Verhaltensorientierte Führung : Handeln, Lernen und Ethik in Unternehmen [2., überarb. und erw. Aufl] 9783834906519, 3834906514 [PDF]


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Verhaltensorientierte Führung : Handeln, Lernen und Ethik in Unternehmen [2., überarb. und erw. Aufl]
 9783834906519, 3834906514 [PDF]

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Zitiervorschau

Swetlana Franken Verhaltensorientierte Führung

Swetlana Franken

Verhaltensorientierte Führung Handeln, Lernen und Ethik in Unternehmen 2., überarbeitete und erweiterte Auflage

Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Dr. Swetlana Franken lehrt an der Fachhochschule Köln in den Fächern Führung und Interkulturelles Management im Hauptstudium sowie Innovationsmanagement und Lernende Unternehmen im Schwerpunkt General Management und leitet mehrere Praxisprojekte mit Unternehmen in NRW.

1. Auflage 2004 2. Auflage 2007 Alle Rechte vorbehalten © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Ulrike Lörcher | Katharina Harsdorf Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Ulrike Weigel, www.CorporateDesignGroup.de Druck und buchbinderische Verarbeitung: Wilhelm & Adam, Heusenstamm Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-0651-9

Vorwort

DiesesȱBuchȱrichtetȱsichȱanȱSie,ȱdieȱFührungskräfteȱderȱZukunft.ȱSieȱwerdenȱinȱeinȱPaarȱ JahrenȱGruppen,ȱAbteilungenȱundȱUnternehmenȱführenȱoderȱtunȱesȱschonȱheute.ȱWasȱ könnenȱSieȱheuteȱüberȱFührungȱlernen,ȱwasȱIhnenȱinȱeinemȱUnternehmenȱinȱderȱgloȬ balenȱ Wissensgesellschaftȱ 2010+ȱ zumȱ langfristigenȱ Erfolgȱ verhelfenȱ kann?ȱ Esȱ kannȱ kaumȱ umȱ fertige,ȱ allgemeingültigeȱ Führungsrezepteȱ gehen.ȱ Genausoȱ wenigȱ lohntȱ esȱ sich,ȱTheorienȱundȱAnsätzeȱauswendigȱzuȱlernen.ȱEsȱzähltȱnurȱdasȱEine:ȱselbstȱdenkenȱ undȱ handelnȱ lernen.ȱ Sehrȱ hilfreichȱ istȱ dabei,ȱ sichȱ mitȱ demȱ Wissenȱ derȱ Klassikerȱ undȱ modernerȱ Führungstheoretikerȱ sowieȱ mitȱ denȱ Erfahrungenȱ derȱ Unternehmenspraxisȱ auseinanderȱ zuȱ setzen,ȱ allerdingsȱ mitȱ demȱ Zielȱ einerȱ selbstständigenȱ Reflexionȱ undȱ kritischenȱÜberprüfung.ȱDasȱistȱdasȱeigentlicheȱZielȱdiesesȱBuchesȱȬȱIhnenȱverschiedeȬ neȱTheorienȱundȱKonzepteȱzuȱrelevantenȱBereichenȱderȱFührungȱzuȱpräsentierenȱundȱ IhnenȱAnregungenȱzumȱDenkenȱzuȱgeben.ȱ DasȱLehrbuchȱrichtetȱsichȱanȱkluge,ȱkreativeȱKöpfeȱȬȱzuȱjedemȱThemaȱwerdenȱmehrereȱ BetrachtungsperspektivenȱundȱAnsätzeȱdargestellt,ȱsodassȱSieȱimmerȱeineȱWahlȱhabenȱȱ zwischenȱ denȱ Theorienȱ diejenigeȱ auszuwählen,ȱ dieȱ Ihnenȱ alsȱ besondersȱ plausibel,ȱ überzeugendȱ undȱ praxisrelevantȱ erscheint.ȱ Dieseȱ Notwendigkeit,ȱ immerȱ selbstȱ entȬ scheidenȱ zuȱ müssen,ȱ entsprichtȱ derȱ Realitätȱ einesȱ Managersȱ undȱ bereitetȱ Sieȱ aufȱ dieȱ Zukunftȱvor.ȱ Wieȱwirdȱsieȱsein,ȱIhreȱZukunft?ȱSo,ȱwieȱSieȱsieȱschaffenȱwerden.ȱEinȱPessimistȱbewälȬ tigtȱdieȱZukunft,ȱwährendȱeinȱOptimistȱsieȱgestaltet.ȱUndȱdasȱistȱdieȱzentraleȱBotschaftȱ desȱBuches:ȱwirȱschaffenȱȬȱzusammenȱmitȱanderenȱMenschenȱȬȱunsȱselbstȱundȱunsereȱ unmittelbareȱUmweltȱundȱsindȱfürȱsieȱverantwortlich.ȱȱ Allerdingsȱ kannȱ man,ȱ ohneȱAnspruchȱ aufȱ eineȱ umfassendeȱ Vorhersage,ȱ einigeȱ allgeȬ meineȱTrendsȱerkennen,ȱdieȱunsereȱZukunftȱundȱspeziellȱdieȱFührungȱinȱUnternehmenȱ grundsätzlichȱbeeinflussenȱwerden.ȱDurchȱdenȱendgültigenȱÜbergangȱzurȱWissensgeȬ sellschaftȱ wirdȱ dieȱ Bedeutungȱ vonȱ Ideenȱ undȱ Innovationen,ȱ vonȱ Mitarbeiternȱ undȱ ihremȱkreativenȱPotenzialȱsowieȱvonȱeinemȱintelligentenȱWissensmanagementȱinȱUnȬ ternehmenȱweiterȱzunehmen.ȱUnternehmenȱalsȱganzesȱwerdenȱsichȱweiterȱöffnen,ȱseiȱ esȱOpenȱInnovationȱalsȱeinȱKonzeptȱderȱmitȱdenȱKunden,ȱLieferantenȱundȱKonkurrenȬ tenȱ zurȱ gemeinsamenȱ Produktentwicklung,ȱ oderȱ Corporateȱ Socialȱ Responsibilityȱ (CSR)ȱalsȱzunehmendeȱethischeȱVerantwortungȱeinesȱUnternehmensȱgegenüberȱseinenȱ Stakeholdern,ȱinklusiveȱderȱeigenenȱBelegschaft.ȱDarüberȱhinausȱwirdȱsichȱderȱbereitsȱ laufendeȱ Wertewandelȱ inȱ Richtungȱ postmaterialistischeȱ Werte,ȱ Selbstverwirklichungȱ undȱ Eigenverantwortungȱ vertiefenȱ undȱ neueȱ Führungskonzepteȱ undȱ Ȭmethodenȱ wieȱ partnerschaftlicheȱ undȱ werteorientierteȱ Führung,ȱ Empowermentȱ undȱ Identifikationȱ

Vorwort

erfordern.ȱ Dieȱ Führungsbeziehungenȱ werdenȱ immerȱ wenigerȱ aufȱ Anweisungenȱ undȱ Gehorsam,ȱsondernȱvielȱmehrȱaufȱeinerȱgegenseitigenȱBeeinflussungȱaufbauen.ȱ Umȱ dieseȱ Führungswendeȱ mitmachenȱ undȱ mitgestaltenȱ zuȱ können,ȱ sollteȱ eineȱ FühȬ rungskraftȱdieȱKunstȱderȱFührungȱbeherrschen:ȱverschiedeneȱtheoretischeȱAnsätzeȱanȱ dieȱPersonenȱundȱSituationenȱkreativȱanpassenȱundȱkontinuierlichȱdazulernen.ȱDafürȱ sindȱfundierteȱKenntnisseȱüberȱdasȱmenschlicheȱVerhaltenȱaufȱindividueller,ȱGruppenȬȱ undȱOrganisationsebeneȱnotwendig.ȱ DerȱAufbauȱdesȱLehrbuchesȱentsprichtȱdieserȱZielsetzung.ȱBegleitetȱvonȱeinemȱkurzenȱ ExkursȱinȱdieȱGeschichteȱderȱVerhaltenswissenschaftenȱwerdenȱdieȱAnforderungenȱanȱ moderneȱFührungskräfteȱdiskutiert,ȱdamitȱjederȱ(künftige)ȱManagerȱseineȱStärkenȱundȱ Schwächenȱeinschätzenȱundȱsichȱdementsprechendȱweiterȱentwickelnȱkann.ȱȱ ImȱTeilȱAȱ„IndividuellesȱVerhalten“ȱwerdenȱdieȱGrundbegriffeȱundȱTheorienȱderȱPerȬ sönlichkeitȱundȱIntelligenz,ȱsowieȱderȱWahrnehmung,ȱWissensrepräsentationȱundȱdesȱ LernensȱundȱHandelnsȱerläutert.ȱDerȱTeilȱwirdȱmitȱeinemȱÜberblickȱüberȱdieȱMotivatiȬ onstheorienȱundȱihrerȱUmsetzungȱinȱdieȱPraxisȱabgeschlossen.ȱȱ TeilȱBȱbeschäftigtȱsichȱmitȱderȱInteraktionȱzwischenȱMenschenȱundȱdemȱGruppenverȬ haltenȱ undȱ untersuchtȱ dieȱ Problemeȱ derȱ Kooperation,ȱ Kommunikationȱ sowieȱ GrupȬ penȬȱundȱTeamarbeit.ȱDieȱDarstellungȱvonȱtheoretischenȱAnsätzenȱwirdȱdurchȱpraktiȬ scheȱBeispieleȱundȱExkurseȱkonkretisiert.ȱ Imȱ Teilȱ Cȱ „Organisationsverhalten“ȱ handeltȱ esȱ sichȱ umȱ dasȱ Verhaltenȱ vonȱ großenȱ Handlungseinheiten.ȱ Esȱ werdenȱ Unternehmensethikȱ undȱ Ȭkultur,ȱ Führungȱ sowieȱ Lernenȱ undȱ Wissenȱ inȱ Unternehmenȱ diskutiert.ȱ Theorienȱ undȱ Ansätzeȱ werdenȱ auchȱ hierȱ durchȱ Unternehmensbeispieleȱ undȱ praktischeȱ Anwendungsempfehlungenȱ erȬ gänzt.ȱ Somitȱ schließtȱ sichȱ derȱ Kreisȱ zuȱ denȱ amȱAnfangȱ erläutertenȱ FührungskompeȬ tenzenȱaufȱeinerȱhöherenȱBetrachtungsebene.ȱȱ Imȱ Vergleichȱ zuȱ derȱ erstenȱ Auflageȱ desȱ Buchesȱ wurdeȱ derȱ Textȱ aufgrundȱ neuerȱ ErȬ kenntnisseȱ derȱ Verhaltenswissenschaftȱ undȱ Führungslehreȱ sowieȱ aktuellerȱ EntwickȬ lungȱinȱderȱUnternehmenspraxisȱkomplettȱüberarbeitet,ȱesȱsindȱeinigeȱmoderneȱMotiȬ vationsȬȱundȱFührungstheorien,ȱvieleȱPraxisbeispieleȱsowieȱdreiȱneueȱKapitelȱ„UnterȬ nehmensethik“,ȱ„QualitätȱderȱFührung“ȱ undȱ„IntelligentesȱUnternehmen“ȱeingeführtȱȱ worden.ȱȱ AufȱderȱWebsiteȱdesȱGablerȱVerlagsȱunterȱwww.gabler.deȱkönnenȱStudentenȱundȱDoȬ zentenȱFolienȱfürȱdiesesȱLehrbuchȱsowieȱweitereȱMaterialienȱfinden.ȱ Ichȱ hoffe,ȱ dassȱ Ihnenȱ diesesȱ Buchȱ fürȱ Ihreȱ persönlicheȱ undȱ fachlicheȱ WeiterentwickȬ lungȱbehilflichȱseinȱwirdȱundȱwünscheȱIhnenȱvielȱErfolgȱbeiȱderȱUmsetzungȱderȱKunstȱ derȱFührungȱinȱdieȱPraxis.ȱ ȱ Köln,ȱimȱJuliȱ2007ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱS.ȱFranken VIȱ

Inhalt

Vorwort .....................................................................................................................................V Inhalt ...................................................................................................................................... VII 1

FührungȱundȱVerhalten....................................................................................................1 1.1

KurzerȱExkursȱinȱdieȱGeschichteȱderȱVerhaltenswissenschaft ............................3

1.2

AnforderungenȱanȱFührungskräfteȱundȱFührungskompetenzen.....................11

TeilȱA:ȱIndividuellesȱVerhalten ...........................................................................................16 2

3

4

5

6

PersonȱundȱPersönlichkeit .............................................................................................18 2.1

BegriffeȱundȱDefinitionen ......................................................................................18

2.2

Persönlichkeitstheorien ..........................................................................................20

MenschlicheȱIntelligenz(en)...........................................................................................26 3.1

IntelligenzȱundȱIntelligenztheorien ......................................................................26

3.2

EmotionaleȱIntelligenz............................................................................................31

3.3

TheorieȱderȱmultiplenȱIntelligenzen.....................................................................33

Wahrnehmung.................................................................................................................36 4.1

DefinitionȱderȱWahrnehmung.ȱRolleȱdesȱGedächtnisses ...................................36

4.2

VisuelleȱWahrnehmung..........................................................................................40

4.3

GrenzenȱmenschlicherȱWahrnehmung.................................................................44

Wissensrepräsentation ...................................................................................................46 5.1

TheorieȱderȱWissensrepräsentation ......................................................................46

5.2

SubjektivitätȱundȱStabilitätȱdesȱWissens ..............................................................49

5.3

FormenȱdesȱWissens:ȱbeschreibendes,ȱprozessualesȱundȱemotionales ............51

5.4

ExplizitesȱundȱimplizitesȱWissen:ȱdieȱRolleȱdesȱBewusstseins .........................53

5.5

FormalisiertesȱWissen.............................................................................................55

IndividuellesȱLernen ......................................................................................................58 6.1

LernfähigkeitȱundȱLernen ......................................................................................58

Inhalt

6.2 7

FormenȱdesȱindividuellenȱLernens .......................................................................60

IndividuellesȱHandeln....................................................................................................66 7.1

GanzheitlichesȱModellȱdesȱHandelns...................................................................67

7.2

KognitiveȱKompetenzenȱderȱHandlungssteuerung ...........................................69

7.3

Verstand,ȱVernunftȱundȱEmotionenȱimȱHandeln................................................70

7.4

EthikȱdesȱindividuellenȱHandelns ........................................................................72

7.5

PhasenȱdesȱHandlungsprozesses ..........................................................................76

8

Motivation........................................................................................................................79 8.1

Ziele,ȱMotiveȱundȱMotivation................................................................................81

8.2

IntrinsischeȱundȱextrinsischeȱMotivation.............................................................83

8.3

Inhalt–UrsacheȬTheorien........................................................................................86

8.3.1

DieȱBedürfnistheorieȱvonȱAbrahamȱMaslow ............................................88

8.3.2

ERGȱTheorieȱvonȱC.ȱAlderfer ......................................................................90

8.3.3

HerzbergsȱZweiȬFaktorenȬTheorie.............................................................92

8.3.4

BedürfnisfaktorentheorieȱvonȱD.ȱC.ȱMcClelland......................................94

8.3.5

ProfilȱderȱfundamentalenȱMotiveȱnachȱS.ȱReiss........................................95

8.4

8.4.1

DieȱVIE–TheorieȱvonȱV.ȱVroom...................................................................97

8.4.2

ZirkulationsmodellȱvonȱL.ȱPorterȱundȱE.ȱLawler ...................................100

8.4.3

ZieltheorieȱvonȱE.ȱLocke ............................................................................102

8.4.4

LeistungsdeterminantenkonzeptȱvonȱJ.ȱBerthel .....................................104

8.5

MotivationȱinȱderȱUnternehmenspraxis.............................................................106

8.5.1

VariableȱEntgeltsystemeȱundȱRestrukturierungȱdesȱArbeitsprozesses106

8.5.2

MotivationȱundȱPersönlichkeit .................................................................108

8.5.3

KontrolleȱalsȱMotivationsinstrument .......................................................111

8.6

VIIIȱ

Prozesstheorien .......................................................................................................97

AbschaffenȱderȱDemotivation,ȱIdentifikationȱundȱPersonalentwicklung......113

8.6.1

Demotivation:ȱUrsachenȱundȱGegenmaßnahmen..................................113

8.6.2

IdentifikationȱundȱihreȱFörderung ...........................................................117

8.6.3

PersonalentwicklungȱalsȱMotivationsaufgabe ........................................120

Inhalt

TeilȱB:ȱInteraktionȱundȱGruppenverhalten .....................................................................125 9

Kooperation ...................................................................................................................126 9.1

KooperationsebenenȱundȱȬformen ......................................................................126

9.2

AktuelleȱKooperationstrends ..............................................................................130

9.3

BegriffȱundȱVoraussetzungenȱderȱKooperation ................................................132

9.4

VertrauenȱundȱKooperationsbereitschaft...........................................................134

9.5

FörderungȱvonȱKooperationen............................................................................136

10

Kommunikation ....................................................................................................139

10.1

DefinitionenȱundȱModelle....................................................................................140

10.2

VerbaleȱundȱnonverbaleȱKommunikation .........................................................143

10.3

Kommunikationstheorien ....................................................................................149

10.3.1

DerȱpsychologischeȱAnsatzȱvonȱF.ȱSchulzȱvonȱThun .............................149

10.3.2

TheorieȱderȱTransaktionsanalyseȱvonȱE.ȱBerne.......................................153

10.3.3 ȱ

KommunikationsgestaltungȱaufgrundȱdesȱModellsȱderȱPsycheȱȱ nachȱG.ȱRoth................................................................................................159

10.4

BetrieblicheȱKommunikation...............................................................................160

10.4.1

KommunikationsmedienȱinȱUnternehmen .............................................161

10.4.2

MitarbeitergesprächeȱinȱderȱUnternehmenskommunikation...............164

11

GruppenȱundȱGruppenprozesse .........................................................................168 11.1

ArtenȱundȱWirkungenȱvonȱGruppen..................................................................169

11.2

ArbeitsgruppenȱinȱUnternehmen .......................................................................172

11.3

TeamȱalsȱeineȱbesondereȱArbeitsgruppe ............................................................175

11.4

GruppenentwicklungȱundȱGruppenleistung ....................................................179

11.5

InteraktionȱinȱGruppen.ȱThemenzentrierteȱInteraktion...................................183

11.6

KonflikteȱinȱGruppen ...........................................................................................186

11.7

LernenȱinȱGruppen ...............................................................................................190

11.8

EmpfehlungenȱfürȱeinenȱGruppenleiter.............................................................193

TeilȱC:ȱOrganisationsverhalten..........................................................................................197 12

Unternehmenskultur ............................................................................................198

IXȱ

Inhalt

12.1

UnternehmenȱalsȱHandlungseinheit ..................................................................199

12.2

ZurȱBedeutungȱderȱUnternehmenskultur..........................................................201

12.3

DefinitionenȱderȱUnternehmenskultur ..............................................................203

12.4

ModelleȱderȱUnternehmenskultur ......................................................................205

12.5

WirkungenȱderȱUnternehmenskultur.................................................................211

12.6

AnalyseȱundȱGestaltungȱderȱUnternehmenskultur..........................................213

12.6.1

AnalyseȱderȱIstȬKultur ...............................................................................213

12.6.2

GestaltungȱderȱUnternehmenskultur.......................................................215

13

Unternehmensethik ..............................................................................................221

13.1

13.1.1

AnsätzeȱundȱBegriffeȱderȱUnternehmensethik .......................................222

13.1.2

EinigeȱInstrumenteȱzurȱRegelungȱderȱUnternehmensethik ..................226

13.2

EthikȱvonȱUnternehmen.......................................................................................228

13.2.1

EthikȱinȱderȱUnternehmensvisionȱundȱȬstrategie ...................................228

13.2.2

Beispiel:ȱUmweltbewusstseinȱundȱStrategie ...........................................231

13.2.3

StakeholderȱundȱihreȱInteressen...............................................................232

13.2.4

CorporateȱSocialȱResponsibilityȬBewegung............................................234

13.3

EthikȱinȱUnternehmen ..........................................................................................235

13.3.1

EthischesȱFührungsverhältnis...................................................................236

13.3.2

InstitutionelleȱRahmenbedingungenȱfürȱdieȱEthikȱinȱUnternehmen...238

13.3.3 ȱ

FührungsleitlinienȱalsȱnormativeȱAnforderungenȱanȱdieȱȱ Führungsethik.............................................................................................241

13.3.4

Führungskräfteethik ..................................................................................242

13.3.5

Mitarbeiterethik ..........................................................................................243

14

Führung..................................................................................................................246

14.1



TheoretischeȱGrundlagenȱderȱUnternehmensethik ..........................................222

GesellschaftlicherȱWertewandelȱundȱFührungsverständnis............................247

14.1.1

WertewandelȱundȱMenschenbilder ..........................................................247

14.1.2

ModernesȱFührungsverständnis...............................................................252

14.1.3

ZusammenspielȱderȱstrukturellenȱundȱinteraktivenȱFührung .............254

Inhalt

14.2

Führungsstile.........................................................................................................257

14.2.1

FührungsstilkontinuumȱvonȱTannenbaumȱundȱSchmidt......................257

14.2.2

ManagerialȱGridȱnachȱBlakeȱundȱMouton...............................................259

14.2.3

ModerneȱFührungsstiltypologien.............................................................261

14.2.4

FührungsstileȱinȱderȱPraxis .......................................................................263

14.3

Führungskonzepte ................................................................................................265

14.3.1

SituativeȱFührung.......................................................................................265

14.3.2

ZielorientierteȱFührung .............................................................................267

14.3.3

WerteorientierteȱFührung..........................................................................271

14.4

QualitätȱderȱFührung............................................................................................277

14.4.1

ZieleȱundȱQualitätskriterienȱderȱFührung...............................................278

14.4.2

MessungȱderȱFührungsqualität ................................................................281

14.4.3

EinȱKonzeptȱfürȱdieȱlangfristigeȱSicherungȱderȱFührungsqualität.......284

15

LernenȱundȱWissenȱinȱUnternehmen .................................................................286

15.1

TheorienȱdesȱorganisationalenȱLernens .............................................................287

15.1.1

DieȱTheorieȱvonȱCyertȱundȱMarch ...........................................................287

15.1.2

LerntheorieȱvonȱArgyrisȱundȱSchön.........................................................290

15.1.3

TheorieȱderȱlernendenȱOrganisationȱvonȱP.ȱSenge .................................292

15.1.4

WissensmanagementtheorieȱvonȱNonakaȱundȱȱTakeuchi .....................295

15.2

WissenȱinȱUnternehmen.ȱProblemeȱundȱManagement ....................................302

15.2.1

OrganisationalesȱWissen ...........................................................................302

15.2.2

BausteineȱdesȱWissensmanagements .......................................................304

15.2.3

WissensmanagementȱinȱderȱPraxisȱȱ.........................................................306

15.2.4

IntelligentesȱUnternehmen........................................................................309

Literaturverzeichnis..............................................................................................................315 Stichwortverzeichnis ............................................................................................................323 Autorin ...................................................................................................................................327

XIȱ

1

Führung und Verhalten

Wasȱbedeutetȱes,ȱMenschenȱzuȱführen?ȱWelcheȱEigenschaftenȱmachenȱeineȱguteȱFühȬ rungskraftȱaus?ȱAufgrundȱindividuellerȱVielfältigkeitȱgibtȱesȱkeinenȱIdealtypȱdesȱFühȬ rers1.ȱ Erfolgreicheȱ Managerȱ inȱ derȱ Praxisȱ könnenȱ sowohlȱ flinkȱ undȱ flexibelȱ alsȱ auchȱ sturȱundȱstarrsinnigȱsein,ȱsowohlȱbescheidenȱalsȱauchȱeitelȱundȱselbstbewusstȱwirken.ȱ Werȱ sichȱ fürȱ dieȱ Führungskarriereȱ entscheidet,ȱ mussȱ ohneȱ fertigeȱ Rezepteȱ anhandȱ persönlicherȱ Fähigkeiten,ȱ Fertigkeitenȱ undȱ Erfahrungenȱ seinenȱ eigenenȱ Führungsstilȱ finden.ȱEntscheidungenȱtreffenȱundȱVerantwortungȱübernehmen,ȱplanenȱundȱkontrolȬ lieren,ȱführenȱundȱorganisierenȱ–ȱdieseȱundȱvieleȱweitereȱTätigkeitenȱgehörenȱzuȱdenȱ Führungsaufgaben.ȱ DieseȱAufgabenȱ variierenȱ jeȱ nachȱ Brancheȱ undȱ Größeȱ desȱ UnterȬ nehmens,ȱ nachȱ derȱ Positionȱ undȱ Funktionenȱ derȱ Führungskraft,ȱ habenȱ aberȱ einsȱ geȬ meinsam:ȱ Führendeȱ beeinflussenȱ dasȱ Verhaltenȱ andererȱ Menschenȱ fürȱ gemeinsameȱ Zielerreichung.ȱȱ Alsȱ Unternehmensführungȱ (oderȱ Management)ȱ wirdȱ dieȱ zielgerichteteȱ Gestaltung,ȱ Lenkungȱ undȱ Entwicklungȱ vonȱ sozialenȱ (sozioȬtechnischen)ȱ Systemenȱ bzw.ȱ UnterȬ nehmenȱverstanden.2ȱUndȱdieȱFührungskräfteȱ(oderȱManager)ȱhabenȱdieȱAufgabe,ȱdasȱ Handelnȱ allerȱ Mitarbeiterȱ imȱ Unternehmenȱ aufȱ denȱ gemeinsamenȱ Erfolgȱ hinȱ auszuȬ richten.ȱ Inȱ diesemȱ Prozessȱ bildenȱ Strategieentwicklung,ȱ Organisation,ȱ Planungȱ undȱ Kontrolleȱ alsȱ Managementfunktionenȱ einenȱ konstituierendenȱ Rahmen,ȱ währendȱ dieȱ Führungȱ fürȱ einenȱ effizientenȱ Einsatzȱ derȱ Mitarbeiterȱ sorgt.ȱ Menschenȱ alsȱ Schöpferȱ vonȱIdeenȱundȱProduktenȱspielenȱinȱUnternehmenȱ–ȱauchȱbeiȱautomatisierterȱProdukȬ tionȱ–ȱdieȱentscheidendeȱRolle.ȱȱ Unternehmenȱ vonȱ heuteȱ werdenȱ mitȱ Herausforderungenȱ derȱ Wirtschaftȱ undȱ GesellȬ schaftȱ konfrontiert,ȱ dieȱ tiefgreifendeȱ Veränderungenȱ derȱ Führungȱ verlangen.ȱ Dieȱ Wettbewerbsituationȱ verschärftȱ sichȱ aufgrundȱ derȱ Internationalisierung,ȱ GlobalisieȬ rung,ȱ Ressourcenverknappungȱ sowieȱ Individualisierungȱ derȱ Kundenbedürfnisseȱ inȱ gesättigtenȱ Käufermärkten.ȱ Dieȱ neueȱ InformationsȬȱ undȱ Kommunikationstechnologieȱ (IuKȬTechnologie)ȱführtȱzurȱAuflösungȱvonȱUnternehmensgrenzenȱundȱUmgestaltungȱ vonȱOrganisationsstrukturenȱundȱȬprozessen.ȱGesellschaftlicheȱWerteȱundȱMenschenȬ bilderȱ sindȱ einemȱ Wandelȱ unterzogen,ȱ derȱ dieȱ Einstellungȱ zurȱ Umwelt,ȱ dieȱ AltersȬ strukturȱ vonȱ Kundschaftenȱ undȱ Belegschaften,ȱ denȱ Stellenwertȱ derȱ Arbeitȱ sowieȱ dieȱ AnsprücheȱanȱdenȱArbeitsplatzȱundȱdieȱFührungȱinȱUnternehmenȱbeeinflusst.ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 1ȱ 2ȱ

ImȱWeiterenȱwerdenȱausȱEinfachheitsgründenȱnurȱmännlicheȱFormenȱbenutzt,ȱwobeiȱVertreȬ terȱdesȱweiblichenȱundȱmännlichenȱGeschlechtsȱgemeintȱwerden.ȱ Vgl.ȱUlrich,ȱH.ȱManagement,ȱS.ȱ113;ȱBleicher,ȱK.ȱDasȱKonzeptȱIntegriertesȱManagement,ȱS.ȱ60.ȱ

1

Führung und Verhalten

UnterȱdiesenȱBedingungenȱistȱderȱErfolgȱeinesȱUnternehmensȱinȱersterȱLinieȱvonȱseinerȱ Innovationsfähigkeit,ȱFlexibilitätȱundȱKundenorientierungȱabhängig.ȱDadurchȱwächstȱ dieȱ Bedeutungȱ desȱ menschlichenȱ Faktorsȱ inȱ Unternehmen.ȱ Derȱ Menschȱ wirdȱ nichtȱ mehrȱnurȱalsȱeinȱRädchenȱinȱeinemȱbürokratischȱgeführtenȱHierarchiesystemȱangeseȬ hen,ȱsondernȱalsȱSchöpferȱvonȱIdeenȱundȱWerten,ȱalsȱPersönlichkeitȱmitȱindividuellenȱ Stärken,ȱ Fähigkeitenȱ undȱ Talenten.ȱ Dieȱ Vorstellungȱ vomȱ Unternehmenȱ alsȱ einerȱ MaȬ schine,ȱ woȱ einȱ Menschȱ zuȱ einemȱ Teilȱ desȱ technischenȱ Systemsȱ „Fabrik“ȱ degradiertȱ wurde,ȱgehörtȱderȱVergangenheitȱan.ȱ

Abb.ȱ1:ȱ

Unternehmensbildȱvonȱgesternȱ

ȱ

InȱderȱpostindustriellenȱGesellschaftȱistȱderȱBedarfȱanȱsolchenȱ„Rädchen“ȱohneȱEigenȬ initiativeȱ undȱ Verantwortungȱ starkȱ zurückgegangen.ȱ Dieȱ monotonen,ȱ körperlichenȱ Tätigkeitenȱ werdenȱ zunehmendȱ automatisiertȱ oderȱ inȱ Billiglohnländerȱ verlagert.ȱ Zugleichȱ steigenȱ dieȱ Anforderungenȱ anȱ dieȱ Qualifikationenȱ undȱ Kompetenzenȱ derȱ Mitarbeiter,ȱ dieȱ initiativȱ undȱ selbständigȱ handelnȱ müssen.ȱ Durchȱ ihreȱ KundenȬȱ undȱ Prozessnäheȱ verfügenȱ dieȱ Mitarbeiterȱ überȱ besondereȱ Potenzialeȱ inȱ Bezugȱ aufȱ EntȬ scheidungsfindung,ȱ Erfüllungȱ vonȱ Kundenbedürfnissenȱ undȱ Verbesserungsprozesse.ȱ FolglichȱsolltenȱsieȱmehrȱMachtȱbeiȱEntscheidungenȱundȱInnovationenȱbekommen.ȱDerȱ „empowerte“ȱ Menschȱ arbeitetȱ kompetent,ȱ eigenverantwortlichȱ undȱ kreativȱ undȱ trägtȱ zumȱUnternehmenserfolgȱbei.ȱȱ DieȱAufgabenȱ derȱ Führungȱ ändernȱ sichȱ radikalȱ undȱ sindȱdaraufȱ ausgerichtet,ȱ indiviȬ duellesȱWissen,ȱbesondereȱFähigkeiten,ȱKompetenzenȱundȱTalenteȱderȱMitarbeiterȱzuȱ entdeckenȱ undȱ fürȱ dasȱ Unternehmenȱ zuȱ erschließen.ȱ Dieseȱ könnenȱ allerdingsȱ nichtȱ erzwungen,ȱ sondernȱ nurȱ freiwilligȱ gegebenȱ werden.ȱ Anstelleȱ herkömmlicherȱ FühȬ rungsinstrumenteȱ wieȱ alleinigeȱ Entscheidungen,ȱ Arbeitsanweisungenȱ undȱ Kontrolle,ȱ tretenȱ individualisierte,ȱ kommunikativeȱ Führung,ȱ Interaktionȱ undȱ Unterstützungȱ selbständiger,ȱengagierterȱMitarbeiter.ȱDieȱneueȱFührungskraftȱsollteȱvorȱallemȱCoachȱ undȱ Entwicklerȱ fürȱ seineȱ Mitarbeiterȱ undȱ zugleichȱ Visionärȱ undȱArchitektȱ einerȱ förȬ dernderȱUnternehmenskulturȱsein.ȱDieȱUnternehmenszieleȱwerdenȱgemeinsam,ȱdurchȱ dieȱInteraktionȱundȱKooperationȱzwischenȱFührungskräftenȱundȱMitarbeiternȱdefiniertȱ 2ȱ

Kurzer Exkurs in die Geschichte der Verhaltenswissenschaft

undȱerreicht.ȱAusȱdieserȱPerspektiveȱändernȱsichȱdieȱAnforderungenȱanȱdieȱFührungsȬ kräfte:ȱ nebenȱ Fachkompetenzenȱ sollenȱ sieȱ Kreativität,ȱ Flexibilitätȱ undȱ Lernfähigkeitȱ sowieȱ sozialeȱ Kompetenzenȱ besitzen.ȱ Neueȱ Organisationsformenȱ undȱ Ȭmodelle,ȱ wieȱ TeamȬȱ undȱ Projektarbeit,ȱ strategischeȱ Allianzenȱ undȱ internationaleȱ Kooperationen,ȱ erfordernȱ einȱ menschlichesȱ Miteinander,ȱ inȱ demȱ dieȱ Personenȱ samtȱ ihrenȱ Emotionenȱ mitberücksichtigtȱwerden.ȱPersonifizierteȱFührungȱundȱMotivation,ȱoffeneȱKommuniȬ kation,ȱ lebenslangesȱ Lernen,ȱ Kreativitätȱ undȱ Flexibilität,ȱ kooperativerȱ Führungsstil,ȱ Unterstützungȱ vonȱ TeamȬȱ undȱ Unternehmenskulturȱ –ȱ dasȱ sindȱ dieȱ Schlüsselbegriffeȱ derȱerfolgreichenȱFührung.ȱ UmȱdieseȱFührungȱpraktizierenȱzuȱkönnen,ȱbrauchtȱeinȱManagerȱfundierteȱKenntnisseȱ überȱindividuellesȱundȱGruppenverhalten,ȱdieȱimȱRahmenȱderȱVerhaltenswissenschaftȱ entwickeltȱ werden.ȱ Einȱ kurzerȱ Exkursȱ inȱ dieȱ Geschichteȱ dieserȱ Disziplinȱ sollȱ einenȱ Überblickȱ überȱ ihreȱ wichtigstenȱ Richtungenȱ undȱ dieȱ fürȱ dieȱ Führungȱ relevantenȱ Grundlagenȱgeben.ȱ

1.1

Kurzer Exkurs in die Geschichte der Verhaltenswissenschaft

Dieȱ betriebswirtschaftlicheȱ Verhaltenswissenschaft3ȱ (auchȱ Verhaltenspsychologieȱ geȬ nannt)ȱistȱdieȱWissenschaftȱvomȱmenschlichenȱVerhaltenȱundȱbefindetȱsichȱimȱGrenzȬ gebietȱ zwischenȱ Psychologieȱ undȱ Unternehmensführung.ȱ Imȱ Kontextȱ derȱ Führungȱ beschäftigtȱsichȱdieȱVerhaltenswissenschaftȱmitȱdemȱVerhaltenȱvonȱMenschenȱinȱeinemȱ UnternehmenȱundȱseinemȱEinflussȱaufȱdieȱLeistungsfähigkeitȱdiesesȱUnternehmens.ȱ DenȱGegenstandȱderȱverhaltenswissenschaftlichenȱForschungȱbildenȱdreiȱDeterminanȬ tenȱdesȱVerhaltensȱinȱUnternehmen:ȱIndividuen,ȱGruppenȱundȱStrukturenȱ(OrganisaȬ tionȱ alsȱ Handlungseinheitȱ oderȱ ihreȱ Teile).ȱ Damitȱ hatȱ dieȱ Verhaltenswissenschaftȱ folȬ gendeȱThemenbereiche:ȱ

„ individuellesȱ Verhalten,ȱ Wahrnehmungȱ undȱ Gedächtnis,ȱ individuellesȱ Lernen,ȱ EntscheidungsfindungȱundȱMotivation;ȱ

„ Gruppenverhalten,ȱ Kooperation,ȱ Kommunikation,ȱ Teamarbeitȱ undȱ Lernenȱ inȱ Gruppen;ȱ

„ Organisationsverhalten,ȱ Unternehmenskulturȱ undȱ Ȭethik,ȱ Führungsstileȱ undȱ Ȭmethoden,ȱLernenȱundȱWissenȱinȱUnternehmen.ȱ AlleȱdreiȱEbenenȱdesȱVerhaltensȱsindȱmiteinanderȱverbunden,ȱdennȱsowohlȱGruppenȬȱ alsȱauchȱOrganisationsverhaltenȱbasiertȱaufȱdemȱVerhaltenȱeinzelnerȱIndividuen.ȱAufȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 3ȱ

ImȱenglischenȱSprachraumȱamȱbestenȱmitȱ„OrganizationalȱBehaviour“ȱgleichzusetzen.ȱ



1.1

1

Führung und Verhalten

jederȱ weiterenȱ Stufeȱ kommenȱ nochȱ zusätzlicheȱ Prozesseȱ dazu,ȱ dieȱ dasȱ Verhaltenȱ vonȱ größerenȱEinheitenȱbeeinflussen:ȱGruppenprozesseȱundȱOrganisationsprozesse.ȱ

Tabelleȱ1:ȱ ThemenbereicheȱderȱVerhaltenswissenschaft Verhaltensebenen

Themenbereiche der Verhaltenswissenschaft

Individuum

Persönlichkeit, Intelligenz(en), individuelles Lernen, Wahrnehmung und Gedächtnis, Wissensrepräsentation, individuelle Entscheidungsfindung, Motivation

Gruppe

Kooperation, Interaktion, Kommunikation, Gruppe und Gruppenprozesse, Team und Teamarbeit, Lernen in Gruppen

Unternehmen (oder sein Teil)

Unternehmenskultur, Unternehmensethik, Führung, Führungsstile und -methoden, organisationales Lernen, Wissen in Unternehmen

ȱ DieȱVerhaltenswissenschaftȱistȱkeineȱErfindungȱunsererȱZeit:ȱseitȱJahrhundertenȱversuȬ chenȱ Wissenschaftlerȱ menschlichesȱ Verhaltenȱ zuȱ verstehenȱ undȱ zuȱ beschreiben.ȱ Zumȱ Beispiel,ȱhabenȱdieȱPolitökonomenȱAdamȱSmithȱundȱRobertȱOwenȱbereitsȱimȱ18.ȱundȱ 19.ȱJahrhundertȱihrenȱTheorienȱmenschlicheȱVerhaltensweisenȱundȱEntscheidungsproȬ zesseȱzuȱGrundeȱgelegtȱundȱdenȱMenschenȱdabeiȱgrundsätzlichȱeinȱrationalesȱVerhalȬ tenȱunterstellt.ȱAnfangȱdesȱ20.ȱJh.ȱhatȱFrederickȱW.ȱTaylorȱversucht,ȱMotiveȱdesȱArbeiȬ terverhaltensȱ zuȱ untersuchenȱ undȱ mitȱ seinenȱ „Prinzipienȱ derȱ wissenschaftlichenȱ BeȬ triebsführung“ȱ dieȱ Arbeitsbereitschaftȱ undȱ Ȭproduktivitätȱ vonȱ Arbeiternȱ zuȱ erhöhen,ȱ wasȱgroßeȱBedeutungȱfürȱdieȱoptimaleȱGestaltungȱvonȱArbeitsplätzenȱundȱȬprozessenȱ hatte.ȱ Inȱdenȱ10erȱundȱ20erȱJahrenȱdesȱ20.ȱJh.ȱbekommtȱdieȱVerhaltenstheorieȱihreȱGestaltȱalsȱ Wissenschaft,ȱzuerstȱinȱFormȱdesȱBehaviorismusȱ(vonȱbehaviorȱ=ȱVerhalten).ȱDerȱBeȬ haviorismus,ȱvorȱallemȱderȱamerikanische,ȱistȱimmerȱnochȱdieȱbekanntesteȱTheorieȱdesȱ menschlichenȱ(undȱtierischen)ȱVerhaltens.ȱȱ DieȱForderung,ȱtierischesȱundȱmenschlichesȱVerhaltenȱnaturwissenschaftlich,ȱobjektivȱ zuȱuntersuchen,ȱwurdeȱbereitsȱgegenȱEndeȱdesȱ19.ȱJahrhundertsȱvonȱdemȱamerikaniȬ schenȱ Psychologenȱ Edwardȱ Thorndikeȱ (1874ȱ –ȱ 1949)ȱ erhoben.ȱ Fürȱ dasȱ Studiumȱ desȱ LernverhaltensȱvonȱHundenȱundȱKatzenȱhatȱThorndikeȱeinenȱVersuchskäfigȱerfunden,ȱ woȱ einȱ Tierȱ durchȱ zufälligeȱ Betätigungȱ einesȱ Pedalsȱ sichȱ befreienȱ undȱ Futterȱ bekomȬ menȱ konnte.ȱ Nachȱ einigenȱ Vorgängenȱ konnteȱ dasȱ Tierȱ lernen,ȱ dasȱ Pedalȱ gezieltȱ zuȱ betätigen.ȱ Fürȱ Thorndikeȱ bedeuteteȱ dies,ȱ dassȱ dieȱ Eintrittswahrscheinlichkeitȱ einesȱ Verhaltensȱdadurchȱerhöhtȱwerdenȱkann,ȱdassȱesȱpositiveȱKonsequenzenȱhat.ȱDieseȱArtȱ vonȱLernenȱnennenȱwirȱjetztȱLernenȱamȱErfolgȱoderȱoperanteȱKonditionierungȱ(s.ȱKaȬ pitelȱ6ȱ„IndividuellesȱLernen“).ȱ 4ȱ

Kurzer Exkurs in die Geschichte der Verhaltenswissenschaft

Einȱ andererȱ Typȱ vonȱ Lernenȱ wurdeȱ vonȱ demȱ russischenȱ Physiologenȱ Iwanȱ Pawlowȱ (1849ȱ –ȱ 1936)ȱ entdecktȱ undȱ beschriebenȱ –ȱ dieȱ klassischeȱ Konditionierung,ȱ dieȱ erȱ inȱ Experimentenȱ mitȱ Hundenȱ untersuchtȱ hat.ȱ Eineȱ natürlicheȱ Verhaltensreaktionȱ einesȱ Hundesȱ(Speichelfluss),ȱdieȱdurchȱdenȱAnblickȱdesȱFuttersȱausgelöstȱwird,ȱhatȱPawlowȱ mitȱeinemȱanderen,ȱneutralenȱReizȱ(Glockenzeichen)ȱverknüpft.ȱNachȱeinigenȱWiederȬ holungenȱdiesesȱVorgangsȱkamȱderȱSpeichelflussȱ(bedingteȱReaktion)ȱunmittelbarȱnachȱ demȱ Glockenzeichenȱ (bedingterȱ Reiz)ȱ ohneȱ Futterȱ zustandeȱ (s.ȱ Abbildung).ȱ Pawlowȱ meinte,ȱ dassȱ manȱ allesȱ Lernverhaltenȱ durchȱ eineȱ solcheȱ klassischeȱ Konditionierungȱ erklärenȱkann.ȱ

Abb.ȱ2:ȱ

TierexperimenteȱderȱBehavioristen:ȱdasȱHundȬExperimentȱȱvonȱI.ȱPawlowȱundȱdieȱ SkinnerȬBox4ȱȱ

ȱ

SeineȱendgültigeȱVerkörperungȱalsȱWissenschaftȱhatȱderȱBehaviorismusȱinȱdenȱWerkenȱ desȱ amerikanischenȱ Psychologenȱ Johnȱ Watsonȱ (1879ȱ –ȱ 1958)ȱ gefunden:ȱ basierendȱ aufȱ denȱTheorienȱvonȱThorndikeȱundȱPawlowȱhatȱerȱ1914ȱdasȱWerkȱ„Behavior:ȱAnȱIntroȬ ductionȱtoȱComparativeȱPsychology“ȱherausgegebenȱundȱseineȱLehreȱvonȱderȱKontrolȬ leȱundȱVoraussageȱvonȱVerhaltenȱbegründet.ȱNachȱWatsonsȱMeinungȱkannȱdasȱVerhalȬ tenȱ ausschließlichȱ überȱ dieȱ Beziehungȱ vonȱ Reizȱ undȱ Reaktionȱ erklärtȱ werden.ȱ Fürȱ tierischesȱ undȱ menschlichesȱ Verhaltenȱ geltenȱ dieselbenȱ „objektiven“ȱ Gesetze,ȱ undȱ zwarȱ dieȱ Lehreȱ vonȱ derȱ Veränderungȱ desȱ Verhaltensȱ nachȱ denȱ Prinzipienȱ derȱ klassiȬ schenȱundȱoperantenȱKonditionierung.ȱWatsonȱsprichtȱsichȱdafürȱaus,ȱdieȱpsychologiȬ scheȱForschungȱreinȱaufȱbeobachtbaresȱVerhaltenȱzuȱbeschränkenȱundȱdistanziertȱsichȱ vonȱallenȱmentalenȱProzessen,ȱdieȱdasȱVerhaltenȱbeeinflussenȱkönnen.ȱȱ DerȱwahrscheinlichȱbedeutendsteȱBehavioristȱF.ȱSkinnerȱ(1904ȱ–ȱ1990)ȱverbesserteȱundȱ verfeinerteȱ dieȱ Erforschungȱ desȱ tierischenȱ Verhaltens.ȱ Erȱ entwickelteȱ dieȱ nachȱ ihmȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 4ȱ

Vgl.ȱLefrancois,ȱG.R.ȱPsychologieȱdesȱLernens,ȱS.ȱ36.ȱ



1.1

1

Führung und Verhalten

genannteȱSkinnerȬBoxȱ(s.ȱAbbildungȱoben),ȱinȱderȱdieȱVersuchstiere,ȱvorȱallemȱTaubenȱ undȱ Ratten,ȱ nachȱ einemȱ Hebeldruckȱ oderȱ Pickenȱ aufȱ eineȱ Glasscheibeȱ mitȱ Futterȱ beȬ lohntȱ wurden.ȱ Skinnerȱ hatȱ dasȱ soȱ genannteȱ Lernenȱ durchȱ „Versuchȱ undȱ Irrtum“ȱ beȬ schrieben.ȱWennȱdieȱBelohnungȱdemȱerfolgreichenȱVerhaltenȱunmittelbarȱfolgt,ȱerzieltȱ manȱ dieȱ besteȱ Wirkung.ȱ Schlussfolgerndȱ hatȱ Skinnerȱ seineȱ Theorieȱ formuliert:ȱ allesȱ menschlicheȱundȱtierischeȱVerhaltenȱwirdȱüberȱVerstärkungsȬȱundȱVermeidungslernenȱ gesteuert,ȱd.h.ȱüberȱdieȱKonsequenzenȱdesȱVerhaltens.ȱDasȱbedeutet,ȱdassȱdasȱVerhalȬ tenȱsowohlȱvonȱTierenȱalsȱauchȱvonȱMenschenȱ–ȱsoȱkompliziertȱesȱimȱInnernȱdesȱOrgaȬ nismusȱauchȱzugehenȱmagȱ–ȱvonȱaußenȱgesteuertȱist.5ȱ AlleȱbehavioristischenȱAnsätzeȱhabenȱFolgendesȱgemeinsam:ȱsieȱbeschränkenȱsichȱaufȱ dieȱBeobachtungȱundȱBeschreibungȱderjenigenȱVerhaltensteile,ȱdieȱaußerhalbȱdesȱOrȬ ganismusȱzumȱVorscheinȱkommen.ȱEinȱMenschȱwirdȱvonȱdiesenȱVerhaltensforschernȱ alsȱMaschineȱohneȱfreienȱWillen,ȱseinȱVerhaltenȱalsȱErgebnisȱvonȱfrüherenȱErfahrungenȱ (vonȱLobȱundȱTadel)ȱbetrachtet.ȱDieseȱ„lernendenȱAutomaten“ȱwerdenȱdurchȱexterneȱ Ereignisseȱ undȱ nichtȱ durchȱ interneȱ Faktorenȱ (Wünsche,ȱ Motive,ȱ Triebe,ȱ Denkenȱ undȱ Einsichten)ȱ gesteuert.ȱ Sieȱ passenȱ sichȱ derȱ Umweltȱ vollkommenȱ anȱ undȱ sichernȱ daȬ durchȱihrȱÜberleben.ȱDabeiȱistȱfürȱdasȱgewünschteȱVerhaltenȱausreichendeȱKonditioȬ nierungȱ(durchȱhäufigesȱWiederholen)ȱnotwendigȱ–ȱdurchȱLobȱoderȱBelohnungȱaufȱderȱ einenȱ undȱ Bestrafungȱ aufȱ derȱ anderenȱ Seite.ȱ Durchȱ geschicktȱ gestalteteȱ Lernprozesseȱ (Reize)ȱkannȱmanȱjedeȱerwünschteȱReaktionȱhervorrufenȱundȱdasȱVerhaltenȱvonȱIndiȬ viduenȱbeliebigȱlenken.ȱ Dieȱ modernenȱ Erkenntnisseȱ derȱ Hirnforschung,ȱ Neurobiologieȱ undȱ Ȭpsychologieȱ zeiȬ genȱdieȱGrenzenȱdesȱBehaviorismusȱauf:ȱMenschenȱsindȱkeineȱlernendenȱAutomaten,ȱ sondernȱ einmaligeȱ Persönlichkeiten,ȱ dieȱ durchȱ komplexeȱ kognitiveȱ Prozesseȱ derȱ Wahrnehmung,ȱ Informationsverarbeitungȱ undȱ Entscheidungsfindung,ȱ inȱ denenȱ sichȱ ihreȱ Fähigkeiten,ȱ individuellenȱ Erfahrungenȱ undȱ Emotionenȱ widerspiegeln,ȱ gekennȬ zeichnetȱ werden.ȱ Esȱ istȱ äußerstȱ schwierig,ȱ dasȱ komplexeȱ menschlicheȱ Verhaltenȱ alsȱ KetteȱoperantȱkonditioniertenȱVerhaltensȱzuȱbeschreiben.ȱ Dieȱ(neu)behavioristischenȱTheorienȱsindȱimmerȱnochȱverbreitet,ȱinsbesondereȱinȱdenȱ USA:ȱ einigeȱ Lehrbücherȱ amerikanischerȱ Autorenȱ beschreibenȱ denȱ Behaviorismusȱ alsȱ einzigȱ richtigesȱ Lernkonzept6ȱ oderȱ sindȱ starkȱ geprägtȱ vonȱ derȱ behavioristischenȱ PerȬ spektive7.ȱAllerdingsȱ istȱ dieȱ Zuordnungȱ mancherȱ Namenȱ zuȱ einerȱ bestimmtenȱ RichȬ tungȱdiskussionswürdig.ȱVieleȱderȱWissenschaftlerȱundȱPsychologen,ȱdieȱderȱbehavioȬ ristischenȱ Traditionȱ zugeordnetȱ werden,ȱ wieȱAbrahamȱ Maslowȱ oderȱ Frederickȱ HerzȬ berg,ȱ habenȱ mitȱ ihrenȱ Motivationstheorienȱ undȱ ManagementȬEmpfehlungenȱ einenȱ wesentlichenȱBeitragȱzurȱEntwicklungȱderȱVerhaltenswissenschaftȱundȱFührungstheoȬ rieȱ geleistet.ȱ Ihreȱ Ideenȱ sindȱ zumȱ großenȱ Teilȱ immerȱ nochȱ aktuell,ȱ jedochȱ sollteȱ ihreȱ Anwendungȱ dieȱ modernenȱ Erkenntnisseȱ derȱ Verhaltenswissenschaftȱ (Kognitivismusȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 5ȱ 6ȱ 7ȱ



Vgl.ȱRoth,ȱG.ȱFühlen,ȱDenken,ȱHandeln,ȱS.ȱ31Ȭȱ35.ȱ Z.B.ȱCorell,ȱW.ȱVerstehenȱundȱlernenȱoderȱHilgardsȱEinführungȱinȱdieȱPsychologie.ȱ Z.B.ȱRobbins,ȱS.ȱP.ȱOrganisationȱderȱUnternehmung.ȱ

Kurzer Exkurs in die Geschichte der Verhaltenswissenschaft

undȱ Konstruktivismus)ȱ berücksichtigen,ȱ dieȱ Einmaligkeitȱ jedesȱ einzelnenȱ Menschenȱ undȱdenȱsubjektivenȱCharakterȱseinesȱWissensȱhervorheben.ȱ Seitȱ denȱ 50erȱ Jahrenȱ desȱ 20.ȱ Jh.ȱ hatȱ eineȱ neueȱ Äraȱ inȱ derȱ Verhaltenswissenschaftȱ beȬ gonnenȱ –ȱ dieȱ soȱ genannteȱ „kognitiveȱ Wende“ȱ brachȱ aus.ȱ Sieȱ wurdeȱ durchȱ dasȱ wachȬ sendeȱ Interesseȱ fürȱ dieȱ Prozesse,ȱ dieȱ imȱ Gehirnȱ ablaufen,ȱ verursachtȱ undȱ durchȱ ErȬ kenntnisseȱ vonȱ einigenȱ Verhaltensforschern,ȱ wieȱ z.B.ȱ KarlȱLashleyȱ (1890ȱ–ȱ 1958)ȱ überȱ Hirnmechanismenȱ derȱ mentalenȱ Aktivitätenȱ begründet.ȱ Lashleyȱ hatȱ 1948ȱ behauptet,ȱ „dassȱ Verhaltenȱ keineswegsȱ eineȱ bloßeȱ ReizȬReaktionsketteȱ sei,ȱ sondernȱ durchȱ einȱ internes,ȱ hierarchischȱ organisiertesȱ Systemȱ kontrolliertȱ werde.ȱ Anȱ derȱ Spitzeȱ diesesȱ SystemsȱstehenȱallgemeineȱPläneȱundȱAbsichten,ȱdieȱnachgeordnete,ȱkonkretereȱHandȬ lungsprogrammeȱ bisȱ hinunterȱ zuȱ denȱ Einzelaktionenȱ steuern.“8ȱ Dasȱ bedeutet,ȱ dassȱ menschlichesȱ Verhaltenȱ nichtȱ erstȱ alsȱ Antwortȱ aufȱ einenȱ Reizȱ zustandeȱ kommt,ȱ sonȬ dernȱdurchȱPlanung,ȱVorausschauȱundȱZieleȱgetriebenȱwird.ȱ GleichzeitigȱwurdeȱdieȱkognitiveȱWendeȱdurchȱdieȱErfolgeȱaufȱdenȱ GebietenȱderȱKyȬ bernetik,ȱ Informationstheorieȱ undȱ Künstlicheȱ Intelligenzȱ (verbundenȱ mitȱ solchenȱ beȬ kanntenȱ Wissenschaftlernȱ wieȱ Norbertȱ Wiener,ȱ Rossȱ Ashbyȱ undȱ Claudeȱ Shannon)ȱ vorangetrieben.ȱ Dieȱ kognitiveȱ Wendeȱ wurdeȱ inȱ derȱ Verhaltenspsychologieȱ durchȱ dieȱ Arbeitenȱ vonȱ Psychologenȱ wieȱ Donaldȱ Broadbentȱ undȱ Ericȱ Neisserȱ eingeleitet.ȱ Sieȱ habenȱ sichȱ mitȱ derȱ Informationsverarbeitungȱ imȱ Bereichȱ derȱ Symbole,ȱ Regelnȱ undȱ Überzeugungenȱ befasst.ȱHeuteȱnimmtȱderȱKognitivismusȱeinenȱbedeutsamenȱPlatzȱinȱdenȱpsychologiȬ schenȱundȱsoziologischenȱTheorienȱein.ȱȱ Derȱ KognitiveȱAnsatzȱ beschäftigtȱ sichȱ mitȱ demȱ „Warum“ȱ undȱ „Wie“ȱ unseresȱ VerhalȬ tensȱ undȱ untersuchtȱ dasȱ menschlicheȱ Gehirnȱ undȱ seineȱ Informationsverarbeitung:ȱ Wahrnehmung,ȱRepräsentationȱderȱWeltȱ(mentaleȱModelle),ȱGedächtnisȱundȱEntscheiȬ dung.ȱDadurchȱrücktȱdieȱPersönlichkeitȱeinesȱMenschenȱmitȱallenȱgeerbten,ȱanerzogeȬ nenȱundȱbewusstȱentwickeltenȱFähigkeitenȱundȱFertigkeitenȱinȱVordergrundȱderȱVerȬ haltenswissenschaft.ȱ DieȱGrundpostulateȱdesȱKognitivismusȱkönnenȱwieȱfolgtȱbeschriebenȱwerden:ȱ

„ menschlichesȱVerhaltenȱistȱmehrȱalsȱeineȱReizȬReaktionsȬKetteȱ(Passivität),ȱReaktiȬ onenȱsindȱnurȱzumȱTeilȱvonȱaußenȱsteuerbar;ȱȱ

„ EntwicklungȱistȱeinȱaktiverȱProzessȱeinesȱSubjektes,ȱdasȱmitȱErkenntnisfunktionenȱ ausgestattetȱ ist.ȱ Diesesȱ Subjektȱ bautȱ Erkenntnisȱ durchȱ dieȱ aktiveȱAuseinandersetȬ zungȱmitȱderȱUmweltȱauf;ȱȱ

„ HandelnȱwirdȱvonȱDenkvorgängenȱbestimmtȱundȱdamitȱ nichtȱnurȱvonȱ denȱäußeȬ renȱGegebenheiten;ȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 8ȱ

ZitiertȱnachȱRoth,ȱG.ȱFühlen,ȱDenken,ȱHandeln,ȱS.ȱ39.ȱ



1.1

1

Führung und Verhalten

„ dasȱBindegliedȱzwischenȱReizȱ(Umwelt)ȱundȱReaktionȱ(Verhalten)ȱistȱdieȱkognitiveȱ Repräsentation:ȱ Kodierungȱ undȱ Integrationȱ vonȱ Informationen,ȱ Reizenȱ undȱ UmȬ weltfaktorenȱinȱeinȱpersönlichesȱErfahrungsȬȱundȱDenksystem;ȱȱ

„ damitȱwerdenȱReizeȱnichtȱnurȱaufgenommen,ȱsondernȱauchȱeinerȱBewertungȱundȱ Verarbeitungȱunterzogen;ȱȱ

„ dieȱ kognitivenȱ Repräsentantenȱ werdenȱ bestimmtȱ durch:ȱ Inhaltȱ (Gegenstand,ȱ VerȬ haltenȱ vonȱ Personen);ȱ Informationskanalȱ (Inputȱ optisch,ȱ akustischȱ etc.)ȱ undȱ ihreȱ Artȱ(bildhaft,ȱdurchȱHandlung,ȱgedanklich,ȱsprachlich);ȱȱ

„ dieȱArtȱderȱkognitivenȱRepräsentationȱwandeltȱsichȱmitȱdemȱAlter,ȱvorȱallemȱqualiȬ tativ,ȱdamitȱistȱgeistigeȱEntwicklungȱnichtȱnurȱeineȱreineȱAnsammlungȱvonȱFakten,ȱ sondernȱeineȱdifferenzierterȱwerdendeȱKonstruktion;ȱ

„ beiȱ derȱAnpassungȱ gibtȱ esȱAkkommodationȱ (Individuumȱ passtȱ sichȱ selbstȱ anȱ dieȱ Umweltȱ an)ȱ undȱAssimilationȱ (Individuumȱ passtȱ dieȱ Umweltȱ anȱ sichȱ an),ȱ beidesȱ wechselseitigȱjeȱnachȱBedingungenȱdurchȱintelligentesȱDenkenȱundȱHandeln.ȱ ImȱGegensatzȱzuȱbehavioristischenȱAnsätzenȱmitȱModellenȱdesȱLernensȱalsȱklassischeȱ oderȱoperanteȱKonditionierung,ȱbedeutetȱdasȱLernenȱimȱKognitivismusȱvorȱallemȱdasȱ LernenȱdurchȱEinsichtȱoderȱdurchȱDenkenȱ(s.ȱKapitelȱ6ȱ„IndividuellesȱLernen“).ȱȱ Einerȱ derȱ Theoretikerȱ desȱ Kognitivismusȱ warȱ Edwardȱ C.ȱ Tolman,ȱ derȱ eineȱ ZeiȬ chenȬGestaltȬTheorieȱ entwickeltȱ undȱ denȱ Begriffȱ „kognitiveȱ Landkarten“ȱ eingeführtȱ hat.ȱ Tolmanȱ warȱ derȱ Meinung,ȱ dassȱ jedesȱ Verhaltenȱ zielgerichtetȱ istȱ undȱ daherȱ mitȱ bestimmtenȱ Erwartungenȱ verbundenȱ seinȱ muss.ȱ Einȱ Menschȱ handeltȱ demnachȱ desȬ halb,ȱweilȱerȱeineȱbestimmteȱErwartungȱinȱVerbindungȱmitȱseinemȱgeplantenȱTunȱhat.ȱ ErȱentwickeltȱVorstellungenȱvonȱseinerȱphysikalischenȱUmgebungȱ(kognitiveȱLandkarȬ ten)ȱ undȱ Erwartungen,ȱ dieȱ beinhalten,ȱ dassȱ diesesȱ Wissenȱ aufȱ eineȱ bestimmteȱ Weiseȱ belohntȱwerdenȱwird.ȱȱ Dieȱ ZeichenȬGestaltȬTheorieȱ Tolmansȱ könnteȱ manȱ alsȱ Übergangȱ vonȱ denȱ verhaltensȬ orientiertenȱ zuȱ denȱ kognitivenȱ Konzeptenȱ derȱ Lerntheorienȱ bezeichnen,ȱ daȱ sieȱ dreiȱ verschiedeneȱEbenenȱdesȱLernensȱdifferenziert:ȱdieȱuntersteȱEbeneȱbildenȱdieȱbedingȬ tenȱ Reflexe,ȱ dannȱ folgenȱ Versuchȱ undȱ Irrtumȱ undȱ zuletztȱ dasȱ Lernenȱ durchȱ Einsicht.ȱ DieȱTheorieȱnimmtȱan,ȱdassȱjedesȱLernenȱzielgerichtetȱabläuftȱundȱderȱLernendeȱȈnichtȱ Bewegungen,ȱsondernȱBedeutungenȱlerntȈ.ȱ Aufȱ derȱ Grundlageȱ desȱ kognitivenȱ Ansatzesȱ sindȱ zahlreicheȱ MotivationsȬȱ undȱ FühȬ rungstheorienȱ entstanden,ȱ z.B.ȱ vonȱ V.ȱ Vroom9ȱ oderȱ vonȱ Porter/Lawler10,ȱ dieȱ sichȱ anȬ stattȱ mitȱ offensichtlichen,ȱ messbarenȱ Verhaltensweisenȱ mitȱ denȱ vomȱ Individuumȱ wahrnehmbarenȱ Größenȱ befassen.ȱ Inȱ derȱ Erwartungstheorieȱ vonȱ Vroomȱ sindȱ esȱ beiȬ spielsweiseȱErwartungen,ȱInstrumentalitätȱundȱValenzȱ(s.ȱKapitelȱ8ȱ„Motivation“).ȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 9ȱ Vroom,ȱV.ȱH.ȱWorkȱandȱMotivation.ȱ 10ȱ Porter,ȱL.ȱW.ȱundȱLawler,ȱE.ȱE.ȱManagerialȱAttitudesȱundȱPerformance.ȱ



Kurzer Exkurs in die Geschichte der Verhaltenswissenschaft

EineȱweitereȱEntwicklungȱundȱentsprechendeȱWendeȱkommtȱinȱderȱVerhaltenspsychoȬ logieȱinȱdenȱ1970Ȭ80erȱJahrenȱunterȱdemȱEinflussȱdesȱphilosophischenȱSubjektivismusȱ zustande.ȱ Dieȱ Bezeichnungȱ dieserȱ Richtungȱ alsȱ „Konstruktivismus“ȱ betontȱ denȱ subȬ jektivenȱ Charakterȱ unseresȱ Wissensȱ überȱ dieȱ Welt,ȱ dasȱ alsȱ Konstruktȱ derȱ Realitätȱ inȱ jedemȱeinzelnenȱKopfȱentsteht.ȱDerȱkonstruktivistischeȱAnsatzȱstütztȱsich,ȱgenausoȱwieȱ derȱKognitivismus,ȱaufȱErgebnisseȱderȱmodernenȱNeuropsychologieȱüberȱdieȱSubjekȬ tivitätȱmenschlicherȱWahrnehmungȱundȱWissensrepräsentation,ȱgehtȱaberȱeinenȱSchrittȱ weiter:ȱNichtȱnurȱunsereȱVorstellungȱvonȱderȱWelt,ȱsondernȱauchȱunsereȱsozialeȱRealiȬ tätȱistȱeinȱKonstruktȱmenschlichenȱHandels.ȱȱ Dieȱ Sinneswahrnehmungȱ desȱ Menschenȱ bildetȱ dieȱ Wirklichkeitȱ nichtȱ ontologischȬ objektivȱ ab,ȱ wieȱ sieȱ anȱ sichȱ istȱ (wasȱ manȱ übrigensȱ wederȱ beweisenȱ nochȱ widerlegenȱ kann),ȱsondernȱjedesȱIndividuumȱkonstruiertȱseineȱWirklichkeitȱreinȱsubjektiv,ȱindemȱ esȱdieȱdurchȱdieȱSinneȱaufgenommenenȱInformationenȱaufȱderȱGrundlageȱseinerȱperȬ sönlichenȱ Erfahrungenȱ undȱ seinesȱ Wissensȱ überȱ dieȱ Weltȱ verarbeitet.ȱ Durchȱ diesenȱ informationstheoretischenȱ Ansatz,ȱ dassȱ jederȱ Menschȱ seineȱ eigeneȱ Wirklichkeitȱ entȬ wirft,ȱdieȱmitȱkeinerȱanderenȱWahrnehmungȱeinesȱzweitenȱIndividuumsȱhundertproȬ zentigȱ übereinstimmt,ȱ gelangteȱ dieȱ kognitiveȱ Psychologieȱ zuȱ ihrerȱ Grundthese,ȱ dassȱ Wahrnehmung,ȱ Verstehenȱ undȱ Lernenȱ gehirnphysiologischeȱ Konstruktionsprozesseȱ derȱ geistigenȱ Operationenȱ desȱ tätigenȱ Subjektsȱ sind,ȱ dasȱ inȱ seinerȱ informationsaufȬ nehmendenȱundȱȬverarbeitendenȱIndividualitätȱeinzigartigȱist.ȱ DaȱmenschlicheȱWahrnehmungȱaufȱindividuellȱmentalerȱSinnkonstruktionȱbasiert,ȱdieȱ neurophysiologischȱimȱmenschlichenȱGehirnȱabläuft,ȱgehenȱwirȱalsȱlebendeȱundȱdenȬ kendeȱOrganismenȱniemalsȱmitȱderȱWirklichkeitȱanȱsichȱum,ȱsondernȱwirȱhabenȱesȱnurȱ mitȱjenerȱWirklichkeitȱzuȱtun,ȱdieȱwirȱüberȱunsereȱSinnesorganeȱerfahren,ȱalsoȱunsereȱ kognitiveȱ Realität,ȱ dieȱ wirȱ ausȱ unserenȱ Wahrnehmungenȱ derȱ Wirklichkeitȱ (re)konstruieren.ȱ FürȱdenȱKonstruktivismusȱistȱWissenȱkeinȱAbbildȱderȱexternenȱRealität,ȱsondernȱeineȱ FunktionȱdesȱErkenntnisprozesses.ȱDerȱKonstruktivismusȱbetontȱdieȱaktiveȱInterpretaȬ tionȱ desȱ erkennendenȱ Subjektsȱ (desȱ Individuums),ȱ denȱ Prozessȱ derȱ aktuellenȱ KonȬ struktionȱvonȱSinnȱundȱBedeutung.ȱȱ EinȱbesondersȱgroßerȱWertȱwirdȱimȱKonstruktivismusȱaufȱdieȱmenschlicheȱKommuniȬ kationȱ gelegt,ȱ weilȱ sieȱ unsereȱ einzigeȱ Verbindungȱ zuȱ derȱ Weltȱ undȱ zuȱ denȱ MitmenȬ schenȱ ist.ȱ Soȱ behauptetȱ einerȱ derȱ Begründerȱ desȱ Konstruktivismusȱ Paulȱ Watzlawickȱ (1921ȱ Ȭȱ 2007),ȱ dassȱ „dieȱ soȱ genannteȱ Wirklichkeitȱ dasȱ Ergebnisȱ vonȱ Kommunikationȱ ist“ȱ 11.ȱ Kommunikationȱ wirdȱ vonȱ modernenȱ Konstruktivistenȱ (z.ȱ B.ȱ demȱ VerhaltensȬ psychologenȱ Gerhardȱ Roth)ȱ alsȱ „wechselseitigeȱ bzw.ȱ paralleleȱ Konstruktionȱ vonȱ BeȬ deutungȱ zwischenȱ zweiȱ oderȱ mehrȱ Partnern“12ȱ verstanden.ȱ Kommunikativesȱ VersteȬ henȱbasiertȱvorȱallemȱaufȱderȱExistenzȱähnlicherȱErfahrungskontexteȱinȱdenȱGehirnenȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 11ȱ Watzlawick,ȱP.ȱWieȱwirklichȱistȱdieȱWirklichkeit?ȱS.ȱ7.ȱ 12ȱ Roth,ȱG.ȱFühlen,ȱDenken,ȱHandeln,ȱS.ȱ422.ȱ



1.1

1

Führung und Verhalten

beiderȱ Partnerȱ undȱ aufȱ demȱ aktuellenȱ Konstruierenȱ dieserȱ Kontexteȱ imȱ laufeȱ derȱ Kommunikationȱ(s.ȱKapitelȱ10ȱ„Kommunikation“).ȱȱ Nachȱ H.ȱ Maturanaȱ undȱ F.ȱ Varela13ȱ habenȱ wirȱ „nurȱ dieȱ Welt,ȱ dieȱ wirȱ zusammenȱ mitȱ anderenȱ hervorbringen“.ȱ Derȱ chilenischeȱ Neurobiologeȱ Humbertoȱ Maturanaȱ hatȱ inȱ seinenȱ Werkenȱ dieȱ soȱ genanntenȱ „konsensuellenȱ Bereiche“ȱ beschrieben,ȱ dieȱ fürȱ dasȱ Verständnisȱ inȱ derȱ Kommunikationȱ notwendigȱ sind.ȱ Seinȱ Schüler,ȱ Neurobiologeȱ undȱ Philosophȱ Franciscoȱ Varelaȱ hatȱ dieȱ konstruktivistischeȱ „Naturwissenschaftȱ desȱ DenȬ kensȱundȱErkennens“ȱentwickelt.ȱ Dieȱ konstruktivistischeȱ Wendeȱ inȱ derȱ Verhaltenswissenschaftȱ gehtȱ mitȱ derȱ aktuellenȱ gesellschaftlichenȱ Entwicklungȱ einher,ȱ dieȱ eineȱ aktiveȱ Rolleȱ jedesȱ Bürgersȱ inȱ einerȱ Gesellschaftȱ undȱ jedesȱ Mitarbeitersȱ inȱ einemȱ Unternehmenȱ hervorhebt.ȱ Dieȱ zentraleȱ TheseȱdesȱKonstruktivismusȱistȱdieȱVerantwortungȱjedesȱEinzelnenȱfürȱdieȱzusammenȱ mitȱAnderenȱgeschaffeneȱsozialeȱRealität.ȱNachȱPaulȱWatzlawickȱführtȱkonstruktivistiȬ scheȱ Anschauungȱ dazu,ȱ „denȱ denkendenȱ Menschenȱ undȱ ihnȱ alleinȱ fürȱ seinȱ Denken,ȱ WissenȱundȱsomitȱauchȱfürȱseinȱTun,ȱverantwortlichȱzuȱmachen.ȱHeute,ȱdaȱBehaviorisȬ tenȱ nachȱ wieȱ vorȱ alleȱ Verantwortungȱ aufȱ dieȱ Umweltȱ schiebenȱ undȱ Soziobiologenȱ einenȱgroßenȱTeilȱdavonȱaufȱdieȱGeneȱabwälzenȱmöchten,ȱistȱeineȱLehreȱungemütlich,ȱ dieȱandeutet,ȱdassȱwirȱdieȱWelt,ȱinȱderȱwirȱzuȱlebenȱmeinen,ȱunsȱselbstȱzuȱverdankenȱ haben.ȱDasȱist,ȱwasȱderȱKonstruktivismusȱletztenȱEndesȱsagenȱwill…“14ȱ Dieȱ konstruktivistischeȱ Denkweiseȱ hatȱ sichȱ inȱ denȱ letztenȱ zwanzigȱ Jahrenȱ inȱ derȱ geȬ sellschaftlichenȱundȱunternehmerischenȱPraxisȱausgebreitet,ȱwasȱihrenȱfürȱunsereȱZeitȱ authentischenȱ Charakterȱ belegt.ȱ Dieȱ Ideenȱ derȱ Einmaligkeitȱ jedesȱ Individuums,ȱ derȱ Eigenverantwortungȱ undȱ Eigeninitiative,ȱ derȱ Wichtigkeitȱ desȱ sozialenȱ Miteinandersȱ sindȱzumȱanerkanntenȱAllgemeingutȱwestlicherȱGesellschaftenȱgeworden.ȱȱ Unternehmensführungȱ wirdȱ ideologischȱ neuȱ gestaltet:ȱ dieȱ konstruktivistischeȱ PerȬ spektiveȱruftȱradikaleȱVeränderungenȱinȱderȱstrategischenȱPlanung,ȱinȱdenȱFührungsȬȱ undȱMarketingkonzepten,ȱinȱderȱGestaltungȱderȱUnternehmenskulturȱundȱUnternehȬ mensethik,ȱimȱWissensmanagementȱundȱanderenȱBereichenȱhervor.ȱDieȱWirtschaftsakȬ tivitätenȱ werdenȱ nichtȱ alsȱ bloßeȱ Anpassungȱ anȱ dieȱ gegebeneȱ Umwelt,ȱ sondernȱ alsȱ „KonstruierenȱvonȱMärktenȱundȱZukünften“15ȱbetrachtet.ȱDasȱProblemȱderȱethischenȱ Verantwortungȱ einesȱ Unternehmensȱ gegenüberȱ denȱ eigenenȱ Mitarbeitern,ȱ Kundenȱ undȱ derȱ Gesellschaftȱ istȱ aktuellerȱ dennȱ je.ȱ Fürȱ dieȱ Führungȱ werdenȱ sozialerȱ Kontextȱ undȱ sozialenȱ Kompetenzenȱ immerȱ wichtiger.ȱ Imȱ Einklangȱ mitȱ demȱ konstruktivistiȬ schenȱAnsatzȱsindȱeinigeȱneueȱFührungskonzepteȱentstanden,ȱz.ȱB.ȱcharismatischeȱundȱ transformationaleȱ Führungȱ (s.ȱ Kapitelȱ 14ȱ „Führung“).ȱ Währendȱ dieȱ traditionellenȱ Führungskonzepteȱ aufgabenȬȱ undȱ personenorientiertȱ sind,ȱ „beschreibenȱ charismatiȬ scheȱTheorienȱFührungȱimȱHinblickȱaufȱzuȱartikulierendeȱZukunftsvisionenȱundȱAufȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 13ȱ Maturana,ȱH.R.;ȱVarela,ȱP.ȱDerȱBaumȱderȱErkenntnis,ȱS.ȱ267.ȱ 14ȱ Watzlawick,ȱP.(Hrsg.)ȱDieȱerfundeneȱWirklichkeit,ȱS.ȱ17.ȱ 15ȱ Vgl.ȱHejl,ȱP.ȱM.;ȱStahl,ȱH.ȱK.(Hrsg.)ȱManagementȱundȱWirklichkeit.ȱ

10ȱ

Anforderungen an Führungskräfte und Führungskompetenzen

gaben...ȱ Charismatischeȱ Führerȱ entwickelnȱ fürȱ ihreȱ Geführtenȱ Zukunftserwartungenȱ undȱHerausforderungenȱundȱzeigenȱVertrauenȱinȱundȱRespektȱfürȱsie.“16ȱCharismatiȬ scheȱFührungȱstelltȱdieȱEmotionenȱderȱMitarbeiter,ȱihreȱSelbstwertschätzung,ȱihrȱVerȬ trauenȱ inȱ dieȱ Führungsperson,ȱ ihreȱ Werteȱ undȱ ihreȱ Persönlichkeitȱ inȱ Mittelpunkt.ȱ Unterȱ transformationalerȱ (oderȱ wertorientierter)ȱ Führungȱ wirdȱ eineȱ ganzheitlicheȱ Beeinflussungȱ desȱ Verhaltensȱ undȱ derȱ Persönlichkeitȱ einesȱ Mitarbeitersȱ verstanden,ȱ dieȱaufȱderȱBasisȱgegenseitigenȱVertrauensȱundȱWertschätzungȱinȱFormȱdesȱCoachingȱ stattfindet.ȱ Dieseȱ Veränderungenȱ bestätigenȱ dieȱ Aktualitätȱ derȱ konstruktivistischenȱ PerspektiveȱundȱihreȱdeȱfactoȱstattgefundeneȱAusbreitungȱinȱderȱwirtschaftlichenȱReaȬ lität.ȱ SchlussfolgerndȱstelltȱsichȱdieȱFrage,ȱinwieweitȱsichȱalleȱdreiȱTheorienȱderȱVerhaltensȬ psychologieȱ –ȱ Behaviorismus,ȱ Kognitivismusȱ undȱ Konstruktivismusȱ –ȱ gegenseitigȱ ausschließen.ȱManȱsollteȱeherȱvonȱeinerȱgegenseitigenȱBereicherungȱsprechen:ȱdieȱdreiȱ RichtungenȱergänzenȱsichȱundȱkönnenȱunterȱbestimmtenȱBedingungenȱeinzelnȱoderȱinȱ Kombinationȱ benutztȱ werden.ȱ Dieȱ behavioristischenȱ Motivationstheorienȱ (z.B.ȱ vonȱ MaslowȱoderȱHerzberg)ȱ lassenȱ sichȱ durchȱkognitiveȱ Motivationstheorienȱ vonȱ Vroom,ȱ Porterȱ/ȱLawlerȱoderȱLockeȱerweiternȱundȱbildenȱzusammenȱeineȱMethodenpalette,ȱdieȱ jedemȱManagerȱbeiȱderȱAuswahlȱderȱinȱderȱbestimmtenȱSituationȱgeeignetenȱMotivatiȬ onsmethodeȱ zurȱ Verfügungȱ steht.ȱ Dieȱ konstruktivistischeȱ Denkweiseȱ erfordertȱ dabeiȱ dieȱ Personifizierungȱ derȱ Führung,ȱ weilȱ dieȱ Mitarbeiterȱ subjektivȱ wahrnehmenȱ undȱ entscheiden,ȱvonȱihrenȱVorstellungenȱundȱErfahrungenȱgeprägtȱsindȱundȱdementspreȬ chendȱ individuellȱ geführtȱ undȱ motiviertȱ werdenȱ sollen.ȱ Dabeiȱ gewinnenȱ dieȱ soȱ geȬ nanntenȱ„weichenȱFaktoren“ȱwieȱUnternehmenskultur,ȱArbeitsklimaȱundȱIdentifikatiȬ onȱmitȱeinerȱGruppeȱundȱeinemȱUnternehmenȱanȱBedeutung.ȱ DieȱNotwendigkeit,ȱvieleȱAnsätzeȱundȱPerspektivenȱimȱFührungsverhaltenȱzuȱbenutȬ zen,ȱeineȱbreiteȱMethodenpaletteȱparatȱzuȱhaben,ȱdieȱanȱindividuelleȱBedürfnisseȱundȱ ZieleȱderȱMitarbeiterȱangepasstȱwerdenȱsoll,ȱsowieȱdieȱgemeinsameȱVerantwortungȱfürȱ dieȱUnternehmensrealitätȱstellenȱ anȱ dieȱ modernenȱ Führungskräfteȱ hoheȱAnforderunȬ gen.ȱ

1.2

Anforderungen an Führungskräfte und Führungskompetenzen

Moderneȱ Führungskräfteȱ müssenȱ dieȱ Potenzialeȱ ihrerȱ Mitarbeiterȱ erkennen,ȱ entwiȬ ckelnȱundȱoptimalȱnutzen,ȱumȱeinenȱlangfristigenȱUnternehmenserfolgȱzuȱsichern,ȱundȱ esȱgibtȱdafürȱkeineȱMusterlösungenȱundȱfertigenȱRezepte.ȱJederȱpraktizierendeȱManaȬ gerȱ gelangtȱ aufgrundȱ vonȱ persönlichenȱ Eigenschaftenȱ undȱ Fähigkeiten,ȱ vonȱ spezifiȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 16ȱ ZitiertȱnachȱWeinert,ȱA.B.ȱOrganisationspsychologie,ȱS.ȱ475.ȱ

11ȱ

1.2

1

Führung und Verhalten

schemȱ Wissenȱ undȱ Erfahrungenȱ zuȱ seinerȱ eigenenȱ Konzeptionȱ derȱ „richtigen“ȱ FühȬ rung,ȱ dieȱ anȱ Situationenȱ undȱ Personenȱ angepasstȱ wird.ȱ Gleichzeitigȱ schafftȱ derȱ FühȬ rendeȱ zusammenȱ mitȱ seinenȱ Kommunikationspartnernȱ (Untergebenen,ȱ Vorgesetzten,ȱ Kollegen,ȱ Kunden,ȱ Lieferantenȱ etc.)ȱ aufȱ mehrerenȱ Ebenenȱ desȱ Wirtschaftslebensȱ eineȱ eigeneȱ Realitätȱ (erfolgreiche/nichtȱ erfolgreicheȱ Teamarbeit,ȱ positives/negativesȱ ArȬ beitsklima,ȱ eineȱ exemplarischeȱ Unternehmenskultur,ȱ unternehmensübergreifendeȱ horizontaleȱundȱvertikaleȱNetzwerkeȱusw.).ȱInsoweitȱistȱsowohlȱdieȱinterneȱOrganisatiȬ onȱ einesȱ Unternehmensȱ alsȱ auchȱ seineȱ (wahrgenommene)ȱ Umweltȱ immerȱ nurȱ eineȱ konstruierteȱWirklichkeit.ȱ UmȱdiesenȱvielfältigenȱAnforderungenȱgerechtȱzuȱwerden,ȱbrauchtȱeineȱFührungskraftȱ einȱganzesȱBündelȱvonȱKompetenzen,ȱvorȱallemȱfachlicheȱundȱsozialeȱKompetenzen.ȱȱ DieȱTheorieȱderȱHandlungskompetenzȱgehtȱweitȱinȱdieȱGeschichteȱzurück:ȱbereitsȱdieȱ altenȱGriechenȱhabenȱeinȱ3ȬKomponentenȬModellȱfürȱdieȱHandlungskompetenzȱeinerȱ Personȱentwickeltȱ–ȱdieȱEinheitȱausȱKopf,ȱHerzȱundȱHand.ȱDieȱPädagogenȱderȱAufkläȬ rungszeitȱ (z.ȱ B.ȱ Pestalozzi)ȱ habenȱ esȱ ähnlichȱ betrachtet:ȱ fürȱ kompetentesȱ Handelnȱ brauchtȱmanȱtheoretischesȱWissenȱ(Verstand),ȱeineȱemotionaleȱEinstellungȱ(Geist)ȱundȱ dieȱ Fähigkeit,ȱ diesȱ inȱ dieȱ Praxisȱ umzusetzenȱ (Umsetzung).ȱ Folglichȱ kannȱ manȱ zwiȬ schenȱ kognitivenȱ (Verstand,ȱ Kenntnisse),ȱ emotionalenȱ (Gefühle,ȱ Einstellungen)ȱ undȱ konativenȱ(praktischeȱUmsetzung)ȱKompetenzenȱunterscheiden.ȱ ModerneȱWissenschaftlerȱgliedernȱdieȱHandlungskompetenzȱeinesȱManagersȱinȱähnliȬ cheȱKomponenten.ȱNachȱOlfert17,ȱresultiertȱdieȱHandlungskompetenzȱvonȱFührungsȬ kräftenȱ ausȱ derȱ Überschneidungȱ vonȱ fachlicher,ȱ methodischerȱ undȱ sozialerȱ KompeȬ tenz.ȱ Holzbaur18ȱ listetȱ mehrereȱ Kompetenzenȱ einesȱ Managersȱ auf:ȱ FachȬ,ȱ SachȬ,ȱ SysȬ temȬ,ȱSozialȬ,ȱFührungsȬ,ȱSelbstȬ,ȱHandlungsȬȱundȱProblemlösungskompetenz.ȱ Eineȱ Kombinationȱ ausȱ fachlichenȱ undȱ sozialenȱ Kompetenzenȱ mitȱ demȱ 3ȬKomponentenȬModellȱ (kognitive,ȱ emotionaleȱ undȱ konativeȱ Dimension)ȱ ergibtȱ dasȱ FührungskraftȬProfilȱ(s.ȱfolgendeȱAbbildung).ȱ Dieȱ Unterteilungȱ vonȱ Kompetenzenȱ inȱ fachlicheȱ (mitȱ denȱ Teilkompetenzenȱ spezielleȱ fachliche,ȱmethodischeȱundȱSystemkompetenzen)ȱundȱsozialeȱmitȱzweiȱTeilkompetenȬ zen:ȱUmgangȱmitȱsichȱselbstȱ(Selbstkompetenz)ȱundȱUmgangȱmitȱAnderenȱ(eigentlicheȱ sozialeȱ Kompetenz)ȱ ermöglichtȱ eineȱ detaillierteȱ Darstellungȱ vonȱ allenȱ TeilkompetenȬ zenȱeinerȱFührungskraft.ȱJedeȱTeilkompetenzȱbesitztȱdabeiȱdreiȱDimensionen:ȱkognitiȬ ve,ȱemotionaleȱundȱkonative.ȱDasȱbedeutet,ȱdassȱfürȱeineȱerfolgreicheȱFührungȱKenntȬ nisse,ȱÜberzeugungenȱundȱpraktischeȱFertigkeitenȱnotwendigȱsind.ȱȱ Dieȱ fachlichenȱ Kompetenzenȱ werdenȱ inȱ spezielleȱ Fachkompetenzenȱ (wieȱ BranchenȬ,ȱ Fachgebietkompetenz,ȱ RechtsȬ,ȱ SteuerȬ,ȱ Rechnungswesenkenntnisse,ȱ UmweltkompeȬ tenzȱ etc.),ȱ methodischeȱ Kompetenzenȱ (Umgangȱ mitȱ Informationen,ȱ Logik,ȱ kreativesȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 17ȱ Olfert,ȱK.ȱPersonalwirtschaft,ȱS.ȱ378.ȱ 18ȱ Holzbaur,ȱU.ȱD.ȱManagement,ȱS.ȱ29.ȱ

12ȱ

1.2

Anforderungen an Führungskräfte und Führungskompetenzen

undȱ analytischesȱ Denken,ȱ mathematischeȱ undȱ EDVȬKenntnisse,ȱ Fremdsprachenȱ etc.)ȱ undȱ Systemkompetenzenȱ (strategischeȱ Kompetenz,ȱ PlanungsȬ,ȱ OrganisationsȬȱ undȱ Kontrollkompetenz,ȱ Zielsetzung,ȱ Delegation,ȱ Koordinationȱ etc.)ȱ unterteilt.ȱ Dieseȱ FäȬ higkeitenȱ undȱ Fertigkeitenȱ kannȱ eineȱ Führungskraftȱ imȱ Laufeȱ ihrerȱAusbildung,ȱ desȱ Studiumsȱ oderȱ derȱ Weiterbildungȱ erlernen.ȱ Beiȱ denȱ speziellenȱ Fachkompetenzenȱ doȬ miniertȱdieȱkognitiveȱDimension,ȱsoȱdassȱvieleȱTeilkompetenzenȱaufgrundȱvonȱTheoȬ rienȱundȱKenntnissenȱabgedecktȱwerdenȱkönnen.ȱMethodischeȱundȱSystemkompetenȬ zenȱ müssenȱ trainiertȱ werden,ȱ daȱ sieȱ nichtȱ nurȱ theoretischeȱ Kenntnisse,ȱ sondernȱ auchȱ praktischeȱFertigkeitenȱbeinhalten.ȱ

Abb.ȱ3:ȱ

KompetenzprofilȱeinerȱFührungskraftȱ konativeȱDimension ȱemotionaleȱDimension kognitiveȱDimension

Fachliche Kompetenzen

Soziale Kompetenzen

Spezielle Fachkompetenzen Branchen-, Fachgebietkompetenz, Steuer-, Recht- und Rechnungswesenkenntnisse, Umweltkompetenz etc.

Umgang mit sich selbst (Selbstkompetenz) Selbstkenntnis, persönliche Reife, Selbstständigkeit, Initiative, Ausgeglichenheit, Anpassungsfähigkeit, Lernfähigkeit, Flexibilität, Belastbarkeit etc.

Methodische Kompetenzen Umgang mit Informationen, Logik, kreatives und analytisches Denken, mathematische und IT-Kenntnisse, Fremdsprachen etc.

Systemkompetenzen Strategische Kompetenz, Planungs-, Organisations- und Kontrollkompetenz, Zielsetzung, Delegation, Koordination etc.

Umgang mit anderen Offenheit, Empathie, Toleranz, ethische Verantwortung, Team- und Kooperationsfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit undȱ -bereitschaft, Moderations-, Motivations-, Konfliktkompetenz,ȱRhetorik, Charisma etc.

ȱ

Dieȱ sozialenȱ Kompetenzenȱ setztenȱ sichȱ zusammenȱ ausȱ derȱ Selbstkompetenzȱ (SelbstȬ kenntnis,ȱ Selbstständigkeit,ȱ Initiative,ȱ Aufgeschlossenheit,ȱ Lernfähigkeit,ȱ Flexibilitätȱ etc.)ȱ undȱ derȱ eigentlichenȱ Sozialkompetenzȱ (Umgangȱ mitȱ Anderen),ȱ dieȱ sichȱ inȱ derȱ Offenheit,ȱ Empathie,ȱ Toleranz,ȱ ethischenȱ Verantwortung,ȱ TeamȬȱ undȱ KooperationsfäȬ higkeit,ȱ Kommunikationsfähigkeitȱ undȱ Ȭbereitschaft,ȱ ModerationsȬ,ȱ MotivationsȬ,ȱ Konfliktkompetenz,ȱRhetorikȱundȱCharismaȱeinerȱFührungskraftȱäußert.ȱȱ Dieȱ sozialenȱ Fähigkeitenȱ undȱ Fertigkeitenȱ sindȱ schwerȱ zuȱ vermitteln,ȱ sieȱ habenȱ eineȱ besondersȱ gewichtigeȱ emotionaleȱ undȱ konativeȱ Dimension.ȱ Beiȱ diesenȱ Kompetenzenȱ spielenȱ angeboreneȱ Fähigkeitenȱ undȱ praktischȱ erlernteȱ Verhaltensweisenȱ einerȱ FühȬ rungskraftȱeineȱbesondersȱwichtigeȱRolle.ȱTrotzdemȱkannȱmanȱdurchȱdasȱErlernenȱvonȱ

13ȱ

1

Führung und Verhalten

MethodenȱundȱihreȱUmsetzungȱinȱdieȱPraxis,ȱdieȱdurchȱKreativitätȱundȱLernfähigkeitȱ unterstütztȱwerdenȱsoll,ȱauchȱohneȱangeboreneȱPrädispositionȱsehrȱvielȱerreichen.ȱ InȱderȱverhaltenswissenschaftlichenȱundȱorganisationspsychologischenȱLiteraturȱsowieȱ inȱdenȱMedienȱwerdenȱdieȱaktuellenȱAnforderungenȱanȱManager,ȱdieȱmitȱdenȱmoderȬ nenȱUnternehmensȬȱundȱWirtschaftstendenzenȱzusammenhängen,ȱbreitȱdiskutiert.ȱDerȱ OrganisationspsychologeȱA.ȱWeinert19ȱweistȱaufȱdieȱHerausforderungenȱdesȱ21.ȱJahrȬ hundertsȱ imȱ Hinblickȱ aufȱ Führungskompetenzenȱ hinȱ undȱ beschreibtȱ eineȱ Tendenzȱ zumȱWandelȱvonȱeinemȱgesternȱgefragtenȱ„Manager“ȱzumȱzukünftigenȱ„Führer“.ȱ

Tabelleȱ2:ȱ ȱFührungȱimȱWandel20ȱ Charakteristika heutiger Manager

Charakteristika zukünftiger Führer

Administration

Innovator

Kopie

Original

führt fort

entwickelt

konzentriert sich auf Systeme und Struktren

fokussiert sich auf Menschen

verlässt sich auf Kontrolle

inspiriert Vertrauen

Kurzzeitperspektive

Langzeitperspektive

fragt wie und warum?

fragt was und warum?

hat Augen auf Bilanzen gerichtet

schaut in den Horizont

imitiert

lässt Neues entstehen

akzeptiert den Status quo

fordert den Status quo heraus

der klassische „gute Soldat“

ist eigene Persönlichkeit

macht die Dinge richtig

macht die richtigen Dinge praktiziert Stewardship21

Inȱ derȱ modernenȱ Wissensgesellschaft,ȱ woȱ Kompetenzȱ undȱ Eigenverantwortungȱ jedesȱ Einzelnenȱ gefragtȱ wird,ȱ hängtȱ derȱ Erfolgȱ einesȱ Unternehmensȱ vomȱ Involvementȱ undȱ vomȱEmpowermentȱderȱMitarbeiterȱab.ȱDerȱhoheȱGradȱanȱInvolviertheitȱbedeutet,ȱdassȱ dieȱMitarbeiterȱalsȱPartnerȱbetrachtetȱwerden.ȱDementsprechendȱwerdenȱdieȱEntscheiȬ dungȱ undȱ Verantwortungȱ anȱ dieȱ einzelnenȱ Mitarbeiterȱ delegiertȱ (Empowerment).ȱ UnterȱsolchenȱBedingungenȱkönnenȱMenschenȱihreȱKreativitätȱausleben,ȱihreȱpersönliȬ chenȱ Kompetenzenȱ entfalten.ȱ Vonȱ denȱ besserenȱ Leistungenȱ motivierterȱ Mitarbeiterȱ profitiertȱdasȱUnternehmen.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 19ȱ Vgl.ȱWeinert,ȱA.B.ȱOrganisationspsychologie.ȱ 20ȱ Weinert,ȱA.B.ȱOrganisationspsychologie,ȱS.ȱ475.ȱ 21ȱ UnterȱStewardshipȱverstehtȱmanȱdieȱBereitschaft,ȱsichȱverantwortlichȱzuȱfühlenȱfürȱdasȱWohlȬ

ergehenȱeinerȱOrganisation,ȱindemȱanderenȱmitȱdenȱeigenenȱHandlungenȱgedientȱwirdȱstattȱ sieȱdamitȱzuȱkontrollierenȱ(nachȱWeinert).ȱ

14ȱ

Anforderungen an Führungskräfte und Führungskompetenzen

Eineȱ praktischeȱ Umsetzungȱ dieserȱ Führungsmethodenȱ istȱ trotzdemȱ problematisch.ȱ Umȱ dieȱ Einbindungȱ undȱ Beteiligungȱ zuȱ fördern,ȱ müssenȱ dieȱ Führungskräfteȱ bereitȱ sein,ȱihrȱWissen,ȱihreȱMacht,ȱBelohnungenȱundȱEntscheidungenȱmitȱihrenȱMitarbeiternȱ zuȱteilenȱundȱdieseȱaktivȱzuȱunterstützen.ȱWege,ȱZiele,ȱMittelȱundȱRollenȱderȱFührungȱ müssenȱneuȱgestaltetȱwerden.ȱEineȱFührungskraftȱsollȱInspirationȱundȱCharisma,ȱOpȬ timismusȱ undȱ Enthusiasmusȱ besitzen,ȱ mitȱ ihrenȱ Visionenȱ überzeugenȱ können.ȱ Dieseȱ Kompetenzenȱ werdenȱ inȱ weiterenȱ Kapitelnȱ ausführlichȱ diskutiert.ȱ Dieȱ Erkenntnisseȱ derȱVerhaltenswissenschaftȱausȱallenȱdreiȱPhasenȱihrerȱEntwicklungȱ–ȱBehaviorismus,ȱ KognitivismusȱundȱKonstruktivismusȱ–ȱkönnenȱdenȱManagernȱhelfen,ȱdieȱGründeȱundȱ Motiveȱ desȱ eigenenȱ undȱ desȱ Verhaltensȱ ihrerȱ Mitarbeiterȱ zuȱ verstehenȱ undȱ diesesȱ Verhaltenȱ imȱ Interesseȱ desȱ Unternehmensȱ zuȱ beeinflussen.ȱ Trotzdemȱ bleibenȱ dieseȱ theoretischenȱ Methodenȱ nurȱ eineȱ Grundlage,ȱ mitȱ derenȱ Hilfeȱ jederȱ Managerȱ seineȱ FührungsmethodenȱundȱȬinstrumenteȱkreativȱentwickeltȱundȱanwendet.ȱDarinȱbestehtȱ dieȱ Kunstȱ derȱ Führung,ȱ dieȱ einȱ Managerȱ beherrschenȱ soll,ȱ umȱ erfolgreichȱ führenȱ zuȱ können.ȱ KunstȱderȱFührungȱbedeutet:ȱSichȱAufgrundȱvonȱTheorienȱundȱTechnikenȱeineȱeigeneȱ Meinungȱ zuȱ bildenȱ undȱ einenȱ individuellenȱ FührungsmethodenȬMixȱ zuȱ entwickelnȱ undȱkreativ,ȱjeȱnachȱMitarbeiterȱundȱSituation,ȱanzuwenden.ȱDabeiȱständigȱbereitȱsein,ȱ dazuzulernenȱ undȱ dasȱ eigeneȱ Führungsverhaltenȱ zuȱ modifizieren.ȱ Wieȱ jedeȱ Kunstȱ lässtȱsichȱauchȱdieȱKunstȱderȱFührungȱnichtȱinȱsimple,ȱallgemeingültigeȱRegelnȱfassen,ȱ sondernȱbedeutetȱeineȱendloseȱSucheȱundȱpermanentesȱLernen.ȱ Kontrollfragenȱ 1. Erläuternȱ Sieȱ dieȱ Rolleȱ derȱ Führungȱ inȱ Unternehmenȱ undȱ denȱ Wandelȱ desȱ FühȬ rungsverständnissesȱinȱderȱpostindustriellenȱGesellschaft.ȱ 2. Definierenȱ Sieȱ dieȱ Verhaltenswissenschaftȱ alsȱ Basisȱ fürȱ dieȱ Theorieȱ derȱ Führungȱ undȱ beschreibenȱ Sieȱ dieȱ Ebenenȱ desȱ Verhaltens:ȱ Individuum,ȱ Gruppe,ȱ UnternehȬ men.ȱ 3. ErläuternȱSieȱdenȱbehavioristischenȱAnsatzȱinȱderȱVerhaltenswissenschaft.ȱ 4. Erklärenȱ Sieȱ dieȱ kognitiveȱ Wendeȱ inȱ derȱ Verhaltenswissenschaftȱ undȱ dieȱ GrundȬ postulateȱdesȱKognitivismus.ȱ 5. WasȱistȱdieȱGrundideeȱdesȱKonstruktivismus?ȱWelcheȱFolgenȱhatȱderȱkonstruktivisȬ tischeȱAnsatzȱfürȱdieȱFührung?ȱ 6. BeschreibenȱSieȱdasȱKompetenzprofilȱeinerȱFührungskraft:ȱfachliche,ȱmethodischeȱ undȱSystemkompetenzenȱsowieȱsozialeȱKompetenzenȱundȱihreȱDimensionen:ȱkogȬ nitive,ȱemotionaleȱundȱkonative.ȱ 7. WelcheȱAnforderungenȱ stellenȱ dieȱ moderneȱ Gesellschaftȱ undȱ Wirtschaftȱ anȱ einenȱ Manager?ȱ 8. WasȱverstehenȱSieȱunterȱderȱ„KunstȱderȱFührung“?ȱ 15ȱ

1.2

0

Teil A:

Individuelles Verhalten

Teil A: Individuelles Verhalten

Einȱ Führenderȱ sollȱ seineȱ Mitarbeiterȱ zumȱ Handelnȱ imȱ Interesseȱ desȱ Unternehmensȱ bewegen.ȱ Dabeiȱ hatȱ erȱ esȱ mitȱ einzigartigenȱ Individuenȱ zuȱ tun,ȱ derenȱ Beweggründeȱ undȱVerhaltensbesonderheitenȱerȱzunächstȱverstehenȱmuss.ȱMenschlichesȱVerhaltenȱistȱ einȱsehrȱkompliziertesȱPhänomenȱundȱhängtȱvonȱvielenȱFaktorenȱab:ȱvonȱderȱPersönȬ lichkeitȱundȱIntelligenz,ȱdenȱInteressen,ȱderȱStimmungȱeinerȱPerson;ȱvonȱdenȱFähigkeiȬ tenȱundȱFertigkeiten,ȱdemȱWissen,ȱdenȱErfahrungen;ȱvonȱderȱUmgebung,ȱderȱSituatiȬ on,ȱ demȱ Kontaktpersonenkreis;ȱ vonȱ derȱ Motivation,ȱ derȱ organisatorischenȱ Situation,ȱ derȱUnternehmensȬȱundȱGruppenkulturȱetc.ȱȱ DasȱVerhaltenȱeinesȱMenschenȱinȱUnternehmenȱistȱvonȱzweiȱFaktorengruppenȱabhänȬ gig:ȱpersonenȬȱ undȱsituationsbezogenenȱDeterminanten.ȱUmȱEinflussȱaufȱdasȱVerhalȬ tenȱeinesȱMitarbeitersȱnehmenȱzuȱkönnen,ȱmussȱeineȱFührungskraftȱseineȱpersonenbeȬ zogenenȱMerkmaleȱkennenȱundȱberücksichtigenȱundȱzugleichȱförderndeȱsituationsbeȬ zogenenȱFaktorenȱschaffen.ȱȱ Unterȱ denȱ personenbezogenenȱ Verhaltensdeterminantenȱ verstehtȱ manȱ ererbte,ȱ anerȬ zogeneȱundȱbewusstȱentwickelteȱEigenschaftenȱeinerȱPersönlichkeit,ȱIntelligenz,ȱZiele,ȱ Motive,ȱWerte,ȱEmotionen,ȱindividuelleȱWahrnehmungȱundȱEntscheidung.ȱAlsȱsituatiȬ onsbezogeneȱ Faktorenȱ desȱ Verhaltensȱ spielenȱ allgemeineȱ gesellschaftlicheȱ undȱ ArȬ beitssituation,ȱ Unternehmensvisionenȱ undȱ Ȭstrategie,ȱ Unternehmenskultur,ȱ ArbeitsȬ klimaȱ undȱ Ȭzufriedenheit,ȱ Führungsstil,ȱ Fairness,ȱ Vertrauenȱ undȱ Motivationȱ derȱ VorȬ gesetztenȱeineȱwichtigeȱRolle.ȱ Dasȱ Verstehenȱ undȱ Beeinflussenȱ desȱ Verhaltensȱ sindȱ zusätzlichȱ mitȱ zweiȱ Problemenȱ behaftetȱ Ȭȱ mitȱ derȱ Dynamikȱ derȱ Persönlichkeitȱ undȱ derȱ Subjektivitätȱ derȱ WahrnehȬ mung.ȱ Dasȱ heißt,ȱ dassȱ sichȱ dieȱ Menschenȱ kontinuierlichȱ verändern,ȱ bedingtȱ durchȱ neueȱ Situationenȱ undȱ Herausforderungen,ȱ undȱ dieseȱ Veränderungenȱ imȱ FührungsȬ prozessȱ berücksichtigtȱ undȱ mitgestaltetȱ werdenȱ müssenȱ (vgl.ȱ Ansätzeȱ überȱ situativeȱ undȱtransformationaleȱFührungȱimȱKapitelȱ14).ȱAußerdemȱsindȱdieȱVerhaltensfaktorenȱ keineȱ objektivenȱ Größen,ȱ sondernȱ werdenȱ vonȱ derȱ entsprechendenȱ Personȱ subjektivȱ wahrgenommen.ȱDasȱheißtȱzumȱBeispiel,ȱdassȱdieȱgleicheȱSituationȱvonȱverschiedenenȱ Personenȱ unterschiedlichȱ bewertetȱ werdenȱ kann,ȱ wasȱ verschiedeneȱ Verhaltensweisenȱ verursacht.ȱ Wieȱ kannȱ eineȱ Führungskraftȱ dasȱ Verhaltenȱ einesȱ Mitarbeitersȱ beeinflussen,ȱ ihnȱ zumȱ Handelnȱ (zielgerichtetenȱ Verhalten)ȱ imȱ Interesseȱ desȱ Unternehmensȱ bringen?ȱ Dieseȱ FrageȱwirdȱinȱderȱVerhaltenswissenschaftȱausȱzweiȱPerspektivenȱbeantwortet.ȱȱ 16ȱ

1.2

Anforderungen an Führungskräfte und Führungskompetenzen

DieȱbehavioristischeȱVorgehensweiseȱstelltȱdasȱsichtbareȱVerhaltenȱeinerȱPersonȱinȱdenȱ Mittelpunkt,ȱführtȱdiesesȱVerhaltenȱaufȱPersönlichkeitȱundȱIntelligenzȱzurück,ȱdieȱalsȱ statischeȱ Größenȱ angesehenȱ werden,ȱ undȱ empfiehltȱ Anreizeȱ undȱ Verstärkerȱ fürȱ dieȱ KonditionierungȱdesȱZielverhaltensȱ(s.ȱfolgendeȱAbbildung).ȱȱ

Abb.ȱ4:ȱ

ZusammenspielȱzwischenȱPersonȱundȱHandelnȱausȱderȱAußenperspektiveȱ

Person Persönlichkeit

Intelligenz

Handeln

ȱ

Dieseȱ Außenperspektive,ȱ dieȱ fürȱ eineȱ behavioristischeȱ Sichtweiseȱ typischȱ ist,ȱ reichtȱ aberȱnicht,ȱumȱdieȱinnerenȱProzesseȱimȱKopfȱdesȱMitarbeitersȱzuȱverstehen.ȱDieȱinneȬ renȱVorgängeȱspielenȱeineȱwichtigeȱRolleȱ–ȱsieȱbeeinflussenȱmenschlicheȱEntscheidunȬ genȱ undȱ folglichȱ dasȱ Handeln.ȱ Dieseȱ Prozesseȱ werdenȱ mitȱ denȱ Begriffenȱ „WahrnehȬ mung“,ȱ„Lernen“,ȱ„Wissensrepräsentation“ȱundȱ„Entscheidungsfindung“ȱbeschrieben.ȱ DasȱWissenȱeinerȱPersonȱentwickeltȱsichȱkontinuierlichȱundȱverändertȱihrȱHandlungsȬ potenzial.ȱ Eineȱ Einflussnahmeȱ aufȱ dasȱ Handelnȱ istȱ nurȱ aufgrundȱ desȱ Verständnissesȱ undȱderȱBeeinflussungȱkognitiverȱProzesseȱmöglich.ȱ

Abb.ȱ5:ȱ

ZusammenspielȱzwischenȱPersonȱundȱHandelnȱausȱderȱkognitivenȱPerspektiveȱ

Person Lernen

die aufgrund ihres Wissens handelt

Wahrnehmung Umwelt Entscheidung

Handeln

ȱ

InȱdiesemȱKapitelȱwirdȱsowohlȱdieȱbehavioristischeȱalsȱauchȱdieȱkognitiveȱPerspektiveȱ erläutert,ȱ dieȱ einerȱ Führungskraftȱ notwendigeȱ Kenntnisseȱ vonȱ denȱ Beweggründenȱ seinesȱeigenenȱHandelnsȱundȱdesȱseinerȱMitarbeiterȱvermittelnȱsollen.ȱ

17ȱ

2

Person und Persönlichkeit

2

Person und Persönlichkeit

Wasȱ verstehtȱ manȱ unterȱ Persönlichkeit?ȱ Wodurchȱ unterscheidetȱ sichȱ eineȱ Personȱ vonȱ ihrerȱ Persönlichkeit?ȱ Esȱ gibtȱ verschiedeneȱ Definitionenȱ undȱ Theorienȱ derȱ PersönlichȬ keit,ȱ dieȱ versuchen,ȱ Menschenȱ mitȱ ihrenȱ vielfältigenȱ Eigenschaftenȱ undȱ BesonderheiȬ tenȱzuȱbeschreiben.ȱDabeiȱistȱjedeȱTheorieȱnurȱeinȱModell,ȱdasȱimmerȱeineȱvereinfachteȱ Darstellungȱ einesȱ Objektesȱ bildet.ȱ Mithilfeȱ vonȱ psychologischenȱ PersönlichkeitstheoȬ rienȱkannȱmanȱkaumȱdieȱEinmaligkeitȱundȱEinzigartigkeitȱjedesȱIndividuumsȱerfassen,ȱ trotzdemȱkönnenȱsolcheȱAnsätzeȱeinemȱManagerȱhelfen,ȱaufgrundȱihrerȱMethodologieȱ derȱ Untersuchungȱ undȱ Beschreibungȱ vonȱ persönlichenȱEigenschaftenȱ eigeneȱ kreativeȱ ErkenntnisprozesseȱinȱGangȱzuȱsetzen,ȱumȱMitarbeiterȱinȱihrerȱVielfältigkeitȱundȱIndiȬ vidualitätȱverstehenȱzuȱkönnen.ȱ

2.1

Begriffe und Definitionen

DasȱWortȱ„Person“ȱkommtȱausȱdemȱLateinischen:ȱinȱderȱAntikeȱwarȱesȱeineȱBezeichȬ nungȱ fürȱ dieȱ Maskeȱ vonȱ Schauspielern22.ȱ Moderneȱ Wissenschaftlerȱ bezeichnenȱ mitȱ PersonȱeinȱhandelndesȱSubjekt.ȱ AlsȱEinheitȱinȱderȱVielfaltȱbezeichnetȱeineȱPersonȱderȱPsychologeȱWilliamȱStern:ȱȱ „PersonȱistȱeinȱsolchesȱExistierendes,ȱdasȱtrotzȱderȱVielheitȱderȱTeileȱeineȱreale,ȱeigenȬ artigeȱ (=Individualität)ȱ undȱ eigenwertigeȱ (=Selbstwert)ȱ Einheitȱ bildetȱ undȱ alsȱ solcheȱ trotzȱ derȱ Vielheitȱ derȱ Teilfunktionenȱ eineȱ einheitlicheȱ zielstrebigeȱ Selbsttätigkeitȱ vollȬ bringt.“23ȱ ImmanuelȱKant24ȱhatȱPersonȱähnlichȱdefiniert,ȱanȱeineȱPersönlichkeitȱaberȱmoralischeȱ Anforderungenȱ gestellt:ȱ „Personȱ istȱ dasjenigeȱ Subjekt,ȱ dessenȱ Handlungenȱ einerȱ ZuȬ rechnungȱfähigȱsind.ȱDieȱmoralischeȱPersönlichkeitȱistȱalsoȱnichtsȱanderesȱalsȱdieȱFreiȬ heitȱeinesȱvernünftigenȱWesensȱunterȱmoralischenȱGesetzen“.ȱDaraufȱbasiertȱseinȱ„KaȬ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 22ȱ DieȱMetapherȱmitȱderȱMaskeȱhatȱeinenȱverstecktenȱSinn:ȱjederȱMenschȱmöchteȱnachȱaußenȱeinȱ

bestimmtesȱGesichtȱzeigen,ȱdasȱnichtȱunbedingtȱundȱnichtȱimmerȱmitȱdemȱOriginalȱidentischȱ ist.ȱInȱjederȱSituationȱzeigenȱwirȱeinȱanderesȱGesicht.ȱ 23ȱ Stern,ȱW.ȱDieȱmenschlicheȱPersönlichkeit.ȱ 24ȱ Kant,ȱI.ȱDieȱMetaphysikȱderȱSitten,ȱS.ȱ329.ȱ

18ȱ

Begriffe und Definitionen

tegorischerȱ Imperativ“:ȱ „Handleȱ so,ȱ dassȱ dieȱ Maximeȱ deinerȱ Handlungȱ einȱ allgemeiȬ nesȱGȱeȱsȱeȱtȱzȱwerdenȱkönnte.“25ȱ Inȱ derȱ klassischenȱ Psychologie26ȱ wirdȱ Persönlichkeitȱ alsȱ „dieȱ charakteristischen,ȱ zeitȬ lichȱ überdauerndenȱ DenkȬ,ȱ GefühlsȬȱ undȱ Verhaltensmusterȱ einesȱ Individuumsȱ imȱ Umgangȱ mitȱ seinerȱ Umwelt“ȱ verstanden.ȱ Derȱ Neurobiologeȱ Gerhardȱ Rothȱ definiertȱ ausführlicher:ȱ „Unterȱ Persönlichkeitȱ verstehtȱ manȱ inȱ derȱ Psychologieȱ wieȱ auchȱ imȱ Alltagȱ eineȱ Kombinationȱ vonȱ Merkmalenȱ desȱ Temperaments,ȱ desȱ Gefühlslebens,ȱ desȱ IntellektsȱundȱderȱArt,ȱsichȱzuȱartikulieren,ȱzuȱkommunizierenȱundȱsichȱzuȱbewegen,ȱ hinsichtlichȱdererȱsichȱeineȱPersonȱvonȱeinerȱanderenȱunterscheidet.“27ȱ Kurzȱzusammengefasst,ȱistȱPersönlichkeitȱeinȱbesondererȱStilȱeinerȱPerson,ȱzuȱdenȬ kenȱundȱsichȱzuȱverhalten.ȱȱ SeitȱderȱEntwicklungȱderȱErbfaktorentheorie,ȱverstärktȱinȱdenȱletztenȱJahrenȱdurchȱdenȱ Erfolgȱ beimȱ Entziffernȱ desȱ menschlichenȱ Genoms,ȱ stelltȱ sichȱ verständlicherweiseȱ dieȱ Frage,ȱinwieweitȱdieȱPersönlichkeitȱgeerbtȱwird.ȱInteressanteȱundȱglaubwürdigeȱAntȬ wortenȱ liefernȱ unsȱ dieȱ zahlreichenȱ Studienȱ mitȱ eineiigenȱ Zwillingen,ȱ dieȱ gemeinsamȱ oderȱ getrenntȱ aufgewachsenȱ sind,ȱ z.B.ȱ dieȱ berühmtenȱ MinnesotaȬStudien28.ȱ Dieseȱ Untersuchungenȱhabenȱgezeigt,ȱdassȱZwillinge,ȱdieȱgetrenntȱaufgezogenȱwordenȱsind,ȱ einanderȱ inȱ vielenȱ persönlichenȱ Eigenschaftenȱ verblüffendȱ ähnlichȱ sind.ȱ Dieȱ höchsteȱ ErblichkeitȱfindetȱmanȱbeiȱFähigkeitsȬȱundȱIntelligenzmaßenȱ(Korrelationȱvonȱ60ȱbisȱ70ȱ Prozent),ȱ gefolgtȱ vonȱ Persönlichkeitsmaßenȱ (ungefährȱ 50ȱ Prozent).ȱ Dieȱ geringstenȱ WerteȱwerdenȱfürȱreligiöseȱundȱpolitischeȱÜberzeugungenȱsowieȱberuflicheȱInteressenȱ ermitteltȱ(Korrelationȱvonȱ30ȱ bisȱ40ȱProzent).29ȱDasȱbeweist,ȱdassȱdieȱpolitischenȱundȱ religiösenȱVerhaltensweisenȱeherȱsozialerȱNaturȱsindȱundȱimȱRahmenȱderȱSozialisationȱ vermitteltȱwerden.ȱ OffensichtlichȱspieltȱdasȱErbgutȱeineȱwesentlicheȱRolleȱbeiȱderȱEntwicklungȱeinerȱPerȬ sönlichkeit,ȱaberȱdieȱEntfaltungȱderȱgenetischenȱGrundausstattungȱeinesȱMenschenȱistȱ nurȱimȱRahmenȱvonȱzwischenmenschlichenȱBeziehungenȱmöglich.ȱErziehung,ȱUmgeȬ bung,ȱ bewussteȱArbeitȱ amȱ eigenenȱ Ich,ȱ Lebensereignisseȱ undȱ Erfahrungenȱ beeinflusȬ senȱ eineȱ Persönlichkeitȱ lebenslang.ȱ Insofernȱ istȱ Persönlichkeitȱ keinȱ Dauerzustand,ȱ sondernȱ einȱ Prozessȱ mitȱ eigenerȱ Dynamik.ȱ Vollȱ imȱ Einklangȱ mitȱ derȱ konstruktivistiȬ schenȱSichtweise,ȱschaffenȱwirȱnichtȱnurȱunsereȱunmittelbareȱsozialeȱUmgebung,ȱsonȬ dernȱauchȱunsȱselbst.ȱ Trotzȱ dieserȱ Dynamikȱ bleibtȱ eineȱ erwachseneȱ Persönlichkeitȱ inȱ ihrenȱ wichtigstenȱ MerkmalenȱinnerhalbȱeinerȱZeitspanneȱrelativȱkonstant,ȱsoȱdassȱesȱtheoretischȱmöglichȱ ist,ȱPersönlichkeitenȱzuȱbeschreiben.ȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 25ȱ 26ȱ 27ȱ 28ȱ 29ȱ

Kant,ȱI.ȱDieȱMetaphysikȱderȱSitten,ȱS.ȱ519.ȱ HilgardsȱEinführungȱinȱdieȱPsychologie,ȱS.ȱ429.ȱ Roth,ȱG.ȱFühlen,ȱDenken,ȱHandeln,ȱS.ȱ398.ȱ Bouchard,ȱT.ȱundȱandere.ȱSourcesȱofȱhumanȱpsychologicalȱdifferences,ȱ223Ȭ228.ȱ Vgl.ȱHilgardsȱEinführungȱinȱdieȱPsychologie,ȱS.ȱ417Ȭ418.ȱ

19ȱ

2.1

2

Person und Persönlichkeit

Einenȱ derȱ erstenȱ Versucheȱ derȱ Persönlichkeitsbeschreibungȱ hatȱ Hippokratesȱ (GrieȬ chenland,ȱca.ȱ400ȱv.ȱCh.)ȱunternommenȱ–ȱvonȱihmȱkennenȱwirȱdieȱberühmteȱTemperaȬ mentstypentheorie,ȱlautȱderȱ„dieȱPersönlichkeitȱvonȱdenȱKörpersäftenȱeinesȱMenschenȱ bestimmtȱwird“.ȱ

Tabelleȱ3:ȱ TemperamentstypenȱnachȱHippokrates30 Cholerisch (wütend)

wegen zuviel gelber Galle

Melancholisch (traurig)

wegen zuviel schwarzer Galle

Phlegmatisch (träg)

wegen zuviel luftigen Schleims

Sanguinisch (gut angepasst)

wegen starken Blutes

ȱ Hippokratesȱ hatȱ esȱ engȱ gesehen:ȱ jederȱ Menschȱ gehörtȱ zuȱ einemȱ derȱ vierȱ TemperaȬ mentstypen.ȱ Dieȱ Praxisȱ zeigt,ȱ dassȱdieȱ wirklichenȱ Menschenȱ immerȱ einȱ „gemischtes“ȱ Temperamentȱhaben,ȱeineȱKombinationȱausȱzweiȱoderȱmehrȱTypen.ȱDieȱmoderneȱEntȬ wicklungspsychologieȱ befasstȱ sichȱ auchȱ mitȱ denȱ Temperamentstypen,ȱ einigeȱ WissenȬ schaftlerȱbezeichnenȱTemperamentȱalsȱangeborenenȱTeilȱeinerȱPersönlichkeit,ȱandereȱ–ȱ alsȱdieȱ„stimmungsbezogenenȱPersönlichkeitsmerkmaleȱeinesȱMenschen“.31ȱ

2.2

Persönlichkeitstheorien

EineȱeigeneȱPersönlichkeitstheorieȱhatȱderȱSchöpferȱderȱPsychoanalyseȱSigmundȱFreudȱ (1856ȱ Ȭȱ 1939)ȱ entwickelt.ȱ Fürȱ Freudȱ sindȱ einigeȱ Determinantenȱ individuellenȱ VerhalȬ tensȱ genetischerȱ Naturȱ undȱ damitȱ angeboren,ȱ andereȱ resultierenȱ ausȱ frühkindlichenȱ Prägungsprozessen,ȱ wiederȱ andereȱ –ȱ ausȱ späterenȱ Erlebnissen.ȱ Inȱ seinemȱ Werkȱ „GrundschemaȱdesȱPsychischen“ȱ(1920)ȱhatȱFreudȱdieȱPersönlichkeitȱinȱdreiȱTeileȱeinȬ geteilt:ȱdasȱBewusste,ȱdasȱVorbewussteȱundȱdasȱUnbewusste.ȱDabeiȱbildetȱdasȱUnbeȬ wussteȱ denȱ größten,ȱ tiefȱ verstecktenȱ Teilȱ einerȱ Persönlichkeit,ȱ gleichȱ einemȱ Eisberg.ȱ Dasȱ Bewussteȱ liegtȱ aufȱ derȱ Oberflächeȱ –ȱ dasȱ sindȱ unsereȱ aktuellenȱ BewusstseinsȬ inhalte,ȱdasȱVorbewussteȱkannȱbewusstȱwerden,ȱdaȱesȱausȱdenȱpotenziellenȱBewusstȬ seinsinhaltenȱ besteht.ȱ Nurȱ dasȱ Unbewussteȱ bleibtȱ stetsȱ „untermȱ Wasser“ȱ –ȱ esȱ sindȱ unsereȱtiefȱverborgenenȱWünsche,ȱGelüste,ȱErinnerungenȱundȱÄngste,ȱdieȱunserȱDenȬ kenȱundȱHandelnȱamȱstärkstenȱbeeinflussenȱundȱgegenüberȱdemȱBewusstenȱdominieȬ ren.ȱ Moderneȱ Neurowissenschaftȱ bestätigtȱ dieȱ meistenȱ Ideenȱ vonȱ S.ȱ Freudȱ aufgrundȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 30ȱ Vgl.ȱFriedman,ȱH.;ȱSchustack,ȱM.ȱPersönlichkeitspsychologie,ȱS.ȱ335.ȱ 31ȱ Vgl.ȱHilgardsȱEinführungȱinȱdieȱPsychologie,ȱS.ȱ89.ȱ

20ȱ

Persönlichkeitstheorien

theoretischerȱundȱempirischerȱErkenntnisse.ȱAlsȱmoderneȱAuslegungȱderȱFreud´schenȱ PersönlichkeitstheorieȱdientȱdasȱPsycheȬModellȱvonȱGerhardȱRoth32ȱ(s.ȱAbbildung).ȱ

Abb.ȱ6:ȱ

ModellȱderȱPsycheȱnachȱG.ȱRoth33ȱ

4. Ebene Kognition und Sprache rational und bewusst (Planen, Denken, Analysieren) 3. Ebene Bewusste Gefühle emotional und bewusst (Ethik, Moral, Kommunikation,ȱKultur)

2. Ebene Emotionales lernen emotional und unbewusst (Persönlichkeit, Charakter, Präferenzen und Aversionen aufgrundȱerlernter Gefühle) 1. Ebene Grundfunktionen unbewusst, meist genetisch bedingt (biologisches Überleben, elementare Antriebe und Empfindungen)

ȱ

DasȱUnbewussteȱhatȱvielȱmehrȱEinflussȱaufȱdasȱBewussteȱalsȱumgekehrt.ȱDieȱbewussteȱ rationaleȱ Ebene,ȱ dieȱ mitȱ Kognitionȱ undȱ Spracheȱ verbundenȱ ist,ȱ istȱ fürȱ nachdenken,ȱ beraten,ȱ fantasieren,ȱ planenȱ undȱ rechtfertigenȱ verantwortlich.ȱ Entscheidungenȱ überȱ dasȱ Handelnȱ werdenȱ zusammenȱ mitȱ anderenȱ Ebenenȱ getroffen.ȱ Aufȱ derȱ Ebeneȱ derȱ bewusstenȱ Gefühleȱ bildenȱ sichȱ aufȱ derȱ Basisȱ vonȱ Kommunikation,ȱ Erziehungȱ undȱ Kulturȱ dieȱ weiterenȱ bewusstenȱ Teileȱ desȱ Selbstȱ heraus:ȱ Ethikȱ undȱ Moral.ȱ Zweiȱ tieferȱ liegendeȱ Ebenenȱ derȱ Psycheȱ sindȱ unbewusst.ȱ Dieȱ Ebeneȱ desȱ emotionalenȱ Lernensȱ istȱ mitȱdenȱErfahrungenȱmitȱGefühlenȱwieȱFurcht,ȱFreude,ȱEkelȱoderȱHoffnungȱverknüpft.ȱ AufȱdieserȱEbeneȱentstehenȱunsereȱVorliebenȱundȱAversionenȱsowieȱdasȱgrundlegendeȱ Verhältnisȱ zuȱ unsȱ selbstȱ undȱ zuȱ anderenȱ Menschen.ȱ Zusammenȱ mitȱ derȱ unterstenȱ EbeneȱbildetȱdasȱemotionaleȱLernenȱdenȱKernȱderȱPersönlichkeit,ȱdenȱCharakterȱeinesȱ Menschen.ȱ Dieȱ tiefsteȱ Ebeneȱ derȱ Grundfunktionenȱ sichertȱ unserȱ biologischesȱ ÜberleȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 32ȱ DiesesȱModellȱwirdȱinȱweiterenȱAusführungenȱüberȱWissensrepräsentation,ȱKommunikationȱ

undȱMotivationȱbenutzt.ȱ 33ȱ Inȱ Anlehnungȱ anȱ Rothsȱ Ebenenȱ derȱ Psyche,ȱ S.ȱ 156Ȭ157,ȱ in:ȱ Lindner,ȱ M.ȱ 150ȱ Jahreȱ Sigmundȱ

Freud,ȱDerȱArchäologeȱderȱSeele,ȱGEOȱ5/2006,ȱS.ȱ140Ȭ160.ȱ

21ȱ

2.2

2

Person und Persönlichkeit

benȱdurchȱphysiologischeȱProzesseȱundȱBedürfnisse,ȱsteuertȱelementareȱAntriebeȱundȱ Empfindungen.ȱ Dieseȱ Funktionenȱ laufenȱ völligȱ unbewusstȱ ab,ȱ sindȱ meistȱ genetischȱ bedingtȱundȱbestimmenȱdasȱTemperamentȱeinesȱMenschen.ȱ DasȱModellȱderȱPsycheȱmachtȱdieȱEinmaligkeitȱjedesȱeinzelnenȱMenschenȱinfolgeȱseiȬ nerȱ individuellenȱ Erbgutfaktorenȱ undȱ Lebenserfahrungenȱ deutlich.ȱ Undȱ trotzdemȱ versuchtȱ dieȱ empirischȱ orientierteȱ Psychologieȱ Persönlichkeitenȱ nachȱ verschiedenenȱ Merkmalenȱ zuȱ typisieren.ȱ Dafürȱ wurdenȱ bestimmteȱ charakteristischenȱ Eigenschaftenȱ ausgewählt,ȱ derenȱ Ausprägungȱ aufȱ entsprechendenȱ Skalenȱ dargestelltȱ wird.ȱ Nachȱ Meinungȱ desȱ deutschȬbritischenȱ Psychologenȱ H.ȱ Eysenckȱ lassenȱ sichȱ PersönlichkeitsȬ faktorenȱ aufȱ zweiȱ Achsenȱ zwischenȱ denȱ Polenȱ „stabil/instabil“ȱ undȱ „introverȬ tiert/extravertiert“ȱdarstellen.ȱȱ

Abb.ȱ7:ȱ

DieȱPersönlichkeitsfaktorenȱnachȱEysenck,ȱergänztȱdurchȱTemperamenttypen34ȱ Instabil

MELANCHOLISCH

Introvertiert

PHLEGMATISCH

launisch ängstlich rigide nüchtern pessimistisch reserviert ungesellig ruhig passiv sorgfältig bedächtig friedlich kontrolliert zuverlässig ausgeglichen still

empfindlich unruhig aggressiv erregbar wechselhaft impulsiv optimistisch aktiv gesellig kontaktfreudig gesprächig aufgeschlossen führungsstark lebhaft sorglos locker

Stabil

CHOLERISCH

Extravertiert

SANGUINISCH

ȱ

Fürȱ jedeȱ Persönlichkeitȱ sindȱ dieseȱ Eigenschaftenȱ mehrȱ oderȱ wenigerȱ ausgeprägt,ȱ ausȱ ihrerȱKombinationȱergebenȱsichȱunzähligeȱVarianten.ȱFolglichȱergebenȱsichȱvierȱQuadȬ ranten,ȱdieȱdenȱTemperamentstypenȱvonȱHippokratesȱähneln.ȱȱ DerȱFaktorȱ„Extraversion“ȱspiegeltȱdasȱAusmaßȱwider,ȱinȱdemȱdieȱOrientierungȱeinerȱ Personȱ nachȱ innen,ȱ aufȱ sichȱ selbst,ȱ oderȱ nachȱ außenȱ gerichtetȱ ist,ȱ undȱ umfasstȱ inȱ derȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 34ȱ Vgl.ȱZimbardo,ȱP.;ȱGerrig,ȱR.ȱPsychologie,ȱS.ȱ606.ȱ

22ȱ

Persönlichkeitstheorien

positivenȱAusprägungȱ dieȱAttributeȱ gesprächig,ȱ aktiv,ȱ energisch,ȱ offen,ȱ dominantȱ undȱ enȬ thusiastisch,ȱinȱderȱnegativenȱ–ȱstill,ȱreserviertȱundȱzurückgezogen.ȱIntrovertierteȱPersönȬ lichkeitenȱ sindȱ schüchternȱ undȱ ziehenȱ esȱ vor,ȱ alleinȱ zuȱ arbeiten.ȱ Extravertierteȱ MenȬ schenȱstrebenȱimȱGegensatzȱdazuȱBerufeȱan,ȱwoȱsieȱmitȱAnderenȱzusammenȱarbeitenȱ können.ȱȱ „Stabilität“ȱ zeigtȱ denȱ Gradȱ derȱ Emotionalitätȱ einerȱ Person:ȱ instabileȱ Menschenȱ sindȱ launisch,ȱerregbar,ȱstabileȱ–ȱruhig,ȱgutȱangepasst.ȱDieȱAchseȱ„stabilȱ–ȱinstabil“ȱwirdȱbeiȱ niedrigenȱ Wertenȱ mitȱ solchenȱ Eigenschaftenȱ wieȱ gespannt,ȱ ängstlich,ȱ nervös,ȱ launisch,ȱ besorgt,ȱ empfindlich,ȱ reizbarȱ undȱ emotionalȱ umschrieben,ȱ beiȱ hohenȱ Wertenȱ –ȱ mitȱ stabil,ȱ ruhigȱundȱzufrieden.ȱ Offensichtlich,ȱ reichenȱ dieȱ zweiȱ Achsenȱ nichtȱ aus,ȱ umȱ dieȱ ganzeȱ Vielfältigkeitȱ vonȱ persönlichenȱEigenschaftenȱzuȱbeschreiben.ȱAndereȱForscherȱhabenȱmehrereȱFaktorenȱ definiert:ȱR.ȱCattellȱnannteȱzumȱBeispielȱ16ȱFaktoren,ȱandereȱWissenschaftlerȱȬȱbisȱzuȱ hundert.ȱ Inȱ denȱ letztenȱ Jahrenȱ hatȱ sichȱ jedochȱ einȱ Konsensȱ herausgebildet,ȱ dassȱ fünfȱ GrundfaktorenȱfürȱdieȱCharakterisierungȱderȱPersönlichkeitȱausreichen,ȱundȱdieȱsogeȬ nannteȱ fünfȬFaktorenȬTheorieȱ („Bigȱ Fiveȱ derȱ Persönlichkeit“)ȱ hatȱ sichȱinȱ derȱ moderȬ nenȱPersönlichkeitspsychologieȱetabliert.ȱLautȱdieserȱTheorieȱkannȱeineȱPersönlichkeitȱ mitȱ Hilfeȱ vonȱ fünfȱ Eigenschaftsskalenȱ beschriebenȱ werden:ȱ Extraversion,ȱ Stabilität,ȱ OffenheitȱfürȱErfahrungen,ȱGewissenhaftigkeitȱundȱVerträglichkeit.35ȱȱ Tabelleȱ4:ȱ ȱBigȱFiveȱderȱPersönlichkeit36ȱ Persönlichkeitsfaktor

Repräsentative Eigenschaften

Extraversion

positiv: gesprächig, aktiv, energisch, offen, enthusiastisch, negativ: still, reserviert und zurückgezogen.

Stabilität

stark ausgeprägt: gespannt, ängstlich, nervös, launisch, besorgt, empfindlich, reizbar und emotional, schwach ausgeprägt: stabil, ruhig und zufrieden.

Offenheit für Erfahrungen

positive Eigenschaften: breit interessiert, einfallsreich, phantasievoll, intelligent, originell, erfinderisch und geistreich, negative Eigenschaften: gewöhnlich, einseitig, einfach und unintelligent.

Gewissenhaftigkeit

positiv: organisiert, sorgfältig, effektiv, verantwortlich, zuverlässig, überlegt und gewissenhaft, negativ: sorglos, unordentlich, leichtsinnig, unverantwortlich und unzuverlässig.

Verträglichkeit

positiv: mitfühlend, nett, herzlich, warm, großzügig, vertrauensvoll, hilfsbereit, freundlich, kooperativ und feinfühlig, negativ: kalt, unfreundlich, streitsüchtig, hartherzig, undankbar.

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 35ȱ Vgl.ȱZimbardo,ȱP.;ȱGerrig,ȱR.ȱPsychologie,ȱS.ȱ607Ȭ608.ȱ 36ȱ Ebd.ȱ

23ȱ

2.2

2

Person und Persönlichkeit

ExtraversionȱundȱStabilitätȱentsprechenȱinhaltlichȱderȱDefinitionȱvonȱH.ȱEysenckȱundȱ wurdenȱbereitsȱausführlichȱdiskutiert.ȱȱ Derȱ Faktorȱ „Offenheitȱ fürȱ Erfahrungen“ȱ umfasstȱ alsȱ positiveȱ Eigenschaftenȱ –ȱ breitȱ interessiert,ȱ einfallsreich,ȱ phantasievoll,ȱ intelligent,ȱ originell,ȱ erfinderischȱ undȱ geistȬ reich,ȱalsȱnegativeȱEigenschaftenȱ–ȱgewöhnlich,ȱeinseitig,ȱeinfachȱundȱunintelligent.ȱ DerȱFaktorȱ„Gewissenhaftigkeit“ȱbeinhaltetȱaufȱderȱeinenȱSeiteȱ–ȱorganisiert,ȱsorgfältig,ȱ effektiv,ȱ verantwortlich,ȱ zuverlässig,ȱ überlegtȱ undȱ gewissenhaft,ȱ aufȱ derȱ negativenȱ Seiteȱ–ȱsorglos,ȱunordentlich,ȱleichtsinnig,ȱunverantwortlichȱundȱunzuverlässig.ȱ „Verträglichkeit“ȱalsȱPersönlichkeitsfaktorȱmeintȱinȱderȱpositivenȱAusprägungȱmitfühȬ lend,ȱ nett,ȱ herzlich,ȱ warm,ȱ großzügig,ȱ vertrauensvoll,ȱ hilfsbereit,ȱ nachsichtig,ȱ freundȬ lich,ȱ kooperativȱ undȱ feinfühlig,ȱ inȱ derȱ negativenȱ Ausprägungȱ –ȱ kalt,ȱ unfreundlich,ȱ streitsüchtig,ȱhartherzig,ȱundankbarȱundȱknickerig.ȱ ObwohlȱdieȱgenanntenȱEigenschaftenȱvonȱvielenȱPersönlichkeitsforschernȱalsȱgrundleȬ gende,ȱsogarȱzumȱTeilȱangeboreneȱPersönlichkeitsmerkmaleȱgenanntȱwerden,ȱbleibenȱ sieȱnichtȱlebenslangȱfürȱeineȱPersonȱunverändert.ȱVerschiedeneȱStudienȱbelegen,ȱdassȱ dieȱ „Bigȱ Five“ȱ desȱ Charaktersȱ sichȱ imȱ Laufeȱ desȱ Lebensȱ ändernȱ können.ȱ Vorȱ allemȱ biographischeȱ Schlüsselerlebnisseȱ wieȱ derȱ Übergangȱ vonȱ derȱ Schuleȱ insȱ Berufslebenȱ oderȱ Studium,ȱ Gründungȱ einerȱ Familie,ȱ Scheidung,ȱ Verlustȱ desȱ Arbeitsplatzesȱ oderȱ Pensionierungȱ rufenȱ Selbstanalyseprozesseȱ hervor,ȱ dieȱ zuȱ wesentlichenȱ VeränderunȬ genȱderȱPersönlichkeitȱführenȱkönnen.ȱHierȱstößtȱdieȱBigȱFiveȱTheorieȱanȱihreȱGrenzenȱ Ȭȱ sieȱ setztȱ eineȱgewisseȱStabilitätȱ persönlicherȱ Eigenschaftenȱ vorausȱ undȱ ignoriertȱ dieȱ kontinuierlichenȱ Veränderungsprozesseȱ einesȱ Individuumsȱ durchȱ Erfahrungenȱ undȱ Lernprozesse.ȱȱ Darüberȱ hinausȱ sindȱ Persönlichkeitstheorienȱ undȱ Typologienȱ allgemeinȱ ungeeignet,ȱ dasȱEntstehenȱdesȱVerhaltensȱundȱdieȱEntwicklungȱderȱPersönlichkeitȱzuȱerklären.ȱSieȱ identifizierenȱ undȱ beschreibenȱ lediglichȱ dieȱ statischenȱ Charakteristika,ȱ dieȱ mitȱ demȱ Verhaltenȱmehrȱoderȱwenigerȱkorrelieren.ȱDieȱMenschenȱverhaltenȱsichȱinȱverschiedeȬ nenȱSituationenȱundȱzuȱverschiedenenȱZeitenȱunterschiedlich.ȱWennȱSieȱeinenȱProfesȬ sorȱ immerȱ nurȱ inȱ formellenȱ Situationenȱ erleben,ȱ woȱ erȱ alsȱ strengerȱ undȱ ernsthafterȱ Menschȱauftritt,ȱheißtȱesȱnochȱlangeȱnicht,ȱdassȱerȱaufȱeinerȱPartyȱoderȱimȱUrlaubȱnichtȱ scherzenȱoderȱflirtenȱkann.ȱ DieȱErkenntnisseȱderȱPersönlichkeitspsychologieȱsindȱfürȱeineȱFührungskraftȱeinȱwichȬ tigesȱInstrumentȱfürȱdenȱAufbauȱvonȱsozialerȱKompetenzȱmitȱihrenȱzweiȱKomponenȬ ten:ȱ derȱ Selbstkenntnisȱ undȱ demȱ Umgangȱ mitȱ anderen.ȱ Selbstkenntnisȱwirdȱ alsȱBasisȱ derȱ sozialenȱ Kompetenzȱ bezeichnet.ȱ Nurȱ werȱ sichȱ selbstȱ kennt,ȱ kannȱ andereȱ kennenȱ undȱverstehenȱlernen.ȱ„Werȱandereȱkennt,ȱistȱklug.ȱWerȱsichȱselberȱkennt,ȱistȱweise“ȱ–ȱ sollȱeinmalȱderȱchinesischeȱPhilosophȱLaotseȱgesagtȱhaben.ȱDieȱBigȱFiveȱTheorieȱkönnȬ teȱ alsȱ Instrumentȱ zurȱ Selbstreflexionȱ dienen.ȱ Dieȱ Kenntnisȱ vonȱ eigenenȱ Stärkenȱ undȱ Schwächen,ȱeigenenȱBesonderheitenȱundȱKompetenzenȱmachtȱeinenȱMenschenȱsicheȬ rerȱ imȱ Verhaltenȱ undȱ zeigtȱ ihmȱ gleichzeitigȱ denȱ Wegȱ derȱ weiterenȱ persönlichenȱ EntȬ 24ȱ

Persönlichkeitstheorien

wicklung.ȱ Dieȱ Kenntnisȱ vonȱ Mitarbeiternȱ undȱ Mitmenschenȱ mitȱ ihrenȱ starkenȱ undȱ schwachenȱ Seiten,ȱ ihrenȱ Charakterzügenȱ undȱ Eigenschaftenȱ schafftȱ einemȱ Managerȱ denȱ notwendigenȱ Kontextȱ derȱ erfolgreichenȱ Kommunikation,ȱ eineȱ sichereȱ Basisȱ fürȱ gegenseitigesȱVerständnis.ȱAuchȱFührungsentscheidungenȱmüssenȱpersönlicheȱEigenȬ schaftenȱ vonȱ Mitarbeiternȱ berücksichtigen.ȱ Einigeȱ praktischeȱ Beispieleȱ könnenȱ alsȱ AnstößeȱzumȱNachdenkenȱdienen.ȱ Beispielȱ1.ȱFürȱeineȱtelefonischeȱBefragungȱimȱRahmenȱeinesȱProjektesȱsollȱeinȱMitarȬ beiterȱausgewähltȱwerden.ȱEsȱwäreȱempfehlenswertȱeineȱkontaktfreudige,ȱextravertierȬ teȱundȱfreundlicheȱPersönlichkeitȱfürȱdieseȱAktionȱeinzusetzen,ȱdieȱeherȱmitȱMenschenȱ zuȱRechtȱkommtȱundȱSympathieȱgewinnt.ȱGefragtȱwirdȱeinȱhoherȱGradȱderȱExtraverȬ sionȱundȱderȱVerträglichkeitȱausȱdenȱBigȱFiveȱderȱPersönlichkeit.ȱȱ Beispielȱ 2.ȱ Einȱ Abteilungsleiterȱ suchtȱ nachȱ einemȱ verantwortlichenȱ Mitarbeiter,ȱ derȱ eineȱ kreativeȱ Internetrechercheȱ durchführenȱ undȱ dokumentierenȱ soll.ȱ Wasȱ fürȱ EigenȬ schaftenȱ sindȱ dabeiȱ hervorzuheben?ȱ Offensichtlich,ȱ sindȱ Offenheitȱ fürȱ Erfahrungenȱ (mitȱdenȱQualitätenȱbreitȱinteressiert,ȱeinfallsreich,ȱphantasievoll,ȱintelligentȱundȱorigiȬ nell)ȱ undȱ Gewissenhaftigkeitȱ (sorgfältig,ȱ verlässlichȱ undȱ ordentlich)ȱ erforderlich,ȱ daȬ mitȱ aufȱ derȱ einenȱ Seiteȱ vielfältigeȱ fachübergreifendeȱ Anregungenȱ zustandeȱ kommenȱ undȱaufȱderȱanderenȱSeiteȱeinȱausführlicherȱgründlicherȱBerichtȱverfasstȱwerdenȱkann.ȱ Gleichzeitigȱ stelltȱ sichȱ dieȱ Frage,ȱ obȱ eineȱ Führungskraftȱ durchȱ seineȱ pragmatischeȱ Wahlȱ vonȱ denȱ fürȱ dieȱ Aufgabeȱ passendenȱ Personenȱ seinenȱ Mitarbeiternȱ dieȱ Chanceȱ zurȱ Weiterentwicklungȱ nichtȱ wegnehmenȱ würde.ȱ Inȱ unseremȱ Miteinanderȱ schaffenȱ wirȱunsereȱRealitätȱundȱgleichzeitigȱunsȱselbst.ȱEineȱFührungsperson,ȱdieȱFührungȱalsȱ Kunstȱversteht,ȱsollteȱauchȱanȱdieȱWeiterentwicklungȱihrerȱMitarbeiterȱdenkenȱundȱsieȱ durchȱ Vertrauenȱ undȱ herausforderndeȱ Aufgabenȱ fördern.ȱ Diesȱ würdeȱ einȱ Dilemmaȱ zwischenȱ heutigemȱ Nutzenȱ undȱ langfristigenȱ Vorteilenȱ bedeuten.ȱ Eineȱ anȱ dieȱ FühȬ rungssituationȱ angepassteȱ Balanceȱ vonȱ beidenȱ Entscheidungsmethodenȱ könnteȱ eineȱ harmonischeȱEntfaltungȱvonȱMitarbeiternȱermöglichen.ȱ Kontrollfragenȱ 1. BeschreibenȱSieȱpersonenȬȱundȱsituationsbezogeneȱDeterminantenȱdesȱindividuelȬ lenȱVerhaltens.ȱ 2. DefinierenȱSieȱdieȱBegriffeȱPersonȱundȱPersönlichkeit.ȱ 3. Erläuternȱ Sieȱ dieȱ Persönlichkeitstheorieȱ vonȱ S.ȱ Freudȱ undȱ dasȱ Zusammenspielȱ zwischenȱBewusstem,ȱVorbewusstemȱundȱUnbewusstem.ȱErklärenȱSieȱdasȱModellȱ derȱPsycheȱvonȱG.ȱRoth.ȱ 4. Erklärenȱ Sieȱ dieȱ Theorieȱ „Bigȱ Fiveȱ derȱ Persönlichkeit“ȱ (Extraversion,ȱ Stabilität,ȱ OffenheitȱfürȱErfahrungen,ȱGewissenhaftigkeitȱundȱVerträglichkeit).ȱWieȱkannȱdieȬ seȱTheorieȱimȱFührungsprozessȱbenutztȱwerden?ȱ

25ȱ

2.2

3

Menschliche Intelligenz(en)

3

Menschliche Intelligenz(en)

Intelligenzȱ stelltȱ einȱ zentralesȱ Fähigkeitsmerkmalȱ vonȱ Einzelpersonenȱ undȱ Gruppenȱ sowohlȱ imȱ BerufsȬȱ alsȱ auchȱ imȱ privatenȱ Lebenȱ dar.ȱ Zugleichȱ sindȱ Intelligenzbegriffȱ undȱ Ȭforschungȱ bestritten,ȱ verschiedeneȱAutorenȱ undȱ Richtungenȱ vertretenȱ weitȱ vonȱ einanderȱabweichendeȱDefinitionenȱundȱTheorien.ȱDiesȱtrifftȱvorȱallemȱaufȱdieȱsoȱgeȬ nannteȱ klassischeȱ Intelligenzȱ zu,ȱ dieȱ langeȱ alsȱ dieȱ wichtigsteȱ Voraussetzungȱ fürȱ dieȱ Arbeitsleistungȱgalt,ȱundȱdieȱUnternehmenȱ(besondersȱdieȱgroßen)ȱkonfrontiertenȱihreȱ potentiellenȱBewerberȱmitȱverschiedenenȱIntelligenztests,ȱumȱihrenȱIntelligenzquotientȱ (IQ)ȱ zuȱ messen.ȱ Seitȱ einigenȱ Jahrzehntenȱ werdenȱ nebenȱ derȱ klassischenȱ Intelligenzȱ auchȱsozialeȱKompetenzenȱ(oderȱemotionaleȱIntelligenz)ȱgetestet.ȱEinigeȱPsychologenȱ gehenȱ nochȱ weiterȱ undȱ sprechenȱ vonȱ multiplenȱ menschlichenȱ Intelligenzen.ȱ Dieseȱ Intelligenzenȱ bildenȱ dieȱ Grundlageȱ fürȱ dieȱ Kompetenzen,ȱ dieȱ fürȱ dieȱArbeitsleistungȱ vonȱgroßerȱBedeutungȱsind.ȱInȱdiesemȱKapitelȱwirdȱerläutert,ȱwelcheȱBedeutungȱIntelȬ ligenzȱimȱArbeitslebenȱhatȱundȱwieȱeinȱFührenderȱdieȱIntelligenzenȱseinerȱMitarbeiterȱ berücksichtigenȱundȱfördernȱkann.ȱ

3.1

Intelligenz und Intelligenztheorien

ImȱAlltagȱ bezeichnetȱ manȱ alsȱ einenȱ intelligentenȱ Menschenȱ denjenigen,ȱ derȱ gutȱ undȱ schnellȱ denkenȱ kann,ȱ wennȱ esȱ umȱ dasȱ Lösenȱ vonȱ Problemenȱ geht.ȱ Inȱ denȱ gängigenȱ IntelligenztestsȱwerdenȱsoȱgenannteȱprimäreȱgeistigeȱFähigkeitenȱgemessen:37

„ dieȱ Kenntnisȱ vonȱ Wörternȱ undȱ ihrerȱ Bedeutungȱ sowieȱ derenȱ angemesseneȱ VerȬ wendungȱimȱGesprächȱ(verbalȱcomprehension),ȱ

„ raschesȱ Produzierenȱ vonȱ Wörtern,ȱ dieȱ bestimmtenȱ Erfordernissenȱ entsprechenȱ (wordȱfluency),ȱ

„ GeschwindigkeitȱundȱPräzisionȱbeiȱeinfachenȱarithmetischenȱAufgabenȱ(number),ȱ „ Bewältigungȱ vonȱ Aufgaben,ȱ dieȱ mitȱ räumlichenȱ Vorstellungenȱ undȱ Orientierenȱ zusammenhängenȱ(space),ȱ

„ BehaltenȱpaarweiseȱgelernterȱAssoziationenȱ(associativeȱmemory),ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 37ȱ Vgl.ȱRoth,ȱG.ȱFühlen,ȱDenken,ȱHandeln,ȱS.ȱ178Ȭ179.ȱ

26ȱ

Intelligenz und Intelligenztheorien

„ Geschwindigkeitȱ beimȱ Vergleichȱ oderȱ derȱ Identifikationȱ visuellerȱ Darstellungenȱ (perceptualȱspeed),ȱ

„ schlussfolgerndesȱDenkenȱalsȱAuffindenȱeinerȱOrdnungȱinȱeinerȱAbfolgeȱvonȱZahȬ lenȱoderȱSymbolenȱ(inductiveȱthinking,ȱreasoning).ȱ InȱderȱLiteraturȱgibtȱesȱverschiedeneȱDefinitionenȱderȱIntelligenz.ȱFürȱdenȱGründerȱderȱ Differentiellenȱ Psychologieȱ undȱ Autorȱ desȱ Intelligenzquotientenȱ IQ38ȱ Williamȱ Sternȱ warȱ ȈIntelligenzȱ ...dieȱ allgemeineȱ Fähigkeitȱ einesȱ Individuums,ȱ seinȱ Denkenȱ bewusstȱ aufȱneueȱForderungenȱeinzustellenȈ,ȱeineȱȈallgemeineȱgeistigeȱAnpassungsfähigkeitȱanȱ neueȱAufgabenȱ undȱ Bedingungenȱ desȱ LebensȈ.39ȱ Unterȱ Psychologenȱ gibtȱ esȱ bisȱ jetztȱ keineȱ Einigkeitȱ inȱ derȱ Frage,ȱ obȱ esȱ sichȱ beiȱ Intelligenzȱ umȱ relativȱ einfacheȱ informatiȬ onsverarbeitendeȱ Prozesseȱ oderȱ umȱ relativȱ komplexeȱ Schlussfolgerungenȱ undȱ ProbȬ lemlösungenȱhandelt.ȱNachȱR.ȱSternberg40ȱistȱunterȱIntelligenzȱeinȱProzessȱderȱBewälȬ tigungȱneuerȱbzw.ȱneuartigerȱAufgabenȱaufȱderȱGrundlageȱvorhandenenȱWissensȱundȱ Könnensȱbzw.ȱalsȱAutomatisierenȱbereitsȱerworbenerȱFähigkeitenȱzuȱverstehen.ȱȱ Nachȱ langenȱ Debattenȱ hatȱ sichȱ eineȱ Gruppeȱ vonȱ führendenȱ Intelligenzforschernȱ aufȱ folgendeȱDefinitionȱgeeinigt:ȱIntelligenzȱistȱeineȱsehrȱallgemeineȱgeistigeȱFähigkeit,ȱ dieȱ unterȱ anderemȱ dieȱ Fähigleitenȱ zumȱ schlussfolgerndenȱ Denken,ȱ zumȱ Planen,ȱ zumȱProblemlösen,ȱzumȱabstraktenȱDenken,ȱzumȱVerstehenȱkomplexerȱIdeen,ȱzumȱ raschenȱAuffassenȱundȱzumȱLernenȱausȱErfahrungȱeinschließt.41ȱ Inȱ derȱ Geschichteȱ derȱ Intelligenzforschungȱ wurdeȱ derȱ älteste,ȱ eindimensionaleȱ IQȬ AnsatzȱvonȱdenȱzweiȬȱoderȱmehrdimensionalenȱKonzeptenȱabgelöst.ȱȱ Aufȱ demȱ eindimensionalenȱ Ansatzȱ derȱ Intelligenzȱ basiertȱ dasȱ berühmteȱ IQȬ Messverfahren,ȱ dasȱ vonȱ demȱ französischenȱ Psychologenȱ Alfredȱ Binetȱ Endeȱ desȱ 19.ȱ JahrhundertsȱimȱAuftragȱderȱRegierungȱentwickeltȱwurde.ȱDieseȱTestsȱsolltenȱfürȱdieȱ BerechnungȱdesȱIntelligenzquotientenȱ(IQ)ȱvonȱKindernȱbeiȱihrerȱEinschulungȱdienen.ȱ Aufgrundȱ erreichterȱ Ergebnisseȱ wurdenȱ dieȱ schulpflichtigenȱ Kinderȱ entsprechendȱ ihremȱ Intelligenzalterȱ inȱ eineȱ höhereȱ oderȱ niedrigereȱ Stufeȱ eingeschult.ȱ Derȱ IntelliȬ genzquotientȱ (IQ)ȱ inȱ derȱ Definitionȱ vonȱ Binetȱ bezeichnetȱ dasȱ Verhältnisȱ vonȱ IntelliȬ genzalterȱzumȱLebensalter:ȱ IQȱ=ȱ(IA/LA)ȱxȱ100,ȱ woȱ IAȱ fürȱ dasȱ beiȱ derȱ Bearbeitungȱ derȱ Testsaufgabenȱ erreichteȱ Intelligenzalterȱ steht,ȱ dasȱdieȱtatsächlicheȱIntelligenzentwicklungȱeinerȱPersonȱdarstellt,ȱLAȱistȱdasȱtatsächliȬ cheȱLebensalter,ȱ100ȱdientȱalsȱMultiplikator,ȱsoȱdassȱIQȱgleichȱ100ȱist,ȱwennȱdasȱIntelliȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 38ȱ W.ȱSternȱgiltȱalsȱAutorȱdesȱBegriffsȱ„Intelligenzquotient“,ȱobwohlȱseineȱTheorieȱaufȱdenȱzeitȬ

lichȱfrüherenȱErgebnissenȱvonȱA.ȱBinetȱbasieren.ȱ 39ȱ Stern,ȱW.ȱPsychologischeȱBegabungȱundȱBegabungsdiagnose,ȱS.ȱ105Ȭ120.ȱ 40ȱ Sternberg,ȱR.ȱJ.ȱSuccessfulȱintelligence:ȱfindingȱaȱbalance.ȱTrendsȱinȱCognitiveȱSciencesȱ3/1999:ȱ

436ȱ–ȱ442,ȱZitiertȱnachȱRoth,ȱG.ȱFühlen,ȱDenken,ȱHandeln,ȱS.ȱ180.ȱ 41ȱ Zimbardo,ȱP.;ȱGerrig,ȱR.ȱPsychologie,ȱS.ȱ405.ȱ

27ȱ

3.1

3

Menschliche Intelligenz(en)

genzalterȱ undȱ dasȱ Lebensalterȱ identischȱ sind.42ȱ Dasȱ Verfahrenȱ vonȱA.ȱ Binetȱ warȱ simȬ pel:ȱ erȱ hatȱ alsȱ Grundlageȱ fürȱ seineȱ Berechnungenȱ dieȱ durchschnittlichenȱ Fähigkeitenȱ undȱFertigkeitenȱvonȱKindernȱverschiedenesȱAltersȱbenutzt.ȱIstȱeinȱsiebenjährigesȱKindȱ inȱ derȱ Lage,ȱ dieȱ vonȱ anderenȱ siebenjährigenȱ gelöstenȱAufgabenȱ zuȱ bewältigen,ȱ dannȱ istȱseinȱIntelligenzalterȱgleichȱsiebenȱundȱderȱIQȱgleichȱHundert.ȱ Ausȱ diesemȱ Verfahrenȱ zurȱ Unterstützungȱ derȱ Einschulungȱ vonȱ Kindernȱ hatȱ sichȱ einȱ allgemeinȱ verbreiteterȱ Bewertungsmechanismusȱ entwickelt.ȱ Zurzeitȱ werdenȱ verschieȬ deneȱ Testsȱ sowohlȱ fürȱ Kinderȱ alsȱ auchȱ fürȱ Erwachseneȱ angeboten.ȱ Dieȱ ursprünglichȱ vonȱ Binetȱ entwickelteȱ Varianteȱ desȱ Intelligenztestsȱ wurdeȱ vonȱ denȱ Wissenschaftlernȱ derȱ Stanfordȱ Universitätȱ fürȱ amerikanischeȱ Schulkinderȱ übernommenȱ undȱ moderniȬ siert,ȱ deswegenȱ istȱ derȱ Testȱ unterȱ demȱ Namenȱ „StanfordȬBinetȬIntelligenztest“ȱ beȬ kannt.ȱDieserȱTestȱwurdeȱzuletztȱimȱJahreȱ1986ȱüberarbeitetȱundȱistȱderȱamȱhäufigstenȱ benutzteȱpsychologischeȱTestȱinȱdenȱUSA.ȱDieȱtypischenȱAufgabenȱdiesesȱTestsȱumfasȬ sen:ȱ verbalesȱ Schließenȱ (bewertetȱ Wortschatz,ȱ Verstehenȱ undȱ verbaleȱ Relationen),ȱ quantitativesȱ Schließenȱ (bewertetȱ denȱ Umgangȱ mitȱ Mengen,ȱ Zahlenfolgenȱ undȱ GleiȬ chungen),ȱ abstraktes/visuellesȱ Denkenȱ (Musteranalyse),ȱ Kurzzeitgedächtnisȱ (ObjektȬ,ȱ ZahlenȬȱundȱSatzgedächtnis).43ȱ ÄhnlicheȱAufgabenȱbenutztȱderȱWechslerȬIntelligenztest,ȱderȱvonȱD.ȱWechslerȱspeziellȱ fürȱ Erwachseneȱ entwickeltȱ wordenȱ ist.ȱ Derȱ Testȱ bestehtȱ ausȱ zweiȱ Teilen:ȱ VerbalȬȱ undȱ Handlungstests.ȱ Imȱ erstenȱ Teilȱ werdenȱ allgemeinesȱ Wissen,ȱ allgemeinesȱ Verständnis,ȱ rechnerischesȱDenkenȱ undȱ Wortschatzȱ bewertet.ȱ Imȱ Handlungsteilȱ werdenȱAufgabenȱ angeboten,ȱdieȱmitȱAnordnungȱvonȱFiguren,ȱBilderergänzenȱundȱFigurenlegenȱzuȱtunȱ haben.44ȱ Dieȱ Ergebnisseȱ vonȱ Intelligenztestsȱ sindȱ trotzȱ ihrerȱ Popularitätȱ ziemlichȱ umstritten.ȱ Messenȱ dieȱ gängigenȱ Tests,ȱ derenȱ Fragenȱ häufigȱ aufȱ Faktenwissenȱ derȱ europäischenȱ Kunstgeschichteȱ oderȱ Erdkundekenntnissenȱ basieren,ȱ tatsächlichȱ dieȱ Intelligenzȱ alsȱ angeboreneȱFähigkeitȱoderȱeherȱdasȱerworbeneȱAllgemeinwissen?ȱWieȱwirdȱunterȱdemȱ Zeitdruckȱ verbreiteterȱ Testsȱ dasȱ individuelleȱ Lösungstempoȱ berücksichtigt,ȱ dasȱ nichtȱ unbedingtȱmitȱIntelligenz/NichtȬIntelligenzȱzuȱtunȱhat?ȱInwieweitȱspiegeltȱderȱimȱTestȱ gemesseneȱIQȱdieȱimȱLebenȱerforderlicheȱpraktischeȱIntelligenzȱwider?ȱDasȱsindȱFraȬ gen,ȱdieȱdieȱErgebnisseȱvonȱIntelligenztestsȱstarkȱrelativieren.ȱȱ Eineȱ weitereȱ Überlegungȱ inȱ Bezugȱ aufȱ Intelligenzȱ istȱ dieȱ Frageȱ überȱ ihreȱ Erblichkeit.ȱ UnterȱPsychologenȱgibtȱesȱextremȱverschiedeneȱMeinungen.ȱBehavioristenȱstehenȱvollȱ inȱ derȱ Traditionȱ vonȱ J.ȱ Watson,ȱ derȱ behauptete,ȱ erȱ könneȱ einȱ siebenjährigesȱ Kindȱ inȱ jederȱ beliebigenȱ Richtungȱ formenȱ undȱ darausȱ einȱ Genieȱ oderȱ einenȱ Volltrottelȱ maȬ chen.45ȱDanachȱistȱIntelligenzȱdurchȱLernenȱformbarȱundȱnurȱvonȱErfahrungenȱabhänȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 42ȱ 43ȱ 44ȱ 45ȱ

28ȱ

Vgl.ȱZimbardo,ȱP.;ȱGerrig,ȱR.ȱPsychologie,ȱS.ȱ405Ȭ407.ȱ Ebd.,ȱS.407Ȭ408.ȱ Ebd.,ȱS.ȱ409Ȭ410.ȱ ZitiertȱnachȱCohen,ȱD.ȱDieȱgeheimeȱSpracheȱvonȱGeist,ȱVerstandȱundȱBewusstsein,ȱS.ȱ169.ȱ

Intelligenz und Intelligenztheorien

gig.ȱ Einigeȱ kognitiveȱ Persönlichkeitspsychologenȱ behaupten,ȱ dassȱIntelligenz,ȱ wieȱ sieȱ inȱdenȱgängigenȱIntelligenztestsȱgemessenȱwird,ȱzuȱfastȱdreiȱViertelȱgeerbtȱwird.46ȱDieȱ Untersuchungenȱ mitȱ getrenntȱ aufgewachsenenȱ eineiigenȱ Zwillingenȱ (Amelangȱ undȱ BartussekȱstützenȱihreȱAussagenȱaufȱUntersuchungenȱvonȱ117ȱPaarenȱimȱZeitraumȱvonȱ 1937Ȭ1990)ȱ ergabenȱ einenȱ Korrelationskoeffizientȱ fürȱ ihreȱ Intelligenzȱ zwischenȱ 0,67ȱ undȱ 0,78.ȱ NachȱAussageȱ derȱ gleichenȱAutorenȱ korreliertȱ dieȱ Intelligenzȱ imȱAlterȱ vonȱ sechsȱ Jahrenȱ mitȱ derȱ imȱ Alterȱ vonȱ 40ȱ Jahrenȱ mitȱ einemȱ Koeffizientȱ vonȱ 0,6,ȱ wasȱ beiȱ dieserȱZeitspanneȱerstaunlichȱist.ȱDiesȱbedeutetȱnicht,ȱdassȱIntelligenzȱkomplettȱangeȬ borenȱistȱundȱsichȱmitȱdenȱJahrenȱ„entfaltet“ȱsondernȱeher,ȱdassȱIntelligenzȱsichȱselbstȱ weiterentwickelt,ȱ nachȱ Möglichkeitenȱ undȱ Bedingungenȱ sucht,ȱ sichȱ zuȱ stabilisieren.ȱ Dadurchȱwirdȱdasȱberühmteȱ„IQȬParadox“ȱbegründet:ȱJeȱälterȱeinȱMenschȱwird,ȱdestoȱ mehrȱbestimmenȱseineȱGeneȱdieȱUmgebung,ȱinȱderȱerȱlebt.47ȱManȱkannȱdieseȱAussageȱ alsȱ Bestätigungȱ derȱ konstruktivistischenȱ Theseȱ sehen,ȱ nachȱ derȱ wirȱ unsereȱ sozialeȱ Realitätȱselbstȱschaffenȱundȱfürȱsieȱverantwortlichȱsind.ȱ Dieȱ meistenȱ Psychologenȱ sindȱ sichȱ jedochȱ einig,ȱ dassȱ beideȱ Faktorenȱ –ȱ Erbgutȱ undȱ Umweltȱ–ȱfürȱdieȱEntwicklungȱderȱIntelligenzȱzuständigȱsind,ȱauchȱwennȱdieȱEinflussȬ anteileȱunterschiedlichȱgeschätztȱwerden.ȱ EineȱweitereȱbedeutsameȱTheorieȱderȱIntelligenzȱgehtȱaufȱRaymondȱCattellȱzurück,ȱderȱ zweiȱ relativȱ unabhängigeȱ Komponentenȱ derȱ Intelligenzȱ identifiziertȱ hat:ȱ fluideȱ undȱ kristallineȱIntelligenz.48ȱFluideȱIntelligenzȱistȱdieȱFähigkeit,ȱkomplexeȱZusammenhänȬ geȱ zuȱ erkennenȱ undȱ Problemeȱ zuȱ lösen.ȱ Sieȱ wirdȱ eherȱ genetischȱ verursacht,ȱ erreichtȱ ihrenȱHöhepunktȱimȱAlterȱvonȱ14Ȭ15ȱJahrenȱundȱgibtȱimȱLaufeȱdesȱLebensȱetwasȱnach,ȱ insbesondereȱ nachȱ 60ȱ Jahren.ȱ Kristallineȱ Intelligenzȱ umfasstȱ dasȱ erworbeneȱ Wissenȱ einerȱPersonȱundȱihreȱFähigkeiten,ȱdiesesȱWissenȱzuȱnutzen.ȱSieȱistȱeherȱerfahrungsbeȬ dingtȱ undȱ nimmtȱ mitȱ demȱ Alterȱ zu.ȱ Beideȱ Intelligenzenȱ sindȱ fürȱ denȱ Arbeitsalltagȱ wichtig:ȱ kristallineȱ Intelligenzȱ befähigtȱ einenȱ Menschenȱ dazu,ȱ praktischeȱ undȱ sichȱ wiederholendeȱ Aufgabenȱ erfolgreichȱ zuȱ lösen;ȱ fluideȱ Intelligenzȱ hilftȱ beiȱ neuenȱ undȱ abstraktenȱ Problemen.ȱ Eineȱ praktischeȱ Konsequenzȱ ausȱ dieserȱ Unterteilungȱ istȱ eineȱ besondereȱ Wertschätzungȱ ältererȱ Mitarbeiter,ȱ dieȱ durchȱ ihreȱArbeitserfahrungenȱ eineȱ enormeȱkristallineȱIntelligenzȱbesitzen,ȱdieȱeinemȱUnternehmenȱzuguteȱkommt.ȱDiesesȱ Umdenkenȱ istȱ fürȱ unsereȱ alterndeȱ Gesellschaftȱ besondersȱ aktuell.ȱ Inȱ einemȱ diversenȱ Arbeitsteam,ȱzuȱdemȱjüngereȱundȱältereȱMitarbeiterȱgehören,ȱkannȱmanȱVorteileȱbeiderȱ Intelligenzartenȱnutzen.ȱ ModerneȱIntelligenztheorienȱoperierenȱmeistensȱmitȱmehrerenȱFaktoren.ȱDieȱbekannȬ testenȱ sindȱ dieȱ triarchischeȱ Intelligenztheorieȱ vonȱ Robertȱ Sternbergȱ undȱ dasȱ IntelliȬ genzstrukturmodellȱvonȱJ.ȱP.ȱGuilford.ȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 46ȱ Z.B.ȱAmelangȱundȱBartussekȱ1997,ȱEliotȱ2001,ȱZitiertȱnachȱRoth,ȱG.ȱFühlen,ȱDenken,ȱHandeln,ȱ

S.ȱ402Ȭ403.ȱ 47ȱ Vgl.ȱRoth,ȱG.ȱFühlen,ȱDenken,ȱHandeln,ȱS.ȱ403.ȱ 48ȱ Vgl.ȱZimbardo,ȱP.;ȱGerrig,ȱR.ȱPsychologie,ȱS.ȱ413.ȱ

29ȱ

3.1

3

Menschliche Intelligenz(en)

R.ȱSternbergȱgehtȱvonȱeinerȱDreiheitȱderȱIntelligenzȱaus:ȱeinerȱkomponentiellen,ȱerfahȬ rungsbasiertenȱ undȱ kontextuellenȱ Intelligenz,ȱ dieȱ unterschiedlicheȱ Wegeȱ zurȱ ErreiȬ chungȱderȱZielȱbeschreiben.ȱKomponentielleȱ(oderȱanalytische)ȱIntelligenzȱbasiertȱaufȱ mentalenȱ Prozessen,ȱ dieȱ demȱ Denkenȱ undȱ Problemlösenȱ zugrundeȱ liegenȱ Ȭȱ aufȱ WisȬ senserwerb,ȱ Problemlösungsstrategienȱ undȱ Strategieauswahl.ȱ Erfahrungsbasierteȱ IntelligenzȱbeschreibtȱdieȱFähigkeit,ȱmitȱneuenȱAufgabenȱundȱRoutineaufgabenȱumzuȬ gehen.ȱ Kontextuelleȱ (oderȱ praktische)ȱ Intelligenzȱ spiegeltȱ sichȱ inȱ derȱ praktischenȱ KoȬ ordinationȱvonȱAlltagsanforderungenȱwider.49ȱ J.P.ȱGuilfordȱunterscheidetȱinȱseinemȱIntelligenzstrukturmodellȱfünfȱArtenȱvonȱkogniȬ tivenȱ Operationen,ȱ dieȱ menschlicheȱ Intelligenzȱ ausmachen:ȱ Evaluationȱ (Bewertung),ȱ konvergenteȱ Produktion,ȱ divergenteȱ Produktion,ȱ Gedächtnisȱ undȱ Kognition.ȱ Dieseȱ VerarbeitungsprozesseȱrichtenȱsichȱaufȱverschiedeneȱInformationen:ȱvisuelle,ȱauditoriȬ sche,ȱsymbolischeȱetc.ȱundȱergebenȱverschiedeneȱkognitiveȱProdukte:ȱEinheiten,ȱKlasȬ sen,ȱBeziehungen,ȱSystemeȱetc.ȱ(s.ȱfolgendeȱAbbildung).50ȱȱ

Abb.ȱ8:ȱDasȱIntelligenzstrukturmodellȱnachȱGuilford51ȱ

ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 49ȱ Vgl.ȱZimbardo,ȱP.;ȱGerrig,ȱR.ȱPsychologie,ȱS.ȱ413Ȭ416.ȱ 50ȱ Vgl.ȱZimbardo,ȱP.;ȱGerrig,ȱR.ȱPsychologie,ȱS.ȱ413.ȱ 51ȱ AbbildungȱübernommenȱausȱZimbardo,ȱP.;ȱGerrig,ȱR.ȱPsychologie,ȱS.ȱ414.ȱ

30ȱ

Emotionale Intelligenz

JederȱInformationsverarbeitungsprozessȱkannȱanhandȱderȱbeteiligtenȱInhalte,ȱProdukȬ teȱ undȱ Operationenȱ identifiziertȱ werden,ȱ wobeiȱ Guilfordȱ jederȱ Kombinationȱ eineȱ beȬ stimmteȱ geistigeȱ Teilfähigkeitȱ zuschreibt.ȱ Derȱ kleine,ȱ etwasȱ dunklereȱ Würfelȱ inȱ derȱ Abbildungȱ stehtȱ beispielsweiseȱ fürȱ denȱ Wortschatz,ȱ derȱ dieȱ Fähigkeitȱ zurȱ Kognitionȱ mitȱEinheitenȱsemantischenȱInhaltsȱcharakterisiert.ȱAllerdingsȱwäreȱeinȱMessverfahrenȱ aufgrundȱ desȱ Intelligenzstrukturmodellsȱ sehrȱ kompliziert,ȱ deswegenȱ bestehtȱ dieȱ BeȬ deutungȱdesȱModellsȱvonȱGuilfordȱeherȱinȱseinerȱsensibilisierendenȱWirkungȱinȱBezugȱ aufȱdieȱVielfaltȱkognitiverȱVerarbeitungsprozesseȱbeiȱMenschen.ȱȱ Dieȱ Entwicklungȱ derȱ Intelligenzforschungȱ zeigtȱ eineȱ Vielzahlȱ anȱ Definitionenȱ undȱ Theorien,ȱdieȱtendenziellȱinȱdieȱRichtungȱwachsenderȱKomplexitätȱundȱMehrdimensiȬ onalitätȱgehen.ȱEineȱMessungȱderȱIntelligenzȱmitȱIntelligenztestsȱ(IQ)ȱistȱziemlichȱumȬ stritten,ȱdiesesȱVerfahrenȱeignetȱsichȱnurȱbedingtȱfürȱeineȱEinstellungȱoderȱBewertungȱ derȱ Leistungsfähigkeitȱ einesȱ Mitarbeiters.ȱ Leistungȱ undȱ Erfolgȱ einesȱ Individuumsȱ erfordernȱ vielȱ mehrȱ alsȱ dieȱ Fertigkeiten,ȱ Fähigkeitenȱ undȱ Eigenschaften,ȱ dieȱ inȱ stanȬ dardisiertenȱTestsȱgemessenȱwerdenȱkönnen.ȱ

3.2

Emotionale Intelligenz

LangeȱZeitȱgaltȱderȱIQȱalsȱMaßstabȱfürȱErfolg,ȱfolglichȱbasierteȱdieȱAuswahlȱvonȱneuenȱ MitarbeiternȱvorȱallemȱaufȱintelligenzmessendenȱVerfahren.ȱInȱdenȱletztenȱJahrzehntenȱ hatȱsichȱdieseȱEinstellungȱgewandelt.ȱVieleȱForscherȱ(Mayer,ȱSaloveyȱu.a.)ȱbeschäftigenȱ sichȱmitȱderȱsoȱgenanntenȱemotionalenȱIntelligenz,ȱdieȱalsȱFähigkeit,ȱEmotionenȱangeȬ messenȱwahrzunehmen,ȱinȱDenkprozessenȱeinzusetzen,ȱzuȱverstehenȱundȱzuȱregulieȬ renȱ verstandenȱ wird.52ȱ Dieseȱ Definitionȱ spiegeltȱ dasȱ neueȱ Verständnisȱ derȱ Rolleȱ vonȱ EmotionenȱimȱmenschlichenȱDenkenȱundȱHandeln.ȱȱ Besondersȱ bekanntȱ istȱ dieȱ emotionaleȱ Intelligenzȱ durchȱ Danielȱ Golemanȱ geworden,ȱ derȱ imȱ Jahreȱ 1995ȱ dasȱ gleichnamigeȱ Buchȱ veröffentlichtȱ hat.53ȱ Hierunterȱ verstehtȱ derȱ AutorȱsozialeȱKompetenzȱinȱBezugȱaufȱdieȱeigeneȱPersonȱundȱdenȱUmgangȱmitȱandeȬ renȱ Menschenȱ (s.ȱ folgendeȱ Tabelle).ȱ Dieȱ emotionaleȱ Intelligenzȱ einesȱ Menschenȱ wirdȱ zurzeitȱalsȱvielȱausschlaggebenderȱfürȱseinenȱpersönlichenȱundȱberuflichenȱErfolgȱalsȱ seinȱIQȱangesehen.ȱMitȱemotionalerȱIntelligenzȱwirdȱeineȱganzeȱReiheȱvonȱFähigkeitenȱ undȱKompetenzenȱbeschrieben,ȱwieȱSelbstkenntnis,ȱKommunikationsfähigkeit,ȱEmpaȬ thieȱ(Einfühlungsvermögen),ȱTeamfähigkeit,ȱTaktgefühl,ȱÜberzeugungskraftȱetc.ȱEsȱistȱ möglich,ȱdenȱEmotionalquotientȱ(EQ)ȱeinerȱPersonȱanhandȱspeziellerȱTestsȱzuȱmessen.ȱ Eineȱ Studieȱ inȱ denȱ USAȱ mitȱ überȱ 800ȱ Personenȱ lieferteȱ interessanteȱ Ergebnisse:ȱ dieȱ Korrelationȱ zwischenȱ IQȱ undȱ EQȱ istȱ ziemlichȱ gering,ȱ ältereȱ Personenȱ weisenȱ höhereȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 52ȱ Vgl.ȱZimbardo,ȱP.;ȱGerrig,ȱR.ȱPsychologie,ȱS.ȱ417.ȱȱȱ 53ȱ Goleman,ȱD.ȱEmotionaleȱIntelligenz.ȱ

31ȱ

3.2

3

Menschliche Intelligenz(en)

emotionaleȱ Werteȱ aufȱ undȱ Frauenȱ sindȱ imȱ Durchschnittȱ emotionalȱ intelligenterȱ alsȱ Männer,ȱvorȱallemȱbeiȱderȱWahrnehmungȱvonȱEmotionen.54ȱDasȱbelegt,ȱdassȱdieȱemoȬ tionaleȱIntelligenzȱinȱderȱSozialisationȱȱentstehtȱundȱerlernbarȱist.ȱȱȱ

Tabelleȱ5:ȱ KomponentenȱderȱEmotionalenȱIntelligenzȱnachȱD.ȱGoleman55ȱ Persönliche Kompetenzen

Soziale Kompetenzen

Selbstwahrnehmung (Selbstkenntnis, Selbsteinschätzung, Selbstvertrauen)

Soziales Bewusstsein (Empathie, Kommunikationsfähigkeit, Gruppenund Organisationsbewusstsein)

Selbstmanagement (emotionale Selbstkontrolle, Anpassungsfähigkeit, Aufrichtigkeit, Leistungsbereitschaft, Optimismus)

Beziehungsmanagement (Überzeugungskraft, Einfluss, Feedback, Konfliktmanagement, Teamwork und Kooperation)

ȱ DieȱmoderneȱNeurobiologieȱführtȱunsereȱFähigkeitȱzurȱemotionalenȱIntelligenzȱaufȱdieȱ soȱ genanntenȱ Spiegelneuronenȱ imȱ Gehirnȱ zurück,ȱ dieȱ esȱ unsȱ ermöglichen,ȱ Gefühleȱ undȱ Stimmungenȱ andererȱ Personenȱ nachzuempfinden.ȱ Studienȱ zeigen,ȱ dassȱ wirȱ vorȱ allemȱ solcheȱ Menschenȱ sympathischȱ finden,ȱ dieȱ unsereȱ Emotionenȱ adäquatȱ undȱ auȬ thentischȱwiderspiegelnȱkönnen.56ȱȱ Alsȱ Synonymȱ zuȱ demȱ Begriffȱ „Emotionaleȱ Intelligenz“ȱ wirdȱ häufigȱ „Sozialeȱ KompeȬ tenz“ȱverwendet,ȱwieȱsieȱimȱKapitelȱ1ȱeingeführtȱwurde.ȱDerȱUmgangȱmitȱsichȱselbst,ȱ oderȱSelbstkompetenz,ȱbildetȱdabeiȱdieȱBasisȱfürȱdenȱUmgangȱmitȱAnderen.ȱDieȱemoȬ tionaleȱ Intelligenzȱ istȱ fürȱ einenȱ Menschenȱ alsȱ sozialesȱ Wesenȱ vonȱ entscheidenderȱ BeȬ deutung:ȱgemeinsamesȱErfüllenȱvonȱAufgabenȱbasiertȱaufȱ gegenseitigemȱVerständnisȱ undȱVertrauen,ȱerfordertȱEinfühlungsvermögen,ȱKontaktfreudigkeitȱundȱKommunikaȬ tionsbereitschaft.ȱ Emotionaleȱ Intelligenzȱ ermöglichtȱ Gruppenarbeitȱ undȱ Ȭlernenȱ undȱ trägtȱzuȱSynergieeffektenȱinȱderȱTeamarbeitȱbei.ȱȱ Zusammenfassendȱ kannȱ manȱ sagen,ȱ dassȱ nurȱ eineȱ Kombinationȱ ausȱ klassischerȱ undȱ emotionalerȱIntelligenzȱzumȱlangfristigenȱpersönlichenȱundȱunternehmerischenȱErfolgȱ führenȱ kann.ȱ Dochȱ einigeȱ Autorenȱ gehenȱ nochȱ weiterȱ undȱ listenȱ alsȱ Erfolgsfaktorenȱ mehrereȱmenschlicheȱIntelligenzenȱauf.ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 54ȱ Vgl.ȱZimbardo,ȱP.;ȱGerrig,ȱR.ȱPsychologie,ȱS.ȱ418.ȱ 55ȱ Vgl.ȱGoleman,ȱD.ȱEmotionaleȱFührung,ȱS.ȱ61.ȱ 56ȱ Vgl.ȱBauer,ȱJ.ȱWarumȱichȱfühle,ȱwasȱduȱfühlst,ȱS.ȱ49.ȱ

32ȱ

Theorie der multiplen Intelligenzen

3.3

Theorie der multiplen Intelligenzen

ZuȱdenȱbedeutsamenȱIntelligenztheorienȱunsererȱZeitȱgehörtȱdieȱTheorieȱderȱmultiplenȱ Intelligenzenȱ(1998)ȱvonȱHowardȱGardner57ȱ(s.ȱTabelle).ȱȱ

Tabelleȱ6:ȱ MultipleȱIntelligenzenȱnachȱHowardȱGardner58ȱ Intelligenzen

Beschreibung

1. Sprachliche Intelligenz

Die Fähigkeit zum Sprechen: Phonologie (Sprachlaute), Syntax (Grammatik), Semantik (Bedeutung) und Pragmatik (Verwendung)

2. Logischmathematische Intelligenz

Fähigkeit zu abstraktem Denken

3. Naturalistische Intelligenz

Gespür für die Unterschiede zwischen verschiedenen Spezies, Fähigkeit zum diskreten Umgang mit Lebewesen

4. Musikalische Intelligenz (allgemeiner - künstlerische)

Die Fähigkeit zur Erzeugung, Kommunikation und zum Verstehen von Tönen (Tonhöhe, Rhythmus, Klangfarbe)

5. Räumliche Intelligenz

Die Fähigkeit zur Wahrnehmung räumlicher und visueller Information, zu deren Modifikation und Erzeugung

6. Körperliche Intelligenz

Die Fähigkeit zum Einsatz des Körpers und seiner Teile, um Probleme zu lösen bzw. Produkte zu gestalten

7. Intrapersonale Intelligenz

Die Fähigkeit, die eigenen Gefühle, Intentionen und Motivationen zu differenzieren

8. Interpersonale Intelligenz

Die Fähigkeit, Gefühle, Intentionen und Überzeugungen anderer Personen zu erkennen und zu differenzieren

ȱ GardnerȱdefiniertȱIntelligenzȱimȱKontextȱeinerȱKultur,ȱalsȱ dieȱFähigkeit,ȱProblemeȱzuȱ lösenȱ oderȱ Produkteȱ herzustellen,ȱ dieȱ fürȱ eineȱ bestimmteȱ kulturelleȱ Umgebungȱ oderȱ GemeinschaftȱvonȱBedeutungȱsind.ȱDabeiȱunterscheidetȱGardnerȱzwischenȱachtȱspeziȬ fischenȱ Artenȱ vonȱ Intelligenz,ȱ dieȱ beiȱ Individuenȱ alsȱ Fähigkeitenȱ vorhanden,ȱ aberȱ unterschiedlichȱ ausgeprägtȱ sind.ȱ Dasȱ sind:ȱ sprachliche,ȱ logischȬmathematische,ȱ natuȬ ralistische,ȱmusikalische,ȱräumliche,ȱkörperliche,ȱintraȬȱundȱinterpersonaleȱIntelligenz.ȱ Unterschiedlicheȱ Ausprägungsgradeȱ (Kombinationen)ȱ dieserȱ einzelnenȱ Intelligenzenȱ sindȱnachȱGardnerȱfürȱdieȱkulturellenȱVerschiedenheitenȱundȱdieȱpersönlicheȱEinmaȬ ligkeitȱverantwortlich.ȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 57ȱ Gardner,ȱH.ȱAbschiedȱvonȱIQ:ȱDieȱRahmentheorieȱderȱvielfachenȱIntelligenzen.ȱ 58ȱ Gardner,ȱH.ȱIntelligenzen.ȱDieȱVielfaltȱdesȱmenschlichenȱGeistes,ȱS.ȱ55Ȭ57.ȱ

33ȱ

3.3

3

Menschliche Intelligenz(en)

DieȱDefinitionȱvonȱachtȱverschiedenenȱIntelligenzenȱzeigtȱeinȱIndividuumȱ–ȱimȱGegenȬ satzȱzuȱdenȱAnsätzenȱderȱklassischenȱundȱemotionalenȱIntelligenzȱ–ȱinȱseinerȱganzenȱ Vielfältigkeit.ȱ Damitȱ erhebtȱ Gardnerȱ denȱ Anspruch,ȱ dieȱ praktischeȱ Intelligenzȱ einerȱ Personȱzuȱbeschreiben,ȱdieȱfürȱerfolgreichesȱHandelnȱnotwendigȱist.ȱȱ Vergleichtȱ manȱ dieȱ dreiȱ dargestelltenȱ Ansätzeȱ untereinander,ȱ soȱ kannȱ manȱ dieȱ achtȱ IntelligenzenȱvonȱGardnerȱbisȱaufȱfünfȱkomprimieren:ȱ

