȱ existierenȱ somitȱ beimȱ gegenwärtigenȱ Standȱ derȱ methodischenȱ Entwicklungȱ nicht.ȱ Dieȱ Pilotstudienȱ vonȱ Nordmannȱ (2000)ȱundȱPungeȱ(2002)ȱinȱRealschulenȱsowieȱvonȱSchüpbachȱ(2004)ȱ undȱ Wegnerȱ (2005)ȱ inȱ einemȱ Wirtschaftsgymnasiumȱ orientiertenȱ sichȱ methodischȱ anȱ denȱ beiȱ Strohmȱ undȱ Ulichȱ (1997),ȱ Schüpbachȱ undȱ Zölchȱ (2004)ȱ sowieȱ Ulichȱ (2005;ȱ vgl.ȱ auchȱ Ulich,ȱ Inversiniȱ &ȱ Wülser,ȱ 2002)ȱ beschriebenenȱ Verfahren.ȱ Anhandȱ derȱ Erfahrungenȱ
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1
Schulen als soziotechnische Systeme
ausȱdiesenȱStudienȱlässtȱsichȱdasȱmethodischeȱGerüstȱderȱsoziotechȬ nischenȱSystemanalyseȱinȱSchulenȱwieȱfolgtȱskizzieren:ȱ 1. Gemäßȱ ihrenȱ kontingenztheoretischenȱ Annahmenȱ istȱ dieȱ sozioȬ technischeȱ Systemanalyseȱ alsȱ Mehrebenenanalyseȱ konzipiert.ȱ DaȬ beiȱ wirdȱ analysiert,ȱ obȱ undȱ inȱ welcherȱ Formȱ dieȱ Bedingungenȱ aufȱ unterenȱ Ebenenȱ zuȱ denȱ Bedingungenȱ aufȱ denȱ übergeordneȬ tenȱEbenenȱbzw.ȱUmfeldernȱpassen.ȱBeispielsweiseȱwirdȱgeklärt,ȱ obȱdieȱTurbulenzȱinȱdenȱUmfeldernȱderȱSchuleȱmitȱdemȱGradȱderȱ Offenheitȱ derȱ Schuleȱ (alsȱ obersteȱ soziotechnischeȱ Systemebene)ȱ undȱ demȱ somitȱ erforderlichenȱ großenȱ Spielraumȱ zurȱ flexiblenȱ Bewältigungȱ derȱ Schwankungenȱ undȱ Störungenȱ übereinstimȬ men.ȱ Diesȱ giltȱ analogȱ fürȱ dieȱ verschiedenenȱ Abteilungenȱ oderȱ FachbereicheȱderȱSchuleȱ(2.ȱEbene),ȱdieȱArbeitȱinȱTeamsȱ(3.ȱEbeȬ ne)ȱ sowieȱ dieȱ Tätigkeitenȱ derȱ einzelnenȱ Lehrkräfteȱ (4.ȱ Ebene).ȱ FürȱdieȱDurchführungȱderȱDatenerhebungȱempfiehltȱesȱsich,ȱvonȱ „oben“ȱ(UmfeldȱundȱSchule)ȱnachȱ„unten“ȱ(Teamstrukturenȱundȱ Einzeltätigkeiten)ȱ vorzugehenȱ (Nordmann,ȱ 2000;ȱ Punge,ȱ 2002;ȱ Schüpbachȱ&ȱMajumdar,ȱ2003).ȱ 2. AnhandȱderȱAnalysenȱinnerhalbȱderȱSchuleȱwirdȱgeklärt,ȱobȱundȱ inȱ welcherȱ Formȱ dasȱ technischȬtechnologischeȱ undȱ dasȱ sozialeȱ Teilsystemȱ gutȱ aufeinanderȱ abgestimmtȱ sind.ȱ Dabeiȱ wirdȱ insbeȬ sondereȱgeklärt,ȱobȱdieȱformalenȱStrukturenȱsoȱausgelegtȱundȱdieȱ Ressourcenȱsoȱeingesetztȱwerden,ȱdassȱsieȱdieȱLehrkräfteȱbeiȱihȬ renȱAufgabenȱunterstützenȱundȱnichtȱbehindern.ȱ 3. Dasȱ Schwergewichtȱ derȱ erstenȱ beidenȱ Schritteȱ liegtȱ darin,ȱ dasȱ soziotechnischeȱ Systemȱ Schuleȱ bedingungsorientiertȱ zuȱ analysieȬ renȱundȱdieȱAnalyseergebnisseȱobjektivierendȱdarzustellen.ȱInsbeȬ sondereȱwirdȱgeklärt,ȱobȱdieȱdurchȱdasȱtechnischȬtechnologischeȱ Teilsystemȱ eröffneten,ȱ objektivȱ vorhandenenȱ GestaltungsȬȱ undȱ Tätigkeitsspielräumeȱ vonȱ denȱ Lehrkräftenȱ auchȱ tatsächlichȱ erȬ kanntȱundȱgenutztȱwerden.ȱ
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Imȱ drittenȱ Schrittȱ wirdȱ zusätzlichȱ geklärt,ȱ obȱ undȱ inwiefernȱ dieȱ subjektivenȱÄußerungenȱderȱLehrkräfteȱzuȱihrenȱAufgabenȱundȱdenȱ damitȱverbundenenȱErwartungenȱmitȱdenȱErgebnissenȱderȱobjekȬ tivierendenȱAnalysenȱübereinstimmen.ȱObjektivierendeȱundȱsubȬ jektiveȱDatenȱbildenȱdieȱBasisȱfürȱdasȱSurveyȬFeedback,ȱd.h.ȱdieȱ Rückmeldungȱ derȱ Ergebnisseȱ anȱ dieȱ Betroffenenȱ (Strohmȱ &ȱ UȬ lich,ȱ 1997).ȱMitȱ diesemȱ Feedbackȱ wirdȱeinȱ „Auftau“ȬProzessȱanȬ
Schulen als soziotechnische Systeme
1.3
gestoßen,ȱderȱdieȱLehrkräfteȱdazuȱanregt,ȱihreȱSituationȱalsȱprobȬ lemhaltigȱ zuȱ erkennenȱ undȱ ihreȱ Motivationȱ fürȱ dieȱ Beteiligungȱ anȱVeränderungȱzuȱstärkenȱ(vgl.ȱdazuȱdasȱKonzeptȱderȱ„SubjekȬ tivenȱTätigkeitsanalyse“ȱnachȱUlich,ȱ2005).ȱ DieȱDatenerhebungȱzurȱsoziotechnischenȱSystemanalyseȱinȱSchulenȱ istȱ methodischȱ sehrȱ vielfältig.ȱ Sieȱ basiertȱ aufȱ Einzelinterviewsȱ mitȱ derȱ Schulleitungȱ sowieȱ LeiterInnenȱ vonȱ SchulȬȱ undȱ SchulentwickȬ lungsprojekten,ȱ EinzelȬȱ undȱ Gruppeninterviewsȱ mitȱ Lehrkräften,ȱ eingehendenȱ Dokumentenanalysenȱ (z.B.ȱ Stundentafeln,ȱ Deputaten,ȱ Arbeitszeitorganisationȱ undȱ Pausenregelungen,ȱ KlasseneinteilunȬ gen,ȱ Sitzungsorganisation,ȱ Gebäudelayouts;ȱ vgl.ȱ Nordmann,ȱ 2000;ȱ Punge,ȱ2002;ȱWegner,ȱ2005),ȱschriftlichenȱBefragungenȱvonȱLehrkräfȬ tenȱ undȱ Elternȱ sowieȱ Beobachtungenȱ undȱ Beobachtungsinterviewsȱ (Ulich,ȱInversiniȱ&ȱWülser,ȱ2002;ȱWegner,ȱ2005).ȱȱ Alsȱ wichtigȱ hatȱ sichȱ dabeiȱ erwiesen,ȱ dassȱ dieȱ Schuleȱ dieȱ Analysenȱ undȱ dieȱ daraufȱfolgendenȱBewertungenȱ alsȱ ihrȱ eigenesȱ Projektȱ verȬ steht.ȱ Dazuȱ gehört,ȱ dassȱ sieȱ dieȱ thematischenȱ Schwerpunkteȱ ausȬ wähltȱ undȱ festlegtȱ sowieȱ dasȱ methodischeȱ Konzeptȱ mitentwickelt.ȱ ImȱSinneȱdesȱKonzeptsȱderȱpartizipativenȱArbeitsgestaltungȱ(Emeryȱ &ȱEmery,ȱ1982;ȱvgl.ȱauchȱStrohmȱ&ȱUlich,ȱ1997)ȱsollȱdabeiȱversuchtȱ werden,ȱdasȱgesamteȱKollegiumȱinȱdasȱVorhabenȱeinzubinden.ȱDiesȱ geschiehtȱamȱBestenȱdurchȱeineȱeingehendeȱInformationȱimȱRahmenȱ vonȱGesamtlehrerkonferenzen.ȱȱ Fürȱ dieȱ praktischeȱ Durchführungȱ desȱ Vorhabensȱ empfiehltȱ esȱ sich,ȱ ausȱ demȱ Kollegiumȱ herausȱ eineȱ Projektgruppeȱ mitȱ ca.ȱ fünfȱ bisȱ sieȬ benȱ Mitgliedernȱ zuȱ bilden.ȱ Darinȱ solltenȱ dieȱ verschiedenenȱ FachȬ gruppenȱ undȱ Schulstufenȱ vertretenȱ sein.ȱ Dieseȱ Projektgruppeȱ sollȱ fachlichȱundȱmethodischȱdurchȱeineȱPsychologinȱoderȱeinenȱPsychoȬ logenȱunterstütztȱwerden,ȱwelche/rȱmitȱdemȱVerfahrenȱgutȱvertrautȱ ist.ȱ Zuȱ derenȱ bzw.ȱ dessenȱ Aufgabenȱ gehörtȱ zudem,ȱ dieȱ ProjektabȬ wicklungȱ zuȱ moderieren,ȱ dieȱ objektivierendenȱ Analysenȱ durchzuȬ führen,ȱ dieȱ Datenȱ auszuwertenȱ undȱ dieȱ Ergebnisseȱ aufzubereitenȱ sowieȱ dasȱ Surveyȱ Feedbackȱ durchzuführen.ȱ Dieȱ Interpretationȱ derȱ DatenȱsowieȱdieȱAbleitungȱundȱKonkretisierungȱvonȱSchulentwickȬ lungsmaßnahmenȱ gehörtȱ wiederumȱ zuȱ denȱ Aufgabenȱ derȱ ProjektȬ gruppe.ȱInsgesamtȱmussȱfürȱdieȱDurchführungȱderȱsoziotechnischenȱ Systemanalyseȱ–ȱvonȱderȱBildungȱderȱProjektgruppeȱbisȱzumȱSurveyȱ
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Schulen als soziotechnische Systeme
Feedbackȱ–ȱeineȱLaufzeitȱvonȱmindestensȱdreiȱMonatenȱveranschlagtȱ werden.ȱ
1.3.3
Ausgewählte Einzelergebnisse und deren Interpretation
ObwohlȱesȱsichȱbeiȱsoziotechnischenȱSystemanalysenȱgrundsätzlichȱ umȱ Fallstudienȱ handelt,ȱ welcheȱ strengȱ genommenȱ nurȱ aufȱ denȱ jeȬ weiligenȱ Einzelfallȱ bezogeneȱAussagenȱ erlauben,ȱ lassenȱ sichȱ einigeȱ Ergebnisseȱ undȱ Erfahrungenȱ ausȱ denȱ wenigenȱ bisherigenȱ UntersuȬ chungenȱ inȱ Schulenȱ zumindestȱ insofernȱ herausgreifen,ȱ alsȱ sieȱ zeiȬ gen,ȱdassȱesȱdurchausȱSinnȱmacht,ȱSchulenȱalsȱsoziotechnischeȱSysȬ temeȱzuȱverstehenȱ(Nordmann,ȱ2000;ȱPunge,ȱ2002;ȱSchüpbach,ȱ2004;ȱ Wegner,ȱ2005).ȱȱ 1. EinzelergebnisseȱaufȱderȱEbeneȱSchuleȱ DieȱAnalysenȱzeigen,ȱdassȱinȱallenȱSchulenȱklarȱunterschiedenȱwerȬ denȱmussȱzwischenȱTätigkeitenȱinnerhalbȱundȱaußerhalbȱderȱSchulȬ anlageȱ (v.a.ȱ zuȱ Hause)ȱ sowieȱ zwischenȱ Unterrichtȱ undȱ Tätigkeitenȱ außerhalbȱdesȱUnterrichtsȱ(VorȬȱundȱNachbereitungȱdesȱUnterrichts,ȱ Erledigungȱ vonȱ Verwaltungsaufgaben,ȱ Mitarbeitȱ inȱ Projekten,ȱ ElȬ ternkontakteȱusw.).ȱDieȱFallstudienȱergebenȱübereinstimmend,ȱdassȱ dieȱzeitlicheȱBelastungȱinȱeinerȱUnterrichtswocheȱbeiȱca.ȱ50ȱStundenȱ liegt.ȱȱ AuffälligȱistȱderȱKontrastȱderȱzeitlichenȱundȱräumlichenȱGebundenȬ heitȱdesȱUnterrichtsȱundȱderȱTätigkeitenȱaußerhalbȱdesȱUnterrichts.ȱ DerȱUnterrichtȱistȱzeitlichȱundȱräumlichȱstarkȱundȱstarrȱstrukturiert.ȱ PausenȱzwischenȱdenȱUnterrichtsstundenȱwerdenȱvonȱdenȱLehrkräfȬ tenȱnichtȱalsȱRückzugsȬȱundȱErholungsmöglichkeitenȱgesehen,ȱsonȬ dernȱalsȱorganisatorischeȱSchnittstellen.ȱDieȱLehrkräfteȱerlebenȱdenȱ Unterrichtȱ insgesamtȱ sehrȱ starkȱ alsȱ durchȱ technischȬtechnologischeȱ Vorgabenȱgeprägt,ȱihreȱStellungȱsomitȱalsȱwenigȱautonomȱundȱihreȱ Handlungskontrolleȱ alsȱ gering.ȱ Gleichzeitigȱ gebenȱ sieȱ an,ȱ dassȱ imȱ UnterrichtȱvieleȱvonȱaußenȱundȱinnenȱinduzierteȱStörungenȱauftreȬ ten,ȱ fürȱ derenȱAusgleichȱ esȱ insbesondereȱ kaumȱ zeitliche,ȱ vorȱ allemȱ aberȱkeineȱpersonellenȱPufferȱinȱFormȱvonȱkollegialerȱUnterstützungȱ gibt.ȱIngesamtȱerlebenȱdieȱLehrkräfteȱdieȱstarrenȱzeitlichen,ȱräumliȬ
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Schulen als soziotechnische Systeme
1.3
chenȱundȱinhaltlichenȱVorgabenȱalsȱstarkȱdominant,ȱeherȱhinderlichȱ undȱwenigȱunterstützend.ȱ AußerhalbȱdesȱUnterrichtsȱgenießenȱdieȱLehrkräfteȱeineȱhoheȱzeitliȬ cheȱ Souveränitätȱ undȱ örtlicheȱ Ungebundenheitȱ ihrerȱ Tätigkeiten.ȱ DieseȱgehenȱeinherȱmitȱeinerȱgeringenȱStrukturiertheitȱderȱformalenȱ AufbauȬȱundȱAblauforganisation.ȱDieseȱMerkmaleȱdeutenȱaufȱeinenȱ großenȱ Tätigkeitsspielraumȱ undȱ einenȱ hohenȱ Gradȱ derȱAutonomieȱ derȱ Lehrkräfteȱ hin.ȱAllerdingsȱ findenȱ sichȱ immerȱ wiederȱ Hinweiseȱ darauf,ȱ dassȱ dieȱ Lehrkräfteȱ ihreȱ außerunterrichtlichenȱ Tätigkeitenȱ sehrȱstarkȱalsȱdurchȱSachzwängeȱundȱinȱhoherȱDichteȱvorgetragene,ȱ kritischȱkontrollierteȱErwartungenȱundȱAnsprücheȱvonȱEltern,ȱSchüȬ lernȱundȱderȱSchulleitungȱgeprägtȱerleben.ȱDerȱanȱsichȱhohenȱAutoȬ nomieȱ stehtȱ somitȱ offenbarȱ faktischȱ eineȱ geringeȱ Kontrolleȱ derȱ Handlungsbedingungenȱ gegenüberȱ –ȱ undȱ damitȱ einȱ insgesamtȱ geȬ ringerȱ Gradȱ anȱ Selbstregulationȱ (Grote,ȱ 1997;ȱ nachȱ Ulich,ȱ 2005,ȱ S.ȱ 199ff).ȱ Dieseȱ Feststellungȱ könnteȱ alsȱ Erklärungȱ dafürȱ dienen,ȱ dassȱ fürȱ Lehrkräfteȱ inȱ Untersuchungenȱ fastȱ durchgängigȱ eineȱ insgesamtȱ hoheȱStresssymptomatikȱnachgewiesenȱwird,ȱwasȱbeiȱeinemȱgroßenȱ Tätigkeitsspielraumȱ nichtȱ zuȱ erwartenȱ wäreȱ (Semmerȱ &ȱ Udris,ȱ 2005).ȱ Nordmannȱ (2000,ȱ S.ȱ 40)ȱ konstatiertȱ inȱ ihrerȱ Studieȱ inȱ einerȱ RealschuleȱzudemȱalsȱMerkmalȱaufȱderȱEbeneȱSchuleȱdasȱdurchgänȬ gigeȱFehlenȱgemeinsamerȱLeitlinien:ȱ„EsȱgibtȱkeineȱeindeutigȱformuȬ lierte,ȱgemeinsameȱpädagogischeȱZielorientierung,ȱkeineȱschulbezoȬ geneȱ gemeinsameȱ Qualitätsphilosophie,ȱ keineȱ klarȱ formuliertenȱ Aspekteȱ zumȱ Entwicklungsbedarf,ȱ keineȱ eindeutigeȱ Präsentationȱ nachȱaußen“.ȱDiesȱkönnteȱdaraufȱhindeuten,ȱdassȱlooseȱcoupling,ȱd.h.ȱ vielȱ Unabhängigkeitȱ undȱ Ungebundenheitȱ gegenüberȱ derȱ Schule,ȱ aufȱ derȱ Kehrseiteȱ mitȱ wenigȱ Gemeinsamkeitȱ undȱ wenigȱ innererȱ Geschlossenheitȱ imȱ Auftrittȱ nachȱ außenȱ einhergeht.ȱ Damitȱ istȱ dieȱ Frageȱ aufgeworfen,ȱ obȱ esȱ inȱ Schulenȱ auchȱ einȱ Zuvielȱ anȱ Offenheitȱ gebenȱ kann,ȱ d.h.ȱ obȱ Schulenȱ nichtȱ auchȱ inȱ Betrachtȱ ziehenȱ sollten,ȱ denȱ Erwartungenȱ derȱ Elternȱ Schülerȱ undȱ derȱ Schulbürokratieȱ geȬ genüberȱ nichtȱ nurȱ offen,ȱ sondernȱ vermehrtȱ auchȱ mitȱ gemeinsamenȱ eigenenȱKonzeptenȱundȱZielorientierungenȱentgegenȱzuȱtreten.ȱȱ 2. ȱEinzelergebnisseȱaufȱderȱEbeneȱTeamȱundȱKooperationȱ Inȱ denȱ Erläuterungenȱ zumȱ soziotechnischenȱ Systemansatzȱ wurdeȱ gezeigt,ȱdassȱSchwankungenȱundȱStörungenȱinȱArbeitssystemenȱamȱ effektivstenȱ mittelsȱ Selbstregulationȱ inȱ teilautonomenȱ ArbeitsgrupȬ
39ȱ
1
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pen aufgefangen werden können. Untersuchungen in Schulen kommen dagegen immer wieder zum Schluss, dass die Kooperation innerhalb von Lehrerkollegien vergleichsweise gering ausgeprägt ist. Nach den Ergebnissen der Fallstudien ist dazu zunächst festzu‐ stellen, dass dies für die institutionalisierte und formelle Kommuni‐ kation nicht gilt. Nordmann (2000, S. 65) stellt für die von ihr unter‐ suchte Realschule fest: „Insgesamt sind also 50 Konferenzen bzw. Gremien für 49 Lehrkräfte eingerichtet. Zudem muss durchschnitt‐ lich jeder Lehrer an 2 bis 3 verschiedenen Fachkonferenzen bzw. an 6 bis 7 Klassenkonferenzen teilnehmen. Im letzten Jahr fanden 2 bis 3 Fachkonferenzen pro Fach, 2 Klassenkonferenzen pro Klasse, 6 Gesamtlehrerkonferenzen, ca. 10 bis 15 Dienstbesprechungen und 3 Haushaltskonferenzen statt“ (S. 65). Allerdings können diese Konfe‐ renzen wegen ihres „Erledigungscharakters“ im psychologischen Sinn kaum als Kooperation bezeichnet werden. Informelle instituti‐ onalisierte Gruppen (z.B. Projekt‐ und Initiativgruppen) in denen die Kooperation wesentlich intensiver ist, finden sich dagegen selte‐ ner.
Tabelle 1
Kommunikation und Kooperation im Kollegium: Antworten auf die Frage: „Wie ist es Ihrer Ansicht nach jetzt, wie sollte es sein?“ Ergebnisse der Lehrkräftebefragung in einem Wirtschaftsgymnasium (n = 93 bei einem Rücklauf von 88%); Antwortmöglichkeiten von 1: „sehr oft/regelmäßig“ bis 5: „selten/nie“ (Quelle: Schüpbach, 2004). Item
Ist
Soll
Für Arbeitstreffen stehen in der Schule Räume zur Verfügung.
3.4
1.8
KollegInnen treffen sich zur Unterrichtsvorbereitung.
4.4
2.7
Wir arbeiten im engeren Kreis in Projekten zusammen.
4.1
2.8
Fachfragen werden in Konferenzen besprochen.
3.6
2.6
Wir erarbeiten im kleinen Kreis Unterrichtsmaterialien.
4.2
2.7
Wir tauschen im kleinen Kreis Unterrichtsmaterialien aus.
3.4
2.2
Wir besuchen uns gegenseitig im Unterricht.
4.9
3.4
Probleme werden vom Kollegium gemeinsam diskutiert.
3.4
2.3
Interessant sind die subjektiven Einschätzungen der Lehrkräfte zur Kooperation. In der Lehrkräftebefragung in einem Wirtschaftsgym‐
40
Schulen als soziotechnische Systeme
1.3
nasiumȱ(Schüpbach,ȱ2004)ȱwurdenȱerheblicheȱDifferenzenȱzwischenȱ derȱ aktuellenȱ undȱ derȱ wünschbarenȱ Nutzungȱ vonȱ KooperationsȬ möglichkeitenȱgefunden.ȱȱ Wegnerȱ (2005)ȱ befassteȱ sichȱ imȱ Rahmenȱ einerȱ BeobachtungsȬȱ undȱ Interviewstudie,ȱ welcheȱsieȱ inȱ demȱ genanntenȱ WirtschaftsgymnasiȬ umȱdurchführte,ȱsehrȱeingehendȱmitȱdenȱfachlichȱundȱpädagogischȱ begründetenȱ Kooperationserfordernissenȱ undȱ Ȭmöglichkeiten.ȱ Sieȱ kamȱzumȱSchluss,ȱdassȱdieȱKooperationȱderȱLehrkräfteȱstarkȱdurchȱ dasȱDilemmaȱgeprägtȱwar,ȱdassȱzwarȱz.B.ȱdieȱgemeinsameȱErarbeiȬ tungȱ undȱ derȱ Austauschȱ vonȱ Unterrichtsmaterialȱ imȱ Endeffektȱ fürȱ alleȱ vonȱ Nutzenȱ ist,ȱ zunächstȱ jedochȱ einenȱ höherenȱ Aufwandȱ mitȱ sichȱ bringt.ȱ Ausȱ diesemȱ Grundȱ wurdeȱ dieȱ Kooperationȱ insgesamtȱ aufȱdasȱnotwendigeȱMinimumȱbeschränkt.ȱ„Zusammenfassendȱlässtȱ sichȱ sagen,ȱ dassȱ Zusammenarbeitȱ inȱ dieserȱ Schuleȱ eigentlichȱ nichtȱ notwendigȱ istȱ undȱ durchȱ denȱ hohenȱ Aufwandȱ wenigȱ naheȱ gelegtȱ wird,ȱ soȱ dassȱ esȱ plausibelȱ erscheint,ȱ wennȱ dieseȱ trotzȱ desȱ andersȱ lautendenȱWunschesȱkaumȱrealisiertȱwird“ȱ(Wegner,ȱ2005,ȱS.ȱ91;ȱvgl.ȱ auchȱBauer,ȱ2004).ȱUngünstigeȱräumlicheȱundȱzeitlicheȱBedingungenȱ wirkenȱalsȱzusätzlicheȱErschwernisse.ȱ 3. EinzelergebnisseȱaufȱderȱEbeneȱTätigkeitȱ Zuȱ denȱ wichtigenȱ Anliegenȱ derȱ soziotechnischenȱ Systemanalyseȱ gehörtȱ dasȱ Verhältnisȱ vonȱ unmittelbarȱ produktivenȱAufgabenȱ (d.h.ȱ denȱ Primäraufgaben)ȱ zuȱ denȱ Aufgaben,ȱ welcheȱ derȱ Sicherstellungȱ derȱ Voraussetzungenȱ fürȱ dasȱ Erfüllenȱ derȱ Primäraufgabenȱ dienenȱ (d.h.ȱdenȱSekundäraufgabenȱwieȱz.B.ȱAusgleichȱvonȱSchwankungenȱ undȱ Störungenȱ imȱ Unterricht,ȱ Beschaffungȱ vonȱ Materialien,ȱ usw.).ȱ Inȱ derȱ bereitsȱ genanntenȱ Befragungȱ derȱ Lehrkräfteȱ einesȱ WirtȬ schaftsgymnasiumsȱ(Schüpbach,ȱ2004)ȱwurdenȱdieȱBefragtenȱaufgeȬ fordert,ȱ eineȱ vonȱ derȱ Projektgruppeȱ erstellteȱ Sammlungȱ vonȱ unterȬ richtsȬȱ undȱ funktionsbezogenenȱ sowieȱ allgemeinenȱ Aufgabenȱ daȬ nachȱ zuȱ klassifizieren,ȱ obȱ sieȱ a)ȱ zuȱ denȱ wichtigstenȱ Aufgabenȱ gehören,ȱdenenȱsieȱsichȱintensivȱwidmen,ȱb)ȱauchȱzuȱdenȱwichtigenȱ Aufgabenȱgehören,ȱdieȱjedochȱzuȱkurzȱkommen,ȱc)ȱzuȱdenȱnormalenȱ Aufgabenȱ gehören,ȱ welcheȱ ohneȱ Weiteresȱ erledigtȱ werden,ȱ d)ȱ zuȱ denȱwenigerȱwichtigenȱAufgabenȱgehörenȱundȱd)ȱeigentlichȱnichtȱzuȱ denȱ Aufgabenȱ gehören,ȱ jedochȱ vorkommen.ȱ Alsȱ wichtigsteȱ AufgaȬ benȱ wurdenȱ inȱ abnehmenderȱ Reihenfolgeȱ genannt:ȱ Informationenȱ zumȱ Unterrichtsthemaȱ beschaffen,ȱ Aktivierenȱ derȱ Klasseȱ bzw.ȱ SiȬ
41ȱ
1
Schulen als soziotechnische Systeme
chernȱ derȱ Konzentration,ȱ Beschaffenȱ oderȱ Anfertigenȱ vonȱ UnterȬ richtsmaterialien.ȱFürȱdieȱPrimäraufgaben,ȱd.h.ȱdasȱVorȬȱundȱNachȬ bereitenȱ desȱ Unterrichtsȱ werdenȱ dabeiȱ 22,ȱ fürȱ dasȱAbhaltenȱ 18ȱArȬ beitsstunden,ȱ insgesamtȱ somitȱ 80%ȱ derȱ Arbeitszeitȱ einerȱ UnterȬ richtswoche,ȱaufgewendet.ȱZuȱkurzȱkommenȱdabeiȱ(Antwortwahlȱb)ȱ dasȱ Beratenȱ vonȱ SchülerInnenȱ mitȱ Problemen,ȱ dasȱ Reflektierenȱ derȱ Lernergebnisseȱ desȱ Unterrichtsȱ sowieȱ derȱ Klassensituationȱ undȱ dieȱ Auseinandersetzungȱ mitȱ schwierigenȱ SchülerInnen.ȱ Interessantȱ ist,ȱ dassȱesȱsichȱdabeiȱvorȱallemȱumȱdieȱSekundäraufgabenȱhandelt,ȱd.h.ȱ umȱdiejenigenȱAufgaben,ȱwelcheȱgemäßȱdemȱsoziotechnischenȱSysȬ temkonzeptȱ eigentlichȱ unverzichtbarȱ zurȱ Kontrolleȱ derȱ ArbeitsabȬ läufeȱsind.ȱAuchȱdieserȱBefundȱdeutetȱdaraufȱhin,ȱdassȱdieȱLehrkräfȬ teȱoftȱgezwungenȱsind,ȱihreȱUnterrichtszieleȱunterȱBedingungenȱzuȱ verfolgen,ȱ dieȱ sieȱ fürȱ nichtȱ optimalȱ halten,ȱ fürȱ derenȱ Ausgleichȱ jeȬ dochȱkeineȱKapazitätenȱundȱRessourcenȱzurȱVerfügungȱhaben.ȱDieȬ serȱBefundȱbestätigtȱundȱbestärktȱdieȱbereitsȱweiterȱvorneȱgeäußerteȱ Vermutung,ȱdassȱdieȱLehrkräfteȱbezüglichȱderȱKontrolleȱderȱBedinȬ gungenȱihresȱHandelnsȱerheblicheȱEinschränkungenȱerfahren.ȱȱ
1.4
42ȱ
Ausblick
Schuleȱ undȱ Unterrichtȱ fordertȱ vonȱ denȱ Lehrkräftenȱ undȱ SchulleiȬ tungenȱ sicherlichȱ mehr,ȱalsȱ dasȱAbarbeitenȱ vonȱ LehrȬȱ undȱ StudienȬ plänenȱ unterȱ „normalen“ȱ Bedingungen.ȱ Dieȱ erstenȱ Studienȱ habenȱ gezeigt,ȱdassȱderȱsoziotechnischeȱSystemansatzȱzumȱVerständnisȱderȱ „Turbulenz“ȱinȱdenȱUmfeldernȱderȱSchule,ȱwelcheȱeinȱhohesȱMaßȱanȱ Schwankungenȱ undȱ Störungenȱ induzieren,ȱ sowieȱ derȱ Starrheitȱ derȱ technischȬtechnologischenȱRahmenbedingungen,ȱwelcheȱdieȱFlexibiȬ litätȱ undȱ dieȱ Kontrolleȱ derȱ Schwankungenȱ undȱ Störungenȱ einȬ schränken,ȱ beitragenȱ kann.ȱ Damitȱ wirdȱ zunehmendȱ auchȱ verstehȬ bar,ȱ wasȱ zuȱ denȱ Fehlbeanspruchungenȱ führt,ȱ welcheȱ sichȱ beiȱ LehrȬ kräftenȱmitȱzunehmendemȱBerufsalterȱauftreten.ȱEsȱhatȱsichȱebensoȱ gezeigt,ȱ dassȱ dasȱ methodischeȱ Konzeptȱ derȱ soziotechnischenȱ SysȬ temanalyseȱdazuȱbetragenȱkann,ȱSchulevaluationȱundȱSchulentwickȬ lungȱ inȱ einerȱ Weiseȱ zuȱ betreibenȱ undȱ miteinanderȱ zuȱ verbinden,ȱ welcheȱ beiȱ denȱ Lehrkräftenȱ eineȱ hoheȱ Akzeptanzȱ undȱ Bereitschaftȱ zurȱ Mitarbeitȱ fördert.ȱ Dassȱ diesȱ nichtȱ selbstverständlichȱ ist,ȱ unterȬ streichtȱWenzelȱ(2004,ȱS.ȱ412):ȱ„WirȱbenötigenȱdringendȱtheoriegeneȬ
Literatur
1.5
rierendeȱLängsschnittstudienȱzurȱSchulentwicklung,ȱdieȱdieȱschulinȬ ternenȱ PartizipationsȬȱ undȱ Entscheidungsprozesse,ȱ dieȱ AnerkenȬ nungsverhältnisseȱ sowieȱ denȱ Umgangȱ mitȱ entstehendenȱ Krisen,ȱ Widerständenȱ undȱ Problemenȱ untersuchenȱ undȱ dabeiȱ gleichzeitigȱ derȱSpezifikȱderȱSchuleȱalsȱBildungseinrichtungȱRechnungȱtragen“.ȱȱ
1.5
Literatur
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43ȱ
1
Schulen als soziotechnische Systeme
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45ȱ
1
Schulen als soziotechnische Systeme
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46ȱ
Einleitung
2.1
2.1
Einleitung
BurnoutȱistȱinȱderȱBerufgruppeȱderȱLehrerinnenȱundȱLehrer1ȱaußerȬ ordentlichȱhäufig.ȱIstȱdiesȱeineȱFolgeȱderȱfürȱLehrerinnenȱundȱLehrerȱ typischenȱPersönlichkeitseigenschaftenȱbzw.ȱderȱbeiȱihnenȱantreffbaȬ renȱ individuellenȱ Meinungenȱ undȱ Einstellungen?ȱ Dieȱ bisherigeȱ BurnoutȬForschungȱ kannȱ dieseȱ Frageȱ nichtȱ eindeutigȱ beantworten.ȱ Dasȱ wirdȱ hierȱ ausführlichȱ dargestellt,ȱ dieȱ Gründeȱ dafürȱ werdenȱ inȱ derȱ ungenügendenȱ Ausdifferenzierungȱ vonȱ Konstruktenȱ undȱ derȱ UnangemessenheitȱvonȱverwendetenȱErhebungsmethodenȱgesehen.ȱ Esȱwirdȱgezeigt,ȱdassȱwissenschaftsimmanentȱeinigesȱdafürȱspricht,ȱ vielȱ mehrȱ alsȱ bisherȱ dieȱ inȱ objektivenȱ Umständenȱ begründetenȱ BeȬ lastungsursachenȱ zuȱ erforschen.ȱ Dasȱ wurdeȱ auchȱ schonȱ inȱ einerȱ „ResearchȱAgenda“ȱvonȱLeiterȱundȱMaslachȱ(1999)ȱgefordertȱ–ȱwennȱ auchȱvergeblich.ȱEsȱresultiertȱebensoȱausȱÜberlegungen,ȱwieȱsieȱsichȱ imȱ inȱ derȱ europäischenȱ Arbeitspsychologieȱ entstandenenȱ Konzeptȱ „bedingungsȬȱundȱpersonenbezogeneȱFragestellungȱderȱArbeitspsyȬ chologie“ȱ ergeben.ȱ Dasȱ Konzeptȱ wurdeȱ zwischenzeitlichȱ erweitertȱ undȱ wirdȱ imȱ vorliegendenȱ Beitragȱ fürȱ dieȱ Lehrertätigkeitȱ spezifiȬ ziert.ȱAbschließendȱwirdȱdaraufȱaufmerksamȱgemacht,ȱdassȱeineȱausȱ wissenschaftlicherȱ Sichtȱ bessereȱ Forschungsmethodikȱ einemȱ MissȬ brauchȱ derȱ Ergebnisseȱ ausȱ derȱ Lehrerbelastungsforschungȱ entgeȬ genwirkenȱwürde.ȱ
2.2
Entwicklungen in der BurnoutForschung
Inȱ derȱarbeitspsychologischenȱ ForschungȱhatȱdieȱberuflicheȱpsychiȬ scheȱ Belastungȱ vonȱ Lehrerinnenȱ undȱ Lehrernȱ eigentlichȱ erstȱ mitȱ demȱAufkommenȱ desȱ Konzeptsȱ Burnoutȱ anȱ Bedeutungȱ gewonnen.ȱ HierȱsollenȱkritischeȱBetrachtungenȱzuȱEntwicklungenȱausȱderȱBurnȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱ 1ȱȱ Anmerkung:ȱ Beiȱ allerȱ Bemühungȱ umȱ geschlechtsneutraleȱ Formulierungenȱ werȬ
denȱvieleȱSätzeȱzuȱumständlich,ȱwennȱimmerȱwiederȱstattȱ„Lehrer“ȱdieȱWortverȬ bindungȱ„LehrerinnenȱundȱLehrer“ȱgebrauchtȱwird.ȱDaherȱwirdȱdaraufȱmeistensȱ verzichtet,ȱesȱsindȱaberȱimmerȱmitȱ„Lehrer“ȱsowohlȱweiblicheȱwieȱmännlicheȱPerȬ sonenȱgemeint.ȱ
49ȱ
2
Konstrukte und Methoden in der Forschung zur Lehrerbelastung
outȬForschungȱ zumȱ Ausgangspunktȱ genommenȱ werden,ȱ umȱ meȬ thodischeȱAspekteȱderȱUntersuchungȱvonȱLehrerbelastungȱzuȱdiskuȬ tierenȱ undȱ dieȱ Ergebnisseȱ derȱ Diskussionȱ besserȱ verdeutlichenȱ zuȱ können.ȱ
2.2.1
Eine „Research Agenda“ aus dem Jahr 1999
DasȱKonzeptȱBurnoutȱistȱgeprägtȱdurchȱdieȱForschungenȱvonȱChrisȬ tinaȱ Maslachȱ (z.B.ȱ bereitsȱ 1976),ȱ worinȱ Burnoutȱ alsȱ eineȱ möglicheȱ Folgeȱ vonȱ Tätigkeitenȱ inȱ sozialenȱ Berufenȱ auftritt.ȱ Burnoutȱ istȱ geȬ mäßȱ Maslachȱ undȱ Jacksonȱ (1981)ȱ durchȱ höhereȱAusprägungenȱ aufȱ dreiȱDimensionenȱgekennzeichnet:ȱEmotionaleȱErschöpfung,ȱDeperȬ sonalisationȱ undȱ fehlendeȱ persönlicheȱ Erfüllung.ȱ Auchȱ wennȱ zuȱ fragenȱ ist,ȱ obȱ Burnoutȱ beiȱ allenȱ Artenȱ vonȱ Arbeitstätigkeitenȱ vorȬ kommenȱkannȱ(Leiterȱ&ȱSchaufeli,ȱ1996),ȱvorwiegendȱanwendbarȱistȱ dasȱKonzeptȱfürȱPersonenȱmitȱBerufen,ȱinȱdenenȱeineȱhelfendeȱoderȱ AndereȱunterstützendeȱFunktionȱzentralȱistȱ–ȱundȱdamitȱebenȱauchȱ fürȱLehrkräfteȱ(Hubermanȱ&ȱVandenberghe,ȱ1999).ȱ Dieȱ BurnoutȬRateȱ istȱ beiȱ Lehrernȱ ziemlichȱ hoch,ȱ Schätzungenȱ reiȬ chenȱvonȱ20%ȱbisȱ50%,ȱandereȱBerufsgruppenȱweisenȱnichtȱsoȱhoheȱ Ratenȱ aufȱ (vgl.ȱ etwaȱ Barth,ȱ 1992;ȱ Belcastroȱ &ȱ Hays,ȱ 1984;ȱ Konenȱ &ȱ Barth,ȱ1990;ȱPines,ȱAronsonȱ&ȱKafry,ȱ1991).ȱȱ Umȱ Burnoutȱ abzumildernȱ oderȱ garȱ verhindernȱ zuȱ können,ȱ mussȱ seineȱ Entstehungȱ geklärtȱ werden.ȱ Burnoutȱ entstehtȱ alsȱ langfristigeȱ Folgeȱ vonȱ überdauerndȱ vorhandenenȱ emotionalenȱ undȱ interpersoȬ nalenȱStressoren,ȱdieȱinȱderȱArbeitstätigkeitȱauftretenȱ(z.B.ȱMaslach,ȱ 2003,ȱ S.ȱ 189).ȱ Welcheȱ Stressorenȱ inȱ derȱ Lehrerarbeitȱ sindȱ diesȱ bzw.ȱ worausȱkönnenȱsolcheȱStressorenȱentstehen?ȱȱ Hierȱ wurdeȱ vielȱ Verschiedenesȱ inȱ Betrachtȱ gezogenȱ undȱ empirischȱ untersucht,ȱ wasȱ z.B.ȱ ausȱ demȱ ReviewȬArtikelȱ vonȱ Guglielmiȱ undȱ Tatrowȱ (1998)ȱ ersichtlichȱ ist.ȱ Einflussfaktorenȱ aufȱ Burnoutȱ beiȱ LehȬ rern,ȱdieȱuntersuchtȱwerdenȱsollten,ȱkennzeichnenȱMaslachȱundȱLeiȬ terȱ(1999)ȱinȱeinemȱ„WorkingȱModelȱofȱTeacherȱBurnout“:ȱȱ 1. Politischeȱbzw.ȱschulpolitischeȱForderungen,ȱökonomischerȱKonȬ textȱundȱUmfeldȱderȱSchule,ȱȱ 2. SozialeȱUnterstützung,ȱȱ
50ȱ
Entwicklungen in der Burnout-Forschung
2.2
3. Aufgabenmerkmale,ȱȱ 4. Organisationsmerkmale,ȱȱ 5. individuelleȱMerkmaleȱdesȱLehrers,ȱȱ 6. SchülerverhaltenȱundȱSchülererfolg.ȱȱ DasȱModellȱistȱKernȱeinerȱ„ResearchȱAgenda“,ȱdieȱvonȱMaslachȱundȱ Leiterȱ(denȱführendenȱAutorenȱinȱderȱBurnoutȬForschung)ȱinȱeinemȱ Buchbeitragȱ propagiertȱ wird.ȱ Dasȱ Buchȱ –ȱ einȱ Sammelbandȱ mitȱ 21ȱ Beiträgenȱ verschiedenerȱ Autorenȱ –ȱ trägtȱ denȱ Titelȱ „Understandingȱ andȱ Preventingȱ Teacherȱ Burnout“ȱ (Vandenbergheȱ &ȱ Huberman,ȱ 1999),ȱ esȱ hatȱ denȱ Anspruch,ȱ denȱ aktuellenȱ Standȱ derȱ BurnoutȬ Forschungȱ zuȱ kennzeichnenȱ undȱ Orientierungȱ fürȱ dieȱ Praxisȱ undȱ dieȱzukünftigeȱForschungȱgebenȱzuȱkönnen.ȱLetzteresȱgeschiehtȱimȱ hierȱzitiertenȱBeitragȱvonȱMaslachȱundȱLeiterȱ(1999).ȱ Manȱbeachte:ȱInȱihremȱModellȱsindȱindividuelleȱMerkmaleȱdesȱLehȬ rersȱ selbstȱ zwarȱ einerȱ derȱ Einflussfaktorenȱ aufȱ Burnout,ȱ aberȱ ebenȱ nurȱeinerȱunterȱinsgesamtȱsechsȱEinflussfaktoren.ȱDieȱanderen,ȱteilsȱ nochȱkomplexeȱUnteraspekteȱumfassendenȱFaktorenȱsindȱsolche,ȱdieȱ vomȱ ggf.ȱ unterȱ Burnoutȱ leidendenȱ Lehrerȱ nichtȱ zuȱ verantwortenȱ sindȱ –ȱ höchstensȱ teilweise,ȱ weilȱ einȱ Lehrerȱ auchȱ Einflussȱ aufȱ seineȱ eigeneȱ sozialeȱ Unterstützungȱ undȱ aufȱ dasȱ Schülerverhaltenȱ habenȱ wird.ȱȱ Nichtȱnurȱdasȱgekennzeichneteȱ„WorkingȱModel“ȱvonȱMaslachȱundȱ Leiterȱ(1999),ȱsondernȱpraktischȱalleȱtheoretischenȱModelleȱzurȱEntȬ stehungȱvonȱBurnoutȱbeiȱLehrernȱbeinhaltenȱwesentlicheȱWirkfaktoȬ ren,ȱ dieȱ außerhalbȱ derȱ Meinungenȱ undȱ Einstellungenȱ derȱ Lehrerȱ anzusiedelnȱ sind.ȱ Deutlichȱ wirdȱ diesȱ u.a.ȱ beiȱ Byrneȱ (1999),ȱ woȱ derȱ Anspruchȱ besteht,ȱ dieȱ bisherigeȱ Forschungȱ zumȱ Burnoutȱ vonȱ LehȬ rernȱ inȱ einemȱ (StrukturgleichungsȬ)ȱ Modellȱ zusammenzufassen,ȱ inȱ demȱdann,ȱandersȱalsȱdieȱ„organizationalȱfactors“,ȱdieȱ„personalityȱ factors“ȱnurȱeineȱNebenrolleȱspielenȱ Darauf,ȱ welchenȱ Einflussȱ dieseȱ ResearchȱAgendaȱ vonȱ Maslachȱ undȱ Leiterȱ (1999)ȱ aufȱ dieȱ BurnoutȬForschungȱ gehabtȱ hat,ȱ kommenȱ wirȱ nochȱzurück.ȱZunächstȱdazu,ȱwodurchȱsieȱmotiviertȱerscheint.ȱ BeiȱeinerȱDurchsichtȱderȱBurnoutȬForschungȱimȱBereichȱLehrerarbeitȱ sowohlȱ aufȱ Grundlageȱ desȱ dieseȱ Forschungȱ resümierendenȱ SamȬ melbandesȱ vonȱ Vandenbergheȱ undȱ Hubermanȱ (1999)ȱ wieȱ desȱ ReȬ
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2
Konstrukte und Methoden in der Forschung zur Lehrerbelastung
viewsȱvonȱGuglielmiȱundȱTatrowȱ(1998)ȱistȱoffensichtlich,ȱdassȱdieseȱ ForschungȱganzȱüberwiegendȱaufȱdemȱEinsatzȱvonȱFragebogenȱbaȬ siert,ȱdieȱvonȱdenȱBurnoutȬBetroffenen,ȱalsoȱdenȱLehrernȱbeantworȬ tetȱwerden.ȱDasȱwirdȱnichtȱnurȱvonȱMaslachȱundȱLeiterȱ(1999)ȱinȱderȱ schonȱ gekennzeichnetenȱ Weiseȱ eherȱ implizitȱ kritisiertȱ –ȱ durchȱ dieȱ Forderung,ȱesȱzukünftigȱandersȱzuȱmachen.ȱSehrȱexplizitȱkritisierenȱ Guglielmiȱ undȱ Tatrowȱ (1998),ȱ dassȱ dieseȱ Forschungȱ fastȱ nurȱ aufȱ „selfȬreports“ȱberuht,ȱundȱzwarȱsowohlȱbeiȱderȱErhebungȱvonȱBurȬ noutȱ beiȱ denȱ Lehrernȱ wieȱ beiȱ derȱ Erhebungȱ derȱ Umstände,ȱ dieȱ fürȱ dieȱEntstehungȱvonȱBurnoutȱverantwortlichȱgemachtȱwerden;ȱ„selfȬ reports“ȱ vonȱ Lehrern,ȱ ihreȱ Einstellungenȱ undȱ Meinungen,ȱ werdenȱ sowohlȱfürȱdasȱKriteriumȱ(Burnout)ȱwieȱfürȱdieȱPrädiktorenȱ(FaktoȬ renȱderȱBurnoutȬEntstehung)ȱverwendet.ȱ Dieȱ „Researchȱ Agenda“ȱ vonȱ Maslachȱ undȱ Leiterȱ (1999)ȱ hatȱ daherȱ eineȱ Brisanz,ȱ dieȱ manȱ denȱ Kritikȱ eherȱ vermeidendenȱ FormulierunȬ genȱ ihrerȱ Autorenȱ nichtȱ ohneȱ weiteresȱ ansieht.ȱ Deutlicherȱ werdenȱ Guglielmiȱ undȱ Tatrowȱ (1998).ȱ Sieȱ kennzeichnenȱ dieȱ BurnoutȬ Forschungȱ alsȱ „characteristicallyȱ ofȱ veryȱ poorȱ quality“.ȱ Aufgrundȱ derȱ angreifbarenȱ Erhebungsmethodikȱ undȱ ungeeigneterȱ ForȬ schungsdesignsȱ mitȱ zuȱ wenigȱ Kontrolleȱ vonȱ Drittvariablenȱ könneȱ manȱ überȱ Kausalitätsrichtungenȱ kaumȱ etwasȱ genauesȱ sagen,ȱ angeȬ sichtsȱ derȱ inȱ derȱ Forschungȱ verbreitetenȱ inhaltlichenȱ Überlappungȱ derȱ Konstrukteȱ „Stress“,ȱ „Burnout“ȱ undȱ „Gesundheit“ȱ bestündeȱ ständigȱdieȱGefahr,ȱmitȱdenȱermitteltenȱKorrelationenȱinȱeineȱTriviaȬ litätsfalleȱ(gemäßȱKasl,ȱ1987)ȱzuȱlaufen.ȱ
2.2.2
Zur Folgenlosigkeit der „Research Agenda“
Nunȱ sollteȱ manȱ meinen,ȱ dass,ȱ infolgeȱ derȱ „Researchȱ Agenda“ȱ vonȱ MaslachȱundȱLeiterȱausȱdemȱJahreȱ1999,ȱsichȱvonȱdaȱanȱdieȱBurnoutȬ Forschungȱ vermehrtȱ denȱ nichtȱ inȱ derȱ Persönlichkeitȱ desȱ Lehrersȱ verankertenȱ Einflussgrößenȱ beiȱ Verwendungȱ vonȱ anderenȱ alsȱ aufȱ „selfȬreports“ȱ gestütztenȱ Erhebungsmethodenȱ zuwendet.ȱ Dieseȱ Erwartungȱ wirdȱ leiderȱ enttäuscht,ȱ auchȱ undȱ besondersȱ durchȱ denȱ aktuellenȱ Ansatzȱ zuȱ BurnoutȬUrsachenȱ vonȱ denȱ Autorenȱ derȱ „ReȬ searchȱAgenda“ȱselbst.ȱȱ
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LeiterȱundȱMaslachȱ(2004)ȱbeschreibenȱsechsȱAspekteȱdesȱArbeitsleȬ bensȱ („areasȱ ofȱ worklife“),ȱ dieȱ sieȱ vorȱ demȱ Hintergrundȱ jahrelangȱ
Entwicklungen in der Burnout-Forschung
2.2
erzielterȱ Forschungsergebnisseȱ fürȱ dieȱ Entstehungȱ vonȱ Burnoutȱ (bzw.ȱdemȱGegenteil,ȱnämlichȱ„Engagement“)ȱverantwortlichȱsehen:ȱȱ 1. Workload:ȱ„Peopleȱhaveȱtooȱmuchȱtoȱdoȱinȱtooȱlittleȱtimeȱwithȱtooȱ fewȱresources.“ȱȱ 2. Control:ȱ„…ȱemployees’ȱperceivedȱcapacityȱtoȱinfluenceȱdecisionsȱ thatȱaffectȱtheirȱwork,ȱtoȱexerciseȱprofessionalȱautonomy,ȱtoȱgainȱ accessȱtoȱtheȱresources”ȱ 3. Reward:ȱ„…ȱtheȱextentȱtoȱwhichȱrewardsȱ–ȱmonetary,ȱsocial,ȱandȱ intrinsicȱ–ȱareȱconsistentȱwithȱexpectations.”ȱȱ 4. Community:ȱ„Peoples’ȱsubjectiveȱappraisalȱofȱtheirȱsocialȱcontext.”ȱȱ 5. Fairness:ȱ„…ȱtheȱextentȱtoȱwhichȱdecisionsȱatȱworkȱareȱperceivedȱ asȱbeingȱfairȱandȱpeopleȱareȱtreatedȱwithȱrespect.”ȱȱ 6. Values:ȱ„…ȱtheȱgapȱbetweenȱindividualȱandȱorganizationalȱvaluesȱ …”,ȱwelcheȱdieȱIdealeȱundȱpositivenȱMotivationenȱbetreffen,ȱdieȱ eineȱPersonȱzurȱWahlȱdesȱBerufesȱbewogenȱhatten.ȱ Esȱ fälltȱ auf,ȱ dassȱ nurȱ derȱ ersteȱ dieserȱ sechsȱAspekteȱ sichȱ aufȱ GegeȬ benheitenȱ bezieht,ȱ vonȱ denenȱ manȱ annehmenȱ kann,ȱ dassȱ sieȱ dieȱ arbeitendeȱPersonȱnichtȱselbstȱmitȱzuȱverantwortenȱhat.ȱDieȱanderenȱ fünfȱAspekteȱ könnenȱ erstȱ durchȱ individuelleȱ Eigenartenȱ derȱ arbeiȬ tendenȱ Personȱ selbstȱ zurȱ Geltungȱ kommen:ȱ ihreȱArtȱ derȱ WahrnehȬ mungȱ(Aspekteȱ2ȱundȱ5),ȱihreȱErwartungȱ(Aspektȱ3),ȱihreȱBewertungȱ (Aspektȱ4),ȱihreȱWertvorstellungenȱ(Aspektȱ6).ȱȱ EmpirischȱumgesetztȱwurdeȱdasȱKonzeptȱderȱsechsȱAspekteȱinȱeinenȱ Fragebogenȱ„AreaȱofȱWorklifeȱScalesȱ(AWS)“ȱmitȱ29ȱItems.ȱDieȱAuȬ torenȱ betonenȱ inȱ derȱ Einleitungȱ zuȱ dieserȱ empirischenȱ Umsetzung,ȱ dassȱ imȱ Fragebogenȱ durchgängigȱ derȱ Gedankeȱ einesȱ „mismatch“ȱ vonȱzentralerȱBedeutungȱist,ȱihrȱModellȱistȱeinȱ„modelȱofȱjobȬpersonȱ fit“.ȱEinȱtypischesȱItemȱistȱz.B.ȱ„WorkingȱhereȱforcesȱmeȱtoȱcomproȬ miseȱmyȱvalues“.ȱ Sieȱ nehmenȱ an:ȱ „theȱ greaterȱ theȱ perceivedȱ gapȱ betweenȱ theȱ personȱ andȱ theȱ job,ȱ theȱ greaterȱ theȱ likelihoodȱ ofȱ burnout“ȱ (Leiterȱ &ȱ Maslach,ȱ 2004,ȱ S.ȱ 101).ȱ Alsȱ Ursachenȱ desȱ Burnoutȱ werdenȱ alsoȱ beȬ stimmteȱ Verhältnisseȱ vonȱ individuellenȱ Personenmerkmalenȱ undȱ ArbeitsplatzȬMerkmalenȱ gesehen.ȱ Nachȱ diesemȱ Verhältnisȱ wirdȱ imȱ Sinneȱvonȱ„match“ȱoderȱ„mismatch“ȱgefragt.ȱ
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2
Konstrukte und Methoden in der Forschung zur Lehrerbelastung
Damitȱ wirdȱ deutlich:ȱ Merkmaleȱ derȱ Arbeitstätigkeitȱ selbstȱ werdenȱ inȱdiesemȱAnsatzȱnichtȱunabhängigȱvonȱdenȱjeȱindividuellenȱPersoȬ nenȬMerkmalenȱgekennzeichnetȱoderȱgarȱuntersucht.ȱȱ Offensichtlichȱ lässtȱ sichȱ dasȱ Verhältnisȱ derȱ ArbeitsȬȱ undȱ PersonenȬ merkmaleȱ leichtȱ mitȱ Befragungenȱ derȱ arbeitendenȱ Personenȱ erheȬ ben.ȱ Derȱ Einsatzȱ vonȱ Fragebogenȱ –ȱ undȱ auchȱ dieȱ Entwicklungȱ vonȱ Fragebogen,ȱ wennȱ manȱ sichȱ mitȱ denȱ Grundlagenȱ derȱ klassischenȱ Testtheorieȱbegnügtȱ–ȱistȱeinȱwenigȱaufwändigesȱGeschäft.ȱSoȱwarȱesȱ dennȱ auchȱ möglich,ȱ denȱ FragebogenȱAWSȱ gemeinsamȱ mitȱ anderenȱ Fragebogenȱ inȱ umfangreichenȱ Untersuchungenȱ inȱ verschiedenenȱ Ländernȱeinzusetzen,ȱundȱinȱnurȱwenigenȱJahrenȱeineȱStichprobenȬ größeȱvonȱüberȱ8000ȱzuȱerzielenȱ(Leiterȱ&ȱMaslach,ȱ2004).ȱUntersuȬ chungenȱvonȱüberindividuellȱgültigenȱMerkmalenȱderȱArbeitstätigȬ keitȱselbstȱwärenȱdagegenȱsowohlȱinȱderȱKonzeptionȱwieȱauchȱinȱderȱ DurchführungȱumȱVielfachesȱaufwändiger.ȱ
2.2.3
Einige Probleme mit zu wenig unterschiedenen Konstrukten
ManȱkönnteȱnunȱdiesesȱVorgehenȱ–ȱnämlichȱgleichȱeinȱ„mismatch“ȱ vonȱ Konstruktenȱ zuȱ erfragenȱ undȱ dabeiȱ aufȱ eineȱ Differenzierungȱ derȱ Konstrukteȱ zuȱ verzichten,ȱ weilȱ einigeȱ derȱ Konstrukteȱ nichtȱ soȱ einfachȱzuȱerhebenȱsindȱ–ȱalsȱerfindungsreichȱansehen,ȱwirdȱsoȱdochȱ eineȱMengeȱAufwandȱerspart.ȱManȱbringtȱaberȱgravierendeȱSchwieȬ rigkeitenȱmitȱsich.ȱȱ 1. Zur Ähnlichkeit der interessierenden Konstrukte Daȱ dasȱ Konstruktȱ Burnoutȱ denȱ psychischenȱ Zustandȱ bzw.ȱ psychiȬ scheȱ Prozesseȱ mitȱ Bezugȱ zurȱ eigenenȱ Arbeitstätigkeitȱ einerȱ Personȱ kennzeichnet,ȱundȱdieȱdenȱAreasȱofȱWorklifeȱzugehörigenȱKonstrukȬ teȱ Wahrnehmungen,ȱ Erwartungen,ȱ Bewertungenȱ undȱ WertvorstelȬ lungen,ȱd.h.ȱebenfallsȱpsychischeȱZuständeȱbzw.ȱpsychischeȱProzesȬ seȱ mitȱ Bezügenȱ zurȱ eigenenȱ Arbeitstätigkeitȱ betreffen,ȱ gibtȱ esȱ eineȱ Überlappungȱ derȱ Konstrukteȱ (wasȱ z.B.ȱ Guglielmiȱ &ȱ Tatrow,ȱ 1998,ȱ fürȱ großeȱ Teileȱ derȱ aufȱ Lehrerȱ bezogenenȱ BurnoutȬȱ undȱ StressȬ Forschungȱ konstatieren).ȱ Diesȱ wirdȱ deutlicher,ȱ wennȱ manȱ daranȱ denkt,ȱ dassȱ manȱ dasȱ Konstruktȱ „Burnout“ȱ jaȱ auchȱ durchȱ entspreȬ chendeȱ Ausprägungenȱ derȱ Konstrukteȱ imȱ Sinneȱ derȱ Areasȱ ofȱ
