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German Pages 337 [332] Year 2006
Johannes Giesecke Arbeitsmarktflexibilisierung und Soziale Ungleichheit
Forschung Gesellschaft
Johannes Giesecke
Arbeitsmarktflexibilisierung und Soziale Ungleichheit Sozio-ökonomische Konsequenzen befristeter Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland und Großbritannien
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
. . 1. Auflage September 2006 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Monika Mülhausen / Nadine Kinne Der VS Verlag für Sozialwissenschaften ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Krips b.v., Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN-10 3-531-15079-0 ISBN-13 978-3-531-15079-6
Widmung
Im Frühjahr dieses Jahres verstarb meine Großmutter, Frau Marta Giesecke, nach einem außergewöhnlich langen und in den letzten Monaten für sie sehr leidvollen Leben. Ihr möchte ich dieses Buch widmen.
Danksagung
An dieser Stelle möchte ich zunächst Herrn Prof. Bernd Wegener und Frau Prof. Karin Lohr ganz herzlich für ihre Bereitschaft danken, diese Arbeit im Rahmen meines Promotionsverfahrens an der Humboldt Universität Berlin zu begutachten. Weiterhin gilt mein ausdrücklicher Dank meinen ehemaligen Kollegen Dr. Bodo Lippl und Dr. Roland Verwiebe für ihre sehr konstruktive und anregende Kritik gegenüber der Rohfassung dieser Arbeit. Ganz besonders danken möchte ich aber Herrn Dr. Martin Groß, der mir mit Rat und Tat zur Seite stand, wo er nur konnte und stets ein offenes Ohr für meine inhaltlichen und methodischen Probleme hatte. Ich werde unsere insgesamt fünfjährige Zusammenarbeit als eine außerordentlich produktive und für mich sehr inspirierende Zeit in Erinnerung behalten. Schließlich sei hier den zahlreichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Lehrstuhls Empirische Sozialforschung am Institut für Sozialwissenschaften für ihre fachlichen Anregungen und sonstigen Unterstützungsleistungen vielmals gedankt. Bedanken möchte ich mich auch bei meiner Mutter, Frau Dr. Almut Giesecke, die das Manuskript Korrektur gelesen hat und mir im Leben vieles ermöglichte. Mein besonderer Dank gilt meiner lieben Frau, Andrea Untergutsch, die mich immer mit all ihrer Kraft unterstützt hat. Für ihre Geduld und Liebe bin ich sehr dankbar.
Inhaltsverzeichnis
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Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung........................................................................................................ 17 1.1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit........................................... 17 1.2 Der deutsch-britische Vergleich .............................................................. 22 1.3 Forschungsstand ...................................................................................... 28 1.4 Aufbau der Arbeit .................................................................................... 38 2 Befristung als Form der Arbeitsmarktflexibilisierung .............................. 41 2.1 Extern-numerische Arbeitsmarktflexibilität ............................................ 42 2.1.1 Flexibilisierungsbereiche................................................................. 42 2.1.2 Flexibilitätstypen ............................................................................. 46 2.2 Institutionelle Beschäftigungssicherheit und befristete Beschäftigung .. 48 2.2.1 Institutionelle Beschäftigungssicherheit: Pro und Contra ............... 48 2.2.2 Reduzierung der Beschäftigungssicherheit durch befristete Beschäftigung .............................................................................................. 54 2.3 Befristete Beschäftigung als atypische Beschäftigung............................ 56 2.4 Funktionen befristeter Beschäftigung am Arbeitsmarkt.......................... 62 2.4.1 Funktionen befristeter Beschäftigung aus Arbeitgebersicht............ 62 2.4.2 Funktionen befristeter Beschäftigung aus Arbeitnehmersicht ........ 68 2.5 Zusammenfassung ................................................................................... 72 3 Arbeitsmarkttheoretische Überlegungen zur befristeten Beschäftigung ................................................................................................. 75 3.1 Das Grundmodell der neoklassischen Arbeitsmarkttheorie .................... 76 3.2 Humankapitaltheorie ............................................................................... 79 3.3 Principal-Agent-Ansätze ......................................................................... 83 3.3.1 Kontrakttheorien .............................................................................. 84 3.3.2 Effizienzlohnmodelle....................................................................... 89 3.3.3 Insider-Outsider-Theorie ................................................................. 94 3.4 Segmentationstheoretische Ansätze ........................................................ 98 3.4.1 Primäre und sekundäre Segmente.................................................... 99 3.4.2 Interne und externe Arbeitsmärkte ................................................ 103 3.5 Die Theorie offener und geschlossener Positionen ............................... 109 3.6 Zusammenfassung ................................................................................. 113
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Inhaltsverzeichnis
4 Befristete Beschäftigung und der Einfluss institutioneller Rahmenbedingungen: Deutschland und Großbritannien im Vergleich 117 4.1 Rechtliche Grundlagen befristeter Beschäftigungsverhältnisse ............ 118 4.1.1 Deutschland ................................................................................... 118 4.1.2 Großbritannien ............................................................................... 125 4.2 Allgemeiner Grad der Beschäftigungssicherheit................................... 127 4.2.1 Deutschland ................................................................................... 128 4.2.2 Großbritannien ............................................................................... 130 4.3 Bildungssystem...................................................................................... 134 4.3.1 Deutschland ................................................................................... 136 4.3.2 Großbritannien ............................................................................... 138 4.4 Zusammenfassung ................................................................................. 141 5 Hypothesen ................................................................................................... 147 5.1 Besetzungsmuster befristeter Stellen..................................................... 147 5.2 Lohneffekte............................................................................................ 151 5.3 Karrieremobilität.................................................................................... 154 6 Daten, Variablen und Methoden................................................................ 163 6.1 Datensätze.............................................................................................. 163 6.1.1 Deutschland ................................................................................... 163 6.1.2 Großbritannien ............................................................................... 165 6.2 Verwendete Variablen ........................................................................... 167 6.3 Allgemeine Kriterien der Fallauswahl................................................... 171 6.4 Methoden ............................................................................................... 172 6.4.1 Allokations- bzw. Übergangsmodelle ........................................... 172 6.4.2 Modelle zur Lohndetermination bzw. Lohnentwicklung .............. 174 7 Verbreitungsgrad und Charakteristika befristeter Beschäftigungsverhältnisse ......................................................................... 177 7.1 Verbreitungsgrad ................................................................................... 177 7.1.1 Befristungsquoten .......................................................................... 177 7.1.2 Befristete Beschäftigung als atypische Beschäftigung – empirische Befunde ................................................................................... 182 7.2 Charakteristika befristeter Stellen ......................................................... 187 7.2.1 Dauer befristeter Beschäftigungsverhältnisse ............................... 187 7.2.2 Grund der Befristung ..................................................................... 195 7.3 Zusammenfassung ................................................................................. 207 8 Besetzungsmuster befristeter Stellen ......................................................... 209
Inhaltsverzeichnis
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9 Übergänge aus befristeter Beschäftigung.................................................. 219 9.1 Verbleib in befristeter Beschäftigung.................................................... 224 9.2 Übergänge in Arbeitslosigkeit ............................................................... 240 9.3 Zusammenfassung der Ergebnisse......................................................... 256 10 Einkommenseffekte befristeter Beschäftigung......................................... 259 10.1 Effekte aus Querschnittsperspektive ..................................................... 259 10.1.1 Lohnhöhe ....................................................................................... 259 10.1.2 Lohnvariation................................................................................. 279 10.2 Effekte aus Längsschnittperspektive ..................................................... 283 10.3 Zusammenfassung ................................................................................. 297 11 Fazit .............................................................................................................. 301 Literaturverzeichnis ........................................................................................ 311
131.1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
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Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Indizes für die Stärke der Regulierung im Bereich des Kündigungsschutzes sowie der befristeten Beschäftigung in Deutschland und Großbritannien ..................................................... 23 Tabelle 2: Flexibilisierungsbereiche ................................................................. 43 Tabelle 3: Flexibilitätstypen .............................................................................. 47 Tabelle 4: Institutionelle Rahmenbedingungen in Deutschland und Großbritannien................................................................................ 142 Tabelle 5: Überblick über die verwendeten Variablen.................................... 169 Tabelle 6: Zuordnung der Ausbildungsabschlüsse in Deutschland und Großbritannien................................................................................ 170 Tabelle 7: Gründe für eine befristete Stelle, Mikrozensus und Labour Force Survey................................................................................... 169 Tabelle 8: Allokation auf befristete Stellen, Ergebnisse für Deutschland ...... 213 Tabelle 9: Allokation auf befristete Stellen, Ergebnisse für Großbritannien.. 216 Tabelle 10: Determinanten der Befristungswahrscheinlichkeit nach drei Jahren, Männer Deutschland .......................................................... 227 Tabelle 11: Determinanten der Befristungswahrscheinlichkeit nach drei Jahren, Frauen Deutschland ........................................................... 230 Tabelle 12: Determinanten der Befristungswahrscheinlichkeit nach drei Jahren, Männer Großbritannien...................................................... 233 Tabelle 13: Determinanten der Befristungswahrscheinlichkeit nach drei Jahren, Frauen Großbritannien....................................................... 236 Tabelle 14: Determinanten der Arbeitslosigkeitswahrscheinlichkeit nach drei Jahren, Männer Deutschland................................................... 242 Tabelle 15: Determinanten der Arbeitslosigkeitswahrscheinlichkeit nach drei Jahren, Frauen Deutschland .................................................... 246 Tabelle 16: Determinanten der Arbeitslosigkeitswahrscheinlichkeit nach drei Jahren, Männer Großbritannien .............................................. 250
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Tabellenverzeichnis
Tabelle 17: Determinanten der Arbeitslosigkeitswahrscheinlichkeit nach drei Jahren, Frauen Großbritannien................................................ 253 Tabelle 18: Durchschnittliche Bruttostundenlöhne unbefristet und befristet Beschäftigter in Deutschland und Großbritannien......................... 261 Tabelle 19: Einkommensmodelle, Männer Deutschland.................................. 264 Tabelle 20: Einkommensmodelle nach Bildungsniveau getrennt, Männer Deutschland .................................................................................... 266 Tabelle 21: Einkommensmodelle, Frauen Deutschland................................... 267 Tabelle 22: Einkommensmodelle nach Bildungsniveau getrennt, Frauen Deutschland .................................................................................... 269 Tabelle 23: Einkommensmodelle, Männer Großbritannien ............................. 271 Tabelle 24: Einkommensmodelle nach Bildungsniveau getrennt, Männer Großbritannien................................................................................ 273 Tabelle 25: Einkommensmodelle, Frauen Großbritannien .............................. 274 Tabelle 26: Einkommensmodelle nach Bildungsniveau getrennt, Frauen Großbritannien................................................................................ 276 Tabelle 27: Einkommensmodelle: Anteil erklärter Variation, Deutschland ..... 281 Tabelle 28: Einkommensmodelle: Anteil erklärter Variation, Großbritannien. 282 Tabelle 29: Lohnwachstumsmodelle, Männer Deutschland ............................. 285 Tabelle 30: Lohnwachstumsmodelle nach Bildungsniveau getrennt, Männer Deutschland .................................................................................... 287 Tabelle 31: Lohnwachstumsmodelle, Frauen Deutschland............................... 289 Tabelle 32: Lohnwachstumsmodelle nach Bildungsniveau getrennt, Frauen Deutschland .................................................................................... 290 Tabelle 33: Lohnwachstumsmodelle, Männer Großbritannien ......................... 292 Tabelle 34: Lohnwachstumsmodelle nach Bildungsniveau getrennt, Männer Großbritannien................................................................................ 293 Tabelle 35: Lohnwachstumsmodelle, Frauen Großbritannien .......................... 294 Tabelle 36: Lohnwachstumsmodelle nach Bildungsniveau getrennt, Frauen Großbritannien................................................................................ 296
151.1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
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Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Standardisierte Arbeitslosenquote und jährliche Veränderung des Bruttoinlandsprodukts (in konstanten Preisen) für Deutschland und das Vereinigte Königreich 1983-2003 ............ 25 Abbildung 2: rechtlich anerkannte sachliche Gründe für Befristung nach BGB ........................................................................................... 120 Abbildung 3: Gesamt- und geschlechtsspezifische Befristungsquoten für Deutschland und Großbritannien............................................... 179 Abbildung 4: Befristungsquoten für Deutschland und Großbritannien, getrennt nach Bildungsniveau ................................................... 180 Abbildung 5: Befristungsquoten für Deutschland und Großbritannien, getrennt nach Wirtschaftssektor ................................................ 181 Abbildung 6: Anteile verschiedener Erwerbsformen zwischen 1995 und 2003, Deutschland ..................................................................... 184 Abbildung 7: Anteile verschiedener Erwerbsformen zwischen 1991 und 2002, Großbritannien................................................................. 186 Abbildung 8: Dauer der Befristung ................................................................. 189 Abbildung 9: Dauer der Befristung, getrennt nach Bildungsniveau ............... 191 Abbildung 10: Dauer der Befristung, getrennt nach Geschlecht....................... 193 Abbildung 11: Dauer der Befristung, getrennt nach Wirtschaftssektor ............ 194 Abbildung 12: Grund der Befristung................................................................. 198 Abbildung 13: Dauer und Grund der Befristung ............................................... 199 Abbildung 14: Grund der Befristung, getrennt nach Bildungsniveau............... 202 Abbildung 15: Grund der Befristung, getrennt nach Geschlecht ...................... 204 Abbildung 16: Grund der Befristung, getrennt nach Wirtschaftssektor............ 206 Abbildung 17: Erwerbsstatus befristet und unbefristet Beschäftigter nach drei bzw. sechs Jahren .............................................................. 222 Abbildung 18: Wahrscheinlichkeiten, nach drei Jahren befristet beschäftigt zu sein, Männer Deutschland .................................................... 229
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Abbildungsverzeichnis
Abbildung 19: Wahrscheinlichkeiten, nach drei Jahren befristet beschäftigt zu sein, Frauen Deutschland...................................................... 232 Abbildung 20: Wahrscheinlichkeiten, nach drei Jahren befristet beschäftigt zu sein, Männer Großbritannien ................................................ 235 Abbildung 21: Wahrscheinlichkeiten, nach drei Jahren befristet beschäftigt zu sein, Frauen Großbritannien ................................................. 238 Abbildung 22: Wahrscheinlichkeiten, nach drei Jahren arbeitslos zu sein, Männer Deutschland.................................................................. 245 Abbildung 23: Wahrscheinlichkeiten, nach drei Jahren arbeitslos zu sein, Frauen Deutschland ................................................................... 248 Abbildung 24: Wahrscheinlichkeiten, nach drei Jahren arbeitslos zu sein, Männer Großbritannien ............................................................. 252 Abbildung 25: Wahrscheinlichkeiten, nach drei Jahren arbeitslos zu sein, Frauen Großbritannien............................................................... 255
1.1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
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1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit Forderungen nach einer Flexibilisierung des Arbeitsmarktes sind zumindest für die europäischen Gesellschaften seit den Ölpreisschocks Anfang und Mitte der siebziger Jahre zu einem Dauerthema avanciert. Zunehmende Arbeitslosigkeit und ein wirtschaftliches Wachstum, das immer wieder hinter dem anderer Industriestaaten (vor allem den USA) zurückblieb, lassen seither die Diskussion um die als zu inflexibel empfundenen Arbeitsmarktstrukturen und die zur Überwindung der „Eurosklerose“ notwendigen Flexibilisierungsmaßnahmen nicht abebben (vgl. z. B. Bentolila/Bertola 1990; Blanchard et al. 1986; Burgess 1992; Buttler 1990; Chen et al. 1999; Esping-Andersen/Regini 2000; Giersch 1987; Kraft 1993; Nickell 1997; Nielsen 1991; Rogowski/Schömann 1996; Semlinger 1991; Siebert 1997; Walwei 1996; Zilian/Flecker 1998). Für den deutschen Arbeitsmarkt ist das Thema Flexibilisierung spätestens seit Inkrafttreten des Beschäftigungsförderungsgesetzes im Jahre 1985 zu einem zentralen Diskussionspunkt der Arbeitsmarktforschung geworden (vgl. z. B. Adamy 1988; Dragendorf et al. 1988; Flecker/Schienstock 1991; Keller/Seifert 1998; Möller 1988; Semlinger 1991). Im Zuge der Globalisierung, die den Konkurrenzkampf zwischen den einzelnen Volkswirtschaften zunehmend verschärft, gravierender demographischer Veränderungen (Stichwort: Alterung des Gesellschaft) und rasantem technologischem Wandel hat sich der Anpassungsdruck auf die nationalen Arbeitsmärkte zu Beginn des 21. Jahrhundert noch weiter erhöht. Entsprechend sind die Diskussionen um eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes weiterhin sehr aktuell und werden von Vertretern der Arbeitgeber- sowie der Arbeitnehmerseite, der politischen Parteien und der Wissenschaft hoch kontrovers geführt.1 Maßnahmen zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes können auf sehr unterschiedliche Bereiche abzielen. Ein wesentlicher Weg zur Erhöhung der Arbeitsmarktflexibilität wird darin gesehen, die Einrichtung so genannter flexibler Be1 Exemplarisch sei hier an die Diskussionen in Deutschland um die so genannten Hartz-Gesetze (Gesetze für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt) erinnert (vgl. dazu z. B. die verschiedenen Beiträge in der Schwerpunktausgabe „Arbeitsmarktreformen“ der Zeitschrift Aus Politik und Zeitgeschichte, Ausgabe 16/2005 vom 18. April 2005).
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1 Befristung als Form der Arbeitsmarktflexibilisierung
schäftigungsverhältnisse durch den Abbau bzw. die Umgestaltung gesetzlicher oder tarifvertraglicher Vorschriften zu erleichtern. Solche Beschäftigungsverhältnisse ermöglichen es den Unternehmen, die Zahl ihrer Beschäftigten und/oder die Anzahl der Arbeitsstunden so an die jeweilige Nachfragesituation anzupassen, dass kostspielige personelle Überkapazitäten vermieden werden können. Dabei ist aber umstritten, welche Konsequenzen eine verstärkte Nutzung flexibler Arbeitsverhältnisse für die Strukturierung des Arbeitsmarktes hat. In der Debatte um die Ausweitung flexibler Beschäftigungsverhältnisse lassen sich zwei grundlegende Positionen ausmachen. Die Befürworter einer Flexibilisierung erwarten, dass sich durch den Abbau bzw. durch die Neufassung rechtlicher Bestimmungen die Flexibilität des Arbeitsmarktes erhöhen und somit das seit Ende der siebziger Jahre bestehende Problem der hohen Arbeitslosigkeit beseitigen oder zumindest erheblich reduziert lässt (vgl. z. B. OECD 1986, 1994; Siebert 1994, 1998; Soltwedel 1986). Darüber hinaus stellen sich aus dieser Perspektive flexible Beschäftigungsformen, wie etwa die Teilzeitarbeit, die Leiharbeit, die befristete Beschäftigung oder die Telearbeit, nicht nur als ökonomisch notwendig, sondern zugleich auch als sozial wünschenswert dar, da sie nicht nur die Anpassungsfähigkeit der Unternehmen erhöhen, sondern auch neue Handlungsspielräume für Arbeitnehmer erzeugen würden. So wird angenommen, dass durch flexible Beschäftigungsverhältnisse neue Optionen der individuellen Gestaltung des Erwerbslebens geschaffen werden können, die den Interessen der Arbeitnehmer entgegenkommen. Weiterhin wird erwartet, dass flexible Beschäftigungsformen einen Wechsel zwischen verschiedenen beruflichen Positionen, vor allem aber zwischen Phasen der Arbeitslosigkeit und der Erwerbstätigkeit, erleichtern. Aufgrund der daraus resultierenden hohen Mobilität auf dem Arbeitsmarkt wird vermutet, dass sich sozial strukturierte Ungleichheiten weitgehend auflösen werden. Sozioökonomische Benachteiligungen ließen sich dann, wenn überhaupt, nur als für das einzelne Individuum zeitlich begrenztes Phänomen finden. Eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes führe so zu einer Verringerung der sozialen Ungleichheit und sei demnach eindeutig als individuelle, aber auch als gesellschaftliche Chance zu bewerten. Die Kritiker der Arbeitsmarktflexibilisierung hingegen bestreiten die beschäftigungsfördernden Effekte dieser Maßnahmen und vermuten, dass mit der Aufweichung bzw. der Abschaffung arbeitnehmerseitiger Schutzrechte nur eine
Im Verlauf dieser Arbeit wird bei den Begriffen wie „Arbeitnehmer“ oder „Arbeitgeber“ im Allgemeinen nicht zwischen den männlichen und weiblichen Substantivformen unterschieden, sondern die männliche Form verwendet. Dies geschieht einzig und allein aus Gründen der Vereinfachung des Textes und der besseren Lesbarkeit.
1.1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
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einseitige Abwälzung von Unternehmensrisiken auf die Arbeitnehmer einhergehe (vgl. z. B. Buttler 1986; Keller 1989; Keller/Seifert 1998; Neumann 1990; Pfarr 2000). Aus dieser Perspektive generieren flexible Beschäftigungsverhältnisse nachteilige Erwerbslagen, indem sie die Arbeitnehmer nicht nur ökonomisch (in Form der Entlohnung bzw. der sozialen Absicherung), sondern auch sozial (durch erhöhte Unsicherheit hinsichtlich des weiteren Verlaufs der Erwerbskarriere) eindeutig benachteiligen. Diese unvorteilhaften Erwerbslagen drohen sich zu verfestigen, da aus Sicht der Kritiker davon ausgegangen werden muss, dass Arbeitnehmer in flexiblen Arbeitsverhältnissen vermehrt in solchen Beschäftigungsformen verbleiben bzw. zwischen Phasen der Arbeitslosigkeit und flexiblen Arbeitsverhältnissen wechseln. Somit würden flexible Beschäftigungsverhältnisse zu einer Verstärkung der sozialen Ungleichheit führen. Da anzunehmen sei, dass sich in flexiblen Beschäftigungsverhältnissen vor allem die ohnehin benachteiligten Arbeitsmarktgruppen (Frauen, Ausländer, Geringqualifizierte, behinderte Personen) wiederfinden, werde die Spaltung des Arbeitsmarktes nicht etwa überwunden, sondern vielmehr weiter verstärkt. Mit dieser Arbeit ist das Ziel verbunden, einen bestimmten Typ der flexiblen Beschäftigungsformen, namentlich die befristete Beschäftigung2, genauer hinsichtlich der sozio-ökonomischen Konsequenzen für die betroffenen Arbeitnehmer zu untersuchen. Bei einer Abwägung von Chancen und Risiken befristeter Beschäftigungsverhältnisse fällt zunächst auf, dass die Befristung von Arbeitsverträgen eindeutige Vorteile für die Arbeitgeber bieten. Durch die Einrichtung befristeter Stellen sind Arbeitgeber in der Lage, Restriktionen zu umgehen, die sich aus gesetzlichen und/oder tarifvertraglichen Bestimmungen ergeben. Aufgrund bestimmter institutioneller Regulierungen (wie etwa dem gesetzlichen Kündigungsschutz) kann es für Arbeitgeber recht kostspielig oder sogar unmöglich sein, Arbeitnehmer zu entlassen. Die Befristung von Arbeitsverträgen bietet für Unternehmen dann die Möglichkeit, trotz solcher Restriktionen den Personalbestand flexibel an die jeweilige Nachfragesituation anzupassen. In Zeiten wirtschaftlichen Aufschwungs können zusätzliche Arbeitskräfte eingestellt werden, und zwar zunächst auch nur für den Zeitraum, in dem diese voraussichtlich benötigt werden. Bei einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage können diese Arbeitskräfte ohne größeren Kostenaufwand wieder freigesetzt werden, einfach dadurch, dass ihre befristeten Verträge nicht verlängert werden. Darüber hinaus können zeitlich befristete Arbeitsverträge dazu genutzt werden, die Eig2 Unter dem Begriff „befristete Beschäftigung“ (synonym auch befristetes Arbeitsverhältnis, Befristung) wird ein Arbeitsverhältnis verstanden, das von vornherein nur für eine bestimmte Zeit eingegangen wird und das bei Ablauf der festgelegten Frist oder bei Erreichung bzw. Wegfall des vereinbarten Befristungszwecks endet, ohne dass es seitens des Arbeitnehmers bzw. des Arbeitgebers einer Kündigung bedarf (Büchtemann 1989: 44).
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1 Befristung als Form der Arbeitsmarktflexibilisierung
nung einer Arbeitskraft in einer verlängerten Probezeit zu testen. Befristete Arbeitsverträge ermöglichen es den Unternehmen so, die Qualität von Arbeitnehmern zu beurteilen und bei nicht hinreichender Überschneidung der Arbeitnehmerqualität mit dem Anforderungsprofil das Arbeitsverhältnis nach der vereinbarten Frist ohne Kündigung zu beenden. Im Sinne der oben skizzierten Debatten um die Folgen einer Arbeitsmarktflexibilisierung stellt sich die Frage, ob befristete Arbeitsverträge zu einem Abbau oder vielmehr zu einer Verstärkung sozialer Ungleichheit beitragen. Ersteres wäre beispielsweise dann der Fall, wenn befristete Stellen eine arbeitsmarktintegrative Funktion in dem Sinne aufweisen würden, dass sie für Arbeitnehmer die Chance auf einen Wechsel aus unsicheren und instabilen Erwerbssituationen in weitaus stabilere Beschäftigungsverhältnisse böten. So könnten befristete Stellen vor allem für die benachteiligten Gruppen des Arbeitsmarktes eine Verbesserung ihrer Erwerbslagen ermöglichen. Hierbei wäre vor allem der Weg von der Arbeitslosigkeit in eine dauerhafte Erwerbstätigkeit als eine der großen Chancen befristeter Beschäftigungsverhältnisse anzusehen. Allerdings können sich Befristungen auch als Element der Arbeitsmarktspaltung erweisen. Dies wäre dann der Fall, wenn sie verhindern, dass bestimmte Arbeitnehmergruppen auf unbefristete Stellen gelangen, und somit diese Personen von den relativ geschützten Bereichen des Arbeitsmarktes fernhalten. Befristungen könnten sich in einem solchen Szenario als ein Risiko für die Stabilität der Erwerbskarrieren der Arbeitnehmer darstellen und die Gefahr in sich bergen, vermehrt in Arbeitslosigkeit bzw. in erneute Befristungen zu führen. Befristete Beschäftigungsverhältnisse können sich demnach als Chance oder als Risiko für den einzelnen Arbeitnehmer erweisen. Die vorliegende Arbeit soll einen Beitrag zur Bewertung dieser Chancen und Risiken leisten. Dass dieser Fragestellung eine tagespolitische Brisanz innewohnt, zeigen beispielsweise die immer wiederkehrenden Stellungnahmen der Arbeitgeberverbände auf der einen und der Gewerkschaften auf der anderen Seite. Während die Arbeitgeberverbände eine Ausweitung der befristeten Beschäftigung für notwendig halten, wird von gewerkschaftlicher Seite eine Beschränkung der befristeten Arbeitsverhältnisse gefordert (vgl. z. B. Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände 2005; Deutscher Gewerkschaftsbund 2003). Allerdings kommt es bei diesen Diskussionen häufig zu sehr einseitigen Betrachtungen und Bewertungen von Flexibilisierungsinstrumenten wie der befristeten Beschäftigung. Chancen und Risiken, die wohl immer gleichzeitig mit bestimmten Flexibilisierungsmaßnahmen verbunden sind, werden kaum gegeneinander abgewogen. Vielmehr werden die Chancen bzw. die Risiken einseitig dargestellt, um so die jeweilige Position (Befürwortung oder Ablehnung) gegenüber diesen Instrumenten argumentativ zu untermauern.
1.1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
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Diese unterschiedlichen Einschätzungen lassen sich sicherlich zu einem großen Teil aus der Tatsache heraus erklären, dass empirisch gesicherte Erkenntnisse zur Wirkung befristeter Beschäftigung, die die Grundlage einer umfassenden Evaluation abgeben könnten, bisher eher selten zu finden sind (siehe dazu weiter unten). Was sind die sozio-ökonomischen Konsequenzen befristeter Beschäftigungsverhältnisse für Arbeitnehmer? Verdienen befristet Beschäftigte systematisch weniger als ihre unbefristet beschäftigten Kollegen? Erhöhen befristete Positionen das Risiko instabiler Erwerbskarrieren, indem sie in neuerliche Befristung oder sogar in Arbeitslosigkeit führen? Solche und ähnliche Fragen haben zwar in jüngerer Zeit zunehmend in der wissenschaftlichen Diskussion Beachtung gefunden, sind aber keineswegs hinreichend geklärt. Diese Lücke soll durch die vorliegende Studie geschlossen werden. Eine zentrale These dieser Arbeit ist, dass es „den“ Effekt befristeter Beschäftigungsverhältnisse auf das Arbeitseinkommen und die weitere berufliche Karriere der Arbeitnehmer nicht gibt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Effekte heterogen ausfallen, da sie in hohem Maße kontextabhängig sind. Eine solche Kontextabhängigkeit der Effekte lässt sich insbesondere aufgrund der sehr unterschiedlichen Funktionen, die befristete Stellen am Arbeitsmarkt erfüllen, erwarten. Zusätzlich sollten arbeitsmarktrelevante institutionelle Rahmenbedingungen einen Einfluss auf die Effekte befristeter Beschäftigungsverhältnisse ausüben, was mit entsprechend divergierenden Konsequenzen für die Arbeitnehmerschaft einhergeht. Insgesamt bedeutet dies nicht nur, dass sich befristete Beschäftigungsverhältnisse innerhalb eines nationalen Arbeitsmarktes für verschiedene Arbeitnehmergruppen unterschiedlich auswirken, sondern dass auch zwischen Arbeitsmärkten unterschiedliche Effekte befristeter Stellen zu erwarten sind. Die vorliegende Studie versucht, dem komplexen Phänomen der Befristung durch eine möglichst detaillierte Untersuchung der Befristungsfolgen für die Arbeitnehmer gerecht zu werden. Sie untersucht - die Effekte befristeter Beschäftigungsverhältnisse auf das Lohnniveau, auf die individuelle Lohnentwicklung sowie auf die Stabilität der weiteren Erwerbskarriere, - nutzt Paneldaten zur Unterscheidung von Querschnitts- und dynamischen Effekten, um Karriereprozesse modellieren zu können und - vergleicht Deutschland mit Großbritannien, um die möglicherweise divergierenden Effekte befristeter Beschäftigungsverhältnisse je nach institutionellen Kontexten erfassen zu können.
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1 Befristung als Form der Arbeitsmarktflexibilisierung
1.2 Der deutsch-britische Vergleich Im Bereich der Arbeitsmarktforschung gehört der Ländervergleich DeutschlandGroßbritannien sicherlich zu den am häufigsten verwendeten Zwei-LänderVergleichen (vgl. z. B. Hall 2001; Heise 1999; Hillmert 2001; Kim/Kurz 2003; McGinnity 2004; O'Reilly/Schmid 1999; Strengmann-Kuhn 2001). Für eine komparativ angelegte Analyse und Bewertung der sozio-ökonomischen Konsequenzen befristeter Beschäftigungsverhältnisse erscheint ein deutsch-britischer Vergleich aus mindestens vier Gründen sinnvoll. Erstens unterscheiden sich die institutionellen Rahmenbedingungen, in die die beiden nationalen Arbeitsmärkte eingebettet sind, in ganz erheblichem Maße voneinander.3 Da zu erwarten ist, dass die Effekte befristeter Beschäftigung von bestimmten arbeitsmarktrelevanten Institutionen nachhaltig beeinflusst werden, bietet eine komparative Untersuchung die Möglichkeit, solche Einflüsse genauer zu untersuchen. Für den deutschen und den britischen Arbeitsmarkt lassen sich insbesondere im Bereich des Kündigungsschutzes sowie im Bereich der Restriktionen gegenüber dem Einsatz befristeter Beschäftigungsverhältnisse deutliche institutionelle Unterschiede finden. Um einen ersten Eindruck von der Verschiedenartigkeit der beiden Arbeitsmärkte im Bereich der Arbeitsmarktregulierung zu erhalten, stellt Tabelle 1 die von der OECD entwickelten Regulierungsindizes für Deutschland und Großbritannien dar. Hierbei wird deutlich, dass im deutschen Arbeitsmarkt wesentlich höhere Restriktionen gegenüber Kündigungen, aber auch gegenüber dem Einsatz befristeter Arbeitsverhältnisse bestehen. Somit kann der britische Arbeitsmarkt als ein weitgehend unreguliertes System beschrieben werden, während der deutsche Arbeitsmarkt als ein relativ stark reguliertes System einzustufen ist. Durch den deutsch-britischen Vergleich eröffnet sich die Möglichkeit, empirisch zu untersuchen, ob und inwieweit solche unterschiedlichen institutionellen Rahmenbedingungen die sozio-ökonomischen Auswirkungen flexibler Arbeitsverhältnisse beeinflussen. So lässt sich beispielsweise vermuten, dass die Effekte befristeter Beschäftigungsverhältnisse in Großbri3 Beide Länder können als Manifestation sich diametral gegenüberstehender Idealtypen von kapitalistisch organisierten Wirtschafts- und Gesellschaftssystemen verstanden werden, die sich sehr massiv in der Ausgestaltung ihrer arbeitsmarktrelevanten Institutionen unterscheiden. In der neueren Literatur zur Analyse entwickelter kapitalistischer Systeme wird häufig entweder auf die Typologie von „Produktionsregimen“ (Soskice 1999) oder auf die Typologie von „Wohlfahrtsstaatsregimen“ (Esping-Andersen 1990) zurückgegriffen, wobei Deutschland dem Typ der „koordinierten Marktwirtschaft“ bzw. dem Typ des „konservativen Wohlfahrtsstaates“ zugeordnet ist, Großbritannien hingegen als „unkoordinierte oder liberale Marktwirtschaft“ bzw. als „liberaler Wohlfahrtsstaat“ klassifiziert wird. Einer solchen Typologisierung soll für den hier vorliegenden binationalen Vergleich jedoch nicht gefolgt werden, da ihr möglicher Nutzen erst in einer Mehr-Länder-Analyse entfaltet werden kann. Die detaillierte Beschreibung der im Zusammenhang dieser Studie relevanten institutionellen Unterschiede erfolgt im Kapitel 4.
1.2 Der deutsch-britische Vergleich
23
tannien insgesamt schwächer als in Deutschland ausfallen, da in stark regulierten Arbeitsmärkten die Gefahr besteht, dass die Kosten der Arbeitsmarktregulierung (etwa die Kosten eines hohen Bestandsschutzes regulärer Beschäftigungsverhältnisse) einseitig auf die Beschäftigten in flexiblen Arbeitsverhältnissen abgewälzt werden. In unregulierten Arbeitsmärkten hingegen ist eine solch starke Arbeitsmarktspaltung zwischen regulär und flexibel Beschäftigten nicht zu erwarten. Tabelle 1: Indizes für die Stärke der Regulierung im Bereich des Kündigungsschutzes sowie der befristeten Beschäftigung in Deutschland und Großbritannien, Quelle: OECD (1999) Restriktionen gegenüber… … Kündigungen
… befristeter Beschäftigung Ende Ende 1980er Jahre 1990er Jahre
Ende 1980er Jahre
Ende 1990er Jahre
Deutschland
2,7
2,8
3,8
2,3
Großbritannien
0,8
0,8
0,3
0,3
Die Indizes können zwischen 0 und 6 variieren, wobei höhere Werte eine stärkere Regulierung bedeuten.
Ein weiterer markanter Unterschied in den institutionellen Rahmenbedingungen des deutschen und des britischen Arbeitsmarktes ist in der Verschiedenartigkeit der beiden Bildungssysteme und der daraus resultierenden länderspezifischen Prägung der Muster intragenerationaler Mobilität zu sehen. So haben etwa Bildungstitel in Deutschland einen größeren Einfluss auf die Karrieremobilität als in Großbritannien, da sie aufgrund des höheren Standardisierungs-, Stratifizierungsund Differenzierungsgrades eine größere Signalkraft entfalten, was insbesondere für berufliche Ausbildungsabschlüsse gilt. Solche länderspezifischen Wirkungszusammenhänge von Bildungstiteln und individuellen Arbeitsmarktchancen sollten sich – wie später gezeigt wird – auch auf die Effekte befristeter Stellen auswirken. Zweitens bietet der Ländervergleich Deutschland-Großbritannien die Möglichkeit zu untersuchen, ob und inwieweit sich die sozio-ökonomischen Konsequenzen befristeter Beschäftigungsverhältnisse als abhängig vom allgemeinen wirtschaftlichen Umfeld und dessen Entwicklung erweisen. Dabei stehen die
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1 Befristung als Form der Arbeitsmarktflexibilisierung
konjunkturelle Situation und insbesondere die Lage am Arbeitsmarkt im Mittelpunkt des Interesses, die einen erheblichen Einfluss sowohl auf die rein quantitative Verbreitung befristeter Stellen als auch auf die Folgen befristeter Beschäftigung besitzen dürften. Dass sich Deutschland und Großbritannien in den letzten beiden Jahrzehnten sowohl hinsichtlich der konjunkturellen Entwicklung als auch bezüglich der Arbeitsmarktlage deutlich voneinander unterschieden, wird in Abbildung 1 ersichtlich. Sie stellt die standardisierte Arbeitslosenquote sowie die jährliche Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) beider Länder für den Zeitraum 1983-2003 dar.4 Es zeigt sich, dass noch Anfang der achtziger Jahre die Arbeitsmarktlage im Vereinigten Königreich wesentlich angespannter war als in der Bundesrepublik Deutschland: bis 1987 lag die britische Arbeitslosenquote um mehr als das anderthalbfache über der deutschen. Dieses Verhältnis hat sich jedoch seit 1996 komplett umgekehrt, im Jahre 2003 war die deutsche Arbeitslosenquote sogar fast doppelt so hoch wie die Quote im Vereinigten Königreich.5 Insgesamt ist damit für beide Länder eine sehr starke Dynamik im Bereich der Arbeitslosigkeit zu konstatieren. Dabei ist im Zeitverlauf zu erkennen, dass sich die Arbeitslosigkeit in Deutschland und Großbritannien bis Mitte der neunziger Jahre noch nach sehr ähnlichem Muster entwickelte: Während des wirtschaftlichen Aufschwungs Mitte der achtziger Jahre kam es zu einem Abbau der Arbeitslosigkeit, wobei dieser in Großbritannien etwas stärker ausfiel als in Deutschland. Die Ende der achtziger/Anfang der neunziger Jahre (in Deutschland aufgrund des kurzen Booms während der Wiedervereinigung ein wenig zeitversetzt) einsetzende Rezession führte in beiden Ländern wiederum zu einem deutlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit. Allerdings blieb die britische Arbeitslosenquote unterhalb des Höchststandes der vorhergehenden Rezessionsphase, in Deutschland wurden hingegen die alten Höchstmarken überschritten.6 Ab Mitte 4 Leider wird die standardisierte Arbeitslosenquote nach Auskunft des Statistischen Bundesamtes (persönliche Anfrage) ab 1991 nur noch für Gesamtdeutschland ausgewiesen. Für die deutschen Daten muss daher berücksichtigt werden, dass aufgrund der überdurchschnittlich hohen Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland die Arbeitslosenquote des westdeutschen Arbeitsmarkts unterhalb der hier angegebenen Quote liegt. Ähnliches trifft für die Daten des Vereinigten Königreichs zu, da die standardisierte Arbeitslosenquote nicht getrennt für Großbritannien und Nordirland ausgewiesen wird. Da die (unstandardisierte) Arbeitslosenquote Nordirlands etwas über der Großbritanniens liegt, entspricht die dargestellte Gesamtquote nicht der Arbeitslosenquote Großbritanniens. Die Differenz zwischen den Arbeitslosenquoten der beiden Landesteile fällt hier allerdings wesentlich geringer aus als die Differenz zwischen ost- und westdeutscher Arbeitslosenquote. 5 Diese Umkehr der Arbeitsmarktlage in beiden Ländern findet auch ihr metaphorisches Pendant: war noch Anfang der achtziger Jahre Großbritannien für viele der „kranke Mann Europas“, so wird diese Bezeichnung mittlerweile immer häufiger für die Beschreibung der wirtschaftlichen Situation in Deutschland verwendet (vgl. z. B. verschiedene Äußerungen von Ökonomen des Münchner IFOInstituts, www.ifo.de). 6 Das in Deutschland zu beobachtende Phänomen einer Zunahme der Sockelarbeitslosigkeit von Rezession zu Rezession wird häufig auch unter dem Schlagwort der Hysteresis diskutiert.
1.2 Der deutsch-britische Vergleich
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der neunziger Jahre entwickelte sich die Arbeitsmarktlage in Deutschland und Großbritannien dann jedoch stark unterschiedlich. Während sich die Situation auf dem britischen Arbeitsmarkt aufgrund eines soliden und anhaltenden wirtschaftlichen Wachstums deutlich verbesserte, stieg die Arbeitslosenquote in Deutschland weiter an, was vor allem an dem vergleichsweise geringen Wirtschaftswachstum liegen dürfte, das sich zudem seit 2001 noch weiter abschwächte.
12 11
Prozent
10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 -1 1983 1985 1987 1989 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 BRD Arbeitslosenquote BRD BIP-Entwicklung
VK Arbeitslosenquote VK BIP-Entwicklung
Abbildung 1: Standardisierte Arbeitslosenquote und jährliche Veränderung des Bruttoinlandsprodukts (in konstanten Preisen) für Deutschland7 und das Vereinigte Königreich 1983-2003, Quelle: International Statistical Yearbook 2004 sowie Statistisches Jahrbuch 2004, CD-Rom-Datenbanken der HU Berlin Die Gründe der positiven Arbeitsmarktentwicklung in Großbritannien werden vor allem in den Reformen der achtziger und neunziger Jahre, insbesondere in der Schwächung des gewerkschaftlichen Einflusses, sowie in der (schon immer recht hohen) Arbeitsmarktflexibilität des britischen Arbeitsmarktes gesehen (vgl. 7
Ab 1991 einschließlich der neuen Bundesländer.
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1 Befristung als Form der Arbeitsmarktflexibilisierung
z. B. Walwei/Werner 1998). Umgekehrt wird die negative Entwicklung des deutschen Arbeitsmarktes häufig auf die (als zu inflexibel angesehenen) Arbeitsmarktstrukturen zurückgeführt (z. B. Siebert 1998). In dieser Argumentationslinie erscheint eine Arbeitsmarktflexibilisierung, vielfach mit dem expliziten Verweis auf das Beispiel Großbritanniens, für die Lösung des deutschen Beschäftigungsproblems als unabdingbar. Forderungen nach dem Abbau von Kündigungsschutzrechten unter anderem durch die Ausweitung befristeter Beschäftigungsverhältnisse spielen dabei eine nicht unerhebliche Rolle. Drittens bietet sich der deutsch-britische Vergleich insbesondere deshalb an, weil beide Länder trotz der bisher genannten Unterschiede auch sehr viele ökonomische, soziale und kulturelle Gemeinsamkeiten aufweisen. Eine solche strukturelle Ähnlichkeit ist für eine komparative Analyse insofern von Bedeutung, als durch sie sichergestellt wird, dass die Anzahl derjenigen Merkmale, die für die beobachteten Variationen zwischen den Ländern verantwortlich sein können, stark begrenzt ist. Gemeinsamkeiten zwischen Deutschland und Großbritannien ergeben sich beispielsweise hinsichtlich der Landesfläche, der recht ähnlichen Bevölkerungsstruktur sowie der vergleichbaren Wirtschaftsleistung (pro Kopf). Ebenso sind die deutsche und die britische Volkswirtschaft in gleicher Art und Weise von der weltweiten konjunkturellen Lage abhängig, da beide Länder einen sehr hohen Grad der Einbindung in den Welthandel aufweisen.8 Als ein weiteres Beispiel mag angeführt werden, dass beide Länder als europäische Staaten über eine ähnliche sozio-kulturelle Einbettung verfügen und durch ihre Mitgliedschaft in der Europäischen Union einem erhöhten Konvergenzdruck ausgesetzt sind, der sich etwa in der Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Recht manifestiert. Insgesamt ist eine recht hohe Ähnlichkeit zwischen den beiden zu untersuchenden Ländern zu konstatieren, die doch deutlich höher ausfällt als etwa bei dem ebenfalls sehr prominenten Vergleich zwischen Deutschland und den USA (für solche deutsch-amerikanische Vergleiche im Bereich der Arbeitsmarktforschung vgl. z. B. DiPrete/McManus 1996; Gangl 2004, 2004; Ganßmann/Haas 1999; Leutenecker 1999; Sengenberger 1990). Viertens schließlich spricht für einen Ländervergleich zwischen Deutschland und Großbritannien, dass für beide Länder qualitativ hochwertige Mikrodatensätze vorliegen, die es überhaupt erst erlauben, die sozio-ökonomischen Konsequenzen befristeter Beschäftigungsverhältnisse auch empirisch zu untersu8
Als ein möglicher Indikator für die Einbindung der beiden Länder in den Welthandel kann der jeweilige nationale Anteil am weltweiten Im- und Exportvolumen betrachtet werden: so betrug 2002 der Anteil der deutschen Importe 7,8 Prozent, der Anteil der britischen Importe 5,3 Prozent am gesamten weltweiten Importvolumen. Der entsprechende Anteil bei den Exporten betrug 9,9 Prozent für Deutschland sowie 4,5 Prozent für Großbritannien (Quelle: Statistisches Jahrbuch für das Ausland 2004, CD-Rom-Datenbanken der HU Berlin). Beide Länder gehören damit neben den USA, Japan und Frankreich zu denjenigen Staaten mit der stärksten Einbindung in den internationalen Handel.
1.2 Der deutsch-britische Vergleich
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chen.9 In der vorliegenden Arbeit wird sowohl auf die nationalen Arbeitskräfteerhebungen als auch auf die Daten des deutschen Sozio-ökonomischen Panels sowie des britischen Haushaltspanels zurückgegriffen. Diese Datensätze zeichnen sich durch einen sehr hohen Grad an Vergleichbarkeit aus, der nicht zuletzt auf den Harmonisierungsbestrebungen im Bereich der europäischen Arbeitskräfte- bzw. Haushaltspanelerhebungen basiert. Aber auch im Bereich der Makrodaten ist der Zugang zu Datenmaterial, das einen direkten Vergleich zwischen Deutschland und Großbritannien ermöglicht, gewährleistet. Hier sind es vor allem die großen internationalen Institutionen wie die OECD, EUROSTAT oder der IWF, die vergleichbare Länderinformationen bereitstellen. Für den hier angestrebten Ländervergleich ist jedoch die besondere Situation Deutschlands zu berücksichtigen. Im Zuge der Vereinigung beider deutschen Staaten kam es zu einer rasanten Umgestaltung des politischen, des ökonomischen und des gesellschaftlichen Systems in Ostdeutschland. Besonderes Kennzeichen dieses Transformationsprozesses ist die nahezu vollständige Übertragung der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Institutionen Westdeutschlands auf das Gebiet der ehemaligen DDR.10 Jedoch führte dieser Transfer bisher keineswegs zu einer vollständigen Angleichung der wirtschaftlichen Situation Ost- und Westdeutschlands. Vielmehr existieren weiterhin starke strukturelle Unterschiede zwischen dem ostdeutschen und dem westdeutschen Arbeitsmarkt, die sich unter anderem in einer deutlich höheren Arbeitslosigkeit und geringeren Löhnen in Ostdeutschland manifestieren. Dies trifft im Übrigen auch auf den Einsatz befristeter Beschäftigungsverhältnisse selbst zu. In Ostdeutschland wurden befristete Stellen z. B. häufig auch im Rahmen arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen (wie in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen oder Strukturanpassungsmaßnahmen) eingesetzt, während Befristungen im Rahmen solcher Maßnahmen auf dem westdeutschen Arbeitsmarkt nur eine marginale Rolle spielten.11 Das Einbeziehen der neuen Bundesländer in einen deutsch-britischen Vergleich macht daher eine getrennte Betrachtung der alten und neuen Bundesländer unbedingt notwendig.
9
Es liegt auf der Hand, dass die Entscheidung für einen bestimmten Ländervergleich neben theoretischen Argumenten immer auch durch das Vorhandensein von auswertungsrelevantem Datenmaterial mit beeinflusst wird, insbesondere dann, wenn es sich um sekundäranalytische Auswertungen handelt. Gleichwohl sollte die Auswahl der Länder für einen Ländervergleich in erster Line theoretisch begründet sein. 10 Die ostdeutsche Transformation wird deshalb auch mit dem Begriff des „Institutionentransfers“ (z. B. Lehmbruch 1993, 1996) beschrieben. 11 So kann Rudolph (2000) zeigen, dass die Befristungsquote (1985 bis 1999) in Westdeutschland nur unwesentlich durch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen erhöht wurde. In Ostdeutschland dagegen weisen diese Maßnahmen einen deutlichen Effekt auf die Befristungsquoten auf.
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1 Befristung als Form der Arbeitsmarktflexibilisierung
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde jedoch auf eine Analyse des ostdeutschen Arbeitsmarktes verzichtet. Insgesamt sprachen drei Gründe für eine Beschränkung der Untersuchung auf den westdeutschen Arbeitsmarkt. Erstens erscheint die Betrachtung des ostdeutschen Arbeitsmarktes aus inhaltlichen Überlegungen nicht zwingend notwendig. Da die Standards der Beschäftigungssicherheit und kollektiver Regelungen in Westdeutschland stärker ausgeprägt sind als in Ostdeutschland12, ist es im Rahmen der vorliegenden Untersuchung vor allem sinnvoll, den westdeutschen mit dem britischen Arbeitsmarkt zu kontrastieren. Der ostdeutsche Arbeitsmarkt stellt keinen solch starken Kontrast zum britischen Arbeitsmarkt dar, sondern nimmt eher eine Zwischenposition zwischen dem westdeutschen und dem britischen Arbeitsmarkt ein.13 Zweitens wären die Ergebnisse für Ostdeutschland immer auch danach zu hinterfragen, ob und inwieweit sie durch die auf dem ostdeutschen Arbeitsmarkt stattfindenden Transformationsprozesse beeinflusst werden. Die ohnehin schon komplexe Analyse der Wirkung von Institutionen würde dadurch noch weiter erschwert. Schließlich würde die Berücksichtigung des ostdeutschen Arbeitsmarktes drittens die Anzahl der zu berechnenden Modelle sowie der entsprechenden Ergebnisdarstellungen deutlich erhöhen und so den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Vor diesem Hintergrund soll der ostdeutsche Arbeitsmarkt hier nicht weiter betrachtet werden. Der Ländervergleich bezieht sich folglich auf die Gegenüberstellung des westdeutschen und des britischen Arbeitsmarkts.14
1.3 Forschungsstand Für die im Rahmen dieser Arbeit angestrebte Bewertung sozio-ökonomischer Konsequenzen befristeter Beschäftigungsverhältnisse ist es unerlässlich, den bisherigen Forschungsstand zu diesem Thema angemessen zu reflektieren. Dies dient einerseits dazu, einen Ausgangspunkt für die theoretischen und empirischen Analysen zu erhalten. Andererseits können auf dieser Grundlage
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Beispielsweise können Ellguth/Kohaut (2004) mit Daten des IAB-Betriebspanels zeigen, dass in Ostdeutschland nur 26 Prozent aller Betriebe eine Tarifbindung aufweisen, in Westdeutschland beträgt dieser Anteil hingegen 47 Prozent. 13 Es ist deshalb zu vermuten, dass die Folgen befristeter Beschäftigungsverhältnisse in Ostdeutschland ein wenig schwächer ausfallen als in Westdeutschland. Die Ergebnisse von Groß (2001) oder Mertens/ McGinnity (2004) scheinen eine solche Vermutung auch empirisch zu untermauern (siehe unten). 14 Wenn im Nachfolgenden dennoch vom „deutschen“ Arbeitsmarkt oder von „Deutschland“ die Rede ist, handelt es sich lediglich um eine sprachliche Vereinfachung zum Zwecke der besseren Lesbarkeit: gemeint ist dann immer der westdeutsche Arbeitsmarkt bzw. Westdeutschland.
1.3 Forschungsstand
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Analyseziele formuliert werden, die über den aktuellen Wissensstand hinausgehen. Im Bereich der empirischen Forschung zum Themenkomplex „befristete Beschäftigung“ lassen sich zwei Typen von Untersuchungen finden. Erstens existieren Forschungsarbeiten, die ausschließlich die Strukturmerkmale befristeter Arbeitsverhältnisse analysieren (vgl. z. B. Casey et al. 1989; De Grip et al. 1997; Delsen 1995; Dragendorf et al. 1988; Düll/Ellguth 1999; Kim/Kurz 2003; Purcell 2000; Rudolph 1987, 2003; Schömann et al. 1998; Sly/Stillwell 1997; Tálos 1999; Uzzi 1998; Walwei 1990). Die Ergebnisse dieser Untersuchungen deuten darauf hin, dass sowohl individuelle Eigenschaften wie das Alter, das Geschlecht und das Bildungsniveau als auch arbeitsplatzbezogene Merkmale wie der Wirtschaftssektor oder die Betriebsgröße die Wahrscheinlichkeit beeinflussen, dass ein Arbeitnehmer befristet beschäftigt ist. Auch können Unterschiede in den Besetzungsmustern befristeter Stellen zwischen einzelnen Ländern nachgewiesen werden. Allerdings basieren diese Befunde häufig auf rein deskriptiven Auswertungen, so dass unklar bleibt, welchen Einfluss einzelne Merkmale unabhängig von anderen Strukturmerkmalen im Prozess der Allokation von Individuen auf befristete Stellen ausüben. Zweitens existiert eine Vielzahl von Untersuchung, die sich zusätzlich zu den Strukturmerkmalen mit den sozio-ökonomischen Konsequenzen befristeter Beschäftigungsverhältnisse auseinandersetzen. Dabei stehen insbesondere die Lohneffekte sowie die Stabilität der weiteren beruflichen Karriere im Mittelpunkt der Analysen.15 Da die vorliegende Arbeit einen deutsch-britischen Vergleich anstrebt, soll im Nachfolgenden nur auf solche Untersuchungen eingegangen werden, die sich mit den sozio-ökonomischen Konsequenzen befristeter Beschäftigungsverhältnisse auf dem deutschen und/oder dem britischen Arbeitsmarkt auseinandersetzen.16 Deutschland Die mit Abstand umfangreichste Untersuchung zu befristeten Beschäftigungsverhältnissen im deutschen Arbeitsmarkt ist die Studie von Büchtemann (1989). Hier standen Umfang, Struktur, Einsatzbereiche und Beschäftigungsfolgen befristeter Beschäftigungsverhältnisse im Mittelpunkt des Interesses. Die Ergebnisse beruhen auf zwischen 1987 und 1988 durchgeführten Befragungen von 15
Dass befristete Stellen neben diesen „objektiven“ Konsequenzen auch mit psycho-sozialen Folgen verbunden sein können, zeigen die Ergebnisse qualitativer Untersuchungen (vgl. z. B. Linne/ Voswinkel 1989, Noller 2003 oder Purcell et al. 1999). 16 Für empirische Untersuchungen der Effekte befristeter Beschäftigungsverhältnisse in anderen europäischen Ländern vgl. z. B. Frankreich: Blanchard/Landier (2002); Italien: Schizzerotto/Pisati (2003); Schweden: Holmlund/Storrie (2002), Korpi/Levin (2001); Spanien: Amuedo-Dorantes (2000), Dolado et al. (2002).
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1 Befristung als Form der Arbeitsmarktflexibilisierung
privatwirtschaftlichen Betrieben, von Arbeitnehmern und Arbeitssuchenden sowie von Hauptvermittlern in den Arbeitsämtern der Bundesrepublik Deutschland, wobei für Arbeitnehmer und Arbeitsuchende ca. 6 Monate nach der Erstbefragung eine Wiederholungsbefragung stattfand. Die Vielzahl der erhobenen Informationen sowie der Einschluss sowohl der angebots- als auch der nachfrageseitigen Perspektive macht diese Studie zu einem wichtigen Ausgangspunkt für eine empirische Untersuchung der befristeten Beschäftigung. Für den Bereich der Mobilitätseffekte zeigt sich etwa, dass befristete Beschäftigungsverhältnisse sowohl das Risiko, arbeitslos zu werden, als auch das Risiko, nach Ablauf des Vertrages wieder nur einen befristeten Arbeitsvertrag zu erhalten, erhöhen. Trotz der sehr umfangreichen Anlage ist die Büchtemann-Studie für eine ungleichheitsbezogene Analyse befristeter Beschäftigungsverhältnisse nur bedingt geeignet. Zunächst erlauben es die Daten aufgrund der fehlenden Längsschnittperspektive nicht, zeitliche Veränderungen in der Struktur und den Effekten befristeter Beschäftigung zu erfassen. Weiterhin ist die Untersuchung der Mobilitätseffekte auf einen sehr kurzfristigen Zeitraum beschränkt, da der zeitliche Abstand zwischen Erst- und Wiederholungsbefragung nur ca. 6 Monate betrug. Mittel- und längerfristige Folgen befristeter Beschäftigungsverhältnissen wurden somit nicht erfasst. Ein weiterer Nachteil ist darin zu sehen, dass sämtliche Ergebnisse auf deskriptiven Analysen basieren. Auswertungen in Form multivariater Modellen fehlen vollständig, so dass unklar bleibt, inwieweit die berichteten Ergebnisse auch unter Kontrolle anderer relevanter Einflussgrößen ihre Gültigkeit behalten. Darüber hinaus werden Lohneffekte befristeter Beschäftigungsverhältnisse in dieser Studie nicht untersucht. Die Ergebnisse einer Nachfolgestudie zu der Untersuchung von Büchtemann (1989) werden in Bielenski et al. (1994) dargestellt. Die Studie ist in weiten Teilen vergleichbar mit der Büchtemann-Studie, hebt sich jedoch in mindestens zwei Punkten von der Vorgängeruntersuchung ab. Erstens wurde ein Untersuchungszeitraum gewählt (1992/93), der im Vergleich zu der Studie von 1987/88 durch eine deutlich schlechtere konjunkturelle Situation gekennzeichnet war. Zweitens wurde neben dem westdeutschen auch der ostdeutsche Arbeitsmarkt mit in die Untersuchung einbezogen. Die Ergebnisse für den westdeutschen Arbeitsmarkt fallen insgesamt sehr ähnlich zu den entsprechenden Befunden der Büchtemann-Studie aus, was darauf hindeutet, dass die konjunkturelle Situation keinen nachhaltigen Einfluss auf die Verbreitung und die Effekte befristeter Beschäftigungsverhältnisse nimmt. Für den ostdeutschen Arbeitsmarkt zeigt sich vor allem, dass befristete Stellen eine wesentliche Rolle im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen spielen, während sie im ersten Arbeitsmarkt deutlich seltener zu finden sind als in Westdeutschland. Die Kritikpunkte an dieser Untersuchung sind nahezu identisch mit denen der Vorgängerstudie:
1.3 Forschungsstand
31
Die Ergebnisse beruhen ausschließlich auf deskriptiven Analysen, der Zeitraum für die Analyse der Mobilitätseffekte ist sehr klein und mögliche Lohneffekte befristeter Stellen werden nicht untersucht. Ausführlicher werden die Mobilitätseffekte befristeter Beschäftigungsverhältnisse für den westdeutschen Arbeitsmarkt von Giesecke/Groß (2002; 2003) untersucht. Auf der Grundlage von rekonstruierten Erwerbsverläufen aus den Daten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP, Zeitraum 1984-1999) kann gezeigt werden, dass befristet Beschäftigte nach Ablauf des Vertrages ein erhöhtes Risiko besitzen, wieder nur einen befristeten Arbeitsvertrag zu erhalten. Ebenso erhöht eine befristete Beschäftigung das Risiko, arbeitslos zu werden. Diese beiden von befristeten Stellen ausgehenden Arbeitsmarktrisiken finden sich auch noch nach Kontrolle relevanter individueller und arbeitsplatzbezogener Merkmale, was darauf hindeutet, dass befristete Stellen einen eigenständigen strukturellen Effekt auf die weitere Erwerbskarriere der Arbeitnehmer in Richtung unsteter Beschäftigung ausüben. Ein Defizit dieser Untersuchung ist, dass die Modelle nicht für Männer und Frauen getrennt berechnet wurden, weshalb mögliche geschlechtsspezifische Mobilitätsmuster komplett ausgeblendet bleiben. Die Mobilitätsmuster befristet Beschäftigter werden ebenfalls von McGinnity/Mertens (2002) sowie von Boockmann/Hagen (2005) analysiert. Sie zeigen mit den Daten des SOEP zunächst deskriptiv, dass sowohl im west- als auch im ostdeutschen Arbeitsmarkt ca. 40 Prozent der befristet Beschäftigten nach einem Jahr in Dauerstellen tätig sind. Ein ähnlich hoher Anteil (ca. 36 Prozent) verbleibt in befristeter Beschäftigung, 12 Prozent (Westdeutschland) bzw. 18 Prozent (Ostdeutschland) der befristet Beschäftigten sind nach einem Jahr arbeitslos. In multivariaten Modellen wird zusätzlich der Einfluss individueller sowie arbeitsplatzbezogener Merkmale auf die Übergangswahrscheinlichkeiten untersucht. Hier lassen sich Effekte des Alters, des Bildungsniveaus sowie der Betriebsgröße finden. Leider fehlt in diesen Analysen ein Bezug auf die Vergleichsgruppe der unbefristet Beschäftigten, so dass insgesamt unklar bleibt, ob und inwieweit spezifische Effekte befristeter Stellen existieren. Weiterhin wurden auch in dieser Untersuchung keine geschlechtsspezifischen Mobilitätsmuster analysiert. Eine etwas andere Perspektive zum Thema befristete Beschäftigung und Mobilität nimmt Hagen (2003) ein. Der Autor versucht die interessante Frage zu beantworten, ob befristete Stellen für Arbeitslose die Chance auf längerfristige Beschäftigung erhöhen. Dazu werden auf der Grundlage der Daten des SOEP (1991-2001) statistische Matching-Verfahren angewendet, die die Beschäftigungschancen ehemaliger Arbeitsloser, die eine befristete Beschäftigung aufnahmen, mit den Chancen von Arbeitlosen vergleichen, die keine befristete Stelle annahmen. Die Ergebnisse fallen allerdings sehr uneinheitlich aus: Einer-
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1 Befristung als Form der Arbeitsmarktflexibilisierung
seits scheinen die Chancen auf längerfristige Beschäftigung (in befristeten oder unbefristeten Arbeitsverhältnissen) für diejenigen Arbeitslosen, die eine befristete Stelle annahmen, ein wenig höher zu liegen, andererseits ist bereits nach 17 Monaten kein Unterschied im Arbeitslosigkeitsrisiko der beiden Gruppen mehr festzustellen. Ebenfalls zeigt sich, dass befristete Stellen das Risiko erhöhen, zu einem späteren Zeitpunkt erneut nur befristet beschäftigt zu sein. Die erste Untersuchung, die sich explizit mit den Lohneffekten befristeter Beschäftigungsverhältnisse auf dem deutschen Arbeitsmarkt beschäftigte, ist die Arbeit von Büchtemann/Quack (1989). Die Autoren zeigen mit den Daten der SOEP-Welle 1985, dass befristet Beschäftigte geringere Löhne erzielen als Arbeitnehmer in Dauerstellen. Neben den Lohneffekten befristeter Beschäftigung untersuchen Büchtemann und Quack das von dieser Erwerbsform ausgehende Arbeitslosigkeitsrisiko. Sie kommen auf der Grundlage einer Längsschnittanalyse (1985-1986, ebenfalls SOEP-Daten) zu dem Schluss, dass befristet Beschäftigte kein höheres Arbeitslosigkeitsrisiko aufweisen als Arbeitnehmer mit Dauerstellen, die über eine Betriebszugehörigkeitsdauer von weniger als zwei Jahren verfügen. Allerdings basieren diese Ergebnisse wie auch die Resultate zu den Lohneffekten nur auf deskriptiven Analysen, die zudem die (befristeten) Beschäftigungsverhältnisse von Auszubildenden mit einbeziehen. Schömann/Kruppe (1993) untersuchen ebenfalls den Einfluss befristeter Beschäftigung auf den individuellen Arbeitslohn. Basierend auf der Analyse verschiedener Querschnitte des SOEP (Westdeutschland: 1985, 1988 und 1991; Ostdeutschland: 1991 und 1992) können die Autoren zeigen, dass im westdeutschen Arbeitsmarkt die Nettostundenlöhne in befristeten Stellen ca. 11 Prozent geringer ausfallen als in Dauerstellen. Für Ostdeutschland finden sich hingegen keine Lohneffekte befristeter Beschäftigungsverhältnisse. Aus methodischer Sicht ergeben sich bei dieser Arbeit jedoch mindestens drei Probleme. Erstens verwenden die Autoren nur einfache OLS-Regressionen, obwohl die Panelstruktur des SOEP auch andere Schätzverfahren (z. B. fixed-effects-Schätzungen) ermöglichen würde, die für die Analyse von Paneldaten wesentlich geeigneter sind. Zweitens beziehen sich die Ergebnisse auf den individuellen Nettostundenlohn, was nahe legt, steuer- und sozialversicherungsrelevante Merkmale der Arbeitnehmer (wie etwa den Familienstand), in die Modelle als Kontrollvariablen aufzunehmen. In den Analysen von Schömann/Kruppe wurden solche Merkmale jedoch nicht verwendet. Drittens versäumen es die Autoren, die Modelle für Männer und Frauen getrennt zu berechnen, was aufgrund der hinreichend bekannten Geschlechtsspezifik im Prozess der Lohndetermination verwundert. Eine weitere Untersuchung zu den Einkommenseffekten befristeter Beschäftigungsverhältnisse in Ost- und Westdeutschland ist die Arbeit von Groß
1.3 Forschungsstand
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(1999), die sich auf Daten des Mikrozensus 1995 stützt. Dabei zeigt sich, dass Einkommensverluste in befristeten Stellen hauptsächlich für Arbeitnehmer in unteren und mittleren Positionen (operationalisiert durch die berufliche Stellung) zu finden sind. Für Personen in höheren Positionen hingegen können befristete Stellen sogar mit Einkommensgewinnen verbunden sein. Aus Sicht des Autors tragen befristete Beschäftigungsverhältnisse damit zu einer Polarisierung sozialer Ungleichheit bei. Dieses Ergebnis gilt sowohl für den west- als auch für den ostdeutschen Arbeitsmarkt, jedoch fallen die Effekte in Ostdeutschland insgesamt etwas schwächer aus. Groß (2001) weitet die Analyse noch etwas aus, indem er zusätzlich zu den Mikrozensusdaten von 1995 auch Daten aus den Jahren 1989, 1991 und 1993 nutzt. Die Ergebnisse fallen insgesamt sehr ähnlich aus wie die Befunde der ersten Untersuchung. Allerdings zeigt sich, dass die von befristet beschäftigten Arbeitnehmern in hohen Positionen erzielten Einkommensgewinne in einer konjunkturell angespannten Situation geringer ausfallen als in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs. Kritisch an dieser Untersuchung ist anzumerken, dass auch hier keine nach dem Geschlecht getrennte Analyse durchgeführt wurde. Ein weiteres methodisches Problem ergibt sich dahingehend, dass als abhängige Variable das monatliche Nettoeinkommen, das im Mikrozensus zudem nur als nach oben zensiertes und in Kategorien erfasstes Merkmal vorlag, verwendet wurde. Die Effekte befristeter Beschäftigungsverhältnisse auf den tatsächlich am Markt realisierten Stundenlohn werden somit in dieser Untersuchung nur indirekt erfasst. Hagen (2002) untersucht mit Daten des SOEP ebenfalls mögliche Einkommenseffekte befristeter Beschäftigung, jedoch nur für Westdeutschland und nur für das Jahr 1999. Dabei verwendet er verschiedene Schätzmethoden, um mögliche Selektionsprozesse (insbesondere die Selektion in befristete Beschäftigung) zu berücksichtigen. Seine Ergebnisse variieren jedoch stark mit der zugrunde liegenden Schätzmethode (von 6 Prozent bis 23 Prozent Lohnabschlag in befristeten Stellen). Auch bleibt wegen der restriktiven Annahmen der Schätzmethoden und der kleinen Fallzahl für die Gruppe der befristet Beschäftigten offen, inwieweit diese Ergebnisse als valide angesehen werden können. Ein weiteres Defizit dieser Untersuchung ist die fehlende Separierung der Analysen für Männern und Frauen. Die Lohneffekte befristeter Beschäftigungsverhältnisse werden auch von Mertens/McGinnity (2004; 2005) analysiert, hier wiederum für Ost- und Westdeutschland. Sie kommen mit den Daten des SOEP zu dem Schluss, dass befriste Stellen nur mit geringen Lohnabschlägen behaftet sind. Die Effekte fallen für Männer insgesamt stärker aus als für Frauen, für Westdeutschland stärker als für Ostdeutschland. Weiterhin analysieren Mertens und McGinnity, wie sich die Löhne befristet Beschäftigter im Vergleich zu unbefristet beschäftigten Erwerbs-
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tätigen im Zeitverlauf entwickeln. Die Effekte der berechneten Modelle deuten darauf hin, dass befristet Beschäftigte ein überdurchschnittliches Lohnwachstum aufweisen, was die Autorinnen darauf zurückführen, dass bei Übergängen aus befristeten Stellen in unbefristete Positionen bei demselben Arbeitgeber überdurchschnittliche Lohnzuwächse zu verzeichnen seien. In einer weiteren Arbeit argumentieren Mertens und McGinnity, dass insbesondere die Lohndifferenz zwischen befristeten und unbefristeten Stellen davon abhängig sein sollten, ob es sich bei der befristeten Beschäftigung um eine eher hoch oder um eine eher niedrig entlohnte Tätigkeit handelt (Mertens/McGinnity 2003). Die beiden Autorinnen entwickeln hier die Idee eines zweigeteilten Arbeitsmarkts (two-tier labour market) für befristete Beschäftigungsverhältnisse: Im unteren Lohnbereich dienen befristete Beschäftigungsverhältnisse hauptsächlich der Anpassung an Nachfrageschwankungen und sind deshalb mit deutlichen Lohnabschlägen verbunden, während die Befristung für den oberen Lohnbereich eher als ein normaler Bestandteil der Erwerbskarrieren zu verstehen ist, weshalb die Lohneffekte in diesem Bereich wesentlich schwächer ausgeprägt sein sollten. Empirisch wird diese Idee mit der Hilfe von Quantilsregressionen für den westdeutschen Arbeitsmarkt (wiederum mit den Daten des SOEP, Zeitraum: 1995-2000) getestet. Die Ergebnisse deuten tatsächlich darauf hin, dass die Lohneinbußen in befristeten Beschäftigungsverhältnissen für die unteren Quantile der Lohnverteilung höher ausfallen als für die oberen Quantile. Großbritannien Für Großbritannien liegen nur sehr wenige Studien zu den sozio-ökonomischen Konsequenzen befristeter Beschäftigungsverhältnisse vor. Booth et al. (2002) untersuchen mit Daten des British Household Panel Survey (BHPS, Zeitraum 1991-1997), ob und inwieweit befristete Beschäftigungsverhältnisse zu geringeren Löhnen führen. Ihre Ergebnisse machen deutlich, dass befristete Stellen auch im britischen Arbeitsmarkt geringer entlohnt werden als vergleichbare unbefristete Positionen. Auf der Grundlage von Wachstumsmodellen kommen die Autoren weiterhin zu dem Schluss, dass sich befristete Beschäftigungsverhältnisse negativ auf die individuelle Lohnentwicklung auswirken: Ehemals befristet Beschäftigte schaffen es mittelfristig nicht, das Lohnniveau von vergleichbaren unbefristet beschäftigten Arbeitnehmern zu erreichen. Die Ausnahme hiervon bilden Frauen mit einer bestimmten Art befristeter Arbeitsverhältnisse (fixed-term contracts), die nach ca. 10 Jahren ihren anfänglichen Minderverdienst ausgleichen können. Neben den Einkommenseffekten befristeter Stellen werden auch Übergänge aus befristeter Beschäftigung analysiert. Die Ergebnisse dieser Übergangsmodelle deuten auf stark geschlechtsspezifisch geprägte Übergangsmuster hin. Allerdings bleiben diese Resultate dahin-
1.3 Forschungsstand
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gehend fragwürdig, als dass die Autoren behaupten, keinen einzigen Übergang aus befristeter Beschäftigung in eine Phase der Arbeitslosigkeit beobachtet zu haben (ebd.: 202), solche Übergänge aber von Giesecke/Groß (2004, siehe unten) eindeutig gefunden werden konnten. In einer weiteren Untersuchung können dieselben Autoren auf der Grundlage des BHPS (Zeitraum 1991-2000) sowie zweier weiterer Querschnittsdatensätze ebenfalls zeigen, dass befristete Stellen im britischen Arbeitsmarkt mit Lohneinbußen verbunden sind (Booth et al. 2002). Weiterhin wird auch hier deutlich, dass die Effekte befristeter Beschäftigungsverhältnisse für britische Arbeitnehmerinnen schwächer ausfallen als für männliche Erwerbstätige. Vergleich Deutschland-Großbritannien Auch im Bereich der vergleichenden Forschung sind Studien zu den Effekten befristeter Beschäftigungsverhältnisse nur in sehr geringem Ausmaße zu finden. Die Ergebnisse derjenigen Arbeiten, die einen deutsch-britischen Vergleich beinhalten, sollen im Nachfolgenden kurz beschrieben werden.17 Lohneffekte befristeter Beschäftigung in Deutschland, Großbritannien sowie den Niederlanden werden in Dekker (2001) mit den Daten der nationalen Haushaltspaneluntersuchungen (Zeitraum 1991 bis 1998) analysiert. Dabei zeigt sich, dass befristete Stellen sowohl in Deutschland als auch in Großbritannien mit Lohneinbußen verbunden sind. Allerdings wird auch deutlich, dass die Lohneinbußen in Deutschland wesentlich stärker ausfallen als in Großbritannien. Die Ergebnisse für Deutschland sind jedoch aus drei Gründen problematisch. Erstens wurde keine getrennte Analyse für Ost- und Westdeutschland durchgeführt, was angesichts der klaren Strukturunterschiede zwischen beiden Arbeitsmärkten jedoch erforderlich wäre. Zweitens wurden Arbeitsverhältnisse von Auszubildenden mit in die Analyse einbezogen, die im deutschen Arbeitsmarkt grundsätzlich auf befristeter Basis abgeschlossen werden. Auszubildende spielen jedoch aufgrund ihrer spezifischen Arbeitsmarktsituation (z. B. in Hinblick auf ihre Entlohnung) eine deutliche Sonderrolle innerhalb der Gruppe der befristet Beschäftigten. Drittens bestehen für das SOEP vor 1995 erhebliche Probleme bei der Erfassung befristeter Beschäftigungsverhältnisse18, die jedoch von Dekker nicht thematisiert werden. Die bisher umfangreichste vergleichende Studie zu befristeten Beschäftigungsverhältnissen wurde von der OECD veröffentlicht (OECD 2002). Mit den Daten des European Community Household Panel (ECHP, Zeitraum: 1996-1998, 17
Für andere Studien bezüglich der Effekte befristeter Beschäftigung, die ebenfalls komparativ angelegt sind, aber keinen deutsch-britischen Vergleich enthalten, vgl. z. B. Brown/Sessions (2001), DiPrete et al. (2002) oder Gash (2004). 18 Vgl. dazu ausführlicher Abschnitt 6.1.1.