„ (klassische)ȱIntelligenzȱ(sprachliche,ȱlogischȬmathematischeȱundȱräumliche),ȱ „ emotionaleȱIntelligenzȱ(intraȬȱundȱinterpersonale),ȱ „ naturalistischeȱIntelligenz,ȱ „ künstlerischeȱIntelligenzȱsowieȱ „ körperlicheȱIntelligenz.ȱ Dieseȱ Vielfaltȱ sollȱ dieȱ menschlicheȱ Einmaligkeitȱ undȱ Vielseitigkeitȱ betonen.ȱ Dieȱ zweiȱ traditionellenȱerstenȱIntelligenzenȱwerdenȱdurchȱdieȱnaturalistische,ȱkünstlerischeȱundȱ körperlicheȱergänzt,ȱdieȱfürȱdieȱunternehmerischeȱPraxisȱvonȱgroßerȱBedeutungȱsind.ȱ AufȱderȱnaturalistischenȱIntelligenzȱbauenȱUmweltkompetenzȱundȱNachhaltigkeitȱauf.ȱ DieȱkünstlerischeȱIntelligenzȱermöglichtȱKreativitätȱundȱästhetischeȱVorstellungen,ȱdieȱ fürȱ dieȱ Entwicklungȱ neuerȱ Produkteȱ undȱ Dienstleistungenȱ unentbehrlichȱ sind.ȱ Ohneȱ körperlicheȱ Intelligenzȱ wäreȱ keineȱ psychomotorischeȱ Tätigkeitȱ möglichȱ (wieȱ SchreiȬ ben,ȱAutofahren,ȱPCȬArbeit,ȱFließbandarbeitȱetc.).ȱȱ AlleȱmenschlichenȱIntelligenzenȱbildenȱdieȱGrundlageȱfürȱdieȱEntwicklungȱvonȱKomȬ petenzenȱderȱMitarbeiter,ȱdieȱsowohlȱfürȱdieȱindividuelleȱProblemlösung,ȱalsȱauchȱfürȱ GruppenȬȱundȱTeamarbeitȱwichtigȱsind.ȱȱ InȱdenȱletztenȱJahrenȱversuchenȱeinigeȱWissenschaftlerȱdieȱTheorieȱderȱmultiplenȱIntelȬ ligenzenȱweiterȱzuȱentwickeln,ȱvorȱallemȱimȱSinneȱeinerȱ„praktischen“ȱoderȱErfolgsinȬ telligenz.ȱ Dieseȱ Entwicklungȱ wirdȱ durchȱ dasȱ wachsendeȱ Interesseȱ anȱ WissensmanaȬ gementȱundȱLernenȱinȱUnternehmenȱunterstützt,ȱvorȱallemȱinȱBezugȱaufȱdasȱimpliziteȱ (stille)ȱ Wissen59,ȱ dasȱ sichȱ kaumȱ messen,ȱ dokumentierenȱ undȱ kommunizierenȱ lässt,ȱ aberȱeineȱaußerordentlichȱwichtigeȱRolleȱfürȱmenschlichesȱHandelnȱspielt.ȱȱ Praktischeȱ Intelligenzȱ alsȱ alltagsbezogeneȱ Anforderungenȱ wurdeȱ inȱ einigenȱ Studienȱ untersuchtȱ (z.B.ȱ vonȱ R.ȱ Sternbergȱ undȱ R.ȱ Wagner),ȱ besondersȱ imȱ Bereichȱ desȱ berufliȬ chenȱ Erfolgesȱ unterȱ demȱ Begriffȱ desȱ „tacitȱ knowledge“ȱ (implizitesȱ Wissen).ȱ Eineȱ BeȬ fragungȱ unterȱ erfolgreichenȱ Managernȱ inȱ denȱ USAȱ beinhalteteȱ verschiedeneȱ Fragen,ȱ dieȱtypischeȱProblemeȱdesȱAlltagsȱbehandelten,ȱwieȱzumȱBeispielȱdieȱBewertungȱvonȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 59ȱ DerȱBegriffȱ“ImplizitesȱWissen”ȱwirdȱinȱKapitelȱ5ȱ„Wissensrepräsentation“ȱeingeführt.ȱ

34ȱ

Theorie der multiplen Intelligenzen

Karrierestrategien,ȱhatȱdieȱHypotheseȱüberȱdieȱBedeutungȱdesȱimplizitenȱWissensȱfürȱ dieȱpraktischeȱIntelligenzȱbestätigt.60ȱȱ R.ȱSternberg61ȱvereintȱunterȱdemȱBegriffȱderȱErfolgsintelligenzȱdieȱanalytischeȱ(probȬ lemlösungsbezogeneȱ Vorgänge),ȱ kreativeȱ (Ideenreichtum,ȱ Experimentierfreudigkeit)ȱ undȱpraktischeȱIntelligenz,ȱwobeiȱnurȱdasȱausgewogeneȱZusammenwirkenȱundȱnichtȱ dieȱQualitätȱderȱeinzelnenȱIntelligenzȱausschlaggebendȱfürȱdasȱErgebnisȱist.ȱDieȱprakȬ tischeȱ Intelligenzȱ istȱ imȱ Lebensverlaufȱ unterschiedlichȱ gewichtet,ȱ soȱ nimmtȱ dieȱ akaȬ demischeȱIntelligenzȱab,ȱwährendȱdieȱpraktischeȱIntelligenz,ȱdieȱprimärȱaufȱimplizitemȱ Wissenȱ basiert,ȱ eherȱ zunimmt.ȱ Nachȱ Sternbergȱ setztȱ sichȱ diesesȱ impliziteȱ Wissenȱ zuȬ sammenȱausȱdemȱWissenȱumȱdieȱrichtigeȱVorgehensweiseȱinȱVerbindungȱmitȱderȱVerȬ folgungȱ derȱ persönlichenȱ Zieleȱ undȱ derȱ individuellenȱ Unabhängigkeitȱ vonȱ anderenȱ Personen.ȱ Offensichtlich,ȱistȱdieȱpraktischeȱoderȱErfolgsintelligenzȱfürȱdenȱberuflichenȱundȱperȬ sönlichenȱErfolgȱeinesȱMenschenȱausschlaggebend,ȱdaȱsieȱnichtȱnurȱseineȱFähigkeitenȱ undȱKompetenzen,ȱsondernȱauchȱihreȱpraktischeȱAnwendungȱbeinhaltet.ȱ ȱ Kontrollfragenȱ 1. Wasȱverstehtȱmanȱunterȱ(klassischer)ȱIntelligenz?ȱ 2. WasȱwirdȱmitȱdemȱIntelligenzquotientȱ(IQ)ȱgemessen?ȱ 3. Erklärenȱ Sieȱ denȱ Begriffȱ undȱ dieȱ Bedeutungȱ derȱ emotionalenȱ Intelligenzȱ nachȱ D.ȱ Goleman.ȱ Beschreibenȱ Sieȱ ihreȱ Komponentenȱ (Selbstwahrnehmung,ȱ SelbstmanaȬ gement,ȱsozialesȱBewusstseinȱundȱBeziehungsmanagement).ȱ 4. ErläuternȱSieȱdieȱTheorieȱmultiplerȱIntelligenzenȱvonȱH.ȱGardner.ȱ 5. DiskutierenȱSieȱüberȱdieȱBedeutungȱderȱpraktischenȱoderȱErfolgsintelligenz.ȱ 6. MachenȱSieȱsichȱGedankenȱüberȱIhreȱeigenenȱStärkenȱundȱSchwächenȱinȱBezugȱaufȱ verschiedeneȱIntelligenzen.ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 60ȱ Vgl.ȱWagner,ȱR.ȱK.;ȱSternbergȱR.ȱ(PracticalȱintelligenceȱinȱrealȬworldȱpursuits:ȱTheȱroleȱofȱtacitȱ

knowledge,ȱ436Ȭ458.ȱ 61ȱ Vgl.ȱSternberg,ȱR.ȱJ.ȱErfolgsintelligenz.ȱWarumȱwirȱmehrȱbrauchenȱalsȱEQȱundȱIQ.ȱȱ

35ȱ

3.3

4

Wahrnehmung

4

Wahrnehmung

WährendȱdieȱBehavioristenȱsichȱaufȱdasȱbeobachtbareȱVerhaltenȱkonzentrieren,ȱwasȱinȱ derȱ betrieblichenȱ Praxisȱ bedeutenȱ würde:ȱ einȱ Managerȱ hatȱ seineȱ Mitarbeiterȱ zuȱ beoȬ bachtenȱundȱzuȱbewerten,ȱumȱihrȱVerhaltenȱzuȱsteuern,ȱlegtȱdieȱkognitiveȱPsychologieȱ besonderenȱWertȱaufȱdieȱmentalenȱProzesseȱinȱdenȱKöpfenȱvonȱMenschen.ȱȱ Dieseȱ kognitivenȱ Prozesseȱ sindȱ äußerstȱ komplexȱ undȱ lassenȱ sichȱ mitȱ Modellenȱ nurȱ zumȱ Teilȱ beschreiben.ȱ Menschlichesȱ Handelnȱ basiertȱ aufȱ demȱ individuellenȱ Wissen,ȱ dasȱsichȱimȱLaufeȱderȱZeitȱimȱGehirnȱaufgrundȱderȱWahrnehmungsȬȱundȱLernprozesseȱ herausgebildetȱ hatȱ (vgl.ȱAbbildungȱ 5),ȱ wobeiȱ dieȱ Wahrnehmungȱ alsȱ Inputȱ fürȱ indiviȬ duellesȱ Wissenȱ bezeichnetȱ werdenȱ kann.ȱ Unsereȱ Sinnesorganeȱ (SehȬ,ȱ HörȬ,ȱ GeȬ schmacksȬ,ȱ GeruchsȬȱ undȱ Tastsinn)ȱ liefernȱ unsȱ Informationenȱ ausȱ derȱ Außenwelt.ȱ Genauerȱgesagt,ȱdieȱWeltȱerscheintȱunsȱdurchȱunsereȱSinne.ȱȱ WirȱhabenȱkeinenȱanderenȱWeg,ȱdieȱWeltȱzuȱerkunden,ȱalsȱmithilfeȱunsererȱSinnesorȬ gane.ȱ Dasȱ machtȱ unsereȱ Wahrnehmungȱ undȱ unserȱ Weltbildȱ grundsätzlichȱ subjektiv.ȱ Wirȱ konstruierenȱ unsereȱ Vorstellungȱ vonȱ derȱ Umweltȱ ausȱ subjektivenȱ WahrnehmunȬ gen. WahrnehmungȱistȱkeineȱphysikalischeȱAbbildungȱderȱAußenwelt,ȱunserȱGehirnȱistȱanȱ ihrȱ aktivȱ beteiligtȱ Ȭȱ esȱ richtetȱ unsereȱ Aufmerksamkeit,ȱ vergleichtȱ Informationenȱ mitȱ vorhandenemȱ Wissen,ȱ vervollständigtȱ undȱ ergänztȱ dasȱ Wahrgenommene.ȱ SubjektiviȬ tätȱ derȱ Wahrnehmungȱ undȱ ihreȱAbhängigkeitȱ vonȱ vorhandenemȱ Wissenȱ habenȱ weitȬ gehendeȱKonsequenzenȱsowohlȱfürȱLernprozesseȱalsȱauchȱfürȱdasȱHandelnȱvonȱMenȬ schen.ȱ

4.1

Definition der Wahrnehmung. Rolle des Gedächtnisses

Unterȱ Wahrnehmungȱ wirdȱ nichtȱ nurȱ dieȱAufnahmeȱ vonȱ äußerenȱ Reizenȱ verstanden,ȱ sondernȱ dasȱ subjektiveȱ Konstruierenȱ einesȱ eigenenȱ Weltbildesȱ aufgrundȱ derȱ SinnesȬ eindrückeȱausȱderȱUmwelt.ȱȱ Wahrnehmungȱ istȱ dasȱ subjektiveȱ Konstruierenȱ einesȱ eigenenȱ Weltbildesȱ aufgrundȱ derȱSinneseindrückeȱausȱderȱUmwelt.ȱ

36ȱ

Definition der Wahrnehmung. Rolle des Gedächtnisses

KognitiveȱPsychologieȱbeschreibtȱdiesenȱProzessȱalsȱInformationsverarbeitung,ȱanȱdemȱ außerȱdenȱSinnesorganenȱauchȱdasȱGehirnȱbeteiligtȱist.ȱInȱdemȱgängigenȱInformationsȬ verarbeitungsmodellȱ werdenȱ kognitiveȱ Prozesseȱ inȱ eineȱ Abfolgeȱ geordneterȱ Phasenȱ zerlegt,ȱähnlichȱderȱInformationsverarbeitungȱbeiȱeinemȱComputer.ȱHierȱspiegeltȱsichȱ derȱ Einflussȱ derȱ Forschungȱ aufȱ demȱ Gebietȱ derȱ Künstlichenȱ Intelligenzȱ wider.ȱ Derȱ Vorteilȱ diesesȱAnsatzesȱ istȱ dieȱ Nutzungȱ vonȱ Modellenȱ fürȱ dieȱ Beschreibungȱ vonȱ GeȬ hirntätigkeiten.ȱAndererseits,ȱistȱdasȱmenschlicheȱHirnȱvielȱkomplexer,ȱalsȱjederȱ(heutȬ zutage)ȱdenkbareȱComputer,ȱdeswegenȱbedeutetȱderȱInformationsverarbeitungsansatzȱ eineȱ wesentlicheȱ Vereinfachungȱ undȱ Schematisierungȱ realerȱ kognitiverȱ Prozesse.ȱ Zurȱ Informationsverarbeitungȱgehören:ȱFilternȱundȱAufnahmeȱvonȱInformationen,ȱBewerȬ tungȱundȱVergleich,ȱAblegenȱ(Gedächtnis),ȱAbrufenȱundȱNutzungȱvonȱInformationenȱ beiȱderȱEntscheidungsfindung.ȱ DerȱsubjektiveȱCharakterȱmenschlicherȱWahrnehmungȱkommtȱdadurchȱzustande,ȱdassȱ unsereȱ „mentaleȱ Programmierung“ȱ nichtȱ nachȱ standardisiertenȱ Programmenȱ abläuft,ȱ sondernȱinȱderȱPrimärsozialisationȱinȱfrüherȱKindheitȱexemplarischȱstattfindet.ȱFamiȬ lie,ȱ Umgebungȱ undȱ Kulturȱ liefernȱ jedemȱ Kindȱ einmaligeȱErfahrungen,ȱ dieȱseineȱ VorȬ stellungenȱundȱdieȱEntwicklungȱseinesȱWissensȱüberȱdieȱWeltȱprägen.ȱDasȱentstehendeȱ Weltbildȱ beeinflusstȱ weiterhinȱ denȱ Prozessȱ derȱ Wahrnehmung,ȱ esȱ kommtȱ zuȱ einemȱ Zusammenspielȱ zwischenȱ Wahrnehmungȱ undȱ Wissen,ȱ wodurchȱ sichȱ unserȱ Wissenȱ immerȱweiterȱentwickelt.ȱȱ Unterschiedlicheȱ Eindrückeȱ ausȱ derȱ Außenweltȱ bekommtȱ einȱ Menschȱ durchȱ seineȱ Sinnesorgane.ȱ Menschenȱ sindȱ mitȱ folgendenȱ Sinnenȱ ausgestattet:ȱ Sehen,ȱ Hören,ȱ RieȬ chen,ȱSchmeckenȱundȱTasten.ȱAlleȱdieseȱSinneȱsindȱsehrȱempfindlich:ȱdieȱMinimalreiȬ ze,ȱdieȱvonȱMenschenȱwahrgenommenȱwerdenȱkönnen,ȱsindȱäußerstȱgering.ȱȱ

Tabelleȱ7:ȱ ȱUngefähreȱminimaleȱReizeȱfürȱverschiedeneȱSinne62ȱ Sinnessystem

Minimaler Reiz

Sehen

Die Flamme einer Kerze in einer dunklen klaren Nacht aus einer Entfernung von ungefähr 50 Metern

Hören

Das Ticken einer Uhr ohne Umgebungsgeräusche aus einer Entfernung von ungefähr 6 Metern

Geschmack

Ein Teelöffel voll Zucker in ungefähr 7,5 Liter Wasser

Riechen

Ein Tropfen Parfüm, verteilt auf das Volumen von sechs Räumen

Druck

Der Flügel einer Fliege, der aus einer Entfernung von 1 Zentimeter auf die Wange fällt

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 62ȱ NachȱE.ȱGalanter,ȱZitiertȱnachȱHilgardsȱEinführungȱinȱdieȱPsychologie,ȱS.ȱ112.ȱ

37ȱ

4.1

4

Wahrnehmung

DieȱWahrnehmungȱbeiȱMenschenȱistȱkeineȱreinȱphysikalischeȱAufnahmeȱvonȱInformaȬ tionenȱmithilfeȱvonȱentsprechendenȱGerätenȱ(Sinnesorganen).ȱManȱkannȱeinenȱIndustȬ rieroboterȱmitȱ„künstlichenȱAugen“ȱ(Fotoelementen)ȱversehen,ȱdamitȱerȱaufȱBewegungȱ reagiert,ȱ aberȱ seineȱ „Wahrnehmung“ȱ istȱ vonȱ derȱ einesȱ Menschenȱ weitȱ entfernt.ȱ Einȱ MenschȱnimmtȱvisuelleȱInformationenȱnichtȱnurȱmitȱseinenȱAugenȱwahr,ȱsondernȱmitȱ demȱ ganzenȱ Gehirn.ȱ Deswegenȱ behauptenȱ dieȱ Wahrnehmungspsychologen,ȱ dassȱ wirȱ nichtȱglauben,ȱwasȱwirȱsehen,ȱsondernȱumgekehrt,ȱsehen,ȱwasȱwirȱglauben.ȱȱ Anȱ jedemȱ Wahrnehmungsvorgangȱ istȱ dasȱ Gehirnȱ unmittelbarȱ beteiligt:ȱ esȱ richtetȱ dieȱ Aufmerksamkeitȱ aufȱ einȱ bestimmtesȱ Objektȱ aus,ȱ filtertȱ dieȱ Informationen,ȱ vergleichtȱ sieȱ mitȱ bereitsȱ vorhandenen,ȱ entscheidet,ȱ obȱ dieȱ neuenȱ Informationenȱ relevantȱ sind,ȱ speichertȱdieȱrelevantenȱab,ȱdamitȱsieȱspäterȱabgerufenȱwerdenȱkönnen.ȱEsȱwerdenȱausȱ derȱ Außenweltȱ nurȱ dieȱ Informationenȱ wahrgenommen,ȱ dieȱ wichtigȱ (interessant)ȱ und/oderȱ neuȱ sind.ȱ Diesȱ ermöglichtȱ einȱ vorbewusstȱ arbeitendesȱ System,ȱ dasȱ unsereȱ Aufmerksamkeitȱ aufȱ bestimmteȱ Objekteȱ ausrichtetȱ oderȱ nichtȱ ausrichtet.ȱ Diesesȱ SysȬ temȱklassifiziertȱdieȱInformationenȱnachȱdenȱKriterienȱwichtigȱversusȱunwichtigȱsowieȱ bekanntȱversusȱunbekannt.ȱDiesȱgeschiehtȱdurchȱeinenȱsehrȱschnellenȱZugriffȱaufȱdieȱ verschiedenenȱGedächtnisarten,ȱdieȱanȱderȱWahrnehmungȱaktivȱbeteiligtȱsind.ȱ Manȱ unterscheidetȱ zwischenȱ sensorischem,ȱ KurzzeitȬȱ undȱ Langzeitgedächtnis.ȱ Dieȱ InformationsverarbeitungsprozesseȱspielenȱsichȱinȱfolgenderȱReihenfolgeȱab.ȱInformaȬ tionȱ wirdȱ vonȱ demȱ menschlichenȱ Verarbeitungssystemȱ (Sinnesorgane)ȱ aufgenommenȱ undȱinȱdenȱsensorischenȱSpeichernȱfürȱeineȱkurzeȱZeitȱabgelegtȱ(z.B.ȱvisuelles,ȱauditiȬ vesȱ sensorischesȱ Gedächtnis,ȱ auchȱ Ultrakurzzeitgedächtnisȱ genannt).ȱ Dabeiȱ richtetȱ sichȱ dieȱ Aufmerksamkeit,ȱ dieȱ nurȱ eineȱ begrenzteȱ Kapazitätȱ hat,ȱ aufȱ einȱ bestimmtesȱ ObjektȱoderȱeinenȱProzess.ȱDasȱsensorischeȱGedächtnisȱdientȱderȱFilterungȱvonȱInforȬ mationen,ȱ dieȱ unsereȱ Sinnesorganeȱ wahrnehmenȱ undȱ wirdȱ nurȱ fürȱ einigeȱ Sekundenȱ reizspezifischȱ erregt.ȱ Diesȱ ermöglichtȱ uns,ȱ etwasȱ soebenȱ Wahrgenommenesȱ unmittelȬ barȱ wiederzugeben.ȱ Gleichzeitigȱ findetȱ eineȱ Assoziationȱ mitȱ anderenȱ Reizenȱ oderȱ Emotionenȱstatt.ȱ Ausȱ denȱ sensorischenȱ Speichernȱ kommtȱ dieȱ Informationȱ insȱ Kurzzeitgedächtnis.ȱAlsȱ Kurzzeitgedächtnisȱ (oderȱ auchȱ Arbeitgedächtnis)ȱ bezeichnetȱ manȱ dieȱ Fähigkeit,ȱ eiȬ nenȱbegrenztenȱUmfangȱvonȱInformationenȱinȱeinemȱspeziellenȱaktiviertenȱZustandȱzuȱ haltenȱ (einigeȱ Sekundenȱ lang,ȱ nurȱ bisȱ 7ȱ Einheitenȱ –ȱ Objekte,ȱ Zahlenȱ oderȱ StimulatioȬ nen).ȱ Dasȱ Kurzzeitgedächtnisȱ istȱ gegenüberȱ neuenȱ Ereignissenȱ undȱ Einwirkungenȱ störanfällig.ȱ Fallsȱ dieȱ aufgenommenenȱ Informationenȱ relevantȱ sindȱ (neuȱ und/oderȱ wichtig),ȱ werȬ denȱsieȱweiterȱgeleitetȱundȱkommenȱinȱdasȱLangzeitgedächtnis,ȱwoȱsieȱ„katalogisiert“ȱ undȱabgelegtȱwerden.ȱDortȱkönnenȱsieȱJahreȱundȱJahrzehnteȱlangȱgespeichertȱbleiben.ȱ Dasȱ Langzeitgedächtnisȱ istȱ weitgehendȱ unempfindlichȱ gegenüberȱ Störfaktorenȱ undȱ hatȱeineȱsehrȱgroßeȱSpeicherkapazität.ȱȱ

38ȱ

Definition der Wahrnehmung. Rolle des Gedächtnisses

Tabelleȱ8:ȱ ȱMenschlicheȱGedächtnisartenȱundȱihreȱCharakteristika Charakteristika

Sensorisches Gedächtnis

Kurzzeitgedächtnis

Langzeitgedächtnis

Kapazität

Bis 16000 bit

Ca. 7 Elemente

Alle Lebenserinnerungen und Kenntnisse

Dauer

250 Millisek.

1- 4 Minuten

Lebensspanne

Format

Sensual

Phonemisch

Semantische Organisation

Umȱ Informationenȱ zuȱ reproduzierenȱ oderȱ ausȱ demȱ Langzeitgedächtnisȱ abzurufen,ȱ müssenȱsieȱzuerstȱaktiviertȱwerden.ȱFürȱdieȱEntscheidungsfindungȱsollenȱdieȱInformaȬ tionenȱ imȱ aktivenȱ Zustand,ȱ d.h.ȱ imȱ Kurzzeitgedächtnisȱ vorliegen.ȱ Dieseȱ Aktivierungȱ vonȱ Informationenȱ gelingtȱ destoȱ leichter,ȱ jeȱ stärkerȱ sieȱ eingeprägtȱ wordenȱ sindȱ (abȬ hängigȱvonȱderȱÜbungȱbestimmterȱFähigkeitenȱundȱFertigkeitenȱundȱvonȱderȱWichtigȬ keitȱderȱInformation).ȱAuchȱeinȱspeziellesȱGedächtnistrainingȱkannȱhelfen,ȱsichȱleichterȱ erinnernȱzuȱkönnen.ȱInȱderȱRegelȱbasiertȱsolchesȱTrainingȱaufȱderȱAssoziationsbildungȱ undȱ Aktivierungstechnikenȱ fürȱ dasȱ Gehirn.ȱ Einigeȱ Untersuchungenȱ habenȱ gezeigt,ȱ „dassȱ Dingeȱ umsoȱ besserȱ erinnertȱ werden,ȱ jeȱ deutlicherȱ sieȱ vonȱ emotionalenȱ ZustänȬ denȱbegleitetȱwaren.“63ȱDiesȱweistȱaufȱeinenȱZusammenhangȱzwischenȱEmotionenȱundȱ Gedächtnisȱhin.ȱ Menschlicheȱ Wahrnehmungȱ funktioniertȱ nachȱ demȱ Prinzipȱ einerȱ Mustererkennung.ȱ EinȱMusterȱkannȱalsȱganzesȱerkanntȱwerdenȱ(Schablonenvergleichsmodell)ȱoderȱdurchȱ einzelneȱKomponenteȱ(Merkmalsanalyse).ȱDieȱwahrgenommenenȱMusterȱwerdenȱmitȱ denȱbereitsȱvorhandenenȱverglichenȱundȱanalysiert.ȱ InȱdenȱletztenȱJahrzehntenȱhatȱdieȱNeurobiologieȱvieleȱneueȱErkenntnisseȱgewonnen,ȱ dieȱ dieȱ Wahrnehmungȱ beiȱ Menschenȱ erklären.ȱAmȱ bestenȱ istȱ visuelleȱ Wahrnehmungȱ untersuchtȱ worden:ȱ dieȱ Augenȱ sindȱ nichtȱ nurȱ dieȱ „wichtigstenȱ Lieferanten“ȱ vonȱ InȬ formationenȱausȱderȱAußenwelt,ȱsondernȱauchȱeinȱFensterȱzumȱGehirnȱfürȱdieȱWissenȬ schaftler,ȱ dieȱ aufȱ diesemȱ Wegeȱ dasȱ Sehzentrumȱ imȱ Gehirnȱ erforschenȱ können.ȱ Dieȱ Entwicklungȱ neuerȱ Methodenȱ derȱ Gehirnforschungȱ wieȱ dieȱ funktionaleȱ MagnetȬ ResonanzȬTomografieȱ (MRT)ȱ undȱ dieȱ PositronenȬEmissionsȬTomografieȱ (PET)ȱ habenȱ inȱ denȱ letztenȱ Jahrenȱ unserȱ Wissenȱ überȱ dasȱ menschlicheȱ Gehirnȱ undȱ dieȱ WahrnehȬ mungȱwesentlichȱbereichert.ȱAmȱBeispielȱderȱvisuellenȱWahrnehmungȱwerdenȱnunȱdieȱ MöglichkeitenȱundȱGrenzenȱmenschlicherȱWahrnehmungȱgezeigt.ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 63ȱ Roth,ȱG.ȱFühlen,ȱDenken,ȱHandeln,ȱS.ȱ303.ȱ

39ȱ

4.1

4

Wahrnehmung

Visuelle Wahrnehmung

4.2

Anȱ dieserȱ Wahrnehmungȱ sindȱ nichtȱ nurȱ unsereȱ zweiȱ Augenȱ beteiligt,ȱ sondernȱ auchȱ überȱHundertȱMillionenȱNeuronenȱunseresȱGehirns,ȱdieȱfürȱdieȱVerarbeitungȱvisuellerȱ Informationȱ zuständigȱ sind.ȱ Manȱ bezeichnetȱ Menschenȱ alsȱ „Augenwesen“,ȱ weilȱ derȱ Sehsinnȱ dieȱ meistenȱ Informationenȱ liefertȱ undȱ amȱ stärkstenȱ ausdifferenziertȱ ist.ȱ Derȱ eigentlicheȱReizȱfürȱdasȱSehsystemȱistȱdasȱLichtȱ(elektromagnetischeȱWellenȱimȱBereichȱ vonȱ400ȱbisȱ700ȱNanometer).ȱJedesȱderȱbeidenȱAugenȱenthältȱeinȱSystemȱfürȱdieȱErzeuȬ gungȱeinesȱaufȱdemȱKopfȱstehendenȱAbbildes.ȱEsȱgibtȱzweiȱArtenȱvonȱSehrezeptoren:ȱ Zapfenȱ(WahrnehmungȱvonȱFarben)ȱundȱStäbchenȱ(farbloseȱEmpfindungenȱbeiȱniedriȬ genȱ Lichtintensitäten).ȱ Ausȱ denȱ vierȱ grundlegendenȱ Farbempfindungenȱ –ȱ rot,ȱ gelb,ȱ grünȱundȱblauȱ–ȱstellenȱsichȱunsereȱvielfältigeȱFarbwahrnehmungenȱzusammen.ȱInsgeȬ samtȱ liefernȱ unsȱ dieȱ Augenȱ Informationenȱ überȱ Farben,ȱ Formen,ȱ Bewegungenȱ undȱ EntfernungȱvonȱObjekten.ȱȱ Dieȱ Sehnervenȱ leitenȱ dieȱ visuellenȱ Informationenȱ zumȱ visuellenȱ Cortex,ȱ derȱ sichȱ imȱ hinterenȱTeilȱdesȱGehirnsȱbefindet.ȱNeuroneȱimȱvisuellenȱCortexȱsindȱfürȱvieleȱMerkȬ maleȱdesȱSehensȱempfindlich:ȱfürȱdieȱHelligkeit,ȱFarbe,ȱOrientierungȱundȱBewegung.ȱȱ DaȱdieȱAugenȱimȱKopfȱräumlichȱgetrenntȱsind,ȱhatȱjedesȱAugeȱeineȱetwasȱandereȱSichtȱ derȱDinge.ȱDiesesȱPhänomenȱbezeichnetȱmanȱalsȱbinokulareȱDisparität.ȱDieseȱTatsacheȱ ermöglichtȱdenȱMenschenȱ(undȱdenȱTieren)ȱdieȱbinokulareȱWahrnehmungȱ–ȱwirȱkönȬ nenȱdieȱTiefeȱeinesȱObjektesȱundȱseineȱPositionȱimȱRaumȱwahrnehmen.ȱDieȱbinokulareȱ Disparitätȱ kannȱ unsereȱAugenȱ auchȱ täuschen:ȱ mithilfeȱ vonȱ speziellenȱ Brillenȱ könnenȱ wirȱ unsȱ zumȱ Beispielȱ dreidimensionaleȱ Bilderȱ oderȱ Filmeȱ anguckenȱ undȱ Tiefeȱ dortȱ wahrnehmen,ȱwoȱkeineȱvorhandenȱist.ȱ WieȱflexibelȱmenschlicheȱvisuelleȱMustererkennungȱist,ȱdemonstrierenȱeinigeȱBeispieleȱ inȱdenȱfolgendenȱAbbildungen.ȱ

Abb.ȱ9:ȱ

FlexibilitätȱmenschlicherȱvisuellenȱWahrnehmungȱ

GROSSEȱ

Kleineȱundȱ

Schriftzeichen,ȱBuchstabenȱamȱfalschenȱ

ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱWorteȱmitȱungewöhnlichenȱFOrMenȱundȱsogar Ortȱ ȱ

ȱȱkönnenȱwirȱunproblematischȱlesen.ȱ ȱ

40ȱ

Visuelle Wahrnehmung

ManchmalȱhabenȱwirȱdochȱeinigeȱWahrnehmungsschwierigkeiten:ȱ ZuMbEiSpIeLiStDiEsErSaTzScHwIeRiGzUlEsEn.ȱ WoȱliegtȱdieȱSchwierigkeit?ȱDieȱMenschenȱnehmenȱeinzelneȱWörterȱganzheitlichȱwahr,ȱ weilȱ sieȱ dieȱ Musterȱ fürȱ dieseȱ Worteȱ bereitsȱ kennen.ȱ Jedesȱ Wortȱ wirdȱ beimȱ Lesenȱ mitȱ demȱentsprechendenȱMusterȱimȱGehirnȱverglichen.ȱWennȱinȱeinemȱSatzȱwieȱobenȱdieȱ GroßȬȱundȱKleinschreibungȱnichtȱstimmtȱundȱinsbesondereȱeinzelneȱWorteȱvonȱeinanȬ derȱ nichtȱ getrenntȱ sind,ȱ bekommenȱ wirȱ Schwierigkeiten,ȱ dieȱ Worteȱ zuȱ identifizieren.ȱ Wirȱ müssenȱ denȱ ganzenȱ Satzȱ aufȱ einmalȱ wahrnehmen.ȱ Andersȱ istȱ esȱ imȱ folgendenȱ Beispiel:ȱ Gmäeßȱ eneirȱ Sutideȱ eneirȱ elgnihcesnȱ Uvinisterät,ȱ istȱ esȱ nchitȱ witihcgȱ inȱ wlecehrȱ RneflogheieȱdieȱBstachuebnȱinȱeneimȱWrotȱsnid,ȱdasȱezniigeȱwasȱwcthiigȱist,ȱistȱdaßȱ derȱestreȱundȱderȱleztteȱBstabchueȱanȱderȱritihcegnȱPstoiionȱsnid.ȱDerȱRsetȱknanȱeinȱ ttoaelrȱBsinöldnȱsien,ȱtedztormȱknanȱmanȱihnȱonheȱPemoblreȱlseen.ȱDasȱistȱso,ȱwielȱ wirȱncihtȱjeednȱBstachuebnȱenzelinȱleesn,ȱsnderonȱdasȱWrotȱalsȱgseatems.ȱȱ Wissenschaftlerȱ habenȱ festgestellt,ȱ dassȱ dieȱAugenȱ einesȱ Menschenȱ währendȱ desȱ LeȬ sensȱsichȱnichtȱkontinuierlichȱbewegen,ȱsondernȱfürȱeinenȱkurzenȱMomentȱstillȱstehenȱ undȱ dannȱ weiterȱ springen.ȱ Dasȱ visuelleȱ Systemȱ nimmtȱ Informationenȱ nurȱ währendȱ desȱStillstehensȱ(Fixation)ȱauf.ȱDieȱAnzahlȱundȱdieȱDauerȱvonȱFixationenȱhängenȱ mitȱ demȱ Textȱ zusammen:ȱ mitȱ derȱ steigendenȱ Bekanntheitȱ desȱ Textesȱ nimmtȱ dieȱ Zeitȱ derȱ Fixationȱab,ȱwirȱkönnenȱschnellerȱweiterspringen.ȱ Dieȱ Wahrnehmungȱ vonȱ Bildernȱ kannȱ beiȱ Menschenȱ aufȱ zweiȱ verschiedeneȱ Weisenȱ passieren:ȱ entwederȱ entstehtȱ dasȱ Ganzeȱ ausȱ Elementenȱ (Details),ȱ oderȱ dasȱ Bildȱ wirdȱ ganzheitlich,ȱaufȱeinmalȱwahrgenommen.ȱ Abb.ȱ10:ȱ

BeispielȱfürȱdieȱWahrnehmungȱvonȱkomplexenȱBildern64ȱ

ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 64ȱ DasȱBildȱübernommenȱausȱAnderson,ȱJ.R.ȱKognitiveȱPsychologie,ȱS.ȱ107.ȱ

41ȱ

4.2

4

Wahrnehmung

Nurȱ Menschenȱ sindȱ dazuȱ fähig,ȱ aufȱ diesemȱ Bildȱ einenȱ Dalmatinerȱ zuȱ erkennen,ȱ fürȱ einenȱRechnerȱwäreȱdiesȱeineȱunlösbareȱAufgabe.ȱDasȱverdankenȱwirȱunsererȱeinmaliȬ genȱFähigkeitȱganzheitlicherȱWahrnehmung.ȱȱ Ähnlicheȱ Schwierigkeitenȱ würdeȱ einȱ Computerȱ mitȱ denȱ soȱ genanntenȱ mehrdeutigenȱ Bildernȱhabenȱ(s.ȱAbbildung,ȱlinks).ȱWasȱsehenȱSieȱaufȱdemȱBild:ȱeinenȱMannȱoderȱeineȱ Maus?ȱȱ Inȱ beidenȱ obenȱ genanntenȱ Beispielenȱ hatȱ unsȱ unserȱ Gehirnȱ beiȱ derȱ Wahrnehmungȱ geholfen,ȱindemȱesȱvisuelleȱSignaleȱmitȱdenȱimȱGedächtnisȱvorhandenenȱBildernȱverȬ glichenȱ undȱ dadurchȱ Bedeutungenȱ erkanntȱ hat.ȱAllerdingsȱ kannȱ unsȱ dieȱ Beteiligungȱ desȱ Gehirnsȱ anȱ derȱ Wahrnehmungȱ täuschenȱ oderȱ sogarȱ verwirren.ȱ Daȱ wirȱ einȱ Bildȱ nichtȱ einfachȱ optischȱ (physikalisch)ȱ wahrnehmen,ȱ sondernȱ esȱ zugleichȱ analysieren,ȱ könnenȱunsereȱErwartungenȱdieȱWahrnehmungȱbeeinflussen,ȱz.B.ȱdurchȱdenȱKontextȱ unsereȱGrößenwahrnehmungȱverzerrenȱ(s.ȱAbbildung,ȱrechts).ȱAuchȱwennȱwirȱesȱnichtȱ glaubenȱwollen,ȱsindȱdieȱmittlerenȱKreiseȱlinksȱundȱrechtsȱgleichȱgroß.ȱ ȱ Abb.ȱ11:ȱ

MehrdeutigesȱBildȱ(links)ȱȱundȱverzerrteȱGrößenwahrnehmungȱ(rechts)ȱȱ

ȱ

Esȱ istȱ insgesamtȱ erstaunlich,ȱ wieȱ schnellȱ undȱ leichtȱ wirȱ dieȱ Menschenȱ erkennen,ȱ dieȱ unsȱ bekanntȱ sind:ȱ imȱ Profil,ȱ imȱ schnellenȱ Vorbeigehen,ȱ mitȱ demȱ Rückenȱ zuȱ unsȱ steȬ hend,ȱausȱweiterȱEntfernung.ȱDabeiȱkönnenȱwirȱnichtȱexplizitȱbeschreiben,ȱnachȱwelȬ chemȱMerkmalȱwirȱdieȱPersonȱerkanntȱhaben,ȱaberȱunserȱGedächtnisȱlöstȱsolcheȱAufȬ gabenȱspielerisch.ȱȱ DasȱfolgendeȱBeispielȱzeigtȱdieȱBesonderheitenȱbeiȱderȱWahrnehmungȱvonȱGesichtern.ȱ BetrachtenȱSieȱbitteȱdieseȱzweiȱFrauengesichter,ȱdieȱaufȱdenȱKopfȱgestelltȱsind.ȱSindȱsieȱ identisch?ȱȱ

42ȱ

Visuelle Wahrnehmung

Abb.ȱ12:ȱ

KontextabhängigkeitȱderȱWahrnehmung65ȱ

ȱ

Drehenȱ Sieȱ jetztȱ bitteȱ dasȱ Buchȱ so,ȱ dassȱ Sieȱ dieȱ Gesichterȱ inȱ derȱ normalenȱ Stellungȱ betrachtenȱkönnen.ȱȱ VielleichtȱhabenȱSieȱschonȱfrüherȱdieȱUnterschiedeȱbeiȱderȱMundpartieȱentdeckt,ȱaberȱ erstȱ jetztȱ merkenȱ Sie,ȱ dassȱ dasȱ rechteȱ Gesichtȱ einenȱ Ausdruckȱ desȱ Entsetzensȱ bzw.ȱ Eckelsȱhat.ȱFürȱdasȱVerstehenȱderȱMimikȱsindȱderȱKontextȱundȱdieȱÜbungȱvonȱgroßerȱ Bedeutung.ȱ Unsereȱ Erfahrung,ȱ undȱ nichtȱ unsereȱ visuelleȱ Wahrnehmung,ȱ lässtȱ unsȱ schließen,ȱdassȱdieȱFrauȱrechtsȱentsetztȱist.ȱȱ DiesesȱPhänomenȱistȱmitȱdenȱRollenȱunsererȱlinkenȱundȱrechtenȱHirnhälftenȱverbunȬ den.ȱ Dieȱ linkeȱ (logischȬanalytische)ȱ Hälfteȱ kannȱ imȱ Prinzipȱ nichtȱ objektivȱ wahrnehȬ men,ȱ sieȱ benutztȱ sofortȱ dieȱ vorhandenenȱ Modelleȱ undȱ Schemata,ȱ dieȱ dasȱ Geseheneȱ rationalȱ erklären.ȱ Dieȱ rechteȱ (ganzheitlichȬräumliche)ȱ Hälfteȱ nimmtȱ „neutral“ȱ wahr,ȱ mitȱmehrȱDetailsȱundȱMerkmalen,ȱaberȱohneȱzuȱanalysieren.ȱAufȱdieserȱBesonderheitȱ menschlicherȱ Wahrnehmungȱ basiertȱ zumȱ Beispielȱ eineȱ originelleȱ Methodeȱ fürȱ dasȱ Erlernenȱ desȱ Zeichnens:ȱ Manȱ stelltȱ dasȱ zuȱ zeichnendeȱ Objektȱ aufȱ denȱ Kopf,ȱ umȱ derȱ Schematisierungȱ zuȱ entfliehen.ȱ Dieseȱ Theorieȱ behauptet,ȱ dassȱ esȱ fürȱ einenȱ Malerȱ unȬ entbehrlichȱsei,ȱ„mitȱderȱrechtenȱHirnhälfte“ȱsehenȱundȱmalenȱzuȱlernen.ȱ AuchȱderȱselektiveȱCharakterȱunsererȱWahrnehmungȱundȱdieȱsubjektiveȱInterpretationȱ desȱWahrgenommenenȱkönnenȱalsȱBelegȱfürȱdieȱBeteiligungȱdesȱmenschlichenȱGehirnsȱ undȱ desȱ Gedächtnissesȱ anȱ demȱ Wahrnehmungsprozessȱ dienen.ȱ Unsereȱ allgemeinenȱ Einstellungenȱ undȱ Erwartungenȱ sindȱ dafürȱ entscheidend,ȱ wasȱ wirȱ sehenȱ oderȱ nichtȱ sehenȱ–ȱsoȱkönnenȱwirȱunsȱaufȱeinenȱAspektȱderȱSacheȱkonzentrierenȱohneȱdieȱ„KehrȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 65ȱ AbbildungȱübernommenȱausȱNerdinger,ȱF.ȱW.ȱGrundlagenȱdesȱVerhaltensȱinȱOrganisationen,ȱȱ

2003.ȱ

43ȱ

4.2

4

Wahrnehmung

seite“ȱzuȱsehen.ȱJeȱnachȱdemȱKontextȱundȱErwartungenȱkönnenȱwirȱdieȱBedeutungenȱ desȱ Wahrgenommenenȱ unterschiedlichȱ auslegen,ȱ wasȱ unsȱ häufigȱ voreingenommenȱ undȱeinseitigȱmachtȱ(s.ȱAbbildung).ȱ

Abb.ȱ13:ȱ

SubjektiveȱInterpretationȱ

ȱ

4.3

Grenzen menschlicher Wahrnehmung

Genausoȱ wieȱ dieȱ visuelleȱ findenȱ alleȱ unsereȱ Wahrnehmungenȱ mitȱ Beteiligungȱ desȱ Gehirnsȱ stattȱ undȱ werdenȱ vonȱ ihmȱ beeinflusstȱ bzw.ȱ verzerrt.ȱ Jedeȱ Wahrnehmungȱ istȱ subjektiv,ȱkontextabhängigȱundȱselektiv.ȱȱ BeiȱjederȱWahrnehmung,ȱsetzenȱMenschenȱihreȱAufmerksamkeitȱein.ȱUnterȱAufmerkȬ samkeitȱverstehtȱmanȱdieȱFähigkeit,ȱeinenȱTeilȱderȱInformationȱfürȱeineȱgenaueȱAnalyȬ seȱauszuwählenȱundȱandereȱTeileȱzuȱignorieren.ȱ WährendȱSieȱdiesenȱSatzȱlesen,ȱschauenȱIhreȱAugenȱaufȱdieȱBuchseite,ȱundȱSieȱnehmenȱ nichtȱ wahr,ȱ wasȱ allesȱ gleichzeitigȱ umȱ Sieȱ herumȱ passiert.ȱ Könnenȱ Sieȱ vielleichtȱ irȬ gendwelchenȱGeruchȱwahrnehmen?ȱDrückenȱIhreȱSchuheȱnicht?ȱSchmeckenȱSieȱnochȱ dieȱvorȱkurzemȱgegesseneȱSchokoladeȱimȱMund?ȱIstȱderȱStuhlȱbequemȱfürȱIhrenȱRüȬ cken?ȱSindȱirgendwelcheȱNebengeräuscheȱaufȱderȱStrasseȱzuȱhören?ȱWirȱkönnenȱunseȬ reȱAufmerksamkeitȱumschalten.ȱDasȱnenntȱmanȱselektiveȱAufmerksamkeit.ȱȱ SelektivesȱSehenȱbedeutet,ȱdassȱwirȱunserȱAugenmerkȱaufȱeinȱbestimmtesȱObjektȱrichȬ ten,ȱ wasȱ übrigensȱ dieȱ notwendige,ȱ aberȱ nichtȱ ausreichendeȱ Bedingungȱ derȱ WahrnehȬ

44ȱ

Grenzen menschlicher Wahrnehmung

mungȱ ist.ȱ Manchmalȱ gucktȱ man,ȱ aberȱ siehtȱ nicht,ȱ daȱ dieȱAufmerksamkeitȱ insȱ Innereȱ gerichtetȱ ist.ȱ Dasȱ unterstreichtȱ nochȱ mal,ȱ dassȱ wirȱ nichtȱ nurȱ mitȱ denȱAugen,ȱ sondernȱ auchȱmitȱunseremȱGehirnȱsehen.ȱȱ Beimȱ Zuhörenȱ bewegenȱ wirȱ unbewusstȱ unserenȱ Kopf,ȱ sodassȱ dieȱ Ohrenȱ aufȱ dieȱ unsȱ interessierendeȱ Schallquelleȱ ausgerichtetȱ sind.ȱ Wirȱ könnenȱ sehrȱ feinȱ selektierenȱ undȱ sogarȱaufȱeinerȱlautenȱPartyȱeinerȱfürȱunsȱwichtigenȱStimmeȱzuhören.ȱUnserȱInteresse,ȱ unsereȱ Emotionenȱ undȱ dieȱ Wichtigkeitȱ einerȱ gesprochenenȱ Nachrichtȱ lenkenȱ unsereȱ selektiveȱ Aufmerksamkeit.ȱ Wirdȱ zumȱ Beispielȱ unserȱ Nameȱ erwähnt,ȱ merkenȱ wirȱ esȱ sofort.ȱDieȱirrelevantenȱHörreizeȱwerdenȱvollständigȱausgefiltert.ȱ Wodurchȱ wirdȱ bestimmt,ȱ welcheȱ Objekteȱ inȱ dasȱ Zentrumȱ unsererȱ Aufmerksamkeitȱ rücken?ȱ Dieȱ selektiveȱ Aufmerksamkeitȱ kannȱ zielȬȱ oderȱ reizgesteuertȱ sein.ȱ Imȱ erstenȱ Fallȱ orientierenȱ wirȱ unsȱ aufȱ eigeneȱ Ziele,ȱ konzentrierenȱ unsȱ aufȱ dasȱ Wichtige.ȱ Dieseȱ ArtȱselektiverȱWahrnehmungȱistȱpositiv,ȱsieȱermöglichtȱKonzentrationȱundȱLernen.ȱBeiȱ derȱreizgesteuertenȱAufmerksamkeitȱziehenȱbestimmteȱReizeȱunsereȱAufmerksamkeitȱ anȱ sich,ȱ automatischȱ undȱ unabhängigȱ vonȱ unserenȱ Zielen.ȱ Diesȱ kannȱ sichȱ aufȱ unserȱ Handelnȱnegativȱauswirken,ȱdaȱwirȱvonȱderȱErreichungȱeigenerȱZieleȱabgelenktȱwerȬ den.ȱBeispielsweise,ȱSieȱsitzenȱinȱeinerȱVorlesungȱundȱwollenȱsichȱkonzentrieren,ȱaberȱ einȱlautesȱGesprächȱIhrerȱNachbarinnenȱhindertȱSieȱdaran.ȱȱ SelektiveȱAufmerksamkeitȱspiegeltȱdieȱbegrenzteȱKapazitätȱderȱMenschen,ȱInformatiȬ onenȱ zuȱ verarbeiten,ȱ wieder.ȱ Dieȱ unbeachtetenȱ Informationenȱ kommenȱ imȱ Gehirnȱ nichtȱanȱundȱgehenȱfürȱunsȱverloren.ȱȱȱȱ Begrenzteȱ Kapazitätȱ menschlicherȱ Informationsverarbeitungȱ undȱ dieȱ Beteiligungȱ desȱ GehirnsȱsetzenȱGrenzenȱunsererȱWahrnehmungȱundȱbestimmenȱihrenȱsubjektivenȱundȱ selektivenȱ Charakter.ȱ Inȱ derȱ Wahrnehmungȱ werdenȱ Informationenȱ ausȱ derȱ Umweltȱ nichtȱ einfachȱ aufgezeichnet,ȱ sondernȱ strukturiertȱ undȱ interpretiert.ȱ Sowohlȱ unsereȱ eigenenȱZieleȱalsȱauchȱäußereȱReizeȱkönnenȱunsereȱAufmerksamkeitȱaufȱeinzelneȱObȬ jekteȱ richten.ȱ Unbeachteteȱ Informationenȱ werdenȱ nichtȱ verarbeitet.ȱ Kontextȱ undȱ ErȬ wartungenȱ könnenȱ unsereȱ Wahrnehmungȱ beeinflussenȱ undȱ sogarȱ verzerren.ȱ Eineȱ Wahrnehmungserfahrungȱ alsȱ Reaktionȱ aufȱ einenȱ Reizȱ istȱ damitȱ eineȱ Reaktionȱ derȱ ganzenȱPersonȱundȱnichtȱnurȱihrerȱSinnesorgane.ȱȱ Kontrollfragenȱ 1. DefinierenȱSieȱdenȱBegriffȱWahrnehmungȱundȱdieȱBeteiligungȱdesȱGehirnsȱanȱdieȬ semȱProzess.ȱ 2. Beschreibenȱ Sieȱ dieȱ Charakteristikaȱ desȱ sensorischen,ȱ KurzzeitȬȱ undȱ LangzeitgeȬ dächtnisses.ȱ 3. Erläuternȱ Sieȱ visuelleȱ Wahrnehmungȱ alsȱ Mustererkennung,ȱ ihreȱ Flexibilitätȱ undȱ dieȱRolleȱdesȱGehirnsȱaufgrundȱvonȱBeispielenȱbeiȱderȱSubjektivitätȱundȱSelektiviȬ tätȱderȱWahrnehmung.ȱ

45ȱ

4.3

5

Wissensrepräsentation

5

Wissensrepräsentation

Sinneseindrücke,ȱ dieȱ wirȱ ausȱ derȱ Außenweltȱ bekommen,ȱ dienenȱ alsȱ Bausteineȱ fürȱ unserȱ subjektivesȱ Weltbild,ȱ dessenȱ Entstehungȱ alsȱ Wissensrepräsentationȱ bezeichnetȱ wird.ȱDerȱProzessȱderȱWissensrepräsentationȱbeiȱeinemȱIndividuumȱbeginntȱschonȱvorȱ derȱGeburtȱimȱFötusstadiumȱundȱdauertȱlebenslang.ȱSpezifischeȱReizeȱundȱeinmaligeȱ Erfahrungenȱ prägenȱ unserȱ Wissenȱ undȱ verleihenȱ ihmȱ einenȱ subjektivenȱ Charakter.ȱ Dieseȱ Subjektivitätȱ verstärktȱ sichȱ mitȱ derȱ Zeit,ȱ weilȱ dasȱ Wissenȱ sichȱ „verselbststänȬ digt“,ȱunsereȱPersönlichkeitȱbeeinflusstȱundȱunsereȱWahrnehmungȱselektiert.ȱ WissensrepräsentationȱistȱnurȱdankȱbesondererȱFähigkeitenȱdesȱmenschlichenȱGehirnsȱ möglich.ȱ Obwohlȱ dieȱ wissenschaftlichenȱ Erkenntnisseȱ überȱ dasȱ Gehirnȱ undȱ seineȱ Funktionenȱ immerȱ umfangreicherȱ werden,ȱ istȱ dieȱ Wissenschaftȱ vonȱ ihrerȱ vollständiȬ genȱEntschlüsselungȱweitȱentfernt.ȱWie,ȱinȱwelcherȱFormȱwirdȱimȱGehirnȱdasȱWissenȱ abgebildet?ȱ Besondersȱ verbreitetȱ istȱ zurzeitȱ derȱ soȱ genannteȱ MentaleȬMusterȬAnsatz,ȱ derȱimȱWeiterenȱerläutertȱwird.ȱ

5.1

Theorie der Wissensrepräsentation

Dasȱ Menschlicheȱ Gehirn,ȱ dasȱ sichȱ imȱ laufeȱ derȱ Evolutionȱ entwickeltȱ hat,ȱ ermöglichtȱ durchȱseinenȱkomplexenȱAufbauȱundȱvielfältigeȱFunktionenȱdieȱProzesseȱderȱWissensȬ repräsentation.ȱManȱunterscheidetȱverschiedeneȱGehirnteile,ȱdenenȱbestimmteȱFunktiȬ onenȱ zugeschriebenȱ werden:ȱ GroßȬ,ȱ MittelȬȱ undȱ Stammhirn,ȱ wobeiȱ dasȱ Großhirnȱ mitȱ seinerȱgewaltigenȱOberflächeȱeineȱbesondereȱRolleȱspielt.ȱAusȱderȱGroßhirnrindeȱwirdȱ nachȱ Meinungȱ vonȱ Neurowissenschaftlernȱ dasȱ sozialeȱ Verhaltenȱ vonȱ Menschenȱ geȬ steuert.ȱȱ Anȱ derȱ Repräsentationȱ desȱ Wissensȱ sindȱ dieȱ Nervenzellenȱ imȱ Gehirnȱ –ȱ Neuronenȱ –ȱ beteiligt.ȱNachȱMeinungȱvonȱHirnforschernȱsindȱsieȱimstandeȱkomplexeȱVerbindungenȱ zuȱbilden,ȱdieȱalsȱ„mentaleȱMuster“ȱbezeichnetȱwerden.ȱDieseȱVerbindungenȱverstärȬ kenȱsichȱbeimȱLernenȱundȱkönnenȱerinnertȱwerden.ȱ Unserȱ Wissenȱ überȱ denȱ Aufbauȱ desȱ Gehirnsȱ undȱ seinerȱ Teileȱ istȱ umfangreich,ȱ allerȬ dingsȱistȱdieȱFrage,ȱwieȱdasȱWissenȱinȱunseremȱKopfȱrepräsentiertȱist,ȱnochȱlangeȱnichtȱ beantwortet.ȱAufȱdenȱfolgendenȱSeitenȱfindenȱSieȱeinigeȱwichtigeȱInformationenȱüberȱ denȱAufbauȱundȱdieȱFunktionsweiseȱdesȱmenschlichenȱDenkorgans.ȱ

46ȱ

Theorie der Wissensrepräsentation

Exkurs: Die Anatomie des Gehirns Das Gehirn eines Menschen wiegt im Durchschnitt 1350 Gramm. Interessant ist die Entwicklung der Hirnmasse im historischen Kontext: bei Urmenschen vor zwei Millionen Jahren wog das Gehirn (ähnlich wie bei Schimpansen) durchschnittlich nur 400 Gramm. Der Aufbau des Gehirns bei allen Tieren, auch bei Fischen und Vögeln, ist grundsätzlich ähnlich. Man unterscheidet das Groß-, Mittel- und Stammhirn. Im Laufe der Zeit entwickelten sich bei den Urmenschen vor allem die Großhirnrinde und Teile des limbischen Systems, wo jene Bezirke lokalisiert sind, die das emotionale Verhalten steuern, mit dem Wahrnehmen, dem Gedächtnis und dem Denken zusammenhängen. Das alles haben wir als soziale Wesen in der menschlichen Gesellschaft gelernt. Beiden Hemisphären des Großhirns werden unterschiedliche Rollen zugeschrieben. Der linken Hemisphäre werden Funktionen wie logisches Denken, Sprache und analytisches Denken zugeschrieben, der rechten - Musikalität, Kreativität und räumliches Vorstellungsvermögen. Außerdem steuern beide Hälften jeweils die Bewegungen der anderen Körperseite. Menschliches Verhalten wird von beiden Hemisphären gleichzeitig beeinflusst. Die linke logisch-analytische, sequentiell verarbeitende Hälfte ist mehr für gesprochene und geschriebene Sprache sowie mathematische Fähigkeiten zuständig, während die rechte räumlich-emotionelle, ganzheitlich verarbeitende - mehr für räumliches Vorstellungsvermögen und das Erkennen von Mustern zuständig ist.

ȱ Bildquelle: http://www.biokurs.de/skripten/12/bs12n.htm?bs12-42.htm (11.07.07)

ȱ

47ȱ

5.1

5

Wissensrepräsentation

Exkurs: Nervensystem und Neuronen Zu dem Zentralnervensystem eines Menschen gehören das Gehirn und das Rückenmark. Ein peripheres Nervensystem wird durch Nerven gebildet, die das Gehirn und das Rückenmark mit den anderen Körperteilen (Sinnesrezeptoren, Muskeln, Drüsen und inneren Organen) verbinden. Als Neuron bezeichnet man eine spezielle Zelle des Körpers, die Nervenimpulse zu anderen Neuronen, Drüsen oder Muskeln übertragen kann. 11

14

Unser Gehirn besteht aus 10 bis 10 Neuronen, jedes Neuron erhält Informationen von 3 4 10 bis 10 anderen Neuronen. Die Länge der Nervenfasern im Großhirn erreicht die fast unglaubliche Zahl von 500.000 Kilometer. Die Großhirnrinde besitzt die Oberfläche von ca. 2 2200 cm . Die Neuronen werden funktionell klassifiziert: es gibt sensorische (Eingangs-) und motorische (Ausgangs-) Neuronen sowie Interneuronen, die Signale von den sensorischen Neuronen erhalten und an andere Interneuronen oder motorische Neuronen weiterleiten.

Ein Neuron im menschlichen Gehirn besteht aus einem Zellkörper, einem Axon (Verbindung) und den synaptischen Endknöpfchen (Bildquelle: Anderson, J.R. Kognitive Psychologie, Spektrum Verlag, Heidelberg, 1988, S. 33) Die Neuronen können sowohl elektrische als auch chemische Impulse übertragen. Information breitet sich entlang eines Neurons in Form eines Aktionspotenzials aus, eines elektrochemischen Impulses. Elektrische Spannung führt dazu, dass ein Neuron sich entlädt, oder, wie man sagt, eine Information „feuert“. Das Übertragen von Information passiert mit der Geschwindigkeit von 3 bis zu 400 Kilometern pro Stunde. Neuronale Impulse sind immer gleich stark, man bezeichnet dies als „Eins-oder-Null“-Prinzip der neuronalen Aktivität. Außerdem setzen die Neuronen (ihre Endknöpfchen) bestimmte chemische Substanzen frei – die Neurotransmitter, die für eine Übertragung eines Signals von einem Neuron zu einem anderen verantwortlich sind. Diese Transmitter können entweder erregend oder hemmend wirken. Einer der bekanntesten Neurotransmitter ist Dopamin. Die Ausschüttung von Dopamin in einzelnen Teilen des Gehirns erzeugt positive Hochgefühle. Einige Forschungen beweisen, dass die Lust am Lernen auch mit diesem Neurotransmitter verbunden werden kann. Es gibt im Gehirn ein Belohnungszentrum für das Lernen, wo der Botenstoff Dopamin bei einem Lernerfolg ausgeschüttet wird.

ȱ 48ȱ

Subjektivität und Stabilität des Wissens

Moderneȱ Hirnforscher,ȱ wieȱ zumȱ Beispielȱ Antonioȱ Damasio66ȱ behaupten,ȱ dassȱ unserȱ Bewusstseinȱ aufȱ reinȱ biologischeȱ Vorgängeȱ zurückgeführtȱ werdenȱ kannȱ undȱ unserȱ Denkenȱ ständigȱ vonȱ biologischenȱ Prozessen,ȱ Gefühlenȱ undȱ Emotionenȱ beeinflusstȱ wird.ȱ Fürȱ komplexeȱ Vorgängeȱ imȱ menschlichenȱ Gehirnȱ gibtȱ esȱ jedochȱ zurzeitȱ keineȱ lückenlosenȱ Erklärungen.ȱ Zumȱ Beispiel,ȱ bleibtȱ dieȱ Frage,ȱ wieȱ ausȱ einemȱ neuronalenȱ MusterȱeinȱGedankeȱentsteht,ȱimmerȱnochȱunklar.ȱ Trotzdemȱ helfenȱ grundlegendeȱ Modellvorstellungenȱ überȱ dieȱ Arbeitsweiseȱ unseresȱ GehirnsȱvieleȱVorgängeȱbesserȱerklärenȱzuȱkönnen,ȱwieȱderȱweitȱverbreiteteȱMentaleȬ MusterȬAnsatzȱderȱWissensrepräsentation:ȱȱ WissenȱistȱdieȱRepräsentationȱderȱWeltȱinȱFormȱvonȱmentalenȱMustern,ȱdieȱdieȱFäȬ higkeitenȱeinesȱMenschenȱzumȱDenkenȱundȱHandelnȱbestimmen.ȱ DieȱmentalenȱMustern,ȱdieȱsichȱimȱlaufeȱdesȱLebensȱbeiȱjedemȱIndividuumȱaufgrundȱ vonȱindividuellenȱLebenserfahrungenȱherausbilden,ȱwerdenȱdurchȱfolgendeȱMerkmaȬ leȱgekennzeichnet:ȱȱ

„ sieȱsindȱsubjektivȱ–ȱjedesȱIndividuumȱhatȱseinȱeigenesȱWeltbild,ȱȱ „ relativȱstabilȱ–ȱdieȱMenschenȱgewöhnenȱsichȱdaran,ȱfürȱProblemlösungenȱbestimmȬ teȱ Methodenȱ undȱ Verfahrenȱ zuȱ benutzen,ȱ dieȱ sichȱ alsȱ wirksamȱ erwiesenȱ habenȱ Ȭȱ undȱȱ

„ verhaltensprägendȱ –ȱ menschlicheȱ Entscheidungsfindungȱ undȱ Verhaltenȱ basierenȱ aufȱdemȱindividuellenȱWissen.ȱ AufȱderȱBasisȱdesȱMentalenȬMusterȬAnsatzesȱkannȱeineȱneue,ȱüberȱdieȱfrüherȱerläuterȬ tenȱ behavioristischenȱ Theorien67ȱ hinausȱ gehendeȱ Definitionȱ derȱ menschlichenȱ IntelliȬ genzȱformuliertȱwerden:ȱIntelligenzȱistȱdieȱFähigkeit,ȱmentaleȱModelleȱderȱWeltȱzuȱ bilden,ȱ dieseȱ fürȱ dasȱ Handelnȱ zuȱ benutzenȱ undȱ kontinuierlichȱ zuȱ aktualisierenȱ (Lernfähigkeit).ȱȱȱ

5.2

Subjektivität und Stabilität des Wissens

UmȱdenȱsubjektivenȱCharakterȱdesȱmenschlichenȱWissensȱzuȱverstehen,ȱmussȱmanȱdenȱ ProzessȱderȱBildungȱvonȱmentalenȱMusternȱinȱseinerȱDynamikȱbetrachten.ȱȱ Einȱ neugeborenesȱ Kindȱ istȱ bereitsȱ keinȱ „ungeschriebenesȱ Blattȱ Papier“ȱ –ȱ teilweiseȱ genetischȱ bedingt,ȱ aberȱ meistensȱ dankȱ derȱ Entwicklungȱ imȱ Mutterleibȱ bildetȱ sichȱ inȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 66ȱ Vgl.ȱDamasio,ȱA.ȱIchȱfühle,ȱalsoȱbinȱich.ȱ 67ȱ Behavioristischeȱ Ansätzeȱ definierenȱ Intelligenzȱ durchȱ intelligentesȱ Verhaltenȱ (vgl.ȱ Kapitelȱ

3.1),ȱaberȱIntelligenzȱistȱauchȱohneȱVerhaltenȱmöglich:ȱwirȱkönnenȱetwasȱverstehen,ȱohneȱzuȱ handeln.ȱȱ

49ȱ

5.2

5

Wissensrepräsentation

seinemȱ Gehirnȱ einȱ soȱ genanntesȱ „Grundgerüst“,ȱ einȱ Netzȱ ausȱ festȱ verbundenenȱ FaȬ sern,ȱfürȱdieȱmentalenȱMuster,ȱdieȱsichȱraschȱnachȱderȱGeburtȱherausbilden68.ȱDerȱRepȬ räsentationsprozessȱdesȱWissensȱbeginntȱdamitȱbereitsȱbeiȱeinemȱFötusȱimȱMutterleibȱ undȱläuftȱbesondersȱintensivȱinȱderȱfrühenȱKindheitȱab.ȱEsȱistȱdabeiȱsehrȱwichtig,ȱwelȬ cheȱEmpfindungenȱeinȱKindȱvonȱderȱAußenweltȱdurchȱseineȱSinnesorganeȱbekommt.ȱ Dieȱ erstenȱ Lebensmonateȱ habenȱ einenȱ entscheidendenȱ Einflussȱ aufȱ dieȱ Entwicklungȱ desȱ Gehirns69.ȱ Dieȱ erstenȱ Neuronenverbindungenȱ imȱ Gehirnȱ einesȱ Kindesȱ werdenȱ späterȱentwederȱverstärktȱ(durchȱsichȱwiederholendeȱWahrnehmungen)ȱoderȱabgebautȱ (fallsȱ sieȱ nichtȱ mehrȱ benutztȱ werden).ȱ Dieȱ neuenȱ Informationenȱ werdenȱ inȱ demȱ Grundgerüstȱabgelegt,ȱsieȱverfestigenȱundȱverfeinernȱdieȱvorhandenenȱVernetzungen.ȱ InȱderȱSpracheȱderȱKünstlichenȱIntelligenzȱwürdeȱesȱbedeuten:ȱwährendȱderȱEmbryoȬ nalzeitȱundȱderȱerstenȱLebensmonateȱentstehtȱeineȱ„Hardware“ȱ(GerüstȱfürȱdieȱmentaȬ lenȱ Muster),ȱ dieȱ eineȱ spätereȱ Programmierungȱ mitȱ derȱ „Software“ȱ ermöglich.ȱ Allesȱ Weitere,ȱ wasȱ einȱ Menschȱ lerntȱ undȱ erlebt,ȱ wirdȱ anȱ diesenȱ Gerüstȱ „aufgehängt“ȱ undȱ „eingeordnet“ȱundȱkannȱspäterȱabgerufenȱundȱerinnertȱwerden.ȱ Inȱ einemȱ langenȱ WahrnehmungsȬLernprozessȱ erlerntȱ einȱ Kindȱ zuerstȱ dieȱ einfachenȱ Worte,ȱspäterȱBegriffeȱundȱZusammenhänge,ȱausȱdenenȱsichȱseinȱWissenȱüberȱdieȱWeltȱ herausbildet,ȱ dasȱ inȱ Formȱ vonȱ Neuronenverbindungenȱ imȱ Gehirnȱ „abgelegt“ȱ wird.ȱ Diesesȱ Wissenȱ repräsentiertȱ dasȱ subjektiveȱ Weltbildȱ einesȱ Menschenȱ undȱ wirdȱ imȱ LaufeȱdesȱLebensȱimmerȱweiterȱausgebautȱundȱvervollständigt.ȱEsȱentstehtȱeinȱSystemȱ desȱindividuellenȱ(subjektiven)ȱWissens.ȱDabeiȱwerdenȱdieȱAssoziationenȱundȱmentaȬ lenȱ Musterȱ ständigȱ kommuniziert,ȱ mitȱ neuenȱ Informationenȱ derȱ Außenweltȱ vergliȬ chen,ȱ wodurchȱ sieȱ sichȱ verfeinernȱ undȱ neuȱ anordnen.ȱ Beiȱ einerȱ Erinnerungȱ werdenȱ entsprechendeȱ mentaleȱ Musterȱ aktiviert.ȱ Führenȱ wirȱ einenȱ kurzenȱ Versuchȱ durch.ȱ StellenȱSieȱsichȱbitteȱeinenȱHundȱvor.ȱ WelchenȱHundȱhabenȱSieȱsichȱvorgestellt?ȱEsȱkönnenȱzweiȱVariantenȱauftreten:ȱentweȬ derȱ erscheintȱ inȱ Ihremȱ Kopfȱ einȱ „Bild“ȱ vonȱ irgendeinemȱ konkretemȱ Hund,ȱ denȱ Sieȱ habenȱoderȱhatten,ȱoderȱaberȱeinȱschematischesȱBildȱeinesȱabstraktenȱHundes,ȱanȱdasȱ Sieȱsichȱgeradeȱerinnernȱkönnen.ȱInȱbeidenȱFällenȱgibtȱesȱinȱIhremȱGehirnȱeinȱspeziellesȱ mentalesȱMusterȱfürȱdenȱBegriffȱ„Hund“.ȱDiesesȱMusterȱistȱindividuellȱundȱsubjektiv.ȱ Jedeȱ Erinnerungȱ entsprichtȱ imȱ Gehirnȱ einerȱ ganzȱ bestimmtenȱ Kombinationȱ vielerȱ Nervenzellen,ȱ dieȱ gemeinsamȱ „feuern“.ȱ Durchȱ dieȱ gemeinsameȱ elektrischeȱ Aktivitätȱ entstehtȱ einȱ Musterȱ imȱ Gehirn,ȱ dasȱ einenȱ Hundȱ repräsentiert.ȱ Gesichterȱ vonȱ MenȬ schen,ȱTelefonnummern,ȱBegriffe,ȱAntwortenȱaufȱdieȱKlausurfragenȱȬȱfürȱallesȱgibtȱesȱ einȱspeziellesȱMusterȱvonȱNervenzellen,ȱdieȱgemeinsamȱaktivȱwerden.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 68ȱ Vgl.ȱVester,ȱF.ȱDenken,ȱLernen,ȱVergessen,ȱS.ȱ38Ȭ39.ȱ 69ȱ Tierexperimenteȱ beweisen,ȱ dassȱ dieȱ inȱ denȱ erstenȱ Monatenȱ desȱ Lebensȱ fehlendenȱ EmpfinȬ

dungenȱnichtȱmehrȱnachgeholtȱwerdenȱkönnen:ȱneugeboreneȱRatten,ȱdieȱeineȱZeitȱlangȱkeineȱ visuellenȱ Eindrückeȱ bekommenȱ haben,ȱ könnenȱ späterȱ nichtȱ mehrȱ sehenȱ lernenȱ undȱ bleibenȱ blind.ȱȱ

50ȱ

Formen des Wissens: beschreibendes, prozessuales und emotionales

Dieȱ Wirklichkeitȱ unseresȱ Gehirnsȱ istȱ einȱ Konstrukt,ȱ dasȱ nurȱ einenȱ Teilȱ derȱ beȬ wusstseinsunabhängigenȱ Realitätȱ darstellt.ȱ Mentaleȱ Musterȱ sindȱ beiȱ jedemȱ IndiviȬ duumȱeinmalig,ȱsieȱbildenȱsichȱimȱLaufeȱderȱZeitȱdurchȱErfahrungȱundȱLernen.ȱDarausȱ resultiertȱ dieȱ Subjektivitätȱ unseresȱ Wissensȱ sowieȱ unseresȱ Weltbildes.ȱ Trotzȱ dieserȱ Subjektivitätȱ müssenȱ wirȱ unsȱ mitȱ anderenȱ verständigen.ȱ Deswegenȱ „übersetzen“ȱ wirȱ unsereȱ mentalenȱ Musterȱ zumȱ Zweckȱ derȱ Kommunikationȱ inȱ verschiedeneȱ Symboleȱ (Worte,ȱGesten,ȱBilderȱetc.)ȱAllerdingsȱistȱkeineȱÜbersetzungȱhundertprozentigȱgenau,ȱ dieȱbenutzenȱSymboleȱgebenȱnichtȱexaktȱunsereȱmentalenȱMusterȱwieder.ȱJederȱkenntȱ dasȱGefühl,ȱdassȱesȱmanchmalȱschwierigȱist,ȱbestimmteȱBegriffeȱoderȱGefühleȱinȱWortȬ formȱ zuȱ fassen.ȱ Jederȱ meintȱ mitȱ demȱ Gesagtenȱ etwasȱ anderes.ȱ Bleibenȱ wirȱ beiȱ demȱ BeispielȱmitȱdemȱHund.ȱWirȱbeideȱbenutzenȱdasȱgleicheȱWortȱ„Hund“,ȱaberȱSieȱkönȬ nenȱsichȱeinȱniedlichesȱkleinesȱHündchenȱvorgestelltȱhaben,ȱwährendȱichȱdenȱriesigenȱ aggressivenȱ Rotweilerȱ meinerȱ Nachbarnȱ meine,ȱ vorȱ demȱ ichȱ immerȱ panischeȱ Angstȱ habe.ȱ Deswegenȱ behauptetȱ derȱ Neurowissenschaftlerȱ G.ȱ Roth,ȱ dassȱ Missverstehenȱ unterȱ Menschenȱ dasȱ Normaleȱ sei,ȱ währendȱ Verstehenȱ nurȱ eineȱ Ausnahmeȱ ist:ȱ „Dasȱ eineȱ ist,ȱ wasȱ ichȱ meine,ȱ wennȱ ichȱ etwasȱ sage;ȱ einȱ anderesȱ ist,ȱ wasȱ dasȱ Gehirnȱ meinesȱ KommunikationspartnersȱanȱBedeutungenȱerzeugt,ȱwennȱdieȱSprachlauteȱanȱseinȱOhrȱ dringen.ȱ Hiervonȱ habeȱ ichȱ keineȱ umfassendeȱ Kenntnis,ȱ undȱ ichȱ kannȱ hieraufȱ keinenȱ direktenȱEinflussȱnehmen.“70ȱ NebenȱderȱSubjektivitätȱdesȱWissensȱhatȱderȱMentaleȬMusterȬAnsatzȱderȱWissensrepȬ räsentationȱ eineȱ weitereȱ wichtigeȱ Folgeȱ –ȱ dieȱ sogenannteȱ Stabilitätsthese.ȱ Sowohlȱ menschlicheȱ Wahrnehmungȱ (alsȱ Mustererkennungsprozess)ȱ alsȱ auchȱ menschlichesȱ DenkenȱundȱWissenȱwerdenȱbestimmtȱvonȱvorgeprägten,ȱgelerntenȱSchemata,ȱdieȱwirȱ alsȱ Assoziationsgrundlageȱ benutzen.ȱ Wirȱ reduzierenȱ dieȱ Komplexitätȱ derȱ InformatiȬ onsaufnahme,ȱ indemȱ wirȱ neueȱ Informationenȱ zunächstȱ mitȱ bekanntenȱ Schablonenȱ vergleichenȱ undȱ diesenȱ zuordnen.ȱ Dadurchȱ könnenȱ wirȱ auchȱ ausȱ relativȱ diffusenȱ InȬ formationenȱ schnellȱ wichtigeȱ Zusammenhängeȱ erkennen.ȱ Andererseitsȱ sindȱ wirȱ daȬ durchȱ vorgeprägt.ȱ Dieseȱ Reduzierungȱ derȱ Komplexitätȱ machtȱ unsȱ sichererȱ beiȱ derȱ LösungȱvonȱneuenȱAufgaben,ȱstehtȱaberȱinȱWiderspruchȱzurȱunsererȱKreativität.ȱ

5.3

Formen des Wissens: beschreibendes, prozessuales und emotionales

DasȱWissenȱimȱGehirnȱkannȱinȱverschiedenenȱFormenȱexistieren.ȱWirȱhabenȱbestimmteȱ VorstellungenȱvonȱObjektenȱundȱihrenȱZusammenhängenȱ–ȱdiesesȱWissenȱnenntȱmanȱ beschreibendesȱ (oderȱ deskriptives).ȱ Esȱ kannȱ mitȱ derȱ Formelȱ „Wissen,ȱ dass...“ȱ beȬ schriebenȱwerden.ȱAlleȱBegriffeȱundȱDefinitionen,ȱdieȱwirȱformulierenȱkönnen,ȱgehöȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 70ȱ Roth,ȱG.ȱFühlen,ȱDenken,ȱHandeln,ȱS.ȱ425.ȱ

51ȱ

5.3

5

Wissensrepräsentation

renȱdazu.ȱDieȱEntstehungȱdesȱbeschreibendenȱWissensȱbeginntȱinȱfrüherȱKindheitȱmitȱ denȱVorstellungenȱvonȱderȱeigenenȱMutterȱundȱdenȱeinfachenȱGegenständenȱundȱkannȱ sichȱbisȱzuȱschwierigstenȱAbstraktionenȱausȱderȱQuantenphysikȱentwickeln.ȱAbertauȬ sendeȱvonȱDefinitionenȱundȱBeschreibungenȱwerdenȱimȱLaufeȱdesȱLebensȱinȱunseremȱ Gehirnȱ abgelegtȱ undȱ sortiert.ȱ Jeȱ häufigerȱ einȱ Begriffȱ benutztȱ wird,ȱ destoȱ stärkerȱ dieȱ entsprechendeȱ Verknüpfungȱ undȱ destoȱ leichterȱ derȱ Prozessȱ desȱ Abrufensȱ dieserȱ InȬ formation.ȱEineȱwichtigeȱOrganisationsformȱbeschreibendenȱWissensȱistȱdieȱAbstraktiȬ on,ȱ d.h.ȱ dieȱ Bildungȱ vonȱ Klassenȱ vonȱ Objektenȱ mitȱ gemeinsamenȱ Eigenschaften.ȱ Dieȱ dabeiȱ entstehendenȱ Taxonomienȱ ermöglichenȱ eineȱ effizienteȱ Speicherungȱ desȱ beȬ schreibendenȱWissens.ȱ DieȱzweiteȱFormȱvomȱWissenȱistȱsoȱgenanntesȱprozessualesȱWissen,ȱdasȱunserȱKönnenȱ beiȱ derȱ Veränderungȱ derȱ Weltȱ bestimmt.ȱ Esȱ istȱ dasȱ „Wissen,ȱ wie...“ȱ manȱ etwasȱ tut.ȱ Diesesȱ Wissenȱ umfasstȱ verschiedeneȱ Fertigkeiten,ȱ dieȱ meistensȱ psychomotorischerȱ naturȱsind,ȱvonȱeinfachenȱBewegungsgriffenȱbeimȱEssenȱbisȱkompliziertenȱTätigkeitenȱ wieȱAutofahren,ȱKlavierspielenȱoderȱdieȱstrategischeȱPlanungȱinȱUnternehmen.ȱDieseȱ Tätigkeitenȱ werdenȱ alsȱ komplexeȱ Prozesseȱ imȱ Gehirnȱ gespeichertȱ undȱ könnenȱ beiȱ genügenderȱÜbungȱautomatischȱablaufen.ȱBeiȱsolchenȱFertigkeitenȱwissenȱwirȱnormaȬ lerweise,ȱ dassȱ wirȱ überȱ sieȱ verfügen,ȱ könnenȱ aberȱ schlechtȱ mitȱ Wortenȱ beschreiben,ȱ wieȱ sieȱ funktionieren.ȱ Fürȱ psychomotorischeȱ Prozesseȱ wieȱ Radfahren,ȱ Klavierspielenȱ etc.ȱ wäreȱ esȱ sogarȱ störend,ȱ alleȱ motorischenȱ Tätigkeitenȱ bewusstȱ zuȱ kontrollieren.ȱ Jeȱ mehrȱ wirȱ übenȱ undȱ jeȱ besserȱ derȱAblaufȱ wird,ȱ destoȱ wenigerȱ Konzentrationȱ istȱ notȬ wendigȱundȱdestoȱwenigerȱsindȱwirȱfähig,ȱdieȱProzesseȱzuȱbeschreiben.ȱProzesswissenȱ istȱ zumȱ großenȱ Teilȱ schwerȱ symbolisierbarȱ undȱ kommunizierbar.ȱ Fürȱ dieȱAneignungȱ diesesȱ Wissenȱ sindȱ Informationsquellenȱ nichtȱ ausreichend,ȱ manȱ brauchtȱ zusätzlichȱ einenȱLehrerȱ(Vorbild),ȱderȱdieȱProzesseȱvorführenȱkann.ȱ Dieȱ dritteȱ Formȱ desȱ Wissensȱ istȱ dasȱ emotionaleȱ Wissen.ȱ Emotionenȱ spielenȱ eineȱ auȬ ßergewöhnlichȱwichtigeȱRolleȱbeiȱDenkenȱundȱHandeln.ȱAufȱderȱeinenȱSeite,ȱsindȱalleȱ unsereȱ Erinnerungenȱ emotionalȱ gefärbt:ȱ sowohlȱ beschreibendesȱ alsȱ auchȱ ProzesswisȬ senȱ existierenȱ nurȱ imȱ einemȱ emotionalenȱ Kontext.ȱAufȱ derȱ anderenȱ Seite,ȱ habenȱ alleȱ menschlicheȱ Entscheidungenȱ undȱ Handlungenȱ eineȱ Gefühlskomponente:ȱ sieȱ werdenȱ vonȱ Emotionenȱ ausgelöstȱ undȱ nachträglichȱ emotionalȱ bewertet.ȱ G.ȱ Rothȱ beschreibtȱ verschiedeneȱModuleȱdesȱGehirnsȱnachȱFunktionen71:ȱsensorische,ȱmotorische,ȱkogniȬ tivȬassoziative,ȱexekutiveȱundȱlimbischeȱAreale.ȱLimbischeȱArealeȱsindȱfürȱdieȱEmotioȬ nenȱ undȱ Bewertungȱ verantwortlich.ȱ Emotionenȱ schreibtȱ Rothȱ eineȱ besondereȱ BedeuȬ tungȱzu:ȱ„EmotionenȱgreifenȱinȱdieȱbewussteȱVerhaltensplanungȱundȱ–steuerungȱein,ȱ indemȱ sieȱ beiȱ derȱ Handlungsauswahlȱ mitwirkenȱ undȱ bestimmteȱ Verhaltensweisenȱ befördern.ȱHierbeiȱsprichtȱmanȱvonȱMotivation.ȱAlsȱWilleȱ‚energetisieren‘ȱsieȱdieȱeinenȱ Handlungenȱ beiȱ ihrerȱAusführungȱ undȱ unterdrückenȱ alsȱ Furchtȱ oderȱAbneigungȱ anȬ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 71ȱ Vgl.ȱRoth,ȱG.ȱFühlen,ȱDenken,ȱHandeln.ȱ

52ȱ

Explizites und implizites Wissen: die Rolle des Bewusstseins

dere.ȱ Sieȱ steuernȱ unsereȱ Gedanken,ȱ Vorstellungenȱ undȱ insbesondereȱ unsereȱ ErinneȬ rungen.“72ȱ DieseȱdreiȱFormenȱvonȱWissenȱ–ȱbeschreibendes,ȱprozessualesȱundȱemotionalesȱ–ȱkannȱ manȱ nichtȱ ganzȱ vonȱ einanderȱ trennen,ȱ sieȱ bestimmenȱ dasȱ individuelleȱ Verhaltenȱ gleichzeitig.ȱ Betrachtetȱ manȱ individuelleȱ Handlungskompetenzen,ȱ soȱ kannȱ manȱ aufȱ diesenȱ dreiȱ Wissensformenȱ aufbauendȱ dreiȱ Dimensionenȱ vonȱ Kompetenzenȱ bilden,ȱ dieȱ fürȱ alleȱ Teilkompetenzenȱ notwendigȱ sind:ȱ kognitive,ȱ emotionaleȱ undȱ konativeȱ (Vgl.ȱKompetenzprofilȱeinerȱFührungskraft,ȱKapitelȱ1.2).ȱ

Tabelleȱ9:ȱ FormenȱdesȱWissensȱalsȱGrundlageȱfürȱDimensionenȱderȱHandlungskompetenzȱ Formen des Wissens

Dimensionen der Handlungskompetenz

beschreibendes

kognitive

prozessuales

konative

emotionales

emotionale

5.4

Explizites und implizites Wissen: die Rolle des Bewusstseins

ModerneȱNeurowissenschaftlerȱwieȱG.ȱRothȱbestätigenȱundȱentwickelnȱdieȱFreud´scheȱ TheorieȱvonȱBewusstemȱundȱUnbewusstemȱ(s.ȱKapitelȱ2.2)ȱundȱbeschreibenȱbewussteȱ undȱunbewussteȱVerarbeitungsprozesseȱinȱmenschlichemȱGehirn.ȱ Bewusste,ȱ oderȱ kontrollierteȱ bzw.ȱ expliziteȱ Prozesseȱ hängenȱ starkȱ vonȱ derȱ BereitstelȬ lungȱ kognitiverȱ Ressourcenȱ (Arbeitsgedächtnis)ȱ ab,ȱ benötigenȱ Aufmerksamkeitȱ undȱ Bewusstsein,ȱ laufenȱ langsamȱ (Sekundenȱ bisȱ Minuten)ȱ undȱ mühevollȱ ab,ȱ benötigenȱ intensivenȱ Zugriffȱ aufȱ dasȱ Langzeitgedächtnis,ȱ sindȱ störanfällig,ȱ zeigenȱ wenigȱ ÜȬ bungseffekteȱundȱsindȱschnellȱveränderbarȱundȱsprachlichȱberichtbar.73ȱȱ Unbewusste,ȱ oderȱ automatisierteȱ bzw.ȱ impliziteȱ Prozesseȱ sindȱ unabhängigȱ vonȱ derȱ BegrenzungȱkognitiverȱRessourcen,ȱderȱwillentlichenȱKontrolleȱweitgehendȱentzogen,ȱ benötigenȱ keineȱAufmerksamkeitȱ undȱ keinȱ Bewusstsein,ȱ laufenȱ schnellȱ undȱ mühelosȱ ab,ȱ habenȱ geringeȱ Fehleranfälligkeit,ȱ verbessernȱ sichȱ durchȱ Übung,ȱ sindȱ schwerȱ verȬ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 72ȱ Roth,ȱG.ȱFühlen,ȱDenken,ȱHandeln,ȱS.ȱ291.ȱ 73ȱ Ebd.,ȱS.ȱ238.ȱ

53ȱ

5.4

5

Wissensrepräsentation

änderbar,ȱwennȱsieȱeinmalȱeingeübtȱsind,ȱundȱinȱihrenȱDetailsȱsprachlichȱnichtȱberichtȬ bar74.ȱ Dieȱ meistenȱ mentalenȱ Tätigkeitenȱ verlaufenȱ unbewusst,ȱ automatisiert.ȱ Bewusstseinȱ wirdȱnurȱdannȱeingesetzt,ȱwennȱanȱeinȱIndividuumȱ„höhereȱAnforderungen“ȱgestelltȱ werdenȱwieȱeineȱneueȱAufgabeȱoderȱunerwarteteȱInformation.ȱInȱdenȱübrigenȱSituatiȬ onenȱ „spart“ȱ unserȱ Gehirnȱ seineȱ Energieȱ undȱ arbeitetȱ automatisch,ȱ routinemäßig.ȱ „BewusstseinȱistȱfürȱdasȱGehirnȱeinȱZustand,ȱderȱtunlichstȱzuȱvermeidenȱundȱnurȱimȱ Notfallȱeinzusetzenȱist.ȱWirȱMenschenȱlebenȱjedochȱinȱeinerȱUmwelt,ȱbesondersȱeinerȱ sozialenȱUmwelt,ȱdieȱunsȱständigȱneue,ȱwichtigeȱundȱkomplizierteȱProblemeȱstellt,ȱsoȱ dassȱesȱratsamȱist,ȱdasȱBewusstseinȱmehrȱoderȱwenigerȱdurchgehendȱ‚eingeschaltet‘ȱzuȱ lassen.“75ȱBewusstseinȱalsȱaktiverȱZustandȱistȱnötig,ȱwennȱdasȱGehirnȱmitȱSachverhalȬ tenȱkonfrontiertȱwird,ȱdieȱhinreichendȱneuȱ(keineȱStandardlösungȱvorhanden),ȱhinreiȬ chendȱkomplexȱoderȱhinreichendȱwichtigȱsind.ȱ Imȱ Einklangȱ mitȱ diesenȱ zweiȱ Verarbeitungsprozessenȱ imȱ Gehirnȱ wirdȱ dasȱ Wissenȱ inȱ explizitesȱ(bewusstes,ȱaktives)ȱundȱimplizitesȱ(passives,ȱunbewusstes)ȱunterteilt.ȱ Explizitesȱ (bewusstes,ȱ aktives)ȱ Wissenȱ istȱ relativȱ leichtȱ symbolischȱ darstellbar,ȱ verȬ fügbarȱundȱkommunizierbar.ȱEsȱistȱaktivȱvorhanden,ȱkannȱjederȱZeitȱbenutztȱwerden.ȱ Dieseȱ Formȱ desȱ Wissensȱ entsprichtȱ demȱ „Bewussten“ȱ ausȱ derȱ Persönlichkeitstheorieȱ vonȱS.ȱFreudȱundȱdenȱbewusstenȱProzessenȱimȱGehirnȱnachȱG.ȱRoth.ȱExplizitesȱWissenȱ kannȱ inȱ Formȱ vonȱ Symbolenȱ dargestelltȱ werden,ȱ wasȱ esȱ zugänglichȱ undȱ kommuniȬ zierbarȱmacht.ȱEsȱkannȱaufȱverschiedenenȱMedienȱgespeichertȱundȱverfügbarȱgemachtȱ werdenȱ–ȱalsȱTexte,ȱBilder,ȱTabellen,ȱelektronischeȱDateienȱundȱDatenbanken.ȱ Implizitesȱ (unbewusstes,ȱ passives)ȱ Wissenȱ istȱ umgekehrtȱ schwerȱ symbolischȱ darȬ stellbar,ȱteilweiseȱnichtȱzugänglich,ȱschwerȱkommunizierbar.ȱBeiȱS.ȱFreudȱwürdeȱdafürȱ dasȱ VorȬȱ undȱ Unbewussteȱ stehen.ȱ Nachȱ Rothȱ sindȱ esȱ unbewusstȱ laufendeȱ automatiȬ sierteȱVerarbeitungsprozesse.ȱTeilweiseȱkannȱdasȱimpliziteȱWissenȱaktivȱgemachtȱwerȬ denȱ–ȱreflektiert,ȱerinnertȱoderȱniedergeschrieben.ȱSoȱkannȱausȱdemȱVorbewusstenȱbeiȱ FreudȱdasȱBewussteȱentstehen.ȱEinȱTeilȱdesȱWissensȱbleibtȱaberȱunbewusstȱundȱdamitȱ ausȱderȱimplizitenȱFormȱinȱdieȱexpliziteȱnichtȱverformbar.ȱDazuȱgehörenȱbeiȱMenschenȱ zumȱBeispielȱIntuitionȱundȱInstinkteȱ(nachȱFreud)ȱoderȱauchȱautomatisiertesȱProzessȬ wissenȱundȱGewohnheitenȱ(nachȱG.ȱRoth).ȱDieȱFormulierungȱ„Ichȱweißȱmehr,ȱalsȱichȱ zuȱsagenȱweiß“ȱmachtȱdenȱCharakterȱdesȱimplizitenȱWissensȱdeutlich.ȱUnserȱaktives,ȱ bewusstȱ vorhandenesȱ Wissenȱ istȱ nurȱ einȱ Bruchteilȱ unseresȱ Gesamtwissensȱ –ȱ wieȱ dieȱ SpitzeȱeinesȱEisbergs.ȱManȱkannȱdasȱimpliziteȱWissenȱalsȱnichtȱvollständigȱformulierȬ baresȱHintergrundwissenȱdefinieren.ȱEinȱgroßerȱTeilȱistȱmitȱdenȱkomplexenȱFähigkeiȬ tenȱundȱFertigkeitenȱverbundenȱundȱlässtȱsichȱschwerȱdokumentieren.ȱDiesesȱWissenȱ hängtȱengȱmitȱdenȱsubjektivenȱWahrnehmungenȱundȱWertenȱzusammen,ȱexistiertȱnurȱ imȱKontextȱeinzelnerȱPersönlichkeiten.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 74ȱ Roth,ȱG.ȱFühlen,ȱDenken,ȱHandeln,ȱS.ȱ237.ȱ 75ȱ Ebd.,ȱS.ȱ240.ȱ

54ȱ

Formalisiertes Wissen

MitȱderȱExistenzȱdieserȱzweiȱFormenȱdesȱWissensȱsindȱdieȱProblemeȱdesȱWissensmaȬ nagementsȱinȱUnternehmenȱverbundenȱ(s.ȱKapitelȱ15.2).ȱDasȱexpliziteȱWissenȱkannȱinȱ einemȱUnternehmenȱbeschafft,ȱentwickelt,ȱgeteilt,ȱbenutztȱundȱweitergetragenȱwerden.ȱ DasȱimpliziteȱWissenȱdagegenȱistȱinȱdenȱKöpfenȱvonȱeinzelnenȱMenschenȱgespeichert,ȱ esȱ kannȱ nurȱ teilweiseȱ formalisiertȱ oderȱ aktiviertȱ werden.ȱWieȱ kannȱ einȱ Unternehmenȱ diesesȱ Wissenȱ trotzdemȱ aufrechterhaltenȱ undȱ fürȱ andereȱ Mitarbeiterȱ zugänglichȱ maȬ chen?ȱ Denȱ Teil,ȱ derȱ inȱ eineȱ expliziteȱ Formȱ umwandelbarȱ istȱ (dasȱ Vorbewusste),ȱ kannȱ manȱdurchȱKommunikationȱerschließenȱundȱdurchȱbewusstesȱDokumentierenȱverfügȬ barȱmachen.ȱDenȱanderenȱTeilȱkannȱmanȱnurȱdurchȱunmittelbaresȱLernenȱ(durchȱNaȬ chahmungȱ bzw.ȱ Sozialisationȱ imȱ Sprachgebrauchȱ vonȱ Nonakaȱ undȱ Takeuchi)ȱ vonȱ erfahrenenȱPersonenȱübernehmenȱundȱfürȱUnternehmenȱnutzbarȱmachen.ȱ

5.5

Formalisiertes Wissen

DasȱWissenȱwirdȱimȱGehirnȱinȱFormȱvonȱsubjektiven,ȱerfahrungsȬȱundȱkontextabhänȬ gigenȱ mentalenȱ Musternȱ abgelegt,ȱ dieȱ zumȱ Zweckȱ derȱ Kommunikationȱ inȱ Symboleȱ „übersetzt“ȱwerdenȱmüssen.ȱDadurchȱformalisierenȱwirȱunserȱWissen.ȱȱ MitȱdemȱbeschreibendenȱWissenȱistȱesȱamȱleichtesten,ȱobwohlȱauchȱnichtȱunproblemaȬ tisch.ȱInȱunseremȱBeispielȱmitȱdemȱHundȱ(Kapitelȱ5.2)ȱstandȱdasȱSymbolȱ„Hund“ȱstellȬ vertretendȱfürȱalleȱdenkbarenȱkonkretenȱHunde.ȱJederȱhatȱeineȱeigeneȱVorstellungȱundȱ einȱindividuellesȱmentalesȱMusterȱfürȱdenȱGegenstand,ȱaberȱdasȱWortȱ(dasȱSymbol)ȱistȱ fürȱalleȱgleich.ȱDamitȱgehenȱIndividualitätȱundȱEinmaligkeitenȱvonȱmentalenȱMusternȱ verloren,ȱ wirdȱ aberȱ Verständigungȱ zwischenȱ Menschenȱ gewährleistet.ȱ Nochȱ kompliȬ zierterȱ siehtȱ esȱ mitȱ denȱ abstraktenȱ Begriffenȱ aus:ȱ jederȱ versteht,ȱ zumȱ Beispiel,ȱ unterȱ „Ehre“,ȱ„Treue“,ȱ„Patriotismus“ȱoderȱ„Glück“ȱetwasȱanderes.ȱDieȱKommunikationȱistȱ nurȱ dannȱ möglich,ȱ wennȱ manȱ dasȱ Benutzenȱ vonȱ Begriffenȱ beiȱ beidenȱ Partnernȱ klärt.ȱ AbstrakteȱmathematischeȱBegriffe,ȱwieȱ„Menge“ȱoderȱ„Funktion“,ȱwerdenȱüberhauptȱ nurȱdurchȱdieȱFestlegungȱihresȱGebrauchsȱdefiniert.ȱ Beiȱ demȱ prozessualenȱ Wissenȱ fälltȱ esȱ unsȱ nochȱ schwieriger,ȱ einzelneȱ mentaleȱ Musterȱ zuȱ formalisieren.ȱ Wieȱ bereitsȱ beschrieben,ȱ lassenȱ sichȱ unsereȱ Fertigkeiten,ȱ wieȱ zumȱ BeispielȱKlavierspiel,ȱAutofahrenȱoderȱStricken,ȱnichtȱvollständigȱmitȱWortenȱbeschreiȬ ben.ȱ Wieȱ kannȱ manȱ dieseȱ Tätigkeitenȱ lernen,ȱ diesesȱ Wissenȱ kommunizieren?ȱ ManchȬ malȱkönnenȱzusätzlicheȱBilderȱbehilflichȱsein,ȱaberȱamȱbestenȱgehtȱesȱmitȱeinemȱLehrer,ȱ derȱunsȱdenȱProzessȱvorführenȱkann.ȱDeswegenȱbrauchenȱwirȱfürȱdasȱAutofahrenlerȬ nenȱ mehrȱ oderȱ wenigerȱ Fahrstunden,ȱ derenȱ Zahlȱ vonȱ unserenȱ WahrnehmungsȬȱ undȱ Nachahmungsfähigkeitenȱ abhängt.ȱ Dasȱ Erlernenȱ einesȱ Instrumentenspielsȱ istȱ nurȱ durchȱ regelmäßigeȱ Übungenȱ mitȱ einemȱ Lehrerȱ möglich,ȱ weilȱ dieȱ Notenȱ nurȱ einenȱ geringenȱTeilȱdiesesȱProzesswissensȱformalisieren.ȱ

55ȱ

5.5

5

Wissensrepräsentation

DasȱemotionaleȱWissenȱistȱauchȱnurȱbegrenztȱsymbolischȱdarstellbar.ȱJederȱweiß,ȱwieȱ schwierigȱ esȱ ist,ȱ überȱ eigeneȱ Gefühleȱ zuȱ reden.ȱ Dabeiȱ helfenȱ unsȱ Gestikȱ undȱ Mimik.ȱ MenschlichesȱVerhaltenȱistȱimmerȱemotionalȱgeladen,ȱundȱunsereȱEmotionenȱkommenȱ nichtȱnurȱinȱverbalenȱsondernȱauchȱinȱ nonverbalenȱMittelnȱzumȱAusdruck.ȱSymbole,ȱ dieȱ fürȱ emotionalesȱ Wissenȱ stehen,ȱ sindȱ sehrȱ schwerȱ interpretierbar,ȱ dennȱ sieȱ sindȱ besondersȱ kontextabhängigȱ undȱ individuell.ȱ Beiȱ dieserȱ Formȱ desȱ Wissensȱ kommtȱ esȱ häufigȱzuȱMissverständnissenȱinȱderȱKommunikation.ȱAndererseitsȱgibtȱesȱgeradeȱimȱ nonverbalenȱ Ausdruckȱ vonȱ Emotionenȱ kulturübergreifendeȱ Konstanten,ȱ dieȱ vonȱ jeȬ demȱMenschenȱgleichȱverstandenȱwerden.ȱ Manȱ kannȱ unterȱ formalisiertemȱ Wissenȱ dasȱ Wissenȱ verstehen,ȱ dasȱ abgelegt,ȱ kommuȬ niziertȱundȱbenutztȱwird.ȱEsȱhatȱeineȱkomplexeȱStruktur.ȱManȱdefiniertȱdreiȱDimensiȬ onenȱdesȱformalisiertenȱWissens:ȱdieȱsyntaktische,ȱdieȱsemantischeȱundȱdieȱpragmaȬ tische.ȱ

Abb.ȱ14:ȱ

DreiȱDimensionenȱdesȱformalisiertenȱWissensȱ

Semantik

formalisiertes Wissen Syntaktik Pragmatik

ȱ

Dieseȱ Darstellungȱ desȱ formalisiertenȱ Wissensȱ alsȱ Würfelȱ sollȱ verdeutlichen,ȱ dassȱ alleȱ dreiȱDimensionenȱgleichzeitigȱvorhandenȱsind.ȱDiesȱsindȱkeineȱTeile,ȱsondernȱDimenȬ sionenȱeinesȱGanzen.ȱ Unterȱ syntaktischerȱ Dimensionȱ istȱ dieȱ Formȱ derȱ Darstellungȱ inȱ Symbolenȱ zuȱ versteȬ hen.ȱEinzelneȱZeichenȱ(Buchstaben,ȱZiffernȱetc.)ȱsetzenȱsichȱzusammen,ȱsoȱdassȱwirȱsieȱ alsȱDatenȱ(Worte,ȱZahlenȱundȱSätze)ȱerkennen.ȱ AlsȱsemantischeȱDimensionȱwirdȱderȱBezugȱzumȱObjektȱoderȱProzess,ȱd.h.ȱInhaltȱeinerȱ Aussage,ȱbezeichnet.ȱSoȱbekommenȱdieȱDatenȱeineȱBedeutungȱundȱwerdenȱzurȱInforȬ mation,ȱkönnenȱverstandenȱwerden.ȱ DieȱdritteȱDimensionȱdesȱWissensȱistȱdieȱpragmatische,ȱsieȱstelltȱdenȱBezugȱzwischenȱ demȱWissenȱundȱderȱhandelndenȱEinheitȱherȱ–ȱZiele,ȱMotiveȱundȱInteressenȱdesȱSubȬ jekts.ȱ Eineȱ Informationȱ wirdȱ nurȱ dannȱ zumȱ Wissen,ȱ wennȱ eineȱ Personȱ sieȱ benutzenȱ

56ȱ

Formalisiertes Wissen

undȱ praktischȱ umsetzenȱ kann.ȱ Dieȱ pragmatischeȱ Dimensionȱ machtȱ Wissenȱ subjektiv,ȱ kontextȬȱ undȱ personenabhängig.ȱ Dasȱ Wissenȱ einesȱ Menschenȱ kannȱ nurȱ inȱ demȱ KonȬ textȱseinerȱFähigkeiten,ȱFertigkeitenȱundȱZielenȱverstandenȱwerden.ȱ DerȱZusammenhangȱvonȱsyntaktischer,ȱsemantischerȱundȱpragmatischerȱDimensionenȱ sowieȱvonȱDaten,ȱInformationenȱundȱWissenȱistȱaufȱderȱfolgendenȱAbbildungȱdargeȬ stellt.ȱ Daten,ȱ Informationȱ undȱ Wissenȱ werdenȱ alsȱ semiotischeȱ Stufenȱ bezeichnetȱ (alsȱ SemiotikȱbezeichnetȱmanȱdieȱWissenschaftȱvonȱZeichenȱundȱSprache).ȱ

Abb.ȱ15:ȱ

ZusammenhangȱzwischenȱdenȱDimensionenȱdesȱformalisiertenȱWissensȱundȱdenȱ semiotischenȱStufenȱȱ Dimensionen:ȱ

Datenȱ

Informationȱ

Wissenȱ

pragmatischeȱ

ȱ

ȱ

ȱ

semantischeȱ

ȱ

ȱ

ȱ

syntaktischeȱ

ȱ

ȱ

ȱ

ȱ Datenȱsindȱeindimensionalȱ–ȱhabenȱnurȱeineȱsyntaktischeȱDimension.ȱInformationȱhatȱ zweiȱDimensionenȱ–ȱSyntaxȱundȱSemantikȱ(Bedeutung).ȱDasȱWissenȱbesitztȱzusätzlichȱ eineȱ dritteȱ Dimensionȱ –ȱ Pragmatik.ȱ Dieȱ Dreidimensionalitätȱ desȱ formalisiertenȱ WisȬ sensȱ istȱ insbesondereȱ fürȱ dieȱ Kommunikationȱ undȱ fürȱ dasȱ Wissensmanagementȱ inȱ Unternehmenȱ vonȱ Bedeutung,ȱ woraufȱ inȱ denȱ weiterfolgendenȱ Kapitelnȱ näherȱ eingeȬ gangenȱwird.ȱȱ ȱ Kontrollfragenȱ 1. Erklärenȱ Sieȱ kurzȱ Aufbauȱ undȱ Funktionenȱ desȱ Gehirns,ȱ rechteȱ undȱ linkeȱ HemiȬ sphäreȱundȱihreȱRollen,ȱNeuronenȱundȱihreȱVerbindungen.ȱ 2. ErläuternȱSieȱdenȱMentalenȬMusterȬAnsatzȱderȱWissensrepräsentation.ȱ 3. DefinierenȱSieȱdenȱsubjektivenȱCharakterȱundȱdieȱStabilitätstheseȱdesȱmenschlichenȱ Wissens.ȱȱ 4. Beschreibenȱ Sieȱ dieȱ Klassifikationenȱ desȱ Wissensȱ inȱ beschreibendes,ȱ prozessualesȱ undȱemotionalesȱWissenȱsowieȱexplizitesȱundȱimplizitesȱWissen.ȱ 5. Definierenȱ Sieȱ dieȱ dreiȱ Dimensionenȱ desȱ formalisiertenȱ Wissens:ȱ syntaktische,ȱ semantischeȱ undȱ pragmatischeȱ undȱ dieȱ semiotischenȱ Stufen:ȱ Daten,ȱ Informationȱ undȱWissen.ȱ

57ȱ

5.5

6

Individuelles Lernen

6

Individuelles Lernen

LernenȱistȱeinerȱderȱmenschlichenȱmentalenȱProzesse,ȱdieȱinȱihremȱZusammenspielȱinȱ derȱAbb.5ȱdargestelltȱwurden.ȱImȱGegensatzȱzuȱWahrnehmungȱundȱHandeln,ȱdieȱdieȱ mentaleȱBrückeȱzurȱAußenweltȱbilden,ȱspieltȱsichȱLernenȱimȱinnerenȱKreisȱdesȱIndiviȬ duums,ȱinȱseinemȱGehirnȱab.ȱLernenȱistȱeinȱkomplizierterȱProzess,ȱderȱaufȱWahrnehȬ mungȱundȱGedächtnisȱbasiertȱundȱzumȱEntstehenȱvonȱneuemȱWissenȱführt.ȱAlleȱArtenȱ desȱ Gedächtnissesȱ sindȱ daranȱ beteiligt,ȱ alleȱ dreiȱ Formenȱ desȱ Wissensȱ werdenȱ geȬ brauchtȱundȱentwickelnȱsichȱweiter,ȱwobeiȱdieȱVerarbeitungsprozesseȱsowohlȱbewusstȱ alsȱauchȱunbewusstȱlaufen.ȱ Lernenȱ istȱ mitȱ einerȱ besonderenȱ menschlichenȱ Fähigkeitȱ verbundenȱ –ȱ derȱ LernfähigȬ keit,ȱ dieȱ komplexeȱ Vorgängeȱ imȱ Gehirnȱ ermöglicht.ȱ Manȱ unterscheidetȱ verschiedeneȱ Formenȱ desȱ individuellenȱ Lernens,ȱ wobeiȱ dieȱ behavioristische,ȱ kognitiveȱ undȱ konȬ struktiveȱLernpsychologieȱeinzelnenȱFormenȱverschiedeneȱBedeutungȱzuschreibt.ȱȱ Derȱ Prozessȱ desȱ individuellenȱ Lernensȱ undȱ seineȱ Formenȱ bildenȱ eineȱ theoretischeȱ Basisȱ sowohlȱ fürȱ dieȱ Förderungȱ vonȱ individuellemȱ undȱ Gruppenlernen,ȱ alsȱ auchȱ fürȱ dasȱWissensmanagementȱinȱUnternehmen.ȱ

6.1

Lernfähigkeit und Lernen

Inȱ derȱ Kindheitȱ lernenȱ wirȱ nichtȱ nurȱ laufen,ȱ essenȱ undȱ sprechen,ȱ späterȱ schreiben,ȱ rechnenȱ undȱ lesen,ȱ sondernȱ auchȱ wovorȱ wirȱ Angstȱ habenȱ müssenȱ undȱ worüberȱ wirȱ unsȱfreuenȱkönnen,ȱwieȱmanȱBeziehungenȱgestaltetȱundȱmitȱanderenȱzuȱRechtȱkommt.ȱ Dasȱbedeutet,ȱdassȱinȱderȱPrimärsozialisationȱnichtȱnurȱpsychomotorischeȱFertigkeitenȱ undȱkognitiveȱKenntnisse,ȱsondernȱauchȱsozialesȱVerhaltenȱundȱUmgangȱmitȱEmotioȬ nenȱerlerntȱwird.ȱ Entwicklungspsychologen,ȱ dieȱ sichȱ mitȱ derȱ Entwicklungȱ derȱ Persönlichkeitȱ befassen,ȱ habenȱnachgewiesen,ȱdassȱKleinkinderȱsehrȱschnellȱundȱintensivȱlernenȱkönnen.ȱEsȱistȱ neurobiologischȱ belegtȱ worden:ȱ bisȱ zumȱ fünftenȬsechstenȱ Lebensjahrȱ werdenȱ imȱ GeȬ hirnȱvieleȱneueȱSynapsenȱ(VerbindungenȱzwischenȱdenȱGehirnzellen)ȱgebildet,ȱspäterȱ lernenȱwirȱprimär,ȱindemȱwirȱeinenȱTeilȱderȱSynapsenȱwiederȱentfernenȱ(„umlernen“)ȱ oderȱandersȱgewichten.ȱȱ Deswegenȱ könnenȱ beispielsweiseȱ Fremdsprachen,ȱ soȱ dieȱ Entwicklungspsychologen,ȱ bisȱ zumȱ neuntenȱ Lebensjahrȱ besondersȱ leichtȱ erlerntȱ werden.ȱ Mitȱ demȱ Alterȱ nimmtȱ

58ȱ

Lernfähigkeit und Lernen

unsereȱ Lernfähigkeitȱ ständigȱ ab,ȱ wobeiȱ dieȱ „Lustȱ amȱ Lernen“ȱ mitȱ derȱ Neugierȱ zuȬ sammenȱhängtȱundȱdeshalbȱunabhängigȱvonȱderȱLernfähigkeitȱist.ȱGleichzeitigȱlernenȱ wirȱimȱLaufeȱdesȱLebens,ȱwieȱmanȱamȱbestenȱlernt,ȱentwickelnȱanalytischeȱFähigkeitenȱ undȱeffizienteȱMethodenȱderȱInformationsverarbeitung.ȱȱ Inȱ derȱ modernenȱ Gesellschaft,ȱ dieȱ häufigȱ alsȱ Wissensgesellschaftȱ bezeichnetȱ wird,ȱ gewinntȱdasȱlebenslangeȱLernenȱanȱBedeutung.ȱDasȱTempoȱderȱVeränderungenȱistȱsoȱ hochȱ geworden,ȱ dassȱ dasȱ Wissen,ȱ dasȱ wirȱ einmalȱ inȱ derȱ Schuleȱ undȱ imȱ Studiumȱ erȬ worbenȱ haben,ȱ schnellȱ veraltetȱ undȱ immerȱ wiederȱ aufȱ denȱ neustenȱ Standȱ gebrachtȱ werdenȱsoll.ȱDasȱLernenȱdesȱLernensȱhatȱsichȱzurȱwichtigstenȱRichtungȱdesȱmenschliȬ chenȱLernensȱentwickelt.ȱȱ UnterȱLernenȱverstehtȱmanȱeinenȱProzess,ȱderȱzuȱrelativȱstabilenȱVeränderungenȱimȱ VerhaltenȱoderȱimȱVerhaltenspotentialȱführtȱundȱaufȱErfahrungȱoderȱSelbstverändeȬ rungȱaufbaut.ȱ Dieseȱ relativȱ stabilenȱ Veränderungenȱ betreffenȱ Fertigkeitenȱ undȱ Fähigkeitenȱ einesȱ Menschenȱ imȱ kognitiven,ȱ emotionalenȱ undȱ konativenȱ (psychomotorischen)ȱ Bereich.ȱ Erlernenȱ wirȱ eineȱ psychomotorischeȱ Fertigkeitȱ wieȱ Klavierspiel,ȱ soȱ werdenȱ alleȱ ForȬ menȱ desȱ Wissensȱ gebraucht:ȱ beschreibendesȱ (theoretischeȱ Kenntnisseȱ überȱ Aufbauȱ undȱKlangȱdesȱKlaviers,ȱüberȱNoten,ȱTempo,ȱRhythmusȱundȱDynamikȱetc.),ȱemotionaȬ lesȱ (welcheȱ Emotionenȱ kommenȱ inȱ derȱ Musikȱ vor)ȱ undȱ Prozesswissenȱ (koordinierteȱ BewegungenȱbeiderȱHände,ȱdesȱganzenȱKörpersȱetc.)ȱWirȱbenutzenȱbereitsȱvorhandeȬ nesȱWissenȱundȱbringenȱesȱgleichzeitigȱaufȱneuenȱStand.ȱ Amȱ individuellenȱ Lernprozessȱ sindȱ alleȱ dreiȱ Gedächtnisartenȱ beteiligt:ȱ sensorisches,ȱ KurzȬȱundȱLangzeitgedächtnis.ȱEinzelneȱSchritteȱdiesesȱProzessesȱsindȱselektiveȱWahrȬ nehmung,ȱAusrichtenȱderȱAufmerksamkeit,ȱmehrereȱVergleicheȱmitȱbereitsȱvorhandeȬ nemȱWissenȱundȱschließlichȱdasȱEinordnenȱvonȱGelerntemȱinsȱbestehendeȱWissenssysȬ tem.ȱ Dieserȱ vonȱ Norbertȱ Seelȱ beschriebeneȱ individuelleȱ Lernprozessȱ wirdȱ (inȱ vereinȬ fachterȱForm)ȱinȱderȱfolgendenȱAbbildungȱdargestellt.ȱ Derȱ individuelleȱ Lernprozessȱ beginntȱ imȱ Langzeitgedächtnis:ȱ unserȱ Interesse,ȱ dasȱ Neueȱzuȱerlernen,ȱbasiertȱaufȱdemȱvorhandenenȱWissen.ȱDadurchȱentstehtȱeinȱZustandȱ derȱAufmerksamkeitȱ imȱ Kurzzeitgedächtnis,ȱ derȱ unsereȱ sensorischenȱ Organeȱ aufȱ einȱ Objektȱ (einenȱ Prozess)ȱ hinȱ ausrichtet.ȱ Soȱ wirdȱ selektiveȱ Wahrnehmungȱ ermöglicht.ȱ Sensorischeȱ Informationȱ kommtȱ insȱ Kurzzeitgedächtnis,ȱ dasȱ Verknüpfungenȱ zumȱ Langzeitgedächtnisȱ erzeugtȱ undȱ neueȱ Informationȱ mitȱ denȱ altenȱ ausȱ demȱ „Archiv“ȱ vergleicht.ȱ Kannȱ dasȱ Individuumȱ neueȱ Informationȱ verstehenȱ (Vorwissenȱ istȱ vorhanȬ den),ȱerscheintȱsieȱihmȱwichtigȱundȱneuȱ(esȱlohntȱsich,ȱdasȱNeueȱzuȱlernen),ȱsoȱwirdȱimȱ Kurzzeitgedächtnisȱ eineȱ vorläufigeȱ Konstruktionȱ gebildet,ȱ dieȱ aufȱ Richtigkeitȱ durchȱ sensorischeȱ Erfahrungenȱ nochmalsȱ geprüftȱ wird.ȱ Fallsȱ dieseȱ Prüfungȱ positivȱ ausfällt,ȱ kommtȱ derȱ Zustandȱ desȱ sogenanntenȱ „bedeutungshaftigenȱ Verstehens“ȱ vorȱ undȱ dasȱ ErlernteȱwirdȱinȱdieȱbestehendenȱStrukturenȱdesȱLangzeitgedächtnissesȱeingeordnet.ȱ

59ȱ

6.1

6

Individuelles Lernen

Abb.ȱ16:ȱ

ModellȱdesȱindividuellenȱLernens76ȱ

ȱ

Aufmerksamkeit

Vorwissen

Sensorische Information Vorläufige Konstruktion

Verknüpfungen erzeugen

Beachten, Interesse Selektive Wahrnehmung Prüfung, Vergleich

Prüfung, Vergleich

Einordnung in bestehende Strukturen LANGZEITGEDÄCHTNIS

Bedeutungshaltiges Verstehen KURZZEITGEDÄCHTNIS

SENSORISCHE ERFAHRUNGEN

ȱ

WieȱdiesesȱModellȱzeigt,ȱistȱLernenȱaufȱmentalerȱEbeneȱäußerstȱkomplexȱundȱerfordertȱ dieȱ Beteiligungȱ vonȱ allenȱ Gedächtnisarten,ȱ basiertȱ aufȱ vorhandenemȱ Wissen,ȱ aktiverȱ Aufmerksamkeitȱ undȱ selektiverȱ Wahrnehmungȱ undȱ läuftȱ inȱ mehrerenȱ Schrittenȱ ab.ȱ Aufȱ derȱ Makroebeneȱ desȱ Individuumsȱ wirdȱ zwischenȱ verschiedenenȱ Formenȱ desȱ Lernensȱunterschieden.ȱ

6.2

Formen des individuellen Lernens

Esȱ gibtȱ mehrereȱ Formenȱ desȱ Lernens,ȱ dieȱ vonȱ Wissenschaftlernȱ unterschiedlichȱ geȬ wichtetȱwerden:ȱdieȱVertreterȱderȱbehavioristischenȱSchuleȱhaltenȱklassischeȱundȱoperȬ anteȱ Konditionierungȱ fürȱ dieȱ wichtigstenȱ Lernformen,ȱ kognitiveȱ Psychologenȱ ziehenȱ andereȱ Formenȱ vorȱ (vorȱ allemȱ Lernenȱ durchȱ Einsicht),ȱ Anhängerȱ desȱ KonstruktivisȬ musȱbetonenȱinȱersterȱLinieȱdenȱsubjektivenȱundȱkonstruktivenȱCharakterȱdesȱmenschȬ lichenȱLernensȱimȱSinneȱderȱSchaffungȱeinerȱneuenȱRealität.ȱȱ ManȱunterscheidetȱgrundsätzlichȱzwischenȱfünfȱFormenȱdesȱLernens:ȱ

„ HabituationȱoderȱGewöhnung;ȱ „ KlassischeȱundȱoperanteȱKonditionierung,ȱoderȱLernenȱamȱErfolg;ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 76ȱ InȱAnlehnungȱanȱSeel,ȱN.ȱM.ȱPsychologieȱdesȱLernens.ȱ

60ȱ

Formen des individuellen Lernens

„ Beobachtungslernen,ȱoderȱLernenȱamȱModellȱ(Nachahmungslernen);ȱ „ LernenȱdurchȱEinsichtȱ(ohneȱVorbildȱundȱVersuch);ȱ „ LernenȱdurchȱTraditionsbildungȱoderȱInformationsweitergabe.ȱ DieȱHabituationȱistȱdieȱeinfachsteȱFormȱdesȱLernensȱ–ȱdasȱLernen,ȱeinenȱReizȱzuȱignoȬ rieren,ȱ derȱ keineȱ imȱ Augenblickȱ nützlicheȱ Informationȱ enthält.ȱ Manȱ gewöhntȱ sichȱ daran,ȱeinenȱirrelevantenȱReizȱnichtȱzuȱbemerken,ȱz.ȱB.ȱdasȱTickenȱeinerȱUhrȱwährendȱ derȱArbeit.ȱDerȱSinnȱistȱdieȱVermeidungȱeinerȱReizüberflutungȱundȱeinȱFreimachenȱderȱ Aufmerksamkeit.ȱ Habituationȱ läuftȱ ständigȱ undȱ unbewusstȱ abȱ undȱ istȱ kaumȱ zuȱ verȬ meiden,ȱ wennȱ dieȱ entsprechendenȱ Randbedingungenȱ vorliegen.ȱ Menschen,ȱ dieȱ anȱ einerȱ vielȱ befahrenenȱ Straßenȱ wohnen,ȱ hörenȱ dieȱ Fahrzeugeȱ nachȱ einigerȱ Zeitȱ nichtȱ mehr,ȱbemerkenȱjedochȱdasȱAusbleiben,ȱalsoȱdasȱNichtvorhandenseinȱderȱReize.ȱ BeimȱklassischenȱundȱoperantenȱKonditionierenȱbildetȱsichȱeineȱVerbindungȱzwischenȱ Ereignissenȱ heraus.ȱ Beimȱ klassischenȱ Konditionierenȱ lerntȱ einȱ Organismusȱ (einȱ Tierȱ oderȱeinȱMensch),ȱdassȱeinȱEreignisȱaufȱeinȱanderesȱfolgt.ȱDurchȱWiederholungȱdiesesȱ Vorgangsȱ kannȱ manȱ einȱ bestimmtesȱ Verhaltenȱ einüben.ȱ Beimȱ operantenȱ KonditionieȬ renȱwirdȱgelernt,ȱdassȱeineȱbestimmteȱReaktionȱKonsequenzenȱnachȱsichȱzieht.ȱPositiveȱ Konsequenzenȱ(Belohnung)ȱmachenȱdasȱVerhaltenȱwahrscheinlicher,ȱnegativeȱ(BestraȬ fung)ȱführenȱzuȱseinerȱVermeidung.ȱDieseȱFormȱdesȱLernensȱistȱdenȱTierenȱundȱMenȬ schenȱgemein.ȱDieȱklassischenȱExperimenteȱvonȱBehavioristenȱȬȱI.ȱPawlowȱanȱHundenȱ undȱF.ȱSkinnerȱanȱRattenȱundȱTaubenȱȬȱhabenȱdieȱGrundlageȱfürȱdieȱTheorieȱdesȱLerȬ nensȱdurchȱKonditionierungȱgeschaffenȱ(s.ȱKapitelȱ1.1).ȱDieseȱFormȱwirdȱauchȱLernenȱ amȱErfolgȱoderȱLernenȱdurchȱVersuchȱundȱIrrtumȱgenannt.ȱDieȱVerhaltensweise,ȱdieȱ zumȱErfolgȱführt,ȱwirdȱkonditioniertȱ–ȱdasȱheißt,ȱwirdȱinȱZukunftȱwahrscheinlicher.ȱȱ WirȱalleȱkennenȱdieseȱFormȱdesȱLernensȱausȱderȱErfahrung:ȱwennȱeinȱKindȱfürȱeineȱTatȱ (eineȱguteȱLeistungȱinȱderȱSchule,ȱeinȱnettesȱVerhalten)ȱgelobtȱwird,ȱneigtȱesȱzurȱWieȬ derholungȱdiesesȱVerhaltens.ȱEinȱähnlicherȱMechanismusȱistȱGrundlageȱvielerȱMotivaȬ tionstheorien:ȱ Lobȱ undȱ Belohnungȱ fürȱ eineȱ guteȱ Leistung,ȱ Tadelȱ undȱ Bestrafungȱ beiȱ FehlernȱundȱmangelnderȱLeistung.ȱȱ JedochȱfehltȱesȱdemȱbehavioristischenȱAnsatzȱdesȱLernensȱanȱdemȱinnerenȱFaktorȱdesȱ Lernens:ȱ erȱ berücksichtigtȱ nichtȱ dieȱ Lernmotiveȱ undȱ Ȭbedürfnisseȱ einerȱ Personȱ undȱ ihreȱLustȱamȱLernen,ȱdieȱnichtȱvonȱAußen,ȱsondernȱausȱderȱPersönlichkeitȱselbstȱentȬ stehen.ȱ Schließlichȱ istȱ Konditionierungȱ nichtsȱ anderesȱ alsȱ Dressur,ȱ sieȱ lässtȱ keinenȱ PlatzȱfürȱdieȱpersönlicheȱEinmaligkeitȱundȱmenschlichenȱfreienȱWillen.ȱ Alleȱ weiterenȱ Lernformenȱ sindȱ vielȱ komplexerȱ undȱ gehörenȱ zuȱ demȱ kognitivenȱ AnȬ satz.ȱ Manȱ gehtȱ davonȱ aus,ȱ dassȱ einȱ Organismusȱ (hierȱ kannȱ dieȱ Redeȱ nurȱ vonȱ MenȬ schenȱoderȱhochentwickeltenȱTierenȱsein)ȱdieȱFähigkeitȱhat,ȱseineȱUmweltȱinȱFormȱvonȱ mentalenȱModellenȱzuȱrepräsentieren.ȱSoȱistȱesȱmöglich,ȱetwasȱzuȱlernen,ȱohneȱauszuȬ probieren;ȱmanȱoperiertȱnichtȱmitȱdenȱGegenständenȱderȱRealität,ȱsondernȱmitȱModelȬ lenȱ undȱ Vorstellungen.ȱ Dieȱ kognitivenȱ Lerntheorienȱ versuchenȱ dieȱ Lernprozesseȱ ausȱ

61ȱ

6.2

6

Individuelles Lernen

demȱ Innerenȱ einesȱ Menschenȱ zuȱ erklären.ȱ Sieȱ verbindenȱ einenȱ Lernprozessȱ mitȱ demȱ „Wollen“ȱeinerȱPerson,ȱdefinierenȱZieleȱundȱMotiveȱdesȱLernens.ȱȱ KognitivesȱLernenȱkannȱmanȱauchȱunterȱdemȱAspektȱverbalesȱundȱnonverbalesȱLernenȱ betrachten.77ȱ Beimȱ verbalenȱ Lernenȱ wirdȱ Sachwissenȱ durchȱ dasȱ sprachlicheȱ Lernenȱ erworben.ȱEsȱgehtȱumȱdenȱAufbauȱvonȱkognitivenȱStrukturen:ȱdasȱWissenȱüberȱFertigȬ keitenȱ(z.B.ȱSchreiben,ȱRechnen)ȱundȱdasȱWissenȱüberȱSachverhalteȱ(z.B.ȱErkennenȱvonȱ Aussagen,ȱBedeutungenȱundȱInhaltenȱvonȱWörternȱundȱSätzen).ȱNonverbalesȱLernenȱ setztȱ voraus,ȱ dassȱ esȱ eineȱ bildhafteȱ undȱ eineȱ handlungsmäßigeȱ Repräsentationȱ vonȱ Wissenȱ gibt.ȱ Dieseȱ dualeȱ Formȱ derȱ Informationsaufnahme,ȱ Ȭverarbeitungȱ undȱ Ȭspeicherungȱ hatȱ unterschiedlicheȱ Bedeutungȱ fürȱ dasȱ Lernen:ȱ Informationenȱ könnenȱ entwederȱ optischȱ oderȱ akustischȱ verarbeitetȱ werdenȱ undȱ könnenȱ besserȱ gelerntȱ werȬ den,ȱwennȱdieseȱbildhaftȱundȱakustischȱverarbeitetȱwerden.ȱȱ DasȱLernenȱamȱModellȱ(Nachahmung)ȱistȱdieȱeinfachsteȱderȱkognitivenȱFormen:ȱmanȱ machtȱ nach,ȱ handeltȱ nachȱ einemȱ Vorbild.ȱ Lernenȱ amȱ Modellȱ findetȱ statt,ȱ wennȱ einȱ IndividuumȱalsȱFolgeȱderȱBeobachtungȱdesȱVerhaltensȱandererȱIndividuenȱsowieȱderȱ darauffolgendenȱ Konsequenzenȱ sichȱ neueȱ Verhaltensweisenȱ aneignetȱ oderȱ schonȱ beȬ stehendeȱ Verhaltensmusterȱ weitgehendȱ verändert.ȱ DieseȱArtȱ desȱ Lernensȱ wurdeȱ vonȱ demȱamerikanischenȱEntwicklungspsychologenȱAlbertȱBanduraȱbeschrieben.ȱBanduraȱ bezeichnetȱ denȱ Vorgangȱ desȱ Lernensȱ amȱ Modellȱ alsȱ dasȱAuftretenȱ einerȱ Ähnlichkeitȱ zwischenȱ demȱ Verhaltenȱ einesȱ Modellsȱ undȱ demȱ einerȱ anderenȱ Personȱ unterȱ BedinȬ gungen,ȱ beiȱ denenȱ dasȱ Verhaltenȱ desȱ Modellsȱ alsȱ derȱ entscheidendeȱ Hinweisreizȱ fürȱ dieȱ Nachahmungsreaktionenȱ gewirktȱ hat.ȱ Beiȱ dieserȱ Formȱ desȱ Lernensȱ gewinntȱ derȱ sozialeȱ Aspektȱ anȱ Bedeutung:ȱ Neuesȱ Wissenȱ entstehtȱ imȱ Prozessȱ derȱ unmittelbarenȱ Interaktionȱ zwischenȱ einemȱ Lehrerȱ undȱ einemȱ Lernenden,ȱ dieȱ zwischenmenschlicheȱ BeziehungȱistȱdabeiȱvonȱüberragenderȱBedeutung.ȱȱ Kognitivesȱ Lernenȱ kannȱ überȱ Lernenȱ durchȱ Einsichtȱ (durchȱ Denken)ȱ erfolgen.ȱ Imȱ GegensatzȱzuȱanderenȱLernformenȱpassiertȱhierȱdieȱVerhaltensänderungȱausȱderȱSichtȱ desȱ Außenstehendenȱ plötzlich.ȱ Fürȱ dieseȱ Formȱ desȱ Lernensȱ brauchtȱ manȱ besondereȱ mentaleȱ Fähigkeitenȱ zurȱ Entwicklungȱ vonȱ Strategienȱ undȱ zurȱAnalyseȱ derȱAlternatiȬ venȱ (vgl.ȱ Intelligenztheorieȱ vonȱ R.ȱ Sternberg,ȱ Kapitelȱ 3.1).ȱ Manȱ hatȱ keineȱ Vorbilder,ȱ probiertȱnichtȱaus,ȱsondernȱentwickeltȱimȱKopfȱeineȱLösung.ȱLernenȱdurchȱEinsichtȱhatȱ folgendeȱ Merkmale:ȱ Einsichtȱ istȱ abhängigȱ vonȱ derȱ Anordnungȱ derȱ Problemsituationȱ undȱ dieȱ gewonneneȱ Lösungȱ kannȱ aufȱ andereȱ Situationenȱ angewendetȱ werden.ȱ Dieseȱ Möglichkeitȱ derȱ Übertragungȱ aufȱ dieȱ weiterenȱ Situationenȱ istȱ fürȱ dasȱ Handelnȱ vonȱ besondererȱBedeutung.ȱ ManȱkannȱnochȱeineȱweitereȱFormȱdesȱLernensȱdefinierenȱȬȱLernenȱdurchȱTraditionsȬ bildungȱ oderȱ Informationsweitergabe,ȱ dieȱ fürȱ Menschenȱ typischȱ undȱ vonȱ großerȱ Bedeutungȱ ist.ȱ Dasȱ Lernenȱ durchȱ Traditionsbildungȱ oderȱ Informationsweitergabeȱ istȱ einȱsozialesȱLernen.ȱImȱGegensatzȱzuȱeinerȱanderenȱsozialenȱFormȱȬȱNachahmungslerȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 77ȱ Vgl.ȱEdelmann,ȱW.ȱȱLernpsychologie.ȱ

62ȱ

Formen des individuellen Lernens

nen,ȱ beiȱ derȱ (mindestens)ȱ zweiȱ Personenȱ interagieren,ȱ ermöglichtȱ dasȱ Lernenȱ durchȱ Informationsweitergabeȱ eineȱ Beteiligungȱ vonȱ mehrerenȱ Generationenȱ undȱ dadurchȱ einenȱ enormenȱ Wissenswachstum.ȱ Seitȱ derȱ Erfindungȱ desȱ Buchdrucksȱ könnenȱ MenȬ schenȱzeitȬȱundȱraumübergreifendȱvonȱdemȱgeschriebenenȱWissenȱGebrauchȱmachen.ȱ Dieȱ moderneȱ Informationstechnologieȱ hatȱ denȱ Informationsmangelȱ endgültigȱ gesiegtȱ undȱ einenȱ blitzschnellenȱ Zugriffȱ aufȱ digitaleȱ Informationenȱ ermöglicht.ȱ Allerdingsȱ stellenȱ dieȱ Informationsflutȱ undȱ dieȱ Notwendigkeit,ȱ brauchbareȱ undȱ relevanteȱ InforȬ mationenȱidentifizierenȱzuȱkönnen,ȱneueȱakuteȱProblemeȱdar.ȱȱ Dieȱ konstruktivistischeȱ Sichtȱ desȱ Lernensȱ akzeptiertȱ alleȱ genanntenȱ Lernformenȱ mitȱ demȱSchwerpunktȱderȱBetrachtungȱihrerȱKonsequenzenȱfürȱdieȱPersonȱundȱihreȱUmȬ welt.ȱDieseȱFolgenȱdesȱLernensȱbetreffenȱsowohlȱdasȱIndividuum,ȱalsȱauchȱ–ȱdurchȱdieȱ Kommunikationsprozesseȱ–ȱseineȱunmittelbareȱundȱweitereȱUmwelt.ȱSoȱistȱjederȱauchȱ fürȱdieȱFolgenȱseinesȱLernensȱbzw.ȱNichtlernensȱfürȱdasȱGesamtsystemȱverantwortlich.ȱ Dieȱ konstruktivistischenȱ Ansätze78ȱ gehenȱ davonȱ aus,ȱ dassȱ Lernenȱ einȱ konstruktiverȱ Prozessȱistȱundȱbehaupten,ȱdassȱjederȱLernendeȱaufȱderȱGrundlageȱseinerȱȈExperienceȈȱ lernt,ȱ dabeiȱ eigeneȱ Werte,ȱ Überzeugungen,ȱ Musterȱ undȱ Vorerfahrungenȱ einsetzt.ȱ G.ȱ RothȱbringtȱesȱaufȱdenȱPunkt:ȱ„Wissenȱkannȱnichtȱübertragen,ȱsondernȱnurȱwechselȬ seitigȱkonstruiertȱwerden.“79ȱInteraktionenȱmitȱanderenȱsindȱdafürȱausschlaggebend,ȱ wieȱ dasȱ Lernenȱ angenommen,ȱ weitergeführtȱ undȱ entwickeltȱ wird.ȱ Dabeiȱ istȱ esȱ entȬ scheidend,ȱinwieweitȱesȱdemȱLernendenȱgelingt,ȱeineȱeigeneȱPerspektiveȱfürȱseinȱLerȬ nenȱzuȱentwickeln,ȱindemȱerȱsichȱmotiviert,ȱseinȱLernenȱselbstȱorganisiert,ȱsichȱseinerȱ Musterȱ undȱ Schematisierungenȱ bewusstȱ wirdȱ undȱ dieseȱ handlungsorientiertȱ entwiȬ ckelt.ȱ Dieȱ folgendeȱ Abbildungȱ schafftȱ einenȱ Systemüberblickȱ überȱ dreiȱ Konzepteȱ desȱ LerȬ nensȱausȱderȱbehavioristischen,ȱkognitivenȱundȱkonstruktivenȱPerspektive.ȱ

Abb.ȱ17:ȱ

LernkonzepteȱdesȱBehaviorismus,ȱKognitivismusȱundȱKonstruktivismusȱ

ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 78ȱ Vgl.ȱhttp://www.stanglȬtaller.at/ARBEITSBLAETTER/LERNENȱ(11.07.07).ȱ 79ȱ Roth,ȱG.ȱFühlen,ȱDenken,ȱHandeln,ȱS.ȱ552.ȱ

63ȱ

6.2

6

Individuelles Lernen

Verschiedeneȱ Konzepteȱ habenȱ eineȱ unterschiedlicheȱ Rollenverteilungȱ zwischenȱ demȱ LehrerȱundȱdemȱLernendenȱzufolge.ȱ

Tabelleȱ10:ȱ RolleȱeinesȱLehrersȱimȱBehaviorismus,ȱKognitivismusȱundȱKonstruktivismusȱ Behaviorismus

Kognitivismus

Konstruktivismus

Transfer:

Tutor:

Coach:

Faktenwissen, Know-that, Vermittlung, wiederholen, richtige Antworten erzielen, merken, auswendig lernen,

Prozeduren, Verfahren, Know-how, Dialog, üben, Probleme lösen, Methoden anwenden, Fähigkeiten, Fertigkeiten,

soziale Praxis, Knowing in action, Interaktion, reflektieren, erfinden, Bewältigung von Situationen, Verantwortung,

lehren, erklären.

beobachten, vorführen, helfen.

kooperieren.

ȱ ImȱBehaviorismusȱistȱderȱLehrerȱeinȱklassischerȱInformationsvermittler,ȱausȱderȱkogniȬ tivenȱPerspektiveȱsollȱderȱLehrerȱeinȱTutorȱseinȱ–ȱvorȱallemȱbeobachtenȱundȱhelfen.ȱFürȱ KonstruktivistenȱistȱderȱLehrerȱeinȱCoach,ȱderȱinȱeinerȱKooperationȱmitȱdenȱLernendenȱ eineȱgemeinsameȱRealitätȱschafft.ȱ LernpsychologenȱverschiedenerȱRichtungenȱbeschäftigenȱsichȱmitȱderȱwichtigenȱFrage,ȱ wasȱfürȱeinȱerfolgreichesȱLernenȱwichtigȱistȱundȱwieȱindividuelleȱLernfähigkeitȱerhöhtȱ werdenȱ kann.ȱ Menschenȱ lernen,ȱ jeȱ nachȱ Lerntyp,ȱ amȱ bestenȱ beiȱ Verknüpfungȱ vonȱ akustischen,ȱvisuellen,ȱtaktilenȱundȱemotionalenȱReizenȱ(s.ȱAbbildung).ȱȱ

Abb.ȱ18:ȱ

SovielȱbehältȱeinȱMenschȱdavon,ȱwasȱerȱliest,ȱhörtȱoderȱselberȱmacht80ȱ was er selbst ausführt worüber er sprichtȱ was er sieht und hört

90% 70% 50%

was er sieht

30%

was er hörtȱ was er liestȱ

20% 10%

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 80ȱ Vgl.ȱhttp://www.stanglȬtaller.at/ARBEITSBLAETTER/LERNENȱ(01.07.ȱ07).ȱ

64ȱ

ȱ

Formen des individuellen Lernens

Dasȱ Lernenȱ geschiehtȱ organisch,ȱ unterȱ Beteiligungȱ beiderȱ Hirnhälften:ȱ derȱ logischȬ analytischenȱlinkenȱundȱderȱemotionalȬräumlichenȱrechtenȱHälfte.ȱDabeiȱsindȱpositiveȱ Emotionenȱ undȱ Motivationȱ wichtigȱ Ȭȱ eineȱ optimaleȱ Lernsituationȱ brauchtȱ einenȱ „sinȬ nesfreudigen“ȱ Lernraum.ȱ Dieȱ Situationȱ einerȱ Vorlesungȱ entsprichtȱ derȱ Formȱ „hörenȱ undȱsehen“ȱinȱderȱAbbildungȱundȱermöglichtȱesȱdenȱStudierenden,ȱungefährȱdieȱHälfȬ teȱ derȱ Informationȱ beizubehalten.ȱ Dieȱ Rolleȱ derȱ praktischenȱ Erfahrungȱ istȱ imȱ Lernenȱ äußergewöhnlichȱgroßȱ–ȱwirȱlernenȱamȱbestenȱdas,ȱwasȱwirȱselberȱgetestetȱhaben.ȱNeuȬ robiologischȱ gesehen,ȱ bildetȱ dasȱ Gehirnȱ währendȱ desȱ Lernensȱ möglicheȱ HandlungsȬ strategien,ȱundȱnurȱdasȱWissen,ȱdasȱimȱZusammenhangȱmitȱüberzeugendenȱAktionsȬ möglichkeitenȱ aufgenommenȱ wird,ȱ wirdȱ optimalȱ gespeichert.ȱ Deswegenȱ istȱ dasȱ LerȬ nenȱ durchȱ Handelnȱ besondersȱ effizient.ȱAberȱ auchȱ das,ȱ worüberȱ wirȱ sprechen,ȱ wirdȱ relativȱ gutȱ gelernt.ȱ Diesȱ istȱ einȱ Phänomen,ȱ dasȱ dieȱ Rolleȱ desȱ formalisiertenȱ Wissensȱ hervorhebt:ȱwennȱwirȱ unsereȱ Vorstellungenȱ undȱKenntnisseȱinȱWortformȱ fassen,ȱverȬ deutlichenȱwirȱdieȱDefinitionenȱundȱZusammenhänge,ȱdieȱinȱunseremȱunbewusstem,ȱ implizitemȱ Wissenȱ nichtȱ soȱ klarȱ waren.ȱ Eineȱ positiveȱ Auswirkungȱ vonȱ Gesehenemȱ zusätzlichȱzuȱGehörtemȱbeweistȱdieȱWichtigkeitȱvonȱBildernȱfürȱdasȱmenschlicheȱGeȬ hirn.ȱ Ganzheitlicheȱ Wahrnehmungȱ vonȱ Bildernȱ kannȱ Zusammenhängeȱ undȱ VerbinȬ dungenȱ verdeutlichen.ȱ Außerdemȱ könnenȱ Bilderȱ alsȱ Symboleȱ undȱ „Eselsbrücken“ȱ zusammenȱmitȱInformationenȱabgespeichertȱwerdenȱundȱhelfenȱderȱschnellerenȱErinȬ nerung.ȱ Lernpsychologenȱ habenȱ festgestellt,ȱ dassȱ Emotionenȱ einenȱ enormenȱ Einflussȱ aufȱ denȱ Lernprozessȱ haben.ȱ Negativeȱ Gefühleȱ wieȱ Angst,ȱ Unlustȱ oderȱ Sorgeȱ beeinträchtigenȱ dasȱ Einprägenȱ desȱ Lernstoffs.ȱAuchȱ Lernenȱ unterȱ Stressȱ mindertȱ denȱ Erfolg.ȱ Gefühleȱ entstehenȱimȱlimbischenȱSystemȱdesȱGehirns,ȱdasȱdieȱAufgabeȱhat,ȱeintreffendeȱInforȬ mationenȱzuȱbewerten,ȱihreȱRelevanzȱzuȱprüfenȱundȱsomitȱeineȱadäquateȱReaktionȱdesȱ MenschenȱaufȱdenȱentsprechendenȱReizȱsicherzustellen.ȱMitȱdieserȱBewertungȱistȱeineȱ emotionaleȱEinfärbungȱderȱInformationenȱverbunden.ȱEineȱpositiveȱemotionaleȱBesetȬ zungȱdesȱLernstoffesȱistȱfürȱdasȱBehaltenȱwichtig.ȱȱ Individuellesȱ Lernenȱ kannȱ somitȱ inȱ verschiedenenȱ Formenȱ undȱ unterȱ verschiedenenȱ Bedingungenȱstattfinden.ȱDieȱentscheidendsteȱFolgeȱdesȱLernensȱistȱdieȱVeränderungȱ desȱVerhaltensȱ(Verhaltenspotentials)ȱundȱHandelns.ȱȱ ȱ Kontrollfragenȱ 1. DefinierenȱSieȱdenȱBegriffȱLernen.ȱ 2. Erläuternȱ Sieȱ dieȱ Formenȱ individuellenȱ Lernens:ȱ Habituation,ȱ Konditionierungȱ (Lernenȱ amȱ Erfolg),ȱ Lernenȱ amȱ Modell,ȱ Lernenȱ durchȱ Einsichtȱ undȱ Lernenȱ durchȱ TraditionsbildungȱundȱInformationsweitergabe.ȱ 3. VergleichenȱSieȱdasȱLernkonzeptȱundȱdieȱRolleȱdesȱLehrersȱausȱbehavioristischen,ȱ kognitivenȱundȱkonstruktivistischenȱPerspektive.ȱ

65ȱ

6.2

7

Individuelles Handeln

7

Individuelles Handeln

UnterȱHandelnȱverstehtȱmanȱdasȱVerfolgenȱvonȱZielen,ȱdasȱUmsetzenȱvonȱPlänenȱundȱ AbsichtenȱinȱdieȱTat.ȱDeswegenȱistȱmenschlichesȱHandelnȱimȱGegensatzȱzumȱVerhalȬ tenȱimmerȱzielgerichtet.ȱDasȱHandelnȱsetztȱWillenȱ(Motivation)ȱvoraus,ȱläuftȱinȱmehreȬ renȱ Schrittenȱ ab:ȱ Esȱ wirdȱ gedanklichȱ vorbereitet,ȱ dieseȱ Vorbereitungȱ endetȱ mitȱ einerȱ Entscheidung,ȱ gehtȱ inȱ dieȱAusführungȱ über,ȱ derenȱ Erfolgȱ wirdȱ kontrolliertȱ undȱ zumȱ Zweckeȱ desȱ Lernensȱ verarbeitet.ȱ Nachȱ derȱ Meinungȱ modernerȱ Verhaltensforscherȱ istȱ menschlichesȱ Handelnȱ nurȱ begrenztȱ rational.ȱAlleȱ Formenȱ desȱ Wissens:ȱ beschreibenȬ des,ȱprozessualesȱundȱemotionalesȱ(Vgl.ȱKapitelȱ5.4)ȱsindȱfürȱdasȱHandelnȱrelevant.ȱȱ Ausȱ derȱ neurobiologischenȱ Perspektiveȱ gesehen,ȱ wirdȱ menschlichesȱ Handelnȱ vonȱ einemȱ Bündelȱ kognitiverȱ Kompetenzenȱ bestimmt,ȱ dieȱ unsȱ zurȱ antizipativen,ȱ zielgeȬ richtetenȱundȱselbstkontrolliertenȱVerhaltensselektionȱbefähigen.81ȱAusȱdiesenȱKompeȬ tenzenȱergibtȱsichȱunsereȱFähigkeitȱzuȱplanenȱundȱZieleȱkonsequentȱzuȱverfolgen.ȱDieȱ Handlungssteuerungȱ istȱ dasȱ Ergebnisȱ derȱ komplexenȱ Interaktionȱ vonȱ genetischenȱ Anlagen,ȱLernerfahrungen,ȱaktuellȱverarbeiteterȱReizinformationȱundȱdemȱmomentaȬ nenȱMotivationszustandȱdesȱIndividuums.ȱȱȱȱ Zugleichȱ istȱ individuellesȱ Handelnȱ keineȱ gänzlichȱ persönlicheȱ Angelegenheit.ȱ Dieȱ Handlungsprogrammeȱ einzelnerȱ Individuenȱ werdenȱ vonȱ Menschȱ zuȱ Menschȱ durchȱ dieȱ Wirkungȱ vonȱ Spiegelneuronenȱ übertragen,ȱ abgeglichenȱ undȱ kommuniziert.ȱ Dieȱ sozialenȱInteraktionenȱeinesȱIndividuumsȱbildenȱeineȱwichtigeȱQuelleȱfürȱseineȱReakȬ tionenȱ undȱ Entscheidungen.ȱ Derȱ Menschȱ trägtȱ Verantwortungȱ fürȱ dieȱ Konsequenzenȱ seinerȱHandlungenȱundȱbeziehtȱsieȱinȱseineȱEntscheidungsfindungȱmitȱein.ȱDamitȱhatȱ jedesȱHandelnȱeinenȱethischenȱAspekt.ȱ Inȱ diesemȱ Kapitelȱ werdenȱ dieȱ Grundlagenȱ desȱ individuellenȱ Handelnsȱ erläutert,ȱ dieȱ fürȱ dieȱ praktischeȱ Gestaltungȱ derȱ Zusammenarbeitȱ undȱ Führungsprozesseȱ inȱ UnterȬ nehmenȱ bedeutsamȱ sind.ȱ Zuȱ diesemȱ Zweckȱ werdenȱ dasȱ ganzheitlicheȱ Modellȱ desȱ individuellenȱ Handelns,ȱ dieȱ kognitivenȱ Kompetenzenȱ derȱ Handlungssteuerungȱ undȱȱ dieȱRolleȱvonȱVernunft,ȱVerstandȱundȱEmotionenȱinȱdiesemȱProzess,ȱEthikȱdesȱindiviȬ duellenȱHandelnsȱsowieȱdieȱPhasenȱdesȱHandelnsprozessesȱbeschrieben.ȱȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 81ȱ Vgl.ȱGoschke,ȱT.ȱDerȱbedingteȱWille,ȱS.ȱ116ȱff.ȱ

66ȱ

7.1

Ganzheitliches Modell des Handelns

7.1

Ganzheitliches Modell des Handelns

Verschiedeneȱ Richtungenȱ derȱ Verhaltenswissenschaftȱ benutzenȱ unterschiedlicheȱ MoȬ delleȱdesȱHandelns.ȱDasȱbehavioristischeȱModellȱderȱKonditionierungȱnachȱdemȱReizȬ ReaktionȬPrinzipȱ(vgl.ȱAbb.ȱ4)ȱwirdȱhierȱnichtȱerläutert,ȱdaȱdasȱmenschlicheȱHandelnȱ inȱderȱmodernenȱNeuropsychologieȱalsȱvielȱkomplexerȱalsȱtierischesȱVerhaltenȱundȱdieȱ Konditionierungsmodellȱ alsȱzuȱ primitivȱ angesehenȱ werden.ȱ „Imȱ Unterschiedȱ zuȱ VerȬ halten,ȱdasȱinȱautomatischerȱWeiseȱdurchȱspezifischeȱReizbedingungenȱausgelöstȱwirdȱ undȱaufȱrelativȱfixenȱReizȬReaktionsȬVerknüpfungenȱberuht,ȱzeichnenȱsichȱwillentlicheȱ HandlungenȱdurchȱihreȱFlexibilitätȱundȱweitgehendeȱUnabhängigkeitȱvonȱderȱunmitȬ telbarenȱReizsituationȱaus,“ȱsoȱderȱPsychologieprofessorȱThomasȱGoschke.82ȱ Menschlichesȱ Handelnȱ wirdȱ alsȱ dasȱ Verfolgenȱ vonȱ Zielen,ȱ dasȱ Umsetzenȱ vonȱ Plänenȱ undȱAbsichtenȱinȱdieȱTatȱverstanden.ȱEsȱbasiertȱaufȱindividuellemȱWissen,ȱistȱsubjektiv,ȱ aktivȱundȱgestalterischȱ–ȱdurchȱihrȱHandelnȱschaffenȱMenschenȱihreȱRealität.ȱ MenschlichesȱHandelnȱistȱdasȱbewussteȱ(undȱzumȱteilȱunbewusste),ȱvomȱMenschenȱ ȬȱinnerhalbȱseinerȱGrenzenȱȬȱselbstȱbestimmteȱTun,ȱmitȱdemȱerȱsichȱoderȱseineȱUmȬ weltȱ gemäßȱ seinenȱ Vorstellungenȱ undȱ Wertenȱ (seinemȱ Wissen)ȱ verändertȱ oderȱ beȬ wahrt.ȱ AlsȱganzheitlichesȱModellȱdesȱindividuellenȱHandelnsȱwirdȱdasȱkognitiveȱModellȱ(Vgl.ȱ Abb.ȱ5)ȱbenutzt,ȱdasȱimȱWeiterenȱdetailliertȱȱerläutertȱwird.ȱȱ

Abb.ȱ19:ȱ

GanzheitlichesȱModellȱdesȱHandelnsȱȱ

Lernen

Person

als Veränderung aller Wissenstypen

die aufgrund ihres beschreibenden, prozessualen und emotionalen Wissens handelt

Wahrnehmung aufgrund vorhandenen Wissens

Umwelt Entscheidung emotional-rationalemotional

Aktives Handeln

ȱ

Dasȱ ganzheitlicheȱ Modellȱ desȱ Handelnsȱ betrachtetȱ eineȱ Personȱ alsȱ eineȱ dynamischeȱ Handlungseinheit,ȱ dieȱ durchȱ ihrȱ Wissenȱ geprägtȱ wird,ȱ sichȱ inȱ einemȱ aktivenȱ AusȬ tauschprozessȱ mitȱ derȱ Umweltȱ befindetȱ (Wahrnehmungȱ undȱ Gestaltungȱ derȱ Umweltȱ durchȱdasȱEntscheidenȱundȱ(aktives)ȱHandeln)ȱundȱpermanentȱlerntȱ(durchȱdieȱKonȬ sequenzenȱdesȱHandelnsȱundȱinterneȱDenkprozesse).ȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 82ȱ Goschke,ȱT.ȱDerȱbedingteȱWille,ȱS.ȱ122ȱȬȱ123.ȱ

67ȱ

7

Individuelles Handeln

Wahrnehmungȱ undȱ Handelnȱ beziehenȱ sichȱ aufȱ Wissenȱ undȱ befindenȱ sichȱ inȱ einemȱ komplexenȱ Zusammenspiel.ȱ Dieȱ Wahrnehmungȱ beinhaltetȱ Vergleichsoperationenȱ zwischenȱ denȱ Informationenȱ ausȱ derȱAußenweltȱ undȱ unseremȱ vorhandenenȱ Wissen.ȱ DabeiȱwirdȱesȱinȱmehrerenȱVorgängenȱ„beschlossen“,ȱobȱwirȱdieȱneuenȱInformationenȱ wahrnehmenȱkönnenȱ(obȱwirȱimstandeȱsind,ȱsieȱaufgrundȱvorhandenenȱVorwissensȱzuȱ verstehen)ȱundȱwollenȱ(obȱwirȱinteressiertȱsind,ȱsieȱinȱunserȱWissenssystemȱeinzubauȬ en).ȱ Umȱ wahrgenommenȱ zuȱ werden,ȱ müssenȱ neueȱ Informationenȱ u.a.ȱ „anschlussfäȬ hig“ȱseinȱ–ȱnichtȱganzȱneuȱ(ausȱdemȱVorwissenȱverständlich),ȱaberȱneuȱgenugȱ(weiterȱ interessant).ȱȱ Beimȱ Handelnȱ werdenȱ zunächstȱ aufgrundȱ desȱ Wissensȱ dieȱ Alternativenȱ verglichen,ȱ danachȱ eineȱ Entscheidungȱ getroffenȱ undȱ ausgeführt.ȱ Nachȱ derȱ Aktionȱ findetȱ eineȱ kognitiveȱ Bewertungȱ statt,ȱ dieȱ Folgenȱ derȱ Entscheidungȱ dienenȱ mithilfeȱdieserȱ RückȬ kopplungȱ einemȱ internenȱ Lernprozess,ȱ wodurchȱ dasȱ Wissenssystemȱ desȱ Menschenȱ erweitertȱ wird.ȱ Beimȱ Handelnȱ werdenȱ alleȱ Formenȱ desȱ Wissensȱ benutztȱ undȱ weiterȱ entwickelt:ȱbeschreibendes,ȱprozessualesȱundȱemotionales.ȱȱ Wieȱbereitsȱbeschrieben,ȱlaufenȱdieȱkognitivenȱProzesseȱsowohlȱbewusstȱalsȱauchȱunȬ bewusstȱ undȱ betreffenȱ explizitesȱ undȱ implizitesȱ Wissen.ȱ Dieȱ zentraleȱAussageȱ vonȱ S.ȱ Freud,ȱdassȱeinȱgroßerȱTeilȱunseresȱHandelnsȱunbewusstȱgesteuertȱwirdȱ(Vgl.ȱKapitelȱ 2.2),ȱ wirdȱ heuteȱ vonȱ derȱ Neurowissenschaftȱ bestätigt.ȱ Imȱ Einklangȱ damitȱ stehenȱ dieȱ neuestenȱErkenntnisseȱüberȱdieȱdominierendeȱRolleȱvonȱEmotionenȱimȱHandeln.ȱGerȬ hardȱ Rothȱ beschreibtȱ esȱ so:ȱ „Beimȱ Entstehenȱ vonȱ Wünschenȱ undȱ Absichtenȱ hatȱ dasȱ unbewusstȱarbeitendeȱemotionaleȱErfahrungsgedächtnisȱdasȱersteȱundȱdasȱletzteȱWort:ȱ dasȱ ersteȱ Wortȱ beimȱ Entstehenȱ unsererȱ Wünscheȱ undȱ Absichten,ȱ dasȱ letzteȱ beiȱ derȱ Entscheidung,ȱobȱdas,ȱwasȱgewünschtȱwurde,ȱjetztȱundȱhierȱundȱsoȱundȱnichtȱandersȱ getanȱ werdenȱ soll.ȱ Zwischenȱ beidenȱ Ereignissenȱ könnenȱ beliebigȱ langeȱ Periodenȱ desȱ bewusstenȱAbwägensȱ vonȱ Handlungsalternativenȱ liegen.“83ȱ Deswegenȱ findenȱ indiviȬ duelleȱ Entscheidungenȱ nachȱ demȱ Schemaȱ „emotionalȱ Ȭȱ rationalȱ Ȭȱ emotional“ȱ stattȱ (s.ȱ Abb.ȱ20).ȱDasȱZusammenspielȱzwischenȱRationalitätȱundȱEmotionenȱimȱHandelnȱwirdȱ imȱWeiterenȱausführlicherȱdiskutiert.ȱ Dasȱ erläuterteȱ Handlungsmodellȱ basiertȱ aufȱ einerȱ Reiheȱ spezifischerȱ Kompetenzen,ȱ dieȱ ausȱ kognitivenȱ Fähigkeitenȱ derȱ Menschenȱ resultierenȱ undȱ sichȱ imȱ Laufeȱ derȱ GeȬ hirnevolutionȱ entwickeltȱ haben.ȱ Dieseȱ Kompetenzenȱ ermöglichenȱ einemȱ Menschenȱȱ dieȱkognitiveȱSteuerungȱseinesȱHandelns.ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 83ȱ Vgl.ȱRoth,ȱG.ȱWillensfreiheit,ȱ2006,ȱS.13.ȱȱ

68ȱ

Kognitive Kompetenzen der Handlungssteuerung

7.2

Kognitive Kompetenzen der Handlungssteuerung

DerȱMenschȱalsȱbiologischesȱWesenȱweistȱgewisseȱÄhnlichkeitenȱmitȱTierenȱauf:ȱauchȱ erȱhatȱreflexivesȱundȱreizbedingtesȱVerhalten.ȱReflexeȱbasierenȱaufȱeinerȱangeborenenȱ Verbindungȱ zwischenȱ einemȱ Stimulusȱ undȱ derȱ dazugehörendenȱ Reaktion.ȱ Wennȱ Sieȱ zufälligȱ mitȱ derȱ Handȱ eineȱ heißeȱ Herdplatteȱ berühren,ȱ ziehtȱ sichȱ Ihreȱ Handȱ reflexivȱ zurück.ȱDieseȱunbewusste,ȱausȱdemȱRückenmarkȱgesteuerteȱReaktionȱistȱblitzschnell,ȱ IhrȱBewusstseinȱwäreȱvielȱlangsamer.ȱAuchȱdasȱfürȱTiereȱtypischeȱreizbedingteȱVerhalȬ tenȱ(HandlungȱalsȱReaktionȱaufȱeinenȱunmittelbarenȱReiz)ȱlegenȱMenschenȱanȱdenȱTag:ȱ Wirȱ gehenȱ bewusstȱ einerȱ unüberwindbarenȱ Gefahrȱ ausȱ demȱ Weg,ȱ auchȱ wennȱ esȱ inȱ unsereȱPläneȱnichtȱpasst.ȱȱ Typischȱ fürȱ Menschenȱ sindȱ allerdingsȱ dieȱ soȱ genanntenȱ Willenshandlungen,ȱ dieȱ vonȱ denȱ unmittelbarenȱ Reizenȱ abgekoppeltȱ sindȱ undȱ „aufȱ innerenȱ Repräsentationenȱ derȱ zukünftigenȱ Effekteȱ undȱ Zieleȱ desȱ eigenenȱ Verhaltensȱ sowieȱ aufȱ Bewertungenȱ dieserȱ Zielzuständeȱ imȱ Lichteȱ vonȱ Überzeugungen,ȱ Präferenzen,ȱ Wünschenȱ undȱ Motiven“ȱ basieren.84ȱȱ DieȱFähigkeitȱzurȱwillentlichenȱHandlungssteuerungȱbasiertȱaufȱeinerȱReiheȱkognitiverȱ Kompetenzen85:ȱȱ

„ Fähigkeitȱ zurȱ Antizipationȱ vonȱ Handlungseffektenȱ –ȱ Menschenȱ könnenȱ sichȱ vorȬ stellen,ȱ welcheȱ Effekteȱ bestimmteȱ Verhaltensweisenȱ unterȱ bestimmtenȱ BedingunȬ genȱmitȱeinerȱbestimmtenȱWahrscheinlichkeitȱhabenȱwerden;ȱ

„ FähigkeitȱzurȱzukunftsorientiertenȱVerhaltensselektionȱaufgrundȱvonȱinnerenȱRepȬ räsentationenȱangestrebterȱZielzuständeȱsowieȱ

„ Fähigkeitȱ zurȱ Selbstkontrolleȱ –ȱ eineȱ gewisseȱ Unabhängigkeitȱ vonȱ akutenȱ BedürfȬ nissen,ȱImpulsenȱundȱstarrenȱGewohnheitenȱzugunstenȱübergeordneterȱZiele.ȱ Alleȱ dieseȱ Fähigkeitenȱ resultierenȱ ausȱ derȱ Leistungȱ desȱ menschlichenȱ Gehirns,ȱ alleȱ sensorischen,ȱ kognitivenȱ undȱ motorischenȱ Systemeȱ desȱ Körpersȱ kontinuierlichȱ zuȱ koordinierenȱundȱaufȱübergeordneteȱZieleȱauszurichten.ȱImȱLaufeȱderȱGehirnevolutiȬ onȱwarȱdieȱAbkoppelungȱdesȱmenschlichenȱVerhaltensȱvonȱunmittelbarenȱReizenȱvonȱ entscheidenderȱBedeutung.ȱSeitdemȱwirdȱHandelnȱnichtȱnurȱvonȱReflexenȱundȱdirekȬ tenȱ Reizen,ȱ sondernȱ auchȱ vonȱ innerenȱ BedürfnisȬȱ undȱ Motivationszuständenȱ beȬ stimmt.ȱDieȱweitereȱEntwicklungȱdesȱGedächtnissesȱundȱdesȱLernensȱhabenȱzurȱEntȬ wicklungȱvonȱAntizipationsfähigkeitȱgeführt,ȱdieȱeineȱzukunftsorientierteȱVerhaltensȬ selektionȱ (Auswahlȱ undȱ Steuerungȱ desȱ Verhaltensȱ aufgrundȱ vonȱ innerenȱ Repräsentationenȱ derȱ Ziele)ȱ ermöglichtȱ hat.ȱ Derȱ Zeithorizontȱ antizipativerȱ Prozesseȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 84ȱ Goschke,ȱT.ȱDerȱbedingteȱWille,ȱS.ȱ116.ȱ 85ȱ Ebd.ȱS.ȱ117ȱff.ȱ

69ȱ

7.2

7

Individuelles Handeln

hatȱsichȱimȱLaufeȱderȱEntwicklungȱausgeweitet.ȱMenschenȱsindȱ„inȱderȱLage,ȱimȱPrinȬ zipȱ beliebigȱ weitȱ inȱ derȱ Zukunftȱ liegendeȱ Konsequenzenȱ ihrerȱ Handlungenȱ mentalȱ vorwegzunehmen“,ȱ schreibtȱ T.ȱ Goschke86.ȱ Wirȱ lernenȱ dasȱ ganzeȱ Lebenȱ lang,ȱ welcheȱ Folgenȱ unsereȱ Entscheidungenȱ habenȱ können,ȱ undȱ legenȱ diesesȱ Wissenȱ inȱ unseremȱ Gedächtnisȱ ab.ȱ DieȱAuswahlȱ derȱ Handlungenȱ wirdȱ durchȱ diesesȱ Wissenȱ undȱ mentalȱ repräsentierteȱ Zieleȱ bestimmt.ȱ Darüberȱ hinausȱ habenȱ Menschenȱ eineȱ zusätzlicheȱ FäȬ higkeitȱzurȱSelbstkontrolleȱentwickelt.ȱSoȱkönnenȱwirȱkurzfristigȱaufȱakuteȱBedürfnisseȱ verzichten,ȱ umȱ langfristigeȱ Zieleȱ zuȱ erreichen.ȱ Zumȱ Beispiel,ȱ kannȱ eineȱ Vorlesungȱ soȱ wichtigȱ sein,ȱ dassȱ Sieȱ Ihrenȱ akutenȱ Hungerȱ unterdrücken.ȱ Oderȱ Sieȱ sindȱ imȱ Stande,ȱ mitȱdemȱRauchenȱaufzuhören,ȱumȱnichtȱanȱLungenkrebsȱzuȱerkranken.ȱȱ DieȱAusweitungȱdesȱZeithorizontesȱderȱAntizipationȱermöglichtȱdasȱPlanen:ȱMenschenȱ schaffenȱ mentaleȱ Vorstellungenȱ vonȱ Zielen,ȱ Mittelnȱ undȱ Strukturen,ȱ nachȱ denenȱ sieȱ handeln.ȱ ZusammenfassendȱkönnenȱdieȱBesonderheitenȱwillentlicherȱHandlungenȱsoȱbeschrieȬ benȱwerden:87ȱȱ

„ FlexibilitätȱundȱUnabhängigkeitȱvonȱunmittelbarenȱReizsituationen;ȱ „ UnterdrückungȱvonȱAutomatismenȱundȱGewohnheiten;ȱ „ weitgehendeȱSelbstkontrolle;ȱ „ SelbstreflexionȱundȱSelbststeuerung.ȱȱ DieȱkognitiveȱHandlungssteuerungȱbeiȱMenschenȱistȱnichtȱangeboren,ȱsondernȱentwiȬ ckeltȱsichȱdurchȱSozialisationȱundȱLebenserfahrung.ȱSieȱistȱeineȱKombinationȱausȱgeneȬ tischenȱ Anlagen,ȱ Lernprozessenȱ undȱ Erfahrungenȱ desȱ Individuums.ȱ Alleȱ EntscheiȬ dungenȱ samtȱ ihrenȱ Konsequenzen,ȱ sämtlicheȱ Erlebnisseȱ undȱ Gefühleȱ werdenȱ imȱ GeȬ dächtnisȱ abgespeichertȱ undȱ werdenȱ beiȱ jedemȱ Handlungsaktȱ berücksichtigt.ȱ Dieȱ fürȱ dasȱHandelnȱentscheidendenȱZielrepräsentationenȱergebenȱsichȱausȱrationalenȱÜberleȬ gungenȱ undȱ emotionalenȱ Einstellungen.ȱ Überȱ dieȱ Rolleȱ vonȱ Verstand,ȱ Vernunftȱ undȱ EmotionenȱimȱHandelnȱwirdȱimȱfolgendenȱKapitelȱdiskutiert.ȱ

7.3

Verstand, Vernunft und Emotionen im Handeln

Dieȱ Erkenntnisseȱ derȱ Neurobiologieȱ überȱ dieȱ kognitivenȱ InformationsverarbeitungsȬ prozesse,ȱanȱdenenȱalleȱWissenstypenȱ(beschreibendes,ȱprozessualesȱundȱemotionales)ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 86ȱ Goschke,ȱT.ȱDerȱbedingteȱWille,ȱS.ȱ119.ȱ 87ȱ Ebd.,ȱS.ȱ122ȱf.ȱ

70ȱ

Verstand, Vernunft und Emotionen im Handeln

beteiligtȱsindȱundȱdieȱzumȱgroßenȱTeilȱunbewusstȱlaufen,ȱrelativierenȱdenȱklassischenȱ Mythosȱ vomȱ rationalȱ denkendenȱ Individuum.ȱ Dasȱ Modellȱ „Homoȱ oeconomicus“ȱ gehörtȱ endgültigȱ derȱ Vergangenheitȱ an.ȱ Moderneȱ Wissenschaftlerȱ erkennenȱ dieȱ beȬ grenzteȱ Rationalitätȱ menschlichenȱ Handelnsȱ an.ȱ Beispielsweiseȱ werdenȱ dieȱ NobelȬ preisträgerȱ D.ȱ Kahneman,ȱ V.ȱ Smithȱ undȱA.ȱ Tverskyȱ alsȱ Pioniereȱ derȱ verhaltensorienȬ tiertenȱ Ökonomieȱ bezeichnet,ȱ daȱ sieȱ nachgewiesenȱ haben:ȱ Rationale,ȱ objektiveȱ EntȬ scheidungenȱ sindȱ eherȱ derȱ Ausnahmefall,ȱ vielȱ häufigerȱ kommenȱ inȱ derȱ Praxisȱ subjektive,ȱemotionalȱbegründete,ȱirrationaleȱundȱspontaneȱEntscheidungenȱvor.ȱ DieȱTheorieȱderȱbeschränktenȱRationalitätȱmenschlichenȱHandelnsȱstammtȱursprüngȬ lichȱvonȱHerbertȱA.ȱSimon.ȱErȱlistetȱdieȱeinschränkendenȱFaktorenȱwieȱfolgtȱauf88:ȱUnȬ vollständigkeitȱ desȱ Wissensȱ überȱ dieȱ Bedingungenȱ desȱ Handelns,ȱ Schwierigkeitȱ derȱ AntizipationȱsowieȱunvollständigeȱKenntnisȱderȱHandlungsalternativen,ȱdaȱmenschliȬ chesȱVorstellungsvermögenȱaufȱsubjektivenȱErfahrungenȱbasiert.ȱȱ GerhardȱRothȱfügtȱweitereȱbegrenzendeȱEffekteȱhinzu,ȱdieȱerȱausȱdenȱBesonderheitenȱ menschlicherȱWahrnehmungȱundȱInformationsverarbeitungȱableitet:ȱMenschenȱhabenȱ AngstȱvorȱdemȱRisiko;ȱwollenȱkeineȱVeränderungen,ȱwennȱdieseȱkeinenȱunmittelbarenȱ Vorteilȱbringen,ȱwollenȱsichȱnichtȱmitȱ„großen“ȱlangfristigenȱSachenȱbeschäftigen,ȱtunȱ stattdessenȱ dasȱ unwichtigeȱ Dringende;ȱ ziehenȱ beiȱ Entscheidungenȱ nurȱ wenigeȱAlterȬ nativenȱinȱErwägung.ȱ89ȱ Wieȱ treffenȱ wirȱ unsereȱ Entscheidungenȱ imȱ Alltag?ȱ „Sollȱ ichȱ eineȱ Stelleȱ imȱ Auslandȱ annehmenȱoderȱdochȱdaheimȱbleiben?“ȱ–ȱfragtȱsichȱeinȱManager.ȱBeiȱseinerȱEntscheiȬ dungsfindungȱ spielenȱ dasȱ rationaleȱ Abwägenȱ derȱ vielfältigenȱ Konsequenzenȱ seinerȱ EntscheidungȱundȱihrerȱAlternativenȱeineȱgroßeȱRolle.ȱNichtȱwenigerȱwichtigȱsindȱdieȱ Emotionen:ȱ Zufriedenheitȱ undȱ Stolz,ȱdasȱAngebotȱ bekommenȱ zuȱ haben,ȱ Freudeȱ überȱ AnerkennungȱundȱhöheresȱGehalt,ȱAngstȱvorȱVeränderungenȱundȱvorȱeinerȱnegativenȱ ReaktionȱderȱEhefrauȱetc.ȱȱ G.ȱ Rothȱ sprichtȱ inȱ diesemȱ Zusammenhangȱ überȱ dreiȱ Faktoren,ȱ dieȱ unserȱ Handelnȱ determinieren:ȱVerstand,ȱVernunftȱundȱGefühleȱundȱzeigtȱihrȱZusammenspiel.ȱ90ȱUnterȱ VerstandȱverstehtȱmanȱdieȱFähigkeitȱzumȱProblemlösenȱmithilfeȱerfahrungsgeleitetenȱ undȱlogischenȱDenkens,ȱerȱhatȱmitȱ(klassischer)ȱIntelligenzȱzuȱtunȱundȱbeschreibtȱmenȬ schlicheȱFähigkeitenȱzumȱProblemlösen.ȱVernunftȱistȱunsereȱFähigkeitȱzuȱmittelȬȱundȱ langfristigerȱ Handlungsplanungȱ aufȱ Grundȱ übergeordneterȱ zweckrationalerȱ undȱ ethischerȱ Prinzipien.ȱ Dabeiȱ kommtȱ esȱ nichtȱ nurȱ aufȱ persönlichenȱ Vorteilȱ an,ȱ sondernȱ auchȱ aufȱ dieȱ sozialeȱ Akzeptanzȱ desȱ Handelns.ȱ Damitȱ hatȱ jedesȱ Handelnȱ einenȱ ethiȬ schenȱAspekt.ȱAlsȱ Gefühleȱ bezeichnetȱ Rothȱ „Kurzberichteȱ ausȱ demȱ emotionalenȱ GeȬ dächtnis,ȱundȱzwarȱentwederȱalsȱspontaneȱAffekte,ȱindemȱsieȱunsȱinȱHinblickȱaufȱDinȬ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 88ȱ Simon,ȱH.A.ȱEntscheidungsverhaltenȱinȱOrganisationen.ȱ 89ȱ ZitiertȱnachȱRoth,ȱG.ȱFühlen,ȱDenken,ȱHandeln,ȱS.ȱ558.ȱ 90ȱ Vgl.ȱRoth,ȱG.ȱWerȱentscheidet,ȱS.ȱ51ȱf.ȱ

71ȱ

7.3

7

Individuelles Handeln

geȱ zuȱ oderȱ abraten,ȱ dieȱ anȱ sichȱ positivȱ oderȱnegativȱ sind,ȱ oderȱ aufȱ Grundȱ derȱ ErfahȬ rungenȱderȱpositivenȱoderȱnegativenȱFolgenȱunseresȱHandelns.“91ȱȱ DasȱlimbischeȱSystemȱimȱGehirn,ȱderȱSitzȱunsereȱGefühle,ȱhatȱnachȱG.ȱRothȱgegenüberȱ demȱ rationalenȱ corticalenȱ Systemȱ (Verstandȱ undȱ Vernunft)ȱ dasȱ ersteȱ undȱ dasȱ letzteȱ Wort.ȱ Dasȱ ersteȱ Wortȱ beimȱ Entstehenȱ unsererȱ Wünscheȱ undȱ Zielvorstellungen,ȱ dieȱ danachȱbeliebigȱlangeȱrationalȱhinȱundȱherȱgewendetȱwerdenȱkönnen.ȱAberȱauchȱdasȱ letzteȱWort,ȱbeiȱderȱEntscheidungȱdarüber,ȱobȱdas,ȱwasȱsichȱVernunftȱundȱVerstandȱalsȱ besteȱ Lösungȱ ausgedachtȱ haben,ȱ wirklichȱ getanȱ werdenȱ soll.ȱ 92ȱ Allerdingsȱ bedeutetȱ nachȱRothȱ„emotional“ȱkeineswegsȱ„irrational“,ȱdaȱunsereȱGefühleȱdieȱ„KurzbotschafȬ ten“ȱ unsererȱ gesamtenȱ Lebenserfahrungȱ sind.ȱ Inȱ diesemȱ Sinnȱ kannȱ Emotionalitätȱ alsȱ eineȱRationalitätȱhöhererȱOrdnungȱangesehenȱwerden.ȱ93ȱ DieȱaufgeführtenȱErkenntnisseȱbestätigen,ȱdassȱeinȱMenschȱinȱseinemȱHandelnȱaufȱseinȱ gesamtesȱ Wissenȱ zurückgreift,ȱ dasȱ seineȱ rationalenȱ undȱ emotionalenȱ Erfahrungenȱ beinhaltet,ȱundȱparallelȱseinenȱVerstand,ȱseineȱVernunftȱundȱGefühleȱeinschaltet.ȱDaȬ beiȱ spielenȱ ethischeȱ Einstellungenȱ undȱ Prinzipienȱ einesȱ Individuumsȱ eineȱ besondereȱ Rolle.ȱȱ

7.4

Ethik des individuellen Handelns

DieȱaktiveȱRolleȱdesȱindividuellenȱHandelnsȱbeiȱderȱGestaltungȱderȱUmweltȱmachtȱdieȱ ProblematikȱderȱHandlungsethikȱaktuell.ȱDieȱKonsequenzenȱdesȱHandelnsȱsowohlȱimȱ privatenȱ alsȱ auchȱ imȱ beruflichenȱ Bereichȱ sindȱ nichtȱ nurȱ fürȱ dasȱ Individuumȱ selbst,ȱ sondernȱauchȱfürȱseineȱUmgebungȱundȱInteraktionspartnerȱrelevant.ȱDerȱMenschȱȬȱalsȱ eineȱzuȱwillentlichenȱHandlungenȱfähigeȱPersonȱȬȱbesitztȱeineȱgewisseȱEntscheidungsȬȱ undȱ Handlungsfreiheit,ȱ dieȱ durchȱ äußereȱ Umständeȱ aberȱauchȱ durchȱ ihnȱ selbstȱ (seinȱ Gewissen,ȱseineȱmoralischenȱPrinzipien)ȱbeschränktȱwird.ȱNachȱImmanuelȱKantȱmüsȬ senȱwirȱunsȱselbstȱGesetzeȱgeben,ȱgeradeȱ„weilȱwirȱunsȱdieȱFreiheitȱdesȱWillensȱbeigeȬ legtȱhaben.“94ȱDieȱFreiheitȱistȱfürȱKantȱkeineȱWillkür,ȱsondernȱAutonomieȱanȱderȱgutenȱ gesellschaftlichenȱOrdnungȱmitzuwirkenȱundȱdieseȱfreiwilligȱzuȱbefolgen.ȱDiesȱkommtȱ inȱseinemȱberühmtenȱ„KategorischenȱImperativ“ȱzumȱAusdruck:ȱ„Handleȱso,ȱdassȱdieȱ MaximeȱdeinerȱHandlungȱeinȱallgemeinesȱGesetzȱwerdenȱkönnte.“95ȱ DaȱmenschlichesȱHandelnȱkeineȱreinȱpersönliche,ȱsondernȱeineȱkollektiveȱAngelegenȬ heitȱist,ȱsollȱdasȱHandelnȱimȱInteresseȱderȱGemeinschaftȱgeregeltȱ(organisiert)ȱwerden,ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 91ȱ 92ȱ 93ȱ 94ȱ 95ȱ

72ȱ

Vgl.ȱRoth,ȱG.ȱWerȱentscheidet,ȱ2005,ȱS.ȱ55.ȱ Ebd.,ȱS.ȱ56.ȱ Ebd.,ȱS.ȱ57.ȱ Kant,ȱI.ȱGrundlegungȱderȱMetaphysikȱderȱSitten,ȱS.ȱ86.ȱ Kant,ȱI.ȱDieȱMetaphysikȱderȱSitten,ȱS.ȱ519.ȱ

Ethik des individuellen Handelns

umȱ eineȱ gewisseȱ Verlässlichkeitȱ undȱ Vorhersagbarkeitȱ imȱ Handelnȱ zuȱ gewährleisten.ȱ Dieȱ Reglementierungȱ desȱ Handelnsȱ findetȱ imȱ Zusammenspielȱ derȱ äußerenȱ Moralȱ (GesetzeȱundȱgesellschaftlicheȱWerteȱundȱNormen)ȱundȱderȱinnerenȱMoralȱeinesȱjedenȱ Individuumsȱstatt.ȱȱ WährendȱMoralȱdieȱinȱeinerȱGruppeȱ(Gesellschaft,ȱOrganisation)ȱtatsächlichȱgeltendenȱ Normenȱ beschreibt,ȱ versuchtȱ Ethikȱ alsȱ Wissenschaftȱ dieȱ allgemeinenȱ Normenȱ desȱ Handelnsȱzuȱdefinierenȱundȱzuȱbegründen.ȱInȱderȱGeschichteȱderȱMenschheitȱgabȱesȱ unterschiedlicheȱBegründungsansätzeȱderȱEthik,ȱdaȱsichȱdieȱgesellschaftlichenȱVorstelȬ lungenȱ vonȱ gutȱ undȱ böse,ȱ vonȱ Tugenden,ȱ Pflichten,ȱ Wertenȱ undȱ Normenȱ inȱ einemȱ ständigenȱWandelȱbefinden.ȱJeȱnachȱkulturȬ,ȱreligionsȬȱundȱsystemspezifischenȱWertenȱ einerȱ Gesellschaftȱ könnenȱ bestimmteȱ Handlungenȱ alsȱ moralischȱ oderȱ unmoralischȱ bewertetȱwerden.ȱEinigeȱBeispieleȱsollenȱesȱbelegen.ȱNochȱvorȱ30Ȭ40ȱJahrenȱgaltȱesȱinȱ Deutschlandȱ alsȱ unmoralisch,ȱ unverheiratetȱ zusammenȱ zuȱ leben,ȱ heutzutageȱ sindȱ solcheȱ Lebensgemeinschaftenȱ sehrȱ verbreitetȱ undȱ vonȱ derȱ Gesellschaftȱ akzeptiert.ȱ Inȱ derȱ kommunistischenȱ Sowjetunionȱ galtȱ esȱ alsȱ unanständig,ȱ eineȱ persönlicheȱ Karriereȱ anzustreben,ȱ manȱ sollteȱ sichȱ umȱ dasȱ Wohlȱ desȱ Kollektivsȱ bemühen.ȱ Imȱ heutigenȱ marktwirtschaftsorientiertenȱRusslandȱstehenȱumgekehrtȱdieȱindividualistischenȱKarȬ rierebestrebungenȱ imȱ Vordergrund.ȱ Einȱ aktuellesȱ Beispielȱ belegtȱ dieȱ Schwierigkeit,ȱ eindeutigeȱ Urteileȱ überȱ moralisch/unmoralischȱ zuȱ fällen:ȱEinigeȱ Unternehmenȱ bemüȬ henȱsichȱumȱdieȱEinführungȱvonȱWhistleȱBlowing,ȱumȱWirtschafskriminalitätȱentgegenȱ zuȱ wirken.96ȱ Inwieweitȱ istȱ esȱ alsȱ moralischȱ zuȱ bezeichnen,ȱ wennȱ einȱ Kollegeȱ einenȱ anderenȱdenunziert?ȱȱ DieȱEthikȱdesȱindividuellenȱHandelnsȱbestimmtȱdieȱPflichtenȱdesȱIndividuumsȱgegenȱ sichȱselbst,ȱseinenȱMitmenschenȱundȱderȱNatur.ȱȱȱ AlsȱElementeȱdesȱpflichtgemäßenȱHandelnsȱgegenȱsichȱselbstȱnenntȱImmanuelȱKant97ȱ dasȱ Gebotȱ derȱ Selbstachtungȱ derȱ eigenenȱ Würde,ȱ dasȱ Verbotȱ desȱ Selbstmordes,ȱ dasȱ Verbotȱzuȱlügen,ȱdasȱVerbotȱsichȱdurchȱVersoffenheitȱundȱGefräßigkeitȱzuȱschaden,ȱdasȱ GebotȱderȱPflegeȱdesȱKörpersȱundȱdesȱGeistes,ȱderȱEntfaltungȱeigenerȱPotenziale,ȱderȱ SelbsterkenntnisȱundȱderȱGewissensbildung.ȱAuchȱeineȱgewisseȱWohlhabenheitȱanzuȬ strebenȱgiltȱalsȱPflicht,ȱdaȱArmutȱverschiedeneȱLasterȱverursachenȱkann.98ȱ Dieȱ Pflichtenȱ gegenüberȱ Anderenȱ beinhaltenȱ nachȱ Kant:ȱ Achtungȱ desȱ Gesetzesȱ undȱ derȱ Würdeȱ andererȱ Menschen,ȱ Wohlwollen,ȱ Mitleidȱ undȱ Mitfreude,ȱ Wahrhaftigkeit,ȱ Redlichkeit,ȱDankbarkeit.ȱAlsȱrechtlicheȱPflichtenȱwerdenȱvonȱKantȱdieȱEinhaltungȱderȱ Verträge,ȱZahlungȱderȱSchuldenȱundȱAchtungȱdesȱEigentumsȱerwähnt,ȱdieȱallerdingsȱ wenigerȱdurchȱmoralischeȱPrinzipien,ȱsondernȱeherȱdurchȱGesetzeȱundȱVerträgeȱgereȬ geltȱwerden.99ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 96ȱ 97ȱ 98ȱ 99ȱ

EineȱausführlicheȱDiskussionȱfolgtȱimȱKapitelȱ13.3.ȱ Vgl.ȱKant,ȱI.ȱMetaphysikȱderȱSitten,ȱTugendlehre,ȱS.ȱ515ȱff.ȱ Ebd.,ȱS.ȱ518.ȱ Ebd.,ȱS.ȱ519Ȭ521.ȱ

73ȱ

7.4

7

Individuelles Handeln

Esȱ istȱ erstaunlich,ȱ wieȱ aktuellȱ dieȱ vorȱ überȱ 200ȱ Jahrenȱ formuliertenȱ individuellenȱ PflichtenȱvonȱI.ȱKantȱsind.ȱ Menschlicheȱ Verpflichtungenȱ derȱ Naturȱ gegenüberȱ beziehenȱ sichȱ aufȱ ihreȱ Erhaltung,ȱ schonendeȱNutzungȱundȱNichtȬVerschmutzung,ȱwasȱzusätzlichȱmitȱderȱVerpflichtungȱ gegenüberȱkommendenȱGenerationenȱ(Nachhaltigkeit)ȱverknüpftȱwerdenȱsollte.ȱ DieȱMoralȱeinesȱIndividuumsȱentstehtȱimȱSozialisationsprozessȱundȱentwickeltȱsichȱimȱ Laufeȱ seinesȱ Lebensȱ inȱ Folgeȱ vonȱ Erfahrungen,ȱ Erlebnissenȱ undȱ Lernprozessen.ȱ Derȱ Psychologeȱ Lawrenceȱ Kohlbergȱ hatȱ basierendȱ aufȱ derȱ pädagogischenȱ EntwicklungsȬ theorieȱvonȱJeanȱPiagetȱeineȱTheorieȱmoralischerȱEntwicklungȱkonzipiert,ȱdieȱmoraliȬ scheȱ Orientierungenȱ vonȱ Menschenȱ inȱ verschiedenenȱ Phasenȱ ihrerȱ Entwicklungȱ beȬ schreibt.100ȱ Dieȱ dreiȱ Phasenȱ bauenȱ aufeinanderȱ aufȱ undȱ führenȱ schließlichȱ (aufȱ derȱ drittenȱStufe)ȱzuȱeinemȱverantwortungsȬȱundȱgewissensvollenȱHandeln.ȱ

Tabelleȱ11:ȱStufenȱderȱmoralischenȱEntwicklungȱnachȱL.ȱKohlbergȱ Präkonventionelle Phase (Angstbestimmung)

Stufe 1. Orientierung an Bestrafung und Gehorsam

Konventionelle Phase (Fremdbestimmung)

