Regret und Kundenloyalität : eine kausalanalytische Untersuchung potentieller Ursachen interindividueller Unterschiede im Regret-Erleben und deren auswirkungen im Konsumkontext 9783835094659, 3835094653 [PDF]


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Regret und Kundenloyalität : eine kausalanalytische Untersuchung potentieller Ursachen interindividueller Unterschiede im Regret-Erleben und deren auswirkungen im Konsumkontext
 9783835094659, 3835094653 [PDF]

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Zitiervorschau

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Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet (Jber abrufbar.

Dissertation Universit~it Mannheim, 2006

1. Auflage Dezember 2006 Alle Rechte vorbehalten 9 Deutscher Universit~its-Verlag I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Brigitte Siegel/Stefanie Loyal Der Deutsche Universit~its-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschliel~lich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschiJtzt. Jede Verwertung aul~erhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verla.gs unzul~issig und strafbar. Das gilt insbesondere ffir Vervielffiltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten w~iren und daher yon jedermann benutzt werden darften.

Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, Schel~litz Gedruckt auf s~iurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-0619-5

Geleitwort

In Wissenschaft und Praxis hat die Erforschung des K~iuferverhaltens in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Die Beeinflussung von Kaufentscheidungen geh6rt angesichts der heutigen hoch kompetitiven M~irkte zu den zentralen Bestimmungsfaktoren des Erfolgs. Insbesondere im Hinblick auf die gemeinhin als zentral erachteten Zielgr6gen Kundenzufriedenheit und Kundenloyalit~it gilt es, entsprechende Aktionsparameter aus den Erkenntnissen tiber die Zusammenh~inge rund um Kaufentscheidungen von Konsumenten zu gewinnen. Eine Vielzahl von Publikationen hat sich mit diesem Thema befasst und viele Unternehmen investieren betr~ichtliche Ressourcen in Programme, die auf der Analyse des Konsumentenverhaltens basieren und auf die Zufriedenheit und die Bindung ihrer Kunden abzielen. Dabei herrscht Einigkeit dartiber, dass zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenloyalit~it ein positiver Zusammenhang besteht. Die Liste potentieller Determinanten der beiden Konstrukte ist bisher jedoch noch nicht abschlief3end untersucht.

Vor diesem Hintergrund greift Wunderle das Thema Regret auf. Es handelt sich dabei um ein Ph~inomen, bei dem Konsumenten in der Nachkaufphase das erworbene Produkt im Vergleich zu den nicht gew~ihlten Altemativen als weniger zwecktauglich wahrnehmen, wodurch in ihnen ein Gefiihl des Bedauerns tiber die getroffene Kaufentscheidung evoziert wird. Das Individuum hadert mit sich selbst, sich nicht doch ftir die Alternative entschieden zu haben und entwickelt den Wunsch nach einer Entscheidungsumkehr. Die kognitiv determinierte Emotion Regret wirkt sich auf Gr6gen aus, die dem Kauf nachgelagert sind; sie kann aber auch auf die Kaufentscheidung direkt Einfluss nehmen, wenn der Konsument im Prozess seiner Entscheidungsfindung das Regret antizipiert.

In forschungsstrategischer Hinsicht verfolgt die vorliegende Arbeit die Abdeckung zweier sich erg~inzender Themenbereiche: die theoriegeleitete Identifikation von Pers/3nlichkeitsvariablen, die einen Einfluss auf das Regret-Erleben von Konsumenten besitzen, und die Untersuchung der Auswirkungen des Regret mit dem Fokus auf die Kundenloyalit~it. Im Hinblick auf die Determinanten des Regret setzt die Autorin an einem Wissensdefizit der RegretForschung an, da bestehende Arbeiten die Spezifika der Entscheidungssituation fokussieren und Pers6nlichkeitsmerkmale des Entscheidungstr~igers als potentielle Einflussgr613en des

Regret weitgehend vemachl~issigt werden. Im Hinblick auf die Konsequenzen des Regret V

gehen sowohl ein direkter Effekt des Regret auf die Kundenloyalit~it als auch ein indirekter Effekt, der fiber die Kundenzufriedenheit verl~iuft, in die Oberlegungen ein. In diesem Kontext l~isst sich auch ein Abwanderungs- bzw. Wechselverhalten zufriedener Kunden erkl~iren, das aus klassischer Sicht als inkonsistent erscheint.

Die Arbeit von Frau Wunderle basiert auf einer modernen Marketingsichtweise, die den Konsumenten als Individuum versteht, das groBteils irrationales Verhalten aufweist, und das es interdisziplin~ir zu erfassen gilt. Die theoretische Fundierung des Konstrukts Regret mit seinen Einflussgr6Ben und Konsequenzen in soziopsychologischen und entscheidungstheoretischen Ans~itzen gew~ihrleistet eine umfassende Darstellung dieses komplexen Themenbereiches.

Im Rahmen einer empirischen Untersuchung werden die postulierten Wirkungszusammenh~inge untersucht, wobei sich die theoretischen Oberlegungen beztiglich der Konsequenzen des Regret best~itigen: das Regret erweist sich als eine potente Einflussvariable der Kundenloyalit~it. In Bezug auf die pers/~nlichkeitsbezogenen Determinanten des Regret kann allein dem Optimismus eines Individuums ein signifikanter Einfluss auf dessen Regret-Erleben im Konsumkontext nachgewiesen werden. Eine Verankerung des Regret in der Pers6nlichkeit des Konsumenten ist somit erwiesen. Ich wtinsche dem Buch eine interessierte Aufnahme in Wissenschaft und Praxis.

Hans H. Bauer

VI

Vorwort

Diese Dissertation befasst sich mit den pers6nlichkeitsbedingten Unterschieden im RegretErleben von Konsumenten und deren Auswirkungen auf die Kundenloyalit~it. Ausgehend von einer integrativen Konzepmalisierung des Konstrukts Regret auf Basis 6konomischer und verhaltenswissenschaftlicher Ans~itze besteht das Anliegen der vorliegenden Arbeit darin zu kl~ren, inwieweit die Gr613e Regret in der Pers6nlichkeit eines Konsumenten verankert ist, welche Mechanismen bei der Regret-Entstehung eine Rolle spielen und inwieweit ein RegretErlebnis die Loyalitgt der Kunden bzw. deren Verhaltensabsichten beeinflusst.

Das Zustandekommen der vorliegenden Arbeit wgre nicht m6glich gewesen ohne die Untersttitzung einer Reihe von Personen, denen ich an dieser Stelle meinen herzlichen Dank aussprechen mOchte.

Allen voran gilt mein besonderer Dank meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Hans H. Bauer, far die wissenschaftliche Betreuung dieser Arbeit und seine uneingeschrgnkte Unterstt~tzung. Sein Verstgndnis far die Besonderheiten einer externen Promotion verbunden mit dem richtigen Mag an Motivation und Ermunterung sowie seine kompetenten Ratschl~ige haben entscheidend zum erfolgreichen Abschluss der vorliegenden Arbeit beigetragen. Frau Prof. Dr. Sabine Kuester danke ich far die freundliche und zt~gige Unterstt~tzung im Rahmen des Zweitgutachtens. Bedanken m6chte ich mich auch bei dem gesamten Lehrstuhlteam von Herrn Prof. Bauer: Bei den wissenschafllichen Mitarbeitern, insbesondere bei Dr. Nicola Stokburger-Sauer, Dr. Maik Hammerschmidt, Tobias Haber und Frank Huber, far die wertvollen Hinweise beztiglich verschiedenster Aspekte dieser Arbeit, bei Dr. Gunnar G6rtz far die Diskussionsbereitschaft und die Anregungen bezt~glich der statistischen Methodik und bei Frau Elwart und Frau Ortlieb aus dem Sekretariat, die durch ihre stets freundliche Art und Hilfsbereitschaft das Leben eines Doktoranden erleichtem.

Ft~r ihre unsch~itzbare Hilfe m6chte ich mich bei den Personen aus meinem privaten Umfeld bedanken. Meine Eltem haben mich nicht nur wghrend meiner gesamten Ausbildung gef6rdert und unterstfitzt, sondem mir auch gent~gend Freiraum gegeben, meine beruflichen und wissenschaftlichen Ziele parallel zu verwirklichen. In ganz besonderem Mal3e gilt ihnen mein Dank, weil sie mir nicht nur Geduld und Verst~indnis entgegengebracht, sondern mich VII

vor allem in der arbeitsintensiven Schlussphase dieser Arbeit von anderen Aufgaben entlastet haben. Bei meinem Freund, Dr. Frank Schneider, m/~chte ich mich ganz herzlich daf/ir bedanken, dass ich mich in der nicht immer ganz einfachen Zeit meiner Promotion immer auf seine Unterstiitzung verlassen konnte. Nicht nur ftir zahlreiche Diskussionen und Hilfestellung bei ComputeroProblemen, sondern vor allem fiir seine Geduld, sein Verst~indnis und seine aufmunternden Worte, die mir immer wieder Kraft zum Weitermachen gegeben haben, sei ihm an dieser Stelle gedankt.

Simone Wunderle

VIII

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis ........................................................................................................ X l l I Tabellenverzeichnis ............................................................................................................... X V Verzeichnis der verwendeten Abkiirzungen ................................................................... XVII

1. 1.1 1.2 1.3 1.4 2.

R e g r e t als E r k e n n t n i s o b j e k t

....................... . .................................................

1

Zur Bedeutung des Regret-Ph~inomens far Kundenloyalit~itsforschung und Unternehmenserfolg ..................................................................................................... 1 Definition des Regret-Konzepts ................................................................................... 3 Abgrenzung zu verwandten Konzepten ....................................................................... 9 Zielsetzung und Aufbau der Untersuchung ............................................................... 14

Charakteristika

und Determinanten

entscheidungstheoretischer

des Regret-Konzepts

und verhaltenswissenschaftlicher

aus S i c h t ..... 1 7

2.1 Die entscheidungstheoretischen Wurzeln des Regret-Konzepts ................................ 17 2.1.1 Regret in der normativen Entscheidungstheorie ................................................... 17 2.1.1.1 Normative Entscheidungstheorie ohne R a u m far Regret ................................. 17 2.1.1.2 Normative Entscheidungstheorie mit R a u m far Regret ..................................... 8 2.1.2 Regret in der deskriptiven Entscheidungstheorie .................................................. 21 2.1.2.1 Regret als Entscheidungsanomalie ................................................................... 21 2.1.2.1.1 Zur Stellung des Regret im Verbund ausgewghlter Anomalien individuellen Entscheidungsverhaltens ..................................................... 21 2.1.2.1.2 Anomalien im Bereich des Probleml6sungsverhaltens ............................. 24 2.1.2.1.3 Anomalien und Heuristiken im Bereich der Urteilsbildung von Wahrscheinlichkeiten ................................................................................ 28 2.1.2.1.4 Anomalien bei der Revision von Wahrscheinlichkeitsurteilen ................. 37 2.1.2.1.5 Anomalien als implizite A n n a h m e n der Nutzenfunktion .......................... 41 2.1.2.1.6 Anomalien als explizite Verlaufsdeterminanten der Nutzenfunktion ....... 43 2.1.2.2 Regret als Theorie ............................................................................................. 50 2.2 Regret im verhaltenswissenschaftlichen Kontext ...................................................... 55 2.2.1 Die Theorie der kognitiven Dissonanz .................................................................. 55 2.2.2 Die Theorie der psychologischen Reaktanz .......................................................... 63 2.2.3 Die Attributionstheorie .......................................................................................... 65 2.2.4 Die Norm-Theorie ................................................................................................. 70 2.2.5 Die Theorie des Counterfactual Thinking ............................................................. 74 2.2.6 Die Theorie der Decision Justification .................................................................. 81 2.3 Potentielle Determinanten des Regret ........................................................................ 86 2.3.1 Ableitung yon Determinanten des Regret aus Charakteristika der Entscheidungssituation .......................................................................................... 86 2.3.2 Ableitung von Determinanten des Regret aus Charakteristika der Person des Entscheidungstr~igers ............................................................................................. 92

IX

2.3.2.1 2.3.2.2 2.3.2.3 2.3.2.4 2.3.2.5 2.3.2.6

M6gliche Ansatzpunkte der Einflussnahme von Pers6nlichkeitscharakteristika auf Regret ........................................................ 92 Selbstwertgef'tihl ............................................................................................... 97 Geschlechtsrollenorientierung ........................................................................ 100 Leistungsmotivation ........................................................................................ 104 Optimismus ..................................................................................................... 106 Coping ............................................................................................................. 109

3. Die Rolle des Regret fiir die Kundenloyalit~it ......................................... 116 3.1 3.1.1 3.1.2 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3

3.3

Das Konzept der Kundenloyalit~it ............................................................................ Begriffsbestimmung der Kundenloyalit~it ........................................................... Komponenten der Kundenloyalit~it ..................................................................... Auswirkungen von Regret auf die Kundenloyalit~it ................................................. Der indirekte Effekt des Regret auf die Kundenloyalit~it fiber die Kundenzufriedenheit ........................................................................................... Der Haupteffekt zwischen Regret und Kundenloyalit~it ...................................... Der Einfluss eines Pers(Jnlichkeitsmerkmals des Entscheidungstr~igers auf den Zusammenhang von Regret und Kundenloyalit~it im Sinne eines moderierenden Effekts am Beispiel der sozialen Beeinflussbarkeit ................... Zusammenfassung der Hypothesen und das Gesamtmodell ....................................

116 116

118 120 120 123

128 130

4. Die empirische Untersuchung .................................................................. 133 4.1 4.2 4.2.1 4.2.1.1 4.2.1.2 4.2.1.3 4.2.2 4.2.2.1 4.2.2.2 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.2.1 4.3.2.2

Vorgehensweise und Erhebungsdesign der empirischen Untersuchung .................. Die Kausalanalyse als Methode der empirischen Untersuchung ............................. Zur Operationalisierung hypothetischer Konstrukte ........................................... Die Beurteilung der Gfite einer Konstruktmessung ........................................ Giatekriterien der ersten Generation ................................................................ Gtitekriterien der zweiten Generation ............................................................. Grundzfige der Dependenzanalyse ...................................................................... Zur Kausalanalyse ........................................................................................... Zur Untersuchung moderierender Effekte ...................................................... Ergebnisse der empirischen Untersuchung .............................................................. Deskriptive Datenanalyse .................................................................................... Ergebnisse der Konstruktmessungen ................................................................... Ergebnisse der Messung des Konstrukts ,,Regret". ........................................ Ergebnisse der Messung der Determinanten des Regret, die sich aus Pers6nlichkeitscharakteristika des Individuums ableiten ............................... 4.3.2.3 Ergebnisse der Messung der Mediatorvariablen ............................................. 4.3.2.4 Ergebnisse der Messung der Konsequenzen des Regret ................................. 4.3.3 Ergebnisse der HypothesenprOfung ..................................................................... 4.3.3.1 Zum Basismodell der Determinanten und Konsequenzen des Regret ............ 4.3.3.1.1 Parametersch~itzung des Basismodells .................................................... 4.3.3.1.2 Iterative Modellmodifizierung ................................................................. 4.3.3.1.3 Modellvergleich ....................................................................................... 4.3.3.1.4 Diskussion der Ergebnisse des bestangepassten Modells ....................... 4.3.3.2 Zum Partialmodell zur Untersuchung von geschlechtsspezifischen Unterschieden in der Kausalattribution .......................................................... 4.3.3.2.1 Ergebnisse der Mehrgruppen-Kausalanalyse .......................................... 4.3.3.2.2 Diskussion der Ergebnisse .......................................................................

133 137 137 137 139 142 152 152 155 158 158 163 163 166 176 180 182 182 182 188 194 196 199 199 201

4.3.3.3

Zum Partialmodell zur Untersuchung eines moderierenden Effekts von sozialer Beeinflussbarkeit auf den Zusammenhang zwischen Regret und Kundenloyalit~it .............................................................................................. 4.3.3.3.1 Ergebnisse der Mehrgruppen-Kausalanalyse .......................................... 4.3.3.3.2 Diskussion der Ergebnisse ....................................................................... 4.4 Zusammenfassende Bewertung zentraler empirischer Ergebnisse .......................... 5. 5.1 5.2 5.3

Implikationen

fiir Forschung

202 202 204 206

u n d P r a x i s ............................................... 2 1 0

Zusammenfassende Bewertung des erreichten wissenschaftlichen Fortschritts ...... 210 Weiterfahrender Forschungsbedarf. ......................................................................... 212 Implikationen fiir die Untemehmenspraxis .............................................................. 215

Literaturverzeichnis .............................................................................................................

225

Verzeichnis zitierter Internetquellen .................................................................................. 247 A n h a n g ..................................................................................................................................

249

XI

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1-1: Abbildung 1-2: Abbildung 2-1: Abbildung 2-2: Abbildung 2-3: Abbildung 2-4: Abbildung 2-5: Abbildung 2-6:

Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung

2-7: 3-1: 3-2: 3-3: 3-4: 4-1: 4-2: 4-3:

Unterscheidung von Regret und Disappointment nach dem Kriterium ,,VergleichsmaBstab". ................................................................................ 10 Unterscheidung von Regret und Disappointment nach dem Kriterium ,,Attributionale Basis". .............................................................................. 11 Systematische Ordnung ausgew/ihlter individueller Entscheidungsanomalien und Heuristiken ................................................ 23 Das Modell von Kahnemann und Tversky (Prospect-Theorie) ................. 45 Idealtypischer Verlauf einer Regretfunktion ............................................. 54 Determinanten des Regret bezogen auf Charakteristika der Entscheidungssituation ..............................................................................86 Modellierung von Regret nach dem Drei-Komponenten-Ansatz .............. 93 Potentielle Ansatzpunkte ftir eine Einflussnahme yon PersOnlichkeitscharakteristika auf Regret bzw. zur Generierung yon Strategien zur Bew/iltigung von Regret ..................................................... 94 Die Regret-Kette ...................................................................................... 112 Die Dimensionen der Kundenloyalitat .................................................... 119 Modellierung von Kundenzufriedenheit nach dem C/D-Paradigma ....... 121 Auswirkungen von Kunden(un)zufriedenheit ......................................... 125 Das Gesamtmodell ................................................................................... 132 Moderierende Effekte im Gesamtmodell ................................................ 156 Indikatoren zur Messung des Regret ....................................................... 164 Der Regret-Lebenszyklus ........................................................................ 205

XIII

Tabellenverzeichnis

Tabelle 3-1. Tabelle 4-1. Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle

4-2. 4-3. 4-4. 4-5. 4-6. 4-7. 4-8. 4-9. 4-10. 4-11. 4-12. 4-13. 4-14. 4-15. 4-16.

Tabelle 4-17. Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle

4-18. 4-19. 4-20. 4-21. 4-22.

Die Hypothesen im 121berblick........................................................................ 131 Manipulation der auf die Entscheidungssituation bezogenen Determinanten des Regret ....................................................................................................... 135 Gt~tekriterien der ersten Generation mit jeweiligem Anspruchsniveau .......... 142 Gfitekriterien der zweiten Generation mit jeweiligem Anspruchsniveau ....... 151 Messung des Konstrukts ,,Regret". .............................................................. i.. 165 Messung des Konstrukts ,,Selbstwertgeffihl". ................................................ 167 Messung des Konstrukts ,,Optimismus". ........................................................ 168 Messung des Konstrukts ,,Normative Geschlechtsrollenoriemierung". ......... 169 Messung des Konstrukts ,,Leistungsmotivation". .......................................... 171 Messung des Faktors ,,Aktives Coping". ..................................................................173 Messung des Faktors ,,Emotionales Coping". ................................................ 174 Messung des Konstrukts ,,Soziale Beeinflussbarkeit". ................................... 176 Messung des Konstrukts ,,Interne Kausalattribution". ................................... 177 Messung des Konstrukts ,,Downward Counterfactual Thinking". ................. 179 Messung des Konstrukts ,,Kundenzufriedenheit". .......................................... 181 Messung des Konstrukts ,,Kundenloyalit~t". .................................................. 182 Werte der globalen Gt~tekriterien des Basismodells und entsprechende Vergleichswerte .............................................................................................. 184 Faktorreliabilit~ten und durchschnittlich erfasste Varianz der latenten Variablen ........................................................................................................ 185 Ergebnisse der Hypothesenprfifung ................................................................ 187 Werte der globalen Gt~tekriterien des Alternativmodells 1............................ 190 Werte der globalen GtRekriterien des Alternativmodells 2 ............................ 191 Werte der globalen Gfitekriterien des Alternativmodells 3 ............................ 193 )~2-Werte, Anzahl der Freiheitsgrade und vorgenommene Modifikationen der vier vorl~iufig akzeptierten Modellversionen der Determinanten und Konsequenzen des Regret ................................................................................ 195

XV

Verzeichnis der verwendeten Abkiirzungen

aktual. Aufl. bearb. bspw. bzgl. bzw. ca. d.h. erw. e.V. et al. etc. evtl. f. ff. ggf. Hrsg. i.e.S. i.d.R. insb. Jg. korr. Mio. Mrd. Nr. S. sog. u.~i. tiberarb.

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aktualisierte Auflage bearbeitete beispielsweise beztiglich beziehungsweise circa d a s heiBt erweitert eingetragener Verein et alii ( u n d a n d e r e ) et c e t e r a ( u n d so w e i t e r ) eventuell folgende fortfolgende gegebenenfalls Herausgeber im engeren Sinne in d e r R e g e l insbesondere Jahrgang korrigiert Millionen Milliarden Nummer Seite so g e n a n n t e und/ahnliches tiberarbeitet

u.U. USP usw. vgl. vs. z.B.

= = = = = -

unter Umst/~nden Unique Selling Proposition u n d so w e i t e r vergleiche versus zum Beispiel

XVII

1.

Regret als Erkenntnisobjekt

1.1

Zur Bedeutung des Regret-Ph~inomens fiir Kundenloyalit~itsforschung und Unternehmenserfolg

,,Ach, hgtte ich mir doch letzte Woche gleich die passende Bluse zu dem Kostt~m gekauft. Jetzt ist sie in meiner Gr613e vergriffen und ich finde einfach kein Teil, das farblich so harmoniert wie eben diese Bluse." Kaum ein Verkgufer in der Textilbranche:, der nicht schon einmal von einer Kundin einen solchen oder ghnlichen Ausspruch zu h6ren bekommen hgtte. Meist handelt es sich um die gleiche Kundin, die vor einer Woche noch verkfindet hatte, die besagte Bluse nicht kaufen zu wollen, um nicht vorschnell zu handeln, nicht unn6tig Geld auszugeben und den Kauf nicht bedauern zu mt~ssen, falls sich zuhause in ihrem Kleiderschrank eine bereits vorhandene Bluse zum Kombinieren befindet. In beiden beschriebenen Situationen unterliegt die Kundin demselben Phgnomen: Regret.

Aus dem Englischen w6rtlich t~bersetzt handelt es sich bei Regret um Bedauern. In der vorliegenden Arbeit wird jedoch dem Anglizismus der Vorrang gegeben, da dieser Begriff far ein wissenschaftliches Konzept und dessen umfassende Bedeutung steht. Der Facettenreichtum und die Vielschichtigkeit von kaufentscheidungsbezogenem Regret werden bereits am oben genannten Beispiel deutlich. In der einen Situation verzichtet die Kundin auf den Kauf aus der Oberlegung heraus, ein etwaiges Bedauern, das nach dem Kauf eintreten k6nnte, im Vorhinein zu vermeiden. In der anderen Situation bedauert die Kundin im Nachhinein, sich gegen den Kauf der Bluse entschieden zu haben. Vorstellbar wgre zudem eine Situation, in der die Bluse bereits erworben wurde, die Kundin den Kauf aber im Nachhinein bedauert, weil sie ein vergleichbares Modell findet, das ihr nun noch viel attraktiver erscheint.

Die Erforschung von Regret im Kaufentscheidungsverhalten ,,steckt noch in den Kinderschuhen", gewinnt aber zunehmend an Bedeutung. 2 In den 1980er Jahren wurde Regret vorrangig auf dem Forschungsgebiet der Entscheidungsanomalien abgehandelt und im Sinne

1 Regret ist ein branchenunabh~ingiges Ph~nomen. Das gew~hlte Beispiel dient nur zur Veranschaulichung. Zudem tritt Regret in allen Bereichen des Lebens in Erscheinung, wie z.B. im beruflichen Leben oder im Privatleben, und nicht nur in unseren Erfahrungen als Konsument. In der vorliegenden Arbeit beschr~nken wir uns jedoch auf die Aspekte von Regret, die far das marketingorientierte Forschungsziel dieser Studie relevant sind. 2 Vgl. Connolly / Zeelenberg (2002), S. 215.

eines Verhaltens, das nicht den Anforderungen rationalen Entscheidens gentigt, verstanden. 3 Mit den Arbeiten von LANDMANund OUVER hielt Regret in den 1990er Jahren erstmals Einzug in die theoretische Diskussion auf dem Gebiet des Konsumentenverhaltens. 4 Auf Basis einer verhaltenswissenschaftlich-psychologisch orientierten Argumentation verlor Regret das Pr/~dikat des ,,nicht-rationalen" Verhaltens und wurde als ein weit verbreitetes Ph~inomen bei Kaufentscheidungen klassifiziert. 5 Im Jahre 2001 erfolgte durch die Arbeit SEILHEIMERS erstmals eine ganzheitliche Betrachtung des Regret mit dessen Antezedenzien und Konsequenzen. 6 Hierbei wurde zum ersten Mal der Beziehung zwischen Regret und Kundenloyalit~it Aufmerksamkeit zuteil. An dieser Stelle der Regret-Forschung ist ein Perspektivenwechsel zu verzeichnen, mit dem Ergebnis, dass dem Regret mittlerweile eine Bedeutung fiir den Unternehmenserfolg beigemessen wird, die der der Kunden(un)zufriedenheit nahekommt.

Welch grol3e Bedeutung der Kundenzufriedenheit insbesondere auf den heutigen, hoch kompetitiven M~irkten in Bezug auf Kundenloyalit~it und Profitabilit~it sowie Effizienz yon Unternehmen zukommt ist in Forschung und Praxis unumstritten. 7 In der wissenschaftlichen Forschung wurde den Wirkungsmechanismen, die auf den Variablen Kundenzufriedenheit und Kundenloyalit~it beruhen und letztlich zu 6konomischen Effekten fahren, groge Aufmerksamkeit zuteil. 8 Umso erstaunlicher erscheint daher, dass dem Konstrukt Regret zwar eine ghnlich bedeutsame Stellung zuerkannt wird, eine gleichwertige Beleuchtung der Zusammenh~inge zwischen Regret yon Konsumenten und Kundenloyalitgt zurzeit aber noch nicht existiert.

Bei Betrachtung traditioneller theoretischer Ans/itze, die die Wechsel- bzw. Loyalitgtsentscheidungen von Konsumenten behandeln, wird schnell deutlich, dass bei einer Herausstellung der Kundenzufriedenheit als der Schltisselkomponente zur Kundenloyalit~it vergangenheitsbezogene und gegenw~irtige Nutzenkomponenten die Basis darstellen, auf der der Konsument seine Entscheidung trifft. 9 Um eine Entscheidung tiber ein Fortbestehen einer Kundenbeziehung bzw. tiber eine weitere Inanspruchnahme von Unternehmensleistungen zu entscheiden, werden die Kunden eines Unternehmens aber ebenso zukunftsorientierte Nutzen3 4 5 6 7 8 9

Vgl.z.B. Loomes/Sudgen (1982), Bell (1982). Vgl.Oliver (1990), Landman (1993). Vgl.Landman (1993), S. 110. Vgl.Seilheimer (2001). Vgl.z.B. Foseht (2002), S. 107ff. Vgl.z.B. Homburg/Bruhn (2003), S.10. Vgl.z.B. Zeithaml/Parasuraman (1996), Bolton (1998).

tiberlegungen und eine Antizipation der Befriedigung ihrer Bedtirfnisse und Er~llung ihrer Pr~iferenzen zur Evaluation der Leistung eines Unternehmens heranziehen. Die Einbeziehung einer zukunftsorientierten Komponente wie der des antizipierten Regret in die theoretischen Konzepte zur Erkl~irung der Kundenloyalit~it fiihrt somit zu einem besseren Verst~indnis von loyalem bzw. illoyalem Kundenverhalten.

Weiterer Forschungsbedarf besteht auch dahingehend, dass die Determinanten des Regret zurzeit noch nicht vollst~indig untersucht sind. Bisher waren allein die aus der Entscheidungssituation entstehenden Antezedenzien des Regret Gegenstand theoretischer und empirischer Untersuchungen. Der Einfluss, den Pers6nlichkeitsmerkmale des Entscheiders auf das Regret nehmen, blieb unberOcksichtigtl 1~ Interindividuelle Unterschiede bei Regret-Erlebnissen und deren Konsequenzen k6nnen jedoch nur erkl~irt werden, wenn die Auswirkungen von Charakteristika bzw. Dispositionen der Person des Entscheidungstr~igers auf Entstehung und St~irke von Regret nicht aul3er Acht gelassen werden. Daher ist es notwendig, das gesamte Wirkungsgeftige zu untersuchen: den Einfluss von individuellen Charakteristika der Person des Entscheidungstr~igers und der Spezifika der Entscheidungssituation auf das Regret sowie dessen Auswirkungen auf die Kundenloyalit~it.

1.2

Definition des Regret-Konzepts

Das Konzept des Regret ist das zentrale Erkenntnisobjekt der vorliegendefi Arbeit. Der Begriff ,,Regret" wird in der Literatur verschiedenartig und zuweilen unscharf verwendet. Daher wird zun~ichst die ftir diese Arbeit zugrunde liegende Definition herausgearbeitet und n~iher erl~iutert. Die Entwicklung dieser Arbeitsdefinition erfolgt mit Hilfe einer Analyse der Verwendung des Regret-Begriffs in psychologischer, philosophischer und 6konomischer Literatur. Bei der Durchsicht der Forschungsans~itze dieser unterschiedlichen Disziplinen wird deutlich, dass das Regret ein sehr komplexes, facettenreiches Ph~inomen ist, dessen Definition vom theoretischen ,,Revier" des Definierenden abh~ingt. Zu seiner vollstandigen Erfassung

10 In der Literatur zur Regret-Forschung finden sich bisher allenfalls Hinweise auf oder Spekulationen fiber potentielle Determinantendes Regret, die aus Charakteristika der Person des Entscheidungstr~igerserwachsen und nicht allein durch die Situation der Entscheidung bedingt sind. Vgl. z.B. Landman (1993), S. 155 ff.

bedarf es eines weiten Blickwinkels, d.h. einer interdisziplin/ir angelegten Forschung. Dieser Weg wird in der vorliegenden Arbeit beschritten.

In der Literatur findet sich eine Vielzahl von Ans/itzen, die sich des Begriffs ,,Regret" bedienen. Ein fundamentales Merkmal, anhand dessen sich diese Ans/atze klassifizieren lassen, besteht in der verwendeten Definition des dem Regret zugrunde liegenden psychischen Prozesses. Das Verst/andnis von Regret reicht hierbei von einem Prozess, der rein kognitiver Natur ist, bis hin zu einem rein aktivierenden Prozess in der menschlichen Psyche. Dazwischen liegt eine Reihe von Ans/itzen, die sich in ihrer zugrunde liegenden Definition des Regret einer Synthese aus beiden Formen bedienen. Die Polarit~iten dieses Definitionskontinuums bilden die Kognition einerseits und die Emotion andererseits. Um herauszufinden, in wieweit sich der Charakter des Regret in dieser Hinsicht beschreiben Risst, werden RegretDefinitionen psychologischer, philosophischer und 6konomischer Forschungsliteratur herangezogen. Durch diese interdisziplin~ire Sichtweise soll gew/ahrleistet werden, das sehr komplexe und vielschichtige Ph/anomen Regret angemessen erfassen zu k6nnen.

Als Beispiel fOr das eine Extrem des rein kognitions-orientierten Verst~indnisses von Regret sei ein Vertreter der Entscheidungstheorie genannt. Nach BELL ist Regret ..... the difference in value between the assets actually received and the highest level of assets produced by other altematives,,11. Demnach resultiert Regret aus einem Vergleich des Ergebnisses der gew~ihlten (Entscheidungs-)Altemative mit den m6glichen Ausg/ingen der anderen Optionen. Der Vergleich zwischen der verpassten Konsequenz und dem realisierten Ergebnis beruht auf einem Evaluationsprozess, der rein verstandesm~iBiger und erkenntnisbezogener Natur ist. Dem angemessen ist die mathematische Formulierung des Regret, die den Kern der in den achtziger Jahren entwickelten Regret-Theorie, einer Fortschreibung der Theorie des subjektiv erwarteten Nutzens, darstellt. 12 Dieser Perspektive zufolge beruht Regret auf Vorg/ingen, die mit dem Gewahrwerden und Erkennen zusammenh/ingen und demgemN5 die Definition einer Kognition nach KLIX erfOllen. 13

Als Beispiel for das andere Extrem des rein emotions-orientierten Verstgndnisses yon Regret sei ein Vertreter der Philosophie genannt. Nach RORTY ist Regret ..... characteristically felt as

11 Bell (1982), S. 963. ~2 Zur Regret-Theoriesiehe Abschnitt 2.1.2.2. a3 Vgl.Klix (1983), S. 7ff.

a particular sort of painful feeling, a pang, a stab, waves of stabs ..." 14. Demnach stellt Regret eine innere Erregung dar, die in diesem Fall als unangenehm empfunden und mehr oder weniger bewusst erlebt wird. Aus dieser Perspektive erfiillt Regret alle Anforderungen, die nach KROEBER-RIEL definitionsgem/~f~ an eine Emotion gestellt werden. 15

Die Mehrzahl der Ans/~tze, die sich mit Regret besch~iftigen, ist nicht diesen beiden Extrema zuzuordnen. Vielmehr werden Wirkungsgeftige von Kognition, Emotion und Handlung zur Konzeptualisierung des Ph/~nomens Regret herangezogen. Insbesondere Forschungsans/~tze nach 1980 suchen z.B. durch Integration von Emotionen in anwendungsbezogene, kognitivorientierte Modelle gr6gere Realit/~tsn/~he der theoretischen Entwtirfe beztiglich der Beschreibung, Erkl/~rung und Vorhersage menschlichen Verhaltens zu erreichen. 16 KLIX weist tiberzeugend auf ein Wechselspiel von Motivation und Kognition sowie auf die Unl6sbarkeit der beiden Komponenten in der nattirlichen Verhaltensregulation hin, indem er konstatiert: ,,Kognitive Prozesse sind ohne die affektive Komponente der Motivation kraftlos; und die Dynamik des Affekts ist ohne kognitive Richtung blind. ''17 Auf dieser Grundlage kommt beispielsweise eine Vielzahl sozialwissenschaftlicher Abhandlungen g/~nzlich ab v o n d e r strikten Sichtweise, Emotionen seien rein physiologisch hervorgerufen. 18 Nach ROSEMAN sind Emotionen immer auch kognitiv determiniert, d.h. durch Denkprozesse hervorgerufen. 19 Diese Auffassung ist ebenso auf dem Gebiet der emotionspsychologischen Entscheidungsforschung zu finden. Z.B. definiert ZEELENBERG Regret als ..... a negative, cognitively determined emotion that we experience when realizing or imagining that our present situation would have been better, had we acted differently. ''2~ Auch der Okonom SUGDEN pl/~diert in seiner Definition von Regret far eine reziproke Wirkungsweise von Kognition und Emotion. Seiner Ansicht nach beinhaltet Regret nicht nur ..... the painful sensation of recognizing that "what is" compares unfavourably with "what might have been" .", sondem auch ..... selfrecrimination or repentance or self-blame ... - ... the state of mind you have when you come to believe that a previous decision involved an error ofjudgement, that it was wrong at the time you made it. ''21 Im ersten Teil der Definition SUGDENS wird deutlich, dass der Kern des 14 Rorty (1980), S. 496. 15 Zur Definition des Begriffs ,,Emotion" siehe Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 104. 16 Vgl. Wieland-Eckelmann (1992), S. XV. 17 Klix (1983), S. 111. 18 Zur kognitiven Revolution in den Sozialwissenschaften siehe z.B. Fehr /Russell (1985), Frijda (1986 u. 1987), Ellsworth/Smith (1988). 19 Vgl.Roseman (1979). 20 Zeelenberg (1996), S. 6. 21 Sugden (1985), S. 77.

Regret dessen komparative Natur ist. W~ihrend BELL nur den Vergleich des Ergebnisses der gew~hlten (Entscheidungs-) Alternative mit den m6glichen Ausg~ingen der anderen Optionen als Vergleichsoperation zul~sst, weisen sowohl SUGDEN als auch ZEELENBERG daraufhin, dass eine Regret-Entstehung auch bei fehlendem Feedback m6glich ist. Fehlende Informationen t~ber alternative Ergebnisse k6nnen durch Imagination kompensiert werden. Mit anderen Worten, der Entscheidungstr~ger kann sich vorstellen, was andernfalls eingetreten w~re, um sich auf diesem Weg einen Vergleichsmal3stab zu schaffen. Weitere Charakteristika des Regret, die aus der Definition SUDGENS abgeleitet werden k6nnen, sind zum einen die negative Valenz von Regret, der Wunsch nach einem besseren Entscheidungsergebnis und auch das Eingest~ndnis, dass die Entscheidung eigenverantwortlich fehlerhafl getroffen wurde. Dieser letztgenannte Aspekt wird besonders von SEILHEIMERbetont, der anmerkt, dass nicht nur der reine Ergebnisabgleich, sondern auch das gedankliche Aufbereiten der Entscheidungsfindung, etwa in Form von Attributionen, Einfluss auf das Regret ausi]bt. 22

In einer der am weitest greifenden Definitionen von Regret liefert LANDMAN den Hinweis, dass das bedauerte Ereignis noch nicht einmal bewusst herbeigefiihrt werden muss. Die Autorin fiihrt hierzu aus:

Regret is a more or less painful cognitive and emotional state of feeling sorry for misfortunes, limitations, losses, transgressions, shortcomings, or mistakes. It is an experience of felt-reason or reasoned-emotion. The regretted matters may be sins of commission as well as sins of omission; they may range from the voluntary to the uncontrollable and accidental; ... - ... they may be moral or legal transgressions or morally and legally neutral; and the regretted matters may have occurred in the past, present or future. 23 Bisher war davon ausgegangen worden, dass Regret allein auf Entscheidungen beruht. Dies ist der Fall, wenn eine b e w u s s t e Auswahl aus zwei oder mehr Alternativen, von denen jede abh~ingig vom Umweltzustand ein verschiedenes Ergebnis produzieren kann, getroffen wird. 24 LANDMAN weist erg~inzend darauf hin, dass auch eine Unterlassung eine bewusste Auswahl darstellt und von einem Entscheidungstr~iger als Alternative aktiv ausgew~hlt werden kann. Beispielsweise kann sich ein Konsument bei einer Produktwahl entschliel3en, das Erzeugnis nicht zu erstehen. 25

22 23 24 25

Vgl. Seilheimer (2001), S. 4 u. S. 76 ff. Landman (1993), S. 36. Zur Definition des Begriffs der Entscheidung vgl. Kroeber-Riel/We&berg (2003), S. 371. Vgl. Manz et al. (2000), S. 10.

Die Autorin greift in ihrer Definition aber noch wesentlich weiter, indem sie konstatiert, dass neben Entscheidungen auch Handlungen zu Regret f~hren kOnnen, ohne dass sich ein Individuum bewusst ffir ihre Ausffihrung entschlossen hatte. Die Autorin vertritt folglich den Standpunkt, dass ein Ereignis sogar bedauert werden kann, wenn es zuffillig, unkontrolliert oder gleich einem ,,Unfall" (,,uncontrollable and accidental") eingetreten ist. 26 Folglich ist in dieser Definition die pers6nliche Verantwortung des Entscheidungstr~gers bzw. Handelndem ffir das unvorteilhafte Ereignis keine notwendige Bedingung ffir die Regret-Entstehung. Diese Annahme war Gegenstand heftiger Diskussionen in der Regret-Forschung. 27 Die Debatte mt~ndete schliel31ich in einem Konsens, der dank eines Rt~ckgriffs auf ein Konzept, das nach LANGER ,,illusion of control ''28 genannt wird, erzielt wurde. Diesem psychologischen Mechanismus zufolge k6nnen Personen dazu tendieren, sich im Nachhinein f~r Situationen bzw. f~r deren Ausgang verantwortlich zu ffihlen, obwohl sie objektiv t~berhaupt keine Kontrolle dadiber besa6en. Auf diesem Konzept aufbauend postulieren ZEELENBERGET AL., dass es statt einer objektiv gegebenen Verantwortlichkeit vielmehr die von einer Person subjektiv wahrgenommene Verantwortung ist, die sie ein unvorteilhaftes Ereignis bedauern l~isst. Die wahrgenommene Verantwortung stellt folglich eine notwendige Bedingung der Regretentstehung dar.

Der letzte Halbsatz in der umfangreichen Definition LANDMANS stellt einen weiteren, entscheidenden Ansatzpunkt zur Erstellung der Arbeitsdefinition yon Regret dar. Darin findet sich erstmals ein Hinweis auf die temporale Beziehung zwischen Regret-Entstehung und getroffener Entscheidung. Grunds~itzlich ist danach zu unterscheiden, ob das bedauerte Ereignis schon eingetreten ist, oder ob es erst noch stattfinden wird. Entsteht Regret in Folge eines unvorteilhaften Resultats einer Entscheidung, handelt es sich um den sog. ,,erfahrenen" bzw. , e r l e b t e n Regret". In diesem Fall bemerkt der Entscheidungstdiger im Nachhinein, dass er anders h~itte entscheiden sollen, um ein besseres Ergebnis zu erzielen, bzw. um das 26 Abschnitt2.2.3 wird zeigen, dass das zu bedauernde Ereignis zwar nicht bewusst herbeigef~hrt werden muss, dass in diesem Fall aber die spezifische Bedingung gelten muss, dass der Handelnde kausale Linien zwischen sich und dem negativen Ereignis herstellen kann. 27 Nach Zeelenberg et aL kann Regret nicht entstehen, wenn eine Person sich nicht selbst ffir das unvorteilhafte Ereignis verantwortlich ffihlt, weil sie es z.B. nicht selbst herbeige~hrt hat, bzw. wenn es ~r sie unvorhersehbar oder nicht zu verhindern war. Diese Forschergruppe vertrat die Ansicht, dass das Geffihl der pers6nlichen Verantwortung eine essentielle Grundlage ftir die Entstehung von Regret darstellt. Ordohez und Connolly wiesen, im Gegensatz zu Zeelenberg et al., empirisch nach, dass auch bei unkontrollierbaren Ereignissen Regret entstehen kann. Zum heutigen Stand der Forschung gilt der gefundene Konsens, in dem die wahrgenommene pers6nliche Verantwortung als notwendige Bedingung der Regret-Entstehung identifiziert wird, als gemeinhin anerkannt. Vgl. Zeelenberg et al. (1998, 2000), Connolly et al. (1997), Ordohez (2000).

28 Vgl. Langer (1975).

negative Ergebnis zu vermeiden. Diese Form des Regret kann als direkte Reaktion auf das unvorteilhafte Resultat entstehen oder mit einem gro6en zeitlichen Abstand zum bedauerten Ereignis auftreten. 29 Regret kann aber auch in Bezug auf eine Entscheidung entstehen, lange bevor diese tats~ichlich getroffen wird. In diesem Fall stellt sich ein Individuum vor der Entscheidung das Bedauern vor, dass es je nach Ausgang dieser Entscheidung empfinden wird. Wird das GefiJhl des Bedauerns gedanklich vorweggenommen, handelt es sich um den sog. ,,antizipierten Regret". Demzufolge kann die Erfahrung von Regret sowohl prospektiv als auch retrospektiv erfolgen. Als Arbeitsdefinition kann an dieser Stelle zusammenfassend festgehalten werden, dass Regret

9

eine kognitiv determinierte Emotion mit negativer Valenz ist, die

9

aus einem Vergleich zwischen der gew~ihlten Option und einer ausgeschlagenen besseren Alternative resultiert,

9

wobei das Wissen um diese nicht gew~ihlte Alternative, die als Vergleichsma6stab herangezogen wird, aufFeedback oder Imagination beruhen kann.

Des Weiteren ist f'tir das Regret charakteristisch, dass es 9

auf Entscheidungen oder Handlungen beruht,

9

fiir die der Entscheidungstr~iger bzw. Handelnde eine pers6nliche Verantwortlichkeit wahrnimmt,

9

wobei die Erfahrung des Regret in Bezug auf die getroffene Entscheidung bzw. die vorgenommene Handlung sowohl prospektiv als auch retrospektiv auftreten kann. 3~

Die Untersuchung des Ph~inomens ,,Regret" in der vorliegenden Arbeit baut auf diesem Begriffsverst~indnis auf. Auf dieser Basis wird es m6glich, Regret von verwandten Konzepten abzugrenzen bzw. auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu verwandten Konstrukten zu verweisen. Zudem erleichtert die Verwendung der erarbeiteten Definition von Regret die Identifikation regretrelevanter Theorien, da nicht in allen theoretischen Ans~itzen, die regretspezifische Oberlegungen in ihren Argumentationsketten aufweisen, der Begriff ,,Regret" explizit genannt wird.

29 Zur Unterscheidungzweier Varianten des erlebten Regret vgl. Abschnitt 2.3.2.3. 3o Zu dieser Arbeitsdefinition gelangt auch Seilheimer (2001), S. 5.

1.3

Abgrenzung zu verwandten Konzepten

Regret stellt, wie bereits erwfihnt, ein sehr komplexes Konzept dar, das unter seinem emotionalen Aspekt verschiedene Merkmale anderer Emotionen wie z.B. Entt~uschung, Reue oder Schuld subsumiert, sich aber gleichfalls von diesen abgrenzen lasst. LANDMAN spricht diesbezfiglich yon Regret als einer ,,Superordinate Emotion". 31 Um Regret einer sp~teren pr~zisen Messung unterwerfen zu k6nnen, erscheint es notwendig, charakteristische Unterschiede zwischen Regret und ~hnlichen Konzepten aufzuzeigen. Auf diese Weise soll einer ungewollten Vermischung unterschiedlicher Affekte bei der Messung vorgebeugt werden.

Eines der am engsten mit dem Regret verwandten Konzepte ist das Disappointment. Aus philosophischer und psychologischer Sicht wird es definiert als ..... the act or an instance of the failure of expectation or hope: frustration. ''32 Aus 6konomischer Sicht beschreibt die Disappointment-Theorie das Disappointment als Differenz zwischen dem erzielten und dem erwarteten Resultat einer Entscheidung. 33

Ausl6ser von sowohl einer Regret- als auch einer Disappointment-Reaktion stellt ein unvorteilhaftes Ergebnis dar. Dieses realisierte Entscheidungsergebnis wird innerhalb eines Vergleichsprozesses mit einem nicht realisierten, alternativen Ergebnis abgeglichen. Regret und Disappointment beruhen auf kognitiver Ebene folglich beide auf einem Urteil, das aus einem Evaluationsprozess resultiert, der zun~chst rein verstandesm~giger und erkenntnisbezogener Natur ist. Die verwendeten Vergleichsmagst~be kOnnen durch Feedback oder Imagination erzeugt werden. Sowohl die Erfahrung des Regret als auch die des Disappointment kann prospektiv als auch retrospektiv erfolgen.

Auf affektiver Ebene ist beiden Konzepten die mehr oder minder unangenehme Art der Empfindung gemein. Aufbauend auf dem Urteil, das aus dem Vergleichsprozess stammt, entsteht eine kognitiv determinierte Emotion negativer Valenz. Sowohl far Regret als auch for Disappointment gilt, dass dieser emotionale Aspekt Auswirkungen auf nachfolgendes Verhalten ausfibt. Wie die Autoren ZEELENBERGund PIETERS in ihren Studien belegen, muss

(1995), S. 246. (1993), S. 47. 33 Zur Disappointment-Theoriesiehe Bell (1985) und Loomes /Sugden (1986). 31 Landman 32 Landman

sogar von einer bedeutenden Verhaltenswirksamkeit vor und nach (Konsum-) Entscheidungen gesprochen werden. 34

Trotz vieler Gemeinsamkeiten bilden Regret und Disappointment keine Synonyme. Der bedeutendste Unterschied zwischen beiden liegt darin, welcher Referenzpunkt far den Vergleichsprozess herangezogen wird. Beim Disappointment bilden die Erwartungen fiber ein m6gliches altematives Ergebnis der gew/~hlten Option den VergleichsmaBstab. Beim Regret dagegen stellt das Ergebnis einer nicht gew/~hlten Alternative den Referenzpunkt dar. BELL weist darauf hin, dass aus diesem Grund Disappointment und Regret simultan aber auch unabh/~ngig voneinander vorkommen k6nnen. 35 Regret, aber nicht Disappointment, tritt z.B. auf, wenn das erzielte Ergebnis einer Wahl exakt mit den Erwartungen des Entscheiders fibereinstimmt, die Wahl einer Altemativen jedoch ein besseres Ergebnis geliefert h/~tte. Abbildung 1-1 zeigt die unterschiedlichen VergleichsmaBstgbe von Regret und Disappointment.

Ergebnis der gew/~hlten/ realisierten Option (CReal)

verglichen mit

Erwartungen bzgl. ] der gew~ihlten ] Option (CE~w)

~],-[ Disappointment [

f~hrt zu Ergebnisse der nicht [ gew/~hlten I] Altemativen (CAlt)

9-['J

Regret

[

Abbildung 1-1: Unterscheidung von Regret und Disappointment nach dem Kriterium ,, Vergleichsmaflstab ". Quelle"

In Anlehnung an Seilheimer (2001), S. 22.

Ein weiterer Unterschied zwischen Regret und Disappointment besteht in der attributionalen Basis der beiden Ph/~nomene. Da das Regret aus dem Vergleich von Entscheidungen resultiert, impliziert ein Ungeschehenmachen des Regret eine Ver/~nderung der Entscheidung. Die Kontrolle fiber die Wahl der Alternative obliegt dem Entscheidungstr/~ger. Eine Ursachenzuschreibung far das unvorteilhafte Ergebnis zeigt folglich auf, dass die kausalen Linien direkt

34 Vgl.Zeelenberg/Pieters (1999), insb. S. 87. 35 Vgl.Bell (1983), S. 2. 10

zum Entscheider selbst ffihren. In diesem Fall liegt eine interne Attribution vor. 36 Wie bereits oben beschrieben, beruht Disappointment- im Gegensatz zum Regret- auf dem Vergleich des unvorteilhaften erzielten Ergebnisses mit m6glichen anderen Ausg/~ngen dieser Altemativen bei gegebenen anderen Umweltzust/~nden. Die Kontrolle fiber den Ausgang der Wahl liegt somit nicht mehr beim Entscheidungstr/~ger selbst, sondem der bestehende Umweltzustand ist f~r das realisierte Ereignis ausschlaggebend. In diesem Fall liegt eine exteme Attribution vor; tiuBere Umst~inde sind urs~ichlich far das unvorteilhafte Ergebnis. 37 Dieser Argumentation folgen auch ZEELENBERG ET AL., die diesen Zusammenhang auf den Kontext des Counterfactual Thinking tibertragen. Ein Prozess, bei dem auf mentalem Wege die Revision des unvorteilhaften Ergebnisses vorgenommen wird. 38 Die Autoren belegen mit ihrer Studie, dass Regret mit behavior-focused Counterfactual Thinking einhergeht. Eine mental simulierte, alternative Handlungsweise des Entscheidungstr~igers ftihrt in diesem Fall zu einem gedanklichen Ungeschehenmachen von Regret. Eine interne Attribution bildet die Grundlage in dieser mentalen Simulation. Das Ph~inomen Disappointment dagegen geht mit situationfocused Counterfactual Thinking einher, welches auf einer externen Attribution beruht. Hier sind es Charakteristika der Situation, die vertindert werden mtissen, um ein Ungeschehenmachen von Disappointment zu bewirken, und nicht die Handlungsweise des Entscheiders. 39 In Abbildung 1-2 ist die unterschiedliche attributionale Basis der beiden Ph~inomene Regret und Disappointment veranschaulichend dargestellt.

Negatives/ unerwiinschtes Ergebnis der gew~ihlten/ realisierten Option

Externe Kausalattribution

]

"~[ Disappointment ]

I

-I

zu~ckgef'tihrt auf ~hrt zu Interne Kausalattribution

[

.j "7

Regret

Abbildung 1-2." Unterscheidung von Regret und D&appointment nach dem Kriterium ,,Attributionale Basis '"

36 Eine ausf'tihrliche Darstellung von interner bzw. externer Attribution findet sich im Abschnitt zur Attributionstheorie, Abschnitt 2.2.3. 37 Vgl. zu diesem Absatz auch die AusNhrungen von Seilheimer (2001), insb. S. 22. 38 Zum Counterfactual Thinking vgl. ausf~hrlicher Abschnitt 2.2.5. 39 Vgl. die Studie von Zeelenberg et al. (1998).

Insbesondere ffir den zweiten Fokus dieser Arbeit, die Beziehung zwischen Regret und Kundenloyalit~t, besteht unter diesem Aspekt ein wichtiger Ansatzpunkt. Da beim Regret, im Gegensatz zum Disappointment, eine interne Attribution vorliegt, kommt eine Wirkungskette zum Tragen, die letztendlich entscheidenden Einfluss auf das Loyalit~tsverhalten von Konsumenten hat. Die kognizierte Verantwortlichkeit ffir das schlechte Entscheidungsergebnis, die Erkenntnis, dass ,,man es h~tte besser wissen mfissen" verbunden mit der negativen Valenz des Affekts und der intrinsischen Motivation, die auf Reduktion dieses Zustands ausgerichtet ist, bewirkt im Falle des Regret eine Aktivierung der Konsumenten und initiiert problemorientiertes Verhalten. 4~ Zukfinftige Entscheidungen stehen somit stark unter dem Einfluss einer vorangegangenen Regret-Erfahrung. Auf diese Weise kann es z.B. zu einem Marken- oder H~ndlerwechsel kommen, der ohne ein vorangegangenes Regret-Erlebnis nicht stattgefunden h~tte. Diese Wechselentscheidung beruht dann auf Oberlegungen wie z.B. ,,den gleichen Fehler nicht noch einmal, und es stattdessen diesmal besser zu machen". Das Disappointment besitzt nicht diese aktivierende Wirkung. Vielmehr kann es sogar zu einer Abwendung vom Problem und zur Passivit~t ffihren. 41 Letztere wird bewirkt durch die externe Attribution, die bei dem Entscheidungstr~.ger verbunden ist mit dem Gef~hl, dass die zu ver~.ndernden Variablen, die zu einem Ungeschehenmachen seines Zustands ffihren wfirden, nicht seiner Kontrolle unterliegen. Zudem bezieht sich Regret auf die Entscheidung selbst, bzw. ist das Vorliegen einer Entscheidung ffir das Entstehen von Regret sogar unabdingbar. 42 Dagegen kann Entt~uschung g~nzlich ohne das Treffen einer Entscheidung entstehen; sie beruht allein auf einer Bewertung des Ergebnisses, das auch auf andere Art und Weise als durch eine Entscheidung oder Handlung erzielt werden kann. In der englischsprachigen Regret-Literatur wird diesbezfiglich oft auf das folgende Beispiel zur Verdeutlichung des Unterschieds zwischen Regret (Bedauern) und Disappointment (Entt~uschung) zurfickgegriffen:43 Das Kind ist entt~iuscht, weil die ,,Zahnfee" in der Nacht kein Geschenk wegen des ausgefallenen Zahns gebracht hat; die Eltern b e d a u e r n das Vers~umnis. Dasselbe Ereignis, von einem unterschiedlichen Standpunkt aus gesehen, l~.sst durch die unterschiedliche Attribution einmal Disappointment und einmal Regret entstehen. Das Kind attribuiert extern, da es die ,,Zahnfee" daf-fir verantwortlich macht, das Geschenk mr den ausgefallenen

40 Vgl.Seilheimer (2001), S. 23. 41 Vgl.van der Pligt (1998), S. 43. 42 Seilheimer merkt an, dass es f't~rdie Entstehung von Regret gent~gt, wenn die Entscheidung nur impliziter Natur ist. Vgl. Seilheimer (2001), S. 23. 43 Es handelt sich hierbei um eine Tradition, Kleinkindern ein Geschenk ft~rdie ersten ausgefallenenZ~hne zu machen. Wird der Zahn t~ber Nacht unter das Kopfkissen gelegt, liegt dort statt des Zahns am n~chsten Morgen ein Geschenkvon der ,,Zahnfee". 12

Zahn vergessen zu haben und ist daher entt~uscht. Die Eltern attribuieren intern, indem sie sich ihr Vers~umnis eingestehen und empfinden dar~ber Bedauern.

Des Weiteren bildet auch der jeweilige VergleichsmaBstab bei Regret und Disappointment einen Argumentationspunkt daffir, warum Regret von entscheidender Bedeutung ffir die Kundenloyalit~t ist. Beim Regret liefert der Referenzpunkt des zugrunde liegenden Vergleichs unmittelbar eine L6sungsm6glichkeit daffir, wie das Ungeschehenmachen des schlechten Entscheidungsergebnisses und damit des Regret vollzogen werden kann. Da der Entscheidungstr~ger durch die Regret-Situation zu der Oberzeugung gelangt, er h~tte mit der Wahl der zum Vergleich stehenden Alternativen eine bessere Entscheidung getroffen, folgt als logische Konsequenz ein ver~ndertes Entscheidungsverhalten zugunsten dieser Alternativen in darauf folgenden ~hnlich gelagerten Entscheidungen. Beispielsweise braucht ein Konsument in einer sp~teren vergleichbaren Konsumsituation nicht lange zu t~berlegen, worauf er zur Konsumption zur~ckgreifen soll, weil bereits ein Ergebnis eines Evaluationsprozesses in seinem Ged~chtnis gespeichert ist. In einer Disappointment-Situation weiB ein Entscheidungstr~ger zwar, was er sich eigentlich von der gew~hlten Alternative erhofft hfitte; wie er diese Hoffnungen und Erwartungen jedoch erffillen kann, daffir liegt ihm noch keine L~sungsm~glichkeit vor.

Zum Schluss dieses Abschnitts sei noch darauf hingewiesen, dass Regret insbesondere in der emotions- und motivationspsychologischen Forschung in einer Reihe von Begriffen wie z.B. Traurigkeit, Ver~rgerung, Reue oder Schuld aufzufinden ist. Hierbei ist Regret das mit Abstand am weitestreichende und komplexeste Konzept. Im Gegensatz zur Schuld ist Regret z.B. nicht auf den Fall der Uberschreitung gesetzlicher, sozialer oder moralischer Normen beschr~nkt. Der Wunsch nach einer Entscheidungsumkehr stellt aber eine grundlegende Gemeinsamkeit dieser beiden Erfahrungen ffir ein Individuum dar. 44 Dies gilt auch ~ r die Reue. Sie beinhaltet jedoch, wie LANDMAN bemerkt, ein weitaus st~rkeres MaB an pers6nlicher Verantwortlichkeit als Regret. 45 Im Vergleich zur Ver~rgerung bedarf es zur Entstehung von Regret eines gr6Beren AusmaBes an kognitiver Verarbeitung. Die Traurigkeit schlieBlich ist als eine sekund~re Emotion zu charakterisieren, die nicht direkt mit dem Entscheidungs-

44 Vgl. Zeelenberg et al. (1998), S. 119. 45 Vgl. Landman (1993), S. 53. 13

prozess verbunden ist. Sie ist jedoch, ebenso wie die Ver~rgerung und andere Emotionen mit negativer Valenz, h~iufig als Begleiterscheinung des Regret-Erlebnisses zu verzeichnen. 46

Zusammenfassend soll festgehalten werden, dass die emotionale Komponente des Regret Merkmale aufweist, die einigen anderen Emotionen sehr ~ihnlich sind. Dennoch lassen sich auch deutliche Unterschiede identifizieren. Hervorzuheben ist vor allem die nahe Verwandtschafl zum Disappointment, weshalb in diesem Abschnitt eine besonders detaillierte Differenzierung zwischen diesen beiden Ph~nomenen vorgenommen wurde. Durch die besondere Komplexit~t des Regret wird eine solche Abgrenzung zu verwandten Konzepten unabdingbar, um das Konstrukt pr~izise erfassen sowie anschlief3end in einem kausalanalytischen Modell Zusammenhfinge mit anderen Konstrukten und Variablen darstellen zu k6nnen.

1.4

Zielsetzung und Aufbau der Untersuchung

Wie die Ausfi~hrungen des einleitenden Abschnitts gezeigt haben, stellt das Regret ein sehr komplexes und facettenreiches Phfinomen dar. Vor diesem Hintergrund besteht ein erstes Ziel der vorliegenden Arbeit darin, auf Basis einer interdisziplin~r angelegten, fundierten Literaturrecherche dieses Konstrukt umfassend zu beleuchten und einen Einblick in die Entwicklungsgeschichte des Regret zu geben. Im Anschluss an das einleitende Kapitel dieser Arbeit erfolgt daher im zweiten Kapitel eine chronologische Abarbeitung der ffir das Thema ,,Regret" relevanten entscheidungstheoretischen (Abschnitt 2.1) und verhaltenswissenschaftlichen (Abschnitt 2.2) Ans~tze, so dass eine Art ,,Entwicklungsgeschichte" von den Ursprfingen bis hin zum heutigen Verst~indnis des Ph~inomens ,,Regret" entsteht.

Die zweite Zielsetzung dieser Arbeit ergibt sich aus einem Defizit der bisherigen RegretForschung heraus, das sich in der gemeinhin praktizierten Vernachl~ssigung potentieller Determinanten des Regret, die sich aus Pers6nlichkeitscharakteristika des Entscheidungstr~igers ableiten, darstellt. Zum heutigen Stand der Forschung existierten in der relevanten Literatur zwar Vermutungen da~ber, dass das eine oder andere Pers6nlichkeitsmerkmal Einfluss auf das Regret-Erleben einer Person nehmen k6nnte, empirische Resultate auf diesem Forschungsgebiet sind jedoch rar. Der in der Regret-Forschung vorherrschende Bezugs46 Vgl.Landman (1993), S. 56. 14

rahmen zur Kategorisierung m6glicher Einflussgr6gen des Regret fokussiert allein Spezifika der Entscheidungssituation. In Abschnitt 2.3 wird daher das Ziel verfolgt, Pers6nlichkeitsvariablen eines Entscheidungstr~igers zu identifizieren, die Auswirkungen auf dessen RegretErleben nehmen. Bei der Darstellung der jeweiligen Wirkungsmechanismen, auf denen eine Einflussnahme der Pers6nlichkeitsmerkmale eines Entscheiders auf das Regret beruht, wird insbesondere Wert auf die theoretische Fundierung der Ausffihrungen gelegt.

Das dritte Untersuchungsziel, das in Kapitel drei dieser Arbeit verfolgt wird, liegt darin, die Rolle des Regret mr die Kundenloyalit/at zu beleuchten (Abschnitt 3.1. und 3.2). Auf dieser Basis gelingt es, sowohl die Determinanten des Regret als auch seine Konsequenzen darzustellen, wodurch das Regret in einen theoretischen Bezugsrahmen eingebettet wird, der sich in Form eines Kausalmodells manifestiert (Abschnitt 3.3). Dieser Schritt stellt Untersuchungs-

ziel vier dieser Arbeit dar. Da die Antezedenzien des Regret, die sich aus den Charakteristika der Entscheidungssituation ableiten, in der relevanten Literatur hinreichend untersucht und gemeinhin anerkannt sind, werden sie in diesem Beziehungsgeffige nicht gesondert aufge~hrt. In der sich anschliel3enden empirischen Untersuchung der Hypothesen, die beztiglich der spezifischen Effekte der im Kausalmodell dargestellten Variablen formuliert worden sind, werden die Spezifika der Entscheidungssituation experimentell kontrolliert, um von dieser Seite st6renden Einflusse auszuschalten. Somit liegt das fiinfie Untersuchungsziel der vorliegenden Arbeit in der empirischen 15berprtifung der far das Kausalmodell postulierten Effekte, die von den Pers6nlichkeitsmerkmals-spezifischen Determinanten auf das Regret, und von diesem wiederum auf die Kundenloyalitat ausgehen. Insbesondere der Nachweis der Ursachen interindividueller Unterschiede im Regret-Erleben ist vor diesem Hintergrund von entscheidender Bedeutung. Ferner wird auch die MSglichkeit eines potentiellen moderierenden Effekts eines Pers6nlichkeitscharakteristikums auf den Zusammenhang zwischen Regret und Kundenloyalit~it untersucht.

Die empirische Untersuchung ist Gegenstand von Kapitel vier. Nachdem diesbeztiglich zun~ichst Vorgehensweise und Erhebungsdesign vorgestellt werden (Abschnitt 4.1), erfolgt anschliel3end eine Darstellung der methodischen Grundlagen der in der Untersuchung angewandten Verfahren, die sowohl Methoden der Konstruktmessung als auch der Dependenzanalyse umfassen (Abschnitt 4.2). Darauf aufbauend erfolgt die empirische Uberprtifung der in den vorangegangenen Kapiteln entwickelten Hypothesen (Abschnitt 4.3), um mit einer

15

Zusammenfassung der gewonnenen empirischen Ergebnisse das Kapitel zu beenden (Abschnitt 4.4). In Kapitelfiinfwird zun~ichst eine Bewertung des mit dieser Arbeit erreichten wissenschaftlichen Fortschritts vorgenommen (Abschnitt 5.1), um im Anschluss daran Ansatzpunkte mr weiteren Forschungsbedarf abzuleiten (Abschnitt 5.2). Abschlief3end werden Empfehlungen fiir eine Umsetzung der aus der vorliegenden Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse ffir die Unternehmenspraxis gegeben (Abschnitt 5.3).

16

0

Charakteristika und D e t e r m i n a n t e n des Regret-Konzepts aus entscheidungstheoretischer und verhaltenswissenschaftlicher Sicht

2.1

Die entscheidungstheoretischen Wurzeln des Regret-Konzepts

2.1.1

Regret in der normativen Entscheidungstheorie

2.1.1.1

Normative Entscheidungstheorie ohne Raum fiir Regret

Die Urspr~nge der Theorie des Entscheidungsverhaltens liegen vollst~indig im Bereich der normativen Betrachtungen. Ziel ist es, Handlungsempfehlungen zur Verftigung zu stellen, die dem Aktor die Auswahl der optimalen Handlungsaltemative ermOglichen sollen. Die Entscheidungstheorie ist dabei durch einen formalen und mathematischen Charakter gekennzeichnet. Die zentrale Annahme hierbei ist, dass alle Entscheidungen allein auf rationaler Grundlage erfolgen sollen. Folglich bleiben nichtkognitive Faktoren wie z.B. Emotionen in diesen Betrachtungen aul3en vor, bzw. wird ihnen annahmegem~il3 kein Einfluss zugestanden.

Eines der ~iltesten und wichtigsten normativen Prinzipien ist das Erwartungswertprinzip. Es besagt, dass ein Entscheider aus einer Menge riskanter Alternativen 47 diejenige ausw~ihlen sollte, die den gr6Bten erwarteten Wert besitzt. Dieser Erwartungswert errechnet sich aus der Multiplikation der objektiven Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ergebnisses mit seinem (monet~iren) Wert. Bereits im 18. Jahrhundert war dieses Prinzip Gegenstand einer Diskussion beztiglich seiner deskriptiven Ad~iquatheit, da empirisch wiederholt Verst6Be gegen das Erwartungswertprinzip erfasst wurden. 48 Diese Kritik fiihrte zur Einftihrung des Konzepts des Nutzens und der Nutzenfunktion. Im so genannten E r w a r t u n g s n u t z e n p r i n z i p postulierte

BERNOULLI, dass ein rationaler Entscheider diejenige von mehreren riskanten Alternativen bevorzugt, deren erwarteter Nutzen am gr6Bten ist. 49 Dabei repr~isentiert der Nutzen das subjektive MaB der Attraktivit~it eines Ergebnisses, welches in Form der Nutzenfunktion in Rangordnung gebracht wird.