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Entwicklungen in der Burnout-Forschung
2.2
Worklifeȱ definierenȱ könnte.ȱ Soȱ könnteȱ manȱ z.B.ȱ denȱ BurnoutȬ Teilaspektȱ „fehlendeȱ persönlicheȱ Erfüllung“ȱ alsȱ schlechtenȱ „jobȬ personȱfit“ȱbzw.ȱ„mismatch“ȱhinsichtlichȱControl,ȱReward,ȱCommuȬ nity,ȱ Fairnessȱ undȱ Valuesȱ definieren.ȱ Manȱ wirdȱ Müheȱ haben,ȱ BeȬ gründungenȱgegenȱeinȱsolchesȱVerständnisȱvonȱBurnoutȱzuȱfinden.ȱȱ 2. Zu Annahmen über kausale Zusammenhänge DieȱAreasȱofȱWorklifeȱundȱderȱzugehörigeȱFragebogenȱAWSȱwurdenȱ konzipiert,ȱ umȱ sieȱ alsȱ hypothetischeȱ Wirkfaktorenȱ bzw.ȱ Ursachenȱ vonȱ Burnoutȱ zuȱ untersuchen.ȱ Leiterȱ undȱ Maslachȱ (2004,ȱ S.ȱ 120ȱ ff.)ȱ wertenȱmitȱdieserȱAbsichtȱLängsschnittdatenȱmitȱHilfeȱdesȱStructureȱ Equationȱ Modelingȱ ausȱ –ȱallerdingsȱ inȱwenigȱ angemessenerȱ Weise,ȱ weilȱdieȱvonȱihnenȱpostuliertenȱundȱberechnetenȱModelleȱnichtȱgeȬ eignetȱ sind,ȱ verschiedeneȱ Wirkungsrichtungenȱ gegeneinanderȱ zuȱ testenȱ(zuȱangemessenerenȱModellenȱsieheȱz.B.ȱTaris,ȱ2000,ȱS.77ȱff.).ȱ Welcheȱ Hypothesenȱ zuȱ Wirkrichtungenȱ kommenȱ hierȱ inȱ Frage?ȱ ErstensȱdieȱvonȱLeiterȱundȱMaslachȱpostulierte,ȱalsoȱ„mismatch“ȱdesȱ „jobȬpersonȱ fit“ȱ führtȱ zuȱ Burnout.ȱ Zweitensȱ eineȱ demgegenüberȱ umgekehrteȱ Wirkrichtung,ȱ weilȱ denkbarȱ ist,ȱ dassȱ Burnoutȱ zuȱ verȬ stärktemȱ„mismatch“ȱdesȱ„jobȬpersonȱfit“ȱführt.ȱDrittensȱwäreȱdenkȬ bar,ȱdassȱBurnoutȱundȱ„mismatch“ȱdesȱ„jobȬpersonȱfit“ȱmiteinanderȱ zusammenhängen,ȱ weilȱ beidesȱ gemeinsameȱ dritteȱ Ursachenȱ hat.ȱ AuchȱkämenȱviertensȱgemischteȱWirkmodelleȱinȱBetracht,ȱz.B.ȱkönnȬ teȱ „mismatch“ȱ desȱ „jobȬpersonȱ fit“ȱ inȱ einzelnenȱ Areasȱ ofȱ Worklifeȱ BurnoutȱverursachenȱundȱanschließendȱBurnoutȱaufȱandereȱAreasȱofȱ Worklifeȱwirken.ȱManȱmagȱeinwenden,ȱesȱseienȱjaȱimmerȱalleȱmögliȬ chenȱ kausalenȱ Richtungenȱ theoretischȱ gleichȱ gutȱ denkbar.ȱ Aberȱ esȱ wirdȱ nichtȱ immerȱ –ȱ soȱ offensichtlichȱ wieȱ hierȱ –ȱ bereitsȱ durchȱ KonȬ struktüberlappungȱnaheȱgelegt.ȱȱ 3. Zu Folgerungen für praktische Maßnahmen Esȱkannȱalsȱsicherȱgelten,ȱdassȱverschiedeneȱPersonenȱinȱverschiedeȬ nemȱ Maßeȱ anfälligȱ fürȱ Stressȱ undȱ Burnoutȱ sind.ȱ Mangelndenȱ oderȱ negativenȱ „jobȬpersonȱ fit“ȱ (hinsichtlichȱ derȱ Areasȱ ofȱ worklifeȬ Aspekte)ȱalsȱUrsacheȱfürȱBurnoutȱzuȱsehenȱberücksichtigtȱdies,ȱweilȱ damitȱ individuellȱ verschiedeneȱ Wahrnehmungen,ȱ Erwartungen,ȱ BewertungenȱundȱWertvorstellungenȱdieȱunterschiedlicheȱBurnoutȬ Anfälligkeitȱ erklärenȱ könnten.ȱ Woȱ aberȱ sollenȱ Maßnahmenȱ ansetȬ zen,ȱ dieȱ Burnoutȱ wenigerȱ wahrscheinlichȱ machenȱ oderȱ bereitsȱ entȬ
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2
Konstrukte und Methoden in der Forschung zur Lehrerbelastung
standenenȱ Burnoutȱ mindern?ȱ Sollenȱ sieȱ sichȱ aufȱ dieȱ Veränderungȱ derȱ individuellenȱ Wahrnehmungen,ȱ Erwartungen,ȱ Bewertungenȱ undȱ Wertvorstellungenȱ richtenȱ oderȱ aufȱ Veränderungenȱ derȱ ArȬ beitsorganisation,ȱ demȱ Verhaltenȱ vonȱ Vorgesetztenȱ undȱ Kollegen?ȱ Dieȱ Antwortȱ „beides“ȱ erscheintȱ aufȱ denȱ erstenȱ Blickȱ sympathisch,ȱ wennȱ auchȱ wenigȱ sparsam.ȱ Esȱ wirdȱ aberȱ durchausȱ vorkommen,ȱ dassȱ dieȱ individuellenȱ Einstellungenȱ imȱ Hinblickȱ aufȱ BurnoutȬ Gefahrenȱ optimalȱ sindȱ –ȱ oderȱ dassȱ dieȱ Gegebenheitenȱ amȱArbeitsȬ platzȱ imȱ Hinblickȱ aufȱ BurnoutȬGefahrenȱ optimalȱ sind.ȱ Manȱ sollteȱ schonȱwissen,ȱinȱwelchenȱFällenȱVerbesserungenȱwoȱamȱbestenȱanȬ setzenȱbzw.ȱwoȱVerbesserungenȱwenigerȱwichtigȱsind.ȱAmȱErgebnisȱ derȱErmittlungȱeinesȱ„jobȬpersonȱfit“ȱistȱdiesȱnichtȱablesbar.ȱȱ 4. Zu Problemen der Erhebungsmethodik Burnoutȱ istȱ durchȱ emotionaleȱ Erschöpfung,ȱ Depersonalisationȱ undȱ fehlendeȱ persönlicheȱ Erfüllungȱ gekennzeichnetȱ (nachȱ Maslachȱ &ȱ Jackson,ȱ 1981).ȱ Zweifellosȱ istȱ dieȱ hierȱ einschlägigeȱ ErhebungsmeȬ thodeȱ dieȱ Befragungȱ derȱ eventuellȱ unterȱ Burnoutȱ leidendenȱ PersoȬ nenȱ selbst,ȱ z.B.ȱ mitȱ Hilfeȱ standardisierterȱ Fragebogenȱ alsȱ „selfȬ report“.ȱ Dennȱ esȱ gehtȱ umȱ einȱ Konstrukt,ȱ dasȱ inȱ derȱ Psycheȱ (quasiȱ „imȱInneren“)ȱderȱPersonenȱzuȱverortenȱist.ȱWoȱistȱderȱ„jobȬpersonȬ fit“ȱzuȱverorten?ȱDaȱdieserȱWahrnehmungen,ȱErwartungen,ȱBewerȬ tungenȱ undȱ Wertvorstellungenȱ betrifft,ȱ istȱ erȱ offenbarȱ ebenfallsȱ inȱ derȱ Psycheȱ derȱ Personenȱ zuȱ verorten,ȱ womitȱ auchȱ hierȱ dieȱ ErheȬ bungsmethodeȱ„selfȬreport“ȱnaheȱliegt.ȱSeiȱesȱnunȱeinȱProblemȱoderȱ nicht,ȱ wennȱ hierȱ sowohlȱ dasȱ alsȱ Ursacheȱ wieȱ dasȱ alsȱ bewirktesȱ anȬ genommeneȱKonstruktȱinȱderȱPsycheȱderȱLehrerȱliegtȱ–ȱinȱjedemȱFallȱ birgtȱ dieȱ Verwendungȱ vonȱ „selfȬreports“ȱ fürȱ beideȱ Konstrukteȱ Schwierigkeiten.ȱ Diesȱ wirdȱ nochȱ deutlicher,ȱ wennȱ wirȱ einesȱ derȱ KonstrukteȱalsȱaußerhalbȱderȱPsycheȱverortetȱannehmen.ȱHierȱliegtȱ nahe,ȱ alsȱ Verursachungȱ einȱ anderesȱ Konstruktȱ anzunehmen,ȱ z.B.ȱ schlechteȱSchulorganisation.ȱWennȱnunȱbeideȱKonstrukteȱ–ȱjetztȱalsoȱ Schulorganisationȱ undȱ Burnoutȱ –ȱ überȱ „selfȬreports“ȱ derȱ potentiellȱ vonȱ Burnoutȱ Betroffenenȱ erhobenȱ werden,ȱ istȱ folgendesȱ anzunehȬ men:ȱ Auchȱ fürȱ denȱ Fall,ȱ dassȱ dieȱ Schulorganisationȱ Burnoutȱ nichtȱ bewirktȱ (Burnoutȱ alsoȱ andereȱ Ursachenȱ hat),ȱ istȱ esȱ plausibel,ȱ dassȱ unterȱ Burnoutȱ leidendeȱPersonenȱ dieȱ Schulorganisationȱ tendenziellȱ schlechterȱ beurteilenȱ alsȱ Personenȱ ohneȱ Burnout.ȱ Durchȱ „selfȬ report“ȱerhobenerȱBurnoutȱerschieneȱalsoȱalsȱeinȱWirkfaktorȱfürȱdieȱ
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Bedingungs- und personbezogene Fragestellung
2.3
MeinungȱüberȱdieȱSchulorganisation.ȱDieseȱMöglichkeitȱbedenkendȱ wäreȱesȱunangemessen,ȱeineȱKorrelationȱvonȱSchulorganisationȱundȱ Burnoutȱ zuȱ interpretierenȱ als:ȱ chlechteȱ Schulorganisationȱ bewirktȱ mehrȱ Burnout.ȱ (Dieȱ Wirkrichtungȱ könnteȱ mitȱ Hilfeȱ vonȱ LängsȬ schnittȬDesignsȱuntersuchtȱwerden,ȱwennȱinȱderenȱAuswertung,ȱwieȱ z.B.ȱbeiȱLeitnerȱ&ȱResch,ȱ2005,ȱverschiedeneȱmöglicheȱWirkrichtunȬ genȱdirektȱmiteinanderȱverglichenȱwerdenȱ–ȱwasȱübrigensȱbeiȱLeiterȱ &ȱ Maslach,ȱ 2004,ȱ nichtȱ geschehenȱ ist.)ȱ Allȱ diesȱ wäreȱ anders,ȱ wennȱ dieȱ Schulorganisationȱ nichtȱ durchȱ „selfȬreports“ȱ derȱ BurnoutȬ Betroffenen,ȱ sondernȱ z.B.ȱ mitȱ Hilfeȱ externerȱ Beurteilerȱ erhobenȱ würde.ȱ Manȱ könnteȱ dannȱ schlechtȱ annehmen,ȱ dasȱ Burnoutȱ derȱ beȬ fragtenȱ Lehrerȱ seiȱ Ursacheȱ fürȱ eineȱ schlechtereȱ Bewertungȱ derȱ Schulorganisationȱ durchȱ externeȱ Beobachter.ȱ Esȱ istȱ alsoȱ unterȱ meȬ thodischenȱ Gesichtspunktenȱ problematisch,ȱ sowohlȱ fürȱ dieȱ ErheȬ bungȱ desȱ Burnoutȱ wieȱ fürȱ dieȱ Erhebungȱ potenziellerȱ Wirkfaktorenȱ (BurnoutȬUrsachen)ȱ Befragungenȱ imȱ Sinneȱ vonȱ „selfȬreports“ȱ zuȱ verwenden.ȱ
2.3
Die bedingungs- und personbezogene Fragestellung in der A&O-Psychologie
DieȱdargestelltenȱProblemeȱbeiȱderȱUntersuchungȱvonȱFaktorenȱderȱ BurnoutȬEntstehungȱ entsprechenȱ Problemen,ȱ dieȱ inȱ derȱ europäiȬ schenȱ arbeitspsychologischenȱ Forschungȱ schonȱ vorȱ längererȱ Zeitȱ gesehenȱwurden,ȱauchȱwennȱesȱdamalsȱnochȱnichtȱumȱLehrerarbeit,ȱ sondernȱ vorȱ allemȱ umȱArbeitstätigkeitenȱ inȱ Industriebetriebenȱ undȱ inȱ Bürosȱ ging.ȱ Wieȱ dieseȱ Problemeȱ behandeltȱ wurden,ȱ istȱ imȱ FolȬ gendenȱerläutert.ȱ
2.3.1
Entstehung des Konzepts „Bedingungsbezogene Arbeitsanalyse“
ImȱBereichȱderȱArbeitspsychologieȱwurdeȱinȱdenȱsiebzigerȱundȱachtȬ zigerȱ Jahrenȱ diskutiert,ȱ welcheȱ Anliegenȱ dieȱ arbeitspsychologischeȱ Forschungȱverfolgtȱoderȱverfolgenȱsollte.ȱSollenȱ(a)ȱKenntnisseȱdarȬ überȱ gewonnenȱ werden,ȱ wieȱ Arbeitstätigkeitenȱ aussehenȱ sollen,ȱ
57ȱ
2
Konstrukte und Methoden in der Forschung zur Lehrerbelastung
damitȱdieȱBelastungenȱamȱArbeitplatzȱkeineȱnegativenȱ(anstattȱevtl.ȱ sogarȱpositive)ȱFolgenȱfürȱdieȱMenschenȱhaben,ȱoderȱ(b)ȱKenntnisseȱ darüber,ȱwieȱdieȱMenschenȱbesserȱmitȱBelastungenȱamȱArbeitsplatzȱ umgehenȱ könnten?ȱ Selbstverständlichȱ sindȱ (a)ȱ undȱ (b)ȱ keineȱ sichȱ gegenseitigȱ ausschließendenȱ Anliegen.ȱ Inȱ derȱ Forschungȱ jedochȱ erfordernȱdieȱAnliegenȱverschiedeneȱVorgehensweisen.ȱȱ Dasȱ Anliegenȱ (b)ȱ erscheintȱ zunächstȱ alsȱ dasȱ „psychologischere“.ȱ Hierȱsoll,ȱähnlichȱwieȱinȱderȱpsychologischenȱBeratungȱundȱPsychoȬ therapie,ȱ dieȱ psychologischeȱ Wissenschaftȱ demȱ Menschenȱ dabeiȱ helfen,ȱ mitȱ seinenȱ individuellenȱ Problemenȱ zurechtzukommenȱ durchȱVeränderungȱseinerȱindividuellenȱWahrnehmungȱundȱseinesȱ individuellenȱ Verhaltens.ȱDiesȱ entsprichtȱ denȱ Erwartungenȱ anȱ PsyȬ chologen,ȱ dieȱ manȱ inȱ derȱ Öffentlichkeitȱ außerhalbȱ derȱ psychologiȬ schenȱ Wissenschaftȱ hat:ȱ Psychologenȱ beschäftigenȱ sichȱ eingehendȱ mitȱ denȱ persönlichenȱ Problemenȱ einzelnerȱ Personenȱ undȱ legenȱ ihȬ nenȱErkenntnisseȱzurȱeigenenȱPersönlichkeitȱwieȱauchȱneueȱVerhalȬ tensweisenȱnahe,ȱwobeiȱdieȱPsychologenȱselbstverständlichȱamȱganzȱ individuellenȱCharakterȱeinesȱMenschenȱanzusetzenȱhaben.ȱInȱeinerȱ entsprechendenȱpsychologischenȱForschungȱstehtȱdaherȱimȱVorderȬ grund,ȱwelcheȱEigenschaftenȱMenschenȱhaben,ȱwelcheȱjeȱindividuelȬ lenȱ Problemeȱ ihrȱ Verhaltenȱ undȱ Erlebenȱ aufweisenȱ könntenȱ –ȱ undȱ wieȱ manȱ ggf.ȱ solcheȱ Problemeȱ durchȱ Beratungȱ oderȱ Behandlungȱ mildernȱkann.ȱ Dagegenȱ erscheintȱ Anliegenȱ (a)ȱ aufȱ denȱ erstenȱ Blickȱ geradezuȱ unȬ psychologisch,ȱ technisch.ȱ Hierȱ sollȱ dieȱ psychologischeȱ Forschungȱ Erkenntnisseȱ dazuȱ erzielen,ȱ wieȱ Arbeitstätigkeitenȱ auszusehenȱ haȬ ben,ȱ d.h.ȱ wieȱ dieȱArbeitȱ zuȱ gestaltenȱ ist,ȱ damitȱ sieȱ z.B.ȱ wenigerȱ zuȱ gesundheitlichenȱ Problemenȱ beimȱ arbeitendenȱ Menschenȱ führt.ȱ Diesȱentsprichtȱdemȱ„Arbeitsschutz“,ȱderȱsichȱansonstenȱmitȱDingenȱ wieȱLärmschutzȱundȱRegelungenȱzurȱSicherheitȱtechnischerȱEinrichȬ tungenȱ beschäftigt.ȱ Vonȱ Beratungȱ oderȱ garȱ Therapieȱ einzelnerȱ PerȬ sonenȱ istȱ hierȱ keineȱ Redeȱ mehr.ȱ Undȱ inȱ derȱ Forschungȱ sindȱ nichtȱ Merkmaleȱ vonȱ Personen,ȱ sondernȱ Merkmaleȱ derȱ Arbeitstätigkeitȱ –ȱ ihreȱ technischenȱ undȱ organisatorischenȱ Bedingungenȱ –ȱ derȱ primärȱ interessierendeȱGegenstand.ȱ Dasȱ Anliegenȱ (a)ȱ istȱ vorȱ allemȱ dannȱ vonȱ Bedeutung,ȱ wennȱ esȱ umȱ Arbeitsgestaltungȱ gehenȱ soll.ȱ Inȱ denȱ siebzigerȱ Jahrenȱ wurdenȱ inȱ derȱ Arbeitspsychologieȱ„neueȱFormenȱderȱArbeitsgestaltung“ȱdiskutiertȱ
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Bedingungs- und personbezogene Fragestellung
2.3
(vgl.ȱGroskurthȱ&ȱVolpert,ȱ1975;ȱUlich,ȱ1972).ȱUmȱArbeitstätigkeitenȱ menschengerechterȱzuȱgestalten,ȱwurdeȱinsbesondereȱanȱdieȱFormenȱ „jobȱ rotation“,ȱ „jobȱ enlargement“,ȱ „jobȱ enrichment“ȱ undȱ „teilautoȬ nomeȱ Gruppenarbeit“ȱ gedacht.ȱ Damitȱ werdenȱ nichtȱ Merkmaleȱ derȱ arbeitendenȱPersonen,ȱsondernȱ„objektive“ȱMerkmaleȱderȱArbeitstäȬ tigkeitȱ angesprochen.ȱ Wieȱ istȱ eineȱ gegebeneȱArbeitstätigkeitȱ zuȱ beȬ urteilen,ȱ welcheȱ Maßnahmenȱ derȱ Arbeitsgestaltungȱ sindȱ jeweilsȱ angemessenȱ–ȱwelcheȱüberflüssig?ȱEineȱentsprechendeȱAnalyseȱ(UnȬ tersuchung)ȱ derȱ Arbeitstätigkeitȱ orientiertȱ damitȱ primärȱ aufȱ MerkȬ maleȱ derȱArbeitstätigkeitȱ –ȱ undȱ nichtȱ primärȱ aufȱ Merkmaleȱ derȱ jeȬ weiligenȱarbeitendenȱPerson.ȱ Fürȱ dieȱ beidenȱAnliegenȱ (a)ȱ undȱ (b)ȱ wurdenȱ zunächstȱ dieȱ BezeichȬ nungenȱ„objektive“ȱundȱ„subjektiveȱFragestellung“ȱverwendet,ȱnachȱ einigenȱ Diskussionenȱ zuȱ Missverständnissenȱ damitȱ wurdenȱ dieȱ Bezeichnungenȱ (a)ȱ „bedingungsbezogene“ȱ undȱ (b)ȱ „personenbezoȬ geneȱ Fragestellung“ȱ derȱ psychologischenȱ Arbeitsanalyseȱ vorgeȬ schlagenȱ (Oesterreichȱ &ȱ Volpert,ȱ 1987)ȱ undȱ geltenȱ heuteȱ alsȱ allgeȬ meinȱakzeptiertȱ(s.ȱetwaȱDunckel,ȱ1999).ȱȱ Dieȱ(a)ȱbedingungsbezogeneȱFragestellungȱbeziehtȱsichȱdarauf,ȱwieȱdasȱ Arbeitshandelnȱ durchȱ dieȱ betrieblichenȱ Vorgabenȱ fürȱ denȱ ArbeitsȬ platz,ȱ durchȱ seineȱ organisatorischenȱ undȱ technischenȱ Bedingungenȱ geprägtȱist.ȱEsȱwirdȱuntersucht,ȱwelcheȱpsychischenȱProzesseȱgeforȬ dertȱsind,ȱumȱdieȱArbeitsaufgabeȱzuȱerfüllen.ȱIstȱz.B.ȱbeiȱderȱArbeitȱ nurȱ wenigȱ oderȱ aberȱ vielesȱ zuȱ bedenken?ȱ Gibtȱ esȱ Kooperationȱ mitȱ KollegenȱanȱanderenȱArbeitsplätzen?ȱMüssenȱhinderlicheȱUmständeȱ bewältigtȱwerden?ȱStehtȱgenügendȱZeitȱzurȱVerfügung,ȱumȱdieȱArȬ beitȱinȱangemessenemȱTempoȱerledigenȱzuȱkönnen?ȱAntwortenȱaufȱ solcheȱFragenȱgeltenȱnichtȱnurȱfürȱdieȱaktuellȱamȱArbeitsplatzȱtätigeȱ Person,ȱsondernȱpotentiellȱauchȱfürȱKollegen,ȱdieȱzeitweiseȱalsȱVerȬ tretungȱ fungierenȱ oderȱ welcheȱ dieȱ gleicheȱ Tätigkeitȱ anȱ parallelenȱ ArbeitsplätzenȱoderȱinȱanderenȱSchichtenȱausführen.ȱ Dieȱ (b)ȱ personenbezogeneȱ Fragestellungȱ derȱ Arbeitsanalyseȱ dagegenȱ zieltȱ aufȱ individuelleȱ Charakteristikenȱ derȱ arbeitendenȱ Personen.ȱ Hierȱ wirdȱ gefragt,ȱ welcheȱ Einstellungenȱ undȱ Meinungenȱ eineȱ PerȬ sonȱzuȱihrerȱArbeitȱhat,ȱwieȱspeziellȱsieȱ–ȱimȱUnterschiedȱzuȱanderenȱ Personen,ȱ welcheȱ dieȱ gleicheȱArbeitȱ ausführenȱ oderȱ potentiellȱ ausȬ führenȱkönntenȱ–ȱbeiȱderȱArbeitȱvorgeht.ȱObȱsieȱz.B.ȱübergenauȱoderȱ gedankenlosȱvorgeht,ȱobȱsieȱbestimmteȱSchwierigkeitenȱinȱeinemȱihrȱ
59ȱ
2
Konstrukte und Methoden in der Forschung zur Lehrerbelastung
eigenenȱ Stilȱ bewältigt,ȱ sichȱ überȱ Hemmnisseȱ inȱ besondererȱ Weiseȱ ärgertȱ usw.ȱ Auchȱ dieȱ Frageȱ nachȱ erhöhterȱ Leistungsfähigkeit,ȱ z.B.ȱ durchȱ größereȱArbeitserfahrung,ȱ undȱ verminderterȱ LeistungsfähigȬ keit,ȱwieȱz.B.ȱbeiȱBurnout,ȱgehörtȱzurȱpersonenbezogenenȱFragestelȬ lungȱderȱArbeitsanalyse.ȱ
2.3.2
Konstruktlogik im Belastungs- und Beanspruchungskonzept: Belastung „von außen“ und Beanspruchung „im Inneren“
DieȱerläuterteȱUnterscheidungȱvonȱbedingungsȬȱundȱpersonenbezoȬ generȱFragestellungȱhatȱoffensichtlichȱauchȱmitȱderȱUnterscheidungȱ vonȱ KonstruktȬArtenȱ zuȱ tun.ȱ Beiȱ derȱ bedingungsbezogenenȱ FrageȬ stellungȱ gehtȱ esȱ nichtȱ –ȱ wieȱ aberȱ beiȱ derȱ personenbezogenenȱ –ȱ umȱ Konstrukte,ȱdieȱPersonenmerkmaleȱbetreffen.ȱDiesȱwirdȱauchȱdeutȬ lichȱ durchȱ dieȱ Unterscheidungȱ derȱ Begriffeȱ Belastungȱ undȱ BeanȬ spruchungȱ imȱ BelastungsȬBeanspruchungsȬKonzeptȱ (Rohmert,ȱ 1984),ȱ welchesȱ aufȱ Überlegungenȱ zurȱ physischenȱ undȱ physiologischenȱ BelastungȱundȱBeanspruchungȱzurückgeht.ȱȱ Dasȱ BelastungsȬBeanspruchungsȬKonzeptȱ wurdeȱ ursprünglichȱ aufȱ körperlicheȱ Belastungen,ȱ dannȱ aberȱ auchȱ aufȱ psychischeȱ Prozesseȱ bezogen.ȱ Auchȱ wennȱ esȱ hierzuȱ deutlicheȱ Kritikȱ gibtȱ (insbesondereȱ vomȱAutorȱdiesesȱBeitrages,ȱs.ȱOesterreichȱ1999ȱundȱ2001):ȱEineȱUnȬ terscheidungȱ vonȱ einerseitsȱ psychischerȱ Belastung,ȱ gekennzeichnetȱ durchȱ äußere,ȱ quasiȱ „objektive“ȱ Umstände,ȱ undȱ andererseitsȱ psyȬ chischerȱ Beanspruchung,ȱ gekennzeichnetȱ durchȱ quasiȱ „subjektive“ȱ ProzesseȱimȱInnerenȱderȱarbeitendenȱPerson,ȱistȱauchȱsinnvoll,ȱwennȱ esȱimȱInnerenȱderȱarbeitendenȱPersonȱumȱpsychischeȱProzesseȱgeht.ȱ Dieȱ Unterscheidungȱ entsprichtȱ einerȱ etwasȱ anderenȱ Sichtȱ aufȱ dieȱ Unterscheidungȱ vonȱ bedingungsȬȱ undȱ personenbezogenerȱ FrageȬ stellung.ȱ
2.3.3
Bezüge zur Verhältnis- und Verhaltensprävention
Fürȱ dieȱ Unterscheidungȱ vonȱ bedingungsȬȱ undȱ personenbezogenerȱ Fragestellungȱ beiȱ derȱ Untersuchungȱ undȱ Gestaltungȱ vonȱ Arbeitȱ
60ȱ
Bedingungs- und personbezogene Fragestellung
2.3
ergebenȱsichȱdirekteȱBezügeȱzuȱderȱUnterscheidungȱvonȱVerhältnisȬȱ undȱVerhaltenspräventionȱ(z.B.ȱUlich,ȱ2005,ȱS.ȱ529).ȱ Wennȱbekanntȱist,ȱdassȱbestimmteȱArbeitsbedingungenȱmitȱgesundȬ heitlichenȱ Risikenȱ verknüpftȱ sind,ȱ sindȱ Verbesserungenȱ dieserȱ ArȬ beitsbedingungenȱ derȱ Verhältnispräventionȱ zuzurechnen.ȱ Hierȱ werȬ denȱ Arbeitsbedingungenȱ undȱ Arbeitsabläufeȱ mitȱ demȱ Zielȱ veränȬ dert,ȱ schädigendeȱ Bedingungenȱ zuȱ vermindernȱ oderȱ gesundheitsȬ förderlicheȱBedingungenȱzuȱverstärken.ȱȱ Wennȱ bekanntȱ ist,ȱ dassȱ bestimmteȱ dieserȱ Verhaltensweisenȱ mitȱ geȬ sundheitlichenȱ Risikenȱ verknüpftȱ sind,ȱ sindȱ Maßnahmenȱ zurȱ VerȬ änderungȱ derȱ persönlichenȱ Verhaltensweisenȱ derȱ VerhaltensprävenȬ tionȱzuzuordnen.ȱDieseȱVeränderungenȱkönnenȱdurchȱTrainingȱderȱ betreffendenȱ Personȱ zuȱ erzielenȱ versuchtȱ werden,ȱ z.B.ȱ durchȱ EntspannungsȬȱoderȱStressmanagementtraining.ȱȱ
2.3.4
Erhebungsmethodische Konsequenzen
Derȱ erhebungsmethodischeȱ Umgangȱ mitȱ derȱ personenbezogenenȱ Fragestellungȱ istȱ ohneȱ weiteresȱ imȱ Rahmenȱ derȱ inȱ derȱ gesamtenȱ Psychologieȱüblichenȱ Methodikȱ möglich,ȱ dieȱaufȱ dieȱ Untersuchungȱ vonȱPersonenmerkmalenȱzielt.ȱSoȱgehenȱpsychodiagnostischeȱLehrȬ bücherȱinȱderȱRegelȱdavonȱaus,ȱdassȱesȱumȱdieȱMessungȱvonȱ„subȬ jektiven“ȱPersonenmerkmalenȱgeht.ȱ Beiȱ derȱ bedingungsbezogenenȱ Fragestellungȱ dagegenȱ wirdȱ verȬ sucht,ȱ vonȱ Personenmerkmalenȱ zuȱ abstrahierenȱ undȱ stattdessenȱ „objektive“ȱMerkmaleȱdesȱArbeitshandelnsȱsoȱzuȱerfassen,ȱwieȱdieseȱ Merkmaleȱfürȱ alleȱ potentiellȱdiesesȱHandelnȱausführendeȱPersonenȱ geltenȱ (vorausgesetztȱ dieȱ Personenȱ sindȱ fürȱ dieȱ inȱ Frageȱ stehendeȱ Arbeitȱ entsprechendȱ qualifiziertȱ undȱ geübt).ȱ Manȱ kannȱ versuchen,ȱ dieȱMerkmaleȱdesȱArbeitshandelnsȱdurchȱBefragungenȱimȱSinneȱvonȱ „selfȬreports“ȱ zuȱ erheben,ȱ dasȱ bekanntesteȱ Beispielȱ dafürȱ istȱ dieȱ Forschung,ȱdieȱmitȱdemȱNamenȱKarasekȱverbundenȱistȱ(z.B.ȱKarasekȱ &ȱ Theorell,ȱ 1990).ȱ Angemessenerȱ sindȱ Erhebungenȱ durchȱ externeȱ Beobachter,ȱ dieȱ auchȱ Befragungenȱ durchführen,ȱ allerdingsȱ mitȱ derȱ Maßgabe,ȱ beiȱ derȱ Befragungȱ vonȱ individuellenȱ Besonderheitenȱ derȱ befragtenȱ Arbeitspersonenȱ zuȱ abstrahieren.ȱ Alsȱ „BeobachtungsinȬ terview“ȱwirdȱdiesesȱVorgehenȱbezeichnet.ȱAngemesseneȱArtenȱderȱ
61ȱ
2
Konstrukte und Methoden in der Forschung zur Lehrerbelastung
Reliabilitätsprüfungȱ solcherȱ Beobachtungsinterviewsȱ werdenȱ vonȱ OesterreichȱundȱBortzȱ(1994)ȱbeschrieben.ȱ Fürȱ bedingungsbezogeneȱ Untersuchungenȱ wurdeȱ inȱ derȱ deutschȬ sprachigenȱ Arbeitspsychologieȱ eineȱ ganzeȱ Reiheȱ vonȱ ArbeitsanalyȬ seinstrumentenȱentwickelt,ȱvieleȱvonȱihnenȱsindȱbeiȱDunckelȱ(1999)ȱ dargestellt.ȱ
2.4
Erweiterung des Konzepts „Bedingungs- und personbezogene Fragestellung“
Inȱ derȱ deutschsprachigenȱ Arbeitspsychologieȱ sindȱ dieȱ NotwendigȬ keitȱ undȱ dasȱ Anliegenȱ bedingungsbezogenerȱ Arbeitsanalyseȱ weitȬ gehendȱ geläufigȱ undȱ akzeptiert,ȱ damitȱ auchȱ dasȱ Konzeptȱ derȱ GeȬ genüberstellungȱvonȱpersonenbezogenerȱundȱbedingungsbezogenerȱ Fragestellungȱ bzw.ȱ Arbeitsanalyse.ȱ Inzwischenȱ wurdeȱ diesesȱ KonȬ zeptȱ erweitertȱ (Oesterreichȱ &ȱ Resch,ȱ 2004),ȱ umȱ dasȱ Anliegenȱ desȱ Konzepts,ȱ verschiedeneȱ Fragerichtungenȱ undȱ damitȱ verbundeneȱ MethodikenȱinȱderȱArbeitsanalyseȱzuȱunterscheiden,ȱauchȱfürȱsolcheȱ Arbeitstätigkeitenȱfruchtbarȱzuȱmachen,ȱdieȱbeiȱderȱursprünglichenȱ EntwicklungȱdesȱKonzeptsȱnochȱnichtȱimȱFokusȱarbeitsanalytischerȱ Absichtenȱstanden.ȱDieȱErweiterungȱwirdȱhierȱerläutertȱanhandȱderȱ Abbildungȱ1.ȱȱ DerȱersteȱAspektȱderȱErweiterungȱbeziehtȱsichȱaufȱdieȱimȱoberenȱTeilȱ derȱAbbildungȱ stehendenȱ Begriffeȱ „bedingungsgeprägt“ȱ undȱ „perȬ sonengeprägt“.ȱ Sieȱ entsprechenȱ demȱ ursprünglichenȱ Begriffspaarȱ bedingungsȬȱundȱ personenbezogenȱ –ȱ nurȱ dassȱ hierȱnichtȱ mehrȱ vonȱ „Fragestellung“ȱdieȱRedeȱist,ȱsondernȱvomȱArbeitshandeln,ȱdasȱverȬ schiedenenȱ Prägungenȱ unterliegenȱ kann,ȱ hierȱ zunächstȱ Prägungenȱ durchȱ dieȱ technisch/organisatorischenȱ Arbeitsbedingungenȱ undȱ auchȱ Prägungenȱ durchȱ Charakteristikenȱ derȱ arbeitendenȱ Person.ȱ LetztereȱPrägungenȱwerdenȱerstȱdannȱinȱrelevantemȱAusmaßȱanzuȬ treffenȱ sein,ȱ wennȱ dasȱ Arbeitshandelnȱ nichtȱ weitgehendenȱ VorȬ schriftenȱ folgt,ȱ sondernȱ dieȱ arbeitendeȱ Personȱ GestaltungsmöglichȬ keitenȱ hatȱ –ȱ wieȱ z.B.ȱ beiȱ derȱ Arbeitȱ imȱ eigenenȱ Haushaltȱ (Resch,ȱ 2002).ȱȱ
62ȱ
Erweiterung des Konzepts „bedingungs- und personbezogen“
Abbildungȱ1ȱ
VierȱArtenȱderȱPrägungȱdesȱArbeitshandelnsȱ
Bedingungsgeprägt
2.4
Personengeprägt
Arbeitshandeln
Nutzergeprägt
Kollegengeprägt
ȱ
Derȱ zweiteȱ Aspektȱ derȱ Erweiterungȱ betrifftȱ dieȱ Berücksichtigungȱ desȱ Begriffesȱ „nutzergeprägt“ȱ inȱ Abbildungȱ 1.ȱ Wenn,ȱ wieȱ inȱ derȱ klassischenȱ IndustrieȬȱ undȱ Büroarbeit,ȱ dieȱ erarbeitetenȱ Produkteȱ undȱ Informationenȱ erstȱ einigeȱ Zeitȱ nachȱ Abschlussȱ derȱ Arbeitȱ vonȱ anderenȱ Personenȱ genutztȱ werden,ȱ habenȱ individuelleȱ Merkmaleȱ dieserȱNutzerȱkeinenȱdirektenȱEinflussȱaufȱdenȱAblaufȱderȱArbeitstäȬ tigkeit.ȱ Diesȱ istȱ andersȱ beiȱ „personenbezogenenȱ Dienstleistungen“ȱ (dasȱWortȱ„personenbezogen“ȱhatȱhierȱeineȱandereȱBedeutungȱalsȱinȱ derȱVerwendungȱbeiȱ„personenbezogeneȱFragestellung“).ȱBeiȱdieserȱ ArtȱvonȱArbeitstätigkeitȱwirdȱdirektȱmitȱdemȱNutzerȱderȱArbeitȱinȬ teragiert,ȱwieȱz.B.ȱbeiȱärztlichenȱTätigkeiten.ȱIndividuelleȱMerkmaleȱ derȱNutzerȱprägenȱhierȱdasȱArbeitshandelnȱsehrȱdeutlich.ȱ DerȱdritteȱAspektȱderȱErweiterungȱbetrifftȱdenȱEinflussȱindividuellerȱ Merkmaleȱ vonȱArbeitskollegen,ȱ wasȱ inȱAbbildungȱ 1ȱ mitȱ „kollegenȬ geprägt“ȱ gekennzeichnetȱ ist.ȱ Inȱ starkȱ verregeltenȱArbeitstätigkeitenȱ inȱ derȱ Industrieȱ undȱ imȱ Büroȱ sindȱ solcheȱ Einflüsseȱ oftmalsȱ kaumȱ vorhandenȱ (z.B.ȱ wurdeȱ inȱ Untersuchungenȱ mitȱ Hilfeȱ desȱ KABAȬ Leitfadensȱfestgestellt,ȱdassȱesȱanȱca.ȱeinerȱHälfteȱvonȱ119ȱuntersuchȬ tenȱArbeitsplätzenȱ währendȱ derȱArbeitsausführungȱ keineȱ relevanteȱ
63ȱ
2
Konstrukte und Methoden in der Forschung zur Lehrerbelastung
Kommunikationȱgab,ȱvgl.ȱDunckelȱetȱal.,ȱ2007).ȱDiesȱistȱbeiȱArbeitsȬ tätigkeitenȱ wieȱ z.B.ȱ imȱ eigenenȱ Haushaltȱ oderȱ beiȱ personenbezogeȬ nenȱDienstleistungenȱwieȱinȱderȱKlinikȱanders.ȱ Soweitȱ dieȱ hierȱ kurzeȱ Erläuterungȱ derȱ Erweiterungȱ desȱ Konzeptesȱ „bedingungsȬȱundȱpersonenbezogeneȱFragestellungȱderȱArbeitspsyȬ chologie“.ȱAnzumerkenȱist,ȱdassȱdieȱPrägungsartenȱ„nutzergeprägt“ȱ undȱ „kollegengeprägt“ȱ imȱ ursprünglichenȱ Konzeptȱ denȱ ArbeitsbeȬ dingungenȱ zugerechnetȱ waren,ȱ alsoȱ unterȱ „bedingungsbezogen“ȱ firmierten.ȱ Dieȱ Prägungsartenȱ „nutzergeprägt“ȱ undȱ „kollegengeȬ prägt“ȱ undȱ selbstverständlichȱ auchȱ „bedingungsgeprägt“ȱ sindȱ alsoȱ Ausdifferenzierungenȱ desȱ ursprünglichenȱ Aspektesȱ „bedingungsȬ bezogen“.ȱ Demȱ ursprünglichenȱ Aspektȱ „personenbezogen“ȱ entȬ sprichtȱnunȱdieȱPrägungsartȱ„personengeprägt“.ȱ Dieȱ Doppelpfeileȱ symbolisierenȱ reziprokeȱ Beziehungenȱ zwischenȱ denȱPrägungsartenȱundȱdemȱArbeitshandeln.ȱEsȱwirdȱalsoȱnichtȱnurȱ dasȱArbeitshandelnȱgeprägt,ȱsondernȱdasȱArbeitshandelnȱprägtȱauchȱ imȱ Sinneȱ einerȱ Rückwirkungȱ dieȱ arbeitendeȱ Person,ȱ dieȱ BedingunȬ gen,ȱdieȱNutzerȱundȱKollegen.ȱȱ Insgesamtȱ verweistȱ dasȱ Konzeptȱ inȱ Abbildungȱ 1ȱ aufȱ einȱ ForȬ schungsprogrammȱ mitȱ verschiedenenȱ Forschungsfragen.ȱ Kritikerȱ mögenȱhierȱeinwenden,ȱdassȱnochȱweitereȱPfeileȱinȱdieȱAbbildungȱ1ȱ aufgenommenȱ werdenȱ können.ȱ Dasȱ istȱ richtig,ȱ zwischenȱ allenȱ EleȬ mentenȱ derȱ Abbildungȱ lassenȱ sichȱ Pfeileȱ einzeichnen,ȱ dieȱ auchȱ jeȬ weilsȱ sinnvolleȱ Bezügeȱ repräsentierenȱ würden.ȱ DieȱAbbildungȱ sollȱ jedochȱ nichtȱ dieȱ Wirklichkeitȱ vollständigȱ beschreiben,ȱ sondernȱ weȬ sentlicheȱAkzenteȱ setzen,ȱ wasȱ besserȱ gelingt,ȱ wennȱ manȱ zusätzlichȱ möglicheȱAkzenteȱauslässt.ȱ
2.5
Vier Arten der Prägung des Lehrerhandelns
DasȱimȱvorigenȱAbschnittȱerweiterteȱKonzeptȱlässtȱsichȱleichtȱfürȱdasȱ Lehrerhandelnȱspezifizieren.ȱDieȱEigenartenȱvonȱArbeitstätigkeiten,ȱ welcheȱ dieȱ Erweiterungȱ desȱ ursprünglichenȱ Konzeptsȱ derȱ bedinȬ gungsȬȱ undȱ personenbezogenenȱ Fragestellungȱ motiviertȱ haben,ȱ geltenȱeindeutigȱauchȱfürȱdieȱLehrerarbeit:ȱNichtȱnurȱtechnischeȱundȱ
64ȱ
Vier Arten der Prägung des Lehrerhandelns
2.5
organisatorischeȱ Bedingungen,ȱ auchȱ dieȱ individuellenȱ EigenschafȬ tenȱderȱLehrpersonȱprägenȱdasȱLehrerhandeln,ȱundȱesȱgibtȱNutzer,ȱ hierȱ vorȱ allemȱ dieȱ Schülerȱ (auchȱ Elternȱ lassenȱ sichȱ alsȱ zusätzlicheȱ Nutzerȱ auffassen),ȱ mitȱ denenȱ direktȱ interagiertȱ wird,ȱ undȱ dieȱ ZuȬ sammenarbeitȱmitȱKollegen,ȱseienȱesȱLeiter,ȱFachkollegenȱoderȱJahrȬ gangskollegenȱhatȱeinigeȱBedeutung.ȱȱ DasȱsichȱsoȱergebendeȱKonzeptȱistȱinȱAbbildungȱ2ȱveranschaulicht.ȱ Dieȱ vierȱ Blöckeȱ inȱ Abbildungȱ 2ȱ entsprechenȱ grobenȱ CharakterisieȬ rungenȱderȱjeweiligenȱPrägungsarten.ȱJedeȱPrägungsartȱhatȱwiederȬ umȱinȱsichȱverschiedeneȱAspekte,ȱwasȱdurchȱdasȱ„z.B.“ȱinȱdenȱBlöȬ ckenȱangedeutetȱwird.ȱ
Abbildungȱ2ȱ
VierȱArtenȱderȱPrägungȱdesȱLehrerhandelnsȱ Bedingungen der Arbeit Schulische Organisation und Ausstattung
Arbeitende Person Lehrer(in)
z.B. Lehrpläne z.B. Materialien
z.B. Kompetenz z.B. Gesundheit
Lehrer(innen)Handeln z.B. Belastungen
Nutzer(innen) Schüler(innen)
Kolleg(inn)en Leitende und Team-Kollegen
z.B. Verhalten z.B. Kenntnisse
z.B. Weisungen z.B. Unterstützung
ȱ
Nichtȱ mitȱ eingezeichnetȱ sindȱ nochȱ allgemeinereȱ prägendeȱ BedinȬ gungen,ȱ dieȱ esȱ fürȱ jedeȱArtȱ derȱ Prägungȱ gebenȱ kann.ȱ Dieseȱ wärenȱ z.B.ȱ Schulpolitik,ȱ Bildungssystem,ȱ politischeȱ Entscheidungenȱ zurȱ
65ȱ
2
Konstrukte und Methoden in der Forschung zur Lehrerbelastung
Finanzierungȱ vonȱ Schulen,ȱ sozialesȱ Umfeldȱ derȱ Schule,ȱ beruflicheȱ Chancenȱ derȱ Schüler,ȱ nichtȬschulbezogeneȱ Lebensbedingungenȱ desȱ Lehrersȱ undȱ auchȱ derȱ Kollegen.ȱ Dieseȱ nochȱ allgemeinerenȱ BedinȬ gungenȱ könntenȱ überȱundȱ unterȱderȱAbbildungȱ2ȱzusätzlichȱ eingeȬ zeichnetȱwerden.ȱ Manȱbeachte,ȱdassȱdieȱ(psychische)ȱBelastungȱalsȱBeispielȱfürȱeinȱdieȱ Personȱ desȱ Lehrersȱ beeinflussendesȱ (prägendes)ȱ Konstruktȱ einȱ Merkmalȱ desȱ Handelnsȱ ist.ȱ Inȱ demȱ Konzeptȱ wirdȱ angenommen,ȱ dassȱ sichȱ potentiellȱ aufȱ Belastungȱ auswirkendeȱ andereȱ Konstrukte,ȱ z.B.ȱ Lehrpläneȱ oderȱ dasȱ Schülerverhalten,ȱ erstȱ aufȱ demȱ „Umweg“ȱ überȱ dieȱ Prägungȱ desȱ Lehrerhandelnsȱ ihreȱ ggf.ȱ belastendeȱ BedinȬ gungȱ entfaltenȱ können:ȱ Hättenȱ sieȱ keinenȱ Einflussȱ aufȱ bzw.ȱ keineȱ BedeutungȱfürȱdasȱLehrerhandeln,ȱkönntenȱsieȱauchȱkeineȱBelastungȱ erzeugen.ȱWeiteresȱdazuȱimȱnächstenȱAbschnitt.ȱ
2.6
Ein allgemeines Wirkmodell zur Lehrerbelastung und erhebungsmethodische Hinweise
Dasȱ Konzeptȱ derȱ bedingungsȬȱ undȱ personenbezogenenȱ FragestelȬ lungȱwurdeȱerweitertȱzuȱeinemȱKonzeptȱvonȱvierȱArtenȱderȱPrägungȱ desȱ Arbeitshandelns,ȱ welchesȱ hierȱ fürȱ dasȱ Lehrerhandelnȱ spezifiȬ ziertȱ wurde.ȱ Wieȱ solcheȱ Prägungsartenȱ zurȱ psychischenȱ Belastungȱ undȱ derenȱ Folgenȱ inȱ Beziehungȱ gesetztȱ werdenȱ können,ȱ istȱ imȱ linȬ kenȱ Teilȱ derȱ Abbildungȱ 3ȱ veranschaulicht.ȱ Demȱ Grundgedankenȱ nachȱ folgtȱ dieseȱ Artȱ derȱ Darstellungȱ derȱ Veranschaulichungȱ derȱ Hypothesenȱ zurȱ Auswirkungȱ vonȱ Stressȱ imȱ Konzeptȱ „Psychischerȱ StressȱamȱArbeitsplatz“ȱbeiȱGreifȱ(1991).ȱ Dieȱ Prägungsartȱ „Nutzer“ȱ bzw.ȱ „Schüler“ȱ wurdeȱ alsȱ Beispielȱ zumȱ Ausgangspunktȱgenommen,ȱesȱkönntenȱauchȱandereȱPrägungsartenȱ undȱ Kombinationenȱ verschiedenerȱ Prägungsartenȱ sein.ȱ Dieȱ jeweiliȬ geȱPrägungsartȱwirktȱaufȱdasȱLehrerhandeln,ȱimȱBeispielȱderȱAbbilȬ dungȱ3ȱvorȱallemȱimȱUnterricht.ȱDasȱLehrerhandelnȱkannȱdurchȱdieȱ jeweilsȱbetrachteteȱPrägungȱCharakteristikenȱerhalten,ȱdieȱalsȱBelasȬ tungȱ(einerȱbestimmtenȱArt)ȱanzusehenȱsind.ȱDieȱbetrachteteȱArtȱderȱ Belastungȱ führtȱ kurzfristigȱ zurȱ Beanspruchungȱ desȱ Lehrers.ȱ LangȬ
66ȱ
Erhebungsmethodische Hinweise zur Lehrerbelastung
2.6
fristigȱ kannȱ dieȱ Artȱ derȱ Belastungȱ (gemeinsamȱ mitȱ anderenȱ BelasȬ tungsarten)ȱ fürȱ denȱ Lehrerȱ gesundheitlicheȱ Folgenȱ habenȱ undȱ inȱ Burnoutȱresultieren.ȱ DieȱAbbildungȱ3ȱveranschaulichtȱHypothesenȱinȱallgemeinerȱArt.ȱSieȱ unterstellt,ȱ Gegenstandȱ derȱ Untersuchungȱ seiȱ dieȱ Arbeitstätigkeitȱ einesȱLehrersȱeinschließlichȱderȱFolgenȱfürȱdasȱkurzȬȱundȱlangfristiȬ geȱBefindenȱdesȱLehrers.ȱSieȱunterstelltȱmitȱdemȱgewähltenȱBeispiel,ȱ dassȱ Belastungȱ imȱArbeitshandelnȱ entstehtȱ undȱ dassȱ Belastungȱ neȬ gativeȱFolgenȱfürȱdieȱarbeitendeȱPersonȱhat.ȱȱ Inȱ bisherigenȱ Forschungsvorhabenȱ derȱArbeitsȬȱ undȱOrganisationsȬ psychologie,ȱspeziellȱauchȱinȱderȱBurnoutȬForschung,ȱwurdenȱmeistȱ nichtȱ alleȱ Hypothesenȱ derȱ Wirkketteȱ untersucht.ȱ Derȱ häufigsteȱ Fallȱ bestehtȱ darin,ȱ Merkmaleȱ desȱ Arbeitshandelns,ȱ dieȱ alsȱ belastendȱ vermutetȱwerden,ȱzuȱerhebenȱ(leiderȱmeistȱnurȱmitȱFragebogen)ȱundȱ nachȱ langfristigenȱ Folgenȱ imȱ Sinneȱ gesundheitlicherȱ Beschwerdenȱ oderȱ Burnoutȱ zuȱ fragenȱ (ebenfallsȱ meistȱ mitȱ Fragebogen).ȱ EntspreȬ chendeȱHypothesenȱsindȱinȱAbbildungȱ3ȱderȱVerbindungȱderȱBlöckeȱ BȱundȱDȱzuzuordnenȱ(wobeiȱBlockȱCȱübersprungenȱwird).ȱ DieȱUntersuchungȱallerȱinȱAbbildungȱ3ȱsichȱschrittweiseȱergebendenȱ Hypothesenȱ istȱ zumȱ Nachweisȱ vonȱ Belastungsauswirkungenȱ nichtȱ stetsȱ erforderlich.ȱ Soȱ könnteȱ manȱ auchȱ daranȱ denken,ȱ dieȱ AuswirȬ kungȱprägenderȱBedingungenȱimȱerstenȱBlockȱAȱaufȱdasȱlangfristigeȱ BefindenȱimȱletztenȱBlockȱDȱzuȱuntersuchen.ȱ Imȱ rechtenȱ Teilȱ derȱAbbildungȱ 3ȱ sindȱ fürȱ dieȱ imȱ linkenȱ Teilȱ aufgeȬ führtenȱ Konstruktartenȱ Hinweiseȱ zuȱ optimalenȱ ErhebungsmethoȬ denȱeingetragen,ȱdieȱsichȱeigentlichȱvonȱselbstȱverstehen.ȱNatürlichȱ istȱ esȱ auchȱ möglich,ȱ wenigerȱ optimaleȱ Methodenȱ zuȱ verwenden.ȱ Manȱbeachteȱaber:ȱDieȱBefragungȱderȱLehrpersonȱselbstȱistȱnurȱdannȱ optimal,ȱ wennȱ esȱ umȱ Belastungsfolgenȱ gehtȱ oderȱ umȱ dieȱ Prägungȱ desȱLehrerhandelnsȱdurchȱdieȱLehrpersonȱselbst.ȱȱ ȱ
67ȱ
2 Abbildungȱ3ȱ
Konstrukte und Methoden in der Forschung zur Lehrerbelastung
HypothetischeȱWirkketteȱvonȱKonstruktenȱzurȱLehrerbelastungȱ
Wirkkette
Günstigste Erhebungsmethoden Je nach Art der Prägung
A Art der Prägung z.B. ungünstiges Schülerverhalten wie z.B. Störung des Unterrichts
B Belastung im Lehrer(innen)-Handeln z.B. erzwungene Verlängerung der Vermittlung von Unterrichtsinhalten
C kurzfristige Belastungsfolgen für den/die Lehrer(in) (entspricht „Beanspruchung“)
Bedingungen: Urteile externer Experten Arbeitende Person: Befragung der Lehrperson Kollegen: Befragung von Kollegen Nutzer: Befragung von Schülern und Eltern
Unterrichtsbeobachtung Beobachtungsinterview
Befragung der Lehrperson („self-report“)
z.B. Hilflosigkeitsgefühle
D langfristige Belastungsfolgen für den/die Lehrer(in) z.B. gesundheitliche Beschwerden z.B. Burnout
Untersuchung der Gesundheit Befragung des/der Lehrers(in) („self-report“)
ȱ
68ȱ
LeiderȱistȱinȱderȱbisherigenȱForschungȱweitȱverbreitet,ȱdieȱBefragungȱ derȱ Lehrerȱ alsȱ Erhebungsmethodeȱ fürȱ alleȱ Konstruktartenȱ zuȱ verȬ wenden,ȱ ganzȱ offenbarȱ weilȱ sichȱ aufgrundȱ vonȱ Fragebogenȱ großeȱ
Missbrauch der Forschung zur Lehrerbelastung
2.7
Mengenȱ vonȱ quantitativenȱ Untersuchungsergebnissenȱ leichtȱ erzieȬ lenȱ lassen.ȱ Demgegenüberȱ istȱ z.B.ȱ dieȱ Unterrichtsbeobachtungȱ soȱ vielfachȱ aufwändiger,ȱ dassȱ entsprechendeȱ Methodenȱ nurȱ ganzȱ selȬ tenȱanzutreffenȱsindȱ(etwaȱbeiȱUlich,ȱInversiniȱ&ȱWülser,ȱ2002ȱoderȱ Krause,ȱ 2003),ȱ obwohlȱ sieȱ anȱ prominentenȱ Stellenȱ immerȱ wiederȱ gefordertȱwerdenȱ(Rudow,ȱ1995;ȱGuglielmiȱ&ȱTatrow,ȱ1998,ȱLeiterȱ&ȱ Maslach,ȱ1999;ȱs.ȱauchȱobenȱAbschnittȱ1.1).ȱDiesȱistȱbedauerlich,ȱweilȱ aufȱ derȱ Grundlageȱ vonȱ „selfȬreports“ȱ erzielteȱ Ergebnisseȱ zurȱ Lehrerbelastungȱ leichtȱ alsȱ Fehlhaltungenȱ oderȱ Empfindlichkeitenȱ derȱ Lehrerinnenȱ undȱ Lehrerȱ zuȱ interpretierenȱ sind.ȱ Dazuȱ nochȱ imȱ nächstenȱAbschnitt.ȱ
2.7
Gefahren des Missbrauchs der wissenschaftlichen Forschung zur Lehrerbelastung
Schullehrerinnenȱ undȱ Ȭlehrerȱ sindȱ eineȱ inȱ besonderemȱ Maßeȱ vonȱ Stressȱ betroffeneȱ Berufsgruppe,ȱ mindestensȱ 20%ȱ leidenȱ unterȱ BurȬ nout,ȱdieȱFrühpensionierungsquoteȱistȱvergleichsweiseȱhochȱ(Weber,ȱ Weltleȱ &ȱ Lederer,ȱ 2003).ȱ Andersȱ alsȱ beiȱ fastȱ allenȱ anderenȱ BerufsȬ gruppenȱ istȱ diesȱ eineȱ Gefahrȱ fürȱ alleȱ Familienȱ inȱ unsererȱ GesellȬ schaft,ȱ derenȱ Kinderȱ damitȱ wenigerȱ Chancenȱ haben,ȱ eineȱ guteȱ Schulausbildungȱzuȱerhalten.ȱAufȱdieȱständigȱwachsendenȱProblemeȱ inȱ derȱ Lehrertätigkeitȱ verweistȱ z.ȱ B.ȱ Smylieȱ (1999):ȱ „Teachersȱ faceȱ newȱ challengesȱ andȱ opportunitiesȱ fromȱ increasinglyȱ diverseȱ andȱ needyȱ studentȱ populations.ȱ Demandsȱ onȱ teachersȱ toȱ developȱ newȱ knowledgeȱandȱskillsȱandȱperformȱnewȱtasksȱareȱincreasingȱrapidly.ȱ Soȱ tooȱ areȱ expectationsȱ forȱ schoolȱ andȱ teacherȱ performanceȱ andȱ accountability.ȱ Takenȱ together,ȱ theȱ characteristicsȱ andȱ conditionsȱ ofȱ teachingȱpresentȱincreasinglyȱstressfulȱsituationsȱforȱteachers,ȱsituaȬ tionsȱ thatȱ mayȱ haveȱ positiveȱ orȱ deleteriousȱ consequencesȱ forȱ themȱ andȱforȱtheirȱworkȱwithȱstudents.”ȱ Dieȱ Tatsache,ȱ dassȱ einȱ Prozentsatzȱ vonȱ mindestensȱ 20%ȱ derȱ Lehrerȱ unterȱBurnoutȱleidetȱundȱdassȱdiesȱbeiȱanderenȱBerufenȱweitȱweniȬ gerȱ derȱ Fallȱ ist,ȱ sprichtȱ nichtȱ dafür,ȱ dassȱ jeȱ individuelleȱ PersönlichȬ keitsmerkmaleȱvonȱLehrernȱprimärȱfürȱihrenȱberuflichenȱStressȱbzw.ȱ fürȱ ihrȱ Burnoutȱ verantwortlichȱ sind.ȱ Imȱ Gegenteil,ȱ esȱ müssenȱ dieȱ
69ȱ
2
Konstrukte und Methoden in der Forschung zur Lehrerbelastung