Stufe 3. Orientierung am Ideal des "Guten Menschen“, das von anderen definiert wird

Stufe 2. Konformes Verhalten, um belohnt zu werden

Stufe 4. Orientierung an Recht und Ordnung Postkonventionelle Phase (Eigenbestimmung)

Stufe 5. Die Sozialvertragsorientierung Stufe 6. Eigene Moralorientierung auf der Basis universeller ethischer Prinzipien

ȱ DieȱersteȱPhaseȱistȱdieȱpräkonventionelleȱPhaseȱundȱbedeutetȱeineȱexterneȱMoralorienȬ tierungȱdurchȱOrientierungȱanȱVerwendungȱoderȱAndrohungȱvonȱGewalt.ȱSieȱwirdȱinȱ zweiȱStufenȱunterteilt:ȱ Stufeȱ 1ȱ bedeutetȱ Orientierungȱ anȱ Bestrafungȱ undȱ Gehorsam:ȱ Regelnȱ werdenȱ befolgt,ȱ umȱBestrafungenȱzuȱentgehen,ȱmanȱdarfȱsichȱnichtȱerwischenȱlassen.ȱSolcheȱMenschenȱ habenȱ soȱ gutȱ wieȱ keineȱ innerenȱ moralischenȱ Prinzipienȱ undȱ müssenȱ zumȱ Arbeitenȱ gezwungenȱwerden.ȱȱ Stufeȱ2ȱwirdȱalsȱinstrumentellȬrelativistischeȱOrientierungȱbezeichnet:ȱmanȱverhältȱsichȱ konform,ȱ umȱ belohntȱ zuȱ werden.ȱ Zwischenmenschlicheȱ Beziehungenȱ werdenȱ alsȱ Marktbeziehungenȱ angesehen.ȱ Eineȱ Leistungȱ wirdȱ nurȱ dannȱ erbracht,ȱ wennȱ sieȱ beȬ lohntȱwird.ȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 100ȱ Vgl.ȱKohlberg,ȱL.ȱDieȱPsychologieȱderȱMoralentwicklung,ȱerschienenȱ1971.ȱ

74ȱ

Ethik des individuellen Handelns

Nachȱ Kohlbergȱ istȱ dieȱ präkonventionelleȱ Phaseȱ fürȱ Kinderȱ undȱ Jugendlicheȱ typisch,ȱ sieȱ kommtȱ inȱ derȱ Wirtschaftspraxisȱ relativȱ seltenȱ vor.ȱ Dieȱ Entscheidungen,ȱ etwasȱ zuȱ tun,ȱ richtenȱ sichȱ inȱ dieserȱ Phaseȱ anȱ ichbezogenenȱ undȱ lustbezogenenȱ Kriterienȱ aus.ȱ SollteȱeinȱManagerȱsolcheȱMitarbeiterȱhaben,ȱdannȱmussȱerȱsieȱständigȱimȱAugeȱbehalȬ tenȱundȱkontrollieren.ȱȱ InȱderȱzweitenȱȬȱkonventionellenȱPhaseȱ–ȱorientiertȱsichȱdieȱEntscheidungȱeinesȱIndiviȬ duumsȱüberȱtunȱoderȱnichtȱtunȱanȱderȱ FremdeinschätzungȱseinerȱPerson.ȱTatsächlichȱ entscheidetȱnichtȱderȱMenschȱselbst,ȱsondernȱdieȱsozialeȱGruppe,ȱdieȱfürȱihnȱrelevantȱ ist.ȱDieseȱPhaseȱhatȱebensoȱzweiȱStufen:ȱ Stufeȱ3ȱheißtȱOrientierungȱamȱIdealȱdesȱȈGutenȱMenschenȈȱoderȱ„guterȱJunge/ȱnettesȱ MädchenȬModell“.ȱ Derȱ Menschȱ hatȱ (immerȱ noch)ȱ keineȱ innerenȱ moralischenȱ PrinziȬ pien,ȱ dasȱ Gutȱ undȱ Böseȱ definierenȱ fürȱ ihnȱ andereȱ –ȱ seineȱ Umgebung,ȱ Familieȱ oderȱ Gruppe.ȱȱ AufȱderȱStufeȱ4ȱgiltȱdieȱOrientierungȱanȱRechtȱundȱOrdnung:ȱmanȱrespektiertȱAutoritäȬ tenȱ undȱ hältȱ sozialeȱ Normenȱ undȱ Konventionenȱ ein,ȱ d.h.ȱ Gutȱ undȱ Böseȱ werdenȱ vonȱ einerȱ übergeordneten,ȱ fürȱ alleȱ gültigenȱ Ordnungȱ definiert,ȱ dieȱ manȱ nichtȱ inȱ Frageȱ stellt.ȱDerȱMenschȱübernimmtȱdieȱinȱseinerȱGruppeȱoderȱGesellschaftȱgültigenȱVerhalȬ tensnormen,ȱohneȱsieȱzuȱhinterfragen.ȱȱ Anfangȱ 1970Ȭerȱ Jahreȱ behaupteteȱ Kohlberg,ȱ dieȱ meistenȱ Menschenȱ westlicherȱ GesellȬ schaftenȱbefändenȱsichȱaufȱderȱviertenȱStufeȱderȱmoralischenȱEntwicklung.ȱDieȱmoraliȬ schenȱVerhaltensnormenȱwerdenȱstarkȱdavonȱgeprägt,ȱwasȱalsȱrichtigȱgiltȱundȱwasȱdieȱ BezugsgruppeȱoderȱGesellschaftȱvonȱdemȱIndividuumȱerwartet.ȱ Dieȱ dritte,ȱ postkonventionelleȱ Phaseȱ bedeutetȱ dieȱ höchsteȱ moralischeȱ Entwicklungȱ einerȱ Person,ȱ moralischeȱ Werteȱ werdenȱ unabhängigȱ vonȱ Autoritätenȱ undȱ Gruppenȱ definiert.ȱ Diesȱistȱ eineȱ autonomeȱ Phaseȱ Ȭȱ dasȱ Individuumȱ entscheidetȱ sichȱ nachȱ eigeȬ nenȱPrinzipienȱundȱWertevorstellungen.ȱDieȱStufenȱdieserȱPhaseȱsind:ȱ Stufeȱ5ȱistȱdieȱSozialvertragsorientierung:ȱdasȱRechtȱwirdȱzuȱeinerȱpersönlichenȱWertȬ setzung/Überzeugung,ȱwobeiȱmanȱsichȱderenȱRelativitätȱbewusstȱist.ȱDasȱIndividuumȱ machtȱ sichȱ Gedanken,ȱ inwieweitȱ dasȱ Gesetzȱ undȱ dieȱ gesellschaftlicheȱ Ordnungȱ geȬ rechtȱsind.ȱManȱistȱsichȱderȱeigenenȱVerantwortungȱfürȱdieseȱOrdnungȱbewusst.ȱManȱ kannȱ behaupten,ȱ dassȱ einȱ wesentlicherȱ Teilȱ vonȱ Menschenȱ inȱ modernenȱ westlichenȱ GesellschaftenȱdieseȱEntwicklungsstufeȱerreichtȱhat.ȱDasȱUrteilȱKohlbergs,ȱdieȱMeistenȱ stündenȱaufȱderȱStufeȱvier,ȱkannȱ30ȱJahreȱnachȱderȱVeröffentlichungȱseinerȱTheorieȱalsȱ überholtȱ bezeichnetȱ werden:ȱ allgemeineȱ Verbesserungȱ desȱ Bildungsstandes,ȱ ZugängȬ lichkeitȱ vonȱ Informationen,ȱ demokratischeȱ Werteȱ undȱ Verbreitungȱ desȱ SelbstverantȬ wortungsgefühlsȱ inȱ westlichenȱ Gesellschaftenȱ habenȱ eineȱ neueȱ Generationȱ vonȱ MenȬ schenȱhervorgebracht.ȱȱ AlsȱStufeȱ6ȱwirdȱdieȱOrientierungȱanȱuniversellenȱethischenȱPrinzipienȱwieȱGerechtigȬ keit,ȱMenschenrechteȱundȱAllgemeinwohlȱbezeichnet.ȱManȱschafftȱeineȱeigeneȱMoralȬ

75ȱ

7.4

7

Individuelles Handeln

orientierung,ȱdieȱnurȱvonȱderȱPersonȱselbstȱabhängigȱist.ȱDieȱPersonȱhandeltȱaufgrundȱ dieserȱ Orientierungȱ imȱ Interesseȱ derȱ ganzenȱ Gesellschaft,ȱ fürȱ dieȱ sieȱ sichȱ mitverantȬ wortlichȱfühlt.ȱHierȱkannȱmanȱeinenȱdirektenȱBezugȱzumȱKonstruktivismusȱerkennen,ȱ derȱ alsȱ persönlicheȱ Verantwortungȱ fürȱ dieȱ Realitätȱ undȱ ihreȱ Schaffungȱ verstandenȱ wird.ȱ Nachȱ Kohlberg,ȱ erreichenȱ nurȱ sehrȱ wenigeȱ Menschenȱ dieseȱ höchsteȱ Stufeȱ (erȱ nenntȱdabeiȱdieȱNamenȱvonȱMenschheitspropheten).ȱOffensichtlichȱhatȱsichȱauchȱdieseȱ AnnahmeȱinȱdenȱletztenȱJahrzehntenȱrelativiert.ȱEsȱistȱnichtȱausgeschlossen,ȱdassȱsichȱ einȱ hochgebildeterȱ modernerȱ Menschȱ bisȱ zurȱ Stufeȱ 6ȱ entwickelnȱ kann,ȱ wobeiȱ erȱ einȱ eigenesȱ moralischesȱ Systemȱ aufbautȱ undȱ nachȱ diesemȱ Wertesystemȱ imȱ Interesseȱ derȱ Gesellschaftȱ lebtȱ undȱ arbeitet.ȱ Eigenverantwortlicheȱ Arbeitȱ inȱ einerȱ WissensgesellȬ schaftȱsetztȱeineȱhoheȱEntwicklungȱderȱMitarbeiterȱvorausȱundȱformtȱdieseȱMenschenȱ weitgehendst,ȱ dieȱ immerȱ mehrȱ Initiativeȱ undȱ Verantwortungȱ fürȱ ihrȱ Tun,ȱ ihrȱ UnterȬ nehmen,ȱdieȱGesellschaftȱundȱUmweltȱübernehmen.ȱȱ Dieȱ individuelleȱ Ethikȱ wirdȱ durchȱ dieȱ institutionelleȱ undȱ Ethikȱ derȱ Öffentlichkeitȱ erȬ gänzt,ȱdieȱeinenȱäußerenȱRahmenȱfürȱdasȱindividuelleȱHandelnȱbilden.ȱZuȱdenȱInstituȬ tionenȱ zähltȱ manȱ denȱ Staat,ȱ dieȱ Verfassung,ȱ denȱ Vertrag,ȱ dieȱ Ehe,ȱ dasȱ Recht,ȱ dieȱ Marktwirtschaft,ȱdasȱUnternehmen,ȱdasȱEigentumȱundȱvielesȱmehr.ȱ„AllenȱȱInstitutioȬ nenȱ gemeinsamȱ ist,ȱ dassȱ sieȱ Erscheinungsformenȱ einesȱ geregeltenȱ MiteinanderumgeȬ hens,ȱ einerȱ geordnetenȱ Kooperationȱ vonȱ Menschenȱ sind.“101ȱAuchȱ dieȱ Öffentlichkeitȱ istȱfürȱdasȱethischeȱHandelnȱwichtig.ȱNachȱKantȱkannȱdieȱMoralȱeinerȱHandlungȱleichtȱ überprüftȱ werden,ȱ wennȱ manȱ sieȱ publikȱ werdenȱ lässt.ȱ Würdeȱ manȱ eineȱ Handlungȱ lieberȱgeheimȱhalten,ȱweilȱmanȱansonstenȱWiderstandȱoderȱProtestȱbefürchtet,ȱistȱdasȱ einȱIndizȱfürȱihreȱUngerechtigkeit.102ȱȱ NachdemȱdieȱDeterminantenȱundȱEthikȱdesȱindividuellenȱHandelnsȱdiskutiertȱwordenȱ sind,ȱkannȱseinȱAblaufȱerläutertȱwerden.ȱȱ

7.5

Phasen des Handlungsprozesses

WieȱimȱKapitelȱ7.2ȱerläutertȱwurde,ȱzeichnetȱsichȱmenschlichesȱHandelnȱimȱGegensatzȱ zurȱTierweltȱdurchȱwillentlicheȱHandlungenȱaus:ȱjedemȱHandlungsaktȱgehtȱeinȱWilleȱ vorausȱ (ausgeschlossenȱ istȱ dabeiȱ dasȱ Verhalten,ȱ dasȱ vonȱ Triebenȱ undȱ Instinktenȱ beȬ stimmtȱwird).ȱAusȱderȱkognitivenȱPerspektiveȱgesehen,ȱistȱmenschlichesȱHandelnȱeinȱ mentalerȱProzessȱausȱmehrerenȱPhasen,ȱderȱaufȱdieȱVeränderungȱoderȱAufrechterhalȬ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 101ȱ Vgl.ȱGöbel,ȱE.ȱUnternehmensethik,ȱS.ȱ29.ȱ 102ȱ DasȱZusammenspielȱzwischenȱderȱindividuellen,ȱinstitutionellenȱundȱöffentlichenȱEthikȱwirdȱ

imȱKapitelȱ13ȱ„Unternehmensethik“ȱausführlicherȱdiskutiert.ȱ

76ȱ

Phasen des Handlungsprozesses

tungȱderȱUmweltȱhinȱausgerichtetȱistȱundȱdadurchȱeinenȱaktivenȱgestaltendenȱCharakȬ terȱbesitzt.ȱNachȱH.ȱHeckhausen103ȱbeinhaltetȱeineȱWillenshandlungȱfolgendeȱPhasen:ȱ

„ dieȱrealitätsorientierteȱMotivationsphaseȱ(BereitschaftȱzumȱHandeln);ȱ „ dieȱIntentionsbildungȱ(BildungȱundȱVergleichȱvonȱAlternativen);ȱ „ dieȱrealisierungsorientierte,ȱpräaktionaleȱPhaseȱ(VorbereitungȱderȱAusführung);ȱ „ dieȱaktionaleȱHandlungsphaseȱ(eigentlichesȱHandeln)ȱundȱ „ dieȱ postaktionaleȱ Phase,ȱ dieȱ dasȱ Erzielteȱ bewertetȱ undȱ fürȱ spätereȱ Handlungenȱ berücksichtigtȱ(bewertendeȱMotivation).ȱ DamitȱlässtȱsichȱdasȱHandelnȱalsȱeineȱKetteȱausȱfolgendenȱPhasenȱdarstellen:ȱMotivatiȬ onȱ–ȱIntentionsbildungȱ–ȱVorbereitungȱ–ȱAktionȱ–ȱBewertungȱ(bewertendeȱMotivation).ȱ EsȱbeginntȱundȱendetȱmitȱderȱMotivationȱ(s.ȱAbbildung).ȱ

Abb.ȱ20:ȱ

RubikonȬModellȱdesȱHandelnsȱ(nachȱH.ȱHeckhausen)ȱ

Motivation zum Handeln

Intentionsbildung

Vorbereitung

Rubikon

Handeln

Bewertende Motivation

ȱ

ȱ Inȱ derȱ realitätsorientiertenȱ Motivationsphaseȱ undȱ Intentionsbildungȱ entstehenȱ WünȬ scheȱundȱAbsichten.ȱ„WirȱnehmenȱentsprechendȱbestimmteȱDingeȱinȱunsererȱUmweltȱ wahr,ȱ dieȱ inȱ unsȱ Gedanken,ȱ Handlungsantriebeȱ undȱ Bedürfnisseȱ erweckenȱ (KaffeeȬ duft,ȱ schönesȱ Wetter,ȱ einȱ interessantȱ klingenderȱ Buchtitel);ȱ ebensoȱ könnenȱ –ȱ bewusstȱ oderȱunbewusstȱ–ȱreinȱinternȱkognitiveȱundȱemotionaleȱZuständeȱaufgerufenȱwerdenȱ (einȱ Wunschȱ „steigtȱ inȱ unsȱ auf“).“104ȱ Dabeiȱ werdenȱ Menschenȱ innerenȱ undȱ äußerenȱ Antriebenȱ ausgesetztȱ sowohlȱ denȱ emotionalenȱ alsȱ auchȱ denȱ kognitiven.ȱ Dieȱ Phaseȱ endetȱmitȱderȱBildungȱeinerȱHandlungsabsichtȱ(ÜberquerenȱdesȱRubikons).ȱ Inȱ derȱ realisierungsorientiertenȱ Vorbereitungsphaseȱ werdenȱ dieȱ Möglichkeitenȱ derȱ Realisierungȱeingeschätzt:ȱobȱderȱWunschȱjetztȱundȱmitȱvorhandenenȱMittelnȱrealisiertȱ werdenȱkann.ȱEsȱgehtȱumȱdieȱZeitȱundȱGelegenheit,ȱdieȱbeabsichtigteȱHandlungȱausȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 103ȱ Heckhausen,ȱH.ȱPerspektivenȱeinerȱPsychologieȱdesȱWollens,ȱS.ȱ121Ȭ142,ȱZitiertȱnachȱRoth,ȱG.ȱ

Fühlen,ȱDenken,ȱHandeln,ȱS.ȱ476.ȱ 104ȱ Roth,ȱG.ȱFühlen,ȱDenken,ȱHandeln,ȱS.ȱ491.ȱ

77ȱ

7.5

7

Individuelles Handeln

zuführen.ȱRationaleȱundȱemotionaleȱFaktorenȱspielenȱinȱdiesemȱProzessȱebenfallsȱeineȱ wichtigeȱRolle.ȱJeȱhöherȱdieȱErwartung,ȱdestoȱstärkerȱistȱdieȱNeigung,ȱdieȱAbsichtȱzuȱ verwirklichen.ȱ NachdemȱdieȱVorbereitungȱabgeschlossenȱist,ȱkommtȱesȱzuȱdemȱeigentlichenȱHandeln,ȱ dasȱ selbstȱ wiederumȱ durchȱ komplizierteȱ Steuerungsprozesseȱ unseresȱ Gehirnsȱ beȬ stimmtȱwird.ȱ Dieȱ letzteȱ Phaseȱ beschäftigtȱ sichȱ mitȱ einerȱ rückblickendenȱ Bewertungȱ derȱ Aktivitätȱ undȱ ihrerȱ Folgen.ȱ Gleichzeitigȱ kannȱ sieȱ alsȱVorbereitungȱ (Motivation)ȱ fürȱ dieȱ nächsteȱ Aktivitätȱbetrachtetȱwerden.ȱDabeiȱwerdenȱdieȱAttraktivitätȱdesȱZielsȱsowieȱdieȱUrsaȬ chenȱfürȱErfolgȱoderȱMisserfolgȱüberprüft.ȱ Dieseȱ Analyseȱ kognitiverȱ Inhalteȱ einzelnerȱ Phasenȱ machtȱ dieȱ außerordentlicheȱ Rolleȱ derȱ Motivationȱ fürȱ dasȱ menschlicheȱ Handelnȱ deutlich:ȱ Motivationȱ initiiertȱ dasȱ HanȬ delnȱundȱschließtȱesȱab,ȱindemȱsieȱeinȱneuesȱHandelnȱvorbereitet.ȱȱȱ ȱ Kontrollfragenȱ 1. ErläuternȱSieȱdasȱganzheitlicheȱModellȱindividuellenȱHandelns.ȱ 2. Beschreibenȱ Sieȱ kurzȱ dieȱ kognitivenȱ Kompetenzenȱ derȱ Handlungssteuerungȱ beiȱ Menschenȱ(Antizipationsfähigkeit,ȱZielrepräsentationen,ȱSelbstkontrolle).ȱ 3. ErläuternȱSieȱdieȱRolleȱvonȱVerstand,ȱVernunftȱundȱGefühlenȱimȱHandeln.ȱ 4. Warumȱ hatȱ jedesȱ menschlicheȱ Handelnȱ einenȱ ethischenȱ Aspekt?ȱ Welcheȱ VerantȬ wortungȱträgtȱeineȱhandelndeȱPerson?ȱ 5. Erläuternȱ Sieȱ kurzȱ dieȱ Theorieȱ derȱ moralischenȱ Entwicklungȱ nachȱ L.ȱ Kohlbergȱ (präkonventionelle,ȱ konventionelleȱ undȱ postkonventionelleȱ Phase).ȱ Aufȱ welcherȱ StufeȱbefindenȱSieȱsich?ȱȱ 6. BeschreibenȱSieȱPhasenȱdesȱHandelnsȱnachȱH.ȱHeckhausen.ȱ

78ȱ

Phasen des Handlungsprozesses

8

Motivation

Motivationȱ beantwortetȱ dieȱ Frageȱ nachȱ demȱ „Warum“ȱ desȱ menschlichenȱ Handelns.ȱ Werȱ dieseȱ Frageȱ beantwortenȱ kann,ȱ verstehtȱ dasȱ Handelnȱ seinerȱ Mitmenschenȱ undȱ kannȱaufȱdiesesȱHandelnȱeinenȱ(begrenzten)ȱEinflussȱnehmen,ȱwobeiȱsolcheȱEinflussȬ nahmeȱnebenȱpragmatischenȱauchȱeinenȱmoralischenȱAspektȱhat.ȱ

Abb.ȱ21:ȱ

Motivation:ȱwieȱbringeȱichȱandereȱzuȱeinemȱbestimmtenȱHandeln?ȱ

ȱ

Motivationȱ vonȱ Mitarbeiternȱ istȱ eineȱ derȱ wichtigstenȱ undȱ schwierigstenȱ Aufgabenȱ einerȱ Führungskraft.ȱ R.ȱ Wundererȱ bezeichnetȱ Verhaltenssteuerungȱ überȱ Motivationȱȱ fürȱZiele,ȱAufgaben,ȱMittelȱundȱVerhaltensweisenȱalsȱzentrale,ȱnichtdelegierbareȱFühȬ rungsaufgabe.105ȱAllerdingsȱwerdenȱdieȱpraktischenȱMotivationsmittelȱundȱselbstȱdieȱ MöglichkeitȱeinerȱFremdmotivationȱkontroversȱdiskutiert.ȱȱ MotivationsmethodenȱundȱȬtheorienȱwerdenȱvonȱwirtschaftlichenȱAnforderungenȱundȱȱ allgemeinenȱ gesellschaftlichenȱ Wertenȱ geprägt.ȱ Dieȱ Zeitȱ derȱ Sklaventreiberȱ mitȱ ZuȬ ckerbrotȱ undȱ Peitscheȱ alsȱ Motivationȱ istȱ vorbei,ȱ genausoȱ wieȱ dieȱ Zeitȱ unpersönlicherȱ Motivationȱvonȱgesichtslosen,ȱersetzbarenȱMenschenȬRädchen.ȱModerneȱUnternehmenȱ möchtenȱnichtȱnurȱphysischeȱAnwesenheitȱundȱDienstȱnachȱVorschrift,ȱsondernȱauchȱ EngagementȱundȱKreativitätȱihrerȱMitarbeiterȱnutzen,ȱundȱdiesȱistȱnurȱaufȱfreiwilligerȱ Basisȱ möglich.ȱ Neueȱ Motivationȱ kannȱ nichtȱ aufȱ dieȱ altenȱ unpersönlichenȱ Methodenȱ reduziertȱwerden,ȱihreȱAufgabeȱistȱvielȱmehr,ȱPotenzialeȱundȱTalenteȱzuȱerkennenȱundȱ innereȱindividuelleȱMotiveȱderȱMitarbeiterȱzuȱaktivieren.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 105ȱ Vgl.ȱWunderer,ȱR.ȱFührungȱundȱZusammenarbeit,ȱS.ȱ112.ȱ

79ȱ

7.5

8

Motivation

LutzȱvonȱRosenstielȱschreibtȱinȱdiesemȱZusammenhangȱvonȱMotivationsmanagement,ȱ welchesȱ dieȱ Barriereȱ fürȱ engagiertesȱ Handelnȱ derȱ Mitarbeiterȱ beseitigen,ȱ anregendeȱ Bedingungenȱ schaffen,ȱ Personalentwicklungȱ berücksichtigenȱ undȱ Identifikationȱ förȬ dernȱ soll.106ȱ Damitȱ werdenȱ dieȱ Aufgabenȱ derȱ Motivationȱ weitȱ überȱ dasȱ traditionelleȱ SchaffenȱvonȱAnreizenȱhinausȱerweitert.ȱDarausȱergibtȱsichȱdasȱmoderneȱMotivationsȬ konzeptȱmitȱseinenȱvierȱSeitenȱ(s.ȱAbbildung).ȱ Abb.ȱ22:ȱ

GanzheitlicheȱȱMotivationȱundȱihreȱvierȱSeitenȱ

Anreize schaffen (individuelle Motivation)

ȱ

ȱ Ganzheitliche Motivation

Demotivation verhindern

Personalentwicklung

ȱ Identifikation fördern

ȱ

InȱdiesemȱKapitelȱwerdenȱzunächstȱZieleȱundȱMotiveȱderȱMitarbeiterȱimȱZusammenȬ hangȱmitȱMotivationȱdiskutiert,ȱdanachȱdieȱbekanntenȱInhaltȬUrsacheȬȱundȱkognitivenȱ Motivationstheorienȱdargestellt.ȱEsȱwerdenȱdieȱMöglichkeitenȱundȱProblemeȱderȱUmȬ setzungȱ dieserȱ Theorienȱ inȱ dieȱ Praxisȱ erläutert.ȱ Dieseȱ theoretischenȱ Ansätzeȱ gebenȱ einemȱFührendenȱeineȱbreiteȱPaletteȱvonȱMotivationsinstrumentenȱinȱdieȱHand,ȱdieȱerȱ selbständigȱundȱkreativȱinȱderȱUnternehmenspraxisȱtestenȱundȱweiterentwickelnȱkann.ȱȱ Anschließendȱ werdenȱ dieȱ weiterenȱ Aufgabenȱ derȱ ganzheitlichenȱ Motivationȱ dargeȬ stellt:ȱ dasȱ Verhindernȱ derȱ Demotivation,ȱ ständigeȱ Personalentwicklungȱ sowieȱ dieȱ Förderungȱ vonȱ Identifikation.ȱ Nurȱ eineȱ systematischeȱArbeitȱ anȱ allenȱ vierȱ Seitenȱ derȱ Motivationȱ kannȱ Ressourcenȱ undȱ Kompetenzenȱ derȱ Mitarbeiterȱ imȱ Interesseȱ desȱ GeȬ samtunternehmensȱlangfristigȱfördernȱundȱentfalten.ȱȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 106ȱ Vgl.ȱvonȱRosenstiel,ȱL.ȱMotivationȱmanagen,ȱS.ȱ17Ȭ18.ȱ

80ȱ

Ziele, Motive und Motivation

8.1

Ziele, Motive und Motivation

MenschlichesȱHandelnȱistȱzielgerichtetȱundȱbasiertȱaufȱmentalenȱZielrepräsentationen.ȱ Dabeiȱ verfolgtȱ jedesȱ Individuumȱ seineȱ persönlichenȱ Ziele,ȱ dieȱ mitȱ seinenȱ Interessen,ȱ Vorlieben,ȱFähigkeiten,ȱErfahrungenȱundȱWertenȱ–ȱsprichȱmitȱseinemȱgesamtenȱWissenȱ –ȱ zusammenhängen.ȱ Einȱ Menschȱ kannȱ gleichzeitigȱ mehrereȱ Zieleȱ (z.B.ȱ langfristige,ȱ kurzfristige,ȱsituative)ȱverfolgen,ȱdieȱinȱeinemȱkomplexenȱZusammenspiel,ȱmanchmalȱ sogarȱimȱWiderspruch,ȱzueinanderȱstehen.ȱȱ SoȱkannȱeinȱhypothetischerȱStudent,ȱderȱinȱeineȱVorlesungȱgekommenȱist,ȱgleichzeitigȱ folgendeȱZieleȱverfolgen:ȱȱ

„ strategisch:ȱ denȱAbschlussȱ zumȱ „DiplomȬKaufmann“ȱ bekommen,ȱ umȱ eineȱ ManaȬ gerkarriereȱstartenȱzuȱkönnenȱundȱvielȱGeldȱzuȱverdienen;ȱ

„ langfristig:ȱdieȱentsprechendeȱKlausurȱmitȱeinerȱgutenȱNoteȱbestehen;ȱ „ kurzfristig:ȱInhalteȱderȱVorlesungȱverstehen;ȱȱ „ situativ:ȱmitȱseinerȱhübschenȱNachbarinȱflirten.ȱ Wofürȱ entscheidetȱ sichȱ dieserȱ Student?ȱ Wennȱ dieȱ Nachbarinȱ hübschȱ genugȱ istȱ undȱ mitspielt,ȱ kannȱ dasȱ situativeȱ Zielȱ dominantȱ werden.ȱ Dabeiȱ wirdȱ dasȱ kurzfristigeȱ Zielȱ desȱ Studentenȱ gefährdet.ȱ Entwickeltȱ sichȱ diesesȱ Verhaltenȱ zuȱ einerȱ Regel,ȱ dannȱ werȬ denȱauchȱseinȱlangfristigesȱundȱstrategischesȱZielȱinȱFrageȱgestellt.ȱȱ Ziele,ȱ dieȱ zuȱ einemȱ Zeitpunktȱ Prioritätȱ haben,ȱ wirkenȱ sichȱ aufȱ dasȱ Verhaltenȱ einesȱ Menschenȱmotivierend,ȱwerdenȱzuȱaktiviertenȱMotiven.ȱMotiveȱsindȱspezifischeȱpsyȬ chischeȱDispositionen107,ȱfürȱdasȱIndividuumȱselbstȱmeistȱunbewusstȱundȱnachȱaußenȱ nichtȱ erkennbar,ȱ dieȱ dieȱ Bereitschaftȱ einerȱ Personȱ beschreiben,ȱ inȱ einerȱ Situationȱ aufȱ eineȱbestimmteȱArtȱundȱWeiseȱzuȱhandeln.ȱMotiveȱsindȱzumȱTeilȱangeborenȱ(Instinkteȱ undȱ Triebe)ȱ undȱ zumȱ anderenȱ Teilȱ imȱ Sozialisationsprozessȱ entwickeltȱ (erlernt).ȱ Dieȱ Ausprägungȱ vonȱ Motivenȱ istȱ personenȬȱ undȱ erfahrungsabhängig.ȱ Motiveȱ inȱ ihrerȱ Gesamtheitȱ bildenȱ einenȱ Teilȱ derȱ Persönlichkeit,ȱ derȱ durchȱ dieȱ Motivstrukturȱ beȬ schriebenȱwird.ȱEinȱdurchȱBedingungenȱderȱSituationȱoderȱinnereȱBedingungenȱeinerȱ Personȱ aktiviertesȱ Motivȱ wirktȱ verhaltensmotivierend.ȱ Somitȱ stehenȱ Motiv,ȱ MotivȬ strukturȱ undȱ Motivationȱ inȱ einemȱ Zusammenspielȱ zuȱ einanderȱ (s.ȱ folgendeȱ AbbilȬ dung).ȱȱ AlsȱDispositionenȱvorhandeneȱMotiveȱwerdenȱdurchȱinnereȱoderȱäußereȱBedingungenȱ zuȱaktiviertenȱMotiven.ȱInnereȱBedingungenȱsindȱdieȱBedürfnisseȱeinerȱPerson.108ȱEinȱ akutesȱunbefriedigtesȱBedürfnisȱwirdȱzuȱeinemȱaktiviertenȱMotiv.ȱDieȱäußerenȱBedinȬ gungenȱwerdenȱalsȱAnreizeȱbezeichnet.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 107ȱ Vgl.ȱvonȱRosenstiel,ȱL.ȱGrundlagenȱderȱOrganisationspsychologie,ȱS.ȱ225.ȱ 108ȱ Eineȱ ausführlicheȱ Diskussionȱ überȱ Bedürfnisseȱ folgtȱ imȱ Kapitelȱ 8.3ȱ „InhaltȬUrsacheȬ

Theorien“.ȱ

81ȱ

8.1

8

Motivation

Tabelleȱ12:ȱ ȱZusammenspielȱzwischenȱMotiven,ȱMotivstrukturȱundȱMotivation109ȱ Verhaltensbereitschaft

Isolierter Tatbestand

Zusammenhang mehrerer Tatbestände

als Disposition vorhanden

Motiv

Motivstruktur einer Person

durch bestimmte Anregungsbedingungen (Bedürfnis, Anreiz) aktiviert

aktiviertes Motiv

Motivation

ȱ NachȱLutzȱvonȱRosenstiel:ȱ„MeistȱwerdenȱsolcheȱwahrgenommenenȱSituationenȱzumȱ Anreiz,ȱdieȱalsȱGelegenheitȱzurȱBefriedigungȱdesȱjeweiligenȱMotivsȱinterpretiertȱwerȬ den…ȱDieȱAnreizeȱhabenȱaufgrundȱihresȱspezifischen,ȱmitȱdemȱBedürfnisȱkorresponȬ dierendenȱInhaltsȱeinenȱAufforderungscharakterȱdafür,ȱbedürfnisbefriedigendeȱHandȬ lungenȱ einzuleitenȱ undȱ auszuführen.“110ȱ Dadurchȱ wirdȱ einȱ Wechselspielȱ zwischenȱ Bedürfnissen,ȱ Motivenȱ undȱ Anreizenȱ beschrieben.ȱ Dieȱ Gesamtheitȱ vonȱ aktiviertenȱ MotivenȱinȱeinerȱbestimmtenȱSituationȱwirdȱalsȱMotivationȱbezeichnet.ȱȱ UmȱseineȱMitarbeiterȱwirksamȱmotivierenȱzuȱkönnen,ȱmussȱeinȱManagerȱihreȱspezifiȬ schenȱ Ziele,ȱ Motiveȱ undȱ Bedürfnisseȱ kennenȱ undȱ verstehenȱ lernen.ȱ Diesȱ verleihtȱ derȱ MotivationȱeinenȱausgeprägtenȱindividuellenȱCharakter.ȱDesȱWeiteren,ȱsindȱmenschliȬ cheȱZieleȱdynamischȱundȱändernȱsichȱständigȱmitȱneuenȱErfahrungenȱundȱLebensumȬ ständen.ȱ Dadurchȱ bekommtȱ dieȱ Motivationȱ eineȱ dynamischeȱ Komponente:ȱ dieȱ MeȬ thodenȱ zurȱ ihrerȱ Beeinflussungȱ undȱ ihreȱ Wirksamkeitȱ müssenȱ regelmäßigȱ überprüftȱ werden.ȱȱ EineȱFührungskraftȱhatȱdieȱAufgabe,ȱseineȱMitarbeiterȱzurȱErreichungȱvonȱUnternehȬ menszielenȱ zuȱ motivieren.ȱ Dieseȱ Zieleȱ habenȱ zunächstȱ mitȱ denȱ persönlichenȱ Zielenȱ undȱ Motivenȱ derȱ Mitarbeiterȱ nichtsȱ zuȱ tun,ȱ könnenȱ aberȱ nurȱ durchȱ dieȱAnstrengungȱ dieserȱMitarbeiterȱerreichtȱwerden.ȱSomitȱistȱdieȱAufgabeȱderȱFührungskraft,ȱdieȱUnȬ ternehmenszieleȱmitȱdenȱpersönlichenȱZielenȱderȱMitarbeiterȱzuȱverbinden,ȱdamitȱdieȱ MenschenȱdieseȱZieleȱalsȱeigeneȱempfindenȱundȱkonsequentȱanstreben.ȱ„Zwischenȱdenȱ Anregungsbedingungenȱ derȱ Situationȱ undȱ denȱ dominierendenȱ Motivenȱ derȱ Personȱ sollteȱeinȱinhaltlicherȱBezugȱbestehen.“111ȱDasȱkannȱdadurchȱpassieren,ȱdassȱdieȱErreiȬ chungȱ vonȱ persönlichenȱ Zielenȱ einesȱ Mitarbeitersȱ (einȱ weitererȱ Karriereschritt,ȱ eineȱ Gehaltserhöhung,ȱeinȱAuslandsaufenthalt,ȱeineȱWeiterbildungȱetc.)ȱmitȱdemȱErreichenȱ vonȱ gemeinsamenȱ Zielenȱ (einerȱ LeistungsȬȱ oderȱ Umsatzsteigerung,ȱ einȱ rechtzeitigerȱ Projektabschluss,ȱ eineȱ erfolgreicheȱ Präsentation,ȱ dasȱ Gewinnenȱ vonȱ neuenȱ Kundenȱ etc.)ȱverknüpftȱwird.ȱNurȱeineȱsolcheȱaufȱindividuellenȱZielenȱundȱMotivenȱderȱMitarȬ beiterȱaufgebauteȱMotivationȱträgtȱzumȱErreichenȱunternehmerischerȱZieleȱbei.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 109ȱ InȱAnlehnungȱanȱvonȱRosenstiel,ȱL.ȱMotivationȱmanagen,ȱS.ȱ25.ȱ 110ȱ VonȱRosenstiel,ȱL.ȱMotivationȱmanagen,ȱS.ȱ27.ȱ 111ȱ Ebd.,ȱS.ȱ41.ȱ

82ȱ

Intrinsische und extrinsische Motivation

Ganzȱ allgemeinȱ istȱ Motivationȱ dieȱ Summeȱ aktivierenderȱ Beweggründeȱ fürȱ Handeln,ȱ Verhaltenȱ undȱ Verhaltenstendenzen.ȱ Nachȱ Rolfȱ Wunderer:ȱ „Motivationȱ meintȱ allgeȬ meinȱ dieȱ Antriebskraftȱ undȱ Bereitschaftȱ zuȱ einemȱ bestimmtenȱ Verhaltenȱ undȱ dieȱ WahrscheinlichkeitȱseinesȱAuftretens.“112ȱ NorbertȱM.ȱSeelȱhebtȱdieȱFolgenȱdesȱHandelnsȱalsȱmotivierendeȱGründeȱhervor:ȱ„MoȬ tivationȱ istȱ einȱ Sammelbegriffȱ fürȱ unterschiedlicheȱ psychischeȱ Prozesse,ȱ dieȱ darinȱ übereinstimmen,ȱ dassȱ Personenȱ bestimmteȱ Verhaltensweisenȱ umȱ ihrerȱ Folgenȱ willenȱ auswählenȱundȱkonsistentȱbeibehalten.“113ȱȱ Dieseȱ Definitionȱ legtȱ denȱ Schwerpunktȱ aufȱ dieȱ Motivationȱ durchȱ Zieleȱ (ZielerreiȬ chung):ȱ gewünschteȱ Verhaltensweisenȱ kommenȱ nurȱ zustandeȱ wennȱ eineȱ Personȱ mitȱ bestimmtenȱFolgenȱrechnet.ȱEineȱandereȱArtȱderȱMotivationȱistȱMotivationȱdurchȱdenȱ Weg:ȱdieȱArbeitȱanȱsichȱmachtȱSpaß.ȱȱ

8.2

Intrinsische und extrinsische Motivation

R.ȱSprengerȱbezweifeltȱinȱseinemȱBuchȱ„MythosȱMotivation“114ȱgrundsätzlichȱdieȱMögȬ lichkeitȱ derȱ Fremdmotivationȱ undȱ definiertȱ Motivationȱ alsȱ „ichȱ will“.ȱ Dieseȱ bewusstȱ provozierendeȱBehauptungȱsollȱnichtȱbedeuten,ȱdassȱesȱgenerellȱunmöglichȱsei,ȱMenȬ schenȱzuȱbestimmtemȱHandelnȱzuȱbringen.ȱVielȱmehrȱbetontȱSprengerȱdieȱWichtigkeitȱ derȱ Eigenmotivationȱ fürȱ dasȱ schöpferischeȱ Tunȱ sowieȱ dieȱ Notwendigkeitȱ richtige,ȱ individuellȱabgestimmteȱAnreizeȱzuȱgeben.ȱȱ Dieȱ Verhaltenspsychologieȱ unterscheidetȱ zwischenȱ intrinsischerȱ undȱ extrinsischerȱ Motivation:ȱȱ

„ intrinsischeȱ (innere)ȱ Motivation:ȱ dieȱ Motiveȱ zumȱ Handelnȱ liegenȱ innerhalbȱ derȱ Personȱ(LeistungsȬ,ȱLernmotive,ȱInteresse,ȱSpaßȱetc.)ȱundȱȱ

„ extrinsischeȱ (äußere)ȱ Motivation:ȱ dieȱ Handlungsmotiveȱ entstehenȱ ausȱ äußerenȱ Anreizenȱ(EntgeltȬ,ȱSozialȬ,ȱStatusȬ,ȱAufstiegsanreize,ȱexternerȱDruckȱetc.).ȱȱ Dieȱ Handlung,ȱ dieȱ ausȱ intrinsischerȱ Motivationȱ entsteht,ȱ dientȱ derȱ persönlichenȱ BeȬ friedigung.ȱ Dasȱ Erbringenȱ vonȱ Leistungȱ sowieȱ dasȱ Lernenȱ gehörenȱ zuȱ denȱ menschliȬ chenȱ Bedürfnissen,ȱ deswegenȱ zählenȱ sieȱ zuȱ denȱ intrinsischenȱ Motiven.ȱ Dieȱ weiterenȱ Faktoren,ȱwieȱSpaßȱundȱInteresseȱanȱderȱArbeitȱzuȱhaben,ȱspielenȱbeiȱderȱintrinsischenȱ MotivationȱeineȱwichtigeȱRolleȱ–ȱdasȱistȱdieȱobenȱerwähnteȱMotivationȱdurchȱdenȱWeg,ȱ dieȱ esȱ ermöglicht,ȱ dassȱ nichtȱ nurȱ derȱ Zweckȱ (Folgen)ȱ sondernȱ auchȱ dieȱ Mittelȱ (Weg)ȱ motivierendȱwirken.ȱEinȱweitererȱFaktorȱintrinsischerȱMotivationȱistȱIdentifikationȱmitȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 112ȱ Wunderer,ȱR.;ȱKüpers,ȱW.ȱȱDemotivationȱ–ȱRemotivation,ȱS.ȱ58.ȱ 113ȱ Seel,ȱN.ȱM.ȱPsychologieȱdesȱLernens.ȱ 114ȱ Sprenger,ȱR.,ȱMythosȱMotivation:ȱWegeȱausȱeinerȱSackgasse.ȱ

83ȱ

8.2

8

Motivation

derȱ Aufgabe,ȱ demȱ Unternehmenȱ undȱ gemeinsamenȱ Zielen.ȱ Intrinsischȱ motivierteȱ VerhaltensweisenȱkönnenȱdurchȱFreiräumeȱundȱselbstständigesȱHandelnȱinitiiertȱwerȬ den.ȱDerȱMitarbeiterȱstrebtȱdanach,ȱeineȱSacheȱvollȱzuȱbeherrschenȱundȱseinȱBestesȱzuȱ geben.ȱ Intrinsischeȱ Motivationȱ setztȱ Neugier,ȱ Spontanitätȱ undȱ Interesseȱ anȱ derȱ TätigȬ keitȱvoraus.ȱSieȱistȱwirksam,ȱdaȱdieȱhandelndeȱPersonȱeinȱinneresȱBedürfnisȱverspürt,ȱ dieȱTätigkeitȱauszuführen.ȱȱ Extrinsischȱ motivierteȱ Verhaltensweisenȱ werdenȱ durchȱ Aufforderungenȱ inȱ Gangȱ geȬ setzt,ȱderenȱBefolgungȱpositiveȱFolgenȱ(Belohnung,ȱLobȱetc.)ȱerwartenȱlässt.ȱManȱhanȬ delt,ȱ umȱ eineȱ vonȱ derȱ Handlungȱ separierbareȱ Konsequenzȱ zuȱ erlangen.ȱ Extrinsischeȱ MotivationȱbestehtȱausȱAnreizen,ȱdieȱgrundsätzlichȱdurchȱdreiȱKomponentenȱgeprägtȱ werden:ȱ Entlohnungȱ verschiedenerȱArt,ȱsozialeȱ Kontakteȱinȱ derȱArbeitȱ undȱ dieȱ MögȬ lichkeitȱ derȱ Weiterentwicklungȱ (Beförderungȱ undȱ Weiterbildung).ȱ Äußereȱ Faktorenȱ wieȱMacht,ȱAnerkennungȱundȱBelohnungȱspielenȱbeiȱderȱextrinsischenȱMotivationȱeineȱ wichtigeȱRolle.ȱȱ DieȱAuseinandersetzungȱ mitȱ beidenȱ Formenȱ derȱ Motivationȱ zeigt,ȱ dassȱ zwischenȱ inȬ trinsischerȱ undȱ extrinsischerȱ Motivationȱ bestimmteȱ Überschneidungenȱ undȱ VerbinȬ dungenȱbestehen.ȱBeideȱFormenȱschließenȱsichȱnichtȱaus,ȱsondernȱergänzenȱundȱbeeinȬ flussenȱ einander.ȱAufȱ derȱ einenȱ Seiteȱ sindȱ nurȱ dieȱAnreizeȱ wirksam,ȱ dieȱ intrinsischeȱ Motiveȱ aktivieren.ȱ Eineȱ Mitarbeiterin,ȱ dieȱ einenȱ Halbtagsjobȱ macht,ȱ umȱ sozialeȱ KonȬ takteȱ zuȱ habenȱ undȱ sonstȱ vonȱ ihremȱ Partnerȱ materiellȱ versorgtȱ ist,ȱ wirdȱ nichtȱ bereitȱ sein,ȱfürȱmehrȱGeldȱÜberstundenȱzuȱleisten.ȱZugleichȱbehauptenȱeinigeȱWissenschaftȬ ler,ȱstarkeȱextrinsischeȱMotivationȱkannȱzurȱHemmungȱvonȱinnererȱMotivationȱführen.ȱ VersuchtȱeinȱManagerȱbeiȱeinemȱintrinsischȱmotiviertenȱMitarbeiterȱverstärktȱAnreizeȱ zuȱ schaffen,ȱ dannȱ vermitteltȱ erȱ ihmȱ dasȱ Gefühlȱ derȱAbhängigkeitȱ undȱ FremdbestimȬ mung.ȱDasȱkannȱdieȱintrinsischeȱMotivationȱzunichteȱmachen.ȱȱȱȱ DieȱAufgabeȱeinerȱFührungskraftȱbestehtȱdarin,ȱRahmenbedingungenȱfürȱdieȱintrinsiȬ scheȱ Motivationȱ zuȱ schaffenȱ undȱ durchȱ individuellȱ angepassteȱ Anreizeȱ intrinsischeȱ Motivationȱzuȱaktivieren.ȱZuȱdenȱwichtigstenȱFaktorenȱintrinsischerȱMotivationȱzählenȱ LeistungsȬȱ undȱ Lernbedürfnis,ȱ Spaßȱ undȱ Interesseȱ anȱ derȱArbeit,ȱ selbständigeȱ TätigȬ keit,ȱ Verantwortungȱ undȱ Freiräumeȱ sowieȱ Identifikationȱ undȱ Zugehörigkeit.ȱAlsȱAnȬ reizeȱkommenȱinȱFrage:ȱEntlohnungȱundȱZusatzleistungen,ȱBeförderung,ȱMöglichkeiȬ tenȱzurȱWeiterbildung,ȱLob,ȱAuszeichnungenȱundȱAnerkennung.ȱ Einenȱ besonderenȱ Zustandȱ derȱ intrinsischenȱ Motivation,ȱ dasȱ sogenannteȱ FlowȬ Erlebnis,ȱ ȱ hatȱ derȱ amerikanischeȱ Wissenschaftlerȱ M.ȱ Csikszentmihalyiȱ untersucht.ȱ Erȱ beschreibtȱFlowȱalsȱeinȱ„gezieltesȱAusrichtenȱderȱAufmerksamkeitȱaufȱeineȱbegrenzteȱ Aufgabe,ȱalsȱeinȱVergessenȱderȱeigenenȱPersonȱundȱderȱpersönlichenȱAngelegenheiten,ȱ alsȱeinȱGefühlȱderȱBegeisterung,ȱalsȱeinȱNichtwahrnehmenȱderȱZeit.“115ȱDieȱHandlungȱ hatȱkeinȱübergeordnetesȱZiel,ȱsondernȱdientȱalleinȱihremȱSelbstzweck.ȱImȱMittelpunktȱ stehtȱeineȱAufgabe,ȱdieȱesȱwertȱist,ȱumȱihrerȱselbstȱwillenȱgetanȱzuȱwerden,ȱundȱdieȱesȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 115ȱ Vgl.ȱCsikszentmihalyi,ȱM.ȱFlowȱimȱBeruf,ȱS.ȱ270.ȱ

84ȱ

Intrinsische und extrinsische Motivation

demȱ Ausführendenȱ ermöglicht,ȱ sichȱ vollȱ einzusetzenȱ undȱ zuȱ entwickeln.ȱ Esȱ istȱ sehrȱ schwierig,ȱ diesenȱ Zustandȱ derȱ Konzentrationȱ undȱ Selbstvergessenheitȱ zuȱ erreichen.ȱ EineȱwichtigeȱRolleȱspielenȱdabeiȱdieȱAnforderungen,ȱdieȱanȱeinenȱMitarbeiterȱgestelltȱ werden:ȱsieȱsolltenȱnichtȱzuȱhochȱ(sonstȱentstehenȱAngstȱundȱUnsicherheit),ȱaberȱauchȱ nichtȱzuȱgeringȱseinȱ(sonstȱwirdȱdieȱArbeitȱzuȱbanalerȱRoutine,ȱLangeweile).ȱDasȱwirdȱ aufȱderȱfolgendenȱAbbildungȱverdeutlicht.ȱ Abb.ȱ23:ȱ

FlowȬKorridorȱinȱAbhängigkeitȱvonȱAnforderungenȱundȱFähigkeitenȱ ȱ hochȱȱ H eȱ rȱ aȱ uȱ sȱ fȱ oȱ rȱ dȱ eȱ r uȱ nȱ gȱ

ȱ ȱ

Stressȱ

Beunruhigung

ȱ ȱ ȱ

FLOWȱ

Langweile

ȱ ȱ Stress

niedrigȱ ȱ niedrig

Fähigkeiten

hoch

ȱ Beiȱ Managernȱ könnenȱ nachȱ Csikszentmihalyiȱ folgendeȱ Quellenȱ fürȱ einenȱ FlowȬ Zustandȱvorkommen:ȱeigenständigesȱArbeiten,ȱUmsetzungȱeigenerȱIdeen,ȱinteressanteȱ Begegnungen,ȱ Befriedigung,ȱ etwasȱ bewegtȱ zuȱ habenȱ usw.ȱ Undȱ wieȱ siehtȱ esȱ ausȱ mitȱ denȱ„einfachen“ȱMitarbeiternȱimȱVerkauf,ȱBüroangestellten,ȱPutzkräften?ȱWievielȱFlowȱ erfahrenȱ sieȱ anȱ ihremȱ Arbeitsplatz?ȱ Wieȱ kannȱ manȱ dieseȱ Berufsgruppenȱ intrinsischȱ motivieren?ȱEsȱistȱvorȱallemȱnotwendig,ȱallenȱMitarbeiterȱdasȱGefühlȱzuȱvermitteln,ȱfürȱ eineȱwichtigeȱSacheȱzuȱarbeitenȱundȱihrenȱunentbehrlichenȱBeitragȱzumȱGesamtergebȬ nisȱ zuȱ leisten.ȱ Dieseȱ Wertschätzungȱ machtȱ jedeȱ Tätigkeitȱ sinnvoll.ȱ Darüberȱ hinausȱ solltenȱmöglichstȱherausforderndeȱAufgabenȱgestelltȱwerden,ȱdieȱeineȱgewisseȱSelbstȬ organisationȱundȱVerantwortungȱbeinhalten.ȱ ImȱWeiterenȱwerdenȱklassischeȱundȱmoderneȱMotivationstheorienȱdargestellt,ȱdieȱsichȱ meistensȱmitȱbeidenȱFormenȱderȱMotivation,ȱintrinsischerȱundȱextrinsischer,ȱbeschäftiȬ gen.ȱDabeiȱwirdȱzwischenȱInhaltȬUrsacheȬTheorienȱ(WomitȱkannȱmanȱeinenȱMenschenȱ motivieren?)ȱ undȱ kognitiven,ȱ oderȱ Prozesstheorienȱ (Wieȱ entscheidetȱ sichȱ einȱ Menschȱ fürȱbestimmtesȱHandeln?)ȱunterschieden.ȱȱ

85ȱ

8.2

8

Motivation

8.3

Inhalt–Ursache-Theorien

Dieȱ InhaltȬUrsacheȬTheorienȱ befassenȱ sichȱ damit,ȱ welcheȱ Motiveȱ denȱ Menschenȱ zuȱ einemȱbestimmtenȱHandelnȱbewegen.ȱDieȱTheorienȱvonȱA.ȱMaslowȱ(1954),ȱC.ȱAlderferȱ (1972),ȱ F.ȱ Herzbergȱ (1967)ȱ undȱ D.ȱ McClellandȱ (1961)ȱ zählenȱ dazu.ȱ Imȱ Kernȱ bestehenȱ Inhaltstheorienȱ jeweilsȱ ausȱ einerȱ Klassifizierungȱ derȱ menschlichenȱ Bedürfnisse.ȱ Denȱ InhaltȬUrsacheȬTheorienȱ gemeinȱ istȱ derȱ Versuch,ȱ dieȱ Antriebsstrukturȱ einesȱ IndiviȬ duumsȱ unabhängigȱ vonȱ seinerȱ sozialenȱ Positionȱ durchȱ verschiedeneȱ Variablenȱ zuȱ erfassen.ȱȱ MenschlicheȱBedürfnisseȱsindȱvielfältigȱundȱindividuell.ȱInȱAnlehnungȱanȱW.ȱRost116,ȱ derȱsichȱausführlichȱmitȱmenschlichenȱEmotionenȱbeschäftigtȱhat,ȱkannȱmanȱfolgendeȱ ListeȱmenschlicherȱBedürfnisse,ȱdieȱinȱphysiologischeȱundȱsozialeȱunterteiltȱsind,ȱersȬ tellen.ȱ

Tabelleȱ13:ȱ MenschlicheȱBedürfnisseȱinȱAnlehnungȱanȱW.ȱRostȱ Physiologische Bedürfnisse Hunger, Appetit

117

;

Durst, Appetit; Kopulationstrieb und Partnerselektion, Sex; Harn- und Stuhldrang; Schlafbedürfnis; Temperatur-Homöostase; Bewegungsdrang; Ruhebedürfnis; Schmerzvermeidung; Bedürfnis nach Licht; Bedürfnis nach Sauerstoff; Haut- und Körperkontakt (teilweise sozialbedingt) etc.

Soziale Bedürfnisse Geselligkeitsbedürfnis; Bedürfnis nach Anerkennung (durch andere und durch sich selbst); Gerechtigkeitssinn; Fürsorgebedürfnis; Familiensinn; Bedürfnis nach Bestimmtheit; Ordnungsliebe; Kompetenzbedürfnis; Neugier; Spieltrieb; Lernbedürfnis; Freudebedürfnis; Sinn für Ästhetik etc.

ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 116ȱ Vgl.ȱRost,ȱW.ȱEmotionen.ȱ 117ȱ DieȱMenschenȱinȱwestlichenȱGesellschaftenȱhabenȱlautȱW.ȱRostȱnichtȱeinfachȱHunger,ȱsondernȱ

Lustȱ aufȱ etwasȱ Bestimmtes,ȱ deswegenȱ nichtȱ einfachȱ Hunger,ȱ sondernȱ Appetit.ȱ Dasȱ Gleicheȱ giltȱfürȱDurst.ȱ

86ȱ

Inhalt–Ursache-Theorien

DieseȱAuflistungȱzeigt,ȱdassȱdieȱmenschlichenȱBedürfnisseȱvielȱkomplexerȱundȱvielfälȬ tigerȱsind,ȱalsȱwirȱesȱunsȱaufȱdenȱerstenȱBlickȱvorstellenȱundȱalsȱesȱinȱdenȱmeistenȱMoȬ tivationstheorienȱ geschildertȱ wird.ȱ Sieȱ sindȱ vonȱ Menschȱ zuȱ Menschȱ unterschiedlichȱ ausgeprägtȱ undȱ vonȱ persönlichenȱ Faktorenȱ wieȱ Alter,ȱ Ausbildungsstand,ȱ Interessen,ȱ Familienstandȱetc.ȱabhängig.ȱDurchȱdieȱKenntnisȱderȱBedürfnisseȱderȱMitarbeiterȱkannȱ einȱFührenderȱimȱbetrieblichenȱAlltagȱvielȱbewegen,ȱfallsȱerȱdieseȱernstȱnimmtȱundȱsichȱ ständigȱbemüht,ȱentsprechendeȱBedürfnisseȱnachȱMöglichkeitȱzuȱbefriedigen.ȱȱ Dieȱ inȱ derȱ Tabelleȱ dargestelltenȱ Ergebnisseȱ einerȱ aktuellenȱ Befragungȱ vonȱ BerufstätiȬ genȱ inȱ denȱ altenȱ undȱ neuenȱ Bundesländernȱ mitȱ derȱ Frageȱ „Wasȱ istȱ amȱ Arbeitsplatzȱ wichtig?“ȱzeigenȱdieȱPrioritätenȱderȱBedürfnisseȱvonȱUnternehmensmitarbeitern.ȱȱ

Tabelleȱ14:ȱ ȱBedürfnisseȱvonȱBerufstätigenȱinȱaltenȱundȱneuenȱBundesländern118ȱ Was ist am Arbeitsplatz wichtig?

Wichtigkeit in Prozent der Nennungen nach Bundesländern: alte neue

sicherer Arbeitsplatz

53

69

Kollegen

51

47

Selbstständigkeit

49

36

Abwechslung

41

19

Verdienstmöglichkeiten

40

43

Arbeitszeitregelung

37

12

Karrierechancen

23

11

Prestige

18

11

ȱ SowohlȱinȱdenȱaltenȱalsȱauchȱinȱdenȱneuenȱBundesländernȱbewertenȱdieȱBerufstätigenȱ SicherheitsȬ,ȱ Beziehungsbedürfnisseȱ undȱ Selbstständigkeitȱ vielȱ höher,ȱ alsȱ VerdienstȬ möglichkeiten.ȱ Gleichzeitigȱ zeigenȱ dieȱ Unterschiedeȱ zwischenȱ denȱ neuenȱ undȱ altenȱ Bundesländern,ȱ inwieweitȱ menschlicheȱ Bedürfnisseȱ kulturȬȱ undȱ situationsabhängigȱ sind.ȱ Dieȱ Unterschiedeȱ inȱ derȱ Wichtigkeitȱ habenȱ ihreȱ Wurzelnȱ inȱ derȱ ArbeitsȬȱ undȱ Wirtschaftssituationȱ(sowohlȱeinȱsichererȱArbeitsplatzȱalsȱauchȱVerdienstmöglichkeitenȱ gehörenȱimȱOstenȱzuȱdenȱdringendstenȱArbeitsalltagsproblemen).ȱȱ Ausȱ derȱ PersonenȬ,ȱ KulturȬȱ undȱ Situationsabhängigkeitȱ derȱ Bedürfniswichtigkeitȱ reȬ sultierenȱ dieȱ Schwächenȱ derȱ standardisiertenȱ traditionellenȱ Motivationstheorien,ȱ dieȱ aufȱAnalysenȱ vonȱ Bedürfnissen,ȱ derȱ Rangfolgenȱ ihrerȱ Bedeutungȱ undȱ ihrerȱ BefriediȬ gungsmöglichkeitenȱbasieren.ȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 118ȱ VonȱRosenstiel,ȱL.ȱMotivationȱmanagen,ȱS.ȱ66.ȱ

87ȱ

8.3

8

Motivation

8.3.1

Die Bedürfnistheorie von Abraham Maslow

DieȱMotivationstheorieȱvonȱA.ȱMaslow119ȱzähltȱzuȱdenȱbekanntesten:ȱsieȱistȱschonȱrelaȬ tivȱ altȱ (sieȱ wurdeȱ 1954ȱ veröffentlicht),ȱ einfach,ȱ verständlichȱ aufgebautȱ undȱ gutȱ nachȬ vollziehbar.ȱ Dieȱ Grundideeȱ dieserȱ Theorieȱ istȱ dieȱ sogenannteȱ „Bedürfnispyramide“,ȱ dieȱübrigensȱimȱOriginalȱbeiȱMaslowȱnichtȱvorkommt,ȱaberȱfürȱvieleȱGenerationenȱvonȱ WirtschaftsstudentenȱundȱManagernȱzuȱeinemȱSymbolȱgewordenȱistȱ(diesȱistȱeinȱgutesȱ Beispielȱdafür,ȱwelcheȱMachtȱBilderȱundȱSymboleȱüberȱMenschenȱhabenȱkönnen).ȱ

Abb.ȱ24:ȱ

BedürfnispyramideȱnachȱA.ȱMaslowȱ

Wachstumsmotive Selbstverwirklichung

Achtung

soziale Bedürfnisse

Defizitmotive

Sicherheitsbedürfnisse

physiologische Bedürfnisse

ȱ

Dieȱ Bedürfnisklassenȱ (vonȱ untenȱ nachȱ oben)ȱ werdenȱ beiȱ Maslowȱ wieȱ folgtȱ beschrieȬ ben:120ȱ 1.

PhysiologischeȱBedürfnisseȱ(Triebe)ȱwieȱHunger,ȱDurst,ȱSchlafȱetc.;ȱ

2.

SicherheitsbedürfnisseȱwieȱStabilität,ȱSicherheit,ȱGeborgenheit,ȱAngstȬ freiheit,ȱBedürfnisȱnachȱStruktur,ȱOrdnung,ȱGesetzȱetc.;ȱ

3.

SozialeȱBedürfnisseȱȬȱZugehörigkeit,ȱZuneigungȱundȱLiebe;ȱ

4.

Bedürfnisȱ nachȱAchtungȱ durchȱ sichȱ selbstȱ (Stärke,ȱ Leistung,ȱ KompeȬ tenz)ȱundȱdurchȱandereȱ(Respekt,ȱPrestige,ȱRuhmȱundȱDominanz);ȱ

5.

BedürfnisȱnachȱSelbstverwirklichungȱ(AusnutzungȱderȱeigenenȱFähigȬ keiten,ȱAutonomieȱundȱKreativität).ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 119ȱ Maslow,ȱA.ȱH.ȱMotivationȱundȱPersönlichkeit.ȱȱ 120ȱ Maslow,ȱA.ȱH.ȱMotivationȱundȱPersönlichkeit,ȱS.ȱ74Ȭ89.ȱ

88ȱ

Inhalt–Ursache-Theorien

DieseȱBedürfnisse,ȱdie,ȱfallsȱsieȱnochȱnichtȱbefriedigtȱsind,ȱalsȱMotiveȱdienenȱkönnen,ȱ werdenȱ inȱ DefizitȬȱ undȱ Wachstumsmotiveȱ unterteilt.ȱ Defizitmotiveȱ werdenȱ nurȱ aktiv,ȱ wennȱeinȱMangelzustandȱvorliegt.ȱZuȱdieserȱGruppeȱgehörenȱdieȱunterenȱStufenȱundȱ teilweiseȱauchȱdieȱvierteȱStufeȱ(weilȱeineȱ„minimalnotwendige“ȱAchtungȱalsȱDefizitbeȬ dürfnisȱangesehenȱwerdenȱkann,ȱesȱaberȱkeinȱ„zuviel“ȱgibt).ȱDemzufolgeȱgehörenȱdieȱ SelbstverwirklichungȱundȱauchȱeinȱTeilȱderȱAchtungsbedürfnisseȱzuȱdenȱWachstumsȬ motiven.ȱDieseȱBedürfnisseȱkönnenȱnieȱvollständigȱbefriedigtȱwerden.ȱ NachȱMaslow,ȱwerdenȱnichtȱalleȱBedürfnisseȱgleichzeitigȱzuȱMotiven.ȱDieȱVerhaltensȬ wirksamkeitȱ derȱ Bedürfnisseȱ hängtȱ mitȱ ihrerȱ Befriedigungȱ oderȱ Nichtbefriedigungȱ zusammen.ȱNurȱeinȱakutȱunbefriedigtesȱBedürfnisȱwirdȱzuȱeinemȱMotiv.ȱEinȱbefriedigȬ tesȱ Bedürfnisȱ trittȱ inȱ bezugȱ aufȱ seineȱ handlungsbestimmendeȱ Wirksamkeitȱ inȱ denȱ Hintergrund.ȱSindȱdieȱBedürfnisseȱeinerȱniedrigerenȱGruppeȱbefriedigt,ȱsoȱerscheinenȱ BedürfnisseȱhöherstehenderȱGruppen.ȱ DieserȱAnsatzȱ wirdȱ häufigȱ –ȱ undȱ gerechtȱ –ȱ kritisiert:ȱ istȱ dieȱ Reihenfolgeȱ vonȱ BedürfȬ nisklassenȱ fürȱ alleȱ Menschenȱ gleich?ȱ Könnenȱ Menschenȱ zuȱ einemȱ bestimmtenȱ ZeitȬ punktȱ mehrȱ alsȱ einȱ unbefriedigtesȱ Bedürfnisȱ haben?ȱ Einigeȱ Beispieleȱ erläuternȱ dasȱ Problem.ȱ Auchȱ einȱ hungrigerȱ Menschȱ brauchtȱ Zuneigungȱ undȱ Achtung.ȱ Manchmalȱ sindȱwirȱbereitȱaufȱBequemlichkeitȱundȱReichtumȱzuȱverzichten,ȱumȱunsereȱIdealeȱzuȱ verwirklichen.ȱ Dasȱ bedeutet,ȱ dassȱ dieȱ Menschenȱ vielȱ komplexerȱ sind,ȱ alsȱ dasȱ MasȬ low´scheȱModellȱvomȱMenschen.ȱEineȱRelativierungȱderȱEinseitigkeitȱdieserȱPyramideȱ stelltȱeineȱdynamischeȱDarstellungȱderȱBedürfnistheorieȱdarȱ(s.ȱAbbildung).ȱȱ Abb.ȱ25:ȱ

DynamischeȱDarstellungȱderȱBedürfnistheorie121ȱ

ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 121ȱ Bildquelle:ȱBröckermann,ȱR.ȱPersonalwirtschaft,ȱS.ȱ380.ȱ

89ȱ

8.3

8

Motivation

Dieseȱ Darstellungȱ istȱ vielȱ flexibler,ȱ alsȱ dieȱ Pyramide:ȱ dieȱ einzelnenȱ Bedürfnisstufenȱ sindȱnichtȱstarrȱvonȱeinanderȱabgegrenzt,ȱsondernȱalleȱgleichzeitigȱvorhanden,ȱnurȱmitȱ verschiedenenȱAusprägungsgraden.ȱDieȱbefriedigtenȱBedürfnisseȱklingenȱnieȱvölligȱab,ȱ sondernȱnehmenȱnurȱinȱihrerȱStärkeȱab.ȱDasȱVerhaltenȱwirdȱdurchȱmehrereȱBedürfnisȬ seȱbestimmt,ȱdieȱsichȱüberlappen,ȱwobeiȱeineȱBedürfnisklasseȱaktuellȱvorherrscht.ȱȱ EinenȱVersuch,ȱdieȱBedürfnistheorieȱvonȱMaslowȱzuȱmodifizierenȱundȱihreȱSchwächenȱ (vorȱ allem,ȱ denȱ einzelnenȱ Wegȱ derȱ Bedürfnisbefriedigungȱ vonȱ untenȱ nachȱ oben)ȱ zuȱ bereinigen,ȱhatȱC.ȱAlderferȱmitȱseinerȱERGȬTheorieȱunternommen.ȱȱ

8.3.2

ERG Theorie von C. Alderfer122

Dieȱ größteȱ Schwächeȱ desȱ Ansatzesȱ vonȱ Maslowȱ hatȱ Alderferȱ darinȱ gesehen,ȱ dassȱ erȱ sichȱnurȱschwerȱoperationalisierenȱlässt.ȱDaherȱentwickelteȱerȱanhandȱseinerȱUntersuȬ chungenȱ seineȱ „Bedürfnistheorieȱ derȱ Organisationspsychologie“ȱ (1972),ȱ auchȱ „ERGȱ Theorie“ȱ genannt.ȱ Erȱ unterscheidetȱ imȱ Gegensatzȱ zuȱ Maslowȱ nurȱ dreiȱ MotivgrupȬ pen123.ȱ

„ Eȱ –ȱ „Existence“,ȱ Existenzbedürfnisse.ȱ Dieseȱ Gruppeȱ umfasstȱ dieȱ physiologischenȱ Bedürfnisse,ȱ materielleȱ Sicherheit,ȱ Belohnungȱ undȱ Entlohnungȱ sowieȱ dieȱArbeitsȬ bedingungen.ȱ

„ Rȱ–ȱ„Relatedness“,ȱBeziehungsbedürfnisse.ȱDieȱsozialenȱBedürfnisseȱeinschließlichȱ derȱinterpersonellenȱSicherheitȱsowieȱeinȱTeilȱderȱBedürfnisseȱnachȱAchtungȱ(interȬ personelleȱAchtung)ȱsindȱinȱdieserȱGruppeȱzusammengefasst.ȱ

„ Gȱ –ȱ „Growth“,ȱ Wachstumsbedürfnisse/Selbsterfüllungsbedürfnisse.ȱ Dieseȱ Gruppeȱ entsprichtȱderȱDefinitionȱderȱWachstumsmotive.ȱSieȱbeinhaltetȱsowohlȱdasȱBedürfȬ nisȱnachȱSelbstverwirklichungȱalsȱauchȱnachȱSelbstachtung.ȱ Alderferȱ gehtȱvonȱ folgendenȱ Thesenȱ aus,ȱ dieȱ sichȱ vonȱ denȱ Maslow´schenȱAnnahmenȱ unterscheiden:ȱȱ

„ EsȱkannȱmehrȱalsȱnurȱeinȱBedürfnisȱgleichzeitigȱmotivierendȱwirken.ȱSogarȱalleȱdreiȱ Ebenenȱkönnenȱesȱsein.ȱ

„ Dieȱ Hierarchieȱ derȱ Bedürfnisse,ȱ wieȱ sieȱ Maslowȱ beschriebenȱ hat,ȱ istȱ nichtȱ immerȱ wirksam.ȱ Dieȱ Befriedigungȱ einesȱ unterenȱ Bedürfnissesȱ istȱ keineȱ notwendigeȱ undȱ gleichzeitigȱkeineȱausreichendeȱBedingungȱfürȱdasȱWirksamwerdenȱeinesȱhöherenȱ Bedürfnisses.ȱ EinȱandererȱistȱderȱFrustrationsȬProgressionsȬWegȱ(doppelteȱPfeile):ȱbeiȱNichtbefriediȬ gungȱeinesȱBedürfnissesȱwirdȱeinȱhöherȱliegendesȱinȱAnspruchȱgenommen.ȱBeispiel:ȱesȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 122ȱ Alderfer,ȱC.P.ȱExistence,ȱRelatedness,ȱandȱGrowth.ȱȱ 123ȱ Bullinger,ȱH.ȱJ.ȱErfolgsfaktorȱMitarbeiter:ȱMotivationȱ–ȱKreativitätȱȬȱInnovation,ȱS.ȱ25.ȱ

90ȱ

Inhalt–Ursache-Theorien

gibtȱMenschen,ȱdieȱsichȱmitȱwenigerȱGehaltȱzufriedenȱgeben,ȱwennȱsieȱihreȱTätigkeitȱinȱ einemȱruhigenȱArbeitsklimaȱverrichtenȱkönnenȱoderȱSpaßȱanȱderȱArbeitȱhaben.ȱ Abb.ȱ26:ȱ

ERGȬTheorieȱvonȱAlderferȱ124ȱ

„Frustration“ Keine Befriedigung der G Bedürfnisse

Dominanz der GBedürfnisse

Befriedigung der G - Bedürfnisse

„Frustration“ Keine Befriedigung der R Bedürfnisse

Dominanz der RBedürfnisse

Befriedigung der R - Bedürfnisseȱ

„Frustration“ Keine Befriedigung der E Bedürfnisse

Dominanz der EBedürfnisse

Befriedigung der E - Bedürfnisse

Frustrations - Progressions - Hypothese

Frustrations- Regressions - Hypothese

Normalverlauf analog zu Maslow

ȱ Derȱ FrustrationsȬRegressionsȬWegȱ (s.ȱ Abbildung,ȱ gestrichelteȱ Pfeile)ȱ besagt,ȱ dassȱ dieȱ NichtbefriedigungȱeinesȱBedürfnissesȱnichtȱzumȱverharrenȱaufȱdieserȱEbene,ȱsondernȱ zurȱ Reaktivierungȱ bereitsȱ befriedigterȱ Bedürfnisseȱ führt.ȱ Zumȱ Beispielȱ kannȱ eineȱ Nichtbefriedigungȱ vonȱ Beziehungsbedürfnissenȱ durchȱ eineȱ höhereȱ Entlohnungȱ komȬ pensiertȱwerden.ȱManȱsubstituiertȱeinȱBedürfnisȱdurchȱeinȱhöherȱbefriedigtesȱanderesȱ Bedürfnis.ȱȱ NebenȱdemȱnormalenȱWegȱentsprechendȱMaslowȱ(s.ȱobigeȱAbbildung,ȱnormaleȱPfeile)ȱ gibtȱesȱweitereȱMöglichkeiten,ȱdieȱAlderferȱmitȱFrustrationȱverbindet.ȱUnterȱFrustratiȬ onȱwirdȱeinȱZustandȱderȱEnttäuschungȱverstanden,ȱdassȱeineȱvomȱIndividuumȱangeȬ strebteȱBedürfnisbefriedigungȱdurchȱeinȱäußeresȱHemmnisȱnichtȱerreichtȱwird.ȱ Alderferȱ formuliertȱ Prinzipien,ȱ mitȱ denenȱ dieȱ Reaktionsformenȱ undȱ Bedingungenȱ veränderterȱMotivbedeutungȱbestimmtȱwerden.ȱDieseȱPrinzipienȱergänzenȱdieȱTheorieȱ vonȱ Maslowȱ durchȱ zweiȱ weitereȱ Wegeȱ derȱ Bedürfnisbefriedigung:ȱ FrustratiȬ onsȬRegressionsȬȱundȱFrustrationsȬProgressionsȬWeg.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 124ȱ Vgl.ȱWeinert,ȱA.ȱOrganisationspsychologie,ȱS.149.ȱ

91ȱ

8.3

8

Motivation

Dieȱ ERGȬTheorieȱ entsprichtȱ derȱ Annahmeȱ überȱ individuelleȱ Unterschiedeȱ zwischenȱ Menschen.ȱ Dieȱ Einflussgrößenȱ wieȱ Bildungsniveau,ȱ familiärerȱ Hintergrundȱ oderȱ kulȬ turelleȱ Prägungȱ könnenȱAntriebskraftȱ einerȱBedürfnisgruppeȱ fürȱ eineȱ Personȱ wesentȬ lichȱverändern.ȱDieȱverschiedenenȱWegeȱderȱBefriedigungȱvonȱBedürfnissenȱbedeutenȱ fürȱeineȱMotivationssituationȱinȱderȱRealität,ȱdassȱdieȱMitarbeiterȱaufȱdieȱNichtbefrieȬ digungȱvonȱbestimmtenȱBedürfnissenȱunterschiedlichȱreagierenȱkönnen.ȱNichtȱnurȱderȱ „normative“ȱ Wegȱ nachȱ Maslow,ȱ sondernȱ auchȱ dieȱ alternativenȱ Wegeȱ solltenȱ berückȬ sichtigtȱ werden.ȱAllerdingsȱ könnenȱ dieȱ Frustrationswegeȱ nurȱ alsȱ kurzfristigeȱ LösunȬ genȱ angesehenȱ werden:ȱ Verzichtȱ undȱ erzwungeneȱ Kompensationȱ gebenȱ aufȱ Dauerȱ keineȱBefriedigung.ȱȱ

8.3.3

Herzbergs Zwei-Faktoren-Theorie

Aufgrundȱ vonȱ umfangreichenȱ empirischenȱ Studienȱ hatȱ F.ȱ Herzbergȱ versucht,ȱ überȱ eineȱ Beschreibungȱ vonȱ Ereignissenȱ undȱ Situationenȱ dieȱ Bedingungenȱ vonȱArbeitszuȬ friedenheitȱzuȱermitteln.ȱSeineȱTheorieȱ(veröffentlichtȱ1959)ȱistȱalsȱTheorieȱderȱArbeitsȬ zufriedenheitȱoderȱZweiȬFaktorenȬTheorieȱbekanntȱgeworden,ȱweilȱerȱzweiȱTypenȱvonȱ Faktorenȱunterscheidet:ȱ

„ Motivatorenȱ (Zufriedensteller),ȱ dieȱ dieȱ Leistungsbereitschaftȱ undȱ Zufriedenheitȱ fördernȱ(Leistung,ȱAnerkennung,ȱVerantwortung,ȱErfolgȱundȱEntfaltung)ȱundȱ

„ Hygienefaktorenȱ (Unzufriedensteller),ȱ derenȱ Nichtbefriedigungȱ sichȱ negativȱ ausȬ wirktȱ(Arbeitsbedingungen,ȱGeld/Entlohnung,ȱGerechtigkeit,ȱSicherheitȱetc.)ȱ DieȱfolgendeȱAbbildungȱzeigtȱdieȱstatistischeȱAuswertungȱderȱvonȱHerzbergȱ(zusamȬ menȱ mitȱ Mausnerȱ undȱ Snyderman)ȱ durchgeführtenȱ Befragung,ȱ dieȱ alsȱ Grundlageȱ seinerȱ Theorieȱ dient.ȱ Dieȱ Frage,ȱ dieȱ inȱ dieserȱ soȱ genanntenȱ PittsburgȬStudieȱ gestelltȱ wurde,ȱ warȱ simpelȱ formuliert:ȱ „Bitteȱ nennenȱ Sieȱ einigeȱ Faktorenȱ ausȱ Ihremȱ BerufsleȬ ben,ȱ dieȱ Sieȱ besondersȱ (unȬ)zufriedenȱ gemachtȱ haben.“ȱ Esȱ gibtȱ vielerleiȱKritikȱ anȱ derȱ Theorieȱ vonȱ Herzberg,ȱ dieȱ sowohlȱ seineȱ Untersuchungsmethodeȱ alsȱ auchȱ seineȱ Schlussfolgerungenȱ betrifft.ȱ Zumȱ Beispiel,ȱ gibtȱ esȱ lautȱ Abbildungȱ keineswegsȱ eineȱ klareȱ Trennungȱ zwischenȱ Motivatorenȱ undȱ Hygienefaktoren:ȱ dieȱ Meinungenȱ vonȱ Befragtenȱ sindȱ unterschiedlich.ȱAußerdemȱ wurdeȱ dieȱ Befragungȱ nurȱ unterȱ IngenieuȬ renȱundȱBuchhalternȱdurchgeführt,ȱwasȱihreȱAussagekraftȱrelativiert.ȱ Dieȱ Zufriedenstellerȱ oderȱ Motivatorenȱ sindȱ fürȱ Herzbergȱ überwiegendȱ intrinsischeȱ AspekteȱderȱArbeit,ȱdieȱsichȱvorȱallemȱaufȱdieȱAusgestaltungȱundȱFörderungspotenziaȬ leȱderȱZufriedenheitȱundȱderȱArbeitsleistungȱbeziehen.ȱHerzbergȱhatȱfolgendeȱMotivaȬ torenȱermitteltȱ(NennungȱinȱRangfolgeȱderȱHäufigkeit):ȱLeistungȱerbringen,ȱAnerkenȬ nungȱ finden,ȱ einenȱ interessantenȱ Arbeitsinhaltȱ haben,ȱ Verantwortungȱ übernehmenȱ

92ȱ

Inhalt–Ursache-Theorien

sowieȱFortschrittȱ(Aufstieg).125ȱDieseȱMotivatorenȱsindȱfürȱdieȱArbeitszufriedenheitȱvonȱ entscheidenderȱBedeutung.ȱ Abb.ȱ27:ȱ

Faktoren,ȱdieȱnachȱHerzbergȱzuȱZufriedenheit/Unzufriedenheitȱführenȱkönnen126ȱ

ȱ

Imȱ Zusammenhangȱ mitȱ Unzufriedenheitȱ imȱ extrinsischenȱ ArbeitsȬȱ undȱ BeziehungsȬ umfeldȱ hatȱ Herzbergȱ Hygienefaktorenȱ definiert,ȱ dieȱ alsȱ Unzufriedenstellerȱ oderȱ Frustratorenȱbezeichnetȱwerdenȱ(inȱderȱRangfolgeȱderȱHäufigkeit):ȱUnternehmenspoliȬ tikȱ bzw.ȱ –organisation,ȱ dieȱArtȱ derȱ Personalführung,ȱ Beziehungȱ zuȱ Vorgesetztenȱ undȱ Kollegen,ȱGehaltȱsowieȱäußereȱArbeitsbedingungen.127ȱȱ NachȱHerzberg,ȱreichtȱesȱfürȱdieȱMotivationȱnicht,ȱdieȱUnzufriedenstellerȱzuȱbeseitigenȱ ȬȱguteȱArbeitsbedingungenȱzuȱschaffen,ȱentsprechendeȱEntlohnungȱzuȱgewährleisten,ȱ angemessenesȱ Führungsverhaltenȱ zuȱ garantieren.ȱ Esȱ würdeȱ nurȱ zumȱ fehlenȱ vonȱ UnȬ zufriedenheitȱ führen,ȱ nichtȱ aberȱ Zufriedenheitȱ schaffen.ȱ Nurȱ intrinsischeȱ Faktorenȱ könnenȱmotivierendȱwirken.ȱZuȱdiesenȱgehören:ȱLeistung,ȱAnerkennung,ȱVerantworȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 125ȱ Vgl.ȱWunderer,ȱR.;ȱKüpers,ȱW.ȱDemotivationȱ–ȱRemotivation,ȱS.ȱ106.ȱ 126ȱ Bildquelle:ȱvonȱRosenstiel,ȱL.ȱMotivationȱmanagen.,ȱS.ȱ166.ȱ 127ȱ Vgl.ȱWunderer,ȱR.;ȱKüpers,ȱW.ȱDemotivationȱ–ȱRemotivation,ȱS.ȱ107.ȱ

93ȱ

8.3

8

Motivation

tung,ȱBeförderung,ȱdieȱArbeitȱselbst,ȱdieȱMöglichkeitȱzumȱpersönlichȬgeistigenȱWachȬ senȱetc.ȱ DieȱZweiȬFaktorenȬTheorieȱhatȱdieȱinteressanteȱErkenntnisȱerbracht,ȱdassȱmanȱgleichȬ zeitigȱzufriedenȱundȱunzufriedenȱseinȱkann.ȱBestimmteȱmotivierendeȱFaktorenȱreichenȱ nicht,ȱumȱeineȱkonsequenteȱMotivationȱzuȱschaffen:ȱnurȱGehaltȱundȱArbeitsbedingunȬ genȱwirkenȱnichtȱleistungsmotivierend.ȱSoȱhatȱdieȱTheorieȱvonȱHerzbergȱImpulseȱfürȱ moderneȱ inhaltsorientierteȱ Arbeitsgestaltungstheorienȱ geschaffenȱ Ȭȱ wieȱ dieȱ BereicheȬ rungȱ vonȱAufgabenȱ JobȬEnrichmentȱ oderȱ Delegationȱ derȱ Initiativeȱ undȱ SelbstverantȬ wortung.ȱGleichzeitigȱhatȱHerzbergȱseineȱAufmerksamkeitȱaufȱdieȱUnzufriedenstellerȱ ausgerichtetȱundȱdamitȱeinenȱGrundsteinȱfürȱdieȱEntwicklungȱvonȱheuteȱsehrȱverbreiȬ tetenȱAnsätzenȱ überȱ Demotivationȱ gelegt.ȱ Dasȱ Fehlenȱ vonȱ Hygienefaktorenȱ kannȱ aufȱ Mitarbeiterȱdemotivierendȱwirken,ȱdannȱhelfenȱkeineȱmotivierendenȱMaßnahmen.128ȱ

8.3.4

Bedürfnisfaktorentheorie von D. C. McClelland

NochȱeineȱMotivationstheorie,ȱdieȱaufȱmenschlichenȱBedürfnissenȱaufbaut,ȱistȱdieȱvonȱ McClellandȱ(1961).ȱImȱGegensatzȱzuȱMaslowȱgehtȱMcClellandȱnichtȱvonȱeinerȱBedürfȬ nishierarchieȱ aus,ȱ sondernȱ untersuchtȱ dieȱ spezifischenȱ Verhaltenskonsequenzenȱ vonȱ Bedürfnissen.ȱ Nachȱ McClellandȱ wirdȱ dasȱ menschlicheȱ Verhaltenȱ nichtȱ vonȱ einemȱ aktiviertenȱ Motivȱ beeinflusst,ȱ sondernȱ istȱ Ergebnisȱ einesȱ Zusammenspielsȱ grundleȬ genderȱ Motive,ȱ dieȱ beiȱ allenȱ Menschenȱ vorhanden,ȱ aberȱ individuellȱ unterschiedlichȱ ausgeprägtȱsind.ȱEsȱsindȱvorȱallemȱLeistungsȬ,ȱZugehörigkeitsȬȱundȱMachtbedürfnisse,ȱ dazuȱkommtȱergänzendȱeinȱVermeidungsmotiv.ȱȱ DasȱLeistungsbedürfnisȱistȱdasȱeinflussreichsteȱundȱistȱeineȱDispositionȱdesȱStrebensȱ nachȱLeistungȱundȱErfolg.ȱDiesesȱBedürfnisȱkannȱunterschiedlichȱstarkȱausgeprägtȱseinȱ Ȭȱ einigeȱ Menschenȱ verspürenȱ einenȱ zwanghaftenȱ Drangȱ nachȱ Erfolg.ȱ Sieȱ strebenȱ eherȱ nachȱ persönlicherȱ Leistungȱ alsȱ nachȱ denȱ Belohnungenȱ desȱ Erfolgsȱ alsȱ solchen.ȱ Dieseȱ Individuenȱ habenȱ denȱ Wunsch,ȱ etwasȱ besserȱ oderȱ effizienterȱ zuȱ tun,ȱ alsȱ esȱ jeȱ zuvorȱ getanȱwurde,ȱihrȱCredoȱlautet.ȱ„Wennȱichȱetwasȱtue,ȱdannȱebenȱgut“.ȱSeinenȱUntersuȬ chungenȱ überȱ dasȱ Leistungsbedürfnisȱ entnahmȱ McClelland,ȱ dassȱ „sichȱ hochȱ leisȬ tungsmotivierteȱMenschenȱdurchȱebenȱdiesenȱWunsch,ȱesȱbesserȱzuȱmachen,ȱvonȱanȬ derenȱ unterscheiden.“129ȱ Leistungsmotivierteȱ Mitarbeiterȱ inȱ Unternehmenȱ strebenȱ selbständigesȱArbeitenȱ undȱ Eigenverantwortungȱ an,ȱ vonȱ demȱ Vorgesetztenȱ erwartenȱ sieȱeinȱschnellesȱFeedbackȱüberȱihreȱLeistung.ȱBesondersȱmotivierendȱwirkenȱaufȱsolȬ cheȱMitarbeiterȱherausforderndeȱZiele.ȱ DasȱZugehörigkeitsbedürfnisȱentsprichtȱkomplettȱdemȱvonȱMaslowȱundȱumfasstȱdenȱ WunschȱnachȱkontaktintensiverȱInteraktion,ȱnachȱZugehörigkeitȱzuȱsozialenȱGruppen,ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 128ȱ EineȱDiskussionȱüberȱDemotivationȱfolgtȱimȱKapitelȱ8.6.ȱ 129ȱ ZitiertȱnachȱRobbins,ȱS.ȱOrganisationȱderȱUnternehmung,ȱS.ȱ201.ȱ

94ȱ

Inhalt–Ursache-Theorien

Anerkennungȱ undȱ Liebe.ȱ Mitarbeiterȱ mitȱ ausgeprägtemȱ Zugehörigkeitsbedürfnisȱ strebenȱ nachȱ Freundschaften,ȱ sindȱ gutȱ geeignetȱ fürȱ Kooperationenȱ undȱ Teamarbeit,ȱ sindȱeherȱkonkurrenzscheuȱundȱlegenȱgroßenȱWertȱaufȱBeziehungenȱundȱgegenseitigesȱ Verständnis.ȱ Fürȱ dieȱ Motivationȱ solcherȱ Mitarbeiterȱ sindȱ persönlicheȱ Beziehungȱ undȱ OffenheitȱsowieȱAnerkennungȱvonȱderȱSeiteȱdesȱVorgesetztenȱwichtig.ȱ Dasȱ Machtbedürfnisȱ manifestiertȱ sichȱ imȱ Streben,ȱ eineȱ überlegeneȱ Positionȱ zuȱ erreiȬ chen,ȱetwasȱzuȱbewirkenȱundȱEinflussȱzuȱnehmen.ȱIndividuenȱmitȱstarkȱausgeprägtemȱ Machtbedürfnisȱ sindȱ gerneȱ „zuständig“,ȱ besetzenȱ statusorientierteȱ Positionenȱ undȱ kümmernȱsichȱumȱPrestige,ȱwobeiȱihnenȱeineȱeffektiveȱLeistungȱverlorenȱgehenȱkann.ȱ MotivationȱvonȱmachtorientiertenȱMitarbeiternȱkannȱdurchȱDelegationȱvonȱVerantworȬ tungȱinȱFormȱvonȱZuständigkeitȱundȱGruppenleitungȱstattfinden,ȱwoȱsieȱihreȱBedürfȬ nisseȱnachȱStatusȱundȱEinflussȱbefriedigenȱkönnen.ȱEsȱistȱdabeiȱwichtig,ȱdieȱeigentlicheȱ LeistungȱdieserȱMitarbeiterȱregelmäßigȱzuȱbewerten.ȱȱ Dasȱ Vermeidungsmotivȱ wurdeȱ vonȱ McClellandȱ späterȱ alsȱ Ergänzungȱ zuȱ seinenȱ dreiȱ BedürfnistypenȱeingeführtȱundȱbeziehtȱsichȱaufȱdieȱVermeidungȱvonȱVersagen,ȱAblehȬ nungȱ undȱ Misserfolg.ȱ Somitȱ kannȱ diesesȱ Motivȱ inȱ Widerspruchȱ zuȱ denȱ anderenȱ dreiȱ kommen,ȱwennȱbeiȱihrerȱBefriedigungȱeinȱunerwünschtesȱErgebnisȱzustandeȱkommt.ȱ AlleȱvierȱFaktorenȱinȱihrerȱGesamtheitȱleitenȱnachȱMcClellandȱdasȱVerhaltenȱvonȱMenȬ schen.ȱ Inȱ seinenȱ zahlreichenȱ empirischenȱ Untersuchungenȱ hatȱ McClellandȱ nachgewiesen,ȱ dassȱ eineȱ höhereȱ Leistungȱ nichtȱ nurȱ vomȱ Leistungsbedürfnisȱ abhängigȱ ist,ȱ sondernȱ auchȱ vonȱ derȱ Vermeidungȱ vonȱ Sanktionenȱ oderȱ vonȱ Hilfsbereitschaftȱ (sozialeȱ BezieȬ hungen)ȱbegründetȱwerdenȱkann.ȱSeineȱTheorieȱkannȱinsbesondereȱzurȱSchaffungȱvonȱ individuellerȱintrinsischerȱMotivation,ȱfürȱdieȱAnalyseȱdesȱMachtverhaltensȱinȱUnterȬ nehmenȱsowieȱfürȱMaßnahmenȱgegenȱDemotivationȱerfolgreichȱeingesetztȱwerden.ȱ

8.3.5

Profil der fundamentalen Motive nach S. Reiss

Eineȱ neueȱ InhaltȬUrsacheȬTheorieȱ istȱ dasȱ vonȱ Stevenȱ Reissȱ imȱ Jahreȱ 2000ȱ veröffentliȬ chesȱProfilȱderȱfundamentalenȱMotiveȱ(ReissȬProfileȱofȱFundamentalȱGoalsȱaudȱMotiȬ vationalȱ Sensitivities).130ȱ Derȱ Autorȱ hatȱ überȱ 400ȱ Zieleȱ menschlichenȱ Handelnsȱ geȬ sammeltȱundȱinȱmehrerenȱStudienȱmitȱüberȱ6ȱTausendȱVersuchspersonenȱzuȱ16ȱMotiȬ venȱ verdichtetȱ (s.ȱ folgendeȱ Tabelle).ȱ Dieseȱ Motiveȱ stellenȱ nachȱ Reissȱ fundamentaleȱ Lebenszieleȱ jedesȱ Menschen,ȱ sindȱ allerdingsȱ inȱ Bezugȱ aufȱ ihreȱ Ausprägungȱ indiviȬ duumsspezifisch.ȱImȱGegensatzȱzuȱMaslowȱsindȱalleȱ16ȱfundamentalenȱMotiveȱgleichȬ berechtigt.ȱ Dasȱ Motivprofilȱ hatȱ denȱ Charakterȱ einerȱ Persönlichkeitseigenschaft,ȱ istȱ individuellȱundȱdeskriptiv.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 130ȱ Reiss,ȱS.ȱWhoȱamȱI?ȱTheȱ16ȱBasicȱDesiresȱthatȱMotivateȱourȱBehaviorȱandȱDefineȱourȱPersonalȬ

ity.ȱ

95ȱ

8.3

8

Motivation

Tabelleȱ15:ȱReissȬProfilȱderȱfundamentalenȱMotive131ȱ Motiv (Original) Power

Motiv (deutsch)

Inhalt

Macht

Streben nach Leistung und Einfluss

Independence

Unabhängigkeit

Streben nach Freiheit und Autarkie

Curiosity

Neugier

Streben nach Lernen und Wissen

Acceptance

Anerkennung

Streben nach Lob und sozialer Zugehörigkeit

Order

Ordnung

Streben nach Regeln und Organisation

Saving

Sparen

Streben nach Sammeln und Anhäufen materieller Güter

Honor

Ehre

Streben nach Integrität und Einhalten des Verhaltenskodexes

Idealism

Idealismus

Streben nach sozialer Gerechtigkeit und sozialem Engagement (Altruismus)

Social Contact

Beziehungen

Streben nach Zusammensein mit Freunden

Family

Familie

Streben nach Familienleben und Kindern

Status

Status

Streben nach sozialem Aufstieg und öffentlicher Aufmerksamkeit

Vengeance

Rache

Streben nach Wettbewerb, Aggressivität und Vergeltung

Romance

Eros

Streben nach Erotik, Sexualität und Schönheit

Eating

Essen

Streben nach Nahrungsaufnahme

Physical Activity

Körperliche Aktivität

Streben nach Bewegung und Sport

Tranquility

Ruhe

Streben nach Entspannung und emotionalem Gleichgewicht

ȱ DasȱModellȱvonȱReissȱbetontȱindividuelleȱundȱintrinsischeȱNaturȱderȱMotivation:ȱjedesȱ HandelnȱwirdȱmitȱdemȱZweckȱeinsȱvonȱdenȱLebenszielenȱzuȱerreichenȱausgeübt.ȱDieȱ TheorieȱhatȱinȱdenȱUSAȱeineȱbreiteȱBeachtungȱgefunden,ȱistȱallerdingsȱinȱDeutschlandȱ kaumȱ bekannt.ȱ Manȱ kannȱ sichȱ vorstellen,ȱ dassȱ diesesȱ Modellȱ nachȱ einerȱ gewissenȱ AprobationszeitȱseinenȱWegȱinȱdieȱFührungspraxisȱfindenȱwird.ȱ BedeutungȱvonȱInhaltȬUrsacheȬTheorien:ȱsieȱhabenȱeinenȱwichtigenȱBeitragȱzurȱEntȬ wicklungȱderȱMotivationstheorieȱgeleistet.ȱDieseȱAnsätzeȱhabenȱsowohlȱtheoretischȱalsȱ auchȱempirischȱfolgendeȱErkenntnisseȱerbracht:ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 131ȱ ZitiertȱnachȱHenze,ȱJ.ȱu.a.ȱPersonalführungslehre,ȱS.ȱ126.ȱ

96ȱ

Prozesstheorien

„ menschlicheȱBedürfnisseȱkönnenȱinȱFormȱvonȱaktiviertenȱMotivenȱverhaltensbeeinȬ flussendȱwirken,ȱȱ

„ Bedürfnisseȱsindȱindividuell,ȱsubjektivȱundȱkulturspezifisch,ȱ „ nichtȱ alleȱ Bedürfnisseȱ wirkenȱ direktȱ motivierend,ȱ zumȱ Teilȱ schaffenȱ sieȱ nurȱ dieȱ Bedingungen,ȱdieȱUnzufriedenheitȱminimieren,ȱ

„ intrinsischeȱMotivationȱistȱwirksamer,ȱalsȱextrinsische,ȱ „ nurȱ eineȱ gezielteȱ aufȱ individuelleȱ Bedürfnisseȱ derȱ Mitarbeiterȱ ausgerichteteȱ MotiȬ vationȱwirktȱverhaltensmotivierend.ȱ Dieseȱ Erkenntnisseȱ könnenȱ vonȱ praktizierendenȱ Managernȱ alsȱ Grundlageȱ fürȱ indiviȬ duelleȱMotivationsmaßnahmenȱbenutztȱwerden.ȱ

8.4

Prozesstheorien

Dieȱ Prozesstheorienȱ derȱ Motivationȱ beschäftigenȱ sichȱ mitȱ kognitivenȱ Vorgängenȱ beiȱ derȱEntscheidungsfindung,ȱd.h.ȱmitȱdenȱProzessen,ȱdieȱzwischenȱdemȱMotivȱundȱdemȱ aktivenȱHandelnȱstehen.ȱImȱMittelpunktȱderȱBetrachtungȱstehtȱdieȱFrage,ȱwieȱsichȱeinȱ Menschȱ fürȱ einȱ bestimmtesȱHandelnȱ entscheidetȱ undȱ entsprechendȱ seinenȱ ErwartunȬ genȱ undȱ Wertenȱ zurȱ Erreichungȱ seinerȱ Zieleȱ eineȱ derȱ gegebenenȱ Alternativenȱ ausȬ wählt.ȱ Prozesstheorienȱversuchenȱzuȱerklären,ȱwieȱArbeitsmotivationȱunabhängigȱvomȱInhaltȱ initiiertȱundȱgefördertȱwerdenȱkann.ȱGrundannahmeȱdieserȱAnsätzeȱistȱdieȱVorstellungȱ vomȱ „rationalenȱ Menschen“,ȱ wasȱ dieȱ Anwendungȱ dieserȱ Theorienȱ einschränkt.ȱ Dieȱ bekanntestenȱProzesstheorienȱstammenȱvonȱV.ȱVroomȱ(1964),ȱL.ȱPorterȱundȱE.ȱLawlerȱ (1968)ȱundȱvonȱE.ȱLockeȱ(1968,ȱerweiterteȱTheorieȱ1990).ȱEineȱinteressanteȱVarianteȱderȱ Verbindungȱ einigerȱ Elementeȱ derȱ InhaltȬUrsacheȬTheorienȱ mitȱ Prozesstheorienȱ stelltȱ dasȱLeistungsdeterminantenkonzeptȱvonȱJ.ȱBerthelȱ(1997)ȱdar.ȱ

8.4.1

Die VIE–Theorie von V. Vroom

Dieȱ VIEȬTheorieȱ vonȱ Viktorȱ Vroomȱ (auchȱ alsȱ Erwartungstheorieȱ bekannt)ȱ beschreibtȱ denȱAuswahlprozessȱ desȱ Handelnsȱ beiȱ einemȱ Individuum.ȱ Sieȱ beruhtȱ aufȱ demȱ WegȬ ZielȬAnsatz,ȱderȱfrüherȱdiskutiertȱwurde:ȱesȱgibtȱzweiȱMöglichkeitenȱderȱMotivationȱȬȱ durchȱdasȱZielȱ(dieȱFolgenȱdesȱHandelns)ȱundȱdurchȱdenȱWegȱ(dieȱArbeit,ȱLeistungȱanȱ sich).ȱȱ

97ȱ

8.4

8

Motivation

Vroomȱ betrachtetȱ dieȱ Motivationȱ durchȱ Zieleȱ undȱ behauptet,ȱ dassȱ dieȱ Leistungȱ (derȱ Weg)ȱ nurȱ dannȱ erbrachtȱ wird,ȱ wennȱ einȱ Zielȱ erstrebenswertȱ erscheint.ȱ Dieȱ Frage,ȱ obȱ einȱMitarbeiterȱleistungsmotiviertȱist,ȱhängtȱimȱGegensatzȱzuȱdenȱAnnahmenȱvonȱdenȱ UrsacheȬInhaltsȬTheorienȱ nichtȱ nurȱ vonȱ seinerȱ Anlageȱ undȱ Sozialisationȱ ab,ȱ sondernȱ auchȱ vonȱ derȱ Situationȱ undȱ denȱ sichȱ darausȱ ergebendenȱ Möglichkeiten.ȱ DieȱArbeitsȬ leistung,ȱ dieȱ vonȱ demȱ Mitarbeiterȱ erbrachtȱ wird,ȱ istȱ nachȱ Vroomȱ eineȱ Funktionȱ vonȱ seinenȱ Fähigkeitenȱ undȱ seinerȱ Motivationȱ (Bemühung).ȱ Fürȱ dieȱ Bemühungȱ sindȱ einȱ hoherȱNutzenȱundȱeineȱhoheȱWahrscheinlichkeitȱdesȱErfolgesȱausschlaggebend.ȱ DementsprechendȱstehenȱimȱMittelpunktȱderȱVIE–TheorieȱfolgendeȱdreiȱVariablen:132ȱ

„ Valenzȱ (V)ȱ derȱ subjektiveȱ Nutzen,ȱ oderȱ Wertȱ einesȱ Ergebnisses:ȱ Dasȱ Ergebnisȱ istȱ anziehend,ȱ abstoßendȱ oderȱ gleichgültigȱ (positiveȱ Valenzȱ habenȱ z.B.ȱ Geldȱ undȱ BeȬ lohnung;ȱnegativeȱValenzȱȬȱGefahrȱundȱSchmutz;ȱValenzȱvonȱNullȱbedeutet,ȱmanȱistȱ neutral).ȱ

„ Instrumentalitätȱ (I)ȱ einerȱ Handlungȱ istȱ einȱ Maß,ȱ welchesȱ dieȱ Wahrscheinlichkeitȱ mitȱderȱdieȱHandlungȱzuȱeinemȱbestimmtenȱZielȱ(Ergebnis)ȱführt,ȱmitȱdemȱVorzeiȬ chenȱderȱValenzȱ(+1,ȱ0ȱoderȱȬ1,ȱbeiȱpositiven,ȱneutralenȱoderȱnegativenȱWertȱdesȱErȬ gebnisses)ȱ verbindetȱ undȱ damitȱ einȱ normiertesȱ Maßȱ fürȱ denȱ Anreizȱ zuȱ dieserȱ Handlungȱschafft.ȱȱ

„ Erwartungȱ (E)ȱ istȱ dieȱ subjektiveȱ Wahrscheinlichkeit,ȱ mitȱ einerȱ bestimmtenȱ HandȬ lungȱeinȱbestimmtesȱErgebnisȱzuȱerzielen.ȱ AusȱderȱVerknüpfungȱvonȱV,ȱIȱundȱEȱergibtȱsichȱdieȱKraftȱdesȱEinsatzes,ȱoderȱdieȱeiȬ gentlicheȱMotivationȱfürȱeineȱbestimmteȱHandlung:ȱMathematischȱgesehenȱalsȱErwarȬ tungswertȱdesȱNutzensȱdieserȱHandlungȱoderȱinȱeinerȱhäufigȱbenutzenȱFormeldarstelȬ lungȱausgedrückt,ȱsiehtȱdasȱErgebnisȱnachȱVroomȱwieȱfolgtȱaus:ȱ Leistungsbereitschaftȱ=ȱfȱ(ȱVȱ,ȱIȱ,ȱE)ȱ Dieȱ Leistungsbereitschaftȱ (Motivation)ȱ einesȱ Mitarbeitersȱ wirdȱ hochȱ sein,ȱ wennȱ seineȱ subjektiveȱErwartungȱhochȱist,ȱdassȱseineȱBemühungȱzuȱhochȱbewertetenȱErgebnissenȱ führt,ȱ sowieȱ dieȱ Endergebnisseȱ eineȱ hoheȱ Valenzȱ aufweisenȱ undȱ denȱ individuellenȱ Werteprioritätenȱentsprechen.ȱ DieȱErwartungstheorieȱbasiertȱaufȱdemȱökonomischenȱErklärungsansatzȱmenschlichenȱ VerhaltensȱundȱderȱVorstellungȱvonȱMenschenȱalsȱrationalȱhandelndemȱWesen.ȱDiesesȱ Bildȱ wirdȱ etwasȱ relativiertȱ durchȱ dasȱ Benutzenȱ vonȱ subjektivenȱ Größen:ȱ individuellȱ empfundenemȱ Nutzenȱ undȱ wahrgenommenenȱ Wahrscheinlichkeiten.ȱ Dieȱ MultiplikaȬ tionȱdesȱsubjektivenȱNutzensȱmitȱderȱsubjektivȱwahrgenommenenȱWahrscheinlichkeitȱ hilftȱzuȱprognostizieren,ȱobȱdieȱbetrachteteȱAlternativeȱgewähltȱwird.ȱFolgendeȱAbbilȬ dungȱstelltȱdenȱEntscheidungsprozessȱüberȱAusführungȱeinerȱAktivitätȱdar,ȱwobeiȱalleȱ FaktorenȱsubjektivȱwahrgenommeneȱGrößenȱsind.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 132ȱ Vgl.ȱWunderer,ȱR.;ȱKüpers,ȱW.ȱDemotivationȱ–ȱRemotivation,ȱS.ȱ115.ȱ

98ȱ

Prozesstheorien

Abb.ȱ28:ȱ

EntscheidungsprozessȱnachȱV.ȱVroomȱ

Vom Individuum betrachtete Aktivität

Erwartetes Handlungsergebnis der Aktivität

Erfolgszuordnung

Wertigkeit des Ergebnisses für Individuum

Motivation, die Aktivität auszuführen

Wertzuordnung

ȱ

WieȱdieȱAbbildungȱzeigt,ȱwerdenȱbeiȱderȱEntscheidungsfindungȱüberȱeineȱAktivitätȱimȱ RahmenȱkognitiverȱProzesseȱimȱKopfȱeinesȱMitarbeitersȱfolgendeȱFragenȱgestelltȱundȱ beantwortet:ȱ

„ WerdeȱichȱbeiȱeinerȱBemühungȱdieseȱAufgabeȱlösenȱkönnen?ȱ(Erfolgszuordnung)ȱ „ WirdȱdieserȱErfolgȱzuȱeinemȱpositivenȱErgebnisȱführen?ȱ „ WieȱwichtigȱistȱfürȱmichȱdiesesȱErgebnis?ȱ(Wertzuordnung)ȱ Beiȱ positiverȱ Beantwortungȱ dieserȱ Fragenȱ istȱ derȱ Mitarbeiterȱ motiviert,ȱ dieȱ Aktivitätȱ (Aufgabe)ȱauszuführen.ȱ FürȱdieȱMotivationȱvonȱMitarbeiternȱsindȱlautȱdemȱAnsatzȱvonȱVroomȱmehrereȱBedinȬ gungenȱnotwendig.ȱDieȱBemühungenȱvonȱeinemȱMitarbeiterȱmüssenȱzuȱhöhererȱLeisȬ tungȱführen.ȱDieseȱLeistungȱistȱaberȱnichtȱnurȱvonȱderȱBemühung,ȱsondernȱauchȱvonȱ FähigkeitenȱundȱFertigkeitenȱdesȱMitarbeiters,ȱArbeitsbedingungenȱundȱvorhandenenȱ Ressourcenȱ abhängig.ȱ Esȱ istȱ dieȱAufgabeȱ desȱ Managers,ȱ dieseȱ Bedingungenȱ zuȱ überȬ prüfenȱ undȱ gegebenenfallsȱ zurȱ Verfügungȱ zuȱ stellen.ȱ Dieȱ Leistungȱ desȱ Mitarbeitersȱ mussȱ zurȱ Erreichungȱ seinerȱ persönlichenȱ Zieleȱ führen,ȱ sonstȱ istȱ derȱ subjektiveȱ Wertȱ derȱLeistungȱzuȱgering.ȱDafürȱsolltenȱBelohnungenȱjeglicherȱArtȱmitȱderȱLeistungȱunȬ mittelbarȱverbundenȱwerden.ȱȱ DieȱVariablenȱV,ȱIȱundȱEȱbildenȱAnsatzpunkteȱfürȱdieȱpraktischeȱMotivationȱvonȱMitȬ arbeiternȱ undȱ könnenȱ nachȱ L.ȱ vonȱ Rosenstielȱ inȱ dieȱ Motivationspraxisȱ aufȱ folgendeȱ Weiseȱumgesetztȱwerden:133ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 133ȱ VonȱRosenstiel,ȱL.ȱMotivationȱmanagen,ȱS.ȱ51.ȱ

99ȱ

8.4

8

Motivation

Tabelleȱ16:ȱ PraktischeȱMotivationȱamȱVIEȬModellȱ Valenz

Die Attraktivität des Ziels kann für einen Mitarbeiter durch partizipative Zielformulierung und die Verknüpfung mit dem Erreichen seiner persönlichen Ziele erhöht werden

Instrumentalität

Der Manager kann aufgrund seiner Kenntnis von Stärken und Schwächen eines Mitarbeiters effiziente Wege und Mittel zur Zielerreichung vorschlagen und zusammen mit dem Mitarbeiter diskutieren

Erwartung

Beratung, Coaching und persönliche Gespräche mit dem Mitarbeiter, gegebenenfalls Qualifizierung und Weiterbildung, erhöhen die subjektive Wahrscheinlichkeit des Mitarbeiters, das Ziel zu erreichen

8.4.2

Zirkulationsmodell von L. Porter und E. Lawler

DiesesȱModellȱergänztȱdieȱTheorieȱvonȱVroom.ȱPorterȱundȱLawlerȱbetrachtenȱdasȱArȬ beitsverhaltenȱ inȱ Organisationenȱ undȱ gehenȱ näherȱ anȱ solcheȱ Faktoren,ȱ wieȱ FähigkeiȬ ten,ȱ Rollenwahrnehmung,ȱ Belohnungenȱ undȱArbeitszufriedenheitȱ heran.ȱ Dadurchȱ istȱ ihrȱ Modellȱ wesentlichȱ komplexerȱ alsȱ beiȱ Vroom,ȱ aberȱ fürȱ dieȱ praktischeȱAnwendungȱ gutȱgeeignet.ȱ Abb.ȱ29:ȱ

MotivationsmodellȱnachȱPorterȱundȱLawler134ȱ

Wertigkeit der Belohnung

1

Fähigkeiten und Per sönlichkeitszüge

4

Wahrgenommene gerechte Belohnung

Intrinsische Belohnung

7A

Arbeitsdurchführung 6

Anstrengung / Bemühung 3

Geschätzte Wahrscheinlichkeit zwischen Bemühung und Belohnung

8

Zufriedenheit 9

Extrinsische Belohnung 7B Rollenwahrnehmung

2

Kernvariablen

5

Einflussvariablen

ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 134ȱ Weinert,ȱA.B.ȱOrganisationspsychologie,ȱS.163.ȱ

100ȱ

Prozesstheorien

Dieȱ Motivationȱ amȱArbeitsplatzȱ wirdȱ nachȱ Porterȱ undȱ Lawlerȱ vonȱ zweiȱ WahrscheinȬ lichkeitenȱbestimmt:ȱderȱWahrscheinlichkeit,ȱdassȱeineȱerhöhteȱBemühungȱzurȱVerbesȬ serungȱderȱArbeitsleistungȱführenȱwirdȱundȱderȱWahrscheinlichkeit,ȱdassȱdieȱVerbesȬ serungȱderȱArbeitsleistungȱzuȱgewünschtenȱZielenȱführenȱwirdȱ(hoheȱValenz).ȱ DasȱModellȱvonȱPorterȱundȱLawlerȱumfasstȱinsgesamtȱneunȱVariableȱ(vgl.ȱAbbildung):ȱ 1.

Wertigkeitȱ derȱ Belohnung:ȱ dieseȱ Variableȱ istȱ analogȱ zuȱ VroomȬTheorieȱ mitȱ derȱ Valenzȱgleichzusetzenȱundȱbeschreibt,ȱwelcheȱAnziehungskraftȱdieȱErgebnisȬ seȱderȱArbeitȱbesitzen.ȱ

2.

GeschätzteȱWahrscheinlichkeit:ȱdieȱWahrscheinlichkeitȱzwischenȱBemühungȱundȱ LeistungȱundȱdieȱWahrscheinlichkeitȱzwischenȱLeistungȱundȱBelohnung.ȱDieȬ seȱFaktorenȱsindȱmitȱderȱInstrumentalitätȱundȱderȱErwartungȱgemäßȱderȱVIEȬ Theorieȱzuȱvergleichen.ȱ

3.

Bemühung/Anstrengung:ȱ wieȱ starkȱ istȱ derȱ Wille,ȱ eineȱ Arbeitsleistungȱ zuȱ einȬ bringen,ȱwelchesȱAusmaßȱanȱEnergieȱwirdȱzurȱErfüllungȱderȱAufgabeȱaufgeȬ wendet.ȱ

4.

Fähigkeitenȱ undȱ Persönlichkeitszüge:ȱ Intelligenz,ȱ handwerklichesȱ Geschick,ȱ ErȬ fahrung,ȱAusbildung,ȱeinȱstarkerȱWilleȱundȱandereȱKomponenten.ȱȱ

5.

Rollenwahrnehmung:ȱwieȱdefiniertȱderȱMitarbeiterȱErfolgȱundȱinȱwelcherȱRolleȱ inȱdemȱGesamtprozessȱsiehtȱerȱsich.ȱȱ

6.

Arbeitsdurchführung:ȱbeschreibtȱdasȱNiveau,ȱdasȱeinȱArbeiterȱinȱBezugȱaufȱseiȬ neȱLeistungȱerreichtȱhat.ȱ

7.

7A/7B.ȱ intrinsische/extrinsischeȱ Belohnung:ȱ hierȱ wirdȱ dieȱ Belohnungȱ intrinsiȬ scherȱ (Erfolgserlebnisse,ȱAnerkennung,ȱ sinnvolleȱ Tätigkeitȱetc.)ȱ undȱ extrinsiȬ scherȱArtȱ(Entlohnung,ȱArbeitsplatzsicherheitȱetc.)ȱgemeint.ȱ

8.

Wahrgenommeneȱ gerechteȱ Belohnung:ȱ dieȱ vomȱ Mitarbeiterȱ fürȱ seineȱ Leistungȱ erwarteteȱBelohnungȱinȱangemessenerȱHöheȱundȱMenge.ȱȱ

9.

Zufriedenheit:ȱergibtȱsichȱausȱdemȱVergleichȱzwischenȱdem,ȱwasȱderȱMitarbeiȬ terȱerwartetȱhat,ȱundȱdem,ȱwasȱerȱletztlichȱerhält.ȱ

DieȱTheorieȱvonȱPorterȱundȱLawlerȱstelltȱdieȱkomplexenȱZusammenhängeȱzwischenȱ Bemühung,ȱ Leistungȱ undȱ Zufriedenheitȱ dar,ȱ dieȱ nichtȱ unmittelbar,ȱ sondernȱ durchȱ Erwartungenȱ undȱ Wahrscheinlichkeitenȱ miteinanderȱ verbundenȱ sind.ȱ Dieȱ ZufriedenȬ heitȱresultiertȱnichtȱdirektȱausȱderȱLeistung,ȱsondernȱausȱdemȱVergleichȱvonȱderȱerwarȬ tetenȱ undȱ tatsächlichenȱ Belohnungȱ (nichtȱ dieȱ Höheȱ derȱ Belohnungȱ anȱ sich,ȱ sondernȱ derȱVergleichȱistȱwichtig).ȱDieȱLeistungȱistȱmitȱderȱZufriedenheitȱnichtȱdirektȱverbunȬ denȱ (derjenige,ȱ derȱ eineȱ hoheȱ Leistungȱ erbrachtȱ hat,ȱ istȱ damitȱ nichtȱ automatischȱ zuȬ frieden,ȱ fallsȱ dieȱ Belohnungȱ –ȱ ausȱ seinerȱ Perspektiveȱ –ȱ nichtȱ stimmt).ȱ DieȱBemühungȱ hatȱ nichtȱ zwingendȱ eineȱ höhereȱ Arbeitsleistungȱ zufolgeȱ (nichtȱ nurȱ derȱ Willeȱ einesȱ

101ȱ

8.4

8

Motivation

Mitarbeitersȱ (Komponenteȱ „Wollen“)ȱ beeinflusstȱ seineȱ Leistung,ȱ sondernȱ auchȱ seinȱ „Können“ȱundȱdieȱBedingungenȱ(Ressourcen,ȱfunktionierendeȱTechnik,ȱArbeitsklima,ȱ Unterstützungȱ vonȱ Kollegenȱ undȱ Vorgesetztenȱ etc.).ȱ Dieseȱ Bedingungenȱ sollenȱ vonȱ demȱ Vorgesetztenȱ gewährleistetȱ werden.ȱ Andererseits,ȱ sindȱ glücklicheȱ Mitarbeiterȱ nichtȱunbedingtȱauchȱproduktiveȱMitarbeiterȱ(nurȱeineȱangenehmeȱArbeitsatmosphäreȱ anȱ sichȱ motiviertȱ nichtȱ immerȱ zuȱ mehrȱ Produktivität,ȱ sieȱ istȱ nurȱ einȱ Hygienefaktorȱ –ȱ AnalogȱzuȱHerzberg).ȱ InsgesamtȱstelltȱdieȱTheorieȱvonȱPorterȱundȱLawlerȱeinenȱdetailliertenȱAnsatzȱdar,ȱderȱ erfolgreichȱinȱdieȱPraxisȱumgesetztȱwerdenȱkann.ȱSieȱergänztȱdieȱTheorieȱvonȱVroomȱ undȱzeigtȱdieȱpraktischenȱEinflussfaktoren,ȱdieȱdieȱLeistungȱundȱArbeitszufriedenheitȱ bestimmen.ȱ Dieȱ „Verantwortung“ȱ fürȱ dieȱ Zufriedenheitȱ undȱ hoheȱ Leistungȱ wirdȱ inȱ dieserȱTheorieȱzwischenȱdemȱausführendenȱMitarbeiterȱundȱdemȱVorgesetztenȱgeteilt.ȱȱ ȱ

8.4.3

Zieltheorie von E. Locke

Aufȱ derȱ motivierendenȱ Wirkungȱ vonȱ Zielenȱ basiertȱ dieȱ Zieltheorieȱ vonȱ E.ȱLockeȱ (dieȱ ersteȱ Varianteȱ erschienȱ 1968,ȱdieȱ erweiterteȱTheorie,ȱ dieȱ besondersȱ bekanntȱ ist,ȱ 1990).ȱ DieseȱTheorieȱbasiertȱaufȱErgebnissenȱempirischerȱForschungȱüberȱdieȱWichtigkeitȱvonȱ ZielenȱundȱdererȱFormulierungenȱfürȱdieȱMotivation.ȱDieseȱErgebnisseȱhabenȱfolgenȬ desȱ bestätigt:ȱ besondersȱ motivierendȱ wirkenȱ genauȱ definierteȱ Ziele,ȱ anspruchsvolleȱ ZieleȱrufenȱhöhereȱLeistungȱhervorȱundȱLeistungȱwirdȱdurchȱFeedbackȱgesteigert.ȱ DieȱZielsetzungstheorieȱinȱihrerȱursprünglichenȱFormȱbestehtȱausȱ2ȱGrundannahmen,ȱ dieȱsichȱmitȱderȱmotivierendenȱZielformulierungȱbeschäftigen:ȱ 1.

JeȱschwierigerȱdasȱZiel,ȱdestoȱhöherȱdieȱArbeitsleistung.ȱDerȱSchwierigkeitsȬ gradȱmussȱeineȱHerausforderungȱdarstellen,ȱdieȱallerdingsȱrealistischȱundȱerȬ reichbarȱseinȱmuss.ȱ

2.

JeȱexakterȱeinȱZielȱbeschriebenȱwird,ȱumsoȱhöherȱseineȱAnziehungskraft.ȱEinȱ Beispiel:ȱdasȱZielȱ„zunehmendeȱProduktivität“ȱistȱnichtȱpräzise,ȱdagegenȱdasȱ Zielȱ„fünfȱProzentȱmehrȱUmsatzȱinȱdenȱnächstenȱsechsȱMonate“ȱistȱsehrȱkonȬ kretȱformuliert.ȱFolglichȱsollȱeinȱManagerȱimmerȱoperationaleȱZieleȱformulieȬ ren,ȱd.h.ȱsolche,ȱdieȱmessbarȱundȱtermingebundenȱsind.ȱȱ

Obwohlȱ dieseȱ Aussagenȱ inȱ ihrerȱ Formȱ durchȱ Untersuchungenȱ bestätigtȱ wurden,ȱ erȬ kannteȱLocke,ȱdassȱdieȱKomplexitätȱdesȱMotivationsprozessesȱnachȱeinerȱErweiterungȱ verlangtȱundȱhatȱdieȱZieltheorieȱ1990ȱ(zusammenȱmitȱLatham)ȱumȱ2ȱweitereȱKompoȬ nentenȱerweitert.ȱ 3.

102ȱ

Zielakzeptanzȱbeschreibt,ȱwieȱsehrȱderȱMitarbeiterȱdasȱihmȱvorgegebeneȱZielȱ alsȱ seinȱ eigenesȱ betrachtet.ȱ Darausȱ resultiertȱ dieȱ Notwendigkeit,ȱ Zieleȱ geȬ meinsamȱmitȱdenȱMitarbeiternȱzuȱformulieren.ȱȱ

8.4

Prozesstheorien

4.

ZielcommitmentȱgibtȱAuskunftȱdarüber,ȱwieȱsehrȱderȱMitarbeiterȱdasȱZielȱerȬ reichenȱwill,ȱwieȱsehrȱerȱanȱderȱZielerreichungȱinteressiertȱistȱ(zeigtȱdenȱWilȬ len,ȱdasȱZielȱzuȱerreichen,ȱnichtȱaufzugeben).ȱ

DieȱEinbeziehungȱvonȱMitarbeiternȱinȱderȱZielsetzungȱträgtȱmaßgeblichȱdazuȱbei,ȱdassȱ sowohlȱ Akzeptanzȱ alsȱ auchȱ Commitmentȱ gestärktȱ werden.ȱ Derȱ Mitarbeiterȱ wirdȱ einȱ Ziel,ȱdasȱerȱselbstȱmitdefiniertȱhat,ȱeherȱakzeptieren,ȱalsȱeinȱihmȱvorgesetztes,ȱundȱsichȱ fürȱseineȱVerwirklichungȱeinsetzen.ȱȱ Abb.ȱ30:ȱ

ZieltheorieȱvonȱE.ȱLocke135ȱ

Schwierigkeit des Zieles

Zielakzeptanz

Zielgerichtete Bemühung

Exaktheit der Zielbestimmung

Zielcommitment

Unterstützung durch Organisation

Intrinsische Belohnung

Leistung

Persönliche Fähigkeiten und Charaktereigenschaften

Kernvariablen

Zufriedenheit

Extrinsische Belohnung

Einflussvariablen

ȱ AusȱdemȱAnsatzȱvonȱLockeȱergebenȱsichȱfolgendeȱEmpfehlungenȱfürȱdieȱMotivationȱ durchȱZieleȱinȱderȱPraxis:ȱ

„ Schwierige,ȱ herausforderndeȱ Zieleȱ weckenȱ eherȱ dieȱ Initiativeȱ derȱ Mitarbeitern,ȱ aberȱsieȱmüssenȱdochȱerreichbarȱundȱrealistischȱbleiben;ȱ

„ Zieleȱ müssenȱ immerȱ konkretȱ undȱ präziseȱ formuliertȱ werden,ȱ damitȱ derȱ ErreiȬ chungsgradȱmessbarȱistȱ(mitȱkonkretenȱZahlenȱundȱTerminen);ȱ

„ AkzeptierteȱZiele,ȱanȱderenȱFormulierungȱsichȱeinȱMitarbeiterȱbeteiligtȱhat,ȱgewinȬ nenȱfürȱihnȱanȱWichtigkeit;ȱ

„ EinȱrechtzeitigesȱFeedbackȱvomȱManagerȱ(sowohlȱdasȱnegative,ȱalsȱauchȱdasȱposiȬ tive)ȱistȱfürȱeinenȱMitarbeiterȱvonȱgroßerȱBedeutungȱundȱwirktȱmotivierend.ȱȱ DieȱZieltheorieȱvonȱLockeȱdientȱalsȱtheoretischeȱBasisȱfürȱdasȱbekannteȱKonzeptȱMaȬ nagementȱbyȱObjectivesȱ(MbO),ȱdasȱimȱKapitelȱ14ȱerläutertȱwird.ȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 135ȱ Weinert,ȱA.B.ȱOrganisationspsychologie,ȱS.ȱ174.ȱ

103ȱ

8

Motivation

8.4.4

Leistungsdeterminantenkonzept von J. Berthel

Dasȱ Leistungsdeterminantenkonzeptȱ vonȱ Jürgenȱ Berthelȱ (erschienenȱ 1997)ȱ kannȱ alsȱ eineȱ Syntheseȱ vonȱ InhaltsȬȱ undȱ Prozesstheorienȱ derȱ Motivationȱ angesehenȱ werden.ȱ Berthelȱgehtȱdavonȱaus,ȱdassȱfürȱeineȱkonkreteȱLeistungȱ„Wollen“ȱundȱ„Können“ȱeinesȱ Mitarbeitersȱ notwendigȱ sindȱ (s.ȱ Abbildung),ȱ wobeiȱ fürȱ dieȱ Begründungȱ desȱ Wollensȱ ElementeȱvonȱUrsacheȬInhaltȬȱundȱProzesstheorienȱbenutztȱwerden.ȱȱ Abb.ȱ31:ȱ

LeistungsdeterminantenkonzeptȱnachȱJ.ȱBerthel136ȱ Prozesse des psychischen Erlebens

Wollen

Können

Leistungs-

Arbeitszu-

konsequenzen

friedenheit

Lernprozesse Rückkopplung

ȱ

AlsȱDeterminantenȱdesȱWollensȱbezeichnetȱBerthelȱZiele,ȱMotive,ȱEinstellungen,ȱAnȬ strengungserwartung,ȱ Konsequenzerwartung,ȱ Wahrnehmungenȱ undȱ Erfahrungen,ȱ Selbstkonzept,ȱPersönlichkeitsfaktorenȱundȱEinsatzintensität.ȱDieseȱFaktorenȱstimmenȱ teilweiseȱ mitȱ denenȱ ausȱ derȱ Theorieȱ vonȱ Porterȱ undȱ Lawler,ȱ teilweiseȱ mitȱ denenȱ ausȱ derȱZieltheorieȱvonȱLockeȱüberein.ȱȱ AlsȱDeterminantenȱdesȱKönnensȱwerdenȱEignungȱ(FähigkeitenȱundȱFertigkeitenȱeinesȱ Mitarbeiters),ȱArbeitskenntnisȱ(spezielleȱKenntnisseȱundȱErfahrungen)ȱundȱArbeitsbeȬ dingungenȱ(Ressourcen,ȱtechnischeȱMittel,ȱArbeitsbedingungenȱetc.)ȱbetrachtet.ȱ Alsȱ Ergebnisȱ derȱ Einsatzintensitätȱ beiȱ entsprechenderȱ Eignung,ȱ Arbeitskenntnisȱ undȱ ArbeitsbedingungenȱergebenȱsichȱfürȱdenȱMitarbeiterȱLeistungskonsequenzen:ȱBelohȬ nungȱ undȱ Arbeitszufriedenheit.ȱ Dasȱ Ganzeȱ istȱ alsȱ einȱ Lernprozessȱ zuȱ betrachten:ȱ durchȱeineȱRückkopplungȱsolltenȱalleȱVariablenȱüberprüftȱundȱoptimiertȱwerden.ȱ Schlussfolgerndȱ ausȱ demȱ Leistungsdeterminantenkonzeptȱ kannȱ manȱ Empfehlungenȱ fürȱmotivierendeȱManagerȱformulieren.ȱȱ

„ Einȱ Managerȱ mussȱ denȱ Prozessȱ derȱ Motivationȱ alsȱ Lernprozessȱ betrachtenȱ und,ȱ fallsȱ dieȱ erwünschteȱ Arbeitszufriedenheitȱ nichtȱ erreichtȱ wird,ȱ einzelneȱ Elementeȱ desȱProzessesȱmitȱihrenȱEinflussgrößenȱüberprüfen.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 136ȱ InȱAnlehnungȱanȱBerthel,ȱJ.;ȱBecker,ȱF.ȱPersonalȬManagement,ȱS.ȱ39.ȱȱ

104ȱ

Prozesstheorien

„ EinflussȱaufȱdieȱKomponenteȱ„Wollen“ȱistȱdurchȱkonkreteȱMotivationsmaßnahmenȱ (KenntnisȱderȱpersönlichenȱZieleȱundȱMotiveȱdesȱMitarbeiters,ȱdieȱmitȱderȱLeistungȱ verknüpftȱwerdenȱsollen)ȱundȱihreȱpraktischeȱWirksamkeitȱinȱderȱMotivationssituȬ ationȱ (dieȱ vonȱ demȱ Mitarbeiterȱ wahrgenommeneȱ Erwartungȱ undȱ Valenz)ȱ zuȱ geȬ währleisten.ȱȱ

„ DerȱEinflussfaktorȱ„Können“ȱsollȱvonȱdemȱManagerȱüberprüftȱundȱgefördertȱwerȬ denȱ–ȱdurchȱAuswahlȱderȱMitarbeiterȱ(Eignung),ȱihreȱSchulungȱundȱWeiterbildungȱ (spezielleȱ Fertigkeitenȱ undȱ Kenntnisse)ȱ undȱ Arbeitsbedingungenȱ sowieȱ RessourȬ cen.ȱȱ

„ Beiȱ denȱ Leistungskonsequenzenȱ sollȱ dieȱ Belohnungȱ überprüftȱ werden,ȱ vorȱ allemȱ ihreȱVerknüpfungȱmitȱderȱLeistung.ȱDieȱAnforderungenȱanȱdenȱMitarbeiterȱsollenȱ mitȱdessenȱAnspruchsniveauȱverglichenȱwerden:ȱsindȱdieȱAnforderungenȱzuȱniedȬ rig,ȱwirkenȱsieȱnichtȱherausforderndȱgenug,ȱsindȱsieȱzuȱhochȱȬȱdannȱwirdȱderȱMitȬ arbeiterȱdemotiviert.ȱ

„ InȱdemȱgeschildertenȱMotivationsprozessȱistȱdasȱFeedbackȱdesȱManagersȱvonȱentȬ scheidenderȱBedeutung:ȱsowohlȱdasȱnegative,ȱalsȱauchȱinȱersterȱLinieȱdasȱpositiveȱ FeedbackȱistȱfürȱdieȱandauerndeȱMotivationȱdesȱMitarbeitersȱnotwendig.ȱȱ ȱ Dieȱ Bedeutungȱ derȱ Prozesstheorienȱ istȱ sowohlȱ inȱ derȱ Entwicklungȱ derȱ MotivationsȬ theorieȱalsȱauchȱinȱihrenȱpraktischenȱAnwendungsmöglichkeitenȱzuȱsehen:ȱ

„ DieȱProzesstheorienȱstellenȱdasȱIndividuumȱmitȱseinenȱkognitivenȱEntscheidungsȬ prozessenȱ inȱ denȱ Mittelpunktȱ undȱ habenȱ damitȱ eineȱ individuelleȱ undȱ humanistiȬ scheȱAusrichtung,ȱobwohlȱmenschlicheȱEmotionenȱundȱkulturabhängigeȱFaktorenȱ zuȱkurzȱkommen.ȱȱ

„ Obwohlȱ dieȱ Prozesstheorienȱ aufȱ demȱ Modellȱ desȱ rationalenȱ Menschenȱ aufbauen,ȱ wirdȱdieseȱRationalitätȱdurchȱsubjektiveȱNutzengrößenȱundȱWahrscheinlichkeitenȱ relativiert.ȱ

„ NebenȱdirektenȱMotivatorenȱwerdenȱFähigkeitenȱundȱFertigkeitenȱderȱMitarbeiterȱ alsȱ Determinantenȱ derȱ Leistungȱ genannt,ȱ auchȱArbeitsbedingungenȱ undȱ RessourȬ cenȱwerdenȱbeiȱderȱLeistungserbringungȱberücksichtigt.ȱ

„ Prozesstheorienȱ schreibenȱ derȱ partizipativenȱ Zielsetzungȱ undȱ derȱ operationalenȱ Zielformulierungȱ eineȱ wichtigeȱ Rolleȱ zuȱ (insbesondereȱ inȱ derȱ Zieltheorieȱ vonȱ E.ȱ Locke).ȱ

„ InȱdenȱProzesstheorienȱwirdȱdieȱaktiveȱRolleȱdesȱManagersȱbetont:ȱseinȱFeedbackȱ undȱdieȱÜberprüfungȱallerȱfürȱdieȱLeistungȱnotwendigenȱDeterminantenȱwirdȱalsȱ wichtigeȱMotivationsaufgabeȱbetrachtet.ȱ

105ȱ

8.4

8

Motivation

8.5

Motivation in der Unternehmenspraxis

Jedeȱ Motivationssituationȱ inȱ derȱ Praxisȱ verlangtȱ vonȱ einemȱ Managerȱ eineȱ kreativeȱ Anwendungȱ verschiedenerȱ Motivationsmethoden,ȱ dieȱ vonȱ derȱ Persönlichkeitȱ einesȱ Mitarbeiters,ȱseinenȱBedürfnissen,ȱWünschenȱundȱErwartungen,ȱvonȱdemȱFührungsstilȱ desȱManagers,ȱvonȱderȱAufgabeȱundȱderȱkonkretenȱSituationȱabhängigȱsind.ȱDerȱIndiȬ vidualitätȱderȱMenschenȱsollteȱdabeiȱRechnungȱgetragenȱwerden.ȱ Alsȱ Basisȱ fürȱ kreativeȱAnwendungȱ vonȱ verschiedenenȱ Motivationsinstrumentenȱ könȬ nenȱeinigeȱallgemeineȱRegelnȱfürȱerfolgreicheȱMotivationȱinȱderȱPraxisȱdefiniertȱwerȬ denȱ(s.ȱfolgendeȱTabelle).ȱȱ Tabelleȱ17:ȱ EinigeȱRegelnȱfürȱerfolgreicheȱindividuelleȱMotivationȱinȱderȱPraxisȱ Individuelle Unterschiede der Mitarbeiter sollten berücksichtigt werden – nur eine individuell angepasste Motivation ist wirksam Man sollte durch Aktivierung von Motiven vor allem eine intrinsische Motivation anstreben, die wesentlich effizienter ist als eine extrinsische Motivation Hygienefaktoren, die nicht direkt motivierend wirken, sollten auch beachtet werden Die Beteiligung von Mitarbeitern an der Zielsetzung und eine genaue Zielformulierung wirkt sehr motivierend Ein regelmäßiges (positives und negatives) Feedback gibt Mitarbeitern die Bestätigung ihrer Bemühungen und ist für das Aufrechterhalten der Motivation notwendig Nicht nur die Bemühung, sondern auch die Kompetenzen und Ressourcen eines Mitarbeiters sind Leistungsdeterminanten, d.h. ein Manager sollte sowohl Eignung und Kompetenz fördern als auch positive Arbeitsbedingungen schaffen und Ressourcen zur Verfügung stellen Leistungsmotivierend wirken nur die Belohnungen, die an die Leistung direkt gekoppelt sind

ȱ ImȱWeiterenȱwerdenȱeinigeȱverbreiteteȱMotivationsmethodenȱbeschrieben,ȱdieȱzusätzȬ lichȱ zuȱ derȱ kreativenȱAnwendungȱ vonȱ beschriebenenȱ Motivationstheorienȱ inȱ derȱ beȬ trieblichenȱPraxisȱeingesetztȱwerdenȱkönnen.ȱȱ ȱ

8.5.1

Variable Entgeltsysteme und Restrukturierung des Arbeitsprozesses

EineȱderȱinȱderȱPraxisȱbekanntestenȱMethodenȱistȱdieȱMotivationȱdurchȱvariableȱEntȬ geltsysteme.ȱDieȱEntlohnungȱkannȱsowohlȱfinanziellerȱ(LohnȱundȱGehalt,ȱPrämienzahȬ lungen,ȱ Beteiligungenȱ etc.),ȱ alsȱ auchȱ nichtȱ finanziellerȱ Artȱ (Beförderung,ȱ Versetzungȱ undȱ Reisen)ȱ sein.ȱ Inȱ Anlehnungȱ anȱ Herzberg,ȱ istȱ dasȱ Gehaltȱ nurȱ einȱ Hygienefaktor,ȱ deswegenȱ wirktȱ nurȱ anȱ dieȱ Leistungȱ gekoppelteȱ Entlohnungȱ motivierend.ȱ Manȱ kannȱ 106ȱ

Motivation in der Unternehmenspraxis

Entgeltȱ mitȱ derȱ Produktivitätȱ und/oderȱ Qualitätȱ derȱ Arbeit,ȱ mitȱ demȱ Gesamterfolgȱ einesȱTeamsȱoderȱdesȱganzenȱUnternehmensȱverbinden.ȱȱ ObȱMotivationȱdurchȱmehrȱ Geldȱmöglichȱist,ȱwirdȱinsgesamtȱbestritten.ȱDieȱMeinunȬ genȱsindȱextremȱverschieden.ȱVieleȱPraktikerȱgehenȱdavonȱaus,ȱdassȱdieȱmeistenȱMitȬ arbeiterȱdurchȱmehrȱGeldȱmotiviertȱwerdenȱkönnen.ȱOffensichtlich,ȱarbeitenȱdieȱmeisȬ tenȱMenschenȱgrundsätzlich,ȱumȱihreȱmaterielleȱExistenzȱzuȱsichern.ȱAberȱdieȱMengeȱ desȱGeldesȱanȱsichȱentscheidetȱkaumȱüberȱdasȱAusmaßȱderȱMotivation.ȱBekommtȱeinȱ Mitarbeiterȱ eineȱ verdienteȱ Gehaltserhöhung,ȱ soȱ gewöhntȱ erȱ sichȱ sehrȱ schnellȱ anȱ denȱ neuenȱWohlstandȱundȱbemühtȱsichȱnichtȱmehrȱalsȱfrüher.ȱFürȱeineȱdauerhafteȱmaterielȬ leȱ Motivationȱ istȱ vonȱ großerȱ Bedeutung,ȱ dassȱ zusätzlichesȱ Geldȱ immerȱ spürbarȱ mitȱ mehrȱLeistungȱverknüpftȱist.ȱDasȱistȱbeispielsweiseȱinȱeinemȱAkkordlohnȬSystemȱoderȱ beiȱ derȱ Differenzierungȱ desȱ Gehaltesȱ inȱ einenȱ fixenȱ undȱ einenȱ vonȱ derȱ Leistungȱ abȬ hängigenȱvariablenȱTeilȱmachbar.ȱȱ AndererseitsȱreichenȱmaterielleȱAnreizeȱalleinȱfürȱeineȱlangfristigeȱLeistungsmotivatiȬ onȱ nichtȱ aus,ȱ jederȱ Menschȱ brauchtȱ nebenȱ demȱ Geldȱ Beachtung,ȱ Anerkennung,ȱ ReȬ spektȱ undȱ Entwicklungsmöglichkeiten.ȱ Auchȱ einȱ sehrȱ gutȱ bezahlterȱ Arbeiterȱ wirdȱ demotiviert,ȱ wennȱ seinȱ Chefȱ ihnȱ dauerndȱ respektlosȱ behandelt.ȱ Dasȱ Gefühlȱ derȱ BeȬ deutsamkeitȱundȱNützlichkeitȱistȱfürȱeinenȱMenschenȱsehrȱwichtig.ȱEsȱistȱbekannt,ȱdassȱ beispielsweiseȱeineȱ ungewollteȱArbeitslosigkeitȱ oderȱ Frühverrentungȱ zuȱ einemȱ soziaȬ lenȱ Bedeutungsverlustȱ führenȱ undȱ gesundheitlicheȱ Problemeȱ verursachenȱ kann.ȱAusȱ diesemȱGrundȱsollteȱsichȱeineȱFührungskraftȱständigȱdarumȱbemühen,ȱihrenȱUntergeȬ benenȱeinȱGefühlȱderȱBeachtungȱundȱWichtigkeitȱzuȱvermitteln.ȱȱȱȱ VieleȱUnternehmenȱbenutzenȱflexibleȱZusatzleistungenȱfürȱihreȱMitarbeiterȱalsȱAnreiȬ ze.ȱ Dasȱ könnenȱ eineȱ Betriebskantine,ȱ betriebseigenesȱ Kindergarten,ȱ Betriebsrenten,ȱ diverseȱ Programmeȱ zurȱ Vermögensbildungȱ oderȱ Erstattungȱ vonȱ Ausbildungskostenȱ sein.ȱInȱderȱRegelȱwirkenȱdieseȱZusatzleistungenȱnurȱalsȱHygienefaktoren,ȱsieȱmotivieȬ renȱnichtȱdirektȱzuȱmehrȱLeistung,ȱsondernȱmittelbar,ȱdurchȱpositiveȱEffekteȱderȱIdenȬ tifikation,ȱ Loyalitätȱ undȱ Zufriedenheit.ȱ Auchȱ verschiedeneȱ Teilzeitarbeitmodelleȱ wirkenȱ ähnlich:ȱ Teilzeitarbeit,ȱ „gleitendeȱ Arbeitszeit“ȱ undȱ Telearbeit.ȱ Dieseȱ Formenȱ könnenȱfürȱbestimmteȱArbeitnehmergruppenȱsehrȱwichtigȱsein,ȱz.ȱB.ȱarbeitendenȱMütȬ ternȱwirdȱeineȱVereinbarkeitȱvonȱFamilieȱundȱBerufȱermöglicht.ȱȱ Eineȱ weitereȱ praktischeȱ Motivationsmöglichkeitȱ bietetȱ dieȱ Restrukturierungȱ desȱ ArȬ beitsprozesses.ȱDieseȱMaßnahmenȱbasierenȱaufȱderȱUntersuchungȱvonȱHerzbergȱüberȱ dieȱmotivierendeȱWirkungȱderȱAufgabenbereicherungȱundȱkommenȱinȱvierȱVariantenȱ vor:ȱ

„ Jobȱrotationȱ(planmäßigerȱStellenwechsel)ȱbedeutetȱneueȱAufgaben,ȱneueȱHerausȬ forderungen,ȱ woȱ esȱ möglichȱ undȱ sinnvollȱ ist.ȱ Jobȱ rotationȱ kannȱ angewendetȱ werȬ den,ȱwennȱdieȱAufgabenȱbeiȱdemȱStellenwechselȱvergleichbarȱsind.ȱZumȱBeispiel,ȱ amȱ Fließband,ȱ woȱ durchȱ Operationswechselȱ dieȱ Monotonieȱ derȱ Arbeitȱ überwunȬ denȱwerdenȱkann.ȱVoraussetzungȱistȱdieȱausreichendeȱQualifikationȱderȱMitarbeiȬ

107ȱ

8.5

8

Motivation

terȱ fürȱ dieȱ verschiedenenȱ Vorgänge.ȱ Auchȱ fürȱ Führungskräfteȱ kannȱ Jobȱ rotationȱ benutztȱ werden:ȱ dieȱ Führungsaufgabenȱ sindȱ bereichsüberschreitend,ȱ soȱ dassȱ einȱ jungerȱ Managerȱ alsȱ Leiterȱ verschiedenerȱ Gruppen/Abteilungenȱ seineȱ Erfahrungȱ sammelnȱkann,ȱoderȱeinȱPraktikant,ȱderȱverschiedeneȱProzesseȱundȱderenȱZusamȬ menhängeȱinȱeinemȱUnternehmenȱkennenȱlernenȱsoll.ȱDieseȱMethodeȱwirdȱhäufigȱ fürȱNachwuchsführungskräfteȱangewendet.ȱ

„ Jobȱenlargementȱ(Aufgabenvergrößerung)ȱheißtȱeineȱhorizontaleȱErweiterungȱundȱ mehrȱAuslastungȱdurchȱweitereȱAufgabenȱaufȱgleicherȱEbene.ȱEsȱistȱdannȱsinnvoll,ȱ wennȱeinȱMitarbeiterȱmehrȱArbeitȱbewältigenȱkannȱundȱdanachȱstrebt,ȱdurchȱmehrȱ Fleißȱ undȱ Einsatzȱ mehrȱ Belohnungȱ und/oderȱ Anerkennungȱ zuȱ bekommenȱ (z.B.ȱ leistungsmotivierteȱPersonenȱnachȱMcClelland).ȱȱ

„ Jobȱenrichmentȱ(Aufgabenbereicherung)ȱsetztȱeineȱvertikaleȱErweiterungȱderȱAufȬ gabenȱ vorausȱ undȱ bedeutetȱ fürȱ einenȱ Mitarbeiterȱ mehrȱ Verantwortungȱ undȱ FreiȬ räumeȱ sowieȱ eineȱ Kompetenzerweiterung.ȱ Dieseȱ Formȱ wirktȱ besondersȱ motivieȬ rend,ȱ kannȱ allerdingsȱ nurȱ beiȱ vorhandenerȱ Selbstinitiativeȱ undȱ Bereitschaftȱ zurȱ ÜbernahmeȱderȱVerantwortungȱbenutztȱwerden.ȱZusätzlichȱzuȱdenȱgewöhnlichenȱ AufgabenȱwirdȱdemȱMitarbeiterȱzumȱBeispielȱihreȱPlanungȱundȱZeitverteilungȱdeȬ legiert,ȱ erȱ bekommtȱ mehrȱ Verantwortung,ȱ wasȱ seinȱ Selbstwertgefühlȱ undȱ seineȱ Selbstachtungȱstärkt.ȱDasȱMaslow´scheȱBedürfnisȱnachȱAchtungȱundȱSelbstachtungȱ wirdȱ dabeiȱ angesprochen.ȱ Auchȱ dieȱ Machtbedürfnistypenȱ nachȱ McClellandȱ könȬ nenȱsichȱdadurchȱangesprochenȱfühlen.ȱ

„ AutonomeȱArbeitsteamsȱermöglichenȱeineȱeigenständigeȱPlanungȱundȱGestaltungȱ derȱArbeitȱinnerhalbȱeinesȱArbeitspakets.ȱDasȱTeamȱträgtȱgemeinsameȱVerantworȬ tungȱ fürȱ dieȱ Leistungȱ hinsichtlichȱ ihrerȱ Quantitätȱ undȱ Qualitätȱ sowieȱ VerbesseȬ rungsprozesseȱundȱneueȱIdeen.ȱDadurchȱwerdenȱnichtȱnurȱdieȱfachlichen,ȱsondernȱ auchȱ dieȱ sozialenȱ Kompetenzenȱ einzelnerȱ Teammitgliederȱ erweitertȱ undȱ geförȬ dert.137ȱ Dieȱ praktischenȱ Motivationsmaßnahmenȱ sindȱ vonȱ derȱ Persönlichkeitȱ jedesȱ MitarbeiȬ tersȱabhängig.ȱUmȱEntscheidungenȱüberȱMotivationsmethodenȱzuȱtreffen,ȱbrauchtȱeinȱ Managerȱ Kenntnisseȱ überȱ persönlicheȱ Fähigkeiten,ȱ Vorlieben,ȱ Zielenȱ undȱ Interessenȱ seinesȱUntergebenen.ȱAuchȱ derȱ Standȱ derȱ Persönlichkeitsentwicklungȱ istȱ dabeiȱ wichȬ tig.ȱȱ ȱ

8.5.2

Motivation und Persönlichkeit

VieleȱPsychologenȱsindȱderȱMeinung,ȱdassȱnichtȱdieȱäußerenȱFaktorenȱ(Anreize),ȱsonȬ dernȱ dieȱ innerenȱ Einstellungenȱ undȱ persönlichenȱ Eigenschaftenȱ fürȱ unsereȱ AnstrenȬ gungȱ beiȱ derȱArbeitȱ verantwortlichȱ sind.ȱ Beiȱ gleicherȱ Bezahlungȱ undȱ gleichenȱ FähigȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 137ȱ TeamarbeitȱwirdȱausführlicherȱimȱKapitelȱ11ȱdiskutiert.ȱ

108ȱ

Motivation in der Unternehmenspraxis

keitenȱ kannȱ Personȱ Aȱ stetsȱ höhereȱ Leistungenȱ alsȱ Personȱ Bȱ erbringen,ȱ weilȱ Aȱ dazuȱ neigt,ȱ jedeȱ Tätigkeitȱ gewissenhaftȱ undȱ verantwortungsvollȱ zuȱ verrichten.ȱ Bȱ dagegenȱ bemühtȱsichȱnurȱunterȱZeitȬȱoderȱAutoritätsdruck.ȱ DieȱBigȱFiveȱderȱPersönlichkeitȱ(vgl.ȱKapitelȱ2.2),ȱdieȱdieȱwichtigstenȱEigenschaftenȱvonȱ Individuenȱbeschreiben,ȱkönnenȱhelfen,ȱeinigeȱerklärendeȱVerbindungenȱzurȱLeistungȱ zuȱ erstellen.ȱ Gewissenhaftigkeitȱ undȱ Offenheitȱ einesȱ Mitarbeitersȱ könnenȱ alsȱ besonȬ dersȱ leistungsförderndȱ betrachtetȱ werden.ȱ Dieseȱ Faktorenȱ bewirkenȱ eineȱ intrinsischeȱ Motivation,ȱwobeiȱausgeprägteȱGewissenhaftigkeitȱeineȱintrinsischeȱMotivationȱdurchȱ Zieleȱ (Ergebnis)ȱ bewirktȱ undȱ Offenheitȱ fürȱ neueȱ Erfahrungenȱ –ȱ durchȱ denȱ Wegȱ (dieȱ ArbeitȱanȱsichȱmachtȱSpaß).ȱȱ AlsȱpositiveȱAusprägungenȱdesȱFaktorsȱGewissenhaftigkeitȱwurdenȱorganisiert,ȱsorgfälȬ tig,ȱeffektiv,ȱverantwortlich,ȱzuverlässig,ȱüberlegtȱundȱgewissenhaftȱbezeichnet;ȱalsȱnegativeȱȬȱ sorglos,ȱunordentlich,ȱleichtsinnig,ȱunverantwortlichȱundȱunzuverlässig.ȱGanzȱoffensichtlichȱ werdenȱ Mitarbeiterȱ mitȱ starkȱ ausgeprägterȱ Gewissenhaftigkeitȱ eherȱ fleißigȱ undȱ verȬ antwortungsvollȱarbeiten.ȱȱ Derȱ Faktorȱ Offenheitȱ fürȱ neueȱ Erfahrungenȱ beschreibtȱ dieȱ intrinsischenȱ Motiveȱ fürȱ hoheȱLeistung:ȱbreitȱinteressiert,ȱeinfallsreich,ȱphantasievoll,ȱintelligent,ȱoriginell,ȱerfinderischȱ undȱgeistreich.ȱDieȱAufgabeȱeinesȱManagersȱbleibtȱallerdingsȱdieȱgeeignetenȱBedingunȬ genȱzuȱschaffen,ȱdamitȱderȱMitarbeiterȱsichȱentfaltenȱkann.ȱ AlsȱeinenȱweiterenȱpersönlichenȱEinflussfaktorȱaufȱMotivationȱkannȱmanȱExtraversionȱ (versusȱIntraversion)ȱbezeichnen.ȱBeiȱeinerȱhohenȱEntwicklungȱdieserȱEigenschaftȱsindȱ dieȱ Mitarbeiterȱ gesprächig,ȱ aktiv,ȱ energisch,ȱ offen,ȱ dominantȱ undȱ enthusiastisch,ȱ beiȱ derȱ negativenȱstill,ȱreserviertȱundȱzurückgezogen.ȱDieȱKunstȱdesȱManagementsȱbestehtȱdarin,ȱ dieȱ Personenȱ mitȱ verschiedenerȱ Ausprägungȱ derȱ Extraversionȱ mitȱ unterschiedlichenȱ MethodenȱzuȱmehrȱLeistungȱzuȱmotivieren.ȱDieȱExtravertiertenȱsindȱnachȱMcClellandȱ Beziehungstypenȱ mitȱ einigenȱ Zügenȱ vonȱ Machtstreben.ȱ Sieȱ könnenȱ durchȱ Arbeitȱ inȱ Gruppenȱ mitȱ unmittelbarerȱ Interaktionȱ undȱ spezielleȱ Führungsaufgabenȱ zuȱ mehrȱ Initiativeȱ undȱ Selbstverwirklichungȱ motiviertȱ werden.ȱ Dieȱ Bereicherungȱ derȱ ArȬ beitsaufgabenȱinȱFormȱvonȱJobȱenrichmentȱoderȱTeamarbeitȱsindȱfürȱsolcheȱMitarbeiterȱ besondersȱ gutȱ geeignet.ȱ Dieȱ intravertiertenȱ Mitarbeiterȱ könnenȱ durchȱ eigenverantȬ wortlichesȱArbeitenȱanȱindividuellenȱAufgabenȱundȱhäufigesȱFeedbackȱmotiviertȱwerȬ den.ȱGleichzeitigȱistȱesȱwichtig,ȱihnenȱbeiȱBesprechungenȱundȱDiskussionenȱMöglichȬ keitenȱzurȱMeinungsäußerungȱzuȱgeben,ȱdamitȱsieȱsichȱnichtȱausgeschlossenȱfühlen.ȱ Dieȱ Wirksamkeitȱ vonȱ Motivationsmethodenȱ undȱ –instrumentenȱ istȱ wesentlichȱ vomȱ StandȱderȱmoralischenȱEntwicklungȱjedesȱeinzelnenȱMitarbeitersȱabhängig,ȱdeswegenȱ machtȱ esȱ Sinn,ȱ dieȱ imȱ Kapitelȱ 7.4ȱ erläuterteȱ Theorieȱ moralischerȱ Entwicklungȱ nachȱ LawrenceȱKohlbergȱȱzuȱbenutzen,ȱumȱgeeigneteȱMotivationsinstrumenteȱfürȱverschieȬ deneȱEntwicklungsphasenȱderȱMitarbeiterȱzuȱbestimmenȱ(s.ȱfolgendeȱTabelle).ȱ Inȱ derȱ präkonventionellenȱ Phaseȱ richtenȱ sichȱ dieȱ Entscheidungen,ȱ etwasȱ zuȱ tun,ȱ anȱ ichbezogenenȱundȱlustbezogenenȱKriterienȱaus.ȱSollteȱeinȱManagerȱsolcheȱMitarbeiterȱ 109ȱ

8.5

8

Motivation

haben,ȱdannȱmussȱerȱsieȱständigȱimȱAugeȱbehaltenȱundȱkontrollieren.ȱMitȱintrinsischerȱ Motivationȱ istȱ nichtȱ zuȱ rechnen,ȱ derȱ Faktorȱ Gewissenhaftigkeitȱ istȱ sehrȱ schwachȱ ausȬ geprägt.ȱNurȱdurchȱdieȱklassischeȱMethodeȱ„ZuckerbrotȱundȱPeitsche“ȱlässtȱsichȱsolchȱ einȱMitarbeiterȱmotivieren.ȱJedeȱeinzelneȱTatȱwirdȱnurȱunterȱBestrafungsangstȱoderȱfürȱ eineȱkonkreteȱBelohnungȱerbracht.ȱIstȱdieȱKontrolleȱwegȱ–ȱfunktioniertȱdieȱMotivationȱ nichtȱmehr.ȱ

Tabelleȱ18:ȱStufenȱderȱmoralischenȱEntwicklungȱderȱMitarbeiterȱundȱdieȱgeeignetenȱMotivatiȬ onsmethodenȱ Präkonventionelle Phase (Angstbestimmung)

Stufe 1. Orientierung an Bestrafung und Gehorsam Stufe 2. Konformes Verhalten, um belohnt zu werden

Konventionelle Phase (Fremdbestimmung)

Stufe 3. Orientierung am Ideal des "Guten Menschen“, das von anderen definiert wird Stufe 4. Orientierung an Recht und Ordnung

Postkonventionelle Phase (Eigenbestimmung)

Stufe 5. Die Sozialvertragsorientierung Stufe 6. Eigene Moralorientierung auf der Basis universeller ethischen Prinzipien

Motivation durch „Zuckerbrot und Peitsche“, Kontrolle ist unabdingbar

Vorwiegend extrinsische Motivation durch klare Regel und Verknüpfung von Leistung und Belohnung, Feedback ist fördernd vorwiegend intrinsische Motivation durch Freiräume, Eigenverantwortung und Selbstverwirklichung, empfehlenswert ist Selbstkontrolle

ȱ InȱderȱkonventionellenȱPhaseȱȱorientiertȱsichȱdieȱEntscheidungȱeinesȱIndividuumsȱüberȱ tunȱoderȱnichtȱtunȱüberwiegendȱfremdbestimmt.ȱDerȱMitarbeiterȱhältȱsichȱanȱkonvenȬ tionelleȱ Regeln,ȱ sowohlȱ gesellschaftlicheȱ alsȱ auchȱ betriebsspezifische.ȱ Dasȱ Einhaltenȱ vonȱRegelnȱundȱTraditionenȱistȱfürȱihnȱselbstverständlich.ȱErȱarbeitetȱnachȱVorschrift,ȱ denktȱaberȱmeistensȱnichtȱdarüberȱhinaus.ȱGleichzeitigȱistȱfürȱeinenȱsolchenȱMitarbeiȬ terȱdieȱAnerkennungȱvonȱKollegenȱundȱVorgesetztenȱwichtigȱ(Fremdeinschätzung),ȱerȱ befriedigtȱ seinȱ Bedürfnisȱ nachȱ Achtungȱ durchȱ Andere.ȱ Siehtȱ derȱ Mitarbeiterȱ keinenȱ direktenȱBezugȱvonȱbessererȱLeistungȱzuȱAuszeichnungȱoderȱAnerkennung,ȱbemühtȱerȱ sichȱnicht.ȱIhmȱfehltȱdafürȱdieȱinnereȱMotivation.ȱ Dieȱ Motivationȱ vonȱ moralischȱ hochentwickeltenȱ Individuenȱ inȱ derȱ postkonventionelȬ lenȱPhaseȱistȱvorȱallemȱeineȱintrinsische.ȱEinȱVorgesetzterȱsollȱallerdingsȱdafürȱsorgen,ȱ dassȱsolcheȱMitarbeiterȱgenugȱFreiräumeȱfürȱihreȱEigeninitiativeȱbekommen,ȱumȱsichȱ zuȱ entfalten.ȱ Inȱ dieserȱ Phaseȱ wirkenȱ Gewissenhaftigkeitȱ undȱ Eigenverantwortungȱ einerȱPersonȱalsȱMotivatorenȱundȱzugleichȱalsȱSelbstkontrolle.ȱDasȱHandelnȱausȱeigeȬ nerȱÜberzeugungȱistȱderȱHöhepunktȱmoralischerȱEntwicklung,ȱdieȱPersonȱarbeitetȱumȱ

110ȱ

Motivation in der Unternehmenspraxis

sichȱselbstȱzuȱverwirklichenȱ(AnalogȱzurȱhöchstenȱStufeȱderȱMaslow´schenȱBedürfnisȬ theorie).ȱȱ Jedeȱ Entwicklungsphaseȱ erfordertȱ bestimmteȱ Motivationsmodelleȱ undȱ –instrumente,ȱ unterȱAnderemȱverschiedeneȱArtenȱvonȱKontrolle.ȱ ȱ

8.5.3

Kontrolle als Motivationsinstrument

Motivationȱ durchȱ Kontrolleȱistȱ eineȱinȱ derȱPraxisȱ verbreiteteȱ Motivationsmethode.ȱEsȱ istȱallgemeinȱbekannt,ȱdassȱKontrolleȱgenerellȱleistungsmotivierendȱist,ȱallerdingsȱwirdȱ ihreȱWirkungȱdurchȱdieȱArtȱderȱDurchführungȱbestimmt.ȱNichtȱjedeȱArtȱderȱKontrolleȱ erreichtȱihrȱmotivierendesȱZiel.ȱEinȱManagerȱsollteȱsichȱmitȱdenȱallgemeinenȱGrundreȬ gelnȱ derȱ Kontrolleȱ auseinandersetzen,ȱ sieȱ inȱ praktischenȱ Situationenȱ angemessenȱ anȬ wendenȱundȱdurchȱständigeȱLernprozesseȱweiterentwickeln.ȱȱ Dieȱ Durchführungȱ derȱ Kontrolleȱ wirdȱ durchȱ mehrereȱ Faktorenȱ gekennzeichnet:ȱ ihreȱ Orientierungȱ (ergebnisȬȱ oderȱ verhaltensorientiert),ȱ dieȱ Formȱ derȱ Kritikaussage,ȱ mitȱ positivemȱoderȱnegativemȱCharakter,ȱdieȱHäufigkeitȱsowieȱdieȱäußerenȱBedingungenȱ (unterȱvierȱAugenȱbzw.ȱinȱderȱÖffentlichkeit).ȱ Ergebnisorientierteȱ Kontrollenȱ sindȱ tendenziellȱ besserȱ alsȱ verhaltensorientierteȱ KonȬ trollen.ȱEsȱistȱsinnlosȱzuȱkontrollieren,ȱobȱMitarbeiterȱständigȱanȱihrenȱArbeitsplätzenȱ sind,ȱfallsȱwirȱamȱErgebnisȱderȱArbeitȱinteressiertȱsind.ȱIhreȱZwischenergebnisseȱundȱ nichtȱ ihreȱ Anwesenheitȱ sindȱ wichtigȱ undȱ solltenȱ kontrolliertȱ werden.ȱ Diesȱ istȱ aberȱ nichtȱ immerȱ möglich:ȱ vonȱ einerȱ Empfangssekretärinȱ oderȱ Kassiererinȱ erwartetȱ man,ȱ dassȱsieȱständigȱpräsentȱist.ȱ InȱwelcherȱFormȱmussȱmanȱ Kritikȱäußern,ȱ fallsȱSieȱetwasȱNegativesȱzuȱsagenȱhaben?ȱ DieȱReaktionȱdesȱBetroffenenȱwirdȱstarkȱbestimmtȱvomȱAusmaßȱderȱKritikȱundȱihrerȱ Form.ȱDeswegenȱsollteȱdieȱÄußerungȱsachlichȱbegründetȱundȱohneȱübertriebeneȱnegaȬ tiveȱEmotionenȱsein.ȱȱ FürȱdieȱGestaltungȱeinesȱKritikgesprächsȱistȱeinȱDreiȬPhasenȬModellȱempfehlenswert.ȱ Dieȱ ersteȱ Phaseȱ beinhaltetȱ eineȱ positiveȱ Einführungȱ mitȱ demȱ Ziel,ȱ dieȱ allgemeinenȱ LeistungenȱundȱVerdiensteȱdesȱMitarbeitersȱzuȱbetonen,ȱdieȱdurchȱseinenȱFehlerȱnichtȱ aufȱeinmalȱzunichteȱgemachtȱwerden.ȱDanachȱfolgtȱdieȱkritischeȱAussageȱanȱsich,ȱdieȱ möglichstȱ argumentierendȱ undȱ sachlichȱ formuliertȱ werdenȱ soll.ȱ Manȱ mussȱ denȱ SchwerpunktȱnichtȱaufȱdieȱPersönlichkeitȱdesȱBetroffenen,ȱsondernȱaufȱseinenȱFehler,ȱ seinȱfehlerhaftesȱVerhaltenȱinȱderȱexemplarischenȱSituationȱlegen.ȱInȱderȱdrittenȱPhaseȱ gibtȱderȱManagerȱseinemȱMitarbeiterȱdieȱHoffnung,ȱdiesenȱFehlerȱbereinigenȱzuȱkönȬ nen,ȱ undȱ stimmtȱ ihnȱ positivȱ ein.ȱ Nachȱ solchemȱ Gesprächȱ fühltȱ sichȱ derȱ Mitarbeiterȱ nichtȱpersönlichȱbeleidigtȱundȱdeprimiert,ȱsondernȱerleichtertȱundȱoptimistisch.ȱ ȱ

111ȱ

8.5

8

Motivation

Abb.ȱ32:ȱ

Kritikgespräch138ȱ

ȱ

EinȱManagerȱsollteȱnichtȱnurȱnachȱFehlernȱundȱVersäumnissenȱsuchen,ȱumȱsieȱzuȱverȬ hindern,ȱsondernȱdieȱKontrolleȱeherȱalsȱeinȱFeedbackȱbetrachten,ȱdasȱdemȱbetroffenenȱ MitarbeiterȱeinenȱBeweisȱgibt,ȱinȱdieȱrichtigeȱbzw.ȱfalscheȱRichtungȱzuȱgehen.ȱPositiveȱ Kontrolleȱwirktȱbesondersȱmotivierend.ȱFürȱeinenȱMitarbeiterȱistȱsieȱzunächstȱeinȱZeiȬ chenȱfürȱdasȱInteresseȱdesȱVorgesetztenȱundȱeinȱBeweisȱderȱAnerkennungȱseinerȱ(desȱ Mitarbeiters)ȱ Wichtigkeitȱ fürȱ dieȱ gemeinsameȱ Aufgabeȱ vonȱ Bedeutung.ȱ Nichtȱ nurȱ Fehlerȱ undȱ Schwächenȱ vonȱ Mitarbeiternȱ sollteȱ einȱ Managerȱ merkenȱ undȱ kritisieren,ȱ sondernȱvorȱallemȱdieȱpositivenȱErgebnisse,ȱVeränderungenȱundȱAnstrengungen.ȱManȱ mussȱimmerȱeinȱgutesȱWortȱfürȱdenjenigenȱhaben,ȱderȱsichȱMüheȱmacht.ȱErfolgserlebȬ nisseȱanȱsichȱundȱdererȱAnerkennungȱdurchȱVorgesetzteȱmotivierenȱdieȱMitarbeiterȱzuȱ weiterenȱLeistungen.ȱ Bisȱ zuȱ einerȱ gewissenȱ Sättigungsgrenzeȱ erhöhtȱ sichȱ dieȱ Leistungȱ mitȱ derȱ Häufigkeitȱ derȱ Kontrolle.ȱ Kontrolliertȱ manȱ zuȱ oft,ȱ dannȱ habenȱ dieȱ Mitarbeiterȱ keineȱ Ruheȱ undȱ sindȱ ständigȱ unterȱ Druck.ȱ Einmaligeȱ Einzelkontrollmaßnahmenȱ verpuffenȱ inȱ ihrerȱ Wirkungȱrelativȱschnellȱ–ȱmanȱmussȱregelmäßigȱkontrollieren.ȱDieȱKontrollhäufigkeitȱ istȱ vonȱ derȱ Aufgabe,ȱ derȱ Situationȱ undȱ denȱ Mitarbeiternȱ abhängig.ȱ Allgemeinȱ kannȱ manȱsagen,ȱdassȱjederȱManagerȱregelmäßigeȱMitarbeitergesprächeȱplanenȱundȱdurchȬ führenȱ sollte.ȱ Solcheȱ EinzelȬȱ undȱ Gruppengesprächeȱ dienenȱ denȱ Mitarbeiternȱ alsȱ Feedback,ȱwobeiȱsieȱalsȱBestätigungȱderȱRichtigkeitȱoderȱAnregungȱfürȱKurskorrektuȬ renȱgelten.ȱEsȱistȱwichtig,ȱinȱeinerȱKontrollsituationȱsofortȱzuȱreagieren:ȱjeȱgrößerȱderȱ zeitlicheȱ Abstandȱ zwischenȱ demȱ Ergebnisȱ undȱ derȱ Reaktion,ȱ umsoȱ geringerȱ istȱ ihreȱ Leistungswirkung.ȱ Sowohlȱ dasȱ positive,ȱ alsȱ auchȱ dasȱ negativeȱ Feedbackȱ sollteȱ einerȱ Tatȱunmittelbarȱfolgen.ȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 138ȱ Bildquelle:ȱBischof,ȱK.;ȱBischof,ȱA.ȱFühren:ȱMitȱIhrenȱMitarbeiternȱzumȱErfolg,ȱS.ȱ78.ȱ

112ȱ

Abschaffen der Demotivation, Identifikation und Personalentwicklung

MussȱeinȱManagerȱseineȱReaktionȱunterȱvierȱAugenȱoderȱinȱderȱÖffentlichkeitȱäußern?ȱ DiesȱistȱeineȱFrage,ȱdieȱnichtȱeindeutigȱbeantwortetȱwerdenȱkann.ȱEineȱnegativeȱReakȬ tionȱ–ȱKritikȱ–ȱistȱbesserȱfürȱeinȱVierȬAugenȬGesprächȱgeeignet,ȱsonstȱverliertȱderȱMitȬ arbeiterȱseinȱGesichtȱundȱfühltȱsichȱpersönlichȱgekränkt.ȱDieȱFolgeȱkannȱeineȱlangfrisȬ tigeȱDemotivationȱbisȱzuȱeinerȱsogenanntenȱ „innerenȱKündigung“ȱsein.ȱEineȱpositiveȱ Äußerungȱ kannȱ sowohlȱ inȱ derȱ Öffentlichkeitȱ alsȱ auchȱ unterȱ vierȱ Augenȱ stattfinden.ȱ FürȱdenȱbetroffenenȱMitarbeiterȱbedeutetȱdasȱLobȱinȱAnwesenheitȱDritterȱeineȱbesonȬ dereȱAnerkennungȱseinerȱLeistung,ȱdieȱvonȱanderenȱwahrgenommenȱwird,ȱderȱFaktorȱ Achtungȱ durchȱ andereȱ wirdȱ dadurchȱ aktiviert.ȱ Fürȱ dieȱ anderenȱAnwesendenȱ könnteȱ diesȱ heißen,ȱ sieȱ wurdenȱ nichtȱ gelobt,ȱ ihnenȱ wurdeȱ dasȱ Lobȱ entzogen.ȱ Dasȱ entzogeneȱ LobȱistȱdamitȱeineȱArtȱ„weicherȱBestrafung“.ȱDeswegenȱsollteȱdieȱEntscheidungȱüberȱ dieȱgeeignetenȱUmständeȱeinerȱpositivenȱÄußerungȱvonȱdemȱManagerȱinȱjedemȱEinȬ zelfallȱexemplarischȱgetroffenȱwerden.ȱ Zusammenfassendȱkannȱmanȱsagen,ȱdassȱdieȱpraktischeȱMotivationȱvorȱallemȱindiviȬ duellȱausgerichtetȱundȱgenausoȱwieȱandereȱFührungsaufgabenȱalsȱKunstȱzuȱbetrachtenȱ ist:ȱ aufgrundȱ vonȱ Kenntnissenȱ verschiedenerȱ Motivationstheorienȱ undȱ –methodenȱ suchtȱjederȱFührendeȱfürȱihnȱgeeigneteȱMotivationsinstrumente,ȱdieȱerȱkreativȱundȱvonȱ MenschenȱundȱSituationenȱabhängigȱanwendet.ȱȱ

8.6

Abschaffen der Demotivation, Identifikation und Personalentwicklung

Ganzheitlicheȱ Motivationȱ setztȱ voraus,ȱ dassȱ nebenȱ gezieltemȱ Schaffenȱ vonȱ MotivatiȬ onsanreizenȱ (klassischeȱ Motivation,ȱ dieȱ individuellȱ ausgerichtetȱ werdenȱ soll),ȱ wieȱ sieȱ imȱ vorigenȱ Kapitelnȱ ausführlichȱ diskutiertȱ wurden,ȱ andereȱ Maßnahmenȱ geplantȱ undȱ konsequentȱ durchgeführtȱ werden:ȱ Maßnahmenȱ gegenȱ Demotivation,ȱ Förderungȱ derȱ Identifikationȱ undȱ individuellȱ abgestimmteȱ Personalentwicklung.ȱ Nurȱ diesesȱ Systemȱ alsȱGanzeȱmachtȱMenschenȱzumȱHumankapitalȱeinesȱUnternehmens,ȱträgtȱzurȱEntfalȬ tungȱvonȱFähigkeitenȱundȱKompetenzenȱjedesȱMitarbeitersȱundȱderenȱEinsatzȱimȱInteȬ resseȱdesȱUnternehmensȱbei.ȱȱ ȱ

8.6.1

Demotivation: Ursachen und Gegenmaßnahmen

VieleȱMotivationsforscherȱweisenȱaufȱdieȱWichtigkeitȱdesȱFaktorsȱ„Demotivation“ȱfürȱ dieȱ moderneȱ Unternehmenspraxisȱ hin.ȱ Soȱ behauptenȱ R.ȱ Wundererȱ undȱ W.ȱ Küpers:ȱ „Dieȱ meistenȱ Führungskräfteȱ undȱ Mitarbeiterȱ sindȱ bereitsȱ intrinsischȱ motiviertȱ undȱ bedürfenȱ daherȱ keinerȱ Förderungȱ durchȱ weitereȱ Motivierung.ȱ Beiȱ ihnenȱ kommtȱ esȱ

113ȱ

8.6

8

Motivation

vielmehrȱaufȱdieȱVermeidungȱundȱdenȱAbbauȱvonȱdemotivierendenȱEinflüssenȱan.“139ȱ NachȱMeinungȱvonȱL.ȱvonȱRosenstielȱsetzenȱMenschenȱsichȱselbstȱZieleȱundȱhandelnȱ aktiv,ȱdeswegenȱ„giltȱesȱzumȱeinen,ȱdieȱdabeiȱauftretendenȱBarrierenȱzuȱbeseitigenȱundȱ soȱdieȱDemotivationȱdesȱanȱsichȱengagiertenȱMenschenȱzuȱverhindern.“140ȱȱ Unterȱ Demotivationȱ wirdȱ eineȱ Einschränkung,ȱ Blockierungȱ oderȱ derȱ Verlustȱ desȱ LeistungsverhaltensȱdurchȱMotivationsbarrierenȱverstanden.141ȱȱ Dabeiȱ istȱ Demotivationȱ keineȱ einfacheȱ Umkehrungȱ vonȱ Motivation.ȱ Unabhängigȱ vonȱ motivierendenȱMaßnahmenȱkannȱDemotivationȱvorhandenȱoderȱnichtȱvorhandenȱsein,ȱ ähnlichȱ wieȱ Hygienefaktorenȱ nachȱ Herzbergȱ unabhängigȱ vonȱ Motivatorenȱ existierenȱ können.ȱImȱgroßenȱTeilȱstimmenȱdieȱDemotivatorenȱmitȱdenȱHygienefaktorenȱüberein.ȱ DemotivationȱbewirktȱinȱderȱPraxisȱEnttäuschungserfahrungenȱoderȱgesteigerteȱBelasȬ tungen,ȱbesondersȱbeiȱhohenȱMotivationspotenzialen.ȱFolgeȱistȱnichtȱnurȱeineȱniedrigeȬ reȱ Produktivität,ȱ sondernȱ auchȱ dieȱ Unzufriedenheit,ȱ etwasȱ Wichtigesȱ undȱ Möglichesȱ wegenȱfehlendenȱBedingungenȱnichtȱgetanȱzuȱhaben.ȱ DieȱAnzeichenȱ derȱ Demotivationȱ könnenȱ vonȱAußenstehendenȱ wahrgenommenȱ werȬ den.ȱZumȱBeispiel,ȱdieȱArtȱundȱWeise,ȱwieȱMitarbeiterȱüberȱihreȱKollegen,ȱVorgesetzȬ tenȱoderȱdasȱUnternehmenȱalsȱganzesȱsprechenȱ(Spott,ȱVerachtung,ȱPessimismusȱetc.)ȱ AuchȱstatistischeȱZahlenȱwieȱFehlzeitenȱundȱFluktuationȱkönnenȱZeichenȱeinerȱallgeȬ meinenȱDemotivationȱsein.ȱ DemotivationȱhatȱschwerwiegendeȱFolgenȱfürȱalleȱBeteiligten.ȱAlsȱFolgenȱfürȱdenȱEinȬ zelnenȱkönnenȱkognitiveȱundȱemotionaleȱEffekteȱwieȱLeistungsschwankungen,ȱUnzuȬ friedenheit,ȱ Ängsteȱ oderȱ Ärgerȱ auftreten.ȱ Inȱ Extremfällenȱ kannȱ esȱ zuȱ einerȱ „innerenȱ Kündigung“ȱ undȱ Depressionenȱ kommen.ȱ Auchȱ zwischenmenschlicheȱ Beziehungenȱ leidenȱunterȱDemotivation:ȱIntoleranz,ȱKonflikteȱundȱMisstrauenȱbreitenȱsichȱaus.ȱFürȱ UnternehmenȱalsȱGanzesȱsindȱIneffizienz,ȱFehlzeitenȱsowieȱquantitativeȱundȱqualitatiȬ veȱLeistungsverschlechterungȱdieȱFolge.ȱȱ Wundererȱ undȱ Küpersȱ unterscheidenȱ zwischenȱ dreiȱ Einflussfeldernȱ derȱ DemotivatiȬ on:142ȱ

„ demotiviertesȱ Verhaltenȱ durchȱ Nichtkönnen:ȱ fehlendeȱ Ressourcenȱ undȱ unzureiȬ chendeȱQualifikationenȱeinerȱPerson,ȱȱ

„ demotiviertesȱ Verhaltenȱ durchȱ Nichtwollen:ȱ Mangelȱ anȱ Einsatzbereitschaftȱ undȱ Commitment,ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 139ȱ Wunderer,ȱR.;ȱKüpers,ȱW.ȱDemotivationȱ–ȱRemotivation,ȱS.ȱ1.ȱ 140ȱ VonȱRosenstiel,ȱL.ȱMotivationȱmanagen,ȱS.ȱ17.ȱ 141ȱ Vgl.ȱWunderer,ȱR.;ȱKüpers,ȱW.ȱDemotivationȱ–ȱRemotivation,ȱS.ȱ10.ȱ 142ȱ Ebd.,ȱS.ȱ13.ȱ

114ȱ

Abschaffen der Demotivation, Identifikation und Personalentwicklung

„ sozialesȱNichtdürfenȱoderȱNichtsollen:ȱungünstigeȱArbeitsȬȱundȱOrganisationsgesȬ taltungȱ aufȱ interpersonellerȱ oderȱ strukturellerȱ Ebene,ȱ demotivierendeȱ UnternehȬ menskultur.ȱ Wieȱ dieseȱ Auflistungȱ zeigt,ȱ hängenȱ dieȱ Ursachenȱ derȱ Demotivationȱ vorȱ allemȱ mitȱ SchwächenȱderȱMotivationȱzusammen:ȱfürȱdieȱfehlendenȱRessourcenȱundȱQualifikatiȬ onenȱsindȱlautȱdenȱProzesstheorienȱvonȱPorter/Lawler,ȱLockeȱundȱBerthelȱdieȱManagerȱ zuständig,ȱdieȱdieȱBedingungenȱfürȱdasȱErbringenȱvonȱLeistungȱgewährleistenȱsollen.ȱ AuchȱeineȱfehlendeȱZielformulierungȱoderȱfehlendeȱPartizipationȱbeiȱderȱZielsetzungȱ könnenȱ–ȱwieȱbereitsȱdiskutiertȱwurdeȱ–ȱzuȱDemotivationȱführen.ȱEinȱweiteresȱProblemȱ bildenȱ dieȱ Organisationsgestaltungȱ undȱ dieȱ Unternehmenskultur,ȱ dieȱ eineȱ entscheiȬ dendeȱ Bedeutungȱ fürȱ dieȱ Demotivationȱ haben.ȱAufȱ dieseȱAspekteȱ wirdȱ inȱ Kapitelȱ 13ȱ Unternehmenskulturȱeingegangen.ȱ Wundererȱ undȱ Küpersȱ habenȱ 2000/2001ȱ eineȱ repräsentativeȱ empirischeȱ Studieȱ vonȱ Motivationsbarrierenȱ mitȱ mehrȱ alsȱ 250ȱ Führungskräftenȱ ausȱ Deutschland,ȱ Schweizȱ undȱ Österreichȱ durchgeführt.ȱ Alsȱ Motivationsbarrierenȱ habenȱ sieȱ individuelle,ȱ zwiȬ schenmenschlicheȱsowieȱorganisationaleȱHemmfaktorenȱdefiniert,ȱwelcheȱdieȱLeistungȱ undȱdasȱEngagementȱvonȱMitarbeiternȱeinschränken.ȱEinigeȱErgebnisseȱdieserȱStudieȱȬȱ dieȱwichtigstenȱpotenziellenȱMotivationsbarrierenȱ–ȱkönnenȱbeiȱderȱAbschaffungȱ vonȱ undȱdemȱVorbeugenȱvorȱDemotivationȱinȱUnternehmenȱbehilflichȱsein.143ȱȱ

Tabelleȱ19:ȱ ȱPotenzielleȱMotivationsbarrierenȱ(Auszug)ȱnachȱWunderer/Küpersȱ Rang

Potenzielle Motivationsbarrieren

Nennungen in Prozent

1

Arbeitsinhalt

42,9

2a

Verhältnis zum direkten Vorgesetzten

19,2

2b

Verhältnis zu Teamkollegen

19,2

2c

Einflüsse auf das persönliche Leben

19,2

3a

Anerkennung

16,7

3b

Organisationskultur

16,7

4

Identifikation - Motivation

15,4

5

Perspektiven

14,6

6

Verantwortung

11,3

7

Unternehmenspersonalpolitik

7,1

ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 143ȱ Wunderer,ȱR.;ȱKüpers,ȱW.ȱDemotivationȱ–ȱRemotivation,ȱS.ȱ22Ȭ24.ȱ

115ȱ

8.6

8

Motivation

Mitȱ großemȱ Abstandȱ wurdeȱ Arbeitsinhaltȱ alsȱ potentiellerȱ Demotivationsfaktorȱ geȬ nannt.ȱ Dasȱ betontȱ dieȱ wichtigeȱ Rolleȱ derȱ intrinsischenȱ Motivationȱ sowieȱ derȱ BeteiliȬ gungȱderȱMitarbeiterȱanȱderȱZielsetzungȱfürȱdieȱerfolgreicheȱMotivation.ȱDieȱweiterenȱ Ursachenȱ hängenȱ mitȱ persönlichenȱ Beziehungenȱ zusammenȱ undȱ demonstrierenȱ dieȱ Wichtigkeitȱ desȱ Zugehörigkeitsbedürfnissesȱ inȱ derȱ modernenȱ Unternehmenspraxis.ȱ Einȱ wesentlicherȱ Teilȱ derȱ Befragtenȱ hatȱ Anerkennungȱ undȱ Unternehmenskulturȱ alsȱ Einflussfaktorenȱ genannt,ȱ sowieȱ Identifikation,ȱ Perspektiven,ȱ Verantwortungȱ undȱ Personalpolitik.ȱ MaßnahmenȱzurȱAbschaffungȱundȱzumȱVorbeugenȱvonȱDemotivationȱsolltenȱ–ȱbasieȬ rendȱaufȱdiesenȱstatistischenȱErgebnissenȱ–ȱzweiȱArbeitsbereicheȱumfassen:ȱindividuelȬ leȱMotivationȱundȱFührungȱsowieȱGestaltungȱderȱOrganisationȱundȱUnternehmenskulȬ tur.ȱ EinigeȱpraktischeȱMaßnahmenȱ–ȱsieheȱfolgendeȱTabelleȱ–ȱwurdenȱinȱvorigenȱKapitelnȱ erläutert,ȱweitereȱ(IdentifikationȱundȱPersonalentwicklung)ȱwerdenȱinȱdiesemȱKapitelȱ undȱ andereȱ (Unternehmenskultur,ȱ Kommunikation,ȱ Vertrauenȱ undȱ ZielvereinbaȬ rungssystem)ȱ–ȱinȱweiterȱfolgendenȱKapitelnȱdiskutiert.ȱ

Tabelleȱ20:ȱ ȱMaßnahmenȱgegenȱDemotivationȱ Durch individuelle Motivation und Führung

Durch Gestaltung der Organisation und Unternehmenskultur

Arbeitsaufgaben und Ziele an individuelle Bedürfnisse und Kompetenzen der Mitarbeiter ausrichten;

Offenheit und Kommunikation in Unternehmen fördern;

Mitarbeiter an der Zielsetzung und Entscheidungsfindung beteiligen; Offene Atmosphäre und Kommunikation zwischen Managern und Mitarbeitern fördern; Teamarbeit und Vertrauen in Gruppen unterstützen; Feedback und Anerkennung leisten; Für Identifikation mit der Aufgabe und mit dem Unternehmen sorgen; Mehr Eigenverantwortung und Freiräume gewähren.

ȱ

116ȱ

Kooperatives Verhalten unterstützen; Identifikationspolitik konsequent verfolgen; Vertrauen und Angstfreiheit fördern; Zielvereinbarungssystem in Gegenstromverfahren einführen; Personalentwicklung, Weiterbildungs- und Schulungsaktivitäten individuell gestalten.

