Ansätze zur Kundensegmentierung und zu deren Implementierung im Finanzdienstleistungssektor : Eine empirische Analyse im Privatkundensegment von Banken 9783834914224, 3834914223, 9783834999474, 3834999474 [PDF]


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Ansätze zur Kundensegmentierung und zu deren Implementierung im Finanzdienstleistungssektor : Eine empirische Analyse im Privatkundensegment von Banken
 9783834914224, 3834914223, 9783834999474, 3834999474 [PDF]

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Zitiervorschau

Tobias Kleiner Ansätze zur Kundensegmentierung und zu deren Implementierung im Finanzdienstleistungssektor

GABLER EDITION WISSENSCHAFT Schriften zum europäischen Management Herausgegeben von Roland Berger Strategy Consultants – Academic Network

Herausgeberrat: Prof. Dr. Thomas Bieger, Universität St. Gallen; Prof. Dr. Rolf Caspers (†), European Business School, Oestrich-Winkel; Prof. Dr. Guido Eilenberger, Universität Rostock; Prof. Dr. Dr. Werner Gocht (†), RWTH Aachen; Prof. Dr. Karl-Werner Hansmann, Universität Hamburg; Prof. Dr. Alfred Kötzle, Europa-Universität Viadrina, Frankfurt/Oder; Prof. Dr. Kurt Reding, Universität Kassel; Prof. Dr. Dr. Karl-Ulrich Rudolph, Universität Witten-Herdecke; Prof. Dr. Klaus Spremann, Universität St. Gallen; Prof. Dr. Dodo zu Knyphausen-Aufseß, Universität Bamberg; Prof. Dr. Burkhard Schwenker, Roland Berger Strategy Consultants

Die Reihe wendet sich an Studenten sowie Praktiker und leistet wissenschaftliche Beiträge zur ökonomischen Forschung im europäischen Kontext.

Tobias Kleiner

Ansätze zur Kundensegmentierung und zu deren Implementierung im Finanzdienstleistungssektor Eine empirische Analyse im Privatkundensegment von Banken

Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Alfred Kötzle

GABLER EDITION WISSENSCHAFT

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Dissertation Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder, 2008

1. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Frauke Schindler / Sabine Schöller Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-1422-4

Geleitwort Die zielgerichtete Segmentierung der Kunden wurde in einer Vielzahl von Untersuchungen für Industrie- und Handelsbetriebe durchleuchtet. Für den Finanzdienstleistungssektor sind solche Analysen nur sehr spärlich zu finden. Die Zielsetzungen des Verfassers, aus einer theoriegeleiteten empirischen Untersuchung das Kundensegmentierungsverhalten im Privatkundensegment der Banken – differenziert insbesondere nach Entscheidungsphasen und Entscheidungselementen – zu ermitteln sowie Hypothesen zu Beziehungen zwischen Zielen, Situationsmerkmalen und Handlungsalternativen der Kundensegmentierung abzuleiten, verspricht insofern aus wissenschaftlicher Sicht die Schließung einer Forschungslücke. Aber auch für die Praxis ist die Fragestellung des Verfassers deshalb von besonderem Interesse, da das Privatkundengeschäft in jüngster Zeit gegenüber dem über Jahrzehnte dominierenden Investmentbanking erheblich an Bedeutung gewonnen hat. Das vom Verfasser entwickelte Modell zur Abbildung relevanter Entscheidungsparameter (Ziele, Situationsmerkmale, Merkmale der Segmentierungsalternativen), differenziert nach den drei Entscheidungsphasen (Planung, Implementierung, Steuerung/Kontrolle), ist aus der Auswertung wissenschaftlicher Literatur sowie eigenständigen Analysen des Verfassers überzeugend abgeleitet. Die aus der empirischen Analyse ermittelten vier Konfigurationsmuster der Kundensegmentierung im Finanzdienstleistungssektor stellen darüber hinaus einen für die Unternehmenspraxis wertvollen Ansatz zur Implementierung eines situationsgerechten Segmentierungsmodells dar. Es ist zu wünschen, dass die ebenso innovativen wie kreativen Aussagen der Arbeit Anregungen für weitere Forschungsarbeiten auf diesem Fachgebiet vermitteln.

Prof. Dr. Alfred Kötzle V

Vorwort „There is no single way to segment a market.“1 In der wissenschaftlichen Literatur ist eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze zur Kundensegmentierung im Finanzdienstleistungssektor anzufinden. Dabei können beispielsweise Segmentierungsansätze nach demographischen und sozioökonomischen Merkmalen oder Segmentierungsansätze nach psychographischen Merkmalen identifiziert werden. Bisher kaum erforscht sind in der Kundensegmentierung im Finanzdienstleistungssektor vor allem zwei Bereiche: die Implementierung der Kundensegmentierung und die Beziehungen zwischen den Entscheidungskomponenten in der Kundensegmentierung. Beide Fragestellungen sind jedoch von großer Bedeutung für die Forschung in diesem Themengebiet: Zum einen ermöglicht die Analyse der Implementierung der Kundensegmentierung, die Betrachtungsweise der Kundensegmentierung zu vervollständigen und eine ganzheitliche Sicht auf alle Phasen des Prozesses der Kundensegmentierung zu entwickeln. Zum anderen ermöglicht die Analyse der Ursache-Wirkungs-Beziehungen zwischen den Entscheidungskomponenten in der Kundensegmentierung, Unterschiede in der Gestaltung der Kundensegmentierung zu erklären. Der Anspruch der vorliegenden Arbeit ist es, die Anwendungspraxis und Ziele der Kundensegmentierung im Privatkundensegment von Banken zu ermitteln und die Beziehungen zwischen den Entscheidungskomponenten in der Kundensegmentierung zu untersuchen. Die Erkenntnisse sollen dazu beitragen, Erklärungsansätze für die Gestaltung der Kundensegmentierung im Finanzdienstleistungssektor zu entwickeln und damit die theoretische Fundierung der Kundensegmentierung zu vertiefen und zu erweitern. Darüber hinaus können die Erkenntnisse als Entscheidungshilfe für die Gestaltung der Kundensegmentierung in der Unternehmenspraxis dienen.

1

Kotler/Armstrong (2007), S. 185. VII

Die Realisierung eines solchen Forschungsprojektes kann nur durch vielfältige Unterstützung gelingen, für die ich mich ganz herzlich bedanken möchte: Dank gebührt in erster Linie meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Alfred Kötzle für die wissenschaftliche Betreuung dieser Arbeit. Er förderte stets meine Freude am Forschen und trug mit wertvollen Hinweisen ganz wesentlich zum Gelingen der Arbeit bei. Für die Übernahme des Zweitgutachtens möchte ich mich bei Herrn Prof. Dr. Eberhard Stickel sehr herzlich bedanken. Zu Dank verpflichtet bin ich auch den Unternehmen und Mitarbeitern, die an der empirischen Untersuchung teilgenommen haben. Sie stellten durch ihr Engagement und Interesse die Datengrundlage für die Untersuchung zur Verfügung und trugen durch die kritische Diskussion zur Fundierung der Ergebnisse bei. Weiterhin möchte ich mich bei der Firma Roland Berger Strategy Consultants bedanken, die mich im Rahmen meiner Promotion organisatorisch und finanziell unterstützt hat. Besonders herzlich möchte ich mich bei meinen Freunden und vor allem meiner Freundin Laura bedanken: Ihre umfassende Unterstützung und liebevollen Worte haben wesentlich dazu beigetragen, dass dieses Forschungsprojekt erfolgreich realisiert werden konnte. Schließlich gilt mein ganz besonderer Dank meinen Eltern, die mich während meiner gesamten Ausbildung sehr unterstützt und mir viel Liebe geschenkt haben. Ihnen widme ich diese Arbeit.

Tobias Kleiner

VIII

Inhaltsübersicht Inhaltsübersicht ................................................................................................ IX Inhaltsverzeichnis ............................................................................................. XI Abbildungsverzeichnis .................................................................................. XIX Tabellenverzeichnis .................................................................................... XXIII Abkürzungsverzeichnis ................................................................................XXV

1. Einführung ...................................................................................................... 1 2. Gegenstand, Ziele und Gang der Untersuchung .......................................... 7 3. Ausgangssituation, Rahmenbedingungen und Entwicklungstendenzen im Bankensektor in Deutschland..................................................................... 36 4. Theoretische Grundlagen der Kundensegmentierung und ausgewählte Ansätze zur Kundensegmentierung ................................................................ 58 5. Entwicklung eines theoretischen Bezugsrahmens für die empirische Untersuchung .................................................................................................. 140 6. Empirische Untersuchung zu Ansätzen der Kundensegmentierung und deren Implementierung im Privatkundensegment von Banken ......... 178 7. Zusammenfassende Betrachtung ............................................................... 293 Anhang ............................................................................................................. 301 Literaturverzeichnis ....................................................................................... 311 IX

Inhaltsverzeichnis Inhaltsübersicht ................................................................................................ IX Inhaltsverzeichnis ............................................................................................. XI Abbildungsverzeichnis .................................................................................. XIX Tabellenverzeichnis .................................................................................... XXIII Abkürzungsverzeichnis ................................................................................XXV

1. Einführung ...................................................................................................... 1 2. Gegenstand, Ziele und Gang der Untersuchung .......................................... 7 2.1 Untersuchungsgegenstand: Kundensegmentierung im Privatkundensegment von Banken.................................................................... 7 2.1.1 Begriffliche Abgrenzung der Kundensegmentierung .............................. 7 2.1.1.1 Definition und Abgrenzung der Markt- und Kundensegmentierung 7 2.1.1.2 Definition und Abgrenzung strategischer Geschäftsfelder ............... 9 2.1.1.3 Ableitung einer Arbeitsdefinition der Kundensegmentierung ........ 11 2.1.2 Begriffliche Abgrenzung des Finanzdienstleistungssektors und des Privatkundensegments von Banken ................................................................ 13 2.1.2.1 Definition und Abgrenzung von Finanzdienstleistungen und des Finanzdienstleistungssektors....................................................................... 13 2.1.2.2 Definition und Abgrenzung des Privatkundensegments von Banken ........................................................................................................ 16

XI

2.2 Untersuchungsziele ..................................................................................... 20 2.3 Gang und Methodik der Untersuchung .................................................... 22 2.3.1 Gang der Untersuchung ......................................................................... 22 2.3.2 Methodik der Untersuchung .................................................................. 26 2.3.2.1 Konzeption einer problemadäquaten Forschungsstrategie .............. 26 2.3.2.2 Berücksichtigung der Gütekriterien qualitativer Forschung im Rahmen der Untersuchung.......................................................................... 29 3. Ausgangssituation, Rahmenbedingungen und Entwicklungstendenzen im Bankensektor in Deutschland..................................................................... 36 3.1 Anbieter- und Nachfragerstruktur im Bankensektor in Deutschland ... 36 3.1.1 Übersicht über die Anbieterstruktur ....................................................... 36 3.1.2 Übersicht über die Nachfragerstruktur ................................................... 42 3.2 Entwicklungstendenzen auf Anbieter- und Nachfragerseite im Bankensektor in Deutschland .......................................................................... 46 3.2.1 Entwicklungstendenzen auf Anbieterseite ............................................. 46 3.2.2 Entwicklungstendenzen auf Nachfragerseite ......................................... 52 3.3 Zusammenfassung und Folgerungen für die Kundensegmentierung .... 53 4. Theoretische Grundlagen der Kundensegmentierung und ausgewählte Ansätze zur Kundensegmentierung ................................................................ 58 4.1 Überblick über den Stand der Forschung zur Kundensegmentierung .. 58 4.1.1 Entwicklung und aktueller Stand der Forschung zur Kundensegmentierung im Allgemeinen.......................................................... 58 4.1.2 Überblick über den Stand der Forschung zur Kundensegmentierung im Finanzdienstleistungssektor ....................................................................... 64 XII

4.2 Kaufverhalten als Ausgangspunkt der Kundensegmentierung .............. 71 4.2.1 Systematisierung von Modellen des Kaufverhaltens ............................. 71 4.2.2 Relevanz der Modelle für die Kundensegmentierung ............................ 76 4.3 Ziele der und Anforderungen an die Kundensegmentierung ................. 78 4.4 Informations- und Aktionsseite der Kundensegmentierung: Markterfassung und Marktbearbeitung ......................................................... 85 4.4.1 Markterfassung: Systematisierung der unterschiedlichen Segmentierungskriterien ................................................................................. 85 4.4.1.1 Segmentierung nach demographischen und sozioökonomischen Merkmalen .................................................................................................. 88 4.4.1.2 Segmentierung nach psychographischen Merkmalen ..................... 90 4.4.1.3 Segmentierung nach verhaltensorientierten Merkmalen ................. 93 4.4.1.4 Segmentierung nach ergebnisorientierten Merkmalen .................... 94 4.4.2 Marktbearbeitung: Strategien der Marktbearbeitung und Ableitung segmentspezifischer Marketinginstrumente .................................................... 95 4.5 Kritische Würdigung ausgewählter Ansätze zur Kundensegmentierung ................................................................................................... 99 4.5.1 Vorstellung und Systematisierung ausgewählter Ansätze zur Kundensegmentierung .................................................................................... 99 4.5.1.1 Decision-Oriented-Research-Typologie (1975) ............................ 100 4.5.1.2 Alter+Einkommen-Typologie (1981) ........................................... 102 4.5.1.3 Segmentierungsansatz von THIESING (1986) ............................. 103 4.5.1.4 Segmentierungsansatz von KÜSPERT (1992).............................. 105 4.5.1.5 ibi-Finanztypologie (1997) ........................................................... 106 4.5.1.6 Studie Private Finanzen 2000 (1998) ............................................ 108

XIII

4.5.1.7 Segmentierungsansatz von MACHAUER und MORGNER (1999)........................................................................................................ 110 4.5.1.8 Segmentierungsansatz von JAVALGI und DION (1999) ............. 112 4.5.2 Bewertung der ausgewählten Segmentierungsansätze ......................... 114 4.5.2.1 Bewertung der Segmentierungsansätze nach demographischen und sozioökonomischen Merkmalen ........................................................ 115 4.5.2.2 Bewertung psychographisch orientierter Segmentierungsansätze 121 4.5.2.3 Bewertung gemischt demographischer, sozioökonomischer und verhaltensorientierter Segmentierungsansätze .......................................... 126 4.5.3 Zusammenfassende Beurteilung der ausgewählten Segmentierungsansätze ................................................................................. 130 4.6 Implementierung der Kundensegmentierung ........................................ 132 4.7 Zusammenfassung .................................................................................... 136 5. Entwicklung eines theoretischen Bezugsrahmens für die empirische Untersuchung .................................................................................................. 140 5.1 Kontingenztheorie und neo-kontingenztheoretische Perspektive als Ausgangspunkt der Überlegungen ................................................................ 140 5.2 Ableitung und kritische Würdigung des theoretischen Bezugsrahmens für die empirische Untersuchung....................................... 149 5.3 Konzeption und Operationalisierung des theoretischen Bezugsrahmens für die empirische Untersuchung....................................... 155 5.3.1 Konzeption des theoretischen Bezugsrahmens für die empirische Untersuchung ................................................................................................ 155 5.3.2 Operationalisierung des theoretischen Bezugsrahmens für die empirische Untersuchung ............................................................................. 157 5.3.2.1 Operationalisierung der Gestaltung der Kundensegmentierung.... 157 XIV

5.3.2.2 Operationalisierung der Ziele der Kundensegmentierung............. 165 5.3.2.3 Operationalisierung der Situation der Kundensegmentierung ...... 167 6. Empirische Untersuchung zu Ansätzen der Kundensegmentierung und deren Implementierung im Privatkundensegment von Banken ......... 178 6.1 Grundlagen der empirischen Untersuchung .......................................... 178 6.1.1 Methodik und Auswertungsvorgehen der empirischen Untersuchung 178 6.1.2 Durchführung der empirischen Untersuchung ..................................... 183 6.2 Ergebnisse der empirischen Untersuchung zu Anwendungspraxis, Zielen und Situation der Kundensegmentierung ......................................... 189 6.2.1 Definition und Einordnung der Kundensegmentierung ....................... 189 6.2.2 Vergleichende Darstellung der Ausprägungen der einzelnen Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung .................................... 193 6.2.2.1 Ausprägungen der Konzeptions-/Planungsphase der Kundensegmentierung .............................................................................. 193 6.2.2.2 Ausprägungen der Implementierungsphase der Kundensegmentierung .............................................................................. 207 6.2.2.3 Ausprägungen der Steuerungs-/Kontrollphase der Kundensegmentierung .............................................................................. 216 6.2.3 Vergleichende Darstellung der definierten Ziele der Kundensegmentierung .................................................................................. 222 6.2.4 Vergleichende Darstellung der Ausprägungen der einzelnen Situationsdimensionen der Kundensegmentierung ....................................... 229 6.2.5 Vergleichende Darstellung der Stärken und Schwächen der Segmentierungsansätze ................................................................................. 234 6.2.6 Zusammenfassung ............................................................................... 238

XV

6.3 Ergebnisse der empirischen Untersuchung zu den Beziehungen zwischen den Entscheidungskomponenten in der Kundensegmentierung ...... 242 6.3.1 Aussagen zu den Beziehungen zwischen den Ausprägungen der einzelnen Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung und den definierten Zielen der Kundensegmentierung ............................................... 243 6.3.1.1 Aussagen zu dem Einfluss des Ziels „Kundenverhalten“ auf die Ausprägungen der einzelnen Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung .............................................................................. 243 6.3.1.2 Aussagen zu dem Einfluss des Ziels „Kundenpotenzial“ auf die Ausprägungen der einzelnen Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung .............................................................................. 248 6.3.1.3 Aussagen zu dem Einfluss des Ziels „Betreuung“ auf die Ausprägungen der einzelnen Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung .............................................................................. 253 6.3.1.4 Aussagen zu dem Einfluss des Ziels „Kundenbindung“ auf die Ausprägungen der einzelnen Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung .............................................................................. 257 6.3.1.5 Aussagen zu dem Einfluss des Ziels „Akzeptanz“ auf die Ausprägungen der einzelnen Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung .............................................................................. 260 6.3.2 Aussagen zu den Beziehungen zwischen den Ausprägungen der einzelnen Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung und den Ausprägungen der einzelnen Situationsdimensionen der Kundensegmentierung .................................................................................. 263 6.3.2.1 Aussagen zu dem Einfluss der Ausprägungen der Situationsdimension Vertriebskanäle auf die Ausprägungen der einzelnen Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung ................................ 263 6.3.2.2 Aussagen zu dem Einfluss der Ausprägungen der Situationsdimension Leistungsprogramm auf die Ausprägungen der einzelnen Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung ................................ 269

XVI

6.3.2.3 Aussagen zu dem Einfluss der Ausprägungen der Situationsdimension Unternehmensgröße auf die Ausprägungen der einzelnen Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung ................................ 271 6.3.2.4 Aussagen zu dem Einfluss der Ausprägungen der Situationsdimension Betriebsform auf die Ausprägungen der einzelnen Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung ................................ 272 6.3.2.5 Aussagen zu dem Einfluss der Ausprägungen der Situationsdimension Organisationsstruktur auf die Ausprägungen der einzelnen Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung ................................ 275 6.3.3 Ableitung von Ziel-Situations-Profilen der Kundensegmentierung und Einfluss auf die Ausprägungen einzelner Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung ....................................................... 284 6.3.4 Zusammenfassung ............................................................................... 290 7. Zusammenfassende Betrachtung ............................................................... 293 7.1 Untersuchungsaufbau und grundlegende Ergebnisse ........................... 293 7.2 Ansatzpunkte für Forschung und Unternehmenspraxis ....................... 296 Anhang ............................................................................................................. 301 Literaturverzeichnis ....................................................................................... 311

XVII

Abbildungsverzeichnis Abbildung 2-1: Aufbau der Arbeit ................................................................... 23 Abbildung 3-1: Übersicht über das Bankensystem in Deutschland (Stand: 31.12.2005) ................................................................. 37 Abbildung 3-2: Übersicht über die Marktanteile der Bankengruppen in Deutschland (Stand: 31.12.2005) ............................................ 39 Abbildung 3-3: Konzentrationsgrad des Bankensektors in ausgewählten europäischen Ländern (Stand: 31.12.2004)............................. 40 Abbildung 3-4: Banken- und Filialdichte in ausgewählten europäischen Ländern (Stand: 31.12.2004) .................................................. 40 Abbildung 3-5: Eigenkapitalrendite (nach Steuern) und Aufwands-/Ertragsrelation der Banken in ausgewählten europäischen Ländern (Stand: 31.12.2005) ................................................................. 41 Abbildung 3-6: Entwicklung der Altersstruktur der Bevölkerung in Deutschland (1950-2050) ........................................................ 43 Abbildung 3-7: Entwicklung der Haushaltsstruktur der Bevölkerung in Deutschland (1970-2004) ........................................................ 44 Abbildung 4-1: Richtungen der Forschung in der aktuellen Forschung zur Kundensegmentierung im Finanzdienstleistungssektor .......... 70 Abbildung 4-2: Mögliche Einflussfaktoren des Kaufverhaltens ...................... 75 Abbildung 4-3: Segmentierungsspezifische Ziele gemäß FRETER................. 79 Abbildung 4-4: Integrierter Zielkatalog der Kundensegmentierung ................ 81 Abbildung 4-5: Zusammenfassende Übersicht der Anforderungen und ausgewählter Teilanforderungen an die Kundensegmentierung ......................................................................... 84 Abbildung 4-6: Systematisierung von Segmentierungskriterien gemäß STEGMÜLLER ...................................................................... 87 Abbildung 4-7: Beispiel für eine Alter+Einkommen-Typologie .................... 102 Abbildung 4-8: Kundengruppen gemäß dem Segmentierungsansatz von THIESING ............................................................................ 104 Abbildung 4-9: Kundengruppen gemäß dem Segmentierungsansatz von MACHAUER/MORGNER................................................... 111 Abbildung 4-10: Systematisierung der ausgewählten Segmentierungsansätze 114

XIX

Abbildung 5-1: Erweitertes Grundmodell der analytischen Variante des situativen Ansatzes................................................................ 144 Abbildung 5-2: Pragmatisches bzw. handlungsorientiertes Grundmodell des situativen Ansatzes ......................................................... 146 Abbildung 5-3: Konzept der strategischen Wahl nach CHILD ...................... 148 Abbildung 5-4: Darstellung des theoretischen Bezugsrahmens für die empirische Untersuchung ...................................................... 155 Abbildung 5-5: Vorgehen bei der Ableitung der Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung für die empirische Untersuchung ..... 158 Abbildung 5-6: Überblick über die Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung für die empirische Untersuchung .................. 159 Abbildung 5-7: Überblick über Situationsdimensionen der Organisationsstruktur ............................................................ 168 Abbildung 5-8: Überblick über die Situationsdimensionen der Kundensegmentierung für die empirische Untersuchung ..... 173 Abbildung 6-1: Auswertungsvorgehen für die empirische Untersuchung ..... 181 Abbildung 6-2: Übersicht über die an der empirischen Untersuchung teilnehmenden Unternehmen ................................................ 184 Abbildung 6-3: Übersicht über die teilnehmenden Unternehmen und deren Abdeckungsgrad hinsichtlich der Anzahl der Privatkunden . 185 Abbildung 6-4: Struktur und wesentliche Inhalte des Gesprächsleitfadens für die empirische Untersuchung .......................................... 187 Abbildung 6-5: Zeitpunkt der Implementierung der eingesetzten Segmentierungsansätze ......................................................... 192 Abbildung 6-6: Art der eingesetzten Segmentierungskriterien ...................... 195 Abbildung 6-7: Zusammensetzungen der Segmentierungsansätze nach Art der eingesetzten Segmentierungskriterien ............................. 197 Abbildung 6-8: Beispiel für Lebenszyklus-orientierte Segmentnamen .......... 200 Abbildung 6-9: Beispiel für Segmente und Segmentgrößen .......................... 202 Abbildung 6-10: Beispiele für die Zuordnung der Segmente zu Organisationseinheiten .......................................................... 210 Abbildung 6-11: Beispiel für einen Überleitungsprozess im Rahmen der Kundensegmentierung .......................................................... 212 Abbildung 6-12: Übersicht über die von den Unternehmen definierten Ziele der Kundensegmentierung .................................................... 223 XX

Abbildung 6-13: Zusammenfassende Übersicht über die Ziele der Kundensegmentierung .......................................................... 226 Abbildung 6-14: Zielerreichungsgrad für die von den Unternehmen definierten Ziele der Kundensegmentierung ......................... 228 Abbildung 6-15: Überblick über die Hypothesen zu den Beziehungen zwischen den Ausprägungen der einzelnen Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung und den definierten Zielen .................................................................. 262 Abbildung 6-16: Überblick über die Hypothesen zu den Beziehungen zwischen den Ausprägungen der einzelnen Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung und den Ausprägungen der einzelnen Situationsdimensionen der Kundensegmentierung .................................................... 283 Abbildung 6-17: Überblick über die Ziel-Situations-Profile der Kundensegmentierung und die Konfigurationen der Kundensegmentierung (Konzeptions-/Planungsphase) ......... 285

XXI

Tabellenverzeichnis Tabelle 4-1: Tabelle 5-1:

Tabelle 5-2:

Tabelle 5-3:

Tabelle 5-4: Tabelle 6-1: Tabelle 6-2: Tabelle 6-3:

Tabelle 6-4:

Tabelle 6-5:

Tabelle 6-6: Tabelle 6-7: Tabelle 6-8:

Überblick über wesentliche, in der Literatur identifizierte Segmentierungsansätze im Finanzdienstleistungssektor ......... 69 Erhebungs- und Messkonzept für die Gestaltungsdimensionen der Konzeptions-/Planungsphase der Kundensegmentierung .......................................................... 161 Erhebungs- und Messkonzept für die Gestaltungsdimensionen der Implementierungsphase der Kundensegmentierung ................................................................................... 163 Erhebungs- und Messkonzept für die Gestaltungsdimensionen der Steuerungs-/Kontrollphase der Kundensegmentierung .......................................................... 165 Erhebungs- und Messkonzept für die internen und externen Situationsdimensionen der Kundensegmentierung ............... 177 Häufigkeitsverteilung der Unternehmen nach der Anzahl der Segmentierungskriterien je Unternehmen ....................... 198 Häufigkeitsverteilung der Unternehmen nach der Anzahl der Segmente je Unternehmen .............................................. 200 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Gestaltungsdimensionen der Konzeptions-/Planungsphase der Kundensegmentierung .......................................................... 206 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Gestaltungsdimensionen der Implementierungsphase der Kundensegmentierung .......................................................... 216 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Gestaltungsdimensionen der Steuerungs-/Kontrollphase der Kundensegmentierung .......................................................... 222 Häufigkeitsverteilung der Unternehmen nach Unternehmensgröße .............................................................. 232 Häufigkeitsverteilung der Unternehmen nach Betriebsform . 233 Ziel-Situations-Profile der Kundensegmentierung und Ausprägungen ausgewählter Gestaltungsdimensionen der Konzeptions-/Planungsphase der Kundensegmentierung ..... 290

XXIII

Abkürzungsverzeichnis Abb. abzgl. AG AIO akt. a. M. Aufl. BaFin BBVA BCB Bd. bspw. bzw. ca. CRM CSFI DAB DBW d.h. DiBa Dinks Diss. DM DOR DSGV erg. erw. et al. etc. EU f./ff. FSAP GfK ggf.

Abbildung abzüglich Aktiengesellschaft Activities, Interests, Opinions aktualisiert am Main Auflage Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Banco Bilbao Vizcaya Argentaria Betriebscenter für Banken Deutschland Band beispielsweise beziehungsweise circa Customer Relationship Management Centre for the Study of Financial Innovation Direkt Anlage Bank Die Betriebswirtschaft das heißt Allgemeine Deutsche Direktbank Double income, no kids Dissertation Deutsche Mark Decision Oriented Research Deutscher Sparkassen- und Giroverband ergänzt erweitert et alii et cetera Europäische Union folgende/fortfolgende Financial Services Action Plan Gesellschaft für Konsum-, Markt- und Absatzforschung gegebenenfalls XXV

GmbH Herv. durch Verf. Hrsg. IAO ibi i.d.R. i.e.S. IKB ING inkl. insbes. IT i.W. i.w.S. Jg. KfW KG KGaA KWG MaH MaIR MaK MiFID Mill. Mrd. Nr. o.Ä. OHG o.Jg. o.V. p.a. S. SARFIT XXVI

Gesellschaft mit beschränkter Haftung Hervorhebung durch Verfasser Herausgeber Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation Institut für Bankinformatik und Bankstrategie in der Regel im engeren Sinne Industriekreditbank Internationale Nederlanden Group inklusive insbesondere Informationstechnologie im Wesentlichen im weiteren Sinne Jahrgang Kreditanstalt für Wiederaufbau Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Kreditwesengesetz Mindestanforderungen an das Betreiben von Handelsgeschäften Mindestanforderungen an die interne Revision Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft Markets in Financial Instruments Directive Millionen Milliarden Nummer oder Ähnliche(s) offene Handelsgesellschaft ohne Jahrgang ohne Verfasser per annum Seite Structural Adaptation to Regain Fit

SB SEB SGE SGF sog. SOM Sp. SpkG SpkV u. u.a. u.Ä. überarb. UBS u.U. verb. Verf. vgl. vollst. vs. WGZ wirtschaftswiss. WiSt z.B. ZfbF z.T. zzgl.

Selbstbedienung(s) Skandinaviska Enskilda Banken strategische Geschäfteinheit strategisches Geschäftsfeld sogenannt Structured Operating Model Spalte Sparkassengesetz Sparkassenverordnung und unter anderem/und andere und Ähnliche(s) überarbeitet Union Bank of Switzerland unter Umständen verbessert Verfasser vergleiche vollständig versus Westdeutsche Genossenschafts-Zentralbank wirtschaftswissenschaftlich Wirtschaftswissenschaftliches Studium zum Beispiel Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung zum Teil zuzüglich

XXVII

„The advancement of market segmentation research requires, [...] narrowing the gap between the academically oriented research on segmentation and the real-world application of segmentation research.“2 YORAM WIND

1. Einführung Das Interesse an Fragestellungen der Kundensegmentierung3 ist sowohl in der Unternehmenspraxis als auch in der wissenschaftlichen Forschung ungebrochen. Ein Grund hierfür mögen auf Unternehmensseite die markt- und wettbewerbsspezifischen Veränderungen der jüngeren Vergangenheit sein. So haben im Finanzdienstleistungssektor – dem dieser Arbeit zu Grunde liegenden Erkenntnisobjekt – die fortschreitende Konsolidierung, die Finanzmarktintegration sowie der Eintritt neuer Marktteilnehmer (z.B. Direktbanken, „Non-Banks“4) zu einer Intensivierung der Wettbewerbssituation geführt.5 Insbesondere Universalbanken6 mit teilweise umfassenden Filialnetzen sehen sich einem verschärften Wettbewerbsdruck ausgesetzt. Hohe Investitionen u.a. in neue Informationstechnologien und Abwicklungsprozesse sowie die Differenzierung der Vertriebskanäle 2 3

4

5

6

Wind (1978), S. 317. Im ersten Teil dieser Arbeit soll im Sinne einer einheitlichen Begriffsverwendung sowie mit Bezug auf den Titel der vorliegenden Arbeit von Kundensegmentierung gesprochen werden. Eine detaillierte Definition und Abgrenzung der Begrifflichkeiten erfolgt in Kapitel 2.1. Unter „Non-Banks“ sollen folgende Unternehmen verstanden werden: „A bank or credit institution which trades off a non-bank brand name, or has been formed by outsiders to the banking industry.“ Lascelles (2000), S. 7. Beispiele in Deutschland sind die sog. Autobanken (z.B. Volkswagen Bank, BMW Financial Services). Vgl. Eilenberger (1997), S. 132 f. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass diese sog. „Non-Banks“ in Europa – mit Ausnahme von Großbritannien – nur einen relativ geringen Marktanteil erreicht haben, jedoch in einzelnen Produktkategorien (z.B. Einlagengeschäft, Kreditkarten) signifikante Marktanteile erzielen konnten. Vgl. González/Guerrero (2004), S. 133. Für eine detaillierte Beschreibung der Entwicklungen im deutschen Bankensektor auf Anbieterund Nachfragerseite siehe den dritten Teil dieser Arbeit. Unter Universalbanken werden i.w.S. Banken verstanden, „[...] die sich in ihrem Aktionsradius weder quantitative noch qualitativ-sachliche Beschränkungen, weder regional-lokale noch kundengruppen- oder branchenmäßige Restriktionen [...]“ auferlegen. Büschgen/Börner (2003), S. 57. 1

belasten die Ergebnissituation der Banken. Dabei erweist sich insbesondere das filialgestützte Mengengeschäft7 teilweise als defizitär. Gewinne, so wird postuliert, sind nur mit der vermögenden Privatkundschaft zu erzielen, während im Geschäft mit der „breiten Massenkundschaft“ der überwiegende Teil der Kundenbeziehungen nicht profitabel ist. Gleichzeitig aber stellt der zunehmend aufgeschlossene und kritische Privatkunde8 erhöhte Anforderungen an die Qualität und Individualität der Bankdienstleistung.9 Eine abnehmende Kundenbindung, eine erhöhte Preis- und Renditesensibilität sowie ein vielschichtiger Bedürfniswandel der Konsumenten sind wesentliche Charakteristika für die Veränderungen auf der Nachfragerseite. In der Konsequenz haben die hohe Wettbewerbsintensität auf der einen und der Individualisierungstrend mit zunehmend differenzierteren Nachfragebedürfnissen auf der anderen Seite zu einem Spannungsfeld von rigidem Kostenmanagement10 und zwingend erforderlicher Kundenorientierung geführt. In diesem Kontext spielen die zielgerichtete Ansprache und Betreuung der Kunden sowie die Ausschöpfung ihrer Nutzenpotenziale eine wesentliche Rolle. Hier setzt die Kundensegmentierung an, mittels derer möglichst homogene – untereinander jedoch möglichst heterogene – Kundengruppen identifiziert und bearbeitet werden können.11 Damit wird der „Zielkonflikt einer möglichst standardisierten und doch individuellen Betreuung“12 lösbar. Die Banken sehen sich dabei außer mit konzeptionellen Fragen der Kundensegmentierung auch mit einer Reihe von Problemfeldern 7

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2

Unter Mengengeschäft werden in der Unternehmenspraxis i.d.R. Kunden bis zu einer – von der jeweiligen Bank – definierten Höhe des Geldvermögens und/oder Nettoeinkommens verstanden. Pauluhn schlägt eine Abgrenzung im Hinblick auf die Bedürfnisse und die Leistungsinanspruchnahme dieser Kundengruppe vor. So sieht er Mengenkunden als Kunden, die „[...] nicht allzu hohe Ansprüche an die Qualität der Bankleistungen [...]“ stellen und „[...] Bankleistungen auch nur in vergleichsweise kleinem Umfang in Anspruch [...]“ nehmen. Pauluhn (1994), S. 170. Allgemeiner Hinweis: Alle Personen- und Funktionsbezeichnungen in dieser Arbeit sollen sinngemäß für Männer und Frauen in gleicher Weise gelten. Vgl. u.a. Meyer/Davidson (2001), S. 677; Friedrichs-Schmidt (2003), S. 6. Unter Kostenmanagement bei Banken sind gemäß der Definition von Wielens „[...] alle zielgerichteten Aktivitäten zu verstehen, die darauf ausgerichtet sind, die Kosten eines Kreditinstituts, nämlich die Betriebskosten in Form von Personal- und Sachkosten (sowie in erweiterter [...] Form die Wertkosten und die Risikokosten), so zu beeinflussen, dass die Bankprodukte in der vom Markt geforderten Qualität möglichst kostengünstig produziert werden“. Wielens (1994), S. 563. Vgl. Smith (1956), S. 6; Freter (1983), S. 16. Machauer/Morgner (1999), S. 10.

konfrontiert, die den Handlungsbedarf insbesondere im Hinblick auf die Implementierung der Kundensegmentierung verdeutlichen. Problemfelder liegen dabei u.a. in unklaren Zuordnungsverantwortlichkeiten bei Vertriebsmitarbeitern, nicht funktionierenden Kundenüberleitungsprozessen zwischen Vertriebseinheiten sowie einer teilweise unzureichenden Überwachung der Kundensegmentierung. Auf der Seite der wissenschaftlichen Forschung erfuhr die Kundensegmentierung schon relativ früh Beachtung. SMITH gilt als einer der ersten Vertreter, der das Thema in der betriebswirtschaftlichen Forschung aufgriff.13 Im weiteren Verlauf wurde die Kundensegmentierung als „one of the most fundamental concepts of modern marketing“14 in der Wissenschaft intensiv diskutiert. Ausgangspunkt waren dabei überwiegend neoklassische mikroökonomische Ansätze der optimalen Preisdiskriminierung15 sowie traditionelle absatztheoretische und verhaltenswissenschaftliche Modelle des Kaufverhaltens16. Hinsichtlich ihrer Einordnung kann die Kundensegmentierung als eine erste wichtige Stufe im Marketingkonzept gesehen werden. So formulierte LEVITT bereits 1960, dass der Markt und die Kundenwünsche den Ausgangspunkt für das Marketingkonzept – in Abgrenzung zum Verkaufskonzept – darstellen:17 Die Sichtweise von außen nach innen ermöglicht es, ein koordiniertes Vorgehen bei allen marketingrelevanten Handlungen zu erzielen und im Ergebnis Gewinn durch Befriedigung der Kundenbedürfnisse zu realisieren. In diesem Zusammenhang bildet die Kundensegmentierung – als Instrument zur Ermittlung und Systematisierung der Kundenbedarfe – eine erste wichtige Stufe im Marketingkonzept. In ähnlicher Weise – jedoch aus der Perspektive des Geschäftsprozesses – sehen auch KOTLER und BLIEMEL die Kundensegmentierung als ersten zentralen Schritt im „Modell eines wertschaffenden Ablaufs“18.

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Vgl. Smith (1956), S. 3 ff. Dabei beschreibt er die Segmentierung – in Abgrenzung zur Produktdifferenzierung – wie folgt: „Segmentation is based upon developments on the demand side of the market and represents a rational and more precise adjustment of product and marketing effort to consumer or user requirements. In the language of the economist, segmentation is disaggregative in its effects and tends to bring about recognition of several demand schedules where only one was recognized before.“ Smith (1956), S. 5. Wind (1978), S. 317. Vgl. u.a. Wind (1978), S. 317; Freter (1983), S. 7. Vgl. Freter (1983), S. 23 ff. Vgl. hierzu und im Folgenden Levitt (1960), S. 50. Kotler/Bliemel (2005), S. 6. 3

In der jüngeren Literatur fand die Kundensegmentierung vor allem im Rahmen der Entwicklung zu einer ganzheitlichen Kundenorientierung Beachtung.19 Es stellte sich heraus, dass die herkömmliche Konzentration auf einzelne Transaktionen (zwischen Unternehmen und Kunden) und die klassischen Marketinginstrumente20 nur bedingt geeignet für den Aufbau einer langfristigen Kundenbeziehung sind. Vielmehr ist die gesamte Geschäftsbeziehung in all ihren Facetten zu evaluieren.21 In der Folge wurde die ganzheitliche Pflege der Geschäftsbeziehung unter dem Begriff des „Relationship Marketing“ zusammengefasst; dieser hat in der wissenschaftlichen Diskussion mittlerweile relativ weitreichende Aufmerksamkeit gefunden.22 Die Kundensegmentierung stellt in diesem Kontext eine zentrale Grundlage dar23: „[...] segmentation forms the foundation for establishing a relationship marketing program.“24 Heute gehört die Kundensegmentierung zu einem der „Kerngebiete des modernen Marketing“25. Der Schwerpunkt der Forschung zur Kundensegmentierung im Finanzdienstleistungssektor lag seit Beginn im Wesentlichen auf der Analyse der Eignung unterschiedlicher Segmentierungskriterien.26 So stützten sich die frühen Forschungsbemühungen überwiegend auf demographische oder sozioökonomische Merkmale (z.B. Einkommen, Alter) als bevorzugte Größen; dabei wurde zunächst überwiegend ein- bis zweidimensional segmentiert (d.h. auf Basis der Ausprägungen von ein bis zwei Merkmalen wurde ein spezifischer Kundentyp abgeleitet).27 Neuere Forschungen im Finanzdienstleistungssektor orientieren sich überwiegend an einer Kombination mehrerer Arten von Segmentierungskriterien, darunter insbesondere psychographischer Merkmale (z.B. Einstellungen, Motive, Lebensstile). Ein frühes Beispiel bietet die sog. Decision-Oriented19 20

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24 25 26 27

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Vgl. u.a. Grönroos (1997), S. 322 und S. 326 ff.; Brodie et al. (1997). Unter den klassischen Marketinginstrumenten werden im Allgemeinen die vier Elemente des Marketingmix verstanden: Produkt- und Sortimentspolitik, Preispolitik, Kommunikationspolitik, Distributionspolitik. Für eine detaillierte Beschreibung siehe z.B. Kotler/Bliemel (2005), S. 149 ff. Vgl. u.a. Gummesson (1997). Vgl. u.a. Peck et al. (1999). Zur Einordnung der Kundensegmentierung innerhalb des Relationship Marketing siehe u.a. Emmelhainz/Kavan (1999), S. 161 ff. Emmelhainz/Kavan (1999), S. 164. Freter (1983), S. 7. Eine Übersicht geben Speed/Smith (1992), S. 371 f. Vgl. Machauer/Morgner (1999), S. 10.

Research-Typologie des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, die mit Hilfe einer Clusteranalyse eine Kundentypisierung nach psychographischen Merkmalen vornimmt.28 Insgesamt ist festzustellen, dass es bereits eine relativ große Anzahl von wissenschaftlichen Untersuchungen zu dem Themengebiet der Kundensegmentierung gibt: „Academic segmentation research has been one of the most advanced areas of research in marketing.“29 Bei genauer Analyse dieser Untersuchungen zeigt sich jedoch, dass wichtige Bereiche der Kundensegmentierung bisher weitgehend vernachlässigt wurden. Insbesondere in der Implementierung der Kundensegmentierung ist Forschungsbedarf gegeben. So weisen beispielsweise MEADOWS und DIBB auf diese Forschungslücke hin: „Most academic research into segmentation in the financial services industry has focused on alternative analytical approaches and base variables; relatively little attention has been paid to implementation issues, despite management's concerns about the practicability and usefulness of segmentation.“30 Darüber hinaus werden bisher in keiner Untersuchung die Beziehungen zwischen wesentlichen Komponenten in der Kundensegmentierung (beispielsweise die Beziehungen zwischen der Gestaltung der Kundensegmentierung und den definierten Zielen der Kundensegmentierung) berücksichtigt31, obwohl diese für eine Erklärung der Gestaltung der Kundensegmentierung elementar sein können. Dies unterstreicht den Forschungsbedarf auf diesem Themengebiet und die Wahl der (Forschungs-)Fragestellung, welche aufsetzend auf den bestehenden wissenschaftlichen Untersuchungen Ansätze zur Kundensegmentierung und zu deren Implementierung im Privatkundensegment von Banken entwickelt. Dabei haben neben dem aufgezeigten Forschungsbedarf zwei weitere Gründe die Themenwahl geleitet: Das Thema der Kundensegmentierung weist in der wissenschaftlichen Forschung und Unternehmenspraxis nach wie vor eine hohe Aktualität auf. Erst im Frühjahr 2006 mahnten YANKELOVICH und MEER 28 29 30

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Vgl. Swoboda (1998), S. 125. Wind (1978), S. 317. Meadows/Dibb (1998), S. 45. Auch Wind weist bereits Ende der 70er Jahre auf diese Forschungslücke hin. Vgl. Wind (1978), S. 317. Auf diese Forschungslücke weisen u.a. Speed und Smith, Meadows und Dibb sowie Yankelovich und Meer hin. Vgl. Speed/Smith (1992), S. 377; Meadows/Dibb (1998), S. 45; Yankelovich/Meer (2006), S. 126. 5

unter dem Titel „Rediscovering Market Segmentation“32 die Wichtigkeit und mangelnde Umsetzung zentraler Erkenntnisse der Kundensegmentierung an: „This is hardly the state of affairs we anticipated 40 years ago when one of us introduced the concept of nondemographic segmentation [...] we hope that the rediscovery [...] can make up for lost time and, over the next 40 years, at last fulfill segmentation's original purpose.“33 Die Ausführungen von YANKELOVICH und MEER unterstreichen die nach wie vor bestehenden Umsetzungslücken bei der Kundensegmentierung, die einen zentralen Ansatzpunkt für diese Arbeit bilden. Ein weiterer Grund für die Themenwahl ist die Relevanz der Kundensegmentierung für den ökonomischen Erfolg. Beispielsweise zeigt eine vergleichende Untersuchung von KELTNER, WAGNER und MASON in den USA und in Deutschland, dass US-amerikanische Banken u.a. mittels ihrer Segmentierungsansätze und der Ausrichtung von Teilen ihrer Aufbau- und Ablauforganisation an diesen Segmentierungsansätzen ein um ca. 60% höheres Einkommen34 pro Beschäftigungsstunde erzielen konnten als deutsche Banken.35 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die vorliegende Arbeit festgestellten Forschungsbedarf aufgreifen und einen wesentlichen Beitrag dazu leisten will, die dargestellte Forschungslücke zu schließen. Die Ergebnisse der Arbeit sollen die Beziehungen zwischen den Entscheidungskomponenten in der Kundensegmentierung aufzeigen und eine Ableitung von Gestaltungsempfehlungen für die Kundensegmentierung ermöglichen: „Having demonstrated the usefulness of segmentation to the companies, academics must now re-examine the practical problems of a segmentation strategy and move on to examine methods of increasing the effectiveness of segmentation.“36

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6

Yankelovich/Meer (2006), S. 122. Yankelovich/Meer (2006), S. 124 und S. 131. Das Einkommen wird im Rahmen der Untersuchung wie folgt definiert: Gesamtheit aller Zuflüsse von Krediten, Gebühren und Dienstleistungen abzgl. Zinskosten, gemessen vor Wertberichtigungen und Steuern. Vgl. Keltner/Wagner/Mason (1999), S. 769. Vgl. Keltner/Wagner/Mason (1999), S. 765 ff. Die Untersuchung wurde für das Firmenkundengeschäft von Banken durchgeführt. Speed/Smith (1992), S. 377.

„Theory building seems to require rich description, the richness that comes from anecdote. We uncover all kinds of relationships in our ‚hard‘ data, but it is only through the use of this ‚soft‘ data that we are able to ‚explain‘ them, and explanation is, of course, the purpose of research.“37 HENRY MINTZBERG

2. Gegenstand, Ziele und Gang der Untersuchung 2.1 Untersuchungsgegenstand: Kundensegmentierung im Privatkundensegment von Banken 2.1.1 Begriffliche Abgrenzung der Kundensegmentierung In der Literatur findet sich eine Reihe unterschiedlicher Ansätze zur Strukturierung von Märkten und Kunden. Dabei können im Wesentlichen zwei Perspektiven unterschieden werden: die Perspektive der Marketingtheorie und die Perspektive der strategischen Unternehmensplanung. Im ersten Fall werden vornehmlich die Begrifflichkeiten der Markt- und Kundensegmentierung verwendet; im zweiten Fall wird vor allem von der Abgrenzung strategischer Geschäftsfelder (SGF) gesprochen. Beide Perspektiven sollen im Folgenden kurz beleuchtet werden. Anschließend wird eine Arbeitsdefinition der Kundensegmentierung abgeleitet. 2.1.1.1 Definition und Abgrenzung der Markt- und Kundensegmentierung Unter Marktsegmentierung wird die Aufspaltung eines Gesamtmarkts mittels bestimmter Merkmale in Teilmärkte verstanden, so dass diese in sich möglichst homogen, untereinander jedoch möglichst heterogen sind.38 Dabei lassen sich in der Literatur zwei wesentliche Definitionsansätze der Marktsegmentierung iden37 38

Mintzberg (1979), S. 587. Vgl. Smith (1956), S. 6; Freter (1983), S. 16. 7

tifizieren:39 eine enge Definition, die sich ausschließlich auf die Aufteilung eines heterogenen Gesamtmarkts in homogene Teilmärkte bezieht, d.h., ausschließlich die Informationsseite des Marketing umfasst, und eine erweiterte Definition, die die Marktbearbeitung gleichgewichtig neben die Erfassung des Marktes stellt, d.h., sowohl die Informations- als auch die Aktionsseite des Marketing berücksichtigt. Letzteren Definitionsansatz verfolgt beispielsweise FRETER, der Marktsegmentierung als Voraussetzung einer Marketingstrategie versteht, „[...] die aufgrund einer Aufteilung des heterogenen Gesamtmarktes in homogene Teilmärkte anhand geeigneter Segmentierungskriterien eine segmentspezifische Marktbearbeitung durchführt“40. In der vorliegenden Arbeit soll dem erweiterten Definitionsansatz der Marktsegmentierung gefolgt werden. Da die Segmentierung keinen Selbstzweck darstellt, ist es sinnvoll, Markterfassungsstrategien unter dem Aspekt der sich anschließenden Marktbearbeitung zu betrachten.41 Dabei ist der Definitionsansatz für die vorliegende Arbeit in dem Sinn zu interpretieren, dass die Segmentierung prinzipiell der Planung und Durchführung von Marktbearbeitungsstrategien dient, wenngleich die konkrete Konzeption und Umsetzung der Marktbearbeitung nicht mehr Gegenstand dieser Betrachtungen ist, da sie einen separaten Untersuchungsgegenstand darstellt. Sofern nicht der Markt das Objekt der Segmentierung ist, sondern die Kunden eines Unternehmens, wird in der Literatur überwiegend von Kundensegmentierung gesprochen.42 In diesem Zusammenhang wird die Kundensegmentierung als „Aufteilung des Kundenstamms in homogene Käufersegmente“43 definiert. Die Zielsetzung der Bildung homogener Gruppen zum Zweck des Einsatzes der Marketinginstrumente bleibt dabei dieselbe wie bei der Marktsegmentierung. In der vorliegenden Arbeit wird der Begriff der Kundensegmentierung verwendet, da es sich bei dem zu Grunde liegenden Erkenntnisobjekt vornehmlich um die Segmentierung des Kundenstamms eines Unternehmens handelt.44 Bevor jedoch 39 40 41 42 43 44

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Vgl. hierzu und im Folgenden Freter (1983), S. 17 ff.; Küspert (1992), S. 184. Freter (1983), S. 13. Vgl. Freter (1983), S. 13 und 17 ff.; Machauer/Morgner (1999), S. 10. Vgl. z.B. Schulz (1995), S. 78; Krafft/Albers (2000), S. 515 ff. Schulz (1995), S. 78. Vgl. auch Schulz (1995), S. 78.

eine geeignete Definition der Kundensegmentierung für die vorliegende Arbeit abgeleitet werden kann, ist noch ein anderer Blickwinkel zu beleuchten – die Abgrenzung strategischer Geschäftsfelder. 2.1.1.2 Definition und Abgrenzung strategischer Geschäftsfelder Die Abgrenzung strategischer Geschäftsfelder stellt einen zweiten Ansatz zur Strukturierung von Märkten und Kunden dar. Dabei werden unter strategischen Geschäftsfeldern Kombinationen von spezifischen Marktsegmenten mit Produkten oder Dienstleistungen verstanden, die hinsichtlich der Lösung eines bestimmten Kundenproblems homogen und von anderen Produkt-Markt-Kombinationen relativ unabhängig sind.45 Abzugrenzen sind strategische Geschäftsfelder von strategischen Geschäftseinheiten (SGE); denn trotz der in der Literatur teilweise synonymen Verwendung der Begriffe bestehen inhaltliche Unterschiede.46 Strategische Geschäftseinheiten stellen gemäß der Definition von KÖTZLE „[...] organisatorische Subsysteme der Unternehmung dar, welche mindestens ein strategisches Geschäftsfeld als Produkt-/Markt-Bereich, für das eine einheitliche Wettbewerbsstrategie definierbar ist, umfassen“47. „In der Unternehmenspraxis orientiert sich die strategische Organisation – die Abgrenzung der strategischen Geschäftseinheiten – oft an der operativen und zuweilen auch an der rechtlichen Organisation.“48 Ein klassischer Ansatz bei der Abgrenzung strategischer Geschäftsfelder ist die Orientierung an Produkten (oder Produktlinien) und Marktsegmenten.49 Neben der zweidimensionalen Einteilung gibt es in der Literatur eine Reihe weiterer Ansätze, die die Dimensionen Produkt und Markt teilweise modifizieren, teilweise um weitere Komponenten ergänzen.50 Beispielsweise schlägt ABELL ein dreidimensionales Konzept zur Abgrenzung strategischer Geschäftsfelder mit den Komponenten Kundenfunktionen, Kundengruppen und alternative Techno-

45 46 47 48 49 50

Vgl. Büschgen (1983), S. 264. Vgl. u.a. Eick (1982), S. 81; Link (1985), S. 51. Kötzle (1993), S. 37. Kötzle (1993), S. 37. Vgl. Hinterhuber (1984), S. 79. Vgl. u.a. Abell (1980), S. 16 ff.; Thiesing (1986), S. 42 ff. 9

logien vor.51 Einen anderen Ansatz verfolgt SCHULTE-ZURHAUSEN, der zusätzlich den Beitrag der strategischen Geschäftsfelder zum Unternehmenserfolg herausstellt: „Ein strategisches Geschäftsfeld ist eine relativ homogene Gruppe von Produkten für eine identifizierbare Gruppe von Kunden, die einen eigenständigen Beitrag zum Unternehmenserfolg liefert.“52 Zudem existieren in der Literatur weitere Ansätze zur Abgrenzung strategischer Geschäftsfelder, die speziell für den Bankensektor entwickelt wurden. Dabei werden als Komponenten für die Abgrenzung strategischer Geschäftsfelder u.a. die räumliche Marktabdeckung (z.B. Filialbezirke), das Leistungsprogramm und/oder die Zielgruppe vorgeschlagen.53 Kritisch anzumerken ist, dass einige der Komponenten teilweise nur bedingt strategisch relevant sind. Auch eine Überschneidungsfreiheit zu anderen Komponenten ist nicht immer gegeben. Beispielsweise könnten Überschneidungen zwischen den Kundengruppen und der räumlichen Marktabdeckung (z.B. Filialbezirke) auftreten, da letztere Komponente bereits bestimmte Kundengruppen repräsentiert. Bei der Abgrenzung strategischer Geschäftsfelder sind grundlegende Anforderungen an strategische Geschäftsfelder zu beachten. In der Literatur finden sich unterschiedliche Anforderungskataloge, die überwiegend qualitative Kriterien enthalten. Diese lassen sich in den Anforderungen Marktaufgabe54, Eigenständigkeit55 und Erfolgspotenzialbeitrag56 zusammenfassen.57 Darüber hinaus kön-

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10

Vgl. Abell (1980), S. 16 ff. Der Begriff Kundenfunktion bezieht sich auf die Aufgabe eines Produktes oder einer Dienstleistung und bestimmt, welches Bedürfnis durch das Produkt oder die Dienstleistung erfüllt werden soll. Die Kundengruppe als zweite Komponente, weist darauf hin, wessen Bedürfnisse befriedigt werden sollen. Schließlich bezeichnet die dritte Komponente – die alternativen Technologien – die verschiedenen Instrumente, mittels derer die Bedürfnisse befriedigt werden können. Abell arbeitet dabei mit der Überlegung, dass Produkte oder Dienstleistungen jeweils das Pendant zur Anwendung einer bestimmten Technologie für die Lösung von Problemstellungen für eine Kundengruppe darstellen. Schulte-Zurhausen (2005), S. 82. Vgl. Rudolph (1983), S. 70; Thiesing (1986), S. 42 f. Unter der Anforderung der Marktaufgabe wird einerseits subsumiert, dass das zu bildende strategische Geschäftsfeld auf einem Markt mit externen Kunden agiert (und nicht nur als interner Zulieferer); andererseits wird gefordert, dass für die Kunden eine Aufgabe bzw. ein Problem gelöst wird. Die Anforderung der Eigenständigkeit eines strategischen Geschäftsfelds gilt insofern, als dass zwischen den strategischen Geschäftsfeldern eines Unternehmens möglichst geringe Überschneidungen oder Interdependenzen vorhanden sein sollten.

nen Anforderungen nach übergeordneten Bestimmungsfaktoren wie Diversität58 und Konnektivität59 identifiziert werden.60 Auf eine vertiefte Betrachtung der unterschiedlichen Anforderungen an die Abgrenzung strategischer Geschäftsfelder soll an dieser Stelle jedoch verzichtet werden, da diese für die begriffliche Abgrenzung des Erkenntnisobjekts dieser Arbeit nur bedingt relevant erscheint. Vielmehr sollen im Folgenden die Definitionsansätze der Markt- und Kundensegmentierung sowie der Abgrenzung strategischer Geschäftsfelder im Hinblick auf das dieser Arbeit zu Grunde liegende Erkenntnisobjekt interpretiert und eine geeignete Definition der Kundensegmentierung abgeleitet werden. 2.1.1.3 Ableitung einer Arbeitsdefinition der Kundensegmentierung Bei Gegenüberstellung der Definitionsansätze der Markt- und Kundensegmentierung und der Abgrenzung strategischer Geschäftsfelder ist zunächst festzuhalten, dass es bei beiden um die Strukturierung von Märkten und Kunden geht. Ziel ist es, eine Grundlage für strategische – im Falle der Markt- und Kundensegmentierung auch operative – Entscheidungen zu schaffen.61 Diese Entscheidungen umfassen im Falle der Markt- und Kundensegmentierung typischerweise Entscheidungen über die Konzeption segmentspezifischer Marketingstrategien sowie den Einsatz der unterschiedlichen Marketinginstrumente; im Falle der Abgrenzung strategischer Geschäftsfelder sind dies strategische Entscheidungen wie die Auswahl einer Wettbewerbsstrategie für eine strategische Geschäftseinheit. Eine weitere offensichtliche Gemeinsamkeit der beiden Definitionsansätze ist das Prinzip der Homogenität. Es wird versucht, Teilbereiche eines Gesamtmarkts zusammenzufassen und weitgehend homogene Teilmärkte zu formen. 56

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Die Anforderung des Erfolgspotenzialbeitrags betont, dass ein strategisches Geschäftsfeld geeignet sein sollte, relative Wettbewerbsvorteile zu erzielen, um somit einen Beitrag zum Unternehmenserfolg zu leisten. Vgl. Büschgen (1983), S. 266; Borrmann (1986), S. 213. Die Anforderung der Diversität weist darauf hin, dass Unterschiede hinsichtlich der Bedürfnisund Wettbewerbsstrukturen von strategischen Geschäftsfeldern vorliegen. Erreichbar ist die Diversität, wenn beispielsweise unterschiedliche Produktfunktionen, Produkttechnologien, Kundenregionen, oder Kundengruppen die strategischen Geschäftsfelder untereinander differenzieren. Die Anforderung der Konnektivität bezieht sich darauf, dass elementare Beziehungen (z.B. innerbetriebliche Leistungsverflechtungen) nicht gestört werden. Dabei erstreckt sich die Konnektivität auch auf Marktinterdependenzen (z.B. Verbundbeziehungen bei der Distribution). Vgl. Link (1985), S. 55 ff. Vgl. hierzu und im Folgenden auch Obele (1998), S. 77 f. 11

Unterschiede zwischen den beiden Definitionsansätzen lassen sich insbesondere hinsichtlich ihrer zu Grunde liegenden Ziele erkennen. So dient die Abgrenzung strategischer Geschäftsfelder primär der Strukturierung der strategischen Planung. Demgegenüber dienen die Markt- und Kundensegmentierung dem gezielten Einsatz der Marketinginstrumente, indem möglichst homogene, untereinander jedoch möglichst heterogene Nachfragergruppen gebildet werden, auf deren Basis segmentspezifische Marktbearbeitungsstrategien entwickelt werden. Bei Gegenüberstellung der vorgestellten Definitionsansätze zeigt sich, dass die Definitionsansätze der Markt- und Kundensegmentierung dem dieser Arbeit zu Grunde liegenden Erkenntnisobjekt am nächsten kommen. Denn die Kundensegmentierung kann als eine Differenzierung der im Rahmen der strategischen Planung abgegrenzten strategischen Geschäftsfelder gesehen werden.62 Aus den Definitionsansätzen der Markt- und Kundensegmentierung wurde für die vorliegende Untersuchung eine Arbeitsdefinition der Kundensegmentierung abgeleitet. Dabei sollen die zwei folgenden Aspekte berücksichtigt werden, die in den vorgestellten Definitionsansätzen bisher nicht oder nur zum Teil enthalten sind: x Die Kundensegmentierung bildet eine wesentliche Voraussetzung bei der Konzeption einer segmentorientierten Marketingstrategie. x Die Kundensegmentierung – sofern nicht als Selbstzweck verstanden – sollte unter dem Aspekt der sich ihr anschließenden Marktbearbeitung betrachtet werden – somit sollte der erweiterten Definition der Kundensegmentierung gefolgt werden. Zusammenfassend kann folgende Arbeitsdefinition der Kundensegmentierung abgeleitet werden, die auch die Grundlage für die weiteren Ausführungen in dieser Untersuchung bilden soll: Unter Kundensegmentierung wird eine Marketingstrategie oder ein Teil einer Marketingstrategie verstanden, die bzw. der die Kunden eines Unternehmens anhand geeigneter Segmentierungskriterien in möglichst homogene – unterei-

62

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Vgl. Bea/Haas (2001), S. 521.

nander jedoch möglichst heterogene – Gruppen aufteilt, um diese segmentspezifisch bearbeiten zu können.63 2.1.2 Begriffliche Abgrenzung des Finanzdienstleistungssektors und des Privatkundensegments von Banken 2.1.2.1 Definition und Abgrenzung von Finanzdienstleistungen und des Finanzdienstleistungssektors Der Begriff Finanzdienstleistungen findet sich erst seit den 80er Jahren in der Literatur; er hat sich aber sowohl in der Wissenschaft als auch in der Unternehmenspraxis zu einem weitgehend gängigen Begriff entwickelt.64 Es lassen sich drei wesentliche Perspektiven der Begriffsbestimmung von Finanzdienstleistungen identifizieren: x eine funktionsorientierte Definition, die auf die finanzwirtschaftlichen Funktionen von Finanzdienstleistungen abstellt (u.a. Geldvermögensbildung, Liquiditätssicherung, Risikoabsicherung);65 x eine allfinanzbezogene Definition, die Finanzdienstleistungen weniger als begriffliche Zusammenfassung von spezifischen Dienstleistungen sieht, sondern als Strategie zur Umsetzung von Allfinanz;66 x eine produzentenbezogene Definition, die unter Finanzdienstleistungen die Gesamtheit aller von Finanzdienstleistungsbetrieben (z.B. Kreditinstituten, Versicherungen, Bausparkassen) angebotenen Leistungen versteht (Finanzdienstleistungen i.w.S.).67 Für eine Definition des Finanzdienstleistungssektors ist jedoch eine detaillierte Betrachtung notwendig. Hier bietet sich die Definition nach dem Kreditwesenge-

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67

Hierbei handelt es sich um eine eigene Arbeitsdefinition. Herv. durch Verf. In Anlehnung u.a. an Smith (1956), S. 6; Freter (1983), S. 13; Meffert (2000), S. 181 ff. Vgl. Hahn (1988), S. 190; Sondhof (1990), S. 55. Vgl. Söhnholz (1992), S. 7; Wentlandt (1993), S. 28 f. Vgl. Sondhof (1990), S. 55; Schieren (1991), S. 4; Nieraad (1994), S. 1; Eilenberger (1997), S. 1 f. Dabei werden Finanzdienstleistungen definiert als „[...] Programm, den Kunden hinsichtlich seiner finanziellen Bedürfnisse aus einer Hand zu beraten“. Händel/Patterson (1990), S. 159. Vgl. Walz (1991), S. 6. I.e.S. werden als Finanzdienstleistungen nur diejenigen Leistungen gesehen, die von Kreditinstituten oder Versicherungen angeboten werden. Vgl. Hahn (1988), S. 190. 13

setz (KWG) an, nach der Finanzdienstleistungen und Bankgeschäfte unterschieden werden: „Finanzdienstleistungen sind 1. die Vermittlung von Geschäften über die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten oder deren Nachweis (Anlagevermittlung), 2. die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten im fremden Namen für fremde Rechnung (Abschlussvermittlung), 3. die Verwaltung einzelner in Finanzinstrumenten angelegter Vermögen für andere mit Entscheidungsspielraum (Finanzportfolioverwaltung), 4. die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten im Wege des Eigenhandels für andere (Eigenhandel), 5. die Vermittlung von Einlagengeschäften mit Unternehmen mit Sitz außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (Drittstaateneinlagenvermittlung), 6. die Besorgung von Zahlungsaufträgen (Finanztransfergeschäft), 7. der Handel mit Sorten (Sortengeschäft) und 8. Kreditkarten und Reiseschecks auszugeben oder zu verwalten (Kreditkartengeschäft), es sei denn, der Kartenemittent ist auch der Erbringer der dem Zahlungsvorgang zugrunde liegenden Leistung.“68 „Bankgeschäfte sind 1. die Annahme fremder Gelder als Einlagen oder anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums, sofern der Rückzahlungsanspruch nicht in Inhaber- oder Orderschuldverschreibungen verbrieft wird, ohne Rücksicht darauf, ob Zinsen vergütet werden (Einlagengeschäft), 1a. die in § 1 Abs. 1 Satz 2 des Pfandbriefgesetzes bezeichneten Geschäfte (Pfandbriefgeschäft), 2. die Gewährung von Gelddarlehen und Akzeptkrediten (Kreditgeschäft), 3. der Ankauf von Wechseln und Schecks (Diskontgeschäft), 4. die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten im eigenen Namen für fremde Rechnung (Finanzkommissionsgeschäft), 5. die Verwahrung und die Verwaltung von Wertpapieren für andere (Depotgeschäft),

68

14

BaFin (2005), § 1 Absatz 1a.