ArbeitsbedingungenȱderȱLehrerȱsein,ȱdieȱüberdiesȱdurchȱdieȱderzeitȱ schwierigenȱ Lebensperspektivenȱ ihrerȱ Schülerȱ immerȱ problematiȬ scherȱwerden.ȱ Angesichtsȱ desȱ derzeitigȱ überallȱ erkennbarenȱ Trends,ȱ organisatoriȬ scheȱ undȱfinanzielleȱ Schwierigkeitenȱ inȱdenȱ Betriebenȱ undȱ öffentliȬ chenȱ Institutionenȱ aufȱ dieȱ abhängigȱ arbeitendenȱ Teileȱ derȱ BevölkeȬ rungȱ abzuwälzenȱ (vgl.ȱ etwaȱ Müller,ȱ 2004),ȱ mussȱ auchȱ dieȱ Gefahrȱ konstatiertȱwerden,ȱdassȱdieȱderzeitȱzuȱbeobachtendeȱPerspektivloȬ sigkeitȱgroßerȱTeileȱderȱJugendlichenȱ–ȱwieȱauchȱdieȱangesichtsȱderȱ PISAȬStudieȱ erforderlichȱ erscheinendeȱ Verbesserungȱ derȱ SchulausȬ bildungȱ–ȱvorwiegendȱinȱanȱdieȱLehrerschaftȱgestellteȱForderungenȱ resultieren,ȱ ohneȱ dassȱ zugleichȱ inȱ denȱ Schulenȱ dieȱ erforderlichenȱ Ressourcenȱbereitgestelltȱwerden.ȱ Besondersȱ inȱ dieserȱ Situationȱ istȱ dieȱ wissenschaftlicheȱ Forschungȱ gefährdet,ȱmissbrauchtȱzuȱwerden.ȱ Dieȱ Verantwortungȱ derȱ Wissenschaftȱ erfordertȱ imȱ Bereichȱ derȱ Lehrerbelastungsforschungȱ klareȱ Aussagenȱ undȱ Belege,ȱ dieȱ sichȱ möglichstȱwenigȱdeutenȱlassenȱalsȱSchuldzuweisungenȱanȱdieȱdurchȱ ihreȱ beruflichenȱ Belastungenȱ betroffenenȱ Lehrer.ȱ Derȱ Missbrauchȱ wirdȱ erleichtert,ȱ wennȱ inȱ derȱ Forschungȱ dieȱ Belastungȱ individualiȬ sierendeȱ Themenȱ überwiegen,ȱ wieȱ z.B.ȱ dieȱ Frageȱ nachȱ VerhaltensȬȱ undȱ Erlebensmusternȱ oderȱ derȱ Wahrnehmungȱ beiȱ Lehrernȱ (vgl.ȱ etwaȱ Schaarschmidtȱ &ȱ Fischer,ȱ 1998,ȱ oderȱ Tiedemannȱ &ȱ BillmannȬ Mahecha,ȱ2002).ȱȱ Auchȱ wennȱ solcheȱ Individualisierungenȱ beruflicherȱ Belastungenȱ durchȱ Hinweiseȱ aufȱ objektiveȱ Hintergründeȱ begleitetȱ werden:ȱ SoȬ langeȱ inȱ denȱ Forschungsaktivitätenȱ nichtȱ ebenȱ dieseȱ Hintergründeȱ sondernȱ dieȱindividuellenȱBesonderheitenȱ derȱ belastetenȱ Lehrerȱ imȱ Vordergrundȱstehen,ȱwerdenȱinȱderȱÖffentlichkeit,ȱinȱderȱPolitikȱundȱ inȱ denȱ zuständigenȱ Verwaltungsorganenȱ dieȱ beruflichenȱ BelastunȬ genȱ vonȱ Lehrernȱ alsȱ individuelleȱ Problemeȱ gesehen,ȱ denenȱ bestenȬ fallsȱdurchȱAusbildungȱinȱEntspannungstechnikenȱu.ȱä.ȱzuȱbegegnenȱ versuchtȱ werdenȱ kann.ȱ Undȱ ganzȱ generellȱ werdenȱ Missbräucheȱ dieserȱArtȱerleichtert,ȱwennȱdieȱüberwiegendenȱTeileȱderȱForschungȱ aufȱ„selfȬreports“ȱderȱBetroffenenȱberuhenȱ(wieȱesȱfürȱdieȱBurnoutȬ ForschungȱvonȱGuglielmiȱundȱTatrow,ȱ1998,ȱkonstatiertȱwurde).ȱWieȱ leichtȱ istȱ esȱ dannȱ außerhalbȱ derȱ Wissenschaft,ȱ dieȱ inȱ selfȬreportsȱ beȬ
70ȱ
Literatur
2.8
richtetenȱ Belastungenȱ undȱ Belastungsursachenȱ derȱ individuellenȱ KlagsamkeitȱderȱBefragtenȱzuzurechnen!ȱȱ Zurȱ Erforschungȱ vonȱ Wirkursachenȱ istȱ esȱ auchȱ inȱ derȱ LehrerbelasȬ tungsforschungȱ sinnvoll,ȱ verstärktȱ Längsschnittuntersuchungenȱ durchzuführen.ȱ Vorȱ allemȱ aberȱ sollteȱ inȱ derȱ Forschungȱ zurȱ LehrerȬ belastungȱ mehrȱ alsȱ bisherȱ versuchtȱ werden,ȱ Konstrukteȱ zuȱ entȬ wickeln,ȱdieȱüberȱdieȱDefinitionȱvonȱPersonenmerkmalenȱhinausgeȬ henȱ undȱ psychischȱ relevanteȱ Merkmaleȱ objektiverȱ Umständeȱ undȱ konkretesȱHandelnȱ–ȱvorȱallemȱimȱUnterrichtȱ–ȱbetreffen.ȱUndȱmehrȱ alsȱ bisherȱ solltenȱ Erhebungsmethodenȱ konzipiertȱ undȱ eingesetztȱ werden,ȱ dieȱ nichtȱ lediglichȱ inȱ Befragungenȱ derȱ vonȱ Belastungȱ beȬ troffenenȱ Lehrer,ȱ d.h.ȱ „selfȬreports“ȱ bestehen.ȱ Diesȱ ist,ȱ wieȱ obenȱ ausgeführt,ȱ nichtȱ nurȱ ausȱ wissenschaftlicherȱ Sichtȱ erforderlich.ȱ Esȱ würdeȱ auchȱ demȱ Missbrauchȱ wissenschaftlicherȱ Ergebnisseȱ zurȱ Lehrerbelastungȱ inȱ öffentlichenȱ Medien,ȱ inȱ derȱ Politikȱ undȱ inȱ denȱ fürȱSchuleȱzuständigenȱInstitutionenȱentgegenwirken.ȱ
2.8
Literatur
Barth,ȱA.ȬR.ȱ(1992).ȱBurnoutȱbeiȱLehrern.ȱGöttingen:ȱHogrefe.ȱ Belcastro,ȱ P.ȱ A.ȱ &ȱ Hays,ȱ L.ȱ C.ȱ (1984).ȱ Ergophilia...ȱ Ergophobia...ȱ Ergo…ȱ Burnout?ȱ Professionalȱ Psychology:ȱ Researchȱ andȱ Practice,ȱ 15,ȱ 260Ȭ270.ȱ Byrne,ȱB.ȱM.ȱ(1999).ȱTheȱnomologicalȱnetworkȱofȱtheacherȱburnoutȱ:ȱ aȱ literaturȱ reviewȱ andȱ empiricallyȱ validatedȱ model.ȱ Inȱ R.ȱ VandenȬ bergheȱ &ȱ A.ȱ M.ȱ Hubermanȱ (Eds.),ȱ Understandingȱ andȱ preventingȱ teacherȱburnout.ȱAȱsourceȱbookȱofȱinternationalȱresearchȱandȱpracticeȱ(pp.ȱ 15Ȭ37).ȱCambridge,ȱUK:ȱCambridgeȱUniversityȱPress.ȱ Dunckel,ȱ H.ȱ (Hrsg.)ȱ (1999).ȱ Handbuchȱ psychologischerȱ Arbeitsanalyse.ȱ Zürich:ȱVerlagȱderȱFachvereine.ȱ Dunckel,ȱ H.ȱ &ȱ Pleiss,ȱ Cȱ (Hrsg.)ȱ (2007).ȱ Kontrastiveȱ Aufgabenanalyse.ȱ Grundlagen,ȱEntwicklungenȱundȱAnwendungserfahrungen.ȱZürich:ȱvdf.ȱ Golembiewski,ȱ R.ȱ T.ȱ &ȱ Munzenrieder,ȱ R.ȱ (1988).ȱ Phasesȱ ofȱ burnout.ȱ Developmentsȱinȱconceptsȱandȱapplications.ȱNewȱYork:ȱPraeger.ȱ
71ȱ
2
Konstrukte und Methoden in der Forschung zur Lehrerbelastung
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74ȱ
Einleitung
3.1
3.1
Einleitung
Wieȱ auchȱ imȱ vorangegangenenȱ Beitragȱ vonȱ Oesterreichȱ kritisiertȱ wurde,ȱ beschränktȱ sichȱ dieȱ LehrerbelastungsȬȱ undȱ –gesundheitsȬ forschungȱmethodischȱweitgehendȱaufȱSelbstauskünfteȱinȱderȱFormȱ vonȱFragebogen.ȱSoȱwirdȱvonȱführendenȱBurnoutȬForschendenȱwieȱ Maslachȱ (Maslachȱ &ȱ Leiter,ȱ 1999)ȱ gefordert,ȱ verstärktȱ alternativeȱ Erhebungsmethodenȱ zuȱ entwickelnȱ undȱ einzusetzen,ȱ insbesondereȱ fürȱ Unterrichtsbeobachtungen.ȱ Imȱ vorliegendenȱ Beitragȱ sollȱ verȬ deutlichtȱwerden,ȱwelcheȱmethodischenȱMöglichkeitenȱeineȱarbeitsȬ psychologischeȱHerangehensweiseȱfürȱdieȱUntersuchungȱderȱUnterȬ richtstätigkeitȱ vonȱ Lehrkräftenȱ bietet.ȱ Dasȱ handlungstheoretischȱ fundierteȱ Arbeitsanalyseverfahrenȱ RHIAȬUnterrichtȱ istȱ einȱ InstruȬ mentȱ zurȱ Ermittlungȱ vonȱ psychischenȱ Belastungen,ȱ dieȱ aufȱ dieȱ unȬ terrichtendeȱLehrkraftȱ einwirkenȱundȱ sichȱ negativȱ aufȱ derenȱ BefinȬ denȱ auswirken.ȱ Einsatzmöglichkeitenȱ vonȱ RHIAȬUnterrichtȱ inȱ derȱ praktischenȱ Anwendungȱ inȱ Schulentwicklungsprojektenȱ werdenȱ beschrieben.ȱ Erläuterungenȱ zurȱ Qualitätȱ desȱ Verfahrens,ȱ insb.ȱ AnȬ gabenȱ zurȱ Reliabilitätȱ undȱ Validitätȱ findenȱ sichȱ inȱ Krauseȱ (2002,ȱ 2003c,ȱ2004a).ȱȱ Dieȱ Konzentrationȱ aufȱ dieȱ Untersuchungȱ derȱ Unterrichtstätigkeitȱ erscheintȱ sinnvoll,ȱ daȱ esȱ sichȱ umȱ dieȱ Kernaufgabeȱ vonȱ Lehrkräftenȱ handelt.ȱ Ausȱ derȱ Lehrerbelastungsforschungȱ istȱ zudemȱ bekannt,ȱ dassȱ Störungenȱ derȱ LehrerȬSchülerȬInteraktionȱ imȱ Unterrichtȱ –ȱ ausȱ Sichtȱ derȱ Lehrendenȱ –ȱ eineȱ Hauptbelastungsquelleȱ sindȱ (Krauseȱ &ȱ Dorsemagen,ȱ 2007a,ȱ b).ȱ Zukünftigȱ könnteȱ dasȱ methodischeȱ VorgeȬ henȱauchȱaufȱandereȱTätigkeitsbereicheȱvonȱLehrkräftenȱausgeweitetȱ werden.ȱ
3.2
Handlungspsychologische Arbeitsanalyseverfahren aus der RHIA/VERA-Familie
Handlungspsychologischeȱ Arbeitsanalysenȱ basierenȱ u.a.ȱ aufȱ derȱ Annahme,ȱ dassȱ Menschenȱ Zieleȱ alsȱ vorweggenommeneȱ Resultateȱ aktivȱundȱ bewusstȱ verfolgen;ȱ imȱHandelnȱ wirdȱ einerseitsȱeineȱVerȬ
77ȱ
3
RHIA-Unterricht: Psychische Belastungen erfassen und reduzieren
änderungȱderȱUmweltbedingungenȱerreicht,ȱgleichzeitigȱwirdȱandeȬ rerseitsȱdasȱHandelnȱwesentlichȱdurchȱdieȱUmweltȱ(imȱArbeitskonȬ textȱetwaȱüberȱVorgabenȱundȱAusführungsbedingungen)ȱbestimmt.ȱ AusgangspunktȱderȱArbeitsanalyseȱistȱeineȱKlärungȱderȱAufgabe,ȱdieȱ vonȱ derȱ arbeitendenȱ Personȱ ausgeführtȱ wird.ȱ Welcheȱ Zieleȱ werdenȱ beiȱ derȱArbeitȱ verfolgt?ȱ WelcheȱArbeitschritteȱ dienenȱ derȱ ZielerreiȬ chung?ȱ Mitȱ Bezugȱaufȱ dieȱZieleȱ werdenȱ dieȱpsychischenȱ Prozesseȱderȱ Handlungsregulationȱ beiȱ derȱ Arbeitsausführungȱ untersuchtȱ (z.B.ȱ dieȱ notwendigenȱPlanungsȬȱundȱEntscheidungsprozesse).ȱȱ SpeziellȱdieȱAnalyseȱpsychischerȱBelastungenȱberuhtȱaufȱdemȱBelasȬ tungskonzeptȱ Regulationsbehinderungen,ȱ dasȱ durchȱ folgendeȱ GrundȬ gedankenȱ charakterisiertȱ werdenȱ kann:ȱ Jedeȱ Aufgabenerledigungȱ erfolgtȱ unterȱ bestimmtenȱ technischenȱ wieȱ organisatorischenȱ RahȬ menbedingungen.ȱ Dieseȱ Bedingungenȱ könnenȱ inȱ Widerspruchȱ zurȱ Zielerreichungȱ geratenȱ –ȱ undȱ werdenȱ damitȱ Quelleȱ psychischerȱ Belastungen.ȱ Diesȱ istȱ dannȱ derȱ Fall,ȱ wennȱ beiȱ derȱ Erledigungȱ derȱ AufgabeȱEreignisseȱoderȱZuständeȱauftreten,ȱdieȱdieȱZielerreichungȱ behindern,ȱ ohneȱ dassȱ Ressourcenȱfürȱ einenȱ effektivenȱ Umgangȱ mitȱ denȱEreignissenȱundȱZuständenȱzurȱVerfügungȱstehen.ȱ
DieȱeineȱFormȱsolcherȱRegulationsbehinderungenȱsindȱRegulatiȬ onshindernisse.ȱ Diesȱ sindȱ Ereignisse,ȱ dieȱ dasȱ Arbeitshandelnȱ diȬ rektȱbeeinträchtigenȱundȱinȱderenȱFolgeȱZusatzaufwandȱgeleistetȱ werdenȱ muss,ȱ d.h.ȱ esȱ wirdȱ zurȱ Bewältigungȱ derȱ Ereignisseȱ zuȬ sätzlicherȱ Arbeitsaufwandȱ notwendig,ȱ derȱ betrieblicherseitsȱ eiȬ gentlichȱnichtȱvorgesehenȱist.ȱȱ
Dieȱ zweiteȱ Formȱ derȱ Regulationsbehinderungenȱ sindȱ RegulaȬ tionsüberforderungen,ȱ dieȱ erstȱ beiȱ längeremȱ Andauernȱ dieȱ menschlicheȱHandlungsfähigkeitȱüberfordernȱ(wieȱz.B.ȱLärm).ȱȱ Dieȱ zurȱ Untersuchungȱ verwendeteȱ Erhebungsmethodeȱ wirdȱ alsȱ Beobachtungsinterviewȱ bezeichnet:ȱ Geschulteȱ Beobachterȱ begleitenȱ denȱArbeitsplatzinhaberȱbeimȱAusführenȱderȱArbeitsaufgabeȱunmitȬ telbarȱamȱArbeitsplatzȱundȱstellenȱanȱgeeignetenȱStellenȱNachfragenȱ hinsichtlichȱ derȱ nichtȬbeobachtbarenȱ Vorgänge.ȱ Dieȱ Untersucherȱ werdenȱdurchȱManualeȱangeleitet,ȱdieȱu.a.ȱLeitfragenȱanȱdenȱUnterȬ sucherȱ vorgeben,ȱ dieȱ dieserȱ nichtȱ direktȱ übernimmt,ȱ sondernȱ inȱ jeweilsȱ angepasster,ȱ verständlicherȱ Spracheȱ imȱ Gesprächȱ mitȱ derȱ arbeitendenȱPersonȱklärt.ȱȱ
78ȱ
Das Verfahren RHIA-Unterricht
3.3
Dieȱ bislangȱ entwickeltenȱ undȱ bewährtenȱ Instrumenteȱ werdenȱ alsȱ RHIA/VERAȬVerfahrenȱ(RHIAȱ=ȱAbkürzungȱfürȱRegulationshinderȬ nisseȱinȱderȱArbeit)ȱbezeichnetȱundȱliegenȱfürȱProduktionsȬȱ(OesterȬ reich,ȱLeitnerȱ&ȱResch,ȱ2000)ȱundȱVerwaltungstätigkeitenȱ(Leitnerȱetȱ al.,ȱ1993)ȱsowieȱspeziellȱfürȱdenȱNahverkehrȱ(z.B.ȱBusfahrer;ȱGreinerȱ etȱ al.,ȱ 1997)ȱ vor.ȱ Einȱ weiteresȱ zuȱ dieserȱ Verfahrensfamilieȱ gehörenȬ desȱInstrumentȱistȱdasȱfürȱBüroarbeitȱkonzipierteȱKABAȱ(Dunckelȱ&ȱ Pleiss,ȱ2007).ȱ Dasȱ bestehendeȱ Belastungskonzeptȱ derȱ Regulationsbehinderungenȱ wurdeȱ fürȱ dieȱ Unterrichtstätigkeitȱ weiterentwickelt,ȱ dazuȱ inȱ denȱ folgendenȱAbschnitten.ȱ
3.3
Das Verfahren RHIA-Unterricht
Beiȱ derȱ Weiterentwicklungȱ desȱ Belastungskonzeptesȱ derȱ RegulaȬ tionsbehinderungenȱwarȱfürȱdasȱUntersuchungsfeldȱ„UnterrichtstäȬ tigkeit“ȱinsbesondereȱzuȱklären:ȱ
WasȱistȱdieȱAufgabeȱeinerȱLehrkraftȱimȱUnterricht?ȱ Welcheȱ Regulationshindernisseȱ undȱ Ȭüberforderungenȱ sindȱ zuȱ berücksichtigen?ȱ
Wieȱ könnenȱ Untersucherȱ angeleitetȱ werden,ȱ dieseȱ RegulationsȬ hindernisseȱundȱ–überforderungenȱzuȱbestimmen?ȱ Imȱ folgendenȱ Abschnittȱ werdenȱ dieȱ Antwortenȱ aufȱ dieseȱ Fragenȱ umrissenȱ(ausführlicherȱbeiȱKrause,ȱ2002).ȱ
3.3.1
Die Aufgabe der Lehrkraft im Unterricht
DieȱUnterrichtstätigkeitȱerfordertȱeineȱgegenüberȱProduktionsȬȱbzw.ȱ Verwaltungstätigkeitenȱ andereȱ Handlungsregulation.ȱ Zurȱ ÜbertraȬ gungȱdesȱRHIAȬBelastungskonzeptsȱaufȱdieȱUnterrichtstätigkeitȱvonȱ Lehrkräftenȱ warenȱ einigeȱ konzeptionelleȱ Erweiterungenȱ erforderȬ lich.ȱ Währendȱ Arbeitsaufgabenȱ beiȱ Produktionstätigkeitenȱ inȱ derȱ zielgerichtetenȱVeränderungȱmateriellerȱGegebenheitenȱ(z.B.ȱumȱeinȱ Autoȱ zuȱ montieren)ȱ undȱ beiȱ Verwaltungstätigkeitenȱ inȱ derȱ zielgeȬ
79ȱ
3
RHIA-Unterricht: Psychische Belastungen erfassen und reduzieren
richtetenȱ Veränderungȱ vonȱ Informationenȱ (z.B.ȱ dasȱ Bearbeitenȱ undȱ WeiterleitenȱvonȱFormularen)ȱbestehen,ȱistȱdasȱUnterrichtenȱaufȱdenȱ Wissenszuwachsȱ imȱ Schülerȱ ausgerichtet.ȱ Dieȱ Unterrichtstätigkeitȱ vonȱ Lehrkräftenȱ zieltȱ alsoȱ aufȱ eineȱ Veränderungȱ immateriellerȱ GeȬ gebenheitenȱimȱSchüler.ȱDieȱVeränderungȱinȱdenȱSchülernȱkannȱdieȱ Lehrkraftȱnichtȱunmittelbarȱbeeinflussen;ȱlernenȱmüssenȱdieȱSchüler.ȱȱ DieȱAufgabeȱderȱLehrkraftȱbestehtȱinȱderȱBereitstellungȱvonȱLernȬ situationenȱimȱUnterricht,ȱinȱdenenȱdieȱSchülerȱhinzulernenȱkönȬ nen.ȱ Dieȱ Lehrkraftȱ hatȱ denȱ Wissensstandȱ undȱ dieȱ unterschiedlichenȱ BeȬ dürfnisseȱ derȱ Schülerȱ beiȱ derȱ Planungȱ ihresȱ Unterrichtsȱ zuȱ berückȬ sichtigenȱundȱmussȱauchȱwährendȱderȱUnterrichtsdurchführungȱinȱ derȱ Lageȱ sein,ȱ flexibelȱ aufȱ unterschiedlicheȱ Schülerbedürfnisseȱ einȬ zugehen.ȱDamitȱUnterrichtȱgelingt,ȱistȱesȱnotwendig,ȱdassȱdieȱSchüȬ lerȱ ihreȱ Zielstellungenȱ aufȱ diejenigenȱ derȱ Lehrkraftȱ ausrichten.ȱ Dieȱ Arbeitstätigkeitȱ derȱ Lehrkraftȱ imȱ Unterrichtȱ vollziehtȱ sichȱ alsoȱ aufȱ derȱ Grundlageȱ einesȱ kooperativenȱ Prozessesȱ zwischenȱ Lehrkraftȱ undȱSchüler.ȱȱ Dieȱ arbeitspsychologischeȱ Bestimmungȱ derȱ Unterrichtstätigkeitȱ alsȱ kooperativerȱ bzw.ȱ alsȱ dialogischȬerzeugenderȱ Prozessȱ (vgl.ȱ Resch,ȱ 1991)ȱ schafftȱ dieȱ Grundlageȱ fürȱ eineȱ theoriegeleiteteȱ Entwicklungȱ derȱBelastungskategorien,ȱdieȱimȱFolgendenȱvorgestelltȱwerden.ȱ
3.3.2
Die Systematik des Verfahrens RHIAUnterricht
MitȱdemȱVerfahrenȱRHIAȬUnterrichtȱwirdȱzunächstȱdieȱStrukturȱderȱ Unterrichtstätigkeitȱinȱ Formȱ vonȱ Unterrichtsanteilenȱ erfasstȱ (z.B.ȱ derȱ zeitlicheȱ Anteil,ȱ derȱ fürȱ dieȱ Verfolgungȱ fachlicherȱ oderȱ überfachliȬ cherȱ Zieleȱ verwendetȱ wird).ȱAnschließendȱ werdenȱ dieȱ aufgabenbeȬ zogenenȱ Belastungsquellenȱ Regulationshindernisseȱ undȱ RegulationsȬ überforderungenȱbetrachtetȱ(vgl.ȱAbbildungȱ1).ȱ
80ȱ
Das Verfahren RHIA-Unterricht
Abbildungȱ1ȱ
SystematikȱdesȱVerfahrensȱRHIAȬUnterrichtȱ Regulationsbehinderungen
Unterrichtsanteile
Regulationshindernisse
Regulationsüberforderungen
x
Fachliche Ziele
x
Divergierende Zielstellungen
x
Lautstärke/ Lärmpegel
x
Überfachliche Ziele
x
Geringe Nutzerkompetenz
x
x
Lernbedingungen schaffen
x
Zeitlich konfligierende Zielstellungen
zu wenig Möglichkeit zum Abwenden
x
Administratives
x
Fremdeinfluss
x
Sonstiges
Unterrichtsstruktur
3.3
Unmittelbare Behinderungen der Zielverfolgung im Unterricht
Auf Dauer überfordernde Bedingungen
ȱ
3.3.2.1
Unterrichtsanteile
DieȱStrukturȱdesȱUnterrichtsȱwirdȱüberȱverschiedeneȱUnterrichtsanȬ teileȱ erfasstȱ (z.B.ȱ fachlicherȱ Unterrichtȱ oderȱ Administratives).ȱ Dieȱ Zuordnungȱ einerȱ Unterrichtssequenzȱ zuȱ einemȱ bestimmtenȱ UnterȬ richtsanteilȱ erfolgtȱ aufȱ derȱ Grundlageȱ derȱ jeweiligenȱ Zielstellung,ȱ welcheȱdieȱLehrkraftȱinȱderȱKlasseȱverfolgt.ȱDasȱVerfolgenȱfachlicherȱ undȱüberfachlicherȱZieleȱentsprichtȱderȱDurchführungȱvonȱeffektivemȱ Unterricht,ȱ dennȱ nurȱ inȱ diesenȱ beidenȱ Unterkategorienȱ werdenȱ Lernsituationenȱ angebotenȱ undȱ kannȱ aktivesȱ Lernenȱ durchȱ dieȱ Schülerȱ stattfinden.ȱ Währendȱ sichȱ dieȱ Verfolgungȱ fachlicherȱ Zieleȱ aufȱ dasȱ Vermittelnȱ vonȱ Wissensinhaltenȱ bezieht,ȱ wirdȱ beimȱ überȬ fachlichenȱ Unterrichtȱ dieȱ Entwicklungȱ vonȱ SozialȬȱ undȱ MethodenȬ kompetenzenȱ explizitȱ thematisiertȱ undȱ fachlicheȱ Inhalteȱ rückenȱ inȱ denȱ Hintergrund.ȱ Dasȱ Lernbedingungenȱ schaffenȱ dientȱ derȱ VorbereiȬ tungȱ desȱ Fachunterrichtsȱ (z.B.ȱAufbauȱ einesȱ physikalischenȱExperiȬ mentes);ȱderȱBezugȱzuȱdaraufȱaufbauendenȱLernprozessenȱistȱgegeȬ ben.ȱ Beiȱ Unterrichtsabschnitten,ȱ inȱ denenȱ administrativeȱ Tätigkeitenȱ ausgeübtȱ werden,ȱ istȱ derȱ Bezugȱ zuȱ Lernprozessenȱ imȱ Unterrichtȱ hingegenȱ nichtȱ vorhandenȱ (z.B.ȱ Einsammelnȱ vonȱ Geldȱ fürȱ einenȱ Schulausflug).ȱȱ
81ȱ
3
RHIA-Unterricht: Psychische Belastungen erfassen und reduzieren
InȱderȱRegelȱsindȱdieȱZielstellungenȱderȱLehrkraftȱwährendȱdesȱgeȬ samtenȱUnterrichtsȱeindeutigȱzuȱidentifizieren.ȱInȱwenigenȱFällenȱistȱ eineȱ Nachbefragungȱ derȱ Lehrkraftȱ erforderlich.ȱ Dieȱ Ermittlungȱ derȱ Unterrichtsanteileȱ dientȱ denȱ Untersuchernȱ zurȱ Orientierungȱ überȱ dieȱ Unterrichtsstundeȱ undȱ erlaubtȱ eineȱ Beschreibungȱ desȱ UnterȬ richtsverlaufs.ȱȱ 3.3.2.2
Regulationshindernisse
Beiȱ derȱ Belastungsanalyseȱ wirdȱ auchȱ inȱ demȱ Verfahrenȱ RHIAȬ Unterrichtȱ –ȱ entsprechendȱ demȱ handlungstheoretischenȱ Konzeptȱ derȱ Regulationsbehinderungenȱ (vgl.ȱ Abschnittȱ 3.2)ȱ –ȱ zwischenȱ ReȬ gulationshindernissenȱ (überwiegendȱ Reaktionenȱ aufȱ störendesȱ Schülerverhalten)ȱ undȱ Regulationsüberforderungenȱ (hierȱ insbesonȬ dereȱdieȱLautstärkeȱimȱKlassenzimmer)ȱunterschieden.ȱȱ AlsȱRegulationshindernisseȱwerdenȱauffälligeȱEreignisseȱwährendȱderȱ Unterrichtsstundeȱ erfasst,ȱ dieȱ beiȱ derȱ Lehrkraftȱ zuȱ zusätzlichenȱ Handlungenȱ führen.ȱ Dieseȱ zusätzlichenȱ Handlungenȱ wärenȱ nichtȱ erforderlich,ȱwennȱdasȱstörendeȱEreignisȱausgebliebenȱwäre.ȱZudemȱ weisenȱ dieseȱ Handlungenȱ keinenȱ unmittelbarenȱ pädagogischenȱ Nutzenȱ auf.ȱ Dieȱ zeitlicheȱ Dauerȱ dieserȱ zusätzlichenȱ Handlungenȱ wirdȱalsȱZusatzaufwandȱbezeichnetȱundȱinȱSekundenȱbzw.ȱMinutenȱ angegeben.ȱ Dieȱ Regulationshindernisseȱ sowieȱ derȱ Zusatzaufwandȱ geltenȱalsȱIndikatorenȱfürȱdasȱAusmaßȱpsychischerȱBelastungenȱfürȱ dieȱLehrkraftȱinȱderȱbeobachtetenȱUnterrichtsstunde.ȱȱ Unterteiltȱ sindȱ dieȱ Regulationshindernisseȱ inȱ vierȱ Arten,ȱ dieȱ vierȱ typischenȱKonstellationenȱentsprechen:ȱȱ
divergierendeȱZielstellungenȱ(zwischenȱLehrkraftȱundȱSchüler),ȱ geringeȱNutzerkompetenzȱ(imȱSinneȱvonȱfehlendenȱSchülerkomȬ petenzen),ȱ
zeitlichȱkonfligierendeȱZielstellungen,ȱ Fremdeinflussȱ (durchȱ Umständeȱ außerhalbȱ desȱ KlassenzimȬ mers).ȱȱ
82ȱ
Besondersȱ häufigȱ trittȱ imȱ Unterrichtȱ Schülerverhaltenȱ auf,ȱ dasȱ mitȱ denȱ Zielstellungenȱ derȱ Lehrkraftȱ nichtȱ übereinstimmt,ȱ wasȱ derȱ Konstellationȱ divergierendeȱ Zielstellungȱ entspricht,ȱ z.B.ȱ lautstarkeȱ Nebengespräche.ȱ Inȱ derȱ Konstellationȱ geringeȱ Nutzerkompetenzȱ sindȱ
Das Verfahren RHIA-Unterricht
3.3
dieȱSchülerȱzwarȱdurchausȱzurȱMitarbeitȱbereit,ȱihnenȱfehlenȱjedochȱ dieȱ notwendigenȱ Wissensbeständeȱ zurȱ aktivenȱ undȱ effektivenȱ MitȬ arbeitȱ (z.B.ȱ fehlendeȱ Sprachkenntnisse).ȱ Dieȱ Konstellationȱ zeitlichȱ konfligierendeȱ Zielstellungenȱ istȱ dadurchȱ gekennzeichnet,ȱ dassȱ dieȱ LehrkraftȱmehrereȱsinnvolleȱZieleȱimȱUnterrichtȱgleichzeitigȱverfolȬ genȱ müssteȱ undȱ diesȱ nichtȱ möglichȱ ist.ȱ Diesȱ kannȱ sichȱ ergeben,ȱ wennȱsichȱmehrereȱSchülerȱbeiȱeinerȱGruppenarbeitȱgleichzeitigȱmitȱ FragenȱanȱdieȱLehrkraftȱwenden.ȱBisweilenȱhandeltȱesȱsichȱbeiȱzeitȬ lichȱkonfligierendenȱZielstellungenȱumȱ„pädagogischeȱProblemsituȬ ationen“,ȱ beiȱ denenȱ dieȱ Intentionȱ derȱ Lehrkraftȱ geradeȱ nichtȱ darinȱ besteht,ȱ dasȱHindernisȱ möglichstȱ schnellȱausȱ demȱ Wegȱ zuȱ räumen.ȱ DieȱLehrpersonȱnimmtȱimȱGegenteilȱdasȱHindernisȱ(z.B.ȱeineȱSchläȬ gereiȱ imȱ Pausenhof)ȱ alsȱ Anlass,ȱ vonȱ ihremȱ ursprünglichenȱ UnterȬ richtszielȱabzuweichen,ȱumȱbeispielsweiseȱdenȱUmgangȱderȱSchülerȱ miteinanderȱ zuȱ thematisieren.ȱ Dieȱ Konstellationȱ Fremdeinflussȱ giltȱ beiȱStörungenȱdesȱKlassengeschehensȱdurchȱäußereȱUmständeȱ(z.B.ȱ UmbauarbeitenȱinȱderȱSchule).ȱ 3.3.2.3
Regulationsüberforderungen
Zumȱ Bestimmenȱ vonȱ Regulationsüberforderungenȱ wirdȱ erstensȱ dieȱ Lautstärkeȱeingestuft.ȱZweitensȱwerdenȱggf.ȱzuȱgeringeȱMöglichkeitenȱ zumȱAbwendenȱerfasst.ȱȱ Schülerlärmȱ istȱ fürȱ Lehrkräfteȱ eineȱ bedeutsameȱ Fehlbelastungȱ (z.B.ȱ Schönwälder,ȱ Berndt,ȱ Ströverȱ &ȱ Tiesler,ȱ 2004).ȱ RHIAȬUnterrichtȱ verzichtetȱ zurȱ Verringerungȱ desȱAufwandsȱ beiȱ derȱ Datenerhebungȱ aufȱ eineȱ physikalischeȱ Messungȱ derȱ Lautstärkeȱ imȱ Klassenzimmer.ȱ AuchȱüberȱeinȱBeobachtungsverfahrenȱkannȱdieȱLautstärkeȱsinnvollȱ erfasstȱ werden,ȱ daȱ Unterrichtenȱ aufȱ derȱ kommunikativenȱ VerstänȬ digungȱ zwischenȱ Lehrkraftȱ undȱ Schülernȱ beruht.ȱ Beiȱ RHIAȬ Unterrichtȱ wirdȱ zwischenȱ Nutzschallȱ undȱ störendenȱ Geräuschenȱ unterschieden,ȱd.h.ȱesȱwirdȱeineȱpsychologischeȱundȱkeineȱphysikaȬ lischeȱBewertungȱderȱLautstärkeȱimȱKlassenzimmerȱvorgenommen.ȱ DassȱesȱimȱUnterrichtȱvölligȱstillȱist,ȱkannȱz.B.ȱwährendȱStillarbeitsȬ phasenȱderȱFallȱsein.ȱVonȱNutzschallȱwirdȱdannȱausgegangen,ȱwennȱ entwederȱ dieȱ Lehrpersonȱ oderȱ einȱ Schülerȱ sprichtȱ undȱ derȱ GeȬ sprächsinhaltȱ derȱ direktenȱ unterrichtsbezogenenȱ Kommunikationȱ imȱKlassenzimmerȱdient.ȱBeides,ȱalsoȱsowohlȱStilleȱalsȱauchȱdieȱdiȬ rekteȱInteraktionȱwerdenȱalsȱStille/ȱArbeitsatmosphäreȱeingeordnet.ȱInȱ
83ȱ
3
RHIA-Unterricht: Psychische Belastungen erfassen und reduzieren
diesemȱFallȱliegtȱkeineȱBelastungȱimȱSinneȱeinerȱRegulationsüberforȬ derungȱvor.ȱDagegenȱwirdȱalles,ȱwasȱnichtȱdemȱdirektenȱInformatiȬ onsaustauschȱ mitȱ derȱ Lehrkraftȱ dient,ȱ alsȱ störendesȱ Geräuschȱ koȬ diert.ȱ Unterschiedenȱ wird,ȱ obȱ dieȱ störendenȱ Geräuscheȱ durchȱ dieȱ Schülerȱ verursachtȱ werdenȱ (mitȱ denȱ Abstufungenȱ Geräuschteppichȱ undȱLaut)ȱoderȱvonȱaußerhalbȱdesȱKlassenzimmersȱstammenȱ(NichtȬ Schülerlärm).ȱȱ Dieȱ zweiteȱ Regulationsüberforderungȱ betrifftȱ zuȱ geringeȱ MöglichkeiȬ tenȱzumȱAbwenden.ȱImȱRahmenȱeinerȱUnterrichtsstundeȱmüssenȱsichȱ Lehrkräfteȱ häufigȱ fortwährendȱ aufȱ dieȱ ablaufendenȱ Prozesseȱ imȱ Unterrichtȱ konzentrieren.ȱ Wennȱ manȱ sichȱ währendȱ derȱ gesamtenȱ Unterrichtszeitȱ nichtȱ abwendenȱ kann,ȱ sondernȱ ständigȱ aufȱ dasȱ GeȬ schehenȱeinwirktȱoderȱreagiert,ȱsoȱistȱnachȱeinemȱlängerenȱZeitraumȱ (überȱmehrereȱUnterrichtsstunden)ȱmitȱeinemȱNachlassenȱderȱKonȬ zentrationsfähigkeitȱundȱdamitȱeinerȱEinschränkungȱderȱLeistungsȬ fähigkeitȱzuȱrechnen.ȱDasȱVorliegenȱeinerȱsolchenȱRegulationsüberȬ forderungȱ lässtȱ sichȱ überȱ fehlendeȱ Möglichkeitenȱ zumȱ Abwendenȱ beobachtenȱundȱerheben.ȱDieȱentlastendeȱMöglichkeitȱzumȱAbwenȬ denȱistȱbeispielsweiseȱgegeben,ȱwennȱwährendȱeinerȱStillarbeitȱperȬ sönlicheȱEintragungenȱinȱeinemȱHeftȱvorgenommenȱwerden,ȱdieȱderȱ Lehrpersonȱ alsȱ Erinnerungsstützeȱ beiȱ Bewertungenȱ undȱ ElterngeȬ sprächenȱdienen.ȱȱ
3.3.3
Das Vorgehen bei der Untersuchung und die videogestützte Auswertung
DieȱAnwendungȱ vonȱ RHIAȬUnterrichtȱ basiertȱ aufȱ einemȱ ausführliȬ chenȱUntersuchermanual,ȱdasȱBeobachterȱanleitet,ȱpsychischeȱBelasȬ tungenȱ fürȱ Lehrkräfteȱ imȱ Unterrichtȱ zuȱ identifizierenȱ undȱ entspreȬ chendȱ arbeitswissenschaftlichȱ fundierteȱ Urteileȱ treffenȱ zuȱ können.ȱ Seinȱ Gebrauchȱ setztȱ eineȱ Einarbeitungȱ derȱ Untersucherȱ inȱ dasȱ VerȬ fahrenȱ voraus.ȱ Dasȱ Studiumȱ desȱ Manualsȱ mussȱ ergänztȱ werdenȱ durchȱ einȱ Trainingȱ sowieȱ durchȱ supervidierteȱ Probeanalysen.ȱ Mitȱ einemȱ zweitägigenȱ Trainingskonzept,ȱ welchesȱ nebenȱ ausführlichenȱ InformationenȱzumȱVerfahrenȱsowieȱzurȱeingesetztenȱAuswertungsȬ softwareȱ insbesondereȱ auchȱ Videomitschnitteȱ vonȱ UnterrichtsstunȬ denȱ zumȱ eigenständigenȱ Kodierenȱ vorsieht,ȱ habenȱ wirȱ guteȱ ErfahȬ
84ȱ
Das Verfahren RHIA-Unterricht
3.3
rungenȱ gemacht.ȱ Einȱ multimediagestütztesȱ Trainingȱ inȱ RHIAȬ UnterrichtȱzumȱSelbststudiumȱistȱaktuellȱinȱVorbereitung.ȱ EineȱBelastungsanalyseȱunmittelbarȱwährendȱdesȱUnterrichtsȱwürdeȱ Untersucherȱ überfordern,ȱ sofernȱ mehrereȱ Bewertungsdimensionenȱ desȱVerfahrensȱRHIAȬUnterrichtȱ berücksichtigtȱ werdenȱ sollen.ȱ EntȬ sprechendȱistȱeineȱvideogestützteȱAuswertungȱzuȱempfehlen.ȱ DasȱAufzeichnenȱderȱUnterrichtsstundenȱerfolgtȱmitȱzweiȱVideokaȬ meras.ȱ Eineȱ Kameraȱ richtetȱ sichȱ beständigȱ aufȱ dieȱ unterrichtendeȱ Lehrkraft.ȱDieȱzweiteȱKameraȱerfasstȱmitȱeinemȱWeitwinkelobjektivȱ möglichstȱdasȱgesamteȱKlassengeschehen.ȱDurchȱdasȱanschließendeȱ Zusammenfügenȱ beiderȱ Kameraperspektivenȱ kannȱ imȱ Nachhineinȱ dasȱ gesamteȱ Interaktionsgeschehenȱ imȱ Klassenzimmerȱ beobachtetȱ werden.ȱ Esȱ hatȱ sichȱ bewährt,ȱ dieȱ Videomitschnitteȱ digitalȱ aufzubeȬ reitenȱoderȱgleichȱdigitalȱaufzuzeichnen.ȱMitȱeinemȱentsprechendenȱ technischenȱEquipmentȱ(Mischpultȱbzw.ȱSchnittgerät)ȱistȱesȱmöglich,ȱ einenȱUnterrichtsmitschnittȱmitȱbeidenȱKameraperspektivenȱbereitsȱ unmittelbarȱ währendȱ derȱ Unterrichtsstundeȱ zuȱ erstellen.ȱ Fürȱ denȱ KaufȱderȱtechnischenȱAusrüstungȱsindȱderzeitȱca.ȱ8000ȱEuroȱzuȱverȬ anschlagen.ȱȱ Dieȱ Unterrichtsanalyse,ȱ alsoȱ dieȱ Auswertungȱ derȱ UnterrichtsmitȬ schnitte,ȱistȱsoftwaregestützt.ȱEsȱkönnenȱverschiedeneȱSoftwareproȬ grammeȱeingesetztȱwerden,ȱdieȱpreiswertȱ(z.B.ȱVideograph)ȱbisȱverȬ gleichsweiseȱ teuerȱ (z.B.ȱ Interact)ȱ sind.ȱ Inȱ derȱ jeweiligenȱ Softwareȱ könnenȱ dieȱ gewünschtenȱ Kategorienȱ desȱ Verfahrensȱ RHIAȬ Unterrichtȱdefiniertȱwerden.ȱȱ Dieȱ Analyseȱ einerȱ Unterrichtsstundeȱ hatȱ unabhängigȱ vonȱ derȱ ausȬ gewähltenȱ Softwareȱ stetsȱ folgendenȱAblauf.ȱ Zurȱ einführendenȱ OriȬ entierungȱerhaltenȱdieȱUntersucherȱeineȱkurzeȱschriftlicheȱInformaȬ tionȱseitensȱderȱLehrkraftȱüberȱdenȱgeplantenȱAblaufȱderȱUnterrichtsȬ stunde.ȱ Diesȱ beinhaltetȱ meistȱ vierȱ bisȱ sechsȱ Unterrichtsschritte,ȱ welcheȱ dieȱ geplanteȱ Stundeȱ grobȱ strukturieren.ȱ Fürȱ dieȱ kompletteȱ RHIAȬAnalyseȱ istȱ dieȱ Unterrichtsstundeȱ vomȱ Untersucherȱ viermalȱ zuȱ betrachten,ȱ d.h.ȱ esȱ ergibtȱ sichȱ einȱ verhältnismäßigȱ hoherȱ ZeitȬ aufwandȱvonȱmindestensȱvierȱZeitstundenȱfürȱdieȱAnalyseȱeinerȱ45Ȭ minütigenȱ Unterrichtsstunde.ȱ Beiȱ besondersȱ belastungsreichenȱ UnȬ terrichtsstundenȱ kannȱ derȱ Aufwandȱ auchȱ etwaȱ achtȱ Zeitstundenȱ betragen.ȱ Umȱ sichȱ nebenȱ demȱ geplantenȱ Unterrichtsablaufȱ einenȱ ÜberblickȱüberȱdieȱUnterrichtsstundeȱzuȱverschaffen,ȱwirdȱdieseȱinȱ
85ȱ
3
RHIA-Unterricht: Psychische Belastungen erfassen und reduzieren
einemȱ erstenȱ Durchgangȱ idealerweiseȱ nurȱ betrachtet,ȱ nochȱ ohneȱ Urteileȱ abzugeben.ȱ Inȱ einemȱ zweitenȱ Schrittȱ werdenȱ dieȱ UnterȬ richtsanteileȱ zugeordnetȱ (Unterrichtsstruktur):ȱ Nebenȱ derȱ MarkieȬ rungȱ derȱ Zeitabschnitteȱ werdenȱ dieȱ einzelnenȱ Unterrichtsphasenȱ inhaltlichȱ kurzȱ beschrieben.ȱ Imȱ drittenȱ undȱ zeitlichȱ aufwändigstenȱ AnalyseschrittȱwerdenȱstörendeȱEreignisseȱimȱUnterrichtsflussȱidenȬ tifiziertȱ (Regulationshindernisse;ȱ „eventȬsampling“).ȱ Kodiertȱ wirdȱ dieȱZeitspanneȱdesȱZusatzaufwandes,ȱd.h.ȱBeginnȱundȱEndeȱderȱaufȱ einȱ störendesȱ Unterrichtsereignisȱ erfolgtenȱ Reaktionȱ derȱ Lehrkraftȱ werdenȱbestimmt.ȱErgänzendȱzuȱdieserȱQuantifizierungȱdesȱZusatzȬ aufwandesȱalsȱIndikatorȱfürȱdieȱpsychischeȱBelastungȱfürȱdieȱLehrȬ kraftȱ werdenȱ dasȱRegulationshindernisȱundȱ dieȱReaktionȱ derȱLehrȬ kraftȱqualitativȱbeschrieben.ȱImȱviertenȱDurchgangȱwirdȱschließlichȱ alleȱ10ȱSekundenȱdieȱLautstärkeȱeingestuftȱ(„timeȬsampling“).ȱParalȬ lelȱdazuȱwirdȱfestgestellt,ȱinwieweitȱMöglichkeitenȱzumȱAbwendenȱ auftreten.ȱȱ Wieȱ gesagtȱ erfolgtȱ dieȱ Unterrichtsanalyseȱ mittelsȱ RHIAȬUnterrichtȱ softwaregestütztȱ anhandȱ derȱ videoaufgezeichnetenȱ UnterrichtsȬ stunden.ȱSollteȱeinȱEinsatzȱvonȱRHIAȬUnterrichtȱdirektȱimȱKlassenȬ zimmerȱ(ohneȱVideoaufnahmen)ȱgeplantȱsein,ȱmussȱimȱVorfeldȱeineȱ ReduzierungȱaufȱeineȱinteressierendeȱVariableȱ(z.B.ȱnurȱRegulationsȬ hindernisse)ȱ proȱ Untersucherȱ vorgenommenȱ werden.ȱ Ansonstenȱ werdenȱ dieȱ Untersucherȱ überfordertȱ undȱ qualitativȱ unzureichendeȱ Urteileȱabgegeben.ȱWirȱempfehlenȱdieȱobenȱgekennzeichneteȱvideoȬ gestützteȱRHIAȬAnalyse.ȱ
3.4
Einsatzmöglichkeiten von RHIAUnterricht
Imȱ Rahmenȱ einesȱ breitȱ angelegtenȱ Forschungsprojekts1ȱ wurdeȱ RHIAȬUnterrichtȱ inȱ mehrerenȱ Studienȱ undȱ Praxisprojektenȱ erfolgȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱ 1ȱȱ DasȱProjektȱwurdeȱvonȱ2004ȱbisȱ2006ȱimȱRahmenȱdesȱEliteförderprogrammsȱfürȱ
86ȱ
PostdoktorandenȱvonȱderȱLandesstiftungȱBadenȬWürttembergȱgefördert.ȱEinȱFolȬ geprojektȱ wirdȱ imȱ Programmȱ Bildungsforschungȱ vonȱ 2007ȱ bisȱ 2009ȱ unterstützt.ȱ DerȱErstautorȱdanktȱdemȱProjektfördererȱundȱspeziellȱHerrnȱDr.ȱWeberȱfürȱdieȱfiȬ nanzielleȱundȱideelleȱUnterstützung.ȱȱ
Einsatzmöglichkeiten von RHIA-Unterricht
3.4
reichȱ eingesetzt.ȱ Inȱ diesemȱ Abschnittȱ werdenȱ Beispieleȱ vorgestellt,ȱ dieȱimȱRahmenȱderȱSchulentwicklungȱrelevantȱsind.ȱAlsȱergänzendeȱ Lektüreȱ möchtenȱ wirȱ Krauseȱ undȱ Dorsemagenȱ (2007b)ȱ empfehlen:ȱ DortȱwirdȱausführlicherȱaufȱeinȱBeispielȱfürȱeineȱgrundlagenwissenȬ schaftlicheȱ Studieȱ eingegangen,ȱ dieȱ aufzeigte,ȱ dassȱ GruppenunterȬ richtȱ imȱ Vergleichȱ zumȱ Frontalunterrichtȱ nichtȱ mitȱ einerȱ ReduzieȬ rungȱdesȱBelastungsniveausȱeinherging.ȱZudemȱsindȱdortȱanschauȬ licheȱ Beispieleȱ fürȱ schriftlicheȱ Unterrichtsprofileȱ enthalten,ȱ dieȱ dieȱ beteiligtenȱ Lehrkräfteȱ alsȱ individuelleȱRückmeldungenȱ zuȱderȱ jeweiȬ ligenȱ Unterrichtsstundeȱ erhaltenȱ können.ȱ Hierüberȱ werdenȱ bereitsȱ Impulseȱ fürȱ dieȱ PersonalȬȱ undȱ Unterrichtsentwicklungȱ gegeben.ȱ Zusammenȱ mitȱ derȱ aufgezeichnetenȱ Unterrichtsstundeȱ liefertȱ einȱ UnterrichtsprofilȱeinzelnenȱLehrkräftenȱdieȱMöglichkeit,ȱBelastungsȬ spitzenȱimȱUnterrichtȱzuȱerkennenȱ(z.B.ȱbeimȱEinstiegȱinȱdieȱUnterȬ richtsstundeȱoderȱbeimȱÜbergangȱvonȱArbeitsphasenȱimȱUnterricht).ȱ Gleichzeitigȱ werdenȱ imȱ Unterrichtsprofilȱ Fragenȱ formuliertȱ (z.B.ȱ WelcheȱweiterenȱMöglichkeitenȱgibtȱes,ȱmitȱdenȱBelastungenȱumzuȬ gehen?)ȱundȱnaheȱgelegt,ȱdieȱUnterrichtsstundeȱnichtȱnurȱindividuȬ ell,ȱsondernȱimȱKollegenkreisȱzuȱbetrachten,ȱumȱfachlichesȱFeedbackȱ undȱ sozialeȱ Unterstützungȱ durchȱ Kollegenȱ zuȱ nutzen.ȱ Dannȱ beȬ schränktȱsichȱderȱNutzenȱschriftlicherȱUnterrichtsprofileȱnichtȱmehrȱ aufȱ einzelneȱ Lehrkräfte.ȱ RHIAȬBelastungsanalysenȱ könnenȱ GrundȬ lageȱundȱBausteinȱweiterführenderȱInterventionenȱmitȱLehrerteamsȱ bzw.ȱ Kollegienȱ sein.ȱ Hierzuȱ wirdȱ imȱ Folgendenȱ einȱ erprobtesȱ KonȬ zeptȱzurȱvideogestütztenȱkollegialenȱBeratungȱvorgestellt.ȱ
3.4.1
Videogestützte kollegiale Beratung
Kollegialeȱ Beratungȱ bzw.ȱ kollegialeȱ Supervisionȱ istȱ einȱ etabliertesȱ AngebotȱfürȱLehrkräfteȱ(Fiegeȱ&ȱDolasse,ȱ1998;ȱTietze,ȱ2003).ȱKolleȬ gialeȱ Beratungȱ bietetȱ einenȱ geschütztenȱ Rahmen,ȱ umȱ dieȱ eigeneȱ ArbeitȱimȱKollegenkreisȱzuȱreflektierenȱundȱdabeiȱauchȱgesundheitsȬ förderlicheȱRessourcenȱimȱUnterrichtȱzuȱthematisierenȱundȱzuȱstärȬ ken.ȱDurchȱkollegialeȱBeratungȱwerdenȱProzesseȱsozialerȱUnterstütȬ zungȱ imȱ Kollegenkreisȱ gefördert.ȱ Zudemȱ handeltȱ esȱ sichȱ umȱ einȱ niedrigschwelligesȱ undȱ kostengünstigesȱ Beratungsangebotȱ fürȱ Lehrkräfte,ȱ daȱ dieȱ Sitzungenȱ imȱ Kollegenkreisȱ undȱ ohneȱ externenȱ Moderatorȱdurchgeführtȱwerdenȱkönnen.ȱȱ
87ȱ
3
RHIA-Unterricht: Psychische Belastungen erfassen und reduzieren
AufbauendȱaufȱbestehendenȱAnsätzenȱwurdeȱdasȱKonzeptȱzuȱeinerȱ videogestütztenȱ kollegialenȱ Unterrichtsberatungȱ erweitert.ȱ Dahinterȱ standȱ dieȱ Überlegung,ȱ dieȱ Inhalteȱ derȱ kollegialenȱ BeratungssitzunȬ genȱhandlungsorientiertȱamȱkonkretenȱUnterrichtsgeschehenȱauszuȬ richten.ȱ Mitȱ demȱ Verfahrenȱ RHIAȬUnterrichtȱ botȱ sichȱ zudemȱ dieȱ Möglichkeit,ȱ gezieltȱ belastungsrelevanteȱ Unterrichtssequenzenȱ zuȱ ermittelnȱundȱdieseȱinȱFormȱvonȱVideorückmeldungenȱȬȱzusätzlichȱ zuȱ denȱ mündlichenȱ Fallvorstellungenȱ Ȭȱ inȱ dieȱ Beratungssitzungenȱ zuȱ integrieren.ȱ Dieȱ Auswahlȱ derȱ zuȱ zeigendenȱ Videomitschnitteȱ sollteȱinȱAbspracheȱmitȱderȱLehrkraftȱundȱaufȱderȱBasisȱvorliegenderȱ Belastungsanalysenȱerfolgenȱ(z.B.ȱerhöhteȱLautstärkeȱundȱzahlreicheȱ Unterrichtsstörungenȱ beimȱ Wechselȱ vonȱ Arbeitsphasen).ȱ Diesesȱ weiterentwickelteȱ Konzeptȱ zurȱ kollegialenȱ Beratungȱ bautȱ aufȱ einȱ Phasenmodellȱ selbstȱ geleiteterȱ Problemlöseverfahrenȱ inȱ Gruppenȱ auf.ȱImȱLaufeȱdesȱBeratungsprozessesȱwerdenȱvonȱdenȱteilnehmenȬ denȱLehrkräftenȱZieleȱformuliert,ȱHandlungsmöglichkeitenȱerarbeiȬ tetȱundȱdieseȱinȱkonkretesȱUnterrichtshandelnȱumgesetzt.ȱAufȱdieseȱ WeiseȱsollȱeinȱentlastenderȱEffektȱhinsichtlichȱderȱUnterrichtsdurchȬ führungȱ erzieltȱ werden.ȱ Dieȱ achtȱ Phasenȱ desȱ Beratungskonzeptsȱ sindȱTabelleȱ1ȱzuȱentnehmen.ȱ Dasȱ strukturierteȱ Konzeptȱ zurȱ videogestütztenȱ kollegialenȱ UnterȬ richtsberatungȱ alsȱ gezielteȱ Personalentwicklungsmaßnahmeȱ wurdeȱ inȱeinerȱBeratungsgruppeȱmitȱsechsȱLehrkräftenȱeinesȱGymnasiumsȱ erprobtȱ undȱ evaluiertȱ (Böhm,ȱ 2003).ȱ Imȱ Vorfeldȱ derȱ BeratungssitȬ zungenȱwurdeȱvonȱjedemȱbeteiligtenȱLehrerȱeineȱUnterrichtsstundeȱ aufȱVideoȱaufgezeichnetȱundȱmitȱRHIAȬUnterrichtȱausgewertet.ȱDasȱ Videomaterialȱ undȱ dieȱ Ergebnisseȱ derȱ Belastungsanalysenȱ liefertenȱ dieȱinhaltlicheȱGrundlageȱfürȱdreiȱkollegialeȱBeratungssitzungen,ȱinȱ denenȱ inȱ derȱ Regelȱ zweiȱ Fälleȱ vorgestelltȱ wurden.ȱ Nebenȱ derȱ FallȬ vorstellungȱ wurdenȱ ca.ȱ 5Ȭ10Ȭminütigeȱ Schlüsselsequenzenȱ ausȱ demȱ eigenenȱ Unterrichtȱ gezeigt.ȱ Nachȱ Durchführungȱ derȱ Maßnahmeȱ wurdeȱvonȱjederȱLehrkraftȱeineȱweitereȱUnterrichtsstundeȱinȱderselȬ benȱ Klasseȱ aufgezeichnetȱ undȱ dasȱ Belastungsniveauȱ erneutȱ mitȱ RHIAȬUnterrichtȱ erhoben.ȱ Aufȱ dieseȱ Weiseȱ wurdeȱ einȱ VorherȬ NachherȬVergleichȱmöglich.ȱ
88ȱ
Einsatzmöglichkeiten von RHIA-Unterricht
AchtȱPhasenȱderȱvideogestütztenȱkollegialenȱBeratungȱ(Böhm,ȱ2003,ȱinȱ AnlehnungȱanȱFiege,ȱ1999)ȱȱ Phasen
Inhalt
1. Einstieg
Erfahrungen schildern (seit Habe ich einen Nachtrag zum letzten Treffen? der letzten Sitzung) Ziele und Erwartungen der teilnehmenden Lehrkräfte klären Klären der Rollenübernahme
Fragen
3.4 Tabelleȱ1ȱ
Dauer (Min) 5-10
Welche Rolle nehme ich bei diesem Treffen ein? Welche Ziele / Erwartungen habe ich für dieses Treffen?