Abschaffen der Demotivation, Identifikation und Personalentwicklung

8.6.2

Identifikation und ihre Förderung

ZuȱdemȱKonzeptȱderȱganzheitlichenȱMotivationȱgehörtȱdieȱFörderungȱderȱIdentifikatiȬ on.ȱ Menschenȱ suchenȱ alsȱ LebensȬȱ undȱ Berufsperspektivenȱ nachȱ sinnvollenȱArbeitsinȬ halten,ȱȬbeziehungenȱundȱȬergebnissen,ȱmitȱdenenȱsieȱsichȱidentifizierenȱkönnen.ȱDasȱ Strebenȱ nachȱ Selbstverwirklichungȱ wirdȱ inȱ modernenȱ Gesellschaftenȱ immerȱ stärker.ȱ Entsprechendȱ intensiverȱ istȱ derȱ Wunsch,ȱ inȱ Arbeitȱ undȱ Berufȱ attraktiveȱ Werte,ȱ Zieleȱ undȱBeziehungenȱzuȱfinden,ȱmitȱdenenȱmanȱsichȱidentifiziert.ȱ IdentifikationȱistȱdieȱindividuelleȱBereitschaft,ȱzuȱPersonenȱundȱGegebenheitenȱinȱ UnternehmenȱundȱamȱArbeitsplatzȱeineȱinnereȱBindungȱaufzubauen.ȱȱ BeiȱderȱIdentifikationȱfindetȱeineȱfreiwilligeȱÜbertragungȱvonȱWertenȱundȱZielenȱeinerȱ Gruppeȱ oderȱ einerȱ Organisationȱ aufȱ dasȱ eigeneȱ Verhaltenȱ statt.ȱ Dieseȱ Übertragungȱ kannȱ sichȱ entwederȱ aufȱ Objekteȱ wieȱArbeitsplatz,ȱAufgabeȱ bzw.ȱ Projektȱ oderȱ aufȱ dieȱ Beziehungenȱ zuȱ Kollegenȱ oderȱ Vorgesetztenȱ richten.ȱ Deswegenȱ sprichtȱ manȱ vonȱ derȱ IdentifikationȱmitȱeinemȱUnternehmen,ȱeinerȱArbeitsgruppeȱ(einemȱTeam)ȱoderȱeinerȱ Aufgabeȱbzw.ȱmitȱdenȱZielen.ȱ R.ȱWundererȱunterscheidetȱzwischenȱklassischenȱundȱmodernenȱidentifikationspolitiȬ schenȱStrategien.144ȱKlassischeȱStrategienȱzielenȱprimärȱaufȱdieȱLoyalitätȱundȱIdentifiȬ kationȱ mitȱ demȱ Unternehmenȱ alsȱ Ganzes.ȱ Dabeiȱ stehenȱ dieȱ negativenȱ Folgenȱ manȬ gelnderȱ Identifikationȱ wieȱ Fluktuationȱ undȱ Absentismusȱ imȱ Mittelpunkt.ȱ Moderneȱ Mitarbeiterführungȱ hatȱallerdingsȱvorȱallemȱmitȱProblemenȱwieȱmangelndesȱEngageȬ mentȱ undȱ „innereȱ Kündigung“ȱ zuȱ kämpfen,ȱ dieȱ inȱ denȱ klassischenȱ Strategienȱ kaumȱ berücksichtigtȱ werden.ȱ Deswegenȱ sindȱ neueȱ Strategienȱ derȱ Identifikationȱ notwendig,ȱ dieȱ aufȱ derȱAnnahmeȱ basieren,ȱ dassȱ eineȱ Identifikationȱ mitȱ demȱ Unternehmenȱ alleinȱ fürȱ dieȱ Einbindungȱ undȱ dasȱ Engagementȱ nichtȱ ausreichen.ȱ „Mitarbeiterȱ könnenȱ z.B.ȱ durchȱIdentifikationȱmitȱZielenȱundȱAufgaben,ȱmitȱihrerȱArbeitsgruppeȱoderȱmitȱKunȬ denȱ sehrȱ leistungsbereitȱ undȱ effizientȱ sein,ȱ ohneȱ sichȱ demȱ Unternehmenȱ „mitȱ Hautȱ undȱ Haaren“ȱ zuȱ verschreiben.ȱ Vielmehrȱ giltȱ es,ȱ sichȱ selbstȱ undȱ demȱ Unternehmenȱ verbundenȱzuȱbleiben.“145ȱ Eineȱ langfristigeȱ Identifikationȱ bedarfȱ einerȱ konsequentenȱArbeitȱ undȱ Förderung,ȱ daȱ dieȱ Identifikationȱ vonȱ demȱ gesamtenȱ Organisationskontextȱ abhängigȱ istȱ undȱ durchȱ negativeȱ Einflusseȱ geschwächtȱ oderȱ sogarȱ abgebautȱ werdenȱ kann.ȱ Zuȱ denȱ zentralenȱ AufgabenȱderȱIdentifikationsförderungȱzählen:146ȱ

„ Identifikationsorientierteȱ Auswahlȱ vonȱ Mitarbeiternȱ –ȱ esȱ istȱ wichtigȱ daraufȱ zuȱ achten,ȱinwieweitȱdieȱAufgabenȱundȱArbeitsbedingungenȱ mitȱderenȱIdentitätsdisȬ positionenȱübereinstimmen.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 144ȱ Vgl.ȱWunderer,ȱR.ȱFührungȱundȱZusammenarbeit,ȱS.ȱ109Ȭ110.ȱ 145ȱ Ebd.,ȱS.ȱ110.ȱ 146ȱ InȱAnlehnungȱanȱWunderer,ȱR.ȱFührungȱundȱZusammenarbeit,ȱS.ȱ107Ȭ108.ȱ

117ȱ

8.6

8

Motivation

„ Einbindungȱ derȱ Mitarbeiterȱ inȱ dasȱ unternehmerischeȱ Geschehenȱ –ȱ eineȱ möglichstȱ breiteȱAbstimmungȱderȱUnternehmensstrategieȱundȱȬzieleȱȱmitȱdenȱMitarbeitern.ȱ

„ Optimaleȱ Gestaltungȱ derȱ Arbeitȱ –ȱ abwechselungsreiche,ȱ herausforderndeȱ undȱ verantwortungsvolleȱAufgaben,ȱdieȱdenȱKompetenzenȱundȱNeigungenȱderȱMitarȬ beiterȱentsprechen.ȱ

„ Identifikationsförderndeȱ Führungȱ –ȱ Förderungȱ vonȱ Selbstständigkeit,ȱ EigenverȬ antwortung,ȱFreiräumen,ȱEmpowerment.ȱ

„ Unterstützungȱ derȱ Gruppenarbeitȱ undȱ Kooperationsbereitschaftȱ inȱ undȱ zwischenȱ AbteilungenȱdesȱUnternehmens.ȱȱ

„ Konkreteȱ Identifikationsmaßnahmenȱ fürȱ einzelneȱ Zielgruppenȱ –ȱ Konzepteȱ fürȱ Lehrlinge,ȱSeminareȱfürȱFührungskräfte,ȱWorkshopsȱfürȱdieȱFörderungȱderȱTeamȬ arbeitȱetc.ȱ

„ ȱRegelmäßigesȱIdentifikationscontrollingȱ–ȱÜberprüfungȱderȱIdentifikationȱ(speziellȱ Identifikationsstandȱ undȱ Ȭprobleme)ȱ mithilfeȱ vonȱ Mitarbeitergesprächenȱ undȱ ȬbefragungenȱundȱErgreifenȱentsprechenderȱMaßnahmen.ȱ

„ KontinuierlicheȱGestaltungȱundȱPflegeȱderȱUnternehmenskultur.ȱȱ Identifikationȱ bildetȱ dieȱ Grundlageȱ einerȱ wertȬȱ undȱ zielorientiertenȱ Selbststeuerungȱ undȱSelbstmotivationȱvonȱMitarbeiternȱ(intrinsischeȱMotivation)ȱundȱstelltȱfernerȱeineȱ Voraussetzungȱ fürȱ dieȱ extrinsischeȱ Motivationȱ durchȱ Führung.ȱ Identifikationȱ istȱ soȬ wohlȱfürȱFührungskräfteȱalsȱauchȱfürȱMitarbeiterȱvonȱBedeutung.ȱWerȱsichȱmitȱseinerȱ Tätigkeitȱidentifiziert,ȱkannȱsichȱselbstȱundȱandereȱbesserȱmotivieren.ȱPraktischeȱMotiȬ vationsanreizeȱ solltenȱ imȱ Kontextȱ vonȱ Identifikationsorientierungenȱ desȱ UnternehȬ mensȱstattfinden.ȱBeiȱeinerȱmangelndenȱIdentifikationȱentstehenȱwesentlicheȱMotivatiȬ onsȬȱundȱLeistungsdefizite.ȱȱ Ausȱ Fallstudienȱ habenȱ Wundererȱ undȱ Küpersȱ folgendeȱ Ursachenȱ fürȱ eineȱ fehlendeȱ oderȱgestörteȱIdentifikationȱabgeleitet:147ȱ

„ DieȱinȱLeitbildernȱpropagierteȱUnternehmenskulturȱwirdȱnichtȱgelebt.ȱ „ InȱderȱArbeitssituationȱverstehenȱsichȱMitarbeiterȱnurȱalsȱ „Rädchenȱimȱ Getriebe“.ȱ AufgabenȱwerdenȱohneȱHerausforderungȱundȱSinnȱerlebt.ȱ

„ DerȱFührungsȬȱundȱKooperationsstilȱdesȱVorgesetztenȱistȱwenigȱmotivierend,ȱlässtȱ wenigȱSelbstorganisationȱzuȱoderȱvernachlässigtȱTeamentwicklung.ȱȱ

„ Inȱ derȱ Führungssituationȱ fehlenȱ Vorbilderȱ sowieȱ gezielteȱ mitarbeiterorientierteȱ EinsatzȬȱundȱFörderungsmaßnahmen.ȱ

„ WenigȱentwicklungsorientierteȱFührung.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 147ȱ ZitiertȱnachȱWunderer,ȱR.;ȱKüpers,ȱW.ȱDemotivationȱ–ȱRemotivation,ȱS.ȱ314.ȱ

118ȱ

Abschaffen der Demotivation, Identifikation und Personalentwicklung

„ Entfremdendeȱ(z.B.ȱreinȱfinanzȬȱoderȱanreizorientierte)ȱUnternehmensȬȱundȱPersoȬ nalpolitik.ȱ Imȱ Falleȱ solcherȱ Identifikationsdefiziteȱ inȱ einemȱ Unternehmenȱ eignenȱ sichȱ folgendeȱ praktischenȱInstrumenteȱundȱMaßnahmen:148ȱ Tabelleȱ21:ȱ InstrumenteȱundȱMaßnahmenȱderȱIdentifikationsförderungȱ Aufgabenfeld

Instrumente und Maßnahmen

Arbeits- und Aufgabengestaltung

Interessante, sinn- und verantwortungsvolle Aufgaben Transparenz der Einzelleistungen Entscheidungsbeteiligung und Delegation Klare Zielformulierungen Freiräume und Eigenverantwortung schaffen Selbstachtung und Identität unterstützen Leistungsbedingungen (Kompetenzen, Ressourcen) bereitstellen

Personal- und Führungskräfteentwicklung

Individuell: eigenständige Lernprozesse anbieten Personaleinsatz nach persönlicher Eignung und Neigung sowie zugeschnittene Karrierewege anstreben In Arbeitsgruppen: Freiräume und kooperative Selbstkoordination und Teamentwicklung fördern Management – Development - Programme für Führungsnachwuchs entwickeln

Anreizpolitik

Gerechte Anerkennung von Leitungen Individuelle Ausrichtung der Motivationsmaßnahmen

Personal- und Führungspolitik und grundsätze

Mitarbeiter als Mitunternehmer sehen, auswählen, fördern und führen Vorbildfunktion der Manager Förderung von Qualifikation und Zufriedenheit der Mitarbeiter Teambildung und -unterstützung

Interne und externe Kommunikation

Probleme der Identifikation anerkennen und offen diskutieren Erfolge der Identifikation bekannt machen Für Transparenz und Abstimmung der Leistung sorgen

Unternehmenskultur

Identifikation ausdrücklich in die Unternehmenskultur und das Leitbild aufnehmen Identifizierende Leitbilder leben Strategische Zielsetzungen zur Identifikation konsequent verfolgen

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 148ȱ InȱAnlehnungȱanȱWunderer,ȱR.;ȱKüpers,ȱW.ȱDemotivationȱ–ȱRemotivation.ȱS.ȱ317Ȭ318.ȱ

119ȱ

8.6

8

Motivation

8.6.3

Personalentwicklung als Motivationsaufgabe

Bisȱ jetztȱ wurdenȱ dreiȱ Seitenȱ erfolgreicherȱ HumanȬRessourceȬMotivationȱ erläutert:ȱ individuellȱ ausgerichteteȱAnreizmotivation,ȱAbschaffenȱ undȱ Vorbeugenȱ vonȱ DemotiȬ vationȱundȱFörderungȱderȱIdentifikation.ȱOhneȱdieȱvierteȱSeiteȱ–ȱPersonalentwicklungȱ –ȱ wäreȱ dieseȱ Systemdarstellungȱ nichtȱ vollständig.ȱ Einȱ Unternehmenȱ istȱ einȱ offenesȱ dynamischesȱSystem,ȱdasȱsichȱstetigȱweiterȱentwickeltȱundȱverändert.ȱDieseȱEntwickȬ lungȱdesȱUnternehmensȱistȱnurȱmitȱundȱdankȱderȱEntwicklungȱseinerȱMitarbeiterȱmögȬ lich.ȱ Einȱ Unternehmenȱ hatȱ nichtȱ nurȱ dasȱ Ziel,ȱ dieȱ Mitarbeiterȱ zuȱ mehrȱ undȱ bessererȱ LeisȬ tungȱzuȱmotivieren,ȱsondernȱvielȱmehrȱsieȱzurȱEntwicklung,ȱWeiterbildung,ȱEntfaltungȱ ihrerȱFähigkeitenȱundȱSelbstverwirklichungȱanzuregen.ȱAlsȱlangfristigeȱKonsequenzenȱ dieserȱMitarbeiterentwicklungȱkönnenȱdieȱVeränderungsȬȱundȱLernprozesseȱinȱUnterȬ nehmenȱangesehenȱwerden.ȱAlsȱdirekteȱFolgeȱergibtȱsichȱeineȱpositiveȱEntwicklungȱinȱ RichtungȱintrinsischerȱMotivation,ȱdieȱausȱdenȱMöglichkeitenȱzuȱLernenȱundȱderȱQuaȬ lifizierungȱ resultiert.ȱ L.ȱ vonȱ Rosenstielȱ formuliertȱ esȱ so:ȱ “Bedenktȱ man,ȱ dassȱ jederȱ inȱ derȱRegelȱdasȱgerneȱtut,ȱwasȱerȱgutȱzuȱleistenȱinȱderȱLageȱist,ȱsoȱlässtȱsichȱdarausȱableiȬ ten,ȱdassȱjedeȱQualifikationȱihreȱeigeneȱMotivationȱist.ȱWerȱzumȱBeispielȱzunächstȱvorȱ selbstständigerȱ Arbeitȱ zurückschreckt,ȱ kannȱ dadurch,ȱ dassȱ derȱ Vorgesetzteȱ ihnȱ beiȱ kleinerenȱ selbstständigenȱ Projektenȱ vonȱ einemȱ Erfolgserlebnisȱ zumȱ nächstenȱ führt,ȱ FreudeȱanȱderȱSelbstständigkeitȱgewinnen.“149ȱȱ Esȱerscheintȱangebracht,ȱdenȱBegriffȱ„Personalentwicklung“ȱzuȱüberdenkenȱundȱanȱdieȱ Anforderungenȱ derȱ Wissensgesellschaftȱ anzupassen.ȱ Dieȱ traditionelleȱ Definitionȱ derȱ Personalentwicklungȱalsȱ„InbegriffȱallerȱMaßnahmenȱzurȱErhaltungȱundȱVerbesserungȱ derȱQualifikationȱvonȱMitarbeitern“150ȱbetrachtetȱeinenȱMitarbeiterȱalsȱ„zuȱentwickelnȬ desȱObjekt“ȱundȱistȱzuȱeng,ȱumȱdieȱWichtigkeitȱderȱSelbstentfaltungȱundȱȬentwicklungȱ jedesȱeinzelnenȱIndividuumsȱimȱUnternehmenȱhervorzuheben.ȱȱ ManȱsollteȱPersonalentwicklungȱaufȱdieȱPotenzialȬȱundȱTalentförderungȱderȱMitarbeiȬ terȱausrichten,ȱwasȱeherȱderȱDefinitionȱvonȱR.ȱWundererȱentspricht:ȱ„PersonalentwickȬ lungȱ umfasstȱ Konzepte,ȱ Instrumenteȱ undȱ Maßnahmenȱ derȱ Bildung,ȱ Steuerungȱ undȱ FörderungȱvonȱMitarbeitern,ȱdieȱzielorientiertȱgeplant,ȱrealisiertȱundȱevaluiertȱwerden.ȱ SieȱsollȱunternehmerischeȱZieleȱ(wirtschaftlicheȱEffizienz)ȱsowieȱindividuelleȱEntwickȬ lungszieleȱvonȱMitarbeiternȱ(personaleȱQualifizierungȱbzw.ȱVermeidungȱvonȱ„DequaȬ lifizierung“ȱundȱsozialeȱEffizienz)ȱfördern.“151ȱ InȱdieserȱFormulierungȱwirdȱdieȱRolleȱderȱPersonalentwicklungȱüberȱdieȱreineȱQualifiȬ zierungȱhinausȱausgedehnt,ȱauchȱdieȱFörderungȱvonȱMitarbeiternȱundȱihrerȱindividuȬ ellenȱ Entwicklungszieleȱ findenȱ ihrenȱ Platzȱ unterȱ denȱAufgabenȱ derȱ PersonalentwickȬ lung.ȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 149ȱ VonȱRosenstiel,ȱL.ȱMotivationȱmanagen,ȱS.ȱ18.ȱ 150ȱ Rahn,ȱHȬȱJ.ȱUnternehmensführung,ȱS.ȱ145.ȱ 151ȱ Wunderer,ȱR.;ȱKüpers,ȱW.ȱDemotivationȱ–ȱRemotivation,ȱS.ȱ385.ȱ

120ȱ

Abschaffen der Demotivation, Identifikation und Personalentwicklung

Allerdingsȱ sollteȱ moderneȱ Personalentwicklungȱ nochȱ weiterȱ gehenȱ undȱ durchȱ eineȱ konstruktiveȱSichtȱergänztȱwerden.ȱSowohlȱbeiȱRahnȱalsȱauchȱbeiȱWundererȱstehtȱdieȱ Qualifizierungȱ derȱ Mitarbeiterȱ imȱ Mittelpunkt,ȱ wasȱ imȱ Endeffektȱ bedeutet,ȱ esȱ wirdȱ angestrebt,ȱ Menschenȱ inȱ Unternehmenȱ „zurechtzuschneiden“ȱ undȱ anȱ dieȱ vorhandeȬ nenȱStellenȱanzupassen.ȱAusȱderȱkonstruktivenȱPerspektiveȱbedeutetȱPersonalentwickȬ lungȱeineȱPersönlichkeitsentwicklung,ȱeineȱfreiwilligeȱEntfaltungȱjedesȱIndividuumsȱ gemäßȱ seinenȱ Fähigkeiten,ȱ Neigungenȱ undȱ Zielen,ȱ dieȱ demȱ ganzenȱ Unternehmenȱ zuguteȱkommt,ȱweilȱdieȱindividuellenȱKompetenzenȱamȱeffizientestenȱeingesetztȱwerȬ den.ȱDasȱistȱunterȱderȱBedingungȱmöglich,ȱdassȱdieseȱpersönlicheȱEntwicklungȱparallelȱ zuȱ undȱ abgestimmtȱ mitȱ derȱ Unternehmensentwicklungȱ stattfindet.ȱ Alsȱ Ideallösungȱ kannȱ manȱ sichȱ vorstellen,ȱ dassȱ nichtȱ Menschenȱ anȱ Stellen,ȱ sondernȱArbeitsstellenȱ anȱ Individuenȱangepasstȱwerden.ȱDieȱpositivenȱErgebnisseȱeinerȱsolchenȱUmstellungȱsindȱ offensichtlich:ȱ dieȱ intrinsischeȱ Motivationȱ undȱ Identifikationȱ mitȱ derȱ Aufgabeȱ undȱ demȱUnternehmenȱsindȱunterȱdiesenȱBedingungenȱenormȱhoch.ȱȱ Dasȱ Umdenkenȱ inȱ dieseȱ Richtungȱ hatȱ bereitsȱ begonnen:ȱ moderneȱ innovativeȱ UnterȬ nehmenȱ fördernȱ Kreativitätȱ undȱ nichttraditionellesȱ Denkenȱ ihrerȱ Mitarbeiter,ȱ gebenȱ ihnenȱ Freiräumeȱ fürȱ Entfaltungȱ vonȱ Initiative,ȱ erweiternȱ ihreȱ Kompetenzenȱ entspreȬ chendȱ denȱ individuellenȱ Fähigkeitenȱ undȱ Zielen.ȱ Dieȱ Einführungȱ vonȱ Softȱ SkillȬSystemen,ȱdieȱdieȱFähigkeitenȱundȱFertigkeitenȱallerȱMitarbeiterȱinȱUnternehmenȱ erfassenȱ sollen,ȱ ermöglichtȱ eineȱ effizienteȱ Nutzungȱ vonȱ vorhandenemȱ Wissenȱ undȱ gleichzeitigȱ eineȱ Weiterentwicklungȱ persönlicherȱ Kompetenzenȱ undȱ Neigungen.ȱ PerȬ sonalentwicklungȱwirdȱinȱdiesenȱUnternehmenȱalsȱPotenzialȱdesȱWachstums,ȱalsȱWisȬ senskapitalȱfürȱdieȱUnternehmenszukunftȱangesehen.ȱȱ AlsȱeinȱpraktischesȱBeispielȱfürȱdieȱneuȱverstandeneȱPersonalentwicklungȱkannȱKomȬ PEtenz³,ȱ einȱ speziellesȱ Instrumentȱ zurȱ Begleitungȱ undȱ Förderungȱ derȱ persönlichenȱ EntwicklungȱderȱMitarbeiterȱbeiȱZurichȱVersicherungȱdienen,ȱdasȱseitȱ2005ȱimȱUnterȬ nehmenȱ eingesetztȱ wird.152ȱ Dasȱ großgeschriebenȱ „PE“ȱ imȱ Namenȱ desȱ Programmsȱ stehtȱausȱSichtȱdesȱUnternehmensȱfürȱ„PersonalEntwicklung“ȱundȱausȱSichtȱdesȱMitȬ arbeitersȱ kurzȬȱ undȱ mittelfristigȱ fürȱ „Persönlicheȱ Entwicklung“ȱ sowieȱ langfristigȱ fürȱ „PersönlichkeitsEntwicklung.“ȱ Durchȱ dieȱ Benutzungȱ derȱ KomPEtenz³ȱ werdenȱ MitarȬ beiterförderungȱ undȱ Weiterbildungȱ optimiert.ȱ Mitȱ höhererȱ Qualitätȱ derȱ PersonalentȬ wicklungȱwirdȱdieȱMitarbeiterȬKompetenzȱzielgerichtetȱgesteigert,ȱdieȱwiederumȱdenȱ Unternehmenswertȱ erhöht.ȱ Mitarbeiterȱ sindȱ zufriedenerȱ undȱ motivierter,ȱ weilȱ dasȱ UnternehmenȱinȱsieȱinvestiertȱundȱsieȱzielgerichtetȱfürȱihreȱAufgabenȱqualifiziert.ȱDieȱ ZurichȱkannȱsoȱzuȱeinemȱattraktivenȱArbeitgeberȱwerdenȱundȱseineȱMitarbeiterȱanȱdasȱ UnternehmenȱundȱseineȱZieleȱbinden.ȱȱ Dasȱ neueȱ Verständnisȱ derȱ Personalentwicklungȱ wurdeȱ vonȱ denȱ Anforderungenȱ derȱ Wissensgesellschaftȱ undȱ neuenȱ gesellschaftlichenȱ Wertenȱ hervorgerufen.ȱ R.ȱ Sprengerȱ prophezeitȱinȱseinemȱBuchȱ„AufstandȱdesȱIndividuums“ȱdenȱEinbruchȱ desȱZeitaltersȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 152ȱ Quelle:ȱ KomPEtenz³ȬLeitfadenȱ undȱ unternehmensinterneȱ Broschürenȱ vonȱ Zurichȱ VersicheȬ

rung.ȱ

121ȱ

8.6

8

Motivation

desȱIndividuumsȱimȱ21.ȱJahrhundert,ȱdennȱdieȱenormeȱKomplexitätȱunsererȱZeitȱkannȱ nurȱdurchȱdasȱIndividuumȱmitȱseinerȱKreativität,ȱSelbstverantwortungȱundȱFlexibilitätȱ bewältigtȱwerden.153ȱSprengerȱvertrittȱdieȱMeinung,ȱdassȱesȱkeineȱschlechtenȱMitarbeiȬ terȱgibt,ȱsondernȱnurȱMitarbeiter,ȱdieȱanȱderȱfalschenȱStelleȱsitzen.ȱ„DieȱHerausfordeȬ rungȱfürȱFührungȱistȱesȱnicht,ȱMenschenȱzuȱperfektionieren,ȱsondernȱihreȱStärkenȱzurȱ Geltungȱkommenȱzuȱlassen.“154ȱGenauȱdieseȱAufgabeȱ–ȱdieȱStärkenȱderȱMitarbeiterȱzurȱ Geltungȱkommenȱzuȱlassenȱ–ȱsollȱPersonalentwicklungȱinȱUnternehmenȱverfolgen.ȱ Entsprechendȱ dieserȱ Visionȱ solltenȱ dieȱ Aufgabenȱ derȱ Personalentwicklungȱ gestaltetȱ werden:ȱ vonȱ dreiȱ traditionellenȱ Säulenȱ derȱ Personalentwicklungȱ „Ausbildung,ȱ FortȬȱ undȱWeiterbildungȱundȱUmschulung“155ȱzurȱindividuellȱausgerichtetenȱPersonalförȬ derung.ȱȱ Eineȱ ausführlicheȱ Diskussionȱ derȱ praktischenȱ Gestaltungȱ einerȱ solchenȱ PersonalentȬ wicklungȱwürdeȱdenȱRahmenȱdiesesȱLehrbuchsȱsprengen,ȱdeshalbȱwirdȱdasȱKonzeptȱ nurȱkurzȱskizziert.ȱȱ DasȱZielȱderȱPersonalentwicklungȱistȱes,ȱdasȱEntwicklungspotenzialȱderȱMitarbeiterȱimȱ Interesseȱ desȱGesamtunternehmensȱ zuȱ nutzen,ȱ umȱ sowohlȱ dieȱ individuellenȱ KompeȬ tenzenȱalsȱauchȱdasȱUnternehmenspotenzialȱzuȱsteigern.ȱFolglichȱsolltenȱaktuelleȱundȱ zukunftsorientierteȱ Entwicklungsfähigkeitenȱ vonȱ Mitarbeiternȱ unterstütztȱ werden.ȱ Dieserȱ Prozessȱ basiertȱ vorȱ allemȱ aufȱ derȱ Kenntnisȱ vonȱ Kompetenzenȱ undȱ Zielenȱ derȱ Menschen.ȱDarausȱresultierenȱderȱersteȱSchritt:ȱdasȱErfassenȱderȱSoftȱSkillsȱallerȱMitarȬ beiterȱundȱeineȱoffeneȱDiskussionȱüberȱindividuelleȱZieleȱundȱAbsichten.ȱȱ Schonȱ dieseȱAnfangsmaßnahmenȱ erfordernȱ inȱ Unternehmenȱ eineȱ vertraulicheȱAtmoȬ sphäreȱ undȱ einenȱ kooperativenȱ Führungsstil,ȱ dieȱ alsȱ Bedingungenȱ fürȱ dieȱ systematiȬ scheȱ Personalförderungȱ betrachtetȱ werdenȱ sollen.ȱ Einemȱ Managerȱ stehtȱ inȱ diesemȱ Prozessȱ eineȱ Coachrolleȱ zu.ȱ Coachingȱ kannȱ alsȱ Formȱ desȱ konstruktivenȱ Lernensȱ verȬ standenȱ werden,ȱ wobeiȱ „Lehrer“ȱ undȱ „Schüler“ȱ nichtȱ einanderȱ gegenüberȱ stehen,ȱ sondernȱgemeinsamȱihreȱWeltȱschaffenȱ(s.ȱKapitelȱ6ȱ„IndividuellesȱLernen“).ȱCoachingȱ hatȱdasȱZiel,ȱProzesseȱderȱSelbststeuerungȱbeiȱdenȱMitarbeiternȱzuȱinitiierenȱundȱentȬ sprichtȱ damitȱ demȱ Sinnȱ derȱ Personalförderungȱ alsȱ freiwilligem,ȱ individuellȱ gestalteȬ temȱ Entwicklungsprozessȱ zumȱ Bestenȱ desȱ Unternehmens.ȱ Nichtȱ dieȱ PersonalabteiȬ lung,ȱdieȱeineȱPersonȱausȱTausendenȱBeschäftigtenȱnurȱalsȱAkteȱNr.ȱXXȱkennt,ȱsondernȱ derȱ Managerȱ alsȱ Coachȱ kannȱ amȱ bestenȱ individuelleȱ Fähigkeiten,ȱ Fertigkeiten,ȱ NeiȬ gungenȱundȱZieleȱeinesȱMitarbeitersȱeinschätzenȱundȱfördern.ȱDamitȱwirdȱdieȱindiviȬ duelleȱ Personalentwicklungȱ zurȱ Führungsaufgabe.ȱ Dieȱ Personalabteilungȱ übernimmtȱ dieȱRolleȱeinesȱinternenȱDienstleistersȱundȱstelltȱbeiȱBedarfȱinterneȱoderȱexterneȱSemiȬ narangeboteȱzurȱVerfügung.ȱȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 153ȱ Vgl.ȱSprenger,ȱR.ȱK.ȱAufstandȱdesȱIndividuums,ȱS.ȱ15.ȱ 154ȱ Ebd.,ȱS.ȱ216.ȱ 155ȱ Vgl.ȱRahn,ȱHȬȱJ.ȱUnternehmensführung,ȱS.ȱ145Ȭ146.ȱ

122ȱ

Abschaffen der Demotivation, Identifikation und Personalentwicklung

Alsȱ Methodenȱ derȱ Weiterbildungȱ könnenȱ traditionelleȱ „offȬtheȬjobȬSeminare“,ȱ „traiȬ ningsȬonȬtheȬjob“ȱoderȱ„trainingsȬparallelȬtoȬtheȬjob“ȱbenutztȱwerden,ȱwobeiȱdieȱMögȬ lichkeitenȱeinerȱkooperativenȱSelbstqualifikationȱinȱGruppenȱauchȱeineȱwichtigeȱRolleȱ spielenȱ (s.ȱ Kapitelȱ 11.7ȱ „Lernenȱ inȱ Gruppen“).ȱAuchȱ dieȱMotivationsȬȱ undȱ FührungsȬ modelleȱwieȱJobȱenrichmentȱoderȱManagementȬbyȬObjektivesȱtragenȱinȱsichȱeineȱentȬ wickelnde,ȱförderndeȱKomponente.ȱDasȱWichtigsteȱbeiȱdiesenȱMaßnahmenȱist,ȱdassȱsieȱ alsȱErgebnisȱeinerȱgemeinsamenȱEntscheidungȱvonȱFührungskräftenȱundȱMitarbeiternȱ zustandeȱ kommen,ȱ beiȱ derȱ Individualitätȱ undȱ persönlicheȱ Zieleȱ desȱ Mitarbeitersȱ inȱ EinklangȱmitȱdenȱlangfristigenȱInteressenȱdesȱUnternehmensȱgebrachtȱwerden.ȱȱ DieseȱkurzeȱSkizzeȱderȱpraktischenȱGestaltungȱeinerȱzukunftorientiertenȱindividuellenȱ PersonalentwicklungȱsollȱvorȱallemȱdieȱentscheidendeȱRolleȱeinesȱIndividuumsȱinȱundȱ fürȱUnternehmenȱverdeutlichen.ȱDieseȱEinstellungȱistȱgleichzeitigȱderȱGrundsteinȱundȱ dasȱZielȱeinerȱganzheitlichenȱMotivation.ȱ ȱ Kontrollfragenȱ 1. BeschreibenȱSieȱdasȱKonzeptȱderȱganzheitlichenȱMotivation.ȱȱ 2. Begründenȱ Sieȱ denȱ Zusammenhangȱ zwischenȱ Zielen,ȱ Motivenȱ undȱ Motivation.ȱ DefinierenȱSieȱaktiviertesȱMotivȱundȱMotivstruktur.ȱȱ 3. Definierenȱ Sieȱ denȱ Begriffȱ Motivation.ȱ Erklärenȱ Sieȱ anhandȱ vonȱ praktischenȱ BeiȬ spielenȱUnterschiedeȱzwischenȱintrinsischerȱundȱextrinsischerȱMotivation.ȱWelcheȱ istȱfürȱSieȱpersönlichȱwirksamer?ȱ 4. ErläuternȱSieȱdenȱBegriffȱundȱdieȱVoraussetzungenȱdesȱFlowȬȱErlebnisses.ȱ 5. WodurchȱunterscheidenȱsichȱInhaltȬUrsacheȬMotivationstheorienȱvonȱdenȱProzessȬ theorien?ȱ 6. Listenȱ Sieȱ bitteȱ menschlicheȱ Bedürfnisseȱ auf.ȱ Erklärenȱ Sie,ȱ warumȱ unsereȱ BedürfȬ nisseȱindividuellȱundȱsubjektivȱsindȱ 7. Erläuternȱ undȱ kritisierenȱ Sieȱ dieȱ Bedürfnistheorieȱ vonȱ A.ȱ Maslowȱ inȱ ihrerȱ statiȬ schenȱ (Pyramide)ȱ undȱ dynamischenȱ Darstellung.ȱ Wieȱ kannȱ dieseȱ Theorieȱ inȱ dieȱ Praxisȱumgesetztȱwerden?ȱ 8. BeschreibenȱSieȱdieȱERGȬTheorieȱvonȱC.ȱAlderferȱalsȱErgänzungȱderȱBedürfnistheoȬ rieȱvonȱMaslow.ȱ 9. ErläuternȱundȱkritisierenȱSieȱdieȱZweiȬFaktorenȬTheorieȱvonȱF.ȱHerzbergȱundȱihreȱ praktischeȱAnwendung.ȱ 10. ErklärenȱSieȱdenȱAnsatzȱvonȱMcClellandȱundȱdieȱFolgenȱfürȱdieȱpraktischeȱMotivaȬ tion.ȱ

123ȱ

8.6

8

Motivation

11. BeschreibenȱSieȱdieȱVIEȬTheorieȱvonȱV.ȱVroomȱundȱdenȱProzessȱderȱEntscheidungȱ überȱAusführungȱeinerȱAktivität.ȱWelcheȱAnsatzpunkteȱgibtȱdieseȱTheorieȱfürȱdieȱ praktischeȱMotivation?ȱ 12. Erläuternȱ Sieȱ dasȱ Zirkulationsmodellȱ vonȱ L.ȱ Porterȱ undȱ E.ȱ Lawler.ȱ Warumȱ resulȬ tiertȱ ausȱ einerȱ Bemühungȱ nichtȱ unbedingtȱ eineȱ höhereȱ Leistung?ȱ Warumȱ istȱ dieȱ ArbeitszufriedenheitȱnichtȱunmittelbarȱmitȱderȱLeistungȱverbunden?ȱ 13. BeschreibenȱSieȱdieȱZieltheorieȱvonȱE.ȱLockeȱundȱdieȱausȱihrȱresultierendenȱAnforȬ derungenȱanȱZielformulierungen.ȱȱ 14. Erklärenȱ Sieȱ dasȱ Leistungsdeterminantenkonzeptȱ vonȱ J.ȱ Berthelȱ undȱ dieȱ MöglichȬ keitenȱderȱBeeinflussungȱeinzelnerȱDeterminanten.ȱ 15. Definierenȱ Sieȱdieȱ Einflussfaktorenȱ aufȱ dieȱ Entscheidungȱ überȱ MotivationsmethoȬ denȱinȱderȱunternehmerischenȱPraxis.ȱȱ 16. WieȱkannȱmanȱdurchȱvariableȱEntgeltsystemeȱmotivieren?ȱ 17. BeschreibenȱSieȱdieȱMöglichkeitenȱderȱpraktischenȱMotivationȱdurchȱRestrukturieȬ rungȱdesȱArbeitsprozesses.ȱ 18. WieȱistȱdieȱpraktischeȱMotivationȱmitȱderȱPersönlichkeitȱeinesȱMitarbeitersȱverbunȬ den?ȱBenutzenȱSieȱdieȱEigenschaftenȱausȱdenȱBigȱFiveȱderȱPersönlichkeitȱ„GewisȬ senhaftigkeit“ȱundȱ„Offenheit“ȱundȱerläuternȱSieȱihreȱZusammenhängeȱmitȱMotiȬ vationȱanȱpraktischenȱBeispielen.ȱ 19. Welcheȱ Auswirkungenȱ hatȱ dieȱ Theorieȱ moralischerȱ Entwicklungȱ vonȱ Kohlbergȱ (präkonventionelle,ȱ konventionelleȱ undȱ postkonventionelleȱ Phase)ȱ aufȱ dieȱ praktiȬ scheȱMotivationȱvonȱMitarbeiternȱinȱUnternehmen?ȱ 20. DefinierenȱSieȱKontrolleȱalsȱMotivationsinstrument.ȱWieȱsollȱKontrolleȱdurchführtȱ werden,ȱ damitȱ sieȱ motivierendȱ wirkt?ȱ Erläuternȱ Sieȱ bitteȱ inȱ diesemȱ ZusammenȬ hangȱOrientierung,ȱForm,ȱCharakter,ȱHäufigkeitȱundȱUmständeȱderȱKontrollmaßȬ nahmen.ȱȱ 21. Beschreibenȱ Sieȱ Problemeȱ derȱ Demotivationȱ undȱ Maßnahmenȱ zurȱ Abschaffungȱ undȱVorbeugungȱderȱDemotivation.ȱ 22. WasȱverstehenȱSieȱunterȱIdentifikation?ȱWomitȱkönnenȱsichȱMitarbeiterȱidentifizieȬ ren?ȱWelcheȱRolleȱspieltȱdieȱIdentifikationȱfürȱdieȱMotivation?ȱȱ 23. WieȱkannȱmanȱIdentifikationȱinȱUnternehmenȱfördern?ȱ 24. WarumȱsollteȱPersonalentwicklungȱeinȱTeilȱderȱMotivationȱsein?ȱ 25. Erläuternȱ Sieȱ dieȱ Grundzügeȱ derȱ individuellȱ ausgerichtetenȱ Personalförderungȱ inȱ Untenehmen.ȱ

124ȱ

Abschaffen der Demotivation, Identifikation und Personalentwicklung

Teil B: Interaktion und Gruppenverhalten

Sozialeȱ Zugehörigkeitȱ undȱ kollektiveȱ Identitätȱ sindȱ fürȱ jedesȱ Individuumȱ lebensnotȬ wendigȱ–ȱwirȱbrauchenȱgemeinsameȱBedeutungsräume,ȱinȱdenenȱwirȱunsȱgegenseitigȱ alsȱMenschenȱerkennenȱundȱverstehenȱkönnen.156ȱDieȱTendenzȱzurȱInteraktion,ȱalsȱsichȱ aufeinanderȱbeziehendesȱHandelnȱvonȱwenigstensȱzweiȱIndividuen,ȱistȱinȱderȱmenschȬ lichenȱNaturȱverankert.ȱSowohlȱimȱprivatenȱBereichȱ(Familie,ȱFreundschaftskreisȱoderȱ Verein)ȱ alsȱ auchȱ inȱ derȱ Unternehmenspraxisȱ (Arbeitgruppe,ȱ Team,ȱAbteilung,ȱ UnterȬ nehmen)ȱschließenȱsichȱMenschenȱzusammenȱundȱbildenȱGruppenȱbzw.ȱGemeinschafȬ ten.ȱ Dieȱ Zugehörigkeitȱ zuȱ einerȱ Gruppeȱ beeinflusstȱ dasȱ Verhaltenȱ vonȱ jedemȱ EinzelȬ nen:ȱerȱverfolgtȱweiterhinȱseineȱeigenenȱZieleȱundȱInteressen,ȱpasstȱsichȱaberȱgleichzeiȬ tigȱ anȱ dieȱ Gruppeȱ an,ȱ akzeptiertȱ gemeinsameȱ Zieleȱ undȱ folgtȱ denȱ kollektivenȱ Verhaltensregelnȱ (einerȱ Kultur).ȱ Dieȱ Gruppenzugehörigkeitȱ entwickeltȱ sichȱ zuȱ einemȱ TeilȱderȱIdentität.ȱInnerhalbȱderȱGruppeȱspieltȱdasȱIndividuumȱeineȱaktiveȱschöpferiȬ scheȱRolleȱundȱübernimmtȱdamitȱdieȱVerantwortungȱfürȱsichȱselbstȱundȱdieȱGruppe.ȱ FürȱeineȱerfolgreicheȱFührungȱbrauchtȱeinȱManagerȱnebenȱKenntnissenȱüberȱEinflussȬ faktorenȱdesȱindividuellenȱVerhaltensȱauchȱKenntnisseȱvonȱBesonderheitenȱdesȱGrupȬ penverhaltensȱ undȱ derȱ Interaktion.ȱ Dabeiȱ spielenȱ dieȱ vielseitigenȱ undȱ kompliziertenȱ Kommunikationsprozesseȱ eineȱ zentraleȱ Rolle.ȱ Dasȱ Verhaltenȱ vonȱ Menschenȱ inȱ GrupȬ penȱwirdȱvonȱspezifischenȱGruppenmerkmalenȱundȱȬprozessenȱwieȱGruppenkohäsion,ȱ Ȭidentität,ȱ Ȭnormen,ȱ Ȭdynamikȱ undȱ Ȭkulturȱ beeinflusst.ȱArbeitsgruppenȱ undȱ Teamsȱ inȱ Unternehmenȱ sindȱ dieȱ wichtigstenȱ Formenȱ derȱ Zusammenarbeit,ȱ dieȱ aufgrundȱ vonȱ Synergieeffektenȱ eineȱ besondersȱ hoheȱ Gesamtleistungȱ erbringenȱ können.ȱ Allerdingsȱ solltenȱ dieseȱ Prozesseȱ gestaltetȱ undȱ gemanagtȱ werden,ȱ sonstȱ machenȱ sichȱ dieȱ negatiȬ venȱ Auswirkungenȱ derȱ Gruppenarbeitȱ wieȱ Deindividuationȱ oderȱ sozialesȱ Faulenzenȱ bemerkbar.ȱȱ Inȱ diesemȱ Kapitelȱ werdenȱ zunächstȱ Kooperationȱ undȱ Kommunikationȱ alsȱ interaktiveȱ Basisprozesseȱ desȱ Gruppenverhaltensȱ sowieȱ ihreȱ Problemeȱ undȱ Schwierigkeitenȱ disȬ kutiert.ȱ Aufȱ dieserȱ Grundlageȱ werdenȱ Merkmaleȱ desȱ Gruppenverhaltens,ȱ VorȬȱ undȱ NachteileȱvonȱGruppenarbeitȱundȱdieȱMöglichkeitenȱderȱFörderungȱderȱLeistungȱvonȱ ArbeitsgruppenȱundȱTeamsȱbeschrieben.ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 156ȱ Vgl.ȱBauer,ȱJ.ȱWarumȱichȱfühle,ȱwasȱduȱfühlst,ȱS.ȱ16.ȱ

125ȱ

8.6

9

Kooperation

9

Kooperation

SozialeȱInteraktionȱbedeutetȱeinȱaufeinanderȱabgestimmtesȱHandelnȱvonȱIndividuenȱinȱ einerȱGruppe,ȱeinemȱUnternehmenȱoderȱeinerȱGesellschaft.ȱEineȱspezielle,ȱzielgerichteȬ teȱ Formȱ derȱ Interaktionȱ istȱ Kooperationȱ (Zusammenarbeit).ȱ Daȱ eineȱ erfolgreicheȱ KoȬ operationȱAbstimmungȱundȱKonsensfindungȱvoraussetzt,ȱbasiertȱsieȱaufȱderȱKommuȬ nikation.ȱ Insofernȱ sindȱ Kooperationȱ undȱ Kommunikationȱ zweiȱ Aspekteȱ derȱ sozialenȱ Interaktion,ȱdieȱnunȱnacheinanderȱerläutertȱwerden.ȱȱ Derȱ Begriffȱ „Kooperation“ȱ stammtȱ vonȱ demȱ lateinischenȱ Wortȱ „Cooperatio“ȱ abȱ undȱ bedeutetȱ „ZusammenȬWirken“ȱ oderȱ gemeinschaftlichesȱ Erfüllenȱ vonȱ Aufgaben.ȱ KoȬ operationȱistȱfürȱMenschenȱ–ȱalsȱsozialeȱWesenȱ–ȱeineȱgrundsätzlicheȱFormȱdesȱVerhalȬ tens.ȱImȱRahmenȱeinerȱKooperationȱkannȱjederȱEinzelneȱmehrȱerreichenȱundȱbekommtȱ alsȱGruppenmitgliedȱpositivesȱFeedbackȱundȱAnerkennung.ȱKooperationenȱfindenȱaufȱ verschiedenenȱ Ebenenȱ stattȱ (zwischenȱ einzelnenȱ Individuen,ȱ Gruppen,ȱ Unternehmenȱ etc.),ȱ wobeiȱ ihreȱ Voraussetzungen,ȱ Grundprinzipienȱ undȱ Problemeȱ imȱ Wesentlichenȱ übereinstimmen.ȱ Alleȱ Kooperationenȱ basierenȱ aufȱ denȱ Vorteilenȱ derȱ Spezialisierungȱ undȱ Arbeitsteilung.ȱ Eineȱ besondersȱ wichtigeȱ Rolleȱ spieltȱ inȱ jederȱ Kooperationȱ zwiȬ schenmenschlichesȱVertrauen,ȱdasȱdurchȱbestimmteȱzielgerichteteȱMaßnahmenȱunterȬ stütztȱ werdenȱ kann.ȱ Diesesȱ Kapitelȱ beschäftigtȱ sichȱ mitȱ denȱ Voraussetzungenȱ undȱ Besonderheitenȱ vonȱ Kooperationenȱ undȱ zeigtȱ einigeȱ Wegeȱ fürȱ ihreȱ Gestaltungȱ undȱ Förderung.ȱȱ

9.1

Kooperationsebenen und -formen

Manȱkannȱohneȱzuȱübertreibenȱbehaupten,ȱdassȱunsereȱGesellschaftȱvollȱaufȱKooperaȬ tionȱbasiert:ȱalles,ȱwasȱwirȱbenutzen,ȱistȱErgebnisȱvonȱKooperationen.ȱȱ KannȱeinȱmodernerȱMenschȱinȱwilderȱNaturȱüberlebenȱundȱsichȱmitȱallemȱNotwendiȬ genȱalleinȱversorgen?ȱAuchȱwennȱesȱtheoretischȱmöglichȱwäre,ȱkommtȱesȱ(fast)ȱkeinemȱ inȱdenȱSinn.ȱWirȱsindȱgewohnt,ȱdieȱErgebnisseȱverschiedensterȱKooperationenȱtäglichȱ zuȱ benutzen.ȱ Wirȱ fahrenȱAutos,ȱ dieȱ vonȱ anderenȱ produziertȱ wordenȱ sind,ȱ oderȱ StraȬ ßenbahn,ȱ dieȱ nachȱ einemȱ vonȱ anderenȱ zusammengestelltenȱ Planȱ fährt.ȱ Wirȱ kaufenȱ Kleidungȱ undȱ Nahrung,ȱ dieȱ inȱ fernenȱ Ländernȱ hergestelltȱ wordenȱ sind.ȱ Studentenȱ hörenȱ Vorlesungenȱ vonȱ Professoren,ȱ dieȱ sichȱ mitȱ einemȱ Fachȱ mehrereȱ Jahreȱ langȱ beȬ schäftigtȱundȱdadurchȱihreȱfachlichenȱKompetenzenȱerworbenȱhaben.ȱInȱBetriebenȱmitȱ TausendenȱBeschäftigtenȱwerdenȱkomplexeȱProdukteȱwieȱFlugzeugeȱoderȱSchiffeȱproȬ

126ȱ

Kooperationsebenen und -formen

duziert,ȱwobeiȱjederȱMitarbeiterȱnurȱeinenȱBruchteilȱderȱgesamtenȱArbeitȱübernimmt.ȱ Ausȱ diesenȱ Beispielenȱ lassenȱ sichȱ dieȱ wichtigstenȱ Kooperationsebenenȱ ableiten:ȱ indiȬ viduelle,ȱ GruppenȬȱ undȱ Unternehmensebene,ȱ Konzern,ȱ Gesellschaft,ȱ internationaleȱ oderȱLänderkooperationen,ȱWeltkooperation.ȱ Kooperationenȱ zwischenȱ einzelnenȱ Individuenȱ werdenȱ alsȱ Gruppenȱ bezeichnetȱ undȱ könnenȱ inȱ folgendenȱ Formenȱ vorkommen:ȱ Beziehung,ȱ Partnerschaft,ȱ Freundschaft,ȱ Familie,ȱElternȬKindȬBeziehung,ȱArbeitsgruppeȱetc.ȱDieseȱFormenȱsindȱdieȱältestenȱinȱ derȱ menschlichenȱ Geschichte,ȱ ihnenȱ liegenȱ dieȱ inȱ derȱ menschlichenȱ Naturȱ tiefȱ veranȬ kertenȱsozialenȱBedürfnisseȱzugrunde.ȱDieseȱGrundformenȱspielenȱinȱderȱGesellschaftȱ eineȱ sehrȱ wichtigeȱ Rolle,ȱ insbesondereȱ alsȱ praktischeȱ Realisierungȱ vonȱ GenerationenȬ Kooperation.ȱ Imȱ Rahmenȱ derȱ Einheitȱ Familieȱ findetȱ dieȱ Weitergabeȱ vonȱ Wissenȱ undȱ Kulturȱ vonȱ einerȱ Generationȱ anȱ dieȱ nächsteȱ stattȱ (dieȱ Primärsozialisationȱ vonȱ KinȬ dern).ȱ ArbeitsgruppenȱundȱTeamsȱbildenȱeineȱbesondereȱFormȱvonȱGruppen.ȱSieȱbasierenȱaufȱ denȱVorteilenȱderȱArbeitsteilungȱundȱSpezialisierungȱundȱhabenȱfürȱdieȱunternehmeriȬ scheȱPraxisȱeineȱbesondereȱBedeutung.ȱDieȱErrungenschaftenȱderȱmodernenȱZivilisatiȬ onȱwärenȱohneȱArbeitsteilungȱundȱSpezialisierungȱnichtȱmöglichȱgewesen.ȱDasȱVerhalȬ tenȱinȱGruppenȱhatȱspezifischeȱMerkmale,ȱdieȱdurchȱGruppenprozesseȱundȱȬdynamikȱ gekennzeichnetȱ werden.ȱ Durchȱ Zusammengehörigkeitsgefühlȱ undȱ Synergieeffekteȱ kommtȱ inȱ Arbeitsgruppenȱ undȱ Teamsȱ eineȱ besondersȱ hoheȱ Leistungȱ zustande.ȱ Fürȱ dieseȱ Kooperationsebeneȱ sindȱ zwischenmenschlichesȱ Vertrauenȱ undȱ unmittelbareȱ KommunikationȱvonȱbesondererȱBedeutung.ȱFormelleȱRegelungenȱinȱFormȱvonȱrechtȬ lichenȱVerträgenȱundȱVereinbarungenȱsindȱfürȱdieseȱEbeneȱeherȱuntypisch.ȱ

Abb.ȱ33:ȱ

TypischeȱKooperationsformenȱ–ȱTeamȱundȱUnternehmenȱ

ȱ

Manȱ kannȱ zwischenȱ zweiȱ unternehmensinterneȱ Formenȱ derȱ Kooperationȱ unterscheiȬ den:ȱ abteilungsȬ/teaminterneȱ undȱ abteilungsȬ/teamübergreifendeȱ Kooperationen.ȱ WährendȱdieȱersteȱFormȱüberwiegendȱinteraktivȱabläuft,ȱbedarfȱdieȱzweiteȱFormȱspeȬ ziellerȱorganisatorischerȱSteuerung,ȱdaȱkeineȱdirekteȱKommunikationȱvorhandenȱist.ȱȱȱ 127ȱ

9.1

9

Kooperation

Einȱ Unternehmenȱ alsȱ Ganzesȱ kannȱ ebenfallsȱ alsȱ eineȱ Kooperationsformȱ bezeichnetȱ werden.ȱEsȱistȱeinȱkomplexesȱKonstruktȱderȱmenschlichenȱGesellschaft,ȱinȱdemȱGrupȬ penȱ undȱAbteilungenȱ kooperieren.ȱ Esȱ wirdȱdurchȱArbeitsteilungȱ undȱ Spezialisierungȱ (ähnlichȱwieȱinȱGruppen),ȱdurchȱeineȱStrukturȱundȱeineȱUnternehmenskulturȱgekennȬ zeichnet.ȱ Aufȱ dieserȱ Kooperationsebeneȱ kommenȱ weitereȱ spezifischeȱ Merkmaleȱ desȱ menschlichenȱVerhaltensȱvor,ȱdieȱdurchȱdieȱMachtverteilungȱinȱhierarchischenȱStrukȬ turen,ȱverschiedeneȱOrganisationstypenȱundȱFührungsstile,ȱdenȱUmgangȱmitȱVertrauȬ enȱ undȱ Informationenȱ sowieȱ durchȱ Lernprozesseȱ geprägtȱ werden.ȱ Allerdingsȱ stehtȱ auchȱ aufȱ dieserȱ Ebeneȱ dieȱ Kooperationsbereitschaftȱ einzelnerȱ Individuenȱ imȱ MittelȬ punkt:ȱGruppenȱundȱHierarchieeinheitenȱkooperierenȱuntereinanderȱnichtȱalsȱabstrakȬ teȱEinheiten,ȱsondernȱdurchȱihreȱVertreter,ȱdurchȱPersonen.ȱVertrauenȱspieltȱbeiȱdiesenȱ Kooperationenȱ eineȱ wichtigeȱ Rolle,ȱ obwohlȱ dieȱ Verhältnisseȱ zwischenȱ einzelnenȱ ArȬ beitsgruppenȱundȱAbteilungenȱinnerhalbȱeinesȱUnternehmensȱhäufigȱschriftlichȱgereȬ geltȱwerden.ȱ Eineȱ weitereȱ Ebeneȱ vonȱ Kooperationȱ sindȱ Zusammenschlüsseȱ vonȱ Unternehmen,ȱ inȱ demȱ dieseȱ rechtlichȱ selbständigȱ bleiben,ȱ jedochȱ einenȱ Teilȱ derȱ wirtschaftlichenȱ SelbȬ ständigkeitȱ aufgebenȱ undȱ bestimmteȱ Tätigkeitsfelderȱ koordinierenȱ oderȱ Funktionenȱ gemeinsamȱ ausführen.ȱ Zuȱ denȱ bekanntestenȱ Formenȱ solcherȱ Kooperationenȱ zählenȱ Gemeinschaften,ȱ Kartelle,ȱ Konsortien,ȱ Strategischeȱ Allianzenȱ oderȱ virtuelleȱ UnterȬ nehmen.ȱ Wieȱ jedeȱ Kooperationȱ basierenȱ auchȱ Unternehmenszusammenschlüsseȱ aufȱ Arbeitsteilungȱ undȱ Spezialisierungȱ undȱ habenȱ eineȱ bessereȱ Nutzungȱ derȱ Potenzialeȱ derȱ Partnerȱ alsȱ Ziel.ȱ Ihreȱ Besonderheitȱ bestehtȱ inȱ zunehmenderȱ rechtlicherȱ AbsicheȬ rungȱdurchȱformelleȱVerträgeȱanstelleȱdirekterȱKommunikationȱundȱAbstimmung.ȱ EineȱsehrȱwichtigeȱundȱkomplexeȱKooperationsformȱistȱeineȱGesellschaft,ȱderenȱsoziaȬ leȱFunktionȱimȱVordergrundȱ steht.ȱEbensoȱwieȱinȱanderenȱKooperationsformen,ȱwerȬ denȱauchȱinȱeinerȱGesellschaftȱdieȱimȱRahmenȱderȱArbeitsteilungȱhergestelltenȱProdukȬ teȱausgetauscht,ȱallerdingsȱmüssenȱinȱeinerȱGesellschaftȱauchȱdiejenigen,ȱdieȱnichtsȱfürȱ diesenȱAustauschȱanzubietenȱhaben,ȱüberlebenȱkönnen:ȱKinder,ȱStudenten,ȱArbeitsloȬ se,ȱKranke,ȱBehinderteȱundȱAlte.ȱDieȱsozialeȱAufgabeȱeinerȱGesellschaftȱalsȱKooperatiȬ onsformȱbestehtȱdarin,ȱdasȱGesamtproduktȱzugunstenȱderȱBedürftigenȱumzuverteilen:ȱ sowohlȱzwischenȱdenȱMitgliedernȱeinerȱGesellschaft,ȱalsȱauchȱimȱInteresseȱzukünftigerȱ Generationenȱ (Nachhaltigkeit).ȱ Instrumenteȱ solcherȱ Umverteilungȱ sindȱ Steuernȱ undȱ Abgaben,ȱSubventionenȱundȱFörderungȱvonȱbestimmtenȱBereichen,ȱProgrammenȱundȱ Bevölkerungsgruppen.ȱ Dieseȱ gesellschaftlicheȱ Solidaritätȱ istȱ einȱ grundlegendesȱ PrinȬ zipȱ europäischerȱ Gesellschaften,ȱ sieȱ istȱ inȱ denȱ sozialenȱ Marktwirtschaftenȱ Europasȱ wesentlichȱstärkerȱvertreten,ȱalsȱzumȱBeispielȱinȱdenȱUSA.ȱ Eineȱ weitereȱ Kooperationsebeneȱ bildenȱ dieȱ internationalenȱ Kooperationen,ȱ zuȱ denenȱ sowohlȱ dieȱ einzelnenȱ Unternehmenskooperationenȱ ausȱ verschiedenenȱ Ländern,ȱ alsȱ auchȱgroßeȱGemeinschaftenȱwieȱdieȱEuropäischeȱUnionȱzählen.ȱInternationaleȱKoopeȬ rationenȱzwischenȱeinzelnenȱUnternehmenȱkönnenȱinȱverschiedenenȱFormenȱstattfinȬ den,ȱz.B.ȱalsȱJointȱVentures.ȱJointȱVenturesȱsindȱGemeinschaftsunternehmenȱmitȱPartȬ

128ȱ

Kooperationsebenen und -formen

nern,ȱ dieȱ gemeinsameȱ Zieleȱ verfolgen.ȱ Mitȱ demȱ Zielȱ desȱ Erschließensȱ vonȱAuslandsȬ märktenȱ wirdȱ z.B.ȱ einȱ grenzüberschreitendesȱ rechtlichȱ selbständigesȱ Unternehmenȱ durchȱ Kapitalbeteiligungȱ (wobeiȱ dieȱ Anteileȱ derȱ Partnerȱ ganzȱ unterschiedlichȱ seinȱ können)ȱ gegründet.ȱ Inȱ internationalenȱ Kooperationenȱ (wieȱ EU,ȱ ASEAN,ȱ GUSȱ etc)ȱ könnenȱ auchȱ dieȱ Nationalstaatenȱ alsȱ Partnerȱ fungieren.ȱ Wirtschaftlicheȱ Vorteileȱ fürȱ beideȱ(oderȱmehrere)ȱPartnerȱstehenȱbeiȱdieserȱKooperationsformȱmeistensȱimȱVorderȬ grund,ȱ könnenȱ aberȱ durchȱ politische,ȱ ideologischeȱ undȱ kulturelleȱ Interessenȱ ergänztȱ werden.ȱ Dieȱ höchsteȱ Ebeneȱ derȱ Kooperationȱ istȱ dieȱ Welt.ȱ Dieseȱ Kooperationenȱ habenȱ sowohlȱ einenȱwirtschaftlichen,ȱalsȱauchȱsozialenȱCharakter.ȱWirtschaftlichȱbetrachtet,ȱbasierenȱ sieȱwiederumȱaufȱArbeitsteilungȱundȱSpezialisierung:ȱdeutscheȱAutosȱsindȱinȱderȱganȬ zenȱ Weltȱ bekannt,ȱ genausoȱ wieȱ dieȱ südamerikanischenȱ Bananen,ȱ russischesȱ Erdgasȱ oderȱ südafrikanischeȱ Diamanten.ȱ Dieȱ Produktionsstandorteȱ werdenȱ aufgrundȱ vonȱ geografischenȱ undȱ wirtschaftlichenȱ Vorteilenȱ ausgewählt,ȱ moderneȱ Unternehmenȱ agierenȱüberȱihreȱNationalgrenzenȱhinweg.ȱDieseȱpragmatischeȱPerspektiveȱkannȱundȱ darfȱ jedochȱ nichtȱ dieȱ einzigeȱ Entscheidungsgrundlageȱ sein:ȱ dieȱ Weltȱ alsȱ Kooperationȱ wirftȱnebenȱderȱFrageȱderȱWirtschaftlichkeitȱvieleȱsozialeȱundȱmoralischeȱFragenȱauf.ȱ Dieȱ Folgenȱ derȱ Globalisierungȱ sindȱ nichtȱ überallȱ undȱ fürȱ alleȱ positiv,ȱ dieȱ Bewegungȱ vonȱ Globalisierungsgegnernȱ gewinntȱ anȱ Bedeutung.ȱ Inwieweitȱ dürfenȱ zumȱ Beispielȱ dieȱhochentwickeltenȱLänderȱihreȱProduktionsstandorteȱmitȱihrerȱganzenȱUmweltverȬ schmutzungȱinȱdieȱdritteȱWeltȱverlegen?ȱInwiefernȱsindȱdieȱreichenȱwestlichenȱGesellȬ schaften,ȱ dieȱ vonȱ denȱ Vorteilenȱ günstigerȱ Produktionsstandorteȱ profitieren,ȱ fürȱ denȱ HungertodȱvonȱMillionenȱKindernȱinȱAfrikaȱmitverantwortlich?ȱDieȱMenschheitȱbildetȱ eineȱ Einheit,ȱ dieȱ gemeinsameȱ Interessenȱ undȱ Problemeȱ hat:ȱ Verschmutzungȱ derȱ UmȬ welt,ȱKlimaveränderung,ȱKriegeȱundȱinternationalerȱTerrorismus,ȱHungerȱinȱderȱdritȬ tenȱWelt,ȱAufrechterhaltenȱderȱWeltkulturȱundȱvieleȱweitere.ȱManȱversuchtȱdieseȱProbȬ lemeȱimȱRahmenȱverschiedenerȱinternationalerȱKooperationenȱgemeinsamȱzuȱlösen:ȱesȱ werdenȱdieȱ„aussterbenden“ȱSprachenȱkleinerȱVölkerȱbewahrt,ȱzahlreicheȱKulturobjekȬ teȱ alsȱ „Weltkulturerbe“ȱ bezeichnetȱ undȱ geschützt,ȱ internationaleȱ Programmeȱ fürȱ dieȱ BekämpfungȱvonȱUmweltverschmutzungȱundȱTerrorismusȱgestartetȱetc.ȱ FürȱalleȱKooperationsebenenȱkannȱmanȱeinigeȱgemeinsameȱMerkmaleȱvonȱKooperatiȬ onenȱfeststellen:ȱȱ

„ sieȱ basierenȱ aufȱ Arbeitsteilungȱ undȱ Spezialisierungȱ undȱ bringenȱ dadurchȱ wirtȬ schaftlicheȱVorteile,ȱȱ

„ sieȱ habenȱ zusätzlichȱ eineȱ sozialeȱ Komponente,ȱ weilȱ jedeȱ Kooperationȱ zwischenȱ MenschenȱstattfindetȱundȱdurchȱMenschenȱfunktioniert,ȱ

„ sieȱerfordernȱzwischenmenschlichesȱVertrauenȱalsȱGrundlage,ȱ „ durchȱdasȱZusammenwirkenȱschaffenȱMenschenȱihreȱgemeinsameȱWelt,ȱfürȱdieȱsieȱ alleȱgemeinsamȱverantwortlichȱsind.ȱ

129ȱ

9.1

9

Kooperation

9.2

Aktuelle Kooperationstrends

DieȱKooperationenȱinȱmodernenȱwestlichenȱGesellschaftenȱhabenȱeinigeȱBesonderheiȬ ten,ȱ dieȱ mitȱ derȱ aktuellenȱ Entwicklungȱ derȱ Wirtschaftȱ undȱ Gesellschaftȱ zusammenȬ hängen.ȱ Dieȱ Vernetzungȱ undȱ Virtualisierungȱ derȱ Unternehmensweltȱ führtȱ dazu,ȱ dassȱ UnterȬ nehmenȱsichȱzuȱoffenenȱSystemenȱohneȱerkennbareȱGrenzenȱentwickeln.ȱStrategischeȱ Allianzen,ȱOutsourcing,ȱNetzwerkorganisationen,ȱTelearbeitȱsindȱnurȱeinigeȱBeispieleȱ dieserȱProzesse.ȱDieȱKooperationȱinȱundȱzwischenȱsolchenȱSystemenȱsollȱohneȱphysiȬ scheȱPräsenz,ȱüberwiegendȱvirtuellȱstattfinden.ȱDurchȱdieȱrasantenȱFortschritteȱinȱderȱ InformationsȬȱ undȱ Kommunikationstechnologieȱ sindȱ Möglichkeitenȱ entstanden,ȱ überȱ ZeitȱundȱRaumȱhinwegȱzuȱkooperieren.ȱNetzwerkeȱverschiedenerȱArtȱunterstützenȱdieȱ Zusammenarbeitȱ aufȱ verschiedenenȱ Ebenen.ȱ Portaleȱ fürȱ einzelneȱArbeitsteamsȱ sowieȱ Intranetȱ undȱ lokaleȱ Netzwerkeȱ aufȱ derȱ Unternehmensebeneȱ ermöglichenȱ undȱ beȬ schleunigenȱ Information,ȱ Kommunikationȱ undȱ Wissensaustausch.ȱ Durchȱ aufgabenȬ,ȱ problemȬȱ undȱ kundenorientierteȱ Vernetzungenȱ entstehenȱ virtuelleȱ Unternehmen,ȱ dieȱ sichȱausȱräumlichȱgetrenntenȱEinheitenȱundȱArbeitsplätzenȱzusammensetzen.ȱȱȱ Dieȱ Globalisierungȱ derȱ Weltȱ sowieȱ dieȱ Internationalisierungȱ derȱ Wirtschaftȱ verleihenȱ denȱKooperationenȱeineȱzusätzlicheȱDynamik,ȱsprengenȱdenȱgewöhnlichenȱnationalenȱ Rahmenȱ undȱ schaffenȱ neueȱMöglichkeitenȱ(neueȱ Märkte,ȱGeschäftspartner,ȱ ProduktiȬ onsstandorteȱusw.).ȱDerȱintelligenteȱUmgangȱmitȱdiesenȱGegebenheitenȱmussȱzunächstȱ erlerntȱwerden.ȱProblemeȱderȱinterkulturellenȱKommunikationȱundȱdesȱinterkulturelȬ lenȱManagementsȱrückenȱinȱVordergrund.ȱȱ Dieȱ Beschleunigungȱ desȱ wissenschaftlichenȱ undȱ technischenȱ Fortschritts,ȱ schnellerȱ Wechselȱ vonȱ Produktmodellenȱ undȱ Produktionsverfahrenȱ führenȱ zuȱ derȱ NotwendigȬ keit,ȱ intensiverȱ zwischenbetrieblichȱ zuȱ kooperieren:ȱ gemeinsamȱ Forschungȱ undȱ EntȬ wicklungȱzuȱbetreibenȱundȱKnowȬhowȱzuȱentwickeln.ȱDasȱführtȱzurȱBildungȱvonȱUnȬ ternehmenszusammenschlüssenȱundȱStrategischenȱAllianzen,ȱinȱdenenȱdieȱPartnerunȬ ternehmenȱihrȱWissenȱteilweiseȱzusammenlegenȱundȱaustauschen.ȱDieȱFormelȱ„heuteȱ Konkurrent,ȱmorgenȱPartner“ȱbedarfȱeinesȱUmdenkensȱundȱgegenseitigenȱVertrauens.ȱȱ Dasȱ Wissenȱ wirdȱ zurȱ wichtigstenȱ Ressource,ȱ zuȱ demȱ Schlüsselȱ zumȱ Erfolg.ȱ WissensȬ kooperationenȱgewinnenȱanȱBedeutung.ȱDarausȱresultiertȱeineȱsteigendeȱAbhängigkeitȱ vonȱ Expertenȱ aufȱ allenȱ Fachgebieten,ȱ weilȱ dasȱ Wissenȱ immerȱ spezifischerȱ wirdȱ undȱ nichtȱ vonȱ jedemȱ einzelnenȱ Menschen/Unternehmenȱ vollständigȱ angeeignetȱ werdenȱ kann.ȱVertrauenȱundȱUmgangȱmitȱeinanderȱbildenȱzentraleȱProblemeȱvonȱWissenskoȬ operationen.ȱInȱvielenȱGroßunternehmenȱsindȱWissensnetzwerkeȱjenseitsȱvonȱHierarȬ chienȱ entstanden,ȱ dieȱ inȱ Formȱ vonȱ „Communitiesȱ ofȱ Practice“ȱ oderȱ Weblogsȱ zuȱ beȬ stimmtenȱ Themenȱ ihrȱ Wissenȱ undȱ Könnenȱ freiwilligȱ undȱ meistensȱ virtuellȱ austauȬ schen.ȱ Dieseȱ Kooperationsformenȱ unterscheidenȱ sichȱ inȱ ihremȱ Verhaltenȱ undȱ

130ȱ

Aktuelle Kooperationstrends

Motivationȱ vonȱ denȱ konventionellenȱ undȱ brauchenȱ andereȱ OrganisationsȬȱ undȱ FühȬ rungsmethoden.ȱ NetzwerkeȱaufȱallenȱEbenenȱderȱGesellschaftȱundȱUnternehmenȱbildenȱeineȱFormȱderȱ kollektivenȱIntelligenz.ȱDasȱBeispielȱ„Internet“ȱzeigt,ȱwieȱumfangreichȱundȱrevolutioȬ nierendȱ einȱ Netzwerkȱ seinȱ kannȱ Ȭȱ dasȱ WWWȱ verbindetȱ dieȱ ganzeȱ Welt,ȱ dieȱ einzigeȱ Bedingungȱ fürȱ dieȱ Zugehörigkeitȱ istȱ einȱInternetzugang.ȱ Dieȱ Nutzungsmöglichkeitenȱ undȱ Vorteileȱ scheinenȱ praktischȱ unbegrenztȱ zuȱ sein,ȱ ebensoȱ wieȱ dieȱ entstehendenȱ ProblemeȱȬȱInformationsflut,ȱVirenȬȱundȱSpambedrohung,ȱDatenschutzȱetc.ȱImȱvirtuelȬ lenȱ Lexikonȱ Wikipediaȱ kannȱ jedermannȱ blitzschnellȱ undȱ kostenlosȱ praktischȱ alleȱ InȬ formationenȱ bekommen,ȱ allerdingsȱ oftȱ verzerrteȱ oderȱ sogarȱ falsche.ȱ Wieȱ kannȱ einȱ NutzerȱdieȱQualitätȱvonȱInformationenȱüberprüfen?ȱWerȱverantwortetȱdieȱFolgen,ȱfallsȱ eineȱ falscheȱ Behauptungȱ ausȱ Wikipediaȱ beispielsweiseȱ inȱ einerȱ Diplomarbeitȱ benutztȱ wurde?ȱȱ EineȱKooperationȱinȱFormȱ(oderȱmitȱUnterstützung)ȱeinesȱNetzwerkesȱkannȱverschieȬ deneȱ Zieleȱ verfolgenȱ Ȭȱ Prozesssteuerung,ȱ Wissensaustausch,ȱ Koalitionsbildungȱ etc.ȱ Dieseȱ Kooperationsformȱ betontȱ mehrȱ oderȱ wenigerȱ ausgeprägteȱ Selbstorganisationȱ undȱAutonomieȱ derȱ Teilnehmerȱ undȱ benötigtȱ anstelleȱ derȱ Hierarchieȱ eineȱ dezentraleȱ Koordination.ȱ Dieȱ dezentralenȱ Arbeitsformenȱ erfordernȱ einȱ hohesȱ Maßȱ anȱ SelbstdisȬ ziplinȱ undȱ Ȭorganisation,ȱ Eigeninitiative,ȱ Motivation,ȱ sozialerȱ Kompetenz,ȱ Vertrauenȱ undȱBeherrschungȱmodernerȱInformationsȬȱundȱKommunikationstechnik.ȱȱ Alsȱeineȱbedeutsame,ȱzukunftsorientierteȱAnwendungȱderȱNetzwerkeȱkannȱeineȱintelȬ ligenteȱ Vernetzungȱ desȱ verteiltenȱ Wissensȱ allerȱ Mitarbeiterȱ desȱ Unternehmensȱ beȬ zeichnetȱ werden.ȱ Dieȱ Fähigkeitȱ einesȱ Unternehmens,ȱ seineȱ Intelligenzȱ schnellȱ undȱ flexibelȱzuȱmobilisieren,ȱistȱinȱunsererȱWissensgesellschaftȱeinȱentscheidenderȱErfolgsȬ faktor.157ȱȱ Zusammenfassendȱ könnenȱ folgendeȱ aktuelleȱ Tendenzenȱ inȱ Bezugȱ aufȱ Kooperationenȱ festgestelltȱwerden:ȱȱ

„ Kooperationenȱ aufȱ allenȱ Ebenenȱ (zwischenȱ Individuen,ȱ Gruppen,ȱ Unternehmen,ȱ Ländern)ȱwerdenȱimmerȱwichtiger;ȱ

„ InternationaleȱKooperationenȱgewinnenȱzunehmendȱanȱBedeutungȱundȱerfordernȱ spezielleȱinterkulturelleȱKompetenzen;ȱ

„ KooperationenȱfindenȱhäufigȱzwischenȱoffenenȱSystemenȱohneȱGrenzenȱundȱphyȬ sischeȱPräsenzȱstatt;ȱ

„ herkömmliche,ȱaufȱderȱInteraktionȱbasierendeȱKooperationenȱwerdenȱgelegentlichȱ durchȱvirtuelleȱKooperationenȱundȱNetzwerkeȱergänztȱoderȱersetzt;ȱ

„ dieȱRolleȱdesȱVertrauensȱinȱKooperationenȱwächst;ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 157ȱ DiesesȱProblemȱwirdȱinȱKapitelȱ15ȱ„WissenȱundȱLernenȱinȱUnternehmen“ȱdiskutiert.ȱ

131ȱ

9.2

9

Kooperation

„ moderneȱ Kooperationsformenȱ benötigenȱ neueȱ Koordinationsmechanismen,ȱ OrgaȬ nisationsformenȱundȱFührungsmethoden.ȱ

9.3

Begriff und Voraussetzungen der Kooperation

Eineȱ Kooperationȱ wurdeȱ zunächstȱ allgemeinȱ alsȱ „Zusammenwirken“,ȱ gemeinsamesȱ ErfüllenȱvonȱAufgabenȱbezeichnet.ȱManȱbrauchtȱtrotzdemȱeinenȱBegriff,ȱderȱwesentliȬ cheȱMerkmaleȱeinerȱKooperationȱzusammenfasst.ȱȱ Eineȱ Kooperationȱ istȱ einȱ Handelnȱ vonȱ zweiȱ oderȱ mehrerenȱ Handlungseinheitenȱ (Individuen,ȱ Gruppen,ȱ Unternehmenȱ etc.),ȱ dasȱ bewusstȱ aufeinanderȱ abgestimmtȱ (koordiniert),ȱ zurȱ Zielerreichungȱ jedesȱ Kooperationspartnersȱ beiträgtȱ undȱ meistȱ langfristigȱausgerichtetȱist.ȱ Dieseȱ Definitionȱ zeigtȱ dieȱ wichtigstenȱ Merkmaleȱ einerȱ Kooperation:ȱ Koordination,ȱ gemeinsameȱZielerreichungȱundȱ(meistens)ȱlangfristigeȱAusrichtung.ȱȱ Kooperationenȱ verfolgenȱ grundsätzlichȱ dasȱ Ziel,ȱ durchȱ dieȱ abgestimmteȱ ZusammenȬ arbeitȱ dieȱ LeistungsȬȱ undȱ Wettbewerbsfähigkeitȱ dankȱ Spezialisierungȱ undȱ RationaliȬ sierungȱ zuȱ steigern.ȱ Dasȱ setztȱ gemeinsamesȱ freiwilligesȱ Wirken,ȱ wechselseitigeȱ AbȬ hängigkeitȱ derȱ Partner,ȱ gegenseitigesȱ Vertrauen,ȱ Wissensaustauschȱ undȱ Ȭerweiterungȱ sowieȱ Nutzenȱ fürȱ alleȱ Beteiligtenȱ voraus.ȱ Folglichȱ bedeutetȱ jedeȱ Kooperationȱ einȱ GeȬ benȱ undȱ Nehmen,ȱ wobeiȱ eigeneȱ Interessenȱ kurzfristigȱ zugunstenȱ gemeinsamerȱ Zieleȱ zurückgestelltȱwerdenȱsollen.ȱ Dieȱ praktischenȱ Gründe,ȱ ausȱ welchenȱ Kooperationenȱ allgemeinȱ entstehenȱ können,ȱ sindȱverschieden:ȱȱ Sachzwänge:ȱ eineȱ Aufgabeȱ kannȱ nichtȱ vonȱ einerȱ Person,ȱ sondernȱ nurȱ inȱ derȱ Gruppeȱ gelöstȱ werden,ȱ dieȱ Beteiligungȱ vonȱ mehrerenȱ Personenȱ istȱ notwendigȱ (Beispiel:ȱ beiȱ einemȱUmzugȱinȱeinȱanderesȱBüroȱgemeinsamȱanpacken);ȱ AufgabenȬKomplexität:ȱeineȱAufgabenstellungȱbenötigtȱmehrereȱSpezialistenȱoderȱspeziȬ fischesȱWissenȱ(Beispiele:ȱTeamarbeit,ȱArbeitsteilungȱinnerhalbȱeinesȱUnternehmens);ȱȱ EffektivitätsȬȱ oderȱ Qualitätsgründe:ȱ Gruppenarbeitȱ garantiertȱ höhereȱ Effektivitätȱ oderȱ bessereȱ Qualität,ȱ dieȱ durchȱ Zusammenwirkenȱ (verschiedeneȱ Fähigkeitenȱ undȱ FertigȬ keiten)ȱ zustandeȱ kommenȱ (Beispiele:ȱ ProjektȬȱ undȱ Teamarbeit,ȱ Unternehmenȱ alsȱ KoȬ operationsform,ȱStrategischeȱAllianzȱfürȱgemeinsameȱF&E).ȱȱ Beiȱ jedemȱ dieserȱ Gründeȱ kommenȱ ArbeitsteilungsȬȱ undȱ Spezialisierungsvorteileȱ vor,ȱ dieȱ dasȱ gemeinsameȱ Wirkenȱ notwendigȱ undȱ effizientȱ machen.ȱ Dieseȱ Gründeȱ führenȱ nichtȱ automatischȱ zumȱ Erfolgȱ einerȱ Kooperationspartnerschaft.ȱ Manȱ brauchtȱ zusätzȬ lichȱfolgendeȱVoraussetzungen:ȱȱ

132ȱ

Begriff und Voraussetzungen der Kooperation

„ gegenseitigesȱ Verständnis,ȱ d.h.ȱ Verstehenȱ undȱ Akzeptanzȱ derȱ Verhaltensweisenȱ desȱjeweilsȱAnderen,ȱ

„ komplementäreȱ (nichtȱ widersprüchliche,ȱ sondernȱ einanderȱ verstärkende)ȱ Zieleȱ derȱPartnerȱsowieȱ

„ VertrauenȱzwischenȱdenȱKooperationspartnern.ȱȱ OhneȱVerständnisȱvonȱgegenseitigenȱZielenȱundȱVerhaltensweisenȱkönnenȱdieȱPartnerȱ nichtȱzusammenarbeiten.ȱDiesesȱVerständnisȱbasiertȱaufȱdemȱgegenseitigenȱVerstehenȱ (manȱmussȱdieȱgleicheȱSpracheȱsprechenȱundȱgleicheȱBegriffeȱbenutzen)ȱundȱderȱAkȬ zeptanzȱvonȱPartnerrollen.ȱVerständnisȱkommtȱinȱeinerȱerfolgreichenȱKommunikationȱ zustandeȱundȱwirdȱimȱKapitelȱ10ȱ„Kommunikation“ȱausführlichȱdiskutiert.ȱȱ KomplementäreȱZieleȱsindȱbesondersȱwichtig,ȱweilȱjedeȱKooperationȱaufȱderȱZielerreiȬ chungȱ beiderȱ Partnerȱ basiert.ȱ Allgemeinȱ werdenȱ folgendeȱ Zielbeziehungenȱ unterȬ schieden:ȱkomplementäre,ȱkonkurrierendeȱundȱindifferenteȱ(vgl.ȱfolgendeȱAbbildung).ȱȱ Nurȱ unterȱ derȱ Bedingungȱ derȱ Zielkomplementaritätȱ beiderȱ Partnerȱ kannȱ eineȱ erfolgȬ reicheȱKooperationȱzustandeȱkommen.ȱZielkonkurrenzȱschließtȱdieȱMöglichkeitȱeinerȱ Kooperationȱaus,ȱZielindifferenzȱschafftȱkeineȱMotivationȱfürȱeineȱKooperation.ȱȱ

MöglicheȱZielbeziehungen158ȱ

Abb.ȱ34:ȱ

Komplementaritätȱ Z1ȱ

Indifferenzȱ

Konkurrenzȱ Z1ȱ

Z2ȱ

Z2ȱ

Erhöhungȱ desȱ ZielȬ erreichungsgradȱ vonȱ Z1ȱ führtȱ auchȱ zurȱ Erhöhungȱ vonȱ ZielȬ erreichungsgradȱZ2ȱ

Z1ȱ

Steuerungsmaßnahmenȱ zurȱ Erreichungȱ vonȱ Z1ȱ führenȱ zurȱ Abnahmeȱ desȱ Zielerreichungsgradȱ vonȱZ2ȱ

Z2ȱ

Erfüllungȱ vonȱ Z1ȱ hatȱ keinenȱ Einflussȱ aufȱ dieȱ Erfüllungȱ vonȱZ2ȱ

ȱ

Wachsendeȱ Bedeutung,ȱ Vertiefungȱ undȱ Virtualisierungȱ vonȱ Kooperationenȱ inȱ derȱ Gesellschaft,ȱ dieȱ inȱ vorigemȱ Kapitelȱ diskutiertȱ wurden,ȱ verstärkenȱ dieȱ Rolleȱ desȱ VerȬ trauensȱinȱKooperationen,ȱdieȱnunȱausführlicherȱerläutertȱwird.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 158ȱ Rahn,ȱH.ȬJ.ȱUnternehmensführung,ȱS.ȱ402Ȭ403.ȱ

133ȱ

9.3

9

Kooperation

9.4

Vertrauen und Kooperationsbereitschaft

GegenseitigesȱVertrauenȱistȱfürȱjedeȱKooperationȱunentbehrlich.ȱEsȱbildetȱdieȱBasisȱfürȱ eineȱoffeneȱundȱkonstruktiveȱZusammenarbeit,ȱfördertȱdieȱBereitschaftȱvonȱGruppenȬ mitgliedern,ȱihreȱErfahrungenȱundȱihrȱWissenȱoffenȱzuȱlegenȱundȱgemeinsamenȱZielenȱ ersteȱPrioritätȱzuzuordnen.ȱBesondersȱinȱderȱAnfangsphaseȱistȱgegenseitigesȱVertrauenȱ notwendig,ȱbevorȱmanȱdenȱAnderenȱrichtigȱkennenȱgelerntȱundȱErfahrungȱinȱderȱZuȬ sammenarbeitȱgesammeltȱhat.ȱȱ Bekanntȱ istȱ einȱ Zitatȱ ausȱ demȱ Artikelȱ „Wieȱ organisiertȱ manȱ Kooperation?“ȱ vonȱ demȱ Theoretikerȱ desȱ Kommunismusȱ W.ȱ I.ȱ Lenin:ȱ „Vertrauenȱ istȱ gut,ȱ Kontrolleȱ istȱ besser.“ȱ SicherlichȱkannȱVertrauenȱdurchȱKontrollmaßnahmenȱundȱStrafsanktionenȱimȱFallȱderȱ Nichterfüllungȱ vonȱ gegenseitigenȱ Pflichtenȱ unterstütztȱ werden,ȱ aberȱ ganzȱ ohneȱ VerȬ trauenȱkommtȱkeineȱKooperationȱzustande.ȱ BeiȱS.ȱRobbinsȱfindetȱsichȱfolgendeȱDefinitionȱvonȱVertrauen:ȱ„VertrauenȱistȱdieȱpositiȬ veȱErwartung,ȱdassȱsichȱeinȱandererȱ–ȱinȱWorten,ȱinȱTatenȱoderȱbeiȱEntscheidungenȱ–ȱ nichtȱopportunistischȱverhaltenȱwird.“159ȱȱ DieȱWorteȱ„positiveȱErwartung“ȱunterstellen,ȱdassȱwirȱunserenȱPartnerȱbereitsȱkennen,ȱ weilȱ Vertrauenȱ einȱ erfahrungsbedingterȱ Prozessȱ ist.ȱ Jeȱ besserȱ manȱ jemandenȱ kennenȱ lernt,ȱdestoȱleichterȱwirdȱes,ȱihmȱgegenüberȱVertrauenȱzuȱfassen.ȱMitȱderȱBezeichnungȱ „nichtȱopportunistisch“ȱbetontȱdieseȱDefinitionȱdasȱRisiko,ȱdasȱinȱjederȱVertrauensbeȬ ziehungȱ vorkommt:ȱ einanderȱ zuȱ vertrauenȱ bedeutet,ȱ etwasȱ Privates,ȱ Wichtigesȱ vonȱ sichȱ preisȱ zuȱ geben.ȱ Wirdȱ unserȱ Vertrauenȱ missbraucht,ȱ fühlenȱ wirȱ unsȱ ausgenutztȱ undȱ verraten.ȱ Folglichȱ istȱ dasȱ wesentlicheȱ Merkmalȱ allerȱ Vertrauensbeziehungenȱ dieȱ Bereitschaft,ȱeinȱRisikoȱeinzugehen.ȱ RobbinsȱdefiniertȱinȱAnlehnungȱanȱdieȱneustenȱForschungsergebnisseȱfünfȱDimensioȬ nenȱdesȱVertrauens160:ȱIntegrität,ȱKompetenz,ȱKonsistenz,ȱLoyalitätȱundȱOffenheit.ȱ Unterȱ Integritätȱ werdenȱ Ehrlichkeitȱ undȱAufrichtigkeitȱ gemeint.ȱ Dieseȱ Eigenschaftenȱ machenȱeineȱPersonȱinȱdenȱAugenȱeinerȱanderenȱglaubwürdig.ȱMoralischeȱWerteȱundȱ EinstellungenȱspielenȱdabeiȱeineȱentscheidendeȱRolle.ȱDieȱKompetenzȱumfasstȱsowohlȱ fachlicheȱ alsȱ auchȱ sozialeȱ Kompetenzenȱ einesȱ Individuumsȱ (vgl.ȱ Kompetenzenȱ einerȱ Führungskraftȱ inȱ Kapitelȱ 1.2).ȱ Dieȱ Konsistenzȱ wirdȱ alsȱ Übereinstimmungȱ zwischenȱ Wortȱ undȱ Tatȱ verstanden,ȱ dieȱ sichȱ inȱ derȱ Verlässlichkeitȱ undȱ Berechenbarkeitȱ einesȱ Menschenȱ äußert.ȱ Eineȱ Diskrepanzȱ zwischenȱ verkündetenȱ Prinzipienȱ undȱ tatsächliȬ chemȱVerhaltenȱwirdȱeinemȱPartnerȱnichtȱverziehen,ȱdasȱVertrauenȱistȱhin.ȱDieȱLoyaliȬ tätȱbezeichnetȱdieȱBereitschaft,ȱeinenȱanderenȱMenschenȱoderȱeineȱGruppeȱbzw.ȱOrgaȬ nisationȱinȱSchutzȱzuȱnehmenȱundȱseinen/ihrenȱRufȱzuȱverteidigen.ȱȱDieȱfünfteȱDimenȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 159ȱ Robbins,ȱS.ȱP.ȱOrganisationȱderȱUnternehmung,ȱS.ȱ394.ȱ 160ȱ Ebd.,ȱS.ȱ395Ȭ396.ȱ

134ȱ

Vertrauen und Kooperationsbereitschaft

sionȱbeschreibtȱOffenheit,ȱworunterȱmanȱdieȱBereitschaftȱdesȱPartnersȱversteht,ȱseineȱ MotiveȱundȱInformationenȱoffenȱzulegenȱundȱnichtsȱzuȱverheimlichen.ȱȱ InȱdiesenȱDimensionenȱkommtȱdieȱRolleȱvonȱEmotionenȱinȱKooperationenȱzumȱAusȬ druck:ȱ dasȱ Vertrauenȱ entstehtȱ zumȱ größtenȱ Teilȱ emotional,ȱ durchȱ dieȱ Bewertungȱ desȱ PartnersȱundȱseinerȱWerte.ȱȱȱ InȱderȱPraxisȱkannȱVertrauenȱausȱverschiedenenȱGründenȱzustandeȱkommen.ȱRobbinsȱ beschreibtȱ dreiȱ Grundlagenȱ fürȱ Vertrauen:ȱ Abschreckung,ȱ Wissenȱ undȱ IdentifikatiȬ on.161ȱ Childȱ undȱ Faulknerȱ benutzenȱ dieȱ gleicheȱ Klassifikation,ȱ sprechenȱ jedochȱ vonȱ kalkulierendemȱ stattȱ vonȱ abschreckungsbasiertemȱ Vertrauen.162ȱ Offensichtlich,ȱ istȱ dieseȱ Bezeichnungȱ treffender,ȱ daȱ aufȱ derȱ Basisȱ derȱAbschreckungȱ keinȱ Vertrauenȱ geȬ deihenȱ kann.ȱ Dieȱ Charakteristikaȱ dieserȱ dreiȱ Vertrauensarten:ȱ kalkulierendes,ȱ wisȬ sensbasiertesȱundȱidentifikationsbasiertes,ȱwerdenȱinȱderȱfolgendenȱTabelleȱdargestellt.ȱ

Tabelleȱ22:ȱ VertrauensartenȱinȱAnlehnungȱanȱS.ȱRobbins163ȱ Kalkulierendes í Vertrauen basiert auf der Angst vor Vergeltungsmaßnahmen im Falle eines Vertrauensbruchs í ist ein Hindernis für Vertrauensbruch í wirkt nicht vertrauensfördernd í ist für das Anfangsstadium einer Kooperation typisch, bevor man den Partner richtig kennen gelernt hat í Formen: Verträge, Strafdrohungen, juristische Vereinbarungen

Wissensbasiertes

Identifikationsbasiertes

í Vertrauen entsteht aufgrund der Berechenbarkeit des Verhaltens

í ist die höchste Ebene des Vertrauens, die auf emotionaler Bindung basiert

í Informationen über den Partner sind wichtig (Kenntnis, Empfehlungen oder Referenzen)

í beide Seiten verstehen ihre gegenseitigen Absichten und respektieren die Wünsche des Gegenübers

í kommt zustande bei bekannten Partnern (durch positive Erfahrung) í Kommunikation und Interaktion wirken fördernd

í basiert auf langjähriger Zusammenarbeit und gemeinsamer Erfahrung í Kontrolle ist minimal, weil die gegenseitige Loyalität nicht bezweifelt wird

í Form: meist informell

ȱ InȱderȱPraxisȱwirdȱinȱderȱRegelȱeinȱKompromissȱzwischenȱVertrauenȱundȱMisstrauenȱ gefunden,ȱ wobeiȱ einȱ Vertrauensvorschussȱ undȱ eineȱ erträglicheȱ Absicherungȱ zusamȬ menspielen.ȱ R.ȱ Sprengerȱ bezeichnetȱ einȱ modernesȱ Vertrauenȱ alsȱ eineȱ „Entscheidungȱ fürȱeinȱMischungsverhältnisȱzwischenȱVertrauenȱundȱMisstrauen,ȱzwischenȱKontrolleȱ undȱKontrollverzicht“164ȱ(s.ȱfolgendȱAbbildung)ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 161ȱȱVgl.ȱRobbins,ȱS.ȱP.ȱOrganisationȱderȱUnternehmung,ȱS.ȱ396Ȭ397.ȱ 162ȱȱVgl.ȱChild,ȱJ.;ȱFaulkner,ȱD.ȱStrategiesȱofȱCoȬoperation,ȱS.ȱ48ȱff.ȱ 163ȱȱRobbins,ȱS.ȱP.ȱOrganisationȱderȱUnternehmung,ȱS.ȱ396Ȭ397.ȱ 164ȱȱSprenger,ȱR.ȱVertrauenȱführt,ȱS.ȱ77.ȱ

135ȱ

9.4

9

Kooperation

Abb.ȱ35:ȱ

KompromissȱzwischenȱVertrauenȱundȱMisstrauenȱ(nachȱR.ȱSprenger)165ȱ

Misstrauen expliziter Vertrag Vertrauen impliziter Vertrag

gewähltes Verhältnis

ȱ

VertrauensȬȱundȱKooperationsbereitschaftȱistȱvonȱMenschȱzuȱMenschȱunterschiedlich.ȱ Sowohlȱ dieȱ allgemeinenȱ Einstellungenȱ (insbesondereȱ dasȱMenschenbild)ȱ alsȱ auchȱ dieȱ Erfahrungenȱ mitȱ Kooperationenȱ undȱ Risikoȱ prägenȱ unsereȱ Kooperationsbereitschaft.ȱ AlsȱkooperationsbereitschaftsbeeinflussendeȱFaktorenȱkönnenȱgenanntȱwerden:ȱ

„ Kenntnisȱ derȱ Kooperationspartner:ȱ esȱ istȱ immerȱ leichterȱ mitȱ einerȱ bekanntenȱ PerȬ sonȱzusammenzuarbeiten,ȱmitȱderȱmanȱkeinȱRisikoȱeingeht;ȱ

„ Einstellungȱ zuȱ Risiko:ȱ Risikobereitschaftȱ istȱ unterschiedlichȱ ausgeprägt,ȱ abhängigȱ vonȱpersönlichenȱundȱkulturellenȱBedingungenȱundȱErfahrungen;ȱ

„ ähnlicheȱ Normenȱ undȱ Wertevorstellungenȱ beiȱ denȱ Kooperationspartnern:ȱ inȱ demȱ Fallȱkannȱ manȱsichȱbesserȱeinigen,ȱesȱistȱleichter,ȱdasȱVerhaltenȱundȱdieȱEntscheiȬ dungenȱderȱAnderenȱzuȱverstehen;ȱ

„ ErfahrungenȱmitȱKooperationen:ȱpositiveȱErfahrungenȱbegünstigenȱdieȱKooperatiȬ onsbereitschaft,ȱnegativeȱ–ȱerschweren;ȱ

„ Erwartungenȱ einesȱ Erfolgesȱ oderȱ persönlichenȱ Gewinns:ȱ jeȱ höherȱ dieȱ Erwartung,ȱ destoȱgrößerȱdieȱKooperationsbereitschaft,ȱauchȱbeiȱerhöhtemȱRisikoȱundȱ

„ günstigeȱsituativeȱRahmenbedingungenȱfürȱdieȱKooperation:ȱbesondereȱFörderungȱ undȱrechtlicheȱSicherheitȱerleichternȱdasȱZustandekommenȱvonȱKooperationen.ȱ Kooperationȱ undȱ Kooperationsbereitschaftȱ könnenȱ inȱ derȱ Praxisȱ durchȱ gezielteȱ MaßȬ nahmenȱgefördertȱwerden.ȱȱ

9.5

Förderung von Kooperationen

DieȱWichtigkeitȱvonȱKooperationenȱinȱderȱUnternehmenspraxisȱmachtȱeineȱDiskussionȱ überȱNotwendigkeitȱundȱMöglichkeitenȱihrerȱFörderungȱaktuell:ȱwieȱkönnenȱKooperaȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 165ȱ InȱAnlehnungȱanȱSprenger,ȱR.ȱVertrauenȱführt,ȱS.ȱ74.ȱȱ

136ȱ

Förderung von Kooperationen

tionenȱ erfolgreichȱ gestaltetȱ werden?ȱ Aufȱ denȱ Ebenenȱ derȱ zwischenbetrieblichenȱ undȱ internationalenȱKooperationenȱgehtȱesȱbeiȱderȱFörderungȱvorȱallemȱumȱdieȱrechtlicheȱ Absicherungȱ undȱ dieȱ interkulturelleȱ Problematik.ȱ Ergebnisseȱ zahlreicherȱ Studienȱ beȬ weisen,ȱ dassȱ sichȱ dieȱ Unterschiedeȱ inȱ denȱ Unternehmenskulturenȱ derȱ Partnerȱ besonȬ dersȱnegativȱaufȱdieȱKooperationenȱauswirkenȱundȱeinȱhäufigerȱGrundȱfürȱMisserfolgȱ oderȱAbbruchȱeinerȱKooperationȱsind.ȱȱ Unabhängigȱ vonȱ derȱ Kooperationsebeneȱ istȱ dieȱ Förderungȱ desȱ kooperativenȱ VerhalȬ tensȱ aufȱ dieȱ Unterstützungȱ vonȱ wesentlichenȱ positivenȱ Aspektenȱ derȱ Kooperationenȱ hinȱausgerichtetȱ(vgl.ȱfolgendeȱTabelle).ȱ

Tabelleȱ23:ȱ KooperationenȱundȱihreȱFörderungȱ Merkmal der Kooperation

Fördermaßnahmen

Vorteile durch Arbeitsteilung und Spezialisierung

Gemeinsamen Erfolg erreichen und in den Vordergrund stellen, Lernprozesse initiieren

Soziales Miteinander, wichtige Rolle von Emotionen und Sympathien

Unterstützung von Sympathie, Einbeziehung der Privatsphäre, informelle Kommunikation

Wichtigkeit von gegenseitigem Vertrauen

Offene Kommunikation, Vertrauensatmosphäre und Aufrichtigkeit

Gemeinsame Gestaltung der Gruppenwelt

Unterstützung der Identifikation und gemeinsamer Kultur

ȱ Kooperationenȱ bringenȱ wirtschaftlicheȱ Vorteileȱ durchȱ Spezialisierungȱ undȱArbeitsteiȬ lung,ȱ weilȱ dieȱ Teilnehmerȱ verschiedeneȱ Kompetenzenȱ undȱ verschiedenesȱ Wissenȱ haȬ benȱundȱsichȱgegenseitigȱergänzen.ȱDasȱBedürfnisȱnachȱLeistungȱistȱbeiȱjedemȱIndiviȬ duumȱ vorhanden,ȱ auchȱ inȱ einerȱ Kooperationȱ willȱ manȱ erfolgreichȱ sein.ȱ Derȱ gemeinȬ sameȱ Erfolgȱ alsȱ Zielȱ wirktȱ motivierendȱ undȱ stelltȱ einȱ Erfolgserlebnisȱ dar,ȱ dasȱ dieȱ Kooperationspartnerȱ zusammenschweißenȱ kann.ȱ Esȱ istȱ sehrȱ wichtig,ȱ dassȱ jedesȱ MitȬ gliedȱderȱKooperationȱseinenȱAnteilȱamȱErfolgȱerkennt,ȱdadurchȱwirdȱdieȱIdentifikatiȬ onȱ mitȱ Partnernȱ undȱ mitȱ denȱ Ergebnissenȱ derȱ Zusammenarbeitȱ gestärkt.ȱ Beiȱ derȱ gemeinsamenȱAufgabenlösungȱ kommenȱ gegenseitigeȱ Lernprozesseȱ inȱ Gang,ȱ dieȱ sichȱ aufȱdieȱZusammengehörigkeitȱsehrȱpositivȱauswirken.ȱ AusȱderȱsozialenȱPerspektiveȱbedeutetȱeineȱKooperationȱdasȱmenschlicheȱMiteinander,ȱ dasȱ aufȱ individuellemȱ Verhalten,ȱ Emotionenȱ undȱ gegenseitigenȱ Sympathienȱ basiert.ȱ Folglichȱ istȱ dieȱ Unterstützungȱ desȱ sozialenȱ Miteinandersȱ eineȱ wichtigeȱ FördermaßȬ nahme.ȱ Sozialeȱ Beziehungenȱ könnenȱ durchȱ gemeinsameȱ Freizeitaktivitätenȱ undȱ reȬ gelmäßigeȱ informelleȱ Treffenȱ gefördertȱ werden.ȱ Eineȱ offeneȱ aufrichtigeȱ Atmosphäreȱ stärktȱ dasȱ gegenseitigeȱ Vertrauen.ȱ Auchȱ eineȱ offeneȱ undȱ intensiveȱ Kommunikationȱ spieltȱ beiȱ Kooperationenȱ eineȱ wichtigeȱ Rolle.ȱAlsȱ Folgeȱ werdenȱ persönlicheȱ Kontakteȱ zwischenȱ Partnernȱ begünstigt,ȱ gegenseitigeȱ Sympathieȱ unterstütztȱ undȱ dasȱ ZusamȬ

137ȱ

9.5

9

Kooperation

mengehörigkeitsgefühlȱ gefördert.ȱ Beiȱ positiverȱ Entwicklungȱ kommtȱ esȱ mitȱ derȱ Zeitȱ zumȱidentifikationsbasiertenȱVertrauenȱ(vgl.ȱKapitelȱ9.4),ȱdasȱaufȱemotionalerȱBindungȱ undȱgemeinsamerȱpositiverȱErfahrungȱderȱKooperationsmitgliederȱbasiert.ȱȱ Inȱ demȱ Kooperationsprozessȱ wirdȱ eineȱ gemeinsameȱ Weltȱ geschaffen,ȱ dieȱ ihreȱ SelbstȬ ständigkeitȱ undȱ Dynamikȱ entwickelt,ȱ deshalbȱ brauchtȱ eineȱ Kooperationȱ Maßnahmenȱ fürȱUnterstützungȱderȱKulturȱundȱIdentität,ȱdieȱdurchȱspezielleȱKulturȬȱundȱPersonalȬ politikȱ imȱ Rahmenȱ einerȱ Kooperationȱ geschaffenȱ werden.ȱ Dazuȱ gehören:ȱ Symboleȱ (Logos)ȱ undȱ Namen,ȱ Ritualeȱ undȱ Institutionenȱ (Konferenzen,ȱ gemeinsamesȱ Essen,ȱ Treffpunkte)ȱsowieȱgemeinsameȱGeschichtenȱ(Erlebnisse)ȱundȱHelden.ȱȱ ImȱMittelpunktȱjederȱKooperationȱstehenȱMenschenȱ–ȱsieȱsindȱdieȱTrägerȱvonȱKooperaȬ tionsbeziehungen.ȱEineȱKooperationȱbasiertȱinȱersterȱLinieȱaufȱAustauschbeziehungen,ȱ derenȱEntwicklungȱvomȱGradȱdesȱVertrauensȱsowieȱderȱQualitätȱderȱKommunikationȱ unterȱ denȱ Mitgliedernȱ abhängt.ȱ Dieȱ menschlichenȱ Beziehungenȱ beinhaltenȱ jedochȱ nebenȱderȱsachlichenȱKomponenteȱauchȱpersönlicheȱGefühle,ȱEmotionenȱundȱWerturȬ teile.ȱ Zuȱ denȱ Aufgabenȱ einesȱ Managersȱ gehörtȱ deswegenȱ auchȱ Konfliktschlichtungȱ undȱMediation,ȱwobeiȱderȱUmgangȱmitȱGefühlenȱeinȱFingerspitzengefühlȱerfordert.ȱ ZusammenfassendȱkannȱmanȱdieȱDefinitionȱderȱKooperationȱerweitern:ȱeineȱerfolgreiȬ cheȱKooperationȱbedeutetȱmehrȱalsȱeinfachȱZusammenwirken,ȱsieȱheißtȱauchȱeinanderȱ vertrauen,ȱvoneinanderȱlernen,ȱuntereinanderȱkommunizieren,ȱzusammenȱerfolgreichȱ seinȱundȱeineȱgemeinsameȱWeltȱgestalten.ȱȱ Kontrollfragenȱ 1. BeschreibenȱSieȱdieȱEbenenȱvonȱKooperationenȱundȱihreȱBesonderheiten.ȱ 2. ErläuternȱSieȱFormenȱvonȱzwischenbetrieblichenȱKooperationen.ȱ 3. WelcheȱMerkmaleȱhabenȱKooperationenȱinȱmodernenȱwestlichenȱGesellschaften?ȱȱ 4. DefinierenȱSieȱdenȱBegriffȱKooperationȱundȱnennenȱSieȱpraktischeȱGründeȱfürȱdasȱ EntstehenȱvonȱKooperationen.ȱ 5. Beschreibenȱ Sieȱ dieȱ Voraussetzungenȱ fürȱ erfolgreicheȱ Kooperation:ȱ Verständnis,ȱ komplementäreȱZieleȱundȱgegenseitigesȱVertrauen.ȱ 6. ErläuternȱSieȱdieȱfünfȱDimensionenȱdesȱVertrauens:ȱIntegrität,ȱKompetenz,ȱKonsisȬ tenz,ȱLoyalitätȱundȱOffenheit.ȱ 7. Definierenȱ undȱ vergleichenȱ Sieȱ dieȱ dreiȱ Vertrauensarten:ȱ abschreckungsbasiertes,ȱ wissensbasiertesȱundȱidentifikationsbasiertesȱVertrauen.ȱ 8. ErläuternȱSieȱMaßnahmenȱzurȱFörderungȱvonȱKooperationen.ȱ

138ȱ

Förderung von Kooperationen

10 Kommunikation Kommunikationȱ istȱ allgegenwärtig.ȱ P.ȱ Watzlawickȱ definiertȱ esȱ so:ȱ manȱ kannȱ nichtȱ nichtȱ kommunizieren.166ȱ Obȱ wirȱ esȱ wollenȱ oderȱ nicht,ȱ wirȱ kommunizierenȱ ständig.ȱ Verbalȱ oderȱ nonverbal,ȱ sogarȱ durchȱ unserȱ Schweigenȱ oderȱ unsereȱ Zurückhaltung.ȱ Alles,ȱwasȱdieȱMenschenȱlernenȱundȱschaffen,ȱworüberȱsieȱsichȱfreuenȱundȱwarumȱsieȱ traurigȱsind,ȱhängtȱmitȱihrerȱKommunikationȱzusammen.ȱWirȱerschließenȱfürȱunsȱdieȱ WeltȱundȱerschaffenȱsieȱimmerȱwiederȱneuȱdurchȱunsereȱKommunikation.ȱAuchȱinȱderȱ Arbeitsweltȱ istȱ dieȱ Rolleȱ derȱ Kommunikationȱ enorm:ȱ sieȱ bildetȱ dieȱ Grundlageȱ jederȱ Kooperation,ȱ ermöglichtȱ Wissensaustauschȱ undȱ Koordination,ȱ istȱ einȱ wichtigesȱ FühȬ rungsȬȱundȱMotivationsinstrument.ȱAndererseitsȱkönnenȱKommunikationsproblemeȱinȱ Unternehmenȱ zuȱ mangelndenȱ Leistungen,ȱ Fehlentscheidungen,ȱ Demotivationȱ undȱ Unzufriedenheitȱführen,ȱdieȱbeträchtlicheȱwirtschaftlicheȱFolgenȱverursachen.ȱȱ Ausȱ derȱ verhaltenswissenschaftlichenȱ Perspektiveȱ gesehen,ȱ sindȱ dieȱ Schwierigkeitenȱ menschlicherȱ Kommunikationȱ durchȱ denȱ subjektivenȱ Charakterȱ individuellerȱ mentaȬ lerȱ Modelleȱ undȱ dieȱ Vielschichtigkeitȱ einerȱ Persönlichkeitȱ vorprogrammiert,ȱ daȱ anȱ jedemȱKommunikationsaktȱsubjektive,ȱerfahrungsbedingteȱWeltbilderȱsowieȱVerstand,ȱ Vernunftȱ undȱ Emotionenȱ beiderȱ Partnerȱ beteiligtȱ sind.ȱ Zugleichȱ liegenȱ dieȱ Lösungenȱ fürȱ dieseȱ Problemeȱ ebensoȱ inȱ derȱ menschlichenȱ Psycheȱ Ȭȱ wirȱ habenȱ Bedürfnisȱ nachȱ einemȱ gemeinsamenȱ Verständnisraumȱ undȱ könnenȱ mithilfeȱ unsererȱ Spiegelneuronenȱ Gefühleȱ undȱ Handlungenȱ unsererȱ Mitmenschenȱ nachvollziehen.ȱ Diesesȱ Vermögen,ȱ intuitiveȱ Vorstellungenȱ überȱ dieȱ Gefühleȱ undȱAbsichtenȱ einesȱ anderenȱ Menschenȱ zuȱ gewinnen,ȱ wirdȱ vonȱ Fachleutenȱ alsȱ „Theoryȱ ofȱ Mind“ȱ bezeichnetȱ undȱ alsȱ Grundlageȱ derȱKommunikationȱangesehen.167ȱ InȱdiesemȱKapitelȱwerdenȱverschiedeneȱDefinitionenȱundȱModelleȱderȱKommunikatiȬ onȱ dargestellt,ȱ Wegeȱ zurȱ kommunikativenȱ Verständigungȱ undȱ Besonderheitenȱ derȱ verbalenȱundȱnonverbalenȱKommunikationȱaufgezeigtȱsowieȱeinigeȱKommunikationsȬ theorienȱ erläutert,ȱ dieȱ (zukünftigen)ȱ Führungskräftenȱ helfenȱ sollen,ȱ erfolgreichȱ zuȱ kommunizieren.ȱ Dieseȱ theoretischeȱ Basisȱ wirdȱ aufȱ dieȱ betrieblicheȱ Kommunikationȱ angewandt:ȱjederȱAnsatzȱwirdȱmitȱBeispielenȱausȱderȱunternehmerischenȱPraxisȱbelegt,ȱ esȱwerdenȱVorȬȱundȱNachteileȱverschiedenerȱKommunikationsmedienȱsowieȱdieȱVorȬ bereitungȱundȱDurchführungȱvonȱFührungsgesprächenȱbeschrieben.ȱȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 166ȱ Watzlawick,ȱP.;ȱBeavin,ȱJ.ȱH.;ȱJackson,ȱD.ȱD.ȱMenschlicheȱKommunikation,ȱS.ȱ50.ȱ 167ȱ Vgl.ȱBauer,ȱJ.ȱWarumȱichȱfühle,ȱwasȱduȱfühlst,ȱS.ȱ16.ȱ

139ȱ

9.5

10

Kommunikation

10.1

Definitionen und Modelle

Dasȱ Wortȱ „Kommunikation“ȱ stammtȱ vomȱ lateinischenȱ „communis“,ȱ wasȱ gemeinsamȱ machen,ȱgemeinsamȱberatenȱbedeutet.ȱSchonȱAristotelesȱ(384ȱ–ȱ322ȱv.ȱChr.)ȱhatȱsichȱmitȱ demȱ Begriffȱ Kommunikationȱ befasstȱ undȱ dreiȱ Elementeȱ einerȱ Kommunikationȱ defiȬ niert:ȱdenȱKommunikatorȱ(Redner),ȱdieȱKommunikationȱ(Rede)ȱundȱdenȱRezipientenȱ (Zuhörer).168ȱ MeistȱwirdȱunterȱKommunikationȱ„AustauschȱvonȱInformationenȱzwischenȱMenschenȱ und/oderȱ Maschinen“169ȱ oderȱ „Übermittlungȱ undȱ Vermittlungȱ vonȱ Informationenȱ durchȱAusdruckȱundȱWahrnehmungȱvonȱZeichen“170ȱverstanden.ȱȱ PsychologenȱwieȱWatzlawick,ȱSchulzȱvonȱThunȱundȱNeuberger,ȱebensoȱSprachwissenȬ schaftlerȱ undȱ Philosophenȱ wieȱAustin,ȱ Searleȱ oderȱ Habermasȱ vertretenȱ dieȱ Meinung,ȱ dassȱeineȱKommunikationȱvielȱmehrȱbedeutet,ȱalsȱeinfacheȱÜbertragungȱvonȱInformaȬ tionen.ȱ Derȱ Prozessȱ desȱ Kommunizierensȱ istȱ einȱ komplexerȱ psychischerȱ Prozess,ȱ derȱ solcheȱ Facettenȱ wieȱ Wahrnehmung,ȱ Emotionen,ȱ Einstellungen,ȱ Machtverteilung,ȱ AkȬ zeptanzȱ undȱ Lernfähigkeitȱ beinhaltet.ȱ Kommunikationȱ wirdȱ alsȱ einȱ wechselseitigerȱ Austauschȱ vonȱ Mitteilungenȱ beschriebenȱ undȱ inȱ Verbindungȱ mitȱ Interaktionȱ (HandȬ lung)ȱ gebracht.ȱ Vonȱ Watzlawickȱ wirdȱ „einȱ wechselseitigerȱ Ablaufȱ vonȱ Mitteilungenȱ zwischenȱ zweiȱ oderȱ mehrerenȱ Personenȱ alsȱ Interaktion“ȱ bezeichnet.171ȱ Menschlicheȱ KommunikationȱistȱdemnachȱeineȱInteraktionȱzwischenȱzweiȱoderȱmehrerenȱPersonen,ȱ dieȱ durchȱ dieȱ gegenseitigeȱ Wahrnehmungȱ beiderȱ Partnerȱ beeinflusstȱ wirdȱ undȱ fürȱ gemeinsamesȱHandelnȱentscheidendȱist.ȱ

Abb.ȱ36:ȱ

KommunikationȱwirdȱdurchȱgegenseitigeȱWahrnehmungȱvonȱPartnernȱbeeinflusstȱ

ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 168ȱ Vgl.ȱMohr,ȱN.ȱKommunikationȱalsȱInteraktionsvariable,ȱS.ȱ353.ȱ 169ȱ Vgl.ȱRahn,ȱH.ȱJ.ȱUnternehmensführung,ȱS.ȱ32.ȱ 170ȱ Vgl.ȱBrockhaus,ȱ1990,ȱS.ȱ211.ȱ 171ȱ Watzlawick,ȱP.;ȱBeavin,ȱJ.ȱH.;ȱJackson,ȱD.ȱD.ȱMenschlicheȱKommunikation,ȱS.ȱ50.ȱ

140ȱ

Definitionen und Modelle

Inȱ demȱ gängigenȱ SenderȬEmpfängerȬModellȱ derȱ Kommunikationȱ mitȱ Rückkopplungȱ werdenȱdieȱwichtigstenȱAspekteȱderȱKommunikationȱdargestelltȱ(s.ȱAbbildung).ȱ

Abb.ȱ37:ȱ

SenderȬEmpfängerȬModellȱderȱKommunikationȱ

S

Nachricht

E

Rückkopplung

ȱ

Eineȱ vonȱ demȱ Senderȱ geschickteȱ Nachrichtȱ wirdȱ zunächstȱ durchȱ spezifischeȱ Filterȱ gefiltertȱ undȱ entsprechendȱ kodiert,ȱ danachȱ durchȱ einȱ Mediumȱ (Kanal)ȱ transportiertȱ undȱmithilfeȱvonȱFilternȱdesȱEmpfängersȱdekodiert.ȱAbhängigȱvonȱdenȱFilternȱanȱbeiȬ denȱ Seitenȱ undȱ vonȱ demȱ Mediumȱ derȱ Übertragungȱ kommtȱ dieȱ Nachrichtȱ mehrȱ oderȱ wenigerȱ verändertȱ beiȱ demȱ Empfängerȱ an.ȱ Selbstȱ diesesȱ einfacheȱ Modellȱ zeigt:ȱ esȱ istȱ theoretischȱunmöglich,ȱdassȱeineȱNachrichtȱhundertprozentigȱrichtigȱankommt.ȱ Woraufȱ basierenȱ dieȱ Filter,ȱ dieȱ unsereȱ Kommunikationȱ soȱ starkȱ beeinträchtigen?ȱ Inȱ ersterȱ Linieȱ aufȱ demȱ subjektivenȱ Charakterȱ unsererȱ Wahrnehmungȱ undȱ unseresȱ WisȬ sensȱ (s.ȱ Kapitelȱ 5ȱ „Wissensrepräsentation“)ȱ sowieȱ aufȱ denȱ Intentionen,ȱ dieȱ mitȱ derȱ Kommunikationȱ verfolgtȱ werden.ȱ Keineȱ Informationȱ existiertȱ isoliert,ȱ sieȱ istȱ anȱ eineȱ bestimmteȱ Personȱ gebundenȱ (mitȱ derȱ pragmatischenȱ Dimensionȱ desȱ Wissens)ȱ undȱinȱ einemȱsubjektivenȱWissenssystemȱverwurzeltȱ(individuellesȱWissen,ȱdasȱaufgrundȱvonȱ Fähigkeiten,ȱ Interessen,ȱ Erfahrungenȱ undȱ Kompetenzenȱ einerȱ Personȱ entstandenȱ ist).ȱ Diesȱ giltȱ sowohlȱ fürȱ denȱ Sender,ȱ alsȱ auchȱ fürȱ denȱ Empfängerȱ einerȱ Nachricht.ȱ Ihreȱ spezifischenȱ Filterȱ werdenȱ zusätzlichȱ durchȱ dieȱ Zieleȱ vonȱ Kommunikationspartnernȱ undȱdieȱgegenseitigeȱEinschätzungȱdesȱanderenȱPartnersȱbeeinflusst.ȱInȱjederȱKommuȬ nikationȱhabenȱwirȱunsereȱeigeneȱVorstellungȱvonȱunsȱselbst,ȱderȱPersonȱdesȱPartnersȱ undȱ seinerȱ Wahrnehmungȱ unsererȱ Person,ȱwasȱ aufȱ dieȱ Funktionȱ unsererȱ SpiegelneuȬ ronenȱ zurückzuführenȱ ist.ȱ Inȱ diesemȱ Sinnȱ behauptenȱ dieȱ Psychologen,ȱ dassȱ anȱ einerȱ KommunikationȱzweierȱMenschenȱsechsȱPersonenȱbeteiligtȱsind:172ȱ

„ dieȱ beidenȱ Personen,ȱ wieȱ sieȱ sichȱ jeweilsȱ selbstȱ inȱ ihrenȱ SelbstȬRepräsentationenȱ wahrnehmen(wieȱsieȱselbstȱzuȱseinȱglauben),ȱȱ

„ dieȱbeidenȱPersonen,ȱwieȱsieȱsichȱwechselseitigȱalsȱRepräsentationenȱinȱsichȱtragenȱ (wieȱsieȱglauben,ȱdassȱderȱjeweilsȱandereȱsei)ȱundȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 172ȱ Vgl.ȱBauer,ȱJ.ȱWarumȱichȱfühle,ȱwasȱduȱfühlst,ȱS.ȱ87.ȱ

141ȱ

10.1

10

Kommunikation

„ dieȱnurȱalsȱphysischeȱRealitätȱvorhandenenȱPersonen.ȱ Dieȱ wichtigeȱ Rolleȱ inȱ demȱ SȬEȬModellȱ spieltȱ dieȱ Rückkopplung,ȱ dieȱ eigentlichȱ denȱ Zweckȱ einerȱ Kommunikationȱ beschreibt.ȱ Nichtȱ dasȱ Sendenȱ einerȱ Nachrichtȱ anȱ sich,ȱ sondernȱ vielȱ mehrȱ dieȱ Reaktionȱ desȱ Empfängersȱ interessiertȱ denȱ Sender.ȱ Dieȱ RückȬ kopplungȱmachtȱesȱzugleichȱmöglich,ȱzuȱüberprüfen,ȱobȱundȱwieȱeineȱNachrichtȱangeȬ kommenȱ ist,ȱ obȱ sieȱ verstandenȱ wurde.ȱ Fallsȱ nicht,ȱ kannȱ derȱ Senderȱ Korrekturenȱ vorȬ nehmenȱundȱnochȱeinenȱVersuchȱstarten.ȱEsȱkönnenȱmehrereȱAbläufeȱstattfinden,ȱbisȱ dasȱ Zielȱ erreichtȱ ist.ȱ Manȱ mussȱ zusätzlichȱ berücksichtigen,ȱ dassȱ dieȱ Rückkopplung,ȱ genausoȱwieȱdieȱursprünglicheȱNachricht,ȱaufȱeinemȱkomplexenȱWegeȱmitȱFilternȱundȱ Transportmediumȱstattfindet.ȱ Inȱ demȱ Sinneȱ istȱ Kommunikationȱ nurȱ dannȱ eineȱ erfolgreicheȱ Kommunikation,ȱ wennȱ sieȱ zurȱ Verständigungȱ führt.ȱ F.ȱ Varelaȱ definiertȱ Kommunikationȱ alsȱ einenȱ Aktȱ derȱ GestaltungȱgemeinsamerȱRealität:ȱKommunikationȱistȱnichtȱnurȱdieȱÜbertragungȱvonȱ InformationȱvomȱSenderȱzumȱEmpfänger,ȱ„KommunikationȱistȱvielmehrȱzuȱversteȬ henȱalsȱdieȱwechselweiseȱGestaltungȱundȱFormungȱeinerȱgemeinsamenȱWeltȱdurchȱ gemeinsamesȱHandeln:ȱWirȱbringenȱunsereȱWeltȱinȱgemeinsamenȱAktenȱdesȱRedensȱ hervor.“173ȱȱ Kommunikationȱ istȱ unsereȱ Verbindungȱ zurȱ Welt,ȱ unserȱ Mittel,ȱ dieȱ Wirklichkeitȱ zuȱ erschließenȱundȱzuȱgestalten.ȱDurchȱdieseȱPerspektiveȱgewinntȱKommunikationȱnochȱ mehrȱ anȱ Bedeutung.ȱ Wirȱ schaffenȱ unsereȱ privateȱ undȱ beruflicheȱ Realitätȱ zusammenȱ mitȱ anderenȱ Menschen,ȱ undȱ Kommunikationȱ istȱ dabeiȱ unserȱ VerständigungsȬȱ undȱ Koordinationsmittel.ȱDieȱRolleȱderȱKommunikationȱinȱeinerȱBeziehungȱistȱoffensichtȬ lich:ȱ durchȱ einȱ Wortȱ oderȱ eineȱ Gesteȱ könnenȱ wirȱ unserenȱ Partnerȱ glücklichȱ oderȱ unȬ glücklichȱ machen,ȱ „miteinanderȱ reden“ȱ kannȱ alsȱ Heilmittelȱ fürȱ jedesȱ Problemȱ angeȬ wendetȱ werden.ȱ Ebensoȱ bedeutsamȱ istȱ Kommunikationȱ fürȱ dieȱ betrieblicheȱ ZusamȬ menarbeit.ȱ Wieȱ kannȱ kommunikativeȱ Verständigungȱ erreichtȱ undȱ Kommunikationsfehlerȱ verȬ miedenȱ werden?ȱ Welcheȱ Medienȱ sindȱ dabeiȱ besondersȱ effizientȱ oderȱ umgekehrtȱ beȬ sondersȱstöranfällig?ȱEsȱgibtȱverschiedeneȱTheorien,ȱdieȱsichȱmitȱderȱkommunikativenȱ Verständigungȱ undȱ verschiedenenȱ Kommunikationsmedienȱ beschäftigen.ȱ Wirȱ MenȬ schenȱ benutzenȱ amȱ häufigstenȱ unsereȱ Spracheȱ alsȱ Medium,ȱ deswegenȱ istȱdieȱ verbaleȱ KommunikationȱfürȱMenschenȱvonȱbesondererȱBedeutung.ȱDieȱweiterenȱMedienȱkönȬ nenȱBilder,ȱMusik,ȱGerücheȱundȱTastempfindungenȱsein.ȱȱ Inȱ derȱ betrieblichenȱ Kommunikationȱ sindȱ folgendeȱ Medienȱ besondersȱ verbreitet:ȱ geȬ sprochenesȱ undȱ geschriebenesȱ Wort,ȱ Bilderȱ verschiedenerȱArtȱ (Tabellen,ȱ Diagramme,ȱ Abbildungenȱ undȱ Zeichnungen)ȱ undȱ nonverbaleȱ Mittelȱ (Körpersprache,ȱ paraverbaleȱ Mittel,ȱRaumverhaltenȱundȱErscheinungsbild).ȱIhreȱBesonderheitenȱwerdenȱimȱWeiteȬ renȱdiskutiert.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 173ȱ Varela,ȱF.ȱJ.ȱKognitionswissenschaftȱȬȱKognitionstechnik.ȱS.ȱ113.ȱ

142ȱ

Verbale und nonverbale Kommunikation

10.2

Verbale und nonverbale Kommunikation

VerbaleȱKommunikationȱistȱeinȱDialog,ȱderȱüberȱWorteȱerfolgt.ȱFürȱdenȱbetrieblichenȱ AlltagȱistȱsieȱdasȱzentraleȱKommunikationsmittel.ȱȱ DieȱsprachlicheȱKommunikationȱistȱfürȱMenschenȱalsȱsozialeȱWesenȱtypisch:ȱDieȱEntȬ wicklungȱvonȱSprachenȱhatȱinȱderȱGeschichteȱderȱMenschheitȱeineȱentscheidendeȱRolleȱ gespieltȱ undȱ denȱ Umgangȱ mitȱ Wissenȱ grundsätzlichȱ verändert.ȱ Dieȱ Benutzungȱ vonȱ standardisiertenȱZeichenȱhatȱunsereȱVerständigungȱundȱunsereȱLernprozesseȱaufȱeineȱ qualitativȱneueȱEbeneȱerhoben.ȱ AusȱneurobiologischerȱPerspektiveȱgesehen,ȱtransportiertȱmenschlicheȱSpracheȱHandȬ lungsvorstellungen:ȱ dieȱ Spracheȱ istȱ einȱ „Mittel,ȱ umȱ Vorstellungen,ȱ dieȱ wirȱ selbstȱ haȬ ben,ȱinȱeinenȱanderenȱMenschenȱeinzuspiegeln.ȱDieȱSpracheȱversetztȱunsȱinȱdieȱLage,ȱ SpiegelbilderȱunsererȱVorstellungenȱimȱanderenȱwachzurufenȱundȱdadurchȱgegenseiȬ tigesȱVerstehenȱzuȱerzeugen.“174ȱAusȱdiesemȱGrundȱkannȱdasȱWortȱbewegen,ȱerregenȱ undȱverändern.ȱGenauȱdasȱmachtȱeinȱcharismatischerȱFührer,ȱwennȱerȱseineȱMitarbeiȬ terȱzuȱeinerȱbestimmtenȱHandlungȱmotiviert.ȱ Ausȱ informationstheoretischerȱ Perspektiveȱ betrachtet,ȱ hatȱ dieȱ Kommunikationȱ dieȱ gleichenȱdreiȱDimensionen,ȱwieȱformalisiertesȱWissen:ȱeineȱsyntaktische,ȱeineȱsemantiȬ scheȱ undȱ eineȱ pragmatische.ȱ Dieȱ syntaktischeȱ Dimensionȱ beziehtȱ sichȱ aufȱ dasȱ reineȱ Benutzenȱ vonȱ Zeichenȱ undȱ Symbolen,ȱ dieȱ richtigȱ gebrauchtȱ werdenȱ sollen.ȱAnderenȱ Fallsȱ kannȱ eineȱ Nachrichtȱ nichtȱ übermitteltȱ werden.ȱ Dieȱ eigentlicheȱ Bedeutungȱ einerȱ Nachrichtȱ istȱ Bestandteilȱ derȱ Semantikȱ –ȱ sowohlȱ derȱ Sender,ȱ alsȱ auchȱ derȱ Empfängerȱ müssenȱsichȱüberȱdieȱBedeutungȱderȱZeichenȱeinigȱsein,ȱsieȱverstehen.ȱNurȱdannȱwirdȱ dieȱNachrichtȱnichtȱnurȱübertragen,ȱsondernȱauchȱverstanden.ȱDieȱdritte,ȱpragmatischeȱ Dimensionȱ spiegeltȱ dieȱ Zieleȱ desȱ Sendersȱ undȱ dieȱ Beziehungȱ zwischenȱ Senderȱ undȱ Empfängerȱwider.ȱDaȱdieȱSpracheȱkeineȱAnsammlungȱabstrakterȱBegriffeȱoderȱEtiketȬ tierungenȱ fürȱ dieȱ Objekteȱ einerȱ unbelebtenȱ Weltȱ ist,ȱ sondernȱ ihreȱ Wurzelnȱ inȱ denȱ erȬ fahrungsbasiertenȱHandlungenȱhat,ȱbesitztȱsieȱeineȱsubjektiveȱpragmatischeȱDimensiȬ on.ȱȱ DasȱeigentlicheȱZielȱjederȱKommunikationȱistȱdieȱkommunikativeȱVerständigungȱvonȱ Partnern.ȱDieseȱberuhtȱaufȱzweiȱAspekten:ȱVerstehenȱundȱAkzeptanz.ȱ Verstehenȱ heißtȱ Einverständnisȱ überȱ denȱ Inhaltȱ derȱ Äußerung,ȱ überȱ dieȱ syntaktischeȱ undȱsemantischeȱDimensionȱ derȱmitgeteiltenȱInformation.ȱDafürȱmüssenȱSenderȱundȱ Empfängerȱ dieȱ gleicheȱ Spracheȱ sprechen,ȱ nichtȱ nurȱ imȱ Sinneȱ derȱ Nationalsprache,ȱ sondernȱ weiterȱ gefasst:ȱ auchȱ Fachbegriffeȱ sollenȱ vonȱ beidenȱ (gleich)ȱ verstandenȱ werȬ den.ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 174ȱ Bauer,ȱJ.ȱWarumȱichȱfühle,ȱwasȱduȱfühlst,ȱS.ȱ76.ȱ

143ȱ

10.2

10

Kommunikation

Akzeptanzȱ bedeutetȱ dieȱAnerkennungȱ desȱ pragmatischenȱ Rollenpaares,ȱ aufȱ demȱ dieȱ Äußerungȱ aufbaut,ȱ undȱ derȱ pragmatischenȱ Dimensionȱ derȱ Information.ȱ Dasȱ heißt,ȱ dassȱ jederȱ derȱ Partnerȱ dasȱ Rechtȱ desȱAnderenȱ aufȱ seineȱ Meinungȱ sowieȱ dieȱ BedeutȬ samkeitȱdieserȱMeinungȱakzeptiert.ȱDieȱAkzeptanzȱkannȱdabeiȱaufȱeinerȱunterschiedliȬ chenȱ Machtverteilungȱ beruhen,ȱ dieȱ ausȱ derȱ Autoritätȱ desȱ Gegenübersȱ resultiert.ȱ Istȱ dieseȱAutoritätȱ nichtȱ nurȱ eineȱ formelle,ȱ aufȱ einerȱ Machtpositionȱ basierende,ȱ sondernȱ auchȱeineȱinformelleȱ(fachliche,ȱpersönliche),ȱsoȱhatȱdieȱAkzeptanzȱeineȱsichereȱemotiȬ onaleȱ Grundlage.ȱ Anderenfallsȱ kannȱ esȱ zuȱ Akzeptanzproblemenȱ kommen.ȱ Soȱ kannȱ beispielsweiseȱ einȱ erfahrener,ȱ ältererȱ Mitarbeiterȱ dieȱ arroganten,ȱ besserwisserischenȱȱ AnweisungenȱeinesȱjungenȱVorgesetztenȱnichtȱernstȱnehmen,ȱbevorȱdieserȱsichȱalsȱeinȱ qualifizierterȱSpezialistȱoderȱeineȱwillensstarkeȱFührungspersönlichkeitȱbewiesenȱhat.ȱȱȱ Dasȱ gesprocheneȱ Wortȱ wirdȱ zusätzlichȱ –ȱ bewusstȱ undȱ unbewusstȱ Ȭȱ vonȱ nonverbalenȱ Mittelnȱ begleitet.ȱ Dabeiȱ istȱ dieȱ Rolleȱ derȱ nonverbalenȱ Kommunikationȱ sehrȱ groß:ȱ KommunikationsforscherȱschätzenȱdenȱverbalenȱAnteilȱanȱdenȱvermitteltenȱGesamtinȬ formationȱaufȱnurȱ20%ȱein.ȱȱ Nonverbaleȱ Kommunikationȱ findetȱ überȱ paraverbaleȱ Mittel,ȱ Körpersprache,ȱ RaumȬ verhaltenȱundȱErscheinungsbildȱstatt.ȱDieȱeigenenȱnonverbalenȱKommunikationsmitȬ telȱ lassenȱ sichȱ nichtȱ ständigȱ kontrollieren,ȱ esȱ würdeȱ zuȱ vielȱ Aufmerksamkeitȱ undȱ Selbstkontrolleȱ erfordern.ȱ Manȱ kannȱ trotzdemȱ einigeȱ Gewohnheitenȱ entwickelnȱ undȱ sichȱ einigeȱ einfachenȱ Regelnȱ merken.ȱ Esȱ istȱ wichtig,ȱ dieȱ nonverbaleȱ Kommunikationȱ vonȱ Anderenȱ verstehenȱ zuȱ können,ȱ dennȱ nebenȱ demȱ gesprochenenȱ Wortȱ teiltȱ unsȱ unserȱ Gegenüberȱ sehrȱ vielȱ mitȱ nonverbalenȱ Mittelnȱ mit.ȱ Dieȱ gesprocheneȱ Botschaftȱ kannȱdurchȱnonverbaleȱMittelȱbestätigtȱundȱverstärktȱoderȱauchȱverändertȱundȱwiderȬ legtȱwerden.ȱDabeiȱgilt:ȱintuitivesȱVerstehenȱistȱauchȱohneȱSpracheȱmöglich,ȱaberȱkeineȱ Spracheȱ ohneȱ Verstehen.175ȱ Wennȱ wirȱ sprechenȱ oderȱ zuhören,ȱ empfindenȱ wirȱ dasȱ Gesprocheneȱnach.ȱUnserȱKörperȱäußertȱunsereȱEmpfindungenȱinȱderȱKörpersprache.ȱ StimmenȱKörperȬȱundȱverbaleȱSpracheȱunseresȱGegenübersȱnichtȱüberein,ȱglaubenȱwirȱ seinemȱWortȱnicht,ȱsondernȱseinemȱKörper.ȱ

Tabelleȱ24:ȱ KomponentenȱderȱnonverbalenȱKommunikationȱ Paraverbale Mittel

Körpersprache

Raumverhalten

Erscheinungsbild

Tonfall

Körperhaltung

Distanz

Fitness

Tonhöhe

Gestik

Gang

Kleidung

Rhythmus

Mimik

Frisur

Lautstärke

Blickkontakt

Make-up

Tempo, Pausen

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 175ȱ Vgl.ȱBauer,ȱJ.ȱWarumȱichȱfühle,ȱwasȱduȱfühlst,ȱS.ȱ82.ȱ

144ȱ

Schmuck

Verbale und nonverbale Kommunikation

Durchȱ dieȱ paraverbalenȱ Mittelȱ kannȱ einȱ Menschȱ dieȱ Bedeutungȱ desȱ Gesprochenenȱ variieren:ȱdieȱReichweiteȱumfasstȱeineȱbreiteȱPaletteȱvonȱHervorhebungȱdurchȱdieȱArtȱ derȱ Betonungȱ oderȱ rhetorischeȱ Pausen,ȱ überȱ Verstärkungȱ durchȱ eineȱ lauteȱ KommanȬ dostimmeȱ (Befehl)ȱ bisȱ zurȱ Ironie,ȱ wobeiȱ dieȱ Bedeutungȱ derȱ Äußerungȱ sichȱ inȱ ihrenȱ Gegensatzȱverwandelt.ȱParaverbaleȱMittelȱkönnenȱsowohlȱbewusstȱalsȱauchȱunbewusstȱ benutztȱwerden.ȱWennȱeinȱManagerȱbeiȱseinerȱÄußerungȱeinemȱMitarbeiterȱgegenüberȱ nichtȱaufrichtigȱist,ȱkannȱseineȱStimmeȱoderȱseinȱGesichtsausdruckȱdiesȱverraten,ȱundȱ derȱ Mitarbeiterȱ bekommtȱ dieȱ Unaufrichtigkeitȱ mit.ȱ Dasȱ gegenseitigeȱ Vertrauenȱ wirdȱ dadurchȱgefährdet.ȱEineȱmitȱlauter,ȱgroberȱStimmeȱausgesprocheneȱKritik,ȱdieȱsachlichȱ berechtigtȱist,ȱkannȱbeiȱeinemȱUntergebenenȱdasȱGefühlȱderȱBeleidigungȱhinterlassen,ȱ AbwehrmechanismenȱaktivierenȱundȱzurȱDemotivationȱführen.ȱRedetȱeinȱManagerȱaufȱ einemȱMeetingȱundeutlich,ȱzuȱleiseȱoderȱzuȱschnell,ȱdannȱkönnenȱihnȱdieȱMitarbeiterȱ kaumȱ verstehen,ȱ manȱ darfȱ vonȱ ihnenȱ keineȱ enthusiastischeȱArbeitȱ erwarten.ȱ EinȱchaȬ rismatischerȱ Rednerȱ kannȱ umgekehrtȱ seinȱ Publikumȱ begeisternȱ undȱ mitȱ UnterstütȬ zungȱ rechnen.ȱAusȱ diesemȱ Grundȱ sollteȱ jederȱ Managerȱ seineȱ rhetorischeȱ Kompetenzȱ entwickeln.ȱ DieȱeigentlicheȱKörperspracheȱ(Körperhaltung,ȱGestik,ȱMimikȱundȱBlickkontakt)ȱkannȱ vomȱ Managerȱ bewusstȱ eingesetztȱ werden,ȱ umȱ seineȱ Zieleȱ undȱ seinenȱAppellȱ zuȱ verȬ mitteln.ȱAuchȱdasȱVerstehenȱderȱKörperspracheȱdesȱGegenübersȱkannȱvieleȱzusätzlicheȱ Informationenȱ liefern.ȱ Einerȱ derȱ bekanntestenȱ Körpersprachenexpertenȱ unsererȱ Zeitȱ SamyȱMolcho176ȱbehauptet,ȱdassȱderȱKörperȱalles,ȱwasȱderȱMenschȱdenkt,ȱinȱeineȱeigeȬ neȱ Spracheȱ –ȱ Haltungenȱ undȱ Bewegungenȱ –ȱ übersetzt,ȱ manȱ müsseȱ nurȱ lernen,ȱ dieseȱ Spracheȱzuȱdeutenȱundȱbewusstȱeinzusetzen.ȱȱ Manȱ mussȱ jedochȱ bedenken,ȱ dassȱ menschlicheȱ Körperspracheȱ mehrdeutigȱ seinȱ kann:ȱ eineȱ Gesteȱ kannȱ inȱ verschiedenenȱ Situationenȱ beiȱ derȱ gleichenȱ Personȱ verschiedeneȱ Bedeutungenȱ haben,ȱ destoȱ mehrȱ beiȱ unterschiedlichenȱ Menschen.ȱ Deswegenȱ kannȱ manȱamȱsicherstenȱKörpersignaleȱvonȱunsȱbekanntenȱMenschenȱverstehen,ȱderenȱGeȬ wohnheiten,ȱGestenȱundȱMimikȱunsȱvertrautȱsind.ȱ Körperspracheȱistȱvielseitigȱ–ȱalleȱKörperteileȱsindȱanȱderȱÜbertragungȱeinerȱNachrichtȱ gleichzeitigȱ beteiligt:ȱ dieȱ Spracheȱ vonȱAugen,ȱ Kopf,ȱ Mund,ȱ Nase,ȱAugenbrauenȱ (MiȬ mik);ȱBewegungenȱderȱSchulterpartieȱundȱdesȱOberkörpers;ȱHaltungȱundȱBewegungenȱ vonȱBeinenȱundȱFüssenȱsowieȱvonȱHändenȱundȱFingern.ȱDasȱVerstehenȱderȱKörperhalȬ tungȱundȱGestenȱeinesȱGesprächspartnersȱkannȱhelfen,ȱdenȱPartnerȱbesserȱkennenȱzuȱ lernen,ȱdieȱrichtigeȱStrategieȱinȱeinerȱVerhandlungȱmitȱihmȱauszuwählen,ȱseineȱStimȬ mungenȱundȱReaktionenȱzuȱdeutenȱundȱdieȱeigeneȱTaktikȱanzupassen.ȱDasȱVerstehenȱ fremderȱ Gestikȱ hilftȱ eineȱ Diskussionȱ zuȱ führenȱ undȱ dieȱ richtigenȱArgumenteȱ zuȱ finȬ den,ȱdieȱaufȱInteresseȱundȱAkzeptanzȱdesȱGegenübersȱtreffen.ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 176ȱ Vgl.ȱMolcho,ȱS.ȱAllesȱüberȱKörpersprache.ȱ

145ȱ

10.2

10

Kommunikation

Exkurs: Körpersprache verstehen (Quelle: www.focus.de Berufsleben, Körpersprache) Tabelle. Deutung der Körperhaltung Ablehnung

Körperliches Zurückweichen

Ablehnung

Blick über die Schulter, der Oberkörper wird dem Gesprächspartner nicht zugewendet

Ablehnung

Distanz vergrößern

Sicherheit

Das Jackett öffnen, aufrechter, lockerer Stand

Unsicherheit

Die Füße um die Stuhlbeine geschlungen, ständig in Bewegung (Herumrutschen auf dem Stuhl)

Unsicherheit

Die Hände um die Stuhllehne geklammert

Unsicherheit

Sich selbst mit den Armen umklammern

Zustimmung

Körperliche Annäherung. sich dem Partner zuwenden

Rücksichtslosigkeit

Sitzen mit breit auseinanderklaffenden Beinen

Tabelle. Deutung der Gestik Aussage unterstreichen

Die Fingerkuppen einer Hand aneinander pressen

Interesse

Geweitete Pupillen

Sicherheit

Armbewegungen oberhalb der Taille

Sicherheit/Entrüstung/Erregung

Hände in die Hüften stemmen

Sicherheit/Nachdenklichkeit

Mit den Händen ein Spitzdach nach oben formen, das Kinn streicheln

Freude/Sicherheit/Zufriedenheit

Sich die Hände reiben

Unsicherheit/Ablehnung

Mit den Händen ein Spitzdach in Richtung des Gesprächspartners formen

Unsicherheit/Nervosität

Mit den Fingern trommeln

Aggression

Doppelläufige Pistole: Aneinanderlegen der Zeigefinger bei Verschränkung der anderen Finger und den auf die Zeigefinger aufgelegten Daumen

Zurückhalten von Informationen

Einen oder mehrere Finger auf die Lippen legen

ȱ 146ȱ

Verbale und nonverbale Kommunikation

BeiȱderȱDeutungȱderȱKörperspracheȱistȱdieȱGefahrȱderȱPauschalisierungȱzuȱbedenken:ȱ nurȱbeiȱPersonen,ȱdieȱunsȱvertrautȱsind,ȱkönnenȱwirȱdieȱKörpersignaleȱmehrȱoderȱweȬ nigerȱfehlerlosȱdeuten.ȱ Unsereȱ eigenenȱ Gestenȱ könnenȱ wirȱ nurȱ sehrȱ begrenztȱ kontrollieren,ȱ trotzdemȱ gibtȱ esȱ nachȱS.ȱMolchoȱeinigeȱeinfachenȱRegeln,ȱdieȱeinȱManagerȱberücksichtigenȱkann:ȱȱ

„ NurȱoberhalbȱderȱTailleȱgestikulieren,ȱ „ ZeigefingerȱinȱGesprächenȱnichtȱbenutzen,ȱdaȱerȱautoritärȱwirkt,ȱ „ Offeneȱ Handflächenȱ wirkenȱ imȱ Gesprächȱ positivȱ undȱ signalisierenȱ Offenheit,ȱ geȬ ballteȱFäusteȱ–ȱumgekehrt.ȱ Derȱ Blickkontaktȱ istȱ fürȱ dieȱ Kommunikationȱ vonȱ besondererȱ Bedeutung:ȱ währendȱ einesȱMeetingsȱoderȱeinerȱPräsentationȱsollteȱeinȱManagerȱunbedingtȱBlickkontaktȱmitȱ denȱ Zuhörernȱ halten.ȱ Einȱ offenerȱ Blickȱ istȱ einȱ Zeichenȱ fürȱ dieȱ eigeneȱ Offenheit,ȱAufȬ richtigkeitȱ undȱ Überzeugung.ȱ Einigeȱ Psychologenȱ behaupten,ȱ dassȱ dieȱ Augenȱ vonȱ Menschenȱ Ȭȱ imȱ Gegensatzȱ zurȱ Zungeȱ Ȭȱ nichtȱ lügenȱ können,ȱ deswegenȱ verratenȱ sie,ȱ wennȱeinȱMenschȱnichtȱdieȱWahrheitȱsagt.ȱDieȱAugenȱschließenȱsichȱbeimȱSchwindelnȱ kurzȱ oderȱ sehenȱ weg.ȱ Auchȱ derȱ Gesichtsausdruckȱ beimȱ Lügenȱ verrätȱ denȱ Lügner:ȱ währendȱeinȱehrlicherȱGesichtsausdruckȱsymmetrischȱist,ȱistȱderȱfalscheȱimmerȱasymȬ metrisch.177ȱ Nichtȱ wenigerȱ aussagekräftigȱ istȱ dasȱ menschlicheȱ Raumverhalten,ȱ dazuȱ gehörenȱ vorȱ allemȱDistanz,ȱGrößeȱderȱPrivatzoneȱundȱGang.ȱDieseȱInformationenȱsindȱwichtig,ȱumȱ denȱ Partnerȱ einzuschätzenȱ undȱ sichȱ entsprechendȱ zuȱ verhalten.ȱ Mitȱ derȱ Erforschungȱ vonȱDistanzzonenȱhatȱsichȱderȱKulturforscherȱE.ȱHallȱbeschäftigt,ȱderȱdasȱRaumverhalȬ tenȱalsȱkulturȬ,ȱpersonenȬȱundȱsituationsabhängigȱbezeichnetȱundȱfürȱwestlicheȱKultuȬ renȱfolgendeȱDistanzzonenȱdefiniertȱhat:ȱ

Tabelleȱ25:ȱ DistanzzonenȱinȱwestlichenȱKulturenȱ(nachȱE.ȱHall)178ȱ Distanzzone

Entfernung

Verhaltensweisen

Intime Distanz

bis 50 cm

Intime Interaktionen (Lieben, Trösten), Ringkampf

Persönliche Distanz 50 bis 120 cm

Interaktionen zwischen guten Freunden und Bekannten

Soziale Distanz

1,2 bis 3,6 m

Offizielle, unpersönliche, geschäftsmäßige Kontakte

Öffentliche Distanz

3,6 bis 7,5 m

Formale Interaktion zwischen einer Person und der Öffentlichkeit

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 177ȱ Vgl.ȱCohen,ȱD.ȱDieȱgeheimeȱSpracheȱvonȱGeist,ȱVerstandȱundȱBewusstsein,ȱS.ȱ82.ȱ 178ȱ Hall,ȱE.T.ȱTheȱhiddenȱdimensionȱ(dt.:ȱDieȱSpracheȱdesȱRaumes.ȱDüsseldorf,ȱSchwannȱVerlag,ȱ

1979).ȱ

147ȱ

10.2

10

Kommunikation

DasȱVerletzenȱvonȱsozialerȱDistanzȱundȱdasȱEindringenȱinȱdieȱsogenannteȱPrivatzoneȱ istȱnurȱdenȱFreundenȱundȱBekanntenȱerlaubtȱundȱwerdenȱmitȱgroßerȱWahrscheinlichȬ keitȱvonȱeinemȱunbekanntenȱGeschäftspartnerȱnegativȱangesehen.ȱDieȱVerkürzungȱderȱ DistanzȱvonȱderȱSeiteȱdesȱGegenübersȱkannȱjedochȱeinȱZeichenȱfürȱInteresseȱundȱVerȬ trauenȱ sein.ȱ Auchȱ dieȱ persönlichenȱ Eigenschaftenȱ wieȱ Offenheitȱ undȱ Aufrichtigkeitȱ einesȱ Menschenȱ beeinflussenȱ seineȱ Neigungȱ zuȱ derȱ kleinerenȱ oderȱ größerenȱ Distanzȱ innerhalbȱallgemeinerȱGrenzen.ȱ Eineȱ weitereȱ Gruppeȱ vonȱ nonverbalenȱ Mittelnȱ derȱ Kommunikationȱ heißtȱ GesamterȬ scheinungȱ undȱ wirdȱ durchȱ erkennbareȱ Fitness,ȱ ordentlicheȱ undȱ angemesseneȱ KleiȬ dungȱ sowieȱ Frisur,ȱ MakeȬupȱ undȱ Schmuckȱ gekennzeichnet.ȱ Dieseȱ Mittelȱ werdenȱ alsȱ passiveȱ Körperspracheȱ bezeichnet,ȱ stehenȱ jedemȱ zurȱ Verfügungȱ undȱ erfordernȱ –ȱ imȱ Gegensatzȱ zurȱ aktivenȱ Körperspracheȱ –ȱ nichtȱ dieȱ ständigeȱ bewussteȱ Kontrolleȱ wähȬ rendȱ derȱ Kommunikation,ȱ dieȱ dieȱ Aufmerksamkeitȱ einesȱ Menschenȱ überfordert.ȱ GleichzeitigȱspielenȱsieȱeineȱwichtigeȱRolle,ȱinsbesondereȱwennȱmanȱbedenkt,ȱdassȱderȱ ersteȱ Eindruckȱ vonȱ einerȱ Personȱ aufgrundȱ ihrerȱ äußerenȱ Erscheinungȱ entsteht.ȱ Undȱ dieseȱersteȱMeinungȱistȱ–ȱtypischȱfürȱdieȱmenschlicheȱWahrnehmungȱ–ȱhäufigȱdieȱentȬ scheidende.ȱȱ InȱdiesemȱZusammenhangȱsprechenȱPsychologenȱvonȱdenȱ„entscheidendenȱvierȱMiȬ nuten“ȱ –ȱ denȱ erstenȱ vierȱ Minutenȱ einerȱ Bekanntschaft,ȱ inȱ denenȱ dieȱ Entscheidungȱ gefälltȱwird,ȱobȱesȱsichȱlohnt,ȱdieseȱBekanntschaftȱzuȱmachen.ȱSeiȱdasȱinȱeinerȱPartnerȬ schaftȱoderȱinȱeinemȱVorstellungsgespräch,ȱdieseȱerstenȱMinutenȱsindȱdieȱwichtigsten,ȱ beiȱ jedemȱ Kontaktȱ bewerbenȱ wirȱ unsȱ umȱ dieȱ Gunstȱ derȱ Menschen.ȱ Wasȱ könnenȱ wirȱ tun,ȱumȱunsȱamȱbestenȱaufȱdieseȱvierȱMinutenȱvorzubereiten?ȱ Zusammenfassendȱ kannȱ manȱ fürȱ einenȱ positivenȱ erstenȱ Eindruckȱ folgendesȱ empfehȬ len:ȱ

„ bemühenȱ Sieȱ sichȱ umȱ eineȱ aufrechteȱ Körperhaltungȱ Ȭȱ sieȱ sollȱ Optimismusȱ undȱ Überzeugungȱausdrücken;ȱ

„ angemesseneȱKleidung,ȱFrisurȱevtl.ȱSchmuckȱsindȱalsȱZeichenȱdesȱRespektsȱfürȱdieȱ KontaktpersonȱundȱeineȱSituationȱbedeutsam;ȱ

„ blickenȱ Sieȱ Ihremȱ Gegenüberȱ inȱ dieȱ Augen,ȱ dennȱ Blickkontaktȱ signalisiertȱ Ihreȱ AufrichtigkeitȱundȱAufgeschlossenheit;ȱ

„ LächelnȱSie!ȱEinȱLächelnȱistȱdieȱkürzesteȱVerbindungȱzwischenȱMenschen;ȱ „ Ihrȱ Händedruckȱ sollteȱ kräftigȱ genugȱ sein,ȱ mitȱ derȱ ganzenȱ Handfläche,ȱ ohneȱ dieȱ HandȱdesȱGegenübersȱanȱsichȱzuȱziehen;ȱ

„ Ruhe,ȱSelbstbewusstheitȱundȱGelassenheitȱausstrahlen;ȱ „ kurz,ȱdeutlichȱundȱlautȱgenugȱsprechen.ȱ

148ȱ

Kommunikationstheorien

Mitȱ diesenȱ kurzenȱ Regeln,ȱ dieȱ alsȱ nonverbaleȱ Begleitungȱ fürȱ einȱ Gesprächȱ dienen,ȱ kannȱmanȱsehrȱvielȱerreichen.ȱAuchȱwennȱmanȱnurȱaufgrundȱpositiverȱErscheinungȱinȱ denȱ erstenȱ Minutenȱ nichtȱ sofortȱ denȱ ersehntenȱArbeitsplatzȱ bekommt,ȱ wirdȱ derȱ guteȱ ersteȱEindruckȱIhreȱChancenȱwesentlichȱverbessern.ȱȱ DieȱProblemeȱderȱmenschlichenȱKommunikationȱwerdenȱinȱverschiedenenȱKommuniȬ kationstheorienȱ behandelt,ȱ dieȱ sowohlȱ verbale,ȱ alsȱ auchȱ nonverbaleȱ Botschaftenȱ beȬ rücksichtigen.ȱ

10.3

Kommunikationstheorien

Dieȱ bekanntestenȱ Kommunikationstheorienȱ sindȱ derȱ psychologischeȱ Ansatzȱ vonȱ F.ȱ SchulzȱvonȱThunȱundȱdieȱTheorieȱderȱTransaktionsanalyseȱvonȱE.ȱBerne.ȱBeideȱTheoȬ rienȱ habenȱ alsȱ Basisȱ dieȱ Mehrdimensionalitätȱ einerȱ Nachricht,ȱ benutzenȱ dasȱ SenderȬ EmpfängerȬModellȱ derȱ Kommunikationȱ mitȱ Rückkopplungȱ undȱ betrachtenȱ sowohlȱ verbaleȱalsȱauchȱparaȬȱundȱnonverbaleȱÜbertragungȱvonȱInformationen.ȱDarüberȱhinȬ ausȱwirdȱdasȱModellȱderȱPsycheȱnachȱG.ȱRothȱ(vgl.ȱKapitelȱ2.2)ȱaufȱdieȱKommunikatiȬ onsproblematikȱangewendet.ȱȱ

10.3.1

Der psychologische Ansatz von F. Schulz von Thun

Dieȱ Kommunikationstheorieȱ vonȱ Friedemannȱ Schulzȱ vonȱ Thun179ȱ (Professorȱ fürȱ PsyȬ chologieȱ anȱ derȱ UniversitätȱHamburg)ȱ istȱ unterȱ derȱ Bezeichnungȱ „VierȱAspekteȱ einerȱ Nachricht“ȱbekannt,ȱweilȱerȱvierȱSeitenȱeinerȱNachrichtȱdefiniert:ȱSachinhalt,ȱSelbstofȬ fenbarung,ȱ Beziehungȱ undȱAppell.ȱAlleȱ vierȱ Seitenȱ habenȱ eineȱ gleicheȱ Berechtigung,ȱ deswegenȱwerdenȱsieȱimȱModellȱalsȱQuadratȱdargestelltȱ(s.ȱfolgendeȱAbbildung).ȱ UnterȱdemȱSachinhaltȱverstehtȱmanȱdasȱwörtlichȱGesagteȱ(verbaleȱKomponente).ȱDerȱ Sachinhaltȱ istȱ mitȱ derȱ syntaktischenȱ undȱ semantischenȱ Dimensionȱ desȱ Wissensȱ verȬ bunden.ȱ Damitȱ derȱ Empfängerȱ sieȱ versteht,ȱ mussȱ dieȱ Nachrichtȱ syntaktischȱ korrektȱ seinȱundȱinȱeinerȱfürȱdenȱEmpfängerȱverständlichenȱSpracheȱ(NationalȬȱundȱFachspraȬ che)ȱ gesendetȱ werden.ȱAberȱ derȱ Sachinhaltȱ istȱ nichtȱ dasȱ Einzige,ȱ wasȱ inȱ einerȱ ÄußeȬ rungȱ mitgeteiltȱ wird.ȱ Dieȱ weiterenȱ dreiȱAspekteȱ –ȱ Selbstoffenbarung,ȱ Beziehungȱ undȱ Appellȱ–ȱhabenȱmitȱderȱpragmatischenȱKomponenteȱderȱKommunikationȱzuȱtunȱundȱ werdenȱ überwiegendȱ paraȬȱ undȱ nonverbalȱ übertragen,ȱ wobeiȱ auchȱ dieȱ Wortauswahlȱ eineȱwichtigeȱRolleȱspielt.ȱȱ ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 179ȱ SchulzȱvonȱThun,ȱF.ȱȱMiteinanderȱreden.ȱȱ

149ȱ

10.3

10

Kommunikation

Abb.ȱ38:ȱ

VierȱAspekteȱeinerȱNachrichtȱnachȱF.ȱSchulzȱvonȱThunȱ Sachinhalt

S

Selbstoffenbarung

Nachricht

Beziehung

Appell

E ȱ

Beiȱ jederȱ Äußerungȱ erzähltȱ derȱ Sprechendeȱ gleichzeitigȱ etwasȱ überȱ sichȱ selbstȱ inȱ derȱ momentanenȱ Situationȱ –ȱ überȱ eigeneȱ Gefühle,ȱ Interessenȱ undȱ Empfindungen,ȱ dasȱ istȱ seineȱ Selbstoffenbarung.ȱ Sieȱ kannȱ bewusstȱ oderȱ unbewusstȱ sein.ȱ Manchmalȱ äußernȱ wirȱ unsereȱ Gefühleȱ bewusstȱ mitȱ bestimmterȱ Lautstärke,ȱ speziellenȱ Betonungenȱ oderȱ rhetorischenȱPausenȱ(paraverbal)ȱoderȱbegleitendenȱGestenȱ(nonverbal),ȱhäufigerȱpasȬ siertȱ esȱ unbewusst:ȱ ohneȱ unsȱ Gedankenȱ darüberȱ zuȱ machen,ȱ verratenȱ wirȱ unsereȱ Stimmungȱ–ȱUnzufriedenheit,ȱÄrger,ȱZweifelȱoderȱauchȱFreudeȱundȱBegeisterung.ȱȱ InȱjederȱMitteilungȱverstecktȱsichȱgleichzeitigȱdieȱMeinungȱdesȱSendersȱüberȱdieȱBezieȬ hungȱzuȱdemȱEmpfänger,ȱdieserȱAspektȱderȱNachrichtȱwirdȱalsȱBeziehungȱbezeichnet.ȱ EsȱkannȱdieȱBeziehungȱinȱderȱbestimmtenȱSituationȱseinȱ(z.B.ȱ„DuȱbrauchstȱinȱMomentȱ meineȱHilfe“)ȱoderȱauchȱeineȱlangfristigeȱ(z.B.ȱ„IchȱbinȱDeinȱChefȱundȱdarfȱDichȱkritiȬ sieren“).ȱDiesȱpassiertȱvorȱallemȱparaȬȱ(z.B.ȱ„Kommandostimme“)ȱundȱnonverbalȱ(z.B.ȱ eineȱtypischeȱChefȬGesteȱistȱeinȱerhobenerȱoderȱdrohenderȱZeigefinger).ȱ Schließlichȱ hatȱ eineȱ Nachrichtȱ nochȱ eineȱ vierteȱ Seiteȱ –ȱ einenȱ Appell.ȱ Jedeȱ Äußerungȱ verfolgtȱeinȱbestimmtesȱZiel,ȱwillȱdenȱEmpfängerȱzuȱeinerȱHandlungȱoderȱeinerȱReakȬ tionȱanimieren.ȱInȱjedemȱFührungsgesprächȱgehtȱesȱdarum,ȱdenȱanderenȱzuȱveranlasȬ sen,ȱbestimmteȱDingeȱzuȱtun.ȱObȱeinȱAppellȱdenȱEmpfängerȱzuȱbestimmtemȱHandelnȱ bewegt,ȱistȱinȱgroßemȱMaßeȱvonȱderȱBeziehungȱabhängig.ȱ DieȱÜbermittlungȱvonȱdreiȱSeitenȱderȱNachrichtȱinȱüberwiegendȱparaȬȱundȱnonverbaȬ lerȱFormȱerschwertȱdasȱVerständnisȱundȱkannȱzuȱMissverständnissenȱundȱProblemenȱ inȱderȱpraktischenȱKommunikationȱführen.ȱSelbstoffenbarung,ȱBeziehungȱundȱAppellȱ könnenȱ vonȱ Empfängerȱ nichtȱ immerȱ richtigȱ gedeutetȱ werden.ȱAllegorischȱ kannȱ manȱ sagen:ȱderȱSenderȱschicktȱgleichzeitigȱvierȱBriefeȱabȱundȱderȱEmpfängerȱentscheidet,ȱinȱ welcherȱ Reihenfolgeȱ undȱ obȱ überhauptȱ alleȱ Briefeȱ gelesenȱ werdenȱ undȱ welcherȱ Briefȱ beantwortetȱwird.ȱDeswegenȱwirdȱdasȱKommunikationsquadratȱauchȱalsȱȈVierȬOhrenȬ ModellȈȱbezeichnet.ȱJedeȱÄußerungȱenthält,ȱobȱwirȱesȱwollenȱoderȱnicht,ȱvierȱBotschafȬ tenȱgleichzeitig,ȱdieȱgenausoȱinȱvierȱverschiedenenȱOhrenȱdesȱEmpfängersȱankommen.ȱ

150ȱ

Kommunikationstheorien

Inwieweitȱ kommenȱ dieseȱ vierȱ Aspekteȱ „richtig“,ȱ d.h.ȱ unverändert,ȱ beimȱ Empfängerȱ an?ȱ Wieȱ esȱ ausȱ derȱ Diskussionȱ überȱ dieȱ spezifischenȱ Filterȱ aufȱ SenderȬȱ undȱ EmpfänȬ gerseiteȱ klarȱ gewordenȱ ist,ȱ kannȱ keineȱ Nachrichtȱ ohneȱ Verzerrungȱ ankommen.ȱ Dieȱ bestenȱChancenȱhatȱdabeiȱderȱSachinhaltȱ–ȱerȱkommtȱwörtlichȱan.ȱAlleȱanderenȱAspekȬ teȱverändernȱsich,ȱabhängigȱvonȱdenȱFilternȱdesȱEmpfängersȱundȱkönnenȱganzȱandersȱ wahrgenommenȱwerden,ȱalsȱvomȱSenderȱgemeint.ȱEinȱOriginalbeispielȱvonȱSchulzȱvonȱ Thunȱ erläutertȱ dieseȱ Schwierigkeiten.ȱ Umȱ dieȱ Wahrnehmungȱ derȱ Situationȱ undȱ derȱ Beziehungȱ vonȱ Mannȱ undȱ Frauȱ zuȱ verdeutlichen,ȱ stelltȱ Schulzȱ vonȱ Thunȱ alsȱ ErläuteȬ rungȱvierȱAspekteȱdieserȱNachrichtȱwieȱsieȱgesendetȱundȱempfangenȱwordenȱsind.ȱ

Abb.ȱ39:ȱ

KommunikationsbeispielȱundȱseineȱInterpretationȱnachȱȱSchulzȱvonȱThunȱ

ȱ

ȱ

DerȱVergleichȱvonȱgesendeterȱundȱempfangenerȱNachrichtȱzeigt,ȱdassȱnurȱderȱSachinȬ haltȱ unverändertȱ angekommenȱ ist,ȱ währendȱ alleȱ anderenȱ Aspekteȱ beiȱ Senderȱ undȱ Empfängerȱunterschiedlichȱaussehen.ȱ

151ȱ

10.3

10

Kommunikation

EsȱstelltȱsichȱeineȱberechtigteȱFrage:ȱwieȱkannȱmanȱdieseȱMissverständnisseȱvermeidenȱ undȱ einanderȱ besserȱ verstehen?ȱ Esȱ hilftȱ offensichtlichȱ nurȱ einsȱ –ȱ miteinanderȱ reden.ȱ WennȱwirȱdieȱUnklarheitenȱansprechen,ȱAppell,ȱSelbstoffenbarungsȬȱundȱBeziehungsȬ aspekteȱ direktȱ klären,ȱ dannȱ werdenȱ wirȱ denȱ Partnerȱ mitȱ seinenȱ Motivenȱ undȱ StimȬ mungenȱbesserȱverstehenȱkönnen.ȱEsȱgibtȱkeinenȱanderenȱWeg,ȱalsȱzuȱdiskutieren.ȱ DerȱAnsatzȱvonȱSchulzȱvonȱThunȱhatȱpraktischenȱNutzenȱfürȱdieȱUnternehmenspraxisȱ undȱ kannȱ imȱ betrieblichenȱAlltagȱ erfolgreichȱ benutztȱ werden.ȱ Betrachtenȱwirȱ alsȱ BeiȬ spielȱeinȱFührungsgespräch.ȱȱ EinȱProjektleiterȱkommtȱinsȱArbeitszimmerȱseinerȱMitarbeiterȱundȱsagt:ȱ „Ichȱhoffe,ȱdassȱSieȱfürȱdieȱmorgigeȱPräsentationȱbeiȱunseremȱKundenȱperfektȱvorbereitetȱsind.“ȱ

Tabelleȱ26:ȱ VierȱAspekteȱeinerȱNachrichtȱamȱpraktischenȱBeispielȱ Aspekte

Gesendet vom Projektleiter

Angekommen beim Mitarbeiter A

Angekommen beim Mitarbeiter B

Sachinhalt

Ich hoffe, dass Sie für die morgige Präsentation bei unserem Kunden perfekt vorbereitet sind

Ich hoffe, dass Sie für die morgige Präsentation bei unserem Kunden perfekt vorbereitet sind

Ich hoffe, dass Sie für die morgige Präsentation bei unserem Kunden perfekt vorbereitet sind

Selbstoffenbarung

Diese Präsentation ist für die weitere Existenz des Projekts und für mich persönlich sehr wichtig

Der Chef macht sich Sorgen, die Präsentation ist ihm wichtig

Der Chef ist wie immer gestresst und lässt seine Sorgen an uns aus

Beziehung

Ich fühle mich als Projektleiter für meine Leute verantwortlich und muss ab und zu Ansporn geben

Der Chef gibt uns Spielräume, aber in solchen kritischen Momenten kontrolliert er immer

Der Chef misstraut mir, nachdem ich voriges Mal Mist gebaut habe. Er wird es mir nicht vergessen

Appell

Sie müssen sich richtig anstrengen

Ich fühle mich sicher, werde aber nochmals alles überprüfen

Soll ich kündigen?