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1 Befristung als Form der Arbeitsmarktflexibilisierung
insgesamt 13 Länder) werden darin neben Lohn- und Mobilitätseffekten befristeter Stellen auch der Zugang zu Gehaltsnebenleistungen (wie etwa Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder Zahlungen des Arbeitgebers in Pensionspläne) und betrieblichen Ausbildungsgängen sowie die Jobzufriedenheit und Arbeitsbedingungen befristet Beschäftigter untersucht. Den Ergebnissen zufolge sind befristete Beschäftigungsverhältnisse nicht nur mit geringen Löhnen und nachteiligeren Arbeitsbedingungen verbunden, sondern bieten auch weniger Ausbildungsmöglichkeiten als Dauerstellen. Weiterhin zeigt sich, dass es zwar einem Großteil der befristet Beschäftigten gelingt, in eine Dauerstelle zu wechseln, befristete Stellen aber dennoch mit erheblichen Arbeitsmarktrisiken verbunden sind, da sie im Vergleich zu Dauerstellen mit einer wesentlich höheren Wahrscheinlichkeit in eine Phase der Arbeitslosigkeit münden. Der Ländervergleich macht darüber hinaus deutlich, dass sich die genannten Effekte befristeter Beschäftigungsverhältnisse durchaus zwischen den einzelnen Arbeitsmärkten unterscheiden. Allerdings ist auch diese Studie nicht frei von methodischen Problemen, die die Aussagekraft der Ergebnisse merklich einschränken. So basieren die Resultate nur auf deskriptiven Auswertungen oder auf sehr einfachen multivariaten Modellen. Weiterhin wurde ein sehr kurzer Beobachtungszeitraum gewählt, so dass nur die kurzfristigen Mobilitätseffekte befristeter Beschäftigung untersucht werden konnten. Ebenfalls können aufgrund des eingeschränkten Beobachtungszeitraums zeitliche Veränderungen in den untersuchten Zusammenhängen nicht adäquat erfasst werden. Schließlich sind die Ergebnisse für Deutschland wegen des Einbezugs von Auszubildenden sowie der fehlenden analytischen Trennung zwischen West- und Ostdeutschland kritisch zu hinterfragen. Giesecke/Groß (2004) zeigen mit Daten des SOEP (nur Westdeutschland, Zeitraum 1984 bis 1999) sowie des BHPS (Zeitraum 1991 bis 1999), dass befristete Arbeitsverhältnisse überdurchschnittlich häufig in weiteren befristeten Beschäftigungen bzw. in Phasen der Arbeitslosigkeit münden. Dies trifft sowohl für den deutschen als auch für den britischen Arbeitsmarkt zu. Neben den Mobilitätseffekten befristeter Beschäftigungsverhältnisse analysieren die Autoren auch die Lohneffekte dieser Erwerbsform. Dabei wird deutlich, dass befristete Stellen in beiden Arbeitsmärkten zu Lohneinbußen führen. Diese Lohneinbußen sind jedoch in Deutschland fast ausschließlich für die Gruppe der Hochqualifizierten zu finden, während im britischen Arbeitsmarkt alle Bildungsgruppen gleichermaßen von Lohneinbußen in befristeten Stellen betroffen sind. Gleichzeitig wird durch die nach dem Geschlecht getrennte Modellschätzung deutlich, dass Frauen wesentlich geringere Lohneinbußen in befristeten Stellen zu verzeichnen haben. Die Ergebnisse der Lohnmodelle können jedoch nur einen ersten Einblick in die Effekte befristeter Beschäftigung geben, da für die Analyse lediglich ein einziger
1.3 Forschungsstand
37
Querschnitt aus beiden Datensätzen (jeweils Erhebungszeitpunkt 1998) genutzt wurde, was unter anderem in einer recht kleinen Fallzahl für die Gruppe der befristet Beschäftigten resultiert. In einem weiteren deutsch-britischen Vergleich analysieren dieselben Autoren die Effekte befristeter Beschäftigungsverhältnisse auf die individuelle Lohnentwicklung (Giesecke/Groß 2004). Mit den Daten des SOEP (nur Westdeutschland, Zeitraum 1995 bis 2001) und des BHPS (Zeitraum 1991 bis 2001) kann in dieser Untersuchung gezeigt werden, dass die Karrierefolgen befristeter Beschäftigung stark vom Bildungsniveau der Arbeitnehmer abhängig sind: Unterdurchschnittliche Lohnentwicklungen sind vor allem bei den unteren sowie mittleren Bildungsgruppen zu finden, während befristete Stellen für Hochqualifizierte mitunter mit überdurchschnittlichen Lohnzuwächsen verbunden sind. Dieses Ergebnis gilt sowohl für den deutschen als auch für den britischen Arbeitsmarkt. Allerdings wird auch deutlich, dass befristete Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland stärkere Karriereeffekte aufweisen als in Großbritannien. Die vorangegangene Darstellung der bisherigen Arbeiten zu den sozioökonomischen Konsequenzen befristeter Beschäftigungsverhältnisse macht deutlich, dass noch erhebliche Defizite in diesem Bereich der empirischen Forschung bestehen. Mit der vorliegenden Studie wird der Versuch unternommen, die bestehenden Forschungslücken zu schließen. Vier Gesichtspunkte scheinen hier von besonderer Bedeutung: Erstens basieren die Auswertungen häufig auf der reinen Beschreibung bivariater Zusammenhänge oder auf sehr einfachen multivariaten Analysen. Einen Rückschluss auf die strukturellen Effekte befristeter Stellen lassen diese Untersuchungen kaum zu, da sie relevante Strukturmerkmale befristeter Beschäftigungsverhältnisse nicht oder nur unzureichend berücksichtigen. Dadurch bleibt unklar, ob die gefundenen Effekte auf den Einfluss befristeter Stellen zurückzuführen sind oder nicht vielmehr aus der spezifischen Zusammensetzung der Gruppe der befristet Beschäftigten heraus erklärt werden können. Hier kann die Verwendung komplexerer multivariater Analyseverfahren helfen, die tatsächlich eigenständigen Effekte befristeter Beschäftigungsverhältnisse genauer herauszuarbeiten. Zweitens wird in der Mehrzahl der genannten Untersuchungen von homogenen Effekten befristeter Beschäftigungsverhältnisse ausgegangen. Eine mögliche Kontextabhängigkeit der sozio-ökonomischen Konsequenzen befristeter Beschäftigung, wie sie sich beispielsweise in den Ergebnissen von Giesecke/Groß (2004) oder von Mertens/McGinnity (2003) andeutet, bleibt somit vielfach unreflektiert. Drittens liegen für den Bereich der komparativen Forschung zu den Effekten befristeter Beschäftigungsverhältnisse insgesamt nur wenige Untersuchungen vor, was auch für den deutsch-britischen Vergleich gilt. Diese empirische Basis wird zusätzlich dadurch geschmälert, dass einige der
38
1 Befristung als Form der Arbeitsmarktflexibilisierung
zitierten Arbeiten aufgrund methodischer Mängel (fehlende Trennung der Analysen für Ost- und Westdeutschland, Einbezug befristeter Arbeitsverhältnisse von Auszubildenden) als problematisch einzustufen sind. Schließlich ist viertens die häufig fehlende Trennung der Analysen für Männer und Frauen zu kritisieren. Gerade im Bereich der Arbeitsmarktforschung erscheint eine solche Trennung aufgrund des geschlechtsspezifischen Arbeitsmarktverhaltens jedoch notwendig (vgl. z. B. Schwarze 2001).
1.4 Aufbau der Arbeit Die vorliegende Studie ist in einen theoretischen Teil (Kapitel 2 bis 5) und einen empirischen Teil (Kapitel 6 bis 10) gegliedert. Im theoretischen Teil wird zunächst die befristete Beschäftigung als eine spezifische Form der Arbeitsmarktflexibilisierung beschrieben (Kapitel 2). Weiterhin wird auf die Wirkung institutionell verankerter Regelungen zur Beschäftigungssicherheit einerseits sowie auf deren Aushebelung durch befristete Beschäftigungsverhältnisse andererseits eingegangen. Schließlich werden die Funktionen thematisiert, die befristete Stellen am Arbeitsmarkt erfüllen können. Im dritten Kapitel werden befristete Beschäftigungsverhältnisse und ihre möglichen sozio-ökonomischen Folgen für die Arbeitnehmer aus der Sicht verschiedener Arbeitsmarkttheorien diskutiert. Ausgehend vom neoklassischen Grundmodell, das als wesentlicher theoretischer Bezugspunkt der Flexibilisierungsbefürworter gelten kann, wird anhand verschiedener Weiterentwicklungen dieses Grundmodells sowie anhand unterschiedlicher segmentationstheoretischer Ansätze versucht, Aussagen über befristete Beschäftigungen und ihre Konsequenzen abzuleiten. Kapitel 4 widmet sich den Auswirkungen länderspezifischer institutioneller Rahmenbedingungen. Hierzu werden jeweils für Deutschland und Großbritannien diejenigen institutionellen Arrangements diskutiert, die Einfluss auf die Einsatzmöglichkeiten sowie auf die Effekte befristeter Beschäftigung nehmen. Im fünften Kapitel werden die theoretischen Überlegungen schließlich zusammengeführt und Hypothesen zu den sozio-ökonomischen Konsequenzen befristeter Beschäftigungsverhältnisse formuliert. Der empirische Teil beginnt mit der Erläuterung der verwendeten Datensätze und Variablen sowie der in den Analysen genutzten statistischen Verfahren (Kapitel 6). Im Anschluss daran gibt das Kapitel 7 einen Überblick über den Verbreitungsgrad befristeter Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland und Großbritannien und stellt wichtige Eigenschaften befristeter Stellen dar. Kapitel 8 befasst sich mit den Besetzungsmustern befristeter Stellen. In den beiden darauf folgenden Kapiteln werden die Ergebnisse verschiedener Analysen dargestellt, die die Effekte befristeter Beschäftigung sowohl auf den weiteren
1.4 Aufbau der Arbeit
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Erwerbsverlauf (Kapitel 9) als auch auf das Einkommen (Kapitel 10 und 11) aufzeigen. Das Schlusskapitel fasst die empirischen Ergebnisse zusammen und reflektiert sie vor dem Hintergrund zukünftiger Maßnahmen zur Flexibilisierung des deutschen Arbeitsmarktes.
2 Befristung als Form der Arbeitsmarktflexibilisierung
Um sich dem Phänomen „befristete Beschäftigung“ aus theoretischer Sicht zu nähern, soll diese Beschäftigungsform in einem ersten Schritt in den Themenkomplex „Arbeitsmarktflexibilisierung“ eingeordnet werden. In den folgenden Ausführungen sind dabei vier Gesichtspunkte von zentraler Bedeutung Erstens lässt sich durch eine inhaltliche Präzisierung des Begriffs „Arbeitsmarktflexibilisierung“ erkennen, dass Flexibilisierungsmaßnahmen auf völlig verschiedenen Ebenen ansetzen können. Insofern zielen Forderungen nach einer Flexibilisierung des Arbeitsmarktes mitunter auf sehr verschiedene Bereiche ab, die zudem in einem gegenseitig abhängigen Verhältnis zueinander stehen können. Befristete Beschäftigungsverhältnisse dienen insbesondere der Aufrechterhaltung bzw. der Erhöhung der so genannten extern-numerischen Flexibilität: Unternehmen werden durch die Nutzung befristeter Arbeitsverträge in die Lage versetzt, ihre Beschäftigtenzahl durch den Rückgriff auf betriebsexterne Ressourcen an das Niveau ihrer aktuellen Arbeitsnachfrage anzupassen. Durch das Absenken der qua Kündigungsschutzregelungen aufgebauten institutionellen Beschäftigungssicherheit stehen Flexibilisierungsinstrumente wie die befristete Beschäftigung jedoch zweitens immer im Spannungsfeld einer erhöhten Flexibilität einerseits und der zeitlichen Stabilisierung von Arbeitsverhältnissen andererseits. Während Flexibilisierungsbefürworter die institutionell verankerte Beschäftigungssicherheit zumindest in Teilen für die strukturellen Probleme am Arbeitsmarkt verantwortlich machen und sich von einer Ausweitung befristeter Beschäftigungsverhältnisse positive Arbeitsmarkteffekte versprechen, finden sich gleichwohl auch Argumente für einen auf Kündigungsschutzregelungen basierenden Bestandsschutz von Arbeitsverhältnissen. Befristete Arbeitsverhältnisse bergen daher aus Sicht der Kritiker dieser Erwerbsform das Risiko, die Beschäftigungssicherheit und somit die Beschäftigungsstabilität einseitig zu reduzieren. Mit der Beschneidung des Bestandsschutzes rückt die befristete Beschäftigung drittens von den durch das so genannte „Normalarbeitsverhältnis“ gesetzten Standards ab, weshalb diese Erwerbsform auch als „atypisches“ Beschäftigungsverhältnis bezeichnet werden kann. Dabei stellt sich die Frage, ob und inwieweit diese Abweichung vom „Normalarbeitsverhältnis“ mit einer wesentlichen Benachteiligung der Arbeitnehmer und somit mit einer „Prekarisie-
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2 Befristung als Form der Arbeitsmarktflexibilisierung
rung“ von Beschäftigungsverhältnissen gleichzusetzen ist. Viertens ist schließlich zu thematisieren, welche konkreten Funktionen befristete Beschäftigungsverhältnisse am Arbeitsmarkt übernehmen können. Es zeigt sich, dass solche Arbeitsverhältnisse sowohl seitens der Arbeitgeber als auch seitens der Arbeitnehmer mit unterschiedlichen Zielvorstellungen verbunden sind. Dementsprechend ist dann jedoch auch davon auszugehen, dass die Effekte befristeter Beschäftigungsverhältnisse nicht homogen ausfallen, sondern vielmehr mit der ihnen zugrunde liegenden Einsatzlogik variieren.
2.1 Extern-numerische Arbeitsmarktflexibilität Als Flexibilität lässt sich allgemein „die Möglichkeit eines Systems zu quantitativen oder qualitativen Anpassungen bei veränderten Umweltzuständen“ verstehen (Semlinger 1991: 19). Der Begriff der „Arbeitsmarktflexibilität“ bezieht sich demnach auf die Anpassungsmöglichkeiten des Systems „Arbeitsmarkt“ auf externe Veränderungen wie z. B. wirtschaftliche Wachstums- oder Schrumpfungsprozesse, technologischer Fortschritt oder tief greifende sozialstrukturelle Wandelsprozesse. In der Diskussion um eine Erhöhung der Arbeitsmarktflexibilität sind jedoch gewisse begriffliche Unschärfen feststellen, etwa hinsichtlich der angesprochenen Flexibilisierungsebenen bzw. der Komponenten, die die Arbeitsmarktflexibilität beeinflussen. Sollen inhaltliche Missverständnisse in der Diskussion um den Gegenstandsbereich „Arbeitsmarktflexibilität“ und den als geeignet erscheinenden Flexibilisierungsinstrumenten vermieden werden, ist eine begriffliche Präzisierung daher unerlässlich. 2.1.1 Flexibilisierungsbereiche Maßnahmen, die auf die Erhöhung der Arbeitsmarktflexibilität abzielen, können auf sehr unterschiedlichen Ebenen angesiedelt sein und so verschiedene ökonomische und sozio-politische Bereiche des Systems Arbeitsmarkt betreffen. Mindestens zu unterscheiden sind einerseits Strategien, die einen direkten Arbeitsmarktbezug besitzen, indem sie auf konkrete Arbeitsmarktinstitutionen bzw. –bereiche rekurrieren, und andererseits Maßnahmen, die nur einen indirekten Arbeitsmarktbezug aufweisen. Insgesamt lassen sich drei direkt arbeitsmarktbezogene und drei indirekt arbeitsmarktbezogene Flexibilisierungsbereiche ausmachen:19 19
Diese Aufzählung basiert auf den von der 1986 im Auftrag der OECD aufgestellten Sachverständigengruppe (unter Vorsitz Ralf Dahrendorfs) herausgearbeiteten sechs wesentlichen Komponenten, die die Arbeitsmarktflexibilität beeinflussen (OECD 1986, 1986).
2.1 Extern-numerische Arbeitsmarktflexibilität
43
Tabelle 2: Flexibilisierungsbereiche direkter Arbeitsmarktbezug
indirekter Arbeitsmarktbezug
x Beschäftigungsbedingungen x Personalkosten x Mobilitätsfähigkeit der Arbeitskräfte
x Bildungssystem, Aus- und Weiterbildung x Steuer- und Sozialversicherungssystem x Unternehmensvorschriften
Die einzelnen Flexibilitätsbereiche und die mit ihnen verbundenen Flexibilisierungsvorstellungen können wie folgt näher beschrieben werden: Beschäftigungsbedingungen Flexibilisierungsbestrebungen im Bereich der Beschäftigungsbedingungen beziehen sich sehr häufig auf Regelungen zum Kündigungsschutz, betreffen also die Sicherheit des Arbeitsverhältnisses. Durch Kündigungsschutzregelungen wären „Elemente der Starrheit“ (OECD 1986: 13) in den Arbeitsmarkt gebracht worden, die die Anpassungsreaktionen der Unternehmen verlangsamten und die Produktionskosten verteuerten. Sie seien deshalb für die strukturellen Probleme der meisten europäischen Arbeitsmärkte zumindest mitverantwortlich. In den Diskussionen um eine Arbeitsmarktflexibilisierung wird daher das Thema Kündigungsschutz immer wieder aufgegriffen und für eine Lockerung der entsprechenden Regelungen plädiert. Die Vorschläge reichen dabei von Rufen nach einer Ausweitung befristeter Beschäftigungsverhältnisse und der so genannten Zeit- oder Leiharbeit bis hin zu Forderungen nach einem generellen Absenken des Kündigungsschutzes.20 Neben der Beschäftigungssicherheit können aber auch andere Beschäftigungsbedingungen zum Ziel von Flexibilisierungsmaßnahmen werden. So waren z. B. in den letzten Jahren vor allem im Bereich der Arbeitszeit verstärkte Flexibilisierungstendenzen zu beobachten (vgl. z. B. Schulze Buschoff 2000; Tálos 1999). Insbesondere weist die deutliche Zunahme der Teilzeitbeschäftigung in vielen europäischen Ländern darauf hin, dass auf diesem Gebiet ein erheblicher Flexibilisierungsbedarf bestand und wohl auch noch weiterhin bestehen dürfte. Im Bereich der Arbeitsumwelt stellen Heim20
Die OECD ist eine jener wirtschaftswissenschaftlichen Institutionen, die von klaren beschäftigungsfördernden Effekten des Abbaus von Kündigungsschutzregulierungen ausgeht. Sie stellt ihn deshalb neben der Erhöhung der Lohnflexibilität und der Flexibilisierung der Arbeitszeit immer wieder in den Mittelpunkt ihrer arbeitsmarktpolitischen Empfehlungen (z. B. OECD 1994, 1995, 1999). Das Festhalten an dieser Argumentationslinie (zuletzt etwa in OECD 2004) ist jedoch vor dem Hintergrund erstaunlich, dass dieselbe Institution in einer ihrer eigenen empirischen Studie zu dem Schluss kommt, dass Beschäftigungsschutzbestimmungen wie der Kündigungsschutz keinen statistisch nachweisbaren Einfluss auf die Höhe der Arbeitslosigkeit ausüben (OECD 1999).
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2 Befristung als Form der Arbeitsmarktflexibilisierung
oder Telearbeit typische Formen flexibler Beschäftigung dar, deren Verbreitungsgrad allerdings weit hinter dem der Teilzeitbeschäftigung zurückbleibt.21 Personalkosten Hohe Personalkosten verteuern den Faktor Arbeit und führen deshalb unter Umständen zu einer nur geringen Arbeitskraftnachfrage seitens der Unternehmen. Gewöhnlich werden unter dem Begriff der Personalkosten sowohl der direkte Arbeitslohn als auch die so genannten Lohnnebenkosten subsumiert. Im Hinblick auf das allgemeine Lohnniveau wird häufig die „Starrheit“ bzw. Inflexibilität der Löhne (vor allem nach unten) thematisiert und für Ungleichgewichte auf dem Arbeitsmarkt verantwortlich gemacht. Inflexible Löhne verhinderten die zusätzliche Schaffung von Arbeitsplätzen, insbesondere dann, wenn Reallöhne und Produktivität nicht mehr im Einklang stehen. Auch könne ein durch flexible Löhne induziertes Lohngefälle, sei es regional, branchen-, qualifikations- oder altersspezifisch ausgeprägt, eine wichtige Rolle bei der Erhaltung der Arbeitsmarktflexibilität spielen.22 Lohnnebenkosten, die vor allem durch die arbeitgeberseitigen Zahlungen an die sozialen Sicherungssysteme entstehen (siehe dazu auch weiter unten), stellen wiederum eine Art „Steuer“ auf den Faktor Arbeit dar, die die Produktionskosten erhöhen und damit tendenziell der Schaffung von Arbeitsplätzen entgegenstehen. Von der Senkung dieser Kosten bzw. ihrer Entkopplung vom Faktor Arbeit wird daher ein beschäftigungsfördernder Effekt erwartet (siehe jedoch kritisch dazu Hashimoto/Zhao 2000; Höpflinger/Rainer 2003). Arbeitskraftmobilität Für das störungsfreie Funktionieren von Arbeitsmärkten wird ein gewisser Grad sowohl an inner- als auch an zwischenbetrieblicher Mobilität der Arbeitskräfte als notwendig angesehen. Nur wenn gewährleistet sei, dass Arbeitnehmer bei Bedarf ihre Tätigkeiten und/oder ihr Unternehmen wechseln, könnten mittel- und langfristige Arbeitsmarktungleichgewichte vermieden werden. Dies schließt auch die geographische Mobilität, die bei zwischenbetrieblichen Wechseln notwendig werden kann, mit ein.
21
Soziologische Perspektiven zum Thema Arbeitszeitflexibilisierung finden sich unter anderem in Blossfeld/Rohwer (1997), Hakim (1997), O'Reilly/Fagan (1998), Quack (1993), Schulze Buschoff (1999; 2000), Tam (1997), zum Thema Heim- bzw. Telearbeit vgl. z. B. Brandes (1995) oder Fischer (1991). 22 Zur Diskussion um einen „Niedriglohnsektor“ in Deutschland vgl. z. B. Buslei/Steiner (2003), Schneider et al. (2002) oder Zimmermann (2003).
2.1 Extern-numerische Arbeitsmarktflexibilität
45
Bildung und Ausbildung Eine hohe Arbeitsmarktflexibilität setzt ein hinreichendes Qualifikationsniveau der Arbeitskräfte und insbesondere die Bereitschaft und die Möglichkeit zum Erlernen neuer Fähigkeiten durch Weiterbildung oder Umschulung voraus.23 So sind beispielsweise adäquate Aus- und Weiterbildungsangebote für die geforderte Mobilitätsfähigkeit der Arbeitskräfte äußerst notwendig. Strukturelle Mängel im Bildungssystem können somit indirekt mitverantwortlich für inflexible Strukturen auf dem Arbeitsmarkt sein.24 Steuer- und Sozialversicherungssystem Es ist davon auszugehen, dass weitere, nicht direkt auf den Arbeitsmarkt zielende Regeln und Vorschriften die wirtschaftliche Entwicklung und Dynamik nachhaltig beeinflussen und somit insgesamt auch auf die Arbeitsmarktsituation einwirken. Eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes kann so teilweise auch über Änderungen in Bereichen, die sich nicht unmittelbar auf die Beschäftigung beziehen, erreicht werden. Steuersätze, Steuervorschriften sowie Regelungen des Sozialversicherungssystems sind hierbei von zentraler Bedeutung, weshalb sie auch häufiger zum Ziel von Vorschlägen werden, die der Erhöhung der Arbeitsmarktflexibilität dienen sollen. Unternehmensvorschriften Ähnliches gilt für den Bereich der Unternehmensvorschriften. Übermäßige Vorschriften für die Gründung und die Arbeit von Kleinbetrieben sowie Zugangsregelungen für die Professionen sind hierfür vieldiskutierte Beispiele, von denen angenommen wird, dass sie die wirtschaftliche Dynamik und damit die Arbeitsmarktlage negativ beeinflussen.25
23
Die in den letzten Jahren geführten Debatten um solche Konzepte wie „lebenslangen Lernen“ (z. B. Baltes 2001; Dobischat/Seifert 2001; Kraus 2001) oder „Schlüsselqualifikationen“ (z. B. Knauf 2001; Mertens 1974) spiegeln diesen Zusammenhang zwischen Konstitution des Bildungssystems auf der einen und Arbeitsmarktflexibilität auf der anderen Seite deutlich wider. 24 Neben der Qualität der im Bildungssystem erworbenen Qualifikationen spielen hier auch die Zugangsmöglichkeiten zu bestimmten Ausbildungsgängen eine nicht unerhebliche Rolle. Für das deutsche Bildungssystem machten zuletzt die Ergebnisse der PISA-Studie (Baumert et al. 2003) auf gravierende Mängel in beiden genannten Bereichen aufmerksam. 25 Für Deutschland kann hier wiederum exemplarisch auf den in der Handwerksordnung festgeschriebenen so genannten Meisterzwang verwiesen werden, wonach der Abschluss einer Meisterausbildung für viele Berufe die Voraussetzung für die Gründung oder Übernahme eines Handwerkbetriebs ist. Während dies zuvor für alle Handwerke galt, wurden durch die Reform der Handwerksordnung Anfang 2004 53 der 94 Handwerke vom Meisterzwang befreit.
46
2 Befristung als Form der Arbeitsmarktflexibilisierung
2.1.2 Flexibilitätstypen Durch den alleinigen Verweis auf den Flexibilisierungsbereich der Beschäftigungsbedingungen lässt sich die Art der Arbeitsmarktflexibilisierung, die mit befristeten Beschäftigungsverhältnissen verbunden ist, allerdings nur unzureichend beschrieben, da z. B. auch andere Formen der „flexiblen“ Beschäftigung hierunter zu subsumieren sind. Eine weitere begriffliche Präzision scheint daher notwendig. Hierbei kann die Unterscheidung zwischen „interner“ und „externer“ Flexibilität behilflich sein (z. B. Matthies et al. 1994; Sengenberger 1990), da diese Begriffe in erster Linie die betrieblichen Möglichkeiten der personalpolitischen Anpassungsstrategien beschreiben, weshalb sie sich zu großen Teilen auf die konkreten Beschäftigungsbedingungen beziehen lassen. Ihren Ursprung haben sie in der Unterscheidung zwischen „internen“ und „externen“ Arbeitsmärkten, die vor allem durch segmentationstheoretische Ansätze der sozialwissenschaftlichen Arbeitsmarktforschung hervorgebracht wurde (vgl. dazu insbesondere Kapitel 3). Im Allgemeinen wird unter externer Flexibilität diejenige Flexibilität verstanden, die durch den Bezug auf Ressourcen, die zunächst außerhalb des Unternehmens liegen, hergestellt wird. Als interne Flexibilität wird hingegen diejenige Anpassungsfähigkeit verstanden, die durch den Einsatz innerbetrieblicher Ressourcen ohne Inanspruchnahme des externen Arbeitsmarktes erreicht wird. Eine weitere Differenzierung erfährt das Konzept der internen und externen Flexibilität durch die Unterscheidung zwischen „numerischer“ und „funktionaler“ Anpassungsfähigkeit. Die numerische Flexibilität kann als quantitative, die funktionale Flexibilität als qualitative Anpassungsfähigkeit an die jeweilige wirtschaftliche Nachfragesituation verstanden werden. Es ist insbesondere die numerische Komponente der betrieblichen Flexibilität, die sich in der Gestaltung von Beschäftigungsbedingungen im oben genannten Sinne ausdrückt. In der Kombination aus beiden Flexibilitätsdimensionen lassen sich somit vier Flexibilitätstypen ausmachen, die als Ordnungsraster für die einzelnen Anpassungsmaßnahmen im Bereich der betrieblichen Personalpolitik dienen können. Tabelle 3 stellt die Zusammenführung der beiden Dimensionen dar. Die Möglichkeit der Anpassung des Personalbestands an den Personalbedarf über die Variation der Beschäftigtenzahl mit Hilfe befristeter Beschäftigungsverhältnisse dient folglich dem Erhalt bzw. der Steigerung der externnumerischen Flexibilität. Im Gegensatz zur intern-numerischen Flexibilität beruht der Einsatz befristeter Beschäftigung auf der Flexibilisierung der Beschäftigungsbedingungen derjenigen Arbeitskräfte, die auf dem externen, d. h. außerbetrieblichen Arbeitsmarkt rekrutiert werden. In diesem Zusammenhang scheint
2.1 Extern-numerische Arbeitsmarktflexibilität
47
Tabelle 3: Flexibilitätstypen, Quelle: Dragendorf et al. (1988: 113) numerisch
funktional
extern
Variation der Beschäftigtenzahl Auslagerung von Betriebsteilen, Subcontracting - Befristete Arbeitsverträge - Zeitarbeit
intern
Variation der Arbeitszeit - Teilzeitarbeit
Qualifikationsanpassung, betriebsinterne Arbeitsplatzmobilität
es wichtig, wie bereits bei den oben genannten Flexibilisierungsbereichen darauf hinzuweisen, dass auch die verschiedenen Flexibilitätstypen in einem stark abhängigen Verhältnis zueinander stehen können. So ist beispielsweise bei hoher extern-numerischer Flexibilität eine gleichzeitige hohe intern-funktionale Flexibilität relativ schwierig zu realisieren.26 Die von einem bestimmten Unternehmen konkret gewählte Anpassungsstrategie darf also nie einseitig analysiert werden, sondern muss immer auch im Zusammenhang mit ihrer möglichen Auswirkung auf andere Flexibilisierungsstrategien betrachtet werden. So kann sich ein Flexibilisierungsinstrument wie die befristete Beschäftigung unter Umständen nur vordergründig als vorteilhaft und flexibilitätserhöhend erweisen, während es gleichzeitig die Anpassungsfähigkeit in anderen Bereichen reduziert und somit auch (verdeckte) Kosten erzeugt. Das zentrale Spannungsfeld im Bereich der extern-numerischen Flexibilität ist das einer erhöhten betrieblichen Flexibilität vs. einer möglichen Destabilisierung von Beschäftigungsverhältnissen. Eine hohe Arbeitsplatzsicherheit, in Deutschland sowie den meisten europäischen Ländern repräsentiert durch einen rechtlich verankerten Kündigungsschutz, erzeugt Beschäftigungsstabilität, für die sich, wie im Folgenden gezeigt wird, sowohl ökonomische als auch soziale Rechtfertigungen finden lassen. Folglich bieten befristete Beschäftigungsverhältnisse den Unternehmen die Möglichkeit, einen Teil ihrer Beschäftigten in stabiler Beschäftigung zu belassen, während die notwendige extern-numerische Flexibilität etwa durch den Einsatz befristeter Arbeitsverhältnisse sichergestellt wird. Aus Sicht der Flexibilisierungsbefürworter bringt eine hohe Beschäftigungsstabilität jedoch Rigiditäten in den Arbeitsmarkt, die letztendlich die 26
Dragendorf et al. (1988) sehen deshalb den Spielraum der extern-numerischen Flexibilität als begrenzt an. Sie vermuteten daher (zumindest für den deutschen Arbeitsmarkt) eher eine Ausweitung der intern-funktionalen Flexibilität als einen drastischen Anstieg der befristeten Beschäftigung oder der Zeitarbeit (vgl. dazu auch Seifert/Pawlowsky 1998).
48
2 Befristung als Form der Arbeitsmarktflexibilisierung
schnelle Anpassung bei Veränderungen der Marktverhältnisse hemmen und so zu langfristigen Ungleichgewichten auf dem Arbeitsmarkt führen. Die Erhöhung der extern-numerischen Flexibilität von Unternehmen führe – so die Argumentation – zu einer Lockerung dieser „Starrheit“ und leiste damit einen wichtigen Beitrag zur Beseitigung von Arbeitsmarktungleichgewichten.27
2.2 Institutionelle Beschäftigungssicherheit und befristete Beschäftigung 2.2.1 Institutionelle Beschäftigungssicherheit: Pro und Contra Dass sowohl die Regelungen zum Kündigungsschutz als auch die Vorschriften zum Einsatz befristeter Beschäftigungsverhältnisse einen Einfluss auf den Grad der Beschäftigungssicherheit bzw. der Beschäftigungsstabilität besitzen, ist leicht einzusehen, beziehen sie sich doch direkt auf die arbeitgeberseitigen Möglichkeiten der Freisetzung von Arbeitnehmern. Jedoch ist der Begriff „Beschäftigungssicherheit“ zunächst nicht eindeutig bestimmt und kann sich auf recht verschiedene Dimensionen bzw. Ebenen von Beschäftigung und deren Sicherung beziehen. In Anlehnung an Walwei (1997) kann der Begriff „Beschäftigungssicherheit“ zunächst einzig und allein auf die Dauerhaftigkeit des Arbeitsverhältnisses rekurrieren, und die Analyse somit auf den puren Bestand des Beschäftigungsverhältnisses verengt werden. Andere Aspekte des Beschäftigungsverhältnisses (z. B. Lohnstabilität) sind in dieser engen Sichtweise demnach ausgeblendet. Ein eher weit gefasstes Verständnis der Beschäftigungssicherheit hingegen setzt diesen Begriff mit einem umfassenden Bestandsschutz gleich, der sich neben der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses auch auf die Stabilität des Lohnniveaus, der Arbeitszeiten und der Arbeitsbedingungen bezieht. Weiterhin lassen sich zwei unterschiedliche Quellen der Beschäftigungssicherheit ausmachen. Erstens beeinflussen gesetzliche bzw. kollektivvertragliche (Kündigungsschutz-)Regelungen das Ausmaß des Bestandsschutzes. Der auf diesen institutionellen Grundlagen basierende Bestandsschutz wird entsprechend als de jure oder auch als institutionelle Beschäftigungssicherheit bezeichnet. Davon lässt sich zweitens die faktische Beschäftigungssicherheit unterscheiden, die beispielsweise auf impliziten Vereinbarungen bzw. dem spezifischem Verhalten der Vertragsparteien beruht. So kann die Beschäftigungsstabilität de facto relativ 27
Die Vorstellung, dass sich die strukturelle Arbeitslosigkeit durch eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes reduzieren, wenn nicht gar vollständig beseitigen lässt, „benötigt allerdings das sichere Fundament der neoklassischen Allokationstheorie“ (Heise 1998: 56, vgl. dazu auch Kapitel 3). Aus der Perspektive anderer Theorien (wie z. B. keynesianistische Modelle) erscheint dieser Zusammenhang nicht als zwingend gegeben.
2.2 Institutionelle Beschäftigungssicherheit und befristete Beschäftigung
49
hoch sein, obwohl die institutionelle Beschäftigungssicherheit nur schwach ausgeprägt ist. Diejenigen Flexibilisierungsforderungen, die auf die Verringerung des Kündigungsschutzes abzielen, beziehen sich auf die mögliche Reduzierung der institutionellen Beschäftigungssicherheit, verstanden in einem eher engen Sinne der Stabilität von Arbeitsverhältnissen. Solche Deregulierungs- bzw. Flexibilisierungsvorschläge zielen darauf ab, die institutionelle Beschäftigungssicherheit insgesamt oder zumindest für einen Teil der Arbeitnehmerschaft zu reduzieren, um so vermeintliche Marktineffizienzen durch das freie Spiel der Marktkräfte zu beseitigen. In dieser Argumentationslogik erscheint die institutionelle Beschäftigungssicherheit und insbesondere der Kündigungsschutz als klares Hemmnis für ein effizientes Funktionieren des Arbeitsmarktes. Daher werden die durch relativ starke Kündigungsschutzregelungen induzierten hohen Entlassungskosten von vielen Deregulierungsbefürwortern als eines der Kernprobleme der Arbeitsmärkte Kontinentaleuropas angesehen (vgl. z. B. Siebert 1997; Soltwedel 1986, 1990). Gleichwohl lassen sich auch theoretische Argumente für die soziale und die ökonomische Zweckhaftigkeit von Kündigungsschutzregelungen finden. Die nachfolgend aufgelisteten Gründe lassen sich in effizienzorientierte und verteilungsorientierte Rechtfertigungen eines auf Kündigungsschutzregelungen basierenden Bestandsschutzes von Beschäftigungsverhältnissen unterteilen (vgl. dazu unter anderem Brandes et al. 1991; Büchtemann 1993; Büchtemann/Walwei 1996; vgl. dazu unter anderem Buttler/Walwei 1990; Dörsam 1997; Walwei 2000). Sozialer Vertrauensmechanismus Stabile und langfristige Arbeitsverträge können ökonomisch effizient sein, da sie ein kooperatives Verhalten beider Vertragsparteien befördern. Das in Arbeitsverträgen bestehende Problem der Informationsasymmetrie und die damit einhergehende Ungewissheit hinsichtlich des zukünftigen Verhaltens der Vertragsparteien wird durch die ex-ante festgelegten Bedingungen des Arbeitsverhältnisses (Unbefristetheit des Vertrages, Dauer der Probephase, Entschädigung bei Entlassung etc.) erheblich reduziert. So wird ein opportunistisches Verhalten der Gegenseite unwahrscheinlicher, was das Entstehen gegenseitigen Vertrauens zwischen der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite erleichtert und so die Kooperationsbereitschaft und damit die Produktivität steigen lässt. Förderung der internen Flexibilität Sind die unternehmerischen Möglichkeiten zur Anpassung des Beschäftigungsvolumens bei etwaigen Veränderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen durch Kündigungsschutzregelungen eingeschränkt, werden Firmen
50
2 Befristung als Form der Arbeitsmarktflexibilisierung
Flexibilisierungsstrategien wählen, die eher auf die Steigerung der internen als der externen Flexibilität abzielen. Dies beinhaltet sowohl intern-numerische Anpassungsstrategien (z. B. Variation der Arbeitszeit) als auch internfunktionale Lösungen (z. B. Weiter- bzw. Umqualifizierung der Mitarbeiter). Diese Flexibilisierungsstrategien erlauben eine relativ schnelle Anpassung an sich verändernde Produkt- und Produktionserfordernisse, fördern die Innovationsfähigkeit und steigern somit letztendlich die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Erhöhung der durchschnittlichen Dauer der Betriebszugehörigkeit Mit der durch Kündigungsschutzregelungen einhergehenden Stabilisierung der Beschäftigungsverhältnisse wird gewährleistet, dass spezifische Kenntnisse und Fähigkeiten on-the-job erworben und auch langfristig genutzt werden können und so Investitionen in beziehungsspezifisches Kapital sowohl aus Sicht der Arbeitgeber als auch aus Sicht der Arbeitnehmer als rentabel erscheinen. Darüber hinaus erhöht sich durch die Ausschaltung betriebsinterner Konkurrenz die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Wissen von den Arbeitnehmern im Laufe des Produktionsprozesses an andere Mitarbeiter weitergegeben wird. Schließlich können Unternehmen durch eine Stabilisierung der Beschäftigungsverhältnisse ihrer Belegschaft die mit der Einstellung und der Entlassung von Mitarbeitern verbundenen Kosten reduzieren. Internalisierung von Kosten Kündigungsschutzregelungen tragen dazu bei, dass die Kosten, die aus einem Arbeitsvertrag für Arbeitgeber und für Arbeitnehmer entstehen zu einem großen Teil internalisiert, d. h. zwischen den beiden Vertragsparteien aufgeteilt werden. Ein überproportionales Abwälzen von Kosten auf nicht in den Vertrag einbezogene Dritte (Externalitäten) kann somit verhindert werden. Ein Beispiel hierfür sind die in Arbeitsverträgen verbindlich niedergelegten Kündigungsfristen, die es dem gekündigten Arbeitnehmer erlauben, sich noch innerhalb des aktuellen Beschäftigungsverhältnisses eine neue Anstellung zu suchen, was zu einer Reduzierung der friktionalen Arbeitslosigkeit und der damit verbundenen Kosten (Arbeitslosengeld etc.) führt. Faire Vertragsbedingungen Während die vorherigen Argumente die Existenz von Kündigungsschutzregelungen eher einem effizienzorientierten Blickwinkel entstammen, zielt eine verteilungsorientierte Rechtfertigung des Kündigungsschutzes auf die Herstellung fairer Vertragsbedingungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Der in einem Beschäftigungsverhältnis bestehende Macht- und Einflussasymmetrie
2.2 Institutionelle Beschäftigungssicherheit und befristete Beschäftigung
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zuungunsten der Arbeitnehmer (begründet etwa durch die ungleiche Verteilung von Geld- und Realkapitalbesitz zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern) soll durch Kündigungsschutzregelungen entgegengewirkt werden. Der Kündigungsschutz fungiert damit als Garant fairer Vertragsbedingungen (Walwei 1990: 129). Die Implementierung von Kündigungsschutzregelungen kann jedoch auf gänzlich verschiedenen Regulierungsebenen angesiedelt sein. Neben einem durch staatliche Regulierungen verankerten allgemeingültigen Kündigungsschutz sind auch branchenweite oder betriebliche Vereinbarungen denkbar. Jedoch erscheint eine staatliche Regulierung aus mindestens drei Gründen einer rein privaten Lösung überlegen (Dörsam 1997). Erstens führt ein allgemein gültiger Kündigungsschutz durch die erhöhte Rechtssicherheit und durch das Entfallen von Kosten für Verhandlungen auf Betriebsebene zu einer Reduzierung gesamtgesellschaftlicher Transaktionskosten. Zweitens wird das Problem der adversen Selektion im Falle betrieblicher Regelungen umgangen: Solche Firmen, deren Arbeitsverträge Kündigungsschutzklauseln beinhalteten, sähen sich bei der Neubesetzung von Positionen überdurchschnittlich vielen prinzipiell leistungsunwilligen Bewerbern gegenüber, die den Kündigungsschutz dazu nutzten, ihre Tätigkeit mit minimalem Einsatz auszuführen – letztendlich würde sich so die Durchschnittsqualität der Beschäftigten und somit die Gesamtproduktivität derjenigen Unternehmen mit Kündigungsschutzregelungen verringern. Drittens können durch gesetzlich festgeschriebene Meldefristen negative Spillover-Effekte bei Massenentlassungen dadurch begrenzt werden, dass amtliche Stellen rechtzeitig in der Lage sind, Trainings- und Vermittlungsdienste anzubieten. Aus Sicht der Kritiker führen jedoch insbesondere allgemeingültige Kündigungsschutzregelungen zu Ineffizienzen auf dem Arbeitsmarkt und somit letztendlich zu struktureller Arbeitslosigkeit. Unterstellt wird, dass durch einen hohen Grad an institutioneller Beschäftigungssicherheit marktgerechte Anpassungsreaktionen seitens der Unternehmen nicht oder nur stark verzögert erfolgen können, so dass der Arbeitsmarkt insgesamt als inflexibel und ineffizient zu bezeichnen sei. Strukturelle Arbeitslosigkeit entstünde in diesem Zusammenhang gerade erst durch den hohen Bestandsschutz einmal eingerichteter Beschäftigungsverhältnisse, da Unternehmen vor der Schaffung neuer Arbeitsplätze zurückschreckten.28 28
Im Zusammengang mit dieser Argumentationslinie muss zunächst einmal festgestellt werden, dass Kündigungsschutz in aller Regel nicht mit einem hundertprozentigen Bestandsschutz für die Arbeitskräfte gleichzusetzen ist. So existieren auch im deutschen Kündigungsschutzrecht sehr wohl Möglichkeiten für Arbeitgeber, sich aus personenbedingten, verhaltensbedingten oder wirtschaftlichen Gründen von Arbeitnehmern zu trennen (siehe dazu auch Abschnitt 4.2.1). Somit können Unterneh-
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2 Befristung als Form der Arbeitsmarktflexibilisierung
Zusätzlich würden institutionell verankerte Restriktionen gegenüber Entlassungen das Einstellungsverhalten der Unternehmen dahingehend beeinflussen, dass bestimmten, wettbewerbsschwächeren Arbeitsmarktgruppen systematisch schlechtere Beschäftigungschancen eingeräumt würden. Durch hohe Restriktionen gegenüber Entlassungen seien Arbeitgeber weniger geneigt, Angehörige sozial schwächerer Gruppen, deren zukünftige Produktivität relativ schwer einzuschätzen ist, einzustellen. Arbeitsrechtliche Regulierungen wie der Kündigungsschutz führten damit zu einem selektiven Einstellungsverhalten seitens der Unternehmen und folglich zu einer sozialen Strukturierung der Arbeitslosigkeit. Insofern seien Kündigungsschutzregelungen als kontraproduktiv zu bewerten, da sie gerade innerhalb der Gruppe der sozial Schutzbedürftigen zu einem überdurchschnittlich hohen Arbeitslosigkeitsrisiko führten. Insgesamt beeinflussten Kündigungsschutzregelungen somit nicht nur die Höhe, sondern auch die Struktur der Arbeitslosigkeit (d. h. deren Zusammensetzung nach sozio-strukturellen Merkmalen) und bewirkten daher eine Segmentierung des Arbeitsmarktes. Die durch staatliche regulierte Kündigungsschutzregelungen erzeugten gesamtgesellschaftlichen Kosten überstiegen daher bei weitem den möglichen Nutzen solcher Regulierung (vgl. z. B. Schellhaas 1990; Schellhaas/Nolte 1999).29 Die aufgeführten Argumente für und gegen einen institutionell verankerten Beschäftigungsschutz machen noch einmal das Spannungsfeld zwischen Beschäftigungssicherheit auf der einen und individuellen Arbeitsmarktchancen auf der anderen Seite deutlich. Ein hoher Grad an Beschäftigungssicherheit führt einerseits zu einer Stabilisierung der Erwerbskarrieren regulär beschäftigter Arbeitnehmer mit den entsprechenden Vorteilen sowohl für die Arbeitgeber- als auch für die Arbeitnehmerseite. Andererseits ist jedoch mit einem hohen Bestandsschutz regulärer Stellen die Gefahr verbunden, dass es zu einer nachhalti-
men trotz institutioneller Einschränkung ihrer Handlungsfreiheit in einem doch erheblichen Rahmen auf etwaige Fehlallokationen oder Veränderungen im wirtschaftlichen Umfeld reagieren (siehe z. B. Büchtemann 1991). 29 Die bisherigen empirischen Befunde zu den Effekten staatlicher Regulierung im Bereich des Kündigungsschutzes fallen allerdings nicht eindeutig aus (vgl. z. B. Bauer et al. 2004; Büchtemann 1993; Büchtemann/Walwei 1996; Esping-Andersen/Regini 2000; OECD 1999 sowie die dort zitierten Studien). Einerseits scheint kein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen der Stärke des Kündigungsschutzes und der Höhe der Arbeitslosigkeit zu existieren. Andererseits nehmen Kündigungsschutzregelungen Einfluss auf die Zusammensetzung der Arbeitslosigkeit (bei stärkerer Regulierung ist ein höheres Arbeitslosigkeitsrisiko für junge und gering qualifizierte Personen zu beobachten) und auf die Dynamik der Arbeitslosigkeit (eine stärkere Regulierung führt zu einem geringeren Zustrom in Arbeitslosigkeit, aber auch zu einem geringeren Abstrom aus Arbeitslosigkeit und somit insgesamt zu einer höheren mittleren Dauer von Arbeitslosigkeitsphasen). Striktere Kündigungsschutzregelungen bedingen demnach einen höheren Bestandsschutz der Stelleninhaber, jedoch zu Lasten von bestimmten Personengruppen, die vom Arbeitsmarkt ausgeschlossenen sind.
2.2 Institutionelle Beschäftigungssicherheit und befristete Beschäftigung
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gen Spaltung des Arbeitsmarktes kommt, da Arbeitslose und andere Randgruppen des Arbeitsmarktes nur sehr geringe (Re-)Integrationschancen besitzen. In den Debatten um eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes mittels Einschränkung des Kündigungsschutzes muss der Nutzen staatlich fixierter Kündigungsschutzregelungen den ökonomischen und sozialen Kosten dieses Systems, aber auch den alternativen Kosten eines Systems mit privaten Vereinbarungen oder gar eines Systems ohne jeglichen Kündigungsschutz gegenübergestellt werden. Dies gilt insbesondere für solche Flexibilisierungsstrategien, die in einem eher universellen Sinne auf die Reduzierung der institutionellen Beschäftigungssicherheit eines Großteils der Arbeitnehmer oder sogar der gesamten Arbeitnehmerschaft zielen. Eine solche als universell zu bezeichnende Flexibilisierung, die den Kündigungsschutz für alle Arbeitnehmer gleichmäßig reduziert, erhöht zwar die Chancen der Arbeitslosen, in den Arbeitsmarkt integriert zu werden, verringert jedoch gleichzeitig den gesamtgesellschaftlichen Nutzen, der durch Kündigungsschutzregelungen erreicht wird. Weiterhin verändert eine universelle Flexibilisierung die Machtverhältnisse auf dem Arbeitsmarkt zuungunsten der Arbeitnehmer, was sich in einer steigenden Ungleichheit niederschlagen dürfte (sowohl innerhalb der Arbeitnehmerschaft als auch zwischen Kapitaleignern und Arbeitnehmern). Jedoch kann der Erhalt eines relativ hohen Grades an institutioneller Beschäftigungssicherheit für einen großen Teil der Arbeitnehmer ökonomisch und sozial durchaus sinnvoll sein, wie es in diesem Abschnitt am Beispiel des Kündigungsschutzes gezeigt wurde. Eine eher partielle Lockerung des Kündigungsschutzes (z. B. durch befristete Beschäftigungsverhältnisse) erscheint dann als mögliche Alternative zu einem weitgehend allgemeinen Absenken der institutionellen Beschäftigungssicherheit. Im Gegensatz zu universell angelegten Flexibilisierungsstrategien bieten partielle Maßnahmen, die den Kündigungsschutz nur für bestimmte Arbeitsmarktgruppen einschränken oder sogar aufheben, dann die Möglichkeit, eher ausgeschlossene Arbeitsmarktgruppen wieder in Erwerbsarbeit zu bringen und gleichzeitig den Bestandsschutz des Großteils der Arbeitnehmer unberührt zu lassen. So könnten die sozialen und ökonomischen Vorzüge von Kündigungsschutzregelungen weiter genutzt sowie die Machtverhältnisse zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern nahezu erhalten bleiben, während gleichzeitig die damit einhergehenden Kosten gesenkt werden. Allerdings laufen partielle Flexibilisierungsmaßnahmen auch Gefahr, zu einer Verfestigung der Arbeitsmarktspaltung beizutragen. Dies wäre beispielsweise dann der Fall, wenn die Randgruppen des Arbeitsmarktes auch über die flexiblen Arbeitsverhältnisse keinen Zugang zu den geschützten Positionen erhalten und ihr Erwerbsverlauf aus einer Abfolge von Arbeitslosigkeit sowie unsicheren und möglicherweise unterwertigen Beschäftigungsverhältnissen bestünde.
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2 Befristung als Form der Arbeitsmarktflexibilisierung
2.2.2 Reduzierung der Beschäftigungssicherheit durch befristete Beschäftigung Werden aufgrund relativ strikter Kündigungsschutzregelungen und der daraus resultierenden hohen Beschäftigungssicherheit regulärer Stellen aus Unternehmenssicht extern-numerische Anpassungsprozesse notwendig, können befristete Beschäftigungsverhältnisse in einem solchen System als ein stabilisierendes Element fungieren, indem sie einen bestimmten Grad an extern-numerischer Flexibilität überhaupt erst ermöglichen. Im Vergleich zu Stellen mit unbefristeten Arbeitsverträgen besitzen befristete Beschäftigungsverhältnisse in der Regel einen deutlich geringeren Grad an institutioneller Beschäftigungssicherheit, da sich Arbeitgeber nach Ablauf der Vertragszeit ohne Berücksichtigung von Kündigungsfristen oder Kündigungsgründen von ihren befristet beschäftigten Arbeitnehmern trennen können. Fällt der Grad der institutionell verankerten Beschäftigungssicherheit regulärer Stellen relativ hoch aus, bieten befristete Arbeitsverhältnisse den Unternehmen demnach die Gelegenheit, Arbeitnehmer (zunächst) zeitlich befristet einzustellen, ohne diesen sofort den vergleichsweise hohen Bestandsschutz regulär Beschäftigter einräumen zu müssen. Unternehmen werden durch den Einsatz befristeter Arbeitsverhältnisse folglich in die Lage versetzt, einen Teil der Belegschaft in stabiler Beschäftigung zu halten und so die Vorteile stabiler Vertragsbeziehungen abzuschöpfen, während ein anderer Teil der Belegschaft in temporären und daher eher instabilen Arbeitsverhältnissen beschäftigt wird. Insofern bedingt die Stabilität der Beschäftigungsbedingungen des einen Teils die Instabilität des anderen Teils der Beschäftigten eines Unternehmens – und dies umso stärker, je höher die Beschäftigungssicherheit der regulär beschäftigten Arbeitnehmer ausfällt. Die Forderungen nach der Ausweitung dieser flexiblen Beschäftigungsform sind jedoch mit sehr unterschiedlichen Erwartungen verknüpft: Für die Befürworter solcher Maßnahmen bringen befristete Stellen eine notwendig gewordene Flexibilität in den Arbeitsmarkt, aus Sicht der Kritiker besteht die Gefahr der nachhaltigen Untergrabung der Beschäftigungssicherheit. Es verwundert daher nicht, dass im arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Diskurs mit dem Thema „befristete Beschäftigung“ immer sowohl Hoffnungen als auch Befürchtungen verbunden sind (Bielenski 1998). Positive Auswirkungen von befristeten Beschäftigungsverhältnissen werden vor allem in der Steigerung bzw. Wahrung der Integrationschancen solcher Arbeitsmarktgruppen gesehen, deren Arbeitsmarktchancen durch einen hohen allgemeinen oder sogar speziellen Kündigungsschutz möglicherweise negativ beeinflusst werden. Befristete Stellen übernehmen aus dieser Perspektive eine Art „Brückenfunktion“ in den Arbeitsmarkt. Insgesamt wird mit der Forderung nach einer Ausweitung befristeter Beschäftigungsverhältnisse die Hoffnung verbun-
2.2 Institutionelle Beschäftigungssicherheit und befristete Beschäftigung
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den, dass es aufgrund der erleichterten befristeten Einstellung neuer Arbeitnehmer zu einem Anstieg des Beschäftigungsvolumens, zu einer Verbesserung der individuellen Beschäftigungschancen und somit insgesamt zu einem Absenken der Arbeitslosigkeit kommt (vgl. z. B. Büchtemann 1989). Negative Auswirkungen hingegen werden häufig im Risiko der Verstetigung oder gar der Ausweitung der Arbeitsmarktspaltung in attraktive und sichere Positionen einerseits und prekäre, vor allem durch Unsicherheit gekennzeichnete Beschäftigungsverhältnisse andererseits erwartet. Befristete Stellen werden aus dieser Sicht demzufolge eher als „Falle“ für die betroffenen Arbeitnehmer wahrgenommen (Booth et al. 2002; Büchtemann/Quack 1989). Gleichzeitig wird ein wirklich langfristiger Beschäftigungseffekt durch befristete Beschäftigungsverhältnisse bezweifelt: Zusätzliche, durch Befristung erleichterte Einstellungen in Zeiten wirtschaftlichen Aufschwungs korrespondierten mit Entlassungen (Nichtverlängerung der Verträge) in Phasen des Abschwungs (Walwei 1997). Ein langfristiger Zuwachs der Nettobeschäftigung sei damit unwahrscheinlich. Weiterhin wird ein Substitutionseffekt befristeter Beschäftigungseffekte unterstellt: In dem Maße, in dem die Einrichtung befristeter Stellen erleichtert würde, sei auch von einem verstärkten Umwandeln von unbefristeten in befristete Arbeitsverhältnisse, die bei Bedarf verlängert werden (Kettenarbeitsverträge), auszugehen. Der intendierte Nettobeschäftigungszuwachs fiele deshalb insgesamt nur marginal aus. Insgesamt führe die Ausweitung befristeter Stellen damit zu einer Zunahme unsteter und unterwertiger Beschäftigung (Adamy 1988; Bosch/Seifert 1984; Keller 1989). Interessanterweise konnten zumindest für den deutschen Arbeitsmarkt weder die erhofften Beschäftigungseffekte einer Ausweitung der befristeten Beschäftigung noch die geäußerten Befürchtungen empirisch in substantieller Höhe bestätigt werden. So kommen die Evaluationsstudien von Büchtemann (1989) und Bielenski et al. (1994) beide zu dem Schluss, dass die gesetzlichen Maßnahmen zur Erleichterung des Einsatzes befristeter Beschäftigungsverhältnisse keinen nachhaltigen Effekt auf die Lage am Arbeitsmarkt ausübten. In diesen Evaluationsstudien bleibt jedoch weitgehend offen, ob und inwieweit die Arbeitsmarktchancen von Arbeitnehmern durch befristete Beschäftigungsverhältnisse systematisch und nachhaltig beeinflusst werden. Aus arbeitsmarkttheoretischer Sicht sind solche Effekte allerdings durchaus zu erwarten (vgl. dazu Kapitel 3). So ist davon auszugehen, dass sich der Arbeitslohn, die faktische Beschäftigungssicherheit und weitere wichtige Merkmale individueller Karrieremobilität zwischen befristeten und unbefristeten Stellen unterscheiden. Diese Effekte können insbesondere aufgrund des geringeren Grades an institutioneller Beschäftigungssicherheit solcher Stellen erwartet werden. Die Untergrabung der institutionellen Beschäftigungssicherheit durch befristete Arbeits-
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2 Befristung als Form der Arbeitsmarktflexibilisierung
verträge ist demnach ein zentrales Element für das Verständnis der Wirkungsweise befristeter Beschäftigungsverhältnisse.
2.3 Befristete Beschäftigung als atypische Beschäftigung Der mit der Erhöhung der extern-numerischen Flexibilität verbundene Abbau der institutionellen Beschäftigungssicherheit hat vermutlich einen nachhaltigen Einfluss auf die Erwerbschancen der Arbeitnehmer. So steht eine Personalpolitik des „hire and fire“, die als die extremste Form der extern-numerischen Flexibilität anzusehen ist, einer Stabilität der Erwerbskarrieren von Individuen entgegen. Die Diskussion um die mögliche „Erosion des Normalarbeitsverhältnisses“ (vgl. etwa Hoffmann/Walwei 1998; Kommission für Zukunftsfragen der Freistaaten Bayern und Sachsen 1996) spiegelt genau diesen Zusammenhang wider. Befristete Beschäftigung wird als ein vom „Normalarbeitsverhältnis“ (Mückenberger 1985) abweichendes und deshalb als „atypisches“ Beschäftigungsverhältnis verstanden, dessen Ausweitung zu einer Aushöhlung der mit dem Normalarbeitsverhältnis einhergehenden Beschäftigungssicherheit führt.30 Um die befristete Beschäftigung als „atypisch“ zu definieren, muss diese Beschäftigungsform von einer als typisch zu bezeichnenden Beschäftigungsform abgegrenzt werden. Dabei hat sich das so genannte „Normalarbeitsverhältnis“ als Begrifflichkeit in der wissenschaftlichen Diskussion durchgesetzt (z. B. Bosch 1986, 2001; Däubler 1988; Dombois 1999; Geissler 1998; Kalleberg 2000; Kress 1998; Mückenberger 1985, 1989; Osterland 1990; Rodgers/Rodgers 1989; Wagner 2000; Zachert 1988). Mit dem Begriff „Normalarbeitsverhältnis“ sind jedoch zwei durchaus unterschiedliche Bedeutungsgehalte verbunden. Einerseits kann das „Normalarbeitsverhältnis“ einen rein deskriptiven Bedeutungsgehalt aufweisen, indem es sich empirisch auf das tatsächlich typische (im Sinne des mehrheitlich vorherrschenden) Beschäftigungsmuster bezieht. Andererseits lässt sich das „Normalarbeitsverhältnis“ als normatives Konzept verstehen, das als Orientierungsgrundlage rechtlicher Vorschriften im Bereich des Arbeits- und Sozialrechts fungiert und somit wesentlich zur Verteilung von Lebenschancen beiträgt. Deskriptiv bezieht sich der Begriff des „Normalarbeitsverhältnisses“ auf das tatsächlich empirisch „normale“, d. h. am häufigsten vorkommende Arbeitsverhältnis bzw. dessen prägnanteste Merkmale. Dabei sind die Merkmale der Vollzeit, der Stabilität bzw. der unbefristeten Dauer und des Arbeitnehmerstatus als zentral anzusehen. Weitere in der Literatur diskutierte Charakteristika sind beispielsweise: die regelmäßigen Arbeitszeiten mit einer bestimmten Dauer, Lage 30
Zum Thema atypische Beschäftigung aus international vergleichender Perspektive vgl. z. B. Delsen (1995), Rodgers/Rodgers (1989) oder Tálos (1999).
2.3 Befristete Beschäftigung als atypische Beschäftigung
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und Verteilung, z. B. Montag bis Freitag von 7 bis 16 Uhr (Normalarbeitstag), die Tätigkeit in einem Betrieb einer gewissen Mindestgröße oder die Existenz einer kollektiven Interessenvertretung für Löhne und Arbeitsbedingungen (Kress 1998). Während Beschäftigungsverhältnisse, die die Merkmale des Normalarbeitsverhältnisses aufweisen, als „normal“ oder „typisch“ bezeichnet werden, ist es üblich, Beschäftigungsverhältnisse, denen mindestens ein Merkmal des Normalarbeitsverhältnisses fehlt, als „unnormal“ oder „atypisch“ zu bezeichnen. Nimmt man die oben als zentral gekennzeichneten Merkmale als einzige Definitionskriterien des Normalarbeitsverhältnis an, so sind neben der befristeten Beschäftigung auch Beschäftigungsformen wie Teilzeitarbeit, Zeit- oder Leiharbeit, geringfügige Beschäftigung und Scheinselbständigkeit zu der Gruppe der atypischen Beschäftigungsformen zu rechnen.31 Anhand der genannten Aufzählung der „atypischen Beschäftigungsverhältnisse“ zeigt sich bereits, dass dieser Typus von Erwerbsverhältnissen eine durchaus heterogene Gruppe von Beschäftigungsformen umfasst. Die vielfach geäußerte These von der „Erosion des Normalarbeitsverhältnisses“ unterstellt nun, dass das Normalarbeitsverhältnis in seiner empirischen Verbreitung so stark zurückgegangen sei, dass es nicht länger als das für Erwerbstätige tatsächlich normale Arbeitsverhältnis zu bezeichnen sei. Insofern müssten die bisher gültigen Schutz- und Sicherungsnormen, die durch das Normalarbeitsverhältnis gesetzt wurden, hinterfragt und an die real vorherrschende Situation angepasst werden. Andere Autoren wiederum zeigen, dass keinesfalls von einem gravierenden Bedeutungsverlust des Normalarbeitsverhältnisses gesprochen werden kann (z. B. Hoffmann/Walwei 1998). Die Merkmalsdefinition, die quantitative Erfassung und die Verteilungsbeschreibung des Normalarbeitsverhältnisses besitzen somit eine gewisse Brisanz, die sich vielfach in den wissenschaftlichen und politischen Debatten zu diesem Thema widerspiegelt (vgl. dazu auch Wagner 2000). Ob und inwieweit die befristete Beschäftigung, als eine Form der „flexiblen“ Arbeitsverhältnisse, zu einem Bedeutungsverlust des Normalarbeitsverhältnisses (im Sinne einer quantitativen Abnahme) beigetragen hat, wird gesondert im Kapitel 7 diskutiert. Aus einer normativen Sichtweise bezeichnet der Begriff „Normalarbeitsverhältnis“ weniger die mehrheitlich vorherrschende Form der Arbeitsverrichtung als vielmehr das allgemeine Leitbild, „das der arbeitsrechtlichen Ausgestaltung von Arbeitsverhältnissen, dem Beitrags-/Leistungsgefüge der Sozialversicherung, aber auch den familienrechtlichen Ausgleichsmechanismen wie den steuer- und subventionspolitischen Umverteilungsprozessen ein Bezugspunkt war“ (Mückenberger 1989: 211) – und immer noch ist. Die normative Orientie31
Bei einer engeren Definition des Normalarbeitsverhältnisses lassen sich auch Heim- und Telearbeit zu den Formen der atypischen Beschäftigung zählen.
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2 Befristung als Form der Arbeitsmarktflexibilisierung
rung in den Bereichen Arbeitsmarkt-, Sozial-, Steuer- und Familienpolitik auf einen bestimmten Typus von Erwerbsarbeit (abhängige und unbefristete Vollzeitarbeit) lässt sich sowohl in Deutschland (vgl. z. B. Hinrichs 1996; vgl. z. B. Neuhold 1999) als auch in Großbritannien (vgl. z. B. Fink 1999) finden, wobei sie in Deutschland insgesamt stärker ausgeprägt zu sein scheint. Mückenberger (1989) rechnet dem Normalarbeitsverhältnis drei grundlegende Funktionen zu: Schutzfunktion für den Arbeitnehmer Durch das Normalarbeitsverhältnis werden Mindeststandards und/oder die kollektive Teilhabe an der Gestaltung der Arbeitsbedingungen verankert. Diese werden in gesetzlichen und/oder kollektivvertraglichen Regelungen durchgesetzt. Das Normalarbeitsverhältnis sichert somit die materielle Existenz der Arbeitskräfte und stellt diesen Schutz auf Dauer. Antriebsfunktion gegenüber den auf fremdbestimmte Arbeit Angewiesenen Das Normalarbeitsverhältnis ist darauf angelegt, „die Priorität von Erwerbsarbeit vor anderen menschlichen Tätigkeiten und die alternativlose Notwendigkeit kontinuierlicher, tendenziell lebenslanger Erwerbsarbeit in den Lebensentwürfen, Werthaltungen, Selbst- und Fremdbildern der arbeitenden Menschen zu verankern“ (ebd.: 212). Selektionsfunktion innerhalb der Gruppe der auf Erwerbsarbeit Angewiesenen Über das Normalarbeitsverhältnis werden bestimmte Chancen innerhalb der Gruppe der auf Erwerbsarbeit Angewiesenen verteilt. Im Mittelpunkt steht die Beschäftigungskontinuität, die neben der betrieblichen (Seniorität) auch eine sozialrechtliche Komponente (z. B. Anzahl der anrechnungsfähigen Versicherungsjahre bei Arbeitslosen- und Rentenversicherung) besitzt. Gruppen mit einer geringen Beschäftigungskontinuität (z. B. Hausfrauen, Dauerarbeitslose) weisen eine erhebliche Benachteiligung bei der Chancenverteilung durch das Normalarbeitsverhältnis auf. Im Rahmen der Diskussion über die Erhöhung der extern-numerischen Flexibilität steht vor allem die Schutzfunktion des Normalarbeitsverhältnisses und dessen mögliche Aushöhlung im Mittelpunkt des Interesses. Befristete Beschäftigungsverhältnisse untergraben in erster Line die durch unbefristete Arbeitsverhältnisse gewährleistete Beschäftigungssicherheit, indem sie bei der Beendigung des Vertragsverhältnisses die durch Kündigungsschutzregelungen
2.3 Befristete Beschäftigung als atypische Beschäftigung
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gesetzten Standards umgehen. Insofern befristete Beschäftigungsverhältnisse möglicherweise zu einer Destabilisierung von Erwerbskarrieren führen, wird nicht nur die Dauerhaftigkeit des durch das Normalarbeitsverhältnis gewährten Schutzes bedroht, sondern auch qua fehlender bzw. nur geringer Beschäftigungskontinuität spätere Erwerbs- und Lebenschancen negativ beeinflusst.32 Mückenberger betont jedoch auch, dass die Debatte über die Zukunft des Normalarbeitsverhältnisses niemals auf nur eine der genannten Funktionen eingeschränkt werden dürfe, dies aber bereits vielfach geschehen sei. So sei der Begriff „Normalarbeitsverhältnis“ heute gleichbedeutend mit dem Begriff des wünschenswerten Arbeitsverhältnisses (ebd.: 220). Die Kritik an der Antriebsund Selektionsfunktion des Normalarbeitsverhältnisses sei „ins Hintertreffen“ geraten. Dieser Einschätzung Mückenbergers kann zumindest mit Blick auf die Kritik am vorherrschenden „male bias“ der Arbeitsmarktpolitik, die insbesondere von der Frauen(arbeits)forschung hervorgebracht wird, nicht gefolgt werden. In einer Fülle von Veröffentlichungen wird immer wieder auf die Problematik der nach wie vor männlichen Ausrichtung der Gesetzgebung, aber auch auf die kollektivvertraglichen Vereinbarungen im Bereich der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik und der daraus resultierenden nachteiligen Erwerbs- und Lebenschancen für Frauen hingewiesen (siehe unter anderem Allmendinger 1994; Crompton 1999; Gottschall 1995; Gottschall/Pfau-Effinger 2002; Hinrichs 1996; Lenz et al. 2000; Ostner 1995).33 Inwieweit hier die vom Normalarbeitsverhältnis abweichenden flexiblen Beschäftigungsformen neue Realitäten, Perspektiven und Möglichkeiten schaffen, indem sie beispielsweise Frauen die Chance der (flexiblen) Integration in das Beschäftigungssystem bieten, eine „Destandardisierung“ von Erwerbsverläufen und insofern eine Auflösung der „Normalbiographie“ hervorbringen sowie eine Aufweichung der dominierenden Stellung der Arbeit für den 32
So sind sowohl in Deutschland als auch in Großbritannien sehr viele Leistungsansprüche aus den Sozialversicherungssystemen an eine bestimmte Dauer und/oder eine bestimmte Höhe der Einkommen bzw. der Beiträge gebunden (vgl. z. B. Fink 1999; Landenberger 1991; Neuhold 1999; vgl. z. B. Tálos 1999). Insofern können befristete Beschäftigungsverhältnisse einen maßgeblichen Einfluss auf die Höhe von Zahlungen aus den Sozialversicherungssystemen ausüben, insbesondere dann, wenn sie nur von kurzer Dauer sind oder unterdurchschnittlich entlohnt werden. 33 Ein aktuelles Beispiel für die immer noch stark männlich geprägte Perspektive auf das „Normalarbeitsverhältnis“ ist die im Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt vom Dezember 2003 gefasste Konkretisierung der sozialen Gesichtspunkte bei betriebsbedingten Kündigungen (vgl. dazu auch 4.2.1): hier wurden neben dem Lebensalter und einer Schwerbehinderung des Arbeitsnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit sowie die Unterhaltspflichten als Merkmale für die Sozialauswahl festgeschrieben. Frauen werden dadurch tendenziell benachteiligt, da sie im Vergleich zu Männern durchschnittlich geringere Beschäftigungsdauern (beispielsweise aufgrund familienbedingter Unterbrechungen im Erwerbsverlauf) aufweisen und seltener Unterhaltspflichten nachkommen müssen (Höland et al. 2004: 148).
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2 Befristung als Form der Arbeitsmarktflexibilisierung
gesamten Lebensverlauf ermöglichen bzw. mit verursachen, ist umstritten (siehe z. B. Bosch 2001; Crompton 1999; Hakim 1996; Holst/Maier 1998; Keller/Seifert 1995; Kurz-Scherf et al. 2003; siehe z. B. Osterland 1990; Ostner 2000, 2000; Pfarr 2000; Purcell 2000; Rubery/Fagan 1994).34 Für eine umfassende Bewertung der Konsequenzen befristeter Beschäftigungsverhältnisse ist somit auch die Frage nach dem Abbau „alter“ bzw. nach dem Aufbau „neuer“ sozialer Ungleichheiten (auch unter Berücksichtigung der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern) mit einzubeziehen. Da die einzelnen Formen atypischer Beschäftigung unterschiedlich stark vom Normalarbeitsverhältnis abweichen, ist es sinnvoll, diese auch qualitativ unterschiedlich zu bewerten. Eine mögliche qualitative Abgrenzung der atypischen Beschäftigungsformen ist die nach dem Grade des Standards der sozialen Sicherung. Danach sind atypische Beschäftigungen als unterschiedlich prekär im Sinne einer weniger oder kaum gegebenen Sozialverträglichkeit einzustufen. Atypische Beschäftigungsverhältnisse „liegen auf einem Kontinuum, dessen Pole durch die mit dem Normalarbeitsverhältnis gesetzten Standards der sozialen Sicherung einerseits sowie durch hochgradige ‚Prekarität‘ andererseits gekennzeichnet sind“ (Keller/Seifert 1995: 5). Für die Bewertung der Prekarität befristeter Beschäftigung sollten zwei Fragestellungen zentral sein: 1. Inwieweit erweist sich eine Befristung als nachteilig für die aktuelle Erwerbssituation (z. B. im Hinblick auf die Höhe des Arbeitseinkommens)? 2. Sind mit befristeten Stellen Risiken dergestalt verbunden, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt mit Benachteiligungen einhergehen? Als prekär einzustufen sind befristete Beschäftigungen dann nicht nur, wenn sie den betroffenen Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Beschäftigung mehr oder weniger stark von den durch das Normalarbeitsverhältnis gesetzten Standards ausschließen, sondern auch dann, wenn sie zu einem mitteloder gar langfristigen, über die einzelne Beschäftigungssituation hinaus wirkenden Ausschluss von diesen Standards führen. Eine exakte Verortung der befristeten Beschäftigung auf dem oben genannten „Kontinuum der Prekarität“ wird jedoch dadurch erschwert, dass sich diese Beschäftigungsform nicht als homogenes Phänomen darstellt. Vielmehr scheint es angebracht, davon auszugehen, dass sich befristete Beschäftigungsverhältnisse in ihrer zugrunde liegenden Einsatzlogik und damit auch in ihren sozioökonomischen Konsequenzen voneinander unterscheiden können. Mindestens drei Gesichtspunkte sind hierbei von zentraler Bedeutung. Erstens hängen die sozio-ökonomischen Folgen befristeter Beschäftigung stark von der nachfrageseitigen Einsatzlogik solcher Beschäftigungsformen ab. Während sich manche 34
Für eine spezielle Diskussion zur Teilzeitarbeit, der quantitativ mit Abstand bedeutendsten flexiblen Beschäftigungsform von Frauen, vgl. z. B. Bäcker/Stolz-Willig (1995), Blossfeld/Hakim (1997), Fagan et al. (1999), O'Reilly/Fagan (1998) oder Quack (1993).
2.3 Befristete Beschäftigung als atypische Beschäftigung
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befristeten Arbeitsstellen etwa als Einstieg in dauerhafte Beschäftigung oder als gut bezahlte Projekttätigkeiten erweisen mögen und demnach als weniger prekär einzustufen sind, können andere befristete Stellen so angelegt sein, dass sie einen Übergang in eine Dauerstelle von vornherein ausschließen und somit beispielsweise ein erhöhtes Arbeitslosigkeitsrisiko für die Arbeitnehmer in sich tragen.35 Zweitens hat aber auch die Frage nach den Gründen der Wahl einer befristeten Beschäftigung einen Einfluss auf die Einschätzung des Prekaritätsgrades befristeter Beschäftigungsverhältnisse. Besteht die Notwendigkeit der Sicherung des Lebensunterhalts, so sind sozio-ökonomische Benachteiligungen durch befristete Beschäftigungen als weitaus prekärer einzustufen als in der Situation, in der eine Befristung auf expliziten Wunsch des Arbeitnehmers abgeschlossen wurde, wie etwa im Falle von Studierenden, die neben ihrer Ausbildung einer zeitlich befristeten Erwerbstätigkeit nachgehen (Bielenski/Kohler 1995).36 Drittens können befristete Beschäftigungsverhältnisse in Kombination mit verschiedenen anderen atypischen Beschäftigungsformen auftreten (z. B. ein zeitlich befristetes Arbeitsverhältnis mit Teilzeitvereinbarung), was möglicherweise zu einer Kumulation nachteiliger Erwerbssituationen führt. In diesem Fall würden befristete Arbeitsverhältnisse zusätzlich an Prekarität gewinnen. Es wäre daher zu kurz gegriffen, bei der Analyse der sozio-ökonomischen Konsequenzen befristeter Beschäftigung von einem homogenen Untersuchungsgegenstand und daher von einheitlichen Effekten auszugehen. Vielmehr scheint es angebracht, angebots- und nachfrageseitige Faktoren befristeter Beschäftigungsverhältnisse mit zu berücksichtigen, um so die Heterogenität befristeter Beschäftigungsverhältnisse sowohl in theoretischer als auch in empirischer Hinsicht angemessen zu reflektieren.