6.

die in § 7 Abs. 2 des Investmentgesetzes bezeichneten Geschäfte (Investmentgeschäft), 7. die Eingehung der Verpflichtung, zuvor veräußerte Darlehensforderungen vor Fälligkeit zurückzuerwerben, 8. die Übernahme von Bürgschaften, Garantien und sonstigen Gewährleistungen für andere (Garantiegeschäft), 9. die Durchführung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs und des Abrechnungsverkehrs (Girogeschäft), 10. die Übernahme von Finanzinstrumenten für eigenes Risiko zur Platzierung oder die Übernahme gleichwertiger Garantien (Emissionsgeschäft), 11. die Ausgabe und die Verwaltung von elektronischem Geld (E-Geld-Geschäft), 12. die Tätigkeit als zentraler Kontrahent im Sinne von Absatz 31.“69 Aufsetzend auf den Definitionen von Finanzdienstleistungen und Bankgeschäften definiert das KWG Finanzdienstleistungsinstitute und Kreditinstitute wie folgt: Unter Finanzdienstleistungsinstituten werden Unternehmen verstanden, „[...] die Finanzdienstleistungen für andere gewerbsmäßig oder in einem Umfang erbringen, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, und die keine Kreditinstitute sind“70. Kreditinstitute sind Unternehmen, „[...] die Bankgeschäfte gewerbsmäßig oder in einem Umfang betreiben, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert“71. In der vorliegenden Arbeit soll unter dem Finanzdienstleistungssektor die Gesamtheit der Finanzdienstleistungsinstitute und Kreditinstitute sowie aller sonstigen im KWG definierten Finanzdienstleistungsbetriebe, d.h. FinanzholdingGesellschaften, gemischte Finanzholding-Gesellschaften, Finanzkonglomerate, gemischte Unternehmen und Finanzunternehmen, verstanden werden.72

69 70 71 72

BaFin (2005), § 1 Absatz 1. BaFin (2005), § 1 Absatz 1a. BaFin (2005), § 1 Absatz 1. Vgl. BaFin (2005), § 1 Absatz 3. 15

2.1.2.2 Definition und Abgrenzung des Privatkundensegments von Banken Innerhalb des Finanzdienstleistungssektors sollen Kreditinstitute bzw. Banken73 den Gegenstand der Untersuchung bilden. Neben der bereits erwähnten Legaldefinition von Banken sind in der wissenschaftlichen Literatur eine Reihe weiterer Definitionen des Bankbegriffs anzufinden. Dabei lassen sich im Wesentlichen drei Perspektiven bzw. Definitionsansätze unterscheiden:74 Untersucht man die Anfänge der Entwicklung des Bankbegriffs, findet sich eine überwiegend traditionell technische Definition des Bankbegriffs.75 Im Mittelpunkt dieses Definitionsansatzes stehen vor allem Merkmale äußerer Erscheinungsformen, d.h. Funktionen und Geschäfte oder der Rückgriff auf die gesetzliche Kennzeichnung der Banktätigkeit. Eine Erweiterung erfährt der Definitionsansatz im Wesentlichen durch DEPPE76, der eine strukturelle Definition des Bankbegriffs verfolgt. Dabei wird der Bankbetrieb erstmals als eine Kombination zweckorientierter Handlungen gesehen; die bankbetrieblichen Produktionsfaktoren werden zu Bankmarktleistungen zusammengeführt. Schließlich lässt sich ein dritter Definitionsansatz identifizieren: der systemorientierte Bankbegriff. Demnach lassen sich Bankbetriebe als „zielgerichtete, offene sozio-technische Systeme“77 kennzeichnen, die mit ihrer Umwelt über Transaktionsbeziehungen bzw. Interaktionen verknüpft sind. Prägend für diesen Definitionsansatz ist, dass wirtschaftliche und soziale Sachverhalte gleichermaßen Berücksichtigung finden.78 In der vorliegenden Arbeit soll der systemorientierten Definition von Banken gefolgt werden, da die Interaktion der Bank mit ihrer Umwelt (u.a. Kunden) eine zentrale Grundlage der Kundensegmentierung sowohl im Rahmen der Markterfassung als auch im Rahmen der Marktbearbeitung bildet. Innerhalb der Banken sollen die Geschäftsbanken den Gegenstand der Untersuchung bilden.79 Notenbanken, die den Schwerpunkt ihrer Geschäftstätigkeit mit öffentlichen Haushal73

74 75 76 77 78 79

16

Kreditinstitute werden verallgemeinernd auch als Banken bezeichnet (Kreditinstitut gilt als amtliche Bezeichnung für Bank). Vgl. Eilenberger (1997), S. 9. Vgl. hierzu und im Folgenden Eilenberger (1997), S. 10 ff. Vgl. u.a. Obst/Hintner (1967). Vgl. Deppe (1969). Eilenberger (1997), S. 13. Vgl. z.B. Ellermeier (1975). In der vorliegenden Arbeit soll unter dem Begriff Bank stets eine Geschäftsbank verstanden werden.

ten haben, sollen nicht Gegenstand der Untersuchung sein. Es werden ausschließlich Geschäftsbanken in Deutschland betrachtet. Diese lassen sich in fünf Gruppen differenzieren:80 x Kreditbanken: Großbanken, Regional- und sonstige Kreditbanken, Zweigstellen ausländischer Banken, x Landesbanken und Sparkassen, x Genossenschaftliche Zentralbanken und Kreditgenossenschaften, x Realkreditinstitute: Hypothekenbanken, Schiffspfandbriefbanken, x Banken mit Sonderaufgaben: z.B. KfW-Bankengruppe, IKB Deutsche Kreditbank. Für die vorliegende Untersuchung sollen ausschließlich die drei erstgenannten Gruppen von Geschäftsbanken betrachtet werden. Realkreditinstitute und Banken mit Sonderaufgaben sind auf Grund ihrer spezifischen Geschäftsaktivität bzw. ihres Produktspektrums (u.a. Gewährung von langfristigen Darlehen, die durch Grundpfandrechte gesichert sind; Erfüllung von Sonderaufgaben im öffentlich-rechtlichen und privaten Bereich) nicht Gegenstand der Untersuchung. Innerhalb der drei ausgewählten Gruppen von Geschäftsbanken bildet das Privatkundensegment den Gegenstand der Untersuchung. Dabei soll unter dem Privatkundensegment – in Anlehnung an die Kundensystematik der Deutschen Bundesbank – die Gesamtheit aller Privatpersonen verstanden werden.81 Zu den Privatpersonen gehören natürliche Personen und Mehrheiten von natürlichen Personen (z.B. Ehepaare, Erbengemeinschaften). Dabei sind folgende drei Teilbereiche der Privatpersonen inkludiert: wirtschaftlich selbständige Privatpersonen (einschließlich Einzelfirmen), wirtschaftlich unselbständige Privatpersonen sowie sonstige Privatpersonen.82 Die Wahl des Privatkundensegments als Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit kann wie folgt begründet werden: x Das Privatkundengeschäft hat für die Banken eine wesentliche Ertragsbedeutung. So resultieren ca. 64% der Gesamtbankerträge in Deutschland aus 80 81 82

Vgl. Deutsche Bundesbank (2006a), S. 104. Vgl. hierzu und im Folgenden Deutsche Bundesbank (2006b), S. 376 f. Zur genauen Definition dieser drei Gruppen von Privatpersonen siehe Deutsche Bundesbank (2006b), S. 376 f. 17

x

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83

84 85

86 87 88

18

dem Privatkundengeschäft.83 Damit ist es gemessen an den Erträgen das größte Segment, gefolgt von dem Segment kleiner und mittelständischer Unternehmen (ca. 16% Anteil an den Gesamtbankerträgen).84 Aus Effizienzgesichtspunkten besteht insbesondere im Privatkundensegment in Deutschland relativ hoher Handlungsdruck. Ein Vergleich der Aufwands-/ Ertragsrelationen im Privatkundensegment europäischer Banken zeigt, dass deutsche Banken mit 76% ein schlechteres Verhältnis aufweisen als beispielsweise spanische, britische oder schweizerische Banken (45%, 57% bzw. 59%).85 Dies macht deutlich, dass insbesondere im Privatkundensegment die Notwendigkeit zu einer Effizienzsteigerung für die deutschen Banken gegeben ist. Hier kann die Kundensegmentierung einen wesentlichen Beitrag leisten, Aufwendungen beispielsweise im Marketing zu reduzieren (z.B. Reduzierung von Werbeaufwendungen durch die Verringerung von Streuverlusten in der Kommunikation mit einzelnen Zielgruppen) und Erträge durch den segmentspezifischen Einsatz der Marketinginstrumente zu steigern (z.B. Steigerung der Cross-Selling-Quote86). Gemessen an der Anzahl der Kunden ist das Privatkundensegment relativ umfassend und komplex. In Deutschland existieren 102,7 Millionen private Bankverbindungen bei einer durchschnittlichen Anzahl von 1,3 Bankverbindungen pro Person.87 Dies verdeutlicht, dass ein Eingehen auf die individuellen Präferenzen jedes Kunden aus Zeit- und Kostengründen kaum möglich ist.88 Vor diesem Hintergrund spielen eine effektive und effiziente Kundensegmentierung sowie ein zielgerichteter Einsatz der Marketinginstrumente eine umso wichtigere Rolle. Im Privatkundensegment wird es – wie schon in der Vergangenheit zu beobachten – zu weitreichenden strukturellen und wertespezifischen Veränderungen kommen. So zeichnet sich eine kontinuierliche Veränderung in der Alters-, Haushaltsgrößen- sowie Einkommens- und Vermögensstruktur der Die Basis sind die Gesamtbankerträge im Jahr 2002 in Höhe von insgesamt ca. 117 Mrd. Euro in Deutschland (Gesamtbankerträge werden hier definiert als Zinsüberschuss + Provisionsüberschuss + andere operative Erträge ./. Kosten). Vgl. von Schimmelmann (2004), S. 4. Vgl. von Schimmelmann (2004), S. 4. Die Aufwands-/Ertragsrelationen gelten für das Jahr 2004 für die jeweils fünf größten Banken (gemessen an ihrer Bilanzsumme) des entsprechenden Landes (ungewichtete Kalkulation der Durchschnittswerte). Vgl. Eichelmann (2005), S. 28. Die Cross-Selling-Quote wird i.d.R. als Anzahl der genutzten Produkte je Kunde ausgedrückt. Vgl. Deutscher Sparkassen- und Giroverband (2004); Spiegel (2004). Vgl. Machauer/Morgner (1999), S. 10.

x

Bevölkerung ab.89 Darüber hinaus ist ein Prozess des gesellschaftlichen Wertewandels90 zu beobachten, der sich u.a. in den Trends zu Hedonismus, Erlebniseinkauf sowie zunehmender Individualität widerspiegelt.91 Diese Veränderungen haben die Anforderungen an das Marketing der Banken und insbesondere auch an die Kundensegmentierung erhöht. Schließlich hat das Privatkundengeschäft eine hohe strategische Relevanz für die Geschäftsbanken. Erst im August 2006 konstatierte die Frankfurter Allgemeine Zeitung: „Deutschlands Kredithäuser rangeln um die lange vernachlässigten Privatkunden“92, und bezeichnete dies als eine „strategische Kehrtwende“93 der deutschen Großbanken. Hintergrund war der Erwerb der Berliner Bank und der Norisbank durch die Deutsche Bank im Sommer 2006.94 Dies gibt einen Hinweis auf die strategische Bedeutung des Privatkundensegments für die Banken, welche nicht zuletzt darin begründet ist, dass das Privatkundensegment in seinen Ertragsströmen als weitaus stabiler gilt als andere Geschäftsfelder.95 Darüber hinaus stehen das Privatkundensegment bzw. die Geschäftsbeziehungen zu den Privatpersonen oft deutlich mehr in der medialen Aufmerksamkeit als beispielsweise das Geschäft mit kleinen und mittelständischen Unternehmen. Eine erfolgreiche Strategie oder ein Missmanagement in diesem Kundensegment können entscheidend für die Perzeption der Bank in der Öffentlichkeit sein.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich die Betrachtung in der vorliegenden Arbeit auf das Privatkundensegment richtet, da es aus ökonomischen und strategischen Gesichtspunkten ein interessantes Handlungsfeld darstellt und auf 89 90

91 92 93 94 95

Vgl. Swoboda (2001), S. 31 ff. Hinsichtlich des Wertebegriffs findet sich in der Literatur eine Vielzahl von Definitionen. Beispielhaft kann die von Kluckhohn vorgeschlagene Definition von Werten angeführt werden: Demnach wird unter Werten in einer engeren Bedeutung die dauerhafte Beziehung eines Individuums in Bezug auf das sozial Wünschenswerte verstanden. In dieser Hinsicht besitzen Werte eine verhaltenssteuernde, aus verschiedenen Verhaltensalternativen auswählende Funktion. Vgl. Kluckhohn (1951), S. 395. Der Wertewandel versteht sich in den Sozialwissenschaften als Wandel grundlegender Wertorientierungen. Dabei wird einerseits auf die Aufnahme neuer Werte durch die Individuen und andererseits auf die Änderung der Ordnung der Werte im Wertesystem verwiesen. Vgl. z.B. Klages (1984); Inglehart/Klingemann (1996), S. 319 ff. Vgl. Swoboda (2001), S. 37 f. Schäfer (2006), S. 14. Schäfer (2006), S. 14. Vgl. Schäfer (2006), S. 14; Steevens (2006), S. 1. Vgl. Schäfer (2006), S. 14. 19

Grund seiner Beschaffenheit besondere Anforderungen an die Kundensegmentierung stellt.96 Vor diesem Hintergrund kann eine wissenschaftliche Untersuchung zur Kundensegmentierung in diesem Segment einen wesentlichen Erkenntnisgewinn liefern. 2.2 Untersuchungsziele Die vorliegende Untersuchung verfolgt für das Erkenntnisobjekt der Kundensegmentierung im Privatkundensegment von Banken zwei Ziele: x die Ermittlung von Anwendungspraxis und Zielen der Kundensegmentierung sowie x die Analyse der Beziehungen zwischen den Entscheidungskomponenten in der Kundensegmentierung (Gestaltung, Ziele und Situation der Kundensegmentierung). Diese beiden Ziele setzen sich wiederum aus Subzielen zusammen, die im Folgenden kurz dargestellt werden sollen: Bei der Ermittlung der Anwendungspraxis der Kundensegmentierung sollen differenziert für die einzelnen Phasen des Prozesses der Kundensegmentierung (Konzeptions-/Planungsphase, Implementierungsphase, Steuerungs-/Kontrollphase) die Ausprägungen der einzelnen Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung (Gestaltungsvariablen) erhoben werden. Die Ermittlung der Ziele der Kundensegmentierung erfolgt ebenso differenziert für die einzelnen Phasen des Prozesses der Kundensegmentierung. Schließlich sind die Situation der Kundensegmentierung bzw. die Ausprägungen der Situationsdimensionen der Kundensegmentierung (Situationsvariablen) zu erfassen. Um diese Ziele zu erreichen, werden aus der theoretischen Analyse zunächst die unterschiedlichen Dimensionen der Kundensegmentierung (Gestaltungs- und Situationsdimensionen) sowie die Ziele der Kundensegmentierung abgeleitet und ein theoretischer Bezugsrahmen für die empirische Untersuchung entwickelt. Im Rahmen der empirischen Untersuchung werden anschließend die Ausprägungen zu der Anwendungspraxis und der Situation der Kundensegmentierung sowie die Ziele der Kundensegmentierung erhoben. Die Ergebnisse der empirischen Unter96

20

Vgl. Machauer/Morgner (1999), S. 10.

suchung werden mit den aus der theoretischen Analyse gewonnenen Erkenntnissen verglichen und daraus ein möglichst ganzheitliches Bild über die Anwendungspraxis und die Ziele der Kundensegmentierung gewonnen. Damit ist das erste Untersuchungsziel dieser Arbeit beschrieben, das als deskriptives Wissenschaftsziel eingeordnet werden kann.97 Aus der Perspektive der bankbetrieblichen Forschung betrachtet, gilt es zunächst die Anwendungspraxis und Ziele der Kundensegmentierung in den Banken zu erfassen und zu gliedern. Damit kann dieses Untersuchungsziel weitestgehend der Struktur- und Geschäftslehre der bankbetrieblichen Forschung zugeordnet werden.98 Denn die Deskription der Anwendungspraxis und Ziele der Kundensegmentierung bildet die Voraussetzung für die Formulierung einer erweiterten Forschungszielsetzung: die Analyse der Beziehungen zwischen den Entscheidungskomponenten in der Kundensegmentierung. Im Rahmen des zweiten Untersuchungsziels werden drei Subziele verfolgt: Einerseits sollen Aussagen zu den Beziehungen zwischen den Ausprägungen der einzelnen Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung (Gestaltungsvariablen) und den definierten Zielen entwickelt werden. Andererseits sollen Aussagen zu den Beziehungen zwischen den Ausprägungen der einzelnen Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung (Gestaltungsvariablen) und den Ausprägungen der einzelnen Situationsdimensionen der Kundensegmentierung (Situationsvariablen) entwickelt werden. Schließlich sollen die Ziele und Situationsvariablen der Kundensegmentierung zu sog. Ziel-Situations-Profilen verknüpft werden und deren Wirkung auf die Gestaltung der Kundensegmentierung untersucht werden. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob eine Vielzahl unterschiedlicher, unternehmensindividueller Konfigurationen der Segmentierungsansätze anzutreffen ist, oder ob sich eine bestimmte Anzahl in sich stimmiger und auf die jeweiligen Ziele und/oder die jeweilige Situation zugeschnittener Konfigurationen der Kundensegmentierung identifizieren lässt.99

97

98 99

Für eine Beschreibung und Erläuterung der Wissenschaftsziele in der Betriebswirtschaftslehre siehe u.a. Kieser/Kubicek (1992), S. 55 ff.; Bea/Haas (2001), S. 21 ff. Vgl. Eilenberger (1997), S. 3. Vgl. mit Bezug auf die strategische Unternehmensentwicklung Kötzle (1997), S. 33. 21

Um diese Ziele zu erreichen, werden die im Rahmen der empirischen Untersuchung erhobenen Gestaltungsdimensionen, Ziele und Situationsdimensionen der Kundensegmentierung auf mögliche Zusammenhänge hin untersucht. Dabei gilt es, Muster in den Ausprägungen der einzelnen Dimensionen zu identifizieren und daraus Aussagen über die Beziehungen zwischen den Entscheidungskomponenten in der Kundensegmentierung abzuleiten. Als Erklärungsansatz für die beobachteten Beziehungen sollen die Erkenntnisse sowohl aus der theoretischen Analyse als auch aus der empirischen Untersuchung herangezogen werden. Dabei scheint es nur schwer möglich und auch wenig zielführend, Aussagen zu sämtlichen Beziehungen zwischen den Entscheidungskomponenten in der Kundensegmentierung zu entwickeln. Vielmehr sollen Hypothesen zu solchen Beziehungen entwickelt werden, die einen wesentlichen Erklärungsbeitrag und Erkenntnisgewinn für die Fragestellung versprechen. Hinzuweisen ist darauf, dass es sich bei den zu entwickelnden Aussagen um Tendenzaussagen handelt.100 Insgesamt wird mit dem zweiten Untersuchungsziel ein theoretisches Wissenschaftsziel verfolgt. Aus der Perspektive der bankbetrieblichen Forschung betrachtet, kann dieses Ziel weitestgehend der Bankbetriebstheorie zugeordnet werden.101 Diese beschäftigt sich vor allem damit, Systeme von empirisch nachprüfbaren Hypothesen zu entwickeln, um damit Erkenntnisse über unterschiedliche Zusammenhänge zu generieren. Die Analyse solcher komplexer Zusammenhänge trägt wesentlich zur Entscheidungshilfe in der Unternehmenspraxis bei. 2.3 Gang und Methodik der Untersuchung 2.3.1 Gang der Untersuchung Im Folgenden soll der Gang der Untersuchung erläutert werden. Dabei gibt Abbildung 2-1 einen Überblick über den Aufbau der Arbeit.

100 101

22

Vgl. Kieser/Kubicek (1978), S. 133. Vgl. Eilenberger (1997), S. 4.

1.

Einführung

• Ausgangssituation und Problemstellung • Motivation der Themenwahl

2.

Gegenstand, Ziele und Gang der Untersuchung

• Untersuchungsgegenstand • Untersuchungsziele • Gang und Methodik der Untersuchung

3.

Ausgangssituation, Rahmenbedingungen und Entwicklungstendenzen im Bankensektor in Deutschland

• Anbieter- und Nachfragerstruktur im Bankensektor in Deutschland • Entwicklungstendenzen auf Anbieter- und Nachfragerseite im Bankensektor in Deutschland

4.

Theoretische Grundlagen der Kundensegmentierung und ausgewählte Ansätze zur Kundensegmentierung

• Überblick über den Stand der Forschung zur Kundensegmentierung • Kaufverhalten als Ausgangspunkt der Kundensegmentierung • Ziele der Kundensegmentierung und Anforderungen an die Kundensegmentierung • Informations- und Aktionsseite der Kundensegmentierung: Markterfassung und Marktbearbeitung • Kritische Würdigung ausgewählter Ansätze zur Kundensegmentierung • Implementierung der Kundensegmentierung

5.

Entwicklung eines theoretischen Bezugsrahmens für die empirische Untersuchung

• Kontingenztheorie und neo-kontingenztheoretische Perspektive • Ableitung und kritische Würdigung des theoretischen Bezugsrahmens • Konzeption und Operationalisierung des theoretischen Bezugsrahmens

6.

Empirische Untersuchung zu Ansätzen der Kundensegmentierung und deren Implementierung im Privatkundensegment von Banken

• Grundlagen der empirischen Untersuchung • Vergleichende Darstellung von Anwendungspraxis, Zielen und Situation der Kundensegmentierung • Entwicklung von Aussagen zu den Beziehungen zwischen den Entscheidungskomponenten der Kundensegmentierung (Gestaltung, Ziele und Situation der Kundensegmentierung)

7.

Zusammenfassende Betrachtung

• Untersuchungsaufbau und grundlegende Ergebnisse • Ansatzpunkte für Forschung und Unternehmenspraxis

Abbildung 2-1: Aufbau der Arbeit102 Insgesamt gliedert sich die Arbeit in sieben Teile mit folgenden inhaltlichen Schwerpunkten: x

x

x

102

1. Einführung: In der Einführung werden die Ausgangssituation und die Problemstellung in der Kundensegmentierung dargestellt sowie die Motivation der Themenwahl der vorliegenden Dissertation erläutert. 2. Gegenstand, Ziele und Gang der Untersuchung: Der zweite Teil beinhaltet die Definition des Untersuchungsgegenstandes sowie die Beschreibung der Ziele der Untersuchung. Darüber hinaus werden der Gang der Untersuchung veranschaulicht und die Methodik der Untersuchung dargelegt und begründet. 3. Ausgangssituation, Rahmenbedingungen und Entwicklungstendenzen im Bankensektor in Deutschland: Im dritten Teil werden sowohl die Struktur (Kapitel 3.1) als auch wesentliche Entwicklungstendenzen (Kapitel 3.2) auf Eigene Darstellung. 23

x

x

24

Anbieter- und Nachfragerseite im Bankensektor in Deutschland untersucht. Darauf aufbauend werden Folgerungen für die Kundensegmentierung abgeleitet (Kapitel 3.3). Ziel ist es, das Erkenntnisobjekt in den Gesamtzusammenhang des Bankensektors einzuordnen und das Verständnis für die Anforderungen an die Kundensegmentierung im Bankensektor zu fördern. 4. Theoretische Grundlagen der Kundensegmentierung und ausgewählte Ansätze zur Kundensegmentierung: Der vierte Teil umfasst sowohl die theoretischen Grundlagen der Kundensegmentierung als auch die Darstellung und kritische Würdigung ausgewählter Ansätze zur Kundensegmentierung. Nachdem zunächst ein Überblick über den Stand der Forschung zur Kundensegmentierung, insbesondere zur Kundensegmentierung im Finanzdienstleistungssektor, gegeben wird (Kapitel 4.1), erfolgt eine Analyse der unterschiedlichen Modelle des Kaufverhaltens, die einen wesentlichen Ausgangspunkt der Kundensegmentierung bilden (Kapitel 4.2). Anschließend folgt die Analyse der Ziele der Kundensegmentierung, die in einem integrierten – nach den einzelnen Phasen des Prozesses der Kundensegmentierung gegliederten – Zielkatalog der Kundensegmentierung mündet. Auf dieser Basis werden die Anforderungen an die Kundensegmentierung abgeleitet (Kapitel 4.3). Im Rahmen der Betrachtung der Informations- und Aktionsseite der Kundensegmentierung werden sowohl die unterschiedlichen Arten von Segmentierungskriterien systematisiert als auch grundlegende Marktbearbeitungsstrategien sowie abzuleitende segmentspezifische Marketinginstrumente diskutiert (Kapitel 4.4). Den Schwerpunkt des vierten Teils bildet die kritische Würdigung ausgewählter Ansätze zur Kundensegmentierung (Kapitel 4.5). Die Bewertung der Segmentierungsansätze erfolgt dabei anhand der in Kapitel 4.3 abgeleiteten Anforderungen an die Kundensegmentierung. Den Abschluss des vierten Teils bildet die Analyse der Implementierung der Kundensegmentierung (Kapitel 4.6). 5. Entwicklung eines theoretischen Bezugsrahmens für die empirische Untersuchung: Aus den unterschiedlichen Theoriebausteinen der Arbeit wird im fünften Teil ein theoretischer Bezugsrahmen abgeleitet und damit die Grundlage für die nachfolgende empirische Untersuchung geschaffen. Dabei werden zunächst die theoretischen Grundlagen des Bezugsrahmens erörtert (Kapitel 5.1); anschließend erfolgt die Ableitung und kritische Würdigung des theoretischen Bezugsrahmens (Kapitel 5.2). Den Abschluss des fünften

x

x

Teils bilden die Konzeption und Operationalisierung des theoretischen Bezugsrahmens für die empirische Untersuchung (Kapitel 5.3). 6. Empirische Untersuchung zu Ansätzen der Kundensegmentierung und deren Implementierung im Privatkundensegment von Banken: Aufbauend auf dem im fünften Teil entwickelten theoretischen Bezugsrahmen folgt im sechsten Teil die empirische Untersuchung. Dabei werden zunächst die Grundlagen der empirischen Untersuchung dargelegt, um Transparenz über die Methodik und die Durchführung der empirischen Untersuchung zu schaffen (Kapitel 6.1). Die Struktur und die Vorgehensweise der empirischen Untersuchung orientieren sich eng an dem definierten Bezugsrahmen, der die zu erhebenden Entscheidungskomponenten in der Kundensegmentierung vorgibt und die anschließende Auswertung leitet. Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung werden in Kapitel 6.2 und Kapitel 6.3 dargestellt. Entsprechend dem definierten Auswertungsvorgehen erfolgt in einem ersten Schritt eine vergleichende Darstellung der Anwendungspraxis, Ziele und Situation der Kundensegmentierung (Kapitel 6.2). In einem zweiten Schritt werden die Aussagen zu den Beziehungen zwischen den Entscheidungskomponenten in der Kundensegmentierung entwickelt (Kapitel 6.3). Die Ausführungen sind dabei differenziert nach den Beziehungen zwischen der Gestaltung der Kundensegmentierung und den definierten Zielen (Abschnitt 6.3.1) sowie nach den Beziehungen zwischen der Gestaltung der Kundensegmentierung und der Situation der Kundensegmentierung (Abschnitt 6.3.2). Dabei erfolgt jeweils eine Revision der im fünften Teil abgeleiteten Hypothesen auf Grund der Ergebnisse der empirischen Untersuchung: Es wird überprüft, ob eine Beziehung zwischen den Entscheidungskomponenten in der Kundensegmentierung entsprechend dem definierten Bezugsrahmen beobachtet werden kann. Den Abschluss des sechsten Teils der Arbeit bildet die Ableitung von Ziel-Situations-Profilen der Kundensegmentierung und deren Wirkung auf die Gestaltung der Kundensegmentierung (Abschnitt 6.3.3). 7. Zusammenfassende Betrachtung: Im siebten Teil werden der Untersuchungsaufbau und die grundlegenden Ergebnisse der Arbeit zusammengefasst. Darüber hinaus werden Ansatzpunkte für weiteren Forschungsbedarf und für die Unternehmenspraxis aufgezeigt.

25

2.3.2 Methodik der Untersuchung 2.3.2.1 Konzeption einer problemadäquaten Forschungsstrategie Im Folgenden soll die Forschungsstrategie für die Untersuchung vorgestellt und begründet werden. Die vorliegende Untersuchung basiert auf einem Forschungsansatz, der zum einen vorhandenes theoretisches Wissen verarbeitet und zum anderen die konkrete Anwendungspraxis von Unternehmen untersucht. Diese Dualität der Forschungsstrategie, also die Analyse des Problems sowohl auf theoretische als auch auf empirische Weise, prägt die Untersuchung und soll eine möglichst fundierte Bearbeitung der (Forschungs-)Fragestellung sicherstellen. In der ersten Forschungsphase werden zunächst die Theoriebausteine zur Kundensegmentierung und zu deren Implementierung erarbeitet. Um die Untersuchung theoretisch fundiert durchführen zu können, werden sowohl die theoretischen Grundlagen der Kundensegmentierung analysiert als auch ausgewählte Ansätze zur Kundensegmentierung kritisch gewürdigt. Daraus können erste Hypothesen zu möglichen Einflussfaktoren auf die Gestaltung der Kundensegmentierung abgeleitet werden, die im Rahmen der empirischen Untersuchung überprüft und weiterentwickelt werden.103 Über ein primär deduktiv-theoriegeleitetes Vorgehen wird anschließend ein wissenschaftlich fundierter theoretischer Bezugsrahmen104 für die empirische Untersuchung entwickelt. Die verschiedenen Analysekategorien innerhalb des theoretischen Bezugsrahmens werden aus den einzelnen Theoriebausteinen der Arbeit abgeleitet. Dabei werden die Erkenntnisse aus der theoretischen Analyse genutzt, um die Entscheidungskomponenten in der Kundensegmentierung und die Di103

104

26

Im Rahmen der Untersuchung wird überwiegend eine deduktiv-nomologische Forschungsstrategie verfolgt. Im Mittelpunkt der deduktiven-nomologischen Forschungsstrategie steht der Schluss vom Allgemeinen auf das Spezielle, d.h., eine singuläre Tatsache wird durch eine denklogische Ableitung (Deduktion) aus anderen Sachverhalten und übergeordneten Gesetzen (nomologische Aussagen) erklärt. In diesem Zusammenhang hat die Hypothesenprüfung in der Forschungspraxis – in Anlehnung an die Denkweise des kritischen Rationalismus – weitgehende Anwendung gefunden. Im Gegensatz dazu wird bei der induktivprobabilistischen Forschungsstrategie von Einzelfällen auf allgemein gültige Sätze geschlossen. Für eine Übersicht siehe u.a. Bortz/Döring (1995), S. 17 ff.; Lingnau (1995), S. 126 ff. Siehe grundlegend zu der Konzeption und den Zielen eines theoretischen Bezugsrahmens Martin (1989), S. 221 ff.

mensionen innerhalb dieser Entscheidungskomponenten zu definieren. Zur Operationalisierung des theoretischen Bezugsrahmens werden die einzelnen Dimensionen innerhalb der Entscheidungskomponenten bestimmt und die Vorgehensweise bei deren Erhebung und Messung definiert. Die zweite Forschungsphase umfasst die empirische Untersuchung.105 Als empirische Methodik wird ein exploratives Vorgehen gewählt – ein Forschungsansatz, der, wie hier gegeben, vor allem für frühe Phasen des Forschungsprozesses geeignet ist. Primäres Ziel ist die Erkundung von Strukturen und Zusammenhängen in der Kundensegmentierung (Strukturen-entdeckendes Verfahren).106 Es sollen informationsreiche, problemrelevante und verständnisfördernde Aussagen zu den Beziehungen zwischen den Entscheidungskomponenten in der Kundensegmentierung generiert werden. Die Vorgehensweise bedarf dabei eines theoretischen Vorverständnisses, das als Grundlage für den theoretischen Bezugsrahmen und die empirische Untersuchung dient. In dieser Hinsicht ist die explorative Forschungsstrategie als ein von theoretischen Absichten geleiteter und auf systematischem Erfahrungswissen fußender Lernprozess zu verstehen, in dessen Mittelpunkt ein heuristischer Bezugsrahmen zur Steuerung des Forschungsprozesses steht.107 Der Forschungsprozess hat dabei iterativen Charakter – die Phasen der Theoriebildung und von deren Überprüfung wechseln sich ab. Weiterhin wird für die empirische Untersuchung ein qualitativer Forschungsansatz gewählt, im Rahmen dessen persönliche Interviews mit Experten108 durchgeführt werden. Maßgebend für die Wahl dieses Forschungsansatzes sind insbesondere drei Gründe: x Zunächst die aus der Literaturanalyse gewonnene Erkenntnis, dass es sich um eine bisher kaum erforschte Fragestellung handelt. Vor diesem Hintergrund scheint ein qualitativer Ansatz, der sich in seiner Vorgehensweise re105

106 107 108

Eine detaillierte Beschreibung der Methodik und Vorgehensweise der empirischen Untersuchung findet sich in Kapitel 6.1. Vgl. Fritz (1992), S. 60. Vgl. Mayring (2002), S. 30. Als Experte soll in der vorliegenden Untersuchung verstanden werden, „[...] wer in irgendeiner Weise Verantwortung trägt für den Entwurf, die Implementierung oder die Kontrolle einer Problemlösung oder wer über einen privilegierten Zugang zu Informationen über Personengruppen oder Entscheidungsprozesse verfügt“. Meuser/Nagel (2005), S. 73. Zur Abgrenzung der unterschiedlichen Definitionsansätze von Experten siehe Bogner/Menz (2005b), S. 39 ff. 27

x

x

lativ offen (z.B. durch offene Fragestellungen) und flexibel (z.B. durch Integration von Ad-hoc-Fragen) gestaltet, zur Beantwortung der Forschungsfragen besonders geeignet. Weiterhin die Erwartung, dass im Hinblick auf die Untersuchungsziele eine qualitative Befragung und Diskussion mit den Experten vor Ort weit tiefergehende und detailliertere Erkenntnisse vermittelt als beispielsweise ein quantitativer Ansatz.109 Zusätzlich eröffnet die persönliche Befragung die Chance, dass die Experten die Entscheidungsvorgänge in der Kundensegmentierung in einem Prozess sozialer Interaktion darstellen.110 Damit können wichtige Anhaltspunkte für den Auswertungskontext gewonnen werden und Deutungsmuster mit den Befragten diskutiert werden.111 Schließlich die aus den praktischen Projekterfahrungen112 des Verfassers heraus gewonnene Erkenntnis begrenzter Forschungsressourcen. So ist anzunehmen, dass nur relativ wenige Banken in Deutschland ein umfassendes Wissen zu Segmentierungsansätzen besitzen bzw. dass überhaupt nur wenige Banken über „eigene“ Segmentierungsansätze verfügen.113 Somit wird vermutlich auch nur eine begrenzte Anzahl von Experten in der Lage sein, fundierte Aussagen zum Stand der praktischen Anwendung der Kundensegmentierung und zu den Beziehungen zwischen den Entscheidungskomponenten in der Kundensegmentierung zu liefern.

Im Mittelpunkt der dritten Forschungsphase stehen die Auswertung und Analyse der Ergebnisse der empirischen Untersuchung, d.h. die vergleichende Darstellung von Anwendungspraxis, Zielen und Situation der Kundensegmentierung sowie die Entwicklung von Aussagen zu den Beziehungen zwischen den Entscheidungskomponenten in der Kundensegmentierung. Folgende Arten von Aus109

110 111 112

113

28

Vgl. Mintzberg (1979), S. 587; Bortz/Döring (1995), S. 272. Eine ähnliche Argumentation verfolgen Emmelhainz und Kavan in ihrer empirischen Untersuchung zur Kundensegmentierung im Finanzdienstleistungssektor. Vgl. Emmelhainz/Kavan (1999), S. 175. Vgl. Lamnek (2005), S. 22. Vgl. Staehle (1994), S. 53. Der Verfasser der vorliegenden Arbeit ist seit 1999 als Berater bei der Unternehmensberatung Roland Berger Strategy Consultants im Bereich Finanzdienstleistungen tätig. Ein Teil der Banken in Deutschland (insbes. kleine und mittelgroße Sparkassen und Kreditgenossenschaften) verfügt nach Einschätzung des Verfassers über keine „eigenen“ Segmentierungsansätze, sondern übernimmt i.d.R. die Segmentierungsansätze bzw. -empfehlungen der jeweiligen Spitzenverbände (z.B. „Privatkunden-Konzeption des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes“).

sagen sollen gewonnen werden:114 überwiegend deskriptiv orientierte Aussagen bei der vergleichenden Darstellung der Anwendungspraxis, Ziele und Situation der Kundensegmentierung; explikativ orientierte Aussagen bei der Entwicklung von Aussagen zu den Beziehungen zwischen den Entscheidungskomponenten in der Kundensegmentierung. Dabei soll jeweils eine Revision der aus der theoretischen Analyse abgeleiteten Hypothesen auf Grund der Ergebnisse der empirischen Untersuchung stattfinden. Den Abschluss der dritten Forschungsphase bilden die Zusammenfassung der Ergebnisse der Untersuchung und die Erörterung von Ansatzpunkten für Forschung und Unternehmenspraxis. 2.3.2.2 Berücksichtigung der Gütekriterien qualitativer Forschung im Rahmen der Untersuchung Im Folgenden soll die vorgeschlagene Forschungsstrategie anhand unterschiedlicher Gütekriterien evaluiert werden. Dabei sollen die folgenden von MAYRING definierten Gütekriterien Anwendung finden, die speziell auf qualitative Forschungsansätze ausgerichtet sind:115 x Verfahrensdokumentation: Der Forschungsprozess ist im Detail zu dokumentieren (u.a. Explikation des Vorverständnisses, Zusammenstellung des Analyseinstrumentariums, Durchführung und Auswertung der Datenerhebung). x Argumentative Interpretationsabsicherung: Die Interpretationen dürfen nicht gesetzt sein, sondern müssen argumentativ begründet werden. x Regelgeleitetheit: Der Forscher muss bestimmte Verfahrensregeln für eine systematische Analyse des Untersuchungsgegenstandes einhalten. x Nähe zum Gegenstand: Die Erhebung sollte möglichst nahe an der Alltagswelt der beforschten Subjekte anknüpfen. x Kommunikative Validierung: Die Gültigkeit der Untersuchungsergebnisse ist zu überprüfen, indem die Untersuchungsergebnisse den Beforschten nach der Erhebung vorgelegt werden und mit ihnen diskutiert werden.

114

115

Eine Übersicht zu den grundlegenden Arten von Aussagen in der empirischen Forschung bietet z.B. Fritz (1992), S. 60. Vgl. hierzu und im Folgenden Mayring (2002), S. 144 ff. 29

x

Triangulation: Um die Qualität der Forschung zu erhöhen, sind mehrere Analysegänge im Rahmen der Untersuchung zu verbinden (z.B. Nutzung unterschiedlicher Datenquellen, Interpreten, Theorieansätze, Methoden).

Bevor die Güte der vorgeschlagenen Forschungsstrategie anhand der von MAYRING definierten Gütekriterien bewertet wird, soll kurz der Bezug zu den klassischen Gütekriterien in der Forschung (Objektivität, Reliabilität, Validität) hergestellt werden. Die klassischen Gütekriterien bilden die Grundlage für die Beurteilung der Güte der Untersuchung.116 Aus diesen klassischen Gütekriterien lassen sich spezifische Anforderungen ableiten, die insbesondere für die hier vorgeschlagene qualitative Forschungsstrategie relevant sind und die sich in den von MAYRING definierten Gütekriterien wiederfinden.117 (1) Objektivität: Unter dem Gütekriterium Objektivität wird die Unabhängigkeit der Untersuchungsergebnisse von den Rahmenbedingungen der Untersuchung verstanden, d.h., eine Messung ist objektiv, wenn intersubjektive Einflüsse der Forscher möglichst ausgeschaltet werden können. Dabei werden zur Beurteilung der Objektivität typischerweise drei Teilbereiche unterschieden: x Durchführungsobjektivität: Die äußeren Bedingungen der Testsituation müssen für alle Untersuchungsteilnehmer gleich sein; die Anweisungen des Forschers sind so festgehalten, dass eine unterschiedliche Auslegung nicht mehr möglich ist. x Auswertungsobjektivität: Die Auswertungsergebnisse eines Tests erfolgen unabhängig davon, welcher Forscher den Test auswertet. x Interpretationsobjektivität: Zwei Forscher ziehen unabhängig voneinander aus dem gleichen Auswertungsergebnis den gleichen Schluss. Aus dem Gütekriterium der Objektivität lassen sich wesentliche Anforderungen ableiten, die speziell für qualitative Forschungsansätze relevant sind und die sich auch in den von MAYRING definierten Gütekriterien widerspiegeln. So leitet 116

117

30

Für eine Diskussion der Gütekriterien Objektivität, Reliabilität und Validität im Rahmen qualitativer Forschungsansätze siehe u.a. Bortz/Döring (1995), S. 301 ff. Zentrale Anforderung in der Diskussion der Güte der qualitativen Forschung ist, dass die angewandten Kriterien zu Vorgehen und Ziel der Analyse passen müssen; darüber hinaus sollte die Geltungsbegründung der Ergebnisse deutlich flexibler sein als im Falle der quantitativen Forschung. Vgl. Flick (1987), S. 247 ff.; Mayring (2002), S. 140.

sich die von MAYRING geforderte Verfahrensdokumentation weitgehend aus der Durchführungs- und Auswertungsobjektivität ab, da der gesamte Forschungsprozess im Detail dokumentiert ist (inkl. einer Explikation des Vorverständnisses des Forschers). Darüber hinaus ist die von MAYRING geforderte Nähe zum Gegenstand aus der Durchführungs- und Auswertungsobjektivität abgeleitet. Dadurch dass der Forscher möglichst nahe an der Alltagswelt der beforschten Subjekte anknüpft, stellt er sicher, dass die äußeren Bedingungen der Untersuchung für die Untersuchungsteilnehmer weitgehend gleich sind. Die Anforderungen, die sich aus der Interpretationsobjektivität ableiten lassen, spiegeln sich vor allem in der von MAYRING geforderten argumentativen Interpretationsabsicherung wider. Die argumentative Interpretationsabsicherung fordert, dass das Vorverständnis der jeweiligen Interpretationen dargelegt wird und die Interpretationen argumentativ begründet werden. Beide Elemente stellen eine wichtige Voraussetzung dar, damit zwei Forscher unabhängig voneinander aus dem gleichen Auswertungsergebnis den gleichen Schluss ziehen können. (2) Reliabilität: Unter der Reliabilität wird die Zuverlässigkeit eines Tests verstanden, d.h. die formale Genauigkeit wissenschaftlicher Untersuchungen.118 Im Rahmen der Reliabilität werden i.d.R. drei klassische Beurteilungsmethoden angewendet: x Wiederholungsmethode („Re-Test-Reliabilität“): Die Messung wird wiederholt bzw. das gleiche Messinstrument wird erneut angewendet. Die Ergebnisse werden auf ihre Übereinstimmung hin überprüft. x Halbierungsmethode („Split-Half-Reliabilität“): Die beiden – im Hinblick auf ihre Struktur gleichen – Hälften eines Tests werden einzeln ausgewertet und auf ihre Übereinstimmung hin überprüft. x Paralleltestmethode („Paralleltestreliabilität“): Es werden zwei – im Hinblick auf ihre Struktur gleichen – Varianten eines Tests angewendet. Die Ergebnisse werden auf ihre Übereinstimmung hin überprüft. Die aus dem Gütekriterium der Reliabilität ableitbaren Anforderungen finden sich auch in einigen der von MAYRING definierten Gütekriterien qualitativer 118

Eine zentrale Annahme dabei ist die Stabilität des untersuchten Phänomens. Diese kann in der qualitativen Forschung nicht a priori unterstellt werden. Vielmehr zeigt sie sich erst als Ergebnis einer umfassenden Untersuchung des Phänomens in unterschiedlichen Kontexten. 31

Forschung wieder: Verfahrensdokumentation, Regelgeleitetheit und Triangulation. So bildet die Verfahrensdokumentation eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Wiederholung einer Untersuchung zu den gleichen Ergebnissen kommt. Nur wenn der Forschungsprozess und das Vorverständnis des Forschers im Detail dokumentiert sind, kann eine Wiederholung der Untersuchung auch zu den gleichen Ergebnissen führen. Die Regelgeleitetheit stellt sicher, dass sich der Forscher an bestimmte Verfahrensregeln hält, das Material systematisch bearbeitet – eine wichtige Anforderung, die sich an die „Re-Test-Reliabilität“ anlehnt. Mit Hilfe der Triangulation soll durch die Verbindung mehrerer Analysegänge die Qualität der Forschung vergrößert werden. Dieses Gütekriterium lässt sich weitgehend aus der „Paralleltestreliabilität“ ableiten, die die Anwendung von zwei – im Hinblick auf ihre Struktur gleichen – Varianten eines Tests fordert. Dabei ist jedoch einschränkend zu berücksichtigen, dass es nicht das Ziel der Triangulation ist, eine völlige Übereinstimmung der Ergebnisse zu erreichen; vielmehr sollen die Ergebnisse der unterschiedlichen Perspektiven verglichen und zu einem gemeinsamen Bild zusammengeführt werden.119 (3) Validität: Unter der Validität wird die Gültigkeit einer Forschungsmethode verstanden, d.h., ein Test ist valide, wenn er tatsächlich das misst, was er zu messen vorgibt. Als Beurteilungsmethoden für die Validität werden i.d.R. die folgenden vier angeführt: x Kriteriumsvalidität: Die Untersuchungsergebnisse werden mit einem Außenkriterium verglichen; x Inhaltsvalidität: Es wird gemessen, in wie weit ein Test oder ein Testitem das zu messende Merkmal repräsentativ erfasst; x Augenscheinvalidität: Es wird gemessen, in wie weit der Validitätsanspruch eines Tests einem Laien, vom bloßen Augenschein her, gerechtfertigt erscheint; x Konstruktvalidität: Die Konstruktvalidität ist gegeben, wenn die gemessenen Eigenschaften mit einem theoretischen Modell übereinstimmen. Betrachtet man diese unterschiedlichen Beurteilungsmethoden, ist festzustellen, dass sich diese nur indirekt auf qualitative Forschungsansätze übertragen lassen, da die Komplexität und mangelnde Quantifizierbarkeit qualitativer Fragestellun119

32

Vgl. Mayring (2002), S. 147 f.

gen das Auffinden valider Außenkriterien und die Erstellung eindeutiger und überprüfbarer Prognosen erschwert. Dennoch sind wesentliche aus der Validität ableitbare Anforderungen in zwei der von MAYRING definierten Gütekriterien eingeflossen: kommunikative Validierung und Triangulation. So werden bei der kommunikativen Validierung die untersuchten Personen in den Forschungsprozess miteinbezogen (beispielsweise durch die Diskussion des Transkripts mit den beteiligten Personen). Damit kann sichergestellt werden, dass die Aussagen und die Zusammenhänge richtig erfasst wurden. Die Triangulation ermöglicht durch die Kombination mehrerer Analysegänge einen Vergleich der Ergebnisse unter unterschiedlichen Perspektiven – eine wesentliche Anforderung, die sich aus dem Gütekriterium der Validität ableiten lässt. Zu berücksichtigen ist jedoch auch, dass die Triangulation in der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion weniger als Validierungsverfahren zur Sicherung der Gültigkeit gewonnener Erkenntnisse gesehen wird, sondern vielmehr als Methode, ein tieferes Verständnis für den Untersuchungsgegenstand zu erlangen. Nachdem der Bezug zwischen den klassischen Gütekriterien und den von MAYRING definierten Gütekriterien qualitativer Forschung hergestellt wurde, soll im Folgenden die vorgeschlagene Forschungsstrategie nach den unterschiedlichen Gütekriterien von MAYRING beurteilt werden. Erstes Kriterium ist dabei die Verfahrensdokumentation. Um dieser nachzukommen, werden in der vorliegenden Arbeit sowohl das Untersuchungsvorgehen (inkl. der einzelnen Untersuchungsschritte) als auch die Ergebnisse der Untersuchung dokumentiert. Letzteres erfolgt durch die detaillierte Aufbereitung der empirischen Ergebnisse im sechsten Teil der Arbeit sowie mittels der zusammenfassenden Protokolle der Experteninterviews, die den Forschungsprozess dokumentieren. Für die argumentative Interpretationsabsicherung – zweites Gütekriterium qualitativer Forschung – wird das Vorverständnis für die Interpretationen insbesondere in Form des theoretischen Bezugsrahmens inklusive seiner Gestaltungs- und Situationsdimensionen der Kundensegmentierung dargelegt (fünfter Teil der Arbeit). Darüber hinaus ist darauf zu achten, dass die Interpretationen in sich schlüssig sind und mögliche Alternativdeutungen überprüft werden. Letzteres wird vor allem durch die Diskussion der Ergebnisse und Deutungszusammen-

33

hänge mit den Experten (sowohl in den Interviews als auch im Anschluss an die Interviews) sichergestellt. Weiterhin ist die Regelgeleitetheit zu berücksichtigen, da der gewählte Forschungsansatz gegenüber seinem Gegenstand offen ist und geplante Analyseschritte gegebenenfalls modifiziert werden können. Nach LAMNEK ist deshalb im Untersuchungsprozess „[...] der Forscher gehalten, so offen wie möglich gegenüber neuen Entwicklungen und Dimensionen zu sein, die dann in die Formulierung der Hypothesen einfließen können“.120 So kann auch in der vorliegenden Arbeit der Untersuchungsprozess – sofern notwendig und sinnvoll – im Rahmen der Interviews adaptiert werden (beispielsweise durch die Diskussion zusätzlich zu berücksichtigender Situationsdimensionen der Kundensegmentierung mit den Experten). Neben der Regelgeleitetheit ist nach MAYRING die Nähe zum Gegenstand elementar. Diese auch als Leitgedanke qualitativ-interpretativer Forschung bezeichnete Anforderung wird in der vorliegenden Arbeit dadurch erfüllt, dass sich der Verfasser möglichst nahe an der Alltagswelt der beforschten Subjekte ausrichtet und das Erkenntnisobjekt vor Ort (in den jeweiligen Banken) im Rahmen der Experteninterviews untersucht. Damit soll gleichzeitig auch eine gewisse Interessenannäherung im Forschungsprozess erreicht werden.121 Die kommunikative Validierung wird in der vorliegenden Untersuchung insofern erreicht, als die Experten im Anschluss an die Interviews die jeweiligen Ergebnisse (in Form der zusammenfassenden Protokolle sowie der Ergebnispräsentation) vorgelegt bekommen und mögliche Interpretationen zwischen Experten und Verfasser diskutiert werden. Das abschließende Gütekriterium qualitativer Forschung bildet die Triangulation. Dieser Anforderung wurde in der vorliegenden Untersuchung nachgekommen, indem unterschiedliche Datenquellen herangezogen und verglichen wurden. Insbesondere durch den Vergleich der Ergebnisse der Experteninterviews mit unternehmensunabhängigen Artikeln zu Segmentierungsansätzen (z.B. EM120 121

34

Lamnek (2005), S. 21. Vgl. Mayring (2002), S. 146.

MELHAINZ und KAVAN122, BIELSKI123) und vergleichenden Untersuchungen zu Segmentierungsansätzen (z.B. Untersuchung von MEADOWS und DIBB zur Implementierung von Segmentierungsansätzen in Finanzdienstleistungsbetrieben124) konnten in der vorliegenden Arbeit alternative Lösungswege überprüft werden und die Ergebnisse zu einem ganzheitlichen Bild zusammengesetzt werden.

122 123 124

Vgl. Emmelhainz/Kavan (1999), S. 161 ff. Vgl. Bielski (2006), S. 45 ff. Vgl. Meadows/Dibb (1998), S. 45 ff. 35

„Um Erfolg zu haben, mußt Du den Standpunkt des anderen annehmen und die Dinge mit seinen Augen betrachten.“125 HENRY FORD I

3. Ausgangssituation, Rahmenbedingungen und Entwicklungstendenzen im Bankensektor in Deutschland 3.1 Anbieter- und Nachfragerstruktur im Bankensektor in Deutschland 3.1.1 Übersicht über die Anbieterstruktur Das Bankensystem in Deutschland gliedert sich in zwei Ebenen. Die erste Ebene wird von der Deutschen Bundesbank gebildet, die die Funktionen einer Notenbank und einer Zentralbank innehat. Aufgabenbereiche sind u.a. die Gewährleistung des Bargeldumlaufs und die Refinanzierung des gesamten Bankensystems im Sinne einer „Bank der Banken“. Auf der zweiten Ebene finden sich die Geschäftsbanken. Innerhalb dieser sind die Universalbanken dominierend, die sich wiederum in drei Gruppen gliedern: x Kreditbanken: Diese in privatem Besitz befindlichen Banken bestehen im Wesentlichen aus den fünf Großbanken (Deutsche Bank, Dresdner Bank, Commerzbank, Bayerische Hypo- und Vereinsbank sowie Deutsche Postbank126) sowie Regional- und sonstigen Kreditbanken. Darüber hinaus gehören die Zweigstellen ausländischer Banken zu dieser Gruppe von Banken. x Landesbanken und Sparkassen: In dieser Gruppe sind die Landesbanken und Sparkassen als öffentlich-rechtliche Institute vereint.127 Die Kooperation erfolgt in einem Verbund, der sog. Sparkassen-Finanzgruppe. 125 126

127

36

Zitiert nach Kotler/Bliemel (2005), S. 373. Die Deutsche Postbank wird seit dem Jahr 2004 in der Bundesbankstatistik als Großbank geführt. Vgl. Deutsche Bundesbank (2006a), S. 104. Den rechtlichen Rahmen für die Organisation und Geschäftstätigkeit der Sparkassen bilden das Sparkassengesetz (SpkG) des jeweilgen Bundeslandes, die Mustersatzung sowie die ggf. erlassene Sparkassenverordnung (SpkV) des jeweiligen Bundeslandes. Vgl. z.B. Eilenberger (1997), S. 124 f.

x

Genossenschaftliche Zentralbanken und Kreditgenossenschaften: Diese umfassen neben den zwei Genossenschaftlichen Zentralbanken (DZ Bank und WGZ Bank) die Kreditgenossenschaften; beide Gruppen sind im Genossenschaftlichen Finanzverbund zusammengeschlossen.

Einen Überblick über das Bankensystem gibt Abbildung 3-1.

Deutsche Bundesbank

Zentralbank

Geschäftsbanken Universalbanken Kreditbanken

Landesbanken und Sparkassen

Genossenschaftliche Zentralbanken und Kreditgenossenschaften

Realkreditinstitute (24)

Banken mit Sonderaufgaben (16)

• Großbanken (5) • Regional- und sonstige Kreditbanken (158) • Zweigstellen ausländischer Banken (89)

• Landesbanken (12) • Sparkassen (463)

• Genossenschaftliche Zentralbanken (2) • Kreditgenossenschaften (1.294)

• Hypothekenbanken • Schiffspfandbriefbanken

z.B. • KfW-Bankengruppe • IKB Deutsche Kreditbank

Abbildung 3-1: Übersicht über das Bankensystem in Deutschland (Stand: 31.12.2005)128 Die drei Gruppen von Universalbanken bilden das sog. „Drei-Säulen-System“129, welches für die deutsche Bankenlandschaft charakteristisch ist und in der jünge128

129

Eigene Darstellung. In Anlehnung an Deutsche Bundesbank (2006a), S. 104. Die Systematisierung der Banken entspricht dem von der Bundesbank entwickelten Ordnungsschema und soll auch in der vorliegenden Arbeit zu Grunde gelegt werden. Die in Klammern angegebene Zahl steht für die Anzahl der an die Deutsche Bundesbank berichtenden Banken der jeweiligen Bankengruppe. Zusätzlich werden die Bausparkassen zu den Bankengruppen gezählt; diese sind in der Abbildung jedoch nicht dargestellt. In der monatlichen Bilanzstatistik nicht erfasste Bankengruppen sind: Wohnungsunternehmen mit Spareinrichtung, Kapitalanlagegesellschaften, Wertpapiersammelbanken, Bürgschaftsbanken und sonstige Banken. Die Dreigliedrigkeit des Systems spiegelt sich auch in den betriebswirtschaftlichen Zielsetzungen der Institute wider. Demnach können erwerbswirtschaftliche (Kreditbanken), gemeinwirtschaftliche (Landesbanken und Sparkassen als öffentlich-rechtliche Institute) und genossenschaftliche Bankengruppen unterschieden werden. Vgl. Büschgen/Börner (2003), S. 61. 37

ren Vergangenheit häufig Gegenstand der öffentlichen Diskussion war.130 Von einer Wettbewerbssituation dieser drei Sektoren konnte man bis zu Beginn der 60er Jahre kaum sprechen, da bis zu diesem Zeitpunkt die Märkte zwischen den Bankengruppen klar abgegrenzt waren. Erst die Aufhebung der Bedürfnisprüfung131 im Jahr 1958 und der Zinsbindung132 im Jahr 1967 führten zu intensiviertem Wettbewerb und einer Aufhebung der Arbeitsteilung zwischen den Bankengruppen.133 Dabei sei darauf hingewiesen, dass vergleichbare Systeme auch in anderen europäischen Ländern (z.B. Frankreich) existieren, jedoch haben in Deutschland – im Vergleich zu anderen europäischen Ländern – die Landesbanken und Sparkassen eine besonders starke Marktstellung inne (siehe Abbildung 3-2). Neben den Universalbanken existieren die Realkreditinstitute (darunter Hypothekenbanken und Schiffspfandbriefbanken) und die Banken mit Sonderaufgaben, zu denen u.a. die KfW-Bankengruppe und die IKB Deutsche Kreditbank gehören. Letztere haben sich auf die Vergabe langfristiger Investitionskredite spezialisiert. Komplettiert wird das Bankensystem durch weitere Spezialinstitute wie Bausparkassen, Wohnungsunternehmen mit Spareinrichtung, Kapitalanlagegesellschaften, Wertpapiersammelbanken, Bürgschaftsbanken und sonstige Banken (in Abbildung 3-1 nicht separat dargestellt). Die Marktstellung der einzelnen Bankengruppen ist in Abbildung 3-2 dargestellt.

130 131

132

133

38

Vgl. z.B. Kafsack (2006), S. 11. Das sog. „Apotheken-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts ermöglichte die Errichtung von Zweigstellen ohne vorherige Bedürfnisprüfung, d.h., die Genehmigungspflicht bei Filialgründungen wurde aufgehoben. Im Jahr 1967 lief die Zinsverordnung aus. An ihre Stelle traten Zinsempfehlungen der Bankenverbände. Vgl. Sowoboda (1998), S. 17.

Sonstige Banken1) 11,9%

Banken mit Sonderaufgaben 9,0%

Genossenschaftliche Zentralbanken und Kreditgenossenschaften

33,1%

Landesbanken und Sparkassen

10,7%

11,4%

Realkreditinstitute

23,9%

Großbanken

1) Darunter: Regionalbanken und sonstige Kreditbanken, Zweigstellen ausländischer Banken und Bausparkassen.

Abbildung 3-2: Übersicht über die Marktanteile der Bankengruppen in Deutschland (Stand: 31.12.2005)134 Mit einem Marktanteil von ca. 33% sind die Landesbanken und Sparkassen führend in Deutschland. Die Großbanken folgen mit einem Marktanteil in Höhe von ca. 24%. Neben der Gliederung des Bankensystems und der Marktstellung der einzelnen Bankengruppen stellt die Entwicklung der Anzahl der Banken einen wesentlichen strukturellen Aspekt dar: So ist die Anzahl der Banken in Deutschland seit vielen Jahren stark rückläufig. Wurden Ende 1990 noch 4.719 Banken gezählt, betrug diese Zahl Ende 2004 nur noch 2.400 – d.h. ein Rückgang um ca. 49% ist zu verzeichnen.135 Grund hierfür sind vor allem Konsolidierungsbewegungen, insbesondere in der Sparkassen-Finanzgruppe und im Genossenschaftlichen Finanzverbund. Trotz der rückläufigen Entwicklung der Anzahl der Banken ist der Konzentrationsgrad des deutschen Bankensektors im Vergleich zum europäischen Ausland nach wie vor relativ gering. Dieser beträgt – wie aus Abbildung 3-3 ersichtlich – in Deutschland ca. 22%, während er beispielsweise in Großbritannien bei ca. 35% oder in Frankreich bei ca. 45% liegt. 134

135

Eigene Darstellung. Marktanteile gemessen an der Bilanzsumme 2005. Daten basierend auf Deutsche Bundesbank (2006a), S. 106. Vgl. hierzu und im Folgenden Deutsche Bundesbank (2006a), S. 104. 39

82,7%

84,0%

Finnland

Niederlande

54,4% 41,9%

44,7%

34,5% 22,1%

Deutschland

26,0%

Italien

Großbritannien

Spanien

Frankreich

Schweden

Abbildung 3-3: Konzentrationsgrad des Bankensektors in ausgewählten europäischen Ländern (Stand: 31.12.2004)136 Darüber hinaus zeigt sich eine relativ hohe Banken- und Filialdichte im deutschen Bankensektor (siehe Abbildung 3-4). Bankendichte [Anzahl Banken pro eine Millionen Einwohner]

Großbritannien

Spanien

Filialdichte [Anzahl Filialen pro hunderttausend Einwohner]

Großbritannien

7

Frankreich

8

23

42

Italien

14

Italien

53

Frankreich

14

Deutschland

55

Deutschland

26

Spanien

95

Abbildung 3-4: Banken- und Filialdichte in ausgewählten europäischen Ländern (Stand: 31.12.2004)137

136

137

40

Eigene Darstellung. Daten basierend auf Bundesverband deutscher Banken (2005), S. 10. Marktanteil der fünf größten Banken des jeweiligen Landes (gemessen an der Bilanzsumme 2004). Eigene Darstellung. Daten basierend auf Bundesverband deutscher Banken (2005), S. 3 f. und 6.