Auswahl des Falls für die Sitzung 2. Videogestützte Fallvorstellung
Vorstellen der Unterrichtsstunde durch den Ratsuchenden Betrachten eines Unterrichtsausschnitts mit Erläuterungen des Moderators zu Besonderheiten, die sich aus der vorherigen RHIA-Analyse ergeben haben (z.B. Lärm)
Ratsuchender
10-20
Was möchte ich besprechen bzw. klären? Wann ist die Fallbearbeitung für mich erfolgreich gewesen? Welche Ziele habe ich in der U-Stunde verfolgt? Ko-Berater Was fällt mir auf?
3. Informatio- Ko-Berater stellen Vernen geben ständnisfragen und holen Informationen ein, um Unklarheiten aufzuheben (noch keine Interpretationen, Erfahrungen oder Lösungsvorschläge) 4. Wahrnehmungen
Ko-Berater
5-10
Welche Frage habe ich an den Ratsuchenden
Ko-Berater Wahrnehmungen der KoBerater zu dem geschilderWelche Ziele hat der Kollege ten Fall in der Situation verwirklicht? Welche Ziele wurden nicht Nachfragen des Ratsuverwirklicht? chenden
5-10
Was fällt mir auf? Ratsuchender Welche Anmerkungen / Fragen habe ich an die Gruppe? 5. Ursachen- Ä ußern von Annahmen vermutungen durch die Ko-Berater Anmerkungen des Ratsu-
Ko-Berater Welche Annahmen / Hypothesen habe ich in Bezug auf den
5-10
89ȱ
3
RHIA-Unterricht: Psychische Belastungen erfassen und reduzieren
chenden zu diesen Annahmen
Fall? Ratsuchender Welche Anmerkungen / Fragen habe ich an die Gruppe?
6. Lösungsversuche
Vorschläge zu Handlungsund Denkmöglichkeiten durch die Gruppenmitglieder
Ko-Berater
15
Welche Handlungsmöglichkeiten hat der Ratsuchende?
Nachfragen des Ratsuchenden 7. Bewerten / Entscheiden
8. Abschluss
Auswählen von Handlungsmöglichkeiten
Ratsuchender
Konkrete Planung der Umsetzung
Welche dieser Möglichkeiten ziehe ich konkret in Betracht? Welche werde ich zum nächsten Mal umsetzen?
Klären offener Fragen
Gibt es offene Fragen?
5-10
5
Sind meine Ziele für diese Klären der persönlichen Zielerreichung, Anmerkun- Sitzung erfüllt worden? gen zum Beratungsprozess Was habe ich als besonders positiv erlebt? Planen der nächsten Sitzung Gibt es Veränderungs- oder Verbesserungsvorschläge für kommende Treffen?
ȱ Dieȱ Belastungsanalysenȱ mitȱ RHIAȬUnterrichtȱ imȱ VorherȬNachherȬ Vergleichȱ zeigten,ȱ dassȱ dieȱ videogestützteȱ kollegialeȱ UnterrichtsbeȬ ratungȱ eineȱ objektivȱ (d.h.ȱ überȱ außenȱ stehendeȱ Untersucherȱ ermitȬ telte)ȱ entlastendeȱ Funktionȱ fürȱ dieȱ beteiligtenȱ Lehrkräfteȱ hatte.ȱ ZuȬ demȱwarenȱdieȱLehrkräfteȱauchȱinȱihrenȱsubjektivenȱEinschätzungenȱ mitȱ demȱ Verlaufȱ derȱ Beratungssitzungenȱ zufrieden:ȱ Dieȱ MöglichȬ keit,ȱ mitȱ wenigenȱ Kollegenȱ inȱ Ruheȱ undȱ offenȱ überȱ denȱ eigenenȱ Unterrichtȱ sprechenȱ zuȱ können,ȱ vermittelteȱ denȱ beteiligtenȱ LehrȬ kräftenȱ nachȱ eigenenȱ Wortenȱ einenȱ neuenȱ Zugangȱ zuȱ ihrenȱ KolleȬ gen.ȱ
90ȱ
Exemplarischȱ werdenȱ imȱ Folgendenȱ einzelneȱ mitȱ RHIAȬUnterrichtȱ ermittelteȱEvaluationsergebnisseȱberichtet:ȱImȱVergleichȱzurȱVorherȬ Messungȱ erhöhteȱ sichȱ derȱ Prozentanteilȱ desȱ Fachunterrichtsȱ umȱ mehrȱ alsȱ 10%ȱ (vonȱ 70%ȱ aufȱ 82%),ȱ d.h.ȱ esȱ wurdeȱ mehrȱ Zeitȱ aufȱ dieȱ DurchführungȱeffektivenȱUnterrichtsȱverwendet,ȱbeiȱdemȱdieȱSchüȬ lerȱaktivȱdazulernenȱkönnen.ȱDieȱAnzahlȱderȱRegulationshindernisȬ
Einsatzmöglichkeiten von RHIA-Unterricht
3.4
seȱsankȱvonȱdurchschnittlichȱmehrȱalsȱ16ȱHindernissenȱbeiȱderȱVorȬ herȬMessungȱaufȱdurchschnittlichȱachtȱHindernisseȱproȱUnterrichtsȬ stunde.ȱAuchȱderȱUmgangȱmitȱdenȱUnterrichtsstörungenȱveränderteȱ sichȱ imȱ Verlaufȱ derȱ Beratungssitzungen.ȱ Einzelneȱ Lehrkräfteȱ nutzȬ tenȱ dieȱ fachlichenȱ Beiträgeȱ ihrerȱ Kollegen,ȱ umȱ mitȱ derȱ Klasseȱ beȬ stimmte,ȱ immerȱ wiederkehrendeȱ Störungenȱ desȱ Unterrichtsflussesȱ nachȱ denȱ Beratungssitzungenȱ explizitȱ zuȱ thematisieren.ȱAufȱ dieserȱ Basisȱreichtenȱbeimȱspäteren,ȱerneutenȱAuftretenȱkürzereȱInterventiȬ onenȱ aus.ȱ Diesȱ schlägtȱ sichȱ auchȱ inȱ einerȱ deutlichenȱ Verringerungȱ desȱ Zusatzaufwandesȱ niederȱ (VorherȬMessung:ȱ durchschnittlichȱ 3:08ȱ Minutenȱ Zusatzaufwandȱ proȱ Unterrichtsstunde;ȱ NachherȬ Messung:ȱ 1:49ȱ Minuten).ȱ Obwohlȱ dieȱ Werteȱ inȱ derȱ NachherȬ Messungȱ sichȱ imȱ Vergleichȱ zurȱ VorherȬMessungȱ deutlichȱ inȱ dieȱ erȬ wünschteȱ Richtungȱ veränderten,ȱ sindȱ dieȱ berichtetenȱ Ergebnisseȱ aufgrundȱ derȱ geringenȱ Stichprobengrößeȱ vorerstȱ mitȱ Vorsichtȱ undȱ lediglichȱ alsȱ ersteȱ Hinweiseȱ fürȱ denȱ Nutzenȱ einesȱ solchenȱ BeraȬ tungskonzeptsȱ zuȱ interpretieren.ȱ Aufgrundȱ derȱ kleinenȱ Stichprobeȱ konntenȱ dieseȱ deutlichenȱ Effekteȱ auchȱ nochȱ nichtȱ durchȱ SignifiȬ kanzprüfungenȱstatistischȱabgesichertȱwerden.ȱȱ InȱdenȱSitzungenȱzurȱKollegialenȱBeratungȱwurdenȱvonȱdenȱbeteiligȬ tenȱ Lehrkräftenȱ insbesondereȱ Themenȱ eingebracht,ȱ dieȱ sichȱ aufȱ dieȱ QualitätȱderȱmethodischenȱAusgestaltungȱdesȱUnterrichtsȱbeziehenȱ (z.B.ȱ dieȱ effizienteȱ Gestaltungȱ vonȱ Gruppenarbeit).ȱ Mitȱ anderenȱ Worten:ȱ Auchȱ wennȱ psychischeȱ Belastungenȱ Ausgangspunktȱ derȱ Rückmeldungȱsind,ȱstehenȱschnellȱFragenȱderȱUnterrichtsqualitätȱimȱ Vordergrund.ȱ Hierȱ zeigenȱ sichȱ Möglichkeitenȱ zurȱ sinnvollenȱ VerȬ knüpfungȱ vonȱ GesundheitsȬȱ undȱ Leistungsfragenȱ angesichtsȱ derȱ aktuellȱ raschȱ fortschreitendenȱ SelbstȬȱ undȱ Fremdevaluationȱ bzw.ȱ Qualitätssicherungȱ imȱ deutschenȱ Schulwesen.ȱ Inȱ denȱ BeratungssitȬ zungenȱzeigteȱsich:ȱDenȱbeteiligtenȱLehrkräftenȱwarenȱzwarȱzahlreiȬ cheȱ Maßnahmenȱ zumȱ Umgangȱ mitȱ Unterrichtsstörungenȱ bekannt,ȱ jedochȱ fehlteȱihnenȱ einȱsystematischerȱÜberblickȱüberȱdieȱMöglichȬ keiten,ȱdieȱihnenȱinȱeinzelnenȱUnterrichtssituationenȱzurȱVerfügungȱ stehen.ȱ Einȱ Vorteilȱ vonȱ RHIAȬUnterrichtȱ bestehtȱ anȱ dieserȱ Stelleȱ darin,ȱdassȱesȱeinȱbegrifflichesȱInventarȱzurȱBeschreibungȱvonȱbelasȬ tendenȱ Unterrichtssituationenȱ liefert.ȱ Dieȱ Begrifflichkeitenȱ desȱ MaȬ nualsȱundȱdieȱVideorückmeldungenȱunterstützenȱLehrkräfteȱdabei,ȱ Situationenȱ undȱ auffälligeȱ Ereignisseȱ inȱ Worteȱ zuȱ fassen,ȱ dieȱ sieȱ
91ȱ
3
RHIA-Unterricht: Psychische Belastungen erfassen und reduzieren
zwarȱtäglichȱerleben,ȱaberȱbisweilenȱnurȱunvollständigȱimȱKollegenȬ kreisȱkommunizieren.ȱȱ EinȱderartigesȱKonzeptȱzurȱvideogestütztenȱkollegialenȱUnterrichtsȬ beratungȱlässtȱsichȱleichtȱinȱSchulentwicklungsprozesseȱintegrieren.ȱ Ausgangspunktȱ könnenȱ z.B.ȱ vertiefendeȱ Feinanalysenȱ imȱ Rahmenȱ derȱ Gefährdungsbeurteilungȱ anȱ Schulenȱ sein,ȱ welcheȱ mitȱ RHIAȬ Unterrichtȱ durchgeführtȱ werdenȱ können.ȱ Dieȱ Rückmeldungȱ derȱ BelastungsanalysenȱanȱeinȱLehrerteamȱkannȱinȱeinemȱerstenȱSchrittȱ imȱ Rahmenȱ einesȱ thematischenȱ Workshopsȱ durchgeführtȱ werden.ȱ Dieserȱ Workshopȱ kannȱ gleichzeitigȱ Ausgangspunktȱ fürȱ weiterfühȬ rendeȱkollegialeȱBeratungssitzungenȱsein.ȱ
3.4.2
Thematischer Workshop im Rahmen der Schulentwicklung
InȱweiterenȱAnwendungsprojektenȱmitȱEinzelschulenȱwurdeȱRHIAȬ UnterrichtȱalsȱmethodischerȱBausteinȱimȱRahmenȱderȱGefährdungsȬ beurteilungȱundȱSchulentwicklungȱeingesetztȱ(vgl.ȱauchȱdenȱBeitragȱ vonȱReschȱundȱFenzlȱinȱdiesemȱBand).ȱDerȱaufwändigeȱEinsatzȱvonȱ RHIAȬUnterrichtȱ empfiehltȱ sichȱ vorȱ allemȱ fürȱ SchulentwicklungsȬ projekte,ȱ beiȱ denenȱ aufȱ eineȱ sorgfältigeȱAnalyseȱ desȱ UnterrichtsgeȬ schehensȱvielȱWertȱgelegtȱwird.ȱWährendȱFragebögenȱeinȱökonomiȬ schesȱ Screeningȱ derȱ Belastungenȱ undȱ Ressourcenȱ anȱ einerȱ EinzelȬ schuleȱ liefernȱ undȱ alleȱ Lehrkräfteȱ inȱ dieȱ Fragebogenerhebungȱ einbezogenȱwerdenȱkönnen,ȱistȱRHIAȬUnterrichtȱfürȱdieȱvertiefendeȱ Feinanalyseȱ einzelnerȱ Unterrichtsstundenȱ gedacht.ȱ Jeȱ nachȱ FrageȬ stellungȱ könnenȱ aufȱ Schulebeneȱ bereitsȱ zehnȱ Unterrichtsstundenȱ ausreichendȱsein:ȱDieseȱsolltenȱdasȱUnterrichtsspektrumȱderȱbetrefȬ fendenȱ Schuleȱ möglichstȱ gutȱ umfassenȱ bzw.ȱ besondersȱ schwierigeȱ Jahrgangstufenȱ oderȱ Schulzweigeȱ mitȱ einbeziehen.ȱ Repräsentativeȱ Aussagenȱ überȱ dasȱ Belastungsniveauȱ anȱ einerȱ Schuleȱ (inȱ bestimmȬ tenȱ Jahrgängen,ȱ Fächernȱ usw.)ȱ sindȱ allerdingsȱ erstȱ beiȱ größerenȱ Stichprobenȱmöglich.ȱȱ
92ȱ
Inȱ einemȱ Schulentwicklungsprojektȱ mitȱ einerȱ Hamburgerȱ BerufsȬ schuleȱ wurdenȱ aufbauendȱ aufȱ einerȱ kollegiumsweitenȱ FragebogenȬ erhebungȱ mitȱ demȱ Fragebogenȱ zurȱ Arbeitssituationȱ anȱ Schulenȱ (FASS;ȱKaempfȱ&ȱKrause,ȱ2004)ȱvertiefendeȱBelastungsanalysenȱmitȱ RHIAȬUnterrichtȱ durchgeführt.ȱ Insgesamtȱ wurdenȱ elfȱ DoppelstunȬ
Einsatzmöglichkeiten von RHIA-Unterricht
3.4
denȱ analysiert.ȱ Dieȱ Ergebnisrückmeldungȱ derȱ Belastungsanalysenȱ erfolgteȱ inȱ einemȱ eintägigenȱ Workshopȱ mitȱ denȱ anȱ denȱ UnterȬ richtsaufnahmenȱbeteiligtenȱLehrkräften.ȱZielȱwarȱes,ȱbewusstȱqualiȬ fizierendeȱElementeȱzuȱintegrieren,ȱumȱdieȱbeteiligtenȱLehrkräfteȱfürȱ Belastungssituationenȱ imȱ eigenenȱ Unterrichtȱ zuȱ sensibilisieren.ȱ BeȬ gleitendȱ zurȱ moderiertenȱ Gruppendiskussionȱ wurdenȱ auchȱ beiȱ derȱ ErarbeitungȱvonȱHandlungsmöglichkeitenȱvonȱdenȱReferentenȱfachȬ licheȱ Hinweiseȱ zumȱ Umgangȱ mitȱ Schülerstörungenȱ imȱ Unterrichtȱ eingebracht,ȱ umȱ denȱ Problemlöseprozessȱ zielgerichteterȱ zuȱ gestalȬ ten.ȱTabelleȱ2ȱgibtȱAufbauȱundȱAblaufȱdesȱthematischenȱWorkshopsȱ wieder.ȱ Derȱ Vormittagȱ dienteȱ derȱ Klärungȱ derȱ Erwartungenȱ derȱ teilnehȬ mendenȱ Lehrkräfte,ȱ derȱ detailliertenȱ Vorstellungȱ desȱ Instrumentsȱ RHIAȬUnterricht,ȱderȱPräsentationȱderȱAnalyseergebnisseȱsowieȱderȱ Ursachenklärungȱ fürȱ dieȱ aktuelleȱ Belastungssituation.ȱ Beiȱ derȱ PräȬ sentationȱdesȱInstrumentsȱhatȱesȱsichȱbewährt,ȱdieȱeinzelnenȱBewerȬ tungsdimensionenȱ vonȱ RHIAȬUnterrichtȱ mitȱ Videosequenzenȱ derȱ betreffendenȱSchuleȱzuȱuntermauern.ȱAufȱdieseȱWeiseȱkannȱdieȱAkȬ zeptanzȱ fürȱ dieȱ eingesetzteȱ Methodeȱ RHIAȬUnterrichtȱ zurȱ BelasȬ tungsanalyseȱweiterȱerhöhtȱwerden,ȱdaȱdieȱLehrkräfteȱdieȱgezeigtenȱ Videomitschnitteȱ alsȱrelevantȱ fürȱdasȱ eigeneȱ Belastungserlebenȱ einȬ schätzen.ȱ Dieȱ Präsentationȱ derȱ Analyseergebnisseȱ erfolgteȱ inȱ Formȱ vonȱ ermitteltenȱ Durchschnittswertenȱ bzgl.ȱ derȱ Unterrichtsanteile,ȱ derȱ Regulationshindernisseȱ undȱ desȱ Zusatzaufwandesȱ sowieȱ derȱ Lautstärke.ȱ Zudemȱ wurdeȱ dieȱ Verteilungȱ derȱ Unterrichtsstundenȱ anhandȱeinerȱ„Ampeldarstellung“ȱgraphischȱaufbereitet,ȱd.h.ȱbelasȬ tungsintensiveȱ Stundenȱ werdenȱ rotȱ gekennzeichnet.ȱ Umȱ dieȱ BandȬ breiteȱ derȱ Belastungsniveausȱ zuȱ verdeutlichen,ȱ wurdenȱ exemplaȬ rischȱ eineȱ durchschnittliche,ȱ einȱ weitestgehendȱ belastungsarmeȱ soȬ wieȱ eineȱ besondersȱ belastungsreicheȱ Unterrichtsstundeȱ ausȱ derȱ Stichprobeȱ herausgegriffenȱ undȱ dieȱ ermitteltenȱ Belastungswerteȱ anhandȱvonȱVerlaufsgraphikenȱausführlichȱvorgestellt.ȱȱ
93ȱ
3 Tabelleȱ2ȱ
RHIA-Unterricht: Psychische Belastungen erfassen und reduzieren
AblaufȱeinesȱeintägigenȱWorkshopsȱzurȱRückmeldungȱvonȱErgebnissenȱderȱ RHIAȬUnterrichtsanalysenȱanȱeinerȱSchuleȱ Zeit
Block
08:30 – 09:00 Gegenseitiges Kennenlernen, Ziele, Ablauf 09:00 – 10:15 „Mini-Qualifizierung“: Erläuterungen zu Belastungen im Unterricht und zum Vorgehen an der Schule, Erhebungsmethode RHIAUnterricht erläutern und an Ankerbeispielen (jeweils aus den Unterrichtsstunden der Schule) veranschaulichen 10:30 – 12:00 Unterrichtsanalyse: Ergebnisse vorstellen (Ergebnisse der Schule im Vergleich zu Referenzwerten;danach Unterschiede innerhalb der Schule verdeutlichen), Ursachen diskutieren 13:00 – 15:00 Unterrichtsgestaltung 1: Möglichkeiten der Belastungsreduktion im Unterricht erörtern (dabei zwischen individuellen und kollektiven Möglichkeiten unterscheiden) 15:15 – 16:00 Unterrichtsgestaltung 2: Erarbeiten von Lösungsvorschlägen auf Schulebene, Einbindung in laufende Schulentwicklung klären 16:00 – 16:30 Weiteres Vorgehen klären, Abschluss ab 16:45
Einzelgespräche (individuelle Rückmeldung zu Ergebnissen aus den RHIA-Unterrichtsanalysen)
ȱ DieȱVerlaufsgraphikȱinȱAbbildungȱ2ȱzeigtȱdieȱAbfolgeȱderȱRegulatiȬ onshindernisseȱ undȱ denȱ damitȱ verbundenenȱ Zusatzaufwandȱ einerȱ durchschnittlichȱ belastungsintensivenȱ Unterrichtsdoppelstunde.ȱ AufȱderȱxȬAchseȱistȱdieȱUnterrichtszeitȱabgetragenȱ(inȱdiesemȱFallȱinȱ Abständenȱ vonȱ zehnȱ Minuten);ȱ aufȱ derȱ yȬAchseȱ dieȱ verschiedenenȱ Konstellationenȱ fürȱ dieȱ Regulationshindernisse.ȱ Beiȱ dieserȱ Stundeȱ handeltȱ esȱ sichȱ umȱ denȱ Unterrichtȱ inȱ einerȱ Berufsfachschulklasse.ȱ Insgesamtȱ wurdenȱ imȱ Verlaufȱ derȱ Unterrichtsdoppelstundeȱ 36ȱ ReȬ gulationshindernisseȱ kodiert,ȱ welcheȱ 7.5ȱ Minutenȱ anȱ ZusatzaufȬ wandȱ erforderten.ȱ DieseȱAnzahlȱ anȱ Regulationshindernissenȱ sowieȱ derȱdamitȱverbundeneȱZusatzaufwandȱweisenȱaufȱeinȱdurchschnittȬ lichesȱ Belastungsniveauȱ fürȱ dieȱ unterrichtendeȱ Lehrerinȱ inȱ dieserȱ Unterrichtsstundeȱhin.ȱ
94ȱ
Einsatzmöglichkeiten von RHIA-Unterricht
RegulationshindernisseȱundȱZusatzaufwandȱ(5=ȱFremdeinfluss,ȱ4=ȱzeitlichȱ konfligierendeȱZielstellungen,ȱ3=geringeȱNutzerkompetenz,ȱ2=divergieȬ rendeȱZielstellungen,ȱ1=einseitigeȱReaktionȱ(Spezialfallȱderȱdivergierendenȱ Zielstellungen,ȱsehrȱkurzeȱReaktion))ȱ
3.4 Abbildungȱ2ȱ
5
Einstufung der Hindernisse
4
3
2
1
0 0
600
1200
1800
2400
3000
3600
4200
4800
5400
6000
Dauer der Unterrichtsstunde in Sekunden
ȱ
Dieȱ Schülerȱ werdenȱ inȱ unterschiedlichenȱ Berufsschulzweigenȱ (beȬ rufsvorbereitendeȱ Maßnahmen,ȱ Berufsfachschule,ȱ Berufsschuleȱ imȱ dualenȱ Ausbildungssystem)ȱ unterrichtet.ȱ Esȱ zeigteȱ sich,ȱ dassȱ sichȱ dasȱ Ausmaßȱ anȱ Belastungenȱ zwischenȱ denȱ verschiedenenȱ BerufsȬ schulzweigenȱ deutlichȱ unterschied.ȱ Derȱ Prozentanteilȱ fachlichenȱ bzw.ȱ überfachlichenȱ Unterrichtsȱ warȱ mitȱ durchschnittlichȱ 79%ȱ insȬ gesamtȱhochȱundȱlagȱnurȱbeiȱzweiȱ(vonȱelf)ȱUnterrichtsstundenȱunȬ terȱdemȱkritischenȱWertȱvonȱ70%.ȱUngünstigerȱwarenȱhingegenȱdieȱ ermitteltenȱ Werteȱ zuȱ denȱ Regulationshindernissenȱ undȱ derȱ LautȬ stärke.ȱ Gleichzeitigȱ warȱ dieȱ Spannbreiteȱ innerhalbȱ derȱ analysiertenȱ Unterrichtsstundenȱsehrȱgroßȱundȱreichteȱz.B.ȱbeiȱdenȱRegulationsȬ hindernissenȱvonȱachtȱbisȱzuȱ114ȱinȱeinerȱ90ȬminütigenȱDoppelstunȬ de.ȱAnalogȱ variierteȱauchȱderȱ Zusatzaufwandȱ vonȱ lediglichȱ1.5ȱ MiȬ nutenȱbisȱhinȱzuȱ25ȱMinuten.ȱDerȱProzentanteilȱstörenderȱGeräuscheȱ schwankteȱ zwischenȱ 37%ȱ undȱ 71%.ȱ Währendȱ dieȱ belastungsreichsȬ tenȱStundenȱinȱdenȱberufsvorbereitendenȱbzw.ȱBerufsfachschulklasȬ senȱermitteltȱwurden,ȱwarenȱdieȱUnterrichtsstundenȱinȱdenȱBerufsȬ schulklassenȱ (dualesȱ System)ȱ wesentlichȱ belastungsärmer.ȱ InsgeȬ samtȱ fielȱ auchȱ auf,ȱ dassȱ dieȱ Möglichkeitenȱ zumȱ Abwendenȱ inȱ denȱ Doppelstundenȱhäufigerȱgenutztȱwurdenȱalsȱinȱdenȱbislangȱvonȱunsȱ analysiertenȱEinzelstunden.ȱȱ
95ȱ
3
RHIA-Unterricht: Psychische Belastungen erfassen und reduzieren
Wichtigerȱ Bestandteilȱ desȱ Workshopsȱ istȱ eineȱ ausführlicheȱ UrsaȬ chenklärungȱ fürȱ auftretendeȱ Unterrichtsstörungenȱ undȱ bestehendeȱ Unterschiedeȱ z.B.ȱ zwischenȱ Berufsschulzweigen.ȱ Wennȱ beispielsȬ weiseȱ fehlendeȱ gemeinsameȱ pädagogischeȱ Vorstellungenȱ imȱ KolleȬ giumȱ undȱ fehlendeȱ verbindlicheȱ (SanktionsȬ)Regelnȱ alsȱ Ursacheȱ anȱ einerȱSchuleȱermitteltȱwerden,ȱsoȱistȱeineȱSchlussfolgerung,ȱdassȱeineȱ Interventionȱ nichtȱ beiȱ derȱ einzelnenȱ Lehrkraftȱ ansetzenȱ darf.ȱ Wieȱ sollȱ eineȱ einzelneȱ Lehrkraftȱ imȱAlleingangȱ entscheidendeȱ VerbesseȬ rungenȱ erzielen?ȱ Beiȱ derȱ Lösungsentwicklungȱ stehtȱ inȱ einemȱ solȬ chenȱFallȱvielmehrȱdieȱArbeitȱanȱgemeinsamenȱpädagogischenȱVorȬ stellungenȱ imȱ Vordergrund.ȱ Alsȱ Ergebnisȱ desȱ Workshopsȱ undȱ alsȱ Ausgangspunktȱ fürȱ dieȱ nächstenȱ Schritteȱ derȱ Schulentwicklungȱ wurdeȱbeispielsweiseȱfestgehalten,ȱdassȱdasȱThemaȱLeitbildentwickȬ lungȱ mitȱ derȱ Schulleitungȱ eindringlichȱ auchȱ unterȱ demȱAspektȱ derȱ Belastungsreduktionȱ undȱ Gesundheitsförderungȱ zuȱ besprechenȱ ist.ȱ Umȱ denȱ ArbeitsȬȱ undȱ Gesundheitsschutz,ȱ wieȱ erȱ anȱ dieserȱ Schuleȱ auchȱ imȱ Schulprogrammȱ schriftlichȱ verankertȱ ist,ȱ weiterȱ voranzuȬ treiben,ȱ hatȱ sichȱ ausȱ demȱ Kollegiumȱ einȱ Lehrerteamȱ zusammengeȬ schlossen.ȱDieserȱArbeitskreisȱGesundheitȱerhältȱseinenȱAuftragȱvonȱ derȱ Gesamtlehrerkonferenz.ȱ Imȱ Rahmenȱ derȱ vonȱ unsȱ durchgeführȬ tenȱ Analysenȱ dienteȱ dieserȱ Arbeitskreisȱ alsȱ Steuergruppeȱ fürȱ dieȱ schulinterneȱ Informationȱ undȱ Kommunikationȱ mitȱ denȱ Kollegenȱ sowieȱmitȱderȱSchulleitung.ȱDieȱbeteiligten,ȱaufgeschlossenenȱLehrȬ kräfteȱwarenȱsehrȱzufriedenȱmitȱdemȱVorgehenȱundȱhabenȱihreȱErȬ fahrungenȱveröffentlichtȱ(Kurbjuhn,ȱ2006).ȱ
3.5
96ȱ
Fazit
Dieȱ exemplarischȱ vorgestelltenȱ Vorgehensweisenȱ zurȱ kollegialenȱ Beratungȱ undȱ zurȱ Durchführungȱ vonȱ Workshopsȱ imȱ Rahmenȱ derȱ Schulentwicklungȱ belegenȱ denȱ praktischenȱ Nutzenȱ vonȱ RHIAȬ Unterricht.ȱ Wirȱ empfehlenȱ denȱ kombiniertenȱ Einsatzȱ vonȱ RHIAȬ Unterrichtȱ undȱ derȱ Videoaufnahmenȱ zurȱ Rückmeldung,ȱ dieȱ auchȱ aufȱSchulȬȱundȱTeamebeneȱgenutztȱwirdȱ(z.B.ȱgemeinsamesȱBetrachȬ tenȱvonȱUnterrichtsausschnitten)ȱundȱsichȱnichtȱalleinȱaufȱindividuȬ elleȱ Rückmeldungenȱ beschränkt.ȱ Dieȱ bisweilenȱ nochȱ bestehendenȱ Bewertungsängsteȱ inȱ Kollegienȱ giltȱ esȱzuȱüberwinden,ȱ dennȱ häufigȱ istȱesȱfürȱLehrkräfteȱsehrȱentlastend,ȱkonkreteȱRückmeldungenȱzumȱ
Literatur
3.6
eigenenȱUnterrichtȱzuȱerhaltenȱundȱv.a.ȱauchȱamȱUnterrichtȱderȱKolȬ legenȱteilhabenȱzuȱkönnen.ȱ Bislangȱ dominierenȱ inȱ derȱ Forschungȱ zuȱ psychischenȱ Belastungenȱ imȱLehrberufȱsubjektiveȱVerfahrenȱalsȱ„selfȱreports“ȱinȱderȱFormȱvonȱ Fragebogen.ȱDerȱhierȱgewählteȱZugangȱzurȱErhebungȱermöglichtȱes,ȱ dasȱ Belastungsniveauȱ vonȱ Lehrkräftenȱ imȱ Unterrichtȱ unabhängigȱ vonȱ derȱ subjektivenȱ Wahrnehmungȱ derȱ Lehrkräfteȱ zuȱ bestimmen.ȱ Aufȱ dieseȱ Weiseȱ sindȱ beispielsweiseȱ internationaleȱ VergleichsstuȬ dienȱaufȱderȱGrundlageȱvonȱVideoaufnahmenȱdesȱUnterrichtsȱmögȬ lichȱ(Bäuerle,ȱHoosȱ&ȱKrause,ȱ2006),ȱdieȱbessereȱAussagenȱerlaubenȱ alsȱ etwaȱ Fragebogenstudien,ȱ derenȱ Ergebnisseȱ aufgrundȱ sprachliȬ cherȱundȱkulturellerȱUnterschiedeȱnurȱschwerlichȱinternationalȱverȬ gleichbarȱ sindȱ (Leitnerȱ &ȱ Resch,ȱ 2005).ȱ Nunȱ lässtȱ sichȱ einwenden,ȱ dassȱ auftretendeȱ Belastungenȱ inȱ einerȱ einzelnenȱ Unterrichtsstundeȱ nichtȱ unabhängigȱ vomȱ individuellenȱ Arbeitsstilȱ sind.ȱ SelbstverȬ ständlichȱhabenȱLehrkräfteȱpädagogischenȱFreiraumȱbeiȱderȱAusgesȬ taltungȱdesȱUnterrichts.ȱEntsprechendȱistȱesȱnotwendig,ȱzurȱKlärungȱ relevanterȱFragestellungenȱ(z.B.ȱwieȱsichȱdieȱKlassengrößeȱoderȱdieȱ präferierteȱ Unterrichtsmethodeȱ aufȱ dasȱ Belastungsniveauȱ auswirȬ ken)ȱeineȱgrößereȱAnzahlȱanȱUnterrichtsstundenȱzuȱberücksichtigen.ȱ Überȱ geeigneteȱ varianzanalytischeȱ Untersuchungsdesignsȱ wirdȱ esȱ möglich,ȱ SituationsȬȱ undȱ Personeneinflüsseȱ aufȱ dasȱ BelastungsniȬ veauȱ imȱ Unterrichtȱ zuȱ trennenȱ undȱ zuȱ bestimmenȱ (Krause,ȱ 2003b).ȱ Politischȱ bedeutsameȱ Entscheidungenȱ etwaȱ überȱ denȱ Klassenteilerȱ könnenȱ derzeitȱ nurȱ unzureichendȱ aufȱ derȱ Grundlageȱ empirischerȱ Ergebnisseȱgetroffenȱwerden.ȱHierȱbestehtȱHandlungsbedarf.ȱ
3.6
Literatur
Bäuerle,ȱ F.,ȱ Hoos,ȱ C.ȱ &ȱ Krause,ȱ A.ȱ (2006).ȱ Nurȱ dieȱ Leistungȱ zählt?ȱ Psychischeȱ Belastungenȱ vonȱ Lehrkräftenȱ imȱ internationalenȱ VerȬ gleich.ȱ Inȱ E.ȱ Mittag,ȱ E.ȱ Stickerȱ &ȱ K.ȱ Kuhlmannȱ (Hrsg.),ȱ Leistungȱ Ȭȱ Lustȱ undȱ Last.ȱ Impulseȱ fürȱ eineȱ Schuleȱ zwischenȱ Aufbruchȱ undȱ WiderȬ standȱ(S.ȱ395Ȭ399).ȱBonn:ȱDeutscherȱPsychologenȱVerlag.ȱȱ Böhm,ȱG.ȱ(2003).ȱEntwicklungȱundȱEvaluationȱeinesȱKonzeptsȱfürȱkolleȬ gialeȱ Beratungȱ –ȱ Psychischeȱ Belastungȱ vonȱ Lehrerinnenȱ undȱ Lehrernȱ imȱ Unterricht.ȱUniversitätȱFreiburg:ȱUnveröffentlichteȱDiplomarbeit.ȱ
97ȱ
3
RHIA-Unterricht: Psychische Belastungen erfassen und reduzieren
Dunckel,ȱH.ȱ&ȱPleiss,ȱC.ȱ(Hrsg.)ȱ(2007).ȱKontrastiveȱAufgabenanalyseȱȬȱ Grundlagen,ȱEntwicklungenȱundȱAnwendungserfahrungen.ȱZürich:ȱvdf.ȱ Fiege,ȱ B.ȱ &ȱ Dolasse,ȱ R.ȱ (1998).ȱ Evaluationȱ kollegialerȱ Beratungȱ inȱ GruppenȱvonȱLehrernȱundȱLehrerinnen.ȱZeitschriftȱfürȱPädagogik,ȱ44,ȱ 379Ȭ395.ȱ Greiner,ȱB.ȱA.,ȱRagland,ȱD.ȱR.,ȱKrause,ȱN.,ȱSyme,ȱS.ȱL.ȱ&ȱFisher,ȱJ.ȱM.ȱ (1997).ȱ Objectiveȱ measurementȱ ofȱ occupationalȱ stressȱ factorsȱ Ȭȱ Anȱ exampleȱwithȱSanȱFranciscoȱurbanȱtransitȱoperators.ȱJournalȱofȱOccuȬ pationalȱHealthȱPsychology,ȱ2,ȱ325Ȭ342.ȱ Kaempf,ȱS.ȱ&ȱKrause,ȱA.ȱ(2004).ȱGefährdungsbeurteilungenȱzurȱAnaȬ lyseȱ psychischerȱ Belastungenȱ amȱ Arbeitsplatzȱ Schule.ȱ Inȱ W.ȱ BunȬ gard,ȱB.ȱKoopȱ&ȱC.ȱLiebigȱ(Hrsg.),ȱPsychologieȱundȱWirtschaftȱlebenȱȬȱ Aktuelleȱ Themenȱ derȱ Wirtschaftspsychologieȱ inȱ Forschungȱ undȱ Praxisȱ (S.314Ȭ319).ȱMünchen:ȱRainerȱHampp.ȱȱ Krause,ȱ A.ȱ (2002).ȱ Psychischeȱ Belastungenȱ imȱ Unterrichtȱ –ȱ Einȱ aufgaȬ benbezogenerȱ Untersuchungsansatz:ȱ Analyseȱ derȱ Tätigkeitȱ vonȱ LehrerinȬ nenȱundȱLehrern.ȱUniversitätȱFlensburg:ȱDissertation.ȱ Krause,ȱ A.ȱ (2003a).ȱ Lehrerbelastungsforschung:ȱ Erweiterungȱ durchȱ einȱ handlungspsychologischesȱ Belastungskonzept.ȱ Zeitschriftȱ fürȱ Pädagogik,ȱ49,ȱ254Ȭ273.ȱȱ Krause,ȱ A.ȱ (2003b).ȱ Untersuchungsdesignsȱ zurȱ Trennungȱ bedinȬ gungsȬȱ undȱ personenbezogenerȱ Einflüsseȱ imȱ Kontextȱ psychologiȬ scherȱArbeitsanalyseverfahren.ȱInȱH.ȱStrasser,ȱK.ȱKluth,ȱH.ȱRauschȱ&ȱ H.ȱBubbȱ(Hrsg.),ȱQualitätȱvonȱArbeitȱundȱProduktȱinȱUnternehmenȱderȱ Zukunftȱ(S.ȱ737Ȭ740).ȱStuttgart:ȱErgonomia.ȱ Krause,ȱA.ȱ(2003c).ȱBedingungsbezogeneȱAnalyseȱpsychischerȱBelasȬ tungenȱ vonȱ Lehrerinnenȱ undȱ Lehrernȱ –ȱ Zurȱ Validitätȱ einesȱ neuenȱ Untersuchungskonzepts.ȱWirtschaftspsychologie,ȱ5,ȱ132Ȭ134.ȱ Krause,ȱA.ȱ(2004a).ȱErhebungȱaufgabenbezogenerȱpsychischerȱBelasȬ tungenȱ imȱ Unterrichtȱ –ȱ einȱ Untersuchungskonzept.ȱ Zeitschriftȱ fürȱ ArbeitsȬȱundȱOrganisationspsychologie,ȱ48,ȱ139Ȭ147.ȱ Krause,ȱ A.ȱ (2004b).ȱ Arbeitsanalyseȱ undȱ Organisationsdiagnoseȱ inȱ Schulen:ȱ Analyseȱ psychischerȱ Belastungenȱ undȱ Ressourcenȱ vonȱ LehrerinnenȱundȱLehrernȱalsȱGrundlageȱfürȱSchulentwicklungsproȬ zesse.ȱ Inȱ W.ȱ Böttcherȱ &ȱ E.ȱ Terhartȱ (Hrsg.),ȱ Organisationstheorieȱ inȱ
98ȱ
Literatur
3.6
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99ȱ
Einleitung
4.1
4.1
Einleitung
Einȱ großerȱ Teilȱ derȱ Tätigkeitȱ derȱ Volksschullehrkräfteȱ findetȱ imȱ Klassenzimmerȱ statt.ȱ Nebenȱ unterrichtsȬȱ undȱ schulbezogenenȱAufȬ gabenȱ nimmtȱ dementsprechendȱ derȱ Kontaktȱ mitȱ Schülerinnenȱ undȱ Schülernȱ quantitativȱ einenȱ großenȱ Raumȱ einȱ undȱ auchȱ qualitativȱ kommtȱ demȱ Unterrichtȱ einigeȱ Bedeutungȱ zu.ȱ Lehrkräfteȱ bewertenȱ ihreȱTätigkeitȱundȱihreȱberuflicheȱZufriedenheitȱnichtȱzuletztȱdanachȱ obȱ sieȱ hinsichtlichȱ ihrerȱ pädagogischenȱ Arbeitȱ Anerkennungȱ undȱ Erfolgȱ erfahrenȱ (K.ȱ Ulich,ȱ 2001).ȱ Inȱ verschiedenenȱ Beiträgenȱ wurdeȱ allerdingsȱ daraufȱ hingewiesen,ȱ dassȱ derȱ Unterrichtȱ zwarȱ einerseitsȱ dasȱ größteȱ Potenzialȱ fürȱ derartigeȱ „Gratifikationen“ȱ aufweist,ȱ dassȱ erȱ aberȱ andererseitsȱ auchȱ dieȱ stärksteȱ Quelleȱ fürȱ Schwierigkeitenȱ undȱFrustrationenȱdarstelltȱ(Barth,ȱ1992;ȱFarber,ȱ1999;ȱE.ȱUlichȱetȱal.,ȱ 2002;ȱWoods,ȱ1999).ȱDerȱUnterrichtȱimȱKlassenverband,ȱalsȱRahmenȱ fürȱ dieȱ damitȱ zusammenhängendenȱ schulischenȱ Prozesse,ȱ findetȱ hinterȱ verschlossenenȱ Türenȱ statt.ȱ Dieȱ resultierendeȱ Intransparenzȱ desȱ Geschehensȱ imȱ Klassenzimmerȱ kannȱ alsȱ typischȱ fürȱ dieȱ LehrȬ kräftetätigkeitȱ bezeichnetȱ werden,ȱ hierȱ ergebenȱ sichȱ auchȱ UnterȬ schiedeȱzuȱanderenȱpersonenbezogenenȱDienstleistungstätigkeiten.ȱ DieȱprimäreȱBeschäftigungȱmitȱSchülerinnenȱundȱSchülern,ȱverbunȬ denȱ mitȱ derȱ relativenȱ Abgeschlossenheitȱ desȱ Geschehensȱ imȱ KlasȬ senzimmer,ȱ prägtȱ dieȱ Lehrkräftetätigkeit.ȱ Lehrkräfteȱ verstehenȱ sichȱ alsȱ Fachexpertenȱ fürȱ pädagogischeȱ Prozesse,ȱ dieȱ organisationalenȱ RahmenbedingungenȱwerdenȱdemgegenüberȱalsȱeherȱwenigerȱwichȬ tigȱ eingestuft.ȱ Dieȱ Organisationȱ bietetȱ lediglichȱ denȱ Rahmenȱ zurȱ Ausübungȱ derȱ Tätigkeit,ȱ zuweilenȱ begegnenȱ ihrȱ dieȱ Lehrkräfteȱ soȬ garȱ mitȱ Skepsis,ȱ weilȱ bürokratischeȱ Einschränkungenȱ befürchtetȱ werden.ȱ Besonderheitenȱ schulischerȱ Organisationsformenȱ habenȱ aberȱdurchausȱAuswirkungenȱaufȱdieȱTätigkeitȱderȱLehrkräfte.ȱTraȬ ditionelleȱ OrganisationsȬȱ undȱ Führungsstrukturenȱ anȱ Schulenȱ erȬ schwerenȱ u.U.ȱ dieȱ Möglichkeitenȱ zurȱ aufgabenbezogenenȱ kollegiaȬ lenȱ Unterstützung.ȱ Schulenȱ könnenȱ alsȱ Expertenorganisationenȱ verstandenȱ werden,ȱ wasȱ mitȱ typischenȱ KoordinationsȬȱ undȱ KoopeȬ rationsformenȱ (Mintzberg,ȱ 1979)ȱ undȱ möglicherweiseȱ darausȱ resulȬ tierendenȱKonsequenzenȱverbundenȱist.ȱȱ Imȱ vorliegendenȱ Beitragȱ werdenȱ zunächstȱ Besonderheitenȱ vonȱ SchulorganisationenȱundȱvonȱKoordinationsȬȱundȱKooperationsmeȬ
103ȱ
4
Begrenzte Responsivität und Fehlbeanspruchungen bei Lehrkräften
chanismenȱanȱSchulenȱsowieȱÜberlegungenȱzumȱUnterrichtȱalsȱPriȬ märaufgabeȱ derȱ Lehrkräfteȱ dargestellt.ȱ Inȱ diesemȱ Zusammenhangȱ wirdȱderȱFrageȱnachgegangen,ȱobȱmitȱdenȱBesonderheitenȱderȱLehrȬ kräftetätigkeitȱ einȱ spezifischesȱ Risikoȱ fürȱ dieȱ Entstehungȱ vonȱ FehlȬ beanspruchungenȱ verbundenȱ ist.ȱ Soȱ istȱ z.B.ȱ denkbar,ȱ dassȱ dieȱ BeȬ rufssituationȱ vonȱ Lehrkräftenȱ zuȱ einemȱ erhöhtenȱ Risikoȱ fürȱ dieȱ EntwicklungȱvonȱBurnoutȱführtȱ(Richterȱ&ȱHacker,ȱ1998).ȱ
4.2
Schulorganisation: lose Kopplung und eingeschränkte Responsivität
Inȱ diesemȱ Abschnittȱ werdenȱ einigeȱ Überlegungenȱ zumȱ Verhältnisȱ verschiedenerȱ Schulsystemebenenȱ gemacht.ȱ Alsȱ Systemgrenzeȱ fürȱ dieȱvorliegendeȱAnalyseȱdientȱdieȱSchulhausebene.ȱHistorischeȱundȱ gesellschaftlicheȱ Einflüsseȱ sowieȱ bildungspolitischeȱ RahmenbedinȬ gungenȱ werdenȱ hierȱ alsȱ Kontextfaktorenȱ verstanden,ȱ obwohlȱ sieȱ natürlichȱ Einflussȱ aufȱ dasȱ Geschehenȱ imȱ Schulhausȱ habenȱ könnenȱ (Helmkeȱ&ȱWeinert,ȱ1997).ȱ Barrȱ undȱ Dreebenȱ (1983,ȱ S.ȱ 7)ȱ sprechenȱ imȱ Zusammenhangȱ mitȱ Schulsystemenȱ vonȱ „nestedȱ hierarchicalȱ layers“.ȱ Entsprechendȱ dieȬ serȱMetapherȱverstehenȱsieȱSchulenȱalsȱhierarchischeȱSysteme,ȱderenȱ Systemebenenȱ miteinanderȱ verbundenȱ bzw.ȱ ineinanderȱ verschachȬ teltȱ sind.ȱ Auchȱ Purkeyȱ undȱ Smithȱ (1983)ȱ kommenȱ inȱ ihremȱ ÜberȬ sichtsbeitragȱzuȱ„effectiveȱschools“ȱzumȱFazit,ȱdassȱSchulenȱalsȱSysȬ temeȱ mitȱ verschiedenen,ȱ engȱ aufeinanderȱ bezogenenȱ Ebenen,ȱ verȬ standenȱwerdenȱsollten.ȱȱ DieȱAnnahmeȱengȱaufeinanderȱbezogenerȱSystemebenenȱbliebȱallerȬ dingsȱnichtȱunwidersprochen.ȱWeickȱ(1976)ȱbetrachtetȱBildungsinstiȬ tutionenȱ z.B.ȱ alsȱ loseȱ gekoppelteȱ Systemeȱ („looselyȱ coupledȱ sysȬ tems“).ȱDamitȱistȱdieȱAnnahmeȱverbunden,ȱdassȱinȱBildungsinstituȬ tionenȱ traditionellȱ keineȱ konsistentenȱ undȱ klarȱ definiertenȱ Zielsetzungenȱ vorhandenȱ sind1,ȱ keineȱ verbindlichenȱ Standardsȱ beȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱ 1ȱȱ Inȱ derȱ Schweizȱ werdenȱ allerdingsȱ imȱ Zugeȱ derȱ Einführungȱ vonȱ Schulleitungenȱ
104ȱ
imȱ Rahmenȱ derȱ (TeilȬ)Autonomisierungȱ vonȱ Einzelschulenȱ zunehmendȱ gemeinȬ sameȱZielsetzungenȱerarbeitet.ȱȱ
Schulorganisation: lose Kopplung und eingeschränkte Responsivität
4.2
züglichȱVerfahrenȱundȱTechnologienȱbestehenȱundȱEntscheidungenȱ durchȱwechselndeȱAkteureȱmitȱunterschiedlichenȱInteressenȱgetrofȬ fenȱwerden2.ȱAktivitätenȱundȱStrukturelementeȱinȱBildungsorganisaȬ tionenȱ weisenȱ zwarȱ Interdependenzenȱ auf,ȱ dieȱ verschiedenenȱ SysȬ temebenenȱ undȱ Akteureȱ funktionierenȱ aberȱ gleichzeitigȱ relativȱ auȬ tonomȱ undȱ unabhängig,ȱ womitȱ organisationaleȱ Unbestimmtheitenȱ entstehenȱ könnenȱ (Ortonȱ &ȱ Weick,ȱ 1990).ȱ Dasȱ Ausmassȱ derȱ losenȱ KoppelungȱergibtȱsichȱnachȱOrtonȱundȱWeickȱdurchȱdasȱVerhältnisȱ derȱ Ansprechbarkeitȱ bzw.ȱ Empfindlichkeitȱ (responsiveness)ȱ vonȱ Systemelementenȱ fürȱ äussereȱ Einflüsseȱ einerseitsȱ undȱ derenȱ EigenȬ ständigkeitȱ (distinctiveness)ȱ bzw.ȱ derenȱ Möglichkeitenȱ zumȱ unabȬ hängigenȱHandelnȱandererseits.ȱDasȱKonzeptȱloserȱKoppelungȱweistȱ Berührungspunkteȱ zurȱ Annahmeȱ derȱ Existenzȱ lokalerȱ Theorienȱ inȱ Organisationenȱ aufȱ (Baitsch,ȱ 1993;ȱ Elden,ȱ 1983).ȱ Formalisierteȱ ArȬ beitsstrukturenȱ findenȱ ihrenȱ Niederschlagȱ inȱ materiellerȱ Form,ȱ z.B.ȱ inȱOrganigrammenȱundȱArbeitspapieren.ȱAlsȱPendantȱzurȱmaterielȬ lenȱAusformulierungȱderȱArbeitsorganisationȱsiehtȱBaitschȱ(1993,ȱS.ȱ 26)ȱ lokaleȱ Theorienȱ –ȱ z.B.ȱ imȱ Sinneȱ gemeinsamerȱ Regelnȱ undȱ BeȬ zugssystemeȱ –ȱ alsȱ „Verkörperungȱ einesȱ Konsensbereiches.ȱ ExplikaȬ tionsgradȱ undȱ Bewusstheitȱ Lokalerȱ Theorienȱ könnenȱ unterschiedȬ lichȱsein.ȱInȱjedemȱFallȱaberȱwirdȱaufȱdieȱLogikȱdiesesȱReferenzsysȬ temsȱ rekurriert,ȱ wennȱ esȱ umȱ dieȱ Ergänzungȱ oderȱ Komplettierungȱ desȱ Systemsȱ geht“.ȱ Werdenȱ Lehrkräfteȱ z.B.ȱ mitȱ Zielenȱ oderȱ VorȬ schlägenȱ ausȱ derȱ Umweltȱ Ȭȱ z.B.ȱ imȱ Rahmenȱ vonȱ VeränderungsproȬ jektenȱderȱBildungsverwaltungȱȬȱkonfrontiert,ȱdieȱihrenȱlokalenȱTheȬ orienȱ widersprechen,ȱ legitimierenȱ sieȱ ihreȱ Reaktionenȱ möglicherȬ weiseȱ „durchȱ Hinweiseȱ aufȱ bislangȱ Bewährtes,ȱ mitȱ Verweisenȱ aufȱ fehlendeȱAlternativen“ȱ (Baitsch,ȱ1993,ȱS.ȱ 27)ȱ oderȱ durchȱ spezifischeȱ Besonderheitenȱ desȱSubsystemsȱ Unterricht.ȱ Loseȱ Koppelungȱinȱ BilȬ dungsinstitutionenȱführtȱdamitȱtendenziellȱzurȱAbwehrȱorganisatioȬ nalerȱ Veränderungenȱ (Borman,ȱ 2002).ȱ Durchȱ dieȱ relativȱ starkeȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱ 2ȱȱ Vgl.ȱ auchȱ Modelleȱ zurȱ begrenztenȱ Rationalitätȱ vonȱ Entscheidungsprozessenȱ inȱ