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Damit eng verbunden ist die Berücksichtigung der unterschiedlichen erwerbsbiographischen Voraussetzungen befristet beschäftigter Arbeitnehmer bzw. ihrer Möglichkeiten, mit einer unsicheren Beschäftigungssituation umgehen zu können. In diesem Zusammenhang schlägt Vogel (2003) vor, anstatt des Konzepts der „Prekarität“ die Konzeption einer Zone „beruflich-sozialer Gefährdung“ zu verwenden, die die Beschäftigungssituation mit den sozialen Verhältnissen der Arbeitnehmer verknüpft. „Auf diese Weise geraten die gesellschaftlichen und individuellen Folgen ‚gefährdeter’ Beschäftigung in den Blick, aber auch die je nach Sozial- und Lebenslage sehr unterschiedlichen Verarbeitungsmöglichkeiten beruflicher Unsicherheit“ (ebd.: 39). Für eine Anwendung dieser Konzeption vgl. z. B. Oschmiansky/ Oschmiansky (2003). 36 Empirisch zeigt sich jedoch, dass in Deutschland die Mehrheit der befristet Beschäftigten auf die Einkünfte aus dieser Erwerbstätigkeit angewiesen sind. So gaben 67 Prozent der befristet beschäftigten Arbeitnehmer aus Westdeutschland an, für ihren Lebensunterhalt voll auf den eigenen Arbeitsverdienst angewiesen zu sein (Bielenski et al. 1994: 73). Büchtemann/Quack (1989) weisen für 1986 sogar einen Anteil von 92 Prozent aus (ebd.: 43). Für Großbritannien liegen solche Angaben nicht vor.
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2 Befristung als Form der Arbeitsmarktflexibilisierung
2.4 Funktionen befristeter Beschäftigung am Arbeitsmarkt In diesem Abschnitt soll erstens der Frage nachgegangen werden, mit welchen Zielsetzungen Unternehmen befristete Beschäftigungsverhältnisse schaffen und anbieten, d. h. welche unterschiedlichen Funktionen befristete Beschäftigungsverhältnisse auf betrieblicher Ebene erfüllen können. Dabei zeigt sich, dass Unternehmen befristete Arbeitsverträge aus sehr verschiedenen Beweggründen einsetzen. Diese angebots- und nachfrageseitigen Funktionen befristeter Beschäftigung machen deutlich, dass es sich bei dieser Beschäftigungsform um ein recht heterogenes Phänomen handelt. Angesichts dieser Heterogenität befristeter Stellen ist aus theoretischer Sicht nicht davon auszugehen, dass ein einheitlicher, auf alle Arbeitnehmer gleich wirkender Effekt befristeter Arbeitsverhältnisse existiert. Dies wiederum legt den Schluss nahe, dass die Chancen und Risiken, die mit befristeten Stellen verbunden sind, mit der konkreten betrieblichen Einsatzlogik variieren. Zweitens wird untersucht, welche Funktionen befristete Arbeitsverhältnisse für Arbeitnehmer erfüllen können. 2.4.1 Funktionen befristeter Beschäftigung aus Arbeitgebersicht Aus Sicht der Unternehmen bietet sich der Einsatz befristeter Beschäftigungsverhältnisse aufgrund unterschiedlicher Zielvorstellungen an. Grundsätzlich lassen sich mindestens drei solcher Ziele unterscheiden: Erstens dienen befristete Beschäftigungsverhältnisse der Kostensenkung (z. B. Personalanpassung bei Produktionsschwankungen oder Senkung der Arbeitskosten), zweitens verbindet sich mit ihnen die Möglichkeit der verlängerten Erprobung neuer Mitarbeiter, drittens kann eine Befristung für Arbeitsaufgaben von begrenzter Dauer fungieren (vgl. etwa Abraham/Taylor 1996; Bollinger et al. 1991; Boockmann/Hagen 2001; Bothfeld/Kaiser 2003; Casey et al. 1997; Dragendorf et al. 1988; Hagen 2001; Linne/Voswinkel 1989; Walwei 1995). Kostensenkung Zunächst können befristete Beschäftigungsverhältnisse aus Unternehmenssicht mit dem Ziel der Senkung derjenigen Kosten verbunden sein, die durch notwendige Anpassungen im Personalbereich entstehen. Durch den Rückgriff auf flexible Beschäftigungsformen können Unternehmen ihren Personaleinsatz schneller an sich ändernde wirtschaftliche Umweltbedingungen anpassen und somit insgesamt die Personalkosten senken. Besonders für Betriebe mit starken Schwankungen in der Produktnachfrage wird die Möglichkeit der Kontrolle der Personalkosten durch den Einsatz flexibler Beschäftigungsverhältnisse zu einem wichtigen Instrument der Personalpolitik. Eine hohe Flexibilität hilft hier bei der
2.4 Funktionen befristeter Beschäftigung am Arbeitsmarkt
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Vermeidung von betrieblichen Leerlaufzeiten und einer – aus betriebswirtschaftlicher Sicht – unnötig hohen internen Personalreserve. Befristete Arbeitsverhältnisse können in diesem Zusammenhang dazu beitragen, den Personalbestand eines Unternehmens in relativ kurzer Zeit und ohne größere Kosten an die jeweilige Nachfragesituation anzupassen. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten mit entsprechend ungewisser Nachfragesituation sind Arbeitgeber eher abgeneigt, sich längerfristig an Arbeitnehmer zu binden. Die befristete Einstellung von Arbeitnehmern sichert in einem solchen Fall eine einfache und kostengünstige Anpassung des Personalbestands an die konkrete Nachfragesituation, indem die Verträge der befristet eingestellten Arbeitnehmer je nach Entwicklung der Nachfrage nach Ablauf der Vertragszeit entweder (nicht) wieder verlängert oder im Falle eines nachhaltigen wirtschaftlichen Aufschwungs sogar in unbefristete Verträge umgewandelt werden. Die konkrete Wahl eines Flexibilisierungsinstruments hängt jedoch stark von der jeweiligen betrieblichen Situation ab. Insbesondere die benötigte Qualifikation der Arbeitnehmer, aber auch Stärke und Dauer der Produktionsschwankungen haben einen Einfluss auf die unternehmerische Entscheidung zugunsten eines bestimmten Typs flexibler Beschäftigung (vgl. z. B. Bollinger et al. 1991). Betriebe mit längerfristigen und zeitlich vorhersagbaren Schwankungen und einer eher niedrigen spezifischen Qualifikationsanforderung werden sich eher zeitlich befristeter Beschäftigungsverhältnisse (d. h. befristeter Beschäftigung, aber alternativ auch der Zeitarbeit) als Flexibilisierungsinstrument bedienen.37 Beide Formen bieten dem Unternehmen die Möglichkeit der zeitlichen Begrenzung des Arbeitsverhältnisses und somit eine verbesserte Anpassung der erforderlichen Personalstärke, ohne dass die einzustellenden Mitarbeiter über betriebsspezifische Kenntnisse verfügen müssen. Erfordert die Tätigkeit hingegen ein erhöhtes bzw. spezielles Qualifikationsniveau der Arbeitnehmer (z. B. Kenntnisse der betriebsinternen Abläufe), so wird das Unternehmen die Produktionsschwankungen eher über eine Erhöhung der intern-numerischen Flexibilität auffangen als auf extern-numerische Flexibilisierungsstrategien zurückzugreifen. Durch die Veränderung der täglichen, wöchentlichen oder monatlichen Menge der zu leistenden Arbeitszeit kann hier flexibel auf Produktionsschwankungen reagiert werden, ohne dass das betriebsspezifische Wissen der Arbeitnehmer verloren ginge.
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Der Anteil der Leih- bzw. Zeitarbeiter in Deutschland fällt jedoch deutlich kleiner aus als der Anteil der befristet beschäftigten Arbeitnehmer. Allerdings ist in den letzten Jahren ein rasantes Anwachsen der Zeitarbeit zu beobachten (vgl. z. B. Jahn/Rudolph 2002). Zu den spezifischen betrieblichen Motiven für den Einsatz von Leiharbeit vgl. z. B. Voswinkel (1995). Einen Überblick über Regelungen und empirische Aspekte von Zeitarbeit im europäischen Vergleich bieten z. B. Jahn/Rudolph (2002).
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2 Befristung als Form der Arbeitsmarktflexibilisierung
Jenseits von Nachfrageschwankungen machen auch organisatorische oder technische Veränderungen innerhalb eines Unternehmens einen flexiblen Personaleinsatz nötig. Die in der Regel längerfristige Natur solcher Veränderungen und ihre nicht vollständig abschätzbaren Auswirkungen lassen Unsicherheiten hinsichtlich der benötigten Menge an Arbeitskräften entstehen. Unternehmen greifen deshalb im Rahmen von organisatorischen oder technischen Veränderungsprozessen vermehrt auf das personalpolitische Instrument der befristeten Beschäftigung zurück. Eventuell auftretende überschüssige Personalreserven lassen sich durch den flexiblen Personaleinsatz eher verhindern, was wiederum mit einem positiven Effekt auf die Kostensituation des Unternehmens verbunden ist.38 Neben der Personalanpassung bei Produktions- bzw. Nachfrageschwankungen oder bei organisatorischen/technischen Veränderungen können zeitlich befristete Beschäftigungsverhältnisse auch als Kompensationsmittel bei Schwankungen im Personalbestand selbst eingesetzt werden. Durch Urlaub, Krankheit, Schwangerschaft oder Erziehungsurlaub können einem Unternehmen Engpässe beim Arbeitskräfteeinsatz entstehen. Vor allem durch arbeitnehmerfreundliche Freistellungsregelungen, die zeitlich befristet sind und dem alten Arbeitnehmer eine Weiterbeschäftigung garantieren (wie z. B. Mutterschutz, Elternzeit oder so genannte Sabbaticals), ist der Bedarf nach befristeter Beschäftigung und Leiharbeit insgesamt gestiegen (Bollinger et al. 1991: 187). Mittels befristeter Einstellung neuer Arbeitnehmer kann das Unternehmen solche Ausfälle weitgehend kompensieren. Unabhängig von der Senkung der Kosten notwendig gewordener Personalanpassungen können Unternehmen versuchen, befristete Beschäftigungsverhältnisse auch zur Senkung der direkten Arbeitskosten zu nutzen, indem sie die Stundenlöhne für befristete Stellen auf einem unterdurchschnittlichen Niveau halten. Aus arbeitsmarkttheoretischer Sicht lässt sich dieser Zusammenhang jedenfalls vermuten. Dies liegt insbesondere in der im Vergleich zu Dauerstellen
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Zusätzlich zum reinen Kostenaspekt können befristete Beschäftigungsverhältnisse aus Sicht von Arbeitgebern auch deshalb als vorteilhaft erscheinen, da durch ihren Einsatz direkte Kündigungen vermieden werden. Linne/Voswinkel (1991) zeigen in diesem Zusammenhang, dass die Vermeidung einer Kündigung im Falle befristeter Beschäftigungsverhältnisse für die Arbeitgeber neben dem rechtlichen auch einen sozialen Aspekt besitzt, der durchaus auch als Motiv für die Wahl dieses Flexibilisierungsinstrumentes gelten kann. Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses wird als ein sozialer Vorgang angesehen, der einer gesellschaftlichen Normvorstellung widerspricht und damit Hemmungen hervorbringt. Die Vermeidung der Kündigung wird deshalb, unabhängig vom rechtlichen Vorteil, von vielen Arbeitgebern als positiv bewertet (ebd.: 163f.). Dies sollte insbesondere für Klein- und Mittelbetriebe von Vorteil sein, da hier die Beziehung zwischen Vorgesetzten und Untergebenen enger als in Großunternehmen ist.
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geringeren institutionellen Beschäftigungssicherheit befristeter Stellen begründet (vgl. dazu Kapitel 3). Befristete Beschäftigungsverhältnisse können jedoch auch indirekt zu einer Senkung der Arbeitskosten und zu einer Erhöhung der Produktivität beitragen. So wird die Gruppe der befristet Beschäftigten, die Hoffnungen auf eine Übernahme in eine dauerhafte Beschäftigung besitzen, eine erhöhte Leistungsbereitschaft aufweisen. Unter Umständen führt dies zu Spillover-Effekten hinsichtlich der Leistungsbereitschaft der Gesamtbelegschaft, indem auch die unbefristet beschäftigten Arbeitnehmer ihre Leistungen entsprechend erhöhen, um so möglichen Entlassungen aufgrund von zu hohen Produktivitätsunterschieden zwischen alten und neuen Mitarbeitern entgegen zu wirken (Dragendorf et al. 1988: 120). Allerdings ist eine erhöhte Leistungsbereitschaft von befristet Beschäftigten nur dann zu erwarten, wenn sie für sich eine reelle Chance auf eine dauerhafte Übernahme nach dem Ablauf des befristeten Arbeitsverhältnisses sehen. Diejenigen befristet beschäftigten Arbeitnehmer, die keine Übernahmeaussichten haben, werden in der Regel eine nur durchschnittliche oder sogar unterdurchschnittliche Leistungsbereitschaft aufweisen. Es ist auch zu vermuten, dass diese Beschäftigtengruppe keine tieferen Beziehungen zu ihrem Arbeitsplatz bzw. zu dem gesamten Unternehmen (Identifikation, corporate identity) aufbauen, weshalb diese Arbeitnehmer auch weniger geneigt sein dürften, sich „für das Unternehmen einzusetzen“, was insgesamt in einer geringeren Produktivität der Arbeitnehmer resultieren kann. Dieser Zusammenhang zwischen der Übernahmeaussicht von befristet Beschäftigten und einer erhöhten individuellen bzw. sogar kollektiven Leistungsbereitschaft erklärt auch die personalpolitische Strategie einiger Unternehmen, befristete Arbeitnehmer, von denen sich das Unternehmen trennen will, nicht über diese Absicht zu informieren (Linne/Voswinkel 1989: 234ff.). Erprobung neuer Mitarbeiter Betriebe unterliegen bei der Einstellung neuen Personals dem Risiko der Fehleinschätzung der Qualität des Arbeitnehmers, da ihnen in der Regel nur unzureichende Informationen über die produktionsrelevanten Eigenschaften des Arbeitnehmers vorliegen (vgl. z. B. Stigler 1962). Zwar kann diese Unsicherheit durch den Einsatz bestimmter Auswahltechniken (z. B. durch Auswahlgespräche oder in Einstellungstests in so genannten Assessment-Centern) verringert, letztendlich aber nie völlig aufgelöst werden. Erst die tatsächliche Arbeitsweise des neu eingestellten Arbeitnehmers gibt dem Unternehmen die Chance, dessen Qualität hinreichend zu überprüfen. Sollten sich zu diesem Zeitpunkt Qualitätsdefizite zeigen, kommt es für den Betrieb zu Produktivitätsverlusten. Diese Verluste lassen sich jedoch nur durch eine qualitative Schulung des Arbeitnehmers,
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2 Befristung als Form der Arbeitsmarktflexibilisierung
die dem Betrieb wiederum Kosten verursacht, oder durch die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, die aber bei unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen durch rechtliche Regulierungen erschwert wird, verringern bzw. auflösen. Daher erscheint es notwendig aus Sicht der Unternehmen, die Qualität neu einzustellender Mitarbeiter in einer Probephase hinreichend zu testen. Hier sind befristete Beschäftigungsverhältnisse eine mögliche Alternative, insbesondere dann, wenn die regulären Probezeiten für unbefristete Stellen relativ kurz sind. Befristete Arbeitsverträge ermöglichen es dem Unternehmen, die Qualität des Arbeitnehmers zu beurteilen und bei nicht hinreichender Überschneidung der Arbeitnehmerqualität mit dem Tätigkeitsprofil das Arbeitsverhältnis nach der vereinbarten Frist ohne Kündigung zu beenden. Die Qualitätsunsicherheiten, und damit die Kosten aus der möglicherweise resultierenden geringeren Produktivität, sind durch den Einsatz solcher Beschäftigungsformen zeitlich begrenzt.39 Allerdings ist davon auszugehen, dass die Notwendigkeit der Qualitätsüberprüfung von neu einzustellenden Arbeitnehmern in hohem Maße vom Anforderungsprofil der zu besetzenden Stelle abhängig ist. Insbesondere erscheint die Erprobung neuer Mitarbeiter dann sinnvoll zu sein, wenn für die Verrichtung der Tätigkeit ein erhöhtes Qualifikationsniveau notwendig ist. Umgekehrt sind verlängerte Probephasen für solche Tätigkeiten, deren Verrichtung keine oder eine nur geringe Qualifikation seitens der Beschäftigten erfordert, nicht unbedingt nötig. Insofern sollten sich befristete Probearbeitsverhältnisse hauptsächlich für gut ausgebildete Arbeitnehmer finden lassen, während für Niedrigqualifizierte diese Art der Befristung eine untergeordnete Rolle spielen dürfte. Ein möglicher Nachteil der befristeten Beschäftigung als verlängertes Probearbeitsverhältnis liegt jedoch in den größeren Schwierigkeiten bei der Rekrutierung qualifizierter Arbeitskräfte für solche Stellen, da das Anbieten von Arbeitsplätzen mit befristeten Probearbeitsverträgen dazu führen kann, dass sich nur solche Arbeitnehmer um diese Positionen bewerben, die über unterdurchschnittliche Qualifikationen verfügen. Personen mit überdurchschnittlicher Qualifikation werden hingegen unbefristete Arbeitsverträge präferieren und diese aufgrund ihrer guten Qualifikation auch vermehrt erhalten. Hier entsteht also möglicherweise ein Widerspruch in der Anwendung von zeitlich befristeten Beschäftigungsformen: Einerseits ist gerade die Möglichkeit der Überprüfung der Arbeitnehmerqualitäten ein Vorteil dieser Flexibilisierungsinstrumente, andererseits werden sich durch den Befristungsaspekt gut qualifizierte Arbeitnehmer häufiger solchen Stellenangeboten verweigern.
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Büchtemann (1989) konnte in diesem Zusammenhang zeigen, dass aus unternehmerischer Sicht das Motiv der verlängerten Erprobungsphase eine zentrale Rolle bei der Anwendung der Regelungen des Beschäftigungsförderungsgesetzes (vgl. Kapitel 4) spielte.
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Arbeitsaufgaben von begrenzter Dauer (Projekte) Neben den als „gewöhnlich“ oder „regulär“ zu bezeichnenden Aufgaben können in einem Unternehmen außergewöhnliche oder unregelmäßig wiederkehrende Aufgaben anfallen, deren Erledigung jedoch in einem klar definierten Zeitraum möglich ist. Typische Beispiele dafür sind Prozesse, die mit organisatorischen oder technischen Veränderungen innerhalb eines Unternehmens verbunden sind. Da diese Aufgaben zu einem bestimmten Grad vom „typischen“ Arbeits- und Produktionsprozess abweichen, bedarf deren Abwicklung spezieller betrieblicher Maßnahmen. In solchen Situationen bieten sich aus unternehmerischer Perspektive mindestens drei mögliche Lösungsstrategien an. Erstens können eigene Mitarbeiter so qualifiziert werden, dass sie in der Lage sind, solche Spezialaufgaben zu erledigen. Dies setzt allerdings aufgrund des erhöhten Qualifizierungsbedarfs sowie der notwendigen Anpassung der Arbeitsorganisation eine sehr hohe intern-funktionale Flexibilität innerhalb des Unternehmens voraus. Zweitens kann ein Unternehmen Fremdfirmen beauftragen, die sich auf die Lösung der entsprechenden Aufgaben spezialisiert haben. Alternativ dazu können Unternehmen jedoch drittens auch einzelne Arbeitnehmer, die über die notwendigen Qualifikationen verfügen, betriebsextern rekrutieren und diese für die Dauer der Umsetzung der Aufgabe zeitlich befristet einstellen. Nach Erledigung der Aufgaben laufen die Arbeitsverträge dieser Arbeitnehmer automatisch aus, so dass eine reguläre Kündigung nicht notwendig ist. Diese Funktion befristeter Beschäftigung soll im Nachfolgenden auch als „Projekttätigkeit“ bezeichnet werden.40 Durch die zeitlich befristete Einstellung von speziell qualifizierten Arbeitnehmern entfallen für Unternehmen die Kosten für entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen der eigenen Mitarbeiter bzw. die Kosten für die Aufgabenerledigung durch Fremdfirmen, die die Kosten zeitlich befristeter Arbeitnehmer insgesamt deutlich übersteigen dürften. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Entscheidung zugunsten einer befristeten Einstellung stark von der jeweiligen betrieblichen Situation und in besonderem Maße von der Art der anfallenden Aufgabe abhängig ist. Eine interne Lösung, d. h. die entsprechende Qualifizierung eigener Mitarbeiter, bietet sich beispielsweise immer dann an, wenn die Kosten für diese Qualifizierungsmaßnahmen verhältnismäßig gering ausfallen oder wenn es sich um eine wiederkehrende Aufgabe handelt, was eine interne Lösung im Vergleich zu dem Zugriff auf betriebsexterne Ressourcen als kostengünstiger erscheinen lässt. In dem Maße, in dem das Qualifikationsniveau, das 40
Diese Projekttätigkeiten können neben befristeten Beschäftigungsverhältnissen auch über Honorarund Werkverträge oder andere Formen der Selbständigkeit abgewickelt werden. Insgesamt befinden sich solche befristeten Projekttätigkeiten somit zumindest teilweise in einer Grauzone zur Selbständigkeit.
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2 Befristung als Form der Arbeitsmarktflexibilisierung
zur Umsetzung der Aufgabe notwendig ist, zunimmt, wird für ein Unternehmen jedoch eine externe Lösung attraktiver, insbesondere dann, wenn es sich um eine einmalig oder nur sehr selten anfallende Aufgabe handelt. Insofern kann davon ausgegangen werden, dass befristete Beschäftigungsverhältnisse mit der Funktion der Projekttätigkeiten vor allem von hochqualifizierten Arbeitnehmern ausgeübt werden. Wie der nächste Abschnitt zeigt, können solche zeitlich befristeten Projekttätigkeiten auch Vorteile für die entsprechenden Arbeitnehmer aufweisen, was insgesamt bedeutet, dass sich in diesem speziellen Typ flexibler Beschäftigung arbeitgeber- und arbeitnehmerseitige Interessen durchaus in Einklang bringen lassen. 2.4.2 Funktionen befristeter Beschäftigung aus Arbeitnehmersicht Bei der Betrachtung der möglichen Interessen von Arbeitnehmern an befristeten Beschäftigungsverhältnissen und der Frage nach den angebotsseitigen Funktionen dieser Beschäftigungsform muss berücksichtigt werden, dass eine Vielzahl dieser Beschäftigungsverhältnisse vermutlich aufgrund mangelnder Alternativen, d. h. wegen fehlender Positionen mit Normalarbeitscharakter, abgeschlossen werden. Zu unterscheiden ist hier also zwischen einer Gruppe von Personen, die durch ihre persönliche Situation und/oder durch ein vorherrschendes Arbeitsmarktungleichgewicht mehr oder weniger gezwungen sind, ein befristetes Beschäftigungsverhältnis einzugehen, und einer zweiten Gruppe, die freiwillig dieser Art der Beschäftigung nachgeht.41 Während sich für die erste Gruppe Interessen an befristeten Beschäftigungsverhältnissen erst erkennen lassen, wenn man diese Beschäftigungsform in ein perspektivisches Verhältnis zu einer alternativen Arbeits- oder Erwerbslosigkeit setzt, ergibt sich für die zweite Personengruppe ein Interesse an befristeten Beschäftigungsverhältnissen dergestalt, dass befristete Arbeitsverträge es den Arbeitnehmern ermöglichen, ihr Erwerbsleben individuell und (im Vergleich zum Normalarbeitsverhältnis) flexibel zu gestalten. Möglichkeit des flexiblen Gestaltens des Erwerbslebens Zunächst stellt sich eine befristete Beschäftigung im Vergleich zum unbefristeten Arbeitsverhältnis aus Arbeitnehmersicht immer dann als einseitiger Rechtsver41
Diese Dichotomisierung in „freiwillige“ und „unfreiwillige“ Entscheidungen ist nicht frei von Kritik. So argumentiert Bothfeld (1997) im Hinblick auf Teilzeitarbeit, dass in den seltensten Fällen von Präferenzen (für Teilzeit) im Sinne einer Freiwilligkeit gesprochen werden kann, da sich Präferenzen durch die Orientierung an sozio-ökonomischen bzw. sozio-kulturellen Rahmenbedingungen ausbilden (adaptive Präferenzen) und es somit weniger tatsächlich freie Entscheidungen zugunsten einer Beschäftigungsform gibt, als das in einer dichotomen Betrachtungsweise, die nur zwischen „freiwilligen“ und “unfreiwilligen“ Entscheidungen differenziert, unterstellt wird.
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lust und daher als negativ dar, wenn der Wegfall des Kündigungsschutzes durch keinen rechtlichen oder ökonomischen Vorteil gegenüber dem Normalarbeitsverhältnis kompensiert wird. Ein rational handelnder Arbeitsmarktakteur wird demzufolge nur dann eine befristete Stelle tatsächlich freiwillig annehmen, wenn diese mit einem bestimmten „Kompensationseffekt“ für den befristet beschäftigten Arbeitnehmer verbunden ist. Ein solcher „Kompensationseffekt“ lässt sich z. B. für die oben genannten befristeten Projekttätigkeiten vermuten. Unternehmen versuchen hier, Wissen und Fähigkeiten betriebsextern zu rekrutieren und treten so in einen Wettbewerb um diejenigen Arbeitnehmer, die solche Tätigkeiten ausführen können. Ist das Angebot der nachgefragten Qualifikationen relativ knapp, so ist davon auszugehen, dass Unternehmen die entsprechend qualifizierten Arbeitnehmer in einer bestimmten Form für die (nur) befristete Einstellung entschädigen müssen, beispielsweise durch die Zahlung überdurchschnittlicher Löhne oder anderer Gratifikationen. Insofern liegt es nahe, davon auszugehen, dass bestimmte Arbeitnehmer an befristeten Projektstellen durchaus interessiert sind, da sie ihr Humankapital durch Wechsel zwischen verschiedenen Arbeitgebern besser als in Dauerstellen verwerten können, insbesondere dann, wenn die Belohnungen (monetär oder nichtmonetär) in diesen Positionen höher ausfallen als in unbefristeten Stellen. Auch ermöglichen solche Stellen den Arbeitnehmern unter Umständen, ihr Qualifikationsniveau durch einen häufigen Arbeitgeberwechsel noch weiter zu erhöhen. Demnach sind diese Arbeitnehmer nicht unbedingt an einer Dauerbeschäftigung in einem Unternehmen interessiert, sondern bevorzugen die flexible Beschäftigungsform der befristeten Beschäftigung. Es ist deshalb insbesondere für hochqualifizierte Arbeitnehmer anzunehmen, dass sie überdurchschnittlich häufig in spezifischen und zeitlich befristeten Projekten (freiwillig) beschäftigt sind. Andere Autoren führen als mögliche Erklärung der freiwilligen Entscheidung zugunsten eines befristeten Arbeitsverhältnisses an, dass Arbeitnehmer mit befristeten Arbeitsverträgen unter Umständen gar nicht an einem kontinuierlichen Erwerbsleben interessiert sind oder dass diese Beschäftigung nur der kurzfristigen Erhöhung der Haushaltseinnahmen dient (Hoffmann/Walwei 1998: 326; Walwei 1995: 18). Die Wahl eines befristeten Beschäftigungsverhältnisses könnte dann in der von Anfang an klar definierten zeitlichen Begrenzung des Arbeitsverhältnisses begründet liegen. Hier böten befristete Stellen allen denjenigen Arbeitnehmern „Kompensationseffekte“ bzw. Vorteile, die eine solche klare Begrenzung aufgrund ihrer speziellen Lebens- und Erwerbssituation gegenüber einer auf Dauer angelegten Beschäftigung bevorzugen (z. B. Schüler und Studenten während eines Ferienjobs, Praktikanten). Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass auch unbefristete Beschäftigungsverhältnisse – unter Einhaltung
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der vertraglich bzw. gesetzlich festgelegten Kündigungsfrist – jederzeit vom Arbeitnehmer aufgelöst werden können und damit den oben genannten Wünschen nicht entgegenstehen. Möglicherweise stellt dann jedoch der Wegfall der Notwendigkeit einer Kündigung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der zeitlichen Begrenzung des Beschäftigungsverhältnisses aus Sicht dieser Arbeitnehmer den entscheidenden Vorteil befristeter Stellen dar. Empirisch zeigt sich, dass immerhin ca. ein Viertel der befristet Beschäftigten auf eigenen Wunsch in einer solchen Beschäftigungsform tätig ist. So gaben in der Studie von Büchtemann ca. 30 Prozent, in der Studie von Bielenski et al. 24 Prozent der befragten westdeutschen befristet Beschäftigten an, auf eigenen Wunsch dieses Arbeitsverhältnis gewählt zu haben (Bielenski et al. 1994: 64; Büchtemann 1989: 166). Hauptsächlich waren in dieser Gruppe solche Personen zu finden, die nur nebenher einer Erwerbstätigkeit nachgingen (Büchtemann 1989: 167). Für diesen Personenkreis bieten befristete Beschäftigungsverhältnisse offensichtlich gewisse Vorteile.42 Die bisherige Betrachtung der Funktionen befristeter Beschäftigung setzte voraus, dass die Arbeitnehmer sich freiwillig für diese Beschäftigungsform entschieden haben. Der freiwillige Entschluss deutet aber darauf hin, dass diesen Arbeitnehmern die erhöhten Gestaltungsmöglichkeiten ihres Erwerbslebens durch die flexible Beschäftigungsform der Befristung wichtiger oder lukrativer erscheinen als die mit den regulären Normalarbeitsverhältnissen verbundenen Gelegenheiten. Wie die empirischen Befunden jedoch zeigen, ist die Anzahl der freiwillig befristet Beschäftigten auf eine kleinere Gruppe von Arbeitnehmern eingeschränkt. Für die große Mehrheit der befristet beschäftigten Arbeitnehmer dürfte demzufolge das Normalarbeitsverhältnis weiterhin die Wunschbeschäftigungsform darstellen. Diese Personen finden sich einzig und allein aufgrund mangelnder Alternativen in befristeten Arbeitsverhältnissen wieder. Insofern kann für diesen Personenkreis von einer freiwilligen Entscheidung zugunsten einer befristeten Beschäftigung nicht die Rede sein. Möglichkeit des (Wieder-) Eintritts in den Arbeitsmarkt Sind befristete Beschäftigungsverhältnisse nicht freiwillig gewählt, stellt sich diese Erwerbsform aus Sicht der Arbeitnehmer im direkten Vergleich zum 42
Eigene Analysen mit den Daten des Mikrozensus 2000 zeigen jedoch, dass dieser Anteil mit ca. 4 Prozent doch deutlich kleiner ausfällt als in den oben genannten Studien. Ein Grund für diese abweichenden Anteile dürfte in der unterschiedlichen Erfassungsweisen (Anzahl und Inhalt der vorgegebenen Antwortmöglichkeiten, Möglichkeit der Mehrfachnennung) in den genannten Studien bzw. im Mikrozensus liegen. Auf die speziell im Mikrozensus verwendete Abfrage wird im Kapitel 7 näher eingegangen. Für den britischen Arbeitsmarkt zeigt sich anhand der Daten des Labour Force Survey 2003, dass insgesamt ca. 25 Prozent der befristet Beschäftigten ausdrücklich nicht an einem permanenten Arbeitsverhältnis interessiert sind.
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Normalarbeitsverhältnis als eher negativ dar, da durch die Befristung ein großer Teil der Schutzfunktion regulärer Stellen eingeschränkt wird, ohne dass es zu einer ausreichenden Kompensation kommt. Wird jedoch die Vergleichskategorie „Normalarbeitsverhältnis“ mit der der „Arbeitslosigkeit“ getauscht, so erscheint eine befristete Beschäftigung als weniger nachteilig. Für Arbeitslose stellen sich befristete Stellen aus mindestens vier Gründen als vorteilhaft gegenüber dem Status der Arbeitslosigkeit dar, allerdings immer unter der Annahme, dass zu der befristeten Beschäftigung keine Alternative, d. h. keine Chance auf die Besetzung einer Dauerstelle, besteht. Erstens kann das durch die Aufnahme einer befristeten Beschäftigung erzielte Arbeitseinkommen durchaus weit über den Transferzahlungen aus den sozialen Sicherungssystemen (etwa Arbeitslosengeld) liegen, was eine Entspannung der ökonomischen Situation des betreffenden Haushaltes bedeuten würde. Aus dieser Perspektive ist dann jedoch die Höhe der Differenz zwischen Erwerbseinkommen und Transferzahlungen eine entscheidende Größe für die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Individuum eine solche befristete Beschäftigung annimmt. Zweitens kann eine Erwerbsarbeit, die aufgrund einer Befristung des Arbeitsvertrages zustande gekommen ist, neben der Verbesserung der gegenwärtigen ökonomischen Situation des Arbeitnehmers bzw. seines Haushalts auch zu einer (möglicherweise erstmaligen) Begründung, einer Aufrechterhaltung oder einer Erhöhung des zukünftigen Rentenanspruchs führen und somit neben der aktuellen auch die zukünftige ökonomische Lage der entsprechenden Person beeinflussen (vgl. z. B. Landenberger 1995). Ebenso kann eine befristete Beschäftigung unter Umständen dazu beitragen, dass die jeweiligen Arbeitnehmer Ansprüche auf die Zahlung bestimmter Transferleistungen aufbauen bzw. weiterhin aufrechterhalten. Drittens können befristete Beschäftigungsverhältnisse die Entwertung des individuellen Humankapitals verhindern und damit die zukünftigen Beschäftigungschancen der Arbeitnehmer bewahren. Dieses gilt insbesondere für längerfristige Arbeitslosigkeit, die in der Regel zu einer extremen Entwertung des Humankapitals führt und somit die Wiederbeschäftigungschancen der betroffenen Personen drastisch verschlechtert. Nicht nur die Verhinderung der Entwertung, sondern sogar die Möglichkeit der qualitativen Veränderung des Humankapitals ist durch eine Beschäftigung in befristeten Stellen gegeben. Der befristete Einsatz in speziellen und durchaus verschiedenen Arbeitsgebieten bzw. eine zusätzliche Aus- und Weiterbildung kann unter Umständen das Humankapital erhöhen und damit die zukünftigen Erwerbschancen verbessern. Viertens schließlich besteht in befristeten Stellen die Chance der Aufrechterhaltung bzw. der Herstellung von Kontakten zu Arbeitgebern und anderen
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Arbeitnehmern. Solche Kontakte können für die berufliche Karriere von außerordentlicher Bedeutung sein, da soziale Netzwerke für die zukünftigen Beschäftigungsmöglichkeiten eine zentrale Rolle spielen (vgl. z. B. Granovetter 1973; Wegener 1987, 1991). Neben dem Zweck der Verbesserung der beruflichen Zukunft sind zeitlich befristete Arbeitsverhältnisse für Individuen mit der Möglichkeit verbunden, soziale Beziehungen zu Mitarbeitern einzugehen, die bei Arbeitslosigkeit so nicht gegeben sind. In dieser Perspektive übernehmen befristete Beschäftigungsverhältnisse eine Art Brückenfunktion zum Arbeitsmarkt, da sie den (sonst möglicherweise arbeitslosen) Arbeitnehmern die Möglichkeit, einer Erwerbsarbeit nachzugehen, bieten bzw. dafür sorgen, dass die Chancen auf eine zukünftige Erwerbsarbeit erhöht werden. Selbstverständlich gilt dies auch – und sogar im besonders hohen Maße – für unbefristete Arbeitsverhältnisse, so dass befristete Stellen nur unter Ausblendung der Möglichkeit des Erreichens einer Dauerstelle in den genannten Punkten als vorteilhaft erscheinen.
2.5 Zusammenfassung Die vorangegangene Diskussion zum Zusammenhang zwischen befristeter Beschäftigung und der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes kann anhand von drei Aspekten zusammengefasst werden. Erstens zeigte sich, dass befristete Beschäftigungsverhältnisse der Erhöhung der extern-numerischen Flexibilität dienen und somit einem klar umrissenen Bereich bzw. Typ der Arbeitsmarktflexibilisierung zugeordnet werden können. Durch Änderungen im Bereich der Beschäftigungsbedingungen sollen Unternehmen in die Lage versetzt werden, ihre Beschäftigtenzahl kostengünstiger an konkrete Nachfragesituationen anzupassen. Jedoch sind der Anwendung befristeter Stellen aufgrund der Interdependenz der verschiedenen Flexibilitätstypen in der Regel Grenzen gesetzt, so dass selbst bei völliger Freigabe des Einsatzes befristeter Beschäftigung nicht davon ausgegangen werden kann, dass diese Beschäftigungsform eine dominierende Stellung im Arbeitsmarkt erlangen würde. Zweitens wurde deutlich, dass befristete Beschäftigungsverhältnisse die durch Kündigungsschutzregelungen erzeugte institutionelle Beschäftigungssicherheit untergraben und somit die Unternehmen in die Lage versetzen, einerseits die Vorteile stabiler Vertragsbeziehungen zu nutzen, andererseits jedoch ein bestimmtes Maß an extern-numerischer Flexibilität aufrecht zu erhalten. Insofern können befristete Beschäftigungsverhältnisse Bestandteil partiell angelegter Flexibilisierungsstrategien sein, die darauf abzielen, die Beschäftigungssicherheit für einen relativ kleinen Teil der Beschäftigten zu senken, den Bestands-
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schutz der regulären Stellen aber weiterhin beizubehalten. Allerdings sind die sozialen und ökonomischen Implikationen solcher partiellen Flexibilisierungsstrategien aus theoretischer Sicht umstritten. Einerseits bieten partielle Maßnahmen die Möglichkeit, die Beschäftigungschancen zuvor ausgeschlossener Arbeitsmarktgruppen zu erhöhen. Aus dieser Perspektive übernehmen befristete Beschäftigungsverhältnisse folglich eine Art Brückenfunktion in den Arbeitsmarkt. Andererseits besteht das Risiko, dass bestimmte Arbeitsmarktgruppen relativ einseitig mit den aus der Flexibilisierung entstehenden Kosten belastet werden. Die Folge wäre eine Ausweitung unsteter und unterwertiger Beschäftigung und somit eine Zunahme der Arbeitsmarktspaltung. Befristete Beschäftigungsverhältnisse wären dann eher als „Falle“ für die betroffenen Arbeitnehmer anzusehen. Drittens zeigte die Diskussion der Funktionen, die befristete Beschäftigungsverhältnisse am Arbeitsmarkt erfüllen können, dass sowohl aus Arbeitgeber- als auch aus Arbeitnehmerperspektive durchaus verschiedene Motive für das Anbieten bzw. das Annehmen befristeter Arbeitsverträge bestehen. Die beschriebenen Funktionen befristeter Beschäftigung machen jedoch auch deutlich, dass sowohl auf Arbeitgeber- als auch auf Arbeitnehmerseite kein generelles Interesse an dieser Beschäftigungsform existiert. Auf betrieblicher Seite hängt die Einsatzlogik von einer Vielzahl unterschiedlicher Faktoren ab, die von der Marktlage des Unternehmens über die Betriebsstruktur bis hin zum Qualifikationsniveau einzelner Arbeitsplätze reichen. Aus der Sicht der Arbeitnehmer lassen sich – wenn auch schwieriger – ebenfalls unterschiedliche Motive für die Annahme eines befristeten Beschäftigungsverhältnis finden. Allerdings ist zu vermuten, dass eine Vielzahl von Arbeitnehmern diese Beschäftigungsform aufgrund der (im Vergleich zum „Normalarbeitsverhältnis“) nachteiligen Arbeitsmarktsituation unfreiwillig annimmt. Somit lassen sich bei einem Vergleich der spezifischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen sowohl Kongruenzen als auch Divergenzen feststellen (Walwei 1995). Interessenkongruenzen wären überall dort zu finden, wo sich ein Unternehmen aus einem oder mehreren der genannten Kalküle heraus für den Einsatz befristeter Beschäftigung entscheidet, und es auch Arbeitnehmer gibt, die freiwillig dieser Beschäftigungsform nachgehen wollen. Interessendivergenzen existieren dagegen dort, wo Arbeitgeberinteressen an einer befristeten Beschäftigung nicht auf entsprechende Arbeitnehmerpräferenzen stoßen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass nur eine Minderheit der befristet Beschäftigten diese Art des Arbeitsverhältnisses tatsächlich freiwillig wählt. Befristete Beschäftigungsverhältnisse lassen sich zwar nicht ohne weiteres pauschal als eine einseitige Abwälzung des Unternehmerrisikos auf die Arbeitnehmer bewerten, jedoch erscheinen Befristungen im Vergleich zu anderen atypischen Beschäftigungsverhältnissen, wie z. B. der Teilzeitarbeit, insgesamt
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als eine stärker arbeitgeber- als arbeitnehmerseitig gewünschte Beschäftigungsform. Weiterhin kann vermutet werden, dass die sozio-ökonomischen Konsequenzen befristeter Beschäftigungsverhältnisse stark mit deren Einsatzlogik variiert. Dies trifft insbesondere auf die arbeitgeberseitige Einsatzlogik zu, die damit die Arbeitsmarktchancen der befristet Beschäftigten in einem nicht unerheblichen Ausmaß strukturiert. Insgesamt deutet daher einiges darauf hin, dass die Konsequenzen befristeter Stellen durchaus heterogen ausfallen. Im nachfolgenden Kapitel, das sich den aus arbeitsmarkttheoretischer Sicht zu erwartenden Effekten befristeter Beschäftigung widmet, sollen diese Überlegungen aufgenommen und weiter vertieft werden.
2.5 Zusammenfassung
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3 Arbeitsmarkttheoretische Überlegungen zur befristeten Beschäftigung
Im vorangegangenen Kapitel wurde deutlich, dass befristete Beschäftigungsverhältnisse durch die Beschneidung der institutionellen Beschäftigungssicherheit zu einer Erhöhung der Arbeitsmarktflexibilität beitragen. Die Reduktion der Beschäftigungssicherheit, von der sich eine erhöhte Arbeitsmarktdynamik und damit nicht zuletzt auch ein Abbau der Arbeitslosigkeit versprochen wird, ändert jedoch in erheblichen Maße die strukturelle Beziehung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern und dürfte somit nachhaltige Effekte auf die Erwerbschancen befristet Beschäftigter mit sich bringen. In diesem Kapitel sollen daher befristete Beschäftigungsverhältnisse aus der Sicht verschiedener Arbeitsmarkttheorien betrachtet und mögliche sozio-ökonomische Konsequenzen dieser Beschäftigungsform abgeleitet werden. Im ersten Abschnitt wird dazu zunächst auf das grundlegende theoretische Modell der neoklassischen Arbeitsmarkttheorien (im Weiteren als das neoklassische Grundmodell bezeichnet) eingegangen. Die Betrachtung des neoklassischen Grundmodells in dem hier untersuchten Zusammenhang von Arbeitsmarktflexibilisierung und deren sozio-ökonomischen Konsequenzen erscheint aus zwei Gründen sinnvoll. Erstens orientieren sich die Argumente von Befürwortern einer Arbeitsmarktflexibilisierung in einem ganz erheblichen Ausmaß an diesem Modell. Mit der Abschaffung von nichtmarktlichen Mechanismen wird die Hoffnung verbunden, dass durch ein ungestörteres Wirken der Marktkräfte eine effizientere Nutzung knapper Ressourcen möglich ist und somit exogen erzeugte Marktungleichgewichte beseitigt werden können. Zweitens bildet dieses Modell den Ausgangspunkt für die Entwicklung neuerer neoklassischer Arbeitsmarkttheorien, die zwar unterschiedlich stark vom Grundmodell abweichen, jedoch immer noch an ihm orientiert sind. Hierunter fallen vor allem die Humankapitaltheorie und die unter der Bezeichnung Principal-Agent-Ansätze subsumierten Theorien, die in den darauf folgenden Abschnitten erörtert werden. Neben diesen eher aus wirtschaftwissenschaftlicher Forschungstradition entstandenen Theoriemodellen sollen mit der Theorie geschlossener und offener Positionen sowie mit segmentationstheoretischen Überlegungen auch auf zwei stärker soziologisch geprägte Ansätze näher eingegangen werden.
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3 Arbeitsmarkttheoretische Überlegungen
3.1 Das Grundmodell der neoklassischen Arbeitsmarkttheorie Das neoklassische Grundmodell versteht den Arbeitsmarkt und die auf ihm stattfindenden Prozesse als Unterfall der Allgemeinen Gleichgewichtstheorie.43 Für den Faktor Arbeit gelten demnach die gleichen Bedingungen und Gesetzmäßigkeiten wie für Waren und Kapital, d. h. eine Sonderstellung des Arbeitsmarktes bzw. des Faktors Arbeit ist innerhalb der neoklassischen Theorie nicht gegeben. Wie auch auf den anderen Märkten (Kapital- und Gütermärkte) findet auf dem Arbeitsmarkt der Abgleich zwischen Angebot und Nachfrage durch den markträumenden Gleichgewichtspreis (in diesem Fall durch den Lohnsatz) statt. Der Lohn, der dann als Preis des Produktionsfaktors Arbeit zu verstehen ist, sorgt als zentraler Steuerungsmechanismus für eine optimale Allokation der Arbeitskräfte auf Arbeitsplätze. In dieser Sichtweise beeinflussen keine anderen Mechanismen den Allokationsprozess, d. h. die Existenz von (wie auch immer gearteten) Selektionsmechanismen bzw. deren Einfluss auf die Allokation wird ausgeschlossen. Befindet sich der Arbeitsmarkt im Gleichgewicht, einem quasi „natürlichen“ Zustand, der nur durch das Einwirken von exogenen Störfaktoren in ein dauerhaftes Ungleichgewicht übergehen kann, so existiert im neoklassischen Grundmodell weder ein Angebots- noch ein Nachfrageüberschuss.44 Kurzfristige Ungleichgewichte werden in einem Anpassungsprozeß, in dem sich zunächst der Reallohn in Richtung Gleichgewichtslohnsatz bewegt und anschließend die Marktteilnehmer durch entsprechende Anpassung der Menge der angebotenen bzw. nachgefragten Arbeit reagieren, wieder in den Zustand des Gleichgewichts überführt. Drei wichtige Theoreme kennzeichnen das neoklassische Grundmodell. Erstens wird durch das Say’sche Theorem unterstellt, dass sich in einem (von außen) ungestörten Markt jede Produktion ihre Nachfrage selbst schafft. Angenommen wird eine Harmonie von Produktion und Verbrauch, d. h. produzierte Güter werden von Individuen tatsächlich auch gekauft, und zwar mit dem Einkommen, das bei der Produktion dieser Güter entstanden ist. Verbrauch und Produktion befinden sich im Gleichgewichtszustand. Zweitens soll über das Grenznutzentheorem das Angebotsverhalten der Arbeitskräfte erfasst werden. Ausgangspunkt ist hier die Überlegung, dass der Arbeitskraftanbieter sein (knappes) Zeitbudget zwischen Arbeit und Freizeit (die zwei alternativen Ver43 Diese umfasst insgesamt zwei zentrale Aussagen bzw. Probleme: erstens das Allokationsproblem (Ziel ist der effizienteste Einsatz knapper Ressourcen) und zweitens das Optimierungsproblem (Ziel ist die Nutzenmaximierung der Konsumenten durch entsprechende Produktionsanpassung, vgl. Pfriem 1978). 44 Arbeitslosigkeit erscheint hier dann folglich als freiwilliges Phänomen.
3.1 Das Grundmodell der neoklassischen Arbeitsmarkttheorie
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wendungsmöglichkeiten der Lebenszeit) aufteilen muss. Es wird unterstellt, dass Arbeitsanbieter so lange Arbeit anbieten, bis der Grenznutzen der Arbeit (der Nutzenzuwachs durch eine zusätzliche Einheit Arbeit) dem Grenznutzen der Freizeit (Nutzenzuwachs, der bei Verzicht auf die zusätzliche Einheit Arbeit und der daraus resultierenden zusätzlichen Freizeit entsteht) entspricht. Steigende Löhne haben eine relative Entwertung von Freizeit und somit einen Anstieg des Arbeitsangebots zur Folge.45 Drittens schließlich dient das Grenzproduktivitätstheorem der Bestimmung des Verhaltens der Arbeitsnachfrageseite. Als ein nach Maximierung seines Gewinns strebender homo oeconomicus fragt ein Arbeitgeber so lange Arbeit nach, bis der Grenzerlös (Erlöszuwachs durch den Verkauf des zusätzlich produzierten Gutes) den Grenzkosten (Kostenzuwachs durch die zusätzlich gekaufte Einheit Arbeit) entspricht. Um diese relativ einfache Darstellung der Geschehnisse auf dem Arbeitsmarkt aufrecht zu erhalten, müssen weit reichende Annahmen gemacht werden. Es werden unter anderem folgende Tatbestände angenommen: x Auf dem (Arbeits-)Markt herrscht vollständige Konkurrenz, d. h. es existiert keinerlei Marktmacht, etwa in Form von Gewerkschaften oder Arbeitgeberverbänden. x Die Arbeitskräfte sind vollkommen mobilitätsfähig und auch mobilitätsbereit. x Der Markt ist durch vollständige Markttransparenz gekennzeichnet. Es liegen vollständige und symmetrische Informationen über Lohngebote und -forderungen vor. x Die Löhne sind vollkommen flexibel. x Die Arbeitskräfte sind homogen (gleich produktiv) und daher vollständig substituierbar. Aus diesen Annahmen ergeben sich Hypothesen zur Struktur und Funktionsweise von Arbeitsmärkten. Erstens wird eine Spaltung des Arbeitsmarktes in Teilarbeitsmärkte eindeutig ausgeschlossen. Es existiert nur ein Gesamtarbeitsmarkt, auf dem das Marktprinzip herrscht. Zweitens erzeugt die Annahme der Homogenität der Arbeitskräfte, kombiniert mit den Annahmen der vollständigen Informationen und der vollkommenen Mobilitätsbereitschaft und -fähigkeit, das Bild eines äußerst mobilen Arbeitsmarktes. Kann ein Arbeitnehmer bei einem anderen Arbeitgeber einen höheren Lohn als in seinem derzeitigen Unternehmen erzielen, so wird der Arbeitnehmer den Arbeitsplatz wechseln, ohne dass er 45
Angenommen wird hier, dass Arbeitskraftanbieter versuchen, ihre Nutzenmaximierung über eine Maximierung des Einkommens und nicht umgekehrt über die Maximierung der Freizeit zu erreichen. Sonst könnten steigende Löhne auch ein fallendes Arbeitsangebot nach sich ziehen.
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3 Arbeitsmarkttheoretische Überlegungen
selbst oder die Arbeitgeber (sowohl der verlassene als auch der zukünftige) hohe Anpassungskosten zu tragen haben. Da die Kosten eines Arbeitsplatzwechsels äußerst gering ausfallen, sind Wünsche nach langfristigen Bindungen und damit langfristige Arbeitsverträge nicht zu finden. Empirisch zu beobachtende längerfristige Arbeitsbeziehungen sind dann als eine Abfolge einzelner „SofortVerträge“ zu interpretieren (Zimmermann 1997: 13). In dieser Sichtweise werden Arbeitsverträge quasi täglich neu geschlossen. Nach Erfüllung der Vertragsleistung befinden die beiden Vertragspartner über die Neuauflage des Vertrages. Da aus Sicht der Theorie nur Wettbewerbsmärkte tatsächlich effizient sind, müssen nichtmarktliche Mechanismen folglich zu Ineffizienzen führen. So widersprechen z. B. arbeitsrechtliche Schutznormen wie der Kündigungsschutz der Annahme der vollkommenen Konkurrenz und besitzen demnach eine effizienzmindernde Wirkung. „Während solche Beschränkungen der Vertragsfreiheit für Unternehmen Marktzutrittsschranken darstellen, verhindern sie auf der Arbeitnehmerseite eine Substitutionskonkurrenz. Somit werden Wirtschaftssubjekte an der Verfolgung ihres Eigeninteresses durch Möglichkeiten zum Tausch gehindert. Verzerrungen der Allokation, ineffiziente Handlungsanreize sowie individuelle und gesellschaftliche Wohlfahrtsverluste sind die Folge“ (Walwei 1990: 91). Lockerungen der arbeitsrechtlichen Schutznormen, wie etwa der Einsatz befristeter Beschäftigung, bringen mehr Wettbewerb und deshalb auch mehr Effizienz in den Arbeitsmarkt. Allerdings sind diese Maßnahmen aus Sicht des Modells immer noch nicht ausreichend, da sie weiterhin vom idealen Arbeitsvertrag, der ohne jede arbeitsrechtliche Regelung auskommt, abweichen. Dennoch entsprechen befristete Stellen aufgrund der geringeren Beschäftigungssicherheit viel eher als Dauerstellen dem idealtypischen neoklassischen Beschäftigungsverhältnis, ein Unterschied, der sich z. B. in differierenden Lohndeterminationsprozessen in befristeten und unbefristeten Stellen manifestieren sollte. Einige der nachfolgenden theoretischen Ansätze nehmen diesen Gedanken auf, indem sie postulieren, dass der Prozess der Lohndetermination in Stellen mit geringerer Beschäftigungssicherheit stärker an Marktregeln orientiert ist als in Stellen mit höherer Beschäftigungssicherheit. Die teilweise sehr große Diskrepanz der einzelnen Annahmen des neoklassischen Grundmodells mit den realen Arbeitsmarktgeschehnissen führte zur Modifikation der Annahmen bzw. zu ihrer vollständigen Aufgabe. Trotz der Einschränkung oder Aufgabe einzelner oder mehrerer Annahmen des Grundmodells bleibt bei denjenigen Arbeitsmarkttheorien, die sich als eine Weiterentwicklung des neoklassischen Grundmodells verstehen, jedoch die grundlegende Orientierung an dem neoklassischen Grundmodell weiterhin erhalten. Mit der Humankapitaltheorie und verschiedenen theoretischen Ansätzen, die unter dem
3.2 Humankapitaltheorie
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Begriff der Principal-Agent-Ansätze zusammengefasst sind, werden die wohl bedeutendsten Erweiterungsvarianten des neoklassischen Grundmodells in den nächsten beiden Abschnitten besprochen.46
3.2 Humankapitaltheorie Humankapitaltheoretische Ansätze (Becker 1964; Mincer 1974; Schultz 1961, für eine Kritik an diesen Ansätzen vgl. z. B. Blaug 1976) brechen mit der im neoklassischen Standardmodell getätigten Annahme der Homogenität der Arbeitskräfte, indem sie postulieren, dass sich Arbeitskräfte hinsichtlich ihrer Produktivität und somit auch hinsichtlich ihres Lohns unterscheiden. Entscheidend für die Produktivitätsunterschiede zwischen den Arbeitskräften ist ihre unterschiedliche Ausstattung an Humankapital, das zu wesentlichen Teilen in betriebsunabhängiger Ausbildung („general training“) und/oder in betriebsspezifischer Ausbildung („specific training“) erworben und deshalb auch häufig als allgemeines bzw. spezifisches Humankapital bezeichnet wird.47 Allgemeines Humankapital erlaubt dem Individuum aufgrund der betriebsunabhängigen Einsetzbarkeit ein problemloses Wechseln zwischen Betrieben. Spezifisches Humankapital hingegen lässt sich zum größten Teil nur innerhalb des Betriebes, in dem es erworben wurde, nutzen. Ein Betriebswechsel führt unweigerlich zur fast vollständigen Entwertung dieses Humankapitals. Neues spezifisches Humankapital muss dann durch entsprechende Ausbildung erst 46
Die im Folgenden näher erläuterten Theorien umfassen nicht alle Erweiterungsansätze des neoklassischen Modells. Eine erschöpfende Darstellung der neoklassischen Erweiterungsansätze kann und soll hier nicht erfolgen (weiterführende Diskussionen können etwa in Blien 1986; Keller 1999; Sesselmeier/Blauermel 1997 gefunden werden). Die Auswahl der einzelnen Ansätze ergab sich aus ihrer jeweiligen Fähigkeit heraus, Aussagen über befristete Beschäftigungsverhältnisse machen zu können. 47 Becker (1964) definiert die zwei unterschiedlichen Ausbildungsarten wie folgt: general training: “is useful in many firms besides those providing it” (ebd.: 11); specific training: „[t]raining that increases productivity more in firms providing it“ (ebd.: 18). Die Entscheidung über eine Erhöhung des Humankapitals („Investition“ in Ausbildung) fällt jedes Individuum durch einen rationalen Kosten-Nutzen Vergleich. Individuelles Ziel dieses Kosten-Nutzen-Vergleichs ist die Maximierung der Lebenseinkommensströme. Als Kosten sind sowohl direkte Kosten der Ausbildung (Kursgebühren, Anschaffungskosten für Lehrmaterial etc.) als auch indirekte Kosten (Opportunitätskosten durch den [teilweisen] Wegfall des Einkommens während der Ausbildungsphase) zu verstehen. Mehreinnahmen bezeichnen die Differenz zwischen Entlohnung nach der getätigten Bildungsinvestition und der Entlohnung vor der Investition. Die Betrachtung der jeweiligen Barwerte (abdiskontierte Werte) ermöglicht einen direkten Vergleich der (um den Zeitpunkt der Investition entstehenden) Investitionskosten und der (erst in der Zukunft zu erwartenden) Investitionserlösen. Ist der Barwert der Kosten kleiner als der Barwert der zukünftigen Mehreinnahmen, so wird das Individuum in Ausbildung investieren.
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3 Arbeitsmarkttheoretische Überlegungen
wieder aufgebaut werden. Diese Betriebsgebundenheit des spezifischen Humankapitals hat Folgen für die Bindungswünsche sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitsnehmer. Arbeitgeber sind mit steigender spezifischer Qualifikation einer Arbeitskraft stärker daran interessiert, diese Arbeitskraft langfristig an das Unternehmen zu binden. Sie möchten die getätigten Investitionen, deren Höhe mit dem Grad der betriebsspezifischen Qualifikation zunimmt, nicht verlieren bzw. hoffen, durch die gestiegene Produktivität der Arbeitskraft Ertragssteigerungen zu erreichen. Prinzipiell ergeben sich aus Sicht eines Unternehmens drei durchaus komplementäre Möglichkeiten, Arbeitskräfte mit spezifischer Qualifikation an das Unternehmen zu binden. Erstens kann durch die Zahlung überdurchschnittlicher Löhne versucht werden, diese Arbeitskräfte an das Unternehmen zu binden.48 Qualifizierte Arbeitskräfte wären dann weniger geneigt, das Unternehmen zu verlassen, da sie diese überdurchschnittlichen Löhne in anderen Unternehmen nicht bzw. erst mit einer beträchtlichen zeitlichen Verzögerung realisieren könnten. Zweitens kann eine höhere Bindung qualifizierter Arbeitskräfte erreicht werden, indem diese Arbeitskräfte bei einem Nachfragerückgang nicht sofort entlassen werden. Das Unternehmen würde zwar in einem solchen Fall zunächst erhöhte Kosten tragen, könnte jedoch auch die spezialisierten Arbeitskräfte im Unternehmen halten, so dass neue Ausbildungen und die damit verbundenen Kosten bei einem Anstieg der Güternachfrage nicht anfallen. Arbeitskräfte mit spezifischer Ausbildung würden demnach ein geringeres Entlassungsrisiko als Arbeitnehmer ohne oder mit nur geringer spezifischer Ausbildung aufweisen. Schließlich kann eine erhöhte Bindung qualifizierter Arbeitskräfte durch eine stärkere Beteiligung des Arbeitnehmers an den Kosten der spezifischen Ausbildung erreicht werden.49 Je höher die vom Arbeitnehmer getragenen Kosten der spezifischen Ausbildung ausfallen, desto weniger wird er bereit sein, das Unternehmen zu verlassen, da im Falle eines Betriebswechsels die getätigte Investition verloren wäre. Diesen Überlegungen folgend, lassen sich für qualifizierte Arbeitskräfte aufgrund der gestiegenen Bindungswünsche des Arbeitgebers erhöhte Löhne, eine reduzierte Bereitschaft zur zwischenbetrieblichen Mobilität sowie ein unterdurchschnittliches Entlassungsrisiko erwarten. Aus diesen humankapitaltheoretischen Überlegungen heraus ergeben sich für befristete Beschäftigungsverhältnisse mindestens zwei relevante Aspekte, in denen sie sich von den regulären unbefristeten Stellen unterscheiden:
48
Der Zusammenhang zwischen Lohnhöhe und Fluktuationsneigung der Arbeitnehmer wird auch von bestimmten Varianten der Effizienzlohnmodelle thematisiert (vgl. dazu 3.3.2). Nach Becker (1964) hängt sowohl die Höhe der Beteiligung an den Mehreinnahmen als auch der Anteil der vom Arbeitnehmer zu tragenden Ausbildungskosten von Faktoren wie der Fluktuationsrate, den Löhnen und Gewinnen und der Risikoeinstellung der Arbeitskräfte ab.
49
3.2 Humankapitaltheorie
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Erstens ist zu erwarten, dass die Befristung eines Arbeitsvertrages auf das Qualifikationsniveau und die daraus resultierenden Arbeitsmarktchancen der betroffenen Arbeitnehmer einwirkt. Da sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer die Neigung zu Investitionen in spezifisches Humankapital durch die Investitionskosten, die erwarteten Produktivitätszuwächse und die erwartete Beschäftigungsdauer bestimmt wird (vgl. z. B. Lutz/Sengenberger 1974), ist davon auszugehen, dass sich mit steigender zu erwartender Beschäftigungsdauer die zu erwartenden Erträge erhöhen und somit – bei konstant bleibenden Kosten und Produktivitätszuwächsen – die Investitionsneigung insgesamt zunimmt. Umgekehrt gilt hingegen, dass mit sinkender zu erwartender Beschäftigungsdauer die Investitionsbereitschaft ceteris paribus ebenfalls sinkt. Arbeitgeber werden daher weniger bereit sein, in das spezifische Humankapital von Arbeitnehmern mit befristeten Arbeitsverträgen zu investieren, und das umso weniger, je kürzer die Dauer der Befristung ausfällt und je unwahrscheinlicher eine anschließende Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis ist. Die gleichen Zusammenhänge gelten für die Investitionsentscheidungen der Arbeitnehmer: auch hier sollte die Dauer sowie die (wahrgenommene) Übernahmechance einen erheblichen Einfluss auf die Investitionsneigung ausüben. Befristungen von Arbeitsverträgen lassen demnach die arbeitnehmer- als auch die arbeitgeberseitige Bereitschaft zur Investition in firmenspezifisches Humankapital absinken.50 Insgesamt dürften somit die Investitionen in die spezifische Ausbildung der Arbeitskraft in befristeten Stellen mit relativ kurzer Dauer, die nicht zur Erprobung des Arbeitnehmers dienen, besonders gering ausfallen.51 Diese geringere Investitionsneigung hat jedoch Konsequenzen für die Stärke der arbeitgeberseitigen Bindung und damit für die Höhe der aktuellen und der zukünftigen Entlohnung sowie für die Stabilität der Erwerbskarriere befristet beschäftigter Arbeitnehmer. Da Arbeitgeber bei hohem spezifischem Humankapital zur Zahlung von überdurchschnittlichen Löhnen bereit sind, folgt aus Sicht der Humankapitaltheorie 50
Schömann/Kruppe (1993) argumentieren sogar, dass auch Investitionen in allgemeines Humankapital von einer Befristung des Arbeitsvertrages negativ betroffen sind. Sie gehen davon aus, dass eine befristete Beschäftigung sehr wahrscheinlich eine Periode der Arbeitslosigkeit nach sich zieht, wodurch sich die verbleibende Amortisationszeit für solche Investitionen verkürzt, insbesondere dann, wenn von einer Abfolge befristeter Beschäftigungsverhältnisse auszugehen ist. Allerdings gilt diese Argumentation nur für diejenigen befristet Beschäftigten, die ein hohes Arbeitslosigkeitsrisiko aufweisen. Umgekehrt ist jedoch ebenso denkbar, dass befristete Stellen zu einem weiteren Aufbau allgemeinen Humankapitals führen können: der Wechsel zwischen verschiedenen befristeten Projekttätigkeiten etwa ist für den Beschäftigten sicherlich auch damit verbunden, dass neues (firmenunabhängiges) Wissen hinzuerlernt wird. Insofern scheint die Wirkung befristeter Stellen auf das Niveau des allgemeinen Humankapitals von der Einsatzlogik der jeweiligen Stelle abhängig zu sein. 51 Booth et al. (2000) können für den britischen Arbeitsmarkt zeigen, dass befristet Beschäftigte in der Tat weniger Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten erhalten als unbefristet Beschäftigte. Dies trifft insbesondere für solche befristeten Stellen zu, die eher kurzfristig angelegt sind.
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3 Arbeitsmarkttheoretische Überlegungen
umgekehrt, dass Personen in befristeter Beschäftigung im Vergleich zu Arbeitnehmern in Dauerstellen aufgrund ihrer geringeren spezifischen Ausbildung mit einer niedrigeren Entlohnung zu rechnen haben. Weiterhin dürften befristet Beschäftigte aufgrund ihrer geringeren spezifischen Ausbildung und des daraus entstehenden geringeren Bindungswunsches seitens des Arbeitgebers einem erhöhten Entlassungsrisiko ausgesetzt sein. Die hiermit einhergehende mögliche Arbeitslosigkeit birgt jedoch weitere Gefahren, da in Phasen der Arbeitslosigkeit das Humankapital der betroffenen Arbeitnehmer tendenziell entwertet wird, wodurch wiederum die Arbeitsmarktchancen dieser Personen insgesamt verschlechtert werden.52 Befristete Beschäftigungen bergen somit nicht nur die Gefahr einer monetären Schlechterstellung, sondern auch ein erhöhtes Arbeitslosigkeitsrisiko und folglich die Gefahr der Herausbildung instabiler Erwerbskarrieren. Zweitens lässt sich vermuten, dass der Zugang zu befristeten Stellen nach bestimmten Selektionsmustern verläuft, die Arbeitnehmer demnach nicht rein zufällig, sondern vielmehr systematisch auf befristete Stellen verteilt werden. Sind für das Ausführen von bestimmten Tätigkeiten spezifische Fähigkeiten erforderlich, werden Arbeitgeber bei der Besetzung solcher Positionen versuchen, diejenigen Stellenbewerber zu bevorzugen, deren (erwartete) Ausbildungskosten minimal sind. Verfügen Kandidaten beispielsweise bereits über ein bestimmtes Grundlagenwissen, so dürfte ihre Ausbildung weniger kostenintensiv sein als bei Personen, denen dieses Grundlagenwissen fehlt. Wird weiterhin unterstellt, dass der oben genannte Zusammenhang zwischen dem Typ des Arbeitsvertrages (befristet vs. unbefristet) und der arbeitgeber- und arbeitnehmerseitigen Investitionsneigung tatsächlich gilt, wäre es für ein Unternehmen ökonomisch rational, Positionen, die spezifische Fähigkeiten verlangen, mit unbefristeten Verträgen zu koppeln und diese mit denjenigen Personen zu besetzen, deren Ausbildung vergleichsweise geringe Kosten verursacht. Folglich lässt sich für den Zugang in unbefristete Beschäftigung erwarten, dass dieser zum Teil durch die Höhe der potentiellen Ausbildungskosten determiniert wird. Gleichzeitig würden diejenigen Personen, deren spezifische Ausbildung vergleichsweise hohe Kosten verursacht, seltener unbefristete Stellen erhalten und somit häufiger nur befristet beschäftigt oder gar arbeitslos sein. Arbeitgeber wiederum werden solche Positionen, für die keine längeren Ausbildungszeiten notwendig sind, häufiger mit befristeten Arbeitsverträgen anbieten und versuchen, diese Positionen mit Arbeitnehmern zu besetzen, deren allgemeines Humankapital ausreicht, die mit der Position verbundene Tätigkeit ohne weitere spezifische Ausbildung auszuüben. Verfügen Arbeitgeber jedoch nur über unvollständige Informationen 52
Es kommt zu einer Verfestigung von Arbeitslosigkeit, dem so genannten Hysteresis-Effekt, der sich mit der Humankapitaltheorie auch mikroökonomisch begreifen lässt (Grassinger 1993).
3.3 Principal-Agent-Ansätze
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hinsichtlich der Qualität der Stellenbewerber, werden individuelle Merkmale als Indikatoren der nicht beobachtbaren Qualität bei der Besetzungsentscheidung herangezogen. Bestimmte sozio-strukturelle Merkmale, die als „Signal“ (vgl. z. B. Spence 1974) für das Qualifikationsniveau und damit für die potentiellen Ausbildungskosten fungieren, gewinnen dann für die Besetzungsentscheidung unbefristeter bzw. befristeter Stellen an Bedeutung. Neben Bildungszertifikaten werden Arbeitgeber bestimmte Informationen aus dem Erwerbsverlauf der Stellenkandidaten, wie z. B. früheren Befristungen und Phasen von Arbeitslosigkeit, als Qualitätssignal auffassen. Insgesamt ist damit aus humankapitaltheoretischer Sicht davon auszugehen, dass die reduzierte Beschäftigungssicherheit in befristeten Beschäftigungsverhältnissen sowohl einen Einfluss auf den Zuweisungsprozess zu diesen Stellen als auch auf die Erwerbschancen der entsprechenden Beschäftigten ausübt. Der zentrale Wirkungsmechanismus ist hier in der geringeren Neigung der Vertragsparteien zu Investitionen in das (vor allem spezifische) Humankapital, die wiederum durch die reduzierte Beschäftigungssicherheit hervorgerufen wird, zu sehen.53
3.3 Principal-Agent-Ansätze Die so genannten Principal-Agent-Ansätze rücken das Unternehmen bzw. das (Arbeits-)Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer in den Mittelpunkt der Betrachtung.54 Von zentraler Bedeutung ist hierbei die Existenz von Transaktionskosten (z. B. Coase 1937), die sowohl durch das Verhalten der Arbeitnehmer (Agents) als auch durch das Verhalten der Arbeitgeber (Principal) beeinflusst werden.55 In der Beziehung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern soll der Arbeitsvertrag diese Kosten für das Unternehmen minimieren – insofern spielen die spezifischen Regelungen dieses Vertrages eine entscheidende Rolle für das Wohlfahrtsniveau der beiden Vertragsparteien. Grundsätzlich ist diese Beziehung dadurch gekennzeichnet, dass der Arbeitgeber an einem aus seiner Sicht nutzenmaximierenden Einsatz des Faktors Arbeit interessiert ist, jedoch nicht die volle Kontrolle über die Handlung der Arbeitskraft besitzt. Nach Arrow 53
Für eine ähnliche, allerdings spieltheoretisch fundierte Erklärung des Zusammenhangs zwischen Kooperation (in diesem Fall die beiderseitige Bereitschaft zur Investition in spezifische Ausbildung) und einer Befristung des Arbeitsvertrages vgl. z. B. Buttler/Walwei (1994). 54 Die Anwendungsmöglichkeiten von Principal-Agent-Ansätzen sind jedoch keineswegs nur auf arbeitsmarktbezogene Fragestellungen beschränkt, sondern erstrecken sich auf eine Vielzahl mitunter sehr verschiedener Analysebereiche (vgl. z. B. Pratt/Zeckhauser 1985). 55 Zu diesen Transaktionskosten zählen Such- und Informationskosten, Verhandlungskosten und Kontrollkosten.