Wie anhand von Abbildung 3-4 erkennbar, ist die Bankendichte in Deutschland mit 26 Banken pro eine Millionen Einwohner höher als in anderen ausgewählten europäischen Ländern. Auch die Filialdichte liegt in Deutschland mit 55 Filialen pro hunderttausend Einwohner auf einem relativ hohen Niveau. Diese strukturellen Charakteristika des deutschen Bankensektors werden in der öffentlichen Diskussion häufig als ein Grund für die im europäischen Vergleich relativ geringe Eigenkapitalrendite und hohe Aufwands-/Ertragsrelation deutscher Banken angeführt (siehe Abbildung 3-5).

Eigenkapitalrendite (nach Steuern)

Aufwands-/Ertragsrelation

68,7% 62,0%

19,1% 16,9%

60,1% 55,5%

17,0%

13,1%

41,8%

9,4%

Deutschland

Italien

Groß- Spanien britannien

Frankreich

Deutschland

Frankreich

Italien

Spanien

Großbritannien

Abbildung 3-5: Eigenkapitalrendite (nach Steuern) und Aufwands-/Ertragsrelation der Banken in ausgewählten europäischen Ländern (Stand: 31.12.2005)138 Ob diese strukturellen Spezifika des deutschen Bankensektors jedoch als Grund für die vergleichsweise geringe Eigenkapitalrendite und hohe Aufwands-/Ertragsrelation deutscher Banken gelten können, ist strittig. Während von einzelnen 138

Eigene Darstellung. Daten basierend auf European Central Bank (2006), S. 63 f. Für die Interpretation der Ergebnisse ist darauf hinzuweisen, dass die Werte auf Grund der unterschiedlichen Rechnungslegungsstandards in den jeweiligen Ländern nur eingeschränkt vergleichbar sind. 41

Vertretern beispielsweise der relativ geringe Konzentrationsgrad als ein Grund angeführt wird, verneinen andere Vertreter diese Argumentation. So zeigt HAUNER in seiner Untersuchung deutscher und österreichischer Banken, dass österreichische Banken (mit einem relativ hohen Konzentrationsgrad) durchschnittlich eine geringere Kosteneffizienz als deutsche Banken (mit einem relativ geringen Konzentrationsgrad) aufweisen.139 Dies kann möglicherweise dadurch erklärt werden, dass ein negativer Zusammenhang zwischen Konzentrationsgrad (als Indikator für Wettbewerb) und Kosteneffizienz zu vermuten ist (sog. „Quiet Life Hypothesis“).140 Auch SCHÜLLER – allerdings im Hinblick auf die Eigenkapitalrendite – bemerkt, dass der Konzentrationsgrad nur sehr eingeschränkt einen Erklärungsbeitrag liefern kann (seine Analysen zeigen lediglich ein Bestimmtheitsmaß von 0,10).141 Insgesamt betrachtet können einzelne strukturelle Faktoren als Gründe für die relativ geringe Eigenkapitalrendite und hohe Aufwands-/Ertragsrelation deutscher Banken in Frage kommen; jedoch sind auch andere Faktoren wie beispielsweise die gesamtwirtschaftliche Situation oder Managementkonzepte zu berücksichtigen, von deren Analyse an dieser Stelle jedoch abgesehen werden soll.142 3.1.2 Übersicht über die Nachfragerstruktur Bei der Darstellung der Nachfragerstruktur im Bankensektor sollen gemäß dem definierten Untersuchungsgegenstand ausschließlich Privatkunden als Nachfragergruppe betrachtet werden. Die strukturelle Entwicklung auf Privatkundenseite ist vor allem durch drei Faktoren geprägt: x Veränderungen der Alters- und Haushaltsgrößenstruktur der Bevölkerung, x Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse der Bevölkerung sowie x gesellschaftlicher Wertewandel.

139 140

141 142

42

Vgl. Hauner (2005), S. 976. Vgl. Hauner (2005), S. 976. Vgl. auch Berger/Hannan (1998), S. 454 ff. Die „Quiet Life Hypothesis“ wurde durch Hicks begründet. Vgl. Hicks (1935), S. 1 ff. Vgl. Schüller (2004), S. 17. Für eine weiterführende Untersuchung der Zusammenhänge von verschiedenen Dimensionen und der Effizienz im Bankensektor siehe z.B. Hauner (2005), S. 969 ff.

Ein aktuell in der Öffentlichkeit häufig diskutiertes Thema ist das des demographischen Wandels. Für die nächsten Jahrzehnte zeichnen sich in der Bevölkerung in Deutschland nachhaltige Veränderungen in der Altersstruktur ab. Gemäß den Schätzungen des Statistischen Bundesamts wird der Anteil der unter 20-Jährigen von ca. 21% im Jahr 2001 auf ca. 16% im Jahr 2050 abnehmen; gleichzeitig nimmt der Anteil der über 59-Jährigen von ca. 24% auf ca. 37% zu (siehe Abbildung 3-6).143

Bevölkerung insges. [Millionen]

69,3

78,1

79,8

82,4

83,1

14,6%

19,9%

20,4%

24,1%

25,6%

55,0%

55,7%

81,2

75,1

34,4%

36,7%

48,5%

47,2%

Altersgruppe  60 Jahre

20-59 Jahre

< 20 Jahre

55,0%

30,4%

1950

50,1%

30,0%

1970

57,9%

21,7%

20,9%

18,7%

17,1%

16,1%

1990

2001

2010

2030

2050

Abbildung 3-6: Entwicklung der Altersstruktur der Bevölkerung in Deutschland (1950-2050)144 Innerhalb der Gruppe der über 59-Jährigen wird der Anteil der über 79-Jährigen von ca. 1% (im Jahr 2001) auf ca. 12% (im Jahr 2050) steigen, bedingt durch die zunehmende Lebenserwartung. Diese Zahlen – wenn auch nur sehr verkürzt dargestellt145 – sollen verdeutlichen, dass zukünftig ein nachhaltiger Wandel in

143 144

145

Vgl. Statistisches Bundesamt (2003), S. 28 ff. Eigene Darstellung. Daten basierend auf Statistisches Bundesamt (2003), S. 31. Ab dem Jahr 2010 Schätzwerte der zehnten koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung (Variante 5 „mittlere“ Bevölkerung: mittlere Wanderungsannahme W2 (jährlicher Saldo 200.000 Personen) und mittlere Lebenserwartungsannahme L2 (durchschnittliche Lebenserwartung im Jahr 2050 bei 81 bzw. 87 Jahren)). Die Bevölkerung insgesamt ist jeweils zum Jahresende ausgewiesen. Zur vertieften Analyse der Entwicklung der Altersstruktur siehe z.B. Statistisches Bundesamt (2003). 43

der Altersstruktur zu erwarten ist, der voraussichtlich auch Implikationen für die Kundensegmentierung mit sich bringt. Neben der Veränderung der Altersstruktur spielt der Wandel in der Haushaltsgrößenstruktur eine wichtige Rolle. Wie aus der Abbildung 3-7 hervorgeht, hat sich diese seit 1970 vor allem zugunsten der Ein- und Zweipersonenhaushalte entwickelt (Anstieg um ca. 19 Prozentpunkte auf ca. 71%) und wird sich wohl auch in Zukunft – wenn auch vermutlich in geringerem Ausmaß – in diese Richtung entwickeln.

4,1% Haushalte mit fünf und mehr Personen

13,0%

10,8%

Vierpersonenhaushalte

15,2%

13,8%

Dreipersonenhaushalte

19,6% 34,1%

Zweipersonenhaushalte

27,1%

Einpersonenhaushalte

25,1% 1970

37,2%

2004

Abbildung 3-7: Entwicklung der Haushaltsstruktur der Bevölkerung in Deutschland (1970-2004)146 Ein weiteres wichtiges Element bei der Beschreibung der Nachfragerstruktur stellen die wirtschaftlichen Verhältnisse der privaten Haushalte dar: So weisen die Haushalte ein durchschnittliches Geldvermögen in Höhe von ca. 104.000 Euro je Haushalt auf.147 Dabei fällt eine zunehmende Diversifizierung der Anla146 147

44

Eigene Darstellung. Daten basierend auf Statistisches Bundesamt (2005). Vgl. Remsperger/Stöß (2005), S. 5. Der Wert gilt für das Jahr 2004. Das durchschnittliche Sachvermögen lag für das Jahr 2004 bei ca. 125.000 Euro je Haushalt. Wird die Verschuldung hinzugenommen, ergibt sich ein durchschnittliches Reinvermögen für das Jahr 2004 von ca. 185.000 Euro. Die genannten Werte sind mit Vorsicht zu interpretieren: es handelt sich um Durchschnittswerte und die Sparquoten der privaten Haushalte sind stark vom Einkommen und der sozialen Stellung der Haupteinkommensbezieher abhängig. Vgl. Remsperger/Stöß (2005), S. 5.

geformen auf, die nachhaltige Implikationen für die Geschäftsaktivitäten der Banken hatte und teilweise noch hat. So waren bis etwa 1980 die Banken die primäre Anlaufstelle für private Ersparnisse: Rund zwei Drittel des Geldvermögens flossen bis dahin in Bankprodukte (mit Spareinlagen als am weitesten verbreiteter Anlageform).148 Die Versicherungen spielten bis zu diesem Zeitpunkt eine eher untergeordnete Rolle; ca. 15% der Geldvermögensbildung erfolgte bei den Lebensversicherungen. In den 80er Jahren vollzog sich ein erheblicher Wandel in der Geldvermögensbildung. Im Zuge dessen sank der Anteil der Banken an der Geldvermögensbildung von ca. 60% auf ca. 40%; der Anteil der Versicherungen und Investmentfonds erhöhte sich parallel. Diese als „Disintermediation“149 bezeichnete Tendenz hielt über die 90er Jahre an150, verlangsamte sich in den letzten Jahren jedoch. So investieren die privaten Haushalte aktuell ca. 30% ihrer finanziellen Ersparnisse bei Banken – im Vordergrund stehen dabei eher kurzfristig orientierte Einlagen.151 Insgesamt bleibt festzuhalten, dass sich das Anlagespektrum der privaten Haushalte seit 1980 deutlich diversifiziert hat. Zugleich ist es auch internationaler geworden: Beispielsweise hat sich der Anteil von Wertpapieren ausländischer Emittenten von 1998 bis 2004 nahezu verdoppelt (von ca. 21% auf ca. 40%).152 Neben den Veränderungen der Alters- und Haushaltsgrößenstruktur sowie der wirtschaftlichen Verhältnisse ist der gesellschaftliche Wertewandel wichtiger Einflussfaktor auf die Kunde-Bank-Beziehung. Den Ausgangspunkt für die Diskussion um den gesellschaftlichen Wertewandel bildete dabei u.a. INGLEHARTS Materialismus-Postmaterialismus-Theorie, die – stark vereinfacht – besagt, dass „materialistische“ Werte (z.B. Wohlstand, Sicherheit) zunehmend durch „postmaterialistische“ Werte (z.B. politische Partizipation, Umweltschutz, Freiheit) abgelöst werden.153 Gründe für den gesellschaftlichen Wertewandel liegen u.a. in einer weitgehenden materiellen Sättigung, einem relativ hohen 148 149 150

151

152 153

Vgl. hierzu und im Folgenden Remsperger/Stöß (2005), S. 7 f. Remsperger/Stöß (2005), S. 8. Gründe für den Bedeutungsgewinn von Versicherungen sind u.a. im Nachholbedarf der ostdeutschen Bevölkerung bei der Absicherung von Risiken sowie in einer relativ hohen Verzinsung der Versicherungsprodukte zu suchen. Der Wert in Höhe von ca. 30% stellt einen Durchschnittswert für die Jahre 2000 bis 2004 dar. Vgl. Remsperger/Stöß (2005), S. 8. Vgl. Remsperger/Stöß (2005), S. 10. Vgl. Inglehart (1977); Inglehart/Klingemann (1996), S. 319 ff. 45

Bildungsniveau sowie dem Ausbau der Kommunikationsmöglichkeiten. Im Zuge dieser Entwicklung sehen sich die Unternehmen und auch die Banken einem gestiegenen Selbstbewusstsein des Nachfragers gegenüber, der eine zunehmend kritische und anspruchsvolle Haltung gegenüber dem Produkt bzw. der Dienstleistung annimmt.154 Der Kunde zeigt sich zunehmend gut informiert und preisbewusst (u.a. bedingt durch die verbesserten Informations- und Vergleichsmöglichkeiten der neuen Medien). Dies äußert sich u.a. in einem zunehmend selektiven Abschlussverhalten der Kunden sowie häufigen Institutswechseln und Mehrfachbankverbindungen.155 Darüber hinaus ist eine zunehmende Individualisierung des Kundenverhaltens erkennbar – das teilweise aus anderen Branchen bereits bekannte „hybride Konsumverhalten“156 zeigt sich auch im Bankensektor und erschwert in der Folge die Einschätzung des Kaufverhaltens und die Prognose der Nachfrage.157 Insgesamt haben die skizzierten Entwicklungen dazu geführt, dass die Anforderungen an die Banken und insbesondere auch an die Kundensegmentierung deutlich gestiegen sind. 3.2 Entwicklungstendenzen auf Anbieter- und Nachfragerseite im Bankensektor in Deutschland 3.2.1 Entwicklungstendenzen auf Anbieterseite Auf der Anbieterseite sollen vor allem drei wesentliche Entwicklungstendenzen beschrieben werden: x Konsolidierung auf nationaler und internationaler Ebene, x Verringerung der Wertschöpfungstiefe158 und Auslagerung von Prozessen sowie 154 155

156

157 158

46

Vgl. Swoboda (1998), S. 37 f. Vgl. Gloystein (1994), S. 145; Oehler (2004a), S. 1 ff.; Oehler (2004b), S. 1 ff.; Alpar/Noll (2006), S. 64 ff. Unter diesem Begriff werden uneinheitliche Konsumstrukturen verstanden, die durch Inkonsistenz und zeitliche Instabilität der Verhaltensmuster gekennzeichnet sind. Vgl. Walter (2000), S. 11. Vgl. Walter (2000), S. 11. Die Wertschöpfungstiefe kann wie folgt definiert werden: „Für ein Unternehmen ist die Leistungstiefe [bzw. Wertschöpfungstiefe, Anm. d. Verf.] durch das Ausmaß bestimmt, in dem benachbarte Leistungsstufen – wie z.B. Entwicklung, Fertigung und Montage von Vorprodukten, weitergehende Montage zu Endprodukten oder die Schritte bis zur Vermarktung und zum Kundendienst – jeweils innerhalb eines Unternehmens erstellt werden.“ Picot (1992), S. 104.

x

Finanzmarktintegration.

Der Bankensektor ist sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene einem Konsolidierungsprozess unterworfen. Als aktuelles Beispiel kann die Übernahme der HypoVereinsbank-Gruppe durch die Unicredit-Gruppe genannt werden. Diese im Herbst 2005 formell abgeschlossene Transaktion war die bisher größte grenzüberschreitende Bankenübernahme in Europa. Weiteres prominentes Beispiel ist die Übernahme der britischen Abbey Bank durch die spanische Santander-Gruppe im Herbst 2004. Neben Übernahmen und Fusionen unter Großbanken kam es aber auch auf Ebene der Privatbankhäuser zu Unternehmensübernahmen: ABN Amro übernahm Ende 2002 die Privatbank Delbrück & Co. und anschließend Bethmann Maffay mit dem Ziel, das Geschäft mit den vermögenden Privatkunden zu stärken. Sal. Oppenheim übernahm zum Jahreswechsel 2004/2005 die BHF-Bank von der ING Group. Darüber hinaus beteiligten sich auch Direktbanken und Versicherungen an der europaweiten Konsolidierung im Bankensektor. Beispielsweise übernahm die ING Group die DiBa im Jahr 2003 von der Beteiligungsgesellschaft der Gewerkschaften, wobei die DiBa mit der Nürnberger Direktbank Entrium verschmolzen wurde. Der anhand dieser Beispiele veranschaulichte Konsolidierungstrend bestätigt sich auch bei Betrachtung der Statistiken der Europäischen Zentralbank: Wurden im Jahr 1995 in der EU noch 9.507 Banken gezählt, reduzierte sich deren Zahl bis zum Jahr 2004 auf 6.406 Banken – eine Verringerung um ca. 33%.159 Insgesamt weist die Statistik der Europäischen Zentralbank 901 Bankenübernahmen und -fusionen im EU-Raum im Zeitraum von 1995 bis 2004 aus.160 Interessant dabei ist, dass parallel die Anzahl der Filialen sogar leicht gestiegen ist (von 162.047 im Jahr 1995 auf 167.644 im Jahr 2003) – ein Hinweis darauf, dass der

159 160

Vgl. European Central Bank (2005), S. 80. In der ausgewiesenen Anzahl der Übernahmen und Fusionen im Bankensektor zwischen 1995 und 2004 sind laut European Central Bank möglicherweise kleinere Transaktionen nicht inkludiert. Die Daten beinhalten sowohl Minderheits- als auch Mehrheitsakquisitionen; bei grenzüberschreitenden Übernahmen und Fusionen sind sowohl Käufer(unternehmen) aus dem EU-Raum als auch außerhalb des EU-Raums berücksichtigt. Vgl. European Central Bank (2005), S. 80. 47

Konsolidierungsprozess überwiegend nicht mit einer Restrukturierung der Filialnetze einhergeht.161 Im Hinblick auf die regionale Verteilung ist zu konstatieren, dass die Mehrzahl der Übernahmen und Fusionen innerhalb der jeweiligen Länder erfolgt – der durchschnittliche Anteil grenzüberschreitender Übernahmen und Fusionen im Zeitraum 1995 bis 2004 liegt bei ca. 23%.162 Dabei haben neben den angestrebten Größen- und Verbundvorteilen auch regulatorische und makroökonomische Faktoren zu dieser Entwicklung beigetragen. So haben u.a. die unter den Begriffen „Basel I“ und „Basel II“ bekannten Vorschläge163 bzw. deren Umsetzung zu einer gewissen Harmonisierung der regulatorischen Bedingungen für die Banken geführt und somit die Übernahme- bzw. Fusionsvoraussetzungen verbessert.164 Darüber hinaus hat auch das relativ günstige makroökonomische Umfeld in den 90er Jahren (u.a. Zinsumfeld, Wirtschaftswachstum) zum Konsolidierungsprozess beigetragen. Eine weitere Entwicklungstendenz im Bankensektor zielt auf die Verringerung der Wertschöpfungstiefe der Banken ab. Der deutsche Bankensektor ist nach wie vor von einer – im Vergleich zu anderen Branchen – relativ hohen Wertschöpfungstiefe gekennzeichnet.165 Der Hauptgrund für diesen relativ hohen Wert wird vor allem in der ausgeprägten vertikalen Integration166 des deutschen Bankensektors gesehen. Dabei ist zu konstatieren, dass sich die Wertschöpfungstiefe im Bankensektor jedoch in den letzten Jahren bereits verringert hat. Durch verschie161

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Zu beachten ist jedoch, dass teilweise eine „Umwidmung“ von Filialen in sog. SB-Geschäftsstellen stattgefunden hat, die weitgehend ohne Mitarbeiterkapazitäten ausgestattet sind. Vgl. European Central Bank (2005), S. 80. Die „Basel I“-Vorschläge beinhalten insbesondere die Unterlegungspflichten für Risikoaktiva. Die „Basel II“-Vorschläge sehen darüber hinaus Publizitäts- und Transparenzanforderungen gegenüber Dritten vor. Für eine vertiefte Betrachtung siehe z.B. Büschgen/Börner (2003), S. 334 ff.; Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber (2004), S. 393 ff. Vgl. Büschgen/Börner (2003), S. 334 ff.; Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber (2004), S. 393 ff. Nach der Untersuchung von Weisser liegt die Wertschöpfungstiefe im Bankensektor in Deutschland bei ca. 51% (kalkuliert für das Jahr 2002). Vgl. Weisser (2004), S. 49. Die Wertschöpfungstiefe wird in diesem Zusammenhang wie folgt berechnet: Bruttowertschöpfung / Bruttoproduktionswert. Vgl. Weisser (2004), S. 48 ff.; Picot (1991), S. 337 f. Unter vertikaler Integration wird überwiegend die Durchführung mehrerer, aufeinander folgender und sequentiell interdependenter Aktivitäten des Leistungserstellungsprozesses innerhalb eines Unternehmens verstanden. Dabei werden Markttransaktionen durch interne Transaktionen ersetzt. Vgl. Weisser (2004), S. 48.

dene Maßnahmen der Auslagerung von Prozessen („Outsourcing“) konnte dieser Wert schrittweise reduziert werden. Dabei stehen vor allem weitgehend standardisierbare Prozesse wie Zahlungsverkehr, Kreditbearbeitung oder Wertpapierabwicklung im Mittelpunkt. Beispielsweise haben verschiedene Landesbanken und private Banken (darunter die Deutsche Bank und die Dresdner Bank) ihre Zahlungsverkehrsprozesse teilweise oder vollständig an das Betriebscenter für Banken Deutschland (BCB) – ein hundertprozentiges Tochterunternehmen der Postbank – ausgelagert.167 Weiterhin kündigte die HypoVereinsbank-Gruppe im Frühjahr 2006 an, die Wertpapierabwicklung für das Privatkundensegment an die International Transaction Services (ITS)168 auszulagern. Ein weiteres Beispiel bildet die Kreditbearbeitung: So hat die staatliche KfW-Bankengruppe Ende 2004 von der Bundesregierung den Auftrag bekommen, die Standardisierung von kleinen und mittleren Krediten in Deutschland voranzutreiben.169 Dabei könnte im Ergebnis die Einrichtung einer „Kreditfabrik“ stehen, die standardisierte Kredite produziert und deren Bearbeitung übernimmt. Eine solche wurde erst im Frühjahr 2006 durch die sächsischen Sparkassen initiiert: Darin werden ca. 70% des Bearbeitungsvolumens des Kreditgeschäfts der sächsischen Sparkassen gebündelt.170 Die Beispiele zeigen, dass eine Tendenz zur Auslagerung von Prozessen erkennbar ist. Bestätigt wird diese Tendenz in einer Befragung des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO), die im Herbst 2005 unter Vorstandsmitgliedern von Banken sowie Führungskräften aus Markt- und Stabsbereichen von Banken durchgeführt wurde.171 Demnach sehen die Untersuchungsteilnehmer die Bündelung von Prozessen sowie Maßnahmen zur Auslagerung von Prozessen als wesentliche Entwicklungstendenzen im Finanzdienstleistungssektor für die folgenden fünf Jahre. Dabei ist zu vermuten, dass sich die Auslagerung auch auf bisher nicht betrachtete Prozesse ausweiten wird: Beispielsweise plant die Postbank bzw. das BCB in naher Zukunft die Abwicklung aller Prozes167 168

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Vgl. hierzu und im Folgenden Hönighaus/Maier (2005). Die ITS ist ein Gemeinschaftsunternehmen von HSBC Trinkaus & Burkhardt und T-Systems (Geschäftskundensparte der Deutschen Telekom). Vgl. Appel (2004), S. 11. Vgl. Schreiber (2006), S. 23. Die Kredite verbleiben dabei jedoch im Portfolio der jeweiligen Sparkasse; ebenso trifft die Sparkasse die eigentliche Kreditentscheidung. Vgl. Schreiber (2006), S. 23. Vgl. hierzu und im Folgenden Engstler/Praeg/Vocke (2006), S. 1. 49

se rund um die Kontoverwaltung anzubieten. Ein anderes Beispiel bieten die sächsischen Sparkassen, die für 2007 eine gemeinsame Risikosteuerung für eine Reihe von Sparkassen planen.172 Neben der Auslagerung von Prozessen im Inland ist eine weitere Entwicklung im Bankensektor festzustellen: Teilweise lagern die Banken unrentable Prozesse in Niedrigkostenländer aus. Beispielsweise plant die Deutsche Bank, bis Ende 2007 die Anzahl der Stellen in der Abwicklung des Wertpapierhandels in Niedrigkostenländern auf ca. 2.000 zu verdreifachen.173 Die Initiative steht im Rahmen eines übergreifenden Planes der Deutschen Bank, der unter dem Namen „Structured Operating Model“ (SOM) die Bündelung von Abwicklungstätigkeiten in sechs Zentren weltweit vorsieht („kundenferne“ Abwicklungstätigkeiten sollen dabei in drei Abwicklungszentren in Bombay, Bangalore und Manila gebündelt werden).174 Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang jedoch auch darauf, dass viele dieser Auslagerungsinitiativen in Niedrigkostenländer nicht erfolgreich sind, „[...] weil die Zielsetzung, die Rezeptur nicht für die jeweilige Unternehmenskonstellation geeignet, der Zeitpunkt für die Strategie falsch gewählt oder der Weg zur Umsetzung der Strategie nicht tragfähig war“175. Eine weitere wesentliche Entwicklung im Bankensektor ist die fortschreitende Finanzmarktintegration. Als wichtigste Meilensteine gelten dabei die durch den Ausschuss für Bankenaufsicht bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel entwickelten Vorschläge, die als „Basel I“ und „Basel II“ bekannt sind.176 Mit diesen Regelungen konnten zusätzliche qualitative Elemente in die Bankenaufsicht eingebracht werden.177 Weiterhin werden die Banken durch die 172 173 174

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Vgl. Schreiber (2006), S. 23. Vgl. hierzu und im Folgenden o.V. (2006a). Die kundennahen Abwicklungstätigkeiten sollen in Frankfurt, New York und London konzentriert werden. Vgl. o.V. (2006a). Kötzle (1997), S. 29. Vgl. u.a. Büschgen/Börner (2003), S. 334 ff.; Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber (2004), S. 393 ff. Die „Basel II“-Vorschläge bzw. die in das deutsche Bankenaufsichtsrecht umgesetzten Regelungen gelten seit dem 01. Januar 2007. Beispielsweise ist die Bankenaufsicht angehalten zu prüfen, ob die bankinternen Strukturen und Prozesse den übernommenen Risiken entsprechen. In diesem Zusammenhang finden sich Regelungen, die mit den Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft (MaK), den Mindestanforderungen an die interne Revision (MaIR) sowie den Mindestanforderungen an das Betreiben von Handelsgeschäften (MaH) übereinstimmen. Vgl. Büschgen/Börner (2003), S. 347 ff.

Publizitäts- und Transparenzvorschriften dazu angehalten, ausreichend Informationen über die Risikolage der Bank zur Verfügung zu stellen – Ziel ist eine verbesserte Kontrolle durch die Finanzmärkte. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass es trotz einer bereits relativ weit fortgeschrittenen Finanzmarktintegration (insbes. auf europäischer Ebene) noch Handlungsbedarf gibt. Denn trotz der „Basel II“-Bestimmungen gelten weltweit weiterhin unterschiedliche Anforderungen an die Eigenkapitalunterlegung. So haben die USA die Implementierung des neuen Baseler Eigenkapitalakkords verschoben, China und Indien lehnen die Implementierung bislang ab. Sofern jedoch große Volkswirtschaften die einzuführenden Standards nicht mittragen, verlieren diese entscheidend an Gewicht. Nichtsdestotrotz stellen die „Basel II“-Regelungen „[...] die bedeutendsten Änderungen für die Bankenaufsicht seit den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts dar und tragen somit zur Vollendung des Binnenmarktes für Finanzdienstleistungen bei“178. Neben den „Basel II“-Regelungen ist aber noch auf eine Reihe weiterer Initiativen hinzuweisen, die wesentlich zur Finanzmarktintegration beitragen: darunter der „Financial Services Action Plan“ (FSAP)179, das Weißbuch der Europäischen Kommission zur Finanzdienstleistungsstrategie 2005 bis 2010180 sowie die Diskussion um eine übergreifende EU-Finanzaufsicht181. Auf diese soll jedoch an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden, da sie nur bedingt relevant für die Fragestellung der vorliegenden Arbeit sind. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Finanzmarktintegration – insbesondere auf europäischer Ebene – bereits relativ weit fortgeschritten ist. Insbesondere im Firmenkundengeschäft und Wertpapierhandel ist von einer relativ hohen Integration auszugehen; im Privatkundensegment ergeben sich jedoch noch Defizite, beispielsweise in der Harmo178 179

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Bundesministerium der Finanzen (2006). Dieser durch die Europäische Kommission im Jahr 1999 entwickelte Aktionsplan bezieht sich vornehmlich auf die Integration der Wertpapiermärkte. Dabei wurde im Hinblick auf Anlegerund Verbraucherschutzfragen auf eine Mindestharmonisierung und gegenseitige Anerkennung von nationalen Bestimmungen abgezielt. Vgl. Europäische Kommission (1999), S. 3 ff. Die im Weißbuch veröffentlichten Regulierungsmaßnahmen sollen helfen, die teilweise konstatierte „Überregulierung“ im europäischen Finanzdienstleistungssektor einzudämmen, indem eine kohärente Implementierung bereits verabschiedeter EU-Richtlinien verfolgt wird. Vgl. Europäische Kommission (2005), S. 1 ff. In diesem Zusammenhang wird als ein erster Schritt die verbesserte Kooperation der Aufsichtsbehörden innerhalb der EU gesehen, die am Ende in ein föderales europäisches System der Finanzaufsicht münden könnte. Vgl. Schrörs (2006), S. 18. 51

nisierung der Produkte.182 Für letzteres Kundensegment plant die Europäische Kommission aktuell den Abbau von Hindernissen für grenzüberschreitende Bankdienstleistungen. Ein erster Ansatzpunkt soll dabei die Schaffung einheitlicher Märkte für Hypothekar- und Konsumentenkredite sein. 3.2.2 Entwicklungstendenzen auf Nachfragerseite Auf Nachfragerseite sind zwei wesentliche Entwicklungstendenzen zu erwähnen: x differenzierte Nutzung von Vertriebs- und Informationskanälen durch die Bankkunden sowie x abnehmende Kundenbindung. Eine Tendenz auf Nachfragerseite bildet die (zunehmend) differenzierte Nutzung von Vertriebs- und Informationskanälen durch die Bankkunden. Zwar stellt die Filiale nach wie vor einen wichtigen Vertriebs- und Informationskanal dar183, jedoch haben mittlerweile zusätzliche Vertriebs- und Informationskanäle wie beispielsweise Online-/Internet-Banking, Telefon-Banking oder SB-Terminals relativ breite Akzeptanz gefunden. Teilweise werden auch neue Formen des Vertriebs (z.B. mobiler Vertrieb) von den Bankkunden nachgefragt.184 Als Reaktion plant eine Reihe von Banken den Ausbau bzw. die Weiterentwicklung der Vertriebs- und Informationskanäle.185 Dabei sind u.a. die Einrichtung sog. Diskretzonen für Beratungsgespräche, neue Dialogplätze für Service und Kundenberatung sowie das Angebot von Zusatzdienstleistungen an SB-Terminals geplant.186 Die Herausforderung für die Banken besteht aber insbesondere in der Koordination dieser unterschiedlichen Vertriebs- und Informationskanäle (insbes. der optimalen Allokation der Ressourcen zu den unterschiedlichen Vertriebskanälen). Diese auch als „Multikanal-Management“ bezeichnete Koordinationsanforderung, d.h. das „ganzheitlich betrachtete und abgestimmte Ent182 183

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Vgl. Brabänder (2005), S. 1; Müller (2006), S. 10. Beispielsweise zeigt eine repräsentative Umfrage des Bundesverbandes deutscher Banken aus dem April 2005, dass für 88% der Befragten die Erreichbarkeit der Filiale wichtig oder sehr wichtig ist. Die persönliche Beratung in der Filiale stufen 84% der Befragten als wichtig oder sehr wichtig ein. Vgl. Bundesverband deutscher Banken (2006). Gemäß der sechsten „Soll & Haben“-Studie des Spiegel-Verlags, des Manager Magazin Verlags und von TNS Infratest im Jahr 2004 präferieren ca. 17% der Befragten eine Bankberatung zu Hause. Im Jahr 2000 lag dieser Wert bei ca. 6%. Vgl. Spiegel (2004). Vgl. Engstler/Praeg/Vocke (2006), S. 1. Vgl. Engstler/Praeg/Vocke (2006), S. 1.

wickeln, Gestalten und Steuern von Produkt- und Informationsflüssen über verschiedene Vertriebskanäle“187 bildet eine wichtige Entwicklungstendenz im Bankensektor, die auch auf die Kundensegmentierung Auswirkungen hat. Eine weitere Entwicklungstendenz auf Nachfragerseite ist die abnehmende Kundenbindung.188 In der Literatur finden sich verschiedene Hinweise, dass für einen Prognosezeitraum von 2005 bis 2009 in Deutschland eine abnehmende Kundenbindung gegenüber den bisherigen Haupt- bzw. Hausbankverbindungen erwartet wird.189 Gemäß einer empirischen Untersuchung von OEHLER besteht bei insgesamt ca. 38% der Bankkunden in Deutschland eine „latente Wechselgefahr“190 (ca. 23%) oder „konkrete Abwanderungsgefahr“191 (ca. 15%).192 Dabei hat sich der Anteil wechselbereiter und abwanderungsgefährdeter Kunden von 1996 bis 2002 insbesondere bei den Genossenschaftsbanken (Steigerung um ca. 7 Prozentpunkte) und den Großbanken (Steigerung um ca. 5 Prozentpunkte) erhöht.193 Als wesentliche Gründe für einen Wechsel der Bank werden seitens der Kunden vor allem hohe Kontoführungsgebühren, falsche bzw. schlechte Beratung, unfreundliches Bankpersonal sowie ungenügende Beschwerdebehandlung genannt.194 Vertriebskanalspezifische Faktoren (z.B. geringe Anzahl der Filialen, ungünstige Öffnungszeiten der Filialen) spielen eine eher untergeordnete Rolle. 3.3 Zusammenfassung und Folgerungen für die Kundensegmentierung Die Struktur und Entwicklungstendenzen im Bankensektor in Deutschland können wie folgt zusammengefasst werden: 187 188

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Wirtz (2002), S. 49. Zu den ökonomischen Implikationen der Kundenbindung u.a. für Banken siehe Reichheld/Sasser Jr. (1990), S. 105 ff. Vgl. z.B. Eilenberger (2004), S. 14. Gemäß der Studie liegt eine „latente Wechselgefahr“ vor, wenn eine Wechselabsicht von Seiten der Person angegeben wird, aber noch kein Wechsel begonnen wurde, oder ein Wechsel ohne Umzugsmotiv durchgeführt und die ursprüngliche Bankverbindung ganz aufgegeben wurde. Vgl. Oehler (2004a), S. 11. Gemäß der Studie liegt eine „konkrete Abwanderungsgefahr“ vor, wenn eine Wechselabsicht von Seiten der Person artikuliert wird und auch ein Wechsel (teilweise) begonnen wurde, oder ein Wechsel ohne Umzugsmotiv durchgeführt wurde und die ursprüngliche Bankverbindung nur teilweise aufgegeben wurde. Vgl. Oehler (2004a), S. 11. Die angegeben Werte beziehen sich jeweils auf das Jahr 2002. Vgl. Oehler (2004a), S. 12. Vgl. Oehler (2004a), S. 12. Vgl. Oehler (2004b), S. 16. 53

Anbieterstruktur: x

Das deutsche Bankensystem weist fünf Gruppen von Geschäftsbanken auf. Dominierend sind die Universalbanken (mit den drei Gruppen: Kreditbanken, Landesbanken und Sparkassen, Genossenschaftliche Zentralbanken und Kreditgenossenschaften) mit einem kumulierten Marktanteil von ca. 80%.

x

Die Anzahl der Banken in Deutschland beträgt aktuell ca. 2.400; seit 1990 ist ein Rückgang der Anzahl der Banken um ca. 49% zu verzeichnen.

x

Der Konzentrationsgrad der deutschen Banken ist vergleichsweise gering (Deutschland mit ca. 22% vs. beispielsweise Großbritannien mit ca. 35% oder Frankreich mit ca. 45%). Darüber hinaus zeigen sich eine relativ hohe Banken- und Filialdichte deutscher Banken.

Nachfragerstruktur: x

In der Alters- und Haushaltsgrößenstruktur der Bevölkerung sind nachhaltige Veränderungen zu beobachten. Der Anteil der unter 20-Jährigen wird voraussichtlich von ca. 21% im Jahr 2001 auf ca. 16% im Jahr 2050 sinken; in demselben Zeitraum wird der Anteil der über 59-Jährigen voraussichtlich von ca. 24% auf ca. 37% steigen. Seit 1970 stieg der Anteil der Ein- und Zweipersonenhaushalte von ca. 52% auf aktuell ca. 71%.

x

Das durchschnittliche Geldvermögen je Haushalt beträgt ca. 104.000 Euro. Dabei ist eine zunehmende Diversifizierung der Anlageformen der Nachfrager zu beobachten. Die privaten Haushalte investieren aktuell ca. 30% ihrer finanziellen Ersparnisse bei Banken – im Vordergrund stehen dabei eher kurzfristig orientierte Einlagen.

x

Die Banken sehen sich einem gestiegenen Selbstbewusstsein der Nachfrager gegenüber, die eine zunehmend kritische und anspruchsvolle Haltung gegenüber dem Produkt bzw. der Dienstleistung annehmen. Damit einher geht eine zunehmende Individualisierung des Kundenverhaltens (sog. „hybrides Konsumverhalten“).

Entwicklungstendenzen auf Anbieterseite: x

54

Ein Konsolidierungsprozess der Banken ist sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene zu beobachten. Die Anzahl der Banken in der EU

hat sich von 1995 bis 2005 um ca. 33% verringert – die Statistik der Europäischen Zentralbank weist 901 Bankenübernahmen und -fusionen für diesen Zeitraum aus. x

Die deutschen Banken reduzieren schrittweise ihre Wertschöpfungstiefe und forcieren eine Auslagerung von unrentablen Prozessen. Im Vordergrund stehen vor allem weitgehend standardisierbare Prozesse (z.B. Zahlungsverkehr, Kreditbearbeitung). Parallel ist eine Auslagerung unrentabler Prozesse in Niedrigkostenländer zu beobachten.

x

Die Finanzmarktintegration ist insbesondere auf europäischer Ebene bereits relativ weit vorangeschritten. Als wichtige Initiativen der Finanzmarktintegration sind „Basel I“ und „Basel II“ zu nennen sowie der „Financial Services Action Plan“ (FSAP).

Entwicklungstendenzen auf Nachfragerseite: x

Es zeichnet sich eine (zunehmend) differenzierte Nutzung von Vertriebsund Informationskanälen durch die Bankkunden ab. Die Herausforderung für die Banken liegt dabei insbesondere in der Koordination der unterschiedlichen Vertriebs- und Informationskanäle (sog. „Multikanal-Management“).

x

Weiterhin ist eine abnehmende Kundenbindung der Bankkunden zu erwarten (ca. 38% der Kunden mit einer „latenten Wechselgefahr“ oder „konkreten Abwanderungsgefahr“). Gründe für die abnehmende Kundenbindung sind vor allem preis- oder qualitätsspezifischer Art (z.B. hohe Kontoführungsgebühren, falsche bzw. schlechte Beratung des Kunden).

Auf Basis der Ausführungen zu Struktur und Entwicklungstendenzen auf Anbieter- und Nachfragerseite im Bankensektor können folgende Folgerungen für die Kundensegmentierung abgeleitet werden: x

Die im Rahmen der Finanzmarktintegration definierten Publizitäts- und Transparenzvorschriften bzw. deren Umsetzung ermöglichen eine Integration zusätzlicher Segmentierungsmerkmale bei den Banken. Beispielsweise entstehen im Rahmen der „Markets in Financial Instruments Directive“

55

(MiFID)195, die einen Bestandteil des „Financial Services Action Plan“ (FSAP) der Europäischen Kommission bildet, Berichtspflichten an die Banken insbesondere hinsichtlich risikospezifischer Kundendaten. Letztere können wiederum (und werden bereits) als Segmentierungsmerkmale in verschiedenen Banken eingesetzt (z.B. Value at Risk der Einzelanlagen des Kunden). x

Die zu erwartenden Veränderungen in der Altersstruktur der Bevölkerung können zu einem Anpassungsbedarf hinsichtlich der Segmente bzw. Segmentierungskriterien führen. Kundengruppen, die bisher als ein Segment betrachtet und bearbeitet wurden, sind möglicherweise im Rahmen der Segmentierung zu differenzieren. Beispielsweise kann es zielführend sein, angesichts der steigenden Anzahl und unterschiedlichen Bedürfnisse der älteren Bevölkerung das bei einer Reihe von Banken zu findende Segment „Senioren“ zu differenzieren. BÜHLER fordert in diesem Zusammenhang von den Banken „[...] die nach wie vor ‚bedarfsheterogene‘ Kundengruppe immer noch differenzierter zu bedienen“196. MOSCHIS, BELLENGER und CURASI weisen in ihrer empirischen Untersuchung darauf hin, dass innerhalb des Segments der über 55-Jährigen wesentliche Unterschiede hinsichtlich der Präferenzen und Bedürfnisse für Finanzdienstleistungsprodukte existieren und schlagen eine Differenzierung der Kundengruppe in vier Segmente vor: „Healthy hermits“, „Ailing outgoers“, „Frail reclusives“, „Healthy indulgers“.197

x

Neben der altersspezifischen Verteilung kann auch die herkunftsspezifische bzw. kulturelle Zusammensetzung der Bevölkerung Implikationen für die Kundensegmentierung haben. Als Beispiel kann die spanische Bank BBVA angeführt werden, die mit ihrer Initiative „Dinero Express“ für die Kundengruppe der Einwanderer eine eigene Segmentierung verfolgt.198 Übertragen

195

196 197 198

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Im Rahmen der MiFID ist eine Ausweitung der bestehenden regulatorischen Anforderungen auf zusätzliche Finanzinstrumente, Dienstleistungen und neue Handelsplattformen geplant. Darüber hinaus etabliert MiFID zusätzliche Regelungen im Bereich der Bereitstellung und Ausführung von Finanzdienstleistungen, um die Integrität und die Transparenz des Finanzsystems sowie den Anlegerschutz im europäischen Finanzmarkt weiter zu verbessern. Vgl. Europäische Kommission (2006). Bühler (2000), S. 749. Vgl. Moschis/Bellenger/Curasi (2003), S. 331 ff. Vgl. BBVA (2005).

auf den deutschen Markt bieten sich mit ca. 7,3 Millionen ausländischen Bürgern in Deutschland199 interessante Ansatzpunkte für deutsche Banken. Durch eine Integration herkunftsspezifischer bzw. kultureller Segmentierungskriterien könnten diese Kundengruppen als Segmente erfasst und segmentspezifisch bearbeitet werden.200 Einen ersten Schritt in diese Richtung hat die Deutsche Bank vollzogen, die die Gruppe der türkischstämmigen Kunden als eigenes Segment in ihrem Segmentierungsansatz jüngst integriert hat und diese im Rahmen der Initiative „Bankamiz“ bearbeitet (u.a. durch den Einsatz zweisprachiger Berater in ausgewählten Filialen).201 x

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Schließlich bildet die differenzierte Nutzung von Informations- und Vertriebskanälen durch die Bankkunden einen Faktor, der möglicherweise Auswirkungen auf die Kundensegmentierung hat. Die Integration vertriebskanalspezifischer Segmentierungsmerkmale (z.B. Häufigkeit und Art der Nutzung unterschiedlicher Vertriebskanäle) könnte ein Ansatzpunkt für Banken sein, die segmentspezifische Kommunikations- und Distributionspolitik effektiver und effizienter zu gestalten.202

Vgl. Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2005). Für eine Diskussion der ethischen Implikationen einer Kundensegmentierung entlang von herkunftsspezifischen oder ethnischen Merkmalen siehe Cui/Choudhury (2003), S. 364 ff. Vgl. o.V. (2006b). Dabei weisen Lindridge und Dibb jedoch auch auf eine mögliche Problematik bei einer solchen Art der Segmentierung hin: „Attempts to market to ethnic minorities will need to address the difficulties in pinpointing a particular minority's behaviour, while accounting for cultural sensitivities to avoid possible accusations of racism.“ Lindridge/Dibb (2002), S. 282. Vgl. auch Pauluhn (2004), S. 171; Jarvinen/Lehtinen/Vuorinen (2003), S. 774. 57

„Nur wer das Ziel kennt, kann treffen.“203 GRIECHISCHES SPRICHWORT

4. Theoretische Grundlagen der Kundensegmentierung und ausgewählte Ansätze zur Kundensegmentierung 4.1 Überblick über den Stand der Forschung zur Kundensegmentierung 4.1.1 Entwicklung und aktueller Stand der Forschung zur Kundensegmentierung im Allgemeinen Nachdem SMITH204 Mitte der 50er Jahre die Grundkonzeption der Kundensegmentierung in der betriebswirtschaftlichen Forschung aufgegriffen hatte, entwickelte sich die Forschung auf diesem Themengebiet in der Betriebswirtschaft und insbesondere in der Marketingtheorie relativ schnell. Als frühe Vertreter sind vor allem YANKELOVICH, BARNETT, SHETH, WILKIE und COHEN sowie WIND zu nennen, die die Kundensegmentierung konzeptionell und methodisch entscheidend weiterentwickelt haben.205 So erfuhr das Konzept der Kundensegmentierung bereits Ende der 70er Jahre relativ große Beachtung: „Market segmentation has been steadily moving toward center stage as a topic for discussion in marketing and research circles.“206 Nach einer Phase, die primär auf die grundlegende wissenschaftliche Fundierung der Kundensegmentierung abzielte, befasste sich die Forschung mit der Konzeption konkreter Segmentierungsansätze – teilweise branchenspezifischer Art (z.B. Konsumgüterindustrie, Finanzdienstleistungssektor), teilweise branchenübergreifender Art. Die Entwicklung der Segmentierungsansätze kann dabei anhand von zwei Aspekten verfolgt werden: Segmentierungsvorgehen und Segmentierungskriterien. So sind die frühen Segmentierungsansätze überwiegend durch eine „A 203 204 205

206

58

Zitiert nach Kotler/Bliemel (2005), S. 415. Vgl. Smith (1956), S. 3 ff. Vgl. Yankelovich (1964), S. 83 ff.; Barnett (1969), S. 152 ff.; Sheth (1974), S. 148 ff.; Sheth (1977), S. 129 ff.; Wilkie/Cohen (1977); Wind (1978), S. 317 ff. Haley (1968), S. 30.

priori“-Vorgehensweise geprägt.207 Bei dieser Vorgehensweise erfolgt die Festlegung der segmentbildenden Variablen im Voraus. Die Segmente werden anschließend über Hintergrundvariablen (sog. passive Segmentierungskriterien) beschrieben. Zunehmend entwickelten sich Segmentierungsansätze, die eine „Post hoc“-Vorgehensweise verfolgten. Dabei sind im Gegensatz zu der „A priori“-Vorgehensweise die Segmentierungskriterien, die Anzahl der Segmente sowie die Segmentcharakteristika vorab nicht bekannt. Häufig kommt eine Vielzahl von Segmentierungskriterien (z.B. Einstellungen, Motive, Lebensstile) zum Einsatz. Diese Entwicklung wurde begleitet durch den vermehrten Einsatz multivariater Analysemethoden (z.B. Clusteranalyse, Faktorenanalyse)208 sowie von Data-Mining209-Verfahren (z.B. Entscheidungsbaumverfahren, neuronales Netz)210 in der jüngeren Vergangenheit; letztere ermöglichen vor allem die Identifikation interessanter Muster des Kundenverhaltens und eignen sich auch für die Analyse großer Datenmengen. Neben dem Segmentierungsvorgehen kann die Entwicklung der Segmentierungsansätze anhand der Segmentierungskriterien veranschaulicht werden. Während sich die frühen Segmentierungsansätze vor allem auf demographische und/oder sozioökonomische Segmentierungskriterien stützten211, finden sich in der aktuellen Forschung insbesondere verhaltensorientierte und psychographische Segmentierungskriterien oder Kombinationen aus mehreren Arten von

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Für eine Definition und Abgrenzung der „A priori“-Vorgehensweise im Rahmen der Kundensegmentierung siehe Green (1977), S. 64 ff. Die „A priori“-Vorgehensweise ist abzugrenzen von der „Post hoc“-Vorgehensweise. Letztere wird in der Literatur vereinzelt auch als „A posteriori“-Vorgehensweise bezeichnet. Green schlägt ergänzend eine sog. „Hybrid Segmentation“ vor, die sich sowohl aus „A priori“- als auch aus „Post hoc“-Vorgehensweise zusammensetzt. Vgl. Green (1977), S. 64 ff. Einen Überblick über unterschiedliche multivariate Analysemethoden geben z.B. Berekoven/ Eckert/Ellenrieder (2006), S. 209 ff. In der Literatur findet sich eine ganze Reihe von unterschiedlichen Definitionen des Data Mining. Beispielhaft soll die Definition von Geng und Hamilton herausgegriffen werden: „Data mining can be regarded as an algorithmic process that takes data as input and yields patterns such as classification rules, association rules, or summaries as output.“ Geng/Hamilton (2006), S. 1. Für eine Übersicht der unterschiedlichen Data-Mining-Verfahren siehe z.B. Gentsch et al. (2000), S. 24 ff. Als Sonderform sind geographische Segmentierungskriterien zu nennen, die wohl als die früheste Form der Segmentierungskriterien gelten. Vgl. Haley (1968), S. 30; Tynan/Drayton (1987), S. 307. 59

Segmentierungskriterien.212 Diese Wandlung in der Art der eingesetzten Segmentierungskriterien lag vor allem in der Erkenntnis begründet, dass sich erstere Variablen eher als deskriptive denn als kausale Segmentierungskriterien eignen.213 Von den unterschiedlichen Segmentierungsansätzen sind vor allem drei spezifische Ansätze zu nennen, die in der Wissenschaft intensiv diskutiert wurden: Dabei ist zunächst die „Benefit Segmentation“214 zu nennen, die im Wesentlichen durch HALEY begründet wurde.215 Grundgedanke ist dabei folgender: „The belief underlying this segmentation strategy is that the benefits which people are seeking in consuming a given product are the basic reasons for the existence of true market segments.“216 Als Segmentierungskriterien kommen vor allem Motivationen, Perzeptionen, Anforderungen oder Präferenzen der Nachfrager hinsichtlich einer bestimmten Marke, eines bestimmten Produkts o.Ä. zum Einsatz. Für den Finanzdienstleistungssektor können beispielhaft die Untersuchungen von MINHAS und JACOBS sowie ALFANSI und SARGEANT zitiert werden, die eine Clusterung der Nachfrager anhand von Anforderungen und Präferenzen hinsichtlich einzelner Produkte bzw. Dienstleistungen von Finanzdienstleistungsbetrieben vornehmen.217 Die wesentlichen Vorteile einer solchen Art der Segmentierung werden vor allem in ihrer Kaufverhaltensrelevanz gesehen.218 Nachteile liegen dagegen in ihrer relativ komplexen Operationalisierung 212

213

214

215 216 217 218

60

Für eine Systematisierung und Beschreibung der unterschiedlichen Arten der Segmentierungskriterien siehe Abschnitt 4.4.1. In einer Reihe von Untersuchungen konnte die relativ geringe Erklärungskraft von demographischen und sozioökonomischen Variablen hinsichtlich des Kaufverhaltens festgestellt werden. Vgl. z.B. Frank (1967), S. 48 ff. mit Bezug auf Lebensmittelprodukte; Javalgi/Dion (1999), S. 75 und Alfansi/Sargeant (2000), S. 65 mit Bezug auf Finanzdienstleistungsprodukte. Die „Benefit Segmentation“ wird vereinzelt auch als „Needs Segmentation“ bezeichnet. Vgl. z.B. Greenberg/Schwartz McDonald (1989), S. 29 ff. Vgl. Haley (1968), S. 30 ff. Haley (1968), S. 31. Vgl. Minhas/Jacobs (1996), S. 3 ff.; Alfansi/Sargeant (2000), S. 64 ff. Beispielsweise wurden in einer Untersuchung „Benefit Segmentation“, Segmentierungen nach Einstellungen sowie Segmentierungen nach Persönlichkeit sowie Lebensstil der Nachfrager verglichen. In 19 Fällen stellte sich die „Benefit Segmentation“, in 15 Fällen die Segmentierungen nach Einstellungen der Nachfrager und in drei Fällen die Segmentierungen nach Persönlichkeit und Lebensstil der Nachfrager als jeweils vorteilhafteste Art der Segmentierung heraus. Die Untersuchung erfolgte mittels Diskriminanzanalyse; gemessen wurden die Art und Volumina der genutzten Produkte und die Perzeption der jeweiligen Marke in den einzelnen Segmenten. Vgl. Haley (1983), S. 8 mit der dort zitierten Literatur.

(z.B. Notwendigkeit der Identifikation geeigneter „Benefit“-Dimensionen im Rahmen umfassender Vorstudien).219 Weiterhin ist das Konzept der „Lifestyle“-Segmentierung zu nennen. Ausgangshypothese dieser Segmentierungsansätze ist, dass die Menschen weitgehend nach etablierten Gewohnheiten und Einstellungen leben, die u.U. Rückschlüsse auf ihr jeweiliges Kaufverhalten zulassen.220 Als Segmentierungskriterien werden vor allem Motive des (Konsum-)Verhaltens, Wertvorstellungen oder Lebensmaxime herangezogen – vor diesem Hintergrund bezeichnen BEREKOVEN, ECKERT und ELLENRIEDER diesen auch als „primär soziopsychologischen Ansatz“221. Ziel ist eine möglichst umfassende Abbildung des Lebensstils/der Lebenswelt der Nachfrager. Beispielhaft können BURNETTS AIO-Ansatz222 sowie die Sinus-Milieus223 von SINUS SOCIOVISION genannt werden.224 Für den Finanzdienstleistungssektor kann die ibi-Finanztypologie225 zitiert werden.226 Zwar zeigt diese Art der Segmentierungsansätze eine höhere Kaufverhaltensrelevanz als beispielsweise Segmentierungsansätze nach demographischen und sozioökonomischen Merkmalen227, dennoch überwiegt die Kritik auf Grund ihrer relativ geringen Aussagefähigkeit für die Marktbearbeitung sowie möglicher Schwierigkeiten bei der Operationalisierung.228 Als drittes sind die Lebenszyklus-Ansätze zu erwähnen. Grundlegende Hypothese dieser Segmentierungsansätze ist, dass die Bedarfe der Nachfrager und deren Realisierbarkeit wesentlich von der Lebensphase des jeweiligen Nachfragers abhängen. Als Segmentierungskriterien werden typischerweise Merkmale wie 219 220 221 222 223

224 225 226

227 228

Vgl. z.B. Haley (1968), S. 32; Alfansi/Sargeant (2000), S. 72. Vgl. Berekoven/Eckert/Ellenrieder (2006), S. 247. Berekoven/Eckert/Ellenrieder (2006), S. 247. AIO steht für Activities, Interests, Opinions. Im Rahmen der Sinus-Milieus werden sowohl grundlegende Wertorientierungen als auch Einstellungen zu Arbeit, Familie, Freizeit, Geld und Konsum gemessen. Im Ergebnis stehen zehn unterschiedliche Sinus-Milieus für Deutschland (z.B. Hedonisten, Experimentalisten, Konservative, Etablierte, Postmaterielle, Bürgerliche Mitte). Vgl. Sinus Sociovision (2006). Vgl. Berekoven/Eckert/Ellenrieder (2006), S. 247. ibi steht für Institut für Bankinformatik und Bankstrategie. Vgl. Grebe/Kreuzer (1997), S. 6 ff. Die ibi-Finanztypologie wird in Kapitel 4.5 beschrieben und bewertet. Vgl. Elliott/Glynn (1998), S. 39. Vgl. Haley (1983), S. 8; Elliott/Glynn (1998), S. 40; Berekoven/Eckert/Ellenrieder (2006), S. 247. 61

Alter, Geschlecht, Beruf, Familienstand, Anzahl und Alter der Kinder herangezogen – somit können diese Ansätze als eine Art Weiterentwicklung der frühen eindimensionalen Ansätze gesehen werden, die sich ausschließlich auf ein „lebensphasenorientiertes“ Segmentierungsmerkmal (z.B. Alter) beschränkten. Als prominentes Beispiel kann der Lebenswelt-Ansatz der GfK-Gruppe angeführt werden, der elf Lebensphasen von der Ausbildung bis hin zum Ruhestand vorsieht. Für den Finanzdienstleistungssektor kann der Segmentierungsansatz von JAVALGI und DION beispielhaft zitiert werden.229 Insbesondere durch die Kombination unterschiedlicher demographischer und sozioökonomischer Segmentierungsmerkmale wird diesen Ansätzen zur Kundensegmentierung eine relativ hohe Kaufverhaltensrelevanz, u.a. für Finanzdienstleistungsprodukte, eingeräumt.230 Neben den drei genannten Ansätzen finden sich in der Literatur einzelne, auf den ersten Blick etwas abwegig erscheinende Segmentierungsvorschläge. Beispielsweise schlägt MITCHELL eine Segmentierung nach astrologischen Merkmalen vor231. JAMES, MCMELLON und TORRES-BAUMGARTEN stellen unter dem Titel „Dogs and cats rule: A new insight into segmentation“232 eine Segmentierung anhand des Besitzes von Haustieren vor. Mögen diese Vorschläge auch etwas abwegig erscheinen, so weisen sie doch auf ein wichtiges Problemfeld der Kundensegmentierung hin. Denn oft sind es nicht so sehr die Segmentierungskriterien, die zu kritisieren sind, sondern der generelle unkritische Umgang mit Segmentierungsvorschlägen und eine oftmals unzureichende Bewertung, ob diese den Anforderungen an die Kundensegmentierung genügen (z.B. Kaufverhaltensrelevanz, Aussagefähigkeit für die Marktbearbeitung, Umsetzbarkeit, Wirtschaftlichkeit)233. Vor diesem Hintergrund wird von verschiedenen Vertretern eine zunehmend kritische und systematische Prüfung von Segmentierungsvorschlägen gefordert.234

229

230 231 232 233 234

62

Vgl. Javalgi/Dion (1999), S. 74 ff. Der Segmentierungsansatz von Javalgi und Dion wird in Kapitel 4.5 beschrieben und bewertet. Vgl. z.B. Javalgi/Dion (1999), S. 75. Vgl. Mitchell (1995), S. 48 ff. Vgl. James/McMellon/Torres-Baumgarten (2004), S. 70 ff. Auf die Anforderungen der Kundensegmentierung soll in Kapitel 4.3 eingegangen werden. Vgl. z.B. Wright (1996), S. 18 ff.

Zusätzlich zu der angeführten Problematik weisen einzelne Vertreter auch auf Grenzen der Kundensegmentierung hin. YOUNG, OTT und FEIGIN betonen, dass im Falle zu kleiner Märkte oder einer marktbeherrschenden Stellung eines Produkts oder einer Marke eine Segmentierung nicht sinnvoll sei.235 RESNIK, TURNEY und MASON mahnen die „Übersegmentierung“ einzelner Märkte an, bei der die Produktions- und Marketingaufwendungen eine allzu differenzierte Segmentierung nicht rechtfertigten.236 Diese Punkte mögen valide sein, jedoch gelten sie nur für eine eingeschränkte Anzahl von Fällen und bedeuten keine grundlegende Limitierung des Konzepts der Kundensegmentierung. Werden die Ansätze zur Segmentierung bzw. die Untersuchungen zu diesem Themengebiet insgesamt betrachtet, kann keine „überlegene“ Segmentierung identifiziert werden. Zwar zeichnen sich einige der angeführten Ansätze zur Segmentierung (z.B. Segmentierung nach psychographischen Merkmalen, „Benefit Segmentation“, Lebenszyklus-Segmentierung) durch eine gewisse Vorteilhaftigkeit hinsichtlich ihrer Kaufverhaltensrelevanz und ihrer Aussagefähigkeit für die Marktbearbeitung gegenüber anderen Ansätzen zur Segmentierung aus, gleichzeitig sind sie aber auch mit Nachteilen beispielsweise in ihrer Operationalisierung belegt. Welcher dieser Ansätze zur Kundensegmentierung jedoch die Anforderungen an die Kundensegmentierung insgesamt am besten erfüllt, darüber herrscht nach wie vor Uneinigkeit: „While some experts proclaim the praises of the psychographic slice (i.e., attitudes, lifestyles), others insist that needs-based segments work best as a proxy for behavioral insight.“237 Diese Uneinigkeit mag auch damit zusammenhängen, dass Bewertungen und Vergleiche von Segmentierungsansätzen sich meist nur auf die Prüfung einzelner Anforderungen (z.B. Kaufverhaltensrelevanz)238 oder Teile dieser Anforderungen (z.B. Hinweise für die segmentspezifische Gestaltung der Marketinginstrumente als Teil der Anforderung Aussagefähigkeit für die Marktbearbeitung)239 konzentrieren.

235 236 237 238 239

Vgl. Young/Ott/Feigin (1978), S. 405. Vgl. Resnik/Turney/Mason (1979), S. 100 ff. Bielski (2006), S. 45. Vgl. z.B. Haley (1983), S. 8; Javalgi/Dion (1999), S. 80 ff.; Machauer/Morgner (1999), S. 14 ff. Vgl. z.B. Elliott/Glynn (1998), S. 46 ff.; Richter-Mundani (1999), S. 163 ff. 63

In methodischer Hinsicht kann die Anwendung von Data-Mining-Verfahren als „State of the art“ in der Segmentierung bezeichnet werden. Diese werden möglicherweise zukünftig noch ergänzt durch das sog. „Text Mining“, das u.a. mittels der Nutzung von Methoden aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz die Analyse unstrukturierter, textueller Daten ermöglicht.240 Diese textuellen Daten können wiederum als zusätzliche Segmentierungskriterien eingesetzt werden. Festzuhalten bleibt, dass, um eine valide Aussage zu treffen, die Segmentierungsansätze hinsichtlich aller wesentlichen Anforderungen an die Kundensegmentierung zu bewerten sind – ein Anspruch, dem in der folgenden Bewertung ausgewählter Segmentierungsansätze zumindest auf qualitativer Basis versucht wurde Rechnung zu tragen. Darüber hinaus ist die Anwendung und Eignung der Segmentierungsansätze auch immer abhängig von den jeweiligen Zielen und der jeweiligen Situation der Kundensegmentierung – eine Fragestellung, die im Mittelpunkt der empirischen Untersuchung dieser Arbeit steht. In ähnlicher Weise argumentiert auch WIND: „In contrast to the theory of segmentation that implies that there is a single best [Hervorhebung im Original] way of segmenting a market, the range and variety of marketing decisions suggest that any attempt to use a single basis for segmentation (such as psychographic, brand preference, or product usage) for all [Hervorhebung im Original] marketing decisions may result in incorrect marketing decisions as well as a waste of resources.“241 4.1.2 Überblick über den Stand der Forschung zur Kundensegmentierung im Finanzdienstleistungssektor Die Forschung zur Kundensegmentierung im Finanzdienstleistungssektor242 hat sich seit Beginn der 70er Jahre entwickelt. Als wichtige Vertreter auf diesem Themengebiet sind vor allem ANDERSON, COX III und FULCHER, SPEED und SMITH, ELLIOTT und GLYNN, MEADOWS und DIBB sowie JAVALGI und DION zu nennen.243 Wird die Entwicklung der Segmentierungsansätze im 240 241 242

243

64

Vgl. Gentsch et al. (2000), S. 224. Wind (1978), S. 319. Die folgenden Ausführungen sollen sich gemäß dem dieser Arbeit zu Grunde liegenden Untersuchungsgegenstand ausschließlich auf die Kundensegmentierung im Privatkundensegment beziehen. Vgl. Anderson/Cox III/Fulcher (1976), S. 40 ff.; Speed/Smith (1992), S. 368 ff.; Elliott/Glynn (1998), S. 38 ff.; Meadows/Dibb (1998), S. 45 ff.; Javalgi/Dion (1999), S. 74 ff.