Organisationenȱ (Cohen,ȱ Marchȱ &ȱ Olsen,ȱ 1972).ȱ Nachȱ Cohenȱ etȱ al.ȱ liegenȱ z.B.ȱ anȱ Universitätenȱ oftȱ keineȱ wohlȱ strukturiertenȱ Entscheidungsprozesseȱ vor.ȱ EntȬ scheidungsprozesseȱ hängenȱ gemäßȱ diesemȱ Modellȱ vonȱ Interessen,ȱ Forderungenȱ undȱ Ansprüchenȱ derȱ Einzelgruppen,ȱ demȱ Potentialȱ anȱ Lösungsmöglichkeiten,ȱ z.B.ȱ Ideen,ȱ Technologienȱ undȱ Produkten,ȱ vonȱ Entscheidungsgelegenheitenȱ undȱ denȱbeteiligtenȱAkteurenȱab.ȱ
105ȱ
4
Begrenzte Responsivität und Fehlbeanspruchungen bei Lehrkräften
„Grenze“ȱ zwischenȱ demȱ Geschehenȱ imȱ Unterrichtȱ undȱ derȱ Schuleȱ alsȱOrganisationȱwirdȱdieseȱTendenzȱmöglicherweiseȱverstärkt.ȱ DenȱModellvorstellungenȱloserȱKoppelungȱbzw.ȱlokalerȱTheorienȱistȱ gemeinsam,ȱdassȱdamitȱ„eineȱAbkehrȱvonȱderȱVorstellung,ȱSystemeȱ seienȱ primärȱ außengesteuert“ȱ (Baitsch,ȱ 1993,ȱ S.ȱ 12)ȱ verbundenȱ ist.ȱ „VielmehrȱwirdȱdemȱSystemȱgeradeȱhinsichtlichȱderȱaußengerichteȬ tenȱ Aktivitätenȱ Autonomieȱ zugesprochen.ȱ Einȱ Systemȱ interagiertȱ mitȱjenenȱAusschnittenȱderȱUmwelt,ȱdieȱfunktionalȱfürȱdieȱSystemȬ erhaltungȱsind“ȱ(ebd.).ȱ InȱBezugȱaufȱdenȱBildungskontextȱlassenȱsichȱElementeȱloserȱKoppeȬ lungȱ„insbesondereȱimȱZusammenhangȱmitȱdemȱLehrerhandelnȱimȱ KlassenraumȱundȱdemȱVerhältnisȱvonȱLehrkräftenȱundȱSchulleitungȱ oderȱ vonȱ Schulleitungȱ undȱ Schulaufsicht“ȱ identifizierenȱ (Fuchs,ȱ 2004,ȱS.ȱ218).ȱȱ Fuchsȱ (2004)ȱ weistȱ jedochȱ zurechtȱ daraufȱ hin,ȱ dassȱ vorȱ allemȱ inȱ staatlichenȱSchulenȱnachȱwieȱvorȱeineȱVielzahlȱvorgegebenerȱHandȬ lungsanweisungenȱ existiert.ȱ Schuleȱ seiȱ nochȱ immerȱ inȱ erheblichemȱ Masseȱ bürokratischȱ reguliert.ȱ „Diesȱ verweistȱ aufȱ dieȱ Beobachtung,ȱ dassȱ derȱ Schulalltagȱ vielerȱ Akteureȱ undȱ ihreȱ Wahrnehmungȱ vonȱ SchuleȱheuteȱdurchȱeinȱscheinbarȱwidersprüchlichesȱNebeneinanderȱ vonȱ bürokratischerȱ (ÜberȬ)Regulierungȱ undȱ gleichzeitigȱ existierenȬ denȱFreiräumenȱimȱschulischenȱAlltagȱbestimmtȱsind.ȱInsofernȱkannȱ angenommenȱ werden,ȱ dassȱ dieȱ Organisationȱ Schuleȱ durchȱ einȱ Spannungsfeldȱ zugleichȱ loserȱ undȱ festerȱ Koppelungȱ geprägtȱ ist“ȱ (vgl.ȱ Bormannȱ 2002,ȱ S.ȱ 36).ȱ Hierȱ mussȱ berücksichtigtȱ werden,ȱ dassȱ möglicherweiseȱ dieȱ Regelungsdichteȱ inȱ Deutschlandȱ nochȱ beiȱ weiȬ temȱausgeprägterȱistȱalsȱinȱderȱSchweiz.ȱ
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DasȱAusmaß,ȱ inȱ demȱ Teileȱ desȱ Schulsystemsȱ offenȱ sindȱ fürȱ Inputsȱ bzw.ȱ fürȱ Verhaltenserwartungenȱ undȱ Änderungsvorschlägeȱ vonȱ außen,ȱ wirdȱ alsoȱ durchȱ lokaleȱ Interessen,ȱ Zieleȱ undȱ Erwartungenȱ begrenzt.ȱ Andersȱ ausgedrücktȱ zeichnenȱ sieȱ sichȱ durchȱ „begrenzteȱ Responsivität“ȱaus.ȱLehrkräfteȱkönnenȱz.B.ȱgemeinsamȱKonzepteȱzurȱ Elternarbeitȱ entwickeln,ȱ sieȱ müssenȱ diesȱ aberȱ nichtȱ tun.ȱ Lehrkräfteȱ könnenȱ Anregungenȱ vonȱ Elternȱ annehmen,ȱ sieȱ müssenȱ dieseȱ aberȱ nichtȱvollumfänglichȱumsetzen.ȱUmgekehrtȱkönnenȱLehrkräfteȱElternȱ aufȱ Defiziteȱ derȱ Schüler,ȱ z.B.ȱ imȱ Sozialverhalten,ȱ hinweisen.ȱ Ihreȱ MöglichkeitenȱderȱEinflussnahmeȱaufȱdasȱprivateȱUmfeldȱsindȱaberȱ begrenzt,ȱ Elternȱ müssenȱ Ratschlägeȱ vonȱ Lehrkräftenȱ nichtȱ annehȬ
Schulorganisation: lose Kopplung und eingeschränkte Responsivität
4.2
men.ȱ Schülerȱ könnenȱ dieȱ Anweisungenȱ derȱ Lehrkräfteȱ umsetzen,ȱ aberȱsieȱwerdenȱauchȱMöglichkeitenȱfinden,ȱdieseȱAnweisungenȱzuȱ umgehen,ȱsieȱmüssenȱsichȱalsoȱnichtȱvollumfänglichȱdenȱZielenȱundȱ ErwartungenȱderȱLehrkräfteȱunterordnen.ȱ DurchȱMerkmaleȱloserȱKoppelungȱsindȱTeileȱdesȱtäglichenȱHandelnsȱ vonȱ Lehrkräftenȱ durchȱ Unsicherheitȱ bzw.ȱ durchȱ Ungewissheitȱ geȬ prägt.ȱSystemtheoretischȱausgedrücktȱistȱdieȱUngewissheitȱmitȱSysȬ temschwankungenȱbzw.ȱȬstörungenȱverbundenȱ(Alioth,ȱ1980),ȱwobeiȱ fürȱ dieȱ Lehrkraftȱ nurȱ eingeschränktȱ vorhersehbarȱ ist,ȱ wannȱ undȱ inȱ welchemȱ Ausmaßȱ dieseȱ Schwankungenȱ auftauchenȱ werden.ȱ Beiȱ Lehrkräftenȱ gehtȱ esȱ insbesondereȱ umȱ Schwankungenȱ inȱ denȱ AusȬ tauschbeziehungen,ȱdieȱaufȱ dieȱ eingeschränkteȱResponsivitätȱandeȬ rerȱAkteureȱ zurückzuführenȱ sind.ȱ Loseȱ Koppelungȱ kannȱ inȱ diesemȱ SinneȱaufȱdreiȱEbenenȱbelastungsrelevantȱwerden:ȱ(1)ȱaufȱderȱEbeneȱ derȱ Einzelschule,ȱ zwischenȱ Lehrkräftenȱ undȱ demȱ Kollegiumȱ bzw.ȱ derȱSchulleitung,ȱ(2)ȱaufȱderȱEbeneȱdesȱUnterrichts,ȱzwischenȱLehrȬ kräftenȱundȱSchülernȱ(3)ȱsowieȱaufȱderȱEbeneȱderȱElternarbeit,ȱzwiȬ schenȱ Lehrkräftenȱ undȱ Eltern.ȱ Lehrkräfte,ȱ dieȱ aufȱ Schulebeneȱ oderȱ imȱ Unterrichtȱ vielȱ inȱ ihreȱ Arbeitȱ investieren,ȱ sindȱ aufgrundȱ diverȬ genterȱ Zieleȱ undȱ Verhaltenserwartungenȱ verschiedenerȱ Akteureȱ damitȱ konfrontiert,ȱ dassȱ ihreȱ Ideen,ȱAnregungenȱ oderȱ Zieleȱ mögliȬ cherweiseȱkeinenȱAnklangȱfindenȱoderȱgarȱzurückgewiesenȱwerden.ȱ InterpretiertȱmanȱdieseȱVorkommnisseȱalsȱSchwankungenȱoderȱStöȬ rungen,ȱ resultiertȱ möglicherweiseȱ objektiverȱ Zusatzaufwand,ȱ derȱ dannȱ belastungsrelevantȱ wird,ȱ wennȱ dieȱ Lehrkraftȱ keineȱ angemesȬ senenȱ organisationalenȱ Ressourcenȱ zurȱ Verfügungȱ hat,ȱ umȱ mitȱ ihȬ nenȱumzugehenȱ(Leitner,ȱVolpert,ȱGreiner,ȱWeberȱ&ȱHennes,ȱ1987).ȱ Andererseitsȱ kannȱ ausȱ Sichtȱ derȱ Lehrkraftȱ mittelfristigȱ dasȱ Gefühlȱ entstehen,ȱ nichtȱ inȱ ausreichendemȱ Masseȱ fürȱ ihreȱArbeitȱ einenȱ GeȬ genwertȱ zuȱ erhalten,ȱ z.B.ȱ durchȱ Anerkennungȱ ihrerȱ Arbeit,ȱ durchȱ konstruktivesȱFeedbackȱoderȱdurchȱdasȱEngagementȱderȱSchülerinȬ nenȱ undȱ Schüler.ȱ Inȱ derȱ BurnoutȬForschungȱ wirdȱ inȱ diesemȱ ZuȬ sammenhangȱ vonȱ mangelnderȱ Reziprozitätȱ gesprochen,ȱ verschieȬ dentlichȱwurdenȱdiesbezüglichȱdeutlicheȱZusammenhängeȱmitȱBurȬ noutȱgefundenȱ(Bakker,ȱSchaufeliȱetȱal.,ȱ2000;ȱvanȱHorn,ȱSchaufeliȱ&ȱ Taris,ȱ 2001;ȱ Taris,ȱ vanȱ Horn,ȱ Schaufeliȱ &ȱ Schreurs,ȱ 2004;ȱ Taris,ȱ PeeȬ ters,ȱLeȱBlanc,ȱSchreursȱ&ȱSchaufeli,ȱ2001).ȱ Imȱ vorliegendenȱ Beitragȱ werdenȱ dieȱ Themenȱ „begrenzteȱ ResponsiȬ vität“ȱ undȱ möglicherweiseȱ darausȱ resultierendeȱ „mangelndeȱ ReȬ
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4
Begrenzte Responsivität und Fehlbeanspruchungen bei Lehrkräften
ziprozität“ȱ aufȱ zweiȱ Ebenenȱ betrachtet:ȱ aufȱ derȱ Ebeneȱ derȱ EinzelȬ schule,ȱunterȱBezugnahmeȱzuȱKoordinationsȬȱundȱKooperationsmeȬ chanismenȱ anȱ Schulenȱ undȱ aufȱ derȱ Unterrichtsebene;ȱ hierȱ gehtȱ esȱ insbesondereȱ umȱ Besonderheitenȱ sozialerȱ Austauschprozesseȱ beiȱ personenbezogenenȱDienstleistungstätigkeiten.ȱ
4.3
Koordination und Kooperation an Schulen
4.3.1
Schulen als Expertenorganisationen
DieȱbisherigenȱAusführungenȱmachenȱdeutlich,ȱdassȱbegrenzteȱResȬ ponsivitätȱ undȱ darausȱ resultierendeȱ Konsequenzenȱ aufȱ verschiedeȬ nenȱ Systemebenenȱ vorliegenȱ können.ȱ U.a.ȱ sindȱ möglicherweiseȱ aufȱ derȱ Ebeneȱ derȱ Einzelschuleȱ Merkmaleȱ begrenzterȱ Responsivitätȱ zuȱ verzeichnen.ȱ Hierȱ dürftenȱ typischeȱ KoordinationsȬȱ undȱ KooperatiȬ onsmechanismenȱeineȱwichtigeȱRolleȱspielen.ȱ Mintzbergȱ (1979)ȱ unterscheidetȱ fünfȱ grundlegendeȱ Mechanismenȱ derȱ Koordination,ȱ sieȱ beruhenȱ aufȱ (a)ȱ gegenseitigerȱ Abstimmung,ȱ (b)ȱ persönlichenȱ Weisungen,ȱ (c)ȱ derȱ Standardisierungȱ vonȱ ArbeitsȬ prozessen,ȱ (d)ȱ derȱ Standardisierungȱ vonȱ Arbeitsergebnissenȱ sowieȱ (e)ȱ einerȱ Standardisierungȱ derȱ beiȱ denȱ Mitarbeiternȱ vorauszusetȬ zendenȱ Qualifikationen.ȱ Damitȱ zusammenhängendȱ kannȱ vermutetȱ werden,ȱdassȱMerkmaleȱloserȱKoppelungȱauchȱmitȱtypischenȱKoorȬ dinationsmechanismenȱinȱBildungssystemenȱverbundenȱsind.ȱ Eineȱ Besonderheitȱ derȱ Schuleȱ ist,ȱ wieȱ dargestellt,ȱ darinȱ zuȱ sehen,ȱ dassȱ dieȱ Qualitätȱ derȱ Primäraufgabeȱ durchȱ Unterrichtȱ hinterȱ verȬ schlossenenȱ Türenȱ geprägtȱ wirdȱ (Rolff,ȱ 1993).ȱ Sieȱ wirdȱ wesentlichȱ beeinflusstȱ durchȱ dieȱ Expertiseȱ derȱ Lehrkräfte.ȱ Dasȱ „Produkt“ȱ UnȬ terrichtȱkommtȱprimärȱaufȱderȱBasisȱgegenseitigȱanerkannterȱFähigȬ keitenȱ undȱ Kompetenzenȱ derȱ Lehrkräfteȱ zustande.ȱ Darüberȱ hinausȱ wirdȱ derȱ Abstimmungsbedarfȱ alsȱ relativȱ geringȱ angesehenȱ (Böttcher,ȱ2002).ȱZudemȱsindȱdieȱZieleȱschulischenȱHandelnsȱmehrȬ deutigȱ (Helmkeȱ &ȱ Weinert,ȱ 1997),ȱ Erfolgskriterienȱ sindȱ nichtȱ ohneȱ weiteresȱ zuȱ bestimmen.ȱ Damitȱ istȱ dieȱ Tätigkeitȱ derȱ Lehrkräfteȱ vonȱ außenȱnurȱbedingtȱsteuerȬȱbzw.ȱkontrollierbar.ȱMintzbergȱbezeichnetȱ
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Koordination und Kooperation an Schulen
4.3
Bildungsinstitutionenȱ inȱ diesemȱ Zusammenhangȱ alsȱ „professionalȱ bureaucracy“ȱ(Mintzberg,ȱ1979,ȱS.ȱ372).ȱ Mitarbeitendeȱ inȱ Expertenorganisationenȱ sindȱ zudemȱ gemässȱ Mintzbergȱ stärkerȱ ihrerȱ Professionȱ verbundenȱ alsȱ derȱ jeweiligenȱ Organisation.ȱ Dementsprechendȱ werdenȱ organisationaleȱ Aufgabenȱ nichtȱzwingendȱalsȱimmanenterȱTeilȱderȱLehrkräftetätigkeitȱbetrachȬ tet.ȱ Derȱ ausgeprägtesteȱ Koordinationsmechanismusȱ inȱ Schulenȱ istȱ deshalbȱgemäßȱMintzbergȱeineȱStandardisierungȱderȱbeiȱdenȱMitarȬ beitendenȱvorauszusetzendenȱQualifikationen,ȱKenntnisseȱundȱproȬ fessionellenȱ Normen.ȱ Koordinationȱ wirdȱ dadurchȱ gewährleistet,ȱ dassȱ aufȱ derȱ Basisȱ einerȱ langenȱ undȱ anspruchsvollenȱ Ausbildungȱ sicherȱ gestelltȱ wird,ȱ dassȱ dieȱ Lehrkräfteȱ alltäglicheȱ Anforderungenȱ professionellȱmeisternȱkönnen.ȱȱ Wennȱ manȱ sichȱ bezüglichȱ derȱ Frageȱ derȱ Koordinationȱ primärȱ aufȱ dieȱ Expertiseȱ derȱ Lehrkräfteȱ verlässt,ȱ hatȱ diesȱ i.d.R.ȱ auchȱ KonseȬ quenzenȱ fürȱ dieȱ organisationalenȱ Rahmenbedingungen.ȱ Mintzbergȱ weistȱinȱdiesemȱZusammenhangȱdaraufȱhin,ȱdassȱExpertenorganisaȬ tionenȱ inȱ derȱ Regelȱ sehrȱ flacheȱ OrganisationsȬȱ undȱ FührungsstrukȬ turenȱ aufweisen.ȱ Eineȱ mittlereȱ Führungsebeneȱ warȱ z.B.ȱ inȱ Schulenȱ überȱlangeȱZeitȱkaumȱexistent,ȱeineȱProfessionalisierungȱvonȱManaȬ gementaufgabenȱ nichtȱ zuȱ beobachten.ȱ Derȱ aktuelleȱ Trendȱ inȱ derȱ Schweizȱ zurȱ Einführungȱ vonȱ Schulleitungenȱ wirdȱ ebenfallsȱ durchȱ schultypischeȱ Koordinationsmechanismenȱ beeinflusst.ȱ Dieȱ neuȱ einȬ gesetztenȱSchulleitungenȱverfügenȱfaktischȱ(noch)ȱnichtȱimmerȱüberȱ dieȱ notwendigeȱ Macht,ȱ umȱ ihreȱ Führungsaufgabenȱ adäquatȱ wahrȬ nehmenȱzuȱkönnen.ȱSieȱsindȱnochȱimmerȱinȱhohemȱMasseȱdemȱKolȬ legialitätsprinzipȱverbundenȱundȱbefindenȱsichȱinȱderȱheiklenȱLage,ȱ einerseitsȱ demȱ Kollegiumȱ anzugehören,ȱ dessenȱ KoordinationsmeȬ chanismenȱ undȱ Kommunikationswegeȱ weitgehendȱ nachȱ informelȬ lenȱ Kriterienȱ funktionierenȱ (Rüegg,ȱ 2000),ȱ andererseitsȱ aberȱ gleichȬ zeitigȱ gegenüberȱ demȱ Kollegiumȱ eineȱ Führungsfunktionȱ wahrnehȬ menȱ zuȱ müssen.ȱ Allerdingsȱ gibtȱ esȱ auchȱ Hinweiseȱ darauf,ȱ dassȱ Schulleitungenȱ imȱ Verlaufȱ derȱ Zeitȱ zunehmendȱ mehrȱ Aufgabenȱ verantwortlichȱ übernehmen,ȱ „fürȱ dieȱ sieȱ –ȱ undȱ nurȱ sieȱ –ȱ zuständigȱ sind“ȱ(Oelkers,ȱ2004).ȱ Letztlichȱ werdenȱ durchȱ schultypischeȱ Koordinationsmechanismenȱ auchȱ dieȱ Möglichkeitenȱ zuȱ kooperativerȱ Arbeitȱ imȱ Schulkontextȱ eingeschränkt.ȱ Mitȱ Bezugȱ zurȱ Annahmeȱ begrenzterȱ Responsivitätȱ
109ȱ
4
Begrenzte Responsivität und Fehlbeanspruchungen bei Lehrkräften
werdenȱinȱSchulenȱauchȱMöglichkeitenȱdesȱkooperativenȱHandelnsȱ alsȱ freiwilligȱ undȱ optionalȱ wahrgenommenȱ (Blutner,ȱ 2004).ȱ Damitȱ sindȱ inȱ Schulenȱ möglicherweiseȱ ähnlicheȱ Kooperationshindernisseȱ zuȱ verzeichnen,ȱ wieȱ sieȱ Weberȱ (1999,ȱ S.ȱ 47ff.)ȱ fürȱ industrielleȱ ArȬ beitsgruppenȱ beschriebenȱ hat.ȱ Beispielsweiseȱ werdenȱ erforderlicheȱ ZeitkapazitätenȱfürȱgemeinsameȱTätigkeitenȱnichtȱbereitgestellt,ȱd.h.ȱ fürȱdieȱPlanungȱundȱDurchführungȱindividuellerȱArbeitsgängeȱsindȱ dieȱ erforderlichenȱ Ressourcenȱ vorhanden,ȱ aberȱ nurȱ eingeschränktȱ fürȱ dieȱ Durchführungȱ vonȱ Regulationsfunktionenȱ gemeinsamerȱ Entscheidungsbereiche.ȱ Planungsmittelȱ fehlenȱ oderȱ sindȱ ungenüȬ gend.ȱDerȱInformationsflussȱistȱmangelhaft,ȱInformationenȱsindȱz.B.ȱ fehlerhaftȱ oderȱ verspätetȱ verfügbar.ȱ Dieȱ Entwicklungȱ undȱ UmsetȬ zungȱ vonȱ Verbesserungsvorschlägenȱ wirdȱ behindert.ȱ Weberȱ hatȱ gezeigt,ȱ dassȱ dieseȱ Kooperationshindernisseȱ mitȱ FehlbeanspruȬ chungenȱverbundenȱseinȱkönnen.ȱ Eineȱ empirischeȱ Überprüfungȱ derȱ vonȱ Mintzbergȱ postuliertenȱ KoȬ ordinationsmechanismenȱinȱ30ȱschwedischenȱSchulenȱ(Jacobssonȱ&ȱ Pousette,ȱ2001)ȱzeigteȱtatsächlich,ȱdassȱinȱderȱMehrzahlȱderȱSchulenȱ derȱ vonȱ Mintzbergȱ angenommeneȱ primäreȱ KoordinationsmechaȬ nismus,ȱalsoȱeineȱStärkungȱprofessionellerȱAutonomie,ȱmitȱAbstandȱ amȱ häufigstenȱ zuȱ verzeichnenȱ warȱ (54.9%).ȱ Derȱ zweitwichtigsteȱ KoordinationsmechanismusȱbezogȱsichȱaufȱdieȱErarbeitungȱgemeinȬ samerȱZieleȱ(30.2%).ȱImȱVergleichȱdazuȱseltenȱwurdenȱgemeinsameȱ Absprachenȱgenanntȱ(11.7%),ȱamȱwenigstenȱwichtigȱwarenȱpersönliȬ cheȱ Weisungenȱ undȱ standardisierteȱ Arbeitprozesse.ȱ Interessantȱ istȱ dasȱ Ergebnis,ȱ wonachȱ derȱ Koordinationsmechanismusȱ „StandardiȬ sierungȱ durchȱ Qualifikation“ȱ nichtȱ nurȱ mitȱ größerenȱ KoordinatiȬ onsproblemenȱalsȱ„KoordinationȱdurchȱgemeinsameȱZiele“ȱsondernȱ ebensoȱ mitȱ stärkererȱ emotionalerȱ Erschöpfungȱ derȱ Lehrkräfteȱ verȬ bundenȱwar.ȱ
4.3.2
Gruppenarbeit an Schulen
Aufgrundȱ derȱ relativȱ isoliertenȱ Ausübungȱ derȱ Primäraufgabeȱ undȱ schultypischerȱ KoordinationsȬȱ undȱ Kooperationsmechanismenȱ beȬ stehenȱ aufȱ Schulhausebeneȱ i.d.R.ȱ keineȱ Gruppenarbeitsstrukturen.ȱ Hinsichtlichȱ derȱ Primäraufgabe,ȱ demȱ Unterricht,ȱ istȱ keineȱ gemeinȬ sameȱ Aufgabeȱ vorhanden,ȱ dieȱ einzelneȱ Lehrkraftȱ istȱ imȱ Unterrichtȱ
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Koordination und Kooperation an Schulen
4.3
üblicherweiseȱ aufȱ sichȱ gestellt.ȱ Inȱ verschiedenenȱ arbeitspsychologiȬ schenȱ Konzepten,ȱ z.B.ȱ imȱ soziotechnischenȱ Systemansatzȱ (vgl.ȱ AliȬ oth,ȱ1980;ȱEmeryȱ&ȱTrist,ȱ1960;ȱUlich,ȱ2005)ȱundȱdemȱdaraufȱaufbauȬ endenȱ MTOȬKonzeptȱ (Ulich,ȱ 1997),ȱ wirdȱ derȱ Gruppenarbeitȱ beȬ trächtlicheȱBedeutungȱbeigemessen.ȱȱ DaȱanȱSchulenȱundȱinsbesondereȱinȱBezugȱaufȱdenȱUnterrichtȱGrupȬ penarbeitsstrukturenȱ weitgehendȱ fehlenȱ undȱ damitȱ verbundenȱ dieȱ verschiedenenȱ Teilaufgabenȱ keinenȱ Zusammenhangȱ aufweisen,ȱ werdenȱ nichtȱ nurȱ arbeitsbezogeneȱ Kooperation,ȱ Kommunikationȱ undȱLernprozesseȱerschwert,ȱauchȱMöglichkeitenȱgegenseitigerȱUnȬ terstützungȱ werdenȱ behindertȱ (Ulich,ȱ 2005). Schwankungenȱ undȱ Störungenȱ mussȱ dieȱ Lehrkraftȱ weitgehendȱ selberȱ auffangenȱ undȱ regulieren.ȱ Durchȱ unterstützendeȱAktivitätenȱ desȱ Kollegiumsȱ kannȱ sieȱ zwarȱ anȱ Sicherheitȱ gewinnen,ȱ zumalȱ wenigȱ allgemeinverbindliȬ cheȱ Kriterienȱ fürȱ denȱ Umgangȱ mitȱ Schwankungenȱ undȱ Störungenȱ imȱ Unterrichtȱ bestehen.ȱ Steffensȱ undȱ Bargelȱ (1993,ȱ S.ȱ 66)ȱ nennenȱ dennȱ auchȱ alsȱ wichtigesȱ Prinzipȱ gelingenderȱ ProblemlösungsproȬ zesseȱinȱSchulenȱ„dieȱErwartungȱvonȱSolidaritätȱinȱKonfliktsituatioȬ nenȱ beiȱ gleichzeitigerȱ Kritikfähigkeitȱ derȱ Kollegenȱ untereinander“.ȱ Dasȱ Kollegiumȱ kannȱ alsoȱ durchausȱ alsȱ Ressourceȱ dienen,ȱ eineȱ geȬ meinsameȱ Aufgabeȱ undȱ kollektiveȱ Regulationsmöglichkeitenȱ aufȱ derȱ Ebeneȱ derȱ Primäraufgabeȱ Unterrichtȱ existierenȱ dennochȱ nicht.ȱ Andererseitsȱ sindȱ „Erfahrungsaustausch,ȱ Abstimmungȱ untereinanȬ der,ȱdieȱErörterungȱfachlicher,ȱdidaktischerȱundȱerzieherischerȱProbȬ lemeȱwieȱauchȱdieȱKlärungȱgrundsätzlicherȱpädagogischerȱFragenȱ...ȱ ohneȱKooperationȱnichtȱmöglich“ȱ(Aurin,ȱ1994,ȱS.ȱ123).ȱSoȱkamȱAuȬ rinȱ (1994)ȱ inȱ einerȱ Untersuchungȱ anȱ fünfȱ Gymnasienȱ zumȱ Schluss,ȱ dassȱ dieȱ Lehrkräfteȱ aufgabenbezogeneȱ Kooperationȱ durchausȱ alsȱ wichtigȱbetrachten.ȱAndererseitsȱfandȱerȱauch,ȱ„dassȱdieȱimȱSchulallȬ tagȱ tatsächlichȱ praktizierteȱ Zusammenarbeitȱ nachȱ Meinungȱ derȱ Mehrzahlȱ derȱ Lehrerȱ manchesȱ zuȱ wünschenȱ übrigȱ lässtȱ ...ȱ Fastȱ alleȱ Lehrerȱ beklagen,ȱ dassȱ inȱ derȱ Praxisȱ fürȱ Kooperationȱ zuȱ wenigȱ Zeitȱ bleibeȱundȱdieȱorganisatorischenȱRegelungenȱnichtȱimmerȱkooperaȬ tionsförderndȱseien“ȱ(Aurin,ȱ1994,ȱS.ȱ126).ȱ
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4
Begrenzte Responsivität und Fehlbeanspruchungen bei Lehrkräften
4.4
Unterrichten als Primäraufgabe der Lehrkräfte
Auchȱ aufȱ derȱ Unterrichtsebeneȱ bestehenȱ Merkmaleȱ begrenzterȱ Responsivität.ȱHierȱgehtȱesȱinsbesondereȱumȱBesonderheitenȱsoziaȬ lerȱAustauschprozesseȱbeiȱpersonenbezogenenȱDienstleistungstätigȬ keiten.ȱ ZunächstȱstelltȱsichȱdieȱFrage,ȱinwiefernȱLehrkräfteȱinȱderȱErfüllungȱ ihrerȱ alltäglichenȱ Aufgabenȱ durchȱ Merkmaleȱ wieȱ loseȱ Koppelungȱ undȱbegrenzteȱResponsivitätȱbehindertȱwerdenȱundȱinwiefernȱdamitȱ verbundenȱGefühleȱmangelnderȱReziprozitätȱentstehenȱkönnen.ȱDieȱ AuswahlȱderȱAufgabeȱalsȱAnalyseeinheitȱerfolgteȱdabeiȱnichtȱzufälȬ lig.ȱ Inȱ arbeitspsychologischenȱ Konzeptenȱ erhältȱ dieȱ Aufgabeȱ eineȱ wichtigeȱRolle,ȱandersȱausgedrücktȱgehenȱsieȱ„vomȱPrimatȱderȱAufȬ gabeȱaus“ȱ(Ulich,ȱ1997,ȱS.ȱ9;ȱ vgl.ȱauchȱHacker,ȱ 1986;ȱ Volpert,ȱ1987).ȱ UnterschiedenȱwirdȱzwischenȱderȱPrimäraufgabe,ȱd.h.ȱderȱAufgabe,ȱ dieȱzuȱ erfüllenȱ dasȱ Systemȱ bzw.ȱSubsystemȱ geschaffenȱ wurde,ȱundȱ denȱ Sekundäraufgaben,ȱ dieȱ derȱ Systemerhaltungȱ (Unterhalt,ȱ WarȬ tung,ȱ Schulung)ȱ undȱ derȱ Systemsteuerungȱ (Steuerungȱ desȱ Inputs,ȱ Koordination)ȱdienenȱ(Ulich,ȱ2005).ȱ Dieȱ Primäraufgabeȱ derȱ Lehrkräfte,ȱ dieȱ hierȱ schwerpunktmäßigȱ beȬ trachtetȱ werdenȱ soll,ȱ istȱ derȱ alltäglicheȱ Unterricht3.ȱ Quantitativȱ nimmtȱderȱUnterricht,ȱundȱdamitȱderȱKontaktȱmitȱSchülerinnenȱundȱ Schülern,ȱ inȱ derȱ Lehrkräftetätigkeitȱ einenȱ großenȱ Raumȱ einȱ undȱ auchȱ qualitativȱ kommtȱ ihmȱ einigeȱ Bedeutungȱ zu:ȱ „Lehrer/innenȱ bewertenȱ dieȱ eigeneȱ Tätigkeitȱ undȱ ihreȱ beruflicheȱ Zufriedenheit“ȱ nichtȱzuletztȱdanach,ȱobȱihreȱBeziehungenȱzuȱdenȱSchülerinnenȱundȱ Schülernȱ positivȱ oderȱ belastetȱ sindȱ undȱ obȱ sieȱ „inȱ derȱ pädagogiȬ schenȱ Arbeitȱ mitȱ ihnenȱ Anerkennungȱ undȱ Erfolgȱ erfahren“ȱ (K.ȱ UȬ lich,ȱ2001,ȱS.ȱ76).ȱȱ Dieȱ Primäraufgabeȱ derȱ Lehrkräfteȱ istȱ mitȱ demȱ Zielȱ einerȱ VerändeȬ rungȱinȱdenȱSchülerinnenȱundȱSchülernȱverbunden,ȱz.B.ȱdurchȱWisȬ sensaufbauȱ bzw.ȱ eineȱ Erweiterungȱ vonȱ Handlungsmöglichkeitenȱ undȱdamitȱderȱRegulationsgrundlagenȱ(Resch,ȱ1991)ȱderȱKinderȱundȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱ 3ȱȱ ÜberlegungenȱzurȱUnterscheidungȱzwischenȱPrimärȬȱundȱSekundäraufgabenȱimȱ
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SchulkontextȱfindenȱsichȱbeiȱWülserȱ(2006).ȱ
Unterrichten als Primäraufgabe der Lehrkräfte
4.4
Jugendlichen.ȱDabeiȱwirkenȱdieȱLehrkräfteȱ„direktȱaufȱdasȱintellekȬ tuelleȱoderȱemotionaleȱBefinden“ȱ(Nerdinger,ȱ1994,ȱS.ȱ50)ȱderȱSchüȬ lerinnenȱ undȱ Schülerȱ ein,ȱ wobeiȱ i.d.R.ȱ einȱ unmittelbarerȱ Kontaktȱ zwischenȱdenȱLehrkräftenȱundȱdenȱSchülernȱbesteht4.ȱDaȱmitȱHilfeȱ vonȱ interaktivenȱ Prozessenȱ eineȱ Veränderungȱ inȱ derȱ Personȱ derȱ Schülerinnenȱ undȱ Schülerȱ angestrebtȱ wird,ȱ kannȱ dieȱ Tätigkeitȱ alsȱ dialogischȬerzeugendȱ bezeichnetȱ werdenȱ (Resch,ȱ 1991).ȱ Einȱ wichtiȬ gesȱZielȱderȱLehrkraftȱbeziehtȱsichȱdabeiȱaufȱdieȱBereitstellungȱvonȱ Lernsituationen,ȱinnerhalbȱdererȱdieȱzuȱunterrichtendenȱKinderȱundȱ Jugendlichenȱ lernenȱ könnenȱ (Krause,ȱ 2002).ȱ Dieȱ Aneignungȱ derȱ Lerninhalte,ȱ dieȱ Integrationȱ inȱ bestehendeȱ Wissensbestände,ȱ dieȱ Erschließungȱ vonȱ Bedeutungenȱ usw.ȱ erfolgtȱ allerdingsȱ inȱ hohemȱ Masseȱ durchȱ Eigenaktivitätenȱ derȱ Schülerinnenȱ undȱ Schülerȱ (BöttȬ cher,ȱ 2002).ȱ Dasȱ heißt,ȱ Unterrichtȱ kannȱ nurȱ dannȱ gelingen,ȱ „wennȱ dieȱZielstellungenȱvonȱLehrerȱundȱSchülerȱaufȱgemeinsameȱAktiviȬ tätenȱ ausgerichtetȱ werden.ȱ Insofernȱ mussȱ Unterrichtȱ alsȱ kooperatiȬ verȱ Prozessȱ verstandenȱ werden“ȱ (Krause,ȱ 2002,ȱ S.ȱ 4).ȱ Damitȱ wirdȱ deutlich,ȱdassȱdieȱSchülerinnenȱundȱSchülerȱzwarȱeinerseitsȱObjekteȱ derȱ Leistungserbringungȱ sind,ȱ dassȱ sieȱ aberȱ andererseitsȱ beiȱ derȱ Erstellungȱ derȱ Dienstleistungȱ mitarbeitenȱ müssen,ȱ damitȱ sieȱ gelinȬ genȱ kannȱ (Nerdinger,ȱ 1994).ȱ Mitȱ Bezugȱ zurȱ soȱ genanntenȱ KoȬ Produktionstheseȱ(Grossȱ&ȱBadura,ȱ1977)ȱheißtȱdies,ȱdassȱSchülerInȬ nenȱ nichtȱ einfachȱ nurȱ Dienstleistungenȱ konsumieren;ȱ hierȱ bestehenȱ GemeinsamkeitenȱmitȱDienstleistungstätigkeitenȱimȱGesundheitsbeȬ reich.ȱ Büssingȱ undȱ Glaserȱ (2003)ȱ weisenȱ z.B.ȱ daraufȱ hin,ȱ dassȱ einȱ Patientȱ „KoȬAkteurȱ inȱ einerȱ komplexenȱ Beziehung“ȱ ist,ȱ „undȱ seineȱ Rolleȱ...ȱinȱBezugȱaufȱQualitätȱundȱErfolgȱebensoȱwichtig“ȱist,ȱ„wieȱ dieȱ desȱ Dienstleistersȱ selbst“ȱ (Büssingȱ &ȱ Glaser,ȱ 2003,ȱ S.ȱ 133;ȱ vgl.ȱ auchȱ Rieder,ȱ 1999).ȱ Darausȱ folgt,ȱ dassȱ derȱ Prozessȱ derȱ Interaktionȱ einenȱimmanentenȱBestandteilȱdesȱProduktsȱdarstelltȱ(Brucks,ȱ1998).ȱ Dieȱ Interaktionȱ zwischenȱ Leistungserbringerȱ undȱ Ȭempfängerȱ hatȱ direktenȱ Einflussȱ aufȱ dieȱ Qualitätȱ desȱArbeitsergebnissesȱ undȱ auchȱ
ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱ 4ȱȱ Wesentlichȱ andersȱ kannȱ diesȱ natürlichȱ imȱ Rahmenȱ vonȱ Konzeptenȱ desȱ EȬ
Learningȱ undȱ vonȱ computerbasiertenȱ Trainingsmaßnahmenȱ aussehen.ȱ Dieseȱ LernformenȱspielenȱimȱSettingȱ derȱVolksschuleȱ undȱanȱGymnasienȱzwarȱzunehȬ mendȱeineȱRolle,ȱtraditionelleȱUnterrichtsformenȱdürftenȱaberȱnochȱimmerȱüberȬ wiegen.ȱ
113ȱ
4
Begrenzte Responsivität und Fehlbeanspruchungen bei Lehrkräften
aufȱ dieȱ Qualitätȱ desȱ Arbeitslebensȱ derȱ Dienstleistendenȱ (Büssing,ȱ 1999).ȱ
4.5
Begrenzte Responsivität im Unterricht
MitȱdenȱAussagenȱdesȱletztenȱAbschnittsȱwirdȱdeutlich,ȱdassȱUnterȬ richtȱ ohneȱ Mitarbeitȱ derȱ Schülerinnenȱ undȱ Schülerȱ nichtȱ gelingenȱ kann.ȱAndererseitsȱwurdeȱdieȱHypotheseȱformuliert,ȱdassȱu.a.ȱinȱderȱ Austauschbeziehungȱ zwischenȱ Lehrkräftenȱ undȱ Schülerinnenȱ bzw.ȱ Schülernȱ„begrenzteȱResponsivität“ȱzuȱverzeichnenȱist,ȱinsbesondeȬ reȱwennȱsichȱZieleȱundȱVerhaltenserwartungenȱnichtȱvollumfänglichȱ decken.ȱAufȱGrundȱdamitȱverbundenerȱqualitativerȱundȱquantitatiȬ verȱ Besonderheitenȱ derȱ sozialenȱ Austauschprozesseȱ erhöhtȱ sichȱ möglicherweiseȱdasȱRisiko,ȱFehlbeanspruchungenȱzuȱentwickeln.ȱ
4.5.1
Soziale Austauschprozesse und mangelnde Reziprozität: Erkenntnisse der BurnoutForschung
Basierendȱ aufȱ theoretischenȱ Annahmenȱ derȱ Equitytheorieȱ (Adams,ȱ 1965;ȱ Homans,ȱ 1958;ȱ Walster,ȱ Walsterȱ &ȱ Berscheid,ȱ 1965)ȱ hatȱ dieȱ niederländischeȱ Forschungsgruppeȱ umȱ Buunkȱ undȱ Schaufeliȱ (BakȬ ker,ȱ Schaufeli,ȱ Sixma,ȱ Bosveldȱ &ȱ vanȱ Dierendonck,ȱ 2000;ȱ Buunkȱ &ȱ Schaufeli,ȱ1993,ȱ1999;ȱvanȱDierendonckȱ&ȱSixma,ȱ1994)ȱeinenȱsozialȬ psychologischenȱ Bezugsrahmenȱ fürȱ dieȱ Erklärungȱ vonȱ Burnoutȱ vorgelegt.ȱȱ Inȱ einemȱ fürȱ dieȱ vorliegendeȱ Frageȱ besondersȱ bedeutendenȱ ForȬ schungsstrangȱuntersuchtenȱBuunkȱundȱKollegen,ȱobȱbeiȱPersonen,ȱ dieȱvielȱinȱihreȱArbeitȱinvestieren,ȱbeiȱdenenȱaberȱdenȱdamitȱverbunȬ denenȱ Anstrengungenȱ keineȱ entsprechendenȱ Belohnungenȱ bzw.ȱ Gratifikationenȱ gegenüberȱ stehen,ȱ vermehrtȱ mitȱ derȱ Entwicklungȱ vonȱ Burnoutȱ zuȱ rechnenȱ ist.ȱ Tatsächlichȱ fandenȱ sichȱ inȱ verschiedeȬ nenȱ Studienȱ deutlicheȱ Zusammenhängeȱ zwischenȱ einemȱ Gefühlȱ mangelnderȱ Reziprozitätȱ undȱ insbesondereȱ denȱ BurnoutdimensioȬ nenȱemotionaleȱErschöpfungȱundȱDepersonalisationȱ(Bakker,ȱSchauȬ feliȱetȱal.,ȱ2000;ȱvanȱHornȱetȱal.,ȱ2001;ȱTarisȱetȱal.,ȱ2001,ȱ2004).ȱȱ
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Begrenzte Responsivität im Unterricht
4.5
Ausȱ derȱ Annahmeȱ einerȱ tätigkeitsimmanentenȱ Asymmetrieȱ resulȬ tiertȱallerdingsȱdieȱFrage,ȱwarumȱsichȱBurnoutȱnichtȱbeiȱallenȱMitarȬ beitendenȱpersonenbezogenerȱDienstleistungstätigkeitenȱentwickelt.ȱ DieȱAutorenȱverweisenȱhierȱrelativȱunbestimmtȱaufȱinterindividuelleȱ Unterschiedeȱ(Schaufeliȱ&ȱBuunk,ȱ1998).ȱAllerdingsȱistȱebensoȱdenkȬ bar,ȱdassȱstrukturelleȱMerkmaleȱwieȱderȱSchultyp,ȱdieȱKlassengrößeȱ undȱȬzusammensetzungȱsowieȱdieȱQualitätȱlokalerȱUnterstützungsȬ systemeȱeineȱwesentlicheȱRolleȱspielen.ȱ Dassȱ insbesondereȱ dieȱ Primäraufgabenȱ personenbezogenerȱ DienstȬ leistungstätigkeitenȱBesonderheitenȱaufweisen,ȱwelcheȱdieȱEntwickȬ lungȱdesȱGefühlsȱmangelnderȱReziprozitätȱunterstützen,ȱwurdeȱvonȱ Brucksȱ (1998,ȱ 1999),ȱ unterȱ besondererȱ Berücksichtigungȱ desȱ SpitalȬ kontexts,ȱumfassendȱdargestellt.ȱ
4.5.2
Mangelnde Verpflichtung zur Reziprozität: Besonderheiten personenbezogener Dienstleistungstätigkeiten
FürȱBrucksȱ(1998,ȱS.ȱ9)ȱistȱdenȱTätigkeitenȱvonȱÄrztinnenȱundȱÄrzȬ ten,ȱ Pflegepersonal,ȱ Lehrkräften,ȱ Erzieherinnenȱ undȱ Therapeutenȱ gemeinsam,ȱ dassȱ „ihreȱ Tätigkeitȱ einenȱ Kooperationspartnerȱ hatȱ –ȱ denȱPatienten,ȱSchüler,ȱKlientenȱusw.ȱ–ȱdemȱwesentlicheȱMerkmaleȱ einesȱ echtenȱ Kooperationspartnersȱ fehlen,ȱ insbesondereȱ dieȱ VerȬ pflichtungȱzurȱReziprozität“.ȱSieȱstelltȱfest,ȱdassȱProzesseȱderȱSelbstȬ veränderung,ȱ wieȱ etwaȱ Gesundungȱ oderȱ Lernzuwachsȱ beiȱ denȱ BeȬ troffenenȱ eineȱ hoheȱ Konzentrationȱ aufȱ sichȱ selbstȱ erfordern.ȱ Diesȱ führtȱ dazu,ȱ dassȱ ihnenȱ „durchȱ gesellschaftlicheȱ Normenȱ ...ȱ einȱ Schonraumȱ zugestanden“ȱ wird.ȱ Diesȱ verweistȱ wiederumȱ aufȱ dasȱ Dilemma,ȱdassȱdieȱDienstleistungstätigkeitȱeinerseitsȱohneȱMitarbeitȱ derȱSchülerinnenȱundȱSchülerȱnichtȱgelingenȱkann,ȱdassȱaberȱandeȬ rerseitsȱaufȱderȱSeiteȱderȱSchülerinnenȱundȱSchülerȱkeineȱumfassenȬ deȱVerpflichtungȱzurȱReziprozitätȱvorhandenȱist.ȱȱ NichtȬReziprozitätȱ impliziertȱ imȱ vorliegendenȱ Fallȱ aberȱ auchȱ einȱ Machtungleichgewicht.ȱ Dieȱ Beziehungȱ zwischenȱ Lehrkräftenȱ undȱ Schülerinnenȱ bzw.ȱ Schülernȱ kannȱ insofernȱ alsȱ asymmetrischȱ beȬ zeichnetȱ werden,ȱ alsȱ dieȱ Lehrkraftȱ einenȱ großenȱ WissensȬȱ undȱ ErȬ fahrungsvorsprungȱ aufweist.ȱ Dieȱ Schülerinnenȱ undȱ Schülerȱ verfüȬ genȱ überȱ wenigerȱ Wissenȱ undȱ Handlungsmöglichkeiten,ȱ dieȱ BezieȬ
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Begrenzte Responsivität und Fehlbeanspruchungen bei Lehrkräften
hungȱ kannȱ inȱ diesemȱ Sinneȱ nichtȱ alsȱ gleichberechtigtȱ bezeichnetȱ werden.ȱ Zudemȱ stehenȱ demȱ Schonraumȱ derȱ Schülerinnenȱ undȱ Schülerȱ auchȱ Einschränkungenȱ gegenüber.ȱ Dieȱ Schülerȱ müssenȱ amȱ Unterrichtȱ teilnehmen,ȱ habenȱ einenȱ vorgegebenenȱ Stundenplanȱ einzuhalten,ȱkönnenȱsichȱdieȱLehrkräfteȱi.d.R.ȱnichtȱaussuchenȱundȱ auchȱihreȱMitbestimmungsrechteȱsindȱbegrenzt.ȱDiesesȱSystemȱvonȱ RechtenȱundȱPflichtenȱbedeutetȱimȱÜbrigenȱauchȱeinenȱqualitativenȱ Unterschiedȱ zurȱ Beziehungȱ zwischenȱ Firmenȱ undȱ Kundenȱ andererȱ Dienstleistungszweigeȱ (Brucks,ȱ 1999);ȱ „währendȱ Verkäuferinȱ undȱ Käuferin,ȱKellnerȱundȱGastȱzwarȱmitȱjeȱspezifischemȱInteresse,ȱaberȱ dochȱaufȱgleicherȱEbeneȱüberȱeinenȱdrittenȱGegenstandȱundȱdessenȱ Qualitätȱverhandeln,ȱistȱeineȱKrankheitȱoderȱeinȱWissensdefizitȱnichtȱ alsȱunabhängigerȱdritterȱGegenstandȱaufzufassen“ȱ(S.ȱ183).ȱWissensȬ aufbauȱ undȱ Rekonvaleszenzȱ könnenȱ alsȱ Aufgabenȱ dementspreȬ chendȱ nichtȱ vonȱ Drittpersonenȱ übernommenȱ werden,ȱ sieȱ liegenȱ letztlichȱimmerȱinȱderȱVerantwortungȱderȱbetroffenenȱPerson.ȱ Zunächstȱkönnteȱmanȱnunȱargumentieren,ȱdassȱdieȱmangelndeȱVerȬ pflichtungȱ zurȱ Reziprozitätȱ einenȱ immanentenȱ Bestandteilȱ derȱ TäȬ tigkeitȱpersonenbezogenerȱDienstleistungenȱausmachtȱundȱinsofernȱ vonȱ denȱ Dienstleistungstätigenȱ durchausȱ alsȱ legitimerȱ Teilȱ ihrerȱ Arbeitsaufgabeȱ interpretiertȱ werdenȱ kann.ȱ Zudemȱ sindȱ sowohlȱ BeȬ rufeȱdesȱGesundheitsȬȱalsȱauchȱdesȱBildungswesensȱselbstverständȬ lichȱ nichtȱ inȱ jedemȱ Fallȱ durchȱ mangelndeȱ Reziprozitätȱ geprägt;ȱ sieȱ bringenȱ auchȱ „Belohnungen“ȱ mitȱ sich,ȱ seiȱ esȱ durchȱ dieȱ Genesungȱ einesȱ Patientenȱ undȱ derȱ damitȱ verbundenenȱ Dankbarkeit,ȱ seiȱ esȱ durchȱ Lernfortschritte,ȱ dieȱ einȱ Schülerȱ erzielt.ȱ Empirischeȱ UntersuȬ chungenȱ deutenȱ allerdingsȱ daraufȱ hin,ȱ dassȱ dieȱ Realitätȱ oftȱ andersȱ aussieht.ȱSoȱsindȱz.B.ȱÄrztinnen,ȱKrankenschwesternȱundȱLehrkräfteȱ regelmäßigȱ mitȱ Patientenȱ oderȱ Schülernȱ konfrontiert,ȱ dieȱ ihreȱ Ratschlägeȱnichtȱbefolgen,ȱdieȱüberhöhteȱAnforderungenȱstellen,ȱdieȱ sogarȱ mogeln,ȱ manipulierenȱ oderȱ destruktivesȱ Verhaltenȱ zeigenȱ (Bauer,ȱ2004;ȱCherniss,ȱ1995).ȱ