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3 Arbeitsmarkttheoretische Überlegungen
(1985) lassen sich dabei zwei Typen von Principal-Agent-Beziehungen unterscheiden. Erstens kann die Beziehung dergestalt sein, dass die Arbeitskräfte in der Lage sind, ihre Leistungen in einem gewissen Rahmen zu variieren, was in einem Interessengegensatz hinsichtlich des zu leistenden Arbeitseinsatzes mündet, der aus Sicht der Arbeitgeber nicht ohne weiteres aufgelöst werden kann (Typ der hidden action). Zweitens können die Arbeitgeber aufgrund einer bestehenden Informationsasymmetrie häufig wichtige Merkmale der Arbeitskräfte nicht vollständig einschätzen (etwa die tatsächliche Qualität eines Arbeitnehmers), so dass Unsicherheiten hinsichtlich der tatsächlichen Produktivität der Arbeitskräfte bestehen (Typ der hidden information). Neben den Kontrakttheorien sind verschiedene Ansätze zu Effizienzlöhnen auf der einen und zum Verhältnis von Insidern und Outsidern auf der anderen Seite die prominentesten Vertreter der Principal-Agent-Ansätze. Diese drei Theorieansätze werden daher im Folgenden näher diskutiert. 3.3.1 Kontrakttheorien Im neoklassischen Grundmodell ist die vollkommene Flexibilität der Löhne eine der zentralen Annahmen. Sollte ein Überangebot an Arbeit vorherrschen, wird der neoklassischen Theorie zufolge der Lohnsatz sinken und folglich die Nachfrage nach Arbeit ansteigen. Diese vollkommene Flexibilität ist jedoch empirisch nicht zu beobachten: Löhne zeigen eine starke Resistenz gegen das Absinken unter ein bestimmtes Niveau. Sowohl bei Überangebot von Arbeit als auch bei Nachfrageschwankungen auf den Gütermärkten kommt es nicht zu einem entsprechenden Absinken der Löhne. Die Kontrakttheorien (ausgehend von Azariadis 1975; Baily 1974; Gordon 1974) versuchen primär das Bestehen nach unten rigider Löhne zu erklären. Neben dieser Rigidität der Löhne befassen sich die Kontrakttheorien mit dem empirisch beobachtbaren Phänomen, dass – bei verhinderter Preisreaktion laut neoklassischer Theorie zu erwartende – Mengenreaktionen (Entlassungen bzw. Einstellungen) verzögert stattfinden, sich also Schwankungen auf den Gütermärkten nicht sofort auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar machen. Ausgangspunkt kontrakttheoretischer Überlegungen sind drei zentrale Annahmen (vgl. Diekmann 1982; Keller 1999). Erstens wird davon ausgegangen, dass sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber hinsichtlich ihrer Risikobereitschaft unterscheiden. Dabei werden Arbeitnehmer als risikoscheu, Arbeitgeber hingegen als risikoneutral eingestuft. Dieser Unterschied in der Risikobereitschaft ergibt sich aus der spezifischen Kapitalausstattung dieser beiden Gruppen. Arbeitnehmer besitzen Humankapital, das der Gefahr der Entwertung unterliegt und nicht ohne weiteres aufgestockt werden kann, da der Zugang zu neuem Kapital
3.3 Principal-Agent-Ansätze
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beschränkt ist. Die „Spezialisierung“ der Arbeitnehmer erhöht gleichzeitig ihr Risiko. Arbeitgeber hingegen verfügen über Sachkapital, was geringere Risiken beinhaltet. Auch die Möglichkeit des Zugangs zum Kapitalmarkt wirkt für Arbeitgeber risikomindernd. Zweitens wird angenommen, dass neben den expliziten Arbeitsverträgen Quasi-Kontrakte (auch als implizite Kontrakte bezeichnet) bestehen, die bestimmte Aspekte des Arbeitsverhältnisses umfassen. Solche impliziten Kontrakte sind stillschweigender Natur und deshalb auch juristisch nicht verpflichtend. Drittens wird die Annahme getroffen, dass beide Vertragsparteien diese Verträge einhalten, da ein Vertragsbruch hohe Kosten für beide Seiten nach sich zieht. Ausgehend von diesen Annahmen lässt sich nun folgendes Bild zeichnen: Die Arbeitnehmer sind aufgrund ihrer Risikoaversion an einer dauerhaften und stabilen Beschäftigung interessiert. Sie nehmen daher unterdurchschnittliche Löhne in Kauf, um mit der Differenz aus dem nach dem Grenzproduktivitätstheorem möglichen und dem tatsächlich gezahlten Lohn eine Art „Versicherung“ gegen sofortige Entlassungen bei Schwankungen der Güternachfrage zu erwerben. Die Arbeitgeber versprechen durch Annahme eines solchen impliziten Vertrages, bei Nachfrageschwankungen nicht sofort mit Entlassungen, sondern zunächst mit Übergangsstrategien (hauptsächlich in Form von Arbeitszeitvariationen, wie z. B. Kurzarbeit oder Ableisten von Überstunden) zu reagieren. Erst bei längerfristigen Absatzproblemen werden sie Entlassungen vornehmen. Diese impliziten Verträge bieten für Arbeitnehmer besonders bei schlechter Absatzlage Vorteile, da in solchen Situationen einerseits der vertraglich fixierte Lohn über dem Gleichgewichtslohnsatz liegt, sie aber andererseits auch vor einer unmittelbaren Entlassung geschützt sind. Für Arbeitgeber hingegen erweisen sich die impliziten Verträge bei einer guten Absatzlage als vorteilhaft, da sie in einer solchen Situationen Arbeitslöhne zahlen, die unterhalb des Gleichgewichtslohnsatzes liegen. Aber auch die insgesamt höhere Motivation der Arbeitnehmer aufgrund der relativ gesicherten Arbeitsverhältnisse kann als Vorteil für die Arbeitgeber angesehen werden. Das Entlassungsrisiko der Beschäftigten ist jedoch nicht gleich verteilt. Gordon (1974) nimmt eine Differenzierung der Arbeiter in „gebundene“ und „ungebundene“ („rigid tenure model“) bzw. in Arbeitskräfte mit unterschiedlichem Ausmaß der Bindung („risk sharing model“) an. Die Höhe der Bindung bestimmt das Entlassungsrisiko des jeweiligen Arbeitnehmers. Da bei Nachfrageschwankungen zunächst diejenigen Arbeiter mit einem geringen Bindungsgrad entlassen werden, ergibt sich für stärker gebundene Arbeiter eine erhöhte Sicherheit. Eine überzeugende Darstellung der Gründe dieser unterschiedlichen Bin-
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3 Arbeitsmarkttheoretische Überlegungen
dungsgrade gelingt Gordon (1974) gleichwohl nicht.56 Hier ist jedoch ein Verweis auf die Höhe der Qualifikation der Arbeitskräfte eine Möglichkeit, einen Bestimmungsgrund für den unterschiedlichen Grad der Bindung einzelner Arbeitskräfte zu finden. Diekmann (1982) verweist darauf, dass unterschiedliche Qualifikationen der Arbeitskräfte zu heterogenen impliziten Verträgen führen. „Werden also Verträge mit Arbeitern abgeschlossen, denen unterschiedliche Vertragsnutzenniveaus [unter anderem resultierend aus einer höheren Qualifikation der Arbeiter, Anmerkung J. G.] zugesichert werden müssen, dann erhalten die Arbeiter mit dem höheren Vertragsnutzenniveau nicht nur einen höheren (konstanten) Lohnsatz, sondern auch eine größere Beschäftigungswahrscheinlichkeit“ (ebd.: 242f.).57 Müssen wegen schwankender Nachfrage Entlassungen vorgenommen werden, sind zunächst die Arbeitskräfte mit geringer Qualifikation betroffen: „[i]n allen Situationen, in denen nur ein nichtqualifizierter Arbeiter beschäftigt wird, wird kein einziger qualifizierter Arbeiter entlassen“ (ebd.: 240).58 Höher qualifizierte Arbeitnehmer weisen demzufolge ein geringeres Entlassungsrisiko als Personen mit einem eher niedrigen Qualifikationsniveau auf. Aus Sicht des Unternehmens leitet sich dieses Prinzip aus dem ökonomischen Interesse ab, vor allem betriebsspezifische Qualifikationen zu erhalten, um so einerseits Ausbildungskosten neu einzustellender Arbeitnehmer zu vermeiden und sich andererseits der Möglichkeit der internen Rekrutierung qualifizierter Arbeiter bedienen zu können. Somit ist es für Unternehmen rational, höher qualifizierten Arbeitern eine erhöhte Beschäftigungssicherheit zu bieten. Wird ein Zusammenhang zwischen Betriebszugehörigkeit und Qualifikationsniveau einer Arbeitskraft (durch das Erlernen betriebsspezifischer Fähigkeiten) angenommen, so lassen sich mit Hilfe der Kontrakttheorien auch Entlassungsschemata nach dem Senioritätsprinzip (längere Betriebszugehörigkeiten verringern die Entlassungswahrscheinlichkeit [last in, first out-Prinzip]) erfassen. Ausgehend von der durch die unterschiedlichen Qualifikationen der Arbeitnehmer erzeugten Variation der (impliziten) Verträge lässt sich die Belegschaft grob in zwei Kategorien einteilen (Klein 1984: 226ff.). Die Beschäftigten der so genannten Stammbelegschaft erhalten aufgrund ihrer erhöhten Qualifikationen relativ hohe und insbesondere konstante Löhne und besitzen ein insgesamt niedriges Entlassungsrisiko. Demgegenüber werden den Beschäftigten der Randbelegschaft aufgrund ihrer eher unterdurchschnittlichen Qualifikation hauptsächlich solche Stellen zugewiesen, die mit niedrigen und der Höhe nach schwankenden 56
Zur Kritik an Gordons Ansatz siehe z. B. Diekmann (1982). Neben der Qualifikation spielen auch Charaktereigenschaften der Arbeiter (wie z. B. Verlässlichkeit oder Einsatzbereitschaft) eine Rolle in der Bestimmung des Vertragsnutzenniveaus. 58 Diekmann unterscheidet in seinem Modell nur zwischen zwei Arten von Arbeitern, den „besseren“ (oder qualifizierten) und den „schlechteren“ (oder nichtqualifizierten) (ebd.: 234). 57
3.3 Principal-Agent-Ansätze
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Löhnen verbunden sind. Weiterhin besitzt diese Beschäftigtengruppe ein erhöhtes Entlassungsrisiko. Somit werden die im implizit versicherten Belegschaftsbereich vorherrschenden stabilen Lohnzahlungen und Beschäftigungsverhältnisse durch entsprechend starke Lohn- und Beschäftigungsschwankungen im instabilen Belegschaftsbereich ausgeglichen. Vor allem in Zeiten einer schlechten Absatzlage erweisen sich die rigiden Löhne der Stammbelegschaft als ein nachteiliger Kostenfaktor für die Unternehmen (siehe oben). Durch die Variation der Anzahl der Beschäftigten in der Randbelegschaft kann dieser Kostenanteil reduziert werden. Die Randbelegschaft übt so praktisch die Funktion eines Puffers bei Absatzschwankungen aus. Die Kontrakttheorien bieten somit eine mikroökonomisch rationale Begründung für die Existenz betrieblicher Stamm- und Randbelegschaften (Ramser 1978: 11). Bei der Analyse befristeter Beschäftigungsverhältnisse aus Sicht von kontrakttheoretischen Ansätzen ist zu beachten, dass implizite Vereinbarungen bei dieser Beschäftigungsform sehr unwahrscheinlich sind. Aufgrund der bereits bei Abschluss (also ex ante) festgelegten Dauer des Vertrages, ist schwer vorstellbar, dass es ex post zu impliziten Kontrakten über die Stabilität der Beschäftigung oder über andere Aspekte des Arbeitsverhältnisses kommt.59 Eine kontrakttheoretische Interpretation befristeter Beschäftigungsverhältnisse ist jedoch die Vorstellung, dass Vertragsbefristungen insbesondere zum Zwecke der Absicherung (Pufferung) des implizit versicherten Belegschaftsbereichs eingesetzt werden, weshalb sie dem Bereich der Randbelegschaft zuzuordnen sind (vgl. z. B. Bellmann et al. 1996: 14ff.). Befristete Verträge können bei einem Anstieg der Nachfrage eingerichtet und nach der vereinbarten Dauer relativ problemlos wieder aufgelöst werden (optimalerweise bei einem einsetzenden Nachfragerückgang). Sie ermöglichen so einen Schutz der Stammbelegschaft vor Entlassungen. Übernimmt die Befristung von Arbeitsverträgen eine solche Pufferfunktion, ist zu erwarten, dass Arbeitskräfte in befristeten Beschäftigungsverhältnissen ein deutlich erhöhtes Freisetzungsrisiko besitzen. Folgt man der Logik der Kontrakttheorien, so müsste das Fehlen impliziter Kontrakte bei befristeten Beschäftigungsverhältnissen allerdings auch dazu führen, dass bei gleichem Qualifikationsniveau der Arbeitskräfte die Höhe der 59
Hardes (1989) betont, dass sich nur im Falle unbefristeter Arbeitsverträge die Notwendigkeit von impliziten Vereinbarungen ergibt. Durch die impliziten Verträge wird die Wahrscheinlichkeit kooperativen Verhaltens von Seiten der Arbeitnehmer (z. B. Beibehalten einer hohen Arbeitsqualität) als auch von Seiten der Arbeitgeber (z. B. Einlösen von Beschäftigungs- und Aufstiegsversprechen) erhöht, was letztendlich höhere Löhne für die Arbeitnehmer als auch höhere Gewinne für die Arbeitgeber bedeutet („rent-sharing“). Implizite Verträge sind somit ökonomisch rational. Im Falle befristeter Arbeitsverträge hingegen erscheint das Abschließen impliziter Vereinbarungen nicht als ökonomisch rational, da hier wegen der Kurzfristigkeit der Arbeitsbeziehung eher ein nicht-kooperatives Verhalten beider Seiten zu erwarten ist.
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Lohnunterschiede zwischen befristeten und unbefristeten Stellen stark von der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens bzw. der gesamten Branche abhängt: Bei guter Absatzlage erhalten befristet Beschäftigte einen höheren Lohn, während sie bei schlechter Absatzlage einen geringeren Lohn als vergleichbare unbefristet Beschäftigte erzielen. Sind nun Arbeitnehmer etwa aufgrund ihres hohen allgemeinen Humankapitals in der Lage, relativ einfach zwischen Unternehmen zu wechseln, können sie in befristeten Stellen möglicherweise auch dauerhaft höhere Löhne als in unbefristeten Positionen beziehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Stellenwechsel sogar branchenübergreifend stattfinden. Insofern sollten sich speziell für Hochqualifizierte mit befristeten Projekttätigkeiten überdurchschnittliche Löhne nachweisen lassen. Für alle anderen befristet beschäftigten Arbeitnehmer hingegen sollten sich die Löhne im Durchschnitt nicht von den Löhnen vergleichbarer unbefristet Beschäftigter unterscheiden. Zusätzlich ergibt sich aus Sicht der Kontrakttheorien eine Folgewirkung einer anfänglichen Befristung des Arbeitsvertrages auf spätere Vertragsgestaltungen. Wie die Humankapitaltheorie zeigt, behindert eine befristete Beschäftigung den Aufbau von spezifischem Humankapital. Bei Folgeverträgen mit demselben Arbeitgeber erhöht dieses geringere Qualifikationsniveau das Risiko, wieder eine Position in der Randbelegschaft zu besetzen, da der Vertragsnutzen für den Arbeitgeber nicht wesentlich gestiegen und er folglich auch nicht stärker an einer Bindung dieser Arbeitskraft interessiert ist. In der tatsächlichen Ausgestaltung von Arbeitsverträgen der Randbelegschaft erweisen sich aber gerade befristete Beschäftigungsverhältnisse aus oben genanntem Grund (Pufferfunktion der Randbelegschaft) als besonders geeignet. Bezieht man zusätzlich die im Abschnitt zur Humankapitaltheorie beschriebene Entwertung des Humankapitals in Phasen der Arbeitslosigkeit mit ein, zeigt sich sogar eine allgemein höhere Befristungswahrscheinlichkeit für ehemals befristet Beschäftigte, unabhängig davon, ob sie wieder von ihrem früheren oder einem neuen Arbeitgeber eingestellt werden. Durch die in Phasen der Arbeitslosigkeit auftretende Entwertung des Humankapitals weisen Arbeitskräfte mit vorangegangenen Arbeitslosigkeitsphasen ein geringeres Vertragsnutzenniveau auf, wodurch wiederum ihr Risiko steigt, nur eine Position in der Randbelegschaft (und hier speziell eine befristete Beschäftigung) zu erhalten. Somit ziehen befristete Verträge wieder befristete Verträge nach sich, oder anders ausgedrückt: Es kommt zu einer Verfestigung der Arbeitsmarktsituation von Personen mit befristeten Beschäftigungsverhältnissen. Die vorangegangene Diskussion hat gezeigt, dass die Kontrakttheorien die humankapitaltheoretischen Überlegungen zum Verhältnis von Befristung und Humankapital noch um einen weiteren wichtigen Punkt ergänzen können. Durch die Thematisierung der innerbetrieblichen Spaltung der Belegschaft gelingt es,
3.3 Principal-Agent-Ansätze
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befristeten Beschäftigungsverhältnissen einen klaren Platz innerhalb der innerbetrieblichen Struktur zuzuweisen. Die Befristung kann als Instrument zur konkreten Ausgestaltung von Arbeitsverträgen der Randbelegschaft verstanden werden. Durch diese Zuweisung ist es möglich, einige Aussagen über die strukturellen Ursachen befristeter Beschäftigung zu treffen. Befristete Beschäftigungen dienen dem Ausgleich der Nachteile, die mit den konstanten Lohnzahlungen und der hohen Beschäftigungssicherheit der Stammbelegschaft verbunden sind, und werden mit denjenigen Arbeitskräften besetzt, die aus Sicht des Arbeitgebers nur ein geringes Vertragsnutzenniveau besitzen. Aus diesen Überlegungen heraus lassen sich Aussagen über den Folgeeffekt von befristeten Beschäftigungen treffen, die über die aus der Humankapitaltheorie ableitbaren Hypothesen hinausgehen. So ist nicht nur zu erwarten, dass befristet Beschäftigte ein erhöhtes Arbeitslosigkeitsrisiko aufweisen, sondern es muss auch von einem erhöhten Wiederbefristungsrisiko dieser Personen ausgegangen werden. Für befristet Beschäftigte zeichnet sich damit deutlich die Gefahr der Herausbildung einer äußerst instabilen Erwerbskarriere ab. Jedoch folgt aus den kontrakttheoretischen Überlegungen auch, dass hochqualifizierte befristet Beschäftigte möglicherweise einen höheren Lohn als vergleichbare unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer erzielen können. Trifft dies tatsächlich zu, würden sich befristete Beschäftigungsverhältnisse zumindest für diese Arbeitnehmergruppe sogar als vorteilhaft gegenüber den herkömmlichen auf Dauer gestellten Arbeitsverhältnissen erweisen. 3.3.2 Effizienzlohnmodelle Zentraler Ausgangspunkt für die unter dem Begriff Effizienzlohnmodelle (z. B. Akerlof/Yellen 1986) zusammengefassten theoretischen Ansätze ist die Annahme eines positiven Zusammenhangs zwischen Arbeitsproduktivität und Lohnhöhe. Aus Sicht eines Unternehmens erscheint es dann trotz eines bestehenden Arbeitskräfteüberschusses rational, Löhne zu zahlen, die über dem markträumenden Lohnniveau liegen, da mit einer Absenkung des Lohnes auch die Produktivität der Arbeitskräfte sinkt und somit die effektiven Lohnkosten steigen würden. Für das einzelne Unternehmen gilt es daher, den Arbeitskräften einen Lohn zu zahlen, der diese effektiven Lohnkosten minimiert, weshalb dieser Lohn als Effizienzlohn bezeichnet wird. Der postulierte Zusammenhang zwischen Arbeitsproduktivität und Lohnhöhe wird von den verschiedenen Varianten der Effizienzlohntheorie mikroökonomisch begründet. Dabei wird ein Effekt des Lohns auf a) die Qualitätsverteilung, b) auf das Verhalten oder c) auf die Präferenzen der Arbeitskräfte unterstellt (Wagner/Jahn 1997: 110). Die prominentesten dieser Ansätze sind:
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3 Arbeitsmarkttheoretische Überlegungen
Adverser Selektions-Ansatz Arbeitgeber verfügen bei Neubesetzungen von Positionen in der Regel über keine vollständigen Informationen hinsichtlich der tatsächlichen Produktivität eines Bewerbers – es besteht eine Informationsasymmetrie zwischen Arbeitgeber und Arbeitskräften bezüglich der Qualität der Kandidaten. Da jedoch davon auszugehen ist, dass Bewerber mit überdurchschnittlich hoher Qualität auch überdurchschnittlich hohe Anspruchslöhne aufweisen, versuchen Unternehmen durch die Zahlung von höheren Löhnen, die Qualitätsverteilung der Stellenkandidaten zu beeinflussen: bei höherem Lohnangebot erhöht sich die durchschnittliche Qualität der Bewerber. Insbesondere dann, wenn die spätere Korrektur einer Fehlallokation nur schwer oder überhaupt nicht möglich ist, gewinnt die Abschätzung der tatsächlichen Qualität der Bewerber enorm an Bedeutung. Es erscheint somit aus Sicht des Unternehmens ökonomisch durchaus als rational, höhere Löhne als den Marktlohn zu zahlen, um so die Durchschnittsqualität der Bewerber bzw. der Belegschaft und damit auch die Arbeitsproduktivität zu erhöhen. Fluktuations-Ansatz Um die Personalfluktuation und die mit ihr verbundenen Kosten auf möglichst niedrigem Niveau zu halten, sind Unternehmen bereit, Löhne zu zahlen, die über dem markträumenden Lohnsatz liegen. Dabei wird ein Zusammenhang zwischen Lohnhöhe und Fluktuationsrate in dem Sinne unterstellt, dass mit höheren Löhnen die Wechselbereitschaft der Arbeitnehmer abnimmt. Effizienzlöhne sollten dann insbesondere für diejenigen Arbeitnehmergruppen gezahlt werden, deren Rekrutierung und Ausbildung mit hohen Kosten verbunden sind und die deshalb auch tatsächlich langfristig an das Unternehmen gebunden werden sollen. Dieses Argument ist somit humankapitaltheoretisch begründet. Motivations-Ansatz Da eine vollständige Überwachung der Arbeitsleistung für Unternehmen zu prohibitiven Kosten führen würde, sind Arbeitnehmer in der Lage, ihre Arbeitsleitung in einem gewissen Rahmen zu variieren, ohne dass Arbeitgeber diese Leistungsvariation identifizieren können. Somit besteht selbst bei vollständiger Information über die Qualität der Arbeitskräfte eine Informationsasymmetrie hinsichtlich der tatsächlichen Leistungsbereitschaft der Arbeitnehmer. Ziel des Unternehmens ist es nun, durch die Zahlung von Effizienzlöhnen, die potentiellen Kosten des „Shirkings“ für die Arbeitnehmer so zu erhöhen, dass sich ein
3.3 Principal-Agent-Ansätze
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vertragsabweichendes Verhalten kaum mehr lohnt.60 Der Effizienzlohn übernimmt hier eine Anreiz- bzw. Motivationsfunktion. In dieser Logik muss der Lohnanreiz umso höher ausfallen, je geringer die Kontrollmöglichkeiten der individuellen Arbeitsleistung der Beschäftigten sind. Ebenso sollte die Lohnhöhe abhängig sein vom Grad der Beschäftigungssicherheit: Je stärker die Beschäftigten gegen (verhaltensbedingte) Kündigungen geschützt sind, desto höher ist der Anreiz zum „Shirking“, was wiederum die Höhe des zu zahlenden Effizienzlohns beeinflusst. Austausch-Ansatz Soziale Normen und Werte stellen ein wichtiges soziologisches Element in Arbeitsbeziehungen dar und nehmen direkten Einfluss auf die Leistungsbereitschaft und somit auf die gesamte Arbeitsproduktivität. Die Orientierung von Arbeitnehmern an sozialen Normen und Werten wird daher als mögliche Erklärung von inflexiblen Löhnen respektive Effizienzlöhnen angeführt (z. B. Akerlof 1982, 1984). Grundlage ist hier die Idee eines Austauschs gegenseitiger „Geschenke“: Arbeitnehmer arbeiten über dem von der Firma (minimal) verlangten Leistungsniveau und erhalten im Gegenzug eine über dem Markträumungslohn liegende Entlohnung. Die Bewertung der konkreten Arbeitssituation durch die Arbeitnehmer spielt daher eine wichtige Rolle: Wird etwa eine Arbeitssituation als ungerecht empfunden, z. B. aufgrund eines zu niedrigen Lohns, modifizieren die Arbeitnehmer durch entsprechende Verhaltensänderungen ihren Arbeitseinsatz; umgekehrt sind sie bei einem erhöhten Lohn bereit, die entsprechend als fair empfundene höhere Leistung zu erbringen. Der Bewertung einer Arbeitssituation als „fair“ oder „unfair“ liegt unter anderem auch ein Vergleich der Nutzenniveaus anderer (Gruppen-)Mitarbeiter zu Grunde, was z. B. erklärt, warum Entlohnungssysteme häufig auf Gruppenzugehörigkeit bzw. -leistung anstatt auf leistungsbezogenen Individuallöhnen basieren.61
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Sollte ein Arbeitnehmer aufgrund einer reduzierten Leistungsbereitschaft entlassen werden, entstehen in der Zeit der Arbeitslosigkeit Opportunitätskosten, die positiv mit der Höhe des Effizienzlohns korreliert sind. Arbeitslosigkeit, die mit dem Verweis auf die über dem Markträumungslohn liegenden Effizienzlöhne mikroökonomisch begründet wird, stellt in diesem Ansatz somit ein „worker discipline device“ (Shapiro/Stiglitz 1984) dar und ist gleichsam Folge als auch Bedingung der Existenz von Effizienzlöhnen. Dabei steht die zu erwartende Dauer einer Arbeitslosigkeit in einem umgekehrt proportionalen Zusammenhang mit dem zu zahlenden Effizienzlohn, was bedeutet, dass Arbeitsmarktgruppen mit einer hohen zu erwartenden Dauer der Arbeitslosigkeit Löhne erhalten werden, die nur knapp über ihrem Produktivitätsäquivalent liegen. 61 Für eine weitergefasste Darstellung der „fair wage-effort“-Hypothese siehe z. B. Akerlof/Yellen (1990).
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3 Arbeitsmarkttheoretische Überlegungen
Inwieweit lassen sich nun Effekte befristeter Beschäftigung aufgrund von Effizienzlohntheorien erwarten? Im Rahmen des Motivations-Ansatzes versucht Güell (2000) zu zeigen, dass die Löhne in befristeten Stellen niedriger ausfallen als in unbefristeten Positionen. Sie argumentiert, dass in befristeten Stellen nicht unbedingt ein erhöhter Lohn, sondern vielmehr die mögliche Übernahme in eine Dauerstelle als Leistungsanreiz fungiert, insbesondere dann, wenn die in Aussicht gestellte Dauerstelle über ein höheres Lohnniveau verfügt. Diese Argumentation greift jedoch etwas zu kurz, da sie nur auf diejenigen befristeten Stellen zutrifft, bei denen der Arbeitnehmer tatsächlich auch mit einer möglichen Übernahme (bei einer gewissen Wahrscheinlichkeit) rechnet.62 Ist das Arbeitsverhältnis von vornherein so angelegt, dass sich beide Vertragsparteien nach Ablauf der Vertragszeit mit Sicherheit voneinander trennen, ist der Leistungsanreiz wieder einzig und allein über den Lohnsatz gegeben. Die Höhe des gezahlten Effizienzlohns in befristeten und unbefristeten Stellen ist dann jedoch unter anderem eine Funktion der Wahrscheinlichkeit, mit der ein Arbeitnehmer seine Stelle verliert und arbeitslos wird, sowie der Kontrollmöglichkeit der individuellen Arbeitsleistung. Damit sind Lohnunterschiede zwischen befristet und unbefristet Beschäftigten insbesondere dann zu erwarten, wenn die regulären Stellen über einen hohen Grad an Beschäftigungssicherheit verfügen und so Entlassungen relativ unwahrscheinlich sind. Weiterhin ist davon auszugehen, dass die Lohnunterschiede vom Bildungsniveau der Beschäftigten abhängen. Zwei Gründe sprechen für einen solchen Zusammenhang. Erstens ist das Risiko, tatsächlich arbeitslos zu werden, für Personen mit niedrigen Bildungsabschlüssen wesentlich höher als für Arbeitnehmer mit mittleren oder tertiären Abschlüssen. Das „Drohpotential“ einer möglichen Arbeitslosigkeit ist demnach für Niedrigqualifizierte deutlich höher ausgeprägt als für andere Beschäftigtengruppen. Zweitens ist jedoch auch die Möglichkeit der Überwachung der individuellen Leistung qualifikationsabhängig. Während die Arbeitsleistung von Niedrigqualifizierten in der Regel eher leicht zu überprüfen ist, erweist sich eine solche Leistungsmessung für Arbeitnehmer mit mittlerem oder hohem Bildungsniveau als wesentlich schwieriger oder mitunter sogar unmöglich.63 Insofern ist die Zahlung von Effizienzlöhnen insbesondere für mittel und hoch qualifizierte Arbeitnehmer zu er62
Entscheidend ist hier einzig und allein die Wahrnehmung des Arbeitnehmers. Ob die Übernahmechance tatsächlich existiert ist hingegen nicht von Bedeutung. Somit kann es für Arbeitgeber vorteilhaft sein, gegenüber dem befristet Beschäftigten die Möglichkeit einer Übernahme anzudeuten, obwohl realiter überhaupt keine solche Chance besteht. 63 Vgl. dazu auch Breen (1997), der argumentiert, dass insbesondere diejenigen Arbeitnehmer mit „labour contracts“, deren Arbeitsleistung leicht überwacht werden kann, Ziel von externen Flexibilisierungsmaßnahmen werden. Die Gruppe der Arbeitnehmer mit einer „service relationship“ hingegen wird aufgrund der geringeren Kontrollmöglichkeit der Arbeitsleistung eher internen Flexibilisierungsmaßnahmen unterliegen.
3.3 Principal-Agent-Ansätze
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warten, während die Löhne für Niedrigqualifizierte nur geringfügig über ihrem Produktivitätsäquivalent liegen dürften. Dann sollte jedoch auch der Lohnunterschied zwischen befristeten und unbefristeten Stellen mit dem Bildungsniveau ansteigen. Zu einem leicht anderen Schluss kommt der Adverse Selektions-Ansatz. Hier hängen die zu erwartenden Effekte insbesondere von der konkreten Funktion der befristeten Beschäftigung ab. Erfüllt die Befristung die Funktion der Erprobung, ist mit einem Lohnabschlag zu rechnen, während sich für andere Formen der Befristung keine oder sogar positive Effekte erwarten lassen. Im Vergleich zur Besetzung einer Dauerstelle können Arbeitgeber im Falle eines befristeten Probearbeitsverhältnisses leichter auf sichtbar gewordene Qualitätsmängel seitens des Arbeitnehmers reagieren, indem sie den befristeten Arbeitsvertrag einfach nicht in einen unbefristeten Arbeitsvertrag umwandeln. Dem Unternehmen entstehen somit nur geringe Kosten bei einer möglicherweise notwenig gewordenen Korrektur einer Fehlallokation, weshalb die Lenkungsfunktion des Lohns auf die Qualitätsverteilung der Stellenbewerber an Bedeutung verliert. Die gezahlten Effizienzlöhne in Dauerstellen bzw. in befristeten Probearbeitsverhältnissen sollten dann jedoch diesen Unterschied auch widerspiegeln.64 Weiterhin argumentiert Loh (1994), dass Unternehmen durch die Kombination aus Probearbeitsverhältnissen und Lohnsteigerungen bei erfolgreicher Übernahme die Qualität der Stellenbewerber steigern können.65 In diesem Zusammenhang wäre demnach zu erwarten, dass Übernahmen aus befristeten Stellen in Dauerstellen tatsächlich mit Lohnsteigerungen einhergehen. Für diejenigen befristeten Beschäftigungsverhältnisse, die keine Übernahme in eine Dauerstelle vorsehen, ist hingegen kein negativer Lohneffekt zu erwarten. Im Gegenteil: für Tätigkeiten, deren Ausführung eine besonders hohe Eignung (Qualität) des Arbeitnehmers erfordert, wäre es denkbar, dass sogar höhere Löhne gezahlt werden, wenn diese Tätigkeit nur für eine bestimmte Zeit, also befristet, verrichtet werden soll. Der höhere Lohn wäre dann eine Art Kompensation für das höhere Risiko der Beschäftigungslosigkeit nach Ablauf des Vertrages und würde dafür sorgen, dass sich geeignete Arbeitskräfte für die Ausführung dieser Tätigkeit interessieren. Aus Sicht der beiden anderen Effizienzlohn-Ansätze ergeben sich wiederum für befristet Beschäftigte eindeutige Lohneinbußen im Vergleich zu ihren unbe64
Zu berücksichtigen ist hierbei erstens, dass auch in unbefristeten Arbeitsverträgen in der Regel eine bestimmte Probearbeitszeit vereinbart wird. Zweitens spielt der Grad der Beschäftigungssicherheit eine wichtige Rolle: je leichter es ist, einen Arbeitnehmer aus einem regulären Arbeitsvertrag zu entlassen, desto geringer sollten die hier postulierten Unterschiede ausfallen. 65 Dabei ist nicht nur die Qualität im Sinne einer höheren Arbeitsproduktivität betroffen, sondern auch die Kündigungs- und Wechselneigung der Arbeitskräfte, da in diesem Szenario Stellen mit Probezeiten eher von Arbeitnehmern mit geringer Kündigungs- und Wechselneigung gesucht werden (Loh 1994).
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3 Arbeitsmarkttheoretische Überlegungen
fristet beschäftigten Kollegen. Mit Blick auf die möglicherweise bestehende Außenseiterstellung befristet Beschäftigter ließe sich aus dem Austausch-Ansatz heraus ein Lohnabschlag für diese Gruppe der Beschäftigten erwarten. Aufgrund des häufig nur transienten Charakters der Beschäftigung ist anzunehmen, dass befristet Beschäftigte weitaus schwächer in das soziale Gefüge eines Unternehmens integriert sind. Dieses wiederum lässt vermuten, dass die Gruppennormen der unbefristet Beschäftigten und deren Gerechtigkeitsbewertung nicht oder nur im geringen Ausmaß an der vorherrschenden Arbeitssituation der befristet Beschäftigten in dem Sinne orientiert sind, dass eine wahrgenommene Schlechterbehandlung der befristeten Mitarbeiter zu einer Anpassungsreaktion der unbefristet Beschäftigten führt. Im Gegenteil kann sogar die Gruppe der befristeten Arbeitnehmer als Referenzgruppe für die Bewertung fungieren: Unbefristet Beschäftigte könnten es für „fair“ erachten, dass es einen gewissen Lohnabstand zwischen ihnen und den (nicht zu ihrer Gruppe gehörigen) befristet Beschäftigten gibt. In der Logik des Austausch-Ansatzes ist dann jedoch davon auszugehen, dass unbefristet Beschäftigte höhere Löhne erhalten als vergleichbare befristet Beschäftigte. Die im Fluktuationsansatz unterstellte Funktion des Effizienzlohns, die Bindung von bestimmten Arbeitnehmergruppen an das Unternehmen, ist für befristete Stellen nicht im gleichen Maße gültig. Diese Stellen dienen ja gerade der Absicherung desjenigen Teils der Belegschaft, dessen Fluktuationsraten niedrig gehalten werden sollen bzw. der Erprobung neuer Mitarbeiter, deren Wechselneigung durch die Möglichkeit einer Übernahme eingeschränkt sein sollte. Zwar ist es denkbar, dass für diese beiden Typen von befristeten Beschäftigungsverhältnissen über dem Markträumungslohn liegende Entgelte gezahlt werden, um auch hier die Fluktuation auf einem angemessenen Niveau zu halten, jedoch sollte dieser Effizienzlohn deutlich unter dem der unbefristet Beschäftigten liegen. Im Falle von befristeten Projekttätigkeiten kann hingegen angenommen werden, dass sich die Löhne nur unwesentlich von denen vergleichbarer unbefristet beschäftigter Arbeitnehmer unterscheiden. Arbeitgeber sind bei dieser Gruppe befristet Beschäftigter sehr an niedrigen Fluktuationsraten interessiert, insbesondere dann, wenn die Einarbeitung eines neuen Mitarbeiters aufgrund eines bereits erzielten Projektfortschritts nicht ohne erheblichen Aufwand möglich ist. 3.3.3 Insider-Outsider-Theorie Zentrales Anliegen der Insider-Outsider-Theorie in der Version von Lindbeck und Snower (Lindbeck/Snower 1988) ist zu erklären, wie und warum strukturelle bzw. unfreiwillige Arbeitslosigkeit entsteht. Dabei legt die Theorie den Fokus
3.3 Principal-Agent-Ansätze
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auf die Handlungen der in Erwerbsarbeit befindlichen Personen, welche im Vergleich zu den Erwerbslosen über Marktmacht in Form von Umsetzungskosten (turnover costs) verfügen und diese auch zu ihrem eigenen Vorteil einsetzen, indem sie erfolgreich versuchen, ihre Löhne über dem markträumenden Lohn zu halten. Hier wird also im Vergleich zu den oben beschriebenen Varianten des Effizienzlohnmodells die Handlungsmacht im Arbeitsmarkt weg von den Unternehmen hin zu den Arbeitnehmern verlegt. Strukturelle Arbeitslosigkeit entsteht aus dieser theoretischen Sichtweise demnach aus dem individuellen bzw. kollektiven (z. B. im Falle von gewerkschaftlichen Aktivitäten) Streben der Erwerbstätigen nach Löhnen, die über dem Äquivalent ihrer Produktivität liegen, sowie der Macht, solche Löhne tatsächlich auch durchsetzen zu können. Lindbeck und Snower unterscheiden in ihrer Analyse insgesamt drei relevante Arbeitsmarktgruppen: Insider, Outsider und Entrants. Insider sind definiert als „experienced incumbent employees whose positions are protected by various job-preserving measures that make it costly for firms to fire them and hire someone else in their place”. Outsider hingegen “have no such protection; they are either unemployed or work at jobs in the ‘informal sector’, which offer little, if any, job security“ (Lindbeck/Snower 1988: 1). Entrants wiederum sind solche Arbeitnehmer, die erst seit kurzem eine Position besetzen und über keine signifikante Marktmacht in Form von hohen Umsetzungskosten verfügen. Das zentrale Definitionskriterium ist demnach das Vorhandensein bzw. die Höhe von Umsetzungskosten: Insider besetzen Positionen mit hohen Umsetzungskosten, während die Positionen der Outsider bzw. der Entrants mit keinen oder nur geringen Umsetzungskosten verbunden sind.66 Da das Ersetzen eines Insiders durch einen Outsider (der dann zum Entrant wird) für ein Unternehmen nur dann ökonomisch rational ist, wenn sich die mit der Umsetzung verbundenen Kosten mindestens amortisieren, muss der Lohn eines Entrants entsprechend niedrig ausfallen. Nur wenn der Lohnunterschied zwischen Insidern und Entrants die Gesamtkosten der Umsetzung tatsächlich übersteigt, wird ein Unternehmen einen alten durch einen neuen Mitarbeiter ersetzen.67 Die Insider nutzen nun die ihnen durch die Umset66
In Lindbeck und Snowers Argumentation spielt die Gruppe der Entrants nur eine untergeordnete Rolle, was bereits im Namen der Theorie anklingt. Für die nachfolgende Argumentation ist es insbesondere wichtig, zwischen Arbeitnehmern mit hohen potenziellen Umsetzungskosten und solchen mit geringen potenziellen Umsetzungskosten zu differenzieren. Die Unterscheidung zwischen Outsidern und Entrants ist deshalb auch hier nicht zwingend notwendig, da sich beide Gruppen im Hinblick auf ihre Umsetzungskosten kaum unterscheiden. 67 Strukturelle Arbeitslosigkeit entsteht somit immer dann, wenn die potenziell zu erzielenden Löhne der Outsider aufgrund sehr hoher Umsetzungskosten so niedrig ausfallen, dass sie unterhalb des Reservationslohns der Outsider liegen. Dabei tragen unter anderem Zahlungen aus sozialen Sicherungssystemen (etwa Sozialhilfe, Arbeitslosengeld) dazu bei, den Reservationslohn deutlich anzuheben.
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3 Arbeitsmarkttheoretische Überlegungen
zungskosten gegebene Marktmacht, indem sie versuchen, Löhne zu erzielen, die deutlich über ihrem Produktivitätsäquivalent liegen: Je höher die Umsetzungskosten sind, desto größer wird der Lohnunterschied zwischen tatsächlich realisierten Löhnen der Insider und den ihrer Produktivität entsprechenden Löhnen ausfallen. Solange jedoch ihre Löhne nicht die potentiellen Outsider- bzw. Entrant-Löhne zuzüglich der Umsetzungskosten überschreiten, müssen die Insider nicht befürchten, durch einen Outsider ersetzt zu werden. Die mit einer Umsetzung verbundenen Kosten, die teilweise durch die Insider selbst induziert werden, sind demnach ursächlich verantwortlich für die über Marktniveau liegenden Löhne der Insider und somit für das Vorhandensein struktureller Arbeitslosigkeit. Was die Insider-Outsider-Theorie für die Betrachtung befristeter Beschäftigungsverhältnisse interessant macht, ist die Annahme, dass sich die Marktmacht der Erwerbstätigen zu einem großen Teil aus der Existenz sowie der Höhe von Entlassungskosten speist und somit Lohnunterschiede zwischen befristet und unbefristet Beschäftigten auch auf unterschiedlich hohe Entlassungskosten zurückzuführen sein sollten. Die Theorie kann demnach unabhängig vom ursprünglichen Erklärungsziel „strukturelle Arbeitslosigkeit“ als ein theoretischer Rahmen für die Analyse der Effekte befristeter Beschäftigung fungieren, da sich argumentieren lässt, dass die Marktmacht befristet Beschäftigter deutlich kleiner ausfällt als die der unbefristet Beschäftigten. Dazu ist es wichtig, zwei Arten von Umsetzungskosten zu unterscheiden. Erstens entstehen bei Umsetzungen Kosten durch diejenigen Maßnahmen, die notwendig sind, um neue Mitarbeiter zu finden (Einstellungskosten) und sie an die Produktion heranzuführen (Ausbildungskosten). Diese Kosten sind für die Unternehmen direkt mit der Aufrechterhaltung der Produktion verbunden und werden daher auch als produktionsbezogene Umsetzungskosten bezeichnet. Zweitens entstehen dem Unternehmen jedoch auch Kosten durch die Entlassungen bisheriger Mitarbeiter, die nicht der Aufrechterhaltung der Produktion dienen, sondern vielmehr durch die Entlassungen selbst erzeugt werden. Hierzu zählen direkte Entlassungskosten (Abfindungen etc.), aber auch indirekte Kosten von Entlassungen, die z. B. durch Kooperationsverweigerungen der verbleibenden gegenüber den neu eingestellten Mitarbeitern entstehen können. Nach Lindbeck und Snower sind es gerade diese nicht-produktionsbezogenen Umsetzungskosten, die es den Insidern ermöglichen, Löhne zu realisieren, die über dem markträumenden Lohn liegen, weshalb sie die nicht-produktionsbezogenen Umsetzungskosten auch als „rent-related turnover costs“ bezeichnen. Im Gegensatz zu den produktionsbezogenen Umsetzungskosten, die aus den Produktionsanforderungen selbst entstehen, sind diese Kosten das Resultat individueller oder
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kollektiver Aktivitäten der Insider.68 Während sie für die Unternehmen zusätzliche Restriktionen gegenüber Umsetzungen bedeuten, generieren sie für die Insider die Möglichkeit, Löhne durchzusetzen, die über dem Produktivitätsäquivalent liegen. Insider können somit aufgrund ihrer Marktmacht positionale Renditen erzielen. Auf der Grundlage der bisherigen Ausführungen lässt sich der theoretische Bezug zwischen den Aussagen der Insider-Outsider-Theorie und der Fragestellung der sozio-ökonomischen Konsequenzen befristeter Beschäftigung leicht herstellen. Zentrale Elemente sind hierbei die direkten und indirekten Entlassungskosten der befristet Beschäftigten auf der einen sowie der unbefristet Beschäftigten auf der anderen Seite. Aus Sicht der Insider-Outsider-Theorie spielen die nicht-produktionsbezogenen Umsetzungskosten und die daraus resultierende Marktmacht der Insider bei der Erklärung von Lohnunterschieden zwischen Insidern und Entrants eine entscheidende Rolle. Wird nun die Höhe der direkten Entlassungskosten als ein wesentlicher Bestandteil dieser Umsetzungskosten angesehen, verfügen befristet Beschäftigte ceteris paribus über eine geringere Marktmacht als unbefristet Beschäftigte (Insider), was sich in unterdurchschnittlichen Löhnen befristet beschäftigter Arbeitnehmer niederschlagen sollte. Neben den direkten sollten jedoch auch die indirekten Entlassungskosten befristet Beschäftigter deutlich geringer ausfallen als die der unbefristet Beschäftigten. So ist es beispielsweise höchst unwahrscheinlich, dass die Entlassung eines befristet Beschäftigten zu einer wirksam eingesetzten Strategie der Kooperationsverweigerung seitens der Insider oder der verbleibenden Entrants führt. Wird hingegen ein unbefristet Beschäftigter entlassen, kann es aufgrund von Kooperations- und Leistungsverweigerungen seitens der verbliebenen Insider zu deutlichen Produktivitätseinbußen kommen.69 Insgesamt sollten demnach befristet Beschäftigte aufgrund der wesentlich geringeren Entlassungskosten auch geringere Löhne als ihre unbefristet beschäftigten Kollegen erhalten. Allerdings lässt sich anhand dieser Überlegungen auch vermuten, dass befristet Beschäftigte, denen es gelingt auf eine unbefristete Stelle zu wechseln und so den Status eines Insiders zu erreichen, das gleiche Lohnniveau wie ihre schon immer unbefristet beschäftigten Kollegen erreichen. Somit würden aus einer früheren Befristung keinerlei Einkommensnachteile für die betreffenden Arbeitnehmer entstehen. Bei einem Übergang aus einer befristeten in eine unbefristete Stelle ist dann aufgrund der Lohnunterschiede zwischen Insidern und Entrants auch zu erwarten, dass es zu einem deutlichen Anstieg des Lohnes kommt. Insofern ist von einer 68
Auch Maßnahmen des Gesetzgebers, die zu einer Erhöhung der nicht-produktionsbezogenen Umsetzungskosten beitragen (wie z. B. Regelungen zum Kündigungsschutz), können als Resultat kollektiver Aktivitäten angesehen werden. 69 Vgl. dazu insbesondere die Kapitel 5 und 6 in Lindbeck/Snower (1988).
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3 Arbeitsmarkttheoretische Überlegungen
monetären Schlechterstellung befristet Beschäftigter auszugehen, die sich jedoch für diejenigen Arbeitnehmer, die eine Dauerstelle erhalten, als lediglich vorübergehend erweist.
3.4 Segmentationstheoretische Ansätze Im Gegensatz zum neo-klassischen Standardmodell und vielen in dieser Tradition verhafteten Denkmodellen versuchen Segementationsansätze, soziologische Elemente in die Beschreibung von Arbeitsmarktprozessen einzubeziehen. „At the core of labor market segmentation are social groups and institutions. The processes governing allocation and pricing within internal labor markets are social, opposed either to competitive processes or to instrumental calculations“ (Piore 1983: 252). Dabei variieren diese Ansätze von eher institutionalistisch inspirierten Varianten (z. B. Doeringer/Piore 1985[1971]) bis hin zu radikalökonomischen Versionen (z. B. Reich et al. 1973; z. B. Reich et al. 1978). Insgesamt weist die Menge der Segmentationsansätze eine starke Heterogenität auf, was eine klar abgegrenzte Darstellung deutlich erschwert. Obwohl das Konzept der Arbeitsmarktsegmentation keine eindeutige Begriffsbestimmung erfahren hat, ist den verschiedenen Konnotationen jedoch die Annahme der Differenzierung des Gesamtarbeitsmarktes in einzelne Segmente gemeinsam. Es lassen sich insgesamt drei wesentliche Bedeutungsinhalte des Begriffs „Segmentation“ feststellen (Sengenberger 1987: 54): Differenzierung nach dem Anpassungsmodus Während neoklassische Theorien von der Existenz eines einzigen Anpassungsmodus von Angebot und Nachfrage, nämlich dem Lohn, ausgehen, unterstellen Segmentationstheorien, dass die Anpassung auf mindestens einem Teilarbeitsmarkt nicht nach Marktregeln funktioniert. Bei der genauen Beschreibung der Anpassungsmodi unterscheiden sich die einzelnen Ansätze jedoch teilweise deutlich voneinander.70 Einschränkung der Mobilität zwischen den Teilarbeitsmärkten Segmentationstheoretische Ansätze unterstellen das Vorhandensein von mehr oder weniger stark ausgeprägten Mobilitätsbarrieren, die den freien Austausch zwischen den einzelnen Arbeitsmarktsegmenten behindern. Gleichzeitig sind 70
Als Beispiele seien hier die Abgrenzung von internen und externen Arbeitsmärkten (Doeringer/Piore 1985[1971]) oder die Unterscheidung von Arbeitsmärkten, auf denen das Lohnoder das Arbeitsplatzwettbewerbsmodell vorherrscht (Thurow 1978), genannt.
3.4 Segmentationstheoretische Ansätze
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bestimmte Segmente (z. B. interner Arbeitsmarkt oder primäres Segment) durch das Vorhandensein von Mobilitätsketten, die eine stetige vertikale Mobilität ermöglichen, gekennzeichnet, während in anderen Bereichen des Arbeitsmarktes fast ausschließlich horizontale Mobilitätsmuster zu finden sind. Insgesamt wirken somit Strukturmerkmale des Arbeitsmarktes unabhängig von persönlichen Merkmalen als wichtige Determinanten der individuellen Karrieremobilität. Dauerhaftigkeit der Ungleichheiten der Arbeitsmarktchancen Im neoklassischen Grundmodell existieren Ungleichheiten von Arbeitsmarktchancen nur so lange, bis sie vom Markt wieder beseitigt werden. Die Segmentationsansätze hingegen unterstellen, dass die Arbeitsmarktchancen (wie z. B. Arbeitsplatzsicherheit oder Arbeitsplatzbedingungen) zwischen den einzelnen Segmenten systematisch variieren und dass sich diese Ungleichheiten aufgrund der eingeschränkten Mobilität zwischen den Segmenten in langfristigen Unterschieden hinsichtlich der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen niederschlagen. Ein Modell, das die Dauerhaftigkeit dieser Ungleichheiten stark betont, ist das duale Arbeitsmarktmodell (z. B. Piore 1978; Reich et al. 1973). Mögliche konzeptionelle Erfassungen der verschiedenen segmentationstheoretischen Ansätze sind die Gegenüberstellung der Konzepte des zwei- bzw. dreigeteilten Arbeitsmarktes (vgl. z. B. Biehler/Brandes 1981) oder die Abgrenzung von primären/sekundären Segmenten und internen/externen Arbeitsmärkten (vgl. z. B. Sesselmeier/Blauermel 1997). Hier soll der letzteren Darstellungsweise gefolgt werden. 3.4.1 Primäre und sekundäre Segmente Die theoretische Grundlage für die Unterteilung des Arbeitsmarktes in ein primäres und ein sekundäres Segment ist das Konzept der dualen Wirtschaft (Averitt 1968; Galbraith 1973; O'Connor 1973).71 Aufgrund der angenommenen Strukturparallelität des Güter- und des Arbeitsmarktes wird die duale Struktur des Gütermarktes (Kern- und Randbereich) auf den Arbeitsmarkt übertragen. Somit lässt sich der Arbeitsmarkt in zwei grundsätzlich verschiedene Sektoren gliedern. Der primäre Sektor weist Arbeitsplätze „mit relativ hohen Löhnen, guten Arbeitsbedingungen, Aufstiegschancen ... sowie vor allem [mit] stabile[r] Beschäftigung“ auf (Piore 1978: 69, Hervorhebung im Original). Arbeitsplätze 71
Für einen Überblick über das Konzept der dualen Wirtschaft vgl. zusätzlich z. B. Biehler/Brandes (1981), Sengenberger (1987) oder Wallace/Kalleberg (1981).
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3 Arbeitsmarkttheoretische Überlegungen
im sekundären Sektor dagegen sind durch niedrige Löhne, schlechte Arbeitsbedingungen, geringe Aufstiegschancen, instabile Beschäftigungen sowie eine hohe Fluktuation unter den Arbeitnehmern gekennzeichnet.72 Diese Dichotomisierung des Arbeitsmarktes erfährt bei Piore (1978) eine weitere Differenzierung, indem das primäre Segment in einen oberen und einen unteren Teilsektor gegliedert wird. Dabei ist der obere Teilsektor durch eine hohe formale Bildung, Kreativität und individuelle Flexibilität der Arbeitskräfte gekennzeichnet. Da sich hier hauptsächlich Führungspositionen wieder finden, wird dieser Teilsektor auch als „Managementsektor“ bezeichnet (Lärm 1982: 175). Der untere Teilsektor weist Arbeitsplätze mit mittleren Qualifikationsanforderungen auf. Von den Arbeitskräften in diesem Sektor werden Eigenschaften wie Arbeitsdisziplin und die Fähigkeit, monotone und repetitive Aufgaben zu erfüllen, verlangt. Die beiden Teilsektoren des primären Segments unterscheiden sich weiterhin dahingehend, dass die Entlohnung, der berufliche Status, aber auch die Fluktuation im oberen Teilsektor höher als im unteren Sektor ausfallen. Mit Hilfe des Konzepts der segmentspezifischen Mobilitätsketten versucht Piore (1978) die Mobilitätschancen bzw. das Mobilitätsverhalten der Individuen in den Segmenten zu beschreiben:73 Primäres Segment Die Mobilitätsketten sind so beschaffen, dass ein Stellenwechsel zu einer höheren Entlohnung und/oder zu einem höheren Status führt. Dies gilt hauptsächlich für den unteren, aber auch eingeschränkt für den oberen Sektor. Da im oberen Teilsektor eine hohe Fluktuation herrscht, sind nicht alle Arbeitsplatzwechsel mit einem Einkommens- und Statusanstieg verbunden. Es kommt auch zu lateralen Bewegungen, bei denen kein Einkommens- oder Statusanstieg zu verzeichnen ist. Personen im unteren Teilsektor erfahren hingegen aufgrund von verschiedenen institutionellen Regeln (wie z. B. Senioritätsprinzipien) bei nahezu jedem Arbeitsplatzwechsel einen Aufstieg. Die beiden Teilsektoren unterscheiden sich auch im Ausmaß der inner- bzw. zwischenbetrieblichen Mobilität. 72
Innerhalb der Ansätze des dualen Arbeitsmarktes werden auch oft die Bezeichnungen „gute Arbeitsplätze“ für Positionen im primären und „schlechte Arbeitsplätze“ für Positionen im sekundären Segment verwendet. Für eine Kritik des Konzepts des dualen Arbeitsmarktes vgl. z. B. Wachter (1978). 73 Nach Meinung Piores (1978) wird mit dem Konzept der Mobilitätsketten eine Neudefinition der Arbeitsmarktsegmente erreicht (ebd.: 73). Die drei Arbeitsmarktsegmente lassen sich nun durch typische Arbeitsplatzsequenzen erfassen, eine eindeutige Zuordnung von Arbeitsplätzen zu einzelnen Segmenten ist nicht mehr notwendig. So kann ein Arbeitsplatz durchaus auf verschiedenen Mobilitätsketten liegen. Entscheidend für die Arbeitsmarktposition ist also nicht der einzelne Arbeitsplatz, sondern vielmehr die Abfolge einer Reihe von Arbeitsplätzen in der Karriere eines Individuums. Die oben genannten Merkmale der Segmente, wie z. B. die unterschiedliche Höhe der Löhne oder die Stabilität bzw. Instabilität der Beschäftigung, bleiben jedoch als Beschreibung der Segmente gültig.
3.4 Segmentationstheoretische Ansätze
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Personen aus dem oberen Teilsektor weisen wegen ihrer hohen allgemeinen Bildung vermehrt zwischenbetriebliche Wechsel auf, während bei Individuen aus dem unteren Sektor aufgrund ihrer relativ hohen betriebsspezifischen Qualifikation eher innerbetriebliche Wechsel zu finden sind. Sekundäres Segment Die Mobilitätsketten in diesem Segment sind durch das Fehlen geregelter Aufstiege gekennzeichnet. Es kommt häufig nur zu einer horizontalen Mobilität zwischen einzelnen Positionen, d. h. Einkommens- und Statusaufstiege sind eher selten zu beobachten. Die Erwerbsverläufe sind häufig von Unterbrechungen (z. B. Arbeitslosigkeit) gekennzeichnet und demnach wesentlich instabiler als die Erwerbsverläufe der im primären Segment Beschäftigten. Die Entstehung der einzelnen Segmente bzw. der auf ihnen vorherrschenden Mobilitätsketten wird aus angebots- sowie nachfrageseitigen Faktoren heraus erklärt. Auf der Nachfrageseite spielen drei Einflussgrößen eine Rolle: der Grad der Produktstandardisierung, die Stabilität und die Zuverlässigkeit der Güternachfrage.74 Diese Einflussgrößen bestimmen die Art der im Produktionsprozess verwendeten Technologie (allgemeine vs. spezialisierte Technologie) und damit die Art der nachgefragten Arbeit. Eine spezialisierte, kapitalintensive Technologie lässt sich nur bei einem hohen Grad der Produktstandardisierung und einer stabilen bzw. berechenbaren Güternachfrage ökonomisch sinnvoll einsetzen. Diese Art der Technologie verlangt nach spezialisierten Arbeitskräften, die langfristig an den Betrieb gebunden sind. Durch interne Rekrutierungen sollte die Möglichkeit bestehen, die Fähigkeiten bereits ausgebildeter Arbeitskräfte weiter zu spezialisieren. Die Mobilitätsketten des unteren Teilsegmentes entsprechen diesem Muster. Ist hingegen der Grad der Produktstandardisierung gering (häufige Änderung der Art des produzierten Gutes) und die Güternachfrage instabil und ungewiss, so erscheinen Investitionen in kapitalintensive Spezialtechnologien als ökonomisch riskant. Der Einsatz von Technologien, die allgemeine Qualifikationen und damit keine Spezialfähigkeiten der Arbeitskräfte benötigen, erscheint in diesem Fall als sinnvoller. Die Tätigkeiten, die diese Technologieart erzeugt, können entweder bereits mit einer geringen (ungelernter Arbeiter) oder mit einer relativ hohen allgemeinen Qualifikation ausgeführt werden. Wichtig ist, dass die Arbeitskräfte aufgrund ihrer nicht-spezialisierten Qualifikation bei schwankender Güternachfrage mit geringen Kosten umgesetzt, 74
Die Produktnachfrage lässt sich nach Piore (1980) in einen stabilen und einen instabilen Teil aufteilen. Der stabile Teil der Nachfrage wird von wenigen relativ großen Unternehmen abgedeckt, während der instabile Teil von einer Reihe kleinerer Firmen bedient wird. Hier findet sich der oben genannte Zusammenhang von dualer Ökonomie und dualem Arbeitsmarkt wieder.
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3 Arbeitsmarkttheoretische Überlegungen
entlassen bzw. eingestellt werden können. Der häufigere Stellenwechsel in den Mobilitätsketten des sekundären Segments und des oberen Teilsektors spiegelt diesen Zusammenhang wider.75 Die angebotsseitigen Bestimmungsgründe der Arbeitsmarktsegmentation finden sich in der Wirkungsweise schichtspezifischer Subkulturen. Piore (1978) zieht hier eine Parallele zwischen der Zugehörigkeit eines Individuums zu einer bestimmten Subkultur (Unter-, Arbeiter- und Mittelschicht) und der Position auf dem Arbeitsmarkt (sekundäres, unteres und oberes primäres Segment). Die jeweiligen Subkulturen prägen die Eigenschaften und die Verhaltensweisen der Arbeitskräfte, die für das entsprechende Arbeitsmarktsegment notwendig sind. Durch unterschiedliche Bedeutungsgehalte von Bereichen wie Familie, Arbeit und Einkommen sowie einer unterschiedlichen Struktur der Bekanntschaften entstehen schichtspezifische Verhaltensweisen, die es erlauben, die Individuen den einzelnen Arbeitsmarktsegmenten zuzuordnen. Folgt man der hier dargestellten Argumentation, so lassen sich Arbeitsplätze mit einer befristeten Beschäftigung per se keinem der Segmente eindeutig zuordnen. Ein einzelner (befristeter) Arbeitsplatz kann auf verschiedenen Mobilitätsketten und somit in verschiedenen Segmenten liegen. Entscheidend ist hier die Abfolge von Arbeitsplätzen. Jedoch ist anzunehmen, dass sich befristete Beschäftigungsverhältnisse vermehrt auf den Mobilitätsketten des sekundären und des oberen primären Segments finden lassen. Hier müssen die Arbeitskräfte in Abhängigkeit von der Produktnachfrage flexibel und mit nur geringem Kostenaufwand ein- und umgesetzt, aber auch entlassen werden können. Eine befristete Beschäftigung bietet dem Arbeitgeber die Möglichkeit einer kostengünstigen Trennung von dem entsprechenden Arbeitnehmer und stellt somit ein geeignetes Mittel zur Lösung dieses Personalproblems dar. Diese Perspektive lässt erstens eine Konzentration befristeter Beschäftigungsverhältnisse mit der Funktion der „Kostenersparnis“ auf das sekundäre Arbeitsmarktsegment erwarten, das aus Sicht des hier diskutierten Segmentationsansatzes durch äußerst instabile, unterdurchschnittlich bezahlte und statusniedrigere Beschäftigungsverhältnisse gekennzeichnet ist. Die Karrierekonsequenzen der Befristung, die aus diesem Ansatz abgeleitet werden können, sind dann als sehr negativ zu bewerten: Es bilden sich mit einiger Wahrscheinlichkeit „Befristungsketten“, und selbst wenn Arbeitnehmer in unbefristete Stellen wechseln können, bleiben sie vermutlich doch im gleichen Segment mit eher schlecht bezahlten Jobs. Somit sind frühere Befristungen aus dieser Perspektive mit eher negativen Effekten auf das aktuelle Einkommen verbunden. Zweitens sollten befristete Beschäftigungsverhältnisse 75
Diese strikte Einteilung in Betriebe mit allgemeiner und Betriebe mit spezialisierter Technologie wird von Piore (1978) selbst relativiert. Er stellt fest, dass „[d]ie meisten Industriezweige ... die beiden Techniken offenbar gleichzeitig an[wenden]...“ (ebd.: 88).
3.4 Segmentationstheoretische Ansätze
103
vermehrt auch im oberen primären Segment zu finden sein, das aus gut bezahlten Arbeitsstellen besteht, die gleichwohl instabil sind, da in solchen Arbeitsstellen eher allgemeines als spezifisches Humankapital benötigt wird. In diesem Segment sind vor allem hochqualifizierte Arbeitnehmer tätig, die nicht unbedingt an einer Dauerbeschäftigung interessiert sind, da sie ihr Humankapital unter Umständen besser durch Wechsel zwischen verschiedenen Arbeitgebern verwerten können. Umgekehrt kann allgemeines Humankapital leicht auf dem externen Arbeitsmarkt akquiriert werden, so dass auch Arbeitgeber nicht unbedingt an einer Bindung dieses Arbeitnehmertypus’ an den Betrieb interessiert sind. Für diese Gruppe von Arbeitnehmern sind also durchaus auch Befristungsketten zu erwarten, die aber keineswegs nachteilig im Hinblick auf die berufliche Entwicklung sein müssen: Sie wechseln von Projekt zu Projekt, ohne dabei Einkommenseinbußen erwarten zu müssen. Im Gegenteil kann eine abwechslungsreiche Tätigkeit sogar eine verwertbare Humankapitalinvestition durch Berufserfahrung (wenngleich auch nicht durch die immer gleiche Tätigkeit im selben Betrieb) bedeuten, so dass solche Ketten gar mit Einkommenssteigerungen verbunden sein können. Insofern ist anzunehmen, dass sich Befristungserfahrungen im Erwerbsleben der Arbeitnehmer in diesem Segment wiederholen. Insgesamt wären befristete Beschäftigungsverhältnisse damit vermehrt bei Arbeitskräften mit einer nur geringen bzw. mit einer hohen allgemeinen Ausbildung zu erwarten. Es ist jedoch auch denkbar, dass sich bestimmte Arbeitsplätze mit Befristungen ausschließlich auf den Mobilitätsketten des unteren primären Sektors finden lassen. Besonders Arbeitsplätze, die der Erprobung von Mitarbeitern dienen, fallen in diese Kategorie. Sie bedeuten bei bestandener Erprobung einen Einstieg in eine Mobilitätskette des unteren primären Segments bzw. einen weiteren Aufstieg auf einer solchen Kette. Diese Arbeitsplätze wären dann reine „Durchgangsstationen“, die ohne größere Nachteile für die entsprechenden Arbeitnehmer bleiben. 3.4.2 Interne und externe Arbeitsmärkte Doeringer/Piore (1985[1971]) definieren den Begriff „interner Arbeitsmarkt“ als „an administrative unit, such as a manufacturing plant, within which the pricing and allocation of labor is governed by a set of administrative rules and procedures“ (ebd.: 1f.). Auf dem externen Arbeitsmarkt hingegen herrscht das Marktgesetz des neoklassischen Modells: „The internal labor market ... is to be distinguished from the external labor market of conventional economic theory where pricing, allocating, and training decisions are controlled directly by
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3 Arbeitsmarkttheoretische Überlegungen
economic variables” (ebd.: 2).76 Interne Arbeitsmärkte sind mit dem externen Arbeitsmarkt nur über bestimmte Schnittstellen, den so genannten „ports of entry and exit“, verbunden.77 Alle anderen Positionen innerhalb eines internen Arbeitsmarktes sind vor einer direkten Konkurrenz seitens des externen Marktes geschützt. Somit ergeben sich relativ langfristige und stabile Beschäftigungsverhältnisse in solchen Märkten. Der Begriff des internen Arbeitsmarkts darf jedoch nicht vollständig mit der Vorstellung eines innerhalb einer bestimmten Firma vorfindbaren internen Arbeitsmarktes gleichgesetzt werden. Interne Arbeitsmärkte können mehrere Firmen umfassen, aber auch innerhalb einer Firma mehrere Submärkte ausmachen.78 Trotz einer gewissen Heterogenität hinsichtlich der exakten Definition interner Arbeitsmärkte79 lassen sich grob zwei Typen unterscheiden:
76
Wie Doeringer und Piore jedoch selbst betonen, hängt die Nützlichkeit des analytischen Konzepts des „internen Arbeitsmarktes“ nicht von dem Vorhandensein von administrativen Regeln per se, sondern vielmehr von der Rigidität dieser Regeln ab (ebd.: 5). Sind die Regeln mehr oder weniger vollständig abhängig von ökonomischen Einflussgrößen, so ist es wenig sinnvoll, von einem internen Arbeitsmarkt und speziell auf diesem wirkenden Preis- und Allokationsprinzipien zu sprechen. 77 Die Anzahl dieser „ports of entry and exit“ bestimmt den Grad der Offenheit des internen Arbeitsmarktes gegenüber dem externen Markt (ebd.: 43ff.). 78 Eine Verbindung zwischen dem Konzept des primären/sekundären Segments bzw. des internen/ externen Arbeitsmarkts wird von Doeringer/Piore (1985[1971]) durch die Behauptung geschaffen, dass „[t]he primaray sector consists of a series of internal markets“ (ebd.: 167). Das sekundäre Segment hingegen besteht aus drei verschiedenen Typen von Arbeitsplätzen. In diesem Segment finden sich erstens die Arbeitsplätze des externen Arbeitsmarktes, zweitens Arbeitsplätze so genannter sekundärer interner Arbeitsmärkte (offene Märkte mit vielen ports of entry und kurzen Mobilitätsclustern, die jedoch formale interne Strukturen aufweisen) und drittens Arbeitsplätze, die an interne Arbeitsmärkte angehängt sind, aber nicht zu diesen internen Märkten zugerechnet werden können. Ähnlich versuchen Althauser/Kalleberg (1981) die Konzepte des primären/sekundären Segments und der internen/externen Arbeitsmärkte zu verbinden und erhalten eine insgesamt fünfstufige Typologie. Sie unterscheiden zwischen firm internal labor markets (FILM), occupational internal labor markets (OILM), firm labor markets (FLM), occupational labor markets (OLM) und secondary labor markets (SLAM). Für weitere Konzepte zum Themengebiet „interne Arbeitsmärkte“ vgl. z. B. Althauser (1989), Granovetter (1994) oder Kalleberg/Sørensen (1979). 79 Der auf die Verhältnisse in den USA zugeschnittene Ansatz von Doeringer und Piore wurde auch auf die bundesdeutschen Arbeitsmarktgegebenheiten übertragen, insbesondere durch die Arbeiten von Mitarbeitern des Instituts für Sozialwissenschaftliche Forschung (ISF) München (z. B. Lutz 1987; Lutz/Sengenberger 1974; z. B. Sengenberger 1975; Sengenberger 1987). So unterscheidet Sengenberger (1987) zwischen unstrukturierten, berufsfachlichen und betriebsinternen Teilarbeitsmärkte, die über den Grad und die Art der Bindung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer definiert werden. Dieses Definitionskriterium weicht von dem in früheren Arbeiten Sengenbergers und anderer Mitarbeiter des ISF verwendeten Kriterium ab. Dort wurden die genannten Teilmärkte nach der Generalität bzw. Spezifität der Qualifikation der Arbeitskräfte unterschieden (vgl. z. B. Lutz/Sengenberger 1974), also die Ausstattung an Humankapital in den Mittelpunkt der Analyse gestellt. Für eine Gegenüberstellung dieses älteren Ansatzes mit dem Konzept des dualen Arbeitsmarkts siehe Freiburghaus/Schmid (1975).
3.4 Segmentationstheoretische Ansätze
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Firmenspezifische interne Arbeitsmärkte Auf diesem Markttypus finden sich entweder einseitige Bindungen eines Arbeitnehmers an einen bestimmten Arbeitgeber (bei relativ offenen firmenspezifischen Märkten) oder eine wechselseitige Bindung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber (bei geschlossenen firmenspezifischen Märkten). Die Beschäftigungsverhältnisse in diesem Segment weisen eine relativ hohe Stabilität auf.80 Weiterhin ist dieser Typ eines internen Arbeitsmarktes durch ein klares Mobilitätsregime gekennzeichnet: Arbeitsplätze werden in Mobilitätsclustern81 so angeordnet, dass ein Austausch zwischen ihnen leicht möglich ist. Je nach Mobilitätstyp besitzen diese Cluster eine eher engere (Aufwärtsmobilität) oder eine eher breitere (laterale Mobilität) Dimension. Neben der individuellen Fähigkeit spielen bei der Besetzungsentscheidung von Arbeitsplätzen auch Senioritätsprinzipien eine große Rolle.82 Arbeitsplätze, die als Eingangspositionen in einen solchen internen Arbeitsmarkt zu bezeichnen sind, befinden sich üblicherweise am unteren Ende dieser Karriereleitern. Berufsspezifische interne Arbeitsmärkte Für diesen Typ eines internen Arbeitsmarktes ist charakteristisch, dass die Arbeitgeber an eine bestimmte Kategorie von Arbeitnehmern (die über bestimmte zertifizierte Qualifikationen verfügen) gebunden sind, nicht jedoch an einzelne Arbeitskräfte. Umgekehrt weisen Arbeitnehmer eine Bindung an eine bestimmte Kategorie von Arbeitgebern, nicht jedoch an einen einzelnen Arbeitgeber auf. Aufgrund dieser spezifischen Bindung zwischen Arbeitsgebern und Arbeitskräften ist die zwischenbetriebliche Mobilität in diesen Teilarbeitsmärkten wesentlich höher als in firmenspezifischen internen Arbeitsmärkten. Berufsspezifische interne Arbeitsmärkte sind typisch für die Professionen und für Handwerksberufe83, aber auch für Managementpositionen.
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Vgl. dazu auch die empirischen Befunde für den deutschen Arbeitsmarkt von Blossfeld/Mayer (1988) und Szydlik (1990). 81 Mobilitätscluster bestehen aus Arbeitsplätzen, die ähnliche Fähigkeiten bzw. Erfahrungen benötigen, ähnliche Arbeitsinhalte aufweisen und/oder der gleichen funktionalen oder organisatorischen Einheit angehören (Doeringer/Piore 1985[1971]: 50). 82 Diese Senioritätssysteme besitzen in den USA einen hohen Grad an rechtlicher Verbindlichkeit. Für einen Vergleich zwischen diesem und dem bundesdeutschen System siehe Sengenberger (1990). 83 Doeringer/Piore (1985[1971]) beziehen sich hier auf das US-amerikanische Prinzip der gewerkschaftlichen Vermittlung von Angebot und Nachfrage handwerklicher Berufe im so genannten craftssystem: „the geographical and occupational jurisdiction of the local union generally defines the boundaries of the market“ (ebd.: 4). Der Zugang zu diesen Märkten ist aufgrund der erforderlichen beruflichen Ausbildung stärker eingeschränkt als der Zugang zu den firmenspezifischen internen Märkten. Besetzungsentscheidungen orientieren sich eher an Kriterien wie z. B. der Dauer der letzten Beschäftigung, der gesamten Berufserfahrung oder der Dauer der regionalen Zugehörigkeit (ebd.:
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3 Arbeitsmarkttheoretische Überlegungen
Die Gründe für die Entstehung (insbesondere firmenspezifischer) interner Arbeitsmärkte werden in dem Zusammenwirken von spezifischen Fähigkeiten, On-the-job-Training und betriebsspezifischen Gewohnheiten gesehen. Sowohl das Rekrutieren von Arbeitskräften mit bestimmten spezifischen Fähigkeiten als auch die (innerbetriebliche) Ausbildung spezifischer Fähigkeiten bedeuten für den Arbeitgeber einen hohen Kosteneinsatz.84 Eine längerfristige Bindung von Arbeitnehmern mit spezifischen Fähigkeiten kann sowohl diese Kosten senken als auch dazu beitragen, dass die Fähigkeiten dieser Arbeitnehmer an andere Arbeitskräfte weitergereicht werden. Diese Transmission von Fähigkeiten wird über formale Ausbildung der Arbeitnehmer durch erfahrene Arbeitskräfte, aber auch oft durch informelles Training-on-the-job gewährleistet. Je spezifischer die Fähigkeiten sind, desto kostengünstiger erscheint die informelle Weitergabe im Vergleich zur formalen Ausbildung.85 Training-on-the-job verlangt stabile Beschäftigungsverhältnisse, da nur durch das Ausschalten der direkten Konkurrenz der Arbeitnehmer untereinander die Bereitschaft zur Weitergabe spezifischer Fähigkeiten entsteht.86 Weiterhin macht Training-on-the-job ein Zusammenfassen von mehreren Arbeitsplätzen mit ähnlichem Anforderungsprofil zu Mobilitätsclustern sinnvoll. Eine geringfügige Erweiterung der Fähigkeiten eines Arbeitnehmers qualifiziert ihn dann für den Wechsel auf einen anderen Arbeitsplatz. Mit dem Durchlaufen mehrerer solcher Arbeitsplätze erhält der Arbeitnehmer eine relativ umfassende Ausbildung. Zusätzlich sind Arbeitgeber in der Lage, Informationen über die Fähigkeiten und das soziale Verhalten der Arbeitnehmer zu gewinnen und diese bei weiteren Besetzungsentscheidungen zu berücksichtigen. Neben solchen ökonomischen Einflussfaktoren lässt sich die Existenz interner Arbeitsmärkte auch durch die in einem Unternehmen entwickelten Gewohnheiten begründen. Gewohnheiten („customs“) sind „an unwritten set of rules based largely upon past practice or precedent” (Doeringer/Piore 1985[1971]: 23). Beispiele hierfür sind Absprachen zwischen Management und Belegschaft über Stellenbesetzungen, Überstunden oder Lohnsätze. Verstöße 55). Arbeitnehmer werden aufgrund der genannten Kriterien in bestimmte Kategorien eingeteilt und offene Stellen immer mit Arbeitnehmern aus der am meisten bevorzugten Kategorie besetzt. 84 Je spezifischer die vom Arbeitgeber gewünschte Fähigkeit ist, desto aufwendiger wird die Auswahl geeigneter Kandidaten, da hier z. B. standardisierte Einstellungstests nicht mehr eingesetzt werden können. Ebenso sinkt mit steigender Spezifität der Fähigkeit die Bereitschaft des Arbeitnehmers, sich an den Kosten der Ausbildung zu beteiligen, da sich diese spezifischen Fähigkeiten nur sehr bedingt in anderen Unternehmen einsetzen lassen. 85 Formale Ausbildungen besitzen im Gegensatz zu informellen Ausbildungsprozessen Fixkosten, wodurch gerade bei der Ausbildung von sehr spezifischen Fähigkeiten, die nur von wenigen Arbeitnehmern beherrscht werden müssen, relativ hohe Gesamtkosten entstehen würden. 86 Brandes/Buttler (1988) sprechen in diesem Zusammenhang von der „Unvermeidbarkeit interner Arbeitsmärkte“, da nur solche Arbeitsmärkte ein kooperatives Verhalten der Vertragsparteien ermöglicht (vgl. auch Thurow 1978).