Finanzdienstleistungssektor anhand der jeweils eingesetzten Segmentierungskriterien verfolgt, so ist zu beobachten, dass sich die Segmentierungsansätze – ähnlich wie die Segmentierungsansätze in anderen Branchen – von zunächst überwiegend demographisch, sozioökonomisch orientierten hin zu psychographisch orientierten Segmentierungsansätzen entwickelt haben. Als frühe Beispiele von psychographischen Segmentierungsansätzen im Finanzdienstleistungssektor können die Decision-Oriented-Research-Typologie des Deutschen Sparkassenund Giroverbandes244 sowie der Segmentierungsansatz von THIESING245 genannt werden.246 Versucht man die Forschung zur Kundensegmentierung bzw. die Ansätze zur Kundensegmentierung im Finanzdienstleistungssektor zu systematisieren, bietet sich eine Einteilung anhand des Segmentierungsvorgehens an. So können insbesondere zwei Gruppen von Segmentierungsansätzen im Finanzdienstleistungssektor unterschieden werden: x Eine erste Gruppe, die einer „A priori“-Vorgehensweise bei der Segmentierung folgt. Im Mittelpunkt dieser Ansätze zur Kundensegmentierung steht weniger die Erklärung des Kaufverhaltens, als vielmehr die Entwicklung möglichst trennscharfer Segmente. Als Segmentierungskriterien werden überwiegend demographische, sozioökonomische und verhaltensorientierte Merkmale eingesetzt. Für die gebildeten Segmente werden i.d.R. über Häufigkeitsverteilungen die Produktnutzung (grob) beschrieben und daraus Empfehlungen abgeleitet, wie auf die beobachteten Tendenzen im Rahmen der Marktbearbeitung reagiert werden kann. Als wesentlicher Kritikpunkt dieser Ansätze zur Kundensegmentierung kann angeführt werden, dass diese zwar mögliche signifikante Unterschiede in den Merkmalsausprägungen der Produktnutzung zwischen den Segmenten aufzeigen, jedoch nicht das Kaufverhalten erklären. Einige, insbesondere die frühen Segmentierungsansätze, erinnern in ihrer „A priori“-Vorgehensweise auch daran, was BURNETT als einen von fünf wesentlichen Irrtümern im Marketing charakterisierte: „The first fallacy is that the people already in the marketing field are the ones who

244 245 246

Vgl. Swoboda (1998), S. 125. Vgl. Thiesing (1986), S. 214 ff. Sowohl die DOR-Typologie als auch der Segmentierungsansatz von Thiesing werden in Kapitel 4.5 beschrieben und bewertet. 65

x

247 248

66

understand it best and know what the potential customer wants.“247 Der erste Teil von Tabelle 4-1 gibt einen Überblick über wichtige in der Literatur identifizierte Segmentierungsansätze, die eine „A priori“-Vorgehensweise aufweisen. Daneben findet sich eine zweite Gruppe, die einer „Post hoc“Vorgehensweise bei der Segmentierung folgt. Diese Ansätze zur Kundensegmentierung fokussieren auf die Bildung möglichst kaufverhaltensrelevanter Segmente. Häufig werden im Rahmen einer Vorstudie geeignete Dimensionen für die Erklärung des Kaufverhaltens ermittelt (z.B. Ermittlung von Einstellungsdimensionen mittels Faktorenanalyse). Auf Basis dieser Dimensionen erfolgt eine Befragung von Nachfragern und die anschließende Auswertung der Daten unter Anwendung multivariater Analyseverfahren (z.B. Clusteranalyse, Faktorenanalyse). Eine mögliche Problematik bei diesen Ansätzen zur Kundensegmentierung bildet vor allem die Bestimmung „natürlicher“ kaufverhaltensrelevanter Cluster. So bemerken auch SPEED und SMITH: „It is difficult therefore to determine whether or not the segments identified are ‚natural clusters‘ and whether they truly identify similar buyer behaviour in financial services.“248 Darüber hinaus können Schwierigkeiten in der Zugänglichkeit der Segmente entstehen; die – häufig über psychographische und/oder verhaltensorientierte Segmentierungskriterien ermittelten – Segmente sind i.d.R. für die kommunikationsspezifischen Marketinginstrumente (insbes. bei der Auswahl der Werbeträger) nur bedingt abbildbar. Wesentliche, in der Literatur identifizierte Segmentierungsansätze, die eine „Post hoc“-Vorgehensweise verfolgen, sind im zweiten Teil von Tabelle 4-1 aufgeführt.

Burnett (1966), S. 2. Speed/Smith (1992), S. 373.

Verfasser bzw. Herausgeber (Erscheinungsjahr)

Segmentierungsfokus

Segmentierungskriterien

Segmentierungsmethodik

„A priori“-Vorgehensweise SLOCUM und MATHEWS (1970)

Segmentierung nach sozialer Stellung und Einkommen von Kreditkartenkunden

Demographische, sozioökonomische

Portfolio

AWH und WATERS (1974)

Segmentierung von aktiven und inaktiven Nutzern von Charge-Cards249

Demographische, sozioökonomische, verhaltensorientierte und psychographische

Diskriminanzanalyse

FITTS und KARSON (1977)

Segmentierung von Kunden und Nicht-Kunden von Universalbanken

Demographische, sozioökonomische und verhaltensorientierte

Regressionsanalyse

DEUTSCHER SPARKASSEN- UND GIROVERBAND – Alter+EinkommenTypologie (1981)

Segmentierung nach Alter und Einkommen von Bankkunden

Demographische, sozioökonomische

Portfolio

STORBACKA (1997)

Segmentierung nach Volumen und Profitabilität von Bankkunden

Verhaltensorientierte, ergebnisorientierte

Portfolio

ELLIOTT und GLYNN (1998)

Segmentierung nach Kundenwert und Beziehungsintensität von Bankkunden

Demographische, sozioökonomische, verhaltensorientierte und ergebnisorientierte

Portfolio

JAVALGI und DION (1999)

Segmentierung nach Lebenszyklus von Bankkunden

Demographische, sozioökonomische

Entscheidungsbaumverfahren

RICHTERMUNDANI (1999)

Segmentierung nach Interaktionstypen von Bankkunden

Verhaltensorientierte

Qualitative Analyse

249

Für Charge-Cards existiert im Deutschen keine geeignete Begrifflichkeit. Es handelt sich dabei um Kreditkarten ohne Kreditfunktion. Dabei werden die im Laufe der Abrechnungsperiode durch den Karteninhaber vorgenommenen Zahlungen bis zur Rechnungsstellung kumuliert und am Ende der Abrechnungsperiode in einer Summe von dem Girokonto des Karteninhabers eingezogen bzw. von dem Karteninhaber überwiesen. Vgl. Deutsche Bundesbank (2006c), S. 8. 67

ANDRONIKIDIS und DIMITRIADIS (2003)

Segmentierung nach ethnischen/kulturellen Merkmalen von Bankkunden

Verhaltensorientierte und psychographische

Qualitative Analyse

„Post hoc“-Vorgehensweise FRY ET AL. (1973)

Segmentierung nach Kundenbindung von Bankkunden

Sozioökonomische und verhaltensorientierte

Regressionsanalyse

DEUTSCHER SPARKASSEN- UND GIROVERBAND– Decision-OrientedResearch-Typologie (1975)

Segmentierung nach Einstellungen von Bankkunden zu unterschiedlichen Finanzfragen

Psychographische

Clusteranalyse

ANDERSON, COX III und FULCHER (1976)

Segmentierung nach Auswahlkriterien von Bankkunden

Demographische, sozioökonomische und verhaltensorientierte

Clusteranalyse

CALANTONE und SAWYER (1978)

Segmentierung nach Stabilität von Nutzen-Segmenten von Bankkunden

Demographische, sozioökonomische und verhaltensorientierte und psychographische

Clusteranalyse, Faktorenanalyse

THIESING (1986)

Segmentierung nach Einstellungen von Bankkunden (Gegenüberstellung der „Idealbank“ mit der tatsächlichen Bank)

Psychographische

Clusteranalyse

STANLEY, MOSCHIS und DANKO (1987)

Segmentierung von „Affluent“-Bankkunden

Verhaltensorientierte

Clusteranalyse

KÜSPERT (1992)

Segmentierung nach Lebenszyklus von Bankkunden

Demographische, sozioökonomische und verhaltensorientierte

Clusteranalyse

MINHAS und JACOBS (1996)

„Benefit Segmentation“ von Bausparkassenkunden

Verhaltensorientierte

Faktorenanalyse

RAMASWAMY, CHATTERJEE und COHEN (1996)

„Benefit Segmentation“ von Bankkunden

Verhaltensorientierte

Clusteranalyse

INSTITUT FÜR BANKINFORMATIK

Segmentierung nach Einstellungen von Bankkun-

Demographische, sozioökonomische

Unterschiedliche multivariate

68

– ibi-Finanztypologie (1997)

den hinsichtlich Technologie, Umgang mit Finanzfragen sowie Lebenswelt

und psychographische

Analysemethoden

ALLGEMEINE DEUTSCHE DIREKTBANK, CAPITAL und PSYCHONOMICS – Studie Private Finanzen 2000 (1998)

Segmentierung nach Einstellungen von Bankkunden hinsichtlich Finanzfragen und Risiko

Psychographische

Unterschiedliche multivariate Analysemethoden

MACHAUER und MORGNER (1999)

Segmentierung nach Einstellungen von Bankkunden u.a. hinsichtlich Technologie und Information

Psychographische

Clusteranalyse

ALFANSI und SARGEANT (2000)

„Benefit Segmentation“ von Bankkunden

Verhaltensorientierte und psychographische

Clusteranalyse

STUHLDREIER (2002)

Segmentierung nach Einstellungen von Bankkunden u.a. hinsichtlich Direktvertrieb

Demographische, sozioökonomische und psychographische

Clusteranalyse

ZUR BRÜGGE (2003)

Segmentierung nach Präferenzen, Zufriedenheit, Produktnutzung und Ergebnisbeiträgen von Freiberuflern

Demographische, sozioökonomische und psychographische

Clusteranalyse

BEEMELMANN (2005)

Segmentierung nach Einstellungen privater Anleger hinsichtlich Wertpapiergeschäften

Demographische, sozioökonomische, verhaltensorientierte und psychographische

FuzzyDatenanalyse

Tabelle 4-1: Überblick über wesentliche, in der Literatur identifizierte Segmentierungsansätze im Finanzdienstleistungssektor250 Wird ausschließlich die aktuelle Forschung zur Kundensegmentierung im Finanzdienstleistungssektor analysiert, sind zwei wesentliche Entwicklungen zu erkennen, die sich vor allem auf die Richtung der Forschung beziehen (siehe Abbildung 4-1).

250

Eigene Darstellung. 69

Forschung zur Kundensegmentierung im Finanzdienstleistungssektor – Beispiele Konzeptions-/ Planungsphase

Implementierungsphase

Steuerungs-/ Kontrollphase

DIBB/SIMKIN (1997) Schwerpunkt: Untersuchung der Anwendungspraxis (insbes. MEADOWS/DIBB (1998) Implementierungsphase) von Ansätzen zur Kundensegmentierung

Schwerpunkt: Entwicklung neuer Ansätze zur Kundensegmentierung für spezifische Kundengruppen, Produktgruppen o.Ä. MINHAS/JACOBS (1996) ALFANSI/SARGEANT (2000) ANDRONIKIDIS/DIMITRIADIS (2003) ZUR BRÜGGE (2003) BEEMELMANN (2005)

Abbildung 4-1: Richtungen der Forschung in der aktuellen Forschung zur Kundensegmentierung im Finanzdienstleistungssektor251 Zunächst kann eine aktuell vorherrschende Richtung der Forschung beobachtet werden, die eine weitere Spezialisierung der Ansätze zur Kundensegmentierung anstrebt, indem sie neue Segmentierungsansätze für spezifische Kundengruppen, Produktgruppen, Länder o.Ä. entwickelt. Als Beispiele können der Segmentierungsansatz von ZUR BRÜGGE (Segmentierung von Freiberuflern), der Segmentierungsansatz von BEEMELMANN (Segmentierung für das Wertpapiergeschäft) sowie der Segmentierungsansatz von ALFANSI und SARGEANT (Segmentierung von Bankkunden in Indonesien) innerhalb des Finanzdienstleistungssektors genannt werden.252 Diese Ansätze zur Kundensegmentierung befassen sich ausschließlich mit der Konzeptions-/Planungsphase der Kundensegmentierung (insbes. der Wahl geeigneter Segmentierungskriterien und -methoden). Weiterhin kann eine noch in den Anfängen befindliche Richtung der Forschung identifiziert werden, die weniger die Entwicklung neuer Segmentierungsansätze 251 252

70

Eigene Darstellung. Vgl. Alfansi/Sargeant (2000), S. 64 ff.; zur Brügge (2003); Beemelmann (2005).

sucht als vielmehr die Anwendungspraxis von Segmentierungsansätzen, insbesondere die Implementierungsphase der Kundensegmentierung, empirisch untersucht. Hierzu finden sich in der Literatur bisher nur die Untersuchung von MEADOWS und DIBB, die am Beispiel von vier britischen Banken die Hindernisse der Kundensegmentierung in der Implementierungsphase aufzeigen253 sowie ein theoretisches Diskussionspapier von DIBB und SIMKIN. Letztere Forschungsrichtung ist auch der Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit, die die Anwendungspraxis und Ziele der Kundensegmentierung für alle Phasen des Prozesses der Kundensegmentierung (Konzeptions-/Planungs-, Implementierungs- und Steuerungs-/Kontrollphase) empirisch untersucht. 4.2 Kaufverhalten als Ausgangspunkt der Kundensegmentierung Den Ausgangspunkt der Kundensegmentierung bildet das Kaufverhalten. Dies liegt insbesondere darin begründet, dass die Kundensegmentierung von kaufrelevanten Unterschieden zwischen den Nachfragern ausgeht und die Kenntnis über die Verhaltensweisen und die möglichen Verhaltensreaktionen („responses“) der Nachfrager elementar ist, um eine gesicherte Entscheidung über den Einsatz der Marketinginstrumente treffen zu können.254 Darüber hinaus können Erklärungsmodelle des Kaufverhaltens Transparenz hinsichtlich der Wirkung von Marketinginstrumenten und sonstigen Umweltfaktoren auf das Kaufverhalten schaffen.255 Vor diesem Hintergrund soll im Folgenden ein kurzer Überblick über unterschiedliche Modelle des Kaufverhaltens gegeben werden, unter besonderer Berücksichtigung von traditionellen absatztheoretischen und verhaltenswissenschaftlichen Modellen des Kaufverhaltens. 4.2.1 Systematisierung von Modellen des Kaufverhaltens Bei Betrachtung der Literatur zeigt sich, dass sich bis dato keine allgemeine Theorie zum Kaufverhalten entwickelt hat – vielmehr gibt es eine Vielzahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen, die einzelne Ansätze des Kaufverhaltens 253 254 255

Eine Vorstellung und Diskussion der Ergebnisse dieser Untersuchung erfolgt in Kapitel 4.6. Vgl. Topritzhofer (1974), S. 9; Freter (1983), S. 15. Vgl. Meffert (1986), S. 138. 71

aufgreifen. Als mögliche Systematisierung dieser Ansätze bietet sich deren Einteilung nach der Herkunft der Aussagensysteme an. Dabei lassen sich ökonomische, psychologische und soziologische Modelle unterscheiden:256 x Ökonomische Modelle: Zu Grunde liegende Hypothese bei dieser Art der Modelle ist, dass die Kaufentscheidung das Ergebnis vollständig rationaler und bewusster ökonomischer Wahlakte ist. Wesentliches Ziel ist es festzustellen, welche Produkte oder Dienstleistungen der Haushalt bei gegebener Konsumsumme und gegebenen Preisen wählt, um seinen Nutzen zu maximieren. x Psychologische Modelle: Grundannahme dieser Modelle des Kaufverhaltens ist, dass die Kaufentscheidung durch unterschiedliche psychologische Merkmale beeinflusst wird. Dabei findet sich in der Marketingtheorie eine Vielzahl unterschiedlicher Erklärungsmodelle (z.B. emotions-, motivations-, lern- und informationspsychologische Erklärungsmodelle). x Soziologische Modelle: Soziologisch orientierte Modelle arbeiten vor allem mit Kriterien, die sich aus der sozialen Abhängigkeit des Käufers von der Umwelt ergeben. Dabei nimmt jeder Konsument innerhalb sozialer Systeme unterschiedliche Positionen ein, an die die Mitmenschen unterschiedliche Verhaltenserwartungen knüpfen. Dem Bild des sozial determinierten Käufers liegen typischerweise Normen oder Werturteile der Umwelt zu Grunde. Weiterhin finden sich in der Literatur Klassifizierungen nach der Art und Anzahl der im Rahmen der Modellbildung berücksichtigten Entscheidungsträger. In diesem Zusammenhang wird grundsätzlich zwischen dem Kaufverhalten von Haushalten und Unternehmen bzw. Institutionen sowie zwischen individuellen und kollektiven Kaufentscheidungen unterschieden (sog. „Grundtypen von Kaufentscheidungen“257). In der Theorie des Kaufverhaltens haben diese Grundtypen von Kaufentscheidungen unterschiedliche Beachtung gefunden – die größte wissenschaftliche Aufmerksamkeit haben dabei individuelle Kaufentscheidungen von Haushalten bzw. Konsumenten erfahren.258 Ein weiterer Systematisierungsansatz orientiert sich an dem Aggregationsgrad der Erklärungs256 257 258

72

Vgl. hierzu und im Folgenden Schulz (1972), S. 24 ff.; Meffert (1986), S. 138 ff. Meffert (1986), S. 138. In der Literatur findet sich eine Reihe von Veröffentlichungen zu den psychischen und sozialen Determinanten des Konsumentenverhaltens. Vgl. u.a. Farley/Howard/Ring (1974); Hoepfner (1975).

modelle. Dabei können Mikro- und Makromodelle unterschieden werden.259 Während Mikromodelle vom individuellen Kaufverhalten ausgehen, orientieren sich Makromodelle am Verhalten einer Vielzahl von Käufern.260 Neben dem Aggregationsgrad wird in der Literatur teilweise eine Einteilung der Erklärungsmodelle nach dem Abstraktionsgrad vorgeschlagen. Dabei werden globalund detailanalytische Verfahren differenziert, wobei letztere den Kaufentscheidungsprozess in mehreren Phasen abbilden, erstere hingegen auf eine detaillierte Analyse des Kaufentscheidungsprozesses verzichten. Schließlich stellt die Unterscheidung von sog. Black-Box-Modellen und echten Verhaltensmodellen einen zentralen Systematisierungsansatz in der Literatur dar.261 Wichtiges Unterscheidungskriterium zwischen beiden Ansätzen ist, dass Black-Box-Modelle im Wesentlichen Aussagen über den Zusammenhang von Input des Kaufverhaltens (Stimuli) und Output (Reaktionen) hervorbringen262 – die Transformation des Inputs zu einem bestimmten Output erfolgt durch einen im Verborgenen wirkenden (Entscheidungs-)Mechanismus („latent mechanism“)263. Im Gegensatz dazu versuchen echte Verhaltensmodelle auch die Ursachen des Kaufverhaltens (mit Hilfe spezifischer intervenierender Variablen) zu erforschen, d.h., die Black Box quasi „aufzulösen“.264 So wird bei Black-BoxModellen der Einsatz von Marketinginstrumenten (z.B. Umfang des Werbebud259

260 261 262

263 264

Vgl. Meffert/Steffenhagen (1977), S. 37 ff. Topritzhöfer spricht von einem Mikronachfragemodell und einem Makronachfragemodell. Vgl. Topritzhöfer (1974), S. 78. Vgl. Freter (1983), S. 25. Vgl. Topritzhofer (1974), S. 13 ff.; Freter (1983), S. 24. Vor diesem Hintergrund werden Black-Box-Modelle auch als S-R-Modelle (Stimulus-ResponseModelle) bezeichnet. S-R-Modelle werden in der Literatur auch als stochastische Modelle bezeichnet. Letztere können weiterhin in ökonometrische (Regressions-)Modelle und vollstochastische (Stochastische Prozess-)Modelle unterschieden werden. Vgl. Topritzhofer (1974), S. 34 ff. Vgl. Topritzhofer (1974), S. 15. Vor diesem Hintergrund werden echte Verhaltensmodelle auch als S-O-R-Modelle (StimulusOrganismus-Response-Modelle) bezeichnet. S-O-R-Modelle sind in der Literatur auch als Strukturmodelle bekannt und werden weiter in Totalmodelle und Partialmodelle unterschieden. Während sich Partialmodelle auf einen Erklärungsausschnitt des Konsumentenverhaltens beschränken, bemühen sich Totalmodelle um eine möglichst umfassende Erklärung des gesamten Entscheidungsprozesses der Konsumenten. Ein relativ bekanntes Totalmodell ist das von Howard und Sheth. Vgl. Howard/Sheth (1969). Weiterhin lassen sich zwei Ausprägungen der Strukturmodelle unterscheiden: Systemansatz und Entscheidungsnetzansatz. Für eine detaillierte Beschreibung und Gegenüberstellung von Systemansatz und Entscheidungsnetzansatz siehe Topritzhofer (1974), S. 16 ff. 73

gets) als Input betrachtet, der erzielte Absatz als Output, ohne zu untersuchen, was in der Black Box vorgeht.265 Im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen dabei Preis-Absatz- und Werbewirkungsfunktionen. Bei den verhaltenswissenschaftlichen Modellen haben in der jüngeren Literatur insbesondere solche Beachtung erfahren, die in komplexen Prozessmodellen die Gesamtheit der kaufrelevanten Faktoren zu erfassen versuchen.266 Als Inputfaktoren solcher Modelle wird eine Vielzahl von Faktoren berücksichtigt. Unterschieden werden i.d.R. endogene Einflussfaktoren (z.B. demographische Merkmale des Nachfragers) und exogene Einflussfaktoren267 (z.B. Marketingmaßnahmen des Unternehmens).268 Outputfaktoren sind die unterschiedlichen Dimensionen der Kaufentscheidung, d.h. die beobachtbaren Kaufhandlungen (z.B. Produktwahl, Wahl des Vertriebskanals). Mit Hilfe von theoretisch hypothetischen Konstrukten (z.B. Emotionen, Motive, Einstellungen) werden die Vorgänge beleuchtet, die zwischen Input und Output des Kaufentscheidungsprozesses liegen.269 Dabei wird davon ausgegangen, dass Kaufentscheidungen von spezifischen kulturellen, sozialen, persönlichen und psychologischen Komponenten beeinflusst werden, die den Hintergrund des Nachfragers bilden.270 Diese sind i.d.R. nicht oder nur bedingt steuerbar. Abbildung 4-2 soll einen Überblick über mögliche Einflussfaktoren des Kaufverhaltens geben.

265 266 267

268 269 270

74

Vgl. Staehle (1994), S. 193 ff. Vgl. hierzu und im Folgenden Meffert (1986), S. 139. Die exogenen Einflussfaktoren werden von Topritzhofer weiter differenziert in: kaufentscheidungsrelevante Umwelteindrücke, die auf durch das Unternehmen kontrollierten Wegen (z.B. Werbung des Unternehmens) an den Nachfrager übermittelt werden; kaufentscheidungsrelevante Umwelteindrücke, die über informelle Kanäle an den Nachfrager übermittelt werden. Vgl. Topritzhofer (1974), S. 13. Vgl. Topritzhofer (1974), S. 13. Vgl. Freter (1983), S. 28. Vgl. Kotler/Bliemel (2005), S. 325.

Kulturelle Faktoren

Soziale Faktoren

Persönliche Faktoren

Psychologische Faktoren

• Kulturkreis

• Bezugsgruppen

• Motivation

• Subkultur

• Familie

• Alter und Lebensabschnitt

• Soziale Schicht

• Rollen und Status

• Beruf • Wirtschaftliche Verhältnisse

• Wahrnehmung • Lernen • Ansichten und Einstellungen

• Lebensstil (Lifestyle) • Persönlichkeit und Selbstbild

Abbildung 4-2: Mögliche Einflussfaktoren des Kaufverhaltens271 Insgesamt geht die Mehrheit der Erklärungsansätze heute von echten Verhaltensmodellen aus, oft unter Einbezug einer Vielzahl unterschiedlicher Variablen. Über die Qualität von echten Verhaltensmodellen und Black-Box-Modellen bzw. traditionellen absatztheoretischen Modellen gibt es in der Literatur kontroverse Meinungen. So sehen einzelne Vertreter in echten Verhaltensmodellen insbesondere die Gefahr „deterministischer Erklärungen menschlichen Verhaltens“272. Es wird von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen ausgegangen, die sich nicht empirisch nachprüfen lassen. Für traditionelle absatztheoretische Modelle ist hingegen kritisch anzumerken, dass diese die Gründe des Kaufverhaltens nicht erklären. Weiterhin bieten sie kaum Hinweise auf eine zielführende Gestaltung der unterschiedlichen Marketinginstrumente.273 Den Anforderungen des psychologischen Behaviorismus werden die traditionellen absatztheoretischen Modelle hingegen weitgehend gerecht – sie arbeiten ausschließlich mit solchen Merkmalen, die auch beobachtbar sind.274

271 272 273 274

In Anlehnung an Kotler/Bliemel (2005), S. 325. Meffert (1986), S. 145. Vgl. Freter (1983), S. 26 f. Vgl. Meffert (1986). S. 145. 75

Unabhängig von der Art des Modells gibt es spezifische Anforderungen, die für die Mehrheit der Kaufverhaltensmodelle gelten und die auch für die Kundensegmentierung Relevanz haben. So sollten sie zum einen alle wesentlichen Bestimmungsfaktoren des Kaufverhaltens berücksichtigen: ökonomische, psychologische und soziologische. Hieraus wird u.a. auch die Bedeutung der interdisziplinären Forschung für das Marketing und die Kundensegmentierung ersichtlich, welche beispielsweise in der Konzeption von Strukturmodellen zum Ausdruck kommt.275 Zum anderen sind die unterschiedlichen Rollen im Rahmen des Kaufprozesses, insbesondere die Frage des Entscheidungsträgers zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang und mit Bezug auf die Kundensegmentierung kritisiert WIND: „The marketing literature recognizes that most purchase and consumption behavior involves more than a single individual [...]. Yet most of the empirical market segmentation (as well as consumer behavior and marketing studies) ignore this premise and, with few exceptions, center on the individual as the sole unit of analysis.“276 Vor diesem Hintergrund scheint die Schaffung von Transparenz hinsichtlich der unterschiedlichen Rollen im Kaufprozess (z.B. Initiator, Einflussnehmer, Entscheidungsträger, Käufer, Benutzer)277 ein erster wichtiger Schritt zu sein, um darauf aufbauend die (Analyse-)Basis für die Kundensegmentierung definieren zu können. 4.2.2 Relevanz der Modelle für die Kundensegmentierung Die dargestellten beispielhaften Modelle des Kaufverhaltens spiegeln sich in den unterschiedlichen Ansätzen zur Kundensegmentierung wider. Vor allem die Unterscheidung zwischen Ansätzen zur Kundensegmentierung, die die Ursachen des Kaufverhaltens erklären und solchen, die dies vernachlässigen, verweist auf die nach wie vor bestehende Kluft zwischen traditionellen absatztheoretischen

275 276 277

76

Vgl. Meffert (1986), S. 164. Wind (1978), S. 324. Unter dem Initiator wird eine Person (oder Gruppe) verstanden, die als erste vorschlägt, ein Produkt oder eine Dienstleistung zu beziehen. Unter dem Einflussnehmer wird eine Person (oder Gruppe) verstanden, deren Ansichten oder Hinweise für die Kaufentscheidung miteinbezogen werden. Unter dem Entscheidungsträger wird eine Person (oder Gruppe) verstanden, die final entscheidet, ob, was, wie und wo gekauft wird (entweder für alle oder zumindest einen dieser Aspekte). Unter dem Käufer wird eine Person (oder Gruppe) verstanden, die den Kauf tatsächlich ausführt. Unter dem Benutzer wird eine Person (oder Gruppe), die das Produkt schließlich nutzt bzw. verwendet. Vgl. Kotler/Bliemel (2005), S. 350.

und verhaltenswissenschaftlichen Verfahren.278 Vergleicht man traditionelle absatztheoretische und verhaltenswissenschaftliche Modelle das Kaufverhaltens, kann für beide eine ähnlich gelagerte Zielsetzung beobachtet werden: die Fundierung von Marketingentscheidungen. Unterschiede ergeben sich vor allem im Hinblick auf drei Aspekte:279 x Zunächst zeigen sich Unterschiede hinsichtlich der Inputfaktoren beider Modelle des Kaufverhaltens. Während bei traditionellen absatztheoretischen Modellen des Kaufverhaltens der Schwerpunkt auf der monetären Operationalisierung der Marketinginstrumente liegt, sind bei verhaltenswissenschaftlichen Modellen des Kaufverhaltens die „Stimulusqualitäten“280 ausschlaggebend. Beispielsweise hängt die Werbewirkung nicht allein von dem Umfang des Werbebudgets ab, sondern auch von der Konzeption der Werbebotschaft, den Werbemitteln etc. x Weiterhin kristallisieren sich Unterschiede hinsichtlich der Outputfaktoren beider Modelle des Kaufverhaltens heraus. So werden bei traditionellen absatztheoretischen Modellen des Kaufverhaltens aggregierte Gesamtmarktreaktionen untersucht. Verhaltenswissenschaftliche Modelle des Kaufverhaltens arbeiten hingegen mit individuellen Reaktionen – gemessen anhand intervenierender Variablen. Die Untersuchung sog. Wirkungshierarchien macht deutlich, dass nicht immer von Veränderungen einer Wirkgröße (z.B. Bekanntheit) auf entsprechende Veränderungen anderer Größen (z.B. Kauf) geschlossen werden kann. x Eng mit dem vorangegangenen Aspekt verbunden, kann es bei verhaltenswissenschaftlichen Modellen des Kaufverhaltens im Gegensatz zu traditionellen absatztheoretischen Modellen des Kaufverhaltens zu Aggregationsproblemen kommen, wenn individuelle Wirkungen auf die Gesamtheit der Käufer übertragen werden (z.B. Aggregation individueller Wissens- und Einstellungsausprägungen). Im Hinblick auf die Relevanz für die Kundensegmentierung ist bemerkenswert, dass die meisten Ansätze zur Kundensegmentierung auf traditionellen absatztheoretischen Modellen des Kaufverhaltens basieren – wenn auch in modifizier278 279

280

Vgl. Meffert/Steffenhagen/Freter (1979), S. 475 f. Vgl. hierzu und im Folgenden Freter (1983), S. 28 f.; Meffert/Steffenhagen/Freter (1979), S. 478 ff. Freter (1983), S. 28. 77

ter Form. Auf den ersten Blick scheinen diese Modelle des Kaufverhaltens keine Hinweise auf eine zielführende Segmentbildung zu geben. Ein Ansatzpunkt für die Segmentbildung ergibt sich jedoch, wenn nicht die aggregierte Marktreaktion, sondern die individuelle Reaktion der Nachfrager (z.B. die individuelle PreisAbsatz-Funktion) betrachtet wird. Vor diesem Hintergrund können beispielsweise Nachfrager mit ähnlichen individuellen Reaktionsfunktionen in möglichst homogene Segmente zusammengefasst und segmentspezifisch bearbeitet werden. Eine solche Modifikation des ursprünglichen Ansatzes kann als Übergang von einem Makro- zu einem Mikromodell (sog. Disaggregation)281 interpretiert werden und weist insofern bereits in die Richtung verhaltenswissenschaftlicher Modelle.282 Letztere bergen insbesondere durch ihre zusätzlichen verhaltensbestimmenden Faktoren möglichen Mehrwert für die Kundensegmentierung. 4.3 Ziele der und Anforderungen an die Kundensegmentierung Im Folgenden sollen die Ziele der Kundensegmentierung und die daraus abgeleiteten Anforderungen an die Kundensegmentierung dargestellt werden. Die Ziele der Kundensegmentierung bilden den Ausgangspunkt bei der Konzeption und Implementierung von Ansätzen zur Kundensegmentierung. In der Literatur findet sich eine Reihe von Zielkatalogen. Ein Beispiel bietet FRETER, der eine Vielzahl von segmentierungspezifischen Zielen definiert und dabei nach Markterfassungs- und Marktbearbeitungsseite differenziert (siehe Abbildung 4-3).

281 282

78

Vgl. Topritzhofer (1974), S. 79. Vgl. Topritzhofer (1974), S. 78 f.; Freter (1983), S. 29. Hinsichtlich der möglichen Probleme bei der Disaggregation eines Makromodells zu einem Mikromodell siehe Topritzhofer (1974), S. 106 ff.

Markterfassung

Marktbearbeitung

• Bessere Befriedigung der Bedürfnisse der Konsumenten in den ausgewählten Segmenten

• Konkretisierung sowohl quantitativer wie auch qualitativer Marketingziele sowie einer Kontrolle der Zielerreichung

• Marktidentifizierung • Abgrenzung des relevanten Gesamtmarktes für ein Produkt

• Erzielung von Wettbewerbsvorteilen durch maßgeschneiderte Problemlösungen für ausgewählte Segmente

• Aufteilung heterogener Gesamtmärkte in homogene Teilmärkte (Abgrenzung relevanter Teilmärkte)

• Richtige Positionierung von Neuprodukten

• Auffinden vernachlässigter Teilmärkte (Marktnischen oder Marktlücken)

• Präzisierung der Zielgruppen eingeführter Marken (evtl. Umpositionierung)

• Bestimmung von Marktpotenzialen in den Teilmärkten

• Vermeidung von Substitutionseffekten zwischen den Marken im eigenen Sortiment (die Marken werden auf unterschiedliche Segmente abgestimmt)

• Rechtzeitige Beurteilung von Neueinführungen der Konkurrenz und rechtzeitiges Ergreifen von Gegenmaßnahmen (Frage, ob die Konkurrenzmarke auf das Segment der eigenen Marke abgestellt ist) • (Bei eingeführten Marken) Beurteilung der eigenen Markenpositionierung im Vergleich zur Positionierung der Konkurrenzprodukte

• Optimale Allokation des Marketingbudgets auf die einzelnen Segmente • Gezielter Einsatz der Marketinginstrumente

• Fundierte Prognose der Marktentwicklung (für die einzelnen Segmente) • Exaktere Ableitung von Marktreaktionsfunktionen

Abbildung 4-3: Segmentierungsspezifische Ziele gemäß FRETER283 Dabei werden sowohl auf der Markterfassungsseite als auch auf der Marktbearbeitungsseite einerseits grundlegende Ziele der Segmentierung genannt (z.B. Marktidentifizierung, Aufteilung heterogener Gesamtmärkte in homogene Teilmärkte). Andererseits finden sich Ziele für relativ spezifische Unternehmenssituationen (z.B. die rechtzeitige Beurteilung von Neueinführungen der Konkurrenz und rechtzeitiges Ergreifen von Gegenmaßnahmen; richtige Positionierung von Neuprodukten). Ein anderes Beispiel bietet SWOBODA, der fünf Ziele der Kundensegmentierung definiert:284 x Bestimmung und Bildung von Kundengruppen,

283

284

In Anlehnung an Freter (1983), S. 20 ff. Zu den in der Abbildung genannten quantitativen und qualitativen Marketingzielen siehe z.B. Kotler/Bliemel (2005), S. 162. Vgl. Swoboda (1998), S. 111. 79

x

x x x

zielgruppenadäquate Kundenansprache zur besseren Befriedigung der Kundenwünsche, -präferenzen und -bedürfnisse und folglich zum Aufbau einer langfristigen Kundenbeziehung, Identifikation von Marktnischen, die in Abhängigkeit von ihrer Attraktivität entweder gezielt bearbeitet oder bewusst vernachlässigt werden, Feststellen der Kundenbereitschaft, spezifische Produkte zu kaufen, zielgruppenorientierter, kundenspezifischer Einsatz der Marketinginstrumente zur Erhöhung bzw. Optimierung der Effektivität und Effizienz des Marketingmix.

Darüber hinaus finden sich in der Literatur vereinzelt weitere Zielkataloge der Kundensegmentierung, von deren Vorstellung hier jedoch abgesehen werden soll, da sie überwiegend gleiche oder ähnliche Ziele wie die oben genannten Zielkataloge aufweisen. Insgesamt ist bei Betrachtung der in der Literatur definierten Ziele jedoch kritisch anzumerken, dass diese innerhalb der einzelnen Zielkataloge teilweise sehr unterschiedliche Aggregationsebenen aufweisen und auch oft nicht überschneidungsfrei sind. Vor diesem Hintergrund wurde im Folgenden ein integrierter Zielkatalog der Kundensegmentierung entworfen, der die identifizierten Ziele der Kundensegmentierung zusammenfasst und nach den einzelnen Phasen des Prozesses der Kundensegmentierung strukturiert ist (siehe Abbildung 4-4).

80

Übergreifende Ziele der Kundensegmentierung

• Gewährleistung der Wirtschaftlichkeit des Segmentierungsansatzes • Gewährleistung der Umsetzbarkeit des Segmentierungsansatzes

Konzeptions-/ Planungsphase • Identifikation von Nachfragerbedürfnissen bzw. Produktpräferenzen Ziele in den einzelnen Phasen des Prozesses der Kundensegmentierung

• Erkennen von Marktnischen1) • Bestimmung von Kundenpotenzialen in den einzelnen Segmenten • Unterstützung bei der Festlegung quantitativer und qualitativer Marketingziele • Unterstützung bei der Allokation des Marketingbudgets auf die einzelnen Segmente

Implementierungsphase • Ermöglichung eines segmentspezifischen Einsatzes der Marketinginstrumente • Erzielung von Wettbewerbsvorteilen durch maßgeschneiderte Problemlösungen für ausgewählte Segmente • Richtige Positionierung von Neuprodukten • Optimale Betreuung der Kunden in den einzelnen Segmenten

Steuerungs-/ Kontrollphase • Steuerung/Kontrolle der Zielerreichung der quantitativen und qualitativen Marketingziele im Rahmen der Segmentierung • Steuerung/Kontrolle des Marketingbudgets für die einzelnen Segmente im Rahmen der Segmentierung • Ermöglichung der Prognose der Marktentwicklung für die einzelnen Segmente

1) Inkl. der Evaluation, ob diese anschließend bearbeitet oder vernachlässigt werden.

Abbildung 4-4: Integrierter Zielkatalog der Kundensegmentierung285 Der integrierte Zielkatalog der Kundensegmentierung sieht insgesamt 14 Ziele der Kundensegmentierung vor. Dabei sind die Wirtschaftlichkeit des Segmentierungsansatzes und die Umsetzbarkeit des Segmentierungsansatzes als übergreifende Ziele der Kundensegmentierung zu nennen. Für die einzelnen Phasen des Prozesses der Kundensegmentierung sind insgesamt zwölf Ziele der Kundensegmentierung definiert – von der Identifikation von Nachfragerbedürfnissen bis hin zu der Ermöglichung der Prognose der Marktentwicklung für die einzelnen Segmente. Der integrierte Zielkatalog soll als Basis für die empirische Untersuchung der vorliegenden Arbeit dienen, indem er für die Operationalisierung der Ziele der Kundensegmentierung herangezogen wird. Aus den Zielen der Kundensegmentierung können verschiedene Anforderungen an die Kundensegmentierung abgeleitet werden. In der Literatur findet sich hierzu eine Reihe von Anforderungskatalogen. Diese beziehen sich überwiegend auf die Segmentierungskriterien und Segmente und nur zum Teil auf den gesamten 285

Eigene Darstellung. 81

Ansatz zur Kundensegmentierung. Als Beispiel kann der von FRETER vorgeschlagene Anforderungskatalog dargestellt werden, der sechs Anforderungen umfasst:286 x Kaufverhaltensrelevanz: Die Segmentierungskriterien müssen Bestimmungsfaktor für das Kaufverhalten sein oder in direktem Zusammenhang mit den Bestimmungsfaktoren des Kaufverhaltens stehen. x Aussagefähigkeit für den Einsatz der Marketinginstrumente: Die eingesetzten Segmentierungskriterien bzw. deren Ausprägungen sollten Ansatzpunkte für den segmentspezifischen Einsatz der Marketinginstrumente geben. x Zugänglichkeit: Mittels der Segmentierungskriterien sollte die Zugänglichkeit der gebildeten Segmente gewährleistet werden (d.h. beispielsweise der Zugang zu den Segmenten über unterschiedliche Kommunikations- und Distributionskanäle). x Messbarkeit: Die Segmentierungskriterien sollten eine Erfassung von Segmenten mit gängigen Marktforschungsmethoden erlauben. x Zeitliche Stabilität: Die Segmentierungskriterien müssen eine angemessene zeitliche Stabilität aufweisen, d.h., eine Aussagefähigkeit über einen längeren Zeitraum besitzen. x Wirtschaftlichkeit: Es sollten Segmente ermittelt werden, deren Bearbeitung ökonomisch sinnvoll ist. Die im Rahmen des Segmentierungsprozesses entstehenden Kosten (z.B. Kosten der Informationsgewinnung, Kosten der Informationsverarbeitung, Kosten, die durch eine differenzierte Marktbearbeitung entstehen) müssen durch den Nutzen der Segmentierung (z.B. höhere Erlöse, sichere Marktposition) kompensiert werden. Ähnliche Anforderungen finden sich in den Ausführungen von ELLIOTT und GLYNN, die auf sieben Anforderungen an die Kundensegmentierung verweisen, ohne diese jedoch weiter zu detaillieren: „A number of useful criteria have been identified to help guide researchers in selecting appropriate market segments [...] including ‚measurability‘, ‚accessibility‘, ‚substantiality‘, ‚actionability‘, ‚determinance‘, ‚appropriateness‘ and ‚predictive ability‘.“287

286 287

82

Vgl. hierzu und im Folgenden Freter (1983), S. 43 f. Elliott/Glynn (1998), S. 40.

Ein weiteres Beispiel bietet HALSCH, der insbesondere auf die Homogenitätsund Heterogenitätsanforderung an die Kundensegmentierung abstellt:288 x Heterogenität des Gesamtmarktes: Nachfrager in einem Markt müssen Unterschiede im Kaufverhalten aufweisen. x Homogenität des Teilmarktes: Es existieren Nachfragergruppen mit ähnlichem Kaufverhalten. x Wirtschaftlichkeit der Segmentierung: Der sich aus der Segmentierung ergebene Nutzen muss größer sein als die anfallenden Kosten. Insgesamt findet sich in der Literatur eine Reihe weiterer Anforderungskataloge289, von deren Vorstellung hier jedoch abgesehen werden soll, da sie überwiegend inhaltlich gleiche oder ähnliche Anforderungen wie die oben genannten Anforderungskataloge aufweisen. Vielmehr soll in Abbildung 4-5 eine zusammenfassende Übersicht der in der Literatur identifizierten Anforderungen und ausgewählter Teilanforderungen erfolgen.

288 289

Vgl. hierzu und im Folgenden Halsch (1995), S. 65 ff. Vgl. u.a. Meffert (1986), S. 244 f.; Swoboda (1998), S. 113 f.; Alfansi/Sargeant (2000), S. 65; Kotler/Bliemel (2005), S. 451 f. 83

Anforderungen

Teilanfoderungen (Auswahl)

Kaufverhaltensrelevanz

• Erklärungskraft hinsichtlich Kaufverhalten

Aussagefähigkeit für die Marktbearbeitung

• • • •

Umsetzbarkeit

• Datenverfügbarkeit und -messbarkeit • Zugänglichkeit der Segmente

Wirtschaftlichkeit

• Segmentierungskosten vs. -erlöse – Kosten: u.a. Kosten der Informationsgewinnung, Kosten der Informationsverarbeitung, Kosten, die durch eine differenzierte Marktbearbeitung entstehen – Erlöse: u.a. Segmentgröße (Marktvolumen), Segmentwachstum (künftiges Marktvolumen), Segmentbesetzung (Marktanteilsverteilung)

Hinweise für die segmentspezifische Gestaltung der Marketinginstrumente Unterschiedliche Reaktion auf getrennte Marketingprogramme Zeitliche Stabilität der Segmentierungskriterien Homogenität innerhalb der Segmente und Heterogenität zwischen den Segmenten

Abbildung 4-5: Zusammenfassende Übersicht der Anforderungen und ausgewählter Teilanforderungen an die Kundensegmentierung290 Die Gesamtheit der in der Literatur identifizierten Anforderungen lässt sich zu vier wesentlichen Anforderungen zusammenfassen: Zunächst bildet die Kaufverhaltensrelevanz der gewählten Segmentierungskriterien bzw. des Segmentierungsansatzes eine zentrale Anforderung. Eine Teilanforderung ist dabei vor allem die qualitative Erklärungskraft hinsichtlich des Kaufverhaltens. Zweite wichtige Anforderung ist die Aussagefähigkeit für die Marktbearbeitung. Mit dieser Anforderung wird ein Bindeglied zwischen Markterfassungs- und Marktbearbeitungsseite der Kundensegmentierung geschaffen. Dabei sind vor allem die Hinweise für die segmentspezifische Gestaltung der Marketinginstrumente, die unterschiedliche Reaktion der Segmente auf getrennte Marketingprogramme, die zeitliche Stabilität der Segmentierungskriterien sowie die Homogenität innerhalb der Segmente und die Heterogenität zwischen den Segmenten als Teilanforderungen zu nennen. Die dritte wesentliche Anforderung – insbesondere im Hinblick auf die Anwendung der Kundensegmentierung in der Unternehmenspraxis – ist die Umsetzbarkeit der Kundensegmentierung. PAULUHN konstatiert 290

84

Eigene Darstellung.

in diesem Zusammenhang: „Die Segmentierung von Kunden ist primär eine strategische Aufgabe, die jedoch auch praktisch umsetzbar sein muß.“291 Wesentliche Teilanforderungen der Umsetzbarkeit sind die Datenverfügbarkeit und -messbarkeit sowie die Zugänglichkeit der Segmente. Die vierte Anforderung an die Kundensegmentierung ist die Wirtschaftlichkeit der Segmentierung. Die Segmentierungskosten sollten kleiner als die Segmentierungserlöse sein. Als Komponenten auf der Kostenseite sind vor allem die Kosten der Informationsgewinnung, die Kosten der Informationsverarbeitung sowie die Kosten, die durch eine differenzierte Marktbearbeitung entstehen, zu nennen. Auf der Erlösseite sind u.a. Segmentgröße und -wachstum sowie Segmentbesetzung zu berücksichtigen. 4.4 Informations- und Aktionsseite der Kundensegmentierung: Markterfassung und Marktbearbeitung Nach Betrachtung der Modelle des Kaufverhaltens sowie der Ziele der und Anforderungen an die Kundensegmentierung sollen in den folgenden beiden Abschnitten Markterfassungs- und Marktbearbeitungsseite der Kundensegmentierung dargestellt werden. Vor allem die Systematisierung der Markterfassungsseite der Kundensegmentierung ist elementar, um die unterschiedlichen Ansätze zur Kundensegmentierung im folgenden Kapitel klassifizieren und bewerten zu können. 4.4.1 Markterfassung: Systematisierung der unterschiedlichen Segmentierungskriterien Das zentrale Element der Markterfassungsseite der Kundensegmentierung bilden die unterschiedlichen Segmentierungskriterien. Diese werden – da prägend für eine Segmentierung – häufig auch als Systematisierungsgrundlage für die unterschiedlichen Ansätze zur Kundensegmentierung herangezogen.292 Vor diesem Hintergrund sollen im Folgenden die unterschiedlichen Segmentierungskriterien systematisiert und inhaltlich präzisiert werden. 291 292

Pauluhn (1994), S. 171. Vgl. z.B. Elliott/Glynn (1998), S. 39; zur Brügge (2003), S. 64 ff.; Berekoven/Eckert/Ellenrieder (2006), S. 244 ff. 85

Ein Beispiel für die Systematisierung von Segmentierungskriterien bieten BEREKOVEN, ECKERT und ELLENRIEDER, die fünf Arten von Segmentierungskriterien unterscheiden:293 x Demographische Merkmale: Alter, Geschlecht, Familienstand, Haushaltsgröße u.Ä. x Sozioökonomische Merkmale: Einkommen, Vermögen, Beruf u.Ä. x Besitzmerkmale: Verfügung über bestimmte (höherwertige) Güter x Verhaltensmerkmale: Art des Einkaufens, Art der Mediennutzung u.Ä. x Psychographische Merkmale: Neigungen, Ansichten, Einstellungen, Motive u.Ä. Inhaltlich sehr ähnlich, jedoch zu drei Arten von Segmentierungskriterien zusammengefasst, zeigt sich die Systematisierung von STEGMÜLLER.294 Dieser unterscheidet zwischen demographischen (i.w.S.), psychographischen und verhaltensorientierten Segmentierungskriterien (siehe Abbildung 4-6).

293 294

86

Vgl. Berekoven/Eckert/Ellenrieder (2006), S. 244 ff. Vgl. Stegmüller (1995), S. 163 ff.

Segmentierungskriterien

Psychographische Kriterien

Demographische Kriterien i.w.S. • Geographische Kriterien (u.a. Wohnortgröße, Stadt/Land, Region) • Demographische Kriterien i.e.S. (u.a. Geschlecht, Alter, Familienstand, Zahl der Kinder) • Sozioökonomische Kriterien (u.a. Beruf, Ausbildung, Einkommen)

• Einstellungen – Allgemeine – Produktartspezifisch – Markenspezifisch • Motive (Familien-) • Wahrnehmungen Lebenszyklus • Interessen Soziale Schicht

Verhaltensorientierte Kriterien • Aktivitäten • Produktartwahl • Kaufmengen und Kaufhäufigkeiten • Markentreue • Preisverhalten • Einkaufsstättenwahl • Mediennutzung

Abbildung 4-6: Systematisierung von Segmentierungskriterien gemäß STEGMÜLLER295 Darüber hinaus finden sich eine Reihe weiterer Systematisierungsansätze für die unterschiedlichen Segmentierungskriterien, die sich inhaltlich jedoch kaum von den vorhergenannten Systematisierungen unterscheiden.296 Für die vorliegende Arbeit soll eine Systematisierung nach vier Gruppen von Segmentierungskriterien erfolgen: Die drei ersten Gruppen orientieren sich dabei eng an der von STEGMÜLLER vorgeschlagenen Systematisierung und sehen eine Unterscheidung nach demographischen, sozioökonomischen, psychographischen sowie verhaltensorientierten Segmentierungskriterien vor. Darüber hinaus finden sich in der Literatur ergebnisorientierte Segmentierungskriterien – diese sollen als zusätzliche Gruppe betrachtet werden.

295 296

In Anlehnung an Stegmüller (1995), S. 164. Eine weiterführende Systematisierung nehmen Alfansi und Sargeant vor, indem sie zusätzlich beobachtbare und nicht-beobachtbare Segmentierungskriterien unterscheiden. Vgl. Alfansi/ Sargeant (2000), S. 65 ff. 87

4.4.1.1 Segmentierung nach demographischen und sozioökonomischen Merkmalen Unter demographischen Segmentierungskriterien werden bevölkerungsstrukturspezifische Merkmale wie z.B. Alter, Geschlecht, Nationalität oder Haushaltsstruktur verstanden. Sozioökonomische Segmentierungskriterien geben im Wesentlichen eine Indikation des relativen Entwicklungsstands der jeweiligen Person und beinhalten z.B. Beruf, Ausbildung, Einkommen. Im Folgenden sollen beispielhaft das Merkmal Alter sowie der Familienlebenszyklus (als eine Kombination unterschiedlicher demographischer und sozioökonomischer Merkmale) vorgestellt werden: x Alter: Das Alter stellt eines der zentralen Segmentierungskriterien in der Forschung zur Kundensegmentierung dar.297 I.d.R. wird es als Indikator für spezifische Bedürfnisse entlang verschiedener Lebensphasen eingesetzt (z.B. Angebot spezifischer Bankprodukte für junge Erwachsene). Dabei vermag das Merkmal Alter zwar im Hinblick auf den generellen Absatz einzelner Produktgruppen zu differenzieren, jedoch ist es nicht oder nur bedingt für die Einteilung in homogene Käuferschichten geeignet.298 x Familienlebenszyklus: Der Familienlebenszyklus bezieht sich auf die verschiedenen Lebensphasen, die in einem Haushalt durchlaufen werden. Typischerweise wird der Familienlebenszyklus über eine Kombination von einzelnen sozioökonomischen und demographischen Merkmalen konstituiert (z.B. Familienstand, Alter der Ehepartner, Anzahl und Alter der Kinder). Kritisch anzuführen ist jedoch, dass ein solches Modell die Bedürfnisstrukturen der Kunden in den Lebensphasen stark vereinfacht und generalisiert. Für Finanzdienstleistungsprodukte beispielsweise wird ein sparend geprägter Kunde durchaus andere Anforderungen haben als ein konsumierend geprägter Kunde, obwohl sich beide in derselben Lebensphase befinden.299 Dies lässt Zweifel daran entstehen, ob das Modell – zumindest im Hinblick auf Finanzdienstleistungsprodukte – geeignet ist, Rückschlüsse auf den konkreten Bedarf eines Kunden zu ziehen. Für andere Produkte (z.B. Haushaltsgeräte) konnten in verschiedenen empirischen Untersuchungen hinge297 298

299

88

Vgl. Phillips/Sternthal (1977), S. 444. Vgl. Freter (1983), S. 51. Eine detaillierte Analyse des Segmentierungskriteriums Alter findet sich bei Phillips/Sternthal (1977), S. 444. Vgl. Grebe/Kreuzer (1997), S. 8.

gen Zusammenhänge zwischen dem Familienlebenszyklus und dem Kaufverhalten festgestellt werden.300 Damit zeigt der Familienlebenszyklus zumindest für einzelne Produktgruppen eine gewisse Kaufverhaltensrelevanz.301 Innerhalb der demographischen und sozioökonomischen Merkmale finden sich in der Literatur die geographischen Segmentierungskriterien als gesonderte Gruppe.302 Hierbei wird typischerweise zwischen makrogeographischen (z.B. Einteilung nach Ländern, Städten, Gemeinden) und mikrogeographischen (z.B. räumliche Aufteilung der Nachfrager in Wohngebietszellen) Merkmalen unterschieden. Für die Segmentierung spielen insbesondere letztere Merkmale eine wichtige Rolle.303 Dabei liegt diesen Merkmalen die – aus der Segregation abgeleitete – Hypothese zu Grunde, dass Nachfrager mit ähnlichem sozialen Status und Lebensstil in ähnlichen Wohngegenden leben und ein weitgehend vergleichbares Kaufverhalten aufweisen.304 Vorteile der mikrogeographischen Segmentierung werden vor allem in der zeitlichen Stabilität und der Kaufverhaltensrelevanz der Segmentierungskriterien gesehen. Als singuläre Methode spielt diese Art der Segmentierung bei Finanzdienstleistungsbetrieben jedoch eine eher untergeordnete Rolle.305 Typischerweise findet sie Anwendung in Verbindung mit anderen Arten von Segmentierungskriterien. Segmentierungen nach demographischen und sozioökonomischen Merkmalen finden sich vor allem in der frühen Forschung zur Kundensegmentierung. Dabei erfuhr diese Art der Segmentierung zunächst eine relativ große Beachtung; vor diesem Hintergrund werden demographische und sozioökonomische Merkmale 300

301

302 303

304 305

Vgl. Freter (1983), S. 55. Beispielsweise liefert der Familienlebenszyklus bei Waschmaschinen, Kühlschränken oder Staubsaugern einen wesentlichen Erklärungsanteil des Kaufverhaltens; es zeigt sich ein Konsumhöhepunkt in den ersten Stufen des Lebenszyklus. Vgl. Meffert (2000), S. 193. Für eine detaillierte Analyse des Familienlebenszyklus und der Limitierungen dieses Konstrukts (insbes. hinsichtlich der Operationalisierung und der Interpretation der Ergebnisse) siehe Derrick/Lehfeld (1980), S. 214 ff. Vgl. Tynan/Drayton (1987), S. 307 f.; Beemelmann (2005), S. 38 f. I.d.R. werden bei der mikrogeographischen Segmentierung die räumlichen Daten um Informationen über die Wirtschaftsstruktur oder den Lebensstil der Nachfrager angereichert. Vgl. Meffert (2000), S. 189 ff. Vgl. Meyer (1989), S. 348. Vgl. Büschgen (1998), S. 663. Minhas und Jacobs weisen auf die nur bedingte Kaufverhaltensrelevanz von geographischen Segmentierungskriterien für Finanzdienstleistungsprodukte hin. Vgl. Minhas/Jacobs (1996), S. 4. 89

in der Literatur teilweise auch als „klassische“ Segmentierungskriterien bezeichnet.306 Jedoch verringerte sich sukzessive deren Bedeutung für die Kundensegmentierung.307 Grund war vor allem die relativ geringe Erklärungskraft der Variablen für das Kaufverhalten, die in einer Reihe von Untersuchungen nachgewiesen werden konnte.308 Jedoch haben ihre langjährige Anwendung (mit Erfahrungswerten über mehrere Jahrzehnte) und ihre direkte Übertragbarkeit bei der Auswahl kommunikationsspezifischer Marketinginstrumente (mittels der Zielgruppendaten von Werbeträgern) dazu beigetragen, dass sie nach wie vor Verwendung finden309 – wenn auch meist nur als passive Segmentierungskriterien. Als Beispiele für Segmentierungsansätze nach demographischen und sozioökonomischen Merkmalen können die Untersuchungen von SLOCUM und MATHEWS310, JAVALGI und DION311 sowie die Alter+Einkommen-Typologie des DEUTSCHEN SPARKASSEN- UND GIROVERBANDES312 genannt werden.313 4.4.1.2 Segmentierung nach psychographischen Merkmalen In der Literatur existiert bis dato keine allgemein akzeptierte Definition psychographischer Segmentierungskriterien. WELLS zählt in seinem Artikel zur Kundensegmentierung allein 32 unterschiedliche Definitionen in 24 Veröffentlichungen.314 Als gemeinsame Definitionsmerkmale psychographischer Merkmale verweist er vor allem auf deren über demographische Merkmale hinausreichende Perspektive sowie deren Operationalisierung mittels quantitativer Forschungsmethoden.315

306 307

308 309 310 311 312 313

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90

Vgl. Freter (1983), S. 49; Tynan/Drayton (1987), S. 308. Beispielsweise verwies Yankelovich bereits Mitte der 60er Jahre auf alternative Formen der Segmentierung (i.W. psychographische Segmentierungskriterien). Vgl. Yankelovich (1964), S. 83 ff. Vgl. Tynan/Drayton (1987), S. 308 mit der dort zitierten Literatur. Vgl. für den Bankensektor z.B. Pauluhn (1994), S. 171. Vgl. Slocum/Mathews (1970), S. 69 ff. Vgl. Javalgi/Dion (1999), S. 74 ff. Die A+E-Typologie ist bei Swoboda beschrieben. Vgl. Swoboda (1998), S. 121 f. Der Segmentierungsansatz von Javalgi und Dion und die A+E Typologie werden in Kapitel 4.5 vorgestellt und bewertet. Vgl. Wells (1975), S. 196. Vgl. Wells (1975), S. 197.