4.5.3
Mangelnde Reziprozität: Grenzen des Konzepts und weiterführende Überlegungen
Demeroutiȱ(1999)ȱmachtȱunterȱBezugȱzuȱdenȱErgebnissenȱderȱBurnȬ outȬForschungȱ daraufȱ aufmerksam,ȱ dassȱ esȱ sinnvollȱ wäre,ȱ dasȱ mitȱ
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Begrenzte Responsivität im Unterricht
4.5
mangelnderȱ Reziprozitätȱ verbundeneȱ Ungleichgewichtȱ genauerȱ zuȱ beschreibenȱ undȱ zuȱ operationalisieren.ȱ Inȱ derȱ GerechtigkeitsforȬ schungȱ existierenȱ z.B.ȱ nebenȱ derȱ Equitytheorieȱ MehrprinzipienanȬ sätze,ȱ dieȱ davonȱ ausgehen,ȱ dassȱ Menschenȱ aufȱ derȱ Basisȱ unterȬ schiedlicherȱPrinzipienȱzuȱGerechtigkeitsurteilenȱkommenȱ(Deutsch,ȱ 1975).ȱ Nebenȱ demȱ EquityȬPrinzipȱ werdenȱ damitȱ weitereȱ idealtypiȬ scheȱGerechtigkeitsprinzipienȱdifferenziert.ȱDieȱwichtigstenȱsindȱdasȱ EqualityȬPrinzipȱ(GleichverteilungȱzwischenȱallenȱbeteiligtenȱPersoȬ nenȱ unabhängigȱ vonȱ individuellenȱ Unterschieden)ȱ undȱ dasȱ NeedȬ Prinzipȱ(VerteilungȱaufȱderȱGrundlageȱderȱindividuellenȱBedürfnisȬ se)ȱ (Hupfeld,ȱ 2000).ȱ Dasȱ EquityȬPrinzipȱ wirdȱ idealtypischȱ v.a.ȱ aufȱ Geschäftsbeziehungenȱ angewendet.ȱ Verteilungsregelnȱ stützenȱ sichȱ hierbeiȱ aufȱ dasȱ Proportionalitätsprinzip.ȱ Dasȱ NeedȬPrinzipȱ beziehtȱ sichȱ stärkerȱ aufȱ FreundschaftsȬȱ undȱ Liebesbeziehungen.ȱ Manȱ gibtȱ freiwilligȱ undȱ gerne,ȱ wasȱ manȱ kann,ȱ erhältȱ dafürȱ aberȱ auch,ȱ wasȱ manȱbraucht.ȱAllerdingsȱwirdȱdasȱNeedȬPrinzipȱderȱTheorieȱzufolgeȱ auchȱdannȱangewendet,ȱwennȱeineȱindividuelleȱFörderungȱundȱdieȱ persönlicheȱ Entwicklungȱ derȱ Beteiligtenȱ imȱ Vordergrundȱ stehtȱ (Deutsch,ȱ1975).ȱBeiȱLehrkräftenȱhandeltȱesȱsichȱeinerseitsȱdurchausȱ umȱ Geschäftsbeziehungen,ȱ v.a.ȱ inȱ Bezugȱ aufȱ dieȱ Beziehungȱ zuȱ denȱ Schulbehörden.ȱ Aufȱ derȱ anderenȱ Seiteȱ sollenȱ Lehrkräfteȱ Rücksichtȱ aufȱ dieȱ Bedürfnisseȱ derȱ Schülerȱ nehmenȱ (NeedȬprinzip),ȱ ohneȱ dassȱ sieȱ imȱ Gegenzugȱ dazuȱ auchȱ ihreȱ Bedürfnisseȱ gleichberechtigtȱ einȬ bringenȱkönnenȱ(Brucks,ȱ1998),ȱwieȱdiesȱimȱNeedȬPrinzipȱpostuliertȱ wird.ȱ Auchȱ zwischenȱ demȱ EqualityȬȱ undȱ demȱ NeedȬPrinzipȱ kannȱ esȱ beiȱ Lehrkräftenȱ zuȱ Dilemmasituationenȱ kommen.ȱ Soȱ kannȱ z.B.ȱ einȱ WiȬ derspruchȱentstehen,ȱwennȱeineȱLehrkraftȱdieȱBedürfnisseȱeinzelnerȱ Schülerȱ ernstȱ nehmenȱ willȱ (Need)ȱ undȱ gleichzeitigȱ allenȱ SchülerinȬ nenȱundȱSchülernȱgleichvielȱAufmerksamkeitȱwidmenȱwillȱ(EqualiȬ ty).ȱ Wennȱ sieȱ zumȱ Beispielȱ einemȱ Schülerȱ mitȱ Lernschwierigkeitenȱ beiȱ einerȱ Aufgabeȱ hilft,ȱ hatȱ sieȱ u.U.ȱ gleichzeitigȱ einȱ schlechtesȱ GeȬ wissenȱgegenüberȱdemȱKlassenverband,ȱderȱwenigerȱAufmerksamȬ keitȱerhält.ȱ Weiterhinȱ stelltȱ sichȱ dieȱ Frage,ȱ warumȱ z.B.ȱ professionelleȱ Normenȱ oderȱ monetäreȱ Belohnungenȱ alsȱ „Outcome“ȱ nichtȱ ausreichen,ȱ umȱ Reziprozitätȱ herzustellen.ȱ Gemäßȱ derȱ Ressourcentheorieȱ sozialerȱ Beziehungenȱ vonȱ Foaȱ undȱ Foaȱ (1980;ȱ Foa,ȱ Converse,ȱ Törnblomȱ &ȱ Foa,ȱ 1993)ȱ lassenȱ sichȱ beiȱ denȱ jeweilsȱ ausgetauschtenȱ Ressourcenȱ
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4
Begrenzte Responsivität und Fehlbeanspruchungen bei Lehrkräften
(Inputsȱ undȱ Outcomes)ȱ verschiedeneȱ Klassenȱ unterscheiden,ȱ z.B.ȱ Liebeȱ (inkl.ȱ Zuwendung,ȱ Wärme,ȱ Trost,ȱ Beistand),ȱ Statusȱ (Prestige,ȱ Achtung,ȱAnsehen),ȱ Informationen,ȱ Geld,ȱ Güterȱ undȱ DienstleistunȬ gen.ȱZwischenmenschlichesȱVerhaltenȱ(sozialeȱInteraktion)ȱistȱdabeiȱ charakterisiertȱ durchȱ denȱ Austauschȱ einerȱ oderȱ mehrererȱ RessourȬ cen,ȱdieȱdenȱbeteiligtenȱIndividuenȱimȱVerlaufeȱderȱInteraktionȱzurȱ Verfügungȱstehenȱbzw.ȱinȱihremȱVerlaufeȱdefiniertȱwerden.ȱȱ Foaȱ etȱ al.ȱ (1993)ȱ konntenȱ z.B.ȱ zeigen,ȱ dassȱ einȱAustauschȱ zwischenȱ GüternȱunterschiedlicherȱKlassenȱumsoȱunwahrscheinlicherȱwird,ȱjeȱ unähnlicherȱsieȱsichȱhinsichtlichȱderȱzuȱGrundeȱliegendenȱDimensiȬ onenȱsind.ȱInȱvielenȱFällenȱwirdȱsogarȱeinȱAustauschȱinnerhalbȱderȱ gleichwertigenȱ Ressourcenklasseȱ oderȱ zumindestȱ zwischenȱ gleichȱ bewertetenȱ Ressourcenȱ vorgezogen.ȱ Übertragenȱ aufȱ dieȱ Situationȱ vonȱÄrztenȱundȱLehrkräftenȱkönnteȱdiesȱheißen,ȱdassȱz.B.ȱorganisaȬ tionaleȱ „Belohnungen“,ȱ wieȱ Geldȱ oderȱ WeiterbildungsmöglichkeiȬ ten,ȱaufȱdieȱDauerȱnichtȱausreichen,ȱumȱeinȱGefühlȱderȱReziprozitätȱ aufrechtzuerhalten,ȱ dasȱ durchȱ Merkmaleȱ derȱ Interaktionȱ zwischenȱ Dienstleistendenȱ undȱ Klientenȱ bedrohtȱ wird.ȱ Interessantȱ istȱ auchȱ derȱ Befundȱ vonȱ Foaȱ etȱ al.ȱ (1993),ȱ wonachȱ beiȱ einemȱ RessourcenȬ tauschȱ dieȱ angewendetenȱ „Verrechnungsregeln“ȱ jeȱ nachȱ RessourȬ cenklasseȱ variieren.ȱ Hupfeldȱ (2001,ȱ S.12)ȱ machtȱ konformȱ mitȱ derȱ TheorieȱvonȱFoaȱdaraufȱaufmerksam,ȱdassȱdiesȱu.a.ȱdarinȱbegründetȱ liegt,ȱ „dassȱ nichtȱ soȱ sehrȱ denȱ Güternȱ immanenteȱ Eigenschaftenȱ dieȱ Austauschregelnȱ bestimmen,ȱ alsȱ vielmehrȱ dieȱ demȱ jeweiligenȱAusȬ tauschȱbeigelegteȱBedeutung“.ȱȱ
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Schaufeli,ȱvanȱDierendonckȱundȱvanȱGorpȱ(1996;ȱBuunkȱ&ȱSchaufeli,ȱ 1999)ȱbietenȱeinenȱAnsatz,ȱderȱdenȱEinbezugȱsowohlȱinterpersonalerȱ alsȱ auchȱ organisationalerȱ Reziprozitätseinschätzungenȱ inȱ dieȱ BurnȬ outȬDiskussionȱauchȱausȱaustauschtheoretischerȱSichtȱunterstützt.ȱInȱ ihremȱ ZweiebenenȬAustauschmodellȱ zurȱ Entstehungȱ vonȱ Burnoutȱ („dualȱlevelȱexchangeȱmodelȱofȱburnout“)ȱgehenȱsieȱdavonȱaus,ȱdassȱ mangelndeȱReziprozitätȱaufȱverschiedenenȱEbenenȱbeobachtetȱwerȬ denȱ undȱ zuȱ jeweilsȱ unterschiedlichenȱ Konsequenzenȱ führenȱ kann.ȱ ZumȱeinenȱaufȱderȱinterpersonalenȱEbene,ȱhierȱfandenȱsieȱkorrelatiȬ veȱ Zusammenhängeȱ zwischenȱ derȱ Einschätzungȱ mangelnderȱ ReȬ ziprozitätȱundȱBurnout,ȱzumȱanderenȱaufȱderȱorganisationalenȱEbeȬ ne,ȱ woȱ sieȱ nebenȱ Zusammenhängenȱ mitȱ Burnoutȱ auchȱ bedeutsameȱ Korrelationenȱ mitȱ organisationalerȱ Verbundenheitȱ undȱ mitȱ demȱ AuftretenȱvonȱFehlzeitenȱfandenȱ(ebd.).ȱTarisȱetȱal.ȱ(2004)ȱfandenȱinȱ
Begrenzte Responsivität im Unterricht
4.5
einerȱ Untersuchungȱ mitȱ Lehrkräften,ȱ dassȱ mangelndeȱ Reziprozitätȱ inȱ Bezugȱ aufȱ (1)ȱ Schülerinnenȱ undȱ Schüler,ȱ (2)ȱ Kolleginnenȱ undȱ Kollegenȱ sowieȱ (3)ȱ dieȱ Organisationȱ unterschiedlicheȱ ZusammenȬ hängeȱ mitȱ denȱ verschiedenenȱ BurnoutȬDimensionenȱ undȱ derȱ VerȬ bundenheitȱ mitȱ derȱ Organisationȱ aufwiesen,ȱ wobeiȱ emotionaleȱ ErȬ schöpfungȱmitȱallenȱdreiȱReziprozitätsebenenȱdieȱdeutlichstenȱposiȬ tivenȱZusammenhängeȱzeigte.ȱȱ EinȱModell,ȱdassȱebenfallsȱReziprozitätsüberlegungenȱaufȱorganisaȬ tionalerȱEbeneȱbetont,ȱdasȱaberȱursprünglichȱnichtȱfürȱdenȱLehrkräfȬ tekontextȱ entwickeltȱ wordenȱ ist,ȱ istȱ dasȱ Modellȱ beruflicherȱ GratifiȬ kationskrisenȱ vonȱ Siegristȱ (1996,ȱ 2002).ȱ Dasȱ Modellȱ gehtȱ inȱ seinenȱ Annahmenȱ überȱ dieȱ unmittelbareȱ Arbeitstätigkeitȱ hinausȱ undȱ theȬ matisiertȱdieȱorganisationalenȱRahmenbedingungen.ȱInȱdiesemȱMoȬ dellȱ wirdȱ aberȱ ebenfallsȱ angenommen,ȱ dassȱ einȱ Ungleichgewichtȱ zwischenȱberuflicherȱVerausgabungȱundȱalsȱGegenwertȱdafürȱerhalȬ tenerȱBelohnungenȱzuȱStressreaktionenȱführt.ȱ Siegristȱ unterscheidetȱ zwischenȱ situativenȱ (extrinsischen)ȱ undȱ perȬ sonalenȱ (intrinsischen)ȱ Verausgabungsquellen.ȱ Sozialȱ vermittelteȱ Belohnungenȱ bzw.ȱ Gratifikationenȱ werdenȱ überȱ dreiȱ „TransmitterȬ systeme“ȱvermittelt:ȱGeld,ȱWertschätzungȱundȱberuflicheȱStatuskonȬ trolleȱ (Arbeitsplatzsicherheit,ȱ Aufstiegschancen,ȱ ausbildungsadäȬ quateȱBeschäftigung).ȱȱ Alsȱstressauslösendȱundȱschlussendlichȱkrankheitsrelevantȱwirdȱimȱ Modellȱ beruflicherȱ Gratifikationskrisenȱ eineȱ Kombinationȱ starker,ȱ langȱ anhaltenderȱ Verausgabungȱ mitȱ imȱ Vergleichȱ dazuȱ bescheideȬ nenȱ Gratifikationenȱ angesehen.ȱ Diesȱ widerspiegeltȱ eineȱ mangelndeȱ Reziprozitätȱ zwischenȱ individuellenȱ Kostenȱ undȱ Nutzenȱ imȱ Sinneȱ vonȱGratifikationenȱ(Siegrist,ȱ1996).ȱ Empirischȱ zeigtenȱ sichȱ Zusammenhängeȱ zwischenȱ GratifikationsȬ krisenȱ undȱ erhöhtenȱ Risikenȱ fürȱ psychiatrischeȱ Störungenȱ (Stansfeld,ȱ Fuhrer,ȱ Shipleyȱ &ȱ Marmot,ȱ 1999),ȱ Depressionenȱ (Tsutsumi,ȱ Ishitake,ȱ Peter,ȱ Siegristȱ &ȱ Matoba,ȱ 2001),ȱ Burnoutȱ (Bakker,ȱ Killmer,ȱ Siegristȱ &ȱ Schaufeli,ȱ 2000)ȱ undȱAlkoholabhängigȬ keitȱ (Head,ȱ Stansfeldȱ &ȱ Siegrist,ȱ 2004).ȱ Insbesondereȱ wurdeȱ aberȱ gefunden,ȱ dassȱ Gratifikationskrisenȱ mitȱ einemȱ erhöhtenȱ Risikoȱ fürȱ koronareȱ Herzkrankheitenȱ undȱ Bluthochdruckȱ verbundenȱ sindȱ (Bosma,ȱPeter,ȱ Siegristȱ &ȱMarmot,ȱ1998;ȱ Kivimäkiȱetȱ al.,ȱ 2002;ȱ SiegȬ rist,ȱ1990).ȱ
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4
Begrenzte Responsivität und Fehlbeanspruchungen bei Lehrkräften
DieȱÜberlegungenȱzurȱReziprozitätȱinȱAustauschprozessenȱundȱdesȱ ModellsȱberuflicherȱGratifikationskrisenȱkönnenȱschließlichȱauchȱalsȱ FragenȱderȱVerteilungsgerechtigkeitȱundȱdamitȱimȱRahmenȱderȱForȬ schungȱ zurȱ distributivenȱ Gerechtigkeitȱ betrachtetȱ werden.ȱ Beiȱ denȱ imȱletztenȱAbschnittȱvorgestelltenȱModellenȱstelltȱsichȱletztlichȱalsoȱ dieȱFrage,ȱobȱdieȱDienstleistendenȱfürȱihreȱAnstrengungenȱangemesȬ senȱ „belohnt“ȱ werden.ȱ Forschungsarbeitenȱ zurȱ prozeduralenȱ GeȬ rechtigkeitȱzeigenȱaber,ȱdassȱz.B.ȱEntscheidungenȱzurȱVerteilungȱvonȱ Gratifikationenȱ nichtȱ nurȱ nachȱ ihremȱ Ergebnisȱ beurteiltȱ werdenȱ können,ȱ sondernȱ auchȱ nachȱ ihremȱ Zustandekommen.ȱ Dieȱ Qualitätȱ vonȱEntscheidungsprozessenȱkannȱfürȱdasȱGerechtigkeitsempfindenȱ unterȱUmständenȱsogarȱwichtigerȱseinȱalsȱdasȱErgebnisȱselbst.ȱDieseȱ „Gerechtigkeitsperspektive“ȱ wirdȱ fürȱ denȱ Schulkontextȱ beiȱ DorseȬ magenȱundȱKrauseȱ(inȱDruck)ȱvertieftȱbehandelt.ȱ
4.6
Empirische Ergebnisse aus einem Schulprojekt
DieȱbisȱhierȱdargestelltenȱÜberlegungenȱwurdenȱanhandȱeinesȱProȬ jektsȱ ausȱ demȱ Schweizerischenȱ Schulkontextȱ überprüftȱ (vgl.ȱ Ulich,ȱ Trachsler,ȱWülserȱ&ȱInversini,ȱ2003).ȱDerȱBildungsbereichȱdesȱunterȬ suchtenȱLandȬKantonsȱbefindetȱsichȱseitȱeinigenȱJahrenȱinȱeinerȱPhaȬ seȱ großerȱ Veränderungen.ȱ Dasȱ Reformprogrammȱ umfassteȱ zumȱ Zeitpunktȱ derȱ Erhebungȱ imȱ Sommerȱ2003ȱz.B.ȱ nichtȱ wenigerȱ alsȱ23ȱ Entwicklungsprojekte,ȱ vonȱ denenȱ alleinȱ 13ȱ aufȱ dieȱ Volksschulstufeȱ entfielen.ȱ Umȱ dieȱ Frageȱ nachȱ denȱ aktuellenȱ undȱ zukünftigenȱ ArȬ beitsbedingungen,ȱ Belastungenȱ undȱ Ressourcenȱ derȱ Lehrkräfteȱ anȬ gesichtsȱ derȱ vielfältigenȱ Veränderungenȱ systematischȱ zuȱ beantworȬ ten,ȱ wurdeȱ dieȱ Durchführungȱ einerȱ Längsschnittstudieȱ inȱ Auftragȱ gegeben,ȱdieȱdreiȱ Erhebungenȱ innerhalbȱ vonȱ sechsȱ Jahrenȱ vorsieht.ȱ DieȱersteȱErhebungȱwurdeȱimȱJahrȱ2003ȱabgeschlossen.ȱNachfolgendȱ werdenȱ ausgewählteȱ Ergebnisseȱ ausȱ denȱ entsprechendenȱAnalysenȱ berichtetȱ(fürȱdetaillierteȱErgebnisseȱvgl.ȱWülser,ȱ2006).ȱWeiterȱwerȬ denȱersteȱErgebnisseȱausȱLängsschnittanalysenȱberichtet,ȱdieȱzusätzȬ lichȱ aufȱ denȱ Ergebnissenȱ derȱ zweitenȱ Erhebungȱ ausȱ demȱ Jahrȱ 2005ȱ beruhen.ȱ Dabeiȱ interessierenȱ insbesondereȱ Zusammenhängeȱ zwiȬ
120ȱ
Empirische Ergebnisse aus einem Schulprojekt
4.6
schenȱ Merkmalenȱ derȱ Schulorganisation,ȱ derȱ Unterrichtstätigkeitȱ undȱdenȱFehlbeanspruchungen.ȱ
4.6.1
Schulhausebene und Unterrichtsebene: Zusammenhänge mit Fehlbeanspruchungen
Umȱ zuȱ überprüfen,ȱ obȱ Merkmaleȱ derȱ Schulorganisationȱ undȱ derȱ Unterrichtsebeneȱ imȱ Zusammenhangȱ mitȱ Fehlbeanspruchungenȱ stehen,ȱwurdenȱpfadanalytischeȱAuswertungenȱvorgenommenȱ(vgl.ȱ Wülser,ȱ2006).ȱ InȱBezugȱaufȱdieȱorganisationaleȱEbeneȱzeigteȱsichȱz.B.,ȱdassȱinsbesonȬ dereȱ beiȱ Gratifikationskrisenȱ (vgl.ȱ Siegrist,ȱ 1996,ȱ 2002)ȱ überȱ allgeȬ meineȱÜberȬȱundȱUnterforderungsmerkmaleȱhinausȱdeutlicheȱposiȬ tiveȱ Zusammenhängeȱ mitȱ emotionalerȱ Erschöpfungȱ undȱ aversivenȱ Gefühlenȱ gegenȱ Schülerinnenȱ undȱ Schülerȱ zuȱ verzeichnenȱ waren.ȱ Auchȱ (mangelnde)ȱ kollektiveȱ Selbstwirksamkeitserwartungenȱ stanȬ denȱ inȱ einemȱ positivenȱ Zusammenhangȱ mitȱ diesenȱ FehlbeanspruȬ chungen,ȱ allerdingsȱ etwasȱ wenigerȱ deutlichȱ alsȱ dieȱ GratifikationsȬ krisen.ȱ InȱBezugȱaufȱdieȱPrimäraufgabeȱUnterrichtȱzeigtenȱsichȱv.a.ȱfürȱReguȬ lationshindernisseȱ imȱ Sinneȱ vonȱ häufigenȱ ungeplantenȱ unterrichtsȬ bezogenenȱ Arbeitsunterbrechungenȱ sowieȱ fürȱ einȱ belastendesȱ MerkmalȱderȱEmotionsregulation,ȱdieȱemotionaleȱDissonanz,ȱdeutliȬ cheȱ Zusammenhängeȱ mitȱ denȱ Fehlbeanspruchungenȱ emotionaleȱ Erschöpfungȱ undȱ Aversionȱ gegenȱ Schülerinnenȱ undȱ Schüler.ȱ Dieȱ ReziprozitätseinschätzungenȱinȱBezugȱaufȱSchülerinnenȱundȱSchülerȱ bzw.ȱ aufȱ Eltern,ȱ alsȱ Indikatorenȱ fürȱ begrenzteȱ Responsivitätȱ aufȱ diesenȱ Ebenen,ȱ standenȱ ebenfallsȱ inȱ einemȱ signifikantenȱ ZusamȬ menhangȱmitȱdenȱFehlbeanspruchungen,ȱallerdingsȱvergleichsweiseȱ etwasȱwenigerȱdeutlich.ȱȱ
4.6.2
Ergebnisse aus Längsschnittuntersuchungen
Dieȱ zweiteȱ Erhebungȱ (t2)ȱ desȱ Lehrkräfteprojektsȱ fandȱ 28ȱ Monateȱ nachȱ derȱ erstenȱ Erhebungȱ (t1)ȱ statt.ȱ Imȱ Rahmenȱ derȱ LängsschnittȬ auswertungenȱ wurdenȱ u.a.ȱ hierarchischeȱ lineareȱ RegressionsanalyȬ
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4
Begrenzte Responsivität und Fehlbeanspruchungen bei Lehrkräften
senȱ vorgenommen.ȱ Folgendenȱ Fragenȱ wurdeȱ dabeiȱ nachgegangenȱ (vgl.ȱWülser,ȱ2006):ȱ
Stehenȱ dieȱ durchȱ dieȱ Lehrkräfteȱ berichtetenȱ Belastungen,ȱ erhoȬ benȱinȱderȱerstenȱBefragungȱ(t1),ȱmitȱdenȱFehlbeanspruchungen,ȱ erhobenȱinȱderȱzweitenȱBefragungȱ(t2),ȱunterȱKontrolleȱderȱFehlȬ beanspruchungenȱ t1ȱ inȱ einemȱ signifikantenȱ Zusammenhangȱ (Längsschnitteffekte)?ȱ
Ergebenȱ sichȱ zwischenȱ denȱ Belastungenȱ t2ȱ undȱ denȱ FehlbeanȬ spruchungenȱt2ȱsignifikanteȱZusammenhänge,ȱwennȱdasȱNiveauȱ derȱFehlbeanspruchungenȱt1ȱkontrolliertȱwirdȱ(synchroneȱEffekte)?ȱ Durchȱ dieȱ Kontrolleȱ desȱ Fehlbeanspruchungsniveausȱ t1ȱ wurdeȱ hierȱ alsoȱ untersucht,ȱ obȱ dieȱ Veränderungȱ inȱ denȱ FehlbeanspruȬ chungenȱ zwischenȱ denȱ beidenȱ Erhebungsperiodenȱ mitȱ denȱ BeȬ lastungenȱt2ȱimȱZusammenhangȱstehen.ȱ
Theoretischeȱ Überlegungenȱ wieȱ auchȱ empirischeȱ Ergebnisseȱ deutenȱdaraufȱhin,ȱdassȱBelastungenȱimȱVerlaufȱderȱZeitȱzuȱFehlȬ beanspruchungenȱführenȱkönnen.ȱEsȱistȱallerdingsȱauchȱdenkbar,ȱ dassȱ umgekehrtȱ Personenȱ mitȱ hohenȱ Fehlbeanspruchungenȱ zuȬ nehmendȱ mehrȱ Belastungenȱ berichtenȱ (vgl.ȱ Sonnentagȱ &ȱ Frese,ȱ 2002;ȱ Zapfȱ &ȱ Semmer,ȱ 2004).ȱ Inȱ diesemȱ Zusammenhangȱ wurdeȱ untersuchtȱ obȱ sichȱ empirischȱ eineȱ inȱ diesemȱ Sinneȱ „umgekehrte“ȱ Kausalrichtungȱidentifizierenȱlässt.ȱ AlleȱRegressionsanalysenȱerfolgtenȱunterȱKontrolleȱdesȱGeschlechts,ȱ desȱAlters,ȱdesȱDienstaltersȱsowieȱdesȱAnstellungsgrads.ȱ Untersuchtȱ wurdenȱ u.a.ȱ dieȱ längsschnittlichenȱ Zusammenhängeȱ zwischenȱdenȱ„Gratifikationskrisen“,ȱderȱ„mangelndenȱReziprozitätȱ SchülerInnen“ȱ undȱ derȱ „mangelndenȱReziprozitätȱ Eltern“ȱ(t1)ȱ bzw.ȱ denȱFehlbeanspruchungenȱ„emotionaleȱErschöpfung“ȱundȱ„AversiȬ onȱgegenȱSchülerinnenȱundȱSchüler“ȱ(t2).ȱDasȱheißt,ȱesȱwurdeȱüberȬ prüft,ȱ obȱ verschiedeneȱ Belastungsquellenȱ imȱ Verlaufȱ derȱ Zeitȱ mitȱ FehlbeanspruchungenȱimȱZusammenhangȱstehen.ȱ Eineȱ Überprüfungȱ derȱ Längsschnitteffekteȱ erbrachteȱ inȱ diesenȱ AnalȬ yenȱkaumȱsignifikanteȱErgebnisse.ȱȱ
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HinsichtlichȱsynchronerȱEffekteȱzeigtenȱsichȱdeutlichȱsignifikanteȱZuȬ sammenhängeȱ zwischenȱ denȱ Gratifikationskrisen,ȱ derȱ mangelndenȱ Reziprozitätȱ inȱ Bezugȱ aufȱ SchülerInnenȱ sowieȱ derȱ emotionalenȱ ErȬ schöpfung.ȱDasȱgleicheȱMusterȱfandȱsichȱimȱZusammenhangȱmitȱderȱ
Empirische Ergebnisse aus einem Schulprojekt
4.6
SchülerInnenaversion.ȱKeineȱsynchronenȱEffekteȱfandenȱsichȱfürȱdieȱ mangelndeȱReziprozitätȱinȱBezugȱaufȱEltern.ȱ Entgegenȱ demȱ Ausbleibenȱ längsschnittlicherȱ Ergebnisseȱ konntenȱ Hinweiseȱaufȱ„umgekehrte“ȱKausaleffekteȱgefundenȱwerden.ȱDieȱemoȬ tionaleȱ Erschöpfungȱ (t1)ȱ standȱ inȱ einemȱ positivȱ signifikantenȱ ZuȬ sammenhangȱmitȱdenȱGratifikationskrisenȱ(t2)ȱundȱderȱmangelndenȱ ReziprozitätȱElternȱ(t2).ȱZwischenȱderȱSchülerInnenaversionȱ(t1)ȱundȱ derȱmangelndenȱReziprozitätȱElternȱ(t2)ȱfandenȱsichȱebenfallsȱsigniȬ fikanteȱZusammenhänge.ȱKeineȱHinweiseȱaufȱderartigeȱEffekteȱfanȬ denȱsichȱbeiȱderȱReziprozitätȱinȱBezugȱaufȱSchülerInnen.5ȱȱ DieȱErgebnisseȱzeigenȱnurȱschwacheȱEvidenzȱfürȱLängsschnitteffekȬ te,ȱrelativȱdeutlicheȱsynchroneȱEffekteȱundȱtendenzielleȱEvidenzȱfürȱ „umgekehrte“ȱKausaleffekte.ȱ Interessantȱist,ȱdassȱsichȱdieȱBelastungseinschätzungenȱderȱzweitenȱ Erhebungȱ deutlichȱ mitȱ derȱ Entwicklungȱ derȱ Fehlbeanspruchungenȱ zwischenȱdenȱbeidenȱErhebungenȱinȱZusammenhangȱbringenȱlässt.ȱ DerȱBefund,ȱwonachȱsynchroneȱgegenüberȱlängsschnittlichenȱEffekȬ tenȱ überwiegen,ȱ istȱ allerdingsȱ z.B.ȱ inȱ derȱ Stressforschungȱ nichtȱ unȬ üblich.ȱ EtwasȱüberraschendȱüberwogenȱinȱdenȱvorliegendenȱAnalysenȱ„umȬ gekehrte“ȱ Kausaleffekteȱ gegenüberȱ Längsschnitteffekten.ȱ TraditioȬ nellȱ werdenȱ derartigeȱ Effekteȱ mitȱ derȱ soȱ genanntenȱ „driftȬ Hypothese“ȱerklärtȱ(vgl.ȱKohnȱ&ȱSchooler,ȱ1973).ȱDamitȱistȱgemeint,ȱ dassȱ gesundheitlichȱ beeinträchtigteȱ Personenȱ evtl.ȱ vergleichsweiseȱ wenigerȱ Chancenȱ habenȱ sichȱ einenȱ gutenȱ Arbeitsplatzȱ zuȱ sichernȱ undȱ stattdessenȱ tendenziellȱ zunehmendȱ Arbeitstätigkeitenȱ nachgeȬ henȱ müssen,ȱ dieȱ sogarȱ mitȱ einerȱ größerenȱ Gefährdungȱ fürȱ dieȱ GeȬ sundheitȱ verbundenȱ sind.ȱ Evtl.ȱ fürȱ dieȱ vorliegendeȱ Analyseȱ sogarȱ nochȱ plausiblerȱ istȱ dieȱ soȱ genannteȱ „stressorȬcreation“ȬHypotheseȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱ 5ȱȱ WennȱallerdingsȱdieȱInvestitionsȬȱbzw.ȱdieȱGratifikationseinschätzungenȱ(SchülerȬ
Innen)ȱ nichtȱinȱFormȱeinesȱQuotientenȱ (Investitionenȱ/ȱGratifikationen),ȱsondernȱ durchȱEinsatzȱdesȱjeweiligenȱMittelwertsȱeingeführtȱwurdenȱ(Haupteffekte),ȱfandȱ sichȱ Evidenzȱ dafür,ȱ dassȱ dieȱ Erschöpfungȱ (t1)ȱ tendenziellȱ positivȱ signifikantȱ mitȱ derȱEinschätzungȱderȱInvestitionenȱinȱdieȱArbeitȱmitȱSchülerInnenȱ(t2),ȱbzw.ȱdassȱ dieȱ SchülerInnenaversionȱ (t1)ȱ negativȱ signifikantȱ mitȱ derȱ Einschätzungȱ dazuȱ imȱ Zusammenhangȱ stand,ȱ wieȱ starkȱ dieȱ Lehrkräfteȱ durchȱ dieȱArbeitȱ mitȱ SchülerInȬ nenȱprofitiertenȱ(t2).ȱ
123ȱ
4
Begrenzte Responsivität und Fehlbeanspruchungen bei Lehrkräften
(Spector,ȱ Zapf,ȱ Chenȱ &ȱ Frese,ȱ 2000).ȱ Mitȱ dieserȱ Hypotheseȱ istȱ dieȱ Annahmeȱ verbunden,ȱ dassȱ Personenȱ mitȱ Fehlbeanspruchungenȱ selbstȱ zurȱ Entwicklungȱ vonȱ Belastungenȱ beitragen,ȱ indemȱ sieȱ z.B.ȱ Konflikteȱprovozieren.ȱȱ Wennȱ esȱ sichȱ tatsächlichȱ bestätigenȱ sollte,ȱ dassȱ sichȱ beiȱ belastetenȱ Lehrkräftenȱ relativȱ schnellȱ Fehlbeanspruchungenȱ entwickelnȱ undȱ dieseȱFehlbeanspruchungenȱwiederumȱdazuȱführen,ȱdassȱBelastunȬ genȱ verstärktȱ auftreten,ȱ bestehtȱ dieȱ Gefahr,ȱ dassȱ mittelfristigȱ einȱ Teufelskreisȱentsteht,ȱbeiȱdemȱsichȱFehlbeanspruchungenȱundȱBelasȬ tungenȱ gegenseitigȱ verstärken.ȱ Damitȱ zusammenhängendȱ könntenȱ möglicherweiseȱauchȱdieȱteilweiseȱhohenȱFluktuationsratenȱ(fürȱdieȱ Schweizȱ vgl.ȱ z.B.ȱ Bundesamtȱ fürȱ Statistik,ȱ 2004)ȱ bzw.ȱ dieȱ geringeȱ VerweildauerȱvonȱLehrkräftenȱanȱeinerȱArbeitsstelleȱerklärtȱwerden.ȱ
4.7
Literatur
Adams,ȱ J.ȱ S.ȱ (1965).ȱ Inequityȱ inȱ socialȱ exchange.ȱ Inȱ L.ȱ Berkowitzȱ (Ed.),ȱAdvancesȱinȱExperimentalȱSocialȱPsychology,ȱVol.ȱ2ȱ(pp.ȱ267Ȭ299).ȱ NewȱYork:ȱAcademicȱPress.ȱ Alioth,ȱA.ȱ (1980).ȱ Entwicklungȱ undȱ Einführungȱ alternativerȱ ArbeitsforȬ men.ȱBern:ȱHuber.ȱ Aurin,ȱK.ȱ(1994).ȱGemeinsamȱSchuleȱmachen.ȱSchüler,ȱLehrer,ȱElternȱȬȱistȱ Konsensȱmöglich?ȱStuttgart:ȱKlettȬCotta.ȱ Baitsch,ȱ C.ȱ (1993).ȱ Wasȱ bewegtȱ Organisationen?ȱ Selbstorganisationȱ ausȱ psychologischerȱPerspektive.ȱFrankfurtȱa.M.:ȱCampus.ȱ Bakker,ȱ A.ȱ B.,ȱ Killmer,ȱ C.ȱ H.,ȱ Siegrist,ȱ J.ȱ &ȱ Schaufeli,ȱ W.ȱ B.ȱ (2000).ȱ EffortȬrewardȱ imbalanceȱ andȱ burnoutȱ amongȱ nurses.ȱ Journalȱ ofȱ AdȬ vancedȱNursing,ȱ31,ȱ884Ȭ891.ȱ Bakker,ȱA.ȱB.,ȱSchaufeli,ȱW.ȱB.,ȱDemerouti,ȱE.,ȱJanssen,ȱP.ȱP.ȱM.,ȱvanȱ derȱ Hulst,ȱ R.ȱ &ȱ Brouwer,ȱ J.ȱ (2000).ȱ Usingȱ equityȱ theoryȱ toȱ examineȱ theȱ differenceȱ betweenȱ burnoutȱ andȱ depression.ȱ Anxiety,ȱ Stress,ȱ &ȱ Coping,ȱ13,ȱ247Ȭ268.ȱ Bakker,ȱA.ȱB.,ȱSchaufeli,ȱW.ȱB.,ȱSixma,ȱH.ȱJ.,ȱBosveld,ȱW.ȱ&ȱvanȱDierȬ endonck,ȱ D.ȱ(2000).ȱ Patientȱ demands,ȱ lackȱ ofȱ reciprocity,ȱandȱ burnȬ
124ȱ
Literatur
4.7
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131ȱ
Einleitung
5.1
5.1
Einleitung
Imȱ Jahrȱ 2005ȱ wurdenȱ 30ȱ Prozentȱ allerȱ inȱ denȱ Ruhestandȱ versetzterȱ Lehrerinnenȱ undȱ Lehrerȱ aufgrundȱ einerȱ krankheitsbedingtenȱ Dienstunfähigkeitȱ frühpensioniertȱ (Statistischesȱ Bundesamt,ȱ 2006).ȱ Imȱ Vergleichȱ zuȱ denȱ Vorjahrenȱ istȱ hierȱ einȱ deutlicherȱ Rückgangȱ zuȱ verzeichnenȱȬȱimȱJahrȱ2000ȱlagȱdieȱQuoteȱnochȱbeiȱ64ȱProzentȱȬ,ȱderȱ sichȱwahrscheinlichȱaufȱdieȱneuȱeingeführtenȱVersorgungsabschlägeȱ beiȱ Frühpensionierungenȱ wegenȱ Dienstunfähigkeitȱ zurückführenȱ lässt.ȱ 56ȱ Prozentȱ derȱ krankheitsbedingtenȱ Frühpensionierungenȱ imȱ Jahrȱ 2002ȱ erfolgtenȱ aufgrundȱ vonȱ psychischenȱ undȱ psychosomatiȬ schenȱ Erkrankungenȱ (Bundesministeriumȱ desȱ Inneren,ȱ 2005;ȱ vgl.ȱ auchȱWeber,ȱWeltleȱ&ȱLederer,ȱ2003).ȱStudienȱzurȱLehrergesundheitȱ belegenȱ ebenfallsȱ dieȱ starkeȱ psychischeȱ Beanspruchungȱ durchȱ dieȱ Lehrertätigkeitȱ(z.B.ȱJehle,ȱ1997;ȱSchönwälder,ȱBernd,ȱStröverȱ&ȱTiesȬ ler,ȱ 2003).ȱ Schaarschmidtȱ (2004)ȱ konstatiert,ȱ dassȱ sichȱ fürȱ denȱ LehȬ rerberufȱ beiȱ denȱ psychischenȱ Beanspruchungenȱ imȱ Vergleichȱ mitȱ anderenȱ Berufenȱ dieȱ kritischstenȱ Beanspruchungsverhältnisseȱ finȬ den.ȱ Zusammenfassendȱ zeigenȱ dieȱ Befunde,ȱ dassȱ beiȱ vielenȱ LehrȬ kräftenȱdieȱBerufsausübungȱaufȱDauerȱzuȱerheblichenȱBeeinträchtiȬ gungenȱ derȱ Gesundheitȱ undȱ Leistungȱ führt.ȱ Dieseȱ Befundeȱ sindȱ inȱ vielerleiȱ Hinsichtȱ alarmierend.ȱ Dieȱ betroffenenȱ Lehrkräfteȱ büßenȱ LebensqualitätȱeinȱundȱsindȱoftȱnichtȱmehrȱinȱderȱLage,ȱihrenȱberufȬ lichenȱAnforderungenȱgerechtȱzuȱwerden.ȱDiesȱhatȱnegativeȱFolgenȱ fürȱdieȱSchülerinnenȱundȱSchülerȱundȱletztlichȱfürȱdieȱgesamteȱGeȬ sellschaft:ȱ Eineȱ Wissensgesellschaft,ȱ derenȱ wesentlichesȱ Gutȱ dieȱ Innovationskraftȱ ihrerȱ Bürgerinnenȱ undȱ Bürgerȱ ist,ȱ benötigtȱ leisȬ tungsfähigeȱ Schulen,ȱ dieȱ wiederumȱ ohneȱ gesunde,ȱ leistungsstarkeȱ undȱgutȱausgebildeteȱLehrkräfteȱnichtȱdenkbarȱsind.ȱȱ WieȱGesundheit,ȱLeistungsfähigkeitȱundȱFachlichkeitȱfürȱLehrkräfteȱ gesichertȱundȱentwickeltȱwerdenȱkönnen,ȱdazuȱwurdenȱinȱdenȱletzȬ tenȱ 15ȱ Jahrenȱ nationalȱ undȱ internationalȱ verschiedeneȱAnsätzeȱ entȬ wickeltȱundȱzumȱTeilȱumgesetzt.ȱNachfolgendȱwirdȱaufgezeigt,ȱwieȱ ausȱ derȱ Perspektiveȱ derȱ schulischenȱ Gesundheitsförderungȱ hierzuȱ einȱwirkungsvollerȱBeitragȱaussehenȱkann.ȱAusgehendȱvonȱdemȱsichȱ Anfangȱ derȱ 90erȱ Jahreȱ entwickelndenȱ Ansatzȱ derȱ GesundheitsförȬ derndenȱ Schuleȱ wirdȱ dasȱ Konzeptȱ derȱ „gutenȱ gesundenȱ Schule“ȱ vorgestellt.ȱ Mitȱ demȱ „PersonȬinȬSituationenȬAnsatz“ȱ (PiSA)ȱ wirdȱ zudemȱ einȱ Instrumentȱ eingeführt,ȱ dasȱ sowohlȱ zurȱ Diagnostikȱ alsȱ
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5
Gute gesunde Schule – Lehrergesundheit als zentrale Ressource
auchȱ zurȱ Anbahnungȱ vonȱ Veränderungsprozessenȱ inȱ Schulenȱ geȬ nutztȱwerdenȱkann.ȱDasȱInstrumentȱPiSAȱermöglichtȱausgehendȱvonȱ prototypischenȱ Anforderungssituationenȱ desȱ Lehrersȱ dieȱ VerknüpȬ fungȱ einerȱ IndividualȬȱ undȱ Systemdiagnose,ȱ dieȱ Möglichkeitenȱ derȱ VerhaltensȬȱ undȱ Verhältnismodifikationȱ imȱ Hinblickȱ aufȱ dieȱ EntȬ wicklungȱeinerȱguten,ȱgesundenȱSchuleȱaufzeigt.ȱ
5.2
Gesundheitsfördernde Schule
Aufȱderȱ1.ȱInternationalenȱKonferenzȱderȱWeltgesundheitsorganisaȬ tionȱ (WHO)ȱ zurȱ Gesundheitsförderung,ȱ dieȱ 1986ȱ inȱ Ottawaȱ (KanaȬ da)ȱ stattfand,ȱ istȱ dieȱ sog.ȱ „OttawaȬCharta“ȱ verabschiedetȱ worden,ȱ dieȱeineȱbisȱheuteȱRichtungȱweisendeȱKonzeptionȱderȱGesundheitsȬ förderungȱenthältȱ(WHO,ȱ1992).ȱHierzuȱhatȱesȱetwaȱabȱ1990ȱauchȱimȱ Bildungsbereichȱ inȱ derȱ Bundesrepublikȱ Deutschlandȱ nebenȱ vielenȱ anderenȱ Aktivitätenȱ undȱ Initiativenȱ insbesondereȱ dreiȱ vonȱ derȱ BundȬLänderȬKommissionȱfürȱBildungsforschungȱundȱBildungsförȬ derungȱ(BLK)ȱunterstützteȱSchulmodellversucheȱderȱKultusministeȬ rienȱ undȱ oberstenȱ Senatsbehördenȱ gegeben.ȱ Beiȱ demȱ letztenȱ warenȱ gegenȱEndeȱca.ȱ500ȱSchulenȱbeteiligt:ȱ
„Gesundheitsförderungȱ imȱ schulischenȱ Alltag“ȱ (1990Ȭ1993,ȱ beȬ grenztȱaufȱSchleswigȬHolstein;ȱBarkholzȱ&ȱHomfeldt,ȱ1993)ȱ
„NetzwerkȱGesundheitsförderndeȱSchulen“ȱ(1993Ȭ1997;ȱBarkholzȱ &ȱPaulus,ȱ1998)ȱ
„OPUSȱ –ȱ Offenesȱ Partizipationsnetzȱ undȱ Schulgesundheit.ȱ GeȬ sundheitsförderungȱ durchȱ vernetztesȱ Lernen“ȱ (1997Ȭ2000;ȱ BarkȬ holz,ȱGabriel,ȱJahnȱ&ȱPaulus,ȱ2001)ȱ Deutschlandȱhatȱseitȱ1993ȱmitȱdenȱbeidenȱletztgenanntenȱModellverȬ suchenȱalsȱMitgliedȱimȱ43ȱLändernetzwerkeȱumfassendenȱ„EuropeȬ anȱNetworkȱofȱHealthȱPromotingȱSchools“ȱ(ENHPS)ȱanȱderȱVerwirkȬ lichungȱ derȱ zuȱ dieserȱ Zeitȱ innovativenȱ Ideeȱ einerȱ GesundheitsförȬ derndenȱSchuleȱmitgearbeitet.ȱȱ Dieserȱ auchȱ heuteȱ nochȱ weitȱ verbreiteteȱ undȱ propagierteȱ Ansatzȱ weistȱ aberȱ immerȱ deutlicherȱ sichtbareȱ Schwächenȱ auf,ȱ dieȱ Anlassȱ gebenȱmüssen,ȱnichtȱmehrȱnurȱdarüberȱnachzudenken,ȱwieȱderȱAnȬ
136ȱ
Gesundheitsfördernde Schule
5.2
satzȱ verbessertȱ werdenȱ kann,ȱ sondernȱ auchȱ vorȱ allemȱ darüber,ȱ obȱ sichȱnichtȱneueȱPerspektivenȱanbieten,ȱdieȱlangfristigȱeinenȱgrößerenȱ Erfolgȱ schulischerȱ Gesundheitsförderungȱ imȱ SettingȬAnsatzȱ verȬ sprechen,ȱohneȱallerdingsȱdieȱErrungenschaftenȱderȱbisherigenȱEntȬ wicklungenȱaufgebenȱzuȱmüssen.ȱȱ DieȱSchwächenȱlassenȱsichȱinȱzweiȱPunktenȱzusammenfassen:ȱ GeringeȱVerbreitungȱderȱGesundheitsförderndenȱSchulen:ȱZwarȱhabenȱbisȱ aufȱ Bayernȱ alleȱ Bundesländerȱ anȱ denȱ letztenȱ beidenȱ BLKȬ Modellversuchenȱ teilgenommen,ȱ mitȱ Ausnahmeȱ derȱ Schulenȱ desȱ OPUSȬNetzwerksȱ inȱ NordrheinȬWestfalenȱ habenȱ aberȱ erstȱ wenigeȱ dasȱ SettingȬKonzeptȱ systematischȱ aufgegriffen.ȱ Auchȱ wennȱ manȱ davonȱausgeht,ȱdassȱdieȱUmsetzungȱdesȱKonzeptesȱinȱseinerȱGanzȬ heitȱeinenȱsehrȱhohenȱAnspruchȱbeinhaltetȱundȱvieleȱSchulenȱdamitȱ überfordertȱsind,ȱistȱesȱdennochȱbemerkenswert,ȱdassȱvieleȱSchulenȱ diesesȱKonzeptȱauchȱnochȱnichtȱansatzweiseȱaufgegriffenȱhabenȱundȱ esȱ zuȱ einerȱ „Dimension“ȱ ihresȱ Selbstverständnissesȱ vonȱ Schuleȱ geȬ machtȱhaben.ȱFestzuhaltenȱbleibtȱdeshalb,ȱdassȱdasȱKonzeptȱbislangȱ nichtȱ dieȱ gewünschteȱ Wirkungȱ erzielenȱ konnte.ȱ Esȱ istȱ bisherȱ nichtȱ gelungen,ȱ wasȱ programmatischȱ inȱ derȱ Resolutionȱ vonȱ Thessalonikiȱ (1997),ȱ dieȱ aufȱ derȱ erstenȱ Konferenzȱ desȱ „Europeanȱ Networkȱ ofȱ Healthȱ Promotingȱ Schools“ȱ verabschiedetȱ wurde,ȱ gefordertȱ wird:ȱ Jedesȱ Kindȱ inȱ Europaȱ sollȱ einȱAnrechtȱ daraufȱ haben,ȱ eineȱ GesundȬ heitsförderndeȱ Schuleȱ zuȱ besuchenȱ (WHO,ȱ 1997b;ȱ Paulus,ȱ 2000).ȱ Angesichtsȱ derȱ Gesundheitsproblematik,ȱ dieȱ anȱ Schulenȱ herrscht,ȱ aufȱdieȱhierȱaberȱnurȱverwiesenȱwerdenȱkannȱ(s.ȱz.B.ȱBundeszentraleȱ fürȱ gesundheitlicheȱ Aufklärung,ȱ 1998;ȱ Etschenberg,ȱ 2001;ȱ EuropäiȬ scheȱ Kommission,ȱ 2000;ȱ Hurrelmann,ȱ Klocke,ȱ Melzerȱ &ȱ RavensȬ Sieberer,ȱ2003),ȱistȱderȱerreichteȱEntwicklungsstandȱunbefriedigend.ȱ ҏBedeutungslosigkeitȱinȱderȱaktuellenȱDiskussionȱumȱdieȱ“Neuvermessungȱ desȱ pädagogischenȱ Sinns“ȱ derȱ Schuleȱ (Flitner,ȱ 1996):ȱ Esȱ istȱ auchȱ zurȱ Kenntnisȱ zuȱ nehmen,ȱ dassȱ dieȱaktuelleȱ schulpädagogischeȱundȱ bilȬ dungspolitischeȱDiskussionȱumȱdieȱErneuerungȱderȱSchuleȱ(z.B.ȱvonȱ Hentig,ȱ1993;ȱVoß,ȱ1996)ȱȬȱdieȱFragenȱnachȱderȱVerwirklichungȱeinerȱ leistungsfähigeren,ȱ moderneren,ȱ innovativerenȱ oderȱ gutenȱ Schuleȱ aufwirftȱundȱhierzuȱkonkreteȱKonzeptionenȱentwickeltȱundȱmodellȬ haftȱ umsetztȱ Ȭȱ weitestgehendȱ ohneȱ Rückgriffȱ aufȱ Erkenntnisseȱ derȱ schulischenȱ Gesundheitsförderungȱ geführtȱ wirdȱ (z.B.ȱ Eikenbusch,ȱ
137ȱ
5
Gute gesunde Schule – Lehrergesundheit als zentrale Ressource