47 ,,Riskante Alternativen" sind durch eine feste Menge verschiedener Ausggnge gekennzeichnet, die jeweils eine bestimmte und bekannte Wahrscheinlichkeitbesitzen, wie z.B. Lotterien. 48 Bernoulli demonstrierte anhand des so genannten ,,St. Petersburg-Paradoxon", dass die meisten Menschen nicht bereit sind, ~r ein Mtinzwurfspiel mit unendlich grol3emobjektivem Erwartungswert unendlich viel zu bieten. Dies stellt ein Paradoxon im Sinne des Erwartungswertprinzips dar. Vgl. Bernoulli (1738). Zum ,,St. Petersburg-Paradoxon"siehe auch Jungerman et al. (1998), S. 61, Eisenf~hr/Weber (2003), S. 209f. 49 Vgl.Bernoulli (1738), S. 23 ff. 17

Aufbauend auf BERNOULLIS mathematischer Grundidee verhalfen

VON

NEUMANN und

MORGENSTERN 1944 der Erwartungsnutzentheorie zu ihrem eigentlichen Durchbruch. 5~ Sie leisteten erstmals eine vollst~indige axiomatische Fundierung, d.h. eine Formalisierung der Voraussetzungen rationalen Handelns. Dabei stellten sie eindeutige Anforderungen an die Pr~iferenz von Entscheidungstr~igem und an die Eigenschaften der Nutzenfunktion, die diese abbildet. 51 Eine Fortschreibung dieser Theorie bildet die sog. Subjektive Erwartungs-

nutzentheorie. 52 Ihre Auswahlregel besagt, dass ein Entscheider diejenige Alternative mit maximalem subjektiv erwartetem Nutzen w~ihlt. Dabei liegt der grundlegende Unterschied zu ihren Theorie-Vorl~iufem in der Verwendung des Faktors Unsicherheit als einer subjektiven Gr613e. Diese Entwicklung weg von objektiver hin zu subjektiver Natur von sowohl Nutzen als auch Wahrscheinlichkeiten entspringt dem Bemtihen um eine verbesserte Abbildung realer Entscheidungsmodelle.

Ausgangspunkt dieser Aussagen normativer Richtung ist das Bild des ,,homo oeconomicus", des perfekt rational handelnden Menschens. Dieser entscheidet unter vollkommener Information tiber s~imtliche Entscheidungsparameter und besitzt dabei keinerlei Beschr~inkungen seiner Informationsaufnahme-, -speicherungs- und-verarbeitungs-Kapazit~iten. Hinzu kommt die Negation des Einflusses irrationaler Faktoren wie z.B. Emotionen. Allein unter diesen Verhaltens- und Umweltpr~imissen gelingt die Wahrung der Gtiltigkeit normativer Modelle.

2.1.1.2

Normative Entscheidungstheorie mit Raum fiir Regret

Aufgrund der genannten vorgegebener Prgmissen erscheint es ftir ein derart ,,emotionallastiges" Konzept wie das Regret unm6glich, innerhalb der normativen Entscheidungstheorie zu existieren. Dennoch finden sich hier die frtihen Wurzeln regretorientierter Entscheidungsfindung. Insbesondere im sog. ,,Minimax-Regret-Ansatz" oder auch Regel des griillten

Bedauerns genanm. Er grtindet auf den Arbeiten von NIEHANS (1948) und SAVAGE (1951)53 und geh6rt zur Gruppe der Entscheidungskriterien, die ihre Anwendung in einer Entschei-

50 Vgl. von Neumann / Morgenstern (1944). 51 Eine aus~hrliche Abhandlung der Axiome und Pr~iferenzrelationen, die der Erwartungsnutzentheorie zugrunde liegen findet sich bei Klose (1993), S. 20 ff. 52 Das Modell der SubjektivenErwartungsnutzen-Theoriegeht aufEdwards zurtick. Vgl. Edwards (1954). 53 Weitl/iufigbekannt ist diese Regel daher auch als ,,Savage-Niehans-Kriterium". 18

dungssituation unter Unsicherheit finden, s4 Die Vorschrift zur Entscheidungsfindung lautet in diesem Fall, diejenige Handlungsalternative zu w~ihlen, bei der die maximale Entt/~uschung 55 minimal ist. Dies stellt eine Abkehr vom grundlegenden Ziel der Nutzenmaximierung dar. Als Maf~stab des Bedauems dient der Abstand zwischen dem tats/ichlichen und dem bestm6glichen Ergebnis. Folgende Vorgehensweise ist zur Anwendung der Minimax-Regret-Regel zu befolgen: 1.

Zun~ichst werden die drei Elemente einer Entscheidung identifiziert, wie vonder normativen Entscheidungstheorie vorgeschrieben: Entscheidungsfeld = Handlungsalternativen, m6gliche Ergebnisse, relevante Umweltzust~inde.

2.

Die Verteilung der mit den Handlungsalternativen verbundenen Ergebniswerte fiber alle Umweltzust~inde wird in einer Ergebnismatrix abgebildet.

3.

Transformation der Ergebnis- in eine Enttauschungsmatrix, indem zuerst jeder Wert von dem jeweiligen Spaltenmaximum abgezogen wird. 56 AnschlieBend wird fiir jede Handlungsalternative der maximal m6gliche Betrag des Bedauerns abgelesen. SchlieBlich dienen diese Werte dazu, mit Hilfe des Kriteriums die Wahl zu treffen.

Die Minimax-Regret-Regel geh6rt zu den verteilungsunabh~ingigen Kriterien. Das bedeutet, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit der einzelnen Konsequenzen keine Verwendung in einer solchen Regel finden. Ftir den Fall einer Entscheidung unter Ungewissheit bietet sich der Gebrauch einer Regel dieser Kategorie an, da die Wahrscheinlichkeitswerte ohnehin unbekannt sind. 57 Wird eine Entscheidung jedoch unter den Umst~inden einer Risikosituation getroffen, bedeutet eine Anwendung einer derartigen Entscheidungsregel den bewussten Verzicht auf Informationen, die der Entscheider sich vorher beschafft hat. 58 Damit wird in K a u f genommen, ein suboptimales Ergebnis zu erzielen, da davon auszugehen ist, dass Handlungsentscheidungen mit verbesserter Information ebenfalls besser ausfallen. 54 Vgl. Bamberg / Coenenberg (1981), S. 101, Gottwald (1990), S. 220 ff., Manz et al. (2000), S. 26 f. und Krelle (1968), S. 188; letzterer verweist auf die grundlegenden Arbeiten von Savage (1951) und Niehans (1948). 55 In der Terminologie des Minimax-Regret-Ansatzes werden die Begriffe ,,Bedauem" und ,,Entt~iuschung" synonym verwandt. 56 Das Regret-Konzept erscheint hierbei erstmals in Form einer Bedauemsfunktion, die eine Subtraktion als Rechenvorschrift hat. 57 Wird der Informationsstand des Entscheiders bzgl. der Umwelt als Klassifizierungskriterium fiir Entscheidungssituationen herangezogen, wird zun~ichst in Entscheidungen unter Sicherheit und Entscheidungen unter Ungewissheit unterschieden. Ist die Umweltsituation bereits eingetreten, herrscht Sicherheit, bei zukunftsgerichteten Entscheidungen Ungewissheit. In letzterem Fall wird weiter differenziert, ob die Eintrittswahrscheinlichkeiten bekannt sind oder nicht. Erstere Situation wird als Entscheidung unter Risiko bezeichnet, die zweite als Entscheidung unter Ungewissheit. Vgl. z.B. Laux (2003), S. XXI. 58 Die Klassifikation von Entscheidungsregeln danach, ob sie bei der Bestimmung der optimalen Handlungsm6glichkeit Informationen unterdrticken oder nicht, geht auf Schneider zuriick. Vgl. Schneider (1980).

19

Die Formulierung der Gr6Be ,,Bedauern" unterliegt in diesem Fall h~iufig der Kritik. Den Abstand zwischen dem tats~ichlichen und dem bestm6glichen Ergebnis als MaBstab des Bedauerns heranzuziehen h~ilt HAX fOr eine ,,pseudopsychologische Begrtindung". 59 Wird die Minimax-Regret-Regel an der Axiomatik des Bernoulli-Prinzips gemessen wird deutlich, dass sie gegen die Transitivit~itseigenschaft des Ordnungsaxioms verst613t. Die Unabh~ingigkeit yon irrelevanten Handlungsm6glichkeiten ist nicht mehr gegeben. Aus diesem Grund eliminieren Anh~inger pr~iskriptiver Entscheidungsforschung diese Entscheidungsregel aus der Liste Rationalit~it gew~ihrender Kriterien. 6~ Des Weiteren sind fOr diese Regel anstelle einer ordinalen Messung intervallskalierte Pr~iferenzen der Entscheidungstr~iger unabdingbar.

Dennoch kann eine Anwendung dieses Kriteriums in Sonderf'~illen sinnvoll sein. Das ist immer dann der Fall, wenn der Entscheider den Zweck verfolgt, nicht unbedingt MaBnahmen treffen zu wollen, die fOr ihn die bestm6glichen sind, sondern solche, die er auch ungtinstigstenfalls im Nachhinein nicht bedauern muss. In diesem Fall handelt es sich um eine Abkehr vonder Maxime der Nutzenmaximierung. Stattdessen liegt die Zielsetzung in der Bedauernsminimierung.

Ein weiterer, weit weniger bekannter Ansatz, der sich mit Regret befasst, stammt von BARRON und MACKENZIE aus dem Jahre 1973. Es handelt sich um das ,,Intolerable Regret Model". 6~ Grundlegend for diesen Ansatz ist, dass die Auswahlentscheidung als zweistufiger Prozess angesehen wird. In einem ersten Schritt werden diejenigen Altemativen ausgeschlossen, die mit einem nicht-tolerierbaren Ausmal3 an antizipiertem Regret verbunden sind. Danach wird aus den verbleibenden Altemativen nach dem Prinzip der Nutzenmaximierung ausgew~ihlt. Bei dieser Vorgehensweise dient das antizipierte Intolerable Regret als eine Art ,,Filter". Auf diese Weise werden einerseits die Anzahl der Wahlm6glichkeiten und die Komplexit~it der Entscheidung verringert. Zudem bewahrt sich der Entscheider vor dem ,,worst case". Andererseits beschrankt er seine M6glichkeiten, da das Regret lediglich vorgestellt ist und nicht unbedingt eintreten muss. Vorstellbar w~ire z.B., dass ein Arzt bei der Auswahl der Behandlungsmethoden den Tod seines Patienten als schlimmstm6gliche Konsequenz und somit als nicht-tolerierbares Ereignis ansieht. Anhand der Nutzung des Regret als eine Filtervariable verringert sich die Menge mOglicher Behandlungsmethoden.

59 Vgl.Hax (1974), S. 56. 60 Vgl. z.B. Mag (1990), S. 128. 61 Barron/Mackenzie (1973), S. 60-72. 20

2.1.2

Regret in der deskriptiven Entscheidungstheorie

2.1.2.1

Regret als Entscheidungsanomalie

2.1.2.1.1 Zur Stellung des Regret im Verbund ausgew~ihlter Anomalien individuellen Entscheidungsverhaltens Allgemein kann gesagt werden, dass die normative Entscheidungstheorie auf strengen Annahmen fiber die Bedingungen menschlicher Entscheidungsf'~ihigkeit basiert. Hierzu geh6ren insbesondere die oben erw~hnten Axiome der Nutzentheorie nach v o y NEUMANN und MORGENSTERN sowie das Bild des ,,homo oeconomicus".

Die Anwendung des auf der Rationalit~it aufgebauten 6konomischen Modells menschlichen Verhaltens in der empirischen Forschungspraxis erweist sich jedoch als nicht unproblematisch. Vor allem von Psychologen, aber auch von Okonomen wurden in experimentellen Untersuchungen immer wieder Verletzungen bestimmter grundlegender Annahmen konstatiert. 62 Diese empirisch beobachtbaren, systematischen Abweichungen individuellen 63 Urteils- und Entscheidungsverhaltens von theoretisch generierten Erwartungen werden als Anomalie bzw. als Paradoxon bezeichnet. 64 Der Begriff der Anomalie wird auf KUHy zur~ckgeffihrt. 65 Er bezeichnet damit Phanomene, die innerhalb eines Forschungsparadigmas nicht zu erwarten und nicht erkl~irbar sind. Seiner Auffassung nach wird ein geh~iuftes Auftreten von Anomalien zu einer wissenschaftlichen Revolution ~hren. Mit anderen Worten, es kommt zur Ersetzung eines dominanten Forschungsparadigmas durch ein alternatives Paradigma. 66 Im Sinne normativer Ans~itze sind Befunde eines nicht den Axiomen entsprechenden Verhaltens zun~ichst weniger bedeutsam, da die auf ihnen basierenden theoretischen Ans~itze rationale Verhaltensweisen definieren. Konsequenterweise besteht die Reaktion nicht in einem Paradigmenwechsel. Vielmehr bestehen die Konsequenzen der Verletzung der Axiomatik darin, Entscheider

62 Schon fr~h haben Okonomen wie z.B. Allais (1953) und Ellsberg (1961) anhand von Experimenten aufparadoxe Ergebnisse der Erwartungsnutzenmaximierung aufmerksam gemacht. Doch erst mit viel allgemeineren und weniger konstruierten Ergebnissen wie denen der (Sozial-)Psychologen Kahnemann und Tversky (1982) sah sich die Okonomie emsthaft herausgefordert. 63 Abweichungen von Aussagen der 6konomischen Theorie auf aggregiertem Niveau, insbesondere auf M/~rkten, beruhen im Grunde auf Anomalien auf individueller Ebene, die sich jedoch in Aggregaten auswirken. 64 Die Begriffe Anomalie und Paradoxon sollen in der vorliegenden Arbeit, wie in der 6konomischen Theorie t~blich, synonym verwendet werden. Eine begriffliche Abgrenzung dagegen wird z.B. von Giintzel und Well vorgenommen. Vgl. Giintzel /Weil (1992). 65 Zum Anomaliebegriff nach Kuhn siehe Kuhn (2003); zur Definition eines Paradigmas nach Kuhn siehe erkl/~rend Druwe/Kunz (1998), S. 7 ff. 66 Vgl. Kuhn (2003), S. 65 f. u. S. 76.

21

mit Entscheidungshilfeverfahren ein Instrumentarium an die Hand zu geben, die es ihm erm/Sglichen, sich darin zu tiben, im Sinne der Axiomatik rationalen Entscheidungsverhaltens zu verfahren. Innerhalb deskriptiver Ans/atze dagegen, l~isst sich mit der Definition KUHNS z.B. die Fortschreibung der SEUT begrtinden. Um den zahlreichen empirischen Befunden Rechnung zu tragen, die mit der klassischen Theorie der Maximierung des subjektiv erwarteten Nutzens nicht vereinbar sind, entstanden z.B. Prospect-, Disappointment- und RegretTheorie. 67 Im weiteren Verlauf dieses Kapitels erfolgt eine systematische Erfassung der in der einschl~igigen Literatur am h~iufigsten diskutierten Anomalien menschlichen Entscheidungsverhaltens mit besonderem Augenmerk auf der Stellung des Regret innerhalb dieser Gruppierung. 68 Die Kategorisierung der vorgestellten individuellen Anomalien und Heuristiken folgt einer Aufteilung des Entscheidungsprozesses in Vorentscheidungsphase mit komplexen Informationswahrnehmungs- und -verarbeitungsvorg~ingen und eigentlicher Entscheidungsphase, in der die Auswahl einer Handlungsalternative erfolgt, die den erwarteten Nutzen maximieren soll. 69 Einen I0berblick fiber die derart vorgenommene Ordnung von Entscheidungsanomalien gibt vorab Abbildung 2- I.

67 Zur Regret-Theorie vgl. aus~hrlicher Abschnitt 2.1.2.2; zur Prospect- und zur Disappointment-Theorie vgl. Jungermann et aL (1998), insb. S. 214 ff. und S. 230 ff. 68 Die Zusammenstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollst~indigkeit, sondern stellt lediglich eine Auswahl aus dem sehr umfangreichen Schrifttum zu diesem Kontext dar. 69 Die hier gew~ihlte L6sung des Ordnungsproblems von Entscheidungsanomalien orientiert sich an der Vorgehensweise von Klose (1993), S. 43 ff. Die zugrunde liegende Trennung in Entscheidungs- und Vorentscheidungsphase ist charakteristisch Rir die moderne betriebswirtschaftliche Entscheidungstheorie. Vgl. z.B. Laux (2003). 22

( E n t s c h e i d u n g s - )

A n o m a l i e n

-,L

Anomalien im Bereich des Probleml6sungsverhaltens (Bernoulli-Anomalien)

Anomalien im Bereich der P r o b l e m w a h r n e h m u n g und Informationsverarbeitung (Anomalien der Vorentscheidungskompetenz)

Anomalien der intuitiven statistischen Kompetenz

Anomalien bei der Urteilsbildung von Wahrscheinlichkeiten

- Ambiguit~itseffekt - Umkehreffekt Pr~isentationseffekt (Framingeffekte) -

A n o m a l i e n im Bereich von Nutzenurteilen

Anomalien bei der Revision von Wahrscheinlichkeitsurteilen

- Reprfisentativit~itsKonservatisheuristik museffekt -- Basis-Raten-Fehler - Fluch des -- Konjunktionsfehler Wissens -- Irrglaube des Spielers hindsight Verfugbarkeitsheuristik bias -- Beeinflussung dutch - overconfidence Lebhaftigkeit, Anschaulichkeit, Aktualit~t der Darstellung -- Beeinflussung durch Pr~senz, Auffalligkeit der Darstellung -- Beeinflussung durch Ereignisverknfipfungen (illusion~ire Kontrolle) Ankerheuristik -- Fehleinsch~itzungen numerischer Gr6Ben -- Verzerrungen der Erinnerung -- Fehlerhafte/unzureichende Vorstellung -

A n o m a l i e n als explizite Verlaufsdeterminanten der Nutzenfunktion

- Versunkene Kosten Besitztumseffekt - Opportunit~itskosteneffekt

- Referenzpunkteffekt - Verlustaversion - regretaversion disappointmentaversion

-

-

-

-

A n o m a l i e n als implizite Annahmen der Nutzenfunktion

-

In diese Systematik nicht einordenbar: mental accounting -

Abbildung 2-1" Systematische Ordnung ausgew~ihlter individueller Entscheidungsanomalien und Heuristiken.

23

2.1.2.1.2 Anomalien im Bereich des Probleml0sungsverhaltens Im Bereich des Probleml6sungsverhaltens existieren zahlreiche Anomalien, die in direkten empirischen Tests ermittelt wurden. Hierbei sehen sich die Versuchspersonen wohldefinierten Entscheidungsproblemen gegentiber, in denen Handlungsalternativen, die Wahrscheinlichkeiten mr die Umweltzust~inde und die Ergebnisse gegeben sind. A u f diesem Weg wurden vor allem Verletzungen der Axiome der Erwartungsnutzentheorie getestet. Deshalb werden sie vereinfacht als ,,Bernoulli-Anomalien" bezeichnet. 7~

Hierzu geh6rt z.B. der Ambiguitiitseffekt (ambiguity aversion). Er ist dadurch bedingt, dass Entscheider Situationen bevorzugen, in denen sie sich ein eindeutiges Bild yon den Eintrittswahrscheinlichkeiten der Konsequenzen machen k0nnen. Unklarheit beztiglich der Wahrscheinlichkeiten stellt eine Ambiguit~itssituation dar und wird gemieden. Die Ursache ftir diese Verhaltenstendenz wird darin gesehen, dass beim Entscheidungstr~iger mit wachsender Unsicherheit tiber die Wahrscheinlichkeiten ein st~irker werdendes Geftihl entsteht, nicht mehr die Kontrolle tiber die Entscheidungssituation zu besitzen. Dieses Kontrolldefizit wird aversiv wahrgenommen und fiihrt dazu, dass Ambiguit~it grundsdtzlich gemieden wird. 7~ Dieses ambiguit~itsaverse Verhalten wurde erstmals von ELLSBERG als Verletzung des Unabh~ingigkeitsaxioms festgestellt, weshalb hier auch vom , , E l l s b e r g - P a r a d o x o n " gesprochen wird. 72 Ein hierzu konstruiertes Entscheidungsexperiment stellt sich wie folgt dar:73

Aus einer Urne wird eine Kugel durch Zufall gezogen. Die Urne enth~ilt 30 rote B~ille und zusammen 60 schwarze und gelbe Kugeln. Es liegen zwei Alternativenpaare a und b bzw. a"

und b" vor, wobei die Gewinnbetr~ige in allen F~illen identisch sind. Spiel 1:

a Man gewinnt, falls ein roter Ball aus der Ume gezogen wird.

Spiel 2:

a" Man gewinnt, falls ein roter oder gelber Ball aus der Urne gezogen wird.

b Man gewinnt, falls ein schwarzer Ball aus der Urne gezogen wird.

b" Man gewinnt, falls ein schwarzer oder gelber Ball aus der Urne gezogen wird.

Die meisten Entscheider weisen eine Tendenz auf, a vor b und b" vor a" zu pr~iferieren. Dies stellt eine Verletzung des Unabh~ingigkeitsaxioms der subjektiven Wahrscheinlichkeitstheorie 70 Die Bezeichnung geht aufKlose zuriick. Siehe Klose (1993), S. 46. 71 Vgl. von Nitzsch /Friedrich (1999), S. 87 f. Zur Frage unter welchen Bedingungen Ambiguit~t gemieden oder gesucht wird vgl. Jungermann et al. (1998), S. 187 sowie die dort angegebene Literatur. 72 Vgl. Ellsberg (1961), insb. S. 654. 73 Das beschriebene Experiment lehnt sich an Darstellungen von EisenJ~hr / Weber sowie Haug an. Vgl. Eisenf~hr/Weber (2003), S. 361f., Haug (1998), S. 131 f. 24

(Sure thing principle) dar. Spiel 1 unterscheidet sich von Spiel 2 nur dadurch, dass bei letzterem in beiden Alternativen auch bei dem Ereignis ,,gelber Ball wird gezogen" gewonnen wird, so dass a und b mit ein- und derselben Lotterie verknfipfl wurden. Demgem~f~ sollte ein Entscheider entweder a und a" oder b und b" vorziehen oder in beiden F~llen indifferent sein. Die Erkl~rung ffir das paradoxe Verhalten liegt darin, dass die Gewinnwahrscheinlichkeit bei a bzw. b" mit Sicherheit bekannt und bei a" bzw. b ambiguit~tsbehaftet ist. Der Begriff der Ambiguit~t, der im Allgemeinen als Mehr- bzw. Doppeldeutigkeit zu verstehen ist, steht in diesem Fall f~r ..... U n s i c h e r h e i t fiber U n s i c h e r h e i t

...,,74

bzw. das kognitiv determinierte

Geffihl, aufgrund fehlender, undeutlicher oder mehrdeutiger Informationen als Entscheider weniger kompetent zu sein als in einer Entscheidungssituation mit vollst~ndiger Information.

Ebenfalls zu den Bernoulli-Anomalien z~ihlt der Umkehreffekt (preference reversal), der erstmals yon LICHTENSTEIN und SLOVIC 1971 dokumentiert wurde. 75 Hierbei kornmt es zu einer Umkehrung der Entscheidungspr~iferenzen durch die Ver~inderung der Art der Bestimmungsprozedur, die zur Ermittlung der Pr~iferenzen dient. Eine Ver~inderung der Verfahrensweise, die zur Ermittlung der Pr~iferenzen dient, kann z.B. darin bestehen, dass die gew~ihlte Pr~iferenz einmal frei erh~iltlich ist und ein anderes Mal ein Geldbetrag daFtir aufgebracht werden muss. Zur Verdeutlichung diene folgendes Beispiel zweier Lotterien:76

Lotterie A: Man gewinnt 1.700 ~ mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,30. Lotterie B: Man gewinnt 450 Emit einer Wahrscheinlichkeit von 0,97.

Die meisten Probanden entscheiden sich ffir Lotterie B, wenn sie eine W a h l treffen sollen. Sollen die Befragten aber jeweils einen K a u f p r e i s f~r die beiden Lotterien angeben, zeigt sich, dass die meisten Personen einen h6heren Betrag f~r Lotterie A angeben (z.B. 450 C) als ffir Lotterie B (z.B. 430 C). Bei unterstellter Transitivit~t der Bewertung mfisste demzufolge gelten, dass 430 C gegent~ber 450 C pr~feriert werden 77, was offensichtlich keine Gfiltigkeit besitzt. Folglich stellt der Effekt der Pr~ferenzumkehr einen VerstoB gegen das Prinzip der Transitivit~t von Pr~ferenzen dar. Eine Begrfindung ffir das paradoxe Verhalten sehen SLOWC

74 Jungermann et al. (1998), S. 187. 75 Vgl.Lichtenstein/Slovic (1971). 76 Das beschriebene Experiment lehnt sich an die Darstellung yon yon Nitzsch /Friedrich an. Vgl. von Nitzsch / Friedrich (1999), S. 29 f. 77 Wenn 430 C genauso gut sind wie Lotterie B, Lotterie B gegent~berLotterie A vorgezogen wird und Lotterie A genauso gut wie 450 ~ ist, dann mt~sstebei Transitivit~tder Bewertung gelten: 430 E wird gegenfiber450 vorgezogen. 25

ET AL.

darin, dass die Fragetechnik systematisch das Ergebnis beeinflusst. Durch die

Befragung in der Entscheidungssituation wird die Aufmerksamkeit des Entscheiders zun~ichst auf eine mit der Frage kompatible Skala gelenkt. Im Fall der Bewertung bzw. Wahl liegt der Aspekt, mit welcher Lotterie sich eher etwas gewinnen l~isst, im Fokus des Interesses, so dass zun~ichst allein die Gewinnwahrscheinlichkeiten ausschlaggebend far den Entscheidungstr~iger sind. Auf diese Weise entsteht ein gro6er Vorteil far Lotterie B. Der anschlief3ende Anpassungsprozess fiber den geringeren Geldbetrag f~illt zu gering aus, so dass es bei einer Bevorzugung von Lotterie B bleibt. TM Im Fall einer Befragung nach einem Kaufpreis far die Lotterie werden zun~ichst allein die far die Lotterien angegebenen Geldbetrgge fokussiert. Aus dieser Perspektive erzielt Lotterie A einen Vorteil, der in gleicher Argumentation nicht mehr kompensiert wird. 79 Je nachdem, ob die Probanden nach Bewertungen und Wahlen oder nach Kauf- bzw. Verkaufspreisen befragt werden, werden unterschiedliche Informationen im Ged~ichtnis aktiviert. Auf diese Weise werden die Pdiferenzen aus dem aktivierten Wissen heraus erst im Verlaufe der Befragung konstruiert. Um eine einmal erfasste Pr~iferenz von Personen ad~iquat beurteilen zu kOnnen, sind folglich nicht nur die dahinter stehenden Werte der Individuen von Bedeutung, sondern auch die Art und Weise, wie diese Werte zur Konstruktion der Prgferenz verwendet werden. 8~

Eine Pr~iferenzumkehr im weiteren Sinne ist ein Indikator far Pr~isentations-Effekte (framing-effect). Diese Anomalie zeigt sich darin, dass unterschiedliche Problemformulierungen zur Verwendung eines jeweils entsprechenden Entscheidungsrahmens fahren. Auf diese Weise kann ein und dasselbe Entscheidungsproblem, unterschiedlich formuliert, zu unterschiedlichen Pr~iferenzen fahren.

Nach

dem Unabh~ingigkeitsaxiom sollten die

Pr~iferenzen jedoch ganz unabh~ingig yon der Pdisentation (Darstellung oder Wortwahl) des Entscheidungsproblems stabil sein. Das bekannteste Beispiel far ein Entscheidungsproblem, bei dem Framing-Effekte gefunden wurden, ist das Problem der ,,Asiatischen Krankheit" (Asian-Disease-Problem). TVERSKY und KAHNEMANN konnten 1981 anhand dieses Entscheidungsexperiments erstmals diese durch die unterschiedliche Darstellung der Konsequenzen

78 Das Phgnomen entspricht einer Verankerung mit nachfolgendem, zu geringem Anpassungsprozess gem~i6 dem Verankerungseffekt.Vgl. zu dieser Anomalie in diesemAbschnitt weiter unten. 79 Vgl. yon N i t z s c h / F r i e d r i c h (1999), S. 30. 8o Vgl.Jungermann et al. (1998), S. 256.

26

hervorgerufene Anomalie demonstrieren. 81 Das Entscheidungsexperiment, mit dessen Hilfe sich der Effekt zeigt, stellt sich wie folgt dar: 82

Stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie sind Gesundheitsminister und wissen, dass eine bisher unbekannte asiatische Krankheit in absehbarer Zeit lhr Land heimsuchen wird. Gegen diese Krankheit sind verschiedene Praventionsprogramme entwickelt worden, tiber deren Anwendung Sie entscheiden sollen. Ihnen werden folgende beiden Pr~iventionsprogramme vorgeschlagen.

Problem I (Rettung- / Gewinn-Frame): Programm A:

Wenn Programm A eingesetzt wird, werden 200 Menschen gerettet.

Programm B:

Wenn Programm B eingesetzt wird, werden mit einer Wahrscheinlichkeit von 1/3 600 Menschen gerettet, mit einer Wahrscheinlichkeit yon 2/3 wird niemand gerettet.

Problem II (Tod- / Verlust-Frame): Programm C:

Wenn Programm C eingesetzt wird, werden 400 Menschen sterben.

Programm D:

Wenn Programm D eingesetzt wird, wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 1/3 niemand sterben, mit einer Wahrscheinlichkeit von 2/3 werden 600 Menschen sterben.

Nach den BeurteilungsmaBst~iben der Erwartungsnutzentheorie sind alle vier Alternativen gleich attraktiv (200 gerettete und 400 nicht gerettete Personen). Ein rationaler Entscheider sollte daher indifferent beztiglich der vorgeschlagenen Programme sein. Tats~ichlich bevorzugen die meisten Versuchspersonen jedoch Alternative A vor B sowie Alternative D vor C. TVERSKY und KAHNEMANN begrianden dieses typische empirische Verhaltensmuster damit, dass durch die unterschiedlichen Formulierungen unterschiedliche Referenzpunkte gebildet werden, sodass die Konsequenzen entweder als Gewinne oder als Verluste angesehen werden. In diesem Fall liegt im positiven Bereich eine Risikoaversion und im negativen Bereich eine Risikofreudigkeit bezt~glich der Prgferenzen des Entscheiders vor. 83

Neben den beschriebenen Anomalien im Bereich des Probleml6sungsverhaltens existieren Anomalien, die Aspekte der Problemwahmehmung und Informationsverarbeitung betreffen, 81 Vgl. Tversky und Kahnemann (1981), S. 453ff. 82 Das beschriebene Experiment lehnt sich an die Darstellung des Asian-Disease-Problems bei Haug und Jungerman et al. an. Vgl. Haug (1998), S. 134 sowie Jungermann et al. (1998), S. 227. 83 Eine alternative Erkl/~rung fiir das Asian-Disease-Problem, die auf einer Argumentation tiber Ambiguit/itsaversion basiert, findet sich bei StockO (1998), S. 197ff. 27

d.h. die sog. Vorentscheidungskompetenz individueller Entscheidungstr~ger. Hierbei handelt es sich um Anomalien, die indirekte Rationalit~tsannahmen der Erwartungsnutzentheorie, wie die Risikoaversion und die intuitive statistische Kompetenz individueller Entscheidungstr~ger, betreffen. Diese Ph~nomene werden in den kommenden Ausffihrungen beschrieben.

2.1.2.1.3 Anomalien und Heuristiken im Bereich der Urteilsbildung von Wahrscheinlichkeiten Der Bereich der Urteilsbildung subjektiver Wahrscheinlichkeiten stellt die Anf~nge psychologischer Entscheidungsforschung dar. Bereits in den frfihen 70er Jahren begrfindeten TVERSKY und KAHNEMANN den so genannten ,,heuristics and biases"-Ansatz aufbauend auf

den Beobachtungen systematischer Verletzungen von Axiomen der Wahrscheinlichkeitstheorie, bzw. daraus abgeleiteter Theoreme, bei intuitiven Wahrscheinlichkeitsurteilen. s4 Besagtes Forschungsprogramm fokussiert die ,,Idee der Urteilsheuristik", derzufolge Individuen unter bestimmten Bedingungen intuitiv mentale Heuristiken verwenden, um zu Wahrscheinlichkeitsurteilen zu gelangen, anstatt sich der Algorithmen der Wahrscheinlichkeitsrechnung zu bedienen. 85

Urteilsheuristiken sind sog. ,,Faust- oder Daumenregeln" bzw. durch Erfahrung gepr~gte ..... kognitive Vereinfachungsmechanismen, die relativ schnell und mit vergleichsweise geringem mentalen Aufwand bei der L6sung von Vorentscheidungsproblemen eingesetzt werden. ''s6 Heuristische Urteile stimmen in vielen Ffillen mit Urteilen aberein, die aufgrund aufw~ndigerer Verarbeitungsprozesse, d.h. insbesondere nach wahrscheinlichkeitstheoretischen Regeln, gef'fillt wurden. Allerdings kann die Anwendung von Heuristiken auch - unter bestimmten Bedingungen - zu systematischen Fehlern, Biases genannt, ffihren. Bei der Anwendung von Heuristiken liegt kein Entscheidungsalgorithmus vor, der im Falle einer korrekten Anwendung ffir ein richtiges Ergebnis garantieren wfirde, s7 Im Folgenden werden drei kognitive Heuristiken und daraus resultierende Anomalien vorgestellt, die den Ausgangspunkt des von KAHNEMANNund TVERSKY begrfindeten Forschungsprogramms bildeten.

84 s5 86 87 28

Vgl. Tversky/Kahnemann (1973, 1974). Vgl.Jungermann et al. (1998), S. 166. Klose (1994), S. 71 f. Vgl.Haug (1998), S. 147.

Bei der Anwendung der

Repr~isentativit~itsheuristik (representativeness) bedienen sich

Individuen der wahrgenommenen Ahnlichkeit als Urteilsdeterminante zur Formulierung von Wahrscheinlichkeiten. Fokussieren Individuen auf Repr~sentativit~it, neigen sie dabei dazu, andere Determinanten der Wahrscheinlichkeiten zu ignorieren bzw. die Gesetze der Wahrscheinlichkeitstheorie zu missachten. 88 Die Repr~sentativit~it bezeichnet den gesch~itzten Grad der Ubereinstimmung eines Objekts mit einer Objektklasse, einer Stichprobe mit einer Grundgesamtheit oder allgemeiner eines konkreten Ergebnisses mit einem abstrakten Modell. 89 Bei hoher Repr~isentativit~it besitzt demzufolge ein Objekt eine hohe Ahnlichkeit zu typischen oder vielen Vertretern der Objektklasse; bei niedriger Repr~isentativit~it besteht eine geringe Ahnlichkeit. Diese Beurteilungsgrundlage ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass Personen schematisches Wissen gespeichert haben, das aus subjektiven Erfahrungen oder Beobachtungen entstanden ist. Aus dieser Perspektive kann Repr~isentativit~it auch als die subjektive Wahrnehmung beschrieben werden, inwieweit eine Beobachtung ,,in ein Schema passt". Kann ffir die wahrgenommenen Informationen ein passendes Schema aktiviert werden, liegt eine hohe Repr~isentativit~it vor, andernfalls eine niedrige. 9~

Urteilsverzerrungen, die durch die Anwendung der Repr~isemativit~itsheuristik bedingt sind, wirken sich in mehreren Varianten aus. Z.B. weisen Individuen die Tendenz auf, bei besonders augenfglligen (salienten) Beobachtungen die a priori Wahrscheinlichkeit, d.h. die sog. Basisrate des betreffenden Ereignisses, zu vemachl~issigen. 91 Menschen, die diesem Basis-Raten-Fehler (base rate fallacy) unterliegen, orientieren sich bei der Kategorienzuordnung vor allem an der Reprgsentativit~it und vemachl~issigen die Basisrate, mit der ein Element t~berhaupt in einer Grundgesamtheit vertreten ist. Ein klassisches Experiment mit dem dieser Bias nachgewiesen werden kann, lautet folgendermaBen: 92 Sie sitzen in der Cafeteria einer Universit~t. Am Nebentisch sitzt ein Student, der Anzug und Krawatte tr~igt und den Wirtschaftsteil einer Tageszeitung liest. Bitte sch~itzen Sie die Wahrscheinlichkeiten der beiden folgenden Aussagen ab. A: Der Student ist fiir Betriebswirtschaftslehre eingeschrieben. B: Der Student ist im Fach Germanistik immatrikuliert.

88 89 9o 91 92

Vgl. Strack/Deutsch (2002), S. 360. Vgl.Klose (1994), S. 72, Strack/Deutsch (2002), S. 359. Vgl. von Nietzsche/Friedrich (1999), S. 32. Vgl.Jungermann et al. (1998), S. 165. Vgl.Jungermann et al. (1998), S. 166, Strack/Deutsch (2002), S. 359f. 29

Die vorgegebene Kurzbeschreibung des Studenten ist mit dem Stereotyp eines Wirtschaftsstudenten vereinbar und nicht ftir einen Germanistikstudenten repr~isentativ. Aus diesem Grund halten viele Probanden Antwort A ftir wahrscheinlicher als Antwort B. Der Basisratenfehler zeigt sich wenn die Probanden folgende zus~itzliche Information erhalten:

Der Anteil der Germanistikstudenten an dieser Universit~it ist weit hOher als der Anteil von Wirtschafts studenten.

Die Befragten beharren sogar dann noch auf der Einsch~itzung, dass es sich bei dem beschriebenen Studenten eher um einen Wirtschaftswissenschaftler handelt, wenn ihnen diese Information tiber den Anteil von Mitgliedern der beiden Kategorien an der Grundgesamtheit der Studenten der Universit~it zur Verftigung steht. Obwohl es a priori also wahrscheinlicher ist, in der Cafeteria einen Germanistikstudenten anzutreffen, beziehen die Probanden die Basisrate, mit der Wirtschafts- bzw. Germanistikstudenten in der Gesamtheit der Studenten der Universit~it vertreten sind, nicht in ihr Wahrscheinlichkeitsurteil mit ein. Nach den Regeln der Wahrscheinlichkeitstheorie w~ire es jedoch richtig, die Basisrate bei der Bildung des Wahrscheinlichkeitsurteils zu be~cksichtigen. 93

Einen Sonderfall des Basis-Raten-Fehlers stellt die Obersch~itzung der Wahrscheinlichkeit von Konjunktionen, auch als Konjunktionsfehler oder Konjunktionseffekt (conjunction fallacy) bekannt, dar. Dieser Bias entsteht, wenn Individuen bei ihrem Wahrscheinlichkeitsurteil nicht berticksichtigen, dass nach den Regeln der Wahrscheinlichkeitstheorie die Wahrscheinlichkeit einer Konjunktion von Ereignissen nicht gr613er sein kann als die Wahrscheinlichkeit jedes einzelnen Ereignisses (Extensionalit~itsprinzip). 94 Ein Experiment, bei dem sich dieser Bias zeigt, lautet folgenderma6en: 95

Linda ist 31 Jahre alt, sehr intelligent, und sie nimmt kein Blatt vor den Mund. Sie hat Philosophie studiert. Als Studentin hat sie sich intensiv mit Fragen von sozialer Gerechtigkeit und Diskriminierung auseinandergesetzt. Au6erdem hat sie an Anti-Kernkraft-Demonstrationen teilgenommen. Welche Aussage tiber Linda ist wahrscheinlicher?

93 Den formalen Algorithmus zur L6sung dieses Problems liefert das Bayes-Theorem. Vgl. diesbeztiglich Abschnitt 2.1.2.1.4. 94 Vgl. von Nitzsch/Friedrich (1999), S. 33. 95 Das beschriebene Experiment stammt von Tversky /Kahnemann, wobei sich die hiesige Darstellung an einer Obersetzung von Strack / Deutsch anlehnt. Vgl. Tversky / Kahnemann (1983), Strack / Deutsch (2002), S. 361. 30

A: Linda ist Bankangestellte B: Linda ist Bankangestellte und in der Frauenbewegung aktiv.

Die meisten Versuchspersonen halten Aussage B ffir wahrscheinlicher, obwohl dies eine Verletzung des Extensionalit~itsprinzips der Wahrscheinlichkeitslehre darstellt. Aufgrund der vorabgegebenen Beschreibung f'~illt es den Probanden leichter, sich vorzustellen, dass Linda in der Frauenbewegung aktiv ist. Dagegen passt es in den Augen der Versuchspersonen weniger zu Linda, dass sie als Bankangestellte arbeitet. Aussage B weist somit eine hOhere Repr~isentativit/~t auf. Daher wird die Wahrscheinlichkeit von Aussage B tibersch~itzt, obwohl Aussage A einen allgemeineren Fall darstellt, der den spezielleren Fall B enth~ilt.

Einen weiteren Sonderfall des Basis-Raten-Fehlers stellt der sog. Irrglaube des Spielers (gamblers fallacy) dar. Individuen, die diesem Bias unterliegen, erwarten, dass sich Merkmale eines unendlichen Zufallsprozesses auch in einer lokalen Stichprobe, d.h. in einer kurzen, endlichen Sequenz zeigen. Beispielsweise halten es Spieler am Roulette fiir wahrscheinlicher, dass nach einer langen Abfolge von Spielausg~ingen mit der Farbe ,,Schwarz" (S) die Farbe ,,Rot" (R) fallen wird. Die Abfolge SSSSSSSSSR erscheint den meisten Menschen repr~isentativer als die Abfolge SSSSSSSSSS, die einfach nicht ,,zuf~illig" aussieht. 96 Da der jeweilige Fall der Roulettekugel aber ein unabh~ingiges Ereignis darstellt, sind beide Folgen von Spielausg~ingen gleich wahrscheinlich. 97

Eine Heuristik, die nicht wie die Repr~isentativit~itsheuristik fiir die Zuordnung von einzelnen Elementen zu t~bergeordneten Klassen verwendet werden kann, aber auch bei H~iufigkeitsund

Wahrscheinlichkeitssch/itzungen

dienlich

ist,

stellt die Verfiigbarkeitsheuristik

(availability) dar. Wghrend bei der Repr~isentativit~itsheuristik die Individuen die wahrgenommene Ahnlichkeit als Urteilsdeterminante zur Formulierung von Wahrscheinlichkeiten verwenden, basieren die Wahrscheinlichkeitsurteile bei der Verffigbarkeitsheuristik auf der Grundlage wahrgenommener Leichtigkeit. Unter ,,Leichtigkeit" ist hierbei der Grad kognitiver Verfiigbarkeit einzelner Informationen aus dem Ged/ichtnis zu verstehen. 98

TVERSKY und KAHNEMANN fanden in experimentellen Untersuchungen folgendes Verhaltensmuster heraus: Je leichter einer Person ein Beispiel ffir ein bestimmtes Ereignis erinnerlich ist, 96 Vgl.Jungermann et al. (1998), S. 167 f. 97 Vgl. von Nitzsch/Friedrich (1999), S. 34. 98 Vgl. Strack und Deutsch (2002), S. 354. 31

umso h6her wird sie die Wahrscheinlichkeit bzw. H~ufigkeit ffir das Auftreten dieses Ereignisses ansetzen. 99 In der Realit~t besteht tats~chlich ein Zusammenhang zwischen der Leichtigkeit, sich ein Ereignis ins Ged~chtnis rufen

zu k~nnen, und der H~ufigkeit des

Auftretens dieses Ereignisses. l~176 In diesem Fall ffihrt die Anwendung der Verffigbarkeitsheuristik nicht zu einem Fehlurteil. Da das heuristische Urteil aber auf einer Vernachl~ssigung von Informationen basiert, steht der Nachteil einer mOglichen Urteilsverzerrung dem Vorteil einer Komplexitfitsreduzierung gegenfiber.

Eine ganze Reihe von Faktoren determinieren die kognitive Verfiigbarkeit, ohne mit der Auftretensh~ufigkeit eines Ereignisses, das Gegenstand der Erinnerung ist, in direktem oder fiberhaupt irgendeinem Zusammenhang zu stehen. Es k6nnen sowohl die Aktualit~t als auch die Anschaulichkeit und Lebhaftigkeit (vividness) der Darstellung oder die Tatsache, dass man selbst ein ~ihnliches Ereignis erlebt hat, zu Urteilsverzerrungen ffihren. Beispielsweise werden Personen, die kfirzlich einen schweren Verkehrsunfall auf der Autobahn miterlebt haben, eine h6here Wahrscheinlichkeit f~r ein solches Ereignis ansetzen, als eine Person, die noch nie einen Unfall selbst gesehen hat. 1~ Auch die Auffiilligkeit (salience) eines Ereignisses oder seine Pr~senz, z.B. bedingt durch Berichte in den Medien, ffihrt zu einer Beeinflussung des Wahrscheinlichkeitsurteils. Das Vorkommen aufffilliger Todesarten, wie z.B. Flugzeugabst~rze, wird daher deutlich fibersch~tzt, w~hrend das Auftreten weniger auff'~lliger Todesursachen, wie z.B. Magenkrebs, deutlich untersch~tzt wird. 1~ In der Reihe der Determinamen der kognitiven Verffigbarkeit steht auch die sog. affektive Kongruenz. Hierbei entsteht der Bias dadurch, dass bestimmte Erinnerungen mit einer bestimmten Stimmung verknfipft sind, so dass sie ffir eine Person leichter abgerufen werden k6nnen, wenn die Person sich zum aktuellen Zeitpunkt in einer ~hnlichen Stimmung befindet. 1~ Beispielsweise tendieren Anleger an der B6rse dazu, zu negative Kursprognosen abzugeben, wenn sie aufgrund von Verlusten schlechter Laune sind, wohingegen eine erfolgsbedingte gute Laune zu einer zu optimistischen Prognose ffihrt. 1~ Schliel31ich soil auch noch die Beeinflussung des Wahrscheinlichkeitsurteils durch Ereignisverkniipfungen Erw~hnung finden. TVERSKYund KAHNEMANN vertreten diesbezfiglich die Annahme, dass positive Kontingenzen im Vergleich zu negativen Kontingenzen mehr Beachtung finden und eher im 99 Vgl. T v e r s k y / K a h n e m a n n (1973), S 207 ff. lOOVgl. S t r a c k / D e u t s c h (2002), S. 353. lOl Vgl. zu diesem Beispiel Jungermann et al. (1998), S. 170. lo2 Vgl. zu diesen Beispielen von Nitzsch/Friedrich (1999), S. 20, Jungermann et al. (1998), S. 170. lO3 Vgl. S c h w a r z / B o h n e r (1990), S. 162 ff. lO4 Vgl. zu diesem Beispiel von Nitzsch/Friedrich (1999), S. 20. 32

Ged~chtnis gespeichert werden. 1~ Beispielsweise wird der Zusammenhang

zwischen

Haschischkonsum und StraffNligkeit tendenziell i~bersch~tzt. W~hrend das Bild eines Haschisch rauchenden Straft~ters aus einem Bericht eine leicht verffigbare Erinnerung darstellt, werden die drei weiteren Kombinationen der Merkmalsauspr~gungen (straff'fillige Person + kein Haschischkonsum, nicht straff'fillige Person + Haschischkonsum, nicht straffNlige Person + kein Haschischkonsum) tendenziell aul3er Acht gelassen bzw. ignoriert. Individuen, die diesem Bias unterliegen, weisen folglich eine Tendenz zur Bildung einer inusionfiren Korrelation (illusory correlation) auf. 106 Der unterstellte Zusammenhang zweier Ereignisse ist in Wirklichkeit nicht vorhanden, nicht in diesem Ausmal3 vorhanden oder die beiden Ereignisse sind sogar negativ korreliert. 1~

Eine Heuristik, die neben H~ufigkeits- und Wahrscheinlichkeitsschfitzungen bei den unterschiedlichsten Urteilsgegenstfinden von Bedeutung ist, stellt die V e r a n k e r u n g und Adjustierung (anchoring and adjustment) dar. Bei der Anwendung dieser Heuristik schfitzen Personen numerische Gr613en ein, indem sie von einem Richtwert (Anker) ausgehen, um eine erste Einsch~tzung des Problems vorzunehmen. In einem sich anschlieBenden fortlaufenden Prozess der Anpassung (Adjustierung), wird dieser Ausgangswert ver~ndert, um zu einem endgtiltigen Urteil zu gelangen. Da die Adjustierung typischerweise nicht vollstfindig erfolgt, kommt es zu Verzerrungen des Urteils in Richtung

auf den Ausgangswert. 1~ Um einen

Effekt im Sinne der Ankerheuristik nachzuweisen, liegen TVERSKYund KAHNEMANN in einem Versuch Probanden den prozentualen Anteil affikanischer Staaten an den Vereinten Nationen sch/~tzen. 1~ In den folgenden drei Schritten wurde im Weiteren vorgegangen: 1~~ 1. Schritt: 2. Schritt:

3. Schritt:

Mit Hilfe eines Glficksrades wurde per Zufall eine Zahl zwischen 0 und 100 ermittelt. Die Probanden wurden aufgefordert anzugeben, ob ihre Sch~tzung des Prozentsatzes der afrikanischen Staaten in der UNO fiber oder unter der Zufallszahl liegt. Danach sollten die Versuchsteilnehmer den konkreten Anteil dieser Staaten angeben.

105 Vgl. Tversky/Kahnemann (1973), S. 207 ff. 106 Vgl. Jungermann et al. (1998), S. 170. 107 Vgl. Klose (1994), S. 73. 10s Vgl. zu diesem Absatz Oehler (1995), S. 27. 109 Vgl. Tversky/Kahnemann (1974). 110 Die Beschreibung der Vorgehensweise lehnt sich an die deutschen lJbersetzungen des bekannten Experiments bei Klose und von Nitzsch /Friedrich an. Vgl. Klose (1994), S. 76, von Nitzsch /Friedrich (1999), S. 27. 33

Beobachtet wurde, dass bei hohen Werten der Zufallszahl die Sch~itzungen h6her ausfielen als bei niedrigen Werten der durch das Gliicksrad ermittelten Zahl. Bei einer Zufallszahl von 65 lag die mittlere Antwort beziiglich des Prozentanteils bei 45 %. Bei einem Zufallswert von zehn lagen die mittleren Sch~tzungen mit 25 % wesentlich niedriger. In diesem Beispiel kommt es zu einer Fehleinsch~tzung einer numerischen Gr~Jfle, da die Probanden die Zufallszahl als Anker ftir ihre Sch~itzung verwenden. JUNGERMANNET AL. sehen diesen Bias darin begrtindet, dass die Probanden unbewusst und intuitiv aufgrund fehlenden Wissens und der Nichtver~gbarkeit relevanter Informationen die Zufallszahl als Anker nutzen. 111

Mit Hilfe der Verankerungs- und Anpassungsheuristik lassen sich auch Ph~inomene der

Verzerrung yon Erinnerungen erkl~iren. Individuen, die sich nach der Bereitstellung der korrekten Information an ihre vormals abgegebene Sch~itzung erinnern sollen, neigen dazu, ihr Urteil, das sie vor der Bekanntgabe des Ergebnisses abgegeben haben, nicht korrekt zu erinnern. Sie verzerren systematisch ihr ,,erinnertes" individuelles Urteil in Richtung der korrekten Information. Die zur Verfiigung gestellte korrekte Information fungiert als Anker an den die Erinnerung angepasst wird. 112

Bei der Bildung von Szenarien kann es ebenfalls zu Verzerrungen in Richtung eines Ankers kommen. Fehlerhafte oder unzureiehende Vorstellungen fiber z.B. wirtschaftliche Prozesse oder 6konomische Erfolge k6nnen darin begrtindet liegen, dass vorab eine Beschreibung eines optimalen Szenarios unter bestm6glichen Bedingungen generiert wurde. Wird im Nachhinein versucht, ein Szenario zu erstellen, das suboptimale, aber realistische Bedingungen beinhaltet, wird das ,,Idealszenario" als Anker benutzt, so dass die mentale Simulation in Richtung dieses Ankers verzerrt wird.

Der Ankerheuristik kommt eine bemerkenswerte Stellung unter den Heuristiken zu, da sie nicht nur einen sehr robusten Effekt liefert, sondern Ankereffekte nicht nur auf die im obigen Beispiel beschriebene Anordnung beschr~inkt sind. Neben einfachen Wissensfragen oder Wahrscheinlichkeitsurteilen wurden auch auf den Gebieten der juristischen Urteilsbildung, auf dem Gebiet der Bildung von Verkaufspreisen und z.B. auch bei der Selbstbewertung das Auftreten von Ankereffekten untersucht und nachgewiesen. 1~3

111 Vgl. Jungermann et al. (1998), S. 171. 112 Vgl. zu diesen Phanomenen die Ausfiihrungen zu Riickschaufehler bzw. hindsight bias in Kapitel 2.1.2.1.4. 113 Vgl. Strack/Deutsch (2002), S. 366. 34

In der einschl~igigen Literatur findet sich in den Aufz~ihlungen von Heuristiken oft auch die Strategie der mentalen B u c h h a l t u n g (mental accounting). TM Die vorliegende Arbeit folgt diesem Verst~indnis v o n d e r geistigen Kontofiihrung als einem Mechanismus zur Reduktion der Komplexit~it von Entscheidungssituationen, weshalb dieses Ph~inomen im Anschluss an die oben aufgeftihrten Heuristiken dargestellt wird. Es soll an dieser Stelle jedoch Erw~ihnung finden, dass das mental accounting eine Sonderstellung besitzt, da dieses psychologische Ph~inomen weitergehende Konsequenzen ~ r das Entscheidungsverhalten hat und grundlegend far das Verst~indnis von weiteren Anomalien ist. 115 In die beschriebene Systematik, wie in Abbildung 2-1 dargestellt, ist das mental accounting nicht einordenbar.

Der von TVERSKY und KAHNEMANN 1981 eingeffihrte Begriff des mental accounting beschreibt das Ph~inomen der mentalen Kategorisierung von alternativen Optionen bzw. deren Konsequenzen. 116 Die Wirkungsweise dieser Form der Komplexitgtsreduziemng soll an folgendem vielzitierten Beispiel verdeutlicht werden: 117

Situation 1:

Stellen Sie sich vor, Sie haben sich zu einem Theaterbesuch entschlossen. Der Preis far eine Eintrittskarte betr~igt 50 C. Als Sie am Theater ankommen bemerken Sie, dass Sie einen 50 E-Schein aus Ihrem Portemonnaie verloren haben. Wtirden Sie dennoch die Eintrittskarte kaufen, wenn Sie noch genfigend Geld dabei haben?

Situation 2:

Stellen Sie sich vor, Sie haben sich zu einem Theaterbesuch entschlossen und haben eine Eintrittskarte ftir 50E gekauft. Als Sie am Theater ankommen bemerken Sie, dass Sie die Karte verloren haben. Wtirden Sie eine neue Karte kaufen?

In empirischen Untersuchungen wollten die meisten der Befragten in der zweiten Situation von einem Konzertbesuch absehen. In der ersten Situation dagegen, entschied sich die Mehrheit ffir den Kauf einer Eintrittskarte. Rein monet~ir unterscheiden sich die beiden F~ille nicht voneinander. In beiden Situationen wird die Person durch den Kauf einer Karte um 100 Euro/~rmer bzw. durch den Verzicht auf den Kauf einer Karte um 50 Euro ~irmer sein als zu Beginn der Geschehnisse. Auf dieser 6konomischen Basis gelingt es folglich nicht, eine 114 Vgl. z.B. von N i t z s c h / F r i e d r i c h (1999), S. 13 ff. 115 Vgl. von N i t z s c h / F r i e d r i c h (1999), S. 18. 116 Vgl. Tversky / Kahnemann (1981). 117 Die Beschreibung des von T v e r s k y / K a h n e m a n n entwickelten Experiments lehnt sich an die deutschen Ubersetzungen von Jungermann et al. und von Nitzsch / F r i e d r i c h an. Vgl. Jungermann et al. (1998), S. 74, von Nitzsch / Friedrich (1999), S. 17. 35

Begrfindung ffir die unterschiedlichen Pr~ferenzen der Probanden zu finden. Mit dem Konzept der mentalen Buchhaltung dagegen, k0nnen die Befunde auf der Basis einer Beschreibung t~ber die Art und Weise der kognitiven Representation des subjektiven Wertes von Konsequenzen erkl~rt werden. 1~8 Nach THALER weist die Pr~ferenzbildung bezfiglich der ersten Situation daraufhin, dass die Entscheider die Konsequenzen mental auf zwei unterschiedliche Konten aufteilen (Vorgang der Segregation). 119 Der Verlust des Geldscheins wird dem Konto ,,sonstiges Geldkonto" belastet, w~hrend das Konto ,,Theaterbesuch" noch v011ig unbelastet ist. Bei einer geistigen Gegenfiberstellung von ,,Soll und Haben" auf dem Konto ,,Theaterbesuch" steht der finanziellen Aufwendung ein positiver Wert mr Unterhaltung, Kunstgenuss, etc. gegenfiber. In der zweiten Situation kann die Pr~ferenzbildung dadurch erkl~rt werden, dass die Entscheider die Konsequenzen mental auf einem einzigen Konto zusammenfassen (Vorgang der Integration). In diesem Fall ist der Preis mr die Eintrittskarte schon auf dem Konto ,,Theaterbesuch" auf der ,,Sollseite" verbucht. Der Kauf einer weiteren Karte wfirde das Konto weiter belasten, so dass mental die doppelte Belastung von 100 Cder Habenseite gegenfibersteht. In diesem Fall reichen mental die Mittel nicht mehr ffir den Kauf einer Karte aus. 12~ Das empirisch gefundene Pr~ferenzmuster im Fall von Entscheidungssituation zwei verletzt die nutzentheoretische Annahme, dass jede Entscheidung sich nur am Erwartungswert der aktuellen Alternativen orientiert. Vielmehr liegt durch die mentale Aufsummierung von Verlusten eine Abh~ngigkeit der getroffenen Wahl von frfiheren Erlebnissen vor.

Das Konzept des mental accounting vermag empirisch gefundenes Entscheidungsverhalten zu erkl~iren, welches durch die subjektive Wahrnehmung yon Beziehungen zwischen Optionen bzw. ihren Konsequenzen beeinflusst wird. Der herk6mmliche 6konomische Ansatz versagt in diesem Fall, da er allein die Konsequenzen fokussiert. Hieraus wird deutlich, dass kognitive Prozesse sowie die Strukturen der mentalen Reprgsentation des subjektiven Werts von Konsequenzen entscheidend fiir die Ausbildung yon Pr~iferenzen sind. TM

Zusammenfassend soll festgehalten werden, dass sich Personen in einer Unsicherheitssituation der Repr~isentativit~its- und der Verankerungsheuristik bedienen, um zu einer schnellen Urteilsfindung zu gelangen. Die Anwendung der Verffigbarkeitsheuristik und der Strategie des mental accounting ffihren zu einer Reduzierung der Komplexit~t des Entscheidungs118 Vgl. Jungermann et al. (1998), S. 75. 119 Vgl. Thaler (1985), S. 199 ff. 12o Vgl. Jungermann et al. (1998), S. 76, von Nitzsch/Friedrich (1999), S. 17. 121 Vgl.Jungermann et al. (1998), S. 75. 36

problems. Da ein heuristisches Urteil nicht auf Basis eines Optimalit~it des Ergebnisses gew~ihrleistenden Algorithmus entsteht, kann es zu systematischen Fehlern kommen und somit zu einem suboptimalen Ergebnis. 122 Die eigentliche Gefahr der Heuristiken besteht jedoch darin, dass ihre Anwendung tiberwiegend unbewusst erfolgt. Werden die hinter diesen Heuristiken stehenden Prozesse hingegen transparent gemacht, gewinnen Entscheider die MOglichkeit, den urteilsverzerrenden Wirkungen bewusst entgegenzutreten und sie gegebenenfalls zu neutralisieren. 123

2.1.2.1.4 Anomalien bei der Revision von Wahrscheinlichkeitsurteilen

Die intuitive statistische Kompetenz von Entscheidungstr~igern kann unter zwei Teilaspekten betrachtet werden. Zum einen kOnnen eher statische, zum anderen eher dynamische Aspekte bei der Formulierung von Wahrscheinlichkeiten fokussiert werden. Im ersten Fall handelt es sich um Entscheidungsprobleme, die dem Entscheider abverlangen, ein a priori-Urteil z.B. in Form von Wahrscheinlichkeiten, Einsch~itzungen, Zuordnungen, Kontingenzen etc. abzuleiten. Dieses Themengebiet wurde soeben in den oben beschriebenen Aus~hrungen zu Heuristiken behandelt. Im zweiten Fall k6nnen Aufgabenstellungen beleuchtet werden, die die Ziehung probabilistischer Rtickschltisse und die Revision von Urteilen betreffen. Im Kem handelt es sich dabei um einen Typus von Entscheidungsproblemen, bei denen dem Entscheidungstr~iger die l]ber~hmng von a priori-Wahrscheinlichkeiten zu a posteriori-Wahrscheinlichkeiten bei Zugabe neuer Informationen obliegt. Im Folgenden werden drei Effekte skizziert, die fehlerhafte Tendenzen des Wahrscheinlichkeitslernens thematisieren.

Den Annahmen der 6konomischen Theorie zufolge passen Entscheidungstr~iger ihre Wahrscheinlichkeitsurteile gem~iB dem Bayes-Theorem an. 124 Empirische Forschungen belegen jedoch, dass Individuen ihre Wahrscheinlichkeitsurteile bei Zugabe neuer Informationen nicht immer auf die von diesem Theorem beschriebene Art und Weise revidieren. 125 Ein Beispiel fiir Urteilsverhalten, das nicht der korrekten Anwendung des Bayes-Theorems entspricht, ist

122 Vgl. Jungermann et al. (1998), S. 166 f. 123 Vgl. von Nitzsch/Friedrich (1999), S. 14. 124 Das Bayes-Theorem ist nach dem britischen Geistlichen und Mathematiker Thomas Bayes benannt, der diesen Ansatz im 18. Jahrhundert begrtindete. Zu einer ausf~hrlichen Darstellung dieser Regel zur Kombination von Wahrscheinlichkeitenbzw. zum bayesianischenWahrscheinlichkeitslernenvgl. z.B. Baron (1994), S. 203 ff., Eisenfi~hr/ Weber (2003), S. 169 ff. 225 Vgl. Jungermann et al. (1998), S. 165.

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der Konservatismuseffekt (conservatism effect). Hierbei beharren die Entscheider auf ihren a priori-Wahrscheinlichkeiten bzw. passen diese nur unzureichend an, wobei neu eingehende Informationen eine Minderbewertung erfahren. Eine typische Formulierung mr ein Entscheidungsexperiment, mit der sich diese Anomalie nachweisen l~isst, lautet folgendermaBen: 126

Es seien zwei Urnen mit je 100 Kugeln gegeben. Urne A enth~ilt 70 rote und 30 blaue Kugeln, Urne B enth~ilt 30 rote und 70 blaue Kugeln. Es erfolgt eine zuf'~illige Auswahl einer Urne per Miinzwurf mit p = 0,5. Bei einer Stichprobe werden 12 Kugeln mit Zuriicklegen gezogen, mit dem Ergebnis, dass 8 rote und 4 blaue Kugeln vorliegen. Aufgabenstellung: Geben Sie die revidierte Wahrscheinlichkeit dafiir an, dass die Kugeln aus Urne A oder abet aus Urne B gezogen wurden. Zumeist geben die Versuchspersonen einen Befund ab, der folgendermaBen aussieht: p(Urne A liegt vor) liegt zwischen 0,7 und 0,8. Der theoretische, mit dem Bayes-Theorem ermittelte Wert, liegt dagegen bei 0,964. Die Versuchspersonen verharren zu sehr an der zu ausgangs gegebenen Information von p = 0,5. Die neu eingehenden Informationen erfahren eine Minderbewertung, so dass eine Differenz zwischen theoretischem Wert und gesch~itztem, d.h. subjektivem Wert auftritt, die als Konservatismuseffekt bezeichnet wird. An dieser Stelle soll jedoch Erw~ihnung finden, dass hier gleichzeitig ein allgemeineres Ph~inomen greift, demzufolge Entscheidungstr/iger extreme Wahrseheinliehkeiten meiden; in diesem Fall liegt mit p = 0,964 ein Wert sehr nahe an p = 1 vor.

In experimentellen Untersuchungen wurde verzeichnet, dass Probanden, die eine a prioriWahrscheinlichkeit gebildet haben insbesondere dann einen Beharrungseffekt aufweisen, wenn ihnen laufend viele einzelne neue Informationen gegeben werden. Daher ist der Konservatismuseffekt im Sinne eines ,,Beharren auf bestehenden Informationen mit ungen~gender Anpassung" zu verstehen. 127

Der Flueh des Wissens (curse of knowledge) bezeichnet eine Anomalie, bei der ein Entscheidungstr~ger sich nach dem Eintreten eines unsicheren Ereignisses nicht mehr korrekt vorstellen kann, was er vor dem Eintreten des Ereignisses gedacht oder erwartet hat. Bedingt durch das Wissen um die tats~ichliche Auspr~igung einer Zufallsvariablen entsteht eine Verzer126 Dieses auf Edwards zu~ckgehende Experiment ist in einer deutschen Version nach Klose widergegeben. Vgl. Edwards (1968), S. 20f., Klose (1994), S. 77f. Zu einer ausfiihrlicheren Beschreibung und ErkRirung des Konservatismuseffekts anhand dieses Experiments vgl. Klose (1992), S. 600ff. 12v Vgl. Klose (1994), S. 80 und die dort angegebene Literatur, sowie Jungermann et al. (1998), S. 165. 38

rung der a posteriori-Einsch~itzung der ursprtinglichen Meinung in Richtung zum tats~ichlichen Ereignis hin. 128 Voraussetzung ffir das Auftreten des ,,Fluch des Wissens"-Effekts ist eine Situation der Unsicherheit, die darin besteht, dass der Entscheidungstr~iger sich nicht mehr genau an die urspriingliche Sch~itzung erinnern kann, weil er sie vergessen oder verdr~ingt hat. 129 Folgendes Beispiel dient zur Veranschaulichung dieser Anomalie:

Auf die Frage nach der Einwohnerzahl von Simbabwe wird jemand, der nicht gerade tiber Expertenwissen auf diesem Gebiet ver~gt, diesbeztiglich eine Sch~itzung abgeben. Angenommen die gesch~itzte Bev6lkerungszahl wird mit 7 Millionen angegeben. Einen Monat sp~iter bekommt der Proband die korrekte Einwohnerzahl von rund 12 Millionen 13~ mitgeteilt. Nach seiner ursprtinglichen Sch~itzung von vor einem Monat befragt, versucht er sich jetzt zu erinnern, was er damals wohl gesch~itzt haben dtirfte. Aufgrund der systematischen Verzerrung seiner Erinnerung in Richtung der dargebotenen korrekten Information wird der Proband das a priori-Urteil nicht korrekt reproduzieren k6nnen. Die reelle Zahl aus der a posteriori-Sch~itzung wird tiber dem Wert aus der a priori-Sch~itzung, aber unter der tats~ichlichen Einwohnerzahl liegen. H~itte die erste Befragung einen Sch~itzwert ergeben, der die korrekte Bev61kerungszahl tibertroffen hatte, wtirde die Versuchsperson im Nachhinein einen Wert angeben, der kleiner als der der ursprtinglichen Sch~itzung ist, aber den Wert aus der gegebenen Information nicht unterschreitet.

Einen Spezialfall des Fluch des Wissens stellt nach Auffassung von WEBER der RiickschauFehler (hindsight bias) dar. Manche Autoren trennen dagegen nicht zwischen diesen beiden Ph~inomenen, sondern verwenden die Begriffe synonym. TM Den beiden Bias ist gemein, dass der Entscheider im Nachhinein glaubt, die Realisation einer Zufallsvariable vorhergesagt zu haben. Dabei wird dieses a posteriori-Urteil in Richtung eben dieser Realisation der Zufallsvariablen hin verzerrt. 132 Gegenstand der Einsch~itzung beim Fluch des Wissens ist eine Zufallsvariable, deren Ergebnisse in reellen Zahlen gemessen werden k6nnen. Im Fall des hindsight bias werden die Individuen betreffend einer Zufallsvariable explizit nach Eintreffenswahrscheinlichkeiten fiir dieses Ereignis befragt. Folglich handelt es sich in diesem speziellen Fall beim Gegenstand der systematischen Verzerrung durch das eingetretene

128 Vgl. Weber (1990), S. 190. 129 Vgl. Klose (1994), S. 92. 130 Nach Angaben des Ausw~irtigen Amts liegt die Bev61kerungszahl von Simbabwe bei 11,6 Millionen Einwohnern. Diese Angabe repr~isentiert das tats~ichliche Ergebnis des Jahres 2003. Vgl. Ausw~irtiges Amt (2005). ~31 Vgl. Weber (1990), S. 191 sowie die dort angegebene Literatur. 132 Vgl. Weber (1990), S. 52 f. u. 190 f.