Die Grundlage für psychographische Segmentierungen bildet die Einteilung der Nachfrager nach Einstellungen, Motiven, Wahrnehmungen, Interessen u.Ä. Im Folgenden sollen drei häufig in der Literatur anzutreffende Konstrukte psychographischer Art vorgestellt werden – Einstellungen, Motive und Lebensgewohnheiten: x Einstellungen: Einstellungen können als „[...] individuelles, in sich geschlossenes und relativ stabiles System von Gedanken, Gefühlen und Handlungsprädispositionen charakterisiert werden, das menschliches Verhalten gegenüber Sachen und Personen in bestimmten Situationen beeinflußt“316. Teilweise wird unter Einstellungen auch eine gelernte, relativ konstante Bereitschaft, auf spezifische Stimuli konsistent zu reagieren, verstanden.317 Bei näherer Betrachtung der in der Marketingforschung eingesetzten Einstellungen können zwei wesentliche Gruppen von Einstellungen identifiziert werden: allgemeine (produktunabhängige) Einstellungen und spezielle (produktabhängige) Einstellungen.318 Letzteren wird i.d.R. eine höhere Kaufverhaltensrelevanz zugeschrieben.319 Insgesamt haben Einstellungen als psychographisches Merkmal eine relativ hohe Bedeutung in der jüngeren (insbes. verhaltenswissenschaftlichen) Marketingforschung erlangt. Dabei finden neben Einstellungen zunehmend auch motivationale Aspekte und Wahrnehmungen Berücksichtigung. So sind insbesondere bei den allgemeinen (produktunabhängigen) Einstellungen teilweise fließende Übergänge zu Motiven als psychographisches Merkmal erkennbar. Als bekannte Beispiele für die Anwendung von Einstellungen innerhalb des Marketing können die Einstellungsskalen der GfK-Gruppe sowie die Verlags-Typologien (z.B. Brigitte-Frauentypologie) genannt werden. x Motive: Nach der Definition STAEHLES handelt es sich bei Motiven „[...] um eine inhaltliche Klassifikation von angestrebten Zielzuständen, die sich in der Person vor allem im Laufe ihrer Sozialisation als relativ stabile ‚Wertungsdispositionen‘ [...] herausgebildet haben“320. Diese werden i.d.R. durch Anreize (die aus der Person selbst stammen, z.B. physischer Art) oder Sti316

317 318 319 320

Staehle (1994), S. 162. Nach Staehle lassen sich drei wesentliche Merkmale des gedanklichen Konstrukts Einstellungen differenzieren: eine kognitive Komponente, eine affektive Komponente sowie eine Handlungskomponente. Vgl. Staehle (1994), S. 162. Vgl. Trommsdorff (1975), S. 8; Kroeber-Riel (1980), S. 183 ff. Vgl. Wells (1975), S. 197 ff. Vgl. Wells (1975), S. 202. Staehle (1994), S. 152. 91

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92

muli (die in bestimmten Situationen auftreten, z.B. monetärer Art) aktiviert. Wesentliche Merkmale von Motiven werden einerseits in der Aktivierung der Nachfrager und andererseits in der Handlungssteuerung der Nachfrager gesehen. Typischerweise werden innerhalb der Motive die Gruppen der primären (z.B. Hunger, Durst) und sekundären (z.B. Machttrieb) Bedürfnisse unterschieden.321 Im Hinblick auf das Kaufverhalten wird das Individuum meist von einem Set von unterschiedlichen primären und sekundären Motiven gesteuert.322 In diesem Zusammenhang wird auch von Motivbündel gesprochen.323 Entscheidend im Hinblick auf die Kundensegmentierung ist aber bei dieser Art der hypothetischen Konstrukte deren Operationalisierung, d.h. die Konzeption und Messung spezifischer Motive. Hierzu findet sich in der Literatur eine Vielzahl von Beispielen. Stellvertretend können die Bedürfnisschichten von MASLOW324 und die motivationalen Dimensionen von EDWARDS325 erwähnt werden, die relativ große Beachtung in der Wissenschaft erfahren haben. Lebensgewohnheiten: Lebensgewohnheiten stellen ein weiteres, häufig in Segmentierungsansätzen zu findendes psychographisches Merkmal dar. Bei diesem Konstrukt wird ein sehr umfassender Rahmen gespannt hinsichtlich der Art und Weise, wie Individuen leben, ihre Zeit verbringen und ihr Geld einsetzen. Abgeleitet aus der amerikanischen Literatur wird dieser Ansatz auch teilweise als AIO-Ansatz bezeichnet, da er Aktivitäten, Interessen und Meinungen zur Grundlage hat. Zur Operationalisierung dieses Ansatzes werden i.d.R. das Verhalten des Kunden (als Summe aller von ihm konsuVgl. Staehle (1994), S. 151. In diesem Zusammenhang weist Staehle darauf hin, dass Motive und Bedürfnisse in der Literatur meist synonym verwendet werden, wodurch jedoch wichtige theoretische Aspekte der Verhaltensdeutung verloren gehen. Vor diesem Hintergrund schlägt er folgende Abgrenzung vor: Demnach sind Bedürfnisse den Motiven rangmäßig übergeordnet; „[...] als physiologische Ungleichgewichte (Hunger, Durst etc.) bezeichnen sie ein generelles Mangelgefühl und fungieren als person-interne Reize, die einen Menschen in allgemeine Handlungsbereitschaft versetzen“. Staehle (1994), S. 152. Neben der Unterscheidung nach primären und sekundären Motiven findet sich in der Literatur eine Unterscheidung nach intrinsischen und extrinsischen Motiven: Intrinsische Motive sind „[...] ‚äußerlich zweckfrei‘, sachbezogen, im Gegensatz zu den von äußeren Verstärkern (Belohnung und Bestrafung) abhängigen extrinsischen Motiven“. Staehle (1994), S. 152. Als intrinsische Motive werden dabei u.a. Neugier, Erkundungsbedürfnis, Bedürfnis nach Abwechslung, Bedürfnis nach persönlicher Wirksamkeit genannt; als extrinsische Motive gelten typischerweise Faktoren wie Vergütung, Anerkennung, Status. Vgl. Freter (1983), S. 59. Vgl. Maslow (1970), S. 35 ff. Vgl. Edwards (1959).

mierten Produkte oder Dienstleistungen) einerseits und verschiedene psychographische Eigenschaften des Kunden andererseits herangezogen. Letztere können Aufschluss über die eigentlichen Gründe des Kaufverhaltens geben. Psychographische Merkmale bieten den Vorteil, dass sie je nach Operationalisierung eine vergleichsweise hohe Kaufverhaltensrelevanz aufweisen und zeitlich relativ stabil sind.326 Eine Segmentierung nach psychographischen Merkmalen ist insbesondere in Banken bisher jedoch kaum verbreitet. Gründe hierfür liegen vor allem in ihrer relativ aufwendigen Operationalisierung. Als Beispiel für eine Segmentierung nach psychographischen Merkmalen im Finanzdienstleistungssektor kann die Untersuchung von THIESING angeführt werden, der die Einstellungen von Bankkunden in Gegenüberstellung der „Idealbank“ mit der tatsächlichen Bank analysiert.327 4.4.1.3 Segmentierung nach verhaltensorientierten Merkmalen Im Gegensatz zu beispielsweise demographischen oder sozioökonomischen Merkmalen handelt es sich bei verhaltensorientierten Merkmalen nicht um Bestimmungsfaktoren des Kaufverhaltens, sondern um Ausprägungen des Verhaltens in Kaufentscheidungsprozessen. Basis für die Segmentierung sind i.d.R. in der (jüngeren) Vergangenheit beobachtbare Aktivitäten der Kunden (z.B. Produktnutzung, Verbrauchsintensität).328 Zur Systematisierung verhaltensorientierter Merkmale schlägt FRETER eine Einteilung entlang des Marketingmix vor.329 So können beispielsweise die Wahl des Produktes und die Verbrauchsintensität als produktspezifische Merkmale kategorisiert werden; die Mediennutzung (d.h. die Intensität, in der einzelne Nachfragergruppen bestimmte Medien nutzen) und die Struktur der Nutzer als kommunikationsspezifische Merkmale.330 Besondere 326

327

328 329 330

Für eine Bewertung psychographischer Segmentierungskriterien siehe Tynan/Drayton (1987), S. 322. Vgl. Thiesing (1986), S. 214 ff. Der Segmentierungsansatz von Thiesing wird in Kapitel 4.5 vorgestellt und bewertet. Vgl. Cramer (1998), S. 109 f. Vgl. hierzu und im Folgenden Freter (1983), S. 87 ff. Aus Unternehmenssicht stellt die mediale Erreichbarkeit der Segmente eine wesentliche Anforderung an die Kundensegmentierung dar. Die mediale Erreichbarkeit der Segmente kann durch die Anwendung kommunikationsspezifischer Segmentierungskriterien verbessert werden. Vgl. Freter (1983), S. 91. 93

Popularität innerhalb der verhaltensorientierten Merkmale hat in der frühen Literatur die sog. „Volume Segmentation“ erlangt.331 TWEDT argumentierte bereits 1964, dass in vielen Produktkategorien ca. 50% der Nutzer ca. 80% des Verbrauchs in der jeweiligen Produktkategorie ausmachen und vor diesem Hintergrund dieser Gruppe besondere Marketinganstrengungen zu widmen seien (sog. „Heavy Half theory“).332 Seine Ausführungen erfuhren jedoch insofern Kritik, als darauf hingewiesen wurde, dass die Kunden die Produkte aus unterschiedlichen Motiven heraus kauften und deshalb nur bedingt Aussagen hinsichtlich potenzieller Kunden abgeleitet werden könnten.333 Verhaltensorientierte Segmentierungskriterien erfreuen sich vor allem in der Unternehmenspraxis einer großen Beliebtheit. So bemerken KOTLER und BLIEMEL: „Viele Marketer sind der Ansicht, daß verhaltensbezogene Variablen [...] den besten Ausgangspunkt für die Bildung von Marktsegmenten darstellen.“334 Auch in einer Vielzahl von Banken finden sich verhaltensorientierte Segmentierungsansätze.335 Aus wissenschaftlicher Sicht wird verhaltensorientierten Segmentierungen i.d.R. eine relativ hohe Kaufverhaltensrelevanz eingeräumt, jedoch ist dies sehr abhängig von den jeweils verwendeten verhaltensorientierten Segmentierungskriterien und deren Operationalisierung. Als Beispiele für verhaltensorientierte Segmentierungen im Finanzdienstleistungssektor können die Untersuchungen von STANLEY, MOSCHIS und DANKO336 sowie von MINHAS und JACOBS337 genannt werden. 4.4.1.4 Segmentierung nach ergebnisorientierten Merkmalen Neben den drei genannten Gruppen von Segmentierungskriterien finden sich in der Literatur vereinzelt auch ergebnisorientierte Merkmale.338 Grundlage dieser 331

332 333 334 335

336 337 338

94

Storbacka weist darauf hin, dass die sog. „Volume Segmentation“ einen relativ weit verbreiteten Segmentierungsansatz insbesondere bei Privatbanken darstellt. Vgl. Storbacka (1997), S. 483. Vgl. Twedt (1964), S. 71 f. Vgl. z.B. Haley (1968), S. 31. Kotler/Bliemel (2005), S. 440. Beispielsweise werden für die Segmentierung im Privatkundensegment der Credit Suisse sowohl die Transaktionshäufigkeit als auch die Einlagevolumina der Kunden als verhaltensorientierte Segmentierungskriterien eingesetzt. Vgl. Dubs (1998), S. 72 f. Vgl. Stanley/Moschis/Danko (1987), S. 52 ff. Vgl. Minhas/Jacobs (1996), S. 3 ff. Vgl. Pauluhn (1994), S. 170; Elliott/Glynn (1998), S. 41 ff.

Art der Segmentierung ist die Bewertung der Kunden nach einem definierten quantitativen Beitrag. Gängige Verfahren sind beispielsweise die Deckungsbeitragsrechnung oder der Customer Lifetime Value.339 Letzterer setzt sich i.d.R. aus den Ein- und Auszahlungen einer Kundenbeziehung zusammen, die über die typische Dauer und den Verlauf einer Kundenbeziehung diskontiert werden.340 Teilweise wird auch eine weitergehende Ermittlung des Kundenwerts gefordert, indem neben den Ein- und Auszahlungen einer Kundenbeziehung auch Größen wie Kundenzufriedenheit, Kundenbindung oder Geschäftsvolumen berücksichtigt werden.341 Zu beachten ist die im Vergleich zu den zuvor genannten Arten der Segmentierung anders gelagerte Zielrichtung der Segmentierung: statt eines möglichen Erklärungsversuches für das Kaufverhalten wird auf den Kundenwert abgestellt – die Kaufverhaltensrelevanz wird quasi als ein Bestandteil der Wertorientierung gesehen (in Form der direkten Wertbeiträge des Kunden).342 Insgesamt bleibt jedoch zu konstatieren, dass rein ergebnisorientierte Segmentierungen nur eine bedingte Aussagefähigkeit für die Marktbearbeitung aufweisen. Vor diesem Hintergrund fordern BUHL und MELLWIG die Berücksichtigung anderer Arten von Segmentierungskriterien in Ergänzung zu den ergebnisorientierten Segmentierungskriterien.343 Als Beispiel für eine ergebnisorientierte Segmentierung im Finanzdienstleistungssektor kann die Untersuchung von STORBACKA genannt werden.344 4.4.2 Marktbearbeitung: Strategien der Marktbearbeitung und Ableitung segmentspezifischer Marketinginstrumente Die Mehrheit der wissenschaftlichen Untersuchungen zur Kundensegmentierung befasst sich lediglich mit der Informationsseite der Kundensegmentierung, d.h. der Markterfassung. Nachdem die Bedeutung der Kundensegmentierung jedoch 339 340 341

342 343

344

Vgl. Elliott/Glynn (1998), S. 43 f. Vgl. Tomczak/Rudolf-Sipötz (2001), S. 245. Vgl. Elliott/Glynn (1998), S. 45. Elliott und Glynn weisen in diesem Zusammenhang jedoch auch darauf hin, dass eine derartig umfassende Kundenwertermittlung nur relativ schwer umsetzbar ist. Vgl. Friedrichs-Schmidt (2003), S. 32 f. Dabei verweisen Buhl und Mellwig insbesondere auf Segmentierungskriterien, die z.B. die Technikaffinität der Kunden berücksichtigen. Vgl. Buhl/Mellwig (2002), S. 192. Vgl. Storbacka (1997), S. 479 ff. 95

vor allem in ihrem entscheidungsorientierten Ansatz für den Einsatz der Marketinginstrumente begründet liegt, soll im Folgenden eine kurze Betrachtung der Aktionsseite, d.h. der Marktbearbeitung stattfinden. Bevor über den Einsatz der segmentspezifischen Marketinginstrumente entschieden werden kann, ist zunächst die grundlegende Marktbearbeitungsstrategie zu definieren. Dabei können drei wesentliche Marktbearbeitungsstrategien unterschieden werden: undifferenziertes, differenziertes und konzentriertes Marketing.345 Bei erstgenannter Strategie ignoriert das Unternehmen die Unterschiede zwischen den Marktsegmenten und offeriert ein einziges Angebot für den gesamten Markt. Es erfolgt eine Konzentration auf die Gemeinsamkeiten in den Bedürfnissen der Nachfrager; ein Produkt und ein Marketingprogramm sollen eine maximale Anzahl von Käufern ansprechen. MEFFERT spricht bei dieser Strategie vom „Pendant zur Standardisierung und Massenproduktion“346. Wesentliches Argument für diese Form des undifferenzierten Marketing sind Kosteneinsparungen (z.B. Minimierung von Produktionskosten, Minimierung von Werbekosten) – Ziel ist es, bei allen Kostenarten Degressionseffekte zu realisieren. Im Ergebnis kann das Unternehmen mit relativ geringen Preisen insbesondere preisbewusste Marktsegmente gewinnen. Die Strategie des undifferenzierten Marketing wird jedoch schon seit den 50er Jahren als kritisch beurteilt.347 MEFFERT konstatiert, dass diese Marktbearbeitungsstrategie nicht als Marketingstrategie gesehen werden kann, „[...] da sie den Prinzipien des modernen Marketing widerspricht“348. Die zweite Strategie der Marktbearbeitung – die des differenzierten Marketing – geht davon aus, dass ein Unternehmen mehrere Marktsegmente bearbeitet und für jedes einzelne Segment spezifische Marketingprogramme entwickelt. Diese Strategie wird auch als „Konzept einer risikoadäquaten Gesamtmarktabde345

346 347

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96

Vgl. hierzu und im Folgenden Kotler/Bliemel (2005), S. 455 ff. Für eine vertiefte Betrachtung der unterschiedlichen Strategien der Marktbearbeitung siehe auch Abell (1980), S. 192 ff.; Meffert (1986), S. 254 ff. Meffert (1986), S. 254. Vgl. z.B. Gardner/Levy (1955), S. 37. Sofern beispielsweise mehrere Unternehmen aus derselben Branche diese Strategie verfolgen, würde dies zu einem intensiven Konkurrenzkampf insbesondere in großen Segmenten führen, ggf. unter Vernachlässigung der Bearbeitung kleiner attraktiver Segmente. Überproportionale Marketingaufwendungen oder ein möglicher Preisverfall könnten die Vorteile der Kosteneinsparungen kompensieren. Meffert (1986), S. 254.

ckung“349 bezeichnet. Im Allgemeinen verhilft differenziertes Marketing dem Unternehmen zu einer Steigerung der Gesamtumsätze; gleichzeitig steigen jedoch auch die Kosten (z.B. Produktionskosten, Werbekosten, Kosten für Marktforschung). Eine vorherige Abschätzung der Rentabilität für die Bearbeitung der einzelnen Marktsegmente bleibt jedoch relativ schwierig. Die Strategie des differenzierten Marketing entspricht dem „[...] Grundprinzip des Marketing, da sie versucht, sich auf die Kunden einzustellen und das Marketingprogramm entsprechend ihren Motiven und Einstellungen zu gestalten“350. Schließlich ermöglicht die Strategie des konzentrierten Marketing mit einem Marketingprogramm auf dasjenige Marktsegment zu fokussieren, dessen Bearbeitung den höchsten Zielerreichungsbeitrag einbringt. Es wird gewissermaßen ein „Marktnischenkonzept“351 verfolgt. Ziel des Unternehmens ist es, eine starke Stellung auf einem oder einigen Teilmärkten zu erreichen. Dabei kann sich das Unternehmen den Vorteil zunutze machen, dass es sich mit seinem Angebot und Marketingprogramm gänzlich auf das ausgewählte Marktsegment einstellen kann (beispielsweise unter Nutzung detaillierter Informationen zu diesem Marktsegment). Wichtiges Auswahlkriterium für den Teilmarkt ist dabei, dass dieser im Wachstum begriffen ist und sich die Konkurrenzsituation nicht als zu intensiv darstellt. Für das dieser Arbeit zu Grunde liegende Erkenntnisobjekt kommen vor allem die beiden letztgenannten Strategien der Marktbearbeitung in Frage. Denn es ist davon auszugehen, dass die Kundensegmentierung keinen Selbstzweck darstellt, sondern vor allem der Ermöglichung einer differenzierten Marktbearbeitung dient. Unter Berücksichtigung der grundlegenden Marktbearbeitungsstrategie ist in einem nächsten Schritt die Ableitung der segmentspezifischen Marketinginstrumente zu vollziehen. Diese kann jedoch nur einzelfallspezifisch entschieden werden; abhängig u.a. von der Situation des Unternehmens, den strategischen Zielen des Unternehmens sowie den Charakteristika der einzelnen Segmente 349 350 351

Meffert (1986), S. 254. Meffert (1986), S. 255. Meffert (1986), S. 254. 97

(z.B. Größe, Struktur, Ertragspotenzial) sind die Marketinginstrumente segmentspezifisch zu definieren. Um dennoch die Ableitung der segmentspezifischen Marketinginstrumente veranschaulichen zu können, soll dies anhand eines Beispiels skizziert werden: Als Beispiel soll dabei der Segmentierungsansatz von JAVALGI und DION dienen, der durch seine detaillierte Beschreibung der Segmente wichtige Hinweise auf die Gestaltung der segmentspezifischen Marketinginstrumente bietet.352 Grundlage des Segmentierungsansatzes von JAVALGI und DION bilden acht sog. „Lebenszyklussegmente“, die über verschiedene demographische und sozioökonomische Segmentierungskriterien voneinander abgegrenzt werden. Für jedes dieser „Lebenszyklussegmente“ wurden u.a. die relative Bedeutung unterschiedlicher Finanzdienstleistungsprodukte, die Nutzung verschiedener Anlageformen (z.B. Aktien, Anleihen, Immobilien) sowie die Einstellungen der Nachfrager zu unterschiedlichen Finanzfragen erhoben. Aus diesen Informationen lassen sich wesentliche Hinweise für die segmentspezifische Produktpolitik ableiten. Während beispielsweise das Segment „Full nest I“ die Wichtigkeit von Hypothekendarlehen und die Verfügbarkeit von kurzfristigen Krediten betont, legt die Gruppe „Bachelor stage“ hohen Wert auf das Angebot eines kostenlosen Girokontos (ab einer gewissen Guthabenhöhe); darüber hinaus sieht letztere ein Konto für Spareinlagen und die Verfügung über einen persönlichen Dispokredit als zentral an. Mitglieder der Gruppe „Empty nest I“ beurteilen Geldmarktfonds, individuelle Altersvorsorgeprodukte sowie steuerreduzierende Produkte als besonders relevant. Aus diesen Beispielen wird deutlich, dass die Produktbedürfnisse zwischen den einzelnen Segmenten teilweise deutlich variieren. Damit werden wichtige Hinweise für die Gestaltung der segmentspezifischen Produktpolitik gegeben. Weiterhin ergeben sich für die Preispolitik vereinzelt Ansatzpunkte. So legt beispielsweise das Segment „Newly married couples“ besonderen Wert auf kostengünstige Kredite. Ab der Stufe „Empty nest“ werden kostenfreie Dienstleistungen (z.B. kostenloses Girokonto) für die Nachfrager innerhalb dieses Segments besonders wichtig. Preisreduktionen – sofern sie als solche auch wahrgenommen werden – scheinen insbesondere in den Segmenten „Full nest I“ und „Full nest II“ geeignet, um Marktanteile zu gewin-

352

98

Vgl. hierzu und im Folgenden Javalgi/Dion (1999), S. 74 ff. Der Segmentierungsansatz von Javalgi und Dion wird in Kapitel 4.5 vorgestellt und bewertet.

nen.353 Hinsichtlich der Distributionspolitik kristallisiert sich heraus, dass die Nähe der Bank bzw. Filiale eine wesentliche Rolle in allen acht Lebenszyklussegmenten spielt. Dabei werden jedoch einzelne Faktoren wie z.B. die Öffnungszeiten der Filialen, das Angebot von SB-Terminals sowie die Möglichkeit, alle Bankprodukte in einer Filiale zu beziehen, teilweise sehr unterschiedlich in den einzelnen Segmenten beurteilt. So sind beispielsweise für die Gruppe „Bachelor stage“ verlängerte Öffnungszeiten (z.B. an Samstagen sowie abends) wichtiger als für das Segment „Older married couples“. Auch die Affinität für die Nutzung von SB-Terminals liegt bei der Gruppe „Bachelor stage“ deutlich höher als beispielsweise bei den Segmenten „Newly married couples“ und „Full nest I“. Schließlich ergeben sich aus dem Segmentierungsansatz Ansatzpunkte für die Kommunikationspolitik. So können beispielsweise aus den Produktpräferenzen sowie den Einstellungen gegenüber unterschiedlichen Finanzfragen der einzelnen Segmente Hinweise für die Gestaltung der Werbebotschaft abgeleitet werden. Darüber hinaus erleichtern die demographischen und sozioökonomischen Merkmale der Segmente die Auswahl der Werbeträger, beispielsweise über einen Abgleich mit den Zielgruppendaten der unterschiedlichen Werbeträger. 4.5 Kritische Würdigung ausgewählter Ansätze zur Kundensegmentierung 4.5.1 Vorstellung und Systematisierung ausgewählter Ansätze zur Kundensegmentierung Im Folgenden sollen ausgewählte Ansätze zur Segmentierung vorgestellt und systematisiert werden. Die Auswahl der Segmentierungsansätze erfolgte dabei nach drei wesentlichen Gesichtspunkten: Zum einen wurden bewusst unterschiedliche Arten von Segmentierungsansätzen gewählt, z.B. demographische/ sozioökonomische Segmentierungsansätze (darunter Lebenszyklus-Segmentierungen), psychographische Segmentierungsansätze (darunter „Lifestyle“Segmentierungen), um das Spektrum der unterschiedlichen Lösungsansätze aufzeigen und bewerten zu können. Zum anderen wurden Segmentierungsansätze sowohl aus der Forschung als auch aus der Unternehmenspraxis selektiert, um 353

Dabei weisen Moschis, Bellenger und Curasi darauf hin, dass Preisreduktionen insbesondere in dem Segment der über 55-Jährigen nur eine eingeschränkt geeignete Marketingstrategie darstellen. Vgl. Moschis/Bellenger/Curasi (2003), S. 339. 99

mögliche herkunftsspezifische Unterschiede in der Konzeption und Vorgehensweise der Segmentierung veranschaulichen zu können. Schließlich wurden in Übereinstimmung mit dem Erkenntnisobjekt dieser Arbeit ausschließlich Segmentierungsansätze im Privatkundensegment von Banken betrachtet.354 4.5.1.1 Decision-Oriented-Research-Typologie (1975) Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband entwickelte Mitte der 70er Jahre die Decision-Oriented-Research-Typologie (DOR-Typologie).355 Mittels Clusteranalyse356 wurden die Kunden nach psychographischen Merkmalen (insbes. Einstellungen, Vorstellungen sowie Gewohnheiten) eingeteilt; diese Einteilung mündete in den sog. DOR-Typen.357 Dabei kristallisierten sich fünf Kundentypen heraus, die im Folgenden mit ihren wesentlichen Charakteristika kurz dargestellt werden:358 Typ 1: Spartyp: x überdurchschnittlich alt, x durchschnittliches Einkommen, x preisbewusst, x stark sicherheitsorientiert, x sparsam. Typ 2: Allroundkunde: x stammt aus gehobener sozialer Schicht, x überdurchschnittliche Ausbildung, x flexibel, x spart regelmäßig, x nutzt Anlageformen überdurchschnittlich. 354

355 356

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100

Die folgenden Ansätze zur Kundensegmentierung sind in chronologischer Reihenfolge (nach dem Jahr ihrer Veröffentlichung) aufgeführt. Vgl. hierzu und im Folgenden Swoboda (1998), S. 125. Ziel einer Clusteranalyse ist es, aus einer heterogenen Gesamtheit von Objekten möglichst homogene Teilmengen zu identifizieren. Dazu werden die Objekte anhand der Ausprägungswerte von ihnen zuzuschreibenden Attributen miteinander verglichen und gruppiert. Vgl. z.B. Backhaus et al. (1996), S. 262. Vgl. hierzu und im Folgenden Kahn (1975), S. 62 f. Die Segmente wurden zusätzlich über demographische und sozioökonomische Merkmale als passive Segmentierungskriterien beschrieben.

Typ 3: Dispositionskunde: x jung, x überdurchschnittliche Ausbildung, x überdurchschnittliches Einkommen, x aufgeschlossen, x konsumfreudig, x nicht preisorientiert, x spart wenig und unregelmäßig. Typ 4: Gehemmter Kunde: x entspricht demographisch und sozioökonomisch weitgehend dem Bevölkerungsdurchschnitt, x sehr gefühlsbetont, x widersprüchlich, x konsumorientiert, x gehemmt im Umgang mit Geldinstituten. Typ 5: Inaktiver Kunde: x stammt aus der hinsichtlich Ausbildung und Einkommen am wenigsten begünstigten Bevölkerungsschicht, x bescheiden, x preisbewusst, x unbeweglich, x ablehnende Haltung gegenüber Kreditinstituten. Ingesamt wird bei Betrachtung der Segmente deutlich, dass es sich um relativ generelle Charakteristika der Kunden handelt. So scheint auf dieser Basis eine Ableitung segmentspezifischer Marketinginstrumente kaum möglich: Zwar finden sich vereinzelt produktspezifische Hinweise (z.B. Typ 2: Allroundkunde: überdurchschnittliche Inanspruchnahme von Anlageformen) oder kommunikationsspezifische Hinweise (z.B. Typ 4: Gehemmter Kunde: sehr gefühlsbetont), jedoch reichen diese nicht aus, um eine fundierte Entscheidung hinsichtlich des Marketingmix je Segment zu treffen. Die DOR-Typologie wurde nach verschiedenen Tests in der Sparkassen-Finanzgruppe auf Grund von Umsetzungsschwierigkeiten 1976 wieder aufgegeben. Auch Abwandlungen der DOR-Typologie 101

führten bisher kaum zu in der Bankpraxis verwertbaren Ergebnissen.359 Insbesondere die relativ zeit- und kostenaufwendige Operationalisierung war ausschlaggebend für die eingeschränkte Anwendung in der Unternehmenspraxis.360 4.5.1.2 Alter+Einkommen-Typologie (1981) 1981 entwickelte der Deutsche Sparkassen- und Giroverband die sog. Alter+Einkommen-Typologie (A+E-Typologie).361 Zu Grunde liegende Hypothese dieses Segmentierungsansatzes ist, dass die Merkmale Alter und Einkommen das Nutzungsverhalten der Kunden maßgeblich beeinflussen. Dabei mündet das Modell in zehn Segmente, die in Abbildung 4-7 beispielhaft dargestellt sind.

„Vermögende“ insgesamt 21,4%

„Niedrigverdiener“ insgesamt 36,1% Alter 8,9% 12,1%

10,8%

12,3%

7,7%

7,3%

9,1%

60 Jahre 45 Jahre 13,9%

25 Jahre „Jugend“ insgesamt 17,9%

4,6%

13,3%

1.625 DM

2.500 DM

3.700 DM

Einkommen (netto)

Abbildung 4-7: Beispiel für eine Alter+Einkommen-Typologie362 Für das Alter wurden drei Grenzen (25, 45 und 60 Jahre) definiert, um so wesentliche Lebensphasen des Kunden – wenn auch nur sehr grob – abzubilden. Als Einkommenskriterium wurde das Nettoeinkommen der Kunden definiert und 359 360 361 362

102

Vgl. Cramer (1998), S. 108; Swoboda (1998), S. 125. Vgl. Swoboda (2001), S. 157. Vgl. hierzu und im Folgenden Swoboda (1998), S. 121 f. In Anlehnung an Swoboda (1998), S. 122.

anhand von drei Stufen (1.625 DM, 2.500 DM, 3.700 DM) klassifiziert. Betrachtet wurden im Rahmen der Segmentierung ausschließlich Privatgirokunden mit Habenumsätzen, denn nur für diese Kundengruppe konnte das Nettoeinkommen entweder unmittelbar extrahiert363 oder zumindest näherungsweise anhand des Habenumsatzes geschätzt werden. Insgesamt zeigt dieser ausschließlich auf demographischen und sozioökonomischen Merkmalen beruhende Segmentierungsansatz eine sehr einfache Art der Segmentierung. Die Segmente sind leicht nachvollziehbar und verständlich. Für eine Gestaltung der segmentspezifischen Marketinginstrumente bietet dieser Segmentierungsansatz jedoch kaum Hinweise. Zwar wurden im Anschluss an die Segmentierung Produktnutzungsprofile für die einzelnen Segmente ermittelt (z.B. Art der genutzten Produkte, Häufigkeit der Produktnutzung, Volumina je Produkt), jedoch reichen diese Informationen kaum für eine fundierte Ableitung segmentspezifischer Marketinginstrumente aus. 4.5.1.3 Segmentierungsansatz von THIESING (1986) Der Segmentierungsansatz von THIESING beruht auf der Ermittlung von Einstellungen der Kunden in Gegenüberstellung einer „Idealbank“ mit der tatsächlichen Bank.364 Bei diesem Konzept zur Einstellungsmessung handelt es sich um das sog. Trommsdorff-Modell365. Mittels Clusteranalyse identifizierte THIESING fünf Kundengruppen, die über 22 psychographische Merkmale ermittelt und mit Hilfe von demographischen, sozioökonomischen und verhaltensorientierten Merkmalen zusätzlich beschrieben wurden. In Abbildung 4-8 sind die fünf Kundengruppen mit ihren wesentlichen Charakteristika aufgeführt.

363

364 365

Die Identifikation der Lohn-/Gehaltsbuchungen in den IT-Systemen des Unternehmens erfolgt dabei i.d.R. über unterschiedliche Textschlüssel. Diese liegen jedoch häufig nur für relativ große Arbeitgeber vor. Vgl. hierzu und im Folgenden Thiesing (1986), S. 214 ff. Das Trommsdorff-Modell ist ein Konzept zur Einstellungsmessung, bei dem die Auskunftsperson einerseits die subjektiv wahrgenommenen Ausprägungen von Eigenschaften des Meinungsgegenstandes und andererseits die im Idealfall zu erwartenden Ausprägungen anzugeben hat. Aus dem Vergleich von realer Einschätzung und Idealzustand lassen sich Anhaltspunkte für absatzpolitische Maßnahmen ableiten. Vgl. Trommsdorff (1975); Meffert (2000), S. 123. 103

Kundentyp

Konservativexklusive

Undifferenziertanspruchsvolle

Bequemanspruchsvolle

Genügsamlaienhafte

Konditionsbewusste

Alter

30-50 Jahre

Relativ hoher Anteil über 50 Jahre

Relativ hoher Anteil unter 30 Jahren

Relativ hoher Anteil über 50 Jahre

Relativ hoher Anteil unter 30 Jahren

Beruf/ Einkommensgruppe

Angestellte (mit relativ hohem Einkommen)

Überwiegend Rentner (mit durchschnittlichem Einkommen)

Überwiegend Beamte (mit relativ hohem Einkommen)

Hoher Anteil Arbeiter und Rentner (mit relativ geringem Einkommen)

Hoher Anteil Schüler und Studenten (mit relativ geringem Einkommen)

Nachfrage

Vermögensanlageformen

Beratungsleistungen, längerfristige Kredite

Zahlungsverkehr

Sparprodukte (insbes. Bausparen)

Mittelfristige Kredite, Zahlungsverkehr

Abbildung 4-8: Kundengruppen gemäß dem Segmentierungsansatz von THIESING366 Wie aus Abbildung 4-8 ersichtlich ist, zeigt sich zunächst eine Kundengruppe im Alter von ca. 30 bis ca. 50 Jahren. Diese als „Konservativ-exklusive“ bezeichnete Kundengruppe besteht überwiegend aus Angestellten mit relativ hohem Einkommen; die Nachfrage fokussiert vor allem auf Vermögensanlageprodukte. Weiterhin sind zwei Kundengruppen zu identifizieren, die einen relativ hohen Anteil an Personen über 50 Jahre beinhalten: „Undifferenziert-anspruchsvolle“ und „Genügsam-laienhafte“. Erstere zeigen einen intensiven Beratungsbedarf und fragen überwiegend längerfristige Kredite nach; letztere präferieren zu großen Teilen Sparprodukte (insbes. Bausparen). Schließlich finden sich zwei Kundengruppen mit überwiegend jüngeren Personen (relativ hoher Anteil von Kunden unter 30 Jahren): „Bequem-anspruchsvolle“, die vor allem Zahlungsverkehrsprodukte nachfragen und „Konditionsbewusste“, deren Nachfrage sich überwiegend auf mittelfristige Kredite und Zahlungsverkehrsprodukte konzentriert.

366

104

Eigene Darstellung in Anlehnung an Thiesing (1986), S. 214 ff.

Der Segmentierungsansatz von THIESING gibt im Gegensatz zu den beiden vorangegangenen Ansätzen zur Kundensegmentierung relativ konkrete Hinweise auf eine segmentspezifische Marktbearbeitung. Dabei können im Wesentlichen produkt-, preis- und kommunikationsspezifische Hinweise abgeleitet werden. So können die schwerpunktmäßig nachgefragten Produktkategorien der einzelnen Segmente relativ einfach identifiziert werden. Preisspezifische Hinweise ergeben sich vor allem für die Kundengruppen „Konditionsbewusste“ und „Undifferenziert-anspruchsvolle“. Darüber hinaus können die als passive Segmentierungskriterien eingesetzten demographischen und sozioökonomischen Merkmale der Kunden wichtige Hinweise für die segmentspezifische Kommunikationspolitik geben (z.B. Auswahl der Werbeträger). 4.5.1.4 Segmentierungsansatz von KÜSPERT (1992) KÜSPERT führte mit Hilfe einer Clusteranalyse eine Kundensegmentierung für das „gehobene“ Privatkundensegment einer Bank durch.367 Dabei kombinierte er in einem ersten Versuch demographische und sozioökonomische Variablen (u.a. Alter, Geschlecht, Familienstand) inklusive geographischer Variablen (u.a. Gemeindegröße, Bundesland) mit verhaltensorientierten Variablen (u.a. Inanspruchnahme von Privatkonto, Sparkonto, Depot). Für diesen ersten Segmentierungsversuch konstatierte KÜSPERT jedoch, dass auf Grund der Vielzahl an unterschiedlichen Segmentierungskriterien keine eindeutige Klassifizierung der Kunden möglich war – es konnten keine „natürlichen“ Cluster ermittelt werden. In einem zweiten Versuch beschränkte sich KÜSPERT auf die Zuordnung der Kunden zu bestimmten Lebensphasen. Dabei wurden unterschiedliche demographische und sozioökonomische Merkmale kombiniert, um eine näherungsweise Abbildung der Lebensphase des Kunden zu erreichen. Zur Anwendung kam eine zweistufige Vorgehensweise: In einer ersten Stufe wurden die Kundengruppen „Vermögende“, „Selbständige“ sowie „Schüler/Studenten/Auszubildende“ anhand einer Stichprobe selektiert. Als Segmentierungskriterien wurden Alter, Beruf, Einkommen und Produktnutzung der Kunden herangezogen. Die drei 367

Vgl. hierzu und im Folgenden Küspert (1992), S. 184 ff. Im Rahmen des Segmentierungsansatzes von Küspert wurden ausschließlich Kunden ab einer definierten Höhe des Geldvermögens untersucht. 105

selektierten Kundengruppen umfassten ca. 40% der Stichprobe. In einer zweiten Stufe wurden die verbleibenden ca. 60% der Kunden der Stichprobe segmentiert. Als Segmentierungskriterien wurden u.a. Alter, Familienstand, Anzahl und Alter der Kinder herangezogen. Mittels Clusteranalyse konnten fünf Segmente ermittelt werden: „Dinks“368, „Singles“, „Familien in der Frühphase“, „Familien in der Mittelphase“ und „Familien in der Spätphase“. Die so gebildeten insgesamt acht Segmente wurden hinsichtlich ihrer Produktnutzung nähergehend untersucht. So konnte beispielsweise festgestellt werden, dass der Cluster „Dinks“ insgesamt eine überdurchschnittliche Produktnutzung aufweist und Privatkredite überdurchschnittlich beansprucht. Bei den Segmenten „Vermögende“ und „Selbständige“ ist beispielsweise der Anteil an Postscheckkonten überdurchschnittlich hoch, was ein erhöhtes Preisbewusstsein dieser Kundengruppen vermuten lässt. KÜSPERT verweist in seinen Ausführungen darauf, dass der von ihm entwickelte Segmentierungsansatz nur als ein erster Schritt gesehen werden kann. Die einzelnen Segmente seien u.a. hinsichtlich ihres Deckungsbeitrags, ihres Ertragspotenzials und ihrer Konkurrenzsituation weiter zu spezifizieren. Insgesamt zeigt der Segmentierungsansatz von KÜSPERT jedoch relativ konkrete, insbesondere produktspezifische Hinweise für die Gestaltung der segmentspezifischen Marketinginstrumente. 4.5.1.5 ibi-Finanztypologie (1997) Das Institut für Bankinformatik an der Universität Regensburg hat auf Basis einer repräsentativen Befragung von Bankkunden im Jahr 1997 die sog. ibiFinanztypologie entwickelt.369 Dabei wurden neben demographischen und sozioökonomischen Merkmalen vor allem psychographische Merkmale der Bankkunden berücksichtigt. Segmentbildende Dimensionen waren vor allem die Einstellungen der Kunden hinsichtlich der Technologie im Bankgeschäft, dessen Umgang mit unterschiedlichen Finanzfragen sowie dessen Lebenswelt (Arbeit, Freizeit, Familie, Konsum etc.). Ausgangspunkt für die ibi-Finanztypologie bildet 368 369

106

Dinks steht für Double income, no kids. Vgl. hierzu und im Folgenden Grebe/Kreuzer (1997), S. 6 ff.

die sog. Lebensweltforschung. Im Rahmen dieser werden sog. LebensstilTypologien gebildet, d.h., typische Aktivitäten, Interessen und Meinungen von Nachfragern bezüglich Arbeit, Freizeit und Konsum abgefragt.370 Basis des Segmentierungsansatzes bildeten die von SINUS SOCIOVISION erstellten Sinus-Milieus in Deutschland. Unter Anwendung unterschiedlicher multivariater Analysemethoden konnten fünf unterschiedliche Finanztypen ermittelt werden:371 x ibi-Typ 1: traditionsorientierter Mengenkunde, x ibi-Typ 2: chancen- und risikoorientierter, beruflich und finanziell aufstrebender Kunde, x ibi-Typ 3: geplant handelnder gebrauchsnutzenorientierter Kunde, x ibi-Typ 4: spaßorienierter Mengenkunde, x ibi-Typ 5: beratungs- und betreuungsorientierter Kunde. Die Analyse der einzelnen Segmente zeigte eine hohe Trennschärfe zwischen den Segmenten, insbesondere im Hinblick auf den Zugang zu elektronischen Medien, die Vertriebskanalnutzung (aktuell genutzte vs. erwünschte Vertriebskanäle) sowie die Produktnutzung372. So konnte beispielsweise für ibi-Typ 2 und ibi-Typ 3 die größte Verbreitung von elektronischen Medien ermittelt werden; ibi-Typ 2 zeigte die größte Affinität zu elektronischen Vertriebskanälen (z.B. SB-Terminals, Telefon-Banking, Online-/Internet-Banking); ibi-Typ 4 zeichnete sich durch eine hohe Akzeptanz von SB-Terminals aus; ibi-Typ 1 und 5 präferierten eher traditionelle Vertriebskanäle (insbes. Filialen). Kritisch kann bei dieser Art der Segmentierung vor allem deren relativ zeit- und kostenaufwendige Operationalisierung gesehen werden. Darüber hinaus geben die teilweise „unscharfen“ Beschreibungselemente von sozialen Milieus Anlass zur Kritik. Schließlich mahnen einzelne Vertreter die fehlende wissenschaftliche Fundierung derartiger Typologien an.373 Vorteilhaft zeigt sich hingegen die hohe Aussagefähigkeit der ibi-Finanztypologie für die Marktbearbeitung. So können

370 371 372 373

Vgl. Meffert (2000), S. 199 ff.; Berekoven/Eckert/Ellenrieder (2006), S. 247. Vgl. Grebe/Kreuzer (1997), S. 7. Betrachtet wurden Aktiv- und Passivprodukte, ohne Girokonto. Vgl. Swoboda (2001), S. 161 f. 107

relativ konkrete produkt-, distributions- und teilweise auch kommunikationsspezifische Hinweise für die Marktbearbeitung abgeleitet werden. 4.5.1.6 Studie Private Finanzen 2000 (1998) Die von der Allgemeinen Deutschen Direktbank, dem Wirtschaftsmagazin Capital und dem Wirtschaftsforschungsinstitut Psychonomics im Jahr 1998 durchgeführte Befragung von Bankkunden374 zielte auf eine Typologisierung privater Geldanleger ab.375 Dabei wurden überwiegend psychographische, teilweise auch demographische und sozioökonomische Segmentierungskriterien herangezogen. Im Rahmen der Untersuchung konnten die folgenden sieben Kundentypen identifiziert werden: Der Profi: x Kennt sich in Finanzangelegenheiten relativ gut aus, x verfügt über sehr gute Einkommensverhältnisse, x Rendite bei der Finanzanlage steht an erster Stelle, x hohe Risikobereitschaft hinsichtlich Finanzgeschäften, x vertraut eigenem Gespür bei Finanzgeschäften, x Beratung ist eher unwichtig. Der Anspruchsvolle: x Kennt sich in Finanzangelegenheiten relativ gut aus, x delegiert Finanzangelegenheiten (vermutlich aus Zeitgründen) aber gerne an kompetente Berater, ohne jedoch die Kontrolle abzugeben, x ist mäßig risikobereit, x fordernder Typ, x hat in allen Lebensbereichen einen hohen Anspruch an sich und andere. Der Spielerische: x Geht bei Finanzanlagen ein relativ hohes Risiko ein, x beansprucht Beratung eher selten, 374

375

108

Insgesamt wurden ca. 3.500 Personen befragt. Vgl. Allgemeine Deutsche Direktbank/Capital/ Psychonomics (1998), S. 35 ff. Vgl. hierzu und im Folgenden Allgemeine Deutsche Direktbank/Capital/Psychonomics (1998), S. 35 ff.

x x x

hat nicht immer das Gefühl, bei Finanzanlagen vollkommene Transparenz zu haben, Erlebnis und Spaß haben in seinem Leben einen hohen Stellenwert, greift für die Finanzierung seines Lebensstils auch auf Kredite zurück.

Der Zurückhaltende: x Bezieht ein leicht überdurchschnittliches Einkommen, x steht Finanzgeschäften mit einem gesunden Misstrauen gegenüber, x vermeidet Risiken, x beansprucht Beratung eher selten, x eher geringes Geldvermögen. Der Ansparer: x Weist ein leicht unterdurchschnittliches Einkommen auf, x schätzt persönliche Beratung sehr und präferiert unkomplizierte Geldanlagen, x lehnt Risiken ab, x hat eine relativ hohe Sparquote und weist ein überdurchschnittliches Geldvermögen auf. Der Eingeschränkte: x Informiert sich zwar über Finanzangelegenheiten, hat aber auf Grund hoher laufender Belastungen (z.B. aus Finanzierungen) einen niedrigen Sparanteil, x elementar ist die freie Verfügbarkeit der Geldmittel, x vermeidet Risiken. Der Desinteressierte: x Hat kaum Interesse an Finanzangelegenheiten, x jederzeitige Liquidität ist ihm sehr wichtig, x Finanzgeschäfte werden als notwendig gesehen, „machen aber keinen Spaß“. Neben den genannten Segmentcharakteristika wurden für die unterschiedlichen Kundentypen das jährliche Neuanlagepotenzial sowie eine tendenzielle Zuordnung zu verschiedenen Bankengruppen ermittelt. 109

Der Segmentierungsansatz vermittelt insgesamt einen relativ anschaulichen Überblick über unterschiedliche Kundentypen im Bankensektor und ermöglicht eine grobe kundenspezifische Abgrenzung der einzelnen Bankengruppen. Darüber hinaus enthält der Segmentierungsansatz insbesondere produkt-, distributions- sowie teilweise kommunikationsspezifische Hinweise für die Marktbearbeitung. 4.5.1.7 Segmentierungsansatz von MACHAUER und MORGNER (1999) Der von MACHAUER und MORGNER entwickelte Segmentierungsansatz beruht im Wesentlichen auf der Messung von Einstellungen der Kunden hinsichtlich der Bankverbindung.376 Zur Ermittlung der Kundenprofile verfolgten MACHAUER und MORGNER ein zweistufiges Vorgehen: Im Rahmen einer Vorstudie wurden wesentliche Einstellungsdimensionen der Kunden identifiziert. Dabei konnten u.a. die Dimensionen „Information und Beratung“, „zuverlässige Abwicklung von Aufträgen“, „Bankkonditionen“ und „Umfang des Bankangebotes“ ermittelt werden. Nach entsprechender Operationalisierung wurde eine umfassende Erhebung bei Bankkunden durchgeführt. Mittels Clusteranalyse konnten vier Kundengruppen identifiziert werden, die in Abbildung 4-9 im Überblick dargestellt sind (für die Abgrenzung der Kunden erwiesen sich vor allem die Technologie- und die Informationseinstellung als geeignet).

376

110

Vgl. hierzu und im Folgenden Machauer/Morgner (1999), S. 9 ff.

Positiv Cluster 3 „Abwicklungstyp“ • Schwache Filialeinstellung • Hohe Unabhängigkeitseinstellung • Schwache Allfinanzeinstellung • Sehr risikofreudig (hält sich selbst für kompetent)

Cluster 4 „Interessierter Bankkunde“ • Hohe Unabhängigkeitseinstellung • Überdurchschnittliche Allfinanzeinstellung • Leicht risikofreudig Cluster 4-1: Hohe Filialeinstellung Cluster 4-2: Hohe Technologieeinstellung

Cluster 2 „Indifferenter Bankkunde“ • Schwache Filialeinstellung • Starke Allfinanzeinstellung • Schwache Unabhängigkeitseinstellung • Stark risikoavers • Schwache Konditioneneinstellung

Cluster 1 Cluster 1-1: „Traditioneller Filialkunde“ • Stark risikoavers Cluster 1-2: „Durchschnittskunde“ (Information wichtiger als Abwicklungsleistungen)

Technologieeinstellung

Negativ Negativ

Informationseinstellung

Positiv

Abbildung 4-9: Kundengruppen gemäß dem Segmentierungsansatz von MACHAUER/MORGNER377 Cluster 1 umfasst eine Kundengruppe, die vor allem der Betreuung durch die Bankfiliale überdurchschnittliche Bedeutung beimisst. Darüber hinaus achtet diese Kundengruppe auf ein umfassendes Allfinanzangebot und ist konditionensensibel. In diesem Cluster konnten MACHAUER und MORGNER zwei SubCluster identifizieren: Cluster 1-1 („Traditioneller Filialkunde“), der sich als sehr risikoavers darstellt und der Bankfiliale besonders hohen Wert beimisst; Cluster 1-2 („Durchschnittskunde“), der hinsichtlich sämtlicher Einstellungsdimensionen nur relativ gering vom Gesamtdurchschnitt abweicht (einzig fällt eine negative Haltung gegenüber Online-/Internet-Banking auf). Cluster 2 („Indifferente Bankkunden“) legt besonderen Wert auf eine unkomplizierte Abwicklung der Bankgeschäfte. In Cluster 3 („Abwicklungstyp“) finden sich überwiegend Personen, die bereit sind, überdurchschnittliche Risiken bei ihren Finanzgeschäften einzugehen; diese Gruppe trifft die Entscheidung über Finanzgeschäfte überwiegend ohne Beratung durch die Bank. Cluster 4 („Interessierter Bankkunde“) ist 377

In Anlehnung an Machauer/Morgner (1999), S. 18. 111

charakterisiert durch Personen, die auf fast alle Aspekte der Bankbeziehung Wert legen und sich für Bankgeschäfte überdurchschnittlich interessieren. Dieser Cluster kann weiter differenziert werden in Cluster 4-1, welcher überwiegend aus Personen besteht, denen die persönliche Beziehung zur Bank (über die Filiale) sehr wichtig ist und Cluster 4-2, der sich durch eine relativ hohe Affinität zu Online-/Internet-Angeboten der Bank auszeichnet. Insgesamt gibt der Segmentierungsansatz von MACHAUER und MORGNER Aufschluss über die unterschiedlichen Bedürfnisstrukturen der Segmente sowie die Ziele der Kunden im Kontakt mit der Bank. Für eine segmentspezifische Marktbearbeitung lassen sich vor allem distributions- und kommunikationsspezifische Hinweise ableiten (z.B. schwache Filialeinstellung der Cluster 2 und 3, hohe Unabhängigkeitseinstellung der Cluster 3 und 4). Produkt- und preisspezifische Informationen zu den einzelnen Segmenten finden sich hingegen nur vereinzelt (z.B. stark risikoaverse Einstellung des Clusters 1). 4.5.1.8 Segmentierungsansatz von JAVALGI und DION (1999) JAVALGI und DION orientieren sich in ihrem Segmentierungsansatz am Lebenszyklus der Bankkunden.378 Statt einer eindimensionalen Betrachtung schlagen sie eine mehrdimensionale Segmentierung nach unterschiedlichen demographischen und sozioökonomischen Merkmalen379 vor. Aufsetzend auf der von WELLS und GUBAR380 vorgeschlagenen Lebenszyklus-Segmentierung entwickelten JAVALGI und DION folgende acht Segmente: x Bachelor Stage: young, single, x Newly married couples: young, no children, x Full nest I: youngest child under six, x Full nest II: youngest child six or over, x Full nest III: older married couples with children, x Empty nest I: older married couples, no children with them, head in labour force,

378 379

380

112

Vgl. hierzu und im Folgenden Javalgi/Dion (1999), S. 74 ff. Als Merkmale wurden Alter, Beruf, Familienstand sowie Alter des jüngsten Kindes herangezogen. Vgl. Wells/Gubar (1966), S. 355 ff.

x x

Empty nest II: older married couples, no children living at home, head retired, Single head of households.

JAVALGI und DION untersuchten die unterschiedlichen Segmente insbesondere hinsichtlich der Bedeutung der Auswahlkriterien für eine Bank, der Bedeutung von Bankprodukten bzw. -dienstleistungen, der Nutzung unterschiedlicher Anlageprodukte sowie der Einstellungen zu unterschiedlichen Finanzfragen. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigten, dass als Auswahlkriterien für eine Bank vor allem die räumliche Nähe der Bank bzw. der Filiale, die Reputation der Bank sowie die Qualität der Beratung in Frage kamen; die Bedeutung dieser Auswahlkriterien war dabei in allen Segmenten weitgehend gleich. Jedoch kristallisierten sich auch Unterschiede zwischen den Segmenten heraus: Während beispielsweise Kunden in einer fortgeschrittenen Lebensphase (z.B. „Empty nest I“, „Empty nest II“) der Sicherheit der Einlagen und der persönlichen Betreuung eine hohe Bedeutung einräumten, waren diese Faktoren für Kunden in einer frühen Lebensphase (z.B. „Bachelor Stage“) weniger von Bedeutung. Auch hinsichtlich der Wichtigkeit der einzelnen Bankprodukte bzw. -dienstleistungen konnten Unterschiede zwischen den Segmenten festgestellt werden: So stuften Untersuchungsteilnehmer im Segment „Full nest III“ die Beratung in Steuerfragen und in der Altersvorsorge sowie die Möglichkeit, Geldmarktfonds zu erwerben als sehr wichtig ein, während diese Dienstleistungen bzw. Produkte von Untersuchungsteilnehmern vorhergehender Lebensphasen als weniger bedeutend beurteilt wurden. Ebenso konnten wesentliche Unterschiede in der Nutzung unterschiedlicher Anlageprodukte (z.B. Aktien, Anleihen, Immobilien) sowie in der Einstellung zu Finanzfragen zwischen den Segmenten beobachtet werden. Beispielsweise zeigten sich die Untersuchungsteilnehmer des Segments „Bachelor Stage“ im Vergleich zu den Untersuchungsteilnehmern anderer Segmente als weniger loyal gegenüber ihrer Bank und als risikofreudiger in ihrer Anlagestrategie. Der Segmentierungsansatz von JAVALGI und DION kann insbesondere produkt- und kommunikationsspezifische Hinweise für die Gestaltung der Marketinginstrumente geben. Damit besitzt er eine gewisse Aussagefähigkeit für die Marktbearbeitung – eine Erklärung des Kaufverhaltens vermag er jedoch kaum zu geben. 113

4.5.2 Bewertung der ausgewählten Segmentierungsansätze Nach der Vorstellung der ausgewählten Segmentierungsansätze sollen diese im Folgenden bewertet werden. Hierfür erfolgt eine Systematisierung der unterschiedlichen Segmentierungsansätze nach der Art der Segmentierungskriterien (siehe Abbildung 4-10).

Art der Segmentierungskriterien

Demographische, sozioökonomische Segmentierungskriterien

Segmentierungsansätze

Psychographische Segmentierungskriterien

Verhaltensorientierte Segmentierungskriterien

DOR-Typologie (1975) A+E-Typologie (1981) JAVALGI und DION (1999) THIESING (1986)

KÜSPERT (1992)

ibi-Finanztypologie (1997) Studie Private Finanzen 2000 (1998) MACHAUER und MORGNER (1999)

Abbildung 4-10: Systematisierung der ausgewählten Segmentierungsansätze381 Es können drei wesentliche Gruppen von Segmentierungsansätzen identifiziert werden: x Segmentierungsansätze nach demographischen und sozioökonimschen Merkmalen: - A+E-Typologie (1981) - JAVALGI und DION (1999) x Psychographisch orientierte382 Segmentierungsansätze: 381

114

Eigene Darstellung.

x

- DOR-Typologie (1975) - THIESING (1986) - ibi-Finanztypologie (1997) - Studie Private Finanzen 2000 (1998) - MACHAUER und MORGNER (1999) Gemischt demographische, sozioökonomische und verhaltensorientierte Segmentierungsansätze: - KÜSPERT (1992)

Um eine systematische und ganzheitliche Bewertung der Segmentierungsansätze zu gewährleisten, sollen diese anhand der in Kapitel 4.3 abgeleiteten Anforderungen an die Kundensegmentierung bewertet werden. Somit erfolgt die Bewertung der Segmentierungsansätze anhand der Anforderungen Kaufverhaltensrelevanz, Aussagefähigkeit für die Marktbearbeitung, Umsetzbarkeit sowie Wirtschaftlichkeit383 mit den entsprechenden Teilanforderungen. 4.5.2.1 Bewertung der Segmentierungsansätze nach demographischen und sozioökonomischen Merkmalen (1) Kaufverhaltensrelevanz: Segmentierungsansätze nach demographischen und sozioökonomischen Merkmalen wie die A+E-Typologie oder der Segmentierungsansatz von JAVALGI und DION unterliegen überwiegend der Kritik, dass sie eine nicht ausreichende Kaufverhaltensrelevanz aufweisen.384 Zwar konnten in verschiedenen empirischen Untersuchungen für einige der eingesetzten Segmentierungskriterien (A+E-Typologie: Haushaltseinkommen; JAVALGI und DION: Lebenszyklus) signifikante Unterschiede zwischen den Segmenten nach382

383

384

Die Bezeichnung „psychographisch orientiert“ wurde gewählt, da die in dieser Gruppe zusammengefassten Segmentierungsansätze überwiegend auf psychographischen Segmentierungskriterien basieren, vereinzelt jedoch auch demographische und sozioökonomische Merkmale aufweisen; letztere zählen aber nicht zu den eigentlich segmentbildenden Dimensionen. Bei der Bewertung der Wirtschaftlichkeit der Segmentierungsansätze ist darauf hinzuweisen, dass nur eine relativ grobe Einschätzung der Kosten und Erlöse der einzelnen Segmentierungsansätze erfolgen kann. Denn für eine detaillierte Bewertung liegen nicht ausreichend Informationen über die einzelnen Segmentierungsansätze vor. Darüber hinaus kann die Wirtschaftlichkeit der Segmentierungsansätze erst vollständig beurteilt werden, wenn diese implementiert sind. Da dies für den überwiegenden Teil der Segmentierungsansätze nicht der Fall ist, zeigen sich hier die Grenzen für eine Bewertung. Vgl. u.a. Javalgi/Dion (1999), S. 75; Alfansi/Sargeant (2000), S. 65. 115

gewiesen werden385, jedoch sind in der Mehrheit der Untersuchungen die Unterschiede zu klein, als dass sie eine klare Differenzierung der Segmente ermöglichen würden.386 Vor allem geeignet scheint diese Art der Segmentierung (insbes. die sehr einfache Segmentierung der A+E-Typologie) zur Beurteilung des Kaufs oder Nichtkaufs eines Produkts oder einer Dienstleistung. In diesem Sinne kann eine Anwendung derartiger Segmentierungsansätze eher als eine Vorstufe der eigentlichen Segmentierung interpretiert werden und weniger zur Erklärung des Kaufverhaltens herangezogen werden.387 Beispielsweise kann eruiert werden, welche Kunden welche Bankprodukte erwerben, jedoch nicht, warum sich der Kunde für das entsprechende Bankprodukt entscheidet. Weiterhin scheinen Segmentierungsansätze wie die A+E-Typologie oder der Segmentierungsansatz von JAVALGI und DION zielführend, um eine – wenn auch sehr grobe – Indikation hinsichtlich des Nachfragepotenzials für verschiedene Kategorien von Bankprodukten (z.B. Anlageleistungen, Kreditleistungen) zu ermitteln. In dieser Hinsicht kommt derartigen Segmentierungsansätzen eine eher deskriptive Funktion zu. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die dargestellten Segmentierungsansätze nach demographischen und sozioökonomischen Merkmalen das Anforderungskriterium der Kaufverhaltensrelevanz nur sehr eingeschränkt erfüllen; vielmehr bieten derartige Segmentierungsansätze eher Hinweise, um Käufer und Nichtkäufer zu separieren und mögliche Nachfragepotenziale zu ermitteln. (2) Marktbearbeitung: Hinsichtlich der Aussagefähigkeit für die Marktbearbeitung enthalten Segmentierungsansätze nach demographischen und sozioökonomischen Merkmalen eine Reihe von Hinweisen auf den segmentspezifischen Einsatz der Marketinginstrumente. So liefert vor allem der Segmentierungsansatz von JAVALGI und DION relativ konkrete produkt- und kommunikationsbezogene Informationen, die für die Ableitung der Marketingmaßnahmen hilfreich sind. Beispielsweise sind aus der Segmentierung Bedarfs- und Leistungsnutzenprofile der Segmente ableitbar. Weiterhin ergeben sich Ansatzpunkte für die 385

386 387

116

Vgl. z.B. Anderson/Cox III/Fulcher (1976), S. 43 f. Für das zweite im Rahmen der A+ETypologie verwendete Segmentierungskriterium Alter ergaben sich in der Untersuchung von Anderson, Cox III und Fulcher keine signifikanten Unterschiede zwischen den Segmenten. Vgl. Sheth (1977), S. 130 ff.; Alfansi/Sargeant (2000), S. 65. Vgl. Freter (1983), S. 56.