3.4 Segmentationstheoretische Ansätze
107
gegen die Gewohnheiten werden mit Sanktionen, z. B. mit einer Verringerung der Arbeitsintensität seitens der Arbeitnehmer, bestraft. Gewohnheiten erweisen sich gegenüber ökonomischen Veränderungen als relativ rigide, was die Stabilität der Strukturen und der Prozesse von internen Arbeitsmärkten erklärt. Die „personenbezogene Personalstabilisierung“ (Sengenberger 1987: 151) in firmenspezifischen internen Arbeitsmärkten führt aus Sicht des Unternehmens neben den genannten Vorteilen auch zu einigen Nachteilen. So sind die Reaktionsmöglichkeiten bezüglich Nachfrageschwankungen auf den Gütermärkten eingeschränkt: auf Änderungen des Arbeitskräfteangebots (z. B. durch eine generelle Erhöhung des Qualifikationsprofils auf dem außerbetrieblichen Arbeitsmarkt) kann nur bedingt reagiert werden, bei Neueinstellungen besteht das Risiko der Fehleinschätzung der Anpassungsfähigkeit des Arbeitnehmers. Die Nachteile, die dem Unternehmen durch die Schließung des internen Arbeitsmarktes entstehen, lassen sich zu einem großen Teil durch den Rückgriff auf Arbeitskräfte aus dem betriebsexternen Arbeitsmarkt kompensieren (vgl. z. B. Lutz 1987: 270f.). So können von den Arbeitsplätzen, die mit Arbeitnehmern aus dem externen Arbeitsmarkt besetzt werden, neue (zukünftig dauerhaft beschäftigte) Mitarbeiter rekrutiert werden. Weiterhin dienen solche Arbeitsplätze bzw. die entsprechenden Arbeitskräfte als Puffer im Falle einer schwankenden Nachfrage oder zur Senkung der Lohnkosten. Aus dieser Praxis heraus ergibt sich jedoch eine dauerhafte Spaltung der Belegschaft in eine Stammbelegschaft, die eine hohe Bindung an das Unternehmen besitzt, und eine Randbelegschaft, die einen wesentlich geringeren Bindungsgrad, d. h. eine geringere Beschäftigungssicherheit, aufweist. Neben dem geringeren Bindungsgrad sind Positionen in der Randbelegschaft durch geringere Qualifizierungs- und Aufstiegschancen, durch eine geringere Verhandlungsmacht und durch Tätigkeitsprofile, die sich von denen der Stammbelegschaft unterscheiden, gekennzeichnet. Insgesamt erscheint eine Teilung der Belegschaft aus Sicht des Unternehmens als ökonomisch sinnvoll, da so die durch die Stabilität der Beschäftigungsverhältnisse der Stammbelegschaft erzeugten Nachteile reduziert, die durch die Schließung des betriebsinternen Arbeitsmarktes erzeugten Vorteile hingegen voll genutzt werden können.87 Aus dem Blickwinkel dieser segmentationstheoretischen Argumentationslinien lassen sich befristete Beschäftigungsverhältnisse vorwiegend als Elemente des externen Arbeitsmarktes verstehen bzw. dem Bereich der Randbelegschaft zuordnen. Der rechtlich inferiore Beschäftigungsstatus dieser Arbeitsverhältnisse ermöglicht es den Unternehmen, die Nachteile, die mit der Schließung des inter87
Als mögliche Einflussgrößen auf den Grad der innerbetrieblichen Segmentierung nennt Sengenberger (1987) die Höhe der zeitlichen Stabilität der Nachfrage, die allgemeine Beschäftigungslage sowie die gesetzliche oder kollektivrechtliche Gestaltung des Beschäftigungsschutzes.
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3 Arbeitsmarkttheoretische Überlegungen
nen Arbeitsmarktes verbunden sind, erheblich zu reduzieren. Allerdings ist dennoch zu erwarten, dass die Effekte befristeter Beschäftigungsverhältnisse heterogen ausfallen, da sie innerhalb des externen Segments verschiedene Funktionen erfüllen. Für Arbeitnehmer, die befristete Arbeitsplätze besetzen, sind dann sowohl Chancen als auch Risiken denkbar. Chancen auf einen Einstieg in einen firmenspezifischen internen Arbeitsmarkt (und den daraus resultierenden Vorteilen der relativen Stabilität der Beschäftigung sowie der administrativ geregelten Aufstiegs- und Entlohnungsprozesse) bieten Arbeitsplätze mit Befristungen dann, wenn sie tatsächlich als „port of entry“ zu klassifizieren sind. Hier wird dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gegeben, durch den Beweis seiner Fähigkeiten und Kompetenzen in eine dauerhafte Beschäftigung zu wechseln. Ein erfolgreicher Wechsel aus einer befristeten in eine unbefristete Stelle sollte für den Arbeitnehmer demzufolge mit einer deutlichen Stabilisierung der Erwerbskarriere sowie mit überdurchschnittlichen Entlohnungschancen verbunden sein. Dienen befristete Stellen dagegen nicht dem Zwecke der Erprobung eines zukünftigen Mitarbeiters, sondern vielmehr der reinen Kostensenkung, ergeben sich deutlich höhere Risiken für die Erwerbskarrieren der in diesen Stellen beschäftigten Arbeitnehmer. Da die Umwandlung des befristeten Vertrages in eine dauerhafte Beschäftigung in solchen Stellen von vornherein ausgeschlossen ist, weisen diese Arbeitskräfte ein erhöhtes Arbeitslosigkeitsrisiko auf. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie über eine nur sehr schwache Arbeitsmarktstellung verfügen, wie etwa im Falle von niedrigqualifizierten Arbeitskräften. Für diesen Personenkreis ist zu erwarten, dass die individuellen Erwerbskarrieren durch wiederholte Wechsel zwischen befristeten Beschäftigungsverhältnissen einerseits und Phasen der Arbeitslosigkeit andererseits gekennzeichnet sind und somit massive Instabilitäten aufweisen. Insgesamt tragen befristete Stellen, die nicht der Erprobung neuer Mitarbeiter dienen, daher ein erhöhtes Risiko, Arbeitnehmer dauerhaft von den Prozessen und Vorteilen firmenspezifischer interner Märkte auszuschließen. Weiterhin sollten sich befristete Beschäftigungsverhältnisse auch in berufsspezifischen Arbeitsmärkten finden lassen, da die Arbeitgeber in solchen Märkten nur auf eine bestimmte Kategorie von Arbeitskräften, nicht jedoch auf einzelne Arbeitnehmer angewiesen sind. Vor allem die zeitlich befristete Einstellung von hoch qualifizierten Arbeitskräften ist hier wahrscheinlich. Solche Arbeitskräfte werden oft nur für bestimmte Aufgaben oder Projekte rekrutiert, da ihre Qualifikation nach Beendigung dieser Aufgabe (zunächst) nicht weiter benötigt wird. Eine längerfristige Bindung an die einzelne Arbeitskraft wäre in solchen Fällen aus Sicht des Unternehmens nicht sinnvoll. Es ist daher zu erwarten, dass die Erwerbskarrieren hoch qualifizierter Arbeitskräfte überdurchschnittlich häufig durch eine Abfolge von verschiedenen befristeten Arbeitsver-
3.5 Die Theorie offener und geschlossener Positionen
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hältnissen gekennzeichnet sind, die insbesondere aufgrund häufiger Arbeitgeberwechsel zu erklären ist. Befristete Beschäftigungsverhältnisse können für solche Arbeitskräfte demnach eine adäquate Form der Verwertung ihres Humankapitals ermöglichen. Insofern weisen die Erwerbskarrieren solcher Beschäftigten zwar eine gewisse Instabilität auf, jedoch ist diese weniger durch Wechsel zwischen Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit als vielmehr durch Wechsel zwischen zeitlich befristeten Tätigkeiten geprägt. Befristete Beschäftigungsverhältnisse erscheinen für diesen Personenkreis daher als weniger problematisch. Die Einschätzung der arbeitnehmerseitigen Chancen und Risiken, die befristete Arbeitsplätze hervorrufen, ähnelt im Wesentlichen der im vorherigen Abschnitt dargestellten Analyse: Befristungen können als Chance für einen Eintritt in einen betriebsinternen Arbeitsmarkt, aber auch als Element der Spaltung dieses Marktes angesehen werden. Sollten sich empirisch Folgewirkungen befristeter Arbeitsverträge in dem Sinne zeigen, dass sie weitere Befristungen nach sich ziehen, muss von einem systematischen Ausschluss der auf diesen Positionen befindlichen Arbeitnehmern von den betriebsinternen Arbeitsmärkten, mit all den verbundenen Nachteilen (geringere Beschäftigungssicherheit, geringere Entlohnung, geringere bzw. keine Aufstiegsmöglichkeiten), ausgegangen werden. Jedoch lassen beide Ansätze vermuten, dass die Folgen befristeter Beschäftigungsverhältnisse stark mit dem Qualifikationsniveau der Arbeitskräfte variieren. Negative Folgen befristeter Beschäftigungsverhältnisse können insbesondere für niedrigqualifizierte Personen erwartet werden, da diese Arbeitnehmer weder typische Kandidaten für interne Arbeitsmärkte sind noch über ausreichend verwertbares allgemeines Humankapital verfügen, das es ihnen erlauben würde, ohne größere Probleme zwischen einzelnen Arbeitgebern zu wechseln. Hochqualifizierte, die ebenfalls eine erhöhte Befristungswahrscheinlichkeit aufweisen sollten, hingegen sind stärker in der Lage, ihr allgemeines Humankapital in befristeten Projekttätigkeiten umzusetzen. Sie weisen deshalb vermehrt Erwerbskarrieren auf, die durch die Abfolge einzelner befristeter Beschäftigungsverhältnisse gekennzeichnet sind, ohne jedoch mit negativen sozio-ökonomischen Folgen für die Arbeitnehmer verbunden zu sein. Solche Erwerbsmuster, die durch häufige Arbeitgeberwechsel geprägt sind, können im Gegenteil sogar zu überdurchschnittlichen Arbeitsmarkterfolgen führen.
3.5 Die Theorie offener und geschlossener Positionen In Anlehnung an Webers Unterscheidung von offenen und geschlossenen Beziehungen (Weber 1980) betont Sørensen (Sørensen 1977, 1983, 2000, 2000; Sørensen/Kalleberg 1981) die Unterscheidung zwischen offenen und geschlosse-
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3 Arbeitsmarkttheoretische Überlegungen
nen Positionen. „Positions will be referred to as closed when they are available only when vacated by the previous incumbent. […] In contrast, incumbents of positions in open position systems can be replaced at any moment in time [...]“ (Sørensen 1983: 206). Der zentrale Unterschied zwischen offenen und geschlossenen Positionen liegt demnach im Grad der Zugänglichkeit: Während offene Positionen jederzeit neu besetzt werden können, liegt im Falle geschlossener Positionen die Zugangskontrolle einzig und allein bei den aktuellen Stelleninhabern. Wird das Konzept der geschlossenen und offenen Positionen auf den Arbeitsmarkt angewendet, stehen geschlossene Positionen für Beschäftigungsverhältnisse, die nur dann neu besetzt werden können, wenn der Stelleninhaber diese Position freiwillig räumt. Offene Positionen sind hingegen solche Beschäftigungsverhältnisse, bei deren Neubesetzung das Einverständnis des Stelleninhabers nicht benötigt wird – sie können jederzeit geräumt werden. Es liegt nahe, dieses Konzept auf den Fall befristeter Beschäftigungsverhältnisse anzuwenden, wobei befristete Stellen eher dem Idealtypus der offenen Positionen entsprechen, während unbefristete Stellen eher als geschlossene Positionen zu verstehen sind.88 Drei grundlegende Unterschiede zwischen Systemen geschlossener und Systemen offener Positionen lassen sich herausarbeiten.89 Erstens stehen in Systemen geschlossener Positionen die einzelnen Positionen in einer wechselseitigen Beziehung zueinander (z. B. in Form von zu durchlaufenden Ausbildungsstellen). Ein adäquates Umsetzen der mit einer geschlossenen Position verbundenen Funktion ist dann eine wesentliche Voraussetzung für das optimale Wirken des gesamten Systems. Geschlossene Positionen können somit nach ihrer Einrichtung nicht ohne weiteres wieder abgeschafft werden, sie existieren quasi unabhängig von Personen. Wird eine geschlossene Position von dem bisherigen Stelleninhaber geräumt, bleibt sie als Position erhalten und ist daher bis zu einer Neubesetzung vakant. In Systemen offener Positionen stehen die einzelnen Positionen dagegen in keinerlei Beziehung zueinander. Sie werden bei Bedarf und für den zur Erfüllung der mit ihr verbundenen Funktion notwendigen Zeitraum neu geschaffen, können aber nach Erfüllung ihrer Funktion sofort wieder abgeschafft werden (was zur Entlassung des Positionsinhabers führt). Zweitens ist die Besetzung einer geschlossenen Position im Gegensatz zu der Besetzung einer offenen 88
Der Grad der Geschlossenheit unbefristeter Beschäftigungsverhältnisse hängt in starkem Maße von der Existenz und dem Wirken institutioneller Arrangements wie beispielsweise den Regelungen zum Kündigungsschutz ab. Je stärker solche Institutionen den Stelleninhaber vor einer unfreiwilligen Räumung seiner Position schützen, desto geschlossener ist die Position. Auf die Wirkung solcher institutionellen Rahmenbedingungen wird insbesondere in Kapitel 4 eingegangen. 89 Im Nachfolgenden wird das Konzept der offenen und geschlossenen Positionen ausschließlich auf den Arbeitsmarkt bezogen diskutiert. Das Konzept ist jedoch auch auf andere Bereiche anwendbar, so z. B. auf Prozesse im Bildungssystem (Sørensen 1979).
3.5 Die Theorie offener und geschlossener Positionen
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Position für Arbeitgeber mit einer erheblichen Unsicherheit über die Besetzungsdauer verbunden, da eine spätere Neubesetzung nur dann erfolgen kann, wenn der Stelleninhaber die Position freiwillig räumt. Kommt es zu einem Produktivitätsabfall des Stelleninhabers oder weisen andere Stellenkandidaten eine höhere Produktivität als der gegenwärtige Stelleninhaber auf, kann eine Korrektur dieser ineffizienten Situation nur dann erfolgen, wenn der Stelleninhaber die Position freiwillig räumt.90 In Systemen offener Positionen hingegen lassen sich Stellen jederzeit problemlos neu besetzen, so dass etwaige Fehlanpassungen sofort korrigiert werden können. Drittens schließlich weichen die Allokationsmechanismen geschlossener Positionen von denen offener Positionen deutlich ab. Während die Besetzungen offener Positionen auf rein marktlichen Austauschbeziehungen beruhen und damit der Vorstellung der neo-klassischen Arbeitsmarkttheorie entsprechen, verläuft die Allokation in geschlossenen Positionen gerade nicht über den Lohnsatz, sondern vielmehr über nicht-preisliche Mechanismen. Da sich aufgrund der zeitlichen Beständigkeit und der Interdependenz geschlossener Positionen insgesamt nur wenige vakante Positionen und wenige geeignete Kandidaten gegenüberstehen, verläuft die Besetzung geschlossener Positionen nach dem Vakanz-Wettbewerb-Modell (vacancy competition, siehe z. B. Sørensen 1977) und somit nicht nach den Vorstellungen des neoklassischen Lohnwettbewerbsmodells. Im Modell des Vakanz-Wettbewerbs werden sowohl die Gelegenheitsstruktur des Systems (opportunity structure), die das Entstehen von Vakanzen beschreibt und somit auch ein Maß für die im System inhärente Ungleichheit darstellt, als auch die Folgen, die die Bildung von Kandidatenrangfolgen für die Besetzung einer Position hat, berücksichtigt.91 Insbesondere aufgrund des spezifischen, von den Vorhersagen des neoklassischen Modells abweichenden Allokationsmusters, ist davon auszugehen, dass in geschlossenen Positionen ein wesentlich stärkerer Zusammenhang zwischen individuellen Merkmalen der Stelleninhaber und der Höhe der Entlohnung zu finden ist als etwa in offenen Positionen. Da es bei der Neubesetzung geschlossener Positionen für Arbeitgeber auf Grund der Unsicherheit über die tatsächliche Besetzungsdauer sehr wichtig ist, die zukünftige Produktivität des Arbeitnehmers richtig einschätzen zu können, gewinnen bei Besetzungsentscheidungen solche Produktivitätssignale an Bedeutung, mittels derer versucht werden kann, vorherzusagen, ob ein Arbeitnehmer die an ihn gestellten Erwartungen ausreichend erfüllen wird. Neben Alter, Geschlecht und Ethnie sind insbesondere 90
Dies setzt allerdings genügend Anreize für den Stelleninhaber voraussetzt, die Position zu verlassen, wie beispielsweise der Erhalt von Abfindungszahlungen oder das Wechseln auf eine aus Sicht des Stelleninhabers lukrativere Position. 91 Hierbei rekurriert Sørensen vor allem auf Arbeiten von Thurow (1976), Williamson (1975) und White (1970).
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3 Arbeitsmarkttheoretische Überlegungen
Bildungstitel wichtige Indikatoren, die von Arbeitgebern dazu benutzt werden, die zukünftige Produktivität der Stellenbewerber abzuschätzen. Damit werden jedoch solche askriptiven Merkmale der Arbeitnehmer zu wichtigen Determinanten der Lohnfindung und der Karrieremobilität. „There is, in other words, a potential for inequality of opportunity and discrimination inherent in the allocation of people to vacancies in closed position systems, not present in open position systems – where competition eliminates discrimination” (Sørensen 1983: 210). Weiterhin kann es gerade in geschlossenen Positionen dazu kommen, dass Produktivität und Entlohnung nicht immer im Einklang stehen (Sørensen 2000). Zum einen sind die Löhne in geschlossenen Positionen nicht direkt durch die Leistung des Stelleninhabers, sondern vielmehr durch die Position selbst festgelegt. Zum anderen können Arbeitnehmer mit schlechten Leistungen nicht entlassen werden, da sie es sind, die entscheiden, wann sie die Position verlassen. Inhaber geschlossener Positionen sind demnach in der Lage positionale Renditen zu erzielen, wenn und insoweit ihre Löhne über dem Äquivalent ihrer Produktivität liegen. Kombiniert mit dem spezifischen Allokationsmechanismus ergibt sich somit ein enger Zusammenhang zwischen askriptiven Merkmalen und positionalen Renditen in geschlossenen Positionen. Werden nun befristete Arbeitsverträge als ein Mittel zur Öffnung relativ geschlossener Positionen (Stellen mit unbefristeten Arbeitsverträgen) verstanden, sollten sich zwischen befristeten und unbefristeten Stellen deutliche Unterschiede in den jeweiligen Allokations- und Lohndeterminationsprozessen finden lassen. Es ist zu erwarten, dass sich die Besetzung befristeter bzw. unbefristeter Stellen sowie die mit ihnen verbundenen Gratifikationen in mindestens zwei zentralen Mechanismen voneinander unterscheiden. Erstens ist davon auszugehen, dass aufgrund der deutlich reduzierten Beschäftigungssicherheit in befristeten Beschäftigungsverhältnissen askriptive Merkmale für das Erreichen von höherwertigen Positionen (im Sinne von Lohn oder Status) an Bedeutung verlieren. Da es Arbeitgebern durch die zeitliche Befristung von Arbeitsverträgen möglich ist, sich ohne größere Kosten nach Ablauf des Vertrages von Arbeitnehmern mit unzureichender Produktivität zu trennen, ist zu erwarten, dass insbesondere solche Merkmale, die den Arbeitgebern als Produktivitätssignal dienen, bei der Besetzung einer befristeten Stelle für die Entscheidung des Arbeitgebers im Vergleich zu der Besetzung einer unbefristeten Stelle unwichtiger werden. Insofern kann angenommen werden, dass in befristeten Stellen (zumindest in einem gewissen Ausmaße) eine „Entstrukturierung“ sozialer Ungleichheit zu beobachten ist, da bestimmte „klassische“ Ungleichheitsmerkmale (wie etwa Bildungstitel, Ethnie, Alter oder Geschlecht) im Allokations- bzw. Lohndeterminationsprozess in diesen Stellen weniger bedeutsam sind als bei der Besetzung unbefristeter Positionen. Aus dieser Perspektive würden befristete Beschäfti-
3.6 Zusammenfassung
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gungsverhältnisse demnach zu einem Abbau sozial strukturierter Ungleichheit beitragen. Darüber hinaus kann zweitens angenommen werden, dass in befristeten Stellen die Produktivität des Stelleninhabers und die mit der Stelle verbundene Entlohnung stärker im Einklang stehen als etwa in unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen. Letztere sind aufgrund der mit ihnen verbundenen erhöhten Beschäftigungssicherheit als eher geschlossene Positionen zu verstehen, die es ihren Inhabern ermöglichen, positionale Renditen, d. h. über ihrem Produktivitätsäquivalent liegende Löhne zu erzielen. In befristeten Beschäftigungsverhältnissen hingegen schränkt die reduzierte Beschäftigungssicherheit die Möglichkeit der Generierung positionaler Renditen erheblich ein. Es ist daher zu erwarten, dass die positionalen Renditen in befristeten Stellen insgesamt weitaus geringer ausfallen als in unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen. Dies sollte sich darin zeigen, dass die in befristeten Stellen zu erzielende Entlohnung durchschnittlich niedriger ausfällt als in unbefristeten Stellen.
3.6 Zusammenfassung Die vorangegangene Betrachtung befristeter Beschäftigungsverhältnisse aus der Sicht verschiedener Arbeitsmarkttheorien lässt sich in vier wesentlichen Punkten zusammenfassen. Erstens hat die Diskussion der theoretisch zu erwartenden sozioökonomischen Konsequenzen befristeter Beschäftigung deutlich gemacht, dass solche Arbeitsverhältnisse mit ernstzunehmenden Risiken verbunden sein können. So lassen sich aus nahezu allen theoretischen Ansätzen Lohneinbußen in befristeten Stellen erwarten, die aus der geringeren Beschäftigungssicherheit befristeter Arbeitsverhältnisse heraus resultieren. Befristet Beschäftigte erhalten demzufolge unabhängig von sonstigen arbeitsplatzbezogenen Merkmalen oder von lohnrelevanten individuellen Eigenschaften geringere Löhne als unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer. Weiterhin ist damit zu rechnen, dass von befristeten Stellen ein erhöhtes Arbeitslosigkeits- und/oder Wiederbefristungsrisiko ausgeht. Befristete Beschäftigungsverhältnisse können daher als Element der Destabilisierung von Erwerbskarrieren bzw. als Element einer Verfestigung der Arbeitsmarktspaltung verstanden werden. Auch hier gilt die Annahme, dass befristete Beschäftigungsverhältnisse zu einem strukturellen Nachteil führen, der sich nicht durch mögliche individuelle oder sonstige arbeitsplatzbezogene Unterschiede zwischen der Gruppe der befristet Beschäftigten und der Gruppe der unbefristet Beschäftigten erklären lässt. Zweitens deutet einiges darauf hin, dass die sozio-ökonomischen Konsequenzen befristeter Beschäftigungsverhältnisse in erheblichem Ausmaße von der
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3 Arbeitsmarkttheoretische Überlegungen
jeweiligen Einsatzlogik beeinflusst werden, weshalb von einer gewissen Heterogenität der Effekte befristeter Beschäftigungsverhältnisse auszugehen ist. So dürften negativen Folgen hauptsächlich für Befristungen, die mit der Funktion „Kostenersparnis“ verbunden sind, zu finden sein. Die Arbeitskräfte auf solchen befristeten Stellen erzielen nicht nur unterdurchschnittliche Löhne, sondern besitzen auch ein deutlich erhöhtes Risiko, nach Ablauf des Vertrages arbeitslos zu werden. Gleichzeitig erhöht sich damit die Wahrscheinlichkeit, dass diese Arbeitnehmer weiterhin nur befristete Stellen erhalten. Insbesondere segmentationstheoretische Überlegungen legen den Schluss nahe, dass hier durch die Befristung des Arbeitsvertrages die Gefahr der Herausbildung einer äußerst instabilen Erwerbskarriere besteht. Die betroffenen Arbeitnehmer wären dann dauerhaft von stabilen Beschäftigungs-, Aufstiegs- und Entlohnungsmöglichkeiten ausgeschlossen. Dienen befristete Stellen hingegen der Erprobung neuer Mitarbeiter, ist davon auszugehen, dass die Arbeitnehmer zwar während der Erprobungsphase ebenfalls geringere Löhne erhalten und ein überdurchschnittlich hohes Arbeitslosigkeitsrisiko aufweisen. Diese Nachteile sollten jedoch bei einem erfolgreichen Wechsel auf eine Dauerstelle vollständig ausglichen werden. Dies würde insbesondere bedeuten, dass befristete Probestellen (zumindest im Falle einer Übernahme) keine mittel- und langfristigen Folgen für die Erwerbskarrieren der Arbeitnehmer hätten. Schließlich kann angenommen werden, dass Beschäftigte in befristeten Projekttätigkeiten durch diese Arbeitsform möglicherweise sogar profitieren können. Dies trifft vor allem auf die Tätigkeiten von Hochqualifizierten zu, die durch diese Beschäftigungsform und den damit verbundenen häufigen Arbeitgeberwechsel die Möglichkeit erhalten, ihr Humankapital optimal verwerten zu können. Befristete Beschäftigungsverhältnisse sind hier ein typischer Bestandteil der individuellen Erwerbskarrieren und bieten den Arbeitskräften sogar die Möglichkeit überdurchschnittliche Entlohnungen zu erzielen. Drittens ist zu erwarten, dass die Zuweisung von Personen auf befristete Stellen nicht rein zufällig, sondern vielmehr nach systematischen Mustern erfolgt. So lässt sich vermuten, dass bestimmte individuelle Merkmale wie etwa das Qualifikationsniveau, die Wahrscheinlichkeit beeinflussen, dass Arbeitnehmer (nur) befristet beschäftigt werden. Dies folgt unter anderem aus der humankapitaltheoretischen Überlegung, dass sich das Flexibilisierungsinteresse der Arbeitgeber auf diejenigen Arbeitnehmer richtet, die relativ leicht vom externen Arbeitsmarkt zu rekrutieren sind und deren Einarbeitung keine oder nur geringe Kosten verursacht. Daher ist zu vermuten, dass Arbeitnehmer mit nur geringer Qualifikation oder mit allgemeinem Humankapital ein erhöhtes Befristungsrisiko aufweisen. Da davon ausgegangen wird, dass mit der Befristung des Arbeitsvertrages mitunter eine erhebliche sozio-ökonomische Schlechterstellung verbunden sein kann, würde ein solcher Zuweisungsprozess auf die systematische
3.6 Zusammenfassung
115
Verteilung nachteiliger Positionen auf bestimmte Arbeitsmarktgruppen hindeuten. Viertens wurde durch die vorangegangene Theoriediskussion deutlich, dass sich die verschiedenen arbeitsmarkttheoretischen Ansätze hinsichtlich ihrer Fähigkeit, Aussagen über befristete Arbeitsverhältnisse zu treffen, in einem nicht unerheblichen Maße unterscheiden. Dabei sind zwei Gesichtspunkte besonders hervorzuheben. Zum einen fällt auf, dass sich zwar aus allen Ansätzen Hypothesen zu den Lohneffekten befristeter Beschäftigung ableiten lassen, direkte Aussagen über Folgen für die Erwerbskarriere der Arbeitnehmer oder über den Zuweisungsprozess auf befristete Stellen jedoch nur bei einigen dieser Ansätze möglich sind. Während sich ein erhöhtes Arbeitslosigkeitsrisiko von befristet Beschäftigten wohl immer auch indirekt mit Hinweis auf die geringere Beschäftigungssicherheit befristeter Stellen ableiten lässt, sind theoretische Begründungen für „Befristungsketten“ und deren Folgen sowie für die systematische Besetzung befristeter Stellen jedoch nur in der Humankapitaltheorie, in der Kontrakttheorie sowie in den segmentationstheoretischen Ansätzen zu finden. Zum anderen ist es nur bei einigen der Ansätze möglich, die unterschiedlichen Funktionen befristeter Beschäftigungsverhältnisse in die theoretischen Überlegungen einzubeziehen. Von diesen Ansätzen wiederum sind einzig die sementationstheoretischen Modelle in der Lage, die Einsatzlogik befristeter Beschäftigungsverhältnisse in einer angemessenen Form zu berücksichtigen. Befristete Beschäftigungen erscheinen hier als typisch für bestimmte Segmente des Arbeitsmarktes. Innerhalb der segmentierten Arbeitsmarktstruktur erfüllen sie exakt bestimmbare Aufgaben, sei es als typisches Beschäftigungsverhältnis des oberen primären bzw. des sekundären Segments oder als ein Beschäftigungsverhältnis auf dem externen Arbeitsmarkt, das der Stabilisierung der Beschäftigung in den internen Märkten dient. Im Vergleich der theoretischen Ansätze untereinander erweisen sich somit die segmentationstheoretischen Ansätze insgesamt als besonders ertragreich, da aus ihnen sowohl Aussagen über aktuelle und zukünftige Folgen befristeter Beschäftigung als auch deren Differenzierung nach der jeweiligen Funktion der befristeten Stellen möglich sind.
3.6 Zusammenfassung
117
4 Befristete Beschäftigung und der Einfluss institutioneller Rahmenbedingungen: Deutschland und Großbritannien im Vergleich
In diesem Kapitel soll der Frage nachgegangen werden, ob befristete Beschäftigungsverhältnisse in modernen Industriegesellschaften die gleichen Konsequenzen nach sich ziehen oder ob sich vielmehr länderspezifische Effekte befristeter Beschäftigung erwarten lassen. Drei Gründe sprechen für Letzteres. Erstens existieren mitunter gravierende Unterschiede in den Institutionen, die die Einsatzmöglichkeiten befristeter Beschäftigung regulieren (wie etwa gesetzliche Vorschriften oder kollektive Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften). Die Regulierung des Einsatzes befristeter Beschäftigungsverhältnisse hat hierbei nicht nur einen starken Einfluss auf die tatsächliche Verbreitung befristeter Beschäftigung, sondern auch auf deren sozioökonomische Konsequenzen. So sollte etwa eine Einschränkung oder gar das Verbot von Abschlüssen sukzessiv aufeinander folgender befristeter Arbeitsverträge das Risiko von „Befristungskarrieren“ deutlich reduzieren. Ebenso ist zu erwarten, dass ein gesetzlich festgeschriebenes Diskriminierungsverbot befristet beschäftigter Arbeitnehmer dazu führt, dass sich die Einkommens- und Karrierechancen zwischen befristet und unbefristet Beschäftigten stärker angleichen oder sich überhaupt nicht mehr systematisch voneinander unterscheiden. Institutionelle Unterschiede zwischen nationalen Arbeitsmärkten bestehen zweitens hinsichtlich des Grades der Beschäftigungssicherheit, die die unbefristeten Stellen aufweisen. Die arbeitsmarkttheoretischen Überlegungen zu den sozioökonomischen Konsequenzen befristeter Beschäftigung legen den Schluss nahe, dass die Effekte der Befristung durch die Höhe des Bestandsschutzes unbefristeter Stellen nachhaltig beeinflusst werden. Dabei übernimmt der Grad der Beschäftigungssicherheit regulärer Stellen eine Art Referenzfunktion: Je größer die institutionelle Beschäftigungssicherheit in solchen Stellen ausfällt, desto stärker werden sich die individuellen Arbeitsmarktchancen der Arbeitnehmer in befristeten Stellen von denen in unbefristeten Stellen unterscheiden. Drittens lassen sich Länderunterschiede gewöhnlich auch hinsichtlich der Struktur der nationalen Bildungssysteme feststellen. Die Struktur eines Bildungssystems hat jedoch erhebliche Folgen für die Muster individueller Erwerbskarrieren, so dass institutionelle Unterschiede in diesem Bereich auch zu
118
4 Der Einfluss institutioneller Rahmenbedingungen
unterschiedlichen Regimes intragenerationaler Mobilität führen. Vor diesem Hintergrund ist zu vermuten, dass die Konsequenzen befristeter Beschäftigungsverhältnisse ebenfalls durch die Struktur des nationalen Bildungssystems sowie durch die länderspezifisch ausfallende Verzahnung von Bildungssystem und Arbeitsmarkt beeinflusst werden. Die in dieser Studie untersuchten Länder, Deutschland und Großbritannien, unterscheiden sich ganz erheblich hinsichtlich dieser drei genannten Bereiche. Diese Unterschiede sollten sich jedoch – so wird im Nachfolgenden argumentiert – auch in länderspezifischen Effekten befristeter Beschäftigung widerspiegeln.
4.1 Rechtliche Grundlagen befristeter Beschäftigungsverhältnisse Deutschland und Großbritannien unterscheiden sich sehr deutlich im Ausmaß der Restriktionen gegenüber dem Einsatz befristeter Beschäftigung. Während in Deutschland der Einsatz befristeter Beschäftigungsverhältnisse durch gesetzliche oder tarifvertragliche Regelungen legitimiert sein muss, finden sich in Großbritannien (zumindest bis zum Jahre 2002) kaum Restriktionen für Arbeitgeber, eine Stelle zeitlich befristet zu besetzen. Weiterhin hat es in Deutschland seit Mitte der achtziger Jahre eine Reihe gesetzgeberischer Maßnahmen gegeben, die die Zulässigkeit einer Befristung zunächst ausweiteten, dann aber wieder merklich einschränkten. In Großbritannien hingegen hat sich bis zum Jahre 2002, in dem Forderungen aus einer EU-Richtlinie in britisches Recht umgesetzt wurden, nur sehr wenig hinsichtlich der rechtlichen Grundlagen der Befristung von Arbeitsverhältnissen verändert. 4.1.1 Deutschland In Deutschland finden sich arbeitsrechtliche Regelungen zur Einsatzmöglichkeit befristeter Beschäftigung hauptsächlich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), im Beschäftigungsförderungsgesetz (BeschFG) von 1985, das bis zum Jahr 2000 mehrfach verlängert und im Jahre 1996 abgeändert wurde, sowie im Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG), das seit 2001 in Kraft ist. Durch die Verabschiedung des TzBfG wurde seitens des Gesetzgebers versucht, die bis dahin bestehende Parallelität des BGB und des BeschFG und die damit verbundene Unübersichtlichkeit bei Abschlüssen befristeter Verträge zu beseitigen. Da alle drei Gesetze für den in dieser Studie betrachteten Zeitraum maßgeblich waren, sollen sie im Folgenden ausführlicher beschrieben werden. Neben diesen rechtlichen Quellen existieren jedoch noch weitere gesetzliche Bestim-
4.1 Rechtliche Grundlagen befristeter Beschäftigungsverhältnisse
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mungen sowie tarifvertragliche Regelungen über den Einsatz befristeter Beschäftigung, auf die ebenfalls näher eingegangen werden soll. Rechtliche Regelungen nach dem BGB Die wesentlichen Vorschriften zum Arbeitsvertrag waren bis zum Inkrafttreten des TzBfG Anfang 2001 (siehe unten) in den §§ 620-628 BGB beschrieben. Der § 620 eröffnete die Möglichkeit einer zeitlichen Befristung (Abs. 1) oder einer zweckgebundenen Befristung. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes bedurfte die Befristung und deren Dauer der Angabe eines sachlichen Grundes, wenn sie zu einer Verletzung von bestehenden Arbeitnehmerschutzrechten (hauptsächlich: Kündigungsschutzgesetz oder gesetzlicher Kündigungsschutz besonderer Personengruppen92) führte. Die rechtlich anerkannten sachlichen Begründungen für befristete Arbeitsverträge sind in Abbildung 2 aufgeführt. Der Abschluss von „Kettenverträgen“, also der mehrmalige Abschluss befristeter Arbeitsverträge mit demselben Arbeitgeber war nach dem BGB gestattet, allerdings stiegen die Anforderungen an die sachliche Begründung (Schömann et al. 1995; Zimmermann 1997).
92
Zu diesen besonderen Personengruppen gehören (vgl. Zimmermann 1997: 65): Schwerbehinderte (§§ 12ff. SchwbG), werdende Mütter (§§ 9, 9a MuSchG), Mitglieder des Personal- und Betriebsrates (§ 15 KSchG) sowie Wehrpflichtige/ Zivildienstleistende (§ 2 ArbPlSchG).
120
4 Der Einfluss institutioneller Rahmenbedingungen
Befristung im Interesse des Arbeitnehmers
Erprobung des Arbeitnehmers – „befristete Probearbeitsverhältnisse“93
Befristung im Interesse des Arbeitgebers – Aufgaben von begrenzter Dauer – Aushilfen und einmalige Arbeitsaufgaben – Zurverfügungstellung von Mitteln durch die öffentliche Hand – Vertretungen – Saisonarbeitsverhältnis Spezifische Anforderungen einer Berufssparte – (v. a. Abwechslungsbedürfnis und Aktualitätsbezug) – Rundfunk/ Medien – Wissenschaft – Kunst – Sport – leitende Angestellte
Besonderheiten des Öffentlichen Dienstes – Hochschule – Schule – haushaltsrechtliche Vorschriften
Sonstige Befristungstatbestände – gerichtlicher bzw. außergerichtlicher Vergleich – sozialer oder betrieblicher Auslauftatbestand – Gefahr der altersbedingt nicht mehr ausreichenden Eignung
Abbildung 2: rechtlich anerkannte sachliche Gründe für Befristung nach BGB (Walwei 1990: 52) Regelungen nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz Mit der Verabschiedung des BeschFG im Jahre 1985 (BeschFG 85)94 wurden Abschlüsse von befristeten Arbeitsverträgen deutlich erleichtert. Das Gesetz wurde 1989 und 1994 ohne substantielle Änderungen verlängert.95 1996 wurde das BeschFG inhaltlich verändert. In dieser Fassung galt es bis Ende 2000.96
93
Da nach dem Kündigungsschutzgesetz der allgemeine Kündigungsschutz erst nach sechs Monaten Betriebszugehörigkeit bzw. in Betrieben mit mehr als fünf Mitarbeitern wirksam war, kam ein befristetes Probearbeitsverhältnis erst ab einer Dauer von sechs Monaten und in Betrieben mit mehr als fünf Mitarbeitern in Betracht. Mit der Änderung des Kündigungsschutzgesetzes durch das Beschäftigungsförderungsgesetz 1996 wurde die Mindestzahl der Mitarbeiter von fünf auf zehn erhöht (BGBl, Jahrgang 1996, Teil I, Seite 1476). Dies hatte unter anderem zur Folge, dass die Zahl der befristet Beschäftigten in Betrieben mit einer Beschäftigtenzahl zwischen 6 und 10 Mitarbeitern sank (Boockmann/Hagen 2001). Der Schwellenwert für die Gültigkeit des Kündigungsschutzgesetzes wurde von der sozialdemokratisch geführten Bundesregierung Ende 1998 wieder auf fünf gesenkt (BGBl, Jahrgang 1998, Teil I, Seite 3849), jedoch Anfang 2004 wieder auf zehn erhöht (vgl. auch Fußnote 114). 94 BGBl, Jahrgang 1985, Teil I, Seite 710 95 BGBl, Jahrgang 1989, Teil I, Seite 2406 bzw. BGBl, Jahrgang 1994, Teil I, Seite 1786 96 BGBl, Jahrgang 1996, Teil I, Seite 1478
4.1 Rechtliche Grundlagen befristeter Beschäftigungsverhältnisse
121
Das bis 1996 geltende BeschFG beinhaltete folgende Aspekte: § 1 erlaubte die Befristung eines Arbeitsvertrages mit einer Dauer von 18 Monaten, wenn x der Arbeitnehmer neu eingestellt wurde oder x der Arbeitnehmer im unmittelbaren Anschluss an die Berufsausbildung nur vorübergehend weiterbeschäftigt werden konnte, weil kein Arbeitsplatz für einen unbefristet einzustellenden Arbeitnehmer zur Verfügung stand. Die Dauer der Befristung konnte auf zwei Jahre erhöht werden, wenn es sich x um ein neu gegründetes Unternehmen (Arbeitgeber ist seit höchstens 6 Monaten erwerbstätig) oder x um ein Unternehmen mit 20 oder weniger Arbeitsnehmern ausschließlich Auszubildenden handelte. Die wichtigste mit der Verabschiedung des BeschFG verbundene Neuerung war die Möglichkeit, befristete Stellen auch ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes einzurichten. Allerdings war eine Befristung nach dem BGB, d. h. auf der Grundlage eines sachlichen Grundes, jedoch weiterhin möglich, so dass die beiden Rechtsquellen BGB und BeschFG nebeneinander bestanden. Im novellierten BeschFG von 1996 wurde die Zulässigkeit von Befristungen nochmals erweitert. Befristungen von Arbeitsverträgen waren nun generell möglich. Es entfielen die im alten BeschFG fixierten Einschränkungen bezüglich des Status eines Arbeitnehmers (Neueinstellung bzw. unmittelbarer Anschluss an Berufsausbildung). Weiterhin wurde die maximal mögliche Dauer einer Befristung allgemein auf zwei Jahre erhöht sowie eine höchstens dreimalige Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages bis zu einer Gesamtdauer von zwei Jahren ermöglicht. Für Arbeitnehmer, die das 60. Lebensjahr vollendet hatten, wurde die Möglichkeit einer Befristung des Arbeitsvertrages ohne eine Einschränkung der Befristungsdauer bzw. der Verlängerungsmöglichkeiten gesetzlich festgeschrieben. Um Substitutionseffekte oder Kettenarbeitsverträge mit nah aufeinander folgenden Befristungen des Arbeitsvertrages zu verhindern, sah das Gesetz vor, dass die Befristung „nicht zulässig [ist], wenn zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag oder zu einem vorhergehenden befristeten Arbeitsvertrag [...] mit demselben Arbeitgeber ein enger sachlicher Zusammenhang besteht. Ein solcher enger sachlicher Zusammenhang ist insbesondere anzunehmen, wenn zwischen den Arbeitsverträgen ein Zeitraum von weniger als vier Monaten liegt.“ (§ 1 Abs. 3 BeschFG 199697). Jedoch war es nach dem BeschFG 1996 97
Der Wortlaut dieser Einschränkung im alten BeschFG ist nahezu identisch.
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4 Der Einfluss institutioneller Rahmenbedingungen
möglich, eine Befristung ohne sachlichen Grund (nach BeschFG) an eine Befristung mit sachlichem Grund (z. B. nach BGB) anzuschließen. Die empirischen Studien zur Wirkung des BeschFG kommen insgesamt zu dem Schluss, dass sich weder die mit dem Gesetz verbundenen Hoffnungen erfüllt haben noch die in diesem Zusammenhang geäußerten Befürchtungen empirisch bestätigt werden konnten (Bielenski 1998). Das BeschFG führte weder zu einer nennenswerten Schaffung neuer Arbeitsplätze noch zu einer nachhaltigen Umwandlung von Dauerstellen in zeitlich befristete Positionen. Als bedeutsamster Effekt des BeschFG ist wohl die rechtstechnische Vereinfachung, die dieses Gesetz ermöglichte, anzusehen (ebd.: 65). Dies war freilich nicht die eigentliche Hauptintention des Gesetzgebers. Regelungen nach dem Gesetz über Teilzeit und befristete Arbeitsverträge Das Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG)98, das Anfang 2001 in Kraft trat, löste das BeschFG ab. Die Neufassung eines Gesetzes zum Umgang mit befristeter Beschäftigung war aufgrund einer EU-Direktive99 nötig geworden, die die Mitgliedsstaaten dazu aufgeforderte, die „Umsetzung der Mindeststandards für befristete Arbeitsverträge aus der Vereinbarung der europäischen Sozialpartner […] in nationales Recht bis zum 10. 6. 2001 zu gewährleisten“ (Rudolph 2000: 2). Das TzBfG fasst die Befristung nach sachlichem Grund und die ohne sachlichen Grund zusammen. Es werden explizit folgende sachliche Gründe für eine Befristung genannt: x nur vorübergehender betrieblicher Bedarf an der Arbeitskraft x Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern x Vertretung eines anderen Arbeitnehmers x Rechtfertigung der Befristung durch die Eigenart der Arbeitsleistung x Befristung zur Erprobung x Rechtfertigung der Befristung durch in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe x Verwendung von Haushaltsmittel, die für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind x Befristung beruht auf einem gerichtlichen Vergleich 98
BGBl, Jahrgang 2000, Teil I, S. 1966 Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft 1999 Nr. L 175 S.43)
99
4.1 Rechtliche Grundlagen befristeter Beschäftigungsverhältnisse
123
Die im TzBfG explizit genannten sachlichen Gründe für eine Befristung überschneiden sich sehr stark mit denen, die aus der Rechtsprechung zur Befristung auf der Grundlage des BGB (siehe Abbildung 2) Gültigkeit besaßen. Weitere sachliche Gründe sind möglich, müssen jedoch durch Rechtssprechung anerkannt sein. Gleichzeitig wurde durch das TzBfG festgelegt, dass für befristete Arbeitsverträge ausschließlich das TzBfG Gültigkeit besitzt, das BGB demnach keine Rechtsgrundlage für Befristungen mehr darstellt. Die Befristung ohne sachlichen Grund ist bis zu einer maximalen Gesamtdauer von 2 Jahren bei bis zu dreimaliger Verlängerung möglich. Generell wird die Möglichkeit einer Befristung ohne sachlichen Grund auf Neueinstellungen eingeschränkt, wodurch Kettenbefristungen verhindert werden sollen. Allerdings sind Befristungen mit sachlichem Grund, die auf Befristungen ohne sachlichen Grund folgen, vom TzBfG nicht ausgeschlossen. Mit dem Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt vom Dezember 2003 wurde zusätzlich die Möglichkeit der Befristung ohne sachlichen Grund bis zu einer maximalen Gesamtdauer von 4 Jahren für neu gegründete Unternehmen in das TzBfG aufgenommen.100 Wie bereits durch das BeschFG 1996 festgelegt, besteht bei älteren Arbeitnehmern die Möglichkeit, befristete Stellen ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes einzurichten, deren Gesamtdauer 2 Jahre übersteigt. Das hierfür maßgebende Alter wurde im TzBfG auf 58 Jahre festgelegt. Mit Inkrafttreten des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt Anfang 2003 wurde das entsprechende Alter auf 52 Jahre heruntergesetzt.101 Diese Regelung ist bis Ende 2006 befristet gültig. Weiterhin enthält das TzBfG ein Diskriminierungsverbot von befristet beschäftigten Arbeitnehmern: Befristet Beschäftigte dürfen wegen der Befristung des Arbeitsvertrages nicht schlechter behandelt werden als vergleichbare unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist durch sachliche Gründe zu rechtfertigen. Darüber hinaus sollen Arbeitgeber befristet Beschäftigte über freie Dauerarbeitsplätze informieren sowie dafür Sorge tragen, dass diese Arbeitnehmer an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen. Ob und inwieweit dieses gesetzlich festgeschriebene Diskriminierungsverbot tatsächlich zu einer Gleichstellung befristeter und unbefristeter Arbeitnehmer führt, ist bislang unklar. Die später präsentierten Ergebnisse der empirischen Analysen mögen erste Hinweise auf eine Missachtung dieses Verbotes seitens der Arbeitgeber geben, jedoch ist der zugrunde liegende Zeitraum zu kurz, um eine endgültige Evaluation vornehmen zu können.
100 101
BGBl, Jahrgang 2003, Teil I, S. 3002 BGBl, Jahrgang 2002, Teil I, S. 4619
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4 Der Einfluss institutioneller Rahmenbedingungen
Sonstige gesetzliche Regelungen Neben den Regelungen im BGB, im BeschFG bzw. im TzBfG finden sich im Zeitvertragsgesetz bzw. im Hochschulrahmengesetz, im Bundeserziehungsgeldgesetz und im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Vorschriften bezüglich einer Befristung des Arbeitsvertrages. Das Zeitvertragsgesetz von 1985 (geregelt im Hochschulrahmengesetz HRG §§57a-57f102) sah den Abschluss befristeter Arbeitsverträge mit wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeitern, Personal mit ärztlichen Aufgaben, Lehrkräften für besondere Aufgaben und wissenschaftlichen Hilfskräften vor. Die Befristung musste durch die Angabe eines sachlichen Grundes gerechtfertigt werden. Als Sachgründe zählten unter anderem Weiterbildung, Drittmittelfinanzierungen oder Ersteinstellungen (letzteres nur im Falle wissenschaftlicher oder künstlerischer Mitarbeiter). Eine Beschränkung der Befristungsdauer war nur bei Verbleib in derselben Hochschule gegeben. Mit der Änderung des HRG Anfang 2002103 entfiel die Notwendigkeit der Nennung von Sachgründen. Ebenfalls neu ist die Beschränkung der maximal möglichen Befristungsdauer auf 6 Jahre bei Nichtpromovierten sowie auf weitere 6 Jahre (im Bereich der Medizin auf 9 Jahre) bei Promovierten. Nach Ausschöpfung der maximal möglichen Befristungsdauer kann eine Befristung nur noch nach Maßgabe des TzBfG gerechtfertigt werden. Das Bundeserziehungsgeldgesetz104 sieht nach § 21 Abs. 1 einen sachlichen Grund für eine Befristung eines Arbeitsvertrages bei Vertretung „für Zeiten eines Beschäftigungsverbotes nach dem Mutterschutzgesetz, einer Elternzeit, einer auf Tarifvertrag, Betriebsvereinbarungen oder einzelvertragliche Regelungen beruhenden Arbeitsfreistellung zur Betreuung eines Kindes“. § 21 Abs. 2 erlaubt die Befristung über die Dauer der Vertretung hinaus, wenn die Befristung „notwendige Zeiten der Einarbeitung“ dient. Schließlich ermöglichte das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG)105 eine Befristung des Arbeitsvertrages, wenn sich der zu befristende Arbeitsvertrag „unmittelbar an einen mit demselben Verleiher geschlossenen Arbeitsvertrag anschließt“ (AÜG §3 Abs. 1 Nr.3). Mit Inkrafttreten des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt Anfang 2003 ist diese Möglichkeit nicht mehr gegeben.106
102
BGBl, Jahrgang 1985, Teil I, S. 1065 BGBl, Jahrgang 2002, Teil I, S. 693 BGBl, Jahrgang 2001, Teil I, S. 3359 105 BGBl, Jahrgang 1997, S. 714 106 BGBl, Jahrgang 2002, Teil I, S. 4618 103 104
4.1 Rechtliche Grundlagen befristeter Beschäftigungsverhältnisse
125
Tarifvertragliche Bestimmungen In der Mehrheit der zuvor besprochenen Gesetze wurde explizit festgehalten, dass mittels tarifvertraglicher Regelungen von den Gesetzesvorschriften abweichende Vereinbarungen über die Höchstdauer einer Befristung und die maximal mögliche Anzahl der Verlängerungen getroffen werden können. Da jedoch Tarifverträge im Gegensatz zu Gesetzen unterschiedliche Erscheinungsformen besitzen (z. B. aufgrund unterschiedlicher räumlicher Geltung), wird eine einheitliche Analyse erschwert. Büchtemann unterscheidet in seiner Untersuchung verschiedene Tarifverträge nach inhaltlichen Regelungen (Büchtemann 1989: A2). Dabei zeigt sich, dass in der Mehrheit der untersuchten tarifvertraglichen Bestimmungen eine relativ kurze Dauer (drei Monate und weniger) für Befristungen festgelegt war. Die Möglichkeit einer Wiederholung eines befristeten Beschäftigungsverhältnisses war nur in wenigen Verträgen explizit geregelt. Erstaunlich hierbei ist, dass die seitens der Arbeitgeberverbände so häufig geforderte Ausweitung der Befristungsmöglichkeiten (vgl. z. B. Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände 2000) offenbar auf dem Wege der kollektivvertraglichen Regelungen nicht oder nur sehr zaghaft umgesetzt wird, obwohl diese Möglichkeit explizit in den für die Befristung maßgeblichen Gesetzen vorgesehen ist. 4.1.2 Großbritannien Bezüglich der Regulierung des Einsatzes befristeter Beschäftigung ist das britische Arbeitsrecht als sehr liberal anzusehen. Im Gegensatz zu Deutschland existierten in Großbritannien bis zum Jahre 2002 keine gesetzlich festgeschriebenen Restriktionen im Hinblick auf Dauer und Erneuerung befristeter Arbeitsverträge (Fink 1999; OECD 1999, 2002; Schömann et al. 1998). Das Abschließen von Kettenarbeitsverträgen war deshalb leicht möglich. Die einzige Regelung, die sich im Hinblick auf die Befristung von Arbeitsverträgen im britischen Arbeitsrecht finden ließ, ist die im Employment Protection Consolidation Act von 1978 (EPCA) festgelegte Vorschrift, dass ein ursprünglich auf weniger als einen Monat eingerichteter Vertrag nach einer tatsächlichen Laufzeit von mehr als drei Monaten in einen unbefristeten Vertrag umgewandelt werden kann (Schömann et al. 1998: 69). Da britische Arbeitnehmer in unbefristeten Stellen sich jedoch erst nach einem Jahr Beschäftigungsdauer überhaupt für den gesetzlichen Kündigungsschutz qualifizieren107, ist diese gesetzliche Regelung wohl kaum als Restriktion gegenüber der Einrichtung befristeter Arbeitsverträge zu verstehen. In diesem Zusammenhang darf die Äquivalenzfunktion von regulären 107
Zwischen 1985 und 1999 lag diese Qualifizierungsdauer sogar bei zwei Jahren, s. dazu 4.2.2.
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4 Der Einfluss institutioneller Rahmenbedingungen
Arbeitsverträgen zu befristeten Verträgen nicht übersehen werden (Schömann et al. 1998: 69f.): da sich Arbeitnehmer erst nach einem Jahr für den gesetzlichen Kündigungsschutz qualifizieren, ist eine Befristung zur Erprobung eines neu eingestellten Arbeitnehmers nur dann sinnvoll, wenn die Probephase tatsächlich länger als ein Jahr währen soll. Mit der Verabschiedung des Employment Act 2002 bzw. der Fixed-term Employees (Prevention of Less Favourable Treatment) Regulations 2002 wurde die in der EU-Direktive zur Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (siehe Fußnote 99) geforderte Nichtdiskriminierung befristet Beschäftigter in britisches Recht umgesetzt. Ab Oktober 2002 gilt damit eine Schlechterstellung eines befristet Beschäftigten gegenüber einem vergleichbaren unbefristet Beschäftigten als unzulässig, es sei denn, die Schlechterstellung kann objektiv gerechtfertigt werden.108 Weiterhin ist die Möglichkeit der Umwandlung einer befristeten in eine unbefristete Stelle vorgesehen, wenn der Arbeitnehmer zuvor bereits mindestens vier Jahre kontinuierlich beim selben Arbeitgeber befristet beschäftigt war und die Befristung nicht objektiv gerechtfertigt ist.109 Allerdings scheint diese Regelung nur bedingt geeignet zu sein, tatsächlich den Missbrauch durch aufeinander folgende Befristungen zu verhindern (wie in der EU-Direktive gefordert), da sie explizit die kontinuierliche Beschäftigung sowie das Fehlen der objektiven Rechtfertigung als Bedingung für eine Umwandlung nennt. So kann bereits eine kurze Unterbrechung der Beschäftigung zwischen Ende der alten und Anfang der neuen befristeten Stelle zur Folge haben, dass die erneute Befristung rechtmäßig ist.110 Kollektivvertragliche Vereinbarungen können vom Gesetz abweichende Regelungen treffen, indem sie a) die maximal zulässige Dauer der kontinuierlichen Beschäftigung und/oder b) die maximale Anzahl von Folgebefristungen und/oder c) objektive Gründe für die Verlängerung befristeter Verträge spezifizieren. Das britische Arbeitsrecht sah weiterhin die Möglichkeit vor, dass befristet beschäftigte Arbeitnehmer mittels schriftlicher Vereinbarung (entweder im Ar108
Eine objektive Rechtfertigung liegt dann vor, wenn die Schlechterstellung des befristet Beschäftigten dem Erreichen eines legitimen Ziels (etwa einem genuin wirtschaftlichem Ziel) dient, und die Schlechterstellung notwendig und auch geeignet ist, dieses Ziel zu erreichen. Weiterhin ist die Schlechterstellung objektiv gerechtfertigt, wenn sie nur einen Ausschnitt des Arbeitsvertrages betrifft, hinsichtlich der Gesamtheit des Arbeitsvertrages sich jedoch keine Schlechterstellung des befristet Beschäftigten finden lässt (Department of Trade and Industry 2002). 109 Von diesen Regelungen ausgenommen sind befristet beschäftigte Leiharbeiter, Personen, deren Beschäftigungsverhältnis der Ausbildung dient, sowie Personen in so genannten „government training schemes“. 110 Die exakte Bestimmung, ob es sich bei der vorherigen Beschäftigung tatsächlich um eine kontinuierliche Beschäftigung handelte, hängt stark von der konkreten Vertragssituation ab (Department of Trade and Industry 2002: 21). Demnach bedarf es einer genauen und fallweisen Überprüfung, ob eine erneute Befristung tatsächlich zu einer Umwandlung in einen permanenten Arbeitsvertrag führt.
4.2 Allgemeiner Grad der Beschäftigungssicherheit
127
beitsvertrag selbst oder als separate Einigung) auf ihr Recht auf Abfindungszahlungen bzw. auf ihr Recht auf Klage gegen eine ungerechtfertigte Kündigung verzichten. Dies ist insbesondere deshalb von Bedeutung, da eine Kündigung durch Nichtverlängerung eines befristeten Vertrages im EPCA als Grund für eine Klage auf Abfindungszahlung bzw. gegen eine ungerechtfertigte Kündigung explizit genannt wurde. Durch den Employment Relation Act 1999 wurde die Möglichkeit auf den Verzicht des Rechts auf Klage gegen eine ungerechtfertigte Kündigung aufgehoben. Schließlich wurde auch die Möglichkeit des Verzichts auf Abfindungszahlungen durch die Fixed-term Employees (Prevention of Less Favourable Treatment) Regulations 2002 aufgehoben.
4.2 Allgemeiner Grad der Beschäftigungssicherheit Bei einem deutsch-britischen Ländervergleich hinsichtlich des Grades der institutionellen Beschäftigungssicherheit wird zunächst deutlich, dass sich das jeweilige System aus unterschiedlichen Hauptquellen speist. Grundsätzlich lassen sich zwei mögliche institutionelle Quellen der Beschäftigungssicherheit ausmachen. Erstens spielen gesetzliche Vorschriften wie etwa Regelungen des Kündigungsbzw. Abfindungsrechtes und deren Interpretation durch die Gerichte, aber auch gesetzliche Regulierungen eines bestimmten Wirtschaftssektors (wie etwa die des Öffentlichen Dienstes) eine zentrale Rolle in der Ausgestaltung der Beschäftigungssicherheit. Zweitens können in kollektivvertraglichen Vereinbarungen Regelungen zur Beschäftigungssicherheit niedergelegt sein. Während in Deutschland der Schwerpunkt auf den gesetzlichen Regelungen liegt, finden sich in Großbritannien vor allem kollektivvertragliche Regelungen. Aber nicht nur die Art, sondern auch das Ausmaß der institutionellen Beschäftigungssicherheit unterscheidet sich deutlich zwischen Deutschland und Großbritannien (vgl. z. B. Zachert 2004). Während in Großbritannien die institutionell verankerte Beschäftigungssicherheit seit den Arbeitsmarktreformen der achtziger Jahre ein niedriges Niveau aufweist, findet sich in Deutschland ein relativ stark ausgeprägter Beschäftigungsschutz, der zudem in den letzten Dekaden nur geringen Veränderungen unterlag.
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4 Der Einfluss institutioneller Rahmenbedingungen
4.2.1 Deutschland In Deutschland können gesetzliche Kündigungsschutzregulierungen als wichtigster Bestandteil des Beschäftigungsschutzes angesehen werden. Tarifvertragliche Regelungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften sowohl auf Branchenals auch auf Betriebsebene lassen sich zwar finden (vgl. z. B. Bispinck 1993), spielen jedoch insgesamt für den Beschäftigungsschutz nur eine nachgeordnete Rolle (Birk 1993). Neben dem Bürgerlichen Gesetzbuch, in dessen § 622 die einzuhaltenden Mindestfristen bei Kündigungen festgelegt sind, basieren die gesetzlichen Regulierungen hauptsächlich auf zwei Säulen: dem Kündigungsschutzgesetz, das die individuellen Rechte der Arbeitnehmer stärkt, und dem Betriebsverfassungsgesetz, das bei Kündigungen verpflichtende Konsultationen mit dem Betriebsrat festschreibt.111 Weiterhin besitzen bestimmte Arbeitsmarktgruppen (wie etwa Schwangere) besondere Kündigungsschutzrechte (vgl. dazu Fußnote 92). In der deutschen Gesetzgebung zum Kündigungsschutz spielt der Kündigungsgrund eine zentrale Rolle. Nur wenn der Arbeitgeber nachweisen kann, dass die Kündigung auf rechtlich anerkannten Gründen basiert, ist die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zulässig.112 Dabei werden personenbedingte, verhaltensbedingte und wirtschaftlich bedingte Gründe unterschieden (vgl. z. B. Küchle 1990). Kann die Kündigung nicht auf rechtlich anerkannte Gründe zurückgeführt werden, ist die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses unwirksam. Dem Arbeitnehmer wird in diesem Falle das Recht auf Wiederaufnahme der Arbeit bzw. auf Zahlung einer Abfindung eingeräumt, wobei sich die Höhe der Abfindungszahlung nach Alter und Dauer der Beschäftigung richtet.113 Das Kündigungsschutzgesetz findet jedoch erst in Betrieben mit mehr als 111 Beide Gesetze wurden seit ihrer erstmaligen Verabschiedung (Kündigungsschutzgesetz: 1951, Betriebsverfassungsgesetz: 1972) mehrfach verändert, zuletzt durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt (in Kraft getreten im Januar 2004). 112 Ein Beispiel dafür ist, dass Kündigungen sozial gerechtfertigt sein müssen. So setzt bei Kündigungen häufig eine Auswahl nach sozialen Kriterien (soziale Schutzbedürftigkeit) ein, insbesondere dann, wenn die Kündigung ökonomische Ursachen hat. Kriterien der Sozialauswahl sind unter anderem die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Alter und mögliche Unterhaltsverpflichtungen der betroffenen Mitarbeiter. Eine Kodifizierung „sozialer Gesichtspunkte“ erfolgte durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt: Kündigungen sind sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat (KschG §1 Abs. 3). 113 Mit der Neufassung des Kündigungsschutzgesetzes 2004 wurde auch ein Anspruch auf Zahlung einer Abfindung im Falle einer betrieblichen Kündigung festgeschrieben. Allerdings muss der gekündigte Arbeitnehmer dann auf eine Kündigungsschutzklage verzichten. Die Höhe der Abfindung beträgt 0.5 Monatsverdienste für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses.
4.2 Allgemeiner Grad der Beschäftigungssicherheit
129
zehn Mitarbeitern (ausschließlich Auszubildender) seine Anwendung.114 In Betrieben, für die das Kündigungsschutzgesetz nicht gilt, müssen lediglich die gesetzlich bzw. tarifvertraglich festgelegten Kündigungsfristen eingehalten werden. Kommt es zu Massenentlassungen infolge einer Betriebsänderung oder -stilllegung, berechtigt das Betriebsverfassungsgesetz den Betriebsrat zu einer Erzwingung eines Sozialplans, in dem neben Umschulungsangeboten und Versetzungen in andere Betriebsteile oder Auffanggesellschaften hauptsächlich finanzielle Abfindungen geregelt werden. Auch hier finden die Kriterien der Sozialauswahl und der Berücksichtigung der sozialen Schutzbedürftigkeit Anwendung (siehe Fußnote 112). Weiterhin besteht in Deutschland eine besonders hohe Beschäftigungssicherheit für Arbeitnehmer im Öffentlichen Dienst. Die Gruppe der Arbeitnehmer in diesem Bereich unterteilt sich in Beamte, Angestellte und Arbeiter, deren Beschäftigungsverhältnisse jeweils von speziellen Gesetzen geregelt sind. Die Beschäftigungsverhältnisse für Beamte werden in einer Reihe von Bundes- und Landesgesetzen (z. B. das Bundesbeamtengesetz oder die Beamtengesetze der 16 Bundesländer) reguliert. Ihre Karrieren sind an gesetzlich festgelegte Laufbahnvorschriften gekoppelt und unterliegen somit einer starken rechtlichen Strukturierung (vgl. z. B. Bundesministerium des Innern 1999). Beamte, die auf Lebenszeit berufen sind, besitzen nahezu unkündbare Arbeitsverträge, da in den entsprechenden Gesetzen nur wenige Gründe niedergelegt sind, die eine Entlassung rechtfertigen. Neben diesen dauerhaften Arbeitsverhältnissen existieren auch zeitlich befristete Beamtenverhältnisse: Beamtenverhältnisse auf Probe115, die nach Bestehen der Probephase in der Regel in lebenslange Beschäftigungsverhältnisse umgewandelt werden, Beamtenverhältnisse auf Widerruf sowie Beamtenverhältnisse auf Zeit, deren Befristung durch eine der unter 4.1.1 genannten Regelungen begründet ist. Im Gegensatz zu den Beamtenverhältnissen unterliegen die Arbeitsverträge von Arbeitern und Angestellten im Öffentlichen Dienst dem allgemeinen Kündigungsschutz. Jedoch sind auch ihre Beschäftigungsverhältnisse durch eine sehr hohe, in Tarifverträgen festgeschriebene, Beschäftigungssicherheit gekennzeichnet, nicht zuletzt aufgrund der starken Stellung der Gewerkschaften in diesem Sektor des Arbeitsmarktes.116 114 Der Schwellenwert für die Gültigkeit des Kündigungsschutzgesetzes wurde 1996 von fünf auf zehn erhöht, jedoch 1998 wieder auf fünf gesenkt (siehe auch Fußnote 93). Dieser Wert wurde durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt erneut auf zehn (vollzeitbeschäftigte) Mitarbeiter angehoben (Teilzeitbeschäftigte gehen mit einem Gewicht von 0.5 bzw. 0.75 in die Berechnung ein). 115 Die maximal zulässige Dauer eines Beamtenverhältnisses auf Probe beträgt fünf Jahre. 116 Der Bundesangestelltentarif (BAT) sieht etwa vor, dass ein Angestellter im Öffentlichen Dienst nach einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren und der Vollendung des 40. Lebensjahres den Status der „Unkündbarkeit“ erreicht, d. h. eine Kündigung nur noch aus in seiner Person oder in seinem Verhalten liegenden wichtigen Gründen heraus gerechtfertigt ist (BAT § 55). Insbesondere aus wirtschaftli-
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Insgesamt zeichnet sich die deutsche Gesetzgebung im Bereich des Kündigungsschutzes bzw. der betrieblichen Mitbestimmung durch einen relativ hohen Grad an Restriktionen gegenüber Entlassungen aus, die ihrerseits wiederum hohe Entlassungskosten für die Arbeitgeber induzieren. Es sind genau diese hohen Entlassungskosten, die nach Meinung vieler Deregulierungsbefürworter für die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland verantwortlich sind (Chen et al. 1999; Lee 1996; Siebert 1997; Soltwedel 1986, 1990). Die stark ausgeprägten deutschen Kündigungsschutzregulierungen mit dem besonderen Schutz des Öffentlichen Dienstes treten in international vergleichenden Studien immer wieder deutlich zu Tage, vor allem wenn sie mit wesentlich schwächer regulierten liberalen Arbeitsmarktregimen (wie etwa den USA oder Großbritannien) kontrastiert werden (vgl. z. B. Büchtemann/Walwei 1996; OECD 1999). 4.2.2 Großbritannien In Großbritannien ergibt sich im Hinblick auf die Ausgestaltung der institutionellen Beschäftigungssicherheit ein gänzlich anderes Bild. Während die Beschäftigungssicherheit in Deutschland aufgrund eines stark ausgeprägten Kündigungsschutzes recht hoch ausfällt, finden sich in Großbritannien nur wenige und vor allem schwach ausgeprägte Regelungen zum Kündigungsschutz, was in einer insgesamt sehr geringen institutionellen Beschäftigungssicherheit resultiert. Gesetzliche Regulierungen zum Schutz vor ungerechtfertigten Kündigungen („unfair dissmisal“) sowie zum Recht auf Abfindungszahlungen bei betriebsbedingten Kündigungen („redundancy payments“) wurden in Großbritannien erst in den sechziger, hauptsächlich jedoch in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts eingeführt.117 Diese wurden jedoch durch die Deregulierungspolitik der konservativen Regierungen während der achtziger und neunziger Jahre stark eingeschränkt oder sogar völlig abgeschafft (Bercusson 1993; Dingeldey 1997; Wilkinson 1988). Beispielsweise wurde die Qualifizierungsperiode für den Schutz vor ungerechtfertigten Kündigungen von 6 Monaten auf zunächst 12 Monate (1979) und schließlich auf 24 Monate (1985) heraufgesetzt (Rogowski/
chen Gründen kann ein Angestellter dann nicht mehr entlassen werden. Diese Regelung gilt bisher jedoch nicht für das Tarifgebiet Ost (BAT-O). Analog zum BAT wird im Manteltarifvertrag für Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes und der Länder (MTArb) festgeschrieben, dass nach einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren und der Vollendung des 40. Lebensjahres ein Arbeitsvertrag nur noch aus „wichtigem Grund“ gekündigt werden kann (§ 58 MTAarb). Auch diese Regelung gilt bislang nicht für das Tarifgebiet Ost (MTArb-O). 117 Für einen historischen Überblick über die Entwicklung des britischen Arbeitsrechts siehe z. B. Bowers (2000), Deakin/Morris (2001) oder Honeyball/Bowers (2002).
4.2 Allgemeiner Grad der Beschäftigungssicherheit
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Schömann 1996).118 „New Labour“ nahm diese Maßnahmen zwar teilweise zurück – so wurde etwa das im White Paper „Fairness at Work“119 geforderte Absenken der Qualifizierungsperiode für den Kündigungsschutz auf ein Jahr in der The Unfair Dismissal of Reasons for Dismissal (Variation of Qualifying Period) Order 1999 umgesetzt – dennoch bleibt das Ausmaß des gesetzlich verankerten Schutzes vor Entlassung hinter dem der siebziger Jahre zurück. Die Regelungen zum Kündigungsschutz sehen vor, dass ein Arbeitnehmer im Falle einer ungerechtfertigten Kündigung120 entweder von seinem früheren Arbeitgeber wiedereingestellt wird oder eine Kompensationszahlung erhält. Die Höhe der Kompensationszahlung richtet sich in der Regel nach Lohnhöhe, Alter und Beschäftigungsdauer, kann jedoch auch von einem Arbeitsschiedsgericht (employment tribunal) bis zu einem maximal erlaubten Betrag erhöht werden. Ist eine Kündigung dagegen gerechtfertigt, etwa aufgrund persönlichen Fehlverhaltens oder aus ökonomischen Gründen (betriebsbedingte Kündigungen), kann der Arbeitnehmer nicht gegen seine Entlassung klagen. Im Gegensatz zu deutschen Arbeitnehmern besitzen Arbeitnehmer in Großbritannien jedoch ein gesetzlich verankertes Recht auf Zahlung einer Abfindung, wenn die Kündigung auf ökonomischen Gründen beruht. Dieses Recht wird nach einer Beschäftigungsdauer von 2 Jahren erworben. Auch hier richtet sich die Höhe der Kompensationszahlung in der Regel nach Lohnhöhe, Alter und Beschäftigungsdauer. Allerdings wurden die festgeschriebenen Beträge nur in geringem Ausmaß an die Preisentwicklung angepasst, so dass das Recht auf Abfindungszahlungen seine Schutzfunktion vor betriebsbedingten Kündigungen weitgehend eingebüßt hat (Freedland 1991).121 Im Falle von betriebsbedingten Massenentlassungen sieht das britische Arbeitsrecht für den Arbeitgeber lediglich eine Pflicht zur Information und Konsultation mit den autorisierten Vertretern der Arbeitnehmerschaft (z. B. eine durch den Arbeitgeber anerkannte Gewerkschaft) vor.122 Dieses führt jedoch nicht zwingend zu einem dem deutschen Sozialplan (inklusive der damit 118 Einen detaillierten Überblick über die Gesetzesänderungen der konservativen Regierungen bietet z. B. Deakin/Reed (2000). 119 Für einen Überblick über die Vorschläge des White Paper und einigen Reaktionen seitens verschiedener Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen siehe z. B. Lourie (1998). 120 Eine Kündigung ist insbesondere dann ungerechtfertigt, wenn sie gegen bestimmte Arbeitnehmerschutzrechte (wie etwa den Regelungen zum Mutterschutz) verstößt. Eine detaillierte Beschreibung ungerechtfertigter sowie gerechtfertigter Kündigungsgründe findet sich z. B. in Department of Trade and Industry (2002). 121 Unter der „New Labour“-Regierung wurde zwar die Anpassung der zu zahlenden Beträge an die allgemeine Preisentwicklung wieder aufgenommen, dennoch bewegen sich die Abfindungszahlungen auf eher geringem Niveau (Honeyball/Bowers 2002: 223). 122 Weiterhin sind die Arbeitgeber verpflichtet, die anstehenden Massenentlassungen dem Department of Trade and Industry anzuzeigen. Die einzuhaltenden Fristen sowohl für diese Anzeigen als auch für die Konsultationen hängen von der Anzahl der zu entlassenden Arbeitnehmer ab.
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verbundenen Sozialauswahl) vergleichbaren Procedere. Insgesamt bieten die Regelungen des gesetzlichen Kündigungsschutzes nur einen geringfügigen Schutz vor Entlassungen. „The unfair dismissal law does not go very far in challenging managerial prerogative and has afforded only limited protection to employees. […] As the dismissal law was applied by the tribunals it became clear that job security interests of workers were recognized, but only so far as they were consistent with managerial objectives. […] The redundancy legislation was only ever intended to compensate for job loss, not to prevent it, and in practice many of those made redundant do not qualify for statutory payment” (Dickens/Hall 2003: 136). Traditionell waren es in Großbritannien nicht die gesetzlichen Regelungen, sondern vor allem kollektivvertragliche Vereinbarungen, die als Quelle des Kündigungsschutzes fungierten (Dickens/Hall 2003). Im Hinblick auf diese kollektiven Regelungen muss jedoch betont werden, dass ein Hauptziel der konservativen Regierungen darin lag, die Macht der Gewerkschaften in Großbritannien zu schwächen (Hyman 1993). Während der achtziger Jahre beschloss die britische Regierung eine Reihe von Maßnahmen gegen die Gewerkschaften, die in einer höheren Dezentralisierung und einem dramatisch gesunkenem Organisationsgrad der Gewerkschaften resultierten (Kastendiek 1998; Towers 1993).123 Insofern die Gewerkschaften traditionell eine wichtige Quelle für den Kündigungsschutz in Großbritannien waren, haben die konservativen Regierungen die institutionelle Beschäftigungssicherheit nicht nur über die Rückführung bzw. Abschaffung gesetzlicher Regelungen zum Kündigungsschutz, sondern auch über die massive Schwächung der Gewerkschaften gelockert. Im Hinblick auf den Bereich des Öffentlichen Dienstes ist zunächst festzustellen, dass seitens des gesetzlichen Kündigungsschutzes keine nennenswerten Unterschiede in den Ausgestaltungen der Arbeitsverträge der Beschäftigten im öffentlichen und im privatwirtschaftlichen Sektor bestehen (Bach/Winchester 2003; Deakin/Morris 2001: 182ff.).124 Faktisch waren die Beschäftigungsver123
Am stärksten wurde der Machtverlust der Gewerkschaften am Trend zur „de-recognition“ (also der Nichtanerkennung einer Gewerkschaft als möglichem Verhandlungspartner) deutlich. Dadurch nahm die Anzahl der Arbeitsplätze ohne jegliche gewerkschaftliche Interessensvertretung zu (Cully et al. 1999: 234ff.). Unter „New Labour“ kam es zwar zu einer Stärkung der Anerkennungsrechte der Gewerkschaften (z. B. im Employment Relations Act 1999), jedoch sind dieses Rechte nur auf bestimmte Verhandlungsaspekte (Lohnhöhe, Arbeitszeit und Urlaubsregelungen) beschränkt. Eine endgültige Bewertung dieser Regelungen steht noch aus (Dickens/Hall 2003: 138ff.). 124 Interessanterweise hat erst die Gesetzgebung bzw. die Rechtsprechung der letzten Jahre dazu geführt, dass bestimmte Arbeitnehmergruppen des Öffentlichen Dienstes überhaupt über einen gesetzlich verankerten Schutz vor Kündigungen verfügen. Insbesondere die Gruppe der „civil servants“, die direkt der Krone unterstellt sind, verfügte lange Zeit über keine gesetzlichen Kündigungsschutzrechte. Ähnlich verhält es sich mit Angehörigen des Militärs, der Polizei sowie mit den Mitarbeitern des Parlaments.