ȱ Beiȱ denȱ zweiȱ anwesendenȱ Mitarbeiternȱ könnteȱ dieseȱ Aussageȱ unterschiedlichȱ angeȬ kommenȱsein,ȱwieȱwirȱesȱinȱobigerȱTabelleȱsehen.ȱEntsprechendȱdemȱsubjektivenȱVerȬ ständnisȱ derȱ Nachrichtȱ würdeȱ jederȱ derȱ Mitarbeiterȱ andersȱ reagieren.ȱ Nichtȱ nurȱ dieȱ unmittelbareȱRückkopplungȱwirdȱverschiedenȱausfallen,ȱsondernȱauchȱdasȱHandeln.ȱ Dieȱ Problematikȱ derȱ Kommunikationȱ hängtȱ damitȱ zusammen,ȱ dassȱ sieȱ immerȱ inȱ eiȬ nemȱKontextȱstattfindet,ȱwobeiȱnichtȱnurȱdirektȱgesagte,ȱsondernȱauchȱandereȱFaktorenȱ

152ȱ

Kommunikationstheorien

imȱSpielȱsind:ȱVorgeschichte,ȱBeziehungen,ȱErwartungenȱundȱEmotionen.ȱDieȱVerantȬ wortungȱfürȱdasȱVerständnisȱliegtȱaufȱbeidenȱSeiten.ȱDerȱSenderȱistȱfürȱdasȱFormulieȬ renȱeinerȱNachrichtȱundȱderȱEmpfängerȱfürȱdasȱVerstehenȱverantwortlich.ȱȱ EsȱliegtȱbeiȱdemȱSender,ȱsichȱklarȱundȱlogischȱauszudrücken,ȱwasȱdieȱKommunikationȱ wesentlichȱ erleichtert.ȱ Auchȱ dieȱ paraȬȱ undȱ nonverbalenȱ Signaleȱ sindȱ nichtȱ zuȱ unterȬ schätzen:ȱhäufigȱkannȱgeradeȱderȱTonfallȱoderȱdieȱGestikȱdesȱSprechendenȱReizreaktiȬ onenȱ beimȱ Empfängerȱ verursachen.ȱAuchȱ dieȱArtȱ derȱ Formulierungȱ istȱ wichtig:ȱ eineȱ bewusstȱ „wissenschaftliche“,ȱ komplizierteȱ Spracheȱ schafftȱ Distanz,ȱ wirdȱ akademischȱ empfunden.ȱManchmalȱentstehenȱKommunikationsproblemeȱdeshalb,ȱweilȱderȱSenderȱ seinenȱ Appellȱ nichtȱ explizitȱ zuȱ verstehenȱ gibt,ȱ sondernȱ erwartet,ȱ dassȱ erȱ „zwischenȱ denȱ Zeilen“ȱ gelesenȱ wird.ȱ Diesȱ kannȱ entwederȱ aufȱ eineȱ bewussteȱ Manipulationȱ oderȱ aufȱeineȱunbewussteȱScheuȱvorȱdemȱGegenüberȱzurückgeführtȱwerden.ȱ GenausoȱliegtȱdieȱVerantwortungȱfürȱdasȱVerständnisȱbeiȱdemȱEmpfänger:ȱerȱhörtȱmitȱ allenȱ vierȱ Ohren,ȱ bestimmtȱ aber,ȱ aufȱ welcheȱ Seiteȱ derȱ Nachrichtȱ erȱ reagiert.ȱ Istȱ seineȱ Reaktionȱübertriebenȱeinseitig,ȱdannȱwirdȱdieȱweitereȱKommunikationȱerschwert.ȱ Manȱ kannȱ mithilfeȱ desȱ Modellsȱ vonȱ Schulzȱ vonȱ Thunȱ einigeȱ typischeȱ KommunikatiȬ onsproblemeȱzwischenȱManagernȱundȱUntergebenenȱinȱUnternehmenȱerläutern.ȱȱ ManagerȱneigenȱhäufigȱzurȱÜberbewertungȱderȱSachebene:ȱsieȱbleibenȱbewusstȱsachȬ lichȱundȱgebenȱsoȱwenigȱwieȱmöglichȱvonȱpersönlichenȱEmpfindungenȱundȱStimmunȬ genȱpreis.ȱFolglichȱkannȱbeiȱdenȱMitarbeiternȱdasȱGefühlȱderȱArroganz,ȱDistanziertheitȱ undȱmenschlicherȱKälteȱentstehen,ȱwasȱfürȱdieȱArbeitsatmosphäreȱschädlichȱseinȱkann.ȱ Wirdȱ umgekehrtȱ dieȱ Beziehungsseiteȱ überbewertet,ȱ soȱ wirdȱ jedeȱ Kommunikationȱ zuȱ einerȱ Klärungȱ vonȱ Beziehungenȱ zwischenȱ demȱ Vorgesetztenȱ undȱ Untergebenen.ȱ BeȬ schäftigtȱsichȱeinȱManagerȱzuȱsehrȱmitȱderȱSelbstoffenbarungsseite,ȱdannȱläuftȱerȱGeȬ fahr,ȱeinenȱPsychotherapeutenȱfürȱseineȱUntergebenenȱzuȱspielen,ȱwasȱnichtȱzuȱseinenȱ Kompetenzenȱgehört.ȱDarunterȱleidenȱdieȱsachlichenȱLösungenȱvonȱProblemen.ȱ Zusammenfassendȱ lässtȱ sichȱ sagen,ȱ dassȱ nurȱ dieȱ ausgewogeneȱ Aufmerksamkeitȱ fürȱ alleȱvierȱAspekteȱeinerȱNachrichtȱsowohlȱaufȱderȱSenderȬȱalsȱauchȱaufȱEmpfängerseiteȱ zuȱeinerȱerfolgreichenȱKommunikationȱführenȱkann.ȱ ȱ

10.3.2

Theorie der Transaktionsanalyse von E. Berne

Eineȱ andereȱ psychologischeȱ Theorieȱ derȱ Kommunikationȱ istȱ vonȱ demȱ kanadischenȱ ArztȱEricȱBerneȱ(1910ȱ–ȱ1970)ȱinȱdenȱ1960erȱJahrenȱentwickeltȱwordenȱundȱunterȱdemȱ NamenȱTransaktionsanalyseȱbekanntȱgeworden.ȱInȱdenȱletztenȱJahrzehntenȱwurdeȱsieȱ ergänztȱundȱweiterentwickelt.ȱZurzeitȱgehörtȱdieȱTransaktionsanalyseȱzuȱdenȱbekannȬ testenȱ Modellenȱ derȱ Kommunikation,ȱ dieȱ inȱ derȱ Wirtschaftskommunikationȱ undȱ Teamentwicklungȱeingesetztȱwerden.ȱȱ

153ȱ

10.3

10

Kommunikation

DieȱTransaktionsanalyseȱgehtȱdavonȱaus,ȱdassȱdieȱPersönlichkeitȱeinesȱMenschenȱausȱ dreiȱ verschiedenenȱ Bewusstseinszuständenȱ (IchȬZuständen)ȱ besteht,ȱ dieȱ dasȱ Denken,ȱ HandelnȱundȱFühlenȱeinesȱMenschenȱbeeinflussen:ȱ

„ ErwachsenenȬIchȱ(durchdachtesȱKonzeptȱdesȱHandelnsȱaufgrundȱrationalerȱAnalyȬ seȱundȱEntscheidungsfindung),ȱ

„ ElternȬIchȱ(moralischeȱEinstellungen,ȱdieȱaufȱdieȱElternerziehungȱzurückgehen),ȱ „ KindheitsȬIchȱ(spontane,ȱkreativeȱKomponenteȱdesȱHandelns).ȱ Alleȱ dieseȱ Zuständeȱ existierenȱ beiȱ jedemȱ Menschenȱ gleichzeitig,ȱ könnenȱ aberȱ inȱ verȬ schiedenenȱSituationenȱunterschiedlichȱstarkȱausgeprägtȱseinȱundȱinȱderȱKommunikaȬ tionȱ dominieren.ȱ Inȱ dieserȱ Dreiteilungȱ kannȱ manȱ bestimmteȱ Analogienȱ zuȱ denȱ vierȱ Seitenȱ einerȱ Nachrichtȱ finden:ȱ währendȱ dieȱ ErwachsenenȬEbeneȱ vorȱ allemȱ fürȱ denȱ Sachinhaltȱ stehtȱ undȱ verbalȱ übertragenȱ wird,ȱ werdenȱ aufȱ denȱ ElternȬȱ undȱ KindheitsȬ IchȬEbenenȱüberwiegendȱdieȱKomponentenȱSelbstoffenbarung,ȱBeziehungȱundȱAppellȱ kommuniziert,ȱdieȱmeistensȱunbewusstȱundȱparaȬȱundȱnonverbalȱübermitteltȱwerden.ȱȱ Inȱ demȱ ErwachsenenȬIchȱ kommtȱ dasȱ durchdachteȱ Lebenskonzeptȱ einesȱ Menschenȱ zumȱ Ausdruck:ȱ erȱ denktȱ rationalȱ undȱ logisch,ȱ handeltȱ vernünftigȱ undȱ abwägend,ȱ vergleichtȱ Alternativen,ȱ identifiziertȱ Ursacheȱ undȱ Wirkung,ȱ empfindetȱ keinenȱ Hassȱ oderȱZorn.ȱȱ

Tabelleȱ27:ȱ ErwachsenenȬIchȱundȱseineȱCharakteristika180ȱ Denken/ Gedanken

sammelt und gibt Informationen; zieht logische Konsequenzen; schätzt Wahrscheinlichkeiten ab; überlegt; entwickelt Alternativen; trifft Entscheidungen

Handeln/ Verhalten

abwägend und nachdenklich; aufmerksames Zuhören; geduldig, entspannt; vernünftig, aufgeschlossen

Fühlen/ Gefühl

Gefühle sind wirklichkeitsorientiert; spontan und echt gemeinte Äußerungen; ohne Fähigkeit, Hass oder Zorn zu empfinden

ȱ AnalysiertȱmanȱdieȱinȱderȱTabelleȱdargestelltenȱDenkȬȱundȱVerhaltensweisen,ȱsoȱmerktȱ man,ȱ dassȱ dieȱ Menschenȱ sichȱ nichtȱ immerȱ wieȱ ihreȱ ErwachsenenȬIchsȱ verhalten:ȱ fürȱ dasȱmenschlicheȱVerhaltenȱsindȱauchȱFehlerȱundȱZweifel,ȱEmotionenȱundȱSpontaneitätȱ typisch.ȱDieseȱVerhaltensmerkmaleȱbasierenȱaufȱanderenȱTeilenȱeinerȱPersönlichkeit.ȱȱ DasȱElternȬIchȱfasstȱunsereȱmoralischenȱVorstellungenȱundȱHaltungenȱzusammen.ȱDasȱ istȱ einȱ anerzogenesȱ Lebenskonzept,ȱ dasȱ ausȱ zweiȱ Teilenȱ besteht:ȱ ausȱ demȱ kritischȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 180ȱ Dieseȱ undȱ dieȱ weiterenȱ Tabellenȱ inȱ Anlehnungȱ anȱ Brommer,ȱ U.ȱ Konfliktmanagementȱ stattȱ

Unternehmenskrise.ȱȱ

154ȱ

Kommunikationstheorien

bestrafendenȱ undȱ demȱ fürsorglichȬunterstützenden.ȱ Dieseȱ beidenȱ Funktionenȱ überȬ nehmenȱdieȱElternȱinȱjederȱFamilieȱeinemȱKindȱgegenüber.ȱȱ Tabelleȱ28:ȱ ȱElternȬIchȱundȱseineȱCharakteristikaȱ Kritisch-bestrafend

Fürsorglich-unterstützend

Denken/ Gedanken

gut/schlecht; du sollst/du darfst nicht; richtig/falsch

tu dein Bestes; mach dir keine Sorgen; gib nicht auf

Handeln/ Verhalten

kopfschütteln; erhobener Zeigefinger; strenger Blick

lächeln; mitfühlende Gesten; besorgter Blick

Fühlen/ Gefühl

fordernd; intolerant; selbstgerecht

ermunternd; liebend; schützend

ȱ DasȱElternȬIchȱalsȱTeilȱeinerȱPersönlichkeitȱbestehtȱausȱEinstellungen,ȱNormen,ȱWerten,ȱ GebotenȱundȱPrinzipien.ȱAlleȱdieseȱVerhaltensmusterȱhabenȱwirȱinȱderȱPrimärsozialiȬ sationȱ wahrgenommenȱ undȱ erlernt,ȱ späterȱ weiterȱ entwickeltȱ undȱ bewusstȱ verändert.ȱ SieȱbildenȱunserȱElternȬIchȱundȱkönnenȱinȱ unterschiedlichenȱFormenȱinȱderȱKommuȬ nikationȱ vorkommen.ȱ Dasȱ ElternȬIchȱ istȱ dieȱ Quelleȱ automatischer,ȱ unbewussterȱ WerȬ tungen,ȱ dieȱ aufȱ denȱ abgespeichertenȱ Gebrauchsanweisungenȱ undȱ Vorschriftenȱ basieȬ ren.ȱȱ Beispieleȱ vonȱ Gebrauchsanweisungenȱ sindȱ folgende:ȱ wieȱ manȱ sichȱ verhält,ȱ wieȱ manȱ mitȱVorgesetztenȱspricht,ȱwieȱmanȱsichȱkleidet,ȱwieȱmanȱsichȱinȱGesellschaftȱbenimmtȱ usw.ȱBeispieleȱvonȱVorschriftenȱkönnenȱsein:ȱnurȱbeiȱ„Grün“ȱüberȱdieȱStraßeȱgehen,ȱbeiȱ Tischȱstillȱsitzen,ȱaltenȱLeutenȱinȱderȱBahnȱdenȱPlatzȱfreiȱmachenȱusw.ȱ Derȱ dritteȱ Teilȱ einerȱ Persönlichkeitȱ wirdȱ KindheitsȬIchȱ genannt,ȱ erȱ umfasstȱ Impulseȱ undȱGefühle,ȱdieȱeinȱKindȱvonȱNaturȱausȱhat.ȱInȱihmȱsindȱdieȱFähigkeitenȱundȱTalente,ȱ sowieȱ Gefühle,ȱ Kreativitätȱ undȱ Spontaneitätȱ gespeichert.ȱ Dasȱ KindheitsȬIchȱ istȱ dieȱ QuelleȱallerȱmenschlichenȱEmpfindungen.ȱDabeiȱunterscheidenȱPsychologenȱzwischenȱ demȱnatürlichen,ȱangepasstenȱundȱrebellischenȱKindheitsȬIch,ȱalleȱdieseȱFacettenȱmaȬ chenȱdieȱVielfaltȱeinerȱPersönlichkeitȱinȱihrenȱGefühlenȱundȱImpulsenȱaus.ȱȱ DasȱnatürlicheȱKindheitsȬIchȱumfasstȱGefühle,ȱImpulseȱundȱAffekte,ȱdieȱfreiȱgeäußertȱ werden.ȱ Dasȱ angepassteȱ KindheitsȬIchȱ willȱ denȱ Erwartungenȱ andererȱ entsprechenȱ –ȱ dasȱ sindȱ unsereȱ „sozialisierten“ȱ Gefühle.ȱ Sieȱ kommenȱ zumȱ Beispielȱ zumȱ Ausdruck,ȱ wennȱwirȱunsȱvonȱanderenȱbestrafenȱlassen.ȱDasȱrebellischeȱ(aufgeweckte)ȱKindheitsȬ IchȱistȱSitzȱderȱEmpathieȱ(desȱEinfühlungsvermögens),ȱderȱIntuitionȱundȱKreativität.ȱȱ Dasȱ KindheitsȬIchȱ istȱ fürȱ folgendeȱ Verhaltensweisenȱ verantwortlich:ȱ lenktȱ AufmerkȬ samkeitȱ aufȱ sich,ȱ hatȱAngst,ȱ Fehlerȱ zuȱ machen,ȱ istȱ egoistischȱ –ȱ willȱ eherȱ nehmen,ȱ alsȱ geben,ȱakzeptiertȱKritikȱundȱBestrafungȱusw.ȱ

155ȱ

10.3

10

Kommunikation

Tabelleȱ29:ȱ ȱKindheitsȬIch,ȱseineȱAspektenȱundȱCharakteristikaȱ Natürliches K-Ich

Angepasstes K-Ich

Rebellisches K-Ich

Denken/Gedanken

spontan; direkt; ich will/kann; authentisch

hilf mir; beschütze mich; verlass mich nicht; liebe mich

kreativ, intuitiv; schlau/listig; oppositionell; ablehnend

Handeln/Verhalten

spielt; beobachtet; lacht/weint; wütend/zornig

fügsam; hilflos; verzichtet; gibt nach

launenhaft; trotzig; introvertiert; manipuliert

Fühlen/Gefühl

ängstlich; vergnügt; neugierig; erfinderisch

unsicher; abhängig; vorsichtig; liebevoll

enttäuscht; ärgerlich; rebellisch; aggressiv

ȱ AlleȱdreiȱIchȬZuständeȱprägenȱmenschlichesȱVerhalten.ȱWelchesȱIchȱistȱbesser,ȱwichtiȬ ger?ȱDieseȱFrageȱmachtȱkeinenȱSinn,ȱdennȱeineȱPersönlichkeitȱkannȱsichȱnurȱentfalten,ȱ wennȱ alleȱ Seitenȱ vorhandenȱ sind.ȱ Wärenȱ alleȱ Menschenȱ nurȱ ErwachsenenȬIchs,ȱ dannȱ würdenȱsieȱnurȱvernünftigȱundȱrationalȱhandelnȱundȱentscheidenȱ–ȱdasȱwäreȱeineȱWeltȱ derȱMaschinen.ȱUnsereȱmoralischenȱHaltungenȱ(ElternȬIch)ȱsowieȱImpulseȱundȱGefühȬ leȱ (KindheitsȬIch)ȱ machenȱ unsȱ erstȱ zuȱ Menschen.ȱ Dankȱ demȱ Kindȱ inȱ unsȱ entwickelnȱ wirȱ Visionenȱ undȱ Ideale,ȱ machenȱ Erfindungenȱ undȱ Entdeckungen.ȱ Dankȱ derȱ moraliȬ schenȱVorstellungenȱistȱVerantwortungsgefühlȱundȱgewissenhaftesȱHandelnȱmöglich.ȱ Nurȱ dieȱ ganzeȱ Fülleȱ vonȱ allenȱ Teilenȱ machtȱ Menschenȱ soȱ einmalig,ȱ ermöglichtȱ dieȱ VielfaltȱanȱFähigkeitenȱundȱKompetenzen.ȱ Dankȱ denȱ dreiȱ Zuständenȱ einerȱ Persönlichkeitȱ kommenȱ unterschiedlicheȱ Sichtweisenȱ zustande:ȱ

„ ElternȬIch:ȱIchȱseheȱdieȱWelt,ȱwieȱsieȱseinȱsollteȱ(dasȱsindȱunsereȱVorurteileȱundȱ Klischees,ȱunserȱMoralstandpunkt),ȱ

„ ErwachsenenȬIch:ȱ Ichȱ seheȱ dieȱ Welt,ȱ wieȱ sieȱ wirklichȱ istȱ (inȱ diesemȱ Teilȱ prüfenȱ wirȱ Fakten,ȱ holenȱ wertneutraleȱ Informationenȱ ein,ȱ vergleichenȱ Alternativenȱ undȱ akzeptierenȱdieȱRealitätȱsoȱwieȱsieȱist),ȱ

„ KindheitsȬIch:ȱ Ichȱ seheȱ dieȱ Welt,ȱ wieȱ ichȱ sieȱ gernȱ hätteȱ (diesȱ istȱ unserȱ WunschȬ denken,ȱunsereȱIllusionen,ȱNaivitätȱundȱTräume).ȱ WissenschaftlerȱsprechenȱvonȱeinemȱEgogrammȱeinesȱMenschen181,ȱdasȱdieȱStärkeȱderȱ VertretungȱeinzelnerȱIchȬZuständeȱbeiȱeinerȱPersonȱbeschreibt.ȱAllerdingsȱgibtȱesȱkeinȱ „gutes“ȱ undȱ „schlechtes“ȱ Egogramm,ȱ weilȱ alleȱ Menschenȱ verschiedenȱ sindȱ undȱ ihreȱ Stärkenȱ undȱ Schwächenȱ besitzen.ȱ Einȱ ausgeglichenesȱ Egogramm,ȱ woȱ keinerȱ derȱ ZuȬ ständeȱdauerhaftȱdominiert,ȱgiltȱalsȱbesondersȱgünstigesȱfürȱdieȱmenschlicheȱKommuȬ nikation.ȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 181ȱ Vgl.ȱBirker,ȱK.ȱBetrieblicheȱKommunikation,ȱS.ȱ54.ȱ

156ȱ

Kommunikationstheorien

Kommunikationȱ kannȱ zwischenȱ verschiedenenȱ IchȬZuständenȱ stattfinden,ȱ dabeiȱ sindȱ alleȱdenkbarenȱVariantenȱundȱKombinationenȱmöglich.ȱȱ Abb.ȱ40:ȱ

VerschiedeneȱKommunikationsvariantenȱ

Eltern-

Eltern-

Ich

Ich



Eȱ Erwachsenen-

Erwachsenen-

Ich

Ich

Kindheits-

Kindheits-

Ich

Ich

ȱ

Inȱ derȱ Transaktionsanalyseȱ werdenȱ grundsätzlichȱ dreiȱ Typenȱ derȱ Kommunikationȱ definiert:ȱparallele,ȱgekreuzteȱundȱverdeckte.ȱ Eineȱ paralleleȱ Transaktionȱ läuftȱ aufȱ gleicherȱ Ebeneȱ zwischenȱ beidenȱ Partnernȱ oderȱ vonȱbeidenȱSeitenȱinȱderȱRelation,ȱdieȱzuerstȱangesprochenȱwurde.ȱFürȱdieȱbetrieblicheȱ Kommunikationȱ istȱ normalerweiseȱ dieȱ ErwachsenenȬEbeneȱ typisch,ȱ dasȱ heißt,ȱ manȱ sprichtȱdieȱVernunftȱundȱdasȱrationaleȱDenkenȱdesȱGesprächspartnersȱanȱundȱrechnetȱ mitȱeinerȱReaktionȱausȱseinemȱErwachsenenȬIch.ȱDieseȱFormȱistȱaberȱnichtȱdieȱeinzigȱ mögliche:ȱ einȱ Manager,ȱ derȱ einenȱ patriarchalischenȱ Führungsstilȱ ausübt,ȱ kannȱ seineȱ UntergebenenȱalsȱKinderȱbetrachten,ȱdannȱkommtȱeineȱ„Elternȱ–ȱKind“ȱȬȱKommunikaȬ tionȱzustande.ȱDasȱWichtigsteȱdabeiȱist,ȱdassȱbeideȱSeitenȱdiesenȱKommunikationstypȱ akzeptierenȱ undȱ alsȱ positivȱ empfinden.ȱAuchȱ dieȱ Ebeneȱ „Kindȱ –ȱ Kind“ȱ istȱ fürȱ MenȬ schenȱvonȱBedeutung,ȱz.ȱB.ȱimȱPrivatleben,ȱzwischenȱLebenspartnern,ȱdieȱgemeinsamȱ etwasȱ „Verrücktes“ȱ unternehmenȱ (nachȱ Meinungȱ vonȱ Psychologenȱ istȱ diesȱ fürȱ eineȱ Beziehungȱ sehrȱ wichtig).ȱAuchȱArbeitskollegenȱ oderȱ Teammitgliederȱ könnenȱ manchȬ malȱaufȱderȱKindheitsȬEbeneȱkommunizieren.ȱ Nichtȱ immerȱ istȱ eineȱ paralleleȱ Transaktionȱ positiv,ȱ wasȱ dasȱ folgendeȱ Beispielȱ zeigenȱ soll:ȱEinȱVorgesetzterȱverhältȱsichȱalsȱausgeprägtesȱkritischȬbestrafendesȱElternȬIch.ȱAlsȱ Reaktionȱ antwortetȱ einȱ Untergebenerȱ mitȱ demȱ angepasstenȱ KindheitsȬIchȬVerhalten.ȱ DieseȱparalleleȱKommunikationȱkommtȱhäufigȱvorȱundȱistȱnegativȱeinzuschätzen:ȱausȱ

157ȱ

10.3

10

Kommunikation

demȱ Gefühlȱ derȱ Unsicherheitȱ undȱ Abhängigkeitȱ desȱ Mitarbeitersȱ resultiertȱ seinȱ fügȬ sames,ȱhilflosesȱVerhalten,ȱfehlendeȱInitiative,ȱblinderȱGehorsam.ȱDerȱVorgesetzteȱsollȱ versuchen,ȱ eineȱ ErwachsenenȬErwachsenenȬKommunikationȱ aufzubauen,ȱ wennȱ erȱ EigeninitiativeȱundȱVerantwortungȱdesȱUntergebenenȱweckenȱmöchte.ȱ BeiȱderȱgekreuztenȱTransaktionȱkommtȱdieȱAntwortȱnichtȱausȱdemȱZustand,ȱmitȱdemȱ manȱgerechnetȱhat.ȱDiesȱkannȱzuȱStörungenȱinȱderȱKommunikationȱführen.ȱBesondersȱ typischȱistȱfolgenderȱAblauf:ȱderȱSenderȱsprichtȱdenȱEmpfängerȱaufȱderȱErwachsenenȱ Ebeneȱan,ȱReaktionȱaberȱkommtȱvonȱdemȱKindheitsȬȱoderȱElternȬIch.ȱ Alsȱ Beispielȱ solcherȱ gekreuztenȱ Transaktionȱ betrachtenȱ wirȱ einenȱ Dialogȱ zwischenȱ einemȱChefȱundȱseinerȱSekretärin:ȱ Chef:ȱHabenȱSieȱdenȱDruckȱmeinesȱmorgigenȱVortragsȱirgendwoȱgesehen?ȱ Sekretärin:ȱImmerȱbinȱichȱschuldig,ȱwennȱSieȱIhreȱSachenȱverbuddeln!ȱ DieȱunangemesseneȱReaktionȱderȱSekretärinȱkannȱverschiedeneȱUrsachenȱhaben.ȱEntȬ wederȱfühltȱsichȱdieȱSekretärinȱdurchȱdieȱparaverbaleȱKomponenteȱderȱFrageȱangegrifȬ fenȱ(z.B.ȱbeleidigendeȱIntonation),ȱoderȱdieȱpersönlicheȱBeziehungȱzwischenȱbeidenȱistȱ grundsätzlichȱangespannt,ȱoderȱaberȱdieȱSekretärinȱistȱheuteȱschlechtȱgelaunt.ȱ Alsȱ verdeckteȱ Transaktionȱ bezeichnetȱ manȱ einenȱ Verlaufȱ derȱ Kommunikationȱ aufȱ zweiȱ Ebenenȱ gleichzeitig.ȱ Eineȱ Ebeneȱ istȱ dabeiȱ explizit,ȱ sieȱ wirdȱ fürȱ denȱ Sachinhaltȱ benutzt.ȱDieȱKommunikationȱaufȱderȱanderenȱEbeneȱläuftȱparaȬȱoderȱnonverbal.ȱ Beispielȱ1:ȱ KollegeȱAȱ(aufȱErwachsenenȬȱEbene):ȱInȱWienȱfindetȱinȱJuliȱeineȱKonferenzȱzumȱThemaȱWisȬ sensmanagementȱstatt.ȱWollenȱwirȱdortȱvortragen?ȱ GleichzeitigȱaufȱKindȬEbene:ȱLassȱunsȱnachȱWienȱfahren!ȱ KollegeȱBȱ(aufȱErwachsenenȬEbene):ȱGerne,ȱichȱarbeiteȱgeradeȱanȱeinemȱArtikelȱdarüber.ȱȱ GleichzeitigȱaufȱKindȬEbene:ȱToll!ȱ Beispielȱ2:ȱ Chefȱ zurȱ Sekretärinȱ (aufȱ ErwachsenenȬEbene):ȱ Ichȱ erwarteȱ einenȱ äußerstȱ wichtigenȱ Anruf,ȱ verbindenȱSieȱmichȱsofort.ȱ GleichzeitigȱvonȱElternȬIchȱzumȱKindheitsȬIchȱparaȬȱundȱnonverbal:ȱnichtȱdassȱSieȱjetztȱwiederȱ privatȱtelefonierenȱundȱdieȱVerbindungȱlahmȱlegen!ȱȱ Wasȱsollȱmanȱtun,ȱwennȱdieȱerstrebteȱKommunikationȱaufȱderȱsachlichenȱEbeneȱnichtȱ funktioniertȱ undȱ dieȱ Antwortȱ ausȱ anderenȱ Bewusstseinszuständenȱ kommt?ȱ Esȱ istȱ empfehlenswertȱ zuȱ versuchen,ȱ beimȱ Gesprächspartnerȱ dasȱ ErwachsenenȬIchȱ zuȱ aktiȬ vieren.ȱAlsȱHilfeȱdienenȱgezielteȱFragenȱwie:ȱKönnenȱSieȱmirȱbitteȱdiesenȱSachverhaltȱ genauerȱerklären?ȱWasȱhätteȱichȱIhrerȱMeinungȱnachȱandersȱmachenȱsollen?ȱVersteheȱ

158ȱ

Kommunikationstheorien

ichȱSieȱrichtig?ȱBeiȱsolcherȱFragestellungȱwirdȱderȱPartnerȱmitȱhoherȱWahrscheinlichȬ keitȱvernünftigȱundȱsachlichȱreagierenȱundȱdasȱGesprächȱkannȱweiterȱaufȱderȱErwachȬ senenȬErwachsenenȬEbeneȱfortgesetztȱwerden.ȱ

10.3.3

Kommunikationsgestaltung aufgrund des Modells der Psyche nach G. Roth

EineȱweitereȱMöglichkeit,ȱKommunikationȱzuȱanalysierenȱundȱzuȱgestalten,ȱbietetȱdasȱ ModellȱderȱPsycheȱnachȱG.ȱRoth,ȱdasȱimȱKapitelȱ2.2.ȱeingeführtȱwurde.ȱEsȱistȱwichtig,ȱ dassȱeineȱFührungskraftȱMechanismenȱundȱWirkungenȱderȱpraktischenȱKommunikaȬ tionȱ sowieȱ dieȱ Möglichkeitenȱ undȱ Grenzenȱ kommunikativerȱ Einflussnahmeȱ versteht.ȱ AufgrundȱdesȱModellsȱderȱPsycheȱkannȱmanȱsichȱdenȱKommunikationsprozessȱzweierȱ Personenȱ alsȱ Aufeinandertreffenȱ vonȱ zweiȱ Pyramidenȱ denkenȱ (s.ȱ Abbildung):ȱ alleȱ Ebenen,ȱinsbesondereȱdieȱunteren,ȱemotionalenȱkommenȱdabeiȱinȱKontakt.ȱȱ

Abb.ȱ41:ȱ

KommunikationȱalsȱAufeinandertreffenȱvonȱzweiȱPsycheȬModellenȱ 4.ȱEbeneȱȱ KognitionȱundȱSpracheȱ

4.ȱEbeneȱȱ KognitionȱundȱSpracheȱ

rationalȱundȱbewusstȱ (Planen,ȱDenken,ȱAnalysieren)

rationalȱundȱbewusstȱ (Planen,ȱDenken,ȱAnalysieren)

3.ȱEbeneȱ BewussteȱGefühleȱȱ

3.ȱEbeneȱ BewussteȱGefühleȱȱ

emotionalȱundȱbewusstȱ (Ethik,ȱMoral,ȱKommunikation)

emotionalȱundȱbewusstȱ (Ethik,ȱMoral,ȱKommunikation)

2.ȱEbeneȱ EmotionalesȱLernenȱ

2.ȱEbeneȱ EmotionalesȱLernenȱ

emotionalȱundȱunbewusstȱ (Persönlichkeit,ȱCharakter,ȱȱPräferenzenȱund AversionenȱaufgrundȱerlernterȱGefühle)

emotionalȱundȱunbewusstȱ (Persönlichkeit,ȱCharakter,ȱȱPräferenzenȱund AversionenȱaufgrundȱerlernterȱGefühle)

1.ȱEbeneȱȱ Grundfunktionenȱȱ

1.ȱEbeneȱȱ Grundfunktionenȱȱ

unbewusst,ȱmeistȱgenetischȱbedingtȱ unbewusst,ȱmeistȱgenetischȱbedingtȱ (biologischesȱÜberleben,ȱelementareȱAntriebeȱund)(biologischesȱÜberleben,ȱelementareȱAntriebe)ȱ

ȱ Unsereȱ menschlicheȱ Naturȱ (dieȱ untersteȱ Ebene)ȱ ermöglichtȱ unsȱ gegenseitigeȱ GrundȬ verständigung.ȱDieȱhöherȱliegendenȱemotionalenȱEbenenȱsindȱfürȱdieȱKommunikationȱȱ entscheidend.ȱ Überwiegendȱ aufȱ derȱ unbewusstȱ emotionalenȱ Ebeneȱ entwickelnȱ sichȱ SympathienȱundȱVertrauen.ȱHierȱwerdenȱdieȱEmotionenȱvermittelt,ȱz.B.ȱBegeisterungȱ fürȱ dieȱ gemeinsameȱ Sache,ȱ Engagementȱ undȱ Ehrlichkeitȱ oderȱ aberȱ Gleichgültigkeit,ȱ Passivitätȱ undȱ Manipulation.ȱ Dieseȱ emotionalenȱ Einstellungenȱ derȱ Führungskraftȱ 159ȱ

10.3

10

Kommunikation

könnenȱ nichtȱ vorgetäuschtȱ werden,ȱ übenȱ aberȱ aufȱ dieȱ Mitarbeiterȱ einenȱ besondersȱ starkenȱEinflussȱaus.ȱ Aufȱ derȱ höherȱ liegendenȱ Ebeneȱ derȱ bewusstenȱ Emotionenȱ (Ebeneȱ 3)ȱ kannȱ eineȱ FühȬ rungskraftȱ dieȱ sogenannteȱ emotionaleȱ Führungȱ praktizierenȱ undȱ gezieltȱ Gefühleȱ alsȱ Führungsinstrumenteȱ einsetzenȱ (Kritik,ȱAnerkennung,ȱ Lob,ȱ Tadel,ȱ Empathie,ȱ BewunȬ derungȱusw.)ȱAllerdingsȱistȱsieȱwenigerȱwirksam,ȱalsȱdieȱunbewusstȱvermitteltenȱEmoȬ tionenȱ(Ebeneȱ2).ȱNochȱwenigerȱEinflussȱkannȱmanȱvonȱderȱbewusstȱrationalenȱEbeneȱ derȱKommunikationȱerwarten,ȱdieȱnurȱdieȱSpitzeȱderȱPsycheȱbildet.ȱDeswegenȱsindȱdieȱ MöglichkeitenȱderȱEinflussnahmeȱaufȱderȱrationalenȱEbeneȱrelativȱbegrenzt.ȱ Wasȱ passiertȱ inȱ einemȱ Mitarbeitergespräch?ȱ Wieȱ beiȱ jederȱ Kommunikation,ȱ sindȱ alleȱ vierȱEbenenȱderȱPsycheȱaktiv.ȱEinȱgrundsätzlichesȱVerständnisȱistȱdankȱderȱgemeinsaȬ menȱmenschlichenȱBasisȱmöglichȱ(Ebeneȱ1).ȱDieȱunbewusstenȱEmotionenȱbeiderȱPartȬ nerȱ bestimmenȱ dieȱ allgemeineȱ Atmosphäreȱ desȱ Gesprächs:ȱ Herrschenȱ inȱ derȱ BezieȬ hungȱzwischenȱeinemȱVorgesetztenȱundȱeinemȱUntergebenenȱVertrauenȱ undȱSympaȬ thie,ȱsoȱkannȱmanȱauchȱüberȱnegativeȱEreignisseȱundȱFehlerȱleichterȱdiskutieren.ȱIstȱdieȱ BeziehungȱvonȱAbneigungȱundȱAngstȱgeprägt,ȱwirdȱeinȱGesprächȱzuȱeinerȱFolter.ȱÜberȱ dieseȱEinstellungenȱ habenȱ beideȱ Gesprächspartnerȱ währendȱ desȱ Gesprächsȱ praktischȱ keineȱMacht.ȱȱBewussteȱGefühleȱ(Ebeneȱ3)ȱundȱrationaleȱArgumenteȱ(Ebeneȱ4)ȱstehenȱ demȱ Führendenȱ undȱ Geführtenȱ zurȱ Verfügungȱ undȱ könnenȱ vonȱ beidenȱ eingesetztȱ werden.ȱ Inȱ derȱ Praxisȱ wirdȱ besondererȱ Wertȱ aufȱ dieȱ Rationalitätȱ legt,ȱ wogegenȱ dieȱ Emotionenȱeherȱausgeklammertȱwerden.ȱNurȱ„emotionalȱintelligente“ȱFührungskräfteȱ machenȱ sichȱ dieȱ Gefühleȱ zunutze,ȱ indemȱ sieȱ durchȱ dasȱ Schaffenȱ vonȱ angenehmer,ȱ positiverȱ Stimmungȱ undȱ einȱ bewusstesȱAnsprechenȱ vonȱ Interessenȱ undȱ Motivenȱ desȱ MitarbeitersȱdieȱWirkungȱihrerȱArgumentationȱverstärken.ȱ

10.4

Betriebliche Kommunikation

Dieȱ Bedeutungȱ vonȱ Kommunikationȱ inȱ Unternehmenȱ istȱ enorm:ȱ eineȱ zielorientierteȱ Zusammenarbeitȱ istȱ ohneȱ Austauschȱ vonȱ Informationenȱ (Wissen)ȱ unmöglich.ȱ Vieleȱ UnternehmenȱerkennenȱinterneȱKommunikationȱalsȱeinȱFührungsȬȱundȱMotivationsinȬ strumentȱan:ȱlautȱeinerȱaktuellenȱStudieȱderȱFraunhoferȱInstitutsȱfürȱArbeitswirtschaftȱ undȱ Organisationȱ benutzenȱ 75%ȱ derȱ deutschenȱ Unternehmenȱ interneȱ InformationsȬ veranstaltungenȱ undȱ überȱ 60%ȱ informelleȱ Veranstaltungenȱ alsȱ MotivationsinstruȬ ment.182ȱ Eineȱ effektiveȱ Kommunikation,ȱ dieȱ alsȱ gegenseitigeȱ Verständigungȱ undȱ geȬ meinsameȱSchaffungȱeinerȱUnternehmensweltȱverstandenȱwird,ȱistȱdieȱGrundlageȱfürȱ Kooperation,ȱMotivationȱundȱLernprozesseȱinȱeinemȱUnternehmen.ȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 182ȱ Vgl.ȱ Studieȱ derȱ Fraunhoferȱ Institutsȱ fürȱ Arbeitswirtschaftȱ undȱ Organisationȱ vonȱ 07/2004,ȱ

unterȱwww.fraunhoferȬinstitut.de/publikationenȱ(10.01.2006)ȱ

160ȱ

Betriebliche Kommunikation

Manȱ unterscheidetȱ zwischenȱ unternehmensinternerȱ undȱ Ȭexternerȱ Kommunikation.ȱ Interneȱ Kommunikationȱ beschreibtȱ denȱ InformationsȬȱ bzw.ȱ Wissensaustauschȱ innerȬ halbȱ derȱ Unternehmensorganisation.ȱ Unternehmensexterneȱ Kommunikationȱ zieltȱ aufȱ alleȱ Akteureȱ ab,ȱ mitȱ denenȱ dasȱ Unternehmenȱ inȱ Kontaktȱ tritt.ȱ Dasȱ sindȱ Lieferanten,ȱ Kunden,ȱ Wettbewerber,ȱ Banken,ȱ dieȱ Öffentlichkeitȱ undȱ verschiedeneȱ Verbändeȱ undȱ Gruppen.ȱ Mitȱ diesenȱ Stakeholdernȱ mussȱ einȱ Unternehmenȱ kommunizieren.ȱ Diesȱ istȱ zugleichȱeineȱ„wirklichkeitsschaffende“ȱKommunikation,ȱweilȱdieȱgegenseitigeȱBeeinȬ flussungȱ vonȱ Unternehmenȱ undȱ seinerȱ Umweltȱ ständigȱ neueȱ sozialeȱ Phänomeneȱ schafft.ȱȱ Manȱ kannȱ zwischenȱ formellerȱ undȱ informellerȱ Kommunikationȱ inȱ Unternehmenȱ unterscheiden.ȱUnterȱformellerȱKommunikationȱwerdenȱalleȱKommunikationsstruktuȬ renȱundȱȬinhalteȱzusammengefasst,ȱdieȱinstitutionalisiertȱsind.ȱInȱjedemȱUnternehmenȱ gibtȱ esȱ bestimmteȱ Praktiken,ȱ wieȱ undȱ werȱ informiertȱ wird,ȱ welcheȱ Kanäleȱ dafürȱ verȬ wendetȱ undȱ welcheȱ Inhalteȱ weitergegebenȱ werden.ȱ Alsȱ Grundgerüstȱ derȱ unternehȬ mensinternenȱKommunikationȱwirdȱeinȱNetzwerkȱvonȱTeambesprechungenȱaufȱallenȱ Ebenenȱ bezeichnet.183ȱ Wichtigȱ ist,ȱ dassȱ beiȱ diesenȱ Besprechungenȱ kommunikativeȱ Verständigungȱ zustandeȱ kommt.ȱ Nebenȱ formellerȱ Kommunikationȱ gibtȱ esȱ inȱ UnterȬ nehmenȱ informelleȱ Kommunikation,ȱ dieȱ nichtȱ institutionalisiertȱ ist.ȱ Kommunikationȱ gehörtȱ zuȱ denȱ menschlichenȱ Bedürfnissenȱ undȱ läuftȱ unabhängigȱ vonȱ Verordnungenȱ oderȱVerboten.ȱDieseȱinformelleȱKommunikationȱbildetȱdieȱGrundlageȱfürȱdieȱTeamȬ,ȱ AbteilungsȬȱ undȱ Unternehmenskultur,ȱ schafftȱ einȱ gutesȱ oderȱ schlechtesȱArbeitsklimaȱ undȱistȱfürȱdieȱArbeitszufriedenheitȱ(Ȭunzufriedenheit)ȱverantwortlich.ȱȱ Esȱistȱüblich,ȱzweiȱAspekteȱderȱbetrieblichenȱKommunikationȱzuȱunterscheiden:ȱeinenȱ technischȬorganisatorischenȱ undȱ einenȱ verhaltenskulturellen.ȱ Dieȱ technischȬ organisatorischeȱSeiteȱhatȱmitȱdenȱKommunikationsmedienȱundȱderȱOrganisationȱderȱ Kommunikationȱ zuȱ tun.ȱ Dieȱ verhaltenskulturelleȱ Seiteȱ beinhaltetȱ praktischeȱAspekteȱ derȱKommunikation,ȱdieȱinȱMitarbeiterȬ,ȱFührungsgesprächenȱundȱMeetingsȱzustandeȱ kommen.ȱȱ UnterȱKommunikationȱinȱUnternehmenȱsollȱnichtȱnurȱKommunikationȱzwischenȱMenȬ schen,ȱ sondernȱ auchȱ „MenschȬMaschine“ȬKommunikationȱ verstandenȱ werden.ȱ Aufȱ diesenȱAspektȱwirdȱhierȱjedochȱnichtȱnäherȱeingegangen.ȱ ȱ

10.4.1

Kommunikationsmedien in Unternehmen

Abhängigȱ vonȱ derȱ Kommunikationsebeneȱ werdenȱ inȱ Unternehmenȱ verschiedeneȱ Kommunikationsmedienȱeingesetzt.ȱSieȱhabenȱihreȱVorȬȱundȱNachteile,ȱdeswegenȱsollȱ exemplarischȱentschiedenȱwerden,ȱwasȱfürȱeinȱKommunikationskanalȱinȱjederȱSituatiȬ onȱangemessenȱsei.ȱDerȱallgemeineȱTrendȱgehtȱinȱRichtungȱelektronischeȱKommunikaȬ tionȱ undȱ informelleȱ computergestützteȱ Netzwerkeȱ (vgl.ȱ Kooperationstrends,ȱ Kapitelȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 183ȱ Vgl.ȱDoppler,ȱK.;ȱLauterburg,ȱC.ȱChangeȱManagement,ȱS.ȱ218.ȱ

161ȱ

10.4

10

Kommunikation

9.2).ȱ Zugleichȱ bleibtȱ dieȱ Bedeutungȱ derȱ persönlichenȱ Kommunikationȱ inȱ Formȱ vonȱ MitarbeiterȬȱundȱGruppengesprächenȱerhaltenȱ(s.ȱfolgendeȱTabelle).ȱȱȱ

Tabelleȱ30:ȱ BetrieblicheȱKommunikationsmedienȱundȱihreȱVorȬȱundȱNachteileȱ Medien

Vorteile

Nachteile

Face-to-Face Dialog/Meeting

Verbal und nonverbal, Rückkopplung sofort möglich

Die Kommunikation wird nicht oder nur teilweise (Protokoll) dokumentiert

Telefon (-konferenz)

Verbal und paraverbal, Rückkopplung sofort möglich, dokumentierbar (Aufzeichnung)

Nonverbale Mittel gehen verloren, meistens keine Dokumentierung

Telefax

Verbal, schnell, direkt schriftlich (dokumentiert)

Keine nonverbalen Mittel, Rückkopplung mit Verzögerung

E-Mail

Verbal, sehr schnell, Mitteilung gleichzeitig an mehrere Partner möglich

Keine nonverbalen Mittel, Rückkopplung mit Verzögerung

Briefpost/Dokument

Verbal, sofort dokumentiert

Keine nonverbalen Mittel, langsam, Rückkopplung mit großer Verzögerung

Videokommunikation

Verbal und nonverbal, Rückkopplung sofort möglich, dokumentierbar (Aufzeichnung)

technische Ausstattung notwendig (hohe Kosten)

Computerkonferenz

Verbal, Rückkopplung sofort möglich, Beteiligung mehrerer Partner möglich, dokumentierbar (Speichern)

Keine nonverbalen Mittel, technische Ausstattung nötig

Intranet, Portal, Weblog

Verbal, schnell, dokumentierbar, mehrere Partner, Rückkopplung möglich

keine nonverbalen Mittel, technische Ausstattung notwendig (Kosten)

ȱ DieȱInformationstechnologieȱundȱvorȱallemȱdieȱBenutzungȱvonȱelektronischenȱMedienȱ machtȱdieȱKommunikationȱnichtȱnurȱschneller,ȱsondernȱermöglichtȱeffizienteȱVerarbeiȬ tungȱ undȱ Verfügbarkeitȱ vonȱ Informationen.ȱ Diesȱ istȱ eineȱ wichtigeȱ Voraussetzungȱ fürȱ Wissensmanagementȱ inȱ einemȱ Unternehmenȱ (s.ȱ Kapitelȱ 15.2ȱ „Wissenȱ inȱ UnternehȬ men“).ȱ Dieȱ aktuelleȱ Entwicklungȱ lässtȱ vermuten,ȱ dassȱ dieȱ Zahlȱ vorwiegendȱ elektroȬ nischȱkommunizierenderȱArbeitsgruppenȱinȱZukunftȱzunehmenȱwird.ȱDieȱVerbreitungȱ desȱInternetsȱsowieȱdieȱIdeeȱvonȱvirtuellenȱundȱ„grenzenlosenȱUnternehmen“184ȱintenȬ sivierenȱdieseȱProblematik.ȱZuȱdenȱKommunikationsproblemenȱunsererȱZeitȱgehörenȱ dieȱ Bewältigungȱ derȱ Informationsflutȱ undȱ dieȱ Koordinationȱ räumlichȱ getrennterȱAkȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 184ȱ Picot,ȱA.;ȱReichwald,ȱR.;ȱWigand,ȱR.T.ȱDieȱgrenzenloseȱUnternehmung.ȱ

162ȱ

Betriebliche Kommunikation

teure.ȱ Auchȱ dieȱ Benutzungȱ vonȱ elektronischenȱ Medienȱ innerhalbȱ vonȱ Unternehmenȱ hatȱihreȱNachteile:ȱsieȱsindȱnurȱfürȱdieȱÜbertragungȱvonȱverbalenȱBotschaftenȱgeeignetȱ undȱdieȱRückkopplungȱistȱnurȱmitȱVerzögerungȱmöglich.ȱEsȱistȱunmöglichȱfürȱeinenȱEȬ MailȬSender,ȱsichȱanȱdieȱErwartungenȱundȱStimmungȱseinesȱPartnersȱanzupassenȱundȱ währendȱ derȱ Kommunikationȱ schnellȱ aufȱ verbaleȱ undȱ nonverbaleȱ Signaleȱ zuȱ reagieȬ ren.ȱDieȱunmittelbareȱFaceȬtoȬFaceȬKommunikationȱermöglichtȱdagegenȱeineȱvielseitiȬ geȱ Wahrnehmungȱ vonȱ verbalen,ȱ paraȬȱ undȱ nonverbalenȱ Mittelnȱ undȱ eineȱ schnelleȱ Rückmeldungȱ(Reaktion)ȱdesȱEmpfängers.ȱ Verschiedenenȱ Medienȱ werdenȱ abhängigȱ vonȱ derȱ Kommunikationsebeneȱ (inȱ oderȱ außerhalbȱeinerȱAbteilung,ȱexterneȱKommunikation)ȱunterschiedlichȱhäufigȱgenutztȱ(s.ȱ Abbildung).ȱȱ Abb.ȱ42:ȱ

NutzungȱvonȱKommunikationsmedienȱnachȱPicot/Reichwald185ȱ

100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%ȱȱ

11% 28% 46%

73%ȱ

Face-to-Faceȱ Telefonȱ

53%

schriftlichȱ

43%

22%ȱ 19% 5%ȱȱȱ in der Abteilungȱ

Zwischen Abteilungenȱ

extern

ȱ

MitȱdenȱexternenȱPartnernȱwirdȱeherȱtelefonischȱoderȱschriftlichȱkommuniziertȱ(Brief,ȱ Fax,ȱ EȬMail).ȱ Jeȱ näherȱ dieȱ Kommunikationspartner,ȱ destoȱ größerȱ derȱ Anteilȱ derȱ perȬ sönlichenȱ Kommunikationȱ (Gespräch,ȱ Meeting),ȱ dieȱ fürȱ dieȱ Führungspraxisȱ unabȬ dingbarȱist.ȱ ȱȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 185ȱ Picot,ȱA.;ȱReichwald,ȱR.;ȱWigand,ȱR.T.ȱDieȱgrenzenloseȱUnternehmung,ȱS.ȱ63ȱȬȱ114.ȱ

163ȱ

10.4

10

Kommunikation

10.4.2

Mitarbeitergespräche in der Unternehmenskommunikation

Einȱ Mitarbeitergesprächȱ dientȱ alsȱ einȱ wichtigesȱ Instrumentȱ derȱ Führungȱ zurȱ BeurteiȬ lung,ȱ Förderungȱ derȱ Leistungȱ undȱ Entwicklungȱ derȱ Potenzialeȱ einesȱ Mitarbeiters.ȱ Esȱ mussȱregelmäßigȱvonȱFührungskräftenȱundȱMitarbeiternȱvorbereitetȱundȱdurchgeführtȱ werden.ȱJeȱnachȱZielenȱundȱSituationȱdesȱGesprächsȱsowieȱnachȱReifegradȱundȱKomȬ petenzenȱderȱGesprächspartnerȱvariierenȱdieȱGestaltungȱundȱStrukturȱeinesȱMitarbeiȬ tergesprächs.ȱ Dieȱ bereitsȱ dargestelltenȱ Erkenntnisseȱ überȱ zwischenmenschlicheȱ KomȬ munikation,ȱ Kommunikationsmodelleȱ undȱ Ȭtheorienȱ könnenȱ aufȱ einȱ MitarbeitergeȬ sprächȱübertragenȱwerden.ȱȱ JederȱFührendeȱträgtȱVerantwortungȱfürȱdenȱAblaufȱderȱpraktischenȱKommunikationȱ inȱ seinerȱAbteilungȱ (Gruppe)ȱ undȱ hatȱ dabeiȱ eineȱ Vorbildfunktion.ȱ Menschenkenntnisȱ undȱ Offenheitȱ sowieȱ dieȱ Berücksichtigungȱ derȱ Individualitätȱ jedesȱ Mitarbeitersȱ undȱ derȱ Subjektivitätȱ desȱ individuellenȱ Wissensȱ sollenȱ demȱ Managerȱ ermöglichen,ȱ durchȱ dieȱKommunikationȱmitȱjedemȱEinzelnenȱundȱderȱGruppeȱgemeinsameȱZieleȱerreichenȱ zuȱ könnenȱ undȱ gleichzeitigȱ eineȱ leistungsmotivierendeȱ Unternehmensweltȱ zuȱ schafȬ fen.ȱ Dieȱ praktischeȱ Kommunikationȱ spieltȱinȱ demȱ Prozessȱdesȱ gemeinsamenȱ HervorȬ bringensȱ derȱ Betriebsrealitätȱ eineȱ entscheidendeȱ Rolle.ȱ DieȱAufgabeȱ ihrerȱ Gestaltungȱ liegtȱprimärȱbeimȱManagerȱundȱistȱdurchȱeinȱSystemȱvonȱEinzelȬȱundȱGruppengespräȬ chenȱ zuȱ bewältigen.ȱ Allerdingsȱ solltenȱ dieȱ Mitarbeiterȱ eineȱ Möglichkeitȱ bekommen,ȱ sichȱanȱdenȱGesprächenȱaktivȱzuȱbeteiligen.ȱ BeiȱderȱVorbereitungȱundȱDurchführungȱvonȱFührungsgesprächenȱkannȱeinȱManagerȱ aufȱdieȱKommunikationstheorienȱ–ȱVierȱAspekteȱeinerȱNachricht,ȱdieȱTransaktionsanaȬ lyseȱ sowieȱ Kommunikationȱ anhandȱ desȱ Modellsȱ derȱ Psycheȱ –ȱ zurückgreifen,ȱ umȱ dieȱ Mehrdimensionalitätȱ sowieȱdieȱ verbaleȱ undȱ nonverbaleȱ Seiteȱ derȱ Kommunikationȱ zuȱ berücksichtigen.ȱ Einigeȱ Beispieleȱ fürȱ dieȱ Anwendungȱ vonȱ Theorienȱ sindȱ imȱ Kapitelȱ 10.3ȱerläutertȱworden.ȱȱ Führungsgesprächeȱ könnenȱ geplantȱ undȱ spontanȱ sowieȱ alsȱ EinzelȬȱ oderȱ GruppengeȬ sprächeȱ durchgeführtȱ werden.ȱ Dieȱ Wichtigkeitȱ derȱ Führungsgesprächeȱ istȱ offensichtȬ lich:ȱMitarbeiterȱbrauchenȱeinȱFeedbackȱdesȱVorgesetzten,ȱinwieweitȱdieȱLösungȱihrerȱ AufgabenȱundȱihreȱGesamtentwicklungȱrichtigȱsei.ȱEinȱManagerȱsollteȱMitarbeitergeȬ sprächeȱ imȱ Vorausȱ planenȱ undȱ sichȱ Zeitȱ nehmen,ȱ damitȱ einȱ solchesȱ Gesprächȱ inforȬ mell,ȱoffenȱundȱzuȱgegenseitigerȱZufriedenheitȱablaufenȱkann.ȱDasȱArgumentȱmancherȱ Führungskräfte,ȱsieȱhättenȱkeineȱZeit,ȱseienȱzuȱbeschäftigt,ȱistȱfalsch:ȱeinȱguterȱVorgeȬ setzterȱ hatȱ immerȱ Zeitȱ fürȱ seineȱ Mitarbeiter,ȱ dennȱ sieȱ sindȱ dasȱ Wichtigsteȱ imȱ UnterȬ nehmen.ȱ Deswegenȱ sollȱ eineȱ Führungspersonȱ nichtȱ nurȱ formellȱ stetsȱ eineȱ offeneȱ Türȱ fürȱihreȱMitarbeiterȱhaben,ȱsondernȱeineȱAtmosphäreȱschaffen,ȱinȱderȱesȱdenȱMitarbeiȬ ternȱtatsächlichȱmöglichȱist,ȱmitȱihrenȱAnliegenȱundȱProblemenȱzumȱVorgesetztenȱzuȱ kommen.ȱ

164ȱ

Betriebliche Kommunikation

Einȱ gutesȱ Führungsgespräch,ȱ seiȱesȱ ZielvereinbarungsȬ,ȱ BeurteilungsȬ,ȱ Kritikgesprächȱ oderȱ Meeting,ȱ sollteȱ vorbereitetȱ werden.ȱ Dasȱ istȱ notwendig,ȱ umȱ dieȱ eigeneȱ Position,ȱ Fragestellung,ȱ Zieleȱ undȱ Argumenteȱ durchȱ expliziteȱ Formulierungenȱ zuȱ klärenȱ undȱ eventuellȱzusätzlicheȱInformationenȱzuȱbesorgen.ȱDieseȱVorbereitungȱkannȱschriftlichȱ inȱFormȱkurzerȱNotizenȱerfasstȱwerden.ȱFürȱeinȱkonstruktivesȱGespräch,ȱdasȱzuȱeinerȱ Problemlösungȱ führenȱ soll,ȱ istȱ esȱ empfehlenswert,ȱ denȱ Gesprächspartnerȱ imȱ Vorausȱ überȱ dasȱ eigeneȱ Vorhabenȱ undȱ Lösungsalternativenȱ zuȱ informieren,ȱ damitȱ erȱ sichȱ entsprechendȱvorbereitenȱkann.ȱNachȱK.ȱBirker186ȱsollteȱdieȱGesprächsvorbereitungȱausȱ folgendenȱSchrittenȱbestehen:ȱ

Tabelleȱ31:ȱ Gesprächsvorbereitungȱ(inȱAnlehnungȱanȱK.ȱBirker)ȱ Schritt

Inhalte

1. Thema

Das Thema soll möglichst präzise formuliert werden. Der Manager soll sich im Klaren sein, was er tatsächlich besprechen möchte (keine „verdeckten“ Botschaften)

2. Ist-Situation

Kurze Beschreibung der Ausgangslage, wobei die Rollen von beiden Gesprächspartnern klar dargestellt werden sollen

3. Mein Ziel

Was soll mit dem Gespräch erreicht werden?

4. Argumente

Mit welchen Argumenten kann man den Gesprächspartner überzeugen? Welche Argumente sind aus seiner Perspektive wichtig?

5. Eventuelle Einwendungen

Auf welche Gegenargumente sollte man vorbereitet sein? Wie sollte man auf sie reagieren?

ȱ Eineȱ solcheȱ Gesprächsvorbereitungȱ ermöglichtȱ eineȱ konstruktiveȱ Diskussionȱ undȱ dasȱ Zustandekommenȱ einerȱ Problemlösung.ȱ Jedochȱ istȱ esȱ nichtȱ wenigerȱ wichtig,ȱ wieȱ dasȱ Gesprächȱabläuft:ȱgewählterȱZeitpunktȱundȱpositiveȱAtmosphäreȱohneȱStörungenȱundȱ Unterbrechungenȱsindȱebenfallsȱbedeutsam.ȱ InȱeinemȱFührungsgesprächȱliegtȱesȱzumȱgroßenȱTeilȱbeiȱdemȱManager,ȱdasȱGesprächȱ zuȱ gestalten.ȱ Normalerweiseȱ unterscheidetȱ manȱ fünfȱ Phasenȱ desȱ Gesprächsablaufs:ȱ Begrüßung,ȱEinstimmung,ȱProblemdarstellung,ȱLösungȱundȱAbschluss187.ȱDieȱUmsetȬ zungȱdieserȱPhasenȱkannȱvonȱGesprächȱzuȱ Gesprächȱvariierenȱundȱistȱindividuellȱzuȱ gestalten,ȱ dasȱ Modellȱ anȱ sichȱ istȱ jedochȱ gutȱ geeignet.ȱ Amȱ Beispielȱ einesȱ KritikgeȬ sprächsȱ (Kapitelȱ 8.5.3ȱ „Kontrolleȱ alsȱ Motivationsinstrument“)ȱ wurdeȱ schonȱ gezeigt,ȱ wieȱmanȱderȱnegativenȱWirkungȱeinesȱunangenehmenȱGesprächsȱvorbeugenȱkönnte.ȱȱ Inȱ jedemȱ Führungsgesprächȱ mussȱ eineȱ Führungskraftȱ nichtȱ nurȱ eineȱ steuernde,ȱ geȬ sprächsgestaltendeȱRolleȱübernehmen,ȱsondernȱauchȱaktivȱzuhören.ȱInȱAnlehnungȱanȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 186ȱ Birker,ȱK.ȱBetrieblicheȱKommunikation,ȱS.ȱ129.ȱ 187 Vgl.ȱebd.,ȱS.ȱ133.ȱ

165ȱ

10.4

10

Kommunikation

SchulzȱvonȱThunȱkannȱmanȱsagen:ȱmitȱallenȱvierȱSchnäbelnȱredenȱundȱallenȱvierȱOhrenȱ zuhören.ȱOderȱnachȱderȱTheorieȱderȱTransaktionsanalyse:ȱmanȱmussȱeineȱTransaktionȱ aufȱderȱErwachsenenȬEbeneȱanstrebenȱundȱgleichzeitigȱbereitȱsein,ȱaufȱdieȱBotschaftenȱ ausȱanderenȱBewusstseinszuständenȱdesȱGegenübersȱzuȱreagierenȱundȱdieseȱZuständeȱ beiȱihmȱanzusprechen.ȱ DieȱKommunikationsanalyseȱaufgrundȱdesȱModellsȱderȱPsycheȱ(Kapitelȱ10.3.3)ȱbetontȱ vorȱ allemȱ dieȱ Rolleȱ derȱ unbewusstenȱ undȱ bewusstenȱ Emotionenȱ inȱ derȱ persönlichenȱ Kommunikation.ȱ Inȱ einemȱ Gesprächȱ sollteȱ manȱ nichtȱ nurȱ rationaleȱ Gründeȱ undȱ ArȬ gumenteȱ einsetzen,ȱ sondernȱ vorȱ allemȱ dieȱ unterschwelligenȱ (unbewussten)ȱ EinstelȬ lungen,ȱ Sympathienȱ undȱ Zusammengehörigkeitsgefühlȱ berücksichtigenȱ undȱ fördern.ȱ Aufȱ derȱ Ebeneȱ derȱ bewusstenȱ Emotionenȱ sindȱ insbesondereȱ Lobȱ undȱ Anerkennungȱ wirksam.ȱ Sogarȱ einȱ gutes,ȱ lobendesȱ Wortȱ oderȱ eineȱ höfflicheȱ Begrüßungȱ undȱ einȱ LäȬ chelnȱimȱVorbeigehenȱspielenȱimȱbetrieblichenȱAlltagȱeineȱwichtigeȱRolle,ȱschaffenȱeineȱ angenehmeȱ Arbeitsatmosphäreȱ undȱ wirkenȱ leistungsmotivierend.ȱ Davonȱ sollteȱ jedeȱ FührungskraftȱöfterȱGebrauchȱmachen.ȱȱȱȱ Abb.ȱ43:ȱ

EmotionenȱinȱderȱKommunikation188ȱ

ȱ

Alsȱ Folgeȱ ausȱ demȱ neuenȱ Verständnisȱ derȱ Führungȱ alsȱ gegenseitigeȱ interpersonelleȱ Beeinflussungȱ sollteȱ einȱ Mitarbeitergesprächȱ alsȱ partnerschaftlicherȱ Dialog189ȱ beȬ trachtetȱ werden.ȱ Derȱ Mitarbeiterȱ wirdȱ zuȱ einerȱ Rückmeldungȱ undȱ Beurteilungȱ desȱ Führendenȱ aufgefordertȱ undȱ übernimmtȱ eineȱ aktive,ȱ mitentscheidendeȱ Rolle.ȱ InsbeȬ sondereȱ beiȱ denȱ Zielvereinbarungen,ȱ Beurteilungenȱ (z.B.ȱ 360°ȬBeurteilung190)ȱ undȱ Personalentwicklungsmaßnahmenȱ istȱ eineȱ aktiveȱ Beteiligungȱ desȱ Mitarbeitersȱ unbeȬ dingtȱ notwendig.ȱ Dieseȱ neueȱ Gestaltungȱ derȱ Mitarbeitergesprächeȱ stelltȱ besondereȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 188ȱ Bildquelle:ȱBischof,ȱK.;ȱBischof,ȱA.ȱFühren:ȱMitȱIhrenȱMitarbeiternȱzumȱErfolg,ȱS.ȱ50.ȱ 189ȱ Vgl.ȱWunderer,ȱR.ȱFührungȱundȱZusammenarbeit,ȱS.ȱ338Ȭ339.ȱ 190ȱ EineȱBeurteilungȱdurchȱVorgesetzte,ȱUntergebene,ȱKollegenȱundȱKunden.ȱ

166ȱ

Betriebliche Kommunikation

Anforderungenȱ anȱ dieȱ Kommunikationskompetenzenȱ vonȱ Führungskräften,ȱ dieȱ inȱ speziellenȱWorkshopsȱundȱSeminarenȱgeschultȱwerdenȱkönnen.ȱȱȱȱ Regelmäßigeȱ Organisation,ȱ guteȱ Vorbereitungȱ undȱ geschickteȱ Gestaltungȱ vonȱ FühȬ rungsgesprächenȱ trägtȱ vielȱ zuȱ einerȱ offenenȱ Kommunikationȱ inȱ derȱ UnternehmensȬ praxisȱ bei,ȱ undȱ dieseȱ Kommunikationȱ istȱ unentbehrlichȱ fürȱ dasȱ Zusammenarbeitenȱ undȱ Erreichenȱ vonȱ gemeinsamenȱ Zielenȱ sowieȱ fürȱ dieȱ Förderungȱ einerȱ positivenȱArȬ beitsatmosphäreȱundȱUnternehmenskultur.ȱ ȱ Kontrollfragenȱ 1. WarumȱbehauptetȱP.ȱWatzlawickȱ„manȱkannȱnichtȱnichtȱkommunizieren“?ȱ 2. DefinierenȱSieȱdenȱBegriffȱKommunikation.ȱErläuternȱSieȱdieȱKommunikationȱamȱ SenderȬEmpfängerȬModellȱmitȱRückkopplung.ȱ 3. BeschreibenȱSieȱdieȱKommunikationȱalsȱ„HervorbringenȱeinerȱgemeinsamenȱWelt“ȱ (F.ȱVarela).ȱ 4. Definierenȱ Sieȱ „verbaleȱ Kommunikation“ȱ undȱ „kommunikativeȱ Verständigung“.ȱ BeschreibenȱSieȱdieȱdreiȱDimensionenȱverbalerȱKommunikation.ȱȱ 5. Wasȱ verstehenȱ Sieȱ unterȱ derȱ nonverbalenȱ Kommunikation?ȱ Beschreibenȱ Sieȱ ihreȱ Komponenten.ȱ 6. Warumȱistȱesȱwichtig,ȱKörperspracheȱzuȱverstehen?ȱBenutzenȱSieȱalsȱBegründungȱ BeispieleȱausȱderȱbetrieblichenȱPraxis.ȱȱ 7. WarumȱwerdenȱdieȱerstenȱvierȱMinutenȱeinerȱBegegnungȱalsȱdieȱ„entscheidenden“ȱ bezeichnet?ȱWieȱkannȱmanȱeinenȱpositivenȱerstenȱEindruckȱerreichen?ȱ 8. ErläuternȱSieȱdieȱ„VierȱAspektenȱeinerȱNachricht“ȱnachȱSchulzȱvonȱThun.ȱBenutzenȱ SieȱdafürȱeinȱBeispielȱausȱderȱUnternehmenspraxis.ȱ 9. Beschreibenȱ Sieȱ dreiȱ Bewusstseinszuständeȱ derȱ Transaktionsanalyse:ȱ ErwachseȬ nenȬ,ȱElternȬȱundȱKindheitsȬIch.ȱErklärenȱSieȱdieȱdreiȱTypenȱvonȱTransaktionen:ȱpaȬ rallele,ȱgekreuzteȱundȱverdeckteȱanhandȱvonȱpraktischenȱBeispielen.ȱ 10. AnalysierenȱSieȱdieȱKommunikationȱanhandȱdesȱModellȱderȱPsycheȱnachȱG.ȱRoth.ȱȱ 11. Nennenȱ Sieȱ Besonderheitenȱ derȱ betrieblichenȱ Kommunikation.ȱ Nennenȱ Sieȱ dieȱ wichtigstenȱbetrieblichenȱKommunikationsmedienȱundȱihreȱVorȬȱundȱNachteile.ȱ 12. WieȱsollȱeinȱMitarbeitergesprächȱvorbereitetȱwerden?ȱErläuternȱSieȱdieȱVoraussetȬ zungenȱfürȱeinenȱerfolgreichenȱAblaufȱeinesȱMitarbeitergesprächs.ȱ 13. WieȱkannȱeinȱMitarbeitergesprächȱalsȱpartnerschaftlicherȱDialogȱgestaltetȱwerden?ȱ WelcheȱVorteileȱkannȱdiesesȱKonzeptȱbringen?ȱ

167ȱ

10.4

11

Gruppen und Gruppenprozesse

11 Gruppen und Gruppenprozesse Gruppenzugehörigkeitȱ istȱ einȱ angeborenesȱ menschlichesȱ Bedürfnisȱ –ȱ Bindungȱ anȱ anȬ dereȱhatȱsichȱinȱderȱevolutionärenȱVergangenheitȱderȱMenschheitȱalsȱlebensnotwendigȱ erwiesen.ȱUnsereȱGesellschaftȱistȱinȱGruppenȱalsȱEinheitenȱorganisiert,ȱseienȱesȱFamiliȬ en,ȱ Interessenverbände,ȱ Teams,ȱ Unternehmenȱ oderȱ Parteien.ȱ Dieȱ Gruppeȱ kannȱ zuȱ einemȱwichtigenȱTeilȱunsererȱIdentitätȱwerden,ȱwobeiȱwirȱunsȱselbstȱdurchȱeineȱGrupȬ peȱ definierenȱ undȱ einigeȱ Gruppenmerkmaleȱ undȱ Ȭnormenȱ inȱ unsereȱ Persönlichkeitȱ übernehmen.ȱ Dieseȱ Präsentationȱ nachȱ außenȱ durchȱ Gruppenzugehörigkeitȱ wecktȱ beiȱ Außenstehendenȱ bestimmteȱErwartungen,ȱ dieȱsieȱ mitȱderȱ Gruppeȱ alsȱ Ganzesȱ verbinȬ den.ȱ Soȱ kannȱ sichȱ einȱ Studentȱ außerhalbȱ derȱ Hochschuleȱ alsȱ „Studentȱ derȱ FHȱ Köln“ȱ vorstellen,ȱ einȱ Deutscherȱ imȱAuslandȱ alsȱ „Deutscher“,ȱ einȱ Mitarbeiterȱ vonȱ BayerȱAGȱ alsȱ „BayerȬMitarbeiter“.ȱ Dieseȱ freiwilligeȱ Selbstpräsentationȱ durchȱ GruppenzugehöȬ rigkeitȱ setztȱ voraus,ȱ dassȱ manȱ eineȱ positiveȱ Einstellungȱ derȱ entsprechendenȱ Gruppeȱ gegenüberȱhatȱ(PrestigeȱderȱGruppenzugehörigkeit).ȱ Jederȱ Menschȱ gehörtȱ mehrerenȱ Gruppenȱ gleichzeitigȱ an:ȱ kleinerenȱ (wieȱ Beziehung,ȱ Familie)ȱ undȱ größerenȱ (wieȱ Unternehmenȱ oderȱ Gesellschaft),ȱ formellenȱ (wieȱArbeitsȬ gruppe)ȱundȱinformellenȱ(wieȱFußballmannschaft).ȱUnabhängigȱvonȱihrerȱArtȱübtȱjedeȱ Gruppeȱ aufȱ dasȱ Verhaltenȱ desȱ Individuumsȱ einenȱ starkenȱ Einflussȱ aus,ȱ derȱ mitȱ typiȬ schenȱGruppenprozessenȱzusammenhängtȱundȱdurchȱBegriffeȱwieȱGruppenkohäsion,ȱ Gruppennormen,ȱGruppenidentitätȱundȱGruppendynamikȱbeschriebenȱwird.ȱȱ InȱUnternehmenȱspielenȱGruppenprozesseȱeineȱbesondereȱRolle:ȱArbeitsgruppenȱundȱ Teamsȱ sindȱ dieȱ kleinstenȱ Organisationseinheiten,ȱ Elementarzellenȱ einesȱ UnternehȬ mens,ȱinȱdenenȱdurchȱSynergieȬȱundȱLerneffekteȱsowieȱdankȱderȱFörderungȱderȱsoziaȬ lenȱ Kompetenzȱ vonȱ Gruppenmitgliedernȱ eineȱ besondereȱ Gruppenleistungȱ zustandeȱ kommt.ȱ GruppenȬȱ oderȱ Teamleitungȱ erfordertȱ vonȱ einemȱ Managerȱ besondereȱ FähigȬ keitenȱundȱKompetenzen,ȱdieȱmitȱderȱKenntnisȱvonȱGruppenverhalten,ȱȬdynamikȱundȱ Ȭprozessenȱzusammenhängen.ȱȱ InȱdiesemȱKapitelȱwerdenȱzunächstȱverschiedeneȱFormenȱvonȱGruppenȱundȱdieȱAusȬ wirkungenȱ einerȱ Gruppeȱ aufȱ dasȱ Individuumȱ dargestellt.ȱ Danachȱ werdenȱ ArbeitsȬ gruppenȱ alsȱ elementareȱ Einheitenȱ vonȱ Unternehmenȱ sowieȱ Teamsȱ alsȱ besondereȱArtȱ derȱGruppenȱbetrachtet.ȱAnschließendȱwerdenȱdieȱProzesseȱderȱGruppenentwicklungȱ undȱEinflussfaktorenȱaufȱdieȱGruppenleistungȱerläutert.ȱUnterȱanderenȱFaktorenȱsindȱ fürȱ dieȱ Leistungȱ dieȱ kulturellenȱ Rahmenbedingungenȱ derȱ Gruppenarbeitȱ vonȱ besonȬ dererȱBedeutungȱ–ȱInteraktion,ȱKonfliktneigungȱundȱȬbewältigungȱsowieȱLernprozesseȱ inȱ Gruppen.ȱ Zumȱ Schlussȱ werdenȱ Empfehlungenȱ fürȱ Managerȱ diskutiert:ȱ dieȱ BedinȬ gungenȱfürȱeineȱhoheȱGruppenleistungȱsowieȱdieȱAufgabenȱeinesȱGruppenleiters.ȱ

168ȱ

Arten und Wirkungen von Gruppen

11.1

Arten und Wirkungen von Gruppen

Derȱ Begriffȱ „Gruppe“ȱ wirdȱ inȱ derȱ Literaturȱ nichtȱ einheitlichȱ definiert.ȱ Manȱ kannȱ alsȱ Gruppeȱ jedeȱ Ansammlungȱ vonȱ zweiȱ undȱ mehrerenȱ Personenȱ bezeichnen,ȱ dieȱ sichȱ aufgrundȱ ähnlicherȱ Interessen,ȱ Aufgabenȱ oderȱ Zieleȱ zusammengetanȱ haben.ȱ Beiȱ Gruppenȱ stehtȱ dieȱ unmittelbareȱ Kommunikationȱ imȱ Mittelpunkt.ȱ Demnachȱ istȱ eineȱ Gruppeȱ eineȱ Mehrzahlȱ vonȱ Personen,ȱ dieȱ überȱ eineȱ längereȱ Zeitspanneȱ inȱ direkterȱ (unmittelbarer)ȱInteraktionȱzueinanderȱstehen.ȱVerschiedeneȱGruppenȱdieserȱArtȱkenȬ nenȱ wirȱ ausȱ demȱ Alltagsleben:ȱ Familien,ȱ Interessengruppen,ȱ Schulklassen,ȱ FreundȬ schaftsgruppenȱ etc.ȱ S.ȱ Robbins191ȱ definiertȱ eineȱ Gruppeȱ vorȱ allemȱ alsȱ Arbeitsgruppeȱ (Aufgabengruppe):ȱ Eineȱ Gruppeȱ sindȱ zweiȱ oderȱ mehrereȱ Individuen,ȱ dieȱ einȱ geȬ meinsamesȱZielȱverfolgenȱundȱdabeiȱinterdependentȱinteragieren.ȱInȱdieserȱDefinitiȬ onȱwirdȱdasȱgemeinsameȱZielȱ(gemeinsameȱAufgabe)ȱalsȱdasȱwichtigsteȱMerkmalȱeinerȱ Gruppeȱdargestellt.ȱManȱkannȱdieseȱDefinitionȱdurchȱdieȱBezeichnungȱ„ArbeitsgrupȬ pe“ȱvonȱderȱeinerȱ(anderen)ȱGruppeȱabgrenzen.ȱȱ Esȱ gibtȱ verschiedeneȱArtenȱ vonȱ Gruppen.ȱ Inȱ derȱ Soziologieȱ wirdȱ zwischenȱ primärenȱ undȱsekundärenȱGruppenȱunterschieden.ȱUnterȱprimärenȱGruppenȱverstehtȱmanȱrelaȬ tivȱ überdauernde,ȱ mitȱ starkenȱ emotionalenȱ Bindungenȱ derȱ Mitgliederȱ verbundeneȱ Gruppen:ȱ Familie,ȱ Spielgruppe,ȱ FaceȬtoȬFaceȱ Gruppe.ȱ Dieseȱ Gruppenȱ basierenȱ aufȱ GefühlenȱundȱsindȱdurchȱeinenȱhohenȱGradȱanȱVertrauenȱgekennzeichnet.ȱFürȱsekunȬ däreȱ Gruppenȱ sindȱ dagegenȱ unpersönliche,ȱ abstrakteȱ sowieȱ zweckbezogeneȱ BezieȬ hungenȱ typisch,ȱ sieȱ stellenȱ Teileȱ einesȱ organisiertenȱ Zweckgebildesȱ darȱ –ȱ einesȱ BeȬ triebs,ȱeinerȱAbteilung.ȱInȱderȱRegelȱsindȱArbeitsgruppenȱundȱTeamsȱsekundär.ȱNachȱ derȱBasisȱihresȱZustandekommensȱunterscheidetȱmanȱformelle,ȱimȱSinneȱderȱbetriebliȬ chenȱZielerreichungȱ geplanteȱundȱbestimmte,ȱundȱinformelleȱGruppen,ȱdieȱsichȱnachȱ menschlichenȱGesichtspunktenȱspontanȱundȱungeplantȱbilden.ȱ Nachȱ denȱ Zielenȱ kannȱ manȱ zwischenȱ Aufgabengruppen,ȱ Interessengruppenȱ undȱ Freundschaftsgruppenȱ unterscheiden.ȱAufgabengruppenȱ werdenȱ fürȱ dieȱ Lösungȱ vonȱ einerȱ oderȱ mehrerenȱ Aufgabenȱ zusammengestellt.ȱ Beiȱ Interessengruppenȱ stehtȱ einȱ bestimmtesȱ Interesseȱ imȱ Mittelpunktȱ –ȱ z.B.ȱ Wissensaustausch,ȱ Repräsentationȱ oderȱ auchȱ Fußballȱ spielen,ȱ Kochenȱ etc.ȱ Freundschaftsgruppenȱ setzenȱ sichȱ aufgrundȱ vonȱ Sympathieȱ zusammen,ȱ dieȱ Gruppenmitgliederȱ könnenȱ dabeiȱ verschiedeneȱ Interessenȱ haben.ȱ NachȱihrerȱZusammensetzungȱwerdenȱGruppenȱinȱRangȬȱ oderȱStatusgruppen,ȱinȱdeȬ nenȱMachtȱexplizitȱdurchȱDefinitionȱvonȱRangȱundȱStatusȱeinzelnerȱMitgliederȱverteiltȱ wird,ȱ undȱ Funktionsgruppen,ȱ derenȱ Mitgliederȱ alleȱ gleichenȱ Status,ȱ jedochȱ unterȬ schiedlicheȱ Funktionenȱ haben.ȱ Inȱ derȱ Unternehmenspraxisȱ könnenȱ alleȱ Artenȱ vonȱ Gruppenȱvorkommen.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 191ȱ Vgl.ȱRobbins,ȱS.ȱOrganisationȱderȱUnternehmung,ȱS.ȱ266.ȱ

169ȱ

11.1

11

Gruppen und Gruppenprozesse

UnabhängigȱvonȱderȱArtȱderȱGruppeȱsindȱinȱderȱSozialpsychologieȱeinigeȱpositiveȱundȱ negativeȱAuswirkungenȱeinerȱGruppeȱaufȱdasȱIndividuumȱbekannt,ȱdieȱdasȱGruppenȬ verhaltenȱbeeinflussen:ȱsozialeȱAnregung,ȱsozialesȱFaulenzenȱundȱDeindividuation.192ȱȱ DieȱsozialeȱAnregungȱbestehtȱdarin,ȱdassȱdieȱGegenwartȱandererȱMenschenȱunsȱeinenȱ Antriebȱgibt.ȱSozialeȱKontakteȱführenȱdemnachȱzuȱeinerȱStimulationȱderȱmenschlichenȱ Aktivität:ȱ inȱ Anwesenheitȱ andererȱ Menschenȱ möchtenȱ wirȱ unsȱ vonȱ derȱ bestenȱ Seiteȱ zeigen,ȱ Sympathieȱ undȱ Anerkennungȱ gewinnen.ȱ Dieseȱ positiveȱ Anregungȱ kommtȱ häufigȱinȱGruppenarbeitȱundȱbeimȱGruppenlernenȱvor.ȱ Eineȱ negativeȱAuswirkungȱ vonȱ Gruppenȱ aufȱ dasȱ Individuumȱ istȱ dasȱ sozialeȱ FaulenȬ zen.ȱ Dasȱ istȱ eineȱ Tendenz,ȱ beiȱ einfachenȱ undȱ Routineaufgabenȱ inȱ einerȱ Gruppeȱ schlechtereȱ Leistungenȱ zuȱ erbringen,ȱ wennȱ dieȱ individuelleȱ Leistungȱ nichtȱ beurteiltȱ werdenȱkann.ȱManȱverstecktȱsichȱhinterȱanderen,ȱreduziertȱdieȱeigeneȱLeistungȱaufȱeinȱ MinimumȱinȱderȱHoffnung,ȱdassȱdieȱGruppeȱohnehinȱdieȱAufgabeȱbewältigt.ȱ Besondersȱ bekanntȱ istȱ allerdingsȱ derȱ Effektȱ derȱ Deindividuationȱ inȱ Gruppenȱ (synȬ onymȱGruppenuniformität,ȱGruppendenken)ȱ–ȱmanȱgehtȱinȱderȱMengeȱunter,ȱwasȱsichȱ durchȱeineȱVerringerungȱdesȱVerantwortungsgefühlsȱundȱeinȱverstärktesȱBefolgenȱvonȱ Gruppennormenȱ widerspiegelt.ȱ Dieȱ Gruppenmitgliederȱ neigenȱ dazu,ȱ sichȱ derȱ MeiȬ nungȱderȱMehrheitȱanzuschließen,ȱohneȱsieȱinȱFrageȱzuȱstellen.ȱ„DerȱWunsch,ȱdasȱgutȱ zuȱfinden,ȱwasȱandereȱgutȱfinden,ȱhatȱseinenȱGrundȱimȱneurobiologischenȱUrbedürfnisȱ nachȱSpiegelung,ȱnachȱResonanzȱundȱnachȱVerbleibȱinnerhalbȱderȱschützendenȱsoziaȬ lenȱ Identität“ȱ Ȭȱ erklärtȱ J.ȱ Bauer.193ȱ Alsȱ Folgeȱ dieserȱ Resonanzreaktionȱ wirdȱ dasȱ AufȬ rechterhaltenȱ derȱ Zusammengehörigkeitȱ undȱ Solidaritätȱ derȱ Gruppeȱ alsȱ wichtigerȱ empfunden,ȱalsȱdieȱFaktenȱrealistischȱzuȱbetrachten.ȱDieserȱProzessȱkannȱsichȱnegativȱ auswirken:ȱ esȱ kommtȱ zuȱ einemȱ unvollständigenȱ Überblickȱ überȱ möglicheȱ AlternatiȬ ven,ȱ Risikenȱ werdenȱ nichtȱ ernsthaftȱ untersucht,ȱ dieȱ Sucheȱ nachȱ Informationenȱ bleibtȱ unzureichend,ȱ Alternativpläneȱ werdenȱ nichtȱ entwickelt.ȱ Darausȱ resultiertȱ eineȱ TenȬ denzȱzuȱrisikoreichenȱEntscheidungenȱbeiȱeinerȱProblemstellung,ȱdieȱLösungsalternaȬ tivenȱ mitȱ verschiedenenȱ Gradenȱ anȱ Ungewissheitȱ zulässt.ȱ Gruppenentscheidungenȱ sindȱimȱGegensatzȱzuȱIndividualentscheidungenȱsehrȱoftȱdurchȱeineȱgeringereȱRisikoȬ scheuȱ gekennzeichnet,ȱ weilȱ dieȱ Verantwortungȱ verteiltȱ wird:ȱ derȱ Einzelneȱ fühltȱ sichȱ fürȱdieȱEntscheidungȱpersönlichȱnichtȱverantwortlich.ȱ NebenȱderȱFähigkeit,ȱinȱResonanzȱzuȱgehenȱundȱsichȱinȱGruppenȱeinzuordnen,ȱistȱfürȱ einȱIndividuumȱdieȱFähigkeitȱwichtig,ȱResonanzphänomenenȱwiderstehenȱzuȱkönnen.ȱ EinȱGruppenmitgliedȱdarfȱnichtȱjedemȱGruppendruckȱnachgeben.ȱDieseȱBalanceȱzwiȬ schenȱsozialerȱResonanzȱundȱindividuellerȱIdentitätȱsollteȱgelerntȱwerden.ȱ ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 192ȱ Vgl.ȱAronson,ȱE.;ȱWilson,ȱT.;ȱAkert,ȱR.ȱSozialpsychologie.ȱ 193ȱ Bauer,ȱJ.ȱWarumȱichȱfühle,ȱwasȱduȱfühlst,ȱS.ȱ151.ȱ

170ȱ

Arten und Wirkungen von Gruppen

Exkurs: Gruppenverhalten. Ergebnisse von psychologischen Experimenten In der Organisationspsychologie sind Zahlreiche Phänomene des Gruppenverhaltens bekannt, die in psychologischen Experimenten nachgewiesen worden sind. Hier einige Beispiele. „Betriebsblindheit“. Ist man gewohnheitsmäßig in bestimmten Situationen durch eingefahrene Lösungsstrategien immer wieder zum Ziel gekommen, so wird man in subjektiv ähnlichen Situationen auch wieder den gleichen Weg einschlagen, obwohl sich in dem Unternehmen die Ausgangslage allmählich modifiziert hat und andere Lösungsstrategien bessere Ergebnisse bringen würden (Luchins, 1942). „Gruppendruck“. Seit den klassischen Experimenten von Asch (1965) ist bekannt, dass Mitglieder einer Gruppe sich häufig gegen ihre Überzeugung der (vermeintlichen) Mehrheitsmeinung anpassen. Dies gilt auch für Problemlösungen und Entscheidungen in Unternehmen, was insbesondere Janis (1972) mit seinen berühmt gewordenen Analysen der Kabinettsentscheidungen der Kennedy-Ära nachgewiesen hat. Der „group think“ führt besonders dann zu Fehlentscheidungen, wenn auf Einigkeit in der Gruppe geachtet und die Auffassung von abweichenden Gruppenmitgliedern nicht ernsthaft diskutiert oder gar unterdrückt wurde. „Prestige- und Kompetenzzuschreibung“. In einer Vielzahl von experimentellen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass die Argumente statushoher Personen besonders einflussreich waren, auch wenn der Status mit der fachlichen Kompetenz nicht korrelierte. Diesem Aspekt wurde bei Gruppenbesprechungen der früheren deutschen Schifffahrt dadurch Rechnung getragen, dass bei Schiffsversammlungen die Lösungsvorschläge in der Reihenfolge vom Schiffsjungen zum Kapitän abgegeben werden mussten. (s. Schuler, 1975) „Einfluss des Vielredners“. Gruppenmitglieder, die zu Beginn der Besprechung viel reden, haben besonders viel Einfluss, obwohl Redehäufigkeit und Kompetenz nicht korrelieren. Offensichtlich, wird von den übrigen Gruppenmitgliedern das viele Reden als Indikator der Kompetenz verstanden und dem Vielredner daher auch weiterhin viel Redezeit und Einfluss zugestanden. Der Effekt verliert sich allerdings, wenn sich die Gruppenmitglieder länger kennen.(nach Riecken, 1958) „Leistungsrestriktion“. In einer Arbeitsgruppe – auch bei Akkordlohn – überschreitet kein Mitglied einen bestimmten Leistungswert, auch wenn er in der Lage gewesen wäre, höhere Leistungen zu erbringen. Die Gruppenmitglieder, die zu höheren Leistungen tendieren, werden von den anderen daran gehindert. Man bedenkt, dass hohe Leistungen nicht selten der Anlass sind, die Akkordsätze oder die Vorgabezeiten zu modifizieren und Personaleinsparungen vorzunehmen. (Quelle: von Rosenstiel, L. Grundlagen der Organisationspsychologie, 4. Aufl., Schäffer Poeschel Verlag, Stuttgart, 2000, S. 261, 320 – 321) Ein weiteres Beispiel der Gruppenkonvergenz kommt aus dem politischen Bereich. Im Jahre 1963 besuchte der damalige Generalsekretär der KPdSU Nikita Chruschtschow die USA und gab im Washingtoner Press-Club eine Pressekonferenz. Die erste Frage, die aus dem Saal an ihn gerichtet wurde und die ein Dolmetscher übersetzte, lautete: „Sie haben heute über die Schreckenherrschaft Ihres Vorgängers Stalin gesprochen. Sie waren in dieser Zeit sein engster Helfer und Mitarbeiter. Was haben Sie die ganze Zeit über getan?“ Chruschtschows Gesicht lief rot an. „Wer hat das gefragt?“ brüllte er. Alle 500 Anwesenden senkten den Kopf. „Wer hat das gefragt?“ bohrte er weiter. Keine Reaktion. „Genau das habe ich auch getan“, sagte er. (Quelle: Wagner, K.; Rex, Bernd. Praktische Personalführung: eine moderne Einführung; mit Fallstudien. Wiesbaden: Gabler, 1998, S. 104)

ȱ

171ȱ

11.1

11

Gruppen und Gruppenprozesse

11.2

Arbeitsgruppen in Unternehmen

ArbeitsgruppenȱinȱUnternehmenȱsindȱformellȱundȱsekundärȱ(vgl.ȱKapitelȱ11.1.1)ȱundȱ habenȱ imȱ Vergleichȱ zuȱ anderenȱ Gruppenȱ einigeȱ Besonderheiten.ȱ BeiȱArbeitsgruppenȱ stehtȱnichtȱdieȱKommunikation,ȱsondernȱdieȱgemeinsameȱAufgabenerfüllungȱ(KoopeȬ ration)ȱ imȱ Vordergrund,ȱ dieȱ aufȱ Spezialisierungȱ undȱ Arbeitsteilungȱ basiertȱ undȱ daȬ durchȱ zuȱ größererȱ Effizienzȱ undȱ höhererȱ Qualitätȱ derȱArbeitȱ führt.ȱ Imȱ Gegensatzȱ zuȱ denȱprimärenȱinformellenȱGruppenȱsollenȱArbeitsgruppenȱerstȱzuȱeinerȱsozialenȱEinȬ heitȱentwickeltȱwerden.ȱȱ Alsȱ Grundlageȱ dafürȱ dientȱ dieȱ kollektiveȱ Wissensharmonisierungȱ innerhalbȱ derȱ Gruppe,ȱ wobeiȱ beschreibendes,ȱ prozessualesȱ undȱ emotionalesȱ Wissenȱ (s.ȱ Kapitelȱ 5.3)ȱ derȱ Gruppenmitgliederȱ abgestimmtȱ undȱ zumȱ teilȱ angepasstȱ wird.ȱ Dieseȱ WissensharȬ monisierungȱistȱfürȱeineȱerfolgreicheȱInteraktionȱunentbehrlichȱundȱbildetȱeineȱGrundȬ lageȱfürȱgemeinsame,ȱkomplementäreȱZiele,ȱkommunikativeȱVerständigungȱundȱVerȬ trauen.ȱ Dieȱ Harmonisierungȱ findetȱ rationalȱundȱ emotionalȱ sowieȱ bewusstȱ undȱ unbeȬ wusstȱstatt.ȱȱ EineȱGruppeȱeinigtȱsichȱ(rationalȱundȱemotional)ȱüberȱdieȱgemeinsamenȱZiele,ȱdieȱbeiȱ demȱ kollektivenȱ Handelnȱ imȱ Vordergrundȱ stehen.ȱ Esȱ istȱ wichtig,ȱ dassȱ jederȱ TeilnehȬ merȱ seineȱ eigenenȱ Zieleȱ inȱ denȱ gemeinsamenȱ wiederfindetȱ undȱ vonȱ derȱ Erreichungȱ derȱ übergeordnetenȱ Zieleȱ profitiertȱ (Komplementaritätȱ Ȭȱ vgl.ȱ Kapitelȱ 9.3).ȱ Darüberȱ hinausȱ werdenȱ inȱ derȱ Kommunikationȱ Begriffeȱ undȱ Zusammenhänge,ȱ allgemeinerȱ individuellerȱmentalerȱModelle,ȱabgeglichenȱundȱkollektiveȱmentaleȱModelleȱgebildetȱ (kognitiveȱ Harmonisierungȱ desȱ beschreibendenȱ Wissens).ȱ Auchȱ dieȱ Handlungenȱ inȱ derȱGruppeȱwerdenȱaufeinanderȱabgestimmtȱ(prozessualeȱWissensharmonisierung).ȱ ȱGleichzeitigȱ findetȱ eineȱ emotionaleȱ Harmonisierungȱ stattȱ (Abgleichȱ desȱ emotionalenȱ Wissens):ȱMitgliederȱeinerȱInteraktionsgruppeȱstimmenȱsichȱverbalȱ(bewussteȱemotioȬ naleȱEbene)ȱundȱnonverbalȱ(unbewussteȱemotionaleȱEbene)ȱaufeinanderȱein,ȱindemȱsieȱ Worte,ȱGesten,ȱMimik,ȱTonfall,ȱStimmlageȱusw.ȱandererȱPersonenȱkopieren.ȱInȱdiesemȱ Prozessȱ spielenȱ unsereȱ Spiegelneuronenȱ eineȱ wichtigeȱ Rolle.ȱ Weiterhinȱ werdenȱ dieȱ WerteȱundȱNormenȱdesȱVerhaltensȱabgestimmt,ȱwobeiȱdieȱvonȱG.ȱHofstedeȱalsȱ„kollekȬ tiveȱProgrammierungȱdesȱGeistes“194ȱȱbezeichneteȱKulturȱeineȱbedeutendeȱRolleȱspielt.ȱȱ Dieȱ fürȱ jedeȱ Interaktionsgruppeȱ notwendigeȱ gegenseitigeȱ Akzeptanzȱ undȱ Vertrauenȱ könnenȱ nurȱzuȱeinemȱsehrȱgeringenȱTeilȱaufȱderȱrationalenȱEbeneȱ(z.B.ȱdurchȱdieȱbeȬ wusstȱ wahrnehmbareȱ Kompetenzȱ desȱ Partners)ȱ entstehenȱ undȱ resultierenȱ überwieȬ gendȱ ausȱ einerȱ positivenȱ emotionalenȱ Wahrnehmungȱ desȱ Gegenübers,ȱ dieȱ aufȱ seinerȱ Authentizität,ȱKonsistenz,ȱOffenheitȱundȱLoyalitätȱberuhtȱ(vgl.ȱKapitelȱ9.4).ȱȱȱ Dieseȱ Harmonisierungsprozesseȱ verlaufenȱ unterschiedlichȱ jeȱ nachȱ Größe,ȱ Zielenȱ undȱ DynamikȱderȱArbeitsgruppe,ȱsindȱfürȱdieȱLeistungȱderȱGruppeȱausschlaggebendȱundȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 194ȱ Vgl.ȱG.ȱHofstede,ȱLokalesȱDenken,ȱglobalesȱHandeln,ȱS.ȱ4.ȱ

172ȱ

Arbeitsgruppen in Unternehmen

könnenȱ mehrȱ oderȱ wenigerȱ gesteuertȱ werden.ȱ Jeȱ nachȱ Zusammensetzungȱ undȱ GrupȬ pendynamikȱunterscheidetȱmanȱfolgendeȱArbeitsgruppentypenȱinȱUnternehmen195:ȱ

„ dauerhafteȱ Aufgabengruppenȱ mitȱ meistȱ einheitlicherȱ Leitungȱ (Arbeitsgruppen,ȱ AbteilungenȱkleinererȱUnternehmenȱetc.),ȱ

„ ProjektgruppenȱmitȱzeitlicherȱBegrenzungȱbisȱzumȱProjektende,ȱȱ „ sichȱ regelmäßigȱ treffendeȱ Gruppenȱ wieȱAbstimmungsȬȱ oderȱ Gesprächskreiseȱ undȱ Communitiesȱsowieȱ

„ Entscheidungsgruppen,ȱ dieȱ fürȱ dieȱ Vorbereitungȱ undȱ dasȱ Treffenȱ einerȱ EntscheiȬ dungȱeinberufenȱwerden.ȱ DauerhafteȱAufgabengruppenȱundȱProjektgruppenȱbestehenȱ(relativ)ȱdauerhaft,ȱhabenȱ ausgeprägteȱgemeinsameȱZieleȱundȱsindȱdurchȱunmittelbareȱInteraktionȱgekennzeichȬ net,ȱ folglichȱ etablierenȱ sichȱ langfristigeȱ sozialeȱ Prozesseȱ undȱ Beziehungen.ȱ Dieȱ zweiȱ weiterenȱArbeitsgruppentypenȱ habenȱ einenȱ anderenȱ Charakter:ȱ sieȱ treffenȱ sichȱ (auchȱ wennȱ regelmäßig)ȱ nurȱ fürȱ eineȱ begrenzteȱ Zeit,ȱ anstelleȱ gemeinsamerȱ Zieleȱ könnenȱ verschiedene,ȱsogarȱwidersprüchlicheȱZieleȱbestehen,ȱweilȱdieȱMitgliederȱinȱderȱRundeȱ ihreȱEinzelgruppenȱvertreten,ȱpersönlicheȱBeziehungenȱsindȱwenigerȱtiefȱundȱbedeutȬ sam.ȱFolglichȱsindȱGruppennormenȱundȱȬidentitätȱinȱsolchenȱArbeitsgruppenȱwenigerȱ ausgeprägt.ȱȱ Gemeinsamesȱ Erfüllenȱ vonȱ Aufgabenȱ inȱ unmittelbarerȱ Interaktionȱ führtȱ dazu,ȱ dassȱ MitgliederȱeinerȱGruppeȱbestimmteȱUmgangsformen,ȱDenkschemataȱundȱVorgehensȬ weisenȱentwickeln,ȱdieȱinȱgeschriebenenȱundȱungeschriebenenȱRegelnȱverankertȱwerȬ den.ȱ Diesȱ führtȱ zurȱ Herausbildungȱ vonȱ Gruppennormenȱ undȱ einerȱ Gruppenkultur.ȱ Dieȱ Einhaltungȱ dieserȱ gemeinsamenȱ Verhaltensregelnȱ wirdȱ vonȱ jedemȱ GruppenmitȬ gliedȱ erwartet,ȱ beiȱAbweichungȱ wirdȱ dasȱ Mitgliedȱ –ȱ imȱ Extremfallȱ mitȱAusgrenzungȱ oderȱ Ausschließungȱ –ȱ bestraft.ȱ Dieseȱ gemeinsamenȱ Gruppennormenȱ gebenȱ jedemȱ Mitgliedȱ eineȱ gewisseȱ Sicherheitȱ undȱ Unterstützung,ȱ könnenȱ sichȱ aberȱ auchȱ negativȱ auswirken,ȱwennȱdieȱMeinungȱderȱMehrheitȱfalschȱoderȱkonservativȱist.ȱ Alsȱ Folgeȱ dieserȱ Entwicklungȱ entstehtȱ eineȱ soȱ genannteȱ Gruppenkohäsionȱ –ȱ dieȱ subȬ jektivȱempfundeneȱAttraktivitätȱderȱGruppeȱfürȱihreȱMitglieder,ȱdieȱsieȱzusammenhält.ȱ DieseȱAttraktivitätȱhängtȱvonȱmehrerenȱFaktorenȱab:ȱ

„ vonȱdenȱVorteilen,ȱdieȱderȱEinzelneȱimȱHinblickȱaufȱdieȱErreichungȱseinerȱpersönliȬ chenȱZieleȱerwartet,ȱȱ

„ vonȱderȱArt,ȱwieȱerȱinȱderȱGruppeȱangenommenȱwird,ȱ „ vonȱderȱArtȱderȱsozialenȱInteraktionȱsowieȱ „ vonȱdemȱPrestigeȱderȱGruppenzugehörigkeit.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 195ȱ InȱAnlehnungȱanȱBirker,ȱK.ȱBetrieblicheȱKommunikation,ȱS.ȱ15.ȱ

173ȱ

11.2

11

Gruppen und Gruppenprozesse

Jeȱ höherȱ dieȱ Gruppenkohäsion,ȱ destoȱ stärkerȱ istȱ dasȱ Zusammengehörigkeitsgefühlȱ ausgeprägt,ȱjedesȱMitgliedȱsetztȱsichȱfürȱdieȱgemeinsamenȱZieleȱeinȱundȱbeachtetȱdieȱ Gruppennormen.ȱZusammenhaltȱundȱLeistungȱeinerȱGruppeȱstehenȱinȱeinerȱWechselȬ beziehungȱzueinander,ȱwieȱesȱdieȱweiterȱfolgendeȱAbbildungȱzeigt.ȱ Abb.ȱ44:ȱ

BeziehungȱzwischenȱGruppenzusammenhaltȱundȱGruppenleistung196ȱ

Ist Bedin gung für

Gruppenzusammenhalt

Gruppenleistung aber keine Garantie

Erlebnis der Gruppenleistung = Verstärkung

ȱ

Einȱ guterȱ Gruppenzusammenhaltȱ führtȱ zuȱ mehrȱ Zufriedenheitȱ beiȱ GruppenmitglieȬ dernȱundȱistȱeineȱwichtigeȱBedingung,ȱjedochȱkeineȱGarantieȱfürȱdieȱGruppenleistung.ȱ Überȱ dasȱ Erlebnisȱ derȱ Gruppenleistungȱ (Rückkopplung)ȱ kannȱ derȱ GruppenzusamȬ menhaltȱgestärktȱwerden.ȱȱ Gleichzeitigȱ mitȱ Gruppennormenȱ undȱ Ȭkohäsionȱ entwickeltȱ sichȱ einȱ spezifischesȱ Gruppenklimaȱ Ȭȱ eineȱ Gesamtbefindlichkeitȱ oderȱAtmosphäreȱ inȱ derȱ Gruppe,ȱ dieȱ sichȱ mitȱ Wortenȱ wieȱ „freundlich“,ȱ „loyal“,ȱ „harmonisch“ȱ oderȱ auchȱ „feindselig“,ȱ „geȬ spannt“,ȱ„unangenehm“ȱetc.ȱbeschreibenȱlässt.ȱManȱkannȱauchȱvonȱGruppenidentitätȱ–ȱ einerȱArtȱ „WirȬBewusstsein“ȱderȱ Gruppeȱ sprechen.ȱ Sieȱ istȱsowohlȱ imȱ Innenverhältnisȱ undȱsomitȱfürȱdasȱGruppenklimaȱalsȱauchȱfürȱdasȱAuftretenȱnachȱaußenȱwichtig.ȱZuȬ sammenfassendȱ kannȱ manȱ dieȱ Begriffeȱ Gruppennormen,ȱ Gruppenklimaȱ undȱ GrupȬ penidentitätȱ alsȱ Teilbereicheȱ einerȱ Gruppenkulturȱ verstehen197.ȱ Dieȱ Gruppenkulturȱ bestehtȱ ausȱ einemȱ gemeinsamenȱ WerteȬȱ undȱ Normensystemȱ inȱ derȱ Gruppe,ȱ dasȱ vonȱ allenȱ Mitgliedernȱ akzeptiertȱ undȱ gelebtȱ wird.ȱ Jedeȱ Gruppeȱ hatȱ ihreȱ einmaligeȱ GrupȬ penkultur,ȱ dieȱ aufȱ Traditionen,ȱ Erfahrungenȱ undȱ gemeinsamenȱ Erlebnissenȱ basiertȱ undȱ sichȱ aufȱ dasȱ Verhaltenȱ derȱ Mitgliederȱ auswirkt.ȱ Dieseȱ Kulturȱ kannȱ positiv,ȱ förȬ derndȱ seinȱ –ȱ dannȱ empfindenȱ dieȱ Teilnehmerȱ ihrȱ Zusammenseinȱ alsȱ wohltuendȱ undȱ angenehm,ȱ ihreȱ Leistungȱ wirdȱ dadurchȱ erhöht.ȱ Oderȱ umgekehrt:ȱ Gruppenmitgliederȱ sindȱ mitȱ derȱ bestehendenȱ Kulturȱ unzufrieden,ȱ dasȱ Miteinanderȱ wirktȱ sichȱ aufȱ dieȱ Leistungȱnegativȱaus.ȱEsȱgibtȱMöglichkeiten,ȱeineȱGruppenkulturȱgezieltȱzuȱverändern,ȱ diesȱ istȱ jedochȱ mitȱ langwierigerȱ gemeinsamerȱ Arbeitȱ undȱ derȱ Vorbildfunktionȱ vonȱ Managernȱ verbunden.ȱ Dieseȱ Möglichkeitenȱ werdenȱ imȱ Kapitelȱ 12.7ȱ „Gestaltungȱ derȱ Unternehmenskultur“ȱdiskutiert.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 196ȱ Comelli,ȱG.;ȱvonȱRosenstiel,ȱL.ȱFührungȱdurchȱMotivation,ȱS.ȱ177.ȱ 197ȱ NäheresȱzumȱThemaȱKulturȱundȱUnternehmenskulturȱs.ȱKapitelȱ12.ȱ

174ȱ

Team als eine besondere Arbeitsgruppe

Eineȱ Arbeitsgruppe,ȱ dieȱ sichȱ zuȱ einerȱ sozialenȱ Einheitȱ entwickeltȱ hat,ȱ demonstriertȱ Zusammenhaltȱ undȱ istȱ leistungsfähig.ȱ Gleichzeitigȱ resultierenȱ ausȱ denȱ beschriebenenȱ Prozessenȱ negativeȱ Auswirkungenȱ aufȱ dasȱ Mitarbeiterverhalten.ȱ VorȬȱ undȱ Nachteileȱ derȱGruppenarbeitȱgegenüberȱEinzelnarbeitȱkannȱmanȱwieȱfolgtȱzusammenfassen.ȱ

Tabelleȱ32:ȱ VorȬȱundȱNachteileȱderȱGruppenarbeitȱ Vorteile der Gruppenarbeit

Nachteile der Gruppenarbeit

Steigerung der Qualität und Effizienz sowie Verkürzung des Zeitaufwands durch Spezialisierung und Arbeitsteilung;

Gruppenuniformität und Gruppendenken infolge der Deindividuation;

Steigerung individueller Leistung dank sozialer Anregung.

erhöhter Zeitaufwand für die Vorbereitung und Koordination; Neigung zu risikoreichen Entscheidungen; soziales Faulenzen.

ȱ DieseȱVorȬȱundȱNachteileȱderȱGruppenarbeitȱkommenȱnichtȱunbedingtȱinȱjederȱGruppeȱ vor,ȱsieȱexistierenȱnurȱalsȱTendenzen.ȱEineȱgeschickteȱGruppenführungȱkannȱdieȱVorȬ teileȱderȱGruppeȱhervorhebenȱundȱdieȱNachteileȱreduzieren.ȱ UnterȱbestimmtenȱBedingungenȱkannȱsichȱeineȱArbeitsgruppeȱzuȱeinemȱTeamȱentwiȬ ckeln,ȱ wobeiȱ Synergieeffekteȱ undȱ Zusammengehörigkeitsgefühlȱ dieȱ entscheidendeȱ RolleȱspielenȱundȱzuȱeinerȱqualitativȱhöherenȱLeistungȱführen.ȱDasȱTeamȱalsȱeineȱspeȬ zielleȱFormȱvonȱArbeitsgruppenȱwirdȱimȱfolgendenȱKapitelȱausführlichȱbetrachtet.ȱ

11.3

Team als eine besondere Arbeitsgruppe

DasȱThemaȱ„TeamȱundȱTeamarbeit“ȱsorgtȱständigȱfürȱkontroverseȱMeinungenȱundȱhatȱ sowohlȱseineȱAnhängerȱalsȱauchȱscharfeȱKritiker.ȱAlsȱModeerscheinungȱderȱ1980Ȭ90erȱ JahreȱhatȱTeamarbeitȱfürȱvieleȱPublikationenȱgesorgt.ȱDasȱTeamȱwurdeȱalsȱWundermitȬ telȱfürȱdieȱLösungȱverschiedenerȱProblemeȱgepriesen:ȱdieȱZusammenarbeitȱvonȱMitarȬ beiternȱ mitȱ unterschiedlichenȱ Kompetenzenȱ ermöglichtȱ kreativeȱ Lösungenȱ undȱ PerȬ spektivenvielfalt,ȱ dieȱ Kontaktdichteȱ erleichtertȱ MeinungsȬȱ undȱ Wissensaustauschȱ etc.ȱ ForderungenȱvonȱTeamfähigkeitȱfehlenȱinȱkeinerȱStellenanzeige.ȱGleichzeitigȱunterstelȬ lenȱAutorenȱwieȱR.ȱSprengerȱoderȱJ.ȱStauteȱdenȱTeamapologetenȱeineȱ„Teamlüge“ȱundȱ behaupten,ȱdassȱdieȱErfindungenȱundȱProblemlösungenȱimmerȱvonȱEinzelnenȱ–ȱnichtȱ imȱTeamȱ–ȱgemachtȱundȱgefundenȱwerdenȱundȱdassȱvieleȱUnternehmenȱdieseȱTeamleȬ gendeȱnurȱinȱeigenemȱInteresseȱ(z.B.ȱRationalisierungȱundȱPersonalabbau)ȱbenutzen.198ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 198ȱ Vgl.ȱStaute,ȱJ.ȱDasȱEndeȱderȱUnternehmenskultur,ȱS.ȱ166ȱ–ȱ173.ȱ

175ȱ

11.3

11

Gruppen und Gruppenprozesse

Auchȱ dieȱ berühmteȱ ironischeȱ Erläuterungȱ desȱ Wortesȱ TEAMȱ alsȱ „Toll,ȱ einȱ andererȱ macht´s“ȱ sprichtȱ fürȱ sich:ȱ TeamȬȱ undȱ Gruppenarbeitȱ kannȱ vonȱ einigenȱ dafürȱ missȬ brauchtȱwerden,ȱsichȱhinterȱdemȱRückenȱvonȱFleißigenȱzuȱverstecken.ȱAllerdingsȱsindȱ nichtȱ Begriffeȱ undȱ Theorienȱ gutȱ oderȱ schlecht,ȱ sondernȱ das,ȱ wasȱ manȱ darausȱ macht.ȱ DieȱAuswirkungenȱ vonȱ TeamȬȱ bzw.ȱ Gruppenarbeitȱ hängenȱ vonȱ derȱ praktischenȱ UmȬ setzungȱunterȱkonkretenȱBedingungenȱundȱvonȱbeteiligtenȱPersonenȱab.ȱȱ EinigeȱAutorenȱ setzenȱ dieȱ BegriffeȱArbeitsgruppeȱ undȱ Teamȱ gleich199.ȱAndereȱAnsätȬ zenȱ betrachtenȱ einȱ Teamȱ alsȱ eineȱ besondereȱArtȱ vonȱ Gruppen,ȱ wieȱ zumȱ Beispiel,ȱ OlȬ fert/SteinbuchȱundȱSchulzȱvonȱThun.ȱNachȱOlfert/Steinbuch200ȱkannȱGruppeȱalsȱOberȬ begriffȱ undȱ Teamȱ alsȱ eineȱ besondereȱ Gruppeȱ verstandenȱ werden.ȱ Dieȱ UnterscheiȬ dungsmerkmaleȱ betreffenȱ Wettbewerb,ȱ Innovation,ȱ Entscheidungen,ȱ Erfolgȱ undȱ Abhängigkeit.ȱȱ

Tabelleȱ33:ȱ GruppeȱundȱTeamȱimȱVergleich201ȱȱ Merkmale

Gruppe

Team

Wettbewerb

Gegner auch innerhalb

Gegner meist außerhalb

Innovation

Wenig Wunsch nach Veränderung

Innovation wird gesucht

Entscheidungen

Durch den Leiter von außen

Intern durch Konsens

Erfolg

Persönliche Erfolge haben Stellenwert

Erfolg des Teams steht im Vordergrund

Abhängigkeit

Mitglieder relativ unabhängig

Mitglieder voneinander abhängig

ȱ Demnachȱ istȱ jedesȱ Teamȱ eineȱ Gruppe,ȱ aberȱ nichtȱ jedeȱArbeitsgruppeȱ istȱ zugleichȱ einȱ Team.ȱAusȱ demȱ Vergleichȱ istȱ offensichtlich,ȱ dassȱ Teamsȱ durchȱ eineȱ größereȱ Bindungȱ derȱ Mitgliederȱ gekennzeichnetȱ sind,ȱ wasȱ sichȱ inȱ einemȱ starkenȱ ZusammengehörigȬ keitsgefühlȱ undȱ derȱ Ausrichtungȱ aufȱ dasȱ Gesamtinteresseȱ widerspiegelt.ȱ Allerdingsȱ habenȱTeamsȱinȱdiesemȱAnsatzȱgegenüberȱeinerȱArbeitsgruppeȱkeineȱqualitativȱneuenȱ Merkmale.ȱȱ Schulzȱ vonȱ Thunȱ stelltȱ inȱ denȱ Mittelpunktȱ derȱ Teamdefinitionȱ Synergieeffekteȱ undȱ Zusammengehörigkeitsgefühl:202ȱ Eineȱ (nachȱ denȱ Regelnȱ derȱ Kunstȱ geleitete)ȱ Gruppeȱ mitȱgemeinsamerȱAufgabe,ȱbeiȱderȱdieȱLeistungȱvonȱhöhererȱQualitätȱistȱalsȱdiesȱdurchȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 199ȱ Vgl.ȱGablerȱWirtschaftslexikon,ȱ14.ȱAufl.,ȱS.ȱ3719ȱoderȱRahn,ȱH.ȬJ.ȱ Unternehmensführung,ȱS.ȱ

377.ȱ 200ȱ Olfert,ȱK.;ȱSteinbuch,ȱP.ȱOrganisation,ȱS.ȱ463Ȭ464.ȱ 201ȱ Ebd.,ȱS.ȱ464.ȱ 202ȱ SchulzȱvonȱThun,ȱF.ȱZitiertȱnachȱBrommer,ȱU.ȱKonfliktmanagementȱstattȱUnternehmenskrise,ȱ

S.ȱ127.ȱ

176ȱ

Team als eine besondere Arbeitsgruppe

Additionȱ derȱ Einzelbeiträgeȱ möglichȱ wäreȱ Ȭȱ undȱ beiȱ derȱ dieȱ Mitgliederȱ infolgeȱ einesȱ nachȱundȱnachȱentwickeltenȱZusammengehörigkeitsgefühlȱdasȱGesamtinteresseȱhöherȱ gewichtenȱalsȱihreȱjeweiligenȱEinzelinteressen,ȱbezeichnetȱmanȱalsȱTeam.ȱ DemnachȱistȱeinȱTeamȱeineȱArbeitsgruppeȱmitȱSynergieeffektȱundȱZusammengehöȬ rigkeit.ȱFolglichȱkannȱmanȱeinȱTeamȱalsȱeineȱidealtypischeȱArbeitsgruppeȱbezeichnen.ȱ DasȱZusammengehörigkeitsgefühlȱbildetȱsichȱinȱderȱGruppeȱimȱLaufeȱderȱZeitȱheraus.ȱ Gemeinsameȱ Erfolgserlebnisseȱ genausoȱ wieȱ gemeinsameȱ Schwierigkeitenȱ undȱ derenȱ Überwindungȱ schweißenȱ Teammitgliederȱ zusammen.ȱ Dieȱ Attraktivitätȱ derȱ GemeinȬ schaftȱ fürȱ jedenȱ Einzelnenȱ steigt,ȱ dieȱ Teaminteressenȱ gewinnenȱ anȱ Bedeutungȱ undȱ könnenȱinȱgewissenȱSituationenȱhöherȱbewertetȱwerden,ȱalsȱdieȱEinzelinteressen.ȱDerȱ SynergieeffektȱistȱdasȱwichtigsteȱMerkmalȱeinesȱTeams.ȱEineȱstarkeȱBindungȱderȱMitȬ glieder,ȱdieȱinȱdemȱAnsatzȱvonȱOlfert/SteinbuchȱzuȱqualitativenȱVorteilenȱführt,ȱverurȬ sachtȱeineȱüberdurchschnittlicheȱLeistung.ȱNachȱAnsoffȱ(1965)ȱbedeutetȱSynergie,ȱdassȱ dieȱGesamtleistungȱgrößerȱistȱalsȱdieȱSummeȱihrerȱTeile.ȱDieȱ„mathematische“ȱFormelȱ fürȱSynergieȱistȱ2+2=5.ȱAlsȱQuelleȱeinerȱsynergetischenȱLösungȱwirdȱdieȱHeterogenitätȱ derȱGruppenmitgliederȱangesehen.203ȱJederȱistȱ–ȱwieȱTeileȱeinesȱPuzzlesȱ–ȱeinzigartigȱ undȱ fürȱ dieȱ Gesamtlösungȱ einerȱAufgabeȱ unentbehrlich.ȱ Dieȱ Mitgliederȱ einesȱ Teamsȱ tauschenȱsichȱgegenseitigȱaus,ȱergänzenȱeinanderȱundȱlernenȱvoneinander.ȱȱ Dieseȱ charakteristischenȱ Merkmaleȱ lassenȱ sichȱ beiȱ Teamsȱ imȱ Sportbereichȱ erkennen.ȱ EinȱklassischesȱBeispielȱwäreȱeineȱFußballmannschaft:ȱnurȱalleȱelfȱzusammenȱkönnenȱ gewinnen,ȱwobeiȱdieȱausgezeichneteȱQualifikationȱjedesȱeinzelnenȱSpielersȱgefragtȱist.ȱ Auchȱ einȱ Orchesterȱ oderȱ Ensembleȱ kannȱ alsȱ Teamȱ betrachtetȱ werden:ȱ jederȱ Musikerȱ hatȱeineȱandereȱKompetenz,ȱaberȱnurȱalleȱzusammenȱkönnenȱaufeinanderȱabgestimmtȱ einȱMusikwerkȱinterpretieren.ȱInȱbeidenȱFällenȱgehtȱesȱdenȱTeilnehmernȱnichtȱdarum,ȱ alleinȱ erfolgreichȱ zuȱ seinȱ undȱ persönlicheȱ Stärkenȱ zuȱ präsentieren,ȱ sondernȱ inȱ derȱ Mannschaftȱ gemeinsamȱ zumȱ Erfolgȱ zuȱ gelangen.ȱ Gleicheȱ Prinzipienȱ geltenȱ fürȱ einȱ gutesȱTeamȱimȱUnternehmen.ȱ DieȱVorȬȱundȱNachteileȱderȱTeamarbeitȱhabenȱeinigeȱÜberschneidungenȱmitȱdenenȱvonȱ Gruppen,ȱ daȱ sieȱ aufȱ denȱ gleichenȱ Ursachenȱ (Vorteile:ȱ Spezialisierungȱ undȱArbeitsteiȬ lung,ȱsozialerȱAnregungȱundȱGruppenkohäsion,ȱNachteile:ȱGruppendenken,ȱNotwenȬ digkeitȱ vonȱ Abstimmungȱ undȱ Verteilungȱ derȱ Verantwortung)ȱ basieren,ȱ sindȱ aberȱ durchȱdieȱEffekteȱderȱSynergieȱundȱdesȱZusammengehörigkeitsgefühlsȱspezifischer.ȱȱ VorteileȱderȱTeamarbeit:ȱ

„ Unterschiedlicheȱ fachlicheȱ Qualifikationenȱ werdenȱ eingebracht,ȱ dadurchȱ sindȱ kreativeȱLösungen,ȱhöhereȱQualitätȱderȱLösungȱundȱSynergieeffekteȱmöglich.ȱ

„ Esȱ findetȱ Wissensaustauschȱ undȱ Ȭerweiterungȱ statt,ȱ derȱ Wissensstandȱ allerȱ TeamȬ mitgliederȱwirdȱinȱeinemȱgemeinsamenȱLernprozessȱerhöht.204ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 203ȱ AufȱdiesemȱPrinzipȱbasiertȱauchȱdasȱKonzeptȱdesȱDiversityȱManagements.ȱ 204ȱ ÜberȱdasȱLernenȱinȱGruppenȱ(Teams)ȱs.ȱKapitelȱ11.7.ȱ

177ȱ

11.3

11

Gruppen und Gruppenprozesse

„ GegenseitigeȱMotivationȱundȱUnterstützungȱdurchȱZusammengehörigkeit.ȱ „ Alleȱsehenȱmehrȱalsȱeinȱeinzelner,ȱbeiȱdenȱLösungenȱwerdenȱverschiedeneȱPerspekȬ tivenȱbenutzt,ȱdurchȱvielfältigeȱAnregungenȱgibtȱesȱmehrȱKreativität.ȱ

„ Dasȱ Risikoȱ vonȱ Fehlentscheidungenȱ wirdȱ vermindertȱ –ȱ dieȱ Fehlerȱ vonȱ Einzelnenȱ könnenȱvonȱAnderenȱbemerktȱundȱkorrigiertȱwerden.ȱ

„ EsȱfindetȱeineȱstarkeȱIdentifikationȱmitȱdenȱErgebnissenȱstatt,ȱmanȱlöstȱeineȱAufgaȬ beȱzusammenȱundȱverliertȱdabeiȱdenȱeigenenȱBeitragȱnichtȱausȱdenȱAugen.ȱ

„ Toleranz,ȱFairnessȱundȱsozialesȱVerhaltenȱwirdȱgefördert,ȱdieȱsozialenȱKompetenȬ zenȱderȱTeammitgliederȱwerdenȱentwickelt.ȱ NachteileȱderȱTeamarbeit:ȱ

„ NochȱstärkerȱalsȱinȱGruppenȱkönnenȱsichȱinȱeinemȱTeamȱGruppenkonformitätȱundȱ Gruppendenkenȱentwickeln,ȱbeiȱdenenȱdasȱAufrechterhaltenȱderȱKohäsionȱundȱderȱ Solidaritätȱ wichtigerȱ ist,ȱ alsȱ dieȱ Faktenȱ realistischȱ zuȱ betrachten.ȱ Unvollständigerȱ ÜberblickȱüberȱmöglicheȱAlternativenȱundȱunzureichendeȱSucheȱnachȱInformatioȬ nenȱsindȱdieȱFolgen.ȱ

„ TendenzȱzuȱeinemȱhohenȱZeitaufwandȱwegenȱderȱNotwendigkeitȱderȱAbstimmungȱ beiȱderȱZusammenarbeit.ȱȱ

„ TendenzȱzuȱrisikoreichenȱEntscheidungenȱwegenȱderȱgeteiltenȱVerantwortung.ȱ „ Einȱ spezifischesȱ Teamproblemȱ wirdȱ inȱ derȱ Formelȱ „Tollȱ –ȱ einȱ Andererȱ macht`s“ȱ ausgedrückt.ȱ Dieserȱ Nachteilȱ derȱ Teamarbeitȱ hängtȱ mitȱ derȱ bekanntenȱ Tendenzȱ zumȱ sozialenȱ Faulenzenȱ zusammen.ȱ Dort,ȱ woȱ dieȱ Leistungȱ jedesȱ Einzelnenȱ nichtȱ explizitȱ gemessenȱ werdenȱ kann,ȱ gibtȱ esȱ immerȱ eineȱ Gefahr,ȱ dassȱ dieȱ Faulenȱ sichȱ aufȱ Kostenȱ derȱ Fleißigenȱ bedienen.ȱ Allerdingsȱ mussȱ esȱ inȱ einemȱ Teamȱ möglichȱ sein,ȱsolcheȱProblemeȱoffenȱzuȱdiskutierenȱundȱzuȱbeseitigen.ȱ Merkmaleȱ einesȱ erfolgreichenȱ Teamsȱ sind:ȱ Kooperationsfähigkeitȱ seinerȱ Mitglieder,ȱ Gemeinschaftsdenkenȱ undȱ gegenseitigeȱ Förderungȱ undȱ Unterstützung,ȱ gemeinsameȱ Zielvorstellungen,ȱ Austauschȱ allerȱ relevantenȱ Informationenȱ (keineȱ Geheimnisse,ȱ keineȱ Einstellung:ȱ „Wissenȱ istȱ Macht“),ȱ Freudeȱ anȱ derȱ Arbeit,ȱ Rücksichtnahmeȱ undȱ Hilfsbereitschaft,ȱ Verständnisbereitschaftȱ undȱ Vertrauen,ȱ offeneȱ undȱ ehrlicheȱ KomȬ munikation,ȱ konstruktiverȱ Umgangȱ mitȱ Konflikten,ȱ Minderheitenschutzȱ undȱ fairerȱ Wettbewerb.ȱ Dieseȱ Auflistung,ȱ dieȱ aufȱ Ergebnissenȱ vonȱ Befragungenȱ erfolgreicherȱ Teamsȱ basiert,ȱ zeigt,ȱ dassȱ vonȱ Teammitgliedernȱ verschiedeneȱ sozialeȱ Kompetenzenȱ erwartetȱwerden,ȱdieȱfürȱeinȱerfolgreichesȱMiteinanderȱunentbehrlichȱsind.ȱ Sozialpsychologenȱ nennenȱ folgendeȱ persönlicheȱ Eigenschaftenȱ alsȱ Voraussetzungȱ fürȱ dieȱ Teamfähigkeit205:ȱ Fähigkeitȱ zurȱ Selbstreflexion,ȱ Verständnisbereitschaftȱ undȱ EinȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 205ȱ Vgl.ȱBrommer,ȱU.ȱKonfliktmanagementȱstattȱUnternehmenskrise,ȱS.ȱ119.ȱ

178ȱ

Gruppenentwicklung und Gruppenleistung

fühlungsvermögen,ȱ Kooperationsbereitschaft,ȱ Kommunikationsfähigkeit,ȱ KonfliktlöȬ sungsbereitschaftȱundȱKritikfähigkeit.ȱ AllerdingsȱbrauchtȱeinȱTeamȱkeineȱpflegeleichten,ȱeinanderȱähnlichenȱMitglieder:ȱnurȱ imȱFalleȱderȱHeterogenitätȱvonȱQualifikationenȱundȱEigenschaftenȱkommenȱSynergieȬ effekteȱ zustande.ȱ Konstruktivesȱ Denken,ȱ Fühlenȱ undȱ Handelnȱ vonȱ jedemȱ Mitglied,ȱ ausgerichtetȱaufȱgemeinsameȱZiele,ȱistȱdieȱErfolgsformelȱfürȱTeamarbeit.ȱDieȱMitglieȬ derȱ solltenȱ unterschiedlicheȱ Fähigkeitenȱ undȱ Fertigkeitenȱ sowieȱ verschiedeneȱ SichtȬ weisenȱhaben.ȱSystematischeȱundȱanalytischeȱPersönlichkeiten,ȱdieȱgleichzeitigȱKreatiȬ vitätȱundȱIntuitionȱanȱdenȱTagȱlegen,ȱsindȱbesondersȱgefragt.ȱȱ Betrachtetȱ manȱ einȱ Teamȱ alsȱ erstrebenswertesȱ Idealȱ einerȱArbeitsgruppe,ȱ dannȱ sollteȱ manȱdieȱEntwicklungȱvonȱGruppenȱnutzen,ȱumȱzurȱEntfaltungȱdesȱGruppenpotenzialsȱ undȱ vonȱ Teammerkmalenȱ beizutragen.ȱ Gruppenȱ erlebenȱ inȱ ihrerȱ Entwicklungȱ beȬ stimmteȱ Phasen,ȱ derenȱ erfolgreicherȱAblaufȱ fürȱ dieȱ Funktionsfähigkeitȱ undȱ Leistungȱ vonȱGruppenȱ(Teams)206ȱvonȱentscheidenderȱBedeutungȱist.ȱ PraxiserfahrungenȱmitȱteilautonomenȱTeamsȱ(z.B.ȱbeiȱAudiȱoderȱOpel)ȱbeweisenȱspeziȬ fischeȱ Vorteileȱ dieserȱ Organisationsform:ȱ gegenseitigeȱ Unterstützung,ȱ gemeinsameȱ Verantwortung,ȱ interneȱ Lernprozesse,ȱ Qualitätsbewusstseinȱ undȱ InnovationsbereitȬ schaft.ȱ Nebenȱ unmittelbarenȱ Produktionsaufgabenȱ sindȱ autonomeȱ Teamsȱ fürȱ dieȱArȬ beitssicherheit,ȱ Qualitätskontrolleȱ undȱ kontinuierlicheȱ Verbesserungsprozesseȱ (KVB)ȱ zuständig.ȱ Wesentlicheȱ Merkmaleȱ teilautonomerȱ Arbeitsgruppenȱ sindȱ dieȱ selbststänȬ digeȱ Planung,ȱ Steuerungȱ undȱ Kontrolleȱ derȱ übertragenenȱAufgaben.ȱ Entscheidungenȱ zurȱ Selbstregulation,ȱ Ȭorganisationȱ undȱ Ȭverwaltungȱ setzenȱ Freiheitsgradeȱ beiȱ derȱ Arbeitsausführungȱvoraus.207ȱȱ

11.4

Gruppenentwicklung und Gruppenleistung

Gruppenȱ undȱ Teamsȱ sindȱ dynamischeȱ Handlungseinheiten,ȱ dieȱ ausȱ verschiedenenȱ Gründenȱ undȱ fürȱ verschiedeneȱ Zweckeȱ entstehenȱ undȱ sichȱ immerȱ weiterȱ entwickelnȱ undȱverändern.ȱJedeȱGruppeȱistȱinȱihrerȱDynamikȱeinmalig,ȱundȱtrotzdemȱgibtȱesȱbeȬ stimmteȱallgemeingültigeȱGruppenentwicklungsphasen:208ȱ 1. Formierungȱ (Forming)ȱ –ȱ Individuenȱ beginnenȱ sichȱ alsȱ Gruppenmitgliederȱ wahrȬ zunehmen.ȱ Mitarbeiterȱ kommenȱ zusammen,ȱ lernenȱ sichȱ kennenȱ undȱ stellenȱ fest,ȱ dassȱsieȱzusammenȱgehörenȱundȱdemnächstȱzusammenȱarbeitenȱsollen.ȱDieseȱPhaȬ seȱbedeutetȱeinȱgegenseitigesȱ„Abtasten“ȱundȱOrientieren.ȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 206ȱ Imȱ Weiterenȱ werdenȱ fürȱ dieȱ Einfachheitȱ unterȱ Gruppenȱ sowohlȱ Arbeitsgruppenȱ alsȱ auchȱ

Teamsȱverstanden.ȱ 207ȱ Vgl.ȱWunderer,ȱR.ȱFührungȱundȱZusammenarbeit,ȱS.ȱ509.ȱȱ 208ȱ InȱAnlehnungȱanȱTuckman,ȱB.ȱW.ȱDevelopmentȱsequencesȱinȱsmallȱgroups.ȱ

179ȱ

11.4

11

Gruppen und Gruppenprozesse

2. Strukturbildungȱ (Storming,ȱ oderȱ Konfliktphase)ȱ –ȱ dieȱ Mitgliederȱ bestimmenȱ ihreȱ Rollenȱ undȱ ihrenȱ Statusȱ inȱ derȱ Gruppe.ȱ Jedesȱ Individuumȱ hatȱ eigeneȱ VerhaltensȬ muster,ȱdieȱsichȱimȱLaufeȱseinesȱLebensȱentwickeltȱhaben.ȱDieseȱVerhaltensmusterȱ beeinflussenȱ dieȱ Rollen,ȱ dieȱ dieȱ Mitgliederȱ innerhalbȱ derȱ Gruppeȱ freiwilligȱ überȬ nehmen.ȱJederȱmussȱsichȱzuerstȱmitȱseinerȱRolleȱdurchsetzen,ȱesȱkannȱzuȱKonflikȬ tenȱ kommen,ȱ wennȱ andereȱ Mitgliederȱ mitȱ derȱ Rollenverteilungȱ nichtȱ einverstanȬ denȱsind.ȱ 3. Normierungsphaseȱ(Norming)ȱ–ȱdieȱBeziehungenȱ habenȱsichȱetabliert,ȱdieȱRollenȱ sindȱ gegenseitigȱ akzeptiertȱ worden,ȱ eineȱ Gruppenidentitätȱ entsteht,ȱ dieȱ Gruppeȱ demonstriertȱZusammengehörigkeit.ȱ 4. Arbeitsphaseȱ(Performing)ȱ–ȱdieȱGruppeȱistȱvollȱfunktionsfähigȱundȱerbringtȱihreȱ Leistung.ȱDieseȱPhaseȱkannȱunterschiedlichȱlangȱdauern,ȱabhängigȱvonȱderȱAufgaȬ be.ȱEsȱentwickelnȱsichȱeffizienteȱVerfahren,ȱGruppennormenȱundȱȬkultur.ȱ 5. AuflösungȱoderȱReorganisation,ȱfallsȱdieȱAufgabeȱnichtȱmehrȱgefragtȱist.ȱ InȱdiesemȱEntwicklungsprozessȱstehtȱeinemȱGruppenleiterȱeineȱaktiveȱModerationsrolȬ leȱzu:ȱerȱsollȱInitiativeȱübernehmen,ȱdenȱGruppenmitgliedernȱZeitȱundȱRaumȱfürȱdasȱ DurchlaufenȱjederȱPhaseȱgeben,ȱsichȱvorsichtigȱinȱdieȱAbläufeȱeinmischen.ȱAllerdingsȱ istȱesȱwichtig,ȱdassȱderȱGruppenleiterȱeineȱBalanceȱfindetȱundȱnichtȱzuȱstarkȱdominiert.ȱ ErȱsollȱeinȱModeratorȱsein,ȱderȱeineȱDiskussionȱintensivȱwahrnimmt,ȱinȱeineȱbestimmteȱ Richtungȱsteuertȱundȱschnellȱreagiert.ȱ InȱderȱPhaseȱdesȱgegenseitigenȱKennenlernensȱistȱeineȱVorstellungsrundeȱangesagt,ȱdieȱ jedemȱMitgliedȱdieȱMöglichkeitȱgibtȱeinȱpaarȱWorteȱzurȱeigenenȱPersonȱzuȱsagen.ȱDerȱ GruppenleiterȱkannȱmitȱderȱVorstellungȱderȱeigenenȱPersonȱbeginnen,ȱumȱdenȱrichtiȬ genȱTonȱanzugeben.ȱDiesȱkannȱunterschiedlichȱpassieren.ȱSagtȱerȱüberȱsachlicheȱFaktenȱ hinausȱ etwasȱPrivatesȱ überȱ seineȱ eigeneȱ Familieȱ oderȱ Hobbys,ȱ soȱ legtȱ erȱ dadurchȱ dieȱ Weichenȱ fürȱ eineȱ informelleȱ ungezwungeneȱ Atmosphäre,ȱ dieȱ sichȱ unterȱ positivenȱ BedingungenȱzuȱeinerȱoffenenȱGruppenkulturȱentwickelnȱkann.ȱȱ InȱderȱKonfliktphaseȱkannȱderȱGruppenleiterȱbeiȱausgeprägtenȱAuseinandersetzungenȱ eingreifen,ȱ umȱ Konflikteȱ zuȱ entschärfen209ȱ undȱ eineȱ konstruktiveȱ Strukturbildungȱ zuȱ fördern.ȱ Vorȱ allemȱ kannȱ derȱ Gruppenleiterȱ zuȱ Offenheitȱ undȱ respektvollemȱ Umgangȱ miteinanderȱ anregen.ȱ Dieseȱ Phaseȱ istȱ besondersȱ schwierigȱ undȱ sollȱ bisȱ zurȱ NormieȬ rungsphaseȱvollständigȱabgelaufenȱsein,ȱsonstȱkönnenȱnichtȱgeklärteȱKonflikteȱspäterȱ auftauchen.ȱ Inȱ derȱ Normierungsphaseȱ kannȱ derȱ Gruppenleiterȱ dieȱ Ergebnisseȱ kurzȱ undȱdeutlichȱzusammenfassen,ȱumȱallenȱihreȱRollenȱundȱFunktionenȱnochmalsȱklarȱzuȱ machen.ȱ Könnenȱ sichȱ Gruppenmitgliederȱ mitȱ derȱ Gruppenstrukturȱ identifizieren,ȱ soȱ kannȱdieȱArbeitsphaseȱbeginnen.ȱȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 209ȱ DerȱUmgangȱmitȱKonfliktenȱinȱGruppenȱwirdȱimȱKapitelȱ11.6ȱausführlichȱdiskutiert.ȱ

180ȱ

Gruppenentwicklung und Gruppenleistung

InȱderȱArbeitsphaseȱsindȱdieȱZieleȱderȱGruppenarbeitȱeineȱhoheȱGruppenleistungȱundȱ Zufriedenheitȱ allerȱ Mitglieder.ȱ Einflussfaktorenȱ aufȱ dieȱ Gruppenleistungȱ undȱ Ȭzufriedenheitȱ könnenȱ inȱ einemȱ Lernprozessȱ mitȱ Rückkopplungȱ dargestelltȱ werden,ȱ derȱ ausȱ folgendenȱ Elementenȱ besteht:ȱ Aufgabeȱ derȱ Gruppe,ȱ Gruppenprozess,ȱ derȱ gestaltetȱwerdenȱsoll,ȱRessourcenȱderȱMitgliederȱundȱGruppenstruktur,ȱexterneȱBedinȬ gungenȱ undȱ kulturelleȱ Rahmenbedingungenȱ (Interaktion,ȱ Kommunikationsart,ȱ KonȬ fliktneigung,ȱLernfähigkeitȱetc.).ȱ DerȱProzessȱdesȱLeistungserbringensȱinȱeinerȱGruppeȱistȱnichtȱnurȱeinȱreinȱwirtschaftȬ licherȱ(LösungȱeinerȱgemeinsamenȱAufgabe),ȱsondernȱauchȱeinȱsozialerȱ–ȱeinȱmenschliȬ chesȱZusammensein.ȱErȱhatȱeinenȱkulturellenȱHintergrund,ȱderȱdasȱGeschehenȱinȱderȱ Arbeitsgruppeȱ undȱ seineȱ Elementeȱ beeinflusst.ȱ Dieȱ charakteristischenȱ Merkmaleȱ kulȬ turellerȱRahmenbedingungenȱkönnenȱdurchȱdieȱArtȱderȱKommunikation,ȱNeigungȱzuȱ Konfliktenȱ undȱ denȱ Umgangȱ mitȱ diesenȱ sowieȱ durchȱ dieȱ Lernprozesseȱ beschriebenȱ werden.ȱDieseȱFaktorenȱwerdenȱinȱweiterfolgendenȱKapitelnȱ(11.5ȱ–ȱ11.7)ȱdiskutiert.ȱ Derȱ Prozessȱ kannȱ alsȱ einȱ Lernprozessȱ mitȱ Rückkopplungȱ betrachtetȱ werden,ȱ inȱ demȱ sowohlȱderȱGruppenleiterȱalsȱauchȱdieȱGruppenmitgliederȱinȱmehrerenȱIterationenȱaufȱ jedesȱ Elementȱ Einflussȱ nehmenȱ können,ȱ umȱ dieȱ Gruppenleistungȱ undȱ Zufriedenheitȱ zuȱoptimierenȱ(s.ȱfolgendeȱAbbildung).ȱ Abb.ȱ45:ȱ

BestimmungsfaktorenȱderȱGruppenleistung210ȱ

Kulturelle Rahmenbedingungen: Interaktion, Kommunikationsart, Konfliktneigung, Lernfähigkeit

Externe Bedingungen

Fähigkeiten Persönlichkeiten

Aufgabe der Gruppe

Ressourcen der Mitglieder

Leistung und Zufriedenheit

Gruppenprozess Gruppen-

Organisationsstruktur, Arbeitsbedingungen, verfügbare Mittel

struktur

Synergie „soziale Förderung“

Führungsstruktur Rollen, Normen

Lernprozess

ȱ DieȱAufgabeȱeinerȱGruppeȱistȱentwederȱvorgegebenȱoderȱwirdȱgemeinsamȱformuliert.ȱ SieȱkannȱinȱderȱGruppeȱinȱjedemȱFallȱzunächstȱdiskutiertȱundȱanalysiertȱwerden,ȱwasȱ fürȱ dieȱ Identifikationȱ mitȱ derȱ Aufgabeȱ undȱ denȱ Ergebnissenȱ derȱ Arbeitȱ vonȱ großerȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 210ȱ InȱAnlehnungȱanȱRobbins,ȱS.ȱOrganisationȱderȱUnternehmung,ȱS.ȱ273.ȱ

181ȱ

11.4

11

Gruppen und Gruppenprozesse

Bedeutungȱ ist.ȱ Dieȱ einzelnenȱ Arbeitspaketeȱ derȱ Mitgliederȱ sollenȱ inȱ gemeinsamerȱ Diskussionȱdefiniertȱwerden,ȱwodurchȱeineȱoffeneȱvertrauensvolleȱArbeitsatmosphäreȱ entsteht.ȱȱ Dieȱ Dynamikȱ derȱ Gruppenprozesseȱ wirdȱ vonȱ Synergieeffektenȱ undȱ sozialerȱ FördeȬ rungȱ bestimmt.ȱ Gruppenkohäsion,ȱ Gruppenkultur,ȱ Arbeitsklimaȱ undȱ emotionalesȱ MiteinanderȱinȱderȱGruppeȱspielenȱdabeiȱeineȱentscheidendeȱRolle.ȱFürȱdieȱSteigerungȱ derȱ Gruppenarbeitseffizienzȱ undȱ dieȱ Beschleunigungȱ vonȱ Gruppenprozessenȱ könnenȱ spezielleȱ Technikenȱ undȱ Verfahrenȱ eingesetztȱ werden:ȱ z.B.ȱ Kreativitätstechnikenȱ wieȱ Brainstormingȱ undȱ Moderationstechnikenȱ sowieȱ Meinungskartenȱ fürȱ dieȱ VergrößeȬ rungȱderȱMeinungsvielfaltȱundȱDemokratisierungȱvonȱEntscheidungenȱ(Ausschaltungȱ vonȱGruppenuniformität).ȱ Dieȱ Ressourcenȱ derȱ Mitgliederȱ sindȱ fürȱ dieȱ Leistungȱ vonȱ besondererȱ Wichtigkeitȱ –ȱ schließlichȱsindȱ esȱ Individuen,ȱ dieȱAufgabenȱ lösenȱ undȱ Ideenȱ produzieren.ȱ Dieȱ Rolleȱ desȱGruppenleitersȱbestehtȱbeiȱdiesemȱElementȱdarin,ȱdafürȱzuȱsorgen,ȱMitarbeiterȱmitȱ gefragtenȱ Fähigkeitenȱ zuȱ gewinnen,ȱ ihreȱ Kompetenzenȱ undȱ Fertigkeitenȱ durchȱ WeiȬ terbildung,ȱSchulungȱundȱTrainingȱzuȱfördern.ȱ Dieȱ Gruppenstrukturȱ wirdȱ vonȱ derȱ Führungsstruktur,ȱ Gruppenrollenȱ undȱ –normenȱ geprägt.ȱDieȱVorbildfunktionȱdesȱGruppenleitersȱistȱdabeiȱgefragt,ȱsowieȱeineȱfördernȬ deȱGruppenkulturȱ(s.ȱkulturelleȱRahmenbedingungen)ȱundȱpositiveȱGruppenrollen.ȱ ȱ Abb.ȱ46:ȱ

Gruppenrollen211ȱ

ȱ

ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 211ȱ Bildquelle:ȱWagner,ȱK.;ȱRex,ȱB.ȱPraktischeȱPersonalführung,ȱS.ȱ110.ȱ

182ȱ

Interaktion in Gruppen. Themenzentrierte Interaktion

ManȱkannȱfolgendeȱTypenȱvonȱGruppenrollenȱdefinieren:ȱ

„ Aufgabenrollen:ȱ Initiator,ȱ Informator,ȱ Bewerter,ȱ Innovator,ȱ Meinungsgeber,ȱ AusȬ führer,ȱOrganisator,ȱSchriftführer;ȱ

„ SozioemotionaleȱRollen:ȱMutmacher,ȱFriedensstifter,ȱKompromissȬschließer,ȱSpanȬ nungsmilderer,ȱKonfrontierer;ȱ

„ ZerstörerischeȱRollen:ȱSchwätzer,ȱDetailkrämer,ȱStörer,ȱMiesmacher,ȱManipulierer,ȱ Intrigant,ȱDominante.ȱ DerȱUmgangȱmitȱdenȱGruppenrollenȱistȱallesȱandereȱalsȱleichtȱ–ȱjederȱMenschȱsammeltȱ eigeneȱ Erfahrungen,ȱ entwickeltȱ Lebenseinstellungenȱ undȱ Verhaltensweisen,ȱ folglichȱ übernimmtȱ erȱ inȱ einerȱ Gruppeȱ eineȱ spezifische,ȱ fürȱ ihnȱ passendeȱ und/oderȱ vonȱ ihmȱ erwünschteȱRolle.ȱImȱLaufeȱderȱZeitȱfindetȱinȱderȱGruppeȱeineȱgegenseitigeȱAnpassungȱ vonȱ Mitgliedernȱ derȱ Gruppeȱ statt,ȱ dabeiȱ werdenȱ dieȱ individuellenȱ Rollenȱ auchȱ angeȬ passtȱ undȱ akzeptiert/abgelehnt.ȱ Inwieweitȱ sichȱ einȱ Gruppenleiterȱ inȱ diesenȱ Prozessȱ einmischenȱdarf,ȱbleibtȱumstritten:ȱerȱsollteȱinȱersterȱLinieȱPersönlichkeitenȱsamtȱihrerȱ Besonderheitenȱ undȱ Neigungenȱ anerkennen.ȱ Nurȱ beiȱ zerstörerischenȱ Rollen,ȱ dieȱ dieȱ ZusammenarbeitȱinȱderȱGruppeȱwesentlichȱstörenȱkönnen,ȱwäreȱesȱfürȱdenȱGruppenȬ leiterȱ angemessen,ȱ sichȱ einzumischen,ȱ umȱ dasȱ Verhaltenȱ vonȱ negativȱ wirkendenȱ Gruppenmitgliedernȱzuȱkorrigieren.ȱ Unterȱ externenȱ Bedingungenȱ fürȱ dieȱ Gruppenleistungȱ verstehtȱ manȱ dieȱ allgemeineȱ Organisationsstruktur,ȱ inȱ dieȱdieȱ Gruppeȱ angebettetȱ ist,ȱdieȱArbeitsbedingungenȱ undȱ alleȱverfügbarenȱMittel,ȱdieȱfürȱdieȱLösungȱderȱGruppenaufgabeȱnotwendigȱsind.ȱHierȱ istȱ wiederȱ dieȱRolleȱ desȱ Gruppenleitersȱ zuȱ erwähnen,ȱ derȱ dafürȱ sorgenȱ soll,ȱ dassȱ dieȱ externenȱBedingungenȱfürȱdieȱGruppenleistungȱstimmen.ȱ Dieȱ kulturellenȱ Rahmenbedingungenȱ fürȱ dieȱ Gruppenleistungȱ sindȱ vonȱ besondererȱ Bedeutung,ȱdeswegenȱwerdenȱsieȱimȱWeiterenȱeinzelnȱerläutert.ȱDieȱcharakteristischenȱ Merkmaleȱsind:ȱInteraktionȱinȱderȱGruppe,ȱUmgangȱmitȱKonfliktenȱundȱLernprozesse.ȱȱ

11.5

Interaktion in Gruppen. Themenzentrierte Interaktion

Fürȱ eineȱ erfolgreicheȱ Zusammenarbeitȱ istȱ dieȱ direkteȱ Interaktionȱ vonȱ besondererȱ BeȬ deutung.ȱ Gleichzeitigȱ ziehtȱ sieȱ verschiedeneȱ Folgenȱ nachȱ sich:ȱ esȱ entstehtȱ einȱ starkesȱ Zusammengehörigkeitsgefühl,ȱ dasȱ zurȱ Steigerungȱ derȱ Gesamtleistungȱ führenȱ kann,ȱ undȱ gleichzeitigȱ wächstȱ dieȱ Neigungȱ zuȱ Konflikten.ȱ Derȱ Gruppenkommunikationȱ kommtȱunterȱdiesenȱBedingungenȱeineȱbesondereȱRolleȱzu:ȱnurȱeineȱoffeneȱKommuniȬ kationȱ ermöglichtȱ dieȱ Vorteileȱ derȱ Zusammenarbeitȱ undȱ begünstigtȱ denȱ Verlaufȱ vonȱ Konflikten.ȱ Eineȱ soȱ genannteȱ vollständigeȱ Kommunikationȱ inȱ derȱ Gruppeȱ –ȱ jederȱ 183ȱ

11.5

11

Gruppen und Gruppenprozesse

kommuniziertȱmitȱjedemȱ–ȱschafftȱeineȱoffeneȱAtmosphäreȱundȱbegünstigtȱdenȱgegenȬ seitigenȱAustauschȱundȱdieȱLernprozesse.ȱ Problemeȱ undȱ Schwierigkeitenȱ zwischenmenschlicherȱ Kommunikationȱ wurdenȱ inȱ verschiedenenȱ Kommunikationstheorienȱ erläutert.ȱ Eineȱ speziellȱ fürȱ Gruppenȱ entwiȬ ckelteȱ Kommunikationstheorieȱ istȱ dieȱ Themenzentrierteȱ Interaktionȱ (TZI)ȱ derȱ ameriȬ kanischenȱPsychologinȱRuthȱCohn.212ȱȱ DasȱModellȱgehtȱdavonȱaus,ȱdassȱsichȱinȱeinerȱGruppeȱnebenȱallerȱIndividualitätȱundȱ UnterschiedlichkeitȱjedesȱEinzelnenȱeinȱgroßesȱBewusstseinȱderȱGemeinsamkeitȱentwiȬ ckelt.ȱEsȱistȱwichtig,ȱeinenȱBalanceȱzwischenȱpersönlicherȱIndividualität,ȱgemeinsamerȱ Aufgabeȱ undȱ demȱ WirȬGefühlȱ zuȱ findenȱ undȱ zuȱ fördern.ȱ Fürȱ diesenȱ Zweckȱ istȱ dieȱ Methodeȱ derȱ Themenzentriertenȱ Interaktionȱ (TZI)ȱ gutȱ geeignetȱ undȱ kannȱ vonȱ einemȱ LeiterȱerfolgreichȱinȱderȱPraxisȱangewendetȱwerden.ȱ Abb.ȱ47:ȱ

TZIȱ–ȱModellȱnachȱR.ȱCohnȱ

ES Ziel GLOBE

ICH Individuum

WIR Gruppe

ȱ

„Ich“ȱ(Persönlichkeit),ȱ„Wir“ȱ(Gruppe)ȱ undȱ„Es“ȱ(Thema)ȱsindȱinȱdemȱModellȱvonȱR.ȱ CohnȱgleichwertigeȱGrößen,ȱ dieȱmiteinanderȱverbundenȱsindȱundȱsichȱinȱeinemȱUmȬ feldȱbefindenȱ(„Globe“).ȱDadurchȱwirdȱbetont,ȱdassȱfürȱdenȱErfolgȱsowohlȱalleȱElemenȬ te:ȱ jederȱ Einzelne,ȱ dieȱ Gruppeȱ undȱ dasȱ Thema,ȱ alsȱ auchȱ dieȱ Beziehungenȱ zwischenȱ demȱ Individuumȱ undȱ demȱ Thema,ȱ demȱ Individuumȱ undȱ derȱ Gruppeȱ undȱ zwischenȱ derȱ Gruppeȱ undȱ demȱ Themaȱ bedeutsamȱ sind.ȱ Dasȱ Ganzeȱ wirdȱ zusätzlichȱ vonȱ denȱ Rahmenbedingungenȱ(Globe)ȱbeeinflusst.ȱ Alleȱ Elementeȱ undȱ Zusammenhängeȱ derȱ Abbildungȱ sindȱ wichtig.ȱ Nurȱ wennȱ eineȱ dynamischeȱ Balanceȱ erreichtȱ wird,ȱ kannȱ dieȱ Gruppeȱ Erfolgȱ haben.ȱ Dasȱ Handelnȱ derȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 212ȱ Cohn,ȱR.ȱC.ȱVonȱderȱPsychoanalyseȱzurȱthemenzentriertenȱInteraktion.ȱȱ

184ȱ

Interaktion in Gruppen. Themenzentrierte Interaktion

GruppeȱistȱvorȱallemȱaufȱdasȱErreichenȱvonȱUnternehmenszielenȱhinȱausgerichtet.ȱDasȱ ZielȱstehtȱaberȱinȱBeziehungȱundȱdamitȱauchȱinȱAbhängigkeitȱvonȱdenȱeinzelnenȱIndiȬ viduenȱ undȱ derȱ Gruppeȱ alsȱ Ganzes.ȱ Soȱ gewinntȱ dasȱ Zielȱ einenȱ persönlichenȱ undȱ zugleichȱgruppenorientiertenȱCharakter.ȱDieȱEinbeziehungȱdesȱGlobesȱimȱTZIȬModellȱ sollȱnichtȱnurȱdieȱBedeutungȱdesȱäußerenȱUmfeldes,ȱsondernȱauchȱdieȱderȱZusammenȬ gehörigkeitȱundȱGruppenkulturȱbetonen.ȱ„Globe“ȱbeiȱR.ȱCohnȱspieltȱeineȱglobaleȱRolȬ le:ȱvonȱengl.ȱGlobeȱ=ȱErdballȱ„weistȱerȱdaraufȱhin,ȱdassȱdasȱGeschehenȱinȱderȱGruppeȱ wesentlichȱmitgeprägtȱwirdȱvomȱUmfeldȱundȱdenȱVorerfahrungenȱsowohlȱderȱGruppeȱ alsȱauchȱderȱeinzelnenȱTeilnehmer.“213ȱFürȱdasȱBeispielȱArbeitsgruppeȱkannȱmanȱunterȱ Globeȱ dieȱ sichȱ entwickelndeȱ Gruppenkulturȱ verstehen,ȱ dieȱ dieȱ geteiltenȱ Werteȱ undȱ NormenȱderȱMitgliederȱimȱUmgangȱmiteinanderȱumfasst.ȱȱ Dasȱ TZIȬModellȱ ermöglichtȱ dieȱ Betrachtungȱ vonȱ individuellen,ȱ gruppenbezogenenȱ undȱ Zielaspektenȱ derȱ Arbeitȱ ausȱ derȱ konstruktivistischenȱ Perspektive.ȱ Dasȱ Handelnȱ sowohlȱvonȱjedemȱMitglied,ȱalsȱauchȱvonȱderȱGruppeȱalsȱEinheit,ȱdasȱaufȱdieȱgemeinȬ samenȱ Zieleȱ hinȱ ausgerichtetȱ ist,ȱ führtȱ zurȱ Schaffungȱ einerȱ geteiltenȱ Welt,ȱ dieȱ vonȱ jeȬ demȱEinzelnenȱundȱvonȱallenȱzusammenȱabhängigȱist.ȱȱ Dasȱ ICHȱ inȱ derȱ konstruktivistischenȱ Darstellungȱ hatȱ dreiȱ Aspekte:ȱ Individualität,ȱ Selbstkenntnisȱ undȱ Eigenverantwortung.ȱ „Ich“ȱ stehtȱ vorȱ allemȱ fürȱ dieȱ Subjektivitätȱ undȱIndividualitätȱjedesȱMitglieds.ȱ„DieȱPersonȱsollȱsichȱnichtȱaufgeben,ȱsondernȱeinȬ geben“,ȱsoȱRuthȱCohn.ȱNurȱausȱderȱUnterschiedlichkeitȱderȱMitgliederȱkommenȱSynȬ ergieeffekteȱzustande.ȱGleichzeitigȱwirdȱeineȱgewisseȱBesinnungȱaufȱdasȱIch,ȱdieȱKennȬ tnisȱderȱeigenenȱStärkenȱundȱ Schwächenȱverlangt.ȱNurȱunterȱdieserȱBedingungȱ kannȱ jedesȱ Mitgliedȱ bewusstȱ undȱ verantwortungsvollȱ handeln.ȱ Dieseȱ Eigenverantwortungȱ fürȱdasȱGanzeȱistȱderȱdritteȱAspektȱderȱIchȬBetrachtung.ȱȱ DasȱWIRȱsollȱfürȱeineȱGruppeȱdenȱVorteilȱdesȱZusammenarbeitensȱunterstreichen:ȱdieȱ GesamtleistungȱistȱnurȱbeiȱengagiertemȱEinsatzȱallerȱMitgliederȱmöglich.ȱDieȱZusamȬ mengehörigkeitȱundȱdieȱAttraktivitätȱderȱGruppeȱfürȱjedenȱTeilnehmerȱwerdenȱhierȱinȱ denȱMittelpunktȱgestellt.ȱ DasȱESȱstehtȱfürȱdasȱgemeinsameȱZiel.ȱ„EineȱoptimaleȱArbeitssituationȱentsteht,ȱwennȱ alleȱIchsȱ–ȱundȱinȱihremȱZusammenwirkenȱalsȱWirȱ–ȱdieȱgemeinsameȱAufgabeȱzugleichȱ alsȱ eigenesȱAnliegenȱ wahrnehmenȱ undȱ akzeptieren.“214ȱ Verfolgenȱ dieȱ GruppemitglieȬ derȱeigeneȱInteressen,ȱdannȱwirdȱausȱderȱZusammenarbeitȱeinȱKonkurrenzkampf.ȱ Einȱ weitererȱ Aspektȱ desȱ TZIȬModellsȱ istȱ dieȱ dynamischeȱ Balanceȱ zwischenȱ denȱ dreiȱ Elementenȱ„Ich“,ȱ„Wir“ȱundȱ„Es“.ȱKeinesȱdarfȱdominierenȱoderȱvernachlässigtȱwerden.ȱ Wirdȱ dasȱ Zielȱ überbetontȱ undȱ persönlicheȱ undȱ Gruppenbeziehungenȱ fürȱ unwichtigȱ gehalten,ȱ soȱ kommtȱ esȱ zurȱ Demotivationȱ undȱ Unzufriedenheitȱ derȱ Mitgliederȱ undȱ KonfliktenȱaufȱderȱGruppenebene.ȱWennȱdieȱAufgabenstellungȱzurȱNebensacheȱwird,ȱ gehtȱesȱnurȱdarum,ȱSpaßȱmiteinanderȱzuȱhaben.ȱFolglichȱverlierenȱdieȱTeilnehmerȱihreȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 213ȱ Vgl.ȱBirker,ȱK.ȱBetrieblicheȱKommunikation,ȱS.ȱ71.ȱ 214ȱ Ebd.,ȱS.ȱ72.ȱ

185ȱ

11.5

11

Gruppen und Gruppenprozesse

Arbeitsmotivationȱ undȱ erbringenȱ nurȱ durchschnittlicheȱ Leistungen.ȱ Vernachlässigtȱ manȱdieȱRolleȱdesȱIndividuums,ȱdannȱfühlenȱsichȱdieȱGruppemitgliederȱunfairȱbehanȬ delt,ȱ persönlicheȱ Kompetenzenȱ werdenȱ dadurchȱ nivelliertȱ undȱ nichtȱ mehrȱ gefördert.ȱ Interesseȱ undȱ Identifikationȱ derȱ Mitarbeiterȱ sinken.ȱ Dieȱ Balanceȱ hatȱ allerdingsȱ einenȱ dynamischenȱ Charakter:ȱ abhängigȱ vonȱ Arbeitssituationȱ kannȱ dasȱ eineȱ oderȱ andereȱ Elementȱ kurzfristigȱ inȱ denȱ Vordergrundȱ kommen,ȱ aberȱ esȱ wirdȱ immerȱ wiederȱ neuȱ ausgeglichen.ȱ Durchȱ dieȱ dynamischeȱ Balanceȱ ergibtȱ sichȱ eineȱ Atmosphäre,ȱ woȱ jederȱ Einzelneȱ undȱdieȱ Gruppeȱ alsȱ ganzesȱ respektiertȱ werden.ȱDerȱ Freiraumȱ desȱeinzelnenȱ undȱderȱGruppeȱwirdȱrücksichtsvollȱwahrgenommen.ȱAusȱdieserȱEinstellungȱerwächstȱ einȱ positivesȱ Arbeitsklimaȱ undȱ folglichȱ eineȱ Gruppenkultur,ȱ dieȱ durchȱ dieȱ relativeȱ AutonomieȱdesȱIndividuums,ȱdenȱStellenwertȱdesȱGesamtinteressesȱundȱgegenseitigesȱ Vertrauenȱ gekennzeichnetȱ ist.ȱ Dasȱ istȱ derȱ optimaleȱ Globeȱ fürȱ eineȱ erfolgreicheȱ ZuȬ sammenarbeit.ȱ

11.6

Konflikte in Gruppen

EineȱerfolgreicheȱGruppenarbeitȱistȱnurȱunterȱderȱBedingungȱmöglich,ȱdassȱdieȱGrupȬ penmitgliederȱ verschiedeneȱ Qualifikationenȱ undȱ Meinungenȱ hineinbringenȱ undȱ sichȱ gegenseitigȱergänzen.ȱDieseȱUnterschiedlichkeitȱhatȱjedochȱihreȱKehrseite:ȱverschiedeȬ neȱ Meinungen,ȱ Interessenȱ undȱ Einsichtenȱ könnenȱ zuȱ Widersprüchenȱ undȱ Konfliktenȱ führen.ȱ Verschiedeneȱ Lebenserfahrungen,ȱ Interessenȱ undȱ Bedürfnisseȱ sowieȱ WettbeȬ werbȱvonȱIdeenȱundȱAuffassungenȱbeimȱLösenȱvonȱAufgaben,ȱdieȱanȱsichȱpositivȱundȱ erwünschtȱsind,ȱsindȱdieȱUrsachenȱvonȱKonfliktenȱinȱderȱGruppenarbeit.ȱDabeiȱsindȱsoȱ genannteȱ interindividuelleȱ (soziale)ȱ Konflikteȱ gemeint,ȱ imȱ Gegensatzȱ zuȱ einemȱ intraindividuellenȱ Konflikt,ȱ wennȱ beiȱ einerȱ Personȱ verschiedeneȱ unvereinbareȱ HandȬ lungstendenzenȱbestehen.ȱȱ Einȱ sozialerȱ Konfliktȱ liegtȱ dannȱ vor,ȱ wennȱ eineȱ Spannungssituationȱ besteht,ȱ inȱ derȱ zweiȱ oderȱ mehrereȱ Parteien,ȱ dieȱ voneinanderȱ abhängigȱ sind,ȱ mitȱ Nachdruckȱ versuȬ chen,ȱ unvereinbareȱ Handlungspläneȱ zuȱ verwirklichenȱ undȱ sichȱ dabeiȱ ihrerȱ GegnerȬ schaftȱbewusstȱsind.215ȱȱ NichtȱunbedingtȱistȱeinȱKonfliktȱalsȱetwasȱNegativesȱzuȱbetrachten:ȱmanȱsollteȱeherȱinȱ einemȱ Konfliktȱ eineȱ EntwicklungsȬȱ undȱ Lernchanceȱ sehen.ȱ Nurȱ wennȱ verschiedeneȱ Meinungenȱ zusammenkommen,ȱ kannȱ eineȱ kreativeȱ Lösungȱ gefundenȱ werden.ȱ Dieȱ Spannung,ȱ dieȱ vonȱ einemȱ Konfliktȱ erzeugtȱ wird,ȱ mussȱ effizientȱ genutztȱ undȱ geleitetȱ werden.ȱ Manȱ sollteȱ Gruppenkonflikteȱ generellȱ alsȱ LernȬȱ undȱ Entwicklungschanceȱ betrachten,ȱjedochȱinȱkritischenȱSituationenȱeinȱaktivesȱKonfliktmanagementȱbetreiben.ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 215ȱ Vgl.ȱvonȱRosenstiel,ȱL.ȱGrundlagenȱderȱOrganisationspsychologie,ȱS.ȱ301.ȱ

186ȱ

Konflikte in Gruppen

Beiȱ falscherȱ Behandlungȱ bekommenȱ Konflikteȱ negativeȱAuswirkungenȱ undȱ erschweȬ renȱdieȱKommunikationȱundȱZusammenarbeitȱinȱGruppen.ȱ Fürȱ einenȱ richtigen,ȱ konstruktivenȱ Umgangȱ brauchtȱ manȱ Kenntnisseȱ überȱ dieȱ Artenȱ derȱKonflikteȱundȱKonfliktlösungsstrategien.ȱȱ InȱderȱLiteraturȱwerdenȱKonflikteȱnachȱverschiedenenȱMerkmalenȱklassifiziert.ȱComelȬ liȱ undȱ vonȱ Rosenstielȱ nennenȱ alsȱ besondersȱ typischeȱ Konfliktformenȱ fürȱ Gruppenȱ SachȬ,ȱBeziehungsȬȱundȱWertekonflikte.216ȱEineȱandereȱKlassifikationȱvonȱGruppenkonȬ fliktenȱistȱdieȱUnterscheidungȱvonȱRollenȬȱundȱNormenkonflikten.217ȱȱ BeiȱSachkonfliktenȱgehtȱesȱumȱinhaltlicheȱMeinungsverschiedenheitenȱbeiȱderȱAufgaȬ benlösung,ȱbeiȱBeziehungskonfliktenȱumȱAkzeptanzȱundȱAnerkennungȱdurchȱandere,ȱ beiȱWertekonfliktenȱumȱverschiedeneȱAnnahmenȱundȱEinstellungen,ȱWerteȱundȱNorȬ men.ȱ Dieseȱ Artenȱ könnenȱ vonȱ einanderȱ nichtȱ genauȱ abgegrenztȱ werden,ȱ dennȱ einȱ Konfliktȱ kannȱ aufȱ derȱ Oberflächeȱ alsȱ Sachkonfliktȱ erscheinen,ȱ tatsächlichȱ aberȱ einȱ Beziehungskonfliktȱsein.ȱ RollenkonflikteȱkönnenȱinȱGruppenȱbeiȱderȱÜbernahmeȱ(Vergabe)ȱvonȱGruppenrollenȱ entstehen.ȱTypischeȱBeispieleȱsolcherȱKonflikteȱsind:218ȱ

„ UnvereinbarkeitȱvonȱverschiedenenȱRollenȱinȱeinerȱPersonȱ(z.B.ȱderȱprotokollierenȬ deȱKonferenzleiter,ȱVorgesetzterȱundȱgleichzeitigȱKumpelȱderȱMitarbeiter);ȱ

„ Objektivȱ undȱ subjektivȱ erlebteȱ Unverträglichkeitȱ vonȱ Rollen,ȱ dieȱ eineȱ Personȱ inȱ verschiedenenȱGruppenȱinnehatȱ(z.B.ȱderȱmitȱderȱFirmaȱinnerlichȱsehrȱverbundeneȱ alteȱMitarbeiter,ȱderȱgleichzeitigȱMitgliedȱdesȱBetriebsratesȱundȱGewerkschaftsmitȬ gliedȱist);ȱ

„ unterschiedlicheȱ Erwartungen/Auffassungenȱ bezüglichȱ derȱ Ausführungȱ einerȱ RolleȱbeiȱdemȱRollenträgerȱundȱderȱGruppeȱbzw.ȱbeiȱanderenȱ(z.B.ȱRolleȱderȱVorgeȬ setzten,ȱRolleȱderȱSekretärin);ȱ

„ zuȱ hoheȱ oderȱ falscheȱ Erwartungenȱ bezüglichȱ einerȱ Rolleȱ beimȱ Rollenträgerȱ selbstȱ oderȱ beiȱ anderenȱ (derȱ Rollenträgerȱ kannȱ nichtȱ dasȱ erfüllen,ȱ wasȱ dieȱ anderenȱ vonȱ ihmȱoderȱerȱvonȱsichȱselbstȱerwartet.)ȱ EineȱoffeneȱRollenklärungȱistȱbeiȱallenȱdiesenȱSituationenȱfürȱdieȱKonfliktvorbeugungȱ undȱ–bewältigungȱhilfreich.ȱDafürȱeignetȱsichȱeineȱoffeneȱDiskussionȱmitȱallenȱBeteiligȬ ten.ȱ AlsȱtypischeȱNormenkonflikteȱinȱGruppenȱwerdenȱgenannt:219ȱȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 216ȱ Vgl.ȱComelli,ȱG.;ȱvonȱRosenstiel,ȱL.ȱFührungȱdurchȱMotivation,ȱS.ȱ235.ȱ 217ȱ Ebd.ȱS.ȱ190.ȱ 218ȱ Ebd.ȱS.ȱ190.ȱ 219ȱ Vgl.ȱebd.,ȱS.ȱ191.ȱ

187ȱ

11.6

11

Gruppen und Gruppenprozesse

„ Kollision(en)ȱzwischenȱformellenȱundȱinformellenȱNormenȱinnerhalbȱeinerȱGruppeȱ (z.B.ȱ Alkoholȱ beiȱ betrieblichenȱ Feiern,ȱ aberȱ striktesȱ Alkoholverbotȱ imȱ Betriebȱ ausȱ Gründenȱ derȱArbeitssicherheit;ȱ offiziellȱ wirdȱ dieȱArbeitsqualitätȱ großgeschrieben,ȱ aberȱtatsächlichȱwirdȱschlampigȱgearbeitet);ȱ

„ Widersprüchlicheȱ Normen,ȱ dieȱ sichȱ ausȱ derȱ Zugehörigkeitȱ zuȱ verschiedenenȱ Gruppenȱ ergebenȱ (z.B.ȱ Kleidungsnormen:ȱ einȱ jungerȱ Mannȱ mitȱ Ringȱ imȱ Ohrȱ alsȱ KundenberaterȱbeiȱeinerȱsolidenȱBank);ȱ

„ UnsicherheitȱbezüglichȱderȱVerbindlichkeitȱvonȱNormenȱ(sindȱesȱKannȬ,ȱSollȱoderȱ Mussnormen?ȱEsȱistȱüblichȱinȱeinerȱArbeitsgruppeȱPrivatkontakteȱmitȱKollegenȱzuȱ pflegen.ȱSollȱeinȱneuerȱMitarbeiterȱalleȱzuȱseinemȱGeburtstagȱeinladen?).ȱ Normenkonflikteȱ könnenȱ extremȱ störendȱ fürȱ dieȱ Gruppenarbeitȱ sein,ȱ eineȱ eindeutigeȱ offeneȱKlärungȱistȱdabeiȱwichtig.ȱ JederȱKonfliktȱhatȱeineȱlangeȱVorgeschichte,ȱbevorȱerȱanȱdieȱOberflächeȱkommt.ȱDieseȱ Phaseȱ istȱ fürȱ eineȱ Konfliktregelungȱ besondersȱ günstig,ȱ deswegenȱ mussȱ einȱ GruppenȬ leiterȱaufȱKonfliktsignaleȱachtenȱundȱmitȱderȱBearbeitungȱbeginnen,ȱbevorȱesȱzuȱeinemȱ offenenȱ fürȱ alleȱ wahrnehmbarenȱ Konfliktȱ kommt.ȱ Dieseȱ Signaleȱ könnenȱ unterschiedȬ lichȱsein:ȱdieȱBeteiligtenȱmeidenȱKontakt,ȱironisieren,ȱmachenȱstichelndeȱNebenbemerȬ kungenȱetc.ȱJeȱfrüherȱeinȱKonfliktȱexplizitȱgemachtȱwird,ȱdestoȱgünstigerȱistȱseinȱVerȬ lauf.ȱDasȱVerdrängenȱundȱVerschweigenȱüberȱeineȱlängereȱZeitȱhinausȱwirkenȱumgeȬ kehrt.ȱ Istȱ einȱ Konfliktȱ erstȱ einmalȱ eskaliert,ȱ dannȱ brauchenȱ dieȱ Beteiligtenȱ einenȱ neutralenȱSchlichterȱ(Mediator).ȱȱ Esȱistȱsehrȱwichtig,ȱdassȱalleȱBeteiligtenȱdasȱVorliegenȱdesȱKonfliktsȱakzeptiertȱhabenȱ undȱbereitȱsind,ȱoffenȱdarüberȱzuȱreden.ȱDieȱEinstellungȱ„WirȱhabenȱkeineȱProbleme“ȱ bedeutet,ȱ dassȱ derȱ Konfliktȱ geleugnetȱ wird.ȱ Nurȱ einȱ offenesȱ Gesprächȱ kannȱ helfen,ȱ überȱ dieȱ Gründeȱ derȱ gegenseitigenȱ Unzufriedenheitȱ zuȱ redenȱ undȱ sieȱ zuȱ beseitigen.ȱ Sindȱ beideȱ Parteienȱ zuȱ solcherȱ Diskussionȱ bereit,ȱ soȱ mussȱ manȱ überȱ denȱ KonfliktgeȬ genstandȱanȱsichȱ(Kompetenzen,ȱMittel,ȱZieleȱetc.)ȱsowieȱüberȱdieȱInteressen,ȱBedürfȬ nisseȱundȱgegenseitigeȱVorwürfeȱreden.ȱImȱnächstenȱSchrittȱsollenȱdieȱKonfliktparteienȱ ihreȱ gegenseitigenȱ Anforderungenȱ formulieren.ȱ Dieȱ Offenlegungȱ vonȱ Erwartungenȱ undȱWünschenȱistȱeineȱVoraussetzungȱfürȱ dieȱkonstruktiveȱLösung.ȱAufgrundȱdieserȱ gegenseitigenȱAnforderungenȱkannȱeinȱKompromissȱgefundenȱwerden.ȱȱ AlsȱmöglicheȱStrategienȱfürȱKonfliktlösungȱwerdenȱfolgendeȱgenanntȱ(s.ȱAbbildung):ȱ

„ VerliererȬVerliererȬ,ȱ „ GewinnerȬVerliererȬȱ „ GewinnerȬGewinnerȬStrategieȱundȱ „ Kompromiss.ȱ

188ȱ

Konflikte in Gruppen

Abb.ȱ48:ȱ

Konfliktlösungsstrategien220ȱ

Orientierung an den

Verlierer-Gewinner (sich unterwerfen)

Gewinner-Gewinner (gemeinsame Lösung)

Zielen des ande-

Kompromiss

ren

Verlierer-Verlierer (Vermeidung, Rückzug)

Gewinner- Verlierer (mit Zwang durchsetzen)

Orientierung an den eigenen Zielen

ȱ

Eineȱ VerliererȬVerliererȬStrategieȱ machtȱ amȱ wenigstenȱ Sinnȱ undȱ bedeutet,ȱ dassȱ dieȱ Parteienȱ sichȱ nichtȱ einigenȱ können,ȱ sichȱ zurückziehenȱ undȱ denȱ Konfliktȱ weiterȱ verȬ drängen.ȱ Beiȱ derȱ GewinnerȬVerliererȬStrategieȱ versuchtȱ eineȱ Seiteȱ ihreȱ Machtȱ auszuȬ nutzenȱundȱdieȱandereȱzuȱbezwingen.ȱOffensichtlich,ȱkannȱdabeiȱderȱErfolgȱnurȱkurzȬ fristigȱ sein.ȱ Einȱ Kompromissȱ istȱ alsȱ eineȱ Halblösungȱ zuȱ bezeichnen,ȱ mitȱ derȱ beideȱ Parteienȱnichtȱganzȱzufriedenȱsind.ȱOptimalȱwäreȱeineȱGewinnerȬGewinnerȬStrategie,ȱ beiȱderȱesȱumȱ eineȱgemeinsameȱProblemlösungȱgeht,ȱanȱderȱsichȱbeideȱParteienȱkonȬ struktivȱbeteiligen.ȱFürȱdieseȱLösungȱbrauchtȱmanȱOffenheitȱundȱBereitschaftȱzurȱproȬ duktivenȱZusammenarbeit.ȱLeiderȱistȱesȱinȱderȱPraxisȱnichtȱimmerȱderȱFall.ȱȱ DieȱMöglichkeitenȱeineȱbestimmteȱStrategieȱzuȱwählenȱwerdenȱvonȱderȱVerhandlungsȬ situationȱbestimmt.ȱBeiȱeinemȱ„distributivenȱbargaining“ȱkannȱnurȱeinerȱgewinnen,ȱesȱ giltȱ denȱ Verliererȱ vorȱ einemȱ Gesichtsverlustȱ zuȱ bewahren,ȱ umȱ eineȱ Lösungȱ zuȱ erreiȬ chen.ȱ Beiȱ einemȱ „integrativenȱ bargaining“ȱ bestehtȱ einȱ Verhandlungsspielraumȱ zwiȬ schenȱdenȱKonfliktparteien,ȱderȱpositivȱzuȱnutzenȱist.ȱ FürȱeineȱerfolgreicheȱKonfliktbewältigungȱbrauchtȱmanȱdieȱFähigkeit,ȱdieȱArgumenteȱ derȱanderenȱParteiȱzuȱakzeptierenȱundȱzuȱverstehenȱundȱguteȱBeziehungenȱaufzubauȬ en.ȱ Nurȱ dieȱ Überzeugung,ȱ dassȱ manȱ durchȱ eineȱ Niederlageȱ desȱ Anderenȱ nichtsȱ erȬ reicht,ȱ sondernȱ dieȱ Problemeȱ verschärft,ȱ hilftȱ zuȱ einerȱ fürȱ beideȱ Seitenȱ akzeptablenȱ Lösung.ȱ Nurȱ beiȱ einerȱ GewinnerȬGewinnerȬLösungȱ sindȱ beideȱ Parteienȱ innerlichȱ beȬ reit,ȱsichȱanȱdieȱVereinbarungenȱzuȱhalten.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 220ȱ InȱAnlehnungȱanȱvonȱRosenstiel,ȱL.ȱGrundlagenȱderȱOrganisationspsychologie,ȱS.ȱ308.ȱ

189ȱ

11.6

11

Gruppen und Gruppenprozesse

11.7

Lernen in Gruppen

DieȱLeistungȱeinerȱGruppeȱbasiertȱaufȱderȱeinenȱSeiteȱaufȱderȱerfolgreichenȱKommuniȬ kationȱundȱdemȱkonstruktivenȱUmgangȱmitȱKonflikten,ȱaufȱderȱanderenȱSeiteȱaufȱdenȱ LernprozessenȱinnerhalbȱderȱGruppe.ȱDasȱGruppenlernenȱspieltȱinȱUnternehmenȱeineȱ zentraleȱ Rolleȱ –ȱ esȱ istȱ dieȱ Vorstufeȱ desȱ organisatorischenȱ Lernens,ȱ dieȱ Lernfähigkeitȱ einerȱ Organisationȱ kannȱ nurȱ durchȱ dieȱ Erhöhungȱ derȱ Lernfähigkeitȱ vonȱ Gruppenȱ gesteigertȱwerden.221ȱ ZusammenarbeitȱinȱGruppenȱwirdȱvonȱständigenȱLernprozessenȱbegleitetȱundȱunterȬ stützt.ȱZuȱdemȱpermanentȱlaufendenȱindividuellenȱLernenȱkommenȱspezifischeȱGrupȬ penlernprozesseȱhinzu.ȱBestehtȱinȱeinerȱGruppeȱeineȱoffeneȱvertraulicheȱArbeitsatmoȬ sphäre,ȱ dannȱ kommtȱ esȱ zuȱ einemȱ Wissensaustauschȱ undȱ dieȱ Gruppenmitgliederȱ lerȬ nenȱvoneinander.ȱIstȱdiesȱnichtȱderȱFall,ȱlerntȱjederȱnurȱfürȱsichȱundȱdasȱindividuelleȱ WissenȱkommtȱderȱganzenȱGruppeȱnichtȱzugute.ȱDeswegenȱistȱesȱbesondersȱwichtig,ȱ LernprozesseȱinȱGruppenȱzuȱfördern.ȱ UmȱdieȱLernprozesseȱbeeinflussenȱzuȱkönnen,ȱistȱesȱsinnvoll,ȱLernenȱinȱGruppenȱausȱ verschiedenenȱPerspektivenȱzuȱbetrachten:ȱausȱderȱkognitivenȱundȱderȱkonstruktiven.ȱȱ Ausȱ derȱ kognitivenȱ Perspektiveȱ bedeutetȱ Gruppenlernenȱ eineȱ geteilteȱ Kognition.ȱ Durchȱ Gesprächeȱ innerhalbȱ einerȱ Gruppeȱ verbessertȱ sichȱ dasȱ Wissenȱ sowohlȱ beimȱ Individuum,ȱ dasȱ denȱ anderenȱ einȱ Problemȱ erläutert,ȱ alsȱ auchȱ beiȱ denȱ Zuhörern.ȱ Derȱ Effektȱ beimȱ Individuumȱ hatȱ mitȱ derȱ Formalisierungȱ desȱ Wissensȱ zuȱ tun,ȱ beiȱ derȱ ZuȬ sammenhängeȱ undȱ Definitionenȱ verdeutlichtȱ werdenȱ (vgl.ȱ Kapitelȱ 5ȱ „WissensrepräȬ sentation“).ȱWährendȱwirȱZusammenhängeȱerklären,ȱwerdenȱsieȱunsȱselbstȱverständliȬ cher.ȱInȱeinerȱDiskussionȱbekommenȱwirȱAnstoßeȱzumȱNachdenken,ȱAnregungenȱundȱ Korrekturen,ȱfallsȱwirȱunsȱirren.ȱFolglichȱkommtȱesȱzuȱgegenseitigerȱBereicherungȱundȱ erhöhterȱ Leistung.ȱ Dieȱ gemeinsamȱ entwickeltenȱ Konzepteȱ werdenȱ alsȱ GruppenproȬ duktȱ betrachtet,ȱ wodurchȱ dieȱ Zusammengehörigkeitȱ undȱ Identifikationȱ mitȱ denȱ ErȬ gebnissenȱgestärktȱwerden.ȱ Ausȱ derȱ konstruktivenȱ Sichtȱ gelangtȱ einȱ Individuumȱ vorȱ allemȱ durchȱ Interaktionenȱ mitȱ anderenȱ zuȱ neuenȱ Sichtweisenȱ undȱ Erkenntnissen.ȱ Eineȱ bestimmteȱ individuelleȱ Entwicklungsstufeȱ mitȱ entsprechenderȱ Entfaltungȱ vonȱ kognitiven,ȱ emotionalenȱ undȱ konativenȱKompetenzenȱermöglichtȱeinerȱPersonȱdieȱTeilnahmeȱanȱbestimmtenȱsoziaȬ lenȱInteraktionen,ȱdieseȱführenȱzuȱneuenȱindividuellenȱZuständenȱ(Entwicklungȱallerȱ dreiȱKompetenzarten).ȱDurchȱGruppeninteraktionenȱwerdenȱsozialeȱundȱindividuelleȱ Ebenenȱverbunden.ȱDieserȱAustauschprozessȱführtȱzurȱSteigerungȱderȱGesamtleistungȱ imȱ Gruppenlernprozess.ȱ Parallelȱ wirdȱ dasȱ sozialeȱ Miteinanderȱ gelerntȱ undȱ sozialeȱ KompetenzenȱderȱMitgliederȱgefördert.ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 221ȱ NäheresȱzuȱLernprozessenȱinȱOrganisationenȱs.ȱKapitelȱ15.ȱ

190ȱ

Lernen in Gruppen

Individuellesȱ undȱ Gruppenlernenȱ befindenȱ sichȱ inȱ einerȱ Wechselwirkungsbeziehung.ȱ AufȱderȱeinenȱSeiteȱfindetȱLernenȱindividuellȱstatt,ȱweilȱdasȱneueȱWissenȱnurȱinȱeinȱimȱ GehirnȱexistierendesȱWissenssystemȱeingebautȱwerdenȱkann.ȱWissenȱistȱsomitȱimmerȱ anȱeineȱPersonȱgebunden:ȱesȱentsteht,ȱentwickeltȱsich,ȱwirdȱgetragenȱundȱbenutztȱvonȱ einemȱ Individuum.ȱ Aufȱ derȱ anderenȱ Seiteȱ wirdȱ dasȱ neueȱ Wissenȱ nurȱ durchȱ sozialeȱ Interaktionenȱ angeregtȱ undȱ geschaffen.ȱ Dieȱ Lernprozesseȱ vonȱ jedemȱ Einzelnenȱ werȬ denȱdurchȱdieȱGruppeȱbeeinflusst.ȱȱ Beiȱ Gruppenlernenȱ könnenȱ unterȱ günstigenȱ Rahmenbedingungenȱ folgendeȱ positiveȱ Effekteȱvorkommen:ȱȱ

„ jederȱ Einzelneȱ bekommtȱ durchȱ dieȱ Vorbildfunktionȱ andererȱ einenȱ zusätzlichenȱ Anspornȱzuȱlernen,ȱ

„ Wissensaustauschȱ fördertȱ gegenseitigeȱ Bereicherung:ȱ sowohlȱ dasȱ individuelleȱ Wissenȱ (kognitives,ȱ emotionalesȱ undȱ konatives)ȱ alsȱ auchȱ dasȱ Gruppenwissenȱ wächst,ȱ

„ durchȱemotionaleȱUnterstützungȱwirdȱdasȱLernenȱzusätzlichȱgefördert,ȱȱ „ dasȱ emotionaleȱ Wissenȱ undȱ dieȱ sozialenȱ Kompetenzenȱ derȱ Mitgliederȱ werdenȱ erweitert.ȱ Eineȱ Gruppeȱ kannȱ dieȱ Lernmotivationȱ jedesȱ Einzelnenȱ steigern.ȱ Dieȱ vonȱ einerȱ gutenȱ Gruppeȱ ausgehendeȱ sozialeȱ Unterstützungȱ trägtȱ dazuȱ bei,ȱ dassȱ manȱ sichȱ anstrengt,ȱ auchȱwennȱesȱschwierigȱwird.ȱBeimȱLernenȱinȱGruppenȱistȱnichtȱnurȱdieȱreineȱAufgaȬ benbewältigungȱ wichtig,ȱ sondernȱ derȱ Prozessȱ desȱ gemeinsamenȱ Problemlösensȱ anȱ sich.ȱ Dennȱ dieȱ Gruppensituationȱ bietetȱ dieȱ Möglichkeit,ȱ neueȱ Sichtweisenȱ undȱ PerȬ spektivenȱ kennenȱ zuȱ lernenȱ undȱ vomȱ Wissenȱ andererȱ zuȱ profitieren.ȱ Dasȱ Lernenȱ inȱ einerȱGruppeȱistȱanregender,ȱalsȱdasȱLernenȱalleine.ȱDaȱjedesȱGruppenmitgliedȱandereȱ Vorkenntnisse,ȱ Ideenȱ oderȱ Ansichtenȱ hat,ȱ wirdȱ jederȱ aufȱ neueȱ Gedankenȱ gebracht.ȱ Manȱlernt,ȱzuȱargumentieren,ȱzuȱdiskutierenȱundȱseinȱWissenȱverständlichȱundȱstrukȬ turiertȱ vorzutragen.ȱ Dasȱ eigeneȱ Wissenȱ wirdȱ überprüft,ȱ ergänztȱ oderȱ verändertȱ undȱ dabeiȱstabilisiert.ȱȱ Gruppenȱ bietenȱ auchȱ dieȱ Möglichkeitȱ zumȱsozialenȱ Lernen.ȱ Inȱ Gruppendiskussionenȱ lerntȱ manȱ zuȱ erkennen,ȱ dassȱ esȱ nichtȱ nurȱ eineȱ richtige,ȱ sondernȱ mehrereȱ möglicheȱ Wahrheitenȱgibt.ȱDiesȱführtȱzuȱeinerȱtoleranterenȱHaltungȱgegenüberȱdenȱStandpunkȬ tenȱandererȱundȱzurȱKlärungȱvonȱMissverständnissenȱundȱKonflikten.ȱȱ Dieseȱ positivenȱAuswirkungenȱ kommenȱ nurȱ zustande,ȱ wennȱ dieȱ Gruppenmitgliederȱ miteinanderȱ fairȱ undȱ offenȱ umgehen,ȱ einanderȱ respektierenȱ undȱ unterstützenȱ sowieȱ dieȱMeinungsverschiedenheitȱalsȱVorteilȱbetrachten.ȱKurzȱgesagt,ȱistȱdieȱsozialeȱKomȬ petenzȱ derȱ Teilnehmerȱ dieȱ bedeutendsteȱ Voraussetzungȱ fürȱ dasȱ Gruppenlernen.ȱ SoȬ wohlȱdieȱSelbstkompetenz,ȱalsȱauchȱderȱUmgangȱmitȱanderen,ȱdieȱinȱdemȱBegriffȱ„soȬ zialeȱKompetenz“ȱerfasstȱwerdenȱ(vgl.ȱKapitelȱ1.2),ȱspielenȱfürȱdasȱLernenȱinȱGruppenȱ eineȱwichtigeȱRolle.ȱȱ 191ȱ

11.7

11

Gruppen und Gruppenprozesse

Dieȱ Charakteristikaȱ derȱ Selbstkompetenzȱ wieȱ Selbstkenntnis,ȱ persönlicheȱ Reife,ȱ SelbȬ ständigkeit,ȱ Initiative,ȱ Anpassungsfähigkeit,ȱ Lernfähigkeitȱ undȱ Flexibilitätȱ schaffenȱ notwendigeȱ Voraussetzungenȱ fürȱ aktivesȱ Lernverhalten,ȱ Hilfsbereitschaftȱ undȱ ToleȬ ranz.ȱ Weitereȱ Eigenschaftenȱ derȱ sozialenȱ Kompetenz,ȱ dieȱ denȱ Umgangȱ mitȱ anderenȱ beschreiben,ȱ wieȱ Offenheit,ȱ Aufgeschlossenheit,ȱ Kooperationsfähigkeit,ȱ Empathieȱ sowieȱ Kommunikationsfähigkeitȱ undȱ Ȭbereitschaft,ȱ sindȱ dieȱ Bedingungenȱ fürȱ MeiȬ nungsvielfalt,ȱoffenenȱWissensaustauschȱundȱemotionaleȱUnterstützungȱderȱLernproȬ zesse.ȱ OhneȱOffenheitȱundȱAufgeschlossenheitȱistȱeineȱfreieȱMeinungsäußerungȱinȱderȱGrupȬ peȱnichtȱdenkbar,ȱVorteileȱderȱVielfältigkeitȱkommenȱnichtȱzumȱtragen.ȱUnterȱsolchenȱ BedingungenȱistȱderȱgruppenspezifischeȱWissenszuwachsȱausgeschlossen.ȱDasȱgleicheȱ giltȱ fürȱ dieȱ Kooperationsbereitschaftȱ derȱ Gruppenmitglieder:ȱ sieȱ istȱ eineȱ VoraussetȬ zungȱfürȱdasȱgemeinsameȱLernen,ȱdasȱdurchȱfreiwilligesȱGebenȱundȱNehmenȱfunktioȬ niert.ȱ Empathieȱ(Einfühlungsvermögen)ȱunterstütztȱunsereȱFähigkeitȱGefühleȱundȱSichtweiȬ senȱ andererȱ Menschenȱ zuȱ verstehenȱ undȱ angemessenȱ daraufȱ zuȱ reagieren.ȱ Esȱ istȱ vorȱ allemȱwichtig,ȱwennȱinȱeinemȱMeinungsaustauschȱeineȱungewöhnlicheȱMeinungȱnichtȱ sofortȱkritisiertȱundȱverpöntȱwird,ȱsondernȱaufmerksamȱaufgenommenȱundȱernsthaftȱ diskutiert.ȱ Nurȱ dannȱ wirdȱ inȱ derȱ Gruppeȱ eineȱ offeneȱ KommunikationsȬȱ undȱ LernatȬ mosphäreȱentstehen,ȱwoȱjederȱsichȱwohlȱfühltȱundȱkeineȱAngstȱhat,ȱseineȱabweichendeȱ Meinungȱzuȱäußern.ȱDadurchȱsteigenȱdieȱKreativitätȱundȱMeinungsvielfaltȱderȱGrupȬ pe.ȱ Dieȱ Kommunikationsfähigkeitȱ undȱ Ȭbereitschaftȱ derȱ Gruppenmitgliederȱ begünstigtȱ ebensoȱ Lernprozesseȱ inȱ Gruppen.ȱ Nurȱ wennȱ zwischenmenschlicheȱ Beziehungenȱ inȬ nerhalbȱ derȱ Gruppeȱ sichȱ etabliertȱ haben,ȱ entstehtȱ eineȱ vertrauensvolleȱ Atmosphäre,ȱ dieȱ einenȱ Wissensaustauschȱ ermöglichtȱ undȱ dieȱ verbreiteteȱ Einstellungȱ „Wissenȱ istȱ Macht“ȱ widerlegt.ȱ Folglichȱ entwickeltȱ sichȱ inȱ derȱ Gruppeȱ dasȱ Verständnis,ȱdassȱ WisȬ senȱsichȱvermehrt,ȱwennȱmanȱesȱteilt.ȱDieȱFähigkeitȱsichȱklarȱundȱverständlichȱauszuȬ drückenȱundȱanderenȱMenschenȱaktivȱundȱaufmerksamȱzuzuhörenȱistȱfürȱWissensausȬ tauschȱundȱ–erweiterungȱunentbehrlich.ȱKlareȱundȱeinfacheȱFormulierungenȱsindȱauchȱ beiȱkompliziertenȱFragestellungenȱmöglich:ȱwerȱklarȱdenkt,ȱkannȱsichȱklarȱausdrücken.ȱ Zusätzlichȱ istȱ aktivesȱ respektvollesȱ Zuhörenȱ vonȱ Bedeutung.ȱ Jedesȱ Gruppenmitgliedȱ sollȱinȱeinerȱDiskussionȱgenügendȱZeitȱbekommen,ȱumȱseineȱMeinungȱausführlichȱzuȱ erläutern.ȱKeineȱMeinungȱdarfȱvernachlässigtȱundȱvergessenȱwerden.ȱHäufigȱdominieȬ renȱeineȱDiskussionȱnichtȱdieȱintelligentesten,ȱsondernȱeherȱbesondersȱaktiveȱundȱlauteȱ Personen.ȱEsȱistȱwichtigȱauchȱdenȱleisenȱundȱbescheidenenȱTeilnehmernȱdasȱWortȱzuȱ geben.ȱ Unterȱ negativenȱ Bedingungenȱ wirdȱ dasȱ Lernenȱ inȱ Gruppenȱ wesentlichȱ erschwert,ȱ esȱ könnenȱsolcheȱGruppeneffekteȱwieȱsozialesȱFaulenzenȱundȱDeindividuationȱvorkomȬ men.ȱ Sozialesȱ Faulenzenȱ hatȱ beiȱ Lernprozessenȱ dieȱ Folge,ȱ dassȱ immerȱ dieȱ gleichen,ȱ besondersȱ fleißigenȱ Gruppenmitgliederȱ dieȱ meisteȱ Arbeitȱ übernehmen,ȱ währendȱ dieȱ 192ȱ

Empfehlungen für einen Gruppenleiter

anderenȱ abwarten.ȱ Deindividuationȱ imȱ Gruppenlernenȱ würdeȱ heißen,ȱ dassȱ manȱ dieȱ dominierendeȱ Meinungȱ blindȱ übernimmt,ȱ ohneȱ sieȱ zuȱ hinterfragen.ȱ Auchȱ eineȱ engeȱ Spezialisierungȱ aufȱ spezifischeȱ Aufgabeȱ kannȱ zuȱ derȱ Einengungȱ derȱ Sichtȱ undȱ desȱ WissensȱvonȱeinzelnenȱGruppenmitgliedernȱführen.ȱȱ FürȱdasȱVorbeugenȱnegativerȱAuswirkungenȱundȱUnterstützungȱvonȱpositivenȱEffekȬ tenȱdesȱLernensȱinȱGruppenȱkönnenȱspezielleȱTechnikenȱzurȱFörderungȱderȱKreativitätȱ undȱReduzierungȱderȱGruppenuniformitätȱeingesetztȱwerden.ȱDasȱsindȱdieȱbekanntenȱ MethodenȱwieȱBrainstorming,ȱModerationstechniken,ȱMeinungskartentechnikȱetc.ȱȱ Eineȱ weitȱ entwickelteȱ Arbeitsgruppeȱ mitȱ ausgeprägterȱ Gruppenkulturȱ undȱ Identitätȱ sowieȱstarkerȱZusammengehörigkeitȱundȱLernfähigkeitȱkannȱaußergewöhnlicheȱLeisȬ tungenȱerbringen.ȱDieseȱpositivenȱAuswirkungenȱentwickelnȱsichȱallerdingsȱnurȱunterȱ bestimmtenȱBedingungen.ȱ

11.8

Empfehlungen für einen Gruppenleiter

Derȱ Erfolgȱ derȱ TeamȬȱ undȱ Gruppenarbeitȱ istȱ vonȱ mehrerenȱ Faktorenȱ abhängig.ȱ Dieȱ Perspektiveȱ derȱ Wirtschaftlichkeitȱ istȱ fürȱ dieȱ Unternehmenspraxisȱ entscheidend,ȱ wasȱ bedeutet,ȱdassȱnurȱwennȱdieȱGruppenleistungȱhöherȱist,ȱalsȱdieȱSummeȱvonȱEinzelleisȬ tungen,ȱ lohntȱ esȱ sichȱ eineȱ Gruppeȱ (einȱ Team)ȱ zuȱ bilden.ȱDieseȱLeistungȱ wirdȱ sowohlȱ vonȱderȱAufgabeȱanȱsich,ȱalsȱauchȱvonȱderȱSituation,ȱUmgebungȱundȱbeteiligtenȱPersoȬ nenȱ bestimmt.ȱ Dieȱ Effizienzȱ derȱ Gruppenarbeitȱ hängtȱ vonȱ ihrerȱ praktischenȱ UmsetȬ zungȱab.ȱ DieȱErgebnisseȱeinerȱaktuellenȱBefragung222ȱbeweisenȱdieȱpositivenȱAuswirkungenȱderȱ Gruppenarbeitȱ–ȱdieȱEuropäischeȱStiftungȱfürȱVerbesserungȱderȱLebensȬȱundȱArbeitsȬ bedingungenȱ inȱ Dublinȱ befragteȱ 5800ȱ Unternehmenȱ inȱ 10ȱ EUȬLändernȱ zumȱ Nutzenȱ derȱGruppenarbeitȱundȱbekamȱfolgendeȱResultate:ȱ

„ 94%ȱ derȱ Managerȱ gabenȱ an,ȱ dassȱ dieȱ Qualitätȱ durchȱ Gruppenarbeitȱ gesteigertȱ wurde;ȱ

„ 66%ȱberichtetenȱvonȱkürzerenȱDurchlaufzeiten;ȱ „ 56%ȱ–ȱvonȱKostenreduzierung;ȱ „ 37%ȱ–ȱvomȱFehlzeitenabbau.ȱ Allerdingsȱ istȱ derȱ Erfolgȱ einerȱ Gruppeȱ vonȱ mehrerenȱ Bedingungenȱ abhängigȱ (s.ȱ folȬ gendeȱTabelle).ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 222ȱ ZitiertȱnachȱSimon,ȱW.ȱȱModerneȱManagementkonzepteȱvonȱAȬZ,ȱS.ȱ431.ȱ

193ȱ

11.8

11

Gruppen und Gruppenprozesse

Tabelleȱ34:ȱ BedingungenȱfürȱdenȱErfolgȱderȱGruppenarbeitȱȱ Einflussfaktor

Charakteristika

Aufgabe, Ziel

Komplex, was gemeinsame Arbeit erforderlich macht Strukturiert, Teilaufgaben mit verschiedenen Qualifikationen können definiert werden Gemeinsam formuliert, um Zielidentifikation zu gewährleisten

Gruppenprozess

Soziale Kompetenzen der Mitglieder und entwickeltes Zusammengehörigkeitsgefühl ermöglichen offene Kommunikation und Wissensaustausch, fördern Lernprozesse und führen zur Synergie

Ressourcen der Mitglieder

Heterogenität dank verschiedenen fachlichen Qualifikationen Hohe Kompetenz jedes Einzelnen, inklusiv Ausbildung, Weiterbildung und Beratung Arbeitsbedingungen für das Erbringen der Leistung Soziale Kompetenzen der Gruppenmitglieder

Gruppenstruktur

Die individuellen Rollen der Mitglieder und des Leiters werden von allen anerkannt und akzeptiert

Gruppenkultur

Offene und aufrichtige Atmosphäre der Interaktion, gegenseitiges Vertrauen, gemeinsame Entscheidungsfindung und Verantwortung, Respektieren der Individualität, grundsätzlich kooperativer Führungsstil des Leiters, dessen Autorität auf fachlichen und persönlichen Kompetenzen basiert, konstruktiver Umgang mit Konflikten

ȱ WieȱinȱderȱDiskussionȱüberȱGruppenleistungȱ(s.ȱKapitelȱ11.4)ȱdargestelltȱwurde,ȱhängtȱ dieȱ Leistungȱ derȱ Gruppenarbeitȱ vonȱ derȱ Aufgabenstellung,ȱ Gruppenprozessen,ȱ ResȬ sourcenȱ derȱ Mitgliederȱ undȱ derȱ Gruppenstruktur,ȱ vonȱ externenȱ Bedingungenȱ sowieȱ vonȱ denȱ kulturellenȱ Rahmenbedingungenȱ (derȱ Interaktion,ȱ demȱ KonfliktlösungspoȬ tenzialȱsowieȱLernprozessȱinȱGruppen)ȱbeeinflusst.ȱManȱkannȱdieȱBedingungenȱfürȱdieȱ hoheȱ Gesamtleistungȱ einerȱ Gruppeȱ (einesȱ Teams)ȱ zusammenfassen,ȱ dieȱ gleichzeitigȱ dieȱFrageȱüberȱGruppenȬȱversusȱEinzelarbeitȱbeantwortenȱkönnen.ȱ SindȱdieseȱBedingungenȱerfüllt,ȱdannȱerbringtȱdieȱGruppeȱ(dasȱTeam)ȱeineȱhoheȱLeisȬ tung,ȱ dieȱ durchȱ Synergieeffekteȱ gekennzeichnetȱ ist.ȱ Zugleichȱ entstehtȱ eineȱ positiveȱ AtmosphäreȱdesȱmotivierendenȱMiteinanders,ȱfreienȱWissensaustauschesȱundȱgemeinȬ samerȱ Lernprozesse,ȱ dieȱ zuȱ hoherȱ Arbeitszufriedenheitȱ führt.ȱ Jederȱ Einzelneȱ wirdȱ respektiertȱ undȱ fürȱ dieȱ Gruppeȱ alsȱ unentbehrlichȱ betrachtet.ȱ Folglichȱ findetȱ eineȱ PerȬ sönlichkeitsentwicklungȱstatt,ȱdieȱzuȱdemȱErfolgȱderȱganzenȱGruppeȱbeiträgt.ȱȱ EineȱwichtigeȱRolleȱinȱdemȱProzessȱdesȱErbringensȱundȱderȱErhöhungȱvonȱGruppenȬ leistungȱ gebührtȱ demȱ Gruppenleiter.ȱ Erȱ hatȱ vielseitigeȱ Aufgabenȱ zuȱ bewältigen,ȱ dieȱ vonȱihmȱsowohlȱfachlicheȱundȱmethodische,ȱalsȱauchȱsozialeȱKompetenzenȱerfordern.ȱ Vonȱ derȱ Kunstȱ desȱ Leitersȱ undȱ seinerȱ Vorbildfunktionȱ sindȱ dieȱ Leistungȱ derȱ Gruppeȱ

194ȱ

Empfehlungen für einen Gruppenleiter

undȱ dieȱ Gruppenkulturȱ inȱ hohemȱ Maßeȱ abhängig.ȱ Gleichzeitigȱ istȱ allerdingsȱ jedesȱ MitgliedȱfürȱdieȱgemeinsameȱArbeitȱundȱdasȱsozialeȱMiteinanderȱverantwortlich.ȱ Führungȱ einerȱ Gruppeȱ sollteȱ alsȱ Gruppenphänomen,ȱ sozialeȱ Einflussnahmeȱ undȱ Kommunikationsprozessȱbetrachtetȱwerden.223ȱSieȱistȱinȱersterȱLinieȱeinȱGruppenphäȬ nomen,ȱanȱdemȱmehrereȱPersonenȱaktivȱbeteiligtȱsind.ȱDasȱWichtigste,ȱwasȱeinenȱLeiȬ terȱ vonȱ anderenȱ unterscheidet,ȱ istȱ seineȱ InitiierungsȬȱ undȱ Koordinationsrolle.ȱ AllerȬ dingsȱ kannȱ eineȱ Führungsentscheidungȱ nurȱ dannȱ umgesetztȱ werden,ȱ wennȱ dieȱ GeȬ führtenȱ mitspielen,ȱdennȱFührungȱbasiertȱaufȱderȱAkzeptanzȱvonȱ unten.ȱFührungȱalsȱ intentionaleȱsozialeȱEinflussnahmeȱwirftȱdieȱFragenȱauf,ȱwerȱinȱeinerȱGruppeȱaufȱwenȱ Einflussȱausübenȱkannȱundȱdarfȱundȱwieȱdiesȱpassierenȱkann.ȱDieȱAntwortȱvariiertȱvonȱ Situationȱ zuȱ Situation:ȱ manȱ kannȱ inȱ einemȱ Extremȱ vonȱ schnellenȱ alleinigenȱ EntscheiȬ dungenȱ desȱ Leitersȱ undȱ inȱ einemȱ anderemȱ überȱ Führungȱ durchȱ dieȱ Geführtenȱ spreȬ chen.224ȱ Derȱ Einflussȱ kannȱ grundsätzlichȱ nurȱ gegenseitigȱ sein:ȱ nichtȱ nurȱ derȱ Leiterȱ bestimmtȱ dasȱ Verhaltenȱ derȱ Mitarbeiter,ȱ sondernȱ umgekehrtȱ genauso.ȱ Führungȱ alsȱ Kommunikationsprozessȱ zurȱ Zielerreichungȱ zeigtȱ denȱ wichtigstenȱAspektȱ derȱ GrupȬ penleitungȱ –ȱ dieȱ Kommunikation.ȱ Ohneȱ Kommunikationȱ istȱ keineȱ Zusammenarbeitȱ möglich.ȱAusȱdieserȱBetrachtungȱresultierenȱdieȱAufgabenȱdesȱGruppenleiters:ȱ