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Ereignis um die a posteriori-Einsch/itzung der a priori-Eintreffenswahrscheinlichkeit far das betreffende Ereignis. Der Rtickschaufehler kann an folgendem Beispiel illustriert werden: Gegeben sei die Situation, dass am morgigen Tag (tl) ein Ful3ballspiel zwischen der Mannschaft von Ful3ballverein A und dem Team von FuBballverein B stattfindet. Wird am heutigen Tag (to) ein Ful3ballexperte nach seiner Prognose far den Ausgang dieses Spiels befragt, wird er z.B. eine Gewinnwahrscheinlichkeit p0 far Mannschaft A abgeben. Nach dem Ausgang des Ful3ballspiels am n/~chsten Tag wird dieser Experte nach seiner ursprtinglichen Wahrscheinlichkeitssch/itzung befragt, wobei ihm eine Belohnung far eine exakte Angabe zugesagt wird. Gem/if3 dem hindsight tendiert der Befragte in der Regel dazu, ein zu grol3es P0 anzugeben, wenn Ful3ballmannschaft A gewonnen hat, bzw. ein zu kleines P0, wenn diese Mannschaft verloren hat. Der Fluch des Wissens und der Rt~ckschaufehler k6nnen sowohl intra- als auch interpersonelle Verzerrungen umfassen. Bezogen auf ein Individuum ist dessen verzerrte Sicht der Vergangenheit im Sinne einer zu

positiven Beurteilung des eigenen UrteilsvermOgens zu

verstehen. Aus dieser Perspektive werden die beiden Bias auch als ,,ich habe es ja schon immer gewusst"-Effekt (,,knew it all along"-effect) bezeichnet. 133 Auf lange Sicht fahren diese Ph/~nomene zu einer zu grogen Selbstsicherheit des Individuums (overconfidence), so dass Lemprozesse beim Entscheider gest6rt werden. TM Vor dem Hintergrund interindividueller Auswirkungen der beiden Bias ist vor allem auf die Fehleinsch/~tzung besser informierter Personen beztiglich der Urteile anderer, schlechter informierter Personen hinzuweisen. Dieser Aspekt wird zum Beispiel hinsichtlich der Ergebnisqualit/~t der Delphi-Methode als Kritikpunkt ange~hrt. Da dieses Prognoseverfahren auf einer Expertenbefragung basiert, kann das aus diesem Verfahren erhaltene Urteil eine verzerrte Sch/~tzung der Erwartungen schlechter informierter Marktteilnehmer darstellen. 135

Eine Erklgmng far den Fluch des Wissens kann anhand der Verankerungs- und Anpassungsheuristik gefunden werden. Die a priori-Schgtzung wird im Nachhinein in Richtung der als Anker fungierenden zusgtzlichen Information hin verzerrt. 136

133 Vgl. Weber (1990), S. 53. 134 Vgl. Oehler (1995), S. 37, Weber (1990), S. 193ff. 135 Vgl. Oehler (1995), S. 37f. 136 Vgl. Jungermann et al. (1998), S. 172. 40

2.1.2.1.5 Anomalien als implizite Annahmen der Nutzenfunktion

In den obigen Ausfiihmngen wurde die intuitive statistische Kompetenz von Entscheidungstriigem als potentieller Ansatzpunkt

t'~Jr das Auftreten yon Entscheidungsanomalien

dargestellt. Im folgenden Abschnitt wird ein zweiter Aspekt, der die Vorentscheidungskompetenz von Entscheidungstrggem betrifft, beleuchtet. Im Bereich von Nutzenurteilen konnten mehrere Effekte empirisch nachgewiesen werden, die im Widerspruch zu indirekten Aspekten der Erwartungsnutzentheorie und insbesondere der hierin getroffenen impliziten Annahmen der verwendeten Nutzenfunktion stehen. Diese Gruppe von Anomalien ist im Wesentlichen dadurch zu charakterisieren, dass die von ihnen beschriebenen Verhaltensweisen im Widerspruch zur 6konomischen Annahme stehen, derzufolge Entscheidungstr~iger allein die Konsequenzen der Wahl der Alternativen bewerten.

Beim sog. Effekt der Versunkenen Kosten (sunk-cost-effect) berficksichtigen Entscheider vergangene und nicht mehr ~ckggngig zu machende, d.h. versunkene Kosten in ihrem Entscheidungskalkt~l. 137 Folgendes Szenario diene zur Illustration dieser Anomalie:

Ein Mann ist Mitglied in einem Golfclub. Obwohl er manches Mal denkt, dass er gerade heute etwas besseres unternehmen k6nnte als zum Golfspielen zu gehen, und er zudem noch Beschwerden in den Gelenken hat, geht er trotzdem zum Spielen aufs "Green', weil er ja einen hohen Jahresbeitrag bezahlt hat.

Selbst wenn dem Mann aus diesem Beispiel bewusst ist, dass es sinnvoller w~re, nicht zum Golfen zu gehen, um sich die Gelenkschmerzen beim Aust~ben des Sportes zu ersparen oder die Zeit besser zu nutzen, wird er sich dennoch dafiJr entscheiden, zum Golfen zu gehen, weil er bereits den Jahresbeitrag investiert hat. Abstrakter formuliert weist ein Entscheider, der dem sunk-cost-effect unterliegt, die Neigung auf, ein Engagement, das sich im Verlust befindet, nicht zu beenden, wenn in dieses bereits sunk costs geflossen sind. 138 Die sunk costs sind dabei nicht nur monet~irer Art, sondern auch Zeit oder M~he k6nnen als Kosten angesehen werden, die in ein bestimmtes Projekt investiert wurden und nicht mehr rackg~ingig zu machen sind. Eine m6gliche Erkl~mng ffir dieses paradoxe Verhalten liegt darin, das Festhalten an nicht mehr lohnenswerten Investitionsobjekten als Rechtfertigung einer frfiheren

137 Zum sunk-cost-effectvgl. z.B. A r k e s / B l u m e r (1985), Thaler (1980), (1985) u. (1991). 138 Vgl. die Ausfahrungen von von N i t z s c h / F r i e d r i e h (1999), S. 47 ft. 41

Entscheidung anzusehen, oder auch als Versuch des Entscheiders, nicht als Verschwender dazustehen und die bereits getgtigten Ausgaben zu rechtfertigen. 139

Der Besitztumseffekt (endowment effect) wird von THALER beschrieben als das Ph~inomen der Diskrepanz von Kauf- und Verkaufspreisen far ein und dasselbe Gut. ~4~Die von Entscheidem angegebene Zahlungsbereitschaft (willingness to pay) liegt unterhalb des Preises, der als Verkaufspreis (willingness to accept) far eben dieses Gut akzeptiert wird. ~41 Zur Illustration des Besitztumseffekts diene das folgende Beispiel: 142

Ein Mann hat eine Kiste guten Wein far ca. 5 C pro Flasche gekauft und in seinem Weinkeller eingelagert. Einige Jahre spgter macht ihm sein Weinhgndler das Angebot, den Wein zu einem Preis von 100 t~ pro Flasche zu~ckzukaufen. Der Mann hat selbst noch nie mehr als 35 E far eine Flasche Wein ausgegeben. Dennoch ist er nicht bereit, auf das Kaufangebot des Hgndlers einzugehen.

An der hier beschriebenen Verhaltensweise wird deutlich, dass Besitzer bzw. Verk~iufer eines Guts dessen Wert tibersch~itzen, weil sie auch ihre pers6nliche Bindung oder GewOhnung an das Gut in dessen Bewertung mit einflief3en lassen.

TVERSKY und KAHNEMANN interpretieren das Entscheidungsverhalten, das dem Besitztumseffekt unterliegt dahingehend, dass Entscheider G~iter nicht absolut, sondem beziiglich eines Referenzpunkts beurteilen. 143 Beispielsweise kann far den Weinbesitzer aus dem obigen Beispiel, der sich in der Rolle des Verk~iufers befindet, die potentielle Abgabe des Weins ein Verlust im Vergleich zur gegebenen Situation darstellen. Der Weinh~indler, der in dieser Situation die Rolle des Kgufers t~bernimmt, sieht den potentiellen Erwerb der Weinflaschen als einen Gewinn an, im Vergleich zu seinem Status quo. Der Wein ist letztlich far den potentiellen Verk~iufer wertvoller als far den potentiellen Kgufer, da die beiden Personen einen unterschiedlichen Status quo besitzen, an dem sie sich als Referenzpunkt far ihre Bewertung orientieren. Dieses unterschiedliche Entscheidungsverhalten far Gewinne und 139Vgl. Arkes (1993), S. 6 f. Vgl. zu einer dissonanztheoretischen Erkl~rung des sunk-cost-effects Schulz-Hardt (1997), S. 67 f. u. S. 105 f. Eine Erkl~rung des sunk-cost-effects auf Basis der in der Prospect-Theorie verwendeten Wertefunktion liefert Thaler (1980). 140 Vgl. Thaler (1980). 141 Vgl. Oehler (1995), S. 33. 142 Das Beispiel lehnt sich an die deutsche 121bersetzungeines von Thaler erdachten Szenarios bei Haug an. Vgl. Haug, (1998), S. 137. 143 Vgl. Tversky/Kahnemann (1991). 42

Verluste abh~ingig von einem Referenzpunkt kann von der klassischen Nutzentheorie nicht abgebildet werden, da sie annahmegem~ig keinen Referenzpunkt zul/isst. 144

Als weiterer Grund far das Auseinanderfallen von Kauf- und Verkaufspreisen wird der

Opportunit~itskosteneffekt (opportunity cost effect) angesehen. ~45 Bei diesem Effekt unterscheidet der Entscheidungstr~iger Opportunit~itskosten von direkten Kosten (,,out-ofpocket-costs" = Bargeldauszahlungen) und bewertet letztere bei gleicher H6he systematisch st~irker. 146 Der entgangene Gewinn aus dem Verkauf der Weinflaschen im oben genannten Beispiel wird niedriger bewertet als der reale Verlust, der beim Kauf eines Guts vergleichbarer Qualit~it durch Zahlung des Kaufpreises anfallen wiirde.

2.1.2.1.6 Anomalien als explizite Verlaufsdeterminanten der Nutzenfunktion Der konkave Verlauf der Nutzenfunktion, der gleichbedeutend ist mit der indirekten Rationalit~itsannahme der Risikoaversion, ist Quelle einer weiteren Gruppe empirisch gefundener Anomalien. Eine Verletzung dieser Annahme besteht z.B. im Referenzpunkt-

Effekt (reference point effect). 147 Im Falle dieser Anomalie werden Gewinne und Verluste nicht absolut, sondern relativ zu einem Referenzpunkt bewertet. Der Referenzpunkt stellt keinesfalls einen objektiven Nullpunkt in dem Sinne dar, dass Verluste und Gewinne vom absoluten Betrag eines Guts abh~ingen. Vielmehr k6nnen Ereignisse oder Handlungskonsequenzen mental als Gewinne (Verluste) kodiert werden, wenn rein rechnerisch noch kein echter Gewinn (Verlust) vorliegt. Zur Verdeutlichung dient das folgende Beispiel: 148 Ein Mann hat einen bestimmten Betrag in Aktien investiert. Nach Jahresende verspricht ihm sein Depotverwalter bei der Bank einen Gewinn von 1.000 tF, eine normale wirtschaftliche Entwicklung vorausgesetzt. Erzielt der Mann am Ende des Jahres einen Betrag, der 1.000 t~ tibersteigt, wird er ihn als angenehmen Gewinn wahmehmen. Jeden Betrag, der unter 1.000 t~ liegt, wird er jedoch als unerfreulichen Verlust ansehen, obwohl rein rechnerisch kein echter Verlust vorliegt; vielmehr geht mit jedem positiven Geldbetrag immer noch eine positive Rendite aus der Geldanlage hervor.

144 Grundlegend far das Verstandnis des Besitzmmseffekts ist die Annahme fiber die Existenz je eines mental account far ,,Gut" und ,,Geld". Siehe diesbeziiglich erkl~rend die Ausfahrungen von yon Nitzsch /Friedrich (1999), S. 75 f. 145 Vgl. Oehler (1995), S. 34. 146 Vgl. yon Nitzsch/Friedrich (1999), S. 78. ~47 Vgl. Markowitz (1955), Kahnemann / Tversky (1979). 148 Das dargestellte Beispiel lehnt sich an Ausfahrungen von Jungermann et al. (1998), S. 65 an. 43

Im beschriebenen Beispiel dient ein bestimmtes Gewinn- bzw. Renditeziel als Referenzpunkt. Es sind aber auch andere Determinanten ffir den Bezugspunkt denkbar. Z.B. wurde zur Erkl~irung des Besitztumseffekts in den obigen Aus~hrungen ein Referenzpunkteffekt genannt, bei dem der jeweilige Status quo von K~iufer/Verk~iufer den Referenzpunkt darstellt, d.h. es liegt eine Gleichsetzung von Bezugspunkt und aktueller Verm6genssituation des Entscheidungstr~igers vor.

Den Bezug der Nutzen- bzw. Wertfunktion 149 auf einen individuellen Referenzpunkt vertieften KAHNEMANNund TVERSKY theoretisch in der Prospect-Theorie. ~5~Die Autoren gehen davon aus, dass Individuen Ergebnisse relativ bewerten, wobei der Referenzpunkt den neutralen Punkt in der Bewertung darstellt. Werte, die oberhalb dieses Bezugspunktes liegen, werden als relative Gewinne kodiert, Werte darunter als relative Verluste; Ergebnisse, die genau auf der H6he des Referenzpunkts liegen, stellen neutrale Ergebnisse dar. TM Ausgehend vom Bezugspunkt liegt eine abnehmende Sensitivit~it der Bewertung vor, so dass die Wertfunktion im Gewinnbereich (rechts vom Bezugspunkt) konkav und im Verlustbereich (links vom Bezugspunkt) konvex ist. Die abnehmende Sensitivit~it mit zunehmender Entfernung vom Referenzpunkt im Gewinnbereich entspricht der Idee des abnehmenden Grenznutzens im Erwartungsnutzenmodell. Im Verlustbereich ist dagegen ein zunehmender Grenznutzen bis zum Referenzpunkt hin zu verzeichnen. Neben diesem konvex-konkaven Verlauf weist die Wertfunktion nach KAHNEMANNund TVERSKY noch eine weitere Besonderheit auf. Die Autoren postulieren ftir den Verlustbereich einen steileren Verlauf der Funktion als ffir den Gewinnbereich und tragen somit dem von ihnen empirisch gefundenen Ph~nomen der Verlustaversion (loss aversion) Rechnung. ~52 Entscheidungstr~iger, die dieser Anomalie unterliegen, bewerten Verluste st~irker als Gewinne gleicher H6he. Vor diesem Hintergrund gelingt auch eine Erkl~irung des Besitztumseffekts. Ffir den Besitzer der Weinflaschen aus dem oben aufgeffihrten Beispiel wiegt der Verlust der Weinflaschen, die einen objektiven Marktwert von 100 C pro Flasche aufweisen schwerer, als der Gewinn, den er durch den Verkauf

des

Weins

erzielen

wtirde.

Abbildung

2-2

zeigt

die

Wertfunktion,

die

KAHNEMANN und TVERSKY in der von ihnen entwickelten Prospect-Theorie verwenden und

mit der sich z.B. Verlustaversion, Referenzpunkt- und Besitztumseffekt abbilden lassen. 149 Kahnemann / Tversky sprechen von einer Wertfunktion, da in ihrer Theorie eine Beziehung zwischen subjektivem Wert und objektivem (Geld-)Wertvon Gt~ternpostuliert wird. 150 Vgl. Kahnemann/Tversky (1979). 151 Vgl. von Nitzsch/Friedrich (1999), S. 41. 152 Vgl. Kahnemann / Tversky (1979), Tversky /Kahnemann (1991). Oehler weist daraufhin, dass es genauer ,,aversion to loss realization" heif3enmtisste. Vgl. Oehler (1995), S. 30. 44

Wert

]

P (x -X y X

Verluste [

I Oewinne I

P I-x)

Abbildung 2-2." Das Modell von Kahnemann und Tversky (Prospect-Theorie).

Quelle:

In Anlehnung an Jungermann et al. (1998), S. 65 und Herrmann et al. (1997), S. 283.

Die in der soeben beschriebenen Verlustaversion offenbarte Asymmetrie in der Bewertung von Gewinnen und Verlusten kann nicht durch die relative Bewertung erkl~irt werden. Sowohl im Verlust- als auch im Gewinnbereich liegt mit zunehmendem Abstand vom Referenzpunkt eine abnehmende Sensitivit~it der Bewertung vor. 153 Erst auf Basis der Dissonanztheorie, die in Abschnitt 2.2.1 ausffihrlich behandelt wird, wird die beschriebene Asymmetrie erkl~irbar. Dieser Ansatz postuliert im Verlustbereich zus~itzlich anfallende (psychologische) Kosten, die durch das Auftreten einer Dissonanz entstehen. Im Gewinnbereich dagegen liegt Konsonanz vor, die keine zus~itzlichen Kosten verursacht. Daher wird ein Verlust h6her bewertet als ein Gewinn. 154 EISENFOHR und WEBER merken an, dass Verlustaversion die Abhangigkeit der Entscheidung von der Darstellungsart (framing) der Konsequenzen impliziert. 155

Den Begriff der ,,loss aversion" betreffend weist OEHLER darauf hin, dass es genauer ,,aversion to loss realization" heiBen mt~sste. 156 Die Verwendung dieses Begriffs wird vor allem dann sinnvoll, wie im Folgenden gezeigt wird, wenn Verlustaversion vom Effekt der Bedauernsaversion (regret aversion, regret avoidance) abgegrenzt werden soil. Diese Anomalie beschreibt die Abneigung von Menschen, die getroffene Entscheidung im Nach153 Vgl. von Nitzsch/Friedrich (1999), S. 73. 154 Vgl. zu einer ausfiihrlichenErkl~irungAbschnitt 2.2.1. 155 Vgl. Eisenfiihr/Weber (2003), S. 372. Die Kodierung der Konsequenzen als Gewinne bzw. Verluste wurde bereits irn Abschnitt zu den Pr~isentationseffektenbeschrieben, vgl. Abschnitt 2.1.2.1.1. (b). 156 Vgl. Oehler (1995), S. 30.

45

hinein bedauern zu mtissen. 157 Das Geffihl des Bedauerns, das aus einem Vergleich mit den m6glichen Ausg~ingen der anderen ausgeschlagenen Optionen stammt, wird gedanklich vorweggenommen. Diese Antizipation modifiziert entsprechend die Bewertung der Konsequenzen. Ergebnisse empirischer Untersuchungen belegen, dass das m6gliche Bedauern fiber eine falsche Entscheidung hOher bewertet wird als die mOgliche Freude tiber eine richtige (zielgerechte) Entscheidung. Eine dahinter stehende Risikonutzenfunktion eines Entscheiders verl~iuft im Verlustbereich steiler als im Gewinnbereich. Hierin zeigt sich die enge Verbundenheit dieses Ph~nomens mit oben genannter loss aversion. Der entscheidende Unterschied zwischen loss aversion und regret aversion wird erst mit Uberlegungen auf Basis des mental accounting deutlich. Angenommen werden zwei Kontotypen, einmal die ,,zahlungswirksamen" mental accounts fiir tats~ichlich flieBende Geldgr6Ben und einmal die mental accounts ,,nicht zahlungswirksam" f-fir Zahlungen, die sich ergeben h~itten, w~ire eine Entscheidung nicht getroffen worden. Zahlungen in letztgenanntem Konto beeinflussen den tats~ichlichen Verm6gensstand nicht. W~ihrend sich die loss aversion auf die Verluste in zahlungswirksamen Konten bezieht, betrifft regret aversion entgangene Gewinne in nichtzahlungswirksamen Konten. 158 Aufgrund dieser 10berlegungen wird der von Oehler vorgeschlagene Begriff der ,,aversion to loss realization" verst~ndlich.

Die Anomalie des Regret kann in ganz unterschiedlichen Erscheinungsformen Gestalt annehmen. Z.B. kann das Allais-Paradox (II) auf Basis eines Regret-Verhaltens erkl~irt werden. Das yon dem franz6sischen Okonom MAU~CE ALLAIS bereits 1953 beschriebene Paradoxon wird anhand des folgenden Wahlbeispiels illustriert: 159

Welche der nachfolgenden Optionen wtirden Sie w~ihlen? Spiel 1: a Gewinn von 4.000 Emit einer Wahrscheinlichkeit von p - 0,8,

Spiel 2:

b c d

andemfalls nichts sicherer Gewinn von 3.000 C (p = 1) Gewinn von 4.000 C mit einer Wahrscheinlichkeit von p - 0,2, andemfalls nichts Gewinn von 3.000 ~ mit einer Wahrscheinlichkeit von p = 0,25, andemfalls nichts

157 Vgl. Loomes/Sudgen (1982, 1987). 158Vgl. von Nitzsche/Friedrich (1999), S. 76 ff. 159 Vgl. Allais (1953) sowie ins deutsche tibersetzte Darstellungen bei Jungermann et al. (1998), S. 221, EisenJ~hr/Weber (2003), S. 359 f. Allais hat mehrere Beispiele definiert, in denen Entscheider gegen das Unabh~ingigkeitsaxiom verstoBen. Allein das zweite dieser Serie von Paradoxa stellt einen Fall ffir einen regretorientierten L6sungsversuch dar. 46

Die meisten Entscheider w~ihlen im ersten Spiel Option b und pr~iferieren im zweiten Spiel Option c. Dieses Verhalten ist aber nicht konsistent im Sinne der Erwartungsnutzentheorie. Es verst613t gegen das Transitivit~itsaxiom. Ein Entscheider, der c der Option d vorzieht, miisste auch a der Option b vorziehen. Im umgekehrten Fall w~ire es konsistent, d der Option c vorzuziehen, wenn b d e r Option a vorgezogen wird. Die Begriindung hierfor liegt darin, dass die Art der Transformation, wie hier im Fall der beiden Spielsituationen vorgenommen, definitionsgem~if3 nichts an den Pr~iferenzen des Entscheiders ~indem darf. Die Optionen c und d sind lediglich aus den Optionen a und b konstruiert, indem die Gewinnwahrscheinlichkeit in beiden F~illen mit dem Faktor 88 multipliziert wurde. Mit anderen Worten wurden beide Alternativen der ersten Wahlsituation mit derselben und somit irrelevanten dritten Alternative e (= 0 Euro, 1) verkntipft, so dass gilt c = 0,25 a + 0,75 e und d = 0,25 b + 0,75 e.

Die Begrtindung for die Inkonsistenz der Entscheidung sieht RAPOPORT im Konzept des Regret. 16~Ffir den Fall, dass in Wahlsituation 1 Option a gew/~hlt und nichts gewonnen wird, liegt starker Regret vor, da die Chance eines sicheren Gewinnes yon 3.000 E einfach weggeworfen wurde. Es ist dieses antizipierte Regret, das Alternative b attraktiver macht als Alternative a. In Wahlsituation 2 dagegen liegt for den Fall, dass c gew~hlt und nichts gewonnen wird, kein starker Regret vor, da die Wahrscheinlichkeit 3.000 E zu gewinnen in Option d sehr klein ist. Daher besitzt die Alternative d nicht die zus~itzliche Attraktivit~R yon Option b, die im antizipierten Regret liegt. In diesem Fall sind beide Gewinne riskant und die Alternative mit dem h6heren Gewinnbetrag wird bevorzugt.

Des Weiteren stellt die Wahl von b bei gleichzeitiger Pr~iferenz von c nach der klassischen 6konomischen Theorie argumentiert eine Entscheidung in Spiel 1 for die Option mit dem niedrigeren Erwartungswert und in Spiel 2 for die Option mit dem h6heren Erwartungswert dar; was ebenfalls ffir nicht-konsistente Pr~iferenzen spricht. Die Alternative b enth~ilt jedoch einen psychologischen Nutzen, der durch eine Erwartungsnutzenberechnung nicht erfasst werden kann: die Aussicht, einen sicheren, garantierten Gewinn zu erhalten und nicht einfach daran vorbeigegangen zu sein. Im Vergleich zu Alternative a bewahrt sich der Entscheider durch die Wahl von Alternative b vor der M6glichkeit, einen sicheren Gewinn verschenkt zu haben. Antizipiert ein Entscheider das Gefohl des Bedauerns bei seiner Wahl, bewirkt dies eine Modifikation der Bewertung der Konsequenzen.

47

Das Ph~inomen des regret avoidance kann sich auch derart auswirken, dass Entscheider bestrebt sind, Bedauem tiber eine nach Eintritt des Ergebnisses als fehlerhaft eingestufte Entscheidung dadurch zu vermeiden, dass der potentielle Verlust nicht realisiert wird. Dies ~hrt dazu, dass eine Unt~itigkeit bzw. Passivit~it einer Aktivit~it vorgezogen wird. 161 Ein Beispiel hierf0r ist ein Anleger, der eine Aktie gekauft hat, die eine lange Zeit keine Kursbewegung erfahren hat. Obwohl er mehrfach mit dem Gedanken gespielt hat, das Papier zu verkaufen und auch mehrfach den Rat zu verkaufen erhalten hat, stOBt er das Wertpapier nicht ab. Allein die Vorstellung davon, wie sehr der Anleger sich ~irgern wtirde, wenn es kurz nach dem Verkauf der Aktie doch zu dem von ihm schon seit Jahren erwarteten Kurssprung kommen wtirde, bewegt ihn dazu, die Aktie erneut zu behalten. Die antizipierte regret aversion veranlasst den Entscheidungstr~iger dazu, nicht zu verkaufen und seinen Status quo zu behalten. Bezogen auf das Konzept des mental accounting ist die regret aversion bezogen auf den entgangenen Gewinn in einem nicht-zahlungswirksamen mental account zu einem Zeitpunkt, da dieser noch nicht einmal realisiert wurde.

Ein weiteres Beispiel einer Anomalie, die einen regretorientierten L6sungsansatz fand, ist das so genannte Wahlbeteiligungsparadoxon. Es rtihrt aus der von DOWNS in den 1950er Jahren modellierten ,,Okonomischen Theorie der Demokratie". 162 Ausgangspunkt dieser Theorie bildet die Annahme, Wahlberechtigte maximieren den Nutzen, den sie von der Regierungsleistung in der zukfinftigen Legislaturperiode erwarten. Diese These sttitzt sich auf den Rational-Choice-Ansatz, nach dem Individuen stets so handeln, dass sie ihren erwarteten Nutzen maximieren. Da nach DOWNS Aus~hrungen der zu erwartende Nutzen dieser Stimmabgabe deutlich geringer ist als die Kosten der Wahlentscheidung und des Wahlgangs, folgt daraus, dass rationale Wahlberechtigte nicht zur Wahl gehen. Empirisch ist jedoch das Ph~inomen zu beobachten, dass gegen diese Vorhersage verstoBen wird, derzufolge so gut wie niemand zur Wahl gehen wtirde. Somit stellt dieses Ph~inomen einen Verstol3 gegen den Rational-Choice-Ansatz dar.

Neben einer ganzen Reihe von Vorschl~igen zur Aufl6sung des Wahlbeteiligungsparadoxons w~ihlten zwei Forscher schlieBlich auch einen Weg fiber das Regret. 163 FERE~OHNund FIORINA

160 Vgl. Rapoport (1989), S. 289 f. 161 Unter diesem Aspekt ist der regret avoidance mit dem curse of knowledge und dem hindsight bias gemein, dasses zu einer Verhinderung von Lernprozessenkommt. 162 Downs (1957). 163 Eine Reihe von Aufl6sungsversuchen des Wahlbeteiligungsparadoxons diskutiert Mensch (1998), S. 52 ff. 48

ersetzen das Prinzip der Nutzenmaximierung durch einen Minimax-Regret-Ansatz. 164 Die Entscheidungsregel lautet jetzt, Situationen zu vermeiden, die sp~.ter bedauert werden kOnnten. Im Fall des Gangs zur Wahlurne heiBt das, dass ein Wahlberechtigter nur vermeiden m6chte, dass sein Wunschkandidat auf keinen Fall aufgrund einer fehlenden Stimme die Wahl verliert. Die Situation, durch Nichtw~hlen das ,,Zfinglein an der Waage" zu sein, die sehr bedauert werden wfirde, wird somit ausgeschlossen.

Aus Grtinden der Vollst~indigkeit sei noch der Effekt der

Entt~iuschungsaversion

(disappointment aversion) genannt. Analog zur Anomalie der Bedauernsaversion l~isst er sich formulieren als Tendenz von Entscheidungstr~igem, Entt~iuschung zu vermeiden. Indem diese Emotion in der Entscheidungsfindung antizipiert wird, erfolgt eine Modifikation der Konsequenzen. Sowohl bei disappointment aversion als auch bei regret aversion wird die Entscheidung neben Wahrscheinlichkeit und Nutzen der Konsequenzen zus~itzlich durch emotionale Faktoren beeinflusst. In beiden F~illen handelt es sich dabei um antizipierte, d.h. vorgestellte Emotionen. Der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Anomalien liegt im Referenzpunkt, mit dem der Nutzen einer Konsequenz verglichen wird. Bei der Bedauernsaversion liegt ein Vergleich mit dem Ergebnis besserer, aber ausgeschlagener Altemativen vor, bei der Entt~iuschungsaversion ein Vergleich mit einer bestehenden Erwartung beztiglich des Nutzens der Option.

Zusammenfassend soll festgehalten werden, dass in diesem Abschnitt der vorliegenden Arbeit der Versuch unternommen wurde, die zum heutigen Stand der Forschung bekanntesten Anomalien sinnvoll zu ordnen und zu beschreiben, und dabei insbesondere die Stellung des Regret innerhalb dieser Ordnung deutlich zu machen. Die Herausforderung, die diese Anomalien ffir die Wirtschaftswissenschaften darstellen, 16ste unterschiedliche Reaktionen aus. In eine Richtung geht die Sichtweise, Anomalien unbeachtet zu lassen und ihnen eine g~nzlich irrelevante Bedeutung zuzuschreiben. Die Begr~ndung hierffir liegt in einem Ausschluss per definitionem aus dem ffir die (~konomie relevanten Bereich. Eine zweite Art der Reaktion liegt darin, Entscheidungsanomalien eine bedingte Relevanz auch ffir die Okonomie zuzuerkennen; hierbei ist jedoch der Mechanismus des Oberlebens der Effizienten in einem Markt Garant ffir eine Elimination von Anomalien auf Wettbewerbsm~rkten. In eine dritte Richtung geht die Sichtweise, die Bedeutsamkeit der Paradoxa ffir die 6konomische Analyse als Herausforderung anzunehmen und entsprechend die ursprfingliche individuelle Erwartungs164 Siehe Ferejohn / Fiorina (1974). 49

nutzentheorie derart zu erweitem und zu modifizieren, dass die Erkl~imng der Anomalien m5glich wird. 165 Im Falle der Regret-Anomalie, die im Fokus des Interesses dieser Arbeit steht, zollten t3konomen der empirischen Evidenz ihre Achtung, indem sie durch eine Umformulierung der Erwartungsnutzentheorie eine ,,Theorie des Regret" schufen. Diesem Ansatz ist der nun folgende Abschnitt gewidmet.

2.1.2.2

Regret als Theorie

Um den zahlreichen empirischen Befunden zu Entscheidungsanomalien Rechnung zu tragen, wurden in jtingster Zeit Erweiterungen und Verallgemeinerungen der Erwartungsnutzentheorie entwickelt. 166 Diese erheben den Anspruch, paradoxes Entscheidungsverhalten besser beschreiben und prognostizieren zu k/Snnen. Eine solche Fortschreibung der EUT stellt auch die Regret-Theorie dar. 167

Die Regret-Theorie baut auf der grundlegenden Struktur der EUT, genauer gesagt der SEUT, auf und erweitert sie um eine emotionale Komponente. Regret stellt somit einen Faktor dar, der zus~itzlich zu Wahrscheinlichkeit und Nutzen die Entscheidung beeinflusst. Die Kernidee der Regret-Theorie besteht darin, die Konsequenzen der einen Alternative den mOglichen Konsequenzen anderer Alternativen gegentiberzustellen. Voraussetzung ist, dass dem Entscheidungstr/ager alle Alternativen und deren Konsequenzen bekannt sind. Diese Bedingung wird ,Zustandskontingenz" genannt. 168 Erst in einer zustandskontingenten Entscheidungssituation ist es dem Entscheider m/Sglich, einen Vergleich des Ergebnisses der gew~ihlten Alternative mit den m6glichen Ausg~ingen der anderen Optionen vorzunehmen. Stellt sich hierbei die ausgeschlagene Konsequenz besser als die realisierte dar, empfindet der Entscheider Bedauern (Regret), im umgekehrten Fall empfindet er Freude (Rejoicing). Folglich antizipiert der Entscheidungstr~iger nicht nur die Konsequenzen jeder Option, sondern auch die Emotionen, die aus dem Vergleich mit verpassten Konsequenzen resultieren, werden

165 Vgl. Frey (1990), S. 72 ff., Klose (1994), S. 113. 166 Zu den Erweiterungen der Erwartungsnutzentheorie z~ihlen z.B. die Prospect-Theorie von Kahnemann / Tversky (1979) oder die in den achtziger Jahren entwickelten sog. rangplatzabh~ingigenNutzentheorien, vgl. z.B. Wakker (1989), weiterfiihrend Weber (1994). Eine Verallgemeinerung der (subjektiven) Erwartungsnutzentheorie stellt z.B. dieChoquet-Nutzentheorie dar; zu letztgenanntervgl. Schmeidler (1989). 167 Die Regret-Theorie existiert in mehreren Varianten, die sich allerdings in ihren zentralen Annahmen sehr ~ihnlich sind. Vgl. Bell (1980), Loomes / S u g d e n (1982), Fishburn (1984). Die Ausfiihrungen in der vorliegenden Arbeit orientieren sich an dem Ansatz von Loomes /Sudgen. 168 Vgl. Jungermann et al. (1998), S. 233.

50

gedanklich vorweggenommen. Formal abgebildet bestimmt dieses antizipierte Regret den Nutzen Ux, der sich bei Wahl der Alternative X und Ablehnung von Alternative Y wie folgt ergibt:

Ux=Vx + R l V x - V y l

(1)

Dabei wird der Wertzuweisung der gew~ihlten Alternative Vx diejenige der ausgeschlagenen Alternative Vy gegenfibergestellt. Folglich h~ingt der Nutzen einer Option nicht nur von ihrem eigenen Wert, sondern auch von dem Wert der ausgeschlagenen Alternativen ab. Erscheint der wahrgenommene Wert der ausgeschlagenen Alternative h6her als der der gew~ihlten, wird der Ausdruck in der Klammer negativ, und es entsteht Bedauern (Regret bzw. technisch: negatives Regret). Dieser mindert den Nutzen der gew~ihlten Option. Wird die gew~ihlte Alternative als zweckm~il3iger angesehen als die ausgeschlagene, wird der Ausdruck in der Klammer positiv und die entstandene Freude (Rejoicing bzw. technisch: positives Regret) steigert den Nutzen fiber den Wert der gew~ihlten Option. 169 Je gr613er die Differenz zwischen der Attraktivit~it der gew~ihlten und der Attraktivit~it der ausgeschlagenen Alternative ist, umso gr613er wird der Ausdruck in der Klammer bzw. umso gr613er wird die Variable R. Je gr613er der Parameter R wiederum ist, umso gr613er wird der Einfluss des Alternativenvergleichs auf den Nutzen der gew~ihlten Option. W~iren beide zum Vergl'eich herangezogenen Alternativen gleich attraktiv, w~ire in der obigen Formel der Term in der Klammer gleich Null. In diesem Fall entsteht weder Regret noch Rejoicing und die Regret-Theorie wfirde auf die Erwartungsnutzentheorie zurtickgefiihrt werden. Folglich kann die EUT als Spezialfall der Regret-Theorie bzw. umgekehrt die Regret-Theorie als Fortschreibung der EUT angesehen werden. 17~W~ihrend die Erwartungsnutzentheorie dem Entscheider allein den Nutzen der gew~ihlten Option als Zielgr613e zugesteht, belSicksichtigt die Regret-Theorie zus~itzlich die Vermeidung von Bedauern als eine Zielsetzung des Entscheiders.

W~ihrend bei der EUT der Nutzen jeder Alternative unabh~ingig von anderen Wahlm6glichkeiten ist, sind in der Regret-Theorie die Pr~iferenzen folglich vom Entscheidungsset abhfingig. ~7~ JUNGERMANN ET

AL.

sprechen diesbeztiglich yon einer kontextsensitiven

Entscheidung, da der Gesamtnutzen einer Alternative immer auch von den m6glichen

169 Vgl. zu diesen UberlegungenSeilheimer (2001), S. 11 f. 17o Vgl. Seilheimer (2001), S. 12. 171 Vgl. Anand(1985), S. 116. 51

Konsequenzen der anderen zur Wahl stehenden Alternativen abh~ingt. 172 Durch die paarweise Betrachtung der Alternativen ist die Regret-Theorie in der Lage, intransitive Priiferenzen abzubilden. Abschw~ichungen bzw. Verletzungen des Transitivit~itsaxioms far Pr~iferenzordnungen bedingen aber, dass eine optimale Alternative nicht eindeutig bestimmbar ist. Ursprtinglich war die Regret-Theorie nur auf den Fall der Entscheidungsfindung bei zwei Optionen ausgelegt. 173 Ftir den Fall mehrerer Optionen wurden sp~iter Erweiterungen der Regret-Theorie

vorgenommen,

die

die

Bestimmung

optimaler Handlungsalternativen

garantieren. 174

Wie in Abschnitt 2.1.2.1.6 dargestellt, besitzen die Anomalien der Regretaversion und der Verlustaversion verwandte, aber auch stark unterschiedliche Aspekte. Die Regretfunktion aus der Regret-Theorie und die Wertfunktion aus der Prospect-Theorie, anhand derer das jeweils entsprechende Ph~inomen abgebildet werden kann, spiegeln diese Unterschiede und Gemeinsamkeiten wider. Ein Vergleich von Regretfunktion und der Wertfunktion der ProspectTheorie verdeutlicht diesen Sachverhalt (vgl. Abbildung 2-2 und Abbildung 2-3).

Zungchst einmal weisen beide Funktionsverl~iufe einen Referenzpunkt auf, dessen Lage die Kodierung der Konsequenzen als Gewinne bzw. Verluste bedingt. 175 Ergebnisse einer Option werden durcli den Abgleich an diesem Referenzpunkt subjektiv transformiert und entsprechend repr~isentiert. Folglich kann ein und dieselbe Konsequenz, je nach Referenzpunkt, einen unterschiedlichen subjektiven Wert zugewiesen bekommen. 176 Als Bezugspunkt, der als Vergleichsmal3stab zur Evaluierung der Ergebnisse herangezogen wird, dient im Fall der Regretfunktion die Konsequenz der ausgeschlagenen Alternative. Die Wertfunktion der Prospect-Theorie bedient sich dagegen (zumeist) des Status quo als Referenzpunkt. 177

Die Wertfunktion der Prospect-Theorie verl~iuft tiber Verluste konvex und fiber Gewinne konkav. Die abnehmende Sensitivit~it mit zunehmender Entfemung vom Referenzpunkt im Gewinnbereich entspricht der Idee des abnehmenden Grenznutzens im Erwartungsnutzenmodell. Im Verlustbereich ist dagegen ein zunehmender Grenznutzen bis zum Referenzpunkt hin zu verzeichnen. Wie in Abschnitt 2.1.2.1.6 beschrieben, liegt die Besonderheit der Wert172 Vgl. Jungermann et al. (1998), S. 232. 173 Vgl. Sugden (1993), S. 159. 174 Vgl. Seilheimer (2001), S. 14, Weber (1990), S. 117 und die dort aufgefiJhrte Literatur. 175 Vgl. Seilheimer (2001), S. 13. 176 Vgl. Jungermann et al. (1998), S. 217. 177 Vgl. Kahnemann / Tversky (1979), S. 277. 52

funktion darin, dass sie dem empirischen Ph~inomen der Verlustaversion Rechnung tr~igt, indem die Funktion mr Verluste steiler verl~iuft als mr Gewinne. Dieser spezifische Funktionsverlauf vermag den vielfach empirisch belegten Befund abzubilden, demzufolge Entscheidungstr~iger Verluste st~irker bewerten als Gewinne. ~78

Die Regretfunktion verl~iuft mr Ergebnisse, die schlechter sind als die ausgeschlagene Alternative, steiler als ftir Ergebnisse, die besser sind als die verworfene Alternative. Ein Individuum bedauert ein realisiertes negatives Ereignis st~irker, als dass es sich tiber ein dem Betrag nach gleich hohes positives erzieltes Ergebnis freut. Dieses Merkmal des Funktionsverlaufs entspricht dem Ph/anomen der Verlustaversion, welchem in der Wertfunktion der ProspectTheorie grofSe Bedeutung zukommt. Da das Bedauern mit gr/513er werdender Differenz zwischen realisierter und verworfener Alternative in einem tiberproportionalen Verh~iltnis zunimmt, 179 unterscheidet sich der Verlauf der Regretfunktion jedoch ganz entscheidend vom Verlauf der Wertfunktion. W/ahrend die Wertfunktion der Prospect-Theorie einen konkavkonvexen Verlauf annimmt, besitzt die Regretfunktion idealtypischerweise einen konvexkonkaven Kurvenverlauf. 18~ In Abbildung 2-3 ist der Verlauf der Regretfunktion graphisch dargestellt.

Empirische 13berprtifungen der Regret-Theorie weisen uneinheitliche Befunde auf, TM die daraufhin deuten, dass nur unter sehr eingeschr~inkten Bedingungen eine Gtiltigkeit der Theorie ermllt ist. ~82 Wie LOOMES / STARMER/ SUGDEN zeigen vermag sie aber ein breites Spektrum empirisch belegter Abweichungen v o n d e r EUT abzubilden und zu erkl~iren. 183 Insbesondere bei der Abbildung intransitiver Pr~iferenzen, wie sie z.B. beim Pr~iferenzumkehreffekt auftreten, besitzt die Regret-Theorie Vorhersage- und Erkl~irungskraft. 184 Zudem besticht sie durch ihre Einfachheit und ihre intuitive Eing~ingigkeit. 185

178 Vgl. Jungermann et al. (1998), S. 66 u. 217. 179 Vgl. Sugden (1993), S. 172. is0 Vgl. Seilheimer (2001), S. 13. 18a Vgl. z.B. die Arbeiten von Loomes / Sugden (1987), Loomes (1988), di Cagno / Hey (1988) und Camerer (1989). 182 Vgl. Jungermann et al. (1998), S. 235. 183 Vgl. Loomes et al. (1989), (1991) und (1992). 184 Vgl. Loomes/Sugden (1983), S. 19 ff. 185 Vgl. Seilheimer (2001), S. 18. 53

Freude

R (x2)

R (Xl) -x2

+

"Xl xl

!

R ('Xl)

R (-x2)

Bedauern

Abbildung 2-3: Idealtypischer Verlauf einer Regretfunktion. Quelle:

54

Nach Seilheimer (2001), S. 14.

x2

Abweichung der gew~ihlten Alternative zur ausgeschlagenen Option

2.2

Regret im verhaltenswissenschaftlichen Kontext

2.2.1

Die Theorie der kognitiven Dissonanz

Bisher liegen erste Einblicke in das Ph~inomen ,,Regret" anhand der Darstellung 6konomischer Ansfitze vor. Im Folgenden werden verhaltenswissenschaftliche Theorien herangezogen, um die Vorg~inge, die zur Entstehung oder zur Intensivierung von Regret fiihren, nfiher zu beleuchten. Auf diese Weise soll eine adgquate ganzheitliche Abbildung sowie eine tiefere Einsicht in dieses komplexe Phfinomen erzielt werden. 186 In der deskriptiven 6konomischen Entscheidungstheorie findet Regret in Form von antizipierten Emotionen Beachtung, die noch vor der Aufl6sung eines Entscheidungsproblems die Wahl beeinflussen. Wie sich ein tats~ichliches Erleben von Bedauern gestaltet, das nach einer gef~illten Entscheidung eintritt, damit beschfiftigt sich z.B. die Theorie der kognitiven Dissonanz. 187

Die Kernidee der 1957 von FESTINGER begrandeten Theorie besteht darin, dass Individuen bestrebt sind, ihr kognitives System im Gleichgewicht zu halten. Die elementaren Einheiten dieses Systems bilden die Kognitionen. Sie sind definiert als jede Form von Wissen, Meinungen und Uberzeugungen fiber die Umwelt, die eigene Person oder das eigene Verhalten. 188 Die Art der Beziehungen zwischen den Kognitionen innerhalb des Gesamtsystems wird von FEST1NGER in relevant und irrelevant unterschieden, lm ersten Fall stehen zwei Kognitionen in einem Zusammenhang, im zweiten Fall existieren zwei Kognitionen im Bewusstsein einer Person v611ig zusammenhanglos nebeneinander. Relevante Beziehungen k6nnen konsonanter oder dissonanter Natur sein. Zwei konsonante Kognitionen sind im psychologischen Sinne miteinander vereinbar, dissonante Kognitionen unvereinbar. Zu beachten ist, dass diese Unvereinbarkeit, die FESTINGER als ,,Dissonanz" bezeichnet, rein psychologischer und subjektiver Natur ist und nicht zwangslfiufig logisch oder kausal begrfindet sein muss. 189

186 Die Notwendigkeit zu einer interdisziplin~irenVorgehensweise wurde bereits in Abschnitt 1.2.1 begrtindet. 187 Zwar stehen die Aspekte einer Nachentscheidungsphase im Mittelpunkt der Dissonanztheorie, es wird jedoch an keiner Stelle eine explizite Beschr~inkung der Gtiltigkeit der Theorie auf Sachverhalte nach Entscheidungen vorgenommen. Vgl. hierzu die Meinung von Frey / Gaska (1993), S. 277. 188 Vgl. Festinger (1957). Festinger bedient sich des Terminus ,,cognitive element". 189 Vgl. Frey/Gaska (1993), S. 276. Festingers Wahl des Begriffs ,,Dissonanz" sowie dessen zugrundeliegende Definition stellt den Hauptkritikpunkt der Theorie dar. Vgl. z.B. die Kritik bei Fischer (1987), S. 24 f. sowie Ochsmann (1979), S. 6 ff. 55

Die H6he der Dissonanz eines kognitiven Systems ist eine positive Funktion der subjektiven Wichtigkeit der dissonanten Kognitionen sowie deren Anteil an den relevanten Beziehungen. Kognitive Dissonanz wird als psychologisch unangenehm empfunden. Sie fiihrt zu einem motivationalen Zustand, der analog einem Spannungs-, Bedtirfnis- oder Erregungszustand, auf Reduktion seiner selbst ausgerichtet ist. 19~ Je h6her die Dissonanz, umso st~irker das Bestreben, diese zu verringern und Konsonanz zu erreichen.

Nach Ansicht FESTINGERS entsteht nach dem Treffen einer Entscheidung grunds~itzlich Dissonanz. TM Da jede der unterschiedlichen Entscheidungsalternativen ihre spezifischen Attraktivit/~ten besitzt, bedeutet die Wahl einer Alternative nicht nur, die negativen Aspekte der ausgeschlagenen Alternative zu meiden, sondern auch, auf deren positive Aspekte zu verzichten. Wird dem Entscheidungstr~iger dieser Verzicht bewusst, beginnt er daran zu zweifeln, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Durch diese Zweifel entsteht kurz nach einer Entscheidung eine Situation, in der ein Geftihl des Bedauerns herrscht. 192 Dieses ,,feeling of regret" ist Ausdruck der besonderen Eindringlichkeit dissonanter Kognitionen und eng mit dem Wunseh einer E n t s e h e i d u n g s u m k e h r verbunden. ~93 In dieser Phase richtet sich die Aufmerksamkeit des Entscheidungstr~igers auf die negativen Aspekte der gewghlten Alternative und auf die positiven Aspekte der ausgeschlagenen Alternative. Dadurch erh6ht sich zun~ichst die Attraktivit/~t der verworfenen Option, wghrend die Attraktivitgt der realisierten Option sinkt. Mit Einsetzen eines Prozesses zur Reduktion yon Dissonanz ist die Phase, in der das Regret-Ph~inomen vorherrscht, beendet. Die zeitweilige Erh6hung der Attraktivit/~t der nicht gew~ihlten Alternative und gleichzeitige Verminderung der Attraktivit/~t der gew~ihlten Alternative erf~ihrt eine Umkehrung. Erst durch die Anwendung von Strategien zur Dissonanzreduktion gelingt eine Attraktivitgtssteigemng der gew/~hlten Alternative sowie die Verminderung der Attraktivit/~t der ausgeschlagenen Alternative und somit eine Reehtfertigung der getroffenen Wahl. 194

190 Vgl. Schulz-Hardt (1997), S. 59 sowie die dort angegebene Literatur. 191 W~ihrendFestinger zun~ichst vonder Dissonanz als unvermeidbarer Konsequenz des Entscheidens spricht, argumentiert er sp~iter zus~itzlich fiber einen psychologischen Mechanismus des Rechtfertigens von Entscheidungen. Vgl. Festinger (1957), insb. S. 35 und (1964). Festinger unterscheidet insgesamt noch drei weitere Klassen von Anfangsbedingungen fiir das Entstehen kognitiver Dissonanz. Die ,,postdecisional dissonance", d.h. die Aspekte kognitiver Dissonanz nach Entscheidungen stehen dabei im Mittelpunkt seiner Arbeit und sind auch fiir die Zwecke der vorliegenden Arbeit mal3gebend. Vgl. ebenda sowie Frey / Gaska (1993), S. 277. 192 Vgl. Fischer/Wiswede (1997), S. 232 f. 193 Vgl. Festinger (1957) und (1964). Ochsmann weist auf die Entwicklung der Interpretation des Bedauerns innerhalb der dissonanztheoretischenArbeiten Festingers hin. Vgl. Ochsmann (1979), S. 13. 194 Vgl. Ochsmann (1979), S. 13 u. S. 19. 56

Nach der dissonanztheoretischen Erkl~rung des Regret liegt die Ursache ffir die RegretEntstehung folglich in einem Anstieg dissonanter Kognitionen kurz nachdem eine Entscheidung getroffen wurde. 195 Selbst wenn die gewfihlte Alternative zu einer positiven Konsequenz geffihrt hat, entstehen beim Entscheidungstrager Zweifel, die richtige Option gewfihlt zu haben, da auf die positiven Aspekte der ausgeschlagenen Alternativen verzichtet wurde. FUr den Fall, dass die realisierte Konsequenz unvorteilhaft ffir den Entscheidungstr~ger ist, wird das kurzfristig nach der Entscheidung auftretende Regret ein gr6Beres Ausmaf3 annehmen, als bei Realisierung eines positiven Ergebnisses. Der Grund hierffir ist darin zu sehen, dass ein gr6Beres Ausmaf~ dissonanter Kognitionen vorliegt. Dadurch entsteht ein gesteigerter Rechtfertigungsdruck des Entscheidungstr~gers bezfiglich seiner getroffenen Wahl. Die Dissonanztheorie geht davon aus, dass in Entscheidungssituationen vor allem zwei Kognitionen im Kognitionensystem eines Entscheidungstr~gers Geltung besitzen: Die Kognition, die zur Wahl stehenden Alternativen richtig zu evaluieren und die Kognition, die richtige (zielgerichtete) Option aus den Alternativen auszuw~hlen. 196 Je mehr Kognitionen nach einer getroffenen Entscheidung auftreten, die in einem dissonanten Verh~ltnis zu diesen beiden Kognitionen stehen, umso gr613er die herrschende Dissonanz und umso gr613er das Ausmaf~ des Regret. Im Fall einer realisierten Konsequenz, die zu Verlust ffihrt, existiert beim Entscheidungstr~ger nicht nur das Wissen fiber den Verzicht auf die positiven Aspekte der ausgeschlagenen Alternativen, sondern zus~tzlich das Wissen um die Unvorteilhaftigkeit des erzielten Ergebnisses. Dieses Wissen steht im dissonanten Verh~ltnis zu dem im Kognitionensystem verankerten Wissen fiber die Entscheidungskompetenz des Entscheidungstragers mit den gerade beschriebenen Kognitionen der ,,Richtigen Bewertung" und der ,,Richtigen Auswahl". Die so entstandene Dissonanz bringt den Entscheidungstr~ger in einen Rechtfertigungsdruck, der sich als Regret manifestiert. Mit anderen Worten ist die Phase nach einer getroffenen Entscheidung, in der Regret vorherrscht, dadurch gekennzeichnet, dass der Entscheidungstr~ger nicht vermag, seine Entscheidung zu rechtfertigen.

Die Theorie der kognitiven Dissonanz erfuhr zahlreiche Weiterentwicklungen und Modifikationen. 197 In ihnen werden die Bedingungen, unter denen Dissonanz entsteht, weiter spezifiziert. 198 Insbesondere die Faktoren Selbstverpflichtung (commitment) und Entschei-

195 Vgl. Festinger (1964), S. 97 ff. 196 Vgl. Ochsmann (1979), S. 72. 197 Vgl. z.B. die revidierte Theorie der kognitivenDissonanzvon Irle (1982) und die dort angegebeneLiteratur. 198 Zur Spezifikation der Bedingungen der Entstehung von Dissonanz siehe die Diskussion der theoretischen Standpunkte verschiedenerAutoren bei Frey / Gaska (1993), S. 278 ff. sowie die dort angegebeneLiteratur. 57

dem Sinne: ,,Ich glaube dem Arzt." Stellt sich nach einem Jahr noch keine Besserung des Gesundheitszustands des Patienten ein, erwgchst aus dieser realen Beobachtung eine Kognition, die nicht mit dem bestehenden Kognitionensystem im Einklang steht; es entsteht kognitive Dissonanz. Die Neuerung dieses Ansatzes gegent~ber FESTINGERS Sichtweise besteht darin, dass nur dann Dissonanz entsteht, wenn eine Inkonsistenz in einer Menge von Kognitionen entsteht, die mindestens eine Hypothese des Selbst enthglt. Folglich entsteht ohne das Vorliegen einer Handlungs- oder Erkenntnisentscheidung keine Dissonanz. 2~

Zudem muss eine weitere Bedingung hinsichtlich der Art der betroffenen Hypothese erffillt sein. Hypothesen lassen sich anhand der unterschiedlich hohen Wahrheitsgehalte, die ihnen ein Individuum zuschreibt, im kognitiven Feld einer Person lokalisieren. Hypothesen, die eine hohe subjektive Wahrscheinlichkeit besitzen wahr zu sein, bezeichnet I ~ E als Hypothese des Selbst. Hypothesen, die diese Forderung nicht erfallen, sind im kognitiven Feld des Individuums als Bestandteil der sozialen Umwelt lokalisiert. 2~ Allein die Falsifikation einer Hypothese des Selbst ffihrt zu kognitiver Dissonanz. Je hOher die subjektive Wahrscheinlichkeit einer Hypothese des Selbst, d.h. je sicherer sich eine Person ist, dass ihre Hypothese empirische Geltung besitzt, umso st~irkere Dissonanz entsteht bei Widerlegung dieser Hypothese. Nach IRLE sind die beiden Kognitionen der ,,Richtigen Bewertung" und der ,,Richtigen Auswahl", auf deren Bedeutung im Falle einer Entscheidungssituation weiter oben bereits hingewiesen wurde, als Hypothesen des Selbst zu verstehen. Entstehen nach dem Treffen einer Entscheidung Kognitionen, die in einer dissonanten Beziehung zu diesen beiden Hypothesen stehen, gelangt der Entscheider auf die weiter oben bereits beschriebene Weise in einen Rechtfertigungsdruck bezt~glich seiner Wahl, d.h. er erf~hrt Regret.

Nachdem die Entstehungsbedingungen kognitiver Dissonanz erl~.utert wurden bleibt zu klgren, welche M6glichkeiten zur Reduktion von Dissonanz bestehen. Wie bereits erwghnt, ist kognitive Dissonanz ein aversiver Zustand. Es entsteht eine Motivation, die entstandene Dissonanz zu reduzieren. Dies geschieht durch eine Ver~inderung des kognitiven Systems, bei der die Zusammensetzung der kognitiven Elemente innerhalb des Systems sich ~indert. Der Anteil dissonanter gegent~ber dem Anteil konsonanter Kognitionen muss verringert werden. Dies hat schliel31ich zur Folge, dass die Attraktivitgt der gewghlten Alternative ansteigt und 207 Vgl. von N i t z s c h / F r i e d r i c h (1999), S. 65. 208 Von hoher subjektiver Wahrscheinlichkeit spricht Irle bei p > 0,50; in diesem Falle schreibt die Person der betreffenden Hypothese empirische Validitgt zu bzw. ein Korrespondieren der Hypothese mit der Realitgt. Vgl. Irle (1975), S. 312 u. Ochsmann (1979), S. 27. 59

die Attraktivit/it der nicht gew/~hlten Alternative sinkt (= ,,spreading apart"-effect). 2~ Die Umstrukturierung des kognitiven Systems kann erfolgen, indem neue konsonante Kognitionen addiert bzw. dissonante Kognitionen subtrahiert werden. Laufen diese beiden Vorg~inge gleichzeitig nebeneinander ab, stellt dies eine Substitution von Kognitionen dar.

Nach FESTINGER ist der

Anderungswiderstandder beteiligten Kognitionen ausschlaggebend

daffir, welche Kognitionen im konkreten Fall ge~indert werden. Je mehr andere Kognitionen mit einer Kognition in konsonanter Beziehung stehen, umso h~her ist der Wert ihres Anderungswiderstands und umso geringer die Wahrscheinlichkeit, dass speziell diese Kognition eine .Anderung erf'~ihrt.21~ Diese sehr abstrakte Erkl~irung fOr Art und Ausmal3 der Reduktion kognitiver Dissonanz erfuhr starke Kritik. TM Einigkeit der Forscher, die auf dem Gebiet der Dissonanzreduktionsstrategien t~itig sind, herrscht dagegen dartiber, dass die Prinzipien der Einfachheit und der Effizienz ftir eine Dissonanzreduktion mal3geblich sind. Ein geringer kognitiver Aufwand ist allerdings nur solange zu verantworten, als die geringe kognitive Anderung die angestrebte Stabilit~it des kognitiven Systems noch gew~ihrleistet. 212 Diese Prinzipien gelten auch in der reformulierten Theorie der kognitiven Dissonanz. Nach der hier verwendeten Terminologie ist die Anderungsresistenz einer neu eingehenden Kognition, die hinsichtlich einer bestehende Hypothese dissonant ist, um so h6her, je mehr andere stabile Hypothesen existieren, die in einem konsonanten Verh~iltnis zu ihr stehen.

Die Anpassung der Kognitionen stellt die effektivste und h~iufigste Art der Dissonanzreduktion dar. 2~3 Bei revidierbaren Entscheidungen besteht aber auch die M6glichkeit, die Entscheidung umzukehren. Diese Reduktionsart ist jedoch meist mit hohem psychischem und materiellem Aufwand verbunden. Zudem sind zwar die vorherigen dissonanten Kognitionen konsonant, aber die ehemals konsonanten k6nnen sich jetzt als dissonant erweisen, so dass erneut kognitive Dissonanz besteht. Falls die Entscheidungsrevision in Form einer Handlungsm6glichkeit - wie z.B. eines Umtausches nach einem K a u f - nicht gegeben ist, kann eine Entscheidung auch psychologisch zurfickgenommen werden. Leugnet ein Entscheidungstr/iger seine Entscheidungsfreiheit oder seine Verantwortlichkeit der Entscheidung oder gesteht sich seine Entscheidungsinkompetenz ein, wird dies aber sehr wahrscheinlich zu

209 Vgl. Frey/Gaska (1993), S. 285. 210 Vgl. Fries (1978), S. 7. 211 Vgl. Frey/Gaska (1993), S. 282. 212 Vgl. Frey/Gaska (1993), S. 282 sowie die dort angegebenenForschungsarbeiten. 213 Vgl. Festinger (1957), Frey/Gaska (1993), S. 284, Ochsmann (1979), S. 11. 60

erneuter Dissonanz ~hren, da z.B. im letzteren Fall Kognitionen tiber das Selbst bedroht sind. 214

Beispielsweise wird in der attributionstheoretischen Literatur davon ausgegangen, dass im Kognitionensystem eines jeden Entscheiders die Kognition besteht, dass Gewinne ffir ihn gut und Verluste t~r ihn schlecht sind. Diese Kognition besitzt zudem eine hohe Anderungsresistenz und ist im Kognitionensystem fest verankert. Ft~r den Fall, dass bei der Wahl einer Alternative A ein Gewinn resultiert, liegen weitere Kognitionen vor, so dass Konsonanz im Kognitionensystem vorherrscht, lJberlegungen dieser Art w~ren z.B.: ,,Ich habe Alternative A gew~hlt, weil sie die beste ffir mich ist." oder ,,Die Wahl von Alternative A hat zu einem Gewinn geffihrt." Ffir den Fall, dass jedoch ein Verlust aus der Wahl der Alternativen resultiert, ergibt sich mit dieser neu eingehenden Kognition Dissonanz. Hieraus entsteht ein Rechtfertigungsdruck ffir die getroffene Entscheidung, der psychologische Kosten darstellt, die im Falle einer Konsonanz nicht entstehen. Diese Argumentationskette stellt die bereits in Abschnitt 2.1.2.1.5 angesprochene Erkl~rung mr die in der Anomalie der loss aversion beschriebene Asymmetrie bei der Bewertung von Gewinnen und Verlusten dar.

Im Fall einer Dissonanzreduktion in Form einer Anderung von Kognitionen stehen dem Individuum zwei Quellen zur Verffigung, aus denen es neue konsonante Kognitionen beziehen kann. Zum einen k~nnen diese aus dem Ged~chtnis abgerufen werden, zum anderen k~nnen sie aktiv in der Umwelt gesucht werden. FESTINGER stellt ffir den Fall externer Informationsaufnahme die Hypothese des ,,selective exposure to information" (= selektive Informationsaufnahme) auf. 215 Demzufolge meiden Entscheidungstrager nach Entscheidungen dissonante, reduktionserschwerende Informationen, w~hrend konsonante, die Dissonanzreduktion erleichternde Informationen bevorzugt gesucht werden. Die selektive Auswahl von Informationen stellt somit einen Versuch dar, die getroffene Entscheidung zu stfitzen, abzusichern und zu rechtfertigen. Zur ,,selective exposure"-Hypothese gelten zwei Ausnahmen als empirisch best~.tigt.216 Im Fall extrem hoher Dissonanz bei reversiblen Entscheidungen wird die selektive Wahl entscheidungsstfitzender Informationen zugunsten der Auswahl entscheidungswider-

214 Vgl. Ochsmann (1979), S. 11 f. Intellektuelle Leistungen z~hlen zu den relevanten Kategorien ~r das Selbstkonzept einer Person, wie z.B. Piers und Harris empirisch belegen. VgI. Piers und Harris (1964). Das ,,Selbst" wird in der Psychologie als die Gesamtheit der psychologischen Aspekte der eigenen Person bezeichnet. Es umfasst das Selbstkonzept, welches das subjektive Bild von der eigenen Person beschreibt, und das Selbstwertgeffihl,welches die Bewertung der eigenen Person beschreibt. 215 Vgl. Festinger (1957). 216Vgl. die Experimente von Frey (1986). 61

sprechender Informationen aufgegeben, um eine Entscheidungsrevision vorzubereiten. 217 Im Fall eines sehr stabilen kognitiven Systems kann die Strategie zur Dissonanzreduktion darin bestehen, dissonante Informationen aktiv zu suchen, um sie zu widerlegen. Darin sehen FREY und GASKA sogar eine effektivere Strategie als die naive Vermeidung dissonanter Informationen. 218

Nach der reformulierten Theorie der kognitiven Dissonanz nach IRLE kann kognitive Dissonanz nicht nur durch Anderung der Kognitionen empirischer Realittiten, sondern auch durch Anderung der Kognitionen theoretischer Realit~iten (= Hypothesen) reduziert werden. Durch nachtrtigliche Modifizierung der a priori-Wahrscheinlichkeit, mit der eine Hypothese zuvor mr wahr gehalten wurde, wird eine Spannungsreduktion erreicht. Eine getroffene und ausgeftihrte Entscheidung ist als ein Hypothesentest anzusehen. Aufgrund des hieraus resultierenden a posteriori-Wissens kann eine Person glauben, bereits schon vor dem Test tiber dieses Wissen verftigt zu haben, obwohl dies objektiv nicht der Fall war. Wie in Abschnitt 2.1.2.1.4 bereits ausgeffihrt, wird eine derartige nachtr~igliche Anpassung des a priori-Wissens an das a posteriori-Wissen als ,,hindsight"-Effekt bezeichnet und stellt eine Verzerrung der Realit~it dar. Wird die a priori-Wahrscheinlichkeit nicht nur teilweise, sondern g~inzlich der a posteriori-Wahrscheinlichkeit angepasst, handelt es sich um den sog. ,,Hab's schon immer gewusst"-Effekt. Auf diese Weise vermag die reformulierte Theorie der kognitiven Dissonanz diese beiden Entscheidungsanomalien im Sinne eines Mechanismus zur Konsonanzerreichung bzw. zur Dissonanzreduktion zu erkl~iren. 219

Mit dem Abbau kognitiver Dissonanz ist die Phase des Regret beendet. Bei einer versuchsweisen Entscheidung, die sich ~ckg~ingig machen l~isst, stellt die Entscheidungsrevision die in diesem Fall angemessenere Strategie zur Reduktion der Dissonanz dar. Auf diesem Weg wird Regret, das sich im Wunsch nach einer Entscheidungsumkehr manifestiert, eliminiert. Bei einer endgtiltigen Entscheidung erweist sich eine Strategie zur Ver~inderung der Attraktivit~it der Alternativen zur Reduktion von Dissonanz als angemessener. Nachdem in der Regret-Phase die gew~ihlte Alternative an Attraktivit~it verlor und die ausgeschlagene Option diesbeztiglich eine Aufwertung erfuhr, kehrt sich dieser Effekt durch die Revision kognitiver Urteile urn.

217 Vgl. zu diesem Abschnitt Frey / Gaska (1993), S. 295 u. 296. 218 Vgl. Frey/Gaska (1993), S. 296. 219 Vg|. zu diesem Absatz M6ntmann (1985), S. 48 ff. 62

Zusammenfassend k6nnen folgende positive Korrelationen aus der Dissonanztheorie abgeleitet werden: Je st~irker die kognitive Dissonanz

9

umso st~irker wird die Attraktivit~it der gew~ihlten Option in der Regret-Phase verringert,

9

umso h6her gestaltet sich die Aufwertung der ausgeschlagenen Alternative in der RegretPhase,

9

umso st~irker ist das Regret beztiglich der getroffenen Emscheidung,

9

umso st~irker ist die Reaktion, um dem aversiven Zustand zu entfliehen.