Auswahl der Werbeträger oder die Gestaltung der Werbemittel (beispielsweise geben die ermittelten Auswahlkriterien für eine Bank oder die Einstellungen der Nachfrager zu unterschiedlichen Finanzfragen im Segmentierungsansatz von JAVALGI und DION Hinweise für die inhaltliche und bildliche Gestaltung der Werbebotschaft). Grenzen zeigen sich jedoch bei distributionsspezifischen Fragestellungen – dies vor allem bei der A+E-Typologie: Ein nicht seltenes Phänomen ist, dass sich einkommensstarke Bankkunden in der Privatkundenbetreuung beraten lassen und dort auch bestimmte Produkte erwerben (z.B. Immobilienkredite), für spezifische Transaktionen (z.B. Aktien) aber beispielsweise „Discount Brokerage“ nutzen.388 Die eingesetzten Segmentierungskriterien lassen jedoch das Erkennen solch scheinbar widersprüchlicher Handlungsweisen der Kunden kaum zu. Weiterhin können die A+E-Typologie oder der Segmentierungsansatz von JAVALGI und DION nur sehr bedingt Aufschluss über die Wirkung der eingesetzten Marketinginstrumente geben. Doch gerade diese ist eine wichtige Teilanforderung der Aussagefähigkeit für die Marktbearbeitung. Denn wie BLATTBERG und SEN bemerken, ist es nicht so sehr entscheidend, inwiefern die Produktnutzung zwischen den Segmenten variiert, sondern inwieweit die Kunden in den Segmenten unterschiedlich auf Veränderung in den Marketinginstrumenten reagieren.389 Neben der Reaktion auf die unterschiedlichen Marketinginstrumente ist die zeitliche Stabilität der Segmentierungsansätze zu beurteilen. Diese ist i.d.R. bei Segmentierungsansätzen nach demographischen und sozioökonomischen Merkmalen nur bedingt gegeben, da die Mehrheit dieser Merkmale einem ständigen zeitlichen Wandel unterliegt. Hinsichtlich der Homogenität innerhalb der Segmente zeigen sich ebenso deutliche Grenzen bei den dargestellten Segmentierungsansätzen nach demographischen und sozioökonomischen Merkmalen. So finden sich zwar vereinzelt Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Produktnutzung innerhalb der Segmente, das Kaufverhalten innerhalb der Segmente kann jedoch sehr heterogen ausfallen. Auch die Heterogenität zwischen den Segmenten ist insbesondere bei der A+E-Typologie nur bedingt gegeben. Im Ergebnis können die vorgestellten Segmentierungsansätze nach demographischen und sozioökonomischen Merkmalen insbesondere produkt- und kommuni388 389

Vgl. auch Jasny/Huber (2002), S. 309. Vgl. Blattberg/Sen (1974), S. 17. 117

kationsbezogene Hinweise für den Einsatz der Marketinginstrumente geben. Jedoch lässt diese Art der Segmentierung kaum Aussagen über die mögliche Wirkung der Marketinginstrumente zu; darüber hinaus sind die Segmente als relativ heterogen einzustufen, was deren segmentspezifische Bearbeitung deutlich erschwert. (3) Umsetzbarkeit: Hinsichtlich der Umsetzbarkeit sollen als Teilanforderungen die Datenverfügbarkeit und -messbarkeit sowie die Zugänglichkeit der Segmente beurteilt werden. Zunächst scheint die Datenverfügbarkeit im Rahmen der A+ETypologie und des Segmentierungsansatzes von JAVALGI und DION weitgehend gegeben. Die Segmentierungskriterien Alter, Einkommen, Beruf und Familienstand werden i.d.R. in den IT-Systemen der Banken erfasst.390 Üblicherweise werden Merkmale wie Alter, Beruf und Familienstand bereits bei der Kontoeröffnung des Kunden erhoben; das Einkommen kann innerhalb der Habenumsätze über spezifische Textschlüssel ebenso relativ einfach identifiziert werden.391 Schwierigkeiten können möglicherweise bei hauptberuflich selbständigen Personen auftreten, bei denen das zu Grunde liegende Einkommen nicht eindeutig identifiziert werden kann. Bei Nichtverfügbarkeit der Daten innerhalb der ITSysteme des Unternehmens können die entsprechenden Segmentierungskriterien jedoch meist über sekundärstatistische Quellen oder relativ einfach operationalisierbare Primärerhebungen ermittelt werden. Neben der Datenverfügbarkeit gestaltet sich auch die Datenmessbarkeit der Segmentierungskriterien der A+ETypologie und des Segmentierungsansatzes von JAVALGI und DION als unproblematisch – die Merkmalsausprägungen können beispielsweise anhand von Verhältnis- oder Nominalskalen relativ einfach gemessen werden. Die Zugänglichkeit der Segmente als weitere Teilanforderung kann für die dargestellten Segmentierungsansätze als überwiegend gegeben eingestuft werden. Beispielsweise kann über einen Abgleich der demographischen und sozioökonomischen Merkmalsausprägungen der Segmente mit den Zielgruppendaten der unter-

390 391

118

Vgl. Alfansi/Sargeant (2000), S. 65. Voraussetzung für eine derartige Datenabfrage ist, dass der Kunde ein Girokonto bei der entsprechenden Bank hat und dies auch als Lohn-/Gehaltskonto nutzt. Sofern keine Möglichkeit besteht, das Einkommen über spezifische Textschlüssel zu extrahieren, ist es wichtig, dass innerhalb der Habenumsätze Sonderzahlungen (z.B. Wertpapierumsätze, Darlehensgutschriften) und sonstige Überweisungen herausgefiltert werden, um einen Näherungswert für das tatsächliche Einkommen des Kunden ermitteln zu können. Vgl. Schröder (1994), S. 480.

schiedlichen Werbeträger die Zugänglichkeit der Segmente sichergestellt werden.392 Insgesamt zeigt sich, dass die Anforderung der Umsetzbarkeit für die dargestellten Segmentierungsansätze nach demographischen und sozioökonomischen Merkmalen weitgehend erfüllt ist. Insbesondere die relativ einfache Datenverfügbarkeit und -messbarkeit sind ausschlaggebend für die relativ große Verbreitung dieser Art der Segmentierungsansätze in der Unternehmenspraxis.393 (4) Wirtschaftlichkeit: Die dargestellten Segmentierungsansätze nach demographischen und sozioökonomischen Merkmalen sind insbesondere kostenseitig als vorteilhaft einzuschätzen. Dies mag auch ein Grund für deren relativ weitreichende Anwendung in der Unternehmenspraxis sein.394 So halten sich die Kosten der Informationsgewinnung in einem begrenzten Rahmen: In der Mehrheit der Fälle werden die verwendeten Segmentierungskriterien automatisch in den ITSystemen der Banken erfasst; sofern dies nicht der Fall ist, können die Daten über sekundärstatistische Quellen oder relativ einfach operationalisierbare Primärerhebungen generiert werden. Hinsichtlich der Kosten der Informationsverarbeitung ist zu konstatieren, dass die Segmentierungskriterien i.d.R. direkt, d.h. ohne (z.B. manuelle) Anpassung, verarbeitet werden können. Die Informationsverarbeitung beschränkt sich auf die Einteilung der Kunden gemäß den definierten Segmentierungsgrenzen. Zum Einsatz kommen – wie in der A+E-Typologie und dem Segmentierungsansatz von JAVALGI und DION angeführt – überwiegend relativ einfache Segmentierungsmethoden (z.B. Portfolio), deren Anwendung nur relativ geringen Zeit- und Kostenaufwand verursacht; zudem ist kaum statistisches Vorwissen notwendig. Somit kann insgesamt davon ausgegangen werden, dass sich die entstehenden Kosten der Informationsverarbeitung in einem begrenzten Rahmen halten werden. Schließlich sind die Kosten zu evaluieren, die durch eine differenzierte Marktbearbeitung entstehen. Diese sind nur relativ schwer abschätzbar. Die kommunikationsspezifischen Kosten, die durch 392 393

394

Vgl. auch Tynan/Drayton (1987), S. 308. Sheth fasst die umsetzungsspezifischen Vorteile demographischer, sozioökonomischer Segmentierungsansätze zusammen, die zu ihrer relativ großen Verbreitung in der Unternehmenspraxis beigetragen haben. Vgl. Sheth (1977), S. 129 f. Vgl. Emmelhainz/Kavan (1999), S. 163; Elliott/Glynn (1998), S. 40; Alfansi/Sargeant (2000), S. 65. 119

eine differenzierte Marktbearbeitung bedingt sind, können je nach Aufwand für die Auswahl der Werbeträger, der Gestaltung der Werbebotschaft etc. stark schwanken. Dadurch, dass die demographischen und sozioökonomischen Segmentierungskriterien i.d.R. mit den Zielgruppendaten der unterschiedlichen Werbeträger vergleichbar sind, entstehen zumindest für die Auswahl der Werbeträger relativ geringe Kosten. Die übrigen kommunikationsspezifischen Kosten werden voraussichtlich deutlich höher ausfallen. Die produktspezifischen Kosten, die durch eine differenzierte Marktbearbeitung entstehen, können je nach Ausmaß, in dem das Unternehmen Anpassungen in seinem Marketingmix vornimmt, gering bis hoch ausfallen. Meist werden die Basisprodukte (Girokonto, Zahlungsverkehr etc.) über die verschiedenen Kundengruppen einheitlich bleiben; eine Differenzierung erfolgt typischerweise bei den Anlageprodukten (z.B. erweiterte Fondsauswahl, Angebot von Aktienoptionen). Die preis- und distributionsspezifischen Kosten, die durch eine differenzierte Marktbearbeitung entstehen, können ebenfalls nur relativ vage beurteilt werden. Die demographischen und sozioökonomischen Merkmale der vorgestellten Segmentierungsansätze geben nur sehr eingeschränkt preis- und distributionsspezifische Hinweise. Somit liegt es im Ermessen des jeweiligen Unternehmens, auf Grund der Segmentinformationen preis- und distributionsspezifische Konsequenzen für den Marketingmix der jeweiligen Kundengruppe abzuleiten. Entsprechend variieren auch die Kosten, die mit der differenzierten Marktbearbeitung einhergehen. Erlösseitig kann für die Segmentierungsansätze nach demographischen und sozioökonomischen Merkmalen nur sehr schwer eine Beurteilung erfolgen. Zieht man die Kaufverhaltensrelevanz als groben Maßstab für das Erlöspotenzial heran, so kommt den Segmentierungsansätzen nach demographischen und sozioökonomischen Merkmalen vermutlich ein eher begrenztes Erlöspotenzial zu; jedoch sind die Informationen zu den einzelnen Segmentierungsansätzen nicht ausreichend, als dass eine Einschätzung der Erlöse erfolgen könnte. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die dargestellten Segmentierungsansätze nach demographischen und sozioökonomischen Merkmalen insbesondere durch ihre relativ geringen Kosten der Informationsgewinnung und -verarbeitung kostenseitig als vorteilhaft einzustufen sind. Jedoch sind die Informationen weder kosten- noch erlösseitig ausreichend, als dass eine fundierte Einschätzung der Wirtschaftlichkeit erfolgen könnte. 120

4.5.2.2 Bewertung psychographisch orientierter Segmentierungsansätze Die vorgestellten psychographisch orientierten Segmentierungsansätze basieren mehrheitlich auf Einstellungen als Segmentierungskriterium. Vor diesem Hintergrund soll die folgende Bewertung der Segmentierungsansätze im Wesentlichen anhand dieses Segmentierungsmerkmals erfolgen. (1) Kaufverhaltensrelevanz: Hinsichtlich der Kaufverhaltensrelevanz psychographisch orientierter Segmentierungsansätze finden sich in der Literatur unterschiedliche Ergebnisse.395 So ist es strittig, ob die Ausgangshypothese dieser Ansätze, nach der positive Einstellungen eines Nachfragers gegenüber einem Produkt auch dazu führen, dass dieses erworben wird, gilt. Denn abhängig von der jeweiligen Operationalisierung des Konstrukts Einstellungen und der Integration sozialer und situativer Faktoren ergeben sich unterschiedliche Ergebnisse.396 Beispielsweise konnte in einzelnen empirischen Untersuchungen die erklärte Varianz der Kaufabsicht und des Kaufverhaltens durch die Hinzunahme sozialer Einflussfaktoren sowie situationsspezifischer Variablen gesteigert werden.397 Für die dargestellten Segmentierungsansätze kann jedoch nicht abschließend beurteilt werden, inwieweit soziale und situationsspezifische Variablen berücksichtigt wurden. Einzig für die ibi-Finanztypologie kann mit relativ hoher Sicherheit konstatiert werden, dass diese soziale Einflussfaktoren (u.a. Arbeit, Familie) bei der Einstellungsmessung mit einbezieht. Bei der Mehrheit der betrachteten psychographisch orientierten Segmentierungsansätze (z.B. DOR-Typologie, Segmentierungsansatz von THIESING) erfolgt der Einbezug sozialer Einflussfaktoren jedoch erst im Nachhinein (als passive Segmentierungskriterien). Vor diesem Hintergrund kann keine eindeutige Aussage über die Kaufverhaltensrelevanz dieser Segmentierungsansätze getroffen werden. Teilweise (z.B. im Segmentierungsansatz von MACHAUER und MORGNER) werden auch gar keine sozialen Einflussfaktoren berücksichtigt, was sicherlich als Kritikpunkt angeführt werden kann.

395 396 397

Vgl. u.a. Elliott/Glynn (1998), S. 40 f.; Alfansi/Sargeant (2000), S. 66. Vgl. hierzu und im Folgenden Freter (1983), S. 73 ff. Vgl. z.B. Sheth (1974), S. 249 f. und S. 263. 121

Zur Beurteilung der Kaufverhaltensrelevanz ist darüber hinaus die Art der gemessenen Einstellungen zu hinterfragen: So sind allgemeine (produktunabhängige) Einstellungen (z.B. Lebensstil als Segmentierungskriterium der ibiFinanztypologie) weniger dazu geeignet, das Kaufverhalten zu erklären.398 Dagegen basiert eine Reihe der dargestellten psychographisch orientierten Segmentierungsansätze (z.B. Segmentierungsansatz von THIESING, Segmentierungsansatz von MACHAUER und MORGNER) auf speziellen (produktabhängigen) Einstellungen, denen eine vergleichsweise höhere Kaufverhaltensrelevanz zugesprochen wird.399 Zu berücksichtigen ist dabei, dass die produktspezifischen Einstellungen möglichst vollständig und voneinander unabhängig sein sollten, um relevante Eigenschaften nicht zu vernachlässigen und Verzerrungen durch Überschneidungen der Segmente zu vermeiden. Insgesamt ist festzuhalten, dass für eine Reihe der vorgestellten psychographisch orientierten Segmentierungsansätze eine relativ hohe Kaufverhaltensrelevanz zu vermuten ist. Im Vergleich zu der Gruppe der demographischen und sozioökonomischen Merkmale ist – wie in verschiedenen vergleichenden Studien nachgewiesen werden konnte400 – von einer relativ höheren Kaufverhaltensrelevanz auszugehen. (2) Marktbearbeitung: Die vorgestellten psychographisch orientierten Segmentierungsansätze bieten eine Reihe von Ansatzpunkten für die Marktbearbeitung. Insbesondere für den Bereich der kommunikationsspezifischen Marketinginstrumente geben die Merkmalsausprägungen der einzelnen Segmente wertvolle Hinweise. So bieten die Segmentbeschreibungen der DOR-Typologie (z.B. Typ 1: Spartyp: u.a. überdurchschnittlich alt, stark sicherheitsorientiert; Typ 4: Gehemmter Kunde: u.a. sehr gefühlsbetont, gehemmt im Umgang mit Geldinstituten) oder der ibi-Finanztypologie (z.B. ibi-Typ 4: spaßorientierter Mengenkunde; ibi-Typ 5: beratungs- und betreuungsorientierter Kunde) relativ konkrete Ansatzpunkte beispielsweise für die Gestaltung der Werbebotschaft. Daneben geben einige der Segmentierungsansätze relativ konkrete produktspezifische Hinweise: Beispielsweise enthält der Segmentierungsansatz von THIESING Informationen 398 399 400

122

Vgl. Tynan/Drayton (1987), S. 321; Wells (1975), S. 202. Vgl. Tynan/Drayton (1987), S. 321 f.; Wells (1975), S. 202. Vgl. Wells (1975), S. 206 f.

über die Produktpräferenzen der jeweiligen Kundengruppe (z.B. Konservativexklusive: Vermögensanlageformen; Genügsam-laienhafte: Sparprodukte, insbes. Bausparen). Weiterhin ergeben sich aus den psychographisch orientierten Segmentierungsansätzen vereinzelt Hinweise für die Preispolitik und die Distributionspolitik. Die DOR-Typologie zeigt beispielsweise eine generelle preispolitische Tendenz für die einzelnen Segmente auf (z.B. Typ 1: Spartyp: preisbewusst; Typ 3: Dispositionskunde: nicht preisorientiert). Distributionsspezifische Hinweise lassen sich beispielsweise bei der ibi-Finanztypologie identifizieren (z.B. ibi-Typ 2: größte Affinität der Segmente zu elektronischen Vertriebskanälen, insbes. SB-Terminals, Online-/Internet-Banking;). Über eine unterschiedliche Reaktion der Segmente auf getrennte Marketingprogramme liegen für die dargestellten psychographisch orientierten Segmentierungsansätze keine Informationen vor. Bei der Beurteilung der zeitlichen Stabilität der vorgestellten psychographisch orientierten Segmentierungsansätze ist zwischen den allgemeinen (produktunabhängigen) Einstellungen und den speziellen (produktabhängigen) Einstellungen zu differenzieren. Allgemeine (produktunabhängige) Einstellungen, die u.a. der DOR-Typologie zu Grunde liegen, sind das Resultat von Lern- bzw. Sozialisationsprozessen. Diese zeichnen sich durch eine relativ hohe zeitliche Stabilität aus.401 Spezielle (produktabhängige) Einstellungen – zu finden u.a. im Segmentierungsansatz von THIESING – bestehen i.d.R. sowohl aus zeitlich stabilen als auch relativ variablen Komponenten. So sind die von THIESING gemessenen Einstellungen gegenüber der „Idealbank“ als weitgehend dauerhaft einzustufen, während die konkreten produktspezifischen Einstellungen gegenüber der tatsächlichen Bank eher zeitlichen Schwankungen unterworfen sind.402 Vor diesem Hintergrund sind derartige Einstellungsmessungen in regelmäßigen Zeitabständen zu wiederholen. Insgesamt kann aber – insbesondere im Vergleich zu den beiden anderen Gruppen von Segmentierungsansätzen – von einer relativ hohen zeitlichen Stabilität der psychographisch orientierten Segmentierungsansätze ausgegangen werden.

401 402

Vgl. Freter (1983), S. 81. Vgl. auch Alfansi/Sargeant (2000), S. 66. 123

Schließlich bilden die Homogenität innerhalb der Segmente und die Heterogenität zwischen den Segmenten wichtige Teilanforderungen innerhalb der Aussagefähigkeit für die Marktbearbeitung. Es ist anzunehmen, dass diese Teilanforderung durch das Segmentierungsverfahren der Clusteranalyse weitgehend erfüllt ist (z.B. DOR-Typologie, Segmentierungsansatz von MACHAUER und MORGNER). Jedoch liegen keine genauen Informationen hinsichtlich der Proximitätsmaße der Clusteranalysen für die einzelnen Segmentierungsansätze vor, so dass eine abschließende Beurteilung nicht möglich ist. Legt man die von WELLS vorgeschlagene Systematisierung psychographischer Merkmale bzw. deren ermittelte Trennschärfe der Segmente zu Grunde403, ist für die überwiegend produktspezifischen Segmentierungsansätze (z.B. Segmentierungsansatz von THIESING) eine höhere Trennschärfe der Segmente zu vermuten als für die überwiegend Lebensstil-orientierten Segmentierungsansätze (z.B. ibi-Finanztypologie). Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die dargestellten psychographisch orientierten Segmentierungsansätze – insbesondere im Vergleich zu den beiden anderen Gruppen von Segmentierungsansätzen – eine relativ hohe Aussagefähigkeit für die Marktbearbeitung besitzen. Insbesondere die kommunikations- und produktspezifischen Hinweise können für die segmentspezifischen Marketingprogramme genutzt werden. Darüber hinaus tragen die überwiegend hohe zeitliche Stabilität der Segmentierungskriterien sowie die zu vermutende Homogenität der Segmente zu einer relativ hohen Aussagefähigkeit für die Marktbearbeitung bei. (3) Umsetzbarkeit: Hinsichtlich der Datenverfügbarkeit und -messbarkeit der dargestellten psychographisch orientierten Segmentierungsansätze ist darauf hinzuweisen, dass diese nur über relativ zeit- und kostenaufwendige Operationalisierungen und umfassende Primärerhebungen ermöglicht werden können.404 Darüber hinaus stellt sich bei der statistischen Erfassung von emotional geprägten Einstellungsdimensionen das Problem, dass „[...] bestimmte Personen dazu neigen, grundsätzlich höhere Ausprägungen oder Extrema anzukreuzen“405. Vor diesem Hintergrund muss bei der Interpretation der Ergebnisse darauf geachtet 403 404

405

124

Vgl. Wells (1975), S. 202. Beispielsweise weisen Machauer und Morgner auf unterschiedliche Messprobleme in ihrer Untersuchung hin. Vgl. Machauer/Morgner (1999), S. 12 f. Machauer/Morgner (1999), S. 13.

werden, inwieweit sich die Profilverläufe hinsichtlich der Einstellungsdimensionen unterscheiden. Die Zugänglichkeit der Segmente – als weitere Teilanforderung im Rahmen der Umsetzbarkeit – ist bei den psychographisch orientierten Segmentierungsansätzen nur eingeschränkt gegeben. So können die psychographischen Merkmalsausprägungen der Segmente, insbesondere die speziellen (produktabhängigen) Einstellungsausprägungen, meist nur bedingt mit den Zielgruppendaten der unterschiedlichen Werbeträger abgeglichen werden. Teilweise werden bei den dargestellten Segmentierungsansätzen (z.B. DOR-Typologie, Segmentierungsansatz von THIESING) demographische und sozioökonomische Merkmale als passive Segmentierungskriterien ermittelt. Jedoch sind diese Merkmale innerhalb der einzelnen Cluster meist sehr unterschiedlich ausgeprägt (z.B. relativ breit gestreute Alters- und Einkommensverteilung innerhalb einzelner Cluster), was wiederum die Zugänglichkeit der Segmente deutlich erschwert. Insgesamt lässt sich für die dargestellten psychographisch orientierten Segmentierungsansätze festhalten, dass deren Umsetzbarkeit für die Unternehmenspraxis nur eingeschränkt gegeben ist. Insbesondere die relativ aufwendige Operationalisierung, die notwendigen Primärerhebungen, die Komplexität bei der Auswertung und Interpretation der Daten sowie die erschwerte Zugänglichkeit der Segmente bilden wesentliche Hindernisse für eine Umsetzung. (4) Wirtschaftlichkeit: Die psychographisch orientierten Segmentierungsansätze sind überwiegend mit relativ hohen Kosten verbunden. Dies ist wohl auch ein wesentlicher Grund dafür, dass diese Art der Segmentierungsansätze in der Unternehmenspraxis nur sehr vereinzelt Anwendung findet. Insbesondere die Kosten der Informationsgewinnung können zum Teil erheblich sein: So sind sowohl die Operationalisierung als auch die (regelmäßige) Durchführung der notwendigen Primärerhebungen meist relativ kostenaufwendig. Auch die Kosten der Informationsverarbeitung stellen sich als vergleichsweise hoch dar: So erfolgt in den dargestellten Segmentierungsansätzen die Ermittlung der Segmente überwiegend über Clusteranalysen, die einer gewissen technischen Ausstattung, eines spezifisches Methodenwissens und teilweise einer relativ zeitintensiven Bearbeitung bedürfen. Weiterhin stellt sich die Übertragung der Segmente auf den Kundenbestand teilweise als aufwendig dar (die nach psychographischen Merkmalen ermittelten Segmente müssen über „Hilfskonstrukte“ auf den gesamten Kunden125

bestand und die IT-Systeme des Unternehmens übertragen werden). Die Kosten, die durch die differenzierte Marktbearbeitung entstehen, können je nach Ausmaß, in dem das jeweilige Unternehmen Anpassungen in seinem Marketingmix vornimmt, gering bis hoch ausfallen. Für die kommunikationsspezifischen Kosten ist zu vermuten, dass diese durch die erschwerte Zugänglichkeit der Segmente relativ hoch ausfallen. Für die produkt-, preis- und distributionsspezifischen Kosten, die durch eine differenzierte Marktbearbeitung entstehen, kann anhand der vorliegenden Informationen keine Beurteilung getroffen werden. Hinsichtlich der Erlöse, die mit den dargestellten psychographisch orientierten Segmentierungsansätzen verbunden sind, ist eine Beurteilung nur sehr schwer möglich. Zieht man die Kaufverhaltensrelevanz als groben Maßstab für das Erlöspotenzial heran, kann vermutlich von einer Vorteilhaftigkeit gegenüber den beiden anderen Gruppen von Segmentierungsansätzen ausgegangen werden; jedoch sind die Informationen zu den einzelnen Segmentierungsansätzen nicht ausreichend, als dass eine Beurteilung der Erlöse erfolgen könnte. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die dargestellten psychographisch orientierten Segmentierungsansätze durch die relativ hohen Kosten der Informationsgewinnung und -verarbeitung kostenseitig eher als nachteilig eingestuft werden können. Jedoch sind die Informationen weder kosten- noch erlösseitig ausreichend, als dass eine fundierte Einschätzung der Wirtschaftlichkeit erfolgen könnte. 4.5.2.3 Bewertung gemischt demographischer, sozioökonomischer und verhaltensorientierter Segmentierungsansätze (1) Kaufverhaltensrelevanz: Hinsichtlich der Kaufverhaltensrelevanz des Segmentierungsansatzes von KÜSPERT sind sowohl die demographischen und sozioökonomischen als auch die verhaltensorientierten Segmentierungskriterien zu beurteilen. Wie bereits für die Segmentierungsansätze nach demographischen und sozioökonomischen Merkmalen angeführt, ist diese Art der Segmentierung nur bedingt kaufverhaltensrelevant. Die von KÜSPERT eingesetzten Merkmale wie Alter, Beruf, Einkommen bieten weniger Ansätze zur Erklärung des Kaufverhaltens als vielmehr Hinweise zur Separierung von Käufern und Nichtkäufern sowie zur Bestimmung möglicher Nachfragepotenziale. Als verhaltensorientierte 126

Merkmale verwendet KÜSPERT die Produktnutzung, die im Gegensatz zu den oben genannten Kriterien nicht Bestimmungsfaktor des Kaufverhaltens ist, sondern eine Ausprägung des Verhaltens in Kaufentscheidungsprozessen. Lässt man den Schluss von vergangenem auf künftiges Kaufverhalten zu, so kann der Produktnutzung eine gewisse Kaufverhaltensrelevanz zugesprochen werden.406 Eine derartige Schlussfolgerung wird jedoch von einzelnen wissenschaftlichen Vertretern stark angezweifelt.407 Damit kann für die verhaltensorientierten Segmentierungskriterien keine eindeutige Beurteilung der Kaufverhaltensrelevanz erfolgen. Insgesamt kann bei dem Segmentierungsansatz von KÜSPERT nur von einer eingeschränkten Kaufverhaltensrelevanz ausgegangen werden. Eher geeignet scheint eine solche Art der Segmentierung zur Differenzierung von Käufern und Nichtkäufern als eine Vorstufe der eigentlichen Segmentierung. (2) Marktbearbeitung: Die von KÜSPERT angewandten demographischen, sozioökonomischen und verhaltensorientierten Segmentierungskriterien bieten insbesondere produkt- und kommunikationsbezogene Hinweise für den Einsatz der Marketinginstrumente. So weist KÜSPERT beispielsweise darauf hin, dass der Cluster „Dinks“ überdurchschnittlich häufig Privatkredite beansprucht – eine Information, die insbesondere für die segmentspezifische Produktpolitik relevant sein könnte. Weiterhin können aus einzelnen der Lebensphasen-orientierten Segmenten (z.B. „Singles“, „Familien in der Frühphase“) Hinweise für eine segmentspezifische Kommunikationspolitik, insbesondere für die Auswahl der Werbeträger und die Gestaltung der Werbebotschaft, abgeleitet werden. Distributions- und preisspezifische Informationen sind hingegen kaum aus dem Segmentierungsansatz ableitbar. Ebenso können keine Aussagen über die mögliche Wirkung der Marketinginstrumente generiert werden. Die zeitliche Stabilität der von KÜSPERT eingesetzten Segmentierungskriterien ist als relativ eingeschränkt einzustufen – beide Arten von Segmentierungskriterien unterliegen einem ständigen zeitlichen Wandel. Die Teilanforderung der Homogenität innerhalb der Segmente und der Heterogenität zwischen den Segmenten wird in KÜSPERTS Segmentierungsansatz auf Grund der angewendeten 406 407

Vgl. auch Elliott/Glynn (1998), S. 40 f.; Alfansi/Sargeant (2000), S. 65 f. Vgl. Tynan/Drayton (1987), S. 325. 127

Clusteranalyse weitgehend abgedeckt (jedoch kann auf Grund fehlender Informationen zu den Proximitätsmaßen der Clusteranalyse keine abschließende Beurteilung erfolgen). Der von KÜSPERT entwickelte Segmentierungsansatz kann einzelne, insbesondere produkt- und kommunikationsspezifische Hinweise für die Marktbearbeitung geben. Die Aussagefähigkeit für die Marktbearbeitung ist insgesamt jedoch eingeschränkt, insbesondere auf Grund fehlender Aussagen über eine mögliche Wirkung der Marketinginstrumente sowie einer eingeschränkten zeitlichen Stabilität der Segmentierungskriterien. (3) Umsetzbarkeit: Die Datenverfügbarkeit ist für die Mehrheit der von KÜSPERT eingesetzten Segmentierungskriterien (z.B. Alter, Einkommen, Produktnutzung) in den IT-Systemen der Unternehmen gegeben. Mögliche fehlende Merkmale (z.B. Anzahl und Alter der Kinder) können über sekundärstatistische Quellen oder relativ einfach operationalisierbare Primärerhebungen generiert werden. Auch die Messbarkeit der Merkmale stellt sich als unproblematisch dar (Messung beispielsweise anhand von Verhältnis- oder Nominalskalen). Weiterhin kann die Zugänglichkeit der Segmente durch die verwendeten demographischen und sozioökonomischen Segmentierungskriterien als weitgehend gegeben eingestuft werden. Wie KÜSPERT anführt, sind für eine Umsetzung des Segmentierungsansatzes jedoch eine Reihe weiterer Schritte zu vollziehen, beispielsweise die Klassifizierung der Segmente nach ihrem Deckungsbeitrag und ihrem Erlöspotenzial. Insbesondere die Klassifizierung nach letzterem Merkmal könnte umsetzungsspezifische Schwierigkeiten mit sich bringen. Da das Erlöspotenzial als Merkmal nicht direkt verfügbar ist, muss es zunächst operationalisiert werden. Beispielsweise könnte über die Kombination von Kriterien wie Ist-Deckungsbeitrag, Alter, Einkommen und Geldvermögen ein Näherungswert für das Erlöspotenzial ermittelt werden. Derartige Abschätzungen sind jedoch meist mit einer sehr hohen Unsicherheit behaftet. Insgesamt kann die Umsetzbarkeit des Segmentierungsansatzes von KÜSPERT als weitgehend gegeben eingestuft werden. Mögliche Umsetzungsprobleme kön128

nen einzig im Rahmen der von KÜSPERT definierten weiteren Umsetzungsschritte (z.B. bei der Operationalisierung des Konstrukts Erlöspotenzial) auftreten. (4) Wirtschaftlichkeit: Der Segmentierungsansatz von KÜSPERT ist insbesondere kostenseitig als vorteilhaft zu bewerten. Sowohl die Kosten der Informationsgewinnung als auch die Kosten der Informationsverarbeitung sind als eher gering einzustufen. Dabei gelten die Argumente, die bereits bei den Segmentierungsansätzen nach demographischen und sozioökonomischen Merkmalen angeführt wurden. Die zusätzlichen verhaltensorientierten Merkmale (insbes. Produktnutzung) bilden hier keine Ausnahme, da sie in den IT-Systemen der Unternehmen i.d.R. automatisch erfasst werden und somit keine zusätzlichen Kosten der Informationsgewinnung und -verarbeitung verursachen.408 Die Kosten, die durch eine differenzierte Marktbearbeitung entstehen, sind nur sehr schwer abschätzbar. Die Kosten für die Auswahl der Werbeträger werden durch die angewendeten demographischen und sozioökonomischen Segmentierungskriterien voraussichtlich relativ gering ausfallen. Für alle sonstigen segmentierungsrelevanten Kosten kann aus den vorliegenden Informationen keine Abschätzung gegeben werden. Auch erlösseitig fällt eine Abschätzung sehr schwer. Zieht man die Kaufverhaltensrelevanz als groben Maßstab für das Erlöspotenzial heran, so kommt dem Segmentierungsansatz von KÜSPERT ein relativ geringes Erlöspotenzial zu. Insgesamt zeigt sich, dass der Segmentierungsansatz von KÜSPERT insbesondere durch die relativ geringen Kosten der Informationsgewinnung und -verarbeitung kostenseitig als vorteilhaft zu bewerten ist. Jedoch sind die Informationen weder kosten- noch erlösseitig ausreichend, als dass eine fundierte Einschätzung der Wirtschaftlichkeit erfolgen könnte.

408

Da das Ertragspotenzial i.d.R. über unterschiedliche, bereits in den IT-Systemen des Unternehmens vorhandene Merkmale abgebildet wird, sind auch diesbezüglich kaum zusätzliche Kosten der Informationsgewinnung und -verarbeitung zu erwarten. 129

4.5.3 Zusammenfassende Beurteilung der ausgewählten Segmentierungsansätze Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die dargestellten Segmentierungsansätze die definierten Anforderungen an die Kundensegmentierung nur zum Teil erfüllen. Vor allem die Kaufverhaltensrelevanz sowie die Aussagefähigkeit für die Marktbearbeitung (insbes. hinsichtlich der segmentspezifischen Preis- und Distributionspolitik sowie der unterschiedlichen Reaktion der Segmente auf getrennte Marketingprogramme) sind bei der Mehrheit der betrachteten Segmentierungsansätze nur bedingt gegeben. Die Umsetzbarkeit stellt sich insbesondere bei den psychographisch orientierten Segmentierungsansätzen als problematisch dar. Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit der Segmentierungsansätze ist aus den vorhandenen Informationen keine fundierte Einschätzung möglich. Bei Gegenüberstellung der drei Gruppen von Segmentierungsansätzen ist zu konstatieren, dass die psychographisch orientierten Segmentierungsansätze (insbes. die auf speziellen (produktabhängigen) Einstellungen basierenden Segmentierungsansätze, z.B. von THIESING oder von MACHAUER und MORGNER) die Anforderungen an die Kundensegmentierung vergleichsweise am besten erfüllen. Wie in verschiedenen vergleichenden Untersuchungen festgestellt werden konnte, zeigt sich diese Art der Segmentierung vor allem hinsichtlich der Erklärungskraft für das Kaufverhalten überlegen. Auch die Aussagefähigkeit für die Marktbearbeitung kann für diese Art der Segmentierung als vorteilhaft eingestuft werden. Zwar geben alle drei Gruppen in einem mehr oder minder großen Ausmaß Hinweise auf eine segmentspezifische Produkt- und Kommunikationspolitik; jedoch sind die Teilanforderungen der Stabilität der Segmentierungskriterien und der Homogenität innerhalb der Segmente bei den psychographisch orientierten Segmentierungsansätzen vergleichsweise besser erfüllt. Die Segmentierungsansätze nach demographischen und sozioökonomischen Merkmalen sowie die gemischt demographischen, sozioökonomischen und verhaltensorientierten Segmentierungsansätze eignen sich eher als eine Vorstufe der eigentlichen Segmentierung, indem Käufer und Nicht-Käufer (im Hinblick auf einzelne Produktkategorien) separiert werden und entsprechend bearbeitet werden können. Vor diesem Hintergrund ist auch KÜSPERTS Forderung nach einer weiteren Detaillierung (Ergänzung von Deckungsbeiträgen, Ertragspoten130

zialen, Konkurrenzsituation je Segment) seines Segmentierungsansatzes zu verstehen. In der Unternehmenspraxis hat vor allem die einfache Umsetzbarkeit (insbes. Datenverfügbarkeit und -messbarkeit) der Segmentierungsansätze nach demographischen und sozioökonomischen Merkmalen sowie der kombinierten demographischen, sozioökonomischen und verhaltensorientierten Segmentierungsansätze zu deren weit verbreiteter Anwendung beigetragen. Für die psychographisch orientierten Segmentierungsansätze zeigt sich hingegen auf Grund ihrer relativ aufwendigen Operationalisierung, der Notwendigkeit von Primärerhebungen, der Komplexität bei der Auswertung und Interpretation der Daten sowie der erschwerten Zugänglichkeit der Segmente eine relativ seltene Anwendung in der Unternehmenspraxis, wenn sie auch aus wissenschaftlicher Sicht weitgehend zu bevorzugen sind. Bei übergreifender Betrachtung der dargestellten Segmentierungsansätze können schließlich drei Punkte kritisch angeführt werden: x Zunächst geben die ausgewählten Segmentierungsansätze keine oder kaum Hinweise auf die Implementierung der Kundensegmentierung. Der Schwerpunkt der Betrachtungen liegt auf der Konzeptions-/Planungsphase der Kundensegmentierung, dabei insbesondere der Wahl geeigneter Segmentierungskriterien. Die Phasen der Implementierung sowie der Steuerung und Kontrolle werden nicht betrachtet.409 Einzig im Segmentierungsansatz von KÜSPERT wird darauf hingewiesen, dass für die Umsetzung des Segmentierungsansatzes eine Reihe weiterer Schritte vollzogen werden muss. Dabei ist anzumerken, dass sich diese Hinweise – wenngleich weitergehend als die Ausführungen bei der Mehrheit der dargestellten Segmentierungsansätze – jedoch ebenso ausschließlich auf die Konzeptions-/Planungsphase der Kundensegmentierung beziehen. x Weiterhin werden die Ziele der Kundensegmentierung bzw. die Ziele, die mit der Konzeption der dargestellten Segmentierungsansätze verfolgt wurden, nicht oder kaum erklärt. Gerade die Ziele der Kundensegmentierung sind jedoch eine wesentliche Entscheidungskomponente der Kundenseg409

Auf diese Forschungslücke weisen auch Speed/Smith (1992), S. 377 sowie Meadows/Dibb (1998), S. 45 und S. 48 hin. 131

x

mentierung und sind bei der Gestaltung der Kundensegmentierung zu berücksichtigen.410 Schließlich berücksichtigen die ausgewählten Segmentierungsansätze nicht oder nur sehr eingeschränkt die Situation der Kundensegmentierung. Die Gestaltung der Segmentierung kann jedoch von verschiedenen internen und externen Faktoren (z.B. Organisationsstruktur, Kundenstruktur) abhängen, die für eine zielführende Gestaltung der Kundensegmentierung zu berücksichtigen sind.411

4.6 Implementierung der Kundensegmentierung In der Literatur finden sich bisher nur sehr vereinzelt Ausführungen zur Implementierung der Kundensegmentierung. Als einzige empirische Untersuchung zu diesem Themengebiet kann auf die Arbeit von MEADOWS und DIBB verwiesen werden, die in ihrer Untersuchung vor allem vier implementierungsspezifische Hindernisse hervorheben:412 Zunächst bildet die sog. „Segmentation barrier“ ein Hindernis im Rahmen der Implementierung der Kundensegmentierung.413 Gemäß den Beobachtungen von MEADOWS und DIBB wendet die Mehrheit der von ihnen untersuchten Banken relativ einfache Segmentierungen, charakterisiert durch den Einsatz von demographischen und sozioökonomischen Segmentierungskriterien, an. Zwar wird aus Sicht der Unternehmen und auch aus wissenschaftlicher Sicht eine Segmentierung beispielsweise nach psychographischen Segmentierungskriterien als zielführender erachtet, jedoch werden diese Segmentierungsmerkmale aus Gründen insbesondere der mangelnden Datenverfügbarkeit von den Unternehmen nicht eingesetzt. Zwar liegen den Unternehmen oft weitere Informationen (auch psychographischer Art) über die Kunden vor 410

411

412 413

132

Dibb und Simkin unterstreichen die Wichtigkeit der Ziele als Entscheidungskomponente der Kundensegmentierung. Vgl. Dibb/Simkin (1997), S. 54 f. Vgl. Wind (1978), S. 318 ff.; Meadows/Dibb (1998), S. 45 ff. Als Beispiel eines Segmentierungsansatzes, der zumindest teilweise die Situation der Kundensegmentierung berücksichtigt, kann der Segmentierungsansatz von Küspert genannt werden. Dabei konzipiert Küspert den Segmentierungsansatz unter Berücksichtigung der Kundenstruktur. Vgl. Küspert (1992), S. 184 ff. Vgl. Meadows/Dibb (1998), S. 45 ff. Meadows und Dibb strukturieren die im Rahmen ihrer Untersuchung identifizierten Hindernisse der Implementierung der Kundensegmentierung anhand des STP-Marketingmodells (Segmenting, Targeting, Positioning) von Kotler und Bliemel. Vgl. Kotler/Bliemel (2005), S. 415 f. Aus diesem Grunde sind die Hindernisse nach diesen drei Elementen benannt. Vgl. Meadows/Dibb (1998), S. 49 ff.

(z.B. Informationen, die im persönlichen Gespräch mit dem Kunden generiert wurden), diese werden bis dato jedoch nicht systematisch und größtenteils auch nicht elektronisch erfasst, so dass eine Anwendung im Rahmen der Kundensegmentierung von den Unternehmen ausgeschlossen wird. Damit ist das erste Hindernis, die sog. „Segmentation barrier“, beschrieben, das im Wesentlichen in einer mangelnden Verfügbarkeit insbesondere psychographischer Segmentierungsdaten begründet liegt. Dabei weisen SPEED und SMITH auf ein weiteres implementierungsspezifisches Hindernis hin, welches ebenfalls im Zusammenhang mit der Datenerfassung steht:414 Da einige der Segmentierungskriterien zu einem Zeitpunkt erhoben werden, an dem der Kunde zum ersten Mal ein Produkt bzw. eine Dienstleistung erwirbt, besteht teilweise ein erheblicher zeitlicher Abstand zwischen Datenerhebung und Segmentierung. Die verwendeten Daten sind teilweise nicht aktuell – es besteht die Gefahr möglicher Fehlallokationen von Ressourcen. Jedoch ist einschränkend hinzuzufügen, dass die Mehrheit der von den Banken eingesetzten Segmentierungskriterien in den IT-Systemen ohnehin automatisch aktualisiert werden (z.B. Alter, Geldvermögen). Ein weiteres implementierungsspezifisches Hindernis der Kundensegmentierung liegt darin begründet, dass Unternehmen teilweise Marktbearbeitungsstrategien verfolgen, die der Grundidee der Kundensegmentierung entgegenstehen, diese im schlimmsten Fall ad absurdum führen. Dieses von MEADOWS und DIBB als „Targeting barrier“ bezeichnete Hindernis ist vor allem dann virulent, wenn Banken – bewusst oder unbewusst – Strategien des undifferenzierten Marketing verfolgen. So konnten MEADOWS und DIBB im Rahmen ihrer Untersuchung beobachten, dass einzelne Entscheider in Banken den Standpunkt vertraten, dass alle Kunden einen gleichermaßen hochwertigen Service, inklusive eines gleichartigen Produktangebots zur Verfügung gestellt bekommen sollten.415 Eine solche Marktbearbeitungsstrategie würde jedoch den durch die Kundensegmentierung ermöglichten segmentspezifischen Einsatz der Marketinginstrumente – zumindest teilweise – konterkarieren. Beispielsweise könnte bei einer derartigen Haltung des Managements kaum eine segmentspezifisch differenzierte Produktund Distributionspolitik umgesetzt werden.

414 415

Vgl. Speed/Smith (1992), S. 378. Vgl. Meadows/Dibb (1998), S. 53. 133

Als weiteres Hindernis im Rahmen der Implementierung wurde von MEADOWS und DIBB die sog. „Positioning barrier“ identifiziert. Wesentliches Hindernis ist, dass der gewählte Segmentierungsansatz nicht oder nur bedingt auf die verschiedenen Vertriebskanäle der Bank abgestimmt ist.416 Beispielsweise können für direkte Vertriebskanäle (z.B. Internet) deutlich andere Anforderungen an die Kundensegmentierung gelten als beispielsweise für den stationären Vertrieb (z.B. Beratung des Kunden durch den Vertriebsmitarbeiter in der Filiale). Während Segmentierungskriterien und Segmentcharakteristika eines Segmentierungsansatzes für die Vertriebsmitarbeiter in den Filialen ausreichend sein mögen, können diese für die Mitarbeiter in den zentralen Marketingeinheiten, die für die Planung und Durchführung einer Direktmarketingkampagne verantwortlich sind, zu wenig detailliert und aussagekräftig sein. Es liegt somit ein unzureichender „Fit“ zwischen Segmentierungsansatz und Vertriebskanälen vor. Schließlich sprechen MEADOWS und DIBB ein übergreifendes Hindernis im Rahmen der Implementierung der Kundensegmentierung an, die sog. „General barrier“. Dabei konstatieren sie, dass die Kundensegmentierung nur dann erfolgreich implementiert werden kann, wenn das Unternehmen eine auf den Kunden ausgerichtete Philosophie verfolgt und dies sich auch in der Organisationsstruktur widerspiegelt (d.h., eine nach Kundengruppen/Segmenten ausgerichtete Organisationsstruktur verfolgt).417 Gekennzeichnet ist die Mehrheit der von MEADOWS und DIBB untersuchten Banken jedoch von einer produktorientierten Organisationsstruktur, insbesondere im Hinblick auf die absatzorientierten Zentraleinheiten418 (z.B. Marketing), die überwiegend nach Produkten gegliedert sind (Wertpapiere, Kredite etc.). Dies setzt sich fort in den Aufgaben- und Funktionsbeschreibungen der entsprechenden Mitarbeiter (ausgerichtet nach Produktlinien) sowie den Prozessen für die Steuerung und Kontrolle der Leistung des Einzelnen, der Teams und der gesamten Bank. Somit kann für eine Reihe von Banken von einem unzureichenden „Fit“ zwischen Segmentierungsansatz und Organisationsstruktur gesprochen werden. Zu konstatieren ist jedoch auch, dass mittlerweile eine Reihe von Banken dazu übergegangen ist, sich beispielsweise 416 417 418

134

Vgl. Meadows/Dibb (1998), S. 54 f.; Pauluhn (1994), S. 171. Vgl. auch Gloystein (1994), S. 143; Kühne (1994), S. 189 f. In der Literatur wird auch teilweise von Zentralbereichen gesprochen. In der vorliegenden Arbeit soll jedoch einheitlich der Begriff Zentraleinheit(en) verwendet werden. Für eine Definition siehe Kreikebaum (1992), Sp. 2603 ff.

innerhalb der absatzorientierten Zentraleinheiten kunden-/segmentorientiert auszurichten und dies über Matrixstrukturen419 organisatorisch umzusetzen versucht.420 Bei kritischer Betrachtung der dargestellten implementierungsspezifischen Hindernisse der Kundensegmentierung zeigt sich, dass vor allem die beiden letztgenannten Hindernisse für die vorliegende Untersuchung relevant sind: der mangelnde „Fit“ einerseits zwischen Segmentierungsansatz und Vertriebskanälen sowie andererseits zwischen Segmentierungsansatz und Organisationsstruktur. Das von MEADOWS und DIBB als erstes adressierte Hindernis – die mangelnden Datenverfügbarkeit psychographischer Merkmale – stellt eher ein generelles Problem dar und betrifft nahezu alle Banken. Ein Überwinden dieses Hindernisses ist nur durch eine ergänzende Generierung von Daten (z.B. durch Primärerhebungen) möglich. Der zweite Problemkreis spricht eher ein grundlegendes strategisches Problem der Unternehmen bzw. ein Führungsproblem an, als dass es ein segmentierungsspezifisches Hindernis darstellt. Insgesamt stellen die angesprochenen Hindernisse, vor allem das der „Positioning barrier“ sowie der „General barrier“, zentrale implementierungsspezifische Handlungsfelder der Kundensegmentierung dar, die auch im Rahmen der empirischen Untersuchung aufgegriffen und hinterfragt werden sollen. Denn schließlich bildet die Implementierung der Kundensegmentierung einen wesentlichen Ausgangspunkt für die vorliegende Untersuchung – und wie GREENBERG und MCDONALD bemerken, gilt in dieser Hinsicht: „In a related vein, a segmentation study is ultimately only as good as its implementation.“421

419

420

421

Für die Beschreibung des Grundmodells der Matrixorganisation siehe z.B. Scholz (1992), Sp. 1302 ff.; Bea/Haas (2001), S. 399 f. Zur Matrixorganisation in Banken siehe Eilenberger (1997), S. 564. Auf die Entwicklung hin zu kundenorientierten Organisationsstrukturen im Allgemeinen weisen Homburg, Workman Jr. und Jensen in ihrer Untersuchung hin. Vgl. Homburg/Workman Jr./Jensen (2000), S. 459 ff. Greenberg/Schwartz McDonald (1989), S. 33. 135

4.7 Zusammenfassung Die Ergebnisse zu den theoretischen Grundlagen der Kundensegmentierung sowie zu den ausgewählten Ansätzen zur Kundensegmentierung können wie folgt zusammengefasst werden: x

Nachdem SMITH das Konzept der Kundensegmentierung Mitte der 50er Jahre in der betriebswirtschaftlichen Forschung aufgegriffen hatte, hat sich die Forschung auf dem Gebiet der Kundensegmentierung relativ schnell weiterentwickelt. Als frühe Vertreter können vor allem YANKELOVICH, BARNETT, SHETH, WILKIE und COHEN sowie WIND genannt werden.

x

Verfolgt man die Entwicklung der Ansätze zur Kundensegmentierung kann hinsichtlich des Segmentierungsvorgehens eine Tendenz von einer „A priori“-Vorgehensweise hin zu einer „Post hoc“-Vorgehensweise der Segmentierungsansätze verfolgt werden; hinsichtlich der Segmentierungskriterien ist eine Entwicklung von überwiegend demographischen, sozioökonomischen hin zu verhaltensorientierten und/oder psychographischen Segmentierungsansätzen zu beobachten.

x

Bei Betrachtung der unterschiedlichen Arten von Segmentierungsansätzen fallen vor allem drei spezifische Ansätze auf, die in der Wissenschaft teilweise intensiv diskutiert wurden: „Benefit Segmentation“ (z.B. MINHAS/JACOBS, ALFANSI/SARGEANT), „Lifestyle“-Segmentierung (z.B. BURNETT, SINUS SOCIOVISION), Lebenszyklus-Segmentierung (z.B. JAVALGI/DION).

x

Es lässt sich keine „überlegene“ Segmentierung identifizieren. Zwar zeichnen sich psychographisch orientierte Segmentierungen, „Benefit Segmentation“ oder Lebenszyklus-Segmentierungen durch eine vergleichsweise hohe Kaufverhaltensrelevanz aus, jedoch sind sie teilweise auch mit Nachteilen in ihrer Operationalisierung belegt. Die Uneinigkeit über die Beurteilung unterschiedlicher Segmentierungsansätze mag auch damit zusammenhängen, dass Bewertungen und Vergleiche von Segmentierungsansätzen sich meist nur auf die Prüfung einzelner Anforderungen oder Teile dieser Anforderungen konzentrieren.

136

x

Die Forschung zur Kundensegmentierung im Finanzdienstleistungssektor hat sich seit den 70er Jahren entwickelt. Als wichtige Vertreter sind vor allem ANDERSON/COX III/FULCHER, SPEED/SMITH, ELLIOTT/ GLYNN, MEADOWS/DIBB sowie JAVALGI/DION zu nennen.

x

In der aktuellen Forschung zur Kundensegmentierung können zwei wesentliche Richtungen der Forschung identifiziert werden: eine – aktuell vorherrschende – Richtung der Forschung, die eine weitere Spezialisierung der Ansätze zur Kundensegmentierung anstrebt, indem sie neue Segmentierungsansätze für spezifische Kundengruppen, Produktgruppen, Länder o.Ä. entwickelt (z.B. ZUR BRÜGGE, BEEMELMANN, ALFANSI/SARGEANT); eine – noch in den Anfängen befindliche – Richtung der Forschung, die die Anwendungspraxis von Segmentierungsansätzen, insbesondere die Implementierungsphase der Kundensegmentierung empirisch untersucht (z.B. MEADOWS/DIBB).

x

Das Kaufverhalten bildet den Ausgangspunkt der Kundensegmentierung. Die Mehrheit der Ansätze zur Kundensegmentierung basiert auf traditionellen absatztheoretischen Modellen des Kaufverhaltens; statt der aggregierten Marktreaktion wird dabei jedoch die individuelle Reaktion der Nachfrager zu Grunde gelegt – diese Modifikation kann als Entwicklung von einem Makro- zu einem Mikromodell interpretiert werden.

x

In der Literatur findet sich eine Reihe von Zielkatalogen für die Kundensegmentierung (z.B. FRETER, SWOBODA), die jedoch innerhalb der Zielkataloge teilweise sehr unterschiedliche Aggregationsebenen aufweisen und auch oft nicht überschneidungsfrei sind. Vor diesem Hintergrund wurde ein integrierter Zielkatalog der Kundensegmentierung entwickelt, der die identifizierten Ziele der Kundensegmentierung berücksichtigt und nach den einzelnen Phasen des Prozesses der Kundensegmentierung strukturiert ist.

x

Aus den Zielen der Kundensegmentierung können unterschiedliche Anforderungen an die Kundensegmentierung abgeleitet werden (z.B. FRETER, HALSCH, ELLIOTT/GLYNN). Zusammenfassend können vier wesentliche Anforderungen an die Kundensegmentierung genannt werden: Kaufverhaltensrelevanz, Aussagefähigkeit für die Marktbearbeitung, Umsetzbarkeit, Wirtschaftlichkeit. 137

x

Hinsichtlich der Arten von Segmentierungskriterien lassen sich im Wesentlichen vier Gruppen unterscheiden: demographische, sozioökonomische (z.B. Alter, Familienlebenszyklus), psychographische (z.B. Einstellungen, Motive), verhaltensorientierte (z.B. Volumen und Häufigkeit der Produktnutzung) und ergebnisorientierte (z.B. Deckungsbeitrag, Customer Lifetime Value) Segmentierungskriterien.

x

Im Rahmen der Marktbearbeitung sind drei grundlegende Marktbearbeitungsstrategien zu unterscheiden: undifferenziertes, differenziertes und konzentriertes Marketing. Für das zu Grunde liegende Erkenntnisobjekt sind ausschließlich die beiden letztgenannten Strategien relevant. Eine Ableitung der segmentspezifischen Marketinginstrumente kann nur einzelfallspezifisch erfolgen.

x

Beispielhaft wurden acht Ansätze zur Kundensegmentierung vorgestellt; darunter zwei Segmentierungsansätze nach demographischen und sozioökonomischen Merkmalen (darunter eine Lebenszyklus-Segmentierung), fünf psychographisch orientierte Segmentierungsansätze (darunter eine „Lifestyle“-Segmentierung) sowie ein gemischt demographischer, sozioökonomischer und verhaltensorientierter Segmentierungsansatz.

x

Die Bewertung der vorgestellten Segmentierungsansätze zeigt, dass die definierten Anforderungen an die Kundensegmentierung nur zum Teil erfüllt sind. Vor allem Kaufverhaltensrelevanz und Aussagefähigkeit für die Marktbearbeitung sind bei der Mehrheit der Segmentierungsansätze nur bedingt gegeben. Bei Gegenüberstellung der drei Gruppen von Segmentierungsansätzen ist zu konstatieren, dass die psychographisch orientierten, insbesondere die auf speziellen (produktabhängigen) Einstellungen basierenden Segmentierungsansätze (z.B. THIESING, MACHAUER/MORGNER), die Anforderungen an die Kundensegmentierung vergleichsweise am besten erfüllen. Die Segmentierungsansätze nach demographischen und sozioökonomischen Merkmalen sowie die gemischt demographischen, sozioökonomischen und verhaltensorientierten Segmentierungsansätze eignen sich eher als eine Vorstufe der eigentlichen Segmentierung, indem Käufer und NichtKäufer (im Hinblick auf einzelne Produktkategorien) separiert werden und entsprechend bearbeitet werden können.

138

x

Es können drei übergreifende Kritikpunkte hinsichtlich der dargestellten Segmentierungsansätze identifiziert werden: Die ausgewählten Ansätze zur Kundensegmentierung geben keine oder kaum implementierungsspezifische Hinweise. Die Ziele bei der Konzeption der Ansätze zur Kundensegmentierung werden nicht dargelegt; teilweise werden wesentliche Ziele der Kundensegmentierung und Anforderungen an die Kundensegmentierung vernachlässigt. Die Situation der Kundensegmentierung findet keine oder kaum Berücksichtigung in den dargestellten Segmentierungsansätzen.

x

Als implementierungsspezifische Hindernisse der Kundensegmentierung sind gemäß der Untersuchung von MEADOWS/DIBB „Segmentation barrier“ (unzureichende Datenverfügbarkeit psychographischer Merkmale), „Targeting barrier“ (Verfolgung von Strategien des undifferenzierten Marketing), „Positioning barrier“ (unzureichender „Fit“ zwischen Segmentierungsansatz und Vertriebskanälen) und „General barrier“ (unzureichender „Fit“ zwischen Segmentierungsansatz und Organisationsstruktur) zu nennen. Für die vorliegende Untersuchung scheinen insbesondere die beiden letztgenannten Hindernisse relevant zu sein; diese sollen auch im Rahmen der empirischen Untersuchung aufgegriffen und hinterfragt werden.

139

„[...] market segmentation research must begin to examine possible segmentation strategies in relation to other aspects of the market and the company's position within it.“422 RICHARD SPEED und GARETH SMITH

5. Entwicklung eines theoretischen Bezugsrahmens für die empirische Untersuchung Im Folgenden soll der theoretische Bezugsrahmen für die Untersuchung abgeleitet und kritisch gewürdigt werden. Dieser soll als Instrument zur Systematisierung der empirischen Untersuchung dienen und damit die Erreichung der definierten Untersuchungsziele leiten.423 5.1 Kontingenztheorie und neo-kontingenztheoretische Perspektive als Ausgangspunkt der Überlegungen Der kontingenztheoretische Ansatz soll den Ausgangspunkt für die Ableitung des theoretischen Bezugsrahmens der vorliegenden Untersuchung bilden. Dieser Ausgangspunkt wurde gewählt, da er einen wissenschaftlich fundierten Forschungsrahmen darstellt424 und durch seinen Modellcharakter die Erreichung der festgelegten Untersuchungsziele (insbes. die Analyse der Beziehungen zwischen den Entscheidungskomponenten in der Kundensegmentierung) besonders unterstützt.425 Vor diesem Hintergrund soll zunächst der kontingenztheoretische An422 423

424

425

140

Speed/Smith (1992), S. 377. Siehe grundlegend zu der Konzeption und den Zielen eines theoretischen Bezugsrahmens Martin (1989), S. 221 ff. Vgl. grundlegend zur wissenschaftlichen Fundierung des kontingenztheoretischen Ansatzes Kieser/Kubicek (1992), S. 46 ff.; Schreyögg (1995), S. 26 ff.; Donaldson (2001), S. 29 ff. Der kontingenztheoretische Ansatz wurde bereits in einer Reihe ähnlich gelagerter Untersuchungen und Fragestellungen erfolgreich angewendet. Vgl. u.a. Pennings (1987), S. 223 ff.; Workman/Homburg/Gruner (1998), S. 21 ff., Cui/Choudhury (2003), S. 364 ff. Siehe hierzu auch Kapitel 5.2. Für eine detaillierte Begründung der Wahl des kontingenztheoretischen Ansatzes als Bezugsrahmen für die empirische Untersuchung siehe Kapitel 5.2.

satz vorgestellt und kritisch gewürdigt werden, um die Grundlage für die anschließende Ableitung des theoretischen Bezugsrahmens zu schaffen. Der kontingenztheoretische Ansatz stellt eine ursprünglich aus der Organisationsforschung kommende Denkweise dar, die die Wahl von Gestaltungsparametern in Abhängigkeit von unterschiedlichen Kontextfaktoren zu erklären versucht.426 Hauptziel des Kontingenzansatzes ist es, Unterschiede zwischen den Strukturen verschiedener Organisationen durch Unterschiede in ihrer Situation zu erklären und aus diesen Erklärungen Orientierungshilfen für die praktische Organisationsgestaltung zu generieren. Die zu Grunde liegende Annahme ist, dass die strukturelle Konfiguration der Organisation den Erfordernissen der spezifischen Kontextfaktoren angepasst sein muss, um die Effektivität einer Organisation zu gewährleisten.427 Dabei hat die Ausrichtung auf den Zusammenhang zwischen Situation und formaler Struktur dem gesamten Ansatz seinen Namen gegeben. Im deutschsprachigen Raum wird auch von einem situativen Ansatz428 gesprochen; im englischsprachigen Raum taucht vornehmlich der Begriff „contingency approach“ auf.429 Mit der Bezeichnung der Kontingenztheorie soll im Allgemeinen zum Ausdruck gebracht werden, dass Strukturen von anderen Größen abhängig bzw. kontingent sind.430 Das Konzept der Kontingenztheorie geht auf die 50er Jahre zurück.431 WOODWARD gilt als einer der ersten wichtigen Vertreter des situativen Ansatzes. 426

427 428 429

430 431

Die folgenden Ausführungen zur Kontingenztheorie sollen sich ausschließlich auf die Kontingenztheorie der Organisation beziehen, da diese den Ausgangspunkt und die Grundlage der kontingenztheoretischen Forschung darstellt und den Bezugsrahmen für die vorliegende Untersuchung bildet. Kontingenztheoretische Ansätze aus angrenzenden Forschungsbereichen wie beispielsweise der Führungstheorie (siehe u.a. Fiedler (1972), S. 453 ff.; Justis (1975), 160 ff.; für eine Übersicht siehe Staehle (1994), S. 327 ff.) oder des Human Resource Management (siehe u.a. Delery/Doty (1996), S. 802 ff.) sollen nicht dargestellt werden. Vgl. Schreyögg (1995), S. 11. Diese Bezeichnung wurde von Staehle in die deutsche Literatur eingeführt. Vgl. Staehle (1973). Vgl. Kieser/Kubicek (1992), S. 43 f. Die Kontingenztheorie erfuhr in der angelsächsischen Organisationstheorie relativ schnell Beachtung und wurde zunehmend auch in der deutschsprachigen Organisationsforschung angewendet. Vgl. Schreyögg (1995), S. 11. Vgl. Kieser/Kubicek (1992), S. 46; Schreyögg (1995), S. 10 f. Die Entwicklung der Kontingenztheorie vollzog sich dabei im Wesentlichen aus einer Kritik an vorangegangenen organisationstheoretischen Ansätzen (insbes. der Kritik am Bürokratieansatz in der Organisationssoziologie sowie der Kritik an der klassischen Organisationslehre in der Management- und Betriebswirtschaftslehre). Vgl. Kieser/Kubicek (1978), S. 105 mit der dort zitierten Literatur. 141

Seine Untersuchung in verschiedenen Unternehmen in Großbritannien konnte erstmals zeigen, dass die Organisationsstruktur weitgehend von der Situation (in diesem Fall der technologischen Situation) abhängt.432 Im weiteren Verlauf bildeten vor allem die kritische Auseinandersetzung mit dem Bürokratiemodell von WEBER433 und die Untersuchungen von BURNS und STALKER434 sowie LAWRENCE und LORSCH435 wichtige Meilensteine in der Entwicklung des situativen Ansatzes.436 Dabei kann die Entwicklung der kontingenztheoretischen Forschung u.a. auch anhand der Anzahl der jeweils untersuchten potenziellen Einflussfaktoren der Organisationsstruktur verfolgt werden. So konzentrierten sich die frühen Vertreter des situativen Ansatzes vor allem darauf, die Unterschiede zwischen formalen Strukturen auf einen einzigen Faktor zurückzuführen (z.B. Unternehmensgröße, Umweltdynamik, Technologie).437 Diese monovariaten Ansätze werden jedoch in der heutigen wissenschaftlichen Forschung als weitgehend unrealistisch erachtet; dennoch sind sie zu erwähnen, da sie die Entwicklung des situativen Ansatzes maßgeblich geprägt haben. Weil es nur bedingt gelang, Unterschiede in der Organisationsstruktur mit nur einer einzigen Situationsdimension zu erklären, 432

433

434

435

436

437

142

Schreyögg unterscheidet in diesem Zusammenhang zwei wesentliche „Schulen“, die die Kontingenztheorie geprägt haben: eine, die die Umwelt als strukturdeterminierendes Element der Organisationsstruktur sieht; eine andere, die die eingesetzte Technologie als zentralen Bestimmungsfaktor für die Organisationsstruktur betont. Vgl. Schreyögg (1995), S. 12 ff. Vgl. Kieser (1993), S. 161 f. Die US-amerikanische Organisationsforschung beschäftigte sich zu dieser Zeit insbesondere mit den Auswirkungen bürokratischer Strukturen auf die Zielerreichung in Organisationen. Eine zusammenfassende Darstellung findet sich bei Mayntz. Vgl. Mayntz (1971), S. 27 ff. Um den Einfluss der Umwelt auf die Organisationsstruktur zu klären, führten Burns und Stalker eine empirische Untersuchung in der Elektroindustrie durch. In diesem Zusammenhang konnten sie Unterschiede in Organisationsstrukturen aufzeigen und diese Unterschiede auf Ausprägungen der Situationsdimensionen zurückführen. Vgl. Burns/Stalker (1961). Vgl. u.a. Lawrence/Lorsch (1967), S. 1 ff. Lawrence und Lorsch stellten in ihrer Untersuchung heraus, dass einzelne Bereiche einer Organisation mit unterschiedlichen Umwelten konfrontiert sind. Dies führt zu einer Differenzierung der Organisation in Untereinheiten mit unterschiedlicher Organisationsstruktur; dabei entsteht die Notwendigkeit der Integration und Koordination der Untereinheiten. Nach ihren Ausführungen hängt die Überlebensfähigkeit von Organisationen u.a. davon ab, wie gut die Anpassung der Untereinheiten der Organisation an die Umweltbedingungen sowie deren Integration gelingt. Eine Übersicht über wichtige kontingenztheoretische Untersuchungen in der Organisationsforschung sowie deren Vertreter geben z.B. Schreyögg (1995), S. 26 ff.; Donaldson (2001), S. 29 ff. Vgl. Kieser/Kubicek (1978), S. 107 f.

und auf Grund der Einsicht, dass jede Organisation einer Vielzahl von situativen Einflussgrößen ausgesetzt ist, wechselte die Kontingenztheorie zu multivariaten Ansätzen. Diese schließen an die monovariaten Ansätze an, indem sie Situationsdimensionen wie Unternehmensgröße oder Technologie um weitere Situationsdimensionen ergänzen (z.B. Leistungsprogramm, Kundenstruktur, Eigentumsverhältnisse des Unternehmens). Dabei bildet die Gesamtheit der kontextuellen Bedingungen, von denen ein Einfluss auf die Organisation ausgeht, die Situation der Organisation ab.438 In struktureller Hinsicht kann zwischen einer analytischen und einer pragmatischen bzw. handlungsorientierten Variante des situativen Ansatzes unterschieden werden.439 Das Grundmodell der analytischen Variante geht von den Strukturvariablen als abhängigen Größen und den Situationsvariablen als unabhängigen Größen aus. Für die Situationsvariablen werden alle Elemente als relevant gesehen, die zur Erklärung von Unterschieden in empirisch ermittelbaren Organisationsstrukturen verhelfen. In einem erweiterten Grundmodell der analytischen Variante – wie in der Abbildung 5-1 dargestellt – werden zusätzlich die Einflüsse der Organisationsstruktur auf das Verhalten der Organisationsmitglieder sowie auf die Effizienz der Organisation berücksichtigt.