4.2 Allgemeiner Grad der Beschäftigungssicherheit
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hältnisse im Sektor des Öffentlichen Dienstes jedoch bis in die achtziger Jahre hinein stabiler und geschützter als die im Bereich der Privatwirtschaft, unter anderem weil sich der britische Staat als „guter“ bzw. „fairer“ Arbeitgeber verstand (Honeyball/Bowers 2002: 35) und als Vorbild für private Arbeitgeber fungieren wollte. Dieses Selbstverständnis des Staates führte auch zu einem relativ hohen Einfluss der Gewerkschaften im Öffentlichen Dienst, was wiederum die institutionelle Beschäftigungssicherheit in diesem Bereich erhöhte. Mit dem Politikwechsel unter den konservativen Regierungen setzten drei entscheidende Entwicklungen für den britischen Öffentlichen Dienst ein. Erstens kam es zu einer massiven Privatisierung in diesem Bereich, was zur Folge hatte, dass eine Vielzahl von Arbeitnehmern in weniger geschützten Beschäftigungsverhältnissen arbeiten musste. Zweitens wurde die Macht der Gewerkschaften, die bis dahin eine entscheidende Quelle für den relativ hohen Grad der Beschäftigungssicherheit waren, nachhaltig geschwächt.125 Drittens wurde vom Öffentlichen Dienst und seinen Arbeitnehmern erwartet, sich wesentlich stärker als zuvor an Effizienzkriterien und privatwirtschaftlichen Managementmethoden zu orientieren (vgl. z. B. Johnson 2001). Dies hatte unter anderem die Zunahme flexibler Beschäftigungsformen (inklusive befristeter Beschäftigung) im Bereich des Öffentlichen Dienstes zur Folge, von deren Einsatz sich unter anderem die Senkung von Personalkosten versprochen wurde (Hegewisch 1999; Robinson 1999). Unter „New Labour“ kam es nicht zu einer radikalen Umkehr dieser Politik, wie von vielen Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes erhofft, sondern nur zu einer moderaten Modifikation derselben (Bach/Winchester 2003: 290ff.). Insgesamt kann damit von einer starken Angleichung der Beschäftigungssicherheit zwischen den einzelnen Wirtschaftssektoren ausgegangen werden, auch wenn die Beschäftigungssicherheit im Bereich des Öffentlichen Dienstes insgesamt immer noch ein wenig höher ausfällt als in der Privatwirtschaft (vgl. z. B. Morgan et al. 2000). Abschließend bleibt festzustellen, dass in Großbritannien der Grad der institutionellen Beschäftigungssicherheit deutlich geringer ausfällt als in Deutschland. Die radikalen Reformen der konservativen Regierungen führten zu einer erheblichen Schwächung der Gewerkschaften, zu einer Absenkung des gesetzlichen Kündigungsschutzes sowie zu einer nachhaltigen Umgestaltung des Öffentlichen Dienstes. Da die neue Labour-Regierung diese Änderungen nur in geringem Maße zurücknahm, sind Entlassungen in Großbritannien nach wie vor 125 Dennoch waren 2001 ca. 73 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse im öffentlichen Sektor durch kollektivvertragliche Vereinbarungen mit bestimmt – im privatwirtschaftlichen Bereich hingegen waren es nur ca. 22 Prozent (Brook 2002). Dies korrespondiert mit einem vergleichsweise hohen Organisationsgrad von ca. 60 Prozent im öffentlichen Sektor, während im Bereich der Privatwirtschaft nur noch ca. 20 Prozent der Arbeitnehmer gewerkschaftlich organisiert sind.
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vergleichsweise leicht durchzusetzen (vgl. z. B. OECD 1999). Der britische Arbeitsmarkt kann demnach als wesentlich offener als der deutsche Arbeitsmarkt charakterisiert werden. Weiterhin lässt sich kein klarer Unterschied hinsichtlich der Beschäftigungssicherheit im öffentlichen und im privaten Sektor feststellen, wie er etwa in Deutschland gefunden werden kann.
4.3 Bildungssystem Neben den gesetzlichen Regelungen zum Einsatz befristeter Beschäftigung sowie dem Grad der Beschäftigungssicherheit lassen sich auch Länderunterschiede hinsichtlich der institutionellen Ausgestaltung des nationalen Bildungssystems feststellen. Diese Unterschiede schlagen sich in länderspezifischen Mobilitätsmustern nieder und dürften daher ebenfalls eine intervenierende Rolle hinsichtlich der Effekte befristeter Beschäftigungsverhältnisse einnehmen. Dass ein Zusammenhang zwischen der Struktur des Bildungssystems und den Mustern intragenerationaler Mobilität existiert, wurde bereits in einer Vielzahl von Studien aufgezeigt (vgl. z. B. Allmendinger 1989; Allmendinger/Hinz 1997; vgl. z. B. Brauns et al. 1997; Groß 1998; Haller 1989; Müller et al. 1990; Shavit/Müller 1998). Dabei wird deutlich, dass sich erstens die Allokationsfunktion von Bildungstiteln, zweitens die Möglichkeit, Bildungserträge in Form von Einkommens- und Statusgewinnen zu erzielen, sowie drittens der Verlauf von Erwerbskarrieren erheblich zwischen Gesellschaften unterscheiden. Diese Unterschiede können zu einem großen Teil auf die Strukturen der nationalen Bildungssysteme zurückgeführt werden.126 Um die Effekte nationaler Bildungssysteme auf Allokations-, Verteilungsund Mobilitätsmuster näher untersuchen zu können, ist es notwendig, bestimmte Systemmerkmale herauszuarbeiten und diese im Ländervergleich gegenüberzustellen. Dabei sollten die Bereiche der schulischen und der beruflichen (Aus-)Bildung sowie der höheren Bildung getrennt voneinander analysiert werden. Eine gängige Klassifizierungsmöglichkeit sieht vor, für jeden dieser Bereiche den Grad der Standardisierung sowie den Grad der Stratifizierung zu beschreiben (z. B. Allmendinger 1989). Unter dem Grad der Standardisierung wird hierbei das Ausmaß verstanden, inwieweit ein bestimmter Bildungstitel ein einheitliches Zertifikat für bestimmte Fähigkeiten und Kenntnisse darstellt. Indika126 Vertreter der so genannten Industrialisierungsthese (Treiman/Yip 1989) unterstellen hingegen, dass in Gesellschaften mit vergleichbarem Industrialisierungsgrad sehr ähnliche Zusammenhänge zwischen Bildungs- und Erwerbssystem zu finden seien. Diese Annahme ist jedoch nicht nur vor dem Hintergrund der Befunde der oben genannten Studien als sehr fragwürdig einzuschätzen (vgl. z. B. Müller 1994 für eine historisch argumentierende Kritik).
4.3 Bildungssystem
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toren hierfür sind etwa die Existenz landesweit vereinheitlichter Curricula oder die Verbreitung angeglichener Ausbildungsregeln (Allmendinger/Hinz 1997). Der Grad der Stratifizierung hingegen bezieht sich auf die im Bildungssystem vorherrschenden Selektionsprozesse und ihre Folgen für die Verteilung von Bildungstiteln. Mögliche Indikatoren hierfür wären beispielsweise der Anteil der höchsten Schulbildungsabschlüsse an der Gesamtheit aller Bildungsabschlüsse eines Jahrgangs oder der Anteil der Abschlüsse im tertiären Bereich an der Gesamtzahl der Zugangsberechtigten für diesen Bereich. Groß (1998) argumentiert jedoch, dass diese beiden Dimensionen noch um die Dimension des Grades der Differenzierung erweitert werden müssen. Der Grad der Differenzierung eines Bildungssystems gibt Auskunft darüber, wie viele unterschiedliche Ausbildungsgänge existieren, die sich sowohl nach ihren zu vermittelnden Inhalten als auch nach ihrer Zielorientierung auf bestimmte Berufe bzw. Berufsfelder voneinander abgrenzen lassen.127 Hier steht also verstärkt der Bereich der beruflichen Ausbildung im Blickpunkt der Analyse. Müller/Shavit (1998) sprechen in diesem Zusammenhang deshalb auch von der „vocational specificity“ eines Bildungssystems. Sowohl der Grad der Standardisierung, der Grad der Stratifizierung als auch der Grad der Differenzierung haben einen nachhaltigen Effekt auf intragenerationale Mobilitätsprozesse. Es ist insbesondere die Signalfähigkeit von Bildungstiteln, die für die Frage der Allokation auf berufliche Positionen und die damit verbundenen Verteilungsmechanismen eine zentrale Rolle spielt. Je verlässlicher Bildungstitel das Vorhandensein bestimmter Fähigkeiten signalisieren, desto eher können sie als Screening-Merkmal verwendet werden. Demzufolge ist der Einfluss von Bildungstiteln auf Besetzungs- und Entlohnungsprozesse in denjenigen Gesellschaften besonders stark, die einen hohen Standardisierungsgrad des Bildungssystems aufweisen. Dieser Zusammenhang wird durch einen sehr hohen Differenzierungsgrad des Bildungssystems noch weiter verstärkt, da gerade durch das Zusammenspiel von standardisierten und eindeutig zugeschnittenen sowie ihrem Inhalt nach klar voneinander abgrenzbaren Bildungstiteln eine sehr hohe Signalfähigkeit erreicht wird. Insbesondere im Bereich der beruflichen Ausbildung führt ein hoher Differenzierungsgrad zu einer starken Assoziation zwischen Bildungstiteln und Mobilitätsprozessen (Müller/Shavit 1998). Weiterhin ist in Gesellschaften mit stark stratifizierten Bildungssystemen davon auszu127 Groß unterscheidet noch nach dem Grad der vertikalen und horizontalen Differenzierung, wobei sich die vertikale Differenzierung auf Ausbildungsbereiche, „die in statusmäßig vertikal differenzierbare Berufsbereiche münden“ (Groß 1998: 143), bezieht, während die horizontale Differenzierung Ausbildungsbereiche, die sich untereinander in keine hierarchische Ordnung bringen lassen, umfasst. Diese Unterscheidung ist für die hier folgende Argumentation nicht relevant, weshalb sie nicht weiter vertieft werden soll.
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gehen, dass höhere Bildungstitel in der Lage sind, auch besonders hohe Bildungserträge zu erzielen. Zwei Gründe sprechen für diesen Zusammenhang. Erstens besitzen die Inhaber höherer Abschlüsse aufgrund des eingeschränkten Angebots an Personen mit solchen Zertifikaten eine sehr starke Verhandlungsposition, die sich in überdurchschnittlich hohen Einkommen materialisiert. Zweitens signalisieren sie allein schon durch das Erreichen dieser (eher seltenen) Abschlüsse das Vorhandensein bestimmter Fähigkeiten und Kenntnisse, was wiederum direkten Einfluss auf die Allokations- und Verteilungsprozesse nimmt. Insgesamt ist demzufolge davon auszugehen, dass bei einem Vergleich zweier oder mehrerer Gesellschaften bei jenen Systemen der stärkste Zusammenhang von Bildungstiteln und Mobilitätsprozessen zu finden sein sollte, deren Bildungssystem sich als vergleichsweise hoch standardisiert, differenziert und stratifiziert darstellt. Allerdings kommt der Dimension der Standardisierung die vergleichsweise höchste Bedeutung zu. Ein hoher Standardisierungsgrad ist die absolut notwendige Bedingung für die Signalfähigkeit von Bildungstiteln und somit für eine enge Verzahnung von Bildungs- und Erwerbssystem. Stratifizierung und Differenzierung sind Dimensionen, die die Signalfähigkeit noch weiter steigern können, jedoch nur, wenn ein Bildungssystem die Vergleichbarkeit der Zertifikate sicherstellen kann. Wie im Folgenden gezeigt wird, unterscheiden sich das deutsche und das britische Bildungssystem hinsichtlich der genannten Dimensionen deutlich voneinander. Dabei liegt der markanteste Unterschied im wesentlich höheren Standardisierungsgrad des deutschen Bildungssystems, insbesondere im Bereich der beruflichen Ausbildung. 4.3.1 Deutschland Das deutsche Bildungssystem ist durch eine recht hohe institutionelle Kontinuität seit Ende des Zweiten Weltkrieges gekennzeichnet. Den wohl nachhaltigsten Veränderungsprozessen, die jedoch eher quantitativer als qualitativer Natur waren, unterlag es während der Phase der „Bildungsexpansion“, die unter anderem eine Verschiebung von niedrigen zu höheren Bildungstiteln nach sich zog (Anweiler 1996; Hillmert 2001). An der grundsätzlichen Struktur des Bildungssystems hat sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts allerdings wenig verändert. Der Grad der Stratifizierung des deutschen Bildungssystems ist im Bereich der schulischen Bildung aufgrund des vorherrschenden dreigliedrigen Schulsystems als relativ hoch anzusehen, zumal die Abschlüsse der Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien zu immer noch stark separierten beruflichen Bildungswegen führen, die wiederum in Beschäftigungsverhältnissen gänzlich unter-
4.3 Bildungssystem
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schiedlicher Bereiche des Schichtungssystems münden (Brauns/Steinmann 1999). Zwar gab und gibt es gelegentlich Diskussionen um ein einzuführendes Gesamtschulsystem, in dem die Bildungsgänge der Hauptschule, der Realschule und des Gymnasiums zusammengefasst sind, jedoch blieb bis jetzt die Einrichtung von Gesamtschulen auf einzelne Bundesländer beschränkt. Im Bereich der schulischen Bildung manifestiert sich der hohe Stratifizierungsgrad in der Tatsache, dass gerade einmal ca. 25 Prozent eines Jahrganges den höchst möglichen Abschluss (Hochschul- oder Fachhochschulreife) erreichen (Statistisches Bundesamt 2002), was im internationalen Vergleich (etwa zu den USA) als eher gering zu bezeichnen ist. Da diese Bildungstitel jedoch nahezu die einzige Zugangsmöglichkeit zu den höheren Institutionen des tertiären Bildungsbereichs (Fachhochschulen und Universitäten) darstellen, ist auch der Anteil derjenigen Personen mit Fachhochschul- bzw. Universitätsabschluss nur gering, was auch in internationalen Vergleichen deutlich wird, in denen Deutschland unterdurchschnittliche Abschlussquoten in diesem Bereich aufweist (OECD 2002). Nichtsdestotrotz wird der Grad der Stratifikation im tertiären Bildungsbereich als nur gering beschrieben (Allmendinger 1989; Müller et al. 1998), da kaum Selektionsprozesse (wie etwa Tests oder ähnliche Auswahlverfahren) für die Zugangsberechtigten in diesem Bereich vorhanden sind. Das deutsche Bildungssystem weist einen hohen Grad an Standardisierung auf, da beispielsweise länderspezifische Curricula durch die Tätigkeit der Kultusministerkonferenz eine nicht unbedeutende Annäherung erfahren haben und insgesamt ähnliche Standards für die Ausbildung bestehen. Dies gilt sowohl für den schulischen als auch für den beruflichen Ausbildungsbereich. Auch wenn die Vergleichbarkeit von Bildungstiteln zwischen den einzelnen Bundesländern (insbesondere im sekundären Bereich der schulischen Bildung128) gelegentlich hinterfragt und auf die unterschiedlichen Leistungsniveaus der Institutionen der tertiären Bildung (hier vor allem der Universitäten) verwiesen wird, ist dem deutschen Bildungssystem dennoch ein hoher Standardisierungsgrad zu attestieren – vor allem im Vergleich mit anderen Bildungssystemen. Das wohl auffälligste Merkmal des deutschen Bildungssystems liegt jedoch in der hochgradig differenzierten und standardisierten beruflichen Ausbildung. In Deutschland gewährleistet das „duale“ System der Lehrausbildung (vgl. z. B. Münch 1985) einen sehr hohen Differenzierungsgrad, da für eine Vielzahl von Berufen alle spezifischen, für die Produktion wichtigen Fertigkeiten vermittelt werden. Da die Lehrinhalte sowohl hinsichtlich des Unterrichts in den Berufsschulen als auch hinsichtlich der Ausbildung in den Betrieben in hohem Maße standardisiert sind, kommt dem Facharbeiter- bzw. Gesellenbrief eine außeror128 Ein Beispiel hierfür ist die heftige Diskussion um die Ergebnisse der PISA-Studie (vgl. z. B. Baumert et al. 2003).
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dentlich hohe Signalfunktion zu. Aus Sicht der Arbeitgeber ist sichergestellt, dass jeder Absolvent einer bestimmten Lehrausbildung zumindest die Grundanforderungen des erlernten Berufes beherrscht. Neben dem hohen Differenzierungs- und Standardisierungsgrad ist es insbesondere die spezifische Form der beruflichen Ausbildung (Kombination aus betrieblicher und berufsschulischer Ausbildung), die für die hohe Assoziation zwischen Bildungstitel und der Stellung im Arbeitsmarkt verantwortlich ist (Müller/Shavit 1998; Windolf 1984). In den letzten Jahrzehnten setzte sich der Trend durch, dass Abschlüsse des Bereichs der dualen Ausbildung vermehrt von denjenigen Personen mit höheren Bildungstiteln der sekundären Bildung (Mittlere Reife und Abitur) angestrebt wurden, was unter anderem zu einer Entwertung allgemeiner Abschlüsse im mittleren Bildungsniveau (ohne berufliche Ausbildungskomponente) führte (Müller et al. 1998). Dagegen kommt in Deutschland dem so genannten „training on-the-job“, das an einem konkreten Arbeitsplatz im Betrieb für bestimmte Aufgaben spezifische Kenntnisse vermittelt, eine vergleichsweise geringe Bedeutung zu. Da die Absolventen einer bestimmten Lehrausbildung bereits über umfassende Fertigkeiten innerhalb ihres Berufsfeldes verfügen, sind nur noch wenige Ausbildungsmaßnahmen erforderlich, um einen Arbeitnehmer in die firmenspezifischen Anforderungen einzuweisen. Daher können Inhaber solcher beruflichen Bildungsabschlüsse auch leicht den Arbeitgeber wechseln, ohne befürchten zu müssen, allzu viel Humankapital zu verlieren. Arbeitgeber wiederum sind eher daran interessiert, Facharbeiter längerfristig an das Unternehmen zu binden, da sie als hoch qualifiziert gelten und auf dem externen Arbeitsmarkt in der Regel relativ schwer zu finden sind. 4.3.2 Großbritannien Im Gegensatz zum deutschen Bildungssystem unterlag das britische Bildungssystem129 im Laufe der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts relativ starken Veränderungen. Insbesondere die Einführung und massive Ausweitung der Comprehensive School führte zu beachtenswerten Veränderungen in der Struktur des Bildungssystems. Weitere Veränderungen stellen der Versuch der Standardi129 Der Begriff „britisches Bildungssystem“ unterstellt eine Homogenität des Bildungssystems in Großbritannien, die jedoch so nicht existiert, da die Bildungssysteme von England, von Wales und von Schottland jeweils besondere Eigenheiten aufweisen. Die größte Ähnlichkeit weisen die Bildungssysteme von England und Wales auf. Im Nachfolgenden kann und soll auf diese Eigenheiten nur an einigen Stellen eingegangen werden, da die Unterschiede zwischen den einzelnen Bildungssystemen innerhalb Großbritanniens vor dem Hintergrund des internationalen Vergleichs nur eine geringe Bedeutung haben.
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sierung beruflicher Qualifikationen sowie die Umgestaltungen im Bereich der tertiären Bildung dar. Die Einführung der Comprehensive School – einer Art Gesamtschule – Mitte der sechziger Jahre diente dem Ziel, das zuvor vorherrschende dreigliedrige Schulsystem (bestehend aus Grammar School, Technical School und Secondary Modern School130) durch ein weniger selektives System zu ersetzen. Tatsächlich lässt sich empirisch feststellen, dass der Zusammenhang zwischen Schultypus und Arbeitsmarktplatzierung durch die Einführung der Comprehensive School deutlich abgenommen hat bzw. für die jüngsten Kohorten sogar vollständig verschwunden ist (Heath/Cheung 1998). Die drei älteren Schultypen existieren noch weiterhin (die Technical Schools in Form der City Technology Colleges), jedoch fällt ihr Anteil im Vergleich zu den Comprehensive Schools nur noch gering aus (Department for Education and Skills 2002). Der Grad der Stratifikation im Bereich der (sekundären) schulischen Ausbildung wird somit durch die weite Verbreitung der Comprehensive School eher gering gehalten, während das frühere dreigliedrige Schulsystem relativ hoch stratifiziert war. Der Anteil der parallel zu den öffentlichen Schulinstitutionen bestehenden privaten Public Schools, die von den Schulreformen mehr oder weniger unberührt blieben, fällt dementsprechend gering aus.131 Eine zweite Reform betraf den Bereich der tertiären Bildung. Hier wurde mit dem Further and Higher Education Act von 1992 den bisherigen Polytechnics der Status einer Universität verliehen, was das bis dahin bestehende zweigliedrige Hochschulsystem faktisch beendete. Der Grad der Stratifikation in diesem Bildungsbereich ist als mäßig einzuschätzen. Selektionsprozesse finden bereits in der Sekundarstufe II statt, da die getroffene Wahl der Fächerkombination die späteren Studienmöglichkeiten bestimmen. Weiterhin stellen Studiengebühren sowie das Recht der Universitäten, ihre Studierenden selbst auszuwählen, Hürden für die Zugangsberechtigten dar, die so in Deutschland (bisher) nicht zu finden sind. Trotz dieser Selektionsprozesse nimmt Großbritannien hinsichtlich der Abschlussquoten im tertiären Bildungsbereich im internationalen Vergleich einen Spitzenplatz ein (OECD 2002). Der Grad der Standardisierung ist in allen Bildungsbereichen eher gering ausgeprägt. Im Bereich der schulischen Ausbildung wurde erst sehr spät mit dem Education Reform Act von 1988 der Versuch unternommen, einheitliche Curricula in Großbritannien durchzusetzen. Allerdings kann bis jetzt kaum von einer 130 Die Dreigliedrigkeit der Sekundarstufe wurde vor allem durch den Education (oder auch Butler) Act von 1944 forciert, indem beispielsweise die Schulgebühren für diesen Bereich abgeschafft wurden. Jedoch bestand schon vor dieser gesetzgeberischen Maßnahme der Trend zur Ausweitung der Sekundarbildung durch diese drei Schultypen (Glowka 1996). 131 Nur ca. 7 Prozent der britischen Schüler besuchen eine Public School (Daten von 2002, bereitgestellt durch National Statistics Online, www.statistics.gov.uk).
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Vereinheitlichung in einem mit Deutschland vergleichbarem Ausmaß gesprochen werden, da beispielsweise den Lehrern sowie den einzelnen Schulen ein erheblicher Spielraum in der inhaltlichen Ausgestaltung des Unterricht gelassen werden (Glowka 1996). Auch der Bereich der tertiären Bildung ist aufgrund der stark ausgeprägten Autonomie der Universitäten sowie der Umwandlung der Polytechnics in Universitäten durch eine eher geringe Standardisierung gekennzeichnet. Es ist davon auszugehen, dass die Abschlüsse der verschiedenen Universitätstypen132 nicht unmittelbar miteinander vergleichbar sind. Insbesondere die Zertifikate der angesehenen Traditionsuniversitäten (z. B. Oxford, Cambridge oder St. Andrews) dürften sich von denen der restlichen Universitäten hinsichtlich ihrer (zumindest wahrgenommenen) Wertigkeit stark unterscheiden. Das System der beruflichen Ausbildung133 ist durch eine geringe Standardisierung bei gleichzeitig hoher Differenzierung gekennzeichnet. Der hohe Differenzierungsgrad leitet sich in erster Linie aus der Tatsache ab, dass der Bereich der beruflichen Ausbildung eine extreme Fülle möglicher Abschlüsse aufweist, die von einer Vielzahl von Institutionen vergeben werden.134 Die einzelnen beruflichen Bildungstitel verlangen in der Regel sehr spezifische und eng gefasste Kenntnisse. Eine breite Ausbildung für einen bestimmten Beruf – wie etwa in Deutschland üblich – ist daher nur selten zu finden. Im Gegensatz zum deutschen System der beruflichen Ausbildung sind die vielen beruflichen Bildungsabschlüsse jedoch hochgradig unstandardisiert, da die einzelnen Bildungsinstitutionen, die diese Zertifikate vergeben, ihre Lernprogramme in Eigenverantwortung entwickeln und somit eine Vergleichbarkeit der Lehrinhalte kaum gegeben ist. Nachträgliche Qualifizierungsmaßnahmen innerhalb eines Betriebes sind deshalb in weit höherem Maße als in Deutschland erforderlich. „Training on-the-job“, das noch in den siebziger Jahren für die Hälfte der 16-jährigen die einzige Ausbildungsform ausmachte135 (Brauns/Steinmann 1999: 26), stellt daher auch weiterhin einen wichtigen Bestandteil der beruflichen Bildung in Großbritannien dar (Glowka 1996; Heath/Cheung 1998). Es muss in diesem Zusammen132
Es kann im Wesentlichen zwischen vier Universitätstypen unterschieden werden (Ahrens 1998): den älteren Universitäten, den Civic Universities (die im 19. Jahrhundert entstanden), den New Universities (die im Zuge der Bildungsexpansion entstanden) und den „New“ New Universities (den umgewandelten Polytechnics). 133 Das System der beruflichen Ausbildung wird meist unter dem Begriff further education gefasst, obwohl neben den Ausbildungsgänge der schulischen „further education“, die auch allgemein bildende Kurse beinhalten können (Glowka 1996), noch die Lehrausbildung (apprenticeship) und auch das staatliche Jugendausbildungsprogramm (youth training) bestehen. 134 Halls (1995) spricht von ca. 6000 möglichen Qualifikationen, die von ca. 600 unterschiedlichen Einrichtungen verliehen werden. 135 Insbesondere in der Form der klassischen Lehrausbildung (apprenticeship) wurden „on-the-job“ berufliche Fähigkeiten erworben. Diese Ausbildungsform erfuhr jedoch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen massiven Bedeutungsverlust (Heath/Cheung 1998).
4.4 Zusammenfassung
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hang auch darauf verwiesen werden, dass in Großbritannien berufliche Qualifikationen in einem nicht unerheblichen Ausmaß erst nach dem Eintritt in eine Erwerbstätigkeit erworben werden (etwa an den further education colleges).136 Der niedrige Standardisierungsgrad im Bereich der beruflichen Bildung führte zu einem erhöhten Reformbedarf des gesamten Systems der Berufsbildung. Mit der Einführung der National Vocational Qualifications (NVQ) bzw. der General National Vocational Qualifications (GNVQ)137 Ende der achtziger Jahre wurde der Versuch unternommen, das System der beruflichen Ausbildung grundlegend zu reformieren, indem eine Umstellung der beruflichen Ausbildungsgänge auf gemeinsame Standards angestrebt wurde. Im Hinblick auf die vermittelten Inhalte, die sehr arbeitsplatzbezogen sind, auf die Qualitätskontrollen und auf die Zertifizierungsmethoden, ist jedoch fragwürdig, inwieweit eine Angleichung der Bildungstitel tatsächlich gelungen ist (Brauns/Steinmann 1999: 28). Von einer Annäherung des britischen System der beruflichen Ausbildung an das in Deutschland vorherrschende „Berufsprinzip“ kann daher noch lange nicht gesprochen werden (Deißinger 1994). Insgesamt ist davon auszugehen, dass die beruflichen Ausbildungsabschlüsse aufgrund der hohen Unübersichtlichkeit und der weiterhin bestehenden Probleme bei der Vergleichbarkeit einzelner beruflicher Bildungstitel von Arbeitgeber kaum als Signal für tatsächlich bestehende Fähigkeiten genutzt werden können. Während also berufliche Bildungstitel in Deutschland als Prädiktoren für den erfolgreichen Übergang aus dem Bildungs- in das Erwerbssystem angesehen werden können, lässt sich ein solcher Zusammenhang in Großbritannien kaum finden (Hillmert 2001: 170 ff.). Im britischen Arbeitsmarkt erweisen sich berufliche Ausbildungstitel mitunter für den einzelnen Arbeitnehmer sogar eher als Nach- denn als Vorteil. „The more successful students tend to attend the academic programmes, whereas the less successful turn to vocational education. Thus, having attended a vocational programme of education constitutes a signal that the job applicant is neither bright nor disciplined” (Müller/Shavit 1998: 6).
4.4 Zusammenfassung Die in den vorangegangenen Abschnitten beschriebenen institutionellen Grundlagen des Einsatzes befristeter Beschäftigung, des Grades der Beschäftigungssicherheit sowie der nationalen Bildungssysteme sind hinsichtlich ihrer wichtigs136 Dies findet z. B. seinen Ausdruck in dem vergleichsweise hohen Anteil der besuchten Teilzeitausbildungsgänge des tertiären Sektors, insbesondere im Bereich der praktische bzw. technische Fähigkeiten vermittelnden Ausbildungen (OECD 2002: 260). 137 In Schottland existiert das äquivalente System der Scottisch Vocational Qualification (SVQ).
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4 Der Einfluss institutioneller Rahmenbedingungen
ten Komponenten zusammenfassend in Tabelle 4 dargestellt. Dabei wird noch einmal deutlich, dass sich Deutschland und Großbritannien in den hier untersuchten institutionellen Rahmenbedingungen deutlich voneinander unterscheiden. Tabelle 4: Institutionelle Rahmenbedingungen in Deutschland und Großbritannien Restriktionen gegenüber befristeter Beschäftigung Begründungsnotwenigkeit
Maximal zulässige Dauer Möglichkeit der Verlängerung
Deutschland
Großbritannien
Trennung von Befristungen mit sachlichem Grund und solchen ohne Begründungsnotwenigkeit i.d.R. 24 Monate, jedoch auch längere Dauer möglich starke Einschränkungen
nicht vorhanden
keine Einschränkung keine Einschränkung*
Grad der Beschäftigungssicherheit Allgemein Öffentlicher Dienst
Deutschland
Großbritannien
hoch sehr hoch
niedrig mittel bis niedrig
Bildungssystem Schulische Ausbildung Berufliche Ausbildung Tertiäre Ausbildung
Deutschland
Großbritannien
hochgradig stratifiziert und stark standardisiert hochgradig standardisiert und stark differenziert gering stratifiziert; stark standardisiert
gering stratifiziert**; gering standardisiert gering standardisiert; stark differenziert mittlerer Stratifizierungsgrad; gering standardisiert
* ab 2002 geringe Einschränkung ** bis zur Einführung der comprehensive schools Mitte der sechziger Jahre fiel der Stratifizierungsgrad wesentlich höher aus
Da davon auszugehen ist, dass diese institutionellen Arrangements einen erheblichen Einfluss sowohl auf die Besetzungsmuster befristeter Stellen als auch auf Einkommens- und Mobilitätseffekte befristeter Beschäftigungsverhältnisse ausüben, sind aufgrund der skizzierten Länderunterschiede auch länderspezifische
4.4 Zusammenfassung
143
Effekte befristeter Beschäftigung sehr wahrscheinlich. Im Einzelnen können folgende Zusammenhänge erwartet werden. Erstens dürfte im deutschen Arbeitsmarkt das Arbeitslosigkeitsrisiko befristet beschäftigter Arbeitnehmer durch die relativ starken Restriktionen bezüglich des Einsatzes befristeter Beschäftigung deutlich erhöht sein. Dies trifft insbesondere für die Regulierung der Erneuerungs- bzw. Verlängerungsmöglichkeiten befristeter Arbeitsverträge zu. Arbeitgeber werden durch diese gesetzlichen Regelungen gezwungen, sich nach Ablauf einer bestimmten Zeit von einem befristet Beschäftigten zu trennen. Die als Schutz vor Kettenverträgen intendierten Restriktionen erhöhen damit das Arbeitslosigkeitsrisiko von befristet Beschäftigten. Im britischen Arbeitsmarkt finden sich dagegen kaum Einschränkungen gegenüber der Verlängerung von befristeten Beschäftigungsverhältnissen. Dies erhöht zwar einerseits die Wahrscheinlichkeit für Befristungsketten, senkt jedoch andererseits das Risiko von Wechseln in die Arbeitslosigkeit. Daher ist zu vermuten, dass das Arbeitslosigkeitsrisiko von befristet Beschäftigten in Deutschland höher ausfällt als in Großbritannien. Zweitens ist aufgrund der wesentlich geringeren institutionellen Beschäftigungssicherheit der regulären Stellen zu erwarten, dass die sozio-ökonomischen Konsequenzen befristeter Beschäftigungsverhältnisse im britischen Arbeitsmarkt generell schwächer ausfallen als in Deutschland. So sollten etwa die Einkommensunterschiede zwischen befristeten und unbefristeten Stellen bei einer nur gering ausgeprägten institutionellen Beschäftigungssicherheit regulärer Stellen marginal ausfallen. In der Terminologie Sørensens stellen Positionen, die jederzeit durch die Entscheidung des Arbeitgebers und ohne Widerspruchs- bzw. Klagemöglichkeit seitens des gekündigten Arbeitnehmers geräumt werden können, offene Positionen dar. In solchen Positionen können die Stelleninhaber jedoch keine positionalen Renditen erzielen. Wenn Arbeitnehmer auf unbefristeten Stellen jederzeit ohne Entlassungskosten vom Arbeitgeber freigesetzt werden können, sind sie demnach ceteris paribus nicht in der Lage, höhere Löhne als befristet Beschäftigte zu erzielen. Eine geringe Beschäftigungssicherheit regulärer Positionen, wie sie im britischen Arbeitsmarkt zu finden ist, bedingt demnach auch nur geringe Einkommensnachteile in befristeten Arbeitsverhältnissen. Für den deutschen Arbeitsmarkt sind aufgrund der deutlich erhöhten Beschäftigungssicherheit regulärer Stellen hingegen stärkere Einkommenseffekte befristeter Beschäftigungsverhältnisse zu erwarten. Die Höhe der Beschäftigungssicherheit regulärer Arbeitsplätze hat jedoch auch einen Einfluss auf die Mobilitätseffekte befristeter Beschäftigungsverhältnisse. So lässt sich vermuten, dass die befristete Beschäftigung besonders dann negative Folgen für die Stabilität individueller Erwerbskarrieren aufweist, wenn die Beschäftigungssicherheit regulärer Arbeitsplätze sehr hoch ausfällt. Im ex-
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4 Der Einfluss institutioneller Rahmenbedingungen
tremsten Fall besitzen die Insiderpositionen einen vollständigen Bestandsschutz (d. h. Inhaber solcher Positionen sind nahezu unkündbar), während die Inhaber befristeter Stellen kaum Zugangschancen zu den Insiderpositionen erhalten und zwischen Phasen der Arbeitslosigkeit und erneuten befristeten Beschäftigungsverhältnissen hin und her wechseln. Die Kosten der erst durch den hohen Bestandsschutz der regulären Stellen notwendig gewordenen Flexibilisierung würden einseitig auf die Outsider bzw. die flexible Beschäftigten abgewälzt. Umgekehrt wären bei einem sehr niedrigen Grad an institutioneller Beschäftigungssicherheit regulärer Stellen die Arbeitsmarktchancen für befristet und unbefristet Beschäftigte nahezu identisch. Solche länderspezifischen Auswirkungen befristeter Beschäftigung können auch als Folge verschiedener Flexibilisierungsstrategien im Bereich der Beschäftigungssicherheit verstanden werden, die die Kosten der Flexibilisierung in unterschiedlicher Art und Weise auf die Arbeitnehmer verteilen. Die Flexibilisierungsmaßnahmen der britischen Regierung (insbesondere in den achtziger Jahren) sind als eher universell einzuschätzen, da sie den Bestandsschutz für einen großen Teil der Arbeitnehmerschaft reduzierten. Aufgrund der allgemeinen Absenkung der Beschäftigungssicherheit ist zu erwarten, dass die Entlohnungs- und Mobilitätsunterschiede zwischen befristeten und unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen eher gering ausfallen. Dagegen können die in der Bundesrepublik Deutschland verfolgten Flexibilisierungsmaßnahmen im Bereich der Kündigungsschutzregelungen als Beispiel für eine eher partielle Flexibilisierung angesehen werden. Diese Maßnahmen konzentrierten sich nur auf eine kleine Gruppe von Arbeitnehmern, insbesondere auf diejenigen in befristeten Beschäftigungsverhältnissen. Die institutionelle Beschäftigungssicherheit für denjenigen Teil der Arbeitnehmerschaft mit unbefristeten Stellen blieb hingegen von den Flexibilisierungsmaßnahmen unberührt und somit in der bisherigen Form weiter bestehen. In einem solchen Szenario werden sich Entlohnungs- und Mobilitätschancen zwischen befristeten und unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen deutlicher voneinander entscheiden, so dass befristete Stellen für Arbeitnehmer mit ernsthaften Risiken behaftet sein können. Drittens sind für Deutschland sektorenspezifische Effekte in dem Sinne zu erwarten, dass die sozio-ökonomischen Konsequenzen befristeter Beschäftigungsverhältnisse im Bereich des Öffentlichen Dienstes stärker ausfallen als in der Privatwirtschaft. Die Annahme eines sektorenspezifischen Effekts lässt sich analog zu der vorherigen Überlegung mit der unterschiedlich stark ausgeprägten Beschäftigungssicherheit im öffentlichen und im privatwirtschaftlichen Wirtschaftssektor begründen: Die Effekte befristeter Beschäftigung sollten in denjenigen Bereichen besonders deutlich ausfallen, in denen der Bestandsschutz unbefristeter Stellen relativ stark ausgeprägt ist. Weiterhin dürfte die hohe Beschäfti-
4.4 Zusammenfassung
145
gungssicherheit regulärer Stellen des deutschen Öffentlichen Dienstes auch dazu führen, dass der Einsatz befristeter und anderer atypischer Beschäftigungsverhältnisse in diesem Bereich besonders notwendig wird, um ein gewisses Ausmaß an Flexibilität in diesem Bereich überhaupt zu gewährleisten. Es ist somit von einem überdurchschnittlichen Einsatz befristeter Beschäftigung im Bereich des Öffentlichen Dienstes auszugehen (vgl. dazu z. B. auch Osterland/Wahsner 1988; vgl. dazu z. B. auch Warsewa et al. 1996). Viertens kann angenommen werden, dass die institutionelle Ausgestaltung des Bildungssystems eine beträchtliche Rolle für die Effekte befristeter Beschäftigung spielt. Anhand der Darstellung des deutschen und des britischen Bildungssystems wurde zunächst deutlich, dass die länderspezifischen Muster intragenerationaler Mobilität zu einem erheblichen Teil direkt aus der Struktur des jeweiligen nationalen Bildungssystems heraus resultieren (vgl. dazu z. B. auch Hall 2001). Zum einen ist der Grad der intragenerationalen Mobilität in Großbritannien höher, da das weit verbreitete „training on-the-job“ häufige Wechsel zwischen Arbeitsplätzen innerhalb einer Firma (aber auch zwischen Firmen) beinhaltet. Zum anderen haben Bildungstitel in Deutschland einen stärkeren Einfluss auf die Karrieremobilität als in Großbritannien, da sie aufgrund des größeren Standardisierungs-, Stratifizierungs- und Differenzierungsgrades eine höhere Signalkraft entfalten, was insbesondere für Lehrabschlüsse gilt. In Deutschland besteht demnach ein enger Konnex zwischen Bildungstitel und beruflicher Platzierung. Diese Zusammenhänge zwischen der Struktur des Bildungssystems einerseits und der Allokations- bzw. Mobilitätsprozesse andererseits sollten selbstverständlich nicht nur für solche Prozesse in regulären Positionen, sondern auch für befristete Stellen gelten. Wird etwa angenommen, dass produktionsbezogenes Wissen tendenziell vor einer Befristung des Arbeitsvertrages schützt, wäre das Befristungsrisiko für die Inhaber solcher Bildungstitel, die das Vorhandensein von produktionsbezogenem Wissen signalisieren, vergleichsweise gering. Umgekehrt ist bei mangelnder Signalfähigkeit von Bildungstiteln hingegen sogar ein erhöhtes Befristungsrisiko zu erwarten, da die Fähigkeiten des einzustellenden Arbeitnehmers für den Arbeitgeber nicht in verlässlicher Weise antizipiert werden können und so eine Erprobung des Arbeitnehmers notwendiger wird. Die Signalfähigkeit von Bildungstiteln wird jedoch durch die Struktur des Bildungssystems determiniert, insbesondere durch den Standardisierungs- und Differenzierungsgrad. Insofern lässt sich aufgrund des sehr hohen Standardisierungs- und Differenzierungsgrads im Bereich der beruflichen Bildung erwarten, dass Arbeitnehmer mit beruflichen Bildungsabschlüssen in Deutschland seltener als andere Bildungsgruppen in befristeten Beschäftigungsverhältnissen zu finden sind. Hingegen sollten berufliche Bildungsabschlüsse im britischen Arbeitsmarkt in deutlich geringerem Ausmaß vor
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4 Der Einfluss institutioneller Rahmenbedingungen
befristeten Arbeitsverträgen schützen, da das britische Bildungssystem insbesondere im Bereich der beruflichen Ausbildung durch einen relativ geringen Standardisierungsgrad gekennzeichnet ist, wodurch die Signalfähigkeit der entsprechenden Bildungstitel nur marginal ausfällt. Ebenso lässt sich vermuten, dass der Verlust an Bildungserträgen in befristeten Stellen vom Grad der Stratifizierung, insbesondere jedoch vom Grad der Standardisierung sowie der Differenzierung des nationalen Bildungssystems abhängig ist. Nur dort, wo Bildungstitel überhaupt mit positionalen Renditen in regulärer Beschäftigung verbunden sind, kann erwartet werden, dass durch die Öffnung der Positionen diese Renditen abgeschmolzen werden. Die Einkommenseffekte befristeter Beschäftigungsverhältnisse sollten demnach abhängig sein vom jeweiligen Bildungsniveau des Arbeitnehmers, dies jedoch in einer durch die institutionellen Arrangements des nationalen Bildungssystems spezifisch geprägten Art und Weise. Unterschiede in den Bildungserträgen zwischen permanenter und befristeter Beschäftigung sollten vor allem dort zu finden sein, wo der Zusammenhang zwischen Bildungstiteln und beruflicher Karriere- und Entlohnungsmuster besonders stark ausfällt. Dies trifft für das hochgradig credentialistische Deutschland in einem weitaus höheren Maße zu als für Großbritannien, wo Bildungstitel und Arbeitsmarktplatzierung sowie Entlohnung in einem wesentlich schwächeren Zusammenhang stehen (vgl. z. B. Groß 2000). In Deutschland sollten daher die Einkommenseffekte befristeter Beschäftigungsverhältnisse viel stärker als in Großbritannien mit dem Bildungsniveau der Arbeitnehmer variieren.
5.1 Besetzungsmuster befristeter Stellen
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5 Hypothesen
Die bisherigen Überlegungen zu den Effekten befristeter Beschäftigung werden in diesem Kapitel zusammengeführt. Ziel ist es, empirisch testbare Hypothesen zu generieren, die sowohl die arbeitsmarkttheoretischen Grundlagen befristeter Beschäftigung als auch die länderspezifischen institutionellen Rahmenbedingungen angemessen reflektieren. Insgesamt lassen sich drei Gruppen von Hypothesen voneinander unterscheiden. Erstens können Aussagen über die Besetzung befristeter Stellen abgeleitet werden. Es stellt sich hier insbesondere die Frage danach, ob und inwieweit die Zuweisung von Personen auf solche Stellen nach systematischen Mustern erfolgt, d. h. welche individuellen und arbeitsplatzbezogenen Merkmale die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Arbeitnehmer (nur) befristet beschäftigt werden. Zweitens lassen sich Hypothesen zu den Auswirkungen befristeter Stellen auf den Prozess der Lohndetermination formulieren. Drittens schließlich spielen Aussagen zu den Mobilitätseffekten befristeter Stellen eine wichtige Rolle bei der Bewertung dieser Form flexibler Beschäftigung. Hierbei stehen die zu erwartenden Chancen und Risiken, die sich aus befristeten Beschäftigungsverhältnissen für die weitere Erwerbskarriere der entsprechenden Arbeitnehmer ergeben, im Mittelpunkt des Interesses.
5.1 Besetzungsmuster befristeter Stellen Von den eher ökonomisch geprägten Arbeitsmarkttheorien legen hauptsächlich die humankapitaltheoretischen Überlegungen den Schluss nahe, dass eine systematische Allokation bestimmter Arbeitnehmergruppen auf befristete Positionen zu erwarten ist. Arbeitgeber sind in der Regel nicht daran interessiert, ihr gesamtes Personal in flexiblen Arbeitsverhältnissen zu beschäftigen. Vielmehr richtet sich ihr Flexibilisierungsinteresse auf diejenigen Arbeitnehmer, die relativ leicht vom externen Arbeitsmarkt zu rekrutieren sind und deren Einarbeitung keine oder nur geringe Kosten verursacht. Daher sollten Arbeitnehmer mit nur geringer Qualifikation oder mit allgemeinem Humankapital (also Wissen, das in einer allgemeinen Ausbildung erworben wurde und in einer Vielzahl von Unternehmen anwendbar ist) ein erhöhtes Befristungsrisiko aufweisen. Demgegenüber sollten Arbeitnehmer mit spezifischem Humankapital stärker vor einer Befristung ihres Arbeitsvertrages geschützt sein, da die Investition in spezifisches
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5 Hypothesen
Humankapital sowohl den arbeitgeber- als auch den arbeitnehmerseitigen Wunsch nach einer Aufrechterhaltung des Beschäftigungsverhältnisses erhöht. Nur durch eine längerfristige Arbeitsbeziehung ist es möglich, dass sich die von beiden Vertragsparteien getragenen Investitionskosten amortisieren, da ein Wechsel des Arbeitnehmers in ein anderes Unternehmen unweigerlich zu einer Entwertung des spezifischen Humankapitals führt, so dass die Investitionsanteile beider Seiten verloren wären. Ein solcher Zusammenhang zwischen Qualifikationsniveau und Befristungswahrscheinlichkeit wird auch durch die segmentationstheoretischen Ansätze nahe gelegt. Zunächst ist aus der Perspektive dieser Ansätze mit einer Konzentration befristeter Beschäftigungsverhältnisse auf bestimmte Segmente des Arbeitsmarktes zu rechnen. Befristete Arbeitsstellen sollten vor allem im sekundären Arbeitsmarktsegment bzw. auf externen Arbeitsmärkten zu finden sein, die aus Sicht der Segmentationsansätze durch äußerst instabile Beschäftigungsverhältnisse gekennzeichnet sind. Aber auch im oberen primären Segment bzw. in berufsspezifischen Arbeitsmärkten sollten sich überproportional viele befristete Stellen finden lassen. Jedoch unterscheiden sich die einzelnen Arbeitsmarktsegmente nicht nur hinsichtlich bestimmter Arbeitsplatzmerkmale, sondern auch bezüglich gewisser Eigenschaften der Arbeitskräfte. Dabei wird angenommen, dass Arbeitnehmer mit bestimmten Merkmalen sich in „korrespondierenden“ Arbeitsmarktsegmenten konzentrieren. So sind etwa im oberen primären Arbeitsmarktsegment überwiegend Arbeitnehmer mit höherer allgemeiner Qualifikation zu finden, während im unteren primären Segment Arbeitnehmer mit spezifischem Humankapital, das z. B. durch berufliche Ausbildung vermittelt wird, überwiegen. Im sekundären Arbeitsmarkt konzentrieren sich Arbeitnehmer ohne oder mit nur geringem Humankapital.138 Insgesamt ergibt sich somit ein enger Zusammenhang zwischen Qualifikationsniveau und Befristungsrisiko, der sich sowohl für den deutschen als auch für den britischen Arbeitsmarkt finden lassen sollte. Hypothese 1: Das Befristungsrisiko hängt von der Qualifikation der Arbeitnehmer ab. Gering Qualifizierte oder Personen mit allgemeinem Humanka-
138 Es sei hier darauf hingewiesen, dass in der theoretischen Diskussion die Arbeitsmarktsegmente in der Regel nach den Eigenschaften der Arbeitsstellen (Stabilität, Existenz von Karriereleitern etc.) und nicht nach Arbeitnehmercharakteristiken abgegrenzt werden. In der vorliegenden Arbeit soll jedoch nicht versucht werden, Arbeitsmarktsegmente direkt zu operationalisieren. Vielmehr werden aus der Annahme der Existenz von Arbeitsmarktsegmenten Hypothesen darüber abgeleitet, welche Individuenmerkmale welche Effekte auf Befristungswahrscheinlichkeiten etc. haben. So bedeutet etwa die Annahme, dass Hochqualifizierte vorwiegend im oberen primären Arbeitsmarktsegment zu finden sind, demnach nicht, dass dieses durch hochqualifizierte Arbeitnehmer definiert wird.
5.1 Besetzungsmuster befristeter Stellen
149
pital weisen ein höheres Befristungsrisiko auf als Personen mit spezifischem Humankapital. Der Aufbau spezifischen Humankapitals wird durch bereits vorhandenes produktionsbezogenes Wissen deutlich erleichtert. Verfügen Arbeitnehmer etwa über grundlegende Kenntnisse des Produktionsablaufs, der verwendeten Technologien etc. können spezifische Fähigkeiten wesentlich einfacher und somit kostengünstiger vermittelt werden. Aus Sicht der Arbeitgeber ist es demzufolge rational, diejenigen Arbeitnehmer für eine firmenspezifische Ausbildung auszuwählen, die bereits über produktionsrelevante Fähigkeiten verfügen. Insofern ist zu erwarten, dass Arbeitgeber solche Arbeitskräfte, die bereits über produktionsbezogenes Wissen verfügen, längerfristig an das Unternehmen binden wollen, weshalb diese Gruppe von Arbeitnehmern tendenziell vor einer Befristung des Arbeitsvertrages geschützt sein dürfte. Produktionsbezogenes Wissen wird jedoch insbesondere in beruflichen Ausbildungsgängen erlernt, so dass Arbeitnehmer mit beruflichen Bildungsabschlüssen unterdurchschnittlich häufig befristet beschäftigt sein sollten. Dies gilt allerdings nur dann, wenn solche Bildungstitel für Arbeitgeber tatsächlich als Signal für das Vorhandensein produktionsbezogenen Wissens fungieren. Die Signalfähigkeit von Bildungstiteln wird jedoch durch die Struktur des Bildungssystems determiniert. Ein enger Zusammenhang zwischen Bildungstitel und tatsächlicher Qualifikation des Trägers dieses Titels wird erst durch einen hohen Standardisierungsgrad gewährleistet. Bildungstitel büßen ihre Signalfunktion ein, wenn die Anforderungen für ihren Erwerb stark variieren. Sind die mit den Bildungstiteln vermittelten Inhalte nicht nur aufgrund einer hohen Standardisierung miteinander vergleichbar, sondern auch noch klar gegeneinander abgrenzt, d. h. ist das Bildungssystem hoch differenziert, können Arbeitgeber anhand des Bildungsabschlusses relativ genau einschätzen, über welches Wissen und über welche Qualifikationen ein Bewerber verfügt. Da das deutsche Bildungssystem über einen sehr hohen Standardisierungs- und Differenzierungsgrad im Bereich der beruflichen Bildung verfügt, kann erwartet werden, dass berufliche Bildungsabschlüsse in Deutschland Arbeitnehmer vor befristeter Beschäftigung schützen. Hingegen sollten in Großbritannien berufliche Bildungsabschlüsse für die Besetzung befristeter Stellen eine deutlich geringere Rolle spielen, da das britische Bildungssystem vor allem im Bereich der beruflichen Ausbildung über einen relativ geringen Standardisierungsgrad (bei gleichzeitigem hohem Differenzierungsgrad!) verfügt, wodurch die Signalkraft beruflicher Bildungstitel deutlich eingeschränkt ist. Diese Überlegungen resultieren in einer zweigeteilten Hypothese:
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5 Hypothesen Hypothese 2: (a) Arbeitnehmer mit beruflichen Bildungsabschlüssen besitzen eine geringe Wahrscheinlichkeit, befristet beschäftigt zu sein. (b) Dieser Effekt ist in Deutschland stärker ausgeprägt als in Großbritannien.
Neben individuellen Eigenschaften der Arbeitskräfte wie etwa dem Qualifikationsniveau sollten auch arbeitsplatzbezogene Merkmale einen Einfluss darauf nehmen, ob ein Beschäftigungsverhältnis auf zeitlich befristeter Basis eingerichtet wird. Dabei dürfte insbesondere der unterschiedlich stark ausgeprägte Grad der institutionellen Beschäftigungssicherheit in einzelnen Bereichen des Arbeitsmarkts zu wichtigen Unterschieden im Allokationsprozess führen. Es ist zu vermuten, dass befristete Stellen gerade in solchen Arbeitsmarktbereichen eingerichtet werden, die für ihre regulären Stellen einen hohen Bestandsschutz aufweisen – die befristeten Beschäftigungsverhältnisse dienen dann der Aufrechterhaltung der externen Flexibilität, die durch die hohe Stabilität der regulären Stellen deutlich reduziert wird. Ein typisches Beispiel für einen Arbeitsmarktbereich mit einer erhöhten Beschäftigungssicherheit ist der öffentliche Sektor, dessen Beschäftigte stärker als Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft vor bestimmten Arbeitsmarktrisiken (wie etwa Arbeitslosigkeit) geschützt sind. Dies trifft ausdrücklich auf den deutschen Öffentlichen Dienst zu, dessen reguläre Beschäftigungsverhältnisse durch einen sehr hohen Bestandsschutz gekennzeichnet sind. Für diesen Wirtschaftssektor sollte der Einsatz befristeter Beschäftigungsverhältnisse als Flexibilisierungsmöglichkeit demzufolge eine hohe Bedeutung aufweisen. In Großbritannien hingegen fällt die Beschäftigungssicherheit im öffentlichen Sektor nur geringfügig höher aus als im privatwirtschaftlichen Sektor, was einen vermehrten Einsatz befristeter Beschäftigung im Bereich des Öffentlichen Dienstes als nicht unbedingt notwendig erscheinen lässt. Hypothese 3: (a) Befristete Arbeitsverträge finden sich überdurchschnittlich häufig im Bereich des Öffentlichen Dienstes. (b) In Deutschland fällt dieser Unterschied in den sektorenspezifischen Befristungshäufigkeiten größer aus als in Großbritannien. Es ist zu erwarten, dass noch weitere individuelle Eigenschaften der Arbeitnehmer (wie z. B. die Ethnie oder das Geschlecht) und arbeitsplatzbezogene Merkmale (wie z. B. die Betriebsgröße oder Stellen mit Teilzeitcharakter) einen Einfluss auf die Befristungswahrscheinlichkeit ausüben. Die Effekte dieser Merkmale sind in der vorliegenden Untersuchung jedoch nur von untergeordnetem Interesse, weshalb hier keine entsprechenden Hypothesen formuliert werden sollen. Selbstverständlich werden solche relevanten Einflussgrößen in den empirischen Analysen dennoch als Kontrollvariablen mit einbezogen, so dass ihre Effekte an geeigneter Stelle diskutiert werden können.
5.2 Lohneffekte
151
5.2 Lohneffekte Stark gekoppelt an die Überlegungen zu den Determinanten des Zuweisungsprozesses ist die Frage, ob und inwieweit befristete Beschäftigungsverhältnisse zu einer ungleichen Verteilung von Entlohnungs- und Karrierechancen beitragen und somit einen nachhaltigen Einfluss auf Struktur und Ausmaß sozialer Ungleichheit nehmen. Im Nachfolgenden steht zunächst der in befristeten Stellen erzielte Arbeitslohn, der als eine der zentralen Ungleichheitsdimensionen angesehen werden muss, im Mittelpunkt des Interesses. Lohndifferenzen zwischen befristet und unbefristet beschäftigten Arbeitnehmern sind aus theoretischer Sicht insbesondere deshalb zu erwarten, weil sich die mit befristeten Stellen verbundene Beschäftigungssicherheit deutlich von der Beschäftigungssicherheit in unbefristeten Positionen unterscheidet. Die arbeitsmarkttheoretischen Überlegungen zu den Einkommenseffekten befristeter Beschäftigung legen den Schluss nahe, dass die reduzierte Beschäftigungssicherheit in befristeten Stellen zu einem Lohnabschlag für die in diesen Stellen tätigen Arbeitnehmer führt. Der Minderverdienst befristet Beschäftigter wird hier direkt aus der mit befristeten Stellen verbundenen geringeren Beschäftigungssicherheit abgeleitet und sollte sich demzufolge nicht aus den sonstigen arbeitsplatzbezogenen Merkmalen oder den individuellen Eigenschaften der Stelleninhaber erklären lassen. Somit kann folgender Zusammenhang formuliert werden: Hypothese 4: Befristete Beschäftigungsverhältnisse sind durchschnittlich geringer entlohnt als vergleichbare unbefristete Arbeitsverhältnisse. Dieser Zusammenhang leitet sich – wenn auch mit unterschiedlichen Begründungen – aus allen hier diskutierten theoretischen Ansätzen mit Ausnahme der Kontrakttheorien ab. In einer kontrakttheoretischen Argumentationslinie sind im Gegensatz zu den oben genannten Folgerungen keine Lohndifferenzen zwischen befristeten und unbefristeten Beschäftigten zu erwarten. Sollten sich entgegen dieser Vermutung empirisch jedoch Lohndifferenzen nachweisen lassen, wären die kontrakttheoretischen Erklärungsmuster in Frage gestellt. Die mit einer Befristung einhergehende Öffnung einer Position führt zu einer Verringerung der Chance, positionale Renditen zu erzielen. Es liegt somit nahe, zu vermuten, dass von befristeten Beschäftigungsverhältnissen vor allem dann Lohneffekte zu erwarten sind, wenn sie zu einer Öffnung relativ geschlossener Positionen beitragen, da hier der Renditenverlust besonders hoch ausfallen sollte. Verfügen hingegen die regulären, unbefristeten Positionen nur über einen geringen Grad an Beschäftigungssicherheit, können schon in diesen Arbeitsverhältnissen kaum positionale Renditen erzielt werden. Die Lohnunterschiede zwischen befristeten und permanenten Stellen sollten in einem solchen Fall
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5 Hypothesen
demnach nur marginal ausfallen, da die Befristung nur noch wenig zur Öffnung der Positionen beiträgt. Auf der Grundlage dieses Zusammenhangs ist erstens davon auszugehen, dass sich die Lohneffekte befristeter Beschäftigungsverhältnisse für die beiden hier untersuchten Arbeitsmärkte voneinander unterscheiden. Es ist zu vermuten, dass im deutschen Arbeitsmarkt aufgrund des stark ausgeprägten Bestandsschutzes der regulären Arbeitsstellen die Lohnunterschiede zwischen befristeten und unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen wesentlich höher ausfallen als in Großbritannien. Hypothese 5: Die Lohneffekte befristeter Beschäftigung fallen in Deutschland stärker aus als in Großbritannien. Da der Grad der Beschäftigungssicherheit auch zwischen einzelnen Wirtschaftssektoren und somit innerhalb der nationalen Arbeitsmärkte variiert, lässt sich zweitens vermuten, dass die Lohneffekte sektorenspezifisch ausfallen. Hierbei ist insbesondere davon auszugehen, dass die sehr hohe Beschäftigungssicherheit regulärer Stellen im deutschen Öffentlichen Dienst zu einer Verstärkung des negativen Lohneffekts befristeter Stellen in diesem Bereich führt. Dieser Zusammenhang sollte sich für Großbritannien aufgrund der recht ähnlich ausgeprägten Beschäftigungssicherheit im privatwirtschaftlichen und im öffentlichen Wirtschaftssektor, wenn überhaupt, nur marginal nachweisen lassen. Hypothese 6: (a) Die Lohnabschläge in befristeten Stellen fallen im Öffentlichen Dienst höher aus als in der Privatwirtschaft. (b) Dieser Effekt ist im deutschen Arbeitsmarkt stärker ausgeprägt als in Großbritannien. Einige der vorgestellten Arbeitsmarkttheorien legen weiterhin den Schluss nahe, dass die Lohneffekte von der konkreten Funktion, die befristete Beschäftigungsverhältnisse am Arbeitsmarkt erfüllen, abhängen. Hierbei wird angenommen, dass befristete Stellen, die mit der Funktion der Kostenersparnis verbunden sind bzw. der Erprobung neuer Mitarbeiter dienen, zu Lohneinbußen führen. Hingegen sind solche befristeten Arbeitsverhältnisse, die als Projekttätigkeit beschrieben werden können, möglicherweise sogar mit überdurchschnittlich hohen Löhnen verbunden. Diese Annahmen lassen sich aus den Kontrakttheorien, dem Fluktuations- und dem Adversen-Selektions-Ansatz sowie aus segmentationstheoretischen Überlegungen ableiten. Wird hier zusätzlich angenommen, dass diese Projekttätigkeiten hauptsächlich von Hochqualifizierten ausgeführt werden, so ließe sich auch argumentieren, dass Arbeitnehmer mit hohem Qualifikationsniveau in befristeten Stellen insgesamt vergleichsweise geringe Lohneinbußen zu verzeichnen haben. Auf der Grundlage des Motivations-Ansatzes lässt sich jedoch ein völlig anderer Zusammenhang zwischen dem Qualifikati-
5.2 Lohneffekte
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onsniveau und der Entlohnung in befristeten Stellen erwarten. Da die Höhe des Effizienzlohns neben der Beschäftigungssicherheit auch von der Möglichkeit der Leistungsüberwachung abhängt, sind hohe Effizienzlöhne aufgrund der erschwerten Leistungsüberwachung insbesondere für hoch qualifizierte Arbeitnehmer wahrscheinlich. Demzufolge sollte die Lohndifferenz zwischen befristeten und unbefristeten Stellen mit dem Qualifikationsniveau ansteigen. Folglich wäre die Gruppe der Hochqualifizierten am stärksten von den negativen Lohneffekten befristeter Beschäftigungsverhältnisse betroffen. Aufgrund dieser widersprüchlichen Aussagen sollen für den Zusammenhang zwischen Qualifikationsniveau und Lohneffekt zwei alternative Hypothesen formuliert werden. Hypothese 7-I: Die Lohneinbußen in befristeten Beschäftigungsverhältnissen fallen für hochqualifizierte Arbeitnehmer geringer aus als für Arbeitnehmer mit mittlerem oder niedrigem Qualifikationsniveau. Hypothese 7-II: Die Lohneinbußen in befristeten Beschäftigungsverhältnissen fallen für hochqualifizierte Arbeitnehmer höher aus als für Arbeitnehmer mit mittlerem oder niedrigem Qualifikationsniveau. Die Einkommenseffekte befristeter Beschäftigung dürften weiterhin in ganz erheblichem Ausmaße von der institutionellen Ausgestaltung des nationalen Bildungssystems abhängig sein. Die in befristeten und unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen erzielten Bildungserträge sollten sich vor allem dort unterscheiden, wo der Zusammenhang zwischen Bildungstitel und beruflicher Platzierung sehr stark ausfällt. Ein solcher Konnex findet sich in Deutschland, das als hochgradig credentialistisch beschrieben werden kann. In Großbritannien hingegen existiert ein wesentlich schwächerer Zusammenhang zwischen Bildungstiteln und beruflichen Karriere- und Entlohnungsmustern. Insbesondere für berufliche Ausbildungstitel lassen sich im Ländervergleich Unterschiede bei der Positionierung von Individuen in das Erwerbssystem finden. So erhöhen berufliche Bildungstitel in Deutschland die Chancen auf einen erfolgreichen Übergang aus dem Bildungs- in das Erwerbssystem, während sich ein solcher Zusammenhang in Großbritannien kaum finden lässt. Aber auch für tertiäre Bildungstitel kann angenommen werden, dass sie in Deutschland aufgrund des erhöhten Standardisierungsgrades die Chancen einer erfolgreichen Platzierung im Erwerbssystem deutlich erhöhen. In Großbritannien ist aufgrund des erheblich geringeren Standardisierungsgrades hingegen auch für den Bereich der tertiären Bildung von einem wesentlich schwächeren Zusammenhang zwischen Bildungstiteln und individuellen Karrierechancen auszugehen. Es ist somit zu vermuten, dass die Einkommenseffekte befristeter Beschäftigungsverhältnisse für Personen mit beruflichen sowie mit tertiären Bildungstiteln in Deutschland stärker ausfallen als im britischen Arbeitsmarkt, wo die Einkommenseffekte befristeter Beschäfti-
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5 Hypothesen
gung in weitaus geringerem Maße mit dem Bildungsniveau der Arbeitnehmer variieren. Hypothese 8: Die Einkommenseffekte befristeter Beschäftigung im deutschen und im britischen Arbeitsmarkt unterschieden sich besonders stark für Arbeitnehmer mit beruflichen Ausbildungszertifikaten sowie für Beschäftigte mit tertiären Bildungstiteln. Neben den Effekten befristeter Beschäftigung auf die reine Lohnhöhe legen Sørensens Überlegungen zu Systemen offener und geschlossener Positionen den Schluss nahe, dass aufgrund der geringeren Beschäftigungssicherheit in befristeten Stellen solche Merkmale, die aus Sicht der Arbeitgeber als Produktivitätssignale fungieren, im Prozess der Einkommensdetermination an Bedeutung verlieren. Demnach wäre zu erwarten, dass es in befristeten Positionen zu einer Abschwächung des Zusammenhangs zwischen Lohnhöhe und sozialstrukturellen Merkmalen und somit zu einer gewissen Entstrukturierung sozialer Ungleichheit kommt. Wiederum ist hier aufgrund der insgesamt höher ausgeprägten Beschäftigungssicherheit in Deutschland damit zu rechnen, dass dieser Zusammenhang in weit stärkerem Ausmaße für den deutschen als für den britischen Arbeitsmarkt gilt. Hypothese 9: (a) Im Vergleich zu unbefristeten Stellen wird der Prozess der Lohndetermination in befristeten Stellen in geringerem Ausmaß durch sozialstrukturelle Merkmale beeinflusst. (b) Der Bedeutungsverlust sozialstruktureller Merkmale für die Lohndetermination in befristeten Stellen ist in Deutschland höher als in Großbritannien.
5.3 Karrieremobilität Es ist leicht einzusehen, dass die Frage nach den mit befristeten Beschäftigungsverhältnissen verbundenen Mobilitätseffekten zentral für eine ungleichheitsbezogene Bewertung dieser flexiblen Erwerbsform ist. Bei der Betrachtung der Konsequenzen befristeter Beschäftigung für Prozesse intragenerationaler Mobilität sind mindestens zwei Aspekte von Bedeutung. Erstens ist davon auszugehen, dass befristete Beschäftigung das Ausmaß intragenerationaler Mobilität beeinflusst, da sich durch die Zunahme befristeter Beschäftigungsverhältnisse die durchschnittliche Beschäftigungsdauer verringern und die Anzahl der Jobwechsel erhöhen dürfte. Zweitens lässt sich vermuten, dass befristete Beschäftigungsverhältnisse einen deutlichen Einfluss auf die weitere Erwerbskarriere der Beschäftigten ausüben. Während der erste Aspekt – der Anstieg des Ausmaßes intragenerationaler Mobilität – eine recht offensichtliche Konsequenz befristeter
5.3 Karrieremobilität
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Beschäftigung zu sein scheint, sind die Folgen der Befristung für die individuelle Karrieremobilität weniger eindeutig. Mit Blick auf die Konsequenzen, die befristete Arbeitsverhältnisse für den weiteren Verlauf der Erwerbskarrieren der Arbeitnehmer ausüben, ist es in einem ersten Schritt sinnvoll, zu hinterfragen, ob und inwieweit befristete Stellen mit erhöhten Arbeitsmarktrisiken für die Arbeitnehmer verbunden sind. Von besonderem Interesse ist hierbei sowohl das Arbeitslosigkeitsrisiko als auch das Risiko, zukünftig weiterhin nur befristet beschäftigt zu sein. Sollten sich solche Zusammenhänge nachweisen lassen, wären befristete Beschäftigungsverhältnisse als klares Element der Destabilisierung von Erwerbskarrieren bzw. als Element einer Verfestigung der Arbeitsmarktspaltung zu verstehen. Ein erhöhtes Arbeitslosigkeits- und Wiederbefristungsrisiko nach Beendigung eines befristeten Beschäftigungsverhältnisses lässt sich hauptsächlich aus humankapital- und kontrakttheoretischen Überlegungen ableiten. In der Logik der Humankapitaltheorie führt die geringere Beschäftigungssicherheit in befristeten Stellen dazu, dass die Investitionen in das spezifische Humankapital der Beschäftigten unterdurchschnittlich ausfallen. Diese geringere Investitionsneigung wiederum lässt eine längerfristige Bindung der Arbeitskraft an das Unternehmen unwahrscheinlicher werden, wodurch sich das Freisetzungsrisiko für die Arbeitskräfte erhöht. Aus Sicht der Kontrakttheorien wiederum dienen befristete Stellen der Absicherung des relativ geschützten Belegschaftskerns und sind daher für die Beschäftigten mit einem erhöhten Arbeitslosigkeitsrisiko verbunden. Zusätzlich lässt sich vermuten, dass befristet Beschäftigte aufgrund des geringeren Aufbaus von Humankapital ein erhöhtes Risiko aufweisen, nach Ablauf des Vertrages wieder nur eine befristete Stelle zu erhalten. Ein erhöhtes Arbeitslosigkeits- oder Wiederbefristungsrisiko befristet Beschäftigter lässt sich auch auf der Grundlage segmentationstheoretischer Argumente erwarten. Befristete Beschäftigungsverhältnisse sind in dieser Sichtweise bestimmten Arbeitsmarktsegmenten zugeordnet, die wiederum spezifische Mobilitätsmuster aufweisen. Kennzeichen dieser Mobilitätsmuster ist eine im Vergleich zu der Beschäftigungssituation im unteren primären Sektor oder in firmeninternen Arbeitsmärkten deutlich geringere Stabilität der Erwerbskarrieren. Dabei ist es wichtig zu betonen, dass die Befristung als Ausdruck der segmentationsspezifischen Instabilität eigenständige Effekte auf die weitere Beschäftigungskarriere hat: Als Strukturmerkmal des Arbeitsmarktes hat sie Effekte auf die (In)-Stabilität der individuellen Erwerbskarrieren jenseits der persönlichen Merkmale der Arbeitnehmer in befristeten Stellen. Allerdings unterscheiden sich die Segmente mit instabilen Mobilitätsmustern sowohl hinsichtlich der Art der Instabilität als auch hinsichtlich des Qualifikationsniveaus der in diesen Segmenten tätigen Arbeitskräfte, so dass qualifikationsspezifische Wiederbefristungs-
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5 Hypothesen
und Arbeitslosigkeitsrisiken befristet beschäftigter Arbeitnehmer zu erwarten sind. Für das obere primäre Arbeitsmarktsegment, in dem hauptsächlich Hochqualifizierte beschäftigt sind, kann vermutet werden, dass befristete Stellen eher in weiteren befristeten Beschäftigungsverhältnissen münden. Befristete Stellen des sekundären Segments, in dem eher niedrigqualifizierte Arbeitskräfte beschäftigt sind, sollten hingegen das Arbeitslosigkeitsrisiko deutlich erhöhen. Aufgrund dieser Überlegungen lassen sich folgende Hypothesen formulieren: Hypothese 10: (a) Befristet Beschäftigte haben ein erhöhtes Risiko, zukünftig weiterhin befristet beschäftigt zu sein. (b) Abfolgen von befristeten Arbeitsverhältnissen finden sich überwiegend bei Hochqualifizierten. Hypothese 11: (a) Befristet Beschäftigte haben ein erhöhtes Risiko, arbeitslos zu werden. (b) Ein erhöhtes Arbeitslosigkeitsrisiko ist insbesondere für niedrig qualifizierte Arbeitskräfte mit befristeten Beschäftigungsverhältnissen zu beobachten. Hinsichtlich der Auswirkungen institutioneller Faktoren auf die Mobilitätseffekte befristeter Beschäftigung ist es sinnvoll, genauer herauszuarbeiten, ob und inwieweit die unternehmensseitigen Gründe für den Einsatz befristeter Beschäftigung durch die institutionellen Rahmenbedingungen beeinflusst werden und welche Konsequenzen aus diesem Zusammenspiel wiederum für die Effekte befristeter Beschäftigungsverhältnisse ableitbar sind. So ist zu erwarten, dass im Vergleich zum britischen Arbeitsmarkt befristete Stellen in Deutschland in einem höheren Ausmaß in Phasen von Arbeitslosigkeit münden. Drei Gründe sprechen für diese Annahme. Erstens finden sich in Deutschland relativ hohe institutionelle Restriktionen gegenüber Erneuerungen bzw. Verlängerungen befristeter Verträge, die es Arbeitgebern, die nicht bereit sind, befristete in permanente Stellen umzuwandeln, nach einer bestimmten Zeit gesetzlich untersagen, die Befristung weiterzuführen. Somit erhöht der recht stark ausgeprägte Schutz vor Kettenverträgen nahezu zwangsläufig das Arbeitslosigkeitsrisiko von befristet Beschäftigten. Zweitens ist zu vermuten, dass in Deutschland Wechsel aus befristeten Stellen in Phasen der Arbeitslosigkeit häufiger als in Großbritannien zu beobachten sind, da befristete Arbeitsverhältnisse im deutschen Arbeitsmarkt vermehrt mit dem Ziel der Kostenersparnis und somit mit einem überdurchschnittlich hohen Entlassungsrisiko für die Beschäftigten verbunden sein dürften. Dies resultiert aus dem erhöhten Flexibilisierungsbedarf deutscher Unternehmen, die durch den Einsatz befristeter Arbeitsverhältnisse versuchen, die aus der relativ hohen Beschäftigungssicherheit regulärer Stellen entstehenden Kosten zu kompensieren. Im britischen Arbeitsmarkt, der auch im Bereich der regulären Stellen über ein relativ hohes Maß an Flexibilität verfügt, ist hingegen mit einem vergleichsweise geringen Anteil von befristeten Beschäf-
5.3 Karrieremobilität
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tigungsverhältnissen mit der Funktion der Kostenersparnis zu rechnen. Drittens sollten im britischen Arbeitsmarkt vermehrt solche befristeten Beschäftigungsverhältnisse zu finden sein, die die Funktion der Erprobung erfüllen, da britische Arbeitgeber aufgrund des geringen Standardisierungsgrades des Bildungssystems Ausbildungszertifikate nur sehr eingeschränkt als Informationsquelle für das Qualifikationsniveau eines neu einzustellenden Arbeitnehmers nutzen können. In Deutschland dagegen dürfte der Erprobungsbedarf bei Neueinstellungen deutlich geringer ausfallen, da hier Bildungstitel und Qualifikationsniveau stärker miteinander verknüpft sind. Dies bedeutet jedoch auch, dass im britischen Arbeitsmarkt ein vergleichsweise hoher Anteil von befristet Beschäftigten die Chance auf einen Wechsel in eine Dauerstelle besitzt, was sich ebenfalls in einem geringeren Arbeitslosigkeitsrisiko für diese Beschäftigten niederschlagen sollte. Hypothese 12: Das Arbeitslosigkeitsrisiko befristetet Beschäftigter fällt in Deutschland höher als in Großbritannien aus. Wenn im Vergleich zu Großbritannien befristete Stellen in Deutschland eher mit der Funktion der Kostenersparnis als mit der Funktion der Erprobung verbunden sind, ist allerdings auch zu erwarten, dass für befristete Stellen im deutschen Arbeitsmarkt nicht nur das Arbeitslosigkeitsrisiko, sondern auch das Risiko von „Befristungskarrieren“ erhöhen. Obwohl in Deutschland Kettenverträge aufgrund gesetzliche Vorschriften nur eingeschränkt möglich sind, ist zu vermuten, dass befristet Beschäftigte, die bei ihrem derzeitigen Arbeitgeber keine Chance auf einen Wechsel in eine Dauerstelle haben, ein erhöhtes Risiko aufweisen, bei der nächsten Erwerbstätigkeit wieder nur befristet beschäftigt zu werden. Gleichzeitig dürfte die geringere Dynamik des deutschen Arbeitsmarkts dazu führen, dass weit weniger Arbeitnehmer zwischen befristeten und unbefristeten Stellen hin und her wechseln. Es kommt somit in Deutschland zu einer stärkeren Strukturierung der Erwerbschancen von befristet Beschäftigten. Allerdings ist auch zu erwarten, dass die geringen Restriktionen gegen Kettenverträge in Großbritannien Abfolgen von befristeten Beschäftigungsverhältnissen begünstigen, so dass der Länderunterschied insgesamt vermutlich kleiner ausfällt als bei dem zuvor diskutierten Arbeitslosigkeitsrisiko. Hypothese 13: Abfolgen befristeter Beschäftigungsverhältnisse („Befristungsketten“) sind in Deutschland häufiger als in Großbritannien. Weiterhin ist zu vermuten, dass das von befristeten Stellen ausgehende Arbeitslosigkeits- und Wiederbefristungsrisiko im deutschen Arbeitsmarkt zwischen einzelnen Wirtschaftsbereichen variiert, während für Großbritannien keine solche Differenzierung zu erwarten ist. Ein erhöhtes Arbeitslosigkeitsrisiko be-
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5 Hypothesen
fristeter Stellen sollte sich in Deutschland vor allem im Bereich des Öffentlichen Dienstes finden lassen. Aufgrund des vorherrschenden Sparzwanges und der sehr hohen Beschäftigungssicherheit der regulären Positionen dienen befristete Beschäftigungsverhältnisse im Öffentlichen Dienst häufig nicht der Erprobung neuer Mitarbeiter, sondern vielmehr als kostengünstiges Beschäftigungsmodell. Im privatwirtschaftlichen Sektor hingegen wird das Arbeitslosigkeitsrisiko befristeter Stellen wesentlich geringer ausfallen, da für diesen Wirtschaftsbereich von einem deutlich höheren Anteil an befristeten Probearbeitsverhältnissen ausgegangen werden kann, was bedeutet, dass insgesamt mehr befristete Positionen in Dauerstellen umgewandelt werden. Für Großbritannien hingegen findet sich ein wesentlich geringerer sektoraler Unterschied in der Beschäftigungssicherheit regulärer Stellen. Es ist daher zu erwarten, dass sich das von befristen Stellen ausgehende Arbeitslosigkeitsrisiko nur unwesentlich zwischen dem privaten und dem öffentlichen Sektor unterscheidet. Weiterhin lässt sich vermuten, dass auch das Wiederbefristungsrisiko im Bereich des deutschen Öffentlichen Dienstes höher ausfällt als im Sektor der Privatwirtschaft, da bei befristeten Stellen, die weniger der Erprobung neuer Mitarbeiter als vielmehr dem Ziel der Kostensenkung dienen, auslaufende befristete Verträge eher erneuert als in unbefristete Verträge umgewandelt werden. Für Großbritannien kann hingegen angenommen werden, dass keine oder nur geringe Unterschiede im Wiederbefristungsrisiko zwischen Stellen im öffentlichen und im privaten Sektor existieren. Diese Überlegungen resultieren in zwei weiteren Hypothesen: Hypothese 14: (a) Das Wiederbefristungsrisiko befristet Beschäftigter ist im Bereich des Öffentlichen Dienstes höher ausgeprägt als im Bereich der Privatwirtschaft. (b) Diese Effekte fallen im deutschen Arbeitsmarkt stärker aus als in Großbritannien. Hypothese 15: (a) Das Arbeitslosigkeitsrisiko befristet Beschäftigter ist im Bereich des Öffentlichen Dienstes höher ausgeprägt als im Bereich der Privatwirtschaft. (b) Diese Effekte fallen im deutschen Arbeitsmarkt stärker aus als in Großbritannien. Zusätzlich zu der Betrachtung der direkt mit befristeten Beschäftigungsverhältnissen verbundenen Arbeitsmarktrisiken ist es aus einer ungleichheitsbezogenen Perspektive wichtig zu thematisieren, ob und inwieweit befristete Beschäftigung auch einen Einfluss auf die mittel- bis langfristige Lohnentwicklung nimmt. Sollte sich etwa ein nachhaltiger Effekt befristeter Arbeitsverhältnisse auf das zukünftige Lohnniveau nachweisen lassen, hätte diese Form der flexiblen Beschäftigung einen weitaus stärkeren Einfluss auf Struktur und Ausmaß sozialer Ungleichheit als in einem Szenario, in dem befristete Stellen nur mit einer kurzfristigen monetären Schlechterstellung verbunden ist. Mit Blick auf die
5.3 Karrieremobilität
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Konsequenzen befristeter Beschäftigung für den weiteren Verlauf der Lohnentwicklung erscheint es sinnvoll, zwischen mindestens zwei verschiedenen Mobilitätsmustern zu unterscheiden. Erstens kann es befristet Beschäftigten nach Ablauf einer gewissen Zeit gelingen, in eine unbefristete Stelle zu wechseln, sei es beim selben oder bei einem anderen Arbeitgeber. Zweitens ist jedoch auch der Verbleib in befristeter Beschäftigung möglich, etwa dann, wenn befristet Beschäftigte nicht in der Lage sind, eine Dauerstelle zu finden oder freiwillig zwischen befristeten Positionen wechseln. Der Wechsel aus einer befristeten in eine unbefristete Stelle steht zum einen für den erfolgreichen Wechsel aus einer eher unsicheren in eine relativ sichere berufliche Position. Folglich kann dieses Mobilitätsmuster tendenziell als eine Art der Stabilisierung der Erwerbskarriere aufgefasst werden. Typischerweise findet sich ein solches Muster vor allem dort, wo befristete Stellen den Charakter einer Eingangsposition in einen internen Arbeitsmarkt haben. Die Befristung dient dann hauptsächlich der Erprobung des neu einzustellenden Mitarbeiters, bei positiver Bewertung erfolgt in der Regel die Übernahme in eine Dauerstelle und somit der Zugang zu den Aufstiegsmöglichkeiten eines internen Arbeitsmarktes. Wenn also die Befristung lediglich den Charakter eines Probearbeitsverhältnisses hat, sollten sich kaum negative Einkommenseffekte einer vergangenen Befristung finden lassen. Es ist dann umgekehrt sogar davon auszugehen, dass die ehemals befristet Beschäftigten überproportionale Einkommenszuwächse verzeichnen, um die mit der befristeten Eintrittsposition verbundenen Lohneinbußen zu kompensieren. Dieses Argument findet sich in expliziter Form im Ansatz der adversen Selektion, jedoch ist eine solche Vorstellung auch bei den anderen theoretischen Ansätzen zumindest implizit enthalten. Allerdings ist der Übergang von einer befristeten in eine unbefristete Stelle nicht immer als eine erfolgreiche Übernahme aus der Probezeit zu deuten. So kann ein solcher Übergang auch als eine spät geglückte Integration in ein reguläres Beschäftigungsverhältnis interpretiert werden. Arbeitnehmer, deren befristete Beschäftigungsverhältnisse nicht der Erprobung dienen oder die aufgrund einer nicht erfolgreichen Übernahme von unbefristeten Stellen zunächst ausgeschlossen sind, werden vermehrt bereit sein, auch vergleichsweise schlecht entlohnte Dauerstellen zu akzeptieren. Durch die Akzeptanz solcher Stellen vermeiden sie weitere befristete Beschäftigungsverhältnisse, reduzieren ihr Arbeitslosigkeitsrisiko, können einen permanenten Einkommensstrom sicherstellen und stabilisieren somit insgesamt ihre Erwerbskarrieren. In diesen Fällen, in denen sich Arbeitnehmer eine relative Sicherheit mit Einkommenseinbußen „erkaufen“, sind befristete Beschäftigungsverhältnisse mit eindeutig negativen Einkommenseffekten verbunden.