1998;ȱ Rolff,ȱ Buhren,ȱ LindauȬBankȱ &ȱ Müller,ȱ 1999;ȱ Schratz,ȱ Ibyȱ &ȱ Radnitzky,ȱ2000).ȱȱ Dieseȱ bedauerlicheȱ Entwicklung,ȱ dieȱ hierȱ inȱ zweiȱ Punktenȱ knappȱ beschriebenȱ ist,ȱ istȱ nichtȱ aufȱ oberflächlicheȱ Phänomeneȱ zurückzuȬ führen,ȱ wieȱ z.B.ȱ mangelndesȱ Marketingȱ oderȱ ungenügendȱ ausgeȬ bauteȱUnterstützungsstrukturen.ȱDieȱGründeȱliegenȱtiefer.ȱSieȱhabenȱ hauptsächlichȱ damitȱ zuȱ tun,ȱ dassȱ derȱ Ansatzȱ derȱ GesundheitsförȬ derndenȱ Schuleȱ originärȱ keinȱAnsatzȱ ist,ȱ derȱ ausȱ derȱ Schuleȱ selbst,ȱ d.h.ȱ ausȱ ihrenȱ Entwicklungsnotwendigkeitenȱ heraus,ȱ entwickeltȱ wordenȱ ist,ȱ sondernȱ vonȱ außen,ȱ vonȱ außerschulischenȱ bzw.ȱ –pädaȬ gogischenȱ Interessenȱ geleitet,ȱ anȱ dieȱ Schuleȱ herangetragenȱ wordenȱ istȱundȱwird.ȱWesentlicherȱMotorȱsindȱgesundheitspolitischeȱAnlieȬ gen,ȱdenenȱesȱimȱKernȱumȱeineȱbessereȱgesundheitlicheȱVersorgungȱ derȱBevölkerungȱgeht.ȱSoȱsindȱdennȱauchȱdieȱtreibendenȱundȱunterȬ stützendenȱ Kräfteȱ aufȱ europäischerȱ Ebeneȱ dieȱ WeltgesundheitsorȬ ganisationȱ (WHO),ȱ dieȱ dasȱ Technischeȱ Sekretariatȱ desȱ „Europeanȱ Networkȱ ofȱ Healthȱ Promotingȱ Schools“ȱ inȱ Kopenhagenȱ beiȱ derȱ WHOȬEUROȱ unterhältȱ (WHO,ȱ 1997a),ȱ undȱ dieȱ Europäischeȱ KomȬ mission,ȱ dieȱ überȱ dieȱAktionsprogrammeȱ derȱ Gemeinschaftȱ imȱ BeȬ reichȱderȱöffentlichenȱGesundheitȱdasȱinternationaleȱNetzwerkȱundȱ Projekteȱ fördert.ȱ ZentraleȱZieleȱsindȱ hierȱ Gesundheitsziele,ȱ dieȱ sichȱ anȱ epidemiologischenȱ Erkenntnissenȱ überȱ denȱ Gesundheitsstatusȱ vonȱKindernȱundȱJugendlichenȱorientierenȱbzw.ȱanȱdenȱErgebnissenȱ undȱ Herausforderungenȱ derȱ PräventionsȬȱ undȱ GesundheitsfördeȬ rungsforschungȱ(z.B.ȱInternationalȱUnionȱforȱHealthȱPromotionȱandȱ Education,ȱ 1999).ȱ Schuleȱ wirdȱ inȱ dieserȱ Perspektiveȱ nachȱ wieȱ vorȱ eherȱalsȱeineȱInstitutionȱgesehen,ȱinȱderȱdieȱwichtigeȱZielgruppeȱderȱ nachwachsendenȱ Generationȱ schichtȬȱ undȱ milieuübergreifendȱ erȬ reichtȱwerdenȱkann.ȱSozialeȱRandgruppen,ȱdieȱinȱderȱRegelȱauchȱmitȱ höherenȱ gesundheitlichenȱ Risikenȱ belastetȱ sind,ȱ könnenȱ aufȱ dieseȱ WeiseȱohneȱkontraproduktiveȱStigmatisierungȱerreichtȱwerdenȱ(PauȬ lus,ȱ 2002;ȱ s.ȱ hierzuȱ auchȱ denȱ Leitfadenȱ Präventionȱ derȱ SpitzenverȬ bändeȱderȱGesetzlichenȱKrankenkassenȱvomȱ10.ȱFebruarȱ2006).ȱEineȱ solcheȱ Sichtweiseȱ verkürztȱ aberȱ dasȱ Selbstverständnisȱ undȱ denȱ ErȬ ziehungsȬȱ undȱ Bildungsauftragȱ vonȱ Schule.ȱ Nichtȱ immerȱ wirdȱ klarȱ gesehen,ȱ dassȱ Schuleȱ eineȱ Institutionȱ desȱ BildungsȬȱ undȱ nichtȱ desȱ Gesundheitswesensȱ ist,ȱ wasȱ bedeutet,ȱ dassȱ dieȱ Gesundheitszieleȱ immerȱ reflektiertȱ werdenȱ müssenȱ vorȱ demȱ Hintergrundȱ desȱ ErzieȬ hungsȬȱundȱBildungsauftragsȱderȱSchule.ȱ
138ȱ
Gute gesunde Schule – mit Gesundheit Schule machen
5.3
HierȱdrängtȱsichȱderȱGedankeȱauf,ȱdassȱdieȱinȱdenȱletztenȱ16ȱJahrenȱ entwickelteȱ Konzeptionȱ derȱ Gesundheitsförderndenȱ Schuleȱ nichtȱ Schrittȱ gehaltenȱ hatȱ mitȱ denȱ Herausforderungen,ȱ vorȱ denenȱ Schuleȱ heuteȱ steht.ȱ Sieȱ warȱ zuȱ sehrȱ mitȱ derȱ Entwicklungȱ ihresȱ SelbstverȬ ständnissesȱbeschäftigt,ȱhatȱsichȱzuȱsehrȱalleinȱaufȱdieȱgesundheitliȬ chenȱ Problemlagenȱ derȱ Schülerinnenȱ undȱ Schüler,ȱ derȱ Lehrkräfteȱ undȱ derȱ Schuleȱ alsȱ Organisationȱ konzentriert.ȱ Dabeiȱ hatȱ sieȱ fastȱ üȬ bersehen,ȱdassȱihrȱ„Setting“,ȱdieȱSchule,ȱinȱeineȱtiefeȱLegitimationsȬ kriseȱgeratenȱist,ȱdieȱsieȱdazuȱzwingt,ȱihrenȱpädagogischenȱSinnȱneuȱ anȱ BildungsȬȱ undȱ Erziehungszielenȱ auszurichten,ȱ fürȱ derenȱ VerȬ wirklichungȱ dieȱ pädagogischeȱ Schulentwicklungȱ mitȱ neuenȱ StrukȬ turenȱundȱProzessenȱdenȱRahmenȱbildet.ȱDiesȱistȱeineȱandereȱSituaȬ tionȱalsȱEndeȱderȱ1980er/ȱAnfangȱderȱ1990erȱJahre,ȱalsȱdieȱGesundȬ heitsförderungȱ mitȱ ihrenȱ Konzeptenȱ desȱ Settings,ȱ derȱ Salutogeneseȱ undȱ derȱ „LifeȬSkills“ȱ dieȱ traditionelleȱ defizitorientierteȱ GesundȬ heitserziehungȱ überwindenȱ undȱ fürȱ dasȱ Themaȱ Gesundheitȱ imȱ schulischenȱKontextȱeineȱneueȱundȱfruchtbareȱPerspektiveȱeröffnenȱ konnte:ȱ „Schuleȱ imȱ Diensteȱ derȱ Förderungȱ derȱ Gesundheit“,ȱ dasȱ warȱeinȱwichtigerȱundȱverdienstvollerȱImpuls.ȱ
5.3
Gute gesunde Schule – mit Gesundheit Schule machen
Dieȱ guteȱ gesundeȱ Schuleȱ nimmtȱ hierȱ ihrenȱ Ausgangspunktȱ undȱ kehrtȱdieȱPerspektiveȱumȱ(s.ȱAbbildungȱ1).ȱSieȱgehtȱvonȱdenȱQualiȬ tätsdimensionenȱ schulischerȱ BildungsȬȱ undȱ Erziehungsarbeitȱ ausȱ undȱfragtȱnachȱdenȱBeiträgen,ȱdieȱschulischeȱGesundheitsförderungȱ zurȱ Schulqualitätȱ undȱ damitȱ z.B.ȱ auchȱ zurȱ gesundheitsgerechtenȱ Gestaltungȱ desȱArbeitsplatzesȱ Schuleȱ leistenȱ kann:ȱ „Gesundheitȱ imȱ DienstȱderȱSchulqualitätsentwicklung“,ȱdasȱistȱjetztȱdieȱPerspektive.ȱ „MitȱGesundheitȱguteȱSchuleȱmachen“ȱdasȱMotto.ȱȱ Dieȱ traditionelleȱ schulischeȱ Gesundheitsförderung,ȱ dieȱ sichȱ inȱ derȱ Folgeȱ derȱ Diskussionȱ zuȱ denȱ Ergebnissenȱ derȱ (interȬ)nationalenȱ Schulvergleichsuntersuchungenȱ(PISAȱu.a.)ȱjetztȱauchȱaufȱdieseȱQuaȬ litätsdimensionenȱundȱȬmerkmaleȱausrichtet,ȱgreiftȱhierbeiȱzuȱkurz.ȱ Umȱ einenȱ substantiellenȱ Beitragȱ zurȱ Schulentwicklungȱ leistenȱ undȱ sichȱ damitȱ inȱ derȱ Schuleȱ legitimierenȱ zuȱ können,ȱ mussȱ dieȱ schuliȬ
139ȱ
5
Gute gesunde Schule – Lehrergesundheit als zentrale Ressource
scheȱ Gesundheitsförderungȱ ihreȱ Beiträgeȱ vielmehrȱ konsequentȱ vonȱ denȱBildungsȬȱundȱErziehungsaufträgenȱderȱSchuleȱherȱbegründen.ȱ Esȱ gehtȱ umȱeinenȱ neuenȱ Standpunkt:ȱNichtȱ mehrȱ dieȱ GesundheitsȬ förderndeȱSchuleȱistȱimȱBlick,ȱsondernȱdieȱguteȱgesundeȱSchule.1ȱ
Abbildungȱ1ȱ
DieȱguteȱgesundeȱSchuleȱ(nachȱBrägger,ȱPaulusȱ&ȱPosse,ȱ2005)ȱ „Eine gute gesunde Schule verständigt sich über ihren Bildungs- und Erziehungsauftrag, setzt ihn erfolgreich um und leistet damit einen Beitrag zur Bildung für nachhaltige Entwicklung. Sie weist gute Qualitäten in folgenden Bereichen aus und sorgt für deren stetige und nachhaltige Verbesserung durch Schulentwicklung: 1. Pädagogische Wirkungen und Bildungs- und Erziehungserfolg: Sie fördert bei den Schülerinnen und Schülern Kompetenzen und Haltungen, die ihre Bereitschaft zum lebenslangen Lernen stärken und sie befähigen, in einer sich verändernden Gesellschaft ein erfolgreiches und gesundes Leben zu führen. 2. Qualitätsentwicklung von Schule und Unterricht: Sie wendet bei der Gestaltung der Strukturen und Prozesse von Schule und Unterricht konsequent Erkenntnisse der Gesundheits- und Bildungswissenschaften an und leistet damit gezielt einen integralen Beitrag zur Qualität der Schul- und Unterrichtsprozesse, zur Förderung der Lern- und Leistungsfähigkeit der Lehrpersonen und Schülerinnen und Schüler, zur Zufriedenheit und zum Wohlbefinden der Beteiligten. 3. Gesundheitsbildung und –erziehung: Sie fördert das Gesundheits- und Sicherheitsbewusstsein und die Gesundheitskompetenzen von Schülerinnen und Schülern: Gesundheitsfördernde Unterrichtsprinzipien Integration gesundheits- und sicherheitsbezogener Inhalte in den Unterricht und in das Schulleben Kurse und Programme der pädagogischen Prävention und Gesundheitsförderung.“
ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱ 1ȱȱ InȱdemȱProgrammȱ„Anschub.de“ȱ(„AllianzȱfürȱnachhaltigeȱSchulgesundheitȱundȱ
140ȱ
Bildung“),ȱinitiiertȱdurchȱdieȱBertelsmannȬStiftung,ȱwirdȱdiesesȱKonzeptȱinȱeinemȱ ModellvorhabenȱinȱmehrerenȱBundesländernȱinȱkommunalenȱSchullandschaftenȱ umgesetztȱ undȱ weiterentwickeltȱ (www.anschub.de;ȱ Paulus,ȱ Gröschellȱ &ȱ BockȬ horst,ȱ2002).ȱ
Gute gesunde Schule – mit Gesundheit Schule machen
5.3
ȱ Dieȱ guteȱ gesundeȱ Schuleȱ istȱ eineȱ Schule,ȱ dieȱ sichȱ inȱ ihrerȱ EntwickȬ lungȱalsoȱklarȱdenȱQualitätsdimensionenȱderȱgutenȱSchuleȱverpflichȬ tetȱhatȱundȱdieȱbeiȱderȱVerwirklichungȱihresȱsichȱdarausȱergebendenȱ BildungsȬȱ undȱ Erziehungsauftragesȱ gezieltȱ GesundheitsinterventioȬ nenȱ einsetzt.ȱ Zielȱ istȱ dieȱ nachhaltigȱ wirksameȱ Steigerungȱ derȱ BilȬ dungsȬȱundȱErziehungsqualitätȱderȱSchuleȱ(vgl.ȱauchȱPaulus,ȱ2003).ȱȱ
QualitätsdimensionenȱundȱKriterienȱderȱgutenȱSchuleȱimȱSEISȬKonzeptȱȱ Bildungs- & Erziehungsauftrag
Lernen & Lehren
Führung & Management
Schulklima & Schulkultur
Zufriedenheit
Fach- und Sachkompetenz
Lern- und Lehrstrategien
Leitbild und Entwicklungsvorstellungen
Schulklima
Erfüllung der Bedürfnisse der Schüler (Schülerwahrnehmung)
Sozialkompetenz
Ausgewogener Unterricht
Entscheidungsfindung
Beziehungen innerhalb der Schule
Erfüllung der Bedürfnisse der Schüler (Elternwahrnehmung)
Lern- und Methodenkompetenz
Bewertungen von Kommunikation Schülerleistungen
Beziehungen der Schule nach auȕen
Zufriedenheit der Lehrer
Selbstkompetenz und Fähigkeit zum kreativen Denken
Operatives Management
Förderung positiven Verhaltens
Praktische Kompetenz
Motivation und Unterstützung
Unterstützungssysteme für Schüler
Erfüllung der Anforderungen aufnehmender Schulen
Planung, Implementation und Evaluation
Erfüllung der Anforderungen der Berufswelt
Personalentwicklung
Tabelleȱ1ȱ
ȱ FasstȱmanȱdieȱinzwischenȱumfangreichenȱErgebnisseȱderȱinternatioȬ nalenȱ Forschungȱ zurȱ Frageȱ derȱ BildungsȬȱ undȱ Erziehungsqualitätȱ vonȱ Schulenȱ zusammen,ȱ ergebenȱ sichȱ teilweiseȱ überlappende,ȱ aberȱ
141ȱ
5
Gute gesunde Schule – Lehrergesundheit als zentrale Ressource
dennochȱ gutȱ voneinanderȱ abgrenzbareȱ Qualitätsdimensionenȱ einerȱ gutenȱ Schule,ȱ dieȱ durchȱ Kriterienȱ undȱ Indikatorenȱ näherȱ bestimmtȱ werdenȱkönnen.ȱȱ Tabelleȱ 1ȱ enthältȱ alsȱ Beispielȱ eineȱ Übersichtȱ derȱ QualitätsdimensioȬ nenȱundȱKriterien,ȱdieȱdemȱweitȱverbreitetenȱundȱetabliertenȱ„SEISȬȱ Konzept“ȱ derȱ BertelsmannȬStiftungȱ zuȱ Grundeȱ liegenȱ („SelbstȬ EvaluationȱinȱSchulen“).ȱ Fürȱ eineȱ ersteȱ Orientierungȱ überȱ dieseȱ Systematikȱ werdenȱ dieȱ einȬ zelnenȱ Dimensionenȱ nachfolgendȱ kurzȱ charakterisiertȱ (Stern,ȱ Mahlmann,ȱ Vaccaroȱ &ȱ Wilbert,ȱ 2002):ȱ (1)ȱ BildungsȬȱ undȱ ErziehungsȬ auftrag:ȱHierȱgehtȱesȱumȱdieȱErgebnisseȱderȱLehrȬȱundȱLernȬProzesseȱ undȱ somitȱ umȱ dieȱ wichtigsteȱ Dimensionȱ fürȱ dieȱ Evaluationȱ schuliȬ scherȱArbeit.ȱ Grundsätzlichȱ wirdȱ daraufȱ geachtet,ȱ dassȱ dieȱ LernerȬ gebnisseȱ undȱ pädagogischeȱ Wirkungenȱ derȱ Schuleȱ imȱ Mittelpunktȱ allerȱ Qualitätsbemühungenȱ stehen.ȱ Dabeiȱ istȱ wichtig,ȱ dassȱ esȱ nichtȱ alleinȱ umȱ fachlicheȱ Lernergebnisseȱ geht,ȱ sondernȱ auchȱ umȱ andereȱ Kompetenzen.ȱ(2)ȱLernenȱundȱLehren:ȱDasȱLernenȱundȱLehrenȱistȱdasȱ zentraleȱ Tätigkeitsfeldȱ derȱ Schulen.ȱ Dieȱ istȱ ihrȱ Kerngeschäftȱ undȱ hierȱ liegtȱ ihreȱ Kompetenz.ȱ Dennȱ Erziehungȱ undȱ Bildungȱ sindȱ dieȱ HauptzieleȱderȱSchule,ȱdieȱmaßgeblichȱimȱundȱdurchȱdenȱUnterrichtȱ erreichtȱwerdenȱsollen.ȱ(3)ȱFührungȱundȱManagement:ȱProfessionellesȱ Führungsverhaltenȱ sorgtȱ fürȱ eineȱ kooperativeȱ Wahrnehmungȱ derȱ GesamtverantwortungȱundȱdamitȱfürȱdieȱGesamtzufriedenheitȱallerȱ anȱSchuleȱBeteiligten.ȱDurchȱplanvolleȱAufgabendelegationȱwerdenȱ dieȱ Selbstwirksamkeitȱ derȱ Mitarbeiterȱ undȱ ihreȱ Identifikationȱ mitȱ derȱ Schuleȱ gestärkt.ȱ (4)ȱ Schulklimaȱ undȱ Schulkultur:ȱ Dasȱ Klimaȱ oderȱ dieȱ Kulturȱ einerȱ Schuleȱ istȱ eineȱ derȱ wichtigstenȱ RahmenbedingunȬ genȱfürȱdasȱKerngeschäftȱdesȱLernens.ȱEinȱangenehmesȱSchulklimaȱ bietetȱ emotionaleȱ undȱ physischeȱ Sicherheit,ȱ dieȱ Schülerinnenȱ undȱ Schülerȱbrauchen,ȱdennȱdieȱSchuleȱistȱnichtȱnurȱeinȱLernort,ȱsondernȱ einȱ Lebensraumȱ fürȱ Schülerinnenȱ undȱ Schüler.ȱ (5)ȱ Zufriedenheit:ȱ Nebenȱ derȱ Dimensionȱ „BildungsȬȱ undȱ Erziehungsauftrag“ȱ beziehtȱ sichȱdieseȱDimensionȱauchȱaufȱErgebnisseȱderȱinȱderȱSchuleȱstattfinȬ dendenȱProzesse.ȱSieȱbildetȱeineȱAmpelfunktion,ȱdaȱsieȱStörungenȱinȱ anderenȱ Feldernȱ aufzeigt.ȱ Zufriedenheitȱ liegtȱ deshalbȱ auchȱ „quer“ȱ zuȱ denȱ anderenȱ Qualitätsdimensionenȱ undȱ istȱ immerȱ inȱ Bezugȱ aufȱ sieȱzuȱreflektieren.ȱ
142ȱ
Gute gesunde Schule entwickeln
5.4
5.4
Gute gesunde Schule entwickeln
Zweiȱ strategischeȱAnsatzpunkte,ȱ umȱ guteȱ gesundeȱ Schulenȱ zuȱ entȬ wickeln,ȱ bietenȱ sichȱ an,ȱ dieȱ mitȱ „Qualifizierungȱ vonȱ Gesundheitȱ durchȱ Bildung“ȱ undȱ mitȱ „Qualifizierungȱ vonȱ Bildungȱ durchȱ GeȬ sundheit“ȱ umschriebenȱ werdenȱ können.ȱ Sieȱ seienȱ hierȱ kurzȱ erläuȬ tert.ȱMitȱ„QualifizierungȱvonȱGesundheitȱdurchȱBildung“ȱistȱumfasȬ sendȱdieȱschulischeȱGesundheitserziehungȱundȱ–bildungȱangesproȬ chen,ȱ wieȱ sieȱ inȱ Deutschlandȱ grundlegendȱ inȱ demȱ immerȱ nochȱ gültigenȱ „Berichtȱ derȱ Kultusministerkonferenzȱ zurȱ Situationȱ derȱ Gesundheitserziehungȱ inȱ Schulenȱ inȱ Deutschland“ȱ vomȱ Novemberȱ 1992ȱ festgeschriebenȱ wordenȱ ist.ȱ Dortȱ werdenȱ nebenȱ methodischȬ didaktischenȱ Fragenȱ undȱ Fragenȱ einerȱ ganzheitlichenȱ Konzeptionȱ vorȱallemȱauchȱinhaltlicheȱThemenȱbenannt,ȱdieȱSchuleȱaufzugreifenȱ hat.ȱEsȱsind:ȱErnährungserziehung,ȱHygiene/ȱZahngesundheitspfleȬ ge,ȱ Sexualerziehungȱ undȱ AIDSȬPrävention,ȱ Suchtprävention,ȱ Ersteȱ HilfeȱsowieȱSportȱundȱBewegungserziehung.ȱInȱderȱPerspektiveȱderȱ gutenȱgesundenȱSchuleȱistȱzuȱfragen,ȱwieȱdieseȱThemenȱaufbereitetȱ seinȱ müssen,ȱ damitȱ dieȱ Qualitätȱ erreichtȱ werdenȱ kann,ȱ dieȱ dasȱ Spektrumȱ derȱ Qualitätsdimensionenȱ derȱ gutenȱ Schuleȱ aufspannt:ȱ Gibtȱ esȱ hierzuȱ schonȱ hinreichendȱ gutesȱ Materialȱ fürȱ dieȱ Schulen?ȱ FürȱwelcheȱBereiche,ȱfürȱwelcheȱSchulformenȱundȱ–stufenȱbestehenȱ nochȱEntwicklungsbedarfe?ȱȱ Mitȱ„QualifizierungȱvonȱBildungȱdurchȱGesundheit“ȱwirdȱderȱWegȱ zurȱEntwicklungȱeinerȱguten,ȱgesundenȱSchuleȱbezeichnet,ȱbeiȱdemȱ eineȱ Verbesserungȱ derȱ Bildungsarbeitȱ derȱ Schuleȱ durchȱ GesundȬ heitsinterventionenȱ erreichtȱ werdenȱ soll.ȱ Damitȱ istȱ auchȱ dieȱ unterȬ richtlicheȱ Ebeneȱ angesprochen,ȱ nurȱ beziehtȱ sieȱ sichȱ diesmalȱ nichtȱ nurȱaufȱdieȱGesundheitserziehung.ȱImȱWesentlichenȱgehtȱesȱhierȱumȱ dieȱSchuleȱalsȱArbeitsȬȱundȱLernplatzȱbzw.ȱumȱdieȱSchuleȱalsȱBetrieb.ȱ DasȱZielȱistȱes,ȱpersonaleȱRessourcen,ȱdieȱunmittelbarȱfürȱdieȱLehrerȬ tätigkeitȱrelevantȱsind,ȱzuȱstärkenȱundȱArbeitsȬ,ȱLernȬȱundȱOrganisaȬ tionsbedingungenȱzuȱschaffen,ȱdieȱdieȱGesundheitȱundȱLeistungsfäȬ higkeitȱ allerȱ Beteiligtenȱ fördernȱ undȱ soȱ eineȱ Erreichungȱ desȱ BilȬ dungsȬȱundȱErziehungsauftragsȱderȱSchuleȱermöglichen.ȱȱ EineȱwichtigeȱRolleȱspielenȱinȱdiesemȱZusammenhangȱdieȱPräventiȬ onsaufträgeȱ derȱ Gesetzlichenȱ Krankenversicherungenȱ (§ȱ 20,ȱ SozialȬ gesetzbuchȱ V)ȱ undȱ derȱ Gemeindeunfallversicherungsverbändeȱ (§ȱ
143ȱ
5
Gute gesunde Schule – Lehrergesundheit als zentrale Ressource
14,ȱ Sozialgesetzbuchȱ VII).ȱ Vonȱ großerȱ Bedeutungȱ istȱ auchȱ dasȱ ArȬ beitsschutzgesetz,ȱ dasȱ betriebsmedizinischeȱ Diensteȱ auchȱ fürȱ BilȬ dungsinstitutionenȱ wieȱ z.B.ȱ Schulenȱ vorsieht.ȱ Dieseȱ gesetzlichenȱ Aufträgeȱ zielenȱ aufȱ denȱ Erhaltȱ undȱ dieȱ Förderungȱ derȱ Gesundheitȱ derȱ anȱ Schuleȱ Beschäftigten,ȱ vorȱ allemȱ derȱ Lehrkräfte.ȱ Zielȱ istȱ es,ȱ allenȱ Lehrkräftenȱ undȱ Schulleitungenȱ Kompetenzenȱ fürȱ dieȱ Bewältigungȱ beruflicherȱ Anforderungenȱ undȱ GestaltungsȬ kompetenzenȱ fürȱ dieȱ Veränderungȱ beeinträchtigenderȱ ArbeitsȬ bedingungenȱzuȱvermitteln.ȱGesundheitȱistȱunterȱdieserȱPerspektiveȱ dieȱzentraleȱRessourceȱfürȱdenȱErfolgȱvonȱSchulen.ȱ
5.5
Die Gesundheit der Lehrkräfte als zentrale Ressource
Empirischeȱ Studienȱ zurȱ Lehrergesundheitȱ belegen,ȱ dassȱ Lehrkräfteȱ Unterrichtsstörungen,ȱ DisziplinȬȱ undȱ Motivationsdefiziteȱ beiȱ denȱ SchülerinnenȱundȱSchülern,ȱKorrekturtätigkeitenȱundȱNotengebungȱ alsȱ belastendȱ erleben.ȱ Nebenȱ diesenȱ unmittelbarȱ mitȱ derȱ KerntätigȬ keitȱ desȱ Unterrichtensȱ verbundenenȱ Arbeitsbedingungenȱ undȱ ArȬ beitsmerkmalenȱ werdenȱ oftȱ auchȱ dieȱ Kooperationȱ mitȱ Kolleginnenȱ undȱKollegenȱsowieȱderȱSchulleitung,ȱdieȱSchulorganisationȱundȱdasȱ Klimaȱ anȱ derȱ Schuleȱ alsȱ belastendȱ erlebtȱ (vanȱ Dick,ȱ 1999;ȱ Schaarschmidt,ȱ2004).ȱGleichzeitigȱkönnenȱaberȱdieseȱElementeȱauchȱ Ressourcenȱ darstellen:ȱ Erlebteȱ sozialeȱ Unterstützungȱ undȱ WertȬ schätzungȱ vonȱ Kolleginnenȱ undȱ Kollegenȱ undȱ Schulleitung,ȱ einȱ hoherȱZusammenhaltȱimȱKollegiumȱsowieȱeineȱeffizienteȱOrganisaȬ tionȱkönnenȱzuȱeinerȱMinderungȱvonȱBeanspruchungenȱführenȱundȱ zurȱFörderungȱvonȱWohlbefindenȱundȱGesundheitȱbeitragen.ȱAbbilȬ dungȱ 2ȱ zeigt,ȱ welcheȱ ArbeitsȬȱ undȱ Organisationsbedingungenȱ z.B.ȱ Berufsschullehrkräfteȱalsȱbelastendȱerleben.ȱ DieseȱErgebnisseȱzeigenȱdeutlich,ȱdassȱdasȱWohlbefindenȱvonȱLehrȬ kräftenȱ undȱ derenȱ psychischeȱ undȱ physischeȱ Beanspruchungȱ nichtȱ alleinȱvonȱdenȱspezifischenȱAnforderungenȱderȱUnterrichtstätigkeitȱ bestimmtȱ werden.ȱ Vielmehrȱ nimmtȱ auchȱ dieȱ Qualitätȱ desȱ sozialenȱ SystemsȱSchuleȱwesentlichenȱEinflussȱaufȱdasȱErlebenȱundȱVerhaltenȱ undȱsomitȱaufȱdieȱGesundheitȱderȱLehrkräfte.ȱ
144ȱ
Die Gesundheit der Lehrkräfte als zentrale Ressource
ErlebteȱBelastungenȱvonȱBerufsschullehrkräftenȱ(n=507,ȱ9ȱSchulen,ȱErgebȬ nisseȱ ausȱ demȱ Modellprojektȱ „Betrieblicheȱ Gesundheitsförderungȱ inȱ BeȬ rufsbildendenȱ Schulenȱ –ȱ Entwicklungȱ vonȱ Maßnahmenȱ undȱ Strategien“;ȱ Schumacher,ȱ2006)ȱ
Durchführen von Unterricht
5.5 Abbildungȱ2ȱ
43.2%
Planung und Ausführung von Unterricht
39.7%
Korrigieren von Schülerarbeiten
64.9%
Benoten
49.3%
Durchführen von Elternabenden, -beratung und -betreuung
25.4%
Beaufsichtigen von Schüler/innen
eher belastend - sehr belastend (Angaben in Prozent)
23.9%
Betreuung und Beratung von Schüler/innen
20.7%
Mitarbeit an Richtlinien, Umsetzung von Erlassen und Schulprogrammen
58.9%
Arbeiten für die Schulorganisation und das Schulmanagement
44.4%
Teilnahme an Konferenzen
44.0%
Mitarbeit an Innovationen in der Schule und ihrer Evaluation
44.3%
Mitarbeit in Ausschüssen
35.4%
Kooperation mit Kolleg/innen
14.2% 0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
ȱ
Gehtȱ esȱ umȱ dieȱ Förderungȱ derȱ Gesundheitȱ vonȱ Lehrkräften,ȱ sehenȱ sowohlȱdieȱBetroffenenȱalsȱauchȱAußenstehendeȱdarinȱoftȱeineȱAufȬ gabeȱderȱeinzelnenȱLehrkraft.ȱDurchȱeineȱÄnderungȱdesȱLebensstils,ȱ denȱErwerbȱvonȱKompetenzenȱzurȱbesserenȱBewältigungȱberuflicherȱ AnforderungenȱoderȱdieȱStärkungȱderȱphysischenȱKonstitutionȱsollȱ sichȱdieȱeinzelneȱPersonȱwappnen,ȱumȱdenȱAnforderungenȱdesȱLehȬ rerberufsȱgewachsenȱzuȱsein.ȱUnterȱdieserȱPerspektiveȱträgtȱdieȱeinȬ zelneȱ Lehrkraftȱ dieȱ alleinigeȱ Verantwortungȱ fürȱ dieȱ Erhaltungȱ derȱ eigenenȱGesundheitȱundȱLeistungsfähigkeit.ȱDiesȱistȱeineȱeinseitigeȱ Sichtweise,ȱ dieȱ nichtȱ ausreichendȱ berücksichtigt,ȱ dassȱ auchȱ eineȱ
145ȱ
5
Gute gesunde Schule – Lehrergesundheit als zentrale Ressource
Veränderungȱ derȱ Verhältnisseȱ inȱ Schulenȱ notwendigȱ ist.ȱ Sicherlichȱ sollteȱ jedeȱ Lehrerinȱ undȱ jederȱ Lehrerȱ darüberȱ nachdenken,ȱ inwieȬ fernȱsieȱoderȱerȱdieȱeigenenȱZiele,ȱErwartungenȱundȱVerhaltensweiȬ senȱimȱKontextȱderȱAnforderungenȱeinerȱqualitätsvollenȱberuflichenȱ Arbeitȱ soȱ modifizierenȱ kann,ȱ dassȱ gesundheitlicheȱ BeanspruchunȬ genȱ reduziertȱ werdenȱ undȱ persönlicheȱ Gesundheitsressourcenȱ beȬ ruflichesȱ Handelnȱ unterstützenȱ können.ȱAberȱ esȱ darfȱ nichtȱ überseȬ henȱwerden,ȱdassȱdieȱSchuleȱalsȱOrganisationȱAnforderungen,ȱaberȱ auchȱ Ressourcenȱ beinhaltet,ȱ dieȱ dieȱ Gesundheitȱ derȱ Mitgliederȱ desȱ Systemsȱ mitbestimmenȱ (Schumacher,ȱ Nieskens,ȱ Bräuerȱ &ȱ Sieland,ȱ 2005).ȱ Imȱ Folgendenȱ wirdȱ einȱ neuerȱAnsatzȱ vorgestellt,ȱ derȱ ausgeȬ hendȱvonȱprototypischenȱAnforderungssituationenȱdesȱLehrerberufsȱ eineȱ integrierteȱ Diagnoseȱ sowohlȱ derȱ individuumsȬȱ undȱ systembeȬ zogenenȱgesundheitlichenȱBeanspruchungenȱundȱRessourcenȱsowieȱ derenȱ wechselseitigerȱ Beeinflussungȱ erlaubtȱ undȱ soȱ eineȱ Basisȱ fürȱ erfolgreicheȱInterventionsȬȱundȱPräventionsmaßnahmenȱbietet.ȱ
5.6
PiSA – ein neuer Ansatz zur Förderung der Lehrergesundheit
Imȱ Rahmenȱ desȱ Konzeptsȱ derȱ gutenȱ gesundenȱ Schuleȱ sindȱ unterȱ BerücksichtigungȱderȱempirischenȱKenntnisseȱzurȱLehrergesundheitȱ inȱ demȱ Pilotprogrammȱ „Anschub.de“ȱ mitȱ derȱ Modulentwicklungȱ „Lehrkräftegesundheit“ȱ ersteȱ Schritteȱ unternommenȱ worden,ȱ aufȱ neuartigeȱWeiseȱalltagsnahȱundȱalltagstauglichȱMaterialienȱbereitȱzuȱ stellen,ȱ dieȱ Lehrkräfteȱ jedenȱ Alters,ȱ jederȱ beruflichenȱ Entwicklungsstufeȱ undȱ jederȱ Schulformȱ dabeiȱ unterstützenȱ sollen,ȱ ihreȱ Arbeitsfähigkeitȱ zuȱ erhalten,ȱ zuȱ verbessernȱ undȱ dieȱ Arbeitsbedingungenȱ mitȱ ihrenȱ AnȬȱ undȱ Herausforderungenȱ zuȱ optimieren.ȱ Damitȱ sollȱ derȱ Gefahrȱ psychomentalerȱ FehlbeanȬ spruchungen,ȱ psychischerȱ Störungenȱ undȱ damitȱ demȱ Risikoȱ derȱ Langzeiterkrankungenȱ imȱ Lehrberufȱ wirksamȱ begegnetȱ werden.ȱ Dasȱ Modulȱ „Lustȱ aufȱ Schule“,ȱ dasȱ hierȱ ansetzt,ȱ gehtȱ vonȱ demȱ innovativenȱ theoretischenȱ „Personenȱ inȱ SituationenȬAnsatzȱ (PiSA)“ȱ aus.ȱDieserȱAnsatzȱträgtȱderȱErkenntnisȱRechnung,ȱdassȱBelastungenȱ undȱ Beanspruchungenȱ vonȱ Lehrkräftenȱ nichtȱ durchȱ eineȱ isolierteȱ BetrachtungȱvonȱentwederȱeinzelnenȱsituativenȱAspektenȱoderȱaberȱ
146ȱ
PiSA – ein neuer Ansatz zur Förderung der Lehrergesundheit
5.6
personalenȱ Dispositionenȱ erklärtȱ werdenȱ können,ȱ sondernȱ alsȱ Resultatȱ desȱ Erlebensȱ undȱ Verhaltensȱ vonȱ Personenȱ inȱ komplexenȱ beruflichenȱ Situationenȱ verstandenȱ werdenȱ müssen.ȱ Lehrkräfteȱ müssenȱ uneindeutige,ȱ vielschichtigte,ȱ oftȱ konfliktäreȱ undȱ dynaȬ mischeȱ Anforderungssituationenȱ mitȱ ihrenȱ Kompetenzen,ȱ FähigȬ keitenȱ undȱ Eigenschaftenȱ bewältigenȱ undȱ hierbeiȱ dieȱ verschiedenȬ artigenȱ situativenȱ Rahmenbedingungenȱ undȱ Setzungenȱ berückȬ sichtigen.ȱSolcheȱfürȱdenȱLehrerberufȱtypischenȱSituationenȱkönnenȱ mitȱ Bezugȱ aufȱ dieȱ Qualitätsdimensionenȱ guterȱ Schulenȱ (z.B.ȱ nachȱ demȱ vorgestelltenȱ SEISȬKonzept)ȱ sytematisiertȱ undȱ verdichtetȱ werden.ȱ Dieseȱ herausgearbeitetenȱ „PersonȬinȬSituation“ȬVignettenȱ heißenȱ „prototypischeȱ Situationenȱ desȱ Lehrerberufs“.ȱ Zusammenȱ genommenȱergebenȱsieȱeineȱ„TopographieȱdesȱLehrerberufs“.ȱSieȱistȱ allerdingsȱ jeȱ nachȱ Ausbildungsstandȱ derȱ Lehrkräfte,ȱ ihremȱ Dienstalterȱ undȱ derȱ Schulformȱ unterschiedlich.ȱ Bislangȱ sindȱ erstȱ wenigeȱ prototypischeȱ Situationenȱ fürȱ dieȱ einzelnenȱ Merkmaleȱ derȱ Qualitätsdimensionenȱentwickeltȱworden.ȱȱ Solcheȱ„PersonenȬinȬSituationen“ȬPrototypenȱstellenȱeineȱWeiterentȬ wicklungȱ gängigerȱ Ansätzeȱ dar,ȱ dieȱ entwederȱ dieȱ personalenȱ oderȱ situativenȱBelastungsȬȱbzw.ȱBeanspruchungsmerkmaleȱoderȱȬmusterȱ identifizieren,ȱ auflistenȱ undȱ zumȱ Ausgangspunktȱ vonȱ Veränderungsstrategienȱmachen.ȱȱ DerȱPiSAȱbeziehtȱbeideȱAspekte,ȱPersonȱundȱSituation,ȱsystematischȱ aufeinanderȱ undȱ nimmtȱ sieȱ gemeinsamȱ zumȱ Ausgangspunktȱ vonȱ Analyse,ȱPlanungȱundȱVeränderung.ȱDieȱAnalyseȱderȱempirischȱzuȱ ermittelndenȱ prototypischenȱ Situationenȱ geschiehtȱ aufȱ mehrerenȱ Ebenen.ȱ Denȱ Einstiegȱ bildenȱ alltagsȬȱ bzw.ȱ naivȬpsychologischeȱ Analysenȱ derȱ Prototypen.ȱ Sieȱ werdenȱ angereichertȱ undȱ überformtȱ durchȱ schulbedeutsameȱ psychologischeȱ Perspektiven,ȱ wieȱ persönlichkeitsȬ,ȱ sozialȬ,ȱ entwicklungsȬȱ undȱ pädagogischȬ psychologischeȱ sowieȱ medizinischeȱ Analyseraster.ȱ Diesȱ istȱ dieȱ zweiteȱ Ebene.ȱ Eineȱ weitereȱ Ebeneȱ bildetȱ dieȱ arbeitsȬ,ȱ betriebsȬȱ undȱ organisationswissenschaftlicheȱ einschließlichȱ derȱ arbeitsmediȬ zinischenȱ Analyseȱ derȱ prototypischenȱ Situationen.ȱ Dieȱ politische,ȱ insbesondereȱdieȱbildungspolitischeȱEbeneȱbildetȱdenȱAbschlussȱderȱ Analysesystematik.ȱȱ Fürȱ jedeȱ dieserȱ Ebenenȱ werdenȱ fürȱ dieȱ jeweiligenȱ prototypischenȱ Situationenȱ generischȱ PlanungsȬȱ undȱ Handlungsstrategienȱ
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Gute gesunde Schule – Lehrergesundheit als zentrale Ressource
vorgestellt,ȱ dieȱ aufȱ dieȱ jeweilsȱ individuellenȱ Situationenȱ derȱ LehrkräfteȱundȱSchulenȱmitȱUnterstützungȱvonȱProzessmoderatorenȱ gemeinsamȱmitȱdenȱBetroffenenȱzugeschnittenȱwerdenȱmüssenȱ(z.B.ȱ dieȱ wechselndeȱ Bedeutungȱ vonȱ sozialenȱ Stützsystemen).ȱ Denȱ Kontextȱ fürȱ dieȱ Entwicklungȱ vonȱ Handlungsstrategienȱ bildenȱ gesundheitswissenschaftlicheȱ Erkenntnisseȱ zurȱ Bedeutungȱ derȱ salutogenetischenȱ Perspektiveȱ sensuȱ Antonovskyȱ u.a.,ȱ dieȱ vonȱ einemȱRessourcenmodellȱmenschlicherȱEntwicklungȱ(Kohärenzsinn,ȱ Resilienz)ȱ ausgehenȱ (Antonovsky,ȱ 1997;ȱ Bengel,ȱ Strittmatterȱ &ȱ Willmann,ȱ2002).ȱȱ IndemȱPiSAȱsowohlȱeineȱIstȬAnalyseȱalsȱauchȱdieȱPlanungȱmöglicherȱ Veränderungȱ beinhaltet,ȱ istȱ esȱ einȱ Instrument,ȱ dasȱ sowohlȱ zurȱ Diagnostikȱ alsȱ auchȱ zumȱ Training,ȱ zurȱ AusȬ,ȱ FortȬȱ undȱ Weiterbildungȱ sowieȱ zurȱ Schulentwicklungȱ genutztȱ werdenȱ kann.ȱ LehrkräfteȱkönnenȱsichȱmitȱdenȱvorgebenenenȱSituationenȱalsȱeinerȱ realistischenȱWiderspieglungȱihrerȱberuflichenȱPraxisȱidentifizieren,ȱ denȱStudierendenȱdesȱLehramtsȱdienenȱsieȱalsȱrealistischeȱAbbilderȱ beruflicherȱ Wirklichkeit,ȱ mitȱ denenȱ sieȱ sichȱ unterȱ wechselndenȱ Perspektivenȱbzw.ȱmultiperspektivischȱauseinanderȱsetzenȱkönnen.ȱ Einigeȱ Aspekteȱ diesesȱ Konzeptsȱ sindȱ imȱ Modulȱ zurȱ Lehrkräftegesundheitȱ „Lustȱ aufȱ Schule“ȱ imȱ Pilotprogrammȱ Anschub.deȱschonȱentwickeltȱworden.ȱUmȱeinenȱEinblickȱzuȱgeben,ȱ istȱ dieȱ folgendeȱ „PersonȬinȬSituation“ȱ ausgewähltȱ wordenȱ (s.ȱ AbȬ bildungȱ3).ȱIhrȱTitelȱlautet:ȱ„IchȱmöchteȱeinmalȱeinenȱTagȱerleben,ȱanȱ demȱ allesȱ soȱ läuft,ȱ wieȱ ichȱ esȱ mirȱ vorstelle“.ȱ Sieȱ gehörtȱ zumȱ Themenfeldȱ„DiskrepanzȱzwischenȱPlanungȱundȱWirklichkeit“ȱundȱ wirdȱ derȱ Qualitätsdimensionȱ „Lernenȱ undȱ Lehren“ȱ imȱ SEISȬ Konzeptȱ zugeordnet.ȱ Insgesamtȱ sindȱ bisherȱ vonȱ einerȱ Gruppeȱ vonȱ Wissenschaftlernȱ undȱ Lehrkräftenȱ achtȱ prototypischeȱ Situationenȱ entwickeltȱ worden.ȱ Eineȱ ausführlicheȱ Beschreibungȱ dieserȱ Situationenȱ undȱ derȱ Analysezugängeȱ findetȱ sichȱ inȱ einerȱ vonȱ derȱ BertelsmannȬStiftungȱ undȱ derȱ Gewerkschaftȱ Erziehungȱ undȱ WissenschaftȱherausgegebenenȱPublikationȱ(2006).ȱ
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PiSA – ein neuer Ansatz zur Förderung der Lehrergesundheit
PrototypischeȱSituationȱ„IchȱmöchteȱeinmalȱeinenȱTagȱerleben,ȱanȱdemȱallesȱ soȱ läuft,ȱ wieȱ ichȱ esȱ mirȱ vorstelle“ȱ (BertelsmannȬStiftungȱ &ȱ Gewerkschaftȱ ErziehungȱundȱWissenschaft,ȱ2006,ȱS.ȱ10ȱff)ȱ
5.6 Abbildungȱ3ȱ
Person-in-Situation: Diskrepanz zwischen Planung und Wirklichkeit Szenario 1: In der Freistunde muss die Vertretung in einer fremden Klasse übernommen werden. Geplant war für diese Zeit eigentlich, für die Folgestunde notwendige Kopien zu machen und Vorbereitungen (z.B. Versuchsaufbau) zu treffen. Szenario 2: Der sorgfältig geplante Unterricht läuft nicht, die Klasse blockiert den Unterricht, die vorgesehenen didaktisch-methodischen Schritte scheitern bzw. können gar nicht angewendet werden. Die Stunde droht hoffnungslos zu scheitern. Szenario 3: Am Ende der Pause wird ein Schüler verletzt, die Lehrkraft muss sich um ihn kümmern, weiß aber zugleich, dass sie mit Beginn der Stunde auch in ihrer Klasse sein müsste, die sonst unbeaufsichtigt wäre. Gemeinsam ist allen Szenarios, dass die Lehrkraft mit etwas Unvorhergesehenem konfrontiert wird, auf das sie angemessen reagieren muss. Die unerwartete Vertretungsstunde, das drohende Fiasko im Unterricht, die Entscheidung, wo man zuerst sein muss – all das erfordert Flexibilität in vielerlei Hinsicht. Es ist zudem eine Vielzahl von Kompetenzen gefordert, die das fachlich-unterrichtliche Vorgehen ebenso betreffen wie das didaktischmethodische Repertoire oder die erzieherische Haltung. Zudem ist diese geforderte Flexibilität immer auch mit Zeitdruck verbunden, es muss rasch eine Entscheidung getroffen werden, was man in der Vertretungsstunde macht, wie man die für Anderes eingeplante Zeit einholt, wie man den Unterricht retten kann, wie man der doppelten Verpflichtung, dem Schüler zu helfen und zugleich die Aufsichtspflicht gegenüber der Klasse nicht zu vernachlässigen, nachkommen kann. Diese Diskrepanz zwischen Planung und Wirklichkeit ist prototypisch für den Lehrerberuf. Wer hat noch nicht eine Lehrkraft seufzen hören „Ich möchte einmal einen Tag erleben, an dem alles so läuft, wie ich es mir vorstelle!“, und wenn auch nur in Gedanken. Er entspringt einer immer wieder erlebten Erfahrung, dass im Schulalltag in der Regel nichts so läuft, wie man es gedacht und geplant hat. Unterrichten wie generell schulische Arbeit ist in hohem Maße Beziehungsarbeit. Die veränderten Bedingungen, unter denen Kinder und Jugendliche heute aufwachsen, verstärken die Notwendigkeit dazu und bestimmen das Berufsbild des Lehrers immer mehr. Das drückt sich in der hier gewählten prototypischen Situation aus. Zugleich erinnert der oben zitierte Seufzer auch an Belastungssituationen, die für die Aufgabenfelder von Führungskräften im Managementbereich typisch sind. Die Lehrkräfte sind auf diese beruflichen Anforderungen in der Regel unzureichend vorbereitet. Sie erhalten weder in ihrer Ausbildung ein entsprechendes Rüstzeug noch bleibt in der Berufseingangsphase genügend Raum, sich mit diesen Aspekten des Berufes konstruktiv auseinander zu setzen. Im beruflichen Alltag wird für viele Lehrer und Lehrerinnen das Erfordernis permanenter Flexibilität zu einer besonderen Belastung. Sie leiden zunehmend unter dem Druck, rasch Entscheidungen treffen und angemessen reagieren zu müssen, in Situationen, die als unangenehm, bedrohlich oder gar krisenhaft empfunden werden.