438

439

Vgl. Kieser/Kubicek (1992), S. 204 f. Im Vordergrund steht dabei die Untersuchung des relativen Beitrags jeder Dimension zur Erklärung von Strukturunterschieden in der Organisation. Vgl. hierzu und im Folgenden Kieser/Kubicek (1992), S. 55 ff. 143

Situation der Organisation

Formale Organisationsstruktur

Verhalten der Organisationsmitglieder

Effizienz der Organisation

Abbildung 5-1: Erweitertes Grundmodell der analytischen Variante des situativen Ansatzes440 Bei dieser Art der Modelle geht es insbesondere darum, die empirisch vorfindbare Varianz von Organisationsstrukturen zu erklären. Bei den Erklärungen handelt es sich überwiegend um sog. „Plausibilitätsüberlegungen“, d.h., es werden Gründe dafür geliefert, warum es zu den beobachteten Zusammenhängen gekommen ist. Wie zwingend oder notwendig die identifizierten Zusammenhänge und Begründungen sind, bleibt jedoch offen. Vor diesem Hintergrund werden diese wissenschaftstheoretisch auch als „akzidentelle Aussagen“ oder „Kontingenzen“ bezeichnet.441 Die analytische Variante des situativen Ansatzes hat jedoch auch verschiedene Kritikpunkte erfahren. Neben der Kritik an ihrer zu Beginn überwiegend monovariaten Vorgehensweise, wurde vor allem die fehlende Möglichkeit der Beeinflussung der Situation angemahnt – die Situationsdimensionen werden als nicht

440 441

144

Kieser/Kubicek (1992), S. 57. Vgl. Kieser/Kubicek (1992), S. 59.

beeinflussbare Größen gesehen.442 Dies widerspricht dem systemtheoretischen Denkansatz, nachdem das Unternehmen als „offenes System“ durch Interaktionsbeziehungen zu seiner Umwelt gekennzeichnet ist und den Erfordernissen der Umwelt gerecht werden muss, um seine Lebensfähigkeit zu gewährleisten.443 Weiterhin wurde die Prämisse des Umwelt-Determinismus kritisiert. Die Unterstellung, dass es nur eine adäquate Strukturform in einer Situation gäbe, sei nicht haltbar.444 Diese Kritikpunkte wurden im weiteren Verlauf aufgegriffen und führten zu neuen Forschungskonzeptionen der Kontingenztheorie. Hieraus entwickelte sich die neo-kontingenztheoretische Perspektive, die insbesondere den funktionalen Determinismus von Situation und Gestaltung entkräftete, indem sie Wahlmöglichkeiten bei der Gestaltung vorsah.445 In diesem Sinne verfolgt der Entscheider bestimmte Ziele für sein Unternehmen und wählt zu diesem Zweck die beste Gestaltungsalternative. Die tatsächlichen Wirkungen der Gestaltung hängen dabei von den situativen Bedingungen ab, unter denen sie zu Tage treten soll. Diese Sichtweise wird auch als pragmatische bzw. handlungsorientierte Variante des situativen Ansatzes bezeichnet. Das Grundmodell dieser Variante ist in Abbildung 5-2 dargestellt.

442 443

444 445

Vgl. Schreyögg (1995), S. 163. Vgl. Schreyögg (1995), S. 25 und S. 162. Ein Überblick zur Systemtheorie findet sich z.B. bei Kieser und Kubicek. Vgl. Kieser/Kubicek (1978), S. 77 ff. Vgl. Pennings (1987), S. 224; Donaldson (2001), S. 131 ff. Eine detaillierte Analyse der neo-kontingenztheoretischen Perspektive findet sich bei Donaldson (2001), S. 245 ff. 145

Gestaltungsziele (angestrebte Wirkungen)

Erwartete Wirkungen auf das Verhalten der Betroffenen und die Lage der Organisation (Ergebnisse der Gestaltung)

Organisationsstruktur (Aktionsparameter der Gestaltung)

„Fit“

Situative Bedingungen (Restriktionen der Gestaltung)

Abbildung 5-2: Pragmatisches bzw. handlungsorientiertes Grundmodell des situativen Ansatzes446 In der pragmatischen bzw. handlungsorientierten Variante des situativen Ansatzes wird die Situation quasi als „Restriktion für Gestaltungsmaßnahmen“447 begriffen. Es ist diejenige Strukturalternative zu wählen, deren vermutete situationsbezogene Wirkungen die definierten Ziele am besten erfüllen – ein „Fit“448 zwischen Situation und Gestaltung der Organisation ist zu schaffen.449 Dabei können immer wieder Anpassungsprozesse notwendig sein.450 In einer Situation, in der die festgestellten oder erwarteten Wirkungen von den angestrebten abweichen, wird vermutet, dass dies in einer nur eingeschränkt situationsgerechten Organisationsstruktur begründet liegt, d.h. einer mangelnden Entsprechung von organisatorischen Vorgaben und situativen Anforderungen. Der „Fit“ zwischen 446 447 448

449

450

146

Kieser/Kubicek (1992), S. 60. Kieser/Kubicek (1992), S. 60. Der „Fit“ in der kontingenztheoretischen Forschung gibt an, ob zwei Komponenten (z.B. Umwelt und Organisationsstruktur) übereinstimmen bzw. sich in ihren Merkmalen entsprechen. Vgl. Staehle (1994), S. 47 und S. 50. Eine detaillierte Diskussion des „Fit“ im Rahmen der Kontingenztheorie findet sich bei Drazin und Van de Ven. Vgl. Drazin/Van de Ven (1985), S. 514 ff. In diesem Zusammenhang bezeichnet Donaldson die neo-kontingenztheoretische Perspektive auch als „theory of organizational adaptation“. Vgl. Donaldson (2001), S. 247 ff. und S. 268.

Struktur und Situation ist zu erreichen, indem die Struktur der Situation angepasst wird und/oder die Situation so verändert wird, dass die bestehende Struktur geeignet ist. Diesen Anpassungsprozess beschreibt DONALDSON in seinem SARFIT-Modell451. Eine weitere Entwicklungsstufe erfuhr die Kontingenztheorie in der zusätzlichen Berücksichtigung unternehmenspolitischer Faktoren. Mit diesen Modellen wurde der Versuch unternommen, die Ausprägungen der Organisationsstruktur auf unternehmenspolitische bzw. -strategische Entscheidungen zurückzuführen. Darüber hinaus war es das Ziel, die strategischen Entscheidungen als Reaktion der Organisationsleistung auf den kontextuellen Bedingungsrahmen zu interpretieren. Grundlegend hierfür war das von CHILD entwickelte Konzept der strategischen Wahl.452 In seinen Ausführungen betont er die Spielräume, insbesondere die Einbeziehung politischer Entscheidungsprozesse, in der Strukturentscheidung. Damit erfuhr der kontingenztheoretische Ansatz eine erweiterte Perspektive. Das Konzept der strategischen Wahl von CHILD ist in Abbildung 5-3 dargestellt.

451

452

SARFIT steht für Structural Adaptation to Regain Fit. Zur Beschreibung des SARFIT-Modells siehe Donaldson (2001), S. 11 ff. Vgl. hierzu und im Folgenden Child (1972), S. 1 ff. Einzelne Autoren vertreten dagegen eine engere Sicht des kontingenztheoretischen Ansatzes und kritisieren das von Child entwickelte Konzept der strategischen Wahl. So argumentiert beispielsweise Donaldson, dass sich die strategischen Wahlmöglichkeiten in einem weit geringeren Umfang determinierend auswirken als dies von Child angenommen wird. Stattdessen betont Donaldson, dass die Kontingenzvariablen ausschlaggebend für die Struktur sind: „In sum, despite the attractiveness of the strategic choice theory, it fails to withstand scrutiny. Organizational structures are determined to a high degree by contingencies [...].“ Donaldson (2001), S. 136. 147

Rewards expected by resource providers

Strategic choice by Dominant Coalition Prior ideology Variability, Complexity, Illiberality Environmental Conditions

Environmental strategy

1. Evaluation of the situation

1. Scale of operations

2. Choice of goals

2. Technology

3. Strategy

3. Structure Organizational strategy

Operating effectiveness (efficiency)

4. ‘Human Resources’

Organizational effectiveness (overall level of organizational performance) ‘Market efficiency’ (choice of favourable environment for disposal of goods or services)

Environmental receptivity (demand for goods or services provided)

Abbildung 5-3: Konzept der strategischen Wahl nach CHILD453 Wie in Abbildung 5-3 dargestellt, nehmen die Entscheider Einfluss auf die Gestaltung der Organisationsstruktur. Dabei gelangen die Mitglieder einer dominierenden Koalition durch (1) Situationsbewertung, (2) Zielfestlegung sowie (3) interne Strategien (mit den Aktionsparametern: Betriebsgröße, Technologie, Struktur, personelle Ressourcen) zu Gestaltungsentscheidungen der Organisation. Die Gestaltung der Organisation wirkt wiederum auf die Effektivität und Effizienz der Organisation. Beeinflusst wird die strategische Wahl der Entscheider dabei u.a. durch die Umwelt; letztere wird jedoch auch selbst durch die Wirkung verschiedener Strategien beeinflusst. Überträgt man das Konzept der strategischen Wahl von CHILD auf das dieser Arbeit zu Grunde liegende Erkenntnisobjekt, ergeben sich gewisse Parallelen und Anknüpfungspunkte, die für die Entwicklung des theoretischen Bezugsrahmens dieser Arbeit relevant sind. So kann davon ausgegangen werden, dass die Marketingstrategie – vergleichbar mit der Organisationsstrategie in CHILDS 453

148

Child (1972), S. 18.

Modell – durch die Umwelt beeinflusst wird. Gleichzeitig beeinflussen aber auch die Mitglieder einer dominierenden Koalition u.a. durch die Situationsbewertung und Zielfestlegung die Marketingstrategie. Die Kundensegmentierung bildet eine wesentliche Voraussetzung für die Konzeption der (segmentorientierten) Marketingstrategie und kann als ein Aktionsparameter – vergleichbar mit der Technologie in CHILDS Modell – interpretiert werden. Beide – sowohl Marketingstrategie als auch Kundensegmentierung – werden somit u.a. von der Umwelt beeinflusst. Vor diesem Hintergrund können das Modell von CHILD und die neokontingenztheoretische Perspektive im Allgemeinen als Ausgangsbasis für den theoretischen Bezugsrahmen dieser Arbeit dienen. 5.2 Ableitung und kritische Würdigung des theoretischen Bezugsrahmens für die empirische Untersuchung Die theoretischen Ausführungen, insbesondere die kritische Würdigung ausgewählter Ansätze zur Kundensegmentierung454sowie die aufgezeigten Hindernisse in der Implementierung der Kundensegmentierung455, haben gezeigt, dass die Gestaltung der Kundensegmentierung einerseits von den definierten Zielen der Kundensegmentierung und andererseits von der Situation der Kundensegmentierung (z.B. Organisationsstruktur, Vertriebskanäle) abhängig sein kann. Zusammen mit der eigentlichen Gestaltung der Kundensegmentierung bilden beide Komponenten die wesentlichen Entscheidungskomponenten in der Kundensegmentierung. Um diese Entscheidungskomponenten in der Untersuchungskonzeption aufgreifen und deren Beziehungen untersuchen zu können, wird die im vorhergehenden Kapitel dargestellte neo-kontingenztheoretische Perspektive als theoretischer Bezugsrahmen für die Untersuchung gewählt. Für die Wahl des neo-kontingenztheoretischen Bezugsrahmens sprechen dabei vor allem vier Gründe: x Zunächst bietet sich der Bezugsrahmen an, da er die vielfältigen Elemente und Beziehungen des jeweiligen Untersuchungsobjekts nicht negiert, sondern ausdrücklich betont.456 Damit scheint er besonders geeignet, die unterschiedlichen Beziehungen zwischen der Gestaltung der Kundensegmentie454 455 456

Siehe Kapitel 4.5. Siehe Kapitel 4.6. Vgl. Wolf (1994), S. 99. 149

x

x

x

457 458 459 460 461

150

rung, den definierten Zielen der Kundensegmentierung und der Situation der Kundensegmentierung zu untersuchen. Einen weiteren Grund für die Wahl des Bezugsrahmens stellt sein relativ offener Modellcharakter dar. Dabei wird die Situation als offenes Konzept interpretiert, das in Abhängigkeit von der spezifischen Problemstellung und dem Stand der Forschung mit konkreten Inhalten zu füllen ist. Gerade in einer – wie in diesem Fall – noch relativ am Anfang stehenden Forschungsfrage scheint der Bezugsrahmen geeignet, um Hypothesen zu den Beziehungen zwischen den Entscheidungskomponenten in der Kundensegmentierung zu entwickeln. Weiterhin wurde der kontingenztheoretische Ansatz, insbesondere die neokontingenztheoretische Perspektive, bereits in ähnlich gelagerten Untersuchungen und Fragestellungen erfolgreich angewendet. Als Beispiele können folgende Untersuchungen zitiert werden: - Bankensektor: PENNINGS, der die Beziehungen zwischen Situation, Struktur und Effektivität der Organisation bei einer US-amerikanischen Bank analysiert.457 - Marketing/Vertrieb: WORKMAN, HOMBURG und GRUNER, die die situationsspezifischen Einflussfaktoren auf die Marketingorganisation untersuchen;458 WEITZ, der die situationsspezifischen Einflussfaktoren auf die Effektivität des Vertriebs analysiert.459 - Kundensegmentierung: CUI und CHOUDHURY, die die Beziehungen zwischen verschiedenen Kontextvariablen und ethischen Aspekten der Kundensegmentierung analysieren.460 In struktureller Hinsicht scheint insbesondere die pragmatische bzw. handlungsorientierte Variante des situativen Ansatzes zielführend, um die definierten Untersuchungsziele zu erreichen. Denn gegenüber der analytischen Variante des situativen Ansatzes scheint die pragmatische Variante vor allem bezüglich der Erklärungskraft der Zusammenhänge aussagekräftiger und weitreichender.461

Vgl. Pennings (1987), S. 223 ff. Vgl. Workman/Homburg/Gruner (1998), S. 21 ff. Vgl. Weitz (1981), S. 85 ff. Vgl. Cui/Choudhury (2003), S. 364 ff. Vgl. Kieser/Kubicek (1992), S. 57 ff.

Bei der Wahl der Kontingenztheorie als Bezugsrahmen für die vorliegende Untersuchung sind jedoch auch die Kritikpunkte an der Kontingenztheorie zu berücksichtigen. Dabei ist zwischen einer Fundamentalkritik, die die generelle Betrachtungsweise des situativen Ansatzes hinterfragt, und einer Detailkritik, die die grundsätzliche Betrachtungsweise und die Methodik befürwortet, jedoch einzelne Aspekte anmahnt, zu unterscheiden.462 Im Rahmen der Fundamentalkritik reicht die Argumentation von dem „pauschalen Vorwurf der Theorielosigkeit“463 bis hin zum Vorwurf der „Zementierung bestehender Verhältnisse“464. Die Kritik wird dabei in drei wesentlichen Perspektiven deutlich:465 x Methodologische Perspektive: Eine Reihe von Autoren kritisieren die implizit deterministische Betrachtung der Zusammenhänge zwischen Situation und Gestaltung; sie halten die Orientierung an einem solchen – ursprünglich für die Naturwissenschaften entwickelten – Modell für den sozialen Bereich für unangemessen.466 Hinsichtlich dieses Kritikpunkts ist darauf hinzuweisen, dass der für die Untersuchung vorgeschlagene neo-kontingenztheoretische Ansatz diese Kritik bereits aufgreift und insbesondere den strengen Determinismus zwischen Situation und Gestaltung entkräftet. Darüber hinaus ist bei der Interpretation der Ergebnisse darauf zu achten, dass die zu identifizierenden Segmentierungsansätze zwar zielführende Antworten auf eine spezifische Situation darstellen, nicht jedoch als die alleinig zielführende Gestaltungsform in dieser Situation zu sehen sind. Ziel ist es, „[...] bestimmte stimmige ‚Muster‘ interdependenter Variablen [...] zu finden, die durchaus pragmatisch verwertbar sind, ohne zugleich den Entscheidungsträger zu determinieren“467. In diesem Sinne handelt es sich weniger

462 463 464 465 466

467

Vgl. hierzu und im Folgenden Kieser/Kubicek (1992), S. 410 ff. Kieser/Kubicek (1992), S. 413. Vgl. auch Staehle (1994), S. 51 f.; Bea/Haas (2001), S. 368. Kieser/Kubicek (1992), S. 413. Vgl. hierzu und im Folgenden Kieser/Kubicek (1992), S. 414 ff. Die Determinismus-Kritik wird prägnant von Staehle zusammengefasst: „Erst durch das technologische Interesse, ausgehend von empirisch gefundenen Übereinstimmungen zwischen Kontext und Struktur durch entsprechende Organisationsgestaltung die Effizienz zu steigern (Kongruenz-Effizienz-Hypothese), entsteht der situative Determinismus mit den bekannten Gefahren naturalistischer Fehlschlüsse.“ Staehle (1994), S. 50. Göbel (1997), S. 19. 151

x

x

468 469

152

um einen situativen Determinismus, als vielmehr um ein „probabilistisches Modell“468. Inhaltliche Perspektive: Aus inhaltlicher Sicht wird argumentiert, dass die in den kontingenztheoretischen Untersuchungen dargelegten Aussagen nur ein unvollständiges Bild der sozialen Wirklichkeit zeigen – wesentliche Zusammenhänge werden teilweise vernachlässigt. Dabei finden sich im Konkreten sehr unterschiedliche Kritikpunkte, die sich u.a. auf die Vernachlässigung der Ziele und Machtpositionen der Organisationsgestalter, die mangelnde Betrachtung gesellschaftlicher, ökonomischer und kultureller Faktoren sowie die unzureichende Berücksichtigung von Möglichkeiten der Beeinflussung der Situation469 beziehen. Diesbezüglich ist anzumerken, dass Komponenten wie z.B. Machtpositionen der Entscheider bei der Kundensegmentierung vermutlich eine weit weniger gewichtige Rolle spielen als bei der Gestaltung der Organisationsstruktur. Die angesprochenen Ziele der Entscheider sollen explizit als eine Entscheidungskomponente in der Kundensegmentierung berücksichtigt werden. Die angeführten gesellschaftlichen, ökonomischen und kulturellen Faktoren sollen – soweit möglich und sinnvoll – bei der Wahl der Situationsdimensionen der Kundensegmentierung Berücksichtigung finden. Beispielsweise können in der Situationsdimension der Kundenstruktur gesellschaftliche und ökonomische Faktoren aufgegriffen werden. Schließlich soll im Rahmen der Untersuchung auch auf Möglichkeiten zur Beeinflussung der Situation hingewiesen werden (z.B. Veränderung der Organisationsstruktur in Abhängigkeit von der Gestaltung des Segmentierungsansatzes); die Analyse von Einflussmöglichkeiten auf die Situation bildet jedoch kein primäres Untersuchungsziel. Politische Perspektive: Verschiedene Autoren kritisieren, dass die Betrachtungsweise und Verwertung der Ergebnisse im situativen Ansatz zu einer Zementierung der Realität führen kann. Einerseits würden nur regelmäßige Vorkommnisse, nicht jedoch zukunftsweisende Einzelfälle erfasst. Andererseits wird die Verwertung der Forschungsergebnisse kritisiert, indem teilweise nur unzureichend abgesicherte Zusammenhänge als Gestaltungsempfehlungen vermittelt werden. Um diesen Kritikpunkten entgegenzuwir-

Staehle (1994), S. 51. Donaldson fasst dies unter dem Begriff der „reverse causality“ zusammen. Vgl. Donaldson (2001), S. 138 ff.

ken, sollen in der Untersuchung soweit möglich auch zukunftsweisende Einzelbeispiele von Banken angeführt werden (z.B. Direktbanken, „NonBanks“). Weiterhin werden die im Rahmen dieser Arbeit zu entwickelnden Aussagen zu den Beziehungen zwischen den Entscheidungskomponenten in der Kundensegmentierung im Sinne von Hypothesen formuliert – nicht als feststehende Gestaltungsempfehlungen für die Ausgestaltung der Kundensegmentierung. Neben der Fundamentalkritik hat die Kontingenztheorie auch eine Detailkritik erfahren. Diese bezieht sich vor allem darauf, dass wichtige Situations- und Strukturmerkmale nicht erfasst werden, die zu Grunde liegenden Annahmen für die Interpretation der Ergebnisse nicht deutlich gemacht werden sowie die Stichproben meist nicht repräsentativ und vergleichbar sind. Im Hinblick auf den erstgenannten Kritikpunkt ist darauf hinzuweisen, dass sowohl die umfassende Auseinandersetzung mit der Kundensegmentierung im theoretischen Teil dieser Arbeit als auch das relativ offene Untersuchungsdesign dazu beitragen sollen, die relevanten Gestaltungs- und Situationsdimensionen der Kundensegmentierung möglichst vollständig zu erfassen. Hinsichtlich des zweiten Kritikpunkts soll einerseits durch die Ausführungen im theoretischen Teil der Arbeit das Vorverständnis für die Kundensegmentierung gefördert werden; andererseits sollen die Erläuterungen zur Konzeption und Operationalisierung des theoretischen Bezugsrahmens sowie die Erklärungsansätze für die zu vermutenden Beziehungen zwischen den Entscheidungskomponenten in der Kundensegmentierung im empirischen Teil der Arbeit dazu beitragen, die Annahmen für die Interpretation der Ergebnisse transparent zu machen. Hinsichtlich der Repräsentativität der Untersuchung ist zu bemerken, dass es das Ziel der explorativ geprägten Untersuchung ist, sinnvolle, d.h. problemrelevante und verständnisfördernde Aussagen zu generieren. Dabei ist das primäre Gütekriterium der explorativen Untersuchung ihr heuristisches Potenzial – und nicht an erster Stelle ihr Anspruch auf Allgemeingültigkeit der Aussagen. Daher werden in der vorliegenden Untersuchung die Nachteile der mangelnden statistischen Repräsentativität zugunsten der Vorteile in Kauf genommen, die in der Möglichkeit liegen, möglichst tiefgehende und umfassende Erkenntnisse zu dem definierten Untersuchungsgegenstand zu gewinnen.

153

Schließlich sei noch auf einen Kritikpunkt hingewiesen, der im Rahmen der Detailkritik vereinzelt angeführt wird. So geben einzelne Kritiker zu bedenken, dass eine erfolgreiche Umsetzung des kontingenztheoretischen Ansatzes oft nur in Teilen gelingt, da zu sehr mit „Strukturschablonen“ gearbeitet wird (z.B. in Form von unterschiedlichen Organisationstypen).470 Vor diesem Hintergrund sprechen sich eine Reihe von Vertretern dafür aus, präzisere, am Einzelfall ausgerichtete Lösungen (branchenadäquat) einzusetzen, um eine erfolgreiche Anwendung des Kontingenzansatzes sicherzustellen. Dieser Anforderung wird in der vorliegenden Arbeit Rechnung getragen, indem eine branchenspezifische Betrachtungsweise – die des Bankensektors – gewählt wurde und an geeigneter Stelle auf erwähnenswerte Einzelbeispiele hingewiesen werden soll. Insgesamt können die genannten Kritikpunkte in Bezug auf die vorliegende Untersuchung nicht vollständig ausgeräumt werden. Dabei ist jedoch auch darauf hinzuweisen, dass einige der angeführten Kritikpunkte für eine Vielzahl von empirischen Untersuchungen gelten und nicht ein spezifisches Problem der Kontingenztheorie darstellen.471 Nichtsdestotrotz sollen in der vorliegenden Untersuchung die erwähnten Kritikpunkte an der Kontingenztheorie aufgegriffen und soweit wie möglich ausgeräumt werden. Denn insgesamt stellt die Kontingenztheorie, insbesondere die neo-kontingenztheoretische Perspektive, im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand und die Untersuchungsziele einen geeigneten theoretischen Bezugsrahmen dar. Dies steht im Einklang mit DONALDSON, der die Kontingenztheorie auch in Zukunft als wichtigen theoretischen Forschungsrahmen sieht: „Thus contingency theory continues to develop [...]. In this way work continues in the tradition that has seen so much valuable research work over the years.“472

470 471 472

154

Vgl. Kieser (1993), S. 177. Vgl. Schreyögg (1995), S. 65. Donaldson (2001), S. 289.

5.3 Konzeption und Operationalisierung des theoretischen Bezugsrahmens für die empirische Untersuchung 5.3.1 Konzeption des theoretischen Bezugsrahmens für die empirische Untersuchung Die Konzeption des theoretischen Bezugsrahmens erfolgt anhand der drei Entscheidungskomponenten in der Kundensegmentierung (Gestaltung, Ziele und Situation der Kundensegmentierung) und des Zielerreichungsgrades der Kundensegmentierung (siehe Abbildung 5-4).

Situation der Kundensegmentierung

Einfluss

Interne Dimensionen

„Fit“

Gestaltung der Kundensegmentierung • Konzeptions-/Planungsphase • Implementierungsphase • Steuerungs-/Kontrollphase

Einfluss

Ziele der Kundensegmentierung • Konzeptions-/Planungsphase • Implementierungsphase • Steuerungs-/Kontrollphase

Externe Dimensionen Einfluss

Einfluss

Zielerreichungsgrad der Kundensegmentierung

Abbildung 5-4: Darstellung des theoretischen Bezugsrahmens für die empirische Untersuchung473 Diese vier Elemente bilden in ihrer Gesamtheit bzw. ihrem Zusammenspiel den theoretischen Bezugsrahmen, der die empirische Untersuchung leiten und zur Erreichung der definierten Untersuchungsziele beitragen soll. Dabei soll unter der Gestaltung der Kundensegmentierung die Gesamtheit aller Faktoren verstan473

Eigene Darstellung. 155

den werden, die den Segmentierungsansatz in der Konzeptions-/Planungs-, Implementierungs- und Steuerungs-/Kontrollphase der Kundensegmentierung beschreibt. Die Ziele der Kundensegmentierung umfassen sämtliche Ziele, die von den Entscheidungsträgern in den Unternehmen im Hinblick auf die Kundensegmentierung definiert sind. Diese werden differenziert für alle Phasen des Prozesses der Kundensegmentierung (Konzeptions-/Planungs-, Implementierungs- und Steuerungs-/Kontrollphase) betrachtet. Schließlich soll unter der Situation der Kundensegmentierung – in Anlehnung an die Definition von DUNCAN – die Gesamtheit aller Faktoren verstanden werden, welche von den Entscheidungsträgern in den Unternehmen bei der Gestaltung der Kundensegmentierung berücksichtigt werden.474 Zu den Situationsdimensionen der Kundensegmentierung zählen alle Faktoren, die dazu beitragen, Unterschiede zwischen den Segmentierungsansätzen zu erklären. Somit kann der Begriff der Situation auch als ein Sammelname für die Menge der Erklärungsdimensionen interpretiert werden. Innerhalb der Situationsdimensionen soll zusätzlich zwischen internen und externen Dimensionen unterschieden werden. Zu den internen Situationsdimensionen der Kundensegmentierung sollen alle Faktoren zählen, die durch das Unternehmen selbst beeinflusst werden können. Externe Situationsdimensionen der Kundensegmentierung sind alle Faktoren, die außerhalb der direkten Beeinflussbarkeit des Unternehmens liegen. Unter dem Zielerreichungsgrad der Kundensegmentierung soll – in Anlehnung an die Definition von BECHMANN – ein Wert verstanden werden, der ausdrückt, wie gut ein bestimmtes Ziel der Kundensegmentierung aus Sicht des Beurteilers erreicht ist.475 Um die Beziehungen zwischen den drei Entscheidungskomponenten in der Kundensegmentierung analysieren zu können, ist die systematische Erfassung der Ausprägungen der einzelnen Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung, der definierten Ziele der Kundensegmentierung sowie der Ausprägungen der einzelnen Situationsdimensionen der Kundensegmentierung notwendig. Auf Basis dieser Ergebnisse kann die Analyse der Beziehungen einerseits zwischen 474

475

156

Vgl. Duncan (1972), S. 314. Duncan weist auf die teilweise unzureichenden Definitionen der Situation bzw. Umwelt in verschiedenen kontingenztheoretischen Untersuchungen hin und fordert eine genaue Definition der Situation bzw. Umwelt: „One of the shortcomings of much of the theoretical and empirical research on organizational environments has been the failure clearly to conceptualize organization environment or the elements comprising it.“ Duncan (1972), S. 314. Vgl. Bechmann (1978), S. 27.

den Ausprägungen der Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung und den definierten Zielen der Kundensegmentierung und andererseits zwischen den Ausprägungen der Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung und den Ausprägungen der Situationsdimensionen der Kundensegmentierung erfolgen. Dabei werden – entsprechend dem dargestellten theoretischen Bezugsrahmen – die Ausprägungen der Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung als abhängige Variablen interpretiert; die definierten Ziele der Kundensegmentierung und die Ausprägungen der Situationsdimensionen der Kundensegmentierung werden jeweils als unabhängige Variablen interpretiert. 5.3.2 Operationalisierung des theoretischen Bezugsrahmens für die empirische Untersuchung Für die Operationalisierung des theoretischen Bezugsrahmens sind sowohl die Gestaltungs- und Situationsdimensionen der Kundensegmentierung festzulegen als auch die Vorgehensweise bei deren Erhebung und Messung zu erläutern. Darüber hinaus ist die Erhebung und Messung der definierten Ziele der Kundensegmentierung zu beschreiben. 5.3.2.1 Operationalisierung der Gestaltung der Kundensegmentierung Die Ableitung der Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung erfolgt aus den unterschiedlichen Theoriebausteinen dieser Arbeit. Dabei werden die Gestaltungsdimensionen nach den einzelnen Phasen des Prozesses der Kundensegmentierung (Konzeptions-/Planungs-, Implementierungs-, Steuerungs-/Kontrollphase) differenziert. Im Folgenden findet sich eine Übersicht, aus welchen Theoriebausteinen die Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung abgeleitet wurden.

157

Theoriebausteine zur Ableitung der Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung

Phasen des Prozesses der Kundensegmentierung

Kaufverhalten als Ausgangspunkt der Kundensegmentierung (Kapitel 4.2)

Informations- und Aktionsseite der Kundensegmentierung: Markterfassung und Marktbearbeitung (Kapitel 4.4)

Konzeptions-/ Planungsphase

Markterfassung: Systematisierung der unterschiedlichen Segmentierungskriterien (Abschnitt 4.4.1) Marktbearbeitung: Strategien der Marktbearbeitung und Ableitung segmentspezifischer Marketinginstrumente (Abschnitt 4.4.2) Kritische Würdigung ausgewählter Ansätze zur Kundensegmentierung (Kapitel 4.5)

Implementierung der Kundensegmentierung (Kapitel 4.6)

Abgeleitete Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung (Beispiele)

• • • • •

Segmentierungsvorgehen Segmentierungskriterien Datenquelle(n) Segmentierungsmethodik ...

Implementierungsphase

• Implementierungsvorgehen • Überwachung der Segmentierung • Zuordnung der Segmente zu Organisationseinheiten • Information der Organisationseinheiten • Information der Kunden • ...

Steuerungs-/ Kontrollphase

• Steuerungs-/Kontrolldaten bzw. -kennzahlen • Steuerungs-/Kontrollrhythmus • Systematik und Maßnahmen zur Steuerung/Kontrolle • Pflege der Segmentierung • ...

Abbildung 5-5: Vorgehen bei der Ableitung der Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung für die empirische Untersuchung476 Wie aus Abbildung 5-5 ersichtlich ist, wurden die Gestaltungsdimensionen der Konzeptions-/Planungsphase der Kundensegmentierung im Wesentlichen aus den Modellen des Kaufverhaltens (Kapitel 4.2), aus der Systematisierung der unterschiedlichen Segmentierungskriterien (Abschnitt 4.4.1) sowie aus der kritischen Würdigung ausgewählter Ansätze zur Kundensegmentierung (Kapitel 4.5) abgeleitet. Als Beispiele für Gestaltungsdimensionen der Konzeptions-/Planungsphase sind etwa Segmentierungsvorgehen, Segmentierungskriterien, Datenquelle(n) oder Segmentierungsmethodik zu nennen. Die Gestaltungsdimensionen der Implementierungsphase der Kundensegmentierung wurden vor allem aus der theoretischen Analyse der Implementierung der Kundensegmentierung (Kapitel 4.6), der kritischen Würdigung ausgewählter Ansätze zur Kundensegmentierung (Kapitel 4.5) sowie der theoretischen Analyse der Marktbearbeitung (Abschnitt 4.4.2) abgeleitet. Als Beispiele für Gestaltungsdimensionen der Im476

158

Eigene Darstellung.

plementierungsphase können das Implementierungsvorgehen, die Überwachung der Segmentierung, die Zuordnung der Segmente zu Organisationseinheiten oder die Information der Organisationseinheiten genannt werden. Die Gestaltungsdimensionen der Steuerungs-/Kontrollphase der Kundensegmentierung konnten im Wesentlichen aus der kritischen Würdigung ausgewählter Ansätze zur Kundensegmentierung (Kapitel 4.5) sowie aus der theoretischen Analyse der Implementierung der Kundensegmentierung (Kapitel 4.6) generiert werden. Beispielhaft sind hier die Gestaltungsdimensionen Steuerungs-/Kontrolldaten bzw. -kennzahlen, Steuerungs-/Kontrollrhythmus, die Systematik und Maßnahmen zur Steuerung und Kontrolle oder die Pflege der Segmentierung zu nennen. Insgesamt ergeben sich die folgenden 18 Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung.

Konzeptions-/ Planungsphase

Implementierungsphase

Steuerungs-/ Kontrollphase

• Segmentierungsvorgehen

• Implementierungsvorgehen

• Steuerungs-/Kontrolldaten bzw. -kennzahlen

• Segmentierungskriterien

• Überwachung der Segmentierung

• Datenquelle(n)

• Zuordnung der Segmente zu Organisationseinheiten

• Steuerungs-/Kontrollrhythmus

• Segmentierungsmethodik • Segmentcharakteristika • Zusätzliche Segmentdaten/ -merkmale

• Information der Organisationseinheiten • Information der Kunden

• Systematik und Maßnahmen zur Steuerung/Kontrolle • Pflege der Segmentierung • Überprüfung des Segmentierungsansatzes und Rhythmus

• Überleitung der Kunden • Priorisierung der Segmente

Abbildung 5-6: Überblick über die Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung für die empirische Untersuchung477 Dabei wurde versucht, alle wesentlichen Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung zu erfassen: von der Auswahl des Segmentierungsvorgehens über die Bestimmung des Implementierungsvorgehens bis hin zur Überprüfung des Segmentierungsansatzes, inklusive des Rhythmus dieser Überprüfung.

477

Eigene Darstellung. 159

Hinsichtlich der Erhebung und Messung der Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung soll wie folgt verfahren werden: Das Segmentierungsvorgehen – erste Gestaltungsdimension der Konzeptions-/Planungsphase – soll nach ein- oder mehrstufiger Vorgehensweise sowie nach „A priori“- oder „Post hoc“Vorgehensweise unterschieden werden. Die Erhebung des Segmentierungsvorgehens erfolgt über zwei Alternativfragen. Für die Messung der Segmentierungskriterien wird gemäß der in Abschnitt 4.4.1 vorgestellten Systematisierung der Segmentierungskriterien zwischen demographischen, sozioökonomischen, psychographischen, verhaltensorientierten und ergebnisorientierten Segmentierungskriterien unterschieden. Als Instrument für die Erhebung dient hier eine Mehrfachauswahlfrage (mit Zulassung von Mehrfachnennungen). Im Rahmen dieser Frage sollen auch die konkreten Segmentierungskriterien erhoben werden. Hinsichtlich der Datenquellen für die Segmentierung kann zwischen den ITSystemen des Unternehmens, Primärerhebungen und sekundärstatistischen Quellen differenziert werden. Die Erhebung erfolgt dabei mittels Mehrfachauswahlfrage (mit Zulassung von Mehrfachnennungen). Die Segmentierungsmethodik als weitere Gestaltungsdimension der Kundensegmentierung soll über eine offene Frage erhoben werden. Für die Gestaltungsdimension der Segmentcharakteristika sollen sowohl die Benennung der Segmente als auch die Größe der Segmente erfasst werden. In beiden Fällen kommt das Instrument der offenen Frage zur Anwendung. Ob und welche zusätzlichen Daten/Merkmale für die Beschreibung der Segmente eingesetzt werden, soll über eine Ja-Nein-Frage mit gegebenenfalls anschließender offener Frage ermittelt werden. Die Priorisierung der Segmente – abschließende Gestaltungsdimension der Konzeptions-/Planungsphase der Kundensegmentierung – wird über eine Ja-Nein-Frage mit gegebenenfalls anschließender offener Frage erfasst. Ziel ist es zu prüfen, ob eine Priorisierung der Segmente für die Marktbearbeitung erfolgt und welches Vorgehen bzw. welche Kriterien für die Priorisierung der Segmente angewandt werden. Das Erhebungs- und Messkonzept für die Gestaltungsdimensionen der Konzeptions-/Planungsphase der Kundensegmentierung ist in Tabelle 5-1 zusammengefasst.

160

Dimension

Ausprägung

Instrument

Frage

Segmentierungsvorgehen

x Einstufige Vorgehensweise x Mehrstufige Vorgehensweise

Alternativfrage

2.1.1.1

x „A priori“-Vorgehensweise x „Post hoc“-Vorgehensweise

Alternativfrage

2.1.1.1

Segmentierungskriterien

x x x x

Mehrfachauswahlfrage (mit Zulassung von Mehrfachnennungen)478

2.1.1.2

Datenquelle(n)

x IT-Systeme des Unternehmens x Primärerhebung(en) x Sekundärstatistische Quellen

Mehrfachauswahlfrage (mit Zulassung von Mehrfachnennungen)

2.1.1.3

Segmentierungsmethodik

Art der Segmentierungsmethodik (ohne feste Antwortkategorien)

Offene Frage

2.1.1.4

Segmentcharakteristika

Benennung der Segmente (ohne feste Antwortkategorien)

Offene Frage

2.1.1.5

Größe der Segmente (ohne feste Antwortkategorien)

Offene Frage479

2.1.1.5

x Ja x Nein

Ja-Nein-Frage; sofern Antwort Ja ...

2.1.1.6

Art der zusätzlichen Segmentdaten/ -merkmale (ohne feste Antwortkategorien)

Offene Frage

2.1.1.6

x Ja x Nein

Ja-Nein-Frage; sofern Antwort Ja ...

2.1.1.7

Vorgehen und Kriterien bei der Priorisierung der Segmente (ohne feste Antwortkategorien)

Offene Frage

2.1.1.7

Zusätzliche Segmentdaten/-merkmale

Priorisierung der Segmente

Demographische, sozioökonomische Psychographische Verhaltensorientierte Ergebnisorientierte

Tabelle 5-1: Erhebungs- und Messkonzept für die Gestaltungsdimensionen der Konzeptions-/Planungsphase der Kundensegmentierung480 478 479

Darüber hinaus sollen die einzelnen Segmentierungskriterien erfragt werden. Die Größe der Segmente soll wie folgt gemessen werden: Anzahl der Kunden oder Kundenverbünde je Segment in Relation zu der Gesamtanzahl der Kunden oder Kundenverbünde der Segmente. 161

Die Erhebung und Messung der Gestaltungsdimensionen der Implementierungsphase der Kundensegmentierung beginnt mit einer offenen Frage nach dem Implementierungsvorgehen (z.B. Pilot, Gesamt-„Roll out“). Hinsichtlich der Überwachung der Segmentierung soll eruiert werden, ob eine (manuelle) Überwachung der Segmentierung vor der eigentlichen Implementierung der Kundensegmentierung erfolgt. Sofern dies der Fall ist, ist zu erheben, wie diese durchgeführt wird und welche Organisationseinheit hierfür verantwortlich ist. Als Instrumente kommen eine Ja-Nein-Frage und eine offene Frage zur Anwendung. Neben der Überwachung der Segmentierung bildet die Zuordnung der Segmente zu Organisationseinheiten eine wesentliche Gestaltungsdimension der Implementierungsphase der Kundensegmentierung. Zu ermitteln ist, ob eine Zuordnung der Segmente zu Organisationseinheiten erfolgt und wenn ja, welches Vorgehen und welche Kriterien bei der Zuordnung zur Anwendung kommen. Beides soll über eine Ja-Nein-Frage bzw. eine sich gegebenenfalls anschließende offene Frage erhoben werden. Die Information der Organisationseinheiten und die Information der Kunden bilden weitere Gestaltungsdimensionen der Implementierungsphase der Kundensegmentierung. Mittels Ja-Nein-Fragen sowie offener Fragen soll eruiert werden, ob und wie die Organisationseinheiten und Kunden über die Segmentierung informiert werden. Eine zentrale Frage dabei ist beispielsweise, ob Segmentierungskriterien und -grenzen an die entsprechenden Bezugsgruppen kommuniziert werden. Schließlich ist die Überleitung der Kunden zu erfassen. Dabei sind der Überleitungsprozess der Kunden sowie mögliche Anreize für die Organisationseinheiten bzw. deren Organisationsmitglieder zur Überleitung der Kunden zu hinterfragen. Als Instrumente kommen hier offene Fragen und eine Ja-Nein-Frage zum Einsatz. Das Erhebungs- und Messkonzept für die Gestaltungsdimensionen der Implementierungsphase der Kundensegmentierung ist in Tabelle 5-2 zusammengefasst. Dimension

Ausprägung

Instrument

Frage

Implementierungsvorgehen

(ohne feste Antwortkategorien)

Offene Frage

2.1.2.1

Überwachung der

x Ja

Ja-Nein-Frage;

2.1.2.2

480

162

Eigene Darstellung.

Segmentierung

Zuordnung der Segmente zu Organisationseinheiten

Information der Organisationseinheiten

Information der Kunden

Überleitung der Kunden

x Nein

sofern Antwort Ja ...

Vorgehen und verantwortliche Organisationseinheit für die Überwachung der Segmentierung (ohne feste Antwortkategorien)

Offene Frage

2.1.2.2

x Ja x Nein

Ja-Nein-Frage; sofern Antwort Ja ...

2.1.2.3

Vorgehen und Kriterien bei der Zuordnung der Segmente (ohne feste Antwortkategorien)

Offene Frage

2.1.2.3

x Ja x Nein

Ja-Nein-Frage; sofern Antwort Ja ...

2.1.2.4

Vorgehen bei der Information der Organisationseinheiten (ohne feste Antwortkategorien)

Offene Frage

2.1.2.4

x Ja x Nein

Ja-Nein-Frage; sofern Antwort Ja ...

2.1.2.5

Vorgehen bei der Information der Kunden (ohne feste Antwortkategorien)

Offene Frage

2.1.2.5

Vorgehen bei der Überleitung der Kunden (Überleitungsprozess) (ohne feste Antwortkategorien)

Offene Frage

2.1.2.6

Anreize für die Organisationseinheiten für die Überleitung der Kunden x Ja x Nein

Ja-Nein-Frage; sofern Antwort Ja ...

2.1.2.6

Art der Anreize für die Überleitung der Kunden durch die Organisationseinheiten (ohne feste Antwortkategorien)

Offene Frage

2.1.2.6

Tabelle 5-2: Erhebungs- und Messkonzept für die Gestaltungsdimensionen der Implementierungsphase der Kundensegmentierung481

481

Eigene Darstellung. 163

Im Rahmen der Steuerungs-/Kontrollphase der Kundensegmentierung sind zunächst die Steuerungs-/Kontrolldaten bzw. -kennzahlen der Kundensegmentierung zu ermitteln. Damit eng verbunden soll der Steuerungs-/Kontrollrhythmus erfasst werden. Beides soll über eine offene Frage eruiert werden. Weiterhin bilden die Systematik und die Maßnahmen zur Steuerung und Kontrolle eine wesentliche Gestaltungsdimension der Steuerungs-/Kontrollphase der Kundensegmentierung. Über eine offene Frage soll ermittelt werden, ob eine Systematik für die Steuerung/Kontrolle der Kundensegmentierung definiert ist und welche Maßnahmen zur Steuerung/Kontrolle angewandt werden. Zur Erfassung der Pflege der Segmentierung wird eine offene Frage eingesetzt. Dabei sollen insbesondere die Maßnahmen zur Pflege der Kundensegmentierung sowie mögliche Anreize für die Organisationsmitglieder bei der Pflege der Kundensegmentierung erfragt werden. Schließlich bilden die Überprüfung des Segmentierungsansatzes und deren Rhythmus die abschließende Gestaltungsdimension der Steuerungs-/Kontrollphase der Kundensegmentierung. Ziel ist es zu erfassen, ob der Segmentierungsansatz insgesamt überprüft bzw. in Frage gestellt wird und wenn ja, in welchem Rhythmus dies erfolgt. Als Instrumente kommen hier eine JaNein-Frage und eine sich gegebenenfalls anschließende offene Frage zur Anwendung. Das Erhebungs- und Messkonzept für die Gestaltungsdimensionen der Steuerungs-/Kontrollphase der Kundensegmentierung ist in Tabelle 5-3 zusammengefasst. Dimension

Ausprägung

Instrument

Frage

Steuerungs-/Kontrolldaten bzw. -kennzahlen

(Ohne feste Antwortkategorien)

Offene Frage

2.1.3.1

Steuerungs-/Kontrollrhythmus

(Ohne feste Antwortkategorien)

Offene Frage

2.1.3.2

Systematik und Maßnahmen zur Steuerung und Kontrolle

(Ohne feste Antwortkategorien)

Offene Frage

2.1.3.3

Pflege der Segmentierung

(Ohne feste Antwortkategorien)

Offene Frage

2.1.3.4

Überprüfung des Segmentierungsansat-

Überprüfung des Segmentierungsansatzes x Ja

Ja-Nein-Frage; sofern Antwort

2.1.2.5

164

zes und Rhythmus

x Nein

Ja ...

Rhythmus bei der Überprüfung des Segmentierungsansatzes (ohne feste Antwortkategorien)

Offene Frage

2.1.2.5

Tabelle 5-3: Erhebungs- und Messkonzept für die Gestaltungsdimensionen der Steuerungs-/Kontrollphase der Kundensegmentierung482 5.3.2.2 Operationalisierung der Ziele der Kundensegmentierung Die zweite Entscheidungskomponente der Kundensegmentierung bilden die Ziele der Kundensegmentierung. Für deren Erhebung soll eine Mehrfachauswahlfrage mit Zulassung von Mehrfachnennungen und zusätzlichen offenen Antwortkategorien herangezogen werden. Dabei sollen die aus der theoretischen Analyse abgeleiteten Ziele der Kundensegmentierung483 als Antwortkategorien vorgegeben werden, ergänzt um offene Antwortkategorien (um mögliche nicht in den Antwortkategorien vorgesehene Ziele der Kundensegmentierung zu ermitteln). Die Erfassung der Ziele der Kundensegmentierung soll anhand der einzelnen Phasen des Prozesses der Kundensegmentierung erfolgen. Neben den Zielen der Kundensegmentierung soll der Zielerreichungsgrad für die definierten Ziele insgesamt und für jedes einzelne Ziel ermittelt werden. Zur Erfassung der Zielerreichung wird eine Vierer-Ratingskala verwendet, deren Extrempunkte verbal umschrieben sind (1: „Das definierte Ziel/die definierten Ziele der Kundensegmentierung ist/sind durch den Segmentierungsansatz voll erfüllt.“; 4: „Das definierte Ziel/die definierten Ziele der Kundensegmentierung ist/sind durch den Segmentierungsansatz nicht erfüllt.“).484

482 483 484

Eigene Darstellung. Siehe Kapitel 4.3. Durch die vorgegebene Aufteilung des Kontinuums zwischen den Extrempunkten soll eine ähnlich strukturierte, subjektive Abstufung der Merkmalsdimensionen erreicht werden, damit von einem Intervallniveau der Antworten ausgegangen werden kann. Darüber hinaus erlaubt die Ratingskala den Experten, ihre Einschätzung relativ schnell und unproblematisch wiederzugeben. Zu den unterschiedlichen Skalierungsverfahren siehe z.B. Mayntz/Holm/Hübner (1969), S. 47 ff. 165

In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass alternativ auch eine Messung der Zielerreichung über objektive wert- oder mengenmäßige Daten geprüft wurde. Diese wurde jedoch aus drei Gründen verworfen: x Eine Zurechnung des wert- oder mengenmäßigen Beitrags des Segmentierungsansatzes zur Zielerreichung stellt sich als problematisch dar. Denn zur Erreichung der definierten Ziele der Kundensegmentierung trägt eine Reihe „zwischengeschalteter“ Faktoren (insbes. die Marktbearbeitung) bei, deren Beitrag nur von den Experten selbst abgegrenzt und eingeschätzt werden kann. x Weiterhin erscheint für eine Reihe der definierten Ziele der Kundensegmentierung eine Messung der Zielerreichung über objektive wert- oder mengenmäßige Daten kaum möglich bzw. sinnvoll. So kann beispielsweise die Zielerreichung für Ziele wie „Erkennen von Marktnischen“, „Ermöglichung eines segmentspezifischen Einsatzes der Marketinginstrumente“ oder „Gewährleistung der Umsetzbarkeit des Segmentierungsansatzes“ am umfassendsten über eine qualitative Einschätzung beurteilt werden und dies am besten durch die Experten selbst. x Schließlich ist zu vermuten, dass wesentliche Daten, die für eine wert- oder mengenmäßige Erfassung der Zielerreichung notwendig wären, in den Unternehmen nicht verfügbar sind. Beispielsweise ist anzunehmen, dass weder die Kosten der Informationsverarbeitung noch die Kosten, die durch eine differenzierte Marktbearbeitung entstehen, von Seiten der Unternehmen erfasst werden.485 Schließlich sei angemerkt, dass die gewählte Vorgehensweise, die Zielerreichung mittels der Einschätzung von Experten zu messen, bereits in einer Reihe vergleichbarer Untersuchungen und Fragestellungen angewendet wurde.486

485

486

166

Ex post hat sich bestätigt, dass die Unternehmen über derartige Daten nicht verfügen. So standen in keinem der befragten Unternehmen Daten beispielsweise zu den Kosten der Informationsverarbeitung oder zu den Kosten, die durch eine differenzierte Marktbearbeitung entstehen, zur Verfügung. Auch die Wirtschaftlichkeit der Kundensegmentierung wurde in keinem der befragten Unternehmen gemessen. Vgl. u.a. Lawrence/Lorsch (1969); Reimann (1974), S. 696 f.

5.3.2.3 Operationalisierung der Situation der Kundensegmentierung Die Festlegung der Situationsdimensionen der Kundensegmentierung erfolgt über eine dreistufige Vorgehensweise: Zunächst sollen solche Situationsdimensionen Berücksichtigung finden, die in grundlegenden kontingenztheoretischen Untersuchungen zur Organisationsstruktur bereits Anwendung gefunden haben bzw. sich als signifikant erwiesen haben. Weiterhin sind Situationsdimensionen zu berücksichtigen, die in – dem dieser Arbeit zu Grunde liegenden Erkenntnisobjekt – ähnlichen kontingenztheoretischen Untersuchungen (z.B. Bankensektor487, Marketingorganisation488, Kundensegmentierung489) bereits angewandt wurden. Schließlich sollen solche Situationsdimensionen integriert werden, die aus der theoretischen Analyse in dieser Arbeit ableitbar sind. Insgesamt ist darauf hinzuweisen, dass nicht alle theoretisch denkbaren Situationsdimensionen der Kundensegmentierung berücksichtigt werden können – dies wäre sicherlich auch nicht zielführend. Vielmehr sollen diejenigen Situationsdimensionen der Kundensegmentierung ausgewählt werden, die für die definierte Fragestellung das größte Erklärungspotenzial versprechen – ein reduktionistischer Schnitt wird vorgenommen.490 Den Ausgangspunkt bilden zunächst die in den grundlegenden kontingenztheoretischen Untersuchungen zur Organisationsstruktur identifizierten Situationsdimensionen. Dabei soll der von KIESER und KUBICEK vorgeschlagene Katalog zu Grunde gelegt werden, der einen umfassenden Überblick über Situationsdimensionen der Organisationsstruktur gibt und in den wichtige kontingenztheoretische Untersuchungen aus der Organisationsforschung eingeflossen sind (z.B. BLAU/SCHÖNHERR, BURNS/STALKER, CHILD, KIESER, LAWRENCE/ LORSCH, PUGH et al. (ASTON-Gruppe), WOODWARD).491

487 488 489 490 491

Vgl. z.B. Pennings (1987), S. 223 ff. Vgl. z.B. Workman/Homburg/Gruner (1998), S. 21 ff. Vgl. z.B. Cui/Choudhury (2003), S. 364 ff. Vgl. Fritz (1984), S. 114 ff.; Kieser/Kubicek (1992), S. 205. Eine Übersicht über wichtige kontingenztheoretische Untersuchungen in der Organisationsforschung sowie deren Vertreter geben z.B. Schreyögg (1995), S. 26 ff.; Donaldson (2001), S. 29 ff. 167

Gegenwartsbezogene Dimensionen

• • • • •

Vergangenheitsbezogene Dimensionen

• Alter der Organisation • Art der Gründung • Entwicklungsstadium der Organisation

Aufgabenspezifische Umwelt

• Konkurrenzverhältnisse • Kundenstruktur • Technologische Dynamik

Globale Umwelt

• Gesellschaftlich-kulturelle Bedingungen

Interne Dimensionen

Leistungsprogramm Unternehmensgröße Fertigungstechnologie Informationstechnologie Rechtsform und Eigentumsverhältnisse

Situation

Externe Dimensionen

Abbildung 5-7: Überblick über Situationsdimensionen der Organisationsstruktur492 Die Situationsdimensionen können dabei – wie in Abbildung 5-7 dargestellt – in interne und externe Dimensionen493 differenziert werden. Erstere finden i.d.R. eine weitere Unterteilung nach gegenwarts- und vergangenheitsbezogenen Dimensionen.494 Letztere werden typischerweise in aufgabenspezifische Dimensionen und Dimensionen der globalen Umwelt unterschieden. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang darauf, dass sich die große Mehrheit der empirischen Untersuchungen, die formale Organisationsstrukturen zu erklären versuchen, auf die internen Dimensionen und innerhalb der Gruppe der externen Dimensionen 492 493

494

168

In Anlehnung an Kieser/Kubicek (1992), S. 209. Interne Dimensionen sind überwiegend solche Faktoren, die durch das Unternehmen selbst beeinflusst werden können. Externe Dimensionen sind Faktoren, die außerhalb der direkten Beeinflussbarkeit des Unternehmens liegen. Vgl. z.B. Kieser/Kubicek (1992), S. 208 f. Teilweise finden sich auch Dimensionskataloge, die die internen Dimensionen weiter in geschäftseinheitspezifische und geschäftseinheitsübergreifende Dimensionen differenzieren. Beispielsweise stellt die Unternehmensgröße einen wichtigen geschäftseinheitsübergreifenden Kontingenzfaktor bei der Gestaltung der Marketingund Vertriebsorganisation dar. Vgl. Workman/Homburg/Gruner (1998), S. 28.

auf aufgabenspezifische Dimensionen konzentriert; Dimensionen der globalen Umwelt werden – wenn überhaupt – nur in relativ groben Strukturkonzepten berücksichtigt.495 Bei kritischer Analyse der in Abbildung 5-7 aufgeführten Situationsdimensionen der Organisationsstruktur kommen für die vorliegende Untersuchung vor allem das Leistungsprogramm496, die Unternehmensgröße, die Kundenstruktur sowie die Betriebsform (als Kombination unterschiedlicher gegenwarts- und vergangenheitsbezogener Dimensionen) als Situationsdimensionen der Kundensegmentierung in Frage: x Leistungsprogramm: Die Situation der Kundensegmentierung ist – vergleichbar mit der Situation einer Organisation497 – maßgeblich durch die Leistungen bestimmt, die das Unternehmen seiner Umwelt bzw. ihren Mitgliedern anbietet. So kann das Leistungsprogramm einer Bank (z.B. Kreditleistungen, Anlageleistungen498) die Gestaltung der Kundensegmentierung (z.B. die Wahl der Segmentierungskriterien) wesentlich beeinflussen. Ähnlich konnten beispielsweise MANSFIELD, TODD und WHEELER in ihrer Untersuchung zeigen, dass das Leistungsprogramm Einfluss auf die Gestaltung der absatzorientierten Organisationseinheiten hat.499 x Unternehmensgröße: Die Unternehmensgröße hat sich bereits in einer Reihe von Untersuchungen als signifikante situative Einflussgröße auf die Organisationsstruktur500 – insbesondere auch auf die Gestaltung der Marketingund Vertriebsorganisation501 – erwiesen. Auch im Hinblick auf die Kundensegmentierung kann die Unternehmensgröße eine wesentliche Situationsdi495

496

497 498

499 500 501

Vgl. Kieser/Kubicek (1992), S. 209. Auch Schreyögg weist darauf hin, dass eine Reihe von Dimensionskatalogen für externe Dimensionen vorliegt, jedoch – insbesondere für die Dimensionen der globalen Umwelt – ohne eine integrierte und operationale Konzeption, die Bedeutsamkeit erlangt hätte. Vgl. Schreyögg (1995), S. 70 mit der dort zitierten Literatur. Leistungsprogramm wird im bankbetrieblichen Zusammenhang wie folgt definiert: „Bankleistungen sind alle von einem Bankbetrieb hervorgebrachten Ergebnisse einer Dienstleistungsproduktion sowohl in Form von absatzfähigen Dienstleistungen (Bankmarktleistungen oder primäre Bankleistungen) als auch in Form von Interbankleistungen und Eigenleistungen (sekundäre Bankleistungen).“ Eilenberger (1997), S. 189. Vgl. Kieser/Kubicek (1992), S. 225. Kreditleistungen und Anlageleistungen sind zwei von vier Haupttypen der Bankmarktleistungen. Vgl. Eilenberger (1997), S, 189 f. Vgl. Mansfield/Todd/Wheeler (1980), S. 22 und S. 28 f. Vgl. z.B. Inkson/Pugh/Hickson (1970), S. 318 und S. 321. Vgl. Workman/Homburg/Gruner (1998), S. 27. 169

x

x

502 503 504

505

506

507

170

mension darstellen. Ein Einfluss der Unternehmensgröße könnte beispielsweise auf das Implementierungsvorgehen, die Überwachung der Segmentierung oder die Zuordnung der Segmente zu Organisationseinheiten vorliegen. Kundenstruktur: Die Kundenstruktur soll als weitere Situationsdimension der Kundensegmentierung Berücksichtigung finden. Wie aus der kritischen Würdigung ausgewählter Ansätze zur Kundensegmentierung (Kapitel 4.5) ersichtlich ist, kann die Kundenstruktur einen möglichen situativen Einflussfaktor auf die Gestaltung der Kundensegmentierung darstellen. Beispielsweise passt KÜSPERT den Segmentierungsansatz (dabei vor allem die Segmentierungskriterien) in mehreren Stufen an die Kundenstruktur des Unternehmens an, um eine zielführende Segmentierung zu erreichen.502 Betriebsform: Die Betriebsform soll in der vorliegenden Untersuchung von der „[...] typenprägenden historischen Entwicklung (einschließlich gesellschaftlicher, politischer, wirtschaftlicher und rechtlicher Einflußfaktoren) [...]“503 der einzelnen Banken ausgehen und eine Situationsdimension der Kundensegmentierung bilden.504 Dabei berücksichtigt die Betriebsform bzw. deren Operationalisierung einzelne gegenwartsbezogene Dimensionen (z.B. Rechtsform und Eigentumsverhältnisse)505 sowie einzelne vergangenheitsbezogene Dimensionen (z.B. Alter der Organisation, Art der Gründung)506, von denen sich insbesondere letztere bereits in verschiedenen Untersuchungen als signifikante Einflussfaktoren auf die Organisationsstruktur erwiesen haben.507 So kann möglicherweise auch die Betriebsform der jeweiligen

Vgl. Küspert (1992), S. 184 ff. Eilenberger (1997), S. 122. So hält es beispielsweise auch Eilenberger für zweckmäßig, die Klassifizierung von Realformen deutscher Banken an ihrer historischen Entwicklung zu orientieren und die Einteilung der Betriebsform der Banken gemäß der Bankenstatistik der Deutschen Bundesbank vorzunehmen. Vgl. Eilenberger (1997), S. 122; Deutsche Bundesbank (2006a), S. 109 ff. So bildet beispielsweise die privatrechtliche Konstruktion ein wesentliches Charakteristikum der Betriebsform Kreditbanken. Entsprechend werden z.B. Banken in der Rechtsform der OHG, KG, GmbH, KGaA oder AG zu der Betriebsform der Kreditbanken gezählt. Vgl. Eilenberger (1997), S. 122. Ein Beispiel ist die Gründung von Sparkassen als Selbsthilfeeinrichtungen, die 1838 mit dem Erlass des preußischen Sparkassenreglements verstärkt in Erscheinung traten. Vgl. Eilenberger (1997), S. 122. Vgl. Kieser/Kubicek (1992), S. 208 mit der dort zitierten Literatur.

Bank ein situativer Einflussfaktor auf die Gestaltung der Kundensegmentierung darstellen.508 Neben den erwähnten Situationsdimensionen der Organisationsstruktur sind Situationsdimensionen zu prüfen, die in ähnlich gelagerten kontingenztheoretischen Untersuchungen bereits Anwendung gefunden haben. Dabei kommen insbesondere die Untersuchungen von WEITZ509, PENNINGS510, ERIKSSON und MATTSSON511, WORKMAN, HOMBURG und GRUNER512 sowie CUI und CHOUDHURY513 in Frage. Bei kritischer Betrachtung dieser Untersuchungen fallen zunächst zahlreiche inhaltliche Überschneidungen zu den in Abbildung 5-7 genannten Situationsdimensionen der Organisationsstruktur auf (z.B. Unternehmensgröße, Kundenstruktur). Darüber hinaus sind einzelne der in diesen Untersuchungen verwendeten Situationsdimensionen auf einen Vergleich zwischen verschiedenen Branchen ausgerichtet (z.B. Branchenzugehörigkeit) und für die hier vorliegende Untersuchung, die sich ausschließlich auf eine Branche bezieht, nicht relevant. Schließlich kommt eine Reihe der verwendeten Situationsdimensionen nicht in Frage, da diese in hohem Maße auf den jeweiligen Untersuchungsgegenstand zugeschnitten sind (z.B. Verkaufsverhalten des Vertriebsmitarbeiters514, Beschaffenheit des Produkts515) und für die hier vorliegende Untersuchung nur bedingt relevant erscheinen. Somit kann für diese kontingenztheoretischen Untersuchungen festgehalten werden, dass die Mehrheit der dort verwendeten Situationsdimensionen für das dieser Arbeit zu Grunde liegende Erkenntnisobjekt nur bedingt relevant ist; der kleine Teil der in Frage kommenden Situationsdimensionen (z.B. Unternehmensgröße, Kundenstruktur) wurde bereits in den vorhergehenden Ausführungen zu den Situationsdimensionen der Organisationsstruktur aufgegriffen. 508

509 510 511 512 513 514 515

Beispielsweise wäre zu vermuten, dass Banken der Betriebsform Sparkassen in Anlehnung an die Empfehlungen des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes hinsichtlich der Kundensegmentierung eine ähnliche Gestaltung der Kundensegmentierung aufweisen. Vgl. Weitz (1981), S. 85 ff. Vgl. Pennings (1987), S. 223 ff. Vgl. Eriksson/Mattsson (1996), S. 35 ff. Vgl. Workman/Homburg/Gruner (1998), S. 21 ff. Vgl. Cui/Choudhury (2003), S. 364 ff. Vgl. Weitz (1981), S. 90. Vgl. Cui/Choudhury (2003), S. 374 ff. Dabei wird die Beschaffenheit des Produkts mit folgenden Ausprägungen definiert: günstig; gefährlich bzw. Schaden verursachend bei Fehlanwendung; per se gefährlich bzw. Schaden verursachend. Vgl. Cui/Choudhury (2003), S. 374. 171

Als dritte Quelle für die Ableitung möglicher Situationsdimensionen der Kundensegmentierung dient die theoretische Analyse dieser Arbeit; von Bedeutung sind dabei insbesondere die Erkenntnisse aus der kritischen Würdigung ausgewählter Ansätze zur Kundensegmentierung (Kapitel 4.5) sowie aus der Implementierung der Kundensegmentierung (Kapitel 4.6). Diese weisen darauf hin, dass zunächst vor allem die Organisationsstruktur (vgl. „General barrier“) als mögliche Situationsdimension der Kundensegmentierung in Frage kommt.516 So fordern beispielsweise DIBB und SIMKIN: „In order to be implementable, segmentation programs must be in sympathy with organizational characteristics [...].“517 Weiterhin scheinen die Vertriebskanäle als mögliche Situationsdimension der Kundensegmentierung relevant zu sein. Auf einen möglichen Einfluss der Vertriebskanäle auf die Gestaltung der Kundensegmentierung wird beispielsweise von MEADOWS und DIBB im Rahmen der „Positioning barrier“ hingewiesen.518 Somit sollen sowohl die Organisationsstruktur als auch die Vertriebskanäle als weitere Situationsdimensionen der Kundensegmentierung in der vorliegenden Untersuchung Berücksichtigung finden. Die für die vorliegende Untersuchung vorgeschlagenen Situationsdimensionen der Kundensegmentierung sind in Abbildung 5-8 dargestellt.