2.2.2

Die Theorie der psychologischen Reaktanz

Eine weitere Theorie, die zur Erkl~irung der Entstehung von Regret nach Entscheidungen herangezogen werden kann, stellt die Theorie der psychologischen Reaktanz dar. Es bietet sich an, diese Theorie direkt im Anschluss zur Theorie der kognitiven Dissonanz zu behandeln, da sie von WALSTERund BERSCHEID benutzt wurde, um in direkter Reaktion auf den von FESTINGERgefundenen Effekt des Regret eine alternative Erkl~irung zu liefern. 22~

Die Theorie der psychologischen Reaktanz geht auf die Arbeit von BREHM zuriick. TM Er definiert das theoretische Konzept der Reaktanz als Motivation, die auf die Vermeidung weiterer Einengung und die Wiederherstellung eines Freiheitsspielraums einer Person ausgerichtet ist. Diese Motivation erzeugt psychischen, potentiell verhaltenswirksamen Widerstand gegen einen einengenden Einfluss. 222 Der pers6nliche Freiheitsspielraum ist definiert durch die Freiheit der Wahl beztiglich Handlungs-, Entscheidungs- und Meinungsalternativen, so dass eine Person die M6glichkeit besitzt, ihre Situation nach Belieben zu ~indem oder beizubehalten. 223

Aus den vielf~iltigen Arten von Freiheitseinengung 224 soll ftir die Zwecke der vorliegenden Arbeit die Problematik der verlorenen Wahlfreiheit nach einer getroffenen Entscheidung betrachtet werden. Sie stellt den Fall einer selbst verursachten Freiheitseinengung dar, da 220 Vgl. Walster/Berscheid (1968). 221 Vgl. Brehm (1966). 222 Vgl. Grabitz-Gniech/Grabitz (1973), S. 19 u. S. 32. 223 Vgl. Dickenberger et al. (1993), S. 244. 224 Zu den verschiedenen Arten der Freiheitseinengung vgl. ebenda, S. 244 f. 63

durch das Treffen einer Wahl alle anderen Alternativen aus dem Entscheidungsspielraum ausgeschlossen werden. Mit der Festlegung auf eine Alternative verliert der Entscheidungstr~iger die Freiheit, jede der Alternativen zu w~ihlen oder zu~ckzuweisen. Der Verlust dieser Freiheit erzeugt Reaktanz. Die Stgrke der entstandenen Reaktanz nach einer getroffenen Entscheidung ist eine positive Funktion des Ausmal3es an subjektiver Freiheitsbeschneidung sowie der subjektiven Wichtigkeit der eingeengten Freiheit. 225 Der Effekt der entstandenen Reaktanz liegt in einer Attraktivit~its~inderung der Altemativen. Die nicht gew~ihlte Alternative gewinnt an Attraktivitat und die gew~ihlte Alternative verliert an Attraktivitgt. WALSTER und BERSCHEID erkl~iren diesen Effekt wie folgt: ,,Die durch die Entscheidung festgelegte Person m6chte noch einmal beweisen, dass sie in Wahrheit frei ist, auch die zurtickgewiesene Alternative noch w~ihlen zu k6nnen. ''226

Eine Attraktivit~itsver~indemng der Alternativen, in der beschriebenen Form, konstatierte bereits FESTINGER in seiner Theorie der kognitiven Dissonanz als Regret-Effekt. 227 Sowohl die Dissonanztheorie als auch die Theorie der psychologischen Reaktanz liefem mit der Aufwertung der ausgeschlagenen Alternative eine kognitive Erkl~imng far die Entstehung von Regret. Die beiden Theorien unterscheiden sich jedoch fundamental in der Begrtindung, die sie far die Attraktivit~itssteigerung dieser Option anfahren.

Der reaktanztheoretischen Erkl~irung von Regret zufolge ~iugert sich durch den Verlust von (Wahl-)Freiheit erzeugte Reaktanz in Regret. Mit anderen Worten, der Regret-Effekt stellt einen Ausdruck von Reaktanz dar. BREHM und WICKLUND fanden die Erkl~irung des RegretEffekts durch die Reaktanz-Theorie in ihrer Untersuchung empirisch best~itigt. FOr den Fall irreversibler Entscheidungen konnte verst~irkt Reaktanz und somit hohes Regret nachgewiesen werden. Da bei Entscheidungen dieser Art nicht die M6glichkeit der Umkehrbarkeit der Entscheidung durch eine Verhaltensreaktion gegeben ist, bleibt dem Entscheidungstrgger allein der Weg fiber eine kognitive Reaktion in Form einer Umstrukturierung der Alternativen, um zumindest gedanklich seine Entscheidungsfreiheit wieder herzustellen. 228

225 Vgl. ebenda, S. 246 und Grabitz-Gniech / Grabitz (1973), S. 28. 226 Zitiert nach Grabitz-Gniech / Grabitz (1973), S. 30. 227Vgl. Festinger (1957), Festinger (1964) sowie die Aus~hrungen zur Theorie der kognitiven Dissonanz in Abschnitt 2.2.1. 228 Vgl. Seilheimer (2001), S. 47. 64

WALSTER und BERSCHEID fiberpraften die Annahme FESTINGERS, derzufolge der RegretEffekt nach Entscheidungen auf eine besondere Eindringlichkeit von kognitiver Dissonanz zurfickzufahren ist. Ihrem, der Hypothese gegenl/~ufigen Befund zufolge, schw/~cht die Bedingung besonders eindringlicher Dissonanz den Effekt des Bedauems ab und verst/~rkt dagegen den Effekt der Dissonanzreduktion. In diesem Fall konnte der Regret-Effekt selbst nur far kurze Zeit nach einer Entscheidung festgestellt werden. Im weiteren Zeitablauf stellte sich Dissonanzreduktion ein, d.h. die gew~hlte Altemative wurde in ihrer Attraktivit~t aufgewertet, die ausgeschlagene Alternative in ihrer Attraktivit~t abgewertet. 229

Zusammenfassend l~sst sich festhalten, dass die Theorie der psychologischen Reaktanz eine alternative Erkl~mng des bereits von Dissonanz-Forschern entdeckten Regret-Effekts nach Entscheidungen zu leisten vermag. Die Vorhersagen beider Theorien bezfiglich der Attraktivit~tsbeurteilungen der Alternativen sind widersprfichlich. 23~ Dies liegt darin begrfindet, dass die Theorie der kognitiven Dissonanz den Regret-Effekt nur als einen kurzweiligen Effekt, d.h. als eine Art ,,Ubergangsphase" ansieht. Das Einsetzen des Prozesses zur Reduktion von Dissonanz 16st diese Phase auf und fahrt zum End-Ergebnis nach der Entscheidung. Dieses besteht in der abgewerteten Attraktivit~t der ausgeschlagenen Alternative, w~hrend die gew~hlte Alternative eine aufgewertete Attraktivit~t besitzt. In der Theorie der psychologischen Reaktanz stellt der Regret-Effekt, als Ausdruck von Reaktanz, das eigentliche End-Ergebnis der Entscheidung dar. Dieses ist gekennzeichnet durch die abgewertete Attraktivit~t der gew~,hlten Alternative, w~hrend die ausgeschlagene Alternative eine aufgewertete Attraktivit~t besitzt.

2.2.3

Die Attributionstheorie

Ein Aspekt, der in der Dissonanztheorie bereits angeklungen ist, betrifft den Zusammenhang von Regret und Verantwortlichkeit. Nach Ansicht FEST~GERS kann der Regret-Effekt (und im Anschluss daran der Prozess der Dissonanzreduktion) nur einsetzen, wenn der Entscheidungstr~ger Verantwortlichkeit far die Konsequenzen seiner Entscheidung kogniziert. 229 Vgl. Brehm / Wicklund (1970). 230 Es liegen widersprfichliche Ergebnisse experimentellerUntersuchungen zu Attraktivit/~tsveranderungennach Entscheidungen vor. Vgl. Walster / Walster (1970). Dickenberger et al. weisen daraufhin, dass in einem beide Theorien umfassenden Experiment die Ergebnisse eher ~r die Gtiltigkeit dissonanztheoretischer Vorhersagen sprechen. Vgl. Dickenberger et al. (1993), S. 258 und die dort angegebeneLiteratur. 65

Eine Theorie, die zur Erkl~irung dieses Aspekts herangezogen werden kann, stellt die Attributionstheorie dar. Sie wird im folgenden Aufschluss dartiber geben, wie durch spezifische Erkl~irungsstile die Zuschreibung von Verantwortlichkeit erfolgt.

Als Begrfinder der Attributionstheorie gilt HEIDER, der sich mit den Konzeptionen ,,naiver ''231 Personen fiber psychologische Kausalit~it auseinandersetzte. 232 Aufbauend auf seinen Oberlegungen existiert

ein Konglomerat

verschiedener

attributionstheoretischer

Anshtze. 233

Vereinfachend kann von diesen als ,,der" Attributionstheorie TM gesprochen werden, da sie weitestgehend auf gemeinsamen Annahmen basieren und einer gemeinsamen theoretischen Perspektive folgen. 235 Die grundlegende Annahme der Attributionstheorie besteht darin, den Menschen als Erkenntnissuchenden zu charakterisieren. Das Bestreben nach dem Verstehen der Umwelt und des eigenen Ichs, unabh~ingig von hedonistischen Bedfirfnissen, stellt nach attributionstheoretischer Auffassung das fundamentale motivationale Prinzip dar, in dessen Dienst das Verhalten von Personen steht. 236 Gegenstand der Attributionstheorie sind die sog. A t t r i b u tione n, die die W a h r n e h m u n g von K a u s a l b e z i e h u n g e n bezeichnen. 237 Der Begriff ,,Wahrnehmung" ist in diesem Fall im Sinne einer ,,Zuschreibung" von Ursachen ftir eingetretene Ereignisse durch den Beobachter zu verstehen. Die Kausalit/it selbst entzieht sich einer direkten Beobachtung. Es sind die Symptome bzw. die Manifestationen zugrunde liegender Kernereignisse, -prozesse u n d - s t r u k t u r e n ,

die von einem Individuum wahrgenommen

werden, und anhand derer es auf zugrunde liegende Ursachen schlussfolgert. Durch die Bildung von Attributionen werden mehrdeutige Manifestationen einer Ursache eindeutig zugeschrieben. A u f diese Weise erscheint die Umwelt ftir ein Individuum verst~indlicher und zugleich vorhersagbar und kontrollierbar. 238

231 Der Ausdruck ,,naiv" weist darauf hin, dass Heider den Durchschnittsmenschen und dessen Alltagspsychologie erforschte und ihn vom Wissenschaftler und dessen Beschreibung von Kausalitat abgrenzt. 232 Vgl. Heider (1944) u. (1958). 233 Einen 0berblick zu den verschiedenen Ans~itzen in der Attributionstheorie gibt die bei Meyer /FOrsterling angegebene Literatur. Vgl. Meyer / FOrsterling (1993), S. 176. 234 Mehrfach wird auf eine Unterteilung in Attributionstheorie im engeren Sinne und im weiteren Sinne zuriickgegriffen. Die Attributionstheorie im engeren Sinne befasst sich mit den Bedingungen und Prozessen der Informationsaufnahme und -verarbeitung, anhand derer Individuen allt~iglich Ursachenzuschreibungen vomehmen. Zur Attributionstheorie im weiteren Sinne werden die attributionalen Theorien subsumiert, deren Betrachtungsschwerpunkt auf dem Einfluss, den Attributionen auf Erleben und Verhalten von Personen ausiiben, liegt. Vgl. Meyer /F6rsterling (1993), S. 176, sowie Seilheimer (2001), S. 76. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit ist die Attributionstheorie im weiteren Sinne gemeint, wenn von Attributionstheorie gesprochen wird. 235 Vgl. Meyer/FOrsterling (1993), S. 175 sowie Weiner (1994), S. 220. 236 Vgl. Weiner (1994), S. 218 ff. 237 Vgl. Nieschlag et al. (2002), S. 1027. 238 Vgl. Weiner (1994), S. 218 u. 221. 66

Ausl6ser far Attributionsprozesse, in denen Individuen nach den Ursachen von Verhalten bzw. den Ursachen der Ergebnisse von Verhalten fragen, sind erwartungs- bzw. wissensdiskrepante Ereignisse. 239 Eine Wahlhandlung, die zu einem schlechten Ergebnis fahrt, verlguft wider die Erwartungen des Entscheidungstr~igers und wider dessen Intention, die bestmOgliche Alternative zu wghlen. Das erzielte schlechte Ergebnis verlangt folglich nach einer Erkl~imng der Ursachen far sein Zustandekommen. Nach HEIDER bestehen far das Individuum in dieser Situation zwei M6glichkeiten der Ursachenzuschreibung. Zum einen kann das Handlungsergebnis auf Grtinde zurtickzufahren sein, die innerhalb der Person des Emscheidungstr~igers liegen. Zum anderen k6nnen die urs~ichlichen Faktoren aul3erhalb der Person liegen. HEIDERS Klassifikation der Attributionen orientiert sich folglich an der Dimension ,,Personenabh~ingigkeit", mit den Polarit~iten ,,internal" und ,external". 24~ Diese Kausaldimension wird auch als ,,Lokus" bezeichnet. 241 Nach Ansicht HEIDERS miissen bestimmte Voraussetzungen gegeben sein, um einen internen Lokus identifizieren zu k6nnen. Es ist nicht allein die Absicht der Person entscheidend, um ihr Ereignisse kausal zuzuschreiben. Vielmehr muss die Person die kausalen Linien, die von ihr ausgehen, kontrollieren, sodass sie sowohl ursprtingliche Quelle der hergestellten Ver~inderung als auch deren andauernde Ursache ist. 242 Demzufolge sind Kontrolle und (zeitliche) Stabilit~it notwendige Bedingungen, um Ereignisse kausal auf eine Person zurtickzufahren und ihr somit Verantwortung zuzuschreiben.

Bei empirischen Untersuchungen auf dem Gebiet interner/extemer Attribution deuten die Ergebnisse daraufhin, dass Attributionen sowohl zu kognitiven Konsequenzen als auch zu affektiven Konsequenzen fahren. Bei vielen Problemkreisen ist aus den vorliegenden experimentell gefundenen Ergebnissen nicht immer eindeutig zu schliel3en, ob allein kognitive oder motivationale Konsequenzen vorliegen oder beide gleichermal3en anzutreffen sind. 243 So auch z.B. beim Phgnomen der sog. Attributionsasymmetrie. Hierbei handelt es sich um die Neigung von Individuen, vorteilhafte Konsequenzen intern und unvorteilhafte Ergebnisse extern zu attribuieren. TM Verfechter der Theorie des Selbstwertschutzes und der Selbstwert-

239 Vgl. Meyer/Fdrsterling (1993), S. 177. 240 Vgl. Heider (1958), S. 297 f. 241 Vgl. Meyer/FOrsterling (1993), S. 180. 242 Vgl. Heider (1958), S. lOlf. 243Vgl. Meyer/Fdrsterling (1993), S. 207 f. 244Vgl. Meyer / FOrsterling (1993), S. 207. 67

erh6hung 245 sehen darin die Bestrebung von Personen, ihr Selbstkonzept im Falle des Misserfolgs vor bedrohenden Affekten zu schtitzen und im Falle des Erfolgs durch positive selbstwertbezogene Affekte aufzuwerten. Die Annahme, in der Attributionsasymmetrie den Ausdruck der Anwendung einer Strategie des Selbstschutzes und der SelbstwerterhOhung zu sehen, wird untersttitzt durch empirische Befunde. Diesen Ergebnissen zufolge korreliert das PersOnlichkeitsmerkmal ,,hohes Selbstwertgeftihl" positiv mit einer intemen Ursachenzuschreibung bei Erfolgen und einer externen Attribution bei Misserfolgen. 246 Eine nicht motivationale Erkl~irung der Attributionsasymmetrie besagt, dass Individuen in der Regel Aufgaben beginnen, fiir die sie sich befiihigt glauben. Im Erfolgsfall sehen sie ihre Erwartung auf Erfolg best~itigt. Die inteme Attribution erfolgt daher auf dieser best~itigten Annahme und nicht aufgrund affektiver Konsequenzen. Bei Misserfolg werden nicht die eigenen F~ihigkeiten in Frage gestellt, da diese nach eigenen Uberzeugungen zur LOsung der Aufgabe ausreichend vorhanden sind. Folglich mtissen exteme Ursachen fiir den unerwarteten Misserfolg verantwortlich sein. 247

Aus der Attributionstheorie k6nnen nicht nur Aussagen dartiber getroffen werden, wie und warum ein Entscheidungstr~iger Verantwortlichkeit in Bezug auf die Konsequenzen seiner Entscheidung kogniziert. Neben der Darstellung dieser Grundvoraussetzung zur Entstehung von Regret dient die Attributionstheorie auch zur Erhellung des Problems der St~irke von Regret. Einem Befund attributionstheoretischer empirischer Forschung zufolge ffihrt eine interne Attribution zu einer Intensivierung yon Emotionen. 248 Auf Basis dieses Befunds kann eine Erkl~irung ffir ein vielfach empirisch beobachtetes Ph~inomen in der RegretForschung erfolgen. Dieses stellt sich im unterschiedlich starken Bedauern nach Aktionen und nach Unterlassungen dar. Ein gleichermaBen negatives Ergebnis wird st~.rker bedauert, wenn es aus einer Handlung erfolgt, als wenn es aus Unterlassung herriihrt. 249 Die Verst~irkung des AusmaBes des Bedauerns nach Aktionen erfolgt dadurch, dass das Individuum eine Kausalit~it zwischen seinem Handeln und dem negativen Ergebnis herstellt. 25~ Durch die interne Attribution erf~ihrt der emotionale Einfluss des Ergebnisses eine Akzentuierung. TM Die 245 Vgl. zur Theorie des Selbstwertschutzes und der Selbstwerterh6hung Dauenheimer et al. (2002), S. 159 ff. Vgl. zur Anwendung selbstwertdienlicherAttribution Mummendey (2002), S. 222. 246 Vgl. die Studien von Brown et al. (1998), Taylor und Brown (1988) und Wheeler / Miyake (1992). 247 Vgl. Meyer/FOrsterling (1993), S. 207 f. 248Vgl. Weiner (1986), S. 281. 249 Vgl. zu diesem Ph~inomendie Studien von Kahnemann / Tversky (1982a), Landman (1987), Gleicher et al. (1990). Gegenl~iufigerMeinung sind Feldman et al. Vgl. Feldman et al. (1999), S. 232 ff. 25o Vgl. Feldman et al. (1999), S. 234. 251 Vgl. Weiner (1980), S. 186 ff. 68

Ergebnisse von Unterlassungen werden dagegen eher extem attribuiert. 252 Die Erkl/~rung hierffir liegt darin, dass die Alternative ,,Unt/itigkeit" in Entscheidungen oft als Status quo angesehen wird. In diesem Fall ist sich der Entscheidungstr/~ger tiberhaupt nicht bewusst, eine Entscheidung getroffen zu haben. Folglich werden daraus resultierende Ereignisse nicht intem attribuiert, es wird keine Verantwortlichkeit empfunden und letztlich entsteht auch kein Regret. 253 Demnach liegt im Regret die subjektive Erkenntnis, ein m6gliches besseres Ergebnis bewusst und eigenverantwortlich ausgeschlagen zu haben. TM Ein Entscheidungstr~iger entwickelt umso st/~rkeres Bedauem, je mehr er sich selbst ffir das negative Ergebnis einer Entscheidung verantwortlich fiihlt. 255

Der positive Zusammenhang zwischen Regret und Verantwortlichkeit sowie entsprechenden intemen Attributionen ist in der modemen Regret-Forschung weitestgehend anerkannt und belegt. 256 Attributionale Prozesse ausl6sende und beeinflussende Faktoren tiben ~iber diese Kette auch einen Einfluss auf Entstehung und St/~rke von Regret aus. Verschiedene Befunde weisen daraufhin, dass z.B. das Involvement, das finanzielle Risiko und die Wichtigkeit eines Ereignisses positiv mit der Starke der empfundenen Emotion korrelieren und attributionale Prozesse entsprechend zu beeinflussen verm6gen. 257 Folglich sind die Bedingungen zu beachten, die tiberhaupt erst ein ,,reflektiertes" Verhalten initiieren. Kritiker des attributionstheoretischen Ansatzes fiihren an, dass viele Handlungen vielmehr automatisierte Reaktionen auf Umweltstimuli sind, und nicht auf kausalen Schlussfolgerungen beruhen. Die Belastung durch eine erh6hte kognitive Anstrengung und den Ablauf mentaler Prozesse wird das Individuum vor allem bei sehr wichtigen oder auch bei sehr ungew6hnlichen Entscheidungssituationen in Kauf nehmen. 258

Zusammenfassend 1/~sst sich festhalten, dass die in der Attributionstheorie vorgenommene Unterscheidung von intemalen und extemalen Ursachenfaktoren weitreichende Implikationen besitzt, die bis auf die Verhaltensebene reichen. In dieser kognitiven Verhaltenstheorie ist es nicht die tats/~chliche Umwelt, sondem eine kognitive Reprasentation der Umwelt ...... welche

252 Vgl. Zeelenberg (1996), S. 104. 253 Vgl. Gilovich et al. (1995), S. 182 f. 254 Vgl. Zeelenberg et al. (1998), S. 255. 255 Vgl. Seilheimer (2001), S. 79. 256 Vgl. Zeelenberg (1996), S. 5, Zeelenberg et al. (1998), S. 124, Frijda et al. (1989), S. 220, Gilovich/Medvec (1994), S. 359, Roseman et al. (1996), S. 241 ff. Anders bei Simonson (1992), S. 117. 257 Vgl. Seilheimer (2001), insb. S. 81 sowie die dort angegebene Literatur. 258Vgl. Seilheimer (2001), S. 81, Weiner (1994), S. 237 f.

69

Motive und Emotionen wachruft und beobachtbares Verhalten zu seinem Ziel hinleitet. ''259 Die Subjektivit/at der Ursachenzuschreibung l~isst eine Abweichung von objektiven Kausalit~iten zu. Daher kann bei vorliegender objektiv gleicher Situation durch subjektiv wahrgenommene Kausalbeziehungen personenspezifisches Verhalten erkl~irt werden. Unter dem Aspekt der Zuschreibung von Verantwortlichkeit tragen die attributionstheoretisch beschriebenen Mechanismen entscheidend zum Verst~indnis der Regret-Entstehung bei.

2.2.4

Die Norm-Theorie

Ausffihrungen zur Attributionstheorie lassen deutlich werden, wie bedeutend ~ r die Entstehung und die St/arke von Regret ist, auf welche Art und Weise eine Entscheidung getroffen wurde und wie das Zustandekommen der Entscheidung vom Entscheidungstr/~ger wahrgenommen wird. Zur vollst~indigen Erfassung des Ph~inomens Regret reicht die Konzentration auf die Ergebnisabh~ingigkeit von Regret, wie sie in der entscheidungstheoretischen Sichtweise vorkommt, folglich nicht aus. Eine weitere Beschr~inkung 6konomischer Ans~itze zur ad~iquaten Erfassung von Regret liegt in der Annahme der vollst/andigen Information des Entscheidungstr~igers beziJglich aller Komponenten des Entscheidungsfelds. Weder die Er~llung dieser Bedingung noch das Vorhandensein eines entsprechenden Feedbacks beziJglich alternativer Ereignisse sind in realen Entscheidungssituationen immer gegeben. Dennoch ist ein Auftreten von Regret zu beobachten. Folglich muss es noch eine weitere M0glichkeit geben, wie ein Individuum den Mal3stab ftir den zur Regret-Entstehung notwendigen Vergleich generieren kann. Die folgenden Ausftihmngen zur Norm-Theorie sind auf diesen Problemkreis bezogen.

KAHNEMANNund MILLER besch~iftigen sich in ihrer 1986 publizierten Norm-Theorie mit den Mechanismen, die post hoc und spezifisch fiJr ein erzieltes Ergebnis Vergleichsmal3st~ibe zu dessen Beurteilung entstehen lassen. 26~ Die Innovation ihres Ansatzes gegeniJber vorhergegangen Theorien, die sich mit sozialen Vergleichsprozessen besch~iftigen, liegt folglich in der Abkehr vonder Voraussetzung a priori gebildeter VergleichsmaBst~ibe. So gestehen z.B. THIBAUTund KELLEY in ihrer Theorie des Comparison Level sowie HELSON in seiner Theorie

259 Baldwin (1969), S. 326. 260 Kahnemann / Miller (1986).

70

des Adaptation Level einem Individuum nur die M6glichkeit zu, auf Beurteilungsstandards zu~ckzugreifen, die aus frtiheren Erfahrungen abgeleitet bereits vorliegen. 261 Dabei definiert sich der Comparison Level als der gewichtete Durchschnitt aller relevanten, dem Individuum bekannten Ereignisse. Der Adaptation Level ist konzipiert als Durchschnittsniveau der Ereignisse, die ein Individuum bislang erfahren hat und mittlerweile als gewohnt empfindet. 262

Theorien sozialer Vergleichsprozesse postulieren zur Beurteilung eines auf Erfahrung beruhenden Ereignisses einen Vergleich zwischen diesem Ereignis und einem kognitiven Anker. Der Comparison Level und der Adaptation Level stellen einen solchen Anker dar. Auch die Norm-Theorie setzt einen paarweisen Vergleich dieser Art voraus. Sie besagt aber, dass dieser kognitive Anker in Form eines Beurteilungsstandards (-- norm) nicht bereits vorliegen muss, sondern erst in spezifischer Reaktion auf ein erfahrenes Ereignis post hoc gebildet wird. Normen variieren somit mit den ihnen zugrunde liegenden und sie hervorrufenden Ereignissen. Jedes Ereignis kann folglich post hoc seinen eigenen, far ihn charakteristischen Referenzrahmen generieren. 263

Ausl/3ser ftir einen Vergleichsprozess ist eine tiberraschende oder besonders negative Erfahrung. 264 Nach Aussage der Norm-Theorie wird in dieser Situation ein Evaluationsprozess ausgeltist. Auch wenn bis dato noch keine Vergleichsmal3st~ibe gebildet wurden, kann dieser Prozess dennoch stattfinden, da das Ereignis seine eigenen Normen generieren kann. An diesem Punkt gestehen KAHNEMANNund MILLER zu, dass in die Entstehung von Normen bereits vorhandene Kognitionen wie z.B. Uberzeugungen oder aus Erfahrungen abgeleitete Erwartungen eingehen. Die beiden Autoren betonen jedoch, dass diese Kognitionen erst ereignisspezifisch (re-)konstruiert werden. 265

Die Art der von einem Ereignis generierten Norm kann in zwei unterschiedliche Richtungen tendieren. Zum einen kann durch die mentale Wiederherstellung ~ihnlicher Ereignisse eine Norm entstehen, die ein gedankliches Abbild des Ereignisses darstellt. FOr den Fall, dass eine Norm einem erfahrenen Ereignis derart ahnelt, sprechen KAHNEMANNund MILLER von einem

261Vgl. Thibaut/Kelley (1959), S. lff., Helson (1964), S. 1 ff. 262 Vgl. Roese/Olson (1995), S. 7. 263 Vgl. Kahnemann/Miller (1986), S. 136, Zeelenberg et al. (1998), S. 122. 264 Vgl. Roese/Olson (1995), S. 6. 265 Vgl. Kahnemann/Miller (1986), S. 137,Roese/Olson (1995), S. 7, McGill (1993), S. 701 f. 71

,,normalen" Ereignis. Zum anderen kann durch die Generierung von Counterfactuals 266 eine Norm entstehen, die sich gegens~itzlich zum faktischen Ereignis gestaltet. In diesem Fall handelt es sich um ein ,,abnormales" Ereignis. Als Kraft, die bestimmend ist, ob eine Norm eher dem tats~ichlichen Ereignis entspricht oder von diesem abweicht, identifizieren die Autoren die sog. ,,mutability". Sie bezeichnet den Grad der Leichtigkeit, mit der einzelne Faktoren des Ereignisses ver~indert werden k6nnen. Je schwieriger einzelne Elemente zu ver~indern sind, je eher werden sie in der Norm beibehalten, und je leichter Elemente zu ver~indern sind, um so eher werden sie durch eine ad hoc gebildete Norm ersetzt. Diese Ver~inderlichkeit h~ingt z.B. davon ab, ob es sich um ein aul3ergew6hnliches oder ein gew6hnliches Element handelt. Aul3ergew6hnliche Ereignisse bestehen in erster Linie aus aul3ergew0hnlichen Elementen. Diese lassen sich leichter ver~indern, d.h. besitzen eine h6here mutability. Daher ist es ftir den Entscheider einfacher, gedankliche Alternativen zu konstruieren. 267

KAHNEMANN und MILLER weisen daraufhin, dass aus dem kognitiven Vergleich Emotionen resultieren. Die affektive Reaktion ist direkt vom Vergleich des realisierten Ereignisses mit seiner Norm abhgngig. 268 Je aul3ergew6hnlicher sich ein Ereignis darstellt, d.h. je mehr es von seiner Norm differiert, umso stgrker ist die affektive Reaktion. 269 Ein negatives Ereignis lgsst sich leichter ab~indern, indem seine aul3ergew6hnlichen, somit leichter ver~inderbaren Aspekte ver~.ndert werden. Diese Aspekte erfahren vom Entscheider eine erh6hte Aufmerksamkeit, da er sich st~irker mit diesen Elementen auseinandersetzt. Zudem neigen Individuen grundsgtzlich dazu, mehr fiber aul3ergew6hnliche als tiber normale Aspekte nachzudenken. 27~ Daraus resultiert eine Akzentuierung der emotionalen Reaktion. 271

Die Aus~hrungen zur Norm-Theorie tragen in verschiedener Hinsicht zum Verst~indnis des Regret und zu seiner ad~iquaten Darstellung bei. Insbesondere der Dr die Regret-Entstehung notwendige Vergleichsprozess ist durch die neuen Erkenntnisse auch nach den Anforderungen realer Entscheidungssituationen beschreibbar geworden. Zum einen besagt die NormTheorie, dass Vergleichsmal3st~ibe nicht zwingend erforderlich a priori festgelegt sein mtissen,

266 Zum Begriff des ,,Counterfactual" vgl. Abschnitt 2.2.5. 267 Vgl. Roese/Olson (1995), S. 7 u. 8, Seilheimer (2001), S. 49 f. 268 Vgl. Seilheimer (2001), S. 49. 269 Vgl. Kahnemann/Miller (1986), S. 145. 270 Vgl. Kahnemann/Riepe (1998), S. 63. 271 Vgl. Seilheimer (2001), S. 50.

72

sondern bei Bedarf spontan erzeugt werden k6nnen. Zum anderen zeigt sie die M6glichkeit auf, dass die Fiktion, d.h. die Bildung imagin~irer Alternativen, die Funktion des Feedbacks v611ig ersetzten kann. Auf diese Weise wird die Entstehung von Regret auch in Situationen erkl~irbar, in denen derart hohe Anforderungen, wie z.B. die vollst~indige Information des Entscheidungstr~igers, nicht erfiillt sind.

Des Weiteren liefert die Norm-Theorie einen weiteren Erkl~irungsansatz fiir das bereits beschriebene Ph~inomen des st~irkeren Bedauerns nach einer Handlung im Vergleich zum Bedauern nach einer Unterlassung bei gleichermafSen negativem Ergebnis. Aus normtheorefischer Sichtweise sind Aktionen als ungew6hnlicher anzusehen als Unterlassungen. Aktionen sind meist mit einer physischen Handlung verbunden. Ftir ein Individuum gestaltet es sich einfach, gedanklich die Handlung ungeschehen zu machen, das heil3t mental eine Alternative zu konstruieren. Im Falle der Um~itigkeit ist es dagegen viel schwieriger, sich eine alternative Handlung vorzustellen. 272 Die mutability yon Aktionen ist somit h6her als die von Unterlassungen. Da die affektive Reaktion umso h6her ist, je aul3ergew6hnlicher sich ein Ereignis darstellt, sind die emotionalen Auswirkungen von Ereignissen, die auf Aktionen beruhen, st~irker als derjenigen, die aus Unterlassungen herr~hren. Die verst~irkte emotionale Reaktion ist in diesem Fall ein verst~irktes Regret. 273

Die Norm-Theorie l~sst zur Beschreibung der kognitiven Prozesse motivationale Elemente auf3en vor. Zur Bildung ihrer Vorhersagen zieht sie weder Affekte noch Intentionen als Einfluss nehmende Faktoren heran. 274 Der im folgenden Abschnitt beschriebene Ansatz des Counterfactual Thinking leitet sich aus der Norm-Theorie ab. Er unterscheidet sich von ihr jedoch in der Hinsicht grundlegend, dass motivationalen Faktoren eine bedeutende Rolle in der Argumentation zum Counterfactual Thinking zuerkannt wird.

272 Vgl. Kahnemann /Tversky (1982a), S. 173. 273 Vgl. Zeelenberg (1996), S. 10. 274 Vgl. Roese/Olson (1995), S. 8. 73

2.2.5

Die Theorie des Counterfactual Thinking

Der sozial-psychologische Ansatz des Counterfactual Thinking grfindet auf den 1982 ver6ffentlichten Ideen zum Prozess einer mentalen Simulation von KAHNEMANN UND TVERSKY. 275

1986 kam der Einfluss der von KAHNEMAYNund MILLER begrfindeten Norm-

Theorie hinzu. Darin besch/fftigen sich die Autoren mit den Mechanismen, die post hoc und spezifisch far ein erzieltes Ergebnis VergleichsmaBst/~be zu dessen Beurteilung entstehen lassen. 276 Aus normtheoretischer Sichtweise stellen Counterfactuals solche VergleichsmaBst/~be dar, die als spezifische Reaktion auf negative oder unerwartete Ereignisse gebildet werden. Diese Perspektive wird in der Theorie des Counterfactual Thinking fibemommen und um eine Argumentation auf motivationaler Basis erweitert. Die Kemidee liegt vor allem darin, dass unerwfinschte oder besonders negative Ereignisse Affekte negativer Valenz erzeugen, die wiederum zu einem motivationalen Zustand f~hren, der auf Reduktion seiner selbst ausgerichtet ist. Die Generierung von Counterfactuals wird in diesem Fall als M6glichkeit genutzt, diesen aversiven Zustand aufzul6sen. 277 Nicht durch tats/~chliches Handeln, aber durch eine kognitive Reaktion findet das Individuum einen Weg, das Ereignis zumindest mental zu vermeiden oder ungeschehen zu machen. 278

Das Counterfactual Thinking beschreibt den psychologischen Prozess, in dem das erzielte Ergebnis einer Entscheidung mit anderen m6glichen Ergebnissen verglichen wird. 279 Die Bezeichnung counterfactual (= kontrafaktisch) bedeutet, w6rtlich genommen, ,,entgegen den Fakten". Sie findet in diesem Fall Verwendung, weil die Altemativen, die zu diesem Vergleich herangezogen werden, lediglich vorgestellt und nicht real zustande gekommen sind. Mit anderen Worten sie entsprechen nicht der Wirklichkeit, wie sie sich momentan far das Individuum darstellt. Der Inhalt der Gedankeng/~nge (= Counterfactual Thoughts, kurz Counterfactuals) im Prozess des Counterfactual Thinking steht folglich im Gegensatz zu den Fakten, die die reale Situation liefert. Vielmehr wird die Realit/~t gedanklich in eine alternative Realit~it transformiert. ZEELENBERGET AL. bemerken hierzu: ,,It includes thoughts in which current reality is changed into what might, could, would, or should have been. ''28~

275 Kahnemann / Tversky (1982b). 276 Kahnemann /Miller (1986). Vgl. die Aus~hrungen zur Norm-Theorie in Abschnitt 2.2.4. 277 Vgl. Markman et al. (1993), Roese (1994). z78 Vgl. zu diesem Abschnitt Roese / Olson (1995), S. 9 ff. Eine ausffihrliche Argumentation, die auf dem Vermeidungsstreben basiert, liefert Roese (1997), S. 135. 279 Vgl. Zeelenberg et al. (1998), S. 118. 28o Zeelenberg et al. (1998), S. 118. 74

Nach ROESE und OLSON ~iul3em sich Counterfactual Thoughts anhand konditionaler

Aussagen kausalen Charakters. TM Eine im Regen nass gewordene Person k6nnte beispielsweise ~iul3ern: ,,Wenn ich heute morgen einen Schirm mitgenommen h~itte, dann w~ire ich jetzt nicht nass geworden." Die Bildung eines solchen Counterfactuals setzt bei dem faktischen Ergebnis an, nass geworden zu sein. Die Erfahrung dieses negativen Ereignisses initiiert den Prozess des Counterfactual Thinking. Mittels einer mentalen Simulation werden die Ausgangsbedingungen derart ver~indert, 282 dass ein alternatives Ergebnis resultiert. Das faktische Ereignis wird somit gedanklich ungeschehen gemacht. Gleichzeitig gelangt das Individuum zu einer Kausalit~itszuschreibung und dadurch zu einem besseren Verst~indnis des Zustandekommens seiner realen Situation. 283 Auf diesem Wege zeigen Counterfactuals dem Individuum MOglichkeiten auf, in zuktinftigen, ~ihnlich gearteten Entscheidungen das Ergebnis, das aktuell erzielt wurde, zu vermeiden. 284

Der Beitrag der Theorie des Counterfactual Thinking zur Erkl~irung der Entstehung von Regret liegt zun~ichst einmal in der Annahme der gedanklichen Schaffung von Altemativen. Insbesondere in realen Entscheidungssituationen, in denen oftmals allein das Ergebnis der gew~ihlten Option bekannt ist, liegt darin eine M6glichkeit, wie die zur Regret-Entstehung notwendige Bedingung eines paarweisen Vergleichs erfiillt werden kann. In diesem Fall ersetzen die generierten Counterfactuals das Wissen um das Ergebnis der ausgeschlagenen Alternative. Evaluative Reaktionen auf das faktische Ergebnis k6nnen auf Basis eines Vergleichs dieses Ergebnisses mit dem post hoc generierten kontrafaktischen Ergebnis entstehen.

Einen weiteren wichtigen Faktor for die Regret-Entstehung stellt der Inhalt des gebildeten Counterfactuals dar. Er ist Ausdruck individueller Vorstellung, w i e es zum erzielten Ergebnis kommen konnte. Auf diesem Wege beeinflusst der Prozess des Counterfactual Thinking die Bildung von Attributionen. 285 Diese wiederum beeinflussen die affektive Reaktion des Entscheidungstr~igers auf das Ergebnis der realisierten Alternative wie bereits in Abschnitt 2.2.3 beschrieben. ZEELENBERG ET

AL.

formulieren auf dieser Argumentationskette die

281 Vgl. R o e s e / O l s o n (1995), S. 11. 282 Welche Elemente zur Veranderung der Fakten herangezogen werden, bestimmt sich nach dem normtheoretischen Konzept der ,,mutability". Vgl. hierzu Abschnitt 2.2.4. 283 Wie z.B. Kasimatis / Wells bemerken, liegt in der gedanklichen Rekonstruktion der Versuch, die negative Erfahrung besser zu bewgltigen. Vgl. Kasimatis / Wells (1995), S. 81. 284 Vgl. Hetts et al. (2000), S. 346. 285 Vgl. Zeelenberg et al. (1998), S. 124. 75

Annahme, dass Regret mit ,,behavior-focused" Counterfactual Thoughts einhergeht. Die Autoren verstehen darunter Counterfactuals, bei denen das faktische Ereignis mental ungeschehen gemacht wird, indem eine Ausgangsbedingung ver~ndert wird, die der Kontrolle des Entscheidungstr~gers unterliegt (wie z.B. eine bewusste Handlung oder Entscheidung). Diese Art von Counterfactuals generiert eine interne Attribution. Ein ,,situation-focused" Counterfactual Thought ffihrt dagegen zur Entstehung von Disappointment und nicht von Regret. Diese Art von Counterfactual generiert eine externe Attribution. Das faktische Ereignis wird mental ungeschehen gemacht, indem eine Ausgangsbedingung ver~.ndert wird, die nicht der Kontrolle des Individuums unterliegt (wie z.B. das Verhalten einer anderen Person oder ein Umweltzustand).

Anhand

empirischer Ergebnisse konnten

diese Annahmen

best~tigt

werden. 286 Zudem konnte in zahlreichen Tests gezeigt werden, dass Individuen eine Tendenz aufweisen, Handlungen, ffir die sie selbst Kontrolle empfinden, als Ausgangsbasis zur Generierung ihrer Counterfactuals zu verwenden. 287 Der Grund hierffir ist darin zu sehen, dass kontrollierbare Einflfisse mental leichter verfinderbar sind als unkontrollierbare Faktoren. 28s LANDMAN und PETTY schlussfolgern daraus,

dass mit zunehmender wahrgenommener

Kontrolle das Counterfactual Thinking zunimmt. 289

Der Inhalt eines Counterfactuals bestimmt, wie gerade argumentiert wurde, die Art der affektiven Reaktion. Aus einem ,,behavior-focused" Counterfactual resultiert Regret. Neben diesem indirekten Effekt des Counterfactuals, der fiber eine Attribution erfolgt, 29~ existiert ein direkter Effekt, der sich auf die St~rke der affektiven Reaktion auswirkt. KAHNEMANNund MILLER sprechen diesbezfiglich von ,,emotional amplification". 291 Im Wesentlichen handelt es sich hierbei um einen Kontrasteffekt. 292 Das Counterfactual fungiert in diesem Fall als Norm bzw. als salienter Anker, anhand derer der Entscheidungstr~.ger das faktische Ereignis abgleicht. F~llt die Beurteilung, die auf Basis dieses Vergleichsmal3stabes getroffen wurde, extrem aus, verstfirkt dieser Kontrast die affektive Reaktion. Je starker das im Counterfactual mental konstruierte alternative Ergebnis vom faktischen Ergebnis abweicht, desto gr613er ist die Intensit~t der affektiven Reaktion. 293 Eine Person, die in einer Tombola eine Niete zieht, 286 Vgl. Zeelenberg et al. (1998), S. 123 ff. 287 Vgl. die Studien von Girotto et al. (1991) und Markman et al. (1995). 288 Vgl. Seilheimer (2001), S. 71. 289 Vgl. L a n d m a n / P e t t y (2000), S. 314. 29o Auf dem Gebiet dieser Wirkungsweise von Counterfactuals leisteten Niedenthal et aL Pionierarbeit. Vgl. Niedenthal et al. (1994). 291Vgl. Kahnemann/Miller (1986), S. 145. 292 Vgl. R o e s e / O l s o n (1995), S. 36. 293 Vgl. Seilheimer (2001), S. 61. 76

wird den Verlust ihres Einsatzes viel schmerzhafter erleben, wenn sie ein Counterfactual bildet, in dem sie den Hauptpreis gewonnen hgtte. Somit gilt, dass ein gegebenes Ereignis schlechter beurteilt wird, wenn ein wtinschenswerterer salienter Vergleichsmaf3stab vorhanden ist, und es wird als besser beurteilt, wenn ein weniger wt~nschenswerter Vergleichsmal3stab salient

ist. 294

Entsteht Regret bei fehlendem Feedback durch die Bildung von Counterfactuals, wird die St~irke des Regret durch die Richtung des Vergleichs beeinflusst, wie durch den ,,emotional amplification"-Effekt beschrieben. Bei einem gegebenen negativen Ereignis verst~irkt sich die negative affektive Reaktion, wenn sich ein Individuum wfinschenswertere Alternativen vorstellt (= Upward Counterfactual). Werden dagegen noch weniger wtinschenswerte Alternativen mental konstruiert (= Downward Counterfactual) schw~icht sich die negative affektive Reaktion ab. Die Konsequenz far einen Entscheidungstr~iger, der ein nach unten gerichtetes Counterfactual konstruiert, besteht zun~ichst in einer Verbesserung seiner affektiven Situation. Langfristig gesehen nimmt er sich dadurch jedoch die M6glichkeit, aus seiner Lage zu lernen, und in Zukunft in ~ihnlich gelagerten Entscheidungen nicht wieder zu dem gleichen, unerwfinschten Resultat zu gelangen.

Bildet der Entscheidungstrgger ein nach oben gerichtetes Counterfactual verschlechtert sich zwar momentan seine affektive Situation, langfristig gesehen hat er jedoch die Chance, die Ursachen des unerwtinschten Resultats zu eruieren, und somit far zukt~nftige Entscheidungen besser vorbereitet zu sein. KASIMATIS und WELLS kategorisieren diese spezifischen Funktionen von Counterfactuals grob in ,,emotional focused" und ,,problem focused functions". 29s Der erste Terminus bezieht sich darauf, dass nach unten gerichtete Counterfactuals dazu verwendet werden, dass sich das Individuum bezfiglich des realisierten Ergebnisses besser fahlt und sich der mentalen Simulation bedient, um seine emotionale Lage zu regulieren. Ebenso hilfreich kann diese Art von Counterfactual sein, um nach einem intern attribuierten negativen Ereignis die Selbstwertsch~itzung wieder herzustellen bzw. zu erh6hen. 296 Der zweite Terminus bezieht sich darauf, dass sich ein Individuum durch mentale Simulation ~iber nach oben gerichtete Counterfactuals eines Ereignisses bewusster wird, und ihm dieses dadurch realer erscheint. 297 Das lndividuum gelangt zu einem besseren Verst~indnis seiner 294 Vgl. Roese/Olson (1995), S. 36. 295 Vgl. Kasimatis / Wells (1995), S. 82. 296 Vgl. Taylor/Schneider (1989), S. 174 ff. 297 Vgl. Taylor/Schneider (1989), S. 174 ff. 77

realen Situation, identifiziert die Ursachen seiner Lage und gewinnt Erkenntnisse fiber die Zwecktauglichkeit verschiedener Handlungsm6glichkeiten. In zukiinftigen,/ihnlich gearteten Situationen wird das Individuum dadurch besser vorbereitet sein. 298

Des Weiteren helfen mentale Simulationen dem Individuum, die durch das negative Ereignis erfahrene Belastung zu bew/~ltigen, indem das Individuum einen Sinn in dem Ereignis findet und sich zudem einen gewissen Grad an Kontrolle fiber sich und seine Umwelt gewinnen sieht. 299 SEILHEIMER weist darauf hin, dass noch nicht empirisch bewiesen ist, welche Faktoren die Richtung der gebildeten Counterfactuals determinieren. Seiner Auffassung nach bestimmt sich die Richtung des ablaufenden Vergleichs danach, welche dieser (gegen1/~ufigen) Konsequenzen far das Individuum wichtiger sind. 3~176 Beispielsweise erscheint es im Fall einer einmaligen Entscheidungssituation von Vorteil, ein nach unten gerichtetes Counterfactual zu bilden, um sich dadurch besser zu ~hlen. Da sich diese Entscheidungssituation ohnehin nicht wiederholen wird, ist eine Vorbereitung fiir die Zukunft irrelevant. 3~

Einen Hinweis darauf, ob die Bildung von Counterfactuals im Allgemeinen eher die Funktion eines Probleml6sungsmechanismus besitzt oder far Individuen vorrangig zum Zweck der Beeinflussung ihrer affektiven Situation verwendet werden, liefern KASIMATISund WELLS.302 Aus empirischen Forschungsergebnissen folgern die beiden Autoren, dass neben den Determinanten, die dem normtheoretischen Gesetz der mutability folgen, 3~ insbesondere personenbezogene Faktoren die Bildung von Counterfactuals bestimmen. Die Art der Beziehung zwischen Pers6nlichkeitsfaktoren und der Neigung zur Generierung yon Counterfactuals erm6glicht eine bessere Einsicht in das Wesen des Counterfactual Thinking und l~isst letztlich darauf schliegen, zu welchen Zwecken es dientt.

Empirisch gefundene individuelle Unterschiede bei der Bildung von Counterfactuals belegen, dass personenbezogene Charakteristika sowohl einen Einfluss auf die Anzahl als auch auf den Typus der gebildeten Counterfactuals aufweisen. 3~ Die Resultate verschiedener Studien

298Vgl. Roese (1994), S. 805 ff. 299 Vgl. Davis/Lehmann (1995), S. 353 ff., Taylor~Schneider (1989), S. 174 ff. 3oo Vgl. Seilheimer (2001), S. 65. 301 Vgl. Seilheimer (2001), S. 67. 3o2Kasimatis / Wells (1995), insb. S. 97. 3o3 Die mutability beschreibt die Leichtigkeit,mit der eine Person einzelne Faktoren des Ereignisses ver/~ndem kann, um es mental ungeschehen zu machen. Vgl. diesbeziiglichAbschnitt 2.2.4. 3o4 Vgl. Kasimatis / Wells (1995), S. 97.

78

lassen erkennen, dass Individuen, die dazu tendieren, sich emotionszentrierter Bew~iltigungsstrategien 3~ zu bedienen, sowie Individuen mit hohem Selbstwertgefiihl eher nach unten gerichtete und weniger nach oben gerichtete Counterfactuals bilden als Personen, bei denen diese Pers6nlichkeitsmerkmale schw~icher ausgepr~igt sind. 3~ Wie bereits dargelegt, ftihrt die Generierung eines nach oben gerichteten Counterfactuals zu einer (weiteren) Verschlechterung der affektiven Situation, w/ihrend ein nach unten gerichtetes Counterfactual zu einer Verbesserung der affektiven Lage des Individuums fiihrt. Nach unten gerichtete Counterfactuals stellen eine Form der mentalen Simulation dar, die selbstwertdienlich ist. Angesichts der Tatsache, dass Personen mit hohem Selbstwertgefiihl sich vermehrt selbstwertdienlicher Strategien 3~ bedienen, 3~ werden die empirisch gefundenen Resultate auf dem Gebiet der Counterfactuals verst~indlich. Auch mr den Charakterzug des Optimismus 3~ existieren empirische Befunde, die auf eine positive Relation zur Bildung nach unten gerichteter Counterfactuals weisen. 31~ Da Optimisten dazu neigen, Sachverhalte in einem positiven Licht zu sehen und zudem die positiven Elemente eines Ergebnisses fokussieren, wird verst/andlich, warum sie, im Vergleich zu Pessimisten, eher nach unten gerichtete Counterfactuals konstruieren.

Auch in der H~iufigkeit gebildeter Counterfactuals lassen sich individuelle Unterschiede, die mit Pers6nlichkeitscharakteristika korrelieren, empirisch belegen. Nach ROESE fiihrt das Engagement in Counterfactual Thinking zumeist zur Entstehung negativer Affekte. Er postuliert, das Individuen typischerweise alternative Ereignisse fokussieren, die besser sind als die erzielten. Derartige aufwartsgerichtete Vergleiche ftihren dann zu Geftihlen wie Unzufriedenheit, Neid oder Regret. TM Personen, die dazu tendieren, sich nicht des kognitiven Mechanismus des Counterfactual Thinking zu bedienen, erfahren folglich weniger die negativen Emotionen, die diese mentalen Simulationen mit sich bringen. In einer Studie von BARON konnte nachgewiesen werden, dass sich eine Gruppe von Untemehmern von einer

305 Zur Thematik der Bew~iltigungsstrategien vgl. Wentura et aL (2002), S. 101 ft. Zur Pers/Snlichkeitseigenschaft des Bew~iltigungsstils siehe vertiefend Abschnitt 2.3.2.6. 306 Vgl. Kasimatis / Wells (1995), S. 97. 307 Zur Thematik der Strategien des Selbstwertschutzes und der Selbstwerterh6hung vgl. Dauenheimer et al. (2002), S. 159 ff. 308 Vgl. die Studien von Brown et al. (1988), Taylor/Brown (1988) und Wheeler/Miyake (1992). 309 Zur Definition von Optimismus vgl. Scheier/Carver (1985), S. 219. 310 Vgl. Kasimatis / Wells (1995), S. 97. 311 Vgl. Medvec etal. (1995), S. 603 ff., Roese (1994), S. 805 ff., Roese/Olson (1995), S. 113 ff. 79

Gruppen von Nicht-Unternehmern durch hohes Selbstbewusstsein, hohen Optimismus und eine geringere Tendenz, sich in Counterfactual Thinking zu engagieren, unterschied. 3~2

In der Gesamtheit dieser Befunde sehen KASIMATISund WELLS implizit die Annahme best~tigt, dass Counterfactual Thinking einer ,,emotional focused function" dient. Wenn Personen, bei denen Pers6nlichkeitsmerkmale wie Optimismus, hohes Selbstwertge~hl oder die Neigung, sich emotionszentrierter BewNtigungsstrategien zu bedienen, vorhanden sind, mehr zum Counterfactual Thinking mittels Downward Counterfactuals tendieren, als Personen, bei denen diese Merkmale nur schwach ausgepragt sind (bzw. diese Neigungen nicht besitzen oder gar Merkmalsauspr~gungen in gegenl~ufige Richtungen aufweisen), dann ist sehr wahrscheinlich, dass das Counterfactual Thinking einer ,,emotional focused function" dient. Weiter argumentieren die Autoren, dass empirisch keine Beziehungen zwischen Pers6nlichkeitsmerkmalen und der Bildung von Counterfactuals gefunden werden konnten, die daffir sprechen wfirden, dass sich Individuen einer ,,problem focused" Funktion von Counterfactuals bedienen wfirden. Auch wenn unbestritten ist, dass mentale Simulationen Individuen die M6glichkeit bieten, sich auf zukfinftige Entscheidungssituationen besser vorzubereiten oder ein Geffihl der Kontrolle zu erhalten, greifen Individuen nicht i n s t i n k t i v auf Counterfactuals zurfick, um diese Effekte zu erzielen. 313 Empirische Studien fanden insbesondere keine Beziehung zwischen der Bildung von Counterfactuals und individuellen Unterschieden bezt~glich Merkmalen wie dem Hang zur Kontrolle, der Neigung, auf planende oder aktive BewNtigungsstrategien zurfickzugreifen, dem Hang, in Ereignissen eine Bedeutung zu finden oder dem Hang, sich kognitiver Anforderung zu stellen. 314 Wenn aber Personen, bei denen diese Pers6nlichkeitsmerkmale hochgradig ausgepr~gt sind, nicht mehr zum Counterfactual Thinking tendieren als Personen, bei denen diese Merkmale nur schwach ausgepr~gt sind (bzw. diese Neigungen nicht besitzen oder gar Merkmalsauspr~gungen in gegenl~ufige Richtungen aufweisen), dann ist unwahrscheinlich, dass das Counterfactual Thinking einer ,,problem focused function" dient. 315

Ffir Entstehung und St~rke von Regret spielt folglich Art und Inhalt eines generierten Counterfactuals eine entscheidende Rolle. Ein nach oben gerichtetes Counterfactual ffihrt einem Individuum vor Augen, wie es zu einem besseren Ergebnis h~tte gelangen k6nnen. 312 Vgl. Baron (1999). 313Vgl. zu diesen AussagenKasimatis / Wells (1995), S. 97. 314 Vgl. die Studienvon Kasimatis / Wells (1995), Kasimatis/Sterling (1994) und Kasimatis / Wells (1993). 315 Vgl. Kasimatis / Wells (1995), S. 97. 80

Diese Art yon Counterfactual fahrt zwangsl~iufig zu bzw. verst~irkt Bedauern nach einem negativen Ergebnis. 3~6 Gleichzeitig bewirkt es einen Lerneffekt, so dass das Individuum die M6glichkeit gewinnt, in zuktinftigen, gleichartigen Entscheidungssituationen ein negatives Ereignis und ein daraus resultierendes Regret zu vermeiden. Ausmal3 und Art der Bildung von Counterfactuals sind sowohl vom normtheoretischen Konzept der mutability als auch von Pers6nlichkeitsmerkmalen abh~ingig. Auf diesem Weg beeinflussen diese Faktoren auch die Entstehung und St~irke von Regret. Des Weiteren sind kognizierte Kontrolle und Verantwortung auch aus Sicht der Theorie des Counterfactual Thinking entscheidend far die Entstehung von Regret, da nur ein ,,behavior-focused" Counterfactual Thought Regret entstehen l~isst.

Abschliegend sei noch auf eine andere Variante der mentalen Simulation verwiesen, die den Counterfactuals in ihren Eigenschaften sehr ~ihnlich ist: die Prefactuals. Ein Charakteristikum der Counterfactuals besteht in der Fokussierung vergangener Ereignisse. Bezieht sich eine mentale Simulation dagegen auf zuktinftige Ereignisse, werden diese Gedanken als Prefactuals bezeichnet. W~ihrend Counterfactuals nach einer Entscheidung gebildet werden, sind Prefactuals Bestandteil eines Prozesses der Entscheidungsfindung, der der eigentlichen Entscheidung, die letztlich getroffen wird, vorgelagert ist. Der Vergleich zweier Konsumszenarien, die sich far einen K~iufer potentiell aus einer Kaufentscheidung ergeben, ~ h r t zur Antizipation von Regret. 317 Die Bildung von Counterfactuals ruft dagegen ein Regret-Erlebnis hervor. 31s

2.2.6

Die Theorie der Decision Justification

Als Konsequenz eines zunehmenden Interesses an dem Ph~inomen Regret, das mit einer steigenden Zahl an sowohl psychologisch als auch 6konomisch fundierten Studien einhergeht, skizzierten CONNOLLY und ZEELENBERG 2002 die Decision Justification Theory. 319 Mit Hilfe dieses Ansatzes gelang es, verschiedene, dem Anschein nach widersprtichliche empirische Befunde einer Synthese zuzufiihren. 316 Vgl. Landman (1987), S. 167, Johnson (1986), S. 51 ff. 317 Vgl. Miller/Taylor (1995), S. 314. 318 Die vorliegende Untersuchung befasst sich vorrangig mit dem erlebten Regret nach einem Konsumerlebnis. Eine ausftihrliche Darstellung der Auswirkungen von Prefactuals auf Konsumentscheidungen findet sich bei Seilheimer (2001), S. 74. 319 Vgl. Connolly/Zeelenberg (2002), S. 212 ff. 81

Die Theorie der Decision Justification grtindet auf der Annahme, dass das Ph~inomen des Regret aus zwei Kern-Komponenten besteht. Die erste Regret-Komponente ist assoziiert mit der (komparativen) Evaluation des Entscheidungsergebnisses, die zweite Komponente mit den Selbstvorwtirfen aufgrund der eigenverantwortlich getroffenen, schlechten Entscheidung. Das Gesamt-Regret, bezogen auf eine Entscheidungssituation, stellt eine Kombination aus diesen beiden Komponenten dar. Ein Entscheidungstr~iger bedauert folglich zum einen, dass die erzielte Konsequenz schlechter ist als ein Vergleichsmal3stab (in der Regel die verworfene Alternative), und zum anderen, dass die getroffene Entscheidung im Nachhinein nicht als gerechtfertigt angesehen werden kann. 32~ CONNOLLY und ZEELENBERG sprechen diesbez~iglich von einer ,,poor-outcome-component" und einer ,,self-blame-component". 321

Die Besonderheit der Decision Justification Theory besteht darin, v o n d e r Annahme auszugehen, dass die beiden gerade beschriebenen Kernkomponenten des Regret nicht notwendigerweise zusammen auftreten miissen. Zur Verdeutlichung dieses fiir die Interpretation der unterschiedlichsten Regret-Situationen maBgeblichen Postulats ftihrt das Forscherteam die folgenden Beispiele an: 322

Szenario 1:

Eine Person entscheidet sich daftir, in angetrunkenem Zustand eine Party mit dem eigenen Auto zu verlassen, statt ein Taxi zu rufen. Obwohl sie sicher zu Hause ankam, bedauert sie am n~ichsten Morgen rtickblickend

ihre

Entscheidung. Szenario 2:

Ein Vater l~isst seinen einj~ihrigen Sohn impfen. Er trifft diese Entscheidung nach grtindlichen Oberlegungen und auf Basis sorgf'~iltig eingeholter Informationen (z.B. durch Lesen von Fachzeitschriften, die Konsultation von Arzten und Gespr~ichen mit Eltern, die bereits Erfahrungen auf diesem Gebiet haben). Trotz eines sehr geringen Risikos beztiglich der Nebenwirkungen der Impfung treten diese ungliicklicherweise gerade im Fall des Sohnes dieses Mannes in Erscheinung. Infolge dieses Ungliickes bedauert der Mann im Nachhinein seine Entscheidung.

Im ersten Szenario liegt kein unvorteilhaftes Ergebnis der Entscheidung bzw. Handlung vor. D.h. die ,,poor-outcome"-Komponente des Regret ist nicht vorhanden. In der RegretForschung ist vielfach die Annahme vertreten, dass positive Konsequenzen nicht die 320Vgl. Connolly/ Zeelenberg (2002), S. 213. 321 Connolly/Zeelenberg(2002), S. 214. 322 In Anlehnung an die englischsprachigen Ausfiihrungen von Connolly/Zeelenberg (2002), S. 213. 82

,,Initialzt~ndung" fOr die zur Regret-Entstehung notwendigen kognitiven und affektiven Prozesse liefern wtirden. Der Entscheidungstr~iger sieht sich nicht veranlasst, nach besseren Alternativen zu suchen oder Vergleiche anzustellen; seine entstandene Lage bedarf keiner Verbesserung, d.h. es fehlt die Motivation. Dennoch ist eine Regret-Entstehung im Fall positiver Konsequenzen mOglich, wie an dem beschriebenen Beispiel deutlich wird. Zu dem Zeitpunkt, an dem die Person in Szenario eins die Entscheidung traf, noch selbst~indig nach Hause zu fahren, war sie sich ihres angetrunkenen Zustands ebenso bewusst wie der Risiken, die von Fahren in angetrunkenem Zustand ausgehen. Ebenso wusste sie, dass alternative, weitaus sicherere MOglichkeiten bestanden, den Weg nach Hause anzutreten. Folglich war diese Entscheidung vollkommen ungerechtfertigt; die Person hat fahrl~issig ernsthafte Sch~iden an Eigentum und/oder Gesundheit von sich und anderen Personen in Kauf genommen. Wird ihr diese Handlungsweise am n~ichsten Morgen in nOchternem Zustand bewusst, werden sie Uberlegungen plagen, die z.B. wie folgt lauten k6nnten: ,,Wie konnte ich nur so dumm sein, derart verantwortungslos ein solches Risiko eingehen, und mich und andere dadurch gef~ihrden?" Mit anderen Worten basiert die Regret-Entstehung in diesem Szenario allein auf der ,,self-blame"-Komponente.

Im zweiten Szenario liegt ein/auBerst unvorteilhaftes Ereignis vor. D.h. die ,,poor-outcome"Komponente des Regret ist vorhanden. Eine ,,self-blame"-Komponente liegt in diesem Fall jedoch nicht vor. Selbst im Nachhinein kann die Entscheidung des Mannes, seinen Sohn impfen zu lassen, als v/Sllig gerechtfertigt angesehen werden. Da er vorher alles unternommen hat, was in seinen M6glichkeiten lag, um die beste Entscheidung zum Wohle seines Kindes zu treffen, ist ihm kein Vorwurf zu machen.

Die Begrtinder der Theorie der Decision Justification gehen davon aus, dass die meisten Entscheidungssituationen, die zu Regret fohren, eine Mischung aus beiden Kern-Komponenten des Regret generieren. Der negative Affekt, der aus einer Regret-Erfahrung riihrt, addiert sich aus den Emotionen, die aus den einzelnen Kern-Komponenten des Regret erwachsen. 323 In Szenario zwei w~ire die Regret-Erfahrung noch weitaus schmerzhafter fOr den Mann, wenn er sich zudem noch Vorwtirfe beztiglich seiner Entscheidung machen wtirde. In diesem Fall k~ime zu dem negativen Affekt, der aus der ,,poor-outcome"-Komponente des Regret resultiert, die zus~itzliche Pein durch die ,,self-blame"-Komponente hinzu.

83

Zu den Ausffihrungen von CONNOLLY und ZEELENBERG kann aus attributionstheoretischer Sicht kritisch angemerkt werden, dass das Konzept der ,,self-blame"-Komponente nicht weit genug reicht. Obwohl im Fall des in Szenario zwei beschriebenen Vaters dessen Entscheidung als gerechtfertig angesehen werden muss, da sie auf einer sorgf'~ltigen Entscheidungsfindung und einem soliden Fundament relevanter Input-Informationen basiert, k6nnen dennoch Selbstvorwtirfe bei diesem Mann entstehen. Selbst dann, wenn die Entscheidung objektiv betrachtet im Nachhinein immer noch als gerechtfertigt angesehen werden muss, kann sie durch den Filter der Wahmehmung des Entscheidungstr/~gers als nicht mehr gerechtfertigt erscheinen. Dies ist der Fall, wenn der Vater des Kindes die negativen Konsequenzen der Entscheidung intern attribuiert. Dabei reicht es aus, dass der Mann kausale Linien zwischen sich und dem unvorteilhaften Ereignis ausfindig machen kann. Da die Attribution eine subjektiv gef'firbte Ursachenzuschreibung darstellt, muss eine objektive Kausalit/~t nicht gegeben sein, damit der Entscheidungstr/~ger Verantwortung ffir den schlechten Ausgang der Entscheidung kogniziert. Attributionstheoretisch argumentiert entstehen nur dann keine Selbstvorwfirfe bei dem Vater des Kindes, wenn dieser die zum Ausbruch gekommenen Nebenwirkungen nach der Impfung extern attribuiert. Beispielsweise k6nnte er aufgrund geringer Wahrscheinlichkeiten ffir das Auftreten dieser Nebenwirkungen den Zufall verantwortlich machen. Er k6nnte sogar auf einen Behandlungsfehler durch den Arzt oder auf falsche Angaben durch den Arzneimittelhersteller schlieBen und somit die Verantwortung ~ r die negativen Konsequenzen der Impfung auf Dritte abw/~lzen. Die Attributionstheorie postuliert ffir eine exteme Attribution das Fehlen einer Grundvoraussetzung von Regret: wenn der Entscheidungstr/~ger keine Verantwortung ffir das schlechte Entscheidungsergebnis kogniziert, entsteht kein Regret. Die Theorie der Decision Justification geht dagegen davon aus, dass allein durch die Negativit/~t des Ereignisses eine Kem-Komponente von Regret vorliegt: die ,,poor-outcome"-Komponente, so dass in jedem Fall Regret entsteht. Folglich geht eine attributionstheoretische Erkl/~rung der in Szenario zwei beschriebenen Situation mit den Erkl/~rungen aus der Decision Justification Theory nicht konform. Ergfinzend sei angemerkt, dass CONNOLLY und ZEELENBERG in sp~iteren AusFtihrungen nicht mehr davon ausgehen, dass die Regret-Entstehung in Szenario Nr. 2 allein auf der ,,self-blame"-Komponente basiert. Die beiden Autoren schlie6en sich der attributionstheoretisch geffihrten Erkl~irung an, derzufolge der beschriebene Kindesvater sich ffir das unvorteilhafte Ergebnis verantwortlich Ftihlt, obwohl ihm objektiv keine Verantwortlichkeit zugeschrieben werden kann. 324 Im Konzept der ,,wahrgenommenen Verantwortung" 323Vgl. Connolly / Zeelenberg (2002), S. 213. 324 Vgl. Zeelenberg et al. (1998, 2000). 84

liegt folglich ein Konsens, in dem sich Vertreter vieler unterschiedlicher theoretischer Ans~itze wiederfinden.

Eine St~irke der Theorie der Decision Justification liegt darin, dass sie eine Reihe augenscheinlich konfligierender Befunde aus der empirischen Regret-Forschung einer Synthese zufiihrt. Beispielsweise wurde in verschiedenen Studien das Regret-Erleben von Studenten erforscht, die die Sektion in ihren Kursen wechseln und danach feststellen mtissen, dass ihnen dieser Wechsel nicht zum Vorteil gereicht. Es wurde erwartet, dass Studenten, die die Entscheidung zu wechseln selbst herbeige~hrt haben, st~irkeres Regret erfahren, als diejenigen, die durch ein Computerprogramm willktirlich einer neuen Sektion zugewiesen wurden. Trotz fehlender Verantwortlichkeit ftir die Wechselentscheidung berichteten die per Computer zugewiesenen Studenten tiber ein starkes Regret-Erleben. Dieser Widerspruch in den empirischen Befunden 10st sich auf, wenn gem~il3 der Terminologie der Theorie der Decision Justification bei den, vom Computer zugewiesenen Studenten die ,,poor-outcome"-Komponente als Ausl6ser der Regret-Entstehung verwendet wird. Bleibt kritisch anzumerken, dass es sich hierbei nur um einfache post hoc Reinterpretationen bereits existierender empirischer Befunde handelt. Jedoch vermochten die Autoren der Theorie der Decision Justification auch durch verschiedene eigene direkte Tests ihren Ansatz zu stiitzen. 325

Abschliel3end sei festgehalten, dass zum heutigen Stand der Forschung Themengebiete wie z.B. die Rechtfertigung von Entscheidungen, die l]bemahme von Verantwortung fiir Entscheidungskonsequenzen oder gar das grol3e Feld der Rolle von Emotionen beim Treffen von Entscheidungen noch groBen Forschungsbedarf aufweisen. In der vorliegenden Arbeit soll fiir das Ph~inomen Regret, das Aspekte aller drei gerade genannten Themen reprasentiert, ein weiterer Erkenntnisschritt erfolgen.