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Gute gesunde Schule – Lehrergesundheit als zentrale Ressource
DieserȱAnsatz,ȱderȱdemȱ„problemȬbasiertenȱLernen“ȱentlehntȱist,ȱhatȱ dasȱ Potentialȱ zuȱ einerȱ nachhaltigenȱ Beeinflussungȱ derȱ gesundȬ heitlichenȱSituationȱderȱLehrkräfte.ȱDadurch,ȱdassȱdieȱAnalyseȱundȱ dieȱ sichȱ daranȱ anschließendeȱ Planungȱ undȱ Veränderungȱ vonȱ konkretenȱundȱtypischenȱSituationenȱdesȱLehrerberufsȱausgehen,ȱistȱ eineȱ unmittelbareȱ Verbindungȱ mitȱ denȱ vonȱ Lehrkräftenȱ selbstȱ erlebtenȱ Anforderungenȱ undȱ Beanspruchungenȱ gegeben.ȱ Derȱ Transferȱ inȱ dieȱ Planungȱ undȱ Realisierungȱ vonȱ gesundheitsȬ förderndenȱ Maßnahmenȱ istȱ sehrȱ naheȱ liegendȱ undȱ vonȱ denȱ Lehrkräftenȱ leichtȱ nachvollziehbar.ȱ Dieseȱ prototypischenȱ SituaȬ tionenȱerlaubenȱAnalysenȱaufȱverschiedenenȱEbenenȱ–ȱIndividuum,ȱ Gruppe,ȱ Organisationȱ –ȱ unterȱ Einbezugȱ derȱ Erkenntnisseȱ verschieȬ denerȱ wissenschaftlicherȱ Disziplinen.ȱ Hierdurchȱ wirdȱ denȱ betroffenenȱ Lehrkräften,ȱ Schulleiternȱ etc.ȱ dieȱ Relevanzȱ derȱ wissenȬ schaftlichenȱ Erkenntnisseȱ unmittelbarȱ deutlich.ȱ Jedeȱ derȱ AnalyseȬ ebenenȱ eröffnetȱ einȱ neuesȱ Handlungsfeldȱ fürȱ möglicheȱ VerändeȬ rungen,ȱ dieȱ inȱ demȱ PiSAȱ perspektivischȱ aufgezeigtȱ werden.ȱ ZuȬ sammengenommenȱ erschließenȱ sichȱ Möglichkeitenȱ wirksamerȱ undȱ nachhaltigerȱ Veränderungen,ȱ dieȱ oftmalsȱ vorȱ allemȱ dannȱ nichtȱ inȱ denȱBlickȱgeraten,ȱwennȱalleinȱdieȱLehrkraftȱmitȱihremȱErlebenȱundȱ VerhaltenȱimȱFokusȱderȱBetrachtungȱsteht.ȱErstȱausȱderȱKombinationȱ vonȱ individuellen,ȱ gruppenbezogenenȱ undȱ systemischenȱ ErkläȬ rungsansätzenȱ könnenȱ wirksameȱ Veränderungsprogrammeȱ beȬ stimmtȱwerden.ȱȱ WennȱinȱZukunftȱgenügendȱprototypischeȱSituationenȱvorliegen,ȱdieȱ z.B.ȱ dieȱ Prozessdimensionenȱ „Lehrenȱ undȱ Lernen“,ȱ „Führungȱ undȱ Management“ȱ sowieȱ „Schulklimaȱ undȱ Schulkultur“ȱ desȱ SEISȬ Konzeptsȱ repräsentieren,ȱ dannȱ könnenȱ Schulen,ȱ dieȱ fürȱ sichȱ VeränderungsȬȱ bzw.ȱ Entwicklungsbedarfeȱ inȱ einzelnenȱ Qualitätsmerkmalenȱ identifiziertȱ haben,ȱ dieȱ prototypischenȱ SituationenȱalsȱMusterȱheranziehen,ȱmitȱdenenȱsieȱdieȱBedingungenȱ anȱihrerȱSchuleȱanalysierenȱundȱplanendȱverändernȱkönnen.ȱȱ
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Einȱ Commitmentȱ derȱ Lehrkräfteȱ zurȱ Partizipationȱ anȱ solchenȱ Verfahrenȱ derȱ Diagnostikȱ undȱ Förderungȱ derȱ Lehrergesundheitȱ istȱ eherȱ wahrscheinlich,ȱ weilȱ hierȱ ganzȱ konkretȱ dieȱ beruflichenȱ Situationen,ȱ alsoȱ dasȱ Kerngeschäftȱ ihresȱ pädagogischenȱ Handelns,ȱ inȱ denȱ Mittelpunktȱ gestelltȱ werden.ȱ Dadurch,ȱ dassȱ derȱAnsatzȱ z.B.ȱ auchȱgegenüberȱdemȱDienstalterȱoffenȱist,ȱkannȱerȱfürȱdieȱSituationȱ derȱ dienstälterenȱ Lehrkräfteȱ spezifischȱ ausgestaltetȱ werden,ȱ indemȱ
Ausgangspunkte und Schritte mit PiSA zur guten gesunden Schule
5.7
besondersȱ solcheȱ PersonȬinȬSituationȬPrototypenȱ herausgearbeitetȱ werden,ȱ dieȱ fürȱ dieȱ Personengruppeȱ derȱ dienstälterenȱ Lehrkräfteȱ relevantȱ sind.ȱ Gleichesȱ giltȱ imȱ übrigenȱ auchȱ fürȱ andereȱ möglicheȱ zielgruppenspezifischeȱ Vorgaben,ȱ z.B.ȱ fürȱ weiblicheȱ Lehrkräfte,ȱ fürȱ Referendare,ȱ fürȱ Lehrkräfteȱ inȱ sozialenȱ Brennpunktenȱ oderȱ fürȱ Junglehrer.ȱ Derȱ PiSAȱ istȱ prinzipiellȱ auchȱ offenȱ fürȱ Projekteȱ zurȱ Präventionȱ arbeitsbedingterȱErkrankungenȱbeiȱanderenȱBerufsgruppen.ȱHierfürȱ müsstenȱ nurȱdieȱ prototypischenȱ Situationenȱ entsprechendȱ ermitteltȱ werden.ȱȱ
5.7
Ausgangspunkte und Schritte mit PiSA zur guten gesunden Schule
Nachfolgendȱ werdenȱ wichtigeȱ Ausgangspunkteȱ undȱ Schritteȱ zurȱ erfolgreichenȱUmsetzungȱdesȱKonzeptsȱderȱgutenȱgesundenȱSchuleȱ kurzȱskizziert.ȱȱ SchulenȱmüssenȱaufȱdieȱBewältigungȱihrerȱpädagogischenȱAufgaȬ benȱ undȱ Herausforderungenȱ zugeschnitteneȱ GesundheitsinterȬ ventionenȱentwickeln:ȱȱ Schulenȱ unterscheidenȱ sichȱ hinsichtlichȱ ihrerȱ Stärkenȱ undȱ SchwäȬ chenȱ undȱ spezifischenȱ Bedingungen.ȱ Daherȱ sindȱ StandardintervenȬ tionenȱoftȱnichtȱsinnvollȱundȱErfolgȱversprechend.ȱJedeȱSchuleȱsollteȱ eineȱ differenzierteȱ Diagnoseȱ zuȱ demȱ Gesundheitsstatusȱ ihrerȱ MitȬ gliederȱ undȱ denȱ beeinflussendenȱ Faktorenȱ (Anforderungenȱ undȱ Ressourcen)ȱ durchführen.ȱ Basierendȱ aufȱ denȱ Ergebnissenȱ dieserȱ Diagnoseȱ könnenȱ schulspezifischeȱ Maßnahmenȱ entwickeltȱ werden,ȱ umȱdieȱSchwächenȱderȱSchuleȱzuȱmindernȱundȱStärkenȱauszubauen.ȱ Dieȱ Verwirklichungȱ derȱ gutenȱ gesundenȱ Schuleȱ istȱ eineȱ gemeinȬ sameȱAufgabeȱderȱLehrkräfteȱundȱSchulleitungȱeinerȱSchule:ȱȱ Vieleȱ derȱ dieȱ pädagogischeȱ Arbeitȱ beeinträchtigendenȱ Faktorenȱ inȱ Schulenȱ sindȱ nurȱ durchȱ gemeinsameȱAnstrengungenȱ zuȱ beseitigenȱ (z.B.ȱineffizienteȱArbeitsȬȱundȱKommunikationsprozesse,ȱmangelndeȱ Kooperation).ȱGleichzeitigȱkönnenȱdurchȱdasȱgemeinsameȱArbeitenȱ anȱ pädagogischenȱ Themenȱ hilfreicheȱ Gesundheitsaspekteȱ entdecktȱ
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Gute gesunde Schule – Lehrergesundheit als zentrale Ressource
werden.ȱ Kooperation,ȱ gegenseitigeȱ Unterstützungȱ sowieȱ dasȱ ErleȬ benȱvonȱGemeinsamkeitȱkönnenȱalsȱElementeȱpsychischerȱGesundȬ heitȱzurȱFörderungȱderȱpädagogischenȱArbeitȱderȱBeteiligtenȱbeitraȬ gen.ȱ Breiteȱ Partizipationȱ derȱ Lehrkräfteȱ istȱ fürȱ eineȱ umfassendeȱ EntȬ wicklungȱderȱgutenȱgesundenȱSchuleȱnotwendig:ȱȱ Tiefȱgreifende,ȱmitȱAnstrengungenȱverbundeneȱVeränderungenȱvonȱ Arbeitsprozessenȱundȱ Organisationsstrukturenȱ könnenȱ nichtȱ gegenȱ denȱ Widerstandȱ einerȱ Mehrheitȱ derȱ Mitgliederȱ derȱ Organisationȱ durchgesetztȱ werden.ȱ Nurȱ durchȱ eineȱ breiteȱ Partizipationȱ könnenȱ StrategienȱundȱLösungenȱentwickeltȱwerden,ȱdieȱkonsensfähigȱsind.ȱ Zudemȱ engagierenȱ sichȱ Menschenȱ stärkerȱ fürȱ dieȱ Realisierungȱ vonȱ Maßnahmen,ȱ anȱ derenȱ Entwicklungȱ sieȱ mitgewirktȱ haben.ȱ Dieseȱ PrämissenȱliegenȱauchȱdemȱKonzeptȱderȱOrganisationsentwicklungȱ zugrunde,ȱwelchesȱinȱWirtschaftsunternehmenȱgenausoȱwieȱinȱNonȬ ProfitȬOrganisationenȱ zurȱ Gestaltungȱ vonȱ tiefȱ greifendenȱ undȱ umȬ fassendenȱEntwicklungsprozessenȱgenutztȱwird.ȱInȱdemȱhierȱvertreȬ tenenȱ Konzeptȱ derȱ Entwicklungȱ derȱ gutenȱ gesundenȱ Schuleȱ wirdȱ deshalbȱ davonȱ ausgegangen,ȱ dassȱ fürȱ denȱ Erfolgȱ vonȱ OrganisatiȬ onsentwicklungsprozessenȱ inȱ derȱ Schuleȱ eineȱ breiteȱ Partizipationȱ derȱ betroffenenȱ Lehrkräfte,ȱ Schülerinnenȱ undȱ Schüler,ȱ Elternȱ undȱ desȱ nichtȬunterrichtendenȱ Personalsȱ notwendigȱ ist.ȱ Dieseȱ sollenȱ weitgehendȱselbstȱgesteuertȱinȱGruppenȱ(z.B.ȱinȱGesundheitsteams)ȱ Lösungenȱ fürȱ bestehendeȱ Problemeȱ entwickelnȱ undȱ z.B.ȱ derȱ SchulȬ konferenzȱ zurȱ Beschlussfassungȱ vorschlagen.ȱ Aufȱ diesemȱ Wegeȱ sollenȱ dieȱ Problemlösekompetenzenȱ derȱ Mitgliederȱ derȱ Schuleȱ geȬ nutztȱ undȱ tragfähige,ȱ denȱ spezifischenȱ Bedingungenȱ derȱ Schuleȱ angepassteȱ Lösungenȱ entwickeltȱ werden.ȱ Gleichzeitigȱ wirdȱ durchȱ dasȱgemeinsameȱArbeitenȱanȱProblemenȱdieȱBereitschaftȱzurȱVeränȬ derungȱeigenenȱVerhaltens,ȱaberȱauchȱzurȱVeränderungȱvonȱOrganiȬ sationsbedingungenȱderȱSchuleȱerhöht.ȱȱ Umȱ zielgerichteteȱ undȱ systematischeȱ Entwicklungsprozesseȱ zuȱ erȬ möglichen,ȱ wirdȱ hierȱ exemplarischȱ aufȱ einȱ Konzeptȱ derȱ SchulproȬ grammentwicklungȱ zurückgegriffen,ȱ dasȱ imȱ Rahmenȱ desȱ Projektsȱ Anschub.deȱ entwickeltȱ wordenȱ istȱ (Nilshonȱ &ȱ Schminder,ȱ 2005,ȱ S.ȱ 5).ȱ Folgendeȱ Stationenȱ sindȱ danachȱ aufȱ demȱ Wegȱ derȱ Gestaltungȱ einerȱgutenȱgesundenȱSchuleȱwichtig:ȱ
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Ausgangspunkte und Schritte mit PiSA zur guten gesunden Schule
Stationenȱ derȱ Gestaltungȱ derȱ gutenȱ gesundenȱ Schuleȱ (nachȱ Nilshonȱ &ȱ Schminder,ȱ2005,ȱS.ȱ5)ȱ
5.7 Abbildungȱ4ȱ
1. Den Einstieg bewusst gestalten 2. Eine Steuergruppe (z.B. Gesundheitsteam) bilden 3. Die Bestandsaufnahme durchführen 4. Das Leitbild der guten gesunden Schule entwickeln 5. Entwicklungsvorhaben auswählen – Ziel festlegen 6. Die Umsetzung der Vorhaben planen 7. Die Vorhaben überprüfen 8. Die Textfassung des Schulprogramms erstellen 9. Das Schulprogramm fortschreiben
ȱ JedeȱderȱeinzelnenȱStationenȱistȱnachȱeinemȱgleichenȱSchemaȱgeglieȬ dert,ȱ dasȱ dieȱ notwendigenȱ Schritteȱ fürȱ einenȱ schließlichȱ erfolgreiȬ chenȱWegȱvorgibtȱ(Abbildungȱ5).ȱ Dieseȱ hierȱ vorgestellteȱ Pragmatikȱ istȱ insofernȱ imȱ Vergleichȱ mitȱ vieȬ lenȱähnlichȱkonzipiertenȱAnsätzenȱeineȱBesonderheit,ȱalsȱdassȱsieȱdieȱ Gesundheitsperspektiveȱ explizitȱ mitȱ einbindetȱ mitȱ derȱ Frage,ȱ welȬ chenȱ Beitragȱ Gesundheitȱ jeweilsȱ zumȱ Gelingenȱ derȱ initiiertenȱ ProȬ zesseȱleistenȱkann.ȱ
Stationenȱ aufȱ demȱ Wegȱ derȱ gutenȱ gesundenȱ Schuleȱ (nachȱ Nilshonȱ &ȱ Schminder,ȱ2005,ȱS.ȱ22)ȱ
Abbildungȱ5ȱ
1. Worum geht es? Kennzeichnet den Gegenstand, der anschließend behandelt wird. 2. Was trägt Gesundheit dazu bei? Geht auf das „Wie“ der Prozesssteuerung in der guten gesunden Schule ein und gibt vor dem Hintergrund des Setting-Ansatzes und der Q uerthemen (Empowerment, Partizipation, Salutogenese, Gender, soziale Ungleichheit, Vernetzung) Hinweise. 3. Was ist zu tun?
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5
Gute gesunde Schule – Lehrergesundheit als zentrale Ressource
Gibt die konkrete Abfolge von Schritten an, die zur Steuerung des Prozesses empfohlen werden. 4. Worauf ist zu achten? Geht auf prägnante Stolpersteine ein und gibt unter Nennung von „Gelingensbedingungen“ Hinweise zu deren Ü berwindung. 5. Wie findet Selbstvergewisserung statt? Enthält im Rahmen der internen Evaluation Hinweise zur Selbstbeobachtung, zum Aufbau von Kommunikationsstrukturen und zur Reflexion des Prozesses. 6. Was sagt die Erfahrung? Bezieht sich auf Erfahrungen aus Pilotschulen, aus verwandten Projekten, der Beratungspraxis und empirische Studien.
ȱ
5.8
Schluss
DieȱguteȱgesundeȱSchuleȱhatȱnachȱJahrenȱderȱDominanzȱderȱaufȱdieȱ FörderungȱderȱGesundheitȱausgerichtetenȱschulischenȱGesundheitsȬ förderungȱ eineȱ neueȱ Perspektiveȱ fürȱ dieȱ Lehrergesundheitȱ imȱ SetȬ tingȱSchuleȱentwickelt.ȱStattȱdieȱFörderungȱderȱGesundheitȱalsȱletztȬ endlichesȱ Zielȱ zuȱ begreifen,ȱ wirdȱ jetztȱ Gesundheitȱ alsȱ Motor,ȱ alsȱ Vehikelȱ fürȱ dieȱ Steigerungȱ derȱ Kompetenzȱ derȱ Lehrkräfteȱ inȱ derȱ Schuleȱgesehen.ȱEsȱgehtȱumȱdieȱLeistungsförderungȱdesȱLehrpersoȬ nalsȱ inȱ derȱ Schuleȱ durchȱ Gesundheit.ȱ Dieȱ Qualitätskonzepteȱ guterȱ Schulen,ȱ vonȱ denenȱ hierȱ dasȱ SEISȬKonzeptȱ vorgestelltȱ wurde,ȱ beȬ schreiben,ȱ welcheȱ StrukturȬ,ȱ ProzessȬȱ undȱ Ergebnisqualitätȱ vonȱ derȱ Schuleȱ erwartetȱ werden.ȱ Dieȱ Lehrkräfteȱ alsȱ zentralȱ handelndeȱ PerȬ sonenȱimȱSettingȱSchuleȱkönnenȱvonȱdortȱherȱableiten,ȱwelchesȱihreȱ zentralenȱ Aufgabenȱ inȱ derȱ Schuleȱ sind.ȱ Sieȱ inȱ derȱ kompetentenȱ Wahrnehmungȱ dieserȱ Aufgabenȱ zuȱ unterstützen,ȱ istȱ dasȱ Anliegenȱ vonȱ FortȬȱ undȱ Weiterbildungskonzeptionen,ȱ dieȱ imȱ Rahmenȱ derȱ gutenȱgesundenȱSchulenȱentwickeltȱwerden.ȱEinȱerstesȱBeispielȱeinerȱ neuenȱGenerationȱvonȱFortbildungsmodulenȱwurdeȱhierȱvorgestellt.ȱ Weitereȱwerdenȱfolgen.ȱZugleichȱwerdenȱneueȱFragebogenverfahrenȱ entwickeltȱ undȱ erprobt,ȱ dieȱ denȱ „PersonȬinȬSituationȬAnsatz“ȱ fürȱ dieȱLehrergesundheitsforschungȱfruchtbarȱmachen.ȱ
154ȱ
Literatur
5.9
5.9
Literatur
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155ȱ
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Gute gesunde Schule – Lehrergesundheit als zentrale Ressource
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Literatur
5.9
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157ȱ
5
Gute gesunde Schule – Lehrergesundheit als zentrale Ressource
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158ȱ
Einleitung
6.1
6.1
Einleitung
Inȱ diesemȱ Beitragȱ wirdȱ einȱ analysegesteuertesȱ ForschungsȬȱ undȱ BeratungsprojektȱinȱdenȱSchulenȱdesȱKantonsȱBaselȬStadtȱmitȱseinenȱ wichtigstenȱ Ergebnissenȱ undȱ Wirkungenȱ dargestellt.ȱ Imȱ Zentrumȱ desȱ Projektsȱ standȱ dieȱ Absicht,ȱ dieȱ Arbeitsbedingungenȱ derȱ LehrȬ kräfteȱ unterȱ Zugrundelegungȱ arbeitspsychologischerȱ Konzepteȱ zuȱ analysieren,ȱ Gestaltungsvorschlägeȱ zuȱ erarbeitenȱ undȱ damitȱ einenȱ BeitragȱzurȱSchulentwicklungȱzuȱleisten.ȱ Dieȱ arbeitspsychologischeȱ Perspektiveȱ aufȱ dieȱ Schuleȱ warȱ fürȱ dieȱ Lehrkräfteȱ undȱ Schulleiterinnen/Ȭleiterȱ zunächstȱ eineȱ irritierendeȱ OptikȱaufȱsieȱalsȱArbeitspersonenȱundȱdieȱSchuleȱalsȱihrenȱArbeitsȬ ort.ȱ Eineȱ mehrfachȱ geäußerteȱ Bemerkungȱ inȱ denȱ mitȱ Lehrkräftenȱ geführtenȱ Gesprächenȱ warȱ dennȱ auch:ȱ „...undȱ wasȱ nütztȱ dasȱ demȱ Kind?“.ȱ Dieȱ Frageȱ nachȱ demȱ Kindeswohlȱ zeigt,ȱ dassȱ bisherȱ vorȱ alȬ lemȱ pädagogischeȱAspekteȱ undȱ Kriterienȱ fürȱ dieȱ Schulentwicklungȱ alsȱ relevantȱ erachtetȱ wurden.ȱ Ausgehendȱ vonȱ derȱ Prämisse,ȱ dassȱ letztlichȱ nurȱ gesundeȱ Lehrkräfteȱ mitȱ gutenȱ Arbeitsbedingungenȱ langfristigȱ umȱ dasȱ Kindeswohlȱ besorgtȱ seinȱ können,ȱ wurdeȱ nunȱ aberȱ mitȱ einemȱ arbeitspsychologischenȱAnsatzȱ dasȱ Wohlȱ derȱ LehrȬ kräfteȱundȱsomitȱdieȱFrageȱnachȱderenȱpersönlichkeitsȬȱundȱgesundȬ heitsförderlichenȱArbeitsbedingungenȱinȱdenȱVordergrundȱgerückt.ȱ DamitȱlagȱderȱFokusȱstärkerȱaufȱderȱSchuleȱalsȱArbeitsortȱundȱOrgaȬ nisationȱanstattȱaufȱderȱSchuleȱalsȱBildungsinstitution.ȱȱ Mitȱ diesemȱ Projektȱ gelangȱ demȱ Erziehungsdepartementȱ desȱ KanȬ tonsȱBaselȬStadtȱinȱeinemȱdreiȱJahreȱdauerndenȱProzessȱaufȱderȱBaȬ sisȱ einerȱ fundiertenȱ Analyseȱ dieȱ Erarbeitungȱ undȱ Umsetzungȱ vonȱ MaßnahmenȱzurȱgezieltenȱschrittweisenȱOptimierungȱderȱArbeitssiȬ tuationȱderȱLehrkräfte.ȱȱ
6.2
Ausgangslage
Imȱ Jahrȱ 2001ȱ starteteȱ dasȱ Erziehungsdepartementȱ desȱ Kantonsȱ BaȬ selȬStadtȱdasȱProjektȱ„hotȱ–ȱhelpȱourȱteachers“.ȱEsȱwarȱdasȱerklärteȱ Anliegen,ȱ systematischȱ Maßnahmenȱ fürȱ dieȱ Verbesserungȱ derȱ ArȬ beitssituationȱderȱbaselstädtischenȱLehrkräfteȱzuȱrealisieren.ȱ
161ȱ
6
Analyse und Optimierung der Arbeitsbedingungen von Lehrkräften
ZuȱdiesemȱZeitpunktȱbefandȱsichȱdasȱSchulsystemȱdesȱKantonsȱzuȬ sehendsȱimȱSpannungsfeldȱvonȱinneremȱDruckȱundȱäußererȱKritik.ȱ Dieȱ Schulenȱ undȱ ihreȱ Lehrkräfteȱ hattenȱ eineȱ Phaseȱ permanenterȱ Veränderungenȱhinterȱsich.ȱSeitȱ1994ȱwarȱdieȱUmsetzungȱderȱSchulȬ reformȱimȱGange.ȱDieseȱbrachteȱalsȱwesentlicheȱVeränderungenȱeineȱ binnendifferenzierteȱ Oberstufeȱ inȱ Formȱ derȱ Orientierungsschuleȱ undȱ dieȱ soȱ genannteȱ Weiterbildungsschuleȱ alsȱAlternativeȱ zurȱ MitȬ telschuleȱ (Gymnasialstufe)ȱ hervor.ȱ Dieȱ Überlastungȱ derȱ Lehrkräfteȱ warȱbereitsȱseitȱlängeremȱeinȱunüberhörbaresȱThema.ȱGründeȱwarenȱ dieȱvielfältigenȱReformaufgabenȱderȱletztenȱJahreȱsowieȱderȱständigȱ gestiegeneȱundȱweiterȱsteigendeȱDruckȱaufȱdieȱLehrkräfte.ȱMitȱdenȱ erhöhtenȱ Erwartungenȱ undȱ Anforderungenȱ anȱ dieȱ Erfüllungȱ ihresȱ BerufsauftragsȱwarȱeineȱschleichendeȱErweiterungȱdesȱAufgabenbeȬ reichsȱderȱLehrkräfteȱverbunden.ȱDieserȱumfassteȱnebstȱdemȱUnterȬ richtȱ dieȱ Mitarbeitȱ inȱ ProjektȬȱ undȱArbeitsgruppenȱ imȱ Rahmenȱ derȱ Schulentwicklungȱ sowieȱ eineȱ großeȱ Zunahmeȱ anȱ schulȬȱ undȱ schüȬ lerinnenbezogenerȱAdministration.ȱImȱWeiterenȱgehörtenȱdazuȱAufȬ gaben,ȱdieȱangesichtsȱderȱgesellschaftlichenȱEntwicklungenȱausȱderȱ zunehmendenȱNotwendigkeitȱerwuchsen,ȱinȱderȱSchuleȱErziehungsȬȱ undȱSozialarbeitȱzuȱleisten.ȱGleichzeitigȱerfuhrȱderȱLehrberufȱeinenȱ laufendenȱ AutoritätsȬȱ bzw.ȱ Imageverlustȱ inȱ derȱ Öffentlichkeit.ȱ Dieȱ Schuleȱ standȱzusehendsȱinȱ derȱ öffentlichenȱ Kritikȱalsȱ eineȱ InstitutiȬ on,ȱ dieȱ ihrenȱ Auftragȱ nichtȱ zufriedenȱ stellendȱ erfüllte.ȱ Vonȱ denȱ Lehrkräftenȱ wurdeȱ hingegenȱ beklagt,ȱ esȱ bleibeȱ angesichtsȱ derȱ geȬ nanntenȱ Erweiterungȱ desȱAufgabenspektrumsȱ immerȱ wenigerȱ Zeitȱ fürȱdasȱeigentlicheȱ„Kerngeschäft“,ȱnämlichȱdenȱUnterricht.ȱȱ DerȱneueȱVorsteherȱdesȱErziehungsdepartementsȱzeigteȱsichȱsensibelȱ fürȱ dieseȱ anspruchsvolleȱ Situationȱ undȱ warȱ inȱ derȱ Folgeȱ treibendeȱ KraftȱbeiȱdemȱVorhaben,ȱmitȱ„hot“ȱdieȱVerbesserungȱderȱArbeitsbeȬ dingungenȱderȱLehrkräfteȱvoranȱzuȱbringen.ȱ ȱ
162ȱ
Das Projekt „hot – help our teachers“
6.3
Das Projekt „hot – help our teachers“
6.3.1
Zielsetzungen und erste Projektaktivitäten
6.3
DasȱProjektȱ„hot“ȱsollteȱderȱobenȱbeschriebenenȱSituationȱderȱbaselȬ städtischenȱ Lehrkräfteȱ Rechenschaftȱ tragen.ȱ Dieȱ DepartementsleiȬ tungȱ undȱ dieȱ fürȱ dasȱ Projektȱ gebildeteȱ Steuergruppeȱ formuliertenȱ dafürȱdieȱfolgendenȱProjektziele:ȱ
VerbesserungȱderȱBefindlichkeitȱderȱLehrkräfteȱimȱBeruf,ȱ EliminierungȱdemotivierenderȱEinflüsse,ȱ Optimierungȱ derȱ Voraussetzungenȱ zurȱ Ausübungȱ desȱ KerngeȬ schäfts,ȱ
VerbesserungȱdesȱImagesȱdesȱLehrberufs.ȱ Alsȱ erstesȱ wurdeȱ eineȱ „hotȬline“ȱ eingerichtet,ȱ dieȱ denȱ Lehrkräftenȱ dieȱ Möglichkeitȱ bot,ȱ Problemeȱ undȱ Verbesserungsvorschlägeȱ hinȬ sichtlichȱihrerȱArbeitssituationȱderȱDepartementsleitungȱaufȱschriftȬ lichemȱWegeȱdirektȱvorzulegen.ȱDieȱAuswertungȱderȱ182ȱüberȱdieseȱ „hotȬline“ȱeingetroffenenȱMeldungenȱdurchȱdasȱInstitutȱfürȱArbeitsȬ forschungȱ undȱ Organisationsberatungȱ (iafob)ȱ ergabȱ schwerpunktȬ mäßigȱ folgendeȱ Problemfelder:ȱ Belastungenȱ durchȱ gestiegeneȱ AnȬ forderungen,ȱ diverseȱ nichtȱ adäquateȱ Regelungenȱ imȱ Schulsystem,ȱ mangelhafteȱ Infrastruktur,ȱ knappeȱ Zeitressourcen.ȱ VerbesserungsȬ vorschlägeȱ wurdenȱ insbesondereȱ fürȱ dieȱ Bereicheȱ Regelungȱ vonȱ Kerngeschäftȱ undȱ Zusatzaufgaben,ȱ Führungȱ sowieȱ dieȱ unterrichtliȬ chenȱSpezialbetreuungsangeboteȱgemacht.ȱ Inȱ derȱ Konsequenzȱ wurdenȱ dreiȱ zentraleȱ Maßnahmenȱ geplantȱ undȱ umgesetzt:ȱȱ 1. Einrichtungȱ einerȱ Beratungsstelleȱ fürȱ dieȱ psychologischeȱ BeraȬ tungȱvonȱLehrkräften.ȱȱ 2. ErstellungȱeinerȱelektronischenȱAustauschplattformȱfürȱdieȱLehrȬ kräfte.ȱȱ 3. Vertiefteȱ Analyseȱ derȱ Arbeitsbedingungenȱ derȱ Lehrkräfteȱ alsȱ BasisȱfürȱdieȱMaßnahmenplanung.ȱ ȱ ȱ
163ȱ
6
Analyse und Optimierung der Arbeitsbedingungen von Lehrkräften
ȱ
6.3.2
Projektphasen
DasȱProjektȱ„hot“ȱgliederteȱsichȱinȱdieȱPhasenȱVorbereitung,ȱSofortȬ maßnahmen,ȱAnalyse,ȱMaßnahmenplanungȱundȱȬumsetzungȱsowieȱ Evaluationȱ(vgl.ȱTabelleȱ1).ȱDieȱletzterenȱdreiȱsindȱKernȱdieserȱFallȬ studie.ȱ
Tabelleȱ1ȱ
DieȱPhasenȱdesȱProjektsȱ„hotȱ–ȱhelpȱourȱteachers“ȱ(kursiv:ȱArbeitsschritteȱ inȱHauptverantwortungȱdesȱiafob)ȱ Jahr Projektphasen
Arbeitsschritte
2001 Vorbereitung
Projektvorbereitung Einrichtung und Auswertung hot-line
Sofortmaßnahmen
Einrichtung Beratungsstelle Einrichtung Austauschplattform Planung Lehrkräftebefragung
Analyse
Durchführung der Lehrkräftebefragung Rückmeldung der Analyseergebnisse an Steuergruppe
2002
Kommunikation der Analyseergebnisse an Lehrkräfte und Öffentlichkeit
Maßnahmenplanung Erarbeitung von Maßnahmen in Arbeitsgruppen und –umsetzung 2003 Umsetzung ausgewählter Maßnahmen 2004 Evaluation
ȱ ȱ ȱ
164ȱ
Evaluation der Maßnahmen
Analysephase
6.4
6.4
Analysephase
DasȱiafobȱübernahmȱimȱFrühjahrȱ2001ȱdenȱAuftrag,ȱdieȱArbeitssituaȬ tionȱderȱLehrkräfteȱinȱdenȱSchulenȱvonȱBaselȬStadtȱsystematischȱzuȱ analysierenȱ (fürȱ eineȱ ausführlicheȱ Beschreibungȱ derȱ Untersuchungȱ sieheȱUlich,ȱInversiniȱ&ȱWülser,ȱ2002;ȱweitereȱBerichteȱüberȱdasȱProȬ jektȱfindenȱsichȱinȱUlich,ȱ2005;ȱUlichȱ&ȱWülser,ȱ2005ȱsowieȱPeterȱ&ȱ Dangel,ȱ2005ȱ).1ȱ
6.4.1
Design
ZweckȱderȱAnalyseȱwarȱdieȱsystematischeȱErfassungȱvonȱArbeitsbeȬ dingungen,ȱBelastungenȱundȱRessourcenȱderȱLehrkräfte,ȱSchulhausȬ leiterinnen/Ȭleiter2ȱ undȱ Rektorinnen/Rektorenȱ mitȱ demȱ Ziel,ȱ empiȬ rischȱbegründbareȱMaßnahmenȱzurȱVerbesserungȱihrerȱArbeitssituaȬ tionȱ zuȱ erarbeiten.ȱ Angesichtsȱ derȱ Komplexitätȱ derȱ Ausgangslage,ȱ derȱ Zieleȱ undȱ derȱ damitȱ verbundenenȱ Fragestellungenȱ wurdeȱ einȱ Vorgehenȱ gewählt,ȱ dasȱ verschiedeneȱ Untersuchungsmethodenȱ beȬ rücksichtigteȱ (vgl.ȱ Tabelleȱ 2).ȱ Alleȱ Schultypenȱ desȱ Kantonsȱ BaselȬ Stadtȱ wurdenȱ einbezogen,ȱ namentlichȱ Kindergarten,ȱ Primarschule,ȱ Orientierungsschule,ȱ Weiterbildungsschuleȱ I,ȱ Weiterbildungsschuleȱ II,ȱ Diplommittelschule,ȱ Mittelschulenȱ (Gymnasialstufe),ȱ KleinklasȬ sen,ȱBerufsschulen,ȱKV/Handelsschule.ȱ EineȱBegleitgruppeȱunterstützteȱdieȱFormulierungȱvonȱergänzendenȱ ZusatzfragenȱfürȱdieȱInstrumenteȱundȱdieȱKoordinationȱderȱDatenȬ erhebung.ȱ Sieȱ bestandȱ ausȱ Vertreterinnen/Vertreternȱ allerȱ SchultyȬ pen,ȱ derȱ „hot“ȬProjektleiterinȱ ausȱ demȱ Erziehungsdepartementȱ soȬ wieȱdemȱiafob.ȱ ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱ 1ȱȱ DieȱUntersuchungȱfandȱunterȱderȱLeitungȱvonȱProf.ȱDr.ȱEberhardȱUlichȱstatt.ȱFürȱ
dieȱDurchführungȱderȱAnalyseȱoperativȱverantwortlichȱwarȱSimoneȱInversini,ȱdieȱ AuswertungenȱerfolgtenȱunterȱMitwirkungȱvonȱMarcȱWülser,ȱfürȱdieȱEvaluationȱ warenȱSandraȱPeterȱundȱCorinneȱDangelȱzuständig.ȱ 2ȱȱ Schulhausleitungenȱ führtenȱ zumȱ Zeitpunktȱ derȱ Analyseȱ einzelneȱ Schulhäuserȱ administrativ.ȱSieȱhattenȱimȱGegensatzȱzuȱdenȱRektorinnen/RektorenȱkeineȱWeiȬ sungsrechteȱ undȱ übernahmenȱ keinerleiȱ Personalführungsaufgaben.ȱ Ihrȱ KompeȬ tenzbereichȱ hatȱ sichȱ bisȱ zumȱ heutigenȱ Zeitpunktȱ insbesondereȱ imȱ Bereichȱ derȱ Personalführungȱvergrößert.ȱ
165ȱ
6 Tabelleȱ2ȱ
Analyse und Optimierung der Arbeitsbedingungen von Lehrkräften
Inhalte,ȱUntersuchungsinstrumenteȱundȱBefragteȱderȱAnalyseȱ Fragebogenerhebung
Expert/inneninterviews
Inhalte Arbeitsbezogene Wertvorstellun- Information über die Organisation (Verfahren) gen (Rimann, 1999; eigene Items) des jeweiligen Schultyps und allgemeine Arbeitsbedingungen Subjektives Erleben der Arbeit: Anforderungen, Belastungen und Aufgaben Ressourcen (SALSA, Rimann & Arbeitsbezogene Belastungen Udris, 1997) und Beanspruchungen Spezifische Belastungen (AVEM, Individuelle, soziale und organisaSchaarschmidt & Fischer, 1997; tionale Ressourcen eigene Items) Zufriedenheit mit der Arbeit (Rimann, 1999; eigene Items)
Kooperation und Kommunikation
Erlebte Beanspruchungen (BHD, Hacker & Reinhold, 1999)
Verbesserungsvorschläge
Arbeitsmittel und Räumlichkeiten
Psychosomatische Beschwerden (eigene Items) Erlebte berufliche Selbstwirksamkeit (BSW-Skala, Abele, Stief & Andrä, 2000) Distanzierungsfähigkeit und Verausgabungsbereitschaft (AVEM, Schaarschmidt & Fischer, 1997) Delegationsvorschläge (eigene Items) Verbesserungsbereiche (eigene Items) Befragte
Alle Lehrkräfte, Schulhausleitungen, (Kon-)Rektorate
Lehrkräfte, Schulhausleitungen, (Kon-)Rektorate
Anzahl
Versandte Fragebögen: 3029
Gruppeninterviews Lehrkräfte: 22
Ausgefüllte Fragebögen: 1578
Einzelinterviews Schulhausleitungen: 7
Rücklauf: 51%
Gruppen-/Einzelinterviews (Kon-)Rektorate: 13
ȱ
166ȱ
Analysephase
6.4.2
6.4
Ausgewählte Ergebnisse
Derȱ Rücklaufȱ auswertbarerȱ Fragebogenȱ lagȱ mitȱ 1578ȱ ausgefülltenȱ Fragebogenȱbeiȱ51%.ȱDieȱAntwortendenȱwarenȱhinsichtlichȱderȱKriȬ terienȱ Alter,ȱ Geschlechtȱ undȱ Anstellungsgradȱ repräsentativȱ fürȱ dieȱ Grundgesamtheit.ȱ Imȱ Folgendenȱ werdenȱ ausgewählte,ȱ hinsichtlichȱ derȱ späterenȱ GesȬ taltungsphaseȱ relevanteȱ Ergebnisseȱ dargestellt.ȱ Dieseȱ umfassenȱ arȬ beitsbezogeneȱWertvorstellungenȱundȱZufriedenheitȱmitȱderenȱReaȬ lisierungȱ imȱAlltag,ȱ organisationaleȱ undȱ sozialeȱ Ressourcen,ȱ BelasȬ tungen,ȱ Beanspruchungen,ȱ Delegationswünsche,ȱ VerbesserungsȬ vorschlägeȱ undȱ Zusammenhängeȱ zwischenȱ denȱ FragebogenȬ ergebnissen.ȱ Imȱ Folgendenȱ istȱ mitȱ ‚Funktionsgruppen’ȱ dieȱ UnterȬ teilungȱderȱBefragtenȱinȱLehrkräfte,ȱSchulhausleiterinnen/Ȭleiterȱundȱ Rektorinnen/Rektorenȱ gemeint.ȱ Aufȱ dieȱ Mitteilungȱ derȱ InterviewȬȱ undȱ Beobachtungsdatenȱ wirdȱ verzichtetȱ (vgl.ȱ dazuȱ Ulich,ȱ Inversiniȱ &ȱWülser,ȱ2002).ȱ 6.4.2.1
Arbeitsbezogene Wertvorstellungen und Zufriedenheit
DieȱLehrkräfteȱwurdenȱnachȱderȱWichtigkeitȱverschiedenerȱarbeitsȬ bezogenerȱ Werteȱ sowieȱ nachȱ ihrerȱ Zufriedenheitȱ mitȱ derenȱ ErfülȬ lungȱinȱihremȱArbeitsalltagȱgefragtȱundȱdieȱAntwortenȱdieserȱbeidenȱ Kategorienȱ miteinanderȱ verglichenȱ (Vergleichȱ derȱMittelwerte).ȱ Dieȱ Fragenȱ nachȱ derȱ Wichtigkeitȱ arbeitsbezogenerȱ Werteȱ ermöglichenȱ beiȱderȱInterpretationȱderȱZufriedenheitenȱdieȱFokussierungȱaufȱdieȱ fürȱ dieȱ Befragtenȱ tatsächlichȱ zentralenȱ bzw.ȱ „wichtigen“ȱ Aspekteȱ ihrerȱ Arbeitsbedingungenȱ undȱ damitȱ aufȱ dieȱ Planungȱ adäquaterȱ Maßnahmen.ȱ Vonȱinsgesamtȱ32ȱerfragtenȱarbeitsbezogenenȱWertenȱnanntenȱLehrȬ kräfteȱ undȱ Schulhausleiterinnen/Ȭleiterȱ imȱ Durchschnittȱ überȱ alleȱ Schultypenȱhinwegȱdieȱfolgendenȱzehnȱalsȱwichtigste:ȱ
EineȱKulturȱderȱOffenheitȱundȱToleranz,ȱȱ einȱgutesȱVerhältnisȱzuȱdenȱArbeitskolleginnen/Ȭkollegen,ȱ interessanteȱAufgaben,ȱ verständnisvolleȱVorgesetzte,ȱ
167ȱ
6
Analyse und Optimierung der Arbeitsbedingungen von Lehrkräften
dieȱMöglichkeit,ȱneueȱDingeȱzuȱlernen,ȱȱ eineȱklareȱFührung,ȱȱ Mitspracheȱbzw.ȱMitbestimmungȱinȱwichtigenȱAngelegenheiten,ȱ guteȱUmgebungsbedingungen,ȱ stimulierendeȱSchulkultur,ȱ guteȱBezahlung.ȱ Dieȱ siebenȱ erstgenanntenȱ Werteȱ geltenȱ –ȱ inȱ unterschiedlicherȱ ReiȬ henfolgeȱ–ȱfürȱalleȱSchultypen.ȱDieȱdreiȱzuletztȱgenanntenȱhingegenȱ rangierenȱnichtȱinȱallenȱSchultypenȱunterȱdenȱerstenȱzehn.ȱMitȱAusȬ nahmeȱderȱWerteȱ‚guteȱUmgebungsbedingungen‘ȱundȱ‚guteȱBezahȬ lung‘,ȱ anȱ derenȱ Stelleȱ ‚vielȱ Verantwortung‘ȱ undȱ ‚imȱ Teamȱ arbeiten‘ȱ treten,ȱ geltenȱ fürȱ dieȱ Rektorinnen/Rektorenȱ dieȱ gleichenȱ WertvorȬ stellungenȱ alsȱ dieȱ wichtigsten.ȱ Esȱ zeigtȱ sichȱ eineȱ deutlicheȱ DomiȬ nanzȱ wichtigerȱ Werte,ȱ dieȱ unterȱ dasȱ Themaȱ ‚Kulturȱ undȱ Führung’ȱ subsumiertȱwerdenȱkönnen.ȱ Dieȱ größtenȱ Differenzenȱ zwischenȱ derȱ Bedeutsamkeitȱ einesȱ Wertesȱ undȱderȱZufriedenheitȱmitȱderȱimȱAlltagȱdiesbezüglichȱerlebtenȱReaȬ litätȱ(hierȱalsȱDefizitȱbezeichnet)ȱfindenȱsichȱfürȱalleȱbefragtenȱFunkȬ tionsgruppenȱ beiȱ denȱ Wertenȱ ‚Kulturȱ derȱ Offenheitȱ undȱ Toleranz‘ȱ undȱ‚klareȱFührung‘,ȱfürȱLehrkräfteȱundȱSchulhausleiterinnen/Ȭleiterȱ außerdemȱ beimȱ Wertȱ ‚Mitspracheȱ beiȱ wichtigenȱ Dingen‘.ȱAuchȱ beiȱ denȱ Defizitenȱ dominiertȱ somitȱ dasȱ Themaȱ ‚Kulturȱ undȱ Führung’.ȱ DieȱgeringstenȱDefiziteȱfindenȱsichȱfürȱLehrkräfteȱundȱSchulhausleiȬ terinnen/Ȭleiterȱ beiȱ denȱ Wertenȱ ‚interessanteȱAufgaben‘,ȱ ‚gutesȱ VerȬ hältnisȱzuȱKolleginnen/Kollegen‘ȱundȱderȱ‚Möglichkeit,ȱneueȱDingeȱ zuȱlernen‘.ȱFürȱdieȱRektorinnen/RektorenȱliegenȱdieȱkleinstenȱDefiziȬ teȱinȱderȱTeamarbeitȱundȱebenfallsȱinȱderȱ‚Möglichkeit,ȱneueȱDingeȱ zuȱlernen’.ȱBeimȱAspektȱ‚vielȱVerantwortung’ȱgabȱesȱkeinȱDefizit.ȱ RektoratsmitgliederȱerlebenȱimȱUnterschiedȱzuȱdenȱLehrkräftenȱeinȱ größeresȱDefizitȱimȱAspektȱderȱ‚KulturȱderȱOffenheitȱundȱToleranz’,ȱ jedochȱgeringereȱDefiziteȱinȱdenȱAspektenȱ‚beruflicheȱZukunftsperȬ spektive’,ȱ ‚Mitspracheȱ beiȱ wichtigenȱ Dingen’ȱ sowieȱ ‚guteȱ UmgeȬ bungsbedingungen’.ȱ
168ȱ
Analysephase
6.4.2.2
6.4
Organisationale und soziale Ressourcen
AlsȱRessourcenȱwerdenȱEntlastungsfaktorenȱverstanden,ȱdieȱmithelȬ fen,ȱBelastungenȱzuȱbewältigenȱoderȱermöglichen,ȱBelastungenȱbesȬ serȱ zuȱ ertragen.ȱ Esȱ wirdȱ zwischenȱ organisationalenȱ undȱ sozialenȱ Ressourcenȱunterschieden.ȱȱ Dieȱ Trendsȱ imȱ subjektivenȱ Erlebenȱ derȱ vorhandenenȱ Ressourcenȱ sindȱ inȱ allenȱ Schultypenȱ ähnlich.ȱ Dieȱ Lehrkräfteȱ undȱ SchulhausleiȬ terinnen/Ȭleiterȱ bewertenȱ vorȱ allemȱ dieȱ Anforderungsvielfaltȱ undȱ denȱ vorhandenenȱ Tätigkeitsspielraumȱ derȱ eigenenȱ Arbeitȱ positiv.ȱ Beiȱ derȱ erlebtenȱ sozialenȱ Unterstützungȱ rangierenȱ dieȱ LebenspartȬ nerinnen/Ȭpartnerȱ vorȱ denȱ Vorgesetztenȱ undȱ denȱ ArbeitskolleginȬ nen/Ȭkollegen.ȱ Knappȱ 70%ȱ derȱ Lehrkräfteȱ undȱ SchulhausleiterinȬ nen/Ȭleiterȱ fühlenȱ sichȱ durchȱ ihreȱ Vorgesetztenȱ einigermaßenȱ bisȱ ziemlichȱ gutȱ unterstützt.ȱ Durchȱ dieȱ Arbeitskolleginnen/Ȭkollegenȱ wirdȱdieȱUnterstützungȱvonȱgutȱ70%ȱalsȱeinigermaßenȱbisȱziemlichȱ gutȱerlebt.ȱ ImȱVergleichȱderȱFunktionenȱzeigtȱsich,ȱdassȱdieȱRektorinnen/RektoȬ renȱgesamthaftȱdenȱBereichȱderȱorganisationalenȱRessourcenȱpositiȬ verȱ erlebenȱalsȱ dieȱ Lehrkräfteȱundȱ Schulhausleiterinnen/Ȭleiter.ȱ Dasȱ giltȱ insbesondereȱ fürȱ denȱ wahrgenommenenȱ Tätigkeitsspielraumȱ undȱfürȱPartizipationsmöglichkeiten.ȱȱ 6.4.2.3
Belastungen
Vonȱ42ȱerfragtenȱschulspezifischenȱBelastungsbedingungenȱerachtenȱ Lehrkräfteȱ undȱ Schulhausleiterinnen/Ȭleiterȱ überȱ alleȱ Schultypenȱ hinwegȱ (inȱ unterschiedlicherȱ Reihenfolge)ȱ dieȱ folgendenȱ alsȱ dieȱ größten:ȱ
Verhaltenȱ„schwieriger“ȱSchülerinnen/Schüler,ȱ HeterogenitätȱderȱKlasse,ȱ administrativeȱPflichten,ȱ außerunterrichtlicheȱVerpflichtungen,ȱ beruflichesȱImageȱundȱPrestige,ȱ Koordinationȱ vonȱ beruflichenȱ undȱ außerberuflichenȱ VerpflichȬ tungen,ȱ
169ȱ
6
Analyse und Optimierung der Arbeitsbedingungen von Lehrkräften
ZeitdruckȱbeiȱderȱArbeit,ȱ Klassengröße,ȱ Neuerungen,ȱVeränderungenȱimȱSchulsystem.ȱ Mitȱ Ausnahmeȱ derȱ beidenȱ letztgenanntenȱ gebenȱ dieȱ RektorinȬ nen/RektorenȱdieselbenȱAspekteȱalsȱdieȱbelastendstenȱan.ȱ ÜbereinstimmendȱberichtenȱdieȱLehrkräfteȱallerȱSchultypenȱdieȱvierȱ erstgenanntenȱ Aspekteȱ alsȱ dieȱ belastendsten:ȱ 71%ȱ allerȱ Lehrkräfteȱ berichtenȱeherȱstarkeȱbisȱsehrȱstarkeȱBelastungȱdurchȱdasȱVerhaltenȱ „schwieriger“ȱ Schülerinnen/Schüler,ȱ 55%ȱ fühlenȱ sichȱ starkȱ bisȱ sehrȱ starkȱbelastetȱdurchȱdieȱHeterogenitätȱderȱKlasse,ȱ54%ȱdurchȱaußerȬ unterrichtlicheȱ Pflichtenȱ undȱ 53%ȱ durchȱ administrativeȱ Pflichten.ȱ DieȱBelastungenȱderȱLehrkräfteȱliegenȱdamitȱzwarȱeinerseitsȱimȱBeȬ reichȱderȱeingangsȱerwähntenȱZusatzaufgaben,ȱaberȱebenfallsȱdeutȬ lichȱimȱsoȱgenanntenȱKerngeschäft,ȱdemȱUnterricht.ȱ 6.4.2.4
Beanspruchungen
Alsȱ Beanspruchungenȱ werdenȱ dieȱ Auswirkungenȱ verstanden,ȱ dieȱ Belastungenȱ aufȱ dieȱ Personȱ haben.ȱ Alsȱ zentralesȱ BeanspruchungsȬ kriteriumȱ wurdeȱ zumȱ einenȱ dieȱ emotionaleȱ Erschöpfungȱ erhoben.ȱ Dieseȱ äußertȱ sichȱ inȱ einemȱ Gefühlȱ ausgepumptȱ zuȱ seinȱ oderȱ nichtȱ allesȱschaffenȱzuȱkönnen.ȱDieȱdarüberȱhinausȱerfassteȱbeeinträchtigȬ teȱ Zuwendungsbereitschaft3ȱ gehtȱ mitȱ aversivenȱ Tendenzenȱ gegenȬ überȱdenȱSchülerinnen/Schülernȱeinher.ȱBeideȱKriterienȱsindȱTeilȱdesȱ BurnoutȬSyndroms.ȱȱ Annäherndȱ einȱ Drittelȱ allerȱ Lehrkräfteȱ undȱ Schulhausleiterinnen/ȱȱȱȱȱ Ȭleiterȱ zeigtȱ ausgeprägteȱ Merkmaleȱ emotionalerȱ Erschöpfung.ȱ Beiȱ derȱ allerdingsȱ sehrȱ kleinenȱ Stichprobeȱ derȱ Rektorinnen/Rektorenȱ sindȱesȱhingegenȱ8.3%.ȱRundȱ21%ȱderȱLehrkräfteȱundȱSchulhausleiȬ terinnen/Ȭleiterȱ weisenȱ kritischeȱ Werteȱ fürȱ beeinträchtigteȱ ZuwenȬ dungsbereitschaftȱ auf.ȱ Dieȱ Rektorinnen/Rektorenȱ zeigenȱ hierȱ keineȱ kritischenȱWerte.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱ 3ȱȱ InȱdemȱderȱschulinternenȱundȱȬexternenȱÖffentlichkeitȱvorgelegtenȱBerichtȱwurdeȱ
170ȱ
derȱ Fachterminusȱ „Klientenaversion“ȱ durchȱ denȱ Begriffȱ „Eingeschränkteȱ ZuȬ wendungsbereitschaft“ȱersetzt.ȱDieseȱBenennungȱschienȱaufgrundȱderȱFormulieȬ rungenȱderȱentsprechendenȱItemsȱverantwortbar.ȱ
Analysephase
6.4.2.5
6.4
Delegationsmöglichkeiten
ImȱZusammenhangȱmitȱihremȱKerngeschäftȱundȱdenȱüberȱdieȱJahreȱ hinzugekommenenȱZusatzaufgabenȱwurdenȱdieȱLehrkräfteȱgefragt,ȱ fürȱ welcheȱ Aufgabenȱ sieȱ ausȱ welchenȱ Gründenȱ Möglichkeitenȱ derȱ Delegationȱsehenȱundȱfürȱwelcheȱnicht.ȱȱ DieȱLehrkräfteȱundȱSchulhausleiterinnen/ȬleiterȱwürdenȱadministraȬ tiveȱ Verpflichtungenȱ außerhalbȱ desȱ Unterrichtsȱ delegieren.ȱ Alsȱ Gründeȱ werdenȱ vorȱ allemȱ dieȱ starkeȱ Zusatzbelastungȱ angegebenȱ sowieȱ dieȱ Tatsache,ȱ dassȱ Lehrkräfteȱ dieseȱ Tätigkeitenȱ nichtȱ alsȱ ihreȱ Aufgabenȱbetrachten.ȱEineȱAusnahmeȱbildenȱdieȱschülerinnenbezoȬ genenȱ Verwaltungstätigkeiten,ȱ dieȱ wegenȱ derȱ Ganzheitlichkeitȱ derȱ Tätigkeitȱnichtȱabgegebenȱwerdenȱmöchten.ȱ Gleichesȱ giltȱ fürȱ denȱ Wunschȱ nachȱ Beibehaltungȱ derȱ Aufgabenȱ imȱ Bereichȱ Unterricht,ȱ aberȱ auchȱ fürȱ Aufgabenȱ wieȱ Elternarbeit,ȱ dieȱ TeilnahmeȱanȱSitzungenȱundȱKonferenzen,ȱPrüfungsabnahmenȱundȱ Integrationsarbeit.ȱ Somitȱ zeigtȱ sichȱ deutlich,ȱ dassȱ Lehrkräfteȱ dieȱ Aufgabenȱ rundȱ umȱ dasȱ Kerngeschäft,ȱ alsoȱ denȱ Unterricht,ȱ nichtȱ abgebenȱmöchten.ȱȱ 6.4.2.6
Verbesserungsvorschläge
Verbesserungsmöglichkeitenȱ mitȱ großenȱAuswirkungenȱ aufȱ ZufrieȬ denheitȱ undȱ Wohlbefindenȱ siehtȱ dieȱ Mehrheitȱ allerȱ Lehrkräfteȱ hauptsächlichȱimȱBereichȱfinanziellerȱundȱzeitlicherȱRessourcenȱu.ȱa.ȱ hinsichtlichȱZusatzaufgaben:ȱ
zeitlicheȱEntlastungȱfürȱaußerunterrichtlicheȱAufgabenȱ(85%),ȱ mehrȱfinanzielleȱMittelȱfürȱdieȱSchulenȱ(81%),ȱ ReduktionȱderȱPflichtstundenzahlȱ(76%),ȱ klareȱ Regelungenȱ bezüglichȱ Kerngeschäftȱ undȱ Zusatzaufgabenȱ (75%),ȱ
EntschädigungȱfürȱaußerunterrichtlicheȱAufgabenȱ(74%).ȱ Ebenfallsȱ häufigȱ werdenȱ Verbesserungsvorschlägeȱ imȱ Bereichȱ derȱ Führungȱgemacht:ȱ
KlareȱUnterstützungȱderȱLehrkräfteȱ(76%),ȱ VerbesserungȱdesȱImagesȱderȱSchuleȱ(68%),ȱ
171ȱ
6
Analyse und Optimierung der Arbeitsbedingungen von Lehrkräften
VerbesserungȱdesȱUmgangsȱvonȱBehördenȱundȱFührungskräftenȱ mitȱVorschlägenȱvonȱLehrkräftenȱ(65%).ȱ Dieȱ Vorschlägeȱ werdenȱ überȱ alleȱ Schultypenȱ hinwegȱ inȱ ähnlicherȱ Weiseȱbeurteilt.ȱ 6.4.2.7
Zusammenhänge zwischen den Ergebnissen
DieȱimȱFolgendenȱbeschriebenenȱZusammenhängeȱgeltenȱfürȱLehrȬ kräfteȱundȱSchulhausleiterinnen/ȬleiterȱüberȱalleȱSchultypenȱhinweg.ȱȱ Einenȱ negativenȱ Zusammenhangȱ weisenȱ dieȱ Defiziteȱ imȱ Bereichȱ Kulturȱ undȱ Führung4ȱ mitȱ Partizipationsmöglichkeiten,ȱ mitarbeiterȬ orientiertemȱ Vorgesetztenverhaltenȱ undȱ sozialerȱ Unterstützungȱ durchȱ Vorgesetzteȱ auf,ȱ einenȱ positivenȱ Zusammenhangȱ mitȱ belasȬ tendemȱVorgesetztenverhaltenȱ(vgl.ȱTabelleȱ3).ȱȱ
Tabelleȱ3ȱ
ZusammenhängeȱmitȱDefizitenȱinȱKulturȱundȱFührenȱ(N=1517)ȱ Partizipationsmöglichkeiten
Defizite in Kultur und Führung
-.48
Mitarbeiter/Soziale Unter- Belastendes innenorientiertes stützung durch VorgesetztenVorgesetztenVorgesetzte verhalten verhalten -.46
-.49
.47
Alle Korrelationen sind hochsignifikant: p