„ GemeinsameȱBesprechungenȱundȱEntscheidungenȱmoderieren,ȱ „ Gruppenmitgliederȱfördern,ȱ „ initiierenȱundȱkoordinieren,ȱȱ „ Konflikteȱmanagen,ȱȱ „ Gruppeȱ(Team)ȱnachȱaußenȱvertretenȱsowieȱ „ weiterhinȱalsȱintegriertesȱMitgliedȱderȱGruppeȱarbeiten.ȱ DerȱLeiterȱistȱModerator,ȱEntwicklerȱundȱFördererȱseinerȱGruppe.ȱ„NichtȱselbstȱerfolgȬ reichȱ werden,ȱsondernȱAnderenȱ zumȱ Erfolgȱ verhelfen“ȱ mussȱ dasȱKredoȱeinesȱ Leitersȱ heißen.ȱ Dafürȱ brauchtȱ einȱ Gruppenleiterȱ nebenȱ fachlichenȱ Kompetenzenȱ eineȱ hoheȱ Sozialkompetenz.ȱ Erȱ sollteȱ dieȱ Zusammenarbeitȱ initiierenȱ undȱ koordinieren,ȱ ohneȱ allzuȱgroßeȱDistanzȱzuȱseinenȱMitarbeiternȱzuȱschaffen:ȱnichtȱkommandieren,ȱsondernȱ moderieren.ȱAuchȱdieȱKonfliktschlichtungȱundȱMediationȱgehörenȱzuȱseinenȱKompeȬ tenzen.ȱ Außerdemȱ sollteȱ derȱ Leiterȱ seineȱ Gruppeȱ nachȱ außenȱ Vertreten:ȱ VerantworȬ tungȱfürȱgemeinsameȱErgebnisseȱübernehmen,ȱseineȱLeuteȱinȱSchutzȱnehmen.ȱGleichȬ zeitigȱbleibtȱerȱeinȱintegriertesȱMitgliedȱderȱGruppe,ȱarbeitetȱmitȱanderenȱzusammen,ȱ verliertȱdieȱRealitätȱnichtȱausȱdenȱAugen,ȱhilftȱundȱunterstütztȱimȱAlltag.ȱȱ Zusammenfassendȱ kannȱ manȱ sagen,ȱ dassȱderȱ Erfolgȱ derȱGruppenarbeit,ȱ dieȱ GesamtȬ leistungȱ undȱ dieȱ Zufriedenheitȱ derȱ Teilnehmerȱ nurȱ inȱ einemȱ gemeinsamenȱ GestalȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 223ȱ Vgl.ȱvonȱRosenstiel,ȱL.ȱGrundlagenȱderȱOrganisationspsychologie,ȱS.ȱ301.ȱ 224ȱ MehrȱdazuȱimȱKapitelȱ14ȱ„Führung“.ȱ

195ȱ

11.8

11

Gruppen und Gruppenprozesse

tungsprozessȱderȱGruppenarbeitȱzuȱerreichenȱsind,ȱanȱdemȱsichȱalleȱGruppemitgliederȱ bereitwilligȱundȱaktivȱbeteiligen.ȱNurȱaufȱdieserȱBasisȱkommenȱdieȱVorteileȱderȱGrupȬ penarbeitȱ wieȱ Zusammengehörigkeitsgefühl,ȱ offeneȱ Kommunikation,ȱ derȱ Austauschȱ vomȱWissenȱundȱSynergieeffekteȱzustande.ȱ ȱ Kontrollfragenȱ 1. DefinierenȱSieȱdenȱBegriffȱ„Gruppe“.ȱ 2. Erläuternȱ Sieȱ dieȱ Klassifikationenȱ undȱ Artenȱ vonȱ Gruppenȱ nachȱ derȱ Basisȱ ihresȱ Zustandekommens,ȱnachȱihrenȱZielenȱundȱnachȱihrerȱZusammensetzung.ȱ 3. Diskutierenȱ Sieȱ dieȱAuswirkungenȱ einerȱ Gruppeȱ aufȱ dasȱ Individuumȱ sowieȱ VorȬȱ undȱNachteileȱderȱGruppenarbeit.ȱ 4. ErläuternȱSieȱdieȱBegriffeȱGruppenkohäsionȱundȱGruppenkultur.ȱ 5. DefinierenȱSieȱdenȱBegriffȱTeam.ȱVergleichenȱSieȱTeamȱundȱGruppe.ȱ 6. WasȱverstehenȱSieȱunterȱdemȱSynegieeffektȱinȱderȱTeamarbeit?ȱ 7. DiskutierenȱSieȱVorȬȱundȱNachteileȱderȱTeamarbeit.ȱ 8. BeschreibenȱSieȱdieȱPhasenȱderȱGruppenentwicklungȱundȱdieȱRolleȱdesȱGruppenȬ leitersȱinȱjederȱPhase.ȱ 9. Welcheȱ Faktorenȱ bestimmenȱ dieȱ Gruppenleistung?ȱ Wieȱ kannȱ derȱ Gruppenleiterȱ denȱGruppenerfolgȱbeeinflussen?ȱȱ 10. ErläuternȱSieȱdasȱModellȱderȱThemenzentriertenȱInteraktionȱnachȱR.ȱCohn.ȱ 11. WieȱundȱwarumȱentstehenȱKonflikteȱinȱGruppen?ȱȱ 12. Erläuternȱ Sieȱ VorȬȱ undȱ Nachteileȱ verschiedenerȱ Konfliktlösungsstrategienȱ (VerlieȬ rerȬVerliererȬ,ȱ GewinnerȬVerliererȬ,ȱ GewinnerȬGewinnerȬStrategieȱ sowieȱ KomproȬ miss).ȱ 13. BeschreibenȱSieȱdasȱGruppenlernenȱausȱkognitiverȱundȱkonstruktiverȱPerspektive.ȱ 14. WelcheȱAuswirkungenȱhatȱdieȱGruppeȱaufȱindividuellesȱLernen?ȱ 15. ErläuternȱSieȱdieȱBedingungenȱfürȱeineȱhoheȱGruppenleistung.ȱ 16. BeschreibenȱSieȱdieȱAufgabenȱeinesȱGruppenleiters.ȱ

196ȱ

Empfehlungen für einen Gruppenleiter

Teil C: Organisationsverhalten

WieȱverhaltenȱsichȱgroßeȱEinheitenȱwieȱUnternehmenȱalsȱGanzesȱoderȱihreȱTeile?ȱDieseȱ sozialenȱ Handlungseinheitenȱ sindȱ durchȱ einenȱ komplexenȱ Aufbauȱ undȱ vielseitigeȱ Interdependenzenȱ (Abhängigkeiten)ȱ gekennzeichnet,ȱ dieȱ zwischenȱ einzelnenȱ MitarȬ beiternȱ undȱ Gruppenȱ bestehen.ȱ Dasȱ individuelleȱ undȱ dasȱ Gruppenverhalten,ȱ dieȱ inȱ denȱ vorangegangenenȱ Abschnittenȱ dargestelltȱ wurden,ȱ werdenȱ inȱ einemȱ UnternehȬ menȱ durchȱ spezifischeȱ organisatorischeȱ Einflüsseȱ modifiziert,ȱ vorȱ allemȱ durchȱ dieȱ Unternehmensvision,ȱȬethikȱundȱȬkulturȱsowieȱformaleȱStrukturenȱ(AufbauorganisatiȬ on)ȱundȱProzesseȱ(Prozessorganisation).ȱȱ Betrachtetȱ manȱ einȱ Unternehmenȱ alsȱ eineȱ sichȱ selbstȱ gestaltendeȱ undȱ organisierendeȱ Handlungseinheit,ȱ dieȱ aufȱ dieȱ Erreichungȱ gemeinsamerȱ Zieleȱ hinȱ ausgerichtetȱ ist,ȱ dannȱ kannȱ manȱ fürȱ dieȱ Analyseȱ desȱ unternehmerischenȱ Handelnsȱ Ȭȱ analogȱ zuȱ demȱ individuellenȱHandelnȱȬȱdasȱbereitsȱbekannteȱganzheitlicheȱModellȱdesȱHandelnsȱ(vgl.ȱ Kapitelȱ7)ȱverwenden.ȱEinȱUnternehmenȱhandeltȱaufgrundȱseinesȱWissensȱundȱbrauchtȱ kontinuierlicheȱ Lernprozesse,ȱ umȱ innovationsfähigȱ zuȱ bleibenȱ undȱ imȱ KonkurrenzȬ kampfȱ zuȱ bestehen.ȱ Einȱ Unternehmenȱ spieltȱ inȱ seinemȱ Umfeldȱ eineȱ aktiveȱ Rolleȱ undȱ istȱ fürȱ seinȱ Handelnȱ undȱ dessenȱ Folgenȱ verantwortlich,ȱ deswegenȱ hatȱ seinȱ Handelnȱ eineȱ ethischeȱ Perspektive.ȱ Jedesȱ Unternehmenȱ entwickeltȱ imȱ Laufeȱ seinerȱ Geschichteȱ eineȱunverwechselbareȱUnternehmenskultur,ȱdieȱseinȱVerhalten,ȱdieȱvorherrschendenȱ Führungsstile,ȱȬmethodenȱundȱȬinstrumenteȱsowieȱLernprozesseȱbeeinflusst.ȱȱ Dieȱ einzelnenȱ relevantenȱ Aspekteȱ desȱ Handelnsȱ vonȱ Unternehmenȱ werdenȱ inȱ denȱ weiterȱ folgendenȱ Kapitelnȱ erläutert.ȱ Zunächstȱ wirdȱ einȱ Unternehmenȱ alsȱ eineȱ HandȬ lungseinheitȱbetrachtet,ȱwobeiȱaufȱdasȱPhänomenȱderȱUnternehmenskulturȱalsȱWiderȬ spiegelungȱderȱEinmaligkeitȱeinesȱUnternehmensȱeingegangenȱwird.ȱWeiterȱfolgtȱeineȱ Analyseȱ vonȱ Unternehmensethikȱ mitȱ ihrerȱ AußenȬȱ undȱ Innenperspektive:ȱ Ethikȱ vonȱ Unternehmenȱ alsȱ dieȱ Verantwortungȱ gegenüberȱ relevantenȱ Stakeholdernȱ imȱ Umfeldȱ desȱ Unternehmensȱ undȱ dieȱ interneȱ Unternehmensethikȱ mitȱ derȱ Führungsethikȱ imȱ Mittelpunkt.ȱ Danachȱ werdenȱ dieȱ Führungskonzepteȱ sowieȱ Führungsstileȱ undȱ Ȭ instrumenteȱaufȱderȱEbeneȱdesȱGesamtunternehmensȱdiskutiert.ȱZumȱSchlussȱwirdȱdieȱ Problematikȱ desȱ Lernensȱ undȱ WissensȱinȱUnternehmen,ȱ dieȱinȱ modernenȱ WissensgeȬ sellschaftenȱ eineȱ besondereȱ Aktualitätȱ besitztȱ undȱ fürȱ einenȱ langfristigenȱ UnternehȬ menserfolgȱunabdingbarȱist,ȱbetrachtet.ȱ

197ȱ

11.8

12

Unternehmenskultur

12 Unternehmenskultur Bereitsȱ seitȱ mehrerenȱ Jahrzehntenȱ gehörtȱ dasȱ Wortȱ „Unternehmenskultur“ȱ zumȱ VoȬ kabularȱ vonȱ Wissenschaftlern,ȱ Beraternȱ undȱ Praktikern.ȱ Dieȱ Zeitenȱ derȱ Verspottungȱ undȱAblehnung,ȱaberȱauchȱdieȱPeriodeȱderȱübertriebenenȱModeȱundȱdesȱBeschwörensȱ derȱUnternehmenskulturȱalsȱAllheilmittelȱsindȱvorbei.ȱEineȱgezielteȱUnternehmenskulȬ turgestaltungȱ zähltȱ zuȱ denȱ wichtigenȱ Instrumentenȱ desȱ Managementsȱ undȱ istȱ ausȱ TheorieȱundȱPraxisȱderȱUnternehmensführungȱnichtȱmehrȱwegzudenken.ȱȱ DieȱKulturȱeinesȱUnternehmensȱbildetȱdieȱGrundlageȱfürȱdasȱVerhaltenȱseinerȱMitarȬ beiterȱ untereinanderȱ sowieȱ imȱAußenverhältnis:ȱ sieȱ schafftȱ interneȱ Identifikation,ȱ koȬ ordiniertȱ dasȱ Handelnȱ einzelnerȱ Unternehmensakteureȱ undȱ prägtȱ dasȱ ErscheinungsȬ bildȱ desȱ Unternehmensȱ gegenüberȱ Stakeholdernȱ –ȱ Kunden,ȱ Lieferantenȱ undȱ anderenȱ gesellschaftlichenȱ Gruppen.ȱ Damitȱ trägtȱ dieȱ Unternehmenskulturȱ zumȱ Erfolgȱ desȱ UnternehmensȱbeiȱundȱwirktȱalsȱeinȱgewinnbeeinflussenderȱFaktor.ȱ ZugleichȱistȱdieȱUnternehmenskulturȱschwerȱgreifbarȱundȱkaumȱmessbarȱ–ȱmanȱkannȱ sieȱmitȱhartenȱ Faktenȱ undȱZahlenȱnichtȱbeschreiben.ȱDieȱUnternehmenskulturȱbedarfȱ einerȱdynamischenȱundȱsystematischenȱBetrachtung:ȱalsȱdynamischesȱPhänomenȱzwiȬ schenȱUnternehmensgeschichteȱundȱZukunftsvisionen,ȱoffenȱfürȱpolitische,ȱwirtschaftȬ licheȱundȱsozialeȱEinflusseȱinternerȱundȱexternerȱNatur,ȱsowieȱalsȱunfassbares,ȱimagiȬ näresȱ Konstrukt,ȱ dasȱ inȱ Formȱ vonȱ Interaktionenȱ undȱ Kommunikationenȱ derȱ UnterȬ nehmensmitgliederȱexistiertȱundȱvonȱihnenȱimmerȱwiederȱneuȱgeschaffenȱwird.ȱȱ Trotzȱ dieserȱ Komplexitätȱ gibtȱ esȱ verschiedeneȱ Methodenȱ derȱ Kulturerfassung,ȱ derenȱ AnwendungȱspezielleȱKenntnisseȱundȱFingerspitzengefühlȱbenötigt.ȱAuchȱeineȱgezielȬ teȱ Unternehmenskulturgestaltungȱ istȱ möglich,ȱ erfordertȱ allerdingsȱ eineȱ breiteȱ UnterȬ stützungȱ derȱ Mitarbeiterȱ desȱ Unternehmens,ȱ dennȱ dieȱ Kulturȱ kannȱ nichtȱ verordnet,ȱ sondernȱnurȱgelebtȱwerden.ȱBeiȱderȱGestaltungȱderȱUnternehmenskulturȱspielenȱethiȬ scheȱ Kriterienȱ eineȱ entscheidendeȱ Rolle,ȱ dieȱ dieȱ Frageȱ nachȱ geeignetenȱ Wertenȱ undȱ Normenȱ derȱ kollektivenȱ Realitätȱ beantworten.ȱ Unternehmenskulturȱ undȱ UnternehȬ mensethikȱbeeinflussenȱsichȱgegenseitig,ȱindemȱdieȱEthikȱeineȱnormativeȱBasisȱfürȱdieȱ inȱUnternehmenȱgelebtenȱWerteȱundȱNormenȱdarstelltȱundȱderenȱGültigkeitȱundȱGüteȱ permanentȱüberprüft.ȱȱ Diesesȱ Kapitelȱ beginntȱ mitȱ einerȱ Analyseȱ desȱ Unternehmensȱ alsȱ Handlungseinheit.ȱ Danachȱ werdenȱ dieȱ Bedeutung,ȱ Definitionenȱ undȱ Modelleȱ derȱ ȱ Unternehmenskulturȱ dargestellt.ȱDerȱSchwerpunktȱistȱbewusstȱaufȱdieȱMethodenȱderȱKulturerfassungȱundȱ Ȭgestaltungȱ gelegt,ȱ mitȱ derenȱ Hilfeȱ positiveȱ Wirkungenȱ derȱ Kulturȱ imȱ Interesseȱ desȱ Unternehmensȱerzieltȱwerdenȱkönnen.ȱ

198ȱ

12.1

Unternehmen als Handlungseinheit

12.1

Unternehmen als Handlungseinheit

Dasȱ Unternehmenȱ alsȱ Handlungseinheitȱ wirdȱ inȱ derȱ Literaturȱ nichtȱ einheitlichȱ defiȬ niert.ȱ Dieȱ klassischeȱ Betriebswirtschaftslehreȱ (z.B.ȱ H.ȬJ.ȱ Rahn)ȱ betrachtetȱ einȱ UnterȬ nehmenȱ alsȱ einȱ mechanistischesȱ Konstrukt:ȱ einȱ Unternehmenȱ istȱ „eineȱ planmäßigȱ organisierteȱBetriebswirtschaft,ȱinȱderȱGüterȱbzw.ȱDienstleistungenȱbeschafft,ȱverwerȬ tet,ȱ verwaltetȱ undȱ abgesetztȱ werden.ȱ Dieȱ Unternehmenȱ derȱ Marktwirtschaftȱ strebenȱ nachȱErfolg,ȱderȱaufȱentsprechenderȱUnternehmensführungȱbasiert.“225ȱ Imȱ Rahmenȱ desȱ systemtheoretischenȱAnsatzesȱ (nachȱ H.ȱ Ulrich)ȱ istȱ einȱ Unternehmenȱ eineȱzielgerichteteȱgesellschaftlicheȱInstitution,ȱdieȱdieȱEigenschaftenȱdynamischerȱundȱ komplexerȱ Systemeȱ aufweistȱ undȱ selbstȱ inȱ eineȱ entsprechendȱ vielschichtigeȱ Umweltȱ eingegliedertȱist.226ȱ AusȱkonstruktivistischerȱPerspektiveȱ(P.ȱHejl,ȱH.ȱStahl)227ȱistȱeinȱUnternehmenȱeineȱvonȱ denȱMitarbeiternȱundȱanderenȱStakeholdernȱgeschaffeneȱRealität,ȱfürȱdieȱjederȱseinenȱ Teilȱ derȱ Verantwortungȱ trägt.ȱ Dabeiȱ werdenȱ einemȱ Unternehmenȱ individuelleȱ EigenȬ schaftenȱ wieȱ subjektiveȱ Wahrnehmungȱ derȱ Umweltȱ undȱ einȱ individuellesȱ Wissenȱ zugeschrieben.ȱȱ FolgendeȱDefinitionȱdesȱUnternehmensȱalsȱHandlungseinheitȱfasstȱdieseȱPerspektivenȱ zusammen:ȱ Einȱ Unternehmenȱ istȱ eineȱ sichȱ selbstȱ organisierendeȱ undȱ gestaltendeȱ sozialeȱ Handlungseinheit,ȱ dieȱ aufȱ dieȱ langfristigeȱ Erreichungȱ gemeinsamerȱ Zieleȱ ausgerichtetȱist.ȱ DasȱzielgerichteteȱundȱeigenständigeȱHandelnȱeinesȱUnternehmensȱkannȱaufgrundȱdesȱ ModellsȱdesȱganzheitlichenȱHandelnsȱ(Vgl.ȱKapitelȱ7)ȱerläutertȱwerden:ȱ

Abb.ȱ49:ȱHandelnȱeinesȱUnternehmensȱ

Lernen

Unternehmen

als Veränderung aller Wissenstypen

das aufgrund seines beschreibenden, prozessualen und emotionalen Wissens handelt

Wahrnehmung aufgrund vorhandenen Wissens

Umwelt Entscheidung

Aktives Handeln

ȱ EinȱUnternehmenȱverfolgtȱgemeinsameȱZiele,ȱdieȱinȱFormȱvonȱVisionenȱundȱStrategienȱ festgelegtȱwerden.ȱSeinȱHandelnȱbasiertȱaufȱWissenȱundȱsetztȱkontinuierlicheȱLernproȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 225ȱ Rahn,ȱH.ȬJ.ȱUnternehmensführung,ȱS.ȱ23.ȱ 226ȱ Ulrich,ȱH.ȱVonȱderȱBetriebswirtschaftslehreȱzurȱsystemorientiertenȱFührungslehre,ȱS.ȱ161.ȱ 227ȱ Vgl.ȱHejl,ȱP.ȱM.;ȱStahl,ȱH.ȱK.ȱ(Hrsg.)ȱManagementȱundȱWirklichkeit.ȱ

199ȱ

12

Unternehmenskultur

zesseȱvoraus.ȱNurȱunterȱderȱBedingungȱdesȱkontinuierlichenȱLernensȱkannȱeinȱUnterȬ nehmenȱinnovationsfähigȱbleibenȱundȱinȱderȱKonkurrenzȱbestehen.ȱȱ Dasȱ Verhältnisȱ zwischenȱ demȱ Unternehmenȱ undȱ seinerȱ Umweltȱ wirdȱ durchȱ dieȱ ProȬ zesseȱ derȱ Wahrnehmungȱ undȱ desȱ aktivenȱ Handelnsȱ bestimmt:ȱ dasȱ Unternehmenȱ nimmtȱseineȱrelevanteȱUmgebungȱwahr,ȱwobeiȱvorȱallemȱKundenȱundȱihreȱBedürfnisȬ se,ȱ Konkurrentenȱ undȱ allgemeineȱ Rahmenbedingungenȱ imȱ Vordergrundȱ stehen.ȱ ZuȬ gleichȱ hatȱ dasȱ Handelnȱ einesȱ Unternehmensȱ einenȱ aktivenȱ Charakterȱ undȱ führtȱ zurȱ Veränderungȱ seinerȱ Umwelt.ȱ Dabeiȱ istȱ dasȱ Unternehmenȱ zurechnungsfähigȱ undȱ fürȱ seineȱ Entscheidungenȱ undȱ Handlungenȱ verantwortlich,ȱ deswegenȱ hatȱ seinȱ Handelnȱ einenȱethischenȱAspekt.ȱManȱkannȱdabeiȱzwischenȱderȱEthikȱvonȱundȱinȱUnternehmenȱ unterscheidenȱ (AußenȬȱ undȱ Innenperspektive).ȱAufȱ derȱ einenȱ Seiteȱ istȱ einȱ UnternehȬ menȱ gegenüberȱ relevantenȱ Stakeholdernȱ inȱ seinemȱ Umfeldȱ verantwortlich.ȱ Aufȱ derȱ anderenȱSeiteȱhatȱdasȱinterneȱVerhaltenȱimȱUnternehmen,ȱvorȱallemȱdasȱFührungsverȬ halten,ȱeinenȱethischenȱAspekt.ȱDieȱBeziehungenȱzwischenȱdenȱFührungskräftenȱundȱ MitarbeiternȱsowieȱdieȱinȱUnternehmenȱdominierendenȱFührungsstileȱundȱȬkonzepteȱ sindȱ imȱ Zusammenspielȱ mitȱ jeweilsȱ einmaliger,ȱ historischȱ gewachsenerȱ Kulturȱ undȱ EthikȱdesȱUnternehmensȱzuȱbetrachten.ȱȱ EinȱUnternehmenȱorganisiertȱundȱgestaltetȱsichȱselbstȱundȱhandeltȱzielgerichtet.ȱDesȬ wegenȱeignetȱsichȱfürȱdieȱAnalyseȱseinesȱHandelnsȱdieȱMetapherȱeinesȱIndividuums,ȱ dieȱfolgendeȱwichtigeȱMerkmaleȱhat:ȱ

„ Jedesȱ Unternehmenȱ istȱ einmalig,ȱ hatȱ seineȱ eigeneȱ Geschichte,ȱ Traditionenȱ undȱ Besonderheiten.ȱDeswegenȱgibtȱesȱkeineȱallgemeingültigenȱTheorien,ȱwieȱmanȱeinȱ Unternehmenȱ erfolgreichȱ führenȱ soll.ȱ Theoretischeȱ Grundlagenȱ undȱ Prinzipienȱ solltenȱanȱjedesȱkonkreteȱUnternehmenȱangepasstȱwerden.ȱ

„ EinȱUnternehmenȱistȱeinȱErgebnisȱmenschlicherȱTätigkeit,ȱeinȱKonstruktȱoderȱArteȬ fakt,ȱdasȱvonȱMenschenȱimmerȱwiederȱneuȱgeschaffenȱwird.ȱEinȱUnternehmenȱlebtȱ nurȱdurchȱundȱdankȱderȱMenschen,ȱdieȱinȱundȱanȱihmȱarbeiten.ȱ

„ EinȱUnternehmenȱistȱeinȱoffenesȱSystem,ȱesȱunterliegtȱständigenȱVeränderungenȱimȱ Prozessȱ derȱ Anpassungȱ anȱ dieȱ Anforderungenȱ vonȱ außenȱ (Gesellschaft,ȱ Markt,ȱ Konkurrenz,ȱKundenȱetc.)ȱundȱvonȱinnenȱ(eigeneȱMitarbeiter).ȱObȱdieseȱVerändeȬ rungenȱ erwünschtȱ undȱ gesteuertȱ werden,ȱ oderȱ auchȱ nichtȱ –ȱ sieȱ findenȱ trotzdemȱ statt.ȱ

„ Dieȱ Komplexitätȱ desȱ Aufbausȱ undȱ derȱ Funktionenȱ einesȱ Unternehmensȱ basiertȱ sowohlȱaufȱseinerȱAufbauȬȱundȱProzessorganisation,ȱalsȱauchȱaufȱderȱKomplexitätȱ derȱzwischenmenschlichenȱBeziehungen,ȱdieȱimȱSpielȱsind.ȱFolglichȱkannȱeinȱUnȬ ternehmenȱ mitȱ ausschließlichȱ formellenȱ Mittelnȱ undȱ Methodenȱ nichtȱ erfolgreichȱ geführtȱ werden,ȱ esȱ brauchtȱ auchȱ „weiche“ȱ Faktorenȱ wieȱ Unternehmensklima,ȱ Ȭ leitbilderȱundȱȬkultur.ȱ

200ȱ

Zur Bedeutung der Unternehmenskultur

WelcheȱMerkmaleȱkönnenȱfürȱdieȱBeschreibungȱundȱdenȱVergleichȱvonȱverschiedenenȱ Unternehmenȱ benutztȱ werden?ȱ Mitȱ dieserȱFrageȱ habenȱ sichȱ inȱ denȱ 1970erȱ Jahrenȱ PeȬ tersȱundȱWatermanȱbeschäftigt,ȱdieȱseitdemȱalsȱPioniereȱderȱUnternehmenskulturtheoȬ rieȱgelten.ȱSieȱhabenȱsiebenȱOrganisationsmerkmaleȱdefiniertȱundȱinȱ„harte“ȱundȱ„weiȬ che“ȱFaktorenȱgegliedert.228ȱAlsȱharteȱFaktorenȱwurdenȱgenannt:ȱ

„ Strategyȱ(Strategie),ȱȱ „ Structurȱ(Organisationsstruktur),ȱȱ „ Systemsȱ(SystemeȱderȱPlanungȱundȱKontrolle)ȱundȱȱ „ superordinateȱGoalsȱ(übergeordneteȱUnternehmensziele).ȱȱ AlsȱweicheȱFaktorenȱ(SoftȱFacts)ȱdefinierenȱPetersȱundȱWaterman:ȱȱ

„ Skillsȱ(fachlicheȱundȱsozialeȱQualifikationen),ȱȱ „ Styleȱ(FührungsstilȱundȱBetriebsklima)ȱundȱȱ „ Staffingȱ(StellenbesetzungȱundȱBeförderung).ȱȱ DieȱDefinitionȱderȱweichenȱFaktoren,ȱdieȱdenȱUnternehmenserfolgȱbeeinflussen,ȱmünȬ detȱ inȱ denȱ Theorienȱ derȱ Unternehmenskultur,ȱ dieȱ seitȱ denȱ 1980erȱ Jahrenȱ eineȱ breiteȱ Anerkennungȱ gefundenȱ haben.ȱ Unternehmenskulturȱ istȱ einȱ Ausdruckȱ derȱ EinmaligȬ keitȱeinesȱUnternehmens,ȱseinerȱ„Persönlichkeit“.ȱJedesȱUnternehmenȱhatȱeineȱUnterȬ nehmenskultur,ȱdieȱimȱLaufeȱderȱZeitȱȬȱauchȱunabhängigȱvomȱmenschlichenȱWillenȱ–ȱ entsteht.ȱSieȱkannȱnichtȱverordnet,ȱsondernȱnurȱlangsamȱgestaltetȱwerden.ȱDieȱUnterȬ nehmenskulturȱ spiegeltȱ alleȱ geteiltenȱ Werte,ȱ Normenȱ undȱ Verhaltensweisenȱ derȱ MitȬ arbeiterȱwiderȱundȱbeeinflusstȱdasȱVerhaltenȱderȱMenschenȱinȱUnternehmen.ȱ

12.2

Zur Bedeutung der Unternehmenskultur

Dieȱ Geburtȱ desȱ Begriffsȱ „Unternehmenskultur“ȱ inȱ denȱ USAȱ undȱ derȱ BRDȱ inȱ denȱ 1970erȱ Jahrenȱ wirdȱ häufigȱ alsȱ eineȱAntwortȱ aufȱ dasȱ „Japanischeȱ Wirtschaftswunder“ȱ bezeichnet.ȱ Eineȱ Analyseȱ desȱ Erfolgsȱ japanischerȱ Unternehmenȱ hatȱ damalsȱ zuȱ derȱ Erkenntnisȱ geführt,ȱ dassȱ nichtȱ nurȱ reinȱ technischeȱ undȱ betriebswirtschaftlicheȱ (sogeȬ nannteȱ„harte“)ȱFaktoren,ȱsondernȱauchȱLoyalität,ȱKooperationsfähigkeit,ȱIdentifikatiȬ on,ȱ Fleißȱ undȱ andereȱ „weiche“ȱ Faktorenȱ gewinnbringendȱ seinȱ können.229ȱAllerdingsȱ wäreȱ dieseȱ Erkenntnisȱ ohneȱ dieȱ allgemeineȱ ideologischeȱ Wendeȱ inȱ derȱ BetriebswirtȬ schaftslehreȱ nichtȱ möglichȱ gewesen,ȱ dieȱdenȱ Menschen,ȱ dieȱ Persönlichkeitȱ desȱ MitarȬ beitersȱinȱdenȱMittelpunktȱgestelltȱhatte.ȱDieseȱWendeȱwurdeȱdurchȱdieȱVeränderungȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 228ȱ Vgl.ȱPeters,ȱT.J.,ȱWaterman,ȱR.H.ȱAufȱderȱSucheȱnachȱSpitzenleistungen.ȱ 229ȱ Vgl.ȱAnsätzeȱvonȱW.ȱG.ȱOuchi,ȱT.ȱDeal/A.ȱKennedyȱsowieȱvonȱT.JȱPeters/R.H.ȱWaterman.ȱ

201ȱ

12.2

12

Unternehmenskultur

derȱ Mitarbeiterfunktionȱ inȱ Unternehmenȱ hervorgerufen:ȱ fürȱ eineȱ hochentwickelteȱ IndustrieȬȱ undȱ Informationsgesellschaftȱ reichtȱ dieȱ Rolleȱ einesȱ Rädchensȱ imȱ mechaniȬ schenȱGetriebeȱnichtȱmehrȱaus.ȱVonȱdemȱmodernenȱMitarbeiterȱwirdȱerwartet,ȱdassȱerȱ nichtȱnurȱseineȱkörperlicheȱKraft,ȱsondernȱauchȱseineȱKreativitätȱundȱdenȱIdeenreichȬ tumȱ einsetzt.ȱ Dieȱ Letzterenȱ könnenȱ nichtȱ erzwungenȱ werden,ȱ wohlȱ aberȱ freiwilligȱ eingebracht,ȱ fallsȱ Identifikation,ȱ Zusammengehörigkeitsgefühlȱ undȱ intrinsischeȱ MotiȬ vationȱvorhandenȱsind.ȱImȱRahmenȱdiesesȱneuenȱFührungsverständnissesȱgebührtȱderȱ UnternehmenskulturȱeineȱbedeutendeȱRolle.ȱȱ PraktischeȱBedeutungȱsowieȱwachsendesȱInteresseȱanȱdemȱThemaȱUnternehmenskulȬ turȱkönnenȱaufȱdreiȱaktuelleȱEntwicklungstendenzenȱzurückgeführtȱwerden:ȱȱ

„ dieȱ Anerkennungȱ derȱ Rolleȱ kulturellerȱ Faktorenȱ fürȱ denȱ wirtschaftlichenȱ Erfolgȱ einesȱUnternehmens,ȱȱ

„ dieȱsteigendeȱAnzahlȱvonȱFusionenȱundȱFirmenübernahmenȱundȱdasȱVerständnisȱ derȱNotwendigkeitȱvonȱkulturellerȱKompatibilitätȱinȱdiesemȱProzessȱsowieȱȱ

„ zunehmendeȱ internationaleȱ Aktivitätenȱ vonȱ Unternehmen,ȱ dieȱ interkulturelleȱ Kommunikationȱ undȱ Bewältigungȱ interkulturellerȱ Problemeȱ zuȱ einerȱ zentralenȱ Unternehmensaufgabeȱmachen.ȱȱ WissenschaftlicheȱUntersuchungenȱzeigen,ȱdassȱdieȱRolleȱderȱKulturȱvonȱvielenȱdeutȬ schenȱ Unternehmenȱ erkanntȱ undȱ anerkanntȱ wird.ȱ Einȱ imȱ Jahreȱ 2001ȱ vonȱ derȱ BertelsȬ mannȱ undȱ derȱ Hansȱ Böcklerȱ Stiftungȱ gemeinsamȱ durchgeführtesȱ Projektȱ „UnternehȬ menskulturȱ zwischenȱ Partnerschaftȱ undȱ Mitbestimmung“230ȱ hatȱ bewiesen,ȱ dassȱ dasȱ Verständnisȱ vonȱ Unternehmenskulturȱ alsȱ Wettbewerbsfaktor,ȱ sowieȱ sozialeȱ VerantȬ wortungȱ undȱ ethischeȱ Grundorientierungȱ fürȱ vieleȱ deutscheȱ Unternehmenȱ charakteȬ ristischȱsind.ȱInnerhalbȱdesȱUnternehmensȱwirdȱdieȱKulturȱalsȱFaktorȱderȱIdentifikatiȬ on,ȱMotivationȱundȱfolglichȱderȱArbeitsleistungssteigerungȱangesehen.ȱAuchȱderȱUmȬ gangȱ mitȱ Stakeholdernȱ innerhalbȱ undȱ außerhalbȱ desȱ Unternehmensȱ wieȱ Mitarbeiter,ȱ Kunden,ȱAnteilseigner,ȱLieferanten,ȱBanken,ȱBehördenȱundȱInstitutionen,ȱVertreterȱderȱ MedienȱundȱgesellschaftlicherȱGruppenȱwirdȱvonȱderȱUnternehmenskulturȱbestimmt.ȱȱ Derȱ Zusammenhangȱ zwischenȱ derȱ Unternehmenskulturȱ undȱ derȱ WettbewerbsfähigȬ keitȱ einesȱ Unternehmensȱ wirdȱ inȱ zahlreichenȱ Untersuchungenȱ belegt.ȱ Eineȱ aktuelleȱ Studieȱ derȱ Beratungsfirmaȱ Deepȱ Whiteȱ inȱ Kooperationȱ mitȱ demȱ Instituteȱ forȱ mediaȱ andȱ communicationsȱ managementȱ derȱ Universitätȱ St.ȱ Gallenȱ bestätigtȱ denȱ ZusamȬ menhangȱ zwischenȱ bestimmtenȱ Wertenȱ undȱ demȱ Erfolgȱ einesȱ Unternehmensȱ undȱ führtȱdenȱbetriebswirtschaftlichenȱErfolgȱzuȱeinemȱViertelȱaufȱdieȱgelebteȱWertekulturȱ zurück.231ȱȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 230ȱ BertelsmannȱStiftung/HansȬBöcklerȬStiftungȱ(Hsg.)ȱPraxisȱUnternehmenskultur,ȱ2001.ȱ 231ȱ Vgl.ȱhttp://www.managerȬmagazin.de/koepfe/karriere/0,2828,324209,00.htmlȱ(12.07.07).ȱ

202ȱ

Definitionen der Unternehmenskultur

Inȱ derȱ Zeitȱ derȱ Globalisierung,ȱ derȱ Fusionenȱ sowieȱ derȱ Unternehmenskooperationenȱ gewinntȱ dieȱ Unternehmenskulturȱ zunehmendȱ anȱ Bedeutung,ȱ dennȱ häufigȱ wirdȱ dasȱ ScheiternȱvonȱBündnisversuchenȱaufȱdieȱInkompatibilitätȱvonȱUnternehmenskulturenȱ zurückgeführt.ȱ Dieȱ Bertelsmannȱ Stiftungȱ hatȱ festgestellt,ȱ dassȱ fürȱ dasȱ Scheiternȱ vonȱ etwaȱ derȱ Hälfteȱ allerȱ Fusionenȱ inȱ 70ȱ Prozentȱ derȱ Fälleȱ dasȱ Aufeinandertreffenȱ verȬ schiedenerȱKulturenȱverantwortlichȱsei.ȱDieȱ„postȱmergerȱintegration“ȱwirdȱdurchȱdieȱ weichenȱ Faktorenȱ wieȱ Unternehmenskultur,ȱ Leitbild,ȱ persönlicheȱ Einstellungenȱ undȱ Motivationenȱbestimmt.232ȱȱ Dieȱ hoheȱ Relevanzȱ desȱ Themasȱ Unternehmenskulturȱ inȱ derȱ Praxisȱ –ȱ alsȱ erfolgsȬ steigenderȱ Faktorȱ jedesȱ einzelnenȱ Unternehmensȱ undȱ alsȱ wichtigeȱ Einflussgrößeȱ beiȱ Unternehmensfusionenȱ undȱ internationalenȱ Kooperationenȱ –ȱ hatȱ zahlreicheȱ wissenȬ schaftlicheȱUntersuchungenȱundȱTheorienȱderȱUnternehmenskulturȱinsȱLebenȱgerufen,ȱ dieȱimȱWeiterenȱausführlichȱerläutertȱwerden.ȱȱ

12.3

Definitionen der Unternehmenskultur

DieȱUnternehmenskulturdefinitionenȱgehenȱaufȱdenȱallgemeinenȱKulturbegriffȱzurückȱ undȱ könnenȱ ohneȱ ihnȱ nichtȱ verstandenȱ werden.ȱ Eineȱ derȱ bekanntestenȱ Definitionenȱ derȱKulturȱstammtȱvonȱdemȱSoziologenȱundȱKulturforscherȱGeertȱHofstede:ȱKulturȱistȱ eineȱ „kollektiveȱ Programmierungȱ desȱ Geistes,ȱ dieȱ dieȱ Mitgliederȱ einerȱ Gruppeȱ oderȱ Kategorieȱ vonȱ Menschenȱ vonȱ einerȱ anderenȱ unterscheidet.“233ȱ Inȱ dieserȱ „mentalenȱ Programmierung“ȱerlernenȱMenschenȱbestimmteȱDenkȬ,ȱFühlȬȱundȱHandlungsmuster,ȱ dieȱ ihrȱ Verhalten,ȱ ihreȱ Wahrnehmung,ȱ Gefühleȱ undȱ Einstellungenȱ prägen.ȱ Darausȱ ergibtȱsichȱeineȱerlernteȱundȱnichtȱeineȱererbteȱKultur.ȱȱ Derȱ Begriffȱ „Kultur“ȱ kannȱ aufȱ jedeȱ Gruppeȱ angewendetȱ werden:ȱ Familie,ȱ ArbeitsȬ gruppe,ȱ Unternehmen,ȱ Gesellschaftȱ usw.ȱ Dort,ȱ woȱ dieȱ Menschenȱ zusammenleȬ ben/arbeiten,ȱ entstehenȱ allgemeineȱ Normenȱ desȱ Verhaltens,ȱ dieȱ sichȱ verfestigenȱ undȱ dasȱ menschlicheȱ Miteinanderȱ regeln.ȱ Jedesȱ neueȱ Mitgliedȱ derȱ Gruppeȱ wirdȱ inȱ dieseȱ Regelnȱ eingeweihtȱ undȱ dasȱ Nichtanhaltenȱ derȱ gültigenȱ Normenȱ wirdȱ bestraft.ȱ Soȱ erȬ klärtȱdasȱEntstehenȱundȱWeitertragenȱeinerȱUnternehmenskulturȱderȱKulturtheoretikerȱ Edgarȱ Schein.ȱ Seineȱ Definitionȱ derȱ Unternehmenskulturȱ lautet:ȱ Dieȱ Kulturȱ einerȱ Gruppeȱistȱ„einȱMusterȱgemeinsamerȱGrundprämissen,ȱdasȱdieȱGruppeȱbeiȱderȱBewälȬ tigungȱ ihrerȱ Problemeȱ externerȱ Anpassungȱ undȱ internerȱ Integrationȱ erlerntȱ hat,ȱ dasȱ sichȱ bewährtȱ hatȱ undȱ somitȱ alsȱ bindendȱ gilt;ȱ undȱ dasȱ daherȱ anȱ neueȱ Mitgliederȱ alsȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 232ȱ BertelsmannȬȱundȱHansȬBöcklerȬStiftungȱ(Hrsg.)ȱPraxisȱUnternehmenskultur,ȱBandȱ5,ȱS.ȱ11.ȱ 233ȱ Hofstede,ȱG.ȱLokalesȱDenken,ȱglobalesȱHandeln,ȱS.4.ȱ

203ȱ

12.3

12

Unternehmenskultur

rationalȱundȱemotionalȱkorrekterȱAnsatzȱfürȱdenȱUmgangȱmitȱdiesenȱProblemenȱweiȬ tergegebenȱwird.“234ȱȱ Neuberger/KompaȱdefinierenȱUnternehmenskulturȱalsȱ„dieȱSummeȱderȱÜberzeugunȬ gen,ȱRegelnȱundȱWerte,ȱdieȱdasȱTypischeȱundȱEinmaligeȱeinesȱUnternehmensȱausmaȬ chen“235ȱ undȱ legenȱ damitȱ besonderenȱ Wertȱ aufȱ dieȱ Einzigartigkeitȱ einesȱ UnternehȬ mens,ȱdieȱsichȱinȱderȱUnternehmenskulturȱwiderspiegelt.ȱȱ DieȱKulturȱistȱeinȱkollektivesȱPhänomenȱ–ȱsieȱkannȱnurȱinȱeinerȱGemeinschaftȱerzeugt,ȱ gelebtȱ undȱ weitergetragenȱ werden.ȱ Folglichȱ kannȱ sieȱ nichtȱ vonȱ derȱ Führungȱ einesȱ Unternehmensȱ „beschlossen“ȱ undȱ „eingeführt“ȱ werden,ȱ sondernȱ bedarfȱ einerȱ engaȬ giertenȱTeilnahmeȱallerȱMitarbeiter.ȱDieȱUnternehmenskulturȱistȱüberallȱdortȱpräsent,ȱ woȱ Menschenȱ inȱ Interaktionȱ treten.ȱ Sieȱ existiertȱ nichtȱ aufȱ Papier,ȱ nichtȱ inȱ Formȱ vonȱ Unternehmensphilosophieȱ oderȱ –mission,ȱ sondernȱ inȱ denȱ Köpfenȱ undȱ imȱ Verhaltenȱ vonȱMitarbeitern.ȱUnternehmenskulturȱistȱzumȱgroßenȱTeilȱimplizitȱ(unbewusst),ȱnirȬ gendsȱ festgehalten,ȱ historischȱ gewachsen,ȱ denȱ Menschenȱ garȱ nichtȱ oderȱ kaumȱ beȬ wusst,ȱ hatȱ allerdingsȱ eineȱ selbstverständlicheȱ Gültigkeitȱ undȱ dementsprechendȱ eineȱ zentraleȱWirkungȱaufȱdasȱVerhalten.ȱÜblicherweiseȱwirdȱKulturȱalsȱ„ebenȱunsereȱArtȱ zuȱarbeiten“,ȱ„dieȱRitenȱundȱRitualeȱinȱunseremȱUnternehmen“,ȱoderȱalsȱ„GrundwerȬ te“ȱ bezeichnet,ȱ wennȱ dieȱ Kulturȱ anȱ neueȱ Mitarbeiterȱ weitergegebenȱ wird.236ȱ Dieȱ geȬ meinsamenȱWerte,ȱNormenȱundȱRegelnȱhabenȱeineȱinterneȱundȱeineȱexterneȱFunktion:ȱ Sieȱ regelnȱ dasȱVerhaltenȱ derȱ Menschenȱ untereinanderȱ undȱ grenzenȱ zugleichȱ dasȱ UnȬ ternehmenȱvonȱdenȱanderenȱGruppen/Einheitenȱab,ȱschaffenȱdadurchȱeineȱIdentität.ȱȱ Zusammenfassendȱ kannȱ dieȱ Unternehmenskulturȱ wieȱ folgtȱ definiertȱ werden:ȱ UnterȬ nehmenskulturȱ istȱ dieȱ Gesamtheitȱ derȱ verhaltensbeeinflussendenȱ Werte,ȱ Normenȱ undȱSymboleȱinȱeinemȱUnternehmen,ȱdieȱinȱderȱInteraktionȱgemeinsamȱgeschaffen,ȱ geteiltȱundȱweiterȱentwickeltȱwerdenȱundȱdieȱBasisȱfürȱdieȱUnternehmensidentitätȱ bilden.ȱ Unternehmenskulturȱ istȱ einȱ kollektivesȱ Phänomenȱ undȱ kannȱ nurȱ inȱ einerȱ GemeinȬ schaftȱ geschaffenȱ undȱ gelebtȱ werden.ȱ Sieȱ wirdȱ inȱ derȱ menschlichenȱ Interaktionȱ geȬ schaffenȱundȱhatȱdadurchȱeinenȱausgeprägtenȱemotionalenȱCharakter.ȱUnternehmensȬ kulturȱistȱdynamischȱ–ȱsieȱverändertȱsichȱmitȱdenȱVeränderungenȱderȱAußenwelt,ȱderȱ Gruppennormen,ȱ denȱ einzelnenȱ Individuen,ȱ undȱ wandlungsfähigȱ –ȱ manȱ kannȱ sieȱ gezieltȱ gestalten.ȱ Unternehmenskulturȱ machtȱ organisatorischesȱ Handelnȱ tendenziellȱ einheitlich,ȱschafftȱOrientierung,ȱträgtȱzurȱKoordinationȱbei,ȱerleichtertȱKommunikatiȬ on.ȱ Sieȱ spieltȱ eineȱ wichtigeȱ Rolleȱ beiȱ derȱ Entstehungȱ derȱ Identifikation,ȱ schafftȱ einȱ ZusammengehörigkeitsgefühlȱundȱbildetȱdieȱBasisȱfürȱeinȱgemeinsamesȱAuftretenȱdesȱ Unternehmensȱnachȱaußen.ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 234ȱ Schein,ȱE.ȱUnternehmenskultur,ȱS.ȱ25.ȱ 235ȱ Neuberger,ȱO./Kompa,ȱA.ȱWir,ȱdieȱFirma,ȱS.ȱ17.ȱ 236ȱ Vgl.ȱSchein,ȱE.:ȱUnternehmenskultur,ȱS.31.ȱ

204ȱ

Modelle der Unternehmenskultur

Umȱ dasȱ Phänomenȱ Unternehmenskulturȱ inȱ seinenȱ Einzelheitenȱ besserȱ zuȱ verstehenȱ sowieȱ dieȱ Zusammenhängeȱ zwischenȱ seinenȱ Bestandteilenȱ darzustellen,ȱ werdenȱ imȱ WeiterenȱeinigeȱUnternehmenskulturmodelleȱerläutert.ȱ

12.4

Modelle der Unternehmenskultur

Zuȱ denȱ traditionellenȱ Modellenȱ derȱ Unternehmenskulturȱ gehörenȱ dasȱ DreiȬEbenenȬ ModellȱvonȱE.ȱSchein,ȱdasȱweitȱverbreiteteȱDreiȬSchichtenȬModellȱausȱUnternehmensȬ philosophie,ȱ Ȭethikȱ undȱ –identitätȱ sowieȱ dasȱ Eisbergmodell.ȱ Dieseȱ Modelleȱ werdenȱ durchȱdasȱdynamischeȱModellȱvonȱM.ȱHatchȱergänzt,ȱdasȱdieȱUnternehmenskulturȱalsȱ dynamischenȱProzessȱdarstellt.ȱ DasȱbekanntesteȱUnternehmenskulturmodellȱstammtȱvonȱEdgarȱSchein.ȱSeineȱTheoȬ rieȱ undȱ seineȱ Untersuchungenȱ aufȱ demȱ Gebietȱ derȱ Erfassungȱ undȱ Gestaltungȱ vonȱ KulturȱdienenȱseitȱJahrzehntenȱalsȱBasisȱundȱInspirationȱfürȱvieleȱWissenschaftlerȱundȱ Praktiker.ȱ Alleȱ weiterenȱ Modelleȱ diesesȱ Kapitelsȱ könnenȱ alsȱ kreativeȱ Ergänzungȱ desȱ DreiȬEbenenȬModellsȱvonȱE.ȱScheinȱbetrachtetȱwerden.ȱDasȱModellȱvonȱE.ȱScheinȱumȬ fasstȱdreiȱEbenen:ȱArtefakte,ȱbekundeteȱWerteȱundȱGrundprämissenȱ(s.ȱAbbildung).ȱȱ

Abb.ȱ50:ȱ

EbenenȱderȱKulturȱnachȱE.ȱSchein237ȱ

Artefakte

Sichtbare Strukturen und Prozesse im Unternehmen (leicht zu beobachten, aber schwer zu entschlüsseln)

Bekundete Werte

Strategien, Ziele, Philosophie (bekundete Rechtfertigungen)

Unbewusste, selbstverständliche Anschauungen, Wahrnehmungen, Gedanken und Gefühle (Aus-

Grundprämissen

gangspunkt für Werte und Handlungen)

ȱ

DieȱobersteȱEbeneȱumfasstȱdieȱArtefakte.ȱSieȱsindȱdieȱsichtȬȱundȱspürbarenȱZeugnisseȱ einerȱ Gemeinschaftȱ undȱ beschreibenȱ „dieȱ Architekturȱ ihrerȱ räumlichenȱ Umgebung,ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 237ȱ Schein,ȱE.ȱUnternehmenskultur,ȱS.ȱ30.ȱ

205ȱ

12.4

12

Unternehmenskultur

ihreȱ Sprache,ȱ ihreȱ Technologieȱ undȱ Produkte,ȱ ihreȱ künstlerischenȱ Werkeȱ undȱ ihrȱ Stil,ȱ wieȱerȱinȱderȱKleidung,ȱderȱSprechweise,ȱdenȱGefühlsäußerungen,ȱdenȱLegendenȱundȱ Geschichtenȱ überȱ dasȱ Unternehmen,ȱ denȱ Verlautbarungenȱ überȱ Unternehmenswerteȱ undȱ denȱ beobachtbarenȱ Ritualenȱ undȱ Zeremonienȱ zumȱ Ausdruckȱ kommt.“238ȱ AufȬ grundȱderȱOffensichtlichkeitȱsindȱArtefakteȱleichtȱzuȱbeobachten.ȱAufȱdieserȱEbeneȱ„istȱ dieȱ Kulturȱ sehrȱ klarȱ undȱ hatȱ unmittelbareȱ emotionaleȱAuswirkungen.“239ȱAllerdingsȱ gelingtȱ demȱ Beobachterȱ dieȱ Entschlüsselungȱ derȱ dahinterliegendenȱ Bedeutungȱ nur,ȱ wennȱerȱinȱKenntnisȱderȱtiefliegendenȱEbenenȱ(WerteȱundȱGrundannahmen)ȱist.ȱ Dieȱ zweiteȱ Ebeneȱ derȱ Kulturȱ beinhaltetȱ dieȱ bekundetenȱ Werteȱ undȱ Normenȱ einesȱ Unternehmens.ȱ Diesȱ sindȱ dieȱ vonȱ allenȱ Beteiligtenȱ anerkanntenȱ undȱ gelebtenȱ PrinziȬ pienȱundȱLeitlinienȱimȱUmgangȱmitȱMitarbeitern,ȱKundenȱoderȱPartnern.ȱSieȱwerdenȱ häufigȱ inȱ Formȱ vonȱ Unternehmensstrategie,ȱ Unternehmenszielenȱ undȱ Ȭphilosophie,ȱ Kundenstrategie,ȱ Prinzipienȱ desȱ Qualitätsmanagementȱ usw.ȱ schriftlichȱ dokumentiert.ȱ TypischeȱAussagenȱsind:ȱ„UnsereȱMitarbeiterȱsindȱunsereȱwichtigsteȱRessource“ȱoderȱ „Wirȱ lebenȱ undȱ fördernȱ offeneȱ Kommunikation“.ȱ Damitȱ wirdȱ demȱ sichtbarenȱ AusȬ druckȱderȱUnternehmenskultur,ȱalsoȱderȱerstenȱEbene,ȱeinenȱSinnȱgegeben.ȱEineȱAusȬ kunftȱ überȱ dieȱ Werteȱ undȱ Normenȱ könnenȱ dieȱ Mitarbeiterȱ geben,ȱ dieȱlangjährigeȱ ErȬ fahrungȱimȱUnternehmenȱhaben,ȱobwohlȱauchȱihnenȱdieȱWerteȱoftȱnichtȱbewusstȱsind.ȱȱ DieȱtiefsteȱEbeneȱderȱUnternehmenskulturȱbildetȱihreȱBasisȱundȱerklärtȱdieȱsichtbarenȱ Artefakteȱ undȱ bekundetenȱ Normenȱ undȱ Werteȱ –ȱ dasȱ sindȱ dieȱ grundlegendenȱ undȱ unausgesprochenenȱ Annahmen,ȱ nachȱ E.ȱ Scheinȱ Grundprämissen.ȱ Diesȱ sindȱ dieȱ geȬ meinsamȱgeteiltenȱunbewusstenȱGrundannahmen,ȱwieȱmanȱinȱeinemȱUnternehmenȱzuȱ handelnȱhat.ȱSieȱsindȱSelbstverständlichkeiten,ȱungeschriebeneȱGesetzeȱeinerȱGruppe,ȱ einerȱAbteilung,ȱ einerȱ Firma.240ȱ Dieȱ unausgesprochenenȱAnnahmenȱ übenȱ durchȱ ihreȱ Selbstverständlichkeitȱ einenȱ starkenȱ Einflussȱ aufȱ dieȱ Unternehmenskultur.ȱ Dieȱ WurȬ zelnȱ derȱ Grundprämissenȱ werdenȱ häufigȱ aufȱ dieȱ Unternehmensgründerȱ undȱ ihreȱ Ideenȱzurückgeführt.ȱE.ȱScheinȱbezeichnetȱdieȱtiefliegendenȱGrundannahmenȱalsȱKernȱ derȱKulturȱundȱunterscheidetȱfolgendeȱDimensionenȱderȱGrundprämissen:241ȱ 1.ȱ Prämissenȱ überȱ Wirklichkeitȱ undȱ Wahrheit:ȱ Dieȱ Gruppeȱ definiert,ȱ wasȱrealȱ istȱ undȱ wasȱ nicht.ȱ Darüberȱ hinausȱ wirdȱ hierȱ festgehalten,ȱ wasȱ materielleȱ Faktenȱ sindȱ bezieȬ hungsweiseȱobȱundȱwieȱdieȱWahrheitȱbestimmbarȱist.ȱȱ 2.ȱPrämissenȱüberȱZeit:ȱHierȱistȱverankert,ȱwieȱdieȱGruppeȱZeitȱbetrachtet,ȱwieȱsieȱdieseȱ bemisstȱundȱwelcheȱBedeutungȱsieȱihrȱzukommenȱlässtȱ(Wasȱbedeutetȱ„zuȱspät“ȱoderȱ „zuȱfrüh“?)ȱ 3.ȱPrämissenȱüberȱdenȱRaum:ȱEsȱgehtȱumȱdasȱgemeinschaftlicheȱVerständnisȱüberȱdenȱ Raumȱ undȱ dessenȱ Verteilung.ȱ Esȱ wirdȱ dieȱ ihmȱ zugeteilteȱ Bedeutungȱ betrachtet,ȱ z.B.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 238ȱ Schein,ȱE.:ȱUnternehmenskultur,ȱS.ȱ30.ȱ 239ȱ Ebd.,ȱS.ȱ32.ȱ 240ȱ Ebd.,ȱS.ȱ33.ȱ 241ȱ Ebd.,ȱS.ȱ92Ȭ93.ȱ

206ȱ

Modelle der Unternehmenskultur

Stellungȱ desȱ Raumesȱ alsȱ Privatbereichȱ oderȱ dasȱ Verständnisȱ überȱ dieȱ Zuteilungȱ vonȱ Raum.ȱ 4.ȱ Prämisseȱ überȱ dieȱ Naturȱ desȱ Menschen:ȱ DieȱAuffassungenȱ derȱ Charakterzügeȱ desȱ Menschenȱ werdenȱ hierȱ niedergelegt.ȱ Beispielsweiseȱ obȱ einȱ Menschȱ generellȱ gutȱ oderȱ schlechtȱist,ȱarbeitsscheuȱoderȱverantwortungsvollȱusw.ȱ 5.ȱ Prämisseȱ überȱ dasȱ menschlicheȱ Handeln:ȱ Hierzuȱ gehörtȱ derȱ Standpunkt,ȱ obȱ einȱ MenschȱaktivȱoderȱpassivȱinȱBezugȱaufȱdieȱUmweltȱhandelnȱsollte.ȱȱ 6.ȱ Prämisseȱ überȱ dieȱ menschlichenȱ Beziehungen:ȱ Esȱ gehtȱ hierȱ umȱ dieȱAuffassungȱ imȱ Hinblickȱ aufȱ zwischenmenschlicheȱ Beziehungenȱ undȱ Emotionen.ȱ Esȱ wirdȱ beispielsȬ weiseȱ verankert,ȱ obȱ Teamworkȱ oderȱ Einzelleistungȱ zählt,ȱ inȱ welchemȱ Verhältnisȱ ArȬ beitgeberȱundȱArbeitnehmerȱstehenȱoderȱworausȱsichȱAutoritätȱaufbaut.ȱ Eineȱ wichtigeȱ Besonderheitȱ desȱ Modellsȱ vonȱ E.ȱ Scheinȱ bestehtȱ darin,ȱ dassȱ zwischenȱ denȱdreiȱEbenenȱeineȱdynamischeȱWechselwirkungȱbesteht.ȱAufȱderȱeinenȱSeite,ȱsindȱ dieȱ Ebenenȱ anȱsichȱ nichtȱstarr,ȱ sondernȱ beweglich:ȱ entsprechendȱ einemȱ Wertewandelȱ inȱ derȱ Gesellschaftȱ ändernȱ sichȱ dieȱ Grundprämissenȱ undȱ Werte;ȱ neueȱ Topmanagerȱ könnenȱneueȱLeitlinienȱeinführenȱundȱdieȱUnternehmenskulturȱbeeinflussenȱusw.ȱAufȱ derȱanderenȱSeiteȱverlaufenȱdieȱBeeinflussungsprozesseȱnichtȱnurȱvonȱuntenȱnachȱobenȱ (vonȱdenȱGrundannahmenȱinȱRichtungȱWerteȱundȱNormenȱundȱdanachȱihrerȱVerkörȬ perungȱinȱArtefakten),ȱsondernȱauchȱumgekehrt.ȱNeueȱPraktiken,ȱRitualeȱundȱSymboȬ leȱkönnenȱdieȱzweiteȱEbeneȱ(WerteȱundȱNormen)ȱbewirken,ȱwasȱzurȱÜberprüfungȱundȱ VeränderungȱvonȱGrundannahmenȱführenȱkann.ȱ BekanntȱistȱeineȱDarstellungȱdesȱEbenenmodellsȱvonȱScheinȱinȱFormȱeinesȱEisbergs242ȱ (s.ȱAbbildung).ȱȱ Dasȱ Eisbergmodellȱ derȱ Unternehmenskulturȱ sollȱ veranschaulichen,ȱ dassȱ eineȱ UnterȬ nehmenskulturȱ nurȱ begrenztȱ sichtbarȱ undȱ bewusstȱ istȱ undȱ imȱ wesentlichenȱ Teilȱ unȬ sichtbarȱ bleibt.ȱ Symboleȱ undȱ Artefakte,ȱ dieȱ sichȱ aufȱ derȱ Oberflächeȱ befinden,ȱ bildenȱ nurȱdieȱSpitzeȱdesȱEisbergsȱderȱUnternehmenskultur.ȱWerteȱundȱNormenȱkommenȱnurȱ abȱundȱzuȱzurȱSchau,ȱwennȱ sieȱdefiniert,ȱüberprüftȱoderȱ bezweifeltȱwerden.ȱDieȱpräȬ gendenȱ Grundannahmenȱ bleibenȱ immerȱ unterȱ derȱ Wasseroberfläche,ȱ sindȱ fürȱ eineȱ bewussteȱ Überprüfungȱ praktischȱ unzugänglich.ȱ Gleichzeitigȱ bildenȱ Werte,ȱ Normenȱ undȱGrundannahmenȱdieȱBasisȱeinerȱUnternehmenskultur,ȱbeeinflussenȱdasȱVerhaltenȱ vonȱMitarbeiternȱinȱeinemȱUnternehmenȱamȱstärksten.ȱ ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 242ȱ Vgl.ȱSackmann,ȱS.ȱUnternehmenskulturȱ–ȱAnalysierenȱ–ȱEntwickelnȱ–ȱVerändern.ȱ

207ȱ

12.4

12

Unternehmenskultur

Abb.ȱ51:ȱ

UnternehmenskulturȱalsȱEisbergȱ

Sichtbare Elemente: Symbole, Artefakte, Umgangsformen, Rituale etc.

Werte und Normen: Gebote, Verbote, Denkmuster etc.

Grundannahmen: Menschenbild, Lebenssinn, Überzeugungen

ȱ GanzȱimȱEinklangȱmitȱdemȱModellȱvonȱE.ȱScheinȱstehtȱdasȱinȱderȱPraxisȱweitȱverbreiteȬ teȱDreiȬSchichtenȬModell,ȱinȱdemȱdieȱUnternehmenskulturȱinȱUnternehmensphilosoȬ phie,ȱȬethikȱundȱ–identitätȱunterteiltȱwird.ȱȱ Einȱ Vergleichȱ derȱ Tabelleȱ mitȱ demȱ Modellȱ vonȱ E.ȱ Scheinȱ machtȱ deutlich,ȱ dassȱ dieseȱ dreiȱSchichtenȱdenȱdreiȱEbenenȱderȱUnternehmenskulturȱnachȱE.ȱScheinȱentsprechen:ȱ dieȱ Unternehmensphilosophieȱ stehtȱ fürȱ dieȱ Grundprämissen,ȱ Unternehmensethikȱ ȱ Ȭȱ fürȱbekundeteȱWerteȱundȱUnternehmensidentitätȱȬȱfürȱdieȱArtefakte.ȱȱ

Tabelleȱ35:ȱ DreiȱEbenenȱderȱUnternehmenskulturȱ Unternehmensidentität (Erscheinungsbild)

Alle sichtbaren, aktiven und passiven Ausdrucksformen des Unternehmens (Corporate Identity), z.B. Symbole, Logos, Namen, Briefkopf, Kleidung etc.

Unternehmensethik

Rangfolge der Werte, denen sich ein Unternehmen in seinem Handeln verpflichtet weiß, wie Gerechtigkeit, Vertrauen, Wahrhaftigkeit, Ehrlichkeit, Verantwortung

Unternehmensphilosophie (Basis)

Grundlegende Sinnorientierungen, weltanschauliche Ausrichtung eines Unternehmens: das Menschenbild, die Auffassung über die Art der zwischenmenschlichen Beziehung, die Einstellung zur Umwelt

ȱ DiesesȱModellȱhatȱallerdingsȱȬȱimȱGegensatzȱzuȱdemȱScheinȬModellȱȬȱkeineȱDynamik,ȱ einzelneȱ Schichtenȱ werdenȱ nurȱ statischȱ betrachtet.ȱ Manȱ kannȱ dasȱ DreiȬSchichtenȬ ModellȱinȱvielenȱUnternehmenȱwiederfinden,ȱdieȱdieȱgenanntenȱdreiȱSchichtenȱexplizitȱ beschreibenȱundȱgezieltȱgestalten.ȱ

208ȱ

Modelle der Unternehmenskultur

Derȱ dynamischeȱ Charakterȱ desȱ Modellsȱ vonȱ E.ȱ Scheinȱ wurdeȱ kaumȱ wahrgenommenȱ undȱ gewürdigt,ȱ bevorȱ Maryȱ Hatch243,ȱ ihrȱ dynamischesȱ Modellȱ (Culturalȱ Dynamicsȱ Model)ȱ entwickeltȱ undȱ dieȱ Dynamikȱ derȱ Unternehmenskulturȱ inȱ denȱ Vordergrundȱ gestelltȱhatte.ȱDasȱModellȱvonȱE.ȱScheinȱwurdeȱvonȱHatchȱjedochȱumȱzweiȱfundamenȬ taleȱÄnderungenȱerweitert:ȱdurchȱdieȱEinführungȱeinesȱweiterenȱElementsȱ(Symbole)ȱ undȱ durchȱ eineȱ neueȱ Gewichtungȱ vonȱ verbindendenȱ Beziehungen,ȱ dieȱ gegenüberȱ Elementeȱhervorgehobenȱwerden.ȱȱ Inȱ derȱ dynamischenȱ Perspektiveȱ wirdȱ derȱ Frageȱ nachgegangen,ȱ wieȱ Kulturȱ durchȱ ManifestationsȬ,ȱ RealisationsȬ,ȱ SymbolisationsȬȱ undȱ Interpretationsprozesseȱ gebildetȱ wirdȱundȱwasȱinnerhalbȱdieserȱProzesseȱgeschieht.ȱ Dieȱ aufgeführtenȱ Elementeȱ werdenȱ alsȱ Kreisȱ dargestelltȱ undȱ durchȱ dieȱ Prozesseȱ mitȬ einanderȱverbunden.ȱEsȱkannȱanȱjederȱbeliebigenȱStelleȱmitȱderȱBetrachtungȱbegonnenȱ werdenȱundȱzwarȱsowohlȱvorwärtsȱ(proaktiv)ȱalsȱauchȱrückwärtsȱ(retroaktiv)ȱȬȱs.ȱAbȬ bildung.ȱȱ

Abb.ȱ52:ȱ

ProzessmodellȱderȱKulturȱnachȱM.J.ȱHatch244ȱ Werte

Realisation

Manifestation

Annahmen

Artefakte

Symbolisierung

Interpretation proaktiv

Symbole

retroaktiv

ȱ

Beginnendȱ beiȱ demȱ Manifestationsprozessȱ kannȱ dieserȱ inȱ zweiȱ Richtungenȱ ablauȬ fen:245ȱȱ

„ Derȱ Prozess,ȱ welcherȱ ausȱ denȱ Grundannahmenȱ Werteȱ formt,ȱ wirdȱ alsȱ proaktiverȱ Manifestationsprozessȱ bezeichnet.ȱ Das,ȱ wasȱ Organisationsmitgliederȱ fürȱ „wahr“ȱ annehmen,ȱ formtȱ ihreȱ Werte.ȱ Dieȱ Grundannahmenȱ aktivierenȱ gewisseȱ ErwartunȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 243ȱ Hatch,ȱM.ȱJ.ȱTheȱdynamicsȱofȱorganizationalȱculture.ȱ 244ȱ Ebd.,ȱS.ȱ660.ȱ 245ȱ Ebd.,ȱS.ȱ662Ȭ664.ȱȱ

209ȱ

12.4

12

Unternehmenskultur

gen,ȱdieseȱwiederumȱbeeinflussenȱdieȱWahrnehmung,ȱGedankenȱundȱGefühleȱüberȱ dieȱ Umweltȱ undȱ dasȱ Unternehmen.ȱ Dieseȱ „eingegrenzteȱ Sichtweise“ȱ kannȱ beiȬ spielsweiseȱbeiȱderȱVerarbeitungȱderȱsoȱwahrgenommenenȱWeltȱoderȱdesȱsoȱwahrȬ genommenenȱUnternehmensȱzuȱWertenȱführen.ȱ

„ Betrachtenȱ wirȱ nunȱ denȱ Prozess,ȱ welcherȱ dieȱ Grundannahmenȱ retroaktivȱ betrifft.ȱ EntsprechenȱdieȱWerteȱdenȱGrundannahmen,ȱistȱkeinȱweitererȱProzessȱerforderlich.ȱ Sindȱdieseȱjedochȱnichtȱübereinstimmend,ȱwerdenȱdieȱGrundannahmenȱdurchȱEinȬ führungȱneuerȱWerteȱverändert.ȱ DerȱproaktiveȱRealisationsprozessȱistȱfürȱdieȱTransformationȱvonȱWertenȱzuȱArtefaktenȱ verantwortlich,ȱwennȱdieȱWerteȱundȱErwartungenȱinȱHandlungenȱumgesetztȱwerden.ȱ Durchȱ dieȱ Handlungenȱ entstehenȱ dannȱ greifbareȱ Ausformulierungenȱ wieȱ Rituale,ȱ GeschichtenȱoderȱArtefakte.ȱDemȱretroaktivenȱRealisationsprozessȱwirdȱdasȱPotenzialȱ zugeschrieben,ȱArtefakteȱ inȱ Werteȱ formenȱ zuȱ können.ȱ Handeltȱ esȱ sichȱ umȱArtefakte,ȱ dieȱdieȱWerteȱanzweifeln,ȱsoȱkönnenȱdieȱArtefakteȱentwederȱignoriertȱoderȱverstoßenȱ oderȱaberȱakzeptiertȱwerden.ȱ DieȱErgänzungȱdesȱModellsȱumȱdieȱSymboleȱhatȱmitȱderȱVorstellungȱvonȱM.ȱHatchȱzuȱ tun,ȱ dassȱ dieȱ Artefakteȱ nichtȱ identischȱ mitȱ Symbolenȱ sind.ȱ Artefakteȱ sindȱ hierȱ nurȱ dinglicherȱArt,ȱwohingegenȱSymboleȱArtefakteȱmitȱzusätzlicherȱBedeutungȱdarstellen.ȱ Diesȱ widersprichtȱ derȱ Interpretationȱ imȱ Modellȱ vonȱ E.ȱ Schein,ȱ derȱ unterȱ Artefaktenȱ alleȱ sichtbarenȱ Erscheinungenȱ verstehtȱ (nebenȱ Dingenȱ auchȱ Prozesse,ȱ Stile,ȱ Spracheȱ usw.)ȱȱ NachȱM.ȱHatchȱistȱderȱproaktiveȱSymbolisationsprozessȱdieȱVerknüpfungȱeinesȱArteȬ faktesȱ mitȱ einerȱ zusätzlichenȱ Bedeutung,ȱ währendȱ dieȱ entgegengesetzte,ȱ retroaktiveȱ Sichtweiseȱdasȱeigentlichȱ„Dingliche“ȱwiederȱvorȱAugenȱführenȱsoll.ȱ Imȱ Interpretationsprozessȱ istȱ eineȱ Unterscheidungȱ inȱ proaktivȱ undȱ retroaktivȱ nichtȱ möglich,ȱdaȱdavonȱausgegangenȱwird,ȱdassȱsichȱSymboleȱundȱGrundannahmenȱwechȬ selseitigȱ beeinflussen.ȱ Bezüglichȱ derȱ Wechselseitigkeitȱ wirdȱ angenommen,ȱ dassȱ sichȱ eineȱ Interpretationȱ einesȱ Symbolsȱ mithilfeȱ derȱ schonȱ vorhandenenȱ Grundannahmenȱ erfolgt.ȱAufȱderȱanderenȱSeiteȱkönnenȱInterpretationenȱdieȱGrundannahmenȱprägen.ȱ Dieȱ Bedeutungȱ desȱ Modellsȱ vonȱ M.ȱ Hatchȱ bestehtȱ vorȱ allemȱ inȱ seinerȱ dynamischenȱ Ausrichtungȱ undȱ derȱ Beschreibungȱ vonȱ proaktivenȱ undȱ retroaktivenȱ Prozessen,ȱ dieȱ gleichzeitigȱ laufenȱ können.ȱ Dadurchȱ werdenȱ derȱ lebendigeȱ Charakterȱ einerȱ UnterȬ nehmenskulturȱundȱdieȱinnerenȱMechanismenȱihrerȱHerausbildungȱundȱEntwicklungȱ verständlich.ȱ

210ȱ

Wirkungen der Unternehmenskultur

12.5

Wirkungen der Unternehmenskultur

EineȱbestehendeȱUnternehmenskulturȱ(IstȬKultur)ȱspieltȱimȱUnternehmenȱeineȱaußerȬ ordentlichȱ wichtigeȱ Rolle:ȱ sieȱ schafftȱ Identifikationȱ undȱ Motivation,ȱ beeinflusstȱ dasȱ Verhaltenȱ vonȱ Mitarbeiternȱ mithilfeȱ ungeschriebenerȱ Regelnȱ undȱ Normen,ȱ prägtȱ dasȱ ErscheinungsbildȱdesȱUnternehmensȱnachȱaußen.ȱAuchȱwennȱdieȱUnternehmenskulturȱ schwerȱzuȱerfassenȱist,ȱkannȱmanȱsieȱinȱeinemȱUnternehmenȱanhandȱihrerȱWirkungenȱ erkennenȱundȱbeschreiben.ȱEineȱUnternehmenskulturȱistȱimmerȱeinmalig,ȱesȱgibtȱkeineȱ gutenȱundȱschlechtenȱKulturen,ȱsondernȱeherȱpositiveȱundȱnegativeȱWirkungenȱeinerȱ UnternehmenskulturȱaufȱdasȱVerhalten,ȱKommunikation,ȱZufriedenheitȱundȱLeistungȱ derȱMitarbeiter.ȱFolgendeȱTabelleȱzeigtȱmöglicheȱUnterschiedeȱinȱWirkungenȱvonȱUnȬ ternehmenskulturenȱeinerȱ„ErfolgsȬ“ȱundȱeinerȱ„ProblemȬGmbH“ȱ(BeispieleȱverfremȬ det),ȱbasierendȱaufȱdenȱAussagenȱihrerȱMitarbeiter.ȱ

Tabelleȱ36:ȱ UnterschiedlicheȱWirkungenȱvonȱUnternehmenskulturenȱinȱAussagenȱihrerȱMitȬ arbeiter246ȱ Erfolgs-GmbH

Problem-GmbH

Ich fühle mich meinem Unternehmen verbunden.

Das Unternehmen ist für mich nur Mittel zum Zweck (Geldverdienen).

Nicht alle Aufgaben mache ich gerne, ich mache sie aber trotzdem so gut wie ich kann.

Unangenehme Aufgaben können doch andere machen.

Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit sind für mich wichtig.

Ich verlasse pünktlich meinen Arbeitsplatz und zuverlässig bin ich, wenn es unbedingt sein muss.

Ich bemühe mich, gute Arbeit zu machen, und ich sehe, dass auch meine Kollegen dies tun.

Ich mache meine Arbeit, so wie es von mir erwartet wird. Mehr nicht.

Wir als Unternehmen haben eine Verantwortung gegenüber unseren Kunden. Sie wollen gute Qualität zu einem guten Preis. Darum bemühen wir uns.

Wichtig ist, dass die Kunden bezahlen. Denn davon leben wir.

Auch in schwierigen Zeiten müssen wir in unserem Betrieb zusammenhalten. Nur durch gemeinsame Anstrengung kommen wir da wieder raus.

Wenn es schwierig wird, sollen sich die da oben drum kümmern. Ich schaue, wie ich meine Schäfchen ins Trockene bringe, notfalls auch bei einem anderen Unternehmen.

Präzision und Qualität, dafür steht unsere Firma, und da bin ich stolz drauf.

Für die gute Qualität der Produkte bin ich nicht verantwortlich.

Als Führungskraft informiere ich meine Mitarbeiter über alles Wichtige und beteilige sie an Entscheidungen.

Als Führungskraft ist es meine Aufgabe, Entscheidungen zu treffen. Meine Mitarbeiter haben mir da nicht reinzureden.

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 246ȱ Quelle:ȱKreuzhage,ȱS.ȱ(Hrsg.):ȱUnternehmenskulturȬCheck,ȱS.ȱ11Ȭ12.ȱȱ

211ȱ

12.5

12

Unternehmenskultur

Unterschiedeȱ zwischenȱ derȱ „ErfolgsȬ“ȱ undȱ „ProblemȬGmbH“ȱ spiegelnȱ sichȱ inȱ derȱ Identifikation,ȱ Bereitschaftȱ mehrȱ alsȱ „Dienstȱ nachȱ Vorschrift“ȱ zuȱ leisten,ȱ VerantworȬ tungȱ gegenüberȱ denȱ Kunden,ȱ Qualitätsorientierung,ȱ Motivationȱ zurȱ Arbeit,ȱ inȱ demȱ EngagementȱundȱFührungsverhaltenȱwider.ȱȱ Zahlreicheȱ Studienȱ undȱ Untersuchungenȱ zeigen,ȱ dassȱ Unternehmenskulturȱ undȱ FakȬ torenȱ wieȱ Arbeitsproduktivität,ȱ Commitment,ȱ Motivationȱ undȱ Kommunikationȱ imȱ Unternehmenȱ inȱ direkterȱ Kausalitätȱ stehen.ȱ Allgemeinȱ kannȱ manȱ folgendeȱ positiveȱ WirkungenȱeinerȱUnternehmenskulturȱnennen:ȱ

„ Integrationȱ vonȱ Mitarbeiternȱ imȱ Unternehmenȱ durchȱ verbindlicheȱ SinnorientieȬ rungenȱundȱWertvorstellungen.ȱDasȱUnternehmenȱwirdȱdadurchȱzuȱeinerȱEinheitȱ–ȱ einzelneȱMitarbeiter,ȱTeamsȱundȱAbteilungenȱbegreifenȱsichȱalsȱTeileȱeinesȱGanzen;ȱ

„ Identifikationȱ undȱ Motivation:ȱ Identitätsbildungȱ derȱ Mitarbeiterȱ undȱ desȱ UnterȬ nehmensȱdurchȱerfolgreicheȱZusammenarbeitȱundȱErfolgserlebnisseȱträgtȱzurȱEntȬ wicklungȱ einesȱ Zusammengehörigkeitsgefühlsȱ bei,ȱ wasȱ eineȱ stärkereȱ Motivationȱ derȱMitarbeiterȱzurȱFolgeȱhat;ȱ

„ KoordinierungsȬȱundȱOrientierungsfunktion:ȱDieȱUnternehmenskulturȱgibtȱOrienȬ tierungȱ fürȱ individuelleȱ undȱ kollektiveȱ Entscheidungenȱ aufgrundȱ vonȱ gemeinsaȬ menȱ Erfahrungenȱ undȱ ergänztȱ formaleȱ Regelnȱ undȱ Abstimmungenȱ durchȱ unȬ geschriebene,ȱselbstverständlicheȱAbläufeȱundȱBeziehungen;ȱ

„ Effizienteȱ Kommunikation:ȱ Dieȱ Abstimmungsprozesseȱ gestaltenȱ sichȱ durchȱ einȬ heitlicheȱOrientierungȱwesentlichȱeinfacher,ȱEntscheidungenȱwerdenȱbeschleunigt,ȱ derȱInformationsflussȱverläuftȱzumȱgroßenȱTeilȱinformell,ȱKonflikteȱkönnenȱfrüherȱ erkanntȱundȱgelöstȱwerden;ȱ

„ SteigerungȱderȱEffizienzȱundȱDynamikȱdesȱUnternehmensȱdurchȱLernprozesseȱundȱ Wissensaustausch,ȱ erhöhteȱ Innovationsbereitschaft,ȱ bessereȱ Kommunikation,ȱ KoȬ operationȱundȱKonfliktlösung;ȱ

„ Einȱ positivesȱ Bildȱ desȱ Unternehmensȱ inȱ derȱ Öffentlichkeit,ȱ besseresȱ Ansehenȱ beiȱ Kunden,ȱLieferanten,ȱBewerbern.ȱȱ DieseȱpositivenȱWirkungenȱtragenȱzuȱeinemȱbesserenȱArbeitsklimaȱundȱeinerȱhöherenȱ Arbeitszufriedenheitȱ derȱ Mitarbeiterȱ beiȱ undȱ steigernȱ damitȱ dieȱArbeitsproduktivitätȱ undȱdenȱwirtschaftlichenȱErfolgȱdesȱUnternehmens.ȱ ZugleichȱkannȱeineȱstarkeȱUnternehmenskulturȱnegativeȱWirkungenȱhaben:ȱWennȱdieȱ hoheȱ Identifikationȱ zumȱ Abbauȱ derȱ Wahrnehmungȱ vonȱ Problemen,ȱ Chancenȱ undȱ WarnsignalenȱausȱderȱUmweltȱführt,ȱwirdȱdieȱInnovationstätigkeitȱdesȱUnternehmensȱ eingeschränkt.ȱ Einȱ ausgeprägtesȱ Zusammengehörigkeitsgefühlȱ undȱ gemeinsameȱ ErȬ folgserlebnisseȱkönnenȱeineȱAbschottungȱvonȱderȱAußenweltȱverursachen.ȱNotwendiȬ geȱAnpassungsmaßnahmenȱwerdenȱalsȱBedrohungȱderȱkulturellenȱIdentitätȱabgelehnt,ȱ dieȱ Flexibilitätȱ nimmtȱ ab.ȱ Umȱ diesȱ zuȱ verhindern,ȱ mussȱ eineȱ Unternehmenskulturȱ

212ȱ

Analyse und Gestaltung der Unternehmenskultur

immerȱ dieȱ Möglichkeitȱ einerȱ Erneuerungȱ zulassenȱ –ȱ dieȱ Leitbilderȱ undȱ Grundsätzeȱ dürfenȱnichtȱalsȱstarreȱunveränderlicheȱRegelnȱgelten,ȱsondernȱimmerȱwiederȱkommuȬ niziertȱundȱanȱneueȱBedingungenȱangepasstȱwerden.ȱ

12.6

Analyse und Gestaltung der Unternehmenskultur

EsȱistȱsehrȱwichtigȱfürȱjedesȱUnternehmen,ȱsichȱseinerȱKulturȱbewusstȱzuȱwerden.ȱNurȱ dannȱistȱesȱmöglich,ȱdieȱUnternehmenskulturȱgezieltȱzuȱgestaltenȱundȱvonȱihrenȱposiȬ tivenȱWirkungenȱzuȱprofitieren.ȱImȱerstenȱSchrittȱsollteȱeineȱIstȬAnalyseȱdurchgeführt,ȱ danachȱ eineȱ gewünschteȱ SollȬKulturȱ definiertȱ undȱ imȱ drittenȱ Schrittȱ praktischeȱ MaßȬ nahmenȱzuȱihrerȱGestaltungȱgeplantȱundȱumgesetztȱwerden.ȱ

12.6.1

Analyse der Ist-Kultur

InȱderȱvorangegangenenȱDiskussionȱüberȱUnternehmenskulturmodelleȱwurdeȱgezeigt,ȱ dassȱeineȱUnternehmenskulturȱ–ȱwieȱdieȱSpitzeȱeinesȱEisbergsȱȬȱnurȱzumȱTeilȱsichtbarȱ ist.ȱZuȱdenȱsichtbarenȱ(expliziten)ȱElementenȱzählen:ȱArtefakteȱ(Logos,ȱNamen,ȱUnterȬ nehmenssymbole,ȱ Kleiderordnung,ȱ Bürogestaltung,ȱ Raumaufteilung,ȱ Statussymbole,ȱ Produktmerkmale,ȱDokumentation)ȱsowieȱRitualeȱ(Unternehmensjargon,ȱBegrüßungsȬȱ undȱAnredeformen,ȱ Unternehmensgeschichten,ȱ Legendenȱ undȱ Mythen,ȱ Betriebsfeier,ȱ Meetingablauf,ȱOrganisationȱvonȱVeranstaltungenȱetc.)ȱ Hinterȱ sichtbarenȱ Elementenȱ stehenȱ unsichtbareȱ (implizite):ȱ Normen,ȱ Werteȱ undȱ Grundannahmen,ȱdieȱmeistȱunbewusstȱsindȱundȱdenȱKernȱeinerȱUnternehmenskulturȱ bildenȱ(vgl.ȱAnsatzȱvonȱE.ȱSchein).ȱUmȱdieseȱzuȱerkennen,ȱmussȱmanȱdasȱAugenmerkȱ aufȱdasȱVerhaltenȱundȱdieȱKommunikationȱimȱUnternehmenȱrichten.ȱDabeiȱgehtȱesȱvorȱ allemȱumȱfolgendeȱverhaltensbeeinflussendenȱWerteȱundȱNormen,ȱdieȱaufȱunbewussȬ tenȱGrundannahmenȱbasieren:ȱ

„ Machtverteilungȱ undȱ Verhältnisȱ zurȱ Macht:ȱ Werȱ trifftȱ wichtigeȱ Entscheidungen?ȱ Wieȱ istȱ dieȱ Verantwortungȱ verteilt?ȱ Wieȱ steilȱ sindȱ dieȱ Hierarchien?ȱ Sindȱ HierarȬ chieebenenȱscharfȱvoneinanderȱgetrennt?ȱ

„ Kommunikationȱ undȱ Umgangȱ mitȱ Informationen:ȱ Herrschtȱ eineȱ Atmosphäreȱ derȱ OffenheitȱoderȱderȱGeheimniskrämerei?ȱIstȱKommunikationȱsehrȱformellȱoderȱeherȱ persönlich?ȱ Sindȱ Informationenȱ einȱ knappesȱ Gut,ȱ werdenȱ sieȱ gefiltertȱ oderȱ bloȬ ckiert?ȱ Gibtȱ esȱ imȱ Unternehmenȱ tabuisierteȱ Themen?ȱ Wirdȱ Wissenȱ ausgetauschtȱ oderȱgeheimgehalten?ȱWerdenȱKonflikteȱoffenȱausgetragenȱoderȱverdrängt?ȱȱ

213ȱ

12.6

12

Unternehmenskultur

„ Lernfähigkeit,ȱEinstellungȱzuȱVeränderungenȱundȱRisikobereitschaft:ȱIstȱdieȱAtmoȬ sphäreȱimȱUnternehmenȱinnovationsfreudig?ȱWerdenȱneueȱIdeenȱbegrüßt?ȱIstȱdasȱ Unternehmenȱdynamisch,ȱoffenȱgegenüberȱdemȱNeuen?ȱIstȱmanȱrisikofreudigȱoderȱ risikoscheu?ȱInwieweitȱistȱUnsicherheitsvermeidungȱverbreitet?ȱ

„ IdentifikationȱundȱLoyalität:ȱIdentifizierenȱsichȱdieȱMitarbeiterȱmitȱdenȱZielenȱundȱ mitȱ demȱ Unternehmen?ȱ HatȱdasȱUnternehmenȱ einȱ gutesȱImageȱ beiȱdenȱMitarbeiȬ tern?ȱVerhaltenȱsichȱdieȱMitarbeiterȱloyal?ȱ

„ Vertrauen:ȱWieȱvielȱVertrauenȱgenießtȱeinȱMitarbeiterȱimȱUnternehmen?ȱ„Vertrauenȱ istȱgut,ȱKontrolleȱistȱbesser“?ȱWoraufȱbasiertȱdasȱVertrauen?ȱ

„ Toleranzȱ gegenüberȱ Misserfolgenȱ undȱ Fehlern:ȱ Darfȱ manȱ imȱ Unternehmenȱ einenȱ Fehlerȱ machen?ȱ Wirdȱ einȱ Fehlschlagȱ nurȱ negativȱ oderȱ auchȱ alsȱ eineȱ Chanceȱ zumȱ Lernenȱgesehen?ȱWerdenȱMisserfolgeȱtoleriert?ȱ KommtȱesȱinȱeinemȱUnternehmenȱzurȱAnalyseȱderȱIstȬKultur,ȱdannȱsindȱdieȱsichtbarenȱ Elementeȱ (Artefakteȱ undȱ Symbole)ȱ relativȱ leichtȱ zuȱ ermittelnȱ –ȱ durchȱ Beobachtungȱ undȱ Artefaktenanalyse.ȱ Dieȱ Grundannahmen,ȱ Werteȱ undȱ Normenȱ einerȱ UnternehȬ menskulturȱ sindȱ dagegenȱ schwerȱ zuȱ erfassen,ȱ dennȱ sieȱ sindȱ unsichtbarȱ undȱ werdenȱ nichtȱ bewusstȱ wahrgenommen.ȱ Fürȱ dieȱ Mitarbeiterȱ desȱ Unternehmensȱ sindȱ sieȱ zuȱ einerȱ Selbstverständlichkeitȱ geworden,ȱ bleibenȱ aberȱ fürȱ einenȱ außenstehendenȱ BetȬ rachterȱ unzugänglich.ȱ Deswegenȱ bedarfȱ eineȱ Unternehmenskulturanalyseȱ speziellerȱ Verfahrenȱ undȱ Instrumente.ȱ Schriftlicheȱ Befragungenȱ vonȱ Führungskräftenȱ undȱ MitȬ arbeiternȱsindȱinȱderȱPraxisȱderȱKulturanalyseȱbesondersȱbeliebt.ȱAuchȱsystematischeȱ InterviewsȱmitȱMitarbeiternȱwerdenȱhäufigȱeingesetzt.ȱSeltenerȱkommtȱesȱzurȱOrganiȬ sationȱvonȱWorkshopsȱzumȱThemaȱUnternehmenskulturȱundȱzurȱBildungȱvonȱspezielȬ lenȱ Arbeitsgruppen,ȱ dieȱ sichȱ mitȱ Stärkenȱ undȱ Schwächenȱ derȱ Unternehmenskulturȱ auseinandersetzen.ȱ Allerdingsȱ istȱ esȱ schwierig,ȱ dieȱ richtigenȱ Fragenȱ zuȱ stellen,ȱ eineȱ offeneȱAtmosphäreȱinȱdenȱDiskussionenȱzuȱschaffenȱundȱdieȱAntwortenȱzuȱinterpretieȬ renȱ(jedeȱInterpretationȱistȱsubjektiv).ȱFolglichȱkannȱdasȱkomplexeȱPhänomenȱderȱUnȬ ternehmenskulturȱnurȱzumȱTeilȱbeschiebenȱwerden,ȱdennȱvieleȱAspekteȱbleibenȱunbeȬ wusst.ȱȱ Dieȱ Ermittelbarkeitȱ einerȱ Unternehmenskulturȱ wirdȱ inȱ derȱ Literaturȱ unterschiedlichȱ bewertet,ȱ vorȱ allemȱ gehtȱ esȱ darum,ȱ obȱ einȱ internerȱ oderȱ externerȱ BeobachȬ ter/InterviewerȱfürȱdieȱErmittlungȱbesserȱgeeignetȱwäre.ȱEinȱInsiderȱkenntȱsichȱbesserȱ aus,ȱistȱaberȱ„betriebsblind“ȱundȱinȱseinerȱUnternehmenskulturȱbefangen.ȱEinȱexternerȱ Beobachterȱ siehtȱ nurȱ dieȱ Oberflächeȱ undȱ interpretiertȱ aufgrundȱ eigenerȱ kulturellerȱ Prägung.ȱ Folglichȱ einigenȱ sichȱ dieȱ meistenȱ Autorenȱ aufȱ einenȱ Mixȱ ausȱ EigenȬȱ undȱ Fremdbeobachtungȱundȱ–ermittlung.ȱȱ Alsȱ Beispieleȱ zahlreicherȱ Verfahrenȱ fürȱ eineȱ Unternehmenskulturanalyseȱ könnenȱ folȬ gendeȱ genanntȱ werden:ȱ E.ȱ Schein247ȱ beschreibtȱ ausführlichȱ eineȱ kompletteȱ VorgeȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 247ȱ Schein,ȱE.ȱUnternehmenskultur.ȱ

214ȱ

Analyse und Gestaltung der Unternehmenskultur

hensweiseȱbeiȱderȱErhebungȱderȱIstȬKulturȱinȱeinemȱUnternehmenȱdurchȱeinenȱexterȬ nenȱBeraterȱunterȱBeteiligungȱvonȱFührungskräftenȱundȱmöglichstȱvielenȱMitarbeiternȱ desȱUnternehmens.ȱH.ȱZell248ȱschlägtȱeinenȱUnternehmenskulturȬCheckȱmithilfeȱeinerȱ schriftlichenȱ Befragungȱ derȱ Mitarbeiterȱ vor.ȱ S.ȱ Schmidt249ȱ bietetȱ einenȱ „InterviewleitȬ fadenȱzurȱBewusstmachungȱvonȱUnternehmenskultur“ȱan.ȱȱ Beispielhaftȱ wirdȱ nunȱ derȱ UnternehmenskulturȬCheckȱ nachȱ H.ȱ Zellȱ erläutert.ȱ Dasȱ Verfahrenȱ basiertȱ aufȱ einemȱ Fragebogenȱ fürȱ dieȱ Führungskräfteȱ undȱ Mitarbeiterȱ imȱ Unternehmen,ȱ derȱ aufȱ zehnȱ Dimensionenȱ derȱ Unternehmenskulturȱ ausgerichtetȱ ist:ȱ Leistungsorientierung,ȱKundenorientierung,ȱKostenorientierung,ȱdezentraleȱOrganisaȬ tion,ȱ Vertrauenȱ undȱ Information,ȱ Identifikation,ȱ ethischeȱ Orientierung,ȱ Stärkeȱ undȱ Konformität,ȱ Organisationsklimaȱ undȱ Mitarbeiterzufriedenheitȱ sowieȱ kooperativeȱ Führungskulturȱ(derȱFragebogenteilȱzuȱdieserȱDimensionȱwirdȱparallelȱvonȱFührungsȬ kräftenȱundȱMitarbeiternȱausgefüllt).ȱAlsȱErgebnisseȱderȱAuswertungȱderȱFragebögenȱ kommtȱ einȱ „UnternehmenskulturȬProfil“ȱ zustandeȱ mitȱ Stärkenȱ undȱ Schwächenȱ desȱ Unternehmens.ȱ Dieȱ Auswertungȱ derȱ Dimensionȱ „Kooperativeȱ Führungskultur“ȱ ausȱ derȱ Sichtȱ derȱ Führungskräfteȱ undȱ Mitarbeiterȱ ergibtȱ einenȱ Übereinstimmungsgradȱ zwischenȱ SelbstȬȱ undȱ Fremdeinschätzungȱ desȱ Führungsstils.ȱ Zusätzlichȱ wirdȱ imȱ FraȬ gebogenȱ dieȱ Frageȱ überȱ dieȱ Richtungȱ derȱ Kulturveränderungȱ gestellt.250ȱ Derȱ UnterȬ nehmenskulturȬCheckȱ hatȱ seineȱ Vorteile:ȱ klareȱ Dimensionenȱ undȱ standardisierteȱ FraȬ genȱermöglichenȱeineȱschnelleȱpraktischeȱAnwendung.ȱZugleichȱhatȱderȱAnsatzȱ–ȱwieȱ dieȱ schriftlichenȱ Befragungenȱ beiȱ derȱ Kulturermittlungȱ generellȱ –ȱ seineȱ wesentlichenȱ Schwächen.ȱ Durchȱ denȱ standardisiertenȱ Charakterȱ derȱ Fragenȱ gehtȱ dieȱ Einmaligkeitȱ derȱ Unternehmenskulturȱ verloren.ȱ Denȱ Mitarbeiternȱ desȱ Unternehmensȱ wirdȱ eineȱ bescheideneȱ Rolleȱ zugeteiltȱ –ȱ eineȱ derȱ vorgefertigtenȱ Antwortenȱ anzukreuzen.ȱ Dieȱ entscheidendenȱ Kulturträgerȱ habenȱ keineȱ Möglichkeit,ȱ ihreȱ Meinungȱ individuellȱ zuȱ äußern.ȱ DieȱErgebnisseȱderȱErmittlungȱderȱUnternehmenskultur,ȱdieȱmanȱmithilfeȱeinerȱschriftȬ lichenȱBefragungȱoderȱvonȱInterviewsȱerhobenȱhat,ȱsollenȱausgewertetȱundȱimȱUnterȬ nehmenȱpublikȱgemachtȱwerden.ȱDabeiȱgehtȱesȱdarum,ȱeigeneȱStärkenȱundȱSchwächenȱ festzustellenȱ undȱ nichtȱ umȱ dieȱ Kritikȱ derȱ vorhandenenȱ Kultur.ȱ Dieȱ ermittelteȱ IstȬ KulturȱkannȱfürȱeineȱgezielteȱGestaltungȱvonȱUnternehmenskulturȱbenutztȱwerden.ȱ

12.6.2

Gestaltung der Unternehmenskultur

Gehtȱ manȱ vonȱ einerȱ theoretischenȱ Gestaltbarkeitȱ derȱ Unternehmenskulturȱ aus,ȱ dannȱ stelltȱsichȱdieȱFrageȱüberȱdieȱWegeȱundȱMethodenȱderȱGestaltung.ȱEinȱKulturmanageȬ mentȱvonȱoben,ȱimȱSinneȱeinerȱwillkürlichenȱGestaltungȱderȱUnternehmenskulturȱaufȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 248ȱ Kreuzhage,ȱS.ȱ(Hrsg.)ȱUnternehmenskulturȬCheck,ȱS.ȱ75Ȭ100.ȱ 249ȱ Schmidt,ȱS.ȱJ.ȱUnternehmenskultur,ȱS.ȱ200Ȭ212.ȱ 250ȱ Vgl.ȱKreuzhage,ȱS.ȱ(Hrsg.)ȱUnternehmenskulturȬCheck,ȱS.ȱ74Ȭ100.ȱ

215ȱ

12.6

12

Unternehmenskultur

WunschȱdesȱTopȬManagements,ȱistȱvonȱderȱunternehmerischenȱPraxisȱwiderlegtȱworȬ den.ȱ Eineȱ neueȱ Unternehmensphilosophieȱ undȱ Leitsätzeȱ oderȱ moderneȱ BüroausstatȬ tungȱ undȱ einȱ neuesȱ Unternehmenslogoȱ könnenȱ schnellȱ nachȱ derȱ Anweisungȱ „vonȱ oben“ȱeingeführtȱwerden,ȱändernȱaberȱdasȱVerhaltenȱderȱMenschenȱkaum.ȱOffensichtȬ lichȱ brauchtȱ manȱ dieȱ Teilnahmeȱ allerȱ Unternehmensakteure,ȱ umȱ eineȱ neueȱ gelebteȱ Realitätȱzuȱschaffen.ȱ Esȱ gibtȱ mehrereȱ Situationen,ȱ inȱ denenȱ dieȱ Frageȱ überȱ eineȱ Gestaltungȱ oderȱ VerändeȬ rungȱ derȱ Unternehmenskulturȱ gestelltȱ wird:ȱ Unternehmensgründung,ȱ GenerationenȬ wechselȱ imȱ TopȬManagement,ȱ Krisensituationȱ oderȱ Fusion/Übernahme.ȱ Allenȱ diesenȱ Situationenȱ istȱ einsȱ gemeinȱ –ȱ manȱ bildetȱ eineȱ Vorstellungȱ vonȱ derȱ künftigenȱ UnterȬ nehmenskultur,ȱderȱSollȬKultur.ȱȱ Esȱ gibtȱ keineȱ gutenȱ undȱ schlechtenȱ Unternehmenskulturen.ȱ Dieȱ besteȱ Kulturȱ fürȱ einȱ Unternehmenȱ istȱ diejenige,ȱ dieȱ zurȱ Erreichungȱ derȱ Unternehmenszieleȱ amȱ bestenȱ beiträgt.ȱ Manȱ brauchtȱ zunächstȱ Klarheitȱ überȱ dieȱ Visionenȱ undȱ Zieleȱ desȱ UnternehȬ mens,ȱ umȱ eineȱ gewünschteȱ SollȬKulturȱ beschreibenȱ zuȱ können.ȱ Sowohlȱ dieȱ Zieleȱ alsȱ auchȱ dieȱ Eigenschaftenȱ derȱ künftigenȱ Unternehmenskulturȱ müssenȱ nichtȱ vonȱ demȱ Managementȱ allein,ȱ sondernȱ mitȱ derȱ Beteiligungȱ vonȱ möglichstȱ vielenȱ Mitarbeiternȱ desȱUnternehmensȱdiskutiertȱundȱformuliertȱwerden.ȱDiskussionenȱundȱSeminareȱzurȱ Ermittlungȱ derȱ bestehendenȱ Kulturȱ solltenȱ durchȱ breiteȱ Besprechungenȱ überȱ dieȱ geȬ wünschteȱZukunftskulturȱaufȱallenȱEbenenȱdesȱUnternehmensȱergänztȱwerden.ȱ AllgemeinȱsindȱbeiȱeinerȱKulturgestaltungȱeinigeȱwichtigeȱRegelnȱzuȱbeachten:ȱ

„ jedesȱ Unternehmenȱ sollȱ seinenȱ eigenenȱ Wegȱ derȱ Veränderungȱ findenȱ –ȱ esȱ gibtȱ keineȱPatentrezepte,ȱkeineȱallwissendenȱKulturberater.ȱUnternehmenskulturgestalȬ tungȱistȱvorȱallemȱeigeneȱSacheȱdesȱUnternehmens;ȱ

„ eineȱKulturgestaltungȱmussȱaufȱderȱUnternehmensgeschichteȱbasieren,ȱTraditionenȱȱ undȱ Gewohnheitenȱ berücksichtigenȱ –ȱ manȱ darfȱ dieȱ Wurzelnȱ desȱ Unternehmensȱ nichtȱabschlagen;ȱ

„ dieȱ Veränderungsprozesseȱ müssenȱ aufȱ denȱ erkanntenȱ Stärkenȱ desȱ Unternehmensȱ aufbauenȱundȱvorsichtigȱversuchen,ȱdieȱSchwächenȱlangfristigȱzuȱreduzieren;ȱ

„ derȱProzessȱderȱGestaltungȱmussȱdauerhaftȱangelegtȱwerdenȱ–ȱzuȱschnelleȱVeränȬ derungenȱprovozierenȱWiderstandȱoderȱverlaufenȱimȱSand.ȱEinȱWertewandelȱkannȱ unmöglichȱ„überȱNacht“ȱstattfinden;ȱ

„ dasȱTopȬManagementȱdesȱUnternehmensȱmussȱüberzeugtȱsein,ȱdassȱeineȱVerändeȬ rungȱ notwendigȱ ist,ȱ zuȱ demȱ Veränderungsprozessȱ stehenȱ undȱ ihnȱ aktivȱ undȱ glaubwürdigȱunterstützen;ȱ

„ dieȱ Führungskräfteȱ habenȱ imȱ Gestaltungsprozessȱ eineȱ Vorbildfunktionȱ –ȱsieȱ müsȬ senȱneueȱWerteȱüberzeugtȱundȱaufrichtigȱ(vor)leben;ȱ

216ȱ

Analyse und Gestaltung der Unternehmenskultur

„ nurȱ„vonȱoben“ȱeingeleitet,ȱbringtȱKulturgestaltungȱkeineȱErgebnisseȱ–ȱalleȱMitarȬ beiterȱdesȱUnternehmensȱsollenȱinvolviertȱsein;ȱ

„ dafürȱbrauchtȱmanȱständigeȱoffeneȱKommunikationȱüberȱkulturelleȱProzesse.ȱAuchȱ negativeȱErgebnisse,ȱKritikȱundȱFehlerȱmüssenȱoffenȱgelegtȱwerden.ȱ AlsȱdieȱnotwendigenȱSchritteȱeinerȱKulturveränderung,ȱdieȱalsȱeineȱEinheitȱbetrachtetȱ undȱdauerhaftȱangelegtȱwerden,ȱkönnenȱfolgendeȱdefiniertȱwerden:ȱ 1.ȱAnalyse/ErmittlungȱderȱIstȬKulturȱ(mithilfeȱvonȱBeobachtung,ȱDokumentenanalyse,ȱ Fragebogenaktionen,ȱ Interviews,ȱ Gruppendiskussionen),ȱ wobeiȱ dieȱ Schaffungȱ vonȱ BewusstseinȱfürȱProblemeȱderȱUnternehmenskulturȱwichtigȱist;ȱ 2.ȱKonzipierungȱeinerȱSollȬKulturȱ(eineȱgemeinsameȱFormulierungȱderȱkünftigenȱZieȬ le,ȱWerteȱundȱVerhaltensnormen);ȱȱ 3.ȱAuswahlȱ vonȱ praktischenȱ Instrumentenȱ undȱ konkretenȱ Maßnahmenȱ fürȱ eineȱ langȬ fristigeȱKulturpflegeȱsowieȱ 4.ȱRegelmäßigeȱÜberprüfungȱderȱWirksamkeitȱundȱVerständlichkeitȱderȱMaßnahmenȱ undȱihreȱständigeȱAnpassungȱanȱdieȱneuenȱUnternehmensbedingungen.ȱ Inȱ derȱ Literaturȱ werdenȱ zahlreicheȱ Instrumenteȱ derȱ gezieltenȱ Kulturveränderungȱ beschrieben.ȱIhreȱ„mechanische“ȱEinführungȱimȱUnternehmenȱistȱrelativȱeinfach,ȱaberȱ ihreȱlangfristigeȱWirksamkeitȱistȱstarkȱabhängigȱvonȱdemȱEngagementȱundȱderȱÜberȬ zeugungȱ derȱ Mitarbeiter.ȱ Dieseȱ Instrumenteȱ greifenȱ nurȱ beiȱ Beteiligungȱ allerȱ UnterȬ nehmensakteureȱundȱmüssenȱdeswegenȱständigȱinȱihrenȱAuswirkungenȱaufȱdieȱKulturȱ überprüftȱ werden.ȱ Unternehmenskulturgestaltungȱ istȱ demnachȱ nichtȱ alsȱ eineȱ EinzelȬ maßnahmeȱzuȱverstehen,ȱsondernȱalsȱeineȱlangeȱundȱgeduldigeȱArbeit.ȱ BesondersȱverbreitetȱsindȱfolgendeȱpraktischeȱInstrumenteȱderȱKulturgestaltung:ȱEinȬ führungȱ vonȱ Unternehmensleitbildern,ȱ Führungsgrundsätzenȱ oderȱ ethischenȱ LeitliȬ nienȱdesȱunternehmerischenȱHandelns,ȱorganisatorischeȱMaßnahmenȱwieȱVerflachungȱ vonȱHierarchien,ȱAbschaffenȱvonȱüberflüssigenȱRegelungen,ȱSchaffenȱvonȱFreiräumen,ȱ personalpolitischeȱMaßnahmenȱwieȱAusweitungȱderȱMitbestimmungȱundȱMitarbeiterȬ beteiligungȱ sowieȱ gezielteȱ Arbeitȱ anȱ derȱ Kommunikationȱ imȱ Unternehmen.ȱ Dieseȱ Auflistungȱ zeigt,ȱ wieȱ engȱ eineȱ Unternehmenskulturȱ mitȱ derȱ Unternehmensethikȱ zuȬ sammenhängt.ȱȱ Alsȱ Beispielȱ wirdȱ dasȱ Instrumentȱ „Unternehmensleitbilder“ȱ ausführlicherȱ erläutert.ȱ UnternehmensleitbilderȱbeschreibenȱdieȱWerteȱdesȱUnternehmensȱundȱderȱMitarbeiter,ȱ dieȱkünftigȱihrȱHandelnȱbestimmenȱsollen.ȱDamitȱdefinierenȱdieȱLeitbilderȱdieȱVeränȬ derungszieleȱ undȱ gebenȱ Orientierung.ȱ Zusätzlichȱ prägenȱ Leitbilderȱ dasȱ Imageȱ desȱ UnternehmensȱimȱAußenverhältnis.ȱPraktischȱalleȱGroßȬȱundȱdieȱmeistenȱmittelständiȬ schenȱUnternehmenȱhabenȱUnternehmensleitbilder,ȱdieȱaufȱihrenȱWebsitesȱpräsentiertȱ werden.ȱ Dieȱ Unternehmensleitbilderȱ werdenȱ alsȱ Ausdruckȱ derȱ gewünschtenȱ UnterȬ nehmensȬ,ȱFührungsȬȱundȱKooperationskulturȱinȱUnternehmenȱdefiniertȱundȱentwerȬ

217ȱ

12.6

12

Unternehmenskultur

fenȱ einȱ soȱ genanntesȱ „realistischesȱ Idealbild“,ȱ dasȱ fürȱ dieȱ Strategieȱ undȱ dieȱ Politikȱ einesȱ Unternehmensȱ Orientierungȱ schafft.ȱ Esȱ dientȱ damitȱ alsȱ Ausgangsbasisȱ fürȱ dieȱ AbleitungȱkonkreterȱStrategien,ȱRichtlinienȱundȱUmsetzungsmaßnahmen.ȱȱ Zuȱ denȱ Inhaltenȱ einesȱ Leitbildesȱ gehören:ȱ dasȱ Unternehmenszielȱ undȱ wirtschaftlicheȱ Funktionȱ desȱ Unternehmensȱ (Einstellungȱ zuȱ Wachstum,ȱ Wettbewerb,ȱ Fortschritt,ȱ anȬ gestrebteȱ Marktstellungȱ etc.);ȱ dieȱ Beziehungenȱ zuȱ denȱ Mitarbeiternȱ (Verantwortungȱ gegenüberȱ denȱ Mitarbeitern,ȱ Stellenwertȱ derȱ Menschenȱ imȱ Unternehmen,ȱ FührungsȬ prinzipienȱ undȱ Ȭstile,ȱ Kommunikationȱ undȱ zwischenmenschlicheȱ Beziehungenȱ etc.);ȱ Beziehungenȱ zuȱ denȱ Stakeholdernȱ (Kunden,ȱ Lieferanten,ȱ Konkurrentenȱ undȱ anderenȱ gesellschaftlichenȱ Gruppen)ȱ sowieȱ dieȱ gesellschaftlicheȱ Funktionȱ desȱ Unternehmensȱ (Stellungȱ undȱ Verantwortungȱ inȱ demȱ Staat/inȱ derȱ Gesellschaft).ȱ Dieȱ Leitbilderȱ sollenȱ prägnantȱundȱanspruchsvoll,ȱaberȱzugleichȱrealistischȱundȱkonkretȱsein.ȱVonȱentscheiȬ denderȱ Bedeutungȱ istȱ dieȱ Verbreitungȱ derȱ Leitbilderȱ unterȱ denȱ Mitarbeiternȱ desȱ UnȬ ternehmens.ȱ Inȱ allenȱ Abteilungenȱ sollenȱ Workshopsȱ zurȱ Einführungȱ vonȱ UnternehȬ mensleitbildernȱ stattfinden.ȱ Jedeȱ Gruppeȱ hatȱ dabeiȱ dieȱ Aufgabe,ȱ dieȱ UnternehmensȬ leitbilderȱinȱihremȱBereichȱzuȱkonkretisieren.ȱDamitȱverfolgtȱmanȱdasȱZiel,ȱeineȱhoheȱ IdentifikationȱmitȱdenȱLeitbildernȱzuȱschaffen.ȱ Beispielȱ Kaufhofȱ Warenhausȱ AG.ȱ Alsȱ Beispielȱ einerȱ erfolgreichenȱ Kulturgestaltungȱ kannȱ dasȱ UnternehmensleitbildȬProjektȱ zurȱ Einführungȱ vonȱ Leitbildernȱ undȱ FühȬ rungsgrundsätzenȱbeiȱderȱKaufhofȱWarenhausȱAGȱ(Projektstartȱ1995,ȱverursachtȱdurchȱ dieȱFusionȱmitȱderȱHortenȱAG)ȱdienen.ȱFürȱdieȱKonzipierungȱvonȱUnternehmensleitȬ bildernȱ wurdeȱ zunächstȱ eineȱ Projektgruppeȱ gebildet,ȱ dieȱ IstȬȱ undȱ SollȬKulturȱ analyȬ siertȱ undȱ aufgrundȱ vonȱAbweichungenȱ sechsȱ langfristigeȱ Projekteȱ fürȱ dieȱ NeugestalȬ tungȱ derȱ Felderȱ Strategie,ȱ Service,ȱ Geschäftsprozesse,ȱ Führung,ȱ Kommunikationȱ undȱ Vergütungssystemeȱ initiiertȱ hat.ȱ Anschließendȱ wurdenȱ imȱ Unternehmenȱ zahlreicheȱ Workshopsȱ organisiert,ȱ inȱ denenȱ dieȱ Arbeitsgruppenȱ aufȱ verschiedenenȱ UnternehȬ mensebenenȱüberȱdieȱInhalteȱdiskutiertȱhaben.ȱȱ Dasȱ 1996ȱ eingeführtesȱ Unternehmensleitbildȱ istȱ heuteȱ aufȱ derȱ Homepageȱ desȱ UnterȬ nehmensȱzuȱfinden:ȱ„DieȱKaufhofȱWarenhausȱAGȱalsȱHandelsunternehmenȱistȱinnovaȬ tiv,ȱertragsorientiert,ȱnahȱamȱKundenȱundȱwirdȱgeprägtȱdurchȱqualifizierteȱundȱmotiȬ vierteȱ Mitarbeiterinnenȱ undȱ Mitarbeiter.“ȱ Alsȱ Zieleȱ derȱ Umsetzungȱ desȱ UnternehȬ mensleitbildesȱ wurdenȱ definiert:ȱ dieȱ Steigerungȱ derȱ Kundenorientierungȱ undȱ Ȭ zufriedenheit,ȱ Identifikationȱ derȱ Mitarbeiterinnenȱ undȱ Mitarbeiterȱ mitȱ demȱ UnterȬ nehmenȱundȱihrerȱTätigkeit,ȱOffenheitȱundȱVertrauenȱimȱUmgangȱmiteinanderȱsowieȱ Handlungsfähigkeitȱ undȱ Innovationskraft.ȱ Umȱ dieseȱ Grundsätzeȱ zuȱ konkretisieren,ȱ wurdenȱ praktischeȱ Verhaltensregelnȱ derȱ Mitarbeiterȱ beschriebenȱ (s.ȱAbbildung).ȱ Dasȱ ProjektȱdauerteȱmehrereȱJahreȱan:ȱmitȱeinemȱAbstandȱvonȱ2Ȭ3ȱJahrenȱwurdenȱbeiȱderȱ Kaufhofȱ AGȱ breitangelegteȱ Befragungenȱ vonȱ Mitarbeiternȱ undȱ Führungskräftenȱ durchgeführt,ȱ umȱ zuȱ überprüfen,ȱ obȱ undȱ wieȱ dieȱ Unternehmensleitbilderȱ undȱ FühȬ rungsgrundsätzeȱ angekommenȱ sind.ȱ „Sehrȱ positivȱ istȱ inȱ diesemȱ Zusammenhangȱ dieȱ

218ȱ

Analyse und Gestaltung der Unternehmenskultur

Ableitungȱ einesȱ Kompetenzmodellsȱ fürȱ Führungskräfteȱ undȱ einȱ intensivȱ begleiteterȱ ProzessȱderȱAufwärtsbeurteilungȱmitȱklaremȱAktionsplanȬPrinzip.“251ȱ

Abb.ȱ53:ȱ

LeitlinienȱderȱKaufhofȱWarenhausȱAG252ȱ

Unsere Wege

Unser Handeln

Wir stellen den Kunden in den Mittelpunkt unseres Handelns.

»

Wir sind freundlich, hilfsbereit und aufmerksam dem Kunden gegenüber. Wir erreichen, dass der Kunde gern bei uns einkauft.

Wir identifizieren uns mit unserem Unternehmen.

»

Wir ergreifen selbst die Initiative und engagieren uns in unserer Tätigkeit. Wir lernen aus Fehlern und sind stolz auf unsere Erfolge.

Wir füllen Handlungsspielräume aus.

»

Wir handeln verantwortungsbewusst und erfolgsorientiert. Grundlage sind die im Unternehmen geltenden Normen und Werte.

Wir gehen offen und vertrauensvoll miteinander um.

»

Wir geben und nehmen Kritik konstruktiv und haben Achtung voreinander.

Wir informieren uns gegenseitig.

»

Wir holen Informationen aktiv ein und geben diese an andere weiter.

Wir beziehen andere mit ein.

»

Wir nutzen die Fähigkeiten und Ideen aller für das gemeinsame Erreichen unserer Ziele.

ȱ EineȱbesondereȱRolleȱimȱKulturgestaltungsprozessȱgebührtȱderȱKommunikation.ȱEineȱ imȱ Unternehmenȱ gelebteȱ Kulturȱ existiertȱ nichtȱ aufȱ Papierȱ undȱ Datenträgern,ȱ nichtȱ inȱ FormȱvonȱLeitbildernȱundȱUnternehmensphilosophie,ȱsondernȱinȱderȱKommunikationȱ undȱInteraktionenȱderȱMitarbeiterȱuntereinanderȱundȱmitȱderȱAußenweltȱ(mitȱKunden,ȱ Lieferanten,ȱ anderenȱ gesellschaftlichenȱ Gruppen).ȱ Daherȱ bildenȱ Kulturȱ undȱ KommuȬ nikationȱ imȱ Unternehmenȱ einȱ unzertrennlichesȱ Ganzes:ȱ Kommunikationȱ basiertȱ aufȱ derȱKulturȱalsȱverbindlicherȱOrdnung,ȱKulturȱbrauchtȱKommunikationȱfürȱihreȱKonstiȬ tutionȱundȱKonkretisierung.ȱEineȱgezielteȱArbeitȱanȱderȱUnternehmenskulturȱistȱohneȱ unternehmensinterneȱ Kommunikationȱ undenkbar:ȱ Esȱ mussȱ dasȱ Bewusstseinȱ fürȱ dieȱ Notwendigkeitȱ desȱ Kulturwandelsȱ geschaffenȱ werden,ȱ dieȱ Meinungenȱ derȱ KulturakȬ teureȱ imȱ Unternehmenȱ sollenȱ ermitteltȱ werden,ȱ dieȱ Wegeȱ derȱ Gestaltungȱ sollenȱ geȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 251ȱ Bertelsmannȱ Stiftung,ȱ HansȬBöcklerȬStiftungȱ (Hrsg.):ȱ Praxisȱ Unternehmenskultur.ȱ Bandȱ 5,ȱ

Fusionenȱgestalten,ȱS.ȱ23.ȱ 252ȱ www.galeriaȬkaufhof.de/sales/coco/co_jobs_012_unternehmenȬkultur_01.aspȱ(12.07.07).ȱ

219ȱ

12.6

12

Unternehmenskultur

meinsamȱdiskutiertȱwerdenȱundȱschließlichȱkannȱdieȱangestrebteȱKulturȱnurȱinȱFormȱ derȱKommunikationȱgelebtȱwerden.ȱ ȱ Kontrollfragenȱȱ 1. Charakterisierenȱ Sieȱ einȱ Unternehmenȱ alsȱ eineȱ soziale,ȱ sichȱ selbstȱ organisierendeȱ Handlungseinheit.ȱ 2. BeschreibenȱSieȱdasȱganzheitlicheȱModellȱdesȱHandelnsȱeinesȱUnternehmens.ȱ 3. DefinierenȱSieȱdenȱBegriffȱ„Unternehmenskultur“.ȱȱ 4. Beschreibenȱ Sieȱ dieȱ Unternehmenskulturtheorieȱ nachȱ E.ȱ Scheinȱ mitȱ denȱ Ebenenȱ Grundprämissen,ȱWerteȱundȱArtefakte.ȱ 5. Charakterisierenȱ Sieȱ expliziteȱ undȱ impliziteȱ Elementeȱ einerȱ Unternehmenskulturȱ undȱbelegenȱSieȱIhreȱAussagenȱmitȱpraktischenȱBeispielen.ȱ 6. ErläuternȱSieȱdasȱEisbergmodellȱderȱUnternehmenskultur.ȱ 7. Beschreibenȱ Sieȱ dieȱ dreiȱ Ebenenȱ derȱ Unternehmenskultur:ȱ UnternehmensphilosoȬ phie,ȱȬethikȱundȱȬidentität.ȱ 8. ErklärenȱSieȱdasȱdynamischeȱModellȱderȱUnternehmenskultur.ȱ 9. ErläuternȱSieȱdieȱWirkungenȱderȱUnternehmenskulturȱinȱUnternehmen.ȱ 10. Beschreibenȱ Sieȱ dieȱ möglichenȱ Variantenȱ einerȱ Unternehmenskulturanalyse.ȱ Wieȱ kannȱdieȱErhebungȱdesȱIstȬZustandesȱdurchgeführtȱwerden?ȱ 11. Diskutierenȱ Sieȱ Möglichkeitenȱ undȱ Problemeȱ beiȱ derȱ Gestaltungȱ vonȱ UnternehȬ menskultur.ȱȱ 12. ErläuternȱSieȱZieleȱundȱFunktionenȱvonȱUnternehmensleitbildern.ȱWieȱkönnenȱsieȱ fürȱdieȱGestaltungȱvonȱUnternehmenskulturȱbenutztȱwerden?ȱ 13. VersuchenȱSieȱdieȱUnternehmenskulturȱIhrerȱHochschuleȱoderȱeinesȱIhnenȱbekannȬ tenȱUnternehmensȱzuȱbeschreiben.ȱGehenȱSieȱdabeiȱgetrenntȱaufȱdieȱexplizitenȱundȱ implizitenȱElementeȱderȱKulturȱein.ȱ

220ȱ

Analyse und Gestaltung der Unternehmenskultur

13 Unternehmensethik Einȱ Unternehmenȱ alsȱ selbstständigeȱ Handlungseinheitȱ hatȱ einȱ enormesȱ Potenzialȱ beiȱ derȱ Veränderungȱ undȱ Gestaltungȱ seinerȱ Umwelt.ȱ Zuȱ denȱ wichtigstenȱAuswirkungenȱ unternehmerischenȱHandelnsȱzählen:ȱȱ

„ AuswirkungenȱaufȱKundenȱundȱKundenbedürfnisse:ȱesȱbefriedigtȱKundenbedürfȬ nisseȱmitȱseinenȱProduktenȱundȱDienstleistungen,ȱschafftȱsogarȱneueȱBedürfnisse;ȱ durchȱ neueȱ Produkteȱ undȱ Dienstleistungenȱ verändertȱ einȱ Unternehmenȱ dieȱ LeȬ bensgewohnheitenȱundȱȬqualitätȱderȱMenschen;ȱȱ

„ Auswirkungenȱ aufȱ dieȱ eigeneȱ Belegschaft:ȱ alsȱ Arbeitgeberȱ bestimmtȱ einȱ UnterȬ nehmenȱ Entlohnung,ȱ Arbeitsbedingungen,ȱ Zufriedenheit,ȱ Möglichkeitenȱ zurȱ Selbstverwirklichungȱusw.;ȱ

„ EinflusseȱaufȱdieȱArbeitsmarktsituation:ȱschafftȱneueȱArbeitsplätzeȱoderȱvernichtetȱ vorhandene;G

„ Auswirkungenȱ aufȱ dieȱ Kapitalmärkte:ȱ esȱ vermehrtȱ oderȱ verschwendetȱ dasȱ Geldȱ vonȱAktionärenȱbzw.ȱEigentümern,ȱ

„ EinflüsseȱaufȱLieferantenȱundȱPartner:ȱeinȱUnternehmenȱbeeinflusstȱihreȱSituationȱ alsȱAuftraggeberȱundȱKäufer;ȱG

„ Folgenȱ fürȱ Gemeindenȱ undȱ Städte:ȱeinȱ Unternehmenȱ verbrauchtȱ Ressourcen,ȱ verȬ schmutztȱdieȱUmwelt,ȱschafftȱInfrastruktur;ȱ

„ Auswirkungenȱ aufȱ dieȱ Gesellschaftȱ alsȱ ganzes:ȱ esȱ zahltȱ Steuernȱ undȱ finanziertȱ damitȱ dieȱ gesellschaftlicheȱ Solidaritätȱ undȱ verschiedeneȱ sozialeȱ Programme;ȱ esȱ trägtȱzumȱtechnischenȱundȱtechnologischenȱFortschrittȱderȱganzenȱGesellschaftȱbei;ȱ esȱengagiertȱsichȱinȱderȱGesellschaftȱdurchȱdieȱFörderungȱderȱBildung,ȱForschungȱ undȱKunst;ȱesȱverändertȱdieȱgesamtwirtschaftlichenȱBedingungenȱdurchȱKooperaȬ tionen,ȱAllianzenȱundȱVerlagerungȱvonȱStandorten.ȱ BeiȱdiesemȱbedeutsamenȱEinflusspotenzialȱistȱdieȱFrageȱnachȱdenȱethischenȱPrinzipienȱ unternehmerischenȱ Handelnsȱ selbstverständlichȱ undȱ bildetȱ dasȱ Untersuchungsfeldȱ derȱUnternehmensethik.ȱEinȱUnternehmenȱistȱmoralfähigȱundȱmoralpflichtig.ȱ InȱdiesemȱKapitelȱwirdȱdieȱProblematikȱderȱUnternehmensethikȱausȱzweiȱPerspektivenȱ diskutiert:ȱ Ethikȱ vonȱ undȱ inȱ Unternehmen,ȱ wobeiȱ derȱ Schwerpunktȱ wenigerȱ aufȱAnȬ sätzeȱundȱTheorien,ȱsondernȱaufȱdieȱpraktischenȱAspekteȱderȱunternehmerischenȱVerȬ antwortungȱgelegtȱwird.ȱ

221ȱ

12.6

13

Unternehmensethik

13.1

Theoretische Grundlagen der Unternehmensethik

EthikȱinȱBezugȱaufȱindividuellesȱHandelnȱwurdeȱalsȱWissenschaftȱcharakterisiert,ȱdieȱ allgemeineȱ Normenȱ desȱ Handelnsȱ definiertȱ undȱ begründetȱ (s.ȱ Kapitelȱ 7.4ȱ „Ethikȱ desȱ individuellenȱ Handelns“).ȱ Dortȱ wurdenȱ inȱ Anlehnungȱ anȱ I.ȱ Kantȱ dieȱ Pflichtenȱ einesȱ Individuumsȱ gegenȱ sichȱ selbst,ȱ denȱ anderenȱ undȱ derȱ Naturȱ beschrieben.ȱ Auchȱ dasȱ Handelnȱ einesȱ Unternehmensȱ unterliegtȱ ethischerȱ Beurteilung.ȱ Imȱ Weiterenȱ werdenȱ einigeȱ relevanteȱ Ansätzeȱ undȱ Begriffeȱ sowieȱ ausgewählteȱ Instrumenteȱ zurȱ Regelungȱ derȱUnternehmensethikȱdiskutiert.ȱȱ

13.1.1

Ansätze und Begriffe der Unternehmensethik

DreiȱAnsätzeȱderȱUnternehmensethikȱsindȱbesondersȱbekanntȱundȱwerdenȱkurzȱdargeȬ stelltȱundȱinȱweiterenȱAusführungenȱgenutzt:ȱvonȱK.ȱHomann,ȱP.ȱUlrichȱundȱH.ȱSteinȬ mann.ȱ Daȱ einȱ Unternehmenȱ inȱ einemȱ gesetzlichenȱ Raumȱ derȱ Gesellschaftȱ handelt,ȱ werdenȱ seineȱ Handlungenȱ vonȱ denȱ äußerenȱ Rahmenbedingungenȱ beeinflusst.ȱ Aufȱ dieserȱ EbeneȱkannȱesȱumȱEinhaltenȱderȱGesetzeȱundȱRegelungenȱgehen.ȱAllerdingsȱkannȱdasȱ Gesetztȱ nichtȱ alleȱ Situationenȱ regeln,ȱ soȱ dassȱ fürȱ einȱ Unternehmenȱ häufigȱ gewisseȱ Freiräumeȱ fürȱ Entscheidungenȱ entstehen,ȱ beiȱ denenȱ ethischeȱ Fragenȱ eineȱ wichtigeȱ Rolleȱ spielen.ȱ „Inȱ solchenȱ Fällenȱ sindȱ dieȱ Unternehmenȱ aufgefordert,ȱ eigenständigeȱ Legitimationsbemühungenȱ anzustrengen.ȱ Hierȱ entstehtȱ einȱ Bedarfȱ anȱ moralischerȱ Verantwortungsübernahmeȱ durchȱ dieȱ Unternehmen,ȱ dieȱ überȱ dasȱ normaleȱ Maßȱ anȱ systemkonformerȱ Gewinnorientierungȱ hinausgeht.“ȱ Ȭȱ ȱ soȱ beschreibtȱ K.ȱ Homannȱ dieȱ Wechselbeziehungȱ zwischenȱ derȱ gesetzlichenȱ Rahmenordnungȱ undȱ einemȱ ethischȱ handelndenȱ Unternehmenȱ undȱ plädiertȱ fürȱ eineȱ allenȱ bekannte,ȱ fürȱ alleȱ gleicheȱ undȱ transparenteȱRahmenordnung.253ȱȱ P.ȱ Ulrichȱ kritisiertȱ dieȱ fehlendeȱ Wertorientierungȱ derȱ Wirtschaft,ȱ dieȱ „sichȱ alleinȱ demȱ quantitativȱ kalkulierendenȱ Erfolgsprinzipȱ verschriebenȱ hatȱ undȱ esȱ zumȱ unabänderliȬ chenȱ Sachzwangȱ deklariert“ȱ undȱ siehtȱ eineȱ Kluftȱ zwischenȱ derȱ Weltȱ reinerȱ ökonomiȬ schenȱRationalitätȱundȱreinerȱaußerökonomischenȱMoralität.ȱDarausȱformuliertȱUlrichȱ dasȱ Grundproblemȱ derȱ Wirtschaftsethik:ȱ „Wieȱ kannȱ esȱ ihrȱ imȱ Ansatzȱ gelingen,ȱ dasȱ WirtschaftlicheȱundȱdasȱethischȬpraktischȱWertvolleȱinȱmodernerȱWeiseȱzusammenzuȬ denken?“254ȱEineȱmöglicheȱLösungȱdesȱProblemsȱistȱfürȱP.ȱUlrichȱdieȱsozialökonomiȬ scheȱ Vernunftȱ mündiger,ȱ engagierterȱ Bürger,ȱ dieȱ durchȱ einenȱ breitenȱ Konsensȱ dieȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 253ȱ Vgl.ȱHomann,ȱK.;ȱBlomeȬDrees,ȱF.ȱWirtschaftsȬȱundȱUnternehmensethik,ȱS.ȱ112ȱff.ȱ 254ȱ Vgl.ȱUlrich,ȱP.ȱIntegrativeȱWirtschaftsethik,ȱS.ȱ116.ȱȱ

222ȱ

Theoretische Grundlagen der Unternehmensethik

Wirtschaftȱ legitimierenȱ sollen.ȱ Dieseȱ „unbegrenzteȱ kritischeȱ Öffentlichkeitȱ allerȱ BürȬ ger“ȱistȱdieȱLegitimationsinstanzȱfürȱallesȱmarktwirtschaftlicheȱGeschehen.ȱȱ AuchȱH.ȱSteinmannȱweistȱaufȱdieȱBegrenztheitȱdesȱGewinnprinzipsȱimȱunternehmeriȬ schenȱHandelnȱhin,ȱdaȱseineȱausschließlicheȱAnwendungȱzwangsläufigȱȱzuȱKonfliktenȱ mitȱ anderenȱ Stakeholdernȱ führt.255ȱ Gleichfallsȱ lässtȱ dasȱ allgemeineȱ Gewinnprinzipȱ bestimmteȱSpielräumeȱzu,ȱsodassȱeinȱUnternehmenȱsichȱsituativȱentscheidenȱsoll.ȱDerȱ Gewinnȱ bleibtȱ dasȱ unternehmerischeȱ Ziel,ȱ aberȱ Ethikȱ entscheidetȱ überȱ dieȱ Mittelȱ fürȱ dieȱ Realisierungȱ derȱ Strategie.ȱ Dieȱ unternehmenspolitischenȱ Entscheidungenȱ könnenȱ nachȱSteinmannȱnurȱinȱFormȱeinesȱDiskursȱgetroffenȱwerden,ȱderȱaufȱdieȱEntwicklungȱ undȱ Begründungȱ vonȱ verbindlichenȱ Normenȱ imȱ Unternehmenȱ abzieltȱ sowieȱ einenȱ kontinuierlichenȱDialogȱzwischenȱallenȱBetroffenenȱfordert.ȱFolgendeȱAbbildungȱzeigtȱ dasȱZusammenspielȱzwischenȱMarktkräften,ȱrechtlichenȱRahmenbedingungenȱundȱderȱ UnternehmensethikȱnachȱSteinmann.ȱ

Abb.ȱ54:ȱ

SteuerungsgrößenȱunternehmerischenȱHandelnsȱnachȱSteinmann256ȱ Markt Preise

Recht Wirtschafts- und Unternehmensverfassung

Ethik Unternehmensethik

ȱ ȱ ȱ

Unternehmenspolitische Entscheidungen

ȱ Folglichȱ mussȱ einȱ Unternehmenȱ inȱ seinemȱ Handelnȱ allenȱ diesenȱ Anforderungenȱ geȬ nügen:ȱ denȱ rechtlichenȱ Rahmenbedingungen,ȱ Anforderungenȱ desȱ Marktesȱ undȱ ethiȬ schenȱPrinzipien.ȱȱ EinigeȱAutorenȱ(Berkel/Herzog257)ȱkritisierenȱdenȱabstraktenȱCharakterȱderȱerläutertenȱ Theorienȱ undȱ vermissenȱ dieȱ innenbetrieblicheȱ Perspektiveȱ derȱ Unternehmensethik.ȱ Demgegenüberȱ konzentrierenȱ sieȱ sichȱ aufȱ dieȱ Konzepteȱ derȱ Unternehmensethikȱ inȬ nerhalbȱvonȱUnternehmen.ȱ Beideȱ Richtungenȱ ergänzenȱ sichȱ gegenseitigȱ undȱ bildenȱ eineȱ Einheit.ȱ UnternehmensȬ ethikȱkannȱalsȱVerantwortungȱeinesȱUnternehmensȱfürȱseinȱHandelnȱundȱdessenȱFolȬ genȱ beschriebenȱ werden,ȱ wobeiȱ esȱ umȱ zweiȱ Aspekteȱ geht,ȱ dieȱ imȱ Weiterenȱ getrenntȱ diskutiertȱwerden:ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 255ȱ Vgl.ȱSteinmann,ȱH.;ȱLöhr,ȱA.ȱGrundlagenȱderȱUnternehmensethik.ȱ 256ȱ InȱAnlehnungȱanȱSteinmann,ȱH.;ȱLöhr,ȱA.ȱGrundlagenȱderȱUnternehmensethik,ȱS.ȱ119.ȱȱ 257ȱ Berkel,ȱK.;ȱHerzog,ȱR.ȱUnternehmenskulturȱundȱEthik.ȱ

223ȱ

13.1

13

Unternehmensethik

„ Ethikȱ vonȱ Unternehmen,ȱ alsȱ Verantwortungȱ gegenüberȱ gesellschaftlichenȱ InteresȬ sengruppen,ȱundȱȱ

„ EthikȱinȱUnternehmen,ȱgegenüberȱderȱeigenenȱBelegschaft.ȱG Dieȱ Verantwortungȱ wirdȱ vonȱ Personenȱ getragen,ȱ dieȱ inȱ einemȱ Unternehmenȱ inȱ ihrerȱ RolleȱalsȱWirtschaftsakteureȱfürȱdasȱUnternehmenȱhandeln.ȱDieseȱwerdenȱalsȱSubjekteȱ derȱUnternehmensethikȱbezeichnet.ȱImȱPrinzipȱsindȱesȱalleȱFührungskräfteȱundȱMitarȬ beiter,ȱdieȱbestimmteȱFunktionenȱundȱRollenȱimȱUnternehmenȱhabenȱundȱfürȱdieȱFolȬ genȱdesȱeigenenȱTunȱundȱLassensȱverantwortlichȱsind.258ȱDarüberȱhinausȱkönnenȱauchȱ andereȱ Akteureȱ einenȱ indirektenȱ Einflussȱ aufȱ dieȱ Unternehmensverantwortungȱ nehȬ menȱ Ȭȱ Konsumenten,ȱ Investoren,ȱ Politiker,ȱ Interessenverbände.ȱ Dieȱ HauptverantworȬ tungȱliegtȱallerdingsȱbeiȱdenȱEntscheidungsträgernȱundȱMitarbeiternȱimȱUnternehmen.ȱ Alsȱ Objekteȱ unternehmerischerȱ Verantwortungȱ könnenȱ inȱ ersterȱ Linieȱ Handlungen,ȱ Unterlassungen,ȱ Entscheidungenȱ undȱ ihreȱ Folgen,ȱ Zustände,ȱ Güterȱ undȱ Werteȱ geȬ nanntȱwerden.259ȱEinigeȱBeispieleȱdazuȱsind:ȱBilanzverschönerungȱ(Handlung),ȱschädȬ licheȱProdukteȱoderȱNebenwirkungenȱeinesȱMedikamentesȱ(UnterlassungȱderȱKontrolȬ le),ȱUmweltverschmutzungȱundȱAusbeutungȱderȱNaturressourcenȱ(Folgen),ȱKinderarȬ beitȱinȱderȱdrittenȱWeltȱ(Handlung).ȱManȱmerkt,ȱdassȱdieȱObjekteȱderȱVerantwortungȱ sichȱzumȱTeilȱüberschneidenȱundȱzugleichȱeineȱVerletzungȱderȱWerteȱbeinhalten.ȱUnȬ ternehmenȱ Aȱ trägtȱ Verantwortungȱ fürȱ eineȱ Krankheitȱ (unerwünschterȱ Zustand)ȱ undȱ ihreȱ Folgenȱ fürȱ dieȱ Kunden,ȱ weilȱ gefährlicheȱ Nebenwirkungenȱ seinesȱ Medikamentsȱ nichtȱ genugȱ untersuchtȱ und/oderȱ vertuschtȱ wordenȱ sindȱ (Unterlassungȱ oderȱ HandȬ lung).ȱ Esȱ gehtȱ dabeiȱ umȱ verschiedeneȱ Objekteȱ derȱ Verantwortung:ȱ Handlungen,ȱ UnȬ terlassungen,ȱZuständeȱundȱWerteȱ(vgl.ȱfolgendeȱTabelle).ȱ

Tabelleȱ37:ȱ ElementeȱderȱUnternehmensverantwortung260ȱ Subjekte der Verantwortung

Objekte der Verantwortung

Verantwortungsrelation

Instanz der Verantwortung

direkt:

Handlungen, Unterlassungen, Aufgaben Entscheidungen Folgen Zustände Güter Werte

Wie weit reicht die Verantwortung eines Subjektes?

Gerichte

Welches Subjekt ist für ein gegebenes Objekt verantwortlich?

Gott

Führungskräfte, Mitarbeiter, Unternehmen ferner: Konsumenten, Investoren, Politiker etc.

ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 258ȱ Vgl.ȱGöbel,ȱE.ȱUnternehmensethik,ȱS.ȱ99.ȱ 259ȱ Ebd.,ȱS.ȱ100Ȭ101.ȱ 260ȱ InȱAnlehnungȱanȱGöbel,ȱE.ȱUnternehmensethik,ȱS.ȱ102.ȱ

224ȱ

Öffentlichkeit

Vernunft Gewissen

Theoretische Grundlagen der Unternehmensethik

DieȱTabelleȱstelltȱnebenȱSubjektenȱundȱObjektenȱderȱUnternehmensethikȱ dieȱRelationȱ undȱInstanzȱderȱVerantwortungȱdar.ȱ PraktischeȱUnternehmensethikȱistȱdasȱErgebnisȱeinerȱWechselbeziehungȱzwischenȱderȱ EthikȱeinzelnerȱIndividuen,ȱdenȱinstitutionellenȱNormenȱimȱUnternehmenȱundȱAnforȬ derungenȱ einerȱ kritischenȱ Öffentlichkeit.ȱ Jedesȱ Individuumȱ imȱ Unternehmenȱ hatȱ dieȱ VerantwortungȱfürȱseinȱTunȱundȱLassenȱundȱhandeltȱaufgrundȱseinerȱethischenȱPrinȬ zipien.ȱ Jederȱ Mitarbeiterȱ istȱ fürȱ dasȱ unternehmerischeȱ Handelnȱ verantwortlichȱ undȱ sollteȱ sichȱ wehren,ȱ wennȱ erȱ gezwungenȱ wird,ȱ unethischȱ zuȱ handeln.ȱ Allerdingsȱ giltȱ dasȱPrinzip:ȱjeȱmehrȱMacht,ȱdestoȱgrößerȱdieȱVerantwortung,ȱdeswegenȱsindȱinȱersterȱ LinieȱdieȱTopȬManagerȱfürȱdieȱgesamtunternehmerischenȱEntscheidungenȱverantwortȬ lich.ȱ Dieȱ institutionellenȱ ethischenȱ Normenȱ imȱ Unternehmenȱ (inȱ Formȱ einerȱ explizitȱ definiertenȱ Unternehmenskultur,ȱ ethischerȱ Grundsätzeȱ oderȱ Leitlinien)ȱ bildenȱ eineȱ normativeȱBasisȱfürȱverantwortlichesȱHandeln.ȱAuchȱdieȱkritischeȱÖffentlichkeitȱspieltȱ inȱdemȱProzessȱeineȱbedeutendeȱRolle,ȱindemȱsieȱdieȱUnternehmensaktivitätenȱkritischȱ verfolgtȱ undȱ sowohlȱ negativeȱ alsȱ auchȱ positiveȱ Beispieleȱ bekanntȱ macht.ȱ Imȱ Namenȱ derȱÖffentlichkeitȱhandelnȱi.d.R.ȱMedienȱoderȱaktiveȱGruppenȱwieȱUmweltschutzȬȱundȱ Menschenrechtsorganisationen.ȱDurchȱdieȱAufdeckungȱvonȱMissfällenȱkönnenȱfürȱeinȱ Unternehmenȱ erheblicheȱ Schädenȱ entstehen,ȱ wennȱ ihmȱ Kundenȱ wegenȱ schlechtemȱ Imageȱweglaufen.ȱ EthikȱvonȱundȱinȱUnternehmenȱistȱkeinȱunabhängigesȱPhänomen,ȱsieȱmussȱinȱVerbinȬ dungȱ mitȱ denȱ Sinnorientierungenȱ einesȱ Unternehmens,ȱ seinerȱ Strategieȱ undȱ Kulturȱ betrachtetȱ werden.ȱ Wirdȱ derȱ Sinnȱ derȱ unternehmerischenȱ Tätigkeitȱ nurȱ inȱ derȱ MaxiȬ mierungȱ derȱ Gewinneȱ gesehen,ȱ soȱ kannȱ esȱ zuȱ einemȱ Konfliktȱ zwischenȱ Zielenȱ undȱ Ethikȱ kommen.ȱ Dannȱ werdenȱ dieȱ ethischenȱ Überlegungenȱ alsȱ einȱ störenderȱ Faktorȱ undȱihreȱNichteinhaltungȱalsȱlegitimȱangesehen.ȱȱ HeiligtȱderȱökonomischeȱErfolgȱalleȱMittel?ȱDasȱistȱdieȱgrundlegendeȱFrage,ȱdieȱjedesȱ Unternehmenȱfürȱsichȱbeantwortenȱmuss.ȱDieseȱDiskussionȱistȱzurzeitȱaktuellerȱdennȱ je,ȱwobeiȱesȱweniger,ȱalsȱvorȱ5Ȭ10ȱJahren,ȱumȱdieȱFragenȱdesȱUmweltschutzesȱundȱderȱ Kinderarbeitȱ inȱ derȱ drittenȱ Weltȱ geht,ȱ sondernȱ inȱ ersterȱ Linieȱ umȱ denȱ Erhaltȱ vonȱArȬ beitsplätzenȱundȱethischeȱVerantwortungȱderȱUnternehmenȱgegenüberȱeigenenȱBelegȬ schaftenȱundȱderȱGesellschaft.ȱȱ Versuchenȱ wirȱ dieseȱ komplizierteȱ Problematikȱ anhandȱ einesȱ Beispielsȱ zuȱ betrachten.ȱ Handeltȱ einȱ Unternehmenȱ moralisch,ȱ wennȱ esȱ ohneȱ Rücksichtȱ seineȱ Mitarbeiterȱ entȬ lässt?ȱ Darfȱ einȱ Unternehmenȱ ohneȱ Bedenkenȱ seineȱ Produktionsstandorteȱ daheimȱ schließenȱundȱinȱdieȱBilliglohnländerȱverlagernȱoderȱistȱesȱfürȱdieȱArbeitsmarktsituatiȬ onȱundȱdieȱGesellschaftȱmitverantwortlich?ȱReinȱökonomischȱkannȱeineȱsolcheȱVerlaȬ gerungȱ begründetȱ sein,ȱ allerdingsȱ könnteȱ manȱ beiȱ derȱ Entscheidungȱ weitereȱ Gründeȱ hinzuziehen.ȱ Zumȱ Beispiel:ȱ Werdenȱ nochȱ mehrȱ Menschenȱ inȱ Deutschlandȱ arbeitslos,ȱ dannȱ schrumpftȱ dieȱ Binnenkonjunkturȱ undȱ dasȱ Unternehmenȱ bekommtȱ langfristigȱ Absatzprobleme.ȱDasȱUnternehmensimageȱinȱderȱÖffentlichkeitȱkannȱbeschädigtȱwerȬ den,ȱ wasȱ eineȱ Kundenblockadeȱ hervorrufenȱ könnte.ȱ Dasȱ sindȱ nurȱ reinȱ pragmatischeȱ 225ȱ

13.1

13

Unternehmensethik

Überlegungen,ȱdieȱzeigen,ȱdassȱsichȱdieȱethischenȱAspekteȱlangfristigȱgewinnbringendȱ oderȱ ȱ Ȭreduzierendȱ auswirkenȱ können.ȱ Darüberȱ hinausȱ sollteȱ sichȱ dasȱ Unternehmenȱ fragen,ȱ obȱ esȱ derȱ Gesellschaftȱ gegenüber,ȱ dieȱ seineȱ Mitarbeiterȱ undȱ Führungskräfteȱ ausgebildetȱsowieȱInfrastrukturȱundȱForschungslandschaftȱinȱDeutschlandȱgeschaffenȱ hat,ȱdafürȱetwasȱschuldigȱist.ȱSchließlichȱprofitiertȱjedesȱUnternehmenȱvonȱdemȱhohenȱ LebensstandardȱundȱderȱLebensqualitätȱinȱeinerȱGesellschaft.ȱȱ Offensichtlich,ȱistȱesȱfürȱUnternehmenȱvielȱkomplizierter,ȱsolcheȱFragenȱzuȱbeantworȬ ten,ȱ alsȱ einmaligeȱ Spendenȱ fürȱ humanitäreȱ Projekteȱ zuȱ gewährenȱ oderȱ sichȱ fürȱ denȱ Umweltschutzȱeinzusetzen.ȱ Deswegenȱ sollteȱ Unternehmensethikȱ nichtȱ alsȱ vereinzelteȱ imageförderndeȱ Maßnahmen,ȱ sondernȱ alsȱ systematischeȱ Auseinandersetzungȱ mitȱ ethischenȱ Fragestellungenȱ praktiziertȱ werden.ȱ Dieȱ Umsetzungsformenȱ solcherȱ UnterȬ nehmensethikȱwerdenȱinȱweiterenȱKapitelnȱdiskutiert.ȱ

13.1.2

Einige Instrumente zur Regelung der Unternehmensethik

ZuȱdenȱRegelungsinstrumentenȱgehörenȱdreiȱGruppen:ȱȱ 1. VereinbarungenȱvonȱRegelkodizesȱfürȱdasȱVerhaltenȱvonȱanȱderȱUnternehmensfühȬ rungȱ beteiligtenȱ Gruppenȱ (Vorstandȱ bzw.ȱ Geschäftsführung,ȱ Aufsichtsrat,ȱ UnterȬ nehmensprüferȱusw.),ȱ 2. Vereinbarungenȱ überȱ Verhaltensweisenȱ vonȱ Unternehmenȱ gegenüberȱ bestimmtenȱ Stakeholdernȱsowieȱ 3. DieȱEinbeziehungȱvonȱStakeholdernȱinȱdieȱEntscheidungenȱvonȱUnternehmen.ȱ ZuȱdiesenȱGruppenȱwerdenȱeinzelneȱBeispieleȱdargestellt.ȱ Zuȱ derȱ erstenȱ Gruppeȱ gehörtȱ vorȱ allemȱ Deutscherȱ Corporateȱ Governanceȱ Kodex.ȱ Corporateȱ Governanceȱ umfasstȱ dieȱ Gesamtheitȱ derȱ internationalenȱ bzw.ȱ nationalenȱ Werteȱ undȱ Grundsätzeȱ fürȱ eineȱ gute,ȱ transparenteȱ undȱ verantwortungsvolleȱ UnterȬ nehmensführung,ȱ welcheȱ sowohlȱ fürȱ dieȱ Mitarbeiterȱ alsȱ auchȱ fürȱ dieȱ UnternehmensȬ führungȱ vonȱ Unternehmenȱ gelten.ȱ Corporateȱ Governanceȱ istȱ keinȱ internationalȱ einȬ heitlichesȱRegelwerk,ȱeherȱeinȱländerspezifischesȱVerständnisȱverantwortungsbewussȬ terȱUnternehmensführung.ȱȱ Imȱ Jahrȱ 2001ȱ wurdeȱ inȱ Deutschlandȱ vomȱ Bundesministeriumȱ derȱ Justizȱ dieȱ ȈRegieȬ rungskommissionȱ Deutscherȱ Corporateȱ Governanceȱ KodexȈȱ gebildet,ȱ dieȱ 2002ȱ denȱ Kodexȱfertigȱgestelltȱundȱveröffentlichtȱhat.ȱDerȱDeutscheȱCorporateȱGovernanceȱKoȬ dexȱ „stelltȱ wesentlicheȱ gesetzlicheȱ Vorschriftenȱ zurȱ Leitungȱ undȱ Überwachungȱ deutȬ scherȱbörsennotierterȱGesellschaftenȱ(Unternehmensführung)ȱdarȱundȱenthältȱinternaȬ tionalȱundȱnationalȱanerkannteȱStandardsȱguterȱundȱverantwortungsvollerȱUnternehȬ mensführung.ȱDerȱKodexȱsollȱdasȱdeutscheȱCorporateȱGovernanceȱSystemȱtransparentȱ 226ȱ

Theoretische Grundlagen der Unternehmensethik

undȱnachvollziehbarȱmachen.ȱErȱwillȱdasȱVertrauenȱderȱinternationalenȱundȱnationaȬ lenȱ Anleger,ȱ derȱ Kunden,ȱ derȱ Mitarbeiterȱ undȱ derȱ Öffentlichkeitȱ inȱ dieȱ Leitungȱ undȱ ÜberwachungȱdeutscherȱbörsennotierterȱAktiengesellschaftenȱfördern.“261ȱȱ InhaltlichȱenthältȱderȱKodexȱdreiȱArtenȱvonȱBestimmungen,ȱdieȱsichȱdurchȱdenȱGradȱ ihrerȱ Verbindlichkeitȱ voneinanderȱ unterscheiden:ȱ Wiedergabeȱ wesentlicherȱ gesetzliȬ cherȱRegelungenȱhauptsächlichȱdesȱdeutschenȱAktiengesetzes,ȱEmpfehlungenȱ(„Soll“Ȭ Vorschriften)ȱ undȱAnregungenȱ („Kann“ȬVorschriften).ȱ Dieseȱ Bestimmungenȱ beziehenȱ sichȱ auf:ȱ ȱ Aktionäreȱ undȱ Hauptversammlung;ȱ Zusammenwirkenȱ vonȱ Vorstandȱ undȱ Aufsichtsrat;ȱ Vorstand;ȱ Aufsichtsrat;ȱ Transparenzȱ sowieȱ Rechnungslegungȱ undȱ AbȬ schlussprüfungȱ (Kapitelȱ desȱ Kodex).ȱ Imȱ Gegensatzȱ zuȱ denȱ gesetzlichenȱ Regelungen,ȱ bestehtȱfürȱdieȱEmpfehlungenȱundȱAnregungenȱkeineȱAnwendungspflicht,ȱihreȱBefolȬ gungȱistȱfreiwillig.ȱȱ Zuȱ derȱ zweitenȱ Gruppeȱ derȱ Regelungenȱ zählen:ȱ Corporateȱ Socialȱ ResponsibilityȬ Bewegungȱ (s.ȱ Kapitelȱ 13.2.4),ȱ Qualitätsnormenȱ wieȱ ISOȱ 9000ȱ oderȱ dasȱ RisikomanageȬ ment.ȱ Dieȱ dritteȱ Gruppeȱ alsȱ Einbeziehungȱ vonȱ Stakeholdernȱ inȱ dieȱ UnternehmensentscheiȬ dungenȱbeinhaltetȱz.B.ȱMitbestimmungȱvonȱArbeitnehmernȱüberȱBetriebsratȱoderȱAusȬ sichtsrat.ȱ DerȱBetriebsratȱistȱdasȱgesetzlicheȱOrganȱzurȱVertretungȱderȱArbeitnehmerinteressenȱ undȱ zurȱ Wahrungȱ derȱ betrieblichenȱ Mitbestimmungȱ gegenüberȱ demȱ Arbeitgeberȱ inȱ BetriebenȱdesȱprivatenȱRechts.ȱDieȱbetrieblicheȱMitbestimmungȱdurchȱdenȱBetriebsratȱ istȱ abzugrenzenȱ vonȱ derȱ Unternehmensmitbestimmungȱ durchȱArbeitnehmervertreterȱ inȱAufsichtsrätenȱ derȱ Kapitalgesellschaften.ȱ Inȱ öffentlichenȱ Betriebenȱ kannȱ einȱ PersoȬ nalratȱ gewähltȱ werden.ȱ Dasȱ Betriebsverfassungsgesetzȱ vonȱ 1972ȱ (BetrVG)ȱ regeltȱ dieȱ RechteȱdesȱBetriebsrats.ȱȱ DerȱBetriebsratȱhatȱunterschiedlicheȱAufgabenȱundȱRechte:ȱ

„ Information:ȱ Derȱ Betriebsratȱ istȱ überȱ dieȱ Personalplanungȱ insgesamt,ȱ technischeȱ undȱ organisatorischeȱ Veränderungenȱ sowieȱ überȱ personelleȱ Einzelmaßnahmenȱ Ȭȱ wieȱ Einstellung,ȱ Umgruppierung,ȱ Versetzungȱ Ȭȱ undȱ Kündigungȱ rechtzeitigȱ undȱ umfassendȱzuȱunterrichten.ȱȱ

„ Beratung:ȱ Hierbeiȱ mussȱ derȱ Arbeitgeberȱ denȱ Betriebsratȱ nichtȱ nurȱ informieren,ȱ sondernȱ sichȱ mitȱ ihmȱ beratenȱ –ȱ wieȱ beimȱ Bauȱ technischerȱ Einrichtungen,ȱ ÄndeȬ rungȱ vonȱ Arbeitsabläufen,ȱ Förderungȱ derȱ Berufsausbildung,ȱ etc.ȱ Überall,ȱ woȱ derȱ ArbeitgeberȱInformationspflichtenȱhat,ȱhatȱderȱBetriebsratȱBeratungsrechte.ȱȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 261ȱ Präambelȱ desȱ Kodex,ȱ unterȱ http://www.corporateȬgovernanceȬcode.de/ger/kodex/1.htmlȱ

(12.07.07)ȱ

227ȱ

13.1

13

Unternehmensethik

„ Mitwirkung:ȱDerȱBetriebsratȱkannȱseineȱZustimmungȱzurȱUmgruppierung,ȱEinstelȬ lung,ȱ Eingruppierungȱ oderȱ Versetzungȱ vonȱ Mitarbeiternȱ verweigern,ȱ wobeiȱ ihmȱ nurȱeinȱbestimmterȱKatalogȱvonȱVerweigerungsgründenȱzurȱVerfügungȱsteht.ȱȱ

„ Mitbestimmung:ȱBeiȱFehlenȱgesetzlicherȱoderȱtarifvertraglicherȱRegelungenȱhatȱderȱ Betriebsratȱ inȱ folgendȱ Angelegenheitenȱ mitzubestimmen:ȱ Arbeitszeitregelungen,ȱ Mehrarbeit,ȱ Arbeitsschutz,ȱ Entlohnung,ȱ Urlaub,ȱ Vorschlagswesen,ȱ ZielvereinbaȬ rungenȱusw.ȱ

13.2

Ethik von Unternehmen

EineȱaktuelleȱBefragungȱdesȱInstitutsȱfürȱWirtschaftsethikȱderȱUniversitätȱSt.ȱGallenȱhatȱ gezeigt,ȱ dassȱ dieȱ meistenȱ Bürgerȱ vonȱ Unternehmenȱ sozialȱ verantwortlichesȱ Handelnȱ verlangen,ȱ insbesondereȱ inȱ Bezugȱ aufȱ folgendeȱ Bereiche:ȱ Produktsicherheitȱ undȱ ProȬ duktinformationen,ȱ Umweltschutz,ȱ Menschenrechte,ȱ Beseitigungȱ derȱ Kinderarbeitȱ undȱBekämpfungȱderȱArmutȱinȱderȱdrittenȱWelt,ȱfairerȱHandelȱmitȱdenȱEntwicklungsȬ ländern.262ȱ Dieseȱ Erwartungenȱ derȱ Bevölkerungȱ müssenȱ inȱ praktischeȱ Tätigkeitȱ derȱ Unternehmenȱ umgesetztȱwerden.ȱDieȱethischeȱPerspektiveȱsollȱinȱdieȱUnternehmensȬ visionȱundȱȱȬstrategieȱintegriertȱwerden.ȱDarüberȱhinausȱsollenȱBeziehungenȱmitȱverȬ schiedenenȱ Bezugsgruppenȱ (Stakeholdern),ȱ denenȱ gegenüberȱ dasȱ Unternehmenȱ VerȬ antwortungȱfürȱseinȱHandelnȱundȱdessenȱFolgenȱträgt,ȱgestaltetȱwerden.ȱȱ

13.2.1

Ethik in der Unternehmensvision und -strategie

Inȱ derȱ Unternehmensvisionȱ undȱ Ȭstrategieȱ wirdȱ dieȱ gesamteȱ Zukunftsausrichtungȱ einesȱ Unternehmensȱ festgelegt.ȱ Grundlegendȱ fürȱ dieȱ Strategieȱ istȱ dieȱ Sinngebungȱ fürȱ dieȱ unternehmerischeȱ Tätigkeitȱ inȱ Formȱ einerȱ Vision.ȱ Dieȱ Unternehmensvisionȱ expliȬ ziertȱdieȱgrundlegendeȱSinnorientierungȱundȱspiegeltȱdasȱWertesystemȱdesȱUnternehȬ mensȱ wider.ȱ Sieȱ mussȱ fürȱ alleȱ verständlichȱ undȱ ansprechendȱ sein,ȱ Richtungȱ fürȱ dieȱ Zukunftȱ geben,ȱ emotionaleȱ Identifizierungȱ schaffen,ȱ herausforderndeȱ undȱ moralischȱ vertretbareȱZieleȱformulieren,ȱjedemȱeinzelnenȱAkteurȱimȱUnternehmenȱeineȱMöglichȬ keitȱgeben,ȱseineȱeigeneȱRolleȱbeiȱderȱVerwirklichungȱderȱVisionȱwahrzunehmen.ȱȱ Eineȱ Unternehmensvisionȱ kannȱ alsȱ Bekenntnisȱ einesȱ Unternehmensȱ zurȱ Übernahmeȱ gesellschaftlicherȱ Verantwortungȱ bezeichnetȱ werden.ȱ Praktischȱ jedesȱ GroßunternehȬ menȱ hatȱ eineȱ entsprechendeȱ Formulierungȱ aufȱ seinerȱ Homepage,ȱ hierȱ sindȱ einigeȱ Beispiele:ȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 262ȱ Vgl.ȱInstitutȱfürȱWirtschaftsethik,ȱUnternehmensverantwortung,ȱS.ȱ24.ȱ

228ȱ

Ethik von Unternehmen

Siemens:ȱ „Wirȱ tragenȱ gesellschaftlicheȱ Verantwortungȱ undȱ engagierenȱ unsȱ fürȱ eineȱ bessereȱWelt.“263ȱ BMWȱ Group:ȱ „Dieȱ BMWȱ Groupȱ setztȱ inȱ derȱ Automobilbrancheȱ neueȱ Maßstäbe.ȱ Alsȱ internationalȱtätigesȱundȱverantwortungsbewusstesȱUnternehmenȱstehenȱwirȱweltweitȱ gesellschaftlichȱundȱökologischȱinȱderȱVerantwortung.“264ȱ BayerȱAG:ȱ„BayerȱistȱeinȱweltweitȱtätigesȱUnternehmenȱmitȱKernkompetenzenȱaufȱdenȱ Gebietenȱ Gesundheit,ȱ Ernährungȱ undȱ hochwertigeȱ Materialien.ȱ Mitȱ unserenȱ ProdukȬ tenȱundȱDienstleistungenȱwollenȱwirȱdenȱMenschenȱnützenȱundȱzurȱVerbesserungȱderȱ Lebensqualitätȱ beitragen.ȱ Gleichzeitigȱ wollenȱ wirȱ Werteȱ schaffenȱ durchȱ Innovation,ȱ WachstumȱundȱeineȱweiterȱverbesserteȱErtragskraft“.265ȱ AllerdingsȱreichtȱeineȱVisionȱalleinȱnicht,ȱumȱdieȱkonkretenȱWegeȱundȱMaßnahmenȱfürȱ dieȱ Übernahmeȱ derȱ Verantwortungȱ anzudeuten.ȱ Diesemȱ Zweckȱ dienenȱ UnternehȬ mensleitbildȱundȱUnternehmensstrategie.ȱȱ KonkreteȱVerantwortungsnormenȱbeiȱderȱUmsetzungȱderȱVisionȱwerdenȱinȱFormȱvonȱȱ Grundsätzenȱformuliert,ȱdieȱzusammenȱeinȱUnternehmensleitbildȱformen.ȱDieȱmeistenȱ GroßunternehmenȱnennenȱinȱihrenȱLeitbildernȱexplizitȱdieȱAdressatenȱderȱVerantworȬ tungȱȬȱMitarbeiter,ȱKunden,ȱAktionäreȱ(Eigentümer)ȱundȱÖffentlichkeitȱȬȱundȱbeschreiȬ benȱ ihreȱ ethischeȱ Verpflichtungȱ gegenüberȱ jederȱ Gruppeȱ Ȭȱ s.ȱ Fallbeispielȱ Bayerȱ AG,ȱ nächsteȱSeite.ȱȱ EineȱUnternehmensstrategieȱdefiniertȱdieȱWegeȱzumȱZielȱundȱumfasstȱfolgendeȱpraktiȬ scheȱ Fragestellungen,ȱ dieȱ beiȱ derȱ Überprüfungȱ ethischerȱAspekteȱ unternehmerischenȱ HandelnsȱalsȱEckpunkteȱdienenȱkönnen:ȱ

„ dieȱWahlȱvonȱProduktȬMarktȬKombinationen;ȱ „ EntscheidungenȱinȱBezugȱaufȱdieȱInternationalisierung;ȱ „ EntscheidungenȱüberȱdieȱOrganisationsstrukturȱundȱȬgrenzenȱ(OrganisationsstrukȬ turen,ȱZukäufe,ȱOutsourcing,ȱhorizontale/vertikaleȱIntegrationȱetc.);ȱ

„ Entscheidungenȱ inȱ Bezugȱ aufȱ dieȱ Unternehmensformȱ (Aktiengesellschaft,ȱ GmbHȱ etc.);ȱ

„ Kooperationen:ȱKonzerne,ȱStrategischeȱAllianzen,ȱNetzwerkeȱetc.;ȱ „ dieȱ Wahlȱ vonȱ Personalstrategienȱ (Aufbau,ȱ Erhalt,ȱ Förderung,ȱ optimaleȱ Nutzung,ȱ AbbauȱdesȱPersonals).ȱȱ BeiȱdiesenȱEntscheidungenȱspielenȱnichtȱnurȱwirtschaftliche,ȱsondernȱebensoȱethischeȱ ÜberlegungenȱeineȱwichtigeȱRolle.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 263ȱ http://www.siemens.com/index,ȱKurzportraitȱundȱLeitlinienȱ(07.05.07)ȱ 264ȱ http://www.bmwgroup.com/d/nav/index.html,ȱVerantwortungȱ(07.05.07)ȱ 265ȱ http://www.bayer.de/de/ProfilȬundȬOrganisation.aspxȱ(07.05.07)ȱ

229ȱ

13.2

13

Unternehmensethik

Fallbeispiel: Leitbild von Bayer AG (Quelle: http://www.bayer.de/de/Leitbild.aspx (07.05.07) Bayer will mit seinen Produkten und Dienstleistungen den Menschen nützen und zur Verbesserung der Lebensqualität beitragen. Wir sind angetreten, ein neues Bayer zu schaffen – fokussiert auf seine Kunden, seine Stärken, seine Potenziale und auf die Märkte der Zukunft: ein internationales Spitzenunternehmen, das durch seine Produkte überzeugt, durch hoch qualifizierte Mitarbeiter, TopLeistung und Innovationskraft beeindruckt und sich der Steigerung des Unternehmenswertes sowie langfristigem Wachstum verschrieben hat. Mit unseren besonderen Kenntnissen von Menschen, Tieren, Pflanzen und Materialien wollen wir uns künftig auf die Bereiche: Gesundheit, Ernährung, hochwertige Materialien konzentrieren und damit Krankheiten vorbeugen, diagnostizieren, lindern und heilen, zu einer gesunden und ausreichenden Ernährung für eine stetig wachsende Weltbevölkerung beitragen, einen Beitrag für hohe Lebensqualität und ein aktives Leben leisten. Unsere Werte: Mit ihrem großen Wissen und ihrer Innovationskraft wollen unsere Mitarbeiter in der ganzen Welt auf der Basis gemeinsamer Werte die Zukunft aktiv mitgestalten. Wir respektieren und schätzen die nationale und kulturelle Vielfalt der Menschen in unserem Unternehmen und wissen, dass die Kompetenz und das Engagement unserer Mitarbeiter die Grundlage für unseren Erfolg sind. Wir wollen den Unternehmenswert nachhaltig steigern und orientieren uns an den Interessen unserer Aktionäre, unserer Kunden, unserer Mitarbeiter, unserer sonstigen Geschäftspartner und der Gesellschaft. Wir wollen durch Qualität, Leistungsfähigkeit, Verlässlichkeit, Flexibilität und Offenheit überzeugen, durch integres Verhalten Vertrauen schaffen und uns ständig verbessern. Wir wissen, dass wir nur durch die Bereitschaft zur Veränderung auf Dauer wettbewerbsfähig sein können, und handeln in diesem Sinne. Im Mittelpunkt unserer Tätigkeit steht der Kunde. Wir arbeiten mit unseren Kunden partnerschaftlich zusammen, um für beide Seiten Wert zu schaffen. Unsere Struktur bietet die Voraussetzung für ein großes Maß an Eigenverantwortung und unternehmerisches Handeln. Wir ermutigen und motivieren unsere Mitarbeiter, ihre Kreativität und ihre Fähigkeiten für den gemeinsamen Erfolg einzubringen, und fördern ihre berufliche und persönliche Weiterentwicklung. Wir bekennen uns zur Rolle eines sozial und ethisch verantwortlich handelnden „Corporate Citizen“ und zu den Prinzipien des Sustainable Development. Wir wollen uns aktiv in Fragen von gesellschaftlicher Bedeutung einbringen und beteiligen uns am Dialog mit den interessierten Gruppen der Gesellschaft. Unsere technische und wirtschaftliche Kompetenz ist für uns mit der Verantwortung verbunden, zum Nutzen der Menschen zu arbeiten, uns sozial zu engagieren und einen nachhaltigen positiven Beitrag für eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung zu leisten. Das Einhalten dieser Handlungsgrundsätze spielt für uns eine große Rolle. Deshalb beurteilen wir unser Management nach Führungsprinzipien, die auf unseren Werten beruhen.

ȱ 230ȱ

Ethik von Unternehmen

13.2.2

Beispiel: Umweltbewusstsein und Strategie

Dieȱ deutscheȱ Gesellschaftȱ undȱ Wirtschaftȱ istȱ durchȱ einȱ hohesȱ Umweltbewusstseinȱ gekennzeichnet.ȱ Einȱ Bekenntnisȱ zumȱ umweltverantwortlichenȱ Handelnȱ istȱ beiȱ vielenȱ UnternehmenȱzuȱeinerȱSelbstverständlichkeitȱgewordenȱundȱwirdȱaufȱderȱHomepageȱ undȱ inȱ derȱ Werbungȱ breitȱ kommuniziert.ȱ Allerdingsȱ erweckenȱ manchmalȱ dieȱ vonȱ einigenȱ Großunternehmenȱ veranstaltetenȱ Umweltkampagnenȱ denȱ Eindruck,ȱ einȱ groȬ ßerȱ Umweltsünderȱ würdeȱ versuchen,ȱ mitȱ großzügigenȱ Spendenȱ allesȱ wiederȱ gutȱ zuȱ machen.ȱManȱproduziertȱohneȱRücksichtȱaufȱdieȱUmwelt,ȱumȱdannȱeinenȱBruchteilȱdesȱ Gewinnsȱ fürȱ denȱ Umweltschutzȱ zuȱ sponsern.ȱ Dieseȱ Artȱ desȱ Umweltbewusstseinsȱ existiertȱ nurȱ inȱ derȱ Publikȱ Relationsȱ undȱ hatȱ mitȱ einerȱ wahrenȱ Verantwortungȱ wenigȱ zuȱtun.ȱȱ Einȱ Zeichenȱ einesȱ tiefȱ verankertenȱ Umweltbewusstseinsȱ istȱ dieȱ Einbindungȱ derȱ UmȬ weltverantwortungȱ inȱ alleȱ Entscheidungenȱ desȱ Unternehmens,ȱ insbesondereȱ inȱ seineȱ Strategie.ȱ Dabeiȱ gehtȱ esȱ nichtȱ unbedingtȱ umȱ Nachteileȱ undȱ zusätzlicheȱ Kostenȱ durchȱ denȱ Umweltschutz.ȱ Vieleȱ Unternehmenȱ habenȱ bereitsȱ erkannt,ȱ dassȱ einȱ umweltbeȬ wusstesȱ Verhaltenȱ zuȱ einemȱ Wettbewerbvorteilȱ werdenȱ kann,ȱ wennȱ manȱ sichȱ durchȱ eineȱ Differenzierungsstrategieȱ vonȱ Konkurrentenȱ absetztȱ oderȱ durchȱ geschickteȱ VerȬ wertungȱvonȱAbfällenȱzusätzlicheȱGewinneȱerzielt.ȱȱ Wieȱ kannȱ derȱ Umweltschutzȱ inȱ dieȱ Unternehmensstrategieȱ praktischȱ integriertȱ werȬ den?ȱEsȱistȱsinnvoll,ȱdieȱMaßnahmenȱaufȱvierȱstrategischenȱEbenenȱeinzelnȱzuȱbetrachȬ ten:266ȱ

„ Umweltschutzȱ alsȱ Unternehmensziel:ȱ eineȱ Deklarierungȱ desȱ Umweltbewusstseinȱ inȱUnternehmensvisionȱundȱȬgrundsätzen;ȱ

„ Umweltbewussteȱ Unternehmensstrategie:ȱ umweltfreundlicheȱ Produkteȱ (GeȬ schäftsbereichsportfolio)ȱ undȱ Prozesseȱ (Verzichtȱ aufȱ umweltgefährdendeȱ VerfahȬ renȱ undȱ ganzeȱ Geschäftseinheiten),ȱ Optimierungȱ derȱ Wertschöpfungsketteȱ mitȱ demȱZielȱderȱUmweltfreundlichkeitȱetc.;ȱ

„ Umweltverantwortlicheȱ Geschäftsbereichsstrategien:ȱ Differenzierungsstrategieȱ durchȱ eineȱ Konzentrationȱ aufȱ dasȱ Marktsegmentȱ derȱ ökologischȱ bewusstenȱ VerȬ braucherȱ(ÖkoȬProdukte,ȱumweltfreundlicheȱVerpackung,ȱRecyclingȱetc.);ȱ

„ Umweltbewussteȱ Funktionsbereichsstrategien:ȱ Ausrichtungȱ derȱ Forschungȱ undȱ Entwicklungȱ aufȱ umweltgerechteȱ Innovationen,ȱ Umweltschutzaktivitätenȱ inȱ derȱ Produktion,ȱ umweltfreuendlicheȱ Abfallwirtschaft,ȱ ökologischeȱ BeschaffungsrichtȬ linien,ȱ Umweltbewusstseinȱ imȱ Absatzbereichȱ (Reduzierungȱ undȱ Entsorgungȱ vonȱ Verpackung,ȱbesondereȱPreispolitikȱbeiȱÖkoȬProdukten,ȱumweltfreundlicheȱLogisȬ tik,ȱWerbungȱfürȱumweltschonendeȱProdukteȱetc.)ȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 266ȱ Vgl.ȱGöbel,ȱE.ȱUnternehmensethik,ȱS.ȱ152Ȭ156.ȱ

231ȱ

13.2

13

Unternehmensethik

13.2.3

Stakeholder und ihre Interessen

StakeholderȱsindȱdieȱAdressatenȱderȱUnternehmensverantwortung.ȱȱDerȱBegriffȱ„StaȬ keholder“ȱ deutetȱ aufȱ Personen,ȱ dieȱ einenȱ Einsatzȱ imȱ Unternehmenȱ haltenȱ (toȱ beȱ atȱ stakeȱ=ȱetwasȱstehtȱaufȱdemȱSpiel),ȱwirdȱaberȱallgemeinȱweiterȱgefasst,ȱalsȱalle,ȱdieȱvonȱ derȱ Unternehmenstätigkeitȱ direktȱ oderȱ indirektȱ betroffenȱ sind.ȱ Zuȱ denȱ Stakeholdernȱ zählenȱ vorȱ allemȱ Kapitaleignerȱ (EigenȬȱ undȱ Fremdkapitalgeber),ȱ Mitarbeiterȱ (dieȱ ihrȱ Humankapitalȱ inȱ dasȱ Unternehmenȱ einbringen),ȱ Kunden,ȱ Lieferanten,ȱ VertriebspartȬ ner,ȱKooperationspartner,ȱKonkurrentenȱetc.ȱȱ DieȱweiterȱfolgendeȱAbbildungȱstelltȱdieȱwichtigstenȱStakeholderȱeinesȱUnternehmensȱ dar.ȱDieȱwichtigstenȱStakeholderȱsindȱInvestoren,ȱdieȱBelegschaftȱ(Führungskräfteȱundȱ Mitarbeiter),ȱLieferantenȱundȱKunden.ȱDieseȱBeziehungenȱsindȱfürȱdasȱUnternehmenȱ überlebenswichtigȱundȱsindȱnormalerweiseȱvertraglichȱgeregelt.ȱDieȱweiterenȱBezugsȬ gruppenȱ spielenȱ auchȱ eineȱ bedeutendeȱ Rolleȱ fürȱ Unternehmen:ȱ Kooperationspartner,ȱ Konkurrenten,ȱ staatlicheȱ undȱ örtlicheȱ Institutionenȱ sowieȱpolitischeȱ undȱ andereȱ InteȬ ressengruppenȱundȱVerbände.ȱAlleȱStakeholderȱhabenȱihreȱeigenen,ȱspezifischenȱInteȬ ressenȱinȱBezugȱaufȱdasȱHandelnȱdesȱUnternehmens.ȱ ZuȱdenȱStakeholdernȱzählenȱinȱersterȱLinieȱdieȱShareholderȱoderȱallgemeinerȱKapitalȬ geberȱ(Investoren),ȱdieȱihrȱKapitalȱinȱdasȱUnternehmenȱinvestierenȱundȱerwarten,ȱdassȱ diesesȱvermehrtȱoderȱzumindestȱerhaltenȱwird.ȱDirekteȱEigentümerȱkönnenȱoffensichtȬ lichȱnurȱbedingtȱalsȱexterneȱAdressatenȱderȱVerantwortungȱbezeichnetȱwerden,ȱdaȱsieȱ selbstȱinȱdieȱUnternehmensentscheidungenȱinvolviertȱsind.ȱAndersȱistȱesȱbeiȱAktiengeȬ sellschaften:ȱ dieȱ Aktionäreȱ habenȱ inȱ derȱ Regelȱ mitȱ derȱ Führungȱ desȱ Unternehmensȱ nichtsȱzuȱtun,ȱinsofernȱgeltenȱsieȱalsȱAdressatenȱderȱUnternehmensverantwortung.ȱ

Abb.ȱ55:ȱ

StakeholderȱeinesȱUnternehmens267ȱȱ

ȱ Kooperationspartner

ȱ Investoren

ȱ Konkurrenten

ȱ

ȱ Lieferanten

Unternehmen

ȱ Kunden

Staatliche und örtliche Institutionen

ȱ Führungskräfte und Mitarbeiter

ȱ Politische und andere Interessengruppen

ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 267ȱ InȱAnlehnungȱanȱGöbel,ȱE.ȱUnternehmensethik,ȱS.ȱ116ȱf.ȱ

232ȱ

Ethik von Unternehmen

Dieȱ Belegschaftȱ einesȱ Unternehmensȱ wünschtȱ sichȱ sinnvolleȱ Beschäftigung,ȱ sichereȱ Arbeitsplätze,ȱangemesseneȱArbeitsbedingungen,ȱ gerechteȱEntlohnungȱ undȱAnerkenȬ nung,ȱ positivesȱ Arbeitsklima,ȱ offeneȱ Kommunikationȱ etc.ȱ Daȱ Führungskräfteȱ undȱ Mitarbeiterȱ zuȱ denȱ internenȱ Stakeholdernȱ zählen,ȱ werdenȱ sieȱ imȱ Kapitelȱ „Ethikȱ inȱ Unternehmen“ȱausführlichȱbetrachtet.ȱ Alsȱ nächsteȱ wichtigeȱ Bezugsgruppeȱ sindȱ dieȱ Kundenȱ zuȱ nennen.ȱ Sieȱ habenȱ folgendeȱ Interessenȱ inȱ Bezugȱ aufȱ Unternehmen:ȱ qualitativȱ hochwertige,ȱ sichereȱ undȱ zugleichȱ preiswerteȱ Produkteȱ undȱ Dienstleistungen,ȱ dieȱ amȱ richtigenȱ Ortȱ undȱ zumȱ richtigenȱ Zeitpunktȱ erworbenȱ werdenȱ können,ȱ ehrlicheȱ undȱ verständlicheȱ ProduktinformatioȬ nenȱ undȱ perfektenȱ Serviceȱ (eventuellȱ Verpackung,ȱ Lieferung,ȱ Installation,ȱ Wartung,ȱ gegebenenfallsȱ Umtauschȱ undȱ Entsorgung).ȱ Beziehungenȱ zuȱ denȱ Kundenȱ sindȱ fürȱ Unternehmenȱ vonȱ entscheidenderȱ Bedeutung,ȱ deswegenȱ rücktȱ dieseȱ Bezugsgruppeȱ besondersȱ häufigȱ inȱ denȱ Mittelpunktȱ desȱ Interessesȱ einesȱ Unternehmens.ȱ Manȱ verȬ suchtȱinȱeinenȱDialogȱmitȱKundenȱeinzutreten,ȱihreȱMeinungȱüberȱProdukte,ȱServicesȱ undȱ Imageȱ desȱ Unternehmensȱ zuȱ erforschenȱ undȱ zuȱ beeinflussen.ȱ Dieȱ ethischenȱ FraȬ genȱspielenȱdabeiȱeineȱwichtigeȱRolle.ȱȱ LieferantenȱsindȱanȱlangfristigenȱLieferbeziehungenȱsowieȱanȱpünktlicherȱundȱgerechȬ terȱBezahlungȱinteressiert.ȱ Zumȱ Teilȱ nehmenȱ dieȱ Stakeholderȱ ihreȱ Interessenȱ nichtȱ selbstȱ wahr,ȱ sondernȱ lassenȱ sichȱ durchȱ andereȱ Personenȱ oderȱ Institutionenȱ vertreten.ȱ „Ihreȱ Ansprücheȱ werdenȱ dannȱstellvertretendȱvonȱBanken,ȱFondsmanagernȱoderȱspeziellenȱVerbändenȱ(fürȱdieȱ Shareholder),ȱvonȱBetriebsrätenȱoderȱGewerkschaftenȱ(fürȱdieȱMitarbeiter),ȱTestinstituȬ tenȱundȱVerbraucherberatungenȱ(fürȱdieȱKunden)ȱgestellt.“268ȱȱȱ Fernerȱ werdenȱ zuȱ denȱ Stakeholdernȱ weitereȱ Bezugsgruppenȱ gezählt.ȱ Konkurrentenȱ werdenȱvonȱdemȱHandelnȱeinesȱUnternehmensȱbetroffen,ȱvorȱallemȱinȱBezugȱaufȱdieȱ Wettbewerbsmethoden.ȱ Deswegenȱ könnenȱ Konkurrentenȱ beispielsweiseȱ legitimeȱAnȬ sprücheȱ anȱ einenȱ fairenȱ Wettbewerbȱ stellenȱ undȱ gegebenenfallsȱ fürȱ ihreȱ Rechteȱ vorȱ Gerichtȱ gehen.ȱ Weiterhinȱ könnenȱ Kooperationspartnerȱ alsȱ Stakeholderȱ bezeichnetȱ werden,ȱ dieȱ imȱ Rahmenȱ vonȱ Kooperationenȱ amȱ ethischenȱ Handelnȱ ihresȱ Partnersȱ interessiertȱsind.ȱAuchȱderȱStaatȱvorȱallemȱinȱseinerȱRolleȱalsȱFiskusȱmitȱdemȱAnrechtȱ aufȱ Steuerzahlungenȱ sowieȱ dieȱ Standortgemeindenȱ sindȱ alsȱ Stakeholderȱ zuȱ nennen.ȱ Dieȱ Auswirkungenȱ desȱ unternehmerischenȱ Handelnsȱ aufȱ dieȱ Arbeitsplatzsituation,ȱ Infrastrukturȱ undȱ Umweltbedingungenȱ (Schmutz,ȱ Lärmȱ etc.)ȱ könnenȱ fürȱ denȱ Staat,ȱ KommunenȱundȱAnwohnerȱenormȱsein.ȱ DieȱÖffentlichkeitȱkannȱgleichzeitigȱalsȱAdressatȱundȱalsȱInstanzȱderȱUnternehmensȬ verantwortungȱ angesehenȱ werden.ȱ Nachȱ Ulrich,ȱ spieltȱ dieȱ Öffentlichkeitȱ inȱ derȱ moȬ dernenȱ Gesellschaftȱ dieȱ entscheidendeȱ Rolleȱ inȱ Bezugȱ aufȱ dieȱ Forderungȱ undȱ FördeȬ rungȱvonȱUnternehmensethik.ȱAufȱderȱeinenȱSeite,ȱwächstȱdieȱMachtȱderȱMedienȱkonȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 268ȱ Göbel,ȱE.ȱUnternehmensethik,ȱS.ȱ117.ȱ

233ȱ

13.2

13

Unternehmensethik

tinuierlich,ȱsieȱentwickelnȱsichȱzuȱeinerȱstimmungsmachendenȱundȱrichtungsgebendenȱ KraftȱderȱGesellschaft.ȱEinȱFernsehȬȱoderȱZeitungsberichtȱüberȱunmoralischesȱVerhalȬ tenȱ einesȱ Managersȱ bedeutetȱ häufigȱ dasȱ Endeȱ seinerȱ Karriere.ȱAufȱ derȱ anderenȱ Seiteȱ steigtȱdasȱVerantwortungsgefühlȱengagierterȱBürger,ȱdieȱsichȱzunehmendȱorganisierenȱ undȱ mehrȱ Einflussȱ aufȱ dasȱ sozialeȱ Geschehenȱ nehmen.ȱ Dieȱ deutscheȱ Bevölkerungȱ schneidetȱimȱinternationalenȱVergleichȱalsȱbesondersȱumweltbewusstȱab,ȱdieȱIdeenȱderȱ ethischenȱVerantwortungȱvonȱUnternehmenȱgewinnenȱanȱPopularität.ȱAlsȱErgebnisseȱ diesesȱProzessesȱsindȱsolcheȱPhänomeneȱwieȱbewussteȱErnäherungȱundȱKaufȱvonȱBioȬ Produkten,ȱ Kaufblockadenȱ „unmoralischer“ȱ Unternehmenȱ undȱ Unterstützungȱ vonȱ fairemȱHandelȱzuȱnennen.ȱȱȱ

13.2.4

Corporate Social Responsibility-Bewegung

Immerȱ mehrȱ Anerkennungȱ findetȱ dasȱ gesellschaftlichȱ verantwortlicheȱ Handelnȱ vonȱ Unternehmenȱ (Corporateȱ Socialȱ Responsibilityȱ Ȭȱ CSR).269ȱ Esȱ werdenȱ Nachhaltigkeit,ȱ Ressourcenschonungȱ undȱ sozialeȱ Verantwortungȱ angestrebt.ȱ Vieleȱ Unternehmenȱ beȬ kennenȱsichȱzurȱgesellschaftlichenȱVerantwortung,ȱdieȱvermehrtȱalsȱWettbewerbsfaktorȱ angesehenȱwird.ȱDerȱwirtschaftlicheȱSinnȱunternehmerischerȱVerantwortungȱwirdȱmitȱ folgendenȱArgumentenȱbelegt:270ȱ

„ derȱ gesellschaftlicheȱ Bewusstseinswandelȱ kannȱ neueȱ Geschäftsfelderȱ eröffnenȱ (TechnologienȱfürȱerneuerbareȱEnergien,ȱPrüfverfahrenȱetc.);ȱ

„ ȱethischȱ verantwortlichesȱ Handelnȱ stärktȱ Vertrauenȱ derȱ Kunden,ȱ Lieferanten,ȱ KoȬ operationspartner;ȱ

„ UnternehmensethikȱwirktȱsichȱpositivȱaufȱdieȱBelegschaftȱausȱȬȱfördertȱIdentifikatiȬ on,ȱMotivationȱundȱLoyalität;ȱ

„ ressourcenschonendesȱWirtschaftenȱspartȱKosten;ȱ „ umweltverträglichesȱ undȱ gesellschaftlichȱ akzeptiertesȱ Handelnȱ minimiertȱ unterȬ nehmerischeȱRisikenȱ(vonȱUmweltkatastrophenȱbisȱzumȱKundenboykott).ȱ ȱDeutscheȱ Unternehmenȱ spielenȱ inȱ derȱ CSRȬBewegungȱ eineȱ führendeȱ Rolleȱ undȱ sindȱ „mitȱihrerȱÜbernahmeȱgesellschaftlicherȱVerantwortungȱfürȱBildung,ȱJugend,ȱMigranȬ tenȱoderȱihremȱglobalenȱEngagementȱfürȱUmweltschutzȱundȱMenschenrechteȱweltweitȱ vorbildlich“ȱȬȱbestätigtȱderȱÖkonomȱundȱEthikerȱJosefȱWielandȱvomȱKonstanzerȱInstiȬ tutȱ fürȱ Wertemanagement,ȱ derȱ zurzeitȱ zusammenȱ mitȱ weiterenȱ 300ȱ Wissenschaftlernȱ ausȱ 80ȱ Ländernȱ anȱ einemȱ globalenȱ CSRȬStandardȱ ISOȱ 26000ȱ arbeitet.ȱ Alsȱ Grundlageȱ fürȱ dieseȱ ȱ Normȱ dienenȱ dieȱ Sozialstandardsȱ derȱ Internationalenȱ Arbeitsorganisationȱ ILOȱundȱdieȱdarüberȱhinausȱgeltendenȱPrinzipienȱdesȱGlobalȱCompactȱderȱUNO,ȱdieȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 269ȱ Vgl.ȱSpezialȱCorporateȱSocialȱResponsibility,ȱWirtschaftswocheȱNr.ȱ51/2006,ȱS.ȱ47.ȱ 270ȱ Ebd.ȱS.ȱ48.ȱ

234ȱ

Ethik in Unternehmen

Unternehmenȱ zuȱ umweltfreundlichemȱ undȱ korruptionsfreiemȱ Handelnȱ verpflichȬ ten.271ȱȱȱ FastȱalleȱDaxȬKonzerneȱinȱDeutschlandȱhabenȱCSRȱinȱihrȱstrategischesȱHandelnȱintegȬ riert.ȱ Dieȱ Paletteȱ praktischerȱ Maßnahmenȱ istȱ sehrȱ breit.ȱ Dieȱ Deutscheȱ PostȱAGȱ miniȬ miertȱ dieȱ Umweltbelastungenȱ ihrerȱ Fahrzeugeȱ durchȱ logistischeȱ Optimierungȱ undȱ UmstellungȱaufȱErdgasȬȱundȱHybridantrieb.ȱDieȱDeutschlandȬFilialeȱvonȱMicrosoftȱhatȱ eineȱLernsoftwareȱfürȱSpracherlernenȱentwickeltȱundȱinȱ1000ȱKindergärtenȱinstalliert.ȱ AllerdingsȱistȱeinȱoffiziellesȱBekenntnisȱzuȱCSRȱnichtȱimmerȱeineȱGarantieȱfürȱethischesȱ Handeln.ȱEinigeȱUnternehmenȱbetrachtenȱdieȱCSRȬMaßnahmenȱalsȱImagekampagnenȱ undȱrühmenȱihrȱeigenesȱsozialesȱEngagementȱaufȱihrenȱHomepages,ȱundȱfallenȱdannȱ durchȱihreȱKorruptionȱoderȱAusbeutungȱvonȱKindernȱinȱderȱdrittenȱWeltȱauf.ȱȱ ImmerȱmehrȱUnternehmenȱbezeichnenȱsichȱalsȱCorporateȱCitizenshipȱ(UnternehmensȬ bürger)ȱ undȱ wollenȱ ihrenȱ Beitragȱ zuȱ gemeinsamenȱ Wohlȱ leisten.ȱ Sieȱ engagierenȱ sichȱ gesellschaftlichȱ undȱ kulturell,ȱ bildenȱ solidarischeȱ Netzwerkeȱ undȱ versprechenȱ sichȱ VorteileȱdurchȱReputationȱundȱRespekt.ȱAuchȱCorporateȱVolunteeringȱ(Ehrenamt)ȱderȱ deutschenȱ Unternehmenȱ nimmtȱ ständigȱ zu:ȱ Mitarbeiterȱ desȱ Elektrokonzernsȱ ABBȱ engagierenȱsichȱjährlichȱbeiȱdenȱnationalenȱSpecialȱOlympicsȱfürȱBehinderte,ȱdieȱAzuȬ bisȱ derȱ Deutschenȱ BahnȱAGȱ führenȱ Projekteȱ gegenȱ Fremdenfeindlichkeitȱ undȱ DiskriȬ minierungȱdurch,ȱdieȱMitarbeiterȱvonȱVodafoneȱbauenȱSpielplätzeȱfürȱKinder.272ȱ AlleȱdieseȱMaßnahmenȱundȱInitiativenȱsindȱpositivȱzuȱbewerten,ȱsolangeȱsieȱnichtȱmitȱ demȱ Selbstzielȱ einerȱ Imagekampagneȱ organisiertȱ werden,ȱ umȱ hinterȱ dieserȱ Fassadeȱ unmoralischesȱHandelnȱzuȱbetreiben.ȱSozialesȱEngagementȱmussȱzuȱeinemȱfestenȱTeilȱ derȱUnternehmensstrategieȱundȱsystematischerȱArbeitȱwerden.ȱ

13.3

Ethik in Unternehmen

Ethischeȱ Fragestallungenȱ betreffenȱ sowohlȱ dasȱ Verhaltenȱ desȱ Unternehmensȱ nachȱ außerhalb,ȱalsȱauchȱseinȱinternesȱGeschehen.ȱAlsȱeineȱselbstständigeȱHandlungseinheitȱ trifftȱ einȱ Unternehmenȱ seineȱ Entscheidungenȱ inȱ Bezugȱ aufȱ interneȱ Angelegenheitenȱ undȱistȱseinerȱganzenȱBelegschaftȱgegenüberȱverantwortlich.ȱAlsȱEntscheidungsträgerȱ sindȱ hierȱ nichtȱ nurȱ dieȱ TopȬManager,ȱ sondernȱ alleȱ Akteureȱ desȱ Unternehmensȱ geȬ meint.ȱDasȱVerhaltenȱinnerhalbȱdesȱUnternehmensȱwirdȱgrundsätzlichȱvonȱindividuelȬ lerȱEthikȱundȱinstitutionellenȱNormenȱundȱWertenȱbestimmt,ȱdieȱeinenȱgeschriebenenȱ undȱ ungeschriebenenȱ ethischenȱ Rahmenȱ bilden.ȱ Dieserȱ Rahmenȱ wirdȱ inȱ denȱ UnterȬ nehmensȬȱ undȱ Führungsgrundsätzenȱ verankertȱ sowieȱ inȱ derȱ vorherrschendenȱ UnterȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 271ȱ SpezialȱCorporateȱSocialȱResponsibility,ȱWirtschaftswocheȱNr.51/2006,ȱS.48.ȱȱ 272ȱ Ebd.,ȱS.52.ȱ

235ȱ

13.3

13

Unternehmensethik

nehmenskulturȱgelebt.ȱ„DieȱnormativenȱGrundsätzeȱderȱGestaltungȱderȱ Beziehungenȱ oderȱ Relationenȱ zwischenȱ Vorgesetztenȱ undȱ Mitarbeitern“ȱ bildenȱ nachȱ Ulrichȱ dasȱ Untersuchungsfeldȱ derȱ Führungsethik.273ȱ Inȱ dieserȱ Ethikȱ istȱ dasȱ Personalȱ desȱ UnterȬ nehmensȱ alsȱ Verantwortungsobjektȱ zuȱ bezeichnen,ȱ wogegenȱ alsȱ moralischeȱ Subjekteȱ einzelneȱ Personenȱ (Führungskräfte,ȱ Mitarbeiter)ȱ undȱ Unternehmenȱ alsȱ Ganzesȱ (seineȱ institutionellenȱ ethischenȱ Rahmenbedingungen)ȱ fungieren.ȱ Beideȱ Subjekteȱ derȱ VerȬ antwortungȱ stehenȱ inȱ einerȱ Wechselbeziehungȱ zuȱ einander:ȱ Dasȱ individuelleȱ FühȬ rungshandelnȱ wirdȱ kanalisiertȱ undȱ unterstützt/verhindertȱ durchȱ denȱ institutionellenȱ Rahmen,ȱ derȱ sichȱ andererseitsȱ durchȱ dieȱ Führungsentscheidungenȱ permanentȱ veränȬ dert.ȱ Dieseȱ Aspekteȱ derȱ Ethikȱ inȱ Unternehmenȱ werdenȱ imȱ Weiterenȱ diskutiert:ȱ FühȬ rungsethikȱundȱFührungsleitlinien,ȱindividuelleȱFührungskräfteȬȱundȱMitarbeiterethikȱ sowieȱ institutionelleȱ Rahmenbedingungen,ȱ dieȱ Werteȱ undȱ Normenȱ desȱ ethischenȱ inȬ ternenȱVerhaltensȱfestschreiben.ȱȱȱ

13.3.1

Ethisches Führungsverhältnis

FührungsethikȱbeschäftigtȱsichȱmitȱderȱFrageȱderȱmenschenwürdigenȱundȱfairenȱGesȬ taltungȱderȱBeziehungȱzwischenȱVorgesetztenȱundȱMitarbeitern.ȱȱ Dieseȱ Gestaltungȱ beginntȱ mitȱ einerȱ Definitionȱ desȱ legitimenȱ Führungsverhältnisses.ȱ FürȱdieȱInstitutionȱUnternehmenȱistȱmeistensȱeinȱhierarchischesȱVerhältnisȱtypisch,ȱinȱ demȱ mancheȱ Personenȱ Weisungsbefugnisseȱ habenȱ undȱ andereȱ dieseȱ Weisungenȱ ausȬ führenȱmüssen,ȱinȱwelchenȱmehrȱoderȱwenigerȱdasȱPrinzipȱvonȱBefehlȱundȱGehorsamȱ gilt.ȱ Ethischȱ gesehen,ȱ kannȱ manȱ selbstȱ diesesȱ Prinzipȱ derȱ Machtasymmetrieȱ inȱ Frageȱ stellen,ȱwennȱmanȱMenschenȱalsȱgleichberechtigteȱfreieȱWesenȱbetrachtet.ȱWelcheȱLegiȬ timationȱ hatȱ dieȱ Hierarchie?ȱ Esȱ sindȱ grundsätzlichȱ Stellenbeschreibungenȱ undȱ ArȬ beitsverträge,ȱdieȱdieȱMachtbefugnisseȱeinzelnerȱPersonenȱinȱderȱUnternehmensstrukȬ turȱdefinieren.ȱAllerdingsȱkannȱmanȱnebenȱdieserȱaufȱderȱformellenȱPositionȱbasierenȬ denȱ Machtȱ weitereȱ Machttypenȱ definieren.ȱ Nachȱ Weinertȱ umfasstȱ dieȱ Typologieȱ derȱ MachtȱsiebenȱverschiedeneȱQuellen:274ȱ 1.