325 Vgl. die Studienvon Connolly/ Reb (2002), Inman /Zeelenberg (2002), Pieters /Zeelenberg (2002). 85

2.3

Potentielle Determinanten des Regret

2.3.1

Ableitung von Determinanten des Regret aus Charakteristika der Entscheidungssituation

Die dargestellten 6konomischen und verhaltenswissenschaftlichen Theorien leisten auf unterschiedliche Art und Weise einen Beitrag zur theoretischen Durchdringung des Untersuchungsgegenstands dieser Arbeit. Einige dieser Ans/atze geben unmittelbar Aufschluss tiber das Ph~inomen Regret, andere vermtigen mittelbar Antezedenzien des Regret bezogen auf verschiedene Problemkreise aufzuzeigen. Im Folgenden sollen die theoretisch abgeleiteten Determinanten des Regret konkretisiert, zusammengefasst und schematisch dargestellt werden. Abbildung 2-4 gibt vorab einen l]-berblick tiber die Determinanten des Regret, die aus Charakteristika der Entscheidungssituation abgeleitet sind. 326

Determinanten des Regret,

-

Konsequenzender Entscheidung Negativit~itdes Entscheidungsergebnisses AuBergew6hnlichkeitdes Entscheidungsergebnisses Aktion/Unterlassung des Entscheiders Verantwortlichkeit des Entscheiders ftir die Entscheidung und deren Ergebnis Kontrollierbarkeitder Entscheidung Reversibilit~itder Entscheidung Wichtigkeitder Entscheidung FinanziellesRisiko SozialesRisiko Involvement

~- ~

REGRET

bezogen auf Charakteristika tier Entscheidungssituation

Abbildung 2-4: Determinanten des Regret bezogen auf Charakteristika der Entscheidungssituation.

In der Literatur zum Problemkreis des Regret finden sich vorrangig Ausffihrungen zu Determinanten des Regret, die den Charakteristika der Entscheidungssituation zuzuordnen sind. Nach dem heutigen Stand der Forschung sind sie weitestgehend anerkannt und durch zahl326 Tats~ichlichtragen einige Determinanten sowohl situative als auch personenbezogene Elemente in sich. 86

reiche empirische Tests best~itigt. 327 Die Einflussgr613en des Regret, die den Charakteristika der Person des Entscheidungstrggers zuzuordnen sind, sind im Gegensatz dazu eher vernachlassigt worden. 328 Ihre Ableitung auf Basis der dargestellten Theorien, sie zu konkretisieren und sie pr~ignant zusammenfassend darzustellen ist Ziel des Gliederungspunktes 2.3.2 dieser Arbeit. Zun~ichst erfolgt eine Darstellung der auf die Entscheidungssituation bezogenen Determinanten des Regret.

Die Konsequenzen der Entscheidung stellen einen Einflussfaktor des Regret dar, der allen Theorien gemein ist. Im Fall der Regret-Theorie bildet das Feedback, das ein Entscheidungstr~iger hinsichtlich der gew~ihlten und der ausgeschlagenen Option(en) besitzt, sogar die einzig ableitbare Determinante des Regret. 329 Darin zeigt sich die komparative Natur des Regret. Die notwendige Bedingung zur Entstehung von Regret bildet die Existenz eines Vergleichs. Dabei wird das erzielte Ereignis mit einer alternativen, nicht realisierten Konsequenz verglichen. Die Kenntnis tiber diese ausgeschlagene Option kann statt Feedback auch tiber die Vorstellungskraft des Entscheidungstr~igers erlangt werden. Die Theorie des Counterfacmal Thinking offeriert diesbeztiglich die M6glichkeit, fehlendes Feedback durch Counterfactuals zu ersetzen.

Des Weiteren scheint es die Negativit~it des Entscheidungsergebnisses zu sein, die im Besonderen ,,Regret-tr~ichtig" ist. Die einzelnen verhaltenswissenschaftlichen Theorien beschreiben unterschiedliche Mechanismen, die ein realisiertes negatives Ereignis zur Entstehung und Verst~irkung yon Regret ausl6sen kann. Gemein gehen diese Theorien in der Annahme einer besonders ,,Aufmerksamkeits-erweckenden" Natur des realisierten negativen Ereignisses. Sie stellt die Veranlassung fi~r den Entscheidungstr~iger dar, tiber seine Wahl nachzudenken, um herauszufinden, wie es zu diesem schlechten Ergebnis kommen konnte. Darin ist die Besonderheit der entstandenen Situation zu sehen, die als ,,Nghrboden" far weiter greifende Prozesse kognitiver und letztlich auch affektiver Natur dient. Wie in Abschnitt 1.3 schon ausgefi~hrt, bedarf es zur Entstehung yon Regret eines gr613eren Mages an kognitiver Verarbeitung als dies z.B. zur Entstehung der Ph~inomene Furcht oder Ver~irgerung n6tig ist. (Furcht wird, wie erinnerlich, sogar ohne groges Nachdenken allein in Folge eines Stimulus hervorgerufen.) Erst durch die Situation erhOhter Aufmerksamkeit wird die gedankliche Auseinandersetzung, die letztendlich zur Entstehung von Regret ftihrt, initialisiert. Des 327 Vgl. die Ausfiihrungenbei Seilheimer (2001), insb. S. 84 u. 85, Oliver (1997), S. 225 ff. 328 Eine Vermutung fiber potentielle personenbezogene Determinanten des Regret findet sich erstmals in der Arbeit von Landman, vgl. Landman (1997), S. 155 ff. 329 Vgl. Seilheimer (2001), S. 84.

87

Weiteren gilt der Zusammenhang, dass das AusmaB der Negativit~it positiv mit der St~rke des Regret korreliert. Beispielsweise wird ein Konsument umso stgrkeres Bedauern erfahren, je schlechter ein erworbenes Produkt im Vergleich zu alternativen Erzeugnissen, die der gleichen Bedtirfnisbefriedigung dienlich sind, in seiner Wahrnehmung abschneidet. Die in der Regret-Theorie verwendete Funktion zur Berechnung yon Regret drtickt diesen Zusammenhang in einem mathematischen Terminus aus. Hierbei wird Regret als die Differenz zwischen der Attraktivitgt der gew~ihlten und der Attraktivit/~t der ausgeschlagenen Alternative dargestellt. Dieser Ausdruck wird umso grOBer, je weniger wtinschenswert sich ein realisiertes Ereignis fOr einen Entscheidungstr~iger erweist, bzw. je negativer sich ein Entscheidungsausgang fOr ihn darstellt.

Die Regret-Theorie zeigt auf, dass auch fOr positive Konsequenzen eine Entstehung yon Regret m/Sglich ist. Ftir den Fall, dass sich das Ergebnis der ausgeschlagenen Alternative als noch positiver erweist als die realisierte Konsequenz, liegt eine negative Differenz der RegretFunktion vor, und es entsteht Regret. Dem entgegen steht die Annahme verhaltenswissenschaftlicher Theorien, dass vorrangig negative Konsequenzen die Aufmerksamkeit des Entscheidungstr~igers erregen und dessen Bewusstsein sch~irfen. Positive Konsequenzen stellen (insbesondere im Konsumkontext 33~ die erwtinschten und erwarteten Ergebnisse der Entscheidung dar. Diese liefern dem Entscheidungstr~iger keinen Anlass, sie zu hinterfragen. TM Auf diese Weise fehlt die ,,Initialzt~ndung", um Regret entstehen zu lassen. Andererseits kann eine subjektive Umbewertung der Valenz der erzielten Konsequenz durch den Entscheidungstr~iger erfolgen. Dies ist insbesondere bei ambivalenten Objekten wie Genussmitteln der Fall. Die Konsumption yon Alkohol kann eine angenehme, positive Erfahrung sein. Andererseits stellt sie im Lichte der Gesundheitszutr~iglichkeit die Konsumption eines Zellgiftes und folglich ein negatives Ereignis dar. Die Regret-Theorie vermag dieses Ph~inomen nicht zu erfassen. Dagegen kann z.B. die Theorie der kognitiven Dissonanz Ambivalenz erfassen, indem sie die Informationen tiber die erzielte Konsequenz zum kognitiven System des Entscheidungstr~igers in Beziehung setzt. Die Theorie der Decision Justification kennt ebenfalls den Fall einer Regret-Entstehung bei positiven Konsequenzen. Wie in Abschnitt 2.2.6 be-

330 Die Ausfahmngen zum Phgnomen Regret erfolgten bis dato auf einer sehr allgemeinenEbene. Da im dritten Abschnitt dieser Arbeit vorrangig die Beziehung Regret und Kundenbindung im Blickpunkt der Untersuchung steht, wird dann nur noch speziell das Regret im Konsumkontextbehandelt. Andere Formen des Regret, wie z.B. in Bezug auf die Nichterreichung yon Lebenszielen,bleiben augen vor. 331 Vgl. Oliver (1997), S. 222 f. 88

schrieben, beruht in diesem Fall der Regret auf einer nicht gerechtfertigten Entscheidung, die mit Selbstvorwtirfen einhergeht.

Die Konsequenz der Entscheidung beeinflusst Regret noch in anderer Hinsicht. Nach der Norm-Theorie und der Theorie des Counterfactual Thinking ist die AuflergewShnlichkeit

des Entscheidungsergebnisses als besonders ,,Regret-tr~ichtig" anzusehen. Eine Verst~irkung von Regret nach einem realisierten negativen, auBergew6hnlichen Ereignis liegt begriindet in der hohen ,,mutability" aul3ergew6hnlicher Ereignisse. Wie KAHNEMANNund MILLER empirisch nachwiesen, f'~illt es Individuen leichter, aul3ergew6hnliche Begebenheiten gedanklich in Richtung der Normalit~it zu ver~indern als mental Alternativen zu normalen Ereignissen zu konstruieren. 332 Somit tragen aul3ergew6hnliche Ereignisse ein gr6f3eres Potential zur Generierung von Counterfactuals in sich als normal erscheinende Ereignisse. Die gedankliche Schaffung von Alternativen zu dem realisierten negativen Ereignis, die als Referenzpunkt in dem zur Entstehung yon Regret n6tigen Vergleichsprozess fungieren, ist im Fall eines auf3ergew6hnlichen Ereignisses wahrscheinlicher als im Fall normal erscheinender Ereignisse. Hinzu kommt eine besonders aufmerksamkeitserweckende Natur des auBergew6hnlichen Ereignisses, so dass der Entscheidungstr~iger ein gr6geres Mal3 an kognitiver Anstrengung in dieser Situation aufweist. Die verst~irkte Auseinandersetzung mit den auf3ergew6hnlichen Aspekten und die Leichtigkeit der mentalen Simulation bewirken schlief31ich die Verst~irkung der affektiven Reaktion, in diesem Fall des Regret. Die gleichen Mechanismen greifen, nach normtheoretischer Ansicht, wenn Regret nach Aktionen verst~irkter auftritt als nach Unterlassungen.

Die Beeinflussung von Regret durch den Faktor Aktion/Unterlassung des Entscheiders wird auch seitens der Attributionstheorie genannt. Die Verst~irkung des Ausmal3es des Bedauerns nach Aktionen rtihrt aus attributionstheoretischer Sicht aus einer Akzentuierung des emotionalen Einflusses des Ergebnisses durch eine interne Attribution. Das verst~irkte Regret nach Aktionen erkl~irt auch die Theorie des Counterfactual Thinking. Diese Theorie besagt, dass durch die Bildung yon Counterfactuals ein Effekt der Verst~irkung der affektiven Reaktion erzielt wird. Der so genannte Effekt des ,,emotional amplification" stellt im Grunde eine Fortschreibung und Weiterentwicklung normtheoretisch beschriebener Mechanismen dar. Analog

332 Vgl. Kahnemann/Miller (1986), S. 136 ff.

89

argumentiert die Theorie des Counterfactual Thinking auch beztiglich der Beeinflussung des Regret durch die AuBergew6hnlichkeit des Entscheidungsergebnisses.

Eine Determinante des Regret, die ebenfalls von mehreren Theorien beschrieben wird, ist die

Verantwortlichkeit des Entscheidungstr~igers fiir die Entscheidung. Nach der Attributionstheorie fohrt eine interne Attribution, bei der sich der Entscheidungstr/~ger seiner Verantwortlichkeit for die Entscheidung bewusst wird, zu einer Intensivierung von Regret. Nach der Theorie des Counterfactual Thinking resultiert nur aus einem ,,behavior-focused" Counterfactual Regret, weil dieser Typus yon Counterfactual die Zuschreibung einer internen Attribution gew~ihrleistet, so dass der Entscheidungstr~iger Verantwortlichkeit kogniziert. Die Theorie der kognitiven Dissonanz bedient sich ebenfalls des Konzepts der Attribution. Sie besagt, dass kognitive Dissonanz und gleichzeitig auch Bedauern nur entstehen kann, wenn der Entscheidungstr~iger for eine Entscheidung und die daraus resultierenden Konsequenzen Verantwortlichkeit im Sinne einer internen Attribution kogniziert. Demzufolge spielt die Attributionen der Verantwortlichkeit eine wichtige Rolle for das Entstehen und die St~irke des Regret. Zusammenfassend soll festgehalten werden, dass das Regret umso gr613er ist, je mehr sich ein Entscheidungstr~iger for das negative Resultat seiner Entscheidung verantwortlich fohlt. Sieht sich ein Entscheidungstr~iger als g~inzlich unverantwortlich for das Entscheidungsergebnis an, kann kein Regret entstehen.

Mit der Verantwortung eng verbunden ist die Kontrollierbarkeit der Entscheidung. Aus attributionstheoretischer Sicht sind Ursachen kontrollierbar, wenn sie dem eigenen Willen unterliegen, was wiederum ein Selbstverantwortungsgefohl entstehen l~isst. In diesem Fall beeinflusst der Faktor Kontrollierbarkeit die Entstehung von Regret im Sinne einer Zuschreibung yon Verantwortlichkeit. Die Theorie des Counterfactual Thinking fogt zur Kontrollierbarkeit als Determinante des Regret hinzu, dass Counterfactuals insbesondere dann zur Entstehung yon Regret fohren, wenn Individuen gedanklich Faktoren ver~indem, die unter ihrer Kontrolle stehen.

Die Theorie der psychologischen Reaktanz nennt die Reversibilit~it der Entscheidung als Determinante des Regret. Das Bedauem als Manifestation der Reaktanz ist im Falle irreversibler Entscheidungen h6her als im Falle einer m6glichen Entscheidungsrevision. Da bei irreversiblen Entscheidungen nicht die M6glichkeit der Umkehrbarkeit der Entscheidung durch eine Verhaltensreaktion gegeben ist, bleibt dem Entscheidungstr~iger allein der Weg 90

tiber eine kognitive Reaktion in Form einer Umstrukturierung der Alternativen, um zumindest gedanklich seine Entscheidungsfreiheit wieder herzustellen. Die Theorie der kognitiven Dissonanz untersttitzt die Annahme, dass irreversible Entscheidungen ,,Regret-tr~ichtig" sind. Da die kognitive Dissonanz umso st~irker ist, je schwerer die Entscheidung zurfickgenommen werden kann, fOhrt dies wiederum zu verst~irktem Regret.

Femer korrelieren die Variablen Wichtigkeit der Entscheidung, finanzielles und soziales Risiko und Involvement positiv mit Regret. Alle diese Variablen liefem einen Grund fOr das Individuum, extensive Denkprozesse zu vollziehen und ein verst~irktes Mal3 an kognitiver Anstrengung auf sich zu nehmen. Eine intensive kognitive Auseinandersetzung mit der Entscheidung und ihrem Ergebnis, sei es in Form des Counterfactual Thinking oder auch eines Attributionsprozesses, wtirde bei einem unbedeutenden Ereignis nicht initiiert werden. Bei trivialen Kaufentscheidungen, wie sie z.B. im Fall von habitualisierten K~iufen vorliegen, wird ein Nachfrager nicht geneigt sein, sich zu fragen, warum ein negatives Ereignis eingetreten ist. Folglich spielt die Wichtigkeit des Konsumakts (ganz gleich, ob sich diese Wichtigkeit monet~ir oder fiber pers6nliche Werte definiert) eine entscheidende Rolle ~ r weiterfOhrende, extensive kognitive Prozesse, welche letztlich die Ausgangsbasis zur Entstehung von Regret bilden.

Der Grol3teil an Einflussfaktoren des Regret konnte in einer empirischen Untersuchung durch SEILHEIMER auf einige wenige, hinter diesen Variablen stehende latente Faktoren zurfickgefohrt werden. 333 Faktorenanalytisch gelang der Nachweis, dass sich folgende Determinanten des Regret ohne nennenswerten Informationsverlust auf nur drei latente Faktoren verdichten lassen:

9

Aktion / Unterlassung, Kontrolle und Verantwortlichkeit werden dem Faktor ,,Lokus" zugeordnet.

9

Aul3ergew6hnlichkeit und Wiederholbarkeit werden dem Faktor ,,Normalit/at" zugeordnet.

9

Involvement, finanzielles Risiko und soziales Risiko werden dem Faktor ,,Wichtigkeit" zugeordnet.

333 Vgl. Seilheimer (2001), S. 111 ff. 91

Die Determinanten des Regret, die den Charakteristika der Entscheidungssituation zuzuordnen sind, erfahren in der Studie von SE~LHEIMERerstmals eine ganzheitliche Betrachtung. TM In den vorhergegangenen Studien anderer Forscher war zumeist nur der Einfluss einer einzigen Determinante des Regret isoliert analysiert worden. 335 Zumeist handelt es sich dabei vielmehr um Argumentationen auf Plausibilit~itsbasis als um wissenschaftliche Analysen. Eine theoretisch fundierte Betrachtung der Einflussgr6gen des Regret, die den Charakteristika der Person des Entscheidungstr~igers zuzuordnen sind, ist in der Forschung zum Problemkreis des Regret bisher noch nicht vorgenommen worden.

2.3.2

Ableitung von Determinanten des Regret aus Charakteristika der Person des Entscheidungstr~igers

2.3.2.1

MOgliche Ansatzpunkte der Einflussnahme von Pers0nlichkeitscharakteristika auf Regret

Im folgenden Abschnitt sollen Ansatzpunkte identifiziert werden, an denen eine Einflussnahme von Charakteristika der Person eines Entscheidungstr~igers auf die Gr613e Regret m6glich ist. Aus diesem Grund soll an dieser Stelle noch einmal auf eine Besonderheit des Regret zurfickgekommen werden, die bereits in Abschnitt 1.2, in der Diskussion um ein kognitiv- bzw. emotionsorientiertes Verst~indnis des Ph~inomens Regret, angesprochen wurde. Die Erarbeitung eines tieferen Konstruktverst~indnisses, das sich auf die Teilkomponenten des Regret bezieht, erm6glicht die theoretisch fundierte Identifikation mittelbarer und unmittelbarer Einflussm6glichkeiten von Pers6nlichkeitsmerkmalen eines Individuums auf dessen Regreterleben.

In den Ausfahrungen in Abschnitt 1.2 wurden bereits zwei Hauptbestandteile, die das Konstrukt Regret ausmachen, dargelegt. Zum einen handelt es sich um eine kognitive Komponente. Diese ist durch einen Vergleichsprozess gekennzeichnet, der rein verstandesm~il3iger und erkenntnisbezogener Natur ist. Zum anderen besitzt Regret eine affektive Komponente. Die Erfahrung des Regret stellt sich far ein Individuum als mehr oder weniger schmerzvolle

334 Die drei Faktoren verwendet Seilheimer, um sie als unabh~ingige Variablen in einem experimentellen Design zu variieren, das dank einer multivariaten Varianzanalyse Aufschluss fiber Antezedenzien und Konsequenzen des Regret geben soll. Vgl. Seilheimer (2001), S. 133 ff. 335 Vgl. die bei Seilheimer angegebene Literatur; Seilheimer (2001), S. 111.

92

Empfindung dar. Hinzu kommt eine konative Komponente, auf die z.B. LANDMAN aufmerksam macht, indem sie konstatiert: ..... regret frequently accompanies undoing. ''336 Darin /~uBem sich der Wunsch des Entscheiders, die ursprfinglich getroffene Entscheidung zu revidieren und sein Bestreben, das Bedauem ungeschehen zu machen. Deutlich wird an dieser Stelle, dass Regret eine Verhaltenskomponente beinhaltet, bzw. eine intrinsische Motivation, die analog einem Spannungs-, BedOrfnis- oder Erregungszustand auf Reduktion ihrer selbst ausgerichtet ist.

In Anlehnung an die fiberkommene Dreiteilung des menschlichen Erlebens nach Denken, F0hlen und Wollen 337 kann bezfglich der Komplexit/~t des Konstrukts ,,Regret" eine dreiteilige Struktur identifiziert werden. Das Regret ist als eine Trias anzusehen, die aus drei interdependenten Teilkomponenten besteht. Hierbei ist in eine kognitive, eine affektive und eine konative Komponente zu unterscheiden. Die kognitive Komponente umfasst sowohl Vorstellungen und Kenntnisse fiber z.B. Umweltzust~nde, Handlungsm6glichkeiten oder Ergebnisse von Entscheidungen, schl/~gt sich aber auch in Urteilen und Schlussfolgerungen des Individuums nieder. Die affektive Komponente dagegen bezieht sich auf eine geffihlsm/~Bige Haltung, die zu einem mehr oder minder unangenehmen Zustand oder Befinden ffihrt. Die konative Komponente ist als eine Handlungstendenz zu verstehen, die als grunds/~tzliche Bereitschaft zum Ausdruck kommt, aber nicht unbedingt in einer Handlung mfnden muss. Diesen Zusammenhang zeigt Abbildung 2-5.

REGRET

Konstrukt

Teilkomponenten

Konkretisierung im Verhaltensbereich

kognitiv

l

Wahrnehmen Lemen Denken

affektiv

l

negative GeNhle und Emotionen

konativ

l

Handlungsdispositionen Handlungen Verhalten

Abbildung 2-5: Modellierung von Regret nach dem Drei-Komponenten-Ansatz.

336 Landman, (1993), S. 51. 337 Vgl. Mummendey (1995), S. 31.

93

Wie im verhaltenstheoretischen Teil dieser Arbeit bereits dargelegt, entsteht durch die Erkenntnis, sich falsch entschieden zu haben, Regret. Diese kognitiv determinierte Emotion wird als (mehr oder weniger) schmerzliche Empfindung wahrgenommen, die ffir das Individuum eine Stresssituation darstellt, aus der es zu entkommen sucht. Anhand des Verst/~ndnisses von Regret im Sinne eines ,,Drei-Komponenten-Ansatzes" lassen sich Angriffspunkte ffdr mOgliche Strategien zur Bew/~ltigung von Regret ableiten. Gleichzeitig werden dadurch Ansatzpunkte aufgezeigt, an denen PersOnlichkeitscharakteristika eines Entscheiders potentiell Einfluss auf Entstehung und St/~rke von Regret nehmen kOnnen. Die Auswahl relevanter PersOnlichkeitsmerkmale orientiert sich in der vorliegenden Arbeit daran, dass fiberwiegend solche Eigenschaften von Interesse sind, denen beztiglich einer oder mehrerer der drei Komponenten des Regret ein begrfindeter Einfluss unterstellt werden kann. Als theoretische Grundlage f-fir die derart aufgebaute Argumentation dienen die zuvor dargestellten verhaltenswissenschaftlichen Theorien. Femer sei noch angemerkt, dass die in diesem Abschnitt verfolgte Art der Vorgehensweise zur Ableitung von Ansatzpunkten der Einflussnahme auf Entstehung und St/~rke von Regret die Annahme zugrunde liegt, dass Individuen nicht passive Opfer ihrer Emotionen sind, sondem bis zu einem gewissen Grad aktiv auf sie einwirken kOnnen.

Kognitive Umgestaltung/ Neudefinierung der Situation

Vermeiden / Unterdrficken negativer Emotionen

Ursache des Problems bew/iltigen/ ver/~ndern/sich von ihr zu~ckziehen

A bbildung 2- 6." Potentielle A nsatzpunkte fiir eine Einflussnahme von PersOnlichkeitscharakteristika a u f Regret bzw. zur Generierung von Strategien zur BewOltigung von Regret.

Wie in Abbildung 2-6 dargestellt, entstehen aus der speziellen Beschaffenheit des Konstrukts drei verschiedene Ansatzpunkte, tiber die grunds/atzlich eine Einflussnahme auf Regret erfolgen kann: tiber die kognitive, die emotionale und die konative Komponente des Bedauems. Zun/ichst einmal erOffnet die kognitive Komponente des Regret die MOglichkeit 94

einer kognitiven Umgestaltung. Dissonanztheoretisch begriindet, bedarf es hierzu der Revision kognitiver Urteile. Wie auch die Decision Justification-Theory proklamiert, sind in einer Regretphase vorrangig die beiden Kognitionen ,,Die ausgeschlagene Alternative ist besser bzw. attraktiver als die gew~ihlte" und ,,Ich habe nicht die richtige Entscheidung getroffen" von Bedeutung. Beide Kognitionen stehen in Dissonanz zu den Oberzeugungen eines Individuums, seine Entscheidungen aufgrund der Voraussetzung zu treffen, die beste Alternative zu w~ihlen, und diese auch entsprechend richtig bewertet zu haben. Der dissonanzverursachenden Kognition, die die fehlgeschlagene Alternativenbewertung betriffl, kann z.B. durch die Einbeziehung neuer konsonanter Kognitionen, die die Entscheidungskompetenz des Entscheiders positiv unterstreichen, entgegengewirkt werden. FOr eine derartige nachtr~igliche Rechtfertigung der getroffenen Entscheidung ist der Hang eines Individuums zu einer selekriven Informationsaufnahme (selective exposure to information) 338 sehr f'6rderlich. Je mehr Kognitionen intern (im Ged~ichtnis) oder extern (aus der Umwelt) herausgefiltert werden, die in einer dissonanten Beziehung zu der Kognition stehen, die das Versagen in der bedauerten Entscheidungssituation betrifft, um so eher kann wieder ein kognitives Gleichgewicht erreicht werden. Wenn wieder Konsonanz im Beziehungsgeflecht der Kognitionen herrscht, die die Entscheidungskompetenz des Individuums betreffen, ist die Eliminierung von Regret erfolgreich abgeschlossen.

Auch die Theorie des Coumerfactual Thinking vermag einen Weg aufzuweisen, wie tiber die kognitive Komponente auf die Gr66e Regret eine Einwirkung erfolgen kann. In diesem Fall besteht der Ansatzpunkt fiir eine Einflussnahme in der Kognition, welche die Attraktivit~it der gew~ihlten Alternative betrifft. Durch die Generierung eines Downward Counterfactuals kann eine subjektive Neudefinition der Situation erfolgen. Indem eine noch weitaus unattraktivere Alternative als Vergleichsma6stab herangezogen wird, kann eine eben noch als unattraktiv angesehene gew~ihlte Option in ihrer Attraktivit~it wesentlich aufgewertet werden. In diesem ,,neuen Licht gesehen" ist der zun~ichst wahrgenommene Nutzennachteil gegeniiber ausgeschlagenen Alternativen schnell vergessen. Die Aufmerksamkeit eines Entscheiders ruht jetzt vielmehr auf den positiven Aspekten des erzielten Ergebnisses. Durch diese Ver~inderung der Attraktivit~it der Alternativen gelingt nachtr~iglich eine Rechtfertigung der Entscheidung, so dass wiederum eine Eliminierung von Regret erfolgt. Gleichzeitig wirkt diese Form der Bew~iltigung von Regret auf die emotionale Komponente dieses Ph~inomens ein. Nach der

338 Vgl. Abschnitt 2.2.1. 95

Theorie des Counterfactual Thinking ffihren Downward Counterfactuals immer auch zu einer Verbesserung der affektiven Lage eines Individuums.

Auch die Attributionstheorie bietet beztiglich der kognitiven Komponente von Regret einen Ansatzpunkt zu dessen BewNtigung. Aus attributionstheoretischer Sichtweise kann eine Neudefinierung der Situation beispielsweise dadurch erfolgen, dass der Entscheider jegliche Verantwortung far die Entscheidung bzw. das schlechte Entscheidungsergebnis von sich weist. Objektiv vorliegende kausale Linien zwischen Entscheidungstr~iger und gew~ihlter Alternative k6nnen auf subjektiver Ebene geleugnet werden. Eine externe Attribution, die beispielsweise reines Pech als Ursache far ein vorliegendes schlechtes Entscheidungsergebnis verantwortlich macht, entzieht Regret die Existenzgrundlage. Diesbeztiglich ist insbesondere das Ph~inomen der Attributionsasymmetrie, d.h. die Neigung, vorteilhafte Konsequenzen intern und unvorteilhafte extern zu attribuieren, der Eliminierung von Regret sehr f'6rderlich.

Aus der Normtheorie kann eine Argumentation beziiglich der emotionalen Komponente von Regret abgeleitet werden, die die M6glichkeit der Vermeidung negativer Emotionen betrifft. Da das Regret aus einem Vergleichsprozess resultiert, in dem die gew~ihlte Option mit einem alternativen, nicht realisierten Ergebnis abgeglichen wird, folgt daraus zun~ichst, dass ohne das Vorhandensein einer Rtickkopplung beztiglich der verworfenen Alternative kein Regret entsteht. Folglich liegt in der Vermeidung von entsprechendem Feedback, z.B. durch das Ignorieren von Informationen in der Post-Entscheidungsphase, ein Weg, Regret zu vermeiden. Normtheoretisch argumentiert kann bei fehlendem Feedback durch die Generierung eines Counterfactuals jederzeit ein VergleichsmaBstab gebildet werden. Die Durchfiihrung einer solchen mentalen Simulation stellt far das Individuum einen kognitiven Aufwand dar, der zudem mit dem Risiko behaftet ist, zur Entstehung einer unangenehmen, da negativen Emotion zu fiihren. Von diesem Standpunkt aus erscheint es nachvollziehbar, dass manch ein Entscheidungstr~iger, der mit einem negativen Entscheidungsergebnis konfrontiert wird, sich gar nicht erst auf die gedankliche Suche nach den Gl~nden der Fehlentscheidung macht. 339

Da das Regret eng mit dem Wunsch verbunden ist, die unvorteilhafte Entscheidungskonse-

quenz ungeschehen und die Entscheidung selbst riickg~ingig zu machen, besteht auch in der konativen Komponente des Regret ein Ansatzpunkt zu dessen BewNtigung. Im Fall einer

339 Vgl. Tsiros /Mittal (2000), S. 409. 96

reversiblen Entscheidung kann dies auf direktem Weg erzielt werden, indem der Entscheidungstr~iger Verhaltensweisen anwendet, durch die das Ereignis ungeschehen gemacht werden kann. Eine Strategie der Aktivit~it kann z.B. darin liegen, ein Produkt, dessen Kauf bedauert wird, zurtickzugeben, weiter zu verkaufen oder gegen ein besseres Erzeugnis umzutauschen. Falls diese M6glichkeit nicht gegeben ist, verbleiben nur noch die anderen beiden Komponenten des Regret als Ansatzpunkte for eine Strategie zu dessen Bew~iltigung. Dass die Wahl der Vorgehensweise zur ,,Bek~impfung" von Regret aber nicht nur kontextabh~ingig ist, sondern vorrangig von Charakteristika der Person des Entscheidungstr~igers beeinflusst wird, werden die folgenden Abschnitte aufzeigen.

2.3.2.2

Selbstwertgefiihl

Neben der Attributionstheorie und der Theorie des Counterfactual Thinking erweist sich die Theorie der kognitiven Dissonanz als potente Lieferantin potentieller Ansatzpunkte for eine Einflussnahme von Pers6nlichkeitscharakteristika auf Regret.

Aus Sicht der Theorie der kognitiven Dissonanz repr~isentiert Regret die Einsicht, eine Entscheidung eigenverantwortlich falsch getroffen zu haben. Diese neu eingehende Kognition steht im Gegensatz zu den bereits bestehenden Kognitionen, da das Individuum seine Entscheidung aufgrund der l]berzeugung trifft, die beste Alternative zu w~ihlen, diese Option richtig zu bewerten und somit richtig zu entscheiden. Die Einsicht in sein Scheitern stellt for einen Entscheidungstr~iger eine Bedrohung ffir dessen Selbstwert dar. Das Selbstwertgefohl ist dabei definiert als ..... die subjektive Bewertung der eigenen Pers6nlichkeit, die Zufriedenheit mit sich selbst. ''34~In der vorliegenden Arbeit wird das Selbstwertgefohl als ein Pers6nlichkeitsmerkmal verstanden, d.h. als eine t~berdauernde verhaltensrelevante individuelle Besonderheit eines Menschen. 341

Der Problemkreis der Bedrohung von Meinungen und l]berzeugungen tiber das Selbst wird erstmals von einem Forscherteam um den Psychologen JOSEPHS aufgegriffen, um einen Zusammenhang zwischen Regret und dem Pers6nlichkeitsmerkmal des Selbstwerts herzustellen. 342 Ausgangspunkt ihrer Uberlegungen ist die Annahme, dass Personen mit hohem 340 Vgl. Asendorpf(1999), S. 234. 341Zu diesemVerst~indnisdes Begriffs der Pers6nlichkeitseigenschaftvgl. Asendorpf(1999), S. 5 u. S. 10. 342 Vgl. Josephs et al. (1992), S. 26 ff. 97

Selbstwertgefiihl im Fall regretbedingender Situationen, wie z.B. einer negativen Handlungskonsequenz, weitaus weniger oft Regret erfahren als Personen mit niedrigem Selbstwertgefiihl. Der Grund hierftir liegt darin, dass ~ r Personen mit hohem Selbstwertgefiihl in solchen F~illen nur eine sehr geringftigige Bedrohung fiir ihr Selbst besteht und eine aus dieser Situation resultierende, dissonante, das Selbst bedrohende Kognition kompensiert wird. Selbst wenn diesen Personen der Gedanke kommen sollte, den Grund ~ r das schlechte Ergebnis bei sich selbst zu suchen und daraufhin auf ihre mangelnde F~ihigkeit zu schlieBen, besitzen sie das Wissen, dass sie auf andere pers6nliche F~ihigkeiten zurtickgreifen k6nnen, um kompensatorische positive Ergebnisse zu erzielen. Individuen mit niedrigem Selbstwertgefiihl fehlt diese Oberzeugung. Deshalb besitzen sie nicht die M6glichkeit, die Dissonanz erzeugende Kognition, die eine Bedrohung ftir ihr Selbst darstellt, zu kompensieren. Auf diese Weise kommt kein Dissonanzreduktionsprozess zustande, der die entstandene Regret-Situation und gleichzeitig die Dissonanz beenden k6nnte. Personen mit hohem Selbstwertgefiihl f'~illt es leicht, dissonante, ihr Selbst bedrohende Kognitionen anzupassen, und auf diese Weise eine Dissonanzreduktion vorzunehmen. Sie besitzen bereits ein hohes MaB an Kognitionen, die positiv auf ihr Selbst ausgerichtet sind, womit deren Anderungswiderstand wesentlich h6her ausf~illt als der der neu eingehenden, dissonanten Kognition. JOSEPHS und seine Mitarbeiter folgern daraus weiterhin, dass Personen mit niedrigem Selbstwertgeffihl Entscheidungssituationen bevorzugen, die weniger die Gefahr mit sich tragen, Regret entstehen zu lassen. Diese Annahme vermochte das Forscherteam empirisch zu sttitzen. Sie wiesen nach, dass Personen mit niedrigem Selbstwertgefiihl Entscheidungssituationen bevorzugen, in denen kein Feedback tiber alternative Entscheidungsergebnisse bereitgestellt wird. Auf diese Weise k6nnen diese Individuen Regret m6glichst gering halten. 343

Eine weitere Argumentation daftir, dass ein Zusammenhang zwischen dem Selbstwertgefiihl einer Person und Regret besteht, liefert die Attributionstheorie. Insbesondere in der neueren attributionstheoretischen Literatur gilt gemeinhin als anerkannt, dass Menschen, bedingt durch individuelle PersOnlichkeitsmerkmale, charakteristische (Kausal-)Erkl~imngsstile besitzen. Diese Art der Attribution bleibt tiber einen groBen Zeitraum hinweg stabil und hat Auswirkungen auf Motivation, Emotion und Verhalten einer Person. TM Nach dem von der Attributionstheorie unterstellten Mechanismus wirken sich Pers~nlichkeitsmerkmale auf die Zuschreibung von Verantwortlichkeit aus und besitzen somit einen Einfluss auf eine Gr6Be, 343 Vgl. Josephs et al. (1992), S. 26 ff. 344 Vgl. Peterson (1991), S. 1 ff., Peterson 98

et al.

(1993), Pervin (2000), S. 67 f.

die eine Grundvoraussetzung fOr die Entstehung von Regret darstellt. 345 Grundlegende Annahme ist hierbei, dass der Entscheidungstr~iger Verantwortlichkeit fOr die Konsequenzen seiner Entscheidung kognizieren muss, damit Regret entstehen kann. Diese Bedingung ist nur gegeben, wenn ein Entscheider in Bezug auf ein unvorteilhaftes Entscheidungsergebnis intern attribuiert. Nur dann bestehen in der Wahrnehmung des Entscheidungstr~igers kausale Linien zwischen seiner Person und der realisierten Konsequenz. Im Falle einer externen Attribution wird das Handlungsergebnis auf Griinde zuriickgefOhrt, die nicht innerhalb der Person des Entscheiders liegen. Folglich existieren in dessen Wahrnehmung keine kausalen Linien, die von einer unvorteilhaften Konsequenz ausgehend auf ihn verweisen wiirden. Da die Attribution eine subjektive Ursachenzuschreibung darstellt, ist eine Abweichung von objektiven Kausalit~iten m6glich. Durch die Subjektivit~it der Ursachenzuschreibung kommt es zu einer kognitiven Repr~isentation der Umwelt, auf deren Basis personenspezifisches Verhalten erkl~irbar wird.

Personen, die ein hohes Selbstwertgefohl aufweisen, bedienen sich in vermehrtem MaBe Strategien des Selbstwertschutzes und der Selbstwerterh6hung. Der Mechanismus der Attributionsasymmetrie, demzufolge vorteilhafte Konsequenzen intern und unvorteilhafte Ergebnisse extern attribuiert werden, stellt eine solche Strategie dar. Mit Hilfe dieses speziellen Attribuierungsstils gelingt es Personen, die dieses Pers6nlichkeitsmerkmal tragen, ihr Selbstkonzept im Falle des Misserfolgs vor bedrohenden Affekten zu schtitzen und im Falle des Erfolgs durch positive selbstwertbezogene Affekte aufzuwerten. Insbesondere durch die pr~iferierte externe Attribution bei Misserfolgen gelingt es Entscheidungstr~igern mit hohem Selbstwertgefohl selbst dann, sich in ihrer Wahrnehmung von der Verantwortlichkeit fOr ein negatives Entscheidungsergebnis frei zu fOhlen, wenn objektive Kausalit~it gegeben ist. Auf diesem Wege wird der Entstehung von Regret der ,,N~ihrboden" entzogen; die Bedingung einer kognizierten Verantworlichkeit fOr die unvorteilhafte Konsequenz liegt nicht vor.

Auch nach der Theorie des Coumerfactual Thinking l~isst sich auf einen Zusammenhang von Selbstwertgefohl und Regret schlieBen. Personen mit hohem Selbstwertgefohl bedienen sich vermehrt selbstwertdienlicher Strategien und greifen deshalb vermehrt auf die selbstwertdienliche Form der mentalen Simulation zurtick, die in der Konstruktion nach unten gerichteter Counterfactuals besteht. Auf diese Weise wird bestehendes Regret in seinem AusmaB verringert bzw. die Entstehung yon Regret im Vorhinein g~inzlich verhindert. Folglich liegt in 345 Zum Einfluss des Attribuierungsstilsauf Regret vgl. Abschnitt 2.2.3. 99

dem Mechanismus der Konstruktion abw~irtsgerichteter Counterfactuals mit ein Grund daftir, dass bei Personen mit hohem Selbstwertgeffihl weniger oft Regret entsteht als bei Personen mit niedrigem Selbstwertgeftihl.

Aufgrund dieser Oberlegungen sollen die folgenden Hypothesen eine Oberp~fung erfahren:

HI~:

Je htiher das Selbstwertgeffihl einer Person, desto niedriger ist das Regret.

H12:

Je h6her das SelbstwertgeNhl einer Person, desto weniger wird sie im Fall eines Misserfolgs intern kausal-attribuieren.

H13:

Je h6her das Selbstwertgeftihl einer Person, desto eher wird sie im Fall eines Misserfolgs ein Downward Counterfactual generieren.

Das Pers6nlichkeitsmerkmal Selbstwertgefahl hat folglich einen direkten als auch einen indirekten Einfluss auf Regret. Wie im vorangegangenen Abschnitt ausgeftihrt, kann eine Charaktereigenschaft indirekt eine Wirkung auf Regret austiben, indem sie Auswirkungen auf den Kausalattribuierungsstil und das Counterfactual Thinking hat. Diese beiden letztgenannten Gr66en werden daher als Mediatorvariablen angesehen.

Nach den in Abschnitt 2.3.2.1 angestellten Oberlegungen treffen wir die folgenden Hypothesen beztiglich der Wirkung der beiden Mediatorvariablen auf das Regret:

H2:

Je eher eine Person im Fall eines Misserfolgs intern kausal-attribuiert, desto h6her ist das Regret.

H3:

Je eher eine Person im Fall eines Misserfolgs ein Downward Counterfactual generiert, desto niedriger ist das Regret.

2.3.2.3

Geschlechtsrollenorientierung

In den Anf'~ingen der traditionellen Regret-Forschung, die sich mit Pers6nlichkeitsmerkmalen befasst, stand das Merkmal Geschlecht als eine der ersten Variablen im Fokus der Untersuchungen. Vorrangig die Auswirkungen des Geschlechts auf das langfristig angelegte Regret im Leben von Personen waren Gegenstand zahlreicher Forschungsarbeiten. 346 Dieser sog. 346 Vgl. die Studienvon Erskine (1973),Kinnier/Metha (1989), Chin (1993). 100

,,Whistful Regret" ist lang wirkend, zumeist mit entgangenen Gewinnen und Unterlassungen im Leben eines Individuums verkntipft und auf Themenbereiche wie z.B. Liebesbeziehungen, Familie oder Beruf bezogen. Diese Form von Regret ist yon weit geringerer Intensit/it als der sog. ,,Hot Regret", der als kurz anhaltendes, intensives Bedauern in direkter Folge eines negativen Resultats einer Handlung bzw. einer Entscheidung auftritt. 347 In den Studien zum ,,Whistful Regret" konnten keine geschlechtsspezifischen Unterschiede festgestellt werden. 348 Folglich w~ire es falsch, von dem in unserer westeurop/aischen Kultur vorherrschenden Stereotypus der Frau als ,,dem emotionaleren Geschlecht" darauf zu schlieBen, dass Frauen in ihrem Leben ,,Regret-belasteter" sind als M~inner.

Im Fall des ,,Hot Regret" liefert die Attributionstheorie ein Argument dafiir, dass sich doch geschlechtsbedingte Unterschiede beim Auftreten von Regret zeigen k6nnen. Da sich, wie bereits mehrfach erw~ihnt, der (Kausal-)Attribuierungsstil auf Entstehung und St~irke von Regret auswirkt, werden M~inner und Frauen in unterschiedlichem Mal3e Regret aufweisen, wenn sie unterschiedliche ErkRirungsstile in Bezug auf ein negatives Entscheidungsergebnis anwenden. Empirisch belegt ist bereits, dass im Fall der Kausalattribution im Leistungskontext M~inner Erfolge eher internal attribuieren und Misserfolge eher external attribuieren. Bei Frauen wird das gegenteilige Attribuierungsmuster angetroffen. 349 Bereits bei Schulkindem ist dieses Ph~inomen festzustellen. So gehen Jungen eher davon aus, dass ihre schulischen Misserfolge auf Zufall, Pech oder andere externe Faktoren zurtickzufiihren sind, w~ihrend M~idchen eher mangelnde eigene F~ihigkeiten ftir ihre Misserfolge verantwortlich machen. Erfolge in der schulischen Leistung fiihren Jungen eher auf ihre eigene Begabung zurfick, w~ihrend M~idchen eher auf Gltick oder die Leichtigkeit der Aufgabe verweisen. 35~ Interessanterweise wurden diese Befunde auch bei einem Wechsel der Attribuierungsperspektive best~itigt. Erfolg bzw. Misserfolg von Frauen und M~innern werden auch yon Beobachtern und Beobachterinnen nach demselben Muster erkRirt. TM

Die empirischen Befunde auf diesem Gebiet stammen gr6Btenteils aus den ausklingenden 1960er und frtihen 1970er Jahren, in denen die Frauenemanzipationsbewegung gerade erst im

347 Vgl. Kahnemann (1995), S. 391. 348 Vgl. Landman (1993), S. 163. Vgl. insb. die Studie von Shimanoff(1985). 349 Vgl. die Studien von Hackett/Campbell (1987), Gaeddert (1985). 350 Vgl. die bei Zwernemann angegebenen Studien zum Geschlechterunterschied bei Attributionsmustern beztiglich schulischer Leistungen; Zwernemann (1995), S. 22; vgl. ferner Burger (1983), S. 36, Weiner (1994), S. 266. 351 Vgl. z.B. die Studie von Nieva/Gutek (1981). Vgl. femer Burger (1983), S. 36, Weiner (1994), S. 266. 101

Aufkommen war, und die Geschlechterrollen noch klassisch verteilt waren. Ein plausibler Erkl/arungsansatz fftir die beschriebenen Attributionsunterschiede, der vor eben diesem zeitlichen Hintergrund zu sehen ist, stellt das ,,Fear of Success"-Konzept von HORNER dar. 352 Die Autorin postuliert eine Furcht vor Erfolg bzw. ein Motiv zur Vermeidung von Erfolg bei Frauen. Dabei geht HORNER v o n d e r Annahme aus, dass Erfolg bei Frauen als ,,unweiblich" angesehen werde, weshalb Erfolg bei Frauen eine Angst vor sozialer Zurtickweisung erzeuge. Aufgrund dieser Beftirchtungen werde ein Leistungsstreben bei Frauen gehemmt. Die Befunde von Forschungsarbeiten auf dem Gebiet des ,,Fear of Success" in den 1990er Jahren waren uneinheitlich, so dass vermehrt Zweifel an der Idee HORNERS aufkamen. 353 Wenn auch die Motive ftir die unterschiedlichen Attribuierungsstile von M/annem und Frauen zum heutigen Stand der Forschung als noch nicht hinreichend gekl/~rt angesehen werden, so gilt das Ph/~nomen selbst in der heutigen Literatur als anerkannt. Eine Studie aus dem Jahre 2001 auf dem Gebiet der ,,Behavioral Finance" belegt ein statistisch h6heres Mal3 des overconfidence-bias bei M/annern als bei Frauen, welcher durch das Ph/~nomen der Attributionsasymmetrie TM hervorgerufen wird und sich in einem hOheren Handelsvolumen der m/annlichen Marktteilnehmer sowie in einem aggressiveren Vorgehen bei der Marktteilnahme von M/annem niederschl/agt. 355

In der vorliegenden Arbeit wollen wir zur Analyse und Erkl/arung geschlechtsspezifisch differierender Attribuierungsstile auf einen Ansatz von ABELE zurtickgreifen, demzufolge die Variable ,,Geschlecht" nach drei Aspekten differenziert werden kann. 356 Erstens stellt das Geschlecht eines Menschen ein biologisches Merkmal dar, das eine Reihe biologischer Unterschiede zwischen M~innern und Frauen impliziert. Zweitens fungiert das Geschlecht im Sinne einer sozialen Kategorie als Merkmal zur Zuordnung von Personen zu Gruppen. Drittens stellt das Geschlecht gleichzeitig ein psychologisches Merkmal dar, das sich auf das geschlechtsbezogene Selbstkonzept einer Person bezieht. Insbesondere bei dem letztgenannten Aspekt, der beschreibt, wie eine Person sich selbst als Mann oder Frau sieht, ist davon auszugehen, dass hierdurch Erwartungen, Zielsetzungsprozesse und vor allem auch Attribuierungsmuster einer Person beeinflusst werden.

352 Vgl. Homer (1968). 353 Vgl. Weiner (1994), S. 175, Zwernemann (1995), S. 23. 354 Zum Ph/~nomender Attributionsasymmetrie vgl. Abschnitt 2.2.3. 355 Vgl. die Studie von Barber / Odean (2001). Dort geben die Autoren auch einen Uberblick fiber psychologische Studien, die eine entsprechende Korrelationvon Geschlecht und overconfidence-bias finden. 356 Vgl. Abele (2000) u. (2002). 102

Die bedeutendste der vielen Facetten des geschlechtsbezogenen Selbstkonzepts stellt die Geschlechtsrollenorientierung (GRO) dar. Die GRO wird nach BROGAN und KUTNER als normative Konzeption tiber angemessenes Verhalten von M~innern und Frauen verstanden. 357 Die Erfassung dieser Gr6Be erfolgt meist auf einem Kontinuum, das von den Polen ,,Traditionalit~it" und ,,Progressivit~it" begrenzt wird. M~inner und Frauen, die das PersOnlichkeitsmerkmal einer traditionellen GRO aufweisen, bewerten die traditionelle geschlechtsspezifische Arbeitsteilung (Frau-Familienarbeit / Mann-Erwerbsarbeit) positiv. Personen mit einer modemen, progressiven GRO bewerten dagegen die Egalit~it der Geschlechter beztiglich der Rollentibernahme in Beruf und Familie als positiv.

Die traditionelle Sichtweise, wie sie dem oben genannten Fear-of-Succes-Konzept zugrunde liegt, steht nicht im Einklang mit den modemen Einstellungen von Personen mit einer progressiven GRO. Weisen M~inner und Frauen aber eher ,,altmodische" Einstellungen gegentiber den Geschlechtsrollen auf, d.h. sie besitzen das Pers6nlichkeitsmerkmal einer traditionellen GRO, kann davon ausgegangen werden, dass auch heutzutage Unterschiede in ihren Attribuierungsmustern auftreten, die anhand des Fear-of-Succes-Konzepts erkl~irbar sind. Wir postulieren, dass Unterschiede zwischen M~innern und Frauen in diesem Fall nicht auf ihrem biologischen Geschlecht basieren, sondern auf die normativen Einstellungen, die die Personen tiber die mit dem Geschlecht verbundenen Rollen besitzen, zurOckgehen.

Ftir die Zwecke der vorliegenden Arbeit ist speziell der ,,Hot Regret" von Interesse, da dieser im Konsumkontext fast immer vorliegt und die nachfolgende empirische Untersuchung auf Konsumgtiter ausgerichtet ist. 358 Es gilt folglich abzuprtifen, ob im Fall des Regret nach Konsumption das Geschlecht eines traditionell geschlechtsrollen-orientierten Konsumierenden Einfluss auf das Regret nimmt. Dabei wird die Annahme vertreten, dass traditionell geschlechtsrollen-orientierte Frauen im Vergleich zu progressiv geschlechtsrollen-orientierten Frauen verst~irkt Regret erfahren. Beim anderen Geschlecht verh~ilt es sich genau umgekehrt. Ein progressiv geschlechtsrollen-orientierter Mann wird im Vergleich zu einem traditionell geschlechtsrollen-orientierten Mann verst~irkt Regret erfahren. Der Grund hierfiir liegt in einer asymmetrischen Kausalattribution. W~ihrend Frauen mit einer traditionellen GRO bei Misserfolgen eher internal attribuieren als Gleichgeschlechtliche mit einer progressiven GRO,

357 Vgl. Brogan/Kutner (1976), S. 31 ff. 358 Seilheimer weist daraufhin, dass ,,Whistful Regret" im Konsumkontext nur in wenigen FNlen denkbar ist. Vgl. Seilheimer (2001), S. 56. 103

besitzen M~inner mit einer traditionellen GRO eher einen externalen AttribuierungsstiI als Gleichgeschlechtliche mit einer progressiven GRO. Die Wirkungskette, die die Einflussnahme des PersOnlichkeitsmerkmals der GRO auf das Regret beschreibt, verl~iuft in diesem Fall allein tiber die Mediatorvariable der Kausalattribution. Die zu tiberprtifenden Hypothesen lauten folglich:

H41:

Je mehr ein Mann traditionell geschlechtsrollen-orientiert ist, desto weniger wird er im Fall eines Misserfolgs intern kausal-attribuieren.

H42:

Je mehr eine Frau traditionell geschlechtsrollen-orientiert ist, desto eher wird sie im Fall eines Misserfolgs intern kausal-attribuieren.

2.3.2.4

Leistungsmotivation

Eine attributionstheoretische Argumentation l~isst sich auch mr den Einfluss des Pers6nlichkeitsmerkmals der Leistungsmotivation auf Regret ftihren. Bevor auf diesen Zusammenhang n~iher eingegangen wird, soll zun~ichst dargestellt werden, was unter dieser speziellen Pers6nlichkeitsdisposition zu verstehen ist.

Die Leistungsmotivation im Sinne einer l~inger tiberdauemden Verhaltensdisposition ist nach HECKHAUSEN definiert als die Tendenz einer Person ...... die eigene Ttichtigkeit in allen jenen T~itigkeiten zu steigem oder m6glichst hoch zu halten, in denen man einen GtitemaBstab mr verbindlich halt, und deren A u s ~ h m n g deshalb gelingen oder misslingen kann". 359 Mit anderen Worten haben hoch leistungsmotivierte Personen ein starkes Bedtirfnis nach Erfolg. 36~Personen mit dieser Verhaltensdisposition werden in Aktivitaten, auf die das Motiv gerichtet ist, pers6nlichen Einsatz zeigen, um die Qualit~it ihrer Verrichtung bzw. Leistung selbst bestimmen zu kOnnen. Sie werden sich nicht auf Gltick oder Zufall verlassen, um eine, nach ihren subjektiven GtitemaBst~iben, ,,gute" Leistung zu erzielen. 36~ Dieser Aspekt der Bezugssetzung zwischen Leistung und Ich stellt die prim~ire Komponente der Leistungsmotivation dar, anhand derer wir far eine determinierende Wirkung dieses Pers6nlichkeitsmerkmals beztiglich des Regret argumentieren. 359Heckhausen (1965), S. 604. 360 Vgl. Weiner (1994), S. 150. 361 Die Einschgtzung der eigenen Leistung richtet sich zwar nicht ausschlieBlich nach eigenen BeurteilungsmaBst~iben, diese sind jedoch belangvoller als die Beurteilung durch andere Individuen. Vgl. Friedrich (1975), S. 6 u. 7. 104

Eine Vielzahl empirischer Untersuchungen verweist auf interindividuelle Unterschiede hoch und niedrig leistungsmotivierter Personen bezt~glich ihres Attribuierungsstils. 362 Stellvertretend hierzu sei an dieser Stelle eine Studie von KUKLA erwghnt, in der Personen, bei denen das Pers6nlichkeitsmerkmal Leistungsmotivation in hohem Mal3e ausgepr~igt war, Erfolg eher ihren eigenen Fghigkeiten, also einem internalen Faktor, zuschrieben, wghrend sie einen Misserfolg eher auf externale Faktoren wie Zufall zurackfahrten. Niedrig leistungsorientierte Personen fahrten Erfolg eher auf extemale Ursachen wie Glfick, Zufall oder die Leichtigkeit der Aufgabe zurfick. Einen Misserfolg attribuierten sie dagegen internal, indem sie ihn auf mangelnde eigene Fghigkeiten zurfickfahrten. 363

Eine Erkl~imng daftir, dass hoch leismngsmotivierte Personen einen Erfolg eher internalen Faktoren zuschreiben, liegt darin, dass sie sich fiJr ihre Leistungen als selbst verantwortlich ansehen. Sie verstehen ihre Erfolge als das Ergebnis ihrer eigenen T~chtigkeit. Im Falle eines negativen Ergebnisses von Handlungen bzw. Entscheidungen greifen hoch leistungsmotivierte Personen aber nicht auf dieselbe Kausalit~it als Erkl~irung far ihr Scheitern zurtick. Stattdessen schreiben sie einen Misserfolg vor allem externen Faktoren wie z.B. dem Zufall zu. Niedrig leistungsorientierte Personen glauben dagegen eher, dass Misserfolge auf internale Faktoren, wie z.B. mangelnde eigene Begabung, zurtickzufiahren seien, w~ihrend Erfolge durch extemale Faktoren, wie z.B. Gltick oder die Leichtigkeit der Aufgabe, bedingt sind.

Demnach bevorzugen hoch leistungsorientierte im Gegensatz zu niedrig leistungsorientierten Personen Attribuierungsmuster, die ihr Selbstwertgefahl sch~tzen bzw. st~rken und ihrem Selbstkonzept der Begabung zutraglich sind. 364 Eine affektiv-orientierte Erkl~rung dieser Verhaltensweise besteht darin, das Handlungsziel in der Maximierung positiver Affekte (z.B. Stolz) bzw. in der Minimierung negativer Affekte (z.B. Scham) zu sehen. Eine kognitiv-orientierte Erkl~rung weist das Handlungsziel als Aufsuchen oder Meiden von Informationen fiber die eigene TOchtigkeit aus. 365 WEINER ist der Ansicht, dass Attributionen sowohl kognitive Reaktionen wie z.B. Erwartungs~ndemngen als auch affektive Reaktionen wie z.B. Bedauern

362 Auf mehrere Studien zu diesem Forschungsgebietverweist Burger (1984), S. 35. 363 Vgl. Kukla (1972), S. 454 ff. Vgl. Burger (1983), S. 35. 364Zum Selbstkonzept der Begabung sowie seiner Rolle ftir die Attribuierungsmustervon Leistungsmotivierten Vgl. Burger (1983), insb. S. 35f. 365 Vgl. Burger (1983), S. 34. 105

bewirken. 366 Insbesondere die affektiven Konsequenzen sind es aber, die stark abh~ingig von Attributionen sind und sich aul3erdem in hohem Mal3e verhaltenswirksam auswirken. 367

Zusammenfassend soll festgehalten werden, dass nach dem heutigen Stand der Forschung noch nicht ersch6pfend gekl~irt ist, weshalb eine Korrelation zwischen Leistungsmotiv und bevorzugtem Attribuierungsmuster besteht. Die Argumentation, dass das Selbstkonzept der Begabung das Merkmal sei, welches hoch leistungsmotivierte von den niedrig leistungsmotivierten Personen unterscheidet, basiert rein auf Plausibilit~itsgrfinden. Die empirischen Befunde aus mehreren, voneinander unabh~ingigen Studien, die einen Zusammenhang zwischen dem Selbstkonzept der eigenen Begabung und dem Leistungsmotiv untersuchen, sind widersprfichlich. 368

Die unterschiedlichen Attributionsstile von hoch und niedrig leistungsmotivierten Personen sind jedoch unbestritten. Im Falle eines negativen Ergebnisses einer Handlung bzw. Entscheidung werden hoch leistungsmotivierte Personen aufgrund eines externen Attribuierungsstils nicht die far die Regret-Entstehung notwendige Verantwortlichkeit far den Misserfolg kognizieren. Niedrig leistungsmotivierte Personen werden dagegen durch ihre interne Attributionsweise verstarkt Regret erfahren. Auch im Fall des Pers6nlichkeits-merkmals der Leismngsmotivation liegt folglich wieder eine indirekte Auswirkung auf die Gr613e Regret vor, die fiber die Mediatorvariable Kausalattribution verlguft. Wir kommen also zusammenfassend zu der folgenden Hypothese:

H5:

Je h6her die Leistungsmotivation einer Person ist, desto weniger wird sie im Fall eines Misserfolgs intern kausal-attribuieren.

2.3.2.5

Optimismus

Ein weiteres individuelles Charakteristikum, dem ein Einfluss auf Regret zugeschrieben werden kann, stellt der Optimismus einer Person dar. Eine Argumentation far die Regretdeterminierende Wirkung dieser Pers6nlichkeitsdisposition wird im Folgenden sowohl attributionstheoretisch als auch auf Basis der Theorie des Counterfactual Thinking gefahrt. 366 Vgl. Weiner (1994), S. 302. 367 Vgl. Weiner et al. (1979), S. 1211, Weiner (1985), S. 567. 368 Vgl. Burger (1984), S. 35 sowie die dort angegebenenStudien. 106

Optimismus wird in der vorliegenden Arbeit im Sinne der Definition yon SCHEIER und CARVER verstanden, die darin die generalisierte Tendenz einer Person sehen, in Alltags- und Stresssituationen mit positiven Ergebniserwartungen zu reagieren. Diese Form eines dispositionalen Optimismus 369 ist im Sinne eines Pers6nlichkeitsmerkmals intraindividuell, zeitlich und transsituational relativ stabil. 37~ Ein Individuum, das den Wesenszug des Optimismus tr~igt, fokussiert stets die guten Aspekte gegenw~irtiger und zuktinftiger Ereignisse und ,,hofft stets auf einen guten Ausgang". Diese positive Grundhaltung basiert auf einer heiteren, zuversichtlichen und lebensbejahenden Lebensauffassung. TM

Aus theoretischer Perspektive handelt es sich bei den generalisierten Erwartungen um ein eindimensionales, bipolares Konstrukt, das auf einem Kontinuum mit den beiden Polen Optimismus und Pessimismus abgebildet werden kann. 372 Dispositionaler Pessimismus beinhaltet die allgemeine negative Ergebniserwartung, dass ,,alles schief gehen wird". Ein Individuum, das den Wesenszug des Pessimismus tr~igt, erwartet folglich h~iufiger negative und seltener positive Ereignisse als Optimisten. Pessimisten besitzen eine negative Grundhaltung, neigen dazu, Sachverhalte in einem negativen Licht zu sehen und fokussieren die negativen Elemente gegenw~irtiger und zuktinftiger Ereignisse. 373 Der Optimismus (Pessimismus) eines Entscheidungstr~igers, der nach einer getroffenen Wahl das erzielte Entscheidungsergebnis wahrnimmt, wirkt wie eine Art Filter im Vorgang des Wahrnehmungsprozesses. Die Aufmerksamkeit einer optimistischen Person ruht auf den positiven Aspekten des realisierten Ereignisses, wghrend ein pessimistisches Individuum diesbeztiglich die negativen Gesichtspunkte fokussiert. Diese unterschiedliche Form der Wahrnehmung wird an dem im Volksmund gebr~iuchlichen Beispiel deutlich, nachdem ein Optimist ein zur H~ilfte beftilltes Glas als ,,halbvoll" bezeichnet, w~ihrend ein Pessimist darin ein ,,halbleeres" Glas sieht. Ein und dasselbe Ereignis kann folglich aus der Sicht eines Optimisten als wtinschenswert angesehen werden, w~ihrend es aus der Perspektive eines Pessimisten als unattraktiv eingestuft wird. Nach der Decision Justification Theory wird ein Pessimist folglich eher Regret erfahren als ein Optimist, da fiir

369 Zum Vergleich eines dispositionalen Optimismus vs. situationsspezifischer positiver Erwartungen vgl. Carver / Scheier (2001), S. 31 ff. 370 Vgl. Scheier/Carver (1985), S. 219 ff. 37a Vgl. Renner/Weber (2003), S. 26. 372 Das empirisch gefundene Paradox, nachdem eine Person gleichzeitig erwartet, positive Ziele zu erreichen und negative nicht vermeiden zu k6nnen spricht zwar dafiir, dass Optimismus und Pessimismus zwei verschiedene Dimensionen sein k6nnten; dieses Problem ist beim heutigen Stand der Forschung aber noch nicht tiberzeugend gel6st, so dass dispositionaler Optimismus weiterhin eindimensional mit psychometrischen Skalen erfasst wird. Vgl. Renner / Weber (2003), S. 27. 373 Vgl. Scheier / Carver (1985), S. 219 ff. 107

ihn eher die ,,poor-outcome"-Komponente des Regret vorliegt, weil er das Ergebnis der Entscheidung bzw. Handlung eher als unvorteilhaft wahrnimmt.

Auch attributionstheoretisch kOnnen Grfinde ftir einen Einfluss des PersOnlichkeitsmerkmals ,,Optimismus" auf das Regret gefunden werden. Empirische Befunde belegen signifikante Zusammenh~inge, denen zufolge sich Optimisten und Pessimisten durch unterschiedliche Kausal-Attribuierungsmuster unterscheiden. Optimisten geben internale, stabile und allgemeing~iltige Erkl~irungen ftir positive Ereignisse ab, w~ihrend sie mr negative Ereignisse externale, instabile und spezifische Erkl~irungen finden. Pessimisten weisen gegenteilige Erkl~irungsmuster auf. 374 Auch Untersuchungen im Bereich beruflicher Leistung weisen daraufhin, dass sich Optimisten und Pessimisten auf die beschriebene Weise in ihrem Erkl~irungsstil unterscheiden. 375 Demzufolge werden Pessimisten, die mit einem (im Vergleich zur ausgeschlagenen Altemativen) schlechten Ergebnis konfrontiert werden, bedingt durch ihren spezifischen Attribuierungsstil, eher Regret erfahren als Optimisten.

Die Theorie des Counterfactual Thinking spricht ebenfalls da~r, dass Pessimisten ,,anf~illiger" ftir Regret sind als Optimisten. Da Pessimisten dazu neigen, Sachverhalte in einem negativen Licht zu sehen und zudem die negativen Elemente eines Ergebnisses zu fokussieren, konstruieren sie eher nach oben gerichtete Counterfactuals, die zwangsl~iufig zu Regret ~hren, wie in Abschnitt 2.2.5 bereits n~iher erl~iutert. Optimisten neigen dagegen eher dazu, nach unten gerichtete Counterfactuals zu konstruieren, so dass sie damit einen ,,unbewussten Schutzmechanismus" vor Regret besitzen. Die getroffenen Aussagen mi~nden in folgenden Hypothesen:

H61:

Je optimistischer eine Person ist, desto niedriger ist das Regret.

H62:

Je optimistischer eine Person ist, desto weniger wird sie im Fall eines Misserfolgs intern kausal-attribuieren.

H63:

Je optimistischer eine Person ist, desto eher wird sie im Fall eines Misserfolgs ein Downward Counterfactual generieren.

374 Vgl. die Studievon Scheier/Carver (1986). 375 Vgl. Seligman (1991), Pervin (2000), S. 67 ff. 108

2.3.2.6

Coping

Einen sehr komplexen Problemkreis stellt die Thematik zum Pers~nlichkeitsmerkmal des Coping dar. Diese Verhaltensdisposition bezeichnet die Neigung eines Individuums, sich spezifischer Bew~ltigungsstrategien zu bedienen. Der Begriff der Bew~ltigungsstrategien bzw. -reaktionen (Coping) stammt ursprfinglich aus der psychologischen Stressforschung. 376 Nach der heutigen, allgemeingfiltigen Definition beschreibt diese Eigenschaft, wie sich ein Individuum typischerweise mit jeder Form von Belastungen auseinandersetzt, die es aus seiner subjektiven Sicht in seiner Handlungsf'fihigkeit oder seinem Wohlbefinden bedrohen oder einschrfinken, und die es als subjektive Oberforderung seiner verffigbaren Ressourcen erlebt. 377 Die Begriffe ,,Handlungsf~higkeit" und ,,Wohlbefinden" sind sehr abstrakt und k6nnen far unterschiedliche Individuen unterschiedliche Bedeutung besitzen. Z.B. kann unter Wohlbefinden verstanden werden, dass eine Person mit sich selbst im Reinen ist, ruhigen Gewissens ist, sich selbst wertsch~tzt, ihre Identit~t als stabil erlebt oder positive Emotionen empfindet. 378 Auch die BewNtigungsanl~sse k6nnen verschiedenster Natur sein. W~hrend far ein Individuum bereits das Halten eines Vortrags zu einer ernsthaften Krise ffihrt, ffihlen sich andere Personen in einer solchen Situation v611ig unbelastet. Anlass und Gegenstand einer BewNtigungsreaktion k6nnen daher in einem weiten Spektrum variieren. Je nachdem, was ein Individuum als belastend wahrnimmt, sind die unterschiedlichsten Lebensereignisse Gegenstand einer Bewfiltigung - v o n harmlosen Prfifungen bis zu ernsthaften Erkrankungen. Dem entspricht, dass empirische Forschung und theoretische Diskussion eine Vielfalt von Strategien und Verhaltensweisen der Auseinandersetzung mit Stressoren identifiziert und behandelt haben. Dementsprechend mannigfaltig und heterogen sind die existierenden Theorien der Bewaltigung, die sich sowohl im Hinblick auf ihre Terminologie als auch bezfiglich wesentlicher Annahmen unterscheiden. 379

Die Ffille von theoretischen und empirischen Arbeiten auf dem Gebiet der Bewaltigungsstrategien sollen far die Zwecke der vorliegenden Arbeit hinsichtlich des funktionalen Aspekts der von ihnen fokussierten Coping-Stile unterschieden werden. Diese Vorgehensweise, bei der das Konstrukt mittels zweier Dimensionen modelliert wird, hat zum einen pragmatische Grfinde, da das Coping einer sp~ter folgenden empirischen Aufgabenstellung 376 Vgl. Asendorpf(1999), S. 209. 377 Vgl. Wentura et al. (2002), S. 101 u. Asendorpf(1999), S. 210. 378 Vgl. Wentura et aL (2002), S. 103. Zum Begriff der Handlungsf~higkeitvgl. Abschnitt 2.2.2. 379 Vgl. Wentura et al. (2002), S. 103 f. 109

zug/inglich gemacht werden soll. Zum anderen l~isst sich diese zweidimensionale Darstellung des Konstrukts theoretisch begrtinden, da wir mit dieser Vorgehensweise einem Ansatz von WENTURA ET AL. folgen. Dieser Forschergruppe gelang erstmals eine integrative Diskussion aller Bew~iltigungsstrategien, indem sie den funktionalen Aspekt als Kriterium ftir eine allgemeine Kategorisierung von Bew/altigungsreaktionen heranzog. 38~ Aul3erdem werden wir im Folgenden aufzeigen, dass ein Zusammenhang zwischen individuellen Bew/altigungsstilen und Regret, insbesondere im Lichte der Theorie des Counterfactual Thinking, unter Aspekten der Funktionalit~it erkl/irbar wird.