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5 Hypothesen
Somit bleibt der Lohneffekt dieses Mobilitätsmusters ein wenig unklar: Einerseits kann ein Wechsel in eine Dauerstelle für eine erfolgreiche Übernahme nach einer ausgedehnten Probezeit mit einer entsprechenden Einkommenssteigerung stehen, andererseits mag ein solcher Wechsel aber auch ein mit Einkommensabschlägen erkaufter Weg aus einer unsicheren Beschäftigungssituation darstellen. Jedoch ist zu vermuten, dass diese Effekte befristeter Beschäftigung in einem engen Zusammenhang mit dem Qualifikationsniveau der Arbeitnehmer stehen. Da ausgedehnte Probezeiten vor allem für die hochqualifizierten Arbeitskräfte, die sich für sehr komplexe Tätigkeiten bewähren müssen, eine Rolle spielen dürften, sollte sich für die Gruppe der hochqualifizierten Arbeitnehmer mit einem Wechsel aus einer befristeten Stelle in eine unbefristete Position insgesamt überdurchschnittliche Lohnzuwächse finden lassen. Für Arbeitnehmer mit mittlerem und insbesondere für solche mit niedrigem Qualifikationsniveau spielt eine verlängerte Erprobung auf der Grundlage eines befristeten Arbeitsvertrages hingegen eine geringere Rolle. Hier dürfte für Arbeitgeber die „normale“ Probezeit in unbefristeten Stellen vollkommen ausreichen, um zu entscheiden, ob die Arbeitskraft über eine hinreichende Produktivität verfügt. Wechsel aus befristeten in unbefristete Positionen sind daher für diese Arbeitnehmergruppe eher als gezielt gesuchter Ausweg aus einer unsicheren Beschäftigungssituation anzusehen. Es lässt sich somit vermuten, dass ehemals befristet beschäftigte Arbeitnehmer mit niedrigen und mittleren Ausbildungsabschlüssen nur unterdurchschnittliche Löhne in ihren aktuellen (unbefristeten) Beschäftigungsverhältnissen erzielen. Hypothese 16: (a) Der Übergang aus einer befristeten in eine unbefristete Stelle ist für Arbeitnehmer mit geringem oder mittlerem Ausbildungsniveau mit einem unterdurchschnittlichen Lohnwachstum verbunden. (b) Hochqualifizierte Arbeitskräfte verzeichnen bei einem solchen Wechsel hingegen überdurchschnittliche Lohnsteigerungen. Der Einfluss befristeter Beschäftigungsverhältnisse auf die individuelle Lohnentwicklung dürfte jedoch auch von den institutionellen Rahmenbedingungen der nationalen Arbeitsmärkte abhängig sein. Effekte befristeter Stellen sollten sich vor allem dort finden lassen, wo der Grad der Beschäftigungssicherheit der regulären Stellen vergleichsweise hoch ausfällt. Zu erwarten ist, dass der Übergang aus einer befristeten in eine unbefristete Stelle im deutschen Arbeitsmarkt mit stärkeren Lohneffekten verbunden ist als in Großbritannien. Da befristete Eintrittsposition vermutlich mit höheren Lohnabschlägen als im britischen Arbeitsmarkt verbunden sind, sollte es in Deutschland bei einer Übernahme eines zuvor erprobten befristet Beschäftigten zu stärkeren Einkommenszuwächsen kommen. Gleichzeitig sollten die höheren Lohnabschläge in befristeten Stel-
5.3 Karrieremobilität
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len jedoch auch dazu führen, dass befristet Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis nicht der Erprobung dient, für einen Wechsel auf eine Dauerstelle vergleichsweise schlechte Löhne akzeptieren. Werden diese Überlegungen mit dem oben vermuteten Zusammenhang zwischen Erprobungs- bzw. Kostensenkungsfunktion befristeter Stellen und dem Qualifikationsniveau der Arbeitskräfte kombiniert, lässt sich folgende Hypothese formulieren: Hypothese 17: (a) Die negativen Effekte befristeter Stellen auf die weitere Lohnentwicklung für Arbeitnehmer mit niedrigem oder mittlerem Ausbildungsniveau fallen in Deutschland stärker aus als in Großbritannien. (b) Im deutschen Arbeitsmarkt können hochqualifizierte Arbeitnehmer bei einem Wechsel aus befristeter Beschäftigung höhere Lohnzuwächse erzielen als vergleichbare Arbeitnehmer in Großbritannien. Der Wechsel aus einer befristeten in eine wieder befristete Stelle deutet auf das als „Befristungsketten“ bezeichnete Phänomen der zeitlichen Abfolge von befristeten Arbeitsverhältnissen. Auch wenn zwischen den beiden befristeten Stellen eine Dauerstelle gelegen haben sollte, kann hier nicht von einer stabilen Erwerbskarriere gesprochen werden. In diesem Fall legen die arbeitsmarkttheoretischen Überlegen jedoch den Schluss nahe, dass die Bedeutung und damit die Effekte solcher „Befristungsketten“ stark mit der Qualifikation der Arbeitnehmer variieren. Für die Gruppe der niedrig und mittel qualifizierten Arbeitnehmer können „Befristungsketten“ als ein Indiz für eine nicht gelungene Integration in den Arbeitsmarkt gewertet werden. Diesen Personen ist es entweder nicht gelungen, aus einem befristeten Probearbeitsverhältnis in eine Dauerstelle zu wechseln, oder ihre befristete Stelle sah von vornherein keinen Übergang in eine unbefristete Position vor. Ein solches Mobilitätsmuster dürfte dann für Arbeitnehmer mit geringer oder mittlerer Bildung mit entsprechenden unterdurchschnittlichen Karriereentwicklungen im Allgemeinen und mit negativen Lohneffekten im Besonderen assoziiert sein. Für hochqualifizierte Arbeitskräfte lassen sich dagegen andere Zusammenhänge vermuten. Für diese Gruppe von Arbeitnehmern sind zwar durchaus auch „Befristungsketten“ zu erwarten, die aber keineswegs nachteilig im Hinblick auf die berufliche Entwicklung sein müssen. Befristungsketten können für Hochqualifizierte durchaus als Indiz für anspruchsvolle sukzessive Projektarbeiten, die mit überdurchschnittlichen Verdienstmöglichkeiten einhergehen, gewertet werden. Die Arbeitnehmer wechseln dann von Projekt zu Projekt, ohne dabei Lohneinbußen erwarten zu müssen. Im Gegenteil kann eine abwechslungsreiche Tätigkeit eine verwertbare Humankapitalinvestition durch Berufserfahrung bedeuten, so dass solche Ketten gar mit Lohnsteigerungen verbunden sein können. Insofern ist zu vermuten, dass „Befris-
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5 Hypothesen
tungsketten“ für hochqualifizierte Arbeitnehmer mit deutlich positiveren Effekten verbunden sind als für andere Arbeitsmarktgruppen. Hypothese 18: (a) Der Verbleib in befristeter Beschäftigung ist für Arbeitnehmer mit geringem oder mittlerem Ausbildungsniveau mit einer unterdurchschnittlichen Lohnentwicklung verbunden. (b) Hochqualifizierte Arbeitskräfte können durch den Wechsel zwischen befristeten Beschäftigungsverhältnissen hingegen überdurchschnittliche Lohnsteigerungen erzielen.
6.1 Datensätze
163
6 Daten, Variablen und Methoden
6.1 Datensätze Für die hier angestrebte empirische Analyse der sozio-ökonomischen Konsequenzen befristeter Beschäftigungsverhältnisse ergeben sich mindestens vier Anforderungen an die Qualität der zu verwendenden Daten. Erstens sollten die zu nutzenden Datensätze neben Angaben über die Art des Arbeitsvertrages (befristet vs. unbefristet) auch genügend relevante Zusatzinformationen über individuelle Eigenschaften der Arbeitnehmer sowie über weitere arbeitsplatzbezogene Merkmalen beinhalten, da nur durch eine Kontrolle dieser zusätzlichen Informationen in den Analysemodellen gewährleistet ist, dass die ermittelten Effekte befristeter Stellen als tatsächlich eigenständig und unabhängig von den Einflüssen anderer Merkmale angesehen werden können. Zweitens muss für den Ländervergleich zwischen Deutschland und Großbritannien sichergestellt sein, dass in den Modellen tatsächlich vergleichbare Variablen verwendet werden. Dazu sollten die deutschen und die britischen Daten über eine hinreichend große Schnittmenge an Variablen verfügen, die vergleichbare Sachverhalte auf gleiche oder doch zumindest recht ähnliche Art und Weise erfassen. Drittens sollten die Daten eine Längsschnittperspektive ermöglichen, damit auch solche Folgen befristeter Beschäftigung bewertet werden können, die erst mit einem gewissen zeitlichen Abstand eintreten. Viertens schließlich müssen ausreichend hohe Fallzahlen für die Gruppe der befristet beschäftigten Erwerbstätigen vorliegen, um valide Schätzungen der Effekte befristeter Stellen zu ermöglichen. 6.1.1 Deutschland Die sekundäranalytischen Auswertungen für Deutschland basieren auf den Daten des Mikrozensus 2000 sowie auf den Daten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) 1995 bis 2003. In den zwei nachfolgenden Abschnitten werden diese Datensätze kurz beschrieben. Mikrozensus (MZ) Der Mikrozensus ist eine jährlich erhobene Zufallsstichprobe, die insgesamt 1 Prozent aller Haushalte in Deutschland umfasst. In der vorliegenden Arbeit wurden Mikrozensusdaten aus dem Jahr 2000 genutzt. Neben Haushaltsinformatio-
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6 Daten, Variablen und Methoden
nen werden im Mikrozensus auch wichtige Merkmale der sozialen und wirtschaftlichen Lage der einzelnen Haushaltsmitglieder erhoben. Einmal befragte Haushalte verbleiben für vier Jahre in der Stichprobe, d. h. in jedem neuen Erhebungsjahr wird ein Viertel der Haushalte ausgetauscht (Verfahren der partiellen Rotation). Die wissenschaftliche Nutzung dieser Daten erfolgt in der Regel über faktisch anonymisiertes Einzelmaterial (70%-Unterstichprobe, Vergröberung der Kategorien bestimmter Merkmale).139 Insbesondere aufgrund der sehr großen Fallzahl bietet sich der Mikrozensus als Ausgangspunkt für Untersuchungen eher kleiner Subpopulationen besonders an, so auch für befristete Beschäftigungsverhältnisse, die nur einen relativ kleinen Anteil aller Erwerbsverhältnisse ausmachen. Auch die für den Bereich der befristeten Beschäftigung erhobenen zusätzlichen Informationen (subjektiv eingeschätzter Grund der Befristung sowie Vertragsdauer), die in vielen anderen Datensätzen (so auch im SOEP) nicht vorhanden sind, machen es sinnvoll, den Mikrozensus als empirisches Analysematerial zu verwenden. Die Nachteile dieses Datensatzes liegen in der Einschränkung auf eine Querschnittsperspektive140 sowie in der für einige Fragestellungen unzureichenden Erfassung bestimmter Merkmale (so existieren z. B. nur Informationen über das individuelle Gesamtnettoeinkommen, das zudem nur in Kategorien erfasst wird). Sozio-ökonomisches Panel (SOEP) Das Sozio-ökonomische Panel ist eine jährliche Wiederholungsbefragung privater Haushalte in Deutschland. Die Themenschwerpunkte des SOEP liegen in den Bereichen Erwerbsbeteiligung, berufliche Mobilität, Erwerbs- und Familienbiographie, Einkommensverläufe sowie Haushaltszusammensetzung.141 Ingesamt besteht das SOEP aus sieben verschiedenen Unterstichproben: Stichprobe A (1984, Westdeutschland, Befragte deutscher und ausländischer Nationalität [ausschließlich der in Stichprobe B erfassten Nationalitäten]), Stichprobe B (1984, Westdeutschland, Befragte aus klassischen Anwerberstaaten [Türkei, Jugoslawien, Griechenland, Italien, Spanien]), Stichprobe C (1990, Ostdeutschland), Stichprobe D (1994/95 Immigranten, welche nach 1984 nach Westdeutschland zogen), Stichprobe E und Stichprobe F (1998 bzw. 2000, Ergänzungs139 Für eine weitergehende Darstellung des Konzepts sowie sozialwissenschaftlicher Nutzungsmöglichkeiten des Mikrozensus vgl. z. B. Lüttinger/Riede (1997). Weiterführende Informationen finden sich auch beim Statistischen Bundesamt (www.destatis.de) oder beim Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen (ZUMA, www.gesis.org). 140 Theoretisch wäre eine Längsschnittperspektive über maximal vier Jahre mit dem Mikrozensus möglich, jedoch werden die Daten vom Statistischen Bundesamt bisher nicht als Paneldatensatz, sondern als nicht verknüpfbare Querschnittsdatensätze bereitgestellt. 141 Für weitere Informationen zum SOEP vgl. SOEP Group (2001) oder die Seiten der SOEP-Gruppe im Internet (www.diw.de/deutsch/sop/index.html).
6.1 Datensätze
165
stichproben) sowie Stichprobe G (2002, Hocheinkommensbezieher). Bis auf die Stichprobe G wurden in den Analysen alle Stichproben des SOEP genutzt. Der Ausschluss der Stichprobe G erfolgte hauptsächlich aufgrund des späten Ersterhebungszeitpunktes, der bisher die Möglichkeit von Längsschnittanalysen für Befragte aus Stichprobe G stark einschränkt. Der Längsschnittcharakter sowie die vorwiegend arbeitsmarktbezogenen Themenschwerpunkte machen das SOEP zu einem nahezu idealen Datensatz für die Bewertung der sozio-ökonomischen Konsequenzen befristeter Beschäftigungsverhältnisse. Allerdings ergeben sich auch mit diesen Daten mindestens zwei Probleme bei der Analyse. Erstens ist die Fallzahl deutlich geringer als im Mikrozensus, was die Analysen relativ kleiner Populationen insbesondere im Längsschnitt erschwert. Zweitens können aufgrund einer speziellen Filterführung bei den Fragen zur Erwerbstätigkeit nur die Daten ab dem Erhebungsjahr 1995 genutzt werden.142 Dies schränkt nicht nur das Beobachtungsfenster für Querschnittsuntersuchungen ein, sondern verschärft zusätzlich noch das angesprochene Fallzahlproblem für die Längsschnittanalysen. Insgesamt wurden somit neun Wellen des SOEP (1995-2003) mit den darin eingehenden Stichproben A-F genutzt. 6.1.2 Großbritannien Die auf Großbritannien bezogenen Analysen basieren auf den Daten des Labour Force Surveys (2003, Quartal März-Mai) sowie der British Household Panel Study (1991-2002). Auch diese Datensätze sollen im Folgenden kurz beschrieben werden. Labour Force Survey (LFS) Der Labour Force Survey ist eine vierteljährlich erhobene Zufallsstichprobe, die insgesamt ca. 60.000 Haushalte in Großbritannien und Nordirland umfasst. Auch bei diesem Datensatz kommt das Verfahren der partiellen Rotation zum Einsatz: Jeweils ein Fünftel der Teilnehmer wird zu jedem Erhebungszeitpunkt gegen neu aufgenommene Befragte ausgetauscht, so dass für jede Person Informationen zu 142 Dies liegt in der speziellen Filterführung des SOEP begründet: Bestimmte berufsbezogene Fragen werden in der Regel immer dann übersprungen, wenn die Befragten angeben, dass sich ihre berufliche Situation seit Anfang des letzten Jahres nicht verändert hat. In den Jahren 1986 und 1987 sowie in den Jahren zwischen 1989 und 1994 gehörte zu diesen übersprungenen Merkmalen auch die Frage nach der Befristung des Arbeitsvertrages. Ein Problem entsteht hier immer dann, wenn Arbeitnehmer, die aus einem befristeten Arbeitsverhältnis in eine Dauerstelle (beim selben Arbeitgeber) wechselten, diesen Wechsel nicht als Änderung ihrer beruflichen Situation dokumentierten. Diese Personen werden für die genannten Befragungszeitpunkte fälschlicherweise als weiterhin befristet beschäftigt eingestuft.
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6 Daten, Variablen und Methoden
insgesamt fünf Quartalen vorliegen. Thematisch bezieht sich der LFS insbesondere auf das Arbeitsmarktverhalten der Befragten, es werden jedoch auch Informationen zu Haushalts- und Familienstrukturen erhoben. Viele Variablen des LFS sind mit denen des Mikrozensus direkt vergleichbar, was nicht zuletzt in den Bestrebungen der EU begründet liegt, die nationalen Arbeitskräfteerhebungen der Mitgliedsstaaten zu harmonisieren (siehe dazu z. B. die Internetseiten von EUROSTAT, http://epp.eurostat.cec.eu.int). Aufgrund der recht großen Stichprobe sowie der Zentralität der Erhebung arbeitsmarktrelevanter Informationen ist es mit den Daten des LFS (ähnlich wie mit den Daten des deutschen Mikrozensus) sehr gut möglich, Spezialpopulationen wie etwa befristet beschäftigte Erwerbstätige hinsichtlich ihrer Verteilungseigenschaften zu analysieren, weshalb dieser Datensatz bei den deskriptiven Analysen verwendet wurde.143 Im Gegensatz zum Mikrozensus ist es möglich, den LFS auch als Paneldatensatz zu verwenden, da die einzelnen Befragten über fünf Quartale hinweg identifiziert werden können. Für eine Längsschnittsuntersuchung, wie sie in den nachfolgenden Analysen angestrebt wird, ist das maximal mögliche Zeitfenster von ca. 15 Monaten jedoch zu gering.144 Die quartalsweise Erhebung des LFS dient primär dem Ziel der Erfassung bestimmter saisonaler Effekte auf dem Arbeitsmarkt. Leider werden jedoch nicht in jedem Befragungsquartal alle Merkmale vollständig erhoben. So liegen beispielsweise für die Vertragsdauer eines befristeten Arbeitsverhältnisses nur Informationen im Frühjahrsquartal (März-Mai) vor, weshalb hier auch nur die Daten des zweiten Quartals 2003 genutzt werden.145 British Household Panel Survey (BHPS) Der British Household Panel Survey ist eine seit 1991 jährlich durchgeführte Wiederholungsbefragung privater Haushalte in Großbritannien bzw. im Vereinigten Königreich (ab 1997). Die durch den BHPS abgedeckten Themenschwerpunkte sind mit denen des deutschen Haushaltspanels SOEP vergleichbar, was diesen Datensatz für eine komparativ angelegte Untersuchung als sehr geeignet erscheinen lässt. Wie das SOEP auch besteht der BHPS aus verschiedenen Unterstichproben. Für die nachfolgenden Analysen wurden die Daten aus der 143 Auch hier finden sich zusätzliche Informationen wie der Befristungsgrund sowie die Vertragsdauer. 144 Weiterführende Informationen zum LFS finden sich im Labour Force Survey User Guide (Office for National Statistics 2003). 145 Die auf das Frühjahrsquartal beschränkte Erhebung der Vertragsdauern befristeter Arbeitsverhältnisse hat zur Folge, dass nicht untersucht werden kann, ob und inwieweit die Verteilung der Vertragsdauer saisonalen Schwankungen unterliegt. Solche Effekte sind jedoch zu vermuten, da in bestimmten Branchen (etwa Landwirtschaft, Bau, Gastronomie) kurzfristig angelegte Arbeit saisonal bedingt nachgefragt wird.
6.2 Verwendete Variablen
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Originalstichprobe (1991), der Zusatzstichprobe des European Community Household Panel (1997) sowie der Zusatzstichproben für Schottland und Wales (1999) genutzt. Die von 2001 an zusätzlich erhobene Stichprobe für Nordirland wird hier aus Gründen der Vergleichbarkeit der Ergebnisse (unterschiedliche Zielpopulationen) nicht berücksichtigt, da mit dieser Stichprobe aufgrund des späten Erhebungszeitpunkts nur eine sehr eingeschränkte Längsschnittperspektive (von einem Jahr) möglich ist. Somit beziehen sich die Analysen auf das Gebiet Großbritanniens (England, Schottland und Wales), nicht jedoch auf das Gebiet des Vereinigten Königreichs (Großbritannien und Nordirland). Ähnlich wie mit dem SOEP sind mit dem BHPS aufgrund des Panelcharakters der Daten sowohl Längs- als auch Querschnittsuntersuchungen möglich. Im Gegensatz zum SOEP können jedoch alle derzeit verfügbaren Wellen des BHPS für die Analysen genutzt werden (insgesamt 12 Wellen, die den Zeitraum 19912002 abdecken).146
6.2 Verwendete Variablen Die verwendeten abhängigen und unabhängigen Variablen sollen sowohl wichtige individuelle Merkmale als auch bedeutsame Charakteristiken von Beschäftigungsverhältnissen erfassen. Als individuelle Merkmale fungieren Bildung, Alter, Nationalität bzw. Ethnie, Anzahl der Kinder im Haushalt und Familienstatus der befragten Person. Um einen international vergleichbaren Indikator für das Bildungsniveau des Befragten zu erhalten, basiert die Variable Bildung auf der CASMIN-Klassifikation (Brauns/Steinmann 1999; König et al. 1987), die die nationalen Bildungsabschlüsse insgesamt neun Kategorien zuordnet, wobei insbesondere nach allgemeinen und beruflichen Abschlüssen differenziert wird. Die ursprünglich neun CASMIN-Kategorien wurden zu vier Kategorien zusammengefasst (niedriges, mittleres berufliches, mittleres allgemeines und hohes Bildungsniveau). Die entsprechende Zuordnung der Bildungsabschlüsse ist gesondert in der Tabelle 6 dargestellt. Alter ist in Jahren gemessen, das quadrierte Alter wird zur Überprüfung eines nicht-linearen Zusammenhangs mit in die Modelle aufgenommen. Die Variable Nationalität, welche ausschließlich für die Modelle in Deutschland verwendet wurde, unterscheidet Deutsche von NichtDeutschen. Für die britischen Daten wurde hingegen die ethnische Zugehörigkeit der befragten Person genutzt, da dieses Merkmal in Großbritannien eine stärkere diskriminierende Wirkung als das Merkmal der Nationalität entfaltet. Die entsprechende Variable Ethnie unterscheidet Personen weißer Hautfarbe von sol146 Weitere Informationen zum Aufbau des BHPS finden sich in Taylor et al. (2003) sowie auf den Internetseiten des Institute for Social & Economic Research (www.iser.essex.ac.uk).
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6 Daten, Variablen und Methoden
chen nicht weißer Hauptfarbe. Familien- und haushaltsbezogene Merkmale werden erstens über die Variable Anzahl der Kinder im Haushalt erfasst. Zweitens wird die Variable Familienstatus verwendet, welche verheiratete Personen von ledigen, geschiedenen und verwitweten Befragten unterscheidet. Neben diesen individuellen Variablen wurden eine Reihe arbeitsplatzspezifischer Merkmale in die Analysen einbezogen. Mit dem Arbeitslohn, der Vertragsart, der Branche, der Betriebsgröße, der Arbeitszeit sowie einem möglicherweise vorausgegangenen Stellenwechsel werden relevante Charakteristika der aktuellen Beschäftigung erfasst. Die Variable Arbeitslohn erfasst den Bruttostundenlohn der befragten Personen in Euro bzw. in britischen Pfund. Hierzu wurde das erzielte monatliche Bruttoeinkommen147 zu der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit in Beziehung gesetzt. Der so ermittelte Arbeitslohn kann von dem vertraglich fixierten Lohn abweichen, da hier zusätzlich zu der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit sowohl bezahlte als auch unbezahlte Überstunden in die Berechnung einbezogen werden. Diese Überstunden werden allerdings nur dann berücksichtigt, wenn sie zu der gewöhnlich geleisteten Arbeitszeit zählen. Um die Angaben über die verschiedenen Messzeitpunkte vergleichbar zu halten, wurden die Löhne durch den Einbezug der jährlichen Inflationsraten auf konstante Preise von 1995 umgerechnet. Das Merkmal Vertragsart unterscheidet unbefristete von befristeten Beschäftigungsverhältnissen. Die Variable Wirtschaftssektor hat insgesamt fünf Kategorien: das Baugewerbe (Referenzkategorie), die Landwirtschaft, die Industrie, der Dienstleistungsbereich sowie der Bereich des Öffentlichen Dienstes. Eine dichotomisierte Version der Variable Wirtschaftssektor, die in einigen Modellen anstelle der fünfstufigen Variable verwendet wird, differenziert nur noch zwischen Beschäftigungsverhältnissen in der Privatwirtschaft und Arbeitsverhältnissen im Öffentlichen Dienst. Die Betriebsgröße unterscheidet zwischen Großunternehmen (mehr als 200 Angestellte), mittleren Unternehmen (20 bis 199 Angestellte für das SOEP, 25 bis 199 Angestellte für den BHPS) und Kleinbetrieben (Referenzkategorie). Die Variable Arbeitszeit, die auf der Angabe der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit basiert, unterscheidet zwischen marginaler Teilzeit (weniger als 15 Arbeitsstunden pro Woche), reguläre Teilzeit (weniger als 35 Arbeitsstunden pro Woche) und Vollzeitstellen (Referenzkategorie). Schließlich wird mit der Variablen Stelle neu aufgenommen der Effekt eines Stellenwechsels seit Beginn (SOEP) bzw. seit September (BHPS) des dem Befragungszeitpunkt vorangegangenen Jahres kontrolliert. Tabelle 5 stellt die verwendeten Variablen noch einmal zusammenfassend dar.
147 Es handelt sich hierbei um den gewöhnlich erzielten Bruttoverdienst. Einmalige Sonderzahlungen wie etwa Urlaubsgeld werden daher nicht berücksichtigt.
6.2 Verwendete Variablen
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Tabelle 5: Überblick über die verwendeten Variablen Variable
Beschreibung
Bildungsniveau
Dummyvariablen: niedriges (Referenzkategorie); mittleres berufliches; mittleres allgemeines; hohes Bildungsniveau (Grundlage CASMIN-Klassifikation, siehe Tabelle 6) Alter der Befragten in Jahren Anzahl der im Haushalt lebenden Kinder
Alter Anzahl der Kinder im Haushalt Familienstand
Dummyvariablen: verheiratet (Referenzkategorie); verheiratet, getrennt lebend; ledig; geschieden; verwitwet
Nationalität (SOEP)
Dummyvariable: Ausländische Staatsangehörigkeit=1
Ethnie (BHPS)
Dummyvariable: nicht-weiße Hautfarbe=1
Arbeitszeit
Dummyvariablen: Vollzeit (Referenzkategorie); reguläre Teilzeit; marginale Teilzeit
Arbeitslohn
Bruttostundenlohn in konstanten Preisen von 1995
Befristete Stelle
Dummyvariable: befristeter Arbeitsvertrag=1
Sektor
Dummyvariablen: Dienstleistung (Referenzkategorie); Bau; Landwirtschaft; Industrie; Öffentlicher Dienst
Öffentlicher Dienst
Dummyvariable: Öffentlicher Dienst=1
Betriebsgröße (SOEP)
Dummyvariablen: < 20 Mitarbeiter (Referenzkategorie); 20 bis 199 Mitarbeiter; mehr als 200 Mitarbeiter
Betriebsgröße (BHPS)
Dummyvariablen: < 25 Mitarbeiter (Referenzkategorie); 25 bis 199 Mitarbeiter; mehr als 200 Mitarbeiter
Stelle neu aufgenommen (SOEP)
Dummyvariable; Stellenwechsel seit Beginn des dem Befragungszeitpunkt vorangegangenen Jahres=1
Stelle neu aufgenommen (BHPS)
Dummyvariable; Stellenwechsel seit September des dem Befragungszeitpunkt vorangegangenen Jahres=1
mittleres berufliches Niveau
mittleres allgemeines Niveau
Hochschule
3b) höhere tertiäre Ausbildung
University higher or first degree; Diplomas in higher education; Teaching qual. for secondary and further education; NVQ/SVQ level 5
BTECH, BEC, TEC, SCOTBEC, SCOTEC, SCOTVEC: higher level; HNC-HND; Teaching qual. for primary educ.; Nursing/med. qual.; RSA higher diploma; Other higher qual. below deg. level; NVQ/SVQ level 4
Fachhochschule, Ingenieurschule
RSA advanced dipl./cert.; BTECH, BEC, TEC, SCOTBEC, SCOTEC, SCOTVEC: national cert. or national dipl.; ONC/OND; GNVQ/GSVQ advanced; NVQ/SVQ level 3
3a) niedrige tertiäre Ausbildung
(Fach)Hochschulreife mit Abschluss einer Lehr-/Anlern- oder Meister/Technikerausbildung
2c_voc) gehobene berufliche Ausbildung
City & Guilds advanced craft; RSA dipl.; City & Guilds craft; BTECH, BEC, TEC, SCOTBEC, SCOTEC, SCOTVEC: first dipl. or general dipl.; GNVQ/GSVQ intermediate; NVQ/SVQ level 2
A-level or equivalent; certificate of 6th year studies (CSYS) or equivalent; SCE (Higher) or equivalent; AS-level
Realschulabschluss mit Abschluss einer Lehr-/Anlern- oder Meister/Technikerausbildung
2a) mittlere berufliche Qualifikation
BTEC, BEC, SCOTBEC, TEC, SCOTTECSCOTVEC: First certificate or General cert.; YT Cert.; SCOTVEC National Cert. modules; RSA other qual.; City & Guilds other qualifications, GNVQ/GSVQ foundation, NVQ/SVQ level 1
2c_gen) gehobene Fachhochschulreife, Hochallgemeine Ausbildung schulreife
Haupt-/Volksschulabschluss mit Abschluss einer Lehr/Anlern- oder Meister/Technikerausbildung
1c) einfache berufliche Ausbildung
GCSE grades below grade C; CE Standard 4-7, CE Ord. grades below grade C; CSE below grade 1
O-level; GCSE grades A,B,C; CE Standard 1-3; CE Ordinary grades A,B,C; CSE grade 1
Haupt-/Volksschulabschluss
1b) elementare allgemeine Ausbildung
keinen der genannten Abschlüsse
Großbritannien
2b) mittlere allgemeine Realschulabschluss Ausbildung
ohne Abschluss, berufliches Praktikum
1a) inadäquat abgeschlossene allgemeine Ausbildung
niedriges Niveau
mittleres berufliches Niveau
Deutschland
Orig. CASMIN-Level
Bildungsniveau
170 6 Daten, Variablen und Methoden
Tabelle 6: Zuordnung der Ausbildungsabschlüsse in Deutschland und Großbritannien, stark angelehnt an Brauns/Steinmann 1999
6.3 Allgemeine Kriterien der Fallauswahl
171
6.3 Allgemeine Kriterien der Fallauswahl Die empirischen Analysen basieren auf speziell strukturierten Stichproben und beziehen sich damit auf eine bestimmte Grundgesamtheit, weshalb hier die Kriterien der Fallauswahl kurz aufgelistet werden sollen. Diese Kriterien wurden für jeden der genutzten Datensätze in gleicher Art und Weise angewendet. Erstens basieren die Vergleiche von befristet und unbefristet Beschäftigten (etwa bei Befristungsquoten oder in Lohndeterminationsmodellen) ausschließlich auf Beschäftigungsverhältnissen von abhängig Beschäftigten, die zum Befragungszeitpunkt nicht arbeitslos gemeldet waren. Die Analysen für Deutschland beziehen somit auch die Beschäftigungsverhältnisse von Beamten ein, was bei der Interpretation der Ergebnisse aufgrund der spezifischen Karrieremuster dieser Gruppe zu berücksichtigen ist. Erwerbsverhältnisse von Selbständigen werden bei solchen Vergleichen ausdrücklich nicht berücksichtigt. Wie in Arbeitsmarktstudien üblich, sind zweitens nur die Informationen derjenigen Personen im erwerbsfähigen Alter berücksichtigt. Entsprechend sind in den Stichproben nur solche Befragte enthalten, die an den jeweiligen Erhebungszeitpunkten zwischen 16 und 65 Jahren alt waren. Drittens wurden in den Modellen zur Lohndetermination und zum Lohnwachstum Beobachtungen derjenigen Personen mit Bruttostundenlöhnen von weniger als 2.5 € (1.71 £) bzw. von mehr als 50 € (34.2 £, jeweils in konstanten Preisen von 1995) ausgeschlossen, um Effekte von Ausreißern möglichst niedrig zu halten. Viertens schließlich wurden die Beschäftigungsverhältnisse von Personen in schulischen oder beruflichen Ausbildungsverhältnissen in den Analysen nicht berücksichtigt. Für Deutschland sind damit insbesondere die Arbeitsverhältnisse von Auszubildenden, die grundsätzlich nur auf befristeter Basis abgeschlossen werden, aus den Analysen ausgeschlossen.148 Neben diesen allgemeingültigen Selektionskriterien ergeben sich zwei weitere Einschränkungen aufgrund länderspezifischer Auswahlkriterien. Erstens wurden in den Analysen für Deutschland nur Informationen von Personen verwendet, die zu den jeweiligen Erhebungszeitpunkten in den alten Bundesländern lebten. Somit beziehen sich die Aussagen ausschließlich auf den westdeutschen Arbeitsmarkt.149 Zweitens konnten – wie bereits im Abschnitt zu den Daten des BHPS beschrieben – die Daten für das Nordirlandsample aufgrund der eingeschränkten Längsschnittperspektive nicht genutzt werden. Um eine einheitliche 148
Da die Löhne von Auszubildenden aufgrund von kollektivvertraglichen Vereinbarungen festgelegt sind und generell relativ niedrig ausfallen, würde eine Berücksichtigung der befristeten Arbeitsverträge von Auszubildenden zu einer klaren Überschätzung des Lohneffekts „normaler“ befristeter Stellen führen. Ebenso würden vermutlich die Chancen eines Übergangs aus befristeter Beschäftigung in Dauerstellen sowie das mit diesen Übergängen verbundene Lohnwachstum überschätzt. 149 Für die Begründung der Beschränkung auf Westdeutschland vgl. Abschnitt 1.2.
172
6 Daten, Variablen und Methoden
Grundgesamtheit zu erhalten, wurden daher sowohl beim LFS als auch dem BHPS alle in Nordirland wohnhaften Personen in der empirischen Untersuchung nicht berücksichtigt. Daher beziehen sich die Analysen ausschließlich auf das Gebiet Großbritanniens, nicht jedoch auf das Gebiet des Vereinigten Königreichs.
6.4 Methoden Im Nachfolgenden wird ein kurzer Überblick über die in den empirischen Analysen verwendeten multivariaten Modelle gegeben. Hierbei können grob zwei Typen von Modellen unterschieden werden: zum einen solche Modelle, die sich auf die Allokation von Arbeitskräften auf befristete Stellen bzw. auf die Übergänge aus befristeten Beschäftigungsverhältnissen beziehen, zum anderen die Modelle zur Lohndetermination bzw. zur Lohnentwicklung. 6.4.1 Allokations- bzw. Übergangsmodelle Im Rahmen der Analyse der Besetzungsmuster befristeter Stellen sowie der Einflussgrößen des Übergangs aus befristeten Stellen in unbefristete Positionen bzw. in Arbeitslosigkeit wurden die Modelle so spezifiziert, dass die abhängige Variable zwischen den Zuständen a) befristet vs. unbefristet beschäftigt und b) erwerbstätig vs. arbeitslos zu sein unterscheidet. Die dichotome Struktur des jeweiligen abhängigen Merkmals legt die Verwendung eines Probitmodells nahe. Da es sich bei den zugrunde liegenden Datensätzen (SOEP und BHPS) um Wiederholungsbefragungen handelt, sollten diese Modelle jedoch auch die in der Panelstruktur enthaltenen Informationen reflektieren. Daher wurden zum einen random-effects (RE) Probitmodelle genutzt, die in der Parameterschätzung explizit einen individuenspezifischen Effekt jenseits der beobachteten Merkmale und somit unbeobachtete Heterogenität zwischen Individuen berücksichtigen. Formal modellieren solche RE-Modelle folgenden Zusammenhang: probit P yit 1 xit ,Q i xit ȕ RE Q i oder analog dazu
P yit
1 xit ,Q i ) xit ȕ RE Q i ,
wobei yit die dichotome abhängige Variable für das Individuum i zum Zeitpunkt t, xit den Vektor mit den entsprechenden erklärenden Variablen und Ȟi einen (zeitkonstanten) Individueneffekt darstellen. Für die Individueneffekte wird angenommen, dass sie einer Normalverteilung folgen und unabhängig von den beobachteten Merkmalen sind. Weiterhin wird angenommen, dass nach Kontrolle der unabhängigen Variablen sowie des Individueneffekts die yit vollständig
6.4 Methoden
173
unabhängig voneinander sind. Unter diesen Annahmen können die Modellparameter sowohl konsistent als auch effizient geschätzt werden (vgl. z. B. Greene 2000; Wooldridge 2002). RE-Modelle für binäre abhängige Variablen haben jedoch mindestens zwei problematische Eigenschaften. Erstens basieren sie bzw. die entsprechenden Schätzalgorithmen insgesamt auf relativ starken Annahmen, deren Verletzung eine verzerrte Schätzung der Parameter nach sich zieht. Zweitens ist die Schätzung und Interpretation der Effekte zeitkonstanter Merkmale in solchen Modellen fragwürdig, da für diese Merkmale keine innerindividuelle Variation beobachtet werden kann. RE-Modelle gehen jedoch von einer solchen Variation aus (Pendergast et al. 1996). Es sollen deshalb alternativ zu den RE-Modellen auch so genannte population-averaged (PA) Probitmodelle spezifiziert und geschätzt werden, die auf deutlich schwächeren Annahmen beruhen (vgl. dazu z. B. Wooldridge 2002) und daher eine gewisse Absicherung gegen Fehlinterpretationen aufgrund von Annahmeverletzungen des RE-Modells ermöglichen: Treffen die spezifischen Annahmen des RE-Modells nicht zu, liefert das RE-Modell inkonsistente Schätzer, während die Koeffizienten im PA-Modell weiterhin konsistent geschätzt werden können. Auch ist die Koeffizientenschätzung für zeitkonstante Variablen im PA-Modell problemlos möglich. Allerdings ist es wichtig zu betonen, dass die Parameter der beiden Modelle zwei unterschiedliche Entitäten darstellen, da PA-Modelle im Gegensatz zu RE-Modellen nicht von der Existenz eines individuenspezifischen Effektes ausgehen und somit interindividuelle Heterogenität jenseits der beobachteten Merkmale vernachlässigen. Neuhaus et al. (1991) können zeigen, dass bei tatsächlicher Existenz von Individueneffekten einerseits die Koeffizientenschätzer aus einem PA-Modell immer betragskleiner ausfallen als die Schätzer aus einem RE-Modell, andererseits jedoch die Signifikanztests aus beiden Modellen (Test auf ȕ=0) in ihren Resultaten sehr ähnlich ausfallen werden. Insofern sollten bei einem Vergleich der Ergebnisse von RE- und PA-Modellen weniger die Beträge der einzelnen Koeffizienten als vielmehr deren Vorzeichen und die entsprechenden Signifikanztests im Mittelpunkt des Interesses stehen. Die Schätzung der einzelnen PA-Modelle erfolgt über den GEE-Ansatz (generalized estimation equations, vgl. z. B. Hardin/Hilbe 2003; Liang/Zeger 1986; Zeger et al. 1988), der die Panelstruktur der Daten dahingehend nutzt, dass bei der Koeffizientenschätzung eine innerindividuelle Korrelation zugelassen wird. Weiterhin wurden die Signifikanztests für die PAModelle auf der Grundlage von robusten Standardfehlern berechnet, um so auch hier eine mögliche innerindividuelle Korrelation zu berücksichtigen.
174
6 Daten, Variablen und Methoden
6.4.2 Modelle zur Lohndetermination bzw. Lohnentwicklung Bei den Analysen der Lohneffekte befristeter Arbeitsverhältnisse konnten aufgrund des metrischen Skalenniveaus des abhängigen Merkmals (Bruttostundenlohn) lineare Regressionsverfahren verwendet werden. Allerdings unterscheiden sich die Modelle zur Lohndetermination von denen zum Lohnwachstum, weshalb sie im Folgenden getrennt voneinander beschrieben werden. 1. Modelle zur Lohndetermination Formal weisen diese Modelle folgende Spezifikation auf: ln yit xit ȕ uit , wobei die abhängige Variable yit den Bruttostundenlohn der Person i zum Zeitpunkt t darstellt, der Vektor xit die verwendeten erklärenden Variablen beinhaltet und uit den individuellen Fehlerterm repräsentiert. Das Logarithmieren des Stundenlohns in Modellen zur Lohndetermination verfolgt zwei Ziele. Erstens wird die in der Regel stark rechtsschiefe Verteilung der Löhne so transformiert, dass die neue abhängige Variable annähernd normalverteilt ist, wodurch unter anderem Heteroskedastizitätsprobleme reduziert werden können. Zweitens erhalten die Koeffizienten bezogen auf den Stundenlohn eine prozentuale Interpretation, was eher einem Konzept sozialer Ungleichheit entspricht, das auf relative Unterschiede anstatt auf absoluten Differenzen abhebt (vgl. z. B. Petersen 1989).150 Die Parameter des oben genannten Modells können mittels OLS-Methode geschätzt werden. Da es sich bei den verwendeten Daten um Paneldaten handelt, sollte bei einer OLS-Schätzung allerdings beachtet werden, dass serielle Korrelationen der Fehler sowie unterschiedliche Fehlerstreuungen (sowohl hinsichtlich der Zeit- als auch der Individuendimension) vorliegen können, die die herkömmlichen Signifikanztests ungültig machen. Es wird daher eine robuste Varianzschätzung verwendet, die die angesprochenen Phänomene berücksichtigt, jedoch keine effiziente Schätzmethode darstellt.151 Schlussfolgerungen auf der Grundlage des OLS-Schätzverfahrens basieren allerdings auf der Annahme, dass es sich bei den erklärenden Variablen entweder um tatsächlich exogene Größen handelt oder dass sie zumindest nicht durch Merkmale beeinflusst werden, die nicht im Modell aufgenommen sind, aber dennoch die abhängige Variable mitdeterminieren (unbeobachtete Heterogeni150 Für die Interpretation der Koeffizienten von Dummyvariablen in semilogarithmierten Gleichungen siehe z. B. Halvorsen/Palmquist (1980) oder Kennedy (1981). 151 Insofern sind die auf der robusten OLS-Schätzung aufsetzenden Signifikanztests als eher konservativ zu bezeichnen, da tatsächliche vorhandene Effekte häufiger als bei einer effizienten Schätzmethode als nicht signifikant eingestuft werden.
6.4 Methoden
175
tät). Sollte diese Annahme verletzt sein, so werden die Effekte durch OLS verzerrt geschätzt, was in der inhaltlichen Interpretation zu einer Über- oder Unterschätzung des Einflusses der betreffenden Variablen führt. Im Falle der hier betrachteten befristeten Beschäftigungsverhältnisse ist durchaus denkbar, dass solche unbeobachteten Variablen existieren, die die Allokation auf befristete Stellen und gleichzeitig auch die Lohnhöhe direkt beeinflussen.152 Es werden daher neben herkömmlichen OLS- auch fixed-effects (FE)- Schätzungen berechnet, mit deren Hilfe eine um den Einfluss nicht beobachteter zeitkonstanter Variablen bereinigte Koeffizientenschätzung möglich ist. Es geht bei der FESchätzung demnach insbesondere darum, eine möglichst präzise Schätzung des kausalen Effekts befristeter Beschäftigungsverhältnisse auf die Lohnhöhe zu erhalten. Allerdings setzen FE-Modelle eine innerindividuelle Variation in den erklärenden Variablen voraus, weshalb die Effekte von zeitkonstanten Merkmalen in solchen Modellen nicht geschätzt werden können. Darüber hinaus kann in FE-Modellen die Schätzung der Effekte von Variablen mit sehr geringer innerindividueller Varianz Probleme verursachen, da hier die Schätzungen auf nur wenigen Beobachtungen beruhen, was erstens den Einfluss einzelner Beobachtungen auf das Schätzergebnis massiv erhöht sowie zweitens die Schätzungen sehr ungenau werden lässt. 2. Modelle zum Lohnwachstum Die Prozesse der individuellen Lohnentwicklung werden mit Hilfe eines dynamischen Ansatzes modelliert (vgl. z. B. Finkel 1995). Dazu ist es notwendig, in einem Regressionsmodell den nach Ablauf eines Zeitintervalls erzielten Lohn bzw. die Differenz aus Start- und Ziellohn als abhängige Variable zu definieren. Neben relevanten individuellen und arbeitsplatzbezogenen Merkmalen wird in einem dynamischen Ansatz das Lohnniveau zu Beginn der Beobachtungsperiode als zusätzliche unabhängige Variable genutzt.153 Innerhalb dieses Modells sind die geschätzten Koeffizienten dann als Effekte der unabhängigen Variablen auf die individuelle Lohnentwicklung zu interpretieren. Hierbei ist wichtig zu betonen, dass durch die Kontrolle des Lohns zu Beginn des Zeitfensters sichergestellt ist, dass nur Personen mit gleichem Ausgangslohn miteinander verglichen werden. Für den Vergleich der Lohnentwicklung von befristet und unbefristet Be152 So wäre z. B. denkbar, dass unterdurchschnittlich produktive Individuen sich verstärkt in befristete Beschäftigungsverhältnisse selektieren bzw. selektiert werden. Die Lohndifferenz zwischen befristeten und unbefristeten Stellen würde dann unter anderem diesen Produktivitätsunterschied reflektieren. 153 Insofern weicht dieses Modell von den Berechnungen in Mertens/McGinnity (2004) ab. Dort wurden ebenfalls Lohnwachstumsmodelle verwendet, jedoch ohne Berücksichtigung des Ausgangsniveaus.
176
6 Daten, Variablen und Methoden
schäftigten wird somit eine stärkere Homogenisierung der beiden Vergleichsgruppen erreicht. Formal lässt sich das Modell wie folgt beschreiben: ln yit i xit ȕ J ln yit uit oder als Differenzmodell:
ln yit i ln yit
xit ȕ J 1 ln yit uit ,
wobei die Notation der bereits weiter oben erläuterten entspricht. Die Schätzung der Koeffizienten erfolgt hier über OLS, wobei die entsprechenden Signifikanztests robust gegen serielle Korrelation sowie zeitlich und individuell variierende Varianzen der Fehler gemacht wurden. Da die abhängige Variable wiederum den logarithmierten Bruttostundenlohn bzw. die Differenz aus logarithmierten Start- und Ziellohn erfasst, können die Regressionskoeffizienten in diesem Modell annähernd als prozentualer Lohnzuwachs über die jeweils betrachtete Zeitperiode interpretiert werden. Neben der OLS-Schätzung ist hier auch eine FE-Schätzung möglich. Allerdings ist ein FE-Ansatz aufgrund der dynamischen Spezifikation (Aufnahme von yit als unabhängige Variable) nur im Rahmen einer InstrumentellenVariablen(IV)-Schätzung möglich, die jedoch mit dem Verlust von mindestens einer Beobachtung pro Individuum einhergeht (vgl. z. B. Arellano 2003; Hsiao 2003; Nickell 1981; Wooldridge 2002). Aufgrund der daraus resultierenden Fallzahlprobleme wird eine solche Schätzung in diesem Zusammenhang nicht weiter verfolgt.
7.1 Verbreitungsgrad
177
7 Verbreitungsgrad und Charakteristika befristeter Beschäftigungsverhältnisse
Bevor die aufgestellten Hypothesen anhand multivariater Modelle überprüft werden, ist es zunächst sinnvoll, die Erwerbsform der befristeten Beschäftigung in ihrer empirischen Erscheinungsform näher zu beschrieben. Daher wird im Nachfolgenden zum einen auf den Verbreitungsgrad befristeter Stellen in den beiden hier untersuchten Arbeitsmärkten eingegangen. Zum anderen sollen wichtige Charakteristika solcher Arbeitsverhältnisse wie etwa die Dauer des Vertrages oder der Grund der Befristung analysiert werden. Da angenommen wird, dass sowohl der Verbreitungsgrad als auch die Merkmale befristeter Beschäftigungsverhältnisse mit bestimmten angebots- und nachfrageseitigen Faktoren variieren, werden nicht nur die allgemeinen, sondern auch die bildungs-, geschlechts- sowie sektorenspezifischen Befristungsquoten und Charakteristika befristeter Stellen dargestellt und diskutiert.
7.1 Verbreitungsgrad 7.1.1 Befristungsquoten Um für den deutschen und den britischen Arbeitsmarkt einen ersten Eindruck von dem Verbreitungsgrad sowie von möglichen Entwicklungstrends befristeter Beschäftigung zu erhalten, stellt Abbildung 3 die Befristungsquoten (Anteil der befristet Beschäftigten an der in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen erwerbstätigen Bevölkerung) für diejenigen Personen dar, die die oben genannten Auswahlkriterien (keine Selbständigen, keine Auszubildende etc.) erfüllen. Diese Ergebnisse beruhen auf der Analyse des SOEP (Zeitraum 1995-2003) und des BHPS (Zeitraum 1991-2002). Anhand der Darstellung der Befristungsquoten werden mindestens vier Sachverhalte deutlich. Erstens lässt sich erkennen, dass sowohl in Deutschland als auch in Großbritannien nur ein kleiner Teil (ca. 4 bis 9 Prozent) der abhängig Beschäftigten in einem befristeten Arbeitsverhältnis tätig ist. Dies bedeutet umgekehrt, dass das Gros der Beschäftigungsverhältnisse auf unbefristeten Arbeitsverträgen ba-
178
7 Verbreitungsgrad und Charakteristika
siert.154 Befristete Beschäftigungsverhältnisse sind demnach in beiden Arbeitsmärkten kein Massenphänomen (wie etwa in Spanien, wo ca. ein Drittel der Beschäftigten befristete Arbeitsverträge besitzt, vgl. z. B. Dolado et al. 2001; Fassler-Ristic 1999). Dennoch stellen diese Anteile durchaus ernstzunehmende Größenordnungen dar, verbirgt sich hinter ihnen doch eine nicht unerhebliche Anzahl betroffener Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. So ergaben eigene Hochrechnungen mit dem Mikrozensus, dass im westdeutschen Arbeitsmarkt im Jahre 2000 knapp 1,6 Millionen Erwerbstätige einer befristeten Beschäftigung nachgingen. In Großbritannien betrug die Zahl der befristet Beschäftigten im Jahre 2003 immerhin rund 1 Million Erwerbstätige (Hochrechung auf der Grundlage des Labour Force Surveys). Zweitens wird anhand der Darstellung deutlich, dass die Annahme, befristete Stellen seien aufgrund der insgesamt offeneren Arbeitsmarktstrukturen in Großbritannien von geringerer Bedeutung als in Deutschland, zumindest für den hier betrachteten Zeitraum nicht uneingeschränkt zutrifft. Die gefundenen Länderunterschiede in den Befristungsquoten fallen eher gering aus und unterliegen zusätzlich zeitlichen Veränderungen, so dass die Gesamtbefristungsquote für Deutschland erst ab 1999 über der Großbritanniens liegt. Drittens ist für beide Länder ein gegenläufiger Trend in der zeitlichen Entwicklung der befristeten Beschäftigung zu erkennen: Während die Befristungsquote in Großbritannien seit Mitte der neunziger Jahre rückläufig ist, stieg der Anteil der befristet Beschäftigten in Deutschland im selben Zeitraum leicht an. Ein Grund für diese Divergenz in den Befristungsquoten könnte in der äußerst unterschiedlich verlaufenden Konjunktur- und Arbeitsmarktentwicklung der beiden Länder liegen (vgl. dazu Kapitel 1): Unternehmen sind in konjunkturell schwachen bzw. unsicheren Zeiten weniger an einer langfristigen Bindung von Arbeitskräften interessiert und greifen daher vermehrt auf das Instrument der zeitlich befristeten Einstellung neuer Mitarbeiter zurück. Gleichzeitig steigt bei anhaltend hoher Arbeitslosigkeit die Bereitschaft der Arbeitnehmer, auch befristete Beschäftigungsverhältnisse anzunehmen. Eine entspannte Arbeitsmarktlage hingegen dürfte dieses Akzeptanzniveau seitens der Arbeitnehmer doch deutlich verringern, so dass die Unternehmen wiederum vermehrt unbefristete Stellen anbieten müssen. Viertens schließlich zeigt der Blick auf die geschlechtsspezifischen Befristungsquoten, dass in beiden Ländern Frauen häufiger als Männer in befristeten Beschäftigungsverhältnissen zu finden sind. Für Großbritannien fällt diese Geschlechtsspezifik deutlicher aus als für Deutschland, wo Frauen erst nach 154
Diese Quoten entsprechen in etwa den Befristungsquoten, die mit ähnlichen Auswahlkriterien (insbesondere: keine Auszubildenden) auf der Grundlage der nationalen Arbeitskräfteerhebungen ermittelt wurden (vgl. z. B. Fink 1999; Statistisches Bundesamt 2004).
7.1 Verbreitungsgrad
179
10
Befristungsquote in Prozent
9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 D Gesamt GB Gesamt
D Männer GB Männer
D Frauen GB Frauen
Abbildung 3: Gesamt- und geschlechtsspezifische Befristungsquoten für Deutschland und Großbritannien, Quelle: SOEP und BHPS, querschnittsgewichtet, eigene Berechnungen 1999 einen etwas höheren Befristungsanteil als Männer aufweisen. Die höheren Befristungsquoten für Arbeitnehmerinnen könnten sich einerseits daraus erklären, dass insbesondere solche Positionen, die überdurchschnittlich häufig von Frauen besetzt werden, mit befristeten Arbeitsverträgen versehen sind (wie etwa im Bereich des Sozial- und Gesundheitswesens). Die erhöhte Befristungshäufigkeit für Frauen wäre dann kein direkter Effekt des Geschlechts, sondern ließe sich vielmehr durch die geschlechtsspezifische Strukturierung des Arbeitsmarktes erklären. Andererseits wäre jedoch auch denkbar, dass Arbeitnehmerinnen eine höhere Präferenz gegenüber befristeten Beschäftigungsverhältnissen aufweisen (etwa aufgrund geplanter zukünftiger Erwerbsunterbrechungen) oder Unternehmen weibliche Arbeitskräfte aufgrund ihrer potentiellen zukünftigen Erwerbsunterbrechungen nur zeitlich befristete Arbeitsverträge anbieten. In diesen Fällen hätte das Geschlecht einen tatsächlich direkten Einfluss darauf, ob eine Stellenbesetzung zeitlich befristet oder unbefristet erfolgt. Auf die Frage, ob
180
7 Verbreitungsgrad und Charakteristika
und inwieweit das Geschlecht einen eher direkten oder einen eher indirekten Effekt auf die Befristungshäufigkeit ausübt, wird insbesondere im Rahmen der multivariaten Modellberechnungen einzugehen sein. Werden die Befristungsquoten nach dem Bildungsniveau der Beschäftigten getrennt betrachtet (Abbildung 4), zeigt sich, dass für Deutschland ein deutlicher Zusammenhang zwischen Qualifikationsniveau und individuellem Befristungsrisiko existiert, während ein solcher Zusammenhang für Großbritannien nicht zu erkennen ist. Im deutschen Arbeitsmarkt sind Arbeitnehmer mit mittleren beruflichen Ausbildungsabschlüssen unterdurchschnittlich häufig in einer befristeten Stelle beschäftigt. Niedrig qualifizierte Arbeitnehmer hingegen sind mit einer überdurchschnittlichen Häufigkeit befristet beschäftigt. Aber auch diejenigen Beschäftigten mit mittlerem allgemeinem oder hohem Qualifikationsniveau weisen überdurchschnittliche Befristungsquoten auf, die teilweise sogar über denen der Niedrigqualifizierten liegen.155 Für den britischen Arbeitsmarkt dagegen sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Bildungsgruppen insgesamt erheblich geringer ausgeprägt. Auch hier sind höher gebildete Arbeitnehmer überdurchschnittlich häufig befristet beschäftigt, allerdings fallen die Befristungsquoten der anderen Bildungsgruppen im Vergleich zu den Hochqualifizierten nur unwesentlich geringer aus. Im Ländervergleich ist insbesondere zu erkennen, dass mittlere berufliche Ausbildungsabschlüsse im britischen Arbeitsmarkt wie erwartet (Hypothese 2) nicht in dem Maße vor Befristungen schützen können, wie sie es in Deutschland tun.
Prozent
Bildungsniveau
Deutschland
15 14 13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 1995
1996
1997
1998
15 14 13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 1999
2000
2001
2002
2003
Großbritannien
hoch mittel allgemein mittel beruflich niedrig
1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002
Abbildung 4: Befristungsquoten für Deutschland und Großbritannien, getrennt nach Bildungsniveau, Quelle: SOEP und BHPS, querschnittsgewichtet, eigene Berechnungen 15 14 13 12 11 10 9 8 7 6 5 1554 3 2 1 0
Vgl. dazu z. B. auch die Ergebnisse von Bielenski et al. (1994) oder Büchtemann (1989).
1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002
7.1 Verbreitungsgrad
181
Um zu überprüfen, ob und inwieweit die Einsatzhäufigkeit befristeter Beschäftigungsverhältnisse zwischen einzelnen Wirtschaftssektoren variiert, wurden die Befristungsquoten für den Bereich des Öffentlichen Dienstes sowie für einzelne Bereiche der Privatwirtschaft getrennt berechnet. Die Ergebnisse sind in Abbildung 5 dargestellt.156 Deutlich zu erkennen ist, dass in beiden Ländern die Befristungsquote im Öffentlichen Dienst höher ausfällt als in der Privatwirtschaft. Offenbar ist der Öffentliche Dienst häufiger als die Privatwirtschaft auf den Einsatz flexibler Beschäftigung angewiesen. Dies scheint wie erwartet insbesondere für den deutschen Öffentlichen Dienst zu gelten, für den die Befristungsquote klar über den entsprechenden Quoten der privatwirtschaftlichen Sektoren liegt. Für Großbritannien zeigen sich ebenso Differenzen in den relativen Befristungshäufigkeiten des Öffentlichen Dienstes und der beiden hier betrachteten privatwirtschaftlichen Sektoren, jedoch fallen diese Unterschiede weit geringer aus als in Deutschland (vgl. Hypothese 3). Mit Blick auf die Befristungsquoten der privatwirtschaftlichen Branchen fällt auf, dass in beiden Ländern befristete Beschäftigung ein wenig häufiger in der Dienstleistungsbranche als im industriellen Sektor eingesetzt wird.
Prozent
Deutschland
Großbritannien
12
12
11
11
10
10
9
9
8
8
7
7
6
6
5
5
4
4
3
3
2
2
1
1
0
0 1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
Öffentlicher Dienst Dienstleistung Industrie 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002
12 11 10 Abbildung 5: Befristungsquoten für Deutschland und Großbritannien, getrennt 9 nach Wirtschaftssektor, Quelle: SOEP und BHPS, querschnittsgewichtet, eigene 8 7 Berechnungen 6 5 4 3 2 1 0 156
Da für befristet in den Branchen „Bau“ und „Landwirtschaft“ in den 1991die 1992Fallzahlen 1993 1994 1995 1996 1997 1998Beschäftigte 1999 2000 2001 2002 einzelnen Erhebungszeitpunkten sehr klein ausfallen und somit valide Aussagen hinsichtlich der entsprechenden Befristungsquoten kaum möglich sind, wurde auf eine Auswertung dieser beiden Branchen verzichtet.
182
7 Verbreitungsgrad und Charakteristika
Insgesamt scheinen die deskriptiven Befunde zu bestätigen, dass bestimmte angebots- und nachfrageseitige Faktoren einen Einfluss darauf nehmen, ob ein Beschäftigungsverhältnis auf zeitlich befristeter oder auf unbefristeter Basis eingerichtet und besetzt wird. Gezeigt werden konnte, dass insbesondere Frauen, Hochqualifizierte sowie Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes überdurchschnittlich häufig befristet beschäftigt sind. Weiterhin macht der Vergleich zwischen dem deutschen und dem britischen Arbeitsmarkt deutlich, dass diese Besetzungsmuster länderspezifisch ausfallen. So sind etwa die Unterschiede zwischen den Befristungsquoten der einzelnen Bildungsgruppen bzw. der Wirtschaftssektoren im deutschen Arbeitsmarkt stärker ausgeprägt als in Großbritannien. Diese Ergebnisse bestätigen daher die Vermutung, dass institutionelle Rahmenbedingungen wie der Grad der Beschäftigungssicherheit sowie die Struktur des Bildungssystems Einfluss auf den Besetzungsprozess befristeter Stellen nehmen. Die Frage, inwieweit sich die beschriebenen Zusammenhänge auch noch nach der Kontrolle anderer relevanter individueller und arbeitsplatzbezogener Merkmale nachweisen lassen, soll durch die Verwendung entsprechender multivariater Modelle im Kapitel 8 geklärt werden. 7.1.2 Befristete Beschäftigung als atypische Beschäftigung – empirische Befunde In diesem Abschnitt soll der Frage nachgegangen werden, ob befristete Beschäftigungsverhältnisse in irgendeiner Form zu der unterstellten „Erosion des Normalarbeitsverhältnisses“ beitragen. Weiterhin wird untersucht, welchen Stellenwert die Befristung innerhalb des Bereichs der atypischen Beschäftigungsverhältnisse im deutschen bzw. im britischen Arbeitsmarkt aufweist. Empirisch hängt die Beantwortung dieser Fragen zuallererst davon ab, was genau unter „befristeter Beschäftigung“ und insbesondere unter „Normalarbeitsverhältnis“ verstanden wird, denn „je detaillierter und stringenter die Merkmale für das Normalarbeitsverhältnis gefasst werden und je mehr dieser Merkmale als konstitutiv angesehen werden, desto leichter ist es, empirisch seine Auflösung zu begründen“ (Wagner 2000: 209). Ähnliches gilt für die Definition befristeter Beschäftigungsverhältnisse und anderer als atypisch bezeichneter Erwerbsformen. Für den Zeitraum von 1985 bis 1995 kommen Hoffmann/Walwei (1998) in einer empirischen Untersuchung auf der Basis von Mikrozensusdaten für den deutschen Arbeitsmarkt zu dem Ergebnis, dass Normalarbeitsverhältnisse „nicht zunehmend durch befristete Vollzeitbeschäftigung oder Leiharbeit ersetzt [wurden], da der Anteil dieser Erwerbsformen nahezu unverändert bei gut 3 Prozent aller Erwerbstätigen lag. Zumindest bei der Vollzeitbeschäftigung haben also die Deregulierungen von Arbeitnehmerüberlassung und befristeten Arbeitsverträgen
7.1 Verbreitungsgrad
183
seit 1985 anscheinend noch keine stärkeren Impulse ausgelöst“ (ebd.: 415). Die beiden Autoren definieren dabei das Normalarbeitsverhältnis als Vollzeitbeschäftigung von Arbeitern oder Angestellten (ohne Auszubildende, Beamte, Soldaten und ohne Selbständige bzw. mithelfende Familienangehörige) mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag und ohne Leiharbeitsstatus. Eigene Analysen für Deutschland mit den Daten des Sozio-ökonomischen Panels kommen zu einem ähnlichen Schluss. Abbildung 6 stellt den relativen Anteil verschiedener Erwerbsformen zwischen 1995 und 2003 dar. Das Normalarbeitsverhältnis ist hierbei definiert als abhängige Vollzeitbeschäftigung (mehr als 34 Stunden vereinbarte Wochenarbeitszeit) mit unbefristetem Arbeitsvertrag. Als davon abweichende (und daher als atypisch bezeichnete) Erwerbsformen werden hier betrachtet: befristete Beschäftigung, Teilzeitbeschäftigung157 und Selbständigkeit. Anhand der Abbildung werden mindestens vier relevante Gesichtspunkte deutlich. Erstens zeigt sich, dass der Anteil der Befristung an allen Erwerbsformen mit ca. 6 Prozent relativ moderat ausfällt und im Zeitverlauf keinem erkennbaren Trend folgt. Zweitens wird deutlich, dass der relative Anteil von Normalarbeitsverhältnissen an allen Erwerbsformen in dem betrachteten Zeitraum leicht rückläufig war (von ca. 68 Prozent im Jahre 1995 auf ca. 62 Prozent im Jahre 2003158). Jedoch stellt das Normalarbeitsverhältnis immer noch mit Abstand die quantitativ bedeutendste Erwerbsform dar. Drittens ist zu erkennen, dass in dem betrachteten Zeitraum eine andere Form der atypischen Beschäftigung an Bedeutung gewonnen hat: die Teilzeitarbeit. Eine quantitative Abnahme der Erwerbsverhältnisse mit Normalarbeitscharakter ist daher zwar insgesamt festzustellen, jedoch wurde diese Entwicklung bisher eindeutig durch die Ausweitung der Teilzeitarbeit und nicht durch eine Zunahme der befristeten Beschäftigung determiniert. Dies trifft viertens insbesondere für weibliche Erwerbstätige zu, deren Arbeitsverhältnisse wesentlich häufiger als atypisch zu bezeichnen sind als die männlicher Personen: Im Jahr 2003 arbeiteten etwas mehr als die Hälfte der weiblichen Erwerbstätigen (ca. 55 Prozent) in Beschäftigungsverhältnissen, die in mindestens einem der oben genannten Merkmale, die das Normalarbeitsverhältnis kennzeichnen, abweichen159, bei den Männern hingegen liegt dieser Anteil bei ca. 24 Prozent. Zwar fällt der Anteil der befristet 157 Teilzeitarbeit bezieht sich wiederum auf alle diejenigen abhängigen Beschäftigungsverhältnisse mit weniger als 35 Stunden vereinbarter Wochenarbeitszeit. 158 Zu den Erhebungszeitpunkten 1985 und 1988, für die jeweils eine valide Anteilsberechnung für befristete Beschäftigungsverhältnisse möglich ist (siehe Fußnote 142), betrug der Anteil der Normalarbeitsverhältnisse ca. 70 Prozent (Ergebnisse nicht gesondert dargetsellt). Somit zeigt sich, dass atypische Beschäftigungsverhältnisse seit der zweiten Hälfte der neunziger Jahre verstärkt an Bedeutung gewinnen. 159 Insofern könnte für die Beschäftigungssituationen weiblicher Erwerbstätiger von einer „Normalität des Unnormalen“ gesprochen werden.