516 517

518

172

Vgl. Kühne (1994), S. 189 f.; Dibb/Simkin (1997), S. 53; Meadows/Dibb (1998), S. 55 f. Dibb/Simkin (1997), S. 53. Dabei verweisen Dibb und Simkin auch auf die Möglichkeit der Beeinflussung der Organisationsstruktur durch die Segmentierung. Vgl. Dibb/Simkin (1997), S. 51. Vgl. Meadows/Dibb (1998), S. 54. Auch Pauluhn weist auf einen möglichen Einfluss der Vertriebskanäle auf die Gestaltung der Segmentierung hin. Vgl. Pauluhn (1994), S. 171.

• Organisationsstruktur • Vertriebskanäle Interne Dimensionen

• Leistungsprogramm • Unternehmensgröße • Betriebsform

Situationsdimensionen der Kundensegmentierung

Externe Dimensionen

• Kundenstruktur

Abbildung 5-8: Überblick über die Situationsdimensionen der Kundensegmentierung für die empirische Untersuchung519 Die Untersuchung soll sich auf diese sechs Situationsdimensionen konzentrieren, um umfassende und tiefgehende Erkenntnisse zu den Beziehungen zwischen den Ausprägungen der einzelnen Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung und den Ausprägungen der einzelnen Situationsdimensionen generieren zu können. Es sei angemerkt, dass im Sinne der Regelgeleitetheit520 des Untersuchungsprozesses in den Interviews auch mögliche weitere zu berücksichtigende Situationsdimensionen mit den Experten erörtert werden; diese können anschließend in die Untersuchung oder die Hinweise auf weiteren Forschungsbedarf einfließen. Bei der Erhebung und Messung der Situationsdimensionen soll wie folgt verfahren werden: Im Rahmen der Organisationsstruktur sollen sowohl die Grundkon-

519 520

Eigene Darstellung. Vgl. Mayring (2002), S. 145 f. 173

figuration des Unternehmens als auch die Art der Spezialisierung521 der Marketing- und Vertriebseinheiten erfasst werden. Letztere Organisationseinheiten wurden – in Anlehnung an die Untersuchung von MEADOWS und DIBB522 – gewählt, da sie einen möglichen Einflussfaktor auf die Gestaltung der Kundensegmentierung darstellen können. Die Messung der Grundkonfiguration des Unternehmens erfolgt über eine Mehrfachauswahlfrage, die als Antwortkategorien die grundlegende Organisationsstruktur der Unternehmen (z.B. funktionale Organisation, Matrixorganisation) vorsieht. Die Art der Spezialisierung wird differenziert für Marketing- und Vertriebseinheiten erhoben und mittels je einer Mehrfachauswahlfrage gemessen. Im Rahmen der Vertriebskanäle sollen sowohl die Art der Vertriebskanäle als auch deren relative Bedeutung betrachtet werden. Über eine Mehrfachauswahlfrage und eine offene Frage werden beide Elemente erfragt. Eine weitere Situationsdimension bildet das Leistungsprogramm. Betrachtet werden dabei in Übereinstimmung mit dem dieser Arbeit zu Grunde liegenden Erkenntnisobjekt ausschließlich Bankmarktleistungen.523 Für die Messung des Leistungsprogramms werden über eine Mehrfachauswahlfrage die von Seiten des Unternehmens abgedeckten Haupttypen der Bankmarktleistungen (Kreditleistungen, Anlageleistungen, Zahlungsverkehrsleistungen, sonstige Bankmarktleistungen)524 erfragt und deren relative Bedeutung eruiert. Weiterhin soll die Unternehmensgröße als Situationsdimension ermittelt werden. Dies erfolgt mittels der Bilanzsumme der Unternehmen525; die Daten hierzu werden aus den Geschäftsberichten der Unternehmen für das Jahr 2005 (Stichtag: 31.12.2005) generiert. Eine weitere Situationsdimension bildet die Betriebsform 521

522 523

524

525

174

Unter Spezialisierung wird „[...] die Form der Arbeitsteilung, bei der Teilaufgaben unterschiedlicher Art entstehen [...]“, verstanden. Kieser/Kubicek (1992), S. 76. Zur Messung der Art der Spezialisierung siehe Kieser/Kubicek (1992), S. 177. Vgl. Meadows/Dibb (1998), S. 55 f. Bankmarktleistungen werden teilweise auch als primäre Bankleistungen bezeichnet. Diese sind abzugrenzen von den sekundären Bankleistungen. Vgl. Eilenberger (1997), S. 189 f. Für eine Definition der Haupttypen der Bankmarktleistungen siehe Eilenberger (1997), S. 189 f. Sonstige Bankmarktleistungen sind gemäß der Definition von Eilenberger „[...] diejenigen entgeltlichen und z.T. unentgeltlichen bankbetrieblichen Dienstleistungsarten, die den zuvor genannten Haupttypen nicht bzw. nicht eindeutig zugeordnet werden können [...]“. Eilenberger (1997), S. 190. Dazu zählen z.B. Kundenberatung bei Finanzierungsprojekten, Durchführung von Devisen- und Edelmetallhandelsleistungen, treuhänderische Vermögensverwaltung. Die Bilanzsumme gilt als allgemein akzeptierter Indikator für die Größe von Banken. Vgl. Wilson/Williams (2000), S. 1104. Die Bilanzsumme wurde bereits in einer Reihe von Untersuchungen als Indikator für die Größe von Banken herangezogen. Vgl. z.B. Tschoegl (1983), S. 187 ff.; Wilson/Williams (2000), S. 1101 ff.; Nissan (2002), S. 21 ff.; Emmons/Gilbert/Yeager (2004), S. 259 ff.

der Bank, die gemäß der Bankenstatistik der Deutschen Bundesbank klassifiziert und gemessen werden soll.526 Schließlich erfolgt die Ermittlung der Kundenstruktur. Diese soll anhand von vier Merkmalen beschrieben werden: Anzahl der Kunden, Alter der Kunden, Nettoeinkommen der Kunden sowie Geldvermögen der Kunden bei dem Unternehmen. Gewählt wurden diese vier Merkmale, da sie als mögliche Einflussfaktoren auf die Gestaltung der Kundensegmentierung aus der theoretischen Analyse abgeleitet werden können.527 Die Erhebung der vier Merkmale der Kundenstruktur erfolgt jeweils über eine offene Frage. Dabei werden die Anzahl der Kunden, die Verteilung der Kunden nach Altersklassen, die Verteilung der Kunden nach Nettoeinkommensklassen sowie die Verteilung der Kunden nach Geldvermögensklassen ermittelt. Das Erhebungs- und Messkonzept für die internen und externen Situationsdimensionen der Kundensegmentierung ist in Tabelle 5-4 zusammengefasst. Dimension

Ausprägung

Instrument

Frage

Organisationsstruktur

Grundkonfiguration des Unternehmens x Funktionale Organisation x Divisionale Organisation - Kundenorientierte Spartenorganisation - Produktorientierte Spartenorganisation - Vertriebskanalorientierte Spartenorganisation - Sonstige x Matrixorganisation

Mehrfachauswahlfrage

4.1.1

Art der Spezialisierung der Marketingeinheit(en) x Produktorientierung x Kunden-/Segmentorientierung x Vertriebskanalorientierung x Sonstige

Mehrfachauswahlfrage

4.1.2

Art der Spezialisierung der Vertriebs-

Mehrfachaus-

4.1.2

526

527

Die Einteilung der Unternehmen nach der Betriebsform erfolgt durch den Verfasser unter Zugrundelegung der Systematik der Bankenstatistik der Deutschen Bundesbank. Vgl. Deutsche Bundesbank (2006a), S. 109 ff. Vgl. z.B. Küspert (1992), S. 184 ff.; Swoboda (1998), S. 121 f. Darüber hinaus handelt es sich um Merkmale der Kundenstruktur, die i.d.R. in den Unternehmen als Daten vorhanden sind – im Gegensatz beispielsweise zu psychographischen Merkmalen der Kundenstruktur. 175

einheit(en) x Produktorientierung x Kunden-/Segmentorientierung x Vertriebskanalorientierung x Sonstige

wahlfrage

Art der Vertriebskanäle528 x Stationärer Vertrieb x Direkter Vertrieb529 x Mobiler Vertrieb x Sonstige

Mehrfachauswahlfrage (mit Zulassung von Mehrfachnennungen)

4.3

Relative Bedeutung der Vertriebskanäle530

Offene Frage

4.3

x x x x

Mehrfachauswahlfrage (mit Zulassung von Mehrfachnennungen)

4.7

Relative Bedeutung der Bankmarktleistungen531

Offene Frage

4.7

Unternehmensgröße

Bilanzsumme

Erhebung über Geschäftsberichte der Unternehmen

4.7

Betriebsform

Art der Betriebsform532 x Kreditbanken - Großbanken - Regionalbanken und sonstige Kreditbanken533

Erhebung unter Zugrundelegung der Systematik der Bankenstatis-

4.7

Vertriebskanäle

Leistungsprogramm

528

529 530

531

532

533

176

Anlageleistungen Kreditleistungen Zahlungsverkehrsleistungen Sonstige Bankmarktleistungen

Eine Übersicht der unterschiedlichen Arten der Vertriebskanäle bei Banken findet sich bei Eilenberger (1997), S. 576. Z.B. Online-/Internet-Banking, Telefon-Banking, Direct Mailing. Die Einschätzung der relativen Bedeutung der Vertriebskanäle soll anhand des Anteils des jeweiligen Vertriebskanals an den Gesamterträgen des Unternehmens erfolgen. Die Einschätzung der relativen Bedeutung der Haupttypen der Bankmarktleistungen soll anhand des Anteils des jeweiligen Haupttyps der Bankmarktleistungen an den Gesamterträgen des Unternehmens erfolgen. Die weiteren in der Bankenstatistik der Deutschen Bundesbank aufgeführten Betriebsformen von Banken (Realkreditinstitute, Banken mit Sonderaufgaben, Bausparkassen) werden gemäß des definierten Untersuchungsgegenstandes nicht betrachtet (siehe Kapitel 2.1). Die aufgeführten Betriebsformen (Kreditbanken, davon Großbanken, Regionalbanken und sonstige Kreditbanken, Landesbanken, Sparkassen, Genossenschaftliche Zentralbanken, Kreditgenossenschaften) sollen für die vorliegende Untersuchung jeweils exklusive der Auslandsbanken ausgewiesen werden. Die Zweigstellen ausländischer Banken sollen in der Gruppe der Auslandsbanken erfasst werden.

x x x x x Kundenstruktur

Landesbanken Sparkassen Genossenschaftliche Zentralbanken Kreditgenossenschaften Auslandsbanken534

tik der Deutschen Bundesbank

Anzahl der Kunden

Offene Frage

4.5

Verteilung der Kunden nach Altersklassen

Offene Frage

4.5

Verteilung der Kunden nach Nettoeinkommensklassen

Offene Frage

4.5

Verteilung der Kunden nach Geldvermögensklassen

Offene Frage

4.5

Tabelle 5-4: Erhebungs- und Messkonzept für die internen und externen Situationsdimensionen der Kundensegmentierung535

534

535

Die Auslandsbanken umfassen die Banken im Mehrheitsbesitz ausländischer Banken sowie die Zweigstellen ausländischer Banken. Vgl. Deutsche Bundesbank (2006a), S. 110. Eigene Darstellung. 177

„Die Kundensegmentierung bildet die Basis für jegliches Handeln im Marketing und Vertrieb.“ UNTERSUCHUNGSTEILNEHMER536

6. Empirische Untersuchung zu Ansätzen der Kundensegmentierung und deren Implementierung im Privatkundensegment von Banken 6.1 Grundlagen der empirischen Untersuchung 6.1.1 Methodik und Auswertungsvorgehen der empirischen Untersuchung Grundlage der empirischen Untersuchung ist ein qualitativer Forschungsansatz mittels der Durchführung persönlicher Experteninterviews.537 Diese Form der Untersuchung wurde gewählt, da sie eine fokussierte Datengewinnung ermöglicht und darüber hinaus eine hohe Kontextsensitivität birgt – „[...] sowohl was den Kontext betrifft, in dem sich die Befragten in ihrem Alltagsleben mit ihren jeweiligen Relevanzstrukturen bewegen, als auch was den Kontext der Interviewsituation betrifft“538. Damit scheint das Vorgehen besonders geeignet, die definierten Untersuchungsziele, insbesondere die Analyse der Beziehungen zwischen den Entscheidungskomponenten in der Kundensegmentierung, zu erreichen. Für die Auswahl der zu befragenden Personen wurde die von MEUSER und NAGEL vorgeschlagene Definition des Expertenbegriffs zu Grunde gelegt.539 Dabei wurde ausgehend von der Funktion der Person gesucht, d.h. es wurden Führungskräfte aus absatzorientierten Organisationseinheiten (z.B. Marketing, 536 537

538 539

178

Unternehmen bzw. Experte 9. Zur Begründung der Wahl dieses Forschungsansatzes siehe auch Abschnitt 2.3.2. Eine Übersicht über die Vorteile des Experteninterviews geben Bogner/Menz (2005a), S. 7 ff. Trinczek (2005), S. 211. Für die Definition von Experten gemäß Meuser und Nagel siehe Abschnitt 2.3.2.

Vertriebssteuerung, Customer Relationship Management) selektiert, die über fundiertes Wissen zur Kundensegmentierung verfügen. Bei der Auswahl der Experten handelte es sich um einen iterativen Prozess, da „[...] vorab über die Verteilung relevanten Wissens häufig ebenso wenig Genaues [...] [bekannt ist, Anm. d. Verf.] wie über Machtstrukturen innerhalb des Untersuchungsfeldes“540. So wurden über verschiedene Telefonate mit unterschiedlichen Ansprechpartnern in den Unternehmen und den Austausch von Vorabinformationen zur empirischen Untersuchung die Experten schrittweise identifiziert. Als Unternehmen wurden entsprechend dem definierten Untersuchungsgegenstand Banken in Deutschland ausgewählt. Dabei wurde aus forschungspraktischen und -ökonomischen Gründen eine Teilerhebung541 durchgeführt. Die Auswahl der Unternehmen erfolgte nach dem Verfahren der bewussten Auswahl.542 Ausgewählt wurden Banken, deren Geschäftsaktivitäten teilweise oder vollständig auf das Privatkundensegment ausgerichtet sind und Experten, von denen angenommen wurde, dass sie über ein umfassendes und systematisch angewendetes Wissen zur Kundensegmentierung im Privatkundensegment von Banken verfügen.543 Weiterhin wurde darauf geachtet, dass sich eine vielfältige und interessante Auswahl an Unternehmen ergibt: Neben Großbanken, Sparkassen, Regionalbanken und sonstigen Kreditbanken sollten beispielsweise auch Auslandsbanken sowie „Non-Banks“ berücksichtigt werden; insbesondere für die beiden letztgenannten Banktypen war zu vermuten, dass diese „neue“, aus einer anderen 540 541

542

543

Bogner/Menz (2005b), S. 46. Teilerhebungen beschränken sich auf eine Auswahl an Merkmalsträgern einer Grundgesamtheit. Vgl. Berekoven/Eckert/Ellenrieder (2006), S. 51. Bei Verfahren der bewussten Auswahl erfolgt die Auswahl im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand gezielt und überlegt nach sachrelevanten Merkmalen. Im Gegensatz hierzu steht das Verfahren der Zufallsauswahl. Vgl. Berekoven/Eckert/Ellenrieder (2006), S. 52 ff. Als Basis für die Auswahl der Unternehmen diente die von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht herausgegebene Aufstellung aller in Deutschland zugelassenen Banken. Vgl. BaFin (2006). Darüber hinaus wurden die fünf Spitzenverbände der deutschen Kreditwirtschaft in die Auswahlbasis integriert (Deutscher Sparkassen- und Giroverband, Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken, Bundesverband deutscher Banken, Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands, Verband deutscher Pfandbriefbanken). Beispielsweise wurden Experten der Spitzenverbände der deutschen Kreditwirtschaft selektiert, da angenommen wurde, dass diese über ein fundiertes Wissen über die Konzeption der Kundensegmentierung verfügen (z.B. im Rahmen der „Privatkunden-Konzeption des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes“) und Aussagen für eine Reihe von Mitgliedsunternehmen im Hinblick auf die Kundensegmentierung treffen können. 179

Perspektive entwickelte Ansätze zur Kundensegmentierung in die Diskussion einbringen können. Als Erhebungsverfahren wurde das problemzentrierte Interview gewählt. Diese Art der offenen, halbstrukturierten Befragung ermöglicht es dem Untersuchungsteilnehmer, weitgehend frei zu Wort zu kommen, ist aber auf eine bestimmte Problemstellung zentriert.544 Gemäß MAYRING eignet sich dieses Vorgehen „[...] hervorragend für eine theoriegeleitete Forschung, da es keinen rein explorativen Charakter hat, sondern die Aspekte der vorrangigen Problemanalyse in das Interview Eingang finden“545. Für die Erhebung wurde ein semi-standardisierter Gesprächsleitfaden herangezogen. Dieser ermöglicht durch seine (Teil-)Standardisierung eine bessere Vergleichbarkeit der Ergebnisse der Interviews.546 Im Einverständnis mit den Untersuchungsteilnehmern erfolgte ein Mitschnitt der Interviews mittels Tonbandaufzeichnungen.547 Als Aufbereitungsverfahren wurden zusammenfassende Protokolle548 gewählt. Zur Gewährleistung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Informationen wurden die zusammenfassenden Protokolle im Anschluss an die Interviews den Untersuchungsteilnehmern zur Verfügung gestellt und mit diesen diskutiert. In diesem Zusammenhang konnten auch mögliche Interpretationen und Deutungsmuster mit den Untersuchungsteilnehmern erörtert werden. Als weiteres Abstimmungselement diente eine Ergebnispräsentation, die im Anschluss an die empirische Untersuchung an die Untersuchungsteilnehmer verschickt und mit diesen diskutiert wurde; dadurch wurde 544

545 546 547

548

180

Vgl. Mayring (2002), S. 67. Dabei nennt Witzel drei vorrangige Prinzipien für das problemzentrierte Interview: Problemzentrierung, Gegenstandsorientierung und Prozessorientierung. Die Problemzentrierung bezieht sich sowohl auf die Wahl einer gesellschaftlich relevanten Problemstellung als auch auf die Entwicklung geeigneter Strategien, um die Explikationsmöglichkeiten der Untersuchungsteilnehmer zu optimieren. Die Gegenstandsorientierung fordert, dass die Gestaltung des Erhebungsverfahrens auf den spezifischen Untersuchungsgegenstand ausgerichtet sein muss und nicht durch vordefinierte Instrumente in ihrer Flexibilität eingeschränkt wird. Die Prozessorientierung bezieht sich vor allem auf die schrittweise, flexible Analyse des Erkenntnisobjekts. Vgl. Witzel (1982), S. 70 ff. Mayring (2002), S. 70. Vgl. Mayring (2002), S. 70. Ausnahme bildeten zwei Interviews, bei denen der Mitschnitt des Interviews mittels Tonbandaufzeichnung von Seiten des Untersuchungsteilnehmers nicht gewünscht wurde. Zu der Technik des zusammenfassenden Protokolls siehe Mayring (2002), S. 94 ff. Diese Protokolltechnik erlaubt es das Allgemeinheitsniveau der Ergebnisse zu vereinheitlichen und schrittweise höher zu setzen. Durch u.a. Generalisation, Selektion, Bündelung und Integration einzelner Bedeutungseinheiten kann ein steigendes Abstraktionsniveau erzielt und der Materialumfang verringert werden.

eine vergleichende Diskussion der (vorläufigen) Untersuchungsergebnisse mit den Experten ermöglicht. Für die Auswertung der Ergebnisse wurde ein zweistufiges Vorgehen definiert: In der ersten Stufe erfolgte die deskriptive Auswertung der Ergebnisse zu den Entscheidungskomponenten in der Kundensegmentierung; in der zweiten Stufe erfolgte die analytische Auswertung der Beziehungen zwischen den Entscheidungskomponenten in der Kundensegmentierung. Ein Überblick über das Auswertungsvorgehen findet sich in Abbildung 6-1.

Deskriptives Vorgehen

Analytisches Vorgehen

• Vergleichende Darstellung der Ausprägungen der einzelnen Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung (Gestaltungsvariablen), differenziert für alle Phasen des Prozesses der Kundensegmentierung

• Entwicklung von Aussagen zu den Beziehungen zwischen den Ausprägungen der einzelnen Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung (Gestaltungsvariablen) und den definierten Zielen

• Vergleichende Darstellung der definierten Ziele der Kundensegmentierung, differenziert für alle Phasen des Prozesses der Kundensegmentierung

• Entwicklung von Aussagen zu den Beziehungen zwischen den Ausprägungen der einzelnen Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung (Gestaltungsvariablen) und den Ausprägungen der einzelnen Situationsdimensionen der Kundensegmentierung (Situationsvariablen)

• Vergleichende Darstellung der Ausprägungen der einzelnen Situationsdimensionen der Kundensegmentierung (Situationsvariablen)

Abbildung 6-1: Auswertungsvorgehen für die empirische Untersuchung549 Im Rahmen der deskriptiven Auswertung erfolgte eine vergleichende Darstellung der Ausprägungen der einzelnen Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung (Gestaltungsvariablen), der definierten Ziele der Kundensegmentierung sowie der Ausprägungen der einzelnen Situationsdimensionen der Kundensegmentierung (Situationsvariablen). Das Auswertungsverfahren orientierte sich dabei an dem von MAYRING vorgeschlagenen Verfahren der qualitativen In-

549

Eigene Darstellung. 181

haltsanalyse.550 Ziel ist es, eine bestimmte Struktur aus den Ergebnissen der Interviews herauszufiltern (z.B. formale oder inhaltliche Aspekte). Dabei erfolgt eine Zuordnung von Textstellen zu Kategorien, die wiederum interpretiert und nach der Häufigkeit ihrer Kodierung ausgewertet werden können.551 Über dieses Verfahren können Häufigkeitsverteilungen und Tendenzen für die Entscheidungskomponenten in der Kundensegmentierung ermittelt werden. Die anschließende analytische Auswertung erfolgte in zwei Schritten: Zum einen wurden Aussagen zu den Beziehungen zwischen den Ausprägungen der einzelnen Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung (Gestaltungsvariablen) und den definierten Zielen der Kundensegmentierung entwickelt. Zum anderen wurden Aussagen zu den Beziehungen zwischen den Ausprägungen der einzelnen Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung (Gestaltungsvariablen) und den Ausprägungen der Situationsdimensionen der Kundensegmentierung (Situationsvariablen) formuliert. Die Entwicklung der Aussagen zu den Beziehungen zwischen den Entscheidungskomponenten in der Kundensegmentierung erfolgte dabei x anhand der für die einzelnen Entscheidungskomponenten in der Kundensegmentierung festgestellten Häufigkeitsverteilungen der Merkmalsausprägungen, x anhand der mit den Experten erörterten Fragen zu den Beziehungen zwischen den Entscheidungskomponenten in der Kundensegmentierung (Fragen 3.3, 4.2, 4.4, 4.6 und 4.7 des Gesprächsleitfadens) sowie x in Anlehnung an die von MAYRING vorgeschlagene Explikation als inhaltsanalytische Technik552 und die von BORTZ und DÖRING angeführten

550 551 552

182

Zu der Technik der qualitativen Inhaltsanalyse siehe Mayring (2002), S. 114 ff. Vgl. Mayring (2002), S. 117. Vgl. Mayring (2002), S. 117 ff. Dabei wird sowohl im engen als auch im weiteren Textkontext der zusammenfassenden Protokolle nach Erklärungsansätzen geforscht. Diese können im engen Textkontext beispielsweise „[...] definierend/erklärend, ausschmückend/beschreibend, beispielgebend/Einzelheiten aufführend, korrigierend/modifizierend oder auch antithetisch/das Gegenteil beschreibend [...]“ hinsichtlich des vermuteten Zusammenhangs sein. Mayring (2002), S. 118. Für den weiteren Textkontext können diese über den eigentlichen Text des zusammenfassenden Protokolls hinausgehen und beispielsweise Informationen über die Entstehungssituation enthalten. Vgl. Mayring (2002), S. 118.

Ansätze553 für das Auffinden kausaler Hypothesen in qualitativexplorierenden Untersuchungen.554 6.1.2 Durchführung der empirischen Untersuchung Die Interviews mit den Experten wurden im Zeitraum vom 28. August bis 03. November 2006 durchgeführt. Um die Teilnahmebereitschaft der Experten zu erhöhen und ein zielgerichtetes Interview zu ermöglichen, wurden vorab eine Kurzpräsentation mit Informationen zur Dissertation (Doktorvater, Universität, Lehrstuhl, Untersuchungsgegenstand, Untersuchungsziele, Untersuchungsvorgehen) sowie ein Entwurf des Gesprächsleitfadens an die Experten versendet. Der überwiegende Teil der kontaktierten Unternehmen bzw. Experten zeigte großes Interesse an der Fragestellung. Insgesamt konnten 15 Unternehmen bzw. Experten für die Befragung gewonnen werden; die teilnehmenden Unternehmen sind in Abbildung 6-2 dargestellt.555

553

554

555

Als Ansätze kommen beispielsweise die Analyse von Begleitumständen, die Analyse von Initiativen der Experten (um eine Veränderung herbeizuführen) oder systematische Vergleiche (mit anderen Einzelfällen) in Frage. Vgl. Bortz/Döring (1995), S. 360 f. Alternativ wurde auch eine Analyse der Beziehungen zwischen den Entscheidungskomponenten in der Kundensegmentierung über quantitative Verfahren (z.B. Korrelationsanalyse, ChiQuadrat-Unabhängigkeitstest) evaluiert, jedoch als nicht geeignet erachtet, da die Anzahl der Untersuchungseinheiten zu klein ist, um beispielsweise Korrelationsanalysen oder Chi-QuadratUnabhängigkeitstests durchzuführen. Vgl. Bleymüller/Gehlert/Gülicher (2004), S. 83 und 135. Von den insgesamt 26 kontaktierten Unternehmen bzw. Experten nahmen 15 Unternehmen bzw. Experten an der Untersuchung teil; elf Unternehmen bzw. Experten lehnten eine Teilnahme ab. Wesentliche Ablehnungsgründe waren zeitliche Restriktionen sowie die Vertraulichkeit der Ansätze zur Kundensegmentierung in den Unternehmen. Eine Übersicht der Unternehmen, Experten (inkl. Funktion/Titel und Organisationseinheit) sowie Experteninterviews (inkl. Datum, Uhrzeit und Ort) findet sich im Anhang dieser Arbeit. In einem Unternehmen fand das Interview mit zwei Experten in einem gemeinsamen Gespräch statt; somit wurden insgesamt 16 Experten und 15 Unternehmen interviewt. Für einen besseren Lesefluss soll hier und im Folgenden jedoch jeweils von 15 Unternehmen bzw. Experten die Rede sein. 183

1)

Befragung von insgesamt 15 Unternehmen bzw. Experten

1) Das Interview fand mit dem Geschäftsführer der WGZ Bank Luxemburg statt (die WGZ Bank Luxemburg ist eine Tochtergesellschaft der WGZ Bank Westdeutsche Genossenschafts-Zentralbank in Düsseldorf). Da die Bank den Schwerpunkt ihrer Geschäftstätigkeit in Deutschland hat, wurde sie auch im Rahmen der Untersuchung berücksichtigt.

Abbildung 6-2: Übersicht über die an der empirischen Untersuchung teilnehmenden Unternehmen556 Betrachtet man die Anzahl der Privatkunden der teilnehmenden Unternehmen, so weisen die in Abbildung 6-2 dargestellten Unternehmen kumuliert ca. 23 Millionen Privatkunden auf und decken somit ca. 22% der Privatbankverbindungen in Deutschland ab (siehe Abbildung 6-3).

556

184

Eigene Darstellung.

Teilnehmende Unternehmen [Anzahl Privatkunden in Deutschland, Millionen] Deutsche Bank

Abdeckung2) 7,8

ING-DiBa

7,6%

5,1

Volkswagen Bank

5,0%

3,0

Kreissparkasse Köln1)

2,9%

1,4

1,4%

SEB

1,0

1,0%

DAB Bank

1,0

1,0%

DaimlerChrysler Bank

1,0

1,0%

Comdirect Bank

0,7

0,7%

0,7

0,7%

Stadtsparkasse München1) Cortal Consors Frankfurter Sparkasse 1822

0,5

0,5%

0,4

0,4%

Bankhaus Reuschel1)

0,0

UBS

k.A.

-

WGZ Bank

k.A.

k.A. -

Gesamt

• Die teilnehmenden Unternehmen decken ca. 23 Millionen Privatkunden in Deutschland ab • Dies entspricht ca. 22% aller Bankverbindungen in Deutschland

0,0%

22,6

22,0%

1) Anzahl Privatkunden anhand der Anzahl Privatkundenverbünden geschätzt. 2) Abdeckung in Prozent aller Privatbankverbindungen in Deutschland (insgesamt ca. 102,7 Millionen Privatbankverbindungen in Deutschland bei durchschnittlich 1,3 Privatbankverbindungen pro Person). Vgl. Deutscher Sparkassen- und Giroverband (2004); Spiegel (2004). Anmerkung: Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband ist in der Abbildung nicht aufgeführt. Abweichungen in der Summe der Abdeckung auf Grund von Rundungen.

Abbildung 6-3: Übersicht über die teilnehmenden Unternehmen und deren Abdeckungsgrad hinsichtlich der Anzahl der Privatkunden557 Zusätzlich zu den in Abbildung 6-3 aufgeführten Unternehmen ist der Deutsche Sparkassen- und Giroverband zu berücksichtigen, der im Hinblick auf die Kundensegmentierung zwar ausschließlich konzeptionell tätig ist, dessen Segmentierungsansatz jedoch von der Mehrheit der Sparkassen umgesetzt wurde.558 Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband bzw. die diesem angehörenden Sparkassen verfügen laut Eigenangaben über 47 Millionen Privatkunden in Deutschland (exkl. der in Abbildung 6-2 aufgeführten Sparkassen). Die Experteninterviews wurden mit Führungskräften der Organisationseinheiten Marketing, Customer Relationship Management, Kundenanalyse oder anderen 557

558

Eigene Darstellung. Die Anzahl der Privatkunden je Unternehmen basiert auf im Rahmen der Untersuchung erhobenen Daten sowie sekundärstatistischen Quellen (z.B. Geschäftsberichte, Investor-Relations-Präsentationen). Die Daten hinsichtlich der Privatbankverbindungen in Deutschland basieren auf Deutscher Sparkassen- und Giroverband (2004); Spiegel (2004). Die Konzeption der Kundensegmentierung wird insbesondere in Form der „PrivatkundenKonzeption des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes“ an die Sparkassen übermittelt. 185

absatzorientierten Organisationseinheiten geführt. In einem Fall fand das Interview mit dem Geschäftsführer des Unternehmens statt. Die Experteninterviews wurden vor Ort in den jeweiligen Unternehmen geführt.559 Die Dauer der Befragung lag zwischen einer und eineinhalb Stunden. Vor den eigentlichen Interviews wurden die Untersuchungsteilnehmer über Untersuchungsgegenstand, -ziele und -vorgehen informiert sowie die Vertraulichkeit der Ergebnisse zugesichert560. Vor diesem Hintergrund sind auch die Ergebnisse der empirischen Untersuchung so dargestellt, dass keine Zuordnung zu den teilnehmenden Unternehmen bzw. Experten möglich ist. Der Gesprächsleitfaden wurde vor den Interviews im Rahmen eines Pre-Tests geprüft561 und entsprechend angepasst562. Insgesamt ist der Gesprächsleitfaden in fünf Fragenblöcke unterteilt. Dabei wurde auf die Verständlichkeit der Fragen und auf die in sich logische und stringente Abfolge der Fragen geachtet. Im Folgenden findet sich eine Übersicht über die Struktur und die wesentlichen Inhalte des Gesprächsleitfadens.

559

560

561 562

186

Die Ausnahme bildete ein Experteninterview, das auf Wunsch des Experten telefonisch durchgeführt wurde. Die Vertraulichkeit der Ergebnisse bildete bei der Mehrheit der Unternehmen bzw. Experten eine wesentliche Voraussetzung für die Teilnahme an der Untersuchung. Der Pre-Test wurde am 20. Juli 2006 mit Herrn Dr. Wietlisbach von der UBS durchgeführt. Dabei wurde die Reihenfolge einzelner Fragen umgestellt und auf einige Fragen verzichtet, um den Zeitbedarf für die Beantwortung der Fragen einzugrenzen.

1.

Definition und Einordnung der Kundensegmentierung

2.

Gestaltung der Kundensegmentierung

3.

Ziele der Kundensegmentierung

• Ziele der Kundensegmentierung für Konzeptions-/Planungsphase, Implementierungsphase, Steuerungs-/Kontrollphase • Zielerreichung der Kundensegmentierung • Beziehungen zwischen den Ausprägungen der Dimensionen der Kundensegmentierung und den definierten Zielen

4.

Situation und mögliche Einflussfaktoren der Kundensegmentierung

• Situationsdimensionen (Organisationsstruktur, Vertriebskanäle, Leistungsprogramm, Unternehmensgröße, Kundenstruktur) • Beziehungen zwischen den Ausprägungen der Situationsdimensionen und den Ausprägungen der Dimensionen der Kundensegmentierung

Stärken/Schwächen der Kundensegmentierung und künftige Entwicklung der Kundensegmentierung

• Stärken und Schwächen des Segmentierungsansatzes • Geplante Weiterentwicklung bzw. Änderung des Segmentierungsansatzes • Allgemeine Entwicklungstendenzen für die Kundensegmentierung im Privatkundensegment von Banken

5.

• Definition der Kundensegmentierung • Bedeutung der Kundensegmentierung • Zeitpunkt der Implementierung des Segmentierungsansatzes

• Konzeptions-/Planungsphase: Segmentierungsvorgehen, Segmentierungskriterien etc. • Implementierungsphase: Implementierungsvorgehen, Überwachung der Segmentierung etc. • Steuerungs-/Kontrollphase: Steuerungs-/Kontrolldaten bzw. -kennzahlen, Steuerungs-/Kontrollrhythmus etc.

Abbildung 6-4: Struktur und wesentliche Inhalte des Gesprächsleitfadens für die empirische Untersuchung563 Zunächst galt es, im ersten Fragenblock ein einheitliches Verständnis des zu Grunde liegenden Erkenntnisobjekts zu schaffen bzw. die Definition der Kundensegmentierung zu eruieren. Darüber hinaus war zu Beginn des Interviews der Segmentierungsansatz sowohl inhaltlich als auch zeitlich in den Gesamtzusammenhang des Unternehmens einzuordnen. Im Anschluss daran wurden im zweiten Fragenblock die Ausprägungen der Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung systematisch erfragt. Dies erfolgte differenziert für die einzelnen Phasen des Prozesses der Kundensegmentierung (Konzeptions-/Planungs-, Implementierungs- und Steuerungs-/Kontrollphase). Neben den Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung wurden auch die Gründe für die Wahl des Segmentierungsansatzes mit den Experten erörtert. Die Ziele der Kundensegmentierung standen im Mittelpunkt des dritten Fragenblocks. Entlang der unterschiedlichen Phasen des Prozesses der Kundensegmentierung wurden die für die 563

Eigene Darstellung. 187

Kundensegmentierung definierten Ziele ermittelt. Darüber hinaus war der Grad der Zielerreichung durch die Experten zu bestimmen. Zum Abschluss des dritten Fragenblocks wurden die Beziehungen zwischen den Ausprägungen der einzelnen Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung und den definierten Zielen diskutiert. Im vierten Fragenblock folgten die Erfassung der Ausprägungen der Situationsdimensionen der Kundensegmentierung und die Diskussion der Beziehungen zwischen den Ausprägungen der einzelnen Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung und den Ausprägungen der einzelnen Situationsdimensionen der Kundensegmentierung. Den Abschluss bildeten Fragen zu den Stärken und Schwächen des gewählten Segmentierungsansatzes, zu der geplanten Weiterentwicklung des Segmentierungsansatzes sowie zu den allgemeinen Entwicklungstendenzen der Kundensegmentierung im Privatkundensegment von Banken. Um die geforderten inhaltlichen Elemente abdecken zu können, aber auch offen im Rahmen des Forschungsprozesses zu sein, orientierte sich das Interview an drei Fragetypen:564 x Sondierungsfragen, die den Einstieg in die Thematik erleichtern und die subjektive Bedeutung des Themas für den Experten verdeutlichen sollten. Dabei war es neben der inhaltlichen Perspektive auch das Ziel, „[...] eine ‚Normalisierung‘ bzw. ‚Veralltäglichung‘ der relativ außergewöhnlichen Kommunikationssituation des Interviews [...]“565 zu erreichen, um das Interview in einer vertrauten Kommunikationssituation ablaufen zu lassen. x Leitfadenfragen, die die Fragestellungen zu dem definierten Untersuchungsgegenstand und den festgelegten Untersuchungszielen beinhalteten. x Ad-hoc-Fragen, die sich im Gesprächsverlauf ergaben – sofern sie für die Untersuchung oder die Erhaltung des Gesprächsfadens wichtig waren. Diese Art der Fragen sollte zur flexiblen Analyse der Forschungsfragen beitragen und sicherstellen, dass der gewählte Forschungsansatz gegenüber seinem Gegenstand offen ist.566

564 565 566

188

Vgl. hierzu und im Folgenden Mayring (2002), S. 70. Pfadenhauer (2005), S. 118. Vgl. Lamnek (2005), S. 21 f.

6.2 Ergebnisse der empirischen Untersuchung zu Anwendungspraxis, Zielen und Situation der Kundensegmentierung 6.2.1 Definition und Einordnung der Kundensegmentierung Für die Definition der Kundensegmentierung zeigt sich, dass zwölf Unternehmen bzw. Experten567 der dieser Untersuchung zu Grunde liegenden Arbeitsdefinition der Kundensegmentierung568 in weiten Teilen folgen:569 Die Unternehmen sehen die Bildung in sich möglichst homogener, untereinander möglichst heterogener Kundengruppen als konstituierendes Element der Kundensegmentierung und beziehen sich dabei auf die erweiterte Definition der Kundensegmentierung, d.h. sowohl die Informations- als auch die Aktionsseite der Kundensegmentierung.570 Interessant zu beobachten ist, dass drei der Unternehmen eine weitergehende Differenzierung der Definition der Kundensegmentierung vornehmen und nach der Art der eingesetzten Segmentierungskriterien bzw. gebildeten Segmente unterscheiden, z.B.: x Segmentierung nach „Wealth-Segmenten“571, Segmentierung nach „Berufsgruppen“572, Segmentierung nach „Marktbearbeitungskriterien“573;

567

568 569

570

571 572 573

Sofern hier und im Folgenden von Unternehmen oder Experten die Rede ist, so bezieht sich dies jeweils auf die im Rahmen dieser Untersuchung befragten Unternehmen bzw. Experten. Siehe Unterabschnitt 2.1.1.3. Da eines der Unternehmen keine Kundensegmentierung gemäß der dieser Arbeit zu Grunde liegenden Arbeitsdefinition der Kundensegmentierung verfolgt, wurde dieses Unternehmen für diese und die folgenden Auswertungen nicht berücksichtigt. Vgl. Unternehmen bzw. Experte 4. Vor diesem Hintergrund ist n = 14. Ausnahme bilden drei Unternehmen bzw. Experten: In einem Fall bezieht sich die Definition der Kundensegmentierung zwar auf die Informations- und die Aktionsseite der Kundensegmentierung, jedoch wird die Aktionsseite im Wesentlichen durch das sog. „Beratungs- und Betreuungskonzept“ abgedeckt. Vgl. Unternehmen bzw. Experte 5 (die zusammenfassenden Protokolle, die hier und im Folgenden als Quelle(n) angegeben werden, finden sich im Anhang der begutachteten Dissertation). In einem weiteren Fall gilt die erweiterte Definition der Kundensegmentierung nur für einen Teil des Segmentierungsansatzes (Automobilfinanzierung, nicht für das Direktbankgeschäft). Vgl. Unternehmen bzw. Experte 13. In einem Fall wurde keine Aussage dazu getroffen, ob die Definition der Kundensegmentierung die Informations- und Aktionsseite der Kundensegmentierung umfasst. Vgl. Unternehmen bzw. Experte 1. Unternehmen bzw. Experte 1. Unternehmen bzw. Experte 1. Unternehmen bzw. Experte 1. 189

x

„Strategische Segmentierung“574, „Ökonomische Segmentierung“575, „Vertrieblich-operative Mikrosegmentierung“576, „Ereignisklassen/besondere Anlässe“577.

Begründet werden kann diese Definitionsdifferenzierung möglicherweise dadurch, dass ein gewisser Wandel in den Segmentierungsansätzen der Unternehmen stattgefunden hat: von einem einstufigen, weitgehend „statischen“ Segmentierungsansatz hin zu einem mehrstufigen, auf die jeweilige Fragestellung zugeschnittenen Segmentierungsansatz. So weist ein Untersuchungsteilnehmer darauf hin, dass die ursprüngliche Definition der Segmentierung innerhalb des Unternehmens auf Grund des neu konzipierten Segmentierungsansatzes nicht mehr einheitlich Anwendung findet.578 Dies stützt die von WIND formulierte These, dass es nicht eine optimale Segmentierung gibt, sondern vielmehr unterschiedliche Segmentierungsstufen für unterschiedliche Marketingfragstellungen anzuwenden sind.579 Weiterhin sind zwei Unternehmen zu identifizieren, die eine Spezifizierung der dargelegten Arbeitsdefinition der Kundensegmentierung vornehmen, indem sie auf die jeweils eingesetzten Segmentierungskriterien verweisen: So formuliert ein Experte, dass unter der Kundensegmentierung „[...] die Bildung von Segmenten, die jeweils ein ähnliches Kundenpotenzial aufweisen und die anschließende Zuordnung zu Betreuungseinheiten [...]“580 zu verstehen sei. Ein anderer Experte definiert die Kundensegmentierung als „[...] Einteilung der Kunden entlang von Risikokategorien zur Erhöhung der Beratungsqualität“581. Schließlich können zwei Unternehmen identifiziert werden, in denen keine Definition der Kundensegmentierung vorhanden ist.582 574 575 576 577 578 579 580 581 582

190

Unternehmen bzw. Experte 9. Unternehmen bzw. Experte 9. Unternehmen bzw. Experte 9. Unternehmen bzw. Experte 9. Vgl. Unternehmen bzw. Experte 11. Vgl. Wind (1978), S. 319. Unternehmen bzw. Experte 5. Unternehmen bzw. Experte 7. Vgl. Unternehmen bzw. Experten 11 und 13. Beispielsweise konstatiert Unternehmen bzw. Experte 13, dass es keine einheitliche Definition der Kundensegmentierung in dem Unternehmen gibt und dass der Begriff in dem Unternehmen „relativ weit gefasst“ ist. Unternehmen bzw. Experte 13.

Die Bedeutung der Kundensegmentierung wird von vier Experten als hoch im Hinblick auf das gesamte Unternehmen eingestuft.583 Acht Experten stufen die Bedeutung der Kundensegmentierung als hoch im Hinblick auf die Absatzstrategie und -organisation des Unternehmens ein: Dabei wird die Kundensegmentierung u.a. als ein wichtiger Bestandteil der Marketing- und Vertriebsstrategie584 oder als Basis für die Allokation der Ressourcen im Vertrieb585 gesehen. In einem Unternehmen wird die Kundensegmentierung als „Basis für jegliches Handeln im Marketing und Vertrieb“586 bezeichnet, was sich – wie später noch zu zeigen sein wird – u.a. in dem Einfluss der Kundensegmentierung auf die Organisation der Zentraleinheiten der Bank zeigt. Geringe Bedeutung hat die Kundensegmentierung hingegen in einem der Unternehmen:587 Als Argument wird angeführt, dass die Kundensegmentierung dem Ziel entgegensteht, die Abwicklungsprozesse des Unternehmens europaweit zu vereinheitlichen und dadurch Degressionseffekte bei den Abwicklungskosten zu erzielen. Diesbezüglich kann kritisch angemerkt werden, dass zwar die Kosten der Abwicklung durch etwaige segmentspezifische Anpassungen insbesondere in der Produkt-, Preis- und Distributionspolitik erhöht werden können, dies jedoch durch zusätzliche Erträge aus der segmentspezifischen Marktbearbeitung überkompensiert werden kann. Letztendlich kann dies aber nur durch eine Wirtschaftlichkeitsprüfung der Kundensegmentierung beantwortet werden; diese wurde seitens des Unternehmens jedoch nicht durchgeführt. Als weiteren Grund für die geringe Bedeutung der Segmentierung führt der Experte an, dass teilweise die absolute Anzahl der angestrebten Vertragsabschlüsse nicht erreicht werden könne, wenn die Segmente bzw. die Anzahl der Kunden je Segment als Basis für die Marktbearbeitung herangezogen würden. Dass dies als Argument nicht gelten gelassen werden kann und dies der Grundidee der Kundensegmentierung entgegensteht, wird auch von dem befragten Experten eingeräumt: „Die letzten 500 Abschlüsse für ein Produkt muss ich mir so teuer einkaufen, dass sich dies überhaupt nicht lohnt.“588 583

584 585 586 587 588

Hinsichtlich der Bedeutung der Kundensegmentierung wird bei einem Unternehmen keine Aussage getroffen. Vgl. Unternehmen bzw. Experte 3. Vor diesem Hintergrund ist n = 13. Vgl. z.B. Unternehmen bzw. Experten 5 und 12. Vgl. z.B. Unternehmen bzw. Experte 14. Unternehmen bzw. Experte 9. Vgl. hierzu und im Folgenden Unternehmen bzw. Experte 13. Unternehmen bzw. Experte 13. 191

Wird der Zeitpunkt der Implementierung der Segmentierungsansätze betrachtet, zeigt sich, dass die Segmentierungsansätze überwiegend relativ aktuell sind (siehe Abbildung 6-5).

[Jahr der Implementierung des aktuell eingesetzten Segmentierungsansatzes]

1949 (1)1)

2000 (1)

2001 (2)

2002 (3)

2003 (2)

2004 (1)2)

2005 (2)3)

2006 (2)

1) Segmentierungsansatz ist seit Bestehen des Unternehmens historisch gewachsen. 2) Dabei wurde eine Stufe der Segmentierung im Jahr 2004 implementiert; eine andere Stufe der Segmentierung wurde im Jahr 2005 implementiert. 3) In einem Fall handelt es sich um den Zeitpunkt der Entwicklung des Segmentierungsvorschlages und nicht um die eigentliche Implementierung des Segmentierungsansatzes.

Abbildung 6-5: Zeitpunkt der Implementierung der eingesetzten Segmentierungsansätze589 Sieben der aktuell in den Unternehmen eingesetzten Segmentierungsansätze wurden im Jahr 2003 oder später implementiert. Bis auf einen Segmentierungsansatz, der seit Bestehen des Unternehmens „historisch gewachsen“590 ist, wurden alle Segmentierungsansätze im Jahr 2000 oder später implementiert. In zwei Unternehmen wurde eine Weiterentwicklung bzw. „Verfeinerung“ der implementierten Segmentierungsansätze jeweils zwei bzw. drei Jahre nach der Implementierung durchgeführt591; in einem Unternehmen dauert der Implementierungsprozess zum Zeitpunkt der Untersuchung noch an (bis zu dem Zeitpunkt der Untersuchung waren ca. 80% der Kunden segmentiert)592.

589

590 591 592

192

Eigene Darstellung. Daten basierend auf den Ergebnissen zu Frage 1.3 des Gesprächsleitfadens. n = 14. Unternehmen bzw. Experte 3. Vgl. Unternehmen bzw. Experten 6 und 14. Vgl. Unternehmen bzw. Experte 7.

6.2.2 Vergleichende Darstellung der Ausprägungen der einzelnen Gestaltungsdimensionen der Kundensegmentierung 6.2.2.1 Ausprägungen der Konzeptions-/Planungsphase der Kundensegmentierung593 Hinsichtlich des Segmentierungsvorgehens können sowohl einstufige als auch mehrstufige Segmentierungsansätze identifiziert werden: In sechs Unternehmen erfolgt ein einstufiges Segmentierungsvorgehen, d.h., die segmentbildenden Merkmale werden in einem Schritt angewendet.594 Dabei fallen zwei Gruppen von Segmentierungsansätzen bzw. Unternehmen auf: Zum einen Unternehmen, die ein (vorläufiges) einstufiges Segmentierungsvorgehen gewählt haben und weitere Stufen der Segmentierung aktuell evaluieren; diese Unternehmen befinden sich meist in einer relativ frühen Phase der Implementierung des Segmentierungsansatzes.595 Darüber hinaus finden sich Unternehmen, die bewusst auf eine weitere Stufe der Segmentierung (z.B. im Sinne einer „Feinsegmentierung“) verzichten, um beispielsweise die Nachvollziehbarkeit der Segmentierung für die Vertriebsmitarbeiter zu gewährleisten.596 Weiterhin können sieben Unternehmen identifiziert werden, die ein mehrstufiges Segmentierungsvorgehen anwenden. Dabei finden sich einerseits Unternehmen, die zunächst eine vorläufige Einteilung der Kunden (im Sinne einer „Grobsegmentierung“) vornehmen, diese anschließend in einer weiteren Stufe differenzieren, um schließlich zu möglichst homogenen, untereinander möglichst heterogenen Segmenten zu gelangen (im Sinne einer „Feinsegmentierung“)597. Andererseits können Unternehmen beobachtet werden, in denen die einzelnen Segmentierungsstufen in Abhängigkeit von der marketingspezifischen Fragestellung

593

594 595 596 597

Für diese und alle folgenden Auswertungen wurde – neben dem bereits erwähnten für die Auswertungen nicht berücksichtigten Unternehmen – ein weiteres Unternehmen nicht berücksichtigt, da es als Spitzenverband im Hinblick auf die Kundensegmentierung rein konzeptionell tätig ist und nicht über einen implementierten Segmentierungsansatz im eigentlichen Sinne verfügt. Vor diesem Hintergrund gilt für diese und alle folgenden Auswertungen n = 13, sofern nicht explizit anders vermerkt. n = 13. Vgl. z.B. Unternehmen bzw. Experte 6. Vgl. z.B. Unternehmen bzw. Experte 8. Vgl. Unternehmen bzw. Experten 5 und 10. 193

gewählt und aufeinander aufgebaut werden. In diesen Unternehmen finden sich bis zu fünf Segmentierungsstufen. Differenziert man das Segmentierungsvorgehen nach der von GREEN vorgeschlagenen Systematisierung von Segmentierungsansätzen, so zeigt sich bei acht Unternehmen eine „A priori“-Vorgehensweise.598 Die Wahl der Segmentierungskriterien und Segmente ist dabei überwiegend bestimmt durch Vorgaben des Managements und/oder vorherrschendes Wissen der Gestalter der Kundensegmentierung über das Kaufverhalten bzw. Segmentierungskriterien, die dieses Verhalten möglicherweise zu erklären vermögen.599 Fünf Unternehmen verfolgen dagegen eine „Post hoc“-Vorgehensweise. Letzterer Ansatz scheint aus Sicht der Experten im Vergleich zur „A priori“-Vorgehensweise flexibler und offener.600 Als positiver Nebeneffekt geht damit häufig ein intensiviertes Verständnis der Kundenstruktur für die jeweiligen Gestalter der Segmentierungsansätze einher.601 Bei der Analyse der Art der Segmentierungskriterien zeigt sich, dass 13 Unternehmen verhaltensorientierte Segmentierungskriterien einsetzen. Zehn Unternehmen wenden demographische und sozioökonomische, fünf Unternehmen ergebnisorientierte und drei Unternehmen psychographische Segmentierungskriterien an (siehe Abbildung 6-6).

598 599 600

601

194

n = 13. Vgl. auch Wind (1978), S. 319. Auch Wind verweist auf die größere Flexibilität der „Post hoc“-Vorgehensweise gegenüber der „A priori“-Vorgehensweise. Vgl. Wind (1978), S. 322. Vgl. Unternehmen bzw. Experte 13.

[Häufigkeiten, Mehrfachnennungen] 13

10

5 3

Verhaltensorientierte Segmentierungskriterien

Demographische und sozioökonomische Segmentierungskriterien

Ergebnisorientierte Segmentierungskriterien

Psychographische Segmentierungskriterien

Abbildung 6-6: Art der eingesetzten Segmentierungskriterien602 Innerhalb der Gruppe der verhaltensorientierten Segmentierungskriterien finden sich vor allem produkt- und distributionsspezifische Merkmale (z.B. Art der genutzten Produkte, Häufigkeit der Produktnutzung, Volumina der Produktnutzung, Art der genutzten Distributionskanäle). Die Gruppe der demographischen und sozioökonomischen Segmentierungskriterien setzt sich aus Merkmalen wie Alter, Einkommen, Familienstand, Haushaltsgröße, Beruf oder Ausbildung zusammen. Innerhalb der Gruppe der ergebnisorientierten Segmentierungskriterien können Merkmale wie Deckungsbeitrag603 oder Umsatzertrag604 identifiziert werden. Einzelne Unternehmen setzen auch den zukünftig zu erwartenden Ergebnisbeitrag des Kunden als Segmentierungskriterium ein.605 Letzterer wird von 602

603

604

605

Eigene Darstellung. Daten basierend auf den Ergebnissen zu Frage 2.1.1.2 des Gesprächsleitfadens. n = 13. Mehrfachnennungen. In diesem Fall definiert als: Erträge (Zinserträge, Provisionserträge) abzgl. Kosten (Standardrisikokosten, Kapitalkosten, Prozesskosten, direkte Vertriebskosten). Vgl. Unternehmen bzw. Experte 9. In diesem Fall definiert als: Provisionsertrag zzgl. Zinskonditionenbeitrag. Vgl. Unternehmen bzw. Experte 14. Vgl. Unternehmen bzw. Experten 1, 7, 9 und 14. 195

den Unternehmen über eine Kombination aus unterschiedlichen demographischen, sozioökonomischen, ergebnisorientierten und teilweise psychographischen Merkmalen operationalisiert. Beispielsweise ermittelt ein Unternehmen den zukünftigen Ergebnisbeitrag des Kunden anhand der Merkmale Alter, Einkommen, Geldvermögen sowie Deckungsbeitrag.606 Es sei aber auch darauf hingewiesen, dass die Operationalisierung eines derartigen Konstrukts von den betreffenden Experten als überaus schwierig beurteilt wird und vor diesem Hintergrund die Unternehmen mit „Hilfskonstrukten“ arbeiten oder diese Art der Segmentierung zunächst zurückgestellt haben.607 Als psychographische Kriterien finden sich Merkmale wie Einstellungen oder Motive. In einem Unternehmen orientieren sich die Segmentierungskriterien an den im Rahmen der SinusMilieus verwendeten psychographischen Merkmalen (z.B. Wertorientierungen, Einstellungen zu Arbeit, Familie, Freizeit, Geld und Konsum). Wird die Zusammensetzung der Segmentierungskriterien innerhalb der einzelnen Segmentierungsansätze betrachtet, so zeigt sich bei zwei Unternehmen ausschließlich eine Art von Segmentierungskriterien (in beiden Fällen ausschließlich verhaltensorientierte Segmentierungskriterien). Sechs Unternehmen setzen zwei Arten von Segmentierungskriterien ein (in fünf Fällen eine Kombination aus verhaltensorientierten sowie demographischen und sozioökonomischen Segmentierungskriterien; in einem Fall eine Kombination aus verhaltensorientierten und ergebnisorientierten Segmentierungskriterien). Drei Unternehmen weisen einen Segmentierungsansatz auf, der sich aus drei Arten von Segmentierungskriterien zusammensetzt (in zwei Fällen eine Kombination aus verhaltensorientierten, demographischen, sozioökonomischen und ergebnisorientierten Segmentierungskriterien; in einem Fall eine Kombination aus verhaltensorientierten, demographischen, sozioökonomischen und psychographischen Segmentierungskriterien). Schließlich ist bei zwei Unternehmen eine Kombination aus allen vier Arten von Segmentierungskriterien zu beobachten (verhaltensorientierte, demographische und sozioökonomische, ergebnisorientierte und psychographische Segmentierungskriterien). Die Ergebnisse zur Zusammensetzung der Segmentierungskriterien innerhalb der einzelnen Segmentierungsansätze sind in Abbildung 6-7 im Überblick dargestellt. 606 607

196

Vgl. Unternehmen bzw. Experte 9. Vgl. Unternehmen bzw. Experte 9.

Segmentierungsansätze mit ... einer Art von Segmentierungskriterien

zwei Arten von Segmentierungskriterien

drei Arten von Segmentierungskriterien

vier Arten von Segmentierungskriterien

5

2

2 1

v

v, d/s

v, e

2 1

v, d/s, e

v, d/s, p

v, d/s, e, p

Erläuterung: v: verhaltensorientierte Segmentierungskriterien d/s: demographische, sozioökonomische Segmentierungskriterien e: ergebnisorientierte Segmentierungskriterien p: psychographische Segmentierungskriterien

Abbildung 6-7: Zusammensetzungen der Segmentierungsansätze nach Art der eingesetzten Segmentierungskriterien608 Es kann insgesamt festgestellt werden, dass die Mehrheit der Unternehmen eine Kombination aus mehreren Arten von Segmentierungskriterien für ihre Segmentierungsansätze wählt – eine Vorgehensweise, die auch von einer Reihe wissenschaftlicher Vertreter empfohlen wird: „The key here is to go beyond reliance on a single type of data for segmentation, such as geodemographics or lifestyle, but to look at the full range of customer data available [...].“609 Für die Auswertung der Anzahl der Segmentierungskriterien wurden vier Klassen gebildet. Tabelle 6-1 zeigt die entsprechende Häufigkeitsverteilung der klassifizierten Daten.

608

609

Eigene Darstellung. Daten basierend auf den Ergebnissen zu Frage 2.1.1.2 Gesprächsleitfadens. n = 13. Soper (2002), S. 72. Vgl. auch Wind (1978), S. 319; Tynan/Drayton (1987), S. 306.

des

197

Anzahl der Segmentierungskriterien610

Anzahl der Unternehmen

5

4

> 5 und  10

4

> 10 und  15

2

> 15

3

Tabelle 6-1: Häufigkeitsverteilung der Unternehmen nach der Anzahl der Segmentierungskriterien je Unternehmen611 Wie aus Tabelle 6-1 ersichtlich ist, können vier Unternehmen mit einer Anzahl der Segmentierungskriterien von kleiner gleich fünf identifiziert werden. Vier Unternehmen setzen mehr als fünf und kleiner gleich zehn Segmentierungskriterien ein. Für zwei Unternehmen liegt die Anzahl der Segmentierungskriterien bei größer als zehn und kleiner gleich 15. Schließlich finden sich drei Unternehmen, die mehr als 15 Segmentierungskriterien anwenden.612 Als Datenquelle(n) der Kundensegmentierung werden bei 13 Unternehmen die IT-Systeme des Unternehmens bzw. des jeweiligen Rechenzentrums613 genannt.614 Sechs Unternehmen führen darüber hinaus Primärerhebungen als Datenquelle an.615 Fünf Unternehmen nennen zusätzlich sekundärstatistische Quel610

611

612

613 614 615

198

Die Anzahl der Segmentierungskriterien je Unternehmen wurde anhand der von den Experten genannten Segmentierungskriterien kalkuliert. Eigene Darstellung. Daten basierend auf den Ergebnissen zu Frage 2.1.1.2 des Gesprächsleitfadens. n = 13. Dabei weisen die Unternehmen 16, 20 bzw. ca. 100 Segmentierungskriterien je Segmentierungsansatz auf. Vgl. Unternehmen bzw. Experten 8 und 10. n = 13. Mehrfachnennungen. Neben den Primärerhebungen, die für die Kundensegmentierung herangezogen werden, führen einzelne Unternehmen regelmäßige Primärerhebungen hinsichtlich der Kundenzufriedenheit durch. Vgl. Unternehmen bzw. Experten 1 und 13. In einem Unternehmen werden Primärerhebungen nicht für die Kundensegmentierung, jedoch im Rahmen der Marktbearbeitung eingesetzt, indem über Fokus-Gruppen unterschiedliche Anschreiben für Mailings getestet werden. Vgl. Unternehmen bzw. Experte 11.

len (z.B. mikrogeographische, milieuspezifische Daten, Risikoinformationen von Bloomberg) als Datenquelle für die Kundensegmentierung. Methodisch erfolgen die Segmentierungen in zwei Unternehmen ausschließlich über Data-Mining-Verfahren (z.B. Entscheidungsbaumverfahren, neuronales Netz).616 In neun Unternehmen werden dagegen keine Data-Mining-Verfahren für die Segmentierung angewendet; es kommen Segmentierungsmethoden wie Portfolio oder Scoringmodelle617 zum Einsatz. Zwei Unternehmen setzen sowohl Data-Mining-Verfahren als auch keine Data-Mining-Verfahren für die Segmentierung ein. Die Benennung der Segmente orientiert sich überwiegend an der Art der eingesetzten Segmentierungskriterien. Das Spektrum der Segmentnamen reicht dabei von eher technisch-orientierten Segmentnamen (z.B. „Risikokategorie 1“, „Risikokategorie 2“)618 bis hin zu eher plakativ gestalteten Segmentnamen (z.B. „Aufsteiger“, „Key Clients“)619; letzteres insbesondere, um die Kommunikation und Anwendung der Segmente im Vertrieb zu erleichtern. Bei Betrachtung der unterschiedlichen Segmentnamen können vier wesentliche Arten von Segmentnamen identifiziert werden: Benennung der Segmente in Orientierung an den ökonomischen Wert des Kunden (z.B. „Top-Individualkunden“, „A-Kunden“, „PremiumKunden“)620; Benennung der Segmente in Orientierung an die Art der Beratung des Kunden (z.B. „Beratungskunde“, „Finanzplaner-Kunden“)621; Benennung der Segmente in Orientierung am Schwerpunkt der Produktnutzung des Kunden (z.B. „Viel-Trader“, „Anleger“, „Investoren“)622; Benennung der Segmente in Orientierung am Lebenszyklus des Kunden (z.B. „Jugendkunden“, „Junge Erwachsene“, „Moderne Familien“)623. Ein Beispiel für letztere Art der Segmentnamen findet sich in der Abbildung 6-8.

616 617 618 619 620 621 622 623

n = 13. Mehrfachnennungen. Für eine Definition und Erläuterung von Scoringmodellen siehe z.B. Steinlein (2003), S. 26 ff. Unternehmen bzw. Experte 7. Unternehmen bzw. Experten 1 und 5. Unternehmen bzw. Experten 3, 5 und 12. Unternehmen bzw. Experte 10. Unternehmen bzw. Experten 11, 12 und 15. Unternehmen bzw. Experten 5 und 9. 199

Moderne Privatkunden

Private Investoren

Segmente

Beschreibung

Junge Starter

Kinder, Jugendliche, Auszubildende, Berufseinsteiger, Studenten und junge Akademiker

Moderne Singles

Junge Singles, Singles

Moderne Familien

Junge Familien, Familien

Vermögensaufbauende Privatkunden

Junge Berufstätige, Besserverdienende

Dynamische Investoren

Gut Situierte, Potenzialstarke

Vermögende Privatkunden

Vermögende Privatkunden

Abbildung 6-8: Beispiel für Lebenszyklus-orientierte Segmentnamen624 Hinsichtlich der Anzahl der Segmente wurden drei Klassen gebildet. In Tabelle 6-2 ist die entsprechende Häufigkeitsverteilung der klassifizierten Daten dargestellt. Anzahl der Segmente

Anzahl der Unternehmen