Einer Unterscheidung verschiedener Coping-Stile hinsichtlich ihres funktionalen Aspekts liegt die Annahme zugrunde, dass die Funktionalit/at von Bew/altigungsreaktionen aus einem Grundmuster abgeleitet werden kann, das allen Theorien der Bew~iltigung gemein ist. Dieses Muster offenbart sich, wenn aus einer abstrakten Perspektive Belastungen und Bedrohungen von Handlungsf'~ihigkeit und Wohlbefinden als Diskrepanzen zwischen einem Ist- und einem Soll-Zustand definiert werden. In diesem Fall stimmt in der Wahmehmung eines Individuums seine derzeitige Lage (Ist) nicht mit dem von ihm gewtinschten Zustand (Soll) tiberein. Um diese Diskrepanz zu verringem, bestehen ftir das Individuum zwei M6glichkeiten der Reaktion: entweder wird der Ist-Zustand ver/indert, d.h. das belastende Moment selbst wird gel6st, oder der Soll-Zustand wird ver/andert, d.h. das aus der Sicht der Person Belastende an der Bedrohung wird gemildert oder vermieden.

Wird eine aktuell belastende Ist-Soll-Diskrepanz dadurch gel6st, dass durch aktive BemiJhungen der Ist-Zustand ver~indert wird, bezeichnen wir dies als aktive bzw. problemzentrierte Bew/iltigungsstrategie. Bei dieser Form des Coping wird versucht, durch problemorientiertes Handeln die Bedrohung abzuwenden bzw. zu verringem. Wird eine AuflOsung des belastenden Problems dagegen dadurch erreicht, dass die Soil-Norm ver/andert wird, definieren wir dies als emotionale bzw. emotionszentrierte Bew/iltigungsstrategie, TM da die emotionale Entlastung das vorrangige Ziel darstellt. Kennzeichnend Dr diese Form des

38o Vgl. Wentura et al. (2002), S. 115 ff. Vgl. alternativ dazu die Bemiihungen, die verschiedenen Copingstrategien anhand eines dreidimensionalen Modells klassifikatorisch zu ordnen, bei Filipp / K l a u e r (1987), S. 51 ff. 381 Die Begriffe ,,problemzentriert"und ,,emotionszentriert" entstammen der Terminologie der Bew/iltigungstheorie von Lazarus et al. Sie finden in der vorliegenden Arbeit jedoch im Sinne der von Wentura et al. intendierten Bedeutung Verwendung, so dass sie den beiden Coping-Dimensionen ,,Aktives Coping" und ,,Emotionales Coping" entsprechen. Vgl. Lazarus und Folkman (1984), Lazarus (1991), Wentura et al. (2002), S. 115 ff. 110

Coping ist, dass das Individuum versucht, eine Wiederherstellung des pers6nlichen Wohlbefindens zu erreichen, indem es die bedrohten Standards ver~indert. Es handelt sich hierbei um eine adaptive Bew~iltigungsform, die beispielsweise durch eine Ver~inderung pers6nlicher Ziel- und Wertorientierungen, eine kognitive Umdeutung belastender Situationen oder gezielte Abw~irtsvergleiche erfolgt. 382 Die eigentliche Belastung wird auf diese Weise zwar nicht aufgel6st, sie wird vom Individuum aber nicht mehr als solche erlebt. Insbesondere bei nicht ver~inderlichen belastenden Problemen, wie z.B. dem Tod einer nahe stehenden Person, erscheinen emotionale Bew~iltigungsstrategien als erfolgsversprechender als Formen des aktiven Coping - sofern die Funktionalit~it der Reaktion vor der Person verborgen bleibt, bzw. sie sich dessen nicht bewusst ist. 383

Aus der Sicht der Bew~iltigungstheorien befindet sich ein Individuum, das Regret erlebt, in einer belastenden Problemlage. In erster Linie beeinflusst die unangenehme bis schmerzvolle Empfindung das Wohlbefinden einer Person auf negative Weise, und sie wird versuchen, diesen als aversiv erlebten Zustand zu beenden. Zudem stellt ein Regret-Erlebnis aus der Sicht der Theorie der psychologischen Reaktanz eine Belastung der Handlungsflihigkeit eines Individuums dar. Wie bereits in Abschnitt 2.2.2 n~iher erl~iutert, ist das Regret durch den Verlust der Wahlfreiheit gekennzeichnet, da der Entscheidungstr~iger mit der Festlegung auf eine Alternative nicht mehr die Freiheit besitzt, jede der Alternativen zu w~ihlen oder zurtickzuweisen. Folglich stellt das Regret eine Belastung sowohl des Wohlbefindens als auch der Handlungsf~ihigkeit eines Entscheidungstr~igers dar, die es ftir ihn zu bew~iltigen gilt.

In der theoretischen Diskussion zum Thema Regret findet sich bisher die Annahme einer positiven Korrelation zwischen der Bew~iltigungsform ,,Rumination" und Regret. 384 Individuen, die diesen Coping-Stil aufweisen, verfallen ins Grtibeln, ziehen sich in sich zurtick und fokussieren Vergangenes, so dass Rumination als ein intrapsychisches Bew~iltigungsverhalten zu verstehen ist. Rumination als Tendenz, tiber Ursachen und Sinn der belastenden Situation nachzugrtibeln, kann in ihrer extremen Auspr~igung mit Rtickzug aus sozialen Aktivit~iten, Passivit~it, einhergehend mit hoher Hoffnungslosigkeit bis hin zum Ausbruch von Depressionen verbunden sein. 385 Wie empirische Befunde belegen, generieren Personen, die die

382 Vgl. Wentura et aL (2002), S. 116. 383 Zur Thematik der Unzug~inglichkeitadaptiver Reaktionen fiir eine bewusste, zweckorientierte Steuerungvgl. auch die Theorie der psychologischenReaktanz in Abschnitt 2.2.2. 384 Vgl. Delacroix (2003), S. 14. 385 Vgl. Filipp et al. (1988), S. 39. 111

Bew~iltigungsstrategie der Rumination aufweisen, verst~irkt nach oben gerichtete Counterfactuals, die zu einer Verschlechterung der affektiven Situation ffihren. Folglich fiihrt die Bewgltigungsreaktion der Rumination nicht zu einer Verminderung oder gar Aufl6sung der Belastung. Rein definitorisch bezeichnet der Terminus ,,Bew~iltigung" zungchst aber auch nur ganz neutral den Umgang mit der Belastung, ohne dass dieser Begriff mit der Konnotation einer erfolgreichen L6sung der belastenden Situation versehen ist. Es existiert keine Zusammenfassung von Bewgltigungs- und Regulationsprozess, so dass das Konstrukt des Coping weder das Ergebnis der Auseinandersetzung mit einer belastenden Situation noch die Bewertung dieser Auseinandersetzung impliziert. Rumination, als Tendenz eines Individuums, t~ber Ursachen und Sinn einer Belastung nachzugrfibeln, ist daher den aktiven bzw. problemzentrierten Bewgltigungsstrategien zuzuordnen.

Der Kategorisierung von Bewgltigungsstrategien in der hier vorgenommenen Weise liegt implizit die Annahme zugrunde, dass das zu 16sende Problem tiberhaupt erst durch das psychische System registriert wurde. Diese Sichtweise geht konform mit dem in der aktuellen Literatur vorhandenen Verst~indnis von Regret. W~ihrend in den 1980er Jahren Regret noch als eine unmittelbare, unreflektierte Erfahrung auf ein negatives Ereignis verstanden wurde, wird Regret heutzutage als dynamische Erfahrung angesehen, die reflexive und weiterffihrende psychische Prozesse beinhaltet (vgl. Abbildung 2-7).

I Ereignis

I

Wahrnehmung

I

Unmittelbare unreflektierte Erfahrung

Prozess des Bewusstwerdens der Bedeutung des Erlebnisses

Prim~irRegret

Reflexiver Regret

Abbildung 2- 7." Die Regret-Kette.

112

Dynamische Erfahrung

I

Erkenntnis

Weiterffihrende psychische Prozesse

I

Analysierter Regret

Ein analysiertes Regret ist weiterfiihrenden psychischen Prozessen zug~inglich, wie sie in einer emotionalen Bew~iltigungsreaktion ablaufen. Wie bereits erw~ihnt, sind typische Beispiele far diese akkommodativen Prozesse die Ver~inderung des pers6nlichen Werte- und Pr~iferenzsystems, die kognitive Umdeutung belastender Situationen oder gezielte Abw~irtsvergleiche. Insbesondere die entlastende Wirkung von gtinstigen sozialen Vergleichen (downward comparisons) war in den letzten zwanzig Jahren Gegenstand verschiedenster Studien auf dem Gebiet der Bew~iltigungsforschung. 386

Die erstgenannten beiden Reaktionsweisen sind in den Ausffihrungen zur Theorie der kognitiven Dissonanz bereits als Strategien zur Verringerung bzw. Aufl6sung von Regret identifiziert worden. Die Theorie des Counterfactual Thinking liefert die Erkl~irung daffir, dass nach unten gerichtete Vergleiche zur BewNtigung von Regret dienlich sind. Zudem wurde in Abschnitt 2.2.5 bereits erw~ihnt, dass empirisch gefundene individuelle Unterschiede bei der Bildung von Counterfactuals belegen, dass Individuen, die dazu tendieren, sich emotionszentrierter Bew~iltigungsstrategien zu bedienen, eher nach unten gerichtete und weniger nach oben gerichtete Counterfactuals bilden als Personen, bei denen dieses Pers6nlichkeitsmerkmal nicht vorhanden ist. 387 Wie bereits dargelegt, flihrt die Generierung eines nach unten gerichteten Counterfactuals zu einer Verbesserung der affektiven Lage des Individuums, w~ihrend ein nach oben gerichtetes Counterfactual zu einer (weiteren) Verschlechterung der affektiven Situation flihrt. Aus diesen Uberlegungen heraus formulieren wir far die Bedeutung des Pers6nlichkeitsmerkmals ,,sich emotionszentrierter Bewaltigungsstrategien zu bedienen" far das Regret folgende Untersuchungshypothesen:

H71:

Je mehr eine Person dazu neigt, sich emotionaler Bew~iltigungsstrategien zu bedienen, desto niedriger ist das Regret.

H72:

Je mehr eine Person dazu neigt, sich emotionaler Bew~iltigungsstrategien zu bedienen, desto eher wird sie im Fall eines Misserfolgs ein Downward Counterfactual generieren.

Zur Wirkungsweise aktiver Coping-Reaktionen auf das Regret bedarf es einer differenzierteren Betrachtung. Beispiele aktiver BewNtigungsstrategien zum Umgang mit Regret sind z.B. das Bemtihen um die Rtickg~ingigmachung der Folgen einer Handlung bzw. Entschei386 FOr einen Uberblick tiber die betreffenden Studien vgl. Wentura 387 Vgl. Kasimatis und Wells (1995), S. 97.

et al.

(2002), S. 107 f.

113

dung. Problematisch erweist sich die Anwendung einer solchen Strategie jedoch, wenn das belastende Problem nicht durch aktives Probleml6sen verringert werden kann. Z.B. k6nnen Produkte vom Umtausch ausgeschlossen oder Erkrankungen nicht heilbar sein. Die Anwendung aktiver Bew~iltigungsstrategien ist gekennzeichnet dadurch, dass an den bedrohten Standards festgehalten wird. Somit bleibt im Fall irreversibler Entscheidungen die Diskrepanz zwischen Soil- und Ist-Zustand erhalten, es findet keine erfolgreiche Bew~iltigung staR. Der Akt des Bewusstwerdens der Ursachen fiir das belastende Problem verbunden mit der Gewissheit, dass Geschehenes nicht mehr ungeschehen gemacht werden kann, ffihrt sogar noch zu einer Verschlechterung der affektiven Lage des Individuums; das Ausmal3 des Regret nimmt zu. Auch die Strategie der Rumination besitzt diese Wirkung, allerdings mit dem Unterschied, dass nicht die Irreversibilit~it der Entscheidung das Verharren des Individuums in der belastenden Situation bedingt, sondern dessen ,,In-sich-Zurtickziehen" in ein intrapsychisches Bew~iltigungsverhalten, wie z.B. der Suche nach den Ursachen ftir die eigene Situation.

Eine aktive, problemorientierte Bew~iltigung von Regret setzt voraus, dass sich ein Entscheidungstr~iger auch da~ber klar wird, auf welche Weise das negative Entscheidungsergebnis zustande kam. Der Theorie des Counterfactual Thinking zufolge stellen Aufw~irtsvergleiche eine MSglichkeit dar, aufzuzeigen, wie ein Vermeiden des unerw0nschten Ereignisses m6glich wird. Dabei wird eine weitere Verschlechterung der affektiven Lage des Individuums in Kauf genommen. Dagegen bewirken emotionszentrierte Bew~iltigungsreaktionen anhand der Bildung von Abwartsvergleichen die Regulation der emotionalen Lage des Individuums. Problemorientierte Bew~iltigungsprozesse verzichten in diesem Fall auf eine kurzfristig orientierte zugunsten einer l~ingerfristig orientierten Verbesserung des Wohlbefindens des Individuums. Indem ein Individuum aus der Aufdeckung der Ursachen yon unerwiinschten Ereignissen lernt, generiert es neue Handlungsm/Sglichkeiten, um in der Zukunft gleichgeartete Fehler zu vermeiden.

Ftir irreversible Entscheidungen und den Zeitpunkt der direkten Reaktion eines Entscheidungstr~igers auf ein negatives Entscheidungsergebnis konstruieren wir folgende Untersuchungshypothese:

114

H73:

Je mehr eine Person dazu neigt, sich aktiver Bew~iltigungsstrategien zu bedienen, desto h6her ist das Regret.

H74:

Je mehr eine Person dazu neigt, sich aktiver Bew~iltigungsstrategien zu bedienen, desto weniger wird sie im Fall eines Misserfolgs Downward Counterfactuals generieren.

Das Ziel der bisherigen Betrachtungen bestand in der Herausarbeitung der Determinanten des Regret. Unter Verwendung sowohl entscheidungstheoretischer als auch verhaltenswissenschaftlicher Literatur konnte die bisherige, in der Regret-Forschung existierende Determinantenliste um Faktoren, die in der PersOnlichkeit des Entscheidungstr~igers liegen, erweitert werden. In den folgenden Ausftihrungen wird die Kundenloyalit~it, als Konsequenz des Regret verstanden, im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen. Ziel ist es, das Regret in einen t~bergeordneten theoretischen Rahmen einzubetten, der sowohl die Determinanten als auch die Konsequenzen zu diesem theoretischen Konstrukt in ein kausalanalytisches Verh~iltnis setzt.

115

3.

Die Rolle des Regret fiir die Kundenloyalit~it

3.1

Das Konzept der Kundenloyalit~it

3.1.1

Begriffsbestimmung der Kundenloyalit~it

Der Begriff Kundenloyalit/~t und der Begriff der Kundenbindung finden sowohl in der Marketingliteratur als auch in der Untemehmenspraxis h/~ufig als Synonyme Verwendung. Im Interesse der Eindeutigkeit der weiteren Ausf'dhrungen erscheint es zun/~chst notwendig, auf Uberschneidungen und Unterschiede hinzuweisen und die Begriffe n/~her zu erl/~utem.

Die Kundenloyalit/~t ist ein Begriff von allgemeiner Natur, der sich bezfiglich seiner objektlichen Gerichtetheit auf eine bestimmte Marke aus dem Industriegfiter-, Konsumgt~ter- oder Dienstleistungsbereich oder aber auf eine bestimmte Gesch/fftsst/~tte bzw. einen bestimmten H/~ndler beziehen kann. 388 Die frfihen Anf~inge der Messung von Kundenloyalit/~t finden sich auf dem Gebiet der Treue von Kunden gegentiber einer bestimmten Marke aus dem Konsumgtiterbereich. Diese Forschungsarbeiten waren rein verhaltensorientiert und setzten z.B. an Kaufreihenfolgen, am Kaufanteil oder an Kaufwahrscheinlichkeiten an. 389 In der heutigen Literatur gilt diese rein behavioristische Perspektive yon Kundenloyalit/~t als problematisch, da sie nicht unterscheidet, ob ein Kunde rein situativ bedingt oder gar zuf'~.llig wiederholt dieselben Kaufverhaltensmuster aufweist, oder bewusst aus einer positiven 15berzeugung heraus eine Kaufentscheidung getroffen hat. Die Ursachen des Verhaltens bleiben somit v611ig unberficksichtigt. 39~ Aus diesem Grund erscheint es nach der in der aktuellen Marketingliteratur vorherrschenden Meinung sinnvoll, Kundenloyalit/~t als ein Konstrukt zu konzeptualisieren, dem sowohl eine Verhaltens- als auch eine Einstellungskomponente immanent sind. Aus dieser Perspektive heraus wird Kundenloyalit/~t als Kaufverhalten angesehen, bei dem ein Konsument, im Sinne eines Entscheidungstr/~gers, eine Marke innerhalb eines Zeitraums, aufgrund seiner positiven Einstellung eben dieser Marke gegentiber, bewusst wiederholt nachfragt, und diese auch in Zukunft zu kaufen gedenkt. TM

388 Vgl. Giering (2000), S. 14, Bauer et al. (1997), S. 13. 389 Ft~reinen Oberblick vgl. Giering (2000), S. 14 f. 39o Vgl. Giering (2000), S. 15. 391 Vgl. Brand/Bungard (1982), S. 265, Bauer (1983), S. 17, Giering (2000), S. 15 f., Peter (2001), S. 9. Die Begriffe Kundenloyalit/~tund Markentreue werden im Rahmen dieser Arbeit synonym verwendet. Anders bei Bauer et al. (1997), S. 14. 116

Der Begriff der Kundenbindung stellt, nach der in dieser Forschungsarbeit vertretenen Auffassung, ein weitaus umfassenderes Konzept dar als die Kundenloyalit~it, auch wenn die beiden Begriffe vielfach als Synonyme Verwendung finden. 392 Nach PETER bezieht sich der Begriff der Kundenbindung ..... auf den Aufbau und die Aufrechterhaltung einer Gesch~iftsbeziehung als einer nicht zuf~illigen Folge von Markttransaktionen zwischen Lieferant und Kunde. ''393 Der Ausdruck ,,nicht zuf'~illig" weist in diesem Sachverhalt darauf hin, dass auf der Anbieter- und/oder der Nachfragerseite Grtinde vorliegen, die es sinnvoll erscheinen lassen, die Gesch~iftsbeziehung fortzuffihren. TM Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass das Konzept der Kundenbindung ein anbieter- und ein nachfragerorientiertes Element enth~ilt. Die anbieterorientierte Komponente wird h~iufig auch als Kundenbindungs-Management beschrieben und umfasst alle Aktivit~iten seitens eines Anbieters, die darauf gerichtet sind, eine dauerhafte Beziehung zu einem Kunden aufzubauen. Ziel dieser Ma6nahmen ist es, eine Abwanderung des Kunden zu konkurrierenden Anbietern zu verhindern und ihn stattdessen zu Wiederholungsk~iufen zu bewegen. Die nachfragerorientierte Komponente betrifft die positive Einstellung eines Kunden gegentiber einem Anbieter, die sich in einer Intensivierung der Geschaftsbeziehung mit eben diesem Anbieter durch z.B. Folgetransaktionen niederschl~igt. In diesem Sinne ist die Kundenloyalit~it mit der nachfragerorientierten Komponente der Kundenbindung gleichzusetzen. Der Begriff der Kundenbindung ist somit umfassender als derjenige der Kundenloyalit~it und schlie6t diesen mit ein. 395

Da ein Hauptuntersuchungsziel der vorliegenden Arbeit die Erforschung interindividueller Unterschiede der Regret-Entstehung und-Verarbeitung darstellt, stellt im Sinne einer Verhaltenskonsequenz yon Regret das nachfragerorientierte Konzept der Kundenloyalit~it das Objekt der Erkenntnisgewinnung dar; die anbieterorientierte Komponente der Kundenbindung bleibt auBen vor.

392 Vgl. eine synonyme Verwendung von Kundenbindung und Kundenloyalit~itz.B. bei Streichert (1995) oder bei Weinberg (1999). 393 Peter (2001), S. 7. 394 Vgl. Peter (2001), S. 7, Giering (2000), S. 18. 395 Vgl. zu diesemAbsatzHomburg / Bruhn (2000), S. 8, Giering (2000), S. 18, Peter (2001), S. 8. 117

3.1.2

Komponenten der Kundenloyalit~it

Aufbauend auf der erfolgten Begriffsbestimmung von Kundenloyalit~it sollen in einem n~ichsten Schritt die einzelnen Komponenten bzw. Dimensionen des Konzepts herausgearbeitet werden. Dieser Konzeptualisierung von Kundenloyalit/at wird im empirischen Teil dieser Arbeit eine Operationalisierung folgen, so dass anhand abgeleiteter Indikatoren das hypothetische Konstrukt der Kundenloyalit~it einer Messung zug~inglich wird.

Wie bereits erwfihnt, zeichnet sich Kundenloyalit~t dadurch aus, dass der Kunde eine positive Einstellung gegentiber dem Anbieter bzw. seinem Produkt besitzt und beabsichtigt, diesbezfiglich Folgetransaktionen einzugehen. Folglich sind sowohl Einstellungs- als auch Verhaltensaspekte zu beachten, wobei letztere sowohl vergangenheits- als auch zukunftsbezogen erfasst werden k6nnen. 396 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit ist allein das zuktinftige Verhalten als Komponente yon Kundenloyalit~it von Interesse; auf eine Betrachtung des vergangenen Verhaltens wird verzichtet, da die Auswirkungen yon Regret auf die Kundenloyalit/~t im Sinne eines Aufzeigens yon M6glichkeiten der Einflussnahme auf zuktinfliges Verhalten von Kunden im Fokus des Interesses stehen. 397

Das zulainftige Verhalten wird in der Kundenloyalit~itsforschung zumeist durch die Verhaltensintention des Kunden abgebildet. 398 Die Verhaltensabsichten beziehen sich dabei auf die Wiederkauf-, die Weiterempfehlungs- und die Zusatzkaufabsicht (vgl.Abbildung 3-1).399 Insbesondere bei den beiden letztgenannten Faktoren handelt es sich um sog. einstellungsgepr~igte Verhaltenskonzepte, in denen die positive

Einstellung eines Kunden zu einer

Gesch~iftsbeziehung zum Ausdruck kommt. 4~176 Eine positive Mund-zu-Mund-Propaganda sowie die Intensivierung der Gesch~iflsbeziehung durch Zusatzk/~ufe lassen indirekt auf eine positive Einstellung des Kunden zum Anbieter schliel3en. Durch eine Erfassung tiber diese drei Komponenten wird sichergestellt, dass nicht ein einstellungs-unabh~ingiger oder gar zuf'~illiger Wiederkauf als Kundenloyalit/~t interpretiert wird. 4~

396 Vgl. Meyer / Oevermann (1995), S. 1340. 397 Auf der Basis von Kausalit~tsUberlegungen hat das gegenw~rtig erlebte Regret eines Kunden keine Auswirkungen auf vergangene Loyalit~t. Vgl. analog die Argumentation von Giering, den Zusammenhang von Zufriedenheitund Loyalit~tbetreffend, Giering (2000), S. 17. 398Vgl. Giering (2000), S. 17 und die dort angegebeneLiteratur 399 Vgl. Homburg et aL (1999), S. 174. 4oo Vgl. Diller et al. (1997), S. 19. 401 Vgl. Giering (2000), S. 16.

118

Wiederkaufabsicht

Weiterempfehlungs-

Zusatzkaufabsicht

absicht

Abbildung 3-1." Die Dimensionen der Kundenloyalit6t. Quelle:

Nach GIERING (2000), S. 17.

Je nach der betrachteten Produktsparte kann es sinnvoll sein, diese drei Komponenten umfassende Sichtweise der Kundenloyalitgt zu modifizieren oder zu erweitem. Z.B. bedienen sich VON WANGENHEIMET AL. in ihrer den Strommarkt betreffenden Studie einer weiteren Unterteilung von Kundenloyalitgt in die Dimensionen aktive und passive Loyalitgt. Eine passive Loyalit~it liegt vor, wenn ein Kunde z.B. vertraglich an ein Unternehmen gebunden ist, und ein Wechsel des Unternehmens/der Marke zumindest tempor~ir gar nicht m6glich ist. Von Bedeutung ist diese Art der Kundenloyalitgt z.B. auf dem Markt far Telekommunikation, dem Strommarkt oder im speziellen bei Werbung und Software, wenn Unternehmen als Endabnehmer betrachtet werden. Im Fokus dieser Arbeit steht jedoch eine Kaufentscheidung, die in Bezug auf die Absicht zum Wiederkauf eines Produkts bzw. die Wieder-Inanspruchnahme einer Dienstleistung hin untersucht wird. Somit liegt eine transaktionsorientierte Sichtweise von Kaufentscheidungen vor, bei denen ein Kunde jederzeit aktiv eine Entscheidung t~ber ein Wechsel- bzw. ein loyales Verhalten treffen kann.

119

3.2

Auswirkungen von Regret auf die Kundenloyalit/it

3.2.1

Der indirekte Effekt des Regret auf die Kundenloyalit~it fiber die Kundenzufriedenheit

Forschungsarbeiten, die zu ergriinden suchen, was Kunden zu einem loyalen Verhalten gegen0ber einem Anbieter bzw. dessen Produkt bewegt, weisen allesamt auf die herausragende Bedeutung der Kundenzufriedenheit hin. Lange Zeit wurde sogar yon der Kundenzufriedenheit als einziger, die Loyalit~it des Kunden bestimmenden Variable gesprochen. Mittlerweile wird sie zwar nicht als alleinige, so doch als zentrale Determinante der Kundenloyalit/it angesehen und ein positiver Zusammenhang zwischen den beiden Konstrukten konnte in zahlreichen Studien belegt werden. 4~ Die Zufriedenheit eines Kunden besitzt Verhaltensauswirkungen, die alle Dimensionen der Kundenloyalit~it betreffen. Zufriedene Kunden t/itigen vermehrt Folgek/iufe, besitzen eine h6here Wiederkaufabsicht 4~ sowie eine gesteigerte Cross-Buying-Bereitschaft, 4~ sind weniger preissensibel und eher geneigt eine positive Mundwerbung zu betreiben. 4~

In der wissenschaftlichen Diskussion zur Modellierung von Kundenzufriedenheit nimmt das ,,Confirmation/Disconfirmation-Paradigma" (C/D-Paradigma) in der groBen Zahl theoretischkonzeptioneller Erkl/imngsans/itze eine vorherrschende Stellung ein. Diesem Ansatz zufolge resultiert das Zufriedenheitsurteil des Kunden aus einem komplexen Informationsverarbeitungsprozess. Hierbei vergleicht ein Kunde die von ihm subjektiv wahrgenommene Leistung (Ist-Komponente) mit seiner Erwartung 4~ beztiglich der Zwecktauglichkeit eines Guts (Sollkomponente). Im Fall einer Kongruenz von Ist- und Soll-Komponente (Konfirmation) entsteht Zufriedenheit. Obertrifft die wahrgenommene Leistung den zugrunde liegenden Vergleichsstandard (positive Diskonfirmation), resultiert ebenfalls Zufriedenheit, wobei diese ein h6heres AusmaB besitzt als im Fall der Best/itigung der Erwartungen. Liegt die erlebte Leistung hinter den Erwartungen zurfick (negative Diskonfirmation),

entsteht Unzu-

402 Einen l~Iberblickfiber vorhandene Studien geben z.B. Giering (2000) und Fischer et al. (2001). 4o3 Vgl. z.B. die Studie von Mittal et al. (1999). 404 Vgl. z.B. die Studie von Wricke (2000). 4o5 Vgl. zu einem 121berblickfiber die Verhaltensauswirkungenvon KundenzufriedenheitAnderson et al. (1994), insb. S. 55 sowie Foscht (2000) sowie die dort angegebene Literatur. Zum Zusammenhang von Kundenzufriedenheit und Mundwerbung im speziellen vgl. die Studie von Anderson (1998). 4o6 Der Erwartung kommt in der Zufriedenheitsforschung als Vergleichsstandard die gr6gte Bedeutung zu. Es k6nnen aber auch Erfahrungsnormen, Idealvorstellungenu.~i. GrOgenals Sollkomponente~r den Vergleichsprozess zugrunde gelegt werden. Ffir eine Obersicht der Vorschl/ige verschiedener Autoren beziiglich der Soll-Komponentevgl. Giering (2000), S. 9 f. 120

friedenheit. 4~ Empirische Befunde sprechen for eine asymmetrische Beziehung zwischen Zufriedenheits- und Unzufriedenheitsurteilen. Bei gleichem AusmaB einer Nichteff'011ung und einer Obererf'011ung der Erwartungen tiberschreitet die entsprechende Unzufriedenheit die entsprechende Zufriedenheit in ihrer St~irke. Abbildung 3-2 veranschaulicht die Operationalisierung des Konstrukts ,,Kundenzufriedenheit" nach dem im C/D-Paradigma postulierten Prinzip.

Soll-Leistung

Ist-Leistung

(Vergleichsstandard, z.B. Erwartung)

(subjektiv wahrgenommene Leistung)

f J

I

1 1

Konfirmation

(Ist Soll)

zufrieenheit

1 !

Abbildung 3-2: Modellierung von Kundenzufriedenheit nach dem C/D-Paradigma.

Quelle:

In Anlehnung an FOSCHT(2002), S. 79.

Auf der Basis des C/D-Paradigma herrschte in der Zufriedenheitsforschung lange Zeit eine rein kognitiv orientierte Definition von Kundenzufriedenheit vor. Von WESTBROOK und OLIVER noch als ..... postchoice evaluative judgement concerning a specific purchase selection" formuliert, 4~

finden sich in neueren Arbeiten verst~irkt Definitionen,

die

Kundenzufriedenheit als Konstrukt mit sowohl einer kognitiven als auch einer affektiven Komponente beschreiben. 4~ W~ihrend im ursprtinglichen C/D-Paradigma das Zufriedenheits-

407 Vgl. Giering (2000), S. 8, Homburg~Stock (2003), S. 22. 4o8 Vgl. Westbrook/ Oliver (1991), S. 84. 409 Vgl. z.B. Fournier/Miek (1999), S. 15, Oliver (1997), S. 13.

121

urteil als rein kognitiver Akt im Sinn eines rationalen Soll-Ist-Abgleichs angesehen wird, erm6glicht die gedankliche Trennung von (Nicht-)Best~itigung und (Un-)Zufriedenheit ein Verst~indnis des Zufriedenheitskonstrukts, das den Einfluss von Affekt zul~isst. 41~Der Einfluss der emotionalen Verfassung eines Kunden auf dessen Zufriedenheit mit einem Produkt konnte mehrfach empirisch best~tigt werden. 41~ Den neueren Forschungsans~itzen folgend soll ffir eine Definition von Kundenzufriedenheit der Aspekt des Einflusses von Affekt auf das Zufriedenheitsurteil berficksichtigt werden, so dass wir Kundenzufriedenheit nach GIERIYG definieren als ..... das Ergebnis eines kognitiven und affektiven Evaluierungsprozesses, in

dessen Rahmen eine geforderte oder gewiinschte Soll-Leistung mit der tats6chlich wahrgenommenen Ist-Leistung verglichen wird" (Hervorhebungen im Original). 412

Ein Verst~indnis von Kundenzufriedenheit, das eine Abh~ingigkeit des Zufriedenheitsurteils von positivem und negativem Affekt betont, bildet die Basis, auf der eine Argumentation fiir einen Einfluss von Regret auf die Kundenzufriedenheit mOglich wird. SEILHEIMERverweist diesbeztiglich auf die ,,How-do-I-feel-Heuristik", derzufolge Individuen ihr Wohlbefinden anhand ihrer aktuellen affektiven Situation beurteilen. 413 Der Autor schlussfolgert, dass ein Konsument, der Regret empfindet, dadurch ein geringeres Wohlbefinden aufweist, was dessen Zufriedenheit mit einem erworbenen Erzeugnis verringert. Ein positives Regret (Rejoicing), durch das sich ein Kunde wohler f~hlt, f~hrt dagegen zu einer Steigerung der Kundenzufriedenheit. 414 Mit anderen Worten kann die Auswirkung von Regret als eine Verst~rkung des Ausmal3es von Kundenunzufriedenheit bzw. als eine Verringerung der St~rke der Kundenzufriedenheit beschrieben werden. Ausgehend vonder Annahme, dass eine positive Korrelation zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenloyalit~t besteht, fibt das Regret somit auf indirektem Weg einen Einfluss auf die letztgenannte Gr613e aus. Die Hypothesen, die aus den dargelegten Uberlegungen resultieren lauten:

H8:

Je h6her das Regret, desto niedriger ist die Kundenzufriedenheit.

H9:

Je hOher die Kundenzufriedenheit, desto h6her ist die Kundenloyalit~t.

410 Vgl. Stauss (1999), S. 9. 411 Vgl. z.B. die Studie von Mooradian / Olver (1997), Brockmann (1997), Dub~ und Morgan (1998). 412 Giering(2000), S. 14. 413 Zur How-do-I-feel-Heuristikvgl. Shafir und Kahnemann (1999), insb. S. 285. 414 Vgl. Seilheimer(2001), S. 93. 122

3.2.2

Der Haupteffekt zwischen Regret und Kundenloyalit/it

Den Ausffihmngen im vorangegangenen Abschnitt zufolge kann festgehalten werden, dass die Zufriedenheit als eine wichtige Determinante der Kundenloyalit/~t anzusehen ist. Zufriedenere Kunden sind gmnds/~tzlich auch die treueren Kunden. Dennoch ist empirisch immer wieder ein Abwanderungs- bzw. Wechselverhalten zufriedener Kunden beobachtbar. Gleichsam existiert ein Ph/~nomen, bei dem unzufriedene Kunden einer Marke bzw. einem Unternehmen treu bleiben. Eine Erkl/~rung dieses Verhaltens, das dem Postulat einer positiven Korrelation von Kundenzufriedenheit und Kundenloyalit/~t dem Anschein nach zu widersprechen scheint, gelingt, indem ein weiterer Einflussfaktor auf die Kundenloyalit/~t berficksichtigt wird: das Regret. Wie im vorangegangenen Abschnitt beschrieben wurde, existiert ein Einfluss des Regret auf die Kundenloyalit/~t, der tiber die Kundenzufriedenheit verl/~uft und somit indirekter Natur ist. Daneben tibt das Regret aber auch eine direkte Wirkung auf das Kundenverhalten aus und muss somit auch als direkte Determinante der Kundenloyalit~t verstanden werden. 415 Eine Argumentation auf dieser Basis bildet den Fokus dieses Abschnitts.

Ein Abwanderungs- bzw. Wechselverhalten zufriedener Kunden erscheint zun~ichst als ein aus klassischer Sicht inkonsistentes Verhalten. Wenn Konsumenten trotz hoher Zufriedenheit das Untemehmen bzw. die Marke wechseln, muss folglich ein anderer potenter Faktor das Verhalten maBgeblich beeinflussen. Wie empirische Studien belegen, kann in dieser Hinsicht dem Regret eine signifikante Wirkung auf das K~iuferverhalten zuerkannt werden. 416 Es herrscht in diesem Fall eine Situation vor, in der ein Nachfrager zur gleichen Zeit Zufriedenheit und Bedauern mit der erworbenen Unternehmensleistung empfindet. M6glich wird dies dadurch, dass die beiden Gr6Ben aus Vergleichsprozessen resultieren, in denen unterschiedliche VergleichsmaBst~ibe zur Anwendung kommen. Hat ein Produkt die Erwartungen eines Konsumenten erftillt, emsteht, nach dem Postulat des C/D-Paradigma, Zufriedenheit. Dennoch kann diese Kaufentscheidung zu Bedauern ffihren, wenn sich noch bessere Alternativen zeigen, die nicht gew~ihlt worden sind. Wird sich der Konsument durch das erlebte

415 Vgl. Inman /Zeelenberg (1998), S. 5 ff. In der Loyalit/~tsforschung sind neben der Kundenzufriedenheit bereits weitere Einflussfaktoren der Kundenloyalit/~t identifiziert worden. Neben Wechselbarrieren 6konomischer, psychischer oder sozialer Art z/~hlen zu diesen Determinanten der Kundenloyalit/~t auch die Nichtverf~gbarkeit von Produkten, Sonderangebote oder das Variety Seeking-Ph/~nomen.Vgl. Staack (2004), S. 150 ff., Seilheimer (2001), S. 107, Foscht (2002), S. 113. 416 Vgl. z.B. die Studien von Simonson (1992), Zeelenberg / Pieters (1999), Tsiros / Mittal (2000).

123

Regret bewusst, dass alternative Produkte besser geeignet gewesen wgren, seine Bedt~rfnisse zu befriedigen, wird er beim ngchsten Konsumakt geneigt sein, eine Wechselentscheidung bezt~glich des Unternehmens bzw. der Marke zu treffen. In diesem Fall postulieren wir einen negativen Einfluss des Regret auf die Kundenloyalitgt.

Wie verh~ilt es sich aber im oben genannten Fall, wenn unzufriedene Kunden einem Unternehmen bzw. einer Marke dennoch die Treue halten? Um die Rolle des Regret in dieser Thematik ngher zu beleuchten, werden zun~ichst die Auswirkungen von Kundenunzufriedenheit n~iher beleuchtet. Wie im Folgenden deutlich wird, spiegeln diese keineswegs im VerhNtnis ,,1 zu 1" die Konsequenzen der Kundenzufriedenheit in ihren negativen Auspr~igungen wider. Die Auswirkungen von Kundenzufriedenheit sind weiter oben bereits erw~ihnt worden. Bei den Folgen von Kundenunzufriedenheit far das Konsumentenverhalten ist grunds~itzlich zun~ichst danach zu unterscheiden, ob Kunden auf die empfundene Unzufriedenheit reagieren oder nicht. Findet eine Reaktion statt, kann des Weiteren dahingehend differenziert werden, ob diese in der Offentlichkeit erfolgt oder nicht. Zu den 6ffentlichen Reaktionen z~ihlen z.B. Beschwerden, die in Form von Beschwerden beim Unternehmen selbst oder bei Institutionen, wie z.B. dem Verbraucherschutzbund, erfolgen k6nnen. Auch das Einleiten rechtlicher Schritte stellt solch eine 6ffentliche Reaktion im Sinne einer Manifestation von Kundenunzufriedenheit dar. Zu den Reaktionen, die nicht in der Offentlichkeit erfolgen, z~ihlen z.B. die negative Mundwerbung im Freundes- und Bekanntenkreis und die Abwandemng. 417

Abbildung 3-3 veranschaulicht die Auswirkungen von Kunden(un)zufriedenheit graphisch. Dieser Oberblick macht deutlich, dass unzufriedene Kunden nicht unbedingt nicht-loyales Verhalten aufweisen mtissen. Der Anteil an Kunden, der zwar unzufrieden mit der Leistung eines Untemehmens ist, aber keine entsprechenden Reaktionen aufweist, um diesem Zustand der Unzufriedenheit zu entkommen, kann weiterhin zu den loyalen Kunden zugerechnet werden. Bereits in Abschnitt 1.3 wurde im Zuge der Abhandlung des Konstrukts Disappointment darauf hingewiesen, dass ein negativer Affekt, der aus nicht erfallten Erwartungen entsteht, zu Passivit~t des Individuums fahren kann. 418 In analoger Weise kann diesbezt~glich

417 Vgl. zu diesem Absatz Foscht (2000) S. 92. Die 6ffentlichen Reaktionen der unzufriedenen Kunden bieten Unternehmen die Chance angemessen zu reagieren. Beispielsweise ist empirisch belegt, dass Kunden im Falle einer zufriedenstellend behandelten Beschwerde im Nachhinein zufriedener und loyaler sind, als Kunden, die sich nicht beschwerten. Die nicht 6ffentlichen Reaktionen bieten diese M6glichkeit nicht und stellen deshalb eine weitaus gr6gere Gefahr liar Unternehmen dar. Vgl. z.B. die bei Foscht (2000), S. 93 angegebene Literatur. 418 Vgl. Abschnitt 1.3. 124

mr die nach dem C/D-Paradigma modellierte Kundenunzufriedenheit argumentiert werden. Diese Unzufriedenheit resultiert aus einem Vergleich, der allein die Erwartungen des Konsumenten an ein Produkt einer erhaltenen Ist-Leistung gegentiberstellt. Den als VergleichsmaBstab verwendeten Erwartungen ist kein LSsungsweg inh~irent, der aufzeigen wtirde, wie diese Erwartungen zu erf'tillen sind bzw. wie dem Unzufriedenheitszustand zu entkommen w~ire.

I

Gesch~iftsbeziehung

Zufriedenheit ~ ]

I

I

]

Unzufriedenheit

.eaktion

I nicht 8ffentliche Reaktion I I

loyales Verhalten

(positive/ negative) Weiterempfehlung

Abwanderung

Beschwerde beim Unternehmen

II

keine.eaktion

~ffentliche Reaktion

Einleiten rechtlicher Schritte

I

Beschwerde bei Institutionen

Abbildung 3-3." Auswirkungen von Kunden(un)zufriedenheit. Quelle:

In Anlehnung an FOSCHT(2002), S. 94.

Der Vergleich, der der Entstehung von Regret zugrunde liegt, stellt dagegen eine alternative, nicht in Anspruch genommene Unternehmensleistung der erhaltenen Ist-Leistung gegentiber. Im Fall eines erlebten oder antizipierten Regret stellt eine attraktivere als die erhaltene IstLeistung den verwendeten VergleichsmaBstab dar. Aufgrund ihrer hSheren Attraktivit~it ist diese alternative Leistung auch besser geeignet, die Erwartungen des Kunden zu erfiJllen. Folglich erschlieBt sich unzufriedenen Kunden, nach einem Regret-Erlebnis, durch den VergleichsmaBstab, der der Entstehung von Regret zugrunde liegt, ein Mittel zur Aufl6sung ihrer

125

Unzufriedenheit. Der Weg zu gr613erer Zufriedenheit ~hrt fiber die Wahl eines alternativen Angebots. Diese Erkenntnis ffihrt zu einer ,,Wechselentscheidung" und zur Abkehr von loyalem Verhalten.

Des Weiteren entsteht durch ein Geffihl der Unzufriedenheit noch nicht unbedingt die Motivation in einem Individuum, sein Verhalten zu ~indem. Ein erlebtes Regret dagegen kann einem unzufriedenen Kunden den entscheidenden Impuls geben, sich aus der Passivit~it herauszulOsen und sein Verhalten zu ~indern. Nach FESTINGER ist das Regret umso h6her, je hOher die Dissonanz nach einer Entscheidung ist; umso h6her ist auch die intrinsische Motivation, diesem Zustand zu entkommen. Dissonanztheoretisch wird das Regret durch den Wunsch des Individuums nach einer Entscheidungsumkehr operationalisiert, 419 so dass davon auszugehen ist, dass Konsumenten, die eine Konsumentscheidung bedauern, eine andere Wahl treffen, wenn sie wieder vor eine ~ihnlich geartete Kaufentscheidung gestellt werden.

Des Weiteren kann auf Basis der Attributionstheorie argumentiert werden, dass Voraussetzung fiJr eine Verhaltens~inderung unzufriedener Kunden w~ire, dass diese sich bewusst werden, dass das eigene Verhalten ursachlich mr die empfundene Unzufriedenheit ist. Ein Regret-Erlebnis kann zu einer solchen Erkenntnis ~hren. Durch die dem Regret immanente interne Attribution ~hrt sich das Individuum vor Augen, dass die zu ver~indemden Variablen, die zu einem Ungeschehenmachen bzw. einer wesentlichen Verbesserung seiner Lage ftihren, seiner Kontrolle unterliegen. Die kognizierte Verantwortlichkeit mr das schlechte Entscheidungsergebnis, die Erkenntnis, dass ,,man es hatte besser wissen mi~ssen" verbunden mit der negativen Valenz des Affekts und der intrinsischen Motivation, die auf Reduktion dieses Zustands ausgerichtet ist, bewirkt im Fall des Regret eine Aktivierung der Konsumenten und initiiert problemorientiertes Verhalten. Folglich ist es auch diese Erkenntnis, die aus dem Ergebnis einer Kausalit~itsanalyse resultiert, die zu einem Marken- oder H~indlerwechsel ~hrt und demnach mr eine Abkehr von loyalem Verhalten f6rderlich ist. Ein Konsument wird nach einem Regret-Erlebnis weniger daz u geneigt sein, dasselbe Produkt noch einmal zu kaufen, da er denselben Fehler nicht noch einmal begehen m6chte. Vielmehr versptirt er den Drang, bei der n~ichsten ~ihnlich gelagerten Konsumsituation einer Fehlentscheidung und ihren Folgen vorzubeugen und daher eine zur vorangegangenen Konsumentscheidung alternative Wahl zu treffen. In diesem Fall wird der Konsument dazu geneigt sein, beim n~ichsten Kaufakt ein 419 Vgl. Festinger (1964), S. 99 f.

126

anderes Produkt zur Befriedigung desselben Bedtirfnisses zu kaufen. Die Wechselabsicht von Konsumenten ist umso hOher, je st~irker das yon ihnen erfahrene Regret. 42~ Aus diesen l]berlegungen heraus postulieren wir wiederum eine negative Korrelation yon Regret und Kundenloyalit~it.

Das Regret selbst kann aber auch Ursache d a ~ r sein, dass unzufriedene Kunden einem Unternehmen bzw. einer Marke dennoch die Treue halten. Bisher wurde eine Argumentation ge~hrt, die allein ein erlebtes Regret fokussiert. Ein antizipiertes Regret kann dagegen im Sinne einer psychischen Wechselbarriere fungieren, so dass diese Form des Regret eine positive Korrelation mit der Kundenloyalit~it aufweisen kann. Wie die Normtheorie postuliert, tendieren Individuen durch die Antizipation von Bedauern dazu, unt~itig zu bleiben und ihren Zustand m6glichst wenig zu ~indem. Die 13berlegung, dass ein alternatives Produkt noch weitaus schlechter sein k6nnte als das bisher konsumierte, h~ilt den unzufriedenen Konsumenten davon ab, die Marke zu wechseln. In Abschnitt 2.1.2.1.6 wurde dieses Verhalten als Phanomen der Bedauernsaversion (regret avoidance) bezeichnet. Hierbei sind Entscheider bestrebt, Bedauern tiber eine nach Eintritt des Ergebnisses als fehlerhaft eingestufte Entscheidung dadurch zu vermeiden, dass der potentielle Verlust nicht realisiert wird. Dies ~hrt dazu, dass eine Unt~itigkeit bzw. Passivit~it einer Aktivit~it vorgezogen wird. Im Fall dieser speziellen Spielart von Regret postulieren wir einen positiven Einfluss des (antizipierten) Regret auf die Kundenloyalit~it. Allerdings erffillt diese Form der Loyalit~it nicht die Anforderungen wie sie definitorisch in Abschnitt 3.1.1 festgelegt worden sind. Wie erinnerlich, zeichnet sich Kundenloyalit~it dadurch aus, dass der Kunde eine positive Einstellung gegentiber dem Anbieter bzw. seinem Produkt besitzt und beabsichtigt, diesbeziiglich Folgetransaktionen einzugehen. Folglich sind sowohl Einstellungs- als auch Verhaltensaspekte zu beachten. Eine Treue, die allein aus Passivit~it heraus erfolgt, ist nicht von Interesse mr die vorliegende Arbeit.

Zusammenfassend soll festgehalten werden, dass Regret einen direkten Einfluss auf die Kundenloyalit~it austibt, indem es die Kaufabsichten von Konsumenten lenkt. Aus den obigen Ausffihrungen formulieren wir folgende Hypothese zum Zusammenhang zwischen Regret und Kundenloyalit~it:

H10:

Je h6her das Regret, desto niedriger die Kundenloyalit~it.

420 Vgl. Tsiros /Mittal (2000), S. 406. 127

3.2.3

Der Einfluss eines PersOnlichkeitsmerkmals des Entscheidungstr~igers auf den Zusammenhang von Regret und Kundenloyalit~it im Sinne eines moderierenden Effekts am Beispiel der sozialen Beeinflussbarkeit

In Abschnitt 2.3.2 wurde ausgefahrt, wie Pers6nlichkeitsmerkmale des Entscheidungstrggers auf Entstehung und Stgrke von Regret Einfluss nehmen kt~nnen. Diese individuellen Charakteristika stellen Variablen dar, die die Gr6ge ,,Regret" determinieren. Unter der Annahme, dass mit der H6he des Regret das Ausmal3 der Kundenloyalit~it variiert, nehmen diese PersOnlichkeitsmerkmale indirekt Einfluss auf die Kundenloyalitgt. Daneben existiert auch die M6glichkeit, dass Pers/Snlichkeitsmerkmale einen Effekt auf die Stgrke des Zusammenhangs zwischen Regret und Kundenloyalitgt ausfiben.

Einflussfaktoren, die einen Effekt auf die Stgrke eines bestehenden Zusammenhangs zwischen einer externen und einer endogenen Variable aust~ben, werden Moderatorvariablen, Moderatoren oder auch moderierende Variablen genannt. 421 Je nach Ausprggung des Moderators variiert die Stgrke der Korrelation zwischen zwei Variablen. Wird der Effekt der exogenen auf die endogene Variable durch eine Erh6hung der Werte des Moderators verstgrkt, handelt es sich um eine positive Moderation. Schw~.cht sich der betreffende Zusammenhang durch eine Erh6hung der Werte der Moderatorvariablen dagegen ab, liegt ein negativ moderierender Effekt

v o r . 422

Den Oberlegungen hinsichtlich eines m6glichen moderierenden Effekts von Pers6nlichkeitsmerkmalen liegt das Verstgndnis zugrunde, dass Regret auf Basis eines subjektiven Urteils entsteht, welches aus einem Vergleichsprozess resultiert. Aus dieser Perspektive orientiert sich die Auswahl relevanter Variablen im Rahmen der vorliegenden Arbeit daran, dass vorrangig solche Eigenschaften von Interesse sind, die das eigene Urteil auf dem das Regret basiert und/oder die durch das Regret entstehende affektive Situation an Bedeutung verlieren lassen. Auf der Suche nach Pers6nlichkeitscharakteristika, die diese Bedingungen erflillen, erweist sich die soziale Beeinflussbarkeit in beispielhafter Weise als geeignet, wie die folgenden Ausfahrungen aufzeigen werden.

42~ Vgl. ArnoM (1982), S. 144. Vgl. zu einer ausffihrlichen DarstellungmoderierenderEffekte Abschnitt 4.2.2.2. 422 Vgl. Giering (2000), S. 94.

128

Nach NETEMEYER ET AL. ist die soziale Beeinflussbarkeit einer Person bezogen auf das Themengebiet von Kaufentscheidungen definiert als ..... the need to identify with or enhance one's image through the acquisition and use of products and brands, the willingness to conform to the expectations of others regarding purchase decisions, and/or the tendency to learn about products and services by observing others or seeking information from others". 423 Auf Basis dieser Definition lassen sich f~r das Konstrukt der sozialen Beeinflussbarkeit zwei Dimensionen identifizieren. Zum einen eine normative Dimension und zum anderen eine informative Dimension. Erstgenannte Dimension bezieht sich auf die Neigung einer Person, sich durch Erwerb und Nutzung eines Produkts mit anderen Personen zu identifizieren bzw. deren Erwartungen gerecht zu werden. Letztgenannte Dimension verweist darauf, dass Individuen, die das Pers6nlichkeitsmerkmal der sozialen Beeinflussbarkeit tragen, dazu neigen, die Produkterfahrungen anderer Personen als eigenes Produktwissen zu adaptieren und sich auf Meinungen und Ratschl~ge dieser Personen zu verlassen. 424

Sozial beeinflussbare Personen werden ihre Kaufabsichten nicht davon abh~ngig machen, ob sie mit einem Produkt bereits eine Regret-Erfahrung gemacht haben. Es ist nicht die eigene Meinung, die entscheidend ffir ihr Kaufverhalten ist, sondern die Meinungen der Personen, die dem sozialen Umfeld angeh/~ren. Mit anderen Worten werden sozial beeinflussbare Personen einem Anbieter die Treue halten, obwohl sie durch Regret-Erfahrung die Oberzeugungen besitzen, nicht die beste aller Alternativen gew~hlt zu haben. Die Loyalit~t zu bzw. der Wechsel von einem Anbieter wird folglich nicht durch die eigenen Meinungen und Erfahrungen determiniert, sondern von der Neigung, mit dem eigenen Kaufverhalten den Erwartungen anderer Personen gerecht zu werden. Somit kommen wir zu der folgenden Hypothese bezt~glich der Wirkung der sozialen Beeinflussbarkeit einer Person auf den Zusammenhang zwischen Regret und Kundenloyalit~t:

H1 l: Je h6her die soziale Beeinflussbarkeit eines Konsumenten ist, desto schw~cher ist der

Zusammenhang zwischen Regret und Kundenloyalit~t.

423 Netemeyer et al. (1992), S. 380. 424 Vgl. Bearden et al. (1989), S. 474, Giering (2000), S. 126. 129

3.3

Zusammenfassung der Hypothesen und das Gesamtmodell

In Abschnitt 2.3.2 wurden auf Grund theoretischer Oberlegungen und unter Bezugnahme auf bereits vorliegende empirische Ergebnisse Determinanten des Regret gewonnen, die sich aus den individuellen Charakteristika der Person des Entscheidungstr~gers herleiten. Bezfiglich deren Wirkung auf die interessierende Gr6Be Regret erfolgte eine Hypothesenformulierung derart, dass eine Aussage tiber die Wirkungsrichtung des jeweils unterstellten Zusammenhangs gemacht wurde. Des Weiteren wurden im vorhergegangenen Abschnitt 3.2 Hypothesen hergeleitet, die insbesondere die Thematik der Kundenloyalit~t als Konsequenz des Regret betreffen. Eine Zusammenfassung aller bisher generierten Hypothesen der vorliegenden Arbeit liefert Tabelle 3-1.

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, das hypothetische Beziehungsgeflecht einer simultanen Oberpr~fung zu unterziehen. Die durch die einzelnen Hypothesen beschriebenen Einzelwirkungen werden daher zu einem Hypothesensystem zusammengefasst. Aus den unterstellten Zusammenh~ngen ergibt sich ein vorl~ufiges Kausalmodell, das in Abbildung 3-4 dargestellt ist. Das aufgestellte Hypothesensystem wird im anschlieBenden Teil dieser Arbeit einer empirischen Prfifung unterzogen. Die damit verbundene Methodik und die Untersuchungsergebnisse werden im folgenden Abschnitt behandelt.

130

H 11 H12 H13 H2 H3 H41

H42

H5 H61 H62 H63 H71

H72

H73 H74

H8 H9 H 10 Hll

Je h6her das Selbstwertgefahl einer Person, desto niedriger ist das Regret. Je h6her das Selbstwertgeftihl einer Person, desto weniger wird sie im Fall eines Misserfolgs intern kausal-attribuieren. Je h6her das SelbstwertgefOhl einer Person, desto eher wird sie im Fall eines Misserfolgs ein Downward Counterfactual generieren. Je eher eine Person im Fall eines Misserfolgs intern kausalattribuiert, desto h6her ist das Regret. Je eher eine Person im Fall eines Misserfolgs ein Downward Counterfactual generiert, desto niedriger ist das Regret. Je mehr ein Mann traditionell geschlechtsrollen-orientiert ist, desto weniger wird er im Fall eines Misserfolgs intern kausalattribuieren. Je mehr eine Frau traditionell geschlechtsrollen-orientiert ist, desto eher wird sie im Fall eines Misserfolgs intern kausalattribuieren. Je h6her die Leistungsmotivation einer Person ist, desto weniger wird sie im Fall eines Misserfolgs intern kausal-attribuieren. Je optimistischer eine Person ist, desto niedriger ist das Regret.

_

Je optimistischer eine Person ist, desto weniger wird sie im Fall eines Misserfolgs intern kausal-attribuieren. Je optimistischer eine Person ist, desto eher wird sie im Fall eines Misserfolgs ein Downward Counterfactual generieren. Je mehr eine Person dazu neigt, sich emotionaler Bew~iltigungsstrategien zu bedienen, desto niedriger ist das Regret. Je mehr eine Person dazu neigt, sich emotionaler Bew~iltigungsstrategien zu bedienen, desto eher wird sie im Fall eines Misserfolgs ein Downward Counterfactual generieren. Je mehr eine Person dazu neigt, sich aktiver Bew~iltigungsstrategien zu bedienen, desto h6her ist das Regre t. Je mehr eine Person dazu neigt, sich aktiver Bew~iltigungsstrategien zu bedienen, desto weniger wird sie im Fall eines Misserfolgs ein Downward Counterfactual generieren. Je h6her das Regret, desto niedriger ist die Kundenzufriedenheit. Je h~her die Kundenzufriedenheit, desto h6her ist Kundenloyalit~it. Je h6her das Regret, desto niedriger ist die Kundenloyalit~it.

die

Je h~her die soziale Beeinflussbarkeit einer Person, desto schw/acher ist der Zusammenhang von Regret und Kundenloyalit~it.

Tabelle 3-1. Die Hypothesen im Oberblick.

131

Selbstwertgeffihl

HI(

Interne alattribution~)k Leistungsmotivation

]

(

Kundenzufriedenheit

H2

H9 +

Aktives Coping Downward Counterfactual

Hll-

Emotionales

Coping

H7(

/

] I

H63+

Optimismus

I Soziale , Beeinflussbarkeit

H6(

1). Die hell-graue Schattierung verdeutlicht die rahmentheoretische Orientierung, derzufolge die beiden Faktoren ,,Aktives Coping" und ,,Emotionales Coping" zwei Dimensionen des Konstrukts ,,Coping" darstellen. 2) Die dunkel-graue Schattierung hebt die beiden Zielkonstrukte der Untersuchung hervor. Abbildung 3-4: Das Gesamtmodell.

132

4.

Die empirische Untersuchung

4.1

Vorgehensweise und Erhebungsdesign der empirischen Untersuchung

Zur Erfassung der Gr6Be ,,erlebter Regret" kommen in den relevanten Studien unterschiedliche Methoden zum Einsatz. Eine h~iufig gew~ihlte Vorgehensweise besteht z.B. darin, Probanden aufzufordern, sich eine Situation in Erinnerung zu rufen, die ehemals diese Emotion bei ihnen hervorgerufen hatte, und diese Konstellation dann ausmhrlich zu beschreiben. 425 Diese autobiografischen Berichte sind als nicht reliabel einzustufen, da das Erinnerungsvermtigen des Erz~ihlenden Einfluss auf die Darstellung vergangener Ereignisse nimmt. 426 Zudem ist bei diesem Verfahren nicht sichergestellt, dass alle in einer Untersuchung interessierenden Faktoren in den Berichten enthalten sind. 427 Letztlich erweist sich diese Methode mr die Zwecke der vorliegenden Arbeit aber deshalb als g~inzlich ungeeignet, da es gerade Ziel der Untersuchung ist aufzuzeigen, dass, obwohl alle Spezifika der Entscheidungssituation mr ein Regret-Erleben seitens der Probanden sprechen, ihre individuellen Pers6nlichkeitsmerkmale dem entgegenwirken k6nnen. Folglich bedarf es der experimentellen Generierung einer Situation, die objektiv mr alle Probanden die gleichen situativen Bedingungen stellt, bei der St6rgr6Ben weitestgehend ausgeschaltet werden k6nnen und deren Konstellation der situationsspezifischen Determinanten des Regret sich positiv mr dessen Entstehung gestaltet.

Aufgrund dessen wird im Folgenden die Szenariotechnik herangezogen, die die genannten Anforderungen zu ermllen vermag. Bei dieser Methode wird den Probanden ein Szenario vorgelegt, das eine Konsumsituation mit einem negativen Ergebnis beschreibt. Da bereits empirisch belegt ist, dass das Regret unabh~ingig von der Produktkategorie auftritt, 428 wurde bei der Auswahl des Gutes allein darauf geachtet, dass es neutral beztiglich der Konsumption bzw. der Verwendung durch M~inner und Frauen ist. Dadurch ist gew~ihrleistet, dass sowohl m~innliche als auch weibliche Probanden sich gleichermaBen in ein und dieselbe geschilderte Konsumsituation hineinversetzen k6nnen. AuBerdem soll dadurch vermieden werden, dass von vornherein geschlechtsspezifische Unterschiede als St6rgr6Ben in die Untersuchung einflieBen, die durch das Involvement der Probanden oder deren Erfahrung im Gebrauch mit den 425 Vgl. z.B. die Studie von Zeelenberg et al. (1998), S. 124. 426 Vgl. Johnson/Sherman (1990), S. 482 ff. 427 Vgl. Seilheimer (2001), S. 137. 428 Vgl. Seilheimer (2001), S. 113.

133

Produkten bedingt sind, wie dies beispielsweise bei Erzeugnissen wie ,,Make up" oder ,,Akku-Bohrschraubern" der Fall sein kOnnte. Um die Befragten mental auf das Szenario einzustimmen, sollten sie zun~ichst eine ihnen vertraute Marke aus dem Bereich Bekleidung/ Mode nennen, v o n d e r es Winterjacken zu kaufen gibt. Des Weiteren wurden Sie gebeten, sich dann beim Ausfallen des Fragebogens stets auf diese von ihnen genannte Marke zu beziehen. Das gew/ahlte Szenario lautet:

,, Stellen Sie sich nun bitte einmal folgende Situation vor: Sie wollen sich eine neue Winterjacke kaufen. Bitte versuchen Sie, sich in die im Folgenden geschilderte Situation hineinzuversetzen/ Es ist Wochenende und Sie wollen am morgigen Sonntag in den Winterurlaub fahren. Beim Blick in den Kleiderschrank f~illt Ihnen auf dass Sie keine passende Winterjacke besitzen. Sie suchen deshalb ein Bekleidungsgesch6fi auf um sich eine Jacke v o n d e r Ihnen vertrauten Marke zu kaufen (die Marke, die Sie oben genannt haben/). Beim Zeitungslesen am Abend stoflen Sie zufMlig auf einen Bericht der ,,Stiftung Warentest'" in dem Winterjacken auf verschiedene Kriterien wie Funktionalitiit (z.B. Wind- und Wasserschutz, Atmungsaktivit6t etc.), Passform, Material- und Verarbeitungsqualitiit hin getestet wurden. Die Winterjacke der Marke, die Sie gekauft haben, schneidet in dieser Bewertung mit einem schlechten Gesamturteil ab, wa'hrend vergleichbar teure Jacken deutlich besser abschneiden. ""

Die Unvorteilhaftigkeit des betreffenden Gutes im Vergleich zu gleichwertigen Produkten mittels eines Testberichts darzustellen steht in der Tradition der Forschung auf dem Gebiet des Regret im Kaufentscheidungsverhalten. 429 Um sicherzustellen, dass die Probanden die Beurteilung des Produkts nicht yon vornherein als unbedeutsam oder nicht objektiv werten, wurde die Stiftung Warentest als Quelle des Testergebnisses genannt. Diese Stiftung besitzt einen extrem hohen Bekanntheitsgrad in der deutschen Bev61kerung (96 Prozent) sowie ein positives Image, das vor allem die Eigenschaften n~itzlich, vertrauenswtirdig, kompetent und zuverl~issig beinhaltet. 43~ Aul3erdem wurden in einer Vorstudie mit 25 Befragten die Kriterien ermittelt, denen beim Kauf einer Winterjacke die durchschnittlich h6chste Wichtigkeit zukommt. 431 Schliel31ich wurde bei der Generierung des Szenarios vorrangig darauf geachtet, 429 Vgl. zu dieser Vorgehensweise z.B. die Studien von Inman / Zeelenberg (1998), Seilheimer (2001). 43o Die Daten entstammen einer repr~isentativen Bev61kerungsumfrage des Meinungsforschungsinstitutsforsa aus dem Jahr 2000. Vgl. Stiftung Warentest (2000), S. 51ff. 431 Das Kriterium ,,Gefallen an der Jacke", dem zusammen mit dem Preis die h6chste Wichtigkeit beigemessen wurde, stellt kein objektives Prtifkriterium der Stiftung Warentest dar. Aul3erdem stellt es keine unabhangige Variable in der vorliegenden Untersuchung dar, sondern geht als Item zur Messung einer endogenen Variable in die Analyse ein. Dem Kriterium ,,Preis" wird indirekt Rechnung getragen, da sich durch die schlechte Leistung das Preis/Leistungs-Verh~iltnisverschlechtert.

134

die Charakteristika der Entscheidungssituation, die mit dem Ausmag des Regret positiv korrelieren, alle im Sinn einer regretf6rderlichen Wirkung zu formulieren. Tabelle 4-1 gibt einen 13berblick tiber die gew~ihlten Auspr~igungen der Charakteristika der geschilderten Entscheidungssituation.

iii•iii•ii•ii•ii!iiiiii•i•i•iiiiiiiiiiiii•i•ii•i:

:iiiiiiiiiiiiiiiiiiiii!iiEiiii~iiiiii~ii~iiii~i~iiiiiiiiiiiiiiiiiiiii~iii~iiiiii~iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii~ii~iiii~iiii~iiii

li Reversibilit~t der Entscheidung (vorerst) nicht gegeben Normalit~t der Emscheidung nicht gegeben Augergew6hnlichkeit des Entscheidungsergebnisses gegeben Finanzielles Risiko leicht erh6ht (im Vergleichzu Verbrauchsgtitemdes t~glichenBedarfswie MilchoderZahnpasta) Involvement erh6ht

+ + +

Wichtigkeit der Entscheidung gegeben Aktion des Entscheiders gegeben

Objektive Verantwortlichkeit des Entscheiders gegeben Kontrollierbarkeit der Entseheidung durch den Entscheider gegeben Negativit~it der Konsequenzen der Entscheidung gegeben

i l ,,Es ist Wochenende und Sie wollen am morgigen Sonntag in den Winterurlaub fahren." ,,Es ist Wochenende und Sie wollen am morgigen Sonntag in den Winterurlaub fahren." ,,Es ist Wochenende und Sie wollen am morgigen Sonntag in den Winterurlaub fahren." ,,Sie wollen sich eine neue Winterjacke kaufen." ..... Sie wollen am morgigen Sonntag in den Winterurlaub fahren." ..... Sie wollen am morgigen Sonntag in den Winterurlaub fahren." ,,Sie suchen deshalb ein Bekleidungsgeschaft auf, um sich eine Jacke vonder Ihnen vertrauten Marke zu kaufen." ,,Sie suchen deshalb ein Bekleidungsgesch~ift auf, um sich eine Jacke yon der Ihnen vertrauten Marke zu kaufen." ,,Sie suchen deshalb ein Bekleidungsgesch~ift auf, um sich eine Jacke yon der Ihnen vertrauten Marke zu kaufen." ,,Die Winterjacke der Marke, die Sie gekauft haben, schneidet in dieser Bewertung mit einem schlechten Gesamturteil ab, w~ihrend vergleichbar teure Jacken deutlich besser abschneiden."