184
7 Verbreitungsgrad und Charakteristika
beschäftigten Frauen (im Mittel ca. 6 Prozent) etwas höher aus als der Anteil der befristet beschäftigten Männer (im Mittel ca. 5 Prozent), jedoch ist der markanteste Unterschied in den Erwerbsformen der beiden Geschlechter in dem wesentlich höheren Anteil der Teilzeitbeschäftigung bei den weiblichen Erwerbstätigen und dem daraus resultierenden deutlich geringeren Anteil an unbefristeter Vollzeitbeschäftigung zu sehen: Im Jahr 2003 waren knapp 43 Prozent aller weiblichen Erwerbstätigen teilzeitbeschäftigt, bei den Männern hingegen nur ca. 5 Prozent. Befristete Beschäftigung scheint im Gegensatz zur Teilzeitarbeit demnach keine „typische“ und auch keine „typisch weibliche“ Form atypischer Beschäftigung zu sein. Frauen
Prozent
Prozent
Männer 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003
100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003
Prozent
Gesamt 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003
selbständig Teilzeit befristet Teilzeit unbefristet Vollzeit befristet Vollzeit unbefristet
Abbildung 6: Anteile verschiedener Erwerbsformen zwischen 1995 und 2003, Deutschland, Quelle: SOEP, eigene Berechnungen, querschnittsgewichtet Für den britischen Arbeitsmarkt ergibt sich ein sehr ähnliches Bild. Auch hier verzeichnete das Normalarbeitsverhältnis (definiert als unbefristete Vollzeitbeschäftigung der abhängig beschäftigten Erwerbstätigen) in den letzten Jahrzehnten einen leichten Bedeutungsrückgang, jedoch stellt es nach wie vor die gängige Erwerbsform für die Mehrheit der Erwerbstätigen dar. So zeigen Hoffman/
7.1 Verbreitungsgrad
185
Walwei (2000) mit Daten der EUROSTAT-Arbeitskräfteerhebung, dass der Anteil der Normalarbeitsverhältnisse an allen Erwerbsformen zwischen 1988 und 1998 nur geringfügig von 64 auf ca. 61 Prozent zurückgegangen ist. Die seit den siebziger Jahren zu beobachtende stetige Zunahme flexibler oder atypischer Beschäftigung (definiert als Teilzeit, Befristung oder Selbständigkeit) kann auf einen Anstieg der Teilzeitbeschäftigung und der selbständigen Erwerbsformen zurückgeführt werden (Beatson 1995, mit Daten des Labour Force Surveys). Wie im vorherigen Abschnitt deutlich gemacht werden konnte, erweist sich die Befristungsquote hingegen im Zeitverlauf als relativ stabil. Fink (1999) kann zudem zeigen, dass diese Stabilität auch unter Berücksichtung der achtziger Jahre zu finden ist: In den Jahren 1983 bis 1997 hatten zwischen 5 und 7 Prozent der britischen abhängig Beschäftigten einen befristeten Arbeitsvertrag. Wie in Deutschland scheint auch in Großbritannien die befristete Beschäftigung demzufolge nicht zu einer „Erosion“ des Normalarbeitsverhältnisses beizutragen. Die Ergebnisse eigener Berechnungen für den Zeitraum 1991-2002 (Abbildung 7), die auf den Daten des BHPS basieren, machen zudem deutlich, dass das Normalarbeitsverhältnis seit Ende der neunziger Jahre sogar wieder leicht an Bedeutung gewonnen hat. So waren im Jahre 2002 ca. 63 Prozent aller Beschäftigten in Normalarbeitsverhältnissen tätig, Anfang der neunziger Jahre lag dieser Anteil bei ca. 62 Prozent, der Tiefststand wurde Mitte der Neunziger Jahre bei ca. 60 Prozent erreicht. Der Anstieg seit der zweiten Hälfte der neunziger Jahre speist sich sowohl aus dem leichten Anteilsrückgang befristeter Beschäftigungsverhältnisse (von ca. 6 auf unter 4 Prozent) als auch aus der ebenfalls leicht rückläufigen Entwicklung der beruflichen Selbständigkeit (von ca. 14 auf ca. 12 Prozent).160 Für diesen Trend könnte die seit Mitte der neunziger Jahre einsetzende Entspannung am britischen Arbeitsmarkt verantwortlich sein, da bei niedriger Arbeitslosigkeit weniger Arbeitskräfte bereit sind, solch unsichere Beschäftigungsformen zu wählen. Die Teilzeitbeschäftigung hingegen ist auch in Großbritannien diejenige unter den atypischen Erwerbsformen mit der deutlich stärksten Verbreitung. Allerdings zeigt der Blick auf die geschlechtsspezifische Verteilung der Beschäftigungsformen, dass (wie auch schon in Deutschland) atypische Arbeitsformen und dabei insbesondere die Teilzeitbeschäftigung ein weibliches Phänomen sind: Während im Jahre 2002 für britische Männer das Normalarbeitsverhältnis mit ca. 77 Prozent die mit Abstand quantitativ bedeutendste Erwerbsform darstellte, waren nur ca. 47 Prozent der Frauen in solchen Beschäftigungsverhältnissen zu finden, rund 44 Prozent der britischen Arbeitnehmerinnen waren teilzeitbeschäftigt. Befristete Beschäftigungsverhältnisse spielten 160 Für einen Vergleich der Determinanten beruflicher Selbständigkeit in Deutschland und Großbritannien vgl. z. %. Lohmann et al. (1999).
186
7 Verbreitungsgrad und Charakteristika
hingegen sowohl bei Männern (4 Prozent) als auch bei Frauen (6 Prozent) eine eher untergeordnete Rolle. Frauen
Prozent
Prozent
Männer 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 1991 1993 1995 1997 1999 2001 1992 1994 1996 1998 2000 2002
100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 1991 1993 1995 1997 1999 2001 1992 1994 1996 1998 2000 2002
Prozent
Gesamt 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 1991 1993 1995 1997 1999 2001 1992 1994 1996 1998 2000 2002
selbständig Teilzeit befristet Teilzeit unbefristet Vollzeit befristet Vollzeit unbefristet
Abbildung 7: Anteile verschiedener Erwerbsformen zwischen 1991 und 2002, Großbritannien, Quelle: BHPS, eigene Berechnungen, querschnittsgewichtet Insgesamt machen die Darstellungen der Anteile der verschiedenen Beschäftigungsformen sowie der zeitlichen Entwicklung derselben deutlich, dass für die Mehrheit der Erwerbstätigen eine unbefristete abhängige Beschäftigung mit mehr als 35 Stunden Wochenarbeitszeit nach wie vor das gängige Beschäftigungsmuster darstellt. Dies trifft sowohl für Deutschland als auch für Großbritannien zu. Insofern ist für beide Arbeitsmärkte bisher kein dramatischer Rückgang an unbefristeten Vollzeitstellen, der als „Erosion des Normalarbeitsverhältnisses“ interpretiert werden könnte, festzustellen. Jedoch zeigt sich auch eine deutliche geschlechtsspezifische Prägung der Erwerbsmuster: Während die Erwerbsverhältnisse von Männern größtenteils (zu mehr als drei Viertel) einen Normalarbeitscharakter aufweisen, sind weibliche Arbeitskräfte wesentlich häufiger in atypischen Beschäftigungsformen tätig. Darüber hinaus existieren sowohl im deutschen als auch im britischen Arbeitsmarkt klare geschlechtsspezifische Muster innerhalb der atypischen Beschäftigungsformen: bei den Männern
7.2 Charakteristika befristeter Stellen
187
ist die Selbständigkeit, bei den Frauen die Teilzeitbeschäftigung die dominante Form atypischer Beschäftigung. Befristete Beschäftigungsverhältnisse spielen hingegen eine deutlich geringere Rolle. Sie weisen in beiden Ländern einen Anteil von ca. 5 Prozent an allen Erwerbsformen auf, der zudem im Zeitvergleich als relativ stabil beschrieben werden kann. Befristete Beschäftigung trägt somit (bisher) nicht zu einer „Erosion des Normalarbeitsverhältnisses“ bei.
7.2 Charakteristika befristeter Stellen Wenn davon ausgegangen wird, dass befristete Beschäftigung sowohl seitens der Arbeitgeber als auch seitens der Arbeitnehmer mit unterschiedlichen Zielsetzungen verbunden ist, sollten sich deutliche Variationen hinsichtlich wesentlicher Charakteristika befristeter Beschäftigungsverhältnisse finden lassen. Leider werden Informationen über solche Merkmale befristeter Beschäftigungsverhältnisse jedoch weder im SOEP noch im BHPS erhoben. Hier bieten die Daten der nationalen Arbeitskräfteerhebungen (Mikrozensus und Labour Force Survey) die Möglichkeit einer genaueren Analyse. In beiden Datensätzen liegen Informationen bezüglich der Vertragsdauer befristeter Stellen sowie zum arbeitnehmerseitig wahrgenommenen Grund einer Befristung vor. Diese beiden zentralen Merkmale befristeter Stellen werden im Nachfolgenden näher untersucht. Dabei soll neben der Beschreibung der Befristungsgründe sowie der Vertragsdauer über alle befristet beschäftigten Personen hinweg auch eine nach dem Bildungsniveau und dem Geschlecht der Befragten sowie dem wirtschaftlichen Sektor getrennte Analyse erfolgen, um so einen Eindruck von der strukturell determinierten Verschiedenartigkeit befristeter Beschäftigungsverhältnisse zu erhalten. 7.2.1 Dauer befristeter Beschäftigungsverhältnisse Um eine Vergleichbarkeit der Variablen Dauer der Befristung zwischen den Daten des Mikrozensus und des Labour Force Survey zu gewährleisten, mussten die Angaben einheitlich kategorisiert werden, da sie in beiden Datensätzen mit unterschiedlichen Intervallen erhoben wurden. Dennoch wird der Vergleich dadurch erschwert, dass in Großbritannien eine große Anzahl von befristeten Verträgen existiert, deren Vertragsdauer zum Befragungszeitpunkt noch nicht vereinbart war (immerhin ca. 40 Prozent aller Befristungen). Insofern dürfen die nachfolgend angegebenen relativen Anteile für Großbritannien nur mit großer Vorsicht interpretiert werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich Verträge mit noch nicht vereinbarten Laufzeiten in ihrer tatsächlich realisierten Dauer in
188
7 Verbreitungsgrad und Charakteristika
bestimmten Bereichen der Vertragsdauer konzentrieren sollten (beispielsweise wenn sie überdurchschnittlich häufig längere Vertragsdauern aufweisen). Die Verteilung der vereinheitlichten kategorisierten Befristungsdauer ist in Abbildung 8 dargestellt. Dabei wird deutlich, dass sowohl im deutschen als auch im britischen Arbeitsmarkt die Mehrheit der befristeten Verträge eher kurzfristig angelegt sind: in beiden Ländern haben weit über die Hälfte aller Befristungen eine Dauer von weniger als 18 Monaten. Insbesondere in Großbritannien scheinen eher kurzfristige Vertragszeiten vorzuherrschen (knapp 60 Prozent aller Befristungen haben eine Dauer von weniger als 12 Monaten). Analog zu dem höheren Anteil im Bereich der kurzfristigen Vertragsdauern finden sich in Großbritannien weniger Befristungen mit mittel- bis langfristigem Zeithorizont: Während in Deutschland ca. 35 Prozent der Befristungen auf mindestens zwei Jahre fixiert sind, beträgt dieser Anteil in Großbritannien lediglich 20 Prozent.161 Da eine Befristung des Arbeitsvertrages erst für Vertragsdauern, die die Qualifikationsperiode für den Kündigungsschutz überschreiten, arbeitsrechtliche Bedeutung gewinnt, scheint für britische Arbeitgeber die Ausschaltung des Kündigungsschutzes durch befristete Beschäftigungsverhältnisse eine eher untergeordnete Rolle zu spielen. Hierfür dürfte insbesondere die sehr gering ausgeprägte Beschäftigungssicherheit regulärer Stellen verantwortlich sein, die bereits einen relativ hohen Grad extern-numerischer Flexibilität gewährleistet. Im deutschen Arbeitsmarkt, der wiederum durch einen hohen Bestandsschutz regulärer Stellen gekennzeichnet ist, weist hingegen der Großteil der befristeten Beschäftigungsverhältnisse eine Vertragsdauer auf, die deutlich über der Qualifikationsperiode für den Kündigungsschutz (in der Regel 6 Monate) liegt.
161
Inwieweit hier diejenigen befristeten Verträge, deren Vertragsdauern zum Erhebungszeitpunkt noch nicht vereinbart war, zu einer Überschätzung der relativen Anteile von eher kurzfristigen Verträgen beitragen, bleibt jedoch unklar.
7.2 Charakteristika befristeter Stellen
29.7
30
189
29.3
Deutschland
28.3
21.2
Großbritannien
20.6
Prozent
20 16.2 14.1 11.9
11.0
10
8.5
4.7
0
1-5
6-11
12-17
4.4
18-23
24-36(35)
36(35)+
Dauer der Befristung in Monaten
Abbildung 8: Dauer der Befristung, Quelle: Mikrozensus 2000 und Labour Force Survey 2003, eigene Berechnungen, gewichtete Ergebnisse, N=9.029 (MZ) bzw. 1.850 (LFS), die in Klammern gesetzten Dauern beziehen sich auf den LFS Der Zusammenhang zwischen Vertragsdauer und dem Bildungsniveau der Beschäftigten ist in Abbildung 9 dargestellt. Für Deutschland ist klar zu erkennen, dass sich die durchschnittliche Befristungsdauer mit zunehmendem Bildungsniveau erhöht: Während knapp 77 Prozent der befristeten Verträge von Personen mit niedrigem Bildungsstand eine Laufzeit von weniger als 18 Monaten aufweisen, beträgt dieser Anteil bei Hochgebildeten nur rund 39 Prozent. Umgekehrt beläuft sich der Anteil an Befristungen mit einer Vertragslaufzeit von mindestens 24 Monaten auf nur ca. 20 Prozent bei niedrig gebildeten Personen, bei Hochgebildeten hingegen auf 54 Prozent. Die Dauern der Befristungen von Arbeitnehmern mit mittlerem (beruflichem oder allgemeinem) Bildungsstand liegen zwischen diesen beiden Extremen und bewegen sich ungefähr auf Gesamtdurchschnittsniveau. Für Großbritannien ergibt sich ein ähnliches Bild. Auch hier liegen die Befristungsdauern von Arbeitnehmern mit nur geringer Bildung deutlich häufiger im kurz- bis mittelfristigen Bereich: über 42 Prozent der Befris-
190
7 Verbreitungsgrad und Charakteristika
tungen weisen eine Vertragsdauer von weniger als 5 Monaten, ca. 91 Prozent eine Vertragsdauer von weniger als 18 Monaten auf. Für Hochgebildete hingegen finden sich überproportional häufig eher langfristige Verträge, auch wenn die relativen Anteile weit hinter dem Niveau zurückbleiben, das in Deutschland zu finden ist. Die Vertragsdauern derjenigen befristet Beschäftigten mit mittlerer beruflicher Ausbildung weisen Anteile auf, die ungefähr dem Gesamtdurchschnitt entsprechen. Auffällig im Bereich des mittleren Bildungsniveaus ist jedoch der recht hohe Anteil von kurzfristigen Befristungen bei der Personengruppe mit einer allgemeinen Ausbildung: hier sind immerhin ca. 72 Prozent der befristeten Verträge auf eine Dauer von weniger als 12 Monaten angelegt (dies übertrifft sogar ein wenig den entsprechenden Anteil im unteren Bildungssegment), dementsprechend gering ist der Anteil an längerfristigen Verträgen. Im Gegensatz zu den Befunden für Deutschland scheinen sich demnach die Vertragsdauern für Arbeitnehmer mit beruflicher Ausbildung und die Vertragsdauern von Arbeitnehmern mit mittlerer allgemeiner Ausbildung zu unterscheiden.162 In beiden Arbeitsmärkten lässt sich, wenn auch mit deutlichen Abweichungen zwischen den Ländern, ein Zusammenhang zwischen Vertragsdauer und Bildungsniveau feststellen: Längere Vertragsdauern finden sich vorwiegend für Arbeitnehmer mit tertiären Bildungsabschlüssen, kürze Vertragsdauern sind überdurchschnittlich häufig für Arbeitnehmer mit mittleren Bildungsabschlüssen, insbesondere aber für Niedrigqualifizierte zu beobachten. Dieses Ergebnis legt den Schluss nahe, dass die Einsatzlogik befristeter Beschäftigungsverhältnisse mit dem Bildungsniveau der Arbeitskräfte variiert. Die längeren Vertragsdauern für Hochqualifizierte deuten darauf hin, dass befristete Beschäftigungsverhältnisse für diese Gruppe eher als deutlich verlängerte Erprobung oder als mittelfristig angelegte Projekttätigkeiten fungieren. Dagegen sind befristete Stellen für Arbeitnehmer mit niedrigem oder mittlerem Bildungsniveau wesentlich häufiger zu kurzfristigen Erprobungen angelegt oder mit kurzfristigen Einsätzen aufgrund von Produktions- bzw. Nachfrageschwankungen oder Schwankungen im Personalbestand verbunden.
162 Wie bereits erwähnt, müssen diese Aussagen vor dem Hintergrund des recht hohen Anteils an Befristungen, deren Vertragsdauern „noch nicht vereinbart“ sind, gewertet werden. Dies trifft insbesondere für die Gruppe der Niedrigqualifizierten zu, bei der mehr als die Hälfte (ca. 58 Prozent) der Befristungen zum Befragungszeitpunkt noch keine vertraglich fixierte Laufzeit aufwiesen (zum Vergleich: dieser Anteil beträgt bei den Hochgebildeten „nur“ ca. 34 Prozent, Ergebnisse nicht gesondert dargestellt).
18-23
24-36
0
10
20
30
1-5
6-11
22.2
12-17
7.0
12-17
18-23
4.3
24-36
16.8
24-36
36+
1-5
6-11
11.1
12-17
20.8
18-23
7.1
24-36
34.7
hohes Bildungsniveau
6-11
Dauer der Befristung in Monaten
18-23
3.5
21.6
1-5
11.0
30.2
19.3
36+
13.7
0
10
20
30
40
36+
0
10
20
30
40
28.5
9.5
36+
7.4
24.1
50
50
14.7
12-17
3.2
12.9
mittleres allgemeines Bildungsniveau
6-11
32.5
mittleres berufliches Bildungsniveau
40
1-5
16.0
28.0
niedriges Bildungsniveau
50
0
10
20
30
40
50
Deutschland
Prozent 1-5
6-11
26.9
12-17
22.2
18-23
3.2
24-35
3.6
niedriges Bildungsniveau
6-11
31.2
12-17
14.4
24-35
2.0
35+
10.7
1-5
24.6
1-5
28.8
12-17
16.6
18-23
3.0
24-35
8.7
6-11
27.4
12-17
16.1
18-23
6.4
24-35
11.5
hohes Bildungsniveau
6-11
32.5
mittleres berufliches Bildungsniveau
Dauer der Befristung in Monaten
18-23
1.3
1.7
35+
mittleres allgemeines Bildungsniveau
40.3
1-5
42.3
Großbritannien
191
35+
14.1
35+
10.5
Abbildung 9: Dauer der Befristung, getrennt nach Bildungsniveau, Quelle: Mikrozensus 2000 und Labour Force Survey 2003, eigene Berechnungen, gewichtete Ergebnisse, N=8.440 (MZ) bzw. 1.095 (LFS)
Prozent
7.2 Charakteristika befristeter Stellen
7.2 Charakteristika befristeter Stellen 191
192
7 Verbreitungsgrad und Charakteristika
Der Zusammenhang zwischen der Vertragsdauer einer befristeten Stelle und dem Geschlecht ist in Abbildung 10 dargestellt. Insgesamt zeigen sich sowohl für den deutschen als auch für den britischen Arbeitsmarkt nur kleinere Differenzen in den Befristungsdauern für Männer und Frauen. In Deutschland finden sich Unterschiede im Bereich der Vertragsdauern von mehr als 36 Monaten, bei dem der Anteil der Männer mehr als doppelt so hoch liegt als der entsprechende Anteil der Frauen, wohingegen Frauen im Bereich der Vertragsdauern von 12 bis 17 Monaten stärker vertreten sind als Männer. Für Großbritannien fallen die Unterschiede noch etwas schwächer aus. Zwar findet sich wie auch in Deutschland ein erhöhter Anteil von Frauen im Bereich der Vertragsdauern von 12 bis 17 Monaten, gleichzeitig weisen alle übrigen Kategorien etwas geringere Anteile befristet beschäftigter Arbeitnehmerinnen auf, so dass hier keinesfalls von geschlechtsspezifischen Tendenzen in Richtung kurz- bzw. langfristige Vertragsdauern gesprochen werden kann. Abbildung 11 stellt schließlich die Befristungsdauer für den Bereich des Öffentlichen Dienstes sowie für die einzelnen Bereiche der Privatwirtschaft dar. Für den deutschen Arbeitsmarkt ist eine klare Trennung zwischen dem Bereich des Öffentlichen Dienstes und den privatwirtschaftlichen Sektoren zu erkennen. Im Bereich des Öffentlichen Dienstes besitzen mehr als die Hälfte (knapp 56 Prozent) aller befristet Beschäftigten einen Vertrag mit einer Laufzeit von mindestens 24 Monaten, mehr als ein Viertel einen Vertrag mit einer Laufzeit von mehr als 36 Monaten; kurzfristige Verträge sind im Öffentlichen Dienst eher selten zu finden. In den privatwirtschaftlichen Wirtschaftsbereichen erweisen sich befristete Beschäftigungsverhältnisse dagegen mehrheitlich als eher kurzfristig angelegt: hier sind mehr als 40 Prozent der befristeten Stellen mit einer Laufzeit von weniger als 12 Monaten, mehr als 70 Prozent mit einer Laufzeit von weniger als 18 Monaten ausgestattet. Dabei sind insbesondere die befristeten Verträge in der Landwirtschaft von kurzer Dauer (mehr als die Hälfte sind kürzer als ein Jahr), was vor allem durch den saisonbedingten Einsatz von Arbeitskräften in diesem Sektor zu erklären sein dürfte. Aber auch die anderen privatwirtschaftlichen Branchen haben im Vergleich zum Öffentlichen Dienst eher kürzere Vertragslaufzeiten.163
163 Dieses Ergebnis ist weitgehend unabhängig von den speziellen befristeten Beschäftigungsverhältnissen deutscher Beamter: zwar sind die Verträge dieser Personengruppe mehrheitlich längerfristig angelegt, jedoch ändern sich die berichteten Ergebnisse bei Herausnahme der Gruppe der Beamten aus den Analysen nur geringfügig.
0
10
20
30
12.0
1-5
10.2
21.2
12-17
5.1
18-23
4.3
21.9
24-36
19.5
Dauer der Befristung in Monaten
6-11
21.3
25.9
31.0
Deutschland
8.8
Mann
36+
18.8
Prozent
28.3
1-5
31.3
Frau
0
10
20
30 29.0
12-17
12.8
19.1
4.4
18-23
4.4
7.9
24-35
9.2
Dauer der Befristung in Monaten
6-11
29.7
Großbritannien
193
11.3
35+
12.6
Abbildung 10: Dauer der Befristung, getrennt nach Geschlecht, Quelle: Mikrozensus 2000 und Labour Force Survey 2003, eigene Berechnungen, gewichtete Ergebnisse, N=9.029 (MZ) bzw. 1.095 (LFS)
Prozent
7.2 Charakteristika befristeter Stellen
7.2 Charakteristika befristeter Stellen 193
5.8
0
10
1-5
20 13.4
30
5.6
16.5
7.4
12-17 24-36 6-11 18-23 36+
29.8
3.1
12-17 24-36 6-11 18-23 36+
5.7
28.6 27.3
Dauer der Befristung in Monaten
1-5
5.6
11.0
21.8
1-5
13.7
32.8
3.7
16.8 7.9
12-17 24-36 6-11 18-23 36+
25.1
0
10
20
30
40
50
0
10
20
30
40
27.4
11.1
12-17 24-36 6-11 18-23 36+
2.2
Öffentlicher Dienst
1-5
21.6
26.7
Dienstleistung
50
Industrie
12-17 24-36 6-11 18-23 36+
3.0
18.8
35.2
Landwirtschaft
40
1-5
29.7 29.8
Bau
50
0
10
20 12.9
30
40
50
Deutschland
1-5
49.2
1-5
38.8
11.4 2.5
10.2 11.7
9.8 4.3
6.5
6.0
12-17 24-35 6-11 18-23 35+
24.2
Industrie
12-17 24-35 6-11 18-23 35+
25.4
Bau
12-17 24-35 6-11 18-23 35+
19.9
5.7
9.3
15.1
12-17 24-35 6-11 18-23 35+
28.6
1-5
35.9
Dauer der Befristung in Monaten
1-5
21.3
Öffentlicher Dienst
1-5
Landwirtschaft
Großbritannien
13.4 2.8
7.7
9.0
12-17 24-35 6-11 18-23 35+
31.1
Dienstleistung
164 Für den britischen Landwirtschaftssektor konnten insgesamt nur 9 Fälle mit einem befristeten Beschäftigungsverhältnis und einer bereits festgelegten Dauer des Arbeitsvertrages beobachtet werden. Auf eine Darstellung der Verteilung der Vertragsdauern wurde aufgrund dieser geringen Fallzahl verzichtet.
Abbildung 11: Dauer der Befristung, getrennt nach Wirtschaftssektor, Quelle: Mikrozensus 2000 und Labour Force Survey 2003, eigene Berechnungen, gewichtete Ergebnisse, N=9.029 (MZ) bzw. 1.084 (LFS) 164
Prozent
7 Verbreitungsgrad und Charakteristika
Prozent
194
194 7 Verbreitungsgrad und Charakteristika
7.2 Charakteristika befristeter Stellen
195
In Großbritannien lässt sich ebenfalls eine Variation der Vertragsdauer befristeter Stellen zwischen den einzelnen Wirtschaftsbereichen feststellen. Auch hier liegt der Hauptunterschied zwischen den privatwirtschaftlichen Branchen und dem Öffentlichen Dienst, jedoch fällt diese Differenz wesentlich schwächer aus als in Deutschland (so besitzen deutlich mehr als drei Viertel aller befristeten Verträge in der Privatwirtschaft eine Laufzeit von weniger als 18 Monaten, während dieser Anteil im Öffentlichen Dienst ca. 70 Prozent beträgt). Auffällig ist der im Vergleich zu Deutschland hohe Anteil von sehr kurzfristigen Verträgen (weniger als 6 Monate Laufzeit) in der britischen Privatwirtschaft, hauptsächlich im Bereich der Industrie. Dies mag zum Teil der relativ hohen Anzahl von Befristungen geschuldet sein, die zum Befragungszeitpunkt noch keine vertraglich fixierte Laufzeit aufwiesen (im Öffentlichen Dienst ca. 34 Prozent, in der Privatwirtschaft ca. 46 Prozent). Insgesamt deuten diese Befunde klar darauf hin, dass sich befristete Stellen in ihren Charakteristika (hier zunächst im Hinblick auf ihre Vertragsdauer) nicht nur zwischen dem deutschen und dem britischen Arbeitsmarkt, sondern auch innerhalb der nationalen Arbeitsmärkte zwischen einzelnen Wirtschaftssektoren unterscheiden. Die markantesten Unterschiede liegen dabei zwischen dem Bereich des Öffentlichen Dienstes und dem Bereich der Privatwirtschaft. Im Ländervergleich wird jedoch auch deutlich, dass diese Unterschiede für den deutschen Arbeitsmarkt weitaus stärker ausfallen als für Großbritannien. Aufgrund dieses Vergleiches ist zu vermuten, dass hauptsächlich der besonders stark ausgeprägte Bestandsschutz regulärer Stellen des deutschen Öffentlichen Dienstes für die weit überdurchschnittlichen Vertragsdauern der befristeten Stellen dieses Bereichs verantwortlich ist. 7.2.2 Grund der Befristung Neben der Vertragsdauer ist der Grund für eine Befristung des Arbeitsverhältnisses ein weiteres zentrales Merkmal befristeter Beschäftigungsverhältnisse. Die Variable Grund der Befristung wird sowohl im Mikrozensus als auch im Labour Force Survey in der Art erfasst, dass Personen, die angaben, einen befristeten Arbeitsvertrag zu besitzen, aus einer Liste von Gründen einen Grund für ihre befristete Tätigkeit nennen. Dabei wird zwischen folgenden Gründen unterschieden:
196
7 Verbreitungsgrad und Charakteristika
Tabelle 7: Gründe für eine befristete Stelle, Mikrozensus und Labour Force Survey Mikrozensus 2000 Frage: Aus welchem Grund ist Ihre Tätigkeit befristet? Ausbildung Dauerstelle nicht zu finden Dauerstelle nicht gewünscht Probezeit-Arbeitsverhältnis aus anderen Gründen
Labour Force Survey 2003 Frage: Did you take that type of job rather than a permanent job because... you had a contract which included a period of training? you could not find a permanent job? you did not want a permanent job? (Kategorie nicht vorhanden) Or was there some other reason?
Es handelt sich hierbei folglich um eine subjektive Einschätzung des Befristungsgrundes durch die befragten Arbeitnehmer, die durch den Ausschluss von Mehrfachantworten auf nur eine Angabe reduziert wird. Aus dieser Erhebungsweise ergeben sich jedoch mindestens drei Probleme für die Analyse der Befristungsgründe. Erstens bleibt durch den Ausschluss der Möglichkeit von Mehrfachantworten unklar, ob und inwieweit sich die Befristungsgründe empirisch überschneiden (etwa bei einer Befristung zu Ausbildungszwecken, die dennoch nur die zweite Wahl im Vergleich zu einer unbefristeten Stelle darstellt). Zweitens kann mit dem vorliegenden Datenmaterial nicht geklärt werden, welche arbeitgeberseitigen Gründe für eine Befristung des Arbeitsvertrages vorliegen. Zwar wäre bei den Antwortvorgaben „Ausbildung“ und „ProbezeitArbeitsverhältnis“ eine Deckung der arbeitnehmerseitig genannten Gründe mit den arbeitgeberseitigen Motiven denkbar, dennoch ist davon auszugehen, dass Aussagen über arbeitgeberseitige Befristungsgründe aufgrund der subjektiven Einschätzung der Befragten sowie der Antwortreduzierung auf nur eine Nennung mit erheblichen Ungenauigkeiten verbunden sind. Schließlich bleibt drittens die Anzahl der Antwortmöglichkeiten sehr beschränkt, so dass auf die Kategorie „andere Gründe“ in beiden Datensätzen die Mehrzahl der Nennungen entfällt, was wiederum eine Untersuchung der Befristungsgründe erschwert, da sich offensichtlich eine erhebliche Anzahl befragter Personen den vorgegebenen Antwortmöglichkeiten nicht zuordnen kann. Beim Blick auf die Verteilung der Variable „Grund der Befristung“ (Abbildung 12) fällt zunächst auf, dass befristete Beschäftigungsverhältnisse eher selten der Ausbildung dienen. In beiden Ländern liegt der Anteil der Befristungen, die nach Ansicht der Befragten mit dem Ziel der Ausbildung verbunden sind,
7.2 Charakteristika befristeter Stellen
197
deutlich unter 10 Prozent.165 Ausbildungsgründe scheinen demnach für die Annahme einer befristeten Stelle eine untergeordnete Rolle zu spielen. Deutlich mehr Befragte (16,5 Prozent in Deutschland und sogar ein Drittel in Großbritannien) gaben an, dass für sie der Grund der Befristung darin läge, dass sie keine Dauerstelle finden konnten. Für diese Personengruppe stellt sich die befristete Beschäftigung nicht als „Wunscharbeitsform“ dar, sondern ist nur als zweitbeste Lösung im Vergleich zu einer Dauerstelle zu verstehen. Gleichzeitig zeigt sich, dass in Großbritannien deutlich mehr befristet beschäftigte Personen als in Deutschland überhaupt nicht an einer Dauerstelle interessiert sind: Während in Großbritannien ca. ein Viertel der befristet Beschäftigten als Grund für die Befristung explizit angaben, keine Dauerstelle zu wünschen, fällt dieser Anteil in Deutschland verschwindend gering aus. Dies kann als Indiz dafür gewertet werden, dass im Vergleich zu Deutschland befristete Beschäftigungsverhältnisse in Großbritannien von einem größeren Teil der Befragten als vorteilhaft gegenüber einer unbefristeten Stelle angesehen und deshalb auch freiwillig gewählt werden. Es ist daher zu vermuten, dass zumindest für einen Teil der britischen Arbeitnehmer befristete Beschäftigungsverhältnisse auch mit positiven sozioökonomischen Konsequenzen einhergehen. Im deutschen Arbeitsmarkt hingegen lässt sich für die Gruppe der befristet Beschäftigten eine klare Präferenz hinsichtlich unbefristeter Beschäftigungsverhältnisse ausmachen, was darauf hindeutet, dass befristete Stellen von den Beschäftigten als nachteilige Positionen empfunden werden. Hier deutet sich demnach ein weiterer wichtiger länderspezifischer Aspekt befristeter Beschäftigung an. Der Befristungsgrund „Probezeit“, der nur im Mikrozensus erhoben wurde, stellt neben den „sonstigen Gründen“ die am stärksten besetzte Kategorie dar: mehr als ein Fünftel der befristet Beschäftigten gaben die „Probezeit“ als Grund für ihre Befristung an. Daraus lässt sich schließen, dass für Arbeitgeber die Erprobung neuer Mitarbeiter durchaus ein wichtiges Motiv für die Einrichtung befristeter Stellen darstellt.166 Ein Vergleich mit der Situation in Großbritannien ist aufgrund der Datenlage leider nicht möglich, doch es ist anzunehmen, dass der Anteil der befristeten Probearbeitsverhältnisse
165
Hier sei noch einmal darauf hingewiesen, dass durch den Ausschluss von Mehrfachantworten bestimmte Informationen verloren gehen. So kann ein Arbeitsverhältnis sowohl zu Erprobung- als auch zu Ausbildungszwecken befristet sein – bei der Erhebung wird jedoch nur eines dieser Merkmale erfasst. Insofern ist anzunehmen, dass der Anteil der Befristungen mit Ausbildungscharakter tatsächlich höher liegt als mit diesen Zahlen suggeriert wird. 166 Allerdings kann darüber spekuliert werden, ob bei allen der als „Probezeit“ angegebenen befristeten Stellen real existierende Übernahmechance bestehen. Da durch das Inaussichtstellen einer Übernahme sicherlich die Arbeitsmotivation und -leistung der Arbeitskräfte gesteigert werden (vgl. Fußnote 62), ist es zumindest denkbar, dass Arbeitgeber den Beschäftigten gegenüber solche Übernahmechancen erwähnen, obwohl sie realiter nicht existieren.
198
7 Verbreitungsgrad und Charakteristika
dort aufgrund des insgesamt schwächer ausgeprägten Kündigungsschutzes deutlich geringer als in Deutschland ausfallen dürfte.167 Deutschland
Großbritannien 49.3
50
39.1
40
Prozent
32.3
30 24.8 22.4
20
10
16.5
8.1 3.9
0
3.7
Ausbildung Dauerstelle nicht gewünscht Dauerstelle nicht zu finden Probezeit
sonstige Gründe
Grund der Befristung
Abbildung 12: Grund der Befristung, Quelle: Mikrozensus 2000 und Labour Force Survey 2003, eigene Berechnungen, gewichtete Ergebnisse, N=9.029 (MZ) bzw. 1.850 (LFS) Werden nun die Vertragsdauern nach Befristungsgründen getrennt betrachtet (Abbildung 13), zeigt sich, dass die Vertragsdauer befristeter Stellen deutlich mit dem Befristungsgrund variiert. Für Deutschland lässt sich feststellen, dass diejenigen befristeten Stellen, die der Erprobung neuer Mitarbeiter dienen, überdurchschnittlich häufig auf kurzfristigen Verträgen basieren: Über 50 Prozent dieser Befristungen weisen eine Dauer von weniger als 12 Monaten auf, über 80 Prozent haben eine Vertragslaufzeit von weniger als 18 Monaten. Demgegenüber 167 Die fehlende Kategorie „Probezeit-Arbeitsverhältnis“ im Labour Force Survey könnte auch für die relativ starke Besetzung der Kategorie „Dauerstelle nicht zu finden“ in diesem Datensatz mit verantwortlich sein: diejenigen Personen, deren befristete Stelle in erster Linie einer Erprobung dient, die jedoch der Befristung eine Dauerstelle vorziehen würden, werden sich in die Kategorie „Dauerstelle nicht zu finden“ einordnen.
0
10
20
30
40
50
0
10
20
30
40
50
1-5
16.4
1-5
5.8
6-11
36.7
6-11
5.4
9.8
49.1
12.7
3.4
9.9
4.0
1-5
9.2
1-5
11.2
6-11
16.5
6.0
4.5
20.6
12-17 24-36 18-23 36+
27.6 21.6
12-17 24-36 18-23 36+
4.7
21.4
sonstige Gründe
6-11
21.2
35.5
Dauerstelle nicht zu finden
1-5
12.8
6-11
24.0
3.6
20.9 14.8
12-17 24-36 18-23 36+
24.0
Dauerstelle nicht gewünscht
Dauer der Befristung in Monaten
12-17 24-36 18-23 36+
29.4
Probezeit
12-17 24-36 18-23 36+
17.1
Ausbildung
Deutschland
Prozent 0
10
20
30
40
50
0
10
20
30
40
50
1-5
1-5
19.9
6-11
6-11
20.7 6.8
15.2 13.7
1-5
23.7
1-5
34.9
4.1
6.0
6-11
23.6
4.4
4.6
11.6
12-17 24-35 18-23 35+
17.4
19.1
12-17 24-35 18-23 35+
15.4
sonstige Gründe
6-11
35.3
Dauerstelle nicht zu finden
1-5
36.7
6-11
34.3
3.9
4.2
7.9
12-17 24-35 18-23 35+
13.0
Dauerstelle nicht gewünscht
Dauer der Befristung in Monaten
12-17 24-35 18-23 35+
Probezeit
12-17 24-35 18-23 35+
23.9
Ausbildung
Großbritannien
199
Abbildung 13: Dauer und Grund der Befristung, Quelle: Mikrozensus 2000 und Labour Force Survey 2003, eigene Berechnungen, gewichtete Ergebnisse, N=9.029 (MZ) bzw. 1.095 (LFS)
Prozent
7.2 Charakteristika befristeter Stellen
7.2 Charakteristika befristeter Stellen 199
200
7 Verbreitungsgrad und Charakteristika
finden sich eher längerfristige Verträge bei den befristeten Stellen, die mit Ausbildungszwecken verbunden sind. Hier sind ca. 62 Prozent aller befristeten Stellen auf mindestens 24 Monate vertraglich fixiert. Aber auch diejenigen Stellen, die aus „sonstige Gründen“ befristet sind, weisen einen erhöhten Anteil längerfristiger Verträge auf, insbesondere bei Vertragsdauern von über 36 Monaten. Hier dürften die eher langfristig angelegten befristeten Beschäftigungsverhältnisse von Hochgebildeten (z. B. im Wissenschaftsbereich) eine zentrale Rolle spielen (siehe dazu auch weiter unten). Für Großbritannien zeigt sich ähnlich wie für Deutschland, dass befristete Verträge, die der Ausbildung dienen, überproportional häufig längerfristig fixiert sind, auch wenn dieser Zusammenhang nicht so stark ausfällt wie in Deutschland (so sind immerhin noch knapp 65 Prozent der Befristungen in diesem Bereich auf weniger als 18 Monate ausgelegt). Ebenso sind die aus „sonstigen Gründen“ befristeten Stellen überdurchschnittlich häufig auf eher längere Laufzeiten gestellt, auch wenn hier weiterhin gilt, dass die Mehrzahl der Befristungen eher kurzfristige Verträge aufweisen. Im Vergleich zu den Ergebnissen für Deutschland fallen insbesondere diejenigen befristeten Stellen auf, die nach Angaben der Befragten freiwillig gewählt wurden („Dauerstelle nicht gewünscht“). Von diesen Befristungen haben 71 Prozent eine Laufzeit von weniger als 12 Monaten, d. h. sie sind überdurchschnittlich häufig im kurzfristigen Bereich angesiedelt. Freiwillig befristet Beschäftigte scheinen demnach eher an kurzzeitigen Bindungen interessiert zu sein. Allerdings weisen aber gerade diese Stellen auch einen recht hohen Anteil an noch nicht vereinbarten Vertragsdauern auf (knapp 50 Prozent), so dass eine abschließende Bewertung dadurch erschwert wird, dass unklar bleibt, wie die tatsächliche durchschnittlich erreichte Vertragsdauer ausfällt. Abbildung 14 stellt die Befristungsgründe getrennt nach dem Bildungsniveau der Befragten dar. Zu erkennen ist, dass die Befristungsgründe durchaus mit dem Bildungsniveau der befristet Beschäftigten variieren. In Deutschland ist die Befristung als Probezeit insbesondere bei Personen aus unteren Bildungsschichten sowie bei Personen mit mittlerem beruflichem Ausbildungsniveau von Bedeutung, während die Erprobung durch Befristung bei den befristet Beschäftigten mit mittlerem allgemeinen und höherem Bildungsniveau klar an Bedeutung verliert. Umgekehrt gilt, dass Befristungen zum Zwecke der Ausbildung bei letzterer Personengruppe deutlich wichtiger sind als bei Arbeitnehmern mit niedrigen oder beruflichen Bildungsabschlüssen.168 Weiterhin geben befristet Be168 Der erhöhte Anteil der Befristungen zum Zwecke der Ausbildung bei Personen mit mittlerer allgemeiner und höherer Bildung kann zum Teil durch die besondere Situation befristet beschäftigter Beamter erklärt werden. Eine gesonderte Analyse ergab (Ergebnisse nicht dargestellt), dass für diese Personengruppe eine Ausbildung mit Abstand den häufigsten Befristungsgrund darstellt (bei den
7.2 Charakteristika befristeter Stellen
201
schäftigte aus unteren Bildungsschichten häufiger als Personen mit mittleren und hohen Bildungsabschlüssen an, dass sie mangels Alternative (Dauerstelle nicht zu finden) einer befristeten Beschäftigung nachgingen. Dies legt den Schluss nahe, dass es insbesondere die Gruppe der schlecht ausgebildeten Personen sind, die eher unfreiwillig in befristeten Stellen beschäftigt sind. Allerdings ergibt sich im Hinblick auf die tatsächlich freiwillige Annahme befristeter Beschäftigungsverhältnisse kaum eine Variation mit dem Bildungsstand der Befragten: Der Anteil derjenigen Personen, die angaben, keine Dauerstelle zu wünschen, liegt in Deutschland für alle Bildungsgruppen auf einem sehr niedrigen Niveau. Im Hinblick auf die Kategorie „sonstige Gründe“, die durchgängig den größten Anteil der Nennungen ausmacht, ist festzustellen, dass in Deutschland ein deutlicher Unterschied zwischen den unteren und den mittleren bzw. höheren Bildungsschichten besteht: „sonstige Gründe“ werden häufiger von den Personen mit mittlerer und höherer Bildung, seltener von Personen mit nur geringer Bildung als Grund ihrer Befristung angegeben. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass mit zunehmendem Qualifikationsniveau auch die Gründe für eine Befristung mannigfaltiger werden. Eine detailliertere Erfassung der „sonstigen Gründe“ wäre daher erstrebenswert. Auch für den britischen Arbeitsmarkt lässt sich ein Zusammenhang zwischen Bildungsniveau und Grund der Befristung finden, der allerdings etwas schwächer auszufallen scheint als in Deutschland. Zunächst zeigt sich, dass ähnlich wie in Deutschland auch hier Personen mit niedrigen Bildungsabschlüssen häufiger als Personen mit mittlerem oder hohem Bildungsniveau eher unfreiwillig in befristeten Stellen beschäftigt sind: Immerhin 43 Prozent der befristet Beschäftigten mit niedriger Bildung gaben an, dass sie keine Dauerstelle finden konnten, für Arbeitnehmer mit tertiären Bildungsabschlüssen liegt dieser Anteil bei ca. 26 Prozent. Gleichzeitig unterscheidet sich jedoch der Anteil derjenigen Befragten, die explizit angaben, keine Dauerstelle zu wünschen, zwischen niedrig und hoch gebildeten Arbeitnehmern kaum. Hier sind jedoch diejenigen Personen mit mittleren beruflichen Ausbildungsabschlüssen unterrepräsentiert. Für diese Gruppe von Arbeitnehmern stellen sich befristete Beschäftigungsverhältnisse offenbar seltener als für andere Bildungsgruppen als eine attraktive und daher wünschenswerte Alternative zu einer Dauerstelle dar. Schließlich sind befristet beschäftigten Beamten mit mittlerem allgemeinem Bildungsniveau entfallen knapp 75 Prozent der Befristungen auf diese Kategorie, bei den Höhergebildeten sind es knapp 62 Prozent). Befristungen gehören hier in der Regel zum Ausbildungs- und Karriereverlauf: nach anfänglicher befristeter Verbeamtung (Beamte auf Zeit) erfolgt die Verbeamtung auf Lebenszeit. Allerdings erweist sich der Befristungsgrund „Ausbildung“ auch für Nicht-Beamte mittlerer allgemeiner und höherer Bildung als bedeutsam. So sinken zwar die Anteile der „Ausbildung“ an allen Befristungsgründen, wenn die Beamten nicht mitberücksichtigt werden (auf ca. 15 Prozent bzw. 12 Prozent), dennoch unterscheiden sie sich deutlich von denen der beiden anderen Bildungsgruppen.
49.8
15.6
3.5
12.0
19.1
20
40
60
80
100
30.6
43.0
23.6
2.8
2.8
39.9
38.1
19.1
39.3
34.1
24.1
2.5
39.9
26.4
28.4
5.3
Ausbildung Probezeit Dauerstelle nicht gewünscht Dauerstelle nicht zu finden sonstige Gründe
Grund der Befristung
47.7
12.9
4.5
16.5
18.4
Grund der Befristung
50.7
16.9
3.4
25.8
3.2
0 niedriges Bildungsniveau mittleres allgemeines Bildungsniveau mittleres berufliches Bildungsniveau hohes Bildungsniveau
39.7
21.9
3.7
31.7
3.0
0 niedriges Bildungsniveau mittleres allgemeines Bildungsniveau mittleres berufliches Bildungsniveau hohes Bildungsniveau
20
40
60
80
100
7 Verbreitungsgrad und Charakteristika Großbritannien
Abbildung 14: Grund der Befristung, getrennt nach Bildungsniveau, Quelle: Mikrozensus 2000 und Labour Force Survey 2003, eigene Berechnungen, gewichtete Ergebnisse, N=8.440 (MZ) bzw. 2.030 (LFS)
Prozent
Deutschland
Prozent
202
202 7 Verbreitungsgrad und Charakteristika
7.2 Charakteristika befristeter Stellen
203
befristete Beschäftigungsverhältnisse mit Ausbildungsfunktion in allen Bildungsgruppen sehr selten zu finden, den höchsten Anteil (ca. 5 Prozent) erreicht die Kategorie „Ausbildung“ bei den Hochqualifizierten. Bezüglich des Zusammenhangs von Befristungsgrund und Geschlecht (dargestellt in Abbildung 15) lässt sich für den deutschen Arbeitsmarkt kein geschlechtsspezifisches Muster erkennen: die Unterschiede in den relativen Anteilen der einzelnen Befristungsgründen fallen eher gering aus und sind insgesamt zu vernachlässigen. Für Großbritannien hingegen zeigt sich, dass weitaus mehr Frauen als Männer ihre Befristung freiwillig gewählt haben („Dauerstelle nicht gewünscht“). Demgegenüber begründeten deutlich mehr Männer als Frauen ihre Befristung darin, dass keine Dauerstelle zu finden sei (vgl. dazu z. B. auch Sly/Stillwell 1997). Der relativ hohe Anteil von befristet beschäftigten Arbeitnehmerinnen, die diese Beschäftigungsform freiwillig wählen bzw. sie offenbar zumindest einem unbefristeten Arbeitsverhältnis vorziehen (immerhin knapp 30 Prozent aller weiblichen Beschäftigten), könnte eine wesentliche Ursache für die im britischen Arbeitsmarkt existierenden höheren Befristungsquoten für Frauen sein. Scheinbar fragen im britischen Arbeitsmarkt Frauen in einem weitaus höheren Maße befristete Beschäftigungsverhältnisse nach als Männer. Insgesamt legt dies die Vermutung nahe, dass befristete Stellen insbesondere von britischen Frauen vielfach als attraktivere oder zumindest gleichwertige Beschäftigungsform im Vergleich zu unbefristeten Positionen wahrgenommen werden. Inwieweit sich diese Einschätzung in der aktuellen Erwerbssituation sowie dem weiteren Karriereverlauf befristet beschäftigter Arbeitnehmerinnen empirisch widerspiegelt, wird in den weiteren Analysen zu eruieren sein.
0
10
20
30
40
50
8.7
17.7
3.4
3.9
24.1 20.5
Grund der Befristung
Ausbildung Dauerstelle nicht gewünscht Dauerstelle nicht zu finden Probezeit
7.6
15.4
Deutschland 49.1
Mann
sonstige Gründe
49.4
Frau
0
10
20
30
40
50
3.8
25.0 19.3
29.4
Grund der Befristung
Ausbildung Dauerstelle nicht gewünscht Dauerstelle nicht zu finden Probezeit
4.0
40.7
Großbritannien
41.7
sonstige Gründe
36.0
Abbildung 15: Grund der Befristung, getrennt nach Geschlecht, Quelle: Mikrozensus 2000 und Labour Force Survey 2003, eigene Berechnungen, gewichtete Ergebnisse, N=9.029 (MZ) bzw. 1.850 (LFS)
Prozent
7 Verbreitungsgrad und Charakteristika
Prozent
204
204 7 Verbreitungsgrad und Charakteristika
7.2 Charakteristika befristeter Stellen
205
Werden die Befristungsgründe nach den Wirtschaftsbereichen getrennt analysiert (siehe Abbildung 16), zeigt sich für den deutschen Arbeitsmarkt, dass die Befristungsgründe insbesondere zwischen dem öffentlichen und dem privatwirtschaftlichen Sektor, weniger jedoch zwischen den Branchen der Privatwirtschaft variieren. Die größten Unterschiede lassen sich mit Blick auf die Gründe „Ausbildung“ und „Probezeit“ finden: Ausbildungszwecken dienen befristete Stellen vor allem im Öffentlichen Dienst, während Befristungen als Probearbeitsverhältnis deutlich häufiger in der Privatwirtschaft zu finden sind.169 Weiterhin ist erkennbar, dass „sonstige Gründe“ für eine Befristung häufiger von befristet Beschäftigten im Öffentlichen Dienst genannt wurden. Insgesamt lässt sich aus den Ergebnissen schließen, dass Befristungen im Bereich des Öffentlichen Dienstes mitunter andere Funktionen übernehmen als im Bereich der Privatwirtschaft. Insbesondere dienen befristete Beschäftigungsverhältnisse im Öffentlichen Dienst weitaus seltener als in der Privatwirtschaft der Erprobung, eine Tatsache, die sich in erhöhten Arbeitsmarktrisiken der betroffenen Arbeitnehmer widerspiegeln sollte. Im Gegensatz zu den Ergebnissen für Deutschland lassen sich für Großbritannien keine gravierenden Unterschiede für die Befristungsgründe im Öffentlichen Dienst und in der Privatwirtschaft finden. Auffällig ist, dass befristet Beschäftigte in der Privatwirtschaft häufiger angaben, dass sie keine Dauerstelle finden konnten, während die im Öffentlichen Dienst befristet beschäftigten Arbeitnehmer häufiger „sonstige Gründe“ für ihre Befristung nannten. Aufgrund der in den britischen Daten fehlenden Kategorie der „Probezeit“ kann hier nur vermutet werden, dass ein Teil der befristeten Stellen, deren Inhaber angaben, keine Dauerstelle gefunden zu haben, der Erprobung der Arbeitnehmer dient (vgl. auch Fußnote 167). Allerdings wäre aufgrund der in Großbritannien nur gering ausgeprägten strukturellen Unterschiede zwischen Öffentlichem Dienst und Privatwirtschaft gleichzeitig zu vermuten, dass sich hinsichtlich der Anteile befristeter Stellen mit Probezeitcharakter geringere Unterschiede zwischen den beiden Wirtschaftssektoren manifestieren würden als dies in Deutschland der Fall ist.
169 Auch hier spielen die Beschäftigungsverhältnisse von Beamten eine Sonderrolle: ca. 55 Prozent der befristet beschäftigten Beamten (im Öffentlichen Dienst) gaben an, dass ihre Stelle zu Ausbildungszwecken befristet sei. Bei der Gruppe der Angestellten ist dieser Anteil mit ca. 12 Prozent deutlich geringer ausgeprägt, dennoch liegt er höher als bei Angestellten in der Privatwirtschaft. Innerhalb der Gruppe der Arbeiter unterscheiden sich diese Anteile nur geringfügig. Hinsichtlich des Anteils von befristeten Probezeitarbeitsverhältnissen zeigt sich in einer gesonderten Analyse (Ergebnisse nicht dargestellt), dass auch ohne die Beschäftigungsverhältnisse von Beamten die befristete Probezeit wesentlich häufiger in der Privatwirtschaft zu finden ist.
0
20
40
60
80
100
Bau
42.7
18.7
3.8
31.4
3.4
48.2
16.8
4.1
25.2
5.8
Grund der Befristung
Landwirtschaft Dienstleistung
39.5
23.1
5.1
29.3
3.1
56.5
15.2
3.7
9.7
14.8
Industrie Öffentlicher Dienst
41.5
17.1
2.6
35.5
3.2
Bau
31.6
44.1
20.4
3.9
41.8
40.9
17.3
36.0
32.9
28.0
3.0
Grund der Befristung
Landwirtschaft Dienstleistung
Ausbildung Probezeit Dauerstelle nicht gewünscht Dauerstelle nicht zu finden sonstige Gründe
0
20
40
60
80
100
7 Verbreitungsgrad und CharakteristikaGroßbritannien 3.8
43.9
26.6
24.7
4.7
Industrie Öffentlicher Dienst
32.2
47.6
16.4
Abbildung 16: Grund der Befristung, getrennt nach Wirtschaftssektor, Quelle: Mikrozensus 2000 und Labour Force Survey 2003, eigene Berechnungen, gewichtete Ergebnisse, N=9029 (MZ) bzw. 1850 (LFS)
Prozent
Deutschland
Prozent
206
206 7 Verbreitungsgrad und Charakteristika
7.3 Zusammenfassung
207
7.3 Zusammenfassung In der Zusammenfassung der deskriptiven Befunde zum Verbreitungsgrad sowie zu den Merkmalen befristeter Stellen sollen vier Gesichtspunkte der vorangegangenen Analysen besonders hervorgehoben werden. Erstens zeigte sich, dass befristete Beschäftigungsverhältnisse sowohl in Deutschland als auch in Großbritannien nur ca. 4 bis 9 Prozent aller Arbeitsverhältnisse abhängig Beschäftigter ausmachen. Das bedeutet, dass in beiden Arbeitsmärkten bisher kein exzessiver Gebrauch von dieser Art flexibler Beschäftigung gemacht wurde. Für den britischen Arbeitsmarkt ist die geringe Verbreitung befristeter Stellen, die trotz der kaum vorhandenen Restriktionen gegenüber dem Einsatz dieser Beschäftigungsform zu beobachten ist, vermutlich insbesondere auf die sehr schwach ausgeprägte Beschäftigungssicherheit regulärer Stellen zurückzuführen. Im Falle des deutschen Arbeitsmarktes könnten die relativ restriktiven Regelungen für den Einsatz befristeter Beschäftigung für den geringen Verbreitungsgrad verantwortlich sein. Allerdings führten die verschiedenen Lockerungen dieser Regelungen (vgl. Kapitel 4) nicht zu einer massiven Ausweitung befristeter Beschäftigungsverhältnisse. Dies legt den Schluss nahe, dass diese Beschäftigungsform von Arbeitgebern nur bedingt als sinnvolles Flexibilisierungsinstrument angesehen wird. Anhand der zeitlichen Entwicklung der Befristungsquote lässt sich jedoch auch erkennen, dass seit Ende der neunziger Jahre der relative Anteil befristeter Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland leicht anstieg, während für den britischen Arbeitsmarkt ein deutlicher Rückgang dieses Anteils zu konstatieren ist. Für diesen gegenläufigen Trend dürfte die unterschiedliche Arbeitsmarktentwicklung in beiden Ländern mit verantwortlich sein. Insofern scheint die allgemeine Arbeitsmarktlage einen nicht unerheblichen Einfluss sowohl auf die seitens der Arbeitgeber angebotene Zahl befristeter Stellen als auch auf die Akzeptanz solcher Stellen seitens der Arbeitnehmerschaft auszuüben. Zweitens hat sich gezeigt, dass die befristete Beschäftigung im Vergleich zu anderen Formen atypischer Beschäftigung wie der Teilzeitarbeit oder der Selbständigkeit eine eher untergeordnete Rolle spielt. Dieses Ergebnis kann dahingehend gedeutet werden, dass ein zu hoher Grad an extern-numerischer Flexibilität von Unternehmen als kontraproduktiv wahrgenommen wird, weshalb sie vermehrt auf andere Flexibilisierungsinstrumente wie z. B. die Teilzeitarbeit zurückgreifen. Auch scheinen Arbeitnehmer solche atypischen Beschäftigungsformen wie Selbständigkeit oder Teilzeitarbeit stärker als befristete Beschäftigungsverhältnisse nachzufragen, wobei sich hier klare geschlechtsspezifische Muster der Nachfrage nachweisen lassen. Insgesamt kann festgehalten werden, dass weder im deutschen noch im britischen Arbeitsmarkt unbefristete Stellen
208
7 Verbreitungsgrad und Charakteristika
bisher im größeren Ausmaß in befristete Positionen umgewandelt wurden, so dass die Befristung nicht zu der vielfach unterstellten „Erosion des Normalarbeitsverhältnisses“ beitrug. Drittens hat die Analyse des Verbreitungsgrades befristeter Beschäftigungsverhältnisse deutlich gemacht, dass deren Einsatzhäufigkeit mit bestimmten individuellen Eigenschaften der Beschäftigten aber auch mit arbeitsplatzbezogenen Merkmalen variiert. So sind beispielsweise Frauen häufiger als Männer, Hochqualifizierte häufiger als andere Bildungsgruppen und Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes häufiger als Beschäftigte der Privatwirtschaft in Stellen mit einem befristeten Arbeitsvertrag tätig. Darüber hinaus zeigt der Vergleich des deutschen und des britischen Arbeitsmarktes, dass diese Variationen länderspezifisch ausfallen: Die Unterschiede zwischen den Befristungsquoten der einzelnen Bildungsgruppen bzw. der Wirtschaftssektoren sind in Deutschland stärker ausgeprägt als in Großbritannien. Diese Ergebnisse geben einen ersten deutlichen Hinweis darauf, dass bestimmte institutionelle Rahmenbedingungen einen Einfluss auf den Prozess der Besetzung befristeter Stellen ausüben. Dabei konnten die vermuteten Zusammenhänge hinsichtlich länderspezifischer Besetzungsmuster befristeter Stellen (wenn auch nur auf der Basis einfacher deskriptiver Analysen) bestätigt werden. Viertens schließlich wurde anhand der Analyse der Vertragsdauer sowie der Gründe befristeter Arbeitsverträge gezeigt, dass sich befristete Beschäftigungsverhältnisse hinsichtlich ihrer grundlegenden Eigenschaften durchaus voneinander unterscheiden und sich daher keineswegs als homogenes Phänomen beschreiben lassen. So konnte nachgewiesen werden, dass die beiden hier untersuchten Eigenschaften befristeter Stellen hauptsächlich mit dem Bildungsniveau der Beschäftigten sowie zwischen Wirtschaftssektoren, und hier insbesondere zwischen Öffentlichem Dienst und Privatwirtschaft, variieren. Diese Variationen in den Merkmalen befristeter Beschäftigungsverhältnisse machen deutlich, dass befristete Stellen verschiedenen Einsatzlogiken unterliegen, die durch angebotsund nachfrageseitige Faktoren determiniert werden. Der Ländervergleich machte darüber hinaus deutlich, dass sich die Eigenschaften befristeter Beschäftigungsverhältnisse nicht nur innerhalb, sondern auch zwischen den beiden untersuchten Arbeitsmärkten unterscheiden. So fällt beispielsweise die Variation der Stellenmerkmale zwischen den einzelnen Bildungsgruppen sowie zwischen dem öffentlichen und dem privatwirtschaftlichen Sektor für Deutschland wesentlich stärker aus als für Großbritannien. Diese Ergebnisse deuten demzufolge darauf hin, dass die Einsatzlogiken befristeter Stellen durch institutionelle Rahmenbedingungen wie dem Grad der Beschäftigungssicherheit und der Struktur des Bildungssystems nachhaltig beeinflusst werden.
8 Besetzungsmuster befristeter Stellen
209
8 Besetzungsmuster befristeter Stellen
Nach welchen Mustern verläuft die Allokation von Arbeitnehmern auf befristete Stellen? Die arbeitsmarkttheoretischen Überlegungen zu diesem Thema legen den Schluss nahe, dass die Einrichtung bzw. die Besetzung befristeter Stellen keineswegs beliebig verläuft, sondern vielmehr durch verschiedene individuelle sowie arbeitsplatzbezogene Merkmale beeinflusst wird. Vermutet wurden hier insbesondere Effekte des Qualifikationsniveaus der Arbeitskräfte (Hypothese 1 und 2) sowie sektorale Einflüsse (Hypothese 3). Darüber hinaus sind aufgrund der Unterschiede in den institutionellen Rahmenbedingungen des deutschen und des britischen Arbeitsmarktes länderspezifische Ausprägungen der Besetzungsmuster befristeter Stellen zu erwarten. Erste Anhaltspunkte für eine systematische Zuweisung von Personen auf befristete Stellen haben bereits die deskriptiven Analysen im vorherigen Kapitel geliefert. Für die dort untersuchten Merkmale (Bildungsniveau und Geschlecht der Beschäftigten sowie Wirtschaftssektor) ließen sich klare Zusammenhänge mit der Befristungshäufigkeit nachweisen. Eine abschließende Bewertung sowie die Rückbindung dieser Ergebnisse an die Hypothesen ist jedoch aus zweierlei Gründen problematisch. Zum einen fehlt ein statistischer Test dafür, dass es sich hier nicht um rein zufällig gefundene Unterschiede handelt. Zum anderen muss berücksichtigt werden, dass sich die untersuchten Gruppen in ihrer strukturellen Zusammensetzung unterscheiden und dass diese Unterschiede für die gefundenen Differenzen in den Befristungsquoten verantwortlich sein können. Es soll daher im Folgenden mittels verschiedener multivariater statistischer Modelle überprüft werden, inwieweit sich diese Zusammenhänge auch noch nach Kontrolle anderer relevanter individueller und arbeitsplatzbezogener Merkmale finden lassen. Dazu werden die Ergebnisse aus Modellen diskutiert, deren abhängige Variable für jeden Arbeitnehmer unterscheidet, ob der jeweilige Arbeitsvertrag zeitlich befristet oder zeitlich unbefristet ist. Da es sich bei den verwendeten Datensätzen um Wiederholungsbefragungen handelt, wurden sowohl randomeffects (RE) als auch population-avaraged (PA) Probitmodelle berechnet (vgl. dazu 6.4.1). Modelliert wird hier demnach die Wahrscheinlichkeit, zu einem bestimmten Zeitpunkt eine befristete Stelle innezuhaben. Die verwendeten Modelle beinhalten mit dem Bildungsniveau, dem Alter und der Ethnie/Nationalität wichtige individuelle Eigenschaften. Arbeitsplatzbezogene Merkmale werden
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8 Besetzungsmuster befristeter Stellen
über den Wirtschaftssektor, die Betriebsgröße, die Arbeitszeit sowie die Dauer der Stellenzugehörigkeit abgebildet. Weiterhin kontrollieren die Modelle für die einzelnen Erhebungszeitpunkte (Wellen), wodurch mögliche Periodeneffekte berücksichtigt werden. Um geschlechtsspezifische Einflüsse der genannten Merkmale zu überprüfen, wurden die Modelle für Männer und Frauen getrennt berechnet. Die Koeffizienten sind dementsprechend für beide Geschlechter separat ausgewiesen. Insgesamt liegen den Modellen für den deutschen Arbeitsmarkt die Angaben von 7.637 Männern und 6.646 Frauen zugrunde, die Analysen für Großbritannien stützen sich auf die Angaben 6.662 männlicher sowie 6.961 weiblicher erwerbstätiger Personen. Da diese an mehreren Erhebungszeitpunkten befragt wurden, liegen pro Person multiple Beobachtungen vor. Die gesamte Fallzahl liegt daher deutlich über der Anzahl der Personen. Gewöhnlich werden solche Untersuchungseinheiten auch als „Personenjahre“ bezeichnet, um deutlich zu machen, dass es sich hierbei um eine Kombination aus Personenebene und Erhebungszeitpunkten handelt. Für den deutschen Arbeitsmarkt (Zeitraum 1995-2003) sind die Effekte der verschiedenen unabhängigen Variablen auf die Wahrscheinlichkeit, einen befristeten Arbeitsvertrag zu besitzen, in Tabelle 8 dargestellt. Dabei wird zunächst deutlich, dass zwischen individueller Humankapitalausstattung und Befristungswahrscheinlichkeit ein enger Zusammenhang existiert. Erstens zeigt sich, dass die Bildung einen nicht-linearen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit, eine befristete Stelle zu besitzen, ausübt. Personen mit geringer Bildung, aber auch Personen mit allgemeiner (hoher) Bildung, tragen ein erhöhtes Befristungsrisiko, während ein mittleres berufliches Bildungsniveau dieses Risiko senkt.170 Dieses Ergebnis bestätigt die Annahme, dass Arbeitnehmer mit produktionsbezogenem Wissen, welches in Deutschland besonders in der mittleren beruflichen Ausbildung vermittelt wird, vor befristeten Beschäftigungsverhältnissen stärker geschützt sind als Arbeitnehmer ohne produktionsrelevante Fähigkeiten. Arbeitgeber sind an der Einstellung von Fachkräften mit solchen Fähigkeiten insbesondere deshalb interessiert, um die Kosten notwendiger Investitionen in das spezifische Humankapital ihrer Arbeitskräfte möglichst gering zu halten. Gleichzeitig führen solche Investitionen zu einem längerfristigen Bindungswunsch seitens der Unternehmen, so dass die Beschäftigungsverhältnisse dieser Arbeitnehmergruppe insgesamt relativ stabil ausfallen. Die längerfristige Bindung von Arbeitnehmern ohne produktionsbezogenes Wissen, seien es nun Unausgebildete oder Hochschulabsolventen, ist dagegen aus Unternehmenssicht weniger wich170 Interessanterweise scheinen hochgebildete Frauen sogar ein höheres Befristungsrisiko als Arbeitnehmerinnen mit nur geringer Bildung zu besitzen. Allerdings ist dieser Effekt auf konventionellem Level (knapp) nicht signifikant, im PA-Modell beträgt der entsprechende t-Wert jedoch immerhin 1.91.
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tig. Solche Arbeitskräfte werden daher häufiger mit befristeten Arbeitsverträgen eingestellt.171 Zweitens deutet der Effekt des Alters darauf hin, dass spezifisches Humankapital, welches im mittleren Lebensalter den größten Umfang aufweist, das Befristungsrisiko senkt. Die beiden hochsignifikanten Koeffizienten des Alters und des quadrierten Alters lassen einen nicht-linearen Zusammenhang zwischen dem Alter eines Erwerbstätigen und dem individuellen Befristungsrisiko erkennen. Die zugrunde liegende Funktion entspricht einer U-förmigen Kurve mit einem Minimum bei ca. 51 Jahren für Männer und ca. 53 Jahren für Frauen, was darauf schließen lässt, dass insbesondere junge Arbeitnehmer ein erhöhtes Risiko aufweisen, einer befristeten Beschäftigung nachzugehen. Für ältere Arbeitnehmer steigt die Befristungswahrscheinlichkeit ebenfalls leicht an, jedoch erweist sich das Befristungsrisiko jüngerer Arbeitnehmer im Vergleich zu älteren Erwerbstätigen als deutlich höher. Befristete Stellen konzentrieren sich demnach vor allem in der Anfangsphase des Erwerbslebens. Das überdurchschnittliche Befristungsrisiko jüngerer Arbeitnehmer lässt sich zum einen aus dem erhöhten Erprobungsbedarf seitens der Arbeitgeber ableiten. Junge Arbeitnehmer verfügen über wenig Berufserfahrung und müssen so zunächst ihre Fähigkeit, kontinuierlich produktiv arbeiten zu können, unter Beweis stellen. Zum anderen wechseln junge Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz wesentlich häufiger als ältere Personen, was aus der Sicht des Arbeitgebers eine langfristige Planung (inklusive der zu tätigenden Humankapitalinvestitionen) erschwert. Mit zunehmender Arbeitsmarkt- bzw. Berufserfahrung steigt dann jedoch auch die Wahrscheinlichkeit, eine unbefristete Stelle zu erhalten. Durch den damit verbundenen Aufbau spezifischen Humankapitals erhöht sich die Beschäftigungsdauer, so dass sich die Erwerbskarriere insgesamt stabilisiert.172 Insgesamt bestätigen diese Ergebnisse, 171 Bei der Gruppe der Hochschulabsolventen dürfte auch der Wunsch nach einer langfristigen Bindung etwas schwächer ausgeprägt sein als bei der Gruppe der Unausgebildeten, da Hochqualifizierte über eine relativ starke Position auf dem Arbeitsmarkt verfügen. Hierin könnte der Grund dafür liegen, dass das Befristungsrisiko zumindest für hochqualifizierte Frauen sogar noch höher ausfällt als das von gering qualifizierten Arbeitnehmerinnen. 172 Durch eine etwas andere Perspektive auf den Zusammenhang zwischen Alter und Befristungswahrscheinlichkeit kann der Einfluss spezifischen Humankapitals auf die Besetzungsentscheidung ebenfalls deutlich gemacht werden. Wird etwa anstatt des Alters der Befragten zum Erhebungszeitpunkt das Alter bei Aufnahme der aktuellen Erwerbstätigkeit berücksichtigt, zeigt sich, dass das Befristungsrisiko beim Wechsel in eine neue Stelle für Arbeitnehmer im mittleren Alter geringer ist als für junge oder ältere Beschäftigte (das minimale Risiko liegt bei ca. 43 Jahren für Männer bzw. 39 Jahren für Frauen). Für die Gruppe der älteren Arbeitnehmer bedeutet dies, dass sie bei einem Stellenwechsel ein deutlich erhöhtes Befristungsrisiko aufweisen. Arbeitgeber sind besonders bei älteren Arbeitnehmern weniger geneigt, in neue spezifische Qualifikationen zu investieren, da sich diese Investitionen aufgrund des hohen Alters und des nahen Zeitpunktes des Ausscheidens aus dem Arbeitsmarkt kaum mehr amortisieren würden. Dementsprechend sind sie nicht daran interessiert, ältere Arbeitnehmer längerfristig an sich zu binden (vgl. dazu Giesecke/Groß 2002, 2003).
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dass sowohl Höhe als auch Art des Humankapitals einen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit ausüben, dass ein Arbeitnehmer in einem befristeten Beschäftigungsverhältnis tätig ist. Dies unterstützt die Hypothesen 1 und 2. Bei der Betrachtung der Koeffizienten, die sich auf Merkmale des Beschäftigungsverhältnisses beziehen, fallen drei wichtige Determinanten befristeter Beschäftigung auf. Erstens scheinen befristete Beschäftigungsverhältnisse überdurchschnittlich häufig auf Teilzeitbasis abgeschlossen zu werden. Dies gilt insbesondere für die reguläre Teilzeitbeschäftigung, bei den geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen findet sich kein erhöhtes Befristungsrisiko. Im deutschen Arbeitsmarkt kommt es demnach durchaus zu Überlappungen verschiedener Arten atypischer Beschäftigungsformen, hier speziell der Teilzeitarbeit und der befristeten Beschäftigung. Diese Überschneidungen bergen jedoch das Risiko, dass sich mögliche Nachteile atypischer Arbeitsformen kumulieren und es somit zu einer insgesamt prekären Beschäftigungssituation atypisch beschäftigter Arbeitnehmer kommen kann. Zweitens finden sich befristete Stellen wie erwartet häufiger im Öffentlichen Dienst als in der Privatwirtschaft. Offensichtlich werden befristete Beschäftigungsverhältnisse dazu benutzt, die relativ geschlossenen Positionen im Öffentlichen Dienst zu öffnen, was angesichts des vorherrschenden Sparzwanges nicht verwundert (Warsewa et al. 1996). Dagegen lässt sich ein nach Branchen strukturiertes Befristungsrisiko innerhalb der Privatwirtschaft nicht erkennen – einzig und allein im industriellen Sektor scheinen Beschäftigungsverhältnisse für Arbeitnehmerinnen häufiger als im Dienstleistungssektor (Referenzkategorie) auf befristeter Basis abgeschlossen zu werden. Diese Ergebnisse lassen klar erkennen, dass sich das Befristungsrisiko hauptsächlich zwischen dem öffentlichen und dem privatwirtschaftlichen Sektor unterscheidet (Hypothese 3). Drittens wird anhand der Ergebnisse deutlich, dass befristete Beschäftigungsverhältnisse häufiger in mittleren und größeren Unternehmen eingesetzt werden als in Kleinbetrieben. Dies mag zum einen aus den erhöhten Flexibilitätsbedürfnissen mittlerer und größerer Unternehmen aufgrund der insbesondere in den neunziger Jahren gestiegenen internationalen Konkurrenzsituation zu erklären sein.173 Zum anderen machen die speziellen Regelungen für Kleinstbetriebe (z. B. der Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes, siehe 4.2.1) sicherlich auch den Einsatz befristeter Beschäftigung für Kleinbetriebe nicht unbedingt nötig. Neben diesen drei Einflussfaktoren findet sich auch eine zeitliche Veränderung des Befristungsrisikos (Koeffizienten nicht dargestellt): Die Wahrscheinlichkeit, eine befristete Stelle zu besetzen, hat innerhalb des Beobachtungszeit173
In diesem Zusammenhang zeigen Giesecke/Groß (2002), dass es einen deutlichen Zeiteffekt hinsichtlich des Zusammenhangs von Befristung und Betriebsgröße gibt: erst in den neunziger Jahren erhöht die Zugehörigkeit zu einem Großunternehmen die Befristungswahrscheinlichkeit.
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Tabelle 8: Allokation auf befristete Stellen, Ergebnisse für Deutschland Männer Modell PA RE Bildungsniveau (Ref.: niedrig) mittleres berufliches Niveau -0.13* -0.17* (2.51) (2.15) mittleres allgemeines Niveau 0.06 0.11 (0.72) (0.89) hohes Niveau -0.01 -0.02 (0.09) (0.19) Alter -0.11** -0.17** (9.94) (10.11) Alter zum Quadrat 0.00** 0.00** (8.16) (8.12) Nationalität 0.16** 0.31** (Ausl. Staatsangehörigkeit=1) (3.57) (4.22) Arbeitszeit (Ref.: Vollzeit) reguläre Teilzeit 0.35** 0.65** (4.92) (6.06) marginale Teilzeit 0.11 0.24 (0.64) (1.08) Sektor (Ref.: Dienstleistung) Bau -0.06 -0.10 (0.96) (1.04) Landwirtschaft -0.13 -0.36 (0.76) (1.22) Industrie 0.00 0.04 (0.11) (0.59) Öffentlicher Dienst 0.38** 0.59** (7.83) (8.05) Betriebsgröße (Ref.: < 20 M.) 20 bis 199 Mitarbeiter 0.25** 0.37** (5.00) (5.32) 200 Mitarbeiter und mehr 0.24** 0.38** (4.85) (5.29) Stelle neu aufgenommen 0.84** 1.34** (26.86) (27.90) N (Personenjahre) 29289 29289 Pseudo-R² 0.27 LR-Test (df) 1662.1 (26) 1192.6 (26)
Frauen PA
RE
-0.21** (4.12) 0.01 (0.17) 0.12 (1.91) -0.08** (6.92) 0.00** (5.33) 0.01 (0.10)
-0.33** (4.35) -0.01 (0.07) 0.15 (1.56) -0.11** (6.69) 0.00** (5.02) 0.03 (0.32)
0.14** (3.66) -0.03 (0.44)
0.22** (3.97) -0.04 (0.56)
-0.20 (0.89) 0.09 (0.37) 0.09* (2.00) 0.31** (7.71)
-0.36 (1.33) 0.17 (0.51) 0.12 (1.79) 0.46** (7.87)
0.11* (2.34) 0.13** (3.06) 0.71** (22.39) 22724
0.17** (2.70) 0.24** (3.87) 1.16** (25.76) 22724 0.22 971.1 (26)
1005.2 (26)
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