Legitimationsmachtȱ(basiertȱaufȱderȱPosition),ȱ

2.

Belohnungsmachtȱ (entstehtȱ durchȱ dieȱ Fähigkeitȱ desȱ Managers,ȱ fürȱ guteȱ LeistunȬ genȱökonomischeȱoderȱpsychologischeȱBelohnungenȱzuȱverteilen),ȱ

3.

Macht,ȱ dieȱ sichȱ aufȱ Zwangȱ undȱ Druckȱ stütztȱ (basiertȱ aufȱ Furchtȱ vorȱ Bestrafungȱ etc.),ȱ

4.

Expertenmachtȱ(basiertȱaufȱdenȱFähigkeitenȱdesȱFührers,ȱSituationenȱundȱAufgaȬ benȱalsȱExperteȱzuȱevaluieren,ȱzuȱanalysierenȱundȱzuȱkontrollieren),ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 273ȱ Vgl.ȱUlrich,ȱP.ȱFührungsethik,ȱS.ȱ230.ȱ 274ȱ InȱAnlehnungȱanȱWeinert,ȱA.ȱB.ȱOrganisationspsychologie,ȱS.ȱ421Ȭ422.ȱ

236ȱ

Ethik in Unternehmen

5.

ReferenzȬȱundȱcharismatischeȱMachtȱ(basiertȱaufȱeinerȱIdentifizierungȱderȱGeführȬ tenȱmitȱihremȱFührerȱundȱergibtȱsichȱausȱpersönlicherȱAnziehungskraftȱundȱChaȬ risma),ȱ

6.

Überzeugungskraftȱsowieȱ

7.

Informationsmachtȱ(basiertȱaufȱderȱKontrolleȱüberȱInformationen).ȱ

Jedeȱ Führungskraftȱ hatȱ mehrereȱ Machtquellen,ȱ aufȱ denenȱ sieȱ ihrȱ Führungsverhaltenȱ aufbauenȱkann,ȱsollteȱallerdingsȱdieseȱQuelleȱethischȱbewerten.ȱWährendȱdieȱLegitimaȬ tionsmachtȱanȱsichȱeherȱneutralȱist,ȱistȱdieȱMacht,ȱdieȱsichȱaufȱZwangȱundȱDruckȱstützt,ȱ negativȱ zuȱ betrachten.ȱ Dieȱ Konsequenzenȱ solcherȱ Machtausübungȱ könnenȱ schlechteȱ Leistung,ȱ gefälschteȱArbeitsberichteȱ undȱ innereȱ Kündigungȱ sein.ȱAuchȱ dasȱ Benutzenȱ derȱ Informationȱ alsȱ Machtȱ hatȱ nichtsȱ mitȱ offenerȱ Kommunikationȱ undȱ leistungsförȬ dernderȱArbeitsatmosphäreȱzuȱtun.ȱInsbesondereȱinȱeinerȱWissensgesellschaftȱhatȱdasȱ Geheimhaltenȱ vonȱ Informationenȱ negativeȱ Auswirkungenȱ aufȱ denȱ UnternehmenserȬ folg.ȱAlsȱmehrȱoderȱwenigerȱmoralischȱundȱangemessenȱkönnenȱandereȱMachtquellenȱ angesehenȱ werdenȱ (inȱ steigenderȱ Reihenfolgeȱ ihrerȱ positivenȱ Auswirkung):ȱ BelohȬ nungsmacht,ȱÜberzeugungskraft,ȱExpertenmachtȱundȱReferenzȬȱ(IdentifikationsȬ)ȱundȱ charismatischeȱ Macht.ȱ Dieȱ Machtȱ durchȱ Identifikationȱ undȱ Charismaȱ ergibtȱ sichȱ ausȱ derȱpersönlichenȱAnziehungskraft,ȱdemȱWissenȱund/oderȱderȱPopularitätȱdesȱFührers.ȱ NormalerweiseȱbasiertȱeinȱrealesȱFührungsverhaltenȱaufȱeinerȱKombinationȱausȱallenȱ genanntenȱMachtquellen.ȱȱ InȱeinemȱasymmetrischenȱFührungsverhältnisȱkannȱesȱzuȱeinemȱMachtmissbrauchȱinȱ derȱPraxisȱkommen,ȱinsbesondereȱinȱwirtschaftlichȱangespanntenȱSituationenȱwieȱbeiȱ hoherȱ Arbeitslosigkeit.ȱ „Wirdȱ dieȱ Zwangslageȱ einesȱ Arbeitnehmersȱ ausgenutzt,ȱ umȱ Druckȱauszuüben,ȱsoȱdassȱerȱschlechtenȱArbeitsbedingungenȱnotgedrungenȱzustimmt,ȱ oderȱ nutztȱ dieȱ Führungskraftȱ dieȱ schlechtereȱ Informationslageȱ einesȱ Arbeitnehmers,ȱ umȱihnȱüberȱwesentlicheȱVertragsinhalteȱzuȱtäuschen,ȱdannȱkommtȱgarȱkeinȱlegitimesȱ Führungsverhältnisȱzustande,ȱauchȱwennȱmöglicherweiseȱeinȱVertragȱvorliegt“,ȱerklärtȱ E.ȱGöbel.275ȱDarüberȱhinausȱistȱdieȱLegitimitätȱdesȱFührungsverhältnissesȱaufȱdieȱAufȬ gabenȱdesȱStelleninhabersȱinȱseinerȱRolleȱalsȱMitarbeiterȱbegrenzt:ȱdasȱAuffordernȱzumȱ Putzenȱ derȱ Privatwohnungȱ desȱ Chefsȱ istȱ genausoȱ illegitim,ȱ wieȱ dieȱAnweisungenȱ anȱ dieȱVerkäuferin,ȱdasȱabgelaufeneȱFleischȱneuȱzuȱetikettieren.ȱȱ Eineȱ verantwortungsvolleȱ Gestaltungȱ desȱ Führungsverhältnissesȱ setztȱ inȱ ersterȱ Linieȱ voraus,ȱdassȱeinȱMitarbeiterȱnichtȱalsȱbloßerȱProduktionsfaktor,ȱsondernȱalsȱeineȱwürȬ devolle,ȱ einmaligeȱ Persönlichkeitȱ betrachtetȱ wird.ȱ Folglichȱ gehörenȱ zurȱ Ethikȱ inȱ UnȬ ternehmenȱfolgendeȱNormen,ȱdieȱaufȱdenȱallgemeinenȱMenschenrechtenȱbasieren:ȱ ȱ ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 275ȱ Göbel,ȱE.ȱUnternehmensethik,ȱS.ȱ172.ȱ

237ȱ

13.3

13

Unternehmensethik

„ GegenseitigeȱWertschätzungȱundȱAchtung;ȱ „ Fairnessȱ undȱ Chancengleichheitȱ beiȱ derȱ Einstellung,ȱ Bezahlungȱ undȱ Beförderungȱ derȱMitarbeiter;ȱ

„ SchutzȱderȱPrivatsphäreȱ(Datenschutz);ȱ „ offeneȱ Informationȱ undȱ Kommunikationȱ derȱ Belegschaftȱ überȱ unternehmerischesȱ Geschehen;ȱ

„ humaneȱArbeitsbedingungenȱundȱArbeitsplatzsicherheit;ȱ „ sinnvolleȱundȱabwechselungsreicheȱAufgaben;ȱ „ MöglichkeitenȱfürȱWeiterbildungȱundȱEntwicklungȱderȱMitarbeiter.ȱȱ Dieseȱ Auflistungȱ machtȱ deutlich,ȱ dassȱ fürȱ dieȱ Definitionȱ undȱ Gewährleistungȱ dieserȱ Normenȱ dieȱ institutionellenȱ Rahmenbedingungenȱ undȱ dasȱ praktischeȱ Verhaltenȱ derȱ Führungskräfteȱverantwortlichȱsind.ȱDieȱSollȬWerteȱundȱȬNormenȱfürȱeinenȱethischenȱ Umgangȱ zwischenȱ Führungskräftenȱ undȱ Mitarbeiternȱ sollenȱ verbindlichȱ undȱ explizitȱ festgelegtȱundȱvonȱallenȱUnternehmensakteurenȱgelebtȱwerden.ȱȱȱ

13.3.2

Institutionelle Rahmenbedingungen für die Ethik in Unternehmen

Alsȱ eineȱ selbstständigeȱ moralfähigeȱ undȱ Ȭpflichtigeȱ Handlungseinheitȱ legtȱ einȱ UnterȬ nehmenȱ seineȱ internenȱ ethischenȱ Prinzipienȱ fest,ȱ dieȱ alsȱ normativeȱ Basisȱ fürȱ dieȱ ZuȬ sammenarbeitȱ undȱ dasȱ Zusammenlebenȱ imȱ Unternehmenȱ gilt.ȱ Dieȱ inȱ denȱ UnternehȬ mensgrundsätzenȱundȱȬleitbildernȱdefiniertenȱethischenȱPrinzipienȱ(vgl.ȱKapitelȱ13.2.1)ȱ betreffenȱunterȱanderemȱdenȱUmgangȱdesȱUnternehmensȱmitȱseinenȱeigenenȱMitarbeiȬ tern,ȱ strategischeȱ Entscheidungenȱ inȱ Bezugȱ aufȱ dieȱ Mitarbeiterȱ beinhaltenȱ ebenfallsȱ moralischeȱAspekte.ȱȱ Typischeȱ Aussagenȱ derȱ Unternehmensleitlinienȱ inȱ Bezugȱ aufȱ dieȱ Mitarbeiterȱ sind:ȱ Achtungȱ derȱ Würdeȱ jedenȱ Mitarbeiters,ȱ Gleichberechtigung,ȱ sichereȱ undȱ gesundeȱ Arbeitsbedingungen,ȱ Entfaltungȱ undȱ Entwicklungȱ derȱ Mitarbeiterfähigkeiten,ȱ Rechtȱ aufȱ dieȱ Bildungȱ einerȱ Mitarbeitervertretung,ȱ offeneȱ Information,ȱ Vertrauenȱ undȱ ReȬ spekt,ȱangemesseneȱEntlohung.ȱ EinȱAuszugȱ ausȱ demȱ obenȱ diskutiertenȱ Beispielȱ desȱLeitbildesȱderȱ BayerȱAG,ȱ inȱdemȱ dieȱVerantwortungȱ gegenüberȱderȱBelegschaftȱbeschriebenȱwird,ȱsollȱdasȱkonkretisieȬ ren:ȱ „Wirȱ respektierenȱ undȱ schätzenȱ dieȱ nationaleȱ undȱ kulturelleȱ Vielfaltȱ derȱ MenȬ schenȱ inȱ unseremȱ Unternehmenȱ undȱ wissen,ȱ dassȱ dieȱ Kompetenzȱ undȱ dasȱ EngageȬ mentȱ unsererȱ Mitarbeiterȱ dieȱ Grundlageȱ fürȱ unserenȱ Erfolgȱ sind.ȱ Unsereȱ Strukturȱ bietetȱdieȱVoraussetzungȱfürȱeinȱgroßesȱMaßȱanȱEigenverantwortungȱundȱunternehmeȬ rischesȱ Handeln.ȱ Wirȱ ermutigenȱ undȱ motivierenȱ unsereȱ Mitarbeiter,ȱ ihreȱ Kreativitätȱ 238ȱ

Ethik in Unternehmen

undȱ ihreȱ Fähigkeitenȱ fürȱ denȱ gemeinsamenȱ Erfolgȱ einzubringen,ȱ undȱ fördernȱ ihreȱ beruflicheȱundȱpersönlicheȱWeiterentwicklung.“276ȱ Einȱ Bekenntnisȱ zumȱ ethischenȱ Umgangȱ mitȱ denȱ Mitarbeiternȱ reichtȱ nichtȱ aus,ȱ dieseȱ PrinzipienȱsollenȱinȱZieleȱundȱStrategienȱumgesetztȱwerdenȱundȱvonȱallenȱBeteiligtenȱ gelebtȱwerden.ȱȱ Beiȱ derȱ Personalauswahl,ȱ Ȭbeurteilungȱ undȱ Ȭhonorierungȱ solltenȱ moralischeȱ Kriterienȱ angewendetȱ undȱ berücksichtigtȱ werden.ȱ Diesȱ betrifftȱ sowohlȱ dieȱ sozialenȱ KompetenȬ zenȱ derȱ Mitarbeiter,ȱ alsȱ auchȱ dieȱ Verfahrenȱ anȱ sich,ȱ dieȱ fair,ȱ gerechtȱ undȱ transparentȱ seinȱ sollen.ȱ Beiȱ derȱ Personalentwicklungȱ kannȱ einȱ Unternehmenȱ ethischeȱ KompetenȬ zenȱalsȱeinsȱderȱWeiterbildungszieleȱdefinierenȱundȱverfolgen.ȱEbensoȱsollenȱdieȱethiȬ schenȱAspekteȱinȱdieȱGestaltungȱderȱOrganisationsstrukturȱintegriertȱwerden:ȱbeiȱderȱ Arbeitsorganisationȱ solltenȱ dieȱ Mitarbeiterȱ nichtȱ alsȱ Mittelȱ zumȱ Zweck,ȱ sondernȱ alsȱ Personenȱ mitȱ Würdeȱ betrachtetȱ werden,ȱ dieȱ nachȱ sinnvollen,ȱ eigenverantwortlichenȱ AufgabenȱundȱEntwicklungȱstreben.ȱMehrȱMitbestimmung,ȱPartizipationȱundȱBeteiliȬ gungȱanȱunternehmerischenȱEntscheidungenȱsindȱhierȱalsȱLösungenȱhilfreich.ȱȱ WoȱmöglichȱsolltenȱLeitlinienȱundȱGrundsätzeȱquantifiziertȱwerden,ȱz.B.ȱdieȱGleichbeȬ rechtigungȱ derȱ Frauȱ alsȱ Grundsatzȱ könnteȱ alsȱ einȱ operationalesȱ Zielȱ „bisȱ 2010ȱ denȱ FrauenanteilȱinȱFührungspositionȱbisȱaufȱ30ȱProzentȱerhöhen“ȱformuliertȱwerden,ȱwasȱ dieȱ Überprüfungȱ derȱ Zielerreichungȱ ermöglicht.ȱ Derȱ Leitsatzȱ inȱ Bezugȱ aufȱ BekämpȬ fungȱ vonȱ Korruptionȱ undȱ Bestechungȱ könnteȱ inȱ eineȱ praktischeȱ Richtlinieȱ überȱ dieȱ zulässigeȱGrenzeȱvonȱGeschenken,ȱEinladungenȱundȱsonstigenȱVorteilenȱumgewandeltȱ werden.ȱDasȱBekenntnisȱzurȱgerechtenȱEntlohnungȱundȱgegenseitigenȱWertschätzungȱ könnteȱ vonȱ derȱ Transparenzȱ inȱ Bezugȱ aufȱ dieȱ Löhneȱ undȱ Gehälterȱ allerȱ UnternehȬ mensmitglieder,ȱinklusivȱTopȬManagerȱunterstütztȱwerden.ȱ ImȱEndeffektȱkommtȱesȱvorȱallemȱdaraufȱan,ȱobȱdieȱvorgeschriebenenȱethischenȱWerteȱ undȱ Normenȱ tatsächlichȱ akzeptiertȱ undȱ gelebtȱ werden.ȱ Dieseȱ geteilten,ȱ inȱ einemȱ UnȬ ternehmenȱ geltendenȱ Werteȱ undȱ Normenȱ bildenȱ denȱ Kernȱ derȱ Unternehmenskultur.ȱ Deswegenȱ istȱ eineȱ regelmäßigeȱ Überprüfungȱ undȱ eventuellȱ eineȱ (Um)Gestaltungȱ derȱ Unternehmenskulturȱ (s.ȱ Kapitelȱ 12)ȱ auchȱ fürȱ dieȱ Unternehmensethikȱ vonȱ besondererȱ Bedeutung.ȱAlsȱ weitereȱ Maßnahmeȱ zurȱ Unterstützungȱ derȱ Unternehmensethikȱ dientȱ derȱ Aufbauȱ speziellerȱ Stellenȱ oderȱ Kommissionenȱ fürȱ ethischeȱ Fragen.ȱ Inȱ derȱ Praxisȱ sindȱesȱoftȱBeauftragteȱfürȱGleichstellungȱoderȱArbeitssicherheit,ȱArbeitskommissionenȱ zuȱeinzelnenȱethischenȱFragen,ȱwieȱgegenseitigeȱWertschätzungȱoderȱFrauengleichstelȬ lung.ȱ Anȱ solchenȱ Kommissionenȱ nehmenȱ nebenȱ Mitarbeiternȱ derȱ Personalabteilungȱ engagierteȱMitarbeiter,ȱBetriebsratsmitgliederȱundȱexterneȱExpertenȱteil.ȱ VieleȱUnternehmenȱbenutzenȱFührungsleitlinien,ȱdieȱverbindlicheȱWerteȱundȱNormenȱ imȱUmgangȱzwischenȱFührungskräftenȱundȱMitarbeiternȱdefinieren,ȱalsȱeinȱwirksamesȱ InstrumentȱfürȱdieȱSicherungȱdesȱethischenȱVerhaltensȱundȱderȱQualitätȱderȱFührung.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 276ȱ Vgl.ȱhttp://www.bayer.de/de/Leitbild.aspxȱ(12.05.07)ȱ

239ȱ

13.3

13

Unternehmensethik

Fallbeispiel: Einführung und Implementierung von Führungsleitlinien bei dem Unternehmen ProACTIV (Quelle: ȱFranken, S.; Steinhausen, F.: TopPerformance der Personalführung. In Bröckermann, R.; Müller-Vorbrüggen, M.; Witten, E. (Hrsg.) Qualitätskonzepte im Personalmanagement)

ProACTIV ist ein international tätiges Unternehmen der Versicherungsbranche mit Sitz in Hilden. Im Januar 2006 lag die ProACTIV Beschäftigtenzahl bei insgesamt 440 Führungskräften und Mitarbeitern. Die strategischen Eckpfeiler des Unternehmens konzentrieren sich auf das Geschäftsfeld Bank- und Postkooperationen. Hierbei bildet ProACTIV als Dachorganisation die Management- und Verwaltungsgemeinschaft der CiV Versicherungen und der Postbank (PB) Versicherungen. 2005 wurde bei ProACTIV ein Projekt zur Entwicklung und Implementierung von Führungsleitlinien gestartet, die Qualität und ethische Prinzipien des Führungsverhaltens regeln sollten. Alle Abteilungen, Arbeitsgruppen und Mitarbeiter wurden zur Teilnahme an der Formulierung der Leitlinien eingeladen. Als Ergebnis kamen sieben Führungsleitlinien zustande, die nach einer breitangelegten Diskussion und der Zustimmung des Betriebsrates verbildlich eingeführt wurden: 1. Wir kommunizieren mit unseren Mitarbeitern einheitlich und klar. 2. Wir handeln als Vorbild damit sich unsere Mitarbeiter daran orientieren können. 3. Wir fördern und fordern unsere Mitarbeiter – sie sind das Potential und die Energie unseres Unternehmens. 4. Wir nehmen unsere Verantwortung für den Unternehmenserfolg aktiv wahr. 5. Wir stehen zu unseren Fehlern und nutzen sie als Chance für Verbesserungen. 6. Wir arbeiten partnerschaftlich, ergebnisorientiert und konstruktiv zusammen. 7. Wir denken und handeln zukunfts- und ertragsorientiert. Für die Implementierung der Führungsleitlinien im Unternehmen wurde ein Maßnahmenkatalog erstellt. Hierbei entschied sich die Projektleitung zur Bekanntgabe der Führungsleitlinien im Rahmen abteilungsinterner Teamsitzungen. In der nachfolgenden Zeit wurden Teamsitzungen im ganzen Unternehmen durchgeführt. Zum Abschluss der Teamsitzungen verpflichteten sich die Führungskräfte zu einem Führungsverhalten, das sich konsequent an den Führungsleitlinien ausrichtet. Zusätzlich versucht ProACTIV die Anwendungssicherheit der Führungsleitlinien zu erhöhen, indem sie mit den jährlich stattfindenden Führungskräftebeurteilungen abgestimmt werden. Der Führungskräftebeurteilungsbogen beinhaltet u.a. Angaben zur Kommunikations-, Informations- und Kooperationsfähigkeit der Führungskräfte. Eine weitere Maßnahme zur Implementierung der Führungsleitlinien bestand in der Entwicklung des „ProACTIV Führungsleitlinien-Würfels“. Dieser entstand auf Vorschlag des Projektteams und wurde allen Führungskräften und Mitarbeitern während der eingangs geschilderten Teamsitzungen ausgehändigt. Der Würfel (s. Abbildung oben) soll symbolisch die Anwendung der Führungsleitlinien unterstützen.

ȱ 240ȱ

Ethik in Unternehmen

13.3.3

Führungsleitlinien als normative Anforderungen an die Führungsethik

Werte,ȱ Normenȱ undȱ praktischeȱ Instrumenteȱ derȱ Führungȱ werdenȱ inȱ Unternehmenȱ häufigȱ inȱ Formȱ vonȱ Führungsleitlinienȱ (bzw.ȱ –grundsätzen)ȱ definiert.ȱ Dabeiȱ istȱ esȱ wichtig,ȱ dassȱ dieȱ Führungsleitlinienȱ mitȱ denȱ übergeordnetenȱ Unternehmensleitlinienȱ verknüpftȱsind,ȱdieȱallgemeineȱethischeȱPrinzipienȱdesȱUnternehmensȱbestimmen.ȱȱ Führungsleitlinienȱ versuchenȱ dieȱ Führungsbeziehungenȱ zwischenȱ denȱ FührungskräfȬ tenȱundȱMitarbeiternȱeinesȱUnternehmensȱzuȱnormieren,ȱmitȱdemȱZielȱeinenȱoptimalenȱ Führungskontextȱ zuȱ schaffen.ȱ Esȱ wäreȱ unmöglichȱ undȱ überflüssig,ȱ inȱ denȱ Leitlinienȱ alleȱmöglichenȱSituationenȱundȱVerhaltensweisenȱvorzuschreiben.ȱDieȱFührungsleitliȬ nienȱ sollenȱ eineȱ ethischeȱ Richtungȱ gebenȱ undȱ zugleichȱ genugȱ Spielraumȱ fürȱ situatiȬ onsbezogeneȱHandlungenȱderȱFührungskräfteȱzulassen.ȱȱ Dieȱ überwiegendeȱ Mehrheitȱ deutscherȱ Unternehmen,ȱ insbesondereȱ dieȱ großenȱ undȱ mittelständischen,ȱ verfügenȱ überȱ schriftlichȱ definierteȱ Führungsleitlinien.ȱ Aufgrundȱ vonȱ Analysenȱ undȱ Studienȱ könnenȱ folgendeȱ typischeȱ Inhalteȱ derȱ Führungsleitlinienȱ beiȱ Großunternehmenȱ identifiziertȱ werden:ȱ Kommunikationȱ undȱ Information;ȱ OffenȬ heitȱundȱVertrauen;ȱFairnessȱundȱPartnerschaftlichkeitȱsowieȱkooperativeȱFührung.ȱ277ȱ FürȱdieȱpraktischeȱEntwicklungȱvonȱFührungsleitlinienȱsollteȱjedesȱUnternehmenȱindiȬ viduellȱunterschiedlicheȱundȱspezifischeȱInhalteȱdefinieren,ȱdieȱaufȱdieȱBesonderheitenȱ desȱUnternehmensȱundȱseineȱGesamtstrategieȱabgestimmtȱsind.ȱ FührungsleitlinienȱverfolgenȱdasȱZiel,ȱadäquateȱFührungsstrategien,ȱȬstileȱundȱȬmittelȱ sowieȱVerantwortungȱundȱSpielräumeȱderȱFührungskräfteȱfestzulegen.ȱSieȱbildenȱeineȱ gemeinsameȱ undȱ einheitlicheȱ ethischeȱ Grundlageȱ fürȱ dieȱ Führungȱ inȱ Unternehmenȱ undȱerfüllenȱdadurchȱdieȱsogenannteȱOrientierungsfunktion.ȱDarüberȱhinausȱkönnenȱ sieȱinȱeinemȱgewissenȱRahmenȱstandardisierendȱwirken,ȱdaȱsieȱdieȱBasisstandardsȱfürȱ dasȱ Führungsverhaltenȱ definierenȱ (Standardisierungsfunktion).ȱ Dieȱ PublicȬRelationsȬ FunktionȱderȱFührungsleitlinienȱistȱnachȱaußenȱgerichtetȱundȱsprichtȱdieȱStakeholderȱ desȱ Unternehmensȱ an,ȱ indemȱ dieȱ Öffentlichkeitȱ einenȱ Einblickȱ inȱ dieȱ internenȱ FühȬ rungsprinzipienȱbekommt.ȱȱ Werȱ sollteȱ dieȱ Führungsleitlinienȱ imȱ Unternehmenȱ bestimmenȱ undȱ wieȱ sollteȱ esȱ geȬ schehen?ȱ Nichtȱ alleinȱ dasȱ Ergebnisȱ „Führungsleitlinien“,ȱ sondernȱ insbesondereȱ derȱ Prozessȱ dererȱ Erstellungȱ istȱ wichtig.ȱ Eineȱ normativeȱ Regelungȱ derȱ Beziehungenȱ zwiȬ schenȱ Führendenȱ undȱ Geführtenȱ istȱ nachȱ Neubergerȱ eineȱ strategischeȱ Entscheidung,ȱ dieȱBeratung,ȱDialogȱundȱBeteiligungȱallerȱBetroffenenȱerfordert.278ȱWerdenȱFührungsȬ leitlinienȱvomȱTopȬManagementȱdesȱUnternehmensȱformuliertȱundȱalsȱfertigesȱErgebȬ nisȱ derȱ Belegschaftȱ präsentiert,ȱ rufenȱ sieȱ meistensȱ nurȱ Unzufriedenheitȱ undȱ AbneiȬ gungȱhervor.ȱEsȱmussȱenormeȱÜberzeugungsarbeitȱinȱFormȱvonȱKommunikationsverȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 277ȱ Vgl.ȱWunderer,ȱR.ȱFührungȱundȱZusammenarbeit,ȱS.ȱ15ȱ 278ȱ Vgl.ȱNeuberger,ȱO.ȱFührenȱundȱführenȱlassen,ȱS.ȱ752Ȭ753.ȱ

241ȱ

13.3

13

Unternehmensethik

anstaltungenȱundȱDiskussionenȱgeleistetȱwerden,ȱdamitȱdieseȱFührungsprinzipienȱvonȱ allenȱ Beteiligtenȱ verstanden,ȱ akzeptiertȱ undȱ gelebtȱ werden.ȱ Investiertȱ manȱ dagegenȱ ZeitȱundȱGeldȱinȱeineȱgemeinsame,ȱbreitangelegteȱVorbereitungȱundȱAusformulierungȱ vonȱFührungsleitlinien,ȱsoȱzahltȱesȱsichȱvermehrtȱaus.ȱEineȱoffeneȱundȱengagierteȱDisȬ kussionȱ überȱ dieȱ interneȱ Ethikȱ inȱ Unternehmenȱ wirktȱ sichȱ äußerstȱ positivȱ aus.ȱ Dasȱ kannȱinȱderȱPraxisȱinȱFormȱeinesȱinternenȱProjektesȱorganisiertȱwerden:ȱEineȱProjektȬ gruppe,ȱ zusammengestelltȱ ausȱ denȱ Vertreternȱ verschiedenerȱ Belegschaftsgruppen,ȱ entwickeltȱeinenȱEntwurf,ȱderȱanschließendȱmitȱallenȱMitarbeiternȱinȱAbteilungenȱundȱ Teamsȱdiskutiertȱwird.ȱȱ Dieȱ gemeinsameȱ Vorbereitungȱ undȱ Diskussionȱ schafftȱ Offenheitȱ undȱ Transparenzȱ inȱ Bezugȱ aufȱ ethischeȱ Prinzipienȱ imȱ Unternehmenȱ undȱ zugleichȱ einenȱ persönlichenȱ BeȬ zugȱ jedesȱ Einzelnenȱ zuȱ denȱ Führungsleitlinien.ȱ Nurȱ soȱ kannȱ dieȱ Wirksamkeitȱ derȱ normativenȱFührungsethikȱgewährleistetȱwerden,ȱdamitȱsieȱnichtȱnurȱfestgeschrieben,ȱ sondernȱgelebtȱwerdenȱkann.ȱȱȱȱȱ

13.3.4

Führungskräfteethik

AuchȱwennȱeineȱnormativeȱBasisȱfürȱethischesȱVerhaltenȱinȱUnternehmensgrundsätzenȱ undȱFührungsleitlinienȱfestgelegtȱist,ȱhatȱjederȱMenschȱeinenȱgewissenȱSpielraumȱfürȱ seinȱpraktischesȱHandeln.ȱIndividuelleȱEthikȱdesȱHandelnsȱkannȱdurchȱdieȱRegelȱundȱ Verordnungenȱnichtȱersetztȱwerden.ȱDasȱbetrifftȱinsbesondereȱdieȱFührungskräfte,ȱdieȱ aufgrundȱ derȱ Machtasymmetrieȱ mehrȱ Entscheidungsraumȱ besitzen.ȱ Dieȱ Machtȱ derȱ Führenden,ȱ Entscheidungenȱ zuȱ treffen,ȱ dieȱ vieleȱ Menschenȱ betreffen,ȱ verlangtȱ vonȱ ihnenȱ eineȱ besondereȱ moralischeȱ Verantwortung.ȱ Jeȱ mehrȱ Machtȱ manȱ besitzt,ȱ destoȱ größerȱistȱdieȱVerantwortung.ȱ DieȱFührungskräfteȱbildenȱeineȱbesondereȱReferenzȬGruppeȱfürȱethischeȱStandardsȱinȱ UnternehmenȱundȱsollenȱeineȱVorbildfunktionȱübernehmen.ȱDasȱVerhaltenȱderȱVorgeȬ setztenȱ undȱ insbesondereȱ derȱ TopȬManagerȱ wirdȱ vonȱ denȱ Mitarbeiternȱ beobachtet,ȱ reflektiertȱundȱbeurteilt.ȱ Umȱ dieȱ explizitȱ definiertenȱ Werteȱ undȱ Normenȱ imȱ Umgangȱ mitȱ Mitarbeiternȱ umzuȬ setzen,ȱsollteȱeineȱFührungskraftȱbereitȱsein,ȱdieseȱimȱUnternehmensalltagȱzuȱleben:ȱ

„ Mitarbeiterȱ achtenȱ undȱ respektierenȱ –ȱ keineȱ Schikane,ȱ Beleidigung,ȱ persönlicheȱ Herabsetzung,ȱsexuelleȱBelästigung,ȱMobbing;ȱ

„ keineȱwillkürlicheȱundȱdiskriminierendeȱBehandlung,ȱsondernȱFairness,ȱChancenȬ gleichheitȱundȱGerechtigkeit;ȱ

„ RespektierenȱderȱPrivatsphäreȱ–ȱkeineȱÜberwachung,ȱDatenschutz,ȱAkzeptanzȱderȱ Gewissensfreiheit,ȱethnischenȱHerkunftȱundȱsexuellenȱOrientierung;ȱ

242ȱ

Ethik in Unternehmen

„ Gewährungȱ humanerȱ Arbeitsbedingungenȱ –ȱ Schutzȱ vonȱ Lebenȱ undȱ Gesundheit,ȱ ausreichendeȱPausen,ȱangemesseneȱEntlohnung;ȱ

„ Partnerschaftlicheȱ Kommunikationȱ stattȱ Befehl,ȱ Erklärenȱ stattȱ Diktierenȱ vonȱ EntȬ scheidungen,ȱoffeneȱundȱehrlicheȱInformation;ȱ

„ Feedback,ȱAnerkennungȱguterȱLeistungen,ȱLob,ȱkonstruktiveȱKritik;ȱ „ Sinnvolle,ȱ abwechselungsreiche,ȱ herausforderndeȱ Aufgaben,ȱ Möglichkeitenȱ zurȱ sozialenȱInteraktion;ȱ

„ NachȱMöglichkeitȱSelbstkontrolle,ȱEigenständigkeit,ȱPartizipationȱanȱEntscheidunȬ genȱundȱMöglichkeitȱzurȱWeiterbildungȱundȱȬentwicklung.ȱȱȱȱȱ Allerdingsȱ spielenȱ auchȱ dieȱ Mitarbeiterȱ inȱ derȱ Gestaltungȱ undȱ Sicherungȱ derȱ UnterȬ nehmensethikȱeineȱwichtigeȱRolle.ȱȱȱȱ

13.3.5

Mitarbeiterethik

Oftȱ istȱ esȱ schwierig,ȱ „Schuldige“ȱ derȱ unmoralischenȱ Praktikenȱ zuȱ identifizieren:ȱ werȱ verschweigtȱ gefährlicheȱ Nebenwirkungenȱ vonȱ Medikamenten,ȱ etikettiertȱ falschȱ verȬ dorbeneȱLebensmittel,ȱfälschtȱBilanzen,ȱnimmtȱBestechungsgelderȱan?ȱIstȱesȱeineȱübliȬ cheȱPraxisȱimȱUnternehmen,ȱAnweisungȱeinesȱVorgesetztenȱoderȱindividuelleȱSchuldȱ einesȱMitarbeiters?ȱWieȱvielȱmoralischenȱSpielraumȱbesitztȱeinȱMitarbeiter?ȱ EinemȱMitarbeiterȱkönnenȱeineȱinnenbetrieblicheȱundȱeineȱVerantwortungȱgegenüberȱ anderenȱStakeholdernȱunterstelltȱwerden,ȱdaȱseinȱTunȱundȱUnterlassenȱsowohlȱinterneȱ alsȱ auchȱ externeȱ Auswirkungenȱ hat.ȱ ȱ Zuȱ derȱ innerbetrieblichenȱ Verantwortungȱ zähȬ len:279ȱ

„ ȱArbeitsethikȱ –ȱ zuverlässigeȱ undȱ gewissenhafteȱ Arbeit,ȱ Einhaltenȱ derȱ Qualität,ȱ achtsamerȱ Umgangȱ mitȱ Maschinenȱ undȱ Material,ȱ Hinweiseȱ aufȱ Fehler,ȱ VerbesseȬ rungsvorschläge,ȱ Vermeidenȱ vonȱ überflüssigenȱ Pausenȱ undȱArbeitsunterbrechunȬ genȱsowieȱprivatenȱAktivitätenȱwährendȱderȱArbeitszeit;ȱȱ

„ Kollegialitätȱ –ȱ KooperationsȬȱ undȱ Teamarbeitsbereitschaft,ȱ wohlwollendesȱ undȱ fairesȱVerhaltenȱgegenüberȱdenȱKollegen,ȱVermeidenȱvonȱIntrigen,ȱSchikanenȱundȱ Informationszurückhalten;ȱ

„ Integritätȱ–ȱkeinȱDiebstahl,ȱkeineȱSabotageȱundȱVeruntreuungȱvonȱUnternehmensȬ eigentum,ȱ keinȱ Bestechlichkeitȱ undȱ keineȱ Bestechung,ȱ keinȱ Betrugȱ undȱ keineȱ FälȬ schungȱvonȱInformationen.ȱȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 279ȱ Vgl.ȱGöbel,ȱE.ȱUnternehmensethik,ȱS.ȱ177Ȭ178.ȱ

243ȱ

13.3

13

Unternehmensethik

ZumȱgroßenȱTeilȱwirdȱsolchesȱVerhaltenȱvonȱMitarbeiternȱdurchȱGesetze,ȱVerträgeȱundȱ Kontrollmechanismenȱgeregelt,ȱaberȱesȱbleibenȱvieleȱGrauzonen,ȱdieȱnichtȱvollständigȱ geregeltȱ undȱ überwachtȱ werdenȱ können.ȱ Inȱ solchenȱ Situationenȱ istȱ dieȱ individuelleȱ MitarbeiterethikȱvonȱbesondererȱBedeutung.ȱ ZugleichȱsindȱdieȱMitarbeiterȱdiejenigen,ȱdieȱimȱAuftragȱdesȱUnternehmensȱmitȱseinenȱ Stakeholdernȱunmittelbarȱinteragieren.ȱDasȱbegründetȱihreȱVerantwortungȱgegenüberȱ Kundenȱ(nichtȱbetrügenȱoderȱtäuschen),ȱLieferantenȱ(faireȱBehandlungȱundȱKonditioȬ nen),ȱKreditgebernȱ(überȱdieȱLageȱdesȱUnternehmensȱnichtȱtäuschen)ȱundȱderȱÖffentȬ lichkeitȱ(keinȱBetrugȱüberȱUmweltschädenȱu.ä.).ȱ Eineȱ besondereȱ Problematikȱ ergibtȱ sichȱ fürȱ einenȱ Mitarbeiter,ȱ wennȱ Kollegenȱ oderȱ Vorgesetzteȱ unmoralischȱ handelnȱ oderȱ vonȱ ihmȱ einȱ unethischesȱ Handelnȱ verlangen.ȱ Derȱ Mitarbeiterȱ wirdȱ aufgefordertȱ mitzumachenȱ oderȱ dieȱ Missständeȱ zuȱ decken.ȱAlsȱ BegründungȱwirdȱoftȱdieȱLoyalitätȱgegenüberȱdemȱArbeitgeberȱinsȱSpielȱgebracht.ȱAlsȱ ReaktionȱaufȱdieseȱAufforderungenȱkannȱunterschiedlichȱausfallen:280ȱȱ

„ blinderȱ Gehorsamȱ undȱ opportunistischesȱ Mitläufertumȱ desȱ Mitarbeiters,ȱ dieȱ ihmȱ Ärgerȱersparen,ȱaberȱzuȱeinerȱKomplizenschaftȱmitȱschwerwiegendenȱmoralischenȱ Folgenȱführen;ȱ

„ Kündigung,ȱ dieȱ imȱ Endeffektȱ eineȱ Selbstselektionȱ derȱ Mitarbeiterȱ mitȱ Gewissenȱ bedeutet;ȱ

„ ArgumentativeȱAuseinandersetzungȱ mitȱ denȱ betroffenenȱ Kollegenȱ oderȱ EntscheiȬ dungsträgernȱmitȱdemȱZiel,ȱeineȱkonstruktiveȱLösungȱzuȱfinden,ȱdieȱMutȱundȱZiȬ vilcourageȱerfordert;ȱ

„ ȱ„WhistleȱBlowing“ȱ(Verpfeifen)ȱ–ȱ(anonyme)ȱAufdeckungȱȱvonȱillegalenȱoderȱilleȬ gitimenȱ Verhaltensweisenȱ imȱ Unternehmenȱ gegenüberȱ Vorgesetztenȱ oderȱ derȱ ÖfȬ fentlichkeit.ȱȱȱȱ DieȱMeinungenȱzumȱWhistleȱBlowingȱsindȱkontrovers.ȱDieȱAnonymitätȱdesȱVerfahrensȱ schütztȱ denȱ Whistleȱ Blowerȱ vorȱ drohendenȱ Repressalienȱ seitensȱ desȱ Kollegenȱ oderȱ Unternehmens,ȱ schließtȱ aberȱ eineȱ direkteȱAnspracheȱ ausȱ undȱ erzeugtȱ eineȱ MisstrauȬ ensatmosphäre.ȱ ȱ Auchȱ Unschuldigeȱ könnenȱ zumȱ Opferȱ desȱ Denunziantentumsȱ werȬ den,ȱwennȱheimlicheȱMotiveȱwieȱNeidȱoderȱRacheȱimȱSpielȱsind.ȱAusȱdiesenȱGründenȱ wäreȱeineȱargumentativeȱAuseinandersetzungȱeinemȱWhistleȱBlowingȱzuȱbevorzugen,ȱ allerdingsȱsollteȱdafürȱimȱUnternehmenȱeineȱoffeneȱAtmosphäreȱfürȱKritikȱderȱMitarȬ beiter,ȱ offizielleȱ Beschwerdewegeȱ undȱ ethischeȱ Institutionenȱ (Stellen,ȱ Gremien)ȱ geȬ schaffenȱwerden.ȱ ȱȱ ȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 280ȱ InȱAnlehnungȱanȱSteinmann,ȱH.;ȱLöhr,ȱA.ȱGrundlagenȱderȱUnternehmensethik,ȱS.ȱ152Ȭ153.ȱ

244ȱ

Ethik in Unternehmen

Kontrollfragenȱ 1. WarumȱkannȱeinȱUnternehmenȱalsȱmoralfähigȱundȱmoralpflichtigȱangesehenȱwerȬ den?ȱ 2. Markt,ȱRechtȱundȱEthikȱalsȱdreiȱEinflussgrößenȱaufȱunternehmerischesȱHandeln.ȱ 3. BeschreibenȱSieȱSubjekteȱundȱObjekteȱderȱunternehmerischenȱVerantwortung.ȱ 4. VerankerungȱderȱEthikȱinȱderȱUnternehmensvision,ȱȬgrundsätzenȱundȱȬstrategien.ȱ 5. DefinierenȱSieȱStakeholderȱeinesȱUnternehmensȱundȱihreȱInteressen.ȱ 6. BeschreibenȱSieȱZieleȱundȱpraktischeȱFormenȱderȱCorporateȱSocialȱResponsibilityȬ Bewegung.ȱ 7. WasȱbedeutetȱeinȱlegitimesȱFührungsverhältnisȱundȱwieȱwirdȱesȱvonȱderȱMachtaȬ symmetrieȱbeeinflusst?ȱ 8. WelcheȱRahmenbedingungenȱbestimmenȱdieȱEthikȱinȱUnternehmen?ȱ 9. WelcheȱZieleȱundȱInhalteȱhabenȱFührungsleitlinien?ȱ 10. BeschreibenȱSieȱdieȱEthikȱderȱFührungskräfte.ȱ 11. ȱWasȱgehörtȱzurȱMitarbeiterethik?ȱ 12. DiskutierenȱSieȱVorȬȱundȱNachteileȱdesȱWhistleȱBlowing.ȱȱ

245ȱ

13.3

14

Führung

14 Führung FührungȱistȱeineȱTeilfunktionȱderȱUnternehmensführung,ȱdieȱeineȱEinflussnahmeȱaufȱ dieȱMitarbeiterȱmitȱdemȱZiel,ȱeinenȱgemeinsamenȱErfolgȱzuȱerzielen,ȱalsȱAufgabeȱhat.ȱ Dieȱ Möglichkeiten,ȱ Grenzenȱ undȱ praktischenȱ Methodenȱ dieserȱ Einflussnahmeȱ bildenȱ dasȱUntersuchungsfeldȱderȱFührungstheorienȱundȱwerdenȱmaßgeblichȱvonȱdenȱinȱderȱ GesellschaftȱvorherrschendenȱGrundannahmenȱundȱWertenȱbeeinflusst.ȱStandȱfürȱdieȱ KlassikerȱderȱBetriebswirtschaftslehreȱ(F.ȱTaylor,ȱH.ȱFayol,ȱM.ȱWeber)ȱdieȱRationalisieȬ rungȱ desȱArbeitsprozessesȱ imȱ Mittelpunktȱ derȱ Betrachtung,ȱ soȱ habenȱ sichȱ dieȱ GrünȬ derväterȱdesȱverhaltensorientiertenȱAnsatzesȱ(C.ȱBarnard,ȱE.ȱMayo)ȱderȱPersönlichkeitȱ undȱdenȱBeziehungenȱderȱMitarbeiterȱzugewandt,ȱwasȱzurȱEntwicklungȱdesȱHumanȬ RelationsȬȱundȱHumanȬRessourceȬAnsatzesȱgeführtȱhat.ȱDerȱSystemansatzȱ(H.ȱUlrich,ȱ K.ȱBleicher)ȱwendetȱaufȱdieȱFührungȱErkenntnisseȱderȱSystemtheorieȱan.ȱDieȱVertreterȱ derȱ strukturellȬinteraktivenȱ Führungȱ (O.ȱ Neuberger,ȱ R.ȱ Wunderer)ȱ unterscheidenȱ zwischenȱderȱFührungȱdurchȱundȱinȱStrukturenȱundȱbeschäftigenȱsichȱmitȱderȱUnterȬ nehmenskulturȱundȱderȱdirektenȱInteraktionȱzwischenȱFührendenȱundȱGeführten.ȱȱ InȱunsererȱZeit,ȱdieȱdurchȱzunehmendeȱWirtschaftsdynamikȱundȱglobaleȱKonkurrenzȱ gekennzeichnetȱist,ȱistȱderȱUnternehmenserfolgȱdavonȱabhängig,ȱinwieweitȱeinȱUnterȬ nehmenȱ Wissenȱ undȱ Kreativitätȱ seinerȱ Mitarbeiterȱ fördernȱ undȱ mobilisierenȱ kann,ȱ wobeiȱdieȱMitarbeiterführungȱdieȱentscheidendeȱRolleȱspielt.ȱImmerȱmehrȱArbeitsplätȬ zeȱerfordernȱhoheȱQualifikationȱundȱEigeninitiativeȱderȱBeschäftigten,ȱdieȱüberȱbesonȬ dereȱPotenzialeȱinȱBezugȱaufȱEntscheidungsfindung,ȱErfüllungȱvonȱKundenbedürfnisȬ senȱ undȱ Innovationsprozesseȱ verfügenȱ undȱ einenȱ berechtigtenȱ Anspruchȱ aufȱ mehrȱ MachtȱundȱEinflussȱinȱUnternehmenȱhaben.ȱȱ DieȱAufgabenȱ derȱ Führungȱ ändernȱ sichȱ radikalȱ undȱ sindȱdaraufȱ ausgerichtet,ȱ indiviȬ duellesȱWissen,ȱbesondereȱFähigkeiten,ȱKompetenzenȱundȱTalenteȱderȱMitarbeiterȱzuȱ entdeckenȱ undȱ fürȱ Unternehmenȱ zuȱ erschließen.ȱ Dabeiȱ versagenȱ dieȱ altenȱ MechanisȬ menȱ derȱ Verhaltensbeeinflussungȱ vonȱ obenȱ nachȱ untenȱ durchȱ Weisungen,ȱ Kontrolleȱ undȱ klassischeȱAnreizkonzepte,ȱ daȱ sieȱ höchstensȱAnwesenheitȱ undȱ Dienstȱ nachȱ VorȬ schriftȱerzielenȱkönnen.ȱStattdessenȱsindȱgemeinsameȱVisionen,ȱIdentifikation,ȱPartiziȬ pationȱ undȱ Freiräumeȱ gefragt,ȱ dieȱ Engagementȱ undȱ Kreativitätȱ derȱ Mitarbeiterȱ förȬ dern.ȱUmȱeineȱneueȱFührungȱpraktizierenȱzuȱkönnen,ȱmussȱeinȱManagerȱMotiveȱundȱ Beweggründeȱ menschlichenȱ Handelnsȱ sowieȱ Möglichkeitenȱ undȱ Grenzenȱ seinerȱ EinȬ flussnahmeȱverstehen,ȱwobeiȱdieȱErkenntnisseȱderȱkognitivenȱVerhaltenswissenschaftȱ überȱ dasȱ individuelleȱ undȱ Gruppenverhaltenȱ helfenȱ können.ȱ Vorȱ demȱ Hintergrundȱ aktuellerȱ Anforderungenȱ undȱ modernerȱ Erkenntnisseȱ werdenȱ inȱ diesemȱ Kapitelȱ dasȱ Führungsverständnis,ȱ dieȱ Führungsstileȱ undȱ dieȱ wichtigstenȱ Führungskonzepteȱ undȱ Ȭinstrumenteȱdiskutiert.ȱȱ 246ȱ

Gesellschaftlicher Wertewandel und Führungsverständnis

14.1

Gesellschaftlicher Wertewandel und Führungsverständnis

Gesellschaftlicheȱ Werteȱ habenȱ einenȱ starkenȱ Einflussȱ aufȱ dasȱ Denkenȱ undȱ Handelnȱ vonȱ Individuenȱ inȱ Unternehmen,ȱ insbesondereȱ inȱ Bezugȱ aufȱ Machtverhältnisseȱ undȱ Führung.ȱSeitȱdenȱ1970erȱJahreȱfindetȱinȱdenȱwestlichenȱGesellschaftenȱeinȱWertewanȬ delȱ statt,ȱ derȱ insbesondereȱ mitȱ demȱ Übergangȱ zurȱ Wissensgesellschaftȱ zunehmendȱ merkbarerȱwird.ȱ„KlassischeȱTugendenȱwieȱFleiß,ȱOrdnungȱundȱPflichterfüllungȱhabenȱ zugunstenȱ vonȱ Wertenȱ wieȱ Selbstständigkeit,ȱ Spaßȱ anȱ undȱ Sinnȱ inȱ derȱArbeitȱ anȱ BeȬ deutungȱverloren.“281ȱAlsȱFolgeȱverändernȱsichȱdieȱinȱderȱUnternehmensweltȱvorherrȬ schendenȱMenschenbilderȱundȱFührungsmethoden.ȱ

14.1.1

Wertewandel und Menschenbilder

AlsȱallgemeineȱTrendsȱdesȱWertewandelsȱinȱwestlichenȱGesellschaftenȱkönnenȱfestgeȬ stelltȱwerden:282ȱ

„ SäkularisierungȱfastȱallerȱLebensbereiche;ȱ „ AbwendungȱvonȱderȱArbeitȱalsȱeinerȱPflicht;ȱ „ BetonungȱdesȱWertesȱderȱFreizeit,ȱ „ AblehnungȱvonȱBindung,ȱUnterordnungȱundȱVerpflichtung;ȱ „ BetonungȱdesȱeigenenȱLebensgenusses;ȱ „ ErhöhungȱderȱAnsprücheȱaufȱeigeneȱSelbstverwirklichung;ȱ „ BejahungȱvonȱGleichheitȱundȱGleichberechtigungȱderȱGeschlechter;ȱ „ BetonungȱderȱeigenenȱGesundheit;ȱ „ HochschätzungȱeinerȱungefährdetenȱundȱbewahrtenȱNaturȱsowieȱ „ SkepsisȱgegenüberȱWertenȱderȱIndustrialisierungȱ(z.B.ȱGewinn,ȱWirtschaftswachsȬ tum,ȱtechnischerȱFortschritt).ȱ DarüberȱhinausȱwirdȱinȱvielenȱUntersuchungenȱeineȱUmorientierungȱwegȱvonȱmateriȬ alistischenȱhinȱzuȱpostmaterialistischenȱWertenȱfestgestellt:ȱBesitz,ȱEigentumȱundȱGeldȱ verlierenȱzunehmendȱanȱBedeutungȱzugunstenȱvonȱsozialenȱKontakten,ȱSelbstverwirkȬ lichungȱundȱFreizeitorientierung.ȱDieseȱVeränderungenȱbetreffenȱimȱhohenȱMaßeȱdieȱ arbeitsrelevantenȱ Werthaltungenȱ undȱ Einstellungen.ȱ NeueȱArbeitswerteȱ wieȱ Spaßȱ anȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 281ȱ Wunderer,ȱR.ȱFührungȱundȱZusammenarbeit,ȱS.ȱ176.ȱ 282ȱ vonȱRosenstiel,ȱzitiertȱnachȱWunderer,ȱR.ȱFührungȱundȱZusammenarbeit,ȱS.ȱ181.ȱ

247ȱ

14.1

14

Führung

derȱ Arbeit,ȱ Selbstständigkeit,ȱ herausforderndeȱ Aufgabenȱ undȱ EntwicklungsmöglichȬ keitenȱ tretenȱ inȱ denȱ Vordergrund.283ȱ Persönlicheȱ Unabhängigkeitȱ undȱ Freiräume,ȱ SelbstbestimmungȱundȱSelbstkontrolleȱbeiȱderȱArbeitȱwerdenȱimmerȱwichtiger,ȱwogeȬ genȱdieȱBereitschaftȱzuȱUnterordnungȱundȱGehorsamȱstarkȱabnimmt.ȱ Derȱ Wertewandelȱ verändertȱdasȱ Menschenbildȱ inȱUnternehmen,ȱ dasȱ alsȱ eineȱ grundȬ sätzliche,ȱ relativȱ dauerhafteȱAuffassungȱ überȱ dasȱ Wesen,ȱ dieȱ Bedürfnisse,ȱ EinstellunȬ genȱ undȱ Verhaltensmusterȱ vonȱ Menschenȱ verstandenȱ wird.ȱ Esȱ konkretisiertȱ sichȱ inȱ Werten,ȱErwartungenȱundȱBeurteilungenȱoderȱimȱUmgangȱmitȱMenschen.ȱȱ DasȱpolareȱKonzeptȱvonȱDouglasȱMcGregorȱdefiniertȱzweiȱextremeȱTypenȱvonȱMitarȬ beitern:ȱ Xȱ undȱ Y.ȱ Dasȱ Menschenbildȱ derȱ Theorieȱ Xȱ beschreibtȱ dieȱ Mitarbeiterȱ alsȱ grundsätzlichȱ verantwortungslosȱ undȱ unreif.ȱ Solcheȱ Menschenȱ habenȱ eineȱ natürlicheȱ AbneigungȱgegenȱArbeit,ȱsindȱträgeȱundȱfaul,ȱscheuenȱVerantwortung,ȱerreichenȱZieleȱ nurȱ unterȱ Druck.ȱ Derȱ größteȱ Wunschȱ einesȱ solchenȱ Mitarbeitersȱ istȱ seineȱ materielleȱ Sicherheit.ȱDerȱTheorieȱYȱzufolgeȱliegtȱArbeitȱinȱderȱNaturȱdesȱMenschen,ȱderȱverantȬ wortungsvollȱhandelt,ȱwennȱerȱsichȱmitȱdenȱUnternehmenszielenȱidentifizierenȱkann.ȱ Solcheȱ Mitarbeiterȱ wollenȱ eineȱ interessanteȱ Arbeitȱ haben,ȱ dieȱ fürȱ sieȱ dieȱ Quelleȱ derȱ Zufriedenheitȱist,ȱsieȱübernehmenȱdieȱVerantwortung,ȱbrauchenȱFreiräume,ȱumȱsichȱzuȱ verwirklichen.ȱȱ Dieseȱ Mitarbeitertypenȱ brauchenȱ verschiedeneȱ Führungsmethoden:ȱ TypȱXȱ sollȱ strengȱ undȱautoritärȱgeführtȱundȱregelmäßigȱkontrolliertȱwerden,ȱfürȱseineȱMotivationȱeignenȱ sichȱvorȱallemȱGeldȱundȱBestrafung.ȱTypȱYȱumgekehrtȱbrauchtȱFreiräumeȱundȱEigenȬ initiative,ȱ kannȱ durchȱ Identifikationȱ mitȱ Zielenȱ undȱ Unternehmenȱ sowieȱ Beteiligungȱ anȱdenȱEntscheidungsprozessenȱundȱAnerkennungȱmotiviertȱwerden.ȱ BeideȱMenschenbilderȱXȱundȱYȱsindȱidealtypischeȱKonstrukte,ȱdieȱdieȱvielfältige,ȱfasȬ settenreicheȱ Unternehmensrealitätȱ nichtȱ abdeckenȱ können.ȱ Allerdingsȱ kannȱ manȱ inȱ AnbetrachtȱdesȱWertewandelsȱvonȱeinerȱVerschiebungȱdesȱSchwerpunktesȱaufȱdenȱTypȱ Yȱsprechen,ȱderȱinitiativȱhandelnȱundȱsichȱselbstȱorganisierenȱkann.ȱHerausforderndeȱ Aufgabenȱ undȱ Freiräumeȱ sindȱ fürȱ einenȱ solchenȱ Mitarbeiterȱ besondersȱ leistungsförȬ dernd.ȱ Fürȱ wenigerȱ selbstinitiativeȱ Untergebene,ȱ dieȱ gerneȱ geführtȱ werdenȱ möchten,ȱ sindȱfertigeȱEntscheidungen,ȱ detaillierteȱArbeitsaufgabenȱundȱAbgabefristenȱzuȱempȬ fehlen.ȱGleichzeitigȱkannȱeineȱFührungskraftȱdurchȱmehrȱVertrauenȱundȱmehrȱDelegaȬ tionȱ einenȱ Mitarbeiterȱ zurȱ Selbständigkeitȱ undȱ Eigenverantwortungȱ bringenȱ undȱ daȬ durchȱseinȱ„YȬVerhalten“ȱfördern.ȱ AuchȱE.ȱScheinȱhatȱdenȱWertewandelȱinȱderȱGesellschaftȱmitȱdenȱneuenȱMenschenbilȬ dernȱverbundenȱundȱseineȱKlassifikationȱvonȱMitarbeiternȱinȱverschiedeneȱMenschenȬ typenȱentwickeltȱ(s.ȱfolgendeȱTabelle).ȱȱ ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 283ȱ Vgl.ȱOpachowski,ȱH.ȱDeutschlandȱ2010.ȱWieȱwirȱmorgenȱleben,ȱS.ȱ45ȱff.ȱ

248ȱ

Gesellschaftlicher Wertewandel und Führungsverständnis

Tabelleȱ38:ȱ MenschentypenȱnachȱE.ȱSchein284ȱ Der rationalökonomische Mensch

Motivation hauptsächlich aus monetären Anreizen; ist passiv und manipulierbar; ist durch rationale Maßnahmen zu steuern

Der soziale Mensch

bezieht Motivation aus kommunikativen, sozialen Beziehungen; zieht sich in einer mechanischen Arbeitsumgebung in soziale Beziehungen zurück; wird durch die Einbindung in die Gruppe stärker beeinflusst als durch Vorgesetzte; akzeptiert Führungshandlungen nur, wenn sie seine sozialen Bedürfnisse berücksichtigen

Der sich selbst verwirklichende Mensch

Selbstverwirklichung ist das wichtigste Bedürfnis; sieht Arbeit positiv, wenn sie der Selbstverwirklichung dient; kann durch eigenverantwortliche, rationale Entscheidungen die Organisation unterstützen; ist in der Lage und will sich selbst kontrollieren und motivieren

Der komplexe Mensch

ist lern- und wandlungsfähig; hat veränderliche und damit volatile Motive, welche die Sichtweise seiner Stellung in der Organisation beeinflussen und seine Entwicklungsbedürfnisse befriedigen; hat in unterschiedlichen Situationen differenzierte Motive und Ziele

ȱ Derȱ Entwicklungstrendȱ gehtȱ lautȱ Scheinȱ inȱ Richtungȱ einesȱ „komplexenȱ Menschen“,ȱ derȱ nichtȱ nurȱ rationalȬökonomischȱ denktȱ undȱ handelt,ȱ sondernȱ verschiedeneȱ Motiveȱ undȱZieleȱhat.ȱFürȱjedenȱMenschentypȱsindȱspezielleȱFührungsmethodenȱgeeignet.ȱFürȱ einenȱ„rationalȬökonomischenȱMitarbeiter“ȱpasstȱvorȱallemȱmonetäreȱBelohnungȱ undȱ Bestrafung.ȱ Fürȱ denȱ „sozialenȱ Menschen“ȱ istȱ Zugehörigkeitȱ zuȱ einerȱ Gruppeȱ undȱ EingebundenseinȱinȱsozialeȱBeziehungenȱvonȱbesondererȱBedeutung.ȱDerȱ„sichȱselbstȱ verwirklichendeȱ Mensch“ȱ strebtȱ nachȱ Autonomieȱ undȱ Selbstgestaltungȱ undȱ benötigtȱ Freiräumeȱ fürȱ seineȱ Selbstverwirklichung.285ȱ Dasȱ Bildȱ desȱ „komplexenȱ Mitarbeiters“ȱ umfasstȱalleȱdreiȱbeschriebenenȱMenschenbilder,ȱnachȱdenenȱerȱinȱverschiedenenȱSituȬ ationenȱ handelt.ȱ Esȱ istȱdeswegenȱ besondersȱwichtig,ȱ mitȱ jedemȱ einzelnenȱ Mitarbeiterȱ überȱseineȱZielvorstellungenȱundȱMotiveȱzuȱredenȱundȱgemeinsamȱdieȱzweckmäßigenȱ MöglichkeitenȱfürȱseineȱEntfaltungȱundȱLeistungȱzuȱentwickeln.ȱȱ Esȱ gibtȱ weiterhinȱ Theorien,ȱ dieȱ einenȱ Menschenȱ alsȱ entwicklungsfähigesȱ Selbstȱ beȬ trachten.ȱSoȱbeschreibtȱArgyrisȱeineȱEntwicklungȱdesȱSelbstȱinȱeinemȱKontinuumȱvonȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 284ȱ ZitiertȱnachȱWunderer,ȱR.,ȱKüpers,ȱW.ȱDemotivationȱ–ȱRemotivation,ȱS.ȱ89.ȱ 285ȱ Vgl.ȱMotivationstheorieȱvonȱA.ȱMaslow.ȱ

249ȱ

14.1

14

Führung

Unreifeȱ zuȱ Reife.ȱ (s.ȱAnalogȱ Theorieȱ moralischerȱ Entwicklungȱ vonȱ Kohlberg,ȱ Kapitelȱ 7.4).ȱȱ Tabelleȱ39:ȱ UnreifeȬReifeȬKontinuumȱnachȱArgyris286ȱ Charakteristika einer unreifen Person

Charakteristika einer reifen Person

1. Passivität

1. Aktivität

2. Abhängigkeit

2. Unabhängigkeit

3. wenige Verhaltensalternativen

3. viele Verhaltensalternativen

4. kurze Zeitperspektive

4. lange Zeitperspektive

5. oberflächliche Interessen

5. tiefergehende Interessen

6. Unterordnung

6. Gleich- oder Überordnung

7. fehlende Selbstkenntnis/Fremdkontrolle

7. Selbstkenntnis und -kontrolle

„Reifenȱ bedeutetȱ dabeiȱ Mündigkeitȱ undȱ Wille,ȱ Verantwortungȱ selbstȱ zuȱ tragen,ȱ einȱ Gleichgewichtȱ zwischenȱ Gefühlen,ȱ Fremderwartungenȱ zumȱ eigenenȱ Ichȱ zuȱ finden,ȱ Bereitschaft,ȱsichȱmitȱinnerenȱundȱäußerenȱKonfliktenȱauseinanderȱzuȱsetzen,ȱsieȱnichtȱ zuȱverschleiernȱoderȱzuȱverstecken.“287ȱAusȱdieserȱPerspektiveȱsollȱjederȱMitarbeiterȱinȱ einemȱ kontinuierlichenȱ Entwicklungsprozessȱ betrachtetȱ werden.ȱ Vonȱ derȱ Reifestufeȱ abhängigȱsollenȱfürȱjedenȱMitarbeiterȱentsprechendeȱFührungsmethodenȱbenutztȱwerȬ den,ȱ dieȱ seinerȱ Persönlichkeitȱ undȱ seinenȱ Erwartungenȱ entsprechenȱ undȱ gleichzeitigȱ dieȱMöglichkeitenȱfürȱseineȱWeiterentwicklungȱschaffen.ȱEinȱUnternehmen,ȱundȱinsbeȬ sondereȱ derȱ unmittelbareȱ Vorgesetzter,ȱ sollenȱ demȱ Mitarbeiterȱ inȱ diesemȱ ReifenproȬ zessȱhelfen.ȱȱ DieȱMenschenbilderȱspielenȱfürȱdenȱFührungsprozessȱundȱfürȱalleȱbeteiligtenȱPersonenȱ eineȱ wichtigeȱ Rolleȱ –ȱ sieȱ habenȱ dieȱ Tendenz,ȱ sichȱ zuȱ bestätigen.ȱ Dieserȱ Effektȱ istȱ alsȱ „selfȬfulfillingȱprophecy“,ȱeineȱsichȱselbstȱerfüllendeȱProphezeiung,ȱbekannt.ȱBeispiel:ȱ einȱVorgesetzterȱhältȱseinenȱUntergebenenȱfürȱträgeȱundȱunselbständig.ȱFolglichȱtrautȱ erȱihmȱkeineȱEntscheidungenȱundȱkeineȱVerantwortungȱzu.ȱDiesesȱVerhaltenȱdesȱMaȬ nagersȱ lässtȱ demȱ Mitarbeiterȱ keineȱ andereȱ Möglichkeit,ȱ alsȱ zuȱ gehorchenȱ undȱ trägeȱ undȱ unselbständigȱ zuȱ sein.ȱ Dieȱ Erwartungȱ desȱ Vorgesetztenȱ bestätigtȱ sichȱ undȱ verȬ stärktȱ seinȱ autoritäresȱ Verhalten.ȱ Manȱ kommtȱ inȱ einenȱ Teufelskreis.ȱ Genausoȱ könnenȱ sichȱ dieȱ „positivenȱ Prophezeiungen“ȱ bestätigen:ȱ optimistischeȱ Erwartungenȱ ziehenȱ positivesȱVerhaltenȱnachȱsich.ȱ InȱFolgeȱdesȱgesellschaftlichenȱWerteȬȱundȱMenschenbildwandelsȱmüssenȱdieȱtraditioȬ nellenȱ Führungsmethodenȱ inȱ ihrerȱ Wirksamkeitȱ überprüftȱ werden.ȱ Esȱ istȱ einȱ neuesȱ Führungsverständnisȱerforderlich.ȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 286ȱ Wunderer,ȱR.,ȱKüpers,ȱW.ȱDemotivationȱ–ȱRemotivation,ȱS.ȱ91,ȱ 287ȱ Ebd.ȱ

250ȱ

14.1

Gesellschaftlicher Wertewandel und Führungsverständnis

Exkurs: Menschenbilder in der Geschichte Optimistische Auffassungen vom Wesen des Menschen

Pessimistische Auffassungen vom Wesen des Menschen

Der Mensch ist vernünftig; er neigt zur Kooperation und gegenseitiger Unterstützung; er ist in der Lage, sich selbst zu kontrollieren und bevorzugt grundsätzlich eine demokratische Führung. (Locke 1632 – 1704)

Der Mensch ist undankbar, heuchlerisch und gewinnsüchtig; er geht möglichst Gefahren aus dem Wege und wählt den Weg des geringsten Widerstandes. (Machiavelli 1469-1527)

Der Mensch wird nicht primär durch biogenetische Triebe, sondern vielmehr durch von außen wirkende gesellschaftliche soziokulturelle Kräfte beeinflusst, wobei sein Streben auf die Befriedigung seiner Bedürfnisse, deren Entwicklung und Wachstum situationsabhängig ist, gerichtet wird. (Fromm 1900-1980, Sullivan 1892-1949, Horney 1895-1952) Der Mensch ist grundsätzlich ein soziales Wesen, wobei er ein entsprechendes Verhalten in der Gruppe entwickelt. (Mayo 1880-1949) Der Mensch verfügt über eine Vielzahl von Bedürfnissen, die in einer Hierarchie geordnet sind; das Streben nach Befriedigung dieser Bedürfnisse motiviert ihn zum Handeln; gerade die soziale Alltagssituation kann Möglichkeiten für individuelles Wachstum, Entwicklung und Selbstverwirklichung schaffen; hierbei schließen sich Persönlichkeitsziele und Organisationsziele nicht notwendig aus, sondern sind zumeist kompatibel, mitunter auch komplementär. (Argyris; Bennis; Maslow 19081970; McGregor 1906-1964; Likert u.a.)

Der Mensch ist selbstsüchtig; durch die Verfolgung seiner egoistischen Interessen (subjektive Nutzenmaximierung) dient er sich und der Gesellschaft; dazu benötigt er ein Optimum an gesellschaftlicher Gestaltungsfreiheit. (Politik des laisser-faire; Smith 1723-1790) Der Mensch ist ein kampfbetontes Wesen, wobei in einem „natürlichen Selektionsprozess“ nur die physisch und psychisch Stärksten sich durchsetzen und überleben werden. (Darwin 1809-1882; Spencer 1820-1903) Der Mensch ist von Natur aus primitiv, wild und böse; natürliche Triebe (Sex, Aggression etc.) müssen unterdrückt werden. (Freud 1856-1939) Der Mensch ist wie ein Teil einer Maschine; er ist faul, egoistisch und träge; er muss permanent kontrolliert und extrem von außen (extrinsisch) motiviert werden; darüber hinaus gilt sein primäres Interesse materiellen Gütern. (Taylor 1856-1915)

Quelle: Lilge, H.-G. Menschenbilder als Führungsgrundlage, in: Zeitschrift für Organisation, 50, 1981, 1, S. 14 – 22.

ȱ

251ȱ

14

Führung

14.1.2

Modernes Führungsverständnis

Dieȱ klassischeȱ Betriebswirtschaftslehreȱ definiertȱ Führungȱ alsȱ „dieȱ situationsbezogeneȱ BeeinflussungȱderȱMitarbeiter,ȱdieȱunterȱEinsatzȱvonȱFührungsinstrumentenȱaufȱeinenȱ gemeinsamȱzuȱerzielendenȱErfolgȱhinȱausgerichtetȱist.“ȱ 288ȱJedeȱFührungskraftȱhatȱdaȬ mitȱdieȱAufgabe,ȱdasȱArbeitsverhaltenȱderȱMitarbeiterȱzuȱsteuern.ȱDieȱWirkungenȱderȱ Führungȱ äußernȱ sichȱ imȱ Verhaltenȱ desȱ Geführten.ȱ Dieseȱ Definitionȱ räumtȱ einerȱ FühȬ rungskraftȱ eineȱ besondereȱ Positionȱ gegenüberȱ denȱ Mitarbeiternȱ ein,ȱ dasȱ Recht,ȱ ihrȱ Handelnȱzuȱbeeinflussen.ȱEineȱaktiveȱgestaltendeȱRolleȱwirdȱnurȱdenȱFührungskräftenȱ eingeräumt.ȱȱ Diesesȱ Führungsverständnisȱ stößtȱ inȱ einerȱ postindustriellenȱ Wissensgesellschaftȱ aufȱ seineȱ Grenzen.ȱ Hochqualifizierte,ȱ eigenverantwortliche,ȱ nachȱ Selbstverwirklichungȱ strebendeȱ Mitarbeiterȱ könnenȱ ihrȱ Engagementȱ undȱ Wissenȱ nurȱ alsȱ goodȱ willȱ anȱ dasȱ Unternehmenȱ weitergeben.ȱAnweisungenȱ undȱ Befehleȱ vonȱ obenȱ übenȱ eineȱ initiativeȬ hemmendeȱ Wirkungȱ aus.ȱ Dieseȱ postmaterialistischȱ orientierten,ȱ qualifiziertenȱ IndiviȬ duenȱkönnenȱnurȱdannȱzuȱengagierterȱZielerreichungȱmotiviertȱwerden,ȱwennȱmanȱsieȱ mitȱ gemeinsamenȱ Visionenȱ begeistert,ȱ alsȱ Partnerȱ betrachtetȱ undȱ Freiräumeȱ fürȱ ihreȱ InitiativeȱundȱVerantwortungȱschafft.ȱȱ Wundererȱ beschreibtȱ dieȱ Evolutionȱ desȱ Führungsverständnissesȱ alsȱAbfolgeȱ vonȱ dreiȱ idealtypischenȱ Führungskonzepten:ȱ autoritärȬzentralistischesȱ Konzept,ȱ konsultativȬ kooperativesȱTeamkonzeptȱundȱkooperativȬdelegativesȱKonzeptȱ(s.ȱfolgendeȱTabelle).ȱ

Tabelleȱ40:ȱ IdealtypischeȱFührungskonzepteȱnachȱWunderer289ȱȱ Dimension

autoritär-zentralistisches Konzept

konsultativkooperatives Teamkonzept

kooperativdelegatives Konzept

Führungsphilosophie

zentralistisch

föderalistisch

pluralistisch

Geführtenrolle

Untergebener

Mitarbeiter

Mitunternehmer

Führungsstil

autoritärpatriarchalisch

konsultativkooperativ

kooperativ-delegativ bis autonom

Führungsfunktionen

kommandieren kontrollieren korrigieren

kommunizieren kooperieren koordinieren

fordern fördern Feedback geben

ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 288ȱ Rahn,ȱH.ȬJ.ȱUnternehmensführung,ȱS.ȱ173.ȱ 289ȱ Vgl.ȱWunderer,ȱR.ȱFührungȱundȱZusammenarbeit,ȱS.ȱ170Ȭ171.ȱ

252ȱ

Gesellschaftlicher Wertewandel und Führungsverständnis

Inȱ demȱ autoritärȬzentralistischenȱ Konzeptȱ werdenȱ dieȱUntergebenenȱ „aufȱ Befehlȱ undȱ Gehorsamȱ trainiert“,ȱ wobeiȱ dieȱ dreiȱ autokratischenȱ „K“ȱ (Kommandieren,ȱ KontrollieȬ renȱ undȱ Korrigieren)ȱ dieȱ zentralenȱ Führungsfunktionenȱ kennzeichnen.ȱ Dieȱ imȱ Teamȱ arbeitendenȱ Mitarbeiterȱ (konsultativȬkooperativesȱ Teamkonzept)ȱ habenȱ demgegenȬ überȱmehrȱSpielraumȱundȱwerdenȱdurchȱdreiȱandereȱ„K“ȱgeführt:ȱKooperieren,ȱKomȬ munizierenȱundȱKoordinieren.ȱAllerdingsȱgenießtȱeinȱMitunternehmerȱimȱRahmenȱdesȱ kooperativȬdelegativenȱ Konzeptesȱ dieȱ meisteȱ Freiheitȱ zurȱ Selbstorganisationȱ undȱ Selbstkontrolle,ȱdieȱFührungsfunktionenȱbeschränkenȱsichȱaufȱdreiȱ„F“:ȱFordern,ȱFörȬ dernȱundȱFeedbackȱgeben.290ȱȱȱ Betrachtetȱ manȱ Mitarbeiterȱ einesȱ Unternehmensȱ alsȱ aktivȱ wirkendeȱ Persönlichkeiten,ȱȱ soȱmussȱdieȱRedeȱvonȱeinerȱgegenseitigenȱBeeinflussungȱvonȱFührendenȱundȱGeführȬ tenȱsein.ȱEineȱDefinitionȱderȱPersonalführungȱvonȱR.ȱBröckermannȱkommtȱdieserȱPosiȬ tionȱ näher:ȱ „Personalführungȱ istȱ eineȱ zielorientierteȱ soziale,ȱ dasȱ heißtȱ interpersonelleȱ EinflussnahmeȱzurȱErfüllungȱgemeinsamerȱAufgabenȱinȱeinerȱstrukturiertenȱArbeitssiȬ tuation.“291ȱ Mitȱ demȱ Begriffȱ „interpersonell“ȱ beschreibtȱ erȱ denȱ Führungsprozessȱ alsȱ eineȱwechselseitigeȱBeeinflussungȱvonȱFührungskraftȱundȱMitarbeitern.ȱAuchȱO.ȱNeuȬ bergerȱ sprichtȱ vonȱ einemȱ gegenseitigenȱ Annäherungsprozessȱ zwischenȱ Führendenȱ undȱ Geführten,ȱ einemȱ „Führenȱ undȱ führenȱ lassen“,292ȱ inȱ demȱ nichtȱ vonȱ obenȱ nachȱ unten,ȱ sondernȱ gemeinsamȱ entschiedenȱ undȱ gehandeltȱ wird.ȱ Dieȱ Asymmetrieȱ desȱ Führungsverhältnissesȱ wirdȱ aufȱ einȱ Minimumȱ reduziert.ȱ Führungȱ findetȱ primärȱ alsȱ eineȱ Interaktionȱ statt,ȱ anȱ derȱ alleȱAkteureȱ alsȱ gleichberechtigteȱ Partnerȱ beteiligtȱ sind.ȱ Durchȱ dieȱ gegenseitigeȱ Anpassungȱ undȱ Beeinflussungȱ schaffenȱ sieȱ zusammenȱ eineȱ Unternehmensrealität,ȱdieȱaufȱsubjektivenȱmentalenȱModellenȱundȱWeltbildernȱbasiert.ȱ IndividualitätȱundȱVielfaltȱwerdenȱwertgeschätztȱundȱalsȱBereicherungȱangesehen.ȱDieȱ RolleȱvonȱEmotionen,ȱIndividualitätȱundȱDiversitätȱinȱderȱFührungȱwirdȱhervorgehoȬ ben.ȱ Dasȱ praktischeȱ Führungsverhältnisȱ kannȱ verschiedeneȱ Formenȱ annehmen,ȱ jeȱ nachdem,ȱ wieȱ vielȱ Freiheitȱ undȱ Eigenverantwortungȱ dieȱ Führendenȱ delegierenȱ undȱ dieȱGeführtenȱakzeptierenȱkönnen.ȱ Denȱ Anforderungenȱ modernerȱ wissensorientierterȱ Unternehmensweltenȱ entsprichtȱ folgendesȱ Führungsverständnis:ȱ Führungȱ istȱ eineȱ gegenseitigeȱ interpersonaleȱ EinȬ flussnahme,ȱ Interaktionȱ undȱ permanenteȱ Gestaltungȱ einerȱ Unternehmensrealitätȱ zurȱgemeinsamenȱZielerreichung.ȱȱ AuchȱdieȱAufgabenȱeinerȱFührungskraftȱinȱBezugȱaufȱdieȱZielsetzung,ȱEntscheidungsȬ findung,ȱ Motivationȱ undȱ MachtȬȱ undȱAutoritätsbasisȱ ändernȱ sichȱ radikal.ȱ Inȱ derȱ folȬ gendenȱ Tabelleȱ werdenȱ dieȱ Grundpostulateȱ desȱ traditionellenȱ undȱ desȱ modernenȱ Führungsverständnissesȱgegenübergestellt.ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 290ȱ Vgl.ȱWunderer,ȱR.ȱFührungȱundȱZusammenarbeit,ȱS.ȱ170Ȭ171.ȱȱ 291ȱ Bröckermann,ȱR.ȱPersonalwirtschaft,ȱS.ȱ22.ȱ 292ȱ Vgl.ȱNeuberger,ȱO.ȱFührenȱundȱführenȱlassen.ȱ

253ȱ

14.1

14

Führung

Tabelleȱ41:ȱ TraditionellesȱundȱmodernesȱFührungsverständnisȱimȱVergleichȱ Merkmal

Traditionelles Verständnis

Modernes Verständnis

Rolle des Führers bei der Zielsetzung

Mitarbeiter (Gruppe) auf das Erreichen des vorbestimmten Zieles hin lenken

Ziele gemeinsam formulieren oder mindestens abstimmen

Rolle bei der Aufgabenlösung

Aktivitäten initiieren, kontrollieren, planen, leiten, koordinieren

Initiative fördern, Freiräume schaffen, Arbeitsprozess moderieren

Verhältnis zu Mitarbeitern

Machtposition, Kontrolleur

Gleichberechtigter Förderer und Entwickler von individuellen Kompetenzen der Mitarbeiter

Motivation

Anreize schaffen, belohnen oder bestrafen

Individuelle Anreize schaffen, persönliche Entwicklung fördern, Demotivation abschaffen, Identifikation stärken

Entscheidungsfindung

Führungskraft trifft Entscheidungen allein

beteiligt seine Mitarbeiter, delegiert, kommuniziert offen

Macht- und Autoritätsbasis

vor allem Position, auch Druck, Information, Belohnung, Charisma, Wissen

vor allem Persönlichkeit, auch Charisma, Expertenwissen, Belohnung

ȱ NeueȱKonzepteȱwieȱEmpowerment,ȱIdentifikation,ȱPartizipation,ȱemotionaleȱFührung,ȱ wertorientierteȱ Führung,ȱ Unternehmenskulturȱ undȱ Diversityȱ Managementȱ spiegelnȱ diesenȱ Paradigmenwechselȱ wider.ȱ Dasȱ moderneȱ Verständnisȱ derȱ Führungȱ hebtȱ geȬ meinsameȱ Zielerreichungȱ hervor,ȱ betontȱ dieȱ gegenseitigeȱ Beeinflussungȱ vonȱ FührenȬ denȱ undȱ Geführtenȱ undȱ zeigtȱ zweiȱ Dimensionenȱ derȱ Führungȱ auf:ȱ strukturelleȱ undȱ interaktive,ȱdieȱnurȱinȱKombination,ȱdurchȱpermanente,ȱgemeinsameȱGestaltungȱwirȬ ken.ȱ

14.1.3

Zusammenspiel der strukturellen und interaktiven Führung

R.ȱWundererȱunterscheidetȱzwischenȱindirekter,ȱstrukturellȬsystemischerȱundȱdirekter,ȱ personalȬinteraktivenȱFührung,ȱwobeiȱerȱdieȱdirektenȱEinflussnahmenȱundȱWirkungenȱ durchȱ dieȱ Führungskraftȱ alsȱ besserȱ zurechenbarȱ bezeichnetȱ undȱ denȱ strukturellȬ systemischenȱ Kontextbedingungenȱ eineȱ förderndeȱ oderȱ hemmendeȱ Wirkungȱ zuȬ schreibt.293ȱȱȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 293ȱ Vgl.ȱWunderer,ȱR.ȱFührungȱundȱZusammenarbeit,ȱS.ȱ5.ȱ

254ȱ

Gesellschaftlicher Wertewandel und Führungsverständnis

Dieȱ strukturelleȱ Führungȱ hatȱ dieȱAufgabe,ȱ günstigeȱ Rahmenbedingungenȱ fürȱ dieȱ inȬ teraktiveȱ Führungȱ zuȱ schaffen.ȱ Dieȱ Kontextgestaltungȱ findetȱ meistensȱ durchȱ UnterȬ nehmensleitungȱ undȱ Führungskräfteȱ stattȱ undȱ definiertȱ Handlungsspielräumeȱ undȱ strategischeȱAusrichtungȱderȱFührung.ȱȱ InstrumenteȱderȱstrukturellenȱFührungȱsind:294ȱȱ

„ organisatorischeȱFaktorenȱ–ȱArbeitsorganisationȱ(Einzelarbeit,ȱGruppenȬȱoderȱProȬ jektarbeit),ȱDezentralisierungsgrad,ȱAutoritätssystem,ȱKommunikationsstrukturen;ȱȱ

„ systemischeȱ Personalarbeitȱ –ȱ Verfahrenȱ zurȱAuswahl,ȱ Beurteilung,ȱ Weiterbildung,ȱ MotivationȱundȱIdentifikation;ȱȱ

„ kulturelleȱ Faktorenȱ –ȱ Vision,ȱ Grundannahmen,ȱ Menschenbilder,ȱ gelebteȱ UnterȬ nehmenskulturȱ(Werte,ȱNormen,ȱRituale,ȱSymbole);ȱ

„ Führungsleitlinienȱ –ȱ festgeschriebenesȱ undȱ gelebtesȱ Führungsverständnis,ȱ FühȬ rungsstile;ȱȱ

„ strategischeȱ Entscheidungenȱ –ȱ Führungskonzepteȱ (Managementȱ byȱ Objectives,ȱ BalancedȱScorecardȬEinführung),ȱWissensmanagementsysteme,ȱNetzwerke.ȱȱ DieȱRahmenbedingungenȱwerdenȱzumȱgroßenȱTeilȱinȱderȱallgemeinenȱUnternehmensȬ strategieȱfestgelegt.ȱAllerdingsȱobliegtȱdenȱFührungskräftenȱundȱMitarbeiternȱimȱProȬ zessȱderȱKontextgestaltungȱeineȱaktive,ȱgestalterischeȱRolle.ȱȱ Beiȱ derȱ praktischenȱ Umsetzungȱ derȱ interaktivenȱ Führungȱ hatȱ eineȱ Führungskraftȱ mehrȱSpielraum.ȱDazuȱgehörenȱfolgendeȱzentraleȱAufgaben:295ȱȱ

„ wahrnehmen,ȱanalysieren,ȱreflektierenȱ–ȱkontinuierlicheȱBeobachtungȱundȱReflexiȬ onȱ derȱ sichȱ stetsȱ wandelndenȱ Umwelt,ȱ Vermittlungȱ derȱ unternehmerischenȱ Zieleȱ anȱ dieȱ Mitarbeiter,ȱ Interpretation,ȱ Vorlebenȱ undȱ Vermittlungȱ derȱ UnternehmensȬ werte,ȱ effizienteȱ Steuerungȱ vonȱ Gruppenprozessenȱ undȱ konstruktiveȱ KonfliktbeȬ wältigung;ȱ

„ entscheiden,ȱkoordinieren,ȱkooperieren,ȱdelegierenȱ–ȱverbindlicheȱEntscheidungenȱ treffen,ȱAufgabenȬȱundȱVerantwortungsbereicheȱabstimmen,ȱmitȱdenȱMitarbeiternȱ undȱ anderenȱ Organisationseinheitenȱ kooperieren,ȱ Aufgabenȱ undȱ Kompetenzenȱ optimalȱdelegieren;ȱ

„ entwickeln,ȱ evaluieren,ȱ Feedbackȱ gebenȱ –ȱ teamorientierteȱ undȱ individuelleȱ EntȬ wicklungȱ fördern,ȱ Weiterbildungsmöglichkeitenȱ undȱ Schulungenȱ unterstützen,ȱ LeistungenȱundȱVerhaltenȱbeurteilen,ȱFeedbackȱgebenȱ(anerkennen,ȱloben,ȱkritisieȬ ren);ȱȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 294ȱ InȱAnlehnungȱanȱWunderer,ȱR.ȱFührungȱundȱZusammenarbeit,ȱS.ȱ6Ȭ9.ȱȱ 295ȱ Ebd.,ȱS.ȱ10Ȭ11.ȱ

255ȱ

14.1

14

Führung

„ motivieren,ȱidentifizierenȱ–ȱfürȱindividuelleȱMotivation,ȱVorbeugenȱderȱDemotivaȬ tionȱ undȱ Identifikationȱ mitȱ derȱAufgabe,ȱ denȱ Zielenȱ undȱ demȱ Unternehmenȱ sorȬ gen;ȱ

„ informieren,ȱkommunizieren,ȱkonsultierenȱ–ȱWissenȱundȱInformationenȱzurȱVerfüȬ gungȱstellen,ȱWissensaustausch,ȱȬnutzungȱundȱȱȬgewinnungȱfördern.ȱȱ Folgendeȱ Tabelleȱ fasstȱ dieȱ Instrumenteȱ derȱ strukturellenȱ undȱ interaktivenȱ Führungȱ zusammen.ȱ

Tabelleȱ42:ȱ AusgewählteȱȱInstrumenteȱderȱstrukturellenȱundȱinteraktivenȱFührung296ȱȱ Instrumente struktureller Führung

Instrumente interaktiver Führung

organisatorische Faktoren: Arbeitsorganisation,

wahrnehmen, analysieren, reflektieren

Dezentralisierungsgrad, Autoritätsbasis, Kommunikationsstruktur systemische Personalarbeit: Auswahl, Beurtei-

entscheiden,

lung, Weiterbildung, Motivation, Identifikation

delegieren

koordinieren,

kooperieren,

kulturelle Faktoren: Vision, Grundannahmen,

entwickeln, evaluieren, Feedback geben

Menschenbilder, Unternehmenskultur Führungsleitlinien, Führungsstil

motivieren, identifizieren

strategische Entscheidungen: Führungskonzep-

informieren, kommunizieren, konsultieren

te, Wissensmanagementsysteme, Netzwerke

ȱ Dasȱ Zusammenspielȱ zwischenȱ derȱ interaktivenȱ undȱ strukturellenȱ Führungȱ bestehtȱ darin,ȱdassȱsieȱsichȱgegenseitigȱergänzen,ȱmodifizierenȱundȱlegitimieren.ȱDieȱimȱRahȬ menȱ derȱ strukturellenȱ Führungȱ festgelegtenȱ Rahmenbedingungenȱ sollenȱ vonȱ allenȱ FührungskräftenȱundȱMitarbeiternȱgelebtȱundȱmitȱpraktischenȱInhaltenȱgefülltȱwerden,ȱ wobeiȱFührendeȱundȱGeführteȱinȱeinemȱpartnerschaftlichenȱVerhältnisȱeineȱfürȱbeideȱ Seitenȱ akzeptableȱ undȱ förderndeȱ Unternehmensrealitätȱ schaffen.ȱ Dieȱ imȱ Kapitelȱ 13.3ȱ diskutiertenȱ ethischenȱ Grundsätzeȱ derȱ Führungȱ (Führungsleitlinien)ȱ dienenȱ alsȱ eineȱ normativeȱBasis,ȱkönnenȱallerdingsȱdasȱpraktischeȱFührungsverhaltenȱnichtȱersetzenȱȬȱ sieȱmüssenȱvonȱdenȱFührungskräftenȱ(vor)gelebtȱundȱvonȱdenȱMitarbeiternȱakzeptiertȱ werden.ȱȱ Dieȱ praktischenȱ Gestaltungsmöglichkeitenȱ undȱ Erfolgsfaktorenȱ derȱ Führungȱ werdenȱ inȱverschiedenenȱFührungstheorienȱuntersucht,ȱwobeiȱesȱumȱangemesseneȱFührungsȬ stileȱundȱkonkreteȱFührungskonzepteȱgeht.ȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 296ȱ Vgl.ȱWunderer,ȱR.ȱFührungȱundȱZusammenarbeit,ȱS.ȱ12.ȱ

256ȱ

Führungsstile

14.2

Führungsstile

Dieȱ Führungsstiltheorienȱ basierenȱ aufȱ derȱ Annahme,ȱ dassȱ dasȱ Führungsverhaltenȱ einesȱManagersȱfürȱdenȱErfolgȱderȱFührungȱausschlaggebendȱist,ȱfolglichȱwerdenȱdieȱ Führungsstileȱ alsȱ typische,ȱ wiederkehrendeȱ Verhaltensweiseȱ einerȱ Führungskraft,ȱ untersucht.ȱ Dieseȱ Führungsansätzeȱ sindȱ dieȱ ältesten,ȱ werdenȱ jedochȱ immerȱ wiederȱ neuȱdiskutiertȱundȱinȱderȱPraxisȱgetestet.ȱDasȱhängtȱdamitȱzusammen,ȱdassȱsieȱaufȱdenȱ Ergebnissenȱ vonȱ repräsentativenȱ Studienȱ ausȱ denȱ USAȱ basieren:ȱ OhioȬ Führungsstudienȱ(1953),ȱMichiganȬStudienȱ(1961)ȱundȱanderen.ȱDieseȱUntersuchungenȱ hattenȱdasȱZiel,ȱFührungsverhaltenȱzuȱerfassen,ȱzuȱklassifizierenȱundȱseineȱWirkungenȱ aufȱ denȱ Führungserfolgȱ zuȱ ermitteln.ȱ Darausȱ wurdenȱ dieȱ erstenȱ FührungsstiltypoloȬ gienȱ abgeleitet,ȱ unterȱ denenȱ dasȱ Führungsstilkontinuumȱ vonȱ Tannenbaumȱ undȱ Schmidtȱ(1958)ȱundȱManagerialȱGridȱvonȱBlakeȱundȱMoutonȱ(1964)ȱamȱbekanntestenȱ sind.ȱ ȱ Aufȱ derȱ Basisȱ dieserȱ Typologienȱ habenȱ sichȱ weitereȱ Typologienȱ undȱ anwenȬ dungsorientierteȱFührungsstilkonzepteȱentwickeltȱwieȱdieȱFührungsstiltypologieȱnachȱ Wunderer,ȱ dasȱ Kontingenzmodellȱ vonȱ Fiedlerȱ (1967)ȱ sowieȱ dasȱ Reifegradmodellȱ vonȱ HerseyȱundȱBlanchardȱ(1988).ȱȱ ȱ

14.2.1

Führungsstilkontinuum von Tannenbaum und Schmidt

DerȱAnsatzȱ vonȱ Tannenbaumȱ undȱ Schmidtȱ istȱ dieȱ bekanntesteȱ eindimensionaleȱ FühȬ rungsstiltypologie.ȱErȱunterscheidenȱeineȱDimension,ȱdieȱdenȱFührungsstilȱbeeinflusst:ȱ denȱGradȱderȱWillensbildungȱdurchȱdenȱVorgesetzten.ȱNachȱdemȱGradȱderȱMitarbeiȬ terbeteiligungȱ beiȱ Entscheidungenȱ werdenȱ siebenȱ Führungsstileȱ unterschiedenȱ (s.ȱ Abbildung).ȱȱ DieȱAbbildungȱzeigt,ȱdassȱeinemȱFührendenȱeineȱgroßeȱAnzahlȱanȱFührungsstilenȱzurȱ Verfügungȱsteht.ȱDieȱGrenzenȱzwischenȱdenȱeinzelnenȱFormenȱsindȱfließend,ȱwasȱeineȱ eindeutigeȱDefinitionȱvonȱFührungsstiltypenȱerschwert.ȱȱ Dieȱ Wahlȱ einesȱ Stilsȱ inȱ derȱ Praxisȱ wirdȱ dieȱ persönlichenȱ Fähigkeitenȱ undȱ Tendenzenȱ derȱ Führungspersonȱ reflektierenȱ undȱ sichȱ nachȱ derȱ subjektivȱ vonȱ derȱ Führungskraftȱ wahrgenommenerȱReifeȱvonȱMitarbeiternȱundȱderȱSituationȱrichten.ȱDabeiȱspielenȱdieȱ Grundannahmen,ȱvorȱallemȱMenschenbilderȱeineȱentscheidendeȱRolle.ȱEinȱMitarbeiterȱ vonȱdemȱTypȱXȱnachȱMcGregorȱwürdeȱeineȱautoritäreȱbzw.ȱpatriarchalischeȱFührungȱ erfordern,ȱderȱYȱTypȱeineȱkooperative,ȱdelegativeȱoderȱteilautonome.ȱ ȱ ȱ ȱ

257ȱ

14.2

14

Führung

Abb.ȱ56:ȱ

FührungsstilkontinuumȱnachȱTannenbaumȱundȱSchmidt297ȱ Willensbildung beim Mitarbeiter

Willensbildung bei Vorgesetzten 1

2

3

4

5

6

7

Vorgesetzter entscheidet ohne Konsultation der Mitarbeiter

Vorgesetzter entscheidet, versucht aber die Mitarbeiter zu überzeugen, bevor er die Weisung erteilt

Vorgesetzter entscheidet, fördert jedoch Fragen zu seinen Entscheidungen, um Akzeptanz zu erreichen

Vorgesetzter informiert Mitarbeiter über beabsichtigte Entscheidung, Mitarbeiter können sich vor der endgültigen Entscheidung äußern

Mitarbeiter/ Gruppe entwickelt Vorschläge, Vorgesetzter entscheidet sich für die von ihm favorisierte Alternative

Mitarbeiter/ Gruppe entscheidet, nachdem der Vorgesetzte Ziele und Probleme aufgezeigt und Spielraum festgelegt hat

Mitarbeiter/ Gruppe entscheidet, Vorgesetzter fungiert als Koordinator nach innen und nach außen

autoritär

patriarchalisch

informierend

beratend

kooperativ

delegativ

teilautonom

ȱ AusȱdieserȱDarstellungȱkönnenȱgrundsätzlicheȱGrundführungsstileȱabgeleitetȱwerden,ȱ dieȱalsȱidealtypischeȱModelleȱzuȱbetrachtenȱsind:ȱȱ Derȱ autoritäreȱ Führungsstilȱ bedeutet,ȱ dassȱ derȱ Vorgesetzteȱ seineȱ Entscheidungenȱ alleineȱ trifftȱ undȱ vonȱ denȱ Untergebenenȱ Gehorsamȱ erwartet.ȱ Dieȱ Meinungȱ undȱ dieȱ InitiativeȱderȱUntergebenenȱsindȱnichtȱgefragt.ȱDieseȱFührungȱeignetȱsichȱfürȱkritischeȱ Situationen,ȱ wennȱ Entscheidungenȱ schnellȱ getroffenȱ werdenȱ sollen,ȱ oderȱ fürȱ RoutiȬ nenaufgaben,ȱ beiȱ denenȱ esȱ keineȱ Spielräumeȱ fürȱ Initiativeȱ gibt,ȱ sowieȱ fürȱ passive,ȱ initiativloseȱUntergebene.ȱ Derȱ patriarchalischeȱ Führungsstilȱ kannȱ ebenfallsȱ grundsätzlichȱ zuȱ demȱ autoritärenȱ gezähltȱwerden,ȱdaȱdieȱWillensbildungȱkomplettȱbeiȱdemȱVorgesetztenȱbleibtȱundȱdieȱ Mitarbeiterȱ vonȱ ihmȱ alsȱ unmündigeȱ Kinderȱ betrachtetȱ werden.ȱ Derȱ gütigeȱ VaterȬ Vorgesetzteȱ übernimmtȱ dieȱ ganzeȱ Verantwortungȱ undȱ bautȱ eineȱAbhängigkeitsbezieȬ hungȱauf.ȱȱ AlsȱinformierenderȱFührungsstilȱwirdȱeineȱunwesentlicheȱAbweichungȱvonȱdemȱpatȬ riarchalischenȱStilȱverstandenȱwerden,ȱwobeiȱeinȱVorgesetzterȱdieȱUntergebenenȱüberȱ seineȱgetroffenenȱEntscheidungenȱinformiert,ȱumȱAkzeptanzȱzuȱerreichen.ȱȱNochȱmehrȱ Mitentscheidungȱ bekommenȱ dieȱ Mitarbeiterȱ imȱ Fallȱ einesȱ beratendenȱ Führungsstils,ȱ daȱ sieȱ überȱ eineȱ beabsichtigteȱ Entscheidungȱ desȱ Managersȱ informiertȱ undȱ zurȱ ÄußeȬ rungȱihrerȱMeinungȱaufgefordertȱwerden,ȱbevorȱeineȱendgültigeȱEntscheidungȱgefälltȱ wird.ȱDerȱberatendeȱStilȱgrenztȱunmittelbarȱanȱdenȱkooperativenȱan.ȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 297ȱ ZitiertȱnachȱWunderer,ȱR.ȱFührungȱundȱZusammenarbeit,ȱS.ȱ209.ȱ

258ȱ

Führungsstile

Derȱ kooperativeȱ (demokratische)ȱ Führungsstilȱ zeichnetȱ sichȱ dadurchȱ aus,ȱ dassȱ derȱ Vorgesetzteȱ seineȱ Mitarbeiterȱ inȱ denȱ Entscheidungsprozeßȱ einbeziehtȱ undȱ vonȱ ihnenȱ sachlicheȱ Unterstützungȱ erwartet.ȱ Folglichȱ könnenȱ sichȱ dieȱ Untergebenenȱ mitȱ denȱ gemeinsamȱdefiniertenȱZielenȱidentifizieren,ȱübernehmenȱmehrȱInitiativeȱundȱVerantȬ wortung.ȱ Dieserȱ Führungsstilȱ istȱ geeignetȱ fürȱ Aufgaben,ȱ dieȱ kreativȱ gelöstȱ werdenȱ könnenȱ unterȱ derȱ Bedingung,ȱ dassȱ dieȱ Mitarbeiterȱ selbständigȱ undȱ verantwortungsȬ vollȱsind.ȱȱ Eineȱ fließendeȱ Grenzeȱ trenntȱ inȱ derȱ Tabelleȱ denȱ kooperativenȱ vonȱ demȱ delegativenȱ Führungsstil,ȱbeiȱdemȱdieȱEntscheidungenȱgrundsätzlichȱvonȱdenȱMitarbeiternȱgefälltȱ werden,ȱnachdemȱderȱVorgesetzteȱZieleȱundȱProblemeȱaufgezeigtȱundȱdenȱSpielraumȱ festgelegtȱhat.ȱHäufigȱwirdȱdabeiȱvonȱeinemȱkooperativȬdelegativenȱStilȱgesprochen.ȱȱ Derȱ teilautonomeȱ Führungsstilȱ setztȱ voraus,ȱ dassȱ einȱ Mitarbeiterȱ bzw.ȱ eineȱ Gruppeȱ selbstständigȱ entscheiden,ȱ handelnȱ undȱ sichȱ selbstȱ kontrollierenȱ kann,ȱ sodassȱ eineȱ EinmischungȱdesȱFührendenȱüberflüssigȱist.ȱSeineȱRolleȱreduziertȱsichȱaufȱeinenȱKoorȬ dinator.ȱȱȱ DerȱFührungsstilȱwirdȱinȱdemȱModellȱaufȱdieȱFrageȱderȱMachtverteilungȱbeiȱderȱEntȬ scheidungsfindungȱ reduziert,ȱ dieȱ weiterenȱ Aspekteȱ derȱ VorgesetzterȬMitarbeiterȬ Beziehungȱ werdenȱ ausgeblendet.ȱ Dasȱ Konzeptȱ vonȱ Blakeȱ undȱ Moutonȱ stelltȱ umgeȬ kehrtȱdieȱsozialeȱAusrichtungȱderȱFührungskraftȱalsȱAusgleichȱzuȱeinerȱreinenȱAufgaȬ benorientierungȱinȱdenȱMittelpunkt.ȱ

14.2.2

Managerial Grid nach Blake und Mouton

InȱderȱbereitsȱerwähntenȱMichiganȬStudieȱwurdenȱzweiȱgrundlegendeȱOrientierungsȬ musterȱderȱFührungskräfteȱidentifiziert:ȱAufgabenȬȱundȱMitarbeiterorientierung.ȱȱDieȱ zentraleȱErkenntnisȱderȱUntersuchungȱwar,ȱdassȱ„effektiveȱundȱeffizienteȱVorgesetzteȱ eherȱmitarbeiterȬȱalsȱaufgabenorientiertȱführen.“298ȱDieȱVerhaltensunterschiedeȱbeiderȱ Vorgesetztentypenȱ wurdenȱ zusätzlichȱ inȱ denȱ OhioȬStudienȱ konkretisiert.ȱ Dieȱ ErgebȬ nisseȱ dieserȱ Studienȱ dientenȱ alsȱ Grundlageȱ fürȱ dieȱ Führungsstiltypologieȱ vonȱ Blakeȱ undȱMouton,ȱdieȱalsȱManagerialȬGridȱ(VerhaltensgitterȱderȱFührung)ȱbekanntȱgeworȬ denȱistȱ(s.ȱAbbildung).ȱȱ AufgabenorientierteȱFührungȱbedeutet,ȱdassȱdieȱhoheȱQualitätȱundȱQuantitätȱderȱArbeitȱ alsȱvorrangigȱgelten,ȱwogegenȱdieȱMitarbeiterȱundȱihrȱBefindenȱvernachlässigtȱwerden.ȱ SieȱmüssenȱunterȱallenȱUmständenȱihreȱArbeitskraftȱmaximalȱeinsetzen.ȱ AlsȱpersonenorientierteȱFührungȱwurdeȱeineȱhypothetischeȱAusrichtungȱaufȱdieȱBedürfȬ nisseȱ undȱ Erwartungenȱ derȱ Mitarbeiterȱ definiert,ȱ wobeiȱ dieȱAufgabeȱ ausȱ denȱAugenȱ verlorenȱwird.ȱGuteȱArbeitsatmosphäreȱundȱZufriedenheitȱsindȱamȱwichtigsten.ȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 298ȱ Wunderer,ȱR.ȱFührungȱundȱZusammenarbeit,ȱS.ȱ206.ȱ

259ȱ

14.2

Dieseȱ Theorieȱ hatȱ mitȱ idealtypischenȱ Darstellungenȱ zuȱ tun,ȱ dieȱ nurȱ Extremfälleȱ beȬ schreiben.ȱ Deswegenȱ führenȱ Blakeȱ undȱ Moutonȱ einȱ Verhaltensgitterȱ ein,ȱ woȱ sieȱ verȬ schiedeneȱ Variantenȱ derȱ praktischenȱ Führungȱ platzieren.ȱ Ausȱ derȱ Kombinationȱ derȱ zweiȱDimensionenȱgreifenȱsieȱfünfȱverschiedeneȱFührungsstiltypenȱheraus.ȱȱ

Abb.ȱ57:ȱ

Orientierung an der Person

14

Führung

ManagerialȬGridȱnachȱBlacke/Moutonȱ

9,9

9,1

1,1 - schwache Führung 1,9 - ausbeutende Führung 9,1 - Club-Führung

5,5 5,5 - mittlerer Weg 9,9 - optimale Führung

1,1

ȱ

1,9

Orientierung an der Aufgabe

ȱ

ȱ(1.1)ȱDieȱschwacheȱFührungȱbedeutet,ȱdassȱderȱFührendeȱwederȱanȱderȱAufgabeȱnochȱ anȱdenȱMitarbeiternȱInteresseȱhat.ȱFolgenȱsindȱApathieȱundȱResignation,ȱdieȱAufgabenȱ werdenȱ nichtȱ gelöst.ȱ ȱ Wundererȱ bezeichnetȱ diesenȱ Stilȱ alsȱ laissezȬfaire,ȱ dasȱ keinenȱ BezugȱmehrȱzumȱFührungsbegriffȱhat.299ȱ (9.1)ȱ Dasȱ ausschließlicheȱ Interesseȱ anȱ denȱ Mitarbeiternȱ wirdȱ alsȱ zuȱ idealistischȱ beȬ zeichnet,ȱ esȱ entstehtȱ einȱ Clubatmosphäre,ȱ woȱ niemandȱ sichȱ ernsthaftȱ mitȱ derȱ Arbeitȱ beschäftigt.ȱDasȱZusammenseinȱbedeutetȱallesȱȬȱ„geselligesȱBeisammensein“.ȱȱ (1.9)ȱDieȱreineȱaufgabenorientierteȱFührungȱwürdeȱbedeuten,ȱdassȱmanȱdieȱMitarbeiterȱ überfordertȱundȱausbeutet.ȱDasȱistȱausgeprägteȱautoritäreȱFührungȱmitȱKonfliktenȱalsȱ FolgeȱȬȱ„überȱLeichenȱgehen“.ȱȱ (5.5)ȱDieȱFührungȱdesȱmittlerenȱWegesȱwirdȱalsȱAnpassungȱundȱKompromissȱbezeichȬ net,ȱdieȱzuȱeinerȱdurchschnittlichenȱLeistungȱundȱZufriedenheitȱführen.ȱȱ (9.9)ȱNurȱdieȱstarkeȱFührungȱmitȱgroßemȱInteresseȱanȱMitarbeiterȱundȱAufgabeȱwirdȱ vonȱ Blakeȱ undȱ Moutonȱ positivȱ bewertet.ȱ Unterȱ diesenȱ Bedingungenȱ istȱ esȱ möglich,ȱ beideȱ Variablenȱ zuȱ maximieren.ȱ Dieȱ Verfolgungȱ vonȱ gemeinsamenȱ Zielenȱ schafftȱ einȱ gutesȱArbeitsklima,ȱfolglichȱerbringenȱdieȱengagiertenȱMitarbeiterȱhoheȱLeistung.ȱAlleȱ unterstützenȱsichȱgegenseitigȱundȱfühlenȱsichȱfürȱdasȱGanzeȱverantwortlich.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 299ȱ Vgl.ȱWunderer,ȱR.ȱFührungȱundȱZusammenarbeit,ȱS.ȱ210.ȱ

260ȱ

Führungsstile

DerȱAnsatzȱvonȱBlakeȱundȱMoutonȱgeniestȱgroßeȱPopularität,ȱweilȱerȱklarȱundȱeindeuȬ tigȱ formuliertȱ ist.ȱ Alsȱ praktischeȱ Anwendungsmöglichkeitȱ kannȱ dieȱ „Führungȱ durchȱ Ziele“ȱ genanntȱ werden:ȱ werdenȱ dieȱ individuellenȱ Zieleȱ einesȱ Mitarbeitersȱ anȱ dieȱ OrȬ ganisationszieleȱgeknüpft,ȱsoȱtutȱderȱMitarbeiterȱseinȱBestes,ȱumȱsieȱzuȱerreichen.ȱAlsȱ ErgebnisȱkommtȱeineȱhoheȱLeistungȱzustande,ȱdieȱaufȱZielakzeptanzȱbasiert.ȱȱ

14.2.3

Moderne Führungsstiltypologien

EineȱmoderneȱTypologieȱderȱFührungsstileȱstammtȱvonȱR.ȱWunderer,ȱderȱeinȱzweidiȬ mensionalesȱ Konzeptȱ vertrittȱ undȱ sechsȱ Führungsstileȱ unterscheidet.300ȱ Eineȱ derȱ DiȬ mensionenȱ istȱ Machtdimensionȱ derȱ Führung,ȱ oderȱ derȱ Gradȱ derȱ PartizipatiȬ on/Autonomieȱ derȱ Mitarbeiterȱ analogȱ zuȱ Tannenbaumȱ undȱ Schmidtȱ (Teilhabe),ȱ dieȱ andereȱ Ȭȱ prosozialeȱ Beziehungsgestaltung,ȱ oderȱ wechselseitigeȱ Kooperationȱ (TeilnahȬ me).ȱDieȱprosozialeȱDimensionȱderȱFührungȱbeschreibtȱdieȱzwischenmenschlicheȱQuaȬ litätȱ derȱ Führungsbeziehung,ȱ insbesondereȱ dasȱAusmaßȱ anȱ wechselseitigemȱ VertrauȬ en,ȱ gegenseitigerȱ Unterstützungȱ undȱ Akzeptanz.ȱ Inȱ demȱ Kontinuumȱ TeilhabeȬ TeilnahmeȱwerdenȱsechsȱFührungsstileȱdefiniertȱ(vgl.ȱAbbildung).ȱȱ

Abb.ȱ58:ȱFührungsstilstypologieȱnachȱWunderer301ȱ

Grad wechselseitiger Kooperation

konsultativ kooperativ

delegativ

patriarchalisch

autoritär

autonom Grad der Partizipation

ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 300ȱ Vgl.ȱWunderer,ȱR.ȱFührungȱundȱZusammenarbeit,ȱS.ȱ210Ȭ211.ȱ 301ȱ Ebd.,ȱS.ȱ210.ȱ

261ȱ

14.2

14

Führung

AuchȱinȱdiesemȱAnsatzȱhandeltȱesȱsichȱumȱIdealtypenȱundȱdieȱGrenzeȱzwischenȱdenȱ einzelnenȱ Führungsstilenȱ istȱ fließend.ȱ Praktizierendeȱ Führungskräfteȱ könnenȱ jeȱ nachȱ SituationȱverschiedeneȱFührungsstileȱanwenden.ȱDieȱVorstellungȱvonȱderȱNotwendigȬ keitȱ inȱ derȱ Praxisȱ Führungsstileȱ zuȱ kombinieren,ȱ hatȱ sichȱ generellȱ durchgesetzt,ȱ wasȱ vorȱallemȱimȱKontingenzmodellȱvonȱFiedlerȱundȱimȱReifengradmodellȱ(SituativeȱFühȬ rung)ȱnachȱHerseyȱundȱBlanchardȱdeutlichȱwird,ȱdieȱimȱWeiterenȱunterȱanderenȱFühȬ rungskonzeptenȱausführlichȱerläutertȱwerden.ȱȱ Dasȱ Kontingenzmodellȱ vonȱ F.ȱ Fiedlerȱ betrachtetȱ denȱ Zusammenhangȱ zwischenȱ demȱ Führungsstilȱ(aufgabenȬȱoderȱmitarbeiterorientiert,ȱwieȱinȱManagerialȱGrid),ȱderȱSituaȬ tion,ȱdieȱvonȱderȱAufgabenstruktur,ȱPositionsmachtȱundȱFührerȬMitarbeiterȬBeziehungȱ charakterisiertȱwird,ȱundȱdemȱFührungserfolgȱ(s.ȱAbbildung).ȱ

Abb.ȱ59:ȱ

GrundschemaȱdesȱKontingenzmodellsȱvonȱFiedler302ȱȱ

Situation: Aufgabenstruktur Positionsmacht Führer-MA-Beziehung Führungsstil: aufgabenorientiert mitarbeiterorientiert

Führungserfolg

ȱ

ȱ Nachȱ Fiedlerȱ könnenȱ aufgabenorientierteȱ Führungskräfteȱ inȱ Extremsituationenȱ (beiȱ sehrȱ komplexerȱ oderȱ sehrȱ geringerȱ Aufgabenstruktur,ȱ sehrȱ hoherȱ oderȱ sehrȱ geringerȱ Positionsmacht,ȱ sehrȱ gutenȱ oderȱ sehrȱ schlechtenȱ Mitarbeiterbeziehungen)ȱ erfolgreichȱ sein.ȱ Mitarbeiterorientierteȱ Führungskräfteȱ dagegenȱ sindȱ erfolgreichȱ inȱ denȱ SituatioȬ nenȱmittlererȱGünstigkeitȱȬȱbeiȱstrukturiertenȱAufgabenȱmitȱunbeliebtenȱFührernȱoderȱ unstrukturiertenȱAufgabenȱmitȱbeliebtenȱFührern.ȱDaȱFiedlerȱdieȱgrundsätzlicheȱAufȬ gabenȬȱ oderȱ Mitarbeiterorientierungȱ alsȱ persönlichesȱ undȱ unveränderbaresȱ Merkmalȱ einerȱ Führungskraftȱ betrachtet,ȱ kannȱ einȱ Managerȱ nurȱ durchȱ dieȱ Beeinflussungȱ derȱ Situationsvariablenȱerfolgreichȱsein.303ȱȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 302ȱ ZitiertȱnachȱWunderer,ȱR.ȱFührungȱundȱZusammenarbeit,ȱS.ȱ213.ȱ 303ȱ Vgl.ȱebd.,ȱS.ȱ213.ȱ

262ȱ

Führungsstile

14.2.4

Führungsstile in der Praxis

Dieȱ Wahlȱ einesȱ angemessenenȱ Führungsstilsȱ inȱ derȱ Praxisȱ wirdȱ vonȱ verschiedenenȱ Faktorenȱ bestimmt:ȱ allgemeineȱ gesellschaftlicheȱ undȱ politischeȱ Einflussvariablenȱ wieȱ Werteȱ undȱ Menschenbilder,ȱ kulturelleȱ Einflüsse;ȱ strukturelleȱ Unternehmensfaktorenȱ (Unternehmenskultur,ȱȬstrategie,ȱȬleitbilder,ȱOrganisationȱu.a.);ȱfachlicheȱundȱpersönliȬ cheȱEinstellungenȱundȱPräferenzenȱderȱFührungskräfteȱundȱMitarbeiter.ȱDieȱEntwickȬ lungstrendsȱ westlicherȱ Gesellschaftenȱ undȱ modernerȱ Unternehmenȱ habenȱ zurȱ allgeȬ meinenȱ grundsätzlichenȱ Akzeptanzȱ vonȱ Vorteilenȱ derȱ kooperativȬdelegativenȱ FühȬ rungsbeziehungenȱ beigetragen.ȱ Imȱ Vergleichȱ zuȱ traditionellenȱ autoritärenȱ undȱ patriarchalischenȱMethodenȱsindȱdieȱkooperativenȱnichtȱnurȱhumanistischer,ȱsondernȱ auchȱinȱHinsichtȱaufȱdasȱmoderneȱFührungsverständnisȱeffektiver.ȱȱ DieȱErhebungenȱvonȱWundererȱbestätigen,ȱdassȱinȱgrößerenȱdeutschsprachigenȱUnterȬ nehmenȱüberwiegendȱdieȱFührungsstileȱzwischenȱkonsultativerȱundȱdelegativerȱFühȬ rungȱpraktiziertȱwerden304ȱ(vgl.ȱAbb.ȱ59),ȱwasȱeineȱgenerelleȱAnerkennungȱdesȱkoopeȬ rativenȱgegenüberȱdemȱautoritärenȱFührungsstilsȱbelegt.ȱȱ Derȱ konsultativeȱ Führungsstilȱ wirdȱ inȱ dieserȱ Erhebungȱ alsȱ amȱ häufigstenȱ erlebterȱ bezeichnet,ȱ wogegenȱ kooperativerȱ undȱ delegativerȱ Ȭȱ alsȱ erwünschteȱ Führungsstileȱ genanntȱwerden.ȱDasȱtypischeȱMerkmalȱderȱkonsultativenȱFührungȱsindȱregelmäßigeȱ oderȱ themenȬȱ undȱ projektbezogeneȱ Besprechungenȱ fürȱ eineȱ EntscheidungsvorbereiȬ tung,ȱwobeiȱdieȱEntscheidungenȱanȱsichȱweiterhinȱalleineȱvonȱdenȱVorgesetztenȱgetrofȬ fenȱ werden.ȱ Initiative,ȱ engagierteȱ Mitarbeiterȱ fühlenȱ sichȱ kaumȱ einbezogenȱ undȱ sindȱ wenigerȱmotiviert,ȱTeamarbeitȱundȱPersonalentwicklungȱwerdenȱnichtȱgefördert.ȱDieȬ serȱStilȱkannȱnachȱWundererȱnurȱalsȱeinȱÜbergangsstilȱvonȱautoritärenȱzuȱkooperativȬ delegativenȱFormenȱcharakterisiertȱwerden.305ȱ FürȱdieȱinȱderȱPraxisȱseltenerȱvorkommendeȱFormȱderȱkooperativenȱFührungȱistȱinsbeȬ sondereȱeineȱAusrichtungȱaufȱunmittelbareȱInteraktionȱzwischenȱFührendenȱundȱGeȬ führtenȱ kennzeichnend,ȱ wogegenȱ dieȱ Partizipationȱ undȱ Autonomieȱ derȱ Mitarbeiterȱ nurȱ mittlereȱ Werteȱ erreicht.ȱ Coaching,ȱ Beurteilungenȱ undȱ Mitarbeitergesprächeȱ sindȱȱ besondersȱ häufigȱ praktizierteȱ Instrumenteȱ derȱ kooperativenȱ Führung.ȱ Problemeȱ entȬ stehenȱ beiȱ hochstrukturiertenȱArbeitssituationenȱ (Fließband)ȱ undȱ überwiegenderȱAbȬ wesenheitȱ desȱ Vorgesetztenȱ (inȱ Vertriebsfunktionen),ȱ daȱ unterȱ diesenȱ Bedingungenȱ keineȱdirekteȱInteraktionȱzustandeȱkommt.ȱDarüberȱhinausȱstelltȱderȱkooperativeȱFühȬ rungsstilȱ besondersȱ hoheȱAnforderungenȱ anȱ dieȱ sozialeȱ Kompetenzenȱ derȱ FührungsȬ kräfte,ȱdieȱdiesenȱnichtȱimmerȱgewachsenȱsindȱundȱsichȱüberfordertȱfühlen.ȱ Delegativeȱ Führungȱ wirdȱ lautȱ Wundererȱ „nochȱ vergleichsweiseȱ wenigȱ umfassendȱ praktiziert,ȱvonȱqualifiziertenȱundȱeigenständigenȱMitarbeiternȱsowieȱvonȱergebnisoriȬ entiertenȱ Führungskräftenȱ aberȱ bevorzugt.“306ȱ Dieserȱ Führungsstilȱ hatȱ fürȱ eineȱ WisȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 304ȱ Wunderer,ȱR.ȱFührungȱundȱZusammenarbeit,ȱS.ȱ214.ȱ 305ȱ Vgl.ȱebd.,ȱS.ȱ216.ȱ 306ȱ Ebd.,ȱS.ȱ239.ȱ

263ȱ

14.2

14

Führung

sensgesellschaftȱ mitȱ qualifizierten,ȱ nachȱ Selbstständigkeitȱ strebendenȱ MitarbeiterȬ SpezialistenȱbesondereȱVorteileȱundȱwirdȱmitȱgroßerȱWahrscheinlichkeitȱanȱBedeutungȱ gewinnen.ȱBesondersȱoftȱkommtȱinȱderȱPraxisȱFührungȱdurchȱAufgabenȬȱoderȱZieldeȬ legierungȱvor.ȱDieȱeherȱerfolgsversprechendeȱundȱanspruchsvolleȱVarianteȱdesȱDelegaȬ tionskonzeptesȱ mitȱ Wertedimensionȱ (transformationaleȱ Führung)ȱ wirdȱ seltenȱ praktiȬ ziert.307ȱ Delegativeȱ Führungsstileȱ stellenȱ hoheȱ Anforderungenȱ sowohlȱ anȱ FührungsȬ kräfteȱ alsȱ auchȱ anȱ Mitarbeiterȱ undȱ müssenȱ imȱ Unternehmen,ȱ wegenȱ ihrerȱ Ganzheitlichkeit,ȱ gutȱ vorbereitetȱ sein.ȱ Durchȱ gezielteȱ PersonalentwicklungsmaßnahȬ menȱkönnenȱKompetenzenȱfürȱdieȱdelegativeȱFührungȱgefördertȱwerden,ȱgleichzeitigȱ solltenȱOrganisationsstrukturenȱangepasstȱwerden,ȱdaȱdelegativeȱFührungȱeinenȱhöheȬ renȱ Gradȱ anȱ Dezentralisierungȱ undȱ gezielteȱ Übertragungȱ vonȱ Kompetenzenȱ aufȱ dieȱ Mitarbeiterȱvoraussetzt.ȱȱ BemerkenswertȱsindȱdieȱErgebnisseȱeinerȱStudieȱvonȱWundererȱundȱDick,ȱinȱderȱüberȱ 160ȱ Führungskräfteȱ vonȱ ihrenȱ Mitarbeiternȱ inȱ Bezugȱ aufȱ denȱ praktizierendenȱ FühȬ rungsstilȱbeurteiltȱwordenȱsind.308ȱDieȱVerteilungȱderȱFührungsstileȱausȱderȱPerspektiȬ veȱderȱUntergebenenȱwirdȱinȱderȱfolgendenȱTabelleȱdargestellt.ȱȱ Tabelleȱ43:ȱ FührungsstileȱweiblicherȱundȱmännlicherȱFührungskräfteȱinȱderȱPraxisȱ(nachȱderȱ EinschätzungȱvonȱUntergebenen)309ȱ Führungsstil

weibliche Führungskräfte

männliche Führungskräfte

autoritär: der Vorgesetzte entscheidet, ohne mich zu 5% konsultieren.

5%

patriarchalisch: der Vorgesetzte entscheidet, aber versucht mich zu überzeugen.

5%

12%

informierend: der Vorgesetzte informiert mich über Entscheidungen, um deren Akzeptanz zu erreichen.

12%

8%

beratend: der Vorgesetzte informiert mich über seine 36% Absichten, ich kann meine Meinung äußern.

34%

kooperativ: ich entwickele Vorschläge, der Vorgesetzte entscheidet sich für eine der Alternativen.

22%

21%

delegativ: ich entscheide, nachdem der Vorgesetzte mir die Probleme aufgezeigt hat.

14%

13%

teilautonom: ich entscheide, der Vorgesetzte fungiert 6% als Koordinator nach innen und außen

7%

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 307ȱ ZielorientierteȱundȱtransformationaleȱFührungȱwerdenȱimȱWeiterenȱausführlichȱbeschrieben.ȱ 308ȱ Vgl.ȱWunderer,ȱR.ȱFührungȱundȱZusammenarbeit,ȱS.ȱ250.ȱ 309ȱ Ebd.,ȱS.ȱ250.ȱ

264ȱ

Führungskonzepte

DieȱTabelleȱzeigt,ȱdassȱderȱberatendeȱundȱderȱkooperativeȱFührungsstileȱamȱhäufigstenȱ sowohlȱvonȱdenȱFrauenȱalsȱauchȱvonȱdenȱMännernȱinȱFührungspositionenȱpraktiziertȱ werden,ȱgefolgtȱvonȱdemȱdelegativenȱFührungsstil.ȱZwischenȱdenȱweiblichenȱundȱdenȱ männlichenȱ Vorgesetztenȱ ergebenȱ sichȱ inȱ Bezugȱ aufȱ Führungsstilȱ keineȱ wesentlichenȱ Unterschiede.ȱ

14.3

Führungskonzepte

SowohlȱdieȱFührungstheorienȱalsȱauchȱihreȱKlassifikationenȱwerdenȱdurchȱeineȱenorȬ meȱ Vielfaltȱ undȱ kontroverseȱ Meinungenȱ gekennzeichnet.ȱ Imȱ Weiterenȱ werdenȱ ohneȱ Anspruchȱ aufȱ Vollständigkeitȱ einigeȱ Führungskonzepteȱ erläutert,ȱ dieȱ denȱ AnfordeȬ rungenȱ derȱArbeitsweltȱ inȱ einerȱ Wissensgesellschaftȱ entsprechen:ȱ situative,ȱ zielorienȬ tierteȱundȱwerteorientierteȱFührung.ȱ

14.3.1

Situative Führung

Derȱ Situativeȱ Ansatzȱ derȱ Führungȱ wurdeȱ vonȱ denȱ nordamerikanischenȱ UnternehȬ mensberaternȱ Herseyȱ undȱ Blanchardȱ entwickelt310ȱ undȱ istȱ sehrȱ verbreitet.ȱ Erȱ basiertȱ aufȱdenȱForschungsergebnissenȱderȱobenȱerwähntenȱOhioȬStudieȱundȱkannȱalsȱErweiȬ terungȱdesȱManagerialȱGridȬModellsȱvonȱBlakeȱundȱMoutonȱmitȱihrerȱUnterscheidungȱ zwischenȱ derȱ AufgabenȬȱ undȱ Mitarbeiterorientierungȱ betrachtetȱ werden.ȱ Ergänzendȱ kommenȱ dieȱ Ergebnisseȱ derȱ Menschenbilderforschungȱ inȱ Bezugȱ aufȱ dieȱ Reifeȱ derȱ Mitarbeiterȱhinzuȱ(vgl.ȱKapitelȱ14.1.1).ȱȱ „Reifegrad“ȱ oderȱ „Bereitschaft“ȱ derȱ Mitarbeiterȱ wirdȱ alsȱ Fähigkeitȱ definiert,ȱ VerantȬ wortungȱ zuȱ übernehmen,ȱ umȱ ihrȱ eigenesȱ Verhaltenȱ zuȱ lenkenȱ undȱ zuȱ bestimmen.ȱ Dabeiȱ wirdȱ zwischenȱ „Arbeitsreife“ȱ (Qualifikation,ȱ Kenntnisseȱ undȱ Erfahrung)ȱ undȱ „psychologischerȱ Reife“ȱ (Leistungswille,ȱ Selbstsicherheitȱ undȱ Ȭachtung,ȱ Bereitschaftȱ zurȱVerantwortungsübernahme)ȱunterschieden.ȱ FolgendeȱReifegradeȱsindȱmöglich:ȱ

„ ReifegradȱM1:ȱdemȱMitarbeiterȱfehlenȱbeideȱReifegradkomponenten;ȱ „ ReifegradȱM2:ȱEsȱliegtȱ„psychologischeȱReife“ȱbeiȱfehlenderȱ„Arbeitsreife“ȱvor;ȱ „ ReifegradȱM3:ȱEsȱliegtȱ„Arbeitsreife“ȱbeiȱfehlenderȱ„psychologischenȱReife“ȱvor;ȱ „ ReifegradȱM4:ȱBeideȱReifegradkomponentenȱsindȱvorhanden.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 310ȱ Hersey,ȱP.,ȱBlanchard,ȱK.H.ȱManagementȱofȱorganizationalȱbehavior.ȱEnglewoodȱCliffs.ȱ

265ȱ

14.3

14

Führung

UmȱeinenȱadäquatenȱFührungsstilȱzuȱbenutzen,ȱsollȱeineȱFührungskraftȱdenȱEntwickȬ lungsgradȱderȱReifeȱundȱBereitschaftȱeinschätzen,ȱwasȱeineȱAnalyseȱderȱaufgabenspeȬ zifischenȱundȱsozialenȱEignungȱderȱMitarbeiterȱerfordert.ȱȱ

Abb.ȱ60:ȱ

DasȱReifegradmodellȱvonȱHerseyȱundȱBlanchard311ȱ Führungsstil des Vorgesetzten

stark S2 Überzeugen

S3 Kooperieren

mitarbeiterbezogen

wenig S1 Unterweisen

S4 Delegieren

stark

aufgabenbezogen

wenig

Reifengrad der Mitarbeiter geringe Reife

geringe bis mittlere Reife

mäßige bis hohe Reife

hohe Reife

ȱ

Dieȱ zuȱ denȱ Reifegradenȱ (M1ȱ bisȱ M4)ȱ passendenȱ Führungsstileȱ (S1ȱ bisȱ S4)ȱwerdenȱ imȱ Modellȱwieȱfolgtȱbeschrieben:ȱ

„ Führungsstilȱ S1ȱ („tellingȱ stil“ȱ –ȱ Unterweisen):ȱ Fehlendeȱ Motivationȱ undȱ unzureiȬ chendeȱQualifikationȱsollenȱüberȱeineȱstrikteȱAufgabenorientierungȱundȱeinenȱtenȬ denziellȱautoritärenȱFührungsstilȱ(klareȱundȱkontrollierteȱWeisungen)ȱausgeglichenȱ werden;ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 311ȱ InȱAnlehnungȱanȱWunderer,ȱR.;ȱKüpers,ȱW.ȱDemotivationȬRemotivation,ȱS.ȱ417.ȱ

266ȱ

Führungskonzepte

„ Führungsstilȱ S2ȱ („sellingȱ stil“ȱ –ȱ Verkaufen):ȱ inȱ überzeugenderȱ („verkaufender“)ȱ Weiseȱ werdenȱ beiȱ schonȱ verbesserterȱ Qualifikationȱ Motivationspotenzialeȱ angeȬ sprochenȱ(M2);ȱ

„ FührungsstilȱS3ȱ(„participatingȱstil“ȱ–ȱPartizipieren):ȱÜberȱstarkeȱBeziehungsorienȬ tierungȱ undȱ Partizipationȱ werdenȱ Kompetenzmängelȱ ausgeglichenȱ undȱ beiȱ derȱ Umsetzungȱ wirdȱ aufȱ motivationaleȱ Problemeȱ derȱ Mitarbeiterȱ kooperativȱ eingeȬ gangen;ȱ

„ Führungsstilȱ S4ȱ („delegatingȱ stil“ȱ –ȱ Delegieren):ȱ Vorhandeneȱ Qualifikationȱ undȱ Motivationȱführenȱdazu,ȱdassȱdieȱMitarbeiterȱihreȱAufgabenȱimȱRahmenȱdelegatiȬ verȱFührungȱweitgehendȱselbständigȱerfüllenȱkönnenȱundȱwollen.ȱDieȱAufgabeȱeiȬ nerȱFührungskraftȱbestehtȱdarin,ȱihreȱMitarbeiterȱinȱdieȱRichtungȱM4ȱ(undȱS4)ȱzuȱ fördern.ȱ Obwohlȱ dasȱ Modellȱ sehrȱ verbreitetȱ ist,ȱ gibtȱ esȱ wesentlicheȱ Kritikpunkte,ȱ dieȱ seineȱ Bedeutungȱrelativieren:ȱalsȱVariablenȱwerdenȱnurȱpersönlicheȱReifegradeȱderȱMitarbeiȬ terȱ betrachtet,ȱ dieȱ Führungskompetenzenȱ desȱ Führendenȱ selbstȱ (sozialeȱ Kompetenz,ȱ Delegationsvermögen)ȱ undȱ dieȱ Rahmenbedingungenȱ (Aufgabenschwierigkeitȱ sowieȱ kulturelleȱFaktoren)ȱbleibenȱunbeachtet.ȱTrotzdemȱistȱvorȱallemȱderȱGrundgedankeȱdesȱ situativenȱAnsatzesȱzuȱwürdigen:ȱesȱgibtȱkeineȱfürȱimmerȱundȱüberallȱ„richtige“ȱFühȬ rung,ȱpraktischesȱFührungsverhaltenȱsollȱaufȱdieȱUmständeȱundȱPersönlichkeitenȱderȱ Geführtenȱabgestimmtȱwerden.ȱDamitȱwirdȱvonȱeinerȱFührungspersonȱhoheȱFlexibiliȬ tätȱundȱdasȱBeherrschenȱvonȱverschiedenenȱFührungsmethodenȱerwartet.ȱ ȱ

14.3.2

Zielorientierte Führung

BeideȱweiterenȱFührungskonzepteȱ–ȱzielȬȱundȱwerteorientierteȱFührungȱ–ȱsindȱFormenȱ derȱdelegativenȱFührung.ȱUnterȱDelegationȱverstehtȱmanȱeineȱÜbertragungȱvonȱRechȬ tenȱundȱPflichten,ȱinsbesondereȱvonȱAufgaben,ȱKompetenzenȱundȱVerantwortung.ȱImȱ Gegensatzȱ zurȱ kooperativenȱ Führungȱ arbeitenȱ Führungskräfteȱ undȱ Mitarbeiterȱ beiȱ delegativerȱFührungȱunabhängigerȱundȱselbstständiger,ȱGemeinsamkeitȱimȱAufgabenȬ erfüllenȱundȱInteraktionȱsindȱwenigerȱausgeprägt.ȱDieseȱFormȱderȱFührungȱsetztȱvorȬ aus,ȱdassȱdieȱMitarbeiterȱbereitȱundȱimstandeȱsind,ȱanȱsieȱdelegierteȱKompetenzenȱundȱ Verantwortungȱzuȱübernehmen.ȱȱ Dasȱ Zielorientierteȱ Delegationskonzeptȱ istȱ auchȱ alsȱ transaktionaleȱ Führungȱ bekanntȱ undȱ wurdeȱ vonȱ Bassȱ undȱ Steyrerȱ 1995ȱ beschrieben.ȱ Sieȱ basiertȱ aufȱ ZielsetzungstheoȬ rien,ȱdieȱdenȱZusammenhangȱzwischenȱderȱSchwierigkeitȱdesȱZielsȱundȱseinerȱAkzepȬ tanzȱ aufȱ derȱ einenȱ Seiteȱ mitȱ derȱ Leistungȱ undȱ Arbeitszufriedenheitȱ aufȱ derȱ anderenȱ Seiteȱ beschreibenȱ (s.ȱ Kapitelȱ 8.4.2).ȱ Ausgewogeneȱ persönlicheȱ undȱ unternehmerischeȱ Zieleȱ sowieȱ dasȱ Feedbackȱ vonȱ derȱ Seiteȱ desȱ Managersȱ überȱ dieȱ Zielerreichungȱ sindȱ demnachȱfürȱdieȱArbeitmotivationȱentscheidend.ȱȱ

267ȱ

14.3

14

Führung

Dieȱ transaktionaleȱ Führungȱ nachȱ Bass/Steyrerȱ umfasstȱ ZielȬȱ undȱ Wegklärungȱ sowieȱ leistungsbezogeneȱBelohnungen.ȱDabeiȱwerdenȱWerteȱundȱBedürfnisseȱderȱGeführtenȱ alsȱrelativȱfesteȱGrößenȱberücksichtigt.ȱNachȱeinerȱÜberprüfungȱderȱZielverträglichkeitȱ (Mitarbeiterzieleȱ versusȱ Gruppenziele)ȱ werdenȱ Zieleȱ möglichstȱ klarȱ undȱ operationalȱ formuliert.ȱImȱEinklangȱmitȱderȱErwartungstheorieȱvonȱVroomȱ(s.ȱKapitelȱ8.4.1)ȱhängtȱ dieȱZielerreichungȱvonȱderȱErfolgswahrscheinlichkeit,ȱValenzȱundȱInstrumentalitätȱab.ȱ DieȱValenzȱvonȱZielenȱundȱWegenȱzuȱihrerȱErreichungȱkönnenȱintrinsischȱoderȱextrinȬ sischȱbegründetȱwerden.ȱIntrinsischeȱMotivationȱkommtȱvor,ȱwennȱdieȱArbeitȱanȱsichȱ Spaßȱmacht.ȱ TransaktionaleȱFührungȱkannȱdurchȱfolgendeȱMerkmaleȱcharakterisiertȱwerden:312ȱȱ

„ SieȱgehtȱvonȱaktuellenȱBedürfnissenȱundȱPräferenzenȱderȱMitarbeiterȱaus;ȱ „ BasiertȱaufȱderȱErwartung,ȱdassȱmehrȱLeistungȱzuȱmehrȱBelohnungȱführt;ȱ „ DerȱVorgesetzteȱistȱmitȱderȱLeistungȱdesȱMitarbeitersȱzufrieden,ȱwennȱdieȱgeplanȬ tenȱZieleȱerreichtȱwerden;ȱ

„ DerȱVorgesetzteȱgibtȱdemȱMitarbeiterȱFeedbackȱüberȱseineȱFortschritte;ȱ „ BelohnungenȱundȱAnreizeȱwerdenȱalsȱVerstärkungȱvonȱspezifischenȱVerhaltenserȬ wartungenȱerteilt.ȱ Eineȱ praktischeȱ Formȱ derȱ transaktionalenȱ Führungȱ istȱ Führungȱ durchȱ ZielvereinbaȬ rung,ȱoderȱManagementȱbyȱObjectivesȱ(MbO).ȱTypischȱfürȱdiesenȱAnsatzȱistȱdieȱEntȬ wicklungȱ einerȱ Zielhierarchieȱ inȱ einemȱ „Gegenstromverfahren“:ȱ Oberzieleȱ werdenȱ inȱ Subzieleȱ zerlegtȱ undȱ denȱ verschiedenenȱ hierarchischenȱ Ebenenȱ undȱAbteilungenȱ zuȬ geordnet.ȱȱ DieȱweiterȱfolgendeȱAbbildungȱzeigtȱeineȱschematischeȱDarstellungȱdieserȱFührungsȬ technik.ȱ Dasȱ Managementȱ byȱ Objectivesȱ beginntȱ mitȱ derȱ Festlegungȱ derȱ allgemeinenȱ UnternehmenszieleȱundȱLeistungsmaßstäbeȱ(1).ȱEinȱZielsystemȱbestehtȱausȱOberȬȱundȱ Unterzielen.ȱ Dieȱ Unternehmensleitungȱ legtȱ dieȱ Oberzieleȱ fest.ȱ Darausȱ ergebenȱ sichȱ dannȱ Anforderungenȱ anȱ dieȱ Unternehmensstruktur,ȱ dieȱ zunächstȱ umgesetztȱ werdenȱ müssenȱ (2).ȱ Erstȱ dannȱ könnenȱ ausȱ denȱ Unternehmenszielenȱ dieȱ Unterzieleȱ fürȱ dieȱ einzelnenȱ Abteilungen,ȱ Vertriebseinheitenȱ undȱ Mitarbeiterȱ abgeleitetȱ werden.313ȱ Dasȱ elementareȱPrinzipȱdesȱMbOȱbasiertȱdarauf,ȱdieȱZieleȱnichtȱaufȱdieȱeinzelnenȱMitarbeiȬ terȱzuȱverteilen,ȱsondernȱsieȱunterȱEinbeziehungȱderȱMitarbeiterȱ(3)ȱmitȱihnenȱzusamȬ menȱzuȱerarbeitenȱundȱzuȱvereinbarenȱ(4).ȱZusätzlichȱwerdenȱanhandȱderȱvereinbartenȱ Zieleȱ dieȱ Kriterienȱ fürȱ dieȱ Beurteilungȱ desȱ Mitarbeitersȱ festgelegt.ȱ Mitȱ Hilfeȱ neuerȱ ImpulseȱoderȱIdeenȱ(5a)ȱundȱanhandȱvonȱZwischenergebnissenȱwirdȱeineȱRückkoppȬ lungȱ hergestellt.ȱ Schonȱ hierȱ könnenȱ unrealistischeȱ Zieleȱ identifiziertȱ undȱ verworfenȱ werdenȱ(5b).ȱEntscheidendȱfürȱeinȱsinnvollesȱManagementȱbyȱObjectivesȱistȱeinȱregelȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 312ȱ Vgl.ȱWunderer,ȱR.;ȱKüpers,ȱW.ȱDemotivationȬRemotivation,ȱS.ȱ433.ȱ 313ȱ Vgl.ȱOlfert,ȱK.ȱPersonalwirtschaft,ȱS.ȱ227.ȱ

268ȱ

14.3

Führungskonzepte

mäßigerȱVergleichȱderȱerzieltenȱErfolgeȱmitȱdenȱgestecktenȱZielenȱ(6).ȱJeȱnachȱErgebnisȱ mussȱ imȱ Anschlussȱ daranȱ eineȱ Anpassungȱ imȱ Bereichȱ desȱ Arbeitsvollzugesȱ erfolgenȱ (7).ȱ Diesesȱ Verfahrenȱ stelltȱ besondereȱ Anforderungenȱ anȱ dieȱ Zielformulierungen.ȱ Beimȱ Zielvereinbarungsgesprächȱ unterscheidenȱ Vorgesetzterȱ undȱ Mitarbeiterȱ inȱ derȱ Regelȱ zweiȱZielarten:ȱquantitativeȱZieleȱwieȱUmsatz,ȱGewinnȱundȱRentabilitätȱundȱqualitatiȬ veȱZiele,ȱwieȱMarktpositionierung,ȱImage,ȱArbeitszufriedenheitȱundȱArbeitsbedingunȬ gen.ȱ Zieleȱ sollenȱ präziseȱ formuliertȱ werden,ȱ terminbezogen,ȱ quantifiziert,ȱ widerȬ spruchsfrei,ȱrealistischȱundȱmessbarȱseinȱ(vgl.ȱZieltheorieȱvonȱE.ȱLocke,ȱKapitelȱ8.4.2).ȱ

Abb.ȱ61:ȱ

ManagementȱbyȱObjectivesȱalsȱKreislaufschema314ȱ

ȱ

AlsȱFunktionenȱundȱzugleichȱVorteileȱeinesȱMbOȬVerfahrensȱkönnenȱfolgendeȱhervorȬ gehobenȱwerden:315ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 314 Olfert,ȱK.ȱPersonalwirtschaft,ȱS.ȱ227. 315ȱ InȱAnlehnungȱanȱWunderer,ȱR.ȱFührungȱundȱZusammenarbeit,ȱS.ȱ232.ȱ

269ȱ

14

Führung

„ Beurteilung:ȱVorgabeȱeindeutigerȱMaßstäbeȱfürȱLeistungȱundȱZusammenarbeit;ȱ „ Orientierung:ȱFestlegungȱvonȱMeldepunktenȱundȱUnterstützungszusagen;ȱ „ Information:ȱSchaffungȱderȱOffenheit,ȱTransparenzȱundȱVergleichbarkeitȱderȱLeisȬ tung;ȱ

„ Optimierung:ȱFormulierungȱvonȱherausforderndenȱZielen;ȱ „ Qualifizierung:ȱ Förderungȱ vonȱ FachȬ,ȱ MethodenȬ,ȱ SystemȬȱ undȱ SozialkompetenȬ zen;ȱ

„ Empowerment:ȱSchaffungȱkreativerȱFreiräume;ȱ „ Motivation:ȱherausforderndeȱundȱabwechslungsreicheȱArbeitsinhalte;ȱ „ VorbeugenȱderȱDemotivation:ȱangemesseneȱArbeitsbedingungen,ȱBezahlungȱundȱ Zusatzleistungen,ȱArbeitsklimaȱundȱUnternehmenskultur.ȱȱ DasȱMbOȬKonzeptȱkannȱfolglichȱalsȱeinȱMitarbeiterführungsȬȱundȱstrategischesȱUnterȬ nehmensführungsinstrumentȱbezeichnetȱwerdenȱ(s.ȱfolgendeȱAbbildung).ȱȱ

Abb.ȱ62:ȱMbOȱalsȱKonzeptȱdelegativerȱFührungȱundȱstrategischerȱUnternehmensführung316ȱ Führung durch Ziele: Ausrichtung aller Tätigkeiten auf die Unternehmensziele; delegativer Führungsstil; Motivation durch Beteiligung am Zielvereinbarungsprozess und ergebnisorientierte Anreizgestaltung; Ausrichtung auf Selbstkontrolle.

MbO als Konzept delegativer Führung: Beteiligung der MA am Zielvereinbarungsprozess; Berücksichtigung von MA-Zielen; stimmige Unternehmenskultur; Ergebnis- statt Verhaltenskontrolle; ergebnisorientierte Anreize und Entlohnung; Personalentwicklung.

MbO als Konzept strategischer Unternehmensführung: Ausbau eines hierarchischen Zielsystems; Methoden der Zielformulierung und -überprüfung; Abstimmung von Zielsystem, Unternehmensstruktur, -kultur und Führungsinstrumenten; Überprüfung der Zielerreichung und -formulierung.

ȱ Vieleȱ Unternehmenȱ praktizierenȱ zielorientierteȱ Führung,ȱ allerdingsȱ unterȱ derȱ BedinȬ gung,ȱ dassȱeineȱ Dezentralisierungȱ derȱ Einheitenȱ undȱ Quantifizierungȱ derȱ Zieleȱ mögȬ lichȱsindȱ(z.B.ȱVertriebseinheitenȱvonȱBankenȱundȱVersicherungen).ȱPraktischeȱVorteileȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 316ȱ Wunderer,ȱR.ȱFührungȱundȱZusammenarbeit,ȱS.ȱ232.ȱ

270ȱ

Führungskonzepte

zielorientierterȱ Führungȱ liegenȱ inȱ einerȱ wesentlichenȱ Entlastungȱ derȱ Führungskräfteȱ beiȱ operativenȱ Entscheidungen,ȱ hoherȱ Selbstständigkeitȱ derȱ Mitarbeiterȱ undȱ ihrerȱ MitwirkungȱbeiȱderȱZielvereinbarungȱundȱ derȱergebnisorientiertenȱEvaluationȱDamitȱ wirdȱeineȱpartnerschaftlicheȱFührungsbeziehungȱgefordertȱundȱgefördert.ȱ

14.3.3

Werteorientierte Führung

DieȱwerteorientierteȱFührungȱ(auchȱalsȱtransformationaleȱFührungȱbekannt)ȱwurdeȱvonȱ B.ȱBassȱundȱB.ȱAvolioȱalsȱBegriffȱeingeführt317ȱundȱderȱtransaktionalenȱFührungȱgegenȬ übergestellt.ȱSprichtȱdieȱtransaktionaleȱFührungȱvorȱallemȱdenȱhomoȱoeconomicusȱimȱ Mitarbeiterȱ an,ȱ soȱ istȱ dieȱ transformationaleȱ Führungȱ ganzheitlichȱ ausgerichtetȱ undȱ orientiertȱsichȱanȱderȱganzenȱPersönlichkeitȱdesȱMitarbeiters.ȱȱ DieȱwerteorientierteȱFührungȱlegtȱihrenȱSchwerpunktȱaufȱdieȱgrundlegendenȱSinnoriȬ entierungenȱundȱwillȱdasȱ„Warum“ȱdesȱHandelnsȱbeantworten.ȱDeswegenȱwerdenȱinȱ dieserȱ Formȱ derȱ Führungȱ vorȱ allemȱ UnternehmensȬȱ undȱ Führungsleitbilderȱ benutzt,ȱ dieȱüberȱZieleȱundȱAufgabenȱfunktionsȬȱundȱpositionsspezifischȱoperationalisiertȱwerȬ den.ȱWerteorientierteȱFührungȱversuchtȱdasȱZielȬAnspruchsniveauȱderȱMitarbeiterȱzuȱ beeinflussen,ȱihreȱWerteȱundȱMotiveȱzuȱheben.ȱEsȱwirdȱeineȱVeränderungȱvonȱBedürfȬ nissenȱundȱPräferenzenȱderȱMitarbeiterȱangestrebt.ȱȱ Dieȱ wesentlichenȱ Merkmaleȱ derȱ transformationalenȱ Führungȱ werdenȱ wieȱ folgtȱ beȬ schrieben:318ȱȱ

„ SieȱverfügtȱüberȱinstrumentelleȱZielflexibilitätȱundȱverfolgtȱauchȱeineȱideelleȱOrienȬ tierungȱderȱMitarbeitern;ȱ

„ sieȱversucht,ȱdieȱwertorientiertenȱBedürfnisseȱundȱPräferenzenȱderȱMitarbeiterȱzuȱ ändern;ȱ

„ vermitteltȱZukunftsorientierungȱundȱVisionen;ȱ „ fördertȱMitarbeiterȱdurchȱCharisma,ȱIdentifikationȱundȱVorbildȱderȱFührungskraft;ȱ „ unterstütztȱLernȬȱundȱUmdenkprozesse;ȱ „ fördertȱdasȱzwischenmenschlicheȱMiteinanderȱundȱsozialeȱKompetenz.ȱ ImȱGegensatzȱzurȱtransaktionalenȱFührung,ȱdieȱeineȱAusrichtungȱaufȱrationalenȱNutȬ zenȱhat,ȱzieltȱdieȱtransformationaleȱFührungȱaufȱdieȱGesamtpersönlichkeitȱdesȱGeführȬ ten.ȱ Sieȱ stelltȱ dieȱ intrinsischeȱ Motivationȱ inȱ denȱ Vordergrund.ȱ Denȱ Mitarbeiternȱ werȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 317ȱ Bass,ȱ B.M.,ȱ Avolio,ȱ B.J.ȱ Improvingȱ organizationalȱ effectivenessȱ throughȱ transformationalȱ

leadership.ȱThousandȱOaks,ȱCA.:ȱSage,ȱ1994,ȱZitiertȱnachȱWunderer,ȱR.;ȱKüpers,ȱW.ȱDemotiȬ vationȬRemotivation,ȱS.ȱ437Ȭ439.ȱ 318ȱ Vgl.ȱWunderer,ȱR.;ȱKüpers,ȱW.ȱDemotivationȬRemotivation,ȱS.ȱ437.ȱ

271ȱ

14.3

14

Führung

denȱ eineȱ aktiveȱ Rolleȱ zugeschriebenȱ undȱ Fähigkeitenȱ zurȱ Weiterentwicklungȱ unterȬ stellt.ȱDieseȱFormȱverbindetȱdieȱFührungȱmitȱderȱPersönlichkeitsentwicklungȱundȱderȱ SchaffungȱderȱUnternehmenskulturȱundȱistȱdeswegenȱganzȱhochȱeinzuschätzen.ȱEherȱ problematischȱerscheinenȱdieȱhoheȱAnforderungenȱanȱdieȱFührungskräfte:ȱnichtȱjederȱ praktizierendeȱ Vorgesetzteȱ kannȱ eineȱ inspirierendeȱ undȱ identifizierendeȱ Wirkungȱ ausüben.ȱManȱkannȱnichtȱvonȱjedemȱFührendenȱcharismatischeȱBegabungenȱerwarten.ȱ DieȱwerteorientierteȱFührungȱbasiertȱaufȱvierȱKomponenten:ȱindividuelleȱBehandlung,ȱ geistigeȱAnregung,ȱInspirationȱundȱpersönlicheȱAusstrahlungȱ(s.ȱfolgendeȱTabelle).ȱ Tabelleȱ44:ȱ CharakteristikaȱwerteorientierterȱFührungȱnachȱBass319ȱ Individuelle Behandlung

Geistige Anregung

Inspiration

Persönliche Ausstrahlung

Mitarbeiter individuell beachten

Etablierte Denkmuster aufbrechen

Enthusiasmus vermitteln

Mitarbeiter individuell führen und fördern

Neue Einsichten vermitteln

Über eine fesselnde Vision/Mission motivieren

individuell

intellektuell

Bedeutung von Zielen und Aufgaben erhöhen inspirierend

Als Identifikationsperson wirken Integer handeln identifizierend

ȱ DieseȱArtȱ derȱ Führungȱ konzentriertȱ sichȱ aufȱ visionäre,ȱ anregendeȱ Inhalteȱ undȱ findetȱ damitȱprimärȱaufȱderȱemotionalenȱEbeneȱstatt.ȱEineȱindividuelleȱAusrichtungȱermögȬ lichtȱ eineȱ Fokussierungȱ aufȱ dieȱ Besonderheitenȱ jedesȱ einzelnenȱ Mitarbeiters.ȱ DesweȬ genȱ stelltȱ transformationaleȱ Führungȱ besondereȱ Anforderungenȱ anȱ alleȱ Beteiligten,ȱ FührungskräfteȱundȱGeführte.ȱSindȱdieȱVoraussetzungenȱaufȱbeidenȱSeitenȱvorhanden,ȱ dannȱkannȱdieseȱFührungȱalsȱeineȱidealeȱZukunftsformȱderȱFührungȱbezeichnetȱwerȬ den:ȱ einȱ charismatischerȱ Managerȱ alsȱ Menschenkennerȱ undȱ Coachȱ begeistertȱ seineȱ intrinsischȱ motivierten,ȱ kreativenȱ undȱ sichȱ immerȱ weiterȱ entwickelndenȱ Mitarbeiterȱ fürȱgemeinsameȱZieleȱmithilfeȱvonȱVisionenȱundȱpersönlichemȱWachstum.ȱȱ ImȱRahmenȱderȱwerteorientiertenȱFührungȱmussȱeineȱFührungskraft:320ȱ

„ alsȱSymbolȱfürȱErfolgȱundȱLeistungȱdienen;ȱ „ denȱMitarbeiternȱdasȱGefühlȱvermitteln,ȱdassȱsieȱeinerȱBerufungȱfolgen;ȱ „ eineȱanspornendeȱZukunftsvisionȱhaben;ȱ „ einȱhohesȱLeistungsniveauȱfordern;ȱ „ eineȱVielfaltȱanȱBetrachtungsperspektivenȱermöglichen;ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 319ȱ ZitiertȱnachȱWunderer,ȱR.ȱFührungȱundȱZusammenarbeit,ȱS.ȱ244.ȱ 320ȱ Ebd.,ȱS.ȱ245.ȱ

272ȱ

Führungskonzepte

„ DenkprozesseȱundȱKreativitätȱfördern;ȱ „ nachȱargumentiertenȱMeinungenȱverlangen;ȱ „ sorgfältigȱLösungsalternativenȱvorbereiten;ȱ „ ProblemeȱalsȱChancenȱzumȱLernenȱbetrachten;ȱ „ denȱMitarbeiternȱmitȱRatȱzurȱSeiteȱstehen;ȱ „ VertrauenȱinȱdieȱMitarbeiterȱschaffen;ȱ „ Stolzȱerwecken,ȱmitȱihmȱzusammenzuarbeiten.ȱ Auchȱ einemȱ Mitarbeiterȱ stehtȱ imȱ Rahmenȱ derȱ werteorientiertenȱ Führungȱ eineȱ aktiveȱ Rolleȱ zu:ȱ nebenȱ seinerȱ Bereitschaft,ȱ sichȱ zuȱ verändernȱ undȱ zuȱ entwickeln,ȱ wirdȱ vonȱ ihmȱebensoȱeinȱMitdenkenȱundȱMitgestaltenȱerwartet.ȱEinȱMitarbeiterȱkannȱschließlichȱ umgekehrtȱseine(n)ȱVorgesetzte(n)ȱfürȱIdeenȱundȱProjekteȱbegeisternȱundȱdamitȱbeeinȬ flussen.ȱȱ Eineȱ besondereȱ Formȱ derȱ transformationalenȱ Führungȱ istȱ derȱ charismatischeȱ FühȬ rungsansatzȱvonȱShamir/House/Arthurȱ(1993)ȱȬȱs.ȱfolgendeȱAbbildung.ȱȱ

Abb.ȱ63:ȱDasȱtransformationalȬcharismatischeȱFührungskonzeptȱvonȱShamir/House/Arthur321ȱ Organisationale Bedingungen Führerverhalten: - Präsentation ideologischer Erklärungen; - Betonung kollektiver Identitäten; - Bezug zur Historie; - Bezug auf Selbstwert und Wirksamkeit der MA; - Bezug auf kollektive Wirksamkeit; - Artikulation von Vertrauen in die MA.

Motivationale Mechanismen:

Effekte auf Selbstkonzept:

Motivationale Mechanismen:

- Selbstkonsistenz; - Beibehaltung und Erhöhung der Selbstachtung und des Selbstwertes; - Beibehaltung der Hoffnung.

- erhöhte Selbstachtung; - erhöhter Selbstwert; - erhöhte Selbstwirksamkeit; - erhöhte kollektive Wirksamkeit; - persönliche Identifikation mit dem Führer; - soziale Identifikation; - Werteinternalisierung.

- Selbstausdruck; - Selbstkonsistenz; - Beibehaltung und Erhöhung der Selbstachtung und Selbstwertes.

Attribute der Mitarbeiter

Weitere Effekte: - Persönlicher Einsatz für den Führer und seine Mission; - selbstaufopferndes Verhalten; - organisationskonformes Verhalten; - Aufgabe wird bedeutungsvoll.

ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 321ȱ ZitiertȱnachȱHentze,ȱJ.ȱu.a.ȱPersonalführungslehre,ȱS.ȱ191Ȭ192.ȱ

273ȱ

14.3

14

Führung

ȱ

Exkurs: Charisma in der Führung (Quelle: Hentze, J. u.a. Personalführungslehre, S. 184-185, 190) Charismatische Führungsansätze beschreiben, der Charisma-Theorie von Max Weber folgend, allgemein den charismatischen Führer als Persönlichkeit mit der herausragenden Gabe, den Geführten eine überzeugende Zukunftsvision eines besseren und sinnvolleren Lebens zu verdeutlichen. Bei der charismatischen Führung stehen emotionale Reaktionen im Vordergrund. Folglich spielen nicht das aufgaben- und personenbezogene Führungsverhalten, sondern Herausforderungen, Vertrauen in den Mitarbeiter und Respekt für seine Leistungen sowie Visionen eine entscheidende Rolle. Im Gegensatz zu traditionellen Führungskonzepten, die Ziele, Werte und Erwartungen der Mitarbeiter als gegeben betrachten, beschreiben charismatische Ansätze ein Führungsverhalten, das sowohl Handlungen und Motive der Geführten aktiviert als auch ihre Bedürfnisse und Selbsteinschätzungen verändert. Vergleich von charismatischen und nichtcharismatischen Führungspersonen Merkmal

nichtcharismatischer Führer

charismatischer Führer

Beziehung zum Status quo

Stimmt mit dem Status quo überein und bemüht sich ihn zu erhalten

Lehnt Status quo ab und bemüht sich ihn zu ändern

Angestrebte Ziele

Keine Diskrepanz zwischen den Zielen und dem Status quo

Idealisierende Vision, die sich vom Status quo unterscheidet

Sympathiewert

Übereinstimmende Vorstellungen bilden eine Sympathie-Basis

Vision und übereinstimmende Vorstellungen bilden eine Sympathie- und Verehrungsbasis

Glaubwürdigkeit

Bemühungen um überzeugendes Auftreten

Intensives Verfechten von Ideen, das riskant sein kann

Problemlösung

Als Experte nutzt er vorhandene Mittel, um im Rahmen der Regeln Ziele zu erreichen

Bedient sich unkonventioneller Mittel und bricht geltende Spielregeln

Verhalten

konventionell

unkonventionell

Sensibilität

geringe Notwendigkeit, sensibel zu sein, da Status quo erhalten bleibt

hoher Grad an Sensibilität der Umwelt gegenüber

Artikulation

Artikulation von Zielen und Motivation zu führen schwach ausgeprägt

Eindrucksvolle Zukunftsvisionen und klarer Machtanspruch

Machtbasis

formelle Legitimationsmacht und persönliche Sympathie

Persönliche Macht

Führer-MABeziehung

Erteilt Weisungen oder sucht Konsens

Wirkt als herausragende Persönlichkeit und Vorbild, überzeugt

ȱ

274ȱ

Führungskonzepte

Inȱ demȱ Konzeptȱ vonȱ Shamir/House/Arthurȱ werdenȱ dasȱ Verhaltenȱ charismatischerȱ FührerȱundȱdessenȱWirkungenȱaufȱdieȱGeführtenȱsowieȱdieȱRolleȱderȱWertvorstellunȬ genȱinȱderȱFührerȬMitarbeiterȬBeziehungȱverknüpft.ȱȱ Menschlichesȱ Verhaltenȱ wirdȱ aufȱ Ziele,ȱ Gefühle,ȱ Werteȱ undȱ Selbstkonzeptȱ zurückgeȬ führt,ȱwobeiȱdieȱintrinsischeȱMotivationȱausschlaggebendȱist.ȱMenschenȱneigenȱdazu,ȱ ihreȱSelbstachtungȱ(basierendȱaufȱeinerȱgewissenȱKompetenz,ȱdieȱUmgebungȱzuȱsteuȬ ernȱ undȱ mitȱ ihrȱ klarzukommen)ȱ undȱ ihrenȱ Selbstwertȱ (basierendȱ aufȱ einerȱ gewissenȱ Tugendȱ inȱ Bezugȱ aufȱ moralischeȱ undȱ ethischeȱ Werteȱ undȱ Normen)ȱ zuȱ erhöhen.ȱ DarȬ überȱ hinausȱ strebenȱ Individuenȱ danach,ȱ konsistentȱ nachȱ ihremȱ Selbstkonzeptȱ (ihrenȱ WertenȱundȱÜberzeugungen)ȱzuȱhandeln.ȱEinȱWertȱprägtȱdestoȱmehrȱdasȱVerhaltenȱinȱ einerȱbestimmtenȱSituation,ȱjeȱmehrȱesȱzumȱSelbstkonzeptȱderȱPersonȱpasst.322ȱAufȱderȱ BasisȱdieserȱAnnahmenȱhabenȱShamir/House/ArthurȱihrenȱFührungsansatzȱentwickelt,ȱ derȱdieȱtransformationalenȱWirkungenȱcharismatischerȱFührungȱerklärenȱsoll.ȱ Dasȱ Führungsverhaltenȱ wirdȱ imȱ Modellȱ alsȱ zentralerȱ Einflussfaktorȱ aufȱ dieȱ Leistungȱ betrachtet,ȱwobeiȱseineȱWirkungȱaufȱdasȱSelbstkonzeptȱderȱGeführtenȱentscheidendȱist.ȱ Dieseȱ Wirkungȱ wirdȱ durchȱ dasȱ Charismaȱ desȱ Führersȱ erreicht,ȱ dasȱ sozialeȱ EinflussȬ prozesseȱ wieȱ dieȱ Identifikation,ȱ Internalisierungȱ derȱ Werteȱ beiȱ denȱ Mitarbeiternȱ undȱ Selbstwirksamkeitȱaktiviert.ȱDafürȱbrauchtȱderȱFührendeȱnebenȱeinerȱüberzeugendenȱ Visionȱ eineȱ hoheȱ Leistungserwartungȱ undȱ Vertrauenȱ gegenüberȱ denȱ Geführten.ȱ Derȱ Führendeȱ dientȱ alsȱ Vorbildȱ undȱ vermitteltȱ neueȱ Werte.ȱ Derȱ Prozessȱ derȱ InternalisieȬ rungȱderȱVisionȱundȱWerteȱvonȱderȱSeiteȱderȱMitarbeiterȱerhöhtȱaufȱderȱeinenȱSeiteȱihrȱ SelbstwertgefühlȱundȱaufȱderȱanderenȱSeiteȱihreȱLeistungsbereitschaft.ȱFolglichȱentsteȬ henȱhoheȱLeistungenȱundȱArbeitszufriedenheit.323ȱȱ Allerdingsȱ kannȱ dieȱ transformationalȬcharismatischeȱ Führungȱ nurȱ unterȱ bestimmtenȱ Bedingungenȱfunktionieren.ȱDieȱVisionȱundȱWerteȱdesȱFührersȱkönnenȱnurȱdannȱmoȬ tivierendȱwirken,ȱwennȱsieȱvonȱdenȱMitarbeiternȱverstandenȱundȱgeteiltȱwerden.ȱEineȱ charismatischeȱFührungskraftȱmussȱimȱStandeȱsein,ȱdieȱBedürfnisse,ȱWerteȱundȱIdentiȬ tätenȱ derȱ Geführtenȱ zuȱ verstehen.ȱ DieȱAufgabenstellungenȱ sollenȱ nichtȱ exaktȱ spezifiȬ ziertȱseinȱundȱgewisseȱFreiräumeȱermöglichen.ȱDieȱMitarbeiterȱsollenȱbereitȱundȱinȱderȱ Lageȱsein,ȱengagiertȱundȱeigenständigȱzuȱarbeiten,ȱzuȱlernenȱundȱsichȱweiterȱzuȱentwiȬ ckeln.ȱȱ AuchȱderȱmöglichenȱnegativenȱAspekteȱvonȱCharismaȱsollteȱmanȱimmerȱbewusstȱsein.ȱ Jeȱ größerȱ dieȱ Machtȱ undȱ ȱ Einflussmöglichkeitenȱ einerȱ Person,ȱ destoȱ mehrȱ ethischeȱ Verantwortungȱ sollteȱ sieȱ habenȱ (vgl.ȱ Kapitelȱ 13.3.1).ȱ Alsȱ Gefahrenȱ kommenȱ sowohlȱ fragwürdigeȱ Ideenȱ undȱ Ideologienȱ alsȱ auchȱ personalisierteȱ Machtmotiveȱ undȱ MachtȬ missbrauchȱinȱFrage.ȱNurȱunabhängigȱdenkende,ȱmündigeȱMitarbeiter,ȱdieȱbereitȱsindȱ Visionenȱ undȱ Werteȱ desȱ Führersȱ kritischȱ zuȱ hinterfragenȱ undȱ offenȱ zuȱ diskutieren,ȱ könnenȱdenȱnegativenȱAuswirkungenȱderȱcharismatischenȱFührungȱentgegenwirken.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 322ȱ Hentze,ȱJ.ȱu.a.ȱPersonalführungslehre,ȱS.ȱ191Ȭ192.ȱ 323ȱ Vgl.ȱebd.,ȱS.ȱ193Ȭ195.ȱ

275ȱ

14.3

14

Führung

Amȱ Beispielȱ derȱ transformationalȬcharismatischenȱ Führungȱ wirdȱ dieȱ gegenseitigeȱ BeeinflussungȱundȱAbhängigkeitȱvonȱFührendenȱundȱGeführten,ȱdieȱinȱjederȱFührungȱ mehrȱoderȱwenigerȱvorkommt,ȱbesondersȱdeutlich:ȱDerȱFührerȱbrauchtȱdieȱMitarbeiterȱ alsȱ Mitstreiter,ȱ Opponentenȱ undȱ Gleichgesinnteȱ genausoȱ wieȱ dieȱ Mitarbeiterȱ seineȱ Visionen,ȱ Werteȱ undȱ seinȱ Vertrauenȱ benötigen.ȱ Führungȱ istȱ keineȱ Einbahnstrasse,ȱ sondernȱeinȱpermanenterȱAustauschȬȱundȱGestaltungsprozess.ȱȱ TransformationaleȱFührungȱgehtȱüberȱdieȱGrenzenȱderȱfrüherȱdefiniertenȱFührungsstiȬ leȱhinausȱundȱkannȱalsȱeinȱbesondererȱStilȱbezeichnetȱwerdenȱ(s.ȱfolgendeȱAbbildung).ȱȱ

Abb.ȱ64:ȱ

DasȱKontinuumȱderȱFührungsstileȱundȱȬkonzepte324ȱȱ

Grad wechselseitiger Kooperation

transformational

konsultativ kooperativ

delegativ

patriarchalisch

autoritär

autonom Grad der Partizipation

ȱ Inȱ derȱ heutigenȱ Unternehmenspraxisȱ kommenȱ verschiedeneȱ Führungsstileȱ undȱ Ȭkonzepteȱvor:ȱvonȱautoritärerȱüberȱkonsultativeȱbisȱzuȱkooperativer,ȱdelegativerȱundȱ transformationalerȱ Führung.ȱ Ihreȱ Ausübungȱ wirdȱ vonȱ denȱ Bedingungenȱ undȱ TeilȬ nehmernȱderȱkonkretenȱFührungssituationȱsowieȱvonȱdemȱTypȱundȱderȱBrancheȱeinesȱ Unternehmensȱ begründet.ȱ Unterȱ diesenȱ Bedingungenȱ lohntȱ esȱ sichȱ nicht,ȱ eineȱ derȱ Formenȱalsȱdieȱbesteȱoderȱschlechtesteȱzuȱbezeichnen.ȱJederȱFührendeȱsollteȱeineȱganzeȱ Paletteȱ vonȱ Methodenȱ zurȱ Verfügungȱ habenȱ undȱ sieȱ kreativȱ undȱ gemeinsamȱ mitȱ seiȬ nenȱMitarbeiternȱanȱdieȱpraktischenȱSituationenȱundȱAufgabenȱanpassen.ȱAndererseitsȱ kannȱ manȱ aufgrundȱ vonȱ gesellschaftlichenȱ Trendsȱ undȱ wissenschaftlichenȱ UntersuȬ chungenȱdieȱfürȱdieȱZukunftȱbesondersȱgeeignetenȱFührungsstileȱdefinieren,ȱdieȱeinenȱ optimalenȱ Spielraumȱ fürȱ eineȱ Führungskraftȱ darstellen.ȱ Inȱ derȱ Abbildungȱ istȱ dieserȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 324ȱ Vgl.ȱWunderer,ȱR.ȱFührungȱundȱZusammenarbeit,ȱS.ȱ248.ȱ

276ȱ

Qualität der Führung

Führungsspielraumȱ mitȱ einemȱ grauenȱ Viereckȱ gekennzeichnetȱ undȱ beinhaltetȱ dieȱ konsultative,ȱkooperative,ȱdelegativeȱundȱtransformationaleȱFührung.ȱ UnabhängigȱdavonȱwelcheȱFührungsstileȱundȱȬkonzepteȱpraktiziertȱwerden,ȱstelltȱsichȱ dieȱallgemeineȱFrageȱnachȱderȱQualitätȱderȱFührung.ȱ

14.4

Qualität der Führung325

Zahlreicheȱ Studienȱ undȱ Analysenȱ belegen,ȱ dassȱ guteȱ Führungȱ denȱ wirtschaftlichenȱ Erfolgȱ einesȱ Unternehmensȱ steigernȱ kann.ȱ Beiȱ denȱ 50ȱ imȱ Jahreȱ 2005ȱ imȱ Wettbewerbȱ „Deutschlandsȱ Besteȱ Arbeitgeber“ȱ ausgezeichnetenȱ Unternehmenȱ gabenȱ 71ȱ Prozentȱ derȱ Mitarbeiterȱ an,ȱ dassȱ sieȱ Anerkennungȱ durchȱ dieȱ Führungskräfteȱ bekommen,ȱ 89ȱ ProzentȱderȱBeschäftigtenȱseienȱstolzȱinȱihremȱUnternehmenȱzuȱarbeiten.326ȱDieȱBewerȬ tungȱ basiertȱ aufȱ demȱ internationalȱ bewährtenȱ Greatȱ Placeȱ toȱ WorkȬModellȱ undȱ beinȬ haltetȱ Glaubwürdigkeit,ȱ Respektȱ undȱ Fairnessȱ desȱ Managements,ȱ Identifikationȱ mitȱ derȱ Arbeitȱ undȱ demȱ Unternehmenȱ sowieȱ Teamorientierung.ȱ Gleichzeitigȱ weisenȱ „Deutschlandsȱ Besteȱ Arbeitgeber“ȱ überdurchschnittlicheȱ Wachstumsratenȱ undȱ steiȬ gendeȱ Gewinneȱ auf.ȱ Guteȱ mitarbeiterorientierteȱ Führungȱ schafftȱ Motivation,ȱ IdentifiȬ kationȱundȱZufriedenheitȱundȱzahltȱsichȱimȱEndeffektȱaus.ȱ EineȱrepräsentativeȱUmfrageȱdesȱForschungsinstitutsȱINIFESȱ(„InternationalesȱInstitutȱ fürȱ empirischeȱ Sozialökonomie“)ȱ ausȱ demȱ Jahrȱ 2005327ȱ hatȱ ergeben,ȱ dassȱ dieȱ FühȬ rungsqualitätȱ eineȱ sehrȱ wichtigeȱ Rolleȱ fürȱ dieȱ Motivationȱ undȱ Zufriedenheitȱ vonȱ BeȬ schäftigtenȱ spielt.ȱ Dieȱ Führungsqualitätȱ wurdeȱ inȱ dieserȱ Studieȱ durchȱ fünfȱ Aspekteȱ beschrieben:ȱguteȱArbeitsplanung,ȱsozialeȱUnterstützungȱdurchȱVorgesetzte,ȱAnerkenȬ nungȱundȱWertschätzungȱamȱArbeitsplatzȱsowieȱFörderungȱderȱfachlichenȱundȱberufȬ lichenȱEntwicklungȱderȱMitarbeiter.ȱZugleichȱzeigtȱdieseȱUmfrageȱwesentlicheȱDefiziteȱ inȱderȱFührungsqualitätȱinȱdeutschenȱUnternehmenȱauf:ȱFastȱdieȱHälfteȱderȱBefragtenȱ (48ȱ Prozent)ȱ gabȱ an,ȱ nichtȱ genügendȱ sozialeȱ Unterstützungȱ durchȱ Vorgesetzteȱ zuȱ erȬ halten,ȱvieleȱderȱBefragtenȱfühltenȱsichȱihremȱUnternehmenȱnichtȱoderȱseltenȱverbunȬ denȱtrotzȱeinerȱhohenȱallgemeinenȱArbeitsmotivation,ȱ26ȱProzentȱfühltenȱsichȱhinsichtȬ lichȱ ihrenȱ fachlichenȱ undȱ beruflichenȱ Kenntnisseȱ undȱ Fertigkeitenȱ unterfordert,ȱ undȱ sogarȱ 61ȱ Prozentȱ sagten,ȱ dassȱ sieȱ nieȱ oderȱ seltenȱ eineȱ Anerkennungȱ fürȱ ihreȱ Arbeitȱ bekämen.328ȱ Dadurchȱ verschenkenȱ dieȱ Unternehmenȱ wertvolleȱ Ressourcen.ȱ Eineȱ emȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 325ȱ S.ȱ ausführlichȱ Franken,ȱ S.ȱ Qualitätȱ derȱ Personalführung.ȱ In:ȱ Bröckermann,ȱ R.;ȱ MüllerȬ

Vorbrüggen,ȱM.;ȱWitten,ȱE.ȱ(Hrsg.).ȱQualitätskonzepteȱimȱPersonalmanagement.ȱȱ 326ȱ INQAȱ (Initiativeȱ Neueȱ Qualitätȱ derȱ Arbeit):ȱ „Deutschlandsȱ Besteȱ Arbeitgeberȱ 2005“,ȱ in:ȱȱ

http://www.inqa.de/Navigation/Presse/pressemitteilungenȱ(12.07.07).ȱ 327ȱ INQAȬStudieȱ (Initiativeȱ Neueȱ Qualitätȱ derȱ Arbeit),ȱ „Ergebnisseȱ derȱ Studieȱ 2005“ȱ in:ȱ

http://www.inqa.de/Navigation/Presse/pressemitteilungenȱ(12.07.07).ȱ 328ȱ Ebd.ȱ

277ȱ

14.4

14

Führung

pirischeȱStudieȱvonȱWundererȱundȱKüpersȱ(2003)ȱhatȱgezeigt,ȱdassȱpersonaleȱDemotiȬ vationȱ undȱ negativeȱ Gefühlszuständeȱ inȱ Unternehmenȱ Produktivitätseinbußenȱ vonȱ überȱ20ȱProzentȱinduzieren.329ȱ Allerdingsȱ wasȱ verstehtȱ manȱ unterȱ „guterȱ Führung“?ȱ Dieȱ Gütekriterienȱ variierenȱ jeȱ nachȱFührungsverständnisȱundȱUnternehmensstrategie.ȱAußerdemȱkannȱPersonalfühȬ rungȱȬȱalsȱeineȱbereichsȬȱundȱfunktionsübergreifendeȱTätigkeitȱȬȱinȱihrerȱWirkungȱaufȱ denȱGesamterfolgȱdesȱUnternehmensȱnurȱbedingtȱisoliertȱbetrachtetȱwerden.ȱInȱdiesemȱ Kapitelȱ werdenȱ aufgrundȱ theoretischerȱ Ansätzeȱ undȱ Praxiserfahrungenȱ brauchbareȱ Kriterienȱ derȱ Führungsqualitätȱ definiertȱ undȱ einigeȱ Möglichkeitenȱ ihrerȱ Bewertungȱ undȱSicherungȱaufgezeigt.ȱ

14.4.1

Ziele und Qualitätskriterien der Führung

Dasȱ moderneȱ Führungsparadigmaȱ erfordertȱ neuartigeȱ Zieleȱ derȱ Führungȱ inȱ UnterȬ nehmen.ȱNebenȱreinȱökonomischenȱZielenȱwieȱErhöhungȱundȱSicherungȱderȱLeistungȱ gewinnenȱ sozialeȱ Zieleȱ wieȱ Arbeitszufriedenheit,ȱ Identifikationȱ undȱ SelbstverwirkliȬ chungȱ derȱ Mitarbeiterȱ anȱ Bedeutung,ȱ daȱ sieȱ fürȱ denȱ langfristigenȱ wirtschaftlichenȱ ErfolgȱdesȱUnternehmensȱausschlaggebendȱsind.ȱDieȱsozialenȱZieleȱderȱFührungȱkönȬ nenȱalsȱeigenständigeȱZielgrößenȱundȱzugleichȱalsȱEinflussfaktorenȱaufȱdieȱökonomiȬ schenȱErgebnisseȱbetrachtetȱwerden.ȱAllerdingsȱsolltenȱdieȱZieleȱderȱPersonalführungȱ mitȱderȱgesamtenȱUnternehmensstrategieȱverknüpftȱwerden.ȱVisionen,ȱUnternehmensȬȱ undȱ Führungskulturȱ bildenȱ einenȱ wichtigenȱ Kontextȱ fürȱ dieȱ unmittelbareȱ EinflussȬ nahmeȱ undȱ Wirkungȱ derȱ Führungskräfte.ȱ Basierendȱ aufȱ denȱ Zielenȱ derȱ PersonalfühȬ rungȱkannȱdieȱMessungȱderȱFührungseffizienzȱundȱȬqualitätȱaufgebautȱwerden.ȱ Ausȱ demȱ modernenȱ Führungsverständnis,ȱ dasȱ dasȱ gemeinsameȱ Zielerreichenȱ inȱ denȱ Mittelpunktȱ stelltȱ undȱ dieȱ Rolleȱ derȱ Interaktion,ȱ aktiveȱ Beteiligungȱ „empowerter“ȱ MitarbeiterȱundȱdieȱWichtigkeitȱ„weicherȱFaktoren“ȱinȱUnternehmenȱbetont,ȱergebenȱ sichȱökonomischeȱundȱsozialeȱZieleȱderȱPersonalführung.ȱȱ Betrachtetȱ manȱ eineȱ Unternehmenseinheit,ȱ beispielsweiseȱ dieȱ Fertigungsabteilungȱ inȱ einemȱ Elektrogeräteunternehmen,ȱ soȱ kannȱ alsȱ wirtschaftlichesȱ Zielȱ dieȱ rechtzeitigeȱ undȱ qualitätsgerechteȱ Fertigungȱ einerȱ bestimmtenȱ Mengeȱ Elektrogeräteȱ proȱ ZeiteinȬ heitȱ (Monat,ȱ Jahr)ȱ definiertȱ werden.ȱ Dieȱ PlanȬSollȬErfüllungȱ inȱ Bezugȱ aufȱ Quantitätȱ undȱ Qualitätȱ stehtȱ dabeiȱ imȱ Vordergrund,ȱ kannȱ allerdingsȱ aufȱ verschiedenenȱ Wegenȱ erreichtȱ werden.ȱ Entwederȱ durchȱ denȱ Druckȱ undȱ kontinuierlicheȱ Kontrolleȱ derȱ FühȬ rungskraftȱ undȱ massiveȱ Überstundenȱ beiȱ einemȱ negativenȱ Arbeitsklimaȱ undȱ Dienstȱ nachȱVorschrift,ȱoderȱaberȱimȱRahmenȱeinerȱgutȱkoordinierten,ȱeigenverantwortlichenȱ Teamarbeitȱ engagierterȱ undȱ innovationsbereiterȱ Mitarbeiterȱ innerhalbȱ normalerȱ ArȬ beitszeit,ȱ begleitetȱ vonȱ Verbesserungsvorschlägenȱ undȱ Zufriedenheit.ȱ Guteȱ Führungȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 329ȱ Küpers,ȱW.ȱundȱWeibler,ȱJ.ȱEmotionenȱinȱOrganisationen,ȱS.ȱ18.ȱ

278ȱ

Qualität der Führung

beeinflusstȱ nichtȱ nurȱ dasȱ Erreichenȱ formellerȱ Ziele,ȱ sondernȱ fördertȱ Eigeninitiative,ȱ IdeenreichtumȱundȱoptimaleȱProblemlösungenȱsowieȱlangfristigeȱArbeitszufriedenheitȱ undȱPotenzialentwicklungȱderȱMitarbeiter.ȱ DieȱAusrichtungȱderȱFührungȱaufȱdenȱwirtschaftlichenȱErfolgȱbegründetȱdieȱökonomiȬ schenȱ Zieleȱ derȱ Personalführung:ȱ Produktionskennzahlen,ȱ Gradȱ derȱ ökonomischenȱ Zielerreichung,ȱ Produktivität,ȱ Flexibilität,ȱ Innovationȱ undȱ Lernfähigkeitȱ sowieȱ positiȬ vesȱImageȱdesȱUnternehmensȱundȱZufriedenheitȱbeiȱKunden,ȱLieferantenȱundȱanderenȱ Stakeholdern.ȱAllerdingsȱstelltȱsichȱderȱwirtschaftlicheȱErfolgȱeinerȱUnternehmenseinȬ heitȱalsȱeinȱkomplexesȱErgebnisȱverschiedenerȱVoraussetzungenȱdar,ȱundȱesȱistȱschwieȬ rig,ȱ denȱ eigentlichenȱ Einflussȱ derȱ Personalführungȱ aufȱ dieȱ ökonomischenȱ Zielgrößenȱ zuȱidentifizieren.ȱ Dieȱ sozialenȱ Zieleȱ derȱ Personalführungȱ könnenȱ inȱ vierȱ Gruppenȱ unterteiltȱ werdenȱ (wobeiȱ einzelneȱ Faktorenȱ sichȱ gegenseitigȱ beeinflussen):ȱ LeistungsȬȱ undȱ InnovationsȬ bereitschaft,ȱIdentifikationȱundȱLoyalitätȱgegenüberȱderȱAufgabeȱundȱdemȱUnternehȬ men,ȱArbeitszufriedenheitȱundȱpositivesȱArbeitsklimaȱsowieȱSelbstverwirklichungȱundȱ ȬentwicklungȱderȱMitarbeiter.G Dieȱ Qualitätȱ derȱ Führungȱ kannȱ alsȱ Gradȱ ihrerȱ Zielerreichungȱ definiertȱ werden.ȱ Analogȱ derȱ vorgenommenenȱ Unterteilungȱ inȱ ökonomischeȱ undȱ sozialeȱ Zieleȱ könnenȱ ökonomischeȱEffizienzȱ(GradȱdesȱwirtschaftlichenȱErfolgs)ȱundȱsozialeȱEffizienzȱ(Gradȱ derȱ Befriedigungȱ individuellerȱ Bedürfnisseȱ derȱ Mitarbeiter)ȱ derȱ Personalführungȱ beȬ trachtetȱ werden.ȱ Allgemeineȱ Kriterienȱ derȱ ökonomischenȱ undȱ sozialenȱ Effizienzȱ derȱ FührungȱsindȱinȱderȱweiterfolgendenȱTabelleȱdargestellt.ȱ KriterienȱzurȱErhebungȱderȱökonomischenȱEffizienzȱlassenȱsichȱausȱdenȱtraditionellenȱ betrieblichenȱ Informationssystemenȱ fürȱ jedeȱ Unternehmenseinheitȱ gewinnenȱ undȱ stellenȱdamitȱkeineȱSchwierigkeitȱdar.ȱNebenȱderȱstatischenȱBetrachtungȱ(IstȬZustand)ȱ istȱesȱsinnvoll,ȱdieȱEntwicklungstrendsȱinȱregelmäßigenȱAbständenȱzuȱüberprüfen.ȱDasȱ Kriteriumȱ „Zufriedenheitȱ undȱ positivesȱ Imageȱ beiȱ Kundenȱ undȱ anderenȱ StakeholȬ dern“ȱistȱaufȱderȱEbeneȱdesȱGesamtunternehmensȱbesondersȱwichtig.ȱAllerdingsȱkannȱ esȱ nurȱ schwerȱ aufȱ jedeȱ einzelneȱ Einheitȱ undȱ jedesȱArbeitsteamȱ runtergebrochenȱ werȬ denȱ undȱ istȱ nurȱ dannȱ sinnvoll,ȱ wennȱ Kundenzufriedenheitȱ undȱ Öffentlichkeitsarbeitȱ zuȱdenȱunmittelbarenȱZielenȱderȱEinheitȱgehörenȱ(z.ȱB.ȱKundendienstȱoderȱAbteilungȱ fürȱ Kundenbeschwerden).ȱ Dieȱ bereitsȱ erwähnteȱ Schwierigkeit,ȱ denȱ direktenȱ Einflussȱ derȱ Führungȱ aufȱ dieȱ Wirtschaftsergebnisseȱ zuȱ isolieren,ȱ schränktȱ generellȱ dieȱ AnȬ wendbarkeitȱökonomischerȱKriterienȱalsȱQualitätsmaßȱderȱPersonalführungȱein.ȱ ȱ

279ȱ

14.4

14

Führung

Tabelleȱ45:ȱ QualitätskriterienȱderȱFührungȱ ȱKriterien öko-

Produktionskennzahlen: Output (Produktionsmenge), Umsatz, Produkt- und

nomischer Effi-

Dienstleistungsqualität, Wachstum

zienz

Produktivität: Arbeitsproduktivität, Stückkosten, Fehlerquote Flexibilität, Innovation und Lernfähigkeit: Ideen- und Patentanzahl, Anteil neuer Produkte/Dienstleistungen Zufriedenheit und positives Image bei Kunden, Lieferanten und anderen Stakeholdern: Kundentreue, möglichst wenig Kundenbeschwerden, Lieferantentreue, positives Bild des Unternehmens in der Öffentlichkeit

Kriterien sozialer

Leistungs- und Innovationsbereitschaft: Leistungsbereitschaft, Teamorientie-

Effizienz

rung, Lernbereitschaft, Innovationsbereitschaft, Bereitschaft zur Verantwortung Identifikation und Loyalität gegenüber der Aufgabe und dem Unternehmen Arbeitszufriedenheit und positives Klima auf der Basis von Wertschätzung, Vertrauen, offener Kommunikation, Anerkennung der Leistung, Gerechtigkeit und Fairness der Vorgesetzten, Mobbing- und Konfliktfreiheit, Vertrauen, Balance zw. Arbeit und Familie Grad der Selbstverwirklichung und -entwicklung: optimale Nutzung von Potenzialen und Talenten, Freiräume für Verantwortung, Initiative und Kreativität, Möglichkeiten der Weiterbildung

ȱ DieȱsozialenȱZielgrößenȱsindȱimȱGegensatzȱdazuȱschwerȱquantifizierbar.ȱAlsȱqualitatiȬ veȱDatenȱmüssenȱsieȱaufȱeinȱbestimmtesȱSkalenniveauȱtransformiertȱundȱdamitȱ„messȬ bar“ȱ gemachtȱ werden.ȱ Sieȱ könnenȱ beispielsweiseȱ inȱ Mitarbeitergesprächenȱ undȱ ȬbefragungenȱoderȱinȱBeurteilungsprozessenȱerfasstȱwerden.ȱDieseȱMethodenȱmüssenȱ allerdingsȱinȱBezugȱaufȱihreȱValidität,ȱReliabilitätȱundȱObjektivitätȱüberprüftȱwerden.ȱ InȱderȱPraxisȱerweistȱsichȱdieȱMessungȱvonȱFührungseffizienzȱalsȱziemlichȱproblemaȬ tisch,ȱwasȱaufȱfolgendeȱUrsachenȱzurückzuführenȱist:ȱ

„ Manȱkannȱnurȱdasȱmessen,ȱwasȱvorherȱdefiniertȱwordenȱist:ȱDieȱAnforderungenȱanȱ dieȱPersonalführungȱundȱihreȱZieleȱmüssenȱexplizitȱfestgelegtȱwerdenȱ(durchȱverȬ bindlicheȱFührungsleitlinienȱundȱoperationaleȱMessgrößen);ȱ

„ dieȱ Determinantenȱ derȱ Führungssituationȱ sindȱ inȱ jedemȱ Unternehmenȱ bzw.ȱ jederȱ Unternehmenseinheitȱ verschieden:ȱ Dieȱ Messkriterienȱ müssenȱ individuellȱ angeȬ passtȱundȱinȱBezugȱaufȱihreȱRelevanzȱgewichtetȱwerden.ȱ

280ȱ

Qualität der Führung

14.4.2

Messung der Führungsqualität

FürȱdieȱpraktischeȱMessungȱundȱSicherungȱderȱFührungsqualitätȱinȱeinemȱUnternehȬ menȱsolltenȱFührungsleitlinienȱalsȱnormativeȱBasisȱformuliertȱ(vgl.ȱKapitelȱ13.3.3)ȱundȱ dieȱ relevantenȱ Messkriterienȱ derȱ Führungseffizienzȱ definiertȱ werden.ȱAlsȱ Instrumentȱ derȱ strukturellenȱ Führung,ȱ verfolgenȱ dieȱ Führungsleitlinienȱ dasȱ Ziel,ȱ adäquateȱ FühȬ rungsstrategien,ȱ Ȭstileȱ undȱ Ȭmittelȱ sowieȱ Verantwortungȱ undȱ Spielräumeȱ derȱ FühȬ rungskräfteȱ festzulegen.ȱ Sieȱ bildenȱ eineȱ gemeinsame,ȱ einheitlicheȱ undȱ systematischeȱ GrundlageȱfürȱdieȱFührungȱinȱUnternehmen.ȱȱ Dieȱ Unternehmensrealitätȱ istȱ allerdingsȱ vielfältiger:ȱ Routinenȱ undȱ alltäglicheȱ EntȬ scheidungenȱeinerȱFührungskraftȱwieȱBeurteilungen,ȱBeförderungen,ȱKritikgespräche,ȱ Personalauswahlȱ undȱ Ȭabbauȱ werdenȱ vonȱ situativenȱ Zwängen,ȱ Stimmungen,ȱ GefühȬ len,ȱUngewissheit,ȱZeitdruckȱundȱanderenȱFaktorenȱbeeinflusst.ȱDieȱFührungsleitlinienȱ könnenȱ undȱ dürfenȱ dieseȱ Einzelsituationenȱ nichtȱ regeln.ȱFürȱ dasȱ praktischeȱ Handelnȱ istȱ jedeȱ Führungskraftȱ alleinȱ verantwortlich.ȱ Somitȱ könnenȱ dieȱ Führungsleitlinienȱ alleinȱ nichtȱ alsȱ Garantȱ derȱ Führungsqualitätȱ fungieren.ȱ Einȱ Unternehmen,ȱ dasȱ dieȱ Qualitätȱ derȱ Personalführungȱ verbessernȱ undȱ sichernȱ will,ȱ mussȱ eigeneȱ individuellȱ angepassteȱ Messkriterienȱ derȱ Führungsqualitätȱ entwickelnȱ undȱ anȱ ihrerȱ langfristigenȱ Sicherungȱsystematischȱarbeiten.ȱ DieȱEntwicklungȱindividuellerȱMesskriterienȱderȱFührungsqualitätȱkannȱfürȱdasȱganzeȱ Unternehmenȱ undȱfürȱjedeȱUnternehmenseinheitȱeinzelnȱvorgenommenȱwerden,ȱwoȬ beiȱ dieȱ gesamtunternehmerischeȱ Strategie,ȱ Kulturȱ undȱ dieȱ Führungsleitlinienȱ eineȱ gemeinsameȱBasisȱbilden.ȱDieȱobenȱinȱderȱTabelleȱdefiniertenȱEffizienzkriterienȱsolltenȱ aufȱ jedeȱ Einheitȱ jeȱ nachȱAufgaben,ȱ Größeȱ undȱ Organisationsstrukturȱ angepasstȱ werȬ den.ȱ DerȱErreichungsgradȱderȱökonomischenȱKriterienȱkannȱunmittelbarȱgemessenȱundȱmitȱ denȱErgebnissenȱvorigerȱPeriodenȱverglichenȱwerden.ȱDieȱErreichungȱrelevanterȱsoziaȬ lerȱEffizienzkriterienȱkannȱvonȱdenȱFührungskräftenȱselbst,ȱihrenȱUntergebenen,ȱKolȬ legenȱ undȱ Vorgesetztenȱ beurteiltȱ werden.ȱ Besondersȱ geeignetȱ istȱ dasȱ verbreiteteȱ InȬ strumentȱ desȱ 360°ȬFeedback.ȱ Esȱ istȱ wichtig,ȱ dieȱ Eigenwahrnehmungȱ einerȱ FührungsȬ kraftȱ mitȱ derȱ Fremdwahrnehmungȱ ihrerȱ Mitarbeiterȱ zuȱ konfrontieren,ȱ daȱ esȱ häufigȱ vorkommt,ȱ dassȱ dieȱ Führungskräfteȱ sichȱ selbstȱ vielȱ positiver,ȱ demokratischerȱ undȱ offenerȱsehen,ȱalsȱsieȱvonȱAnderenȱgesehenȱwerden.ȱEinȱrealistischesȱFeedbackȱistȱfürȱ dieȱ Weiterentwicklungȱ einerȱ solchenȱ Führungskraftȱ eineȱ bittere,ȱ aberȱ notwendigeȱ Wahrheit.ȱ Dieȱ Meinungenȱ derȱ Mitarbeiter,ȱ dieȱ vomȱ Führungsverhaltenȱ unmittelbarȱ betroffenȱ sind,ȱhabenȱbeiȱderȱBeurteilungȱderȱFührungsqualitätȱeineȱbesondereȱBedeutung.ȱDieȱ Erhebungȱ dieserȱ Meinungenȱ istȱ mitȱ vielenȱ Schwierigkeitenȱ behaftet:ȱ dieȱ GewährleisȬ tungȱderȱAnonymität,ȱangstfreieȱAtmosphäreȱfürȱdieȱKritik,ȱMotivation,ȱsichȱanȱBefraȬ gungenȱ undȱ Diskussionenȱ zuȱ beteiligen.ȱ Alsȱ besondersȱ problematischȱ erweisenȱ sichȱ solcheȱBeurteilungenȱinȱkleinenȱAbteilungenȱundȱGruppen,ȱwoȱjederȱ–ȱauchȱbeiȱeinerȱ

281ȱ

14.4

14

Führung

anonymenȱ Befragungȱ –ȱ leichtȱ identifiziertȱ werdenȱ kann.ȱ Alsȱ Gegenmittelȱ dienenȱ Transparenz,ȱeineȱoffene,ȱkritikfreudigeȱAtmosphäreȱundȱgegenseitigeȱWertschätzung.ȱ AbschließendȱsollenȱBefragungsergebnisseȱzeitnahȱundȱoffenȱkommuniziertȱundȱKonȬ sequenzenȱgezogenȱwerden.ȱ InȱderȱPraxisȱführenȱdieȱanȱderȱFührungsqualitätȱinteressiertenȱUnternehmenȱalleȱzweiȱ bisȱ dreiȱ Jahreȱ eineȱ allumfassendeȱ standardisierteȱ Mitarbeiterbefragungȱ durchȱ (z.ȱ B.ȱ DegussaȱAG,ȱGaleriaȱKaufhofȱAG).ȱSoȱwerdenȱdieȱStimmungȱderȱBelegschaftȱundȱdieȱ gelebtenȱFührungsprinzipienȱobjektiv,ȱsystematischȱundȱinȱihrerȱDynamikȱbewertet.ȱ Dieȱ Messkriterienȱ derȱ Führungsqualitätȱ könnenȱ inȱ verschiedenenȱ Formenȱ dargestelltȱ werden.ȱ Nebenȱ einerȱ imȱ vorigenȱ Abschnittȱ beschriebenenȱ tabellarischenȱ Darstellungȱ kannȱauchȱeineȱFührungsȬScorecardȱerstelltȱwerden.ȱNichtȱdieȱFormȱanȱsich,ȱsondernȱ dieȱInhalteȱsindȱentscheidend:ȱWasȱwirdȱgemessen?ȱVonȱwemȱwirdȱdieȱFührungsqualiȬ tätȱbeurteilt?ȱ Genausoȱ wieȱ dieȱ Messkriterienȱ ausȱ derȱ Tabelle,ȱ sollenȱ dieȱ Felderȱ einerȱ FührungsȬ Scorecardȱ anȱ dieȱ Besonderheitenȱ desȱ Unternehmens,ȱ seineȱ Strategieȱ undȱ Kultur,ȱ undȱ anȱ dieȱ spezifischenȱ Merkmaleȱ jederȱ Einheitȱ (Sachziele,ȱ Organisationȱ u.ȱ ä.)ȱ angepasstȱ werden.ȱ Dieȱ FührungsȬScorecardȱ sollteȱ inȱ dieȱ übergeordneteȱ BalancedȬScorecardȱ desȱ UnternehmensȱeingebundenȱwerdenȱundȱanhandȱvonȱKennzahlenȱdieȱVerbesserungsȬ bereicheȱderȱPersonalführungȱimȱUnternehmenȱidentifizierenȱundȱverfolgen.ȱAlsȱBasisȱ werdenȱ normalerweiseȱ vierȱ klassischeȱ Felderȱ einerȱ FührungsȬBalancedȬScorecardȱ benutzt:ȱ Marktȱ (Marktorientierung),ȱ Unternehmensleitungȱ (Zielorientierung),ȱ MitarȬ beiterȱ(Mitarbeiterorientierung)ȱundȱInnovationȱ(Flexibilität,ȱLernȬȱundȱInnovationsfäȬ higkeit).ȱȱ

Abb.ȱ65:ȱ

AnforderungenȱanȱdieȱPersonalführungȱinȱFormȱeinerȱFührungsȬScorecard330ȱ ȱ

Markt

ȱ

Anforderungen aus Sicht der Kunden Mitarbeiter Erwartungen aus Sicht der Mitarbeiter

Personalführung

ȱ Unternehmensleitung

ȱ

Anforderungen aus Sicht der Leitung

ȱ ȱ

Verbesserung, Lernfähigkeit

ȱ

Wie kann Führung verbesserungsfähig bleiben?

ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 330ȱ InȱAnlehnungȱanȱAkitürk,ȱD.ȱC.;ȱBühner,ȱR.ȱQualitätȱinȱderȱMitarbeiterführung,ȱS.ȱ8.ȱ

282ȱ

Qualität der Führung

Fürȱ dieȱ Praxisȱ empfiehltȱ esȱ sich,ȱ dieȱ Felderȱ derȱ FührungsȬScorecardȱ individuellȱ zuȱ gestalten.ȱZunächstȱsindȱdieȱAnforderungenȱanȱdieȱPersonalführungȱanhandȱderȱFühȬ rungsleitlinien,ȱ Unternehmensstrategieȱ undȱ –kulturȱ zuȱ definieren.ȱ Danachȱ sollenȱ dieȱ quantitativenȱ Messgrößenȱ undȱ dieȱ Zielwerteȱ fürȱ jedesȱ Kriteriumȱ bestimmtȱ werden.ȱ Darüberȱ hinausȱ brauchtȱ manȱ explizitȱ beschriebeneȱ Maßnahmenȱ undȱ Aktivitätenȱ fürȱ dieȱ Zielerreichung.ȱ Esȱ istȱ offensichtlich,ȱ dassȱ eineȱ FührungsȬScorecardȱ nurȱ beiȱ einerȱ übersichtlichenȱAnzahlȱ vonȱ Kriterienȱ funktionierenȱ kann,ȱ deswegenȱ sollenȱ dieȱ KennȬ zahlenȱaufȱeinȱMinimumȱreduziertȱwerden.ȱ Dieȱ FührungsȬScorecardȱ alsȱ Instrumentȱ fürȱ dieȱ Sicherungȱ undȱ Steigerungȱ derȱ FühȬ rungsqualitätȱhatȱihreȱGrenzen:ȱdieȱsozialenȱEffizienzkriterienȱsindȱschwerȱzuȱquantiȬ fizierenȱ undȱ dieȱ Begrenzungȱ derȱAnzahlȱ vonȱ Kennzahlenȱ führtȱ zurȱ inhaltlichenȱ EinȬ schränkungȱundȱFormalisierungȱderȱFührungseffizienz.ȱ Eineȱ aktiveȱ systematischeȱ Arbeitȱ anȱ derȱ Führungsqualitätȱ inȱ einemȱ Unternehmenȱ bringtȱvieleȱVorteileȱȬȱSteigerungȱderȱMotivationȱundȱLeistungsbereitschaft,ȱKreativitätȱ undȱ Innovation,ȱ Identifikationȱ undȱ Zusammengehörigkeit,ȱ Arbeitszufriedenheitȱ undȱ Weiterentwicklungȱ derȱ Mitarbeiterpotenziale.ȱAberȱ auchȱ einȱ Vergleichȱ verschiedenerȱ Unternehmenȱ inȱ Bezugȱ aufȱ dieȱ Führungseffizienzȱ imȱ Rahmenȱ einesȱ Benchmarkingȱ wäreȱ sinnvoll.ȱ Genausoȱ wieȱ esȱ Qualitätsstandardsȱ fürȱ Produkteȱ undȱ Prozesse,ȱ sogarȱ fürȱ dieȱ Unternehmensethikȱ gibt,ȱ kannȱ dieȱ Qualitätȱ derȱ Führungȱ (aufȱ derȱ Ebeneȱ desȱ ganzenȱ Unternehmens)ȱ standardisiertȱ undȱ zertifiziertȱ werden.ȱ Dieȱ Entwicklungȱ geȬ meinsamerȱAnforderungenȱanȱdieȱPersonalführungȱkönnteȱinȱdenȱkommendenȱJahrenȱ stattfinden,ȱ dieȱ Voraussetzungenȱ dafürȱ sindȱ bereitsȱ geschaffen.ȱ Klassischeȱ ZertifizieȬ rungsȬȱ bzw.ȱ Benchmarkansätzenȱ derȱ Unternehmensführungȱ wieȱ derȱ EFQMȬAnsatzȱ (Europeanȱ Foundationȱ forȱ Qualityȱ Management)ȱ beinhaltenȱ schonȱ Kriterienȱ derȱ PerȬ sonalführung,ȱdieȱjedochȱentwicklungsbedürftigȱsind.331ȱDieȱFührungsleitlinienȱgroßerȱ UnternehmenȱweisenȱwesentlicheȱÜberschneidungenȱauf.ȱAußerdemȱgibtȱesȱinternatiȬ onaleȱethischeȱStandardsȱ(z.ȱB.ȱStandardȱSocialȱAccountabilityȱInternationalȱ(SAȱ8000);ȱ GlobalȱCorporateȱCitizenshipȱInitiativeȱ(GCCI)ȱdesȱWorldȱEconomicȱForum),ȱdieȱunterȱ AnderemȱGrundsätzeȱdesȱFührungsverhaltensȱdefinieren.ȱ DieȱbereitsȱerläutertenȱKriterienȱderȱsozialenȱEffizienzȱkönntenȱalsȱBenchmarkkriterienȱ fürȱdieȱPersonalführungȱdienen.ȱAlsȱUntersuchungsmethodeȱwäreȱeineȱstandardisierteȱ MitarbeiterȬȱ undȱ Führungskräftebefragungȱ geeignet,ȱ dieȱ alleȱ Einzelkriterienȱ derȱ FühȬ rungsqualitätȱ ausȱ derȱ Perspektiveȱ derȱ Führungskräfteȱ undȱ derȱ Mitarbeiterȱ abfragt.ȱ ManȱkönnteȱdasȱimȱerstenȱAbschnittȱbeschriebeneȱVerfahrenȱaufgrundȱdesȱGreatȱPlaceȱ toȱWorkȬModellsȱ(beiȱdemȱinȱInterviewsȱundȱBefragungenȱGlaubwürdigkeit,ȱRespektȱ undȱFairnessȱdesȱManagements,ȱIdentifikationȱmitȱderȱArbeitȱundȱdemȱUnternehmenȱ sowieȱTeamorientierungȱ untersuchtȱwerden)ȱumȱ weitereȱrelevanteȱKriterienȱderȱFühȬ rungsqualitätȱ ergänzen.ȱ Vonȱ einemȱ PersonalführungsȬBenchmarkingȱ würdenȱ sowohlȱ dieȱUnternehmenȱ(durchȱdasȱverbesserteȱImageȱinȱderȱÖffentlichkeitȱundȱbeiȱpotentielȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 331ȱ Vgl.ȱKapitelȱ13ȱ“Unternehmensethik”ȱ

283ȱ

14.4

14

Führung

lenȱArbeitnehmern,ȱstärkereȱIdentifikationȱundȱMotivationȱderȱBelegschaften),ȱalsȱauchȱ dieȱ Mitarbeiterȱ (durchȱ dieȱ bessereȱ Qualitätȱ undȱ Transparenzȱ derȱ Personalführung)ȱ profitieren.ȱ

14.4.3

Ein Konzept für die langfristige Sicherung der Führungsqualität

UmȱdieȱQualitätȱderȱFührungȱinȱUnternehmenȱlangfristigȱzuȱsichern,ȱbrauchtȱmanȱeinȱ ganzheitlichesȱKonzept,ȱdasȱbestimmteȱroutinemäßigeȱundȱ konsequenteȱMaßnahmenȱ beinhaltetȱundȱinȱmehrerenȱSchrittenȱumgesetztȱwird.ȱ Inȱ derȱ erstenȱ Phaseȱ werdenȱ dieȱAnforderungenȱ anȱ dieȱ Führungsqualitätȱ explizitȱ undȱ verbildlichȱ definiert.ȱAufgrundȱ derȱ Unternehmensstrategieȱ undȱ Unternehmenskulturȱ solltenȱdieȱFührungsleitlinienȱentwickeltȱundȱbreitȱdiskutiertȱwerden.ȱZusätzlichȱsollenȱ fürȱ jedeȱ Unternehmenseinheitȱ undȱ fürȱ dasȱ Unternehmenȱ alsȱ Ganzesȱ operationaleȱ MessgrößenȱfürȱdieȱökonomischeȱEffizienzȱundȱdieȱBeurteilungskriterienȱderȱsozialenȱ Effizienzȱ derȱ Führungȱ definiertȱ werden.ȱ Dieȱ Messgrößenȱ undȱ Kriterienȱ könnenȱ entȬ wederȱ inȱ tabellarischerȱ Formȱ oderȱ alsȱ inȱ dieȱ gesamtunternehmerischeȱ BalancedȬ ScorecardȱintegrierteȱFührungsȬScorecardȱabgebildetȱwerden.ȱ Alsȱ zweiterȱ Schrittȱ sollteȱ einȱ funktionierendesȱ Systemȱ regelmäßigerȱ Erhebungenȱ vonȱ Messgrößenȱ undȱ Beurteilungenȱ geschaffenȱ werden.ȱ Dabeiȱ istȱ fürȱ dieȱ Objektivität,ȱ Anonymität,ȱ angstfreieȱ Atmosphäreȱ undȱ Motivationȱ derȱ Beteiligtenȱ zuȱ sorgen.ȱ Amȱ bestenȱ geeignetȱ istȱ eineȱ Kombinationȱ ausȱ verschiedenenȱ Beurteilungsmethoden:ȱ MitȬ arbeitergespräche,ȱ Gruppendiskussionen,ȱ Selbstbeurteilungȱ vonȱ Führungskräften,ȱ 360°ȬFeedbackȱundȱMitarbeiterbefragungen.ȱ Imȱ drittenȱ Schrittȱ solltenȱ dieȱ Ergebnisseȱ kommuniziertȱ undȱ Konsequenzenȱ gezogenȱ werden.ȱ Sofortigesȱ undȱ transparentesȱ Reagierenȱ aufȱ dieȱ Meinungenȱ istȱ fürȱ dieȱ WirkȬ samkeitȱ derȱ Beurteilungȱ entscheidend.ȱ Zuȱ denȱ Konsequenzenȱ zählen:ȱ Seminare,ȱ Workshopsȱ undȱ Weiterbildungsmaßnahmenȱ fürȱ Führungskräfte,ȱ gegebenenfallsȱ PerȬ sonalentscheidungenȱ (Beförderung,ȱ Versetzungȱ oderȱ Freistellung)ȱ sowieȱ GruppenȬȱ undȱEinzelgesprächeȱmitȱFührungskräftenȱundȱMitarbeitern.ȱ Begleitendȱ sollenȱ dieȱ Führungsleitlinienȱ undȱ dieȱ Unternehmenswerteȱ regelmäßigȱ inȱ Bezugȱ aufȱ ihreȱ Gültigkeitȱ undȱ Wirksamkeitȱ überprüftȱ undȱ beiȱ Bedarfȱ modernisiertȱ werden.ȱAlsȱpraktischeȱInstrumenteȱdafürȱkönnenȱspezielleȱWorkshopsȱmitȱFührungsȬ kräften,ȱ Analyseȱ vonȱ Ergebnisseȱ derȱ Mitarbeiterbefragungenȱ oderȱ eineȱ IntranetȬ PlattformȱzumȱThemaȱFührungsqualitätȱeingesetztȱwerden.ȱ ȱ ȱ ȱ 284ȱ

Qualität der Führung

Kontrollfragenȱȱ 1. Erläuternȱ Sieȱ denȱ Wertewandelȱ inȱ derȱ Gesellschaftȱ undȱ seineȱ Auswirkungenȱ aufȱ dieȱFührungspraxis.ȱ 2. WelcheȱFolgenȱfürȱdieȱFührungȱhabenȱverschiedeneȱMenschenbilder?ȱȱ 3. ErläuternȱSieȱkurzȱdieȱMenschenbilderȬAnsätzeȱvonȱMcGregorȱundȱSchein.ȱ 4. NehmenȱSieȱStellungȱzuȱderȱAussageȱvonȱR.ȱSprengerȱ„JederȱManagerȱhatȱdieȱMitȬ arbeiter,ȱdieȱerȱverdient“.ȱ 5. WelchesȱFührungsverständnisȱentsprichtȱderȱmodernenȱUnternehmenspraxis?ȱ 6. DefinierenȱSieȱstrukturelleȱundȱinteraktiveȱFührungȱundȱihreȱInstrumente.ȱ 7. WasȱverstehenȱSieȱunterȱeinemȱFührungsstil?ȱ 8. Beschreibenȱ Sieȱ dasȱ Führungsstilkontinuumȱ vonȱ Tannenbaumȱ undȱ Schmidtȱ undȱ dieȱdarausȱresultierendenȱFührungsstile.ȱ 9. ErläuternȱSieȱdasȱManagerialȱGridȱvonȱBlakeȱundȱMouton.ȱ 10. ErklärenȱSieȱdieȱFührungsstiltypologieȱnachȱR.ȱWunderer.ȱ 11. BeschreibenȱSieȱFührungsstileȱinȱderȱPraxis.ȱ 12. Erläuternȱ Sieȱ dasȱ Konzeptȱ derȱ situativenȱ Führungȱ undȱ dieȱ soȱ genannteȱ GlockenȬ kurve.ȱȱ 13. Beschreibenȱ Sieȱ dasȱ Konzeptȱ derȱ zielorientiertenȱ Führungȱ amȱ Beispielȱ desȱ ManaȬ gementȱbyȱObjektives.ȱ 14. DiskutierenȱSieȱverschiedeneȱArtenȱderȱdelegativenȱFührung.ȱ 15. Charakterisierenȱ sieȱ denȱ Ansatzȱ derȱ werteorientiertenȱ (transformationalen)ȱ FühȬ rung.ȱ 16. Erläuternȱ Sieȱ dasȱ transformationalȬcharismatischeȱ Führungskonzeptȱ vonȱ ShaȬ mir/House/Arthur.ȱ 17. BeschreibenȱSieȱCharismaȱinȱderȱFührung,ȱseineȱVorteileȱundȱGefahren.ȱ 18. Welcheȱ Führungsstileȱ undȱ Ȭkonzepteȱ sindȱ Ihrerȱ Meinungȱ nachȱ fürȱ dieȱ moderneȱ PraxisȱeinerȱWissensgesellschaftȱgeignet?ȱ 19. WasȱistȱQualitätȱderȱFührung?ȱ 20. Erläuternȱ Sieȱ Qualitätskriterienȱ derȱ Führungȱ undȱ dieȱ Möglichkeitenȱ ihrerȱ MesȬ sung.ȱ 21. WieȱkannȱdieȱQualitätȱderȱFührungȱinȱUnternehmenȱlangfristigȱgesichertȱwerden?ȱ

285ȱ

14.4

15

Lernen und Wissen in Unternehmen

15 Lernen und Wissen in Unternehmen

DieȱHandlungseinheitȱUnternehmen,ȱdieȱalsȱlebendiges,ȱsichȱentwickelndes,ȱselbstänȬ digesȱSystemȱdefiniertȱwurdeȱ(s.ȱKapitelȱ12.1),ȱbesitztȱ–ȱebensoȱwieȱeinȱIndividuumȱ–ȱ ihrȱ Wissenȱ undȱ kannȱ undȱ mussȱ lernen.ȱ Dieȱ Ideeȱ derȱ lernendenȱ Organisationȱ genießtȱ seitȱ denȱ 1990erȱ Jahrenȱ eineȱ breiteȱ Anerkennung.ȱ Nurȱ einȱ lernfähigesȱ Unternehmenȱ kannȱinȱeinerȱWissensgesellschaftȱerfolgreichȱsein.ȱ Dasȱ zentraleȱ Problemȱ beiȱ demȱ Lernenȱ vonȱ Unternehmenȱ bestehtȱ darin,ȱ sinnvolleȱ Lernprozesseȱ derȱ Mitarbeiterȱ zuȱ initiierenȱ undȱ zuȱ steuern,ȱ damitȱ dasȱ ganzeȱ UnterȬ nehmenȱ langfristigȱ lernfähigȱ undȱ lernbereitȱ ist.ȱ Dasȱ organisatorischeȱ Lernenȱ basiertȱ aufȱdemȱindividuellenȱ(vgl.ȱKapitelȱ6)ȱundȱdemȱGruppenlernenȱ(vgl.ȱKapitelȱ11.7),ȱhatȱ jedochȱ seineȱ spezifischenȱ Merkmale.ȱ Dasȱ individuelleȱ Wissenȱ derȱ Mitarbeiterȱ mitȱ permanentȱlaufendenȱLernprozessenȱbildetȱdieȱBasis.ȱDurchȱdenȱAustauschȱvonȱWisȬ senȱ inȱ Gruppen,ȱ seineȱ Harmonisierungȱ undȱ dieȱ dabeiȱ entstehendenȱ Synergieeffekteȱ bildetȱsichȱGruppenwissen.ȱDafürȱsindȱdieȱunmittelbareȱInteraktionȱsowieȱdieȱsozialenȱ KompetenzenȱderȱGruppenmitgliederȱnotwendig,ȱdennȱnurȱunterȱdiesenȱBedingungenȱ kannȱ derȱ Austauschȱ undȱ Zuwachsȱ vonȱ Wissenȱ stattfinden.ȱ Dieseȱ Ebeneȱ wirdȱ durchȱ Lernprozesseȱ inȱ Gruppenȱ charakterisiertȱ undȱ istȱ fürȱ dasȱ Unternehmenswissenȱ entȬ scheidend,ȱweilȱdasȱneueȱWissenȱzumȱgroßenȱTeilȱinȱGruppenȱentsteht.ȱAufȱderȱorgaȬ nisationalenȱ Ebeneȱ kannȱ derȱ Umgangȱ mitȱ Wissenȱ auchȱ bewusstȱ gemanagtȱ werden,ȱ d.h.ȱ derȱ Umgangȱ mitȱ Wissenȱ wirdȱ institutionalisiert,ȱ geregeltȱ undȱ aufȱ dieȱ UnternehȬ menszieleȱorientiertȱ(Wissensmanagement).ȱȱ DasȱWissenȱeinesȱUnternehmensȱistȱnurȱzumȱTeilȱformalisiertȱundȱgespeichertȱ(expliȬ zit),ȱ einȱ wesentlicherȱ Teilȱ befindetȱ sichȱ inȱ denȱ Köpfenȱ derȱ Mitarbeiterȱ sowieȱ inȱ denȱ ungeschriebenenȱ Ritualen,ȱ Geschichten,ȱ Wertenȱ undȱ Normenȱ (Unternehmenskultur).ȱ Diesesȱimpliziteȱ Wissenȱ istȱ fürȱ dasȱ Unternehmenȱ nichtȱ wenigerȱ relevantȱ undȱ sollȱ beȬ nutzt,ȱgebündeltȱundȱweiterȱgegebenȱwerden.ȱWieȱkannȱeinȱUnternehmenȱdieȱgesamteȱ IntelligenzȱseinerȱMitarbeiterȱoptimalȱnutzen?ȱȱ DieȱAspekteȱdesȱunternehmerischenȱLernensȱundȱWissensȱsowieȱdieȱProblematikȱderȱ Unternehmensintelligenzȱ undȱ ihrerȱ Nutzungȱ werdenȱ inȱ diesemȱ Kapitelȱ erläutert.ȱ Dabeiȱ werdenȱ dieȱ wichtigstenȱ Begriffeȱ definiert,ȱ gängigeȱ Theorienȱ undȱ dieȱ aktuellenȱ praktischenȱLösungsalternativenȱdargestellt.ȱ

286ȱ

Theorien des organisationalen Lernens

15.1

Theorien des organisationalen Lernens

Einȱ Unternehmenȱ istȱ eineȱ sichȱ selbstȱ organisierendeȱ undȱ gestaltendeȱ sozialeȱ HandȬ lungseinheit,ȱ dieȱ aufȱ dieȱ langfristigeȱ Erreichungȱ gemeinsamerȱ Zieleȱ ausgerichtetȱ ist.ȱ Dieseȱ Definitionȱ basiertȱ aufȱ derȱ Metapherȱ einesȱ Unternehmensȱ alsȱ Individuum:ȱ esȱ organisiertȱundȱgestaltetȱsichȱselbst.ȱDieȱVorstellungȱvonȱeinemȱUnternehmenȱalsȱIndiȬ viduumȱhilftȱseineȱLernprozesseȱzuȱverstehen.ȱSeineȱUnternehmenskulturȱistȱdabeiȱalsȱ Analogonȱfürȱ dieȱPersönlichkeitȱmitȱihrenȱ einmaligenȱEigenschaftenȱundȱFähigkeitenȱ zuȱ sehen.ȱ Dasȱ unternehmerischeȱ Handelnȱ kannȱ alsȱ dasȱ bewusste,ȱ innerhalbȱ seinerȱ Grenzenȱ selbstȱ bestimmteȱ Tunȱ definiertȱ werden,ȱ mitȱ demȱ esȱ sichȱ oderȱ seineȱ Umweltȱ gemäßȱ seinenȱ Vorstellungenȱ undȱ Wertenȱ (seinemȱ Wissen)ȱ verändertȱ oderȱ bewahrt.ȱ Dabeiȱ istȱ dasȱ Handelnȱ mitȱ Kennen,ȱ Könnenȱ undȱ Wollenȱ (Unternehmenswissen)ȱ verȬ bunden.ȱȱ GenausoȱwieȱfürȱeineȱEinzelperson,ȱstehenȱHandelnȱundȱWissenȱeinesȱUnternehmensȱ inȱ einerȱ Wechselbeziehungȱ zueinander.ȱ Dasȱ Wissenȱ einesȱ Unternehmensȱ bestimmtȱ seinȱ Handeln,ȱ undȱ dieȱ Konsequenzenȱ diesesȱ Handelnsȱ initiierenȱ einenȱ Lernprozess,ȱ derȱzuȱWissensveränderungenȱführt.ȱȱ Dasȱ organisationaleȱ Lernenȱ kannȱ alsȱ einȱ Prozessȱ derȱ Veränderungȱ derȱ Wissensbasisȱ desȱ Unternehmensȱ beschriebenȱ werden,ȱ derȱ imȱ Wechselspielȱ zwischenȱ Individuenȱ undȱ demȱ Unternehmenȱ inȱ Interaktionȱ mitȱ derȱ Umweltȱ stattfindetȱ undȱ zuȱ bessererȱ SystemanpassungȱundȱProblemlösungsfähigkeitȱdesȱUnternehmensȱführt.ȱ MitȱdemȱorganisationalenȱLernenȱhabenȱsindȱinȱdenȱ1950Ȭ60erȱJahrenȱschonȱH.ȱSimon,ȱ R.ȱ Cyertȱ undȱ J.ȱ Marchȱ beschäftigt.ȱ Sieȱ habenȱ vorȱ allemȱ dasȱ Entscheidungsverhaltenȱ einesȱ Unternehmensȱ analysiert:ȱ seineȱAnpassungȱ anȱ dieȱ äußerenȱ Umständeȱ undȱAnȬ forderungen.ȱ Demȱ Unternehmenȱ wurdeȱ dabeiȱ eineȱ passiveȱ Rolleȱ unterstelltȱ –ȱ esȱ reaȬ giert,ȱanstattȱzuȱagieren.ȱDerȱAnsatzȱvonȱArgyrisȱundȱSchönȱ(erschienenȱ1978)ȱbeschäfȬ tigtȱsichȱmehrȱmitȱdemȱHandelnȱinnerhalbȱeinesȱUnternehmensȱundȱbeschreibtȱLernȬ typen,ȱ dieȱ überȱ dasȱ einfacheȱ Reagierenȱ aufȱ äußereȱ Umständeȱ hinausgehen.ȱ Dieȱ Theorieȱ desȱ lernendenȱ Unternehmensȱ vonȱ P.ȱ Sengeȱ (erschienenȱ 1990,ȱ aufȱ Deutschȱ 1996)ȱ hatȱ konstruktivenȱ Charakter:ȱ einȱ Unternehmenȱ sollȱ durchȱ Lernenȱ seineȱ eigeneȱ Realitätȱschaffen.ȱInȱdieȱgleicheȱRichtungȱgehenȱNonakaȱundȱTakeuchiȱmitȱihrerȱWisȬ sensmanagementtheorieȱ (1995)ȱ Ȭȱ fürȱ sieȱ stehtȱ dieȱ Schaffungȱ vonȱ neuemȱ Wissenȱ undȱ nichtȱ dieȱ traditionelleȱ Wissensverarbeitungȱ imȱ Mittelpunkt.ȱ Imȱ Weiterenȱ werdenȱ dieȱ genanntenȱLerntheorienȱinȱchronologischerȱReihenfolgeȱdiskutiert.ȱ ȱ

15.1.1

Die Theorie von Cyert und March

TheorienȱdesȱorganistorischenȱHandelnsȱundȱLernensȱsindȱebensoȱwieȱdieȱdesȱIndiviȬ duumsȱabhängigȱvonȱdemȱzugrundegelegtenȱMenschenȬȱbzw.ȱUnternehmensbild.ȱDieȱ Theorieȱ vonȱ Cyertȱ undȱ Marchȱ entstandȱ inȱ derȱAuseinandersetzungȱ mitȱ demȱ damalsȱ

287ȱ

15.1

15

Lernen und Wissen in Unternehmen

vorherrschendenȱ Bildȱ vomȱ rationalen,ȱ überȱ alleȱ notwendigenȱ Informationenȱ verfüȬ gendenȱMenschenȱbzw.ȱUnternehmen.ȱ(Vgl.ȱdieȱDarstellungȱdesȱAnsatzesȱderȱbegrenzȬ tenȱRationalitätȱvonȱHerbertȱA.ȱSimonȱinȱKapitelȱ7.3)ȱCyertȱundȱMarch332ȱwendenȱsichȱ gegenȱ dasȱ Bildȱ vomȱ rationalenȱ Unternehmenȱ undȱ setzenȱ ihmȱ einȱ sichȱ anpassendesȱ rationalesȱ Systemsȱ alsȱ Leitmodellȱ entgegen.ȱ Einȱ solchesȱ Systemȱ kannȱ sichȱ inȱ einemȱ gewissenȱ Rahmenȱ aufgrundȱ eigenerȱ Vorstellungen,ȱ unterȱ Berücksichtigungȱ derȱAusȬ seneinflüsseȱentwickeln.ȱȱ Cyertȱ undȱ Marchȱ betrachtenȱ dasȱ Unternehmenȱ alsȱ einȱ adaptives,ȱ rationalesȱ System,ȱ dasȱpotentiellȱverschiedeneȱSystemzuständeȱrealisierenȱkannȱundȱdessenȱeffektivȱrealiȬ sierterȱZustandȱdurchȱUmwelteinflüsseȱundȱdurchȱeinȱvonȱeigenenȱZielenȱundȱeigenenȱ EntscheidungsȬȱundȱAusführungsregelnȱgesteuertesȱVerhaltenȱbestimmtȱwird.ȱFolglichȱ lernenȱ Unternehmen,ȱ indemȱ sieȱ ihreȱ Ziele,ȱ dieȱ Regelnȱ ihrerȱ Umweltbeobachtungȱ (Aufmerksamkeitsregeln)ȱ undȱ ihreȱ Suchregelnȱ anȱ dieȱ Anforderungenȱ derȱ Umweltȱ anpassen.ȱȱ Dasȱ Auswahlverfahrenȱ derȱ Anpassungȱ wirdȱ vonȱ dreiȱ grundlegendenȱ Prinzipienȱ beȬ stimmt:333ȱ

„ VermeideȱUnsicherheit:ȱMinimiereȱdieȱNotwendigkeitȱderȱAuseinandersetzungȱmitȱ unsicherenȱzukünftigenȱEreignissenȱdurchȱBeschränkungȱaufȱkurzfristigȱorientierteȱ AktionenȱundȱstandardisierteȱEntscheidungsregeln.ȱ

„ HalteȱanȱbewährtenȱRegelsystemenȱ(z.B.ȱProduktionsregeln,ȱBerichtssysteme)ȱfest,ȱ korrigiereȱsieȱwennȱnotwendig,ȱaberȱstelleȱsieȱnichtȱprinzipiellȱinȱFrage.ȱȱ

„ BenutzeȱeinfacheȱRegeln.ȱ UnternehmenȱsindȱalsoȱreaktiveȱSysteme,ȱdieȱsichȱkurzfristigȱnachȱbestimmtenȱRegelnȱ anȱihreȱUmweltȱanpassen.ȱIhrȱVerhaltenȱwirdȱdurchȱvierȱHauptkonzepteȱbestimmt:334ȱ 1.ȱQuasilösungȱvonȱKonfliktenȱ Unternehmenȱ werdenȱ alsȱ Koalitionenȱ vonȱ Mitgliedernȱ mitȱ Unterschiedlichenȱ Zielenȱ betrachtet.ȱ Dieȱ Zieleȱ derȱ Koalitionsteilnehmerȱ anȱ dieȱ Organisationȱ werdenȱ alsȱ unabȬ hängigeȱBeschränkungenȱinȱFormȱvonȱAnspruchsniveausȱangesehen.ȱDieȱZieleȱwerdenȱ zerlegtȱundȱUntereinheitenȱzugeordnet,ȱdieȱsieȱ“lokal“ȱoptimieren.ȱDieȱErfüllungȱderȱ ZieleȱerfolgtȱimȱAllgemeinenȱsequentiell.ȱ 2.ȱVermeidungȱvonȱUngewissheitȱ OrganisationenȱversuchenȱUngewissheitȱzuȱvermeiden,ȱindemȱsieȱsichȱreaktivȱverhalȬ ten,ȱ d.ȱ h.ȱ Problemeȱ erstȱ dannȱ lösen,ȱ wennȱ sieȱ aufkommen,ȱ undȱ versuchen,ȱ ihreȱ UmȬ weltȱdurchȱAbsprachenȱstabilȱzuȱgestalten.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 332ȱ Vgl.ȱCyert,ȱR.M.;ȱMarch,ȱJ.G.ȱBehavioralȱTheoryȱofȱtheȱFirm,ȱS.ȱ99ȱff.ȱ 333ȱ Ebd.,ȱS.ȱ102.ȱ 334ȱ Vgl.ȱebd.,ȱS.ȱ116ȱff.ȱ

288ȱ

Theorien des organisationalen Lernens

Exkurs: Probleme des organisationalen Lernens am praktischen Beispiel Der Controller eines Geschäftsbereiches eines großen Unternehmens kommt eines Tages zu dem Schluss, das bestehende Rechnungswesen enthalte eine gravierende Ungenauigkeit, die zu falschen unternehmerischen Entscheidungen führt und folglich geändert werden müsse. Er fragt sich, ob er seine Überlegungen Anderen mitteilen und ob er versuchen soll, eine Änderung des Rechnungswesens herbeizuführen. Wer auf Mängel hinweist, macht sich nicht unbedingt beliebt, besonders dann nicht, wenn diese Anderen sich auf den oberen Hierarchieebenen befinden. Er kann sich nicht sicher sein, die Anderen von der Bedeutung und Richtigkeit seiner Überlegungen überzeugen zu können, denn die Anderen gehen ja nicht vorurteilsfrei in diese Diskussion hinein. Und schließlich besteht auch noch die Gefahr, dass er selbst einem Denkfehler unterlegen ist, dass der Fehler des Rechnungswesens beispielsweise nicht so schwerwiegende Konsequenzen hat, wie er zunächst angenommen hat. Wenn man aber eine Änderung durchzusetzen versucht und dabei scheitert, wirkt sich das nicht unbedingt vorteilhaft für das eigene Ansehen, die Karriere und damit die Motivation aus. Es kann also gut sein, dass unser Controller erst gar nicht versucht, seine Vorgesetzten und Kollegen und das zentrale Controlling an seinem Lernen teilhaben zu lassen. Ist er aber bereit, das Risiko des Scheiterns einzugehen, hat er mit großer Wahrscheinlichkeit einen langen beschwerlichen Weg vor sich: Er muss über viele Gespräche nicht weniger erreichen, als das zentrale Controlling zu einer Revision der Richtlinien zum Rechnungswesen zu veranlassen. Es liegt nahe, dass die Überzeugungsarbeit weniger aufwendig ausfällt, wenn ein Mitarbeiter aus dem zentralen Controlling oder gar der Abteilungsleiter von sich aus zu der Einsicht gelangt, dass das Rechnungswesen Mängel aufweist. Im Konzept des organisatorischen Lernens wird aber gerade auch die Notwendigkeit betont, dass Erfahrungen, die überall im Unternehmen anfallen, besonders solche, die auf den unteren Ebenen – „an der Front“ – gemacht werden, in offizielle Änderungsbemühungen einfließen sollen. Das Unternehmen soll offen für Änderungsanstöße von unten werden, sich nicht allein auf Initiativen „von oben“ verlassen müssen. Nehmen wir nun an, unserem Controller sei es gelungen, einen Prozess anzustoßen, an dessen Ende eine Revision des Rechnungswesens steht. Nun kommt es darauf an herauszubekommen, ob die Entscheidungen, die auf Informationen des neuen Rechnungswesens basieren, tatsächlich besser geworden sind, ob nun bestimmte Probleme besser bewältigt werden. Dies zu ermitteln, ist alles andere als einfach, denn nicht nur das Rechnungswesen hat sich geändert, viele andere Faktoren innerhalb und außerhalb des Unternehmens waren während des Prozesses der Änderung auch einem Wandel unterworfen. Es gibt keine einzige Entscheidungssituation im Unternehmen, die genau einer Entscheidungssituation vor der Änderung des Rechnungswesens gleicht, die also eine objektive Basis liefern könnte für die Einschätzung, ob die nun erzielten Ergebnisse aufgrund des geänderten Rechnungswesens besser sind. Die Einschätzung, ob die Ergebnisse besser geworden sind bzw. ob sie ohne die Änderung des Rechnungswesens nicht noch schlechter ausgefallen wären, ist immer von Interpretationen abhängig. Die Befürworter der Änderung tendieren zu einer positiven Interpretation, ihre Gegner eher zu einer negativen. Irrtum ist nicht auszuschließen. Diese Schwierigkeit der Einschätzung der Qualität von etablierten Problemlösungen besteht immer, so dass Individuen im Unternehmen nie ganz sicher sein können, dass sie die Probleme richtig erkannt haben, dass ihr Lernen sich positiv auf das Unternehmen auswirkt, wenn es ihnen gelingen sollte, andere mit ihrer Argumentation zu überzeugen und neue Problemlösungsprozesse im Unternehmen zu verankern. ( Quelle: Kieser, A.; Hegele, C.; Klimmer, M. Kommunikation im organisatorischen Wandel. Schäffer Poeschel Verlag, Stuttgart, 1998, S. 236-237)

ȱȱ 289ȱ

15.1

15

Lernen und Wissen in Unternehmen

3.ȱProblemorientierteȱSucheȱ Dieȱ Sucheȱ nachȱ Handlungsalternativenȱ istȱ immerȱ durchȱ einȱ Problemȱ motiviert.ȱ Sieȱ erfolgtȱ nachȱ einfachenȱ Regelnȱ zumeistȱ inȱ derȱ Nachbarschaftȱ desȱ Problemsymptomsȱ oderȱeinerȱbekanntenȱAlternativeȱundȱistȱdurchȱdieȱsubjektivenȱFaktorenȱderȱOrganisaȬ tionsmitgliederȱbestimmt.ȱ 4.ȱOrganisatorischesȱLernenȱ Unternehmenȱ lernen,ȱ indemȱ sieȱ ihreȱ Ziele,ȱ dieȱ Regelnȱ ihrerȱ Umweltbeobachtungȱ (Aufmerksamkeitsregeln)ȱ undȱ ihreȱ Suchregelnȱ anȱ dieȱ Anforderungenȱ derȱ Umweltȱ anpassen.ȱȱ ȱ

15.1.2

Lerntheorie von Argyris und Schön

ArgyrisȱundȱSchön335ȱhabenȱ1978ȱeinenȱAnsatzȱdesȱorganisatorischenȱLernensȱpräsenȬ tiert,ȱderȱeineȱentscheidendeȱRolleȱfürȱdieȱWeiterentwicklungȱderȱLerntheorienȱspielt.ȱ SieȱbetrachtenȱorganisatorischesȱHandelnȱalsȱindividuelles,ȱdurchȱbestimmteȱorganisaȬ torischeȱRollenȱ(imagesȱandȱmaps)ȱgeleitetesȱHandeln.ȱEsȱwirdȱzwischenȱzweiȱgrundȬ legendenȱTypenȱvonȱHandlungstheorienȱdifferenziert:ȱdenȱgeäußertenȱHandlungstheȬ orien,ȱ dieȱ vonȱ Akteurenȱ nachȱ außenȱ kommuniziertȱ werden,ȱ undȱ denȱ realenȱ GeȬ brauchstheorien.ȱ Diskrepanzenȱ zwischenȱ gewünschtemȱ undȱ tatsächlichemȱ Handelnȱ stimulierenȱ Lernprozesseȱ undȱ bildenȱ dieȱ Basisȱ fürȱ dasȱ Lernenȱ einesȱ Unternehmensȱ undȱseinerȱMitarbeiter.ȱStimmenȱdieȱHandlungsergebnisseȱeinesȱUnternehmensȱnichtȱ mitȱ denȱ Handlungserwartungenȱ überein,ȱ soȱ werdenȱ dieȱ Handlungstheorienȱ inȱ Frageȱ gestelltȱundȱeventuellȱkorrigiert.ȱEsȱkommtȱzuȱeinemȱorganisationalenȱLernen.ȱ Argyrisȱ undȱ Schönȱ unterscheidenȱ dreiȱ Lerntypen:ȱ „singleȬloopȬ„,ȱ „doubleȬloopȬ„ȱ soȬ wieȱ„deuteroȬlearning“,ȱdieȱinȱderȱfolgendenȱAbbildungȱerläutertȱwerden.ȱ Beimȱ „singleȬloopȬlearning“,ȱ oderȱ anpassendemȱ Lernenȱ (Lernenȱ Typȱ I)ȱ werdenȱ vonȱ denȱ Betroffenenȱ Zielabweichungenȱ undȱ Anpassungsfehlerȱ erkanntȱ undȱ korrigiert.ȱ DabeiȱändernȱsieȱnurȱdieȱParameterȱinȱvorgegebenenȱmethodischenȱSchemata.ȱDiesȱistȱ dasȱ anpassungsorientiertesȱ Lernenȱ (wieȱ imȱ behavioristischenȱ Konzept)ȱ undȱ erfordertȱ nurȱ geringeȱ Handlungsmodifikation.ȱ Beispiel:ȱ sinkenderȱAbsatzȱ erfordertȱ mehrȱ WerȬ bungȱundȱmehrȱVerkaufsaktivitäten.ȱ Dasȱ„doupleȬloopȬlearning“,ȱoderȱinnovativesȱLernenȱ(LernenȱTypȱII)ȱbedeutetȱLernenȱ durchȱBewertungȱundȱEntwicklungȱmethodischerȱSchemata.ȱEsȱzieltȱaufȱeineȱModifiȬ kationȱoderȱVerbesserungȱderȱallgemeinenȱRegeln,ȱNormenȱundȱZieleȱab.ȱDafürȱistȱeinȱ „Verlernen“ȱ vonȱ altenȱ Handlungsregelnȱ notwendigȱ sowieȱ dieȱ Erarbeitungȱ vonȱ neuenȱ kognitivenȱ Orientierungenȱ undȱ Denkweisen.ȱ Esȱ werdenȱ nichtȱ nurȱ Handlungsfehlerȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 335ȱ Argyris,ȱC.;ȱSchön,ȱD,ȱA.ȱDieȱlernendeȱOrganisation.ȱ

290ȱ

Theorien des organisationalen Lernens

korrigiert,ȱsondernȱauchȱihreȱUrsachenȱanalysiert.ȱBeispiel:ȱsinkenderȱAbsatzȱführtȱzurȱ Überprüfung,ȱobȱdiesȱanȱzuȱwenigȱWerbungȱoderȱmangelnderȱProduktqualitätȱliegt.ȱ Abb.ȱ66:ȱ

DreiȱLerntypenȱnachȱArgyrisȱundȱSchön336ȱ Reflexion & AnalyseEntwicklung von Einsichten

Ziele

Verhalten

Ergebnisse

Typ I Typ II Typ III

ȱ

Dasȱ„deuteroȬlearning“,ȱoderȱlernendesȱLernenȱ(LernenȱTypȱIII)ȱistȱdasȱhöchsteȱLernȬ niveauȱ–ȱSelbstreflexionȱderȱLernprozesseȱkommtȱhinzu.ȱDabeiȱwirdȱdasȱWissenȱüberȱ vergangeneȱLernprozesseȱ(ausȱdemȱanpassendenȱundȱinnovativenȱLernen)ȱgesammeltȱ undȱkommuniziert.ȱFolglichȱkönnenȱbisherigeȱLernkonzepteȱanalysiertȱwerden.ȱDiesesȱ reflektierendeȱLernenȱsteigertȱdasȱProblemlösungspotenzialȱeinesȱUnternehmensȱundȱ führtȱ zurȱ qualitativenȱ Veränderungȱ seinerȱ Handlungsmuster.ȱ Deuteroȱ Lernenȱ kannȱ nichtȱalsȱeinȱEinzelaktȱbetrachtetȱwerden,ȱsondernȱerfordertȱeineȱsystematischeȱArbeitȱ anȱLernenȱundȱLernfähigkeitȱeinerȱOrganisation.ȱ Dieȱ Gründe,ȱ warumȱ Unternehmenȱ nichtȱ zuȱ einemȱ innovativenȱ Lernenȱ oderȱ deuteroȱ Lernenȱ kommen,ȱ sehenȱArgyrisȱ undȱ Schönȱ inȱ denȱ vorherrschendenȱ HandlungstheoȬ rienȱderȱMitarbeiterȱinȱdenȱUnternehmen,ȱdieȱzumeistȱdurchȱeinȱdefensivesȱVerhaltenȱ bestimmtȱ sind.ȱ Dasȱ defensiveȱ Verhaltenȱ wirdȱ durchȱ dasȱ Vermeidenȱ vonȱ negativenȱ GefühlenȱinȱsozialenȱInteraktionenȱhervorgerufen.ȱDieȱBetroffenenȱunterdrückenȱundȱ vertuschenȱProbleme,ȱumȱsichȱundȱdieȱanderenȱvorȱnegativenȱGefühlenȱ zuȱschützen.ȱ Dadurchȱkommtȱesȱnichtȱzuȱklärenden,ȱdieȱPrinzipienȱinȱFrageȱstellendenȱInteraktioȬ nenȱundȱdamitȱnichtȱzuȱeinemȱhöherenȱLernen.ȱNotwendigeȱVoraussetzungȱfürȱbesseȬ reȱLernprozesseȱistȱalsoȱeineȱUnternehmenskultur,ȱdieȱoffene,ȱkonstruktiveȱDiskussioȬ nenȱ ermöglicht.ȱ Änderungen,ȱ dieȱ eineȱ konstruktiveȱ Unternehmenskulturȱ generieren,ȱ könnenȱ denȱ Unternehmenȱ jedochȱ nichtȱ vonȱ außenȱ vorgeschriebenȱ werden,ȱ sondernȱ müssenȱdurchȱeigeneȱEinsichtȱentwickeltȱwerden.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 336ȱ Vgl.ȱArgyris,ȱCh.;ȱSchön,ȱD.ȱA.ȱDieȱlernendeȱOrganisationȱaufȱderȱBasisȱvonȱBateson,ȱG.ȱÖkoȬ

logieȱdesȱGeistes,ȱS.362ȱff.ȱȱ

291ȱ

15.1

15

Lernen und Wissen in Unternehmen

15.1.3

Theorie der lernenden Organisation von P. Senge

Eineȱ weitereȱ bekannteȱ Lerntheorieȱ stammtȱ vonȱ P.ȱ Senge337.ȱ Unternehmenȱ sindȱ nachȱ Sengeȱ „einȱ Ort,ȱ anȱ demȱ Menschenȱ kontinuierlichȱ entdecken,ȱ dassȱ sieȱ ihreȱ Realitätȱ selbstȱerschaffen.ȱUndȱdassȱsieȱsieȱverändernȱkönnen.“338ȱErȱbeschreibtȱsiebenȱHinderȬ nisseȱinȱOrganisation,ȱdieȱdasȱLernenȱverhindernȱkönnenȱundȱdefiniertȱalsȱLösungȱdieȱ sogenanntenȱ„5ȱDisziplinen“ȱdesȱlernendenȱUnternehmens.ȱȱ DieȱsiebenȱLernhemmnisseȱnachȱSengeȱsind:339ȱ 1.

„IchȱbinȱmeineȱPosition“.ȱDieȱmeistenȱMitarbeiterȱeinesȱUnternehmensȱsehenȱ sichȱalsȱTeilȱeinesȱSystems,ȱaufȱdasȱsieȱwenigȱEinflussȱhaben.ȱSieȱtunȱihreȱArȬ beitȱ(DienstȱnachȱVorschrift).ȱFolglichȱfühlenȱsieȱsichȱnichtȱverantwortlichȱfürȱ dieȱErgebnisseȱdesȱgemeinsamenȱZusammenwirkensȱallerȱStellen.ȱ

2.

„Derȱ Feindȱ daȱ draußen“.ȱ Beiȱ Problemenȱ undȱ Schwierigkeitenȱ wirdȱ immerȱ nachȱeinemȱexternenȱSündenbockȱgesucht.ȱ

3.

„Angriffȱ istȱ dieȱ besteȱ Verteidigung“.ȱ Proaktivitätȱ istȱ Mode,ȱ aberȱ eineȱ echteȱ Proaktivitätȱerfordertȱzuȱerkennen,ȱwieȱmanȱselbstȱzumȱProblemȱbeiträgt.ȱ

4.

Fixierungȱaufȱ Ereignisse:ȱWirȱbetrachtenȱdasȱLebenȱalsȱeineȱAbfolgeȱvonȱErȬ eignissenȱundȱglauben,ȱdassȱjedesȱEreignisȱeineȱUrsacheȱhatȱ(reaktivesȱHanȬ deln).ȱStattdessenȱmüssenȱwirȱkreativȱseinȱundȱdieȱWeltȱselbstȱgestalten.ȱ

5.

„Gleichnisȱ vomȱ gekochtenȱ Frosch“.ȱ Wirȱ sindȱ nichtȱ inȱ derȱ Lageȱ langsameȱ Entwicklungenȱzuȱerkennen,ȱdazuȱmüssenȱwirȱunserȱhektischesȱTempoȱdrosȬ selnȱundȱdemȱSubtilenȱgenausoȱvielȱAufmerksamkeitȱwidmenȱwieȱdemȱDraȬ matischen.ȱ

6.

„Illusion,ȱdassȱwirȱausȱErfahrungȱlernen“.ȱWirȱlernenȱamȱmeistenȱausȱErfahȬ rung,ȱaberȱwirȱerfahrenȱmeistensȱnicht,ȱwieȱsichȱunsereȱEntscheidungenȱausȬ wirkenȱ(manȱkannȱnieȱdieȱFrageȱ„wasȱwäre,ȱwenn?“ȱbeantworten).ȱ

7.

„Mythosȱ vomȱ Managementteam“.ȱ Teamsȱ inȱ derȱ Geschäftsweltȱ verbringenȱ häufigȱ vielȱ Zeitȱ mitȱ Revierkämpfenȱ undȱ beiȱ komplexenȱ Problemenȱ gehtȱ derȱ TeamgeistȱzumȱTeufel.ȱ

Sengeȱ gehtȱ vonȱ einerȱ natürlichȱ gegebenenȱ Lernbereitschaftȱ undȱ Ȭfähigkeitȱ derȱ MenȬ schenȱaus,ȱdieȱunterȱdenȱbeschriebenenȱBedingungenȱinȱeinemȱUnternehmenȱverlorenȱ gehen,ȱjedochȱwiederȱgewonnenȱwerdenȱkönnen.ȱDieȱBedeutungȱeinerȱlernendenȱOrȬ ganisationȱ bestehtȱ darin,ȱ dassȱ sieȱ kontinuierlichȱ dieȱ Fähigkeitȱ ausweitet,ȱ ihreȱ eigeneȱ Zukunftȱzuȱgestalten.ȱDieȱReaktivierung,ȱFörderungȱundȱWeiterentwicklungȱderȱLernȬ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 337ȱ Senge,ȱP.ȱM.ȱDieȱfünfteȱDisziplin.ȱKunstȱundȱPraxisȱderȱlernendenȱOrganisation.ȱ 338ȱEbd.,ȱS.ȱ22ȱf.ȱ 339ȱEbd.,ȱS.ȱ29ȱff.ȱ

292ȱ

Theorien des organisationalen Lernens

fähigkeitȱ einerȱ Organisationȱ istȱ vonȱ derȱ Beherrschungȱ folgenderȱ fünfȱ Fähigkeitenȱ (Disziplinen)ȱabhängig:ȱ 1.

PersonalȱMasteryȱ

2.

MentalȱModelsȱ(mentaleȱModelle)ȱ

3.

BuildingȱSharedȱVisionȱ(gemeinsameȱVisionen)ȱ

4.

TeamȱLearningȱ(Teamlernen)ȱȱ

5.

SystemȱThinkingȱ(Systemdenken)ȱ

Jedeȱ Disziplinȱ repräsentiertȱ einenȱ anderenȱ Aspektȱ derȱ lernendenȱ Organisation,ȱ undȱ alleȱ zusammenȱ ermöglichenȱ sieȱ dasȱ organisationaleȱ Lernen.ȱ Dabeiȱ kommtȱ demȱ SysȬ temdenkenȱeineȱbesondereȱRolleȱzu:ȱSystemsȱThinkingȱbedeutetȱfürȱSengeȱeinenȱÜberȬ blickȱüberȱdasȱGanze,ȱdieȱFähigkeit,ȱProzesseȱinȱihrenȱZusammenhängenȱzuȱbegreifen.ȱ Abb.ȱ67:ȱ

FünfȱDisziplinenȱderȱlernendenȱOrganisationȱnachȱSengeȱ

Personal Mastery

Mentale Modelle

Systemdenken

Gemeinsame Visionen

Teamlernen

ȱ

MitȱSystemsȱThinkingȱmeintȱSengeȱdieȱFähigkeit,ȱAbhängigkeiten,ȱInterdependenzenȱ undȱ ganzheitlicheȱ Strukturenȱ zuȱ erkennen.ȱ Systemischesȱ Denkenȱ istȱ damitȱ einȱ integȬ rierendesȱ Denken,ȱ welchesȱ vonȱ verschiedenenȱ Zusammenhängenȱ ausgehtȱ undȱ mögȬ lichstȱ vieleȱ Einflussfaktorenȱ berücksichtigt.ȱ Vorȱ allemȱ wirdȱ dieȱ UrsacheȬWirkungsȬ Ketteȱuntersucht.ȱDiesesȱganzheitlicheȱDenkenȱmachtȱmehrereȱDenkprozesseȱnotwenȬ dig:ȱErkennenȱvonȱStrukturenȱundȱZusammenhängen,ȱDenkenȱinȱMöglichkeiten,ȱProȬ zessdenkenȱ(„wasȱpassiert,ȱwenn“),ȱDenkenȱinȱSzenarienȱ(„wasȱwirdȱausȱunsȱinȱzehnȱȱ Jahren“)ȱsowieȱvernetztesȱDenkenȱ(ZusammenhängeȱvonȱalternativenȱEntscheidungenȱ undȱihrenȱKonsequenzen).ȱ

293ȱ

15.1

15

Lernen und Wissen in Unternehmen

PersonalȱMasteryȱistȱdieȱBereitschaftȱvonȱMenschen,ȱsichȱweiterȱzuȱentwickeln,ȱumzuȬ denken.ȱ Dieseȱ Fähigkeitȱ hängtȱ mitȱ demȱ Selbstmanagementȱ undȱ derȱ PersönlichkeitsȬ entwicklungȱzusammenȱundȱbedeutet,ȱeigenständigȱaufȱZieleȱhinzuarbeiten,ȱSituatioȬ nenȱrealistischȱeinzuschätzen,ȱGewohntesȱinȱFrageȱstellenȱzuȱkönnen.ȱPersonalȱMasteȬ ryȱistȱkeinȱZustand,ȱsondernȱeinȱlebenslangerȱEntwicklungsprozess.ȱEinȱUnternehmenȱ istȱdaranȱinteressiert,ȱseineȱMitarbeiterȱzumȱLernenȱundȱzurȱEntwicklungȱzuȱmotivieȬ ren.ȱ „Organisationenȱ lernenȱ nur,ȱ wennȱ dieȱ einzelnenȱ Menschenȱ etwasȱ lernen.ȱ Dasȱ individuelleȱ Lernenȱ istȱ keineȱ Garantieȱ dafür,ȱ dassȱ dieȱ Organisationȱ etwasȱ lernt,ȱ aberȱ ohneȱindividuellesȱLernenȱgibtȱesȱkeineȱLernendeȱOrganisation.“340ȱȱ MentalȱModelsȱsindȱnachȱSengeȱ„dieȱBilder,ȱAnnahmenȱundȱGeschichten,ȱdieȱwirȱvonȱ unsȱ selbst,ȱ vonȱ unserenȱ Mitmenschen,ȱ vonȱ Institutionenȱ undȱ vonȱ jedemȱ anderenȱAsȬ pektȱ derȱ Weltȱ inȱ unserenȱ Köpfenȱ tragen.“341ȱ Menschlichesȱ Wissenȱ wirdȱ inȱ Formȱ vonȱ mentalenȱ Modellenȱ repräsentiert,ȱ inȱ ihrerȱ Gesamtheitȱ bildenȱ sieȱ dasȱ subjektiveȱ WeltȬ bildȱjedesȱMenschenȱundȱjedesȱUnternehmens.ȱDieseȱimȱLaufeȱderȱZeitȱausȱErfahrungȱ entstandeneȱVorstellungenȱundȱMeinungenȱbildenȱdieȱBasisȱfürȱWahrnehmungenȱundȱ Entscheidungenȱ undȱ machenȱ dieȱ Handlungseinheitenȱ konservativ.ȱ Nachȱ Sengeȱ mussȱ manȱ sichȱ seinerȱ mentalenȱ Modelleȱ bewusstȱ werden,ȱ nurȱ dannȱ kannȱ manȱ neueȱ Ideenȱ hervorbringen.ȱ Deswegenȱ istȱ Selbstreflexionȱ vonȱ großerȱ Bedeutung.ȱ Auchȱ inȱ zwiȬ schenmenschlichenȱBeziehungenȱistȱesȱwichtig,ȱmitȱmentalenȱModellenȱrichtigȱumzuȬ gehen:ȱ Verständnisȱ fürȱ andereȱ Meinungenȱ haben,ȱ dieȱ Situationȱ mitȱ denȱAugenȱ einesȱ Anderenȱ betrachten.ȱ Dasȱ gleicheȱ giltȱ auchȱ fürȱ Unternehmen,ȱ auchȱ sieȱ sindȱ inȱ ihremȱ DenkenȱdurchȱmentaleȱModelleȱgeprägt,ȱdieȱsichȱinȱihrerȱUnternehmenskulturȱverfesȬ tigtȱhabenȱundȱzuȱwenigȱhinterfragtȱwerden.ȱ Buildingȱ Sharedȱ Visionȱ istȱ wichtig,ȱ umȱ neueȱ Zukunftsbilderȱ fürȱ dieȱ gemeinsameȱ Arbeitȱzuȱentwickeln.ȱVisionenȱsindȱinnereȱBilderȱeinerȱzukünftigenȱWirklichkeit,ȱdieȱ denȱ Mitarbeiternȱ eineȱ Orientierungȱ gebenȱ undȱ Identifikationȱ fördernȱ sollen.ȱ Sengeȱ betontȱ dieȱ Wichtigkeitȱ vonȱ Förderungȱ derȱ persönlichenȱ Visionenȱ undȱ beschreibtȱ dieȱ Möglichkeiten,ȱ Visionenȱ zuȱ verbreiten:ȱ Teilnehmerschaft,ȱ Engagementȱ undȱ EinwilliȬ gung.ȱȱ Teamȱ Learningȱ bedeutetȱ dieȱ Kompetenz,ȱ inȱArbeitsgruppenȱ gemeinsamȱ zuȱ arbeiten,ȱ zuȱ handelnȱ undȱ dadurchȱ systematischȱ zuȱ lernen.ȱ Dasȱ Lernenȱ imȱ Teamȱ ermöglichtȱ Synergieeffekteȱ durchȱ Zusammenkommenȱ vonȱ verschiedenenȱ Qualifikationenȱ undȱ intensivenȱ Wissensaustausch.ȱ Fürȱ effizientesȱ Teamlernenȱ sindȱ bestimmteȱ Fähigkeitenȱ derȱ Mitgliederȱ erforderlich,ȱ vorȱ allemȱ Kommunikationȱ undȱ sozialeȱ Kompetenzenȱ (emotionaleȱ Intelligenz).ȱ Nurȱ wennȱ dieȱ Arbeitsatmosphäreȱ durchȱ gemeinsameȱ Ziele,ȱ offeneȱKommunikationȱundȱVertrauenȱgekennzeichnetȱist,ȱkommtȱTeamlernenȱzustanȬ de.ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 340ȱ Senge,ȱP.ȱM.ȱDieȱfünfteȱDisziplin,ȱS.ȱ111.ȱ 341ȱ Ebd.,ȱS.ȱ271ȱ

294ȱ

Theorien des organisationalen Lernens

AlleȱfünfȱDisziplinenȱsindȱnachȱSengeȱmiteinanderȱverbundenȱundȱaufeinanderȱangeȬ wiesen.ȱ Zumȱ Beispiel,ȱ dasȱ erfolgreicheȱ Teamlernenȱ basiertȱ aufȱ derȱ Personalȱ Mastery,ȱ gemeinsamenȱVisionenȱimȱTeamȱsowieȱaufȱdemȱrichtigenȱUmgangȱmitȱmentalenȱMoȬ dellenȱ (eigenenȱ undȱ denenȱ desȱ Unternehmens)ȱ undȱ Systemdenken.ȱ Alsȱ allgemeineȱ Bedingungenȱ fürȱ dieȱ Entwicklungȱ derȱ fünfȱ Disziplinenȱ nenntȱ Sengeȱ –ȱ ähnlichȱ wieȱ Argyrisȱ undȱ Schönȱ Ȭȱ offeneȱ Kommunikation,ȱ Fertigkeitenȱ desȱ Dialogs,ȱ konstruktivenȱ UmgangȱmitȱLernhemmnissenȱundȱvielȱÜbung.ȱ ȱ

15.1.4

Wissensmanagementtheorie von Nonaka und Takeuchi

Eineȱ derȱ modernenȱ Lerntheorienȱ stammtȱ vonȱ denȱ japanischenȱ Wissenschaftlernȱ NoȬ nakaȱ undȱ Takeuchi342.ȱ Zentralerȱ Betrachtungsgegenstandȱ ihrerȱ WissensmanagementȬ theorieȱistȱdieȱSchaffungȱvonȱneuemȱWissenȱundȱnichtȱdieȱWissensverarbeitung.ȱVieleȱ Unternehmenȱ messenȱ derȱ Wissensschaffungȱ wenigȱ Bedeutungȱ beiȱ undȱ legenȱ denȱ Schwerpunktȱ aufȱ dieȱ Wissensverarbeitung.ȱ Dieseȱ Kurzsichtigkeitȱ imȱ Umgangȱ mitȱ Unternehmenswissenȱ habenȱ Nonakaȱ undȱ Takeuchiȱ alsȱ einenȱ Unterschiedȱ westlicherȱ Unternehmenȱ imȱ Vergleichȱ zuȱ japanischenȱ beschrieben.343ȱ Deswegenȱ gehenȱ Nonakaȱ undȱ Takeuchiȱ insbesondereȱ aufȱ Lernhemmnisseȱ inȱ Unternehmenȱ inȱ derȱ westlichenȱ Kulturȱ ein.ȱ „Unternehmenȱ stellenȱ sichȱ aufȱ einȱ unsicheresȱ Umfeldȱ nichtȱ nurȱ durchȱ passiveȱAnpassungȱein,ȱsondernȱauchȱdurchȱaktivesȱZusammenwirken.ȱUnternehmenȱ könnenȱsichȱverwandeln.ȱDennochȱwerdenȱsieȱhäufigȱalsȱpassivȱundȱstatischȱbetrachȬ tet.ȱ Einȱ Unternehmen,ȱ dasȱ rascheȱ Veränderungenȱ imȱ Umfeldȱ dynamischȱ bewältigenȱ will,ȱdarfȱInformationenȱundȱWissenȱnichtȱnurȱeffizientȱverarbeiten,ȱesȱmussȱsieȱselbstȱ hervorbringen.ȱ Esȱ mussȱ sichȱ durchȱ dieȱAuflösungȱ desȱ existierendenȱ Wissenssystemsȱ undȱ durchȱ dieȱ Entwicklungȱ innovativerȱ DenkȬȱ undȱ Handlungsmodelleȱ selbstȱ erneuȬ ern.“344ȱȱ Sieȱ bauenȱ ihreȱAusführungenȱ aufȱ demȱ Unterschiedȱ zwischenȱ zweiȱ Formenȱ desȱ WisȬ sensȱ auf:ȱ explizitemȱ (kontrolliertem)ȱ undȱ implizitemȱ (automatisiertem)ȱ Wissenȱ undȱ untersuchenȱihreȱDynamikȱinȱeinemȱUnternehmenȱ(vgl.ȱKapitelȱ5.4).ȱȱ Lernprozesseȱ findenȱ inȱ Formȱ vonȱ Wissensumwandlungȱ statt,ȱ dieȱ innerhalbȱ zweierȱ Dimensionenȱ abläuft,ȱ derȱ epistemologischenȱ Dimension:ȱ zwischenȱ explizitemȱ undȱ implizitemȱ Wissen,ȱ sowieȱ derȱ ontologischenȱ Dimension:ȱ zwischenȱ Individuumȱ undȱ Kollektivȱ(vgl.ȱTabelle).ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 342ȱ Nonaka,ȱI.;ȱTakeuchi,ȱH.ȱDieȱOrganisationȱdesȱWissens.ȱ 343ȱ Ebd.ȱ 344ȱ Ebd.,ȱS.ȱ64.ȱ

295ȱ

15.1

15

Lernen und Wissen in Unternehmen

Tabelleȱ46:ȱ FormenȱderȱWissensumwandlungȱinȱderȱepistemologischenȱDimensionȱnachȱNoȬ nakaȱundȱTakeuchiȱ Sozialisation

Externalisierung

Ausgangspunkt: implizites Wissen; Ziel: implizites Wissen

Ausgangspunkt: implizites Wissen; Ziel: explizites Wissen

Erfahrungsaustausch, bei dem implizites Wissen ausgetauscht wird und entstehen kann. Fertigkeiten werden nicht durch Sprache, sondern durch Beobachtung, Nachahmung und Praxis erlernt. Erst diese gemeinsamen Erfahrungen erleichtern es, sich in die Denkweise anderer zu versetzen und so kritisches, verborgenes Wissen aufzudecken und anwendbar zu machen.

Implizites Wissen wird in Form von expliziten Konzepten (wie Aussagen, Modelle, Theorien, Zahlen oder Fakten) kommunizierbar gemacht. Methoden: Hilfsmittel wie Analogien oder Metaphern (Darstellung von in Individuen innewohnenden Bildern oder Visionen), Induktion und Deduktion.

Internalisierung

Kombination

Ausgangspunkt: explizites Wissen; Ziel: implizites Wissen

Ausgangspunkt: explizites Wissen; Ziel: explizites Wissen

Integration expliziten Wissens in die implizite Wissensbasis des Individuums bzw. der Organisation. Beispiele: Ein Film kann über die Firmenphilosophie als mentales Modell in kognitives Wissen, oder eine Lehrveranstaltung über Marketingtechniken in technisches implizites Wissen übergehen

Verschiedene Bereiche expliziten Wissens werden miteinander verbunden, wobei neues Wissen entstehen kann. Dieses explizite Wissen wird über Medien wie Dokumente, Telefon etc. ausgetauscht und kombiniert.

ȱ WährendȱdieserȱUmwandlungenȱschafftȱundȱerweitertȱsichȱdieȱWissensbasisȱdesȱKolȬ lektivsȱ(derȱOrganisation)ȱimȱZeitablauf.ȱDieȱGesamtheitȱvonȱSozialisationȱ(VerwandȬ lungȱdesȱimplizitenȱinȱimplizitesȱWissen),ȱExternalisierungȱ(implizitȱinȱexplizit),ȱKomȬ binationȱ(explizitȱzuȱexplizit)ȱundȱInternalisierungȱ(explizitȱinȱimplizit)ȱergibtȱdasȱBildȱ desȱorganisationalenȱLernens.ȱȱ Dieseȱ vierȱ Formenȱ derȱ Wissensumwandlungȱ zeigenȱ dieȱ Teilprozesse,ȱ dieȱ inȱ einemȱ Unternehmenȱ ablaufen.ȱ Dieseȱ Teilprozesseȱ stehenȱ inȱ Wechselbeziehungȱ zueinanderȱ undȱ bildenȱ gemeinsamȱ dieȱ soȱ genannteȱ Wissensspirale,ȱ dieȱ dieȱ Wissensvermehrungȱ imȱUnternehmenȱdarstellt.ȱȱ EineȱInnovationȱergibtȱsichȱnur,ȱwennȱimplizitesȱundȱexplizitesȱWissenȱzusammenwirȬ ken.ȱDieȱSozialisationȱdientȱdemȱAustauschȱvomȱimplizitenȱWissenȱimȱRahmenȱeinerȱ Interaktion.ȱ Dieȱ Externalisierungȱ wirdȱ vonȱ einemȱ Dialogȱ oderȱ kollektiverȱ Reflexionȱ ausgelöstȱ undȱ führtȱ zurȱ Artikulationȱ vomȱ implizitenȱ Wissen.ȱ Dieȱ Kombinationȱ entȬ stehtȱ durchȱ dieȱ Verbindungȱ neuȱ geschaffenenȱ undȱ bestehendenȱ Wissens,ȱ umȱ sieȱ zuȱ einemȱ neuenȱ Produktȱ zuȱ verschmelzen.ȱ Internalisierungȱ resultiertȱ ausȱ „learningȱ byȱ doing“ȱ–ȱeinerȱIntegrationȱexplizitenȱWissensȱinȱdieȱimpliziteȱWissensbasis.ȱ ȱ

296ȱ

Theorien des organisationalen Lernens

Abb.ȱ68:ȱ

A u s g a n g s p u n k t

WissensspiraleȱnachȱNonakaȱundȱTakeuchi345ȱ

Sozialisation

Externalisierung

Internalisierung

Kombination

Implizites Wissen

Explizites Wissen

Implizites Wissen

Explizites Wissen Zielpunkt

ȱ Inȱ einerȱ anderenȱ Formȱ lässtȱ sichȱ dieȱ Wissensgenerierungȱ inȱ folgendenȱ Phasenȱ alsȱ InȬ novationsprozessȱdarstellen:ȱȱ

„ Wissenȱ austauschen:ȱ Schaffungȱ vonȱ Kommunikationsmöglichkeitenȱ z.B.ȱinȱ selbstȬ organisierendenȱTeams;ȱ

„ Konzepteȱ schaffen:ȱ Entwicklungȱ einesȱ gemeinsamenȱ mentalenȱ Modellsȱ inȱ einemȱ kontinuierlichenȱkooperativenȱDialog;ȱ

„ Konzepteȱ erklären:ȱ Unternehmenȱ müssenȱ dieȱ Konzepteȱ bewertenȱ undȱ mitȱ denȱ Gesamtintentionenȱabstimmen;ȱ

„ EinenȱArchetypȱbilden:ȱesȱmussȱeinȱPrototypȱoderȱimȱFalleȱeinerȱDienstleistungȱeinȱ Operationsmodellȱentwickeltȱwerdenȱsowieȱ

„ Wissenȱübertragen:ȱumȱdasȱWissenȱimȱUnternehmenȱdurchzusetzen,ȱmussȱesȱhoriȬ zontalȱundȱvertikalȱverbreitetȱundȱweiterentwickeltȱwerdenȱ(diesȱsetztȱneueȱGeneȬ rierungsvorgängeȱinȱGang).ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 345ȱ Nonaka,ȱI.;ȱTakeuchi,ȱH.ȱDieȱOrganisationȱdesȱWissens,ȱS.ȱ84.ȱ

297ȱ

15.1

15

Lernen und Wissen in Unternehmen

DurchȱdieȱVerknüpfungȱderȱepistemoligischenȱmitȱderȱontologischenȱDimension,ȱderȱ Erweiterungȱ derȱ Mengeȱ derȱ Wissensträgerȱ ergibtȱ sichȱ folgendeȱ zweidimensionaleȱ DarstellungȱderȱWissensspiraleȱ(s.ȱAbbildung).ȱȱ Abb.ȱ69:ȱ

SpiraleȱderȱWissensschaffungȱnachȱNonakaȱundȱTakeuchi346ȱ

Epistemologische Dimension E xte rn a lis ie ru n g

E xp liz ite s W is s e n

K o m b in a tio n

S o z ia lis ie ru n g

Im p liz ite s W is s e n

In te rn a lis ie ru n g In d ivid u u m

G ru p p e

U n te rn e h m e n

U n te rn e h m e n s in te ra k tio n

W is s e n s e b e n e

Ontologische Dimension

ȱ

„StrengȱgenommenȱwirdȱWissenȱnurȱvonȱEinzelpersonenȱgeschaffen.ȱEineȱOrganisatiȬ onȱ kannȱ ohneȱ Einzelneȱ keinȱ Wissenȱ erzeugen.ȱ Dieȱ Organisationȱ unterstütztȱ kreativeȱ Personenȱ oderȱ bietetȱ Kontexte,ȱ dieȱ derȱ Wissensschaffungȱ förderlichȱ sind.ȱ WissensȬ schaffungȱ imȱ Unternehmenȱ mussȱ daherȱ alsȱ Prozessȱ verstandenȱ werden,ȱ derȱ dasȱ vonȱ EinzelnenȱerzeugteȱWissenȱverstärktȱundȱesȱimȱWissensnetzȱdesȱUnternehmensȱveranȬ kert.ȱ Dieserȱ Prozessȱ vollziehtȱ sichȱ inȱ einerȱ expandierendenȱ Interaktionsgemeinschaft,ȱ dieȱ Grenzenȱ undȱ Ebenenȱ inȱ undȱ zwischenȱ Unternehmenȱ überschreitet.“347ȱ Dieserȱ Prozessȱ wirdȱ nunȱ alsȱ eineȱ Spiraleȱ abgebildetȱ mitȱ zweiȱ Dimensionenȱ Ȭȱ epistemologiȬ scherȱundȱontologischerȱȬȱdargestellt.ȱDieȱWissensspiraleȱwirdȱvonȱdenȱVisionenȱundȱ derȱ Strategieȱ desȱ Unternehmensȱ gesteuert.ȱ Umȱ dieseȱ Strategieȱ undȱ denȱ erfolgreichenȱ Lernprozessȱumzusetzen,ȱmüssenȱnachȱNonaka/TakeuchiȱbestimmteȱVoraussetzungenȱ aufȱindividuellerȱEbeneȱerfülltȱsein,ȱdieȱsieȱalsȱIntention,ȱAutonomie,ȱFluktuationȱundȱ kreativesȱChaos,ȱRedundanzȱsowieȱnotwendigeȱVielfaltȱbezeichnen:ȱ

„ IntentionȱistȱeinȱMaßstabȱzurȱBeurteilungȱderȱRelevanzȱvonȱWissen.ȱDiesenȱMaßȬ stabȱkannȱdasȱUnternehmenȱinȱFormȱvonȱUnternehmensintentionenȱfassen,ȱwelcheȱ ausȱ denȱ Zielenȱ desȱ Unternehmensȱ bzw.ȱ derȱ Unternehmensstrategieȱ resultieren.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 346ȱ Nonaka,ȱI.;ȱTakeuchi,ȱH.ȱDieȱOrganisationȱdesȱWissens,ȱS.ȱ87.ȱ 347ȱ Ebd.,ȱS.ȱ71.ȱ

298ȱ

Theorien des organisationalen Lernens

DieseȱUnternehmensintentionenȱsindȱzwangsläufigȱwertbezogenȱundȱkönnenȱauchȱ weltanschaulicheȱGrundauffassungenȱbeinhalten;ȱ

„ Autonomie:ȱDieȱeinzelnenȱIndividuenȱinnerhalbȱeinesȱTeamsȱwieȱauchȱdieȱTeamsȱ alsȱsolcheȱsolltenȱsoȱautonomȱhandelnȱkönnen,ȱwieȱesȱdieȱUmständeȱerlauben,ȱumȱ denȱWissensschaffungsprozessȱzuȱoptimieren.ȱAutonomieȱderȱUntereinheitenȱverȬ stärktȱderenȱMotivation;ȱ

„ Redundanzȱ istȱ eineȱ absichtlicheȱ Überschneidungȱ vonȱ Informationenȱ (z.B.ȱ überȱ geschäftlicheȱ Tätigkeiten,ȱ Managementaufgaben,ȱ dasȱ Unternehmenȱ alsȱ Ganzes).ȱ Diese,ȱnichtȱunmittelbarȱbenötigtenȱInformationenȱkönnenȱ fürȱdenȱAustauschȱimȬ plizitenȱWissensȱförderlichȱsein:ȱalsȱHilfeȱfürȱdenȱEinzelnen,ȱseinenȱPlatzȱimȱUnterȬ nehmenȱbesserȱzuȱverstehenȱundȱbesseresȱVerstehenȱüberȱdasȱArbeitsumfeldȱandeȬ rerȱAbteilungenȱoderȱGruppenȱzuȱerlangen;ȱ

„ Fluktuationȱ undȱ kreativesȱ Chaos.ȱ Durchȱ kreativesȱ Chaosȱ werdenȱ Individuenȱ gezwungenȱ dieȱ Handlungsmusterȱ undȱ Vorstellungenȱ ihresȱ UnternehmensumfelȬ desȱ neuȱ zuȱ überdenken.ȱ Hierdurchȱ kannȱ neuesȱ Wissenȱ entstehenȱ undȱ esȱ wirdȱ OrdnungȱausȱdemȱChaosȱgeschaffen.ȱEntstehungȱvonȱkreativemȱChaosȱbasiertȱauf:ȱ Fluktuationȱ imȱ Unternehmenȱ (Zusammenbruchȱ vonȱ Routineabläufen),ȱ KrisenȬ stimmungȱ imȱ Unternehmenȱ (ggf.ȱ künstlichȱ verursacht)ȱ sowieȱ mehrdeutigenȱ AnȬ weisungenȱ(‚strategischeȱVieldeutigkeit‘);ȱ

„ Notwendigeȱ Vielfalt.ȱ Hoheȱ Komplexitätȱ desȱArbeitsumfeldesȱ erfordertȱ eineȱ ausȬ reichendeȱ Vielfaltȱ derȱ Mitarbeiterȱ einerȱ Organisation.ȱ Esȱ bestehenȱ folgendeȱ MögȬ lichkeitenȱ zurȱ Steigerungȱ derȱ Vielfalt:ȱ effizienteȱ Kombinationȱ vonȱ Information;ȱ gleichberechtigterȱ Zugangȱ allerȱ zuȱ einerȱ breitenȱ Paletteȱ vonȱ Informationenȱ sowieȱ häufigerȱWandelȱderȱOrganisationsstrukturȱ(z.B.ȱwechselndeȱTeammitglieder).ȱ DieseȱBedingungenȱfürȱindividuellesȱHandelnȱderȱMitarbeiterȱzielenȱdaraufȱab,ȱKreaȬ tivitätȱundȱEigeninitiativeȱjedesȱEinzelnenȱzuȱentfaltenȱundȱdadurchȱindividuelleȱWisȬ sensschaffungȱinȱGangȱzuȱsetzenȱsowieȱGruppenaktivitätenȱzuȱfördern.ȱ DarüberȱhinausȱnennenȱNonakaȱundȱTakeuchiȱzweiȱweitereȱBedingungenȱfürȱdieȱopȬ timaleȱWissensschaffungȱinȱUnternehmen,ȱdieȱoptimaleȱFührungsȬȱundȱOrganisationsȬ strukturenȱbeschreiben:ȱMiddleȬupȬdownȬManagementȱundȱHypertextorganisation.ȱ Wederȱ eineȱ hierarchischeȱ nochȱ eineȱ partizipativeȱ Führungsstrukturȱ sindȱ nachȱ MeiȬ nungȱvonȱNonakaȱundȱTakeuchiȱfürȱdieȱWissensschaffungȱoptimal.ȱEineȱhierarchischeȱ Pyramidenstrukturȱ setztȱ voraus,ȱ dassȱ nurȱ Führungskräfteȱ Wissenȱ schaffenȱ könnenȱ undȱdürfen.ȱIhrȱexplizitesȱWissenȱwirdȱnachȱuntenȱweitergegeben,ȱdasȱimpliziteȱWisȬ senȱwirdȱvernachlässigt.ȱ„DasȱhierarchischeȱModellȱerlaubtȱeineȱUmwandlungȱnurȱalsȱ Kombinationȱ(explizitȱzuȱexplizit)ȱundȱInternalisierungȱ(explizitȱzuȱimplizit).“348ȱEineȱ partizipativeȱ Führungsstruktur,ȱ woȱ dieȱ Führungskräfteȱ nurȱ wenigeȱ Anweisungenȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 348ȱ Nonaka,ȱI,;ȱTakeuchi,ȱH.ȱDieȱOrganisationȱdesȱWissens,ȱS.ȱ143.ȱ

299ȱ

15.1

15

Lernen und Wissen in Unternehmen

gebenȱ undȱ alsȱ Fördererȱ unternehmerischȱ gesinnterȱ Mitarbeiterȱ dienen,ȱ istȱ fürȱ denȱ UmgangȱmitȱimplizitemȱWissenȱgünstig,ȱverhindertȱaberȱdieȱVerbreitungȱdesȱWissensȱ inȱUnternehmen.ȱ„DasȱpartizipativeȱModellȱlässtȱeineȱUmwandlungȱnurȱalsȱSozialisaȬ tionȱ(implizitȱzuȱimplizit)ȱundȱalsȱExternalisierungȱ(implizitȱzuȱexplizit)ȱzu.“349ȱȱ DerȱoptimaleȱProzessȱderȱWissensschaffungȱȱgehtȱnachȱNonakaȱundȱTakeuchiȱvonȱderȱ Mitteȱausȱundȱwirktȱsowohlȱnachȱobenȱalsȱauchȱnachȱunten.ȱDieȱzentraleȱRolleȱspielenȱ dieȱ Mittelmanagerȱ alsȱ Schnittpunkteȱ derȱ vertikalenȱ undȱ horizontalenȱ InformationsȬ ströme.ȱ Sieȱ fungierenȱ alsȱ Teamleiterȱ undȱ steuernȱ dieȱ Wissensschaffungsprozesseȱ inȱ Gruppenȱ undȱ werdenȱ alsȱ Wissensingenieureȱ bezeichnet.ȱ „Dieȱ Geschäftsführungȱ forȬ muliertȱeineȱVision,ȱwährendȱdasȱmittlereȱManagementȱkonkreteȱKonzepteȱentwickelt,ȱ dieȱdieȱMitarbeiterȱverstehenȱundȱumsetzenȱkönnen.ȱMittelmanagerȱbemühenȱsichȱalsoȱ umȱ eineȱ Lösungȱ desȱ Widerspruchsȱ zwischenȱ denȱ idealistischenȱ Zielenȱ derȱ Führungȱ undȱdenȱrealenȱGegebenheiten.“350ȱ Auchȱ dieȱ traditionellenȱ Organisationsstrukturenȱ wieȱ Bürokratieȱ undȱ Arbeitsgruppeȱ werdenȱ vonȱ Nonakaȱ undȱ Takeuchiȱ inȱ Bezugȱ aufȱ Wissensschaffungȱ alsȱ mangelhaftȱ bezeichnet.ȱ Nurȱ eineȱ Syntheseȱ derȱ beidenȱ wirktȱ sichȱ positivȱ aus.ȱ Eineȱ bürokratischeȱ StrukturȱistȱaufgrundȱihrerȱFormalisierung,ȱSpezialisierung,ȱZentralisierungȱundȱStanȬ dardisierungȱ hervorragendȱ fürȱ Routinesituationenȱ geeignet,ȱ taugtȱ aberȱ nichtsȱ inȱ denȱ ZeitenȱdesȱWandels.ȱEineȱArbeitsgruppeȱistȱumgekehrtȱflexibel,ȱdynamischȱundȱpartiȬ zipativȱ undȱ eignetȱ sichȱ fürȱ dieȱ kreativenȱAufgabenȱ wieȱ Entwicklungȱ vonȱ neuenȱ ProȬ dukten.ȱAllerdingsȱwirdȱdurchȱdieȱzeitlicheȱBegrenztheitȱderȱGruppeȱihrȱWissenȱkaumȱ anȱandereȱGruppenȱundȱAbteilungenȱweitergegeben.ȱDamitȱistȱdieȱArbeitsgruppeȱfürȱ eineȱ kontinuierlicheȱ Ausschöpfungȱ undȱ Übermittlungȱ vonȱ Wissenȱ imȱ gesamtenȱ UnȬ ternehmenȱungeeignet.351ȱ NurȱeineȱKombinationȱausȱderȱBürokratie,ȱdieȱfürȱAusschöpfungȱundȱSammlungȱdesȱ Wissensȱsteht,ȱundȱderȱArbeitsgruppe,ȱdieȱWissensaustauschȱundȱȬschaffungȱbegünsȬ tigt,ȱwirktȱaufȱdieȱWissensprozesseȱoptimal.ȱDieȱEffizienzȱaufȱderȱEbeneȱderȱZentraleȱ undȱdieȱlokaleȱFlexibilitätȱsollenȱsichȱgegenseitigȱergänzen.ȱȱ AlsȱeineȱpraktischeȱUmsetzungsmöglichkeitȱsolcherȱKombinationȱstellenȱNonakaȱundȱ TakeuchiȱdieȱHypertextorganisationȱdar.ȱEinȱHypertextȱalsȱMetapherȱstammtȱausȱderȱ Computerwissenschaftȱ undȱ bietetȱ demȱ Anwenderȱ Zugriffȱ aufȱ mehrereȱ Schichten,ȱ sodassȱmanȱEinzelheitenȱundȱHintergrundinformationenȱerfragenȱkann.ȱDieseȱSchichȬ tenȱsetzenȱdasȱWissenȱdesȱHypertextesȱinȱeinenȱjeweilsȱanderenȱZusammenhangȱbzw.ȱ Kontext.ȱEineȱHypertextorganisationȱbestehtȱausȱdreiȱmiteinanderȱverbundenenȱKonȬ texten:ȱGeschäftssystem,ȱProjektteamȱundȱWissensbasisȱ(vgl.ȱfolgendeȱAbbildung).ȱȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 349ȱ Nonaka,ȱI,;ȱTakeuchi,ȱH.ȱDieȱOrganisationȱdesȱWissens,ȱS.ȱ143.ȱ 350ȱ Ebd.,ȱS.ȱ147.ȱ 351ȱ Ebd.,ȱS.ȱ182Ȭ183.ȱ

300ȱ

Theorien des organisationalen Lernens

Abb.ȱ70:ȱ

HypertextorganisationȱfürȱdieȱWissensschaffungȱinȱUnternehmen352ȱ

ȱ

DieȱzentraleȱSchichtȱȬȱdieȱPyramideȱdesȱGeschäftssystemsȱȬȱsorgtȱfürȱdieȱRoutinetätigȬ keiten.ȱAufȱ derȱ oberenȱ Projektteamschichtȱ sindȱ mehrereȱArbeitsgruppenȱ mitȱ wissenȬ schaftlichenȱ Aufgaben,ȱ wieȱ Entwicklungȱ vonȱ neuenȱ Produktenȱ beschäftigt.ȱ Aufȱ derȱ unterenȱSchichtȱderȱWissensbasisȱwirdȱinȱdenȱdarüberȱliegendenȱSchichtenȱerzeugtesȱ WissenȱneuȱklassifiziertȱundȱinȱneueȱKontexteȱgebunden.ȱDieseȱSchichtȱexistiertȱnichtȱ alsȱ tatsächlicheȱ Organisationseinheit,ȱ sondernȱ wirdȱ durchȱ dieȱ Vision,ȱ Kulturȱ undȱ Technologieȱ desȱ Unternehmensȱ verkörpert.353ȱ Eineȱ solcheȱ Hypertextorganisationȱ besitztȱdieȱFähigkeitȱzurȱWissensumwandlung,ȱwobeiȱsowohlȱdasȱinterneȱWissenȱderȱ Belegschaft,ȱalsȱauchȱdasȱexterneȱWissenȱderȱKundenȱundȱandererȱUnternehmenȱintegȬ riertȱ werdenȱ kann.ȱ Derȱ Vorteilȱ dieserȱ Organisationȱ bestehtȱ inȱ ihrerȱ Flexibilitätȱ beimȱ Kontextwechsel,ȱwodurchȱdasȱWissenȱdesȱUnternehmensȱkontinuierlichȱausgetauschtȱ undȱgeschaffenȱwerdenȱkann.ȱȱ DieȱProblematikȱdesȱunternehmerischenȱLernensȱwirdȱimȱWeiterenȱdurchȱdieȱBetrachȬ tungȱdesȱWissensȱinȱUnternehmenȱergänzt.ȱȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 352ȱ Nonaka,ȱI,;ȱTakeuchi,ȱH.ȱDieȱOrganisationȱdesȱWissens,ȱS.ȱ191.ȱȱ 353ȱ Vgl.ȱebd.,ȱS.ȱ188Ȭ191.ȱȱ

301ȱ

15.1

15

Lernen und Wissen in Unternehmen

15.2

Wissen in Unternehmen. Probleme und Management

Wissenȱ alsȱ dieȱ wichtigsteȱ Ressourceȱ einesȱ Unternehmensȱ gewinntȱ inȱ derȱ WissensgeȬ sellschaftȱ mehrȱ undȱ mehrȱ anȱ Bedeutung.ȱ Begriffeȱ wieȱ „lernendeȱ Organisation“ȱ undȱ „Wissensmanagement“ȱ prägenȱ sowohlȱ dieȱ Theorieȱ alsȱ auchȱ dieȱ Praxisȱ derȱ UnternehȬ mensführung.ȱ Jedochȱ könnenȱ sogarȱ dieȱ modernenȱ lernfähigenȱ Unternehmenȱ nichtȱ sicherȱsein,ȱdassȱsieȱihreȱkostbareȱRessourceȱWissenȱvollständigȱnutzen.ȱHäufigȱbestehtȱ keineȱ Transparenz,ȱ überȱ welcheȱ Kenntnisseȱ undȱ Fertigkeitenȱ dieȱ Mitarbeiterȱ desȱ UnȬ ternehmensȱ verfügen.ȱ Dieȱ Einstellungȱ „Wissenȱ istȱ Macht“ȱ istȱ immerȱ nochȱ verbreitetȱ undȱ erschwertȱ denȱ Austauschȱ vomȱ Wissenȱ nichtȱ nurȱ zwischenȱ den,ȱ sondernȱ auchȱ innerhalbȱ vonȱ Unternehmen.ȱ Folglichȱ kommenȱ dieȱ Synergieeffekte,ȱ dieȱ zurȱ EntsteȬ hungȱneuenȱWissensȱinȱGruppenȱführenȱkönnen,ȱnichtȱzustande.ȱAuchȱdieȱPhilosophieȱ desȱWissensschaffensȱhatȱsichȱnochȱnichtȱüberallȱdurchgesetzt,ȱwasȱdamitȱzusammenȬ hängt,ȱ dassȱ vieleȱ Unternehmenȱ sichȱ inȱ einerȱ passivenȱ Rolleȱ innerhalbȱ einerȱ GesellȬ schaftȱsehen,ȱanstattȱihreȱeigeneȱWeltȱzuȱschaffen.ȱDasȱbedeutet,ȱdassȱjedesȱUnternehȬ menȱbeträchtlicheȱungenutzteȱWissensreservenȱhat,ȱdieȱesȱzuȱerschließenȱgilt.ȱImȱWeiȬ terenȱ werdenȱ derȱ Begriffȱ desȱ organisationalenȱ Wissensȱ sowieȱ dieȱ Wissensmanagementtheorienȱ vonȱ Probst/Raub/Romhardtȱ undȱ Nonaka/Takeuchiȱ erȬ läutert.ȱEndeȱdesȱKapitelsȱwirdȱalsȱAnregungȱzurȱDiskussionȱeinȱKonzeptȱdesȱintelliȬ gentenȱUnternehmensȱskizziert.ȱ ȱ

15.2.1

Organisationales Wissen

Alsȱ organisationalesȱ Wissenȱ könnenȱ dieȱ inȱ einemȱ Unternehmenȱ verfügbarenȱ WisȬ senselementeȱ bezeichnetȱ werden,ȱ dieȱ dasȱ Denkenȱ undȱ Handelnȱ desȱ Unternehmensȱ bestimmen.ȱUnternehmenswissenȱwirdȱfürȱdasȱHandelnȱvonȱUnternehmenȱeingesetztȱ undȱ imȱ Prozessȱ desȱ organisationalenȱ Lernensȱ aufrechterhaltenȱ undȱ modifiziert.ȱ Dasȱ Aufrechterhalten,ȱ Verarbeitenȱ undȱ Schaffenȱ vonȱ Unternehmenswissenȱ erfordertȱ eineȱ gezielteȱArbeitȱanȱundȱmitȱdemȱWissen,ȱdieȱalsȱWissensmanagementȱbezeichnetȱwird.ȱȱ NonakaȱundȱTakeuchiȱunterstellenȱanderenȱLerntheorien,ȱsieȱhättenȱsichȱnichtȱmitȱdemȱ Phänomenȱ desȱ Wissensȱ inȱ Unternehmenȱ befasst,ȱ undȱ untersuchenȱ diesesȱ Phänomen.ȱ IhreȱAnalyseȱführtȱzurȱErkenntnis,ȱdassȱdasȱunternehmerischeȱWissenȱsichȱnachȱzweiȱ Kriterienȱklassifiziertȱlässt:ȱnachȱseinerȱZugänglichkeitȱ–ȱinȱexplizitesȱundȱimplizitesȱ–ȱ undȱnachȱseinerȱpersonellerȱBindungȱ–ȱinȱindividuellesȱundȱkollektives.ȱDieȱwestlichenȱ Unternehmen,ȱ soȱ Nonakaȱ undȱ Takeuchi,ȱ fassenȱ dasȱ Wissenȱ traditionellȱ „alsȱ etwasȱ Formales,ȱ Systematischesȱ undȱ somitȱ Explizitesȱ auf.ȱ Explizitesȱ Wissenȱ lässtȱ sichȱ inȱ WortenȱundȱZahlenȱausdrückenȱundȱproblemlosȱmitȱHilfeȱvonȱDaten,ȱwissenschaftliȬ chenȱ Formeln,ȱ festgelegtenȱ Verfahrensweisenȱ oderȱ universellenȱ Prinzipienȱ mitteiȬ

302ȱ

Wissen in Unternehmen. Probleme und Management

len.“354ȱ Japanischeȱ Unternehmenȱ habenȱ einȱ anderesȱ Verständnisȱ vomȱ Wissen,ȱ fürȱ sieȱ sindȱDatenȱundȱZahlenȱnurȱdieȱSpitzeȱdesȱEisbergs.ȱWissenȱistȱhauptsächlichȱimplizit.ȱ „Implizitesȱ Wissenȱ istȱsehrȱ persönlichȱ undȱ entziehtȱ sichȱ demȱ formellenȱAusdruck,ȱ esȱ lässtȱsichȱnurȱschwerȱmitteilen.ȱSubjektiveȱEinsichten,ȱAhnungenȱundȱIntuitionȱfallenȱ inȱ dieseȱ Wissenskategorie.ȱ Darüberȱ hinausȱ istȱ dasȱ impliziteȱ Wissenȱ tiefȱ verankertȱ inȱ derȱ Tätigkeitȱ undȱ derȱ Erfahrungȱ desȱ einzelnenȱ sowieȱ inȱ seinenȱ Idealen,ȱ Wertenȱ undȱ Gefühlen.“355ȱ Dasȱ impliziteȱ Wissenȱ lässtȱ sichȱ nichtȱ käuflichȱ erwerben,ȱ kannȱ nurȱ vonȱ Menschenȱ besessen,ȱ benutztȱ undȱ übertragenȱ werdenȱ (FaceȬtoȬFaceȱ Ȭȱ Kommunikationȱ oderȱPraxisȬAnleitung).ȱDarausȱergebenȱsichȱbesondereȱHandlungsroutinen,ȱsubjektiȬ veȱEinsichtenȱsowieȱIntuitionȱundȱFingerspitzengefühlȱderȱMitarbeiter.ȱȱ Inȱ dieserȱ Fragestellungȱ sindȱ dieȱ Grundproblemeȱ desȱ Wissensȱ inȱ Unternehmenȱ angeȬ deutet:ȱ wieȱ kannȱ manȱ dasȱ impliziteȱ Wissenȱ desȱ Unternehmensȱ bewahren,ȱ effizientȱ nutzenȱ undȱ weiterentwickeln?ȱ R.ȱ Frankenȱ definiertȱ folgendeȱ Hauptformenȱ desȱ WisȬ sensȱinȱUnternehmen:356ȱȱ

„ Strukturiertesȱ Wissen,ȱ d.h.ȱ formalisiertesȱ Wissen,ȱ welchesȱ durchȱ Metawissenȱ fürȱ seineȱNutzungȱvorgeprägtȱistȱ(explizitȱundȱstrukturiert),ȱz.B.ȱDatenbanken,ȱKarteiȬ systeme,ȱausgefüllteȱFormulare.ȱ

„ Unstrukturiertes,ȱ formalisiertesȱ Wissen,ȱ z.B.ȱ alleȱ Dokumente,ȱ KonstruktionszeichȬ nungen,ȱFotosȱ(explizit,ȱaberȱnichtȱstrukturiert).ȱ

„ Personelles,ȱ anȱ dieȱ Individuenȱ gebundenesȱ Wissen,ȱ fürȱ andereȱ zunächstȱ nichtȱ erȬ kennbarȱ undȱ nichtȱ zugänglich,ȱ kannȱ durchȱ Kommunikationȱ weitergegebenȱ werȬ den.ȱ

„ KollektivesȱWissenȱ–ȱistȱentwederȱvonȱallenȱMitgliedernȱdesȱUnternehmensȱgeteilȬ tesȱ (kulturellesȱ Wissen)ȱ oderȱ aufeinanderȱ abgestimmtes,ȱ denȱ Einzelnenȱ nichtȱ verȬ fügbaresȱWissenȱ(institutionalisierte,ȱnichtȱformalȱerfassteȱProzesse).ȱ BesondereȱProblemeȱergebenȱsichȱimȱUnternehmenȱimȱUmgangȱmitȱdenȱzweiȱletztenȱ Formenȱ –ȱ mitȱ demȱ personellenȱ undȱ kollektivenȱ Wissen,ȱ dieȱ implizitenȱ Charakterȱ haȬ benȱundȱdadurchȱschwerȱkommunizierbarȱundȱzugänglichȱsind.ȱ Nonakaȱ undȱ Takeuchiȱ kritisierenȱ denȱ Lernansatzȱ derȱ lernendenȱ Organisationȱ vonȱ P.ȱ Senge,ȱ derȱ dieȱ Lösungȱ desȱ Problemsȱ imȱ „systemischenȱ Denken“ȱ sieht,ȱ umȱ denȱ Blickȱ vonȱdenȱeinzelnenȱTeilenȱaufȱ dasȱGanzeȱzuȱlenken,ȱundȱdamitȱdenȱSchwerpunktȱdesȱ Lernensȱ aufȱ Verstandȱ legt.357ȱ Fürȱ Japanerȱ findetȱ einȱ Lernprozessȱ nurȱ inȱ derȱ Einheitȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 354ȱ Nonaka,ȱI.;ȱTakeuchi,ȱH.ȱDieȱOrganisationȱdesȱWissens,ȱS.ȱ18.ȱ 355ȱ Ebd.,ȱS.ȱ19.ȱ 356ȱ Vgl.ȱFranken,ȱR.;ȱGadatsch,ȱA.ȱ(Hrsg.)ȱIntegriertesȱKnowledgeȱManagement,ȱS.ȱ7.ȱ 357ȱ Nonaka,ȱI.;ȱTakeuchi,ȱH.ȱDieȱOrganisationȱdesȱWissens,ȱS.ȱ20.ȱ

303ȱ

15.2

15

Lernen und Wissen in Unternehmen

KopfȬKörperȱstatt,ȱmanȱmussȱdasȱWissenȱfühlen.ȱ 358ȱDamitȱistȱWissenȱsubjektivȱundȱperȬ sonengebunden.ȱȱ Hatȱ einȱ Unternehmenȱ keineȱ ausreichendeȱ Kenntnisȱ vonȱ denȱ Kompetenzenȱ seinerȱ Mitarbeiter,ȱsoȱzahltȱesȱzweimalȱ–ȱmanȱkauftȱeineȱexterneȱDienstleistung,ȱobwohlȱmanȱ eigeneȱSpezialistenȱhat.ȱEineȱmöglicheȱLösungȱwäreȱes,ȱdieȱSkillsȱallerȱMitarbeiterȱinsȱ Intranetȱ zuȱ stellenȱ undȱ nachȱ Bedarfȱ zuȱ durchsuchen.ȱ Wirdȱ Wissenȱ undȱ Erfahrungenȱ zwischenȱ Unternehmenseinheitenȱ nichtȱ ausgetauscht,ȱ dannȱ mussȱ dasȱ Radȱ zweimalȱ erfundenȱwerden:ȱeineȱAbteilungȱentwickeltȱetwas,ȱwasȱeineȱandereȱbereitsȱfertigȱhat.ȱ Umȱ demȱ vorzubeugen,ȱ sollteȱ manȱ einȱ (digitales)ȱ Archivȱ vonȱ allenȱ Produktenȱ undȱ ProjektenȱinnerhalbȱdesȱUnternehmensȱanlegen,ȱpflegenȱundȱaktivȱbenutzen.ȱScheidenȱ erfahreneȱMitarbeiterȱimȱRahmenȱvonȱKündigungen,ȱArbeitsplatzwechselȱoderȱPensiȬ onierungȱ aus,ȱ soȱ gehtȱ ihrȱ Wissenȱ fürȱ dasȱ Unternehmenȱ verloren.ȱ Eineȱ Umwandlungȱ desȱimplizitenȱWissensȱinȱexplizitesȱ(Prozesseȱdetailliertȱbeschreiben)ȱoderȱLernenȱamȱ Modellȱ vonȱ wertvollenȱ Mitarbeiternȱ könntenȱ alsȱ Beispieleȱ fürȱ Wissenserhaltungȱ imȱ Unternehmenȱ dienen.ȱ Dieȱ kurzȱ skizziertenȱ Problemeȱ undȱ Lösungenȱ zeigenȱ nurȱ dieȱ allgemeineȱ Wissensproblematikȱ inȱ Unternehmen.ȱ Dieȱ Lösungenȱ sollenȱ jedochȱ nichtȱ exemplarischȱ undȱ sporadischȱ sein,ȱ sondernȱ inȱ einȱ Systemȱ desȱ Wissensmanagementsȱ eingebundenȱwerden.ȱ ȱ

15.2.2

Bausteine des Wissensmanagements

DieȱAufgabeȱdesȱWissensmanagementsȱbestehtȱdarin,ȱeinenȱProzessȱderȱorganisationaȬ lenȱ Wissensnutzungȱ undȱ –schaffungȱ inȱ Unternehmenȱ systematischȱ zuȱ gestalten.ȱ Dasȱ vonȱG.ȱProbst,ȱS.ȱRaubȱundȱK.ȱRomhardtȱentwickelteȱModellȱderȱ„BausteineȱdesȱWisȬ sensmanagements“ȱ gliedertȱ diesenȱ Prozessȱ inȱ folgendeȱ Kernelementeȱ (vgl.ȱ folgendeȱ Abbildung):359ȱ 1.

Wissensidentifikationȱ –ȱ Wieȱ schaffeȱ ichȱ mirȱ internȱ undȱ externȱ Transparenzȱ überȱ vorhandenesȱWissen.ȱMaßnahmenȱderȱWissensidentifikationȱbeziehenȱsichȱaufȱ dieȱ Analyseȱ undȱ Beschreibungȱ desȱ Wissensstandesȱ desȱ Unternehmens.ȱ Dieȱ mangelndeȱ Transparenzȱ kannȱ zurȱ Ineffizienz,ȱ unzureichendȱ begründetenȱ EntscheidungenȱundȱDoppelspurigkeitȱführen.ȱ

2.

Wissenserwerbȱ–ȱWelcheȱFähigkeitenȱkaufeȱichȱmirȱexternȱein.ȱEinȱgroßerȱTeilȱdesȱ Wissensbedarfsȱ wirdȱ vonȱ außenstehendenȱ Quellenȱ importiert.ȱ Inȱ denȱ BezieȬ hungenȱzuȱKunden,ȱLieferanten,ȱKonkurrentenȱundȱPartnernȱinȱKooperatioȬ nenȱ bestehtȱ einȱ erheblichesȱ undȱ häufigȱ unausgeschöpftesȱ Potentialȱ desȱ WisȬ senserwerbs.ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 358ȱ Vgl.ȱNonaka,ȱI.;ȱTakeuchi,ȱH.ȱDieȱOrganisationȱdesȱWissens,ȱS.ȱ20.ȱ 359ȱ Vgl.ȱProbst,ȱG.;ȱRaub,ȱS.;ȱRomhardt,ȱK.ȱWissenȱmanagen.ȱ

304ȱ

Wissen in Unternehmen. Probleme und Management

Abb.ȱ71:ȱ

BausteineȱdesȱWissensmanagementsȱnachȱG.ȱProbstȱu.a.360ȱ

Wissensziele

Wissensidentifikation

Feedback

Wissensbewertung

Wissensbewahrung

Wissenserwerb

Wissensnutzung

Wissensentwicklung

Wissens(ver)teilung

ȱ 3.

Wissensentwicklungȱ–ȱWieȱbaueȱichȱeigenesȱWissenȱauf.ȱImȱMittelpunktȱstehtȱdieȱ ProduktionȱvonȱneuenȱFähigkeiten,ȱIdeen,ȱProduktenȱundȱProzessen.ȱNebenȱ derȱklassischenȱVerankerungȱvonȱWissensentwicklungsaktivitätenȱinȱderȱForȬ schungȱundȱEntwicklungȱoderȱderȱMarktforschungȱeinesȱUnternehmensȱkannȱ relevantesȱWissenȱinȱallenȱBereichenȱentstehen.ȱDafürȱsollȱeineȱentsprechendeȱ Unternehmenskulturȱ geschaffenȱ werden,ȱ dieȱ denȱ allgemeinenȱ Umgangȱ mitȱ neuenȱ Ideenȱ undȱ dieȱ Förderungȱ undȱ Nutzungȱ derȱ Kreativitätȱ vonȱ MitarbeiȬ ternȱgestaltet.ȱ

4.

Wissens(ver)teilungȱ –ȱ Wieȱ bringeȱ ichȱ dasȱ Wissenȱ anȱ denȱ richtigenȱ Ort.ȱ Dieȱ (Ver)teilungȱvonȱWissenȱimȱUnternehmenȱistȱeineȱVoraussetzung,ȱumȱisoliertȱ vorhandeneȱ Informationenȱ undȱ Erfahrungenȱ fürȱ dieȱ gesamteȱ Organisationȱ nutzbarȱ zuȱ machen.ȱ Einȱ Prozessȱ derȱ Verbreitungȱ bereitsȱ vorhandenenȱ WisȬ sensȱinnerhalbȱdesȱUnternehmensȱsollȱinȱGangȱgesetztȱwerden.ȱ

5.

Wissensnutzungȱ–ȱWieȱstelleȱichȱdieȱAnwendungȱsicher.ȱDerȱproduktiveȱEinsatzȱ organisationalenȱWissensȱzumȱNutzenȱdesȱUnternehmensȱistȱdasȱeigentlicheȱ Zielȱ desȱ Wissensmanagements.ȱ Mitȱ erfolgreicherȱ Identifikationȱ undȱ (Ver)teilungȱdesȱWissensȱistȱseineȱNutzungȱimȱUnternehmensalltagȱnochȱlanȬ geȱnichtȱsichergestellt.ȱȱ

6.

Wissensbewahrungȱ–ȱWieȱschützeȱichȱmichȱvorȱWissensverlusten.ȱEinmalȱerworȬ beneȱFähigkeitenȱundȱFertigkeitenȱstehenȱnichtȱautomatischȱfürȱdieȱZukunftȱ zurȱ Verfügung.ȱAnȱ derȱ Wissensbewahrungȱ sollȱ systematischȱ gearbeitetȱ werȬ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 360ȱ Probst,ȱG.;ȱRaub,ȱS.;ȱRomhardt,ȱK.ȱWissenȱmanagen,ȱS.ȱ58.ȱ

305ȱ

15.2

15

Lernen und Wissen in Unternehmen

denȱ (Dokumentationȱ vonȱ Erfahrungen,ȱ Vorgängenȱ undȱ Prozessen,ȱ WissensȬ weitergabeȱdurchȱModelllernenȱetc.)361ȱ DieȱdargestelltenȱKernelementeȱbeschreibenȱdieȱoperativenȱProblemeȱimȱUmgangȱmitȱ WissenȱinȱUnternehmen.ȱNichtȱwenigerȱwichtig,ȱalsȱdiesenȱProzessȱaufrechtȱzuȱerhalȬ ten,ȱistȱesȱdasȱorganisationaleȱWissenȱmitȱdenȱZielenȱundȱVisionenȱzuȱverknüpfenȱundȱ dieȱ Lernprozesseȱ zuȱ bewerten.ȱ Deswegenȱ werdenȱ dieȱ Kernelementeȱ desȱ WissensmaȬ nagementsȱdurchȱWissenszieleȱundȱWissensbewertungȱergänzt:ȱ

„ Wissenszieleȱ –ȱ Wieȱ gebeȱ ichȱ meinenȱ Lernanstrengungenȱ eineȱ Richtung.ȱ Normativeȱ Wissenszieleȱ richtenȱ sichȱ aufȱ dieȱ Schaffungȱ einerȱ wissensbewusstenȱ UnternehȬ menskultur.ȱ Strategischeȱ Wissenszieleȱ definierenȱ denȱ zukünftigenȱ KompetenzbeȬ darfȱ desȱ Unternehmens.ȱ Operativeȱ Zieleȱ sorgenȱ fürȱ dieȱ Umsetzungȱ desȱ WissensȬ managements.ȱ

„ Wissensbewertungȱ–ȱWieȱmesseȱichȱdenȱErfolgȱmeinerȱLernprozesse.ȱManȱbrauchtȱMeȬ thodenȱzurȱMessungȱvonȱnormativen,ȱstrategischenȱundȱoperativenȱWissenszielen.ȱ Imȱ Gegensatzȱ zumȱ Finanzmanagementȱ gibtȱ esȱ keineȱ erprobtenȱ standardisiertenȱ Bewertungsmethoden,ȱ deswegenȱ müssenȱ neueȱ nichttraditionelleȱ Methodenȱ beȬ nutztȱwerden.ȱ Derȱ Wissensmanagementansatzȱ vonȱ G.ȱ Probstȱ kannȱ inȱ derȱ Unternehmenspraxisȱ nurȱ begrenztȱgenutztȱwerden:ȱerȱzeigtȱdieȱBausteine,ȱerklärtȱjedochȱnicht,ȱwieȱdieseȱMaßȬ nahmenȱumgesetztȱwerdenȱkönnen.ȱUmȱausȱdiesemȱformalenȱGerüstȱeinȱinȱderȱPraxisȱ funktionierendesȱ Konzeptȱ zuȱ machen,ȱ brauchtȱ manȱ nichtȱ nurȱ eineȱ gezielteȱ GestalȬ tungsarbeit,ȱsondernȱvorȱallemȱdasȱVerständnisȱvonȱdenȱtiefliegendenȱProblemenȱdesȱ WissenȱimȱUnternehmenȱ(explizites/implizitesȱWissen)ȱsowieȱvonȱdenȱZusammenhänȬ genȱzwischenȱdemȱindividuellenȱundȱorganisationalenȱWissen,ȱdieȱinȱderȱTheorieȱvonȱ ProbstȱaußerȱSichtȱbleiben.ȱEinȱweitererȱProblempunktȱistȱdieȱBewertungȱdesȱWissensȱ alsȱ nichtȬmonetäreȱ Größe,ȱ dieȱ nurȱ bedingtȱ quantitativȱ gemessenȱ werdenȱ kann.ȱ Alsȱ InstrumentȱzurȱBewertungȱderȱWissenszieleȱkönnteȱzumȱBeispielȱdieȱBalancedȱScoreȬ cardȱbenutztȱwerden.ȱȱ

15.2.3

Wissensmanagement in der Praxis

FürȱeineȱpraktischeȱUmsetzungȱderȱTheorieȱdesȱWissensmanagementsȱsollenȱinȱeinemȱ UnternehmenȱspezielleȱVoraussetzungenȱfürȱdasȱVerhaltenȱderȱMitarbeiterȱgeschaffenȱ werden,ȱ daȱ ohneȱ freiwilligesȱ Engagementȱ derȱ Menschenȱ keineȱ WissensaustauschȬ,ȱ ȬschaffensȬȱundȱȬnutzungsprozesseȱlaufenȱkönnen.ȱDieseȱVoraussetzungenȱmüssenȱdieȱ Verhaltenskomponentenȱ „sollen“,ȱ „dürfen“,ȱ „können“ȱ undȱ „wollen“ȱ derȱ Mitarbeiterȱ imȱWissensmanagementȱgewährleisten.ȱAlsȱTrägerȱdesȱWissensȱstehenȱdieȱMitarbeiterȱ desȱUnternehmensȱimȱMittelpunktȱdesȱWissensmanagementsȱ–ȱesȱbedarfȱihrerȱBefähiȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 361ȱ Probst,ȱG.;ȱRaub,ȱS.;ȱRomhardt,ȱK.ȱWissenȱmanagen,ȱS.ȱ54Ȭ58.ȱ

306ȱ

Wissen in Unternehmen. Probleme und Management

gung,ȱ Fähigkeitȱ undȱ Bereitschaft,ȱ zuȱ lernen,ȱ Wissenȱ vonȱ anderenȱ anzunehmenȱ sowieȱ eigenesȱ Wissenȱ zuȱ teilen.ȱ Dieȱ weitȱ verbreiteteȱ Unsicherheitȱ undȱ Angst,ȱ durchȱ WisȬ sensweitergabeȱ einenȱ Teilȱ eigenerȱ Machtȱ undȱ Einflussesȱ einzubüßenȱ undȱ somitȱ entȬ behrlichȱ zuȱ werden,ȱ sollenȱ zunächstȱ abgeschaffenȱ werden,ȱ genausoȱ wieȱ derȱ WiderȬ standȱ Neuerungenȱ undȱ Lernprozessenȱ gegenüber,ȱ derȱ ausȱ demȱ gleichemȱ Grundȱ entȬ stehenȱ kann.ȱ Folglichȱ betreffenȱ dieȱ Wissensmanagementmaßnahmenȱ dieȱ Vision,ȱ Strategieȱ undȱ Kulturȱ einesȱ Unternehmensȱ undȱ könnenȱ nichtȱ alsȱ Einzelmaßnahmeȱ geplantȱundȱdurchgeführtȱwerden.ȱ InȱAnlehnungȱanȱNonakaȱundȱTakeuchi362ȱkönnenȱeinzelneȱArbeitsbereicheȱdesȱpraktiȬ schenȱ Wissensmanagementsȱ fürȱ einȱ aufȱ Wissensschaffungȱ ausgerichtetesȱ UnternehȬ men,ȱ dieȱ miteinanderȱ verbundenȱ sindȱ undȱ nurȱ inȱ ihremȱ Zusammenspielȱ zumȱ Erfolgȱ führen,ȱformuliertȱwerdenȱ(vgl.ȱAbbildung):ȱ Abb.ȱ72:ȱ

ArbeitsbereicheȱdesȱpraktischenȱWissensmanagements363ȱ

Rahmenbedingungen: Unternehmenskultur Führungsverhalten

Wissensnetz mit der Außenwelt

Hypertextorganisation einführen

Wissensvision schaffen

Wissensgemeinschaft bilden

Praktisches Wissensmanagement im Unternehmen

Interaktion unterstützen

Middle-updownManagement

Erneuerungen fördern

ȱ

„ EineȱWissensvisionȱschaffen,ȱdieȱmitȱderȱStrategieȱundȱKulturȱdesȱUnternehmensȱ zusammenhängt.ȱDieseȱWissensvisionȱsollȱdenȱMitarbeiternȱeinȱmentalesȱBildȱderȱ Unternehmenszukunftȱ präsentieren,ȱ dieȱ sieȱ lebenȱ undȱ erzeugenȱ werdenȱ (VerhalȬ tenskomponenteȱ „sollen“ȱ inȱ Bezugȱ aufȱ Wissensmanagement).ȱ Dieȱ Wissensvisionȱ dientȱ alsȱ Grundlageȱ fürȱ dieȱ Unternehmensstrategieȱ undȱ Ȭziele.ȱ Eineȱ gemeinsameȱ Wissensvisionȱ hatȱ eineȱ starkeȱ Identifikationȱ derȱ Mitarbeiterȱ zurȱ Folgeȱ undȱ motiȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 362 Vgl.ȱNonaka,ȱI.;ȱTakeuchi,ȱH.ȱDieȱOrganisationȱdesȱWissens,ȱS.ȱ256ȱ–ȱ265.ȱ 363ȱ InȱAnlehnungȱanȱNonaka,ȱI.;ȱTakeuchi,ȱH.ȱDieȱOrganisationȱdesȱWissens.ȱ

307ȱ

15.2

15

Lernen und Wissen in Unternehmen

viertȱ dieseȱ zuȱ hohemȱ persönlichemȱ Engagementȱ (Verhaltenskomponenteȱ „wolȬ len“).ȱSieȱgibtȱderȱAlltagsarbeitȱeineȱBedeutungȱundȱderȱWissenssucheȱeinȱZiel.ȱDieȱ Visionȱsollȱnichtȱzuȱkonkretȱformuliertȱwerden,ȱdannȱgibtȱsieȱ„denȱMitarbeiternȱalȬ lerȱ Ebenenȱ dieȱ Freiheit,ȱ sichȱ eigeneȱ Zieleȱ zuȱ setzenȱ undȱ dieȱ Idealeȱ derȱ Führungȱ selbstverantwortlichȱzuȱdeuten.“364ȱ

„ Eineȱ Wissensgemeinschaftȱ imȱ Unternehmenȱ bilden.ȱ Dieȱ Schaffungȱ vomȱ neuenȱ WissenȱistȱeineȱsubjektiveȱundȱpersönlicheȱTätigkeit,ȱbeiȱderȱindividuelleȱEinsichȬ ten,ȱmentaleȱModelleȱundȱIntuitionȱeineȱwichtigeȱRolleȱspielen.ȱEinȱUnternehmenȱ sollteȱseineȱTalenteȱunterstützenȱundȱpflegen.ȱVerschiedeneȱKreativitätsworkshopsȱ undȱIdeenwerkstättenȱsindȱdabeiȱsehrȱhilfreichȱ(Verhaltenskomponenteȱ„können“).ȱ Vielfältigeȱ Karrierewegeȱ undȱ heterogeneȱ Arbeitsteamsȱ verstärkenȱ interdisziplinäȬ resȱ Denken,ȱ vielfältigeȱ Kompetenzenȱ undȱ Betrachtungsperspektiven.ȱ Auchȱ dieȱ Atmosphäreȱ derȱ Offenheit,ȱ Angstfreiheitȱ (Spielraumȱ fürȱ „sinnvolleȱ Fehlschläge“ȱ schaffen)ȱundȱpositiverȱEinstellungȱzuȱNeuerungenȱistȱfürȱdieȱschöpferischenȱWisȬ sensschaffungsprozesseȱunentbehrlichȱ(Verhaltenskomponenteȱ„dürfen“).ȱȱ

„ Eineȱ wissensaustauschförderndeȱ Interaktionȱ erzeugen.ȱ Derȱ Wissensaustauschȱ inȱ GruppenȱführtȱzurȱWissenserweiterungȱjedesȱEinzelnenȱundȱderȱGruppeȱalsȱGanȬ zes,ȱbedarfȱaberȱeinerȱoffenenȱKommunikationȱundȱgegenseitigenȱVertrauensȱ(vgl.ȱ Kapitelȱ 11.7ȱ „Lernenȱ inȱ Gruppen“).ȱ „Derȱ wesentlicheȱ Prozessȱ derȱ WissensschafȬ fungȱfindetȱstatt,ȱwennȱunsereȱAhnungen,ȱWahrnehmungen,ȱDenkmuster,ȱVorstelȬ lungenȱundȱErfahrungenȱinȱetwasȱMittelbaresȱtransformiertȱundȱinȱsystematischerȱ Spracheȱausgedrücktȱwerden.“365ȱDasȱimpliziteȱWissenȱwirdȱdabeiȱinȱeinemȱDialogȱ insȱexpliziteȱumgewandelt.ȱȱ

„ Erneuerungenȱfördern.ȱNichtȱnurȱneueȱProdukteȱundȱTechnologien,ȱsondernȱauchȱ neueȱ Projektgruppenȱ undȱ Teamsȱ bringenȱ einenȱ frischenȱ Blickȱ undȱ neueȱ BetrachȬ tungsperspektivenȱmitȱsich.ȱDiesesȱPotentialȱsollteȱeinȱUnternehmenȱvielseitigȱnutȬ zenȱ undȱ gezieltȱ fördern.ȱ JederȱAnfangȱ wirdȱ durchȱ Mehrdeutigkeitȱ undȱAlternatiȬ venvielfaltȱcharakterisiert,ȱdieȱsichȱkreativitätsförderndȱauswirken.ȱDieȱBeteiligungȱ vonȱ Nichtexpertenȱ (z.B.ȱ Einsatzȱ vonȱ Psychologenȱ oderȱ Sprachwissenschaftlernȱ inȱ Produktentwicklungsteams)ȱ kannȱ auchȱ sehrȱ hilfsreichȱ sein,ȱ dennȱ sieȱ könnenȱ imȱ GegensatzȱzuȱExpertenȱsogarȱdenȱStatusȱquoȱinȱFrageȱstellen.ȱȱ

„ Dasȱ MiddleȬupȬdownȬManagementȱ praktizieren.ȱAusȱ derȱ Wissensvision,ȱ dieȱ nurȱ allgemeinȱformuliertȱwird,ȱsollenȱTätigkeitsfelderȱundȱProduktkonzepteȱentstehen.ȱ DieȱMitarbeiterȱsollenȱausȱdenȱVisionenȱRealitätȱschaffen.ȱDasȱimpliziteȱWissenȱvonȱ obenȱ (Visionen)ȱ undȱ untenȱ (Erfahrungen,ȱ Fertigkeitenȱ undȱ Intuition)ȱ verschmilztȱ undȱwirdȱzumȱexplizitenȱWissenȱinȱFormȱvonȱneuenȱTechnologien,ȱProduktenȱoderȱ Programmen.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ ȱȱȱȱȱ 364ȱ Nonaka,ȱI.;ȱTakeuchi,ȱH.ȱDieȱOrganisationȱdesȱWissens,ȱS.ȱ258.ȱ 365ȱ Ebd.,ȱS.ȱ260.ȱ

308ȱ

Wissen in Unternehmen. Probleme und Management

„ Eineȱ Hypertextorganisationȱ einführen,ȱ umȱ Vorteileȱ derȱ Hierarchieȱ fürȱ Erwerb,ȱ SammlungȱundȱNutzungȱvorhandenenȱWissensȱundȱVorteileȱderȱbeiȱderȱSchaffungȱ vonȱneuemȱWissenȱzuȱnutzen.ȱDasȱWissenȱausȱdenȱbeidenȱStrukturenȱsollȱklassifiȬ ziertȱundȱinȱdasȱbestehendeȱeingebautȱwerdenȱ–ȱdasȱistȱdieȱAufgabeȱderȱWissensȬ basis.ȱ Esȱ istȱ sehrȱ wichtig,ȱ einenȱ flexiblenȱ Wissensaustauschȱ zwischenȱ Hierarchie,ȱ kreativenȱ Arbeitsgruppenȱ undȱ Wissensbasisȱ zuȱ ermöglichenȱ (z.ȱ B.ȱ durchȱ dieȱ BilȬ dungȱvonȱbereichsübergreifendenȱArbeitsteams,ȱinformelleȱTreffenȱu.ä.).ȱ

„ EinȱWissensnetzȱmitȱderȱAußenweltȱeinrichtenȱimȱSinneȱvonȱOpenȱInnovation.ȱImȱ externenȱ Kontextȱ bedeutetȱ dieȱ Schaffungȱ vonȱ Wissenȱ nichtȱ einfachȱ dieȱ VerarbeiȬ tungȱobjektiverȱInformationenȱüberȱKunden,ȱLieferanten,ȱKonkurrenten,ȱHändler,ȱ GemeindeȱundȱandereȱStakeholder.ȱDasȱWissenȱdieserȱexternenȱInteressengruppenȱ sollȱ vonȱ demȱ Untenehmenȱ erschlossenȱ undȱ benutztȱ werden.ȱ Vonȱ besondererȱ BeȬ deutungȱsindȱdabeiȱdieȱKunden,ȱdieȱinȱdieȱProduktentwicklungȱeingebundenȱundȱ alsȱ Wertschöpferȱ angesehenȱ werdenȱ sollen.ȱ Auchȱ dieȱ Wissenskooperationenȱ mitȱ denȱWettbewerbern,ȱLieferanten,ȱForschungsinstitutenȱundȱHochschulenȱsowieȱgeȬ sellschaftlichenȱOrganisationenȱkönnenȱzurȱWeiterentwicklungȱundȱSchaffungȱvonȱ Wissenȱbeitragen.ȱ Dieȱ erläutertenȱArbeitsbereicheȱ desȱ praktischenȱ Wissensmanagementsȱ sollenȱ alsȱ SysȬ temȱinȱihremȱZusammenspielȱbetrachtetȱwerden,ȱwieȱdieȱobigeȱAbbildungȱzeigt.ȱEinȱinȱ dieȱ unterstützendeȱ Unternehmenskulturȱ undȱ einȱ humanistischesȱ kooperativesȱ FühȬ rungsverhaltenȱeingebettetesȱWissensmanagementsystemȱmitȱdenȱgenanntenȱArbeitsȬ bereichen,ȱ dieȱ gezieltȱ undȱ konsequentȱ gefördertȱ werden,ȱ kannȱ zuȱ einemȱ effizientenȱ Prozessȱ derȱ Wissensschaffungȱ inȱ einemȱ Unternehmenȱ führen.ȱ Imȱ Mittelpunktȱ diesesȱ ProzessesȱstehenȱdieȱMitarbeiterȱdesȱUnternehmens,ȱdieȱdieȱTrägerȱundȱSchöpferȱdesȱ organisationalenȱWissensȱsindȱundȱderenȱindividuellenȱFähigkeitenȱundȱKompetenzenȱ dieȱQuelleȱdesȱunternehmerischenȱErfolgsȱbilden.ȱ DasȱZielȱdesȱWissensmanagementsȱinȱUnternehmenȱistȱeinȱintelligentesȱUnternehmenȱ zuȱschaffen,ȱdasȱseineȱkognitivenȱRessourcenȱ(WissenȱundȱKreativität)ȱlangfristigȱnutȬ zenȱundȱfördernȱundȱaufȱdieserȱBasisȱoptimalȱhandelnȱkann.ȱImȱweiterfolgendenȱKapiȬ telȱ werdenȱ einigeȱAnregungenȱ zumȱ Konzeptȱ einesȱ intelligentenȱ Unternehmensȱ gegeȬ ben.ȱ

15.2.4

Intelligentes Unternehmen

Intelligenzȱ alsȱ allgemeineȱ intellektuelleȱ Leistungsfähigkeitȱ bzw.ȱ alsȱ Fähigkeit,ȱ erfolgȬ reichȱzuȱhandeln,ȱneueȱSituationenȱzuȱbewältigenȱundȱdazuzulernen,ȱistȱfürȱdasȱHanȬ delnȱ einesȱ Unternehmensȱ vonȱ zentralerȱ Bedeutung.ȱ Währendȱ dieȱ Intelligenzȱ einesȱ Individuumsȱ schonȱ langeȱ imȱ Mittelpunktȱ desȱ wissenschaftlichenȱ Interessesȱ steht,ȱ istȱ derȱ Begriffȱ „Unternehmensintelligenz“ȱ kaumȱ systematischȱ beschriebenȱ undȱ nichtȱ einheitlichȱbelegt.ȱFürȱeinȱUnternehmensintelligenzmodellȱkönnenȱdieȱgängigenȱIntelȬ

309ȱ

15.2

15

Lernen und Wissen in Unternehmen

ligenztheorienȱ benutztȱ werden,ȱ wobeiȱ dieȱ Besonderheitenȱ derȱ Wissensverteilungȱ inȱ Unternehmenȱ berücksichtigtȱ werdenȱ sollen.ȱ Nebenȱ derȱ klassischenȱ Intelligenzȱ (vgl.ȱ Kapitelȱ3.1),ȱkommenȱfürȱdieȱAnwendungȱaufȱdieȱHandlungseinheitȱUnternehmenȱdieȱ emotionaleȱ Intelligenzȱ vonȱ D.ȱ Golemanȱ (vgl.ȱ Kapitelȱ 3.2)ȱ undȱ multipleȱ Intelligenzenȱ vonȱH.ȱGardnerȱinȱFrageȱ(vgl.ȱKapitelȱ3.3).ȱ Vergleichtȱ manȱ klassischeȱ Intelligenzdefinitionenȱ undȱ Ȭansätze,ȱ dannȱ habenȱ sieȱ folȬ gendesȱ gemeinsam:ȱ sieȱ betrachtenȱ denȱ Handlungserfolgȱ alsȱ Maßȱ fürȱ Intelligenzȱ undȱ verbindenȱ sieȱ primärȱ mitȱ kognitivenȱ Verarbeitungsprozessen.ȱ Fürȱ dieȱ Analyseȱ derȱ Unternehmensintelligenzȱ istȱ eineȱ Spezifikationȱ dieserȱ kognitivenȱ Prozesse,ȱ dieȱ imȱ WeiterenȱalsȱkognitiveȱIntelligenzȱdesȱUnternehmensȱbezeichnetȱwird,ȱvonȱzentralerȱ Bedeutung.ȱ Amȱ häufigstenȱ werdenȱ inȱ derȱ Literaturȱ folgendeȱ kognitiveȱ Prozesseȱ geȬ nannt:ȱ Informationsaufnahme,ȱ Bewertung,ȱ schlussfolgerndesȱ Denkenȱ (bzw.ȱ Planen,ȱ LösungsȬȱ undȱ Strategieauswahl),ȱ Lernenȱ ausȱ Erfahrung,ȱ Bewältigungȱ neuerȱ SituatioȬ nenȱsowieȱoptimaleȱGestaltungȱderȱUmwelt.ȱȱ Darüberȱ hinausȱ brauchtȱ einȱ Unternehmenȱ alsȱ selbstständigeȱ Handlungseinheit,ȱ dieȱ mitȱ anderenȱ Akteurenȱ derȱ Umweltȱ interagiert,ȱ eineȱ sozialeȱ Intelligenzȱ analogȱ zurȱ emotionalenȱIntelligenzȱvonȱD.ȱGoleman.ȱDieseȱsozialeȱIntelligenzȱwirdȱimȱInnenȬȱundȱ Außenverhältnisȱverstandenȱ–ȱinȱBezugȱaufȱdieȱeigeneȱBelegschaftȱundȱaufȱdieȱrelevanȬ tenȱStakeholder.ȱ DerȱAnsatzȱüberȱmultipleȱIntelligenzenȱvonȱH.ȱGardnerȱzeichnetȱsichȱdurchȱeineȱvielȬ seitige,ȱganzheitlicheȱDarstellungȱvonȱmenschlichenȱKompetenzenȱausȱundȱergänztȱdieȱ klassischeȱ undȱ emotionaleȱ Intelligenzȱ durchȱ räumlicheȱ undȱ körperliche.ȱ Imȱ Fallȱ desȱ Unternehmensȱ wäreȱ analogȱ dazuȱ seineȱ materielleȱ undȱ technologischeȱ Beschaffenheitȱ vonȱBedeutung,ȱdieȱimȱWeiterenȱalsȱtechnologischeȱIntelligenzȱbezeichnetȱwird.ȱ DasȱIntelligenzmodellȱsollteȱdieȱWissensverteilungȱbzw.ȱMehrzahlȱvonȱWissensträgernȱ (nebenȱ Menschenȱ auchȱ Dokumente,ȱ Datenbanken,ȱ Prozesse,ȱ Technik)ȱ sowieȱ dieȱ Nichtübereinstimmungȱ vonȱ WissensȬȱ undȱ Entscheidungsträgernȱ inȱ Unternehmenȱ berücksichtigen.ȱȱUnternehmenȱverfügenȱhäufigȱüberȱeinȱfürȱihrȱHandelnȱnotwendigesȱ Wissen,ȱwendenȱesȱaberȱnichtȱan,ȱdaȱdieȱhandelndeȱEinheitȱvonȱderȱExistenzȱdesȱWisȬ sensȱkeineȱKenntnisȱhat.ȱDieȱIntelligenzȱeinesȱUnternehmensȱwirdȱalsoȱinȱbesonderemȱ Maßeȱ durchȱ dieȱ Wissenslogistikȱ undȱ Wissensverteilungȱ bestimmt.ȱ Dasȱ UnternehȬ menswissenȱ kannȱ Widersprücheȱ enthalten,ȱ dieȱ einerȱ Harmonisierungȱ bedürfenȱ umȱ einȱkonsistentesȱHandelnȱdesȱUnternehmensȱzuȱerreichen.ȱInteressenkonflikte,ȱwiderȬ sprüchlicheȱVorstellungenȱvonȱdenȱeigenenȱMöglichkeitenȱundȱdenȱBedingungenȱderȱ Umweltȱ(desȱMarktes,ȱderȱKonkurrentenȱetc.)ȱverhindernȱnichtȱwieȱbeiȱeinemȱIndiviȬ duumȱ dieȱ Entscheidungsfindungȱ undȱ führenȱ damitȱ nichtȱ zurȱ Handlungsunfähigkeit,ȱ sieȱzerstörenȱjedochȱdieȱIdentitätȱdesȱUnternehmensȱundȱwirkenȱsichȱnegativȱaufȱdieȱ Erreichungȱ gemeinsamerȱ Zieleȱ aus.ȱ Großeȱ Unternehmenȱ mitȱ mehrerenȱ relativȱ selbȬ ständigenȱ Teilbereichenȱ zahlenȱ häufigȱ demselbenȱ Lieferantenȱ ganzȱ unterschiedlicheȱ Preiseȱ fürȱ dessenȱ Produkte.ȱ Zurȱ Unternehmensintelligenzȱ gehörtȱ alsoȱ auchȱ dieȱ HarȬ monisierungȱdesȱWissensȱimȱUnternehmen.ȱȱ 310ȱ

Wissen in Unternehmen. Probleme und Management

Aufgrundȱ dieserȱ Überlegungenȱ kannȱ eineȱ Definitionȱ undȱ einȱ Modellȱ derȱ UnternehȬ mensintelligenzȱentwickeltȱwerden.ȱIntelligenzȱeinesȱUnternehmensȱistȱseineȱkompleȬ xe/globaleȱFähigkeitȱzumȱzukunftsȬȱundȱerfolgsorientiertenȱHandelnȱinȱInteraktionȱmitȱ seinerȱUmweltȱaufȱderȱGrundlageȱvorhandenenȱWissens.ȱ ZuȱdenȱrelevantenȱTeilintelligenzenȱeinesȱUnternehmensȱzählenȱ(vgl.ȱTabelle):ȱȱ

„ kognitiveȱIntelligenzȱ(Wahrnehmungsleistungen,ȱEvaluationsfähigkeit,ȱGedächtnis,ȱ WissenslogistikȱundȱȬharmonisierung,ȱInnovationsȬȱundȱLernfähigkeit);ȱȱ

„ sozialeȱIntelligenzȱ(interne,ȱinȱBezugȱaufȱeigeneȱBelegschaft,ȱundȱexterne,ȱinȱBezugȱ aufȱStakeholderȱundȱdieȱUmwelt)ȱsowieȱȱ

„ technologischeȱ Intelligenzȱ (optimaleȱ räumlichȬtechnischeȱ Beschaffenheitȱ desȱ UnȬ ternehmens).ȱ

Tabelleȱ47:ȱModellȱderȱUnternehmensintelligenzȱ Intelligenz

Fähigkeiten

Umsetzung in Unternehmen

kognitive Intelligenz

effiziente Wahrnehmung von Umwelt, Akteuren und neuen Entwicklungen;

offene Netzwerke, Kundenintegration, Beschwerdenmanagement, Markt-, Trend- und Zukunftsforschung;

Evaluationsfähigkeit (Bewertung und Vergleich von Informationen);

Methoden der strategischen Analyse, effizientes Wissensmanagement;

Gedächtnis (systematische und optimale Speicherung von relevanten Informationen); Wissensaustausch und harmonisierung;

interne Datenbanken und Wissensnetzwerke, breiter Wissensaustausch durch Weblogs, Community, Workshops u.a.

Innovations- und Lernfähigkeit

permanente Weiterbildung und Entwicklung, systematisches Ideen- und Innovationsmanagement; Innovationsfördernde Kultur; Motivation zur Ideenfindung und zum Lernen

intern: Selbstverständnis des Unternehmens, Identifikation;

Visionen, Leitlinien, strategische Ziele und derer breite Kommunikation; Unternehmenskultur;

extern: effizientes Beziehungsmanagement mit Stakeholdern und der Umwelt

gesellschaftliche Verantwortung, Beziehungen zu einzelnen Stakeholdern und der Öffentlichkeit; Umweltleitlinien und standards

intelligente Nutzung des Raums, technischer, finanzieller Mittel

Optimierung und Verbesserung von Prozessen (BVW, KVP u.a.)

soziale Intelligenz

technologische Intelligenz

ȱ

311ȱ

15.2

15

Lernen und Wissen in Unternehmen

WieȱdieȱTabelleȱverdeutlicht,ȱbasiertȱdieȱUnternehmensintelligenzȱalsȱglobaleȱFähigkeitȱ zumȱoptimalenȱHandelnȱaufȱeinerȱganzenȱMengeȱvonȱeinzelnenȱTeilfähigkeiten,ȱdieȱinȱ einerȱWechselbeziehungȱzueinanderȱstehen.ȱInȱderȱPraxisȱkönnenȱdieȱIntelligenzenȱjeȱ nachȱ Unternehmenȱ inȱ verschiedenenȱ Formenȱ realisiertȱ werden.ȱAlleȱ Teilintelligenzenȱ habenȱ einsȱ gemeinsam:ȱ sieȱ werdenȱ aufȱ verschiedeneȱ Akteureȱ imȱ undȱ außerhalbȱ desȱ Unternehmensȱ verteilt,ȱ derenȱ individuelleȱ Intelligenzenȱ (Wissenȱ undȱ Kreativität)ȱ fürȱ dieȱkollektiveȱIntelligenzȱdesȱUnternehmensȱausschlaggebendȱsind.ȱȱ BetrachtenȱwirȱnunȱausführlicherȱeinzelneȱTeilintelligenzenȱundȱdieȱProblematikȱihrerȱ praktischenȱRealisierungȱinȱUnternehmen.ȱ Anȱ denȱ Wahrnehmungsprozessenȱ einesȱ Unternehmensȱ sindȱ verschiedeneȱ Akteureȱ beteiligt.ȱ Aufȱ derȱ einenȱ Seiteȱ sindȱ esȱ Mitarbeiterȱ imȱ Kundendienst,ȱ Einkauf,ȱ PRȬ Abteilungȱ usw.,ȱ dieȱ unmittelbarȱ mitȱ Kunden,ȱ Lieferantenȱ oderȱ mitȱ derȱ Öffentlichkeitȱ inȱ Kontaktȱ tretenȱ undȱ dieȱ Meinungen,ȱ Stimmungenȱ bzw.ȱ Beschwerdenȱ dieserȱ mitbeȬ kommen.ȱ Aufȱ derȱ anderenȱ Seiteȱ sindȱ esȱ spezielleȱ MarktforschungsȬȱ oderȱ ZukunftsȬ trendteams,ȱdieȱsichȱgezieltȱmitȱdenȱEntwicklungenȱundȱTendenzenȱinȱderȱGesellschaftȱ undȱ aufȱ demȱ Marktȱ beschäftigen.ȱ Dieȱ Informationen,ȱ dieȱ imȱ Prozessȱ derȱ WahrnehȬ mungȱgewonnenȱwerden,ȱsollenȱverarbeitetȱundȱfürȱrelevanteȱEntscheidungenȱgenutztȱ werden.ȱȱ Deswegenȱ reichtȱ esȱ nichtȱ aus,ȱ denȱ Wahrnehmungsprozessȱ einzelnerȱ Akteureȱ zuȱ geȬ währleisten.ȱDasȱrelevanteȱWissenȱeinzelnerȱWahrnehmungssubjekteȱsollȱmitȱHilfeȱvonȱ speziellenȱ Methodenȱ bewertetȱ undȱ fürȱ dieȱ Strategieentwicklungȱ undȱ Zielsetzungȱ beȬ nutztȱ werdenȱ (Teilfähigkeitȱ Evaluation).ȱ Darüberȱ hinausȱ sollȱ dasȱ relevanteȱ Wissenȱ gespeichertȱ werden,ȱ sodassȱ einȱ schnellerȱ Zugriffȱ aufȱ dieȱ Informationenȱ fürȱ alleȱ releȬ vantenȱAkteureȱmöglichȱistȱ(TeilfähigkeitȱGedächtnis).ȱȱ DaȱdasȱWissenȱnurȱbegrenztȱformalisiertȱwerdenȱkann,ȱistȱeinȱgroßerȱTeilȱdesȱWissensȱ nurȱinȱdenȱKöpfenȱderȱUnternehmensakteureȱvorhanden.ȱDasȱmachtȱdieȱWissensverȬ teilungȱ undȱ Ȭlogistikȱ besondersȱ problematisch.ȱ Interneȱ Datenbankenȱ undȱ Netzwerkeȱ könnenȱnurȱmitȱdemȱexplizitenȱWissenȱarbeiten,ȱwogegenȱdasȱimpliziteȱWissenȱnurȱinȱ Interaktionenȱausgetauschtȱundȱvermitteltȱwerdenȱkann.ȱDafürȱbrauchtȱmanȱinformelȬ leȱ Communities,ȱ Weblogs,ȱ Workshopsȱ oderȱ andereȱ Kommunikationswege.ȱ Dieseȱ forȬ mellenȱ undȱ informellenȱ Kanäleȱ könnenȱ zugleichȱ zurȱ Harmonisierungȱ desȱ Wissensȱ beitragen,ȱindemȱBegriffe,ȱDefinitionenȱundȱLösungenȱkommuniziertȱundȱabgestimmtȱ werden.ȱ Dieȱ letzteȱ Teilfähigkeitȱ derȱ kognitivenȱ Intelligenzȱ istȱ dieȱ InnovationsȬȱ undȱ LernfähigȬ keitȱ einesȱ Unternehmens.ȱ Sieȱ bildetȱ eineȱ notwendigeȱ Grundlageȱ fürȱ dieȱ langfristigeȱ Erhaltungȱ undȱ Entwicklungȱ derȱ Unternehmensintelligenz.ȱ Auchȱ hierȱ bildenȱ Wissenȱ undȱ Kreativitätȱ einzelnerȱ internerȱ undȱ externerȱAkteureȱ eineȱ notwendige,ȱ aberȱ nichtȱ hinreichendeȱBedingungȱfürȱdieȱInnovationsȬȱundȱLernfähigkeitȱdesȱUnternehmensȱalsȱ Ganzes.ȱNebenȱderȱFörderungȱvonȱindividuellemȱLernenȱundȱderȱKreativitätȱderȱMitȬ arbeiterȱ(z.B.ȱWeiterbildung,ȱspezielleȱWorkshops)ȱbrauchtȱeinȱUnternehmenȱspezielleȱ

312ȱ

Wissen in Unternehmen. Probleme und Management

MethodenȱundȱProgramme,ȱumȱIdeenȱausȱderȱUmweltȱzuȱgewinnenȱundȱeineȱkollektiȬ veȱKreativitätȱzuȱerzeugen.ȱHierȱkannȱeinȱsystematisches,ȱoffenesȱIdeenȬȱundȱInnovatiȬ onsmanagementȱalsȱInstrumentȱeingesetztȱwerden.ȱȱȱ Dieȱ sozialeȱ Intelligenzȱ istȱ fürȱ einȱ Unternehmenȱ ebensoȱ wichtig,ȱ wieȱ fürȱ einȱ IndiviȬ duum.ȱEineȱBelegschaft,ȱdieȱsichȱalsȱeineȱEinheitȱmitȱgemeinsamenȱVisionenȱundȱZieȬ lenȱempfindet,ȱweistȱeineȱhoheȱLeistungsmotivation,ȱIdentifikationȱundȱArbeitszufrieȬ denheitȱauf.ȱAlsȱErfolgsfaktorenȱsindȱVisionen,ȱLeitlinienȱundȱeineȱentwickelteȱUnterȬ nehmenskulturȱzuȱnennen.ȱȱȱ Sozialeȱ Intelligenzȱ imȱ Außenverhältnisȱ bedeutetȱ einȱ gezieltesȱ undȱ konsequentesȱ BeȬ ziehungsmanagementȱinȱBezugȱaufȱalleȱrelevanteȱStakeholderȱdesȱUnternehmens:ȱdasȱ CustomerȱRelationshipȱManagementȱfürȱeineȱlangfristigeȱKundenbindung,ȱMarketingȱ umȱpotenzielleȱKundenȱzuȱaktivenȱKundenȱzuȱmachen,ȱPRȬArbeitȱfürȱdasȱImageȱdesȱ UnternehmensȱinȱderȱÖffentlichkeit,ȱCorporateȱSocialȱResponsibilityȱalsȱgesellschaftliȬ cheȱVerantwortungȱdesȱUnternehmensȱundȱeinȱschonenderȱundȱnachhaltigerȱUmgangȱ mitȱderȱUmwelt,ȱRessourcenȱundȱLebewesen,ȱderȱinȱdenȱLeitlinienȱdesȱUnternehmens,ȱ aberȱ vorȱ allemȱ auchȱ inȱ seinenȱ strategischenȱ undȱ operativenȱ Zielenȱ verankertȱ undȱ imȱ praktischenȱVerhaltenȱumgesetztȱwerdenȱsoll.ȱ AlsȱletzteȱKomponenteȱderȱUnternehmensintelligenzȱwurdeȱdieȱtechnologischeȱIntelliȬ genzȱbeschrieben.ȱDarunterȱkönnenȱeineȱoptimaleȱNutzungȱdesȱRaumes,ȱderȱRessourȬ cenȱundȱdesȱtechnologischenȱKnowȱhow‘sȱverstandenȱwerden.ȱDieȱProzesseȱinȱUnterȬ nehmenȱ unterliegenȱ einerȱ ständigenȱ Optimierungȱ undȱ Verbesserung,ȱ wasȱ normalerȬ weiseȱunterȱBegriffenȱwieȱBVW,ȱKVP,ȱKaizenȱu.a.ȱläuft.ȱWiederumȱstehenȱWissenȱundȱ KreativitätȱeinzelnerȱMitarbeiterȱimȱMittelpunkt,ȱbrauchenȱallerdingsȱeinenȱstrukturelȬ lenȱRahmen.ȱ Ausȱ diesenȱ Erläuterungenȱ wirdȱ deutlich,ȱ dassȱ dieȱ Gestaltungȱ einesȱ intelligentenȱ UnȬ ternehmensȱmehrereȱProzesseȱerfordertȱ(s.ȱfolgendeȱAbbildung):ȱ

„ Identifikation,ȱNutzungȱundȱFörderungȱvonȱindividuellenȱIntelligenzenȱderȱinterȬ nenȱundȱexternenȱUnternehmensakteure;ȱ

„ ZielgerichteteȱWissenswahrnehmung,ȱȱȬaustauschȱundȱȱȬharmonisierung;G „ SchaffungȱgünstigerȱRahmenbedingungenȱfürȱdieȱgenanntenȱProzesse.ȱ EineȱgezielteȱundȱkontinuierlicheȱArbeitȱanȱderȱNutzungȱundȱFörderungȱ vonȱWissenȱ undȱ Kreativitätȱ derȱ Belegschaftȱ sollteȱ durchȱ eineȱ möglichstȱ breiteȱ Integrationȱ desȱ exȬ ternenȱ Wissensȱ erweitertȱ werden,ȱ umȱ dieȱ Intelligenzȱ vonȱ Kunden,ȱ Lieferanten,ȱ WettȬ bewerbernȱ undȱ anderenȱ Stakeholdernȱ effizientȱ zuȱ nutzenȱ (Konzeptȱ „Openȱ InnovatiȬ on“).ȱ Darüberȱ hinausȱ istȱ einȱsystematischesȱ Wissensmanagementȱ (vgl.ȱ Kapitelȱ 15.2.3)ȱ notwendig.ȱ Dieseȱ Prozesseȱ solltenȱ vonȱ optimalenȱ Rahmenbedingungenȱ unterstütztȱ werden:ȱvonȱgemeinsamenȱVisionen,ȱeinerȱinnovationsförderndenȱUnternehmenskulȬ tur,ȱpartnerschaftlicherȱFührung,ȱintensiverȱKommunikationȱundȱIdentifikation.ȱ

313ȱ

15.2

15

Lernen und Wissen in Unternehmen

Abb.ȱ73:ȱ

IntelligentesȱUnternehmenȱȱ Intelligentes Unternehmen

Wissenswahrnehmung, -austausch, -harmonisierung; günstige Rahmenbedingungen

ȱȱȱ

Intelligenzen (Wissen und Kreativität) interner Akteure

Intelligenzen (Wissen und Kreativität) externer Akteure

ȱ

Jedesȱ Unternehmenȱ wirdȱ inȱ einerȱ Wissensgesellschaftȱ mitȱ derȱ Problematikȱ derȱ NutȬ zungȱundȱEntwicklungȱseinerȱverteiltenȱinternerȱundȱexternerȱIntelligenzȱkonfrontiert.ȱ DerȱlangfristigeȱErfolgȱeinesȱUnternehmensȱhängtȱvonȱseinerȱFähigkeitȱab,ȱWissenȱundȱ KreativitätȱderȱBelegschaftȱundȱrelevanterȱStakeholderȱzuȱnutzenȱundȱinȱneueȱProdukȬ teȱundȱProzesseȱumzuwandeln.ȱInȱdiesemȱProzessȱgehtȱjedesȱUnternehmenȱseineȱeigeȬ nenȱWege,ȱundȱdasȱKonzeptȱdesȱintelligentenȱUnternehmensȱkannȱdabeiȱalsȱeineȱAnȬ regungȱ zumȱ Nachdenkenȱ undȱ einerȱ kreativenȱ praktischenȱ Gestaltungȱ verstandenȱ werden.ȱȱȱ Kontrollfragenȱȱ 1. Beschreibenȱ Sieȱ dieȱ Lernebenenȱ innerhalbȱ einesȱ Unternehmens:ȱ individuelle,ȱ GruppenȬȱundȱgesamtorganisatorischeȱEbene.ȱ 2. CharakterisierenȱSieȱdieȱLerntheorieȱvonȱCyertȱundȱMarch.ȱ 3. BeschreibenȱSieȱdenȱlerntheoretischenȱAnsatzȱvonȱArgyrisȱundȱSchönȱundȱdieȱdreiȱ Lerntypen:ȱanpassendes,ȱinnovativesȱundȱlernendesȱLernen.ȱ 4. Erläuternȱ Sieȱ dieȱ Theorieȱ vonȱ P.ȱ Sengeȱ undȱ dieȱ fünfȱ Disziplinen:ȱ Systemdenken,ȱ PersonalȱMastery,ȱmentaleȱModelle,ȱgemeinsameȱVisionenȱundȱTeamlernen.ȱ 5. Charakterisierenȱ Sieȱ dieȱ Wissensmanagementtheorieȱ vonȱ Nonakaȱ undȱ Takeuchi:ȱ WissensschaffungȱstattȱWissensnutzung.ȱȱ 6. Beschreibenȱ Sieȱ dieȱ Phasenȱ derȱ Wissensumwandlung;ȱ Sozialisation,ȱ ExternalisieȬ rung,ȱInternalisierungȱundȱKombination.ȱWieȱentstehtȱdarausȱdieȱWissensspirale?ȱȱ 7. DefinierenȱSieȱdenȱBegriffȱdesȱorganisationalenȱWissensȱundȱseineȱProbleme.ȱ 8. BeschreibenȱSieȱdieȱBausteineȱdesȱWissensmanagementsȱnachȱG.ȱProbst.ȱ 9. Diskutierenȱ Sieȱ dieȱ Möglichkeitenȱ derȱ praktischenȱ Umsetzungȱ desȱ WissensmanaȬ gement.ȱ 10. Charakterisierenȱ Sieȱ dieȱ Intelligenzȱ einesȱ Unternehmensȱ undȱ ihreȱ Komponentenȱ (kognitive,ȱsoziale,ȱundȱtechnologischeȱIntelligenz).ȱ 314ȱ

Literaturverzeichnis

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322ȱ

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AnforderungenȱanȱdieȱFührungsȬ kräfte........................................... 11,ȱ13ȱ

ERGȱMotivationstheorieȱvonȱȱ Alderfer ............................................90ȱ

Arbeitsgruppen ................................. 172ȱ

Ethik,ȱindividuelle ..............................72ȱ

ArtenȱvonȱGruppen .......................... 169ȱ

EthikȱvonȱUnternehmen...................221ȱ

BausteineȱdesȱWissensȬȱ managementsȱnachȱProbstȱu.a..... 304ȱ

EthikȱderȱFührungskräfte.................242ȱ

Bedürfnisfaktorentheorieȱvonȱ McClelland....................................... 94ȱ BedürfnistheorieȱnachȱMaslow ......... 87ȱ Bedürfnisse .......................................... 86ȱ Behaviorismus....................................... 4ȱ betrieblicheȱKommunikation........... 160ȱ Betriebsrat .......................................... 227ȱ BigȱFiveȱderȱPersönlichkeit ................ 28ȱ Charisma ............................................ 274ȱ CorporateȱGovernanceȱKodex......... 226ȱ CorporateȱSocialȱResponsibility...... 234ȱ Deindividuation................................ 170ȱ

EthikȱderȱMitarbeiter ........................243ȱ FlowȱinȱderȱMotivation.......................85ȱ FormenȱdesȱLernens............................61ȱ Führung..............................................253ȱ Führung,ȱinteraktive .........................255ȱ Führung,ȱstrukturelle .......................255ȱ FührungȱimȱWandel....................14,ȱ254ȱ Führungsethik ...................................238ȱ Führungskonzepte ............................265ȱ Führungsleitlinien.....................239,ȱ241ȱ Führungsqualität...............................277ȱ Führungsstil.......................................257ȱ

Demotivation..................................... 113ȱ

Führungsstilkontinuumȱnachȱ Tannenbaum/Schmidtȱ..................257ȱ

DreiȬEbenenȬModellȱderȱ Unternehmenskultur .................... 208ȱ

Führungsstiltypologie ......................261ȱ

dynamischesȱModellȱderȱ Unternehmenskultur .................... 209ȱ Eisbergmodellȱderȱ Unternehmenskultur .................... 207ȱ emotionaleȱIntelligenz.................. 31,ȱ32ȱ „entscheidendeȱvierȱMinuten“ ........ 148ȱ

FünfȱDisziplinenȱderȱlernendenȱ OrganisationȱnachȱSenge..............292ȱ Gedächtnis ......................................38,39ȱ GestaltungȱderȱUnternehmensȬȱ kultur ..............................................216ȱ Gruppe ...............................................169ȱ

Stichwortverzeichnis

Gruppenentwicklungsphasen......... 179ȱ

Interaktion..........................................126ȱ

Gruppenkohäsion ............................. 174ȱ

Jobȱenlargement.................................108ȱ

Gruppenleistung ....................... 174,ȱ181ȱ

Jobȱenrichment...................................108ȱ

Gruppenleiter .................................... 193ȱ

Jobȱrotation.........................................107ȱ

Gruppenlernen.................................. 190ȱ

Kognitivismus .......................................7ȱ

Gruppennormen ............................... 174ȱ

Kommunikation ........................140,ȱ142ȱ

Gruppenrollen................................... 182ȱ

Kommunikation,ȱbetriebliche..........160ȱ

Habituation.......................................... 61ȱ

Kommunikation,ȱnonverbale...........143ȱ

Handeln,ȱindividuelles....................... 67ȱ

Kommunikation,ȱverbale .................143ȱ

HandelnȱvonȱUnternehmen............. 199ȱ

Kommunikationsmedienȱinȱ Unternehmen.................................161ȱ

Handeln,ȱModell ................................. 67ȱ Handeln,ȱPhasen ................................. 76ȱ HandlungseinheitȱUnternehmen .... 199ȱ Handlungssteuerung,ȱindividuelle .. 69ȱ HygienefaktorenȱnachȱHerzberg ...... 92ȱ Hypertextorganisationȱfürȱdieȱ Wissensschaffung ......................... 301ȱ Identifikation ..................................... 117ȱ Identifikationsförderung.................. 117ȱ individuellesȱLernen........................... 59ȱ IntelligentesȱUnternehmen .............. 309ȱ Intelligenz ...................................... 26,ȱ27ȱ Intelligenz,ȱemotionale................. 31,ȱ32ȱ Intelligenz,ȱfluide ................................ 29ȱ Intelligenz,ȱkristalline......................... 29ȱ Intelligenz,ȱmultiple ........................... 33ȱ IntelligenzquotientȱIQ ........................ 27ȱ Intelligenzstrukturmodellȱnachȱ Guilford............................................ 30ȱ

324ȱ

Kommunikationsquadratȱnachȱȱ SchulzȱvonȱThun............................149ȱ Kommunikationstheorien ................149ȱ kommunikativeȱVerständigung ......143ȱ KompetenzprofilȱeinerȱFührungsȬȱ kraft...................................................13ȱ Konditionieren.....................................61ȱ KonflikteȱinȱGruppen .......................186ȱ Konfliktlösungsstrategien................189ȱ Konstruktivismus..................................9ȱ Kontrolle.............................................111ȱ Kooperation .......................................132ȱ Kooperationstrends ..........................130ȱ Körpersprache ...................................144ȱ Kritikgespräch ...................................111ȱ KunstȱderȱFührung .............................15ȱ Leistungsdeterminantenkonzeptȱ ȱvonȱBerthel ....................................104ȱ Lernen,ȱindividuelles..........................59ȱ

Stichwortverzeichnis

Lernen,ȱorganisationales .................. 287ȱ

organisationalesȱLernen ...................287ȱ

LernenȱamȱErfolg ................................ 61ȱ

organisationalesȱWissen ...................302ȱ

LernenȱamȱModell............................... 62ȱ

paraverbaleȱMittel.............................143ȱ

LernenȱdurchȱEinsicht ........................ 62ȱ

Person ...................................................18ȱ

LernenȱdurchȱTraditionsbildung....... 61ȱ

Persönlichkeit ................................18,ȱ19ȱ

LernenȱdurchȱVersuchȱundȱIrrtum ... 71ȱ

Personalentwicklungȱinȱderȱ Motivation......................................120ȱ

LernendesȱUnternehmen ................. 292ȱ LerntheorieȱvonȱArgyrisȱundȱȱ Schön .............................................. 290ȱ

Persönlichkeitsentwicklung.............121ȱ PhasenȱdesȱHandelns..........................76ȱ

Macht.................................................. 236ȱ

polareȱKonzeptȱvonȱMcGregor........248ȱ

Machttypologie ................................. 236ȱ

ProfilȱderȱfundamentalenȱMotiveȱȱ nachȱReissȱ........................................95ȱ

ManagementȱbyȱObjectives ............. 267ȱ ManagerialȱGridȱnachȱBlake/ȱ Mouton........................................... 259ȱ Menschenbilder......................... 248,ȱ251ȱ MenschentypenȱnachȱSchein ........... 249ȱ MentaleȬMusterȬAnsatz ............... 46,ȱ49ȱ Mitarbeitergespräch ......................... 164ȱ ModellȱderȱPsycheȱnachȱRoth............ 21ȱ Motiv .................................................... 81ȱ Motivation............................................ 79ȱ Motivation,ȱextrinsische..................... 83ȱ Motivation,ȱganzheitliche .................. 80ȱ Motivation,ȱintrinsische ..................... 83ȱ MotivationȱdurchȱKontrolle............. 111ȱ Motivationstheorien ........................... 86ȱ

QualitätȱderȱFührung................277,ȱ280ȱ Raumverhalten ..................................147ȱ RestrukturierungȱdesȱArbeitsȬȱ prozesses ........................................107ȱ RubikonȬModellȱdesȱHandelns .........77ȱ selektiveȱAufmerksamkeit .................44ȱ selfȬfulfillingȬprophecyȱEffekt .........250ȱ SicherungȱderȱFührungsqualität .....284ȱ situativeȱFührung..............................265ȱ sozialeȱKompetenzen..........................13ȱ StabilitätstheseȱdesȱWissens...............51ȱ Stakeholder ........................................232ȱ SynergieeffektȱinȱderȱGruppe ..........177ȱ Team....................................................175ȱ Teamarbeit..................................177,ȱ178ȱ

Motivationtheorien,ȱInhaltȬȱȱ UrsacheȬ ........................................... 86ȱ

Temperamentstypen .....................20,ȱ22ȱ

Motivationstheorien,ȱProzessȬ........... 97ȱ

ThemenzentrierteȱInteraktionȱTZI ..183ȱ

nonverbaleȱKommunikation ........... 143ȱ

325ȱ

Stichwortverzeichnis

TheorieȱderȱlernendenȱOrganisaȬȱ tionȱȈDieȱ5.ȱDisziplinȈȱvonȱSenge 292ȱ

VierȱAspekteȱeinerȱNachrichtȱnachȱ SchulzȱvonȱThun............................149ȱ

TheorieȱderȱmultiplenȱIntelligenzenȱ nachȱGardner................................... 33ȱ

VIE–Motivationstheorieȱvonȱȱ Vroom ...............................................97ȱ

TheorieȱmoralischerȱEntwicklungȱȱ vonȱKohlberg ................................... 74ȱ

VisuelleȱWahrnehmung......................40ȱ

transaktionaleȱFührung.................... 267ȱ Transaktionsanalyseȱinȱderȱ Kommunikation ............................ 153ȱ transformationaleȱ(werteorienȬȱ tierte)ȱFührung .............................. 277ȱ transformationalȬȱcharismatischesȱȱ Führungskonzept.......................... 273ȱ TypologieȱderȱMacht......................... 236ȱ Umweltbwusstsein ........................... 231ȱ Unternehmen..................................... 199ȱ Unternehmensethik .......................... 221ȱ Unternehmensethik,ȱInstrumente... 226ȱ Unternehmenskultur ................ 203,ȱ204ȱ Unternehmenskultur,ȱAnalyse ........ 213ȱ Unternehmenskultur,ȱGestaltung ... 216ȱ

Wahrnehmung.....................................36ȱ werteorientierteȱFührung.................271ȱ Wertewandel......................................247ȱ Wissen,ȱbeschreibendes......................51ȱ Wissen,ȱemotionales ...........................52ȱ Wissen,ȱexplizites ................................54ȱ Wissen,ȱformalisiertes.........................56ȱ Wissen,ȱimplizites ...............................54ȱ Wissen,ȱprozessuales ..........................52ȱ Wissensdimensionen ..........................56ȱ Wissensformen ....................................51ȱ WissenȱinȱUnternehmen...................302ȱ Wissensmanagement ........................302ȱ WissensmanagementȱinȱderȱPraxis ȱ306ȱ

Unternehmenskultur,ȱWirkungen .. 211ȱ

Wissensmanagementtheorieȱvonȱ NonakaȱundȱTakeuchi ..................295ȱ

Unternehmenskulturmodelle.......... 205ȱ

Wissensrepräsentation .................46,ȱ49ȱ

Unternehmensleitbilder ................... 217ȱ

Wissensspirale ...........................297,ȱ298ȱ

Unternehmensverantwortung......... 224ȱ

Wissensumwandlungȱinȱȱ Unternehmen.................................296ȱ

variableȱEntgeltsysteme ................... 106ȱ verbaleȱKommunikation .................. 143ȱ Verhaltenswissenschaft ........................ 3ȱ Vertrauen ........................................... 134ȱ Vertrauensarten................................. 135ȱ

326ȱ

zielorientierteȱFührung ....................267ȱ ZieltheorieȱvonȱLocke .......................102ȱ ZirkulationsmodellȱvonȱPorter/ȱ Lawler.............................................100ȱ ZweiȬFaktorenȬTheorieȱvonȱȱ Herzberg...........................................92ȱ

Autorin

Dr.ȱrer.ȱoec.ȱSwetlanaȱFranken,ȱJahrgangȱ1961,ȱwurdeȱinȱ Russlandȱ geboren,ȱ studierteȱ WirtschaftsȬȱ undȱ Ingenieurwissenschaften.ȱ Nachȱ einigenȱ Jahrenȱ beȬ ruflicherȱ Praxisȱ inȱ großenȱ undȱ kleinerenȱ Unternehmenȱ währendȱ derȱ Transformationszeitȱ inȱ Russlandȱ promovierteȱ sieȱ zumȱ Doktorȱ derȱ WirtschaftswissenȬ schaftenȱ undȱ warȱ alsȱ Professorinȱ ȱ fürȱ BWL,ȱ insbesondereȱOrganisationȱundȱFührungȱanȱderȱStaatliȬ chenȱ Technischenȱ Universitätȱ zuȱ Nishnijȱ Nowgorodȱ sowieȱ alsȱ stellvertretendeȱ Dekaninȱ derȱ Fakultätȱ fürȱ Wirtschaftswissenschaftenȱtätig.ȱȱȱ Seitȱ1997ȱlebtȱSwetlanaȱFrankenȱinȱKölnȱundȱlehrtȱanȱderȱFHȱKölnȱinȱdenȱFächernȱFühȬ rungȱundȱInterkulturellesȱManagementȱimȱHauptstudiumȱsowieȱInnovationsmanageȬ mentȱ imȱ Schwerpunktȱ Generalȱ Management.ȱ Dieseȱ Tätigkeitȱ wirdȱ durchȱ Forschungȱ undȱPraxisprojekteȱmitȱUnternehmenȱderȱRegionȱaufȱdenȱGebietenȱIdeenmanagement,ȱ UnternehmenskulturȱundȱInterkulturellesȱManagementȱergänzt.ȱDieȱErfahrungenȱausȱ derȱ Unternehmenspraxis,ȱ internationalenȱ Projektenȱ undȱ Seminarenȱ mitȱ Managernȱ kommenȱinȱverschiedenenȱFachpublikationenȱzumȱAusdruck.ȱ