Tabelle 4-1. Manipulation der auf die Entscheidungssituation bezogenen Determinanten des Regret.

Die Szenariotechnik in Verbindung mit einer schriftlichen Befragung bietet die M6glichkeit einer schnellen und kostengtinstigen Erhebung der Daten. Bei der Verwendung von Szenarien besteht jedoch eine Gefahr far die externe Validit~it

432

der Untersuchungsergebnisse. Falls es

den Probanden nicht gelingt, sich derart in die geschilderte Konsumsituation hineinzuversetzen, als w e n n sie diese tats~ichlich erleben, kOnnen die in der Untersuchung gemessenen Reaktionen von den tats~ichlichen Reaktionen im Konsumalltag der Versuchspersonen abweichen. Dann lassen sich die Schlussfolgerungen aus den mit der Szenariotechnik ge432 Zum Begriff der Validit~it vgl. Abschnitt 4.2.1.1.

135

wonnenen Ergebnissen nicht ohne weiteres auf reale Kaufentscheidungen iJbertragen. 433 Um zu ermitteln, ob die externe Validitgt der Untersuchungsergebnisse in diesem Punkt gew~ihrleistet ist, erfolgt direkt im Anschluss an das Szenario die l]berprtifung, inwieweit sich die Probanden in die beschriebene Situation hineinversetzen k6nnen. Diese Abfrage ist, wie alle Items des Fragebogens, als Statement formuliert, zu dem die Versuchsteilnehmer ihre Zustimmung auf einer siebenstufigen Ratingskala angeben sollen. Die Endpunkte der Skala sind mit ,,stimme tiberhaupt nicht zu" (1) und ,,stimme voll und ganz zu" (7) tiberschrieben. 434 Durch diese Vorgehensweise kann das gewonnene Datenmaterial wie metrische Daten weiterverarbeitet werden, auch wenn streng genommen nur Werte aus einer Ordinalskala vorliegen. 435 Nur Datens~itze, die eine Zustimmung von 5, 6 oder 7 beziiglich der ersten Aussage aufweisen, gehen in die weitere Analyse ein. Von 500 verteilten und 378 zu15ickgegebenen verblieben durch diese Filtermethode noch 324 verwertbare

FragebOgen. Die Hauptbefra-

gung 436 fand von November 2004 bis Anfang M~irz 2005 statt. Die Auswahl der Probanden erfolgte per Zufallsauswahl auf der Basis der Kundendatei zweier mittelst~indischer Modefachgesch~ifte. 437 Die entsprechenden Temperaturen in diesen Monaten begtinstigen in diesem Fall die Wirkung der Szenariotechnik, da der Kauf einer Winterjacke thematisiert wird.

Ftir die Generierung der Itembatterie des Fragebogens werden Formulierungen aus standardisierten, bereits validierten Messinstrumenten sowie aus eigenen theoretischen lSlberlegungen entwickelte Fragen verwendet. In einem Pretest wurden die einzelnen Items und das Szenario auf Verst~indlichkeit und Vollstgndigkeit hin untersucht. Auf der Basis verschiedener statistischer Prfifkriterien 438 sowie aufgrund theoretischer Uberlegungen wurden Umformulierungen sowie die Elimination einiger Fragen vorgenommen, so dass die Voraussetzungen far eine reliable und valide Messung der interessierenden Konstrukte geschaffen wurde. 439 Im Anschluss an die Datenerhebung erfolgte die quantitative Untersuchung des gewonnenen Datenmaterials. Vor diesem Hintergrund vermitteln die beiden folgenden Abschnitte zun~ichst grundlegende methodische Aspekte der quantitativen Analyse. 433 Vgl. Medvec/Savitsky (1997), S. 1284 ff., Seilheimer (2001), S. 138. 434 Die Zwischenstufen wurden nicht verbalisiert. 435 Im Gegensatz zu einer Intervallskala gilt die Annahme gleicher Skalenabst~inde bei einer Ordinalskala als nicht best~itigt. Daher besitzen die Differenzen zwischen ordinalen Werten streng genommen keinen Informationsgehalt. Vgl. zur Problematik des Messniveaus Backhaus et al. (2003), S. 4 ff. 436 Die Hauptbefragung setzt sich aus dem Versand der Frageb6gen inklusive einer Nachfassaktion zusammen. 437 Die Vorgehensweise der Auswahl der Probanden wirft die Frage nach der Reprasentativitat der Stichprobe auf. Vgl. zu dieser Problematik Abschnitt 4.3.1. 438 In dem sich anschlieBenden Abschnitt 4.2.1 werden die zu einer Konstruktmessung heranzuziehenden Priifkriterien ausftihrlich beschrieben. 439 Zu den Begriffen ,,Reliabilit~it"und ,,Validit~it"vgl. Abschnitt 4.2.1. 136

4.2

Die Kausalanalyse als Methode der empirischen Untersuchung

4.2.1

Zur Operationalisierung hypothetischer Konstrukte

4.2.1.1

Die Beurteilung der Giite einer Konstruktmessung

Die Messung komplexer Konstrukte in der Marketingwissenschaft setzt sich gmnds~itzlich aus der Konzeptualisierung und der Operationalisierung zusammen. ,,W~ihrend die Konzeptualisierung eines Konstrukts die Erarbeitung der dem Konstrukt zugrunde liegenden Dimensionen- bzw. Faktorenstruktur beinhaltet, wird unter der Operationalisierung die Entwicklung eines Messinstruments ffir dieses Konstrukt verstanden. ''44~ Die Intention einer Konstruktmessung liegt darin, die zu messende latente Variable m6glichst genau abzubilden. Ftihrende Vertreter der Marketingforschung be~rworten daher eine Multi-Item-basierte Messung yon Konstrukten. 441 Dieser Vorgehensweise wird auch in der vorliegenden Arbeit mr den Grol3teil der zu untersuchenden theoretischen Konstrukte der Vorzug gegeben.

Die Qualit~it oder Gtite der Erfassung eines nicht direkt beobachtbaren Ph~inomens lgsst sich anhand der Reliabilit~it (Zuverl~issigkeit) und der Validit~it (Gtiltigkeit) des zugrunde liegenden Messinstruments beschreiben. Die Reliabilitat spiegelt die formale Genauigkeit einer Messung wider und gibt Auskunft da~ber, inwieweit eine Messung frei von zuf~illigen Messfehlern ist. Des Weiteren ist die Zuverlgssigkeit auch ein Mal3 daffir, inwieweit Ergebnisse unabh~ingiger, aber vergleichbarer Untersuchungen ein und derselben Variable miteinander t~bereinstimmen und folglich als reproduzierbar eingestuft werden k6nnen. 442 Die Validit~it bezieht sich sowohl auf den unsystematischen als auch auf den systematischen Fehler einer Messung, 443 da sie den Grad der konzeptionellen Richtigkeit einer Messung beschreibt. Ein valides Messinstmment misst genau das, was es

messen

s o l l . 444

Im Zusammenhang mit der Messung abstrakter Konstrukte sind vier Aspekte der Validit/it yon besonderer Bedeutung, die in der Literatur mit den im Folgenden beschriebenen Begriffen belegt sind:

440 Giering (2000), S. 72. 441 Vgl. z.B. Bagozzi/Baumgartner (1994), S. 388. 442 Zum Begriff der ,,Reliabilit~it"vgl. Backhaus et al. (2003), S. 371. 443 Die Reliabilit~it stellt folglich eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung far die Validit~t dar. Vgl. zu dieser Sichtweise Homburg/Pflesser (2000), S. 421. 444 Vgl. Heeler~Ray (1972), S. 361, Churchill (1979), S. 65.

137

9

Inhaltsvalidit~it ist ein Mal3 fOr die inhaltlich-semantische Pr~izisierung eines Konstrukts durch die verwendeten Indikatoren. Ein Messinstrument gilt als inhaltsvalide, wenn es gelingt, durch ad~iquate Formulierungen der Items alle Bedeutungsinhalte und Facetten eines Konstrukts abzudecken. 445

9

Konvergenzvaliditiit bezeichnet den Grad der lJbereinstimmung zweier oder mehrerer unterschiedlicher Messungen ein und desselben Konstrukts. Konvergente Validit~it gilt als gegeben ...... wenn alle dem Messinstrument zugehOrigen Indikatoren bzw. Faktoren so starke Beziehungen untereinander aufweisen, dass hieraus geschlossen werden kann, dass sie auch tatsachlich dasselbe Konstrukt messen. ''446

9

Diskriminanzvalidit~it zielt auf die Frage ab, ob und wie stark sich zwei Konstrukte voneinander abgrenzen lassen. 447 Bei einem hohen Mal3 an Diskriminanzvalidit~it weisen die Indikatoren eines Konstrukts untereinander st~irkere Assoziationen auf als mit Indikatorvariablen anderer latenter Variablen.

9

Nomologische Validit~it beschreibt das Mal3, in dem sich ein erfasstes Konstrukt in einen theoretischen Rahmen einbinden l~isst. Diese Form der Validit~it ist gegeben, wenn theoretische Annahmen fiber Beziehungen zwischen Konstrukten mit den empirisch gewonnen Ergebnissen bezfiglich dieser Beziehungen tibereinstimmen. 448

Zur Sicherung der Reliabilitat und der Validitat einer Konstruktmessung existiert in der Marketingforschung eine Vielzahl verschiedener Methoden. Es gilt anzumerken, dass es sinnvoll erscheint, sich zur Evaluiemng eines Modells auf die Anwendung einiger weniger Reliabilit~its- und Validit~itskriterien zu beschranken, da das Spektrum der von der Literatur bereitgestellten Gfitekriterien in hohem Mage durch Redundanz gekennzeichnet ist, bzw. sich nur ein marginaler Erkenntnisgewinn aus dem Einsatz mehrerer Spezialarten ~ihnlich gestalteter Anpassungsmal3e ergibt. 449 Aus diesem Grund konzentrieren wir uns im Folgenden auf einige der wichtigsten und am weitesten verbreiteten Messmethoden. 45~

Eine ausftihrliche Darstellung der in der vorliegenden Arbeit zur Anwendung kommenden Prfifverfahren bzw.-kriterien liefern die beiden folgenden Abschnitte. Die hierzu vorge-

445 Vgl. Bohrnstedt (1970), S. 92. 446 Giering (2000), S. 74. 447 Vgl. Bagozzi/Phillips (1982), S. 469. 448 Vgl. Bagozzi (1979), S. 14. 449 Vgl. Homburg/Baumgartner (1995), S. 174, Riekeberg (2003), S. 508. 450 Vgl. hierzu Backhaus/Biischken (1998), S. 160 ff. und S. 166.

138

nommene Kategorisierung der Anpassungsmal3e in Kriterien der ersten Generation und Kriterien der zweiten Generation folgt einem Ansatz von HOMBURG und GIERING. 451

4.2.1.2

Giitekriterien der ersten Generation

Methoden zu Reliabilit~its- und Validit~itsbetrachtungen zur Beurteilung eines Messmodells existieren bereits seit den 1950er Jahren. Sie stammen ursprtinglich aus dem Bereich der Psychometrie, hielten aber bald auch Einzug in andere Forschungsbereiche und dominierten noch bis vor wenigen Jahren die Praxis der marketingwissenschaftlichen Forschung. 452 Die Methoden, die diesen frtihen Ans~itzen entstammen, werden auch als Reliabilit~its- und Validit~itskriterien der ersten Generation bezeichnet. In der vorliegenden Arbeit kommen

aus dieser Kriterienklasse die folgenden drei Gtitekriterien zur Anwendung:

9

die exploratorische Faktorenanalyse (EFA)

9

das Cronbachsche Alpha (a)

9

die Item-to-Total-Korrelation (ITTC).

Die exploratorische Faktorenanalyse geh6rt zu den strukturen-entdeckenden Verfahren, bei denen der Anwender vorab keine Vorstellungen fiber Beziehungszusammenhgnge bezfiglich der Indikatorenmenge bzw. einer Faktorenstruktur hat. 453 Ziel dieser Analysemethode ist die Reduktion und die Biindelung von manifesten Variablen, so dass die Vielzahl dieser Variablen auf m6glichst wenige dahinter stehende, latente Faktoren reduziert werden kann. Obwohl eine Datenreduktion grunds~itzlich mit einem Informationsverlust einhergeht, liegt die St~irke der exploratorischen Faktorenanalyse darin, eine hinreichend gute Abbildung der Gesamtheit der Indikatoren zu gew~ihrleisten, indem die extrahierten Faktoren mOglichst viel von der Gesamtvarianz der ursprtinglichen, manifesten Variablen auf sich vereinigen. 454

Die exploratorische Faktorenanalyse beruht auf einer Korrelationsrechnung, bei der die St~irke und die Richtung der Zusammenh~inge zwischen Faktoren und Indikatoren berechnet werden. Diese ermittelten Korrelationen werden als Faktorladungen (FL) bezeichnet. Der Grund-

451 Vgl. Homburg / Giering (1996), S. 8. 452 Vgl. Homburg / Giering (1996), S. 8. 453 Vgl. Backhaus et al. (2003), S. 7. 454 Vgl. Brachinger/Ost (1996), S. 661, Hartung et al. (2002), S. 505 f. 139

gedanke dieser Vorgehensweise wird nach THURSTONE als das ,,Fundamentaltheorem der Faktorenanalyse" bezeichnet. 455 Es besagt, dass die auf Basis der errechneten Faktorladungen erstellte Korrelationsmatrix so exakt wie m6glich mit der ursprfinglichen Korrelationsmatrix der manifesten Variablen t~bereinstimmen soll. 456

Bei der Durchftihrung einer exploratorischen Faktorenanalyse wird der Anwender vor verschiedene Entscheidungssituationen gestellt, fiir die ihm verschiedene statistische Kriterien als Entscheidungshilfe zur Verfiigung stehen. Aus der Vielzahl der in der Literatur vorgeschlagenen Techniken sollen an dieser Stelle nur die in der vorliegenden Arbeit zur Anwendung kommenden Gtitekriterien vorgestellt werden. Es handelt sich dabei um diejenigen Kriterien, die die h~iufigste Anwendung in der marketingwissenschaftlichen Forschung finden, wobei die akzeptierten Schwellenwerte sich an HOMBURG und GIERING sowie an BACKKHAUS ET AL. orientieren. 457

Um im Vorhinein beurteilen zu kOnnen, ob das Ausgangsdatenmaterial fiberhaupt fiir eine faktorenanalytische Analyse geeignet ist, kommt das Kaiser-Meyer-Olkin-Kriterium, auch ,,measure of sampling adequacy" (MSA) genannt, zur Anwendung. 45s Es zeigt die Zusammengeh6rigkeit der Grundgesamtheit der Indikatoren an, woraus sich schlieBen l~isst, ob die Anwendung der Faktorenanalyse sinnvoll erscheint. Der Wertebereich des MSA liegt zwischen 0 und 1, wobei ein Wert yon mindestens 0,7 als Grundvoraussetzung fiir eine faktorenanalytische Untersuchung der Indikatorenmenge gilt. Ist diese Forderung erfiillt, gilt es zu beurteilen, welche Indikatoren zu Zwecken der Datenreduktion eliminiert werden kSnnen. Hierzu werden die Faktorladungen der einzelnen manifesten Variablen herangezogen. Die Entscheidungsregel diesbeziiglich lautet, alle Indikatoren zu eliminieren, die nicht ausreichend hoch auf einen Faktor laden (FL < 0,4 bzw. strenger FL < 0,5). Werden Indikatoren verschiedener Faktoren gemeinsam gemessen, dfirfen die Ladungen eines Indikators, der auf einen Faktor hoch l~idt in Bezug auf alle anderen Faktoren einen Wert yon 0,5 nicht fibersteigen. In diesem Zusammenhang ist auch die Forderung zu verstehen, dass die durch einen Faktor insgesamt erkl~irte Varianz der ibm zugeh6rigen Indikatoren mindestens 50 % betragen sollte.

455 Vgl. Thurstone (1948), S. 402 f. 456 Vgl. Giering (2000), S. 76, Backhaus et al. (2003), S. 278 ff. 457 Vgl. Homburg/Giering (1996), S. 8, Backhaus et al. (2003), insb. S. 295 ff. 458 Vgl. Kaiser~Rice (1974), S. 111 ff. 140

Ein zentrales Problem der exploratorischen Faktorenanalyse stellt die Festlegung der Faktorenanzahl dar. Das Kaiser-Kriterium besagt zu dieser Fragestellung, dass die Zahl der extrahierten Faktoren der Anzahl der Faktoren mit Eigenwerten grOBer Eins entspricht. 459 Der Eigenwert eines Faktors ist ein MaB fiir den Erkl~irungsbeitrag eines Faktors zur Varianz der auf diesen Faktor hoch ladenden Indikatoren. Rein rechnerisch stellt der Eigenwert die Summe der quadrierten Faktorladungen eines Faktors tiber alle Variablen dieses Faktors dar. 46~ Im Anschluss an die Faktorextraktion kann aus Grtinden einer Interpretationserleichterung eine Faktorrotation durchgefiihrt werden, so dass die Zuordnung der Indikatoren zu den Faktoren deutlicher abgebildet wird. 461

Das Cronbachsche Alpha 462 geh6rt ebenfalls zu den Gtitekriterien der ersten Generation. Dieser Reliabilit~itskoeffizient erlaubt eine Aussage fiber die imerne Konsistenz der Indikatoren, die denselben Faktor messen. Rein rechnerisch stellt das Cronbachsche Alpha den Mittelwert aller Korrelationen dar, die entstehen, wenn die Indikatoren eines Faktors

..... auf

alle m6glichen Arten in zwei H~ilften geteilt und die Summen der sich jeweils ergebenden Variablenh~ilften anschlieBend miteinander korreliert werden. ''463 Das Cronbachsche Alpha kann Werte zwischen 0 und 1 annehmen, wobei in der Literatur Uneinigkeit dartiber herrscht, welches Anspruchsniveau erftillt sein sollte, um von einer befriedigenden Reliabilit~it zu sprechen. 464 H~iufig wird ein a-Wert von mindestens 0,7 als akzeptabel betrachtet. 465

Die Item-to-Total-Korrelation (ITTC) stellt ein weiteres Gtitekriterium der ersten Generation dar. Diese PrtifgrOBe bezieht sich auf die Korrelation einer manifesten Variable (Item) mit der Summe der Indikatorenmenge, die denselben Faktor misst. 466 In der vorliegenden Arbeit wird auf die korrigierte I T T C zurtickgegriffen, die den betreffenden Indikator zur Berechnung der Korrelation des Gesamtfaktors augen vor l~isst. Im weiteren Verlauf der Ausftihrungen wird auf den begrifflichen Zusatz ,,korrigiert" jedoch verzichtet. Je h6her die ITTC-Werte liegen, umso h6her ist das erreichte MaB an Reliabilit~it und an Konvergenzvalidit~it des Messinstruments. 467 Ein allgemein akzeptierter

Mindestwert fiJr die ITTC

459 Vgl. Kaiser (1974). 460 Vgl. Backhaus et al. (2003), S. 295. 461 Vgl. Backhaus et al. (2003), S. 298 ff. 462 Vgl. Cronbach (1951). 463 Giering (2000), S. 77. 464 Vgl. Homburg / Giering (1996), S. 8. 465 Vgl. Nunnally / Bernstein (1994), S. 245. 466 Vgl. Giering (2000), S. 77. 467 Vgl. Nunnally/Bernstein (1994), S. 245. 141

existiert nicht in der Literatur, jedoch wird ein Orientierungswert von 0,4 vorgeschlagen. Gemeinhin anerkannt ist jedoch die Aussage, dass ein Indikator um so mehr zur Reliabilit~it des dahinter stehenden Faktors beitr~igt, je h6her die ITTC dieses Items ist. 468 CHURCHILL schl~igt deshalb vor, bei zu niedrigen Werten des Cronbachschen Alpha, sukzessive diejenigen Items zu eliminieren, die die geringste ITTC aufweisen, bis ein akzeptabler ~-Wert erreicht ist. 469 Tabelle 4-2 gibt einen 15berblick tiber die dargestellten Gtitekriterien der ersten Generation mit den jeweiligen von uns geforderten Schwellenwerten.

Die Verfahren der Reliabilit~its- und Validit~itssicherung der ersten Generation sind zwar in der Anwendung weit verbreitet, weisen jedoch zahlreiche Schw~ichen auf. Die beiden Hauptargumente, die diesbez~glich anzuftihren sind, betreffen das Fehlen einer expliziten BeriJcksichtigung von Messfehlern sowie die UnmOglichkeit der Anwendung inferenzstatistischer P15ifungen zu Zwecken der Beurteilung von Validit~itsaspekten. 47~

Faktorladungen (EFA)

>0,6

Varianzerkl~imngsanteil durch EFA

> 0,5

Cronbach-Alpha

> 0,7

Item-to-Total-Korrelation

(Orientierungswert: ITTC > 0,4)471

Tabelle 4-2. Giitekriterien der ersten Generation mitjeweiligem Anspruchsniveau. Quelle."

4.2.1.3

In Anlehnung an Homburg / Giering (1996), S. 8, Sauer (2003),S. 142.

Giitekriterien der zweiten Generation

Die Gtitekriterien der zweiten Generation sind zeitlich sp~iteren Ursprungs als diejenigen der ersten Generation. Aufbauend auf der konfirmatorisehen Faktorenanalyse (CFA), die in den sp~iten 1960er Jahren ihren Einzug in die marketingwissenschaftliche Forschung hielt, 472 haben sich diese neueren und in vieler Hinsicht leistungsst~irkeren Reliabilit~its- und Validit~itskriterien herausgebildet. Die konfirmatorische Faktorenanalyse stellt einen Sonderfall der

468 Vgl. Giering (2000), S. 78. 469 Vgl. Churchill (1979), S. 68. 470 Vgl. Homburg/Giering (1996), S. 9, Sauer (2003), S. 143. 471 Ggf. Elimination des Indikators mit dem niedrigsten Wert, sofern das Cronbach-Alphakleiner als 0,7 ist. 472 Vgl. JOreskog, (1966, 1967 und 1969).

142

Kovarianzstrukturanalyse dar, in der Wirkungsbeziehungen zwischen latenten Variablen aus den Korrelationen zwischen den ihnen zugeh6rigen Indikatoren errechnet werden. Das Verfahren der Kovarianzstrukturanalyse wird in der relevanten Literatur meist auch als Kausalanalyse bezeichnet, obwohl dieser Begriff viel weiter und unpr/aziser gefasst ist als der der Kovarianzstrukturanalyse. 473 Dennoch wollen auch wir uns dieser synonymen Verwendung der Begriffe anschliel3en, die sich im Sprachgebrauch bereits fest etabliert hat. Die konfirmatorische Faktorenanalyse wird insofern oft als das ,,Messmodell der Kausalanalyse" bezeichnet, da sie den Teil der Kausalanalyse ausmacht, in dem die interessierenden Konstrukte tiber Indikatoren erfasst werden. W~ihrend sich die folgenden Ausftihrungen auf diesen Aspekt beschr~inken, wird der Teil der Kausalanalyse, der sich mit der Untersuchung von Dependenzen zwischen den hypothetischen Konstrukten besch~iftigt, in Abschnitt 4.2.2 ausftihrlich beleuchtet.

W~ihrend die explorative Kausalanalyse, wie bereits erw~ihnt, zu den strukturen-entdeckenden Verfahren z/~hlt, geh6rt die konfirmatorische Kausalanalyse zu den strukturen-prtifenden Methoden. Folglich besitzt der Anwender vorab bereits eine Vorstellung fiber Beziehungszusammenh/ange beztiglich der Indikatorenmenge bzw. einer Faktorenstruktur. Mit der Spezifikation eines Messmodells werden die einzelnen Indikatoren a priori den Faktoren zugeordnet, wodurch festgelegt ist, welche Parameter im Rahmen der Analyse zu sch/atzen sind. Ziel der Parametersch/atzung ist es, die Differenz zwischen der empirischen Kovarianzmatrix

der

Indikatoren und dem spezifizierten Messmodell zu minimieren. 474 Das in der vorliegenden Untersuchung zum Einsatz kommende Computerprogramm AMOS 475 stellt folgende Sch~itzverfahren zur Verfiigung: das Unweighted-Least-Squares-(ULS-), das Generalized-LeastSquares-(GLS-), das Maximum-Likelihood-(ML-), das Weighted-Least-Squares-(WLS-) und das Diagonally-Weighted-Least-Squares-(DWLS-)Verfahren. Ist die Annahme der Multinormalverteilung der Stichprobe gegeben, liefert die ML-Methode die pr~izisesten Schgtzer und kann bei einem Stichprobenumfang von N > 100 als Standardmethode empfohlen werden. 476 Zudem stellt sie ..... das in der Praxis am h~iufigsten angewendete Verfahren zur

473 Vgl. Sauer (2003), S. 143. 474 Vgl. Backhaus et al. (2003), S. 362. 475 Das in der vorliegenden Untersuchung verwendete Computerprogramm AMOS 5.0 (A__nalysisof Moment Structures) bietet dem Anwender eine komfortable Art der Spezifikation der Modellstruktur, da mit einer Grafikoberfl~iche gearbeitet werden kann. Andere Programme, die die Parameter eines Strukturgleichungsmodells zu sch~itzen verm6gen, sind LISREL (Linear S_tructural Relationships), EQS oder Mx. Ftir eine Obersicht tiber weitere vergleichbare Programme siehe auch S c h u m a c k e r / L o m a x (1996), S. 182ff. 476 Vgl. Biihner (2004), S. 201. 143

Sch~itzung einer theoretischen

Modellstruktur

..."

dar. 477 Auch

in der vorliegenden

Untersuchung kommt die ML-Methode aus diesen Grfinden zur Anwendung. 478

Zur Reliabilit~its- und Validit~itssicherung des spezifizierten Modells existieren zahlreiche Gtitemal3e und inferenzstatistische Tests. 479 Diese Verfahren lassen sich grunds~itzlich danach unterscheiden, ob nur eine Teilstruktur, d.h. Indikatoren und Faktoren, oder das Gesamtmodell Gegenstand der GtRebeurteilung ist. 48~ Methoden, die sich auf erstgenanntes Erkenntnisziel beschr~inken, werden als lokale Anpassungs- bzw. Giitemafle bezeichnet und sind f~r die Bewertung der einzelnen Konstruktmessungen in Bezug auf die Konvergenzvalidit~it von besonderer Bedeutung. Verfahren, die die zweitgenannte Problemstellung fokussieren, werden globale Anpassungs- bzw. Giitemafle genannt und beurteilen die Konsistenz des Gesamtmodells mit den empirischen Daten. Beztiglich dieser Gesamtanpassungsgtite eines Modells wird auch von dem ,,Fit eines Modells" gesprochen. 481 In der vorliegenden Untersuchung kommen die folgenden globalen Gtitemal3e zur Anwendung:

9

der Chi,Quadrat-Test (~2-Test)

9

der Quotient aus Chi-Quadrat-Test (zZ-Test) und den Freiheitsgraden (df)

9

der Root Mean Square Error of Approximation (RMSEA)

9

der Goodness of Fit Index (GFI)

9

der Root Mean Residual (RMR)

9

der Adjusted Goodnes of Fit Index (AGFI)

9

der Comparative Fit Index (CFI)

Der ~2-Test bietet die M6glichkeit einer inferenzstatistischen Beurteilung der ,,Richtigkeit" des spezifizierten Modells. 482 Hierzu wird die Nullhypothese tiberprfift, derzufolge die empirische Kovarianzmatrix der modelltheoretischen Kovarianzmatrix entspricht. 483 Die 477 Backhaus et al. (2003), S. 391. 478 Der in AMOS integrierte Test auf Normalverteilung zeigt eine deutliche Verletzung der multivariaten Normalverteilung an. Obwohl eine Anwendung der ML-Methode der Erftillung der MultiNormalverteilungsannahme bedarf, kann dieses Verfahren dennoch zum Einsatz kommen, da die von West et al. geforderten Grenzen fiir Schiefe < 2 und Exzess < 7 der einzelnen Items nicht tiberschritten werden. Vgl. West et al. (1995). Bei der Interpretation der Ergebnisse ist in diesem Fall j edoch zu berticksichtigen, dass es zu erh6hten ~2-Werten kommen kann. Vgl. Biihner (2004), S. 232. 479 Vgl. Giering (2000), S. 80. 480 Vgl. zu dieser Klassifizierung Sharma (1996), S. 157 ff. 481 Vgt. Backhaus et al. (2003), S. 373. 482 Vgl. Homburg / Giering (1996), S. 10. 483 Vgl. Backhaus et al. (2003), S. 373. 144

Ablehnung der Nullhypothese stellt genau dann eine Fehlentscheidung dar, wenn der ~2-Wert kleiner oder gleich eines kritischen Werts p ist, wobei letzterer davon abh~ingt, wie grol3 die Wahrscheinlichkeit dafiir ist, einen ~ - W e r t zu erhalten, der gr613er als der tats~ichlich ermittelte Wert ist. 484 Folglich entspricht der Wert 1-p dem in der klassischen Testtheorie sog. ,,Fehler 1. Art", d.h. der Irrtumswahrscheinlichkeit. 485 In der Literatur wird h~iufig gefordert, dass der Wert p grOBer als 0,05 sein soll, mit anderen Worten, dass das Modell auf dem 5 %Niveau nicht abgelehnt werden kann. 486 Ausgehend v o n d e r Annahme, dass ein Modell stets nur eine Approximation an die Realit~it darstellt und diese niemals vollst~indig abzubilden vermag, muss die Fragestellung der g2-Teststatistik kritisch beurteilt werden. 487 Eine Aussage da~ber, inwieweit die empirischen Daten mit dem Modell reproduziert werden kOnnen erscheint sinnvoller, um beurteilen zu k6nnen, ob ein Modell angenommen werden kann; dies vermag der ~2-Test jedoch nicht zu leisten. Eine weitere Schw~iche des Tests liegt in seiner Abh~ingigkeit v o n d e r Stichprobengr613e. 488 Aus diesem Grund empfehlen JORESKOG und SORBOM den ~2-Test als deskriptives Anpassungsmal3 zu verwenden, indem der Quotient aus x2-Wert und der Anzahl der Freiheitsgrade (df = degrees of freedom) gebildet wird. 489 Als Schwellenwert, ab dem ein Modell angenommen werden sollte, fordert HOMBURG ein VerhNtnis von 3:1. 490 FRITZ spricht dagegen bereits bei einem Quotienten yon 5 yon einer guten Modellanpassung. 491

Ein weiteres globales, inferenzstatistisches AnpassungsmaB ist der R M S E A (Root Mean Square Error of Approximation). Dieses Gtitekriterium basiert auch auf dem Wert der 2_ Teststatistik, unterliegt aber wesentlich weniger Restriktionen als letztgenanntes Giitemal3. 492 Aul3erdem erlaubt der RMSEA eine Beurteilung der Gtite der Anpassung des Modells an die empirisch gewonnenen Daten, w~ihrend der gZ-Test, wie bereits erw~ihnt, allein die Richtigkeit des spezifizierten Modells evaluiert. 493 Der Wertebereich, in dem sich der RMSEA bewegt liegt zwischen 0 und 1, wobei Werte unter 0,05 als gut und Werte bis 0,08 als akzeptabel in Bezug auf die Modellanpassung erachtet werden. 494 Die Berechnung des RMSEA und des Z2_ 484 Vgl. Sauer (2003), S. 145, Riekeberg (2003), S. 507. 485 Vgl. Backhaus et al. (2003), S. 373. 486 Vgl. Giering (2000), S. 81, Sauer (2003), S. 145. 487 Vgl. Homburg/Baumgartner (1995), S. 166, Riekeberg (2003), S. 508. 488 Vgl. Sauer (2003), S. 145, Riekeberg (2003), S. 508. 489 Vgl. JOreskog/SOrbom (1989), S. 43. 490 Vgl. Homburg (2000), S. 93. 491 Vgl. Fritz (1995), S. 140. 492 Vgl. Browne/Cudeck (1993), S. 136 ff. 493 Vgl. Giering (2000), S. 82. 494 Vgl. Vgl. Homburg/Baumgartner (1995), S. 167, Riekeberg (2003), S. 508. 145

Werts setzt voraus, dass alle beobachteten Variablen Normalverteilung besitzen, was fiir praktische Anwendungen nur sehr selten erfiillt ist. 495 Auch beim Datenmaterial der vorliegenden Untersuchung liegt keine Multinormalverteilung vor, so dass die errechneten AnpassungsmaBe mit Vorsicht zu interpretieren sind.

Neben den gerade beschriebenen inferenzstatistischen GtitemaBen sind eine Reihe weiterer Kriterien zur Beurteilung der Gesamtgtite eines Modells entwickelt worden, die unabh~ingig von der GrOBe der Stichprobe sind und nicht die Forderung nach Multinormalverteilung stellen. 496 Diese AnpassungsmaBe beruhen nicht wie die inferenzstatistischen GtitemaBe auf statistischen Tests, sondern beurteilen die Modellanpassung durch die Vergabe von Mindeststandards, die es zu erreichen gilt, wenn ein spezifiziertes Modell nicht verworfen werden soil. Daher werden sie auch als deskriptive AnpassungsmaBe bezeichnet. 497 Es gilt anzumerken, dass in der vorliegenden Arbeit der RMSEA sowie der ~2-Wert nicht nach ihrer ursprtinglichen Bestimmung zur inferenzstatistischen Prtifung verwendet, sondem vielmehr als deskriptive MaBgr6Ben eingesetzt werden.

Deskriptive GtitemaBe lassen sich danach klassifizieren, ob sie die Anzahl der Freiheitsgrade berticksichtigen oder nicht, wobei erstere Kriterienklasse eine grOBere Aussagekraft besitzt. Dies liegt darin begrtindet, dass unter Einbeziehung der Zahl der Freiheitsgrade die AnpassungsmaBe nicht nur eine Aussage tiber die Ahnlichkeiten von Parametern erlauben, sondern zus~itzlich auch dartiber, mit wie vielen Parametem die Ahnlichkeit erreicht wird. 498 Zun~ichst werden mit dem GFI (Goodness of Fit Index) und dem RMR (Root Mean Residual) zwei AnpassungsmaBe ohne Berticksichtigung der Freiheitsgrade vorgestellt. Zu den bekanntesten globalen, deskriptiven AnpassungsmaBen geh6rt der GFI. Er ist insofern ein MaB fiir die Gtite der Modellanpassung an die empirisch gewonnen Daten, dass er den Anteil der Varianzen und Kovarianzen in der empirischen Kovarianzmatrix angibt, dem das Modell insgesamt Rechnung tr~igt.499 Der Wertebereich des GFI liegt zwischen 0 und 1, wobei ein GFI mit einem Wert von 1 fiir einen perfekten Modellfit steht, da alle Varianzen und Kovarianzen durch das Modell exakt reproduziert werden. 5~176 In der Literatur finden sich

495 Vgl. Backhaus et al. (2003), S. 373. 496 Vgl. Backhaus et al. (2003), S. 374. 497 Vgl. Giering (2000), S. 82. 498 Vgl. Sauer (2003), S. 146. 499 Vgl. Riekeberg (2003), S. 508, Sauer (2003), S. 146. 500Vgl. Backhaus et al. (2003), S. 374.

146

Schwellenwerte von 0,8 bzw. strenger 0,9, ab denen ein Modell angenommen werden sollte. 5~ Der R M R stellt im Gegensatz zum GFI ein Anpassungsmal3 dar, bei dem ein Wert nahe 0 wtinschenswert ist. Dies liegt darin beg~ndet, dass der RMR nicht explizit die Giite der Modellanpassung beurteilt, sondern auf indirektem Wege dartiber Auskunft gibt, da er den durchschnittlichen Anteil der durch das Modell nicht erkl~irten Residualvarianzen widergibt. 5~ In der Literatur existiert kein einhellig akzeptierter Schwellenwert bez~iglich des R2X/IR. HOMBURG und BAUMGARTNER schlagen einen Wert von 0,05 vor, andere Autoren akzeptieren Werte bis zu 0,284. 503

Mit dem ~2/df-Quotient ist weiter oben bereits ein Anpassungsmal3 beschrieben worden, das die Zahl der Freiheitsgrade explizit beriicksichtigt. Ein weiteres deskriptives Gtitekriterium mit BelSicksichtigung der Freiheitsgrade ist der A G F I (Adjusted of Fit Index), der sich aus dem GFI ableitet. Der AGFI-Wert ist ebenso wie der GFI ein MaB fiir die im Modell erkl~irte Varianz, be14icksichtigt aber zus~itzlich noch die Modellkomplexit~it, so dass die Anpassung des GFI um die Anzahl der verwendeten Freiheitsgrade relativiert wird. 5~ Der AGFI kann ebenso wie der GFI Werte zwischen 0 und 1 annehmen, wobei ein Wert von 1 fiir einen perfekten Modellfit steht. WiJnschenswert sind AGFI-Werte, die oberhalb 0,9 liegen. 5~

Die bisher dargestellten globalen AnpassungsmaBe sind alle als so genannte Stand AloneAnpassungsmaBe zu bezeichnen, die die Anpassungsg~ite eines Modells isoliert betrachten. Es besteht aber auch die M6glichkeit das zu evaluierende Modell in Relation zu einem Referenzmodell zu setzen. Diese Vorgehensweise liegt den so genannten inkrementeUen AnpassungsmaBen zugrunde. Das Basismodell, das zu einem Vergleich mit dem zu beurteilenden Modell herangezogen wird, weist folgende Besonderheiten auf: es besitzt tiberhaupt keine inhaltliche Plausibilit/~t und alle manifesten Variablen werden als unkorreliert angenommen. 5~ Dieses besonders schlecht ,,fittende" Basismodell, auch ,,Independence model" genannt, steht im Gegensatz zum sog. ,,saturierten Modell", bei dem absolut alle m6glichen Parameter gesch/~tzt werden und das einen perfekten Fit von 1 aufweist. Der Wertebereich der 5ol Vgl. Mohr (1997), S. 309 und zum Anspruchsniveau von 0,9 vgl. Homburg/Baumgartner (1995), S. 167. 5o2 Vgl. Riekeberg (2003), S. 511. 5o3 Vgl. Homburg/Baumgartner (1995), S. 166f., sowie die bei Riekeberg (2003), S. 511 genannten Autoren. 5o4 Vgl. Backhaus et al. (2003), S. 374, Sauer (2003), S. 146. so5 Vgl. Homburg / Baumgartner (1995), S. 168. 5o6 Vgl. Riekeberg (2003), S. 514, Backhaus et al. (2003), S. 375. Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass aufgrund der genannten Eigenschaften des zugrunde liegenden Referenzmodells die Anwendung inkrementeller AnpassungsmaBe zum heutigen Stand der Forschung starker Kritik unterliegt und teilweise sogar abgelehnt wird. Vgl. zu dieser Anmerkung die Argumentation bei Riekeberg (2003), S. 514. 147

inkrementellen Anpassungsmal3e kann folglich zwischen Null und Eins liegen, so dass die Gtite eines bestimmten postulierten Modells zwischen dem Fit des Unabh~ingigkeits- und des perfekt ,,fittenden" saturierten Modells liegt. 5o7 In der vorliegenden Untersuchung wird aus dieser Klasse von AnpassungsmaBen der CFI (Comparative Fit Index) verwendet. Dieses auf BENTLER zurtickgehende GtitemaB geh6rt zur Klasse der Anpassungsmage, die die Zahl der Freiheitsgrade berticksichtigt. 5~ Bei einem guten Modellfit sollte der Wert des CFI gr6Ber als 0,9 sein. 5~

Neben den gerade beschriebenen globalen Anpassungsmal3en, die zur Beurteilung eines Gesamtmodells herangezogen werden k6nnen, existieren eine Reihe lokaler Anpassungsmal3e, die eine Aussage tiber einzelne Facetten dieses Modells ermOglichen. Dabei ist danach zu unterscheiden, ob die lokalen Anpassungsmalle die Gtite einzelner Indikatoren oder die Giite eines Faktors beurteilen. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung kommen folgende lokalen Giitemage zur Anwendung:

9

die Indikatorreliabilit~it (IR)

9

die Faktorladung (FL)

9

der t-Wert der Faktorladung eines Indikators (t-Wert)

9

die Faktor- bzw. Konstruktreliabilit~it (FR bzw. KR)

9

die durchschnittlich erfasste Varianz (DEV)

Bei den ersten drei der gerade genannten Anpassungsmal3e (IR, FL, t-Wert) erfolgt eine Gtitebeurteilung auf der Ebene der Indikatoren. Die Indikatorreliabilit~it (IR) ist ein Mal3 daffir, inwieweit ein bestimmter Indikator durch den ihm zugrunde liegenden Faktor repr~isentiert wird. Der Wert der Indikatorreliabilit~it bemisst sich tiber den Anteil der Varianz eines Indikators, der durch die dahinter stehende latente Variable erkl~irt wird. 51~ Der Wertebereich der Indikatorreliabilit~it erstreckt sich von 0 bis 1, wobei ab einem Schwellenwert von 0,4 von einem akzeptablen Reliabilit~itswert gesprochen werden kann. 511 Ein weiteres Gtitemal3 auf Indikatorenebene stellt die Faktorladung der einzelnen Indikatoren dar. Diese MaBgr613e gibt Auskunft dartiber, wie gut die einzelnen manifesten Variablen den hinter ihnen stehenden 507 Vgl. Homburg/Baumgartner (1995), S. 168 u. S. 170, Backhaus et al. (2003), S. 375. 508 Vgl. Bender (1990), S. 238 ff. 509 Vgl. Homburg/Baumgartner (1995), S. 172. 51o Vgl. Giering (2000), S. 84. 511 Vgl. Homburg (2000), S. 91. 148

Faktor messen. Der in der Literatur geforderte Schwellenwert, den die Faktorladungen mindestens erreichen sollen, liegt bei 0,5. 512 In der konfirmatorischen Faktorenanalyse wird zudem ein Signifikanztest der Faktorladungen durchgefOhrt, wobei nach den Kriterien der Konvergenzvalidit~it die Faktorladung eines Indikators signifikant von Null verschieden sein muss. 5~3 Dies ist genau dann der Fall, wenn der t - W e r t der Faktorladung bei einem einseitigen Test auf dem 5 %-Niveau betragsm~iBig einen Wert von mindestens 1,645 besitzt (bzw. einen Wert von mindestens 2,33 bei einem einseitigen Test auf dem 1%-Niveau). 514 Da in der vorliegenden kausalanalytischen Untersuchung das Computerprogramm AMOS 5.0 fOr die Berechnungen verwendet wird, sei an dieser Stelle auf eine Besonderheit dieses Programms hingewiesen. Anstelle von t-Werten gibt AMOS Werte fOr das sog. Critical Ratio (CR) an, welches das Verh~iltnis von gesch~itzter Kovarianz und Standardfehler ausdriickt. Liegt der Wert des Critical Ratio absolut fiber 1,96, verweist dies darauf, dass sich der Wert der Faktorladung auf 5 %-Niveau bei zweiseitigem Test signifikant von Null unterscheidet (bzw. verweist ein Wert des Critical Ratio von betragsm~iBig mindestens 2,58 bei einem zweiseitigen Test auf dem 1%-Niveau auf Signifikanz). 515 Somit stellt das Critical Ratio aus AMOS eine Analogie zum t-Wert der Faktorladung bei LISREL dar. 516

Die Messgfite auf Faktorebene kann mit Hilfe der Faktorreliabilitiit (FR) 517 sowie mit Hilfe der durchschnittlich erfassten Varianz (DEV) beurteilt werden. Anhand dieser beiden AnpassungsmaBe kann untersucht werden, wie gut ein Faktor durch die Gesamtheit der ihm zugeordneten manifesten Variablen gemessen wird. 518 Der Wertebereich beider Gtitekriterien liegt zwischen 0 und 1, wobei hohe Werte eine hohe Messgtite anzeigen. Als Schwellenwerte, ab denen auf eine gute Modellanpassung geschlossen werden kann, werden in der Literatur ein Wert von 0,6 fOr die Faktorreliabilit~it sowie ein Wert von 0,5 fOr die durchschnittlich erfasste Varianz gefordert. 519

Vgl. Fritz (1995), S. 132ff. 513 Vgl. Giering (2000), S. 85. 514 Vgl. Sauer (2003), S. 147. 515 Vgl. Backhaus et al. (2003), S. 377 u. S. 379, sowie Arbuckle / Wothke (1999), S. 74. 516 Die Anwendung des Programms LISREL bei kausalanalytischen Untersuchungen ist derart verbreitet, dass der Begriff ,,LISREL-Ansatz" oft synonym mit dem kausalanalytischen Konzept verwendet wird. Vgl. Homburg / Siitterlin (1990), S. 181. Zum SoftwareprogrammLISREL vgl. JOreskog / SOrbom (1996). 517 Bei einem einfaktoriellen Konstrukt k6nnen die Begriffe Faktor- und Konstmktreliabilitiit synonym verwendet werden. 518 Vgl. Giering (2000), S. 85. 519 Vgl. Bagozzi/Yi (1988), S. 74, Homburg/Baumgartner (1995), S. 172. 512

149

Die Gtitekriterien der zweiten Generation tragen neben der l]berprtifung der Reliabilit~it vor allem zur Beurteilung der Konvergenzvalidit~it bei. Ein vollst~indiger Validierungsprozess erfordert jedoch auch die Sicherung der Diskriminanzvalidit~it. 52~ Diese Form der Validit~it kann anhand des z2-Differenztests und des als strenger geltenden Fornell-Larcker-Kriteriums beurteilt werden. Letztgenanntes Verfahren postuliert, dass bei einem Messmodell genau dann Diskriminanzvalidit~it vorliegt, wenn die durchschnittlich erfasste Varianz (DEV) eines Faktors gr6Ber ist als jede quadrierte Korrelation dieses Faktors mit einem anderen Faktor, der demselben Konstrukt zugeh6rt. 521 Der z2-Differenztest gibt Aufschluss tiber das Vorliegen von Diskriminanzvalidit/it zwischen zwei Faktoren durch den Vergleich der z2-Werte des interessierenden Messmodells und eines Modells, bei dem die Korrelation zwischen zwei Faktoren des Konstrukts auf Eins festgesetzt wird. Durch die Einfiihrung dieser Restriktion besitzt das spezielle, restringierte Modell eine schlechtere Anpassung an die empirischen Daten und somit einen h6heren z2-Wert als das postulierte allgemeine Modell. Die Differenz der z2-Werte der beiden Modelle wird anschlieBend auf Signifikanz tiberprtift, wobei die Differenz der beiden Werte bei einem Signifikanzniveau von 5 % gr6Ber als 3,841 sein muss, um von gegebener Diskriminanzvalidit~it zu sprechen. 522 GIERING empfiehlt zur Analyse der Diskriminanzvalidit~it ein gegebenes Messmodell zun~ichst anhand des strengeren FornellLareker-Kriteriums zu tiberprtifen. Ftir den Fall, dass die Anwendung dieses Kriteriums nicht zum Beweis des Vorliegens von Diskriminanzvalidit~it fiihrt, wird dieses Ergebnis anhand des z2-Differenztests noch einmal tiberprtift. 523 Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass die Analyse der Diskriminanzvalidit~it bei einfaktoriellen Konstrukten emf~illt. Bei der Messung von mehrfaktoriellen Konstrukten ist dieser Analyseschritt jedoch von entscheidender Bedeutung, um sicherzustellen, dass die verschiedenen Faktoren, die einer latenten Variable zugeordnet sind auch tats~ichlich unterschiedliche Aspekte desselben Konstrukts erfassen. 524

520 Vgl. Giering (2000), S. 86. 521 Vgl. Fornell/Larcker (1981), S. 46. 522 Vgl. zur Vorgehensweisebei diesem Test z.B. Anderson / Gerbing (1993), S. 2. 523 Vgl. Giering (2000), S. 86f. 524 Vgl. Giering (2000), S. 86. 150

[

~i~ ~ ~ ~ i ~

~i

~ ~ ~ ~

XZ/df

0,9

.

i~ iiiiiiiiiiiiiii iliiiii > 0,4

Faktorladung (FL)

> 0,5

t-Wert, einseitiger

t > 1,65

Test auf 5 %-Niveau (bzw. 1%-Niveau)

i

~i~~ii~~'i'~~'i~' i~i'~

(bzw. t > 2,33)

bzw.

Critical Ratio, zweiseitiger

Test auf 5 %-Niveau (bzw. 1%-Niveau)

CR >

1,96

(bzw. CR > 2,58)

Faktor- bzw. Konstruktreliabilit/it (KR) >0,6 Durchschnittlich erfasste Varianz (DEV) 9

> 0,5

Tabelle 4-3. Giitekriterien der zweiten Generation mitjeweiligem Anspruchsniveau. Quelle:

In Anlehnung an Fritz (1995), S. 140; Homburg/Giering (1996), S. 13, Sauer (2003),S. 147.

Eine 15bersicht der Giatekriterien der zweiten Generation, die in dieser Arbeit Verwendung finden, liefert Tabelle 4-3. Im Sinne einer ,,P~fsystematik" sind die jeweiligen Anspruchniveaus, die wir ftir die einzelnen AnpassungsmaBe fordem mit angegeben. Wie bereits erw~ihnt, existieren mr viele AnpassungsmaBe keinesfalls objektive Schwellenwerte. Vielmehr basieren die festgelegten Anspruchniveaus meist auf Faustformeln, die in den hier geforderten Varianten zu den eher strengeren Anforderungen in der relevanten Literatur z~ihlen. Allerdings wird im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht die gleichzeitige Erffillung aller GiJtekriterien gefordert. Eine gering~gige Unterschreitung des Anspruchniveaus einzelner Kriterien ffihrt nicht zur Ablehnung des gesamten Messmodells. Vielmehr ist das Gesamtbild der Werte der verschiedenen AnpassungsmaBe ausschlaggebend fiJr die Beurteilung der Messqualit~it. 525

525 Vgl. zu dieser Sichtweise Giering (2000), S. 89f., Homburg (2000), S. 93. 151

Im Anschluss an die Validierung der einzelnen Konstrukte folgt die Oberp~fung der Beziehungen zwischen den einzelnen Konstrukten. Die in Abschnitt 3.3 formulierte Modellstruktur wird zu diesem Zweck einer Kausalanalyse unterzogen, wobei die Untersuchung des Einflusses der Moderatorvariablen einer gesonderten Analysemethodik bedarf. Die folgenden Abschnitte vermitteln zun~ichst die wesentlichen methodischen Grundlagen der Untersuchungsmethoden theoretisch postulierter Beziehungen zwischen latenten Variablen.

4.2.2

Grundziige der Dependenzanalyse

4.2.2.1

Zur Kausalanalyse

Im Hinblick auf die statistische ljberprtifung des theoretisch fundierten Hypothesensystems gilt es, ein geeignetes methodisches Verfahren auszuw~ihlen. Um als ad~iquate methodische Basis fiir den in der vorliegenden Arbeit verfolgten Untersuchungsansatz fungieren zu k6nnen, muss eine solche Analysemethodik verschiedene Kriterien erfiillen: 526

9

Vermutete kausale Beziehungen zwischen latenten Variablen mOssen auf ihre empirische Gtiltigkeit hin getestet werden kOnnen, wobei sowohl Richtung als auch St~irke der untersuchten Abh~ingigkeitsbeziehungen zu quantifizieren sind.

9

Alle Hypothesen mtissen simultan tiberprtift werden k6nnen; auch indirekte Effekte und komplexe Abh~ingigkeitsbeziehungen (kausale Ketten) mtissen sich untersuchen lassen.

9

Messfehler mtissen explizit in der Analyse Berticksichtigung finden.

9

Korrelationen zwischen modellexogenen Variablen mtissen Beriicksichtigung finden.

Das Verfahren der linearen Strukturgleichungsanalyse, auch Kausalanalyse genannt, erNllt alle genannten methodischen Anforderungen und kommt daher in der vorliegenden Untersuchung zum Einsatz. 527 Im Rahmen dieser Analysemethode werden auf der Grundlage empirisch ermittelter Kovarianzen oder Korrelationen zwischen den manifesten Variablen auf

526 Vgl. zum aufgeftihrten Kriterienkatalog Homburg (1992), S. 500, Peter (2001), S. 129 f., Staack (2004), S. 171f. 527 Ftir einen Uberblick tiber weitere Verfahren zur Analyse von Dependenzen (Abh~ingigkeiten) sowie zu deren Eignung fiir den hier dargestellten Anforderungskatalogvgl. Staaek (2004), S. 172 ff. 152

die Beziehungen zwischen den hypothetischen Konstrukten geschlossen. Aus diesem Grund findet sich in diesem Zusammenhang auch die Bezeichnung Kovarianzstrukturanalyse.

Die Kausalanalyse als Instrument zur Uberprtifung eines Hypothesensystems stellt eine Kombination von regressions- bzw. pfadanalytischen mit faktoranalytischen Elementen dar. Die erstgenannten Bestandteile eines kausalanalytischen Modells umfassen die Abh~ingigkeiten zwischen den theoretischen Konstrukten. Diese theoretisch fundierten, postulierten Beziehungen werden in einem so genannten Strukturmodell abgebildet. Die letztgenannten Modellbestandteile umfassen die Messung der latenten Variablen fiber Indikatoren, wie sie in den vorangegangenen Abschnitten beschrieben wurde, und repr~isentieren das Messmodell der Kausalanalyse.

Ein vollst~indiges Strukturgleichungsmodell umfasst somit 3 grundlegende Gleichungen, anhand derer die hypothetischen Beziehungen zwischen den Modellvariablen beschrieben werden. In der Notation der bekanntesten Variante linearer Strukturgleichungsmodelle, die durch das Softwarepaket LISREL (Linear Structural Relationships) abgebildet wird, 528 besitzt das Gleichungssystem die

F o r m : 529

(1)

Strukturmodell

11 = Brl + F~ + ~,

(2)

Messmodell f~r die exogenen Variablen

x = Ax- ~ + 6,

(3)

Messmodell ftir die endogenen Variablen

y = Ay'rl + e.

In der linearen Gleichung, aus der das Strukturmodell besteht, enthalten die Vektoren ~ bzw. 11 die latenten exogenen bzw. endogenen Variablen. Die Matrizen B und F umfassen die Pfadkoeffizienten, wobei B mit den Elementen 13ij die Effekte zwischen den endogenen latenten Variablen beschreibt und F mit den Elementen 7ij die Effekte der exogenen auf die endogenen Variablen modelliert. Der Vektor ~ enth~ilt die Residuen der latenten endogenen Variablen. Die beiden linearen Gleichungen, die die Messmodelle beschreiben, beinhalten mit x bzw. y die Indikatoren far die latenten exogenen bzw. endogenen Variablen. Die Matrizen Ax und Ay enthalten die Faktorladungen (~ij) von x auf ~ bzw. von y auf q, wobei 6 und ~ far die 528 Unter den derzeit ver~gbaren Varianten linearer Strukturgleichungsmodelle, welche meist durch entsprechende Softwarepakete abgebildet werden, hat das Programm LISREL eine derartige Bedeumng erlangt, dass sogar schon die Begriffe LISREL-Ansatz und Kausalanalyse synonym Verwendung finden. Vgl. Giering (2000), S. 90 f. 529 Zu den folgenden Ausf'tihrungenbeziaglich des Gleichungssystems der Kausalanalyse vgl. JOreskog/SOrbom (1982), S. 404f., Giering (2000), S. 91 f., Backhaus et al. (2003), S. 344.

153

entsprechenden Vektoren der Messfehler stehen. Jeder Indikator ist folglich als eine fehlerbehaftete Messung einer latenten Variable zu verstehen.

Um ein allgemeines Strukturgleichungsmodell vollst~indig zu spezifizieren sind neben den vier Matrizen, die sich bereits aus den Basisgleichungen ergeben, noch weitere vier Parameter-Matrizen zu definieren. Es handelt sich hierbei um die Kovarianzmatrizen der Vektoren (= ~), ~ (= ~), ~i (= |

und e (= |

53~ Bestimmte Annahmen vorausgesetzt, TM l~sst sich die

Kovarianzmatrix E der beobachteten Variablen x und y als Funktion der acht Parametermatrizen darstellen, mit E = Z(B, F, Ax, Ay, ~, ~Ij, |

|

Wird die Gesamtheit der zu sch~itzenden

Parameter vereinfachend als ot bezeichnet, l~isst sich diese Gleichung darstellen als E = Z(~).

Zielvorgabe der Parametersch~itzung ist, die Koeffizienten der Parameter-Matrizen so zu sch~itzen, dass sich die modelltheoretische Kovarianzmatrix E m6glichst gut an die empirische Stichproben-Matrix S anpasst. Um dies zu erreichen, muss das folgende Minimierungsproblem gelOst werden: F ( S - E)--* min! Hierbei bezeichnet F die Diskrepanzfunktion 532 zwischen Z und S. Zur L6sung dieses Minimierungsproblems stehen verschiedene Sch~itzmethoden zur Verffigung. Wie bereits erw/~hnt, kommt in der vorliegenden Untersuchung das ML-Verfahren zur Anwendung. 533

Sind die Modell-Parameter gesch~itzt, erfolgt im Anschluss eine l~erprtifung der Gtite der Anpassung der Modellstruktur an den empirischen Datensatz anhand globaler und lokaler AnpassungsmaBe. Die lokalen und globalen Gtitekriterien des Messmodells wurden bereits in Abschnitt 4.2.1.2 bzw. Abschnitt 4.2.1.3 dargestellt. Die globalen GtitemaBe sind auch zur Beurteilung vollst~ndiger Kausalmodelle anwendbar. Zur Evaluierung des Strukturmodells sind insbesondere zwei spezielle lokale Gi~temaBe von Interesse, die nachfolgend dargestellt werden.

Zum einen ist die quadrierte multiple Korrelation (QMK) der endogenen latenten Variablen von Bedeutung. Dieses Gtitekriterium ist ein Mar3 ftir die St~irke der Kausal-

53o Vgl. J6reskog/SOrbom (1982), S. 405, Homburg/Hildebrandt (1998), S. 21. 531 Folgende modellimmanente Basisannahmen mtissen gegeben sein, um eine L6sbarkeit der Gleichungssysteme zu gew~hrleisten: die Messfehler 8 und e mi~ssen miteinander unkorreliert sein und die Variabeln q, und ~ dtirfen ebenfalls nicht miteinander korrelieren. Vgl. Giering (2000), S. 91. 532 Eine Diskrepanzfunktionmisst die Unterschiedliehkeitzweier Matrizen. 533 Vgl. Abschnitt 4.2.1.3.

154

beziehungen und kann Werte zwischen 0 und 1 annehmen. Je grOBer der Varianzanteil einer endogenen latenten Variable ist, der durch diejenigen anderen latenten Variablen erkl~irt wird, die gem~il3 des spezifizierten Modells einen Effekt auf sie ausiiben, umso h6her ist der Wert der quadrierten multiplen Korrelation. TM Grunds~itzlich k6nnen Werte als wtinschenswert angesehen werden, die um 0,5 liegen. 535 Aber auch Werte um 0,3 sind in der Literatur bereits als akzeptabel bezeichnet worden. 536 Die Vorgehensweise der Festlegung eines Anspruchniveaus fOr die quadrierte multiple Korrelation ist jedoch nur dann von Interesse, wenn der Zweck der Analyse in der mOglichst vollst~indigen Erkl~irung der jeweils endogenen latenten Variable besteht. Ftir die vorliegende empirische Untersuchung, in der die Uberprtifung von Kausalbeziehungen zwischen hypothetischen Konstrukten im Fokus steht, k6nnte auf die Anwendung dieses speziellen Gtitekriteriums sogar verzichtet werden. 537

Zum anderen sind die standardisierten Pfadkoeffizienten des Strukturmodells und die zugehOrigen t-Werte von besonderer Relevanz zur lSlberprtifung des Hypothesensystems. Aus den erstgenannten Kennzahlen gewinnt der Anwender Informationen tiber die St~irke und die Richtung der Effekte zwischen den latenten Variablen. Ihr Wertebereich liegt zwischen -1 und +1. Anhand der zugeh6rigen t-Werte k6nnen Aussagen tiber die statistische Signifikanz der einzelnen Zusammenh~inge gemacht werden, so dass darauf die Ablehnung oder die Annahme der einzelnen Hypothesen basiert. 538

4.2.2.2

Zur Untersuchung moderierender Effekte

In der vorliegenden Untersuchung steht ein komplexes Kausalmodell im Mittelpunkt, das neben direkten Kausalzusammenh~ingen zwischen latenten Variablen auch die Wirkungsweise von Mediatorvariablen und die Einflussnahme eines Moderators thematisiert. Ein Mediator ist eine Variable durch die oder tiber die eine exogene Variable auf eine endogene Variable wirkt, w~ihrend ein Moderator Einfluss auf den kausalen Zusammenhang zwischen unabh~ingiger und abh~ingiger Variable nimmt. 539

534 Vgl. Giering (2000), S. 93. 535 Vgl. Andres (2003), S. 213. 536 Vgl. Wrobbel / Tietz (1998), S. 74. 537 Vgl. zu dieser SichtweiseHomburg/Baumgartner (1995), S. 172, Staack (2004), S. 188. 538 Vgl. Sieben (2002), S. 96. 539 Vgl. Bungardet al. (1996), S 224. 155

Hinsichtlich der Art des Einflusses, den die moderierende Variable aus~ibt, ist danach zu unterscheiden, ob durch eine ErhOhung der Werte des Moderators die St~irke der Korrelation zwischen zwei Variablen zu- oder abnimmt. Wird der Effekt der exogenen auf die endogene Variable durch eine Erh6hung der Werte des Moderators verst~irkt, handelt es sich um eine positive Moderation. Schw~icht sich der betreffende Zusammenhang durch eine Erh6hung der Werte der Moderatorvariablen dagegen ab, liegt ein negativ moderierender Effekt vor. 54~

Des Weiteren sind zwei grunds/~tzliche Formen von Moderatorvariablen danach zu unterscheiden, ob allein die St~irke der Beziehung zwischen unabhangiger und abh~ingiger Variable mit unterschiedlichen Auspr~igungen der Moderatorvariable variiert, oder ob sich zudem die Form des kausalen Zusammenhangs vedindert. Ist ersteres der Fall, handelt es sich um eine reine Moderatorvariable. Der zweitgenannte Fall betrifft eine so genannte QuasiModeratorvariable, die sowohl die St~irke des Zusammenhangs zwischen exogener und endogener Variable beeinflusst, als auch noch zus~itzlich einen unmittelbaren Effekt auf die endogene Variable austibt.

a)

b)

c)

Y~ hoher Weft des / Moderators/ ,-,-"

Y~ niedrigerWert des / Moderators ,'f.~

Y~ hoher Wert des ] Moderato~

I ~'"

Wet des Moderators 9

sS~

~

des Moderators .

X

positiv moderierenderEffekt

negativ moderierenderEffekt

] ..-"

Wert

desModerators

T

v

X

X

quasi-moderierenderEffekt (negativ moderierendund positiv direkt)

Abbildung 4-1." Moderierende Effekte im Gesamtmodell. Quelle:

Nach Giering (2000), S. 94 u. S. 98.

In Abbildung 4-1 sind Effekte positiver und negativer Moderation, sowie ein Beispiel ftir einen quasi-moderierenden Effekt graphisch dargestellt. Aus Darstellungsgrtinden wird vereinfachend ein linearer Funktionsverlauf zwischen zwei Variablen x und y angenommen. Der 540 Vgl. Abschnitt 3.2.3. 156

in Teil a) der Abbildung dargestellte positiv moderierende Effekt bewirkt, dass die Steigung des Zusammenhangs steiler wird. Mit steigenden Werten des Moderators verstarkt sich der Zusammenhang zwischen den Variablen x und y. Folglich bewirkt bei hohen Werten der Moderatorvariable eine Ver~nderung von x eine gr613ere Ver~nderung von y als bei niedrigen Werten des Moderators. Im Fall eines negativ moderierenden Effekts verhglt es sich genau umgekehrt, was in Teil b) der Abbildung graphisch dadurch deutlich wird, dass die Steigung des Zusammenhangs aufgrund des negativ moderierenden Effekts abflacht. In Teil c) der Abbildung ist ein negativ moderierender Effekt dargestellt, durch den die Steigung des Zusammenhangs abnimmt. Da zusgtzlich ein positiver direkter Effekt auf die endogene Variable einwirkt, verschiebt sich der Funktionsverlauf parallel nach oben, so dass jetzt jeder Auspr~igung von x eine hOhere Auspr~igung von y gegent~bersteht.

In der vorliegenden Arbeit gehen wir von einer negativen Moderation des Zusammenhangs zwischen Regret und Kundenloyalit~it durch die soziale Beeinflussbarkeit aus. TM Gmnds~itzlich ist die Analyse dieses Effekts anhand einer moderierten Regressionsanalyse m6glich. Da im Fall der Untersuchung von Beziehungen zwischen latenten Variablen eine Mehrgruppen-Kausalanalyse dieser Methode aus mehreren Gl'iinden ~berlegen ist, 542 verzichten wir an dieser Stelle auf die Darstellung der moderierten Regressionsanalyse und verweisen auf die entsprechende Literatur. 543

Die Mehrgruppen-Kausalanalyse schgtzt simultan Kausalmodelle far mehrere Teildatens~itze, die auf Basis einer Moderatorvariablen gebildet wurden. AnschlieBend wird eine Identit~tsrestriktion eingefahrt, d.h. bestimmte Parameter zwischen den Gruppen werden als identisch festgesetzt. Sowohl far die restringierte als auch far die unrestringierte Sch~,tzung wird die globale AnpassungsgOte des Gesamtmodells anhand eines ~2-Anpassungstests geprfift. Auf Basis der Differenz der gemessenen ~2-Werte kann auf eine Verschlechterung bzw. Verbesserung der Modellanpassung geschlossen werden. TM Verschlechtert sich die AnpassungsgtRe 541 Vgl. Abschnitt 3.2.3. Die Analyse eines direkten Effekts der sozialen Beeinflussbarkeit ist im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht m6glich. Auch Giering verweist auf diese Problematik und ftihrt dazu aus, dass ein direkter Effekt sowohl in positiver als auch in negativer Auspr~igung denkbar ist. Je nachdem, ob das soziale Umfeld einer Person nur einen Anbieter als den einzig ,,richtigen" akzeptiert oder permanent einen anderen Anbieter vorzieht, erh6ht bzw. verringert sich die Loyalitgteines beeinflussbaren Individuums. Vgl. Giering (2000), S. 133. 542Beispielsweise kOnnen in der Mehrgruppen-KausalanalyseMessfehler explizit erfasst werden. Vgl. zu einer Argumentation flir die Leistungsst~irkeder Mehrgruppen-KausalanalyseGiering (2000), S. 95. 543 Zur Methode der moderierten Regressionsanalyse vgl. Giering (2000), S. 94 f. sowie die dort aufgeftihrte Literatur. 544 Zur Vorgehensweise bei einer Mehrgruppen-Kausalanalysevgl. z.B. Sauer / Dick (1993), S. 638. 157

des Modells durch Einftihrung der Identit~itsrestriktion, bedeutet dies, dass die zuvor als identisch festgesetzten Parameter in den unterschiedenen Gruppen nicht gleich sind. Grunds~itzlich k6nnen beliebige Parameter sowohl des Mess- als auch des Strukturmodells als identisch festgesetzt werden. Um Moderatoreffekte pr~izise erfassen und interpretieren zu k6nnen ist es jedoch sinnvoll, jeweils nur einen Parameter zwischen den Gruppen gleichzusetzen. Ftir den vorliegenden Zweck der Untersuchung werden hierzu die Pfadkoeffizienten des Strukturmodells herangezogen, da diese die St~irke der Effekte zwischen den exogenen und den endogenen latenten Variablen angeben. Im Fall einer signifikanten Verschlechterung der Modellanpassung bei Einftihrung dieser Identit~itsrestriktion bedeutet dies, dass die empirischen Daten gegen eine Gleichsetzung dieser Parameter sprechen und die Werte der Pfadkoeffizienten in Abh~ingigkeit von der Auspr~igung des Moderators variieren. Auf diesem Weg ist das Vorliegen eines moderierenden Effekts bewiesen. Eine Aussage tiber die Richtung der Moderation wird erst auf Basis der Differenz der in den beiden Teildatens~itzen unabh~ingig voneinander gesch/itzten Pfadkoeffizienten m6glich. 545

4.3

Ergebnisse der empirischen Untersuchung

4.3.1

Deskriptive Datenanalyse

Im Rahmen der deskriptiven Datenanalyse werden die 324 verwertbaren Fragebogen hinsichtlich der wichtigsten soziodemografischen Merkmale untersucht. Da die Probanden nicht im Hinblick auf alle diese Variablen repr~isentativ verteilt sind, sei an dieser Stelle auf den informatorischen Charakter der folgenden Beschreibung der Datengrundlage hingewiesen. Neben den Soziodemografika erfolgt zudem eine Betrachtung ausgew~ihlter Variablen, die weiterftihrende Aussagen tiber die Stichprobe erlauben. Diese umfassende Betrachtung bezieht sich zum einen auf die Markenerfahrung bzw. -kenntnis der Teilnehmer der Befragung und zum anderen auf ein von den Probanden entsprechend der Aufgabenstellung zu bildendes Counterfactual, das auf die dargestellte Konsumsituation bezogen ist.

Im Hinblick auf die Geschlechterverteilung ergibt sich ein relativ ausgeglichenes Verh~iltnis von m~innlichen zu weiblichen Befragten mit 42,3 % zu 57,7 %. Dies entspricht in etwa der Verteilung, die die deutsche Bev61kerung, als Grundgesamtheit definiert, beztiglich der 545 Vgl. Giering(2000), S. 97. 158

Variable Geschlecht aufweist. 546 Das Durchschnittsalter der Stichprobe betr~igt 39,6 Jahre und liegt damit leicht unter dem bundesdeutschen Durchschnitt. 547 Der jtingste Proband war 15 Jahre, der ~ilteste 83 Jahre alt. Ein GroBteil (41,7 %) der Befragten lebt in einem ZweiPersonen-Haushalt, wobei 48,8 % aller Probanden angeben verheiratet zu sein. Eine detaillierte Darstellung der Zusammensetzung der Stichprobe beztiglich der Merkmale ,,Geschlecht" und ,,Alter" kann den Abbildungen A-1 bzw. A-2 im Anhang enmommen werden.

Des Weiteren wurden die aktuelle berufliche T~itigkeit und die Bildung der Teilnehmer der Befragung erfasst. Mit 54,9 % ist die Gruppe der Angestellten am st~irksten in der Stichprobe vertreten. Die Zusammensetzung der Stichprobe in Bezug auf das Merkmal des h6chsten erreichten Bildungsabschlusses ist stark gemischt. Zu fast gleichen Prozents~itzen gaben die Probanden an, einen Realschulabschluss (27,2 %), die Hochschulreife (28,7 %) oder einen Hochschulabschluss (29,3 %) zu besitzen. Die restlichen Befragten verfiigen tiber einen Volks- bzw. Hauptschulabschluss (10,2 %) oder finden sich in der Kategorie ,,Sonstiges" wieder (4,6 %). Keiner der Befragten gab an, ohne Schulabschluss zu sein. Die Details zur Verteilung der Stichprobe hinsichtlich der Merkmale ,,Aktuelle berufliche T~itigkeit" und ,,H6chster erreichter Bildungsabschluss" k6nnen den Abbildung A-3 und A-4 im Anhang entnommen werden.

Ftir eine umfassende Betrachtung war es ebenfalls wichtig, neben der gerade geschilderten Abfrage soziodemographischer Merkmale, die Probanden auf ein ausreichendes MaB an Kauf- bzw. Produkterfahrung hin zu tiberprfifen. Wie bereits erw~ihnt, wurde den Probanden noch vor der Schilderung des Szenarios die Frage nach einer ihnen vertrauten Marke aus dem Produktbereich Winterjacken gestellt. Das genannte Markenspektrum zeichnet sich durch seine Heterogenit~it aus, da es sowohl Hersteller-, Handels- als auch Firmenmarken beinhaltet. Auffallend ist zudem die groBe Anzahl an unterschiedlichen Marken (91 verschiedene Nennungen), wobei nur die Marke ,,Esprit" einen zweistelligen Prozentsatz (13,3 %) in der relativen H~iufigkeit der Nennung aufweist. In der Gruppe der am zweith~iufigsten genannten Marken befinden sich die Marken ,,Sch6ffel" (8,6 %), ,,Jack Wolfskin" (7,4 %) und ,,Boss"

546 Zum Stand 31.12.2004 sind nach Angaben des Statistischen Bundesamts ca. 48,9% der deutschen Bev61kerung m~innlichund 51,9 % weiblich. Vgl. Statistisches Bundesamt (2005). 547 Nach Sch/itzungen des Institut der deutschen Wirtschafi K6ln liegt das Durchschnittsalter der deutschen Bev61kerung im Jahr 2005 bei ca. 42,3 Jahren. Vgl. Institut der deutschen Wirtschafi KOln (2001), Kap. 1.3. 159

(7,4 %).548 Die Verteilung der genannten Marken in der Stichprobe zeigt Abbildung A-5 im Anhang.

Von besonderer Bedeutung ist die Erfassung eines von den Probanden generierten Counterfactuals, das sich auf das geschilderte Szenario mit seinem far den Entscheidungstr~iger negativen Entscheidungsergebnis bezieht. Nach einem Hinweis darauf, dass die beschriebene Kaufsituation einer Winterjacke auch anders, d.h. besser aber auch schlechter, far den Probanden h~itte ausgehen k6nnen, erfolgt folgende Aufforderung: ,,Unter welchen Umstgnden h~itte die Kaufsituation ein anderes Ende nehmen k6nnen? Bitte denken Sie kurz dartiber nach und schreiben Sie Ihre Uberlegungen in Form einer ,,Wenn/Dann-Aussage" nieder! Wenn ... Dann ...

Die Art der Einweisung in der Aufgabenstellung zur Generierung des Counterfactuals steht ganz in der Tradition der Counterfactual Thinking-Forschung. 549 Die Kodierung der Vervollstgndigungen der Wenn/Dann-Aussage erfolgte in zweierlei Hinsicht: zum einen nach dem Merkmal ,,Richtung des Counterfactual" mit den Ausprggungen

1 =upward,

2 =kein

Counterfactual, 3 = downward, zum anderen nach dem Merkmal ,,Fokus des Counterfactuals" mit den Ausprggungen 1 = behavior-focused, 2 = kein Counterfactual, 3 = situation-focused. Ein Beispiel far ein upward, behavior focused Counterfactual lautet z.B. ,,Wenn ich mich vor dem Kauf besser informiert h~itte, hgtte ich jetzt eine bessere Jacke. ''55~ Bezt~glich der Kodierung der Vervollstgndigungen der Wenn/Dann-Aussagenbleibt kritisch anzumerken, dass die Vorgehensweise von der Subjektivitgt des Auswertenden gepr~gt ist. TM

548 Bei den genannten Marken konkurrieren die Anbieter reiner Sport-Outdoorjacken mit Anbietern groBer Modemarken. Dennoch ist eine Vergleichbarkeit gegeben, da alle genannten Jackenmarken neben dem modischen Aspekt auch Funktion aufweisen, da dieser Aspekt im Lauf der letzten Jahre zunehmend an Bedeutung gewinnt. 549 Vgl. z.B. die Studien von Zeelenberg et al. (1998), insb. S.125, Baron (1999), insb. S. 84. 55o Zu den Kriterien der Einteilung in upward/downward und behavior focused/situation focused Counterfactuals vgl. die Ausfahrungen in Abschnitt 2.2.5. 551 Um dieses Problem zu umgehen, h~itten die generierten Wenn/Dann-Aussagen zus~itzlich von zwei weiteren Personen, die die Forschungsintention nicht kennen, unabh~ingig voneinander nach den vorgegebenen Kriterien ausgewertet werden kOnnen. Beztiglich der nicht tibereinstimmenden Beurteilungen Nitte anschlieBend in einer Diskussion ein Konsens gefunden werden k6nnen. Da dieser Auswertungspunkt gegentiber den quantitativen Analysen aufgrund seines rein informatorischen Charakters jedoch von untergeordneter Bedeutung ist, wurde auf diese aufwendige Vorgehensweise verzichtet. 160

Von den Teilnehmern der Befragung fallten auffallend viele (78,4 %) die vorgegebene Aufgabe entweder gar nicht aus oder ihre Angaben waren nicht im Sinne der Aufgabenstellung kodierbar. Mehrere Grtinde far die unbefriedigende Quote der Aufgabenbearbeitung gegentiber vergleichbaren Studien sind denkbar. Zum einen wurde ein Szenario vorgegeben, so dass auf diese Weise der Raum far Interpretationen der Entscheidungssituation begrenzt ist. Zu dieser Problematik kommt hinzu, dass den Probanden durch das Szenario bereits ein Feedback beztiglich der nicht gewahlten Entscheidungsaltemativen vorliegt, was ebenfalls hinderlich far die mentale Mutation yon Entscheidungssituation und -ergebnis ist. In der Counterfactualforschung kommt die Szenario-Methode zwar auch zur Anwendung, noch h/~ufiger werden die Probanden aber aufgefordert, ein Ereignis aus ihrer Vergangenheit zu erz/~hlen, das far sie eine negative Erfahrung darstellt. 552 Aus den in Abschnitt 4.1 beschriebenen Grtinden konnte auf diese Methode jedoch nicht zurtickgegriffen werden. Zum anderen kann die heterogene Zusammensetzung der Stichprobe beztiglich Alter, Beruf und Bildungsgrad die schlechten Ergebnisse in der Aufgabenbearbeitung bedingen, da die geforderte mentale Simulation hohe Anforderungen an die kognitiven F/~higkeiten der Probanden stellt.

Ftir die verbleibenden 70 F/file, far die eine Auswertung m6glich war, kann folgendes Ergebnis festgehalten werden:

In Bezug auf das Merkmal ,,Richtung des Counterfactuals" generierten alle Probanden (Anzahl n = 70) ein aufwgrtsgerichtetes (upward) Counter-factual. In Bezug auf das Merkmal ,,Fokus des Counterfactuals" generierten 56 Probanden ein behavior-focused Counterfactual und 14 Probanden ein situation-focused Counterfactual.

Der Befund, dass alle Counterfactuals, die die 70 Probanden generierten, Aufwartsvergleiche darstellen, steht im Einklang mit ROESES Postulat, dass Individuen im Prozess des Counterfactual Thinking typischerweise alternative Ereignisse fokussieren, die besser sind als die erzielten. 553 Allerdings kann auch das durch das Szenario vorgegebene Feedback bezt~glich der nicht realisierten Alternative das Counterfactual Thinking der Probanden beeinflusst haben. Von Interesse far die Fragestellung der vorliegenden Arbeit ist, ob die upward Counterfactuals eher von Probanden mit hohen oder mit niedrigen Werten beztiglich des 552 Vgl. die Vorgehensweise in der Studie von Zeelenberg et al. (1998). 553 Vgl. hierzu die Ausfahrungen in Abschnitt 2.2.5. 161

Faktors ,,Regret" generiert wurden. Um zu einer Beantwortung dieser Frage zu gelangen, wurde der Datensatz auf Basis des Median-Werts des Faktors Regret zweigeteilt, so dass ein Teildatensatz fiber hohe und ein Teildatensatz tiber niedrige Auspr~igungen bezfiglich des Regret entsteht. F~ir diese Vorgehensweise wurde zun~ichst der Mittelwert fiber die Werte der vier Indikatoren des Regret berechnet. Die Legitimation dieser Mittelwertbildung findet sich im nachfolgenden Abschnitt durch die Ergebnisse der Gfitebeurteilung der Messung des Konstrukts ,,Regret" wieder. Die festgestellten H~iufigkeiten der Generierung eines upward Counterfactuals liegen bei n = 63 betreffend der Anzahl der Probanden, die hohe RegretWerte aufweisen, und bei n = 7 bezfiglich der F~ille im Teildatensatz mit niedrigen RegretWerten. Dieser Befund steht im Einklang mit der im Theorieteil getroffenen Hypothese, dass Individuen, die aufw~irtsgerichtete kontrafaktische Vergleiche anstellen, verst~irkt Regret erfahren. 554

Betreffend des Merkmals ,,Fokus des Counterfactuals" kann festgehalten werden, dass von den insgesamt 56 Probanden, die ein behavior-focused Counterfactual generierten, 52 aus der Gruppe der Probanden mit hohen Regret-Werten stammen; dies entspricht 92,86 % aller ,,Behavior-focused Counterfactual-Generierenden". Auch dieser Befund stimmt mit den in Abschnitt 2.2.5 angestellten theoretischen Oberlegungen fiberein, denen zufolge Individuen, die behavior-focused Counterfactuals erstellen, verst~irkt Regret erfahren.

Bezfiglich der Probanden, die ein situation-focused Counterfactual generierten, gehen die empirischen Befunde nicht konform mit den theoretischen Uberlegungen. Im Teildatensatz, der durch niedrige Regret-Werte gekennzeichnet ist, weisen 3 der 162 Gruppenmitglieder ein derartiges kontrafaktisches Denkmuster auf; das entspricht 1,9 % aller F~ille dieses Teilgruppendatensatzes. In der Gruppe der Probanden, die hohe Regret-Werte besitzen, bildeten jedoch 11 von 162 Personen ein situation-focused Counterfactual; das entspricht 6,8 % der F~ille des Teildatensatzes. Aufgrund der aufgestellten Hypothese h~tte jedoch die Bildung von situation-focused Counterfactuals sich verst~irkt in niedrigen Regret-Werten der Probanden niederschlagen mtissen. 555

Nach der deskriptiven Auswertung der gezogenen Stichprobe erfolgt im n~ichsten Abschnitt die Gfitebeurteilung der Konstruktmessungen. 554 Vgl. zu dieserHypothesedie Ausfiihrungenin Abschnitt 2.2.5 und Abschnitt 3.3. 555 Vgl. Abschnitt 2.2.5 und Abschnitt 3.3. 162

4.3.2

Ergebnisse der Konstruktmessungen

4.3.2.1

Ergebnisse der Messung des Konstrukts ,,Regret"

Grundlegende Voraussetzung fiir die Untersuchung von Wirkungsbeziehungen zwischen hypothetischen Konstrukten ist die Entwicklung reliabler und valider Messinstrumente, tiber die (auf indirektem Weg) eine Erfassung der latenten Variablen gelingt. Ftir die in der vorliegenden Arbeit interessierenden Konstrukte wird dabei gem~iB der in Abschnitt 4.2.1 dargestellten methodischen Grundlagen zur Gtitesicherung einer Konstruktmessung vorgegangen. Zun~ichst wird die Messung des Regret dargestellt, da diese Gr613e im Fokus dieser Arbeit steht. AnschlieBend werden die aus den PersOnlichkeitscharakteristika eines Entscheiders abgeleiteten Determinanten des Regret untersucht. In einem weiteren Schritt erfolgt die Darstellung der Messung der beiden Mediatorvariablen und abschlieBend werden mit der Kundenzufriedenheit und der Kundenloyalit~it die Konsequenzen des Regret betrachtet.

Im Rahmen der Beleuchtung des Konstrukts Regret wurde die Komplexit~it dieses Ph~inomens deutlich. Um dieser Problematik gerecht zu werden, erscheint eine Erfassung von Regret mittels multipler MessgrOBen angemessen. Bei der Auswahl der Indikatoren ist zu beachten, dass alle drei interdependenten Teilkomponenten556 von Regret Berticksichtigung finden. Die Auswahl der in die Erstellung der Messskala eingehenden Indikatoren erfolgt zum Teil in Anlehnung an bereits bestehende Untersuchungen, erfolgt aber vorrangig auf der Grundlage der theoretischen Bezugspunkte, die in Kapitel 2 dieser Arbeit beleuchtet wurden.

Die Erfassung der konativen Teilkomponente von Regret erfolgt tiber die Frage nach einer Verhaltensabsicht, in der sich Regret manifestiert. Wie im theoretischen Teil der vorliegenden Arbeit bereits mehrfach dargelegt, ist Regret eng mit dem Wunsch verbunden, das Ergebnis ungeschehen zu machen. 557 Daher wird die Frage nach dem Wunsch nach einer Entscheidungsumkehr zur Messung von Regret herangezogen. Die affektive Teilkomponente von Regret findet sich in der Frage nach der Ver~irgerung tiber die Entscheidung wieder. Die Messung des Regret tiber eine Emotion ist nicht unproblematisch, da Emotionen sehr spezifisch sind. Wie in Abschnitt 1.3 ausgefiihrt, ist die Ver~irgerung zwar sehr eng mit dem Regret verbunden, stellt aber im Sinne einer sekund~iren Emotion mehr eine Begleiterscheinung des 556 Vgl. zu den drei interdependentenTeilkomponentendes Regret Abschnitt 2.3.2.1. 557 Vgl. Inman/Zeelenberg (1998), S. 141. 163

Regret-Erlebnisses dar und muss nicht unbedingt direkt mit dem Entscheidungsprozess verbunden sein. SEmHEIMER weist deshalb auf die besondere Bedeutung der Reliabilit~itsprtifung diesen Indikator betreffend hin. ss8 Die kognitive Teilkomponente von Regret findet Beracksichtigung, indem wir die Frage nach der Oberzeugung des Entscheidungstr~igers stellen, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Die Verwendung dieses Indikators leitet ihre Berechtigung aus der Theorie der kognitiven Dissonanz ab, wie in Abschnitt 2.2.1 ausfiihrlich dargelegt. Der traditionellen Regret-Forschung folgend werden diese drei Messgr6f3en um eine direkte Abfrage nach der Intensit~it des Regret erg~inzt, ss9 Abbildung 4-2 veranschaulicht noch einmal graphisch die Ableitung der in die Untersuchung eingehenden Indikatoren.

Konstrukt

Komponenten

Indikatoren

~.J Wunschnach "i EntscheidungS-umkehr

Vergrgerung

Globales Bedauern der Entscheidung

Oberzeugung: ,.. ,,Fehl'7 entscheidung"

Abbildung 4-2." Indikatoren zur Messung des Regret.

Tabelle 4-4 zeigt im Anschluss, ob mit Hilfe der vier gerade beschriebenen Indikatoren eine angemessene Operationalisierung des Regret erreicht werden konnte.

558 Seilheimer konnte in seiner Studie anhand von Reliabilitiitstiberprtifungen nachweisen, dass eine Messung

yon Regret im Konsumkontext fiber andere Emotionen, wie z.B. ,,Gliicklichkeit mit der Entscheidung" und ,,Traurigkeit fiber die Entscheidung", nicht geeignet ist. Vgl. Seilheimer (2001), S. 142. s59 Vgl. Tsiros / Mittal (2000), S. 415. 164

Indikator 1)

I t e m - toTotalKorrelation

9 Ich bedauere, dass ich die Winterjacke dieser Marke gekauft habe. 9 Ich m6chte diesen Kauf am liebsten rfickgiingig machen. 9 Der Kauf der Winterjacke dieser Marke war eine richtige Entscheidung. (R) 9 Ich iirgere mich, dass ich gerade diese " 9

"'

9

.'"

Cronbach-Alpha:

0,95

FaktorLadung (CFA)

Critical Ratio (C.R. _>

(a > 0,60)

(a > 0,50)

1,96)

IndikatorReliabilitiit

(ITTC > 0,40) 0,92

(IR > 0,40) 0,96

0,96

23,36

0,92

0,90

0,95

0,94

22,37

0,88

0,86

0,92

0,89

20,30

0,79

19,09

0,73

0,84 ~

FaktorLadung (EFA)

/

0,91 ~

~

RMR:

0,86 l

l

~

~

0,032

ErkRirte Varianz (aus EFA):

87,27 %

GFI:

0,992

~2-Wert/Freiheitsgrade:

(5,338/2)2,66

AGFI:

0,961

CFI:

0,998

DEV:

0,83

RMSEA:

0,072

Konstruktreliabilit~it:

0,95

1): (R) kennzeichnet einen gedrehten Indikator. Tabelle 4-4. Messung des Konstrukts ,, Regret ".

Die in Tabelle 4-4 dargestellten Werte der einzelnen Gtitekriterien weisen darauf hin, dass die Messung des Konstrukts ,,Regret" unter Reliabilitiis- und Validit~itsaspekten als erfolgreich gewertet werden kann. Die geforderten Anspruchniveaus wurden allesamt eingehalten, so dass kein Indikator eliminiert werden muss. Die Oberlegungen beziiglich des Indikators, der die Emotion ,,Ver~irgerung" abbildet, spiegeln sich in den gemessenen Werten in einem unbedenklichen AusmaB wider. Zwar weist dieses Item gegentiber den anderen Indikatoren die schlechtesten Auspr~igungen der GfitemaBe auf, die Werte befinden sich aber immer noch in einem Bereich, der die Sicherung der Reliabilit~it und der Validit~it gewahrleistet.

165

4.3.2.2

Ergebnisse der Messung der Determinanten des Regret, die sich aus PersOnlichkeitscharakteristika des Individuums ableiten

Die Messung von Pers6nlichkeitscharakteristika eines Individuums geht auf eine lange Tradition in der Psychometrie als Teilbereich der Psychologie zurtick. Daher kann zur Operationalisierung der in diesem Bereich fiir die vorliegende Untersuchung relevanten Konstrukte jeweils auf ein bereits validiertes Messinstrument zurtickgegriffen werden.

(a)

Selbstwertgeftihl

Eine Skala zur Erfassung des Selbstwertgeftihls bzw. des Grads der eigenen Selbstachtung wurde erstmals von ROSENBERG 1965 entwickelt und validiert. 56~Die Skala enth/alt 10 Items, die das Selbstwertgeftihl bzw. den Grad der eigenen Selbstachtung in positiver Auspr~igung als ,,SelbstwertgefiJhl" und in negativer Formulierung als ,,Geftihl der Wertlosigkeit" abbilden. 561 In der vorliegenden Arbeit findet eine neuere, deutsche Version der Skala nach BADURA ET AL. Verwendung, die in der deutschsprachigen Literatur als vollstandardisiertes Verfahren zur Selbstbeurteilung breite Akzeptanz findet. 562 Diese Form der Skala besticht durch ihre Einfachheit und den geringen Bearbeitungsaufwand und gentigt den g/angigen Gtitekriterien. Tabelle 4-5 zeigt die Ergebnisse aus der Verwendung dieses Messinstruments in der vorliegenden Untersuchung.

Von zehn Items, die ursprtinglich Bestandteil der Skala waren, wurden zun~ichst vier eliminiert, da sich auf diese Weise der Wert des Cronbachschen Alpha verbessern liel3. Aufgrund der konfirmatorischen Faktorenanalyse wurden noch einmal zwei weitere Indikatoren aus dem Messinstrument entnommen, so dass die Messung des Selbstwertgeftihls letztlich auf vier manifesten Variablen basiert. Bis auf die unzureichenden ~-, RMSEA- und AGFI-Werte erftillen die Gtitekriterien die jeweils geforderten Anspruchniveaus. Insgesamt kann somit von einer ausreichenden Sicherung der Reliabilit~it und der Validit~it der Messung gesprochen werden. 560 Vgl. Rosenberg (1965). 561 Rosenberg ging von einer Eindimensionalitat der Skala aus, vgl. Rosenberg (1965). In sp~iteren Anwendungen der Skala finden sich sowohl Folgearbeiten, die zwei verschiedene Dimensionen ableiten, als auch Studien, die von einer unidimensionalen Konzeption ausgehen. Zur Unterscheidung des Merkmals Wertlosigkeit in die Dimensionen ,,Selbstwertgeftihl" und ,,Gefiihl der Wertlosigkeit" vgl. Crandall (1973). Zur Messung des Selbstwertgeftihls,der ein bipolarer Faktor zugrundegelegt ist, vgl. O "Brien (1985). 562 Vgl. Badura et al. (1987), S. 350. 166

Item- toTotalKorrelation

Indikator ~)

9 Ich finde, es gibt nicht viel, worauf ich stolz sein kann. (R) 9 Ich habe eine positive Einstellung mir selbst gegentiber. 9 Im Grunde genommen bin ich mit mir selbst zufrieden. 9 Manchmal~hle ich mich recht wertlos. ...................

~R)

FaktorLadung (EFA) (a _>0,60)

FaktorLadung (CFA) (a _ 0,50)

Critical Ratio (C.R._

1,96)

IndikatorReliabilit~it

(ITTC > O,4O) 0,93

(IR > 0,40) 0,96

0,94

22,688

0,89

0,94

0,96

0,95

23,052

0,91

0,94

0,96

0,95

23,125

0,91

0,93

0,96

0,95

22,915

0,90

...........................................................................................................................................................................................................................

Cronbach-Alpha:

0,97

RMR:

0,023

Erkl/arte Varianz (aus EFA):

92,65 %

GFI:

0,963

z2-Wert/Freiheitsgrade:

(24,695/2) 12,3 5

AGFI:

0,817

CFI:

0,988

DEV:

0,90

RMSEA:

0,187

Konstruktreliabilit/it:

0,97

1): (R) kennzeichnet einen gedrehten Indikator. Tabelle 4-5. Messung des Konstrukts ,, Selbstwertgefiihl ".

(b)

Optimismus

Zur Erfassung des Konstrukts ,,Optimismus" existiert eine standardisierte psychometrische Skala, der so genannte ,,Life Orientation Test (LOT)" nach SCHEIER und CARVER.563 Von den acht als Selbstaussagen formulierten Items der Skala haben vier Items negative Erwartungen und vier Items positive Erwartungen zum Inhalt. Eine deutsche Version des LOT wurde 1990 yon WIELAND-ECKELMANNund CARVER ver6ffentlicht. 564 Seit 1994 findet eine Kurzform des LOT, der so genannte ,,Revised Life Orientation Test (LOT-R)" immer h~iufiger Verwendung. Diese von SCHEIER ET AL. entwickelte Skala enth~ilt nur drei positive und drei negative Items und weist eine gute Zuverl/issigkeit sowie eine hohe Korrelation mit dem LOT auf. 565 In Tabelle 4-6 sind die Ergebnisse der Messung des Optimismus anhand der aus dem LOT-R entnommenen Indikatoren dargestellt.

563 Vgl. Scheier und Carver (1985). 564 Vgl. Wieland-Eckelmann und Carver (1990). 565 Vgl. Scheier et al. (1994).

167

89[ "gLs "S '(1700E)~l,'fzofattaS "lffA "lSIoAVjnuEE'0 IIOA1,J~}A~-~[I/~l.tOuto s~p 'llOpOlAIu!o UoIldoz'4g~l,fazfatlaS 99g

"puolImSUOpo!ajnz Sle um:tundslqa!so~s~l!p!IeA p u n -sl~lil!qeilO~i qoeu :~unssolAI aop l~l!ien0 o!p lu!oqos-to ltuesogsuI 99g'lss.g..Inz oIPmS -tou!os m "AADZd~H;DS "~'Z uop 'UOAXZUOaD mop amun I!OA~ qaou -tomtm aoq~ 1~0!I 'l~l!igo~I o!p u~ SlIOpOlAI sop ol.n.~s~unss~duv alng .,gas ou!o -t.n-.l lqo!u :mAXZ l q a v d s 8lAr'd sop UOA,X_.tog "~!~.na~u!.to~ anu a~gos 80'0 UOA UOA~UOlIOtAqoS uop lol!oaqos.toq.n. V~qSIN'd sop UOA,X .to(I "n~oA!usqorudsuv olaop.to3o:~ s~p uol!o.tqos.toq.n, uo!.tol!~ol.n. D !OAvz an N

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UmmlipuI uolqoapo~ uou!o louqo!ozuuo~I (N) :(t 68'0

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99'0

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9L'0

99'0

16I'LI

18'0

178'0

5L'O

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98'0

88'0

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175'0

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1717'0

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99'0

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1716'0

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(o17'o~ ~tI) l~l.lllq -~!lO~:I -aOlml

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(or ~ ~) (vaa)

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BunpBq

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-~IoaaoM -l~lOJ~ -ol -moll

([ ~mmi!puI

(c)

Normative Geschlechtsrollenorientierung

Zur Messung der normativen Geschlechtsrollenorientierung wird auf die N G R O - S k a l a nach ATHENSTAEDT zuriJckgegriffen. 567 Mit dieser im Jahr 2000 entwickelten Skala, kommt ein vollstandardisiertes Messinstrument zur Erfassung der N G R O zum Einsatz, das eine gute Reliabilit/it und Validit/it sowie eine ausreichende Differenzierungsf'~ihigkeit aufweist. 56s Mittels konfirmatorischer Faktorenanalyse belegt ist die Eindimensionalit/it des Konstrukts mit den Polarit/iten traditionell vs. egalit/ir; ein hoher Score auf dieser Skala entspricht einer traditionellen Geschlechtsrollenorientierung.

Item- toTotalKorrelation

Indikator 1)

9 Hemdenbtigeln ist nicht Sache der M/inner. 9 Es w/ire nicht gtinstig, wenn eine Frau Verteidigungsminister wird. 9 Die Organisation des Haushalts ist Sache der Frau. 9 Es ist notwendig, dass die Frau im Haus dafiir sorgt, dass t/iglich zumindest eine warme Mahlzeit am Tisch steht.

FaktorLadung (EFA) (a _ 0,50)

FaktorLadung (CFA) (a _ 0,50)

Critical Ratio (C.R. >_ 1,96)

IndikatorReliabilit~it

(ITTC > 0,40) 0,54

(IR > 0,40) 0,72

0,58

10,565

0,34

0,59

0,77

0,64

11,972

0,41

0,71

0,86

0,86

17,158

0,74

0,67

0,84

0,79

15,552

0,63

|

Cronbach-Alpha:

0,81

RMR:

0,082

Erkl/irte Varianz (aus EFA):

63,91%

GFI:

0,994

z2-Wert/Freiheitsgrade:

(3,746/2) 1,87

AGFI:

0,971

CFI:

0,996

DEV:

63,91

RMSEA:

0,052

Konstruktreliabilit/it:

0,81

1): (R) kennzeichnet einen gedrehten Indikator. Tabelle 4- 7. Messung des Konstrukts ,, Normative Geschlechtsrollenorientierung'"

567 Vgl. Athenstaedt (2000). 568 Die Skala nach Athenstaedt wird als leistungsf~higer als bereits existierende Frageb6gen zur Erfassung der NGRO angesehen, da letztere mit der Problematik behaftet sind, nicht mehr zeitgem/il] zu sein, was sich in schiefen Scoreverteilungen mit einer entsprechend eingeschr/inkten Differenzierungsf~higkeit niederschl/igt. Vgl. Athenstaedt (2000), S. 91.

169

Wie in Tabelle 4-7 zu sehen, sind fast alle Gtitekriterien erfOllt. Das erste Item besitzt zwar eine niedrige Indikatorreliabilit~it, die unter dem geforderten Anspruchsniveau liegt, aufgrund seiner ausreichenden Faktorladungen wird es aber nicht aus der Analyse ausgeschlossen. Zudem liegt die Indikatorreliabilit~it des ersten Indikators nur knapp unter dem geforderten Niveau. Des Weiteren liegt der Wert des RMR leicht tiber dem geforderten Schwellenwert (0,082>0,05).

Diese Tatsache kann aber aufgrund des Gesamtbilds der Werte der

Gtitekriterien toleriert werden.

(d)

Leistungsmotivation

Die experimentelle Erforschung der Leistungsmotivation hat ihren Ursprung in einem von MURRAY 1938 entwickelten Instrument zur Messung yon Bedarfniszustgnden. Dieser so genannte Thematische-Apperzeptions-Test (TAT) wurde von MCCLELLAND und seinen Mitarbeitem verbessert und speziell zur Messung des Leistungsmotivs verwendet. 569 Beim TAT handelt es sich um einen projektiven Test und nicht um ein psychometrisches Verfahren. Aufgrund der Kontroverse um die Verwendung von projektiven Messinstrumenten 57~ kam es zur Entwicklung objektiver Tests wie z.B.

1969 der ,,Mehrabian Achievement Risk

Preference Scale" (MARPS). TM Gegen die Verwendung der MARPS bzw. ihrer deutschen Ubersetzung durch MIKULA ET AL., die aus dem Jahre 1974 stammt, kann die Argumentation einer far heutige Anspriiche veralteten Formulierung der Testitems gefohrt werden. Der Vorteil dieser Skala gegentiber Testentwicklungen jtingeren Datums ist jedoch, dass sie speziell auf die Erfassung der Leistungsmotivation im Sinne der Theorie

v o n A T K I N S O N 572

entwickelt worden ist. MEHRABIAN orientierte sich bei der Auswahl der Testitems an Verhaltensunterschieden zwischen Personen mit hoher und niedriger Leistungsmotivation, die im Kontext der Theorie von ATKINSON festgestellt wurden. 573 Sp~itere Ans~itze zur Messung der Leistungsmotivation postulieren eine Vielzahl an Dimensionen fOr das Konstrukt. Der Grund hierfOr liegt in der Integration verschiedener Leistungsmotivationstheorien, die anwendungsspezifische Modifikationen und/oder Erweiterungen der ursprtinglichen ATK/NSON'SCHEN Leistungsmotivationstheorie darstellen. Daher erscheinen diese Messkonzepte mit dem in 569 Vgl. Murray (1938), McClelland et al. (1953). 57o Eine aus~hrliche Diskussion um die Vor- und Nachteile des TAT als einem projektiven Test im Vergleich zu psychometrischen Tests findet sich bei Weiner (1994), S. 147 ff. 571 Vgl. Mehrabian (1969). 572 Vgl. zum Begriff der Leistungsmotivation nach Atkinson Abschnitt 2.3.2.4. 573 Vgl. Mikula et al. (1974) S.1.

170

ILI

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qogu sl)Irmsuo>I sop s!upu~lsJo A uopuoI~O!IJOA lIoqJ V JOsoIp

Ausschluss von drei weiteren Indikatoren erforderlich. Die letztlich erreichte Modellanpassung, wie in Tabelle 4-8 dargestellt, weist ffir fast alle Giltekriterien eine Unterschreitung der jeweils geforderten Anspruchniveaus auf. Einzig der Wert des RMR liegt leicht erh6ht ilber dem Schwellenwert (0,063 > 0,05). Insgesamt erscheint die Sicherung der Reliabilit~t und der Validit~t der Messung gewfihrleistet.

(e)

Aktives Coping

Eine Skala zur Erfassung des aktiven Coping stammt

yon

JERUSALEM. 575

Anhand von vier

Items werden kognitive und behaviorale Prozesse thematisiert, die auf eine ProblemlOsung durch aktive Besch~ftigung mit der Bedrohung abzielen. Im Gegensatz zu sp~teren Skalenvarianten, die in Bezug auf spezielle Bev61kerungsgruppen 576, wie z.B. Schiller, entwickelt wurden, stellt die Skala von JERUSALEM ein Messinstrument dar, das sich auf das Individuum im Allgemeinen bezieht. In der folgenden Tabelle sind die Indikatoren dieses vollstandardisierten Verfahrens zur Selbstbeurteilung mit ihren in den jeweiligen AnpassungsmaBen erreichten Werten aufgelistet. Die Items sind derart formuliert, dass sie eine M6glichkeit zur Beantwortung der Frage darstellen, wie der Proband im Allgemeinen mit belastenden Situationen fertig wird. Im Fragebogen der vorliegenden Untersuchung wird dieser Skala deshalb folgende Instruktion vorangestellt: ,,Urn mit belastenden Situationen fertig zu werden . . . . ", wobei die Indikatoren diese Aussage jeweils vervollst~ndigen. Die Beantwortung erfolgt, wie bei allen im Fragebogen verwendeten Items, auf einer 7stufigen Likertskala.

Das Modell mit seinen vier Indikatoren erweist sich als geeignet, den Faktor 577 ,,Aktives Coping" zu messen. Alle Giltekriterien unterschreiten das jeweils geforderte Anspruchsniveau (vgl. Tabelle 4-9). Die sehr geringffigige lJberschreitung des Schwellenwerts im Fall des RMSEA-Werts (0,086 > 0,080) ist vernachl~ssigbar, da das Gesamtbild der Kriterien sich mehr als zufriedenstellend bezfiglich der Giltebeurteilung des Modells darstellt.

575 Vgl. Jerusalem (1993). 576 Vgl. Jerusalem/Mittag (1993), S. 15ff. 577 Wie erinnerlich, ist der Faktor ,,Aktives Coping" als Dimension des Konstrukts ,,Coping" zu verstehen. Die Terminologie bezfiglich des Coping (aktives und emotionales Coping bzw. problemzentriertes und emotionszentriertesCoping) orientiert sich an der traditionellen Begriffgebung in der Copingforschung. 172

Item- toTotalKorrelation

Indikator

9 ... denke ich tiber meine Probleme nach, und versuche sie zu bew~iltigen. 9 ... unternehme ich alle Anstrengungen. . . . . setzte ich mich mit meinen Problemen auseinander, bis sie gel6st sind. . . . . unternehme ich geeignete Schritte.

FaktorLadung (EFA) (a >_0,50)

FaktorLadung (CFA) (a _ 0,50)

Critical Ratio (C.R._

1,96)

IndikatorReliabilit~it

(ITTC > 0,40) 0,65

(IR > 0,40) 0,80

0,68

13,394

0,46

0,80

0,89

0,87

19,004

0,76

0,80

0,90

0,89

19,485

0,79

0,72

0,84

0,77

15,813

0,59

~i~ ,:'i,~i,~~ ,~ ,i~~ ,~ ,i,~~ ,:,~' i,{~~,~ ,,~i?i~ ,~,~,i~ ,i~ ,i,~~ ,~,~ ,,~ ;~ ,~ ,{i{i;,~~ ,i~ ,i~ ,~ ,i~~ i,;~;i~i~~ ,::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::: i{,~;~ ,i'i ,~i:,~i~:~:,~:i~ ,~ ,i,~,,:~i:,;~~ ,i:i,~i~:~i,~~ ,i:~:~U~i~ ,~ i,i~ ,~ i,i:~ ,i:~~ ,~ :, Cronbach-Alpha: 0,8 8 RMR: 0,026 Erkl~irte Varianz (aus EFA):

73,45%

GFI:

~2-Wert/Freiheitsgrade:

(6,792/2) 3,40

AGFI:

0,951

CFI:

0,993

DEV:

0,67

RMSEA:

0,086

Faktorreliabilit~it:

0,89

0,990

Tabelle 4-9. Messung des Faktors ,,Aktives Coping".

(f)

Emotionales Coping

Auch die Skala zur Erfassung des emotionalen Coping stammt von JERUSALEM.578 Die Formulierung der Indikatoren thematisiert verschiedene Strategien zur Regulation der Affekte, die durch belastende Ereignisse hervorgerufen werden. Die Items beziehen sich auf die Beantwortung derselben Instruktion, die im Fall der Messung des aktiven Coping der Skala vorangestellt ist. Dieses vollstandardisierte Messinstrument bedient sich insgesamt acht Indikatoren, um emotionales Coping zu erfassen. 579 Die Oberprtifung der Indikatoren anhand der exploratorischen Faktorenanalyse, des Cronbachschen Alphas und der Indikatorreliabilitaten ftihrt dazu, dass zwei Variablen eliminiert werden. Aufgrund der errechneten Werte der AnpassungsmaBe aus der konfirmatorischen Faktorenanalyse werden zwei weitere Items aus der Gesamtskala entfernt. Nachdem daraufhin wieder eine exploratorische Faktorenanalyse 578 Vgl. Jerusalem (1993). 579 Obwohl die beiden Skalen, die die nach funktionalen Aspekten kategorisierten Copingstrategien thematisieren, standardisierte und somit bereits validierte Messinstrumente darstellen, wurde das FornellLarcker-Kriterium angewendet, um die Sicherung der Diskriminanzvalidit~it zu gew~ihrleisten. Das Ergebnis der Anwendung dieses Prtifkriteriums verweist darauf, dass die Bedingung der Diskriminanzvalidit~it er~llt ist.

173

sowie eine l]berprtifung der Reliabilitat vorgenommen werden, gehen die in Tabelle 4-10 dargestellten Indikatoren in die Messung des Faktors 58~ ,,Emotionales Coping" ein.

Item- toTotalKorrelation

Indikator

... versuche ich, nicht viel dartiber nachzudenken. 9 ... hoffe ich, dass sich eine gtinstigere Gelegenheit ergibt. 9 ... denke ich, dass ich sowieso nichts ~indem kann. 9 ... hoffe ich, dass sich die Probleme von alleine erledi~en. 9

FaktorLadung (EFA) (a > 0,50)

FaktorLadung (CFA) (a _ 0,50)

Critical Ratio (C.R. _>

1,96)

IndikatorReliabilit~it

(ITTC > 0,40) 0,64

(IR > 0,40) 0,80

0,70

13,398

0,49

0,58

0,75

0,64

12,029

0,41

0,69

0,84

0,78

15,587

0,62

0,75

0,87

0,86

17,575

0,74

i~iiiiiiiipii~ii~iiyiiii~iiiiiiiiii~!iiiiiii~i!ii!i~iiiiii~iii!iii~iii~i~iiiiiiiii~ii:iiiiiiiiii~iiiiii~iiiiiiiii~iiiii!iiiiiiiiii~iiiiiiii~iii~ii~i~i!iJiiiiiii!iiiii!ii!ii~ii~i~iiiiiiiiiiiiii~iii~ii~iiii~iiiiiiiiiiiiii Cronbach-Alpha: 0,83 RMR: 0,059 Erkl~irte Varianz (aus EFA):

66,69%

GFI:

0,991

gZ-Wert/Freiheitsgrade:

(6,162/2) 3,08

AGFI:

0,954

CFI:

0,992

DEV:

0,57

RMSEA:

0,080

Faktorreliabilit~it:

0, 84

Tabelle 4-10. Messung des Faktors ,, Emotionales Coping ".

Nur der Wert des RMR liegt leicht tiber dem postulierten Schwellenwert (0,059 > 0,050). Alle anderen Gtitekriterien verweisen auf eine gelungene Sicherung der Reliabilit~it und der Validit~it des Messinstruments.

(g)

Soziale Beeinflussbarkeit

Auf Basis der theoretischen l:lberlegungen stellt sich die soziale Beeinflussbarkeit durch zwei Faktoren dar; diese bilden eine normative und eine informative Facette des Konstrukts ab. Eine exploratorische Faktorenanalyse, in die alle sieben ursprfinglich generierten Indikatoren einflieBen, bildet zun~ichst auch zwei Faktoren ab, in der ursprfinglich tendierten Aufteilung der Faktoren ab. Allerdings ergibt sich ffir den ersten Faktor eine erkl~irte Varianz von

58o Wie erinnerlich, ist der Faktor ,,Emotionales Coping" als Dimension des Konstrukts ,,Coping" zu verstehen.

174

56,52 %, fiir den zweiten Faktor betr~igt dieser Wert 25,16 %. Die Indikatoren, die der Theorie zufolge der normativen Komponente der sozialen Beeinflussbarkeit zugeteilt sind, weisen allesamt hohe Ladungen auf den ersten Faktor auf. Die Items, die die informative Komponente der sozialen Beeinflussung thematisieren, laden jedoch entweder niedriger auf den ihnen zugedachten als auf den anderen Faktor oder sie laden in hohem MaBe auf beide Faktoren. Bei einer zweifaktoriellen Ltisung ergibt sich fiir die normative Gr613e, gemessen durch drei Indikatoren ein nur mittelm~il3iger Wert des KMO, so dass die drei manifesten Variablen als nicht besonders geeignet fiJr eine faktorenanalytische Untersuchung angesehen werden miissen. Die Betrachtung des a-Wertes legt zudem nahe, den ersten der drei Indikatoren zu eliminieren, um das Cronbachsche Alpha zu erhOhen. Bei einer gesonderten l]berprtifung der beiden verbleibenden Indikatoren verweist die Reliabilit~itsanalyse darauf, dass eine negative mittlere Kovarianz zwischen diesen beiden Items besteht. Aus diesen Grtinden wird eine zweifaktorielle L6sung verworfen. Die Ergebnisse der Messung, die einen einzelnen Faktor postuliert, zeigt Tabelle 4-11.

Bei der Gtitebeurteilung fallen die unzureichenden 2_, RMSEA sowie AGFI-Werte auf. Beztiglich der ersten beiden Gr613en ist wiederum auf die fehlende Multinormalverteilung des Datensatzes hinzuweisen. Betreffend des AGFI ist anzumerken, dass der Wert zwar das von uns postulierte Anspmchsniveau iiberschreitet, aber z.B. nach der Auslegung von Buchwald einen immer noch ,,befriedigenden" Wert darstellt. TM Die Werte aller anderen Gtitekriterien unterschreiten die von uns geforderten Schwellenwerte. Daher kann insgesamt von einer ausreichenden Messgiite gesprochen werden.

581 Vgl. BuchwaM (1996), S. 208 f. 175

Indikator

Item- toTotalKorrelation

FaktorLadung (EFA) (a _>0,50)

FaktorLadung (CFA)

Critical Ratio (C.R. _>

(a _>0,50)

1,96)

IndikatorReliabilit~it

(ITTC > 0,40) 0,78

0,88

0,82

17,842

0,68

0,87

0,93

0,92

21,286

0,85

9 Bei der Markenwahl achte ich darauf, dass andere Personen meine Entscheidung gutheiBen.

0,87

0,93

0,91

20,842

0,83

* Es ist mir ziemlich wichtig, dass die Marken, die ich kaufe, auch anderen

0,79

0,88

0,83

18,089

0,69

9 Zum Teil identifiziere ich mich dadurch mit anderen Personen, dass ich dieselben Marken kaufe. 9 Es ist mir wichtig, dass bestimmte Marken bei anderen einen guten Eindruck hinterlassen.

(IR > 0,40)

Cronbach-Alpha:

0,93

RMR:

0,044

Erkl~irte Varianz (aus EFA):

81,79 %

GFI:

0,967

~-Wert/Freiheitsgrade:

(20,419/2) 10,21

AGFI:

0,836

CFI:

0,982

DEV:

0,76

0,169

Konstruktreliabilit~it:

0,93

RMSEA:

Tabelle 4-11. M e s s u n g des K o n s t r u k t s ,, Soziale B e e i n f l u s s b a r k e i t '"

4.3.2.3

Ergebnisse der Messung der Mediatorvariablen

(a)

Die interne Kausalattribution

Mittels der Skala zur intemen Kausalattribution soil erfasst werden, inwieweit die Probanden Verantwortlichkeit ftir die Konsequenz der im Szenario beschriebenen Entscheidungssituation kognizieren. Emsprechend der Klassifikation von Attributionen nach HEIDER582, werden Indikatoren ffir eine unidimensionale Skala mit den Polarit~iten ,,internal" und ,,external" generiert. Die Items, die im Sinne einer extemen Kausalattribution formuliert sind, werden umkodiert, so dass die Darstellung im Folgenden als Messung der Tendenz zur intemen Kausalattribution der Probanden zu verstehen ist. Von insgesamt sieben Indikatoren ver-

176

blieben drei Indikatoren zur Messung des Konstrukts. Tabelle 4-12 zeigt die Ergebnisse dieser Konstruktmessung.

[iliiiiii!i~~iiiii~iii~i~~ii~iiiiiii:~i~iiii~i!ii~i~iiiiiiiiii~i~iii~i~iiiii~!i~i!~i~iiiiiiiii~i~iiiiiiiii~iii~i~iiiiiii!iiiiiiiiiiiii!iiii!iiiiiiiiiii!iiiiii~iiiii~!iiiiii]ii~iiiiiiiiiiiii~i!~iiiiii!~i~i~i~iiii~:iiii~!~i~iii~!~i~i~iiiii I n d i k a t o r 1) Item- toFaktorFaktorCritical IndiTotalLadung Ladung Ratio kator(EFA) (CFA) (C.R. _> ReliaKorrela(a > 0,60) (a _>0,50) 1,96) bilit~it tion (ITTC > (IR > 0,40) 0,40) 9 Ich bin selbst dafar verantwortlich, dass 0,74 0,91 0,97 17,213 0,94 ich jetzt eine Winterjacke mit einem schlechten Testurteil besitze. 9 Dass ichjetzt eine Winterjacke mit einem 0,52 0,75 0,56 9,954 0,31 schlechten Testurteil besitze, ist einfach Pech. (R) 9 Dass ichjetzt eine Winterjacke mit einem 0,65 0,85 0,74 13,114 0,54 schlechten Testurteil besitze ist die Folge ...............v~ .. ich se!bst ~emacht..habe:........................................................................................................................................................................................................................... Cronbach-Alpha:

0,79

RMR:

k.A.

Erklirte Varianz (aus EFA):

70,54 %

GFI:

k.A.

zZ-Wert/Freiheitsgrade:

k.A.

AGFI:

k.A.

CFI:

k.A.

DEV:

0,62

RMSEA:

k.A.

Konstruktreliabilit~it:

0,82

1): (R) kennzeichnet einen gedrehten Indikator. Anmerkung: Bei Modellen mit drei oder weniger Indikatoren verbleiben keine Freiheitsgrade zur Berechnung von globalen GtitemaBen. Eine Angabe beztiglich dieser Kriterien ist daher nicht m6glich. Tabelle 4-12. Messung des Konstrukts ,,Interne Kausalattribution '"

F i r dieses Konstrukt kOnnen keine globalen GtitemaBe berechnet werden, da das entsprechende Messmodell keine Freiheitsgrade besitzt. Die relevanten Gtitekriterien der ersten Generation weisen zufriedenstellende Werte auf. Die Werte der Gtitekriterien der zweiten Generation liegen nur in einem Fall unter den geforderten Schwellenwerten: die Indikatorreliabilit~it des zweiten Indikators ist mit einem Wert von 0,31 sehr gering. Eine Erklarung far diesen Sachverhalt kann darin gefunden werden, dass die beiden anderen Items die wahrgenommene Verantwortung des Entscheidungstr~igers far die Entscheidungskonsequenzen thematisieren, w~ihrend dieser Indikator auf die wahrgenommene Kontrolle der Entscheidungs582 Vgl. zu dieser Klassifikation Abschnitt 2.2.3.

177

situation durch den Probanden abzielt. Aus inhaltlichen Grfinden wird dieser Indikator jedoch beibehalten. Insgesamt erscheinen die Reliabilit~it und die Validit~it der Messung ausreichend gesichert.

(b)

Das Counterfactual Thinking

Wie in Abschnitt 4.3.1 bereits erw~hnt, gestaltet sich die Erfassung des Counterfactual Thinking der Probanden als problematisch, da aufgrund des Untersuchungsdesigns eine ,,freie" mentale Simulation nicht m6glich ist. ,,Frei" bedeutet in diesem Fall, dass das Counterfactual Thinking ohne ein Feedback bezfiglich der nicht realisierten Alternative ablaufen sollte. Aufgrund des geschilderten Szenarios wird die Bildung von Counterfactuals bei den Probanden durch eine Vorgabe der Attraktivit~it bezfiglich diverser nicht realisierter Alternativen beeinflusst. (Textpassage: ,,Die Winterjacke der Marke, die Sie gekauft haben, schneidet in dieser Bewertung mit einem schlechten Gesamturteil ab, w~ihrend vergleichbar teure Jacken deutlich besser abschneiden.") Wie die deskriptive Analyse des Datenmaterials zeigt, bildete kein einziger Proband ein downward Counterfactual, obwohl die M6glichkeit eines noch schlechteren Konsumergebnisses nicht durch das Szenario ausgeschlossen wird.

Ein zweiter Punkt, der sich bei der Messung des Counterfactual Thinking als problematisch erweist, liegt in der Vergleichbarkeit des in die Kausalanalyse eingehenden Datenmaterials. Alle anderen Konstrukte werden fiber Indikatoren gemessen, zu denen die Probanden auf einer 7stufigen Likertskala den Grad ihrer Zustimmung angeben k6nnen. Eine Umkodierung des qualitativen Datenmaterials bezfiglich des Counterfactual Thinking, um diese Form ,,quasi"-metrischer Daten zu erhalten, ist in diesem Fall nicht m6glich.

Aus diesen Grtinden wird zur Erfassung des Konstrukts des Counterfactual Thinking auf eine Messung fiber vier Indikatoren zurfickgegriffen. Zwei Items thematisieren zwei aufw~irts- die beiden anderen zwei abw~irtsgerichtete Vergleiche. Ober die Zustimmung der Probanden zu den jeweiligen vorgegebenen Counterfactuals wird somit auf indirektem Weg erfasst, in welche Richtung die Probanden hinsichtlich eines kontrafaktischen Vergleichs tendieren. Die beiden Indikatoren, die im Sinne eines aufw~irtsgerichteten Vergleichs formuliert sind, werden umkodiert, so dass die Darstellung im Folgenden als Messung der Tendenz der Probanden zum Downward Counterfactual Thinking zu verstehen ist. Faktorenanalytisch wird ein einziger Faktor identifiziert, auf den alle Indikatoren hoch laden, und der 59,49 % der Varianz 178

erkl~irt. Die globalen GtitemaBe weisen erheblichen Verbesserungsbedarf auf, so dass ein Indikator aus der Analyse ausgeschlossen wird. Tabelle 4-13 gibt Auskunft dartiber, inwiefern diese drei Indikatoren das Konstrukt reliabel und valide zu messen vermtigen.

Indikator ~

9 Wenn ich mich Rir eine andere Jacke entschieden h~itte, k6nnte die viel schlimmere M~ingel aufweisen, als nur ein schlechtes Testurteil. 9 Wenn ich mich fiir eine andere Jacke entschieden hatte, h~itte ich jetzt eine bessere Winterjacke. (R) 9 Wenn ich mich ftir eine andere Jacke entschieden h~itte, k6nnte diese Jacke eine noch viel schlechtere Bewertung von der Stiftung Warentest besitzen. I

iiiiiiiii~

~ii~iiii

~ti

Item- to-

Faktor-

Faktor-

Critical

Indi-

TotalKorrelation

Ladung (EFA) (a _>0,60)

Ladung (CFA)

Ratio (C.R. _>

(a _>0,50)

1,96)

katorReliabilit~it

(ITTC > 0,40) 0,73

(IR _>0,40) 0,90

0,91

16,491

0,83

0,50

0,74

0,55

9,878

0,30

0,68

0,88

0,80

14,534

0,64

I

~

I

~ ~K|~~

~iiiiiiiiiiiii!ii ii ilii !iiiiii~iiiiii! ii!iiiiiiiiiii~ii

i~i~i~i:~ii~i:~ii~ii~ii~ii~ii~iiiiii~ii~;iiiiiii~iiiiiiiii~iii~ii~~iiiiii~ii~i~i~i ii~ii~iiii~iii~iiiiii~ii~i~i~iiii~iiiiiii~i~i~ii~i~iiiiiiiiii~ii~iii~iii~i~iiiii~i~i~i~i~ii~i~iii~iiiiiii~ii~~iii~ii~ii~ii~iiii~ii~iiJii~iiiiiii~ii~i~iiii~iiiiii~i~ii~iJil~i~ii~:iii~ii~iii~iiJii~iiiiii~iiii~iii!~i~iiiiiii~i Cronbach-Alpha: 0,79 RMR: k.A. Erklarte Varianz (aus EFA):

70,69 %

GFI:

k.A.

gZ-Wert/Freiheitsgrade:

k.A.

AGFI:

k.A.

CFI:

k.A.

DEV:

0,60

RMSEA:

k.A.

Konstruktreliabilitat:

0,81

1): (R) kennzeichnet einen gedrehten Indikator. Anmerkung: Bei Modellen mit drei oder weniger Indikatoren verbleiben keine Freiheitsgrade zur Berechnung von globalen Gtitemal3en. Eine Angabe beziiglich dieser Kriterien ist daher nicht m6glich.

Tabelle 4-13. Messung des Konstrukts ,,Downward Counterfactual Thinking".

Auffiillig ist die geringe Indikatorreliabilit~it des zweiten Indikators, die bei 0,30 liegt. Eine mtigliche Begrfindung ist darin zu sehen, dass dieses Item allgemein auf die Gesamtqualit~it des gekauften Produkts bezogen ist, w~ihrend die beiden anderen Items auf die Attraktivit~it der Winterjacke bezt~glich des Testurteils abzielen. Dennoch kann das Item aus inhaltlichen Griinden in der Analyse beibehalten werden, da alle anderen GtRemafSe die geforderten Anspruchsniveaus erreichen. Wie bereits erw~ihnt, kOnnen bei Messmodellen mit drei Indikatoren keine globalen GtRemal3e berechnet werden. V o m Gesamtbild der Werte der Giite-

179

kriterien, deren Berechnung m6glich ist, lasst sich auf eine ausreichende Gtite der Konstruktmessung hinsichtlich der Sicherung der Reliabilit~it und der Validit~it schlieBen.

4.3.2.4

Ergebnisse der Messung der Konsequenzen des Regret

(a)

Die Kundenzufriedenheit

Zur Erhebung der Zufriedenheit, die ein Konsument mit einem Produkt empfindet, existiert bereits eine Vielzahl an Studien in der marketingwissenschaftlichen Forschung. Dabei reicht die Bandbreite der Komplexit~it der Messung des Konstrukts von der Verwendung eines Einzelindikators, der die Gesamtzufriedenheit thematisiert, bis hin zur Erfassung fiber mehrfaktorielle Multi-Item-Messinstrumente. 583 In der vorliegenden Umersuchung erscheint eine Messung der Kundenzufriedenheit anhand einiger weniger Indikatoren geeignet, um mit mOglichst geringem Aufwand alle relevanten Facetten des Konstrukts zu erfassen. Der Konzeptualisierung des Konstrukts nach dem C/D-Paradigma wurde insofern Rechnung getragen, als dass ein Item direkt das AusmaB der Er~llung der Erwartungen an die Marke erfasst. Eine Abfrage der Gesamtzufriedenheit wird erg~inzt um die Frage nach dem Gefallen an der Marke. Zudem wird mit dem AusmaB der GliJcklichkeit mit der Marke eine affektive Komponente erfasst. Ein ffinfter Indikator war Bestandteil der ursprfinglichen Version der Skala, musste aber nach der Auswertung des Datenmaterials anhand der konfirmatorischen Faktorenanalyse eliminiert werden, um bessere Werte der globalen GiJtekriterien zu erzielen.

Wie Tabelle 4-14 zeigt, weisen alle Gtitekriterien tiberaus zufriedenstellende Werte auf, nur nicht der RMSEA. Insgesamt kann damit von eine ausreichenden Messgtite gesprochen werden.

583 Zur Messung von Kundenzufriedenheit mittels eines einzelnen Indikators vgl. z.B. Herrmann et al. (1999) S. 684; zur Erfassung mittels eines komplexen Messinstruments vgl. Giering (2000), S. 154 ff. 180

i Informationen

zu d e n e i n z e l n e n I n d i k a t o r e n d e s K o n s t r u k t s . K u n d e n z u f r i e d e n h e l ~ : : Item- toTotalKorrelation

Indikator

FaktorLadung (EFA) (a _>0,50)

FaktorLadung (CFA)

Critical Ratio (C.R._

(a >_0,50)

1,96)

:

lndikatorReliabilitfit

(ITTC>_ 0,40) 0,88

0,94

0,92

21,369

0,84

0,92

0,96

0,95

22,938

0,91

9 Ich bin glticklich mit dieser Marke.

0,89

0,94

0,92

21,465

0,84

9 DieseMarke entspricht voll und ganz meinen Erwartun~;en.

0,88

0,93

0,90

20,822

0,81

9 Allesin allem bin ich mit dieser Marke zufrieden. 9 Ich habe Gefallen an dieser Marke.

[.Informadonenzum

:~ ~: Cronbach-Alpha:

(IR > 0,40)

Konstrukt.Kundenzufriedenheit"

....

::

:~

~

!.:: i

~ :

0,96

i iii RMR:

: 0,027

Erkl/~rteVarianz (aus EFA):

88,67 %

GFI:

g2-Wert/Freiheitsgrade:

(9,044/2) 4,52

AGFI:

0,928

CFI:

0,995

DEV:

0,85

RMSEA:

0,104

Konstruktreliabilit/it:

0,96

!~:, ~:

:::,:::1 i~

0,986

Tabelle 4-14. Messung des Konstrukts ,, Kundenzufriedenheit ".

(b)

Die Kundenloyalit/it

Aufgrund der Konzeptualisierung der Kundenloyalit/at, wie in Abschnitt 3.1.2 ausgefiahrt, wurde eine dreifaktorielle Struktur des Konstrukts postuliert, die die Facetten Wiederkauf-, Weiterempfehlungs- und Zusatzkaufabsicht widerspiegelt. Oberraschender Weise ergibt eine exploratorische Faktorenanalyse jedoch eine eindeutig einfaktorielle L6sung, mit hohen Faktorladungen und einer erkl/arten Varianz von 76,15 %. Auch die Reliabilit~itsanalyse weist hohe Faktorladungen und einen sehr guten Wert des Cronbachschen Alpha von 0,952 auf. Die globalen GtitemaBe weisen jedoch erheblichen Verbesserungsbedarf auf. Aus diesem Grund werden sukzessive diejenigen Indikatoren eliminiert, die die schlechtesten Werte in den verschiedenen GtitemaBen (MSA, ITTC, Indikatorreliabilit/at) aufweisen. Auf diese Weise wurden sechs Items der ursprtinglichen Version der Skala eliminiert.

Anhand der verbleibenden ffinf Indikatoren gelingt eine zufriedenstellende Messung der Kundenloyalitfit (vgl. Tabelle 4-15). Alle GfitemaBe erffillen die jeweils geforderten Anspruchsniveaus, bis auf die RMR- und die RMSEA-Werte, die die Schwellenwerte leicht

181

tiberschreiten. Dieses Modell erscheint sowohl aus empirisch-deskriptiven als auch aus sachlich-logischen Grtinden zur Messung der Kundenloyalit~it geeignet, da alle konzeptuellen Facetten des Konstrukts in der Indikatorenmenge vertreten sind. Die Wiederkaufabsicht wird durch die ersten beiden Indikatoren, die Weiterempfehlungsabsicht durch den dritten Indikator und die Zusatzkaufabsicht durch die letzten beiden Items thematisiert.

Indikator

9 Es ist sehr wahrscheinlich, dass ich das n~ichste Mal wieder dieselbe Marke kaufe. 9 Ich habe die Absicht, dieser Marke treu zu bleiben. 9 Ich habe die Absicht, diese Marke anderen Personen weiterzuempfehlen. 9 Ich denke, dass ich auch andere Produkte dieses Markenanbieters ausprobieren werde. 9 Ich beabsichtige, meine Eink~iufe bei diesem Markenanbieter auszudehnen.

Item- toTotalKorrelation (ITTC 0,40) 0,85

FaktorLadung (EFA) (a _>0,50)

FaktorLadung (CFA) (a __0,50)

Critical Ratio (C.R. _> 1,96)

lndikatorReliabilitfit (IR > 0,40)

0,91

0,88

20,082

0,78

0,87

0,92

0,90

20,764

0,81

0,83

0,89

0,86

19,199

0,74

0,85

0,90

0,88

19,792

0,77

0,86

0,91

0,89

20,269

0,79

Cronbach-Alpha:

0,95

RMR:

0,053

Erklarte Varianz (aus EFA):

82,33%

GFI:

0,971

g2-Wert/Freiheitsgrade:

(24,836/5) 4,97

AGFI:

0,914

CFI:

0,987

DEV:

0,78

0,11 1

Konstruktreliabilit~it:

0,95

RMSEA:

Tabelle 4-15. Messung des Konstrukts ,, Kundenloyalit~it"

4.3.3

Ergebnisse der Hypothesenpriifung

4.3.3.1

Z u m Basismodell der Determinanten und Konsequenzen des Regret

4.3.3.1.1

Parameterschfitzung des Basismodells

Der erste Schritt der empirischen Hypothesenprtifung bezieht sich auf die in Abschnitt 3.3 aufgestellten Hypothesen beziiglich der Einflussgr6Ben und der Konsequenzen des Regret. Die Uberprtifung des Wirkungsgeftiges erfolgt auf Basis eines kausalanalytischen Ansatzes, 182

wie in Abschnitt 4.2.2.1

beschrieben.

FUr die Berechnungen

kommt das Programm

AMOS 5.0 zum Einsatz. 584 Die Betrachtungen erfolgen unter Ausschluss des Pers6nlichkeitsmerkmals ,,Normative Geschlechtsrollenorientierung". Die ffir dieses Konstrukt postulierten geschlechtsspezifischen Unterschiede werden anhand eines gesonderten Partial-Modells im Rahmen einer Mehrgruppen-Kausalanalyse fiberprfift. Auch die Untersuchung des unterstellten moderierenden Einflusses des Konstrukts ,,Soziale Beeinflussbarkeit" auf die Beziehung zwischen Regret und Kundenloyalitfit erfolgt anhand einer gesonderten kausalanalytischen Untersuchung. Ffir das derart beschnittene Basismodell errechnen sich die folgenden, in Tabelle 4-16 dargestellten Werte ffir die ~-Teststatistik und die globalen AnpassungsmaBe. Gleichzeitig sind in Tabelle 4-16 vorgeschlagene Anspruchniveaus ffir diese Gfitekriterien bzw. entsprechende Vergleichswerte, die in anderen kausalanalytischen Studien als akzeptabel bezeichnet werden, dargestellt.

Im Hinblick auf die globalen Gfitekriterien ist festzustellen, dass sich ffir den Quotienten aus gZ-Wert und Freiheitsgraden ein sehr guter Wert von 1,865 (= 1,404,653 / 753) ergibt. Bei einer Beurteilung des Basismodells anhand der globalen Fit-Indices ffillt auf, dass die sehr hohen Schwellenwerte von HOMBURG/BAUMGARTNER nur bei CFI und RMSEA erreicht werden. Unter Be14icksichtigung der Tatsache, dass es sich bei dem vorliegenden Modell mit 10 latenten Variablen und 41 Indikatoren um ein sehr komplexes Modell handelt, kOnnen jedoch auch niedrigere Anspruchniveaus, die in vergleichbaren Studien gesetzt wurden, zur Anwendung kommen. Der Wert des GFI liegt auf e i n e m -

ffir komplexe Modelle -

befriedigenden Niveau. Die Werte von AGFI und RMR liegen auf einem noch akzeptablen Niveau. 585 Das Ausgangsmodell kann daher vorl~iufig akzeptiert werden.

584 Vgl. Arbuckle / Wothke (1999). 585 Die Werte von GFI und AGFI sind zudem von geringerer Relevanz zur Beurteilung der Anpassungsgfite unseres Modells als beispielsweise der RMSEA-Index. Die Begrfindung hier~r liegt in neuesten Erkenntnissen aus umfangreichen Simulationsstudien, die von der Verwendung des GFI und des AGFI zur Evaluation des globalen Fit eines Modells, mr das eine Parametersch~tzung mittels der ML-Methode durchge~hrt wurde, abraten. Dennoch finden der GFI und der AGFI in der relevanten Literatur immer noch h~ufig Anwendung, so dass diese beiden Werte aus Grfinden der Vergleichbarkeit auch in der vorliegenden Untersuchung dargestellt sind. Zur Empfehlung, auf die Verwendung von GFI und AGFI zu verzichten, vgl. Hu /Bentler (1998), S. 446 sowie Biihner (2004), S. 204. Die besondere Bedeutung des RMSEA liegt nicht nur darin, dass er ein MaB da~r ist, inwieweit das geprfifte Modell die Realit~t approximiert, sondem auch darin, dass dieser Index von Raykov insbes, f'ur die Pers6nlichkeitsforschung empfohlen wird. Vgl. Raykov (1998), S. 292.

183

Freiheitsgrade

(1404,653 / 753; p = 0) 1,865

GFI

0,825

AGFI

0,800

CFI

0,946

RMSEA

0,052

RMR

0,218

~< 2 < 2,5 < 3 < 10 > 0,95 > 0,90 0,821 0,79 > 0,90 0,853 0,763 0,71 > 0,95 > 0,90 < 0,08